Methodisten: Name – Deutung – Wirkung – Gestaltung: Eine kontinentaleuropäische Perspektive [1 ed.] 9783737011822, 9783847111825

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Methodisten: Name – Deutung – Wirkung – Gestaltung: Eine kontinentaleuropäische Perspektive [1 ed.]
 9783737011822, 9783847111825

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Kirche – Konfession – Religion

Band 77

Herausgegeben vom Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes unter Mitarbeit der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen von Dagmar Heller in Verbindung mit Andreas Feldtkeller, Kai Funkschmidt, Miriam Rose und Gury Schneider-Ludorff

Karl Heinz Voigt

Methodisten: Name – Deutung – Wirkung – Gestaltung Eine kontinentaleuropäische Perspektive

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber https://dnb.de abrufbar.  2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Gçttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Das historische Krameramtshaus (Gewerbehaus) in Bremen war Ausgangspunkt der methodistischen Kirche auf dem europ Ðischen Kontinent. [Staatsarchiv Bremen, 10,B-Kartei-00079: Gewerbehaus, Reproduktion einer Lithografie von Friedrich Wilhelm Kohl, um 1861.] Vandenhoeck & Ruprecht Verlage j www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-1507 ISBN 978-3-7370-1182-2

Walter Klaiber (17. 04. 1940) und Manfred Marquardt (18. 05. 1940) zu ihren 80. Geburtstagen mit Dank und Respekt für ihre Lebensleistung

»Die Nachrichten, welche man in Deutschland von den sogenannten Methodisten hat, sind so mangelhaft, so verschieden, und zum Theil so unbegründet, daß ich es für meine Pflicht halte, die Geschichte derselben aus glaubwürdigen Quellen, nach ihrem ganzen Umfange und in möglichster Vollkommenheit zu beschreiben. Ich habe mich oft über die Kühnheit gewundert, mit welcher man über diese Secte urtheilt, ohne sie genau zu kennen; und die wunderlichen Vorstellungen, die man sich von ihr macht, haben ihren Ursprung in der Unwißenheit derer, welche davon schrieben und sprachen, und in der Täuschung derer, welche ohne weitere Untersuchung solchen Urtheilen oder Gerüchten glaubten. Gleichwol betrift die Sache nichts geringeres, als die Geschichte des Christenthums auf einem sehr beträchtlichen Theile des Erdbodens beinahe durch ein halbes Jahrhundert, und man würde in der Kirchengeschichte unserer Zeiten künftig einen sehr wesentlichen Punkt vermißen, wenn man nicht hinlänglich mit den Schicksalen und Begebenheiten der Methodisten in England bekannt gemacht würde.« Johann Gottlieb Burckhardt, Pfarrer der deutsch-lutherischen Savoy-Kirche in London von 1781–1800.

»Man leitet ihren Namen von der Methode zur Seligkeit zu gelangen her, welche die Stifter gefunden zu haben glauben.« Allgemeines Kirchen-Lexikon, herausgegeben von Joseph Aschbach, Mainz 1850, 4. Band, S. 231.

Inhalt

Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil 1: Der Name Methodisten. Einführung in den vierfachen kirchlichen Gebrauch von »Methodisten«, »Methodismus« und »methodistisch« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 »Katholische Methodisten« in der Gegenreformation (16. und 17. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 »Pietistische Methodisten« im kontinentalen Europa (17. und 18. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Aus »Methodists« wurde »People called Methodists« (18. und 19. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 »Methodismus« – ein Frömmigkeitstyp außerhalb der methodistischen Kirchen (19. und 20. Jahrhundert) . . . . . . Teil 2: Deutungen des Namens Methodisten . . . . . . . . . . . . . 2.1 Evangelisch-landeskirchliche Theologen . . . . . . . . . . . 2.1.1 Das in Deutschland vermittelte Methodismusbild . . . 2.1.2 1840: Friedrich Wyneken (1810–1876) – ein ausgewanderter Konfessionalist . . . . . . . . . . 2.1.3 1845: Karl Graul (1814–1864) Leipzig – Erlangen . . . 2.1.4 1863: Matthias Schneckenburger (1804–1848) – Bern 2.1.5 1877: Christian Palmer (1811–1875) – Tübingen . . . 2.1.6 1877: Gustav Leopold Plitt (1836–1880) – Erlangen . . 2.1.7 1879: Johann Peter Lange (1802–1884) – Bonn . . . . 2.1.8 1882: Theodor Christlieb (1833–1889) – Bonn . . . . 2.1.9 1886: Theodor Kolde (1850–1913) – Erlangen . . . . . 2.1.10 1892: Johann Jakob Herzog (1805–1882) – Erlangen . 2.1.11 1902: Friedrich Loofs (1858–1928) – Halle . . . . . .

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Inhalt

2.1.12 1909: Ferdinand Kattenbusch (1851–1935) – Halle . . . . . 2.1.13 Eine offene Frage zur Auswahl der Literatur . . . . . . . . . Kleinschriften zur methodistischen Frage . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 1854: F. Karl Matthes (1811–1865) – Bornsheim bei Gößnitz, Sachsen-Altenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 1867: Gottlob Friedrich Nast (1802–1878) – Neuhausen/Württb. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 1868: Valentin Strebel (1801–1883) – Roßwag/Vaihingen Enz, Württb. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 1876: Theodor Geß (1829–1905) – Ludwigsburg, Württb. . 2.2.5 1888: Johann Wilhelm Siegmund Rohnert (1837–1908) – Waldenburg/Schlesien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 1894: Arthur von Broecker (1846–1915) – Hamburg . . . . 2.2.7 1907: Ernst Kalb (1873–1908)/Friedrich von Braun (1850–1904)/Otto Meyer (1870–1917) – Stuttgart . . . . . . Stellungnahmen von Konsistorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 1860: Ausschreiben des württembergischen Konsistoriums und der Synode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 1867: Eine andere Sicht in Brandenburg . . . . . . . . . . . Blicke in die Lehrbücher von Johann Wilhelm Kurtz (1809–1890) – Dorpat, Marburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stimmen aus der römisch-katholischen Kirche . . . . . . . . . . . 2.5.1 1834: Johann Adam Möhler (1796–1838) – Tübingen . . . . 2.5.2 1858: Joseph Edmund Jörg (1819–1901) – Trausnitz bei Landshut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5.3 1923: Konrad Algermissen (1889–1964) – Hildesheim . . . Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwirrung durch den Kirchennamen und die Frömmigkeitspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Teil 3: Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen . . . . . . . . . . Einführung: Das Aufeinandertreffen von zwei Kirchenkulturen . 3.1 Probleme unterschiedlicher kirchenkultureller Kontexte . . . 3.2 Zur Vorgeschichte in Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Die Evangelische Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Die Bischöfliche Methodistenkirche – deutscher Zweig 3.2.3 Die Kirche der Vereinigten Brüder in Christo . . . . . 3.3 Das Kommen der methodistischen Kirchen aufs europäische Festland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Von New York nach Bremen – der Anfang der bischöflichen Methodisten in der Hansestadt . . . . .

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Inhalt

3.4 Württemberg wird Schwerpunkt von drei methodistischen Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Die Wesleyanische Methodistengemeinschaft (1831) . . . . 3.4.2 Die Evangelische Gemeinschaft (1850) . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Die Bischöfliche Methodistenkirche (1850) . . . . . . . . . 3.5 Das Pietisten-Reskript von 1743 und die Methodisten . . . . . . . 3.6 Württembergische Kirchenkultur und internationale Blicke auf die Methodisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Die Wende – unterschiedliche Wege von der Gemeinschaft zu verfassten Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.1 Die ›Evangelische Gemeinschaft‹: Von der Missionsgemeinschaft zur autonomen Kirche (1863/1865) . 3.7.2 Die ›Bischöfliche Methodistenkirche‹ – Ein Eklat in Heilbronn? (1864) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.3 Die ›Wesleyanische Methodistengemeinschaft‹ (1872) . . . 3.8 Eingeschränkte bürgerliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9 Erlasse zum Auftreten methodistischer Sendboten . . . . . . . . . 3.10 Die Abendmahlsfrage auf den ›Eisenacher Konferenzen‹ 1855 und 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.11 Die Methodisten in Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.12 Die Methodisten im Fürstentum Reuß ältere Linie . . . . . . . . . 3.13 Ein kurzer Blick ins Großherzogtum Sachsen-Weimar . . . . . . . 3.14 Die sächsisch-thüringischen Staaten und Württemberg im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.15 Zwischenbilanz: Methodisten – Wirkungen von Namen und Frömmigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil 4: Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt . . . . . . 4.1 Lutheraner – Calvinisten – Kongregationalisten – Methodisten . 4.2 Anfänge methodistischer Organisation und methodistischen Kirchenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Der plurale Kontext des kirchlichen Lebens in Deutschland . . . 4.4 Gestalt, Rolle und Bedeutung der »Jährlichen Konferenz« . . . . 4.5 Die »Jährliche Konferenz« – zentraler ekklesiologischer Baustein 4.5.1 Die verfassungsrechtlichen Grundlagen und der europäische Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Anpassungen an die europäische, staatskirchlich geprägte Kirchenkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.3 Die Organisation des innerkirchlichen Lebens durch die Jährliche Konferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

206 206 215 229 242 247 249 249 256 271 277 281 299 307 323 328 331 333

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Inhalt

4.5.4 Der Kampf um eine staatliche Anerkennung in der Vielfalt deutscher Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Das Ringen um einen öffentlich-rechtlichen Status . . . . . . . . . 4.7 Mit Charisma ausgestattet – zum missionarischen Prediger ausgebildet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Reichtum und Grenzen des Laiendienstes in der Geschichte . . . . 4.9 Diakonisches Wirken als Teil der Mission . . . . . . . . . . . . . . 4.10 Methodisten waren von Anfang an ökumenisch . . . . . . . . . .

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Teil 5: Ausblick und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Ein Blick in die Gegenwart und die Zukunft . . . . . . . . . . . . 5.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Viele neue Einsichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Kirche als Gemeinschaft von Glaubenden und Suchenden . 5.2.3 Die Hauptsache: Ein ekklesiologischer Paradigmenwechsel 5.2.4 Paradigmenwechsel – Der Berufung treu bleiben . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Geleitwort

Die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland (EmK) gehört zu den größeren der rund 20 »Freikirchen«, die jedoch insgesamt im Vergleich zu den 20 evangelischen Landeskirchen bis heute zahlenmäßig insgesamt eine Minderheit darstellen. Weltweit zeigt die Statistik ein anderes Bild: Wie zum Lutherischen Weltbund (LWB) gehören auch etwa 75 Millionen Christen zu den 80 Kirchen, die im Weltrat Methodistischer Kirchen/World Methodist Council (WMC) zusammenarbeiten. Es war ein langer und steiniger Weg, den auch die Methodisten hierzulande im langen 19. Jahrhundert bewältigen mussten, um nicht mehr als »Sekte« gesellschaftlich an den Rand gedrängt und kirchlich diskriminiert zu werden. Und das passierte unter rechtlich unterschiedlichen Rahmenbedingungen einhundert Jahre lang. Der Beginn der ökumenischen Bewegung, deren verschiedene Zweige kurz vor und nach dem Ersten Weltkrieg entstanden, machte zwar durch persönliche Kontakte das ökumenische Engagement der Methodisten und deren Wurzeln in der Reformation des 16. Jahrhunderts bekannt. Aber für den überwiegend deutsch-national ausgerichteten landeskirchlichen Protestantismus blieben ökumenische Themen und Forderungen letztlich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs fremd. Selbst die Umsetzung der 1919 mit der Weimarer Verfassung endlich errungenen Religionsfreiheit, die für alle Religionsgesellschaften galt, konnte weitere Benachteiligungen der Freikirchen nicht verhindern: So wurde in mehreren deutschen Ländern die Zuerkennung der Körperschaftsrechte sehr erschwert. Ein ökumenischer Durchbruch wurde erst 1948 mit der Gründung der »Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland« (ACK) erreicht. Denn daran waren – wie auch bei der Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) im gleichen Jahr – mehrere Freikirchen als Gründungsmitglieder beteiligt. So wuchs ein theologisches Interesse am Methodismus seitens der EKD und ihrer Landeskirchen wie später auch seitens der römisch-katholischen Kirche. Zwei Meilensteine für die innerevangelische Ökumene in Deutschland und schließlich für das Zusammenwachsen des Protestantismus in Europa dürfen

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Geleitwort

nicht in Vergessenheit geraten: Die Erklärung der vollen Kirchengemeinschaft (Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft) zwischen der EmK und der EKD 1987 und schließlich der Beitritt der methodistischen Kirchen in Europa zur Leuenberger Kirchengemeinschaft (heute GEKE) im Jahr 1997. Neben vielen neuen mir unbekannten Personen und theologischen Zusammenhängen in der Frühgeschichte des Methodismus fasziniert mich der von Karl Heinz Voigt in den Abschnitten 3 und 4 verwendete (oder sogar von ihm geprägte) Terminus unterschiedlicher »Kirchenkulturen«. Damit erklärt er anhand der Vorgeschichte dreier methodistischer Kirchen in Nordamerika (der »Evangelischen Gemeinschaft«, der »Bischöflichen Methodistenkirche« und der »Kirche der vereinigten Brüder in Christo«) und deren Start ihrer für den Methodismus zentralen Missionsarbeit in verschiedenen deutschen Ländern und Städten, warum diese hierzulande auf so starken Widerstand stießen. Die methodistischen Missionare aus der Neuen Welt kamen aus einer ganz anders kirchenkulturell geprägten Gesellschaft als sie in Deutschland sich seit der Reformation entwickelt hatte. Die mühsam erkämpfte volle Religionsfreiheit war verbunden mit individueller Glaubensfreiheit. Deren Konsequenz war sich in Glaubens- und Kirchenfragen entscheiden zu dürfen und oft auch zu müssen, was Auswirkungen für alle Lebensbereiche hatte. Dieses Gemeinde- und Kirchenverständnis ging von der gleichberechtigten Existenz verschiedener »Denominationen« aus. Diese Kirchenkultur wurde nun konfrontiert mit einem staatskirchlichen Selbstverständnis, das umfassende Abwehrmaßnahmen zur Abgrenzung ergriff, um das eigene »Hausrecht« und die kirchliche Ordnung konfessionsgebundener Kirchen zu erhalten. Spannend schildert der Verfasser, wie unterschiedlich darauf die lutherischen Landeskirchen in Württemberg und Sachsen reagierten. Wurden im Schwäbischen bei Interesse an methodistischen Versammlungen die Landeskirchlicher als aus ihrer Kirche ausgeschieden behandelt, lud die sächsische Landeskirche – wie sie meinte zu ihrem Schutz – den methodistischen Predigern die Verantwortung zu, die nur ausgetretene Lutheraner (zu ihren Versammlungen) zulassen durften. Es gab hier wie dort aber ein rasches und starkes Wachstum der methodistischen Bewegung. Wir stehen heute ratlos vor einer solch antiökumenischen Gemengelage und sind dankbar zu sehen, wie sich mit Hilfe der Ökumene seit 70 Jahren und dem Wirken des Heiligen Geistes hier neue Wege geebnet haben. Karl Heinz Voigt hat zu vielen damit verbundenen und bis heute aktuellen ökumenischen Herausforderungen seit Jahrzehnten einen unverkennbaren und beachtlichen Beitrag als methodistischer Theologe geleistet. Wir kennen uns seit nunmehr 35 Jahren und ich habe immer bewundert, welche Forschungen er zur Geschichte der Freikirchen und der Ökumene in Deutschland und weltweit vorgelegt hat. Dass er selbst in dieser renommierten Buchreihe nach vier wichtigen

Geleitwort

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Bänden nun noch diese Schneise in das missionarische und ökumenische Selbstverständnis seiner evangelisch-methodistischen Kirche schlagen konnte, verdient aus konfessionskundlicher Sicht höchste Anerkennung. Dr. theol. Walter Fleischmann-Bisten M.A. Ehem. Direktor des Konfessionskundlichen Instituts des Evangelischen Bundes in Bensheim Bensheim, Ostern 2020

Einführung

Dieses ist keine Geschichte der Methodisten, wie man sie sich in Kapiteln über die verschiedenen Perioden in einem organischen Aufbau vorstellt. Dafür gibt es noch nicht genügend Vorarbeiten. Es ist auch kein Übersichtswerk über die methodistischen Kirchen. Das gibt es bereits. Walter Klaiber hat es im Jahr 2011 in der Reihe der Bensheimer Hefte herausgegeben. Als Bischof der methodistischen Kirche hatte er genügend Kontakte, um qualifizierte Theologen und Historiker in der ganzen Welt als Autoren zu gewinnen, deren Beiträge er eingefordert, zusammengefügt und herausgegeben hat. Teil 1 dieser Studie stellt erstmals die im kirchlichen Leben des deutschsprachigen Europa zu verschiedenen Zeiten vierfach unterschiedliche Bedeutung der Wortfamilie ›Methodisten‹ vor. Deren Kenntnis ist für Leser historischer Texte wichtig, weil sie hilft, Fehlinterpretationen zu vermeiden. Außerdem eröffnet sie den nicht-europäischen Teilen methodistischer Kirchen einen Zugang zu einigen im Weltmethodismus einmaligen Phänomen. In Teil 2 wird der Fokus auf die fast durchgehende Fehlinterpretation des Begriffs ›Methodismus‹ gelenkt. Dazu werden Schriften von Hochschullehrern konfessionell und theologisch unterschiedlich ausgerichteter Universitäten, im Gemeindealltag entstandene, informierende und in der Regel polemisch ausgerichtete Veröffentlichungen erfasst. Dazu kommen vereinzelte kirchenamtliche Stellungnahmen und ein besonders weit verbreitetes Lehrbuch für höhere Schulen. Der manchem Leser zu breit angelegt erscheinende Teil soll deutlich machen, dass die verzerrende Deutung, der Kirchenname erkläre sich von einer besonderen ›Methode der Bekehrung‹ her, kein einzelnes Missverständnis war, sondern wie eine gemeinsame Front gegen ungeliebte »Eindringlinge« erschien. Auch dieses ist für die methodistische Weltkirche eine ungewöhnliche historische Erfahrung, die sich für sie aus der einmaligen Situation ergab, in kirchlich gesamtflächig ›besetzten‹ protestantischen Gebieten zu missionieren. Manche Leser und Leserinnen in Deutschland und der Schweiz, die neue Einsichten über die Geschichte ihrer Kirchen und Gemeinden gewinnen möchten, sollten getrost ihre Lektüre mit Teil 3 beginnen. Darin wird an gezielt

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Einführung

ausgewählten regionalen Beispielen gezeigt, wie extrem unterschiedlich in den verschiedenen Regionen das Verhältnis der Staaten und ihrer jeweiligen Landeskirchen zur methodistischen Mission war. Die Leser werden im Nachhinein verstehen, wieso bis heute die Dichte der methodistischen Gemeinden so unterschiedlich ist und dass die Schwerpunkte in Württemberg und in sächsischen Gebieten auch durch die ungewöhnliche Praxis von landeskirchlicher Kirchenzucht in Württemberg und Staatsschutz im sächsischen Raum veranlasst ist. Teil 4 hat im Hintergrund eine ökumenische Vorstellung. Sowohl methodistischen Christen wie landeskirchlichen Partnern soll zu einigen sich meistens aus dem theologischen Selbstverständnis in der Geschichte organisch entwickelten Praktiken ein Zugang eröffnet werden. Die Erfahrung zeigt, dass methodistisches Handeln und die methodistische Kirche wie selbstverständlich an den seit der Reformation entwickelten Parametern kirchlichen Selbstverständnisses gemessen werden. Das ist bei den Größenverhältnissen und der in Jahrhunderten entwickelten und tief ins Wissen eingewurzelten Kirchenkultur durchaus verständlich. Aber es wird der Wirklichkeit nicht gerecht. Eine Kirche, die in der Absicht einer Re-Formation wegen notwendiger theologischer Korrekturen im 16. Jahrhundert im Ansatz regional die traditionelle Kirchengestalt korporativ weitergeführt hat, muss sich natürlicherweise von einer Kirche unterscheiden, die nicht theologisch reformieren, sondern missionarisch aktivieren wollte und organisch von unten gewachsen ist. Es war nicht ihr Ziel, eine Kirche zu bilden, aber es erwies sich als notwendig. So ist im Laufe der Zeit eine weltweite kirchliche Körperschaft entstanden, die unter anderen gesellschaftspolitischen Umständen gewachsen ist und innerhalb dieses Prozesses auf der Grundlage ihres theologischen Ansatzes Schritt für Schritt angemessene Formate für die Mission entwickelt hat. Einige dieser Grundformate sollen in Teil 4 in aller Kürze vorgestellt werden, um denen, die ökumenisch lernen, leben, denken und handeln wollen, einen Anreiz zu geben, sich diesem oder jenem Themenbereich selbst intensiver zuzuwenden. Ebenso soll methodistischen Historikern außerhalb des deutschsprachigen Raumes in gleicher Weise bewusst gemacht werden, dass die Bedingungen der Mission in Kontinentaleuropa weder mit dem für Religionsfreiheit geschützten Raum in Nordamerika noch mit der Mission unter völlig anderen kulturellen Bedingungen etwa in Afrika und Asien vergleichbar sind. Neben dem missions-theologischen Ansatz hat der Unterschied zwischen der in Deutschland gewachsenen und in Amerika politisch eingeführten radikal unterschiedlichen »Kirchenkultur« den Weg der methodistischen Kirchen in Europa unübersehbar und dauerhaft beeinflusst. Dieses Phänomen zeigt, dass es keinesfalls genügt, die gemeinsamen Grundlagen reformatorischer Theologie des hiesigen landeskirchlichen Protestantismus mit methodistischer Theologie zu vergleichen. Es ist lohnend – ganz im Sinne des

Einführung

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methodistischen Quadrilaterals – auch die Tradition und die Erfahrung einzubeziehen. Ein überraschendes und fraglos Diskussionen auslösendes Ergebnis bietet Teil 5. Es geht aus vom theologischen Selbstverständnis methodistischer Kirchen mit dem Zentrum der Mission an allen mit allen, die sich berufen lassen und zur Teilnahme bereit sind. Die organische Ausgestaltung der aus diesem theologischen Ansatz gewachsenen Praxis bestimmt die Gestalt und Ordnung der methodistischen Denomination. Genau diese in sich ständig korrespondierende Einheit von missionarischer Praxis auf der Grundlage des theologischen missionarischen Selbstverständnisses und die daraus erwachsene Kirchenordnung (Discipline) führten wie selbstverständlich zu einem Paradigmenwechsel. Es war, kurz gesagt, ein langer organischer Prozess von der Gestalt einer nach innen gerichteten, alle Bürger einer politischen Einheit bewahrend umfassenden Kirche innerhalb bestimmter politischer Territorien zu einer von der Mission nach außen hin orientierten Kirchengemeinschaft auf freiwilliger Grundlage. Kurz gesagt war es ein Weg von der Betreuungskirche zur Missionskirche. Diese geschichtliche Erfahrung wirkt sich bis heute auch auf Gestaltungen aller pastoralen Dienste von der Gemeindeebene bis zur bischöflichen Aufsicht aus. Abgesehen davon, dass die einzelnen Gemeinden aus Glaubenden und Suchenden gebildet werden, ist kirchliche Arbeit als missionarisches Wirken grenzüberschreitend global verfasst. Das Buch wendet sich an Experten innerhalb und außerhalb der methodistischen Kirche, welche sich mit Grundlagen des Selbstverständnisses dieser Denomination und insbesondere der schwierigen Mission in ihren deutschsprachigen Zweigen auseinanderzusetzen bereit sind. Wenn sie der in der Gegenwart für alle Kirchen aktuell gewordenen Frage nach der Mission nachgehen wollen, werden sie insbesondere darauf stoßen, welche Probleme damals durch kirchenkulturelle Unterschiede, die in verschiedenen gesellschaftspolitischen Umfeldern entstanden waren, gelöst werden mussten. Dieses Phänomen hat sich heute auf dem europäischen Kontinent von kirchenkulturellen auf religionskulturelle Unterschiede verschoben. Im Hintergrund stehen wie damals auch heute ähnliche Probleme: korporative Religionsfreiheit, individuelle Glaubensfreiheit und andere in den demokratischen Ländern garantierte Grundrechte und deren Ablehnung. Ebenso wendet sich die Studie an methodistische Pastorinnen, Pastoren, Historiker und Journalisten zur Klärung der persönlichen Verantwortung innerhalb des weltweiten Netzes der eigenen Kirche. Sie soll auch helfen, Vertretungen in bewusster ökumenischer Partnerschaft profiliert und darum für alle Seiten gewinnbringend wahrzunehmen. Ökumenische Freunde und Pfarrer in Nachbargemeinden methodistischer Kirchen, die das Buch lesen, werden ihr Bild und ihre Vorstellungen ändern. Schließlich bin ich überzeugt, dass historisch interessierte Gemeindeglieder auf manchen neuen Akzent des kirchlichen

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Einführung

Selbstverständnisses sowie diesen oder jenen Zugewinn für das Verständnis der eigenen Gemeinde und beispielsweise der Rolle einer Konferenz, die eben nicht mit einer Synode zu vergleichen ist, stoßen werden. Mein Dank ist nach reichlicher Unterstützung keine Pflichterfüllung, sondern ein wirkliches Anliegen. Es ist für mich eine Ehre und Freude, dass Pfarrer Dr. Walter Fleischmann-Bisten, der langjährige Direktor des Bensheimer ›Konfessionskundlichen Instituts‹ im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als einer der besten Kenner der Minderheitskirchen unseres Landes, ein Geleitwort geschrieben hat. Ich hätte mir kaum einen anderen ökumenischen Experten vorstellen können. Viel Unterstützung habe ich jetzt und früher schon insbesondere in drei Archiven empfangen: Vom Landeskirchlichen Archiv in Stuttgart danke ich Herrn Michael Bing, vom Evangelischen Zentralarchiv in Berlin Frau Christiane Mokross und vom Zentralarchiv der Evangelisch-methodistischen Kirche in Reutlingen Frau Ulrike Knöller, die immer wieder neue Anfragen und Bitten unverdrossen beantwortet hat. Vielfache hilfreiche Zuarbeit habe ich vom Familienforscher Johann Lüschen erfahren. Paul Gräsle aus Heilbronn-Leingarten hat mir wichtige Quellen insbesondere zur umstrittenen Kirchwerdung in Württemberg aus dem Heilbronner Gemeindearchiv zugänglich gemacht. Den Teilnehmern der Tagungen des Vereins für Freikirchenforschung, insbesondere Professor Dr. Erich Geldbach, danke ich für Denkanstöße und Herausforderungen, die in die Studie stillschweigend eingeflossen sind. Einige Kollegen haben den Text gelesen, Anregungen gegeben und Register erstellt: ich danke dem nimmermüden Pastor Hans Jakob Reimers, der auch eine Übersicht methodistischer Schriften in den früheren zwischenkirchlichen Konflikten beigesteuert hat, und Pastor Thomas Lessmann, der selber von Zeit zu Zeit historische Beiträge zur Geschichte und Theologie der EmK publiziert, für Korrekturvorschläge. Nun wünsche ich mir, dass diese Studie, die viele Fragen aufwirft und danach offen lässt, Studierende, Forscher und auch interessierte Laien-Historiker motiviert, einzelne Fragen forschend weiter zu verfolgen, um Bausteine zum Gesamtbild der Kirche und zu ihrem Selbstverständnis beizutragen und neue Fenster für ihre Zukunft zu öffnen. Karl Heinz Voigt Bremen, im Januar 2020, während der Gebetswoche für die Einheit der Christen

Teil 1: Der Name Methodisten. Einführung in den vierfachen kirchlichen Gebrauch von »Methodisten«, »Methodismus« und »methodistisch«

1.1

»Katholische Methodisten« in der Gegenreformation (16. und 17. Jahrhundert)

Die Reformatoren hatten durch die erklärte Absicht, sich »allein auf die Schrift« zu berufen und sie zum Fundament ihres theologischen Denkens und Handelns zu machen, an diesem zentralen Punkt den radikalen Bruch zur römisch-katholischen Kirche vollzogen. Päpste, Kirchenväter und Konzile wurden schon vorher von einer Anzahl jener der Reformation vorauslaufenden Minderheiten nicht mehr als maßgebende Autoritäten anerkannt. Mit Martin Luther und seiner Distanz zu Rom erreichte dieser Bruch die Öffentlichkeit in einem vorher nie dagewesenen Maße. In der ersten Phase der Reaktion waren katholische Autoren in ihren Kontroversen bemüht, die in ihrer Kirche über Jahrhunderte bewährten Fundamente auf unterschiedlichen Argumentationswegen zu verteidigen und im Gegenzug protestantische Positionen in Frage zu stellen. Themen wie die Autorität der Kirchenväter, die Unfehlbarkeit von Konzilen, die Rolle der gewachsenen Tradition und die Bedeutung des Papstes wurden verteidigt. Man war bemüht, die Notwendigkeit der Überlieferung und die Bedeutung der Tradition zu begründen. Andere Autoren fragten kritisch, ob die göttliche Offenbarung mit dem geschriebenen Wort zusammenfalle und ob darin alle heilsnotwendigen Wahrheiten ausdrücklich erwähnt seien. Wieder andere argumentierten: wer der Kirche widerspricht und sie nicht achtet, der verachtet den Heiligen Geist, der sie doch in alle Wahrheit geleitet hat. Schließlich gab es theologische Denker und Autoren, welche auf die Uneinigkeit unter den protestantischen Richtungen hinwiesen, die sich selbst in der Zahl der anerkannten biblischen Bücher nicht einig seien. Unter dieser Voraussetzung könne die Schrift nicht die einzige Quelle für das Fundament des Glaubens und der Kirche sein. Die katholischen Verteidiger hatten mit ihren Bemühungen unter den protestantisch gewordenen Gläubigen nicht überall den gewünschten Erfolg.

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Der Name Methodisten

Um die Protestanten für ihre Position zu gewinnen, ließen sich in einer späteren Phase der Auseinandersetzung katholische Kritiker zunehmend auf die Basis der Bibel als Grunddokument von Kirche und Glauben, also das von Martin Luther betonte Schriftprinzip, ein. Sie hofften, auf diese Weise den Protestanten auf ihrer Denk- und Glaubensebene deren eigene Irrtümer besser zeigen und sie für eine breitere Basis gewinnen zu können. Einige von ihnen problematisierten einzelne Bibelstellen, oder sie zeigten, wie gewisse Bibelworte zu anderen im Widerspruch standen. Andere Autoren suchten allein aufgrund der Schrift die Wahrheit und Rechtmäßigkeit der katholischen Kirchenpraxis zu belegen. In einem von Johann Georg Walch (1693–1775) zuerst 1724 in Jena herausgegebenen umfangreichen Werk »Historische und Theologische Einleitung in die Religionsstreitigkeiten, welche sonderlich ausser der Evangelisch-Lutherischen Kirche entstanden«1, wies Walch u. a. auf den Pariser Jesuiten Renatus Benedictus (Ren8 Benoist, 1521–1608) hin. Dieser scheint es gewesen zu sein, der zuerst eine neue Phase mit einer anderen Methode in der Auseinandersetzung mit den Schriftprotestanten beschritten hat.2 Der französische Jesuit führte, um die »Ketzer zu überwinden«, in den gegenreformatorischen Auseinandersetzungen mit den Protestanten eine generalisierende Methode ein. Damit versuchten er und seine Mitstreiter, die »Irrlehrer« im Zentrum ihres vermeintlichen Irrtums zu fassen. Sie wollten von ihnen den Beweis für die Richtigkeit ihres sola scriptura-Prinzips mit Berufung auf die Schrift erbracht haben. Von Frankreich aus entstand eine ganze Schule solcher, die im Laufe einer längeren Zeit in ungezählten Schriften diese Methode der Auseinandersetzung angewendet haben.3 Walch schrieb in seinem Werk: »Man pflegt solche Personen, die sich dieser Methode, auf eine compendiense Art die vermeintlichen Ketzer zu bekehren, bedienen, Methodisten zu nennen.«4 Diese Bezeichnung war keine Erfindung von Walch, sondern er übernahm sie aus den Debatten jener Zeit. Der Jenaer Gelehrte sah diese Form der Auseinandersetzung als so bedeutungsvoll an, dass er sie in seinem grundlegenden Werk in einem ganzen Kapitel »Von den Methodisten und deren Schriften« behandelte. Darin wies er auch auf eine Anzahl Autoren mit teilweise modifi1 Johann Georg Walch, Historische und Theologische Einleitung in die Religionsstreitigkeiten, welche sonderlich außer der Evangelisch-Lutherischen Kirche entstanden, Bd. 2, Jena 1724, hier verwendet: 17333, 192–233. 2 Renatus Benedictus (Ren8 Benoist, teilweise auch Beno%t), der auch Beichtvater von Maria Stuart war, veröffentliche 134 Flugschriften – überwiegend gegen die Calvinisten – 80 davon wurden in andere Sprachen übersetzt. Ein von ihm publizierter Katechismus trug den Titel: Catecheses, ou instructions touchant les points # present controverses en la religion, accommod8es aux Evangiles d’un chacun jour du CarÞme, Paris 1574, 1585. 3 Walch, Religionsstreitigkeiten (wie Anm. 1), Bd. 2, Jena 17333. 4 Ebd., 56. Hervorhebung hier vorgenommen.

»Katholische Methodisten« in der Gegenreformation

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zierenden Veröffentlichungen hin.5 Schriften dieser Autoren erschienen nicht nur in Paris, sondern auch in anderen europäischen Städten, einige auch in London. Das Neue an der »Methode, die Ketzer zu bekehren« sah Walch darin, dass »sie nehmlich general-Argumente wieder ihre vermeinte Ketzer vorbringen, und daher alle Controversien ins besondere mit ihnen durchzugehen, vor unnöthig halten.«6 Der Lutheraner Walch, Autor und Herausgeber zahlreicher Schriften, hielt diese »Methode durch general-Argumente zu disputiren, […] an sich nicht verwerfflich, und [sie] kan, wofern man sich derselbigen vernünfftig bedienet, mit gutem Nutzen gebraucht werden, worinnen es aber die Papisten versehen und zur Zeit wenig damit gewonnen. Dahero verschiedene gewesen, die weit glücklicher solche Methode wider das Pabstthum selbst angebracht.«7 Nach der erfolgten Einführung in die Methode und der Zusammenfassung der Hauptschriften katholischer Methodisten untersuchte Walch ihre Argumente. Dies könne nach seiner Einführung lohnend sein, weil bisher neben Johann Andreas

5 Nach Walch wirkten im deutschen Sprachraum im Sinne von Benedictus, einem »Urheber der Methodisten« – (Walch S. 192), dessen Methode es war, »die Ketzer zu bekehren« (Walch S. 1100) eine Anzahl anderer Theologen. Einige haben die von ihm entwickelte Methode auch weitergeführt, darunter (1) Jacob Davy du Perron (heute: Jacques-Davy Duperron 1556–1618) (Walch S. 195); – (2) Henrich Marcellius/Marcelli (heute: Henricus Marcellius Huechtens 1593–1664) – (Walch S. 207); – (3) Jodocus Keddin (heute: Jodok Kedd 1597–1657), der 67 kontroverstheologische Schriften verfasste – (Walch S. 209); – (4) Jacobus Masenius (heute: Jacob Masen 1606–1682) – (Walch S. 209). Auch Verfasser von ›Wohlbedachte Vereinigung der Protestirenden mit den Catholischen‹, Aschaffenburg, 1682. (5) Joseph (von) Sonnenberg (1675–1723), Jesuit aus der Schweiz – (Walch S. 211). Walch bemerkte als Lutheraner : »Auf gleiche Art hat man in Franckreich die vermeynten Ketzer zu bekehren gesucht. Es sind da viele Schrifften der Methodisten herausgekommen, dadurch man sonderlich den Reformirten ein Blendwerck machen und sie in das Netz des Römischen Pabst bringen wollen; noch saumseelig finden lassen und den Päbstischen Methodisten gar wohl begegnen können. Von solchen Frantzösischen Methodisten, welche der Sache einen besseren Schein, als ihre Vorfahren, zu geben gewußt,« gehören hierher : (6) Peter Nicole (heute: Pierre Nicole 1625–1695) sein Werk umfasst 25 Bände, die auch in deutscher Sprache in Würzburg und Frankfurt herausgegeben wurden – (Walch S. 212). (7) Ludovicus Maimburgins, (heute: Louis Maimbourg 1610–1686), der Jesuit schrieb; Das wahre, reine Luthertum, Paris 1680 – (Walch S. 214). (8) Jacobus Beningnus Boßuet (heute: Jacques B8nigne Bossuet 1627–1704), korrespondierte mit dem Abt von Loccum Gerhard Walter Molanus und Gottfried Wilhelm Leibnitz; zwei Schriften brachten ihm den Ruf ein, ein Methodist zu sein (1670); – Bossuet wirkte auch nach England hinüber – (Walch S. 216). »Außer diesen Methodisten, die sich in Teutschland und Franckreich gefunden und bishero von uns angeführt worden, können noch verschiedene andere mit dazu genommen werden.« – (Walch S. 228). Einer davon ist der dänische Arzt Nicolaus Steno (heute: Nils Stensen 1638–1686), der von Hannover aus als »apostolischer Vikar des Nordens« unter dem zum Katholizismus konvertierten Johann Friedrich international wirkte – (Walch S. 229). 6 Walch, Religionsstreitigkeiten (wie Anm. 1), Bd. 2, Jena 17333. 7 Ebd., Bd. 1, 73.

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Der Name Methodisten

Schmidt (1652–1726), ein lutherischer Theologe und Kirchenhistoriker 1718 in Helmstedt, kaum jemand darauf eingegangen sei.8 Die Erfassung von Literatur über die »katholischen Methodisten«, welche zunächst in der Reaktion auf die Hugenotten9 im Umfeld des 30jährigen Krieges veröffentlicht wurde, hatte bei dem Jenaer Professor Walch das Ziel, im deutschsprachigen Raum durch Informationen Voraussetzungen für Klärungen in den ›Religionsstreitigkeiten‹ zu schaffen. Er sah als orthodoxer lutherischer Theologe in den zahlreichen Schriften römisch-katholischer Autoren teilweise deren Interesse an einer Rückgewinnung der kirchlichen Einheit, teilweise aber auch polemische Verwerfungen. Das zeigte sich darin, dass einige »Methodisten« den Protestanten die Hand entgegengestreckt und versucht haben, eine Wiedervereinigung beider Konfessionsströme zu erreichen. Diese Tendenz wird in der neuen historischen Bewertung im Zeitalter ökumenischer Bemühungen stärker in den Vordergrund gestellt.

Die lange Zeit unvergessene Tradition Die Charakterisierung der römisch-katholischen Richtung zur Widerlegung von protestantischen theologischen Positionen als »Methodisten« war in Deutschland im 19. Jahrhundert im Zusammenhang historischer Ereignisse immer noch tradiert. In seiner Studie ›Dreißig Jahre des Proselytismus in Sachsen und Braunschweig‹10 schrieb beispielsweise Wilhelm Gottlieb Soldan (1803–1869) ein ganzes Kapitel unter der Überschrift »Die katholischen Methodisten und die Polemiker«. Er begann dieses Kapitel mit dem Hinweis: »Eine lange Reihe von Schriftstellern in der katholischen Kirche führt den Namen der Methodisten, so benannt nach den von ihnen theils neu vorgeschlagenen, theils weiter ausgeführten Methoden, die Protestanten auf eine wirksame Weise durch das Wort zu bekämpfen und zum Rücktritte in die katholische Kirche zu bewegen.«11 Außer einer überschaubaren Gruppe von Spezialisten der Kirchengeschichte haben weitverbreitete Lexika Kurz-Informationen über diese »katholischen 8 Johann Andreas Schmidt, breuiario theologiae polemicae exhibente controuersiarium generalium cum pontificiis, Helmstedt 1718 (Walch, S. 315). 9 Darauf deutet auch der Titel dieser umfangreichen Veröffentlichung hin, der ausdrücklich »Religionsstreitigkeiten« erwähnt, »welche sonderlich ausser der Evangelisch-Lutherischen Kirche entstanden« sind. 10 Die Veröffentlichung ist eine apologetische Reaktion auf eine 1843 in Einsiedeln erschienene Schrift des braunschweigisch-lüneburgischen Herzogs Anton Ulrich (1633–1714) mit dem Titel »Fünfzig Beweggründe, warum die katholische Religion allen anderen vorzuziehen sei.« Seine Konversion war 1709 erfolgt und erregte überregional Aufsehen. 11 Wilhelm Gottlieb Soldan, Dreißig Jahre des Proselytismus in Sachsen und Braunschweig, Leipzig 1845, 29–37.

»Katholische Methodisten« in der Gegenreformation

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Methodisten« aus dem 16. und 17. Jahrhundert lange Zeit wachgehalten. Die Ausgabe eines Kirchen- und Ketzerlexikons aus dem 18. Jahrhundert erfasste nach den wesleyanischen Methodisten in England die hier im Interesse stehenden »katholischen Methodisten« wie folgt: »(2) Methodisten in der römisch-katholischen Kirche nennet man diejenigen, welche neue Methoden und Künste erdacht haben, die Protestanten zu widerlegen und zu besiegen. Die vornehmsten derselben sind unter der witzigen Nation der Franzosen aufgetreten, die im XVII. Jahrhund. ein fast beständiger Streit mit der gelehrtesten Hugenotten, oder den Reformirten in Frankreich, sehr kriegerisch und verschlagen gemacht hatte. Sie sind füglich in zwo Classen einzutheilen. Zu der ersten gehören diejenigen, welche den Protestanten ungerechte und der Vernunft zuwider laufende Gesetze beym Disputiren vorschrieben. Solche sind Franz Veron, ein Jesuit, welcher verlangte, die Protestanten sollten ihre Lehrsätze bloß mit ausdrücklichen Aussprüchen der heil. Schrift, ohne daraus hergeleitete Folgerungen und Schlüsse, beweisen; Barthold Nihusius, der von den Protestanten zu den Papisten übergegangen war ; die Gebrüder Walenburg und andere, die, weil sie es für leichter hielten, seine Sache zu vertheidigen, als den rechtmäßigen Besitz zu beweisen, ihren Gegnern die ganze Last des Erweises auferlegten, und sich bloß das Amt, zu antworten, und zu widerlegen, vorbehielten; Armand von Richelieu, welcher anrieth, man solle die mancherley Klagen und Beschuldigungen der Gegner bey Seite setzen, und den ganzen Streit auf das eine Hauptstück von der Kirche einschränken, und ihre göttliche Hoheit und Ansehen durch offenbare Beweisgründe über alle Spöttereyen hinwegsetzen, und andere mehr. In die zwote Classe sind diejenigen zu setzen, die behaupten, man müsse die Lehre der Protestanten mit allgemeinen Gründen, welche sie Präjudicia nennen, widerlegen, nicht aber Stück vor Stück in Erwägung ziehen. Diese Methode erfand, oder vervollkommnete der Jansenist Pet. Nicole, und viele nach ihm hielten sie für sehr brauchbar. Sie meinten, man könne die ganze Sache der Protestanten zu Grunde richten, wenn man z. B. nur darthäte, daß die Reformatoren wollüstige und lasterhafte Leute, oder Urheber einer höchst nachtheiligen Spaltung gewesen. Bossuet bemühete sich aus der Unbeständigkeit der protestantischen Lehrer und aus den häufigen Veränderungen ihrer Schicksale und Lehrsätze die Falschheit der lutherischen Kirche, hingegen aus der ununterbrochenen Beständigkeit der römischen ihre Wahrheit und göttlichen Ursprung zu beweisen, da ihm doch nicht unbekannt seyn konnte, daß die Päpste in die Leute, Orte und Zeiten sich so oft vortrefflich zu schicken gewußt haben. (S.[iehe]Mosh.[eim] K.[irchen] G.[eschichte] Th.[eil] VI,. S. 276. J. G. Walch, Rel.[igions] Streit.[igkeiten] außer der luth. Kirche. Th.[eil] II. S. 191f.).«12

Kürzer fasste sich ein 1843 zuerst herausgegebenes Universal-Lexikon, in dem man vor dem Absatz über die wesleyanischen Methodisten lesen konnte:

12 Kurzgefaßtes Kirchen- und Ketzer-Lexicon von J. G. H. [Johann Gottfried Hering] größtentheils umgearbeitet, und vermehrt herausgegeben von Johann August Christoph von Einem, Pastor zu Genthin und Roßdorf. Neue, oder fünfte Auflage, Stendal 1789, 96.

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Der Name Methodisten

»Methodisten, 1) polem. Schriftsteller der kath. Kirche im 17. Jahrh., bes. Franzosen, welche den Streit mit den protestant. Theologen durch eine neue dialekt. Methode u. allerlei Kunstgriffe abzukürzen suchten.«13

Die Vermittlung der Kenntnisse über die »katholischen Methodisten« hat sich bis in die fünfte Auflage des 1897 erschienen Meyers Konversations-Lexikon erhalten. Darin heißt es: »Methodisten ist eine Bezeichnung für die jesuitischen Schriftsteller, welche im 17. Jahrhundert den Protestantismus nach einer bestimmten dialektischen Methode bekämpften.«14

Brücken für den Transfer des Begriffs nach England Jean Daill8 (1594–1670), ein prominenter Theologe der Hugenotten und 1659 Präsident der letzten Nationalsynode seiner Kirche, hat sich als Historiker mit dem Phänomen der katholischen Methodisten beschäftigt und 1634 in Paris eine Studie dazu publiziert.15 Diese wurde in englischer Übersetzung 1668 auch in London gedruckt.16 Martin Schmidt (1909–1982) hat in seiner Wesley-Biographie bereits auf diese Schrift hingewiesen mit dem Bemerken, dass der Begriff »Methodist« bereits 1634 in Frankreich verwendet wurde, »ohne daß […] der genaue Sinn greifbar würde.«17 Allein diese Bemerkung zeigt, dass dieser Aspekt der katholischen gegenreformatorischen Linie bisher in der Erforschung der methodistischen Geschichte keine Beachtung gefunden hat. John Wesley selber hatte dieses Werk Ende 1748 gelesen.18 Sein Titel in englischer Sprache lautet: ›A Treatise concerning the Right Use of the Fathers in the Decision of the Controversies that are at This Day in Religion‹. Wesleys Lektüre muss man im Zusammenhang mit seinem besonderen Interesse an der Patristik sehen. Auf Wesleys Deutung des Namens hatte die Lektüre zu dieser Zeit keinen Einfluss mehr.

13 Heinrich August Pierer (Hg.), Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit oder neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Altenburg 1843, Bd. 29, 226. 1860 erschien eine zweite Auflage. Auch ein römisch-katholisches ›Allgemeines Kirchen-Lexikon‹, hrgg. von Joseph Aschbach, Mainz 1850, Bd. 4, 232. 14 Meyers Konversations-Lexikon, 5. Auflage, Leipzig/Wien 1897. 15 Jean Daill8, La foy fond8e sur les Saintes Escritures. Contre les nouveaux M8thodists, Paris 1634, später in Charenton publiziert. 16 Jean Daill8, A Treatise concerning the Right Use of the Fathers in the Decision of the Controversies that are This Day in Religion, London 1675. 17 Martin Schmidt, John Wesley. Bd. I. Die Zeit vom 17. Juni 1703 bis 24. Mai 1738, Zürich/ Frankfurt/M. 1953, 89 und Anm. 32, 297. 18 The Works of John Wesley, Vol. 20, Journal and Diaries III (1743–54). W. Reginald Ward and Richard Heitzenrater (Hg.), Nashville 1991, 262.

»Pietistische Methodisten« im kontinentalen Europa

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Zusammenfassende Erwägungen: In lexikalischen Zusammenfassungen begegneten die »katholischen Methodisten« bis ins 19. Jahrhundert. Man verwendete diese ihnen angetragene Sprachfigur wegen ihres systematischen Ansatzes im literarischen Vorgehen der Gegenreformation. Die Aktivitäten gingen überwiegend von Jesuiten aus. Im Laufe der Zeit trat diese inhaltliche Bestimmung des Begriffs in den Hintergrund. Er wurde durch die in England im 18. Jahrhundert wirksam gewordene Erweckungsbewegung, die von John (1703–1791) und Charles Wesley (1707–1788) sowie von George Whitefield (1714–1770) ausgelöst wurde, welche man nunmehr als »Methodisten« bezeichnete, verdrängt. Inwieweit die »katholischen Methodisten« besonders aus Frankreich nach England hinüber gewirkt und an einem sprachlichen Transfer Anteil haben, ist bisher mit speziell wesleyanisch-methodistischem Interesse nicht erforscht. In der British Library ist Literatur von katholischen Methodisten gesammelt.19 Der Rückblick auf die Gegenreformation und die zu jener Zeit höchst aktiven »katholischen Methodisten« eröffnet den Blick auf ein Interpretationsmodell für diesen Begriff. Als Konsequenz der von Frankreich ausgehenden gegenreformatorischen Aktivitäten ist die sprachliche Verbindung zwischen »Methode« und »Methodisten« sofort erkennbar. Das ist als ein erstes Zwischenergebnis festzuhalten, denn der Rückgriff auf »[D]ie polemische Methode der ersten Gegner der Reformation«20 führt hin zu einer der späteren Fehlinterpretationen der methodistischen Kirche in Deutschland. Wilhelm Gottlieb Soldan zählt eine ganze Reihe von katholischen Verfassern anti-protestantischer Schriften auf und bemerkte schließlich: »Die große Anzahl der von den Methodisten nach und nach ausgeklügelten Kunstgriffe scheint […] den unermüdlichen Bekehrungseifer dieser [katholischen] Männer zu beweisen«.21 Methodisten und Bekehrungseifer sind Stichworte, von denen aus es bis hin zum »Bekehrungsmethodismus« kein großer Schritt mehr ist.

1.2

»Pietistische Methodisten« im kontinentalen Europa (17. und 18. Jahrhundert)

In der heutigen Pietismus-Literatur ist die Charakterisierung einer bestimmten Form pietistischer Frömmigkeitsbewegung als »Bekehrungsmethodismus« normal. Die neue zeitliche Fassung des Pietismus bis nach 1945 mit der Ein19 Ich habe dort selber vor Jahrzehnten eines der Werke von Renatus Benedictus eingesehen. 20 P. Polman O. F. M., Die polemische Methode der ersten Gegner der Reformation. Katholisches Leben und Kämpfen im Zeitalter der Glaubensspaltung, Münster 1931. 21 Soldan, Dreißig Jahre (wie Anm. 11), 32.

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Der Name Methodisten

beziehung der »Bekenntnisbewegung ›Kein anderes Evangelium‹« und des »Evangelikalentums«22 erfordert sprachliche Differenzierung. Unter Fachgelehrten ist klar, »Bekehrungsmethodismus« bezieht sich auf Frömmigkeitspraktiken im 17. und besonders dem 18. Jahrhundert in Halle.23 In einer breiteren Leserschicht wird aber ganz natürlich eine Verbindung mit frühen Praktiken der heutigen methodistischen Kirche assoziiert und in der polemischen Methodismus-Literatur im 19. Jahrhundert sogar herbeigeführt. Das ist auch keinesfalls überraschend, denn im Ursprung verfolgte die methodistische Bewegung das Ziel, bereits Getauften zu zeigen, dass nach dem Geschenk der Taufe die bewusste Antwort in einer geistlich gewirkten Erneuerung ihres Lebens solange offen ist, bis sie sich selber zu ihrer Taufe bekannt haben. Darum war eine zentrale Botschaft die Einladung zur Umkehr in die bewusste Nachfolge Christi. Im Pietismus sprach man von der Notwendigkeit der Bekehrung, John Wesley bevorzugte es, das Handeln Gottes durch den Begriff der Wiedergeburt zu betonen.24 In der Mission der Methodisten unter deutschen Emigranten trat im 19. Jahrhundert in Amerika der Begriff der Bekehrung in den Vordergrund. Vermutlich hängt das mit dem Zusammentreffen von mitgebrachten pietistischen Einflüssen und der sog. ›Zweiten Großen Erweckung‹ zusammen. In deren Rahmen drängte in Verbindung mit der von Charles Grandison Finney (1792–1875) entwickelten ›Oberlin-Theologie‹ die ›Bekehrung‹ stark in den Vordergrund.25 Der als Jurist ausgebildete Finney veränderte aber den geistlichen Vorgang der Wiedergeburt und Bekehrung, der theologisch dem Wirken des Heiligen Geistes zugerechnet wird, in eine vom Menschen willentlich unter Verwendung seiner Vernunft erreichbare Veränderung.26 Bekehrung in natürlichen Schritten war etwas anderes als Wiedergeburt durch das Handeln Gottes in der Kraft seines Geistes. Diese Entwicklung gibt dem heute vielfach verwendeten Begriff »Bekehrungsmethodismus«27 eine schillernde Be22 Eberhard Busch, Der Pietismus im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert. In: Der Pietismus in Deutschland seit 1945, GdP 3, Göttingen 2000, 533–562. 23 Martin Brecht, August Hermann Francke und der Hallische Pietismus. In: Martin Brecht, Der Pietismus vom siebzehnten bis zum frühen achtzehnten Jahrhundert, GdP 1, Göttingen 1993, 440–539. 24 John Wesley, Lehrpredigt 45, Die neue Geburt. Text: Ihr müsst von neuem geboren werden. (Joh. 3,7). In: John Wesley, Lehrpredigten, übersetzt und neu herausgegeben von Manfred Marquardt, Göttingen 2016, 636–649. 25 Ulrich Gäbler, Auferstehungszeit. Erweckungsprediger des 19. Jahrhunderts. Darin: Charles G. Finney. Der moderne Mensch. München 1991, 11–28. 26 Es ist bemerkenswert, dass Johannes Musaeus (1613–1681) die Auffassung vertrat, dass das Werk von Wiedergeburt und Bekehrung sich »in Verstand und Willen des Menschen abspielt.« Markus Matthias, Bekehrung und Wiedergeburt. In: GdP Bd. IV (2004), 59. 27 Christoph Albrecht, Einführung in die Hymnologie, Göttingen 1995; – Carl Andresen, Die Lehrentwicklung im Rahmen der Ökumenizität, Göttingen 1984; – Aurelia Astner, Kierkegaard und der Pietismus, Innsbruck 2009; – Albrecht Beutel, Johann Joachim Spalding,

»Pietistische Methodisten« im kontinentalen Europa

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deutung. In der wissenschaftlichen Literatur wird er – zunächst noch unabhängig von Entwicklungen in Nordamerika – in der Regel mit dem halleschen Pietismus und Vater August Hermann Francke (1663–1727) sowie dessen Sohn Gotthilf August Francke (1696–1769) in Verbindung gebracht. Diese historische Verortung und Personalisierung ist heute nicht mehr selbstverständlich. Im 19. Jahrhundert wurden, wie noch gezeigt werden wird, die mit dem halleschen Pietismus verbundenen »methodistischen« Praktiken in der polemischen AntiMethodismus-Literatur, auf die methodistischen Kirchen in Deutschland übertragen. Genau dieser Vorgang erfordert es, sich etwas umfassender mit dem pietistischen »Bekehrungsmethodismus« zu befassen. Die durchgehend negative Konnotation zeigt heute noch ihre Wirkung.

Methodismus im Pietismus – Pietismus im Methodismus Im Zentrum pietistischer Theologie standen Buße, Bekehrung, Wiedergeburt und Heiligung, von denen her sich eine spezielle Psychagogik entwickelte. Sie denkt in geistlichen Linien, die von pietistischen Autoren in einer eigenen Sprachfärbung mit systematischen Entwicklungsschritten und feststellbaren Erfahrungselementen verbunden werden. Das Bild von John Wesley bei dessen halleschem Zeitgenossen Gotthilf August Francke (1696–1769) hatte sich unter dem Einfluss der von Halle zur Betreuung der Salzburger nach Georgia ausgesandten Prediger Johann Martin Boltzius (1703–1765) und Israel Christian Gronau (1714–1745) gestaltet.28 Gotthilf A. Francke, den Wesley später in Halle besuchte, hatte seine beiden nach Georgia ausgesandten Prediger aufgefordert, Kontakte zu den anglikanischen Pfarrern John und Charles Wesley zu suchen. Beide waren zu dieser Zeit auch in Georgia. 1737 schrieb Boltzius nach Halle: »Mit dem Prediger in Savannah, H.[errn] Wesley, leben wir in Freundschaft und guter Harmonie.«29 Das war für Halle eine wichtige Information, weil sich in Georgia die Spannungen zwischen Halle und Tübingen 2014; – Martin Brecht, Der Hallische Pietismus in der Mitte des 18. Jahrhunderts – seine Ausstrahlung und sein Niedergang, in: GdP 2, Göttingen 1995, 319–357; – Klaus Deppermann, August Hermann Francke, in: Gestalten der Kirchengeschichte, Bd. 7, Stuttgart 1994, 241–259; – Georg Gremels, Die Ethik Philipp Jakob Speners nach seinen evangelischen Lebenspflichten, Hamburg 2002; – Martin Leube, Blätter für Württembergische Kirchengeschichte, Bd. 82, Stuttgart 1982; – Malte van Spankeren, Das Gefühl: eine Frage des Gewissens (Zu Johann Joachim Spalding), in: PuN 36 (2010); – T.nia Ünlüdag, Mentalität und Literatur, Bonn 1993 (verwendet den Begriff im Zusammenhang mit dem amerikanischen Erweckungsprediger Charles G. Finney). 28 Zu den Beziehungen zwischen den Hallensern und Wesley : Schmidt, John Wesley Bd. I (wie Anm.17), 149–160. 29 Zit. n. Karl Zehrer, Die Beziehungen zwischen dem halleschen Pietismus und dem frühen Methodismus. In: PuN Bd. 2 (1975), 46.

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Der Name Methodisten

Herrnhut fortsetzten und John Wesley stärkere Neigungen zu Nikolaus Ludwig Zinzendorfs (1700–1760) Predigern hatte. Über John Wesley berichtete Boltzius nach Halle, dass er »die Methoden der Apostel zu erproben gedenkt.«30 Aus August H. Franckes Schriften empfange er Erbauung.31 Francke blieb skeptisch. Er schrieb an seine Sendboten nach Georgia: »Es ist zu beklagen, daß derselbe [Herr Wesley] und andere gute Leute nicht auf den Weg der Einfalt eingeführt sind, und eine rechte lebendige Erkenntnis von Christus haben, welche ich ihnen wohl wünsche, denn sonst möchten dieselben unter den Heiden wohl nicht viel Besonderes ausrichten.«32 Die regelmäßigen Mitteilungen aus Georgia nach Halle informierten Francke darüber, dass die englischen Anglikaner, darunter John und Charles Wesley, neben den Kontakten zu Abgesandten aus Halle gleichzeitig mit den dortigen Herrnhutern Beziehungen pflegten.33 Die Engländer wussten von dem schon in Deutschland entstandenen Hintergrund des tiefen Konflikts zwischen Halle und Herrnhut oder zwischen den Franckes und Zinzendorf nichts. Wesleys beiderseitige Kontakte in Georgia und Savannah wurden in Halle mit Misstrauen aufgenommen. Sie haben die Beziehungen Halles zu Wesley langfristig getrübt.34 Das Interesse Gotthilf August Franckes an Kontakten zu John Wesley erlahmte. Als Wesley aus Herrnhut kam und bei ihm in Halle anklopfte, hat er es vermieden, ihn wie einen willkommenen Gast zu begrüßen.35

30 Martin Schmidt, Der junge Wesley als Heidenmissionar und Missionstheologe. Ein Beitrag zur Entstehung des Methodismus, Gütersloh 1955. Völlig neu bearbeitet 19732. 31 Wesley kannte Francke-Literatur aus seinem Elternhaus. A. H. Franckes »Nicodemus. Ein Traktat über die Menschenfurcht« hatte er sogar in seiner Reisebibliothek in die neue Welt mitgenommen. Man kann davon ausgehen, dass es die 1706 in London erschienene Übersetzung »NICODEMUS; OR, A TREATISE Against the FEAR of MAN« war. 32 Zehrer, Beziehungen (wie Anm. 29), 46f. 33 Erste bis Vierte Continuation der ausführlichen Nachricht von den Saltzburgischen Emigranten, die sich in America niedergelassen haben. Hrgg. von Samuel Urlsperger, Halle 1738–1749. 34 Karl Wolf veröffentlichte 1927 in der deutschsprachigen methodistischen Wochenzeitschrift ›Der Christliche Apologete‹, die in Cincinnati/USA herauskam, einen Artikel »Johannes Boltzius, der Freund Wesleys und Whitefields«, Cincinnati, 6. Apr. 1927, 322–324 u. 13. Apr. 1927, 347–349. 35 The Works of John Wesley, hrgg. von W. Reginal Ward und Richard P. Heitzenrater, (wie Anm. 18). [Hier: Die Deutschlandreise John Wesleys] in: Vol. 18, Journals and Diaries I (1735–1738), 254 (7. Juni 1738) – 297 (14. August 1738) und Vol. 19, 5 (12. August 1738) – 12 (14. August 1738).

»Pietistische Methodisten« im kontinentalen Europa

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Der Bußkampf unter Vater und Sohn Francke in Halle Trotz der bewussten Distanz fällt dem halleschen Pietismus sowohl unter August Hermann wie unter dessen Sohn Gotthilf August Francke später eine zentrale Rolle in der Beurteilung methodistisch-kirchlicher Frömmigkeitspraxis zu. Der einflussreiche Vater August Hermann hat sich nach seiner eigenen Bekehrung später in verschiedenen Predigten mit seinen Vorstellungen von einem systematischen und fassbaren Ablauf einer Bekehrung an die Gemeinde gewandt.36 Der Francke-Kenner Erhard Peschke (1907–1996) hat diese Praxis eine »Lehre von den Zeiten Gottes« genannt.37 In einer zusammenfassenden Einführung in A. H. Franckes Predigt über ›Die Erfahrung der Herrlichkeit Gottes‹ schrieb Peschke: »Der Augenblick der Bekehrung, die Zeit, der Tag, die Stunde des konkret fixierbaren Geschehens, wird für Francke zum Garanten des neuen Lebens, zum unwiderlegbaren Sicherheitsfaktor des Bekehrten.«38 Im Predigtton Franckes hört sich das, mit einem paränetischen Unterton, so an: »O möchten wir solche verständigen Herzen haben, daß wir Zeit und Ort und die übrigen Umstände unserer Bekehrung und des Anfangs der lebendigen Erkenntnis Christi nicht vergessen, sondern fleißig beobachten.«39 August H. Franckes Vorstellungen von der Bekehrung, das drückten schon die Predigten der Jahre 1695 bis 1699 aus, sind mit einem Kampf verbunden, wenngleich von einem ›Bußkampf‹ noch nicht die Rede war. Aber das Ringen in Verbindung mit persönlicher Buße wird in aller Härte geschildert. Die wahre Bekehrung, welche eine Abkehr von der Welt mit sich bringt, ist bei ihm als Erneuerung des Lebens nur über den Kampf zu erreichen. Insofern ist die innere Kampfzeit des Büßers eine heilsame Zeit. Die von A. H. Francke in seinen Predigten verkündigten Vorstellungen von dem Weg der Bekehrung haben sich unter seinem Sohn Gotthilf August besonders in dessen pädagogischen Aktivitäten in eine rigorose Form gesteigert. Es kann nun durch die Länge des Bußkampfes mit Angst und Tränen die Echtheit der Bekehrung ausgewiesen werden. Die Kritiker meldeten sich verstärkt zu Wort und wiesen diese Methode der Heilsaneignung, diesen »Bekehrungsmethodismus« zurück.

36 Predigt am 10. Juni 1716: Von der göttlichen Rührung des Herzens. Am 2. Sept. 1716: Die Erfahrung der Herrlichkeit Gottes. Beide in: August Hermann Francke, Predigten Bd. II, hrgg. von Erhard Peschke, Berlin 1989, 171–187. 37 Erhard Peschke, Studien zur Theologie August Hermann Franckes, Berlin 1964, 61ff. 38 Peschke, Predigten II (wie Anm. 36), 171. 39 August Hermann Francke, Sonntags- und Festpredigten, welche theils in Halle, theils an verschiedenen auswärtigen Örtern gehalten worden, Halle 17403, Bd. 1, 311.

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Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs kritische Sicht des Bußkampfs Nikolaus Ludwig von Zinzendorf (1700–1760) hat selber ehrlich versucht, sich der Halleschen Methode des Bußkampfes und dem Bemühen einer Datumsangabe seiner Bekehrung zu unterstellen. Am Schluss kam er zu dem Urteil: »Ich weiß davon zu reden, daß es Fratzen sind, weil ichs probiert habe aktenkundig.«40 Seit 1729 war sich Zinzendorf dessen gewiss, dass Gotteskindschaft ohne den von den Hallensern geforderten Bußkampf geschenkt werden kann. Er wandte sich nun deutlich gegen dieses System von Buße und Kampf der Bekehrung, weil er die Gefahr eines neuen Gesetzes als eine Art »Werke der Buße« sah, welche die Tendenz zu einem ängstlichen Christentum in sich schließe. 1734 antwortete er beispielsweise in einem seelsorgerlichen Brief über die Traurigkeit: Eine der »Ursachen […], warum oft die Traurigkeit und Bedenklichkeit kommen, ist der sonderliche Systematismus und Methodismus.«41 Hier verbindet Zinzendorf den halleschen Bußkampf mit einer zukünftigen pietistischen Sprachregelung. Er spricht über das System der halleschen Heilsaneignung als »Methodismus in der Seelenführung«,42 welcher eine Ursache der Traurigkeit und Bedenklichkeit sei. Hier wird 1734, also vier Jahre bevor John Wesley die ihm überraschende Erfahrung43 einer reformatorischen Glaubensgewissheit widerfährt, der Begriff »Methodismus« im Sinne eines Systems und als Methode des Halleschen Pietismus in einer Weise interpretiert, die noch nicht mit der durch die Brüder Wesley und George Whitefield (1714–1770) ausgelösten Erweckungsbewegung in Verbindung stehen kann. Dieser Methodismus-Begriff begegnet nun durchgehend in Zinzendorfs Veröffentlichungen. In seiner Studie über ›Bekehrung und Wiedergeburt‹ verwendet Markus Matthias den Begriff der »Bußkampftheologie« und führt dazu aus: »Die Erfahrung der Wirklichkeit der Bekehrung lässt sich am ehesten an der Tiefe der Buße festmachen. Auch in dieser Hinsicht kann sich der Pietismus jedenfalls terminologisch auf die lutherischen Bekenntnisschriften mit ihrer Betonung der ›verzwei-

40 Ernst Loebich, Zinzendorf und der Pietismus seiner Zeit. In: Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Materialien und Dokumente. Reprint 3/III, Hildesheim/New York 1973, 161. Auch: Dietrich Meyer, Zinzendorf und Herrnhut. In: GdP Bd.2, Göttingen 1995, 10–13. 41 Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, Theologische und dahin einschlagende Bedenken, Büdingen 1742. Reprint Hildesheim 1964. 42 Ebd., Register. 43 Selbst Martin Schmidt hat diese Erfahrung in pietistischer Terminologie als »John Wesleys Bekehrung« bezeichnet. Martin Schmidt, John Wesleys Bekehrung, Bremen 1938. Auch: ders., John Wesley (wie Anm. 17), 188–273.

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felten Reue‹ (›contritio‹) berufen, die in Analogie zum traditionellen Bußsakrament als Voraussetzung für die Begegnung mit dem freisprechenden Evangelium gilt.«44

Die in gewissen pietistischen Richtungen starke Betonung der Bußpraxis scheint in der methodistischen Frömmigkeitsgestalt von Anfang an einem anderen Ansatz gefolgt zu sein. Ein starkes Gewicht liegt bei ihr auf der vorlaufenden und danach der rechtfertigenden und heiligenden Gnade.45 Auch die in der Betrachtung methodistischer Bekehrungserlebnisse im 18. und 19. Jahrhundert verbundene kritische Verwunderung über die auffällige Freude über das Glück der erfahrenen Erlösung deuten das an. Den Abschied von einem früheren Leben und das Geschenk der Gnade haben oft sehr einfache Menschen in sozialen Krisen als eine Befreiung erlebt, der – wie oft im Neuen Testament – Freude und Dankbarkeit folgten. Dass die aus der Wiedergeburt folgende Erneuerung der Gottesebenbildlichkeit »Holiness and Happiness« bedeuteten, hatte seinen Ursprung in einem missionarisch ausgerichteten ›Optimismus der Gnade‹46 und fand einen klassischen Ausdruck nicht nur in Charles Wesleys Liedtexten der Freude und Dankbarkeit, sondern auch im hingebungsvollen Singen, das zu der klassisch gewordenen Formulierung geführt hat ›Methodism was born in song‹.47 Zurück zu Zinzendorf,48 dessen Ablehnung jenes zur Gesetzlichkeit führenden Bußsystems hat natürlich im Gegenzug bei den halleschen Predigern heftige

44 Matthias, Bekehrung und Wiedergeburt (wie Anm. 26), 60 u. 75, Anm. 78. Dort verweist der Autor auf BSLK 77, Z. 31–78; 78, Z. 8–11,14; 157, Z. 29–32; 163, Z. 38f., Z. 46; 164, Z. 11f.; 173, Z. 1–3; 187, Z. 9–14; 882, Z. 30–41; 892, Z. 36; 893, Z. 9; 896, Z. 8–21; 909, Z. 12–19. 45 Thomas A. Langford, Gnade als theologische Norm in der Theologie Wesleys. In: Mitteilungen der Studiengemeinschaft der Evangelisch-methodistischen Kirche 1983, Heft 2, 4–23. Walter Klaiber/Manfred Marquardt, Gelebte Gnade. Grundriss einer Theologie der Evangelisch-methodistischen Kirche, Göttingen 20062. 46 E. Gordon Rupp, Die Zukunft der methodistischen Tradition. Zürich 1959, 12. Dort schrieb der britische Professor und Kenner des deutschen Pietismus: gegenüber dem Puritanismus, der gelegentlich als ›Pessimismus der Gnade‹ beschrieben wurde, kam in der methodistischen Erweckung »eine neue Stimmung auf, ein ›Optimismus der Gnade‹, eine fröhliche und triumphierende Bejahung der Allmacht der göttlichen Liebe, die fähig ist, die Feste des Bösen zu zerschmettern und die ganze Welt zu umfassen. ›For all, for all my Saviour died, For all my Lord was crucified‹.« Zu diesem Lied von Charles Wesley bemerkte Charles Peon: »Das Lied ist heute noch eine leuchtende Krone in Charles Wesleys Hymnen.« Charles Peon, Through The Year With Charles Wesley, Oxford 2019. 47 Martin E. Brose, Kirchenlied und Kirchenmusik in der methodistischen Erweckung. In: Hartmut Handt (Hg.), »… im Liede geboren«. Beiträge zur Hymnologie im deutschen Methodismus, Frankfurt 2010, 13–25 (hier : 13, Anm. 1). 48 Auf die zahlreichen den Pietismus betreffenden »Methodismus-Zitate« in Zinzendorfs Auseinandersetzungen mit Hallensern kann nicht weiter eingegangen werden. Sie laden ein zu einem speziellen Aufsatz zu diesem Thema, der die Folgen für die Darstellung der methodistischen Kirchen im Blick hat.

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Kritik ausgelöst. In einem Brief an einen dieser Kritiker erläuterte der Herrnhuter seine Haltung. Er schrieb ihm, dass er den »Bußkampf, da sich der Mensch durch selbstgemachte Angst und künstliche innere und äußere Übungen präpariert, für ein dummes, dabei aber doch seelengefährliches Wesen halte. […] Du sollst von deinem Tun lassen, damit Gott sein Werk in dir hab. Ich weiß wohl, dass es einen Bußkampf gibt, und daß der Leute Bekehrung oft durch Kampf gehe; aber daß man die Leute zu einem Kampf zur Vergebung der Sünden ermahnen soll, das habe ich in meiner Bibel nie gelesen.«49

Für Zinzendorf gibt es eine »evangelische Methode« und eine »gesetzliche Methode« der Buße, die er gelegentlich auch »mystische Methode« nennt. »Ich werde«, schrieb er in einer anderen Auseinandersetzung über den Bußkampf, »so viel ich bei der wahren Herzensbekehrung, Zerknirschung, Vergebung, Reinigung und Heiligung, meines wenigen, ja wohl geringen Orts Handreichung tun muß, mich schlechterdings keiner anderen Methode bedienen; und ich würde mir selbst feind sein, wenn ich einen Menschen durchs Gesetz Mose mit allen seinen Drohungen und Verheißungen zu etwas beredet und gebracht hätte, dazu ihn Jesu Tod und Leiden, womit er gebüßt hat, was unsere Seelen verdient hatten, nicht hinlänglich gewesen wäre.«50

Friedrich August Tholuck und der hallesche »Methodismus« Ein Blick in Friedrich August Gottreu Tholucks (1799–1877) ›Geschichte des Rationalismus‹, die 1865 im Druck erschien, ist an dieser Stelle angebracht. Wenn Tholuck dieses Buch mit dem Kapitel »Der hallische Pietismus«51 beginnt, ist das kein Zufall, wirkte er doch als international hochangesehener Professor in Halle, dem früheren Wirkungsfeld von Vater und Sohn Francke. Die erste Periode des Halleschen Pietismus datierte Tholuck bis 1727. Sie liegt also vor dem Auftreten der Methodisten in Oxford. Er entfaltet darin die Abwendung von Philipp Jakob Speners (1635–1705) Initiative als die hallesche »Gleichgültigkeit gegen den Ausbau der Wissenschaft«, danach die »Gleichgültigkeit gegen die Interessen der Kirche« und schließlich folgen seine Gedanken zum halleschen »Methodismus in der Pflege der Frömmigkeit.«52 Es geht darin um die Fragen nach dem Zeitpunkt der Bekehrung, um die rechte Form des Bußkampfs, später auch um die hallesche Pädagogik. In Verbindung mit dem 49 Zinzendorf, Theologische Bedenken (wie Anm. 41), 162f. 50 Ebd., 67f. 51 Friedrich A. G. Tholuck, Geschichte des Rationalismus. Erste Abteilung: Geschichte des Pietismus des ersten Stadiums der Aufklärung, Berlin 1865. Die Seiten 10 bis 91 behandeln die unterschiedlichen Ansätze. 52 Ebd., 21–41.

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»Methodismus in der Pflege der Frömmigkeit« geht es eindeutig um die »Methoden«, die durch die beiden Franckes angewandt worden waren und die sich bis in die Mission in fernen Ländern ausgebreitet hatten.53 Nur in einer Bemerkung spricht Tholuck »von einem pietistischen Bekehrungszwange«, den er mit »measures der Methodisten«54 vergleicht.55 Tatsächlich sind die »New Measures« eine zusammenfassende Bezeichnung für Methoden, die von Charles G. Finney angeregt waren, um die zur Besiedlung Amerikas hereinströmenden Menschen unter für sie fremden kirchenkulturellen Bedingungen und dem Leben in einem weitgehend unerschlossenen Land zu evangelisieren. Dazu gehörten die sog. Campmeetings oder Lagerversammlungen, aus denen sich Evangelisationswochen entwickelten und auch die Kniebänke in der Nähe der Kanzel für jene, welche die Einladung zur Umkehr in ein neues Leben aus dem Glauben annehmen wollten und die Fürbitte suchten. Das ist der unvermittelte Sprung zu amerikanischen Methodisten, womit Tholuck als Kenner der methodistischen Erweckung kaum die Denomination gemeint haben kann, sondern alle jene, welche die Methoden der »new measures« praktizierten. Darunter waren zwar auch die methodistischen Prediger, aber alle, die diese Methoden praktizierten, wurden kurzerhand »Methodisten« genannt. Schon hier zeigt sich, wie notwendig es ist, zwischen einer später als »Methodismus« bezeichneten kirchenunabhängigen Frömmigkeitsbewegung und den methodistischen Kirchen zu differenzieren. Tholucks Veröffentlichung unterscheidet zwar zwischen dem halleschen und dem württembergischen Pietismus,56 aber sein Hinweis auf die ›new measures‹ hinsichtlich des aus den angelsächsischen Ländern inzwischen auf den europäischen Kontinent herüber wirkenden Methodismus erfolgte ohne eine Klärung. Der Hallenser bot gleichsam eine Brücke an, im weiteren Verlauf die Formen der besonders von Francke vertretenen Frömmigkeit mit dem angelsächsisch beeinflussten Methodismus zu verbinden. Was, wie noch gezeigt wird, auch reichlich geschah. 53 Judith Becker, Konversion im Wandel: Basler Missionare zwischen Europa und Südindien und die Ausbildung einer Kontaktreligiosität, 1834–1860, Göttingen 2015. Mit einigen differenzierenden Hinweisen auf den Bekehrungsbegriff in der methodistischen Tradition (S. 101–109). 54 Gäbler, Auferstehungszeit (wie Anm. 25), 24–27. 55 Tholuck, Geschichte (wie Anm. 51), 38. 56 Ebd., 46. Tholuck urteilte über den Pietismus in Württemberg: er strebe auf der gegebenen kirchlichen Grundlage, verbunden mit einer schönen Harmonie zwischen Kirche und Pietismus einen Fortschritt an, »welche[r] sich von dem Extreme eines gesetzlichen und asketischen Methodismus freier hält und von Streitigkeiten, wie die über den Bußkampf, die Bekehrungszeit, die Mitteldinge u. a. nichts weiß.« Er habe »nun auch einen anderen geschichtlichen Verlauf genommen als der hallische Pietismus.« Der Kontext dieser Passage macht deutlich, dass Tholuck mit »Methodismus« auch hier im Vergleich eindeutig die Verhältnisse in Halle charakterisierte.

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Vorher ist noch auf eine erste Kontroverse, welche Tholucks Veröffentlichung als Reaktion aus dem deutschen Zweig der methodistischen Kirche auslöste, einzugehen. Der Systematiker im Bremer Missionshaus der Methodisten, Professor William F. Warren (1833–1929),57 hat sich schon im März 1865 an seinen Lehrer Tholuck gewandt. Der hatte anfangs, als Warren nach Studien in den USA sein Studium in Halle aufnahm, den Amerikaner mit den Worten empfangen. »Was! ein Methodist kommt nach Deutschland, um Philosophie zu studieren!«58 Nachdem Tholuck sein Rationalismus-Buch veröffentlicht hatte, schrieb Warren seinem Lehrer und »Freund« und übersandte ihm sein eigenes gerade erschienenes Buch ›Systematische Theologie einheitlich behandelt‹ mit der Bemerkung – diesmal in deutscher Sprache eingefügt –, er widme ihm dieses Buch »als Denkmal einer persönlichen Glaubensgemeinschaft, welche über allen sonderkirchlichen und confessionellen Gegensätzen unendlich erhaben steht.«59 In seinem Begleitbrief schrieb er über die Lektüre der ersten Lieferung von Tholucks Werk über die ›Geschichte des Rationalismus‹, er habe sie »mit größtem Interesse gelesen und er sende eine Rezension darüber an die ›Methodist Quarterly Review‹«.60 Tholuck würde die Ausgabe mit der Rezension ja wohl durch die amerikanischen Herausgeber zugesandt bekommen. In einer Sache sei er allerdings verpflichtet gewesen, seinen Einwand zu erheben, nämlich im Gebrauch des Begriffs ›Methodismus‹. Der in Deutschland übliche Gebrauch sei bei allem Respekt falsch. Weder ›Bußbänke‹ noch ›Camp Meetings‹ haben die Methodisten begründet. »Es ist nicht Methodismus, welche jede nicht wiedergeborene Person als ein ›Kind der Hölle‹ bezeichnet, sondern die Concordienformel.«61 Methodismus, so der amerikanische Methodist aus Bremen, sei hier in Deutschland völlig missverstanden. Warren, der in Berlin und danach in Halle bei Tholuck studiert hatte, unterzeichnete den Brief »mit höchstem Respekt« als »Ihr Freund«, und er bat Grüße an Frau Tholuck auszurichten. Warren, später Präsident der Universität in Boston, bezeichnet den verschiedentlichen Gebrauch der Begriffe ›methodistisch‹ und ›Methodismus‹ in seiner erwähnten Rezension als gelegentliche Unkorrektheiten, die nach der 57 Zu William Fairfield Warren: Karl Heinz Voigt, BBKL, Bd. 13 (1998), 375–379. 58 Brief William F. Warren an F. A. G. Tholuck vom 28. März 1865. Archiv der Francke’schen Stiftungen, Sign. N Thol. 3046. Daraus auch die folgenden Zitate, aus dem Englischen übersetzt. 59 William F. Warren, Systematische Theologie einheitlich behandelt, Bremen, Zürich, Cincinnati (Ohio) 1865, in welcher der Autor nach einer Übersicht die »Confessionellen Standpunkte: Katholizismus, Calvinismus, Lutheranismus, Methodismus« behandelt. 60 Rezension in: Methodist Quarterly Review, Bd. 47 (1865), 315–317. 61 Am Ende von Kapitel II der Concordienformel heißt es, dass Jesus am jüngsten Tage den Teufel »samt allen anderen Gottlosen zu ewiger Strafe und Verdammniß in die Hölle stößt.« Text aus einer damals annähernd zeitgleichen Ausgabe von Eduard Köllner, Symbolik der lutherischen Kirche, Hamburg 1834, 627.

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unter deutschen Theologen üblichen Redeweise erfolge. Aber gegen solche Verdrehungen der Fakten, auch wenn sie ungewollt seien, müsse man nachdrücklich protestieren. Ähnlich hatte er an Tholuck direkt geschrieben. Der Methodismus sei hier in Deutschland völlig missverstanden. Ob allerdings Tholuck daran einen Anteil hat, ist noch zu untersuchen. Die Tholuck-Deutung des Historikers Franz Schnabel ging in eine andere Richtung. Er schrieb: »Tholuck hat die Gründer der methodistischen Religionsgemeinschaft im 18. Jahrhunderts hochverehrt und durch literarische Bearbeitungen das deutsche Publikum mit ihren Lebensschicksalen62 vertraut gemacht.«63 Allerdings hat er sich gegenüber der methodistischen Mission auf dem europäischen Kontinent eher kritisch als verständnisvoll verhalten, wie auch seine Zurückhaltung in der Frage der Religionsfreiheit in den deutschen Ländern zeigt.

Exkurs: new measures Die amerikanische Kirchenlandschaft wurde durch die sog. »new measures« revolutioniert. Dort und bald auch in Europa wurden diese zunächst im 19. Jahrhundert von evangelisierenden Kirchen in ihren Erweckungsversammlungen aufgenommenen Praktiken heftig diskutiert. Später entwickelte sich dieser Typ zu Evangelisations-Kampagnen weiter. Die »neuen Maßnahmen« fanden zuerst großen Zuspruch, als in Amerika der einflussreiche Presbyterianer Charles G. Finney (1792–1875) sie in seinen ›Lectures of Revival‹ publizierte.64 Sie verbanden in Amerika vielfach die Evangelisationsbewegung mit der aufkommenden Heiligungsbewegung. In Deutschland und der Schweiz wirkten sie zuerst 1875 in breiter Öffentlichkeit, als Robert Pearsall Smith (1827–1898) sie in seiner sog. ›Triumphreise‹ praktizierte und viel Aufsehen erregte.65

62 Friedrich A. G. Tholuck, George Whitefields Leben. Übersetzung der Erstausgabe von John Gillies (1772), Leipzig 1834. Vorwort von F. A. G. Tholuck, III–VI. 63 Franz Schnabel, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Die protestantischen Kirchen in Deutschland, Freiburg-Basel-Wien 1965, 214f. 64 Finney wirkte in Deutschland besonders durch aus dem anglo-amerikanischen Raum kommende Kirchen auf die Gemeinschaftsbewegung ein. Für die Biographie ›Leben und Wirken des Rev. Charles G. Finney, evangel. Prediger und Professor zu Oberlin (Ohio)‹, das 1879 im Verlag des Kölner Baptistenpredigers Eduard Scheve (1836–1909) erschien, hat der Bonner Professor Theodor Christlieb das Vorwort geschrieben (S. III–VIII). In Basel erschien eine Übersetzung »Über geistliche Erweckungen. Aus Charles G. Finneys Reden« von F. Hahn, Basel 1885, 19032. 65 Karl Heinz Voigt, Die Heiligungsbewegung zwischen methodistischer Kirche und landeskirchlicher Gemeinschaft. Die ›Triumphreise‹ von Robert Pearsall Smith im Jahre 1875 und ihre Auswirkungen auf die zwischenkirchlichen Beziehungen, Wuppertal 1996.

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Ein Hauptmotiv dieser ›new measures‹66 war, eine formlose, unabhängig von einer traditionellen Liturgie ausgestaltete gottesdienstliche Versammlung für Glaubenslose zu entwickeln. Darin sollte auch das öffentliche, persönliche Bekenntnis einer erlebten Glaubenserfahrung, zu der in der vorausgehenden Verkündigung ein Weg gezeigt worden war, unabhängig von liturgischen Formularen möglich sein. Was bisher unüblich war, sollte jetzt in einem Land ohne traditionelle Staatskirchenkultur praktiziert werden. Nach einer Aufforderung hervorzutreten und in der Nähe des Altars niederzuknien, empfingen die Hervorgetretenen einen persönlichen Zuspruch oder eine Fürbitte, nicht selten nach einem Bekenntnis. Im Grunde war es eine in das gottesdienstliche Leben integrierte Form von Beichte und Absolution. Die einladenden Gemeinden sprachen von einem ›Betaltar‹, die Kritiker von einer ›Bußbank‹ oder gar einer ›Angstbank‹. Evangelisierende Presbyterianer, Methodisten, Baptisten und andere erwecklich ausgerichtete Kirchen praktizierten diese »new measures«. Es dauerte nicht lange, bis man diese Praxis unabhängig von einer Denomination als ›Methodismus‹ im Sinne der Anwendung einer »Methode zur Bekehrung« bezeichnete. Insbesondere Theologen, die überwiegend aus traditionell geprägten europäischen Kirchen mit hohen liturgischen Ansprüchen kamen,67 welche die Dringlichkeit der Evangelisation bereits Getaufter nicht akzeptierten, lehnten solche Formen des persönlichen Bekenntnisses radikal ab und bekämpften sie. Im Hintergrund standen unterschiedliche theologische Positionen, insbesondere die Vorstellung von der sog. Taufwiedergeburt. Sie lösten heftige Kontroversen und Polemiken zwischen konfessionsbewussten Traditionalisten und solchen aus, denen die Einladung zum Glauben an Kirchenferne und Glaubenslose, auch wenn sie getauft waren, eine zentrales Anliegen geworden war.

66 Gäbler, Auferstehungszeit. Erweckungsprediger (wie Anm. 25). Hier: Charles G. Finney, 20f., auch Dwight L. Moody, Die organisierte Botschaft, 136ff. 67 Als typisches Beispiel sei an die von Wilhelm Löhe (1808–1872) ausgesandten Prediger erinnert, die auf den »Notruf« des Norddeutschen Lutheraners Friedrich Wyneken (1810– 1876) in Amerika »Lutherische Kolonien« zur Erhaltung des Deutschtums und der lutherischen Kirche in Nordamerika bildeten. Es ist bezeichnend, dass Löhe in Nördlingen eine »Agende für christliche Gemeinden des lutherischen Bekenntnisses« herausgab, die er Friedrich Wyneken widmete. https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/ bsb10796856_00021.html (18. Febr. 2018). Auch: Hans Rößler/Matthias Honold, Wilhelm Löhe und die Amerika-Auswanderung 1841–1872, Neuendettelsau 2008.

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Pietistische und methodistische Praxis in der Frömmigkeitsgestaltung Wenn es um das von Philipp Jakob Spener (1635–1705) angestoßene »herzliche Verlangen nach gottgefälliger Besserung der wahren evangelischen Kirche«68 geht, kann man zusammen mit Spener in einem Atemzug auch August Hermann Francke, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf und John Wesley nennen. So einig sie sich im Ziel waren, so kontrovers erwies sich unter ihnen der Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Zwar ist ihnen gemeinsam klar, die »Besserung der Kirche« führt über eine individuelle geistliche Erneuerung, der dann Konsequenzen für das gemeinsame Leben in der Kirche, ihrer Gemeinden und dem Dienst an der Gesellschaft folgen werden. Aber welcher Weg ist einzuschlagen, um dieses bis heute immer wieder neu gesteckte Ziel zu erreichen? Im nächsten Abschnitt geht es um den Weg der von den Brüdern Wesley ausgelösten Bewegung und deren Beurteilungen insbesondere aus der Sicht deutschsprachiger Theologen. Der Fokus wird einseitig überwiegend auf die Frage nach dem Weg der Bekehrung gerichtet, weil – wie es im nachfolgenden Kapitel deutlich wird – das Wort ›Methodismus‹ immer näher an eine Missdeutung heranrückte, die behauptete, diese Kirchenbezeichnung sei ihrer »Methode der Bekehrung« geschuldet.

»Methodisten« zwischen Halle und Herrnhut Im Frühjahre 1736 wurden John und Charles Wesley von der ›Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts‹ als Missionare in die britische Kolonie Georgia ausgesandt. Auf der Überfahrt dorthin war John Wesley von der gemeinschaftlichen Frömmigkeit jener Herrnhuter, die mit ihm auf demselben Schiff zur Fahrt über den Atlantik unterwegs waren, nachhaltig beeindruckt. Ganz offensichtlich waren dadurch von Anfang an seine Sympathien zwischen den Hallensern und den Herrnhutern auf Seiten der Brüdergemeine. Schon in Georgia fasste er den Beschluss, nach seiner Rückkehr in die Heimat bald auch Deutschland, das meinte Herrnhut, zu besuchen. Die aus Halle ausgesandten Prediger Johann Martin Boltzius und Israel Christian Gronau teilten das in ihrem Diarium vom Oktober 1737 nach Halle mit und schrieben: Herr Wesley, »welcher aus Savannah wegeilet […] meynet auch nach Teutschland zu reisen.«69 Tatsächlich verließ Wesley, der inzwischen aus Georgia zurückgekehrt war, am 68 Philipp Jakob Spener, Pia desideria: oder Hertzliches Verlangen nach Gott gefälliger Besserung der wahren Evangelischen Kirchen /sampt dahin einigen einfältig abzweckenden Christlichen Vorschlägen Philipp Jakob Speners, Frankfurt am Mayn, 1676. 69 Samuel Urlsperger (Hg.), Vierte Continuation der ausführlichen Nachricht von den Saltzburgischen Emigranten, die sich in America niedergelassen haben, Halle 1740, 2139.

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11. Juni 1738 mit einer kleinen Reisegruppe London in Richtung Deutschland. Länger als geplant hielt er sich zu Gesprächen mit Zinzendorf in Marienborn bei Büdingen auf, wo der aus Sachsen ausgewiesene Zinzendorf im Exil lebte. Nach 14 Tagen setzte Wesley mit seinen Begleitern die Reise fort. Halle erreichte die Gruppe auf einem kleinen Umweg am 26. Juli. Gotthilf August Francke, den Wesley gern getroffen hätte, »war nicht in der Stadt.« Nach der Stippvisite, die eine Besichtigung der bedeutenden Francke’schen Einrichtungen einschloss, kamen die englischen Pilger am 1. August in Herrnhut, dem von Wesley ersehnten Ort, an. Wieder blieb Wesley 14 Tage, um zu lernen und beobachtend am Gemeinschaftsleben der Brüder und Schwestern teilzunehmen. Der zweite Versuch, auf der Rückreise in Halle mit Francke zusammenzutreffen, konnte, wenn er aus dem theologisch völlig anders geprägten Herrnhut kam, kaum besser verlaufen, als der erste. Tatsächlich: Francke ließ ihn zunächst warten und übergab ihn dann bald einem seiner Mitarbeiter, Professor Johann Georg Knapp (1705–1771). Zwischen zehn und elf Uhr ging die Reise mit dem Ziel London weiter, das am 16. September 1738 erreicht wurde.70 Der Vorzug Herrnhuts vor Halle war auf der Seereise nach Georgia begründet und dort vertieft worden. Er fand schließlich eine historische Bedeutung durch die Erfahrung der geschenkten Glaubensgewissheit am 24. Mai 1738 unter dem seelsorgerlichen Einfluss des späteren Herrnhuter Bischofs Peter Böhler (1712– 1775). In einer theologischen Krise hatte Wesley aufhören wollen zu predigen, aber Peter Böhler hatte ihm nahegelegt »Predige Glauben, bis du ihn hast, dann wirst du ihn predigen, weil du ihn hast.«71 Das war keine Maxime aus Halle, wie auch Wesleys Erfahrung der Glaubensgewissheit nicht in das hallesche Schema passt. Sein Weg zur reformatorisch begründeten Glaubensgewissheit glich eher einer Herrnhuter »Minutenbekehrung«,72 vermittelt durch Zinzendorfs Mitarbeiter, aber geschehen unter dem direkten Einfluss von Martin Luthers Vorrede zum Römerbrief.73 Auch wenn es 1741 zu einer theologischen Kontroverse zwischen Wesley und Zinzendorf kam,74 waren zu jener Zeit schon zu viele Impulse in das Leben und Wirken durch Wesleys Vermittlungen in die methodistische Bewegung eingeflossen, als dass es zu einem unüberwindlichen Bruch hätte kommen können.

70 The Works of John Wesley, Vol. 18. Journals and Diaries (wie Anm. 18) und Vol. 19, Journals and Diaries, Nashville 1990, 5–12, hrgg. von W. Reginald Ward und Richard Heitzenrater. 71 Ebd., Eintrag 4. März 1738, 228. 72 Meyer, Zinzendorf und Herrnhut (wie 41), 41. 73 The Works of John Wesley, Vol. 18. (wie Anm. 35), 249f. 74 John Wesleys Gespräch mit Zinzendorf aus dem Lateinischen übersetzt in: Hans-Christoph Hahn/Helmut Reichel (Hg.), Zinzendorf und die Herrnhuter Brüder, Quellen zur BrüderUnität 1722–1760, Hamburg 1977, 424–427.

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Die hier erwähnten Beziehungen hatten für die methodistische Kirchentradition Folgen, die sich teilweise bis heute auswirken. Es können nur in aller Kürze einige Stichworte aufgezählt werden. Eine nachhaltige Prägung ging von den Kleingruppen aus, die wie in Herrnhut »Klassen« und »Bands« genannt wurden.75 Die Klassen in den methodistischen Kirchen wurden allerdings in stärkerem Maße zu Orten vieler Bekehrungen, die nicht mit der Herrnhuter Praxis vergleichbar sind. Erhalten hat sich aus dieser Tradition die zentrale Bedeutung der Gemeinschaft in Prozessen der individuellen Frömmigkeit, die man durchaus verbinden kann mit den ebenfalls von den Herrnhutern übernommen »Agapen«, die zeitgemäß bei Herrnhutern »Liebesmahle« und bei Wesleyanern »Liebesfeste« genannt wurden. Die Übernahme zeigt sich besonders im Selbstverständnis der »Konferenzen«, die ebenfalls auf das Herrnhuter Vorbild als Ort gesamtkirchlicher Beratungen zurückgehen und bis heute weltweit das Gesicht des methodistischen Selbstverständnisses mitprägen. An der internationalen Verbundenheit und dem weltweiten missionarischen Wirken, in den methodistischen Kirchen als globale ›Connexio‹76 geläufig, hatten die Brüder Wesley in Georgia, in London und John im niederländischen Herrendijk und in Herrnhut Anteil. Der ganz selbstverständliche und organisierte geistliche Laiendienst der »Ermahner« innerhalb einer Gemeinschaft musste in Herrnhut für einen anglikanischen Priester ein enormer Impuls sein. Als der Anglikaner Wesley seine Vorbehalte für den Einsatz von Laien zu geistlichen Diensten unter dem Einfluss seiner Mutter überwunden hatte, scheute er sich später nicht, die Ordnung bis in die Beauftragung von Laienpredigern für die normale Sonntagspredigt auszugestalten. Über den aus Herrnhut empfangenen Reichtum ist noch zu wenig geforscht und geschrieben worden. Eine völlig andere Sicht hat der Koreaner Sung-Duk Lee in einer Münsteraner Dissertation vorgelegt.77 Lee hat in gründlichen Studien von Francke- und Wesley-Texten in einem Kapitel »John Wesleys Bekehrung und seine Bekehrungstheologie«78 auch einen Abschnitt »John Wesleys Bekehrungstheologie im Vergleich zu der A. H. Franckes« vorgelegt. Darin kam er zu dem Schluss: »Der ganze Vorgang der Bekehrung Wesleys entspricht vielmehr [als der Herrnhuter Theologie] fast der Auffassung A. H. Franckes über die ›Ordnung Gottes‹, die sich in der Reihe vorlaufende Gnade, göttliche Rührung, Bußkampf, Rechtfertigung und Heiligung entfaltet.« In dem Zusammenhang berücksichtigt er Franckes Auffassung, »dass die Bekehrung als einmalig vollzogene biographisch fixierbare Lebenswende zu bezeichnen ist.« (160) Weil Lee die Buße und den 75 Thomas R. Albin, Experience of God. In: Abraham/Kirby, Oxford Handbook of Methodist Studies, Oxford 2009, 379–397 (hier 387f.). 76 Vergl. Teil 4.2. 77 Sung-Duk Lee, Der deutsche Pietismus und John Wesley, Gießen 2003. 78 Ebd., 148–168.

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daraus folgenden »Bußkampf« bei Francke als »tägliche Buße« interpretierte, deren »Zweck« darin bestehe, »dass der Mensch in der Furcht und Liebe Gottes immer tiefer gründet und erbaut« (164) werde, gab er diesem Prozess einen neuen Ort. Der Bußkampf selbst ist bei Francke nun nicht mehr der als notwendig angesehene verzweifelte Kampf vor der erlösenden Bekehrung, sondern dessen Folge für ein Leben in der Heiligung. Von diesem Ansatz her kommt er zu dem Ergebnis: »John Wesley steht insofern näher bei Francke als bei Zinzendorf, als er die tägliche Buße zur geheiligten Lebensführung für erforderlich hält, sogar nach der Rechtfertigung.« (165) Diese stark lutherisch von der täglichen Buße79 des Glaubenden her erfolgte Interpretation milderte Lee schließlich ein wenig ab, wenn er schrieb: »Jedoch hatte Wesley etwas wie die strenge Bußkampfmethodik des späteren halleschen Pietismus nicht entwickelt, die einem gesetzlichen Verständnis der Bekehrung Vorschub leistet.« (165) Texte, die dem praktischen Wirken Wesleys eindeutig mehr entsprechen und deren Positionen in den Fragen der Bekehrung näher bei Zinzendorf sind, hat Lee geflissentlich übersehen. Ich füge ein typisches Beispiel aus einer Lehrpredigt John Wesleys von 1742 an, die er über das reformatorische Thema »Die Gerechtigkeit aus dem Glauben«80 veröffentlichte. Darin wendet sich Wesley, ohne den Begriff Bußkampf zu gebrauchen ausführlich gegen diese im deutschen Pietismus propagierte Praxis. Im ganzen dritten Teil der Predigt hebt er immer wieder neu an, zur Versöhnung mit Gott einzuladen. »Wer du auch bist, der du begehrst Vergebung zu erlangen, und wieder in Gottes Gunst zu stehen«, heißt es in der Predigt, »sag nicht in deinem Herzen: ›Ich muss zuerst dies tun. Ich muss zuerst jede Sünde überwinden, jedes böse Wort und jede böse Tat unterlassen und allen Menschen Gutes tun‹. Oder : ›Ich muss zuerst in die Kirche gehen, das Abendmahl empfangen, mehr Predigten hören und mehr Gebete sprechen‹. Ach, mein Bruder! Da bist du auf dem falschen Weg. Du ›erkennst die Gerechtigkeit Gottes‹ noch ›nicht‹ und ›trachtest deine eigene Gerechtigkeit aufzurichten‹ als Voraussetzung für deine Versöhnung. Weißt du nicht, dass du nichts als Sünde tun kannst, solange du nicht mit Gott versöhnt bist? Weshalb sagst du dann: ›Ich muss zuerst dies und dies tun, und dann werde ich glauben‹? Nein, zuerst glaube! Glaube an den Herrn Jesus Christus, die Versöhnung für deine Sünden. Lass diesen Grund zuerst gelegt sein, und dann wirst du alles andere gut machen.«81 79 Martin Luther im Kleinen Katechismus: Das Wassertaufen bedeutet, »daß der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten…«. https://www.ekd.de/Kleine-Katechismus-Vierte-Hauptstueck-13472.htm. 80 John Wesley, Lehrpredigten (wie Anm. 24), Die Gerechtigkeit aus dem Glauben, 89–99. Alle Hervorhebungen sind aus dem englischen Urtext übernommen. Es könnten auch andere Predigten sein wie z. B. die nicht zufällig erste in der Gesamtausgabe über »Das Heil durch den Glauben«, einen »Lieblingstext« (Michel Weyer) des Predigers, oder »Rechtfertigung durch den Glauben«, oder »Der Weg ins Reich Gottes«. 81 Ebd., 97.

»Pietistische Methodisten« im kontinentalen Europa

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Danach beginnt jeder neue Absatz mit einer persönlich einladenden Ansprache. – »Sage auch nicht in deinem Herzen: ›Ich kann nicht angenommen werden, weil ich nicht gut genug bin.‹ Wer ist gut genug und wer war es je, um die Annahme durch Gottes Hand zu verdienen?« (97 f) – »Sage nicht: ›Ich bin nicht zerknirscht (andere Übersetzung ›bußfertig‹) genug.‹ […] Schau indessen auf Jesus. Sieh, wie er dich liebt! Was hätte er noch für dich tun können, das er nicht bereits getan hat?« (98) – »Sage auch nicht: ›Ich muss etwas mehr tun, bevor ich zu Christus komme.‹ […] Setze ihm keinen Termin [wann er (wieder-)kommen wird]! Erwarte ihn jede Stunde! Jetzt ist er nahe! Er steht vor der Tür.« (98) – »Und wozu willst du auf mehr Aufrichtigkeit warten, bevor deine Sünden getilgt sind? Um dich der Gnade Gottes würdiger zu erweisen? Ach, du bist immer noch dabei, ›deine eigene Gerechtigkeit aufzurichten‹.« (98) – »Vor allem: Wie lange willst du vergessen, dass alles, was du tust und was du hast, solange dir deine Sünden nicht vergeben, nichts nützt, um Gott für die Vergebung deiner Sünden geneigt zu machen? Ja, das alles musst du hinter dich werfen, mit den Füßen zertreten und nicht in Rechnung stellen; sonst wirst du niemals Gnade finden in Gottes Augen. Erst wenn dies geschehen ist, kannst du sie als ein bloßer Sünder erbitten, der schuldig, verirrt und verloren ist und der nichts vorzubringen hat oder Gott anbieten kann, als nur die Verdienste seines Sohnes, ›der dich geliebt und sich selbst für dich gegeben hat‹!« (99) – Und zum Schluss: »Wer du auch bist, o Mensch, der du das Todesurteil in dir trägst, der du dich als verurteilter Sünder fühlst und den Zorn Gottes stets über dir hast – dir sagt der Herr nicht: ›Tue das‹, gehorche allen meinen Geboten genau – ›und lebe‹. Sondern er sagt: ›Glaube an den Herrn Jesus Christus und du wirst gerettet.‹ ›Das Wort des Glaubens ist nahe bei dir.‹ Jetzt, in diesem Augenblick, im gegenwärtigen Moment, in deinem jetzigen Stand als Sünder, der du bist, so wie du bist, glaube an das Evangelium, und ›ich will deiner Ungerechtigkeit gegenüber gnädig sein und deiner Sünden will ich nicht mehr gedenken‹.« (99)

Eindringlicher und einladender82 kann man kaum über »diesen Augenblick«, diesen »gegenwärtigen Moment« sprechen, als Wesley es in dieser Lehrpredigt tat. Sie war ja geschrieben zur »permanenten und autodidaktischen Weiterbildung« der Laienprediger, die zusammen mit Wesley die Rechtfertigungsbotschaft verkündigen sollten. Nebenbei ist die an Francke gebundene Missdeutung John Wesleys ein Beispiel dafür, welche Fehler vermieden werden können, wenn man sich nicht ausschließlich und einseitig auf gedruckte Texte beruft, sondern auch die damit 82 Albert Outler (1908–1989), einer der herausragenden methodistischen Theologen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, hat von dem Prediger John Wesley geschrieben, er habe zur »aktuellen Herausforderung wie zur Heiligen Schrift und durch einen einfachen, argumentativen, oft auch auffordernd-einladenden Stil seiner Redeweise« gewirkt. Zit. n. Manfred Marquardt, Vorwort zu Wesley, Lehrpredigten (wie Anm. 24), 10.

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zusammenhängende Praxis einbezieht. Wie hätte John Wesley bei seinen regelmäßig außerhalb von Kirchengebäuden vor hunderten, tausenden ja gelegentlich -zigtausenden zu einem Bußkampf aufrufen und danach in den nächsten Ort weiterreiten können? Die sozialen Umfelder von Francke und Wesley waren nicht vergleichbar, hier geordnete Gottesdienstgemeinden, dort Freiversammlungen unterschiedlicher Größe. Im Zusammenhang der Fragestellung dieses Abschnitts sind zunächst die Distanz zwischen dem wesleyanischen Methodismus und dem franckeschen Pietismus einerseits und die methodistische Hinneigung zum Herrnhutertum andererseits wesentlich. Dietrich Meyer, der gegenwärtig beste Kenner der Herrnhuter Geschichte, hat sogar in der Debatte um das in mehrfacher Weise strittige Phänomen des Pietismus83 die These formuliert, »Ob Zinzendorf als Pietist bezeichnet werden kann, ist eine offene Frage«.84 Die Theologie und Praxis der methodistischen Kirchen ist dauerhaft mehr aus Herrnhuter Impulsen als aus der hallesch-pietistischen Tradition gespeist. Trotzdem scheinen über die Brücke des Begriffsfeldes »Methodismus« in der deutschen Historiographie die »Methodisten« in ihrer erwecklichen Praxis eher an den längerfristig dominierenden »halleschen Methodismus« herangerückt worden zu sein. Das wurde gleichzeitig durch bedauerliche Unkenntnis und polemische Interessen unterstützt. Am Rande mag ein Beispiel aus Johann Wolfgang Goethes ›Ewigen Juden‹ erwähnt sein. 1774 schrieb er über einen Schuster in Judäa, der durch seine HerzFrömmigkeit bekannt war, er »war halb Essener, halb Methodist, Herrnhuter, mehr Separatist, denn er hielt viel von Kreuz und Qual; genug, er war ein Original und aus der Originalität er andern Narren gleichen tät.«85 Diese Zeilen werden gelegentlich von methodistischen Autoren auf ihre Denomination gedeutet. Manchmal sogar kritisch mit dem Erwägen, der Dichter habe hier einen puritanisch-asketischen Aspekt zum Ausdruck gebracht, wo es doch in der wesleyanisch-methodistischen Tradition zwischen ›Holiness and Happiness‹ eine tiefe Zusammengehörigkeit gab. Dachte Goethe 1774 wirklich an einen englischen »Methodisten«? Oder hatte er nur aufgegriffen, was in jener Zeit in Deutschland über manche Pietisten gesagt wurde? Die Tatsache, dass in der Aufzählung neben den Essenern und Herrnhutern der »Pietist« fehlt, legt diesen Gedanken durchaus nahe und folgt der sprachlichen Logik, wie sie im Blick auf Halle hier vorgestellt worden ist. Dieses trifft übrigens auch auf die

83 Martin Brecht, Die Umstrittenheit des Gegenstandes und die Begründung der vorliegenden Konzeption [der vierbändigen ›Geschichte des Pietismus‹]. In: GdP Bd. 2, Göttingen 1993, 3. 84 Meyer, Zinzendorf und Herrnhut (wie Anm. 41), 5. 85 Johann Wolfgang Goethe, Der ewige Jude, 1774.

Aus »Methodists« wurde »People called Methodists«

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Formulierung »Bekehrungsmethodismus« zu, die in demselben Text, auf den hier Bezug genommen wird, verwendet wurde.

Wieder eine kurze Zwischenbilanz Wie bei den »katholischen Methodisten« weist auch bei den »pietistischen Methodisten« die charakterisierende Begrifflichkeit nicht auf theologische Inhalte oder Differenzen hin. Ging es im 16. und 17. Jahrhundert bei den Katholiken um eine spezielle »Methode« für die nachreformatorische kirchliche Auseinandersetzung, so war es im 18. und 19. Jahrhundert insbesondere bei den halleschen Pietisten die »Methode«, Menschen in einem speziellen Prozess in Verbindung mit der Buße zur Bekehrung zu bringen. Nicht genug damit, dieses wurde mit notwendig scheinenden Umständen verbunden, die den Begriff »Methodismus« als pietistisches Phänomen weiter qualifizierten. Nach dem »Bußkampf«, in den polemischen Auseinandersetzungen mit dem Begriff »Bußkrampf« belegt, sollten die Zeit, der Ort und die Umstände der Bekehrung in der je eigenen Biographie fassbar sein und auch bleiben. Wenn die Kirchenbezeichnung der »methodistischen Kirchen« in der Literatur des 19. Jahrhunderts auf eine spezielle »Methode der Bekehrung« zurückgeführt und dann noch mit diesen typisch pietistischen Merkmalen Stunde, Ort und Umstände der Bekehrung ausgestattet wurde, ist dieses eine Verschiebung – manchmal mit polemischer Absicht -, für welche die hallesche Tradition ungewollt die Sprachfiguren bereitstellte.

1.3

Aus »Methodists« wurde »People called Methodists« (18. und 19. Jahrhundert)

An der berühmten Universität in Oxford gab es Ende der zwanziger Jahre des 18. Jahrhunderts eine kleine unabhängige Studentengemeinschaft, die von anderen Studenten ironisch oder mitleidsvoll »Heiliger Club« genannt wurde. Bereits in den Anfängen zählte zu den Mitgliedern auch Charles Wesley. John, sein älterer Bruder, kam am 17. Juni 1729 an seinen früheren Studienort und Wirkungsort Oxford zurück. Er übernahm bald die Führung der überschaubaren Gruppe. Die Gestaltungen des Gemeinschaftslebens und Unternehmungen der Gruppenmitglieder wurden immer vielfältiger. Regelmäßig trafen sie sich in einem Zimmer der Studenten. Sie lasen gemeinsam Klassiker wie Horaz (65–8 v. Chr.), Juvenal (um 60–140) und Terenz (um 190–159 v. Chr.). An den Wochenenden wandten sie sich geistlicher Literatur zu. Dann lasen sie u. a. John

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Der Name Methodisten

Miltons (1608–1674) ›Verlorenes Paradies‹ mit seiner Sehnsucht nach Erlösung und studierten die Lebensbeschreibung des französischen Grafen Gaston JeanBaptiste de Renty (1611–1649). Sonntags nahmen sie selbstverständlich am Universitätsgottesdienst teil und feierten regelmäßig die Gemeinschaft mit Christus und seiner Gemeinde im Mahl. Zunehmend wurden auch diakonische Aufgaben übernommen: Besuche in verschiedenen Gefängnissen, Unterrichtung von Waisenkindern, Seelsorge bei Alten und, soweit möglich, Unterstützung von Armen. Sie selber unterwarfen sich jeden Mittwoch und Freitag einem strengen Fasten. Zur gleichen Zeit gab es andere Kleingruppen innerhalb der Universität. Andere Studenten genossen ihr freies Studentenleben. Manche beobachteten den »Heiligen Club«, dessen Mitglieder sich hingebend bemühten, durch ein heiliges Leben Gott zu gefallen. Je mehr John Wesley die Leitung dieses Kreises übernahm, umso fester wurde die Planung der verschiedenen Aktivitäten und umso sicherer gelang es, das gemeinsame Ziel ins Auge zu fassen. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Dass sich gleich zwei Besuchende zufällig in einem Gefängnis trafen, um einen straffällig gewordenen zu besuchen und andere übersehen wurden, war nun durch genaue Planung ausgeschlossen. Der frühere Dozent für Logik dachte mit dem Studentenkreis darüber nach, ob es für die Mitglieder eine gewinnbringende Art der Gesprächsführung gab, wie die gemeinsame Lektüre möglichst fruchtbar sein kann, egal ob es um allgemeine Literatur oder um das gemeinsame Bibelstudium ging. Er strukturierte die Besuche der Gruppenmitglieder in Gefängnissen und bei Armen. Dieses entsprach John Wesleys Naturell. Durch systematische Ordnung, die auch sein ganzes späteres Leben prägte, das dadurch so unglaublich reich und vielfältig wurde, hat er seine ganze Energie, die Zeit und die Kraft wie alle ihm zur Verfügung stehenden wirtschaftlichen Ressourcen in großer Disziplin eingesetzt. Es kann niemand wundern, wenn diese methodisch geordnete Lebensweise von anderen Studenten kritisch beobachtet wurde. Viele hielten diese strenggesetzliche Art ihres geistlichen Lebens für übertrieben und mokierten sich darüber, dass dieser »Heilige Club« auch die konsequente Beachtung der Universitäts-Vorschriften praktizierte, mit denen es andere nicht so genau nahmen. Richard Heitzenrater (*1939), ein Kenner der Szene, schrieb, es muss gegen die Behauptung von Wesleys Zeitgenossen »auch gesagt werden, dass man es sich an der Universität in geistlicher und akademischer Hinsicht bequem gemacht hatte und an einem Tiefpunkt in der Geschichte dieser Ausbildungsstätte angekommen war.«86

86 Richard P. Heitzenrater, John Wesley und der frühe Methodismus, Göttingen 2007, 51.

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Angesichts dieser Lage konnte es niemanden überraschen, wenn der Lebensstil der frommen Studenten andere dazu veranlasste, die »Bibelmotten« um die Brüder Wesley spöttisch auch »Methodisten« zu nennen. Otto Riecker (1896– 1989), ein interessierter Beobachter früh einsetzender evangelistischer Aktivitäten, hat in einer Biographie über George Whitefield, der sich dem Oxforder Studentenkreis angeschlossen hatte, über die kleine Gruppe geschrieben: »Man hatte ihr wegen ihrer systematischen Zeit- und Lebenseinteilung den Spottnamen ›Methodisten‹ gegeben.«87 Freilich tauchte im Rückblick die Frage auf: Wie kamen die Studenten auf diese Bezeichnung und wo gibt es dafür Vorbilder? Eine Verbindung zur Schule von Medizinern des ersten Jahrhunderts hatte schon John Wesley in seine frühen Überlegungen einbezogen. Der Pietismusforscher Martin Schmidt (1909–1982), Autor einer zweibändigen Wesley-Biographie,88 meinte eine Spur gefunden zu haben, die in die Zeit der Großen Revolution Cromwells (1599–1658) zurückführt. Er konnte aber nicht nachweisen, auf wen diese Charakterisierung angewandt wurde. Schmidt erwähnte auch den hugenottischen Theologen Jean Daille (1594–1670).89 Allerdings hat er ihn nicht einordnen können in jene Gruppe französischer Hugenotten, welche sich den »katholischen Methodisten« widersetzte. Zuletzt hat sich Richard P. Heitzenrater als amerikanischer WesleySpezialist mit dem »Oxford-Methodismus« dieser Jahre befasst.90 Er zieht eine Linie zu den Arminianern in den Niederlanden. Zu John Wesleys Interpretation bemerkte er, dieser »brachte die Bezeichnung ›Methodisten‹ niemals mit dem Fachvokabular der vorigen Generation theologischer Dispute in Verbindung, weil er mit dem etwas unklaren Gebrauch des Wortes nicht vertraut war.«91 Heitzenrater klärt allerdings den »etwas unklaren Gebrauch des Wortes«, wie er im ersten Teil des Kapitels dargestellt wurde, auch nicht.92 Konkreter ist sein Hinweis, wie es zur Popularisierung dieses Namens kam. Zu jener Zeit, als die Gruppe in Oxford schon in Vergessenheit zu geraten schien, habe ein kritischer Leserbrief in der Londoner Zeitung ›Fog’s Weekly Journal‹ ihn jedoch so nachdrücklich einer breiten Öffentlichkeit vermittelt, »dass er bald allgemein für Wesleys Bewegung in Oxford gebraucht wurde.«93 87 Otto Riecker, Ruf an alle. George Whitefield. Bahnbrecher der modernen Evangelisation und Erweckungsträger in zwei Kontinenten, Wuppertal 1962, 15. 88 Schmidt, John Wesley, Bd. 2 (1738–1791) (wie Anm. 17), 89. 89 Jean Daill8, La foy fond8e sur les Saintes Ecritures contre nouveaux M8thodistes, Charenton 1634. 90 Heitzenrater, Der frühe Methodismus (wie Anm. 86), 67f. – Die 1995 in Nashville/USA erschienene englisch-sprachige Ausgabe trägt den Titel ›Wesley and the People called Methodists‹. 91 Ebd., 67. 92 Vgl. Teil 1.1. 93 Heitzenrater, Der frühe Methodismus (wie Anm. 86), 67f.

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Man sprach sogar von »neuen Methodisten«. Allerdings knüpfte man noch nicht an die katholischen anti-reformatorischen Methodisten an. Wie bereits erwähnt, brachte John Wesley selber 1742 die Bezeichnung »Methodisten« mit einer »antiken Medizinerschule des ersten Jahrhunderts« in Verbindung. Als er seine kleine Schrift ›Die Kennzeichen eines Methodisten‹ (The Character of a Methodist)94 1742 veröffentlichte, erläuterte er einleitend die Bezeichnung der »sogenannten Methodisten« und die Herkunft des Namens. Er schrieb schon in dieser frühen Phase der Bewegung ausdrücklich »Ich sage mit Fleisse die sogenannten Methodisten: denn es ist wol zu merken, daß dieses nicht ein Name ist, den sie sich selbst genommen, sondern ein solcher, der ihnen zum Spotte ohne ihr Gutheissen oder Bewilligung auferlegt worden. Es wurde selbiger zu erst 3 oder 4 jungen Leuten in Oxford von einem Studenten aus dem sogenannten Christ-Church-College gegeben, und vermuthlich damit gezielet auf jene bekannte alte Secte unter den Aertzten, welche man so genennet, entweder weil sie lehreten, daß man fast alle Krankheiten durch eine gewisse Methode in der Diät oder Bewegung heylen könnte, oder auch, weil sie in ihrem Studieren und Betragen eine ordentlichere Methode beobachteten, als die übrigen von ihren Stande zu der Zeit zu thun pflegten.«95

Zurück zum Ausgangort Oxford. Um eine Erfüllung in einem heiligen Leben zu finden, wurde der Weg in die neu gegründete britische Kolonie Georgia beschritten. Die Sehnsucht von Mitgliedern des »Heiligen Clubs«, also »die Suche […] nach Errettung«96 von der eigenen Ungewissheit, hofften manche dort befrieden zu können. Zusammen mit John Wesley segelte sein Bruder Charles, sein Freund Benjamin Ingham (1712–1772) und der Kaufmannssohn Charles Delamotte (1714–1786) 1735 nach Georgia. Dorthin waren sie von der Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts in eine kirchliche Arbeit ausgesandt. John wollte auch als Missionar unter Indianern herausfinden, wie die urchristliche Situation gewesen sein kann, ja er hoffte, »in der Wiederholung der urchristlichen Heidenpredigt […] das zutreffende Verständnis der neutestamentlichen Botschaft wiederzugewinnen.«97 John Wesley, so sieht es Martin Schmidt, entdeckte aber weit mehr : Dem »Heidenmissionar« stellte sich die Frage, »ob es nicht auch in der Heimat genug Heiden gebe, denen man das Evangeliums bringen müsse.«98 Zum Zentrum des sich entwickelnden Missi94 In deutscher Sprache zuletzt unter dem Titel »Die Kennzeichen eines Methodisten« herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Manfred Marquardt, Stuttgart 1981. 95 John Wesley, Kennzeichen eines Methodisten. In: Johann Ludwig Schlosser (1702–1754) [Hg.], Das Verlangen der Heiligen nach dem, das droben ist; Und Christen als Leute einer anderen Welt, Hamburg 1753, Vorbericht 3. Ich zitiere aus dem Text der frühesten deutschen Übersetzung dieser Schrift, die danach vielfach insbesondere von methodistischen Verlagshäusern veröffentlicht wurde. 96 Heitzenrater, Der frühe Methodismus (wie Anm. 86), 63. 97 Schmidt, Der junge Wesley (wie Anm. 30), 24. 98 Ebd., 26.

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onsgedankens wurde die Einsicht: »Mission« ist »der Schlüssel zum Evangelium selbst.«99 Martin Schmidt interpretierte einen Brief, den John Wesley am 10. September 1736 von Savannah aus an George Whitefield (1714–1770) und seine Freunde, die in Oxford gebliebenen »Methodisten«, geschrieben hat.100 »Jede Zeile dieses Briefes sprach es aus, daß ihm Pfarramt und Mission Dienst an den Christen und Dienst an den Heiden im Grunde eins waren.«101 Am Ende seiner Untersuchung über John Wesley in Georgia attestierte Martin Schmidt dem Oxforder sog. Methodisten einen erstaunlichen Perspektivwechsel im theologischen Ansatz Wesleys. Die Sorge um die eigene zu erstrebende und zu gewinnende Heiligkeit trat zurück und der Blick auf die Mission gab einen neuen, ungewöhnlichen Impuls. Schmidt urteilt unter Einbeziehung des späteren Lebensweges über den in Georgia gewandelten John Wesley : »Er war der erste, der klar erkannte, daß die Aufgabe des Christentums in der modernen Welt Mission heißt, zugleich der erste, der diese Erkenntnis zielbewusst und entsagungsvoll in einer umfassenden, bis in den persönlichen Lebensstil hineinreichenden Weise verwirklichte.«102 Georgia war ein großer erster Schritt der Überwindung und damit der Lösung von der Oxforder »Methodisterei«, wie man im 19. Jahrhundert in Deutschland mit dem abschätzigen Blick auf die Gemeinschaftsbewegungen gelegentlich formulierte. Der Wechsel der Blickrichtung von der Sorge um die Heiligkeit der eigenen Person auf die Menschen ohne Glauben und die Sorge um deren Heil wurde für Wesley und die Methodisten für alle Zukunft von fundamentaler Bedeutung. Die Begegnungen mit Herrnhutern aus Deutschland zuerst auf der Überfahrt nach Georgia, dann während des dortigen Wirkens und insbesondere nach der Rückkehr in London, waren grundlegend für den Wandel, den es jetzt zu beschreiben gilt.

Die Wende: von den »Methodisten« zu den »sogenannten Methodisten« Am 24. Mai 1738 saß in London der anglikanische Priester John Wesley, der 1725 seine Ordination zum Diakon und 1728 die zum Ältesten empfangen hatte, nach einem reichlich ausgefüllten Tag abgespannt in einer kleinen Versammlung von Herrnhutern. Er hatte sich schon seit Monaten mit theologischer Literatur zur Frage der Glaubensbegründung befasst. In intensiven theologischen Gesprächen mit seelsorgerlichem Charakter hat er gleichzeitig seine kritischen Fragen an 99 100 101 102

Ebd., 27. John Wesley, The Letters, hrgg. von John Telford, Vol. I, London 1931, 204–206. Schmidt, Der junge Wesley (wie Anm. 30), 34. Ebd., 38.

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den Herrnhuter Prediger Peter Böhler gestellt und um Klarheit gerungen. Wesley wollte schon aufhören zu predigen, weil er sich seines Glaubens nicht gewiss war. Auf Böhlers Rat gab es das Predigen nicht auf. An jenem Abend im Kreise der Herrnhuter wurde Wesley auf ungeahnte Weise mit einer neuen Gewissheit seines Glaubens beschenkt. Es war keine Herrnhuter Predigt, die sein Herz und seinen Verstand erreichte, sondern klassische Worte Martin Luthers (1483– 1546). Dessen reformatorische, kraftvolle Vorrede zum Brief an die Römer wurde in der kleinen Versammlung vorgelesen. Das war, wie Wesleys ausführliche Eintragung und Interpretation in seinem Tagebuch zeigen, eine folgenreiche ökumenische Begegnung zwischen Martin Luther, einem Herrnhuter Vorleser und einen als Methodisten in Verruf geratenen anglikanischen Priester. Der frühere Oxford-Methodist John Wesley, der praktisch erfolglos aber theologisch reich beschenkt aus Georgia zurückgekehrt und mit vielen Fragen befasst war, notierte unter dem 24. Mai 1738: »Am Abend ging ich sehr widerwillig in eine society in der Aldersgate Street, wo jemand Luthers Vorrede zum Brief an die Römer vorlas. Etwa ein Viertel vor neun, während er die Veränderung beschreibt, welche Gott im Herzen durch den Glauben an Christus bewirkt, fühlte ich mein Herz seltsam erwärmt. Ich wurde inne, daß ich für das Heil meiner Seele wirklich auf Christus vertraute, auf Christus allein. Dazu wurde mir die Gewissheit geschenkt, dass er meine Sünden, ja gerade meine, weggenommen und mich vom Gesetz der Sünde und des Todes erlöst hat.«103

An diesem Abend wurde der letzte Schritt getan, der John Wesley von seinen eigenen Oxforder Anstrengungen zu einem heiligen Leben befreite. Mit anderen Worten: Die existentiell erfahrene Erneuerung des theologischen Denkens und Glaubens und die geschenkte Gewissheit der eigenen Rechtfertigung durch den Glauben aus Gnaden wurden ihm zur entfesselnden Befreiung. Dem Leben war die geistgewirkte Basis geschenkt, endgültig und begründet über die Sorge um das eigene Heil hinauszuschauen auf das Heil jener Welt, die Wesley später wie sein parochiales Kirchspiel betrachtete und der er sich mit Wort und Tat verpflichtet wusste. Im Grunde waren aus John und ähnlich seinem Bruder Charles, ebenfalls ein anglikanischer Pfarrer, durch die Begegnung mit der reformatorischen Botschaft aus den früheren Oxforder »Methodisten« evangelistische Missionare für England geworden. Die reformatorische Rechtfertigungstheologie, wie sie John Wesley im Verständnis der Herrnhuter Brüder in Georgia und London und wahrscheinlich noch tiefer im Hören von Martin Luthers Vorrede zum Römerbrief begegnet war, 103 Wesley, Journals and Diaries (wie Anm. 17), Bd. 1, 249f. (Übersetzung aus dem Englischen, Hervorhebungen übernommen).

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gab ihm – und fast zur gleichen Zeit auch seinem Bruder Charles104 – eine neue Lebensgrundlage. Beide erfassten nicht nur intellektuell die Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden, sondern sie erfuhren ihre befreiende Wirkung existentiell. Ihr bisheriges gesetzliches, methodistisches Leben wurde durch die erfahrene Kraft des Evangeliums zu einem Leben in evangelischer Glaubensgewissheit erneuert. John war fast 35 Jahre alt und sein Bruder Charles war 30. Für die Fragestellung dieser Studie ist von Interesse, wie mit einem Schlag durch die Begegnung mit Martin Luther und der Annahme von dessen zentraler Lehre das Thema des Oxford-»Methodismus« erledigt war. Dies hieß aber nicht, es ginge im persönlichen und später im Leben der Societies nicht mit klaren Ordnungen zu. Für Wesley war keiner ein Christ, bis er es erfuhr. Als Kenner der Alten Kirche berief er sich auf eines ihrer sprichwörtlichen Grundsätze. »Die Seele und der Leib machen einen Menschen, und der Geist und die Ordnung machen einen Christen.«105 Und als »neue Kreatur« begann der Christ das »neue Leben«. Wesley knüpfte in seinem Ordnungssinn und seinen klaren Regeln, mit denen er das Leben der späteren Kirche maßgeblich beeinflusste, nicht mehr an heilbringend notwendig erscheinende Pflichten an. Aber er blieb ein hervorragender Organisator einer klar strukturierten Bewegung. Nicht zufällig nennen die Methodisten ihre kirchliche Ordnung in den angelsächsischen Ländern bis heute ›Discipline‹.106 Solche Jüngerschaftsordnungen hatten von an Anfang an lediglich eine dienende Funktion. Durch sie sollte dem Wirken Gottes für sein gnädiges rechtfertigendes Handeln Kanäle bereitet und Räume offen gehalten werden, die dem Wirken des Heiligen Geistes dienten und dem Lauf des Lebens und Dienstes ihre Richtung gaben. John Wesleys Eintragung über diesen Wandel zur reformatorischen Theologie in sein Tagebuch107 hat ganz unterschiedliche Seiten des kirchlichen Lebens dauerhaft beeinflusst. Im Lande Luthers mussten die Methodisten bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts wie in kaum einem anderen Land um ihre Akzeptanz ringen. Darum haben sie in ihren Büchern und Zeitschriften gerade in Deutschland immer 104 Charles Wesley, Tagebuch 1736–1738, übersetzt und kommentiert von Martin E. Brose, EmK Geschichte – Monographien, Bd. 53, Frankfurt 2007. – Eintrag am 17. Mai. 1738, 167– 169: Lektüre von Luthers Kommentar zum Galaterbrief. Eintrag am 21. Mai 1738, 171–173 (Pfingsten) – Charles Wesley wurde mit Glaubensgewissheit beschenkt. Andere interpretieren das als seine »Bekehrung«. Charles Wesley selber benutzt diesen Begriff in seiner Schilderung nicht. 105 Zit. n. Thomas Lessmann, Rolle und Bedeutung des Heiligen Geistes in der Theologie John Wesleys, Stuttgart 1987, 125. 106 Vgl. Teil 4.2. 107 The Works of John Wesley, Vol. 18, Journals and Diaries I (1735–1738), (wie Anm. 18), 242– 252.

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wieder auf diese entscheidende Begegnung mit dem deutschen Reformator hingewiesen. Es war für die einen mehr als für die anderen eine vielfache Bemühung, einen Nachweis ihrer lutherisch-reformatorischen Tradition zu führen und dadurch eine mildere Beurteilung durch die kritischen Theologen und Konsistorien zu erreichen. Die Reihe dieser Hinweise auf den impulsgebenden Einfluss Martin Luthers beginnt in der ersten Geschichte des Methodismus, die in Deutschland von einem Methodisten geschrieben wurde. Es war der Begründer der methodistischen Mission in Kontinentaleuropa Ludwig S. Jacoby (1813–1874). Sein Buch erschien im Bremer Verlag der methodistischen Kirche.108 Die Prägung des protestantischen Lebens in England war calvinistisch bestimmt. John Wesley hat in aller Klarheit die Prädestinationslehre abgelehnt und manchen Kampf darüber ausfechten müssen. In der methodistischen Tradition kam es sogar zu einer Trennung zwischen dem bewussten Arminianer John Wesley und dem calvinistisch bestimmten früheren Mitglied des ›Oxforder Heiligen Clubs‹ George Whitefield, der zwischen 1735 und 1745 zusammen mit Jonathan Edwards (1703–1758) auch in der kolonialen »Großen Erweckung« als eine der »Hauptpersönlichkeiten«109 angesehen wird. Da es in England kaum einheimische Lutheraner gibt, sind die dortigen Methodisten zu Repräsentanten lutherischer Ansätze geworden.110 Das ist eine Langzeitfolge der Begegnung zwischen John Wesley, auch seinem Bruder Charles (1707–1788), und dem Luthertext aus dem Jahr 1526, die sich insbesondere während der Zeit des Nationalsozialismus bewährt hat.111 Der Spottname als »Methodisten« blieb trotz aller Bemühungen um Distanz untrennbar fest an John Wesley und seiner Bewegung haften. John Wesleys Abrücken von seiner früheren theologischen Denkweise kommt in der kürzesten Form in seiner immer wieder gebrauchten Formel von den »sogenannten Me108 Ludwig S. Jacoby, Geschichte des britischen Methodismus und die Ausbreitung desselben in den britischen Colonien, so wie die Geschichte seiner Missionen. Erster Theil der Geschichte des Methodismus, seiner Entstehung und Ausbreitung in den verschiedenen Theilen der Erde, Bremen 1870, 56–59. 109 Mark A. Noll, Das Christentum in Nordamerika, KiE IV/5, Leipzig 2000, 262. 110 1983 wurde in London die Erinnerung an Luthers 500. Geburtstag allein von den Methodisten gewürdigt, weil die Anglikaner eine Beteiligung noch abgelehnt hatten. Der Erzbischof von Canterbury, Robert A. Runcie (1921–2000) kam aber im gleichen Jahr noch zu den Lutherfeiern nach Leipzig und Worms und schlug vor, »daß die Beziehungen zwischen der Kirche von England und den deutschen evangelischen [Landes-]Kirchen enger gestaltet werden sollten.« (Auf dem Weg zu sichtbarer Einheit, Berlin/Hannover 1988, 5). Erst auf die Initiative der Church of England entwickelte sich eine Partnerschaft, die als Zentrum eine »formale gegenseitige Einladung zum Abendmahl« ermöglichte. 111 E. Gorden Rupp, Martin Luther, Hitler’s Cause or Cure?, London 1945 – Als Reaktion auf: Peter Wiener, Martin Luther : Hitler’s Spiritual Ancestor, London/New York 1945 ist ein Beispiel.

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thodisten«, im Original »People called Methodist«, zum Ausdruck. Ausführlicher ging der ›neue Mensch‹ John Wesley am 25. Juli 1741 in einer Predigt vor der Oxforder Universitätsgemeinde auf die vergangene Zeit ein. Er veröffentlichte sie unter dem Titel »Der Beinahe-Christ«.112 Es scheint so, als hätte Wesley in seiner akademischen Heimat noch einmal seinen Wandel, der unter dem Eindruck des Römerbrief-Vorworts bei ihm eingetreten war, erklären wollen oder diese Entwicklung sogar rechtfertigen müssen. Man kann das nur verstehen, wenn man sich dessen bewusst ist, dass die Lehre von der Rechtfertigung zwar in den anglikanischen Bekenntnisschriften und den Homilien der Kirche von England von Anfang an verankert waren, dass sie aber im 18. Jahrhundert nicht die zentrale Rolle inne hatten, wie bei den Lutheranern auf dem Kontinent. Wesley sah sich selbst in seiner Predigt in den Jahren vor 1738 als einen »Beinahe-Christen« und fasste in dem Zusammenhang seine Oxforder Erfahrungen wie folgt zusammen: »Ich bin ja selbst jahrelang ein solcher ›Beinahe-Christ‹ [almost christian] gewesen, wie viele hier bezeugen können. Ich habe mich sorgsam bemüht, alles Böse zu meiden und ein unverletztes Gewissen zu haben. Ich habe die Zeit ausgekauft und jede Gelegenheit dazu genutzt, Gutes zu tun an jedermann. Ich habe stets und mit Sorgfalt alle öffentlichen und privaten Gnadenmittel gebraucht. Ich habe mich immer und überall um eine beständige Ernsthaftigkeit im Verhalten bemüht. Gott, vor dem ich stehe, ist mein Zeuge, dass ich alles aufrichtig getan habe. Ich hatte die ehrliche Absicht, Gott zu dienen. Es ist mein herzliches Verlangen, in allem seinen Willen zu tun und ihm zu gefallen, der mich berufen hatte, ›den guten Kampf zu kämpfen‹ und ›das ewige Leben zu ergreifen‹. Doch bezeugt mir mein Gewissen in dem Heiligen Geist, dass ich diese ganze Zeit nur ein ›Beinahe-Christ‹ war.«113

Immer wieder, wenn über den Methodismus geschrieben wurde, haben die kritischen Autoren betont, man müsse Ort und Zeit der Bekehrungs-Erfahrung angeben können. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass Wesley selber in späteren Jahren das Jahr 1725 als für seine Bekehrung entscheidend erwähnt;114 in seinen autobiographischen Darstellungen aber – anders als im Pietismus üblich und von A. H. Francke sogar erwartet – nur ganz selten auf den 24. Mai 1738 oder seine früher erwähnte ›Bekehrung‹ zurückkommt. John und seine Anhänger blieben Anglikaner. Allein dass er von jetzt an von »sogenannten Methodisten« sprach, zeigt eine durch die Sprache aufgerichtete Trennungslinie. Durch sie werden die Oxforder Jahre mit dem Spottnamen »Methodisten« zur Vorgeschichte der methodistischen Erweckung in Großbritannien und den später entstehenden methodistischen Kirchen. 112 Wesley, Lehrpredigten (wie Anm. 24), Predigt Nr. 2 vom 25. Juli 1741, 35–45. Das Gegenteil vom ›almost Christian‹ bezeichnete Wesley als ›altogether Christian‹. 113 Ebd., 38f. 114 Ebd., Belege: S. 39, Anm. 15.

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Trotzdem waren diese Jahre für die Verkündigung Wesley nach 1738 eine bleibende Erfahrung, z. B. wenn er über den »Geist der Knechtschaft und den Geist der Kindschaft«115 predigte. Mit weiteren Hinweisen auf andere Predigten Wesleys kommt Heitzenrater zu dem Schluss: »Jeder Schritt entlang des Wegs wurde durch das Geschenk von Gottes Gnade ermöglicht, die der Gläubige durch den Glauben annimmt und die sich in der Liebe zu Gott und zum Nächsten erweist.«116 Zwei Aspekte sind für die Fragestellung dieser Studie von Interesse. (1) Die von Wesley selber in seinem Tagebuch formulierte Erfahrung scheint ganz in das hallesche Schema der Bekehrung zu passen. Sie hat eine Vorgeschichte und Wesley kann nicht nur den Ort, und den Tag, sondern sogar die Stunde der erfahrenen Glaubensgewissheit notieren. (2) Andererseits passt sein autobiographischer Bericht nicht ins hallesche System der Bekehrung. Die Wochen vor dem 24. Mai 1738 waren zwar eine Zeit des Fragens und des Ringens, aber es war kein Bußkampf nach halleschen Vorstellungen. Seine Erfahrung erinnert eher an die von Zinzendorf in den Auseinandersetzungen mit Halle als eigenes Charakteristikum erwähnte »Minutenbekehrung«, die ein Geschenk der befreienden Gewissheit ist. Gottes souveräne Kraftwirkung braucht keinen gesetzlichen Vorlauf. Genau das wurde in der bald darauf einsetzenden missionarischen Predigt von Wesley und seinen Nachfolgern permanent thematisiert und es entsprach der Praxis und Erfahrung, wenn er auf Straßen, Plätzen oder in methodistischen Freiluft-Arenen wie z. B. Gwennap Pit, zwei Meilen von Redruth in Cornwall entfernt, manchmal vor Zigtausenden predigte.

Zwischenergebnis »Methodisten« sind im kirchlichen Bereich in den verschiedenen Phasen ihrer Geschichte als solche benannt, die zur Erreichung eines bestimmten Zieles methodisch vorgehen. Das war im 16. und 17. Jahrhundert so, als katholische Theologen dialektische Methoden angewandt haben, um den Protestantismus in Frage zu stellen. Nicht anders war es, als im 17. und 18. Jahrhundert von Halle aus Pietisten mit einer bestimmten Methode bemüht waren, auf eine planmäßige Art systematisch Bekehrungen herbeizuführen. So verstanden sich schließlich im 18. Jahrhundert Studenten in Oxford, die sich bestimmte Regeln gaben. Danach wollten sie mit dem täglichen Forschen in den biblischen Urtexten und in wissenschaftlicher Literatur, mit der regelmäßigen Teilnahme an Gottes115 Wesley, Lehrpredigten (wie Anm. 24), Predigt Nr. 9 von 1746. 116 Heitzenrater, Der frühe Methodismus (wie Anm. 86), 215.

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diensten und Abendmahlsfeiern, dem Besuch bei Kranken, Armen und Inhaftierten, ein Gott angenehmes und heiliges Leben führen. Der Begriff »Methodisten« erfasst jene, die solche definierbaren regelhaften Methoden formulierten, ergriffen und anwendeten. Er ist aber auch ein formaler und vor allen ein wertneutraler Begriff. Man konnte schon in sehr früher Zeit ebenso Ärzte, die für bestimmte Ziele regelhaft Methoden favorisierten, pauschal als »Methodisten« bezeichnen, wie es von Wesley ja auch in seine Überlegungen einbezogen worden war. Im Grunde kann jeder, der nach einer bestimmten Methode arbeitet oder erfolgreich ein System auch für einen technischen oder industriellen Vorgang entwickelt hat oder praktiziert, als ein »Methodist« bezeichnet werden, obwohl die Tendenz, diesen Begriff zu verwenden, statistisch rapide im Abnehmen begriffen ist. Die Bezeichnung »Methodist« braucht also immer eine inhaltliche Ergänzung und Differenzierung. Daraus erwachsen in der Tradition der methodistischen Kirchen eigenartige Probleme. Die Oxforder Frömmigkeitsmethoden wurden bei früher und später führenden Personen, insbesondere John und Charles Wesley sowie George Whitefield, später überwunden und als mit der Rechtfertigung aus Gnaden nicht vereinbar erkannt. Im Grunde heißt das, die heutigen kirchlichen »Methodisten« sind gar keine »Methodisten« mehr, sondern, wie Wesley immer wieder klug formulierte »so called Methodists«. Aus dem allem ergibt sich wiederum, dass auch die spätere, überwiegend polemisch gemeinte Interpretation des Kirchennamens, er sei Ausdruck einer bestimmten »Methode der Bekehrung« ins Leere läuft. Man kann es drehen wie man will: es blieb unfreiwillig und ungesucht ein ironischer Oxforder Studentenspott an einer heute weltweit aktiven und ökumenisch respektierten Kirche hängen. Es scheint, als habe sich einzig im deutschen Sprachraum diese Tatsache immer noch nicht allgemein durchgesetzt und in der Gesellschaft ist man weiterhin unsicher in der Interpretation dieses eigenwilligen Namens. Das entstandene Dilemma hat schon der lutherische Prediger Johann Gottlieb Burckhardt (1756–1800) als ein solches empfunden. Er war während seiner Londoner Jahre von 1781 bis zu seinem Tod im August 1800 an der dortigen deutschen Mariengemeinde als Pfarrer tätig.117 In diesen Jahren ist er John Wesley persönlich begegnet und hatte eigene Eindrücke vom Wirken des Methodisten gesammelt. Für sein frühes Buch hatte Wesley dem lutherischen

117 Johann Gottlieb Burckhardt, Vollständige Geschichte der Methodisten in England, aus glaubwürdigen Quellen. Nebst den Lebensbeschreibungen ihrer beyden Stifter, des Herrn Johann Wesley und George Whitefield, Nürnberg 1795. Faksimile Ausgabe mit einer Einführung von Michel Weyer, Johann Gottlieb Burckhardt und seine Zeit, die Umstände der Veröffentlichung und die Wirkungsgeschichte, Stuttgart 1995, 5–64. – (Es sind verschiedene Schreibweisen des Namens überliefert).

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Pfarrer Unterlagen überlassen. Zur Namensfrage schrieb der Lutheraner Burckhardt einleitend: »Aus der Kirchengeschichte ist bekannt, daß diejenigen Nahmen, womit man die verschiedenen Secten bezeichnet hat, meistentheils aus dem Widerwillen und Haße ihrer Gegner und Feinde gefloßen sind. Die Wahrheit hat unendlich viel dabei gelitten, wenn man es erst soweit hat bringen können, gewiße verhaßte Nahmen zu erfinden und in Gang zu bringen, womit man eine gewiße Gattung von Menschen zu brandmarken glaubte. Die Menschen, welche so gerne nachahmen, und in den allgemeinen Ton einstimmen, geben sich nun keine Mühe mehr, selbst zu untersuchen, und das Unkraut von dem Waizen auf dem Acker der Kirche gehörig zu unterscheiden, sondern laßen sich durch den bloßen, eingeführten Nahmen bestimmen, eine Secte, einen Menschen, einen Lehrsatz, eine Uebung zu verachten oder zu verwerfen, ohne zu bedenken, daß man dabey auch viel Wahres und Gutes verwirft: Und wenn es einmal Mode geworden ist, ohne weitere Untersuchung und ohne Billigkeit darüber zu spotten oder zu lachen, so spottet und lachet man mit, gesetzt, daß man auch hohe Ursache haben sollt, ernsthaft zu seyn und nachzudenken.«118

Die Entstehung und die Verortung der Bezeichnung »Methodisten« liegt eindeutig vor dem für die späteren Kirchen in der wesleyanischen Tradition wichtigen Jahr 1738. Es ist eine historische Fehleinschätzung, wenn man später – wie noch gezeigt werden wird – den Namen der methodistischen Kirche als Folge einer speziellen »Methode der Bekehrung« interpretiert hat. Die kurze Metapher von der »Methode der Bekehrung« mit den damit verbundenen Begleitumständen des Bußkampfes und den zeitlichen und örtlichen Verbindungen bot sich geradezu an, zunächst John Wesley und danach die von ihm ausgelöste Bewegung in das Interpretationsmuster des Pietismus, wie es sich auf dem Kontinent seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts in der Pietismuskritik herausgebildet hatte, zu integrieren. Dazu spielen die Biographien der Brüder Wesley und Whitefields, wenn man sie durch eine pietistische Brille betrachtet, den Symbolisten und späteren Konfessionskundlern Stichworte zu, die sie gerne aufnahmen, weil sie ziemlich genau in ihr Schema zur Beschreibung der »pietistischen Methodisten« in der Tradition von Halle zu passen schienen. Selbst der Pietismus- und Methodismuskenner Martin Schmidt veröffentlichte 1938, zweihundert Jahre nach der Luther-Wesley-Begegnung, eine Studie, in deren Titel er sich der Formulierung von der »Bekehrung« Wesleys bediente, den er danach auch durchgehend verwendet hat.119 Es erscheint deutlich angemessener

118 Ebd., 5ff. 119 Martin Schmidt, John Wesleys Bekehrung, Bremen 1938. Auch in seiner zweibändigen Wesley-Biographie trägt das entsprechende ausführliche Kapitel die Überschrift ›Die Bekehrung‹. Martin Schmidt, John Wesley, Bd. 1, 1703–1738, Zürich/Frankfurt-M. 1953, 188– 273.

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von einer Glaubensgewissheit schenkenden Erfahrung des Heils zu sprechen.120 Michel Weyer (*1937) interpretierte Wesleys Erfahrung von 1738 im Anschluss an eine von dessen späteren Predigten und schrieb: »›Aldersgate‹121 war die Versetzung eines unglücklichen, gegen sein sündiges Wesen kämpfenden Christen in den Stand des getrosten Wissens um die Liebe Gottes.«122

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Am Ende der Übersicht wird der Blick auf eine völlig andere Variante des Gebrauchs der Begriffe »Methodisten« und »Methodismus« gerichtet. Die Reihe von Typologien der Frömmigkeit wie orthodox, konfessionell, liberal, pietistisch führt am Ende auch zum Begriffspaar methodistisch und Methodisten. Es wird damit ein Typ von Frömmigkeit erfasst, der vom theologischen Ansatz der Mission bestimmt ist und in dessen Konsequenz auch zur Evangelisierung bereits Getaufter führt, was im 19. Jahrhundert im volkskirchlichen Kontext außergewöhnlich, für manche theologische Richtung sogar ungehörig war. Man kann auch sagen, es ist ein Frömmigkeitstyp, der sich an den theologischen Ansatz der methodistischen Kirchen in der Praktizierung evangelistischer Verkündigung anschloss, aber auch außerhalb derselben praktiziert wurde. Gut greifbar und zusammengefasst wurden diese sprachlichen Anwendungen durch den Pfarrer der Rheinischen Kirche Johannes Jüngst (1846–1932), der sich Jahrzehnte hindurch mit dem Wirken der methodistischen Kirchen in Deutschland und zugleich mit dem Phänomen von Folgewirkungen des Pietismus und der Erweckungsbewegungen befasste. Er veröffentliche allein drei Studien über den Methodismus, die er nacheinander irritierend als eine »zweite« oder »dritte« Auflage publizierte, obwohl alle völlig neu geschrieben waren. In jeder reagierte er auf eine aktuelle Entwicklung. Zuerst war es 1875 die »Triumphreise« des amerikanischen Quäkers Robert P. Smith (1827–1898),123 die in der Schweiz und in Deutschland in der kirchlichen Presse ein starkes Echo fand. Zwei Jahre später reagierte er auf die 1874 im Rheinland von Essen aus aufge120 Michel Weyer, Walter Klaiber, Manfred Marquardt, Dieter Sackmann, Im Glauben gewiss. Die bleibende Bedeutung der Aldersgate-Erfahrung John Wesleys, Stuttgart 1988. 121 Der von Wesley am 24. Mai 1738 besuchte Kreis der Herrnhuter tagte in der Londoner ›Aldersgate-Street‹. 122 Weyer u. a., Im Glauben gewiss (wie Anm. 120). Die Bedeutung von ›Aldersgate‹, 7–39 (hier : 27). 123 Johannes Jüngst, Amerikanischer Methodismus in Deutschland und Robert Pearsall Smith, Gotha 1875.

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nommene »Preußenmission« der Evangelischen Gemeinschaft.124 Diese methodistische Kirche war bis zu diesem Zeitpunkt fast ausschließlich in Württemberg, Baden, dem Elsass und der Schweiz aktiv.125 Als Resümee hielt Jüngst im Kontext der beginnenden Mission der Evangelischen Gemeinschaft von Essen aus fest: »Offenbar können wir auch aus der dargestellten Bewegung Etwas lernen. Aber bei tieferem Eindringen wird uns dieses importirte Wesen im Ganzen nicht ansprechen. Denn so entschieden eine Belebung und Vertiefung unseres christlichen und kirchlichen Lebens noth thut, so wenig gesund erscheint uns die Frömmigkeit der Albrechtsleute, so wenig geeignet, im Großen reformirende Kraft und Wirkung an unserem Volk zu offenbaren. Sie entspricht weder dem demüthigen und doch glaubensfrischen Hauch unserer reformatorischen Väter, noch überhaupt dem deutschchristlichen Charisma. Andere mögen anders urteilen.«126

Das tun sie auch, denn Jüngst scheint völlig übersehen zu haben, dass die Mission in Deutschland ausschließlich von Deutschen ausging, die in Amerika einen anderen Typ von Kirche kennengelernt hatten und gerade mit Menschen in ihrer Heimat ihre Erfahrungen teilen wollten. Hier interessiert insbesondere die dritte Veröffentlichung über den »Methodismus in Deutschland«, die Jüngst in seinem Bonner Ruhestand erneut einem anderen Thema gewidmet hat.127 In seinem »Beitrag zur neuesten Kirchengeschichte« bot er eine Übersicht über die Entwicklung der Geschichte der methodistischen Kirchen jenseits und diesseits des Ozeans. Seinem Schlusskapitel, das hier besonders interessiert, gab er die Überschrift »Einwirkungen des Methodismus auf religiöse Erscheinungen und Unternehmungen in Deutschland, die nicht methodistisch-kirchlich sind«. In diesem Kapitel benutzt er den Begriff ›Methodismus‹ durchgehend und erkennbar in einer Doppelfunktion. Einerseits beschreibt er die Geschichte und das Selbstverständnis der methodistischen Kirchen. Andererseits nahm er unter dieser Bezeichnung eine früher schon in der Schweiz verwendete Bedeutung für einen innerlandeskirchlichen kirchengrenzen-überschreitenden Typ missionarischer Frömmigkeit auf. Im Zusammenhang des Genfer R8veil wurde im frühen 19. Jahrhundert der Begriff »Methodismus« zur Charakterisierung jener damals aus Schottland angeregten Erweckung verwendet, die zwar den Typ methodistischer Fröm124 Johannes Jüngst, Der Methodismus in Deutschland, Gotha 1877. 125 Ebd., 56–59. – Paul Wüthrich, Die Evangelische Gemeinschaft im deutschsprachigen Europa. In: Karl Steckel/C. Ernst Sommer (Hg.), Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche, Stuttgart 1982, 149–211, hier : 167f. 126 Jüngst, Methodismus (1877) (wie Anm. 124), dort: Zweite Abtheilung. Methodismus in Deutschland, 46f. 127 Johannes Jüngst, Der Methodismus in Deutschland. Ein Beitrag zur neuesten Kirchengeschichte, Berlin/Gießen 1906, 86–107. Daraus die folgenden Zitate.

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migkeit an den Genfer See brachte, aber nicht von Missionaren einer methodistischen Kirche ausging. Der Straßburger Johann Wilhelm Baum (1809–1878) hat über diese Bewegung 1838 eine Untersuchung unter dem Titel »Der Methodismus« veröffentlicht.128 Die Polemiken der staatskirchlichen Vertreter gegen den R8veil wiesen nicht nur auf den »ausländischen, britischen Einfluss« hin. Ulrich Gäbler (*1941), ein spezieller Kenner dieser Genfer Stadtgeschichte, bemerkte, warum man diese Erweckung mit dem Namen der Methodisten in Verbindung brachte. Er schrieb: »Haltung und Glaubenswelt der Erweckten glichen dem Methodismus, der ja landes- und staatskirchlichem Denken als letztes Glied in der langen Kette ketzerischer Bewegungen galt.«129 Gäbler selber nimmt auch in der neueren Darstellung für diese Genfer Phase den weiten Methodismus-Begriff auf. Er folgt darin Jean-Jacques CheneviHre,130 der selber in einer Schrift anmerkt, »daß der Gebrauch des Wortes ›Methodismus‹ nicht heiße, alle Gegner seien ›Methodisten‹ im strengeren Sinn des Wortes.« Und Gäbler fügte hinzu: »Tatsächlich kann von ›methodistischen‹ Einflüssen beim Genfer R8veil keine Rede sein.«131 Dass diese weite Fassung des Wortes ›Methodismus‹ kein Einzelfall132 war, zeigt eine spätere Berner Publikation von 1881.133 Es ist eher unwahrscheinlich, dass Jüngst in seiner Verwendung der Begriffe Methodismus und Methodisten an diese frühe Entwicklung in der Schweiz anknüpft. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts war es in Deutschland nämlich keineswegs ungewöhnlich, diese Worte Kirchen- und Konfessionsgrenzenüberschreitend zu verwenden. In seinem speziellen Kapitel über die »Einwirkung des Methodismus auf religiöse Erscheinungen und Unternehmungen in Deutschland, die nicht methodistisch-kirchlich sind«, entfaltete er das. Darin 128 Johann Wilhelm Baum, Der Methodismus, Zürich 1838. 129 Ulrich Gäbler, Evangelikalismus und R8veil. In: GdP Bd. 3, Göttingen 2000, 47. 130 Jean-Jacques CheneviHre (1783–1871), Pr8cis des d8bats th8ologiques qui, depuis quelques ann8es, ont agit8 la ville de GenHve, Genf/Paris 1824. 131 Gäbler, Evangelikalismus (wie Anm. 129), 79, dort Anm. 108. Ähnlich auch: Albert Immer (1804–1884), Der Conflict zwischen dem Staatskirchentum und dem methodistischen Dissenterthum im Jahre 1829 in Bern, Bern 1870. 132 Ein weiteres Beispiel für den innerlandeskirchlichen Methodismus ist ein Referat von Pastor Daniel L. Müller auf einer ›Niederrheinischen Pastoralkonferenz‹. Daniel L. Müller (1836–1908), Methodistische Strömungen und Evangelistenarbeit in den evangelischen Gemeinden, Gütersloh 1894. Dazu: Karl Heinz Voigt, Der Zeit voraus. Die Gemeinschaftsbewegung als Schritt in die Moderne. Erwägungen zur Vorgeschichte und Frühgeschichte des Gnadauer Gemeinschaftsverbands. Mit einem Geleitwort von Hartmut Lehmann, Leipzig 2014, 95–102. 133 Gottlieb Joss, Das Sektenwesen im Kanton Bern, Bern 1881. Joss (1845–1905) erwähnt im Blick auf das Jahr 1829 »das Eindringen des Methodismus von Schottland und der französischen Schweiz her.« (S. 22) Später beschreibt er unter ›Methodismus‹ die bischöfliche Methodistenkirchen, die Evangelische Gemeinschaft bzw. Albrechtsbrüder (S. 53–58) ohne zu differenzieren.

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stellte Jüngst einleitend fest: »Ganz verschiedene Beobachter stimmen in dem Urteil überein, daß der Methodismus heute einen maßgebenden Einfluss hat auf den deutschen Protestantismus. Nach R. Kübel, dem Schüler von F. Beck,134 werden […] sogar die evangelischen Kirchen Deutschlands vom Methodismus gerade so beherrscht, wie die katholische Kirche vom Jesuitismus.«135 Das ist zweifellos übertrieben, aber es zeigt auch, wie das Wirken der methodistischen Kirchen vor dem Beginn der Gemeinschaftsbewegungen deutlich einflussreicher war als im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts. Den Nachweis von Wirkungen der methodistisch-kirchlichen Mission auf die kirchliche Lage in Deutschland wollte Jüngst in dem hier zur Debatte stehenden Kapitel seiner Studie erbringen. Er schrieb. »Bei einer Darstellung des gesamten Methodismus in Deutschland müssen notwendig wenigstens diejenigen Gemeinschaften in Betracht gezogen werden, welche offenbar Gepräge oder Färbung ganz oder teilweise vom [kirchlichen] Methodismus empfangen haben.« Er beginnt seine Aufzählung mit dem »Europäischen Jugendbund für Entschiedenes Christentum« (EC), der aus Amerika herüber wirkenden »Christian Endeavor Society«, die durch Adolf Stoecker (1835–1909) nach Deutschland gekommen sei und von Anfang an das Interesse der Freikirchen gefunden habe. In anderen, »noch jungen Unternehmungen« trete »eine Einwirkung der methodistischen Anschauung von Welt und Heil offensichtlich zutage.« Da ist »zunächst die deutsche Gemeinschaftsbewegung.« Jüngst zitiert das Ergebnis einer Untersuchung der ›Deutschen Evangelischen Kirchenkonferenz‹ in Eisenach von 1905: »Die neuere Gemeinschaftsbewegung kann nicht als eine einheitliche betrachtet werden. Sie ist vielmehr eine vielgestaltige, je nachdem sie unter dem Einflusse des deutschen Pietismus an dem Charakter der deutsch-evangelischen Glaubens- und Frömmigkeitsweise festhält oder fremde, aus englischem oder amerikanischem Boden herstammende Motive in sich aufnimmt und zur Geltung bringt.« Der rheinische Pfarrer versteht mit Recht »unter den amerikanischen Motiven in erster Linie den Methodismus.« Schließlich war dessen Organisator Theodor Christlieb (1833–1889) seit seinem Londoner Wirken als Pfarrer von dem Gedanken erfüllt, die Kirchenbildung der Methodisten in Deutschland dadurch »überflüssig zu machen«, dass er die Vorstellung hatte, die methodistische Arbeitsweise in die Landeskirchen integrieren zu können. Ein Instrument dazu sollte die 1888 im ›Gnadauer Verband‹ zusammengeführte Gemeinschaftsbewegung sein.136 134 Hier ist Jüngst zu korrigieren: Robert Benjamin Kübel (1838–1894) ist ein Schüler von Johann Tobias Beck (1804–1878). 135 Jüngst, Methodismus (1906) (wie Anm. 127), 86. Daraus auch die folgenden Zitate 87–97. 136 Voigt, Der Zeit voraus (wie Anm. 132). Auch: Karl Heinz Voigt, Theodor Christlieb (1833– 1889), Die Methodisten, die Gemeinschaftsbewegung und die Evangelische Allianz, Göttingen 2008.

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Jüngst war nicht sicher, welchen Weg die einzelnen Verbände innerhalb der Gemeinschaftsbewegung einschlagen würden, und hielt es nicht für ausgeschlossen, dass einige von ihnen eine »methodistische Freikirche« bilden könnten. Dabei hat er weder die öffentlich dominierende nationale Stimmung noch die erzeugte Negativ-Haltung gegenüber den methodistischen Kirchen in seine Einschätzung einbezogen. 125 Jahre nach der Bildung des ›Gnadauer Verbands‹ hat der renommierte frühere Direktor des Max-Planck-Instituts für Geschichte Professor Hartmut Lehmann (1936*) die Frage aufgeworfen, ob »die in der Gemeinschaftsbewegung liegenden religiösen Potentiale sich möglicherweise hätten besser entfalten können, wenn es in den Jahren und Jahrzehnten nach 1888 nicht immer wieder notwendig gewesen wäre, auf die besonderen Interessen der Landeskirchen Rücksicht zu nehmen, und wenn die Landeskirchen ihrerseits die Arbeit der Gemeinschaftsbewegung nicht immer wieder beeinflusst und gebremst hätten.«137 Der international mit der Geschichte der Kirchen vertraute Lehmann hält es für eine »kirchenpolitisch faszinierende Hypothese, dass die Begründung einer Freien Evangelischen Kirche im Deutschland der Wilhelminischen Zeit ein erster wichtiger Schritt hin zu einem offenen System des kirchlichen Pluralismus in Deutschland hätte sein können.«138 Zurück zu Jüngst. Der hatte beobachtet: »die entschieden freikirchliche Strömung verlangte nach einem besonderen Sammelpunkt.« Sie fand ihn in der ›Blankenburger Allianzkonferenz‹. Wenn auch zwischen »Gnadau – Blankenburg – Eisenach! Drei verschiedene und keineswegs befreundete Leitungen der Gemeinschaftsbewegung« Gärungen und Befehdungen hervorgebracht hatten, rückte in Blankenburg »der dort mit offenen Armen empfangene Methodismus ruhig und stetig vor und besetzt in Deutschland eine Station nach der anderen. […] Und gerade in den schon von seinem Geist durchtränkten Gemeinschaftskreisen sucht und findet seine Mission ein Arbeitsfeld und Nährboden. Wohl machen ihm andere darin Konkurrenz. Aber kraft seiner Energie, seines kirchenbildenden Geschicks und seiner von amerikanischem Glaubenseifer und Geld getragenen Arbeiter wird er den Vorrang behaupten.«139

Die Schau von Jüngst war allerdings nicht kritisch genug. Genau die umgekehrte Situation, so wie der Bonner Professor Theodor Christlieb sie durch die Gemeinschaftsbewegung herbeiführen wollte, ist eingetreten. Nach christlicher Gemeinschaft und biblischer Verkündigung Suchende, die sich während einer 137 Hartmut Lehmann, Die evangelische Gemeinschaftsbewegung im kirchenpolitischen Raum. In: Frank Lüdke/Norbert Schmidt (Hg.), Evangelium und Erfahrung. 125 Jahre Gemeinschaftsbewegung, Berlin 2014, 65–80 (hier : 66f.). 138 Ebd., 67. 139 Jüngst, Methodismus (1906) (wie Anm. 127), 96f.

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Zeit rationalistischer Predigten in ihren eigenen Gemeinden den methodistischen Kirchen zugewandt hatten, sind gerne in eine Gemeinschaft innerhalb der Landeskirche zurückgekehrt. Sie brauchten sich danach weder den Demütigungen auszusetzen, welche diesen »Sektierern« widerfuhren, noch haben sie ihre bürgerlichen Rechte als Mitglieder der Staatskirche verloren.140 Einen anderen Zweig, den Jüngst dem Methodismus zugerechnet hat, ohne »methodistisch-kirchlich« zu sein, war die »deutsche Allianz«, die er nicht zufällig mit dem Sammelpunkt Blankenburg verband. Dort habe »immer deutlicher der Methodismus die führende Rolle« übernommen. Wahrscheinlich hat es in Deutschland keine Konferenz und keinen Ort gegeben, wo wie in der internationalen ›Blankenburger Konferenz‹, die ein Zweig der Londoner ›Evangelical Alliance‹ war, so regelmäßig Besucher von der britischen Insel und aus europäischen Nachbarländern angereist sind und auch Vorträge zu theologischen Themen gehalten haben, die auch für Methodisten interessant waren.141 Obwohl methodistische Prediger, allen voran Ernst Gebhardt (1832–1899), die Anfänge der Konferenz unterstützt und Impulse zu örtlichen Konferenzen mit Langzeitwirkungen beispielsweise nach Nürnberg und Heilbronn mitgenommen haben, wurde die Konferenz keineswegs von ihnen dominiert. Sie war nur insofern »methodistisch« als evangelistische Verkündigung eine zentrale Rolle spielte und eine erstaunliche internationale Verbundenheit an jeder Konferenz spürbar war. Das ist es, warum Jüngst sie hier als methodistisch, aber nicht »methodistisch-kirchlich« charakterisiert. Gerade durch die genannten Akzente und die vollständige Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Denominationen unterschied die ›Blankenburger Allianzkonferenz‹ sich von anderen Allianz-Gemeinschaften z. B. in Berlin mit Andreas Graf von Bernstorff (1844– 1907) und in Westdeutschland unter Theodor Christlieb, die deutlich nationaler geprägt waren. Die von Anna Thekla von Weling (1837–1900), welche schottische Vorfahren hatte, ins Leben gerufenen ›Blankenburger Konferenzen‹ spielten auch innerhalb der Evangelischen Allianz immer eine besondere Rolle, was ihr aus dem landeskirchlichen Bereich über einen längeren Zeitraum breitgefächerte Kritik einbrachte. – Allerdings hat auch in Blankenburg eines der Hauptanliegen der Londoner ›Evangelical Alliance‹, der Kampf für Religionsfreiheit, wie auch die für die Methodisten typischen sozialen Bemühungen fast keine Rolle gespielt. Natürlich zählt der Bonner Pfarrer Jüngst nach der »Deutschen Christlichen Studentenvereinigung« (DCSV), in der die Methodisten von Anfang an aktiv mitgewirkt haben, wie auch die ›Heilsarmee‹ zur Reihe methodistischer Un140 Voigt, Der Zeit voraus (wie Anm. 132), 150–157. 141 Liste der Redner auf den Konferenzen. In: F. H. Otto Melle, 50 Jahre Blankenburger Konferenzen, Blankenburg o. J. (1936), 141–149.

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ternehmungen. Selbst die ›deutsche Zeltmission‹, in der sie ihre »Nachahmung« finde, gehöre hierher. Sie sei zwar nicht »methodistisch-kirchlich. Doch zeigt sie ganz methodistische Art.« Der Überblick über die »nicht methodistisch-kirchlich« religiösen Erscheinungen endet im zunehmend deutsch-nationalen Kontext mit einer Absage an die Mission und Entstehung der methodistischen Kirchen. Vielleicht hat auch die beim Autor mit bedachte Immediateingabe an den Kaiser insbesondere die folgende Passage beeinflusst, in der Jüngst nach der Frage, »ob wir von den amerikanische Brüdern nichts lernen sollen« schrieb: »Im schroffen Gegensatz zu solchem [vorher erwähnten] freundschaftlichen Geistesaustausch steht die selbstbewußte Weise, wie die amerikanischen Sendboten wünschen, uns nicht nur ihr Kirchentum, sondern womöglich auch ihre politische Verfassung zu bescheren. Dagegen müssen wir protestieren. In Bezug auf Deutschland haben die Methodisten geweissagt: ›Der ohne Hände vom Berg losgerissene Stein des wahrhaft freien Kirchentums und Bürgerstaatstums bewegt sich mit göttlicher Allgewalt immer weiter und zermalmt alles zu Staub, das sich ihm widersetzen will‹.142 Wir aber haben weder zu diesem Kirchentum Lust, noch zu der amerikanischen Verfassung mit ihren Präsidentenwahlen. Wir sind dankbar, daß wir eine Monarchie und erbliches Kaisertum haben und bitten Gott, er möge es erhalten und segnen.«

Professor Karl Holl (1866–1926) legte dem Monarchen aufgrund von dessen Immediateingabe zu dem Werk von Jüngst ein Gutachten vor, welches Staatsminister Conrad von Studt (1838–1921) im Auftrag des Kaisers angefordert hatte. Darin schrieb er : »das Urteil über den Methodismus ist durchweg besonnen. Jüngst kennt die geschichtliche Größe des Methodismus, er weiß namentlich auch – im Unterschied zu den meisten in Deutschland –, was der Methodismus in Amerika ist, aber er versteht doch, mit aller Entschiedenheit das gute Recht der deutschen Landeskirchen auf ihre Eigenart zu verteidigen.«143

Vincent van Goghs (1853–1890) kirchliche Bindungen während seiner Zeit in Isleworth und Richmond scheinen noch nicht eindeutig geklärt zu sein. Es herrscht der Eindruck vor, als sei er in seinem evangelistischen Wirken kein Mitglied der methodistischen Kirche geworden, obwohl er in deren Gemeinden aktiv gewesen ist. Die Art seines späteren Wirkens in der belgischen Borinage macht es aber verständlich, dass er insbesondere in der volkstümlichen Literatur immer wieder als »Methodist« bezeichnet wird. Das wirft die Frage auf, in wie 142 Diese gar nicht typisch methodistische Denk- und Sprechweise ist leider ohne Quellenangabe zitiert. 143 Karl Holl an den Staatsminister Dr. von Studt, Gutachten vom 24. III.[vermutlich richtig VIII] 1907. EZA 7/Gen. XII, 60. Dort auch eine Abschrift des Schreibens von Holl »An Seine Majestät den Kaiser und König« vom 18. Aug. 1907 und Mitteilungen des Consistoriums der Rheinprovinz zur Person von Johannes Jüngst für Prof. Holl vom 10. Mai 1907.

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Der Name Methodisten

weit die Bezeichnung Methodist außerhalb der methodistischen Kirchen in anderen europäischen Ländern verwendet wurde. Diese Frage muss hier offen bleiben. Der Hinweis auf den wohl prominentesten »Methodisten« Vincent van Gogh muss genügen, um auf die Möglichkeit internationalen Gebrauchs – wie früher schon in Genf – hinzuweisen.

Schlussfolgerung Auf dem europäischen Kontinent gab es seit der Reformation in fast jedem Jahrhundert im kirchlich-theologischen Bereich neue Inhalte für das Begriffsfeld »Methodisten«, »Methodismus« und »methodistisch«. Wer in Deutschland die Geschichte der aus der wesleyanischen Tradition hervorgegangenen Kirchen interpretieren will, muss auch wissen, dass die innerlandeskirchlichen Auseinandersetzungen um verschiedene Ausformungen des Pietismus Bilder und Begriffe bereit gestellt haben, deren Übertragung auf die im 19. Jahrhundert nachfolgende Mission methodistischer Kirchen in Europa grundlegende Fehlinterpretationen eingeleitet haben. Ähnlich sind Missverständnisse entstanden durch einen kirchenfreien, ja Kirchengrenzen überschreitend angewandten Methodismus-Begriff auf Bewegungen und Personen, die keiner methodistischen Kirche angehörten.144 Einen Beitrag zu solchen Unklarheiten haben methodistische Autoren selber geleistet, die bis in eine größere Anzahl von Buchtiteln hinein den Begriff »Methodismus« selbstverständlich für jene Denomination verwendet haben, der sie selber angehören. Um zwischen dem verschwommenen Methodismusbegriff und der methodistischen Denomination besonders in historischen Studien zu differenzieren, legt es sich nahe, die offizielle, 1968 sehr bewusst gewählte Selbstbezeichnung »Evangelisch-methodistische Kirche« zu verwenden. Es bleibt zu bemerken, dass durch die Pietismus-Kritik und die Verwendung des Begriffsfeldes auf Personen und Aktivitäten der Deutschen Gemeinschaftsbewegung der Begriff Methodist und Methodismus in seiner negativen Besetzung verstärkt wurde. Nach der zwar nicht dominierenden Unsicherheit bei jenen, die nicht immer über den Zaun der eigenen Kirche hinaus schauen, kann es aber doch für die Leser historischer Texte hilfreich sein, begriffliche Klarheit zu schaffen. Sie hilft einerseits dem deutschsprachigen Leser und andererseits den Forschern, die im außereuropäischen Raum den kontinentalen Zweig ihrer Kirche im Blick haben. Aus der kirchlichen Minderheitssituation in Europa wird man John Wesley 144 In Deutschland waren das neben anderen Johannes E. Goßner (1773–1858), Gründer einer Missionsgesellschaft, der Heiligungsprediger Robert Pearsall Smith, Professor Theodor Christlieb, einer der Organisatoren der Deutschen Gemeinschaftsbewegung, Elias Schrenk (1831–1913), der früheste herausragende Evangelist innerhalb der Gemeinschaftsbewegung.

»Methodismus« – ein Frömmigkeitstyp außerhalb der methodistischen Kirchen

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gerne zustimmen, der schon 1742 zu der Charakterisierung jener »Leute, die man Methodisten nennt« sagte: »diesen Namen haben sie sich wohlgemerkt nicht selbst ausgesucht, er ist ihnen vielmehr ohne ihre Billigung und Zustimmung als Spottname beigelegt worden.« Und etwas später fährt er fort: »Ich würde mich freuen (so wenig Ehrgeiz ich habe, Führer einer Richtung oder Partei zu sein), wenn dieser Name nie mehr erwähnt würde, sondern ewigem Vergessen anheimfiele. Wenn das aber nicht sein kann, dann sollten wenigstens die, die ihn gebrauchen, seine Bedeutung kennen.«145

145 Wesley, Kennzeichen (wie Anm. 95), 6.

Teil 2: Deutungen des Namens Methodisten

Ehe der Blick auf Einzelfragen gerichtet wird, soll an eine grundlegende Ausgangsposition erinnert werden. Die Reformation im 16. Jahrhundert war ein Ringen um die rechte Lehre gegenüber den Lehren und Praktiken der damaligen römisch-katholischen Kirche. Das kommt besonders in den lutherischen Bekenntnisschriften und dem nachreformatorischen Ringen in der lutherischen Orthodoxie zum Ausdruck. Dagegen sahen die englischen Methodisten im 18. Jahrhundert ihre zentrale Herausforderung und Aufgabe nicht in der Korrektur von Lehrfragen. Sie verstanden sich als Teil der Kirche von England und wollten es bleiben. In diesem Sinne waren sie keine »Dissidenten«.146 Im amtlichen Verkehr mit Behörden haben sie sich selbst »Unabhängige« oder auch »Protestanten« genannt, um sich bewusst von den »Dissidenten« abzusetzen. In einer Gesellschaft, die vom Umbruch durch den aufgeklärten Deismus, der auf der Britischen Insel früher in Erscheinung tretenden Industrialisierung und den daraus folgenden Wanderungen in Industriegebiete bestimmt war, stellten sich andere Fragen als im 16. Jahrhundert. John Wesley und mit ihm die Methodisten wussten sich berufen, bereits getaufte, aber in den Unsicherheiten der Zeit heimatlos gewordene und glaubenslos gebliebene Zeitgenossen zum Glauben zu rufen. Ähnlich wie der kontinentale Pietismus wollten sie die verunsicherten Menschen zur Umkehr, also zum Glauben und zur Kirche zurückrufen. Sie zeigten entwurzelten Wanderarbeitern und sozial Benachteiligten einen Weg zu einem neuen Leben durch eine freiwillige und bewusste individuelle Erneuerung ihres Lebens durch eine Bindung an Jesus Christus. Erneuerung durch Umkehr und Wiedergeburt mit der sich daraus ergebenden Nachfolge Christi waren zunächst Themen der Predigten auf freien Plätzen, vor Kohleschächten und

146 Zuletzt bei Herbert Strahm, Dissentertum im Deutschland des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 2016 im Ansatz missinterpretiert. Dort ist ›Das angelsächsische Dissentertum methodistischer Tradition‹ Inhalt der Darlegungen, 396–482.

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später in großen »Freiluftkirchen«147 und an anderen öffentlichen Orten. Unter diesen Umständen ist es geradezu natürlich, dass auf den Ruf zur Glaubensgewissheit durch die Erfahrung der Rechtfertigung die Einweisung in das soziale Leben in Kleingruppen im Sinne der Heiligung des Lebens folgte. War der Hauptakzent der Reformation die Erneuerung der Lehre mit dem Zentrum der Rechtfertigung allein durch den Glauben, so war der methodistische Akzent die Erneuerung des Lebens durch den Glauben mit der sich als Konsequenz daraus ergebenden Nachfolge Christi, was in methodistischer Terminologie die ›Heiligung des Lebens‹ ist. Mit dieser Grundentscheidung hatte die wesleyanische Theologie als Reaktion auf die gesellschaftlichen Umstände des 18. Jahrhunderts den Ansatz der Reformation um die heute so wichtige missionarische Sicht ergänzt. Spener wollte die »Besserung der Kirche«, Wesley und die Methodisten in Amerika wollten beides, das »Land und die Kirche reformieren«,148 aber eigentlich keine neue Kirche bilden. Weil methodistische Theologie und Praxis zentral von einem missionarischen Ansatz und der Hinwendung auch zu glaubenslosen Getauften bestimmt war, hieß das in der Konsequenz: (1) Die Kirche selber ist Träger der Mission. Missionsgesellschaften sind solange ein Notbehelf, wie die Kirchen nicht bereit sind, diesen Auftrag zu erfüllen. (2) Jedes Land ist Missionsland. So einfach heute dieser Satz von der »Mission in sechs Kontinenten«149 klingt, so empört waren deutsche Kirchenleitungen, Universitätsprofessoren und Prediger, als in der Mitte des 19. Jahrhunderts deutsche Rückwanderer aus Amerika kamen und in Europa ihr »Missionsfeld« sahen. Die deutsch-methodistischen Missionare wurden von der gesamtkirchlichen Abteilung für Weltmission gesandt, die auch Missionare nach Afrika und Asien aussandte. Die deutschen Rückkehrer bekamen das gleiche offizielle ›Handbuch für Missionare‹150 als Grundlage für ihre kirchlichen Rechte und Pflichten, für ihr Verhalten gegenüber anderen Kirchen und ihre Arbeit mit auf den Weg, wie die Missionare, welche nach China oder Liberia ausgesandt wurden. Im 19. Jahrhundert war dieses Missionsverständnis aus der Sicht der deutschen Kirchen ein Skandal. Die »Missionare« wurden beschimpft als »Eindringlinge«151, die mit einem »undeutschen Wesen« ins Land 147 Gwennap Pit ist im Gebiet der Tagebau-Minen von Cornwall eine Art Amphitheater, in dem Wesley zwischen 1762 und 1789 bei 18 Besuchen vor Tausenden von Zuhörern dieser in Armut lebenden Bewohner predigte. www.gwennappit.co.uk/index.php/methodist-trail. (Abruf 31. Okt. 2018). 148 Minutes of Serveral Conversations Between the Rev. Thomas Coke LL. D., the Rev. Francis Asbury and Others, Philadelphia 1785. 149 Die erste 1963 durch den Ökumenischen Rat der Kirchen organisierte Weltmissionskonferenz in Mexico-City prägte die Formel von der »Mission in sechs Kontinenten«. 150 Manual für Missionaries and Superintendents of Missions under the Care of the Methodist Episcopal Church, Philadelphia 1852. 151 Friedrich Fritz, Das Eindringen des Methodismus in Württemberg, Stuttgart 1927.

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kamen und »angelsächsisches Gewächs« seien. Tatsächlich erreichten sie ihre Heimat als deutsche Rückwanderer, die selber ursprünglich aus lutherischen oder reformierten Gemeinden kamen. Dort hatten sie die Taufe empfangen und in ihren autobiografischen Mitteilungen erzählen sie Erinnerungen an ihre Konfirmation. Ihr Fehler war, dass sie in den USA den Weg in eine methodistische Gemeinde gefunden hatten. Und dass sie kamen und im Land Luthers, dem Land der Reformation, wo doch alle Kirchenmitglieder waren, sich erdreisteten, als »Missionare« zu wirken, war der Gipfel. Es wurden fast alle Register gezogen, um sie an ihrem Vorhaben zu hindern. Dabei nahmen manche Autoren kurzerhand die gegen den Pietismus entwickelten Sprachmuster auf und wandten sie flugs auf die methodistischen Missionare, die fast alle aus den USA gesandt waren, an. Dabei kam einigen Autoren in den Sinn, den Namen »Methodisten« so zu erklären, dass er – ganz dem theologisch prägenden Umfeld entsprechend – von einer besonderer ›Methode der Bekehrung‹ herrühre. So einleuchtend das geklungen haben mag, so falsch war es dennoch. Zusammen mit reichlich anderen Vorwürfen und Unterstellungen gaben solche Fehldeutungen manchmal unbewusst, oft bewusst der ganzen Mission ein negatives Image. Die in verschiedener Hinsicht breit angelegte anti-methodistische Polemik ist nun Gegenstand der Untersuchung.

2.1

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2.1.1 Das in Deutschland vermittelte Methodismusbild Die aus der Symbolik seit der Mitte des 19. Jahrhunderts heraus entwickelte Konfessionskunde kann man auch als eine Reaktion auf den kirchlichen Pluralismus sehen, wie er sich im 19. Jahrhundert in Deutschland zunehmend zeigte. Die sich ausweitende Mission in fernen Kontinenten und das »Eindringen« der Kirchen aus den angelsächsischen Ländern in die territorial organisierten Kirchen europäischer Staaten erforderten auch Kenntnisse über Selbstverständnis und Lehre der bisher mehr oder weniger fremden Konfessionen und Denominationen. In Deutschland schienen durch die neu in Erscheinung tretenden Kirchen Ansprüche der privilegierten Staatskirchen missachtet zu werden, die seit der Reformationszeit über Jahrhunderte unangefochten wirksam waren. Jetzt brauchten 152 In diesem Kapitel wird darauf verzichtet, die methodistischen Kleinschriften und Rezensionen methodistischer Autoren zu berücksichtigen, welche auf die polemischen Auslassungen reagierten. Eine Übersicht wird im Anhang beigegeben. In diesem Kapitel soll es zielgerichtet darum gehen, das »Außenbild« und in Verbindung damit darin entwickelte Kriterien und Kategorien zur Beurteilung und Bewertung der methodistischen Kirchen und ihrer Wirkung zu erfassen.

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Konsistorien und Pfarrer Hilfen. Sie mussten sich ausreichend Kenntnisse aneignen, um mit überzeugenden Argumenten ihre Positionen darstellen und verteidigen zu können. Die vorauslaufende Symbolik des in Göttingen lehrenden Württembergers Gottlieb Jakob Planck (1751–1833), die 1796 erschien, war noch auf »unsere verschiedenen Hauptpartheien« begrenzt.153 Die Missionskontakte mussten für Konfessionskundler zu einer enormen Horizonterweiterung über die Grenzen der manchmal kleinen Landeskirchen hinaus führen. Viel stärker wirkten sich jedoch die Folgen der Auswanderung insbesondere nach Nordamerika aus. Zweifellos gewann sie eine besonders einflussreiche Bedeutung, weil diese Beziehungen aufgrund der gemeinsamen Sprache und der kirchlichen Traditionen außer in literarischen Vermittlungen durch ungezählte verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz einerseits und Amerika andererseits im 19. Jahrhundert außergewöhnlich zahlreich waren. Nach Professor Plancks früherer Abgrenzung auf die traditionellen europäischen Konfessionen weitete sich der Blick im Laufe des folgenden Jahrhunderts. Der Konfessionskundler Ferdinand Kattenbusch schrieb am Beginn des 20. Jahrhunderts, ähnlich wie andere schon vor ihm, über »Die Kirchen und Sekten des Christentums in der Gegenwart«.154 Der einflussreiche Pfarrer und spätere Präsident der Missouri-Synode Friedrich Wyneken hat durch seine Warnungen vor den Methodisten deren Bild bei deutschen Hochschullehrern langfristig beeinflusst.

2.1.2 1840: Friedrich Wyneken (1810–1876) – ein ausgewanderter Konfessionalist Friedrich Conrad Dietrich Wyneken hat in Deutschland die Sicht auf die Methodisten schon früh und auch dauerhaft beeinflusst. Weil zahlreiche Impulse von ihm ausgegangen sind, die in der bisherigen Forschung keine Beachtung gefunden haben, soll seine Polemik zuerst ins Blickfeld gestellt werden.155 Friedrich Wyneken wurde am 13. Mai 1810 in Verden an der Aller, unweit von Bremen, als Pfarrerssohn geboren. Sein Studium absolvierte er fast ausschließlich 153 Gottlieb Jakob Planck, Abriss einer historischen und vergleichenden Darstellung der dogmatischen Systeme unserer verschiedenen christlichen Hauptpartheien nach ihren Grundbegriffen, ihren daraus abgeleiteten Unterscheidungslehren und ihren praktischen Folgen, Göttingen 1796, 18223. 154 Ferdinand Kattenbusch, Die Kirchen und Sekten des Christentums in der Gegenwart, hrgg. von Friedrich Michael Schiele, Tübingen 1909. 155 Der aus der Schweiz stammende reformierte, ebenfalls bi-kontinental denkende und wirkende Theologe Philipp Schaff (1819–1893) würde im Blick auf die hier bedachte Fragestellung zu völlig anderen Einsichten gekommen sein. Dazu: Gesine von Kloeden, Evangelische Katholizität. Philip Schaffs Beitrag zur Ökumene – Eine reformierte Perspektive, Münster 1998.

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an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg, wo er zeitweise auch unter den Einfluss des international bekannten Professors Friedrich A. G. Tholuck (1799–1877) kam, welcher der Erweckungsbewegung gegenüber offen war. 1837 wurde er in Stade, dem Sitz des für Verden zuständigen Konsistoriums, ordiniert. Bald danach segelte er zur kirchlichen Betreuung deutscher Auswanderer nach Amerika. Als konfessionsbewusster Lutheraner war er entsetzt, wenn er auf seinen Streifzügen durch den mittleren Westen, dem teilweise erst noch zu besiedelnden Land, viele deutsche Lutheraner antraf, die keine Gemeinde ihrer Konfession gefunden hatten. Er erlebte, dass er auf Familien mit ungetauften, fast schon erwachsenen Kindern traf, die ohne Abendmahl und Gottesdienst lebten. Solche Erfahrungen prägten den zukünftigen Dienst des hochengagierten Pfarrers. Nach verschiedenen Gemeindediensten zwischen 1850–1864 wurde er Präses der konservativen lutherischen Missouri-Synode mit einer streng-konfessionellen Ausrichtung, die es ihr bis heute unmöglich macht, sich dem Lutherischen Weltbund (LWB) anzuschließen. Nach einer Erkrankung übernahm er noch einmal einen Pfarrdienst. Von weitreichender Bedeutung für die Entwicklung des strengen Luthertums in Amerika, aber auch für die kirchliche Beachtung der Auswandererfragen in Deutschland, war seine mahnende und drängende Schrift ›Aufruf an die lutherische Kirche Deutschlands zur Unterstützung der Glaubensbrüder in Nordamerika‹.156 Sie wurde zuerst im Jahr 1840 vom ›Stader Missionsverein‹ veröffentlicht und fand, wie die nachfolgenden Veröffentlichungen zeigen, besonders im Luthertum ein lebhaftes Echo. Im Jahr 1840 war Wyneken Pfarrer in Fort Wayne, Indiana. Er schilderte in dramatischen Zügen das ganze Dilemma ausgewanderter Landsleute und entfaltete es in Liebe zu seiner Konfession in größter Besorgnis. Seiner Kirche in der Heimat stellte er mit einzelnen Beispielen eigener Erfahrung die geistlich und kirchlich enttäuschende Situation ausgewanderter Lutheraner vor Augen. Mit einem »Jammerschrei« bittet er seine »Glaubensgenossen« in der Heimat um Hilfe, die nach seiner Einschätzung auch für das Luthertum im Lande der Reformation wichtig sei. Wyneken durchlitt, dass seine Brüder und Schwestern in der neuen Welt »großentheils die Wohlthaten der Kirche ganz entbehren« mussten.157 Ein schmerzliches Problem

156 Friedrich Wyneken, Aufruf an die lutherische Kirche Deutschlands zur Unterstützung der Glaubensbrüder in Nordamerika, zuerst veröffentlicht vom ›Stader Verein zur Unterstützung der Deutsch-Protestantischen Kirche‹, Hannover 1840, umgehend übernahm ihn das ›Nördlinger Sonntagsblatt‹ vom 10. Jan. 1841. 1843 publizierte in Erlangen die von Adolph Harleß (1806–1879) herausgegebene ›Zeitschrift für Protestantismus und Kirche‹ (NF), 5, 1843, 137–152 den Aufruf [aus dem hier zitiert wird], bevor er als eigenständige Broschüre 1843 ebenfalls im Erlangen erschien. 157 Ebd., 126ff.

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war ihm, dass seine Kirche »gefährliche Feinde […] in Nordamerika in den vielen Sekten und an der römischen Kirche hat.« Er führte dazu aus: »Die Sekten, die am eifrigsten daran sind, bei den Deutschen den alten verwahrloseten Dom der Kirche in Amerika niederzureißen, um aus den Bruchstücken ihre Kapellen aufzubauen und mit denen ich am meisten zu thun gehabt habe, sind die ›vereinigten Brüder in Christo‹, die sogenannten ›Albrechtsleute‹ [Evangelische Gemeinschaft] und die bischöflich-methodistische Sekte.158 Diese ist die wirksamste unter allen. Sie hat seit einigen Jahren auch eine Mission unter den Deutschen errichtet, welche sie auf das Kräftigste unterstützt, und wird sicherlich, wenn der Herr nicht bald Hülfe schickt, selbst den Namen der lutherischen Kirche im Westen [Amerikas] ausrotten.«159

Wyneken gibt am Beispiel seiner Konfession einen lebendigen Einblick in den Prozess der kirchlichen Entwicklung unter den für die deutschen Einwanderer ungewohnten Bedingungen, als sie in der Phase der Besiedlung Nordamerikas Religionsfreiheit und einen ungewohnten kirchlichen Pluralismus vorfanden, der nicht automatisch den Wohnort mit einer bestimmten Konfession verbindet. Wyneken nutzte seine Eindrücke zu einer Abrechnung mit denen, die er in seiner deutschen Sicht als »Sekten« und als »Feinde« bezeichnet. Die im 19. Jahrhundert in Amerika äußerst verbreitete und wirksame ›Revival-Theologie‹ hat in den Augen Wynekens auch das dortige Luthertum gespalten, weil es Prediger seiner Konfession gab, die sich angesichts der ungewöhnlichen Herausforderungen auf die von Finney propagierten typisch amerikanisch ausgerichteten »New Measures« eingelassen haben. Das ist für einen Theologen, der das Sakrament der Taufe als »Bad der Wiedergeburt« hoch schätzt, besonders tragisch. Wyneken erlebte mit, wie der Lutheraner Samuel Simon Schmucker (1799–1873),160 der am Princeton Seminary der Presbyterianer studiert hatte, für eine »Amerikanisierung« des dortigen Luthertums eintrat. Schmucker wollte seine Kirche aus einer Abgrenzung gegen die notwendigen Veränderungen herausholen und freimütig ein anderes, nicht konfessionalistisch ausgerichtetes Luthertum in die amerikanische Gesellschaft mit ihren anderen Religionsgesetzen integrieren. Er »war insbesondere bereit, die Realpräsenz des Leibes Christi im Abendmahl in Frage zu stellen, die Privatbeichte abzulehnen, sich zu fragen, ob die Taufe wirklich die Wiedergeburt bewirke und – im Einklang mit amerikanischen ›puritanischen‹

158 Alle drei haben als Kirchen methodistischen Typs auch in Deutschland gearbeitet: Karl Heinz Voigt, Freikirchen in Deutschland (19. und 20. Jahrhundert), KiE Bd. III/6 Leipzig 2004, 70–85. 159 Wyneken, Aufruf (wie Anm. 156), 138. 160 Der Vater Simon Samuel Schmuckers, John Georg (1771–1854) war aus Darmstadt nach Amerika ausgewandert. Mehr zur Familie Schmucker : Angelika Dörfler-Dierken, Luthertum und Demokratie: deutsche und amerikanische Theologen des 19. Jahrhunderts zu Staat, Gesellschaft und Kirche, Göttingen 2001, 363–368.

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Meinungen – eine viel strengere Heilighaltung des Sonntags zu wünschen.«161 Das alles schien Wyneken noch mehr in seinem abgrenzenden Denken zu bestärken. Er beschrieb seine theologischen »Feinde« als solche, die als »umherschwärmende Plagegeister« eine »Bekehrungsmethode« praktizierten, die mit einem »Bußkrampf«162 verbunden sei.163 Natürlich ist nach einer »Wiedergeburt durch die Taufe« die Erwartung einer »Bekehrung« geradezu gegenläufig. In dem Vorwurf einer Bekehrungsmethode in Verbindung mit einem »Bußkrampf« übernahm Wyneken wohl als einer der ersten die Anti-Pietismus-Terminologie aus dem 18. Jahrhundert, um sie in den USA auch auf das Wirken der deutschsprachigen Methodisten anzuwenden. Der Lutheraner warf den von einem ›Optimismus der Gnade‹ bestimmten methodistischen »Plagegeistern« vor, ihr »Gefühl [sei] hingerichtet auf den vagen Begriff ›Gnade‹.«164 Wyneken durchlitt die Folgen der Religionsfreiheit in Amerika. Seiner Enttäuschung gab er in gefühlsbestimmten Formulierungen eine sprachliche Gestalt. Der Blick des Lutheraners in die Zukunft seiner Kirche erfüllte ihn mit großer Sorge. In der Heimat fand sein weit verbreiteter »Aufruf« starke Beachtung. Besonders Wilhelm Löhe (1808–1872) in Neuendettelsau nahm den »Aufruf« aus Amerika als »Notruf« wahr. Er reagierte prompt.165 Man muss den Text mit Wynekens Mahnungen und Warnungen gelesen haben, um die Befürchtungen, die sich daran anschlossen und die Polemik gegen die in Deutschland beginnende Mission der Methodisten zu verstehen. Sein Urteil über die Ausbreitung der Methodisten und ihrer Frömmigkeit war verheerend: »Mit welcher ungeheuren Schnelligkeit hat nicht der methodistische Geist schon fast die ganze Christenheit durchsäuert und angesteckt! Sehet hin auf die amerikanische und europäische Christenheit: ist sein Einfluß nicht allenthalben sichtbar, und geht er nicht allenthalben darauf aus, die alte apostolische Lehre und Kirche aufzulösen? Allenthalben ist sein Streben dahin gerichtet, die bestehenden Gemeinschaften zu untergraben.166 Allenthalben haben sich Gesellschaften gebildet und bilden sich fortwährend, die in diesem Geist arbeiten, und unter der Firma ›christliches Leben‹ zu erwecken und zu verbreiten, das kirchliche Leben zerstören, indem sie durch erbaute Kapellen, angestellte Prediger, Evangelisten, Kolporteurs und Traktate die Gläubigen, welche die Kirche nicht kennen, oder an ihr verzweifeln, für sich gewinnen, den bestehenden Gemeinschaften entfremden und sie dann in ihre Nebenkapellen einzupfarren suchen.«167 161 162 163 164 165 166

Noll, Christentum in Nordamerika (wie Anm. 109), 222. Wyneken, Aufruf (wie Anm. 156), 141 und 145. Ebd., 144. Ebd., 145. Rößler/Honold, Löhe und die Amerika-Auswanderung (wie Anm. 67). Diese Zeilen weisen hier schon auf die Anwendung des Begriffs Methodismus für eine überkonfessionelle Frömmigkeitsbewegung hin. 167 Wyneken, Aufruf (wie Anm. 156), 157.

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Nicht genug damit. Wyneken sieht die Lutheraner in Amerika in einem stellvertretenden Kampf gegen den Methodismus, der ihren europäischen Glaubensgenossen zu gute kommen soll. »Wird in Amerika der Kampf, wo er am heftigsten entbrannt ist, und den schwächsten Widerstand findet, nicht ausgekämpft, werden dort die ermüdeten Streiter der lutherischen Kirche niedergetreten von der Masse und der Gewalt der Sekten, oder ihren Reihen mit einverleibt, so wird sich der Strom bald genug über das atlantische Meer herüberwälzen, nach unserm deutschen Vaterlande, um hier mit den ihnen verbundenen Streitkräften zusammenzutreffen. Was soll sie abhalten? Etwa die Entfernung? betrachtet doch die ungeheuren Missionsanstrengungen der Methodisten und Baptisten. Durch alle Meere hindurch haben sie ihre Bahn, auf allen Theilen der Welt fast ihre Stätten gefunden!«168

Unmittelbar danach wurde der Blick nach Deutschland noch konkreter : »Verbindungen sind angeknüpft durch die vielen Deutschen, welche zu ihnen übergetreten sind, und nun gern sähen, daß sich auch ihre Verwandten dieser Lehre anschlössen. Ihr Prediger, achtet nur auf die Briefe, die von Amerika in Eure Gemeinden hineingeschrieben werden,169 seht mit welch herrlichen Farben sie das glückselige Leben in ihrer Gemeinschaft anpreisen, die glänzenden, geistigen Gaben schildern, die auf sie ausgegossen seyen, den Jammer Deutschlands beklagen, die Prediger todte Hunde, die Gemeinden ein erstorbenes Aas, und selbst das erwachende Leben im Vergleich mit dem dortigen, elenden Tod nennen. – Ja sie sind schon mitten im Lande; schon vor zwei Jahren rühmten methodistische Blätter, einen eignen Missionär und über hundert Gehülfen in Deutschland zu haben.170 Sucht sie nicht auf den Kanzeln, sondern in den Hütten der Armen, wo sie in kleinen Betversammlungen sich ihrer Gefühle freuen, sie werden bald genug hervorbrechen, wenn [?] die Hülfe kommt von dorther! Denkt an den kleinen Anfang, den die Methodisten genommen in England, und sehet nun, welch ein Feuer der Geist der Zeit aus diesem Fünklein über die Erde getrieben hat! Werden wir in Deutschland den Strom, wenn er noch angewachsen ist, aufhalten? Wer ist gewappnet, diesem Feind entgegenzutreten? Ist nicht vielmehr der Boden Deutschlands gut gepflügt und bearbeitet, um die Drachenzähne des Sektengeistes aufzunehmen und in üppiger Saat aufschießen zu lassen?«171 168 Ebd., 158. 169 Am 19. August 1860 lagen z. B. dem Pfarrgemeinderat Großingersheim, heute ein Stadtteil von Crailsheim/Württb., »einige Briefe aus Amerika [vor], die über das Treiben der Methodisten Aufschlüsse geben.« Protokoll des Gemeinderaths Großingershein vom 19. Aug. 1860. LKASt A26/51. – Auch: Karl Heinz Voigt, Dietrich Conrad Smith – Methodist, Congressman, Banker. (Folgen eines Briefes). In: Emk Geschichte, 2018/2 (39. Jg.), 47–50. 170 Der in Württemberg seit 1831 wirkende wesleyanisch-methodistische Missionar Gottlob Müller, den die Londoner Wesleyan Methodist Missionary Society nach Winnenden gesandt hatte, berichtete seit 1842 gelegentlich auch an die in Cincinnati/Ohio von dem Württemberger Wilhelm Nast im Auftrag der methodistischen Kirche herausgegebene Wochenzeitung ›Der Christliche Apologete‹. Darin Briefe Müllers an Nast vom 22. 11. 1842 (in Ausgabe 4, 1843, 30) und vom 10. 5. 1847 (Ausgabe 35, 138). 171 Wyneken, Aufruf (wie Anm. 156), 158f.

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Die folgenden Kapitel in Wynekens »Aufruf« gelten den Fragen, »an welchen Mängeln sie [die lutherische Kirche] dabei in ihrem Innern leidet.« Und: »wie gefahrdrohend diese kirchlichen Zustände für die Zukunft sind«, um schließlich zu seinem Ziel zu kommen und seine Kollegen in der Heimat zu fragen »was soll bei dieser Noth geschehen und wie kann geholfen werden?« Wyneken geht es um die Zukunft seiner Konfession. Das ist legitim und ehrenwert. Seine bildhafte Sprache ist verletzend, und sie soll es sein. Der deutsche Lutheraner in Amerika versagte sich in seiner US-Analyse, einen historischen Rückblick auf die Reformation im alten Europa zu werfen. Er hat es gewusst, dass unter den politischen Verhältnissen des 16. Jahrhunderts ein bestimmter Typ von flächendeckender Kirche mit einer Art Alleinvertretungsanspruch hervorgegangen war. Und offensichtlich hielt er das für die ideale Art, Kirche zu organisieren. Es schien so, als sei für Wyneken nur jene Gemeinschaft rechte Kirche, welche sich ausdrücklich zur ›Confessio Augustana‹ bekannte. Leider muss man sagen, seiner beobachtenden Analyse fehlte es an theologischem Format, selbst an dem reformatorischen Grundsatz ›sola scriptura‹. Hätte er nicht vielleicht doch in der Beurteilung der »Feinde« seiner Konfession etwas vorsichtiger, weitherziger, eigentlich christlicher sein können? Und vor allem, hätte er nicht als konfessionsbewusster Lutheraner auch die nicht eingelöste Vorstellung Martin Luthers mit seinen drei Dimensionen des Kirche-Seins aus der Vorrede zur ›Deutschen Messe‹172 in seine Überlegungen einbeziehen müssen? Luther sah doch die Kirche mehrsprachig, d. h. international und überterritorial; er sah sie missionarisch, denn der Reformator war nicht blind und nahm wahr, dass in Wittenberg »viele, die nicht glauben und keine Christen sind« lebten.173 Und der Reformator wünschte sich Gemeinschafts-Kirchengemeinden, in denen sich solche versammelten, die ›mit Ernst Christ‹ sein wollten und sich in eine Mitgliederliste einzeichneten. Luthers Vision, die im Amerika des 19. Jahrhunderts eher eine Gestalt fand, als Wyneken sie aus der Heimat kannte, war untergegangen oder sie wurde angesichts der staatskirchlichen Verhältnisse durch nicht-theologische Faktoren verdrängt. Der mehr emotional gestimmte Wyneken, der das Gefühl bei anderen scharf kritisierte, hatte sich zu einem konfessionell verengten Blick leiten lassen, der von der Sorge um die lutherische Konfession bestimmt war. Er entfaltete das zunächst im Hinblick auf die Einwanderer in die Vereinigten Staaten, aber dann auch weiterführend mit dem mahnenden Blick auf die Heimatkirche. Für Wyneken wurde zum Problem, dass er sich unreflektiert die »Verpflanzung« der gewohnten kirchlichen Arbeit seiner hannoverschen Heimatkirche oder der Neuendettelsauer Arbeit aus dem fränkischen Lande zur 172 Martin Luther, WA Bd. 19, 74f. 173 Ebd.

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Weiterführung in die Fremde vorstellte. Hätte er nach seinen geschilderten Erfahrungen, die er seit 1838 in Indiana gemacht hatte, nicht bedenken und als Konsequenzen realisieren müssen, dass eine Kirche ohne die Privilegien und ohne den Schutz eines königlichen Notbischofs, ohne politisch garantierte territoriale Alleinstellung, aber anstelle dessen mit Religionsfreiheit ausgestattet, anders gestaltet sein musste, als in seiner Verdener Heimat oder in Stade? Religionsfreiheit hieß auch, man konnte in Freiheit und ohne Diskriminierung ohne Kirche leben, selbst als Atheist eine anti-kirchliche Meinung öffentlich vertreten. Zwangstaufen und formale Konfessionseinheit waren Schnee von gestern. Das wirkte sich auch darin aus, dass jene, die in Deutschland selbstverständlich einer Staatskirche angehört hatten, durch das Verlassen ihrer Heimat kirchenlos geworden waren. Welcher deutsche Fürst als Bischof seiner Landeskirche hatte schon noch Interesse an jenen, die sein Land verließen? Sie hatten für ihn keinen ökonomischen Wert mehr und für die militärische Planung174 konnte er nicht mehr auf sie bauen. Die in Amerika als kirchenlose Lutheraner und Reformierte Ankommenden, welche in ihrer neuen Heimat eine kirchliche Anbindung suchten, waren frei, sich für eine Kirche ihrer Wahl zu entscheiden. Es ist überraschend, dass der kluge Wyneken nicht realisieren konnte, dass mit der Religionsfreiheit gewisse heimatliche Automatismen der verfassten Kirchen in der neuen Welt nicht mehr galten. Erstmals standen die traditionsreichen europäischen Kirchen durch eine politische und gesellschaftliche Nötigung vor der Herausforderung, zum theologischen Zentrum ihres Wesens vorzudringen und missionierende Kirche zu werden. Dieser Paradigmenwechsel betraf nicht nur das theologische Selbstverständnis. Es galt, eine auch unter bereits Getauften missionierende Kirche mit anderen Formen der Gemeindearbeit und der Kirchengestalt überhaupt erst einmal für nötig zu halten und sie dann entsprechend zu entwickeln, wie es im 21. Jahrhundert in Deutschland viel zu spät in Angriff genommen wird. Im engeren Sinne mussten die europäischen Kirchen in Amerika erstmals umfassend die soteriologische Dimension des Kirche-Seins entdecken und ausgestalten. Der seit der altprotestantischen Orthodoxie entwickelte ›ordo salutis‹ mit den Schritten Rechtfertigung, Buße, Erweckung, Bekehrung, Wiedergeburt, Glauben und Heiligung musste neu reflektiert werden. Die Wyneken im Aufbruch Amerikas umgebenden Kirchen waren schon länger unterwegs, um neue, gewinnende Wege für eine Einladung zum recht-

174 Vor der Auswanderung war der Nachweis zu führen, dass und wie die militärischen Heimatpflichten erfüllt waren.

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fertigenden Glauben zu suchen und zu praktizieren.175 Was Ulrich Gäbler (*1941) über Dwight L. Moody (1837–1899) schreibt, gilt sicher für alle amerikanischen Erweckungsprediger seit Jonathan Edwards und George Whitefield, die das Gehör ihrer Zeitgenossen fanden: sie »löste[n …] sich aus definierten konfessionellen Traditionen.«176 Wyneken wollte kein Erweckungsprediger sein, sondern ein Bewahrer seiner Konfession, die seit der Reformation und bestätigt durch den Westfälischen Frieden in der Heimat eine führend-einflussreiche Rolle spielte. Er konnte zusammen mit einem großen Teil des amerikanischen und des heimatlichen Luthertums noch nicht umdenken. Wyneken kritisierte die zum Teil kontextual angemessenen Bemühungen und zeitgemäß erscheinenden Versuche aus seiner traditionellen Sicht und Erfahrung scharf mit der Konsequenz, dass er die von ihm beeinflusste Kirche über einen langen Zeitraum von den Entwicklungen, Aufbrüchen und Aktivitäten abschnitt. Es geschah in den USA genau das, was man in Deutschland denen vorwarf, die man auch mit diesem Argument als Sekten bezeichnete. Seine traditionsbewussten Anhänger führte der aus Verden kommende Lutheraner in eine freiwillige Distanz zu anderen Kirchen und gegenüber Entwicklungen einer Gesellschaft, die selbstverständlich Religionsfreiheit schützte und allen Konfessionen und Denominationen unterschiedslos Raum für ihr Wirken garantierte. Wyneken fand zum politischen und gesellschaftlichen Wandel, der auch die Kirche fundamental einbezog, keinen Zugang; es scheint so, als wollte er es auch gar nicht. Dafür war sein Denken zu sehr nach hinten gerichtet. Darum war er blind für die neuen Herausforderungen, die eine plurale, ökumenisch ausgerichtete Kirche Christi unter den Bedingungen der Religionsfreiheit erforderten. Aus seinem territorialen Denken waren ihm die Umstände, Kirche unter den wandernden Menschen auf dem Weg in den »Wilden Westen« zu sein, die auch Gemeinden erst sammeln und organisieren mussten, fremd. Gemeindebildung in diesem Sinne hatte es in seiner heimatlichen Tradition noch nie gegeben. Wynekens Kritik an Verkündigung und Praxis von Buße, Bekehrung und Wiedergeburt hat er in seinem »Aufruf« nach Deutschland vermittelt. Dadurch hat er daran mitgewirkt, bevor die methodistischen Kirchen von Amerika kommend ihre Mission hier aufnahmen, ein bestimmtes Bild über die Methodisten zu prägen. Besonders Wilhelm Löhe war ihm zugetan. Er nahm sogleich 175 Gäbler, Auferstehungszeit. Erweckungsprediger (wie Anm. 25), konkretisiert das Thema an sechs herausragenden Persönlichkeiten. Es ist bezeichnend, dass nach dem Schöpfer der Oberlin-Theologie Charles G. Finney, dem Schotten Thomas Chalmers (1780–1847), dem Franzosen Adolphe Monod (1802–1856), dem Niederländer Isaac da Costa (1798–1860), und vor dem zweiten Amerikaner Dwight L. Moody, als deutscher Erweckungsprediger Aloys Henhöfer (1789–1862) dargestellt wird. 176 Ebd., 144.

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in einer Predigt auf den »Aufruf« Bezug.177 Auch der in Halle lehrende Altlutheraner Prof. Heinrich E. F. Guericke (1803–1878) nahm schon seit 1843 einen Hinweis auf Wynekens Schrift in eine überarbeitete Auflage seines Handbuchs zur Kirchengeschichte auf.178 Selbst der Tübinger Professor Matthias Schneckenburger (1804–1848) ließ sein Bild über die Methodisten durch diese polemische Schrift mit formen.179 Die Verbreitung durch Lexika half in der Breite diesen »ergreifenden Aufruf«180 bekannt zu machen. Wynekens Text ist ein bemerkenswertes Dokument der Begegnung zweier Kirchenkulturen, die ganz unterschiedliche Gestalten von protestantischen, durch die Reformation und die Lehre von der Rechtfertigung geformten Kirchen durch die völlig verschiedenen gesellschaftlichen Kontexte hervorbrachten. Der deutsche Lutheraner mit seiner Reformationsgeschichte konnte die kirchliche Entwicklung in Amerika nicht verstehen und die methodistischen Kirchen, die nur wenige Jahre nach dem Erscheinen des Aufrufs ihre europäische »Mission« mit Rückwanderern aus Amerika von Bremen und Stuttgart aus aufnahmen, standen in gleicher Weise einer völlig ungewohnten kirchlichen Wirklichkeit gegenüber. Die Bedingungen für ihre Mission waren auch durch die von Wyneken und anderen bereits ausgestreuten Vorurteile schwieriger, als sie es sich vorgestellt hatten. Die Leser des »Aufrufs« nahmen den Inhalt als Informationen aus erster Hand auf, nicht etwa von einem Theoretiker oder aus einem Reisebericht, wie sie damals zahlreich veröffentlicht wurden, sondern einem vor Ort erfahrenen Theologen. Das ausgestreute Misstrauen und die Vorurteile waren erheblich. An einem Beispiel aus der frühesten Zeit wird die Wirkung von Wyneken in der unmittelbaren Gegend seiner Heimat konkret. Als der erste methodistische Prediger, Ludwig S. Jacoby (1813–1874), ab Ende 1849 in Bremen seine Predigten im zentralen ›Krameramthaus‹ hielt, machte sich Pastor Konrad Karneades Münkel (1809–1888) auf den Weg nach Bremen. Münkel war in Oiste, nur wenige Kilometer von Wynekens Geburtsstadt Verden entfernt, als Pfarrer im Dunstkreis der Familie von Friedrich Wynekens aktiv, dessen Vater Heinrich Christoph (1766–1815) bis zu seinem Tod Pfarrer in der St. Andreaskirche zu Verden war.

177 Wilhelm Löhe, Nördlinger Sonntagsblatt 1841. Löhe, GW 4, 18. 178 Heinrich Ernst Ferdinand Guericke (1803–1887), Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. 2 – neuere Kirchengeschichte, Halle 18435, 349. 179 Matthias Schneckenburger, Vorlesungen über die Lehrbegriffe der kleineren protestantischen Kirchenparteien. Hrgg. aus seinem Nachlass von Karl Bernhard Hundeshagen, Frankfurt/M. 1867, 107 u. 122f. Vgl. auch Teil 2.1.2. 180 Reallexikon für protestantische Theologie und Kirche, begründet von Johann Jakob Herzog, Bd. 14, Ausgabe 1904, 199.

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Münkel hatte im Anschluss an Wynekens »Aufruf« anlässlich des Beginns der methodistischen Mission in einer kleinen Schrift, welche wohl überhaupt die erste nach dem Beginn der Mission in Deutschland ist, die damals aktuelle Frage zu beantworten versucht: »Was ist von den Methodisten zu halten?«181 Seine Antwort auf die von ihm aufgeworfene Frage ist ein Spiegel von Wynekens »Aufschrei«. Münkel schrieb: Methodismus »ist Schwärmerei und selbsterwählter Gottesdienst, untermischt mit etwas Christenthum.«182 Als Herausgeber der Zeitschrift ›Neues Zeitblatt für die Angelegenheiten der Lutherischen Kirche‹ war der promovierte Oister Pfarrer ein kritischer und urteilsfähiger Denker, der sich gerne ein eigenes Bild machte. Wynekens Impulse haben ihn angeregt, 1851 selber einmal mit der wenige Jahre vorher ermöglichten Eisenbahn ins nahegelegene Bremen zu fahren, um ein methodistisches Spektakel, wie er es sich unter dem Einfluss des aus Amerika herüber gesandten »Aufrufs« vorstellte, zu erleben. Danach berichtete er überrascht und erstaunt in einer ebenfalls von ihm herausgegebenen Zeitschrift: »Der erste Sendling der Methodisten war trefflich gewählt. Es war einer ihrer Prediger, namens Jacoby, ein geborener Deutscher, der nicht nur seiner Muttersprache, sondern überhaupt der Rede vollkommen mächtig, mit einnehmendem, freundlichem, mildem Wesen und großem Geschicke, die Verhältnisse zu benutzen und zu leiten.«183

Nach einigen kritischen grundsätzlichen Bemerkungen über die begonnene Mission der Methodisten in Deutschland schrieb er über Jacobys Anfang: »Dann eröffnete er selbst unter ungeheurem Zulauf seine gottesdienstlichen Versammlungen im Krameramthaus184 zu Bremen. In Wahrheit, man bekam ganz etwas anderes zu sehen und zu hören, als man sich gedacht hatte. Nichts von dem gewaltsamen, stürmischen, unnatürlichen Wesen, davon die Berichte aus Amerika voll sind; dagegen eine tiefe Inbrunst des Herzens, große Einfalt und Klarheit, mit handgreifli181 Konrad K. Münkel, Was ist von den Methodisten zu halten? Beantwortet von K. K. Münkel, Pastor in Oiste bei Verden, Verden 1850. Zweite veränderte Auflage. 182 Ebd., 7. – S. 10f. wird über die gefühlige Buße geschrieben und kritisch bemerkt: »Gott hat kein Maß des Bußkampfes vorgeschrieben.« 183 Konrad K. Münkel, Erste Versuche des Methodismus in unserem Lande. In: Vierteljährliche Nachrichten von Kirchen- und Schulsachen, Hannover 1851, 3. Stück, 97ff. – Friedrich Mallet, der uniert denkende Herausgeber des ›Bremer Kirchenboten‹, war schon an der schnellen Auflösung des unter Wynekens Einfluss entstandenen ›Bremer Vereins für die protestantischen Deutschen in Nordamerika‹ beteiligt. Wyneken kümmerte sich nämlich nicht um die »protestantischen Deutschen«, sondern ausschließlich um ausgewanderte Lutheraner. Das Zerwürfnis zwischen Wyneken und Mallet (1792–1865) war so groß, dass der Bremer Pastor in mehreren Ausgaben seines ›Kirchenboten‹ empört zugunsten der Methodisten gegen Wyneken »in den Krieg zog«, wie er es selber formulierte. Dazu: Karl Heinz Voigt, Friedrich Ludwig Mallet in seinen transatlantischen und transkonfessionellen Beziehungen. In: Hospitium Ecclesiae, Bd. 26 (2016), 157–192. 184 Das Krameramthaus in Bremen ist ein historisches Gebäude im Zentrum der Stadt, das schon damals die Handwerkskammer beherbergte.

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chen und eindringenden Beweismitteln ausgerüstet. Und wo war nun die Abweichung vom Worte Gottes? […] Nach wenigen Wochen war der erste Sieg schon entschieden. Das Werk gewann einen stattlichen Fortgang. Selbst die reformierten Prediger traten zum Teil auf ihre Seite.«

Hatte der Prediger Ludwig S. Jacoby sich auf die deutsche Gemütslage eingestellt und jeden Ansatz eines spektakulären Auftritts aus taktischen Gründen vermieden? Oder war die von Wyneken bei Münkel geweckte Erwartung ein Akt von Kirchenpolitik durch Diskriminierung? Es kann beides zusammenkommen. Im historischen Saal eines Renaissance-Gebäudes vor 300 gutbürgerlichen Zuhörern predigt man vielleicht anders, als in einer eben errichteten Neusiedlerhütte im ›Wilden Westen‹ von Amerika, wo man nicht ganz sicher war, ob nicht ein Zwischenruf oder eine unangenehme Störung eintreten würde. In Bremen ging man anders gekleidet in das traditionsreiche Gebäude als wenn man auf dem Rücken eines Pferdes die Hütte als Predigtstätte nach einigen Strapazen erreicht hatte, wo sich müde und abgearbeitete Neusiedler, die eben noch auf ihren Äckern waren und Bäume gerodet hatten, zusammenfanden. Eine Eigenart methodistischer Predigt war, dass sie keine ausgefeilte Vorlesung war, sondern eine direkte, an die Hörer gerichtete Erweckungspredigt, die unter Einschluss einer gewissen Spontaneität zu überzeugen und zum Glauben einzuladen bemüht war.185 Wie klar methodistische Predigt gerade in missionarisch orientierten Veranstaltungen von ihrem theologischen Selbstverständnis her bestimmt war, hat Karl Kupisch (1903–1982) zusammengefasst, wenn er schrieb: »Man sprach […] die Anwesenden nicht als Glieder eines christlichen Volkes oder einer christlichen Kirche an, sondern als Ungläubige, denen das Evangelium wie Heiden verkündigt werden müsse.«186 Als die sich bildende Gemeinde in Bremen am 18. August 1850 erstmals das Abendmahl feierte, waren dazu Teilnehmer trotz drei bis vier Stunden Fußwegs in die Stadt gekommen. Einige davon wollten sich davon überzeugen, »ob wir auf die im Worte Gottes vorgeschriebene Weise das Abendmahl feiern, da wundersame Gerüchte sich aus Amerika bis hieher darüber verbreitet hatten. Sie gingen alle erbaut von dannen, und bezeugen, daß sie von ihren Freunden in Amerika, so wie im Andern, auch in dieser Sache falsch unterrichtet worden sind.«187 Die Missionspredigt war, was Inhalt und Stil betraf, in der Predigtlehre auf dem Kontinent ein unbekannter und sie überraschender Ansatz, auf den 185 Theodor Christlieb†/M. Schian, Geschichte der christlichen Predigt, Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. 15, Leipzig 19043,623–747. Methodisten mit anderen Denomination in verschiedenen Ländern behandelt: 700–747. 186 Karl Kupisch, Die deutschen Landeskirchen im 19. und 20. Jahrhundert, KiG Bd. 4, Göttingen 1966, R85. 187 Schreiben Ludwig S. Jacoby (Bremen) an Wilhelm Nast (Cincinnati) vom 29. Aug. 1850. In: CA vom 26. Sept. 1850, 155.

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auch der Praktische Theologe Professor Theodor Christlieb später hingewiesen hat. Der international erfahrene Theologe zeigte, wie sowohl die theologische Positionierung als auch das gesellschaftliche Umfeld auf die Predigtweise einwirken. Er schrieb für eine in Amerika erscheinende methodistische Zeitschrift: Eine Neigung der deutschen Predigt sei es, »die ganze Zuhörerschaft als ein gläubiges Ganzes zusammenzufassen, ihre Scheu, die Klasse der Unbekehrten von den Bekehrten bestimmt zu trennen, wenn sie auch in abstracto diesen Unterschied nicht leugnet. Während die anglo-amerikanische Predigt sehr häufig bestimmt und pointirt auf Erweckung und Bekehrung dringt, diese Kardinalfrage immer wieder vorlegt und danach die Gruppen in bestimmte Hörer scheidet, setzt die deutsche gern die Hörerschaft als christlich gläubig voraus und baut in dieser Voraussetzung weiter. Sie bleibt allgemeiner, die anglo-amerikanische wird concreter, greifbarer ; jene ist lehrhafter, auch wenn sie mehr ethisch-humane als dogmatische Gegenstände behandelt, diese praktischer, mehr ins Detail des Lebens eingehend; jene oft viel Zeit auf Texterklärung, diese mehr die Hauptkraft auf die Anwendung verwendend; jene mehr Darstellung, diese mehr Nöthigung; jene mehr der Erbauung, der Weiterförderung der Gläubigen dienend, diese oft erst Christlichkeit gründend und daher immer wieder auf Erweckung und Bekehrung zielend.«188

Christlieb, der selber im Siegerland evangelisierte, war einer von den Wenigen, die sich durch die landesfremde Praxis nicht irritieren ließen, sondern ihr ein gewisses Recht gaben. Es scheint, als habe auch Münkel nach dem Hören der Predigt mehr Verständnis für das methodistische Wirken gehabt, als es die Schrift von Wyneken vermittelt hatte. Es kann nicht überraschen, wenn manche Impulse für die kirchliche Arbeit in Deutschland aus Amerika herüber wirkten. Dort fand eine Art Wettlauf zwischen Konfessionen und Denominationen auf breiter Basis statt, in den auch die ersten nennenswerten Begegnungen zwischen deutschen protestantischen Traditionskirchen und den sich bildenden deutsch-amerikanischen Gemeinden der methodistischen Kirchenfamilie eingebettet waren. Angehörige beider Gruppen haben viele Briefe nach Deutschland gesandt. Manche zeichneten ein positives Bild, andere, die teilweise in kirchlichen Zeitschriften, auch in wissenschaftlicher Literatur veröffentlicht wurden,189 haben langfristig tief sitzende Vorurteile verbreitet190 oder ganz unterschiedliche Irritationen in Familien ausgelöst, deren Angehörige sich in dem entfernten Land einer methodistischen 188 Theodor Christlieb, Die heutige Predigt des evangelischen Deutschlands, ihre charakteristische Stärke und Schwäche. In: Vierteljahrsschrift für Wissenschaftliche und Praktische Theologie, hrgg. von Reuben Jaeckel, Cleveland, Ohio, Bd. 7 (1886), 276f. 189 Leider ist bisher die inzwischen reichlich gesammelte Briefliteratur zu dieser Frage noch nicht wissenschaftlich ausgewertet. 190 Heinrich Ernst Ferdinand Guericke hat z. B. in seinem ›Handbuch der Kirchengeschichte‹, Band 3 einige abschreckende Beispiele, die er aus anderen Publikationen übernommen hat, veröffentlicht. Guericke (wie Anm. 178), Handbuch, Bd. 3, Berlin 18507, 650f.

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Gemeinde angeschlossen hatten. Briefe waren eine individuelle, aber zugleich außerordentlich wirkungsvolle Form zur Meinungsbildung. Es wurden durch diese familiären Beziehungen zwischen den Kontinenten gegenüber dem ›Methodismus‹ ganz unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Was einer mit Begeisterung aufnahm, lehnte der Nachbar kritisch ab. Es stießen auch auf dieser Seite des Atlantik zwei Kirchenkulturen aufeinander : eine traditionsreiche, praktiziert in einer Anknüpfung an vorreformatorische Grundmuster, und eine andere, die unter den Umständen eines mehrfachen radikalen Umbruchs in Kirche und Gesellschaft neue Entwicklungen erhoffte. Beide hatten unterschiedliche theologische Voraussetzungen: eine ging aus von dem Auftrag der Betreuung einer gewachsenen Ortsgemeinschaft, die mit der Kirchengemeinde überwiegend deckungsgleich war, und die andere knüpfte an frühchristliche Vorbilder an, um durch persönliche Glaubensbegründung Gemeinden mit solchen zu bilden, die sich in Freiheit bewusst für ein Leben in der Nachfolge Christi entschieden hatten. Wie wichtig und auch korrigierend die viel zu seltene direkte Begegnung sein konnte, haben die Beispiele des Oister Pfarrers Münkel und des Bonner Professors Christlieb, der in London mehrere Jahre die Methodisten nicht nur beobachten konnte, sondern punktuell auch mit ihnen zusammengewirkt hat, gezeigt. Wurden hier schon Anfänge dessen, was Wyneken in seinem ›Aufruf‹ mit einem mahnenden Ton angekündigt hatte, spürbar? Es sei noch einmal der weckende Mahnruf an seine lutherische Kirche in Deutschland zitiert: »Denkt an den kleinen Anfang, den die Methodisten genommen in England, und sehet nun, welch ein Feuer der Geist der Zeit aus diesem Fünklein über die Erde getrieben hat! Werden wir in Deutschland den Strom, wenn er noch angewachsen ist, aufhalten? Wer ist gewappnet, diesem Feind entgegenzutreten? Ist nicht vielmehr der Boden Deutschlands gut gepflügt und bearbeitet, um die Drachenzähne des Sektengeistes aufzunehmen und in üppiger Saat aufschießen zu lassen?«191

Im öffentlichen und kirchlichen Ringen um Bewahrung des bisherigen Status der deutschen Landeskirchen einerseits und um Anerkennung einer ungewohnten Art staatsfrei als evangelische Kirche zu wirken andererseits hat es natürlicherweise heftige Auseinandersetzungen gegeben. Der eigenwillige Name »Methodisten« schien für eine negative Interpretation einer ganzen Kirchenfamilie geeignet zu sein. Um das genauer zu ergründen, soll zunächst ein Blick auf das folgen, was an deutschen Universitäten gelehrt wurde.

191 Wyneken, Aufruf (wie Anm. 156), 158f.

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2.1.3 1845: Karl Graul (1814–1864) Leipzig – Erlangen Karl Graul war einer der frühesten, welcher solche Kirchen in seine Veröffentlichung aufgenommen hat, denen deutsche Missionsgesellschaften in fernen Ländern begegneten. Schon als junger lutherischer Theologe, der von 1834 bis 1838 in Leipzig studiert hat, war Graul an der weltweiten Mission interessiert. Er wurde bei der Bildung der »Evangelisch-lutherischen Mission zu Leipzig«, dem Ort einer bedeutenden lutherischen Fakultät, zur treibenden Kraft. Ihm war es nach einem längeren Aufenthalt in Indien ein wichtiges Anliegen, die Mission von Emotionen, wie er sie im Pietismus sah, zu befreien. 1861 siedelte er nach Erlangen über, wo der sprachbegabte Graul sich mit einer Arbeit über ein missionswissenschaftliches Thema habilitierte und einen Lehrauftrag erhielt. Schon in Leipzig veröffentliche er 1845 seine »Unterscheidungslehren« christlicher Bekenntnisse,192 die bis 1899 in dreizehn Auflagen erschienen sind, zuletzt herausgegeben von Reinhold Seeberg (1859–1935). Graul selber sieht sein Büchlein als eine »Kampfschrift um das rechte Bekenntnis«, das zur Zeit der Reformation in Augsburg angenommen worden war. Er fürchtet aber ganz im Sinne der lutherischen Tradition um die Reinheit der rechten Lehre, die in der Gefahr steht, dass selbst bei den »Bestunterrichteten und Bestgesinnten« auch pietistische und methodistische Anschauungen unterlaufen. Graul sieht in diesen einflussreichen Strömungen »ungesunde religiöse Richtungen«, die er im »Anhang« darstellt. Vorher werden, nach »Luthers Glaubensbekenntnis«, die römische, die griechische, die reformierte und andere Kirchen in ihren Bekenntnissen mit dem lutherischen verglichen. Der Blick über die »Englisch-bischöfliche Kirche« hinaus nach Schottland weist zwar auf die Bildung einer »Freikirche […] mit dem bestimmten Grundsatze [hin], daß ein staatskirchliches Regiment sich in keinem Falle mit dem Begriff einer christlichen Kirche vertrage.« Daraus deutet sich aber keine Frage an die »reine Lehre« der Kirche in den deutschen Ländern an. (87) In seinem Kapitel über »Baptisten und Neobaptisten« (97–99), tauchen unvermittelt und ohne Frage an falscher Stelle eingeordnet, auch die »Albrechtsleute« auf, die bis 1803 den Methodisten zugehörig gewesen seien. Sie werden »auch Jumpers d. i. Springer genannt, weil sie etwas von den wilden Körperbewegungen der Methodisten beibehielten.« (97f). Unter den »ungesunden religiösen Richtungen« wird nach der pietistischen (143) und der »herrnhutisirenden« (144) die »methodistische« skizziert. Herrnhuter seien »die Spitze der pietistischen« Richtung, welche die häusliche Stille und 192 Karl Graul, Die Unterscheidungslehren der verschiedenen christlichen Bekenntnisse im Lichte des göttlichen Worts, hier verwendet: vierte Auflage Leipzig 1856, Leipzig 18616, vermehrt.

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Erbauung suche,193 während der »Methodistischgesinnte aber den offenen Markt zur Bekehrung anderer nicht scheut.« Die Methodistischgesinnten dringen »auf den Bußschmerz, ganz entschieden zum Bußkampf, wenn nicht gar Bußkrampf.« (145) »Die Zeit seiner Bekehrung muß man wo möglich nach Stunde und Minute anzugeben wissen. […] Die ruhige Belehrung tritt zurück, man will das Herz des Menschen im Sturm für Gott erobern und macht daher den Leuten die Hölle recht eigentlich heiß, d. h. stellt ihnen die Qualen der Verdammten in den schrecklichsten Bilder dar und hilft ihnen durch Ton und Geberden (sic!) möglichst nach. Das heißt methodisch bekehren.« Einer drohenden »Erschlaffung« muss »durch neue Methoden und Maßregeln« – da sind wieder die New Measures – entgegen getreten werden. Der »Bußkampf« sei für das ewige Leben so folgenreich, dass, »wer nämlich nicht durch solchen Bußkampf hindurchgegangen ist, der ist auch noch nicht vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.« (147). Man muss davon ausgehen, dass aus dieser frühen konfessionell bestimmten Schrift, die zuerst 1845 erschien und viele Auflagen erlebte, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer wieder anzutreffende Stereotypen von solchen, die keine Quellenstudien getrieben haben und die nach Argumenten gegen die »Eindringlinge« suchten, übernommen worden sind.

2.1.4 1863: Matthias Schneckenburger (1804–1848) – Bern Schneckenburger ist 1804 im schwäbischen Tuttlingen geboren. 1834 als überwiegend in Tübingen ausgebildeter Theologe folgte er einer Berufung nach Bern. Dort hat der Lutheraner im reformierten Kontext Vorlesungen über vergleichende Konfessionsgeschichte und Konfessionskunde gehalten. Nach seinem frühen Tod gab sein Schüler Karl-Bernhard Hundeshagen (1810–1872) 1863 posthum die »Vorlesungen über die Lehrbegriffe der kleineren protestantischen Kirchenparteien« aus Schneckenburgers handschriftlichen Nachlass heraus.194 Er betont im Vorwort, dieses sei »der erste Versuch dieser Art.«195 »Namentlich der Darstellung des Methodismus und der Theologie Zinzendorfs wird das Verdienst der Neuheit und einer bis dahin noch nicht dagewesenen ebenso geistvollen und scharfsinnigen, als eingehenden Beleuchtung nicht abgesprochen werden.«196 Schneckenburger widmet dem Methodismus fast fünfzig Seiten. 193 Ein unverständliches Urteil, mit dem sich der Missionswissenschaftler, der um die Weite der Herrnhuter Missionsarbeit gewusst haben muss, sich selber schadet. 194 Schneckenburger, Vorlesungen über die kleineren protestantischen Kirchenparteien (wie Anm. 179). 195 Ebd., III. 196 Ebd., Hervorhebungen übernommen.

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Er geht zunächst davon aus, dass der Methodismus zunächst in allen »reformirten Kirchen des Continents« auf deren »arminianische Laxheit« reagiert habe, was nicht bloss »mit dem Namen Methodismus bezeichnet, sondern […] entschieden Anfangs von direkten Einflüssen des Methodismus ausgegangen« sei.197 Die nachfolgende Erfassung eines »mitunter schon positiv kirchenstürmerischen« Auftretens ist in seiner Schilderung durch den oben erwähnten »Aufruf« Wynekens bestimmt.198 »Die innerste Seele des Methodismus«199 sieht der Berner Professor darin, »wie er das factische Eintreten des Bewusstseins der Gnade in das Subjekt oder das Werden des erlösten Selbstbewusstsein auffasst.« In der »Bestimmung von Sünde und Gnade« finde »keine Abweichung von der allgemeinen Kirchenlehre statt.« Hingegen sah Schneckenburger Differenzen zur kirchlichen, insbesondere anglikanischen Frömmigkeit in der Genesis des Bewusstseins der Erlösung des Einzelnen, dem »historischen Ausgangspunkt des Methodismus«. Er besteht in einem »bestimmten System der Religiosität.« Dass ist genau das, was andere Autoren schlicht als »Methode« des Methodismus bezeichnen. Einem »intensiven Bußgefühl« im amerikanischen Methodismus200 stellt er Wesleys reformatorische Erfahrung gegenüber, bei welchem »das unmittelbare Zeugnis des heiligen Geistes von der geschehenen persönlichen Rechtfertigung eintritt. Damit ist die Wiedergeburt vollendet, die Bekehrung geschehen.« Das war am 24. Mai 1738. »Gleichwie Wesley selbst Tag und Stunde angeben konnte, wie dies bei ihm der Fall war, so gilt dies als allgemeine Regel, eben weil jener Prozess nur mit einer solchen Gemüthsgährung vor sich geht. Es gehört zu den sicheren Kennzeichen, dass einer wiedergeboren und gerechtfertigt ist, wenn er einen klaren, ausführlichen und schriftgemäßen Bericht über die Zeit und die Art machen kann, wie die Änderung bei ihm geschehen ist.«201

Durchgehend ist erkennbar, wie konsequent Schneckenburger eine auf den Lehrbegriffen beruhende vergleichende Darstellung gibt, nachdem vorher schon eine zweibändige den lutherischen und den reformierten Lehrbegriff darstellende Publikation durch Eduard Güder (1817–1882) erfolgt war.202 Schneckenburgers Veröffentlichung ist insofern von besonderer Bedeutung, als 197 198 199 200

Ebd., 106. Ebd., 122f. Ebd., 112. Auch die nachfolgenden Zitate. »Bei den englischen Methodisten geht es nicht so stürmisch her«, was der Autor im Vergleich mit Amerika auf die besonderen dortigen Verhältnisse Umstände zurückführt, die er verständnisvoller als fast alle anderen Autoren aufnahm. (S. 124). 201 Schneckenburger, Vorlesungen (wie Anm. 179), 124f. 202 Matthias Schneckenburger, Vergleichende Darstellung des lutherischen und reformierten Lehrbegriffs, aus dem handschriftlichen Nachlass hrgg. von Eduard Güder, Bd. 1 Stuttgart 1855, beide Bände 1862.

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er als erster Professor – übrigens außerhalb Deutschlands – über die »kleineren protestantische Kirchenparteien« Vorlesungen hielt, die allerdings erst später publiziert wurden.

2.1.5 1877: Christian Palmer (1811–1875) – Tübingen Der Schwabe Christian Palmer hat als Praktischer Theologe in Tübingen in 23 Jahren fast eine ganze Generation württembergischer Pfarrer mitgeprägt. Zur Zeit seines Wirkens gab es in seiner Heimat drei Zweige der methodistischen Kirche mit unterschiedlichen örtlichen Schwerpunkten.203 Palmers Vorlesungen über die Gemeinschaften und Minderheitskirchen hatten also einen konkreten lokalen Kontext. Er behandelte nach einer allgemeinen übersichtlichen Einführung zwölf verschiedene autonome Gemeinschafts- und Kirchenbildungen. Der Ludwigshafener Professor Paul Jetter gab die Vorlesungen aus dem Nachlass seines Schwiegervaters herausgab und bemerkte in der Einleitung, diesem sei »im Jahr 1854 durch die briefliche Mittheilung mehrerer früherer Zuhörer [mitgeteilt worden], daß sie im praktischen Kirchendienst dem bunten Gewirr der sektirerischen Lehren gegenüber oft rathlos dastehen.«204 Das habe ihn zur Ausarbeitung der Vorlesungen veranlasst. Er habe sie seitdem bis zum Jahr 1873 im Ganzen 11mal gehalten. Im Kapitel über die Methodisten schrieb Palmer, dass er seinen »Blick ausschließlich auf Württemberg« (130) richte. Schon in seinem kurzen historischen Aufriss zeigt sich seine Position. Als »spezifisch englisches Gewächs« seien die Methodisten in Württemberg überflüssig, aber ein »gärender propagandistischer Trieb« habe sie ins Land gebracht. Wie sehr das methodistische Selbstverständnis auch bei Palmer vom Namen ›Methodisten‹ her definiert wird, ist schnell erkennbar. Dieser sei spottweise auf die ursprüngliche Gruppe von Oxforder Studenten angewandt, »weil seine Mitglieder eine bestimmte, und zwar strengere Methode des Lebens einhielten.« (130) Dieser Name sei »später im Ernst von ihnen acceptirt, weil in der That das Charakteristische der ganzen Erscheinung darin liegt, daß eine bestimmte Methode für das Bekehrungswerk festgestellt und auf diese Methode das Hauptgewicht im Christentum überhaupt gelegt wird.« (131) Ähnlich ist sein Missverständnis, das zu seinem Bild von der 203 Die aus England gekommenen Wesleyaner in Palmers Heimatstadt Winnenden (seit 1831), die Evangelische Gemeinschaft in und um Stuttgart (seit 1850) und die Bischöfliche Methodistenkirche im Raum Ludwigsburg und Heilbronn (seit 1851) breiteten sich in Württemberg damals schnell aus. 204 Christian Palmer, Die Gemeinschaften und Sekten Württembergs. Aus dessen Nachlass herausgegeben von Paul Jetter, Tübingen 1877. Das Kapitel »Die Methodisten« wird auf den Seiten 130 bis 143 behandelt.

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»Methode der Bekehrung« führt. Palmer ist der Meinung, eine von John Wesley »vorgeschriebene Methode der Wiedergeburt« folge dem »Gang seiner eigenen Bekehrung«, deren Zeit und Umstände er merkwürdiger Weise gar nicht erwähnt. Zur ›Methode der Bekehrung‹ führte er aus: »Es müssen bestimmte Zeichen der Bekehrung und des Gnadenstandes vorhanden sein, und zwar müssen diese in irgend einem Zeitpunkt so klar ins Bewußtsein treten, daß der Wiedergeborene den Ort, den Tag und die Stunde angeben könne, worin er bekehrt wurde, überhaupt darüber einen genauen Bericht abstatten könne. Dieses Zeichen ist ein plötzlich über den Menschen kommendes Gefühl unnennbarer Seligkeit, ein Friedens- und Freudengefühl, das ebenso sicher und wahr ist, wie vorher das Gefühl der Sündhaftigkeit, des Todes und der Verdammniß ein reelles und wahres gewesen ist. Niemand ist wiedergeboren, der dieses Gefühl, diesen Uebergang nicht erlebt hat, wer es aber erlebt hat, ist seiner Sache gewiß.«205

Mehrfach erwähnte Palmer die »Lehre von der Methode der Bekehrung« und deren Praxis, wie Wesley sie »bei den rohen Arbeitern in den englischen Kohlengruben« angewendet habe. Sie sei »zur allgemeinen Regel und Methode der Bekehrung gemacht« worden.206 Anknüpfend an diesen sozialen Kontext vermittelte Palmer seinen Studenten folgende sie betreffende These: »Daß auf gewisse Gemüther gerade diese gewaltsame Art wirken kann, während auch die beste Predigt eines evangelischen Geistlichen sie kalt läßt, ist begreiflich; unsere Art zu predigen sind sie gewohnt, sie muthet ihnen eine gewisse Bildung und Denkfähigkeit zu, das wird dort nicht begehrt, es sind höchst ordinäre Gedanken, die aber durch ihre Unmittelbarkeit auf die Leute eindringen und ihnen somit vorkommen, als hätten sie dieselben noch nie gehört.« (137)

Danach wird wieder seine Sicht, nun mit dem Blick nach Amerika, vermittelt: »Müssen wir schon von dem ursprünglichen Verfahren des englischen Methodismus gestehen, daß er das Bekehrungsgeschäft zwar nicht in solch lärmend tumultarischer Weise, aber dafür gut englisch als eine Art kaufmännisches Geschäft mit Buchführung und Wechseln, mit Berechnungen der Zahl der Bekehrungen und Honorirung des Facits betreibt, so ist vollends das amerikanische Verfahren geradezu roh und gewaltsam, und es geht um so mehr hieraus hervor, daß die Anmaßung des Methodismus, der eigentliche Retter des christlichen Glaubens und Lebens in der Welt und Kirche zu sein, dem Geiste des Evangeliums ganz und gar widerspricht.« (137)

Andere merkwürdige Dinge kann man bei Palmer über die methodistische Praxis lernen, so etwa, »wenn es einem Reiseprediger gelungen ist, einen Menschen zu bekehren, so läßt sich der Bekehrer von den Bekehrten eine Urkunde ausstellen, und wer deren mehrere 205 Ebd., 133. 206 Ebd., 136 u. 137.

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ausweisen kann, hat damit die Anwartschaft auf ein Amt in der methodistischen Gemeinschaft, beziehungsweise auf ein Vorrücken im Amt erlangt. Wer Prediger werden will, braucht nicht die mindeste wissenschaftliche Vorbildung zu haben, dagegen muß er außer der Beurkundung seiner eigenen Frömmigkeit mit solchen Attesten beweisen können, daß er ›Früchte‹ habe, d. h. daß er verschiedene Bekehrungen zu Stande gebracht habe.« (135f.)

In Amerika habe sich diese methodistische Methode zu einer »wahren Carrikatur [entwickelt] und leider ist es gerade diese Carrikatur, die wir in Württemberg zu sehen bekommen.« (136). Am Schluss seiner Ausführungen zu den Methodisten geht der Tübinger Professor noch auf »verschiedene Abarten« des Methodismus ein. Der »Hauptstamm« sei »die sogenannte bischöfliche Methodistenkirche«. In Württemberg haben neben anderen Abspaltungen in anderen Ländern, »nur noch die s. g. evangelische Gesellschaft [sic!],207 auch Albrechtsbrüder genannt, eine Bedeutung, weil diese eben in Württemberg neben englischen und amerikanischen Episcopalisten ihr Wesen treiben.« Es wird jedoch ausdrücklich festgehalten, dass die Evangelische Gemeinschaft »stets den Namen Methodisten durchaus ablehnt, wie auch der Name Albrechtsbrüder von ihnen selbst nicht gebraucht wird.«208 Wie leicht wäre es für Professor Palmer gewesen, sich selber ein Bild vom Wirken der Methodisten in Württemberg zu machen. In seiner Heimatstadt war eines ihrer Zentren. Palmer war publikationsfreudig. Mehrere seiner Bücher mit Vorlesungsthemen erlebten sechs Auflagen. Seine Vorlesungen über Gemeinschaften und Sekten machte er nicht öffentlich. Die Herausgabe erfolgte erst posthum. Der Verdacht liegt nahe, dass er selber von seinen Ausführungen nicht überzeugt war und er die vor Studenten geäußerte Polemik nicht für veröffentlichungswürdig hielt.

2.1.6 1877: Gustav Leopold Plitt (1836–1880) – Erlangen Gustav Plitt ist einer der wenigen in Norddeutschland, nahe der Hansestadt Lübeck in Genin geborenen Konfessionskundler. Seit 1867 wirkte er als lutherischer Kirchenhistoriker ; zuerst als außerordentlicher Professor, später als Ordinarius in Erlangen. Er gab seinem »Grundriß der Symbolik – Konfessionskunde« lediglich einen kurzen »Anhang« über »Außerkirchliche Gemeinschaften«, zu denen er auch die Methodisten rechnete.209 Eine solche Begriffs207 Richtig wäre die Evangelische Gemeinschaft, 208 Ebd., 139f. 209 Gustav Plitt, Grundriß der Symbolik für Vorlesungen, Erlangen 1875. Hier verwendet wurde die von Victor Schultze herausgegebene 5. Auflage, Leipzig 1911, 154–157.

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bestimmung als »außerkirchlich«, wie sie sich damals durchsetzte, ist nicht nur Kennzeichen eines ausschließlich konfessionell bestimmten, aber nicht wirklich von der im Credo bekannten einen katholischen Kirche Christi her gedachten Kirchenbegriffs, der gerade keine ekklesiologische Grundbestimmung für sein konfessionskundliches Verständnis war. Zwar wird durchgehend allen als ›Sekten‹ bezeichneten Kirchen ihr Hochmut vorgeworfen. Wie selbstsicher eine solche Charakterisierung gegenüber allen, die 1648 nicht im Instrumentum Pacis Osnabrugensis anerkannt waren, wirkt, bedarf keines Kommentars. Die bereits 1877 von Plitt veröffentliche Schrift über die zur methodistischen Tradition gehörende ›Evangelische Gemeinschaft‹ hat er entsprechend mit dem Untertitel »Ein Wort zur Belehrung und Mahnung« versehen. Es handelt sich offensichtlich um einen Vortrag,210 dessen Zweck und Ziel mit dem Untertitel ausgewiesen ist. Man muss davon ausgehen, dass er auch in seinen Vorlesungen den Studenten entsprechende »Belehrung und Mahnung« vermittelt hat. Der Leser der Symbolik spürt dem Text das besondere Interesse des Erlanger Professors an den lutherischen Bekenntnisschriften und sich daraus ergebenden theologischen Fragestellungen als Kriterium für seine Positionierung ab. Die Frage nach der Gestalt der Frömmigkeit trat in den Hintergrund. Im Zusammenhang der Frage nach der Kirche zitierte Plitt aus dem Bekenntnis der Evangelischen Gemeinschaft einen Teil aus Artikel XII mit besonderen Hervorhebungen wie folgt: »Die sichtbare Kirche Christi ist die Gemeinde der wahren Gläubigen«211 Das erläutert Plitt mit der erstaunlichen Feststellung: »Die evangelische Gemeinschaft sagt: eine sichtbare Gemeinde ist die wahre Kirche, nämlich die Gesammtheit (sic!) aller derer, welche eine bestimmte Methode der Bekehrung durchgemacht haben und in bestimmter Weise zusammenhalten und Gott zu dienen suchen.«212 Im weiteren Verlauf seiner Darlegungen zieht Plitt später aus seiner eigenwilligen Interpretation die Konsequenz und erläutert: 210 Gustav Plitt, Die Albrechtsleute oder die Evangelische Gemeinschaft. Ein Wort zur Belehrung und Mahnung, Erlangen 1877. 211 Der vollständige Text des Artikels XII in der Glaubenslehre und Kirchenzuchtordnung der Evangelischen Gemeinschaft, Nürtingen 1868, 14 lautet wie folgt: »Von der Kirche. Die sichtbare Kirche Christi ist die Gemeinde der wahren Gläubigen, bei der das Wort Gottes in seiner Reinheit gepredigt wird, und alle Gnadenmittel nach Christi Verordnung gebührlich gehalten und gebraucht werden, in allen solchen Dingen, soweit es nöthig und mit Christi Anordnungen übereinstimmend ist.« Die Anklänge an die Confessio Augustana Art. VII sind unübersehbar. Das Muster, an dem die Evangelische Gemeinschaft sich orientierte, war der Glaubensartikel XIII. in den Bekenntnisformulierungen der damaligen Bischöflichen Methodistenkirche. Er lautete: »Von der Kirche. Die sichtbare Kirche Christi ist eine Gemeinschaft von Gläubigen, in welcher das reine Wort Gottes gepredigt wird, und die Sakramente in allen nothwendig zu denselben gehörigen Stücken nach Christi Anordnung gehörig verwaltet werden.« Die Lehre und Kirchenordnung der Bischöflichen Methodistenkirche 1876, Cincinnati/New York 1877, 20. 212 Plitt, Albrechtsbrüder (wie Anm. 210), 21. Hervorhebung von Vf. eingefügt.

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»Sie [die Albrechtsleute] sehen, wie schon früher bemerkt ist, alle diejenigen für Ungläubige an, die nicht ihre Art der ›Bekehrung‹ durchgemacht haben und sich im Stande der vollkommenen Heiligkeit oder doch in der sehnsuchtsvollen Erwartung derselben befinden.«213 Plitt nimmt zu diesem Modell der Begründung einer Kirchenmitgliedschaft Stellung und weist – mit Recht – die »Forderung, nach einer von Menschen erdachten Methode uns zu ›bekehren‹ und die ›Heiligkeit‹ zu erstreben« zurück.214 Es ist erstaunlich, wie hier ein bestimmtes Bild, das in Deutschland im Zusammenhang von Bekehrung und Methodismus verbreitet worden war, durch den lutherischen Kirchenhistoriker auf einem Lehrstuhl in Erlangen einer Studentengeneration vermittelt worden ist. Eine derartige Fehlinterpretation ist nur mit polemischen Absichten des Verfassers zu erklären. Es wird einmal mehr von einer bestimmten Methode der Bekehrung gesprochen. Die Wirkungen des Ordinarius in Erlangen in seinem ›Grundriss der Symbolik‹ muss erheblich gewesen sein, denn nach 1875 erschien sie noch bis 1921 als siebte Auflage. Wie seine konfessionskundliche Sicht, sechs kirchliche Minderheiten215 als »außerkirchliche Gemeinschaften« einzuordnen, sich in deren Erfassung der von ihm mit herausgegebenen ›Realencyclopädie für protestantische Theologie und Kirche‹ (RE) auswirkte, bleibt einer eigenen Untersuchung vorbehalten.

2.1.7 1879: Johann Peter Lange (1802–1884) – Bonn Der Herausgeber eines bekannten Bibelwerks wirkte bis 1884 drei Jahrzehnte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Zwischen 1879 und 1883 hat er sich in vier Schriften mit dem »Methodismus«, womit er teilweise die methodistische Evangelische Gemeinschaft, teilweise die innerlandeskirchliche, vom Methodismus beeinflusste Frömmigkeitsbewegung meinte, auseinandergesetzt.216 Zwei Anlässe scheint es dafür gegeben zu haben. Nach fast 25 Jahren 213 Ebd., 52. 214 Ebd., 53. 215 Die im »Anhang« dargestellten »Außerkirchlichen Gemeinschaften. (Sekten.)« waren die Mennoniten (Taufgesinnte), die Gesellschaft der Freunde (Quäker), die Baptisten, der Methodismus, die Heilsarmee (Salvation Army) und die apostolische Gemeinde (Irvingianismus). 216 Johann Peter Lange, (1) Grundlinien einer kirchlichen Anstandslehre, Heidelberg 1879; – (2) Meine Verwickelung mit dem Methodismus der sogenannten Albrechtsleute oder der evangelischen Gemeinschaft mitgetheilt zu weiteren Verhandlungen, Bonn 1881; – (3) Entweder Mysterium oder Absurdum, Bonn 1882; – (4) Gegen die Erklärung des [von Th. Christlieb herausgegeben] Organs für positive Union zu Gunsten einer bedingten Anerkennung des Missionirens der Methodisten in der Evangelischen Kirche Deutschlands, Bonn 1883.

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des Wirkens mit dem Zentrum in Württemberg hatte die Evangelische Gemeinschaft 1874 eine »Preußenmission« begonnen, die im Umfeld des Bonner Wirkungskreises von Professor Lange missionierte. Das ärgerte Lange. Der andere Schmerz war die Stellung seines Bonner Kollegen Theodor Christlieb (1833–1889). Der hatte 1882 in seiner Schrift ›Zur methodistischen Frage in Deutschland‹ unter bestimmten Voraussetzungen ein »Missionieren der Methodisten« in Deutschland für angebracht gehalten. Lange sah angesichts dieser Entwicklungen die Zeit für gekommen, als angesehener Professor und Oberkonsistorialrat eine ›Kirchliche Anstandslehre‹ zu schreiben. Darin äußert er sich u. a. über »methodistische Extravaganzen«, spricht von »methodistischem Donnerrollen« und von »methodistisch Frommen«. Dieser Methodismus, der sich anmaße, jemand auf seine geistliche Situation hin anzufragen, nehme »den Standpunkt des geistlichen Richters gegenüber dem Angesprochenen ein«.217 Weiter führt er kritisch aus: ein Irrtum bestehe darin, dass er »seine Methodik für unfehlbar hält.« Daran schließt er an, in den methodistischen Kreisen werde die These vertreten: »daß nur eine acute, plötzliche Bekehrung, die man nach Zeit und Zeichen zu datiren wisse, eine wirkliche Bekehrung sei, daß von einer chronischen Form der Bekehrung, welche ihre Wurzeln in der Taufgnade habe, nicht die Rede sein könne.«218 Es sei »das gemeinsame Schiboleth dieses modernen Methodismus, den wir nicht mit den früheren historischen Thatsachen vermengen wollen«, daß »die allmähliche Bekehrung (die allerdings auch ihre concreten Erweckungsmomente hat) keine rechte Bekehrung sei, und daß die rechte Bekehrung sich ganz besonders auch durch die Bekehrung zu der bekehrten Parthei beweisen müsse, fängt auch in Deutschland an, immer mehr um sich zu greifen und sich immer mehr in verschiedenen Formen des Sektenwesens kund zu geben.«219

In einem »Nachwort«220 wird ganz deutlich, dass Lange manchmal über die Aktivitäten der methodistischen Kirchen und manchmal über die innerlandeskirchliche Frömmigkeitsbewegung, wie sie besonders in der sich bildenden Gemeinschaftsbewegung ihren Ausdruck fand, handelt. Zuerst reagierte der amerikanische Teil der ›Evangelischen Gemeinschaft‹ mit heftiger Empörung. Er wies die zur Bekehrung aufgestellten Thesen zurück, griff aber auch andere Fragen auf. Im ›Christlichen Botschafter‹, der in Cleveland/ Ohio erschien, konnte man zu Langes Schrift lesen: Die Evangelische Gemein217 Lange, Anstandslehre (wie Anm. 216), 30f. 218 Ebd., 31f. 219 Ebd., 32. Vermutlich deutet Lange hier an, dass sich gerade zu dieser Zeit aus einer Kette innerlandeskirchlicher ›Abendmahlsgemeinschaften‹ am Niederrhein unter dem Einfluss von Hermann Heinrich Grafe (1806–1869) von Elberfeld aus autonome ›Freie evangelische Gemeinden‹ organisiert hatten. 220 Ebd., 44–48.

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schaft in Amerika ist empört, dass Professor Lange versuchte, den Methodismus als staatsgefährlich hinzustellen, ja ihn als einen anderen Zweig des Kulturkampfes dahin bringen möchte, »daß Bismarck die ›Methodisten‹ als Jesuiten anschauen und zum Lande hinausjagt.221 Als verkappte Gottes- und Menschenfeinde, ja als Feinde des Staates, der Bildung, der Wissenschaft und der [Staats-] Kirche will dieser hochbetitelte Kirchenanständler uns hinstellen.«222 Mehr als ein Jahr später meldeten sich auch die deutschen Methodisten in Amerika. Im ›Christlichen Apologeten‹, ihrer großformatigen Wochenzeitung in den USA,223 griff Professor Ernst Stroeter (1846–1922) »seinen ehemaligen Lehrer«224 in einer Rezension von dessen ›Grundlinien einer kirchlichen Anstandslehre‹ außerordentlich scharf an. Stroeter kritisierte Lange, weil dieser über kirchlichen Anstand schreibe, aber selber nicht beherzige, was er von anderen fordere, wenn er beispielsweise dem von ihm kritisierten Methodismus mit Unwissenheit begegne und diesen daher sachlich falsch darstelle. Tatsächlich war Lange im Nachwort seiner Anstandslehre seinerseits auch mit dem amerikanischen Methodismus ins Gericht gegangen und hatte vor allem dessen freikirchlichen Ansatz im Vergleich mit dem kirchenfreundlicheren Pietismus kritisiert.225 Die eigenartigen, früher geäußerten Thesen über Formen und Methoden methodistischer Bekehrungen blieben kritiklos im Raum stehen obwohl sie absurd waren. Darauf antwortete Lange empört in einer neuen Schrift,226 die sich ausschließlich gegen die Evangelische Gemeinschaft richtete.227 Seine Verwicklungen mit der methodistischen Evangelischen Gemeinschaft sind eine Warnung vor deren Treiben und dem Geist in der Rheinprovinz.228 Lange beklagt nun, dass Rheinländer bereit sind »von der gediegenen evangelischen Nüchternheit zu 221 Der Vergleich mit den Jesuiten wurde in der Zeit des Kulturkampfes verschiedentlich angestellt. 222 O. V., Seltsame Kometen am deutschen Kirchenhimmel. In: Der Christliche Botschafter, Cleveland/Ohio Ausgabe vom 3. Sept. 1879 (44. Jg.). Hervorhebungen übernommen. 223 Ernst Ferdinand Stroeter, »Kirchliche Anstandslehre« von Dr. J. P. Lange. Eine Rezension. In: Der Christliche Apologete, Cincinnati/Ohio 8. Nov. 1880 (42. Jg.), 353 und vom 15. Nov. 1880, 361. 224 Ernst Ferdinand Stroeter hatte 1865/66 in Bonn studiert und war 1868 zu seinem Examen dorthin zurückgekehrt ehe er sich später der methodistischen Kirche zuwandte. 225 Ekkehard Hirschfeld, Ernst Ferdinand Stroeter. Eine Einführung in sein Leben und Denken, (Diss. Greifswald), Privatdruck, Dettingen 2010, 49. 226 Lange, Meine Verwickelung (wie Anm. 216). 227 Darauf erfolgte erneut, diesmal aber eine ausführliche Stellungnahme in Deutschland nachdem Hermann Krummacher (1828–1890), Konsistorialrat in Stettin, sich am 9. Juni 1881 im ›Deutschen Volksfreund‹ zu Langes neuem Opus geäußert hatte. J. F. Grob, Die Berechtigung unseres Wirkens. In: Der Evangelische Botschafter, Stuttgart 1881 (18. Jg.), 277 u. 286f. 228 Lange, Meine Verwickelung (wie Anm. 216), III.

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dem importirten exaltirten Erweckungswesen zu convertiren.«229 Der Textzusammenhang macht deutlich, dass Lange hier erneut wechselweise gegen den innerlandeskirchlichen »Methodismus«, wie die Kreise der Gemeinschaftsbewegung, um die sich sein Kollege Christlieb kümmerte, und gegen die Mission methodistischer Kirchen polemisiert.230 Diese Auseinandersetzungen weisen darauf hin, welche Missverständnisse durch eine undifferenzierte Verwendung des Begriffs »Methodismus«, die auch schon Langes ›Anstandslehre‹ zeigt, entstehen können.231

2.1.8 1882: Theodor Christlieb (1833–1889) – Bonn Der Bonner Praktische Theologe Theodor Christlieb wird am Ende dieser Übersicht behandelt, weil er im Vergleich zu den anderen Äußerungen völlig aus dem Rahmen fällt. Ähnlich wie Johann Gottlieb Burckhardt (1756–1800), der den britischen Methodismus von 1781–1800 als Prediger der deutsch-lutherischen Gemeinde der Marienkirche in der Savoy kennenlernte,232 war Christlieb während seiner Londoner Jahre 1858 bis 1865 den Methodisten aus nächster Nähe in der Stadt und auf seinen Reisen als Korrespondent der Berliner ›Neuen Evangelischen Kirchenzeitung‹ im Land begegnet. Als Referent auf internationalen Konferenzen der Evangelical Alliance in Europa und 1873 in New York schuf er sich ein weit ausladendes internationales Kontaktnetz. Das schloss auch persönliche Beziehungen zu Methodisten diesseits und jenseits des Ozeans ein. Aus seiner Erfahrung und Sicht schien eine Erklärung des Namens »Methodisten« nicht nötig. In seiner Schrift »Zur methodistischen Frage in Deutschland«,233 vermittelt er eine für jene Zeit ungewöhnliche Sicht des Methodismus, den er mit dem württembergischen Pietismus seiner Heimat vergleicht, wie er ihn selber als Vikar und Pastor erlebt hatte. Er schreibt:

229 Ebd., IV. 230 Voigt, Christlieb, Die Methodisten, (wie Anm. 136). Es scheint, als seien die Beziehungen Christliebs zur Gemeinschaftsbewegung und die positive Teilsicht der methodistischen Kirchen Auslöser für das Zerwürfnis zwischen den beiden Bonner Professoren gewesen, die früher mehrfach zusammengewirkt hatten. 231 Eigentlich musste man erwarten, dass der Bonner Professor einige Grundkenntnisse über die Methodisten haben konnte. Immerhin hatte der Methodist John Fletscher Hurst 1868 aus dem bekanntem ›Bibelwerk‹ Langes den ›Brief des Pauli an die Römer‹, der 1868 in zweiter Auflage erschienen war, in Amerika durch die Vermittlung von Philipp Schaff ins Englische übersetzt. (The Epistel of Paul to the Romans, 1868). 232 Burckhardt, Geschichte der Methodisten in England (wie Anm. 117). 233 Theodor Christlieb, Zur methodistischen Frage in Deutschland. In: Kirchliche Monatsschrift, 1882 (1. Jg.), 583–623. Auch als Sonderdruck, Gernsbach 18822.

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»Welch ein Unterschied zwischen beiden! Dort ein energisches Hinaustreten in die Welt, ein Predigen und Anhalten mit Predigen, ›zu rechter Zeit oder zur Unzeit‹, ein furchtloses, aggressives Seelenwerben mit eiliger Ausnützung jeder Stunde; hier ein weltflüchtiges Stillleben, das, an vielen Orten schon zu lange auf der Hefe gelegen, sich abgesehen von der traditionellen Beteiligung an der äußeren und einigen Zweigen der inneren Mission selten zu rettenden Thaten inmitten der verweltlichten Christenheit aufschwingt und mit dem bescheidenen Fortbestande der ›Gemeinschaft‹ sich zufrieden gibt; dort – vor raschem Ausnützen der Gegenwart fast keine Zeit für längeres Nachsinnen über prophetische Zukunftsgemälde, hier – wenigstens im Süden – die stete Betrachtung der Zeitereignisse im Lichte der Weissagungen Daniels und der Offenbarung; dort – vielgegliedertes, organisiertes Arbeiten auf baldige Erfolge, zum Theil in treiberischer Hast, hier – beschauliche Ruhe, dabei man nur sporadisch da und dort nach einzelnen angefassten Seelen die Hand ausstreckt und dem Worte Gottes in ihnen gelassen Zeit lässt, damit die Glaubensknospe sich gesund entfalte.«234

Allein dieses Zitat zeigt, dass Christlieb für seine Beurteilung einen völlig anderen Ansatz hat. Ging es seiner württembergischen Heimatkirche in der Auseinandersetzung mit den Methodisten um die »Wahrung der kirchlichen Ordnung235 in den Gemeinden und das Verhältnis der ordentlichen Organe des kirchlichen Aufsichtsamtes« und um das »Hausrecht«, so war Christlieb durchdrungen von der dringend notwendigen Mission im eigenen Land. Sein ökumenischer Versuch der Bildung eines »Evangelisationsvereins« zur »Neuevangelisierung der längst Entchristlichten«,236 in dem Landeskirchler und Freikirchler diese Aufgabe gemeinsam in Angriff nehmen sollten, war an konfessionellen Fragen gescheitert. Der geistliche Auftrag zur Evangelisation war so dringend, dass er nach einer entsprechenden Beschreibung der Lage fragte: »Soll denn nun der Zustand geistlicher Verwahrlosung von Tausenden (welche die Kirche zur Zeit noch nicht mit Hirten versorgen kann) noch Jahrzehnte lang fortdauern, bis vielleicht kräftigere Hilfe von Seiten der Kirche zu erwarten ist? Soll alle außerkirchliche Mithilfe zur Anfassung dieses Elends rundweg verschmäht werden und manche Seele lieber verschmachten, als daß sie von ›Sektierern‹ gewonnen werde und der Kirche verloren gehe? Kein aufrichtiger Freund des Reiches Gottes wird so weit gehen wollen. Aber leider gibt es in unsern Landeskirchen manche, sogar manche Geistliche, die es lieber sähen, daß tote Namenschristen tot, aber nur in der Kirche bleiben, als daß sie von Außerkirchlichen zum Glauben erweckt werden und sich dann diesen anschließen! Das heißt doch wahrlich die Kirche, die eigene Denomination über das Reich Gottes setzen! Ich stelle solchen gegenüber mit aller Entschiedenheit den Satz auf: werden bisher von der Kirche Vernachlässigte, Verweltlichte durch außerkirchliche, von den evangelischen 234 Ebd., Sonderdruck, 51f. 235 Vgl. 2.1.8. und 2.3.1. 236 Karl Heinz Voigt, »Die Neuevangelisierung der längst Entchristlichten« ein Ziel Christliebs von 1888. In: ders., Christlieb, Die Methodisten, die Gemeinschaftsbewegung und die Evangelische Allianz, Göttingen 2008 (wie Anm. 136), 57–82.

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Grundwahrheiten nicht abweichende Arbeiter zum Glauben erweckt und gehen sie infolge davon zu diesen über, so ist mehr Grund zur Freude über den Gewinn des Reiches Christi als zur Klage über den Verlust unserer Kirche.«237

Diese Position hat an der Bonner Universität zum persönlichen Bruch zwischen Christlieb und seinem ihm lange Zeit nahestehenden Kollegen Johann Peter Lange (1802–1884) geführt.238 Das Konsistorium in Koblenz hat die Entwicklungen um Christlieb kritisch bewertet. Seine Offenheit, die sich auch in der Mitarbeit in der regionalen Evangelischen Allianz zeigte, wurde im Konsistorium als »gemeinschädlich« bezeichnet und seine Wirksamkeit an der Bonner Universität in dem Zusammenhang als »höchst bedenklich« angesehen.239 Damit hat man dem Bonner Professor Unrecht getan. Die Kirchenleitung hat sein größeres Ziel nicht erkannt. In seiner Schrift zum Methodismus weist er zwar falsche verbreitete Darstellungen wie z. B. über die Bußbank zurück, aber kurz zusammengefasst ist sein deutlich formuliertes Ziel, die missionarischen Aktivitäten der methodistischen Kirchen »überflüssig« zu machen. Dazu schlug er vor, die landeskirchliche Arbeitsweise um die Praxis der methodistischen Kirchen zur Weckung und Stärkung des Glaubens zu ergänzen, »um die Evangelisationsarbeit des Methodismus mehr und mehr überflüssig zu machen und daher für die Zukunft seine Ausbreitung in möglichst bescheidenen Schranken zu halten.«240 Konkret nannte Christlieb die Übernahme der methodistischen Predigtweise, die Arbeit der Sonntagsschule und die zu schaffende Möglichkeit zur Predigt auch durch Laien. Das blieb keine Theorie. Als es 1888 im herrnhutischen Gnadau zur Bildung des ›Gnadauer Gemeinschaftsverbands‹ kam, führte er in Gemeinschaft mit anderen, besonders dem engagierten Hamburger Laien Jasper von Oertzen (1833–1893), entsprechende innerlandeskirchliche Kräfte zusammen und erweiterte ihren pietistischen Ansatz durch den methodistischen Impuls zur Evangelisation als Mission an Getauften, was sich einige Jahre später sogar in der Veränderung des Namens auswirkte.241 Wahrscheinlich hat Christliebs Schrift über den Methodismus, die im Grunde einen konzeptionellen Schritt zur Organisation der Gemeinschaftsbewegung zum Inhalt hat, in den methodistischen Kirchen lebhaftere Reaktionen ausgelöst als in die deutschen Landeskirchen hinein, die sich gerade in den Jahren 1882/ 1884 im Rahmen der Eisenacher Konferenz anschickten, Maßregeln zur Wah237 Christlieb, methodistische Frage (wie Anm. 233), 38. Der hier in Klammern eingefügte Satz ist aus dem handschriftlichen Manuskript übernommen, der im gedruckten Aufsatz gestrichen wurde. Das Manuskript ist im Zentralarchiv der Evangelisch-methodistischen Kirche in Reutlingen. Die Hervorhebung wurde übernommen. 238 Lange, Gegen die Erklärung des Organs (wie Anm. 216). 239 Protokoll-Auszug Konsistorium Koblenz vom 18. 10. 1882. EZA Best. 7/8040. 240 Christlieb, methodistische Frage (wie Anm. 233), 49. 241 Voigt, Der Zeit voraus (wie Anm. 132).

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rung ihrer Ordnung gegen separatistische Umtriebe, so hat man dort das Wirken der Methodisten gesehen, zu ergreifen.242

2.1.9 1886: Theodor Kolde (1850–1913) – Erlangen Der lutherische Theologe Theodor Kolde wirkte ab 1881 als Professor in Erlangen. Je länger er dort tätig war, umso mehr entwickelte er sich zu einem Spezialisten für bayrische Kirchengeschichte. In dem Zusammenhang ist auch sein 1886 vor der Bayrischen Pastoralkonferenz in Erlangen gehaltener Vortrag zu sehen, welcher von der Frage bestimmt war »was soll und kann die Kirche gegen das Eindringen des Methodismus thun?«243 Kolde konnte den Pfarrern berichten, dass es in Bayern zu jener Zeit innerhalb von dreißig landeskirchlichen Parochien methodistische Versammlungen gab, die wöchentlich von mehreren tausend Personen besucht seien. Zentrales Anliegen der Methodisten sei »die Betonung der Realität der Sünde und die Notwendigkeit eines Lebens der Heiligkeit und der bis zu fanatischer Sucht sich steigernde Drang zur Bekehrung.«244 John Wesley habe »endlich am 24. Mai 1738 Abends 1/4 vor 9 Uhr beim Hören von Luthers Vorrede zum Römerbrief jene befriedigende Glut in sich empfangen, die ihm als notwendiges und sicheres Zeichen der wirklichen Bekehrung erschien.«245 Zum Namen »Methodisten« äußerte sich Kolde nicht. Vielleicht hatte er durch seine Frau, die Engländerin war, mehr Kenntnisse, als manche seiner Zeitgenossen. Aber nach einer Aufzählung positiver Eigenschaften und Aktivtäten, die er in der gerade im Entstehen begriffenen Erlanger methodistischen Gemeinde beobachtet hatte, folgerte er für die zuhörenden bayrischen Pfarrer: »Also kein neues Evangelium, auch keine neue alleinseligmachende Methode, kein neues Leben der Weltflucht und selbsterwählter Heiligkeit, damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß wir recht viel von den Methodisten lernen können.«246 Es scheint, als bezeichne er als »Methodismus« die gesamte Aktivität des missionarischen Gemeindeaufbaus, wie man es heute nennen würde, als eine kirchliche Methode, die sich von dem üblichen territorialen und parochialen System des Kirche-Seins unterscheide. Obwohl der Referent einleitend nachdrücklich zwischen deutschem Pietismus und angelsächsischem Methodismus unterschied, übertrug er doch wie die Mehrzahl seiner Kollegen die Praxis des hallischen Bußkampfes auf die Me242 243 244 245 246

Vgl., 3.11. Theodor Kolde, Der Methodismus und seine Bekämpfung, Erlangen 1886, 3. Ebd., 7. Ebd. Ebd., 38f.

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thodisten. Zum »Bußkampf« schrieb er : »Unsere stille Art, die Kinder als solche, die schon dem Herrn gehören, die er schon in der Taufe gesegnet hat, durch das einfache Wort der Eltern und des Lehrers allmählich zu Christo zu führen, bis sie selbst willig ihn als Führer anerkennen, wird mit Entschiedenheit verworfen. Auch die Kinder müssen einen Bußkampf durchmachen, müssen ihren Heiland im Sturm erringen.« Danach berichtet er über Wesleys Schule in Kingswood und führt weiter : »Die geistliche Abrichtung der Kinder gehört heute noch zu den Eigentümlichkeiten des methodistischen Kirchentums, wieviel treffliches auch sonst auf dem Gebiete der Sonntagsschule geleistet werden mag.«247 Wenn »auch die Kinder« nach Meinung Koldes durch den Bußkampf müssen, setzt er diese Prozedur entsprechend bei den Erwachsenen voraus. Das erinnert an den »Bußkampf«, der nach der Theologie August Hermann Franckes der »göttlichen Rührung« folgt und »zur Auseinandersetzung mit Teufel, Welt und Fleischeslust« führt, und das sogar mit »Geburts-Schmertzen«.248 Diesen Bußkampf, der nach Vorstellungen in Halle »nach einer bestimmten Ordnung verläuft«,249 gab es in den Versammlungen der methodistischen Gemeinde weder bei Erwachsenen und schon gar nicht bei Kindern. Das schloss im 19. Jahrhundert den Wunsch, dass Kinder sich bekehren, allerdings nicht aus.250 Als der mit der bayerischen Kirchengeschichte verbundene Friedrich Wilhelm Kantzenbach (1932–2013) einen Aufsatz über »Die Anfänge des Freikirchentums in Bayern« veröffentliche, fiel darin die Darstellung der Methodisten deutlich freundlicher aus, als dies Kolde, auf den er natürlich Bezug nimmt, möglich schien.251

2.1.10 1892: Johann Jakob Herzog (1805–1882) – Erlangen Ganz unterschiedliche Begegnungen haben auf den Lebensweg des früh verwaisten Schweizer Johann Jakob Herzog eingewirkt. Schon als junger Theologe galt sein Interesse der Geschichte der waadtländischen Kirche, die man unter dem Einfluss des Methodismus sah und über deren Entwicklung er in der

247 Ebd., 15. 248 Martin Brecht, August Hermann Francke und der Hallische Pietismus. In: GdP Bd. 1, Göttingen 1993, 463. 249 Ebd., 450. 250 Karl Heinz Voigt, Internationale Sonntagsschule und deutscher Kindergottesdienst. Eine ökumenische Herausforderung. Von den Anfängen bis zum Ende des deutschen Kaiserreichs, KKR 52, Göttingen 2007, in dem Kapitel: Die Kinder als ›kleine Erwachsene‹, 222ff. 251 Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Die Anfänge des Freikirchentums in Bayern. In: Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte, 47. Jg. (1978), 95–105.

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Evangelischen Kirchenzeitung fortlaufend berichtete.252 Sein spezielles Interesse für Kirchengeschichte wurde durch den Berliner zum Christentum konvertierten Professor Johann August Wilhelm Neander (1789–1850) geweckt. In Halle wurde Friedrich A. G. Tholuck (1799–1877) sein Freund. Am bekanntesten ist die von ihm in der ersten Fassung in 22 Bänden herausgegebene ›Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche‹ (RE), die zwischen 1854 und 1866 erschien. Sein, fast möchte man schon sagen ökumenisches Interesse, hat auch die Sicht des Methodismus beeinflusst, hatte er sich doch mit der waadtländischen Kirche und in dem Zusammenhang mit dem englischen Darbysmus beschäftigt. In intensiven Quellenstudien hat er über die Waldenser geforscht. Dies alles zeigte schon vor seinem Weg nach Erlangen 1854 sein konfessionskundliches Interesse, das ihn auch in seiner bewundernswerten Arbeit an der RE beeinflusste. Trotzdem sind in seinem zuerst 1882 herausgegebenen »Abriß der gesamten Kirchengeschichte« über »Die Methodisten«253 einige damals übliche, aber historisch anfechtbare Themenfelder beschrieben, allerdings in einem anderen Stil als er von einigen seiner Zeitgenossen gewählt war. Seine Kenntnisse hatte er sich durch englische und deutsche Literatur, darunter von Methodisten verfasste, erworben. Hinsichtlich des Namens »Methodisten« bemerkt er nur mit Blick auf einige Oxforder Studenten, dass er als »ein Spottname auf sie angewendet« wurde.254 In Verbindung mit der literarischen Begegnung zwischen Luther und Wesley am 24. Mai 1738 und seine prägende geistliche Erfahrung sei Wesley in der Lage gewesen, »Tag, Stunde und Ort bestimmen zu können, wo ihm dieser Glaube aufgegangen sei.«255 Ganz offensichtlich habe diese Erfahrung John Wesleys unter Herrnhuter Einfluss in ihm den Irrtum befördert, als sei das nunmehr eine »methodische« Norm in der bewussten Heilserfahrung. Herzog spricht sogar von einer »Forderung, Zeit und Stunde der Bekehrung« angeben zu können, was »zu einem gewissen Formalismus geführt habe, der schädlich wirkte«, wie er sich aber weniger in Europa als in Amerika gezeigt habe.256 Es ist keine Frage, dass es innerhalb der methodistischen Kirchen zu einem gewissen Formalismus gekommen ist. Der war aber weniger ein Ergebnis aus der Praxis evangelistisch-missionarischer Verkündigung. Er ergab sich eher aus den wöchentlich gehaltenen Zusammenkünften in Kleingruppen, den »Klassen«, in

252 Evangelische Kirchenzeitung der Jahrgänge 1844 u. 1855. Dazu: Johann Wilhelm Baum, Der Methodismus, Zürich 1838. 253 Johann Jakob Herzog, Abriß der gesamten Kirchengeschichte. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage, hrgg. von Gustav Koffmane, Leipzig 1892, 436–441. 254 Ebd., 437. 255 Ebd., 438. 256 Ebd., 441.

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denen ursprünglich gegenseitige seelsorgerliche Ermutigungen auf dem Weg zu einem geheiligten Leben gegeben wurden. Das kurze Kapitel bezieht sich leider fast ausschließlich auf die methodistische Frühgeschichte in Großbritannien. Das mag sich auf die Art seiner Darstellung ausgewirkt haben, denn der Methodismus in seiner englischen Heimat wurde auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts anders beurteilt als der Methodismus in der amerikanischen Fremde.257

2.1.11 1902: Friedrich Loofs (1858–1928) – Halle Der Lutheraner Friedrich Loofs wirkte von 1888 bis 1926 als Ordinarius für Kirchengeschichte, die er mit Studien zur Dogmengeschichte und Konfessionskunde verband, in Halle. Hier soll nicht seine 1902 veröffentliche Konfessionskunde258 bedacht werden, sondern eine späte Stellungnahme von 1924. Im Ringen um eine staatliche Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts, welche durch die Weimarer Reichsverfassung erstmals auch Minderheitskirchen möglich geworden war, wurde Loofs von Generalsuperintendent Otto Dibelius (1880–1967) für dessen Buch ›Das Jahrhundert der Kirche‹ um Beratung gebeten. Es ging um die methodistisch orientierte Kirche der ›Evangelischen Gemeinschaft‹, die im Ringen um einen Rechtsstatus mit der preußischen Landeskirche kurz vor dem Ersten Weltkrieg enttäuschende Erfahrungen gemacht hatte.259 Dibelius sah die Möglichkeit kritisch, dass unter bestimmten Bedingungen die Rechte einer ›Körperschaft öffentlichen Rechts‹ auch an kirchliche Minderheiten verliehen werden können.260 In seiner Bemühung, 257 Valentin Strebel, Die Methodisten in ihrer Heimat und in der Fremde, Stuttgart 1868, wird später noch behandelt. Der Jesuit William O. Shanahan machte in einer Studie über Deutschland im 19. Jahrhundert eine ähnliche Beobachtung. Er schrieb: »Der Einfluss der englischen Sekten auf die praktische Sozialarbeit hörte in dem Augenblick auf, als diese Sekten in Deutschland mit der Proselytenmacherei begannen. Die Baptisten fingen 1823 in Hamburg an, die Methodisten 1831 in Württemberg und die Irvingianer (die den größten Erfolg hatten) begannen 1836 mit ihrer Arbeit.« William O. Shanahan, Der deutsche Protestantismus vor der sozialen Frage 1815–1871, München 1962, Anm. S. 79f., dessen Terminologie von der frühen Polemik geprägt ist und noch vor der Zeitenwende des 2. Vatikanischen Konzils liegt. – Die heutige Neuapostolische Kirche geht auf die Irvingianer zurück. 258 Friedrich Loofs, Symbolik oder christliche Konfessionskunde, Tübingen/Leipzig 1902. 259 Karl Heinz Voigt, Ein verweigertes Erbe. Rechtsprobleme zwischen Staat, Staatskirche und freikirchlicher Evangelischer Gemeinschaft. In: Walter Fleischmann-Bisten, Ulrich Möller, Barbara Rudolph (Hg.), Heilung der Erinnerungen: Freikirchen und Landeskirchen im 19. Jahrhundert. Beiträge zu einem Forschungsprojekt zum Reformationsjubiläum 2017, Beihefte zur Ökumenischen Rundschau 120, Leipzig 2018, 110–130. 260 Voigt, Freikirchen (wie Anm. 158), 147–150.

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die Hürde für eine solche Verleihung so hoch zu setzen, dass praktisch der Wille des Verfassungsgesetzes ausgeschaltet wurde, ließ er sich von dem Hallenser Konfessionskundler ein entsprechendes Gutachten erstellen. Loofs formulierte es unter dem Betreff: »Anerkennung der ›Evangelischen Gemeinschaft‹ als eine Korporation des öffentlichen Rechts.«261 Der erste Satz lautete: »Wenn die ›Evangelische Gemeinschaft‹ (der sog. ›Albrechtsleute‹) als eine Korporation des öffentlichen Rechts anerkannt werden würde, so wäre das ein Schritt von entscheidender grundsätzlicher Bedeutung.«262 Loofs argumentierte, es bestehe ein Unterschied »zwischen den religiösen Gemeinschaften, die bodenständig sind« und ihr Bestehen auf den eigenen Nachwuchs gründen, und den Gemeinschaften »die als parasitäre Bildungen (der Ausdruck ist nicht geringschätzend gemeint, nimmt nur auf die Entstehung ganz objektiv Rücksicht) entstanden sind.« Nach Loofs Meinung sei es berechtigt, auf diese »noch heute im Unterschied von den [… traditionellen] ›kirchlichen‹ religiösen Gemeinschafen […] die Bezeichnung ›Sekten‹ an[zu]wenden.« Aber »Sekten in diesem Sinne wird der Staat stets anders behandeln müssen als die Kirchen.« Am Ende kommt Loofs zu dem Ergebnis, »daß das, was den Albrechtleuten gegenüber für recht gehalten werden wird, auch den Baptisten und Methodisten, die in Deutschland nur sektenmäßig existieren, den Irvingianern, Darbisten [!] und Adventisten gegenüber als billig würde anerkannt werden müssen. […] Aber parasitäre Bildungen sind in Deutschland all diese religiösen Gemeinschaften.« Diese Stellungnahme, die das Büro von Oberkonsistorialrat Dibelius schleunigst an das preußische Innenministerium weiterleitete,263 zeigt, wie zwar staatliche Gesetze neue Rechtsgrundlagen schaffen, aber es sein kann, dass die Durchsetzung des Rechts selbst unter Kirchen erst gerichtlich erstritten werden muss. Die »nicht geringschätzig« gemeinte Beschreibung der methodistischen Kirche zeigt, welche Entgleisungen selbst einem so prominenten Konfessionskundler noch im frühen 20. Jahrhundert unterlaufen konnten.

261 Professor Dr. Friedrich Loofs, Halle, Gutachten vom 30. Juli 1924 für den Evangelischen Oberkirchenrat. In: EZA, Best. 7/Gern. XII, 120 (4 Blätter). Daraus alle Zitate. Die Hervorhebungen sind im handschriftlichen Text Unterstreichungen. 262 Die Verleihung solcher Rechte erfolgt durch die Länderparlamente. Sie war an die Evangelische Gemeinschaft und an andere Minderheitskirchen zu dieser Zeit bereits in verschiedenen Ländern erfolgt. 263 Schreiben Ev. Oberkirchenrat an den Herrn Minister für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung, Entwurf ohne Datum (aber mit Hinweise von Ende 1924/Anfang 1925). In: EZA, Best 7/Gern. XII, 120.

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2.1.12 1909: Ferdinand Kattenbusch (1851–1935) – Halle Kattenbusch hatte als Konfessionskundler in Halle herausgestellt, dass es nicht genüge, die Lehre in den Bekenntnisschriften zu vergleichen, sondern dass auch »der Kultus, die Verfassung, die Sitte, die Frömmigkeit der Kirchen« einbezogen werden müssen.264 Das war gerade im Blick auf die kirchlichen Minderheiten in Deutschland wichtig. Der Autor sprach 1909 im Titel noch von »Sekten« – denn sie haben nicht nur unterschiedliche Grundtexte zu ihrem theologischen Selbstverständnis, sondern sehen die Rolle der Bekenntnisschriften nicht in gleicher Weise wie die in der Reformationszeit entstandenen Konfessionen. Abgesehen davon ist auch die Praxis der Frömmigkeit eine andere, als in den damals noch bestehenden Staatskirchen. In dem Titel seiner Veröffentlichung über ›Kirchen und Sekten des Christentums in der Gegenwart‹265 weckt der Konfessionskundler, der vor Halle in Gießen und Göttingen lehrte, gerade hinsichtlich der sog. »Sekten« Erwartungen, die sich nicht erfüllen. In ungewöhnlichem Weitblick nimmt Kattenbusch die drei »großen Kirchen und ihren Zusammenhang mit der alten katholischen Kirche« ins Visier, um nacheinander die »orientalische«, die »römische« und schließlich die »evangelische Kirche« zu behandeln. Ein besonderer Abschnitt über die im Titel ausdrücklich genannten »Sekten« erfolgt nicht. Man wird kaum annehmen dürfen, dass der Autor nach der »alten katholischen Kirche« damit die sich daraus gebildeten orientalischen, die katholische und evangelischen Kirchen meint. Die Minderheitskirchen sind zwar nicht in ihren Deutschland-Aktivitäten erfasst, sondern einige von ihnen finden Erwähnung in den zusammenfassenden getrennten Übersichten von Kirchen in England (89 f) und den Vereinigten Staaten von Amerika (90 f). Dort stellen sie, heißt es in einer knappen Bemerkung: »Eine überaus starke Gemeinschaft (in sich selbst vielgespalten) stellen die Methodisten dar, eine von der anglikanischen Kirche im 18. Jahrhundert ausgegangene Gruppe, die eine spezielle ›Methode‹ der Bekehrung lehrt (zu ihnen gehört die Heilsarmee)«.266 Dieses ist in dem ganzen, äußerst kurzen Hinweis auf die methodistischen Kirchen wieder die bekannte Charakterisierung, die durch den Irrtum noch zugespitzt wird, dass sie diese »Methode« der Bekehrung lehre! Abgesehen davon ist die Charakterisierung als eine »Gruppe« ausgerechnet von einem Konfessionskundler befremdlich.

264 Peter Hauptmann, Konfessionskunde. In: TRE Bd. 19 (1990), 433. 265 Ferdinand Kattenbusch, Die Kirchen und Sekten des Christentums in der Gegenwart, hrgg. in der Reihe Religionsgeschichtlicher Volksbücher von Friedrich Michael Schiele, Tübingen 1909, 96. 266 Ebd., 90f. Alle Hervorhebungen sind übernommen.

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Das muss man auch sagen zu der sich an die Feststellung, die meisten Kirchen seien »sehr propagandistisch«, was in den Vereinigten Staaten »heutiges Tages mehr oder weniger überall« zutreffe. (90) Dieses ist ein typisches Beispiel dafür, wie eigene Vorstellungen, die, wie in diesem Fall, an der missionslosen flächendeckenden Territorialkirche entwickelt wurde, in Gebiete völlig anderer theologischer Selbstverständnisse und sich daraus entwickelter Kirchenkulturen übertragen wird. Das war übrigens nicht nur 1909 ein Problem.

2.1.13 Eine offene Frage zur Auswahl der Literatur Der kritische Leser der Schriften kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als sei an Landesuniversitäten eine interessengeleitete Vermittlung von Kenntnissen über kirchliche Minderheiten erfolgt. Was sonst kann der Grund dafür sein, dass in die Veröffentlichungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts selbst vorhandene deutschsprachige Literatur zur Geschichte der methodistischen Kirche aus dem 18. und 19. Jahrhundert in den Publikationen so gut wie nicht einbezogen wurde? Unter solchen Veröffentlichungen ragt die »Vollständige Geschichte der Methodisten in England«267 heraus. Der in Eisleben geborene Lutheraner Johann Gottlieb Burckhardt (1756–1800) hat sie in Nürnberg beim bekannten Verlag der Raw’schen Buchhandlung veröffentlicht. Burckhardt war seit 1781 in London Pfarrer einer deutschen lutherischen Gemeinde. 1795 schrieb er über seine Eindrücke eine umfassende Geschichte. Der Lutheraner scheint sich durch seine Veröffentlichung über Wesley und die Methodisten einen neuen Impuls für den kontinentalen Pietismus erhofft zu haben. Er meinte im britischen Methodismus seiner Zeit »jene eigenartige Kombination wiedergefunden zu haben, die seiner eigenen Position im theologisch-kirchlichen Umfeld seiner deutschen Heimat am besten entsprach.«268 Kurz vor Burckhardt hatte Professor August Hermann Niemeyer (1754– 1828), ein Urenkel August Hermann Franckes, 1793 in Halle ein kritisches Buch über Wesley und die Methodisten veröffentlicht.269 Niemeyers Ausgabe war die Übersetzung eines in London erschienenen Werks von John Hampson (1760– 1817).270 Vor ihm hatte schon Gebhard Fr. August Wendeborn (1742–1811) als Gründer der Londoner deutschen Ludgate-Hill-Gemeinde ein Bild über Eng267 Burckhardt, Geschichte der Methodisten in England (wie Anm. 117). 268 Ebd.: Michel Weyer, Einführung: Johann Gottfried Burckhardt und seine Zeit, die Umstände seiner Veröffentlichung. In: Burckhardt, Geschichte der Methodisten (wie Anm. 117), 5–64 (hier 7). 269 August Hermann Niemeyer, Leben Johann Wesleys, Stifter der Methodisten, nebst einer Geschichte des Methodismus, Halle 1793. 270 John Hampson, Memoirs of the Late Rev. John Wesley, A. M., London 1791.

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lands Methodisten verbreitet.271 Karl Christian G. Schmidt (1776–1857) hat eine zunächst von der ›Religious Tract Society‹ in London herausgegebene volkstümliche Wesley-Biographie 1849 in Halle veröffentlicht.272 Die Übersetzung von Robert Southeys (1774–1843) Werk,273 das durch Friedrich Adolf Krummacher (1767–1845) 1828 und 1842 in zwei Bänden erfolgte, fand so viele Leser, dass in Hamburg eine zweite Auflage erschien. Der Berliner Pfarrer Eduard W. Th. Kuntze (1799–1862), ebenfalls zeitweise Prediger an einer deutschen Gemeinde in London, übersetzte das Werk des Methodisten Thomas Jackson (1783– 1873).274 Friedrich A. G. Tholuck (1799–1877) versah ein über Johann William Fletcher (1729–1785), Pfarrer zu Madeley, ins Deutsche übersetztes Buch mit einem Vorwort.275 Fletcher war John Wesleys designierter Nachfolger, der aber vor ihm verstarb. Auch ›Das Leben Georg Whitefields‹, Leipzig 1834, 18402 konnte Einblicke in die Positionen des calvinistisch geprägten Methodismus vermitteln und dadurch zeigen, dass es unterschiedliche theologische Strömungen gab. Auch diese Biographie war eine Übersetzung, deren englische Ausgabe von John Gillies zuerst 1782 in London unter dem Titel ›Memoirs of Rev. George Whitefield‹ erschienen war.276 Diese damals vorliegende Literatur über die britischen Methodisten fand in der Methodismus-Rezeption der Kleinschriften eigenartigerweise kaum Beachtung, obwohl gerade diese Bücher, die keineswegs alle unkritisch waren, das Vertrauen der Autoren verdient gehabt hätten. Alle waren von deutschen Theologen geschrieben, übersetzt und herausgegeben. Außerdem gab es eine Gesamtübersicht über Literatur zu Wesley und den britischen Methodisten, die Tholuck in einer ausführlichen Rezension veröffentlicht hatte,277 so dass diese Veröffentlichungen den Autoren der anti-methodistischen Kleinschriften nicht unbekannt gewesen sein mussten. Es ist bezeichnend, dass unter den Autoren, Übersetzern und Herausgebern Pastoren waren, die in England als Auslands-

271 Gebhard Fr. August Wendeborn, Der Zustand des Staates, der Religion, der Gelehrsamkeit und der Kunst in Großbritannien gegen Ende des 18. Jahrhunderts, Berlin in vier Theilen 1784–1788. 272 Karl Christian G. Schmidt, Johannes Wesley – Leben und Wirken, Übersetzung, Halle 1849. 273 Robert Southey, John Wesley’s Leben, die Entstehung und Verbreitung des Methodismus. Nach dem Englischen bearbeitet von Friedrich Adolf Krummacher, 2 Bde. Hamburg 1828. 274 Thomas Jackson, Geschichte von dem Anfange, Fortgang und gegenwärtigen Zustand des Methodismus, übersetzt und herausgegeben von Eduard W. Th. Kuntze, Berlin 1840. 275 J. Benson, Leben Johann William Fletchers, Pfarrer zu Madeley, London 1806. Mit einem Vorwort von F. A. G. Tholuck, Berlin 1833. 276 John Gillies, Memoirs of Rev. George Whitefield, London 1782, von Tholuck herausgegeben: Das Leben Georg Whitefields, Leipzig 18342. 277 Friedrich G. A. Tholuck, in: Übersicht in: Literarischer Anzeiger für christliche Theologie und Wissenschaft überhaupt. Hrgg. von Friedrich A. G. Tholuck, Halle 1839, Nr. 69 v. 6. Nov. 1839, 343–350 und Nr. 70 v. 11. Nov. 1839, 351–353.

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Deutungen des Namens Methodisten

pfarrer mit Methodisten Kontakte hatten oder, wie der sprachbegabte Tholuck, auf der britischen Insel Tagungen besuchten und Vorträge hielten. Neben den in Deutschland erschienenen Titeln, die sich mit der methodistischen Erweckungsbewegung in Großbritannien, die von den Brüdern Wesley ausgelöst wurde, gab es auch deutschsprachige Literatur aus und über die Methodisten in Amerika. Teilweise wurde sie in Amerika und teilweise in Deutschland im methodistischen Bremer Verlag gedruckt.278 Einige Autoren, das muss man ihnen zu Gute halten, haben aktuelle methodistische Zeitschriften eingesehen. Nach der Übersicht von zehn Schriften deutscher Hochschullehrer und der Auflistung zu jener Zeit vorhandener Literatur über die Methodisten, muss man zu dem Schluss kommen, es war die Bemühung, die »bodenständigen« Konfessionen vor einem »Eindringen« anderer Bekenntnisse zu schützen. Das blieb langfristig gesehen nicht ohne Folgen. Die im 19. Jahrhundert erfolgte nationale kirchliche Abgrenzung und Abriegelung förderte eine national-kirchliche Identität, die es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den deutschen Landeskirchen schwer machte, der aufkommenden ökumenischen Bewegung offen zu begegnen. Noch als es in der ›Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen‹ (ACK) um die Beteiligung von orthodoxen Kirchen ging, wurde das seitens des ›Kirchlichen Außenamtes‹ abgelehnt, weil man sich auf »bodenständige« Kirchen beschränken wolle. Die im 19. Jahrhundert mit der Kirchenleitung Beauftragten haben nicht gesehen, wie sie mit dem gutgemeinten Schutz des konfessionellen Lebens gleichzeitig eine Verarmung begünstigt haben, die unter normalen Umständen ganz natürlich durch wechselseitige Beziehungen überwunden wird, wenn innerhalb der einen im Credo regelmäßig bekannten »allgemeinen christlichen Kirche« offene Beziehungen entstehen können.

2.2

Kleinschriften zur methodistischen Frage

Im Anschluss an die Übersicht über Deutungen zum Kirchennamen, wie sie im 19. Jahrhundert in Deutschland von der akademischen Ebene vermittelt wurden, sollen nun einige Kleinschriften von Gemeindepfarrern zeigen, wie sich im 278 Katalog von 1865 im Anhang der Verhandlungen der zehnten Sitzung der Jährlichen Missions-Conferenz der Bischöflichen Methodistenkirche, Bremen 1865, 26–32. Grundlegend waren: Ludwig S. Jacoby, Handbuch des Methodismus, Geschichte, Lehre, das Kirchenregiment und eigenthümliche Gebräuche desselben, Bremen 1853, 18552. Ders., Geschichte des britischen Methodismus und die Ausbreitung desselben in den britischen Colonien, so wie die Geschichte seiner Missionen. Erster Theil der Geschichte des Methodismus, seiner Entstehung und Ausbreitung in den verschiedenen Theilen der Erde. Bremen 1870.

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Studium vermittelte Kenntnisse im Transfer in der Praxis des gemeindlichen Pfarrdienstes auswirkten. Eine Beziehung zur Studienzeit wird zwar erkennbar, aber nicht ausdrücklich hergestellt.

2.2.1 1854: F. Karl Matthes (1811–1865) – Bornsheim bei Gößnitz, Sachsen-Altenburg Der zuletzt in Bornsheim bei Gößnitz wirkende Pfarrer F. Karl Matthes gab als publizistisch engagierter Lutheraner nach einer Melanchthon-Biographie (1841) in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine »Comparative Symbolik« heraus.279 Als aufmerksamer Beobachter kirchlicher Entwicklungen hat er einige Jahrgänge einer »Allgemeinen Christlichen Chronik« publiziert. Es war gerade zu der Zeit, in welcher die Methodisten im Raum Thüringen/Sachsen ihre Mission aufnahmen. In seinem kurzen Beitrag über die Methodisten wies Pfarrer Matthes zur destruktiven Meinungsbildung und zur Warnung sicher auch gerne darauf hin, dass Karl Wilhelm Ideler (1795–1860), der Direktor der Abteilung für Geisteskranke an der Berliner Charit8, in seiner ›Geschichte des religiösen Wahnsinns‹ auch Methodisten aufführe, obwohl – wenn man es nachprüft – in dem Werk Idelers keine ausgewiesen sind.280 Es scheint, als habe Matthes jene Baptisten, die Ideler in sein Buch aufgenommen hatte, mit Methodisten verwechselt oder sie ihnen gleichgesetzt. Diese Methode, eine lebendige Frömmigkeit infolge einer bekehrenden Lebenswende auch mit nachfolgenden psychischen Folgen zu diskreditieren, war nicht ungewöhnlich.281 Methodisten haben sie in Flensburg im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts mit einer Einweisung in die Psychiatrie bei Schleswig und in Württemberg, dort in Ludwigsburg, erfahren. Manchmal haben Verwandte, deren Ansehen in der Öffentlichkeit ihnen wichtig war, Interesse daran gehabt, exzentrische Verwandte mit ungewöhnlicher Frömmigkeitspraxis wegsperren zu lassen. So erging es später Adeline Gräfin von Schimmelmann (1854–1913).282 Dieser diskriminierende Aspekt hat mit dem

279 F. Karl Matthes, Comparative Symbolik aller christlichen Confessionen vom Standpunkt der evangelisch-lutherischen Confession, Leipzig 1854. 280 Karl Wilhelm Ideler, Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart, Halle 1847. 281 Oberamtsarzt Dr. Höring, Bericht Dekan Christlieb, Ludwigsburg vom 25. März 1859. LKASt A26/500, Beilage 2. An Oberkirchenrat, Generalat Ludwigsburg, den 19. Juli 1860, Bericht über die in der Stadt befindlichen Methodisten. LKASt A26/500, 6. 282 Ruth Albrecht u. a., Adeline Gräfin von Schimmelmann. adlig – fromm – exzentrisch, Neumünster 2011, besonders das Kapitel: Zwangseinweisung in die Psychiatrie, 151–190.

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Namen »Methodisten« nichts zu tun, kann aber wohl eine Folge ihrer für den normalen Kirchenchristen ungewöhnlichen Frömmigkeitspraxis sein. Für Matthes waren die Methodisten eine »schwärmerische Pietistensecte, welche die Gnade nicht ruhig abgewartet, sondern methodisch gesucht wissen will durch einen künstlich erregten, bis zu convulsivischer Höllenangst gesteigerten Bußkrampf, in welchem die Gnade zum Durchbruch kommen könne.«283 Dieses ist eine völlig übertriebene und unsachgemäße Charakterisierung der Methodisten. Methodisten würden in Wahrheit lieber mit Paul Gerhardt (1607–1676) singen »Groß ist des Vaters Huld: Der Sohn tilgt unsere Schuld … Wir war’n all verdorben durch Sünd’ und Eitelkeit, so hat er uns erworben die ewig Himmelsfreud. O der großen Gnad, o der großen Gnad!«284 Es gab sicher dringende Einladungen, die Gnade anzunehmen und »Heute« die Stimme Gottes im Ruf zu hören. Es gab sicher in der bewegenden Zeit von Erweckungen auch Grenzsituationen, in denen aus der dringenden eine drängende Einladung zur Umkehr wurde. Aber dieses Bild aus den Lagerversammlungen spiegelt nicht den wirklichen wesleyanischen Methodismus, schon gar nicht in Deutschland. Auf der anderen Seite darf man das Glück der erfahrenen Vergebung und Erneuerung, die Befreiung von der Macht der Sünde für den seiner Schuld bewussten Menschen nicht gering schätzen. Solche grundlegenden menschlichen Erneuerungen sind eine tausendfache methodistische Erfahrung. Wenn ein emotional veranlagter Menschen, wie wir ihm im 19. Jahrhundert vielfach begegnen, über das Glück seiner inneren Heilung jauchzt und frohlockt, wie Johann Sebastian Bach sein Weihnachtsoratorium begeistert beginnt, oder er singt, vielleicht vor lauter Freude, springt und jubelt, und auf diese Weise wirklich seiner Freude so Ausdruck gibt, dann sind wir so erschrocken. Die Aufforderung »jauchzet frohlocket« in Bachs unübertrefflichem Oratorium mit hellem Trompetenklang zu hören, weckt Begeisterung, ihr zu folgen, löst Erschrecken aus. Methodisten in Deutschland haben im 19. Jahrhundert das von Ernst Gebhardt aus dem Englischen übertragenem Lied »Welch Glück ist’s, erlöst zu sein, Herr durch den Wort…«, überzeugt und hingebungsvoll gesungen.285 Es war für sie typisch, dass sie Heiligkeit und Glück, also ›Holiness and 283 Matthes, Comparative Symbolik (wie Anm. 279), 160. 284 Paul Gerhard: ›Nun singet und seid froh, jauchzt alle …‹, denn ›Groß ist des Vaters Huld: Der Sohn tilgt unsre Schuld.‹ – Im Gesangbuch der EmK, Nr. 172, 1 u. 3 mit einem »(Ö)« ausgewiesen, was ökumenisch heißt. 285 Das Lied des aus England stammenden methodistischen Pastors und Liederdichters Francis Bottome (1823–1894) wurde von dem deutschen Hymnologen und methodistischen Prediger Ernst Gebhardt um 1875 im Kontext der Heiligungsbewegung übersetzt. Jede der vier Strophen endet mit dem Refrain: »O preist seiner Liebe Macht! Preist seiner Liebe Macht! Preist seiner Liebe Macht, die uns erlöst.« Im Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche von 1969 ist es in den Anhang »Aus der Väter Tagen« verwiesen. In das daran anschließende neue Gesangbuch von 2002 ist es nicht mehr aufgenommen.

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Happines‹, als Ausdruck des Lebens in der Nachfolge Christi mehr betonten,286 als die »tägliche Reue und Buße«.287 Was auf sprachlicher Ebene im Weihnachtsoratorium akzeptiert ist und in Gesangbüchern fast aller Konfessionen einen unbestrittenen Platz gefunden hat, ist noch lange nicht erlaubt, als Ausdruck des erfahrenen Glücks der Annahme bei Gott als Freude ganzheitlich ausgedrückt zu werden, wie es Methodisten in Zeiten der Erweckung getan haben. Aber man kann solche Frömmigkeitsäußerungen der erfahrenen befreienden Gnade auch verzerren. Dann kann eine Darstellung gewisse Wahrheitsmomente enthalten und gleichzeitig durch ihre Deutung verdächtig gemacht werden, obwohl in den Schriften des Neuen Testaments nach Gotteserfahrungen immer wieder von der Freude berichtet wird, die sich einen Ausdruck sucht. Wahrscheinlich muss man selber Erfahrungen mit Erweckungen gemacht haben, in denen nicht mehr allein die ratio regiert, sondern der Heilige Geist manchmal für Beteiligte auf eine unangenehm scheinende Weise das Zepter in die Hand nimmt, wie Paulus es auf seinen Reisen und Umwegen nach den Berichten der Apostelgeschichte erlebt hat. Eine aus einer Erweckung geborene Kirche trägt andere Frömmigkeitsformen mit sich als Kirchen, die in theologischen Auseinandersetzungen den Grund für ihre Theologie und Frömmigkeit gelegt haben. Es ist keine Frage, dass es emotionale Auswüchse, früher oft »Convulsionen« genannt, in der Frühzeit der methodistischen Erweckung gegeben hat. John Wesley hat sie in seinem Tagebuch distanziert geschildert. Er hat vermieden, sie zu fördern, aber er hat sie auch nicht verworfen. Dafür war er zu guter Kenner der Kirchengeschichte, der wusste, dass Erweckungen vereinzelt fast immer zu außergewöhnlichen emotionalen Begleiterscheinungen geführt haben.288 Es ist ebenso natürlich, dass bei rational bestimmten Menschen extreme Erscheinungen wie beim Pfingstfest in Jerusalem kritisch beurteilt, und wie im Falle der Methodisten in polemischer Absicht gedeutet werden. Publizisten sind außerdem immer geneigt, dem Seltenen, Extremen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als dem Regelmäßigen und 286 D. Stephen Long/Stanleys Hauerwas, Why Methodists cannot distinguish between Theology and Ethics. In: Abraham/Kirby, Oxford Handbook of Methodist Studies (wie Anm. 75), 635. 287 Martin Luther, Kleiner Katechismus, Das Sakrament der Heiligen Taufe (IV). Der katholische Ökumeniker Laurentius Klein urteilte: In der »Lehre von der Heiligung widerspricht der Methodismus dem anthropologischen Pessimismus des frühen Protestantismus…« (Laurentius Klein, Die Methodistenkirchen. In: Konrad Algermissen, Konfessionskunde, Paderborn 19698, 632). 288 ›Enthusiastische Phänomene im frühen Methodismus‹ und ›Die Beurteilung solcher Phänomene durch John Wesley‹ in: Viele Gaben – ein Geist. Eine Arbeits- und Orientierungshilfe zur Begegnung mit der charismatischen Bewegung, EmK heute, Heft 76, Stuttgart 1992, 12–15. Dort werden zitiert: Tagebuch John Wesleys, Einträge vom 1. Jan. 1739; 6. August 1759; 25. Nov. 1759; 21. Dez. 1782.

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Normalen. Thomas Lessmann belegte mit Quellen, dass Wesley die ungewöhnlichen Phänomene nicht verdrängte oder angesichts scharfer Kritik herunterspielte. John Wesley kam über solche Phänomene zu dem Schluss: »Ich habe das Vertrauen, daß wir alle von jetzt an zulassen werden, daß Gott sein eigenes Werk in der Weise fortführt, die Ihm gefällt.«289 Misstrauen und Distanz wurden durch literarisch ins Extrem gesteigerte Berichterstattungen über »Convulsionen«, wie man eine Art Schüttelkrämpfe nannte, die in Amerika als emotionale Ausbrüche bei Erweckungen erfahren wurden, geschaffen. Wer als Berichterstatter derartige extreme Situationen beobachtet hatte, machte daraus eine Toppmeldung, die das Bild einer schwärmerischen Sekte formte. Matthes ging es um eine im 19. Jahrhundert zwischen Lutheranern und Methodisten von ihm beobachtete Differenz. Nach dem »evangelisch-lutherischen Standpunkt« des Autors solle man auf das Erfüllt-werden mit der Gnade ruhig warten. Würden Methodisten allerdings eine solche Haltung des ruhigen Wartens eingenommen haben, hätten sie sich mit Sicherheit dem Vorwurf des Quietismus ausgesetzt. Unter methodistischer Verkündigung wurden dagegen die Predigthörer eingeladen, ihre Hände erwartungsvoll auszustrecken und ihre Herzen zu öffnen, damit die Gnade Gottes ihre Wirkung entfalten kann. Das hatte aber nichts mit Bußkampf oder gar Bußkrampf zu tun. Im Rückgriff auf Texte der lutherischen Bekenntnisschriften stellt Matthes die These auf, dort werde gelehrt, »daß die Gnadenwirkungen des heil. Geistes an ganz bestimmte Mittel gebunden sind, und daß der heil Geist nur auf diese Weise, und sonst nicht auf den Menschen einwirke.«290 Methodisten auf dem europäischen Kontinent waren im 19. Jahrhundert von amerikanischer Erweckungstheologie geprägt. Sie hatten die Hoffnung, wie Ulrich Gäbler es am Beispiel von Dwight L. Moody (1837–1899) und dessen »organisierter Botschaft« formuliert hat, in ihrem einladenden und zugleich dringenden Ruf zu einer »Bekehrung« zu helfen, damit die Hörer dieser Botschaft nach einem »bewußt gewordenen Wunsch, hinfort ein christliches Leben führen zu wollen,« auch mit ausgestreckten Armen voller Sehnsucht ihre geistgewirkte Erneuerung erwarten.291

289 Lessmann, Heiliger Geist – John Wesley (wie Anm.105), Kapitel ›Enthusiastische Erscheinungen im Zusammenhang von Verkündigung und Bekehrungen‹, 108–112. 290 Matthes, Comparative Symbolik (wie Anm. 279), 469. 291 Gäbler, Auferstehungszeit (wie Anm. 25), 138.

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2.2.2 1867: Gottlob Friedrich Nast (1802–1878) – Neuhausen/Württb. Dekan Gottlob Friedrich Nast wirkte als Pfarrer in Neuhausen. Es war ihm gestattet, den Titel Dekan nach diesem Dienst in Neuenstadt als Gemeindepfarrer in Neuhausen weiterhin zu führen. Er war mit dem in Stuttgart gebürtigen methodistischen Patriarchen Wilhelm Nast, der in Cincinnati/Ohio eine Wochenschrift »Der Christliche Apologete« herausgab, nicht näher verwandt. Der württembergische Pfarrer Nast wirkte zur Zeit der Herausgabe seiner Schrift zur Abwehr der Methodisten in Neuhausen, das südöstlich von Stuttgart, nicht weit von Bonlanden entfernt liegt, dem Ort frühester Berührung der ›Evangelischen Gemeinschaft‹ mit Deutschland.292 1867 schrieb der Dekan eine Schrift293 zur Abwehr der Methodisten und zur Belehrung seiner Gemeinde. Anlass war, dass die Evangelische Gemeinschaft innerhalb seiner Parochie Versammlungen begonnen hatte. »Da nun aber die Theilnahme allmälig [sic!] große Ausdehnung gewann und zu besorgen stand, es möchten einzelne in dem Netze, das man über sie zu werfen suchte, sich fangen lassen, so war es Zeit, mein Schweigen zu brechen.«294 Das Bemühen des Ortspfarrers Nast erscheint neben anderen Reaktionen von Kollegen, welche die Polizei einschalteten, maßvoll. In der Sache werden allerdings den einfachen Zuhörern in seiner Gemeinde bekannte stereotyp gewordene Bilder vermittelt. In der Reaktion, welche übrigens der Methodistenprediger Ludwig Nippert schrieb, spiegelt sich das so wider : »Herr Dekan! Wie wollen Sie Ihre Behauptung beweisen, ›daß die Methodisten lehren, die Buße müsse sich in heftigen, gewaltsamen Erschütterungen zu erkennen geben‹. Wie können Sie aus dem, was hie und da bei ihnen vorfällt, wie auch in der Bibel selbst, eine solche Lehre folgern. Wie [wollen Sie] beweisen, daß Kämpfe und Krämpfe das nothwendige, unentbehrliche Kennzeichen der Bekehrung sei bei den Methodisten? Daß sie sich auf die Wehen und Schmerzen berufen als Kennzeichen der Wiedergeburt? Daß man die Bekehrung commandieren könne wie ein Regiment Soldaten? Oder jetzt in dieser Stunde oder morgen und übermorgen an einem bestimmten Tage müßt ihr tief erschüttert auf dem Boden liegen, ächzen, schluchzen und jammern um eurer Sünde willen, daß die Gnade zum Durchbruch komme, sonst seid ihr verloren!? […] Herr Dekan, solche Behauptungen, die jedes Grundes entbehren, für die Sie keine Beweise haben noch haben können, wagen Sie unter dem Text: ›Lasset Alles ordentlich und ehrbar zugehn‹ Ihrer Gemeinde als Belehrung zu bieten und hoffen, Ihr Wort sei nicht vergebens gesprochen worden. Wir können in der That kaum entscheiden,

292 Ulrike Schuler, Die Evangelische Gemeinschaft. Missionarische Aufbrüche in gesellschaftlichen Umbrüchen, Stuttgart 1998, 132–135. 293 Gottlob Friedrich Nast, Zur Abwehr der Methodisten. Ein Wort zur Belehrung, Stuttgart 1867. 294 Ebd., Vorwort, III.

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welches ein größeres Unrecht sei, die Methodisten polizeilich zu maßregeln, oder sie, ihre Ordnung und Lehre auf solche Weise zu entstellen.«295

2.2.3 1868: Valentin Strebel (1801–1883) – Roßwag/Vaihingen Enz, Württb. Johann Valentin Strebels nationale Gesinnung nahm die »aus der Fremde« kommenden Methodisten zusätzlich aus einer patriotischen Sicht wahr, wie es schon der Titel seiner Schrift andeutet.296 Im Verlag der Stuttgarter Evangelischen Gesellschaft veröffentlichte Strebel nach dem Sieg über Frankreich 1871 eine Schrift mit dem Titel ›Der Krieg, ein Werk Gottes‹,297 in dem er seiner nationalen Siegesfreude freien Lauf lässt. Anlass für seine frühere Schrift von 1868 ist »das Eindringen der Methodisten« in württembergische Gemeinden. Der Blick in die Heimat des Methodismus zeigt, dass Strebel den Namen ›Methodisten‹ auf Leute zurückführt, die »eine strenge Methode oder Behandlungsweise […] in der Heilkunst« befolgten. In Oxford sei dieser Name auf Leute angewandt worden, »die in ihrer Lehre oder in ihrem Leben eine Richtung auffallender Strenge einschlugen. […] Der Name Methodismus ist der ganzen durch jene Männer [es sind Studenten in Oxford gemeint] eingeschlagenen Geistesrichtung geblieben, und das mit Recht, da er in der That einen hervorstechenden Zug derselben bezeichnet; denn das ist ein durch den ganzen Methodismus hindurchgehender Charakterzug, daß er die Vorgänge des inneren Lebens, die sich sonst in Freiheit zu entwickeln und zu gestalten pflegen, wie Buße, Bekehrung, Heiligung, in eine gesetzliche Regel und Form zu bringen und auf solche Methode oder Regelhaftigkeit einen besonderen Werth zu legen pflegt.«298

Mit dem Hören der lutherischen Erkenntnis über »die Rechtfertigung des Sünders allein durch den Glauben« war es »deutscher Einfluß und deutscher Geist, der ihm [John Wesley] zum Eindringen in das Leben nach dem Evangelium verhalf.«299 Nach Ausführungen über Leben und Lehren der Methodisten auf der britischen Insel schrieb Strebel, bevor er sich dem ›Methodismus in

295 Ludwig Nippert, Offener Brief an den Herrn Dekan in Neuhausen, Heilbronn 1867, 10f. Die von Nippert aufgenommenen Zitate finden sich in der Schrift von Gottlieb Friedrich Nast, Zur Abwehr der Methodisten, 10f. 296 Valentin Strebel, Die Methodisten in ihrer Heimat und in der Fremde. Ein Wort für und wider sie. Stuttgart 1868. Die 103seitgige Broschüre fußt auf einem Bericht Strebels in der Zeitschrift ›Der Christenbote‹ in den Nummern 2–6 des Jahres 1861. 297 Valentin Strebel, Der Krieg, ein Werk Gottes. Eine Preisschrift veranlaßt von der Ev. Gesellschaft Stuttgart, Stuttgart 1871. 298 Strebel, Die Methodisten (wie Anm. 296), 6f. Hervorhebungen übernommen. 299 Ebd., 7.

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Nordamerika‹ zuwandte: »Der Methodismus ist nach diesem Allem eine höchst bedeutsame Erscheinung für England.«300 Ausführlich schilderte er die in Amerika üblichen ›Campmeetings‹ der Frühzeit mit eingetretenen ungewöhnlichen »Verzückungen«, aber auch das Beklagen von Methodistenpredigern über diese »Convulsionen«. Es zeugt von historischer Kenntnis, wenn Strebel schrieb: »wir werden uns über solche Erscheinungen im Ganzen nicht wundern dürfen; sie sind schon öfter in der Geschichte der christlichen Kirche da gewesen als Begleiter tief greifender Seelenkämpfe und lebhafter Bewegungen in der Kirche.« Und dann führte er weiter : »Sie sind uns aber wichtig, weil sie uns einen Einblick in das Wesen des Methodismus erleichtern.«301 Wenig später folgerte er dann: »das Hervorrufen solcher seelischen Aufregungen bald in höherem, bald in niedererem Grade [… gehört] zur Methode des Methodismus.«302 Auf diesem angedeuteten historischen Hintergrund fand er »den Methodismus namentlich für Amerika nach seiner ganzen Eigenthümlichkeit vollkommen geeignet.«303 Das ist ein erstaunliches Urteil, durch welches er sich von vielen anderen Bewertungen abhob. Allerdings sei – so Strebel – damit noch nicht gesagt, »daß er ein Recht habe, seine Mission auf die deutsche und namentlich die württembergische Kirche auszudehnen.«304 Zum »Methodismus in der Fremde, namentlich in Württemberg«, einem Land, »welches schon von Anderen in Besitz genommen ist«, habe das Zugreifen seine Grenze. Es sei »ein wenig befugter Schritt«, Württemberg »ohne Weiteres als Missionsgebiet zu erklären.«305 Und hier trete er sogar auf mit einer »vermeintlichen Alleinberechtigung«. Das »wäre nur dann begreiflich, wenn der Methodismus den einzig richtigen und wirksamen Schlüssel für die Sünderherzen besäße, wenn seine Methode wirklich die allein bekehrende und allein seligmachende wäre.«306 Wie sehr gerade der im 19. Jahrhundert höchst aktive Missionssinn von Strebel als Motiv ihres überregionalen Missionierens gesehen wird, lies er seine Leser erkennen, wenn er schrieb: »Der Methodismus hat sein Recht für gewisse Länder und Zustände und Zeiten; flugs machen ihn seine Jünger zum Gesetz für alle Welt und alle Verhältnisse der Kirche. Steht ihnen aber das einmal fest, daß ihre Methode der Bekehrung die allein richtige oder wenigstens die wirksamste unter allen sei, so folgern sie daraus, daß sie sich auch

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Ebd., 14. Ebd., 24. Ebd., 31. Ebd., 33. Ebd., 36. Ebd., 37. Ebd., 68.

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allen entgegenstehenden Menschen, Verhältnissen und Ordnungen gegenüber des Grundsatzes getrösten dürfen: ›Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen.‹«

Strebels Schlussfolgerung war : »Das ist der Grundirrtum des Methodismus, daß er sich seiner Gabe überhebt.«307 Dabei betreiben sie das »Bekehrungsgeschäft […] fast handwerksmäßig oder fabrikartig.«308 Eine konkrete Schilderung über solche Vorgänge in Württemberg oder anderen Teilen Deutschlands bietet Strebel nicht, vermutlich, weil es sie nicht gibt, jedenfalls nicht »handwerksmäßig« und »fabrikartig«. Der Roßwager Pfarrer kam zu dem Schluss: »Das wirklich Gute des Methodismus haben wir schon, ihr Anderes brauchen wir nicht.« Nach Hinweisen auf Spener, Francke, Zinzendorf, Bengel und die Erweckungen nach der von ihm so bezeichneten »Franzosenzeit« kam er zu dem Ergebnis: »das ist unsere deutsche Methode; bleiben wir bei dieser.«309(103) Wie ein roter Faden zieht sich der Blick auf die methodistische »Methode« durch diese Schrift. Strebel konnte wohl noch nicht erkennen, dass es nicht um eine Bekehrungsmethode ging, sondern um den Wandel für ein zukünftig neu wieder zu entdeckendes Selbstverständnis einer missionierenden Kirche, die sich im frühen methodistischen Aufbruch einen zeitgemäßen Weg suchte. Die von einigen Pietisten herkommenden Hinweise auf Bußkampf, sowie auf Zeit und Ort der Bekehrung treten bei Strebel zurück. Von den in zahlreichen Schriften erwähnten »Schreien«, »Krämpfen« und anderen ungewöhnlichen Erscheinungen gibt es lediglich Hinweise auf die Situation in Amerika, die er in einen weiteren kirchengeschichtlichen Kontext stellte. Für den württembergischen Pfarrer tritt die nationale Frage in Verbindung mit der Kirche in den Vordergrund. Er schloss seine Schrift »für und wider« die Methodisten mit der Feststellung: »Das römische Papstthum hat Deutschland verwälscht; in der Reformation ist die deutsche Art wieder zu ihrem Rechte gekommen. Die Methodisten wollen uns verengländern, veramerikanern. Wehren wir uns um unsere freie deutsche Art. ›Gott verläßt keinen Deutschen nicht‹ ist ein alter Spruch, wenigstens keinen, der sich auf Ihn verläßt. Er wird auch die deutsche Evangeliumskirche nicht verlassen.«

2.2.4 1876: Theodor Geß (1829–1905) – Ludwigsburg, Württb. 1873 hatte die ›Evangelische Gemeinschaft‹ das östlich von Stuttgart gelegene Heidenheim an der Brenz zu einem selbständigen Zentrum bestimmt. Von 1875 307 Ebd., 69. 308 Ebd., 73. 309 Ebd., 103.

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bis 1877 wurde dorthin der gerade zum Diakon ordinierte Gottlob Barchet (1853–1930) gesandt. Von hier aus besuchte er neun weitere Ortschaften.310 Drei Jahre später sah sich der landeskirchliche Diakon von Heidenheim herausgefordert, zuerst in seiner Gemeinde und dann vor seinen Kollegen zum Wirken der ›Evangelischen Gemeinschaft‹ Stellung zu nehmen. Sein Vortrag vor der Diözesan-Synode hatte das Thema »Wie hat die evangelische Kirche Württembergs und wie haben insbesondere wir Geistlichen und Kirchenälteste die Wirksamkeit des Methodismus in unserer Mitte anzusehen und wie haben wir uns dagegen zu verhalten?«311 Der Referent leitete seinen Vortrag mit einem historischen Rückblick auf die Entstehung der methodistischen Erweckung ein und sagte über die Ursprünge: Man nannte die Mitglieder einer Oxforder Studentengemeinschaft »spottweise Methodisten, d. h. Leute, welche das Christenthum nach einer strengen ›Methode‹ oder Regel auffassen und ausüben. Sie nahmen diesen Spottnamen ernstlich an und gaben ihm eine gute Deutung in ihrem Sinn. Methodist, sagten sie, ist ein solcher, der nach der Methode der Bibel lebt.312 Daher hat nun die ganze religiöse Bewegung, welche von diesen Männern ausging, den Namen Methodismus bekommen.«313

In ihrer »Stellung […] zu unserer evangelischen Landeskirche« sah der Referent in ihrem Verhalten eine »Rücksichtslosigkeit der eigenmächtigen Einmischung in ein fremdes Berufsgebiet«. Sie missachten »das Hausrecht unserer Kirche« und drängen sich willkürlich ein.314 Dieses verständliche Gefühl, ein kirchliches Monopol zu haben, ist die Folge der 1648er Religionsgesetzgebung auf der Basis der Beschlüsse des Reichstags von Augsburg 1555. Die Kirchen der einzelnen Länder sind eben nicht nur Kirchen in diesen Staaten, sondern durch die bischöflichen Rechte der jeweiligen Herrscher sind sie auch Kirchen des Staates. Zu den Pflichten der Herrscher gehörte seit der Reformation, sie auch zu 310 Reinhold Barchet, Gottlob Barchet, ein gesegneter Seelsorger, Stuttgart o. J., 35. 311 Theodor Geß, Der Methodismus und die Evangel. Kirchen Württembergs. Ein Wort zur Verständigung und Mahnung an die Amtsbrüder und Gemeinden, Ludwigsburg 1876, 5. 312 Diese Formulierung scheint zurückzugehen auf jene kleine Schrift, die John Wesley 1742 unter dem Titel »The Character of a Methodist« veröffentliche. (WJW; Vol.9, Nashville 1989, 30–46). Zuerst erschien eine deutsche Übersetzung unter dem missverständlichen Titel »Das Muster eines wahren Christen in der Beschreibung eines Methodisten von Johann Wesley« in Frankfurt am Main und Leipzig, 1753. Der Winnender Methodist Christoph Gottlob Müller hat diese Schrift ins Deutsche übersetzt und sie schon vor 1837 der Ludwigsburger Kreisregierung vorgelegt, um eine persönliche Anerkennung, aber auch für die von ihm geführte Gemeinschaft zu erreichen. Es liegt nahe, dass Geß diese Schrift kannte. Dazu: Friedemann Burkhardt, Christoph Gottlob Müller und die Anfänge des Methodismus in Deutschland, AGP Bd.43, Göttingen 2003, 259. Die letzte Ausgabe dieser Schrift erschien unter dem Titel: John Wesley, Die Kennzeichen eines Methodisten (wie Anm. 95). 313 Geß, Methodismus (wie Anm. 311), 8. 314 Ebd., 16 u. 17.

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schützen. Dieses staatskirchliche Grundverständnis führte den Referenten, der seine Positionen mit Bibelworten belegte, dazu, die Frage zu stellen: »Warum können die Methodisten mit einer solchen Stellung [als innerkirchliche Gemeinschaft] sich nicht bescheiden?«315 Er erklärt es selber : Die Methodisten machen keinen Unterschied zwischen der evangelischen Kirche Württembergs und einem Heidenland. Diese heute in der Weltökumene selbstverständliche Einsicht, jedes Land ist Missionsland, passte damals nicht in das deutsche Territorialkirchentum. So ist es verständlich, wenn das »Eindringen« als provozierender Hochmut empfunden wurde. In dem Abschnitt »Die Methode des Methodismus«,316 nahm Geß die üblichen Vorurteile auf. Er begann mit der Bußpredigt, welche »gewöhnlich unter heftiger Erschütterung des Gemüths durch einen sogenannten Bußkampf hindurch zur plötzlichen Ergreifung der rettenden Gnade Gottes in Christo« fortschreitet.317 Die von Geß behauptete »Methode der Bekehrung« stimme in ihrer »festgemodelten Regelhaftigkeit nicht mit der Lehre Jesu und der Apostel« überein.318 In ihrer schlimmen, menschlichen Eigenmächtigkeit wollen die Bußprediger »nur geschwind durch stürmisches und treiberisches Eindringen auf Herz und Gewissen, Gefühl und Empfindung die Seele zur engen Pforte gleichsam hinreißen und ihr die innere Entscheidung abringen und aufdrängen.«319 Es fehle dem Methodismus an »geistlicher Zucht und Nüchternheit,« das zeige sich darin, dass er »seelisch-fleischliche Gefühls- und Nerven-Aufregungen begünstigt, daß er Wohlgefallen daran hat, wenn sie durch die heftige Art des Predigens hervorgerufen werden, ja daß er geradezu darauf ausgeht, sie hervorzurufen, sie als vermeintliches Mittel benützt, um die Bekehrung in’s Werk zu setzen [die er] als Kennzeichen des Wirkens des Geistes ansieht.«320 Ob der Vortragende wohl je eine Versammlung der Evangelischen Gemeinschaft in Heidenheim oder Umgebung besucht hat? Ob er wohl einmal einen Bericht von einem seiner Gemeindeältesten gehört oder von einem Pfarrer aus seiner Umgebung, in der Barchet missionierte, erhalten hat? Der Referent beruft sich auf die Schrift seines Württemberger Kollegen Strebel.321 Die »einförmige Methode der Methodisten« ist natürlich auch bei Geß mit der Erwartung einer Angabe von »Zeit und Stunde« der Bekehrung verbunden.

315 316 317 318 319 320 321

Ebd., 20. Ebd., 26ff. Ebd., 27. Bußkampf auch 34f. Ebd., 28. Ebd., 30. Ebd., 32. Vgl. S. Geß zitiert Strebel mehrfach, hat aber keine eigenen Erfahrungen mit den Methodisten gesammelt.

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In einem weiteren Abschnitt sprach Geß über »Die methodistische Seelenleitung.«322 Darin geht es um das System methodistischer Kleingruppen, den sog. »Klassen«. Diese Einrichtung sieht er »als die allen Methodisten wesentliche und gemeinsame Methode ihrer Seelenleitung und Seelsorge.«323 Sie erinnere in ihrer Gewissensausforschung stark »an die katholische Ohrenbeichte.«324 Zu dieser »methodistischen Methode« der Seelenleitung erläutert Geß seinen Zuhörern »Evangelisch ist diese Methode nicht.«325 Verwundert ist er auch über das »öffentliche Beten […] in den Versammlungen und zwar sowohl von Männern als von Frauen und sogar jungen Mädchen.«326 Seinen Kollegen rät der Referent, zu lernen von der »Anziehungskraft«, »welche die methodistische Predigt unläugbar (sic!) auf so viele Glieder unserer Gemeinden ausübt, [die] ihren Grund habe in der Frische und Kräftigkeit, in der Herzandringlichkeit, der volksthümlichen Unmittelbarkeit und Derbheit, welche dieser Predigt vielfach nachgerühmt werde.«327 Wie ein roter Faden zieht sich durch diesen veröffentlichten Vortrag der Hinweis auf die »Methode« hindurch, die immer wieder mit den »Methodisten« verbunden wird. Dieser frühe Studenten-Spottname hat auch darum seine Wirkung in Heidenheim entfalten können, weil der Vortragende entweder von dem »Umschwung« in Wesleys Theologie und Predigt vom Mai 1738 nichts gewusst hat oder diese grundlegende Veränderung verschwieg, weil er seinen Vortrag, der eigenartigerweise nicht mit württembergischen Vor-Ort-Kenntnissen argumentiert, so nicht hätte halten können. Ganz gleich wie es war : Der Kirchenname ist die Basis dafür geworden, methodistische Aktivität in ein System zu bringen.

2.2.5 1888: Johann Wilhelm Siegmund Rohnert (1837–1908) – Waldenburg/Schlesien Pfarrer Wilhelm Rohnert schloss sich als konfessionsbewusster Lutheraner 1874 in Breslau dem Oberkirchenkollegium der Ev.-luth. Kirche in Preußen an, die sich als »Altlutheraner« der Union von 1817 verweigert hatten. Seine »Unterscheidungslehren« der Konfessionen erlebte fünf Auflagen.328 322 323 324 325 326 327 328

Geß; Methodismus (wie Anm. 311), 8.36ff. Ebd., 39. Ebd., 38. Ebd., 40. Ebd., 41. Ebd., 43. Wilhelm Rohnert, Kirche, Kirchen und Sekten samt den Unterscheidungslehren. Ein Wegweiser zur Orientierung über Katholizismus und Protestantismus, Landeskirche und

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Die Oxforder Charles und John Wesley bildeten nach seiner Darstellung mit »gleichgesinnten Studiengenossen einen Verein zur Privaterbauung (ähnlich den pietistischen collegia pietatis) und zu frommen Übungen und Werken der Liebe. Dafür empfingen sie bald den Spottnamen Methodisten, weil sie in ihrem christlichen Leben eine gewisse Methode einhielten und den Gang der eigenen Bekehrungen zu einem allgemeinen Gesetze, zu einer vorgeschriebenen Methode der Wiedergeburt machten, – ein Name, welcher später von ihnen selbst angenommen wurde.«329

Natürlich hatten die Oxforder Studenten, anders als bei Rohnert der Eindruck erweckt wurde, zu dem Gedanken von Erweckung und Bekehrung noch keinen Zugang. Sie lebten streng nach den Regeln der Universität und überboten sie in ihren sozialen Tätigkeiten noch. In London sei John Wesley 1738 mit Herrnhutern in näherer Verbindung gewesen, »besonders mit einem gewissen Böhler, durch welchen er auch zur vollen Gewißheit seiner Begnadigung« gekommen sei.(177) »Wesley glaubt«, schrieb Rohnert weiter, »den Tag und die Stunde zu wissen (24. Mai 1738), wo er diese Erfahrung an seinem inwendigen Menschen gemacht haben will.« Es ist bemerkenswert, dass der strenge Lutheraner Rohnert für Wesleys erneuernde Glaubenserfahrung nicht auf die entscheidende Vorrede Luthers zum Römerbrief verweist, sondern sie auf den Frankfurter Herrnhuter Peter Böhler (1712– 1775) verschiebt, der im Vorfeld als Wesleys Seelsorger theologische Überzeugungsarbeit geleistet hatte. Auch Rohnert kann die Lehrpredigten, die John Wesley als Lehrnorm für seine Laienprediger geschrieben hat, nicht gelesen haben. Er hatte auch die Vorstellung von »gewaltigen Bußpredigten«, bei denen es geschah, »daß die Zuhörer, von den Schrecken des Gesetzes erschüttert und von den Schilderungen der Höllenqualen ergriffen, in krampfhaftes Zittern und lautes Schluchzen und Weinen ausbrachen, was man als einen Durchbruch der Gnade ansah,« (178) unkritisch übernommen. »Bestimmte Methoden der Bekehrung und Seelenleitung« seien bei den Methodisten ein Gnadenmittel. (181) Im Methodismus gebe es eine »Heilsmethodik«, meint Rohnert und verband diese Vorstellung mit einer stürmischen, schablonenmäßigen »Bekehrungsweise«, welche man als »eine auf das Gefühl berechnete und als eine propagandistische bezeichnen« könne. Diese sei »stürmisch«, um die Bekehrung des Sünders zu erzwingen. Das folge »aus ihrer Geringschätzung der Taufe«, behauptet der konfessionsbewusste Lutheraner, welche von den Methodisten nicht als »eine objektive, sakramentale Gottesthat zur Wiedergeburt des Menschen«

Freikirche, Konfession und Sekte. Nach dem Wort Gottes und dem lutherischen Bekenntnis, Leipzig 1882, hier verwendet 19005, revidiert und verbessert. 329 Ebd., 177.

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verstanden werde. Nachdem das ausführlich entfaltet war, ging es um die »methodistische Bekehrungsmethode«, die »schablonenmäßig« sei.330 Es folgte die bekannte Darstellung, die Rohnert auch von früheren Autoren ungeprüft übernahm. »Der Methodismus pflegt die Bekehrung nach einer besonderen Methode zu erstreben, indem er den Bußprozeß einzelner zu einer für alle gültigen Regel macht, zu einem Modell sozusagen, in welches die Bekehrungen aller Seelen hineingepreßt werden sollen.«331 Sie soll in einer »Stufenfolge« »schablonenmäßig« sein: Bußpredigt mit der folgenden Angst und Not um seine Sündenschuld, die zum Bußkampf »oft sogar bis zum Bußkrampf« führt, nach Gebet, wodurch zu »einem plötzlichen, freudigen Ergreifen der Gnade und einem frohlockenden Empfinden der Heilsgewißheit verholfen werde. Diese Empfindung muß so bestimmt hervortreten, daß der Bekehrte im Stande ist, genau Zeit und Stunde seiner Bekehrung […] anzugeben.«332 Schließlich sei »die methodistische Bekehrungsweise eine auf das Gefühl berechnete.« Der Autor wies schließlich auf den amerikanischen Methodismus mit seinen ungewöhnlichen Versammlungsmethoden hin. Als Fußnote merkte er an: »Nicht mit Unrecht hat man den Methodismus den umgekehrten Katholizismus genannt: die Stelle des Papstes vertritt die unfehlbare Methode.«333 Die amerikanischen Methoden »auf deutschen Boden zu verpflanzen haben die bei uns eingedrungenen Methodisten doch noch nicht gewagt, so sehr sie danach trachten.«334 Dem Altlutheraner Rohnert ist es gelungen, ziemlich alle Vorurteile, die damals gängig waren, in seiner Schrift zusammenzufassen. Wie die anderen Autoren verzichtete auch er auf Quellenangaben.

2.2.6 1894: Arthur von Broecker (1846–1915) – Hamburg Der weitsichtige Hamburger Hauptpastor Arthur von Broecker, der dem Pietismus kritisch zugewandt war, veröffentlichte im Verlag der ›Niedersächsischen Traktatgesellschaft zur Verbreitung christlicher Schriften‹, die auf englische Wurzeln zurückgeht, 1894 eine Schrift über den Methodismus.335 Im Zusammenhang der Wesley-Brüder in Oxford schrieb er über jene Gruppe von Stu330 331 332 333 334 335

Ebd., 186f. Ebd. Ebd. Ebd., 189. Ebd., 190. Arthur von Broecker, Die Unterscheidungslehren der christlichen Kirchen und Sekten, Bd. XII. Der Methodismus, Hamburg 1894.

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denten, welche in einer Zeit lebten, in der man »nur mit Sorge auf die Zukunft der so verwahrlosten [anglikanischen] Kirche« blicken konnte: »Da entstand jener Verein, zunächst spöttisch begrüßt, der doch ein Mittel zur Wiederbelebung des ganzen Volkes werden sollte. Man nannte ihn spottweise Methodisten, was etwa nach unserem kirchlichen Sprachgebrauche Frömmler oder Pietisten nicht heißt, aber dieser Bezeichnung entspricht. Und wie der Pietismus in Deutschland den Spottnamen sich zur Ehre werden ließ und erklärte. ›Wer ist ein Pietist? Wer Gottes Wort studiert und nach demselben auch ein frommes Leben führt‹- so thaten auch jene und nannten sich mit Nachdruck Methodisten, d. h. solche, die nach der in der Bibel aufgestellten Methode lebten. Das war der Anfang.«336

Von den Herrnhutern, welche die Brüder Wesley nach ihrem Aufenthalt in Georgia in London erneut trafen, wurde besonders John von der Möglichkeit, dass »der Glaube eine plötzliche Wirkung Gottes« sein kann, überzeugt. Das erlebte John Wesley »am 24. Mai 1738, 8 Uhr 45 Minuten abends«337 in der Begegnung mit Luthers Vorrede zum Römerbrief. John Wesleys Herz wurde seltsam erwärmt. »Von nun an begann der Methodismus seine erfolgreiche, man kann wohl sagen beispiellose Predigtwirksamkeit.«338 Ihr Erfolg sei für sie wie eine Bestätigung gewesen. Zu den »Schattenseiten« erwähnt Broecker »Bußkämpfe, Thränen, Entzückungen« und andere immer wieder mit Erweckungen verbundene Phänomene. »Dem allen gegenüber hatte Wesley einen schweren Stand.«339 Kritisch äußert sich der Hamburger Pastor zur »Lehre von der Bekehrung«, die es allerdings in Wesleys theologischen Schriften nicht gab. Broecker bestreitet mit Recht, »daß dieselbe eine plötzliche und bewußte sein muß.«340 Sorge bereitete dem Hamburger Pastor, dass der Methodismus als Revival-Bewegung zunächst durch die Amerikaner Dwight L Moody (1837– 1899), Ira D. Sankey (1840–1908) und Robert Pearsall Smith (1827–1898) in den Landeskirchen an Einfluss gewonnen hat. Unter Hinweis auf diese drei bemerkte Broecker : »Erschrecke niemand und ärgere sich niemand, wenn wir diese […] methodistisch nennen.«341 Sie seien in Deutschland Bahnbrecher342 methodistischer Frömmigkeitsformen, besonders hinsichtlich der Predigt durch Laien und des Reisedienstes der evangelisierenden Prediger. Der Hamburger Hauptpastor war vor der Veröffentlichung seiner Schrift teilweise Zeuge davon, wie Elias Schrenk (1831–1913) in Hamburg nach amerikanischem Vorbild drei 336 337 338 339 340 341 342

Ebd., 7. Ebd., 9. Ebd., 10. Ebd., 16. Ebd., 30–32. Ebd., 46. Diese Bezeichnung wurde später dem mit der Gemeinschaftsbewegung verbundenen Elias Schrenk zugesprochen.

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Evangelisations-Kampagnen durchgeführt hatte.343 Das war für ihn »methodistisch«. Diese Anwendung des Begriffs entspricht einer zunehmenden Verwendung im Sinne einer konfessions- und denominationsfreien Frömmigkeitsbewegung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts,– allerdings begrenzt auf den deutschen Sprachraum.344 Mit der Schrift von Broecker ist der württembergische Kampfplatz mit viel innerkirchlich-pietistischer Gemeinschaftserfahrung verlassen und der Kontext einer weltoffenen selbstbewusst lutherischen Hansestadt betreten. In einem Vergleich der Denkmodelle, der Erwartungen, der Begrifflichkeit sind die Unterschiede nicht zu übersehen. Die Hansestadt hat aber durch den Hafen und die Ansiedlung einer einflussreichen englischen Community eine für die norddeutschen Hafenstädte typische liberale Weite gewonnen.345 Es waren Engländer, deren städtebaulicher Einfluss vor und besonders nach dem großen Brand 1842 so enorm war, dass ihm ein dauerhaft weiterwirkender kultureller Unterschied in der Gesellschaft und der Kirche zuzuschreiben ist. Während Bremen eine besondere Beziehung zu Amerika entwickelt hatte, blieb der Blick von Hamburg vorwiegend nach England gerichtet. Das spiegelt sich in der Geschichte der Methodisten mit dem Schwerpunkt für Auswanderer nach Amerika und Jahrzehnte früher der ersten Ansiedlung wesleyanischer Methodisten in Deutschland zur Hafenmission in der ›Port of Hamburg Sailor’s Society‹.346

2.2.7 1907: Ernst Kalb (1873–1908)/Friedrich von Braun (1850–1904)/Otto Meyer (1870–1917) – Stuttgart Ernst Kalb arbeitete als Pfarrer der Evangelischen Gesellschaft in Stuttgart für die literarische Abteilung. Im Jahr 1905 gab er dort eine umfangreiche 655 Seiten umfassende Konfessionskunde heraus, die bereits 1907 in zweiter Auflage erschien. Kalb ordnete als Herausgeber den Methodismus mit anderen Kirchen in den Abschnitt »Der Protestantismus in englisch-amerikanischer Gestalt« ein.347 Den ursprünglichen »Methodismus-Text« verfasste Friedrich von Braun (1850–

343 Elias Schrenk war 1887, 1888 und 1891 zu jeweils mindestens 14tägigen Veranstaltungsreihen in Hamburg. 344 Vgl. Teil 1.4. – Auch: Voigt, Der Zeit voraus (wie Anm. 132), 93–97. 345 Karl Heinz Voigt, Methodistische Mission in Hamburg (1850–1900). Transatlantische Einwirkungen, Göttingen 2010. 346 Die frühen Aktivitäten der englischen Methodisten in Hamburg: Ebd., 259–278. 347 Ernst Kalb, Kirchen und Sekten der Gegenwart. Hrgg. unter Mitarbeit verschiedener Theologen, Stuttgart 1905. Ich benutze die 2. Auflage von 1907. Darin: Der Methodismus, 372–400.

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1904), ein sehr umtriebiger Theologe und feuriger Volksprediger.348 Der in Kirchheim geborene Braun wirkte zeitweise in Esslingen und längere Zeit in verschiedenen Funktionen in Stuttgart. An allen drei Orten konnte Braun methodistisches Gemeindeleben selber beobachten. 1904 reiste er in offizieller Eigenschaft zur Einweihung der Erlöserkirche nach Jerusalem, wo er bald nach seiner Ankunft infolge einer Krankheit starb. Sein Beitrag von 1904 war in jener Zeit eine der umfangreichsten Darstellungen der methodistischen Kirche von einem landeskirchlichen Theologen. Nach seinem plötzlichen Tod bearbeitete der Tübinger Pfarrer Ernst Otto Meyer (1870–1917) dieses Kapitel für die zweite Auflage. Meyer war mit dem britischen Methodismus gut vertraut, weil er zwischen 1897 und 1903 zunächst Hilfsprediger an der deutschen Gemeinde in London-Islington, danach Vikar an der deutschen Hofkapelle St. James und schließlich Pfarrer an einer deutschen Gemeinde in Bradford war. Diesmal waren es keine Universitätsprofessoren, die über die methodistischen Kirchen schrieben, sondern württembergische Pfarrer, die reichlich Gelegenheit hatten, in ihren Lebensbereichen Methodisten zu begegnen. Es überrascht daher, dass Meyer nach dem erkennbaren Bemühen um eine sachliche Skizzierung der Geschichte der englischen Methodisten in dem Abschnitt über die »Lehre des Methodismus« (379–385) in ausreichend inzwischen bekannte Stereotypen zurückfällt. Offensichtlich hat er in Deutschland weder an seinem Wohnort eine direkte Begegnung mit der Tübinger Gemeinde der methodistischen Evangelischen Gemeinschaft und ihrem Pastor gesucht, noch zum nahegelegenen Predigerseminar der damaligen Evangelischen Gemeinschaft, der heutigen Theologischen Hochschule der Evangelisch-methodistischen Kirche in Reutlingen Kontakt aufgenommen. »Die Bekehrung ist ein momentaner, plötzlicher Vorgang«, heißt es in seiner Darstellung. Eigentlich hätte er wissen müssen, dass das so sein kann, aber keinesfalls so sein muss. Diese und ähnliche Unklarheiten mögen der Tatsache geschuldet sein, dass nacheinander zwei Autoren an dem Text gearbeitet haben. Auch hier taucht wieder die Formulierung auf, »der Wiedergeborene muß Tag und Stunde seiner Bekehrung angeben können.« (380) Im Text wird allerdings sofort hinzugefügt: »Gegen diese Behauptung wehrt sich nun ein großer Teil der methodistischen Gelehrten wie auch Laien.« Danach wird eine längere Passage des methodistischen, in den USA lehrenden Theologen Carl Friedrich Paulus (1843–1893) zitiert.349 Der wie eine persönliche Erklärung klingende Text hat ein besonderes Gewicht, weil er von einem Kenner 348 Verfasst wurde er von dem Stuttgarter Stadtdekan Friedrich Braun (1850–1904), der unerwartet starb. Für die Drucklegung hat ihn dann der Tübinger Stadtpfarrer Otto Meyer, der mehrere Jahre in England war, bearbeitet. 349 Karl Heinz Voigt, Carl Friedrich Paulus. In: BBKL Bd. 7 (1994), Sp. 94–96.

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der evangelischen Theologie und der methodistischen Kirchen auf beiden Seiten des Ozeans verfasst wurde. Paulus stammte aus einer bekannten württembergischen pietistischen Theologenfamilie. Sein Theologiestudium führte ihn nach Berlin, wo er – zu dieser Zeit bereits Methodist – u. a. den Vermittlungstheologen Isaak August Dorner (1809–1884) hörte. Anschließend war er in Halle und gehörte einem Kreis um Friedrich A. G. Tholuck (1799–1877) an. Es folgten von 1863 bis 1865 zwei Jahre im Bremer Missionshaus der methodistischen Kirche. Dort wirkte er nach dem Abschluss seiner theologischen Ausbildung als Dozent, bis er 1870 nach Amerika auswanderte. Nach pastoralen Diensten auf zwei Gemeindebezirken deutschsprachiger methodistischer Gemeinden nahm er einen Ruf an das ›German Wallace College‹ in Berea/Ohio an, einer zentralen Ausbildungsstätte für die Prediger des deutschsprachigen methodistischen Kirchenzweiges. Carl Fr. Paulus veröffentlichte 1890 zuerst in Cincinnati und später in Deutschland sein Werk ›Das christliche Heilsleben‹:350 Was Paulus darin in den Kapiteln »Die Bekehrung«, »Die Erweckung« und »Die Buße« über deren Verlauf sowie deren Form und Wesen und endlich den Glauben schrieb,351 schien Kalb nicht so zu bewegen wie ein von ihm zur Frage der »plötzlichen Bekehrung« und der Angabe von »Tag und Stunde der Bekehrung« ausführlich zitierter Artikel eines hier nicht namentlich genannten Methodistenpredigers.352 Dieser aus methodistischer Sicht klärende Artikel von Gustav Junker (1854– 1919), der 1904 in der CVJM-Zeitschrift ›Der Leuchtturm‹353 erschienen war, soll hier aus Kalbs Werk zitiert werden. »Ich bin 30 Jahre Methodistenprediger, kenne alle unsere Prediger in Deutschland und der Schweiz persönlich und habe auch wiederholt Konferenzen in England und Amerika beigewohnt, aber niemals habe ich gehört, dass eine solche Forderung [einer plötzlichen Bekehrung verbunden einer Angabe von Tag und Stunde] gestellt worden wäre, noch habe ich je in unserer Literatur (deutsch oder englisch) einen dahin zie350 Carl Friedrich Paulus, Das christliche Heilsleben. Christliche Sittenlehre, Cincinnati 1890, hier nach Kalb zitiert aus einer der Ausgabe, die 1900 im Bremer methodistischen Verlag erschien. 351 Ebd., 105–126. 352 Es handelte sich um den damaligen Direktor des methodistischen Predigerseminars Gustav Junker (1854–1919), der diese Passage am 18. April 1904 in einen Brief an die Leuchtturm Redaktion geschrieben hatte. Er schaltete sich in eine Debatte ein, die durch einen Brief aus den USA wegen der Entstellungen der Methodisten ausgelöst worden war. Die CVJMer in Deutschland waren sich nicht mehr bewusst, dass ihre Arbeit von Anfang an überkonfessionell war und die deutschen Methodisten in Amerika einen nachhaltigen Anteil an dessen dortigem Wirken hatten. Briefe in: Der Leuchtturm. Illustrierte Zeitschrift für christliche Leser, hrgg. vom Westdeutschen Jünglingsbund, Jg. 1904, 124f. und 150f. Zum deutschen CVJM/YMCA in den USA: Thomas Hahn-Bruckart, Friedrich von Schlümbach. Erweckungsprediger zwischen Deutschland und Amerika. AGP 56, Göttingen 2011, 206–241. 353 Die illustrierte Zeitschrift ›Der Leuchttrum‹ wurde vom Westdeutschen Jünglingsbund herausgegeben. Dort erschien der Artikel im Jahrgang 1904, 150.

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lenden Satz gefunden. Im Gegenteil, ich habe öfter gehört, daß Prediger erklärten, eine solche Forderung sei unbiblisch, und bekannten, sie selbst wären nicht im Stande, Tag und Stunde ihrer Bekehrung anzugeben. Insbesondere geschieht es öfter bei Seelen, die in christlicher Umgebung aufwachsen und von Kind auf dem Zuge der Gnade folgen, daß sie so auf eine allmähliche Weise zu einem bewussten Glauben an Jesum Christum gelangen, daß es gar nicht möglich ist, den Tag ihrer wirklichen Wiedergeburt zu bestimmen. Die Methodisten glauben in der Tat ebensowohl an allmähliche wie an plötzliche Bekehrungen, und es ist uns ganz gleich, wie und auf welchem Wege jemand zur Bekehrung gelangt, wenn er nur von Herzen an Christus glaubt und sein Wandel seinem Bekenntnis entspricht.[…] Wir nennen Bekehrung, Rechtfertigung und Wiedergeburt, ein augenblickliches plötzliches Werk aus dem Grunde, weil dieses Gnadenwerk in der Seele in dem Augenblick zum Abschluß kommt, wo die Seele Jesus Christus als ihren Heiland im Glauben ergreift und durch den Geist Gottes innerlich ihrer Annahme als Kind Gottes gewiß wird und sagen kann: ›Gott hat mir meine Sünden vergeben, ich bin gerechtfertigt und habe Frieden mit Gott durch Jesus Christus.‹«354

Der Autor des Beitrags über den »Methodismus« in Kalbs Konfessionskunde will die »offizielle, gemäßigte Auffassung anerkennen«, geht aber trotzdem davon aus, es sei »nicht zu leugnen, daß in der Praxis des Methodismus noch mehr als häufig die Angabe von Tag und Stunde der Bekehrung als Maßstab gemacht wird.«355 Es folgen weitere Ausführungen zu bereits bekannten Themen. Mit der vagen Einführung, man erkläre u. a. als methodistische Auffassung, »Sündenerkenntnis bei der Bekehrung werde offenbar durch Tränen und Konvulsionen und der Übergang in den Gnadenstand durch Jauchzen und allerlei exaltierte Freudenbezeugungen« begleitet. Danach folgen wieder die bekannten Stichworte »Bußkampf« und »Bußkrampf«. Immer wieder herrscht der Gedanke vor, möglichst viel einer bestimmten »Methode« zuzuordnen und entsprechend Konsequenzen für das Leben der Kirche aus dem Namen »Methodisten« zu ziehen. Am Ende des Beitrags über den »Methodismus« kommt der Autor zu einer typischen Bewertung. »Der Methodismus«, schreibt er, »hat seine gewaltigen Verdienste in der Geschichte der christlichen Kirche, das dürfen und müssen wir auch in Deutschland anerkennen.«356 Einige Zeilen später kritisiert der Verfasser der letzten Version des Beitrags aber »einen rücksichtslosen Einbruch in unsere Landeskirchen […] bei aller Anerkennung des religiösen Lebens, das er auch in unseren Gemeinden schon geweckt und gepflegt haben mag.« Ein Grund der Kritik war damals, dass »wir die deutsche Art der Frömmigkeit nicht durch ausländisches Wesen verdrängen lassen können. ›Unsere deutsche Eigenart ist 354 Kalb, Kirchen und Sekten der Gegenwart (wie Anm. 347), 380f. Hervorhebung übernommen. 355 Ebd., 381. Hervorhebung übernommen. 356 Ebd., 399.

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ein Pfund, das wir nicht verzetteln dürfen‹.«357 Das Nationalgefühl, dessen Überschwang wenige Jahre später beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs emotional das Denken weiter Kreise beherrschte, findet hier noch einen stillen Ausdruck. Der Autor hat offensichtlich nicht bedacht, dass ja gerade aus Deutschen und Schweizern entstandene US-Gemeinden ihrem Heimatland einen lebendigen missionarischen Impuls vermitteln wollten. Sie dachten an geistlich fundiertes und missionarisch ausgerichtetes Leben in demokratisch gestalteter Gemeinschaft örtlicher Gemeinden. Das war den Autoren in Kalbs Werk fremd geblieben. Die Verfasser Braun und Meyer zogen am Beginn des 20. Jahrhunderts für ihre Darstellungen neben Johannes Jüngst und Theodor Kolde auch methodistische Quellen heran. Neben dem »Evangelischen Botschafter«, dem in Stuttgart erscheinenden Sonntagsblatt der Evangelischen Gemeinschaft, war das vor allem Literatur von Carl Friedrich Paulus und Wilhelm Nast (1807–1899). Das war eine verhältnismäßig neue Entwicklung. Vielleicht war die Hürde nicht so hoch, weil alle in Württemberg beheimatet waren.

2.3

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Es ist ein großer Schritt aus dem Hörsaal einer Universität in das Beratungszimmer einer kirchlichen Oberbehörde. Wie wirkte die Lehre und Forschung auf die Gestaltung und Handhabung von Recht und Ordnung für Kirche und Gemeinde? Die Konsistorien und Leitungsorgane der Landeskirchen standen durch das Kommen der Methodisten vor völlig neuen, bisher unbekannten Problemen, die sie zu lösen hatten. Praktisch mussten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Schritte aus den überwiegend konfessionell monopolen Dörfern und Städten in die ersten zaghaften Ansätze einer »Mehrkirchen-Landschaft« eingeleitet werden. Nach den früheren Ansätzen der Mennoniten und der Brüdergemeine ging es seit etwa 1850 nicht nur darum, wie man sich gegenüber dem öffentlichkeitsbewussten Methodisten verhielt. Der Beginn der methodistischen Missionen hatte im Kontext der 1848er Revolution mit dem in der Frankfurter Paulskirchenverfassung ausgerufenen Ende der Staatskirche und der damit gleichzeitig zugesicherten Religionsfreiheit die bestehenden Territorialkirchen unabhängig von der Niederschlagung der Revolution für die daran anschließenden Jahrzehnte verunsichert. Die methodistischen Missionare hatten in ihren amerikanischen Kirchenzweigen Erfahrungen mit kirchlicher Freiheit und Ungebundenheit an staatliche Behörden gesammelt. Mit diesen Erfahrungen kamen sie nach Deutschland und stellten Kirche und Politik vor 357 Ebd., 400.

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schwierige neue Fragen. Angesichts dieser Lage war zu bedenken, wie sich die traditionellen Kirchen gegenüber den neu ins Land gekommenen, zu selbstbewussten Minderheitskirchen entwickelnden Gemeinschaften verhalten sollten. Die Frage, welche Rolle die verbreiteten Informationen, Vorurteile und Bilder in der Bewältigung der neuen Lage spielen würden, ist bisher nicht gestellt. Es ist auch für das lange 19. Jahrhundert nicht ganz leicht, präzise zu benennen, wo die Staaten und wo die Kirchenleitungen in der alltäglichen Praxis die Verantwortung wofür hatten. In den Jahrhunderten seit der Reformation haben die ursprünglich als ›Notbischöfe‹ eingesetzten Regenten und Räte der Freien Städte ihre Macht über die Kirchen immer weiter ausgebaut. Als es 1648 in Münster und Osnabrück zum Friedensschluss kam, haben sich die Herrscher weitreichende Rechte über die Kirchen gesichert. Im ›Instrumentum Pacis Osnabrugensis‹ (IPO) heißt es: es sollen »sämtliche Kurfürsten, Fürsten und Stände des Römischen Reichs in ihren alten Rechten, Vorrechten, Freiheiten, Privilegien der ungehinderten Ausübung der Landeshoheit sowohl in geistlichen als auch in weltlichen Angelegenheiten, Herrschaften, Regalien sowie in deren Besitz kraft dieses Vertrages derart bestätigt und bekräftigt werden, daß sie von niemandem jemals unter irgend einem Vorwand tatsächlich beeinträchtigt werden können.«358

Im Laufe der Zeit wurden Konsistorien als Abteilungen in den Innenministerien organisiert, um als Organe der jeweils Herrschenden zu handeln. In Preußen wurde 1808 die selbständige Kirchenorganisation endgültig aufgehoben. In Württemberg, das hier besonders interessiert, wurden 1698 dem Konsistorium die geistlichen Aufsichtsrechte übertragen.359

2.3.1 1860: Ausschreiben des württembergischen Konsistoriums und der Synode360 Ein erstes »Synodal-Ausschreiben« zum »Auftreten methodistischer Sendboten in Württemberg« wurde 1860 im ›Amtsblatt‹ veröffentlicht.361 Zu jener Zeit 358 Instrumentum Pacis Osnabrugensis (IPO): www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/In terbet/finde/langdatensatzphp?urlID=740& url_tabelle=tab_quelle#art8. 359 Werner Heun, Konsistorium. In: TRE 19 (1990), 485. 360 In Württemberg ist der »Synodus« kein synodales Kirchenorgan. Die Große Kirchenordnung von 1559 richtete diese Institution ein. Sie war eine Ergänzung des Konsistoriums durch die Generalsuperintendenten und Prälaten. 361 Synodal-Ausschreiben, betreffend das Auftreten methodistischer Sendboten in Württemberg. [4178.] In: Amtsblatt des württembergischen evangelischen Consistoriums und der Synode in Kirchen-und Schul-Sachen. Nr. 64. Ausgegeben Stuttgart, den 23. April 1860,

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waren drei autonome methodistische Kirchenzweige in Württemberg aktiv : die 1831 aus England nach Winnenden gekommenen Wesleyaner, die seit 1851 in Stuttgart wirkende Evangelische Gemeinschaft, oft nach ihrem Gründer ›Albrechtsbrüder‹ genannt, und die bischöflichen Methodisten, welche 1851 von Frankfurt aus im Raum Heilbronn die Arbeit aufgenommen hatten. Die methodistischen Missionen waren keine Versammlungen der »Stillen im Lande«, sondern sie suchten die Öffentlichkeit. Das gab verschiedentlich Anlass, die mit Theologen und Juristen besetzte Oberkirchenbehörde in Stuttgart um Auskunft darüber zu bitten, wie das »gegenseitige Verhältnis« zwischen Methodisten und Landeskirche zu sehen sei. Zuletzt lautete die entscheidende Bitte, »daß zur Wahrung der kirchlichen Ordnung in den Gemeinden das Verhältnis der ordentlichen Organe des kirchlichen Aufsichtsamtes gegenüber den methodistischen Reisepredigern eine genaue Norm erlassen werden möchte.« (518) Die Synode sah jedoch keinen Handlungsbedarf. Im Erlass werden die bisherigen Verordnungen und Instruktionen »für das gegenwärtige Bedürfniß [als] hinreichend betrachtet, um den Geistlichen sowie den Orts- und Bezirksbehörden auch jener besonderen Erscheinung gegenüber den Weg ihrer Pflichten und Rechte vorzuzeichnen.« (518) Es wurde aber eine hier interessierende »Aufklärung« für die kirchlichen und staatlichen Ortsbehörden angeboten, um sie »über das Wesen des Methodismus, über seinen Stand und Stellung bei uns« ins Bild zu setzen. Der Methodismus sei in England entstanden, um dem Indifferentismus und dem Unglauben zu begegnen, »die Seelen aus dem Sündenschlaf zu erwecken und zur Buße zu leiten.« Mittel dazu seien hauptsächlich »erschütternde Bußpredigten« gewesen. Weiter heißt es über die methodistische Bewegung: »den Namen methodistisch führt sie aber daher, daß bei ihr Bekehrung und Weiterleitung der Bekehrten eben nach einer bestimmten Art und Weise angestrebt wird, nämlich nach der Methode, vor allem einen Sturm der Buße im Gemüth zu erregen, und nachdem dieser eingetreten ist, die Seele durch beständige, in gewisse Regeln gebrachte Handleitung in dem neuen Stand zu erhalten.« (519) Der »eigentliche Kern des Methodismus [liegt] in demjenigen Theil der Heilslehre, der von der Aneignung des Heils handelt.« (520f.) In einem der folgenden Absätze werden von der Kirchenleitung nach den eben erwähnten auch andere bekannte Verzerrungen wiederholt. Den »Geistlichen sowie den Orts- und Bezirksbehörden« wird mitgeteilt: »Freilich dringt der Methodismus da, wo er in seiner vollen Gestalt zu Tage kommt, auf eine besondere Form der Buße, nämlich auf einen zu einer bestimmten Zeit erkennbar 517–528. Dazu: Philipp Paulus, Das jüngste Synodal-Ausschreiben betreffend das Auftreten methodistischer Sendboten in Württemberg. Eine geschichtliche Berichtigung und Beleuchtung, Ludwigsburg 1860.

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und fühlbar eintretenden Bußkampf, nach dessen Beendigung der Mensch sich für einen zum Leben durchgebrochenen soll ansehen dürfen. Nun ist gewiß ein solcher Bußkampf je nach der Gemüthsbeschaffenheit eines Menschen und je nachdem sein bisheriger Wandel und Herzenszustand war, heilsam und nothwendig, aber ebenso gewiß und von der Erfahrung bezeugt ist, daß es wohlgegründete Christen gibt, welche ohne an eine bestimmte Zeit gebundenen Kampf den Weg des Heils fanden, die daher in täglicher Buße der Sünde entsagen und nach Gerechtigkeit trachten. Daher muß man die Aufstellung einer solchen allgemeinen Norm über Erweckung zur Buße, wie sie vom strengen Methodismus geltend gemacht wird, als einen Irrthum bezeichnen.« (521f.)

Seelsorgerlich wird die Herbeiführung eines Bußkampfes als gefährlich bezeichnet, auch weil er eine »Verleitung […] zum Zweifel an der göttlichen Gnade« sein kann. Was im Pietismus August H. Francke mit dem Begriff der »Rührung« bezeichnete, entsprach im Bereich der methodistisch geprägten Frömmigkeit etwa der Begriff »Erweckung«, welche aber weder durch einen Bußkampf ausgelöst wurde und schon gar nicht eine derartig methodisierte Frömmigkeitspraxis voraussetzte. Auslösend war in der Regel eine einladende Missionspredigt oder die Teilnahme an einer Reihe von volkstümlichen Predigten mit den Themen des ordo salutis. Ohne ein System oder eine methodistische »Methode« für den Prozess oder Schritt von der Erweckung zur rechtfertigenden Wiedergeburt und Bekehrung entwickelt zu haben, kann man für den Rückblick auf die Erfahrungen in der methodistischen Geschichte sagen, dass die erweckten Personen in den meisten Fällen von Betern, die sie mit ihrer Fürbitte umgeben haben, begleitet wurden. Manchmal war es der sog. Betaltar, ein Kniebänkchen in der Nähe vom Abendmahlstisch. Die Mehrzahl der methodistischen Bekehrungen ereignete sich in den aus etwa 12 Personen bestehenden, sich regelmäßig treffenden »Klassen«, die in jener Zeit eine Art seelsorgerlichen Raum mit vertraulicher Gemeinschaft boten. Geschenkt wurden die vorausgehenden »Erweckungen« einzelner Personen in sogenannten »anhaltenden Versammlungen«,362 die sich im Laufe der Zeit zu Evangelisations-Wochen entwickelten, in denen im Rahmen einer Verkündigungswoche Predigten mit den möglichen Stationen des Heilswegs gehalten wurden. In seiner Homiletik schrieb der Methodist Ludwig Nippert (1825–1894) 1879 über die Aufgabe des Seelsorgers in den Tagen solcher Erweckungspredigten, er habe mit »Unbekehrten zu reden – sie zu ermahnen, zu

362 Eine Form mehrtägiger ursprünglich spontaner aber zunehmend organisierter Versammlungen mit zum Glauben einladenden Predigten oder Vorträgen, welche durch die in Amerika entwickelte Praxis der ›Protected Meetings‹ im Rahmen der umstrittenen ›New Measures‹ angeregt wurden.

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warnen und einzuladen.«363 Die Ablösung des Begriffs Bußkampf, der näher an jenem Verständnis von täglicher Reue und Buße verortet werden kann,364 durch die erhoffte und erbetene Gnade entspricht dem Grundverständnis methodistischer Theologie.365 Weitere Erlasse wurden in Württemberg zur Stellung der Landeskirche gegenüber den Methodisten 1877366 und 1880367 veröffentlicht. Beide haben für die Beziehung des Kirchennamens mit der »Methode der Bekehrung« und den anderen Charakterisierungen keine Bedeutung mehr. Offensichtlich hatte die Erfahrung gezeigt, dass diese verbreiteten Vorstellungen nicht der methodistischen Praxis entsprachen. Erwähnenswert ist jedoch, dass sämtlichen Pfarrämtern jetzt infolge von methodistischen »kirchenfeindlichen Bestrebungen« und deren gemeinde- und kirchenbildender Tätigkeit erklärt wird: »Jedes Mitglied der evangelischen Landeskirche, das durch Uebertragung einer geistlichen Amtsfunktion, namentlich der Trauung, der Taufe oder Confirmation eines Kindes, sowie des Begräbnisses seiner Angehörigen an einen Methodistenprediger seine Mißachtung der kirchlichen Ordnung und des kirchlichen Amtes kundgibt, tritt eben damit thatsächlich aus der Landeskirche aus.«368

Dazu wird über die formale Abwicklung nach einer Vernehmung Betroffener erläutert: »Der Ortspfarrer hat ein solches Gemeindeglied über das Geschehene zu vernehmen und durch’s Dekanatamt an’s Consistorium zu berichten, welches, wo nicht besondere Gründe ausnahmsweise für eine mildere Beurtheilung sprechen, dem Betreffenden eröffnen läßt, daß er als freiwillig aus der Kirche ausgetreten betrachtet und behandelt werde.«369

363 Ludwig Nippert, Praktische Theologie. Ein Handbuch der Homiletik und Pastoraltheologie vom methodistischen Standpunkt für Prediger und Seelsorger sowie für Mitarbeiter am Reiche Gottes, Bremen/Cincinnati, o. J. (1879) 400f. 364 Die Erklärung zum »Wassertaufen« im Kleinen Katechismus Martin Luthers (siehe Anm. 79). 365 Langford, Gnade als theologische Norm (wie Anm. 45). Auch der treffende Titel für eine methodistische Theologie Klaiber/Marquardt, »Gelebte Gnade« (wie Anm. 45), bekräftigt diesen entscheidenden Akzent. 366 Synodal-Erlaß an das Dekanatamt N. N., betreffend die Stellung der Landeskirchen gegenüber den Methodisten. In: Amtsblatt des württembergischen evangelischen Consistoriums in Kirchen- und Schulsachen Nr. 299 vom 14. März 1877, 2644f. 367 Synodal-Erlaß an sämtliche evangelische Pfarrämter betreffend den Methodismus vom 12. Februar 1880. In: Amtsblatt des württembergischen evangelischen Consistoriums in Kirchen- und Schulsachen Nr. 338 vom 5. April 1880, 2963–2967. Dieses war der Zeitraum, in dem auch die Eisenacher Konferenz die aufgeworfenen Fragen verhandelte. Die Initiative dazu ging auch von Württemberg aus. (Vgl. Teil 3.11). 368 Ebd., 2965. Hervorhebungen übernommen. 369 Ebd.

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Der Erlass, durch den jemand als »freiwillig aus der Kirche ausgetreten betrachtet und behandelt wird«, erscheint aus heutiger Sicht als eine Kirchenzuchtmaßnahme, für die es offensichtlich zu jener Zeit angesichts des neu auftretenden Problems noch keine Vorschriften in der Kirchenordnung gab. Jedenfalls gab es für den »als ausgetreten Betrachteten« weder ein Widerspruchsrecht noch eine ordnungsgemäße »Verhandlung«. Dieser Weg der Trennung wurde noch im Jahre 1910 praktiziert.370 Andere Landeskirchen haben diese Praxis übernommen. Sie war von der Eisenacher Konferenz, die im Juni 1884 stattfand, den Landeskirchen empfohlen. Übernommen haben diese Anregung aber nur die Landeskirchen von Baden im gleichen Jahr, 1884, Mecklenburg-Schwerin, Reuß j. L., 1885, Oldenburg, 1886, Schwarzburg-Rudolstadt und die reformierte Kirche in Elsass-Lothringen.371 Sie scheint aber in diesen Landeskirchen nicht in die Praxis umgesetzt worden zu sein.

2.3.2 1867: Eine andere Sicht in Brandenburg Der für die Kirche der Altpreußischen Union zuständige Berliner Evangelische Oberkirchenrat hat im Mai 1867 die ihm untergeordneten Konsistorien aufgefordert, über die Teilnahme von Mitgliedern der Landeskirche an »sogenannten geschwisterlichen Abendmahlsfeiern der Methodisten« zu berichten.372 Die Veranlassung dieser Umfrage ging vom Konsistorium in Stuttgart aus. Es hatte durch eine Anfrage im Blick auf die Wesleyanischen Methodisten um Informationen nachgesucht. Im Hintergrund stand eine in Württemberg bevorstehende, vom Oberkirchenrat mit Besorgnis gesehene politische Entwicklung. Im Juli 1865 hatte die Kammer der Abgeordneten des Württembergischen Landtags sich damit befassen müssen, dass »Mitglieder der evangelischen Landeskirche373 seitens des betreffenden Kirchenconvents durch Androhung von Geld- und Freiheitsstrafen von der Theilnahme an reli370 In einem Schreiben des Konsistoriums in Stuttgart vom 15. Oktober 1910 an Schneider Hahn und dessen Frau wird mitgeteilt: Es sei den Eltern nach der Taufe eines Kindes durch einen Prediger der methodistischen Kirche »durch das Pfarramt Gräfenhausen zu eröffnen, daß sie um dieser Mißachtung der kirchlichen Ordnung willen als aus der Landeskirche ausgetreten betrachtet und behandelt werden.« (Kopie im Besitz des Verfassers). 371 Ralf Dreier, Das kirchliche Amt; eine kirchenrechtstheoretische Studie. In: Rudolf Smend, Kirchenrechtliche Gutachten in den Jahren 1946 bis 1969, München 1972, 155. 372 Schreiben Consistorium der Provinz Brandenburg an den Ev. Oberkirchenrat in Berlin vom 10. Juni 1867. EZA Best. 7/Gen. XII, 60, 9 handgeschriebene Seiten. 373 In Württemberg war in Anknüpfung an die ganz unterschiedlichen innerkirchlichen Gemeinschaften, deren Mitglieder selbstverständlich der Landeskirche angehörten, eine

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giösen Versammlungen, die als sectirerisch und die kirchliche Ordnung gefährdend bezeichnet wurden, abgehalten werden sollten, und daß in einem Fall auf Gefängnisstrafe wirklich erkannt worden ist.«374

Die durch Hinwendung zu einer methodistischen Gemeinschaft, die sich als Kirche ausgestaltete, entstanden kirchenrechtliche Probleme und Konflikte. Nachdem Methodisten, die Mitglieder der Landeskirche geblieben waren, polizeilich gestellt und sogar mit Inhaftierung bestraft wurden, war dies der Anlass, seitens der Wesleyaner in Württemberg ein Dissidentengesetz anzustreben.375 Diese Entwicklung führte zu der Anfrage nach dem Verhalten der Landeskirche gegenüber Mitgliedern, die an wesleyanischen Abendmahlsfeiern teilnehmen. Die Brandenburger schrieben, dies sei in ihrem Verantwortungsbereich »überhaupt noch nicht vorgekommen«. Aber, führten sie aus, »wir glauben, daß in zukünftigen Fällen auf eine sowohl dem Interesse der Kirche als dem Rechte der individuellen Frömmigkeit entsprechende Weise zu entscheiden sein möchte.«376 Wollten die Brandenburger Referenten, Konsistorialrat Professor Carl Semisch und Oberkonsistorialrat August Fournier (1800–1874), die Frage vorbeugend geklärt haben oder lag ihnen etwa daran, einen Standpunkt in die Debatte einzubringen, von dem sie hofften, er werde durch den Oberkirchenrat im Zuge der Antwort nach Württemberg weitergeleitet? In ihrem Schreiben gingen sie zunächst davon aus, dass die Anfrage den »Wesleyanischen Methodismus« betreffe, der übrigens nirgends in Preußen aktiv war. Dieser wesleyanische Methodismus gehöre nach ihrer Meinung »im eigentliche Sinn nicht zu den Secten, sondern steht auf dem Uebergange vom Anglikanismus zu den Dissenters. Aehnlich wie die Brüdergemeinde [sic!] die Gemeindeanstalt des Pietismus im großen Ganzen der evangelischen Landeskirchen zunächst Deutschlands, so wollte der Methodismus ursprünglich nichts als das Gewissen der englischen Staatskirche durch Neubelebung der erstorbenen evangelischen Principien und Thätigkeiten zur Wiedergeburt des christlichen Volkslebens sein. Die Rettung der Seelen durch Aufnahme in die lebendige Heilsgemeinschaft Christi mittels Neigung zur Doppelmitgliedschaft entwickelt, also der Zugehörigkeit zu einer methodistischen Kirche bei gleichzeitig bleibender Mitgliedschaft in der Landeskirche. Sie wurde aus ganz verschiedenen Gründen praktiziert, teilweise zur Wahrung solcher Bürgerrechte, die an eine Mitgliedschaft in der Landeskirche gebunden waren oder auch, weil man der theologischen Position des Pfarrers der eigenen Kirchengemeinde kritisch gegenüberstand und lediglich solange in einer methodistischen Gemeinde »überwintern« wollte, bis die Pfarrstelle wieder mit einem Prediger besetzt wurde, dessen Predigten eher pietistisch ausgerichtet waren. 374 Beschluss der Kammer der Abgeordneten vom 29. Juli 1865. In: Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Standesherren auf dem ordentlichen Landtage. Erster Beilagenband. 1870–1872. Stuttgart o. J., 184. Hervorhebung übernommen. 375 Vgl. Teil 3.8.3. 376 Schreiben Consistorium Brandenburg vom 10. Juni 1867 (wie Anm. 372).

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kräftiger Buße und Bekehrung war von vorn herein nicht bloß der vorzüglichste, sondern einzige Zweck des Methodismus.«377

Mit dieser Charakterisierung zeigten die Autoren eine damals wenig verbreitete Kenntnis über die Motive und Ziele der britischen Methodisten, die mit diesen Vorstellungen den Absichten John Wesleys folgten. Kein polemischer Unterton klingt an. Der Ansatz in Preußen war anders als in Württemberg, das sich von methodistischen Eindringlingen bedrängt fühlte, weil sie dort nach der Ansicht des Konsistoriums »die kirchliche Ordnung gefährden« und »das kirchliche Amt mißachten«. Allerdings hatten die Brandenburger noch mehr mitzuteilen. Sie zeigten die theologisch-inhaltliche Linie der methodistischen Entwicklungen nach 1784 auf, dem Jahr, in dem durch Ordinationen für das seit der Loslösung von England religionsfrei gewordene Amerika die dortige Kirchenbildung ermöglicht und vollzogen wurde. »Aber auch seit dieser Abtrennung hielt er [der Methodismus] nicht bloß treu am Inhalt der 39 Artikel,378 also auch am positiven Abendmahlsbegriff Calvin’s fest, und ließ die liturgische Gemeinschaft mit der altöcumenischen Kirche durch Gebrauch des in Auszug379 gebrachten common prayer book ungestört, sondern bewahrte sich auch die wesentlichen christlichen Principien, auf welchen das Dasein der gesammten evangelischen Kirche beruht: Innerlichkeitsprincip der Religion als einer Sache des Gemüthes zur Verklärung des Lebens, alleiniges Heil in Christus, dessen Verdienst der Glaube ergreift, um sich in der Reinheit des durch die zuvorkommende Gnade erneuerten Lebens zu bewähren, Herzensfriede in der Heilsgewißheit des durch den Geist Gottes erlangten Gnadenstandes.«380

Diese Einsichten in gewisse theologische Grundverständnisse der Methodisten führte zu einer Konsequenz, die sich liest, als sei sie eine Ermutigung zu rücksichtsvollerer Handlung, als sie den Stuttgartern in der Tendenz vorschwebte. Die Brandenburger schrieben: 377 Ebd., Daraus auch das folgende Zitat. 378 Die 39 Article of Religion sind das im Book of Common Prayer enthaltene reformatorische Grundbekenntnis der Kirche von England, welches dort etwa der Bedeutung der Confessio Augustana im Luthertum entspricht. Das Book of Common Prayer enthält auch das Ordinal, also die Agende mit den Formularen für alle Formen von Gottesdiensten und die Lesungen des Kirchenjahres. Es sei in diesem Zusammenhang bemerkt, dass die Agende, 1874 von der Wesleyanischen Methodisten-Gemeinschaft herausgegeben, an erster Stelle »Die Ordnung bei der Austheilung des heiligen Abendmahles« (S. 3–22) enthält, die ihren Ursprung im Book of Common Prayer hat. (Ordnung der Verwaltung des Abendmahls des Herrn und der Taufe, sowie der Einsegnung der Ehe, Begräbnisfeier und Ordination der Prediger, nach dem Gebrauch der Wesleyanischen Methodisten, Waiblingen 1874). 379 John Wesley’s Sunday Service of the Methodists in North America, London 1784. Faksimiledruck mit einer Einleitung von James F. White, Nashville 1984. 380 Schreiben Consistorium Brandenburg vom 10. Juni 1867 (Anm. 372). Daraus auch die folgenden Zitate.

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»Einer solchen Kirchengesellschaft den Rücken kehren, dadurch daß die Antheilnahme an ihrer Abendmahlsfeier ohne Weiteres als factische Erklärung des Austritts aus unserer evangelischen Landeskirche gilt, könnten wir hiernach nicht für gerechtfertigt ansehen.« Es sei notwendig, »daß der gleichen Fälle rücksichtlich der Motive einzeln geprüft und, falls die Bestimmungsgründe der Theilnahme sich als verwerflich erweisen, seelsorgerisch behandelt werden, bis entweder Umstimmung erreicht oder, falls die Theilnahme unmotivirter Weise fortdauert, vielleicht sich mit Vernachlässigung der Landeskirche verbindet oder gar zur Übernahme kirchlicher Aemter in der Secte führt, der Bruch mit der Landeskirche als thatsächlich eingetreten angenommen wird.«381

Mit dieser ungewöhnlich freundlichen und sowohl theologisch und historisch kenntnisreichen und ausgewogenen Darlegung sowie der seelsorgerlich einfühlsamen Stellungnahme, ist dieselbe aber noch nicht abgeschlossen. Die Referenten äußern sich zusätzlich noch in bemerkenswerter Weise zu den üblichen Vorwürfen und schreiben: »Und wenn der Methodismus die Erreichung seines Hauptzieles freilich in mehrfach drastischen Formen erstrebt, wenn er durch die Forderung oder Begünstigung eines Bußkrampfes, durch das einseitige Werthlegen auf bewußte, individuell besiegelte, nach Tag und Stunde zu berechnende Sündervergebung, durch das Ringen nach sittlicher, fast sündfreier Vollkommenheit ebenso den Geist evangelischer Besonnenheit als das Wesen der innerlich freien, niemals stereotypen, allzeit mangelhaften religiösen Lebensentwicklung verleugnet, so ist dies doch immer bloß eine Methode, welche, so forcirt, mechanisch, ungesund, gefährlich sie oft werden muß, den Kern der evangelischen Heilsanschauung nicht berührt. Die schlimmsten Ausläufer der methodistischen Bekehrungsweise sind überdieß längst, zumal außerhalb Englands und Americas überwunden. Und wenn ohne Zweifel immerhin dem überspannten Gefühl der Seligkeit im Glauben und des Gefördertseins in christlicher Heiligkeit die Gefahr des Antinomismus oder des sorglosen Sichgehenlassens naheliegt, so beweist jedenfalls der bewunderungswürdige Heroismus der Methodisten in Werken erbarmender Liebe, ihre Verdienste um alle Zweige der jetzt sogenannten inneren Mission, ihr gewaltiger Einfluß auf die kirchliche Erneuerung Englands und anderer Länder, daß der Methodismus mit jenen Gefahren zugleich die ausreichenden Heilmittel dagegen in sich trägt. Aus dem Allen scheint uns deutlich, daß der Methodismus in seinem Verhältniß zur evangelischen Landeskirche nicht völlig mit demselben Maß gemessen werden darf, wie jede andere Secte, welche sich an sie herandrängt. Keine Kirchenbehörde, welche ihre Pflichten versteht, wird es für gleichgültig halten, wenn die Angehörigen der Landeskirche mit Sectenkreisen in eine Beziehung treten, welche schließlich in ein verworrenes, indifferentes Hinüber und Herüber ausläuft. Aber es kann doch auch Fälle geben, wo ein Glied der Landeskirche sich ohne Untreue, ja bei der herzlichsten Liebe zu dieser bei religiösen Acten, selbst bei der Abendmahlsfeier nicht landeskirchlicher Kirchengesellschaften betheiligt, wofür beispielsweise das Verhältniß vieler Evangelischer zur Brüdergemeinde [sic!] und als Motiv das Bedürfniß einer engern 381 Ebd.

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Deutungen des Namens Methodisten

religiösen Gemeinschaft sei’s überhaupt oder bei besonderen Lebenslagen hervorgehoben sein möge. Und wenn die evangelische Kirche im Unterschied von der römischen ihren wahrhaft katholischen Character auch dadurch zu bethätigen hat, daß sie sich nicht engherzig oder hochmütig gegen Alles abschließt, was nicht genau die specielle Kirchenfarbe trägt, vielmehr mit Liebe das Evangelische, wo sie es finde, sucht, anerkennt, mit sich in Verbindung setzt, so hat insbesondere der Methodismus nach seinen Grundsätzen und seinen Thaten ein Recht zu erwarten, daß ihm diese Beachtung von Seiten evangelischer Landeskirchen zu Theil werde.«382

Die gesamte Stellungnahme hat einen ungewöhnlichen, zutiefst evangelischen Charakter. In der Mehrheit der zwischenkirchlich landeskirchlich-methodistischen Auseinandersetzungen wird insbesondere in Württemberg ordnungspolitisch argumentiert; hier dagegen spielen auch Theologie und Geschichte eine Rolle. – Es wird sogar vom zentralen methodistischen Anliegen der Hinwendung zu den Glaubenslosen, um sie für die Nachfolge zu gewinnen, ausgehend versucht, Verständnis für ein aggressives Verhalten, zu dessen Beschreibung sich die Autoren der üblichen Verzerrungen bedienten, zu wecken. Daß weder der Bußkampf noch die Angaben von Zeit und Ort der Bekehrung nicht zur methodistischen Tradition gehören, scheint selbst diesen weitsichtigen Referenten unbekannt gewesen zu sein. – Es gibt kaum Stellungnahmen, die über die Grenzen der jeweils betroffenen Landeskirchen hinausschauen; hier werden die Anglikaner mit dem internationalen Blick nach England und Amerika einbezogen. – Dass beide, Landeskirchen und methodistische Kirchen gemeinsam Teil der einen katholischen Kirche sind und der eigene Zweig ermahnt wird, sich nicht engherzig oder hochmütig gegen alles abzuschließen, was nicht genau die spezielle eigene Kirchenfarbe trägt, ist im Zusammenhang der zwischenkirchlichen Kontroverse ein ekklesiologischer Akzent, der sonst kaum einmal anklingt. Konsistorialrat Carl Semisch, der für die Stellungnahme des Brandenburgischen Konsistoriums als Referent verantwortlich zeichnete, hat diesen Text ganz offensichtlich gerne verfasst. Ihm waren zwar die Konflikte zwischen den Landeskirchen und den methodistischen Kirchen nicht fremd, aber die spezielle württembergische Variante kann er nicht gekannt haben. In Berlin begegnete er auch führenden Männern erwecklicher Arbeiten und er interessierte sich für eine in New York geplante Weltkonferenz der Evangelical Alliance,383 aber das Leben in der politischen und in gewissem Sinn auch kirchlichen Metropole war doch etwas anderes als in der pietistisch geprägten Flächenkirche mit zahlreichen Dörfern und Kleinstädten. Noch einmal: Über die Verhältnisse in Würt382 Ebd. 383 Gerhard Lindemann, Für Frömmigkeit und Freiheit. Die Geschichte der Evangelischen Allianz im Zeitalter des Liberalismus (1846–1879), Münster 2004, 707.

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temberg, wo die Methodisten noch im ersten Drittel der zwanzigsten Jahrhunderts als ungeliebte »Eindringlinge«384 gesehen wurden, war er, wie seine Stellungnahme zeigt, nicht im Bilde. Oder war er es vielleicht doch?

2.4

Blicke in die Lehrbücher von Johann Wilhelm Kurtz (1809–1890) – Dorpat, Marburg

Die Schulbücher von J. W. Kurtz gehören zu den auflagenstärksten Werken dieser Gattung in den Jahren zwischen 1849 und 1921. Das rechtfertigt, einen Blick auch auf sie zu richten. Als Student in Halle wurde er von Friedrich A. G. Tholuck beeinflusst. Danach wandte er sich der pietistischen Erweckungsbewegung im Bergischen Land zu. Um eine Hauslehrerstelle zu übernehmen, verschlug es ihn ins Baltikum. Als Lehrer am Gymnasium im lettischen Mitau verfasste Kurtz zunächst 1849 für den Schulunterricht ein kirchengeschichtliches Lehrbuch. Nachdem er einen Lehrstuhl für Kirchengeschichte an der berühmten, von Deutschland her geprägten Universität in Dorpat übernommen hatte, änderte er ab 1860 den Titel in ›Lehrbuch der Kirchengeschichte für Studierende‹. Später wurden die Werke des neulutherischen Theologen in Deutschland publiziert. Sein eindeutig lutherisches kirchengeschichtliches Hauptwerk erschien 1906 in Leipzig in 14. Auflage.385 Die Popularität dieses Werkes, das immer wieder vermehrt und revidiert wurde, lässt den Einfluss auf die akademisch gebildeten Generationen in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten erahnen. Schon in seiner dritten Auflage von 1857 schrieb Kurtz, das »Antikirchenthum und Antichristenthum« komme aus Amerika. Man spürt solche Vorbehalte gegenüber den angelsächsischen Kirchen durchgehend. In der noch von ihm selbst verantworteten Auflage von 1892 weist er auf die »spottweise Methodisten« genannten Oxforder Studenten hin und erinnert an ihre 384 Friedrich Fritz hat nach der Anerkennung der methodistischen Kirchen in Württemberg als Körperschaften des öffentlichen Rechts infolge des politischen Umschwungs von 1918/ 19 und der danach verkündeten Weimarer Verfassung im Auftrag des Stuttgarter Oberkirchenrat eine Studie über »Das Eindringen des Methodismus in Württemberg« (wie Anm. 151) verfasst, die 1927 in Stuttgart veröffentlicht wurde. Sie hatte den Zweck, in den nach der Verleihung der Körperschaftsrechte durch den Württembergischen Staat geforderten Klärung der nun auch formalen Frage von »Doppelmitgliedschaften« in einer landeskirchlichen und einer der beiden methodistischen »Körperschaften«, dem Oberkirchenrat für die anstehenden Gespräche historische Sachinformationen über die Zeit vor 1918 bereitzustellen. Die in diesem Zusammenhang entstandenen Deutungen und Bewertungen von Fritz sind kritisch zu lesen. 385 Johann Heinrich Kurtz, Lehrbuch der Kirchengeschichte für Studierende, Zweiter Band, erster Teil, Kirchengeschichte des 16., 17., 18. Jahrhunderts, Leipzig 1892; – ders., Lehrbuch der Kirchengeschichte für Studierende. Vierzehnte Auflage besorgt von N. Bonwetsch und P. Tschackert, Leipzig 1906.

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Deutungen des Namens Methodisten

»Frömmigkeit, die sie methodisch trieben«. Danach erwähnt er, übrigens ohne den Einfluss Luthers auf die beiden Brüder Wesley zu erwähnen, die Glaubensgewissheit, welche John Wesley durch die von ihm neu aufgenommene Rechtfertigungslehre erlangte und die unmittelbar danach noch 1738 angetretene Deutschlandreise, um Herrnhut zu besuchen. Zum Wirken der Methodisten in England führte Kurtz aus: »Sie gründeten in vielen Städten relig. Vereine, predigten täglich unter großem Zulauf hin und her in anglik. Kirchen, und wenn man ihnen diese wegen der aufreizenden Wirkung ihrer Predigten verweigerte, auf freiem Felde, oft vor 20–30.000 von allen Seiten herbeigeströmten Zuhörern. Ihre Heilsmethodik war hauptsächlich darauf gerichtet, alle Schrecken des Gesetzes u. alle Schauder der Hölle zur Erschütterung der sichern Sünder aufzubieten u. auf Erzielung eines Mark u. Bein ergreifenden Bußkampfes mit endlichem plötzlichen u. gewaltsamen Durchbruch der Gnade hinzuwirken. Zahllose verhärtete Sünder, meist aus den verkommensten Volksklassen, wurden auf diese Weise in massenhaften Erweckungen, häufig unter Krämpfen u. Konvulsionen zu nachhaltiger Buße u. Bekehrung geführt.«386

In diesem Abschnitt konzentriert der Autor in meisterhafter Kürze ihm wesentlich erscheinende Akzente; leider in einer Mischung aus Wahrheit und Dichtung, die eher die tradierten Vorurteile vertieften und mehr verwirrend als sachlich informierend über Jahrzehnte verbreitet wurde. Zur Arbeit auf dem europäischen Kontinent hat Kurtz sich noch nicht geäußert. Das geschah in einer nach seinem Tod veröffentlichten Fassung vermutlich durch die Herausgeber. Sie fügten ein Kapitel über »Methodistische Propaganda in Europa« ein.387 Unter »Sekten und Schwärmer protestantischen Bodens« wird vor der Heilsarmee und den Baptisten die »Methodistische Propaganda in Europa« erfasst.388 Schon der Begriff »Propaganda« für die Verkündigung des Evangeliums durch Nicht-Landeskirchler zeigt ein exklusives konfessionelles Bewusstsein der Autoren an. In dem eingefügten Abschnitt gehen die Verfasser von dem »großen Eifer« der Albrechtsleute und der bischöflichen Methodisten aus, landen aber nach wenigen Zeilen bei der Oxforder Heiligungsbewegung mit Robert Pearsall Smith und den »Revivalisten Sankey u. Moody«. Sie vermischen also wie andere vor ihnen die Ansätze der methodistischen Kirchen mit den als ›methodistisch‹ bezeichneten evangelistisch-missionarischen überkonfessionellen Frömmigkeitsbewegungen. Die Kenntnis scheint nicht besonders groß gewesen zu sein, worauf auch die Reihenfolge der Namensnennung von zuerst Sankey, des Moody begleitenden Sängers, und danach Moody, des eigentlichen »Erweckers«, ein Hinweis ist. Dass die Verfasser 386 Ebd., 1892, 332. 387 Kurtz, Lehrbuch, Ausgabe 1906, 278f. 388 Ebd.

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der Ergänzungen nicht die Meisterschaft kurzer Formulierungen wie Kurtz beherrschten und ihnen außerdem – jedenfalls im Blick auf die Minderheiten – konfessionskundliche Sachkenntnisse fehlten, zeigte auch die Zusammenfassung von »Baptisten und Quäker« in einem Abschnitt. So gering die historischen Kenntnisse waren, so verwirrend muss der enorme Einfluss der vierzehn Auflagen dieses »Heussi-Vorgängers«389 über das Verständnis der methodistischen Kirche wie der Frömmigkeitsbewegung des Methodismus auf mehr als eine Generation junger Menschen gewesen sein.

Exkurs: Katechismen der methodistischen Kirchen zum Thema Alle akademischen Beiträge, ursprünglich überwiegend an Universitäten südlich der Mainlinie vorgetragen, haben den Kern methodistischer Theologie mit dem zentralen Ansatz der Soteriologie in der Gestaltung des gesamten kirchlichen Lebens gut erkannt. Sie haben auch gespürt, wie sehr das Heilsangebot in der Aufnahme des biblischen »Heute, wenn ihr seine Stimme hört…«,390 eine gewisse Dringlichkeit erfahren hat. Aber leider sind dann in dieser für deutsche kirchliche Verhältnisse ungewöhnlichen Zuspitzung in der Erfassung der missionarischen Gemeindepraxis polemische Entstellungen aus fremden Traditionen – insbesondere aus dem halleschen Pietismus – untermischt worden. Aus diesem Grunde sollen an dieser Stelle aus zwei methodistischen Katechismen391 jene zentralen Fragen und Antworten, die sich mit den Fragen im Umfeld von Wiedergeburt und Bekehrung befassen, im ›Originalton‹, wie er im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den Kirchen den 12- bis 14jährigen vermittelt wurde, eingefügt werden. Im Vorwort zum »Größeren Katechismus für die deutschen Gemeinden der Bischöflichen Methodistenkirche« erwähnt Wilhelm Nast,392 der nach seinem Besuch des Niederen Seminars in Blaubeuren eine theologische Grundausbildung an der Universität Tübingen erhielt, dieser Katechismus sei »das Bekenntnis des gemeinsamen Glaubens der kirchlichen Benennung, deren Namen 389 1908 erschien die erste von insgesamt 18 Auflagen von Karl Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte in Tübingen als vielbenutztes Lehrbuch, das Studierende für Examensvorbereitungen vielfach benutzten. 390 Hebräer 3, 7 u. 13. 391 Den Katechismus der Bischöflichen Methodistenkirche von Wilhelm Nast (1868) und danach den der Evangelischen Gemeinschaft von Johann Jakob Escher (1888). 392 Nach der Biographie von Carl Wittke »William Nast. Patriarch of German Methodism« (1960), wäre eine Biographie sehr erwünscht, die auch seine deutsche Vorgeschichte und seine Bedeutung differenzierter erfasst, die er für die methodistische Kirche in Deutschland und der Schweiz hat.

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er trägt.«393 Er bringt »nicht die oder jene Privatansicht eines Theologen, sondern die Heilswahrheit, wie sie im gemeinsamen Bewußtsein der bezüglichen Kirche lebt.«394 Er sei, was heute so nicht mehr gesagt würde, eine »Bekenntnisschrift«. Die Herausgabe war 1868 »mit der Genehmigung der Generalkonferenz«, das ist die verfassunggebende Konferenz der weltweiten Kirche, in Chicago erfolgt. Im Vorwort schrieb Nast abschließend: »Es versteht sich, daß ein Katechismus für die Methodistenkirche, wenn er anders seiner Bestimmung entsprechen soll, sich von den Katechismen unserer evangelischen deutschen Schwesterkirchen in Form und Inhalt, besonders in Bezug auf die Sakramente, ebenso zu unterscheiden hat, als unsre Kirche in ihrer äußeren und inneren Gestaltung von jenen älteren Kirchen unterschieden ist. Doch ist des Gemeinsamen mehr, als des Unterscheidenden; und der Verfasser hat es sich angelegen sein lassen, die ehrwürdigen, im Zeitalter der Reformation entsprungenen Katechismen, sowie auch die neueren Bearbeitungen derselben sorgfältig zu benützen, unter welchen letzteren ›der Christliche Katechismus‹ von Dr. Ph. Schaff (1819–1893) den ersten Rang einnimmt. Seinem, den gegenwärtigen Bedürfnissen unsrer älteren Schwesterkirchen so trefflich entsprechenden Werke haben auch wir in dem Versuche, auf ähnliche Weise die gegenwärtigen Bedürfnisse unsrer eigenen Kirche zu befriedigen, mehr zu verdanken, als irgend einer anderen Quelle.«395

Der Nast’sche Katechismus ist in Deutschland ab 1869 bis über 1950 hinaus, dem Jahr, in welchem der neue »Leitfaden für den Katechismus-Unterricht« von Theophil Spoerri (1887–1955) herauskam, im Unterricht mit den 12- bis 14jährigen Jugendlichen verwendet worden.396

393 Wilhelm Nast, Vorwort zu ›Der Größere Katechismus für die deutschen Gemeinden der Bischöflichen Methodistenkirche‹. Mit der Genehmigung der General-Konferenz herausgegeben. Nach 1868 viele Auflagen in Cincinnati und Bremen. 394 Ebd., hier verwendet: 6. Auflage, Bremen o. J. 395 Ebd., Vorwort, 5. 396 Beide hier in Auszügen vorgestellten Katechismen enthalten keine Daten und Hinweise zur Geschichte der methodistischen Kirchen. Darum ist es durchaus einer Bemerkung wert, zwei handschriftliche Aufzeichnungen zu erwähnen, die einem archivierten Katechismus beilagen. Die eine davon fasst einige ›Zeugnisse über den Methodismus‹ zusammen und erwähnt Thomas Chalmers (1780–1847), Professor August Tholuck, Erzbischof Nathan Söderblom (1866–1931), Professor Hermann Mulert (1879–1950) und Pfarrer Lic. theol. Ludwig Thimme (1873–1966). Der andere Notizzettel ist eine kurze Übersicht zur ›Geschichte des Methodismus‹. Hier ist nach dem »Gründer« im nächsten Abschnitt notiert: »Name Methodist – nicht Bekehrungsmethode, welche d. Methodisten ablehnen, sondern von der Art (Methode) nach der Wesley und seine frommen Mitstudenten währ.[end] ihr[er] Stud’zeit in Oxford lebten. ›Heiliger Club‹ spottweise.«

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Auszug aus dem Katechismus von Wilhelm Nast Achtes Hauptstück Von dem Heilswege (im Auszug) – 274. Ist Christus für alle Menschen zur Versöhnung gestorben? Ja; von Gottes Gnaden schmeckte er den Tod für alle Menschen. (Ebr. 2, 9) – 275. Werden auch diejenigen selig, welche in ihrer Kindheit sterben, ehe sie an Jesum Christum glauben können? Ja gewiß; denn unser Heiland erklärt von den kleinen Kindern: Solcher ist das Himmelreich. (Matth. 19, 14). – 277. Werden denn alle Menschen selig? Nein, leider nicht. – 278. Warum werden denn nicht alle Menschen selig? Weil so viele den ihnen von Gott bezeichneten Heilsweg nicht gehen wollen. (Matth. 7, 13 f). – 279. Womit beginnt der Heilsweg? Mit dem Gnadenruf Gottes an den Sünder. (Matth. 22, 1–14). – 280. Was fordert der Gnadenruf Gottes von dem Sünder? Buße gegen Gott und Glauben an den Herrn Jesum Christum. (Apg. 20, 21). – 281. Was bedeutet das Wort eigentlich, welches in der Bibel mit Bu ß e übersetzt ist? Sinnesänderung. – 282. Worin besteht diese Sinnesänderung? Darin, daß man seine Sünden mit Scham und Wehmut erkennt und bekennt, dieselben haßt und läßt, und sich von Herzen zu Gott kehrt. [Angegeben sind biblische »Beispiele wahrer Buße«]. – 283. Was heißt an Jesum Christum glauben? An Jesum Christum glauben heißt, ihn aufnehmen und unsre Hoffnung der Seligkeit auf ihn allein setzen. (Joh. 1,12, Phil. 3, 9). – 284. Was schließt dieses in sich? Eine Erkenntnis Christi, heilsbegierige Aufnahme seines Wortes und herzliches Vertrauen auf seine Gnade. (Joh. 17,3; 1. Thess. 2,13; Ebr. 11,1). – 285. Können wir von uns aus selbst aus eigener Kraft Buße tun und an Christum glauben? Nein, das Vermögen dazu wird uns von Gott gegeben. (Eph. 2,8). – 286. Wie kannst du wissen, daß du den seligmachenden Glauben an Jesum Christum hast? »Wer da glaubt an den Sohn Gottes, der hat solches Zeugnis bei sich.« (1. Joh. 5,1).

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– 287. Was ist das für ein Zeugnis? »Derselbe Geist gibt Zeugnis unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind.« (Römer 8,16). – 288. Was erhalten wir durch den Glauben? Die Rechtfertigung. (Römer 3, 28). – 289. Was verstehst du unter der Rechtfertigung? Diejenige Tat Gottes, wodurch er mir aus freier Gnade alle meine Sünden um Christi willen vergibt. (Römer 4, 7 f). – 290. Was ist die Wirkung der Rechtfertigung im Gemüte? Frieden mit Gott. (Römer 5,1). – 291. Wie soll sich der rechtfertigende Glaube kundgeben? In guten Werken. – 292. Was wird zu gleicher Zeit mit der Rechtfertigung in uns gewirkt? Die Wiedergeburt. – 293. Was ist die Wiedergeburt? Die große Veränderung, welche Gott in der Seele wirkt, wenn er sie in Christo Jesu erneuert nach dem Ebenbilde Gottes, wodurch wir Kinder Gottes werden. (Jak. 1,18). – 294. Welcher andere Ausdruck wird gebraucht, um die große Veränderung zu bezeichnen, welche jeder Sünder erfahren muß, um in den Himmel zu kommen? Bekehrung, welches Wort das bezeichnet, was der Mensch zu tun hat, während die Wiedergeburt das ist, was Gott allein tun kann. (Apg. 3,19). – 295. Was ist Heiligung? Das fortwährende Wachsen in der Gnade und Gottseligkeit durch die innewohnende Kraft des Heiligen Geistes, bis wir das Ziel der Vollkommenheit erreichen. (2. Petr. 3,18). – 300. Was ist aber unser Trost, solange wir wachen und beten und den guten Kampf des Glaubens kämpfen? Daß, der in uns angefangen hat das gute Werk, der wird es auch vollführen bis an den Tag Jesu Christi. (Phil. 1,6). – 301. Was ist unumgänglich notwendig, um den Heilsweg zu betreten, sowohl als um auf demselben zu beharren bis ans Ende? Das Gebet. Der von Bischof Johann Jakob Escher (1823–1901) verfasste Katechismus der Evangelischen Gemeinschaft397 von 1888 wurde, wie er im Vorwort darlegt, 397 Bischof John Jacob Escher verfasste 1882 bereits den dritten Katechismus innerhalb der Evangelischen Gemeinschaft, dessen erster Vorläufer zuerst 1809 in Harrisburg publiziert wurde. Er war noch gedacht für die Unterweisung Erwachsener in den Klassstunden und

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durch »die Generalkonferenz unserer Kirche […] als Bekenntnisschrift und Religionsbuch der Evangelischen Gemeinschaft« von der Generalkonferenz genehmigt und bestätigt.«398 Es werden auch hier die Fragen und Antworten zur Heilsordnung aus der Fassung von 1882 vorgelegt. 1938 wurde von Johannes Schempp (1880–1955) die »Christenlehre« als »Frucht der Neubearbeitung des ›Kleinen Katechismus‹ von J. J. Escher« vorgelegt. Den Auftrag dazu hatte das kircheneigene ›Christliche Verlagshaus‹ in Stuttgart erteilt, die Generalkonferenz hat dem Text zugestimmt.399 Auszug aus dem Katechismus von Johann Jakob Escher Siebenter Abschnitt Die Heilsordnung (im Auszug) 27. Lektion – 236. Wie wirkt Gott an den Menschen zu ihrer Seligkeit? Durch den göttlichen Gnadenruf, der sich an allen, welche denselben annehmen und ihm folgen, wirksam erweist. (Jes. 45,22). – 237. Welches sind die göttlichen Bedingungen des Heils und der Seligkeit? Buße vor Gott und Glauben an den Herrn Jesum Christum. (Apg. 20,21.27). – 238. Was ist die Buße? Die Sinnesänderung, da man seine Sünden mit Scham und Wehmut erkennt, bekennt und herzlich bereut, sie haßt und läßt, begangenes Unrecht soweit als möglich gut macht und sich von Herzen zu Gott kehrt. (Jak. 4,8–10). – 239. Wie wird die Buße gewirkt? Durch Gottes Führungen und Gnade und durch sein Wort. (Röm. 4,2). – 240. Kann der Mensch durch die Buße etwas bei Gott verdienen? Nein; alles, was Gott dem Bußfertigen verheißen hat und gibt, ist aus freier Gnade. (Röm. 3,24).

hatte darum auch drei Lieder im Anhang. Eschers Katechismus orientierte sich an den Katechismen von Nast und Schaff (Raymond W. Albright, A History of the Evangelical Church, Harrisburg 1945, 215f.) Eine gekürzte Ausgabe zum Unterricht für Kinder erschien 1888. Daraus sind die Fragen einer Ausgabe entnommen, die in Stuttgart publiziert wurde. 398 Johann Jakob Escher, Kleiner Katechismus der Evangelischen Gemeinschaft. Ein Inbegriff der christlichen Religionslehre, Stuttgart 1897, dessen erste Auflage erschien 1889. 399 Christenlehre für die Jugend der Evangelischen Gemeinschaft. Nach dem Katechismus von J. J. Escher unter Verwendung des kleinen Katechismus von D. Martin Luther bearbeitet von Dr. theol. Johannes Schempp, Stuttgart 1938. Es erschienen weitere Auflagen.

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– 241. Was ist die Bekehrung? Die Abkehr von der Sünde und Hinkehr zu Christo durch Buße und Glauben, zur Vergebung der Sünden und Erneuerung zur Kindschaft Gottes. (Apg. 26,18). 28. Lektion – 242. Was ist der wahre Glaube an Jesum Christum? Eine herzliche Zuversicht, daß uns Gott um Christi willen unsere Sünden vergibt, aus Gnaden die Kindschaft Gottes schenkt und seiner himmlischen Güter und der ewigen Seligkeit teilhaftig macht. (Hebr. 11.1). – 244. Wie erweist sich der Glaube als rechtschaffen? Durch Erfahrung des Herzens und den Gehorsam der Liebe gegen Gott zu seiner Ehre. (Eph. 2,8). – 245. Was empfängt der Bußfertige durch den Glauben? Die Rechtfertigung und die Erneuerung zur Kindschaft Gottes oder die Wiedergeburt. (Röm. 10,4). – 246. Was ist die Rechtfertigung? Diejenige Tat Gottes, wodurch er uns um Christi willen alle unsere Sünden vergibt. (2. Kor. 5,21). – 247. Was ist die Wirkung und Frucht der Rechtfertigung? Frieden mit Gott. – 248. Was ist die Wiedergeburt, die gleichzeitig mit der Rechtfertigung vorgeht? Sie ist ein Werk des dreieinigen Gottes, welches der heilige Geist in uns ausführt, indem er uns vom Tod der Sünde erweckt und zur Kindschaft Gottes erneuert. (Eph. 2,5 f). – 249. Was empfangen wir noch mehr in der Wiedergeburt? Ein gewisses Zeugnis von Christi Geist zu unserem Geist, daß uns die Sünden vergeben und wir Gottes Kinder und Erben sind, und eine lebendige Hoffnung der ewigen Seligkeit. (Röm. 8, 16 f). – 250. Was wirkt die Kindschaft Gottes? Zuversicht zu Gott, Haß gegen die Sünde, Lust zum Dienste Gottes und den Wandel im Licht, in welchem man der Heiligung nachjagt. (Gal. 4,6). 29. Lektion – 251. Was ist die Heiligung? Die Absonderung und Reinigung von aller Sünde und völlige Weihe zum Dienste Gottes durch den heiligen Geist. (2. Thess. 22,13). – 252. Wodurch wirkt der heilige Geist die Heiligung in uns? Durch das Wort Gottes und das Blut Jesu Christi. (Joh. 17,17). – 253. Was ist die göttliche Bedingung unserer Heiligung? Der Glaube an Jesum Christum.

Stimmen aus der römisch-katholischen Kirche

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Nach der Dokumentation des methodistischen Verständnisses der Heilslehre folgen nun einige Beurteilungen der Methodisten durch bekannte katholische Theologen.

2.5

Stimmen aus der römisch-katholischen Kirche

Es ist angesichts der ökumenischen Entwicklungen angebracht, auch einige römisch-katholische Stimmen aus der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil in ihrer Haltung gegenüber den methodistischen Kirchen auf dem Kontinent einzubeziehen. Dabei fällt auf, wie die römisch-katholischen Konfessionskundler zu anderen Bewertungen gefunden haben, als dies im Interesse des kontrovers-theologisch interessierten Herausgebers der prominenten, aber konservativen katholischen Zeitschrift ›Historisch-Politische-Blätter für das katholische Deutschland‹, Joseph Edmund Jörg (1819–1901), lag.

2.5.1 1834: Johann Adam Möhler (1796–1838) – Tübingen Der schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ökumenisch offene Tübinger Professor Johann Adam Möhler hat eine aus späterer römisch-katholischer Sicht »objektive historisch-vergleichende ›Symbolik‹« verfasst.400 Bereits der Titel seiner Veröffentlichung formuliert »Gegensätze der Katholiken und Protestanten«, worin für ihn selbstverständlich die Methodisten einbezogen sind. Auf den innerhalb des deutschen Protestantismus üblichen Begriff »Sekte« verzichtete er. Historisch korrekt verortet Möhler die Anfänge der methodistischen Bewegung in einem Kreis von Oxforder Studenten. Die kurze Beschreibung ist von seinem konfessionellen Standort geprägt. Er formuliert: John Wesley »lebte in Oxford […] den strengsten ascetischen Widmungen« und schließt daran an, die genauen Beobachtungen der frommen Lebensordnung habe sich in dem kleinen Studentenkreis als geistfördernd bewährt. Auch die erste Phase der Namensentwicklung, die im Grunde vorreformatorische Anklänge aufweist, möchte der katholische Autor nicht negativ eingeordnet sehen. Er schreibt über den »frommen Verein« in Oxford: man habe »zunächst in wohlmeinendem Sinne, dann spottweise und hierauf allgemein, den Namen Methodisten« gebraucht.401 400 Aloys Klein, Vorwort in ›Kleine Konfessionskunde‹, hrgg. vom Johann-Adam-Möhler-Institut, Paderborn 1996, 9. 401 Johann Adam Möhler, Symbolik oder Darstellung der dogmatischen Gegensätze der Katholiken und Protestanten nach ihren öffentlichen Bekenntnisschriften, Mainz/Wien 18384, 560.

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John Wesleys Glaubensgewissheit auf der Grundlage der Rechtfertigung führt Möhler auf die Begegnungen und die Beeinflussung durch Herrnhuter aus Deutschland zurück.402 Er schreibt: Wesley »wurde mit der Lehre bekannt, daß nach vorhergegangenen zermalmenden Gefühlen plötzlich das bestimmteste Bewußtsein der Begnadigung vor Gott, mit dem dasselbe begleitenden himmlischen Frieden im Innern, eintreten müsse, und diese Lehre gewann, wenigstens längere Zeit hindurch, seine vollste Ueberzeugung.«403 Gerade von der Praxis vorausgegangener »zermalmender Gefühle«, das klingt wie eine zurückhaltende Formulierung für den sonst üblichen Begriff Bußkampf, hatte Zinzendorf sich und seine Herrnhuter Gemeinschaft nicht nur losgesagt, sondern in öffentlichen Auseinandersetzungen mit Halle distanziert. Es gab, so schreibt der Herrnhuter Geschichtsexperte Dietrich Meyer, zur Zeit der Grunderfahrungen der Brüder John und Charles Wesley drei »typische herrnhutische Frömmigkeitsmerkmale«, deren drittes »die Alleinwirksamkeit der Gnade und die ›Minutenbekehrung‹ des Sünders oder die selige Sünderschaft« sei.404 Die Herrnhuter vertraten im Gegensatz insbesondere zu Gotthilf August Francke diese Position. Bei Möhler werden, auch wenn von einem »plötzlich bestimmten Bewußtsein der Begnadigung von Gott« die Rede ist, die sonst üblichen Erwartungen von Zeitund Ortsangaben dieses Ergriffenwerdens nicht erwähnt. Diese fundamentale Erfahrung der Annahme durch Gottes Gnade ist zwar für jeden, dem sie überraschend zu Teil wird, ein unvergessliches Datum einer neuen Geburt, die mit dem Beginn einer fundamentalen Neuausrichtung eines geheiligten Lebens verbunden war. Aber die normale Erinnerung an die grundlegende Glaubenserfahrung wurde nicht wie in Kreisen des Pietismus wie eine zwingend verlangte Norm für die Echtheit einer Bekehrung interpretiert. Auch wenn es in der Beschreibung des Methodismus durch deutsche Autoren, welche die Kritik am Pietismus auf diese Weise fortsetzten, oft der Fall war, fand dieser polemische Einschlag bei Möhlers Interpretation keinen Raum.

2.5.2 1858: Joseph Edmund Jörg (1819–1901) – Trausnitz bei Landshut Der katholische Politiker, Historiker und einflussreiche Publizist Joseph E. Jörg übernahm 1852 die Herausgabe der konservativen »Historisch-PolitischenBlätter für das katholische Deutschland«. Später war er Gründer der Partei der Bayerischen Patrioten und schließlich zog er 1874–1878 für die katholische 402 Möhlers Darstellung beruht weitgehend auf Robert Southeys (1774–1843) ›Life of Wesley and Rise and Progress of Methodism‹, 2 Bände sind in mehreren Auflagen erschienen, London 18202. 403 Ebd., 554. Hier finden sich auch sprachlich einige Anklänge an Gottlieb Jakob Planck. 404 Meyer, Zinzendorf und Herrnhut (wie Anm. 41), 33.

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Zentrumspartei in den Reichstag. Als Historiker verfasste er eine ›zweibändige Geschichte des Protestantismus in seiner neuesten Entwicklung‹. Mit dem Beginn der Herausgabe der ›Historisch-Politischen Blätter‹ sah sich der Redakteur vor die Aufgabe gestellt, seine Leser umfassend in eine zeitgeschichtliche Auseinandersetzung mit dem Protestantismus zu führen. Je mehr er dessen Vielschichtigkeit erkannte, je länger befasste er sich mit diesem Phänomen, das ihm zu einer journalistischen Herausforderung wurde. Nach seiner Beobachtung kam es ab 1848 innerhalb des Protestantismus zu erwecklichen Bewegungen und danach zunehmend zu einem »protestantischen Aufschwung im Allgemeinen«.405 Zunächst publizierte er in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift ab 1853 fünf Jahre in Folge »Streiflichter auf die neueste Geschichte des Protestantismus«. Sein neu entdecktes Ziel sah er darin, »meinen eigenen Glaubensgenossen nach dem Umfang meiner Einsicht eine Basis zur Beurtheilung jener protestantischen Entwicklung zu bereiten, welche mir überraschend und wichtig schien, den ganzen status controversiae zu verändern.«406 Um zunächst die Leser seiner Zeitschrift und später die Interessenten seiner beiden Buchbände zu informieren, übernahm er insbesondere für die Kirchen in den skandinavischen Regionen, für England und Amerika das, was seine »Gewährsleute« ihm boten. Abgesehen von Jörgs Auswahl der Textstellen aus den Quellen war in der Regel das, was seine »Gewährsleute« ihm über die kirchlichen Minderheiten lieferten, nicht gerade freundlich, auch nicht frei von Polemik. Aber das kam der Intention des Verfassers eher entgegen als dass es ihn abschreckte. Sein Ziel war schließlich die inhaltliche Befähigung zur Kontroverse zwischen Theologen und Konfessionen. Er wollte dazu Standpunkte vermitteln. Es ist nicht erkennbar, ob es die Absicht des Autors war, über seinen eigentlichen katholisch-protestantischen Ansatz hinaus auch die Debatte zwischen den traditionellen Staatskirchen der Reformationszeit und den gerade nach 1848 neu auf dem Kontinent missionierenden methodistischen Kirchen aus den angelsächsischen Ländern zu befördern. Es erscheint heute höchst bedenklich, wie der Autor besonders des zweiten Bandes durch seine eigene Sprache noch Öl ins Feuer goss. Für seinen Methodismus-Beitrag407 hatte Jörg also auf eigene historische Forschungen verzichtet und sich auf Informationen aus zweiter Hand verlassen, 405 Joseph Edmund Jörg, Geschichte des Protestantismus in seiner neuesten Entwicklung. Bd. 1, Arnheim 18622, beginnt mit einem Kapitel ›Der protestantische Aufschwung ist sein Ausgangspunkt‹, 1–5. 406 Ebd., Vorwort VI. 407 Jörg, Geschichte des Protestantismus (wie Anm. 404), Bd. 2, Bd., Freiburg 1858. Band 2 trägt den Untertitel: die Schwärmerkirche und ihre Bedingungen. Darin behandelt er u. a. ausführlich den Neobaptismus, den Irvingianismus, die württembergischen Hoffmannia-

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die er weitgehend kirchlichen und säkularen Presseberichten, sowie Reisebeschreibungen verdankte. Diese waren geneigt, die völlig anderen kulturellen und kirchlichen Umstände in den USA an der im Grunde konservativen Gestalt und vor allem Praxis der europäischen Kirchentraditionen zu messen. Den einleitenden Abschnitt in seinem zweiten Band überschrieb er »Gestaltungen des religiösen Individualismus auf dem amerikanischen Kirchengebiet«. Allein den Begriff »Kirchengebiet« mit der amerikanischen Wirklichkeit zu verbinden, scheint gewagt. Jörg entfaltete in diesem Kapitel den Abschnitt »Der Methodismus als Cultus der bloßen Subjektivität.«408 Zu der in dieser Veröffentlichung besonders interessierenden Frage schrieb er : »Methodismus ist, wie sein Name besagt, eine Methode und zwar eine Methode, den Candidaten in einem Nu seiner Sündhaftigkeit bewußt und sofort im Handumdrehen seiner Begnadigung, Rechtfertigung und Seligkeit sichtlich und greiflich gewiß zu machen.«409

Diesen Schritt einer unter Gottes gnädigem Wirken individuell vollzogenen Lebenswende bezeichnet der angesehene Autor als »hochbeliebte Roßkur«. Es gehe dem Methodismus, so der Autor, um die »persönliche Gewißheit des Individuums, daß es von seinen Sünden losgesprochen, von Gott zu Gnaden angenommen, der Rechtfertigung und der Seligkeit sicher sei. […] Diese Gewißheit dem Einzelnen zu verschaffen: das ist das ganze Ziel des Methodismus, und von den absonderlichen Methoden, die seine Gründer hierzu erwählten, trägt er den Namen.«410

An anderer Stelle schreibt er, – wie so oft bei ihm und anderen Autoren von Richtigem und Falschem durchmischt – in der Kirche (!) des Methodismus, komme alles »auf die entscheidende Stunde der Bekehrung und Wiedergeburt an […], die man beschleunigen könne, während dagegen die Gefahr allzu groß sei, welche sich mit einer Betonung der Taufe und der kirchlichen Erziehung zeigt, wodurch nur dem Namenschristenthum Vorschub geleistet werde.«411

Absolut negativ und falsch kommt Jörgs Charakterisierung der Methodisten kurz und bündig in einem anderen Zusammenhang in einer abschätzigen Passage über den ältesten deutschsprachigen Zweig der methodistischen Kirchen in Amerika zum Ausdruck. Über die um 1800 unter deutschen Einwanderer in Pennsylvanien entstandene ›Evangelische Gemeinschaft‹ schreibt er :

408 409 410 411

ner, und in einem Kapitel den Einfluss nordamerikanischer Sekten (allerdings nicht in ihren Wirkungen in Deutschland). Ebd., 457–469. Ebd., 458f. Ebd., 459. Hervorhebungen eingefügt. Ebd., 457f.

Stimmen aus der römisch-katholischen Kirche

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»Ein merkwürdiger Ausläufer derselben [Bischöflichen Methodistenkirche] liegt in der Kirche der ›Albrechtsleute‹ (Albreght Methodists (sic!)) oder Jumpers (Springer) vor. [… Durch sie] fanden die Methodisten in Pennsylvanien, unter Anführung des Müllerknechts Albrecht den Weg, durch die ›neuen Maßregeln‹ in unmittelbaren Verkehr mit dem heiligen Geist zu treten.«412

Durch sein Buch ist es dem Autor gelungen, die in Deutschland und der Schweiz über die Methodisten im protestantischen Bereich gebildeten Vor- und Fehlurteile nicht nur zu bestätigen, sondern zu vertiefen und sie darüber hinaus auch einer akademisch gebildeten katholischen Leserschaft zu vermitteln. Dabei scheint ihm jede negative Zeile willkommen gewesen zu sein. Hätte der Bearbeiter der »Historisch-Politischen-Blätter« seinen Blick nicht allein auf die Presse und manche unseriösen Berichte über Nordamerika beschränkt, sondern auch den Tübinger römisch-katholischen Experten Johann Adam Möhler in seine Recherchen einbezogen, würde er vermutlich ein anderes Bild gezeichnet haben. Der Katholik Möhler zeigte seine Sympathie für das Leben und das Werk John Wesleys. Er sei »[D]er Mann, welchem das Elend des englischen Volkes zu Anfang des 18. Jahrhunderts tief zu Herzen ging, […] ausgezeichnet durch in der That große Talente, classische Bildung, und, was mehr als alles dies ist, durch einen glühenden Eifer für das Reich Gottes.« Und danach wiederholte Möhler, was ein ungenannter Biograph über John Wesley, den ›Kirchengründer wider Willen‹, geschrieben hatte: »In anderer Zeit und unter anderen Verhältnissen wäre er Ordensstifter oder ein reformatorischer Papst geworden.«413 Es ist nicht ausgeschlossen, dass der konservative und konfessionelle Publizist Joseph Edmund Jörg zur Positionierung Möhlers einen Gegenpol setzen wollte. Übrigens wiederholte später auch Konrad Algermissen (1889–1964) – und nach ihm bei Empfängen und anderen Begegnungen mit Methodisten manche katholischen Grußwort-Überbringer in ihren freundlichen Worten über »Die Methodisten« gerade die Passage über John Wesley als einen aus römisch-katholischer Sicht vorstellbaren evangelischen Papst, die er bei Möhler gefunden hatte.414 Der Antwort auf die Frage, ob die kontrovers-theologischen Aktivitäten auch eine Reaktion auf die irenische Arbeit von Johann Adam 412 Ebd., 467. Man muss es erwähnen, dass J. E. Jörg aus dem ursprünglichen Namen »Albrecht« eine ungewöhnliche in Amerika spätere Form von »Albright« als »Albreght« verwendet und sie mit der denominationellen Bezeichnung »Methodist« verbindet. Die Verbindung zu den »Jumpers« hat mit den amerikanischen Methodisten überhaupt nichts zu tun. 413 Johann Adam Möhler, Symbolik oder Darstellung der dogmatischen Gegensätze der Katholiken und Protestanten nach ihren öffentlichen Bekenntnisschriften, Mainz/Wien 18343, 564. 414 Konrad Algermissen, Die Methodisten und die Evangelische Gemeinschaft, Hannover 1928. Sonderdruck aus Konfessionskunde. Hannover 1928, 28.

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Deutungen des Namens Methodisten

Möhler waren, muss in diesem Zusammenhang unbearbeitet bleiben. Es könnte nützlich sein, die Jörg’s Buch-Editionen vorauslaufenden Aufsätze in den »Historisch-Politischen Blättern« einzusehen.

2.5.3 1923: Konrad Algermissen (1889–1964) – Hildesheim Der römisch-katholische Konfessionskundler Algermissen wirkte nach Hannover und Mönchengladbach ab 1933 am Hildesheimer Priesterseminar. Er hatte sich durch die apologetische Arbeit innerhalb eines katholischen Vereins in die Geschichte und Praxis der außerkatholischen Kirchen eingearbeitet und veröffentlichte sein später als »Konfessionskunde« erscheinendes Grundlagenwerk erstmals 1923.415 Über einzelne Kirchen wurden Separatdrucke veröffentlicht.416 Wie schon Möhler stellte Algermissen den Werdegang John Wesleys mit erkennbarer Sympathie dar. Über jene Bezeichnung, die man den jungen Männern der kleinen Oxforder Studentenvereinigung gab, schrieb Algermissen: »Vor allem wurde eine peinlich genaue Ordnung für die religiösen Übungen und das Studium eingehalten. Wegen dieser nach bestimmter Methode geregelten Lebensweise nannten die Oxforder Studenten die Mitglieder des kleinen Klubs scherzweise Methodisten; den Klub selber nannten sie den ›Heiligen Klub‹.«417

Die in der Sprache des Pietismus oft als »Bekehrung« bezeichnete innere Überwältigung, die John Wesley durch die reformatorischen Erkenntnis der Rechtfertigung widerfuhr, beschreibt Algermissen als »die Gewissheit seiner Begnadigung«.418 In der insgesamt für 1928 sachlichen und gut informierenden Darstellung wird nach dem historischen Teil die Lehre nach dem bereits oben erwähnten ›Katechismus‹ des deutsch-amerikanischen methodistischen Theologen Wilhelm Nast (1807–1899) dargestellt. Zu der in den protestantischen Darstellungen mit polemischer Zielsetzung immer wieder erwähnten Vorstellung von den Umständen der Bekehrung schreibt Algermissen: »Der Methodismus lehnt es heute durchweg grundsätzlich ab, daß die Wiedergeburt plötzlich eintreten und der Bekehrte sich dieses Augenblicks klar bewußt sein müsse. Er glaubt an plötzliche wie auch an allmähliche Bekehrungen. Auch erklärt der heutige 415 Konrad Algermissen, Christliche Sekten und Kirche Christi, 1923, die vierte Auflage 1931 erschien erstmals unter dem Titel Konfessionskunde. Die 8. Auflage erschien 1969 posthum mit der Einarbeitung von Ergebnissen des Zweiten Vatikanischen Konzils durch Heinrich Fries (1911–1998). 416 Algermissen, Die Methodisten (wie Anm. 414). Diese Ausgabe ist Grundlage für den Text dieses Abschnitts. 417 Ebd., 11. 418 Ebd., 12.

Stimmen aus der römisch-katholischen Kirche

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Methodismus grundsätzlich, daß mit der Bekehrung äußere Zeichen der inneren Erschütterung, Tränen oder exaltierte Freudenausbrüche nicht notwendig verbunden sein müssen.«419

Algermissen führt das auf eine von ihm als begrüßenswerte »Wandlung zur Mäßigung« im Vergleich zu früheren amerikanischen Verhältnissen zurück, die »den Forderungen einer kultivierten Zeit« entsprechen. Mit dem Hinweis auf einen »Wandel« setzt auch er eine früher anders geübte Frömmigkeitspraxis voraus. Diese Bemühungen um zeitliche Eingrenzungen sind auch ein Ausdruck dafür, wie eine geistgewirkte Erweckung mit Überraschungen und ungewöhnlichen Phänomenen schwer zu erfassen und zu beschreiben ist, zumal wenn sie in einem völlig ungewohnten kirchenkulturellen Umfeld, dazu in einer Umbruchszeit aus einer kirchlich traditionell geprägten Umwelt beobachtet wird. Algermissens freundliche Beurteilung der methodistischen Kirche zeigt sich darin, dass er in ihr »die edelste Frucht am Baume des Protestantismus«420 sieht. Ihm wohnen zwar »vom Standpunkt der wahren Kirche« abzulehnende und bedauerliche »Glaubensirrungen« inne und wenn ihm auch »manche Gnadenmittel der wahren Kirche fehlen, so freuen wir uns doch dessen, was er für Gottes Ehre und das Wohl armer Menschenkinder Gutes getan hat.«421 Die römisch-katholische Ansichten der konfessionskundlichen Experten Möhler und Algermissen sind kaum, wie es in der deutschsprachigen Literatur sonst gang und gäbe ist, mit sprachlichen und inhaltlichen, überwiegend abwertenden Charakterisierungen aus dem Pietismus verbunden. Die Kritik an dem Fehlen einiger »Gnadenmittel« entspringt katholischer Theologie und weniger konfessioneller Abneigung. Es wird greifbar, wie der Blick einer strukturell ausgestalteten internationalen Kirchengestalt zu anderen Bewertungen führen kann, als dieses ökumenisch, territorial und kulturell eingegrenzten Kirchen im 19. Jahrhundert mehr als im Zeitalter der Ökumene natürlich war. Das bedeutete damals – und auch heute noch –, dass der globale römisch-katholische Kirchenblick die in Deutschland klein gehaltene methodistische Kirche aus katholischer Perspektive als Weltkirche sieht und ihr als ebensolcher eine spürbare Wertschätzung zuteilwerden lässt.422 419 420 421 422

Ebd., 53f. Ebd., 76. Ebd., 78. Kurz nach dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils, an dem die größte protestantische Beobachter-Delegation aus den methodistischen Kirchen kam, wurden die bis heute ununterbrochen andauernden »Methodistisch/Römisch-katholischen Dialoge« begonnen. (Vgl. dazu die bisherigen vier Bände ›Dokumente wachsender Übereinstimmung‹, die sämtliche Dialogberichte in deutscher Sprache enthalten). Diese theologischen Gespräche wurden bereits in den Tagen vom 15. bis 19. Oktober 1967 anlässlich einer Begegnung des Weltrates Methodistischer Kirchen/World Methodist Council und Vertretern der römisch-

148

2.6

Deutungen des Namens Methodisten

Zwischenergebnis

Die unterschiedlichen Deutungen zeigen, wie sehr das Begriffsfeld »Methodismus« in den deutschsprachigen Ländern des europäischen Kontinents zu eigenwilligen Assoziationen geführt hat. Es ist erstaunlich, wie in Deutschland der dem Wirken der methodistischen Kirchen vorausgehende Pietismus sprachliche Deutungsmuster bereitgestellt hat. Die differierenden protestantischen und katholischen Darstellungen mögen auch mit auf diesen Umstand zurückgehen. Ganz offensichtlich fühlten sich aber die protestantischen Kirchenleitungen und Pfarrer durch eine »Mission« in ihren Kirchengebieten mehr verärgert und bedrängt, als dies bei Katholiken zum Ausdruck kam. Das kann zusätzlich zu einer Lage geführt haben, die unerwünschten »Eindringlinge« mit polemischen und verzerrenden Darstellungen abzuwehren. Es scheint so, als habe die spirituelle Nähe der Methodisten zu gewissen pietistischen Positionen, die aus einer anti-pietistischen Sichtweise manchmal scharf verurteilt und oft bekämpft wurden, zeitweise auch die Abwehr der methodistischen Mission zusätzlich verstärkt. Auffällig ist, dass die Methodisten in der Mitte des 19. Jahrhunderts weniger von liberalen Theologen bedrängt wurden als gerade von solchen, mit denen sie ursprünglich gehofft hatten, gemeinsam die Mission in Deutschland innerhalb der anfangs die Konfessionen übergreifenden Erweckungsbewegungen voranbringen zu können. Das war natürlich eine Fehleinschätzung der Missionsabteilung in New York. Sie war in dieser Frage von den Wünschen und Hoffnungen des deutschsprachigen Zweiges innerhalb der Gesamtkirche beeinflusst. Eine besondere Rolle spielte der Redakteur der deutschsprachigen Kirchenzeitung ›Der Christliche Apologete‹ Wilhelm Nast, der wie ein heimlicher Bischof für die deutschsprachigen Gemeinden sorgte und sie mit dem englischsprachigen Teil der methodistischen Gesamtkirche verband. Die Erweckungsbewegungen in Deutschland und der Schweiz waren aber nicht vergleichbar mit ähnlichen Denominationen übergreifenden Bewegungen in Amerika, wie sie beispielsweise im Wirken des deutsch-amerikanischen Methodisten Friedrich von Schlümbach in Verbindung mit dem überkonfessionellen YMCA/CVJM möglich war.423 Abgesehen davon hatten in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland innerhalb der erwecklichen Bewegungen inzwischen konfessionelle Tendenzen, die sich in den nächsten Jahrzehnten noch mehr verstärkten, zugenommen. Wie eindeutig überkonfessionell organisierte Bewegungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgelehnt wurden, musste trotz politischer Unterstützung durch katholischen Kirche in Arricia bei Rom eingeleitet und sind bisher ohne Unterbrechung fortgeführt worden. 423 Hahn-Bruckart, Friedrich von Schlümbach (wie Anm. 352), 206–234.

Verwirrung durch den Kirchennamen und die Frömmigkeitspraxis

149

Friedrich Wilhelm IV. zuerst die Evangelische Allianz erfahren.424 Später konnte Theodor Christlieb den »zur Evangelisierung der längst Entchristlichten« geplanten »undenominationellen Evangelisationsverein« gegen den kirchlichen Widerstand nicht durchsetzen.425 Aus dieser Entwicklung wurde dieser Ansatz schließlich zu einem Baustein für die Bildung des ausschließlich innerlandeskirchlichen ›Gnadauer Gemeinschaftsverbands‹.

2.7

Verwirrung durch den Kirchennamen und die Frömmigkeitspraxis

In Großbritannien wurde der Name ›Methodisten‹ bald so eindeutig mit der kirchlich-erwecklichen Bewegung verbunden, dass ihre führenden Persönlichkeiten ihn nicht mehr abschütteln konnten. Im Vergleich zum Oxforder Ursprung, wo er durch studentische Aktivitäten in Verbindung mit völlig anderen Vorstellungen verbreitet wurde, als es ab 1738 nach der Begegnung Wesleys mit Luthers Schrift angemessen war, blieb nur die Möglichkeit, den inhaltlichen Bedeutungswandel durch die schon erwähnte sprachliche Variante erkennbar zu machen: John Wesley sprach nach 1738 von den »sogenannten Methodisten«. In allen Kirchen Englands wurde des 18. Jahrhunderts über die Bewegung diskutiert, in den Zeitungen gab es Kontroversen und Bücher darüber füllten in Bibliotheken bald ganze Regale. Die Methodisten waren in aller Munde, und man wusste, worüber man sprach. Das war in Amerika nicht anders. Schon bevor die britischen Methodisten dort ihre Mission aufnahmen, hatte der calvinistische Methodist George Whitefield in Verbindung mit Jonathan Edwards dort Furore gemacht und eine große Erweckung ausgelöst. Nach der Kirchenbildung war die methodistische Kirche dort in ihrer Dynamik, ihrer Struktur, ihrer Theologie, ihrer Anpassungsfähigkeit, ihrer zwischenkirchlichen Offenheit und vor allem der ihr zugewachsenen geistlichen Kraft in der Phase der Besiedlung des Kontinents zu einer der führenden Denominationen im Lande geworden. Vielen Farbigen und Weißen, Lutheranern und Katholiken war gleichermaßen bekannt, wer die ›Methodisten‹ waren. Längst eingebürgerte Europäer wussten, was Methodisten sind, und die ins Land einströmenden Migranten lernten es schnell, denn die Reiterprediger standen bald vor der Tür ihrer gerade im Bau befindlichen ersten Hütte. Mit anderen Worten: In der anglo-amerikanischen Welt war der Begriff ›Methodisten‹ spätestens seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eindeutig gefüllt. 424 Lindemann, Die Geschichte der Evangelischen Allianz (wie Anm.383), 228–240, 371–441. 425 Voigt, Theodor Christlieb (wie Anm. 136), 85–110, s. a. Register.

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Deutungen des Namens Methodisten

Das war noch im 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Teil Europas anders. Die Geschichte der früheren »katholischen Methodisten« trat angesichts der neuen Entwicklungen in den Hintergrund. Anders war es mit den »pietistischen« Methoden. Sie hatten in der innerprotestantischen Debatte im Pro und Kontra der Pietismus-Diskussion wenigstens in Kontroversen unter Theologen eine Rolle gespielt und waren, als die methodistische Mission in der Mitte des 19. Jahrhunderts nach Württemberg kam, nicht vergessen. Die Übertragungen vormaliger pietistischer Vorstellungen aus dem Umkreis von Halle, insbesondere der erwartete Bußkampf vor einer glaubhaften Bekehrung, sowie die damit verbundene Angabe von Ort, Tag und möglichst Stunde der Bekehrung, stellten Bilder für die Verbreitung von Vorurteilen bereit. Auch wenn diese historischen Kenntnisse sich wesentlich akademisch gebildeter Experten beschränkte, erzielten sie doch eine unübersehbare Wirkung. Für die Menschen in Städten und Dörfern, aber auch für die Prediger in den Gemeinden, war in Anknüpfung an den Pietismus in Halle die Erklärung des Begriffs Methodisten mit dem Hinweis auf eine bestimmte »Methode der Bekehrung« einleuchtend. Das spiegelte allerdings methodistische Theologie und Praxis nicht wirklich wider. Die wenigen methodistischen Missionare hatten keine Chance, sich der Vorurteile zu erwehren. Methodistische Predigten, Zeitschriften und Bücher erreichten selten bürgerliche Zeitgenossen. Auf sie war die schlichte, volkstümliche Verkündigung nicht ausgerichtet. Ihnen waren auch die einfachen Versammlungsräume kaum zumutbar, die anfangs nicht selten in dörflichen Gasthäusern stundenweise angemietet wurden. Entsprechende Nebengeräusche mussten vom Prediger und auch von den Zuhörern in Kauf genommen werden. Beispiele in Hamburg und in Berlin zeigen, wie schwer es war, in Großstädten geeignete, gut zugängliche Räume zu finden.426 Manchmal mussten die Interessierten über einen Hinterhof und danach über eine Außentreppe den zur Kapelle eingerichteten Raum erreichen. Wo es gut ging, konnte man in eine unscheinbare Kapelle einladen. Keiner wundert sich heute über die soziale Situation derer, die eine Einladung zu einer Versammlung annahmen. Und die inzwischen Gewonnenen und durch den Glauben Verwandelten waren bereit, auch sozial an den Rand Gedrängte offen in ihrer Gemeinschaft zu empfangen und sie in den überschaubaren Gemeinden anzunehmen. Dort erlebten sie nicht selten ungewöhnliche Bekehrungen. Sie lösten eine unvorstellbar große Freude, manchmal geradezu einen Jubel aus. Das war im wahrsten Sinne des Wortes Begeisterung, welche an eine Bemerkung von Paulus erinnert, der nach Thes426 Voigt, Methodistische Mission in Hamburg, (wie Anm.345), 50, 64, 70, 101, u. a. – Ders., Methodistische Gemeindebildung in Gebieten territorialer Kirchen. Das Berliner Beispiel. In: JBBKG, 2015 (Jg. 70),179–204.

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salonich – heute Saloniki – geschrieben hatte: »Obwohl ihr in großer Not wart, habt ihr die Botschaft mit Freude aufgenommen. Und diese Freude kommt vom Heiligen Geist.«427 Wenn Zurückgedrängte, menschlich nicht Akzeptierte in der ungewöhnlichen Situation einer Erweckung unvorhergesehen erfahren: Ich bin von Gott geliebt, und ich finde Brüder und Schwestern, die mich mit Liebe aufnehmen und begleiten, dann ist Freude eine ganz natürliche Folge. Eine solche Erfahrung, löste ein gefühltes Wissen davon aus, dass sie mit einer Lebenswende den alten Menschen mit seinen Vorstellungen vom Leben ausgezogen und den neuen nach dem Ebenbilde Gottes angezogen haben.428 Ist es ein Wunder, dass Menschen mit solchen Erfahrungen um den Tag ihrer Lebenswende wussten und dass sie den Tag und Ort ihrer entscheidenden Begegnung mit Gott angeben konnten ohne dass sie dazu gedrängt waren oder es erwartet wurde? Nüchtern betrachtet war es nicht mehr, als was jedes Kirchenglied jeder Konfession nachweisen können muss: zunächst den im Stammbuch festgehaltenen Tag und den Ort der Taufe, zusätzlich auch noch den Namen des Täufers, der diesen Akt vollzog und anschließend in jener Zeit noch als Staatsbeamter mit Schrift und Siegel bestätigte. Am Tag der Konfirmation, also der Bestätigung des Taufbekenntnisses, erfolgte erneut in Verbindung mit einem feierlichen Gottesdienst ein Nachweis von Tag und Ort in einem amtlichen Dokument.429 Die literarische Begegnung John Wesleys mit Martin Luther, welche ihn zur Glaubensgewissheit führte und seine Tagebuch-Notiz mit der Angabe von Tag, Ort und die sogar die Uhrzeit, war eine Vorlage für die Polemiker, aber nicht für die Historiker, denn auf dieses Ereignis kam Wesley in seinem langen Leben nicht in pietistischer Gepflogenheit zurück. Zu den erwähnten Polemiken über Bußkampf und die angedichtete Notwendigkeit der Orts- und Zeitangabe einer Bekehrung kamen andere hinzu, um die Vorbehalte zu vertiefen. Deutschen sei diese erweckliche Praxis nicht zumutbar, das sei amerikanisch, wurde behauptet. Das konnten nur Autoren schreiben, die sich nicht vorstellen konnten, dass es überwiegend deutsche Lutheraner und Reformierte waren, die sich den deutschsprachigen Zweigen der methodistischen Kirchen in Amerika anschlossen. Gerade sie waren 1849 begeistert von dem Beginn einer Mission in der Heimat, die sie mit Spenden 427 1. Thessalonicherbrief, 1, 6. 428 Kolosserbrief, 3, 9 und Epheserbrief 4, 24. 429 In verschiedenen autobiographischen Berichten über geistlich bewegende Konfirmationserinnerungen von späteren Predigern in methodistischen Gemeinden Amerikas wird vermittelt, welche tiefen Eindrücke dieser Tag, den sie noch in landeskirchlichen Gemeinden vor ihrer Auswanderung in Deutschland erlebten, bei ihnen hinterlassen hat. (Adam Miller, Experience of German Methodist Preachers, collected and arranged by Adam Miller, Cincinnati, Ohio, 1859, 183, 193, 212, 231, 239, 262, 300, 369, 383, 411).

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unterstützt haben, weil sie von der Spiritualität in den überschaubaren Gemeinden begeistert waren und ihren Angehörigen in der Heimat das gleiche Glück wünschten. Sie hatten erlebt, wie ihnen als Laien Verantwortung zugemutet wurde und fanden in ihren Gemeinden einen Platz für aktive Mitarbeit. Die war ihnen in ganz unterschiedlichen Bereichen ermöglicht, von der Verwaltung, über die Pflege des kirchlichen Anwesens bis zur Gruppenleitung in den Sonntagsschulen mit Kindern und Erwachsenen, ja der Seelsorge und sogar der Predigt. Sie schätzten es, als mündige Gemeindeglieder gewürdigt zu sein und so ihrem Glauben Ausdruck geben zu können. Das ›Priestertum aller Glaubenden‹ wurde unter ihnen zum Alltag des kirchlichen Lebens. Und das begeisterte gerade jene, die in der Heimat eine verbeamtete Pastorenkirche erlebt hatten. Nicht zufällig wanderten »mit Schein« – das heißt mit einer Überweisung als Kirchenglied – aus in Deutschland entstandenen methodistischen Gemeinden manchmal ganze Mehrgenerationen-Familien in eine deutschsprachige methodistische Gemeinde irgendwo in den USA aus.430 Manchmal führte das zum Ende ganzer Gemeinden.431 Die Erfahrungen widersprachen dem oft gehörten Argument, methodistische Frömmigkeit und deutsche Mentalität passen nicht zueinander. Dieses war eher eine auf nationalen Gefühlen gewachsene Argumentation der Abwehr, die von der seit dem pietistischen Wirken in Deutschland zurückgebliebenen permanenten Sorge um Separationen bestimmt waren, obwohl ein solcher Schritt einer Kirchenabspaltung seitens der Methodisten nie angestrebt, sondern ausdrücklich und wiederholt verneint wurde. Tatsächlich ist er auch nicht erfolgt. Es ist ganz natürlich, dass die damaligen Staatskirchen entsprechend ihrem Selbstverständnis Abwehrmaßnahmen ergriffen haben, um ihr »Hausrecht« und die »Ordnung« zu wahren.432 Das war auch ein Erbe aus der Reformationszeit, in der schon im Kampf gegen Bauern und die Täufer Zurückdrängungen anderer 430 Neuere Forschungen kamen zu der Einschätzung, dass im 19. Jahrhundert aus methodistischen Gemeinden und ihrem Umfeld im Großherzogtum Oldenburg genauso viele Menschen nach Amerika ausgewandert, oft ihren Angehörigen nachgewandert sind, wie die Gemeinden im Lande am Ende des Jahrhunderts selber Glieder zählten. 431 »Dass die Arbeit in Westrhauderfehn, Dornum und Accumersiel schließlich zum Erliegen kam und mit dem Verkauf der kirchlichen Anwesen endete, hat u. a. seinen Grund in der hohen Auswandererzahl.« Alle Gemeinden liegen in Ostfriesland und beendeten ihre Arbeit etwa in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Hans-Jakob Reimers in: 150 Jahre Bethlehem-Kirche Neuschoo 1869–2019, Privatdruck einer Festschrift, Neuschoo/Ostfriesland 2019, 12. Auch die junge, kleine Gemeinde in Varel scheint diesen Weg genommen zu haben. 432 Die protestantischen Landesfürsten hatten als »Notbischöfe« in der Reformationszeit vorübergehend kirchenleitende Funktion übertragen bekommen, die sie aber im Laufe der Zeit erweiterten und bis zu ihrer Entmachtung 1918 mehrheitlich durch Konsistorien, die in den Innenministerien angesiedelt waren, ausübten.

Verwirrung durch den Kirchennamen und die Frömmigkeitspraxis

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Vorstellungen mit unnachgiebiger Härte bis zur Hinrichtung legitimiert waren. So dramatisch war es im 19. Jahrhundert nicht mehr. Aber dass im aufgeklärten langen 19. Jahrhundert für den Schutz der Kirche der Einsatz von Polizei, Eingriffe von Staatsanwälten, Anzeigen und gerichtliche Verurteilungen nicht nur staatlich legitim, sondern auch von den Ortskirchen betrieben als angemessen und kirchlich gerechtfertigt angesehen wurden, kann sich im ökumenischen 21. Jahrhundert kaum noch jemand vorstellen. Methodisten waren in der Gesellschaft an den Rand gedrängt. Sowohl die Kirche als Ganzes, die Gemeinden in vielen Ortschaften und auch ihre Mitglieder, die in der Gesellschaft nur noch Staatsbürger minderen Ranges waren, standen in einem kirchlichen und gesellschaftlichen Zwielicht. Die Mehrzahl der Methodisten hat das auf sich genommen.

Teil 3: Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Einführung: Das Aufeinandertreffen von zwei Kirchenkulturen Der Begriff der »Kirchenkulturen« meint in diesem Zusammenhang die jeweilige kulturelle Prägung, welche neben dem theologischen Ansatz durch die geschichtlichen oder andere Umstände das Leben, die Gestalt und die Frömmigkeit einer Konfession oder Denomination in einer charakteristischen Weise mitgeprägt haben. Das soll, unter Ausschluss ganz unterschiedlicher anderer Elemente, in einem skizzenhaften Vergleich über die unterschiedlichen Wege der Kirchenbildung und Kirchengestaltung veranschaulicht werden. Die traditionellen europäischen Kirchenbildungen entstanden durch Abtrennungen. Ursache war die Wiederentdeckung der Lehre von der Rechtfertigung allein durch den Glauben durch Martin Luther. Das war revolutionär und die Folgen waren enorm. Sie schlossen der Zeit entsprechend ganz natürlich politische Interessen ein, weil die Kirche – bis auf einige Minderheiten wie die Täufer, die Waldenser, die Hussiten und andere unterdrückte Kirchenbildungen – ganz selbstverständlich eine Institution innerhalb des Staates, fast möchte man sagen des Staates selber waren. Darum ist es nicht überraschend, dass die reichsrechtliche Anerkennung der lutherischen Konfession 1555 auf einem Reichstag in Augsburg erfolgte. Die »theologische Verfassung« lag in der ›Confessio Augustana‹ bereits seit 1530 vor. Sie war unterschrieben von sieben Regenten und zwei Stadträten, die sich zur Reformation bekannten und sie stützten. Am Ende des 30jährigen Krieges wurde 1648 die Frage der Besitzstände im Friedensvertrag von Münster und Osnabrück endgültig geregelt. Wieder war es ein poltischer Akt. Der 1. Januar 1624 wurde zum entscheidenden Datum für die zukünftige Regelung der konfessionellen Bestimmungen und Besitztümer. Länder, die an diesem Tag unter katholischer Herrschaft standen, behielten dort ihre Rechte. An diesem »Stichtag« evangelisch beherrschte Länder bekamen das Recht der offiziellen Einführung der lutherischen oder ab jetzt auch der reformierten Konfession. Sie erhielten auch das Besitzrecht über Dome, Kirchen,

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Klöster, Ländereien und was sonst vorher in der Verwaltung der Vorgängerkirche stand. Die protestantischen Kirchen als Organisationen – selbst wenn es lange Kämpfe gegeben hat – waren einfach da: territorial abgegrenzt, von Kirchengliedern einer einzigen Konfession bewohnt, weil die Untertanen die Konfession ihres Landesvaters übernehmen mussten – sofern sie nicht um einer anderen Konfession willen auswandern wollten. Sie waren so umfangreich mit Besitz ausgestattet, dass kirchliches Leben ohne große neue Investitionen zu tätigen, möglich war. Und sie standen schließlich unter dem Schutzes des Landesherrn, dessen Teilaufsicht gesichert war. Daraus ist innerhalb der Gesellschaft in Europa eine einmalige protestantische Kirchenkultur entstanden, die zwar durch die Weimarer Reichsverfassung in Teilen unfreiwillig verändert wurde, aber in den Grundstrukturen der kirchlichen Organisation immer noch wirksam ist. Die folgenden Seiten werden zeigen, dass im zeitweise toleranten Umfeld in Großbritannien aber noch erheblich deutlicher im Zusammenhang der konsequenten Religionsfreiheit in Nordamerika eine völlig andere Kirchenkultur entstehen konnte, ja entstehen musste. Konfessionen und Denominationen waren nicht einfach mit einem historischen Datum und einer poltischen Entscheidung da. Sie mussten und konnten sich unter völlig anderen Bedingungen organisieren, nach und nach Mitglieder gewinnen, kirchliche Zentren errichten, in einer gewissen konkurrierenden und bereichernden Gemeinschaft miteinander leben und wirken. Der Staat hatte auf die Kirchen nur insofern einen Einfluss, als er darauf achtete, dass z. B. in den Schulen kein religiöser Unterricht erteilt, die Kirchen die Ausbildung ihres theologischen Nachwuchses selber regeln und wie das gesamte kirchliche Handeln selber finanzieren mussten. Der erhebliche Unterschied dieser Kirchenkulturen lässt sich nicht – wie in Europa üblich – auf die typisierenden Begriffe »Volkskirche« und »Freikirche« reduzieren. Das Aufeinandertreffen der europäischen Kirchenkultur mit der amerikanischen zeigte sich bei der Besiedlung Amerikas wie umgekehrt die von Nordamerika ausgehende Mission der Methodisten auf dem europäischen Kontinent. Die jeweilige »kulturelle Übermacht« ist ein Erklärungsmodell für gegenseitige Fremdheiten und Verletzungen im 19. Jahrhundert. Dass es aber nicht theologische, sondern überwiegend kulturelle Gründe waren, welche Missverständnisse und Missgunst ausgelöst haben, zeigt die jüngere Geschichte. 1973 haben die Gliedkirchen der EKD den Schritt zur vollen Kirchengemeinschaft, die Abendmahlsgemeinschaft als ein zentrales Element neben Ordination und Taufanerkennung einschließt, in der Leuenberger Konkordie vollzogen. Nur 14 Jahre später haben nach einer Reihe von Lehrgesprächen die EKD-Gliedkirchen und die Evangelisch-methodistische Kirche den gleichen Schritt getan, nachdem sie »ihr gemeinsames Verständnis des

Einführung: Das Aufeinandertreffen von zwei Kirchenkulturen

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Evangeliums festgestellt« haben.433 Beide Kirchen haben ihre grundlegenden theologischen Positionen nicht verändert. Darum können auch im 19. Jahrhundert die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Traditionen nicht an theologischen Grundfragen festgemacht werden. Für beide Seiten ergaben sich die differenten Sichten aus ihren jeweiligen geschichtlichen Erfahrungen, wie sie sich in ihrer kirchlichen Praxis, also den daraus entwickelten Frömmigkeitsformen, in kulturell unterschiedlich geprägten Umfeldern entwickelt hatten. In diesem Verständnis ist es für alle Seiten leichter, die Geschichte zu deuten und anzunehmen. So soll aus dieser Perspektive in ökumenischer Gesinnung und Freiheit auf Erfahrungen im 19. Jahrhundert zurückgeschaut werden

Ein allgemeiner Überblick Die Gründe für die landeskirchlich-methodistischen Differenzen im 19. Jahrhundert sind nicht typisch. Im protestantischen Europa gingen Kirchenstreitigkeiten normalerweise auf Lehrdifferenzen zurück. Man kann es nicht oft genug in Erinnerung rufen: Der Weg der Methodisten hat nicht mit Lehrdifferenzen begonnen, auch nicht mit der Kritik an der anglikanischen »Mutterkirche«. Die anfängliche Bildung von ›Societies‹ auf der britischen Insel und in Irland war die Folge einer missionarischen Hinwendung zu den kirchenlosen Getauften, denen sie das Evangelium des Heils und die rechtfertigende Wirkung des Glaubens im wahrsten Sinne des Wortes bringen wollten. Von diesem Ansatz her entwickelte sie neben der traditionellen Schau der fest in sich ruhenden, bürgerlich orientierten Lokalkirche eine soziale Grenzen überschreitende Missionskirche. Wenn im 19. Jahrhundert in deutschsprachigen Ländern der methodistische Kirchenname auf eine bestimmte »Methode der Bekehrung« zurückgeführt wurde, ist der Gedankensprung zum sog. »Bußkampf« nicht weit. Die für und wider diese Zuschreibungen sprechenden Aspekte sind kritisch zu bedenken. Die historische Erfassung des »Bußkampfs« hat unterschiedliche Facetten. Markus Matthias überschreibt in einer Studie über »Bekehrung und Wiedergeburt« einen Abschnitt mit »Bußkampftheologie«. Damit verbindet er in historischer Logik einen zweiten Abschnitt zur »Frage nach der Datierbarkeit der Bekehrung«.434 Der Autor zeigt an Beispielen, wo der Pietist August Hermann 433 Lutherisches Kirchenamt/Kirchenkanzlei der Ev.-methodistischen Kirche (Hg.), Vom Dialog zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Dokumentation der Lehrgespräche, Hannover/Stuttgart 1987, 23. 434 Markus Matthias, Bekehrung und Wiedergeburt (wie Anm. 26), 49–79.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Francke einen Bußkampf fordert. Ein überzeugendes Beispiel ist eine Predigt aus dem Jahr 1695. Darin entwickelte Francke sechs »Stufen«. Die erste geht von einem »Angst-Kampff« aus, dem als Mitte des Weges der »Buß-Kampff« folgt, und dessen Ziel die Bitte um den Heiligen Geist ist. Vorher hatte Markus Matthias schon erklärt, was er später nachweist, dass nämlich »das traditionelle Bild korrekturbedürftig [sei], weil es weniger Ergebnis wissenschaftlicher Forschung als einer gegen den halleschen Pietismus gerichteten Polemik ist.«435 Für die Übertragung dieser Vorstellungen auf die methodistische Mission ist es unerheblich, ob die Vorwürfe an Francke wissenschaftlicher Überprüfung standhalten. Ob wissenschaftlich bestätigt oder nicht, die polemische Übertragung dieser Vorstellung auf die Arbeit der Methodisten hat ihre Früchte getragen. Im Pietismus zielte die Bekehrung auf die Erneuerung jener Kirche, wie sie sich unter den politischen Bedingungen des 16. Jahrhunderts gestalten lassen musste. Auch die Überlebenden des Dreißigjährigen Krieges wurden in ihrer konfessionellen Identität noch patriarchalisch, d. h. ohne eigene Entscheidung von oben herab bestimmt. Es waren die Herrscher, denen das Recht zustand, ihre persönliche Bekenntnisfestlegung auf ihre Untertanen ohne deren ausdrückliche Zustimmung in eine Art Landeskonfession einzubinden. Diese gesetzlich festgelegte Praxis begründete im Protestantismus eine Kirchenkultur, die sich in der Frage, wie die Kirche zu gestalten sei, vom grundlegenden sola scriptura deutlich entfernt hatte. Kein Wunder, dass Philipp Jacob Spener (1635–1705) in seiner Schrift »Pia Desideria« die »Besserung der Kirche« einleiten wollte. John Wesley wollte das in England auch, bezog aber in seine Reformvorstellung über die Kirche hinaus ausdrücklich das ganze Land ein. Die 1784 in Amerika folgende Kirchenbildung schuf durch die politischen Umstände eine völlig neue Ausgangslage. Dort wurde die Religionsfreiheit mit ihren persönlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen zur Grundlage für die Entstehung einer der europäischen geradezu entgegengesetzten Kirchenkultur. Sie erforderte in der Aufnahme zeitgenössischer philosophischer Entwicklungen und religiöser Erweckungserfahrungen einen Weg zur Kirchenbildung von unten. Das hieß auch, dass jeder Bewohner des Landes die ihm im Evangelium angebotene Einladung, den Glauben anzunehmen oder ablehnen selber annehmen oder ablehnen konnte. Die Würde jeder einzelnen Person wurde dadurch respektiert, dass Männer wie Frauen sich individuell für eine kirchliche Mitgliedschaft in einer Kirchengemeinschaft ihrer Wahl entscheiden konnten, ja, wenn sie Kirchenglieder sein wollten, es sogar mussten. Sie hatten die gleiche Freiheit, auf eine Kirchengliedschaft zu verzichten. Persönlich getroffene Entscheidungen waren die Voraussetzung dafür, dass es überhaupt zur Bildung christlicher Gemeinden und verfasster Kirchenkörperschaften kommen konnte. 435 Ebd., 58.

Einführung: Das Aufeinandertreffen von zwei Kirchenkulturen

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Dies wiederum setzte eine Frage frei, die sich in der europäischen Kirchenkultur wenn überhaupt, dann ganz anders stellte: »Welche Voraussetzungen sind für eine Kirchengliedschaft unverzichtbar?« Die Antworten waren unterschiedlich. Bei den entstehenden Einwanderer-Kirchen mit europäischen Wurzeln reichte die Zuwendung Gottes in der Taufe mit der späteren Bestätigung durch die Konfirmation. Unter dieser Voraussetzung konnten Lutheraner, Reformierte und Unierte manche ihrer früheren Kirchenglieder in Amerika neu sammeln und unter ungewohnten Bedingungen und mit großen Schwierigkeiten436 Gemeinden organisieren. Methodisten bildeten in Fortführung der wesleyanischen Erweckungstheologie Gemeinden aus allen, die sie durch ihre Mission erreichen und den Weg zur Nachfolge Christi weisen konnten, darunter waren zahlreiche eingewanderte Lutheraner, Reformierte und auch Katholiken. Es lag nicht in ihrer Absicht »reine Gemeinden« zu bilden, wie ihnen Kritiker aus ihrer europäischen Sicht flächendeckender Kirchen oft vorgeworfen haben. Aber ihnen war klar und sie wurden durch das Verhalten eines Teils der Einwanderer darin bestätigt: auch Getaufte brauchen – wie in England – in der Regel eine missionarische Ansprache, um in eigener Entscheidung die Einladung in die Nachfolge Christi anzunehmen. Das hieß, die Erweckungs- und Bekehrungspredigt hatte eine zentrale Rolle nicht zur nach innen gerichteten, »Besserung« einer fest organisierten Konfession, sondern zum Aufbau der Kirche die sich als Denomination mit aktiven und lebendigen Gemeinden verstand. Nach Gemeinden mit Glaubenden und Suchenden sehnten sich unter den deutschen Auswanderern besonders solche, die einen pietistischen Hintergrund hatten. Aber die Methodisten in den USA in ihrer missionarischen Ausrichtung gewannen auch zahlreiche andere, die lange Zeit dem Glauben gleichgültig, teils auch kritisch und ablehnend gegenüber gestanden hatten. Dafür sind Wilhelm Nast, Ludwig S. Jacoby und Friedrich Schlümbach eindrucksvolle Beispiele. Gewinnung, Erweckung und Wiedergeburt, diese als Bekehrung erlebt, hatten im Pietismus und im Methodismus unterschiedliche Bedingungen und Kontexte. Es konnte nicht anders sein, als das die je eigenen kirchenkulturellen Umstände in der Entwicklung von kirchenrechtlichen Ordnungen und in liturgischen Gestaltungen für die Aufnahme in die »volle« Kirchengliedschaft verschiedene Wege entwickelten, die jeweils bestimmt und abhängig von Akzenten ihres gemeinsamen theologischen Selbstverständnisses waren. Gesellschaftliche Entwicklungen und wechselnde theologische Schulen führten im Laufe einer langen Geschichte in den europäischen Kirchentümern zu erheblichen Wand-

436 Heinrich Melchior Mühlenbergs »Korrespondenz« in 679 Briefen von ihm und an ihn zwischen 1740 und 1776 vermittelt einen Einblick. In: Die Korrespondenz Heinrich Melchior Mühlenbergs. Hrgg. von Kurt Aland in 4 Bänden, Berlin 1986–1993.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

lungen.437 Traditionell wird Martin Bucer (1491–1551) ein langfristiger Einfluss zugeschrieben, der in Hessen die Konfirmation einführte, die zur Taufbestätigung weiterentwickelt wurde. Die theologische und praktische Konsequenz war, dass die Konfirmierten damit volle Kirchenglieder waren, was hier bis weit ins 20. Jahrhundert hinein die Voraussetzung zur Teilnahme am Abendmahl war. Die von Europa abgewandte Kirchenkultur entwickelte notwendigerweise ›Neue Methoden‹, auch zur Gewinnung von Ungläubigen für den Glauben. Im Amerika des 19. Jahrhunderts waren es die sog. ›New Measures‹. Die methodistischen Kirchen haben sie in dieser Zeit des Umbruchs aufgegriffen. Sie korrespondierten mit ihrem missionarischen Ansatz und erwiesen sich in der Praxis als erfolgreich. Bei allem Wechsel hielten die Methodisten an der Taufe von Kindern fest. Im Alter zwischen 12 und 14 Jahren besuchten sie einen »Religionsunterricht« und wurden mit einem Katechismus in theologischen Fragen unterwiesen. Am Ende des Unterrichts stand aber in der Regel nicht die »Konfirmation« als Bestätigung der Taufe, die traditionell durch ein Glaubensbekenntnis erfolgte und damit die Aufnahme in die volle Kirchengliedschaft begründete. In einem »Einsegnungs-Gottesdienst« wurden bei den Methodisten der Abschluss und die Entlassung aus dem kirchlichen Unterricht feierlich begangen. Über einen längeren Zeitraum hinweg wurden die aus der Unterweisung Entlassenen »Probemitglieder«. Das war ein Katechumenenstand, in den nicht nur die »Kirchenkinder« aufgenommen wurden, sondern auch solche, die im 19. Jahrhundert oft spontan und unvorbereitet nach Erweckungs-Versammlungen in eine Beziehung zur Kirche zu treten wünschten. Für solche begann damit die Unterweisung und Eingliederung in die Gemeinde, um sie nach sechs monatiger »Probegliedschaft« in die »volle Verbindung« aufzunehmen. Solche, die in einer Evangelisationsversammlung einen übereilten Schritt getan hatten und sich danach an der Vorbereitung zur Gliedschaft und am Gemeindeleben nicht beteiligten, wurden ohne ein Verfahren gestrichen. Das war möglich, weil sie durch die Aufnahme auf Probe noch keine diesbezüglichen kirchlichen Rechte erlangt hatten. Natürlich war die Teilnahme an allen öffentlichen Veranstaltungen einschließlich der Abendmahlsfeiern trotzdem möglich. Die Aufnahme in die »volle Verbindung« der Kirche entsprach theologisch der »Konfirmation«, weil mit dem gottesdienstlichen Aufnahmeakt auch das persönliche Bekenntnis zur früher vollzogenen Taufe verbunden war. Diese Art der »Konfirmation« als Aufnahme in die Kirche war also nicht altersbezogen, sondern Glaubens-orientiert.438

437 Karl Dienst, Konfirmation I. In: TRE Bd. 19 (1990), 437–445. 438 Dies war eine Praxis, die auch Johann Hinrich Wichern auf einem Kirchentag in Stuttgart angeregt hat.

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In Deutschland wollte Spener die Erneuerung zunächst über den Weg der Gruppenbildung als ›Collegia pietatis‹, später vermehrt durch Predigten in traditionellen Gottesdiensten und durch seine Veröffentlichungen erreichen. Die englischen Methodisten suchten von Anfang an die Öffentlichkeit, predigten auf Plätzen und Straßen, in Fabrikhallen und vor Bergwerken. In Amerika fand innerhalb der Gesellschaft, welche durch die »Großen Erweckungen«439 religiös geprägt war, der Weg in die Öffentlichkeit in Formen statt, welche konfessionsbewusste Europäer, wie Friedrich Wyneken und Wilhelm Löhe (1808–1872) schockierten. Die mehrtägigen Camp Meetings, von den Deutschen »LagerVersammlung« genannt, waren größere Zusammenkünfte an Orten, die nicht geeignet waren, feierliche Gottesdienste mit gesungener Liturgie in Festgewändern und einer andächtig versammelten Gemeinde zu feiern. Dort kamen Leute zusammen, die spezielle Erfahrungen mitbrachten, auch von Flucht oder Ausweisung, von Lebensgefahr auf dem Segelschiff, von gestohlenem Hab und Gut bei der Ankunft im Hafen diesseits des Ozeans, vom Verlust der Heimat und der Sippe, die man verlassen musste, weil der kleine Hof nicht alle ernähren konnte. Die robuste Art der Predigten hat sich gewiss von der Lüneburger Predigt August Hermann Franckes, in der er das Thema Bekehrung behandelte, unterschieden. Aber für manche hartgesottenen Hörer, die zur Teilnahme an einem Camp Meeting keine Kirchenschwelle mehr übertreten und sich nicht erst um bürgerliche Kleidung kümmern mussten, ist es ein Ort gewesen, an dem sie – oft ohne es selber zu wissen – Hilfe suchten. Vielleicht war gerade diese Atmosphäre nötig, um den unangenehm empfundenen Weg zur »Bußbank«, die eigentlich ein »Betaltar« war, auf sich zu nehmen. Wer vermag zu sagen, wie vielen Verunsicherten dieser ›Betaltar‹ zu einem Ort beginnender Heilung als einer ganzheitlich therapeutischen Erfahrung an Seele und Leib geworden ist, die einen grundlegenden Neuanfang im Leben durch den Glauben bewirkt hat und der in der heilsamen Gemeinschaft einer überschaubaren, betenden Gemeinde fortgesetzt werden konnte. Die anspruchsvolle Bezeichnung ›Betaltar‹ hat durchaus eine inhaltliche Beziehung zum sog. »Bußkampf«. Der Altar war im Alten Testament ein Ort der Erscheinung Gottes und des Opferns. Entsprechend war der ›Betaltar‹ ein Ort, an dem es zu Gottesbegegnungen kam, deren Folge die hingebende Antwort des eigenen Lebens wie ein Opfer an Gott sein konnte. Das klingt sehr anspruchsvoll. So war aber Bekehrung als totale Hinwendung zu Gott, besser Wiedergeburt als völlige Erneuerung gemeint, die aus Gnaden möglich waren. 439 1735–1745 die koloniale »Große Erweckung« durch den reisenden englischen Evangelisten George Whitefield und den amerikanischen Theologen Jonathan Edwards. In den Jahren ab 1790 gaben hauptsächlich Methodisten und Baptisten den Impuls für die »Zweite Große Erweckung« in der amerikanischen Kirchengeschichte. Noll, Christentum in Nordamerika (wie Anm. 109), 262.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Wenn in Deutschland entstehende methodistische Gemeinden im 19. Jahrhundert sich eine Kapelle – »Kirchen« durften sie nach gesetzlichen Vorschriften als »Sekten« nicht bauen – schufen, war die Gestaltung und Ausstattung ganz von diesem missions-theologischen Ansatz bestimmt. Das wird an anderer Stelle noch ausgeführt werden. Als die methodistischen Missionare nach Deutschland kamen, hat sich der geographische Raum ihrer aus Amerika gewohnten Praxis in einen völlig anderen Kontext verschoben. Deutsche Theologen, Journalisten und Reisebuchautoren erlebten in Amerika eine Art Kirchenkulturschock. Sie waren Gottesdienste in vormals katholischen Kirchengebäuden und Domen mit Predigern im Talar, die ihre Liturgie singen konnten und ihre Predigten mit wohlgesetzten Worten ablasen, gewohnt. Und in die sakralen Gebäude kamen die Zuhörer fein gekleidet im Sonntagsstaat, den Zylinder in der einen Hand und den Gehstock in der anderen, in den Gottesdienst, um den schon von den Vorfahren übernommenen und immer wieder neu gemieteten Kirchenplatz in bürgerlicher Würde einzunehmen. Nach einer Stunde ertönte das Postludium von der Orgelempore, die Glocken läuteten und die Gottesdienstbesucher verließen, diesem und jenem freundlich zunickend, die im Winter oft kalte Kirche. Was für ein Schock musste es sein, wenn Besucher aus Europa die im Werden ringende Kirche in einem Wald erlebten, wo der fuchtelnde Prediger auf der provisorisch gezimmerten Kanzel stand und die Gemeinde beim Singen anfeuerte und danach seine ganze Lautstärke aufbot, um die ihm so wichtige Botschaft den Hörern nahezubringen. Das war nicht immer einfach, denn die Teilnehmer aus den umliegenden Ansiedlungen, Dorfschaften und Städten, in denen es noch kaum Kirchengebäude gab, trafen dort Freunde aus der Heimat wieder. Es gab viel zu erzählen über die neuen Nachrichten aus den letzten Briefen und natürlich auch über die familiären und beruflichen Entwicklungen unter den ungewohnten Bedingungen. Monique Scheer, eine Kennerin der amerikanischen Szene, schrieb als Kulturwissenschaftlerin über die Camp Meetings, dass in den noch dünn besiedelten Regionen nicht nur kirchliche Aktivitäten dieses Zusammenkommen bestimmten. »Die Lagerversammlung war [auch] Treffpunkt für Geschäfte, für den Heiratsmarkt, für Geselligkeit.«440 Reisebericht-Autoren haben für deutsche Leser solche Campmeetings nicht selten an ihrem heimatlichen Maßstab gemessen und sich wenig in die radikal anderen Umstände eingefühlt. Solche Veröffentlichungen haben besonders Leser, deren Angehörige nach Amerika ausgewandert waren, mit Sorge erfüllt, besonders wenn sie von Kindern oder Geschwistern wussten, dass sie sich einer 440 Monique Scheer, Empfundener Glaube. Die kulturelle Praxis religiöser Emotionen im deutschen Methodismus des 19. Jahrhunderts [diesseits und jenseits des Ozeans]. In: Zeitschrift für Volkskunde. 105. Jg. (2009) Heft 2, 185–213 (hier : 204).

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methodistischen Gemeinde angeschlossen hatten. Begeisterte Briefe und manche literarischen Berichte widersprachen sich erheblich. Aber das war nicht immer so. Manche Briefe, die von Amerika kamen, erregten im ganzen Dorf Aufmerksamkeit. Es gab auch Pfarrer, die sie von der Kanzel verlesen haben.441 Die Erfahrungen der aus Amerika um 1850 nach Europa kommenden Missionare unterschieden sich in anderer Hinsicht nicht sehr von dem, was Europäer in Amerikas Kirchen erlebten. Sie erlitten einen ähnlichen Kulturschock und sehnten sich nicht selten ins freie Amerika zurück. Das Land, in das sie hier kamen, war von völlig anderen Bedingungen geprägt; politische, kulturelle Traditionen und vor allem kirchliche Gewohnheiten waren tief eingewurzelt. Das Hauptziel der aus Amerika kommenden Missionare war, landeskirchlichen Kirchengemeinden zu vermitteln, wie sie in Amerika als Gemeinden ›vital religion‹, man kann sagen ›lebendigen Glauben‹ als missionierende Gemeinden gemeinsam praktizierten, wie sie nach demokratischen Grundsätzen Gemeindedienste unter der Mitarbeit möglichst Vieler organisierten, wie sie der geistlichen Mitverantwortung von Laien bis hin zur Gottesdienstleitung und Predigt Raum gaben und wie sie sich selber als missionierende Gemeinden verstanden. Was durch Robert Pearsall Smith 1875 und ein knappes Jahrzehnt später durch Friedrich von Schlümbach442 von Amerika nach Deutschland an Formen einladender Veranstaltungsreihen herüber wirkte und teils zustimmende teils kritische Beachtung fand, hatten die methodistischen Missionare im Kleinformat, wenn auch längst nicht so perfekt durchorganisiert, seit den 60er Jahren praktiziert. Sie nannten diese Veranstaltungen, in denen sie zu einem bewussten Schritt in die Nachfolge Christi eingeladen haben, »anhaltende Versammlungen«. Die Formulierung meint, wenn eine Predigt Herzen und Sinne erreicht, sie vielleicht geistlich angeregt und fragend gemacht oder erweckt hatte, dann blieb der ›Missionar‹ und verkündigte »anhaltend« an den folgenden Abenden Wege zum Heil. An manchem ›Betaltar‹ bekehrten sich Menschen, die sich den methodistischen Kirchen als Mitglieder anschlossen. Waren die geschenkten Bekehrungen Folgen von Bußkämpfen? War ein pietistischer tiefer Bußkampf wirklich eine Bestätigung für die Echtheit einer Bekehrung? War es notwendig, Ort und Zeit der Bekehrung anzugeben? Ja, war es überhaupt erwartet, die eigene Bekehrung punktuell zu erleben? Alle diese Fragen haben methodistische Dogmatiker, Homiletiker und Pastoren in Deutschland und der Schweiz empört zurückgewiesen. 441 Karl Heinz Voigt, Dietrich Conrad Smith – Methodist, Veteran, Congressman, Banker, EmK-Geschichte 2018/2 (39. Jg.), 47–50. Leider steht die Briefforschung aus kirchlicher Sicht noch ganz am Anfang, obwohl einige Universitäten inzwischen über umfangreiche Briefsammlungen verfügen. 442 Voigt, Heiligungsbewegung (wie Anm. 65), 13–38. – Hahn-Bruckart, Friedrich von Schlümbach (wie Anm. 352), 242–337.

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Trotzdem scheint es, als wäre die Langzeitwirkung früherer Polemiken so nachhaltig, dass im Pietismus polemisch verwendete Worte inzwischen ihren Platz selbst in Publikationen methodistischer Autoren gefunden haben. Im Zusammenhang der Skizzierung biographischer Aspekte von Wilhelm Nast, dem Patriarchen des deutschensprachigen Zweiges der bischöflich-methodistischen Kirche in Amerika, schrieb Christoph Raedel (*1971) zum Beispiel: »Nach mehrjährigem intensiven Bußkampf und verzweifelter Suche nach ›wahrer Ruhe‹ für seine Seele erlangte er am 18. Januar 1835 während einer methodistischen Abendmahlsfeier in Danville (Ohio) die Gewißheit eines lebendigen Glaubens und schloß sich der Methodistenkirche an.«443 »Bußkampf« ist hier wirklich keine treffende Charakterisierung für den langen Irrweg, den Nast zur befreienden Heilserfahrung gegangen ist. Nast kann man eher als einen an sich selbst verzweifelten Gottsucher bezeichnen, der Niedergeschlagenheit kannte. Aber einen Bußkampf hat er nicht geführt, vielmehr um inneren Frieden gerungen.444 Ein anderes Beispiel ist durch den methodistischen Theologen Friedemann Burkhardt veranlasst. Er hat eine im Detail gründliche Dissertation über »die Anfänge des Methodismus in Deutschland« vorgelegt, die sich intensiv mit dem Initiator der »Wesleyanischen Methodistengemeinschaft« Christoph Gottlob Müller (1785–1858) befasst. Darin schreibt er u. a., es habe Müller beim Lesen eines Artikels, auf den er in Württembergs einflussreicher pietistischer Wochenzeitschrift ›Der Christenbote‹ gestoßen war, »fast die Sprache verschlagen« als er dort über die Methodisten las: kennzeichnend sei für sie die »Lehre vom Bußkampf, von der Wiedergeburt längstens innerhalb von drey Tagen, von dem plötzlichen Eintreten und einer wunderbaren, übernatürlichen Versicherung der Begnadigung.«445 Müllers Reaktion zeigte, schrieb Burkhardt, dass ihm »die Lehre vom Bußkampf« in der von ihm geführten methodistischen Gemeinschaft fremd war. Als Müller allerdings »Zwölf Nachrufe« von Mitgliedern seiner Gemeinschaften verfasste, interpretiert nun Burkhardt: »Die Bekehrung ist meist als anstrengender Bußkampf berichtet mit tiefgehendsten Zerbruchserfahrungen«. Und dazu erläutert er : »Den biblischen Hintergrund für den Bußkampf sah C. G. Müller in der Erzählung von Jakobs Kampf am Jabbok (Genesis 32, 23–33).«446 Dieses ist ein eigenartiger Zwiespalt. In derselben Studie hat Burkhardt die Begriffswelt Müllers anhand von siebzig Briefen 443 Christoph Raedel, Methodistische Theologie im 19. Jahrhundert. Der deutschsprachige Zweig der Bischöflichen Methodistenkirche, KKR Bd. 47, Göttingen 2004, 14. 444 Einen autobiographischen Bericht Nasts über diese Phase seines Lebens hat Friedrich Wunderlich in seine kurze Nast-Biographie eingestreut. In: Wunderlich, Brückenbauer Gottes, Frankfurt/M., 1963, 11–44. 445 O. V., Über Pietisten und Methodisten. In: Der Christenbote II, 1832/18, 78f. Zit. n. Burkhardt, C. G. Müller (wie Anm. 312), 218. 446 Burkhardt, C. G. Müller (wie Anm. 312), 268.

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untersucht, in denen er über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten über seine Arbeit nach London berichtet hatte. Unter 35 erhobenen Begriffen kommt in dieser Briefanalyse der Begriff Buße gar nicht vor. Am nächsten kommt dem der Begriff Reue. Der wird an sechs Stellen erwähnt, er liegt aber statistisch gesehen weit hinter Gebet (49mal), Sünde (36mal), Bekehrung (20mal), Gnade (18mal) und anderen Begriffen nach der Zählung des Autors erst an 17. Stelle.447 Es scheint, als sei beiden Autoren nicht bewusst gewesen, wie eindeutig der Begriff »Bußkampf« durch bestimmte Inhalte als Bestandteil der pietistischen und antipietistischen Literatur besetzt war. Es ist von Systematikern zu erhärten, dass diese Art von pietistischem »Bußkampf«, mit methodistischer Theologie unvereinbar ist. Allein die Bedeutung der geistgewirkten »vorlaufenden Gnade« und die Erfahrungen plötzlicher, überraschender Bekehrungen sind zu bedenken. Auch lässt sich in methodistischer Theologie und Praxis »[D]ie Erfahrung der Wirklichkeit der Bekehrung« nicht »am ehesten an der Tiefe der Buße festmachen«,448 sondern an den sichtbaren Wirkungen in Verbindung mit den Gnadenmitteln und Werken der Liebe, um die jeder Methodist durch die »Allgemeinen Regeln« (General Rules) wusste. Im 19. Jahrhundert wurden diese Grundregeln jedem, der vor seiner Kirchengliedschaft in eine »Klasse« aufgenommenen wurde, ausgehändigt und in Gemeindeversammlungen wurden sie jährlich verlesen. Ich wiederhole: Diese »Allgemeinen Regeln« sind eine von John Wesley sehr früh formulierte kurze Anleitung zu einem Leben in der Nachfolge Christi und in christlicher Gemeinschaft. Sie sind ein Grunddokument methodistischer Ethik das, wie Burkhardt in seiner neusten Studie gezeigt hat, in der Gestaltung der methodistischen Gemeinschaften eine zentrale Rolle.449 Indem methodistische Autoren sich der Begrifflichkeit des Pietismus zur Beschreibung eines Aspekts der Geschichte ihrer Kirchen bedienen, bestätigen sie nicht nur die falsch darstellenden Autoren, sondern verlängern noch deren Wirkung. Die bereits erwähnte Monique Scheer baut eine ihrer 2009 veröffentlichen Überlegungen auf den Darlegungen Burkhardts auf450 und ein anonymer Autor in der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹ folgerte daraus im selben Jahr, der Bußkampf sei »Mitte des methodistischen Glaubenslebens.«451 447 Ebd., 265. 448 Matthias, Bekehrung (wie Anm. 45), 25 Verweise im Register unter ›Allgemeine Regeln‹. 449 Burkhardt, (1) C. G. Müller (wie Anm. 312). (2) Jetzt auch in: ders., Erneuerung der Kirche. Impulse von Martin Luther und John Wesley für die Gemeindeentwicklung, Leipzig 2019, 51–76. 450 Scheer, Empfundener Glaube. (wie Anm. 440), 200–203. 451 Methodismus und moderne Ekstasetechnik. Die Einführung außerkirchlicher [!] Gottesdienste im neunzehnten Jahrhundert. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Okt. 2009.

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3.1

Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Probleme unterschiedlicher kirchenkultureller Kontexte

Die folgenden Abschnitte dieses Kapitels konzentrieren die Probleme der zwischenkirchlichen Begegnungen im 19. Jahrhundert zwischen dem deutschen Landeskirchentum und den methodistischen Missionen speziell auf das allgemein wenig beachtete Aufeinandertreffen dieser Kirchenkulturen in theologischen und rechtlichen Fragen. Damit werden die in den nachfolgenden Abschnitten dargelegten zwischenkirchlichen Vorgänge im 19. Jahrhundert in einen größeren geschichtlichen Rahmen eingeordnet. Wie es den deutschen Kirchen in Amerika erging, ist bereits am Beispiel von Friedrich Wyneken aufgezeigt. Gerade seine extrem konfessionalistische Einstellung lässt den kirchlich-kulturellen Schock umso deutlicher hervortreten. Im Folgenden geht es ausführlich um eine Art Gegenbild. Die in ihrem Selbstverständnis ökumenisch und missionarisch geprägten Methodisten erlebten den Kulturschock bei der Rückkehr in ihr Geburtsland, das nicht mehr ihre Heimat war. Obwohl sie die gleiche Sprache sprachen, wurden sie in ihrem Anliegen nicht verstanden. Und es ging ihnen selber genauso: sie verstanden die Gestalt dieser Kirche und ihre Bedingungen nicht. Für dieses gegenseitige Unverständnis bietet sich über den Begriff der Kirchenkulturen ein Schlüssel zum Verständnis des weitgehend missratenen Aufeinandertreffens an. Ein Kernpunkt der unterschiedlichen Kirchenkulturen war die Gestalt der Kirche. Deren Organisationsform in Europa war, ganz im ursprünglichen Sinn der Reformation, die Weiterführung vorreformatorischer kirchlicher Lokal- und Landesstrukturen, die mit konfessionellen Monopolstellungen in geographischen Regionen verbunden waren. Das schloss natürlich eine ganze Reihe von Konsequenzen in sich. Dazu gehörte auch der von protestantischen Herrschern halbwegs übernommene und weitergeführte Status der früheren Fürstbischöfe. Die führenden protestantischen Theologen in Wittenberg hatten sich zur politischen Absicherung der Reformation mit der Abgabe von Aufsichtsrechten über die entstehenden protestantischen Kirchen mit dieser »notbischöflichen«, allerdings nur vorübergehend gedachten Lösung, einverstanden erklärt. Sie begründeten das mit der evangelischen Vorstellung des allgemeinen Priestertums und sahen in den Herrschern die »vornehmsten Laien«, denen sie dieses Recht zubilligten. Obwohl Freiheit ein zentrales Thema der Reformation war, ist auch im Protestantismus außer der inneren Freiheit die soziale Freiheit weder innerhalb der verfassten Kirche noch für die Kirchenglieder in der Beziehung zu ihr kaum wirksam geworden. Dagegen war die Grundlage für jene Kirchenkultur, von der die methodistischen Missionsprediger geprägt waren und die sie konkret erlebt hatten, auf der Basis der individuellen Glaubens- und Gewissenfreiheit entstanden. Sie war in weiter, gesellschaftsbezogener Dimension von philosophischen Denkern vor-

Zur Vorgeschichte in Amerika

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gedacht, und vom Einsatz mutiger Menschen politisch und gestaltend umgesetzt worden. Infolge der gesellschaftlichen Erneuerungen wuchs den Kirchen jenseits des Ozeans eine ungekannte Freiheit zu, die manchen Europäern für lange Zeit fast unheimlich vorkam. Neu entstehende kirchliche Körperschaften entwickelten sich politisch ungehemmt wie auf einem freien Feld; die methodistischen seit 1784 und 1800. Das gesellschaftliche Umfeld machte es nötig und möglich, dass sie ihre Ordnungen nicht nur selber formulierten, sondern sie auch ohne Zustimmung des Staates in Kraft setzten. Die gesellschaftliche Situation schuf die Voraussetzung zur Bildung von Gemeinden, die demokratische Elemente in die formalen Gestaltungen ihrer kirchlichen Lebensordnungen aufnahmen. Kirchen, die nicht an der Vergangenheit orientiert waren oder gar Deutschtum in der Ferne sichern wollten, wie manche aus Deutschland gekommenen konfessionell oder landsmannschaftlich geprägte Verbände, sondern sich in die amerikanische Gesellschaft integrieren wollten, gestalteten auch die innerkirchlichen Ordnungen nach den neuen gesellschaftlichen Vorbildern aus. Sie wollten in einem demokratischen Staat keine Fremdkörper sein. So erlebten sie in dem weiten Land ein offenes Missionsfeld, in dem sie ungehemmt tun konnten, wozu sie sich berufen wussten.

3.2

Zur Vorgeschichte in Amerika

Drei methodistische Kirchen, die aus Amerika nach Deutschland herüber wirkten, die Evangelische Gemeinschaft, die Bischöfliche Methodistenkirche und die Kirche der Vereinigten Brüder, hatten in ihrer dortigen deutschsprachigen Arbeit ihre jeweils eigene Geschichte.

3.2.1 Die Evangelische Gemeinschaft Die spätere Evangelische Gemeinschaft datiert ihren Anfang auf das Jahr 1800. Er erfolgte von Pennsylvanien aus. Dieser ungewöhnliche, durch den Quäker William Penn (1644–1718) begründete Staat war konfessionell gesehen zu keiner Zeit mit einem kontinentaleuropäischen Land vergleichbar. Er bot Asyl für jene, denen die europäische Gesetzgebung für eine kirchliche Existenz keinen Raum ließ. Das wirkte sich am Anfang des 19. Jahrhunderts auch auf die Evangelischen Gemeinschaft aus. Unter dem Einfluss eines reformierten Predigers kam der Lutheraner Jacob Albrecht, der einen strengen pietistischen Bußkampf durch-

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

litten hatte, zur »Erfahrung der Rechtfertigungs-Gnade«452 und fand danach in einer methodistischen Klasse eine ihn prägende geistliche Gemeinschaft. Die Folge war, dass er sich der Methodistenkirche anschloss. Typisch wie vielen neu zum Glauben Gekommenen drängte es ihn, die Freude über das Glück seiner empfangenen Gnade anderen mitzuteilen. In immer weitergreifenden Ausritten suchte der Ziegelbrenner um seines Glaubenszeugnisses willen deutsche Ansiedlungen auf. Seine Zuhörer, die ›Pennsylvania Germans‹, waren Lutheraner, Reformierte, Mennoniten, Täufer, Quäker, Hugenotten aus dem Elsass, auch ausgewiesene Schwenkfelder und Herrnhuter. Darunter befanden sich in pietistischer Tradition lebende Christen, die weniger an eine kirchliche Bindung und verbindliche Gemeine als an persönliche Frömmigkeit dachten. In diesen Zusammenhängen ist es von Interesse, die Frühgeschichte der Evangelischen Gemeinschaft im Blick auf die Identitätsbildung zu beobachten. Zuerst wurden die Anhänger des predigenden Laien kurz und schlicht »Albrechtsbrüder«, teilweise »Albrechtsleute« genannt. Als es zu ersten organisatorischen Ansätzen kam, ermutigte Albrecht auch andere zur Predigt. Daraus entstanden nach Art der methodistischen Praxis Klassen. Auch alles andere organisierte Albrecht nach methodistischem Vorbild. Deren klare, missionarisch ausgerichtete Ordnung hatte ihn überzeugt und die einseitige Zielstrebigkeit scheint seiner Mentalität entsprochen zu haben. Am 5. Nov. 1803 wurde Albrecht im Kreis seiner Mitarbeiter ordiniert. Er sollte berechtigt sein, Abendmahlsfeiern zu leiten und zu taufen. Es war typisch, dass diese von der Tradition her gemischte Gemeinschaft ihm eine Urkunde ausstellte, welche die Ordination als »von den Ältesten und Brüdern seiner Gesellschaft der Evangelischen Freunde« vorgenommen war.453 Eine solche »Gesellschaft« schien Albrecht zu wenig zu sein. Als er 1807 im Rahmen der ersten ›Konferenz‹-Tagung einen Predigterlaubnisschein – wieder nach methodistischem Vorbild – für Johannes Dreisbach (1789–1876) unterzeichnete, tat er das »Auf Bevollmächtigung der Neuformirten Methodisten-Conferenz«.454 Das war weit mehr als eine »Gesellschaft der Evangelischen Freunde«. Nach Albrechts Tod wurde im Jahr 1809 die erste Kirchenordnung von George Miller wieder mit der früheren Bezeichnung als »Glaubenslehre und allgemeine Regeln christlicher Kirchen-Zucht 452 George Miller, Kurze Beschreibung der würkenden Gnade bey dem Erleuchteten evangelischen Prediger Jacob Albrecht, Reading 1811, 13. 453 Ammon Stapleton, Annals of the Evangelical Association of North America and History of the United Evangelical Church, Harrisburg 1900, 22. An dieser Konferenz nahmen teil: Jacob Albrecht, seine »Assistenten« John Walter und Abraham Liesser und die Brüder Jacob Phillips, George Miller, Carl Bissey, Conrad Philipps, John Brobst, Salomon W. Frederici, Chr. Brobst, George Phillips, Michael Brobst, Samuel Liesser, Peter Walter, Adam Miller, Jacob Riedy und Solomon Miller. 454 Text der Urkunde: Reuben Jäckel, Jakob Albrecht und seine Mitarbeiter, Stuttgart 1880, 71.

Zur Vorgeschichte in Amerika

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und Ordnung der sogenannten Albrechts-Leute« herausgegeben. Es scheint, als wollte die Gemeinschaft den von Albrecht eingeführten Namen »MethodistenConferenz« nicht akzeptieren. Nach mehr als einem Jahrzehnt Debatten um das kirchliche Selbstverständnis entschloss sich 1816 die Konferenz, den weit offenen Namen »Evangelische Gemeinschaft« anzunehmen. Untersuchungen der Herkunft der Delegierten dieser frühen Konferenz zeigen, dass sie oder ihre Eltern früher der lutherischen oder reformierten Kirche, mennonitischen Gemeinden in der Schweiz oder reformierten Gemeinden hugenottischer Tradition im Elsass angehörten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass zu den neuformierten Gemeinden auch frühere Herrnhuter, Schwenkfelder, Täufer und Quäker gehörten, wie sie in frühen Berichten erwähnt werden.

Die Diskussion um die Selbstbezeichnung Diese konfessionelle Mixtur muss man sich vor Augen halten, um zu verstehen: es ging um die Frage des Verständnisses von Kirche und Kirchenleitung. Reformierten ist die bischöfliche geleitete Kirche fremd, noch mehr widerstrebt sie den in autonomen Gemeinden lebenden Mennoniten, Lutheraner konnten sich damals schwer eine Vorstellung von einem bischöflichen Dienst machen, denn sie hatten in Deutschland mit dem Missverständnis leben müssen, als könne der Herrscher eines Landes zugleich bischöfliche Funktionen wahrnehmen. Man kann leicht den Gedanken nachvollziehen, dass die Delegierten der frühen Konferenzen mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen mit einer »neuformierten [bischöflichen] Methodisten-Conferenz« und deren Selbstverständnis Probleme hatten und sich eher auf den von allen akzeptierten, neutralen Namen »Evangelische Gemeinschaft« verständigen konnten. Er ließ es zu, eine Klammer für alle früheren Konfessionen zu sein und war neutral genug, auch alle Typen von pietistischer Frömmigkeit zu umfassen. Für die Zukunft war dieser Name auch offen genug, um sich mit anderen Gemeinschaften zu verbinden. Dies war schon damals mit der Kirche der »Vereinigten Brüder in Christo«, die auch eine erweckliche deutschsprachige Kirche war, erwogen worden. Abgesehen davon sollen die Anhänger Albrechts in den ersten Jahren einfach von »unserer Gemeinschaft« gesprochen haben.455 Albrechts eigene ursprüngliche Vorstellung war eindeutig: ihm schwebte bei allem Widerspruch die Übernahme der kirchlichen Ordnung der Methodist Episcopal Church vor. Er sei »ein methodistischer Mann«456 gewesen, schrieb der Historiker Reuben Jäckel. Nicht zufällig griff Albrecht, als er im Auftrag der 455 Reuben Jäckel, Geschichte der Evangelischen Gemeinschaft, Bd. 2, 1850–1875, Cleveland 1895, 190. 456 Ebd., 49.

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Konferenz die erste Kirchenordnung formulieren sollte, auf die deutschsprachige Ausgabe der Ordnung der »Bischöflich-Methodistischen Kirche« zurück, die auf Veranlassung von Bischof Asbury übersetzt und 1808 in Lancaster gedruckt worden war.457 Während der Arbeit an der Ordnung starb Albrecht. George Miller (1774–1816), den man als Albrechts Vertrauten bezeichnen kann, vollendete die begonnene Arbeit 1809 im Sinne Albrechts. Bei allen unterschiedlichen Vorstellungen ist diese der methodistischen ›Discipline‹ folgenden Ordnung für den zukünftigen Weg der Gemeinschaft als Kirche bestimmend geblieben.458 Dies schloss nicht aus, dass die Probleme um die Form der Kirchenleitung damit nicht abgeschlossen waren. Drei Beobachtungen bestätigen das: (1) Schon der Titel der angepassten Kirchenordnung vermittelt den Mitgliedern der Gemeinschaft ausdrücklich, dass sie »in Glaubens-Einigkeit [!] und züchtiger Befolgung solcher Regeln, nach dem Worte Gottes zu leben und zu wandeln« beschlossen wurde. Das geschah »Auf Anrathen der Aeltesten dieser evangelischen Gemeinde und Beystimmung ihrer Conferenz«.459 In »Eingang und Vorerinnerung an den geneigten Leser« der zweiten Auflage von 1817 ist ein längerer Abschnitt dem Thema »Kirchenregiment und Ordination« gewidmet. Er hat die Tendenz, diese Form als biblisch möglich und historisch praktiziert zu rechtfertigen. Die Passage schließt ab mit der Bemerkung »Und insonderheit die bischöfliche Regierungsform fand statt in dieser Gemeinschaft; so wird hoffentlich deswegen kein wahrer Christ einen Anstoß oder ein Aergerniß nehmen an dieser unserer Ordnung.«460 (2) Prediger George Miller, der Albrecht theologisch und geistlich nahestand, wurde von der Konferenz 1812 beauftragt, eine Studie über den in der Literatur kaum erwähnten Titel ›The episcopal plan of government‹ zu erarbeiten.461 Der Zeitpunkt und der Titel sind in diesem Zusammenhang bedenkenswert. Miller konnte aber Albrechts Vorstellungen nicht 457 »Discipline« wurde mit ›Lehre und Zuchtordnung der Bischöflich-methodistischen Kirche‹ aus dem Englischen übertragen. Auf Anrathen des Ehrw. Bischofs Asbury und der Philadelphischen Conferenz, unter der Anweisung von Henrich Böhm, zum Druck befördert, 1808 in Lancaster bey Henrich und Benjamin Grimler gedruckt. 458 Glaubenslehre und allgemeine Regeln christlicher Kirchen-Zucht und Ordnung der sogenannten Albrechts-Leute, als die Natur und der Zweck ihrer Vereinigung mit GOtt und unter einander beabsichtigt, um, durch die Gnade Gottes, ihr Seelenheil auszuschaffen, und, in Glaubens-Einigkeit und züchtiger Befolgung solcher Regeln, nach dem Worte Gottes zu leben und zu wandeln. Auf Anrathen der Aeltesten dieser evangelischen Gemeinde und Beystimmung ihrer Conferenz. Zum Druck befördert von George Miller. Reading, gedruckt bey Johann Ritter und Comp. für den Verfasser, 1809. 459 Ebd. – Leider liegt mir der Text der Einführung nicht vor. 460 Glaubenslehre und Kirchen-Zucht-Ordnung der Evangelischen Gemeinschaft, Nebst dem Zweck ihrer Vereinigung mit GOTT und untereinander, Neuberlin 1817, Eingang, 4. 461 Richard P. Heitzenrater, George Miller. In : American National Biographie Online, Feb. 2000.

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weiter verfolgen. Er verstarb am 5. April 1816 im Alter von 42 Jahren. Das Problem der Vorstellungen von der Leitung der Kirche mit Leuten aus unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Traditionen spiegelt auch die frühe Literatur. Schon Albrecht musste sich gegen »die sogenannten ›Unparteiischen‹, ›Allgemeinen‹, ›Freiheitsleute‹ [welche …] damals äußerliche Organisation und Kirchenordnung als ein ›knechtisches Joch‹« verwarfen, durchsetzen. Sie »widerstanden Albrecht an vielen Orten, eben deßhalb, weil er die Kirchenordnung befürwortete«, schrieb Jäckel.462 Eine Bemerkung George Millers über Albrecht weist in die gleiche Richtung als er schrieb: »Unter seinen Brüdern suchte er mit äußerster Bemühung eine geistliche Verbindung anzuknüpfen und zu erhalten.«463 (3) Die Frage nach der Form der Kirchenleitung bewegte die werdende Kirche noch Jahrzehnte. Jacob Albrecht war an der Konferenz im November 1807, ein halbes Jahr vor seinem Tod im Mai 1808, zum Bischof gewählt worden. Ob die Tagebucheintragung des Predigers John Dreisbach (1789–1871) schon andeutete, dass es keinen bischöflichen Nachfolger geben würde? Er schrieb: »Obwohl unser Bischof, welchen wir vor einem halben Jahr gewählt haben, von uns gegangen ist, haben wir einen unendlich größeren Bischof – den Hirten und Bischof unserer Seelen.«464 Die 1817 angenommene zweite Auflage der Kirchenordnung geht bei der Leitung der Konferenz und dem Vollzug von Ordinationen ganz selbstverständlich davon aus, dass dies bischöfliche Funktionen sind. Es wird aber auch immer geregelt, wie diese Aufgaben in dem Falle wahrgenommen werden, wenn kein Bischof anwesend ist. Im agendarischen Teil der Ordnung findet sich auch ein Formular »Ordinationsform eines Bischofs«.465 Angesichts dieser Regelung mutet es eigenartig an, dass John Seybert (1791– 1860) erst im Jahr 1839, also 31 Jahre nach dem Tod Albrechts, als nachfolgernder Bischof gewählt wurde. Dies bedeutet aber nicht, die Bischofsfrage sei nicht mehr diskutiert worden. Die Generalkonferenz 1830 unterzog die seit 1817 geltende Kirchenordnung einer Revision. Obwohl die Gemeinschaft zu dieser Zeit weder einen Bischof hatte, noch die Absicht bestand, einen zu wählen, wurden auch die Paragraphen, welche die Dienstzeit der Bischöfe betraf, auf zwei Vier-Jahrestermine begrenzt. Selbst nach der in diesem Zusammenhang vorgenommenen Veränderung des

462 Jäckel, Jakob (!) Albrecht (wie Anm. 454), 52. 463 Ebd., 86. Diese Frage aus der Frühgeschichte, aber auch die der Beziehungen der methodistischen Kirchen in Deutschland zueinander, bedarf noch genauerer Erforschung. 464 John Dreisbach, Journal, zit. n. Raymond W. Albright, A History of the Evangelical Church, Harrisburg, Pa., 1945, 83. Formuliert in Anlehnung an 1. Petr. 2, 25. Rückübersetzung aus dem Englischen ins Deutsche. 465 Glaubenslehre 1817 (wie Anm. 460), 84–94.

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Artikels, einen Bischof nicht zu »ordinieren«, sondern ihn zu »erwählen«466 und »einzusetzen«,467 kam es weder an der 1830er noch an den beiden folgenden Generalkonferenzen zu einer Bischofswahl. Erst 1839 wurde mit John Seybert wieder ein Bischof gewählt und eingesetzt. Diese knappe Übersicht verstärkt den Eindruck, dass es innerhalb der Gemeinschaft theologische Debatten um das Bischofsamt und das Selbstverständnis als Kirche gegeben hat. Vorstellungen in den eigenen Reihen können durch die Beobachtung kongregationalistischer Kirchenformen im Umfeld beeinflusst worden sein. Man wird die langfristige Bedeutung von Jacob Albrecht, der schon ganz früh um seine methodistische Einstellung kämpfen musste, und von George Miller, der Albrecht redlich unterstützt hatte, nicht überschätzen, wenn man am Ende die Durchsetzung des methodistischen Konzepts, unter der Aufsicht eines Bischofs missionarisch »Kirche zu sein«, auf sein frühes Engagement zurückführt. Als die Missionare der Evangelischen Gemeinschaft 1850 nach Deutschland kamen, war die Selbstbezeichnung eindeutig. In der neuen Umgebung stellte sich die Lage aber anders dar als in Amerika. In Württemberg, das in Deutschland reichlich zwei Jahrzehnte das Zentrum des Wirkens war, gab es innerhalb der evangelischen Landeskirche ganz unterschiedliche aus dem Pietismus erwachsene Gemeinschaften. Nun gesellte sich eine weitere Evangelische Gemeinschaft dazu, die keine »Privatandachten« und »Stunden« hielt, sondern ihre Sendung als öffentlichen Auftrag verstand. Die Staats- und die Kirchenbehörden wollten die weitgefasste Selbstbezeichnung »Evangelische Gemeinschaft« unzweideutig charakterisieren, vielleicht auch isolieren, denn durch sie kamen völlig neue Formen missionarisch ausgerichteter Arbeit ins Land. Es tauchte die frühere volkstümliche Bezeichnung »Albrechtsleute« immer wieder auf. Das wäre für die Missionare noch erträglich gewesen. Aber für das Stuttgarter Konsistorium waren die Boten der Evangelischen Gemeinschaft von Anfang an »Methodisten«. Genau von dieser Einordnung distanzierten sich die Missionare. Die Evangelische Gemeinschaft wollte nicht die Last der Vorurteile, die es gegenüber den Methodisten gab, auf ihre Schultern nehmen. Manche solcher Vorurteile wirkten aus Amerika herüber, andere fanden sich in polemischer Literatur und wieder andere Probleme ergaben sich aus dem bereits nahezu zwanzigjährigen Wirken der Wesleyaner im Königreich. Es waren nicht nur die Missionare der Evangelischen Gemeinschaft, die es ablehnten »Methodisten« genannt zu werden. Umgekehrt haben sich Vertreter der 466 Diese sprachlich Änderung von »ordiniert« zu »aufgenommen« hatte ein derartiges Gewicht, dass sie in Europa bis in die Vereinigungsverhandlungen der 1960er Jahre hinwirkte. 467 Glaubenslehre und allgemeine Regeln christlicher Kirchen-Zucht und Ordnung der sogenannten Albrechts-Leute. Dritte und verbesserte Auflage, Neu-Berlin, (Pa.), 1831, 37.

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methodistischen Kirche z. B. an einer Allianz-Konferenz in Basel empört, als württembergische Pfarrer eine Sondersitzung wegen der »Methodisten« durchsetzten. Der Anlass für ihre konkreten Vorwürfe war aber im Großraum Tübingen von der Evangelischen Gemeinschaft ausgelöst.468 Sie waren so heftig, dass es zu einem einige Tage andauernden Gerichtsprozess und Inhaftierungen von Krawallmachern kam. Die Presse berichtete über die Störung gottesdienstlicher Versammlungen der Evangelischen Gemeinschaft. Innerhalb der landeskirchlichen Pfarrerschaft hatte diese ungewöhnliche zwischenkirchliche Begegnung so tiefsitzende Empörung ausgelöst, dass sie auf einer internationalen Sitzung der Evangelischen Allianz zu einer Sondersitzung der aus Deutschland gekommenen Teilnehmer führte. Dass dieser ganze Vorgang mit den »Methodisten« verbunden wurde, passte diesen in keiner Weise. Später gab es aber auch Treffen der methodistischen Allianz im Raum Stuttgart von allen drei in Württemberg wirkenden Zweigen. Als Reaktion auf in den USA damals bereits geführte Vereinigunsgespräche war auf den Treffen in Württemberg das Thema Vereinigung ein Tabu.469

3.2.2 Die Bischöfliche Methodistenkirche – deutscher Zweig Wilhelm Nast war der unumstrittene »Kopf« der deutschsprachigen bischöflichen Methodisten in Amerika. Er kam als württembergischer Lutheraner aus einer Familie, die eine ganze Reihe von Theologen hervorgebracht hatte, in die neue Welt. Innerlich angefochten, eigentlich geistlich verzweifelt hatte er sein Tübinger Studium 1827 abgebrochen. Seit 1828 setzte er seine Irrfahrt, die er schon in Deutschland begonnen hatte,470 verzweifelt suchend durch die amerikani468 Johann Baptist Breusch, Bericht über den Ausgang der Unterjesinger Angelegenheit vor dem Schwurgericht Tübingen. In: Ev. Botschafter 1879, 54f. u. 62f., auch schon: 1878 189f. 469 Karl Heinz Voigt, Vereinigungsbemühungen zwischen 1840 und 1944. In: EmK Geschichte 1/2018 (39. Jg.), 23–35. 470 Es konnten folgende Besuche und Kontakte ermittelt werden: 20. 09. 1827: Karl Philipp Fischer (1807–1885), Philosoph, später Prof. in Erlangen; – 18. 11. 1827: Ludwig Tieck (1773–1853), Schriftsteller der Romantik, Dresden; – 27. 11. 1827: Johann Wilhelm Konstantin Friedrich Hartlaub (1804–1881), Vikar, gemeinsame Studienzeit in Tübingen, Pfarrer, Schriftsteller ; wie Nast befreundet mit Eduard Mörike; – 22. 11. 1827: Caroline von Richter (1777–1860) in Bayreuth (Witwe Jean Pauls (1764–1825)); – 11. 02. 1828: L. Ruoff (Esslingen); 06. 04. 1828: Bühler (Johann Michael, Bäcker?) in Esslingen; 08. 04. 1828: Wilhelmine Sprecher in Esslingen; 21. 04. 1828: Nasts Tante in Vaihingen/Enz; – 26. 04. 1828: Ein nicht identifizierbarer »Nast«; 28. 04. 1828: – Ernst Christian Friedrich Kraus (1799–1872) Pfarrer in Unterjesingen bei Tübingen, früher Repetent in Schönthal und Tübingen; – 06. 05. 1828: J. Jetter (Stuttgart); – 19. 05. 1828: Wilhelm Nasts Schwester und Erzieherin Wilhelmine Süskind (*1789); – 19. 05. 1828: Wilhelm Nasts Schwester Ludovika Enßlin (1790–1862), besucht in Schönthal; – 19. 05. 1828: Wilhelm Nasts Schwester Hen-

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schen Staaten fort. Mal klopfte er bei der Ankunft bei einem lutherischen Pfarrer an, mal war er bei Unitariern, mal bei Anglikanern, dann war er Hauslehrer bei einer methodistischen Familie, zeitweise Professor an der Militärakademie in Westpoint, dann wieder zum Hebräisch-Unterricht am Kenyon College im Staat Ohio, zwischenhinein kam es zum abstoßenden Besuch bei einem württembergischen Landsmann namens Johann G. Rapp (1757–1847), einem Radikalpietisten, dessen Gemeinwesen auf der Basis von Gütergemeinschaft streng gesetzlich organisiert war. Schließlich nahm ihn der Schuhmacher John Smith in Gambier/Ohio mit in eine methodistische Abendmahlsfeier, wo Gott dem unruhigen Sucher wieder einen festen Grund für seinen Glauben schenkte, auf dem er seinen Weg in die Zukunft begann und im hohen Alter vollendete.471 Er wurde der erste für eine Mission unter deutschen Einwanderern von der ›Methodist Episcopal Church‹ angestellte Prediger und begann seine Arbeit in Cincinnati, Ohio. Der hochsensible Nast war nicht geeignet, um für die Mission in die Ansiedlungen zu reiten. Er fand, nach der Gemeindegründung in Cincinnati, wo er für mehr als einhundert Jahre das Zentrum der deutschen Methodisten in Amerika etablierte, bald die Erfüllung seiner Berufung. Obwohl es nur wenige deutschsprachige Methodisten gab, beschloss die Kirche die Herausgabe der Kirchenzeitung »Der Christliche Apologete« und Wilhelm Nast wurde für mehr als ein halbes Jahrhundert ihr Chefredakteur. Niemand hat den deutschen Zweig so geprägt, wie der aus dem Luthertum kommende, später überzeugte Methodist Wilhelm Nast. Im Unterschied zu Albrecht wurde seine Mission von einer in Amerika anerkannten Kirche getragen, die gerade gegenüber den Deutschen die Aufgabe sah, apologetisch, also sich verteidigend und rechtfertigend zu wirken.472 Wer riette Louise Kern (1795–1865), zusammen mit ihrem Mann Gottlob Christian Kern (1792– 1835), besucht in Schönthal; – 26. 05. 1828: Friedrich Wilhelm Nast (*1802), Bruder von Wilhelm, besucht am Pfingstsonntag in Koblenz/Mainz; – Mai 1828: Ludwig Seeger (1810– 1864), 1828 Immatrikuliert in Tübingen (Theologie), später Politiker und Dichter ; – o. D.: Ludwig Friedrich Wilhelm Hoffmann (1806–1873), bis 1829 Student in Tübingen, zunächst Wilhelm Nast nahe stehend, nüchterner Abschied. – Zu erwähnen ist hier auch ein Abschiedsbrief, den Wilhelm Nast am 19. März 1828 aus Esslingen an seinen zeitweiligen Freund Eduard Mörike, den er 1844 und 1857 bei Deutschlandaufenthalten auch besuchte, geschrieben hat. 471 Friedrich Kopp, Der deutsche Methodismus und sein Gründer. In: ders., Die Deutschamerikanische Kanzel. Eine Auswahl Predigten von den berühmtesten Kanzelrednern der englischen Sprache, ins Deutsche übersetzt, Cincinnati 1882, 1–10. 472 Nicht nur der Name der Kirchenzeitung »Christlicher Apologete« deutet darauf hin. Schon die 1808 herausgegebene deutsche Übersetzung der »Kirchenordnung« war nicht für die Organisation der deutschen Methodisten gedacht, sondern wie die Einführung »Lieber Leser« zeigt, um dem Widerspruch, der Kritik und der Verurteilung als ›Sekte‹ entgegenzutreten. »Die Absicht ist«, heißt es in der Einleitung, »die Einrichtungen der Methodistischen Kirche in ihrem wahren Lichte aufrichtig darzustellen. Man wußte also keinen kürzeren und richtigeren Weg diese Absicht zu erreichen, als diese getreue Uebersetzung

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von Nast und den bald mit ihm wirkenden Laienpredigern für den Glauben und die methodistische Gemeinde gewonnen wurde, gliederte sich in eine Kirche mit einer bestehenden Ordnung ein, um die nicht mehr gerungen werden musste. Während Albrechts kirchliche Wirkung nur eine sehr kurze Lebenszeit umfasste, publizierte Nast bis in sein hohes Alter.473 Er blieb im 19. Jahrhundert in Amerika der in die Gesamtkirche integrierte Repräsentant des deutschen Zweiges. Als solcher war er Delegierter an verschiedenen Generalkonferenzen, Abgeordneter zu Unionsgesprächen mit der Evangelischen Gemeinschaft und Teilnehmer an öffentlichen Diskussionen. 1844/45 sandte ihn die Kirche nach Deutschland, insbesondere damit die große Zahl der Auswanderer schon in Deutschland durch hier publizierte deutschsprachige Literatur über die methodistische Kirche besser informiert sein konnte. Später erreichte sein theologischer Einfluss durch die Katechismen auch in Deutschland mehrere Generationen. Nast war auch die treibende Kraft, sofort nach der 1848er Revolution eine Mission in Deutschland und der Schweiz zu beginnen, die er auch durch die von ihm betreute Zeitschrift publizistisch wirkungsvoll unterstützte. Als 1849 die Mission in Deutschland begann, gab es in Amerika schon einen respektablen deutschsprachigen Zweig innerhalb der Gesamtkirche.474

3.2.3 Die Kirche der Vereinigten Brüder in Christo Die durch den deutschen Reformierten Theologen Philipp Wilhelm Otterbein (1726–1813) und den Mennoniten Martin Boehm (1752–1812) um 1800 gebildete ›Kirche der Vereinigten Brüder in Christo‹, hat als eine durch die methodistische Erweckung geprägte Kirche um 1870 in Deutschland eine Mission aufgenommen. Die gliederte sich aber, als in ihrer amerikanischen Organisation das Interesse an Deutschland abnahm, am Beginn des 20. Jahrhunderts in die damalige Methodistenkirche ein.475 Einen ähnlichen Prozess gab es in Amerika, ihrer Lehre und Zuchtordnung, welche alle ihre Einrichtungen auf hellste zeiget. Kommt und sehet!« Lehre und Zuchtordnung der Bischöflich-Methodistischen Kirche (wie Anm. 457), 3. Hervorhebungen übernommen. 473 Christoph Raedel hat in seiner Studie »Methodistische Theologie im 19. Jahrhundert« (wie Anm. 443) 17 Bücher sehr unterschiedlicher Gattungen (Kommentare, Katechismen, historische Studien, Übersetzungen) erfasst. Wichtiger war die großformatige Wochenzeitung »Der Christliche Apologete«, die eine Kirchenzeitung mit einem Wochenjournal verband. 474 Karl Heinz Voigt, Der deutschsprachige Zweig der Methodistenkirche in den Vereinigten Staaten von Amerika. In: Steckel/Sommer (Hg.), Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche (wie Anm. 125), 39–58. 475 Der amerikanische Teil der Kirche vereinigte sich 1946 mit der dortigen Evangelischen Gemeinschaft und bildete die Evangelical United Brethren Church (EUBChurch). Dazu: Arthur C. Core, Die Vereinigte Evangelische Brüderkirche in den Vereinigten Staaten von

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wo sich 1946 die Tradition der Evangelischen Gemeinschaft mit der Kirche der Vereinigten Brüder zur ›Evangelical United Brethren Church‹ zusammenschlossen, was aber, abgesehen von der neuen Kirchenordnung, keine direkten Auswirkungen auf die Arbeit in Deutschland hatte. Zusammenfassend kann man feststellen, dass alle drei methodistischen Kirchen in unterschiedlicher Intensität das Ziel verfolgt haben, die hiesige Betreuungskirche durch ihre ungewöhnliche Arbeit als konsequent gestaltete Missionskirchen anzuregen. Dieses im Zusammenfügen von lutherischer, reformierter, mennonitischer, anglikanischer und anderer konfessioneller Traditionen in der wesleyanischen, konsequent missionarisch gestalteten Frömmigkeit und Ordnung, ist im 19. Jahrhundert als ein zukunftsorientiertes Modell in Deutschland eher negativ wahrgenommen worden. In Amerika traf die mit dieser erfahrungsorientierten und Hoffnung stiftenden Theologie und Praxis einerseits mit der Aufbruchsstimmung bei der Besiedlung und den ungeheuren Aktivitäten zur Erschließung des Kontinents zusammen, andererseits wurde sie gefördert durch den unter den Christen jener Zeit allgemeinen Wunsch, das Reich Gottes aufbauen zu helfen. Wer von diesem Geist erfüllt war und den Weg auf das ›Social Gospel‹ zusteuerte, der stellte die Konfession zurück oder versuchte, die Kirche, zu der sie oder er gehörte, in dieses religiöse Fahrwasser zu steuern. Angelsächsische Christen waren seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhundert von dem Gedanken erfüllt: Je eher alle Welt das Evangelium gehört hat, umso schneller wird das Reich Gottes in Erscheinung treten. Für Professor Mark A. Noll waren im 19. Jahrhundert »die Methodisten die treibende religiöse Kraft in Amerika. In einem ungewöhnlichen Maße verknüpfte der Methodismus den demokratischen Stil der Neuen Welt mit einem Maße an Kontrolle, das an die Alte [Welt] erinnerte. Methodistenprediger wollten mit ihrer Botschaft direkt das einfache Volk erreichen und örtliche Gemeinden und kleine Synoden [Konferenzen] gründen. Von Laien wurde erwartet, einen Großteil der Arbeit zu übernehmen.«476

Diese vorher schon durch den Pietismus aufgekommene Dynamik war in dessen europäischem Umfeld teilweise kirchlich, politisch und theologisch in die Schranken gewiesen worden. Manche ihrer Vertreter haben die erhoffte Freiheit durch Auswanderungen gesucht. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stellte sich die Frage: Wie werden die Europäer des Kontinents auf einen neuen Anlauf durch Rückkehrer aus Amerika zu einer kirchlichen und gesellschaftlichen Erneuerung reagieren? Bevor diese Frage im Hinblick auf die methodistischen Kirchen beantwortet wird, soll kurz erwähnt sein, dass sich methodisAmerika. In: Steckel/Sommer (Hg.), Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche (wie Anm. 125), 59–84. 476 Noll, Christentum in Nordamerika (wie Anm. 109), 88.

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tische Frömmigkeitsformen in einer den Landeskirchen angepassten Art und Weise am inneren Rand des Staatskirchentums 1888 als Gemeinschaftsbewegung organisiert hat.477

3.3

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Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts methodistische Kirchen ihre Mission auf dem europäischen Kontinent aufnahmen, gingen sie von falschen Voraussetzungen aus. Das durch die Frankfurter Paulskirchen-Versammlung 1848/49 erwartete Ende der Staatskirche und die erhoffte Religionsfreiheit waren nicht eingetreten. Die Entwicklung der politischen Ereignisse in Deutschland und die Entsendung der ersten Missionare aus Amerika hatten sich zeitlich überschnitten. Aber die Kirchen blieben dabei, ihre Pläne auszuführen. Sie stießen dabei nicht nur auf jene Probleme, die sich als Folge der politischen Restauration ergeben hatten, sondern kamen auch in eine Gesellschaft, die sich im Umbruch befand. Sie fanden eine kirchliche Lage vor, die sich alles andere als günstig für ihre Mission erwies. Die verschiedenen Deutungen des Namens »Methodisten«, insbesondere die Verbindung mit der Vorstellung einer speziellen ›Methode der Bekehrung‹, war für die Mission eine Belastung. Vorurteile wurden im deutschen Sprachraum durch diese Charakterisierung entweder vertieft und wo sie nicht schon wirksam waren, wurden sie geschaffen. Es lag nahe, dass die gebietsweise unterschiedlichen Vorbehalte breiter Bevölkerungsschichten gegen den Pietismus auf die methodistischen Missionen übertragen wurden. In deren Verkündigung spielten Bekehrung, Wiedergeburt und Heiligung eine zentrale Rolle. Albrecht Ritschls (1822–1889) Pietismuskritik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stützte das negative Image, denn die Bekehrung und die Wiedergeburt wurden von ihm mit dem Vorwurf von Synergismus, Gesetzlichkeit und Weltflucht verbunden. Das war Wasser auf die Mühlen der Methodismus-Kritiker. Genau diese Aspekte wurden im 19. Jahrhundert vielfach weitergereicht. Eine missionierende Kirche, die für die Gliedschaft in ihr eine individuelle Entscheidung voraussetzt, musste zu einem bewussten Schritt in die Nachfolge Christi einla-

477 Jörg Ohlemacher, Das Reich Gottes in Deutschland bauen. Eine Beitrag zur Vorgeschichte und Theologie der Deutschen Gemeinschaftsbewegung, AGP 23, Göttingen 1986. Voigt, Der Zeit voraus (wie Anm. 132), zeigt Linien dieser Bewegung auf und korrigiert die traditionelle apologetisch bestimmte deutsche Sicht: Reformation (wo sonst?), Pietismus, Erweckungsbewegung, Gemeinschaftsbewegung.

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den. Die Basis der Rechtfertigung für uns wurde verknüpft mit der oft übersehenen geistgewirkten Erwartung der Wiedergeburt in uns. Der Begriff und die Sache der »Bekehrung« löste in der Theologie und ebenso in der Praxis der kirchlichen Arbeit überwiegend ein negatives Gefühl aus, was weitgehend für jene zutraf, die nicht in der Tradition des Pietismus lebten. Und das war bei weitem die Mehrzahl. Es war aber nicht nur der »Methodismus als Methode der Bekehrung« der Distanz, Differenz, Ablehnung und Auseinandersetzungen auslöste.

Ludwig S. Jacoby, Pionier und Stratege Der aus Mecklenburg stammende Ludwig S. Jacoby war 1849 von der Missionsabteilung der Kirche nach Deutschland gesandt, um eine missionarische Arbeit zu beginnen. Bischof Thomas A. Morris (1794–1874), unter dessen Aufsicht die Missionsabteilung in New York und alle ausgesandten Missionare arbeiteten, hatte Jacoby einen großen Freiraum für ein weites Arbeitsfeld gegeben. Bei den ursprünglichen Vorstellungen einer Mission in Europa war es eine immer mitschwingende Vorstellung, dort schon etwas gegen die verzerrenden Vorurteile, die in Amerika unter den Deutschen weiter wirkten oder neu verbreitet wurden, zu unternehmen, weil sie die Mission unter den deutschsprachigen Einwanderern behinderten. Darum spielte von Anfang an die Arbeit unter Auswanderern in Bremen, Bremerhaven und Hamburg eine zentrale Rolle. Aber der Blick weitete sich schnell bis in die Schweiz. Man muss diese Entwicklung mit dem Lebensweg von Jacoby in Verbindung bringen. Als Kind ging er mit seiner Mutter im mecklenburgischen Altstrelitz in die Synagoge. Zu jener Zeit, als er sich kaufmännisch verselbständigen wollte, schien es ihm geraten, sich taufen zu lassen. Ein lutherischer Pfarrer in der Nähe von Leipzig vollzog die Taufe. Seine geschäftlichen Pläne fielen ins Wasser, und er kam mit dem Gesetz in Konflikt. Darum floh er nach Amerika. Als er erstmals zusammen mit Freunden einen methodistischen Gottesdienst besuchte, war es der Plan, die Versammlung zu stören und den Prediger zu irritieren. Aber die schlichte Predigt traf den Störenfried. Er kam wieder und suchte für sein misslungenes Leben einen neuen Anfang. Als ihn Gottes Gnade fand, war er überwältigt. Gott erneuerte sein Leben von Grund auf. Er war durch die Gnade Gottes überwältigt. Eine tiefe Freude und das Glück eines neuen Anfangs bestimmten sein Leben. Was er selber erlebt hatte, wünschte er allen, die ein erneuertes Leben unter der Gnade Gottes suchten. Für die Predigt zur Eröffnung seiner Mission in Deutschland im Bremer Krameramthaus wählte er den Text: »Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.« (1.Tim. 2,4) Das Motiv,

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seinen Zeitgenossen das Angebot des Heils vorzulegen, bestimmte seinen Einsatz. Als wenige Jahre später württembergische Theologen eine Debatte über die dort wirkenden Methodisten führten, wurde eine treffende These vertreten: bei den Methodisten komme »zuerst das Seelenheil und dann die Kirche«.478 Das war, weil es nicht biographisch, sondern theologisch gemeint war, präzise erfasst. Es war genau dieser Vorrang des Glaubens vor der Frage nach der Bestimmung der Konfession, der Jacobys Denken beschäftigte, denn er bedeutete: Mission unter Getauften muss nicht unter allen Umständen zur Kirchenbildung führen. Das klingt einfach, war aber im deutschen kirchlichen Umfeld des 19. Jahrhunderts schwer zu denken und in dem damals zunehmenden konfessionellen Bewusstsein in den Erweckungsbewegungen noch schwerer zu gestalten. Die Einsicht dieses Ansatzes bietet sich als Schlüssel an, Probleme zwischen der methodistischen Mission und der Landeskirche in Württemberg genauso wie später im sächsischen Raum zu verstehen. Ein solcher Ansatz kann nur erprobt werden, wenn es zwischen zwei Denominationen keine grundlegenden, zwingend kirchentrennenden theologischen Differenzen gibt, wie es sich leider erst nach fast 150 Jahren herausgestellt hat.

Jacoby hat um einen konfliktfreien Weg gerungen Jacobys keinesfalls ausgereifte konzeptionelle Überlegungen standen von Anfang an in einem Spannungsfeld. In den deutschen missions-theologischen Vorstellungen war Mission eine von freien Gesellschaften jenseits der Meere wahrgenommene Aktivität. Die Kirche war damit noch nicht direkt befasst. Es ist bezeichnend, dass in einer Geschichte der kirchlichen methodistischen Missionsabteilung von 1895 in einem Band nacheinander die Missionen in China, in den skandinavischen Ländern, unter den deutschen Einwanderern in Amerika, danach in Deutschland und schließlich in Indien behandelt wurden.479 Dieses Verständnis, Deutschland als Missionsland zu sehen, hat die Landeskirchen damals irritiert und geradezu verletzt. Für Jacoby war die Frage, wie das methodistische Missionsverständnis in einem theologisch, historisch und infolgedessen auch organisatorisch anders geprägten kirchlichen Umfeld strukturell umzusetzen war. 478 Karl Müller, Die religiöse Erweckung in Württemberg am Anfang des 19. Jahrhunderts, Tübingen 1925, 27. Karl Müllers Vater war ein Neffe des Winnender Christoph Gottlob Müller. Es liegt nahe, dass der Tübinger Professor Karl Müller jun. (1852–1940) sich mehr für den Methodismus interessiert hat als andere und sich nicht von den Vorurteilen bestimmen ließ. 1886 veröffentliche er auch eine Studie über die Waldenser. 479 John Morrison Reid, Missions and Missionary Society of the Methodist Episcopal Church, Vol. II. New York/Cincinnati 1895.

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John Price Durbin (1800–1876), der Generalsekretär der methodistischen Missionsabteilung in New York, äußerte sich schon 1850 über »Unsere Mission in Deutschland«.480 Der Missionssekretär dachte aus gesamtkirchlicher Perspektive anders als die deutsch-amerikanischen Unterstützer der Deutschlandmission, die von ihrem Kirchenzweig her argumentierten. Durbin schrieb: »Der Gedanke, eine Mission in Deutschland zu errichten, erregte zuerst allgemeines Erstaunen. Braucht Deutschland einen Missionär, und können wir einen guten Erfolg erwarten? Das war die unwillkürliche Frage.«481 Der Beginn von Jacobys Arbeit habe aber bereits gezeigt: »Es ist jetzt nicht mehr unwahrscheinlich, daß das einfache, lebendige Christenthum, bekannt unter dem Namen: evangelisches Christenthum, und besonders in der Form des Methodismus sich über Deutschland verbreiten u. die Staatskirchen von Neuem beleben wird, wie es in England und Amerika geschehen ist.« Diese Schau verband der weltweit denkende Generalsekretär der Missionsabteilung mit einer damals schon ökumenischen Perspektive. Er schrieb: »Die Wiederbelebung u. Ausbreitung biblischen Christenthums in Deutschland ist von der höchsten Wichtigkeit für die ganze christliche Kirche. Jeder, der die moralische und religiöse Beziehung Deutschlands zu Europa kennt, weiß, daß Deutschland das Centrum ist, von wo aus alle großen religiösen Einflüsse strömen. Es ist so mehrere Jahrhunderte lang gewesen. Die große Reformation des 16ten Jahrhunderts fing in Deutschland an und verbreitete sich von da über Europa; die gegenwärtige Missionsthätigkeit fing ebenfalls vor 150 Jahren in Deutschland an,482 und siehe, was für glänzende Erfolge hat sie gebracht. Lebendiges, innerlich erfahrenes Christenthum erwachte ebenfalls von Neuem vor ungefähr einem Jahrhundert in Deutschland und kam durch John Wesley nach England und von da nach Amerika, während zu gleicher Zeit die Gottesgelehrten Deutschlands die dunkleren Stellen der heil. Schrift durch ihre gründlichen Forschungen in den verschiedenen Gebieten der Philosophie, Geschichte, Geographie, Naturwissenschaft und der Kunde alter Sitten und Gebräuche erklärten. Kurz, es ist Deutschland, das eine Fluth von Licht über die Buchstaben der heil. Schrift ergossen hat.«483

Das schrieb kein Deutsch-Amerikaner in nationalem Stolz, sondern ein Sohn der amerikanischen Frontier, welcher in seiner Kindheit nur eine minimale Schulbildung empfangen konnte. Das schrieb auch kein Fundamentalist, der jede Rückfrage an die Heilige Schrift von vorneherein ablehnte. Und was besonders wichtig ist, das schrieb keiner, der überheblich auf die Kirche und ihre 480 John P. Durbin, Unsere Mission in Deutschland. In: CA vom 5. Sept. 1850 (12. Jg.), 143. 481 Ebd., auch die folgenden Zitate. 482 Durbin denkt hier an Leonhard Dober (1706–1766) und David Nitschmann (1703–1779), die als Herrnhuter Missionare am 21. August 1732 aufbrachen, um auf der westindischen Insel St. Thomas ihre Missionsarbeit zu beginnen, gefolgt von drei weiteren Missionaren, die 1733 nach Grönland ausgesandt wurden. 483 Durbin, Mission in Deutschland (wie Anm. 480).

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Geschichte in Deutschland schaute, sondern der sie bewunderte und ihr, wie sich zeigte, auch in Zukunft eine besondere, damals schon ökumenische Rolle zudachte. Aus dieser Perspektive definierte der Generalsekretär der methodistischen Weltmission 1850 den Auftrag der methodistischen Kirchen in Deutschland. Für ihn war es damals schon ein Beitrag zur »Evangelisation der Welt«, wie ihn einige Jahrzehnte später der methodistische Laie John R. Mott (1865–1955) zu optimistisch für seine Generation propagierte.484 Für Durbin und seine Kirche war die Sendung der methodistischen Missionare nach Deutschland nicht der Anfang eines kleinlichen Konkurrenzkampfs. Er definierte den erhofften weltweiten Beitrag und schrieb: »Die große Aufgabe evangelischer Missionsthätigkeit in Deutschland besteht darin, die deutsche Kirche und den Geist des deutschen Volkes mit der einfachen, praktischen Herzensreligion zu erfüllen, welche so wohlthätige Wirkungen in England und in den Ver. Staaten hervorgebracht hat. Dieß kann aber auf keine andere Weise geschehen, als durch das Daseyn und Wirken lebendiger, von der Welt sich unterscheidender Gemeinden, und die Frage ist: ob sich solche Gemeinden gegenwärtig in Deutschland bilden lassen und ob es ihnen gestattet seyn wird, ihren Geist und ihr Leben unter dem Volk auszubreiten?«485

Für Durbin war zweierlei klar : Mission setzt missionarische Verkündigung durch Menschen voraus, die, durch Gottes Geist erneuert, es als ihren Auftrag ansehen, selber missionarisch zu wirken. Träger der Mission sollte eigentlich kein »nebenkirchlicher« Verein sein, sondern die auf Glauben gegründete bekennende Gemeinde und Kirche. Die Sicht des Missionssekretärs war optimistisch. Mitten im gesellschaftlichen Umbruch der 1848er Revolution, die den Impuls für das Kommen der methodistischen Kirchen nach Deutschland gegeben hatte, antwortete er auf die von ihm selbst aufgeworfene Frage, ob es den Methodisten gestattet sein wird, ihren Beitrag zur Missionierung der Welt zu leisten: »erstens: Religionsfreiheit herrscht gegenwärtig in den meisten protestantischen Ländern Deutschlands in solchem Maaße, daß ein weiser und vorsichtiger Missionar frei und sicher wirken kann. Zweitens: Der Geist des deutschen Volkes ist gerade gegenwärtig besonders vorbereitet, die Wirksamkeit evangelischer Missionen anzunehmen. Der im vorigen Jahrhundert von Frankreich aus nach Deutschland eingedrungene Unglauben hat das Volk überzeugt, daß seine geistigen Bedürfnisse dadurch nicht befriedigt werden können. Bald entstand eine Reaktion zu Gunsten des Christenthums, aber da diese Reaktion nur von der Philosophie ausging, so erkannte sie das göttliche Ansehen der Bibel nicht weiter an, als ihre menschliche Vernunft sie begreifen 484 John R. Mott, The Evangelisation of the World in This Generation, New York 1900, deutsch: Die Evangelisation der Welt in dieser Generation, Berlin 1901, ders., Evangelisation im weiteren Sinne, Vorlesungen von 1944, Stuttgart 1947. 485 Durbin, Mission in Deutschland (wie Anm. 480). Hervorhebung eingefügt.

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konnte. Dies ist der sogenannte Rationalismus. Aber diese Form des Christenthums konnte auch nicht das Herz des Deutschen befriedigen. Es hungerte nach etwas Wesentlichem, nach einer Religion, welche das Herz fühlen kann. Dies nannte der große Religionsphilosoph Schleiermacher ›das christliche Bewußtseyn‹, ein aus innerer Erfahrung entspringender Glaube an das Wort Gottes.«486

Diese Vorstellungen des amerikanischen Generalsekretärs Durbin, der anlässlich eines Deutschlandbesuchs 1842487 auch mit Ernst Wilhelm Hengstenberg (1802–1869), dem Herausgeber der in der Tendenz kritisch über die Methodisten berichtenden ›Evangelischen Kirchenzeitung‹, und vor allem mit Friedrich A. G. Tholuck (1799–1877), bei dem methodistische Theologen aus den USA gerne studierten, zusammengetroffen war, hat Wilhelm Nast in seinem »Christlichen Apologeten« gerne veröffentlicht. Er hat es umso lieber getan, als sie Nast’s Vorstellungen unterstützten, die ihn seit langem über eine methodistische Mission auf dem europäischen Kontinent umtrieben, die auch einen zentralen Aspekt von Nast’s Biographie, der die Universität Tübingen theologisch verwirrt verlassen hatte, widerspiegeln. Alles zusammen führte den Chefredakteur, der die deutschsprachigen Methodisten Amerikas mit manchen deutschen Lesern in der Wochenzeitschrift ›Der Christliche Apologete‹ verband, dazu, sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für eine Mission in Deutschland einzusetzen. Der Hintergrund für sein enormes Engagement soll kurz erläutert werden.

Die Rolle des Redakteurs Wilhelm Nast Der in Stuttgart geborene Wilhelm Nast (1807–1899) hatte als Jugendlicher die Vorstellung, Basler Missionar zu werden. Nachdem seine Mutter starb, als er 14 Jahre alt war, und zwei Jahre später sein Vater ebenfalls starb, hatte das für ihn schmerzliche Auswirkungen. Wilhelms älteste Schwester Elisabeth Friederike Wilhelmine Franziska (1789–1875), die seit 1824 mit dem 22 Jahre älteren Professor Friedrich Gottlob Süskind (1767–1829) verheiratet war, nahm sich ihres 18 Jahre jüngeren Bruders wie eine Mutter an. Wilhelms Eltern hatten ihn, ganz in der Tradition mancher Vorfahren, für das württembergische Pfarramt bestimmt. Seine Schwester Wilhelmine und ihr Mann sahen sich verpflichtet, der elterlichen Bestimmung nachzukommen. Das war für Wilhelm eine tragische Belastung. Er musste, anstatt ins Basler Missionshaus, zum Vorstudium nach Blaubeuren und zog anschließend ins Tübinger Stift ein. Seine Verbindung zu 486 Ebd. 487 John Price Durbin, Observations in Europe, principally France and Great Britain, 2 Vol., New York 1844.

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dem Jahrgang der bekannten »Blaubeurer Geniepromotion«488 hat der inzwischen Methodist gewordene Nast seinen späteren Deutschland-Besuchen teilweise genutzt. 1844 kam er erstmals nach Deutschland. Er wollte für den Methodismus Verständnis schaffen, insbesondere – wie es seinem Metier entsprach – durch publizistischen Einfluss. Später besuchte er 1857 und 1877 wieder die Verwandten und die methodistische Konferenz in Deutschland. Tragisch war, dass der sensible und fromme Nast besonders unter dem Einfluss von Professor Ferdinand Christian Baur (1792–1860) im Glauben Schiffbruch erlitten hatte. Baur gab gerade während der Studienzeit Nast’s seine »Symbolik und Mythologie oder die Naturreligion des Altertums« heraus.489 Nast’s Tübinger Studentenzeit war mit Protest im Karzer, der Strafzelle im Stift, dem Fehlen in Vorlesungen und schließlich mit dem Abbruch des Studiums unrühmlich beendet. In einer Reaktion auf ein Schreiben der akademischen Disziplinarkommission antwortete der geistlich irritierte Nast dem Rektor und Vizekanzler der Universität Professor Dr. Karl Georg Wächter (1797–1880): »Ich wollte aus dem Seminar austreten, um die Theologie aufgeben zu können; da ich aber hiezu die Einwilligung meines Pflegers490 nicht bekommen konnte, so wußte ich kein anderes Mittel, als mich gegen die Legalität des Seminars zu verfehlen und so der Wohltat verlustig zu werden. Ich hatte gute Zeugnisse bis an den Tag, an dem dieser Entschluß in mir fest wurde.«491

Unter dramatischen Umständen irrte Nast, der nicht nur mit der Universität, sondern vorübergehend auch mit seinen Verwandten gebrochen hatte, durchs Land. Im November 1827 klagte er sein Leid und seine innere Zerrissenheit in Dresden dem Romantiker Ludwig Tieck (1773–1853). Der ließ sich erweichen, in einem Brief an Nasts Tübinger Professor Carl August von Eschenmayer (1768– 1852) für ihn einzutreten.492 Auf seinem Rückweg nach Württemberg kehrte er in Bayreuth bei der Witwe Jean Pauls (1764–1825), Caroline von Richter (1777– 1860), ein. Sie schrieb nach der Begegnung mit Wilhelm Nast einen Brief an dessen Schwester und Erzieherin Franziska Süskind. Darin bat sie, ihrem eigenen Bruder nach dessen Studienabbruch nicht zu zürnen. Nachdem Ludwig Tieck ihm geraten habe, sich nicht »vom Schutze seines Vaterlandes loszurei-

488 Zu seinen Studienkollegen zählten neben anderen: Johann Christoph Blumhardt (1805– 1880), Wilhelm Hoffmann (1806–1873), Eduard Mörike (1804–1875), David Friedrich Strauß (1808–1874), Friedrich Theodor Vischer (1807–1887). 489 Stuttgart 1824f. 490 Professor Friedrich Gottlob Süskind (1767–1829). 491 Brief Wilhelm Nast an Rektor Prof. Dr. Wächter vom 1. Aug. 1827. UAT K.98–129/87. 492 Brief Ludwig Tieck an Professor August Eschenmayer vom 16. Nov. 1827. Nippert Collection of German Methodism, Cincinnati Historical Society Library, Mss 873, Box 3–91, Folder 8.

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ßen«, schien er bereit, einen neuen Versuch zu wagen.493 Ein Poesie-Album mit Eintragungen vor dem Abschied aus Deutschland gibt weitere Einblicke in sein Kontaktnetz. Am Ende führte sein Weg nach Amerika. In einem Abschiedsbrief an den ihm aus Tübinger Studentenzeiten nahestehenden Eduard Mörike (1804–1875) schrieb er : »Mein Schicksal ist entschieden. Ich konnte dem Willen meiner Verwandten, die mein Glück in Amerika gründen wollen, nicht widerstehen, obwohl schöne Wege offen gestanden wären. Ach Eduard! Eduard! In einem Monat bin ich auf dem Schiff! Losgerissen von den theuersten Freunden, in denen ich nun ein so schönes Leben hätte gründen wollen, in denen ich allein die Welt begreifen lernte, losgerissen von aller höheren Bildung, nichts als dunkle Ahnung, Sehnsucht nicht einmal ganz verstanden, mit halbbegriffenen Ideen, mitten im Aufkeimen, laß mich schweigen!«494

Der emotionale Brief erweckt den Eindruck, als wäre er nicht abgeneigt gewesen, im »Schutz seines Vaterlandes« und in seinen Freundschaften sein Leben auf ihm offen stehenden Wegen zu gestalten. Aber die enttäuschten Verwandten wollten einen radikalen Schnitt. Es scheint, als hätten sie in Amerika für ihn eine Stelle als Vikar in Aussicht gehabt. Als er nach viermonatiger Seereise am 28. September 1828 amerikamischen Boden betrat, suchte er in New York den Kontakt eines lutherischen Predigers, dem er sein Empfehlungsschreiben vorwies. Der sensible Nast war von dem kühlen Empfang enttäuscht. Es begann die Fortsetzung seines Irrweges, auf den er in Deutschland geraten war. Der währte solange, bis er 1835 durch das Geschenk der Glaubensgewissheit Frieden in Gott fand.495 Danach begann eine lange Lebensphase, in welcher der sensible Nast seine reichen Gaben zur Entfaltung bringen konnte. Er war jetzt von der Hoffnung erfüllt, dass seine persönliche Lebenserfahrung, die auf der Erneuerung durch das Geschenk des Glaubens aus Gnaden beruhte, wie er und viele andere Deutsche sie in den Formen methodistischer Frömmigkeit und Seelsorge erlebten, auch in Deutschland zu vermitteln möglich sei. Daraus erwartete er für das Land der Reformation eine geistliche Wende, die an die Erweckungsbewegung anschloss. Dafür arbeitete er nach der 1848er Revolution in verstärktem Maße. Seine 1844/45er Deutschlandreise war ihm zu einer unvermuteten Vorbereitung geworden. Als er zu jener Zeit im Auftrag der Kirche in Deutschland unterwegs war,496 knüpfte er neue Beziehungen zu den Vertretern der Erwe493 Brief Caroline von Richter an Direktorin Franziska Süskind vom 22. Nov. 1827. Nippert Collection (wie 492), Box 3–66, Folder 62. 494 Brief Wilhelm Nast an Eduard Mörike aus Esslingen vom 19. März 1828. Kopie im Besitz des Vf. 495 Wunderlich, Wilhelm Nast. In: ders., Brückenbauer Gottes (wie Anm. 444), 11–22. 496 Report of Debates in the General Conference of the Methodist Episcopal Church 1844. New York 1855, 65.

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ckungsbewegung an, sorgte für die Publikation methodistischer Literatur und erweitere sein Korrespondentennetz für den ›Christlichen Apologeten‹. Er fädelte einen Austausch mit deutschen theologischen Zeitschriften ein, um selber besonders über die Entwicklung der Erweckungsbewegung gut informiert berichten zu können. Nast und Durbin waren sich schon 1844 in New York an der Generalkonferenz darin einig, die Interessen der methodistischen Kirche in Deutschland gemeinsam zu vertreten, um dort der Verbreitung von Vorurteilen, die sich in der Hinwendung zu den deutschsprachigen Einwanderern als Belastung erwiesen hatten, entgegenzuwirken. Diese gemeinsame Beurteilung der damaligen Sicht und die theologische Perspektive verbanden beide. Sie kam auch darin zum Ausdruck, dass Durbin, der ja nicht irgendjemand, sondern der für die Mission in Deutschland Hauptverantwortliche war, damals unter Berufung auf den Berliner Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768–1834) schrieb: »Deutschland ist gerade gegenwärtig vorbereitet für evangelische Missionen und besonders für den ganz auf innere Erfahrung gegründeten Methodismus, was sich bereits durch die Ausbreitung des Methodismus unter den Deutschen in Amerika bewiesen hat.«497 Die hinter dieser Schau stehende Idee ist typisch methodistisch: schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt von einem theologischen Ansatz der Mission in sechs Kontinenten, optimistisch in der kirchlichen Weltsicht, ökumenisch in der Hoffnung und Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit allen Christen und Kirchen in der Erneuerung der Welt durch die Verkündigung des Evangeliums in seinem reformatorischen Verständnis und durchzogen von einem erfahrungstheologischen Ansatz, den Durbin mit Nast und auch mit Tholuck teilten.498 Wie wenig realistisch das in der Begegnung mit den territorial eng eingegrenzten, mehrheitlich kleinen und konfessionell voneinander abgegrenzten Staatskirchen war, sollte sich unmittelbar an den in staatlicher Gebundenheit gesetzten kirchenpolitischen Grenzen, immer stärker an deutsch-nationalem Bewusstsein, an Furcht vor demokratischen Inseln in einem hierarchisch regierten Staat und an kirchlicher Angst vor konkurrierenden Herausforderungen zeigen. Es brauchte wirklich, wie Durbin es bemerkt hatte, Missionare, die weise und vorsichtig zu wirken in der Lage und bereit waren. Vor der Aufgabe, diesen Spagat zwischen methodistischen Vorstellungen und kirchlicher wie politischer Wirklichkeit in Deutschland zu meistern, stand nun Ludwig S. Jacoby gemeinsam mit seinen als Missionare aus Amerika zurückgekommen Auswanderern. 497 Durbin, Mission in Deutschland (wie Anm. 480). Hervorhebung übernommen. 498 Christoph Raedel, Die Rezeption August Tholucks im deutsch-amerikanischen bischöflichen Methodismus des 19. Jahrhunderts. In: Pietismus und Neuzeit, Bd. 27 (2001), 185– 199.

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Eine reformatorische Grundlage – zwei kirchliche Selbstverständnisse In ihren Aktivitäten auf dem europäischen Kontinent haben die methodistischen Kirchen die Bedeutung der unterschiedlichen Kirchenmodelle unterschätzt und die durch die 1848er Revolution erhoffte politische Veränderung überschätzt, weil diese nicht zu dem erhofften Ziel kam. Methodisten sind von je her von der reformatorischen Theologie geprägt. Die Fundamentalartikel sola scriptura, sola gratia, sola fide und solus Christus haben sie zusammengenommen gewiss so konsequent vertreten, wie die kontinentalen reformatorischen Kirchen. Das haben selbst im 19. Jahrhundert schon weitsichtige deutsche Kritiker gesehen. Aber die Differenzen waren trotzdem erheblich. Für kirchliches Denken in Deutschland war es damals nicht vorstellbar, dass es auch zu Kirchenbildungen kommen kann, die auf der reformatorischen Grundlage verankert sind, sich aber in anderen als den in Deutschland bestehenden Strukturen ausgestalten. Zwei oder mehr unterschiedliche Formate von protestantischer Kirche auf den gleichen theologischen Grundverständnissen ist aber die Wirklichkeit, weil – wie das Neue Testament zeigt – es keinen morphologischen Fundamentalismus geben kann. Nachdem die methodistische Erweckung im 18. Jahrhundert ins Leben getreten war, wirkte sie auf der britischen Insel, in Irland und Wales fast einhundert Jahre hindurch als eine inneranglikanische Bewegung. Als es 1784 in Amerika erstmals zu einer methodistischen Kirchenbildung kam, war es kein Absetzen oder Abgrenzen von einer anderen Konfessionen, kein theologischer Dissens, sondern – wie schon in England – die Berufung zur Mission unter Getauften und ungetauft Gebliebenen über alle Grenzen hinweg. In dem weiten, nach Westen hin unerschlossenen Amerika wurden nach dessen politischer Lösung von England ordinierte Prediger dringen benötigt. Das erklärt sich einfach. Bis dahin war die anglikanische Kirche dort als »Episcopal Church« wie im Mutterland flächendeckende Staatskirche. Mit der Unabhängigkeit Amerikas war dieser Status beendet. Viele anglikanische Priester, die unter dem Londoner Bischof bis zur politischen Loslösung in Amerika gearbeitet hatten, kehrten nach dem politischen Umschwung in die Heimat zurück. In dem weiter zunehmend besiedelten Land gab es danach viel zu wenig Ordinierte, welche die Kinder und nicht mehr getauften Jugendlichen taufen und den Verlangenden das Abendmahl reichen konnten. Also sorgte John Wesley dafür, dass die schon länger jenseits des Ozeans missionierenden methodistischen Missionare ordiniert wurden. Das führte auf eine untypische Weise zu einer Kirchenbildung, die man wirklich nicht als Schisma bezeichnen kann. Ganz im Sinne des methodistischen Selbstverständnisses der Berufung zur Mission und Sorge um die Übersehenen kam es wie in einem organischen, ungeplanten Prozess zur autonomen Bildung einer missionarisch strukturierten

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Kirche. Die Hauptaufgabe der Bischöfe bestand darin, missionarische Kirche zu organisieren, über die sie als Missionsstrategen mit Übersicht die Aufsicht führten. Sie sandten die Missionare an Orte, an denen es noch keine Gemeinde gab, die einen Prediger hätte berufen können, wie es im Kongregationalismus üblich ist. Das Selbstverständnis der Pastoren gestaltete sich im Zuge der Besiedlung des Landes als reitende Missionare und Seelsorger, die in unvorstellbarer Selbstverleugnung bei Wind und Wetter den Menschen nachwanderten oder ritten, um die entstehenden Gemeinden zu ermutigen, wie es ihnen der Jahr ein Jahr aus durch England reitende John Wesley vorgelebt hatte. Entstehende Gemeinden waren Missionsstationen. Die Glieder der Gemeinden wurden geistlich auferbaut und als Mitträger der Mission im Sinne von Zeugen für die erfahrene Kraft des Evangeliums ermutigt, in den Gemeinden, in der Verwandtschaft, in der Nachbarschaft und im beruflichen Alltag zu wirken. Diese von Erweckung geprägte Missionspraxis war von einer Begeisterung über die eigene befreiende Glaubenserfahrung getragen, deren Vererbung, das war eines der Probleme, einer dritten und vierten Generation, nur noch der Form nach, das heißt in einer zu gesetzlicher Frömmigkeit neigenden Weise, möglich erschien. Die Gemeinden boten von Anfang an ein Feld, die vorhandenen Charismen nicht nur in Verwaltungs- und Organisationsaufgaben, sondern auch geistlich zu entfalten. Es wurden Gaben entdeckt und eingesetzt: manche wurden beauftragte Gruppenleiter oder -leiterinnen, andere unterwiesen als Sonntagsschullehrerin oder –lehrer die Kinder aus der Gemeinde und der Nachbarschaft, aber sie hielten auch Sonntagsschule für Erwachsene. Aus der Gruppe dieser Mitarbeiter erwuchsen unterwiesene und mit einer jährlich zu erneuernden Lizenz ausgestattete Laienprediger, darunter war hier und da auch eine Laienpredigerin. Es ist nicht überraschend, dass aus dieser Mitwirkung nicht selten die Berufung in den Dienst als Prediger der Kirche erfolgte. Die Missionsarbeit war zuerst in Großbritannien und dann unter völlig anderen Bedingungen in Amerika ganz selbstverständlich das Zentrum des Wirkens. Und dies möglichst in Zusammenarbeit mit anderen Christen und Kirchen, also ökumenisch. Das konnte auch gar nicht anders sein, weil es um Mission ging. Als die Methodisten im 19. Jahrhundert nach Deutschland kamen, brachten sie dieses missions-theologische Selbstverständnis nicht als Theorie, sondern als Erfahrungen aus der eigenen Praxis mit. Es war eine Verbindung von gewinnender, volkstümlicher Predigt mit entsprechenden Arbeitsformen in einer missionarisch ausgerichteten Kirchenstruktur, die sich auch in der Kirchenordnung wiederspiegelte. Genau darin bestand von Anfang an eine Grunddifferenz zu den hiesigen traditionsgeprägten Kirchen mit ihren fest gefügten und staatsgebundenen Verwaltungen. In diesem Umfeld stach gerade in Kontinentaleuropa die absolute kirchliche Selbstverwaltung der Methodisten heraus, d. h.

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auch die Unabhängigkeit von staatlicher Führung, staatlicher Einflussnahme, staatlicher Finanzierung und dem damit verbundenen Beamtenstatus der Pastoren, der ihnen öffentliche Pflichten auferlegte. Das methodistische Selbstverständnis führte zu der theologisch eigentlich konsequenten Praxis eines alle wesentlich kirchlichen Aufgaben integrierenden Kirchenlebens. Das meint: die Mission, die Diakonie, die Bibelverbreitung und die Auswandererfürsorge mussten sich nicht außerhalb der verfassten Kirche in zwar kirchennahen, aber juristisch und formal doch »freien Werken« organisieren, welche von einzelnen Trägerpersönlichkeiten wie Francke, Fliedner (1800–1864), Wichern (1808– 1881) und zahllosen anderen bewundernswerten Pionieren ausgingen. Die hatten sich in Deutschland in »freien Assoziationen«, also Vereinen organisiert, in welche diese und manche andere Aufgaben ausgelagert waren, weil der Staat sich – bis auf den Kirchenbau überwiegend in wachsenden Großstädten – diesen für die christliche Kirche unabhängig von der Konfession unverzichtbaren Aufgaben versagte. Missionsgesellschaften, Bibelgesellschaften, auch die Innere Mission mit ihren zahlreichen Aktivitäten mussten sich, übrigens damals teilweise schon Landes- und dadurch Kirchengrenzen überschreitend, selber organisierten und finanzieren.499 Was diese wahre Distanz des Staates von der Kirche bedeutete, kann die im 19. Jahrhundert weite Bevölkerungskreise berührende Auswanderung anschaulich machen. Besonders in der nachgehenden Sorge um ihre ausgewanderten Kirchenglieder zeigt sich beispielhaft das Problem kirchlicher Bindung an einen Staat, dessen Staatskirche für Kirchenglieder außerhalb ihrer Grenzen kein Interesse mehr hat. Heute ist die Lage umgekehrt. Wenn qualifizierte Mitarbeiter internationaler Unternehmen oder Asylbewerber aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, besteht die Tendenz, dass Baptisten, Methodisten, Mennoniten und andere Christen automatisch über die Meldebehörden einer der traditionellen Konfessionen zugefügt werden. Das grundlegend andere methodistische, integrierte Kirchenverständnis, dem Diakonie und Gemeinschaft als Ausdruck der Mission ganz natürlich und selbstverständlich zugehören, fand von Anfang an Ausdruck in der methodistischen Kirchenordnung, die sie in ihrer souveränen Freiheit von jeder staatlichen Bindung formuliert und beschlossen haben. Weil sie unabhängig von 499 Die internationale Ökumene hat den deutschen Kirchen nach dem Zweiten Weltkrieg geholfen, die Innere Mission und die Missionsgesellschaften in die immer noch regionalen Kirchen zu integrieren. Durch die ökumenische Nachkriegshilfe kam es nach 1945 zu den landeskirchlich strukturierten »Hilfswerken«, die schließlich 1957 mit der bis dahin formal selbständigen ›Inneren Mission‹ zum ›Diakonischen Werk der EKD‹ zusammengeführt wurden. Ähnlich wurden nach dem 1961er Beschluss der Vollversammlung des Ökumenischen Rates in New Delhi die vormaligen Missionsgesellschaften in Kirchen integriert, was auch innerhalb Deutschlands in einem längeren, ökumenisch komplizierten Prozess nachvollzogen wurde.

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staatlichen Einflüssen und Bindungen formuliert waren, konnten sie in weltweiter Geltung für methodistische Konferenzen, der konziliar anmutenden Grundform eines connexionalen Verbunds ihrer Kirche, in allen Kontinenten verbindlich sein. Das war in der Zeit der DDR ein Vorteil, nicht als Organ des westdeutschen Staates zur Erhaltung politischer Interessen angesehen zu werden und mit der internationalen Ordnung einen gewissen Spielraum zu bewahren. Von Anfang an standen die Methodisten in Deutschland und in der Schweiz vor der Frage, auf welche Weise sie ihre Mission an Getauften und dadurch natürlich an Gliedern einer verfassten Kirche praktizieren können. Es stand für sie immer außer Frage, keine Proselyten machen zu wollen; das hieß für sie, sie wollten unter keinen Umständen in den landeskirchlichen Gemeinden aktive und lebendige Christen abwerben. Ihr Fokus war missionarisch, das hieß: die Aktivitäten waren auf solche gerichtet, die zwar getauft und dadurch formal Glieder der verfassten Kirche waren, die aber ihre Taufe nicht in einem persönlichen Glaubensakt im Sinne eines confirmare wirklich bestätigt hatten. Daneben waren es insbesondere die von einer bürgerlich geprägten Kirche wenig beachteten Armen, einfache und quasi übersehene Menschen: Mägde und Diener, die am Sonntag in ihren herrschaftlichen Häusern das Sonntagsessen vorzubereiten hatten, und Arme, die sich mit ihrer Kleidung nicht in die herrlichen Kirchen zu gehen trauten, wenn sie nicht Thema demütigender Gespräche werden wollten. Dazu kam zur Zeit der Industrialisierung nicht selten die sich ausgenutzt und in der Arbeitswelt rechtlos fühlende Arbeiterschaft.500 Es ist auffällig, wie oft in den Missionsberichten, aber auch in den im zweiten Kapitel genannten Kleinschriften, von solchen »Armen« gesprochen wird. Gerade ihnen wurde in Einfachheit und Schlichtheit das Evangelium verkündigt und in diakonischer Tat beigestanden.501 Außerdem besuchte besonders in Württemberg, aber auch in anderen Regionen, noch eine andere Gruppe methodistische Versammlungen. Das waren jene pietistisch geprägten Christen, auf deren eigenen Kanzeln rationalistisch ausgerichtete Prediger standen. Sie waren glücklich, eine Alternative zu dem 500 Die letzte Kirchenordnung der Bischöflichen Methodistenkirche in der Kaiserzeit kam kurz vor dem Ersten Weltkrieg im Bremer kirchlichen Verlagshaus heraus. Sie enthielt eine gesamtkirchliche Erklärung »Die Kirche und die sozialen Fragen« (heute das »Soziale Bekenntnis« im Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche von 2002, Nr. 771). In: Lehre und Kirchenordnung der Bischöflichen Methodistenkirche 1912. Deutsche Ausgabe, Bremen o. J. (1913?), 560–562. Der Text ist dokumentiert in: Lothar Elsner, Ulrich Jahreiß u. a., Das Soziale Bekenntnis der Evangelisch-methodistischen Kirche, Göttingen 2008. 501 Voigt, Methodistische Mission in Hamburg (wie Anm. 345) mit speziellen Kapiteln über soziales Wirken durch Diakonissen (110–139 u.190–218) und durch eine ›Port of Hamburg Sailer’s Society‹, sowie der Sonntagsschule (268–278).

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»rationalistischen Zeug«, wie es einer in einem sächsischen Dorf nannte, zu haben. Wahrscheinlich sind es insbesondere diese, durch welche sich die Methodisten den Vorwurf eingehandelt haben, Proselyten gerade unter den besten Gliedern der Ortskirche zu machen. Dabei darf man nicht verkennen, dass nach der gezielten Besetzung von Pfarrstellen mit Pfarrern anderer theologischer Positionierung nicht wenige Teilnehmer methodistischer Gottesdienste in ihre landeskirchlichen Gemeinden zurückgekehrt sind.502 Das genauer zu untersuchen wäre interessant. Nichts anderes als getaufte Menschen zu einem Glauben in die ›Nachfolge Christi‹ und zu einem ›gemeinsamen Leben‹ in christlicher Gemeinschaft zu einzuladen, um es mit zwei Buchtiteln von Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) zu sagen, war das Ziel der »Mission an Getauften«. Solche Vorstellungen waren damals in einer Kirche mit einer flächendeckenden, staatlich gewollten Einheit von Bürgergemeinde und Kirchengemeinde Vielen noch fremd. Der Gedanke einer solchen evangelistisch-missionarischen Erweckung wurde – nach Ansätzen im deutschen Pietismus – praktisch erstmals durch die englischen Methodisten im 18. Jahrhundert populär. Das hat man von Deutschland aus teilweise bewundert, aber Kirchenleitungen haben das für Deutschland als nicht notwendig angesehen. Diesen missions-theologischen Ansatz überhaupt erst einmal in der Breite zu erkennen, ist in Deutschland praktisch erst durch die ökumenische Bewegung eingeleitet, sieht man von einzelnen »Propheten« ab. Insbesondere die zweite Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1954 in Evanston mit dem Thema »Jesus Christus die Hoffnung der Welt« hat wenigstens unter Experten einen nachhaltigen Impuls vermittelt. Der war durch die schon vorher eröffnete Möglichkeit, als Gastpastor für ein Jahr in den USA zu wirken, praxisbezogen bereits angestoßen. Am Beginn ihres kontinentalen Wirkens standen die Methodisten vor Problemen, die zu lösen sie weder Kraft noch Einfluss hatten. Gerade solche Konflikte, die sich aus dem unterschiedlichen theologischen Selbstverständnis der Kirchen ergeben haben, sind bisher kaum als Ursache für gespannte zwischenkirchliche Beziehungen beachtet worden. Zu lange hat man die methodistischen Kirchen unbedarft als eine Variante des aus der Reformation unter schwierigen Bedingungen geformten Kirchensystems angesehen und – vielleicht auch infolge der Bezeichnung »Freikirche« – die Differenz zur Landeskirche auf die Unabhängigkeit vom Staat reduziert. Vielfach wurde die Gestalt der methodistischen Kirche als eine Art Mini-Landeskirche mit einigen exotischen Eigenheiten wahrgenommen.

502 Ähnlich war es nach der Organisation der Gemeinschaftsbewegung. Dazu: Voigt, Der Zeit voraus (wie Anm. 132), 150–157.

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Tatsächlich stellen sie aber ein völlig anderes Modell protestantischen KircheSeins dar, das im Ansatz theologisch von der Reformation her geprägt und missionarisch strukturiert ist. Es stellt ökumenisch in Deutschland einen gewissen Sonderfall dar, der sich so erst nach der Aufklärung entwickeln konnte. Diese Verbindung von missionarischer Theologie, Gestalt der Kirche und Berufung zum Dienst an und in einer sowohl säkular bestimmten und global abhängigen Weltgesellschaft bedarf dringend weiterer Studien, welche zuerst die methodistischen Theologen und Historiker herausfordert, aber sie nicht allein. Weil die einzelnen Landeskirchen, die einflussreichen Konsistorien und die politische Landschaft insgesamt durch historische Grenzziehungen und konfessionelle Bestimmungen so unterschiedlich waren, ist es angezeigt, auch die sich darin entwickelnden drei methodistischen Traditionen differenziert zu betrachten. Dabei bedeutet die 1871er Reichsgründung keinen gravierenden Einschnitt, weil im föderal organisierten Kaiserreich die religionspolitischen Angelegenheiten Sache der Länderregierungen geblieben sind. Der Blick soll im Folgenden auf jene Länder gerichtet werden, in denen die Methodisten im 19. Jahrhundert in Deutschland am stärksten Fuß gefasst haben. Das sind das damalige Württemberg und der Großraum, der in der methodistischen Historiographie oft einfach als ›Sachsen‹ bezeichnet wird. Jenes weite Gebiet umfasste außer dem Königreich Sachsen auch die Staaten Thüringen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Weimar-Eisenach, sowie die Staaten Reuß ältere und Reuß jüngere Linie mit ihren jeweiligen Landeskirchen. Der Ausgangsort Bremen muss in diese Übersicht außerdem einbezogen werden.503 Für Gedrucktes gibt es keine Grenzen. Ein Beispiel von 1882 zeigt, mit welchen Argumenten sich auch die teilweise schon zweite methodistische Generation innerhalb des Deutschen Reichs auseinandersetzen musste. Der konfessionsbewusste Alt-Lutheraner Wilhelm Rohnert (1837–1908) charakterisierte die, wie er es nannte, »Heilsmethodik« der Methodisten in einem an den lutherschen Bekenntnisschriften orientierten »Wegweiser«. In seiner Zusammenfassung schrieb er : »Der Methodismus ist die thatsächliche Verwerfung dessen, was wir im 3. Artikel des apostolischen Glaubens und im 5. Artikel der Augsb. Konfession bekennen. Der Methodismus ist Geringschätzung der gottgegebenen Gnadenmittel, des gottgeordneten Heilsweges und des gottgeordneten Predigtamtes; auf seiner Fahne steht: Kirchliche Freizügigkeit, kirchliche Gewerbefreiheit für jeden, der sich vom ›Geiste getrieben‹ fühlt. Es ist eine thatsächliche Auflehnung gegen alle kirchlichen Ordnungen, ist Ungehorsam des Menschengeistes gegen Gottes Geist, ist der geborene Widersacher und 503 Leider war es nicht möglich, die Schweiz mit ihren einzelnen Kantonen und andere europäische Länder einzubeziehen. Ich verweise dazu auf Patrick Streiff, Der Methodismus in Europa im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 2003.

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Zerstörer der gottgegründeten Kirchen des reinen Wortes und Sakramentes, und offenbart in seinem Donatismus504 den ihm innewohnenden geistlichen Hochmuth.«505

Mit solchen unglaublichen Verzerrungen wurden Pfarrer, Gemeindeglieder, Kirchenleitende und Staatsbeamte in den Konsistorien in ihren Urteilen beeinflusst. Was war das für eine Last für die schlichten Missionare, die sich selber in der reformatorischen Tradition wussten! Nach dieser einführenden eigenwilligen Information schließt sich die Darlegung von Querelen zwischen Landeskirchen und methodistischen Kirchen aus dem 19. Jahrhundert an, die aus heutiger Sicht unverständlich sind, aber in einem ökumenischen Verständnis erfolgen sollen. Das heißt nicht, frühere Probleme sollen verdrängt und die Geschichte dadurch verfälscht werden. Aber der ehrliche Umgang mit der Geschichte kann zeigen, dass daraus kein bitterer Nachgeschmack zurückbleiben muss.

3.3.1 Von New York nach Bremen – der Anfang der bischöflichen Methodisten in der Hansestadt Im Zwei-Städte-Staat Bremen herrschte nach 1848 sowohl politisch wie auch kirchlich eine Situation, die zu dieser Zeit mit keinem anderen deutschen Staat vergleichbar war. Zwar übte der Senat auch hier die kirchliche Aufsicht durch den Bürgermeister aus, aber es geschah im Zusammenwirken mit hanseatischliberalen Senatoren. Dazu passte die konfessionelle Ausrichtung der landeskirchlichen Gemeinden, die überwiegend uniert tendierten; nur einige – auch durch Zukauf und politische Eingemeindungen aus dem Königreich Hannover gewonnene Gebiete – blieben zusammen mit dem Dom lutherisch. Gegen die methodistische öffentliche Wirksamkeit im Zentrum der Stadt gab es weder vom Senat noch durch die Polizei einschränkende Maßnahmen. Ein Vertrag zwischen norddeutschen Hansestädten und Amerika, der 1827 geschlossen worden war, hatte die Grundlage für einen großen Freiraum zugunsten amerikanischer Bürger geschaffen; und das waren jene von dort kommenden Missionare nach ihrer Auswanderung geworden. 504 Die Vorstellungen des Donatismus gehen auf einen Bischof Donatus von Karthago zurück, der im 4. Jahrhundert nach einer kirchlichen Abspaltung bestritt, dass die in deren Mitte gespendeten Sakramente wirksam seien. 505 Wilhelm Rohnert, Kirche, Kirchen und Sekten samt deren Unterscheidungslehren. Nach dem Worte Gottes und den lutherischen Bekenntnisschriften dargestellt. Zweite verbesserte und vermehrte Auflage, Leipzig 1882, 171. Im Vorwort zur zweiten Auflage bemerkt er : »Der Methodismus ist diesmal von allen Sekten am ausführlichsten behandelt worden, was hoffentlich nicht unerwünscht sein wird, da gerade von dieser Seite her die evangelische Kirche Deutschlands am meisten zur Zeit bedroht wird.« (S. VI).

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Bremen war in der Mitte des 19. Jahrhunderts gleichsam ein Vorort von New York. Auf der einen Seite wurden im Hafen Importe sowohl von »Kolonialwaren« wie Kaffee, Tee, Kakao und Tabak als auch z. B. vor den Küsten Grönlands erlegte Wale angelandet. In die andere Richtung waren Bremen und Bremerhaven die Städte, durch welche Millionen von Auswanderern ihre Heimat verließen. Sie hielten sich, bevor sie ihr Schiff nach Baltimore oder New York besteigen konnten, für kürzere, manchmal auch etwas längere Zeit hier auf. Einzelne weitsichtige Pastoren richteten damals den Blick schon auf das kirchliche Leben jenseits des Ozeans. Sie waren enttäuscht von dem Auswandererprediger Friedrich Wyneken (1810–1876), der sich in Amerika als Lutheraner gegenüber anderen Kirchen mit scharfer Polemik abgrenzte.506 Es muss eine Folge davon gewesen sein, dass der uniert ausgerichtete ›Bremer Auswandererverein‹ sich von Wyneken trennte und seine Arbeit einstellte. Der Herausgeber des ›Bremer Kirchenboten‹,507 Friedrich Ludwig Mallet (1792–1865), veröffentliche aber weiterhin für die an der Auswanderung interessierten Bremer nicht nur Briefe früher ausgesandter Prediger. Schon Anfang der 40er Jahre berichtete er auch freundlich über die ›Kirche der Vereinigten Brüder in Christo‹, die methodistische Frömmigkeitsformen aufgenommen hatte,508 über die ›Albrechtsleute‹, und über die bischöflichen Methodisten. Man konnte sogar 1845 schon einen Auszug aus Wilhelm Nast’s (1807– 1899) Leben, dem von Cincinnati in Ohio aus wirkenden methodistischen Theologen und Zeitschriftenredakteur, lesen. Dazu druckte Mallet lange Auszüge aus einem Buch von Adam Miller (1810–1901) über die deutschen Methodisten in Amerika.509 Georg Dancker, der sich in Deutschland unter Mallet bekehrt hatte und nach darauf folgenden Schikanen mit anderen Freunden zusammen ausgewandert war, blieb mit dem Bremer Erweckungsprediger im Kontakt. In Amerika wurde er zunächst lutherischer Pastor, aber sein erweckliches Wirken machte ihn in seiner Kirche zum Außenseiter, so dass er sich mit einem Teil seiner Gemeinde den Methodisten zuwandte. Dancker, in Amerika George Danker, blieb auch danach als Vertrauter Mallets einer seiner Korrespondenten. Mit anderen 506 Vgl. Kap. 2.1.2. 507 Der ›Bremer Kirchenbote‹ erschien seit 1841 und berichtete sporadisch über die deutschsprachigen Methodisten in Amerika. Nach dem Besuch von Wilhelm Nast 1845 bei Mallet, der ihn bei dieser Gelegenheit spontan zu einem Vortrag eingeladen hatte, verstärkte sich die gegenseitige Sympathie. 508 Die ›Kirche der Vereinigten Brüder in Christo‹ nahm 1871 im fränkischen Naila eine Missionsarbeit durch den Rückwanderer Georg Friedrich Heinrich Bischoff (1829–1885) auf. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schloss sie sich diesseits des Ozeans der bischöflichmethodistischen Kirche an, in Amerika vereinigte sie sich mit der deutschsprachigen Evangelischen Gemeinschaft. 509 Adam Miller, Ursprung und Fortgang der deutschen Mission in der bischöflichen Methodistenkirche, Cincinnati 1843.

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Worten: die methodistische Erweckung unter den Deutschen in Amerika war in Bremen durch Mallets Offenheit bekannt und hatte einen guten Ruf.510 Der Beginn der Mission in der Hansestadt erfolgte durch Ludwig S. Jacoby (1813–1874). Er war im Herbst 1849 als erster methodistischer Missionar in Bremen angekommen. Seinen ersten öffentlichen Gottesdienst hielt er am 23. Dezember im zentralen Gewerbehaus, dem damaligen ›Krameramtshaus‹. Der ›Bremer Bürgerfreund‹ kündigte ihn als einen von drei »außergewöhnlichen Abendgottesdiensten« mit Orts- und Zeitangabe an.511 Vor dem zweiten Gottesdienst erfolgte ein kurzer, überraschend freundlich gehaltener Rückblick auf den ersten: er sei »auf ’s Günstigste« ausgefallen.512 Was das bedeutet, wird in einer folgenden Meldung konkret ausgeführt: »Der Abendgottesdienst des Methodistenpredigers, Herrn Jacobi im Kramer-Amthause513 ist so außerordentlich zahlreich besucht,514 daß der Saal die Hinzudrängenden nicht aufnehmen kann und viele derselben draußen auf dem Gange stehen. Gewiß ist der zahlreiche Besuch nur den anziehenden, ächt christlichen Vorträgen des Herrn Jacobi zuzuschreiben und nicht dem Verlangen, sich der Methodistengemeinde anzuschließen.«515

In den nächsten Ausgaben folgten auch kritische Leserbriefe und Artikel, die vor den ›Sekten‹ warnten. Eine andere Zeitung, der ›Courier an der Weser‹ berichtete über die Anfänge kritischer als der ›Bürgerfreund‹. Selbst der berühmte Bremer St. Stephani-Prediger Friedrich Mallet wird darin ein »sonderbarer Kautz« genannt und der »Buchstabengläubigkeit« gerügt.516 Zu den Methodisten fragte ein Leser : »Was wollen die Leute hier eigentlich?«517 Der »Courier« hat in regelmäßigen Abständen, jeweils wenn es einen Anlass gab, berichtet, manchmal kritisch, aber nicht verletzend. Die Arbeit der Methodisten begann nicht als ein pietistisches Konventikel, sondern öffentlichkeitsbewusst; nicht in einem Hinterhof, sondern in einem größeren Saal eines zentralen historischen Gebäudes. Dort wurden die Gottesdienste gehalten, ab April 1850 gab es dort auch eine Sonntagsschule mit bis zu 200 Kindern, in der Nacht des Jahreswechsels fand 1850/51 im überfüllten Saal ein für jene Zeit typisch methodistischer ›Wachnacht-Gottesdienst‹ statt. Die 510 511 512 513

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Voigt, Friedrich Ludwig Mallet (wie Anm. 183), 157–192. Der Bremer Bürgerfreund, Wochenschrift, Ausgabe vom 23. Dez. 1849, 812. Ebd., Ausgabe vom 30. 12. 1849, 826. Das am Anfang des 17. Jahrhunderts errichtete historische Gebäude ist als Krameramthaus heute Sitz der Handwerkskammer. 1975 feierte die Gemeinde darin mit einer Predigt von Bischof Dr. Carl Ernst Sommer nach 125 Jahren das Kirchenjubiläum. Eine historische Ansicht zeigt das Cover dieses Buches. Nach einem Pressebericht sollen vierhundert Hörer gekommen sein. Ebd., Ausgabe vom 7. Febr. 1850, 88. Courier an der Weser, 3. März 1850. Ebd., 14. Juli 1850.

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Miete betrug pro Sonntag drei Reichstaler. Das Drängen in die Öffentlichkeit kam auch darin zum Ausdruck, dass schon ab dem 21. Mai 1850 die Kirchenzeitung »Der Evangelist« erschien. Wenn er auch sonst mit seinen Urteilen sehr danebenliegt, hat der Erlanger Missionsdozent Karl Graul in dieser Frage im Vergleich zum Pietismus die Methodisten richtig eingeschätzt, wenn er schrieb: der »Pietistischgesinnte« sucht zu seiner Erbauung »die häusliche Stille, […] der Methodistischgesinnte aber den offenen Markt zur Bekehrung Anderer.«518 Weder in der Anfangszeit noch im Verlauf der weiteren Entwicklung im 19. Jahrhundert hat in Bremen eine staatliche oder eine kirchliche Behörde durch öffentliche Maßnahmen in die Entwicklung der methodistischen Arbeit hemmend eingegriffen. Es kam vor, dass der aus Bremen geflüchtete, oder vielleicht müsste man sagen richtiger sagen vertriebene Pastor Rudolph Dulon (1807–1870) mit seinen Anhängern methodistische Versammlungen störte. Dem Unser-Lieben-Frauen-Prediger wurde nicht zu Unrecht vorgeworfen, die Wahrheit des Evangeliums zu bestreiten und sogar zu verhöhnen. Das war auch der Grund, warum er gegen die Methodisten mobil machte. Im Stadtteil Hastedt hielt er in Jürgens Gasthof, wo vor ihm die Methodisten ihre Versammlungen hatten, einen kritischen Vortrag über sie. Das war harmlos. Als die Methodisten in der Neustadt »Im weißen Roß«, »einem der niedrigsten Wirtshäuser«519 wieder eine gottesdienstliche Versammlung hielten, veranstalteten Dulons Anhänger vor der Tür mit Trompeten und Geschrei ein Konzert der besonderen Art. Gegen diesen Unsinn schritt zum Schutz der Methodisten die Polizei ein, und zwar ungerufen. Ähnlich war es in Vegesack, einem nördlichen Ortsteil von Bremen, direkt an der Weser gelegen und als Wohnsitz von Kapitänen beliebt. Dort kam es zu einem von Pastor Heinrich Friedrich Iken (1794–1853) und dessen Organist angezettelten Tumult vor einem Privathaus, in dem sich die dortigen Methodisten versammelt hatten. Die Versammlungsteilnehmer flüchteten durch den Garten. Um eine Wiederholung zu vermeiden, beorderte die städtische Polizeidirektion zusätzliche Dragoner, um die Versammlungen zu schützen. Einige der Störenfriede wurden sogar durch das ›Criminalgericht‹ belangt und mussten zum Schmerz der Familien einige Tage hinter Schloss und Riegel, ohne dass die Gestörten Anzeige erstattet hätten. Es gab aber auch Spott. Schon im Januar 1851 brachte ein Vegesacker Laienspieltheater unter Anspielung auf den Kirchennamen eine Posse auf die Bühne. »Metha Diestel oder Don Juan aus Amerika« schien eine so erfolgreiche 518 Karl Graul, Die Unterscheidungslehren der verschiedenen christlichen Bekenntnisse im Lichte des göttlichen Worts. Mit einem Abriß der hauptsächlichsten ungesunden religiösen Richtungen, Leipzig 1861, 145. Hervorhebung übernommen. 519 Jacoby, Geschichte des amerikanischen Methodismus (wie Anm. 108), 259.

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Inszenierung gewesen zu sein, dass bald ein dritter und vierter Teil angekündigt wurde.520 Alle solche Aktionen waren die aus Amerika zurückgekehrten Missionare von dort gewohnt. Über Konfessionsgrenzen hinweg gab es ganz unterschiedliche Berührungspunkte. Bürgermeister Johann Smidt (1773–1857) hatte mit dem Ankauf eines küstennahen Landstriches vom Königreich Hannover einen klugen Schachzug getan. Mit der Gründung von ›Bremerhaven‹ für den Überseeverkehr brauchte er jetzt nur noch geringe Konkurrenz durch das Großherzogtum Oldenburg mit dessen ebenfalls an der Weser gelegenen Hafen in Brake zu befürchten. Aber mit dem Zukauf des hannoverschen Gebiets wurden auch lutherische Kirchengemeinden ins erweitere Bremer Staatsgebiet übernommen. Ein Konfessionswechsel war für sie aus gesetzlichen Gründen damit nicht verbunden, weil in Osnabrück 1648 vereinbart worden war, dass, wenn ein Herrscher seine Konfession wechselt, seine Untertanen der bisherigen Konfession verbunden bleiben. Das wurde sinngemäß auf die Lutheraner aus dem hannoverschen Gebiet angewandt, als sie in Bremerhaven eingemeindet wurden. Eine der lutherischen Gemeinden in Bremerhaven wandte sich als kirchliche Minderheit in einem Schreiben an die Bremer ›Senatskommission für kirchliche Angelegenheiten‹ und bat darum, ihr »dasjenige Maß an Duldung, dessen die hier wohnenden Methodisten sich erfreuen« auch ihnen zu gewähren.521 Wenn diese Senatskommission sich auch nicht um die Aktivitäten der Methodisten kümmerte, so hatte doch die Innere Mission und der ihr verbundene Martini-Pastor Georg Gottfried Treviranus (1788–1868) ein waches Auge auf die Entwicklung. Die zu dieser Zeit äußerst aktive Innere Mission stand in lebhafter Verbindung mit Johann Hinrich Wichern (1808–1881), dem Hamburger Gründer dieses freien diakonischen Kirchenzweiges. Treviranus, als der ›Mentor aller kirchlichen Vereine in Bremen‹, war ein Freund Wicherns,522 mit dem er im regelmäßigen brieflichen Austausch stand. Auf diesem Wege war auch Wichern früh über die Anfänge der Methodisten in der Hansestadt unterrichtet. Die hanseatische Art, den Wirkungskreis der Methodisten einzuschränken, zeigte sich erst im Rückblick aus den Protokollen des Vereins für Innere Mission. Er war unabhängig von den politischen Entscheidungen des Senats und dessen ›Kommission für kirchliche Angelegenheiten‹ und machte auf seine eigene Art Kirchenpolitik. Es könnte sein, dass ihre Vorstandsmitglieder durch eine Initiative des Remberti-Pastors Friedrich Adolf Toel (1805–1864) auf diese Idee gekommen sind. Der gebürtige Bremer Toel war spätestens im Raum Wuppertal 520 Ankündigung im »Vegesacker Wochenblatt« vom 30. Jan. 1851, gedruckt bei Zeitungsverleger J. F. Rohr. 521 StAHB, Best. Q. 9. m. 2. a. 522 Walter Schäfer, Georg Gottfried Treviranus. Wicherns Freund, Verden 1963.

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von der Erweckungsbewegung beeinflusst. Die seelsorgerliche Verantwortung für die Gemeindeglieder in Hastedt, einem von der in der Stadtmitte gelegenen historischen St. Remberti-Kirche entfernten Stadtteil, veranlasste ihn, auch in Hastedt seine Gemeindeglieder weder dem radikalen Pastor Rudolph Dulon noch den Methodisten, die dort schon sehr bald ein Haus erworben und einen Betsaal eingerichtet hatten, zu überlassen. Hastedt war zu dieser Zeit ein Dorf, »das sich um die Jahrhundertmitte zu einem kirchlich kaum betreuten Industriearbeiterflecken von etwa 3000 Seelen entwickelt hatte.«523 Toel beantragte beim Vorstand der Inneren Mission einen Kostenzuschuss, um den methodistischen Betsaal für seine Gottesdienste mieten zu können. Im Dezember 1851 wurde der Zuschuss beschlossen. 40 Reichstaler für das Jahr 1852. Am Dienstag, dem 7. Januar 1852,524 predigte der landeskirchliche Pastor seiner Gemeinde von einer methodistischen Kanzel. Es wäre im 19. Jahrhundert in einer anderen deutschen Stadt kaum vorstellbar gewesen, dass ein Pastor einer landeskirchlichen Gemeinde eine methodistische Kanzel betreten hätte. Die Innere Mission nahm sich an diesem Vorgang ein Beispiel. Nacheinander richtete sie in Stadtteilen mit methodistischen Aktivitäten, in der Stephanivorstadt, am Buntentor, im Bereich der St. Pauli-Gemeinde und in der Feldstraße Sonntagsschulen ein, manchmal für kurze Zeit auch Betsäle. Aus dem Hamburger ›Rauhen Haus‹ ließen sich die Initiatoren zur personalen Verstärkung von Wichern Stadtmissionare vermitteln. Wie noch 1863 diese Initiative auf einen methodistischen Anfang zurückging, zeigt eine Protokollnotiz, in der es heißt: »Eine Sonntagsschule ist Bedürfniß. Manche Eltern schicken die Kinder jetzt in die der Methodisten.«525 Wie in Hastedt 1863 erbaute die Innere Mission auch in der östlichen Vorstadt und in der Neustadt gerade in jenen Stadtteilen Kirchen, in denen vorher die Methodisten aktiv waren. Neben der Organisation eigener Sonntagsschulen und dem Bau von Kirchen in einigen damaligen Randgebieten der Stadt, hat die Innere Mission kurzfristig auf die Aktivität der Methodisten, in deren Mission die Sonntagsschulen eine zentrale Rolle spielten, in den verschiedenen Stadtteilen reagiert. Wie die Innere Mission unaufgeregt den Methodisten auf dem Fuß folgte, zeigte sich auch im Krameramthaus. Die methodistische Kirche hatte mit amerikanischer Unterstützung in der Georgstraße ein eigenes Gebäude für die Gesamtverwaltung in Deutschland und der Schweiz, auch als Medienzentrum und für die Gestaltung des Bremer Gemeindelebens, erbaut. Als sie danach das 523 Karl H. Schwebel, Die Bremische Evangelische Kirche 1800–1918. In: Andreas Röpcke, Bremische Kirchengeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, Bremen 1994, 46. 524 Protokolle der Versammlungen des Vereins für innere Mission [in Bremen], 1848 bis 18. 7. 1864. Archiv der Inneren Mission Bremen. 525 Ausschuß des Vereins für innere Mission für die Ostervorstadt. Ausschuß-Protokolle, Eintrag unter dem 15. August 1863. AIMHB.

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Krameramthaus verließ, hat alsbald die Innere Mission den Saal für Bibelstunden mit Pastor August Gottlieb Wimmer (1791–1863) gemietet. Der aus Österreich-Ungarn während der Revolution wegen schwieriger poltischer Händel nach Amerika geflohene Wimmer war inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt. Zeitweise hatte ihn die Bremer Innere Mission trotz einiger Vorbehalte angestellt. Im Bereich der Ostertor-Vorstadt mit der Feldstraße als Schwerpunkt wirkte seit 1868 der als Inspektor von der Inneren Mission nach Bremen berufene Pastor Otto Funcke (1836–1910). Das war von der Ausbildung her eine deutliche Stufe höher als die in der Anfangszeit aus Hamburg kommenden Rauhäusler. Funcke wurde ab 1872 Pastor an der in seinem Arbeitsbereich für eine »Personalgemeinde« 1869 erbauten Friedenskirche. Vielleicht war die methodistische Sonntagsschule in dieser Region ein Samenkorn, denn später wurde gerade die Friedenskirche mit ihren Pastoren für den landeskirchlichen Kindergottesdienst zunächst in Bremen und später deutschlandweit ein Zentrum. Ihr Prediger Otto Funcke hat sich durch seine zahlreichen volkstümlichen Bücher weit über Bremen hinaus einen Namen gemacht. 1875 bekam er in Paul Zauleck (1849–1917) einen Kollegen, der zunehmend deutschlandweit Einfluss auf die kirchliche Arbeit an Kindern ausübte. Er hat sich für einen Wandel von der Sonntagsschule zum Kindergottesdienst engagiert und wurde darin von Funcke unterstützt. Bei einem Kongress der vom Central-Ausschuss der Inneren Mission 1881 in Bremen veranstaltet wurde, war die Ablösung der Sonntagsschule durch einen liturgisch gestalteten Kindergottesdienst zum Abschluss gekommen.526 Ab 1891 gab Zauleck zusammen mit den Bremer Pastoren Ludwig Tiesmeyer (1835–1919) und Gustav Volkmann (1842–1917) die Zeitschrift »Der Kindergottesdienst« heraus. Später führte Pastor Johannes Piersig (1867–1942) diese Tradition fort. Zum Vorlauf gehört, dass die gesamte Sonntagsschul- und Kindergottesdienstarbeit in Deutschland durch die hohe Bedeutung, welche die Methodisten den Kindern zumaßen, einen erkennbaren Aufschwung erhalten hat. Für die Methodisten war Bremen – auch durch die hier gedruckten Arbeitshilfen527 – der Ausgangsort dieses ersten wichtigen Arbeitszweiges im Zuge früher Gemeindebildungen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dies auch auf Bremer Pastoren mit langfristigen Folgen eingewirkt hat. Ob es in der überregionalen Rolle Bremens Zusammenhänge mit der frühen methodistischen Initiative gibt, ist bisher nicht erforscht, aber durchaus wahrscheinlich. 526 Voigt, Internationale Sonntagschule (wie Anm. 250), 109–121. 527 Karl Heinz Voigt, Kinderliteratur im methodistischen Traktathaus. Kinderbücher, Liederbücher, Kinderzeitung und Kindertraktate im 19. Jahrhundert. In: Freikirchen-Forschung Bd. 15 (2006), 369–386.

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In Bremen gab es schon früh Kirchengrenzen überschreitende Verbindungen in der »Jünglingsarbeit«. Das ging zurück auf den 22. August 1855. An dem Tag wurde in Paris die Basis einer ›Alliance des Chreti8nne de Jeunes Gens‹, später »Christliche Vereine Junger Männer/Menschen« (CVJM), angenommen. Delegierte von etwa 320 Jünglingsvereinen in Amerika und aus europäischen Ländern haben sich am Rand der Welttagung der ›Evangelischen Allianz‹ in einer Pariser Methodistenkapelle getroffen, um ihrerseits über die Einheit unter jungen Christen zu beraten. Der als Publizist bekannte amerikanische Methodist Abel Stevens (1815–1897) hat am Ende der Tagung den Antrag zur Annahme der später vom YMCA/CVJM als ›Basis‹ bezeichnete Formel nachdrücklich unterstützt. Es wird überliefert, er habe »in machtvoller Klarheit die Wichtigkeit des Zusammenschlusses der Vereine« betont und die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, »einer Wahrheit von ungeheurem Wert zum Ausdruck zu verhelfen und, wenigstens unter uns, die heilige Einheit der Kirche Christi [zu] verwirklichen.«528 Das historische, bis in die Ökumene als deren ursprüngliche Basis hinwirkende Dokument ist an erster Stelle von »J. P. Cook, Presidente Paris« unterzeichnet. Jean Paul Cook (1828–1886) war einer der methodistischen Missionare, die in Paris tätig waren. Es scheint, als sei der Brite George Williams (1821–1905), von dem 1844 der Impuls einer vereinigten Jünglingsarbeit ausgegangen war, 1855 in Paris nicht dabei gewesen, jedenfalls ist sein Name unter den etwa 60 Unterzeichnern der ›Basis‹ nicht zu finden.529 Als Folge der Pariser Initiative hat der Methodistenprediger Ludwig Nippert eine Bremer ›Christliche Jünglings-Union‹ gegründet. Als sie 1860 zur dritten Jahresfeier im methodistischen Zentrum zusammenkam, befanden sich darunter außer den Gastgebern Mitglieder der von Friedrich Mallet gegründeten ›Zufluchtstätte für Jünglinge‹, einige Vertreter einer 1837 vermutlich als Sponsorengruppe für die »Zufluchtstätte« gegründeten ›Herrengesellschaft‹ und einige junge Männer aus der 1845 gebildeten Baptistengemeinde. Allerdings wurde hier nicht so ein feines Essen serviert, wie die Teilnehmer der ›Herrengesellschaft‹ es bei ihren Zusammenkünften gewohnt waren. Es gab »dampfenden Thee mit Butterbrod, was einige Brüder servirten«.530 Zwischen Tischreden wurde miteinander gesungen oder chorische Darbietungen zu Gehör gebracht. Alles fand in einem eigens für diese Begegnung mit Bildern von Luther, Wesley und anderen Persönlichkeiten dekorierten Festsaal statt. Ernst Gebhardt, der den Bericht für die methodistischen Gemeinden geschrieben hat, fügte seinen Ausführungen 528 Karl Kupisch, Der Deutsche CVJM, Kassel 1958, 14. 529 Ein Abdruck des Originals bietet Walter Stursberg, Glauben – Wage – Handeln. Eine Geschichte der Bewegung CVJM in Deutschland, Wuppertal 1977, 56f. 530 Ernst Gebhardt, Jahresfeier der christlichen Jünglings-Union in Bremen, In: Evangelist 1860 (11. Jg.), 2059–2061.

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»als höchst wünschens- und beachtenswerth hinzu: daß unsere lieben Brüder […] allenthalben auf ihren Arbeitsfeldern solche Jünglingsvereine unter der Benennung ›Christliche Jünglings-Union‹ gründen möchten. […] In Bremerhaven und Hamburg wurde vor kurzer Zeit von den Brüdern A. Lühring und E. Peters unser Beispiel nachgeahmt; Berlin wird folgen. Möge uns bald auch ähnliche Kunde von Süddeutschland und der Schweiz zukommen!«531

In Bremen wurde ein solches Zusammenwirken auch möglich, weil Pastor Mallet keine Bedenken hatte, aus seinem »Bremer Hülfsverein«, der sich der Betreuung von Jünglingen angenommen hatte, Jugendliche bedenkenlos zu den missionarisch ausgerichteten Methodisten gehen zu lassen, wie er auf Nachfrage in einem Vorstandsgespräch des »Hülfsvereins« ausführte.532 Die Rechtslage in der Hansestadt ermöglichte den Methodisten, 1855 ohne irgendwelche Vorbehalte ein Medienzentrum, damals ›Traktathaus‹ genannt, in der damaligen Georgstraße zu erbauen. Das Gebäude war nicht zufällig zwischen dem Bahnhof und dem Auswandererkai im Hafen errichtet. Zahlreiche Auswanderer waren von ihren Verwandten oder Freunden, die vor ihnen ausgewandert waren, an diese Adresse verwiesen worden. Dort gab es Beratung, eine Broschüre »Praktische Winke für Auswanderer« und in manchen Fällen lag auch aus Amerika gesandtes Reisegeld bereit. Der Name Traktathaus sagt schon, dass hier auch die Verwaltung des Verlags und nach der Einrichtung einer Druckerei, später auch eine Buchbinderei angesiedelt waren. Der Druckereileiter war von Pastor Mallet aus dessen Gemeinde empfohlen worden. Für den Druck gab es keine politischen Einschränkungen: Kirchenzeitung, Kinderblatt, Gesangbücher und bald auch über Jahrzehnte in Lizenz für die ›Amerikanische Bibelgesellschaft‹, Luther-Bibeln mit dem von der Evangelischen Kirchenkonferenz genehmigten Text zu drucken, stand nichts im Wege. Jacoby, der Organisator der bischöflichen Methodisten in Kontinental-Europa, war sich dessen bewusst, dass die Entwicklung der Mission in Deutschland eng zusammenhängt mit der theologischen Bildung der Missionare. Am 10. Februar 1858 hatte er seine Vorgespräche mit dem zuständigen Senator, seinen eigenen Kollegen und der Gemeinde soweit vorangetrieben, dass er in diesem Zusammenhang einen schriftlichen Antrag stellen konnte. Er bat den hohen Senat, »ihm die Erlaubniß zu ertheilen«, eine Anstalt, um junge Leute für den Missionsdienst der inneren und äußeren Mission heranzubilden, errichten zu dürfen. Zwei Tage später erklärte sich der Senat damit einverstanden. Um die Sache nicht zu hoch zu hängen, wurde die untergebene Polizeidirektion beauftragt, dies dem Antragsteller zu eröffnen. Am 17. Februar erschien Jacoby bei der Polizei, die ihm – in Gegenwart des Senators Georg Heinrich Olbers (1790– 531 Ebd., 2060f. 532 Protokolle im Besitz des CVJM.

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1861) – erklärte: »daß der Senat einverstanden und zur Zeit dem fraglichen Antrage nicht entgegen sein wolle.«533 Es wurden einige allgemeine Bedingungen, die Jacoby teilweise schon in seinem Antrag formuliert hatte, protokollarisch festgehalten. Jacoby unterschrieb, und damit war die Genehmigung für eine Ausbildungsstätte innerhalb von einer Woche erteilt. Es wurde ein Vorstand eingesetzt, eine Haus- und Studienordnung festgelegt, so dass am 7. März 1858 vier junge Männer den ersten Studienkurs beginnen konnten. Diese erstaunlich unkomplizierte Art des Verfahrens wurde auch in den nächsten Jahren nicht eingeschränkt. Einer der vier ersten Missionsanwärter, August Rodemeyer (1837–1899), kam aus Bremen-Vegesack. Alle anderen waren »Ausländer«. Sie kamen aus dem Herzogtum Braunschweig, dem Königreich Hannover und dem Kanton Zürich. Keiner von ihnen und von den nächsten Auszubildenden, die bis 1864 aus dem Königreich Bayern (1), dem Königreich Hannover (3), dem Großherzogtum Oldenburg (5), dem Fürstentum Schleiz (1), der Schweiz (7) und aus Württemberg (8)534 kamen, hatte ein Problem, sich in Bremen aufhalten zu dürfen. Das war nicht selbstverständlich. Der in Bremen ausgebildete Missionar Franz Klüsner (1837–1916) wurde im ostfriesischen Aurich, das unter der Regierung des hannoverschen Königs stand, polizeilich ausgewiesen, weil er »Ausländer« war. Geboren war er im benachbarten Großherzogtum Oldenburg. Das änderte sich dort, nachdem Ostfriesland 1866 Teil der preußischen Provinz Hannover geworden war. Dass die amerikanischen Professoren in Bremen unterrichten konnten, war durch den Staatsvertrag von 1827 zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Bremen gesichert. Ein schwieriges Kapitel für kirchliche Minderheiten war im 19. Jahrhundert die Anerkennung als juristische Person. Der umsichtige und engagierte Superintendent Jacoby hat von Bremen bis in die Schweiz, ja selbst nach Bulgarien hinein gewirkt. In seiner Dienstzeit waren im Staat Bremen Kapellen und für den Verlag mit der Druckerei Gebäude errichtet oder erworben worden. In Ermangelung eines Rechtsstatus wurden sie bei beim Grundbuchamt auf seinen Namen als Eigentümer eingetragen. Jacoby hatte die Absicht, später für seine letzten Dienst- und Lebensjahre nach Amerika zurückzukehren. Er bereitete seine Rückkehr nach Amerika so vor, dass auch eine frühere Rückkehr als 1871, dem tatsächlichen Termin, möglich gewesen wäre. Am 31. März 1863 reichte er zusammen mit vier Bremer Bürgern, die einem neu gebildeten »Bremischen Methodistenverein« vorstanden, ein »Gesuch um Verleihung der Rechte einer juristischen Person« mit einem entsprechenden

533 Der ganze Vorgang: StAHB, Best. 2 – T.1.aa.19. 534 Geschichte und Bericht der Missions-Anstalt der Bischöflichen Methodistenkirche in Bremen. Von Anfang im Jahre 1858 bis Ende Mai 1866. Bremen/Zürich o. J. (1866), 16.

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»Statut« dieses Vereins beim Senat ein.535 Zwei Gründe wurden besonders herausgestellt: »Da der Fortgang des Superintendenten Jacoby von hier vielleicht bevorsteht,536 so ist die Frage nach einem neuen Träger für diese Vermögensrechte der gedachten Missionsgesellschaft entstanden, und zugleich hat sich die Notwendigkeit einer jedesmaligen Eigenthumsübertragung bei jedem solcher Personenwechsel als ein großer Übelstand fühlbar gemacht.«537

Jacoby hatte sich vom Präsidenten des Bremer Senats, Senator Johann Daniel Meier (1804–1871) beraten lassen. Der hatte ihm nahegelegt, das Eigentum nicht auf eine Gesellschaft mit dem Sitz in New York eintragen zu lassen, sondern eine »Hülfsgesellschaft« mit Personen des Bremischen Staats zu gründen, um »für diese um Corporationsrechte nachzusuchen«.538 Zwei Dinge fallen auf: (1) Der Impuls zu einem ›Bremer Gesuch‹ würde vom Präsidenten des Senats maßgeblich unterstützt. (2) In § 10 des Statuts wird ausdrücklich festgestellt, dass der Verein der »Missionsgesellschaft der Bischöflichen Methodistenkirche in Newyork in Betreff der Verwaltung oder Verwendung des Vereinsvermögens gegebenen Vorschriften und Anordnungen unbedingt Folge zu leisten« hat. Das ist juristisch ein ungewöhnlicher Vorgang, einer Institution – hier einer Kirche –, die im Ausland ihren Hauptsitz hat, in einem fremden Land derart weitgehende Rechte einzuräumen. Dieses Problem wird sich an anderer Stelle noch zeigen. In seiner Stellungnahme zu dem ›Gesuch‹ schrieb der Jurist Senator Ferdinand Donandt (1803–1872), der sich schon in einem Kommentar zum bremischen Strafrecht über die Grundstücksfragen der Methodisten geäußert hatte: »Noch unbedenklicher aber [als der organisierten Methodistengemeinde als religiösen Verein Corporationsrechte zu verleihen] will es mir scheinen, dem, mit Grund der vorgelegten Statuten gebildeten hiesigen ›Bremischen Methodistenverein‹ als juristi535 Acta betreffend die Verleihung der juristischen Persönlichkeit an den Bremischen Methodistenverein 1863, April 1. – 10. StAHB Best. 2-T.1.aa.19 (9). 536 Mitte 1862 wurde Jacoby von jenem Problem wieder eingeholt, das den Anlass zu seiner Auswanderung nach Amerika, wo der schon getaufte Jude seinen Weg zum fundierten Glauben und in eine deutsche Gemeinde der methodistischen Gemeinde fand, gegeben hatte. Er war wegen seiner früheren geschäftlichen Misere zutiefst angefochten und hat seinem Bischof ein Ausscheiden aus dem Dienst angeboten. Das Problem wurde seelsorgerlich gelöst. Jacoby bekam das Vertrauen durch die Kirche ausgesprochen und blieb auf deren Bitte noch fast zehn weitere Jahre in Deutschland, um den ihm übertragenen Auftrag zu erfüllen. Der Umstand des möglichen Ausscheidens hat offensichtlich den Anstoß gegeben, die Eigentumsfrage auf eine von Personen unabhängige Rechtsbasis zu stellen. 537 Acta betreffend die Verleihung der juristischen Persönlichkeit (wie Anm. 535), Antrag vom 31. März 1863. 538 Ebd., Senator J. D. Meier in seiner Stellungnahme beim Umlauf des Gesuchs unter den Senatoren.

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sche Person in der eingeschränkten Beziehung auf Erwerbung und Veräußerung von Grundeigenthum anzuerkennen.«

Zur Einrichtung von Schulen fügte Senator Johann Daniel Noltenius (1779– 1852) seiner Zustimmung eine fast heitere, aber verständliche Bemerkung hinzu. Eine Folge, wenn auswärtige Organisationen wie Kirchen die Oberaufsicht über Schulen haben können, werde sein, dass wir »künftig den Vereinigten Staaten noch machtloser gegenüber stehen, als dem Papste.« Mit entsprechenden Einschränkungen beschloss der Senat zehn Tage nach der Vorlage des ›Gesuchs‹: Nach Maßgabe der eingereichten Statuten »Werden der von den Bittstellern unter dem Namen Bremischer Methodistenverein gegründeten Gesellschaft […] die Rechte einer juristischen Peron hiedurch verliehen.«539 Dieses ist der erste Rechtstitel, den die Methodisten in Deutschland erwerben konnten. Er war nicht nur für die Sicherung des kirchlichen Vermögens an Immobilien im Land Bremen wichtig, sondern auch Eigentum in anderen Ländern wurde darauf eingetragen wie beispielsweise die Kapelle in Edewecht im benachbarten Großherzogtum Oldenburg. Eine Anmerkung zur umstrittenen Frage der Gemeinde- und Kirchenbildung kann im Vergleich zu anderen deutschen Staaten von Interesse sein. Ein beachtenswerter Hinweis für die weitere Geschichte ist die Notiz des Journalisten aus Jacoby’s erstem Bremer Gottesdienst. Gerade die von ihm vertretene Zukunftsperspektive kann so keine ›Zeitungs-Ente‹ sein. Die Bemerkung ist aber für eine umstrittene Interpretation eines Aspekts der frühen Geschichte von Interesse. Der ungenannte Korrespondent schrieb über das Motiv von Jacobys Kommen: »Übrigens sollen diese Abendgottesdienste nicht bezwecken, Proselyten zu machen oder eine Gemeinde hier zu stiften, sondern nur um nach Amerika auswandernden Rathschläge zu ertheilen.«540 Im Mai erfolgte trotz dieser Ankündigung eine Gemeindebildung. In einer Broschüre wird die Frage aufgeworfen: »Was wollen die Methodisten in Bremen?«541 Ein Leserbrief will es genauer wissen und fragt: »Wer trägt die Schuld, daß die Methodisten in Bremen festen Fuß fassen konnten und daß der Methodismus so um sich gegriffen hat?«542 Tatsächlich ist es entgegen der früheren Äußerung zur Gemeindebildung gekommen, nachdem Jacoby mit seiner Familie anfänglich die Gottesdienste Mallets in der Stephanikirche besuchte hatte. 539 540 541 542

Ebd., Extract aus dem Senatsprotokoll 1863 – April 1 und ff. Hervorhebung übernommen. S. D. in: Bremer Bürgerfreund vom 30. Dez. 1849, 826. Diese frühe Schrift, in der Presse erwähnt, wurde leider bisher noch nicht aufgefunden. U., Abendgottesdienst, Seelsorge und die Methodisten. In: Bremer Bürgerfreund vom 6. Juni 1850, 356.

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»Der Herr hat die Verkündigung seines Wortes nicht ohne Segen gelassen. Mehrere Seelen haben schon nach dem Weg des Lebens gefragt und einige sind willig, sich anzuschließen. Doch habe ich bis heute noch keine Gemeinde gegründet, da ich wünsche, daß die Leute uns noch erst näher kennen lernen möchten«,

schrieb Jacoby nach Amerika.543 In seinem folgenden Brief vom 12. April berichtet er über die Gemeindebildung am voraufgegangenen Osterfest und die damit verbundene Feier des heiligen Abendmahls. Ein ›Liebesfest‹ ist dann am Ostermontag in seiner Wohnung gefeiert worden.544 Im Rückblick leitete Jacoby seinen kurzen Bericht über die Gemeindebildung mit der Bemerkung über sich selbst ein: »Endlich Anfang April wurde er von denen, die sich der Bischöfl. Methodistenkirche anzuschließen wünschten, gezwungen, eine Klasse zu bilden und das Abendmahl auszutheilen.«545 Jacoby vermittelt den Eindruck, dass er gedrängt worden sei, und spricht lediglich von der Bildung einer »Klasse«, was zu jener Zeit die natürliche Vorstufe, ja fast Bedingung der Gemeindebildung war, weil man erst nach Klassmitgliedschaft und sich daraus ergebender Empfehlung als Glied in die Kirche aufgenommen wurde. Es ist müßig, die Frage zu stellen, wer es gewesen sein kann, die ihn gedrängt haben. Alles deutet darauf hin, dass der früher in der Brüdergemeine aktive Wessel Fiege, der auch zu dieser Zeit noch predigend durch die Dörfer im Bremer Umland zog, ihn veranlasst hat. Er hatte die Anmietung des Saals im Krameramthaus vermittelt und er gehörte mit seiner Frau zu den ersten, die sich der entstehenden Gemeinde angeschlossen haben. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Lage anderer Minderheiten in Bremen zu der Frage führte: Wenn die Herrnhuter seit Jahrzehnten und die Baptisten seit 1845 eine Gemeinde haben, ja sogar über eine Bremer, von Leberecht Uhlich (1799–1872) herkommende liberale Gemeinde der ›Lichtfreunde‹ öffentlich berichtet wird, warum soll nicht der Schritt zur Gemeindegründung auch von den Methodisten getan werden? Es ist selbst eine Zustimmung Mallets nicht ausgeschlossen, der die methodistische Mission schätzte, weil sie sich um jene kümmerte, die als Hausdiener und Gehilfinnen sonst keinen Gottesdienst am Sonntagvormittag besuchen konnten. Überblickt man die Lage in Bremen, so fällt zuerst auf, dass ein in anderen Regionen vorhandener negativer Einfluss aus den USA hier fast keine Rolle spielte und ganz schnell überwunden war. Jacoby war ein rhetorisch guter 543 Brief Ludwig S. Jacoby an Wilhelm Nast, Bremen, den 17. Jan. 1850. In: CA 1850 (12. Jg.), Nr. 9, 35. 544 Brief Ludwig S. Jacoby an Wilhelm Nast, Bremen, den 12. Apr. 1850, In: CA 1850 (12. Jg.), Nr. 20, 79. 545 Jacoby, Geschichte des Methodismus (wie Anm. 108), 260.

Das Kommen der methodistischen Kirchen aufs europäische Festland

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Prediger ohne jene Allüren, die man den Methodistenpredigern nachsagte. Im Grunde war schon eine freundliche Stimmung vorhanden, ehe Jacoby nach Bremen kam. Der Auswandererverein hatte sich von dem Konfessionalisten Wyneken getrennt und sich bald aufgelöst. Das war keine Folge der Aktivität von Jacoby, sondern die auch durch Wilhelm Nast bei seinem Bremen-Besuch 1845 ausgelöste oder wenigstens verstärkte Sympathie für die methodistische Kirche.546 Außergewöhnlich ist, abgesehen von der liberalen Haltung der staatlichen Behörden, dass von kirchlicher Seite langfristig gesehen keine nennenswerte Auseinandersetzung angezettelt wurde und keine Ausgrenzung stattfand. Im Gegenteil. Die methodistische Mission hat den staatsunabhängigen Teil der Kirche, die quasi freikirchliche Innere Mission, zu eigenen Anstrengungen herausgefordert und ihr dazu Modelle in der Sonntagsschularbeit und der Einrichtung von lokalen Andachtssälen außerhalb der Kirchen vermittelt. Das hatte langfristig auch zur Folge, dass zunächst die Sonntagsschule in der Stadt und später weit darüber hinaus zur normalen Aktivität von immer mehr landeskirchlichen Gemeinden beitrug. Der eingeschlagene Weg, die methodistische Arbeitsweise zu übernehmen und deren Ausbreitung dadurch einzuschränken, hat längerfristig dazu geführt, die entstandenen Aktivitäten in die parochialen Gemeinden zu integrieren. Das ist genau der Weg, den der Bonner Professor Theodor Christlieb einige Jahrzehnte später propagiert und selber organisiert hat. Er war seit seiner pastoralen Tätigkeit in London, ähnlich wie einige Bremer Pastoren, ein Sympathisant der Methodisten, besonders ihrer missionarischen Praxis. Als Christliebs Plan der Bildung eines überkonfessionellen »Deutschen Evangelisationsvereins«, in dem Landeskirchler und Methodisten gemeinsam missionarisch in Deutschland wirken sollten, an dem kirchlichen Widerspruch scheiterte, formulierte der an praktischer Evangelisation interessierte Professor die These: Die Kirchenbildung der Methodisten kann »überflüssig« gemacht werden, wenn die landeskirchlichen Gemeinden die methodistische Praxis übernehmen.547 Im Grunde hat Christlieb den von der Bremer Inneren Mission eingeschlagenen Weg weitergeführt. Wesentlich auf seinen Impuls hin formierte sich 1888 die Gemeinschaftsbewegung im ›Gnadauer Verband‹. Über denselben wurden zentrale Ansätze methodistischer Missionsarbeit, weithin verkürzt um die soziale Komponente, durch eine Art Hintertür über den Weg der ungeliebten Gemeinschaftsbewegung in die Landeskirchen eingeführt.548 546 Weil die bisherige Forschung die methodistischen Quellen nicht einbezogen hat, ist sie zu falschen Schlüssen gekommen. Z. B. Gottfried Mai, Die Bemühungen der Evangelischen Kirche um die deutschen Auswanderer (1815–1914), Bremen 1972, 69–85. 547 Christlieb, Zur methodistischen Frage, (wie Anm. 233). 548 Voigt, Der Zeit voraus (wie Anm. 132). Auch: ders., Theodor Christlieb, (wie Anm. 136).

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Im Lande Bremen ist es bei drei überschaubaren Gemeinden in den städtischen Ballungsgebieten Bremen, Bremen-Vegesack und Bremerhaven geblieben. Die politische Offenheit und die kluge, unauffällige Kirchenpolitik missionarisch engagierter Pastoren und Laien über die Innere Mission haben die methodistische Kirche klein gehalten. Trotzdem hat sie überregionalen Einfluss gewonnen und belebend gewirkt. Vieles war in anderen deutschen Staaten ganz anders.

3.4

Württemberg wird Schwerpunkt von drei methodistischen Kirchen

3.4.1 Die Wesleyanische Methodistengemeinschaft (1831) Wer die Arbeit der ›Wesleyanischen Methodistengemeinschaft‹ verstehen will, muss den englischen Methodismus von seinem Ursprung her kennen. Wesley hat sich gewehrt, ihn den Dissentern zuzurechnen. Das hat einen einfachen Grund. Er kämpfte innerhalb der von ihm inspirierten Society-Bewegung für ein Verbleiben in der Anglikanischen Kirche, weil er keinen theologischen Dissens sah. Nicht die Kritik an der Theologie seiner Kirche war für ihn motivierend, sondern die Erweiterung ihres Blickfeldes. Er zeigte durch seinen Lebensweg und in seiner Theologie, dass nach dem aufklärerischen Deismus und im Wandel von der Agrargesellschaft zur Bildung industrieller Zentren sowie der damit verbundenen inländischen Wanderbewegungen mit den Folgen der heimatlichen, kirchlichen und teilweise auch familiären Entwurzelung, die Aufgabe der Kirche Mission heißt. Die reformatorische Botschaft mit dem theologischen Zentrum von der Rechtfertigung allein durch den Glauben hatte eine neue Dimension erreicht. Es genügte nicht mehr, die Konstituierung der Kirchengliedschaft durch Taufe und bischöfliche Firmung oder Konfirmation als abgeschlossen zu bewerten, was wir heute deutlicher als je zuvor sehen. Das hieß damals schon: Die Mission mit der Einladung zum Glauben musste sich auch an die Getauften wenden. Und Wesley lernte auf diesem Weg der Mission: zu ihrer Erfüllung ist es notwendig, das Priestertum aller Glaubenden zu gestalten und zu praktizieren. Mit anderen Worten: Mission ist kein Spezialfall für ausgebildete, qualifizierte Theologen allein. Mission ist der Auftrag der ganzen Kirche, alle sind zur Teilnahme berufen und gesandt. So wurde die methodistische Bewegung zu einer (1) Laienbewegung unter theologischer Führung. Es bedurfte (2) der ›einfachen Predigt für einfache Leute‹, wie Wesley es formulierte. (3) Neben den traditionellen Gottesdiensten musste es die Form regelmäßiger überschaubarer Kleingruppen geben. Martin Luther hatte die Vorstellung einer

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Sammlung derer, »die mit ernst Christen sein wollen.«549 Nikolaus Ludwig von Zinzendorf hat die »Klassversammlungen« eingeführt550 und John Wesley hat diese Bezeichnung übernommen und damit die Praxis einer etwa zwölf Personen umfassenden Gruppe verbunden, die sich wöchentlich traf, um sich gegenseitig Rechenschaft über den gelebten Glauben zu geben, sich trösten und ermahnen zu lassen und miteinander zu beten. Und (4) war es hilfreich, für die überwiegend einfachen Leute einer bildungsfernen Gesellschaft ein angemessenes Leitdokument mit christlichen Lebensregeln zu haben. Wer sich den Methodisten anschloss, bekam diese ›Allgemeinen Regeln‹ in die Hand. Das war eine Anleitung zu einem neuen Lebensstil in sozialer Verantwortung und gesellschaftlichen Bezügen. Die »Regeln« waren einfach in drei Säulen aufgelistet: (1) nichts Böses tun, sondern Böses aller Art meiden. (2) Gutes tun, in jeder Hinsicht und soweit die Kräfte reichen an allen Menschen und (3) die von Gott verordneten Gnadenmittel gebrauchen. Jeder Abschnitt wurde kurz mit Beispielen erläutert. Den Weg der Nachfolge Christi konnte man nur gemeinschaftsgebunden, konkret, alltagsbezogen und in sozialer Verantwortung gehen. John Wesley, der nicht im theologischen Dissens mit seiner Kirche lebte, ist es sein Leben lang gelungen, die missionarische Laienbewegung als eine inneranglikanische Bewegung zu halten, die sich nicht als Gegenbewegung, Dissentergemeinschaft oder eigene Kirche konstituiert hat. Das heißt: Methodisten waren Glieder der Anglikanischen Kirche, sie nahmen dort an den Gottesdiensten teil, sie empfingen dort das Abendmahl und ließen dort ihre Kinder taufen.

Entwicklungsschritte der Wesleyanischen Methodistengemeinschaft in Württemberg Christoph Gottlob Müller (1785–1858), ein nach London ausgewanderter, dort verheirateter und geschäftlich erfolgreicher Winnender, hatte den Weg in eine methodistische Gemeinde gefunden, in der er sich engagierte. Bei einem seiner Heimatbesuche in Winnenden löste er durch seine zeugnishaften Berichte, aber auch durch Predigten völlig ungeplant in der Stadt und deren näheren Umkreis eine kleine Erweckung aus. Winnender Bürger baten ihn, nicht wieder nach London zurückzukehren, aber Müller konnte und wollte sich darauf nicht einlassen. Schließlich erreichten Briefe, die von Müllers Predigten Angesprochenen geschrieben waren, die ›Wesleyanische Methodistische Missionsgesellschaft‹ in London. Auf diesem Wege erreichten sie, dass diese Gesellschaft Müller als ihren 549 Martin Luther, Vorrede zur Deutschen Messe, WA Bd. 19, 74f. 550 Hanns-Joachim Wollstadt, Geordnetes Dienen in der christlichen Gemeinde dargestellt an den Lebensformen der Herrnhuter Brüdergemeine in ihren Anfängen, Göttingen 1966, 67f.

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Boten in seine württembergische Heimatstadt sandte. Man schrieb das Jahr 1831. Müller wirkte im Stil eines methodistischen Laienmissionars, der sich mit vollem Einsatz dem Dienst der Gewinnung von Menschen für den Glauben hingab. Im Laufe der Jahre wuchs die Bewegung. Schließlich breitete sie sich bis nach Bayern, dem früheren Schlesien, ja bis nach Wien aus. Bis zu Müllers Tod am 17. März 1858 hatte er Menschen in über 80 Orten erreicht. Mit der Sendung des ordinierten Reverend Dr. John Lyth (1821–1886) wurde eine zweite Phase eingeleitet. Als Lyth nach pastoralen Diensten in einigen Gemeinden auf der britischen Insel nach Württemberg kam, hatte er den Eindruck, eine pietistische Gemeinschaft mit methodistischem Anstrich vorzufinden. Lyth organisierte die Arbeit strenger, erwarb einige Grundstücke und gab 1863 das erste Wesleyanische Gesangbuch in Deutschland heraus.551 Lyth, der 1865 nach England zurückkehrte, bekam noch im selben Jahr in John Cook Barratt (1832–1892) einen weitsichtigen Nachfolger, der vorher acht Jahre als Missionar in der Karibik gearbeitet hatte. Alle drei waren unterschiedliche Persönlichkeiten, aber alle drei haben in der Spur des ekklesiologischen Selbstverständnisses der englischen Wesleyaner ihren Dienst im Sinne einer innerkirchlichen Erweckungsbewegung getan. Den entscheidenden Einschnitt brachte das von ihnen selbst veranlasste sog. »Dissidenten-Gesetz«, welches König Karl (1823–1891, Reg. 1864–1891) am 9. April 1872 erlassen hat.552 Als innerkirchliche Evangelisations-Bewegung vermieden sie bis zu diesem Zeitpunkt jeden Gottesdienst und jede Versammlung zur Zeit parochialer Gottesdienste. Sie wollten eine eigene Kirchen- oder Gemeindebildung vermeiden. Als Mitglieder der Landeskirche nahmen sie regelmäßig an den örtlichen Gottesdiensten ihrer Gemeinden teil. Dass dort die Kinder getauft wurden und die Methodisten am Abendmahl teilnahmen, auch Konfirmationen, Trauungen und Bestattungen dort verankert blieben, war selbstverständlich, ja im Sinne des württembergischen Gemeinschaftswesens für die Bürger völlig normal. Es gab innerhalb der ›Wesleyanischen Methodisten-Gemeinschaft‹, die sich bewusst nicht ›Kirche‹ nannte, lediglich Laienzeugen, die ihre charismatischen Begabungen entfalteten und keine agendarischen Ordnungen kannten oder eine 551 Zions-Harfe. Eine Sammlung von Geistlichen Liedern zum Gemeinschaftlichen Gebrauch. John Lyth (Hg.), Winnenden 1863 (mit 613 Liedern). Dazu: Friedemann Burkhardt, Kirchengesang und Kirchenlied der wesleyanischen Gemeinschaften in Württemberg. In: »… das heilige Evangelion in Schwang bringen«. Das Gesangbuch. Geschichte – Gestalt – Gebrauch. Hrgg. von der Württembergischen Landesbibliothek (Ausstellungsbegleitbuch) von Reiner Nägele 1996, 228–233. 552 König Karl [von Württemberg], Gesetz betreffend die religiösen Dissidenten-Vereine vom 9. April 1872. In: Regierungs-Blatt für das Königreich Württemberg Nr. 15 vom 15. April 1872, 151f.

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spezielle Segnung empfangen hatten. Es war ganz natürlich, nicht gegen die staatlich anerkannte oder eine andere Kirchengemeinschaft zu arbeiten. Dem englischen Vorbild folgend wollten sie das kirchlich-gemeindliche Leben bereichern mit Gaben, die in ihrer Gemeinschaft aufgrund des missions-theologischen Ansatzes und des Heiligungsverständnisses organisch gewachsen waren. Das waren insbesondere (1) der Dienst von überwiegend neben ihrem Beruf tätigen Reisepredigern, die geisterfüllte Laien waren, (2) die Organisation von verbindlicher Gemeinschaft in den sog. »Klassen« mit Gebet, Gespräch über Glaubenserfahrung, Zuspruch, Trost, Seelsorge und Ermahnung sowie schließlich (3) die dankbare Feier von ›Liebesfesten‹. Um die im Korintherbrief erwähnten Probleme bei den frühen Agapen nicht zu wiederholen wurde in aller Schlichtheit bei Wasser und Brot gefeiert, aber mit viel Gesang und Zeugnissen der Dankbarkeit über Gotteserfahrungen im täglichen Leben verbunden. An den Zusammenkünften der »Agapen« und auch der »Klassen« konnten aus seelsorgerlichen Rücksichten nur Mitglieder der Gemeinschaften teilnehmen, weil man damit rechnen musste, dass auch sehr persönliche Erfahrungen berichtet wurden. Wie in England wurden bei der Aufnahme in die Klasse die »Allgemeinen Regeln«553 ausgehändigt. Für die Zugehörigkeit zu einer Klasse und für die Teilnahme an Liebesfesten wurden – wie in Großbritannien – ›Tickets‹ ausgegeben. Es ist kein triftiger Grund dafür zu erkennen, warum das Konsistorium in Stuttgart sich gegenüber der »Wesleyanischen Methodistengemeinschaft« nicht offen gezeigt hat, um sie als eine weitere Gemeinschaft zu integrieren. Es scheint, als habe das 1743er Pietisten-Reskript den Ausschlag dafür gegeben. Neben einer Anzahl von Aktivitäten, die unter Berufung auf das 1743er Reskript Spannungen auslösten, war die parochiale Gemeindegrenzen überschreitende Tätigkeit durch die wesleyanischen Laienprediger für die Kirchenbehörden offensichtlich kein Problem. Im Reskript kommt große Sorge darüber zum Ausdruck, dass ganz offensichtlich Herrnhuter Reiseprediger die traditionellen Grenzen aufbrachen. Sie hätten ja aufbegehrende oder in ihren Parochien unzufriedene Pietisten zusammenführen können! Die Kirche war aber leichter zu »regieren«, wenn die sich versammelnden Gruppen möglichst klein, überschaubar und wenn es ging unter der Aufsicht des Ortspastors zusammenkamen. Diese Reskript-Vorschrift von 1743, welche die »hin- und her-reisenden Personen«554 betrifft, wurde erstaunlicher Weise auf die Wesleyaner, – und später auch auf die Reiseprediger der anderen methodistischen Kirchen –, nicht angewendet.

553 Der erste Druck erfolgte auf Veranlassung von Chr. G. Müller bereits 1834. 554 Von Gottes Gnaden. 250 Jahre Württembergisches Pietisten-Reskript 1743–1993. Hrgg. im Auftrag des Evangelischen Oberkirchenrats der Ev. Landeskirche Württembergs, Stuttgart, o. J. (1993), 44f.

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Umso schärfer war der Kampf gegen die Klassen. Er wurde aggressiv und unnachgiebig geführt. In der Praxis, im Rahmen der Klassstunden Glaubenserfahrungen offen zu bezeugen, auch persönliche Schuld bekennend auszusprechen, sahen die Kirchenbehörden Anklänge an das katholische Beichtinstitut, dessen Rückkehr sie abwehren wollten. Hinzu kam, dass in der landeskirchlichen Praxis diese Art der Gruppenseelsorge verworfen war. Es war vorgeschrieben, dass Seelsorge individuell erfolge und allein durch ordinierte Pfarrer angeboten werden durfte. Die gruppentherapeutischen Ansätze, wie sie im geschlossenen, vertrauten Kreis der Klasse regelmäßig geübt wurden, sind zu einem Dauerkonflikt geworden, der unter Berufung auf 1743 heftig kritisiert und scharf verurteilt wurde. Im Pietisten-Reskript war für Zusammenkünfte weiter die Höchstzahl für Teilnehmende mit zwei bis vier Haushalten oder zehn bis zwölf, höchstens 15 Personen vorgeschrieben,555 außerdem die Trennung der Geschlechter, die Zeit der Treffen und selbst der Ort, der nicht abseits oder am Rande eines Dorfes liegen sollte.556 Die Methodisten sind diesen Vorschriften des Pietisten-Reskript oft nicht gefolgt. Es kam zu ungezählten Vorladungen, auch später wieder bei den beiden anderen methodistischen Kirchen. Neben den Klassen bildeten die »Liebesmahle« den Hauptanlass der Kritik. Nach den Vorschriften des Reskripts von 1743 waren sie »keineswegs wieder in die Kirche einzuführen und zu gestatten.«557 Die aus England übernommenen »Agapen« waren aber im 19. Jahrhundert ein Herzstück methodistischer Frömmigkeitspraxis. Die Methodisten wollten auf diese Gemeinschaftsmahle nicht verzichten und argumentierten mit der Berufung auf die Schrift, wie es reformatorisch ist. Tatsächlich scheinen die »Agapen« in Württemberg von dem Verdacht begleitet worden zu sein, es handle ich um eine »Ersatzabendmahlsfeier«. Aber für die Methodisten gehörte neben Wort und Sakrament die Gemeinschaft zu den konstitutiven Elementen des Kirche-Seins und das »Liebesfest« war eine entsprechende Gestalt. Trotz zahlreicher Ermahnungen, Vorladungen und Strafandrohungen haben die Wesleyaner und später auch die bischöflichen Methodisten nicht auf die Klassversammlungen und die Liebesfeste verzichtet. Am Ende hat die Auseinandersetzung um diese Urform methodistischer Gemeinschaft im 18. und 19. Jahrhundert den Anlass gegeben, dass es 1872 zum »Dissidenten-Gesetz« kam. Flankiert wurde der 1865 beim Landtag politisch eingeleitete Prozess durch Baptisten. Sie baten »um zeitgemäße Deutung und Erläuterung« des § 27, Abs. 1 der Verfassungsurkunde im Sinne freier, nicht auf die bloße Hausandacht 555 Ebd., 46f. 556 Ebd., 34–55. 557 Ebd., 51–53.

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beschränkter Religionsausübung. Weiter hatten sich die von Christoph Hoffmann (1815–1885) geleiteten ›Jerusalemsfreunde‹ der von den Wesleyanern kommenden Eingabe angehängt. Sie enthielt eine sehr weitreichende Bitte, nämlich »die Aufhebung der Staatskirchen«.558 Einen so weit gehenden Antrag hätte keine der methodistischen Kirchen gestellt. Ihnen ging es um die Freiheit zur Mission, egal welche Kirchen es noch gab. Unter dem Zeugnis der Laienmissionare kamen Menschen zum Glauben und sammelten sich in der typischen Urzelle methodistischer Ekklesiologie, in Versammlungen von Glaubenden und Suchenden ihres Klasssystems. Schon unter Müller mehrte sich ständig die Zahl der Orte, in die er gerufen wurde. Er machte bei Wind und Wetter weite Fußtouren und kehrte nicht selten erst in der Nacht von seinen Predigtversammlungen zurück. Sein Lohn war, dass Menschen zum Glauben kamen und andere ihres Heils gewiss wurden. In einer zweiten Erweckungszeit in den Jahren 1840 bis 1843 weitete sich die Arbeit aus. Müller setzte inzwischen andere Laienhelfer ein, um die sich sammelnden Gemeinschaften betreuen zu können. Ursprünglich war es, wie man es in London sah, »eine Mission von Bauern an Bauern«,559 eben ein Laienwerk. Für Müller war es unumstritten, dass seine Arbeit eine Gemeinschaftsbewegung innerhalb der Landeskirche war. Trotz der erklärten und auch geistlich gelebten Anbindung an die jeweils eigene landeskirchliche Gemeinde wurden Müllers Aktivitäten vom Leiter der Winnender Paulinenpflege, Friedrich Jakob Philipp Heim (1789–1850), kritisch beurteilt. Klassversammlungen und die an die urchristlichen Agapen anknüpfenden ›Liebesfeste‹ waren ihm ein Ärgernis. Die besonders durch die Klassversammlungen und Liebesfeste verunsicherten Kirchen- und Staatsbehörden haben zuletzt mit einem polizeilichen Einsatz und einer kurzzeitigen Inhaftierung selber den letzten Anstoß zum DissidentenGesetz gegeben. Als es durch den König proklamiert war, haben die Wesleyaner nach 35 Jahren der manchmal bedrohlichen Belästigungen eine neue Periode ihres Wirkens eingeleitet.560 Das neue Gesetz hat die Voraussetzung für eine geordnete Trennung der Gemeinschaften von der damaligen Staatskirche geschaffen.

558 Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten im Landtag 1862– 1865, 6. Bd., 4435ff. 559 Johann Jakob Sommer, Aus der Morgendämmerung des Methodismus in Deutschland. Erinnerungen aus meinem Leben, Bremen o. J. (1924/25), 16. 560 John C. Barratt teilte als ›Vorsteher der wesleyanischen Methodisten Gemeinschaften‹ dem Konsistorium in Stuttgart mit, dass er »namentlich in Beziehung auf die Austheilung des heiligen Abendmahls von dem im besagten Dissidenten-Gesetz gegebenen Rechten Gebrauch machen werde.« Schreiben Wesleyanische Methodisten-Gemeinschaft an das Königlich evangelische Konsistorium Stuttgart vom 23. Sept. 1872, LKASt A26 503, 94.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Man darf die mit dem Dissidenten-Gesetz eingetretene neue Rechtslage nicht überschätzen.561 Staatskirchenrechtlich war nun der Weg zur autonomen Kirche frei, und die Wesleyaner hatten einen Freiraum gewonnen. Nach mehr als 40 Jahren Bemühung, eine innerlandeskirchliche Gemeinschaft mit fast allen damit verbundenen freiwillig ertragenen Einschränkungen zu sein, war der Versuch endgültig gescheitert. Ab jetzt entfalteten sie ihr gemeinschaftliches christliches Leben unabhängig und in Freiheit. Damit standen sie vor neuen Herausforderungen. Es fehlte für die autonom gewordene Gemeinschaft ein staatlich anerkannter Rechtsstatus, der mit der neuen Lage natürlich nicht erlangt war. Nach bisheriger Sicht scheinen die Verantwortlichen zunächst mit der neu erlangten Freiheit und deren Folgen für das innere Leben der Gemeinschaft vollauf beschäftigt gewesen sein. Bis zum Erlass des Dissidenten-Gesetzes haben beide Seiten die unterschiedlichen geistlichen Standorte realitätsfern eingeschätzt. Die Begegnungen, eigentlich Auseinandersetzungen mit der Landeskirche, wurden weitgehend von den kirchenpolitisch argumentierenden Dienststellen, in der Regel dem Konsistorium und den regionalen politischen Oberämtern geführt. Es konnten aber auch Prälaten und Dekane sein, die das Feuer schürten. Persönlichkeiten, die mit ihrer amtlichen Stellung geistliche Offenheit wie Sixt Karl Karpff562 oder kirchenpolitische Weitsicht und Sensibilität wie der Ludwigsburger Dekan Heinrich Christlieb (1797–1873) verbunden haben, waren in jener Zeit seltene Ausnahmen. Oft ging es um die »Wahrung des Hausrechts« und noch mehr um die Einschränkungen durch jenes 1743er Pietisten-Reskript. Es waren ja nicht nur die zu extremen Positionen neigenden »Salonianer« um Philipp Paulus (1809– 1878) und die Jerusalemfreunde um Christoph Hoffmann (1815–1889), die am äußersten Rand ihrer Kirche blieben, sondern auch die angesehenen Vereine der Inneren Mission, die Basler Mission, die Bibelgesellschaft und ähnliche an die Landeskirche angelehnte, aber doch freie und unabhängige Werke, welche die Staatskirche nicht formal integrieren konnte oder wollte. Man wird der ver561 1836/37 erfolgte durch die Ludwigsburger Kreisregierung unter dramatischen Umständen in Winnenden bei C. G. Müller und einem seiner Mitarbeiter eine Kontrolle ihrer Wirksamkeit. Das Ergebnis gestaltete sich für den Wesleyaner Müller positiv. Über das Untersuchungsergebnis wurde die Kirchenbehörde informiert. Es gab keine Möglichkeit zum Einspruch und so stimmte sie, von Misstrauen begleitet, zu. Die auf politischer Ebene erreichte Akzeptanz wird in einer Studie als »Die Anerkennung der [Wesleyanischen Methodisten] Gemeinschaft innerhalb der Landeskirche« zweifellos überbewertet. In: Burkhardt Christoph Gottlob Müller (wie Anm. 445), 253–260. 562 Klaus vom Orde, Sixt Carl Kapff (1805–1879). Vermittler zwischen württembergischer Landeskirche, schwäbischem Pietismus und der Evangelischen Allianz. In: Thomas K. Kuhn/ Veronika Albrecht-Birkner (Hg.), Zwischen Aufklärung und Moderne. Erweckungsbewegung als historiographische Herausforderung, Berlin 2017, 361–374. (Leider sind die methodistischen Kirchen in die Untersuchung nicht einbezogen).

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fassten württembergischen Landeskirche jener Zeit kein Unrecht tun, wenn man sie wie Heinrich Hermelink (1877–1958) als ›Verwaltungskirche‹ charakterisiert.563 Jedenfalls bestätigt sie in ihrem Auftreten gegenüber den Methodisten diese nicht gerade schmeichelhafte Einschätzung, Es ist geradezu natürlich, wenn eine privilegierte Kirche, die über Jahrhunderte in den ihr zugesprochenen Territorien ein flächendeckendes konfessionelles Monopol besitzt, auf eine verändernde Herausforderung zurückweisend reagiert und ihr »Recht« verteidigt. Liest man die früheren Pietistenedikte, dann schwingt immer schon der Schutz des Bestehenden vor Neuerungen und damit eintretenden Unsicherheiten mit. Seit 1872 hatten nun alle kirchlichen Minderheiten in Württemberg zum Leidwesen der Landeskirchen die politisch gewährte Freiheit, ihr geistliches Leben zu entfalten. Und das taten die Wesleyaner nun auch. Grundlegend waren die umgehend erfolgten Ordinationen bisheriger bewährter Laienprediger oder »Agenten«, wie Barratt sie bei einer Vernehmung bezeichnet hatte. In dem jetzt auf den Sonntagvormittag verlegten Gottesdienst feierten sie auch miteinander das Abendmahl, sie tauften ihre Kinder, vollzogen Trauungen, bestatteten selber ihre Toten, und richteten einen ›Unterricht‹ für die einzusegnenden Jugendlichen ein. Die Texte ihrer 1874 gedruckten Agende564 lehnten sich in kirchlicher Tradition fast alle eng an die anglikanische Ordnung im ›Book of Common Prayer‹ an. Aber bei allem Fortschritt, es war nur der halbe Weg zu einer autonomen Kirche. Dazu fehlte, wie bereits erwähnt, der Rechtsstatus als staatlich anerkannte Körperschaft. Das war keine Prestigefrage, sondern gerade in Württemberg eine dringende Notwendigkeit. Für die Gemeinden mussten Kapellen gebaut, für die Prediger Wohnungen erworben werden. Eine Ausbildungsstätte für Prediger wurde in Waiblingen eingerichtet, dazu ein Verlag für die Herausgabe des ab 1873 erscheinenden Wochenblattes ›Der Methodisten-Herold‹. Erwerbungen von Grund und Boden mussten von Privatpersonen erfolgen und, auch wenn sie mit kirchlichem Geld erworben wurden, auf deren Namen in die Grundbücher eingetragen werden. Wenn Darlehen aufgenommen werden mussten, ging das in gleicher Weise zu Lasten von einzelnen Personen, die an

563 Heinrich Hermelink, Geschichte der Evangelischen Kirche in Württemberg von der Reformation bis zur Gegenwart. Das Reich Gottes in Württemberg, Stuttgart/Tübingen 1949. 564 Ordnung der Verwaltung des Abendmahls (wie Anm. 378). – Dieser ersten Ausgabe war keine agendarische Ordnung für die Aufnahme in die Kirche beigegeben. Da ursprünglich die Texte dieser wesleyanischen Agende weitgehend von den Anglikanern aus dem ›Book of Common Prayer‹ übernommen wurden, scheint darin die Ursache zu liegen, denn die englische Staatskirche hatte natürlich kein spezielles Aufnahmeformular nach Taufe und Firmung.

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Stelle der Kirche hafteten. Die damit verbundenen Probleme waren umfassend.565 Nach dem gesellschaftspolitischen Impuls für die Rechtsentwicklung durch das Dissidenten-Gesetz, ist noch ein weiterer bemerkenswerter diakonischer Beitrag zu erwähnen, dem man eine ökumenische Bedeutung nicht absprechen kann. Theodor Fliedner (1800–1864) war im Juli 1838 nach Winnenden gekommen, um den dortigen Pastor Wilhelm Hoffmann (1806–1873)566 und die berühmte ›Irrenanstalt‹, wie man damals sagte, zu besuchen. Fliedner warb um junge Frauen, die er dringend für sein in Kaiserswerth geplantes Diakonissenwerk brauchte. Hoffmann besprach nach Fliedners Besuch dessen Anliegen mit dem »hiesigen Methodistenmissionar, Herrn Müller«.567 Im Oktober konnte er nach Kaiserswerth mitteilen, dass »fünf schwäbische Bauerntöchter«, die sich unter Müllers Einfluss bekehrt hatten und die Klassstunden besuchten, bereit sind, dorthin zu kommen. Am 22. März 1839 kamen in der Nähe von Düsseldorf vier junge Frauen mit dem Schiff an. Ein gutes halbes Jahr später, am 3. Oktober 1839 fand die erste Aufnahme von Diakonissen in den Dienst von Kaiserswerther statt. An diesem Tag wurden drei aus Müllers Wesleyanischer Gemeinschaft in Winnenden kommende junge Frauen nach vollendeter Probezeit von Theodor Fliedner im Rahmen eines Anstaltsgottesdienstes feierlich verpflichtet, »das Amt der Diakonisse und insbesondere der Krankendiakonisse zu übernehmen«.568 Es waren: Margarethe Bolte, Agnes Mayer und Marie Schäfer (1810– 1891). Aus einer dieser »schwäbischen Bauerntöchter«, von der Hoffmann in einem Brief an Fliedner zu bedenken gab, »daß es Mühe kosten wird, sie zu der Gewandtheit zu bilden, die der fragliche Beruf erfordert«, wurde mit Marie Schäfer569 eine allseits hochgeschätzte Persönlichkeit, die nacheinander in ver-

565 Das Ringen um die Gestaltung des korporativen Rechts war kompliziert und mit Risiken verbunden. Es ist notwendig, dieses bisher in der Forschung vernachlässigte Problem in einem eigenen Kapitel aufzugreifen (Kap 4.6). 566 Wilhelm Nast hatte mit Wilhelm Hoffmann (1806–1873) zusammen in Tübingen studiert, später gelegentlich Briefe gewechselt und ihn 1844 in Basel besucht, wo er zu dieser Zeit als Missionsinspektor wirkte. In seiner Zeit als Hofprediger in Berlin, als die Methodistenprediger noch keine Trauungen vollziehen durften, traute er u. a. den methodistischen Prediger Ludwig Nippert. 567 Anna Sticker, Friederike Fliedner und die Anfänge der Frauendiakonie. Ein Quellenbuch. Neukirchen 19632, 202. 568 Karl Heinz Voigt, Ein methodistischer Beitrag am Anfang der Mutterhaus-Diakonie in Deutschland. In: ders., Die Wesleyanische Methodisten-Gemeinschaft in Deutschland. Eine Skizze ihrer Geschichte unter besonderer Berücksichtigung ihrer Kirchwerdung, Stuttgart 1978, 38–50. 569 Karl Heinz Voigt, Marie Schäfer. In: BBKL Bd. 8 (1994), 1531–1533. Marie Schäfer ist eines neben vielen anderen Beispielen aus der Geschichte von Minderheiten, die – als sie die

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schiedenen Städten, darunter in Frankfurt/M., in der Berliner Charit8 und in Mannheim eingesetzt war, ehe sie beauftragt wurde, in Breslau ein Kaiserswerther Haus zu eröffnen, das sie 40 Jahre als Oberin leitete und in dem sie im Laufe der Zeit 249 Diakonissen ausbildete, die in 66 Einrichtungen des damaligen Schlesien Dienste wahrgenommen haben. Anna Sticker, eine Historikerin unter den Kaiserswerther Diakonissinnen, hat sie als »eine der bedeutendsten Frauen in der Geschichte der Frauendiakonie« gewürdigt. Abschließend soll bemerkt sein, dass die Wesleyanische Methodisten-Gemeinschaft nach Zustimmung der Mehrzahl der Gemeindeglieder und entsprechenden Beschlüssen hoher kirchenleitender Gremien, der Wesleyanischen Methodistischen Missionsgesellschaft in London und der Generalkonferenz der Bischöflichen Methodistenkirche in Cleveland/Ohio, sich 1897 dem deutschen Zweig der Bischöflichen Methodistenkirche angeschlossen haben. Das war ökumenisch gesehen wahrscheinlich die erste Zusammenführung zweier autonomer Kirchen innerhalb ein- und derselben Kirchenfamilie in Deutschland.

3.4.2 Die Evangelische Gemeinschaft (1850)570 Wie wichtig für die Identität und das Selbstverständnis der Name einer Organisation für sie selbst und für ihre Außenwirkung ist, zeigt die Erfahrung der Evangelischen Gemeinschaft in Württemberg. Von den kirchlichen und staatlichen Behörden, in der Presse und der entstehenden Literatur gab es besonders in der grundlegenden Anfangszeit erhebliche Unsicherheiten. Wie sollte man gerade in Württemberg mit seinen verschiedenen Gemeinschaften, die aus dem Pietismus herausgewachsen waren, den sehr allgemeinen gehaltenen Namen ›Evangelische Gemeinschaft‹ so füllen, dass das Charakteristische zum Ausdruck kommen konnte? Man griff in guter Absicht zurück auf die Anfänge und holte, nicht gerade zur Freude der Betroffenen, die frühen Fremdbezeichungen »Albrechtsbrüder«, gelegentlich »Albrechtsleute« wieder hervor. Es kam sogar vor, dass in amtlichen Dokumenten der Name Evangelische Gemeinschaft mit dem der ›Evangelischen Gesellschaft‹, einer schon seit 1835 in Stuttgart ansässigen Vereinigung zur Verbreitung religiöser Schriften, verwechselt wurde. Alle diese Benennungen waren sicher besser, als jene auch benutzte Charakterisierung der allgemeinen, verunglimpfenden Bezeichnung »Sekte«. Eine besondere Schwierigkeit erwies sich für die beiden aus Amerika nach Württemberg wirChance zur Bildung erhielt – befähigt wurde, einen bemerkenswerten Beitrag in der Kirche für die Entwicklung in der Gesellschaft zu leisten. 570 Auf den historischen Überblick aus Binnensicht von Paul Wüthrich, Die Evangelische Gemeinschaft im deutschsprachigen Europa, kann nicht verzichtet werden. (Steckel/Sommer (Hg.), Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche (wie Anm.125), 149–211.

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kenden methodistischen Kirchen darin, dass sie gelegentlich wie eine Einheit gesehen wurden und beide sehr oft einfach als »Methodisten« bezeichnet wurden. Das führte hier und da sogar zu unangenehmen Verwechslungen, die beide Kirchen betrafen. Das hätten natürlich beide gerne vermieden. Als Johann Conrad Link, der eine impulsive Persönlichkeit war, wieder einmal als Methodistenprediger bezeichnet wurde, wies er das mit einer klärenden, korrigierenden Formulierung zurück und schrieb: »Ich selbst habe die Geistesverwandtschaft der Evangelischen Gemeinschaft mit der Methodistenkirche noch nie verläugnet, behaupte aber dem ungeachtet, daß die Evangelische Gemeinschaft und die Methodistenkirche zwei für sich bestehende Körperschaften sind, und daß ich ein für allemal von der Evangelischen Gemeinschaft und nicht von der Methodistenkirche nach Deutschland gesandt worden bin.«571

Damit hatte er das Verhältnis zwischen den beiden Zweigen innerhalb einer weitgehend gemeinsamen methodistischen Tradition sachlich beschrieben, auch wenn die erwünschte Wirkung ausblieb. Als es am 24. Februar 1865 in Stuttgart zur später ausführlicher behandelten Konstituierung des deutschen Zweiges der Kirche kam, wurde nun offiziell festgestellt, sie war die »Deutschland Conferenz der Evangelischen Gemeinschaft von Nord Amerika«. Damit war 1865 das Verhältnis beider Kirchen in Württemberg für die damalige Zeit für die Öffentlichkeit geklärt. Es bewirkte jedoch kaum einen Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung. Der »Ruf« nach Württemberg Die ersten Missionare der Evangelischen Gemeinschaft kamen 1851 in Stuttgart an. Dass der im hessischen Lauterbach geborene Johann Conrad Link (1822– 1883) ausgerechnet in die Württembergische Metropole kam, hat eine eigenartige Vorgeschichte, die sich mit der Auswanderungsbewegung des 19. Jahrhunderts verbindet. Der Freudenthaler Pfarrer Johann Friedrich Ostertag (1803– 1885) hatte auf einen Brief geantwortet, den ihn ein junger Auswanderer namens Geissel, der früher zu seiner Gemeinde gehörte, geschrieben hatte. Friedrich Geissel (*1815) war in Amerika Mitglied der Evangelischen Gemeinschaft geworden. Darüber schrieb er seinem Pfarrer einen begeisterten Brief, den Pastor Ostertag beantwortete. Ahnungslos schrieb er darin: »Wenn Eure Gemeinde etwas für Deutschland thun will, so möge sie nicht säumen. Der Herr stärke sie dazu. Wir müssen aus Nordamerika einen freieren Lauf des Worts, eine freiere Bewegung des christlichen Lebens erlangen. […] Wenn der Geist Euch treibt, etwas für Württemberg zu thun: so können wir Euch vielleicht mit Rath an die Hand 571 Johann Conrad Link, Persönliches Statement. In: Die Friedensglocke, August 1860.

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gehen. Doch soll es nicht im Namen des Methodismus, sondern Jesu, des Gekreuzigten und Auferstandenen gewirkt werden.«572

Ostertags werbender Brief wurde in der amerikanischen Kirchenzeitung ›Christlicher Botschafter‹ veröffentlicht. Zweifellos haben ihn viele ausgewanderte Schwaben aufmerksam gelesen und einige werden damit die Hoffnung verbunden haben, dass ihre Angehörigen in der Heimat durch einen Missionar auch die ›Evangelische Gemeinschaft‹ kennen lernen. Link’s sendende Kirchenkonferenz hat in dem Brief des Freudenthaler Pfarrers eine Einladung nach Württemberg gesehen. Der 1836/37 aus dem hessischen Lauterbach ausgewanderte Link war auch einer von denen, die sich in Amerika der Evangelischen Gemeinschaft angeschlossen hatten. Als er 1850 als Missionar nach Deutschland zurückkam, besuchte er zuerst seine Verwandten und alten Freunde in Lauterbach und predigte dort, wie er es in Amerika gewohnt war. Seine Zuhörer waren erfreut, aber Kirche und Staat reagierten gereizt. Mitten im Revolutionsgeschehen konnte man nicht sicher sein, was ausgerechnet ein Amerikaner dort anzetteln würde. Der Ostertag-Brief gab ihm für Stuttgart einige Hoffnung auf bessere Aufnahme, schließlich war er – so empfand er es – gerufen worden. Er hatte den einladenden Brief und Empfehlungsschreiben seiner Kirchenleitung in der Tasche. Auf der Suche nach einem Predigtsaal in Stuttgart zeigte er hier und da den aus der Kirchenzeitung ausgeschnittenen Brief von Pfarrer Ostertag vor. Davon erfuhr, als seine Mission in Stuttgart allerhand Beschwer auslöste, das Konsistorium. Es forderte Ostertag zum Bericht auf, und der antwortete mit einem acht Seiten langen Brief, aus dem hervorgeht, dass Ostertag über eine solche Benutzung seines Briefes empört war. Er suchte Link in Stuttgart persönlich auf und warf ihm vor, sich nicht einmal nach Freudenthal begeben oder wenigstens geschrieben zu haben. Dem Konsistorium erklärte der Freudenthaler Pfarrer reumütig, »höchst unvorsichtig« gehandelt zu haben. Eine Veranlassung zu seinem Schreiben seien die politischen Umstände im Frühjahr 1850 gewesen, abgesehen davon, dass dieser Brief ein »Privatschreiben« war. Ostertag entschuldigte sich bei seiner Kirchenbehörde.573 Es gab neben diesem Brief einen zweiten Grund, nach Württemberg zu kommen. Sebastian Kurz (1789–1868) war um 1830 von Bonlanden bei Stuttgart ausgewandert und 1845 von Pennsylvanien als Mitglied der ›Evangelischen Gemeinschaft‹ zurückgekehrt. Auch von ihm war ein Brief im ›Christlichen 572 Correspondenz uns Deutschland. Brief Pfarrer Friedrich Ostertag, Freudenthal, vom 24. Juni 1850. In: Der Christliche Botschafter, Wochenblatt der Ev. Gemeinschaft in den USA, Neu-Berlin, 1850 (15. Jg.), 149. 573 Brief Pfarrer Friedrich Ostertag, Freudenthal, an das Konsistorium in Stuttgart vom 24. Jan. 1853. LKASt A26/500.

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Botschafter‹ erschienen. Er hatte in seiner schwäbischen Heimat als Laienhelfer begonnen, Versammlungen zu halten und berichtet: »Ich habe in drei verschiedenen Dörfern starke Klassen, wo ich jede Woche zweimal predige und zweimal Betversammlung halte.« Er schloss seinen Brief mit der Bitte: »Lieber Bruder, bete fleißig mit mir zu Gott, daß er doch mehr Arbeiter nach Europa aussenden möchte; es ist hier ein großes Feld offen.«574 Nicht die pietistische Prägung des Landes war der Grund nach Württemberg zu gehen, sondern zwei Personen riefen die Pioniere der Evangelischen Gemeinschaft dorthin, von wo aus die Evangelische Gemeinschaft gut zwei Jahrzehnte später wieder aufgrund von Bitten aus Amerika ihre Mission nach Sachsen, Preußen, Hessen und Thüringen ausdehnte. Die Arbeit im benachbarten Baden und in der Schweiz war schon vorher aufgenommen worden. Württemberg blieb ein Schwerpunkt. Das Motiv, in Deutschland missionarisch aktiv zu werden, wurde von drei Faktoren bestimmt. (1) Die in den USA für die Evangelische Gemeinschaft gewonnenen Europäer lernten, als sie sich bekehrt hatten, neue Frömmigkeitsformen in überschaubaren Gemeinden kennen. Sie lebten in intensiver Gemeinschaft mit solchen, die aktiv an der Mission beteiligt waren und ihren Glauben mit anderen teilen wollten. (2) Sie bildeten Gemeinden mit Einwanderern aus der Heimat, die dort zwar ihren Kirchengemeinden angehört, aber überwiegend zum Glauben und zur Kirche nur eine geringe innere Beziehung hatten oder die traditionelle Sonntagsbesucher der Gottesdienste waren. Manche waren aus einer pietistischen Tradition gekommen. Sie zeigten gerade für eine aktiv missionierende Gemeinde große Sympathie. Ihre neuen Erfahrungen weckten Wünsche und Hoffnungen für die Heimat. (3) Durch die methodistischen Kirchenzeitungen, auch durch den aus der Schweiz stammenden Professor Philipp Schaff, und natürlich durch Briefe von den Angehörigen aus der Heimat waren die Mitglieder der Gemeinden auch über neuere kirchliche Entwicklungen im Zusammenhang der Erweckungsbewegung gut informiert. Dieses ermutigte sie, diese Bewegung – wie sie es in Amerika praktizierten – über Kirchengrenzen hinweg zu unterstützen. Die Vorstellung von Charles G. Koch (1817–1887), dem meinungsbildenden Redakteur ihrer Zeitschrift »Der Christliche Botschafter«, über das Motiv einer Mission in Deutschland war : »Die Evangelische Gemeinschaft will nur einen geringen Hilfszweig der Verbündeten im Herrn bilden.«575 Das hieß: sie wollte die Erweckungsbewegung nach ihren Möglichkeiten unterstützen. Koch, der aus Preußen ausgewandert war, zeichnete 574 Brief Sebastian Kurz an Chr. Holl. In: Christlicher Botschafter 1846 (11. Jg.), 157. Zit. n. Wüthrich, Die Evangelische Gemeinschaft In: Steckel/Sommer (Hg.), Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche (wie Anm.125), 150. 575 Carl (Charles) E. Koch, Ein Blick in die Verhältnisse der Zeit. In: Der Christliche Botschafter, 1850 (15. Jg.), 59f.

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auch verantwortlich für die in seiner Zeitschrift veröffentlichten Briefwechsel zwischen den USA und Deutschland. Johann Conrad Link – erster Missionar (1850) Am 5. März 1851 erreichte Missionar Link Stuttgart. Der nach Deutschland zurückgekehrte Amerikaner hatte bei seiner Ankunft in Bremen eine Begegnung mit den dortigen Methodisten. Er hat sich gewiss über die Umstände, die sie dort einige Monate zuvor angetroffen haben, genau erkundigt. In Bremen hatte er Gutes erfahren. Nach weiterem Zuspruch bei seinen Predigten in der hessischen Heimat musste er über seinen Stuttgarter Empfang überrascht gewesen sein. Im März 1851, unmittelbar nach seiner Ankunft in der schwäbischen Metropole, wandte er sich um Erlaubnis, Versammlungen halten zu dürfen, an den Stadtdekan. Das war für einen amerikanischen Prediger nicht selbstverständlich, denn im religionsfreien Amerika war so etwas unvorstellbar. Der Dekan verwies ihn an den dafür zuständigen Gemeinderat. Link wartete dessen erwartete Zustimmung nicht ab, sondern begann seine Tätigkeit in privaten Wohnungen. Nach größerem Interesse an den Predigten eines Amerika-Rückkehrers verkündigte er das Evangelium schon bald im Saal der Baptisten und auch in der Umgebung von Stuttgart, ja sogar im entfernteren Ulm. Ende November erhielt Link durch einen zweiten Missionar Verstärkung. Der ebenfalls aus Amerika zurückgekehrte Johannes Nikolai (1818–1912) war bei einem Zwischenstopp in seiner Heimat Hessen-Darmstadt halbwegs durch Flucht einer behördlichen Ausweisung zuvorgekommen. Hatten sich die Stuttgarter Ämter gegenüber Link längere Zeit abwartend verhalten, so schritten sie nach der Ankunft Nikolais und der Eröffnung eines Predigtsaals im Februar 1852 gegen die weiteren Aktivitäten ein. Die Stadtdirektion forderte die Missionare auf, die Stadt und das Land binnen 24 Stunden zu verlassen. Der von den Missionaren eingeschaltete US-Konsul Fleischmann, auch ein ausgewanderter Deutscher, half zur Zurücknahme der Ausweisung, die schließlich durch das Innenministerium unter bestimmten Bedingungen erfolgte. Einen Antrag mit der Bitte »um die Beseitigung der Hemmnisse«, welche den »Missionäre[n] Link und Nicolai […] von Seiten der Stadtdirektion entgegengestellt werden«, haben die beiden unter dem 23. Febr. 1852 an das Ministerium des Innern eingereicht.576 Er war – den gesellschaftlichen Umständen jener Zeit entsprechend – von 66 ausschließlich männlichen Stuttgarter Bürgern unterzeichnet. Obwohl klar war, dass sich das Ministerium mit dem evangelischen Konsistorium in Verbindung setzen würde, erfolgte am 11. März 1852 durch die Missionare auch 576 Bitte und Antrag an das königliche Ministerium des Innern in Stuttgart vom 23. Feb. 1852. HStASt. Best. E151/02/Bü 855.

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eine Eingabe an die Kirchenbehörde.577 Ihr war ein »Empfehlungsschreiben« der sendenden US-Kirchenleitung beigelegt.578 In ihrem Schreiben an das Konsistorium baten Link und Nikolai »um Anerkennung und Genehmigung ihrer Thätigkeit«. Der Stadtdekan wurde im Auftrag des Konsistoriums aktiv und bemühte nun unter dessen Druck den Pfarrgemeinderat, der schon am 16. April 1852 einen Antrag von seiner Geschäftskommission vorliegen hatte. Dessen Tenor war: den Missionaren möge das fernere Wirken in Stuttgart nicht gestattet sein. Diesem Vorschlag folgte der Pfarrgemeinderat mit 33 gegen 17 Stimmen. Sowohl »der Stadtdekan wie der Generalsuperintendent traten dem Beschluß bei, und das Konsistorium fand ›die für die Duldung dieser methodistischen Emissäre sprechenden Gründe nicht stark genug, um dadurch das Gewicht des pfarrgemeinderätlichen Beschlusses entkräften zu können‹.«579 Es dauerte bis zum 16. Oktober, ehe der Stadtdekan den beiden Predigern die Entscheidung mitteilte. Vermutlich hatte der verständnisvolle Prälat Sixt Karl von Kapff (1805–1879),580 der im Mai 1852 seinen Dienst als Stuttgarter Stiftsprediger und Oberkonsistorialrat angetreten hatte, hier seine Hand im Spiel.581 Das Innenministerium hat die Entscheidungen der kirchlichen Gremien abgewartet. Am 5. Januar 1853 teilte es mit: »es solle die von der Stadtdirektion verfügte Ausweisung in solange im Anstand bleiben, als die beiden Missionäre durch ein Entgegenhandeln gegen die ihnen gemachten Auflagen keinen Grund zum Vollzug der Ausweisung geben.«582 Der Vorgang zeigt, wie die Kirche alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um die »Eindringlinge« möglichst los zu werden. Falls eine Ausweisung nicht durchzusetzen war, sollte wenigstens der Spielraum eingeschränkt sein. Die höchste staatliche Instanz, das Innenministerium, war offener als die ängstliche Kirche, die unter dem Einfluss der aus Amerika herüber wirkenden Vorurteile gegen die Methodisten stand.

Noch einmal: die Motive der Mission Die ersten Missionare der Evangelischen Gemeinschaft kamen – ähnlich wie schon vor ihnen die Wesleyaner – nicht mit der Absicht und dem Auftrag, um eine Kirche zu organisieren. Gegenüber der höchsten Kirchenbehörde erklärten 577 Schreiben Link und Nikolai an das Königliche evangelische Konsistorium vom 11. März 1852. LKASt A26/500.– Transkribiert in: EmK Geschichte, 2001/2 (22. Jg.), 28–38. 578 Ebd., 38f. 579 Fritz, Eindringen des Methodismus (wie Anm. 151), 31. 580 Kapff war zur selben Zeit Tübinger Student wie der spätere Methodist Wilhelm Nast. Daher besuchte Nast ihn auf seiner Deutschlandreise 1844/45. 581 Kapff hat am Grab der am 28. Okt. 1852 in Stuttgart verstorbenen Frau von Missionar Link die Grabrede gehalten. 582 Fritz, Eindringen des Methodismus (wie Anm. 151), 31.

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sie mit einem offiziellen ›Empfehlungsschreiben‹ ihrer amerikanischen Kirche als Motiv für die Sendung nach Deutschland »daselbst das Reich Gottes befördern zu helfen und für das Heil unserer deutschen Mitbrüder nach dem Fleisch zu wirken, sintemal dieses Unternehmen einzig und allein aus Liebe und Achtung gegen unsere deutschen Brüder des alten Vaterlandes entsprungen ist, (indem die evangelische Gemeinschaft eine deutsche Kirche ist und ein sehr großer Theil ihrer Gliederschaft aus eingewanderten Deutschen besteht, die beinahe alle noch manche Verwandte, Freunde und Bekannte und viele derselben Eltern und Geschwister und Kinder in Deutschland haben) und weil die Gemeinschaft eine bessere Bekanntschaft mit den Gläubigen überhaupt, wie auch mit den frommen Predigern des alten Vaterlandes zu erhalten und eine genauere Freundschaft mit denselben zu schließen wünscht. [… Die Sendung der Missionare erfolgt] mit der guten Hoffnung und Zuversicht, daß dieselben von allen frommen Predigern und Gläubigen in Deutschland werden als Brüder in dem Herrn anerkannt und bewillkommt werden.«583

Diesem offiziellen Schreiben der zu dieser Zeit auch in den USA noch ausschließlich deutschsprachigen Kirche der Evangelischen Gemeinschaft, das an das ›Königliche evangelische Konsistorium‹ eingereicht wurde, waren Ordinationsbescheinigungen der Prediger Johann Conrad Link und Johannes Nikolai beigefügt. Das Begleitschreiben, mit dem sie den Empfehlungsbrief ihrer amerikanischen Konferenzen an das Konsistorium eingereicht haben, unterzeichneten die Missionare als »Eines Königlichen evangelischen Consistorium gehorsame Diener Johann C. Link und Joh. Nikolai«. Sie ergänzten dieses offizielle Empfehlungsschreiben mit dem Hinweis, »daß wir nicht gekommen sind, die heiligen Sakramente zu verwalten oder neue kirchliche Einrichtungen als Klaßversammlungen usw. einzurichten.«584 Keine der kirchlichen Behörden hat eigenartigerweise die Missionare zum Gespräch aufgefordert. Alle Kontakte liefen ausschließlich bürokratisch über Schriftwechsel. Zur Formulierung einiger Eingaben wurde von den beiden Missionaren ein Rechtsberater namens Roemer in Anspruch genommen. Der war offensichtlich mit den Problemen der Wesleyaner gut vertraut. Wie sollte er sonst dazu kommen, gegenüber dem Konsistorium ausdrücklich erklären zu lassen, man habe nicht die Absicht »neue kirchliche Einrichtungen als Klaß583 Abschrift eines ›Empfehlungsschreibens‹ der Konferenzen der Evangelischen Gemeinschaft in Nordamerika vom 14. Sept. 1850, unterzeichnet von Joseph Long (im Original Joseph Lang (1800–1869)), Bischof; – Wilhelm W. Orwig (1810–1889) mehrere Jahre Herausgeber der Kirchenzeitschrift ›Der Christliche Botschafter‹, später Bischof; – Johann Georg Zinser, Prediger der Ohio-Konferenz und Johannes P. Leib, Prediger der OstPennsylvanien-Konferenz. LKASt A 26/500. Transkribiert und gedruckt in: EmK Geschichte 22. Jg. (2001) Heft 2, 38f. 584 Johann C. Link/Johannes Nikolai, An das Königliche evangelische Consistorium, Bitte um Anerkennung ihrer Tätigkeit, vom 11. März 1852. LKASt A26/500.

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versammlungen usw. einzurichten«. Es waren doch gerade die nicht erlaubten Klassversammlungen, die zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem Konsistorium und den Wesleyanern geführt hatten. Die Ablehnung, welche der Evangelischen Gemeinschaft in Stuttgart von Seiten der Kirchenbehörden in dieser konsequenten Form entgegenschlug, ist auf dem Hintergrund ihrer Distanzierung von den Frömmigkeitsformen der Wesleyaner und der ausdrücklich formulierten Unterstellung unter das Konsistorium und mit der erfolgten Erklärung, die Sakramente nicht verwalten zu wollen, kaum erklärbar. Die Frage nach den Gründen wird noch drängender, wenn man auf andere zu dieser Zeit in der Stadt aktive religiöse Gruppen blickt, die in einer Erfassung des »Stadtdirections-Bezirks Stuttgart« ausgewiesen wurden. Es waren darunter fünf pietistische Gemeinschaften, die Anglikaner, die Swedenborgische Kirche und die Baptisten oder Mennoniten als »evangelisch getaufte Gemeinde Jesu Christi«.585 Vor den Toren Stuttgarts hatte im Königreich die ›Evangelische Brüdergemeinde‹ in Korntal bessere politische Umstände, um sich als autonome innerlandeskirchliche Gemeinschaft fest zu organisieren. Ihr Gründer, Gottlieb Wilhelm Hoffmann (1771–1846), wandte sich 1817, also zur Zeit besonders starker Auswanderungen aus Gründen einer Hungersnot und im Jahr der Bildung der preußischen Unionskirche, an Wilhelm I. (1781–1864, Reg. 1816–1864), Württembergs summus episcopus. Daraufhin forderte ihn das Oberkonsistorium auf, einen Plan vorzulegen, was mit einem »Entwurf zur äußeren und inneren Einrichtung religiöser Gemeinden nach dem Muster der sogenannten [Herrnhuter] Brüdergemeinde« (sic) geschah.586 Ein entscheidender Grund für die königliche Billigung zur autonomen Gemeindegründung bestand darin, die Auswanderung zu stoppen. Neben der schlechten Ernte gab die auch durch Johann Albrecht Bengel (1687–1752) ausgelöste und in manchen pietistischen Kreisen wachgehaltene sog. ›Naherwartung‹ der Wiederkunft Christi dazu einen weiteren Anstoß. Nach 1848 bestand eine völlig andere Situation, die keine Hoffnung auf eine ähnliche Lösung begründet hätte. Die Zeit des politischen Umbruchs mit den vorübergehenden Entscheidungen des Frankfurter Paulskirchenparlaments, das ja den Anlass für den Beginn der methodistischen Missionen gegeben hatte, löste gerade auch in den Kirchen und für deren »Bischöfe« große Unsicherheiten aus. Missionaren einer demokratisch organisierten, staatsunabhängigen Kirche mit Erfahrungen in einem Land, in dem sie von der politischen Gestaltung der 585 Beschreibung des Stadtdirections-Bezirks Stuttgart. Herausgegeben vom statistisch-topographischen Bureau, Stuttgart 1856, 273. https://de.wikisource.org/wiki/Beschreibung_ des_Stadtdirections-Bezirkes_Stuttgart/V. 586 Fritz Grünzweig, Die Evangelische Brüdergemeinde Korntal. Weg-Wesen-Werk, Metzingen o. J. (1957), 25ff.

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kirchlichen Verhältnisse profitierten, musste man ablehnend, wenigsten reserviert begegnen. Ihnen zu erlauben, entsprechende Zellen hier zu organisieren, schien weder politisch noch kirchlich nicht ohne Risiko zu sein. Das wurde zwar nicht kommuniziert, aber die späteren Reaktionen auf das sog. DissidentenGesetz wurden doch zu unübersehbaren Zeichen.587 Revolutionäre Gedanken waren zwar den Missionaren fremd, aber nach deren Erfahrung blieb der Glaube im persönlichen und auch im gesellschaftlichen Leben nicht ohne Folgen, weil Wort und Tat auf ganz natürliche Art eine Einheit sind. Die Amerikaner kamen aus einem Land, in dem verschiedene Kirchengemeinschaften schon angefangen hatten, ganz selbstverständlich zusammenzuarbeiten und gemeinsame Aktivitäten zu entwickelten. Sie kamen zu einer Zeit, in der 1846 auch in Europa durch die Evangelische Allianz mit Vertretern vieler Konfessionen und Denominationen begonnen wurde, die Frage nach der Einheit der Christen zu diskutieren, und manche Gemeinden grenzüberschreitend erste Schritte wagten, gemeinsam für das Kommen des Reiches Gottes und für die Einheit der Christen zu beten. Aber das berührte in Deutschland damals nur wenige.

Verunsicherung in der Landeskirche Link war höchst aktiv. Wo immer er konnte, suchte er eine Gelegenheit zur Verkündigung. Das Konsistorium musste zwischen ganz unterschiedlichen Fragestellungen zu einem Bild über seine Aktivitäten kommen. Das war nicht ganz einfach, denn Verkündigern mit einem besonderen Charisma zur Predigt haftet nicht selten etwas Unstetes an. Link wurde 1863 in der Evangelischen Gemeinschaft als Prediger abgelöst, verließ danach die Gemeinschaft. Er war schon vorher auf den Campus von Philipp Paulus, mit dem er schon länger liiert war, gezogen. Dessen Pläne, die Evangelische Gemeinschaft an seine Aktivitäten auf dem Ludwigsburger Salon anschließen, waren zu dieser Zeit schon fehlgeschlagen. Link wurde mit seiner kongregationalistischen Einstellung nacheinander von verschiedenen baptistischen Gemeinden als Prediger berufen, unter anderem nach Heilbronn.588 Das setzte natürlich eine entsprechende Taufe voraus. Während des Krieges gegen Frankreich 1870/71 wirkte er als ein Feldprediger, der in großen Versammlungen engagiert und feurig predigte. Dieser zugleich gewinnende und unruhige Geist machte auch dem Konsistorium zu schaffen. Bei dieser Behörde ging im August 1856, als es an Links 587 Bericht des ev. Konsistoriums an das Württb. Ministerium des Kirchen- und Schul-Wesens vom 30. Aug. 1870 (Entwurf). LKASt A26/503. 588 Rudolf Donat, Das wachsende Werk. Ausbreitung der deutschen Baptistengemeinden durch sechzig Jahre (1849–1909), Kassel 1960, 104.

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Beziehung zur Evangelischen Gemeinschaft noch keine Zweifel gab, ein Schreiben von einem C. G. Reim aus Wisconsin ein.589 Reim war als württembergischer Pfarrer vor seiner Auswanderung in Marbach ordiniert worden. Jetzt wirkte er in einer Kolonie von Schweizern im Auftrag der ›Ev.-Lutheran Synod of Wisconsin‹. In seiner näheren Umgebung befand sich eine Gemeinde der Evangelischen Gemeinschaft, die er kritisch beobachtete. Über sie berichtete er dem Stuttgarter Konsistorium. Die Lehre der heiligen Dreieinigkeit z. B. interpretiere deren Prediger höchst eigenwillig. Es ließe sich über dessen Theologie »nicht Bestimmtes sagen, da sie sich über Gott bald pantheistisch, über die Person Christi monophysitisch, bald in beiden genannten Punkten wieder dem Bekenntnis der evangelischen Kirche annähernd ausspreche.« Ähnlich wurde die Geschichte der Evangelischen Gemeinschaft trotz Reim’s schon früher ausgesprochenen Absicht, sich vor der Mitteilung nach Stuttgart genaue Kenntnisse zu verschaffen, ziemlich verzerrt übermittelt. Aus der Sicht Reims erklären sie als Laiengemeinschaft »nach der Weise aller Schwärmer […] die Kirche für eine Hure, für Babel u. einen Fleischklumpen, [sie] wollen sogar behaupten, es sei noch kein Einziger in derselben selig geworden. Ihre Absicht ist, auf den Ruinen dieser Kirche eine vollkommene Kirche zu errichten.«

Die Metapher von den Ruinen, auf denen eine neue Kirche errichtet werden soll, war früher schon in Wynekens Schriften begegnet, der seit 1850 Präses der Synode von Wisconsin geworden war, welcher auch der Berichterstatter angehörte. Von besonderem Interesse ist die »Mittheilung« aus Ashford, weil ihr Autor mit einem früheren Anhänger Johann C. Links in Stuttgart nach dessen Auswanderung in Milwaukee Kontakt gefunden hat. Jener »Mann aus Stuttgart« war ein gewisser »Schüle, ein ehemaliges Glied dieser Secte, der mir Mehreres mittheilte über den Gang der Secte in Stuttgart.« Das hatte den Briefschreiber hauptsächlich bewogen, nach Stuttgart zu berichten, weil diese Gemeinschaft dort zwar misstrauisch angesehen werde, »andrerseits aber auch, daß diese Secte ihre Absichten sorgfältig jedem beobachtenden Auge entz [hier abgebrochen und neu angesetzt] verbirgt, um sich vorwurfsfrei zu erhalten, u. sich das Zutrauen wenigstens Einzelner, worunter auch Prediger sind,590 zu sichern.« In seiner Besorgnis um die »vaterländische Kirche« führte er nun unter Bezugnahme auf einen Bericht, den Link aus Stuttgart gesandt haben soll, aus: 589 Gottlieb Reim (Raun?), Mittheilungen einem hochwürdigen Consistorium, den ehrwürdigen Vätern und Berathern der Landeskirche des Königreichs Württemberg. Ohne Datum, jedoch vor dem August 1856. LKASt A26/500. Daraus die folgenden Zitate. 590 Der Autor der Mittheilungen selber nennt Prediger Müller aus Dettingen, der »Brüderschaft mit Link gemacht« habe.

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»In diesem schreibt er nach Amerika, er habe, um Aufsehen zu vermeiden, diese Classenbücher [in die sich die Anhänger Links normalerweise eintrügen] noch nicht eingeführt, um das Aufsehen zu vermeiden [vom Autor selber durchgestrichen], wolle es aber jetzt thun. Aus dieser Äußerung ergibt sich zweierlei: erstlich, daß er mit dem Unterlassen zu täuschen u. sicher zu machen suchte, zweitens, daß diese Secte nicht als in[n]ere Mission betrachtet werden kan[n], wie die Evangelisten vom Salon bei Ludwigsburg.591 Als für sich bestehende Secte macht diese vielmehr einen feindlichen Angriff auf sämtliche evangelische Kirchen. […] Als Link in Stuttgart in Untersuchung war, äußerte er gegen seine Leute, wenn unser Stuttgart eine Seestadt wäre, dann ließe er ettliche Schiffe kom[m]en u. es zusam[m]enschießen; eine Äußerung, die gewiß tief in das In[n]ere dieses Mannes blicken läßt.«592

Es folgten Berichte über »die Bußbank u. die Lagerversammlung«, über »höllisches Feuer« und es werden Assoziationen geweckt zu damals üblichen Hinweisen auf psychische Wirkungen, hier sind es »Wirkungen galvanisch-magnetischer Natur«. Zum Ziel dieses Schreibens bemerkte der Verfasser : »Einem solchen Jammer frühzeitig zu begegnen, das Wohl der Ihnen anbefohlenen nach Kräften zu fördern, ich weiß es, das ist das aufrichtigste Bestreben der Väter der württembergischen Landeskirche. Darum wollte ich auch die Mittheilungen Ihnen zusenden, umso mehr, da ich hoffe, auch die Obrigkeit u. vor allem unser geliebter Landesvater seine Majestät werden dem Gesagten entnehmen kön[n]en, daß sich eine solche Secte durchaus nicht mit den bestehenden Landesgesetzen vertragen kan[n], nach welchen Ordnung u. Ruhe erhalten u. gefördert wird zum Wohl der Einzelnen, wie auch ganzer Familien u. Gemeinden.«593

Um seinem eigenartigen Schreiben Gewicht zu geben, hatte er es einer Konferenz der ›Nordwestlichen lutherischen Synode von Wisconsin‹ vorgelegt, deren Präsident und Sekretär es unterzeichneten. Dieses Schreiben, welches auch auf Erfahrungen Links in Königsbronn Bezug nimmt, erreichte das Konsistorium kurze Zeit, nachdem es sich mit eben dieser Königsbronner Angelegenheit auseinandergesetzt hatte. Anlass war, dass Link den dortigen Pastor Müller und vermutlich auch den Kirchengemeinderat gewonnen hatte, ihm die Kirche für seine Vorträge zu öffnen. Schon im April des Jahres reagierte der Pfarrgemeinderat Dettingen im Dekanat Heidenheim auf eine Entscheidung des Konsistoriums. Dieses hatte entschieden, die Kirche dem Missionar nicht einzuräumen. Dafür hatte der Pfarrgemeinderat kein Verständnis und protokollierte, »daß das K[gl]. Consistorium 591 Philipp Paulus hatte von seinem kirchlich nicht anerkannten Ausbildungsinstitut am Rande von Ludwigsburg im Großraum Stuttgart Evangelisten ausgesandt und hätte gerne auch die Evangelische Gemeinschaft unter seine Fittiche genommen. Dazu: Karl Heinz Voigt, »Innerkirchliche Gemeinschaft oder autonome Kirche?« In: Blätter für württembergische Kirchengeschichte, 2007 (107. Jg.), 169–199. 592 Reim, Mittheilung (wie Anm. 589). Daraus auch die folgenden Zitate. 593 Ebd.

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in der Link’schen Angelegenheit noch nicht der Wahrheit ganz getreu berichtet« worden sei.594 Denn »1. Gehört Link nicht der methodistischen, sondern der evangelischen Kirche an. In dieser Kirche ist derselbe zu Darmstadt geboren u. erzogen worden. Durch seine Übersiedlung nach Amerika ist derselbe nicht aus der evangelischen Kirchengemeinschaft ausgetreten, sondern nur einer evangelischen Gemeinschaft in Amerika, deren öffentliches Organ der evangelische Botschafter ist, beigetreten. Diese evangelische Gemeinschaft besteht nun aus Mitgliedern aller Partheyen in der evangelischen Kirche Amerikas, namentlich aus lutherischen u. sogenannten reformirten Bekennern, sowie aus Presbytherianern u. Methodisten, u. hat, wie sie von ihren Mitgliedern nur lebendigen Christenglauben verlangt, daß äußerliche kirchliche Bekenntniß denselben ganz freistellend, auch nur lebendigen Glauben an Jesum, als den gekreuzigten Gottessohn, u. an sein Evangelium unter allen Confessions-Verwandten der evangelischen Kirche zu befördern zum Zweck. So wenig also jemand Mitglied der evangelischen Allianz, oder des evangelischen Kirchentags, oder des Gustav-Adolf-Vereins durch seinen Beitritt zu diesen Vereinen seine äußerliche Kirchengemeinschaft verläßt, u. deßwegen, wenn vielleicht gläubige Mitglieder der methodistischen Kirche ebenfalls Mitglieder der genannten Vereine sind, ein Methodist genannt zu werden pflegt: ebenso wenig kann dem Link sein Beitritt zu einer evangelischen Gemeinschaft in Amerika zum Vorwurf gemacht, u. derselbe, weil diese Gemeinschaft auch Methodisten unter ihren Mitgliedern zählt, ein Methodist oder Methodisten-Missionar genannt werden.«595

Weiter wird bemerkt: Link gehe in Stuttgart, wo seine Familie wohnt, von Zeit zu Zeit in die Stiftskirche zum Abendmahlsempfang. Er sei auch bereit, sich »nicht nur auf die Augsburgische Confession, sondern auch auf das würtembergische Confirmationsbüchlein verpflichten zu lassen.« In einem in Stuttgart zu haltenden Colloquium könne sich das Konsistorium leicht genaue Auskunft verschaffen. Der ausführliche Protokollauszug ist von Pfarrer Müller und acht Mitgliedern des Pfarrgemeinderats unterzeichnet. Der Dekan von Heidenheim hat die Stellungnahme dem Konsistorium mit einem Begleitschreiben zugeleitet. Die Oberbehörde in Stuttgart vermerkte am Rande, dass sie »die Einräumung von Kirchen an den von der Obk [Oberkirchenbehörde] nicht legitimirten amerikanischen Missionär Link nicht als zulässig erkennt.«596 Der Oberkirchenrat hatte, um seine Entscheidung begründet zu treffen, mehr, wenn auch teilweise zweifelhafte Informationen als die Dettinger Pfarrgemeinderatsmitglieder. Zwar war das durch die Wisconsin-Synode erwähnte Schreiben noch nicht eingegangen, aber das Konsistorium hatte verschiedene Kon594 Dekanat Heidenheim, Dettingen am 14. Apr. 1856. Auszug aus dem PfarrgemeinderathsProtokoll mit gleichen Datum. 595 Ebd., Hervorhebung übernommen. 596 Ebd.

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takte mit Link, und sein Ordinationsschein lag dort bei den Akten. Er wies die Evangelische Gemeinschaft anders aus, als Link sie den Dettingern ganz offensichtlich vorgestellt hatte.

Ungeplante Entwicklungen Die von Johann C. Link ausgelösten Verunsicherungen haben einen Richtungswechsel eingeleitet, ihn wenigstens beeinflusst. Die Stellung von Link innerhalb der Evangelischen Gemeinschaft veränderte sich. Link verband sich zunehmend mehr mit Philipp Paulus und dessen Institut auf dem Salon in Ludwigsburg. Der immer zurückhaltender als Link, vielleicht auch in seinem Schatten stehende Johannes Nikolai kehrte 1857 »aus gesundheitlichen Gründen« nach Amerika zurück. Seine Stelle nahm nun Johann Georg Wollpert (1823–1903) ein. Wollpert war im württembergischen Wannweil, nur wenige Kilometer von Reutlingen entfernt, geboren und mit seinen Eltern 1833 ausgewandert. Dass er mit der Württembergerin Juliane Katharina Jung verheiratet war, machte es ihm gewiss leichter, in die Heimat zurückzukehren. Wollpert wirkte als selbstbewusster Reiseprediger, wie er es auch in Amerika einige Jahre getan hatte. Zu seinem Wirkungskreis gehörte auch Großingersheim. Was sich dort zutrug, ist geeignet, seine Persönlichkeit zu charakterisieren. Wollpert hatte dort seit 1858 im Hause von Friedrich Weiß »Vorträge« gehalten. Das scheint an ausgewanderte Verwandte oder Freunde aus Großingersheim nach Amerika kommuniziert worden zu sein. Im August 1860 wurden dem Pfarrgemeinderat »einige Briefe aus Amerika [mitgeteilt], die über das Treiben der Methodisten Aufschlüsse gaben.«597 Nach den aus Amerika dem Ortspfarrer Hoffmann vermittelten Informationen nahm er die Besuche von Wollpert in seinem Kirchspiel etwas genauer in sein Blickfeld. Der Gemeinderat fasste am 2. Juli 1860 den Beschluss, dem Reiseprediger Wollpert die Schule einzuräumen, ganz offensichtlich, um die Versammlungen aus einer Wohnung in den öffentlichen Bereich zu verlagern. Der Beschluss war mit den Bedingungen verbunden »1. daß er seine Vorträge nur bei Tag halten dürfe, 2. daß nur ihm u. nicht auch Link u. Consorten der Zutritt zur Schule offen stehe u. daß er somit seine Vorträge nicht wie bisher im Hause des Friedrich Weihs halten wolle.« Wollpert lehnte diese Bedingungen ab. Auf die Absage Wollperts hin bekräftigte der Pfarrgemeinderat, dass ihm das öffentliche Auftreten »nur in der Schule [und] nicht in die Nacht hinein« gestattet sei. 597 Auszug Protokoll des Pfarrgemeinderats Großingersheim vom 19. August 1860. LKASt A26/501. Daraus auch die folgenden Zitate.

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»Wenn Wolpert [sic!] doch bei seinem bisherigen Benehmen verbleiben wolle, so würde sich der Pfarrgemeinderath veranlaßt sehen, das K.[önigliche] C.[onsistorium] zur Durchführung seiner [gestrichen] Ansicht in Anspruch zu nehmen. Jedenfalls aber wäre es dem Pfarrgemeinderath erwünscht, wenn diese Collision zwischen ihm und Wolpert [sic!] durch dessen Fügung unter die Beschlüsse der hiesigen Ortsbehörde friedlich beigelegt würde.«

Es folgen neun Unterschriften, darunter die des Pfarrers Hoffmann und des Schultheißen Leibbrand. Darauf antwortete Wollpert am 30. Oktober : »Um dem hochlöblichen Gemeinde-Rath zu beweisen, daß ich den Frieden liebe, nehme ich die gütige Erlaubniß, künftig meine Vorträge in der Schule halten zu dürfen, dankbar an, und lade hiermit die Herren Pfarrgemeinderäthe höflichst ein, mich selbst zu hören, damit jeder sich überzeugen kann, daß ich kein Methodist, sondern ein evangelischer Christ bin und auf demselben Glaubensgrund stehe. Hochachtungsvoll Joh. G. Wollpert, Reiseprediger, ausgesandt von der evangelischen Gemeinschaft in Nordamerika.«598

Im Grunde blieb Wollpert keine andere Wahl. Vor seiner Mitteilung an den Pfarrgemeinderat hat er sich gewiss mit der von ihm betreuten Gemeinschaft besprochen, die sich schon seit zwei Jahre im Hause Weiß versammelt hatte. Friedrich Weiß wurde am 20. August 1860 vor dem gemeinschaftlichen Amt, also der politischen Ortsbehörde, eröffnet, dass er in Zukunft in seinem Hause die Versammlungen nicht mehr dulden darf.599 In einem Vorgang vom April 1868 zeigen sich sowohl einschneidende Veränderungen in der Entwicklung der Evangelischen Gemeinschaft, über die nach einem weiteren Blick auf Wollpert berichtet werden soll, der inzwischen in eine verantwortungsvolle aufsichtführende Positionen hineingewachsen war. Am 23. April 1868 beantwortete der in Reutlingen wohnhafte Wollpert als »Vorstehender Aeltester der Ev. Gemeinschaft von Nordamerika« ein Schreiben des Dekanatamtes Reutlingen, mit dem ihm ein Auszug aus dem Pfarrgemeinderats Protokoll Pfullingen übersandt wurde. Darin ist festgehalten, »dass der Assistent des Methodisten Missionars Wolpert [sic!], Füßle, in der hiesigen Gemeinde in der letzten Woche eine förmliche Methodisten Gemeinde eingerichtet hat, wozu sich aus unserer Gemeinde 76 [?] Mitglieder haben einschreiben lassen. Es sind Classen-Führer aufgestellt worden, welche über die ihnen anvertrauten Mitglieder zu wachen haben.«600 598 Johann Georg Wollpert an Pfarrgemeinderat Großingersheim 30. Oktober 1860. LKASt A26/501. Daraus auch das folgende Zitat. 599 Kopie der von Friedrich Weiß unterzeichneten Verhandlung vor dem gemeinschaftlichen Amt in Großingersheim vom 20. August 1860. LKASt A26/510. 600 Auszug aus dem Pfarrgemeinderaths Protokoll Pfullingen vom 22. Apr. 1868. LKASt A26/ 503.

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Zu dieser neuen Entwicklung nahm Wollpert in seiner Eigenschaft als »Vorstehender Ältester« – dem zeitlich begrenzten Aufsichtsamt als primus inter pares – Stellung, der nun eine Kirche vertrat und sie nach der Kirchenordnung der Evangelischen Gemeinschaft beaufsichtigte. Dazu teilte das Dekanatamt Reutlingen dem Konsistorium einen Bericht »über das weitere Vorgehen der Methodisten in der Diözese« mit und legte den oben erwähnten Auszug des Pfarrgemeinderats Protokolls bei. In dem Zusammenhang wird über die organisatorische Entwicklung bei den »Methodisten« der Evangelischen Gemeinschaft geschrieben, » daß Wollpert 1. sich offiziell und authentisch als den Superintendenten der Methodistenprediger in Württemberg, Baden und der Schweiz in seiner Provinz bekennt, 2. daß er sich unterzeichnet als ›Vorstehenden Ältesten‹ der evangelischen Gemeinschaft von Nordamerika.«601

Dekan Johann Friedrich Karl Beck (1818–1886) sah den organisatorischen Fortschritt und warf die Frage auf, ob nicht das Kirchenregiment und die Staatsregierung das Verhältnis zu diesen Dissidenten ordnen solle. Dazu wurde im Konsistorium vermerkt, »daß nach den neuesten Berichten die Regierung sich in Vorbereitung zur Regelung dieser Verhältnisse beschäftigt.«602 Es wird sofort erkennbar : die Evangelische Gemeinschaft hatte sich inzwischen als autonome Kirche konstituiert.603 Die Entwicklung und Umstände werden an anderer Stelle behandelt. Anzumerken bleibt, trotz verschiedener Interventionen aus der Evangelischen Gemeinschaft sind die Kirchen- und Staatsbehörden dabei geblieben, sie weiterhin auch als »Methodisten« zu bezeichnen.

3.4.3 Die Bischöfliche Methodistenkirche (1850) Besonders die deutschen Staaten mit restriktiver Religionsgesetzgebung stellten die Methodisten vor Fragen, welche bis an ihre Existenz reichten und die Missionare zur Verzweiflung trieben. In den ersten Monaten seines Dienstes in Deutschland reiste Jacoby Ende August 1850 nach Württemberg. Noch von Stuttgart aus schrieb er nach Cincinnati: »Gedenket auch der Knechte des Herrn, 601 Schreiben Dekanatamt Reutlingen an das Konsistorium vom 28. April 1868. LKASt A26/ 503. 602 Ebd. Es scheint ein Hinweis auf das kommende Dissidentengesetz zu sein. 603 Der Blick auf die Umstände und die ungeplante Entwicklung erfolgt an anderer Stelle. – Edgar Reinhard, 150 Jahre Evangelisch-methodistische Kirche Reutlingen. Von der ›Reutlinger Mission‹ zur Kirchengemeinde. Darin das Kapitel: Johann Georg Wollpert und die Anfänge der Evangelischen Gemeinschaft in Reutlingen [und Umgebung]. In: Reutlinger Geschichtsblätter, hrgg. vom Reutlinger Geschichtsverein, Reutlingen 2015, 133–219.

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die mit Freudigkeit unter Euch gearbeitet haben, und gerne wieder bei Euch wären, jetzt aber fern von Euch mit vielen Schwierigkeiten und Versuchungen zu kämpfen haben.«604 Was war auf Jacoby eingestürmt und hatte ihn zu einer derartig resigniert klingenden Bemerkung veranlasst? Der Amerika-Rückkehrer besuchte in Stuttgart wohl zuerst Nast’s fromme Schwester Franziska, die sich ihres Bruders Wilhelm nach dem Tod der Eltern angenommen hatte. Danach nahm er Kontakte auf, die ihm für die geplante missionarische Arbeit nützlich schienen. Er schrieb an Nast: ich bin »mit vielen lieben Christen zusammengekommen und muß besonders erwähnen den Herrn Staatsrath Reuß,605 dem die Art und Weise, wie die Methodisten arbeiten, besonders gefällt, und Herrn Apotheker Scholl,606 der die Seele der evangelischen Gesellschaft ist.« Natürlich besuchte Jacoby den Wesleyaner Gottlob Müller in Winnenden. Von dem hörte er, dass er »unter großen Verfolgungen, doch auch mit großen Segen arbeite.«607 In Ludwigsburg fand er in Ernst Philipp Paulus (1809–1878) einen bestens informierten Pfarrer, Publizisten und Missionsarbeiter. Er leitete – wie Jacoby schrieb – ein »Evangelisten-Institut auf dem Salon in Ludwigsburg«. Diese verschiedenen Kontakte vermittelten ihm eine ganze Fülle von Einsichten, die er zu verarbeiten hatte. Der Winnender Wesleyaner Müller konnte ihm von zwanzig schwierigen Jahren berichten, in denen er sich redlich gemüht hat, nicht mehr als eine missionarische Ergänzung der Landeskirche zu sein. Seine Teilnehmer der Gemeinschaftsstunden und Klassversammlungen gehör604 Schreiben Ludwig S. Jacoby an Wilhelm Nast, Stuttgart, den 29. Aug.1850. In: CA vom 26. Sept. 1850 (12. Jg.), 155. Daraus auch die folgenden Zitate. 605 Vermutlich handelte es sich den juristisch gebildeten Christian Friedrich Reuß (1788– 1874). Später hatte auch der Methodist Ludwig Nippert mit dem Staatsrat Kontakt. Von einer Begegnung Ende August/Anfang September 1850 berichtet er : er sei mit Staatsrat Reuß bekannt geworden, dieser sei »ein warmer Freund unserer Kirche, unsere Klaßversammlungen, Liebesfeste, Betstunden usw. wünschte er von Herzen in der lutherischen Kirche eingeführt zu sehen, und glaubt mit Recht, sie würden neues Leben in dieselbe bringen.« Schreiben Ludwig Nippert an Wilhelm Nast, Bremen 10. Dez. 1850. In: CA vom 16. Jan. 1851 (13. Jg.), 10. – Reuß hat am 23. Febr. 1852 zusammen mit einer ganzen Anzahl Einwohner Stuttgarts auch eine Eingabe an das Württembergische Innenministerium unterschrieben, in der sie um »Beseitigung der Hemmnisse« nachsuchen, welche von der Stuttgarter Stadtdirektion den Missionären Link und Nikolai »entgegengestellt werden«. (Eingabe: HStASt Best. E151/02/Bü 855). 606 Gottlieb Scholl (1803–1873) hat seine Tätigkeit als Apotheker in Leonberg aufgegeben, um in Stuttgart der Ev. Gesellschaft zur Verfügung zu stehen. Er selber wirkte als anerkannter Laienprediger und verstärkte die innerlandeskirchliche Gemeinschaftsarbeit durch die Anstellung von Kolporteuren und Traktatmissionaren. 607 Ludwig S. Jacoby, Methodismus in Deutschland. In: Evangelist 1856 (7. Jg.), 1172. Dass sich diese Bemerkung auf jenen frühen Besuch bezieht, weist der Nachsatz aus, es sei seit der Revolution besser. Das erlebte Müller in jener Zeit kurzfristig, aber das änderte sich alsbald wieder, so dass die Verabschiedung des Dissidengesetzes notwendig war.

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ten zu den treuesten Gottesdienstbesuchern in ihren Dörfern »worin Müller selbst ein Muster«608 sei. Der Apotheker Scholl kannte die Gemeinschaftsszene und ihr Umfeld in Stuttgart sehr genau. Die Haltung der pietistischen Gemeinschaften gegenüber der methodistischen Mission war überall zurückhaltend. Unter diesem Blickwinkel muss auch die Begegnung Jacobys mit Scholl gesehen werden. Vor Jacoby hatte schon Johann C. Link bei Scholl angeklopft und nach einem Saal gefragt. Das Wirken von Ernst Philipp Paulus auf dem Salon wurde von seiner Landeskirche kritisch beobachtet, die Beziehung zu den Methodisten, besonders zur Evangelischen Gemeinschaft, war zeitweise ungewöhnlich freundschaftlich.609 Als Jacoby im September 1850 von seinem ersten Württemberg-Besuch nach Bremen zurückkehrte, brachte er ganz unterschiedliche Eindrücke mit: bedrückende, nachdenklich stimmende, ermutigende. Er stand nun vor der Aufgabe, für die kommende Arbeit eine Strategie zu entwickeln, in deren Mittelpunkt das zentrale Anliegen der Mission an Getauften stehen sollte. Anscheinend haben die Gespräche mit den ganz verschieden orientierten frommen Christen in Stuttgart auch gezeigt, dass die Landeshauptstadt nicht das ideale Pflaster für eine methodistische Mission war. Das Zentrum der bischöflichen Methodisten wurde jedenfalls die Residenzstadt Ludwigsburg mit dem früheren Ansatz in Heilbronn. Jene methodistischen Gemeinschaften in Württemberg und Sachsen, die ihr Gemeinschaftsleben nach ihrer Ordnung gestalteten, wurden in dem für sie zentralen Außenleben – nämlich ihrer Mission – von den lokalen kirchenpolitischen Gesetzmäßigkeiten bestimmt. Bei allem guten Willen: irgendwann musste daraus ein Konflikt entstehen und sich entladen. Das ist genau das, was der aufsichtführende Superintendent Jacoby gerne vermieden hätte, weil seine Vorstellungen anderer Art waren.

Auswirkungen einer ungewöhnlichen missionarischen Strategie Die bischöflich-methodistische Kirche, um die es in diesem Abschnitt geht, kam – wie die anderen beiden Zweige – nicht nach Württemberg, um sich nach Problemen in anderen Staaten in einem pietistisch geprägten Land anzusiedeln. Jacoby plante von Bremen aus eine strategische Nord-Süd-Achse, deren Ansatz von den Wirkungsorten anderer kontinentaler methodistischer Missionen bestimmt war. Ein erstes Vorantasten in Richtung Süden erfolgte im August 1850. 608 Visitationsbericht des Generalsuperintendenten für Ludwigsburg von 1843, in dem auch die Frage aufgeworfen wurde, ob es denn angehe, dass Müller bei seinen Anhängern »gleichsam eine Besoldung zusammen kollektire?« LKASt A26/500, (12. Dez. 1843). 609 Voigt, Innerkirchliche Gemeinschaft oder autonome Kirche? (wie Anm. 591), 169–199.

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Jacoby nahm seine Teilnahme an einem Weltfriedenskongress in der Frankfurter Paulskirche wahr, um dort örtliche Kontakte zu knüpfen. Adressen dazu hatte er aus den USA mitgebracht. Jacoby hatte Frankfurt zusammen mit der amerikanischen Teilnehmergruppe, die zum Friedenskongress gekommen war, erreicht. Während der gemeinsamen Dampfschifffahrt von Köln hatte er sich gefreut, alte Freunde aus Amerika zu treffen.610 In der Main-Metropole galt ein Besuch einem Buchhändler Zimmermann, der als Anhänger der Herrnhuter seit diesem Besuch Jacobys auch einige Zeit das methodistische Kirchenblatt »Der Evangelist« vertrieb.611 Jacoby sah: »In Frankfurt a.M. wäre ein großes Feld zu bearbeiten, denn wenn die Innere Mission auch manches thut, so fehlt es doch an einem Colporteur in der Stadt, um unter dem armen Volke zu arbeiten.«612 Vorher hatte er schon bemerkt, dass zwar in Deutschland das christliche Leben anfange aufzublühen, »doch wie überall, so auch hier, fehlt es an wahrer Einigkeit und am Zusammenwirken.«

Die Methodisten nahmen im Juli 1851 ihre Tätigkeit in Frankfurt auf und dehnten sie bald auch nach Friedrichsdorf im Taunus aus. Das sollte sich für die bald in Heilbronn beginnende Mission als folgenreich erweisen, denn Vater Abraham Louis Wallon (1807–1889) und sein Sohn Louis (1834–1907) aus der Hugenottenstadt Friedrichsdorf wirkten nacheinander schon seit 1852 in und um Heilbronn. Sie nahmen wegen ihrer »methodistischen Umtriebe« Arrest und Ausweisung in Kauf, die sie wegen »Unredlichkeit« und Umgehung der Gesetze ertragen mussten, obgleich die Argumentation des Vorwurfs der Unredlichkeit auf Unkenntnis basierte.613 Jacobys Plan war, im Raum Heilbronn in unmittelbarer Nähe des Zentrums der Wesleyaner zu sein, mit denen er offensichtlich gerne eine Einheit unter seiner Aufsicht hergestellt hätte. Über Ludwigsburg, das bald ein Mittelpunkt für die bischöflichen Methodisten in Württemberg wurde, folgte in naher Zukunft der Sprung nach Lausanne, dem damals südlichsten Ort von Jacobys strategischer Achse. Die Wesleyanischen Methodisten wirkten von Frankreich aus in der Westschweiz. Sie errichteten in Lausanne eine theologische Ausbildungsstätte, in der sie mit der ›Freien reformierten Kirche‹ zusammenarbeiteten. Um den Kontakt in den französischsprachigen Teil der Schweiz

610 Schreiben Ludwig S. Jacoby an Wilhelm Nast vom 29. Aug. 1850. In: CA 1850, 155. Auch: Nülsen (sic), Erinnerungen In: CA 1898 (51. Jg.), 98, 119. 611 Man kann davon ausgehen, dass Jacoby den Hinweis auf den Buchhändler von dessen Bruder Simon F. Zimmermann bekam, der in den USA Prediger in der Bischöflichen Methodistischen Kirche war. 612 Ebd. – Auch das folgende Zitat. 613 Decanatsamtliche Anzeige, methodistische Umtriebe betreffend, Generalat Heilbronn, vom 22. Feb. 1854. LKASt A26/500.

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zu intensivieren, sandte Jacoby 1856 den Prediger Ernst Mann (1830–1915) dorthin.614 Ludwigsburg entwickelt sich ungeplant zum Zentrum In Württemberg entstand zwischen Bremen und Lausanne ein Schwerpunkt. Dort hatten die bischöflichen Methodisten ähnliche Probleme wie die Wesleyaner und teilweise die Evangelische Gemeinschaft. Durch das Zentrum in Ludwigsburg waren sie allerdings im Vergleich mit den beiden anderen Zweigen in einer günstigen Situation. Der dortige Dekan Heinrich Christlieb (1797–1873) war für sie ein fast partnerschaftlicher Ansprechpartner. Alle methodistischen Prediger der Frühzeit hatten nacheinander Kontakte zu ihm, sie besuchten ihn. Wenn es Probleme gab, schaute er bei ihnen herein, und aus den von ihm in die methodistischen Versammlungen entsandten Beobachtern seines Gemeindekirchenrats wurden manchmal interessierte, innerlich beteiligte Teilnehmer der Zusammenkünfte. Eine kleine Erinnerung Nuelsens, der in den frühen Jahren in Ludwigsburg arbeitete, mag die durchaus auch innermethodistisch nicht immer konfliktfreie Situation illustrieren: Ausgangspunkt dieser Episode war ein Beschluss des örtlichen Pfarrgemeinderats. Zu Nuelsens Versammlungen, die auch aus der Umgebung Zulauf hatten, so dass der inzwischen erworbene »Waldhornsaal« in der Marstallstraße die Zuhörer nicht immer fassen konnte, sollten nach der Anweisung des Konsistoriums zukünftig entweder nur Personen männlichen oder weiblichen Geschlechts zugelassen werden. Das entsprach den Vorschriften des 1743er Pietisten-Reskripts. Der methodistische Prediger ließ sich von dieser Vorgabe nicht beeindrucken und setzte die Versammlungen in der gewohnten Weise fort. Eine charakteristische Bemerkung war der Hinweis: »Unser werter Herr Superintendent, Br. L. S. Jacoby in Bremen, meinte, um des Werkes willen sollten wir uns fügen.« Jedoch Nuelsen führte weiter aus: »Aber gerade um dieses [Werkes] willen konnten wir es nicht mit gutem Gewissen.« Lieber würde er um eine Versetzung bitten, als sich den Vorstellungen des Konsistoriums und der Anweisung seines Superintendenten zu fügen. Die Entwicklung in Ludwigsburg führte zu einer Vorladung bei Dekan Christlieb. Nuelsen erinnerte sich: Der Dekan »bat um die Gründe, warum die Verordnung nicht befolgt worden sei. Die Antwort war kurz genug: ›Ich finde sie nicht begründet in Gottes Wort. Dazu hat der Vater ein Recht hinzugehen, wo Frau und Tochter sind, ebenso hat die Mutter ein Recht hinzugehen, wo Mann und Sohn sich erbauen. – Die Verordnung geht wider mein Gewissen‹. – Der Dekan meinte, ›es könne bei gemischter Versammlung doch manches Bedenkliche sich 614 Patrick Ph. Streiff, Der Methodismus in Europa im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. 2003, 48–52.

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einschleichen usw.‹ – ›Das ist ja gar nicht wohl möglich, da sind ja immer ein oder zwei Pfarrgemeinderäte gegenwärtig, die würden bald ungünstigen Bericht abstatten im vorkommenden Falle‹, war die Erwiderung. Aus dem Ganzen merkte ich, daß die Männer des Pfarrgemeinderats weniger aus eigenem Ermessen gehandelt hatten und auch wohl der Herr Dekan zu diesem sonderbaren Beschluss gedrängt worden war. Kurz, der Herr Dekan befürchtete, daß uns eine Unterbrechung aller Wirksamkeit in Ludwigsburg bevorstehen möchte, wenn wir uns nicht an die Verfügung kehren würden, nämlich die Geschlechter zu trennen und unsere Gottesdienste abwechselnd einmal ausschließlich für Männer und dann ausschließlich für Frauen zu halten. Nach dieser Äußerung brach ich die Unterhaltung ab, indem ich meinen Hut nahm mit den Worten: ›Nun, Herr Dekan, thun Sie, was Sie müssen und ich werde thun, was ich kann.‹ Als ich mich nun empfehlen wollte, vertrat der gute Mann mir den Weg mit den Worten: ›Nein, so laß ich Sie nicht gehen, Sie haben mir anfangs erklärt, sich in alle unsere Anordnungen zu fügen, solange dieselben mit Ihrem Gewissen übereinstimmen. Sie erklären jetzt, daß diese Anordnung eine solche ist, die Sie mit gutem Gewissen nicht befolgen können. Ich werde den Pfarrgemeinderat veranlassen, dieselbe aufzugeben. Wir wollen Freunde bleiben‹! Mit diesem gaben wir einander die Hand.«615

Auch wenn sich der Staub der Erinnerung auf diese Begegnung gelegt hatte und sie sich in dieser Form gut berichten ließ, so sind doch einige Aspekte charakteristisch: Jacoby war – wie auch später – bereit, sich auf die Forderung der Kirchenbehörde einzulassen. Nuelsen, Vater des späteren Bischofs und internationalen Ökumenikers John L. Nuelsen (1867–1946), berief sich auf die Schrift und sein Gewissen. Der Dekan wollte diesen wie auch andere Konflikte vermeiden. Seinen Bericht über Württemberg schloss Nuelsen mit der Bemerkung: »Wir glaubten damals, in der Staatskirche als Gemeinschaft, zum gemeinschaftlichen Segen existieren zu können. Ludwigsburg und der Herr Dekan Christlieb liefern den Beweis, daß mit gutem Willen und weitherziger Gesinnung dies möglich gewesen wäre.«616 Es passt in dieses Bild, dass es, soweit es bisher bekannt ist, in Ludwigsburg auch zur einzigen Begegnung auf kirchenleitender Ebene kam, die zwar nicht geplant war, aber doch bemerkenswert ist.

Dekan Christlieb bei einer Konferenz der Methodisten Am 21. Juni 1862 begann in Ludwigsburg die 7. Tagung der noch kleinen Jährlichen Konferenz der bischöflichen Methodistenkirche. Alle zwölf ordinierten Prediger aus Deutschland und der Schweiz waren zusammen mit fünf weiteren versammelt, die an dieser Tagung in die Dienstgemeinschaft aufgenommen 615 Nülsen (sic), Erinnerungen (wie Anm. 610). In: CA vom 20. Mai 1903 (65. Jg.), 11. Daraus die folgenden Zitate. Hervorhebungen übernommen. 616 Ebd. In: CA v. 8. Juli 1903 (65. Jg.), 10f.

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werden sollten. Dekan Christlieb erfuhr auf einer Reise aus dem ›Ludwigsburger Tagblatt‹ von der Zusammenkunft. Unmittelbar nach seiner Rückkehr suchte er den Ludwigsburger Prediger Heinrich Nuelsen in dessen Wohnung auf, weil er als Dekan nicht über die Tagung informiert worden war. Der Methodistenprediger hatte den Plan, dem Dekan, der aber gerade auswärts war, alle seine Kollegen vorzustellen. Nun lud Nuelsen Dekan Christlieb ein, die Abendversammlung zu besuchen. Im Anschluss daran fand die geplante Vorstellung der methodistischen Konferenzteilnehmer statt. Christlieb scheint beeindruckt, dass darunter »auch ein Professor617 aus Amerika« war.618 Über die Begegnung berichtete er dem Konsistorium: Superintendent »Jakobi dankte mir für meine freundliche Stellung zu ihnen u sagte hiezu, sie würde mich nie gereuen, was mir sein Schwager Nülsen für sich versprochen habe, das verspreche er mir im Namen u als Auftrag der ganzen Conferenz, daß sie der Landeskirche sich nie feindlich gegenüber stellen werden, daß sie im Gegentheil in Gemeinschaft mit derselben ihren einzigen Zweck, dem Reiche Gottes Seelen zu retten u zu erhalten, viel gewisser u leichter zu erreichen hoffen, als getrennt von der Kirche, daß ihre Conferenz daher sich nie einen Angriff auf die Kirche erlaube u jeden strafe, der sich dergleichen erlauben könnte, nur möchte man ihnen ihre Formen lassen, deren Wirksamkeit eine 100jährige Erfahrung bestätigt habe. Ich erwiderte, ich nehme diese Zusagen nicht blos für mich, sondern auch für unsere Oberkirchenbehörde gern entgegen u wenn Sie, wie eben versichert, wie die Brüdergemeinde [sic!] mit unserer Kirche in freundlicher Gemeinschaft bleiben, würden sie gewiss auch wie jene freundlich behandelt werden. Und so schieden wir freundschaftlich.«

Dekan Christlieb legte den Bericht, bevor er ihn an das Konsistorium in Stuttgart zum Versand brachte, seinem für den seelsorgerlichen Dienst unter den in der Residenzstadt stationierten Soldaten zuständigen Kollegen Prälat G. S. Binder vor, der – wie immer – die Entwicklung in Ludwigsburg mit einem kritischeren Blick begleitete. Entsprechend fügte er Christliebs Bericht einige Anmerkungen hinzu. An dem methodistischen Konferenz-Gottesdienst, den Dekan Christlieb besucht und danach der Kirchenbehörde nach Stuttgart berichtete hatte, war der landeskirchliche Pfarrer Immanuel Paulus aus Sulz durch das Eingangsgebet beteiligt gewesen. Darüber war der Oberkirchenrat in Stuttgart befremdet. Er teilte den Vorgang dem für Sulz verantwortlichen Generalsuperintendenten in Reutlingen mit und beauftragte ihn, bei der nächsten Visitation mit Paulus darüber zu sprechen. Dass ist einerseits in einer Zeit beginnender Gebetsversammlungen mit Gliedern verschiedener Konfessionen, wie sie die Evangelische Allianz seit 1846 propagierte, befremdlich, andrerseits passt es zur Einstellung 617 Es handelte sich um Prof. William Fairfield Warren (1833–1929), der nach seinem Weiterstudium in Halle bei Prof. Friedrich A. G. Tholuck nun im Bremer Seminar unterrichtete. 618 Dekan Christlieb, Bericht über die Methodisten an das Consistorium vom 24. Juni 1862. LKASt A26/501. Daraus auch die folgenden Zitate.

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der besorgten Kirchenbehörde, aus dem Gebet eines Pfarrers in einem methodistischen Gottesdienst eine solche Aktion zu machen. Dass sogar eine Meldung mit einer Beauftragung an den Generalsuperintendenten Christian Dettinger (1804–1876) ging, passt gar nicht zu dem von Christlieb im Protokoll angeschlagenen Ton. Er hatte freundschaftliche Beziehungen angeboten, der Oberkirchenrat verfolgte offensichtlich eine andere Strategie.619

Konflikte des Ludwigsburger Methodistenpredigers Ernst Gebhardt Den Unterschied zwischen der Haltung des Ludwigsburger Dekans und des Stuttgarter Konsistoriums hatte Ernst Gebhardt (1832–1899) während seiner Ludwigsburger Jahre erleben müssen. 1860/61 war es zu lange anhaltenden Konflikten wegen Gebhardts »Abhaltung von Privat-Andachtsübungen« im nahegelegenen Mühlhausen, Oberamt Vaihingen, gekommen. Die dramatisch sich zuspitzende Situation und die damit verbunden Auseinandersetzungen waren heftig. In diesen längeren Konflikt war mehrfach auch ein Rechtsanwalt Roemer eingeschaltet, der schon früher für die Evangelische Gemeinschaft aktiv war. Die Erwähnung dieser Auseinandersetzung, mit der auch mehrmals das Konsistorium befasst war, ist deshalb notwendig, weil sie ein Baustein für das Verständnis von Gebhardts weiterem Weg ist. In den schwierigen Mühlhauser Erfahrungen des jungen methodistischen Predigers Gebhardt kann man eine Entwicklung hin zu einem neuen Selbstverständnis erkennen. Er war es, der nur wenige Jahre später den Anstoß gab, mit der zu jener Zeit von ihm beaufsichtigen Heilbronner Gemeinde gegen alle Versprechen der aus Amerika zurückgekehrten Missionare die Trennung der Methodisten von der Württembergischen Landeskirche zu vollziehen. Gebhardt war ein selbstbewusster und auch um sein Recht kämpfender Prediger, eine Seite an ihm, die in den älteren Biographien nicht vermittelt wird.620 Seine schulische Ausbildung im Salon,621 dem privaten Ausbildungsin619 Ebd., Bemerkungen auf Christliebs Originalschreiben, verfasst vom Ludwigsburger Garnisonprediger Prälat G. S. Binder (25. Juni), vom Konsistorium (27. Juni 1862) und von Generalsuperintendent Christian Dettinger (29. Juli 1862). 620 August Johannes Bucher, Ein Sänger des Kreuzes. Bilder aus dem Leben von Ernst Gebhardt, Basel 1912; Theophil Funk, Ernst Gebhardt. Der Evangeliumssänger, Berlin, 1964, Stuttgart 1969. 621 Unter dem Direktorat von Philipp Paulus (1809–1878) unterrichteten zeitweise zwölf Lehrkräfte an dieser »wissenschaftlichen Bildungsanstalt ›Salon‹«. Einer von ihnen war Christoph Hoffmann (1815–1885). Unter den Schülern waren außer Ernst Gebhardt auch andere spätere Prediger der Evangelischen Gemeinschaft und der Methodistenkirche. Auch Söhne von Prediger Jacoby aus Bremen erhielten dort ihre schulische Ausbildung zur Vorbereitung aufs Studium. Eine Studie über das theologische und das politische Klima in dieser Bildungseinrichtung könnte erhellend sein.

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stitut des seiner eigenen Landeskirche gegenüber kritischen Theologen Ernst Philipp Paulus (1809–1878), war nicht ohne Auswirkungen. Die von Paulus herausgegebene »Friedensglocke« war ein stürmisches Kampfblatt,622 in dem er gegen den Trend in Kirche und Gesellschaft auch für Religionsfreiheit eintrat. Gerade in der Zeit des Umbruchs in den württembergischen Gemeinden der methodistischen Kirchen veröffentliche Paulus sein Buch zu »religiösen Tagesfragen«.623 Im Vorwort kündigte er an, dass in jener Zeit der Veränderungen auch Fragen zweier »Lebenskreise« zu besprechen seien, nämlich einerseits »die Staatskirchen, und anderntheils die vom Staat und den Staatskirchen unabhängigen und mehr oder weniger selbständigen religiösen Privatgesellschaften oder die sogenannten Secten.«624 Ein Buch, das sich auch im Besitz des Predigers Ernst Gebhardt befand. Einer der Lehrer des von Philipp Paulus geleiteten Instituts, Christoph Hoffmann, war 1848 als Abgeordneter im Parlament der Frankfurter Nationalversammlung für die konsequente Trennung von Kirche und Staat eingetreten. Durch die schulische Bildung Gebhardts im Salon ist eine kirchen-, vielleicht auch gesellschaftskritische Tendenz in früheren Bildungsjahren wahrscheinlich, die sich auch in der selbstbewussten Ausübung seines Predigerlebens an einigen markanten Punkten wieder zeigt. Nach dem Abschluss seiner Ausbildung kam Gebhardt im März 1860 aus Bremen in seine Heimatstadt Ludwigsbug zurück. Christian Raith (1836–1917), auch ein Schüler vom Salon, hatte inzwischen im gut 30 km von Ludwigsburg entfernten Mühlhausen Kontakte gefunden. Die aggressive Art des jungen Laienpredigers kam dort nicht gut an. Als Gebhardt in Ludwigsburg zurück war, übernahm er die Begleitung der kleinen pietistischen Hausgemeinschaft. Aber das ging nicht gut, weil sich innerhalb der Gemeinschaft Differenzen über die Stellung zu den Methodisten ergeben hatten, die zum Verbot der Erbauungsstunden führten. Ein Grund war, dass durch die Zusammenkünfte einige Unruhe unter den knapp 800 Einwohnern von Mühlhausen entstanden war. In Familien gab es Zwistigkeiten. Frauen fingen an, sich nicht mehr ihren Männern unterzuordnen. Als es zu einem Suizid kam, machten manche Einwohner dafür die Methodisten verantwortlich. Gebhardt wurde vom Ortspfarrer Paul Ernst Zeller (1812–1867), dessen Bruder Albert Pfarrer in Buffalo/USA war, im Oktober 1860 einbestellt. In seinem Bericht an das Dekanatamt Vaihingen berichtete Zeller, Gebhardt habe ihm erklärt, »er werde sich durch nichts abhalten lassen hierher 622 Philipp Paulus, Die Friedensglocke oder Blätter zur Förderung der Eintracht und Liebe unter den Christen. Leitartikel am 15. Febr. 1861 u. 1. März 1861: Der Christenbote und die Methodisten in Württemberg. 623 Philipp Paulus, Die Kirche und ihre Zukunft oder die religiösen Tagesfragen. Zur Orientierung auf dem kirchlichen Gebiet für Gelehrte und Ungelehrte beleuchtet, Ludwigsburg 1861. 624 Ebd., Einleitung, 2.

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zu kommen und Stunde zu halten, ich möge machen, was ich wolle, wenn ich ihn strafen laße, so werde er Strafe zahlen und danach herkommen, selbst wenn er eingesperrt würde, werde er doch wieder herkommen.«625 Nach längerem Hin und Her erhielt Gebhardt am 25. Febr. 1861 vom Oberamt Vaihingen eine mit Strafandrohung eröffnete Verfügung, die das Konsistorium am 5. Febr. 1861 erlassen hatte. Es wurde ihm darin ein ›Verbot zur Abhaltung von Privat-Andachts-Versammlungen in Mühlhausen‹ übermittelt. Der Methodistenprediger legte wie angekündigt »Beschwerde« bei der vorgesetzten Dienstbehörde des Konsistoriums, dem Innenministerium, ein. Der Text wurde wieder von Rechtskonsultant Roemer formuliert. Mit dieser »Beschwerde« wird eine bisher nicht in Erscheinung getretene Ebene der zwischenkirchlichen Argumentationen erreicht. Gebhardt tritt als »württembergischer Staatsbürger und Gemeindebürger der Stadt Ludwigsburg« auf, der als auslandserfahrener Methodist »vorzugsweise unter seinen württembergischen Mitbürgern anregend, belehrend u. erbauen zu wirken« beabsichtige. In Mühlhausen habe der Pfarrgemeinderat im Juni 1860 wegen nachteiliger Wirkungen in der Gemeinde beschlossen, »das Auftreten fernerhin nicht mehr zu erlauben.«, was der Kirchenkonvent im Juli 1860 bestätigte. Es wird auf Gebhardts eigene Bemühungen zurückzuführen sein, dass der Schultheiß ihm und seinen Anhängern bestätigte, »daß der Abhaltung künftiger Versammlungen Nichts im Wege stehe, wenn solche nicht während des Gottesdienstes und blos an Sonn-, Fest-, Feier- und Bußtägen, nie bei Nacht u. nie auf freiem Felde, sondern stets im Hause eines angesehenen Bürgers u. zwar zu vorher bestimmter oder dem Ortsvorsteher 3 Tage vorher angezeigter Zeit stattfinden.«

Obwohl Gebhardt sich an diese Beschränkungen hielt, wurde er am 25. Febr. 1861 auf das Oberamt Vaihingen einbestellt, wo ihm ein Erlass des Konsistoriums bekannt gegeben wurde, »wonach ihm die Beachtung des von den ortskirchlichen Collegien in Mühlhaußen ausgesprochenen Verbots seines Auftretens in dortigen religiösen Versammlungen unter Strafandrohung einzuschärfen und über die genauen Beobachtung des Verbots zu halten sei.« Danach nahm Gebhardt die bereits erwähnte anwaltliche Hilfe in Anspruch. Rechtskonsultant Roemer, der auch schon für die Evangelische Gemeinschaft eine Eingabe formuliert hatte,626 vertrat den Standpunkt: »Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß dem Gebhardt als württemberg[ischer] Staatsbürger das verfassungsmäßige Recht zusteht, seine Gesinnungs-Genossen in 625 Schreiben Pfarrer Zeller, Mühlhausen an das K. Dekanatamt Vaihingen vom 19. Okt. 1860. LKASt A26/501. 626 Beschwerde des Methodisten Missionärs Ernst Gebhard gegen eine verbietende Verfügung an das Cultus-Ministerum in Stuttgart vom 5. Februar 1861. LKASt A 26/591. Daraus die folgenden Zitate.

Württemberg wird Schwerpunkt von drei methodistischen Kirchen

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Mühlhaußen zu besuchen und zum Zwecke gemeinschaftlicher Erbauung bei denselben religiöse Vorträge zu halten, zumal da diese Vorträge nicht im Freien, nicht in öffentlichen Gebäuden, sondern in einzelnen Privatwohnungen und stets nach vorheriger Anzeige bei der Ortspolizeibehörde, falls solche etwa nach Maßgabe des Vereinsgesetzes hierbei anzuwenden beliebe.«

Weil auch die in ihren Häusern gastgebenden Bürger mit Strafen belegt zu werden drohten, fügte der Anwalt gleich hinzu: »Ebenso zweifellos ist es aber auch das Recht einzelner Bürger Mühlhaußens, in ihrer Privatwohnung religiöse Versammlungen abzuhalten u. hiezu den ihnen convenienden Missionar Gebhard kommen zu lassen. Es kann diese verfassungsmäßige Befugniß des einen wie des andern um so weniger in Abrede gezogen werden, als nicht bloß der diesfallsige Inhalt der württemberg[ischen] Verfassungs-Urkunde sich ganz klar hierüber ausspricht, sondern auch eine constante Praxis allerorts sich hierüber in einer Weise ausgebildet hat, daß man sich nur wundern kann, wie das K. Consistorium es über sich zu gewinnen vermochte, in die verfassungsmäßigen Befugniße und die Rechtszuständigkeiten der württembergischen Staatsbürger so, wie geschehen, einzugreifen.«

Mit der »constanten Praxis« deutet Roemer an, wie die regelmäßigen pietistischen Stunden von Laien gehalten werden, ohne dass der Staat oder die Kirche daran Anstoß nehmen oder gar Einspruch erheben. Außer der Tatsache, dass Gebhardt Staatsburger in Württemberg war, gehörte er ganz selbstverständlich – wie auch andere methodistische Prediger – der Kirche Württembergs solange an, bis er später gegen seinen Willen ausgeschlossen wurde. Diese eigenartige Konstellation erklärt sich aus dem zu dieser Zeit noch angestrebten Ansatz, den Weg einer innerkirchlichen methodistischen Gemeinschaft gehen zu wollen. Das klingt auch in Roemers Beschwerde an, wenn er behauptet: »Daß Gebhard zufällig sich zu den Ansichten der Methodisten bekennt, kann zur Sache offenbar Nichts ausmachen, denn abgesehen davon, daß die Lehre der Methodisten bekanntlich keineswegs auf eine Separation von der Staatskirche oder eine ihr feindliche Stellung drängt, existiren überall keine die methodistischen Ansichten u. Versammlungen verbietenden oder beschränkenden Vorschriften; im Gegentheil werden in vielen Gegenden des Landes u. vorzugsweise auch hier in der Residenz am Sitze der höchsten Regierungsbehörden ganz offen und unbeschränkt, theilweise sogar mit offener Billigung u. Unterstützung von Seiten der Geistlichen methodistische Vorträge u. Versammlungen gehalten. Was nun an anderen Orten und vorzugsweise auch hier erlaubt ist, warum u. mit welchen Rechtsgründen sollte dasselbe in Mühlhaußen unter Strafandrohung zu verbieten sein?«

Ohne es ausdrücklich zu nennen weist der Anwalt auch die Begründung des Verbots durch das Reskript von 1743 zurück. Diese Verordnungen seien in praxi längst außer Kraft und keinesfalls auf die Methodisten anzuwenden, welche jene alte Verordnung gar nicht kannte.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Die Bestrafung durch polizeiliche Maßnahmen weist der Autor der »Beschwerde« für solche Fälle, wie bei diesem, strikt zurück. »Eine gute Sache kämpft und siegt mit der Macht der Überzeugung und nicht mit der Gewalt der Polizei, deren Anrufung und Androhung auf geistlichem Gebiet schon im Voraus keinen guten Eindruck machen kann.« Im Zusammenhang von Vergleichen mit anderen Orten und anderen Personen wie beispielsweise mit dem schwäbischen Landsmann Samuel Hebich (1803–1868) wirft Roemer die Frage auf: »Warum läßt man einen Hebich, welchem noch weit Schlimmeres nachgesagt wird als der H. Pfarrer Zeller von den Methodisten vorzubringen weiß, offen und frei, sogar in den Kirchen, schalten und walten? Warum läßt man andern, welche ausgesprochene Gegner der Staatskirche sind, unbeschränkt in öffentlichen u. Privat-Versammlungen wirken, ohne sie polizeilich zu verfolgen? Offenbar, weil unsere württembergische Verfassung es ist, welche vollkommene Freiheit in der Religionsübung gewährleistet und weil außerdem der frühere Standpunkt des Gewissens- und Religionszwangs überwunden ist, es sonach im höchsten Grade unzeitgemäß wäre, der an sich vollberechtigten freien Bewegung auf dem religiösen Gebiete entgegenzutreten. Was nun allerorts Rechtens ist, warum soll dies für Gebhard und für die Gemeinde Mühlhausen ein Grund zu polizeilichem Verbot abgeben?«

Schließlich weist der Beschwerdeführer auf eine beigelegte Unterschriftenliste hin, in der »Bürger und Einwohner in Mühlhausen O/A Vaihingen« schreiben, dass sie sich durch das amtliche Einschreiten gegen Herrn Gebhardt von Ludwigsburg zu einer drei Punkte umfassenden offenen Erklärung veranlasst sehen. Deren Kern lautet: Sie waren mit dem Auftreten Gebhardt stets einverstanden und erhoffen sich sein weiteres Erscheinen »um unserer geistlichen Erbauung willen dringend.«627 Diese Erklärung vom 21. März 1861 ist unterzeichnet von 35 Personen, davon sind acht Frauen und 27 Männer, drei von ihnen, Jonathan Müller, Johannes Eitel und Friedrich Müller fügen ihrem Namen bei »Gemeinderath«. Hinter diesem Mühlhauser Konflikt muss ein nicht erwähntes Problem stecken. Gab es in Mühlhausen – wie an manchen anderen Orten – ein Ringen zwischen pietistisch orientierten Gemeindegliedern und solchen die, wie es hier denkbar ist, von rationalistischen Gedanken geprägten Prediger, den sie ablehnten? Es könnte auch ein Disput zwischen pietistischen Kreisen, die wenig konfessionell ausgerichtet waren, und einem konfessionsbewussten Pfarrer sein, der durch seine in Amerika als Pfarrer wirkenden Verwandten sich von einem über den Ozean kommenden Anti-Methodismus anstecken ließ. Albert Zeller in Buffalo, der den Methodisten gram war, übte dort die Funktion eines Sekretärs einer deutsch-lutherischen Synode aus. Vielleicht ist das aber alles viel zu dramatisch gesehen und es handelte sich ganz einfach um einen innerörtlichen 627 Erklärung Mühlhausener Bürger vom 21. März 1861. LKASt A26/501.

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Konflikt, in dem es um Recht und Ordnung und das Ansehen Kirchengemeinde ging. Schon am 12. April 1861 reagierte das Konsistorium mit einer Stellungnahme an das zuständige Ministerium des Kirchen- und Schulwesens.628 Es führt die Entwicklung in Mühlhausen auch auf das »theils eigenmächtige theils schwankende Benehmen des Schultheißen u. den hiedurch unterstützten Ungehorsams des Missionärs Gebhardt« zurück. Dieses habe die Verfügung mit dem Verbot und Strafandrohung ausgelöst. Die Berufung auf § 27 der Verfassungsurkunde, durch die »jedem Staatsbürger garantierte ungestörte Gewissensfreiheit« hergeleitet wird, habe ebenso wenig wie das »noch geltende General-Rescript […] vom 10. Oct. 1743 die Absicht, die Gewissensfreiheit der einzelnen zu untergraben und wenn der Beschwerdeführer sich darauf beschränken würde, einzelne Bürger auf Einladung behufs der Erbauung im Familienkreise zu besuchen, so könnte dem allerdings kein Verbot entgegensetzt werden.« Aber wenn es um »Erbauungsstunden eines fremden Emissärs mit allgemeinem, ungehinderten Zulauf«, wie in Mühlhausen gehe, »so ist dies eine Sache der allgemeinen kirchlichen Ordnung, deren Wahrung in der Gemeinde dem Pfarrgemeinde-Rath und Kirchen-Convent zur gesetzlichen Aufgabe gemacht ist und deren Verletzung nicht der Willkür jedes sich einfindenden fremden Stundenhalters unterworfen werden darf. Die Gewissensfreiheit der Verfassungsurkunde besteht schon lange als Recht der Staatsbürger u. doch hat noch niemand an der Befugniß der Ortskirchenbehörden gezweifelt, zum Schutze der kirchlichen Ordnung in ihrer Gemeinde auswärtigen Emissären die Abhaltung religiöser Versammlungen zu untersagen; neben jener Freiheit des Gewissens des Einzelnen muß doch [im Original gestrichen] nothwendig auch ein Schutz der Religions-Gemeinschaften u. ihrer Ordnungen im Ganzen bis zu einem gewissen Grade bestehen.«

Schließlich wird vom Konsistorium zurückgewiesen, dass zwischen dem »Methodistenwesen« und der Landeskirche »immer mehr eine feste und zusammenhängende Organisation« wachse. Das Ministerium ließ Gebhardt auf eine Antwort zu seiner Beschwerde warten. Drei Monate nach der Eingabe meldete sich Rechtskonsultant Roemer mit einer »Bitte in der Beschwerde-Sache des Ernst Gebhardt«629 um »Beschleunigung der zu treffenden Entscheidung«. Tatsächlich hatte das Ministerium bereits seine Stellungnahme am 4. Mai verfasst. Allerdings wurde sie erst am 7. Juni an das Konsistorium weitergeleitet, wo es am 11. Juni eingegangen ist. 628 Manuskript betr. Beschwerde des Methodisten Missionärs Gebhardt von Ludwigsburg gegen die Verfügung des evangelischen Consistoriums vom 12. März 1861 an den Minister des Kirchen- und Schulwesens. LKASt A 26/501. Daraus auch die folgenden Zitate. 629 Bitte des Methodisten-Missionärs Ernst Gebhard an das Cultus-Ministerium in Stuttgart vom 6. Juni 1861. LKASt A26/591. Daraus die folgenden Zitate.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Das Ergebnis war für Gebhardt ernüchternd. Die erhobene Beschwerde wurde als »unbegründet verworfen«.630 Bemerkenswert ist, dass das Ministerium sich nicht auf das Pietisten-Reskript berief, sondern die evangelische Conventsordnung vom Oktober 1824 als Grundlage für die Kirchenconvente und die Kirchenpolizei mit verschiedenen Paragraphen zur Urteilsbegründung heranzog. Mit der Ausweisung endete das Wirken der Methodisten in Mühlhausen.

3.5

Das Pietisten-Reskript von 1743 und die Methodisten631

Fast alle Herrscher der zahlreichen Königreiche, Fürstentümer, Herzogtümer und Stadtstaaten sind im 17. und 18. Jahrhundert dem Pietismus mit Gesetzen entgegengetreten. Es gab nur wenige Ausnahmen, welche den pietistisch Gesinnten Schutz boten. Unter den zahlreichen Vorschriften, Einschränkungen, Schutzverordnungen hat das 1743 vom württembergischen Herzog Carl Friedrich (1690–1761) erlassene »General-Rescript, betreffend die Privat-Versammlungen der Pietisten«, eine solche Bedeutung erlangt, dass der Stuttgarter Oberkirchenrat aus Anlass der 250. Wiederkehr von dessen Veröffentlichung eine Neuausgabe vorgenommen hat. Er sieht darin die Grundlage für ein »vertrauensvolles Miteinander von Pietismus und Landeskirche«.632 Die »Verordnungen« dieser kurz »Pietisten-Reskript« genannten und »Von Gottes Gnaden« durch den Herzog erlassenen Gesetze haben nicht nur den württembergischen Pietismus in seiner Entfaltung eingeschränkt. Sie wurden auch mehr als einhundert Jahre nach dessen Verkündigung gemeinsam vom Württembergischen Staat und der Württembergischen Landeskirche auf die Mission der drei methodistischen Kirchenzweige oft angewandt. Im Reskript wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts insbesondere durch den Artikel über den »Ausschluß der Separatisten« den Kirchen- und Staatsbehörden Argumente zum Einschreiten gegen die Methodisten gegeben.633 Es werden darin »Vorsichtsmaßnahmen wegen der Ungeprüften und Fremden«, also gruppenleitende methodistische Klassführer und auch Missionare, deren Ordination nicht von allen anerkannt wurde und sie zu »Ungeprüften« machte, aufgezeigt. In einem längeren Abschnitt werden Anweisungen »Wegen der hin630 Schreiben Ministerium des Kirchen- und Schulwesens an das k. evangelische Consistorium vom 6. Mai 1861. LKASt A26/501. 631 Über die bisher noch gar nicht gesehenen Auswirkungen des Gesetzes von 1743 auf die methodistische Frühgeschichte wäre eine eigene Studie wünschenswert. 632 Evangelischer Oberkirchenrat, 250 Jahre Pietisten-Reskript 1743–1993 (wie Anm. 554), 5. 633 Alle folgenden Zitate sind der Ausgabe, 250 Jahre Württembergisches Pietisten-Reskript 1743–1993 (wie Anm. 554) entnommen, die dem heutigen Sprachgebrauch angepasst sind. Der Originaltext steht jeweils auf der gegenüberliegenden Seite zur Verfügung.

Das Pietisten-Reskript von 1743 und die Methodisten

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und herreisenden Personen« gegeben. Das waren natürlich im 19. Jahrhundert die methodistischen Reiseprediger. Nach dem Reskript soll deren Wirksamkeit »gehindert und […] die Zeit und Art ihres Aufenthalts und Umgangs mit den Gliedern unserer Kirche eingeschränkt werden.« Die Wege zu den Zusammenkünften sollen nicht »weitläufig« und deren Teilnehmer nicht »zahlreich« sein. Das hat der Gesetzgeber konkretisiert und festgelegt: »… in reifer Erwägung aller Gesichtspunkte zur Erhaltung des Nutzens und zur Verhütung von Mißbrauch in solchen von Privatpersonen gehaltenen Zusammenkünften [ist] am nützlichsten erachtet, daß die Anzahl der Versammelten auf 2, 3, 4 Haushaltungen oder auch auf 10 bis 12, höchstens 15 Personen eingeschränkt werde.« Weiter war eine »Trennung der Geschlechter« erwartet. Beides wurde von den Methodisten strikt zurückgewiesen. Die Versammlungsbesucher nahmen oft weite Wege auf sich. Nicht selten trafen sich weit mehr als einhundert Teilnehmer in den methodistischen Versammlungen. Auch die Vorschriften über die gestatteten Zeiten, die nicht bis in den späten Abend dauern sollten, und über die erlaubten Orte für Zusammenkünfte, für die »zur Vermeidung von Mißbräuchen oder Verdächtigungen abgelegene oder entfernte Häuser nicht ausgewählt, auch nicht gestattet werden« sollten, wurden von den Methodisten permanent übertreten. Einen brisanten Sonderfall stellen die methodistischen Klassversammlungen dar. Für die methodistische Frömmigkeitsgestaltung waren die Zusammenkünfte in »Klassversammlungen« wie auch die anschließend zu behandelnden »Liebesfeste« unverzichtbar. Jacoby, der beide als »Eigenthümliche Einrichtungen und Gebräuche der Methodisten« beschrieb,634 charakterisierte sie wie folgt: Klassversammlungen gingen von der »Wichtigkeit christlicher Gemeinschaft« aus. Ihr Zweck war die »gegenseitige Ermahnung, Aufmunterung und Belehrung«. Sie seien gleichzeitig »Erfahrungsstunden«. Diese Klassversammlungen brachte Jacoby mit Luthers Vorstellung aus der Vorrede zur »Deutschen Messe« in Verbindung.635 Dort beschrieb der Reformator die »rechte Art der evangelischen Ordnung« des Gottesdienstes. Weiter bezog sich der Methodist auf die Schmalkaldischen Artikel, jener lutherischen Bekenntnisschrift, in welcher unter die Gnadenmittel neben der Predigt und den Sakramenten »die gegenseitige Unterredung der Brüder« genannt sei. Die Klassen waren klar strukturiert. Zwölf Mitglieder, einer davon der Klassführer, trafen sich wöchentlich. Nach Gesang und Gebet leitete der Leiter die Gruppenstunde ein. Danach erzählte jeder Teilnehmer seine mit dem Glauben verbundenen Erfahrungen der jüngsten Zeit. Nach jedem Beitrag erfolgte eine Tröstung, eine Ermahnung, evtl. ein Hilfsangebot, es wurde eine 634 Jacoby, Handbuch des Methodismus, (wie Anm. 278). 635 Martin Luther, WA Bd. 19, 74f.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

passende Strophe gesungen oder ein Dank- oder Fürbitt-Gebet gesprochen. Im Fall von Krankheiten oder sozialen Problemen berichtete der Gruppenleiter darüber dem Prediger zu weiterer Hilfe. Methodisten sahen in den Klassversammlungen ein »Gnadenmittel zum Wachstum in der Gottseligkeit«. Sie hatte ihre Wurzel in der Frühzeit des britischen Methodismus.636 In der Regel trafen sich die Teilnehmer in Privathäusern. Anfangs gab es keine Kapellen. Als es zum Bau von Gemeinschaftshäusern kam, waren darin schon, wie in der ersten heute noch benutzten Kapelle, die 1859 im oldenburgischen Neerstedt eingeweiht wurde, außer dem Predigtsaal, eine Küche, sanitäre Einrichtungen, ein »Klasszimmer« neben einer bescheidenen Wohnung für einen Prediger vorhanden. Unter Berufung auf das 1743er Reskript wurde die Klassversammlungen als »Prüfung des Seelenzustands anderer Personen« interpretiert. Im Reskript heißt es dazu: »Dass einer den anderen veranlasse, seinen sogenannten inneren Seelenzustand und geheime Umstände in der Versammlung zu erzählen und sich da einem in der Gemeinschaft errichteten Gewissensrat, Beurteilung oder Vorschrift zu unterwerfen, wird nicht erlaubt. Es gehören solche Dinge entweder vor das Predigtamt oder in eine geheime christliche Vertraulichkeit zwischen ganz wenigen, etwa zwei, drei oder vier Personen, nicht in eine Versammlung unterschiedlicher Personen, die es auf mancherlei Weise ansehen oder deuten können.«

Die Kritik an der methodistischen Praxis der Klassversammlungen, die als geschlossene, dauerhafte Kreise auch zu einer Art seelsorgerlicher Gruppentherapie wurden, waren am 12. Februar 1862 sogar durch einen Erlass des Konsistorium zeitweise verboten. Dem haben sich die Methodisten aber nicht gebeugt.637 Aber sie haben sich bemüht, durch Information Verständnis für diese ihnen überaus wichtige Gemeinschaftsform zu finden.638 Dramatischer als die Auseinandersetzungen um die Klassversammlungen waren Verurteilungen der methodistischen »Liebesfeste«. Diese Praxis knüpfte an die urchristlichen Agapen an. Natürlich feierten die Methodisten diese Feste ohne die ursprüngliche Verbindung mit dem Abendmahl. Anfangs war das in Württemberg ohnehin ausgeschlossen, weil sie als kirchliche Gemeinschaftsbewegung keine sakramentale Mahlfeier praktizierten. Jedoch erweckte die Gemeinschaft bei Brot und Wasser die Sorge heimlicher Abendmahlsfeiern. Es war aber bei der aus der Anglikanischen Kirche kommenden reichen und 636 John Wesley, The Nature, Design, and General Rules of the United Societies in London, Bristol, King’s wood, and New Castle upon Tyne, 1743. In: WJW, Vol. 9., The Methodist Societies, hrgg. von Rupert E. Davies, Nashville 1989, 67–76, zur Einführung auch 23–29. 637 Karl Heinz Voigt, Kirchliche Minderheiten im Schatten der lutherischen Reformation vor 1517 bis nach 2017, KKR 73, Göttingen 2018, 198–204. 638 Beschreibung einer Klaß-Versammlung. Traktat-Gesellschaft der Bischöfl. MethodistenKirche, Bremen, o. J.

Das Pietisten-Reskript von 1743 und die Methodisten

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schönen Liturgie, wie sie später fast ein Jahrhundert benutzt wurde,639 nicht vorstellbar, diese hohe liturgische Ebene in so einfache, zwar würdevolle aber doch schlichte liturgielose Feiern absinken zu lassen. Jacoby schrieb über Liebesfeste, die sich schon früh zu einer wichtigen Gemeindeversammlung entwickelt hatte: »Die Art und Weise, wie sie gewöhnlich in der Methodistenkirche gehalten werden, ist folgende: Sie werden durch den Vorstehenden Aeltesten oder den Aufsicht habenden Prediger mit Lesung der heiligen Schrift eröffnet, dann wird ein passendes Lied gesungen und mit Gebet fortgefahren. Vor der Austheilung des Brodes und Wassers wird meistens eine herzliche Ermahnung, besonders zur Ausübung der brüderlichen Liebe, gegeben. Während der Herumreichung des Brodes und Wassers wird gesungen. Nach diesem wird eine Kollekte für die Armen gehoben, und geben die Verwalter gewöhnlich ihren Bericht vom Zustand der Kasse, was an Missions- und Armengeld und zum Unterhalt des Predigers eingegangen und ausgegeben ist. Der Prediger selbst gibt Bericht von seinem Arbeitsfeld, liest die Namen der auf Probe angenommenen und der entlassenen oder ausgeschlossenen Mitglieder ab. Hierauf wird auf den Vorgang des Predigers den Anwesenden Gelegenheit gegeben, ihre christliche Erfahrung mitzutheilen: wie Gott sie erweckt, bekehrt und mit seiner Gnade bisher begleitet, wie der gegenwärtige Zustand ihres Herzens ist, u. s. w. Diese Erfahrungen werden in der Kürze mitgetheilt, und dazwischen abwechselnd einige Verse zur Ermunterung gesungen. Endlich, wenn die Zeit verflossen ist, werden Solche, die ihre Probezeit640 bestanden haben und von den Klaßführern empfohlen worden sind, vor der Gemeinde in volle Verbindung aufgenommen.«641

Die beiden im 19. Jahrhundert typisch methodistischen Versammlungsformen wollte das Konsistorium unter keinen Umständen dulden. Aber genau auf die Klassversammlungen und Liebesfeste wollten und konnten die Methodisten nicht verzichten. Andernfalls wären sie sich selber untreu geworden. Dies waren Orte, an denen sich das Priestertum aller Glaubenden konkret gestaltete: Laien nahmen an der geistlichen Gruppenleitung teil und führten geistliche Gesprächsrunden. Bei Liebesfesten wurden in einer Form der geistlichen Gemeinschaft des Feierns gegenseitige Ermutigungen durch Berichte über Entwicklungen in der Gemeinschaft, Mitverantwortung für die Finanzen, persönliche Glaubenserfahrungen und Berichten zur Teilhabe an der Gemeindeentwicklung in selbstverständlicher Einheit praktiziert. Vielleicht war es mehr die Bezeichnung dieser Gemeinschaftsform als deren Inhalt, die das Problem damals ausgelöst hat. Im 1743er Reskript heißt es: 639 Die Ordnung bei der Austeilung des heiligen Abendmahles. In: Ordnung der Verwaltung des Abendmahls (wie Anm. 378) 3–22. 640 Bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus gab es in der methodistischen Kirche für die Zeit eines sechsmonatigen Katechumenats den Status der »Probemitglieder«. 641 Jacoby, Handbuch (wie Anm. 278), 357f.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

»Von Liebesmählern, die zwar im Anfang der christlichen Kirche üblich, aber auch sogleich mancherlei Mißbrauch ausgesetzt waren und daher bei Zunahme der Kirche teils von selbst abgegangen, teils durch besondere Kirchenordnungen abgestellt worden sind, finden wir nicht nötig, weiteres zu sagen, als daß sie den guten Endzweck der Alten Kirche, welche diesen mit dem Empfang des Heiligen Abendmahls verknüpfte, bei der heutigen Einrichtung nicht mehr haben und dem Mißbrauch und Fehlern aber jetzt mehr als zu jener Zeit ausgesetzt sind, folglich auch keineswegs wieder in die Kirchen einzuführen oder zu gestatten sind.«

Die 1743 als Gesetz herausgegebene Bedingung auch in der Mitte des 19. Jahrhunderts durchzusetzen ist misslungen. Vielleicht wäre es zeitgemäß gewesen, das Konsistorium hätte das Gespräch mit den Methodisten gesucht. Aber vermutlich herrschte in der Kirchenleitung die Meinung vor, mit »Sektierern« spricht man nicht. So blieb es bei den Auseinandersetzungen auf der Ebene der Oberämter mit Vertretern der städtischen Behörden, bis sich die Spannung in der ungeplanten Verselbständigung zunächst im Abendmahl und in deren Folge in den Kirchenbildungen entlud. Das Konsistorium und die Vertreter der Kirche waren über die Mission der Methodisten so verunsichert und in eine solche Abwehrhaltung eingeschwenkt, dass sie den Unterschied zwischen dem Pietismus des 18. Jahrhunderts und den methodistischen Aktivitäten des 19. Jahrhunderts nicht wahrnehmen konnten, vielleicht aber auch nicht wollten. In der aktuellen Einleitung zur Jubiläumsausgabe des Reskripts im Jahr 1993 werden »pietistische Gruppen oder Konventikel in Württemberg«, die im Reskript gemeint waren, wie folgt charakterisiert: »Unter verschiedensten Einflüssen stehend, wandten sie sich ganz von der Kirche ab, um in ihrer eigenen Gemeinschaft ihr Heil zu suchen. Sie verwarfen die öffentlichen Gottesdienste ›ebenso Taufe, Beichte und Abendmahl, da sie sich als Wiedergeborene ansahen‹, die mit den gewöhnlichen Kirchenchristen keine Gemeinschaft haben wollten. Die Ordnung der Kirche sahen sie als Menschenwerk, sie verachteten die Pfarrer und ihr Amt und bezeichneten die Kirche als das antichristliche Babel.«642

Wer den methodistischen Kirchen auch in ihrer Frühzeit eine derartige Haltung unterstellt, und die gegen diese Haltung erlassenen Gesetze auf die Methodisten anwendet, zeigt damit, dass er ihre Motive, ihre Haltung und ihr Selbstverständnis nicht im Ansatz erkannt hat.

642 Hermann Ehmer. In: Von Gottes Gnaden, Pietisten-Reskript (wie Anm. 554), 8.

Württembergische Kirchenkultur und internationale Blicke auf die Methodisten

3.6

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Württembergische Kirchenkultur und internationale Blicke auf die Methodisten

Innerhalb der württembergischen Landeskirche gab es eine in Deutschland einmalige Kirchenkultur. Das war es nicht, was die Methodisten in diesen Staat gezogen hatte, aber ihre Missionsarbeit wurde dadurch beeinflusst. Die Eigenarten der dortigen Landeskirche haben sich in dieser Region auf die Methodisten mindestens für das lange 19. Jahrhundert ausgewirkt. Das betraf alle drei methodistischen Kirchenzweige und darin keinesfalls nur die Klassversammlungen und die Liebesfeste. Für die württembergische Bevölkerung war es völlig normal, neben der verfassten Kirche in Gemeinschaften mit »Privatversammlungen« zu leben und, je nach eigener geistlicher Orientierung, daran teilzunehmen oder sie abzulehnen. Als die Methodisten von Winnenden aus ihre Arbeit aufnahmen, trat eine neue Variante in diese Gemeinschaftskultur ein. Sie brachte von England nicht nur eine strenge Vorstellung von der Sonntagsheiligung mit, folgenreicher erwies sich ihr evangelistisch-missionarisches Engagement. Das war verbunden mit einer sozialen Komponente der Hinwendung besonders zu den Armen und Einfachen. Dadurch waren es in den Dörfern und Kleinstädten überwiegend Landarbeiter und Frauen, auch Jugendliche, welche zu den methodistischen Versammlungen in Häusern, Gaststätten, manchmal mangels Platz im Freien, aber im günstigen Fall in Schulräume teilweise strömten. Die selber vom Wort ergriffenen wesleyanischen Laienzeugen mit der einfachen Entfaltung ihrer Gedanken und einer schlichten Heilstheologie konnten ihren Hörern sehr nahe kommen. Auch die Zuhörer haben nicht alle differenziert über die frommen Angebote geurteilt. Ohne Frage haben sich viele gefühlsmäßig von ihren Eindrücken leiten lassen; es sei denn, sie waren in eine bestimmte spätpietistische Idee verliebt. Aber keiner der teilweise im 19. Jahrhundert an ursprünglicher Kraft verlorenen pietistischen Ansätze hat die Methodisten motiviert, ins Königreich zu kommen. Methodisten dachten vom universalen Heil her, das wirklich allen, den Bürgerlichen, den Wohlhabenden, aber in methodistischer Sicht und Erfahrung in besonderer Weise den Armen, die am Rand der Gesellschaft leben, gilt. Dieses Heil, das im Wort angeboten und vom Hörer auch angenommen, ergriffen werden muss, wollten John Wesleys Nachkommen als Gnadenbotschaft so verkündigen, dass sie das Herz erreicht und zugleich die Glaubenserfahrung als Glaubensgewissheit möglich macht, die ohne das nachfolgende Gemeinschaftsleben nicht wirklich denkbar ist. Es scheint, als sei in jener Zeit die vom Pietismus ausgelöste Begeisterungswelle teilweise in feste fromme Traditionen eingefangen, wie es die Methodisten später auch erlebten. Der besonnene Ludwigsburger Dekan Heinrich Christlieb

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hatte 1862 gemeint, die Methodisten sollten an die Stelle des Pietismus treten.643 Wie konnte der weitherzige Pietist auf einen solchen Gedanken kommen? Vielleicht hatte er auf Anregung seines Londoner Sohnes Theodor das Buch Johann Gottlieb Burkhardts über die ›Geschichte der Methodisten‹644 gelesen. Burkhardt erhoffte sich offensichtlich durch die Methodisten, wie er sie in London kennen gelernt hatte, eine Neubelebung des heimatlichen Pietismus.645 Der Spätpietist sah im britischen Methodismus »Geistes- und Glaubensverwandte«, welche in der durch die Aufklärung in seiner Heimat von einer Krise beherrschten Kirche »eine religiöse Neubelebung« bewirken konnten.646 Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Ludwigsburger Dekan in die gleiche Kerbe schlug und die Vorstellung übernahm, dass der Geist des englischen Methodismus den deutschen Pietismus neu inspirieren könne. Christliebs Sohn Theodor hatte zu dieser Zeit im Londoner Stadtteil Islington persönliche Kontakte mit Methodisten und schätzte ihren missionarischen Eifer. Als nach Deutschland zurückgekehrter Theologe und Professor in Bonn hat er im Zusammenhang der Entstehung der Gemeinschaftsbewegung eine Schrift über die Methodisten in Deutschland veröffentlicht und darin auch einen Vergleich zwischen dem württembergischen Pietismus seiner Zeit und dem Methodismus in Gegenüberstellungen vorgenommen. Einer dieser Gegensätze geht von den Methodisten aus und sagt, dort gäbe es »vor raschem Ausnützen der Gegenwart fast gar keine Zeit für längeres Nachdenken über prophetische Zukunftsgemälde, hier – wenigstens im Süden – die stete Betrachtung der Zeitereignisse im Lichte der Weissagungen Daniels und der Offenbarung…«.647 Selbst wenn das ein übertriebenes Urteil des früheren württembergischen Pfarrers sein mag, es zeigte Charakteristisches auf. Es waren nur vereinzelte Autoren und Personen in Württemberg, die durch internationale Kontakte ein Bild über die Methodisten gewonnen und es um einer Bereicherung der eigenen Kirchenpraxis in Anknüpfung an den Pietismus willen für Wert gehalten haben, es von England aus nach Deutschland zu vermitteln. Die Mehrzahl der Londoner Gesandtschaftsprediger spielten eine wichtige Rolle, aber sie kamen überwiegend aus Preußen. 643 Heinrich Christlieb, Der Dekan berichtet über die Maßnahmen gegen den Methodismus. An das Konsistorium, am 13. Jan. 1862. LKASt A26/501. 644 Burckhard, Geschichte der Methodisten in England (wie Anm. 117), 7 u. 27. 645 Ebd., Michel Weyer, Einführung, 7. 646 Die Veröffentlichungen von Friedrich Adolf Krummacher (1767–1845), John Wesleys Leben, die Entstehung und Verbreitung des Methodismus, Hamburg 1828, 18422 ;- Friedrich August G. Tholuck (1799–1877), Das Leben George Whitefields, Leipzig 1834, 18402 ;- und Ludwig Bonnet (1805–1892) (Hg.), Das Leben John Wesleys nebst einer Schilderung des Methodismus und seiner Anhänger in Großbritannien und Irland, Frankfurt 1839 haben ähnliche Ziele verfolgt. 647 Christlieb, Zur methodistischen Frage (wie Anm. 233), 51f. Text auch in: Voigt, Christlieb, Die Methodisten, (wie Anm. 136), 189f.

Die Wende – unterschiedliche Wege von der Gemeinschaft zu verfassten Kirchen

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In Württemberg war zwar bereits 1806 eine Anerkennung von den drei im Westfälischen Frieden zugelassenen Konfessionen erfolgt, neben Lutheraner und Reformierten durch Verschiebung der Landesgrenzen nun auch Katholiken. Aber kirchlichen Minderheiten, wie Methodisten und Baptisten gewährte der Staat nur einen engen Rahmen für ihr Wirken. Es ist nicht möglich, alle Erlasse und Verfügungen des Stuttgarter Konsistoriums in die Darstellung einzubeziehen, welche die kirchlichen Minderheiten betreffen. Einige einflussreiche offizielle Stellungnahmen, die speziell die Methodisten betrafen, werden aber vorgestellt, nachdem zunächst die irritierenden Schritte zu autonomen methodistischen Kirchenbildungen in einem kurzen Abschnitt behandelt sind.

3.7

Die Wende – unterschiedliche Wege von der Gemeinschaft zu verfassten Kirchen

Die drei im 19. Jahrhundert organisatorisch und kirchenrechtlich unabhängig voneinander in Württemberg wirkenden Zweige methodistischer Kirchen waren in der einmaligen kirchengeschichtlichen Situation dieses Landes bemüht, sich in die vorgefundenen Umstände einzufügen. Ihre unterschiedlich langen Bemühungen, ihre Mission wie eine Gemeinschaft innerhalb der Landeskirche zu erfüllen, waren erfolglos. Sie waren so weit gegangen, ausdrücklich zu erklären, keine autonomen Kirchen bilden zu wollen. Als Folge ihrer Absicht haben alle drei Gemeinschaften darauf verzichtet, Taufen zu vollziehen und Abendmahlsgottesdienste zu feiern. Ihre Anhänger haben sie am Sonntagvormittag in die parochialen Gottesdienste geschickt und zur üblichen Kirchzeit selber keine Versammlungen gehalten. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, soll erwähnt sein, dass die aus Amerika zurückgekommenen Missionare die Kinder ihrer eigenen Familien getauft und in der Gemeinschaft der Prediger mit ihren Familien in privater Runde, aber nicht an ihren Konferenzen, auch das Abendmahl gefeiert haben. Dies hat aber keinen Anstoß erregt, weil sie damit nicht in das württembergische Kirchenrecht eingegriffen haben.

3.7.1 Die ›Evangelische Gemeinschaft‹: Von der Missionsgemeinschaft zur autonomen Kirche (1863/1865) Als zwanzig Jahre nach den Wesleyanischen Methodisten die Evangelische Gemeinschaft ihre Arbeit in Württemberg aufgenommen hatte, reagierten Staat und Kirche abweisend. Das ist verständlich, denn die Landeskirchen waren in den meisten protestantischen Gebieten alleine anerkannte, flächendeckende

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und staatlich geschützte Kirchen. Sie brauchten keine Hilfe von außen, schon gar nicht aus dem freien Amerika. Es ist natürlich, dass die Landeskirche in den methodistischen Bemühungen keine Bereicherung, sondern eine Konkurrenz sah. Da halfen auch die frühen Erklärungen aus der Evangelischen Gemeinschaft über ihr Motiv und ihr Ziel, eine Mission ohne Kirchenbildung sein zu wollen, nicht. Die württembergische Kirche hatte auch nach mehr als einem Jahrzehnt mit der Evangelischen Gemeinschaft keinen Frieden geschlossen, obwohl sie trotz aller widrigen Umstände bis zu diesem Zeitpunkt das Selbstverständnis, eine Gemeinschaft innerhalb der Landeskirche sein zu wollen, bewahrt hatte und es zu praktizieren bemüht war. Hätte das Konsistorium nicht doch umdenken können? Weitblickend war es anfangs innerhalb der Evangelischen Gemeinschaft die Option, neben den verschiedenen in Württemberg vorhandenen Gemeinschaften, eine weitere mit neuen Impulsen unter den Fittichen der württembergischen Kirche sein zu wollen. Mehr als zehn Jahre haben die amerikanischen »Albrechtsbrüder« den Versuch gemacht, als »Gemeinschaft« unter Verzicht auf Taufen und Abendmahl zu leben und zu wirken. Das heißt: sie haben vernehmbar signalisiert, auf eine autonome Kirchenbildung verzichten zu wollen. Selbst als im Oktober 1852 Missionar Links Frau Juliana verstorben war, überließ der amerikanische Missionar dem Stuttgarter Prälaten Sixt Karl Kapff die Bestattung. Kapff als früherer Seelsorger der Brüdergemeinde von Korntal hat sich bei verschiedenen Anlässen freundlich und verständnisvoll gegenüber allen drei methodistischen Gemeinschaften gezeigt. Trotz der öffentlichen Signale erlebten die engagierten und auch irritierten Missionare Zurückweisungen, Verletzungen und Ausgrenzungen durch Maßnahmen der Kirchenleitung genauso wie durch die Mehrzahl der Pfarrer in den Dörfern, auf die sich die Mission zunächst überwiegend konzentrierte. Von dort bekamen sie Einladungen, die überwiegend durch Verwandten-Briefe aus Amerika veranlasst schienen. Nur vereinzelt gab es Verständnis wie z. B. durch Pfarrer Gottlob Ehmann (1805–1888) in Bissingen, dessen Tochter mit Prediger Johann Philipp Schnatz (1830–1913) verheiratet war, welcher der Evangelischen Gemeinschaft angehörte. Aber die Widerstände überwogen bei weitem, was auf die Dauer nicht ohne Folgen bleiben konnte. Es gab für die Evangelische Gemeinschaft genug Gründe, ihren Kurs zu wechseln und entgegen der ursprünglichen Absicht auf eine eigene Kirchenbildung zuzusteuern. Einen bis zur sendenden Kirche über den Ozean hinüber wirkenden Anstoß dazu gab der in seiner Landeskirche nicht besonders geschätzte Kandidat Ernst Philipp Paulus (1809–1878).648 Dieser Paulus mit seinem 648 Karl Heinz Voigt, Ernst Philipp Paulus. In: BBKL Bd. 29 (2008), 1045–1071.

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Bildungs-Institut auf dem Salon wurde von den Predigern der Evangelischen Gemeinschaft wie auch von den bischöflichen Methodisten geschätzt. Er hatte Initiativen zu Evangelisation und Diakonie in Württemberg entwickelt, sein frommer Aktivismus passte zu dem engagierten Wirken der amerikanischen Missionare. Paulus gehörte in Württemberg zu dieser Zeit zu den schärfsten Kritikern der traditionellen Beziehungen zwischen Thron und Altar. Diese Verbindung der Kirche mit dem Staate geißelte er scharf, sie sei wie »Ein Strick um den Hals« und »Ein Schloß an ihrem Munde«. Zugleich forderte er »die Autonomie oder die Selbstregierung der Kirche.«649 Sein Schwager Christoph Hoffmann (1815–1885), auch Lehrer auf dem Ludwigsburger Salon, war als Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung für die Trennung von Kirche und Staat eingetreten und hatte sich für das Ende der Schulaufsicht durch die Kirche – erfolglos, wie man weiß – eingesetzt. Ernst Philipp Paulus, eng mit Prediger Conrad Link befreundet,650 wandte sich Anfang der 1860er Jahre für eine kurze Zeit der Evangelischen Gemeinschaft zu. Am 22. Dezember 1862 wurde er sogar in die Dienstgemeinschaft der Prediger aufgenommen. Er gab – nicht ohne Eigeninteressen – entscheidende Impulse, die zur unabhängigen Kirchenbildung der Evangelischen Gemeinschaft in Württemberg führten, mindestens beitrugen.651 Schon vorher hatte er sich im September 1862 in einem Schreiben mit seinen Vorstellungen, wohin der Weg der Evangelischen Gemeinschaft führen solle, an den Redakteur der Kirchenzeitung »Christlicher Botschafter« in Cleveland, Ohio, gewandt. Er suchte ganz offensichtlich diesen Weg, weil er gewiss sein konnte, auf diese Weise alle Verantwortlichen der Kirche in Amerika zu erreichen.652 In seinem Brief schlug er vor, die Gemeinschaft in Deutschland so zu organisieren, dass sie eine innerhalb der Landeskirche bestehende und wirkende Kirchengemeinschaft sein könne. Zweifellos erhoffte sich Paulus dadurch eine Verstärkung der von ihm im Salon initiierten Arbeit. Die kirchliche Leitung in den USA nahm den Ball auf und sandte Prediger Salomon Neitz (1821–1885) nach Deutschland, um dort die Frage der Zukunft mit den Betroffenen, aber auch mit Philipp Paulus einer Klärung zuzuführen, damit im November 1863 die verfassunggebende Generalkonferenz der Gesamtkirche eine fundierte Entscheidung zu treffen in der Lage sein würde. Es hatte sich als Problem herausgestellt, dass Link sich nicht kollegial in die Dienstgemeinschaft der Missionare einfügte und sich schon so

649 650 651 652

Paulus, Die Kirche und ihre Zukunft (wie Anm. 623), 65 u. 80. Wüthrich, Evangelische Gemeinschaft ( wie Anm. 125), 157f. Voigt, Innerkirchliche Gemeinschaft oder autonome Kirche? (wie Anm. 591), 181f. Ernst Philipp Paulus, zwei Schreiben an die Evangelische Gemeinschaft in Amerika vom 6. Sept. 1862 u. 4. Juli 1863 In: Der Christliche Botschafter, Cleveland/Ohio, 1862 (27. Jg.) 321 u. 1863 (28. Jg.) 212f.

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fest mit Philipp Paulus verband, dass er zeitweise sogar seinen Wohnsitz im Bereich von dessen Institut auf dem Salon nahm.653 Am 22. Dezember 1862 berieten die in Deutschland wirkenden Prediger zusammen mit Philipp Paulus und dem aus den USA gesandten Neitz einen möglichen zukünftigen Weg. Neitz besuchte auch die entstandenen Gemeinschaften und predigte vor großen Zuhörerscharen. Als Paulus nach seinem Austritt aus der Landeskirche im Mai 1863 auf dem Salon eigenartiger Weise eine ›freie evangelische Gemeinde‹ gebildet hatte, predigte Neitz auch dort. An dem Gottesdienst und der damit verbundenen öffentlichen Feier des Abendmahls nahmen auch die Prediger Schnatz und Link teil. Neitz war es auch, der in Plochingen den ersten öffentlichen Abendmahlsgottesdienst der evangelischen Gemeinschaft auf dem großen Plochingen-Bezirk654 mit 100 Kommunikanten feierte. In diesem Ort war mit der »Emanuelshütte« der erste eigene Versammlungsraum der Mission am 31. Juli 1859 eröffnet worden, übrigens mit Predigten von Philipp Paulus und Johann C. Link vor einer Gemeinde, die aus zwanzig umliegenden Dörfern zusammengekommen war. Als Neitz auch in Stuttgart am Karfreitag einen Abendmahlsgottesdienst gehalten hatte, wurde der dort wirkende Prediger Johann Philipp Schnatz vom Pfarrgemeinderat mit dem Hinweis ermahnt, es sei kirchenordnungswidrig, Glieder der Landeskirche daran teilnehmen zu lassen. Neitz hatte – offensichtlich dazu durch Philipp Paulus ermuntert – mit den ersten Abendmahlsfeiern einen Schritt zur autonomen Kirchenbildung getan. Als er allerdings der Generalkonferenz seinen Deutschland-Visitations-Bericht vorlegte, schlug er vor, die missionarische Arbeit in Deutschland einzustellen. Diese Vorstellungen scheinen für Philipp Paulus der Anlass gewesen zu sein, in einem zweiten Brief seine Vorstellungen über die Zukunft der Gemeinschaft öffentlich zu machen. Er befürwortete jetzt eine Loslösung von der Landeskirche. Diese Entwicklung entspricht seiner persönlichen Intention, denn inzwischen war er Mitglied der Evangelischen Gemeinschaft geworden.655 Diesen zweiten, wieder in die Kirchenzeitung »Der Christliche Botschafter« veröffentlichen Brief, schrieb er »[A]n die Mitglieder der Evangelischen Gemeinschaft

653 Jäckel, Geschichte der Evangelischen Gemeinschaft (wie Anm. 455), 282, 284, 290, 293. 654 Ulrich Ziegler, Mission – Anpassung – Veränderung. Die Geschichte der Evangelischen Gemeinschaft in Esslingen a. N. 1852–1945, Stuttgart 1987, 13, 16. 655 Man muss den Eindruck gewinnen, der unruhige und von immer neuen Ideen getriebene Paulus habe die Hoffnung gehabt, eine zentrale Rolle innerhalb des deutsch-schweizerischen Zweiges der Evangelischen Gemeinschaft spielen zu können und seine Ausbildungsanstalt »Salon« (bei Ludwigsburg) zum Seminar für die Ausbildung von Predigern dieses Kirchenzweiges auszugestalten. – Einige der früheren Schüler des Salons sind Prediger in methodistischen Kirchen geworden, darunter der 1877 im Predigerseminar der Ev. Gemeinschaft in Reutlingen unterrichtende Lorenz Eisenhardt (1835–1878).

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und an Br. Ellwanger insbesondere«.656 Ellwanger, Prediger der Evangelischen Gemeinde in Amerika, hatte zuvor einen offenen Brief an Philipp Paulus im ›Christlichen Botschafter‹ veröffentlicht und darin betont, die DeutschlandMission der Amerikaner sei nicht eine Initiative irgendeiner kirchlichen Institution, er dachte dabei an eine sendende Missionsabteilung, sondern die Sache und der Wunsch aller Glieder der Gemeinschaft. Das war der Grund, warum Paulus sich nun auch an alle wandte. Er beschrieb seinen Ausschluss als Predigtamtskandidat durch das Stuttgarter Konsistorium und als Folge davon den Austritt aus der Landeskirche mit seiner ganzen Familie. Inzwischen habe er auf dem Salon »eine eigene freie evangelische Gemeinde« gebildet, in der er »in Freiheit und Unabhängigkeit und ohne ein System der Bevormundung« leben könne. Danach kam er schließlich zu seinen Hauptanliegen, die ihn »in Betreff unserer Deutschland-Mission beschäftigen«. Mit diesem Hinweis auf »unsere Deutschland-Mission« beginnt er alle fünf Punkte, zu denen er sich im weiteren Verlauf seines Schreibens äußert, merkwürdigerweise nachdem er gerade vorher noch von der Bildung seiner »freien evangelischen Gemeinde« berichtet hatte. Die fünf Punkte »unserer Deutschland-Mission« sind folgende: 1. Die Organisation unserer Gemeinden ist das wichtigste Geschäft. 2. Nächst der Organisation brauchen wir Lokale als Versammlungsstätten, um unser Werk auf festen Boden stellen zu können. Die Methodisten in Ludwigsburg haben damit gute Erfahrungen gemacht, und sie bauen inzwischen auch in Heilbronn. 3. Wir müssen einen Mittelpunkt schaffen, von dem aus wir die Mission betreiben. Bruder Link, der gerade in Amerika ist, sollte auf den Salon ziehen, weil er seine Mission in Baden von hier aus besser besorgen kann als von dem geplanten Wohnsitz Karlsruhe aus. Wohnraum steht zur Verfügung. 4. Wir müssen eine Missionsschule errichten. Durch einen Neubau würden dafür auf dem Salon gerade Räume zum Unterrichten und Zimmer zur Unterbringung für »6–8 Zöglinge« zur Verfügung stehen. Die Methodisten würden ohne ihre Missionsschule in Bremen ihr Werk nicht so erfolgreich betreiben können. Und schließlich 5. ein letztes Bedürfnis für unser Werk in Deutschland ist die Gründung einer eigenen Zeitschrift. Das Ziel des »Salonianers« Paulus ist eindeutig: Nach seinem Ausscheiden aus der Landeskirche ist er interessiert, die Führung in der bisher nur schwach organisierten Evangelischen Gemeinschaft zu übernehmen. Darin sieht er nur einen Sinn, wenn sie sich als autonome Kirche organisiert und die in seinem Brief aufgelisteten Entwicklungsschritte vorantreibt. Ob die Amerika-Reise des agilen und auch wankelmütigen, mit Paulus liierten Johann Conrad Link im Einvernehmen mit dem zukünftigen Seminarleiter auf dem Salon schon unter656 Philipp Paulus, »An die Mitglieder der Evangelischen Gemeinschaft und an Br. Ellwanger insbesondere«. Brief vom 6. Sept. 1863. In: Christlicher Botschafter 1863 (28. Jg.), 212f.

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wegs war, um Gelder für die weitere Entwicklung des Instituts zu sammeln, muss die weitere Forschung zeigen. Es sieht so aus, als hätte Philipp Paulus alles im Griff: Link scheint im Interesse seines Plans nach Amerika zu reisen, Paulus publiziert einen Plan über den möglichen, eigentlich aus seiner Sicht notwendigen Schritt zur Organisation, aber eindeutig nicht der Evangelischen Gemeinschaft als autonome Kirche. Das geschah alles wenige Wochen vor der Generalkonferenz in Amerika. Einen von deren Delegierten, nämlich Salomon Neitz, hatte er überzeugt, als Ergebnis seiner Visitationsreise seiner Kirche vorzuschlagen, die missionarische Arbeit in Deutschland einzustellen. Alles schien nach den Vorstellungen des Leiters vom Salon zu laufen um das Werk zu übernehmen. Die Tagung der Generalkonferenz vom 1. bis 20. Oktober 1863, die im Schatten des Bürgerkriegs in Buffalo, N.Y. tagte, folgte dem Vorschlag ihres nach Deutschland gesandten Predigers Neitz nicht. Sein Bericht hatte mehr Unsicherheit ausgelöst, als Klarheit für den zukünftigen Weg geschaffen. Die Konferenz entschied, die begonnene Mission fortzuführen und beauftragte Neitz selber, die Arbeit als ›Vorstehender Ältester‹ – die damalige Bezeichnung für den Leitungsdienst – fester zu organisieren. Neitz nahm diese Beauftragung nicht an. Stattdessen wurde Johann Georg Wollpert (1823–1903) für diese Aufgabe erwählt. Der aus Württemberg ausgewanderte Wollpert war in Amerika Prediger der Gemeinschaft geworden und 1857 zur Mission in seine und seiner Frau Heimat zurückgesandt. Nach dem Tod von Bischof John Seybert (1791–1860) wurde an der Generalkonferenz 1863 in Buffalo N.Y. Johann Jakob Escher (1823–1901) als dessen Nachfolger gewählt. Er war 1832 aus dem Elsass nach Amerika ausgewandert. Dort hatte er nach seinem Anschluss an die Evangelischen Gemeinschaft in der Mitarbeit seine natürliche Führungsfähigkeit entfaltet. Seine Wahl zum Bischof wurde für die Organisation der Deutschland-Mission der Evangelischen Gemeinschaft bedeutsam. Der Biograph von Bischof Escher berichtet, es habe sich das »zweideutige Verhalten des ersten Missionars, C. Link, derart gestaltet, daß man es für ratsam hielt, die Sachlage durch einen der Bischöfe näher untersuchen zu lassen.«657 Im Dezember 1864 traf Bischof Escher in Begleitung von Prediger Johannes Walz (1824–1904) in Stuttgart ein. Zwei Monate später, am 24. Februar 1865 konstituierte sich unter seinem Vorsitz die »Deutschland Conference der Ev. Gemeinschaft von N. A. [Nord Amerika].« William Horn (1839–1917) kommentierte im Rückblick diesen Schritt und schrieb: »Infolge der Anfeindungen seitens der landeskirchlichen Behörden wurde die festere Organisation des Werkes, welche von Anfang ja nicht eigentlich in der Absicht der Gemeinschaft 657 William Horn, Leben und Wirken von Bischof Joh. Jakob Escher, Stuttgart o. J. (1911), 115.

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gelegen hatte, zur unabweisbaren Notwendigkeit.«658 In dem Zusammenhang zitiert er auch Bischof Escher »über den Anfang in der Schweiz«: »Eigentliche Mitglieder oder organisierte Gemeinden hatten wir bis jetzt noch keine, obschon sich eine große Zahl der durch den Dienst der Brüder zu Gott geführten zu uns hielt und in der Pflege unserer Mission standen. Man wollte nämlich anfänglich nicht organisieren, keine Sondergemeinschaft bilden, sondern Seelen retten, wie dies am besten geschehen könne. Verkennung und Verfolgung von kirchlicher Seite nötigten uns aber, eigene Gemeinden zu gründen. Dazu wurden bei der ersten Konferenz einleitende Schritte getan und seither mit bestem Erfolg ausgeführt.«659 In der Beschreitung des ursprünglich nicht geplanten Weges wurde am 24. Februar 1865 auf der Grundlage der ›Glaubenslehre und Kirchenordnung der Evangelischen Gemeinschaft‹ ein europäischer Zweig der Kirche, die inzwischen in Württemberg, Baden, der Schweiz und dem Elsass wirkte, offiziell konstituiert. Als Pfarrer Friedrich Fritz 1927 seine Arbeit über das ›Eindringen des Methodismus in Württemberg‹ schrieb, vertiefte er darin das inzwischen die methodistischen Kirchen speziell in Württemberg belastende Bild und wiederholte die gegen sie gebildeten Vorurteile. Als württembergischer Pfarrer hat er überwiegend Quellen des Archivs seiner Landeskirche genutzt. Auf diese Weise musste zwangsläufig ein einseitiges Bild entstehen. Insgesamt ist es im Rückblick bedauerlich, dass im württembergischen Konsistorium der missionarisch ausgerichtete Plan der innerlandeskirchlichen Gemeinschaft nicht erkannt wurde und es anstatt zu einer Integration zu einer autonomen Kirchenbildung gekommen ist. Der umtriebige und gestaltungsfreudige Theologe und Kandidat der württembergischen Landeskirche Ernst Philipp Paulus hatte dagegen mehr Interesse an den entstandenen Gemeinschaften. Das konnte wiederum den Verantwortlichen in der Landeskirche, die anscheinend auch dies nicht durchschaut haben, nicht gefallen. Die Initiative zur Übernahme der noch nicht straff organisierten Arbeit der Gemeinschaft durch Ph. Paulus war aber der amerikanischen Kirchenleitung nicht geheuer. So tat sie auch zur Abwendung der ›Entmachtung‹ durch Paulus den Schritt, sich selber ordentlich zu organisieren. Man wird davon ausgehen müssen, dass dem jungen, erst 1863 gewählten Bischof Escher als dem Vorsitzenden der konstituierenden Konferenz von 1865 die Bedingungen des Anfangs und die darin vermittelte Strategie anfangs in ihrer Brisanz nicht bewusst waren. Andererseits mussten nach allen Zurück-

658 Ebd., 120. 659 Ebd., 120f.

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weisungen, Widerständen660 und Schikanen, denen die Missionare schon bis 1865 ausgesetzt waren, sie und ihre Kirchenleitung in den USA ihren ursprünglichen Plan als gescheitert betrachten. Es erscheint aber realistisch, wenn man davon ausgeht, dass eine wirklich befriedigende und befruchtende Arbeit innerhalb der Landeskirche kaum möglich gewesen wäre und das hätte nicht nur an ihr gelegen. Eine noch in Bildung begriffene Körperschaft kann von einer Eigendynamiken bestimmt sein, die durchaus bereit ist, theologisch mögliche und als ideal angesehene Entwicklungen enthusiastisch zu begrüßen. Umgekehrt ist eine traditionsreiche Körperschaft schwer dazu zu bewegen, sich auf riskante Schritte einzulassen. Es bleibt abschließend noch anzumerken: Als klar war, dass die durch die Mission der Evangelischen Gemeinschaft entstandenen Gruppen nicht bereit waren, sich Philipp Paulus zu unterstellen und unter seiner Leitung auf dem »Salon« ein Predigerseminar zu organisieren, hat er die Gemeinschaft wieder verlassen und ist in die Landeskirche zurückgekehrt. Auch Prediger Johann C. Link, der sich an Paulus angelehnt hatte, verließ die Evangelische Gemeinschaft kurz vor deren Konstituierung 1865 endgültig. In den kommenden Jahren kam es zur »Konsolidierung und Ausbreitung des Werkes« über Württemberg hinaus.661 Der Verlauf in Württemberg blieb trotz des 1872 erlassenen DissidentenGesetzes behindert. Es fehlte ihr eine öffentlich-rechtliche Anerkennung.

3.7.2 Die ›Bischöfliche Methodistenkirche‹ – Ein Eklat in Heilbronn? (1864) Die Erfahrungen aller drei Zweige der methodistischen Kirchen in Württemberg zeigen keinen abrupten »Bruch« mit der dortigen Landeskirche, sondern eine je eigene organische Entwicklung, obwohl alle mit der gleichen Vorstellung von ihrer Beziehung gekommen waren. Es ist keine Frage, die Vision bei den bischöflichen Methodisten war anders, als es schließlich gekommen ist. Sie hatten mit ihrer Vorstellung einer innerkirchlichen Gemeinschaft Erwartungen geweckt, die sie gegenüber der Kirche von Württemberg auch ausgesprochen und sogar formuliert hatten. Aber es war auf die Dauer für beide Seiten nicht möglich, in einer ungeklärten Beziehung zu wirken. Selbst wenn das Experiment von Anfang an kritisch gesehen wurde, war es doch ein mutiger und riskanter Versuch, es selbst unter Verzicht und Einschränkungen um der Mission willen zu wagen. Der Versuch musste wegen des permanenten Misstrauens, der gegenseitigen Verunsicherungen und der mangelnden Kommunikation misslingen. Zu unterschiedlich waren die kirchenkulturellen Erfahrungen welche die Mis660 Wüthrich, Ev. Gemeinschaft. In: Steckel/Sommer, Geschichte (wie Anm. 125), 154–158. 661 Ebd., 160–183.

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sionare aus Amerika mitbrachten und welche sie hier antrafen. Die europäischen Prägungen durch das jahrhundertelange Staatskirchentum und die amerikanischen Praktiken innerhalb der dortigen Religions-, Glaubens- und Organisationsfreiheit waren wie Feuer und Wasser. Diese tiefe Differenz im Selbstverständnis wurde in ihrer Bedeutung unterschätzt oder vielleicht auch gar nicht realistisch wahrgenommen. Trotzdem waren eigenartigerweise die Verantwortlichen in der württembergischen Kirche enttäuscht und fühlten sich hintergangen als es zur Kirchenbildung kam. Die Umstände dieser Konfliktsituation sollen mit außergewöhnlich weit ausholenden Quellen dargestellt werden.

Ernst Gebhardts Bruch mit der Württembergischen Landeskirche Im Sommer 1862 war der junge Gebhardt, der für das Stuttgarter Konsistorium kein unbeschriebenes Blatt war, als Prediger nach Heilbronn versetzt worden. Zur örtlichen Vorgeschichte des viel Unruhe auslösenden Abendmahlsgottesdienstes vom Januar 1864 gehört ein damals bei den Methodisten jährlich gefeierter ›Wachnachtgottesdienst‹. Während dieser Art von Gemeindefeier, welche die Methodisten in vielen Ländern während der Silvesternacht hielten, wurde gepredigt, gesungen, gebetet und es wurden – wie bei einer Klassversammlung oder einem Liebesfest – stärkende Glaubenserfahrungen aus dem zurückliegenden Jahr in kurzen Berichten von den Teilnehmern erzählt. »Kurz vor 12 Uhr beugt sich die Gemeinde einige Augenblicke im stillen Gebete zu Gott nieder ;662 es wird ein passendes Lied zur Erneuerung unseres Gelübdes mit Gott663 auf den Knien gesungen, und dann mit einem lauten Gebete geschlossen.«664 Damit wird die gottesdienstliche Versammlung beendet, und die Teilnehmer wünschen sich gegenseitig Glück und Segen für das neue Jahr. Eine Abendmahlsfeier fand damals nicht statt. Inhaltlich entspricht diese Gemeinschaftsfeier den heutigen Tauferneuerungs-Gottesdiensten. In Heilbronn war der Wachnachtgottesdienst 1862/63 Ausgangspunkt einer Erweckung in der Gemeinde. Sie erfasste von hier aus Menschen im Umkreis von fünf Stunden in etwa 30 Dörfern, in denen es methodistische Versammlungen gab. Die geistlich erfüllte Gemeinschaft erwarb nach der erwähnten Feier in Heilbronn ein Grundstück und errichtete darauf eine Kapelle, die gut ein Jahr einige Tage nach dem Wachnachtgottesdienst, am 6. Januar 1864, eingeweiht wurde. 662 Das kniende Beten war zu jener Zeit auch in den normalen Versammlungen üblich. 663 Heute ist die Form der »Feier zur Erneuerung des Bundes mit Gott«, die auf die Zeit John Wesleys zurückgeht, vergleichbar mit dem inzwischen üblichen Gottesdienst zur Erneuerung des Taufbundes. Die methodistische, geistlich anspruchsvolle Gestalt in Verbindung mit der Feier des Abendmahls findet sich heute im liturgischen Teil des Gesangbuchs der Evangelisch-methodistischen Kirche von 2002 unter der Nummer 776. 664 Jacoby, Handbuch (wie Anm. 278). Darin: Kapitel »Wachnacht der Methodisten«, 358–360.

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Der Epiphaniastag begann mit einem Gottesdienst und herbeigeeilten Gästen. Nach dem gemeinsamen Mittagsessen fand ein traditionelles Liebesfest, also eine Agape, statt. Im Einweihungsgottesdienst am Nachmittag um 1/2 4 predigte der aus Ludwigsburg gekommene Vorstehende Älteste Engelhardt Riemenschneider (1815–1899). Kurz und ohne irgendwelche freudig begeisterten oder kritischen Andeutungen heißt es in dem Bericht über die Kircheneinweihung: »Abends um 7 Uhr hatten wir noch eine sehr gesegnete Abendmahlsfeier, woran ungefähr 60 Geschwister Theil nahmen.«665 Die Feier des Abendmahls am Abschluss des Tages der Kapelleneinweihung war ein innerhalb der leitenden Konferenz aller Prediger unvorbereiteter und darum ungewöhnlicher Schritt. Es war nach langjähriger Rücksichtnahme auf gesetzliche Vorschriften und auf Versprechungen gegenüber Landeskirchlern, keine autonome Kirche bilden zu wollen, die erste Feier des Abendmahls einer bischöflich-methodistischen Gemeinde in Württemberg. Damit erfolgte in Heilbronn ohne einen kirchlichen Beschluss der dafür zuständigen Konferenz durch eine örtliche Gemeinde veranlasst, der Schritt, von der innerlandeskirchlichen Gemeinschaft zur autonomen Kirche. Nachdem eine heftige Diskussion, sowohl innerhalb der methodistischen Gemeinschaft und in der württembergischen Landeskirche ausgelöst war, erläuterte Ernst Gebhardt ein Jahr später diesen Schritt in einem Brief. Es scheint, als sei dieses Schreiben auch ein versöhnlicher Akt zwischen ihm und dem Superintendenten Jacoby, der auch Zeitschriftenredakteur war. Jacoby hatte nämlich im Vorjahr ganz offensichtlich Gebhardts Bericht über die Kapelleneinweihung und der damit verbundenen Abendmahlsfeier in der Befürchtung erwarteter Kritik und vielleicht weiterer ähnlicher Forderungen württembergischer Gemeinden um wesentliche Informationen gekürzt veröffentlicht.666 Der Heilbronner Prediger blickt in seinem Schreiben zunächst auf den Vorlauf von 1862/63 zurück. Er schildert die in der dortigen Gemeinschaft entstandenen Spannungen. Sie seien auch verursacht worden durch »das unduldsame Auftreten« mancher Pfarrer. Das habe es Mitgliedern der methodistischen Gemeinschaft nicht mehr möglich gemacht, mit »Freudigkeit zum Genuß des Abendmahls« in die Landeskirche zu gehen. Andere, die gar nicht zur würt665 Einweihung der Kirche in Heilbronn. Auszug eines Briefes von Br. Gebhardt. In: Ev. 1864, 3652. Der Bericht ist merkwürdig kurz im Vergleich zu anderen Berichten über KapellenEinweihungen in Norddeutschland. Man muss den Eindruck haben, der ZeitschriftenRedakteur Jacoby hat den Bericht Gebhardts nicht nur deutlich gekürzt und verändert zum Druck gebracht, weil er interessiert daran war, diesen provozierenden Einschnitt in der Geschichte nicht als einen Triumph in die Öffentlichkeit zu bringen. 666 Frühere Berichte Gebhardts über Kapelleneinweihungen der im Großherzogtum Oldenburg liegenden Orte Neerstedt und Brake an der Unterweser waren außerordentlich detailliert und mit Heilbronn nicht zu vergleichen. Neerstedt in: Ev. 1859 (10. Jg.),1924f.; Brake in: Ev. 1859 (10.Jg), 1995f.

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tembergischen Landeskirche gehörten und darum keine Gelegenheit zum Abendmahl hatten, solange es in der methodistischen Gemeinschaft nicht gefeiert wurde, bekamen zusammen mit Methodisten, die im Sonntagsblatt ihrer Kirche über gesegnete Abendmahlsfeiern methodistischer Gemeinden in anderen deutschen Ländern Berichte lasen, »einen immer größeren Hunger […], diesen Segen auch zu genießen. So wurde dies in der Gemeinschaft immer lauter werdende Begehren der am 6. Jan. 1864 hier unter dem Vorsitz unseres Vorstehenden Ältesten Br. Riemenschneider tagenden Vierteljahreskonferenz vorgelegt, welche dann auch, nachdem sie alles, was dagegen und dafür vorgebracht wurde,667 wohl erwogen hatte und beschloss noch an demselben Tage eine Abendmahlsversammlung mit der Bestimmung anzusetzen, daß es jedem, ohne daß sein Gliederrecht dadurch je in Frage gestellt werden könnte, vollkommen überlassen bleiben sei, ob er zum Tisch des Herrn mit uns gehen wolle, oder nicht. Dieser Beschluß wurde von den versammelten Geschwistern mit großer Freude und Dank gegen Gott aufgenommen.«668

Über den hier zur Debatte stehenden Schritt zum ersten öffentlichen Abendmahl der bischöflichen Methodisten in Württemberg liegt auch ein aufschlussreicher Bericht aus der Sicht eines verantwortlichen Teilnehmers vor. Übermittelt wurde er aus zweiter Hand, aber amtlich. Der für Heilbronn zuständige Vorstehende Älteste Engelhardt Riemenschneider hatte seinen Wohnsitz in Ludwigsburg. Nachdem als Reaktion auf die Heilbronner Angelegenheit auch das Konsistorium im Amtsblatt reagiert und die Austeilung des Abendmahls durch methodistische Missionare an Mitglieder der Landeskirche als »Eingriff in das Rechtsgebiet der Evangelischen Landeskirche«669 verurteilt hatte, war es wieder Dekan Christlieb, der Riemenschneider aufsuchte. Er wollte aus erster Hand erfahren, was in Heilbronn am 6. Januar 1864 geschehen war. Riemenschneider berichtete dem Dekan, und der formulierte, was er und wie er es gehört hatte und gab folgenden Bericht an das Konsistorium weiter :

667 Auch Sup. Jacoby war in Heilbronn anwesend, der offensichtlich wegen der Kapelleneinweihung angereist war, sich aber nach Riemenschneiders Bericht mit an der Debatte pro und contra beteiligt. 668 Ein Bericht von Ernst Gebhardt, Heilbronn 20. Jan. 1865. (Hinzugefügt scheint die Datierung: Bremen und Zürich 22. 2. 1865). Der Brief liegt nur in transkribierter Form vor. Gemeindearchiv EmK-Bezirk Heilbronn, bereitgestellt von Paul Gräsle. – Die im Schreiben erwähnten Berichte anderer methodistischer Abendmahlsgemeinschaften waren im deutsch-schweizerischen methodistischen Kirchenblatt »Der Evangelist« zu lesen. – Man kann den »Bericht«, der nicht in Heilbronn geschrieben zu sein scheint, auch als eine Rechtfertigung gegenüber Vorwürfen seiner Kollegen lesen, die mit dem nicht unter ihnen abgesprochenen Schritt nicht einverstanden waren. 669 Amtsblatt des württembergischen evangelischen Consistoriums und der Synode in Kirchen- und Schulsachen Nr. 3, 857 f (Erlass vom 29. Jan. 1864).

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»in der Vierteljahreskonferenz670 zu Heilbronn, welcher er selbst [Riemenschneider] u ihr Superintendent Jakobi von Bremen angewohnt, haben von den 16 Claßführern der Stadt u Umgegend die Mehrzahl die Austheilung des Abendmahls im Lokale ihrer Gemeinschaft verlangt, Gebhardt habe sich passiv verhalten, aber er, Riemenschneider, u Jakobi haben sich lebhaft dagegen gesezt [sic!], aber sie seien nicht durchgedrungen u so habe er dann selbst das Abendmahl nicht nur mitgenossen, sondern auch einen großen Segen davon erfahren.«671

Für den Ludwigsburger Dekan Christlieb war es wichtig zu hören, wie es nun in seiner Diözese weiter gehen würde. Das war nicht nur für die kirchliche Entwicklung wichtig, sondern auch für Christliebs eigene Stellung im Konsistorium. Schließlich war er einer von den Wenigen, die über Jahre ein positives Verhältnis zu den Methodisten gesucht und ihnen Verständnis entgegengebracht hatten. Er legte, wie es in seinem Bericht an das Konsistorium heißt, Riemenschneider672 »offen die Frage vor, wessen ich mich nach solcherlei Vorgängen von ihm zu versehen habe; ich habe bisher zu ihm u seiner Sache mehr als Andere Vertrauen gehabt u bewiesen, ob ich darin mich nicht getäuscht habe? Da gab er mir wiederholt die unumwundene Versicherung, daß er sein Wort halten, die Glieder seiner Gemeinschaft nie nur mit einem Worte der Trennung von der Kirche veranlassen, auch sich nicht herausnehmen werde, seiner Gemeinschaft hier oder in der Umgegend das hl. Abendmahl auszutheilen. […] Solange er hier in Ludwigsburg sei, werde er wie bisher die Ordnungen unserer Kirche respektiren u mein Vertrauen rechtfertigen; für seinen Nachfolger aber könne er nicht stehen und nichts versprechen. Ich erwiderte ihm darauf: Somit werde ich, wenn ich nach seinem Abgang noch im Amte sei, seinem Nachfolger sogleich das Wort abnehmen, wie ihm und seinem Vorgänger Nülsen, nichts gegen die Kirche und ihre Ordnungen vorzunehmen,. […] Noch beim Abschied wiederholte er obige Versicherung seiner freundlichen Gesinnung gegen unsere Landeskirche u entschuldigte sich, wie früher schriftlich, so jetzt mündlich, daß sein

670 Die Vierteljährliche Conferenz war zu jener Zeit das leitende Gremium eines Gemeindebezirks, das unter dem Vorsitz des Vorstehenden Ältesten als Vertreter der Gesamtkirche tagt. – Lehre und Kirchenordnung der Bischöfl. Methodistenkirche, 1876 (wie Anm. 211), §§ 93ff. 671 Dekan Christlieb an das Konsistorium, Bericht Betreff des Methodismus hier, Ludwigsburg am 23. Dez. 1864. LKASt A26/502. 672 Engelhard Riemenschneider war die Problematik der Abendmahlsfeiern nicht fremd. Über seine Jahre zwischen 1857–1862 berichtete er 1882 rückschauend: »In Zürich hatten wir im Anfange das Abendmahl nicht ausgeteilt. Die Glieder nahmen es noch in der Staatskirche, doch da oft die Kirchen-Aeltesten, welche Brot und Wein nach zwinglianischer Weise herumtrugen, offene Ungläubige waren, so wollten unsere Leute dort nicht mehr zum Abendmahle gehen, und so waren wir genöthigt, es ihnen selbst auszutheilen. Dieses erregte zuerst einen Sturm, doch wir wurden dadurch mehr selbständig und unsere Kirche bildete sich mehr zu einem festen Körper aus.« Engelhard Riemenschneider, Mein Lebensgang, Bremen o. J. 1882, 159.

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Gehilfe Locher673 sich nicht früher bei mir gestellt habe, indem er, Riemenschneider, Wochen abwesend gewesen sei.«674

Es gab natürlich überall Aufregung, die sich in lebhaftem Schriftverkehr, in einer Erklärung des Konsistoriums im württembergischen Amtsblatt, in der betroffenen Diözese Weinsberg675 in einer dort verbreiteten »Ansprache an die Gemeinden« und anderen Aktivitäten zeigte. Mit Ernst Gebhardt hatte eine neue Generation methodistischer Prediger eine willensstarke Leitungspersönlichkeit. Als er gerade von seiner Ausbildung von Bremen nach Ludwigsburg zurückkehrt war, bot sich in Ludwigsburg die Gelegenheit, den »Waldhornsaal«, ein Gasthaus gehobener Klasse, wo früher die Hofbeamten ein- und ausgingen und in dessen Saal die Hofbälle stattfanden, als erstes methodistisches Eigentum mit einem großen und einem kleinen Saal zu erwerben. Über den Verlauf des Erwerbs hat Heinrich Nuelsen in seinen Erinnerungen festgehalten: Der die Aufsicht führende Superintendent Jacoby habe ihm aus Bremen geschrieben: »›Daß Du mir diesen alten Kasten nicht käufst!‹ Was nun anfangen?«, fragte Nuelsen in seinem Erinnerungsbericht. Es gab »unter Umständen keine andere Wahl! Aus dieser Verlegenheit half uns unser feuriger Gebhardt. […] Er kam eines Tages mit dem Bericht: ›Ich habe das Waldhorn gekauft unter der Bedingung, daß Du Deine Einwilligung gibst. Es war noch ein Käufer da und ich mußte Antwort geben.‹«676 Dieses Gebäude wurde für Jahrzehnte der zentrale Versammlungsort für Menschen aus den Dörfern rund um Ludwigsburg. Gebhardt, das zeichnet einen Einschnitt aus, stand nicht mehr direkt unter den Verpflichtungen, welche die entsendende Missionsabteilung den von ihr entsandten Missionaren in einem »Handbuch für Missionare«677 auferlegt hatte. Die weltweit gültige und verpflichtende Kirchenordnung und die Vorschriften für Missionare sahen für kein Land eine solche Situation vor, wie sie die Methodisten in Württemberg antrafen und durch den Weg einer innerlandeskirchlichen Gemeinschaft zu lösen versuchten. Gebhardt fühlte sich nicht an das ›Manual for Missionaries‹ gebunden und frei, seinem Gewissen zu folgen und so zu handeln, wie es ihm auf die bestmögliche Weise sinnvoll schien, den missionarischen Auftrag zu erfüllen. Der Kauf des Ludwigsburger Anwesens durch Gebhardt gegen den Rat des aufsichtführenden Superintendenten war eigentlich eine Vorgeschichte zu den 673 Es handelt sich um den jungen aus der Schweiz stammenden und in Bremen ausgebildeten Prediger Jakob Locher (1836–1882). 674 Christlieb an das Konsistorium (wie Anm. 671). 675 Der Synodalausschuß, Ansprache an die Gemeinden der evangelischen Diöcese Weinsberg, Weinsberg im Juli 1865, EmK-Gemeinde-Archiv Heilbronn. 676 Nülsen (sic!), Erinnerungen (wie Anm. 610). In: CA 1903 (65. Jg.), Ausg. vom 20. Mai, 12. 677 Manual for Missionaries (wie Anm. 150).

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Ereignissen in Heilbronn 1864, die dort dem Bau einer Kapelle mit ihren Folgen vorausging, denn wieder war es Gebhardt, der voranschritt. Noch einmal: Was war am 6. Januar 1864 in Heilbronn passiert?678 Die ›Vierteljährliche Konferenz‹ des Bezirks Heilbronn, zu der neben dem Prediger und die durch sie zum Predigen bevollmächtigten Laien, alle Klassführer und alle mit der Verwaltung von Gemeindeangelegenheiten Beauftragten gehörten, haben ordnungsgemäß unter dem Vorsitz des Vorstehenden Ältesten Engelhardt Riemenschneider getagt. Zu der vorgeschriebenen Tagesordnung der Sitzungen gehörte neben der Regelung des Gemeindelebens durch ehrenamtliche Mitarbeiter die Frage »Sind sonst noch irgend welche Geschäfte vorzunehmen?«679 Diese Konferenz auf der Ebene eines Gemeinebezirks hat die Vollmacht, Entscheidungen für die Arbeit auf dem Bezirk zu treffen, soweit sie sich innerhalb des Rahmens der Kirchenordnung bewegen. Um der Einhaltung dieser gesamtkirchlichen Grundvoraussetzung willen leitet der Vorstehende Älteste als deren Vertreter die Sitzungen. Entscheidungsvollmachten hat er nicht. Die hatte auch der aus Bremen in Heilbronn anwesende Superintendent Jacoby nicht. Er konnte den Beschluss nicht verhindern, da eine derartige kirchenrechtliche Situation in der Kirchenordnung nicht vorgesehen war. Die Ordnung ging in ihren Grundstrukturen von den Gegebenheiten in Amerika aus. Mit der Mission innerhalb einer Staatskirche traten kirchenrechtliche Probleme auf, die es sonst in der weltweiten Kirche nur in der Schweiz, in Skandinavien und im katholischen Lateinamerika gab. Wie sollte man mit der Bereitschaft, notfalls – wie in Württemberg – auf die Sakramentsverwaltung zu verzichten, umgehen? Die Heilbronner Vierteljährliche Konferenz beschloss die Feier des Abendmahls sogar gegen den Willen der anwesenden aufsichtführenden Personen, Jacoby aus Bremen und Riemenschneider aus Ludwigsburg, ohne dass sie einen Beschluss des autorisierten Gremiums verhindern konnten. Genau dies wäre nach der dem grundlegenden Verständnis der kirchlichen Ordnung ihre Pflicht gewesen, wenn es in dieser Sache eine Vorschrift gegeben hätte. Am Rande sei angemerkt: Dieses ist ein Beispiel, wie Kirchenleitung nicht durch einzelne Personen erfolgt, sondern in der Gemeinschaft der jeweils für die entsprechende Ebene Verantwortlichen ausgeübt wird.

678 Eine frühere landeskirchliche Sicht bietet Fritz, Eindringen des Methodismus (wie Anm. 151), 73–79. 679 Lehre und Kirchenordnung (wie Anm. 211), Geschäftsordnung der Vierteljährlichen Konferenz, 68.

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Noch einmal: Die Irritationen in den unterschiedlichen Bereichen Der Heilbronner Beschluss mit der anschließenden Abendmahlsfeier hatte Auswirkungen in ganz verschiedener Beziehung. Zuerst natürlich in der sich in Heilbronn nun endgültig konstituierenden Gemeinde. Die erste Feier noch am Tage des Beschlusses hatte lediglich 60 Teilnehmer. Sicher, aus der Umgebung von Heilbronn zur Einweihung der Kirche gekommene Methodisten hatten weite Rückwege, die sie teilweise zu Fuß zurücklegen mussten. Vermutlich hatten manche am Abend auch ihr Vieh zu versorgen oder sie hatten als Dienende bei ihren Herrschaften andere häusliche Pflichten zu erfüllen. Aber der von Gebhardt später formulierte Hinweis, »daß es jedem, ohne daß sein Gliederrecht dadurch je in Frage gestellt werden könnte, vollkommen überlassen geblieben sei, ob er zum Tisch des Herrn mit uns gehen wolle, oder nicht« erweckt doch in Verbindung mit der Feststellung den beruhigenden Satz:, »[D]ieser Beschluß wurde von den sammelten Geschwistern mit großer Freude und Dank gegen Gott aufgenommen,« den Eindruck einer gewissen Verunsicherung, vielleicht auch Meinungsverschiedenheit, die sich mit dem in Württemberg besonders ausgeprägten Gemeinschaftsverständnisses erklären ließe. Der Weg zwischen einer autonomen Kirchengemeinde und einer innerkirchlichen Gemeinschaft scheint nicht von allen gleich gesehen worden zu sein. Die äußerst knappe Berichterstattung über diesen Heilbronner Schritt in der Kirchenzeitung zeigt, dass der Redakteur Jacoby ihn nicht gerne publiziert hat. Er stand seinen eigenen kirchenpolitischen Absichten, der Strategie der Rücksichtnahme auf die kirchlichen Verhältnisse in Württemberg, diametral entgegen. Darum hat er ganz offensichtlich den Bericht Gebhardts so gekürzt, dass er den wohl folgenreichsten Heilbronner Beschluss mit dessen Konsequenzen nicht mit veröffentlicht hat. Unter der Überschrift »Einweihung der Kirche in Heilbronn«680 hat der Redakteur vermerkt: »Auszug eines Briefs von Br. Gebhardt«. Der Bericht über diesen einschneidenden Gottesdienst ist keine zwanzig Zeilen lang. Die Abendmahlsfeier wurde mit einem einzigen Satz erwähnt. Das war in diesem Zusammenhang kein Zufall. Für die Kürzung des Gebhardt’schen Artikels gibt es nur aus einem plausiblen Grund: Jacoby wollte sich und seinen Ludwigsburger Superintendenten Engelhardt Riemenschneider gegenüber der Württembergischen Landeskirche, soweit das noch möglich war, nicht noch tiefer in eine unliebsame Verlegenheit stürzen. Das traf auch für Gebhardts Kollegen, die anderen Methodistenprediger, zu, die sich teilweise, wie Nuelsen und der mehrfach erwähnte Riemenschneider, 680 Ernst Gebhardt, Einweihung der Kirche in Heilbronn. In: Der Evangelistv1864 (15. Jg.), 3652.

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gegenüber landeskirchlichen Vertretern anders positioniert waren und auch schriftliche Erklärungen abgegeben hatten. Als Missionar Heinrich Nuelsen 1858 in Ludwigsburg ankam, hat er bei Dekan Christlieb den Gesetzen entsprechend um die Erlaubnis nachgesucht, in Ludwigsburg religiöse Vorträge halten zu dürfen.681 Christlieb hat danach von Nuelsen, wie schon am 6. März 1852 von Prediger Ludwig Nippert682 eine schriftliche Erklärung gefordert, die der Methodist ihm gegenüber mit folgendem Wortlaut abgegeben hatte: »… Hochwürden, dem Dekan Christlieb, giebt Unterzeichneter, auf Verlangen, hiermit die schriftliche Erklärung, daß in seiner Wirksamkeit als Missionär es nur seine Absicht ist, Seelen dem Herrn Jesu zuzuführen und keine besondere Kirchen zu gründen, sondern die Glieder der lutherischen Kirche, welche seine Versammlungen besuchen sollten, in ihrer Kirche zu lassen und in der Ausübung ihrer Pflichten als Glieder besagter Kirche keinesfalls hindernd im Wege zu stehen. Ludwigsburg d. 5. May 1858 [gez.] H. Nuelsen.«683

Diese und auch Nipperts Erklärung lagen auch in den Akten des Konsistoriums. Dem Text war eine Randnotiz von Prälat Karl Friedrich von Gerok (1815–1890) hinzugefügt, der darum mit der Erklärung nicht zufrieden war, weil Nuelsen seiner »Kirchenbehörde« den Text der »Instruction« nicht mitgeteilt hatte. Aus seiner Sicht positiv weist er gleichzeitig darauf hin, dass der Missionär Link von der Evangelischen Gemeinschaft wegen seiner negativen Äußerungen über Geistliche der Landeskirche »von seinen Oberen zurückgerufen worden sey.«684 Gebhardts Kollegen Jacoby, Nippert, Nuelsen und Riemenschneider, alles Amerika-Rückkehrer, die in Württemberg aktiv waren, standen mit der ganzen Gemeinschaft nun in einem Zwielicht, das Riemenschneider nach seiner Rückkehr von Heilbronn nach Ludwigsburg gegenüber Dekan Christlieb auch sogleich für sich und seine Zeit in der Residenzstadt zu klären bemüht war. Aber der Heilbronner Schritt brachte Gebhardt auch mit allen anderen bischöflich-methodistischen Predigern in Deutschland und der Schweiz in Kon681 Schreiben Dekan Heinrich Christlieb an das Konsistorium in Stuttgart vom 6. März 1858. LKASt A26/500. 682 Ludwig Nipperts »Erklärung« vom 6. März 1852 gegenüber dem Heilbronner Dekan Ludwig Ferdinand Heydt im Auftrag des Konsistoriums entgegengenommen, hat folgenden Wortlaut: »Erklärung des H. Nippert, Missionar der Bischöfflichen (sic!) Methodisten Gesellschaft d. 6. März 1852. Es ist weder meine Absicht noch Sendung, durch irgendeine Lehre oder Bemühung den bestehenden Landeskirchen Seelen zu entziehen, sondern vielmehr in brüderlicher Liebe u. Eintracht mit denselben zur Ausbreitung des Reiches Gottes zu wirken u. diejenigen, welche durch mein schwaches Bemühen zu Christo geführt werden, zu ermahnen, ihren Pflichten als Glieder der Kirche treu zu obliegen, Gottesdienste u. Sacramente treu zu benützen, keine separirten Gemeinschaften zu bilden, sondern in Verbindung mit der Kirche zu leben u. zu handeln.« LKASt A26/500. 683 Erklärung Heinrich Nuelsen gegenüber Dekan Heinrich Christlieb vom 5. Mai 1858. LKASt A26/500. 684 Ebd.

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flikt. Er hatte sich nämlich nicht, wie er durch die Ordination verpflichtet war, konsequent in die Dienstgemeinschaft eingefügt. Wieso das erwartet werden konnte, ist kurz zu erläutern. Im methodistischen Kirchensystem spielt die jährlich tagende Konferenz aller Prediger eine zentrale Rolle. Wie schon an anderer Stelle bei der Organisation des Bremer Missionsseminars dargestellt, werden alle wichtigen Entscheidungen in der Gemeinschaft aller Prediger getroffen.685 Diese unübliche Form der Kirchenleitung stellt einen mittleren Weg zwischen den damaligen Systemen hierarchisch oder konsistorial organisierter Kirchen einerseits und einer independentistisch-kongregationalistischen Form der autonomen Ortsgemeinden andererseits dar. Angesichts des weitreichenden Heilbronner Beschlusses wäre es in dieser Frage zwingend gewesen, dass Gebhardt diesem Grundsatz der gemeinschaftlichen Kirchenleitung gefolgt wäre, zumal offensichtlich der über die Mission in Deutschland aufsichtführende Superintendent Jacoby ganz im Sinne seines Auftrags versucht hat, den Heilbronner Beschluss zu verhindern. Der Heilbronner Schritt ist ohne den Konferenzbeschluss erfolgt, an dem – wie eben erwähnt – alle Ordinierten beteiligt sein mussten, die an der beschließenden Konferenz-Sitzung anwesend sein konnten. Ein methodistischer Pastor oder eine Pastorin ist also weder ein Kirchenbeamter noch ein Individualist, sondern immer ein in die Leitungsverantwortung einbezogenes Glied einer Dienstgemeinschaft, die – wie man heute sagt – einen ›Bund von Ordinierten‹ bildet. Auf diesen Bundesstatus hat sich vor seiner Ordination jedes pastorale Konferenzmitglied verpflichtet. Was heißt das für den konkreten Fall der Entscheidung, auf dem Gemeindebezirk Heilbronn am 6. Januar 1864, wo mit der Abendmahlsfeier der Schritt zur Konstituierung einer autonomen methodistischen Kirche in Württemberg eingeleitet, eigentlich – wenn auch nicht formal – vollzogen wurde? Zwar hat Gebhardt ausdrücklich festgehalten, er habe sich an der Beschlussfassung des autorisierten örtlichen Gremiums, damals der ›Vierteljährlichen Konferenz‹ unter dem Vorsitz des Vorstehenden Ältesten, nicht beteiligt. Er hat aber andererseits in dieser weitreichen Frage mit erheblichen Folgen für den gesamten württembergischen Teil der Bischöflichen Methodisten keinen Beschluss der jährlich tagenden Konferenz herbeizuführen versucht, durch den derartige überregionale Grundsatzfragen durch eine gemeinsame Entscheidung zu legitimieren gewesen wären. Daher ist es verständlich, wenn zu seinen Kollegen vorübergehend eine Spannung entstanden ist. Die auf den Heilbronner Schritt folgende Jährliche Konferenz tagte im Juli 1864 in Basel. Sie fasste, ohne Frage in Folge der einige Monate vorher in Heilbronn eingeleiteten Entwicklung, folgenden Beschluss: 685 Vergl. Teil 3.3.1 Abschnitt: Die Rechtlage in der Hansestadt.

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»Da in verschiedenen Gegenden Mißverständnisse hinsichtlich unseres Verhältnisses zu den betreffenden Landeskirchen vorzuherrschen scheinen, und da es in den genannten Gegenden uns besonders zum Vorwurf gemacht wird, daß wir in der Verwaltung der heiligen Sakramente früheren Versprechungen entgegen handeln, so sei beschlossen, folgende Erklärung feierlich abzulegen: 1) daß wir aufrichtig wünschen, in dem freundschaftlichsten Einvernehmen mit den verschiedenen Landeskirchen zu arbeiten, und daß wir uns herzlich freuen über alle Zeichen der Neubelebung in denselben; 2) daß es anfangs unsere aufrichtige Absicht war, in den genannten Gegenden weder die Sakramente in unserer Gemeinschaft zu verwalten, noch einen einzigen zu veranlassen, aus seiner Landeskirche auszutreten. Haben wir das Erste gethan, so liegt es nicht in unserer Schuld. Nur nachdem Viele von unsern Gliedern, abgehalten vom Theilnehmen an den Sakramenten in der Landeskirche, bald durch die Verfolgung eines ungläubigen Pfarrers, bald durch Gewissensscrupel gegen das Communiciren mit offenbaren Sündern, das heilige Abendmahl Jahre lang entbehrt hatten, haben wir nothgedrungen ihrem Verlangen nachgegeben und die Sakramente zum Theil unter unseren Gliedern austheilen müssen. Diese Noth unserer Glieder sei unsere Rechtfertigung vor dem allwissenden Gott und allen Christen, welche die Rechte eines protestantischen Gewissens zu würdigen wissen.«686

Mit dieser Erklärung hat die Dienstgemeinschaft der Prediger versucht, gemeinsam die Entscheidung der Heilbronner Gemeinde innerhalb der eigenen Reihen und vor der kirchlichen Öffentlichkeit, vor allem gegenüber der württembergischen Landeskirche, zu rechtfertigen. Niemand spürte die zum Teil heftigen Reaktionen auf die erste Abendmahlsfeier so, wie der Heilbronner Prediger Ernst Gebhardt, in dessen Gemeinde dieser Schritt beschlossen und dann auch umgehend in die Tat umgesetzt wurde. Am 13. Juni 1864 kam es auf Veranlassung des Stuttgarter evangelischen Konsistoriums zu einer Vernehmung Gebhardts beim Oberamt in Heilbronn, um sein zukünftiges Verhalten möglichst einzuschränken. Man hat ihm das Beispiel der »Methodistenpredigers Schnatz« vorgehalten, »der im vorigen Jahr eine Abendmahlsfeier in dem Methodisten-Betsaal vorgenommen, auf erhaltene Belehrung durch das Stadtdecanatamt,687 die Wiederholung zu unterlassen versprochen und seit jener Zeit, insbesondere in der letzten Char- und Osterwoche, sich der Vornahme einer Abendmahlsfeier enthalten hat.«688 Johann Philipp Schnatz (1830–1913) war der von der Evangelischen Gemeinschaft aus Amerika gesandte Nachfolger für den ausgeschiedenen Missionsprediger Jo686 Beschluss der Konferenz 1864 in Basel. Zitiert nach: C. W. [Carl Weiss], Die Entwicklung unserer Conferenz. Protokollauszüge früherer Conferenzen. In: WS, 7. Jg. (1876), 114. 687 Auch Stadtdekan Gerold hatte ein Gespräch mit Prediger Schnatz (Fritz, Eindringen des Methodismus, (wie Anm. 151), 69. Der Pfarrgemeinderat hat ihm die Spendung des Abendmahls als »kirchenordnungswidrig« verboten. Wüthrich, Ev. Gemeinschaft (wie Anm. 125), 159. 688 Bericht und Protokoll des gemeinschaftlichen Oberamts Heilbronn an das Konsistorium vom 18. Juni 1864, verhandelt am 13. Juni 1864. LKASt A26/502.

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hann C. Link in Stuttgart. Natürlich war es der Saal der Evangelischen Gemeinschaft,689 in dem er am Karfreitag 1863 an 150 Teilnehmer Brot und Wein zum Gedächtnis an den Tod Christi gereicht hatte. Nachdem Prediger Schnatz seinen Verzicht auf eine Wiederholung versprochen hatte, erwartete man den gleichen Schritt von Gebhardt. Der war allerdings nicht dazu bereit. Im Protokoll heißt es in einem von ihm durch Unterschrift bestätigten Schlussabschnitt: »Ich wiederhole deshalb meine frühere Erklärung, daß ich die Abendmahlsfeier nicht unterlassen werde.«690 Einen Tag nach seiner Vernehmung vor dem Oberamt schrieb Gebhardt einen reichlich dreiseitigen Brief an das Konsistorium, den er dem Heilbronner Oberamt zur Beilage von dessen Bericht an das Konsistorium überbrachte. Dieser Brief gibt Einblick in das Ringen um Argumente, die in dieser kritischen Phase im Konsistorium Verständnis für seine Vorstellungen wecken sollen. Diese Erwartung konnte Gebhardt aber mit den dargelegten Argumenten nicht erfüllen. Dieser glaubte, wie es die methodistische Praxis in einigen Staaten außerhalb Württembergs war, auch in Heilbronn für sich das Recht in Anspruch nehmen zu können, das Abendmahl in der »Gemeinschaft« zu feiern. Die Unterschiede in den einzelnen Ländern waren für eine überregional organisierte Kirche eine enorme Herausforderung. Aber so war das eben im 19. Jahrhundert in Deutschland. Eine »Störung der Kirchenordnung« sah Gebhardt in der Heilbronner Abendmahlsfeier nicht, denn jeder hätte nach wie vor das Recht, in der landeskirchlichen Gemeinde das Abendmahl zu empfangen. Weiter sei ihm nicht bekannt, dass ein Prediger der bischöflichen Methodistenkirche ein Versprechen zu einem Unterlassen von Abendmahlsfeiern abgegeben habe, worin er allerdings irrte. Dem Ansinnen der Oberkirchenbehörde auf Unterlassung zu folgen verweigere er sich. Das begründet er mit Schikanen, wie sie Mitglieder der Methodistengemeinschaft trotz rühmlicher Ausnahmen, er nennt Dekan Koch, durch Pfarrer in den Gottesdiensten der städtischen Kirche erlebten. Sie hätten der Entwicklung Vorschub geleistet. Dort seien im Gottesdiensten anwesende Methodisten von der Kanzel herab beleidigt worden. Man habe sich über sie lächerlich gemacht. Vereinzelt habe man als Methodist darauf nicht recht reagiert. Namentlich nennt er Philipp Paulus, der in seiner Zeitschrift ›Friedensglocke‹ in dieser Beziehung nicht recht verfuhr.691 Darüber könne er nur sein Bedauern aussprechen. 689 Hier spielt wieder – wie auch an anderen Stellen – die Unklarheit im Gebrauch der kirchlichen Namen eine Rolle. 690 Bericht und Protokoll des gemeinschaftlichen Oberamts Heilbronn (wie Anm. 688). 691 Die Zeitschrift ›Die Friedensglocke… (wie Anm. 213)‹ hat Anfang der 1860er Jahre verschiedene Artikel mit Sympathie für die methodistische Mission veröffentlicht. Auf den 1860er Erlass der Synode zur Frage der Methodisten hat Philipp Paulus eine Gegenschrift verfasst, deren Manuskript der Ludwigsburger Methodistenprediger Heinrich Nuelsen an

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Wenn wir als Prediger auch stillschwiegen, erlebten wir doch mit, wie unsere Brüder und Schwestern, die am Sonntagsvormittag in den Gottesdienst gingen, mit Wehmut und großer Traurigkeit oftmals in der Kirche saßen, wenn sie von der Kanzel herunter über ›Secten‹, ›Irrlehrer‹ oder ›Schnellbekehrungen‹ hörten. Es sei schmerzlich für sie gewesen, wenn andere sich dann darüber belustigt haben und sie verspotteten. Gebhardt fragt in seiner Stellungnahme: »Ist es manchen Seelen zu verdenken, wenn sie unter solchen Umständen je mehr und mehr eine Abneigung in ihren Herzen empfanden, aus der Hand eines Saulus den Kelch des gekreuzigten Christus zu nehmen? Ist es solchen Seelen zu verdenken, wenn sie nach mitunter jahrelangem Darben endlich ernstlich verlangten, wir als ihre Brüder in Christo Jesu sollten ihnen dieses Gnadenmittel darbieten? Ist es nicht vielmehr zu verwundern, daß solche Seelen überhaupt noch Glieder der Landeskirche blieben?«692

Gebhardt stellte den Unterschied zu anderen Minderheiten heraus und wies auf die Baptisten und Hardthöfer693 hin, die sich gegenüber der Kirche in Württemberg ganz anders verhielten als die Methodisten. Er bat die Mitglieder des Konsistoriums, sich selbst einmal in die Lage zu versetzen, in einem Ort leben zu müssen, in dem sie kirchliche Verhältnisse vorfinden, wie die Methodisten sie in Heilbronn erleben. Wie würden Sie sich verhalten? Und dann behauptet er : »Wir fügen uns als gute Protestanten in die Ordnung der Landeskirche, wie wir von jeher erklärten, soweit, als es sich mit unserem Gewissen und dem von uns erkannten Sinne des Wortes Gottes verträgt. Wir sind unterthan aller menschlichen Obrigkeit um des Herrn willen, kennen aber auch die Grenze, wo wir mit dem Apostel Petrus zu sagen genöthigt sind: ›Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen, wir können es ja nicht lassen!‹ Wenn wir sagen, wir fügen uns in die Ordnung der Kirche, so verstehe ich hierunter, daß wir die Zeit des öffentlichen Gottesdienstes der Kirche möglichst respektiren und unsere Versammlungen zu anderen Zeiten halten, sowie, daß unsere Glieder in keiner Weise durch uns abgehalten sind, allen etwaigen Pflichten der Landeskirche gegenüber zu entsprechen, soweit es von ihnen verlangt werden kann und im Allgemeinen verlangt wird. Ich bin selbst ein Württemberger und erkenne dankbar zu Gott an, was ich Gutes in der Kirche und von den Kirchen empfangen habe, die, obwohl ich mit so vielen Andern der Methodistengemeinschaft nach Gottes gnädiger Führung meine Bekehrung verdanke, glaube ich doch hiermit gelegentlich bezeugen zu müssen, daß wir nicht zu denen manchen Stellen im Ton gemäßigt hat. Am 15. Februar 1861 begann eine von Philipp Paulus selber verfasste Artikelserie unter dem Thema »Der Christenbote und die Methodisten in Württemberg«- Friedensglocke Nr. 4, 15. Febr. 1861, 13–15 u. Nr. 5, 1. März 1861, 17–22. 692 Anlage zum Bericht des Kgl. Oberamts Neckarkreis an das ev. Consistorium vom 18. Juni 1864 über die Vernehmung des Methodistenpredigers Gebhardt. LKASt A26/502. Daraus auch das folgende Zitat. 693 Auf dem Kirschenhardthof in der Nähe von Marbach sammelte der eigenwillige und aus der Württembergischen Landeskirche 1861 ausgeschlossene Theologe Christoph Hoffmann (1815–1885) eine 1854 von ihm gegründete ›Gesellschaft für die Sammlung des Volkes Gottes‹, die auch ›Jerusalemsfreunde‹ und ›Tempelgesellschaft‹ genannt wurden.

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gehören, die, wenn ich so sagen darf, das Kind mit dem Bade ausschütten und von der Landeskirche nur als von einem Babel etc. sprechen. Wir glauben, daß es manchem Diener der Kirche ernstlich um die Ehre des Herrn zu thun ist und daß Viele trauern über das große Verderben. In den Kräften des Einzelnen liegt es freilich nicht, den Unglauben und die Gottlosigkeit zu beseitigen und es liegt dies auch nicht in den Kräften Vieler, ja sämtlicher Streiter Christi, wenn sie es allein thun sollten. Giebt aber der Herr Seinen Geist und Segen dazu, so wird es in seiner Kraft wohlgelingen. […] Sollte sich denn nicht ein solches Verhältnis denken und ermöglichen lassen, wo die Staatskirche statt auf lebendige Gemeinschaften als auf verächtliche Sekten herabzublicken, vielmehr dieselben sich zu Nutzen machte und durch sie und mit ihnen die, die da Rotten machen, die Fleischlichen, die keinen Geist haben, mit geistlichen Waffen überwände? Gewiß! Und wie heilbringend wäre Solches für die Tausende und Millionen unsers gemeinsamen Vaterlandes. Wir wollen und richten keine Spaltungen in der Kirche Christi an, sondern helfen mit, ein geistliches Haus aufzurichten aus lebendigen Steinen, da Jesus Christus der Eckstein ist. Möge der Herr Jesus Christus durch Seinen heiligen Geist Ihre Berathungen leiten und Sie segnen aus seiner Gnadenfülle nach Seinem unendlichen Wohlgefallen, ist mein Gebet![…] Mögen Sie aber auch mir die Freiheit, mit der ich mich unterwand, Ihnen zu schreiben, zu gut halten! Mit aller Hochachtung Empfiehlt sich Ihrer Liebe unterthänigst Ernst Gebhardt«

Einige Aspekte sind noch einmal hervorzuheben: Der Brief zeigt den Wunsch Gebhardts, immer noch einen Weg des Wirkens innerhalb der württembergischen Landeskirche zu finden, eigentlich ihn trotz der Abendmahlsfeier zu haben, auch wenn nicht alle seine Argumente nachvollziehbar sind. Seine scharfe Kritik an den kirchlichen Verhältnissen mag übertrieben sein, aber punktuell war sie doch begründet. Sie erwuchs nicht allein aus den Verhältnissen in Heilbronn, sondern klingt wie eine Summe von Erfahrungen im Land.694 Zwei miteinander verbundene Züge sind gut erkennbar : die Sorge um das Heil der Menschen, die man im Grunde nur mit gegenseitiger Unterstützung und mit geistlicher Kraft bewältigen kann. Und der Wunsch, miteinander und nicht gegeneinander zu arbeiten. Es war realitätsfern zu erwarten, dass es im 19. Jahrhundert zu einer in missionarisch ausgerichteten Verbindung zwischen einer fest im Sattel sit694 Kanzelabkündigungen zur Abgrenzung gegenüber methodistischen Aktivitäten hat es an verschiedenen Orten und aus unterschiedlichen Anlässen gegeben. Ich habe eingesehen: (1) Künzelsau: Ansprache am 25. November 1877, 2 S.; (2) Oehringen: Ansprache an die Glieder der evangelischen Gemeinde, o. J. (1879?); (3) Ansprache der evangelischen Geistlichen der Stadt Stuttgart an die Gemeinden, 1880; (4) Zwickau: Ein Wort an unsere Gemeinden 1885, 4 S.

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zenden Staatskirche und kleinen freikirchlichen Gemeinschaften zu gemeinsamen Aktivitäten hätte kommen können. Das war nicht nur eine Frage der Größenverhältnisse. Zwischen dem Ruf zum Glauben an getaufte Glieder einer Kirche, die nach deren Verständnis ihnen als Gläubige gehörten, und die Einladung in die Nachfolge Christi durch Umkehr und Lebenserneuerung, wie sie die Methodisten praktizierten, gab es einen tiefen theologischen Graben, der eine wirkliche Gemeinschaft unmöglich machte. Das war ein verdrängter theologischer Aspekt. Dem nachgeordnet muss man sagen: Die methodistischen Missionsplanungen hatten die kirchenkulturelle Situation Europas zu wenig einbezogen. Nach der gescheiterten Revolution und dem damit gesicherten Fortbestehen der Staatskirchen musste es völlig unmöglich sein, zwei ekklesiologische Grundformate auf ein gemeinsames Gleis zu setzen. Die europäischen stabilen Körperschaften der »Betreuungskirchen« konnten sich nicht auf die methodistische Praxis der »Missionskirche« einlassen, ja sie sahen dafür gar keine Notwendigkeit. Das war nicht nur eine Frage des theologischen Selbstverständnisses. Unrealistisch für die methodistischen Missionare war, gleichzeitig unter einer Aufsicht von zwei sehr unterschiedlichen Leitungen, eine in Stuttgart in staatlich-konsistorialer Regie und eine in New York in ausschließlich denominationeller Hand zu stehen, die beide an sehr unterschiedliche kirchliche Ordnungen gebunden waren. Es hat zwangsläufig von Anfang an eine unüberbrückbare Kluft bestanden. Die aus deutscher Sicht wohl einzige realistische Möglichkeit gemeinsamer Mission hätte – bei allen Vorbehalten – sein können, die aus Amerika zurückgekommenen Missionare in die hiesigen Kirchen zu integrieren, sie den hiesigen Ordnungen zu unterstellen und sich auf die »normale« Praxis des kirchlichen Gemeinschaftslebens zu beschränken. Aber das zu wollen, zu können und zu erwarten wäre ebenso realitätsfern gewesen wie das gescheiterte Projekt. Nirgends war ein Modell entwickelt worden, in dem praktisch zwei Kirchen mit je eigenen Ordnungen und dazu noch entgegensetzten Beziehungen zum Staat eine Einheit oder wenigstens Gemeinschaft gebildet hatten. Vielleicht wäre es für die ganze damalige Entwicklung hilfreich gewesen, sich mit den realistischen Möglichkeiten, eigentlich Unmöglichkeiten abzufinden und danach konsequent die Notwendigkeit der unabhängigen Kirchenbildung zwischenkirchlich zu kommunizieren und dann auch zu vollziehen. Man spürt dem Schreiben von Gebhardt Zeile für Zeile ab, dass er es unter Zeitdruck in innerer Unruhe verfasst hat. Er wollte unbedingt, dass es zusammen mit dem Protokoll seiner Vernehmung das Stuttgarter Konsistorium erreichte. Das zeigt, ihm war der weitere Weg nicht egal.

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Abendmahlsfeiern veranlassen Kirchenbildungen Sowohl für die Evangelische Gemeinschaft wie für die Methodistenkirche waren die Abendmahlsfeiern in Württemberg der erste Schritt in die kirchliche Autonomie. Die am Anfang zu dem Projekt eines Verzichts auf autonome Kirchenbildung zugunsten der Mission und der für den Glauben zu gewinnenden Menschen von der amerikanischen Missionsleitung ausgesprochene Besorgnis hat sich bestätigt. Das Experiment ist gescheitert.

3.7.3 Die ›Wesleyanische Methodistengemeinschaft‹ (1872) Ganz in der britischen Tradition haben die Wesleyaner es in Württemberg am längsten durchgehalten, als Gemeinschaft zu wirken. Von 1831 bis 1872 ist praktisch eine ganze Generation, die sie im Spagat zwischen akzeptierter landeskirchlicher Ordnung und methodistischer Spiritualität gewirkt hat. Die Beziehungen zwischen den landeskirchlichen Organen und den methodistischwesleyanischen Leitungen haben eine zunehmende Entfremdung angezeigt, die vermutlich manche Besucher methodistischer Versammlungen wenig wahrgenommen haben oder sie, wie bei den anderen Gemeinschaften, im heimatlichen Kontext als normal empfanden. In den ländlichen Gemeinschaften wurde kein abgrenzender Kampf gegen die Kirche geführt. Im Mittelpunkt stand das Ringen um Menschen, die »als das Volk des Eigentums berufen waren zu dem wunderbaren Licht.«695 Die Teilnehmer der meist abendlichen Versammlungen waren keine Konfessionalisten, die eine besondere Lehre zu verteidigen hatten oder die sich besser als andere zu sein fühlten. Die Versammlungsbesucher waren auch keine Kirchenpolitiker, die sich genötigt sehen mussten, ihre Art als Gemeinschaft zu leben zu verteidigen. »Stunden« neben dem Gottesdienst am Sonntagvormittag waren in Württemberg völlig normal. Wo es zu sichtbaren und schmerzlichen Grenzen kam, wurden sie verursacht durch polizeiliche Eingriffe, behördliche Vorladungen und Debatten um die geschätzten Klassversammlungen und Liebesfeste. Diese Auseinandersetzungen führten die Leitungen. Es ist typisch, dass aus diesen Problemstellungen auch der Anstoß zum Dissidenten-Gesetz entstand, und zwar nicht aus den Gemeinschaften heraus, sondern von der Leitungsebene her. Diese hatte zu jener Zeit der erfahrene Engländer John C. Barratt inne.

695 1. Petr. 2. 8.

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Auf dem Weg zum Dissidentengesetz In den Jahren zwischen 1859 und 1862 war in den Dekanaten, in denen Methodisten aktiv waren, eine erhebliche Unsicherheit darüber entstanden, wie man sich ihnen gegenüber verhalten soll. Anfangs hatten die Behörden das Halten von Klassversammlungen als »ordnungswidrig« eingestuft. Danach waren solche Zusammenkünfte zeitweise durch die Kirchen- und Staatsbehörden verboten worden. In einem Erlass wurden dem Oberamt Ludwigsburg und den Dekanatämtern Heilbronn und Backnang, in denen die Wesleyaner vorwiegend ihre Aktivitäten entfalteten, mitgeteilt, dass unter gewissen, im einzelnen ausgeführten Bedingungen, »das Verbot der Klassversammlungen und Kinderstunden aufgegeben« wird.696 Es könne aber die missionierende Tätigkeit innerhalb der evangelischen Landeskirche nur unter der Bedingung fortdauern »[…], daß sie sich den Ordnungen dieser Kirche unterwerfen und sich keine Abweichungen von dem evangelischen Lehrbegriff, wie er vorzugsweise in der Augsburgischen Konfession enthalten ist, geschweige denn Angriffe auf denselben erlauben«.697 Nachdem auch das Dekanatamt Weinsberg einen Erlass herausgegeben hatte, sah sich der Pfarrgemeinderath von Wüstenrot am 27. Febr. 1861 veranlasst, die schon seit längerer Zeit auf dem Greuthof im Hause eines Gottlieb Steinlen und dessen Schwiegersohn Christoph Greiner gehaltenen Versammlungen zunächst für ein Vierteljahr zu gestatten. Diese Erlaubnis war an Bedingungen gebunden: (1) Die »Hausväter« verpflichten sich, dass die Versammlungen nicht über 21 Uhr hinaus andauern. (2) Dem Pfarramt und dem Pfarrgemeinderat unbekannte Redner dürfen nicht zugelassen werden und (3) »die Geschlechter sind womöglich getrennt zu halten«.698 Die beiden Mitarbeiter der Wesleyaner, Gottlieb Glück (1828–1865) und J. Jakob Klenk (1822–1895), welche die Versammlungen im Hause Steinlen leiteten, waren aufgefordert worden, sich den an sie ergangenen Forderungen protokollarisch zu verpflichten. Sie verweigerten aber, sich diesen Forderungen zu unterwerfen und die entsprechende Erklärung abzugeben. Sie setzen ihre Versammlungen am 5. und 12. Mai 1861 wie gewohnt fort. Das veranlasste den Wüstenroter Kirchenkonvent eine Untersuchung einzuleiten. Daraufhin wurden die beiden Wesleyaner am 29. Mai »wegen fortgesetzten Ungehorsams gegen eine obrigkeitliche Anordnung zu einer Arreststrafe von vier Tagen verurtheilt.«699 Aufgrund eines Einspruchs hat das Oberamt Weinsberg jedoch die zu hoch angesetzte Strafe auf das überhaupt höchst696 Fritz, Eindringen des Methodismus (wie Anm. 151), 62f. 697 Ebd., betr. den Erlass vom 12. 2. 1862. 698 Ministerium des Kirchen- und Schulwesens, Anbringen an den König, Stuttgart, 2. Dez. 1861. HStASt. Best. E 14/Bü 1585. 699 Ebd.

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mögliche Strafmaß herabgesetzt, welches ein Ortsvorsteher auszusprechen berechtigt war. Das Oberamt empfahl eine polizeiliche Ausweisung der wesleyanischen Laienzeugen Gottlieb Glück aus Murrhardt und Jakob Klenk aus Vordermurrhärle; beides liegt etwa 20 km von Wüstenrot entfernt. Die Wesleyanische Methodistengemeinschaft und die drei Betroffenen, der »Hausvater« Christoph Greiner war auch zu einer Geldstrafe verurteilt, ließen die Angelegenheit nicht auf sich beruhen. Ein erster Schritt war ein Immediatgesuch, das sie nach dem üblichen Weg direkt an den König richteten. Daraufhin musste das zuständige Ministerium ein »Anbringen« als eine Art Rechtsgutachten erstellen, welches es bis zum 2. Dezember 1861 auf acht handschriftlich gefüllten Seiten anfertigte.700 Das Ministerium kam zu der Empfehlung. »Eure Königliche Majestaet wollen die dem Jakob Klenk und Gottlieb Glück wegen unbefugten Abhaltens religiöser Versammlungen zuerkannten Arreststrafen von je 36 Stunden in eine Geldbuße von je 4f 30 g gnädigst zu verwandeln geruhen.«701 Damit war die ganze Angelegenheit für die Wesleyaner aber nicht erledigt. Die drei Betroffenen verstanden die Versammlungen auf dem Greuthof zu dieser Zeit noch als eine Bewegung innerhalb der Landeskirche. Alle drei, Glück, Klenk und Hausvater Greiner, waren Mitglieder der Württembergischen Landeskirche. Friedrich Fritz stellt in seiner Studie zum ›Eindringen der Methodisten‹ im Zusammenhang der Strafverfügungen gegen sie die These auf: Es sei »eine geschichtliche Tatsache, daß es sich hier um ganz vereinzelte Fälle handelte.«702 Nachweislich war für die innerlandeskirchlichen Methodisten erst nach Bedrängnissen in Mühlhausen a. d. Enz, Finsterrot, Nordheim, Wüstenrot, Weihenbronn, Ebersbach, Buchenbronn und Schorndorf und zuletzt in Greuthof das Fass zum Überlaufen gekommen. Die Wesleyaner schritten zum Einspruch und wandten sich an die Württembergische Kammer der Abgeordneten. Ihre Eingabe ließen sie in gedruckter Form, unterzeichnet von etwa 6.000 Unterschreibern, den Abgeordneten zugehen. Noch 1927 wurde der Gedanke verbreitet, ein Teil der 6.000 Unterschriften sei »durch die Lüge erschlichen worden, man gehe damit um, alle Privatversammlungen zu verbieten.«703 Demgegenüber hat das Kultusministerium am 20. Juni 1863 der Abgeordnetenkammer die Auskunft erteilt, »die in den Petitionen704 aufgestellte Behauptung »ist richtig.«705 Hinsichtlich der örtlichen

700 701 702 703 704

Ebd. Ebd. Fritz, Eindringen des Methodismus (wie Anm. 151), 65. Hervorhebung übernommen. Ebd., 66. Es lagen zu dieser Zeit je eine Bitte von den Baptisten (Klärung der Gewissensfreiheit in § 27 der Verfassung) und von den ›Jerusalemsfreunden‹ vor.

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Schwerpunkte, in denen die Unterzeichner lebten, muss man feststellen, es waren die Oberämter Backnang, Marbach, Schorndorf, Waiblingen, Weinsberg und Welzheim; alles Regionen, in denen die Wesleyaner und inzwischen auch die bischöflichen Methodisten aktiv waren. Der Text wurde auch in anderen als den methodistischen Organen veröffentlicht.706 Die Petition wurde von den 70 Mitgliedern der Abgeordnetenkammer unter dem Titel »Gewissensfreiheit« behandelt. Eingebracht wurde schließlich die Vorlage des Gesetzestextes durch den prominenten Abgeordneten und späteren Präsidenten der Kammer Julius Hölder (1819–1887). Die Position des nationalliberalen Abgeordneten wurde in folgender ihm zugeschriebenen Aussage charakterisiert: »Der Standpunkt des Staatskirchentums ist heute ein überwundener.«707 Die Eingabe, die am 29. Juli 1865 der Abgeordnetenkammer vorgelegt wurde, ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. (1) Kirchengeschichtlich leitet sie in Württemberg eine neue Phase ein, welche die kirchliche Pluralisierung ermöglicht und dadurch das kirchliche Leben bereichert. (2) Auch fromme Mitglieder einer geistlichen Bewegung verweigerten anfangs des letzten Drittels im 19. Jahrhundert Behörden Gehorsam und Unterschrift. Damit knüpfen sie an Traditionen der englischen Methodisten an.708 (3) Kirchliche Minderheiten können zu denen gehören, die – wie der Völkerrechtler Christian Walter (*1966) ausführte –»immer wieder Anlass geben, das traditionsgeprägte und traditionsbewusste Staatskirchenrecht zu hinterfragen und gelegentlich anzupassen und weiterzuentwickeln.«709 Der Text der Eingabe wird hier ungekürzt dokumentiert. »Nach den bestehenden Normen und Gesetzen sind in der evangelischen Landeskirche die Pfarrgemeinderäthe berechtigt, das gesellschaftliche Leben der Angehörigen der eigenen Kirche zum Gegenstand ihrer Censur zu machen und namentlich die Abhaltung religiöser Versammlungen, welche sie mißbilligen zu müssen glauben, zu untersagen und nöthigenfalls den Beistand des Kirchenkonvents anzurufen, um ihren Anordnungen durch Anwendung von weltlichen Strafen, wie Geldbußen, polizeilichen Ausweisungen und Einkerkerungen Geltung zu verschaffen. In Folge dessen sind in der 705 Register über die Verhandlungen der Württembergischen Kammer der Abgeordneten 1862–1865, 1193. 706 Text der Eingabe auch in: Evangelische Kirchen- und Schulblatt für Württemberg. Redigirt und herausgegeben von Karl August Leibbrand, Archidiakonus zu St. Leonhard in Stuttgart, Bd. 23 (Jg. 1862), 303f. 707 Allgemeinde Kirchliche Chronik, hrgg. von Moritz Hermann Schulze, 1870 (17. Jg.), Hamburg 1871, 140. 708 Eric Hobsbawm, Sozialrebellen, Archaische Sozialbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert, Neuwied/Berlin 1971, 161–190. Auch: Owen Rattenbury, Flammen der Freiheit. Die Märtyrer von Tolpuddle, Bern/Leipzig 1934 (volkstümlich). 709 Christian Walter, >Sekten< und Freidenker als Motor der Modernisierung in den StaatKirche-Beziehungen. In: Hartmut Lehmann (Hg.), Religiöser Pluralismus im Vereinten Europa. Freikirchen und Sekten. Göttingen 2005, 199.

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letzten Zeit an verschiedenen Orten des Landes wie z. B. in Mühlhausen a. d. E., Finsterroth, Greuthof, Nordheim, Wüstenroth, Weihenbronn, Ebersbach, Buchenbronn, Schorndorf usw. einzelne, sonst in jeder Beziehung gut prädicirte Bürger, wegen Abhaltung von religiösen Versammlungen mit Geldbußen oder polizeilichen Ausweisungen, ja sogar mit Einkerkerungen, wie in Wüstenroth, bestraft worden; ohne daß Etwas vorgekommen wäre, wodurch die öffentliche Zucht und Sitte irgendwie verletzt worden wäre. Da aber der Gebrauch äußerer Zwangsmittel dem Wesen der protestantischen Kirche geradezu widerspricht und nach dem ganzen Geist derselben mit keinen anderen Waffen als denen des Geistes gekämpft werden soll, so sehen sich die unterzeichneten Mitglieder der Landeskirche Angesichts dieser in unserem Jahrhundert offenbar nicht mehr zeitgemäßen Behandlungsweise der Sache in ihrem Gewissen gedrungen, Eine hohe Kammer der Abgeordneten dringend zu bitten, dahin wirken zu wollen, daß alle derartigen Beeinträchtigungen der Gewissensfreiheit der Einzelnen sowie ihres Versammlungsrechtes in Zukunft eine gesetzliche Unmöglichkeit sind und zu dem Ende die Anfangs erwähnten Normen und diesseitigen, kirchenpolizeilichen Gesetze außer Kraft gesetzt werden. Sie hoffen um so mehr, daß Eine hohe Kammer diese ihre Bitte der Beachtung würdigen und ihrem Wunsche entsprechen werde, da sogar auch das Kultusministerium selbst in einem Erlaß in Betreff der erwähnten Einkerkerung einiger Bürger wegen Abhaltens religiöser Versammlungen in gleichem Sinne, wie wir, über diesen Gegenstand sich ausgesprochen hat.«710

Mit der Einreichung dieser Petition war ein Prozess in Gang gesetzt, der am Ende zum »Gesetz betreffend die religiösen Dissidenten-Vereine« führte. Nach der erfolgreichen früheren Immediateingabe an den württembergischen König Wilhelm I. war 1862 die Eingabe an die Kammer der Abgeordneten erfolgt. Sie wurde erstmals am 29. Juli 1865 beraten. Nachdem auf einem langen Weg die staatsrechtliche Kommission, das Kultusministerium, die Landessynode und die Ständekammer konsultiert waren, konnte das sog. Dissidenten-Gesetz nach der Anhörung des Geheimes Rates und der Zustimmung der Ständekammer von König Karl verkündet werden. Artikel 1 lautet: »Die Bildung religiöser Vereine außerhalb der vom Staat als öffentliche Körperschaften anerkannten Kirchen ist von einer staatlichen Genehmigung unabhängig. Es steht diesen Vereinen das Recht der freien gemeinsamen Religionsausübung im häuslichen und öffentlichen Gottesdienst, sowie der selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten zu.«711

Sechs Monate nach der Verkündigung des Gesetzes organisierte sich die Wesleyanische Methodisten-Gemeinschaft in Württemberg als autonome Kirche. Die Methodisten erfüllten die Bedingungen des Gesetzes, insbesondere traten sie

710 Eingabe an die Kammer. Leibbrand (wie Anm. 706), 1862 (23. Jg.), 303f. 711 Unmittelbare Königliche Dekrete von Karl, von Gottes Gnaden König von Württemberg. In: Regierungs-Blatt für das Königreich Württemberg Nr. 15, Stuttgart 15. April 1872, 151f.

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»nach ihrem Bekenntnis, ihrer Verfassung und ihrer Wirksamkeit nicht in Widerspruch« zur Evangelischen Kirche in Württemberg.712 Als das sog. Dissidentengesetz 1872 verkündet war, schrieb der Vorsteher der wesleyanischen Methodistengemeinschaft in Württemberg in einer offiziellen Erklärung an das Konsistorium, »daß er durch dieses Gesetz, das allen religiösen Dissidenten-Vereinen vollständige religiöse Freiheit gewährt, die in oben genannten Verhandlungen enthaltenen Verbindlichkeiten und Einschränkungen, auch etwaige sonst von ihm oder seinen Vorgängern im Amte gemachte Versprechungen für sich, sowie auch für diejenigen, welche unter seiner Leitung stehen, als unbedingt aufgehoben betrachte und daher von nun an auch, wie andere Dissidenten-Vereine früher schon gethan, namentlich in Beziehung auf die Austheilung des heiligen Abendmahls von den im besagten Dissidenten-Gesetz gegebenen Rechte Gebrauch machen werde.«713

Damit war auch bei den Wesleyanern die Vorstellung, als eine weitere innerlandeskirchliche Gemeinschaft in Württemberg wirken zu können, zu einem offiziellen Ende gekommen. Wie die Heilbronner bischöflichen Methodisten feierten die Wesleyaner ihr erstes Abendmahl an einem 6. Januar, diesmal dem Epiphaniastag 1873. Sie teilten Brot und Kelch in ihrem Stuttgarter Saal in der Schmale Straße zu ihrer gewohnten Zeit außerhalb des parochialen Gottesdienstes um 15 Uhr. Alle drei methodistischen Gemeinschaften in Württemberg haben mindestens ein Jahrzehnt auf eine autonome Kirchenbildung verzichtet. Ihr Motiv war theologisch begründet: Menschen in die Nachfolge Christi zu rufen war ihnen wichtiger als konfessionelle, oder in ihrem Fall besser gesagt denominationelle autonome Kirchen zu organisieren. In theologischen Termini ausgedrückt: Die Gewissheit des Heils und das Leben in einer christlichen Gemeinschaft hat Vorrang vor der konfessionell bestimmten Gemeinde. Anders gesagt: der Ort der Soteriologie hat seinen Platz vor der Ekklesiologie. Das war die Grundhaltung aller frühen methodistischen Aktivitäten in Württemberg und überall sonst. Dies umzusetzen, waren sie völlig ausgefüllt. Sie waren keine theologischen Systematiker, eher schon strategische Missionare. Eine weitsichtige theologische Begleitung und Beratung mit ausreichend Kenntnissen über die kirchlichen Verhältnisse in Deutschland fehlte ihnen. Wenn der aufsichtführende Bischof auf die Anfrage über diesen inner-landeskirchlichen Weg antwortete, er sei »über ein solches Experiment besorgt, aber es sei schließlich viel besser, zu predigen und bloß Gemeinschaften (»mere Societies«) zu bilden, als die Menschen in

712 Ebd. 713 Schreiben Vorsteher der Wesleyanischen Methodistengemeinschaft an das Konsistorium vom 23. Sept. 1872. LKASt A26/503.

Eingeschränkte bürgerliche Rechte

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ihren Sünden zu belassen,«714 dann zeigt sich darin wieder die für die Methodisten typische theologische Akzentsetzung. Die in Württemberg tätigen Missionare und Prediger hatten diese Position für sich verinnerlicht. Aber die alltägliche Praxis ließ deren Umsetzung nicht zu. Der Schritt zur Kirchenbildung war unausweichlich, aber es war in vorökumenischer Zeit um des Evangeliums und der Menschen willen ein ehrlicher Versuch, der bisher nicht gewürdigt worden ist.

3.8

Eingeschränkte bürgerliche Rechte

Weder die Konstituierung unabhängiger Kirchen noch der Erlass des ›Dissidenten-Gesetzes‹ haben den Rechtsstatus der Kirchen verändert. Die fehlende rechtliche Anerkennung machte es ihnen unmöglich, Grundbesitz oder Immobilien zu erwerben, Kapellen für die Gemeinden oder Wohnungen für die Prediger zu bauen und entsprechende Bankgeschäfte zu tätigen. Auf dieses Problem wird an anderer Stelle eingegangen. Hier wird zunächst an einem Beispiel gezeigt, was es für ein aus der Landesskirche ausgetretenes Mitglied, das sich in dem Fall der Evangelischen Gemeinschaft angeschlossen hat, bedeutet, seine bürgerlichen Rechte zu verlieren. Ein eigentlich belangloser Vorgang um die Arbeitslehrerin Rosine Eisele aus Mettingen, heute ein Stadtteil von Esslingen, zeigt, wie der Verlust von bürgerlichen Rechten auch jene treffen kann, die sich um diese Frage in ihrer Schlichtheit keine Gedanken gemacht haben. Auf Veranlassung von Helfer Gruner tagte im Januar 1879 der Ortsschulrat Esslingen. Gruner teilte mit, »daß er erfahren habe, am Christfest haben die sog. Methodisten im Schullokal in Mettingen eine Feier gehalten, er aber nicht darüber gefragt worden sei.«715 Das Gremium forderte daraufhin den dortigen Lehrer Commerell zu einer schriftlichen Äußerung auf. Zwei Tage später schrieb er seine »Äußerung«, die er mit einer so energischen Zurückweisung von Schuld beginnt, dass der heutige Leser den Eindruck gewinnt, es müsse sich um eine ziemlich dramatische Angelegenheit gehandelt haben. Lehrer Commerell schrieb: »Vor allen Dingen muss ich mich entschieden dagegen verwehren, als ob ich in dieser Sache auf eigene Faust gehandelt hätte. Ich habe die Erlaubniß zur Abhaltung der Feier nicht gegeben, wie sich alsbald herausstellen wird.«716 Der Konflikt war ausgelöst durch eine junge Frau namens Rosine Eisele. Sie gehörte seit 1870 der Evangelischen Gemeinschaft an und war eine der 47 eh714 Ebd., 994. 715 Auszug aus dem Ortsschulrath-Protokoll der Sitzung vom 14. Jan. 1879. LKASt A26/504. 716 Schullehrer Commorell an den Ortsschulrath Mettingen, vom 16. Jan. 1879. LKASt A26/504. Hervorhebungen übernommen.

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renamtlichen Lehrer und Lehrerinnen in einer der zu dieser Zeit acht Sonntagsschulen des Gemeindebezirks Esslingen.717 Beruflich war sie, nachdem sie ihre Prüfung bestanden hatte, seit dem Dezember 1877 im städtischen Bereich als Arbeitslehrerin tätig, um Kindern Fertigkeiten mit textilen Materialien zu vermitteln. Sie hatte in der Vorweihnachtszeit 1878 den Mettinger Schullehrer Commerell gefragt, ob sie im dortigen Schullokal mit Kindern eine »Christbaumfeier« halten dürfe. Lehrer Commerell verwies sie an den Schultheißen. Wenn er es erlaube, werde er nichts dagegen haben. Als der Lehrer von der Genehmigung erfuhr, hatte er keine Bedenken, »wobei«, wie er in seiner persönlichen Stellungnahme gegenüber dem Ortsschulrat später erklärte, er »sich um so mehr beruhigte, als ich wußte, daß auch Kinder von entschiedenen Nichtmethodisten betheiligt waren und ich das Ganze als eine harmlose Weihnachtsbescherung auffaßte, was es denn auch in der Wirklichkeit war.«718 Commerell hat die Feier selber besucht und erlebte eine kurze, einfache Ansprache, hörte Gesang und Deklamationen und sah vor dem Schlussgebet die »Vertheilung von Christgeschenken« an die Kinder. In seinem Bericht an den Ortsschulrat Mettingen fasste der Lehrer am Schluss zusammen, er habe, »so aufmerksam ich auch die Sache mit critischem Blick verfolgte […] nichts gehört, was etwa gegen die Grundprinzcipien unserer evangelischen Kirche verstoßen hätte.«719 Nach den Vorstellungen vom Miteinander der Kirchen im 20. Jahrhundert müsste man denken, dass mit diesen Erklärungen die Episode abgeschlossen gewesen wäre. Aber im 19. Jahrhundert gingen die Uhren noch anders. Staat und Staatskirche waren eine fest verbundene Einheit. Der Staat scheute sich nicht, seine Kirchenbeamten auch gegen nicht geduldete christliche Minderheiten einzusetzen. Schon am 21. Januar 1879 tagte der Ortsschulrat erneut. Die Antwort vom Mettinger Schullehrer Commerell führte zu dem Beschluss, »aus diesem Anlaß an sämtliche Filialschullehrer ein Schreiben zu richten und sie darauf hinzuweisen, daß das Schullokal, (abgesehen von der gewöhnlichen Benutzung) nur durch die Ortsschulbehörde durch Vermittlung des Ortschulinspektors, nicht aber durch das Filial-Schultheißenamt, eingeräumt werden könne.«720 Arbeitslehrerin Eisele soll zur nächsten Sitzung eingeladen werden. Eine Woche später fand die Vernehmung der Arbeitslehrerin Rosine Eisele vor dem Ortsschulrat statt. Der Schultheiß, verschiedene Vertreter der örtlichen Kirchengemeinde, darunter der Stadtpfarrer, Oberlehrer und Lehrer, Gemein717 718 719 720

Ulrich Ziegler, Mission – Anpassung – Veränderung. (wie Anm. 654), 26. Ebd. Ebd. Auszug aus dem Ortsschulrath-Protokoll der Sitzung vom 21. Jan. 1879. LKASt A 26/504.

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deräte und ein Stiftungsverwalter waren anwesend. In ihrer Mitteilung über die Umstände der Feier gab Frau Eisele an, »sie sei in Mettingen von einer Fabrikarbeiterfamilie Schweizers aufgefordert worden, den Lehrer Commerell zu fragen, ob nicht Herr Knapp,721 der Prediger der ›evangelischen Gemeinschaft‹, eine Weihnachtsfeier im Schullocal halten dürfe, worauf dieser sie an den Herrn Schultheiß gewiesen habe; sie gibt übrigens auch an, daß sie schon seit 6 Jahren Mitglied der ev. Gemeinschaft sei. […] Für sich selbst spricht sie übrigens aus, daß ihr das Verhältnis der ev. Gemeinschaft zur Landeskirche wohl bekannt gewesen sei.«722

Die Sonntagsschule in Mettingen, um deren Feier es ging, habe ihren Treffpunkt im Hause des Schuhmachers Müller. Nachdem Rosine Eisele den Raum verlassen hatte, erinnerte der Vorsitzende an einen Konsistorialerlass. Danach sei dem Konsistorium nach Einführung des obligatorischen Arbeitsunterrichts eine Information über die Person zuzuleiten. In der Debatte gab es verschiedene Positionen. Man solle Frau Eisele »zum Aufgeben der Stelle veranlassen« und »man solle zunächst dem Stiftungsrath von der Sache Kenntniß geben«, der Stadtpfarramtsunterverweser Dr. Braun wünschte, »daß zunächst noch die Frage an sie [Rosine Eisele] gerichtet werde, ob sie ihre Stellung als Arbeitslehrerin zur Werbung von Kindern für die ev. Gemeinschaft benützt habe, z. B. die Kinder zur Sonntagsschule aufgefordert.« In einer neuen Befragung durch Stadtpfarramtsverweser Dr. Braun erklärt die Angeklagte, »das sei nicht geschehen, nur gefragt habe sie, ob und welche Kinder in die Sonntagsschule der ev. Gemeinschaft gehen, und daß die Kinder schon vorher dahin gegangen seien.« Daraufhin teilte der Vorsitzende mit, »daß man durch die Gesetze verpflichtet sei, den Sachverhalt dem Konsistorium mitzutheilen.« Er wirft aber auch die Frage auf, »ob es angemessen sei, vor der Anzeige an das Konsistorium dem Stiftungsrath Mittheilung zu machen; dafür spricht noch einmal der Herr Stiftungsverwalter, indem er darauf hinweist, daß 1. die Eisele vom Stiftungsrath angestellt sei und 2.) ein Unterschied zwischen Lehrer und Lehrerin bestehe.« Diese Überlegung fand aber keine Zustimmung. Ein Mitglied des Ortschulrats meinte, »man möge die Sache recht still abmachen.« Das geschah aber auch nicht. Am 31. Januar 1879 teilte das Bezirksschulamt Esslingen dem Königlichen ev. Konsistorium durch Übersendung der inzwischen angesammelten Akten den Vorgang mit. Dem Begleitschreiben wurden noch einige erwähnenswerte »Be721 Prediger Jakob Knapp war von 1877–1881 in Esslingen tätig, später wurde ihm die Leitung des Berliner Distrikts anvertraut. Er ist einer der drei Gründer der Diakonissenarbeit »Bethesda« in Wuppertal. 722 Auszug Ortsschulrath-Protokoll vom 21. Jan. 1879 (wie Anm. 720).

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merkungen« hinzugefügt. Rosine Eisele (* 11. Juli 1855) ist seit Dezember 1877 angestellt, nachdem sie im Sommer 1877 eine Ausbildung auf Kosten der hiesigen Stiftung besucht hat. Ihr Benehmen und Auftreten mache einen guten Eindruck und ihr Verhalten ist im Ganzen löblich, wenngleich nicht ganz tadellos, da sie früher die Schulstunde nicht pünktlich hielt. Ein entscheidender Mangel sei gewesen, dass sie bei ihrer Meldung zum Lehrerkursus nicht gemeldet hat, Mitglied der Evangelischen Gemeinschaft zu sein. Schließlich schrieb das Bezirksschulinspektorat Esslingen an das Königliche Ev. Consistorium: »Die Anstellung einer Methodistin an der Schule in Mettingen erscheint aber um so bedenklicher, als diese Sekte gerade dort mit besonderem Eifer u. Erfolg thätig ist; bei der principiellen Bedeutung der Sache u. bei dem neuerdings augenscheinlich erhöhten Bemühen der Methodisten, überall Leute zu gewinnen, erscheint eine höhere Anweisung, was in solchen Fällen zu thun ist, angezeigt.«723

Über das Generalat Ludwigsburg erreichte der Bericht gemäß eines höheren Erlasses724 das Konsistorium in Stuttgart. Durch eine Randnotiz auf dem eingegangenen Schreiben erklärt sich die Unsicherheit in Esslingen, wie mit dem Vorgang umzugehen sei. Dem Konsistorium lag weder eine Mitteilung über den obligatorischen Arbeitsunterricht in Nellingen vor noch eine Notiz, dass die Wahl der Lehrerin Rosine Eisele genehmigt worden sei. Selbst Prälat Hauber wurde eingeschaltet, der sich wundert, »daß der kirchlich sonst so korrecte ja eifrige Schullehrer Commerell in die Falle gegangen ist.« Er hätte die Sache, nachdem die Eisele den Sendling Knapp zum Halten der Weihnachtsfeier einladen wollte, es beim Ortinspektor zur Anzeige bringen sollen.725 Eine weitere namentlich nicht identifizierbare Notiz hält die Einräumung des öffentlichen Schullokals für die Feier für »unzulässig«. Ebenso »scheint es mir auch sehr bedenklich, eine erklärte Angehörige der Methodistengemeinschaft als ordentliche Arbeitslehrerin anzustellen oder zu belassen.« Danach folgt der innerhalb des Konsistoriums herausgebildete und in Erlassen verbreitete Vorwurf, die Eisele habe »sich überdieß als echte Methodistin durch den Mangel an Aufrichtigkeit dokumentiert« und zwar »beim Antritt ihrer Lehrstelle und wie es scheint auch Einfädelung der Weihnachtsfeier.« Schließlich heißt es: »Das weitere Verfahren gegen sie wird lediglich [letztlich?] in die Kompetenz der Oberschulbehörde gehören.«726 723 Schreiben Königliches Bezirksschulinspektorat Esslingen an das Königliche Ev. Consistorium. LKASt A 26/504. 724 Erlass vom 6. Oktober 1877, Amtsblatt S. 2717, Abs. 1. 725 Aktennotiz zum Schreiben des Königliches Bezirksschulinspektorats Esslingen an das Königliche Ev. Consistorium. LKASt A26/504. 726 Ebd.

Erlasse zum Auftreten methodistischer Sendboten

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Der weitere Gang wird hier nicht verfolgt. Es ist ausreichend konkret gezeigt, was es bedeutet, einer Kirchengemeinschaft ohne Rechte anzugehören und wie es sich bis in das berufliche Leben selbst einer schlichten Hilfskraft im schulischen, also von Staat und Kirche beaufsichtigten Bereich gesellschaftlichen Lebens auswirken kann. Heute ist es schwer vorstellbar, dass eine Arbeitslehrerin in einer Dorfschule vom Staat in Verbindung mit dem Konsistorium überwacht wurde. Der Vorgang erinnert an den ›Radikalenerlass‹ von 1972, der ebenfalls Bewerber um Einstellung in den öffentlichen Dienst betraf.

3.9

Erlasse zum Auftreten methodistischer Sendboten

In den Jahren zwischen 1860 und 1890 kam es zu verschiedenen landeskirchlichen Kundgebungen, die sich mit den methodistischen Kirchen im Lande auseinandersetzen, über sie informierten und am Ende Normen für der Verhalten der Landeskirche zu ihnen bereitstellten. Allein dass es sich um »Erlasse«, »Synodal-Ausschreiben« und endlich um einen »Synodal-Erlasse« auf der Grundlage einer anderen Erklärung handelte, die von unterschiedlichen Gremien entworfen und sich dazu an unterschiedliche Empfängerkreise richteten, zeigt Unsicherheiten. Es stellte sich die Frage: Wie soll die heimische Kirche mit den kooperationsbereiten, ja im Grunde integrationswilligen methodistischen Gemeinschaften umgehen? Das erste »Ausschreiben« wurde 1860 noch vor den methodistischen Kirchenbildungen, die wenige Jahre später erfolgten, an die landeskirchlichen Gemeinden gerichtet.727 Es war schon von der Sorge erfüllt, gegebene Zusicherungen würden sich nicht erfüllen. Alle drei Zweige hatten in Aussicht gestellt, sich allein auf eine gemeinsame Mission zu konzentrieren und keine Kirchenbildung anzustreben. Um den »Geistlichen sowie den Orts- und Bezirksbehörden auch jener besonderen Erscheinung gegenüber den Weg ihrer Pflichten und Rechte vorzuzeichnen«, wurde dieses Schreiben breit gestreut. Auch wenn keine besonderen Verhaltensnormen gegeben werden sollten, zeigt der Text doch von Anfang an eine berechtigte Skepsis. Es war auch aus methodistischer Sicht hilfreich, allen landeskirchlichen Mitarbeitern die Grundzüge methodistischer Theologie und Praxis zu vermitteln. Die Frage war nur, wie es geschah. Es war sicher gut, wenigstens die Namen einmal gehört zu haben: ›Wesleyaner‹, ›Albrechtsbrüder‹ oder ›Evangelische Gemeinschaft‹ und ›bischöfliche Methodisten‹, die aber im weiteren Verlauf des Schreibens nicht mehr differenziert gesehen wurden. Problematisch war die 727 Synodal-Ausschreiben, betreffend das Auftreten methodistischer Sendboten in Württemberg (wie Anm. 361), 517–528.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

inhaltliche Beschreibung. Sie schien sich an den Vorstellungen, die in polemischer Absicht aus Amerika vermittelt worden waren, sich aber als Fehlinterpretation entpuppten, zu orientieren. Einige Stichworte aus dem Ausschreiben machen das deutlich. Es gebe, heißt es in dem Erlass, eine Norm über Erweckung und Buße, Buße erfolge als »Bußkampf« in besonderer Form, die Bekehrung sei ein »Stufengang«, Methodismus meint die »Methode« eines Sturmes der Buße im Gemüt. Wie üblich waren darüber Zeit- und Ortsangaben erwartet. Im erwähnten Bußkampf gibt es traurige Verirrungen und gewaltsames Drängen. Das war nicht nur ein unzutreffendes Bild, sondern auch eine negative Folie für die weiteren Entwicklungen. Dies bestätigte sich bei den Pfarrern nicht, die im Bereich ihrer Parochie einen methodistischen Missionar erlebten. Vielleicht war das der Grund auch anerkennend zu erwähnen, dass »der eine oder andere Missionär die Zuneigung gewonnen habe«, dass manche in der Predigt »gleichgültig« Gelassene und von denen »des bei Vielen in Schlaf gesunkenen religiösen Sinnes eine ernstliche Rückkehr zum lebendigen Christenthume« erhofft werde. Der Synodus räumte in seinem Schreiben selbst ein, »daß die durch solche Vorträge Angefaßten darum den öffentlichen Gottesdienst nicht hintansetzen.«728 Vorher war schon allgemein ausgeführt: »In der That steht auch der Methodismus mit seiner Glaubenslehre wesentlich auf demselben Grund mit den Kirchen der Reformation, wobei er jedoch seinen Begriff vom Sakrament mit den reformirten theilt und also hierin von unserer Lehre abweicht.«729 Der Synodus als Herausgeber des Erlasses war ein kleines Gremium der Kirchenleitung und nicht etwa eine Synode. Er sah – wie das Konsistorium – die Hauptprobleme in den Klassversammlungen und den Liebesfesten. Über beide Versammlungsformen machte er umfassende Ausführungen. Dabei wurde unter Berufung auf das Pietisten-Reskript von 1743 betont, dass beide Versammlungsformen eine Verletzung der kirchlichen Ordnung darstellen. Der Autor des Ausschreibens, Prälat Albert von Hauber (1806–1883), hatte den Informationen noch eine skeptische Notiz beigegeben. Er bezweifelte die von den Missionaren der methodistischen Gemeinschaften unabhängig voneinander gegeben Zusagen, keine Kirche bilden zu wollen. Die seien von ihnen nicht so gemeint. Im Erlass wird diese Bereitschaft in einer Passage in einer Weise interpretiert, wie sie gewiss von den Unterzeichnern der Erklärungen nicht gemeint war und wie sie es auch nicht formuliert hatten. Nach der Erwähnung über Spaltungen unter den Methodisten in ihren Heimatländern wird den Empfänger des Erlasses mitgeteilt: es sei hier noch nichts von solchen Tendenzen wahrgenommen 728 Ebd., 521. 729 Ebd., 520. Eigenartig erscheint der Hinweis auf die Sakramente, die in der Debatte bisher gar keine Rolle spielen.

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worden. Auch habe das Consistorium keine Informationen über eine Verbreitung derjenigen Lehren, worin der Methodismus von der evangelisch-lutherischen Lehre unserer Landeskirche abweicht. Diese Passage schließt mit dem eigenartigen Hinweis, es liegen seitens der Missionäre mehrfache Versicherungen vor, »daß sie gewillt und dahin instruirt seien, sich innerhalb der Lehrund Ordnungsgrenzen unserer Landeskirche zu halten und keineswegs eine eigene Kirche unter aus aufzurichten.«730 Den Willen auf den Verzicht der Bildung autonomer Kirchen haben sie in der Tat von Anfang erklärt und das auch durch ihre Rücksichtnahme bewiesen. Ihn aber mit der Unterwerfung unter die »Ordnungsgrenzen« der Landeskirche in Verbindung zu bringen und damit jede spirituelle Innovation durch Klassen und Liebesmahle auszuschließen, bedeutete etwas anderes. Das haben die württembergischen Behörden und die Kirche zwar zunächst mit dem Pietismus und dann mit den verschiedenen Gemeinschaften, teilweise auch mit der Brüdergemeinde in Korntal, erreicht. Man muss jedoch sagen, eine solche Einordnung hätte die Mission der methodistischen Bewegungen überflüssig gemacht, denn Württemberg brauchte nicht noch eine weitere Gemeinschaft, die den dortigen ähnlich sein würde. Die von den Behörden und der heimischen Kirche besonders kritisierten Klassversammlungen und Liebesmahle waren Innovationen, die sich in methodistischer Regie auch in Württemberg bewährt hatten und auf welche zu verzichten die Methodisten nicht bereit waren. Nachdem der Synodus im Erlass ausführlich und kritisch über die Klassen und das Liebesmahl informiert hatte, wurde das scheinbar eigentliche Ziel in den Fokus gerückt. Die zu dieser Zeit noch nicht absehbare Bildung methodistischer Kirchen in Württemberg wurde im Schlussteil des ›Ausschreibens‹ zum Hauptmotiv dieser Mitteilung an die Pfarrer und Gemeindeältesten. Am Schluss ihres Erlasses erteilte die Oberkirchenbehörde »Aufschlüsse und Weisungen«. Das war ihre Aufgabe und zu begrüßen. Der Erlass fügte am Schluss seine Einschätzung in der Frage der methodistischen Kirchenbildung ein. Die Kirchenbehörde fühlte sich verpflichtet »zum Schluß noch der von mehreren Seiten gegen sie ausgesprochenen Besorgniß erwähnen zu müssen, es möchten aus den methodistischen Missionen bei uns doch zuletzt bleibende methodistische Kirchensysteme und also eine Spaltung in unserer evangelischen Landeskirche entstehen.«731 Man kann einen mitschwingenden Anlass für die Herausgabe des Erlasses auch darin vermuten, dass er nicht allein das Ziel verfolgte, Aufklärung und Information über die Methodisten zu geben. Es ist nicht ausgeschlossen, darin gleichzeitig eine indirekte Aufforderung an die Leiter der methodistischen Be730 Ebd. 731 Ebd., 527.

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wegungen sehen, sich erneut zu erklären, verbunden mit einer Mahnung an die Versammlungsbesucher heißt es im Text: »Die methodistischen Missionäre aber und die Besucher ihrer Versammlungen haben den Beweis, daß keine eigene Kirchenbildung beabsichtigt sei, eben dadurch zu führen, daß sie sich willig auch in diese wohlgemeinte Ordnung unserer Landeskirche fügen, durch welche die Liebesmahle untersagt sind, die nicht bloß das Ansehen eines abgesonderten Gottesdienstes haben, sondern auch, zumal wo viele andere nicht näher Bekannte, wo Neulinge und Personen jeden Alters und Geschlechts zusammenkommen und in der Nacht wiederum auseinander gehen, Anlaß zu Unfug und schlimmen Nachreden geben.«732

Dieser Ansatz, die methodistischen Gemeinschaften in die traditionellen Ordnungen einzubinden, verstärkte eher den von den Methodisten nicht gewollten Konflikt als dass er ihn einer Lösung zuführte. Sogar die Staatsregierung wurde mit später immer wieder auftauchenden ethisch verunsichernden Andeutungen an ihre Pflicht erinnert, die in diesem Zusammenhang auch darin bestehe »[D]ie definitive Bildung neuer Religions-Gesellschaften zu versagen oder unter gewissen Umständen zu gewähren, […] wobei dieselbe ohne Zweifel schon im öffentlichen Interesse auch darauf sehen wird, welche sittlichen Bürgschaften die Urheber solcher Vereinigungen zu geben im Stande sind.«733

Dreißig Jahre haben die Wesleyaner keine Taufen vollzogen und zu keiner Feier des Heiligen Abendmahls eingeladen. Sie haben ihre Anhänger zu Gottesdienst und Sakramentsempfang in die parochialen Gemeinden geschickt. Das bezog sich nicht etwa nur auf die Klassmitglieder, auch alle heimischen Prediger waren nach wie vor Mitglieder der Landeskirche. Über die Wesleyaner heißt es: »C. G. Müller und seine Anhänger [haben sich] gegenüber der Landeskirche loyal und in der Teilnahme an Gottesdiensten und Abendmahlsfeiern geradezu vorbildhaft verhalten.«734 Welche anderen Möglichkeiten als diese konkreten Zeichen zu setzen, wurden den Methodisten geboten? Woher die in verschiedenen Zusammenhängen erfolgten Hinweise und Fragen zum »sittlichen Stand der Urheber« kommen, ist nicht zu ergründen. An keiner Stelle ist über irgendwelche Ausartungen in Klassversammlungen zu später Stunde berichtet. Und kein konkreter Hinweis im Zusammenhang mit Liebesfesten oder Klassversammlungen stütz derartige Bedenken. Man kann im Gegenteil davon ausgehen, dass durch das methodistische Verständnis eines zu heiligenden Lebens ein christlich verantworteter Lebensstil nicht nur die Sonntagsheiligung betraf. Es waren eigenartige Vermutungen oder Verdächtigungen, die hier und da in amtlichen Dokumenten publiziert wurden. 732 Ebd., 526f. 733 Ebd., 528. 734 Burkhardt, Christoph Gottlob Müller, (wie Anm. 312), 255.

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Das Ausschreiben schien mit dem Versuch verbunden gewesen zu sein, auf diesem Wege den Methodisten die Gedanken des Synodus mitzuteilen. Dass auch sie die Zeilen lesen würden, dessen konnten die Autoren gewiss sein. Wenn sie dann den Text miteinander erörterten, lernten sie die später zu vielfacher Benutzung fällige Terminologie kennen. In der Sprache Haubers konnten sie lesen: Es »steht fest, daß die methodistischen Missionäre, welche bei uns stationiert sind, auf Gründung eigener Kirchen in unserem Lande nicht hinarbeiten könnten, ohne sich der Unredlichkeit schuldig zu machen, bestünde diese nun in einem Wortbruch oder in einer Zweideutigkeit des gegebenen Wortes, und nicht minder unredlich würden diejenigen Genossen unserer Landeskirche handeln, welche sich dazu gebrauchen ließen, gleichzeitig in zweierlei Kirchenregistern verzeichnet zu stehen – öffentlich in den unsrigen und heimlich in auswärtigen, und während sie äußerlich zu uns halten, innerlich anderswohin sich zu verschreiben.«735

Diese indirekte Mahnung war nicht geeignet, Brücken zu bauen und Vertrauen zu begründen. Die Begriffe »Unredlichkeit«, »Wortbruch« und »Zweideutigkeit« sind belastende Vorleistungen für die bald aufflammende und lange Zeit darüber hinaus anhaltende Diskussion. Noch 1928 tauchten sie wie eine nicht abgetragene Hypothek wieder. Anlass dazu gab die vom Staat geforderte rechtliche Klärung der sog. Doppelmitgliedschaften.736 Sie waren durch die Anerkennungen der beiden methodistischen Kirchen als Körperschaft des öffentlichen Rechts juristisch in eine gleichrangige Liga aufgestiegen. Der Staat wollte nun vermutlich aus Gründen der kirchlichen Besteuerung wissen, wer zum wem gehört. Zur Vorbereitung des Konsistoriums der Gespräche verfasste Friedrich Fritz eine Schrift über »Das Eindringen des Methodismus in Württemberg«. Darin stützte sich einseitig auf landeskirchliche Quellen und kam erneut zu dem Urteil, wie es im Ausschreiben 1860 angekündigt war : Mit den methodistischen Sendboten habe es die Kirche »nicht mit zuverlässigen Männern zu tun« gehabt.737 Er referierte nach mehr als sechzig Jahren die Aussagen des SynodalAusschreibens über die Haltungen der »Unredlichkeit«, des »Wortbruchs« und der »Zweideutigkeit« kommentarlos.738 Das 1860er Synodal-Ausschreiben markiert einen Einschnitt und für die methodistischen Kirchen einen einschneidenden Wendepunkt. Für sie machte 735 Synodal-Ausschreiben (wie Anm. 361), 528. 736 Karl Heinz Voigt, Der Weg zur ersten Vereinbarung zwischen einer Landeskirche und einer Freikirche – Evangelische Gemeinschaft und Württembergische Landeskirche. In: FF Bd. 17 (2008), 257–274. 737 Fritz, Eindringen des Methodismus (wie Anm. 151), 55. Hervorhebung übernommen. 738 Ebd., 53.

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der Erlass unmissverständlich deutlich, wie eindeutig der Synodus den methodistischen Gedanken eines Zusammenwirkens ablehnte. Wie immer die Verhältnisse sich entwickelten, die aus Amerika gekommenen Methodisten mussten erleben, dass sie aus ihren Erfahrungen überkonfessioneller Zusammenarbeit in Übersee mit falschen Vorstellungen gekommen waren. Sie hatten sich nach der Revolution ein Land mit Religionsfreiheit vorgestellt, wie sie es aus Amerika kannten. Und sie sind davon ausgegangen, dass die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert hier und da auftretenden Erweckungsbewegungen sie zu ihrer missionarischen Unterstützung willkommen heißen würden. Beide Vorstellungen haben sich nicht erfüllt. Die sich auf die Revolution gründende Hoffnung war durch die politische Restauration einer Ernüchterung gewichen. Die am Anfang des 19. Jahrhunderts in Erscheinung getretenen Erweckungen waren zu dieser Zeit schon erheblich stärker konfessionell orientiert, als dieses am Anfang in Erscheinung getreten war. Die Vorstellungen von einer Zusammenarbeit erwiesen sich als eine Illusion. Am Ende waren es eher liberale Theologen,739 die sich für eine konfessionelle Pluralität offener zeigten als die frommen Zweige in den Kirchen, die eher eine Konkurrenz befürchteten.740 Das Synodal-Ausschreiben wurde durch eine scharfe Replik741 des württembergischen Theologen Philipp Paulus beantwortet. Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, ohne den Inhalt zu referieren. Paulus war ein unglücklicher Kämpfer für Religionsfreiheit und die Gestaltung der Kirche ohne Staat und ohne Schule unter kirchlicher Aufsicht. Darum gehörten auch die bischöflichen Methodisten und noch mehr die Evangelische Gemeinschaft zu seinen Sympathisanten. Seine »geschichtliche Berichtigung und Beleuchtung«742 des 1860er Erlasses war so provozierend, dass sein »Nachbar«, der in Ludwigsburg wirkende methodistische Prediger Heinrich Nuelsen (1826–1911), als er vor der

739 Beispiele sind: Eberhard Goes, Die Friedhofsfrage. Konfessions- oder Simultanfriedhöfe, Gießen 1905, auch Friedrich Naumann im Rahmen der Weimarer Verfassungsverhandlungen (Vgl. 4.6). 740 Die von methodistischen Frömmigkeitsformen mitgeprägte Gemeinschaftsbewegung wies damals diesen ausländischen Einfluss zurück und wehrte sich gegen die »Methodisterei«. Ein Beispiel bei Hahn-Bruckart, Schlümbach (wie Anm. 352), z. B. Andreas Graf von Bernstorff zitiert (S. 387). 741 Es wurde auch im voraufgegangenen Teil 2 darauf verzichtet, die in ganz unterschiedlichen Kleinschriften erfolgten Reaktion durch Methodisten auf die mehrheitlich polemischen Schriften aus dem Bereich der Landeskirchen einzubeziehen. (Übersicht im Anhang). 742 Paulus, Das jüngste Synodal-Ausschreiben. Eine geschichtliche Berichtigung und Beleuchtung (wie Anm. 361), 16 S.

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Drucklegung das Manuskript einsah, noch manche Milderung vorgenommen hat.743 Aktueller als Philipp Paulus ist eine Stimme unserer Zeit zu den Erlassen. Henning Pahl hatte sich schon mehrfach mit dem Wandel von der Rolle der Institutionen im 19. Jahrhundert befasst. In dem Zusammenhang hat er sich auch zu den hier behandelten Fragen der Beziehung der Württembergischen Landeskirche zu den Methodisten geäußert. Dabei kam in der Zusammenschau auch ihrer späteren diesbezüglichen Erklärungen zu dem Schluss: »Das Verhalten der Kirchenleitung erscheint aus der Rückschau ungeordnet, ohne klare Linie. Der Herausforderung durch den Methodismus begegnete die Landeskirche weder mit einer geschlossenen Abwehrfront noch mit dem Willen zur Integration, sondern mit zögerlichem Hin und Her. Selbst nach Überschreitungen des ausgemachten Handlungsspielraums744 durch die Methodisten, die Eingriffe in das ureigenste Tätigkeitfeld der Landeskirche darstellten, unterließen ihre Vertreter eine eindeutige Bewertung des Methodismus.«745

Schon im Dezember 1860 wurde vom Synodus entgegen der Absicht vom April ein weiteres Ausschreiben, diesmal mit »Richtlinien«, erlassen. Die verunsicherte, durch den Eintritt von Sixt Karl Kapff von ganz unterschiedlichen Vorstellungen des Umgangs mit den Methodisten gespaltene Kirchenleitung, erwies sich für die Haltung der Landeskirche selber und für die verunsicherten Pfarrer genauso wie für die methodistischen Missionen als ein Problem. Der Ulmer Prälat Hauber hatte auch dieses zweite Synodal-Ausschreiben entworfen. Es führte wieder zu ganz unterschiedlichen Reaktionen. Die bereits erwähnte »geschichtliche Berichtigung und Beleuchtung« von Philipp Paulus kam wie aus einem Vulkan, der immer wieder Feuer spie.746 Dessen 16seitige Schrift erlangte durch den Versand alle Pfarrer in Württemberg besondere Aufmerksamkeit. Beide, das Ausschreiben des Synodus und die Schrift von Paulus, haben den Graben zwischen der Landeskirche und den Methodisten 743 Bericht der beiden der dortigen [Ludwigsburger] Pfarrgemeinderäte über die in der Stadt befindlichen Methodisten vom 19. Juli 1860. LKASt A26/500, 13. – Ein Nachdruck der Schrift von Ph. Paulus erfolgte in der methodistischen Kirchenzeitung »Der Evangelist« unter »Einsendungen«, was man als eine vorsichtige Distanzierung interpretieren kann. Bremen 1860 (11. Jg.), 2099ff. 744 Es gab wohl von den Methodisten zugesagte Optionen, aber hat es einen »ausgemachten Handlungsspielraum« gegeben? Doch wohl höchstens einen zugeordneten, nämlich: sich der kirchlichen Ordnung, besonders dem 1743er Pietisten-Reskript, unterzuordnen. 745 Henning Pahl, Wie Institutionen klassifizieren – Die Auseinandersetzung der evangelischen Landeskirche Württembergs mit dem Methodismus im 19. Jahrhundert. In: Carsten Kretschmann, Henning Pahl, Peter Scholz (Hg.), Wissen in der Krise: Institutionen des Wissens im gesellschaftlichen Wandel, Berlin 2009, 101–116 (hier : 109). 746 Paulus, Synodal-Ausschreiben (wie Anm. 361).

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vertieft. Hauber als Verfasser des Ausschreibens sah sich durch diese Reaktion bestätigt. Das haben seine Synodus-Mitglieder nicht alle gleich gesehen. Die unterschiedlichen Reaktionen schienen dem Synodus den Anstoß gegeben zu haben, nun doch die Frage nach Konsequenzen für die Gestaltung der Beziehungen zu den Methodisten zu behandeln. Am 11. Dezember 1860 hielt Prälat Hauber vor dem Synodus erneut ein Referat.747 Es erweckt den Eindruck, als ginge es ihm auch noch einmal um eine Art Rechtfertigung des im April veröffentlichten Textes, den er entworfen hatte. Sein Referat begann der Prälat mit einer Vorbemerkung, dessen Tenor sich wie ein roter Faden durch seine ganzen weiteren Ausführungen hindurch zieht. »Bei Abfassung des mir im vor. Jahr aufgetragenen Syn. Ausschreibens die Meth. betreffend, konnte ich mich schwer enthalten, auszusprechen, daß man es nicht mit lauteren Menschen zu thun habe.«748 Einzelne Persönlichkeiten bestätigen nun die These, dass sie ihr Gesicht hinter einer »Maske« verbergen und die landeskirchliche Ordnung nicht akzeptieren. Hauber meinte, wenn sich die Oberkirchenbehörde »von der Unlauterkeit des methodistischen Treibens« überzeugte, würde sie ihre Haltung ändern. Das klingt, als sei er dort kritisiert worden. Allerdings sei die Zeit für ein Gesamtverbot noch nicht gekommen. Aber die Oberkirchenbehörde sah er verpflichtet, wegen der Aktivitäten des Philipp Paulus, dessen Zeitschrift ›Friedensglocke‹, und einiger seiner methodistischen Anhänger, er nennt die Prediger Wollpert, Nuelsen und Link, aktiv zu werden. Dann führte er nach seinem Manuskript weiter aus: »Hiezu scheint mir die Oberkirchenbehörde schon an sich verpflichtet um des Ansehens willen. Aber die Sache hat noch eine andere u. viel wichtigere Seite. Es sind die sittl. u gemüthl. Gefahren, welche sich bei den meth. Weibern immer mehr offenbaren, u dem begegnet werden muß.«749

Es sind merkwürdige Argumente, die Hauber hier erneut äußert. Erstaunlich ist, dass der Referent, dessen Kirche sich – wenn auch nicht allein, so doch vorrangig – aufs Wort beruft, keine theologischen Argumente ins Feld führt, sondern wieder argwöhnisch mit Andeutungen von denkbaren verwerflichen moralischen Handlungen Stimmung macht. Am Schluss seiner Darlegungen regte Hauber zum Umgang mit den Methodisten eine Anzahl von »Grundsätzen« an, von denen er glaubte, dass sie »für das fernere Verfahren in Anwendung zu bringen seyen.«750 Dazu gehörten: Erbauungsstunden durch junge Männer sollten unterlassen werden, wie auch bis in die 747 Synodalreferat betr. Methodisten, Referent Hauber, vorgetragen 11. Dez. 1860. Vortragsmanuskript: LKASt A26/501. 748 Ebd. 1. 749 Ebd., 9. 750 Ebd., 12–14.

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Nacht fortgesetzte Versammlungen und solche in Wald und Feld; er lehnte Erweckungsversuche mittels methodisch hervorgerufenem Aechzen, Stöhnen und Schreien ab, von denen er wahrscheinlich in der polemischen Literatur gelesen hatte und noch einmal wieder : Klassversammlungen, die von jungen Männern gehalten werden und an denen junge Frauen teilnehmen dürfen, sind abzulehnen. Schließlich macht er seiner Kirche einen erstaunlichen Vorschlag: »Wenn diese milden Mittel nicht anschlagen, so ist sich vorzubehalten, die Renitenten als außerhalb der Kirche stehend zu erklären und ihre ferne Überwachung der Regierungsbehörde anheimzustellen.«751 Damit führte Hauber einen Gedanken ein, welcher – jedenfalls soweit er in kirchlicher Macht liegt – durch einige Jahrzehnte hindurch nicht nur als Drohung und Mahnung verbreitet wurde, sondern unter später zu definierenden Voraussetzungen auch zum Vollzug kam. Außerdem brachte Prälat Hauber kirchliche und polizeiliche Überwachungsmaßnahmen als Kirchenzucht ins Gespräch. Es wäre interessant, einmal einen Vergleich mit anderen Gründen für Kirchenzuchtmaßnahmen jener Zeit herzustellen. Wie unschlüssig die Kirchenbehörde in der Frage des Umgangs mit den Methodisten war, zeigt nicht nur die erneute Befassung des Synodus durch das Referat Haubers, sondern auch die daran anschließenden Äußerungen. Trotzdem wurden noch im Dezember die im Vortrag vorgeschlagenen »Richtlinien« in wenig veränderter Form veröffentlicht. Weitere Synodal-Erlasse folgten: Zuerst einer zur methodistischen Sonntagsschule, diesmal verantwortet von der konsistorialen Schulbehörde, deren Anweisungen zum Verbot der ›Kinderstunden‹ – gemeint waren die Sonntagsschulen – nach weniger als einem Jahr zurückgenommen wurden. Danach kamen die abwechselnden Anordnungen für den Ausschluss nach Abendmahlsteilnahme bei den Methodisten, dann die Veränderung durch spezielle Ausnahmen und schließlich eine allerdings nur vorübergehende Zurücknahme heraus.752 Dieses Hin und Her lässt auf Meinungsverschiedenheit in dem kleinen Kreis der Synodus-Mitglieder schließen. Man kann sich gut vorstellen, wie der vom Denken in gesetzlicher Ordnung bestimmte Hauber andere Vorstellungen vertrat als der pietistische Sixt Karl Kapff. Und Oberhofprediger Karl Grüneisen (1802–1878), der gerade in diesen Jahren die Verhandlungen der sog. ›Eisenacher Konferenz‹ als Beratungsgremium von Landeskirchen als Präses leitete, hat bei dieser Gelegenheit über die Grenzen des heimatlichen Königreichs hinausgeschaut und die Skepsis erlebt, die man dort dem Weg der Württem751 Ebd., 12. 752 Pahl, Institutionen klassifizieren (wie Anm. 746), 108.

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berger entgegen brachte. Es war zuerst 1855, dass die Kirchen in Eisenach unter seinem Vorsitz den Umgang mit und die »Behandlung der Secten« beraten hatten.753 Dass Prälat Albert von Hauber im Synodus bis 1869 regelmäßiger Referent zur Frage des »Methodismus« blieb, hat die Haltung seiner Kirche zu Methodisten maßgeblich beeinflusst, und zwar weder zum Vorteil seiner Kirche noch zur Befriedung des andauernden Konflikts. Schon zur Zeit der Übernahme der Ulmer Prälatur war in seiner Diözese der Besuch der beiden Missionare der Evangelischen Gemeinschaft Nikolai und Link erfolgt. Sie waren im Januar 1852 vermutlich durch briefliche Amerika-Kontakte nach dort eingeladen und nahmen ihren Besuch wahr, eine Hausandacht zu halten. Nikolai besuchte auch den Stadtpfarrer Ludwig August Knapp (1812–1886) und wurde »freundlich und brüderlich« empfangen. Als er zu Dekan Christian August Landerer (1800–1875) kam, um die übliche Erlaubnis zu Versammlungen einholen, wies der ihn als »Landläufer«, die dort nicht nötig seien, schroff ab.754 Es ist denkbar, dass Hauber als Prälat auch noch mit dieser Sache befasst war. Der promovierte Theologe war auch in verschiedenen Bereichen mit der Klärung von Rechtsfragen beauftragt, zuerst beim ehegerichtlichen Senat in Tübingen und später am gleichen Ort als Lehrbeauftragter für württembergische Kirchen- und Schulgesetzgebung. Das erklärt seine Art des Vorgehens, welches in Gedankenführung, Wertung und Sprache mehr von formal-juristischen als theologisch-geistlichen Vorstellungen geprägt war. Zu seinem einschneidenden Vorschlag über die durchzuführende Kirchenzucht im Falle methodistischer Amtshandlungen wird der Ulmer Prälat mit den kirchenrechtlichen Kenntnissen muss gewusst haben, warum er diese Maßnahme so eigenartig formulierte, landeskirchliche Abendmahlsteilnehmer bei den Methodisten als »außerhalb der Landeskirche stehend zu erklären«. In anderen Landeskirchen wie z. B. Preußen erfolgten Verweise auf kirchenrechtliche oder juristische Grundlagen, die in den württembergischen Äußerungen fehlen. Eigenartig mutet auch die Vorstellung an, gewisse Entwicklungen der »fernerer Ueberprüfung der Regierungsbehörde anheimzustellen«. Gemeint ist die Teilnahme von Landeskirchlern an methodistischen Mahlfeiern.755 Kirchliche und insbesondere seelsorgerlich verantwortete Kirchenleitung gegenüber den eigenen Mitgliedern ist das gerade nicht. Dass Hauber 1868 die Prälatur und Superintendentur Ludwigsburg übernahm, lässt

753 Protokolle der deutschen evangelischen Kirchen-Conferenz in Eisenach. Abgehalten im Juni 1855. In: Allgemeines Kirchenblatt für das evangelische Deutschland, 1855, 38–40. 754 Eingabe an das Konsistorium von Johann C. Link und Johann Nikolai vom 11. März 1852, 7f. LKASt A26/500. 755 Ebd., 13.

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erahnen, dass er dort nach dem Methodisten-freundlichen Dekan Heinrich Christlieb für Klarheit der Verhältnisse sorgen wollte oder sollte. Natürlich mussten sich der Synodus und das Konsistorium zuerst nach dem Beginn der methodistischen Abendmahlsfeiern von 1863 und 1864 und dann noch einmal nach dem Erlass des Dissidenten-Gesetzes 1872 in der Frage des Umgangs mit ihnen neu orientieren. Die von den Methodisten nicht angekündigten Mahlfeiern 1862 in Esslingen und in Stuttgart sowie 1864 in Heilbronn, haben die Kirchenleitung trotz aller Befürchtungen überrascht und für Verunsicherung und für heftige Reaktionen gesorgt. Die von Prälat Hauber verbreiteten Gedanken und Worte, die sich mit ›Unredlichkeit‹, ›Wortbruch‹ und ›Zweideutigkeit‹ verbinden, schienen sich jetzt zu bestätigen. In einem späteren Synodal-Erlass wurden 1877 die Dekanatämter über die amtliche »Stellung der Landeskirche gegenüber den Methodisten« informiert.756 Formal ist es ein eigenartiger Vorgang, dass mit dem Erlass der Text einer Diözesansynode und ihr Handeln von der vorgesetzten Behörde bestätigt und für die gesamte Kirche aufgenommen wurde. Die Oberbehörde erklärt darin, sie sei mit den »in den vorgelegten beiden Thesen […] ausgesprochenen Grundsätze[n] im Wesentlichen einverstanden« und habe bei Fällen, die zu ihrer Kenntnis gebracht wurden, entsprechend gehandelt. Es stellt sich am Rande die Frage, ob der Synodus selber sich in der Formulierung eines Textes etwa nicht einig war. Was war der Kern des Beschlusses der Diözesansynode? Nach der folgerichtigen Entwicklung zu autonomen Kirchen haben die Methodisten inzwischen auf der Basis des Dissidenten-Gesetzes außer zu taufen und Abendmahl zu feiern auch Mitglieder in die Kirche aufgenommen, Trauungen und Bestattungen vollzogen und natürlich auch Kinder im »Religionsunterricht« unterwiesen. Nicht alle, die sich auf diese Weise mit einer methodistischen Gemeinde verbunden haben, waren zuvor aus der Landeskirche ausgetreten. Das zog natürlich Konflikte nach sich. Entsprechend heißt es in dem Erlass von 1877: »Insbesondere besteht der Grundsatz, daß denjenigen Eltern, welche trotz vorausgegangener pfarramtlicher Belehrung und Verwarnung ihre Kinder einem Methodistenprediger zur Taufe oder zum Confirmationsunterricht übergeben, sowie denjenigen Ehepaaren, welche sich mit Umgehung des kirchlichen Amtes von einem Methodistenprediger trauen lassen, nach vorausgegangener Anzeige an die Oberkirchenbehörde im Auftrag der letzteren zu erklären ist, sie werden hienach als aus der Kirche freiwillig ausgetreten betrachtet und behandelt.«757

756 Synodal-Erlaß an das Dekanatamt N. N. betreffend die Stellung der Landeskirche gegenüber den Methodisten. In: Amtsblatt des württembergischen evangelischen Consistoriums und der Synode in Kirchen- und Schulsachen vom 14. März 1877, 2644f. 757 Ebd. – Daraus auch die folgenden Zitate.

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Es wird weiter auf die erhöhte Verantwortung der Geistlichen in Zucht, Lehre, Seelsorge, Predigt und Jugendunterricht hingewiesen. Die Begründung dafür lautet: die Kirche sei angesichts der bestehenden Gesetzgebung nicht »im Stande, den Eingriffen der Dissidenten in ihre Ordnungen mit äußerlichen Zwangs- und Strafmitteln entgegenzutreten.« Die Oberkirchenbehörde wünscht den Geistlichen, ihre Gemeinden »durch ebenso ruhige und würdige, als klare und bestimmte Belehrung über den gesunden evangelischen Heilsweg und die ehrwürdigen Ordnungen der Kirche vor sectirerischen Abwegen zu bewahren.« Für wankende Gemeindegenossen sollen sie ein wachsames Auge haben und sie »vor unbedachten Schritten mit Ernst und Liebe rechtzeitig warnen.« Schließlich kam es 1880 zu einer endgültigen kirchenrechtlichen Regelung. Die Oberkirchenbehörde wandte sich mit einer ausgereiften »Richtschnur« mit Grundsätzen und Vorschriften an die evangelischen Pfarrämter.758 Ihr Ausgangspunkt war die Feststellung, »daß der Methodismus seine kirchenfeindlichen Bestrebungen von Anfang an nicht enthüllt« habe, »vielmehr hinter gegentheilige Versicherungen versteckt hatte.« (2964) Jetzt hätten »Die Methodisten ihrestheils […] unter Ausnützung, beziehungsweise Mißdeutung des Dissidentengesetzes ihre Bestrebungen unzweideutig enthüllt. Die früheren Versicherungen, auf keine eigene Kirchenbildung bei uns auszugehen, haben sie durch Aufstellung von Kapellen und Stationirung von Predigern an fast sämtlichen Dekanatsitzen, sowie durch Organisirung ihres Klassensystems und durch Verlegung ihrer Versammlungen auf die Zeit des öffentlichen Gottesdienstes zur Genüge beleuchtet. Die Zusage, sich lediglich als freiwillige Gehilfen der ordentlichen Geistlichen zu betrachten, beginnen sie da und dort in der Weise auszuführen, daß sie den Ortsgeistlichen Ministerialhandlungen, wie Taufen und Trauungen, an Angehörigen der Landeskirche abnehmen.« (2964)

Neben von der Kanzel gegebener Belehrung über »Störungen« wurden die Pfarrer aufgefordert, der geistlichen Urteilslosigkeit und kirchlichen Gleichgültigkeit entschieden entgegenzutreten, »selbst auf die Gefahr hin, daß ein strengeres Geltendmachen ihres Hausrechts von Seiten der Kirche da und dort für den Augenblick zahlreiche Austritte nach sich zöge. Es muß soweit möglich Klarheit und Ordnung geschaffen werden.« (2964) Nach den einseitigen Deutungen der geschichtlichen Entwicklung folgen nun für die Pfarrer »Grundsätze und Vorschriften«. Wer Trauung, Taufe, Konfirmation oder Begräbnis einem Methodistenprediger überträgt und damit »seine Mißachtung der kirchlichen Ordnungen und des kirchlichen Amtes kundgibt, tritt eben damit thatsächlich aus der Landeskirche aus.« (2965) Der Vollzug wurde auf folgende Weise geregelt: Der Pfarrer 758 Synodal-Erlaß betreffend der Methodismus vom 12. Februar 1880 (wie Anm. 367). Daraus die folgenden Zitate (Seitenzahl in Klammern).

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›vernimmt‹ das durch einen Methodistenprediger beeinflusste Gemeindeglied und berichtet danach durch das Dekanatamt ans Konsistorium. Dieses lässt dem Betreffenden, sofern nicht besondere Gründe für eine Ausnahme sprechen, mitteilen, »daß er als freiwillig aus der evangelischen Landeskirche ausgetreten betrachtet und behandelt« werde. (2965) Die Teilnahme an einer methodistischen Abendmahlsfeier sowie die Eintragung in die Namensliste einer methodistischen Klasse, »schließt grundsätzlich gleichfalls die Lossagung von der Kirchengenossenschaft in sich.« Solche Personen, die dem Geistlichen bekannt werden, soll er »in angemessener Weise belehren und verwarnen«, bei Erfolglosigkeit dem Konsistorium berichten. Der Entzug der »kirchlichen Gemeinderechte« hat den Verlust des Wahlrechts und des Anspruchs auf das kirchliche Begräbnis zur Folge, was den Gesang der Schulkinder einschließt.759 (2965) Dass ein Pfarrer eine Bestattung zusammen mit einem Methodistenprediger vornimmt, sei »unangemessen«. Es folgen Klärungen zur Teilnahme am Konfirmandenunterricht und eine Warnung vor der Sonntagsschule. Taufpatenschaft und kirchliche Trauungen von Ehepartnern aus beiden Kirchen sind jedoch möglich. Für solche, die zu den Methodisten »übertreten« wollen, sollen »Entlaßscheine […] grundsätzlich nicht ausgestellt werden.« (2966) Auch über Austritte ist das Konsistorium durch das Dekanatamt zu informieren. Für die »Wiederaufnahme« ist eine Regelung festgelegt. (2967) Betroffenen Pfarrgemeinderäten soll der Erlass mitgeteilt werden. Vor der Verlesung eines Textes von der Kanzel ist der Entwurf durchs Dekanatamt dem Konsistorium vorzulegen. (2967) Die Diener der Kirche werden abschließend aufgefordert, in der Behandlung des Dissidentenwesens in gegründeter Festigkeit und Entschiedenheit mit pastoraler Weisheit und evangelischer Würde zu handeln. (2967) Dieser 1880er Erlass ist nach den früheren unsicheren Ansätzen ein klares und sachliches Dokument. Vielleicht ist es als die erste Klärung von kirchenrechtlichen Fragen von Seiten einer damals noch als Staatskirche verfassten zu einer staatsunabhängigen Kirche, die noch keinen Rechtsstatus hat, zu sehen. Es sind die auf lange Zeit wesentlichsten Berührungspunkte konkret erfasst und geklärt. Die Ausschlüsse aus der Kirche wurden fortan auf der Basis der Haubert’schen Formel vollzogen. Die streng hierarchisch geordnete Behörden759 Einbezogen war nicht nur das Schweigen des Glockengeläuts, mancherorts die Verweigerung des Wagens für den Sarg, sondern auch die Versagung des normalen Reihengrabs und z. B. in Preußen durch Gerichtsbeschluss bestätigt, die Beisetzung ohne liturgische Begleitung, also nicht einmal eines Vater-Unser am offenen Grab. Karl Heinz Voigt, Hausfriedensbruch durch ein Vater-Unser am Grab. Streit und Anzeigen um Begräbnisstätten und kirchliches Handeln auf Friedhöfen. In: Fleischmann-Bisten, Möller, Rudolph (Hg.), Heilung der Erinnerungen, 131–159.

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struktur, in der die ›Kirche der Freiheit‹ Kirchenzucht vollzog, berührt den Beobachter eigenartig. Sie lag natürlich ganz und gar im Interesse der staatlichen Ordnung, welche in den Jahrzehnten nach der Revolution alles fest im Griff haben musste. Im Vergleich mit der ziemlich genau einhundert Jahre später verhandelten Kirchengemeinschaft zwischen den Gliedkirchen der EKD und der methodistischen Kirche fällt auf, dass damalige Fragen keine Rolle mehr gespielt haben. Der 1880er Erlass war fixiert »auf den Schutz der Ordnung und die Wahrung des Hausrechts«. (2963) Dagegen prägten theologische Fragestellungen der nachträglich – im Gefolge von Leuenberg – als »Lehrgespräche« verstandenen Begegnungen zwischen 1980 und 1982/1985 den klärenden Austausch zwischen lutherischen und methodistischen Theologen. Freilich führten diese Begegnungen – übrigens ungeplant – auch zu einem anderen Ziel. Man muss sich bewusst machen, dass die Vorstellung von gegenseitigen Absprachen im 19. Jahrhundert völlig außerhalb der zu jener Zeit möglichen Umstände lag. Der ökumenische Fortschritt ist erheblich. Blickt man auf die Zeit seit 1850 zurück, dann stellt sich die Frage: Wäre es nicht doch möglich gewesen, Vertreter der drei methodistischen Zweige zu einem klärenden Gespräch einzuladen? Und wenn den Prälaten ein solches Gespräch zu demütigend erschienen wäre, dann hätten sie sie doch amtlich einbestellen können. Aber man tat weder das eine noch das andere. Das war schon im Ansatz der landeskirchlichen Führungsstruktur geschuldet. Konnten Vertreter einer Staatskirche überhaupt mit staatsunabhängigen Methodisten ein Gespräch führen? Es gab keine Studienabteilungen wie heute das landeskirchliche ›Konfessionskundliche Institut‹ oder das römisch-katholische ›Johann-Adam Möhler-Institut‹, die sich so in die Materie »Methodismus« eingearbeitet hatten und darum in der Lage gewesen wären, sachgemäße Kenntnisse in die Erwägungen neben die Impulse von Prälat Hauber einzubringen. Damals stellte sich für die Methodisten die Frage der Zuständigkeit für derartige Kontakte. Jedes auftauchende Problem landete automatisch auf der rechtlichen Ebene. Das haben alle Methodisten erlebt, die auf städtische Ämter einbestellt worden waren, auch wenn es um Vernehmungen in theologischen Fragen ging. Auch alle denkbaren Kontaktpersonen waren immer zugleich Kirchenleute und Staatsvertreter. Allerdings hatten sie ihre konkrete Berufung in ihre Aufgaben durch den Staat, auf den sie auch verpflichtet waren, erfahren. Selbst die Dekane waren kaum mit Vollmachten ausgestattet. Manchmal scheint es, sie seien nur eine Zwischenstation auf dem Dienstweg von den Pastoren zum Konsistorium gewesen oder umgekehrt. Immer wurde dieser Dienstweg zum Konsistorium eingefordert. Wäre das Konsistorium die richtige Ebene für die Führung von Gesprächen gewesen, oder vielleicht der Synodus, weil er auch

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Generalsuperintendenten einbezog, oder wäre es korrekt gewesen, sich gleich an das Innenministerium, die vorgesetzte Dienstelle des Konsistoriums zu wenden? Man kann davon ausgehen, dass die Kirchen noch gar auf zwischenkirchliche Gespräche hin organisiert waren, weil dafür gar keine Notwendigkeit bestand. Im Grunde heißt das, die Methodisten kamen mit einer Vision zu gemeinsamer Aktion, die auch bei gutem Willen in dieser amtlichen Konstellation und der personellen Einbindungen, in denen die Beamten in der Spannung zwischen Gott und dem Staat standen, gar nicht erfüllbar war. Sie kamen eben unbedarft aus einer anderen Kirchenkultur. Freilich müssen sich auch die Methodisten fragen, wie gut sie auf die hiesige kirchliche Gestalt und auf daraus entstehende Fragestellungen vorbereitet waren, als sie nach Deutschland kamen. Das wäre auch dann nötig gewesen, wenn die 1848er Revolution, von denen der letzte Impuls für ihre Mission in Deutschland ausgegangen war, ein anderes Ende genommen hätte. Gedanklich amerikanische Verhältnisse auf ein erfolgreich revolutioniertes Deutschland zu übertragen, wäre auch unter dieser Voraussetzung falsch gewesen. Auch sie hatten kein tragfähiges Konzept entwickelt, wie es nach der politischen Reaktion in den 1850er Jahren notwendig gewesen wäre. Das war ein Fehler, der sie bei allem guten Willen in die erlebte Misere geführt hat. Und man darf auch die Frage nicht völlig bei Seite schieben, ob die Methodisten wirklich in der Lage und bereit gewesen wären, ihre Eigenexistenz damals schon dauerhaft in der Weise aufzugeben, wie sie es später in Unionen in anderen europäischen Ländern wie Belgien, Frankreich, Italien und zuletzt in Schweden getan haben. Wer heute den ›Grundriss einer Theologie der Evangelisch-methodistischen Kirche‹ liest,760 der wird erkennen: Die Lehre vom Heil ist immer noch wichtiger als die Lehre von der Kirche, auch wenn sie ihre ekklesiologisch bestimmten Schritte von dieser Grundposition her in der täglichen Praxis konsequent zu leben bemüht war. Durch die Erlasse und besonders die zunächst angedrohte und später auch tatsächliche im Sinne der Kirchenzucht vollzogene Konsequenz zu Ausschlüssen von Kirchenglieder wegen denominationeller Grenzüberschreitungen, sind den methodistischen Kirchen in Württemberg mehr Glieder zugewachsen als in fast allen anderen früheren deutschen Staaten. Das ist aus methodistischer Sicht heute eine ernüchternde Feststellung. Es war ein kirchenpolitischer Fehler, der staatskirchlicher Bürokratie entsprach und der Landeskirche statistische Verluste brachte, den Methodisten dagegen Stabilität durch unerwartete Zugewinne. Das ist heute weder ein Grund für Traurigkeit noch für Freude. Wichtiger ist: Menschen haben Wege gefunden, ihren Glauben zu leben und hier oder dort sich als Glieder des Reiches Gottes zu bewähren. 760 Klaiber/Marquardt, Gelebte Gnade (wie Anm. 45).

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Die Anziehungskraft der methodistischen Versammlungen Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Zulauf zu den methodistischen Versammlungen gerade im pietistisch geprägten Königreich. Ein Grund war fraglos die theologische Zerrissenheit der einheimischen Kirche. Auf manchen Kanzeln standen Prediger, die im Wechsel von der Ersten Tübinger Schule, die vom Supranaturalisten Gottlob Christian Storr (1746–1805) geprägt war, den theologischen Erdrutsch in eine völlig neuen Phase mit vollzogen hatten. Jene Jahrgänge, zu denen auch die sogenannte »Geniepromotion« zählte, hatte Ferdinand Christian Baur (1792–1860), einen Hauptvertreter der Zweiten Tübinger Schule mitgeprägt. Er wechselte vom Blaubeurer Seminar mit einem ganzen Semester zusammen an die Tübinger Universität. Sie haben den neuen theologischen Anspruch aufgenommen und mit den aufgeworfenen Fragen gerungen, einige waren ihm gefolgt, andere waren gescheitert, und wieder andere waren der traditionellen Linie treu geblieben oder hatten verunsichert den neuen Anspruch verdrängt. Aber jene, die modern sein wollten, verstanden das biblische Wort ›vernünftig‹ und aus kritischer Distanz. Das unter dem Ansturm des theologischen Rationalismus entwickelte Verständnis, in der menschlichen Vernunft jene Instanz zu sehen, welche über die Gültigkeit religiöser Aussagen entscheidet, hatte nicht nur Auswirkungen auf ihre Predigtinhalte. Es gab seelsorgerlich unverantwortliche Seitenblicke auf rückständige pietistische Hörer, manchmal sogar demütigend von der Kanzel herunter. Methodistische Prediger, die um 1850 aus den USA gekommen waren und ihre inner-württembergische Wirksamkeit von Stuttgart, Heilbronn und Ludwigsburg aus aufgenommen hatten, trafen in manchen Gemeinden auf württembergische Prediger, die ihre Gemeinden überforderten. Für irritierte Gläubige, die den pastoralen Schritt der Theologen nicht mit vollziehen konnten oder wollten, waren die christozentrisch und soteriologisch orientierten Predigten in den methodistischen Versammlungen eine willkommene Alternative. Es kam hinzu, dass die Methodisten besonders in der Frühzeit nicht gerade die Intellektuellen erreichten, die sich mit theologischen und philosophischen Fragen auseinandergesetzt haben. Auch der soziale Status zwischen Bürgerlichen und Knechte oder Mägden spielte eine Rolle. Alfred Bezner im württembergischen Walheim beobachtete rückblickend: »Bei den Methodisten verkehrten [im 19. Jahrhundert] wohl auch viele Angehörige der unteren Mittelschicht, aber noch mehr kamen aus der Unterschicht. Sie spürten wohl häufig die ›Verachtung‹ ihrer besser gestellten Mitbürger.« Eine gewisse Christiane Schäufele (1847–1912), so schildert er weiter, soll während »der letzten Versammlung der Methodisten im Hause Ferdinand Bezners […] ausgerufen haben: ›Der Bann müsse gebrochen werden‹«. Und der Autor der Studie fragt interpretierend:

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»Glaubte sie, mit Hilfe der Methodisten die alten dörflichen Zwänge durchbrechen zu können? Dachten so andere Anhänger der Methodisten auch? Hofften sie mit Hilfe ihrer Gemeinschaft auf einen besseren Platz im gesellschaftlichen Leben des Dorfes? Die methodistischen Prediger hatten wohl durch ihr legeres Auftreten und die Art ihrer Verkündigung solche Hoffnungen geweckt.«761

Es kann lohnend sein, die unterschiedlichen Gruppen in ihrer Orientierung zu den Methodisten, einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Es ist denkbar, dass dabei herauskommt: den in den Dörfern lebenden Unterprivilegierten boten die Methodisten mit ihren schlichten Versammlungslokalen, zuerst Räume in Gasthäusern neben lauten Biertrinkern, in schlecht ausgestatteten Schulklassen oder mangels anderer Gelegenheiten gar im Wald oder an einem geschützten Platz im Freien, später in sehr einfachen Kapellen eine »Heimat«, die ihrer sozialen Wirklichkeit entsprach und die den Rahmen bot, ihnen die Würde zu vermitteln, welche ihnen sonst versagt blieb. Anders war es bei den theologisch Irritierten. Sie schätzten die methodistische Predigt in ihrer Einfachheit und Klarheit in der Diktion. Dort hörten sie keine polemischen Tendenzen über die Kirche als das gottlose Babel oder eschatologische Phantastereien.762 Und die erlebte Gemeinschaft, aus natürlichen Gründen in großer Sparsamkeit und Ordnung, kam der schwäbischen Mentalität entgegen. Die Chance der Mitarbeit und das Singen der andernorts verpönten, schnell erlernbaren Erweckungslieder aus Ernst Gebhardts »Froher Botschaft in Liedern« – dessen Titel schon bezeichnend für methodistische Verkündigung ist –, auch ohne Voraussetzung einer Kirchengliedschaft, nahm man als geistliche Auferbauung gerne wahr. Wie sollte man in einer so vertrauensvollen Gemeinschaft nicht auch an einer damals schon »offenen« Feier des Abendmahls – die nach der Kirchwerdung ermöglich war – teilnehmen? Es hat sich gezeigt, dass eine größere Gruppe von »Freunden« methodistischer Gemeinden nicht die Absicht hatte, in der methodistischen Kirche Mitglied zu werden. Viele gehörten ihr wie einer der anderen württembergischen Gemeinschaften an. Die Zahl der Landeskirchler, die außerhalb der württembergischen Landesskirche in methodistischen Gemeinden »überwinterten«, ist nicht zu erfassen. Nicht wenige sind auch, wenn das Konsistorium angesichts der methodistischen Arbeit einen gezielten Pastorenwechsel in den entsprechenden Ortsgemeinden vorgenommen hatte, in ihre parochiale Gemeinde zurückgekehrt, wenn sie nicht vorher durch die Kirchenzuchtmaßnahme »wie aus der Landeskirche ausgetreten« in einem Akt der Kirchenzucht ausgeschlossen worden waren. Man muss es so klar aussprechen: Für die württembergische 761 Alfred Bezner, Pietismus und Methodismus im 19. Jahrhundert, Diss. Trier. Online Publikation: https://www.clio-online.de/webresource/id/webresource-15011. 762 Eine Untersuchung früherer Predigtbände ist wünschenswert.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Landeskirche war es eine Katastrophe, dass sie eine Anzahl ihrer frommen Kirchenmitglieder unfreiwillig in eine methodistische Kirche entließ und für die Betroffenen war es enttäuschend, dass den »Entlassenen« dann auch noch der »Entlaßschein« verweigert wurde.763 Fehleinschätzungen in Synodus und Konsistorium ergaben sich auch aus dem Bild von der eigenen Kirche. Es kann aus heutiger Sicht nicht überraschen, dass die Methodisten Deutschland schon im 19. Jahrhundert als Missionsland ansahen und auch die Evangelisierung von getauften Ungläubigen anstrebten. Die Grundstruktur einer Kirche mit einem flächendeckenden Alleinanspruch, der zeitweise auf einer entsprechenden Taufpflicht innerhalb einer bestimmten Zeit nach der Geburt beruhte und deren Staat sich auf die Vorstellung von der Gleichheit der politischen und der christlichen Gemeinde stützte, musste aus einer anderen ekklesiologischen Sicht zu einer entsprechenden Einschätzung führen. Evangelisation unter Getauften ohne ein daraus folgendes christliches Leben gezogen zu haben, verstanden Methodisten von ihrem heilstheologischen Ansatz her nicht als Proselytismus. Damit standen sie im offenen Widerspruch zum Verständnis der hiesigen Kirchen. Für die Notwendigkeit der Mission im eigenen Land, ja in der eigenen Kirche waren damals die Verantwortlichen blind. Sie hatten einen anderen Ansatz, Kirche Christi zu schätzen, zu schützen und zu leiten und hätten, wie Professor Theodor Christlieb es einmal formulierte, noch Verständnis dafür gehabt, wenn es unter Katholiken geschähe.. Am gravierendsten war die Entscheidung, solche, die sich zu den Methodisten hielten, in einer eigenwilligen Art von Kirchenzucht auszuschließen. Im normalen kirchlichen Leben war die Anwendung von Kirchenzucht eher selten. Wer wurde schon aus der Kirche und aus welchen Gründen eigentlich ausgeschlossen? In der Regel waren es doch wohl nicht die redlichen Christenmenschen. Vielleicht war das vorhandene Kirchenrecht auch nicht geeignet, solche Ausschlüsse ohne ein wirkliches Verfahren vorzunehmen. Es scheint so, als sei die von Prälat Hauber eingeführte Formel, dass ein Landeskirchler, der von einem Methodistenprediger eine Amtshandlungen erbat oder an einer methodistischen Abendmahlsfeier teilnahm, als »aus der Landeskirche ausgetreten angesehen und behandelt« wurde, keine kirchenrechtliche Grundlage hatte. Diese landeskirchliche Zucht erreichte das Gegenteil von dem, was sie bewirken sollte: die methodistischen Kirchen erhielten statistischen Zuwachs, nicht allein durch diese Maßnahme, aber in nicht geringem Maße auch durch sie.

763 Im Synodal-Erlaß von 1880 (wie Anm. 367) mit der Regelung der Beziehung zu den Methodisten heißt es: Es bleibe »bei der bisherigen Uebung, wonach »Entlaßscheine für solche, die zur Sekte übertreten, grundsätzlich nicht ausgestellt werden, wohl aber von jedem förmlichen Austritt eines Gemeindegenossen aus der Landeskirche dem Consistorium durch’s Dekanatamt Anzeige zu erstatten ist.«

Die Abendmahlsfrage auf den ›Eisenacher Konferenzen‹ 1855 und 1884

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Gerade diese geschichtliche Erinnerung ist geeignet, den ökumenischen Wandel und die damit verbundene Veränderung von Kriterien und Werten, welche die zwischenkirchlichen Beziehungen erfassen, sichtbar zu machen. Im 19. Jahrhundert wurde innerhalb der einen Kirche Christi gegenüber anderen Konfessionen und Denominationen auf das monopole, flächendeckende Hausrecht verwiesen, auf Zahlenstatistik und der Erhalt von Macht erstrebt. In dieser Kategorie gab es Gewinne und Verluste. Wer allerdings im 21. Jahrhundert in der neuen ökumenischen Wirklichkeit angekommen ist, lebt mit anderen Kriterien. Was im 19. Jahrhundert schmerzlicher Verlust zu sein schien, hat sich inzwischen durch den ökumenischen Perspektivwechsel als Gewinn erwiesen. Die »Fülle« des Kirche-Seins mit der schöpfungsmäßigen Vielfalt und dem darin liegende Reichtum erweist, verstärkt und entfaltet sich in der Begegnung der Konfessionen und Denominationen. Keine von ihnen kann behaupten, sie repräsentiere die als ›Pleroma‹ bezeichnete Fülle des, der alles in allem erfüllt, in seinem ganzen Reichtum alleine. Wer dem theologischen Ansatz von der »Einheit in Vielfalt« zustimmt, muss zeigen, dass es ihm nicht nur um eine richtige Formel geht, sondern um eine neue Wirklichkeit.

3.10 Die Abendmahlsfrage auf den ›Eisenacher Konferenzen‹ 1855 und 1884 Mit den ersten öffentlichen Abendmahlsgottesdiensten haben die Evangelische Gemeinschaft, die bischöflichen Methodisten und später auch die Wesleyaner den Schritt zur autonomen Kirchenbildung vollzogen. Man kann diesen Schritt nicht als ein »Schisma« bezeichnen, da ja überall nur vereinzelt Mitglieder aus der Landeskirche freiwillig ausgeschieden sind. Einerseits handelt es sich um Ausschlüsse infolge von Kirchenzucht und andererseits hatte gerade in Württemberg die sog. Doppelmitgliedschaft auf dem Hintergrund des starken Gemeinschaftswesens einen fast normalen Klang, wenn man gleichzeitig zur »Kirche« und zur »Gemeinschaft« gehörte. Der Schritt von zwei methodistischen Kirchen in die Autonomie erfolgte ohne eine besondere Erklärung oder aus theologischen Gründen, oder gar durch einen öffentlichen Akt schlicht durch die gottesdienstliche Feier des Abendmahls. Auf diesem Wege sind nur in Württemberg die methodistischen Kirchen als eigenständige Körperschaften entstanden. In der Mehrzahl der anderen deutschen Staaten war dieser Schritt fast überall ohne Widerspruch ein Prozess, der unspektakulär in aller Stille vollzogen wurde. Das weckt das Interesse, einen Blick über Württembergs Grenzen hinaus zu tun und die Stuttgarter Praxis von Synodus und Konsistorium im Kontext anderer Landeskirchen zu sehen.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Seit 1852 tagte in Eisenach in regelmäßigen Abständen die ›Deutsche Evangelische Kirchenkonferenz‹, die wegen ihres Tagungsortes kurz als ›Eisenacher Konferenz‹ in die Kirchengeschichte einging. An ihr kamen Vertreter der ›Kirchenregierungen‹, das heißt aus den in den Innenministerin angesiedelten Konsistorien aus fast allen Landeskirchen zusammen. Die Teilnahme war ihnen freigestellt. Wer hätte auch alle Landeskirchen verbindlich einladen sollen? Die Beratungen hatten lediglich informellen Charakter, weil die einzelnen Kirchen an die von ihren Landesregierungen gesetzten Rahmenbedingungen und an ihr Landesbekenntnis gebunden waren. Der territorialkirchliche Charakter fand auf diese Weise seinen konkreten Ausdruck auch über die Reichsgründung von 1871 hinaus, da die Kirchenfragen Angelegenheiten der einzelnen Länder blieben.

Die Eisenacher Konferenz 1855 1855 berieten die Kirchenvertreter in Eisenach über die »Behandlung der Secten«.764 Dieser Themenbereich erschien nach den politischen Umwälzungen von 1848/49 dringend und war erstmals 1852 beraten und für eine weitere Zusammenkunft auf die Tagesordnung gesetzt worden. Der Blick auf die 1855er Konferenz findet in diesem Zusammenhang Interesse, weil sie zur Zeit der methodistischen Bewegungen in Württemberg den Blick über das Königreich hinaus gewährt und die Frage aufwirft, ob und welche Einflüsse oder Erfahrungen aus anderen Landeskirchen sich in Stuttgart auswirkgewirkt haben können. Das liegt im Zusammenhang der hier behandelten Fragen aus zwei Gründen nahe: (1) die Kirche aus Württemberg war in Eisenach durch Oberhofprediger und Oberkonsistorialrat Karl Grüneisen (1802–1878) und durch Oberkonsistorialrat Ludwig Geyer (1805–1879), der Mitglied einer königlichen Kommission und kein Theologe war,765 vertreten. Grüneisen hätte am Beginn der Tagung 1855 den Konferenz-Vorsitz, den er seit längerer Zeit inne hatte, gerne abgegeben; vielleicht weil er in seiner Heimatkirche zu sehr mit dem Thema befasst war. Damit war aber die Versammlung nicht einverstanden. So blieb er in dieser Verantwortung. Es scheint, als sei Oberkonsistorialrat Ludwig Geyer als staatlicher Repräsentant aus Württemberg nicht zufällig beauftragt, neben dem konfessions- und amtsbewussten Adolf von Harleß (1806–1879), der zu dieser Zeit Präsident des protestantischen Oberkonsistorium in Bayern war, als Stuttgarter Korreferent einen Beitrag einzubringen. Für eine »Anbahnung einer möglichsten Gleichförmigkeit in der Behandlung der Secten« durch die Kirchen der Eisenacher Konferenz formulierte Harleß für 764 Protokolle evangelischen Kirchen-Conferenz in Eisenach, 1855 (wie Anm. 754). 765 Zur Eisenacher Konferenz wurden nicht nur Theologen, sondern auch Juristen aus den Konsistorien entsandt.

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seine Zeit mutige Thesen.766 Die Herstellung der angestrebten »Gleichförmigkeit« wäre auch für die Methodisten, die im Bremer Staatsgebiet ganz selbstverständlich auch tauften und das Abendmahl feierten, aber sich in Württemberg in der Sakramentsfrage zum Verzicht verpflichtet wussten, von großem Interesse gewesen. Das Referat von Harleß war theologisch angelegt und schloss den Blick auf eine ganze Reihe von früheren Gesetzesmaßnahmen verschiedener Länder ein. Er zeigte Unterschiede ganz verschiedener Art auf. Die Umsetzung des Ziels der »Gleichförmigkeit« – an ›Einheit‹ war gar nicht zu denken – war schon durch unterschiedliche Motive begrenzt. Harleß kritisierte vorsichtig das »Interesse der Selbsterhaltung« der jeweiligen territorialen Kirchen als das eigentlich mehr Verbindende. Er trat sogar kritisch einem Gefühl entgegen, die Secten könnten eine »bedrohliche Bedeutung gewinnen« und darum sei man zum Handeln verpflichtet. In dem Zusammenhang wies er auf einen aktuellen Erlass des preußischen Oberkirchenrats von 1853 hin. Darin sei »die Anwendung gewisser abwehrender Maßnahmen davon abhängig, ob Gemeinschaften ›sich von den öcumenischen Bekenntnissen losgesagt haben.‹« Schon in einem Patent von 1847 hatte Preußen in der konsequenten Weiterführung früherer Vorschriften »gewisse Concessionen, Anerkennungen, Berechtigungen nur unter der Bedingung gewährt, daß ›neue Gemeinschaften in Hinsicht auf Lehre und Bekenntnis mit einer der durch den westphälischen Frieden in Deutschland anerkannten Religionsparteien sich in wesentlicher Übereinstimmung befinden.‹« In Anknüpfung an die beiden von Preußen formulierten Positionen folgerte Harleß: Es lasse »sich ein scharf präcisirter Satz gewinnen, von welchem aus ein für allemal festgestellt werden kann, unter welchen Voraussetzungen eine sectirerische Bewegung eine für den Bestand aller evangelischen Landeskirchen gleich bedrohliche Gestalt gewinnt und zu gemeinsamen Maßregeln auffordert. Dieser Fall würde eintreten,« stellte Harleß fest, »wenn Gemeinschaften sich bilden, ›welche nicht nur von den öcumenischen Bekenntnissen sich losgesagt haben, sondern auch in Bezug auf Lehre und Bekenntnis mit keiner der durch den westphälischen Frieden in Deutschland anerkannten christlichen Religionsparteien sich in wesentlicher Übereinstimmung befinden.‹«

»Diese wären« fügt Harleß seiner in gewissem Sinne ökumenischen Definition hinzu, »als gemeingefährliche Secten anzusehen, wider welche die verschiedenen Landeskirchen zur Ergreifung gemeinschaftlicher Maßnahmen berechtigt und verpflichtet sind.« In einer Art Randbemerkung fügte er seiner These, auch durch die Positionierung des Stuttgarter Juristen Geyer aus den Vorgesprächen 766 Der gedruckte Vortrag trägt die Überschrift: ›Referat über die Anbahnung einer möglichsten Gleichförmigkeit in der Behandlung der Secten‹. Protokoll Eisenach (wie Anm. 701) 1855, 35–47. Die folgenden Zitate einschließlich aller Hervorhebungen sind dem Vortragstext entnommen.

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veranlasst, hinzu: »(E)s fragt sich, ob die Conferenz mit diesem Satz einverstanden ist.« Nach der vorgelegten Definition konnte die württembergische evangelische Landeskirche die Methodisten nicht als »gemeingefährliche Secten« einordnen,767 erstens: weil ihr theologisches Fundament mit dem der 1648 anerkannten reformatorischen Kirchen sich »in wesentlicher Übereinstimmung« befand, zweitens weil die ökumenischen Bekenntnisse einen unbestrittenen Teil ihres Bekenntnisfundaments bildeten und drittens weil sie in Württemberg auf die Praktizierung von Taufe und Abendmahl, als kirchenkonstituierende Handlungen nach ihrer eigenen Kirchenordnung, bewusst verzichtet hatten. Aber reichte das für die Beurteilung nach den Kriterien von Harleß aus, um sich nicht als »widerkirchlich« organisiert zu haben? Wenn man die Methodisten als einen antikirchlichen Kirchentypus darstellt, wird man ihnen bei ihrer württembergischen organisatorischen Zurückhaltung und unorganisierten Kooperationswilligkeit und vor allem ihrer Kooperationspraxis keineswegs gerecht, ganz abgesehen von ihrer eindeutigen »Lehre und Kirchenordnung«. Noch eine weitere Formulierung von Harleß, welche eine gewisse Definition für die Bildung von Sekten bietet, soll hier eingefügt sein. Vielleicht weist sie, ohne den konkreten Fall im Blick zu haben, auf den schwierigsten Aspekt des Dilemmas in Württemberg hin. Harleß erläuterte: »Das die Sectenbildung als eine formell-widerkirchliche Thatsache constatirende Moment erkenne ich vielmehr allein in jener Organisirung von Gemeinschaften, welche sich zum kirchlichen Typus als reiner Antitypus dann verhält, sobald eine Gemeinschaft Organe des Regiments, der Lehre und des Vollzugs religiöser, die Gemeinschaft tragender, erhaltender und fortpflanzender Handlungen bestellt und für die Gegenwart wie Zukunft setzt und ordnet. Sobald dies geschehen oder nachgewiesen ist, hat auch formell die Existenz einer Secte ihren ausgebildeten Bestand; früher nicht.«

Genau dies war für das Konsistorium in Stuttgart das Dilemma: Die Methodisten bildeten Gemeinschaften. Ihre geistlichen Leiter, jedenfalls die nach 1850 ins Land gekommenen, waren alle ordinierte Prediger in einer weltweiten Dienstgemeinschaft einer missionierenden Kirche. Mit der Ordination waren ihnen Rechte übertragen, und sie hatten Verpflichtungen übernommen. In Württemberg verzichteten sie mit der willigen Zustimmung ihres aufsichtführenden Superintendenten auf einige mit der Ordination verliehenen Rechte. Zu diesem Weg hatte zwar auch die New Yorker Missionsabteilung ihrer Kirche die Erlaubnis gegeben, aber sie sah darin ein mit Sorge begleitetes außergewöhnliches Experiment, dem sie sich um ihres evangelistisch-missionarischen Auftrags 767 In der Registratur des Konsistorium im Archiv der Württembergischen Landeskirche wurde nach Auskunft erst 1855 »Sekten« als Ordnungsbegriff eingeführt.

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willen unter den besonderen Bedingungen der europäisch-kontinentalen Kirchenform nicht versagt hatte. Es ist noch nicht erforscht, ob sich die missionarischen Prediger dessen bewusst waren, wie extrem-unüblich dieser Verzicht angesichts der Geschichte ihrer Kirche war. Immerhin war ein zentraler Anlass zur Konstituierung der ersten methodistischen Kirche, die 1784 in Baltimore erfolgt war, der Mangel an ordinierten Predigern in Amerika. Es war in dem weiten, nun von England und damit von der englischen Staatskirche getrennten Amerika eine kirchliche Notlage entstanden, weil es an ordinierten Predigern fehlte, die berechtigt waren, die Kinder und ungetauft gebliebenen zu taufen und mit den Glaubenden das Abendmahl zu feiern. Praktisch lebten die in Württemberg aktiven methodistischen Prediger unter zwei verschiedenen kirchlichen Ordnungen. Sie gaben gutwillig und ehrlich Erklärungen ab, sich in die Situation der herrschenden Kirche einzufügen und mussten doch an zwei theologisch belanglosen Fragen, der Klassversammlungen und der Liebesmahle, aufgrund von Passagen des Pietististen-Reskript im Widerspruch zur Landeskirche bleiben, wenn sie ihren Auftrag erfüllen wollten. Für Methodisten war es immer selbstverständlich, nicht gegen andere Kirchen zu arbeiten. Aber was das bedeutete, sahen beide Seiten durch ihre unterschiedlichen theologischen Ansätze unterschiedlich. Im Verständnis der europäischen Landeskirchen waren alle Getauften und Konfirmierten rechtmäßige Glieder der Landeskirche. Die Methodisten hatten es in Amerika neben Menschen aus dem pietistischen Umfeld überwiegend mit solchen ehemaligen Landeskirchlern zu tun, die wenig wussten von einem rechtfertigenden Glauben, sich daran anschließendem ethisch verantwortungsbewussten Lebensstil und einer persönlich verpflichtenden Kirchenbindung. Die Methodisten hatten ein anderes Verständnis von einem Glauben, der sich selbstverständlich in der Nachfolge Christi ausdrückt. Das ganze Feld des teilweise unterschiedlichen Taufverständnisses, das Taufe und Wiedergeburt nicht als natürliche Einheit sieht, und der Beziehung von Rechtfertigung und Heiligung kann hier nicht aufgerollt werden. Methodistische Missionare sahen sich von ihrem britischen Ursprung her in der Pflicht, den Getauften, Gefirmten und Konfirmierten den Weg zum Glauben zu zeigen und zu einem Leben auf den Weg der Heiligung einzuladen, auf den jeder Getaufte und bisher Ungetaufte durch Gottes Gnade gerufen wird. Das haben die Methodisten als eine Verpflichtung angesehen, die sich aus der Taufe von Kindern ergibt. Es zeigt sich jenes Problem, dass die im Hintergrund stehenden theologischen Konflikte nicht miteinander aufgearbeitet, ja nicht einmal offen angesprochen werden konnten. An der Eisenacher Kirchenkonferenz wurde durch den Lutheraner Harleß ganz in evangelischem Sinn die Aufmerksamkeit auf theologische Fragestellungen gelenkt. Allerdings hat die Konferenz in ihren am Ende angenommenen »Allgemeinen Grundsätzen« zu dem »Verhältniß der Kirche zu den Secten« wie

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

zum »Verhältniß des Staates zu den Secten« diese Linie nicht konsequent durchgehalten.768 Wahrscheinlich hätte es für Württemberg auch nicht viel bedeutet, denn dort war in der Mitte des 19. Jahrhunderts einer der zentralen Vorwürfe gegen die Methodisten der Eingriff »in die Ordnung der Kirche«, die ab 1860, ohne die theologische Nähe anzuerkennen, zu der oben dargelegten diskreditierenden Fremdheit beitrug. Wie gingen die Württemberger mit dem Eisenacher Ergebnis um? Nach der Sitzung des Synodus schrieb der württembergische Eisenach-Teilnehmer von Geyer an das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens, dem er früher schon die Beschlüsse übersandt hatte.769 In seinem Schreiben hob er »die Verschiedenheit der Verhältnisse in den einzelnen Landeskirchen« hervor, die auch die Anwendbarkeit der Beschlüsse reduziere. Am Rand des Briefentwurfs ist eine anscheinend nach der Tagung des Synodus vielsagende Ergänzung der württembergischen Sicht hinzugefügt. »Wir hatten«, heißt es darin, »bei unserer gegenwärtigen Versammlung weder die Zeit, noch Veranlassung, auf eine spezielle Durchberathung dieser umfassenden Vorlagen einzugehen, u. können daher auch vorerst nicht eine durchgängige Billigung derselben aussprechen.«770 Weiter heißt es in dem Begleitschreiben: »Was insbesondere [an den übereinstimmenden Prinzipien] die Anwendbarkeit für Württemberg betrifft, so haben wir die Befriedigung, daß die […] Sätze über das Verhältnis der Kirchen zu den Secten größtentheils mit demjenigen im Einklang stand, was bei dem diesseitigen Kirchenregiment als leitend besteht; und ebenso werden wir nicht irren, wenn wir anmahnen, daß die materiellen Sätze über das Verhältniß des Staates zu den Secten im Wesentlichen den Anschauungen u. der bisherigen Stellung der hohen Staatsregierung zu dem Sectenwesen entsprechen.«771 Geyer fügte beruhigend hinzu: »wir haben namentlich in Württemberg, auch nach den Berichten der diesjährigen Synode die erfreuliche Erfahrung gemacht, daß die bestehenden Secten in einem irgend beunruhigenden Vorschreiten nicht begriffen sind u. zur Zeit keine neue allgemeinen Maaßregeln erheischen.« Im Ministerium wurde die Botschaft des Briefes verstanden. In der Antwort hieß es: »Wie übrigens auch schon die Synode auf eine specielle Berathung dieser Vorlage vorerst noch nicht eingegangen ist, so ist auch das Ministerium zur Zeit nicht in der Lage, eine bestimmte Ansicht über dieselbe sich zu bilden und auszusprechen.«772 Das Ministerium teilte aber die Bereitschaft mit, »falls 768 Protokoll Eisenach 1855 (wie Anm. 701), 16–19. 769 Schreiben Oberkonsistorialrat von Geyer an Ministerium des Kirchen- und Schulwesens in Stuttgart vom 20. Dez. 1855. LKASt A26/ 308–310. 770 Ebd. 771 Ebd. 772 Schreiben Ministerium des Kirchen- und Schulwesens, Stuttgart, an das evangelische Konsistorium vom 24. Jan. 1856. LKASt A26/489.

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früher oder später allgemeine Maßregeln in Betreff des Sectenwesens in Anregung kommen sollten«, werde es das Eisenacher Material in Betracht ziehen. Damit scheint das Eisenacher Protokoll zu den Akten gelegt worden zu sein. Auch eine spätere Einwirkung auf die spezielle Haltung der Landeskirche in Württemberg ist von dieser Konferenz in erkennbarer Weise nicht ausgegangen. Die Eisenacher Konferenz 1884 Der Evangelische Oberkirchenrat in Berlin spürte in seinen weiten preußischen Gebieten die Entwicklung von einer konfessionellen Einheit zu einer neuen Entwicklung und schrieb an alle Pfarrer, »daß in neuerer Zeit auch innerhalb unserer evangelischen Landeskirche sectirerische Einflüsse und separatistische Regungen in bedenklicher Weise sich geltend gemacht haben und daß dies noch jetzt geschieht.«773 In Preußen ging es nun auch um die Frage, wie sich die Kirche zu dieser Entwicklung stellen soll. Der Oberkirchenrat in Berlin wandte sich in einer umfangreichen schriftlichen »Ansprache« an die Pfarrern, um ihnen Konsequenzen im Anschluss an eine Sitzung der Eisenacher Konferenz von 1884 mitzuteilen. Das Eisenacher Tagungsthema lautete: »Welche Maßnahmen sind von den deutschen evangelischen Landeskirchen zur Wahrung ihrer Ordnung gegen die in unserer Zeit sich in bedenklicher Weise bemerkbar machenden separatistischen und sectirerischen Umtriebe zu ergreifen?«774 Die gemeinsame Konferenz der Landeskirchen hatte zunächst mahnend formuliert, es sei »das Wesen der Secten innerlich zu überwinden durch eindringlichere Verkündigung, Befriedigung der religiös gerichteten Gemeindeglieder, treue Seelsorge an den Wankenden und Irrenden und Vermehrung der Kirchen und Pfarreien.« Schwieriger erscheint die Situation, wenn sie Verhältnisse wie in Württemberg in den Blick nimmt. Ein größerer Absatz widmet sich dieser Problematik und empfiehlt nach den »als aus den Rechten der evangelischen Kirchengemeinschaft völlig ausgeschieden zu betrachtenden« Personen eine »Entziehung der kirchlichen Gemeinderechte« mit einer »sich steigernden Kirchenzucht.«775 Im Zusammenhang der hier behandelten Fragestellung zur Entwicklung der Rechtsfragen heißt es in den Eisenacher Beschlüssen: die Landeskirchen erwarten, 773 Evangelischer Oberkirchenrath, Übersendung der »Ansprache An die Geistlichen der evangelischen Landeskirche« vom 15. Dezember 1884. EZA 7/Gen. XII,2 Bd. 5. 774 Zusammenstellung der von der Conferenz deutscher evangelischer Kirchenregierungen in ihrer 16. ordentlichen Sitzung vom 12. bis 18. Juni [1884] gefaßten Beschlüsse. StAHB 3 – K.1.c.Nr 1 [3]. 775 Ebd., 5.

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»daß die Staaten, wenn es sich darum handelt, neu sich bildenden Religionsgesellschaften Corporationsrechte zu ertheilen oder auch nur als zu Recht bestehende Religionsgesellschaften mit der Befugniß zur Abhaltung öffentlicher Gottesdienste, sowie zur Anstellung eigener Geistlicher und Lehrer anzuerkennen, nach vorgängigem Gehör der Organe des betreffenden Kirchenregiments nicht unterlassen werden, die nöthigen Garantien zu erfordern, um sowohl einem öffentlichen Abfall von dem christlichen Offenbarungsglauben, als einer den kirchlichen Frieden verletzenden bewußten und fortgesetzten Agitation durch geeignete Vorbehalte vorzubeugen.«776

Hier zeigen sich Auswirkungen des in Württemberg in Kraft getretenen »Dissidenten-Gesetzes«, in denen Erwartungen an die Regierungen formuliert werden. Im weiteren Text seiner 13 Seiten umfassenden »Ansprache« teilte der preußische Oberkirchenrat noch im Dezember 1884 nach einer allgemeinen Einführung wegen an ihn gerichteter Empfehlungen zu dem Problem des Ausschlusses mit.«, »Von einzelnen Seiten ist empfohlen worden, daß die Landeskirche zur Ueberwindung des in ihrer Mitte sich regenden sektirerischen Treibens allgemeine Maßregeln äußerlicher Art ergreifen und in erster Linie auf Ausschließung gewisser Klassen von separatistisch Gesinnten hinwirken mögen. Wir777 sind indeß nach eingehender Erwägung aller Verhältnisse nicht in der Lage, diesem Rathe Folge zu leisten, glauben vielmehr zur Zeit von allen Schritten absehen zu müssen, welche eine Umgestaltung des bestehenden Rechts in der fraglichen Beziehung bezwecken.«778

Der Berliner Oberkirchenrat begründet diese Ablehnung zunächst mit Art. IX der Schmalkaldischen Artikel, aber auch mit dem Hinweis auf »rechtliche und kirchenpolitische Erwägungen«. Durch die in Verbindung mit der Einführung der standesamtlichen Trauung erlassenen Zivilstandsgesetze, die in Preußen seit dem 14. Mai 1873 wirksam wurden, können »sektirerisch Gesinnte […] ihren freiwilligen Austritt aus der Rechtsgemeinschaft der Kirche nur durch ausdrückliche Kundgebung vor Gericht erklären.« Es wird auf weitere gesetzliche Grundlagen hingewiesen, die in Preußen ein Ausscheiden aus der Kirche nur im Falle eines Übertritts »zu einer anderen anerkannten Kirche oder einer sonstigen mit Korporationsrechten versehenen Religionsgemeinschaft verbunden ist.« In dem Zusammenhang wurde das rechtliche Problem »des freiwilligen Ausscheidens aus der Kirche« erörtert. Es müsste um der Ausschließung von Separatisten gegen ihren Willen eine neue gesetzliche Grundlage geschaffen werden, dafür sei aber die Zeit nicht reif. 776 Ebd., 5f. 777 Das »Wir« bezieht sich auf den »Generalsynodalrath«, in dem »über das Verfahren der kirchlichen Behörden und Organe gegenüber solchen Einflüßen Berathungen […] geflogen worden sind.« (Begleitschreiben zur Ansprache) EZA 7/Gen. XII, 2 Bd. 2 [5]. 778 Ansprache An die Geistlichen (wie Anm. 773), 2.

Die Methodisten in Sachsen

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Eindeutig ist: der in Württemberg praktizierte Weg des Umgangs mit solchen, die nicht mehr der Landeskirche angehören sollen, wird 1884 in Preußen aus theologischen, rechtlichen und kirchenpolitischen Gründen verworfen. Das ist ein erneuter Hinweis auf die einmalige Situation für die Methodisten in Württemberg. Die Umstände in Sachsen sind zwar anders, haben aber doch ähnliche Auswirkungen nach sich gezogen.

3.11 Die Methodisten in Sachsen Von Anfang an wurde im Briefwechsel, in veröffentlichen Berichten und in den »Reports« an die amerikanische Missionsabteilung die Ortsangabe »Sachsen« für einen weiten sächsisch-thüringischen Raum mit einer Reihe von Kleinstaaten verwendet, in denen Methodisten seit 1851 tätig waren. Egal ob es Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Weimar-Eisenach oder das Königreich Sachsen war, jedes Land war ein selbständiges politisches Hoheitsgebiet mit eigenen Regierungen, Verfassungen und Gesetzen. Das hieß auch, jedes Land hatte seine eigene Landeskirche mit einem Konsistorium und mit einer Staatsgesetzgebung, zu der entsprechende Kirchengesetze und auch die erlassenen Kirchenordnungen gehörten. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen für eine damals in Deutschland völlig ungewöhnliche »Kirche ohne Grenzen« kann man sich schwer vorstellen. Die dauernd reisenden Missionare hatten sich nicht nur in jedem Staat auf andere gesetzliche Vorschriften einzustellen, sondern sie mussten auch immerzu Grenzen überschreiten. Ein Beispiel mag illustrieren, wie Superintendent Ludwig S. Jacoby, der viel reiste, einen solchen Grenzübertritt schilderte. Wir hatten, schrieb er, »das seltene Ereigniß, in die Hände eines freundlichen Polizeibeamten zu fallen, welcher, ohne lang und breit zu fragen: Wo wollen Sie hin? Wo kommen Sie her? Was beabsichtigen Sie? Warum steht dieses und jenes nicht in Ihrem Pass? Sind Sie des Weges schon öfter gekommen? usw. uns passieren ließ, was nicht immer der Fall ist.«779

Die Anfänge im sächsisch-thüringischen Raum Die zahlreichen Grenzübertritte brachten nicht die größten Probleme. Im 19. Jahrhundert waren die Landeskirchen wirklich Landes-Kirchen, die abgegrenzt von einander innerhalb ihrer jeweiligen Staaten existierten. Ein landesbezogener Kirchenegoismus in den Kleinststaaten des sächsisch-thüringischen Raumes berührte auch die Volksseele, so dass die ironische Strophe populär war 779 Ludwig S. Jacoby an Wilhelm Nast, Correspondenz, Frankfurt/M., im Dez. 1853. In: CA vom 26. Jan. 1854, 13.

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»Herr, gieb Regen und Sonnenschein Für Reuß-Greiz, Schleiz und Lobenstein; Und woll’n die Andern auch was ha’n, so mögen sie dir’s selber sa’n.«780

Aus der methodistischen Kirchentradition kamen nacheinander die Bischöfliche Methodistenkirche 1851 von Amerika und Bremen aus, die Evangelische Gemeinschaft 1873 von Württemberg aus und die Kirche der Vereinigten Brüder in Christo,781 die seit 1870 im fränkischen Naila aktiv war, von dort aus ins sächsisch-thüringische Gebiet. Den Anfang der Methodistenkirche machte Ehrhardt Friedrich Wunderlich (1830–1895). Er war eigentlich nur kurzfristig aus Amerika zur Erfüllung seiner bürgerlichen Pflicht, der militärischen Aushebung, nach Rüßdorf gekommen, das zu Sachsen-Weimar gehörte. Durch seine zeugnishaften Berichte, so schildert es Jacoby nach seinem ersten Besuch in Sachsen, hat »[D]er Herr hier ein Feuer angezündet.«782 Es entstand eine zunächst ausschließlich von Laien getragene Erweckung. Ganz anders war es mit der Entstehung der Kirche der Vereinigten Brüder. 1869 wurde Christian Bischoff (1829–1885) als ein ordinierter Prediger aus Amerika in seine oberfränkische Heimatstadt Naila gesandt, um von dort aus eine Mission zu beginnen. Die Deutschland-Konferenz der Evangelischen Gemeinschaft schließlich sandte mit Prediger Albin Hermann Beck (1842–1931) im Jahr 1873 einen erfahrenen Seelsorger in seine Geburtsstadt Dresden. Die Missionsarbeit von A. H. Beck hatte vorher schon in Württemberg, im Elsass und in der Schweiz zur Bildung von Gemeinden geführt. Es gab also drei methodistische Zweige. Die bischöflichen Methodisten haben die größte Verbreitung gefunden. Sie wirkten fast zwei Jahrzehnte als eine Laienbewegung durch einfache zeugnishafte Bekenntnisse unter den Ärmsten.783 Es war in gottesdienstlichen Versammlungen nicht ungewöhnlich, dass Predigten Ludwig Hofackers (1798–1828), in dessen Nachlass sich übrigens auch ein Band mit Wesley-Predigten fand, vorgelesen wurden. Den nachhaltigsten Eindruck 780 Ehrhardt Friedrich Wunderlich, Glaubenskampf, oder Freud’ und Leid eines Missionars in Deutschland. Cincinnati 1882, zweite durchgesehene und verbesserte Auflage, Bremen o. J. (um 1890), 55. 781 Die ›Vereinigten Brüder in Christo‹ sind in Amerika durch die Verbindung des reformierten Pfarrers Philipp W. Otterbein (1726–1813) mit dem mennonitischen Landwirt Martin Böhm (1725–1812) um das Jahr 1800 entstanden. Johannes Ev. Goßner (1773–1858) unterstützte ihre Arbeit durch die Sendung von Missionspredigern, die wegen klimatischer Bedingungen nicht nach Indien ausgesandt werden konnten. 782 Reisebericht Ludwig S. Jacoby an Missionssekretär John P. Durbin vom 24. Febr. 1851. In: CA vom 8. Mai 1851, 75. Daraus auch die folgenden Zitate. 783 F. August Schmidt, Erfahrungen aus dem Leben eines Bibelboten, Neuruppin o. J., Neusalz/ Oder 19032 ist ein Dokument der Schlichtheit einerseits und der sozialen Situation andererseits.

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machte aber die schlichte, zeugnishafte Verkündigung der Heilsbotschaft zur Zeit und zur Unzeit.784 Die eigene befreiende Glaubenserfahrung spielte eine zentrale Rolle. Zusammenkünfte fanden in Wohnungen, in Gasthaussälen, in Tanzsälen, manchmal im Freien statt. Die bischöflichen Methodisten haben ziemlich schnell einen Stamm von einheimischen Mitarbeitern rekrutiert. Eine gewisse Stabilität und Kontinuität dieser Bewegung wurde erreicht, weil sie bereit war, sich in das offizielle Missionswerk eingliedern zu lassen, das durch Jacoby von Bremen aus organisiert und geleitet wurde. Der Superintendent seinerseits hatte, wie schon seine Bemühungen bei den Wesleyanern in Württemberg gezeigt haben, großes Interesse, alle durch Methodisten angestoßenen Bewegungen zusammenzuführen. Er reiste nicht nur in regelmäßigen Abständen ins sächsisch-thüringische Gebiet, sondern lud auch die beiden Brüder Ehrhardt und Friedrich Wunderlich (1823–1904) zum Osterfest 1851 und bei anderen Gelegenheiten nach Bremen ein. Am 22. April 1851, dem Ostermontag, bekam Ehrhardt zusammen mit dem früheren Herrnhuter Wessel Fiege (1795– 1882) durch die Vierteljährliche Konferenz785 die ›Lizenz‹ als Lokalprediger.786 Damit war auch ein kirchenrechtlicher Schritt zur Einbindung des fernen Zweiges in die kirchliche Körperschaft erfolgt. Als die beiden Brüder im Herbst 1852 wieder nach Bremen reisten, waren sie begeistert vom Kirchentag, von Mallets (1792–1865) Eröffnungspredigt, aber auch die Predigten von Friedrich Wilhelm Krummacher (1796–1868), der nach einem Streit wieder in die Hansestadt kam, und Christian Gottlob Barth (1799–1862), dem Calwer Verleger, haben ihre Herzen und Gedanken erreicht. In der Ansgariikirche unter der Leitung von Bethmann-Hollweg (1795–1877) eine Sitzung zu erleben und Ernst Wilhelm Hengstenberg (1802–1869) über die Innere Mission reden zu hören, war angenehmer, als wegen methodistischer »Umtriebe« seine Tage in sächsischen Gefängnissen absitzen zu müssen. Ehrhardt Wunderlichs eigener Bericht über den Bremer Kirchentag ist lesenswert. Er ist in ökumenischer Gesinnung geschrieben, mit Respekt und Hochachtung gegenüber der Bruderkirche.787 784 Ernst Pucklitzsch, Meine Lebenserinnerungen, unveröffentlichtes Manuskript, EmK-ZA Rtl. Der Methodistenprediger erwähnt darin seine Bekehrung am Himmelfahrtstag 1852 »morgens 4 Uhr« in einer Versammlung, die Ehrhardt Wunderlich in einem Tanzsaal in Dörtendorf hielt und schildert weitere Einzelheiten in den sächsisch-reuß’schen Ländern, (S. 6–10). 785 Die ›Vierteljährliche Konferenz‹ war damals das kirchenordentlich gebildete Leitungsgremium für einen Gemeindebezirk. 786 Alle ordinierten Ältesten waren zu jener Zeit Reiseprediger, wer nicht im Reiseplan stand, sondern »seßhaft« wurde, wie es in der Kirchenordnung hieß, war entsprechend ›localpreacher‹. Er war normal, dass die »Lokalprediger« und die wieder »seßhaft« gewordenen Reiseprediger einer beruflichen Tätigkeit nachgingen und als ordentlich Beauftragte ehrenamtlich in der Kirche mitarbeiteten. 787 E. F. Wunderlich, Glaubenskampf (wie Anm. 780), 191–197. – Daraus alle folgenden Bezüge.

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Bis es um 1870 zu rechtlichen Regelungen für die Methodisten um Zwickau kam, haben sie in allen sächsisch-thüringischen Staaten reichlich Schikanen hinnehmen müssen. Sie waren durch die Staat-Kirche-Gemeinschaft von beiden gemeinsam inszeniert. Ich erwähne nur einige der Erlebnisse, die Ehrhardt Friedrich Wunderlich, der dann im Sommer 1853 nach Amerika zurückkehrte, in seiner Autobiographie schildert. In Triebes, das zu dem kleinen Fürstentum Reuß-Schleiz gehörte, waren 1852 die Versammlungen in einem Tanzsaal bei zehn Taler Strafe untersagt. Gezwungenermaßen zog man sich in eine Bauernstube zurück, wo wegen Überfüllung die Kerzen erloschen und der Prediger unter Atemnot litt. In Zielis, ebenfalls zu Reuß-Schleiz gehörig, war es Pfarrer Heimburg, der nach stark besuchten Versammlungen, wieder in einem Tanzsaal, trotz freundlicher Unterstützung des Bürgermeisters dem Begehren, seine in der Religionsgesetzgebung geforderte Genehmigung als Pfarrherr seiner Parochie zu einer weiteren Versammlung zu geben, die Bittsteller barsch anfuhr. Er hätte schon längst gewünscht, dass man den ›Unfrieden- und Unheilstifter, den Schwärmer und Verführer, aus dem Lande gewiesen haben sollte‹. Die pfarramtliche Genehmigung wurde aufgrund einer 1853 erlassenen Verordnung über die ›Veranstaltung religiöser Zusammenkünfte außerhalb der Kirche‹ verpflichtend.788 Der aus dem religionsfreien Amerika gekommene Ehrhardt Wunderlich hat diese Maßnahmen gegen ihn oder wie er es verstand, gegen das Evangelium, nicht schweigend hingenommen. Am Tag nach seiner Entlassung aus dem Arrest in Zeulenroda führte sein Weg ins Fürstenhaus. Er wurde von der Fürstin empfangen, sie erkundigte sich nach dem Ziel der Mission. Obwohl sie viele Vorurteile hatte, zeigte sie Interesse, mehr über die Methodisten zu erfahren. Das schien ihrem Gemahl, dem Fürsten Heinrich XX., nicht zu passen. Er beendete das Gespräch, aber Wunderlich ging nicht, ohne einen Band mit Wesley-Predigten und weitere Schriften zu hinterlassen. Er bekam die Literatur aber von dem lutherischen Seminardirektor Hoffmann wieder zugesandt mit der Bitte, die Fürstin nicht wieder zu belästigen. Im Februar 1853 führte ihn, gemeinsam mit seinem Bruder, der Weg nach Weimar, dem Regierungssitz für das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach. Zu seinen nahegelegenen Versammlungen war er zu Fuß unterwegs, zum Staatsminister ging es diesmal mit der Postkutsche. Die Brüder hatten zwei Bittschriften an den Großherzog bei sich. Eine hatte ihnen der prominente Leipziger Oberhofgerichts- und Consistorialrat, Advocat Dr. Schellwitz, verfasst und eine weitere war von Friedrich Wunderlich selbst geschrieben und mit Unterschriften von Versammlungsteilnehmern bekräftigt. Ehrhardt Wunderlich war optimistisch, weil er mit dem zuständigen Minister Christian Bernhard von 788 Gesetzessammlung für das Fürstentum Reuß ältere Linie 1853, Nr. 30, 173–175.

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Watzdorf (1804–1870) früher schon an dessen Familiensitz in Berga, das nur wenige Kilometer von Wunderlichs Familiensitz Rüßdorf entfernt liegt, zusammengetroffen war. Als der Minister die beiden Methodisten empfing, war er aber nicht im Urlaub, sondern im Dienst. Er riet ihnen, nicht um eine Audienz beim Großherzog zu bitten. Der sei alt und würde die Sache dem Ministerrat übergeben. Große Hoffnung machte ihnen Minister Watzdorf nicht, der die Abteilungen Auswärtiges und Justiz verantwortete. Er verwies die Brüder an Kultusminister Oskar Freiherr zu Wydenbrugk (1815–1876), der seinen Bittstellern sagte, im letzten Reskript sei festgelegt, es müsse bei dem Anspruch bleiben, der dem hohen Kirchenrat zustehe, aber er wolle schauen, was sich machen lasse. Oberhofprediger und Generalsuperintendent Theodor Wittenberger nahm sich zwei Stunden Zeit für ein Gespräch mit den Brüdern Wunderlich. Er schien nicht, wie sie es später bei Wilhelm Löhe aus Neuendettelsau erlebten, durch Vorurteile belastet, zeigte sich für die methodistischen Aktivitäten offen, bedauerte nur, dass sie darin ihre Grenze hätten, dass sie nicht innerhalb seiner Kirche stattfanden. Es gab immer wieder »unfreiwillige Quartiere«, wie Ehrhardt ironisch über die Tage hinter ›schwedischen Gardienen‹ in Dörtendorf, Triebes und Zeulenroda beschrieb. Versammlungsteilnehmer suchten ihn vor Inhaftierungen zu schützen, sie protestierten und boten Bürgschaften, bei Abschiebungen über eine der vielen Landesgrenzen begleiteten sie ihn, manchmal auch singend. Wie viele Inhaftierungen, Abschiebungen, Strafzahlungen, Verweigerungen und Auspfändungen es gab, ist nicht gezählt. Gegen Maßnahmen der Ortsvorsteher konnte Ehrhardt Wunderlich sich selber wehren, aber wenn der Staatsanwalt sich einschaltete, musste er mit einem Anwalt reagieren. Das war so, als er von einer Bremen-Reise zurückkam. Es lag ein Strafmandat über 70 Thaler für sieben trotz Verbots gehaltener Versammlungen auf seinem Schreibtisch. Am Ende ging die Sache glimpflich aus. In Bremen hatte er erlebt, wie in seiner Predigt im Vorort Oberneuland Polizisten saßen. Er fürchtete, am Ausgang festgenommen zu werden. Aber die Herren warteten freundlich auf ihn und sagten, sie seien gesandt, um für seine Sicherheit zu sorgen. Ehrhardt Wunderlich war erstaunt, als sie ihn fragten, ob sie ihn zu seiner Sicherheit in die Stadt begleiten dürfen. Andere Staaten – andere Ordnungen! Die kirchlichen Begegnungen waren sehr unterschiedlich. Wenige Monate nach seiner Rückkehr aus den USA traf Ehrhardt Wunderlich am 3. Oktober 1850 bei einem Missionsfest mit Wilhelm Löhe (1808–1872) zusammen, der aus Neuendettelsau gekommen war. Nach der Festversammlung wurde Ehrhardt Wunderlich einigen Pastoren vorgestellt. Einer freute sich, dass in Greiz sogar ein Methodist aus den USA am Fest teilnahm. Andere schüttelten bedenklich den Kopf, ein Methodist? Löhe kam herbeigeeilt. Er beklagte, dass Wunderlich seine lutherische »Mutterkirche verlassen hatte.« Es hätte doch in Amerika auch eine

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Möglichkeit gegeben, zur lutherischen Kirche zu gehen. Löhe, der so viel für die Auswanderer nach Amerika getan hatte und die ganze Litanei der Vorurteile aus dem Briefwechsel mit seinen Sendboten und der Zusammenarbeit mit Wyneken kannte, sie sogar in seiner Zeitschrift verbreitete, warnte die Umherstehenden vor den methodistischen Irrlehren. Ähnliche Debatten hatten Ehrhardt Wunderlich und Jacoby bei dem altlutherischen Theologen Friedrich Ahlfeld (1810– 1884) in Leipzig. In Waltersdorf besaß ein Kurt Ernst von Posern (1804–1879) ein Rittergut. Es lag fast in der Nachbarschaft von Friedrich Wunderlich, der zu dieser Zeit noch das Rittergut Rüßdorf bewirtschaftete. So oft von Posern von seinem Schloss Pulsnitz bei Dresden nach Waltersdorf kam, lud er Ehrhardt Wunderlich zum Essen ein, weil ihn Amerika und die Methodisten interessierten. Bei einer anderen Gelegenheit wurde Ehrhardt Wunderlich von Baron Hans von Zehmen, einem in Markersdorf wohnenden Domherrn, eingeladen. Zur seiner Überraschung traf er dort mit dem Oberpfarrer von Berga, Heinrich Ackermann (1837– 1921), zusammen. In einer Phase des Gesprächs ging es um die Frage, warum Wunderlich Methodist geworden sei. Es folgte eine Debatte um die »plötzliche Bekehrung«. Der Gesprächsverlauf führte dazu, dass Wunderlich vom Oberpfarrer eingeladen wurde, ihn zu besuchen. Diese Kontakte zu Adligen und teils kritischen, teils wirklich interessierten Theologen sind insofern von Interesse, als die Prediger der Methodisten es fast ausschließlich mit Zuhörern aus sehr einfachem Milieu zu tun hatten, ja sie in manchen Landesteilen mit ihrer verständlichen Vermittlung theologischen Gedankenguts geradezu in eine ›Versorgungslücke‹ gestoßen waren. Freilich dachten die akademisch hochgebildeten Pfarrer, die zusammen mit dem Arzt im Dorf den Bildungsstand ihrer Klientel weit übertrafen, darüber ganz anders. In Pfarrer Georg Fr. Chr. Bauernfeind (1812–1895) hatte Ehrhardt Wunderlich und nach ihm sein Bruder Friedrich einen »väterlichen Freund« gefunden. Als Jacoby im Sommer 1852 nach Sachsen kam, legte Ehrhardt Wert darauf, ihm seinen Freund, den Pfarrer und Gründer einer diakonischen Einrichtung in Gefell an der Bayrischen Grenze vorzustellen. Die Begegnung gehörte zu den angenehmeren in dieser Region. Als später Bauernfeind und Ehrhardt Wunderlich gemeinsam vom Bremer Kirchentag zurückkehrten, sprachen sie über die Frage der Rückkehr Ehrhardts nach Amerika, der durch seine Erfahrungen von den Verhältnissen in den sächsisch-thüringischen Ländern deprimiert war. Bauernfeind riet ihm sehr, im Lande zu bleiben. Er war überzeugt, eine so schmachvolle Lage könne sich in Deutschland nicht mehr lange halten. Bald wird es Freiheit geben. Der junge Wunderlich hatte schon früher gesagt, kein methodistischer Bischof hätte Oberpfarrer Bauernfeind in seiner Art zu raten und zu trösten übertroffen. Trotzdem kehrte Ehrhardt Wunderlich im Sommer 1853 nach Amerika zurück.

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Er hatte es seinen sächsischen Anhängern aber vorgelebt: Wer das Heil aus Gnaden empfangen hat, sorgt sich um diese gleiche Erfahrung für andere. Das heißt auch: ein neugeborener Christ versammelt sich nicht in einem Konventikel oder einer Privatzusammenkunft im geborgenen Kämmerlein. Alles muss versucht werden, um der Botschaft und den Boten freien Lauf zu verschaffen: Gespräche bei Behörden auf allen Ebenen, Besuche bei Pfarrern, Superintendenten und Kirchenräten, um sich zu erklären und gut Wetter zumachen. Und wenn alles nichts nützt, dann setzt man sich über Vorschriften und wenn es sein muss auch über Gesetze hinweg, selbst auf die Gefahr hin, zur Kasse gebeten oder eingelocht zu werden. Weil es immer um ganzheitliche Nachfolge geht, gab der geistlich-theologische Impuls zusammen mit der eigenen Erfahrung die Richtung der Lebens- und Glaubensgestaltung an. Ehrhardt Wunderlichs Erlebnisse sind eine Spiegelung seiner Erfahrungen innerhalb von drei Jahren. Sie vermitteln eine Vorstellung von den Anfängen im thüringisch-sächsischen Raum. Bei aller Verschiedenheit im Vergleich mit Württemberg, schloss Ehrhardt Wunderlich doch seine autobiographischen Erinnerungen mit einem bemerkenswerten Hinweis ab, der einen wenig erforschten Ansatz bestätigt. Er beschrieb fast am Ende des 19. Jahrhunderts mit einem kritischen Unterton im Blick auf die damaligen Staatskirchen die wichtige Rolle der an Gesetz und Ordnung gebundenen Ämter und Behörden, welche den Versuch einer innerlandeskirchlichen methodistischen Gemeinschaft nicht positiv aufgenommen hatten: »Daß […] heute fast in allen Ländern Deutschlands die Bischöfliche Methodistenkirche selbständig dasteht und wirkt, haben die respectiven Staatskirchen hauptsächlich ihren [eigenen] Behörden und Dienern zu verdanken. Und dasselbe gilt auch wohl bezüglich anderer kirchlicher Gemeinschaften, z. B. der Wesleyaner Methodisten, der Evangelischen Gemeinschaft, sowie der Vereinigten Brüder in Christo.«789

Ehrhardts einige Jahre älterer Bruder Friedrich, mit dem er den missionarischen Weg durch die Heimat eingeübt hatte, führte die Arbeit lückenlos weiter,790 ja er steigerte noch die Intensität und unternahm noch weitere und manchmal auch rechtlich riskante Wege in die Nachbarstaaten.791 Mit der Unterstützung durch Superintendent Jacoby und einer größeren Zahl von predigenden Laien, Kolporteuren und »Bibelboten«, die als bisher viel zu wenig beachtete Schriftenverkäufer wie Wegbereiter von Dorf zu Dorf und von Haus zu Haus zogen, 789 E. F. Wunderlich, Glaubenskampf (wie Anm. 780), 265. 790 Erst nach 17 Jahren, also 1867, kam der junge Bernhard Schröder (1839–1908) als erster ordinierter Prediger ins Herzogtum Sachsen-Altenburg nach Gößnitz. 791 J. Friedrich Wunderlich, Mein Leben, Selbstbiographie, Bremen o. J. 1896/97. Auch: Friedrich Wunderlich, Ehrhardt und Friedrich Wunderlich – Laien. In: ders., Brückenbauer Gottes (wie Anm. 444), 104–137.

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machte er weiter solche Erfahrungen wie in den ersten Jahren gemeinsam mit seinem Bruder. Es kann darauf verzichtet werden, Einzelheiten erneut zu schildern. Wichtiger ist der Blick auf einen Schritt, der 1870 mit der Verabschiedung des sog. Dissidenten-Gesetzes erfolgte, das den umständlichen Titel trägt: »Gesetz, die Einführung der Zivilstandsregister für Personen, welche keiner im Königreiche Sachsen anerkannten Religionsgemeinschaft angehören und einige damit zusammenhängende Bestimmungen betreffend.« Das Gesetz wurde am 20. Juni 1870 erlassen.792

Das »Zwickauer Statut« von 1871 Nach dem Erlass des sog. Dissidenten-Gesetzes war erstmals die Möglichkeit der Bildung von Religionsgemeinschaften außerhalb der Landeskirche gegeben. Im Gesetz, das für die lebendigen sächsischen methodistischen Gemeinschaften eine große Bedeutung bekam, lautete § 20: »Der Austritt aus einer vom Staat anerkannten Religionsgemeinschaft ist, auch wenn er ohne gleichzeitigen Übertritt zu einer anderen solchen Religionsgemeinschaft erfolgt, einem jeden Staatsangehörigen, welcher das 21. Lebensjahr überschritten hat, gestattet. Es wird jedoch der Austretende solange als Mitglied seiner seitherigen kirchlichen Gemeinde betrachtet, als er nicht seinen Austritt einem ordentlichen Richter persönlich zu Protokoll angezeigt, dabei aber zugleich glaubhaft nachgewiesen hat, daß er dem Pfarrer seiner Parochie vier Wochen vorher die Absicht, auszutreten, zu erkennen gegeben hat.«793

Die Ausgetretenen wurden in einem Dissidenten-Register erfasst. Die Prozedur des Austritts war für Viele, die sich zu den Methodisten hingezogen fühlten, wegen des vom Gesetz geforderten vorausgehenden Gesprächs im Pfarrhaus eine hohe Hürde. Die sollte es in anderen Ländern durch den offiziellen Austritt vor einer staatlichen Behörde nicht geben. Ein anderes Problem kam hinzu: die erheblichen Gebühren bedeuteten für jene armen Teile der Bevölkerung, das sich als ein echtes Problem erwies. Es war gut, dass die Methodisten ihnen keine Unterstützung angeboten haben. Das hätte ohne Frage zu dem Vorwurf der Proselytenmacherei durch Kauf geführt. Erstaunlich ist, zu welchen persönlichen materiellen Verzichten die zu den Methodisten Abwandernden um des geistlichen Gewinns willen bereit waren. 792 Zur Entwicklung der rechtlichen Stellung: Rüdiger Minor, Die Bischöfliche Methodistenkirche in Sachsen. Ihre Geschichte und Gestalt im 19. Jahrhundert in den Beziehungen zur Umwelt, Leipzig o. J. (1968), 154–192. 793 Paul von Seydewitz, Codex des im Königreiche Sachsen geltenden Kirchen- und Schulrechts. Dritte, bis auf die neueste Zeit fortgeführte und ergänzte Auflage, Leipzig 1890, 422– 427.

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Trotz aller verbliebenen Einschränkungen: Diese neu geschaffene Rechtslage brachte für die weitere Entwicklung der methodistischen Kirche in Sachsen einen erkennbaren Umschwung. Rüdiger Minor stellte fest: Durch das sog. ›Zwickauer Statut‹ vom Juni 1871 »wurde die Grundlage zur legalen Existenz einer von der Landeskirche unabhängigen methodistischen Gemeinschaft in Sachsen geschaffen.«794 Wie in Württemberg planten die Methodisten nicht über Biegen und Brechen eine autonome Kirchenbildung, aber das »DissidentenGesetz« eröffnete ihnen 1870 die Möglichkeit, die sie nach den in den vergangenen fast zwanzig Jahren gemachten Erfahrungen auch sofort und gerne genutzt haben. Obwohl die nun durch das ›Zwickauer Statuts‹ ordnungsmäßig formierten Gemeinden einen deutlichen Schritt vorankamen, blieben sie doch als lediglich privatrechtliche Institutionen in ihrer Rechtsstellung deutlich von den öffentlich-rechtlichen Kirchen unterschieden. Außerdem waren nicht alle Versammlungsorte in das regional mit Zwickau verbundene Statut in die neue Rechtslage einbezogen. Trotzdem war es ein enormer Fortschritt, weil mit dem neuen Status wichtige juristische Rechte erreicht waren, die für die zukünftige Sicherung besonders des Eigentums an Immobilien, deren Besitz seit der Anerkennung zunahm. Gemeinden, die noch nicht in die Rechte des Statuts einbezogen waren, mussten ihre Kapellen noch mit allen Risiken auf die Namen von Privatpersonen in die amtlichen Grundbücher eintragen lassen.795 Die infolge des Dissidenten-Gesetzes in Verbindung mit dem Statut eröffneten Möglichkeiten nutzten zunächst die darin genannten Gemeinden für ihre missionarische Arbeit. Mit diesem Statut war die Grundlage für die zukünftige Entwicklung im ganzen Königreich Sachsen gegeben, weil es auf Antrag mit staatlicher Genehmigung auf immer mehr Gemeinden Schritt für Schritt ausgedehnt wurde. Die anerkannten Gemeindebezirke hatten nun das Recht erlangt, öffentliche Gottesdienste zu halten und sich in Wohnungen der Mitglieder zu Klassen und Andachten unter der Leitung ihrer Prediger, Laienprediger und Klassführer zu versammeln. Der Staat behielt sich die Oberaufsicht vor. Bis zur Erlangung des ›Zwickauer Statuts‹ waren mit Bernhard Schröder (1839–1908) und dem bald schwer erkrankten Traugott Schenkel († 2. 1. 1868) seit 1866/67 lediglich zwei ausgebildete Prediger auf den Bezirken Gößnitz und 794 Rüdiger Minor, Die Bischöfliche Methodistenkirche in Sachsen (wie Anm. 792), 153. Auch: ders., Volksfrömmigkeit – Erweckungsbewegung – Freikirche, dargestellt an den Anfängen von drei Freikirchen im Raum Zwickau-Planitz. In: Mitteilungen der Studiengemeinschaft für Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche, Nov. 1980, Heft 2, 18. 795 Das waren 1879/80: der längst nach Amerika zurückgekehrte und dort verstorbene Ludwig S. Jacoby (Dörtendorf und Waltersdorf), Carl Schaarschmidt (Eliasbrunn), Pucklitzsch und Zipfel (Langenwetzendorf). Statistischer Bericht über das Kirchen-Eigentum Conferenzjahr 1879/1880. Anhang der Verh. der Bischöflichen Methodistenkirche 1880, Bremen 1880.

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Zeitz tätig. Gößnitz, in Sachsen-Altenburg gelegen, war als früher Bahnknotenpunkt gewählt. Schenkel wohnte in Dörtendorf. Ab 1870 wurde die Präsenz von Predigern verstärkt: 1870 wurde Emil A. Zimmer (1842–1896) nach Zwickau gesandt, 1871 Heinrich Mann (1844–1920) nach Zwickau und Ferdinand Schmidt (1846–1924) nach Plauen, 1872 wurde Schwarzenberg mit Philipp Lutz (1848–1930) besetzt.796 Seit der Genehmigung des Statuts verlor die Arbeit in den nächsten Jahren den Charakter einer absoluten, kirchlich gestützten Laienbewegung, ohne die Mitwirkung dieser enorm wichtigen Arbeit zu schmälern. Gerade dieser Typ der organisierten und kirchlich straff geordneten Laientätigkeit mit missionarischem Impetus gab der Kirche eine besondere Note. Einfache Predigten für einfache Leute, gehalten ohne ausgeschriebenes Konzept, aber überzeugend durch die Authentizität; Räume zwischen Tanzsaal und Wohnstube, in denen sich das tägliche Leben abspielte; Prediger in gewöhnlicher sonntäglicher Kleidung wie die Zuhörer, keinen erhöhten Predigtplatz und ohne dass die Gemeinde sich erhebt, wenn der Predigende den Raum betritt. Diese Schlichtheit und erkennbare Solidarität zwischen dem Prediger und der Versammlung wirkte auf die Nichtprivilegierten in den Dörfern anders als auf die akademisch gebildeten Pfarrer, die in vielen Fällen kritisch auf diese Frommen herabschauten und ihnen vorwarfen, sie seien religiös-überheblich und fühlten sich als die besseren Christen. Längst hat die methodistische Kirche diesen urtümlichen Charakter verloren. Man kann fast uneingeschränkt sagen: Wer sich bekehrt hat und ein neues Leben in der Nachfolge Christi begann, dessen neuer, geheiligter Lebensstil führte die ihm nachfolgenden Generationen Stufe für Stufe durch geradezu puritanische Sparsamkeit und dadurch mögliche Bildung in eine andere soziale Welt. Ein Zeitsprung zeigt einen tiefen Einschnitt auch in das äußere Gesicht der Kirche. Der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg brachte insbesondere in der hier beschriebenen Region trotz der politischen Verhältnisse und der Mangelwirtschaft bei den neuerbauten Kirchen den enormen Schritt von den in der Regel sehr schlichten Kapellen zu imposanten Gebäuden mit sakralen Charakter, die von landeskirchlichen Neubauten in den Städten nicht mehr zu unterscheiden waren. Der innere Zwang, das Sekten-Image abzuschütteln, forcierte einen Prozess der Anpassung, der seit dieser Zeit die methodistischen Kirchen erkennbar veränderte. Zurück zum ›Zwickauer Statut‹. Durch dasselbe war es den Methodisten nun auch möglich, außer Abendmahlsgottesdiensten auch alle Amtshandlungen mit 796 Eine Übersicht der »sächsischen Prediger«, ihre Dienstzeiten (bis 1900) und die Gemeindebezirke, auf denen sie gewirkt haben: Minor, Methodistenkirche in Sachsen (wie Anm. 792), 251–254.

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bürgerlicher Wirkung, also auch Taufen, Trauungen und Bestattungen vorzunehmen. Trotzdem gab es zwischenkirchliche Konflikte. Selbstverständlich waren methodistische Gottesdienste öffentlich und für jeden Interessierten von den Gemeinden her ohne jede Bedingung zugänglich. Für Lutheraner war es damals noch schwer nachzuvollziehen, dass es sogar ein sog. offenes Abendmahl gab. Er war kein Konfessionsmahl. Darum setzte die Teilnahme keine Mitgliedschaft in der methodistischen Kirche voraus. Bei aller Offenheit darf man die Einschränkungen nicht unterschätzen. Mit der Bestätigung durch das Statut hatte das Kultusministerium in Dresden gravierende Einschränkungen verbunden. Es sollen sich nur solche Personen der Methodistenkirche anschließen können, welche aus der Landeskirche ausgetreten sind. Damit war eine sog. Doppelmitgliedschaft, wie sie auch in der methodistischen Kirchenordnung nicht vorgesehen ist, ausgeschlossen. Das kann für solche, die bereits vor dem Dissidenten-Gesetz Mitglieder in die methodistische Kirche aufgenommen waren, anders gewesen sein, denn zu dieser Zeit gab es für sie nicht keine rechtliche Möglichkeit, aus der Landeskirchen austreten zu können. Eine andere Festlegung im Statut war für eine missionierende Kirche viel einschneidender. Sie legte fest, dass an methodistischen Versammlungen nur teilnehmen darf, wer aus der Landeskirche offiziell ausgetreten war. Wie dringend der Erlass des Dissidenten-Gesetzes und des Zwickauer Statuts in den oft konfliktreichen Beziehungen geworden war, zeigt beispielhaft ein Vorgang kurz vor dem Inkrafttreten des Gesetzes. Im Mai 1870 erklärte der 26jährige Maurer und Weber C. J. Walther im Pfarramt von Werdau seinen Austritt aus der Landeskirche. Der konkrete Anlass war, dass er sein tags zuvor geborenes Kind durch einen Methodistenprediger taufen lassen wollte. Der Werdauer Pfarrer fragte bei seinem Superintendent Schmidt an, ob das möglich sei. Superintendent Schmidt teilte dem Ortspfarrer mit, dass dies vor dem Erlass des geplanten Dissidenten-Gesetzes nicht gehe. Walther blieb aber bei seinem Wunsch. Daraufhin wurde die Anfrage an die Konsistorialbehörde verwiesen. Die Kreisdirektion, also eine eigentlich kirchenfremde Behörde, beschied, dass beides, Kirchenaustritt und Gewährung der Tauffreiheit nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht möglich sei. Erst das Dissidenten-Gesetz werde Klarheit bringen. Daraufhin erbat Schmidt von der Behörde Anweisung, wie er es mit der Taufe des Kindes halten solle, da nach einer Verordnung von 1850 Kinder innerhalb von sechs Wochen nach der Geburt zur Taufe gebracht werden müssen. Es sei nicht zu erwarten, dass innerhalb dieser Frist das Gesetz erscheint und Walther das Recht habe, aus der Kirche auszutreten und sein Kind bei den Methodisten taufen zu lassen. Die Kreisdirektion Zwickau, wieder eine weltliche

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Behörde, genehmigt schließlich den Aufschub der Taufe bis zum Erlass des Gesetzes und verfügte, die Geburt einstweilen ins Kirchenbuch einzutragen.797 Dieses Beispiel zeigt, wie durch die nun überall hin und her in den deutschen Staaten neu geordnete Zivilstandsgesetzgebung mit der Einrichtung von Standesämtern für die außerkirchlich erfolgende amtliche Beurkundung von Geburt, Verheiratung und Tod auch für die Nicht-Staatskirchen eine positive Veränderung mit sich brachte. Das war eine Folge der zunehmenden Pluralisierung des Kirchenwesens, die eine Vereinheitlichung der amtlichen Erfassung der Personendaten erforderte. Dieser Umstand kam den Methodisten in einigen deutschen Ländern für ihre Anerkennung entgegen. Das »Zwickauer Statut« schuf zunächst einmal die Voraussetzung, dass in dem darin festgelegten geographischen Bereich ihr Wirken legal war und nicht mehr als unrechtmäßig behördlich unterdrückt werden konnte. Trotzdem waren längst nicht alle Probleme gelöst. Die Auslegung der im Statut erlaubten Genehmigungen von »Hausandachten« durch die Behörden war restriktiv. Dass solche, die nicht aus der Landeskirche ausgetreten waren, nicht daran teilnehmen durften, war für die missionarisch orientierten Methodisten eine gravierende Einschränkung und das sollte auch so sein. Es ging damals ja nicht nur darum, jemanden auf der Straße mit einem Traktat in einen Gottesdienst einzuladen, sondern eher darum, dem Nachbarn zu sagen: »Komm doch einmal mit.« Für die jeweiligen Leiter dieser Versammlungen, die andere gerne für den Glauben gewinnen wollten, war es eine Belastung, dass sie für die Einhaltung des Ausschluss-Grundsatzes verantwortlich gemacht wurden. Dieses Abdrängen in eine Art Konventikel oder »Privatversammlung« widersprach dem methodistischen theologischen Ansatz, in dem es nicht um fromme Erbauung ging, sondern um die Verkündigung der Heilsbotschaft an solche, die zum Glauben keine lebendige Beziehung hatten. Der durch die Rechtfertigung geschenkte Glauben sollte mit einem bewussten Leben in der Nachfolge Christi verbunden werden. Gerade um auf den Weg in die Nachfolge einzuladen und den bereits Getauften den Weg zu zeigen, waren die methodistischen Kirchen nach Deutschland gekommen. Es waren die Jahrzehnte, in denen David Friedrich Strauß’ (1808– 1874) »Leben Jesu« (1835) so viele Menschen verunsicherte,798 und Daniel Schenkels (1813–1885) »Charakterbild Jesu« (1864) mit dem »Protestantenverein« einen liberalen Akzent setzte.799 Die Methodisten hatten einen anderen Ansatz. Sie wollten, dass jeder die Einladung in die Nachfolge Christi hören konnte. Darum suchten sie korrespondierend mit der Kleingruppe die Öffent797 Rüdiger Minor, Quellen zur Geschichte des Methodismus in Sachsen, Leipzig o. J. (1968), Nr. 20–22, 14f. 798 Jakob J. Meßmer, Die modernen Darstellungen des Lebens Jesu, ihr gegenseitiger Widerspruch und ihr gemeinsamer Irrthum. In: WS, 3. Jg. (1870), 53–59. 799 Ernst Gebhardt, Protestantenvereinssache. In: WS, 3. Jg. (1870), 59f.

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lichkeit, machten sich als Wanderprediger auf den Weg zu den Menschen in die Dörfer, scheuten keine Auseinandersetzung mit Polizei, Behörden und Pfarrern, auch keine Bestrafungen. Das Kerygma war ihnen eine Botschaft, die auf den Marktplatz, auf die Straße gehörte und auch in die entlegenen Häuser getragen werden sollte, damit alles es hören sollten und konnten, auch die, die den Weg in die Kirche scheuten. Dass aber vor der Teilnahme an einer Hausversammlung, welche die Methodisten in großer Regelmäßigkeit und an vielen Orten als »Klassen« hielten, jene, die daran teilnehmen wollten, vorher aus der Landeskirche ausgetreten sein mussten, war nicht nur ein Problem für diejenigen, die diese Zusammenkünfte leiteten. Die durch das Gesetz zum Austritt Genötigten haben es als eine große Belastung empfunden, vorher beim Pfarrer ihren Austritt aus der Landeskirche erklären zu müssen, um ins Dissidenten-Register zu gelangen. Man kann sich vorstellen, wie solche Besuche emotional die Beziehung zur Kirche der Väter und Mütter beschädigt haben. Der Weg ins Pfarrhaus war nicht immer leicht für die wechselbereiten Kirchenglieder, denn die Verwurzelung in den Kirchengemeinden des jeweiligen Ortes war durch die familiären Bindungen, man denke an die Taufen, Trauungen und Bestattungen, aber auch die Beziehung zu dem Kirchenraum tiefer als man denkt. Manchmal zeigte sich auch, dass ein Austritt gestörte verwandtschaftliche Beziehungen zur Folge hatte.

Neue Gesetze – neue Probleme Die typisch methodistischen Klassversammlungen wurden in Sachsen in den Gebieten des Erzgebirges von Mitgliedern armer Arbeiterfamilien besucht, die ihren Lebensunterhalt durch Heimarbeit bestreiten mussten, für die sie nur eine geringe Bezahlung erhielten. Sie fanden in den Kleingruppen nicht nur ein tragendes Glaubensfundament, sondern auch eine ihrem Status entsprechende Gemeinschaft, in der ihnen die menschliche Würde nicht versagt blieb. Aber im Umfeld größerer Städte waren sie genauso beliebt. Gerade an diesen Klassversammlungen lassen sich nach der neuen Gesetzeslage bleibende Einschränkungen beispielhaft bündeln. In Zwickau wurde Prediger Heinrich Mann (1844–1920), der erste hauptamtliche Prediger in Sachsen, im März 1874 verpflichtet, seine Hausandacht zu unterlassen, wenn »Nichtmitglieder« der Methodisten anwesend sind. Für den Fall, dass er sich dieser Verfügung widersetze, wurde ihm eine »Geldstrafe von bis zu Fünfzig Thalern oder verhältnismäßige Haftstrafe« angedroht.800 800 Beschluss des Stadtrates Zwickau vom 26. März 1874. Text in: Minor, Quellen (wie Anm. 797) Dok. 62, 39.

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Wie entscheidend diese »Hausandachten« gerade in der Mission der Kirche mit »Nichtmethodisten« waren, zeigt die Reaktion des Zwickauer Predigers. In einem ausführlichen Brief an das Kultusministerium schrieb Heinrich Mann unter dem 6. Juni 1874: »Durch den Beschluß des Stadtrates zu Zwickau, daß es dem Prediger obliegt, dafür Sorge zu tragen, daß den Hausandachten Nichtmitglieder der Gemeinde fern bleiben bez. falls solche zugegen sind, die Leitung der Andachten zu unterlassen, sind die Prediger sowie die Klassführer der Gesellschaften des Zwickauer Bezirks der Bischöfl. Methodistenkirche in die größte Gewissensnoth gerathen und es entstehen derartige Unannehmlichkeiten und das Gefühl der religiösen Freiheit tief verletzende Vorkommnisse, daß Unterzeichneter nicht umhin kann, im Namen und Auftrag aller unserer Glieder, Prediger und sonstigen Beamten das Hohe Ministerium unterthänigst um baldige Abhilfe zu bitten.«801

Danach schildert der Bittsteller zur Begründung die konkrete Situation und stellt sie anschaulich und eindringlich dar : »An vielen Orten stehen bei Abhaltung der Hausandachten stets mehrere Personen, oft 10 bis 20, vor der Thüre des Locals, in welchem die Hausandacht abgehalten wird, laut schluchzend und über diese Bedrückung klagend. Kinder werden gezwungen durch die für sie folgenschwere Verordnung, ihre eigenen Eltern, und umgekehrt, Eltern ihre Kinder zu nöthigen, doch solange vor die Stubenthüre oder in eine Kammer zu gehen, bis die Hausandacht vorüber ist, und oft kommt es vor, daß eine Anzahl Personen in einer Nebenkammer versteckt ist, von welchen der Prediger nichts weiß. Auch bringen wir uns und unsere Gemeindeglieder und unsere ganze Wirksamkeit, dadurch, daß den Andachten kein Fremder beiwohnen darf, in den größten Verdacht, als ob in unsern Andachten unsittliche Handlungen vorkämen und wir die Religion nur zum Deckmantel gebrauchten. Derartige Verdächtigungen werden leider zu viele ausgesprochen und zu leicht geglaubt.802 Wie schwer es uns unter solchen Umständen wird, die Hausandachten zu leiten und besonders dann, wenn Fälle eintreten, in welchen wir oft sittlich verkommene oder dem Trunke ergebene Personen, welche wir gerne retten würden, bitten müssen, sich aus unseren Andachten zu entfernen, kann ein Hohes Ministerium wohl ermessen.«803

Über Jahrzehnte wurden »Religiöse Versammlungen«, wie sie den Methodisten erlaubt waren, hinsichtlich ihrer inhaltlichen Gestaltung durch den Staat überwacht. 801 Minor, Quellen (wie Anm. 797), 42f. 802 Der bereits erwähnte Methodistenprediger Ernst Pucklitzsch schreibt, seine erste Begegnung mit den Methodisten im Jahr 1852 in Dörtendorf sei seiner Neugier geschuldet. Im »Dorfgeschwätz« sei behauptet worden, es handle sich um »eine geheime Brüderschaft […], die es mit dem Bösen zu tun habe und sich zur festen Verkettung untereinander ihren Namen mit dem eigenen Blut unterzeichnet habe, das aus eigenem Aderlaß zu beziehen sei.« In: Pucklitzsch, Lebenserinnerung, (wie Anm. 731), 6. 803 Ebd., 43. Auch: Minor, Geschichte (wie Anm. 792), 355f.

Die Methodisten in Sachsen

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Das Beispiel eines Berichtes, der noch im Jahr 1902 über die Kontrolle einer solchen Hausversammlung gegeben wurde, zeigt die präzise Erfassung einer solchen Versammlung in Mühlhausen bei Oelsnitz, die wie die Schilderung eines verdeckten Gottesdienstes wirkt. Dort kam es schon früher zu Anzeigen, weil Mitglieder der Landeskirche nicht die Absicht hatten, aus ihr auszutreten, aber trotzdem methodistische Versammlungen, aus denen sie eigentlich ausgewiesen werden mussten, besuchten.804 Diesmal fand die Versammlung in der Wohnung von Franz Plath statt. Sie begann abends 1/2 9 Uhr und war ordnungsgemäß bei der Amtshauptmannschaft Oelsnitz805 angemeldet, wie aus einer Empfangsbestätigung an den Plauener Prediger Engelbert Wunderlich (1859–1918), der die Versammlung hielt, hervorgeht. Der von der Aufsichtsbehörde entsandte Sekretär Bachmann schrieb einen mehr als vier Seiten langen Bericht. Er schildert darin den Raum, in dem Bänke und Stuhlreihen aufgestellt waren. Es habe einen ungehinderten, eigentlich zu kontrollierenden Zutritt gegeben. Als Besucher habe er sich nicht zu erkennen geben müssen. Von den 30 Versammlungsteilnehmern gehörten etwa zwei Drittel dem »weiblichen Geschlechte« an. Insgesamt seien überwiegend dem Arbeiterstande angehörende Burschen und Mädchen anwesend gewesen. Kinder waren keine da. Das Versammlungslokal [eigentlich zwei Wohnstuben] war hinreichend beleuchtet und mit Besuchern vollständig gefüllt. Der Zugang wird in Einzelheiten geschildert. Die Verbindungstür zwischen zwei Stuben wurde offen gehalten, die Haustür nicht verschlossen. Wunderlich eröffnete die Versammlung um kurz nach 1/2 9 und forderte ›den Gesangverein‹ auf, ein Gesangbuchlied zu singen. Etwa 10 junge Burschen und Mädchen erhoben sich von ihren Plätzen und sangen ein Lied.806 Der Prediger hielt einen »Vortrag« über verschiedene Stellen aus der Heiligen Schrift, die er erläuterte und auslegte. Er habe Fragen des Fortlebens nach dem Tode, des göttlichen Erbteils und den Bedingungen zu dessen Erlangung behandelt. Nach 3/4 Stunden sei ein weiteres Lied des Gesangvereins gesungen worden. Danach habe Wunderlich die Versammlung für geschlossen erklärt und zur nächsten Versammlung mit der Angabe von Tag und Zeit eingeladen, worauf der Gesangverein noch ein Lied ›zu Gehör brachte‹ und die Versammelten alsbald auseinander gingen. Gegen 10 Uhr sei alles zu Ende gewesen. Wunderlich habe einen schwarzen Gehrock getragen. Seinen Vortrag habe er stehend gehalten. Weiter heißt es:

804 Schreiben Pastor Bernhard Schneider an das Kultusministerium Dresden vom 22. Nov. 1870. Transkribiert bei Minor, Quellen (wie Anm. 797), 20. 805 In Württemberg musste die Anmeldung beim Ortspfarrer, hier bei der zuständigen staatlichen Behörde erfolgen. 806 Damit war der Versammlung der Charakter eines Gottesdienstes genommen. Es erfolgte auch weder ein Gebet noch eine Bibellesung oder ein abschließendes Segenswort.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

»Ein äußeres Abzeichen seiner Predigerwürde trug er nicht. Sein Vortrag war ernst und gemessen und glich einer Predigt im Kleinen. Ein Gebet wurde nicht gesprochen, eine Segenshandlung von seiten des Predigers oder eine sonstige gottesdienstliche Handlung fand nicht statt. Der Vortrag der Gesänge erfolgte in ruhiger und ernster Weise. Die Haltung der Versammlungstheilnehmer war eine durchaus andächtige. Ein Teil derselben war aus Richtung Adorf gekommen. Der Prediger Wunderlich fuhr mit dem Zuge 10 Uhr 8 Min. in die Richtung nach Plauen wieder ab. [Unterschrift:] Secretär Bachmann.«807

Diese behördliche Kontrolle beendete eine längere Auseinandersetzung von Prediger Engelbert Wunderlich (1859–1918), einem Vertreter der zweiten Generation, mit der Behörde in Oelsnitz. Sie zeigt, wie notwendig es war, eine Klärung darüber, was eine den Methodisten erlaubte »religiöse Versammlung« ist, herbeizuführen. Denn die verschiedenen regionalen Unterbehörden legten die schon Jahrzehnte vorher erfolgte Genehmigung der Hausandachten unterschiedlich aus, was permanent zu Verunsicherungen führte.808 Endlich 1912 kam es durch das Oberverwaltungsgericht zu einer für alle Seiten verpflichtenden Klarstellung. Das Oelsnitzer Beispiel zeigt auch, wie es trotz der Verabschiedung des sog. »Dissidenten-Gesetzes« im Juni 1870 für die Methodisten in Sachsen sinnvoll war, wenigstens eine Teil-Anerkennung im Bereich Zwickau zu erwirken, weil jetzt legal Mitglieder in eine methodistische »Gesellschaft« aufgenommen werden konnten. Wie dringend nötig das war, zeigt eine Anzeige, weil Kinder, deren Eltern nicht der methodistischen Kirche angehörten, eine Sonntagsschule besuchten. Die Ortspfarrer scheuten sich nicht, in ihrer Eigenschaft als Ortsschulinspektoren Strafandrohungen auszusprechen und auf ihr Recht zu Kontrollen hinzuweisen. Es gab sogar polizeiliche Überwachungen von Sonntagsschulen, die ausschließlich von Kindern methodistischer Eltern besucht wurden. Den Anlass bot die Klärung, ob möglicherweise Kinder von Eltern, die zur Landeskirche gehörten, daran teilnahmen. Zu einer endgültigen Lösung der erwähnten Probleme kam es erst mit dem Ende des Kaiserreichs. Die Weimarer Verfassung schuf eine neue Grundlage. Die aus dem demokratischen Amerika kommenden Methodisten wurden juristisch den Landeskirchen gleichgestellt indem sie für sich auch die Anerkennung als Körperschaften des öffentlichen Rechts beantragen konnten. Damit war ihre Kirchenbezeichnung, die sie nun selber bestimmen konnten geklärt und die vormaligen Charakterisierungen als »Sekten«, »Dissidenten« oder »Sonderkir807 Bericht Secretär Bachmann an die Königl. Amtshauptmannschaft Oelsnitz am 31. Mai 1902. StADr Best. Amtshauptmannschaft Oelsnitz Nr. 197. Abth. IX. Abschn. 2. Nr. 4. Religionsgesellschaften u. besonders Secten betr. (1886–1918). 808 Minor, Geschichte (wie Anm. 792), 180–182, entfaltet das ausführlich mit unterschiedlichen Belegen.

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chen« verschwanden aus den staatlichen Texten, wo doch gerade die vormaligen Staatskirchen die »Sonderkirchen« mit »Sonderrechten« waren. Diese nahmen nun ganz selbstverständlich den Begriff »Volkskirche« für sich in Anspruch. Sie konnten das nur paternalistisch meinen als »Kirchen für das Volk«. Wenn man die große Schar zur Predigt bevollmächtigter Laien, die beauftragten Klassführer und die geschulten Sonntagsschullehrerinnen und -lehrer im sächsisch-thüringischen Raum überblickt, und sieht, wie arme und einfache Handwerker, Arbeiter, Heimarbeitende zusammen mit Führungskräften die methodistische Erweckung getragen haben,809 dann haben gerade sie das Recht, als »Volkskirche« bezeichnet zu werden, denn sie lebten in einer solidarischen christlichen Gemeinschaft als ›Kirche des Volkes‹ unter denen, die überwiegend nicht der bürgerlichen Gesellschaftsschicht angehörten oder, wie die Prediger, nicht aus ihr kamen. Das war in den Nachbarländern des Königreichs Sachsens nicht anders.

3.12 Die Methodisten im Fürstentum Reuß ältere Linie Ganz egal ob Reuß jüngere oder Reuß ältere Linie oder auch Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, das ist für jene, die nicht in diesen Regionen leben, geographisch weit weg und durch ihre inzwischen erloschene politische Existenz oft der Vergessenheit anheimgefallen. Die Geschichte der Methodisten in diesen wirklich kleinen Regionen ist kaum einmal in ihrer Beziehung zu den Staaten und Landeskirchen untersucht worden, obwohl in den dortigen staatlichen Archiven reichlich Quellen lagern. Hier soll ein kurzer Einblick in das geographisch zerstückelte, man kann sogar sagen ›verinselte‹, Fürstentum Reuß ältere Linie mit seinen 827 km2 gegeben werden. In diesem Fürstentum mit seinen vielen Grenzen waren zuerst die bischöflichen Methodisten von Rüßdorf aus, das zu Sachsen-Weimar gehörte, missionarisch tätig, später von Naila im fränkischen Bayern aus auch die ›Kirche der Vereinigten Brüder in Christo‹. Als der aus Amerika zurückgekehrte Ehrhardt Wunderlich schon verhältnismäßig früh im Fürstentum auftauchte, erließ Fürst Heinrich XX. (1794–1859, Regierungszeit 1836–1859) alsbald eine Verordnung, um die religiösen Zusammenkünfte außerhalb der Landeskirche, deren summus episcopus er war, zu regeln. Ihn ärgerte es, dass »Ausländer« sich an Kirchenglieder seiner Kirche wandten, diese besuchten und in ihren Wohnungen Versammlungen hielten. Wenn von Ausländern die Rede war, ging es zu dieser Zeit nicht ausschließlich 809 Im gesamten sächsisch-thüringischen Raum war mit Heinrich Mann (1844–1920) der erste hauptamtliche Prediger seit 1871 tätig. Zur gleichen Zeit waren es im damaligen Württemberg 7 Prediger der Wesleyaner, 14 Prediger der Evangelischen Gemeinschaft und 14 Prediger der Bischöflichen Methodistenkirche, also insgesamt 35.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

um den Amerika-Rückkehrer Ehrhardt Wunderlich, sondern es zählte damals noch jeder, der aus einem Nachbarstaat die Grenze des Fürstentums überschritt, als ein solcher. Diese 1853er Verordnung,810 die bis 1886 in Kraft blieb, hatte einen methodistischen Anlass. Christian Espig bemerkt in seiner Dissertation: »Dieses Gesetz war infolge des Auftretens des Methodistenpredigers Ehrhardt Wunderlich erlassen worden, dessen Wirken den Beginn der Geschichte des Methodismus im Fürstentum Reuß ä. L. bildete.«811 Der Fürst ordnete an: von Ausländern geleitete religiöse Zusammenkünfte bedurften einer Genehmigung durch das Konsistorium. Bei nicht genehmigten Veranstaltungen durch Ausländer hat die Ortspolizei einzugreifen und die Person über die Grenze abzuschieben. Im Wiederholungsfalle können acht Tage Gefängnis verhängt werden. Wenn es zu Weigerungen gegenüber den Anweisungen kommt, soll eine Verhaftung und Überstellung an das zuständige Obergericht erfolgen. Über alle Vorgänge ist das Konsistorium zu unterrichten. Hausbesitzer, die solche Versammlungen beherbergen, trifft zunächst ein Verweis. Im Falle der Wiederholung solcher Versammlungen ist ebenfalls eine achttägige Gefängnisstrafe angedroht. Die inländischen Versammlungsteilnehmer sind stufenweise zuerst zu verwarnen, dann mit einer Strafe von drei Thalern, im Falle der Zahlungsunfähigkeit mit einer Gefängnisstrafe zu belegen. Für Inländer, die eine religiöse Zusammenkunft leiten, ist die Anmeldung beim Pfarrer vorgeschrieben. In dessen Ermessen liegt es, seine Zustimmung zu geben. Auch hier sind im Falle einer Nichtbeachtung der pfarramtlichen Entscheidung Konsequenzen vorgesehen. Nach Pfarrberichten aus dem Jahre 1875 gab es in der Landeshauptstadt Greiz trotz der restriktiven Verordnung von 1853, die noch in Kraft war, Methodisten. Der dortige Superintendent Albert Freiherr von der Trenck meldete, es hätten um 1869 zwischen 10 und 20 Personen die Absicht gehabt, ihren Austritt aus der Landeskirche zu erklären und zu den Methodisten zu wechseln.812 Die Statistik der methodistischen Kirche von 1871 weist allerdings Greiz noch gar nicht aus. Darin wurden aus der Region »Sachsen« lediglich Waltersdorf und Dörtendorf erfasst. Da die methodistische Kirche nicht parochial, sondern in überregionalen ›Bezirken‹ verfasst ist, kann eine grenzüberschreitende Kirchengliedschaft angenommen werden. Wenn Ausländer schon nicht im Fürstentum wir810 Gesetzessammlung für das Fürstentum Reuß ältere Linie 1853, Nr. 30, 173–175. Betreffend Landesherrliche Verordnung religiöser Zusammenkünfte außerhalb der Kirche. 811 Christian Espig, Die »Soziale Morphologie« als methodischer Zugang einer lokalen Religionswissenschaft am Beispiel des Fürstentums Reuß ä.L., Dissertation Halle 2016. 812 Dieser hier wie auch in anderen Fällen geplante Schritt des Konfessionswechsels im Fürstentum Reuß ä. L. scheint sich an der Ordnung im Königreich Sachsen zu orientieren. Er zeigt eine Auswirkung der grenzüberschreitenden Organisation der methodistischen Kirche.

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ken durften, wanderten Greizer zu Gottesdiensten nach Rüßdorf ins benachbarte Sachsen-Weimar. Dort haben sich auch einige Männer bekehrt, die nach Fraureuth zurückgekehrt waren,813 so dass der dortige Pfarrer berichtete, es seien zwanzig bis dreißig volljährige Personen aus der Landeskirche ausgetreten, um sich den Methodisten anzuschließen. Ähnlich und doch ganz anders war der Anfang der Methodistenkirche in Remptendorf. Ein gewisser Baumann war nach Amerika ausgewandert. Dort hatte er sich der methodistischen Kirche angeschlossen. Wie viele andere814 schrieb er unter anderem an seinen Bruder und riet ihm, er solle nach Rüßdorf gehen, um methodistische Frömmigkeit kennen zu lernen. Der Remptendorfer Baumann besuchte daraufhin einen Gottesdienst in Rüßdorf. Dies hatte zu Folge, dass er Prediger Friedrich Wunderlich nach Remptendorf einlud. Wunderlich hatte selber ein volles Programm, darum sandte er den Laienprediger August Dimmlich (1833/34–1926) aus Hohenleuben dorthin. Damit war ein weiterer Anfang gemacht. Von Remptendorf aus kamen die Methodisten nach Eliasbrunn, Görkwitz und Oschitz. Friedrich Wunderlich bemerkt: »Wir hatten große und herrliche Versammlungen, und der Herr offenbarte sich durch Erweckung und Bekehrung vieler teurer Seelen. Mehrere Jahre lang ist das Werk von hier aus [schrieb er in Rüßdorf] bedient worden, obgleich eine Entfernung von 11–12 Stunden zu Fuß zurückzulegen war. Schwere Kämpfe und Verfolgungen gab es zu überwinden; endlich jedoch gab der Herr Religionsfreiheit und nun konnte ein Prediger in Schleiz815 stationiert werden.«816

Der Remptendorfer Pfarrer Carl H. E. Herpisch berichtete von 25 Personen, die zu den Methodisten gehen, zehn von ihnen hatten den Austritt aus der Landekirche angezeigt. Diese Differenz ist die Regel. Darum spiegeln Zahlenangaben, die von offiziellen Statistiken verbreitet worden sind, ganz selten die wirkliche zahlenmäßige Ausdehnung der methodistischen Arbeit wider. Selbst in den methodistischen Darstellungen sind die von Christian Espig erfassten Methodisten in Naitschau (ohne Austritt), in Neudorf (ohne Austritt) und in der Parochie Tschirma mit Nitschareuth, (auch ohne Austritt, aber mit regelmäßigem Besuch der landeskirchlichen Gottesdienste von Pfarrer Karl F. Tiller) nicht erfasst. Diese knappen Hinweise erinnern daran, dass der Bremer Superinten813 Friedrich Wunderlich, Mein Leben (wie Anm. 791), 48f. 814 Karl Heinz Voigt, Die Bedeutung der Auswanderung für die Ausbreitung der methodistischen Kirche in Deutschland. In: Freikirchen-Forschung Bd. 23 (1995), 22–46. Auch in: Mitteilungen der Studiengemeinschaft der Evangelisch-methodistischen Kirche, 16. Jg. NF (1995/2), 3–29. 815 Schleiz taucht in der Liste der Prediger erstmals 1880/81 auf mit dem Hinweis »zu besetzen«. Im folgenden Jahr ist Schleiz mit Christian Schwarz besetzt, zusammen mit Leutenberg. 816 Friedrich Wunderlich, Mein Leben (wie Anm. 791) 51f.

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dent Jacoby schon nach seinem ersten Besuch in Rüßdorf über die dortigen »Glieder unserer Gesellschaft« berichtete: »[D]a sie kein Recht haben, sich von der Landeskirche zu trennen, so ermahnte ich sie, wie Wesley zu seiner Zeit that, das heil. Abendmahl und den Besuch der [Landes-]Kirche nicht zu versäumen, aber auch in den nicht zum öffentlichen Gottesdienst bestimmten Stunden ihre eignen Erbauungsstunden, Klaß- und Betversammlungen regelmäßig zu halten.«817

Diesen Hinweis mit den Anweisungen an die Rüßdorfer teilte Jacoby offiziell dem Missionssekretär Dr. John P. Durbin (1800–1876) mit, der von Anfang an darüber informiert war, dass die methodistische Mission nicht überall zur Gemeinde- und Kirchenbildung führt, wie es sich auch im Fürstentum Reuß ältere Linie noch Jahrzehnte später zeigte. Jacoby berichtete in demselben Zusammenhang, dass er den Superintendenten in Weida besucht hat, von dem er freundlich empfangen wurde. In Greiz besuchte er den Kirchenrat, »einen wahrhaft frommen Mann, jedoch voll Vorurteil gegen Methodismus.« Auf die Frage des Kirchenrats »warum so Viele, die sonst nicht in die Kirche gingen, dem Hrn. Wunderlich nachlaufen«, antwortete Jacoby : »weil die Prediger oft nicht verstehen, den Leuten so deutlich zu predigen, dass sie es recht fassen können.« Darauf habe der Pfarrer geantwortet, »er fürchte, es sei so.«818 Schließlich besuchte Jacoby in der Nähe von Rüßdorf einen Seminar-Inspektor. Er war »ein strenger Lutheraner, aber nicht so engherzig gegen Andere, sondern voll Eifer für das Reich Christi. Er hatte allerdings viele Vorurteile gegen den Methodismus, weil die Altlutheraner in Amerika harte Klagen gegen die Methodisten in ihren Berichten führten. Während ich bei ihm war, kam der Kirchenrath, um mich noch einmal zu sehen. Wir sprachen anderthalb Stunden miteinander und ich habe Ursache zu glauben, daß sie anfangen, Methodismus und die Arbeit unserer Kirche unter den Deutschen in Amerika besser zu schätzen. Wir schieden voneinander in wahrhaft brüderlicher Liebe.«819

Im Laufe der Zeit kam es trotz aller fürstlichen Vorschriften und der methodistischen Bereitschaft zu Aktivitäten, die nicht im Gegensatz zum Wirken der Landeskirchen standen, zu Spannungen und Problemen. Das hatte auch einen Grund in der Anerkennung der Methodisten durch das Zwickauer Statut von 1871 und der grenzüberschreitenden Organisation der methodistischen Arbeit. Die Taufe einer am 15. Okt. 1873 geborenen Tochter des Fraureuther Webermeisters Bergner ist ein typisches Beispiel. Diese Taufe hatte der Zwickauer Prediger Heinrich Mann vollzogen, ohne vorher eine Genehmigung des örtlichen Pfarrers Vollert einzuholen. Mann war aus dem Königreich Sachsen ge817 Jacoby, Reisebericht an Dr. Durbin vom 24. Febr. 1851 (wie Anm. 782), 75. 818 Ebd. 819 Ebd.

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kommen, wo die Methodisten die Anerkennung erreicht hatten. Die Vornahme dieser Taufe war aber nach dem Gesetz für Fraureuth im Fürstentum Reuß ältere Linie nicht erlaubt. Darum wandte sich das Konsistorium an die Kreisdirektion (!) in Zwickau, zeigte diesen Vorfall an und erwartete eine strafrechtliche Verfolgung wegen unbefugter Vornahme geistlicher Amtshandlungen.820 Solche und ähnliche Probleme bei Trauungen und Bestattungen machten es nötig, die gesetzlichen Grundlagen zu verändern. Sowohl die Reichsgründung wie auch die nun fast überall eingeführten Zivilstandsgesetze veränderten manche Grundlagen. Das wirkte sich in manchen Ländern auf zwischenkirchliche rechtliche Verhältnisse aus.821 Eine Konsequenz war die Verlagerung der amtlichen Dokumentation von Taufen, Trauungen und Bestattungen aus den als staatliche Behörden agierenden Pfarrämtern in die neu gebildeten Standesämter. Am 6. Februar 1875 wurde im Zusammenhang mit der Einführung des Reichspersonenstandsgesetzes auch die Austrittsmöglichkeit aus der Staatskirche geregelt. Das erweiterte den Spielraum der kirchlichen Minderheiten. Der nächste Schritt erfolgte 1886. Den Religionsgemeinschaften außerhalb der Staatskirche wurde nun das Recht zugestanden, »Vereine« zur Abhaltung von Gottesdiensten zu bilden, die – weil sie der Genehmigung bedurften – zugleich eine gewisse rechtliche Anerkennung mit sich brachten. Inzwischen durften, ähnlich wie im Königreich Sachsen, im Fürstentum Reuß ä. L. nur solche, die einem derartigen Verein angehörten, an den Gottesdiensten teilnehmen. Die Methodisten bildeten solche Vereine in Greiz, Fraureuth, Remptendorf und Zoghaus-Gommla. Diese Vereine waren innerhalb der Norddeutschen Konferenz kirchenrechtlich verankert. Endlich konnten sie wenige Jahre nach der Proklamation der Weimarer Reichsverfassung im Jahre 1919 durch die Verleihung der Körperschaftsrechte auch hier formal-juristisch den bisherigen Staatskirchen gleichgestellt werden. Die aktive Lobbyarbeit vor der Verabschiedung der Reichsverfassung hatte sich gelohnt.822 Die Kirche der Vereinigten Brüder war eine um 1800 in Amerika entstandene deutschsprachige Unionskirche. Sie war in der Tradition der Reformierten aus Deutschland, die Pfarrer Wilhelm Otterbein (1726–1813) als einen der wenigen Theologen zur Betreuung deutscher Neusiedler in Amerika aussandte, und des deutschen Mennoniten Martin Boehm (1725–1812) gebildet worden. Der Frömmigkeitsstil beider Gründerpersönlichkeiten war in Amerika durch die methodistische Heilstheologie geprägt. Als 1869 der aus Naila ausgewanderte

820 Espig, »Soziale Morphologie« (wie Anm. 811), 212, Anm. 465. 821 O. V., Einführung der obligatorischen Civilehe. In: WS 6.Jg., (1876), 57–59. – Bis zur Einführung der Standesämter wurden die meisten methodistischen Prediger durch landeskirchliche Pfarrer getraut. 822 Voigt, Freikirchen (wie Anm. 158), 147–150.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Christian Bischoff823 (1829–1885) seine Mission in Deutschland begonnen hatte, kam er mit seinem Pferdegespann auch ins Fürstentum Reuß ä. L. Es wird von ihm berichtet, dass er 1876 im Raum Zeulenroda alle 14 Tage Gottesdienst hielt und die Menschen zu Betstunden sammelte. Weitere Orte, an denen er aktiv Gemeinschaften zu sammeln bemüht war, sind Zoghaus und Fraureuth. Nachdem in Amerika die Arbeit der Kirche der Vereinigten Brüder sich sprachlich integrierte und die Arbeit ihren Charakter als deutschsprachige Kirche verlor, ließ auch zunehmend das Interesse an der Arbeit in Deutschland nach. Das führte auch hier zu einem Prozess der Neuorientierung, der 1905 mit der Übernahme der Mitarbeiter und der inzwischen erbauten Kapellen mit den Gemeinden durch die bischöflichen Methodisten zum Abschluss kam.

3.13 Ein kurzer Blick ins Großherzogtum Sachsen-Weimar Im thüringisch-sächsischen Raum gingen fast alle methodistischen Aktivitäten von Rüßdorf aus, das in Sachsen-Weimar lag. Den Anstoß gab der schon öfter erwähnte erst einige Monate vor seiner vorübergehenden Rückkehr aus Amerika bekehrte und Methodist gewordene Ehrhardt Wunderlich, der nach einigen Jahren auch dorthin zurückkehrte und als Prediger wirkte. Als die kirchenrechtliche Lage sich in seiner Rüßdorfer Heimat für die von ihm eingeleitete Gemeinschaftsbildung grundlegend veränderte, berichtete ihm sein Bruder Friedrich in dem folgenden Brief nach Amerika: »Das Neueste, welches ich Dir mitzutheilen habe, ist: Am 15. Sept. 1869 ist die Bischöfliche Methodistenkirche im Großherzogthum Sachsen-Weimar gegründet worden. Es wurde mir nämlich vom Ministerium in Weimar vorgelegt, entweder die Abendmahlsfeier in unserer Gemeinschaft aufzugeben oder aus der Landeskirche auszutreten. Hierauf wurde ich deshalb vor das Pfarramt in Berga geladen und indem ich mich nicht für das Erstere erklären konnte, so bekam ich meinen Austrittsschein vom Herrn Pastor. Derselbe schärfte mir nun gleichzeitig ein, es sei mir, wie ich ja wisse, nicht erlaubt, irgend Jemandem seiner Gemeinde das heilige Abendmahl zu verabreichen, ehe es, wie ich, seinen Austritt aus derselben erklärt habe. Demzufolge machten sich sogleich noch zwölf Glieder von Rüßdorf und Waltersdorf, worunter auch meine Gattin sowie unser Bruder Christian nebst seiner Gattin waren, auf, holten sich beim Herrn Pastor ihre Austrittsscheine, wir gingen hierauf zusammen auf das Justizamt und ließen unsere Namen in das Dissidenten-Register eintragen. Unserem Beispiele werden bald andere Geschwister auch an anderen Orten nachfolgen und somit werden wir ehelang eine Anzahl selbständiger Gemeinden gründen. Daß dieses aber großes Aufsehen erregt, kannst Du Dir wohl denken. Selbst die Herren Pastoren 823 Ein Bild über die Arbeit der ›Vereinigten Brüder‹ unter Georg Christian Heinrich Bischoff (1829–1885). In: BBKL, Bd. 15 (1999), 159–196.

Ein kurzer Blick ins Großherzogtum Sachsen-Weimar

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schienen darüber erschrocken zu sein. Sie scheinen nicht erwartet zu haben, daß wir in der Sache Ernst machen würden, sondern vielmehr, wir würden uns auch dies Mal wieder einschüchtern lassen. Doch wir fühlten uns unter diesen Umständen gerechtfertigt zu diesem allerdings so wichtigen Schritt, fühlten uns selbst verpflichtet, von der nun gewordenen Freiheit Gebrauch zu machen. Ja, wir danken Gott, daß uns endlich doch die Freiheit geworden ist, ihn unbehelligt nach unserer Gewissensüberzeugung verehren und anbeten zu können. Nun ist zwar die Bisch. Meth. Kirche im Großherzogthum Sachsen gegründet, doch nun bedürfen wir auch geeignete, geräumige Häuser der Anbetung. Wir sollten, wenn nun das Werk des Herrn gedeihen soll, vor der Hand wenigstens eine Kirche haben. Aber wie eine solche bei der so großen Armuth der meisten unserer Glieder bekommen? Nun wir vertrauen auf den gnädigen Gott. Er hat uns ja bisher geholfen und wird uns auch weiter, auch in diesem helfen.«824

Die freudige Nachricht ging nicht ohne die darin vorsichtig formulierte Bitte um Hilfe nicht nur an den »gnädigen Gott«, sondern sie sollte auch die Brüder und Schwestern in Amerika erreichen. Kapellen für die nach dieser Veränderung entstehenden Gemeinden war das eine. Aber sie brauchten auch eine gesetzlich verankerte Rechtssicherheit, die der neu gewonnen Freiheit folgen muss. Wie eng die vorhandenen Gesetze noch ausgelegt wurden, zeigt noch im Jahr 1874 der Besuch des amerikanischen Bischofs William L. Harris (1817–1887). »Als er ins Königreich Sachsen kam«, so schildert Ehrhardt Wunderlich, ereignete sich »daß man ihm als Ausländer das Predigen auch selbst in unsern Gemeinden nicht gestatten wollte. Wie spitzten aber die Ratsherren die Ohren, als der Bischof ihnen erklärte, er sei soeben auf einer Reise um die Welt begriffen, habe bereits die Missionen unserer Kirche in den heidnischen Ländern China und Indien, sowie in dem muhamedanischen (sic!) Bulgarien,825 als auch in dem katholischen Italien besucht und habe überall, selbst in der Residenzstadt des Pabstes (sic!), in Rom,826 das Evangelium frei und offen verkündigen dürfen; er sei daher höchlichst erstaunt, daß man ihm dieses im lutherischen Sachsen, der Wiege des Protestantismus, verbieten wolle.«827

Es mag dieses auch so ausgeschmückt sein, wie es die Berichte der Journalisten und Reiseberichterstatter nach ihren Besuchen in Amerika über die Methodisten waren, aber einen Einblick in die Argumentation zur Zeit der Beschränkungen, die sich übrigens ähnlich in der DDR wiederholte, gibt eine solche Erinnerung doch. Zurück zu den schnellen Folgen der Anerkennung in Sachsen-Weimar. Am 17. Oktober 1869 konnte die Gemeinde in die erste Kapelle nach der Kirchen824 E. F. Wunderlich, Glaubenskampf (wie Anm. 780), 259f. 825 Bulgarien war von 1393–1878 unter türkischer Herrschaft. 826 In Rom war gerade das Zentralgebäude der Methodistenkirche in Italien mit Predigtsaal, Schule und Wohnung für den Prediger eingeweiht worden. Es lag direkt gegenüber der Engelsbrücke und der von Kaiser Hadrian in Auftrag gegebenen Engelsburg. 827 E. F. Wunderlich, Glaubenskampf (wie Anm. 780), 262.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

bildung, die in Waltersdorf erbaut worden war, einziehen. Für die Mission in Sachsen war es ein »Jubeltag«, zu dem sechshundert Methodisten und Freunde gekommen waren. Es ist noch genauer zu untersuchen, was dieser Schritt aus der Rüßdorfer »kleinen Kapelle in Gestalt eines geräumigen Saales in einer neuerbauten Scheune«, die sich als viel zu klein erwiesen hatte,828 in die »schmucke Zionskirche« in Waltersdorf für die Gestalt der Frömmigkeit bedeutete. Zweifellos veränderte der Schritt aus der vertrauten Enge in eine als »normal« vorgestellte Kirchlichkeit manches, auch die Art der Predigt jener Laien, die anstatt hinter dem einfachen Stubentisch nun auf einer Kanzel standen. Immer beeinflusst der Raum und seine Ausgestaltung die Empfindungen der Gemeinde und das Auftreten des Predigers und dadurch auch den Gottesdienst mit. Die methodistische Welt begann sich zu ändern. Fast zwanzig Jahre haben die sächsisch-thüringischen Methodisten wie eine innerlandeskirchliche Gemeinschaft gewirkt. Sicher, sie fühlten sich in diesem Status fast wie Gefangene, denen eine freie Entfaltung verwehrt wurde. Sie haben ihren inneren Zwiespalt durchlitten, weil sie als Eindringlinge bekämpft wurden, als würden sie der sächsischen Kirche der Reformation Schaden zufügen. Darum hat man ihren Aktionsradius eingeengt. Ehrhardt Wunderlich, der Mann der ersten Stunde im Großherzogtum, schrieb im Rückblick am Ende seiner Autobiographie: »Es dünkt mich aber nun, ich dürfte mich der Hoffnung hingeben, durch diese meine Mittheilungen über den Anfang und Fortgang unserer Mission in Sachsen einem jeden vorurtheilsfreien und gerechtigkeitsliebenden Leser zur Genüge dargethan zu haben, wie grundlos und ungerecht die Anschuldigung unserer Gegner ist, unsere Missionare seien als Eindringlinge mit der Absicht nach Deutschland gekommen, die Staatskirche daselbst niederbrechen zu helfen, um auf den Trümmern derselben die Bischöfliche Methodistenkirche aufzubauen,829 und haben im Gegentheil bewiesen, wir kamen vom Herrn berufen, um an dem so nöthigen Aufbau seines Reiches daselbst zu helfen. Wer wollte, wer könnte es aber nun den Brüdern verargen und sie darob beschuldigen, daß sie, sobald es ihnen gewährt wurde, selbständige Methodisten Gemeinden gründeten? Haben ja die Behörden und Diener der Staatskirche unsere in gutem Glauben dargereichte Hand, innere Mission betreiben, Seelen zu retten helfen, entschieden abgewiesen, haben uns direct und undirect (sic!) dafür zu verfolgen gesucht, so daß den Brüdern, um nach ihrer Gewissensüberzeugung Gott dienen und ihre Mission erfüllen zu können, endlich kein anderer Schritt übrig blieb.«830 828 Friedrich Wunderlich, Mein Leben (wie Anm. 791), 86–92, schloss seine Autobiographie mit Gedanken seiner Predigt, die er aus Anlass des Jubiläums am 21. Oktober 1894 gefeiert wurde, ab. 829 Hier nahm Ehrhardt F. Wunderlich im amerikanischen Kontext jene Vorwürfe auf, die der dort wirkende Lutheraner Wyneken verbreitet hatte. Er verwendete nicht das Wort »Trümmer«, sondern schrieb entsprechend von« Ruinen«. Vgl. Kap. 2.1.1. 830 E. F. Wunderlich, Glaubenskampf (wie Anm. 780), 264.

Die sächsisch-thüringischen Staaten und Württemberg im Vergleich

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Unterschiedliche theologische Selbstverständnisse haben zu je anderem Denken über die Fragen der Mission und dem Verständnis von Kirche Jesu Christi geführt. Die eine Seite hat im Sinne der Konfession gedacht, sich als historischer Repräsentant mit einer abgrenzenden ›Confessio Augustana‹ und anderen Bekenntnisschriften verstanden. Die andere Seite hatte längst erkannt und es auch gelebt, dass die Kirche Christi universal ist, sehr verschiedenartig, sich gegenseitig bereichernd und ergänzend und hat sich als eine Denomination verstanden, die lediglich ein Zweig an dem einen Baum der einen Kirche Christi neben anderen Ästen ist. In der frühen kirchenkulturellen Begegnung deutete sich schon an, was sich einhundert Jahre später durch die Ökumenische Bewegung, eigentlich durch das Wirken des Heiligen Geistes, tiefgreifend verändert hat.

3.14 Die sächsisch-thüringischen Staaten und Württemberg im Vergleich Die Erfahrungen im Zwei-Städte-Staat Bremen waren so radikal anders als in den beiden anderen behandelten Königreichen, dass sie nicht in diesen Vergleich einbezogen werden müssen. Das Bild der Geschichte methodistischer Kirchen im Königreich Sachsen mit den damaligen Nachbar-Kleinstaaten und deren teilweise angeglichenen Religionsgesetzen, bietet in machen Beziehungen ein ähnliches Bild wie Württemberg. Neben den Problemen mit den verschiedenen sächsischen Staatsgrenzen, die sich durch inselartige Territorien innerhalb anderer Staaten noch vermehrten, erwies sich allerdings ein Unterschied als gravierend. In Württemberg wurde im Falle einer Hinwendung zu den Methodisten die Bürde des Zwiespalts den landeskirchlichen Kirchengliedern auf die Schultern gelegt. Als Kirchenzuchtmaßnahme wurden sie unter bestimmten Bedingungen wie aus der Kirche ausgeschieden angesehen und behandelt. Diesem Modell des Umgangs konnten sich auch im Austausch der ›Eisenacher Konferenz‹ die Sachsen nicht anschließen. Sie schoben die Verantwortung zum Schutze der Landeskirche den missionarisch wirkenden methodistischen Verkündigern zu. Der Gesetzgeber hoffte im Zusammenwirken mit der Landeskirche, wenn zu deren Versammlungen nur aus der lutherischen Kirche Ausgetretene zugelassen werden, und für die Einhaltung dieser Ordnung die Veranstalter haftbar gemacht werden, sei deren Ausbreitung beendet, mindestens erheblich eingeschränkt. Das erwies sich als eine politische und auch kirchenpolitische Fehleinschätzung. Jede erweckliche Bewegung hat ihre eigenen Gesetze. Innerlich angefasste Menschen reagieren anders als frömmigkeitsgewohnte und treue Kirchenchristen. So kam es, um in methodistische Versammlungen gehen zu können, zu

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

unerwartet vielen Austritten aus landeskirchlichen Gemeinden, um sich in die Dissidenten-Register eintragen zu lassen und danach methodistische Versammlungen uneingeschränkt besuchen zu dürfen. Unterschiedliche Maßnahmen in Württemberg und in Sachsen führten nicht zur Schwächung der methodistischen Bewegungen, sondern haben sie auf ungewöhnliche und unerwartete Weise gestärkt. Ein anderer bemerkenswerten Aspekt ist die Tatsache, dass im sächsischthüringischen Raum die Bewegung zwanzig Jahre hindurch ausschließlich durch Laien getragen wurde, die gepredigt und dafür nicht nur weite Wege auf sich genommen haben, sondern auch Schikanen und Auseinandersetzungen, sogar Haft- und Geldstrafen. Die ersten von den Konferenzen gesandten ordinierten Prediger waren in dieser Region Heinrich Mann (1844–1920), der 1871 nach Zwickau gesandt war und Friedrich Cramer (1842–1897), der 1872 in Dörtendorf und Hohenleuben seinen Dienst aufgenommen hat. Die Evangelische Gemeinschaft sandte 1873 Albin Hermann Beck nach Dresden und Christian Bischoff begann seine Missionsfahrten in diese Region auch nach 1870. Dagegen waren im damaligen Württemberg zu dieser Zeit schon insgesamt 33 missionierende Prediger unterwegs, 6 Wesleyaner, 13 von der Evangelischen Gemeinschaft und 14 bischöfliche Methodisten. Es ist noch genauer zu untersuchen, welche Folgen es auch von dieser Ausgangslage her langfristig hatte, dass es im Raum SachsenThüringen eine andere Art des Verhältnisses zu den Landeskirchen gab, als in Württemberg. Insbesondere die durch Superintendent Ludwig S. Jacoby ursprünglich problemlos in die methodistische Kirchen- und Ordnungsstruktur eingefügte Laienbewegung um die Brüder Wunderlich, die sich durch den von Bremen aus vorgenommenen Vorstoß durch die Entsendung von Missionaren sowie der Anfänge der Evangelischen Gemeinschaft durch hauptamtliche Missionare nach Württemberg von Anfang an unterschied. Zeigte die sächsische Laienbewegung im Vergleicht mit der durch ausgebildete Missionsarbeiter im Vergleich zu Württemberg langfristig einen Unterschied und was bedeutete er für die weitere Entwicklung als autonome Kirche? Es ergibt sich auch die Frage, welche Chancen sich den Landeskirchen geboten haben könnten, die Bewegungen mit ihren unterschiedlichen Ursprüngen aufzufangen und zu integrieren. Man denke an das Siegerland mit dem Gerbermeister Tillmann Siebel (1804–1875) oder an die Aktivitäten im Minden-Ravensburger Land durch Johann Heinrich Volkening (1796–1877), die nicht nur mehr oder weniger geduldet, sondern in das Leben der verfassten Kirchen integriert worden sind.

Zwischenbilanz: Methodisten – Wirkungen von Namen und Frömmigkeit

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3.15 Zwischenbilanz: Methodisten – Wirkungen von Namen und Frömmigkeit Fast überall, wo es im 19. Jahrhundert in Deutschland zu Begegnungen zwischen Kritikern des »Methodismus« und Missionaren der methodistischen Kirchen kam, wurden überraschend schnell die überwiegend durch die Literatur und durch Briefkontakte mit Amerika entstandenen Bilder korrigiert. Von einer »Methode der Bekehrung« oder deren ungewöhnlichen psychologisch ausgelösten Begleitumständen war in Deutschland je länger je weniger die Rede. Das heißt allerdings nicht, es hätte sie nicht mehr gegeben. Hartnäckiger haben sich schon Merkwürdigkeiten aus der Polemik erhalten, zu deren Ausbildung einhundert Jahre früher der Pietismus den Anlass gegeben hatte. Besonders die ebenfalls aus der pietistischen Erwartung hallescher Richtung entstandene Vorstellung eines »Bußkampfs«, verbunden mit der Notwendigkeit, die Umstände, den Ort und die Zeit seiner »Bekehrung« angeben können zu müssen, wurde auf die Methodisten übertragen. Diese Behauptung wurde im 19. Jahrhundert bei vielen Gelegenheit wiederholt, obwohl diese Vorstellung in keiner methodistischen Dogmatik irgendeiner Zeit und in keiner Autobiographie des 19. Jahrhunderts bestätigt, sondern eher zurückgewiesen wurde. Eine spezielle Sicht hatte sich im Bereich mancher staatlicher Kirchenbehörden entwickelt. Sie hatten in der Regel keine persönlichen Kontakte zu Methodisten, wie die Ortspfarrer und manche Beamte in den Behörden. Die mittlere und die obere Behördenebene baute sich ein Bild über die Methodisten auf, das durch die frühen polemischen Schriften gespeist wurde und das sich durch amtliche Papiere, Beschwerden, Eingaben, Anfragen, Warnungen oder was immer es war, ergänzte. Dazu ist reichlich Material in den staatlichen und kirchlichen Archiven vorhanden. Die damalige populäre und kirchliche Zeitschriftenliteratur trug eher zur für die Methodisten negativen Meinungsbildung bei. Mit anderen Worten: es wurde auf verschiedenen Ebenen eine irreale Theorie über das entwickelt und vermittelt, was man unter Methodismus verstand und Methodisten nannte. In einer Gesellschaft, die durch ein spezielles Staat-Kirche-System bestimmt war und unter dieser Wirklichkeit ganz natürlich und fast unreflektiert lebte, drängten sich nach und nach ganz andere Fragestellungen in den Vordergrund. Ein Vorwurf ragte bei den Behörden in Württemberg heraus: man kümmere sich nicht um »Recht und Ordnung« und achte das »Hausrecht« der Landeskirche nicht. Solche Begriffe sind keinesfalls nur sprachlich neutrale Äußerungen. Sie lassen auf das Selbstverständnis einer Kirchenleitung schließen, das in mancher Hinsicht weniger von den theologischen Fakultäten her geprägt war, als von Juristen, die in den Konsistorien einen unschätzbaren Einfluss hatten.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Unter Bedingungen, in denen beide, Staat und Kirche »eine Gesamtkörperschaft« bildeten,831 wurde in den staatlich organisierten und geführten Konsistorien eher in Ordnungskategorien als theologisch, historisch oder konfessionsübergreifend gesamtkirchlich »regiert«. Methodisten waren als »Eindringlinge« Störenfriede des kirchlichen Hausrechts, solange sie sich nicht in die tradierte kirchliche Rechtsordnung und die tief verwurzelten religiösen Traditionen einordneten. Mit den neuen Entwicklungen eines beginnenden kirchlichen Pluralismus waren die Bürokratien überfordert, auch für die Ortspfarrer war es eine neue Situation, ihren religiösen Einfluss und vielleicht auch Status mit anderen teilen zu müssen. Sie riefen nach der Staatsgewalt, weil sie den Umschwung zum kirchlichen Pluralismus als Bedrohung empfanden, obwohl die immer schon ökumenischen Methodisten die Kirchen weder angegriffen haben noch sie diskreditierten. Aber die Reaktionen aus dem Empfinden, bedroht zu sein und Einfluss zu verlieren, waren hart. Der Aktionsradius der sich bildenden Gemeinden wurde auf ganz unterschiedliche Weise eingegrenzt. Ein typisches Beispiel, das in fast allen Staaten praktiziert wurde, soll erwähnt sein. Wenn auf kirchlichen Friedhöfen jemand, der nicht der Konfession des Friedhofseigners angehörte, am Grab trotz Verbots nicht auf liturgische Handlungen – in manchen Fällen selbst auf das Vater-Unser – verzichtete, wurde das ziemlich regelmäßig als Hausfriedensbruch gerichtlich geahndet. Die Verweigerung des üblichen Reihengrabes mit der Folge der Bestattung am äußersten Rand des Friedhofs unter sozialen Sonderlingen und das Schweigen der Kirchenglocken vermittelte dem ganzen Dorf: das sind Fremde, die leben nicht in unserer dörflichen Tradition.832 Methodistische Christen wurden nicht nur durch diese Bezeichnung als Angehörige einer »Sekte« mit dem Stempel versehen, Außenseiter zu sein. Sie wurden als Diskriminierte an den Rand der Gesellschaft gedrängt, was für ihre angestrebte Mission eine ziemliche Bürde war. Zu dieser Ausgrenzung aus einem bestimmten Teil der Gesellschaft gehörte auch die Interpretierung, eigentlich Verfälschung der Bedeutung des Kirchennamens. Dies betraf alle drei methodistischen Kirchen. Es wurde der breiten Öffentlichkeit bewusst gemacht, dass die Mitglieder methodistischer Gemeinden einer nicht zu akzeptierenden Kirche, einer ›Sekte‹ – wie man damals gerne sagte – angehörten, die in ihrem inneren Wesen, also in ihrer Theologie und Praxis, nicht der religiösen Norm entsprach und darum nicht akzeptiert werden durfte.

831 Christoph Link, Staatskirche/Staatsreligion II. In: TRE Bd.32 (2001), 66. 832 Voigt, Hausfriedensbruch. In: Fleischmann-Bisten, Möller, Rudolph (Hg.), Heilung der Erinnerungen (wie Anm. 760), 131–159.

Zwischenbilanz: Methodisten – Wirkungen von Namen und Frömmigkeit

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Heute sind die zwischenkirchlichen Beziehungen durch die ökumenische Entwicklung entspannt, ja überwiegend freundschaftlich und zugewandt. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt besteht zwischen allen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) volle ›Kirchengemeinschaft‹. Das ist die höchste kirchenrechtliche Stufe formaler Beziehungen zwischen zwei autonomen Kirchen. Diese ist in Deutschland bisher nur zwischen diesen beiden Kirchen geschlossen und ist verbindlicher als alle anderen Kontakte, die sowohl die EKD als auch die EmK mit anderen Konfessionen pflegen. Insbesondere durch die Beschlüsse des ›Zweiten Vatikanischen Konzils‹ und der sich von 1971 bis 1975 daran anschließenden ›Würzburger Synode‹ aller römisch-katholischen Bistümer in der damaligen Bundesrepublik, hat die Ökumene die Ortsebene in der ganzen Breite erreicht. Jetzt wird bei Gemeindebegegnungen und bei ökumenischen Tagungen wieder öfter die Frage nach der Herkunft und Aussage des Kirchennamens gestellt, vermutlich öfter als es in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhundert und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Fall war. Das zeigt auch der kurze Rückblick. In die allgemeine Meinungsbildung müssen unbedingt die Briefwechsel zwischen den Ausgewanderten und ihren Familien einbezogen werden. Briefe waren im 19. Jahrhundert fast der einzige Weg zur Kommunikation und Information über den Atlantik hinweg. Ausgewanderte, die sich in Amerika oft nach neuen Glaubenserfahrungen einer der methodistischen Kirchen angeschlossen hatten, schrieben in der Regel freudige, ja begeisterte Briefe an die Eltern und Geschwister. Die Briefschreiber hätten sie in ihrem missionarisch ansteckenden Eifer gerne für einen ähnlichen geistlichen Wandel gewonnen. Solche Briefe haben die Zurückgebliebenen oft eher irritiert als begeistert. Sie fürchteten, die Kinder und Geschwister seien in eine Sekte geraten. Dazu gaben die Briefe mit total entgegengesetzten Mitteilungen reichlich Anlass. Sie enthielten vielfach Warnungen vor Methodisten aus den konfessionellen Lagern, in denen man sich mit den Kirchenverhältnissen im religionsfreien Amerika nicht abfinden konnte. Manche, die positive Berichte bekommen hatten, brachen auf und reisten denen nach, die vorher ausgewandert waren, oder wenn sie neugierig geworden waren suchten sie in Deutschland eine methodistische Versammlung in ihrer Nähe auf. Andere hörten die kritischen Informationen gerne und fühlten sich in ihrer Haltung zur eigenen Konfession bestärkt. Wem sollte man nun glauben? Man muss es sagen: Der Kirchenname war auf dem europäischen Kontinent ein Problem. In der Spannung zwischen Zustimmung und Ablehnung kann man der These kaum widersprechen, dass in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland auch in weiten Landgebieten mehr über die Methodisten gesprochen wurde als in späterer Zeit.

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Wirkungen – Gestaltungen – Erfahrungen

Wichtig war im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts für eine erfolgreiche Missionsarbeit eine zaghafte staatspolitische Liberalisierung und Entkonfessionalisierung der Religionsgesetzgebung. Sie fand nach ersten DissidentenGesetzen und in Verbindung mit der Zivilstandsgesetzgebung hin zu kirchenunabhängigen Standesämtern in einer ersten punktuellen Trennung von Staat und Kirche statt. Aber erst im Jahr 1919 wurde sie durch die Weimarer Reichsverfassung weitgehend vollzogen und durch eine im höchsten Staatsrecht verankerte Lösung vorangetrieben. Es bedurfte dazu der unfreiwilligen Entlassung der Kirche aus der staatlichen Verbundenheit in einem durch einen revolutionären politischen Umschwung erfolgte Neuordnung, um eine neue Ausgangslage für das Religionsrecht zu erlangen. Dieser Umschwung ging überwiegend von politischen Kräften aus, die der Kirche nicht wohlgesonnen waren. Für die Staatskirchen wirkte es zunächst wie ein Verlust, für die Minderheiten war es ein unglaublicher Gewinn. Hier und da begründete die persönliche Begegnung zwischen einem Landeskirchler und einem Methodisten einen verständnisvollen Blickwinkel, allerdings überwog bei weitem die Distanzierung oder richtiger die Verwerfung der methodistischen Mission, mehr von solchen, die in der pietistischen Tradition standen als von liberalen Theologen Die Methodisten mussten lernen, dass ihre amerikanischen Erfahrungen ganz andere waren als diejenigen, die sie in Deutschland machen mussten: In Amerika ein neu zu besiedelndes, noch unerschlossenes Land, in dem sich eine von nachaufklärerischen Ideen ermögliche Kirchenkultur entwickeln konnte, dagegen in Europa eine Kirchenkultur, deren Grundlagen über die Reformation und das Mittelalter hinaus weit zurückreichten. Diese Herausforderung wurde noch erhöht in der Begegnung mit einer in sich selbst ruhenden Betreuungskirche, die in der Mitte des gesellschaftlichen Lebens als ein natürlicher, sie tragender Pfeiler stand, der fast alle Bewohner des Landes zuerst ungefragt und ohne eine alternative Möglichkeit zu haben angehörten, teilweise angehören mussten. Die Reaktion insbesondere der Mehrzahl der Machthaber auf den Pietismus in Dekreten, Gesetzen und Erlassen833 hatte schon gezeigt, wie wenig kompatibel eine allgemeine Kirchenfrömmigkeit mit einem geistlich neu bewegten Glaubensleben war. Wenn auch unter völlig anderen historischen und kirchlichen Umständen wiederholten sich im 19. Jahrhundert nach Mustern des Pietismus Konfrontation und Intoleranz, die noch durch Vorbehalte gegen ausländische Einflüsse und sogar die fremder Kirchen aus demokratisch regierten Ländern verstärkt wurde. 833 Voigt, Im Schatten der lutherischen Reformation, (wie Anm. 637), 361–365 bietet eine unvollständige Liste von 32 Mandaten, Reskripten, Dekreten, Verordnungen überwiegend antipietistischer Tendenz deutscher Herrscher zwischen 1691 und 1743.

Zwischenbilanz: Methodisten – Wirkungen von Namen und Frömmigkeit

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Noch einmal: es war nicht nur der fremde Name »Methodisten«. Belastender war die tief eingewurzelte Diskriminierung als »Sekte«, die zur »gefährlichen Sekte« wurde, wenn ihr verführerische falsche Lehren unterstellt wurden. Im Kontext zu dieser Diskreditierung wurde das eigene traditionelle konfessionelle Selbstverständnis hiesiger frommer Christen wie auf natürliche Weise gestärkt. Eng damit verbunden waren emotionale Bindungen und Erinnerungen, die oft mit historischen Gebäuden verbunden waren, einem Dom oder einer schmucken Dorfkirche, in denen schon ganze Generationen einer Familie getauft, konfirmiert und getraut worden waren. Sie erwiesen sich als starke institutionelle Bindungen. Eine natürliche Unsicherheit besteht immer gegenüber allem Fremden. Ehe man seinen Fuß über die Schwelle der Kapelle einer »Sekte« setzte, war man schon -zigmal vor dem Gebäude hin und her gegangen. Es erwies sich immer als leichter, von einem Methodisten eingeladen und zu einem Gottesdienst mitgenommen zu werden. Im Laufe der zweiten Hälfte des Jahrhunderts kam die zunehmende nationale Identität bis hin zu überheblichen kriegsbereitem Nationalismen hinzu, verbunden mit wachsender Feindesgesinnung gegenüber den Ursprungsländern der methodistischen Kirchen. Es waren nicht wenige Bürden, welche die Methodisten mehr oder weniger gemeinsam mit allen Minderheitskirchen zu tragen hatten. Aber es war Ausdruck ihres gewissen Glaubens, wenn sie das alles auf sich genommen und ertragen haben.

Teil 4: Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt834

Jede konfessionelle oder denominationelle Gestalt der Kirche Christi wird durch die zeitlichen Umstände ihrer Entstehung in ihrem speziellen Selbstverständnis theologisch und in ihrer Struktur dauerhaft geprägt. Der in der Reformationszeit entstandene Protestantismus schuf für alle auch in den folgenden Jahrhunderten irgendwo in der Welt aus ihm hervorgegangenen Kirchengebilde eine alle verbindende Grundlage: die wichtige Lehre von der ›Rechtfertigung allein durch den Glauben‹. Von ihr maßgeblich beeinflusst entstanden im Laufe der Geschichte unterschiedliche konfessionelle und denominationelle Ausprägungen, die heute in ökumenischer Gemeinschaft einen Teil der Kirche Christi bilden.

4.1

Lutheraner – Calvinisten – Kongregationalisten – Methodisten

Der lutherische Typ Unter den theologischen, historischen und gesellschaftlichen Umständen des 16. Jahrhunderts entstand die Gestalt lutherischen Kirche-Seins. Als ein wesentlicher Faktor trat immer deutlicher das Gegenüber zu jener Kirche, die Martin Luther ursprünglich re-formieren wollte, hervor. Anfangs übernahm er noch tradierte Gestaltungen des Gottesdienstes, des gemeindebezogenen Amtes und der flächendeckenden Organisation und füllte diese neu mit wiederentdeckten theologischen Inhalten und sprachlichen Angleichungen, wie zum Beispiel die »Deutsche Messe«. Notwendigerweise wurden die Lutheraner zu einer Bekenntnis-, also Konfessionskirche. Diese gestaltete sich gegenüber der römisch-katholischen Kirche, den Reformierten Kirchengemeindebildungen 834 Organisatorische Gestalt und kirchliches Wirken korrespondieren miteinander. Aus der Zahl der hier zu behandelnden Felder konnten nur einige charakteristische in die Arbeit einbezogen werden. Es ist ein weites Feld, das noch zu bearbeiten ist.

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

und allen Minderheiten in dem Bewusstsein, in jener Zeit innerhalb ihres Einzugsbereichs alternativlos die ›richtige‹ Konfession zu sein. In ihrem Ringen um die rechte Lehre verfestigte die lutherische Orthodoxie diese Vorstellung. Es war völlig natürlich, dass sie gegenüber anderen Modellen des 16. Jahrhunderts in dem Bewusstsein lebte: Die ›Confessio Augustana‹ bringt auch gegenüber anderen protestantischen Formationen wie den Waldensern, den Böhmischen Brüdern, den Täufern und selbst den Calvinisten die richtige Art des KircheSeins zum Ausdruck. Es ist bezeichnend, dass die vorreformatorischen Protestanten in der Frage einer Anerkennung chancenlos waren und selbst die Reformierten erst 1648 im Westfälischen Friedensschluss von Münster und Osnabrück835 auch die Anerkennung durch den Staat, dessen Schutz und die wirtschaftlich gesicherte Existenz als Kirche erlangten. Man kann es sich kaum vorstellen, dass es bis 1973 dauerte, um mit ökumenischer Hilfe für beide reformatorischen Strömungen einvernehmlich einen gemeinsamen Weg des theologischen Verständnisses des Abendmahls zu formulieren und es seit dieser Zeit auch gemeinsam feiern.836 Der ursprüngliche Gedanke einer Re-Formation hatte auch nachhaltige Auswirkungen auf die grundlegende und andauernde Gestalt der im 16. Jahrhundert entstandenen Kirchen. Als 1648 der zermürbende Krieg nach 30 Jahren endlich beendet war, kam es im Zusammenhang der Befriedung der Konfessionen zur Festlegung territorialer Konfessionsgrenzen. Im Westfälischen Frieden wurde 1627 als »Normaljahr« festgelegt. Das bedeutete: Die Kirchengeographie von 1627 bildete für einen langen Zeitraum die Grundlage für die jeweils alleinige Konfession in einem Herrschaftsgebiet, das in diesem Normaljahr von Katholiken, Lutheranern oder Reformierten »besetzt« und beherrscht war. In jenen Gebieten, welche den Lutheranern und Reformierten zugesprochen worden waren, fielen ihnen auch die Kirchen und Dome, die Klöster und andere Immobilien, sowie die erheblichen Landbesitze, um des Friedens willen zu. Wo früher katholische Fürstbischöfe die Herrschaft ausübten, waren jetzt die protestantischen Herrscher als »Notbischöfe« akzeptiert, denen man im reformatorischen Sinne als Laien Teile der Macht über die Kirche anvertraut hatte, die sie Jahrhunderte lang nicht wieder hergaben. Die Bewohner eines von einem Lutheraner beherrschten Landes wurden als dessen Untertanen Lutheraner, es sei denn, sie nahmen das Recht in Anspruch, das Land zu verlassen, um in ein Land umzusiedeln, in dem ihre Konfession galt. Die vorreformatorische, Jahrhunderte alte Praxis der flächendeckenden Kirche wurde weitergeführt. Die konfessionsbezogene Kirchenmitgliedschaft ohne eigene Entscheidungs-Beteiligung war der Normalfall. In den 835 Instrumentum Pacis Osnabrugensis (IPO), (wie Anm.358) Art. 7, §1. 836 Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa (Leuenberger Konkordie), (Hgg. von Wilhelm Hüffmeier), Frankfurt/Main 1993.

Lutheraner – Calvinisten – Kongregationalisten – Methodisten

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Domen und Kirchen, die mit ihren Altären in der Mitte und der Kanzel an der Seite für die katholische Messe gebaut waren, wurden nun evangelische Predigten gehalten. Weil seit 1648 ausdrücklich »Kein anderes Bekenntnis [als jene drei] angenommen oder geduldet werden« durfte, war eine regionale konfessionelle Monopolisierung erfolgt. Die Pfarrer waren als Staatsbeamte mit Aufgaben betraut, die zivilrechtlich relevant waren: Je nach Landesgesetzgebung hatten sie innerhalb einer bestimmten Frist die Taufe an Kindern notfalls unter Zwang vorzunehmen. Damit war die Einheit von Kirche und Staat gesichert. Ähnlich gehörten die Erfassungen von Todesfällen und Trauungen wie in manchen Ländern das Verlesen von obrigkeitlichen Erlassen und Verfügungen im Gottesdienst zu ihren Pflichten. Zusammengefasst kann man sagen: die Funktionsfähigkeit verfasster protestantischer Kirchenorganisation war von Anfang an der Staatsgewalt nicht nur zu- oder eingeordnet, sondern mit dem Friedensschluss 1648 auch in vieler Hinsicht für Jahrhunderte untergeordnet. Diese mit der Durchsetzung der Reformation verbundene konstitutive Grundformation kontinentaleuropäischer Kirchentümer hat das Bewusstsein der sie gestaltenden Kirchen, ihr Selbstverständnis und die Gestalt ihres Kirche-Seins dauerhaft bis heute geformt und ihr Bild geprägt. Die Reformation führte so zu einer Kirchenkultur, die – wie man heute sieht – zeitweise weitgehend entfernt von theologischen Grundpositionen insbesondere der Ekklesiologie neben der weitergeführten Tradition an ganz bestimmte politische, gesellschaftliche und denkerische Bedingungen gebunden war.

Der calvinistische Typ Ausgehend vom Genfer Reformator Johannes Calvin (1509–1564) entstand mit dem Calvinismus neben der lutherischen Ausprägung eine parallele in den angelsächsischen Ländern besonders einflussreiche Form protestantischen Christentums. Sie erreichte über den Straßburger Martin Bucer (1491–1551), der 1549 nach England emigrieren musste, auch die britische Insel. Dort wurden theologische Akzente des Calvinismus prägend. Durch den von den reformierten Pilgervätern her beeinflussten bedeutenden amerikanischen Theologen Jonathan Edwards (1703–1758) und den mit großen Breitenwirkung in Amerika evangelisierenden calvinistischen, von den wesleyanischen Methodisten getrennten George Whitefield (1714–1770), wurde der angelsächsische Protestantismus nachhaltig durch die von Genf ausgehenden Impulse im Sinne eines heute als reformiert charakterisierten Protestantismus geprägt. Sowohl in seinem Ursprungsland als auch danach in Amerika standen die wesleyanisch ge-

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

prägten Methodisten dem Calvinismus mit konsequenter Ablehnung gegenüber.837 Die meisten frühen innermethodistisch theologisch, gelegentlich auch persönlich geführten Debatten erfolgten im England des 18. Jahrhunderts über Zeitschriften. Wesley hatte seinem Organ in Anlehnung an den niederländischen Theologen Jacobus Arminius (1559/60–1609), der den Heilswillen Gottes in Christus für alle Welt verwirklicht sah, den Titel »Arminian Magazine« (seit 1778) gegeben und ihn damit gegen die Calvinisten gestellt, die für ihre Position im »Gospel Magazine« (seit 1766) eintraten. Die gesamte wesleyanische und entsprechend überwiegend methodistisch-kirchliche Verkündigung ist wie mit einem roten Faden durch den in Christus sichtbaren, alle umfassenden Heilswillen geprägt. Universales Heil und freier Wille waren in der Frühzeit konkrete Themen, die heute ganz selbstverständlich die methodistische Verkündigung durchziehen und eine gewisse Reserviertheit gegenüber den Calvinisten ausdrücken.

Der kongregationalistische Typ Im Umfeld des reformierten, vom Calvinismus geprägten theologischen und kirchlichen Wirkens konnte sich die angelsächsische Gestalt des Kongregationalismus in einer gewissen Vielfalt entwickeln, die bis hin zu der aus ihm heraus entwickelten Form des absolut gemeindezentrierten Independentismus reicht. Die Kongregationalisten, theologiegeschichtlich in der Tradition des Puritanismus, waren es in ihren Gemeinden leid, die Kirchenleitung in der Hand staatlich berufener Bischöfe zu erleiden, die mit den Vollmachten einer von oben handelnden »Kirchenregierung« ausgerüstet kaum in der Nähe ihrer Gemeinde lebten. Sie saßen im Oberhaus in London und verstanden sich gemeindefern eher als Verwalter ihrer Diözesen, die sich in Amtstrachten bewegten, wie sie auch politische Herrscher bei öffentlichen Anlässen trugen, neben denen sie gleichrangig erscheinen wollten. Der Bischof für den Kirchenzweig im fernen, politisch noch an England gebundenen Nordamerika, regierte seine Diözese von London aus. Im Kontext einer Gesellschaft, die ihre »Aristokratie als die am meisten demokratische von der Welt« verstand,838 fand der Kongregationalismus seine Gestalt in ganz unterschiedlichen Formen. Er verstand in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von England ausgehend das »sola scriptura« anders, als der Staat und seine Kirche. Von dessen System sagten sich die Kongregationalisten los, um Kirche von der Gemeinde, der Kongregation, heute würde 837 Jerry L. Walls, John Wesley on Predestination and Election. In: Oxford Handbook of Methodist Studies, (wie 75), 618–632. 838 Thomas B. Macaulay, Die Geschichte von England, Bd. 1, Altenmünster, o. J., 31.

Lutheraner – Calvinisten – Kongregationalisten – Methodisten

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man sagen von unten her, unabhängig nicht nur in der Leitung, sondern teilweise auch in Lehre und Ordnung zu gestalten. In seiner Entstehung waren es auf der britischen Insel andere politische, kirchliche, theologische und gesellschaftliche Begleitumstände als im 16. Jahrhundert auf dem Kontinent. Die späteren Umstände nahmen darauf Einfluss, einen zentralen biblischen und reformatorischen Aspekt zu erneuern. Kongregationalisten war klar : sie wollten keine durch eine Ämterhierarchie staatsähnlich strukturierte und staatsabhängige Institution sein, sondern überwiegend eine Gemeinschaft christlicher Gemeinden, welche allein die Heilige Schrift zur Grundlage haben, und zwar nicht auf die Verkündigung beschränkt, sondern mit Konsequenzen für die Gestalt ihres Kirche-Seins.

Der methodistische Typ Wieder ein anderer Typ von Kirche erwuchs unter den Umständen des 18. Jahrhunderts unter der Aufnahme theologischer Grundanliegen der Reformation in der methodistischen Missionsbewegung. Im Jahrhundert der Entstehung des Methodismus John Wesleys (1703–1791) war im Vergleich zur Reformationszeit der gesellschaftliche, soziale, ökonomische und philosophische Wandel erheblich. Die beginnende industrielle Revolution und die damit verbundenen Wanderbewegungen mit den daraus erwachsenen sozialen Problemen für die Arbeiter und deren Familien, gaben den Blick frei für die Tatsache, dass die Mission unter Getauften – dessen kerygmatischer Teil später als ›Evangelisation‹ bezeichnet wurde – als eine völlig neue und drängende Herausforderung an die Kirchen erkannt wurde. Der britische aufklärende Deismus verstärkte die Herausforderung. Durch ihn empfingen die Menschen ein Bewusstsein davon, dass sie mündig waren. Das befreite sie auch dazu, selber unter einer entsprechenden Verkündigung über Glauben und Unglauben im eigenen Leben zu reflektieren. Am Ende führte das auch zu der Konsequenz, in eigener Verantwortung zu entscheiden, ob man als Christ oder Atheist leben wollte und in welcher Konfession oder Denomination man seinen Glaubensweg gehen wollte. Es mag hilfreich sein, den Weg der Bildung des methodistischen Kirchenverständnisses und der sich daraus ergebenden Rechtsgestalt im Vergleich mit dem Entstehen der Kirchenordnungen der Reformationszeit zu erwähnen. Die protestantischen Ordnungen des 16. Jahrhunderts lösten das kanonische Kirchenrecht ab. Die Loslösung von den weltweit verpflichtenden römischen Ordnungen durch kirchenrechtliche Grundlagen, die nun aus politischen Notwendigkeiten lokal an die Herrscherhäuser der damals zahlreichen Kleinstaaten gebunden waren, hatte eine Langzeitwirkung bis in die Gegenwart. Es geht um

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

die Fragen: Wer beauftragte den Entwurf einer konfessionellen protestantischen Kirchenordnung? Wer verfasste sie? Wer setzte sie in Kraft? Wer führte darüber die Aufsicht, dass sie auch durchgeführt wird? Aus der Rückschau lassen sich diese Fragen leicht beantworten und begründen. In diesem Zusammenhang erscheint ein Hinweis darauf hilfreich, dass die Ordnungen fast wie in einem Wurf, der sich an das theologische Konzept der Reformation anschloss und es auch stabilisierte, entstanden sind. Diese Art der Bildung und Einsetzung protestantischen Kirchenrechts ist über Jahrhunderte üblich gewesen. Die völlig andere Art und Gestalt der methodistischen Kirchenordnung hat den katholischen Kirchenrechtler Andreas Weiss zu der Bewertung kommen lassen, es bestehe in der Verfassung, Lehre und Ordnung der methodistischen Kirche »die Tendenz, zu viele und vor allem deklaratorische Normen, welche das theologische Verständnis beschreiben, aufzunehmen.«839 Die kenntnisreiche und gründliche Studie von Weiss hat den gravierenden historischen Unterschied zwischen den theologischen Würfen der nachreformatorischen Phase einerseits und dem bis heute lebendigen Prozess des Wachsens seit den Anfängen der Entstehung der methodistischen Ordnung andererseits nicht gesehen. Selbst wenn die Methodisten theologisch nicht der calvinistischen Grundposition einer doppelten Prädestination folgen konnten, haben sie doch viele andere Impulse aufgenommen. Dazu gehörte nicht nur der Einfluss auf das Verständnis vom Abendmahl. Das strukturelle Element, ihre kirchliche Ordnung weder von einer einzelnen Person, wie z. B. Johannes Bugenhagen (1485–1558) für eine Reihe norddeutscher Staaten, noch durch eine autonome Gemeinde, wie im Independentismus, sondern typisch methodistisch in Gemeinschaften von Missionierenden zu formulieren, führte statt zu einer »Kirchenordnung« zu einer ›Discipline‹, wie man in der angelsächsischen Welt sagt. Dieser ungewöhnliche Weg der Entstehung und Weiterentwicklung und der doppelte Sinn der methodistischen Ordnung soll nun beschrieben werden.

4.2

Anfänge methodistischer Organisation und methodistischen Kirchenrechts

Grundlegend ist der bereits mehrfach erwähnte lange »Prozess« eines Weges, der nicht durch Trennung veranlasst wurde, sondern seinen Ursprung in einem von Mission getragenem Kirchenwachstum hat. Am Anfang verfassten die Brüder 839 Andreas Weiss, Kirchenrecht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und ausgewählter evangelischer Freikirchen. Ein Rechtsvergleich. Jus Ecclesiasticum Bd. 99, Tübingen 2012, 522.

Anfänge methodistischer Organisation und methodistischen Kirchenrechts

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John und Charles Wesley 1743 eine kleine Schrift unter dem Titel »The Nature, Design, and General Rules of the Methodist Societies in London, Bristol, King’swood and Newcastle upon Tyne« (General Rules).840 Ein wesentlicher Zweck dieser kleinen, zu gemeinsamer praktischer Frömmigkeit anleitenden, ja verpflichtenden Schrift war es, die sich ausbreitende Erweckung zusammenzuhalten und ihr einen gemeinsamen geistlichen Rahmen zu geben. Im selben Jahr erschien eine vermutlich schon früher entworfene Schrift unter dem Titel »The Character of a Methodist«,841 in welcher der Verfasser verbunden mit dem Pauluswort »Nicht, dass ich es schon ergriffen habe, oder schon vollkommen bin«842 sein Verständnis für ein »verbindliches Christsein umreißt.«843 Er stellt darin dar, »welche Grundsätze und Gebräuche diejenigen kennzeichnet, die man Methodisten nennt.«844 Diese beiden Frühschriften wurden im Laufe der Jahre immer wieder neu publiziert, nach und nach auch für eine wachsende Anzahl von ›societies‹. Später wurden für die predigenden Laien besonders solche Ordnungen und Vorschriften formuliert, die nach der Kirchenbildung 1784 zusammen mit den ›General Rules‹ von 1743 als Bestandteile in die kirchliche Gemeinschaftordnung, der »Discipline«,845 aufgenommen wurden. Es handelte sich also um geistliche Ordnungselemente, die nach und nach für das gemeinsame Leben der societies, später als »connection« bezeichnet, innerhalb der Kirche von England gewachsen sind. 1744 berief John Wesley die erste »Konferenz« ein. Sechs anglikanische Theologen und mit deren Zustimmung eine Anzahl der Laienprediger aus der methodistischen Bewegung waren eingeladen. Natürlich hatte diese Konferenz keinen kirchenrechtlichen Status. Aber sie war eine der bis heute tragenden Wurzeln für die spätere kirchliche Organisation. Als sich diese erste Konferenz 1744 traf, formulierte sie nach einer Zeit des Gebets für ihre Arbeit die Fragen: »Was sollen wir lehren?« »Wie sollen wir lehren?« »Was sollen wir tun? Das heißt, wie sollen wir unsere Lehre, unsere Ordnung und unsere Praxis aufeinander abstimmen?«846 Solche Beratungskonferenzen zu ganz unterschiedlichen theologischen und praktischen Fragen fanden in England fortan regelmäßig statt. Nach der Kirchenbildung 1784 in Amerika wurde die »Konferenz« als ein grundlegendes Strukturelement methodistischer Lehrbildung und nun auch 840 WJW, Vol. 9 (1989), 67–75. In den späteren deutschsprachigen Kirchenordnungen als die »Allgemeinen Regeln« bezeichnet. 841 Ebd., 30–46. 842 Philipper 3,12. 843 Wesley, Kennzeichen (wie Anm. 95), Einführung 5. 844 Ebd., 6. 845 Vgl. 1.3 Abschnitt: Die Wende. 846 John Wesley, Konferenzgespräche über Lehre und Ordnung, hrgg. von Helmut Nausner als Beilage zur Zeitschrift »Der Methodist«, Wien, hier Ausgabe 1/1976, 1.

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

kirchlicher Leitung in einer ›Discipline‹ kirchenrechtlich verankert. Noch in England war 1763 im Prozess der Entwicklung ein weiterer Schritt erfolgt. Die Verwalter der wesleyanischen Kapellen und Versammlungsräume waren schriftlich angewiesen worden, darin nur solche Personen zur Predigt zuzulassen, welche durch die Jährliche Konferenz zu diesem Dienst beauftragt waren und welche keine andere Lehre predigten, als die in Wesleys »Notes upon the New Testament«847 und in seinen später auf vier angewachsenen Predigtbänden veröffentlicht worden sind. Diese abgrenzende Maßnahme war notwendig, weil es zu jener Zeit verschiedene erweckliche Gruppen gab, die sich von den Anglikanern distanzierten und sie kritisierten. John und Charles Wesley hatten in dieser Frage wenige Jahre vorher praktisch eine öffentliche Erklärung abgegeben, indem sie – auch gegen Vorstellungen in manchen wesleyanischen Societies – eine kleine Schrift unter dem Titel »Reasons against a Separation from the Church of England«848 veröffentlicht hatten. Als ein weiteres Glied in der Kette der Gestaltungen ihrer Ordnung muss man den entscheidenden Schritt John Wesleys sehen, der in einer »Deklarationsurkunde« (Deed of Declaration) Verfügungen traf, welche er im Kanzleigericht hinterlegte. Darin klärte der über 80jährige Wesley 1784 mit der juristischen Hilfe von Rev. Thomas Coke rechtliche Fragen für die Zukunft der Gemeinschaft in Großbritannien. Der Kern dieses amtlichen und wie ein Testament wirkenden Dokuments bestand darin, den rechtlichen Status der Konferenz und Eigentumsfragen für die Zeit nach seinem Tod zu klären. 1784 war auch das Jahr, in dem Wesley die Bildung der methodistischen Kirche für den amerikanischen Kontinent als notwendig ansah. Er bereitete diesen Schritt gewissenhaft vor indem er erstmals auch einige Ordinationen vollzog. Thomas Coke erteilte er den Auftrag zur Organisation der methodistischen Kirche in dem nun politisch von England getrennten Land. Dazu gab er drei Dokumenten methodistischer Lehrgrundlagen mit auf die Reise: einen veränderten Text der »Allgemeinen Regeln«, die im Laufe der Jahre entstandenen »Konferenzprotokolle über Lehre und Ordnung, und – typisch für die methodistische Bewegung – ein zu neuem Leben erwecktes Gesangbuch von 1741 mit dem Titel ›Collection of Psalms and Hymns‹. Für die kirchliche Verfassung war eine gekürzte Fassung des Book of Common Prayer, welches das Grunddokument der Kirche von England ist, für die sich nun konstituierende Kirche jedoch wichtiger. Für die Praxis waren darin liturgische Formulare für verschiedene spezielle Anlässe von Ordinationen über Taufen und die Feier des 847 Diese Anmerkungen lehnen sich an das von Johann Albrecht Bengel (1687–1752) im Jahr 1742 herausgegebene exegetische Werk ›Gnomon Novi Testamenti‹ an, Tübingen 1742. 848 John Wesley, Reasons against a Separation from the Church of England, zuerst 1758 (23. Aufl. in England und Irland; 3 in Amerika) an versch. Orten. (Gründe gegen eine Trennung von der Kirche von England).

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Abendmahls bis zur Bestattung enthalten. Von höchster Bedeutung waren darin jedoch die »Articles of Religion«. Sie sind das reformatorische Grundbekenntnis der Anglikaner, das in gekürzter Form übernommen wurde. Darin heißt es in Artikel VIII auch: »Die drei Symbole, das Nizänische, das des Athanasius und dasjenige, welches gewöhnlich das Apostolische Glaubensbekenntnis genannt wird, müssen unter allen Umständen angenommen und geglaubt werden, denn sie können durch die sichersten Zeugnisse der Schrift bewiesen werden.«

Damit war von Anfang an klar, dass die Kirche sich in zweifacher historischer Kontinuität verstand, mit der frühen Kirche durch die drei Symbole, mit der Reformation durch die Articles of Religion. 1784 fand in Baltimore an der sog. »Weihnachtskonferenz« die Konstituierung der ›Methodist Episcopal Church‹ statt. Das war in der Ferne ein gewisser Abschluss eines jahrzehntelangen Prozesses nach dem Leben als einer innerkirchlichen Gemeinschaft in Großbritannien. Es war nach der Erklärung der Unabhängigkeit vom Mutterland England notwendig geworden, in Amerika eine neue Phase einzuleiten. Die anglikanische »Episcopal Church« hatte dort ihren Staatskirchenstatus verloren. Der in London residierende Bischof hatte seine staatlich verliehenen Vollmachten verloren, viele Priester waren nach Großbritannien zurückgekehrt. Als notwendige Konsequenz daraus bildeten die Methodisten nun die »Methodist Episcopal Church«. Es passt dazu, dass John Wesley dem von ihm mit der Konstituierung der Kirche in Baltimore Beauftragten Thomas Coke die Bekenntnisse und Ordnungen des Book of Common Prayer mitgab. Der entscheidende Akt war nämlich die Einsetzung des schon länger in Amerika wirkenden Missionars Francis Asbury als zukünftigen Bischof neben Thomas Coke, den Wesley als seinen Beauftragten gesandt hatte. Dessen und die weiteren ersten Ordinationen fanden nach der von England mit gesandten Ordnung des ›Book of Common Prayer‹ statt. Das hieß, in den Tagen bevor Asbury zum Bischof erwählt und für seinen bischöflichen Dienst ordiniert wurde, empfing er in der Tradition des dreifachen Amtes die Ordination zum Diakon und die zum Ältesten. Im Prozess der Entwicklung des kirchlichen Selbstverständnisses änderte die Generalkonferenz diesen Akt und sprach anstatt von einer »Ordination« eines Bischofs von dessen »consecration«. Es ist für die ökumenische Grundhaltung der Methodisten bezeichnend, dass sie den reformierten, aus Deutschland gesandten Prediger Philipp Wilhelm Otterbein (1726–1813) an der durch Handauflegung erfolgenden Ordination beteiligten. In einem Land nach einem fundamentalen politischen Umbruch einerseits und einer jungen Kirche mitten im missionarischen Aufbruch andererseits nahm die sich organisierende Kirche natürlich auch solche Erfahrungen aus

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England auf, die dort in der missionarischen Arbeit gesammelt und in den Protokolle der Konferenz verdichtet überliefert waren. Die in Baltimore tagende Konferenz war die erste der späteren kirchlichen »Jährlichen Konferenzen«. Von 81 methodistischen Laienpredigern, welche schon früher von der Britischen Insel und Irland in die englischen Kolonien ausgesandt waren, erreichten bis zum Beginn der konstituierenden Konferenz 60 auf dem Rücken ihrer Pferde Baltimore. John Wesley hatte an die KonferenzVersammlung geschrieben: Ihr seid »nun in völliger Freiheit, einfach der Schrift und der Alten Kirche zu folgen.«849 Das war keine Entlassung aus dem methodistischen Verbund. Aber John Wesleys Formulierung des Fundaments schloss auch die Freiheit ein, auf die Übernahme von Ordnungen aus dem ›Book of Common Prayer‹ zu verzichten. So gestalteten die aus England gekommenen Missionare in Amerika ab 1784 die methodistische Kirche zunächst in Nordamerika und später weltweit in einem ungewöhnlichen, seitdem immerwährenden und bis heute andauernden Prozess. Es war die Zeit, in der es natürlich weder ein Konsistorium noch ein gesamtkirchliches methodistisches Büro gab, von wo organisatorische Hilfe hätte kommen können. Die Gemeinschaft der teilweise durch die Prärien reitenden Missionare unter der Aufsicht von zwei auch wie sie selber reisenden Bischöfen, nämlich Francis Asbury und Thomas Coke, war bereit, sich dieser Herausforderung zu stellen. Die von dieser und den folgenden frühen Konferenzen entwickelte »Discipline« erfasste zwei Stränge, die sie miteinander verband. Einerseits führte sie heimatliche britische Traditionen fort. Konkret hieß das: sie führte die ursprünglich für die »Society-Struktur« entwickelte Praxis und Ordnung so weiter, dass sie dem neuen Verständnis, eine Kirche unter der Aufsicht von Bischöfen zu sein, entsprach. Sie konnten dabei auch in dem neuen Kontext Reiter-Evangelisten bleiben, wie diese es vor ihrer Aussendung nach Amerika in England unter John Wesleys Anweisung zusammen mit den anderen Laienpredigern schon eingeübt hatten. Die Form der jährlichen Konferenz-Zusammenkünfte der Prediger behielten sie auch bei. Allerdings war es nun eine autonome kirchliche Dienstgemeinschaft, in der sie bereit waren, unter erheblichen Opfern ihre Mission zu erfüllen. Ihr spezielles Dienstverständnis fand in einer Art Regel für die Dienstgemeinschaft als Fragenkatalog Ausdruck. Diese Fragen waren in den Regeln der Konferenzen in England seit 1765 verwendet worden. Er verband sie nun in kirchlicher Gemeinschaft institutionell noch fester in einer fast ordensmäßig organisierten Missionsgemeinschaft, die in der Diaspora wirkte und

849 John Wesley in einem Brief vom 10. Sept. 1784 an Dr. Coke, Mr. Asbury und unsere Brüder in Nordamerika. In: Wesley, Sunday Service (wie Anm. 379), III.

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sich jährlich einmal unter ihrem Bischof wie unter einem Prior versammelte.850 Die Sitzung der bruderschaftlichen Dienstgemeinschaft mit Aufnahmen, Prüfungen, Ordinationen war der eine Strang der Aufnahme von Elementen einer gewachsenen Gemeinschaftsordnung in die Discipline. Der zweite, neue Strang ihrer Ordnung bestand darin, nun auch kirchenrechtliche und organisatorische Fragen klären zu müssen, wozu beispielsweise gehörte, die Beziehungen zu anderen Kirchen und Gesellschaften in rechtliche Formen zu bringen und zu verabschieden. Dazu gehörten auch offizielle kirchliche Stellungnahmen z. B. zur Sklavenfrage. Es war nun zunächst vor allem auf der Grundlage des Bekenntnisses das Leben der Gemeinden wie der Kirche in ihrer Gesamtheit durch gemeinsame Beschlüsse zu ordnen. Auch die Beziehungen zu Gesellschaften, mit denen man bald zunehmend zusammenarbeitete oder Mitträger wurde, wie z. B. der 1816 gegründeten ›American Bibel Society‹, waren rechtsverbindlich zu gestalten. Alle diese Aufgaben wurden nicht durch eine beauftragte Kirchenleitung wahrgenommen, sondern durch die versammelte Konferenz aller ordinierten Reiseprediger. Auch die sich ergebenden Aufgaben wurden durch von der Konferenz beauftragte Reiseprediger aus ihrer Mitte neben ihren aufreibenden missionarischen Ausritten erledigt. Die Konferenz bildete mit den Ordinierten, die ihr alle angehörten, gemeinsam die Kirchenleitung und nahm gleichzeitig die administrativen Aufgaben wahr. Beide Stränge, die Regelung aller Fragen der ordensähnlichen Dienstgemeinschaft und die Ordnung der Kirchenorganisation wuchsen organisch in der jährlich tagenden Konferenz zusammen. Auf diesem Wege entstand ein neuer Typ zugleich pastoraler Dienstgemeinschaft und kirchlicher Leitung, wie er sich so nur in einem demokratisch gestalteten gesellschaftlichen Umfeld entwickeln konnte. Die Form eines verbindlichen Zusammenschlusses aller Gemeinden im Verbund einer ›Connexio‹, die in der Form einer Konferenz aller Hauptamtlichen die Kirche gemeinsam leitet und gestaltet, war im Kontext angelsächsischer Gemeindeverständnisse nicht selbstverständlich. Unter calvinistischem Einfluss hatte, wie in England, die kongregationalistische Gemeindeform mit autonomen Gemeinden auch in Nordamerika eine große Bedeutung gewonnen. Welche enorme Wirkung die Gestalt der methodistischen Kirchenleitung in Verbund mit den Selbstverpflichtungen der zur Sendung bereiten Missionare gerade bei der Besiedlung des Kontinents erzielte, zeigt der Verlauf der Geschichte im 19. Jahrhundert. Der amerikanische Kirchengeschichtler Mark A. Noll schildert, dass die Anzahl der methodistischen Gemeinden von 1780, als es 850 John Lawson, The People called Methodists (2) ›Our Discipline‹. In: Rupert Davies/Gordon Rupp (Ed.), A History of the Methodist Church in Great Britain, Vol. 1, London 1965, 183– 209. – Thomas Edward Frank, Discipline. In: Abraham/Kirby, Oxford Handbook of Methodist Studies, (wie Anm. 75), 245–261.

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etwa 30 gewesen seien, bis 1820 auf 2.700 stieg und sich bis »im Jahre 1861 auf unglaubliche 19.883« erhöhte.851 Das missionarische Sendungsprinzip als Grundlage der Dienstgemeinschaft mit einem Zusammenwirken, welches die ständig weiterentwickelte kirchliche Ordnung wie ein roter Faden durchzieht, ermöglichte im 19. Jahrhundert diese Vorstöße in die immer weiter westwärts neu erschlossenen Gebiete des Kontinents. Gemeinsamer missionarischer Einsatz und auf Sendung beruhende Kirchenstruktur bildeten eine äußerst fruchtbare Symbiose.

Von der innerkirchlichen Bewegung zur autonomen Missionskirche Wie gezeigt entwickelte sich aus den organisch gewachsenen Praktiken der inneranglikanischen Bewegung die ›Methodist Episcopal Church‹. Für die Gestalt ihrer Kirche kam es in einem Land mit Religionsfreiheit und ohne weiterhin bestehende flächendeckende Kirchenstrukturen zur schrittweisen Entwicklung eines neuen Kirchentyps. Dessen Zentrum war die mit der Einladung zum Glauben verbundene Predigt auf der Grundlage der geschenkweise rechtfertigenden Gnade. Es stand nicht mehr die Betonung der rechten Lehre, wie es im 16. Jahrhundert notwendig erschien, im Vordergrund, noch ging es um die Bildung einer flächendeckenden Kirche. Es erfolgte die Bildung einer Gemeinschaft staatsunabhängiger Gemeinden ohne Einfluss und Leitung von außen. Die Gestalt und die entsprechende Ordnung in den methodistischen Kirchen entwickelten sich aus dem Auftrag zur Mission an Ungetauften wie an Getauften. Die Inhalte dieser Ordnung zeigen, dass den methodistischen Gemeindebildungen kein theologischer oder struktureller Protest wie bei den Dissenterkirchen zugrunde lag, sondern Herausforderungen, zu denen sie durch die historischen Entwicklungen gedrängt wurden. Es ist daher nicht erstaunlich, dass fast wie eine Rechtfertigung für die autonome Existenz alle methodistischen Kirchenordnungen mit einer historischen Einleitung über ihre Entstehung und den daraus folgenden Weg beginnen.852

851 Noll, Christentum in Nordamerika (wie Anm. 109), 89. 852 Die erste ins Deutsche übersetzte ›Discipline‹, die »Lehre und Zuchtordnung der Bischöflich-Methodistischen Kirche«, (wie Anm. 457) von der Generalkonferenz 1804 angenommen Textes ist, begann im »Ersten Kapitel« mit dem Abschnitt »Vom Ursprung der Bischöflich-Methodistischen Kirche«, dem sich unmittelbar die von Wesley reduzierten, von der Reformation herkommenden Glaubensartikel, wie er sie von den Anglikanern übernommen hat, anschließen. – Dieser Übersetzung ist ein zusätzliches »Lieber Leser« vorangestellt. Darin wenden sich die Herausgeber auf neun Seiten an die eingewanderten Deutschen und Schweizer und erklären, dass in dem vorliegenden Band »die Einrichtungen der Methodistischen Kirche in ihrem wahren Licht aufrichtig darzustellen« beabsichtigt ist.

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Auf diesem Hintergrund ist nun der kirchenrechtliche Weg der methodistischen Kirchen in Deutschland von seinen angelsächsischen Ursprüngen her skizzenhaft darzustellen.

4.3

Der plurale Kontext des kirchlichen Lebens in Deutschland

Nach Napoleon Bonapartes I. (1769–1821) europaweiten Feldzügen und dem auf das Ende zusteuernden Alten Reich durch den Reichsdeputationshauptschluss und in dessen Folge, der Säkularisation, kam es auch kirchlich zu lange weiter wirkenden Neuordnungen. Die Reduzierung der mehr als 300 Reichsstände auf 39 Bundesstaaten führte wegen des Verlustes von Kirchenhoheiten zu entsprechenden Konzentrationen. Aus Grenzverschiebungen und damit verbundenen Konfessionsmischungen innerhalb bisher monokonfessionell bestehender Länder ergaben sich neue Konstellationen. Auf diese Weise kam es durch politisch veranlasste Grenzverschiebungen auch innerhalb des landeskirchlichen Protestantismus zu Anfängen eines religiösen Pluralismus. Weiter entstanden autonome kirchliche Gemeinschaften, die teils selbständig waren, teils als innerkirchliche Bildungen existierten. Man denke an die sog. ›Deutschkatholiken‹ unter Johannes Ronge (1813–1887) und die Bewegung der liberalen ›Lichtfreunde‹ mit Julius Rupp (1809–1884). Daneben überlebten die Mennoniten. Die Baptisten in der Tradition der Täuferbewegung, die Irvingianer – welche heute die Neuapostolische Kirche bilden – und später die Adventisten mit ihren Endzeitvorstellungen und schon früher die Herrnhuter Brüder-Unität durch den Impuls Mährischer Migranten mit einem weiten ökumenischen Herzen, denen es um die Gestaltung reformatorischen Glaubens in einem weltmissionarischen Horizont ging, verunsicherten und bereicherten zugleich mit ihren Kirchen und Gemeinschaften die traditionellen Staatskirchen. Zu der Vielfalt der sich bildenden autonomen kirchlichen Gemeinschaften gehörten auch die verschiedenen Missionsgesellschaften und die unübersehbare Zahl kleinerer Projekte, welche Johann Hinrich Wichern (1808–1881) zur Inneren Mission zusammenführte. Auch die von der Britischen und Auswärtigen Bibelgesellschaft gegründeten Gesellschaften im Bereich jeder deutschen Landeskirche sind Teil des kirchlichen Pluralismus. Dazu zählen auch die eigenständigen Traktatvereine, die Anti-Alkoholbewegung, die Auswanderervereine, die Jünglings- und Jungfrauenvereine, aus denen später die ursprünglich überkonfessionellen CVJM-Gruppen weiterentwickelt wurden. Diese Vereine oder Korporationen waren zwar immer kirchennah, aber selten kirchenrechtlich Dadurch wurde diese Ausgabe zu einem apologetischen Bekenntnis-Dokument, mit dem man damals schon Vorurteile abbauen wollte. (Die Hervorhebung wurde übernommen).

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in die verfassten Kirchen eingebunden. Damit haben sie sich ihre staatsunabhängige Freiheit erhalten, abgesehen von der Frage, ob die staatlichen Konsistorien überhaupt ein Interesse daran hatten, sie kirchlich zu integrieren. Von ihrem Status her waren sie Freikirchen-ähnliche Bildungen, die sich selber finanzierten, unabhängig von Kirchenleitungen und Konsistorien agierten und auf eine wirklich volksnahe volkskirchliche Art in Unabhängigkeit ihren Dienst an der Gesellschaft, aber auch an und in der Kirche leisteten. Sie sprangen sogar dort ein, wo die verfasste Kirche in sozialen Aufgaben, also der Diakonie, in der Betreuung von Auswanderern und gelegentlich sogar im Kirchenbau sich ihrer Verantwortung entzog, und zeigten, dass sie in der Tradition von Pietismus und Erweckungsbewegung, teilweise angeregt durch angelsächsische Impulse, durchaus fähig waren, freikirchlich zu existieren. Neben diesen kirchenunabhängigen und zugleich kirchentreuen Aktivitäten gab es in der Theologie und an den Universitäten weite Spannungsbögen unter Hochschullehrern mit gegensätzlichen theologischen Standpunkten, was dazu führte, manchen Universitäten ein sie charakterisierendes Merkmal zuzuschreiben, zu dem im Laufe des Jahrhunderts auch zunehmend eine konfessionelle Konnotation hinzukam. Wenn man über die Landeskirchen im 19. Jahrhundert spricht, darf man nie vergessen, wie vielfältig sie innerkirchlich waren, auch weil ganz unterschiedliche Theologien auf ihren Kanzeln präsent waren. In diese durch die privilegierten Landeskirchen dominierte, vielschichtige Kirchenlandschaft traten im Laufe des 19. Jahrhunderts die methodistischen Kirchen ein. Müller in Winnenden als Wesleyaner, Jacoby in Bremen als bischöflicher Methodist sowie Link und Nikolai in Stuttgart als Missionare der Evangelischen Gemeinschaft. Keiner dieser missionarischen Prediger fand bei der Ankunft in Deutschland eine Gemeinde vor. Keiner hat einen Versuch unternommen, Proselyten zu machen oder gar eine oder mehrere Gemeinden von einer Landeskirche abzuspalten. Alle Gemeinden sind erst im Laufe der Jahrzehnte hauptsächlich durch erweckliche Verkündigung, aber auch durch diakonische Aktivitäten, vielleicht besonders durch die Möglichkeit eines Lebens in überschaubarer, gelebter christlicher Gemeinschaft gewachsen. Wie das Bild innerhalb der Landeskirchen theologisch vielfältig und in den Aktivitäten gespalten war, eröffneten auch die Methodisten ihre Mission unter verschiedenen ihnen vorauseilenden Urteilen. Sie stießen auf abweisende Polemiken, die durch Schriften verbreitet worden waren. Aber auch auf die Wirkungen zahlloser Briefe, manchmal mit begeisterten und ebenso mit entsetzten Erlebnisberichten aus Amerika, die überall im Lande Angehörige von ihren ausgewanderten Familienmitgliedern bekommen hatten. Im Regelfall stießen sie allerdings auf Christenmenschen, die ahnungslos waren und sich schwer vorstellen konnten, dass Kirche auch anders sein kann, als sie es in den Städten und Dörfern erlebten. Leicht hatte es keine der aus dem Ausland kommenden De-

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nominationen. Staat und Kirche konnten sich nur schwer damit abfinden, dass der kirchliche Pluralismus nicht nur eine innerlandeskirchliche Entwicklung war, die sich willig in die deutschen kirchlichen und staatlichen Verhältnisse einfügen ließ, sondern dass Missionare und Prediger mit anderen Vorstellungen kamen als die in der Reformationszeit aus dem mittelalterlichen Katholizismus aufgenommenen und protestantisch weitergeführten Gestaltungen. Die methodistische Art, auf dem europäischen Kontinent ein Zweig der Kirche Jesu Christi zu sein, passte nicht in dieses Modell. Sie soll nun aus ihrer eigenartigen Geschichte heraus in groben Zügen und damit lückenhaft zusammengefasst werden.

Die methodistische Art, als Zweig der Kirche Christi missionierende Bewegung zu gestalten Neben der biblischen Botschaft war die geschenkte individuelle Glaubensgewissheit oder die erkennbare Suche nach einem christlichen Lebensfundament ein wesentliches Motiv für die Gestaltung der Gliedschaft in der christlichen Gemeinde. Von diesem Ansatz her haben Methodisten ihr kirchliches Selbstverständnis entwickelt. Unter der Verkündigung der Rechtfertigung des Gottlosen, die wirklich aus Gnaden und unbedingt durch den Glauben geschieht, wurde das Wirken von Gottes erneuernder Kraft in der Wiedergeburt früher mehr als heute erfahren. Sie führte zur Umkehr in ein neues Leben, das der plötzlichen oder prozessualen Bekehrung folgte. Das rechtfertigende Gotteshandeln für uns verband sich in methodistischer Verkündigung mit dem geistgewirkten Handeln in uns, also der irgendwann irgendwie möglichen Glaubenserfahrung, die in der Wiedergeburt zur Heilsgewissheit führen will. Seit den Anfängen in England haben Methodisten – bewusst gegen den dort im Protestantismus vorherrschenden Calvinismus – das universale und freie Heil nicht zufällig auf Straßen, Plätzen und im Freien allen, die es zu hören bereit waren, verkündigt. Diese Predigt der freien Gnade wandte sich gezielt an solche, die sich vom Glauben und von einer damals verbürgerlichten Kirche innerlich entfernt hatten. Ihr zielgerichteter soteriologischer Ansatz führte dazu, dass die Lehre von der Kirche in ihrer dogmatischen Ausformung dahinter zurückblieb. Menschen mit Gott in Verbindung zu bringen, dass hatte seit der Zeit der englischen Missionsbewegung absolute Priorität. Zu Taufe und Abendmahl als kirchlichen Handlungen, die eine Ordination voraussetzen, konnte man in die anglikanische Ortskirche gehen. Das erklärt, wieso sich Methodisten in Württemberg bereit erklären konnten, auf eigene Kirchenbildungen zu verzichten, wenn nur Christus verkündigt wurde und Menschen den Ruf Gottes hören konnten. Wer sich berufen

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weiß, den Hörern in seinen Predigten zuzurufen »Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt euer Herz nicht«,853 der muss etwas Dringendes zu sagen haben. Dieser enge Fokus schloss aus, eschatologische oder apokalyptische Bilder zu entwerfen. Die Hörer sollten seit dem 18. und 19. Jahrhundert zu einem Weg eingeladen werden, der ihnen half, in der Kraft des Glaubens das Leben jetzt und hier zu bewältigen. Darum gab es auch keine Verwerfungen, die andere Kirchen als »Babel« diskreditierten. Nicht andere Kirchen sollten reformiert werden. Die Perspektive der Verkündigung war der schuldbeladene, von Gott abgewandte und darum heillose Mensch. Die Einladung zur Hinwendung zu ihm haben Methodisten nicht als eine ihnen allein anvertraute spezifisch methodistische Aufgabe verstanden, sondern immer schon als einen Auftrag für alle Kirchen angesehen. Darum waren Methodisten von Anfang an auf der Suche nach ökumenischen Partnern. Was bedeutete dieser praktisch-theologische Ansatz des methodistischen Selbstverständnisses?

Eine missionierende Kirche lebt zuerst von ihren Missionaren So sehr die methodistische Mission in Afrika und Asien von Anfang an Schulen und Bildungseinrichtungen, zunächst ambulante Krankenstationen und dann Krankenhäuser errichtete, stand die Mission unter den vorhandenen Kirchen des europäischen Kontinents vor völlig anderen Herausforderungen. Die christologische Heilspredigt als Missionspredigt und die Öffnung von Räumen zur Gemeinschaftserfahrung besonders für solche, die am Rande der Gesellschaft lebten, hatten Vorrang. Es kam hinzu, dass dem traditionell methodistischen gesellschaftspolitischen Engagement in einer kirchlich »besetzten« Gesellschaft keine Entfaltungsmöglichkeit offenstanden. Ihr gesellschaftsdiakonischer Beitrag bestand in der Leidensbereitschaft als Zeichen der Nachfolge Christi, Verachtung als Sekte, Bedrängnisse durch den Mob, Beobachtung durch die Polizei, Verurteilung durch Gerichte und Einsitzen hinter Schloss und Riegel um des Evangeliums willen waren in einer sich christlich verstehenden Gesellschaft nicht alltäglich. Ergänzt wurde solches Beispiel gebendes zeugnishaftes Leben durch die Solidarität mit Armen neben den Gottesdiensten insbesondere in der Gemeinschaft der Klassen und Liebesfeste. Aber die für den Glauben gewinnende Predigt war und blieb, wie ursprünglich in England, die erste zentrale Aufgabe. Dadurch rückten die Predigenden innerhalb der Kirche, wie anfangs besonders bei der Erschließung des »wilden Westens« mit den reitenden Predigern, als Seelsorger und Berater in eine ziemlich ungewöhnliche, um nicht zu sagen fast beherrschende Rolle. Sie kamen 853 Hebräerbrief Kap. 3, 7f. u. 3, 15.

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eben nicht als gerufene Betreuer einer Gemeinde, um ihr Diener zu sein, sondern als gesandte Boten zur Sammlung einer Christenschar durch eine zum Glauben einladende Predigt. Es war für methodistische Kirchen ein glücklicher Umstand, dass sie organisch aus einer von unten gewachsenen Missionsbewegung herauswuchsen, die schon in England Formen für missionierende Wanderprediger und entsprechende organisatorische Rahmenbedingungen für sie entwickelt hatte. Der katholische Anglist Heimo Ertl sah die Urzelle des britischen Methodismus als eine Predigtbewegung mit einer ›Handmade Piety‹, die er beschreibt als eine unkonventionelle Verkündigungsart mit einem einfachen Predigtstil vor großen Zuhörerscharen in ungewöhnlichen Räumen oder auf Straßen und Plätzen, aber gelegentlich auch von befremdlichen Begleiterscheinungen wie Störungen und emotionalen Ausbrüchen bei Bekehrungen begleitet.854 John Wesley war zuerst gegenüber der Predigt durch Laien äußerst skeptisch. Später musste er einsehen, dass die Bewegung ohne die Laienprediger nicht zu dieser Ausbreitung gekommen wäre, ja gar nicht hätte kommen können. In seinem Todesjahr 1791 zählte die innerkirchliche Bewegung neben einer sehr kleinen Anzahl anglikanischer Theologen 274 Laienprediger, die überall auf der Britischen Insel, in Irland und in Amerika ganz nah bei den Menschen waren und bei der Predigt der zentralen Botschaft auf jeden sakralen Habitus bis in die Sprache hinein verzichteten. Sie wirkten mit ihren eigenen Gotteserfahrungen überzeugend und mit ihrem freien Predigtstil erreichten sie viele Zuhörer innerlich. Diese Laien waren zu einem autodidakten Bildungsprozess mit täglicher Lektüre verpflichtet. John Wesley hatte ihnen konkreten Anweisungen855 selbst für ihre Aussprache und Gestik gegeben856 und sie in verbindliche Ordnungen eingebunden. Dieses alles waren Voraussetzungen für den Schritt von einer missionierenden Bewegung mit predigenden Laien zu einer missionarischen Kirche mit zunächst ebenfalls überwiegend predigenden Laien, die nun aber für Amerika durch eine Ordination zur Sakramentsverwaltung bevollmächtigt waren. In Baltimore erfolgte 1784 der Anschluss an die britische Erfahrung nicht allein in der geistlichen Ausrichtung, sondern ebenfalls in der straffen Organisation des Aufbaus. An die Stelle der in Großbritannien alle verbindenden 854 Charakterisierungen Heimo Ertls in seiner Habilitationsschrift »Dignity in Simplicity«. [Deutschsprachige] Studien zur Prosaliteratur des englischen Methodismus im 18. Jahrhundert, Tübingen 1988. 855 Wesentliche Anweisungen sind Bestandteil der Kirchenordnungen geworden. Spuren davon sind bis heute in ›Der Dienst der Ordinierten‹ in der : Lehre, Verfassung und Ordnung der Evangelisch-methodistischen Kirche, Ausgabe 2017, Frankfurt/M. 2018, 118f. zu finden. 856 John Wesley, Directions Concerning Pronunciation and Gesture, London/Bristol 1749. Zusammenfassung: https://www.seedbed.com/pronunciation-and-gesture/.

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›Allgemeinen Regeln‹ für die Societies wurde jetzt die alle Gemeinden und alle Mitarbeiter verbindende kirchliche ›Discipline‹ eingeführt. Beides zusammen war im 19. Jahrhundert für die Arbeit der Methodisten auf dem europäischen Kontinent von enormer Bedeutung: allerdings war das, was sich in dem jungen, von der englischen Hierarchie befreiten, demokratisch gestaltenden Amerika so kraftvoll entfaltete, in monarchisch regierten Ländern Europas mit einer anderen, geschichtlich gewordenen Kirchenkultur ein schwerer Hemmschuh. Für die Kirchenbildung in der Zeit der Besiedlung Amerikas waren die Pferde wichtiger als Kirchengebäude. Sakrale Gebäude setzen Bewegungen an Standorten fest. Die reitenden Missionsprediger hatten zunächst nicht solche »Standorte«, sondern sie waren unterwegs zu den Neusiedlern. Ihre Sammelbewegungen führten zu Gemeindebildungen in unwegsamen Gegenden. Sie riefen die Menschen mit ihren Planwagen zu Glauben begründenden und Glauben stärkenden »Kirchentagen« zusammen, die man damals mangels großer Hallen und fehlender Infrastruktur in Wäldern »Campmeetings« oder unter den Deutschen »Lagerversammlungen« nannte. In den Wäldern hatte man dafür speziell hergerichtete Anlagen geschaffen, wo in regelmäßigen, längerfristigen Abständen diese bewegten erwecklichen Versammlungen stattfanden. Es wuchs mit solchen großen Christentreffen eine neue, im alten Europa noch nicht gekannte, eher irritierende Kirchenkultur heran. Ganz gleich, ob bei den Besuchen und Andachten in den Hütten der Neusiedler oder in den Campmeeting-Zusammenkünften in den Wäldern, immer ging die Initiative von den »Predigenden« aus. Das gehörte zu den unbeabsichtigten Hauptursachen für die gewachsene zentrale Stellung der Ordinierten in der Kirche. Von den englischsprachigen amerikanischen Methodisten ging deren missionarischer Ansatz, der Stil ihres Wirkens und natürlich die in England erprobte und in Amerika den Verhältnissen angepasste Ordnung auf die dort entstehenden deutschsprachigen methodistischen Gemeinden über. Nachdem einzelne Prediger der amerikanischen methodistischen Kirche etwas Deutsch gelernt hatten, und gelegentlich hier und dort eine Kolonie deutscher Einwanderer besuchten, war es zuerst der Ziegelbrenner Jacob Albrecht (1759–1808), der als Laie aufbrach und deutschen Einwanderern nachritt. Er begann in seiner pennsylvanischen Wahlheimat und ihren Nachbarstaaten, systematisch aus Deutschland ausgewiesenen Pietisten, elsässischen Hugenotten und kirchlich heimatlosen gewordenen Lutheranern und Reformierten den Zuspruch des Evangeliums zu verkündigen. In seiner missionarischen Hinwendung setzte er seine ganze Lebenskraft ein, was zur Bildung der späteren Evangelischen Gemeinschaft führte. Nur zwölf Jahre war er ohne von irgendjemand beauftragt worden zu sein mit nur kurzen Unterbrechungen unterwegs, bis er am 18. April 1808 – gerade 57 Jahre alt geworden –, auf einer seiner Missionsreisen starb. Erstaunlich genug, dass Albrecht im Zuge der Gewinnung weiterer Laienpre-

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diger und der Bildung von Gemeinden schon in seinem letzten Lebensjahr die ›Lehre und Ordnung‹ der Methodisten, die bereits in deutscher Übersetzung vorlag, leicht verändert, aber in ihrer Grundform und den Inhalten für seine Anhänger übernahm.857 Als es ab 1835 in Amerika auch zu einer Mission der Bischöflichen Methodistenkirche unter deutschen Einwanderern kam, war es ganz selbstverständlich, sie auf der Grundlage der englisch-sprachigen methodistischen Ordnung zu organisieren. Es war Wilhelm Nast, der zum 1. September 1835 als Missionar unter deutschen Einwanderern im Auftrag der Kirche in Cincinnati/Ohio zu wirken begann. Der frühere Lutheraner Nast hatte in Tübingen einige Jahre Theologie studiert. Er wurde die prägende Persönlichkeit des deutschsprachigen Zweiges der methodistischen Kirche.858 1849, als die Mission in Deutschand aufgenommen wurde, umfasste die deutschsprachige Arbeit in Amerika bereits elf Distrikte mit 141 hauptamtlichen missionarischen »Reisepredigern« und 77 ihren täglichen Berufen nachgehenden sogenannten »seßhaften Predigern«. Besonders in diesen Gemeinden von Ansiedlern aus Deutschland und der Schweiz verstärkte sich nach der Revolution von 1848 der Wunsch, die eigene geistliche Erfahrung in Verbindung mit der neuen Gestalt einer Kirche, die sie auf der Basis völliger Freiwilligkeit mit demokratischen Ordnungsstrukturen und der Mitarbeit vieler Gemeindeglieder als lebendige Gemeinschaft erlebten, auch in der Heimat anzusiedeln. Sie sahen Luthers Vorstellung vom allgemeinen Priestertum in ihrer erfahrenen Gemeindepraxis verwirklicht. Die Frankfurter Nationalversammlung hatte durch ihre demokratische Verfassung mit dem »Ende der Staatskirche« und der Religions-, Gewissens- und Pressefreiheit endlich die Voraussetzungen für den Beginn einer Mission in Deutschland geschaffen. Tatsächlich kamen 1849 und 1850 die ersten Missionare hier an. Sie hatten die Vorstellung, die in Deutschland wirksame Erweckungsbewegung mit 857 Die Ausgabe der Methodist-Episcopal Church von 1808 war bald darauf die Vorlage für die Kirchenordnung der Evangelischen Gemeinschaft, welche die erste deutschsprachige methodistische Kirche in Amerika wurde. Deren Ausgabe der »Glaubenslehre und KirchenZucht-Ordnung der Evangelischen Gemeinschaft, Nebst dem Zweck ihrer Vereinigung mit Gott und untereinander« (wie Anm. 458) steht mir in der zweiten und verbesserten Auflage von 1817, gedruckt in Neuberlin, zur Verfügung. Sie beginnt mit einem knapp dreiseitigen Text: »Eingang und Vorerinnerung an den geneigten Leser«. Er weist auch auf die ertragenen Demütigungen in »Spott, Verachtung und Unterdrückung, sammt übler Nachrede« hin, aber auch auf ein die Gemeinschaft länger begleitendes Problem mit ihrer »RegimentEinrichtung […], die bischöfliche Regierungsform«. Es wird wahrscheinlich gegenüber einer deutschen pietistischen Tradition, die ohne bestellte Führungsorgane existierte, erläutert: »so wird hoffentlich deswegen kein wahrer Christ, einen Anstoß oder Aergerniß nehmen an dieser unserer Ordnung …« (S.4) Die eigentliche Ordnung beginnt dann mit dem ersten Abschnitt »Vom Ursprung dieser Evangelischen Gemeinschaft«, der die Glaubensartikel folgen. 858 Carl Wittke, William Nast – Patriarch of German Methodism, Detroit 1959.

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ihren amerikanischen Erfahrungen zu unterstützen. Als die politisch restaurativen Kräfte in Deutschland die Verhältnisse schon wieder in den Griff bekamen, hatten die beiden methodistischen Kirchenzweige alle Vorbereitungen für eine Mission in der Heimat ihrer deutschen und schweizerischen Mitglieder getroffen. Nun sollte sie auch, selbst wenn man jetzt verunsichert und zögerlich geworden war, beginnen, ganz egal, unter welchen politischen Verhältnissen. In den europäisch-kontinentalen Ländern wiederholte sich die Mission durch predigende und reisende Missionare. Wieder spielten Laien als Missionsprediger eine wichtige Rolle. Zu den frühesten in Deutschland gewonnenen, sich von Gott in die Mitarbeit berufenen Missionaren gehörten unter anderem ein Schriftsetzer, ein Schreiner, ein Apotheker, ein Hutmacher und ein Schneider. Es war notwendig, sie für ihre Aufgaben auszubilden. Daher folgte nach der Gründung eines Verlags die Einrichtung einer Bildungseinrichtung für Prediger. Alles hatte eine missionarische Perspektive. Selbst die Zeitschriften, die deutschamerikanische Methodisten für ihre hiesigen Angehörigen bestellten und finanzierten, konnte man in ganz Europa versenden und Missionare konnten dorthin gelangen, wohin sie von Verwandten Ausgewanderter eingeladen wurden. Bevor die Fragen der Ausbildung und der Rolle der geistlichen Laiendienste behandelt werden, ist ein Blick auf die jährlich tagenden Konferenzen angebracht, denn sie entschieden damals wie heute über den zukünftigen Weg der Mission.

4.4

Gestalt, Rolle und Bedeutung der »Jährlichen Konferenz«

Die verfassunggebende Generalkonferenz gab 1856 in Indianapolis der in Europa wachsenden Methodistenkirche zunächst den Status einer sog. ›MissionsKonferenz‹. Das bedeutete, sie konnte weiter mit der Unterstützung der Missionsabteilung rechnen. Bis zu dieser formalen innerkirchlichen Anerkennung mit zunächst noch eingeschränkten eigenen Rechten gab es bereits brüderliche Zusammenkünfte aller Missionare, die in Deutschland und der Schweiz wirkten. Bis 1879 blieben sie im Status einer ›Missions-Konferenz‹. Nachdem die Zahl der Gemeinden und der predigenden Missionare eine gewisse Größe angewachsen war, erhielt sie als ›Jährliche Konferenz‹ alle Rechte als eine durch die Verfassung definierte »grundlegende Körperschaft« neben anderen gleichberechtigten Konferenzen in anderen Teilen der Welt. Mit diesem Status werden alle lebensfähigen Konferenzen in der ganzen Welt ausgestattet. Jede dieser Jährlichen Konferenzen, ob in den USA, in Afrika oder Europa bildet unter ihren ökonomischen und gesellschaftspolitischen Bedingungen auch eine wirtschaftliche Einheit, das heißt: sie trägt die wirtschaftliche Verantwortung im Blick auf die

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Verwaltung des Eigentums und die Anstellung von Mitarbeitern. Kirchenrechtlich gilt für alle Konferenzen gleichermaßen die gemeinsame ›Discipline‹. In Bremen trafen sich zur ersten Missions-Konferenz 1856 alle sieben aus Amerika gesandten Missionare. Sie waren aus Süddeutschland, dem Elsass, und den Schweizer Städten Zürich und Lausanne in die Hansestadt gekommen. Als ständig ihre Orte wechselnde Reiseprediger wurden sie, wie die amerikanischen Reiter-Evangelisten, in keinem Mitgliederverzeichnis einer Gemeinde geführt; ihre Gemeinde war die »Konferenz«. Darin zeigt sich bereits der ungewöhnliche Ansatz für das Selbstverständnis des methodistischen Predigtamtes, das auch in seiner formalen Ausgestaltung vom theologischen Prinzip der Mission bestimmt war. Das ist hier kurz zu zeigen. Die Art der Dienstgemeinschaft der methodistischen Prediger kann man gut an dem Bild eines Missions-Ordens zeigen. Kein methodistischer Prediger ist ein Einzelkämpfer. Seiner Antwort auf die Berufung in den vollzeitlichen Dienst folgte vor seiner vollzeitlichen Mitwirkung eine verpflichtende Aufnahme in die Gemeinschaft der Missionsprediger. Diese Gemeinschaft trat jährlich zusammen und tagte als »Konferenz«. Praktisch war sie der jährliche Konvent eines ›Ordens in permanenter Diaspora‹, deren Mitglieder als Missionare unterwegs waren. Die Zusammenkunft aller Ordinierten erfolgte bis ins 20. Jahrhunderts hinein stets mit einer gleichen Tagesordnung von 15 Punkten, die für alle Konferenzen in der Welt gleich waren. Diese Art der formalen Verbundenheit mit der weltweiten Gemeinschaft aller Ordinierten, wurde personal durch die Leitung eines Bischofs, der ein Mitglied des gesamtkirchlichen Bischofsrates ist, als Repräsentant der Weltkirche ausgedrückt. Verstärkt wurde diese »Connection« durch immer neue Besucher aus anderen Ländern. Im 19. Jahrhundert kamen die Bischöfe eigens aus Amerika nach Europa, um im deutschsprachigen Teil und in einem skandinavischen Land die Sitzungen zu leiten. Dies war der konkrete Ausdruck eines Verbundsystems, das man heute als ›Connexio‹859 bezeichnet. Die Tagesordnungsfragen betrafen insbesondere den Status der Mitglieder in der Dienstgemeinschaft der Ordinierten und deren Dienste, die unter der Leitung des aufsichtführenden Bischofs gemeinsam besprochen und entschieden wurden. So beschloss die Konferenzgemeinschaft, wer neu »auf Probe« in sie aufgenommen werden soll. Nach vollendeter Probezeit und bestandenen Examen erfolgte durch einen Beschluss aller Konferenzmitglieder die Aufnahme in die »volle Verbindung«. Ihr ging in der Gemeinschaft der Konferenz eine Verpflichtung mit der Beantwortung von 18 Fragen zum persönlichen 859 The Shorter Oxford English Dictionary : Connectionalism: »The System of the Methodist Church in theory and practise«. – Diese Sprachschöpfung knüpft an die frühere englische Bezeichnung für die inneranglikanische Gemeinschaft an, die keine Kirche, sondern eine »connection« von societies war.

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

Glauben und zu ethischen Einstellungen voraus.860 Die Aufnahme in die »volle Verbindung«, also in die Dienstgemeinschaft, blieb bis heute die Voraussetzung für die Ordination zum Pastor bzw. zur Pastorin (Ältesten). Die früher vorausgehende Ordination zum Diakon entfiel im 20. Jahrhundert durch eine Änderung der Kirchenordnung. Weiter stellte die Konferenz-Gemeinschaft fest, wer aus ihrer Mitte aus dem Reisedienst und damit auch aus ihrer Gemeinschaft ausgeschieden war, wer sich »von der Verbindung (Connexio) losgesagt« hat und schließlich wer im Laufe des voraufgegangenen Jahres verstorben war. Sie genehmigte den Schritt in den Ruhestand. Jährlich erfolgte eine Überprüfung des Charakters hinsichtlich der Lebensführung. Und zum Abschluss der Tagung stand mit missionarischer Perspektive die Frage an: »Wohin werden die Prediger dieses Jahr gesandt?« Die Aussendung erfolgt bis heute in einem Gottesdienst. Er war und ist, wie alle Sitzungen der Konferenz, öffentlich, mit Ausnahme der Zusammenkunft, in welcher Entscheidungen getroffen werden, die die Mitarbeiter betreffen. Solche Entscheidungen über pastorale Mitglieder können nach der Kirchenordnung nur von denen getroffen werden, die – wie man heute sagt – dem »Bund der Ordinierten« angehören. Alle Ordinationen werden im Rahmen der Konferenz in einem öffentlichen Gottesdienst vollzogen. Alle zur Dienstgemeinschaft gehörenden Pastoren sind anwesend. Die Ordinationen können nur nach dem zustimmenden Beschluss der Dienstgemeinschaft durch einen Bischof oder eine Bischöfin in Verbindung mit einigen Ältesten erfolgen. In einer liturgischen Form stellt einer aus der Reihe der Ältesten dem Bischof oder der Bischöfin die von der Pastoren und Pastorinnen zur Ordination Empfohlenen vor und gibt damit dem Bischof grünes Licht, diese geistliche Handlung mit ihrer Billigung vorzunehmen. Wie die Ordinationen grundsätzlich würdevolle, feierliche Akte in der Gegenwart der Schwestern und Brüder der Dienstgemeinschaft sind, werden auch die Dienstjubiläen gemeinsam in heiterer Dankbarkeit gefeiert, und es wird der Verstorbenen im Gedächtnisgottesdienst während der Konferenztagung würdigend gedacht. Auf diese Weise wird an den jährlichen Tagungen der Konferenzen der besondere Charakter der Dienstgemeinschaft für alle Mitglieder, aber auch für die daran teilnehmende Gemeinde bis heute zu einer konkreten Erfahrung. Seit bald einhundert Jahren entsenden die Gemeindebezirke eine gleiche Anzahl von Delegierten an die Konferenz wie sie pastorale Mitglieder hat. Alle tragen für alle Entscheidungen gemeinsam die gleiche Verantwortung mit Ausnahme jener Fragen, die einen pastoralen Status betreffen. Diese Einschränkung für die Ordinierten gilt rechtlich auch im Zusammenhang von Kirchenzuchtverfahren, die ausschließlich in der Hand eines von der Konferenz jeweils für ein Jahrviert gewählten »Ausschusses für Kirchenzucht- und Diszi860 Lehre und Kirchenordnung von 1876 (wie Anm. 211), 98.

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plinarverfahren« liegen, dem nur Pastoren angehören. Für den glücklicher Weise selten eintretenden Fall gibt es eine in der Kirchenordnung festgelegte Verfahrensordnung. Bis in diesen schwierigen Bereich hinein ist das Selbstverständnis der verbindlichen Dienstgemeinschaft durch die Ordnung und Praxis durchgestaltet. Wie die Gemeinden nicht »Arbeitgeber« ihrer Pastoren sind, die sie bezahlen, sondern die Konferenz nach einer gemeinsamen Ordnung die Gehälter zahlt, ist die Konferenz auch für arbeitsrechtliche und Kirchenzuchtfragen allein zuständig. Auch daran wird im Vergleich mit kongregationalistisch organisierten Freikirchen erkennbar, welche Bedeutung das einmalige System der methodistischen Dienstgemeinschaft als »Connexio« hat. Die Sitzungen der Konferenz leitet der oder die von Pastoren- und Laiendelegierten für zunächst vier und danach für in der Regel weitere acht Jahre durch die Zentralkonferenz861 gewählte Bischof bzw. die Bischöfin, ohne auf inhaltliche Debatten Einfluss zu nehmen. Als Repräsentanten der Gesamtkirche achten die aufsichtführenden Bischöfe darauf, dass alle Anträge und Beschlüsse der Dienstgemeinschaft auf der Basis der Kirchenordnung gestellt und gefällt werden. Im Falle einer Rechtsunsicherheit, die in der Debatte auftauchen kann, ist es eine bischöfliche Aufgabe, die Kirchenordnung auszulegen. In dem Fall, wenn er oder sie aufgrund eines Einwands zu einer offiziellen Interpretation aufgefordert wird, erfolgt die Antwort schriftlich. Sie wird danach durch eine gesamtkirchliche Rechtskommission, innerhalb Deutschlands eines juristisch kompetenten »Rechtsrats« und auf Weltebene von einem »Rechtshof«, überprüft. Jedes pastorale Mitglied der Konferenz wird durch den Bischof, der wie ein Ordensoberer einer Missionsgemeinschaft die personale Missionsstrategie in Gemeinschaft mit den Superintendenten bestimmt, für ein Jahr in eine Stadt gesandt, in der es dem missionarischen Auftrag heute in Verbindung mit einer Gemeinde nachgehen soll. Die Sendung an denselben Ort kann ohne eine festgelegte Zahl von Jahren mehrfach wiederholt werden. Diese Mobilität wurde zum Grundsatz, als die Kirche sich in schneller Ausbreitung befand und in möglichst kurzer Zeit da sein musste, wo im Zuge der Besiedlung Amerikas neue Ansiedlungen durch die Wanderung westwärts erfolgten. Zu jener Zeit waren die Missionare wirklich, wie auch anfangs in Deutschland noch, »Reiseprediger«, die der Bischof als Missionsstratege dahin sandte, wo sie nach seiner Kenntnis der Situation am erfolgreichsten wirken konnten oder am dringendsten gebraucht wurden. Mit dieser Praxis sind heute aus mehrfachen Gründen Probleme verbunden. Neben ganz unterschiedlichen Anlässen insbesondere durch die ortsgebundene Be861 Eine Zentralkonferenz ist als Zusammenfassung mehrerer Jährlicher Konferenzen das alle vier Jahre tagende Zwischenglied zwischen diesen Jährlichen Konferenzen und der gesamtkirchlichen Generalkonferenz mit speziellen Vollmachten für die Kirchen in regionalen Entscheidungen.

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

rufstätigkeit, manchmal des Mannes und manchmal der Frau, aber auch wegen des langjährigen Schulbesuchs von Kindern und anderer Fragen. Das methodistische System, Mitglied einer verpflichtenden Dienstgemeinschaft mit kirchenleitenden Rechten zu sein, ist unter den protestantischen Kirchentypen einmalig. Die Geschichte zeigt, wie grundlegende geistliche Erfahrungen, die zu einer Lebenswende durch einen geistlich gewirkten Neuanfang – nenne man ihn Wiedergeburt oder Bekehrung – führen, wenn sie in eine missionierende Gemeinschaft eingegliedert und theologisch zu einer Mitwirkung angeleitet werden, unglaubliche Kräfte frei setzen können. Im weitesten Sinne haben die Methodisten in Kontinentaleuropa im 19. Jahrhundert auch zu einer solchen Form gefunden, die aus der missionarischen Bewegung von unten zu einem integrierten Teil der weltweiten Kirche gewachsen ist. John Wesley, der ursprünglich diesen Prozess eingeleitet hat, war über die biblischen Schriften hinaus auch ein Kenner der Kirchenväter, von denen er Anregungen für die zukünftige Entwicklung gewann, die sich auf die frühen Ansätze einer kommenden säkularen Gesellschaft einstellte.862 Kurz gesagt, er empfing selber den entscheidenden Impuls von der lutherischen Reformation. Aber er schaute über das 16. Jahrhundert hinaus auf die Gestaltungen der frühen, einer noch nicht von christlichen Grundwerten gestalteten Kirche zurück, welche ihr Umfeld noch selbstverständlich als zu missionierendes Land ansah. Das methodistische kirchliche Selbstverständnis bildete sich also nicht als reformierte Fortsetzung der damaligen Kirchenform im Sinne einer Re-Formation, sondern in einem weiter gefassten ökumenischen Rückblick auf die frühe Geschichte und Theologie der Kirche Christi.863 862 Theodor Runyon, Die neue Schöpfung. Wesleys Theologie heute, Göttingen 2005. Darin schreibt Professor Runyon im Vorwort: »John Wesley selbst profitierte von einem ökumenischen Erbe, das von den griechischen Kirchenvätern, den katholischen Mystikern, den herrnhutischen Pietisten und den englischen Calvinisten sowie aus seiner eigenen anglikanischen Tradition stammte.« (7) Konkret wirkte sich das auf die Einführung der ›Agapen‹ als geistlichen Ersatz an Stelle der vor Bekehrung durchzechten Nächte der entwurzelten Arbeiter aus, ebenso auf seine frühe Bereitschaft, Frauen in geistlichen Gruppenleitungen einzusetzen. Im Blick auf die Fragen von Bekehrung und Wiedergeburt, die als ein zentrales Thema methodistischer Theologie und Praxis immer mit der Kritik des Synkretismus begleitet waren, hat John Wesley unter Berufung auf Makarius den Ägypter († 390) die Vorstellung des Prinzips der »gegenseitigen Durchdringung« (Perichorese), »die den griechischen Kirchenvätern so wichtig war, weil sie ihnen die Kontroversen über die Rolle des Menschen im Heilsgeschehen vermeiden half«, erwogen, um das Zusammenwirken von Gott und Mensch im Schenken und Annehmen des rechtfertigenden Glaubens zu formulieren. Zum Thema der Kirchenväter auch: Ted A. Campbell, John Wesley and Christian Antiquity, Nashville 1991. 863 Das hat Auswirkungen auf die Lehrbildung bis heute. Methodistische Konferenzen kommen im Idealfall zum »christian conferencing« zusammen. Sie diskutieren ihre theologischen Fragen in einem als »Quadrilateral« bezeichneten System für Erkenntnisgrundsätze. (Dazu Teil 5, Einführung) Auch in: Klaiber/Marquardt, Gelebte Gnade (wie Anm. 45), 491–

Die »Jährliche Konferenz« – zentraler ekklesiologischer Baustein

4.5

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Die »Jährliche Konferenz« – zentraler ekklesiologischer Baustein

Ein Ansatz, die Entwicklung der Institution »Jährliche Konferenz« im Zusammenhang des methodistischen Kirchenrechts zu erfassen, ist bereits erfolgt. In diesem neuen Abschnitt geht es darum, nach der erfolgten Darlegung des koinonalen, ordensähnlichen Grundverständnisses auch deren kirchenleitendes Wirken in seiner Vielfalt zu umreißen, wie es durch die Dienstgemeinschaft erfolgt, die heute um eine gleiche Anzahl von Laiendelegierten erweitert ist. Das geschieht in fünf Kreisen, um die besonderen Umstände der Entstehung und des Aufbaus des europäisch-kontinentalen Zweiges zu erläutern. Der Kontext der hiesigen Kirchenkultur und die sich daraus ergebenden Umstände stellen auch für die methodistische Weltkirche ein ungewöhnliches, im Grunde einmaliges Phänomen dar.

4.5.1 Die verfassungsrechtlichen Grundlagen und der europäische Kontext Aus ihrer erlebten Religionsfreiheit brachten die Missionare mit ihrer kirchlichen Verfassung und der darauf basierenden Kirchenordnung in das von Staatskirchen geprägte Europa ein für die dortigen Verhältnisse gesellschafts- und kirchenpolitisch nicht kompatibles Grunddokument als Ausdruck ihres Selbstverständnisses mit. Es enthielt Vorstellungen organisatorischer Kirchengestalt und Lebensweise, die unter den Bedingungen des gesellschaftspolitischen Amerika in einem missionarischen Prozess erwachsen waren. Wie schwer es war, gegen die in Europa kirchlich-politisch tonangebenden Mächte eine Pluralisierung vom Staat unabhängiger Kirchensysteme durchzusetzen, haben die Beispiele der Entwicklungen in Württemberg und Sachsen gezeigt. Für die außergewöhnlichen Verhältnisse, in welchen die Missionare sich zu bewähren hatten, bekamen sie Anweisungen für ihren Dienst und ihr Verhalten in ihren speziellen Missionssituationen mit auf den Weg.864 Einer der frühesten Deutschland-Missionare war Heinrich Nuelsen. Während der Überfahrt in seine frühere Heimat hat er noch einmal verinnerlicht, welche Verpflichtungen ihm das offizielle ›Manual for Missionaries‹ für seinen Dienst in den deutschen Kleinstaaten gab. In seinen Erinnerungen fasste er rückblickend einige ihm wichtige Gedanken zusammen.

503. Zur Konferenz-Gesprächskultur: Russell E. Richey, Connection and Christian Conferencing as Ecclesiology. In: Abraham/Kirby, Oxford Handbook of Methodist Studies, (wie Anm. 75), 226f. 864 Manual for Missionaries (wie Anm. 150).

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

»Das Büchlein unterscheidet zunächst zwischen einheimischen und auswärtigen Missionen. Unter letzteren werden alle Missionen verstanden, welche im Auslande, nicht in den Verein. Staaten existieren; mögen sie sich in China, Indien, unter den Kamtschadalen865 oder in Paris, in Berlin unter hochcivilisierten Nationen befinden, einerlei, die sind auswärtig, und nicht daheim. In diesen Begriff können sich unsere Gegner in Deutschland nicht finden. […] Alle auswärtigen Missionare stehen unserer Missionsdirektion gegenüber gleich. Während der einheimische Missionar ganz und gar in der Stellung eines Reisepredigers oder Mitglieds einer Konferenz, zu welcher er auch gehören muß, steht und mit der Missionsbehörde nichts zu thun hat, steht der auswärtige Missionar unter der Anweisung des [Mission-]Board, erhält aber seine Bestimmungen und Anstellung vom Bischof. Bis das Missionsfeld sich völlig zu einem unabhängigen Werk entwickelt hat, ist der Missionar an diese Instruktionen gebunden.«866

Die einzelnen Bestimmungen des Handbüchleins weisen jeden Missionar konkret an, »gegenüber Schwesterkirchen in deiner Nachbarschaft […] auf jede mögliche Weise eine Bereitschaft zu geregeltem und brüderlichem Entgegenkommen und zu entsprechenden Beziehungen zu zeigen.« Und sie ermahnen gleichzeitig, sich gegenüber der rechtmäßigen Regierung nicht in Widersprüche und Kollisionen zu bringen und an bürgerlichen Auseinandersetzungen (civil disputes) weder teilzunehmen noch in der Korrespondenz mit Personen in der amerikanischen Heimat zu berichten und auf keinen Fall Sympathisant einer Gruppe in einer öffentlichen Auseinandersetzung zu sein.867 Drei bemerkenswerte Aspekte sollen herausgehoben sein: (1) Ein »Board of Missions« ist keine nebenkirchliche Missionsgesellschaft, sondern integrierter Zweig einer missionarischen Kirche.868 (2) Das methodistische Missionsverständnis umfasste immer schon die heutige Vorstellung von einer »Mission in sechs Kontinenten«. Dass in Deutschland »missioniert« werden sollte, empfanden die hiesigen Kirchen als eine Anmaßung.869 (3) Es bleibt zu untersuchen, wie die konkreten Anweisungen an die Missionare, sich in Deutschland in politischen Beziehungen neutral zu verhalten, langfristig weitergewirkt haben; zuerst in den Auseinandersetzungen im 19. Jahrhundert, aber dann über das Kaiserreich hinaus in der Weimarer Republik und vor allem in der Zeit des 865 866 867 868

Einwohner der im Osten Russlands existierenden Region Kamtschatka. Heinrich Nülsen/Nuelsen, Erinnerungen (wie Anm. 610). In: CA 1898 (51. Jg.), 98. Manual for Missionaries (wie Anm. 150), 14f. Während der NS-Zeit wurde in Deutschland eine zwar ganz in die Kirche eingebundene, aber doch in der Gestalt einer »Missionsgesellschaft« organisierten Form gebildet, damit sie während der kritischen Zeit dem ›Deutschen Evangelischen Missionsrat‹ als gleichberechtigte Gemeinschaft angehören konnte. 869 Noch als das von Landes- und Freikirchen gemeinsam getragene ›Missionarische Jahr 1980‹ vorbereitet wurde, war es für die freikirchlichen Vertreter im zentralen Vorbereitungsausschuss schwer, den Satz »Deutschland ist Missionsland« in einem Vorbereitungspapier unterzubringen.

Die »Jährliche Konferenz« – zentraler ekklesiologischer Baustein

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Nationalsozialismus. – Typisch war, dass der Anstoß zum Dissidenten-Gesetz in Württemberg von den politisch engagierteren Wesleyanern ausging, was genau der britischen Tradition entsprach. Weiter ist bezeichnend, dass in Württemberg der kirchenpolitische Wandel von der innerkirchlichen Gemeinschaft zur autonomen Kirche gegen die Vorstellungen der Amerika-Rückkehrer eingeleitet wurde. Der Einheimische, ohne »Manual for Missionaries« denkende und handelnde Ernst Gebhardt hat diesen Schritt gegen den Willen der AmerikaRückkehrer eingeleitet und vollzogen. Die gemeinsame Haltung der kirchenleitenden Konferenz wurde erst erhoben, als es kein Zurück mehr gab.

4.5.2 Anpassungen an die europäische, staatskirchlich geprägte Kirchenkultur Das Selbstverständnis der Methodisten ist von Anfang an auch in der reformatorischen Theologie verankert. Ihr Wirken fand, abgesehen von der calvinistischen Prädestinationslehre und dem lutherischen Abendmahls- und Taufverständnis, nicht im Gegensatz zu den kontinentalen protestantischen Hauptkonfessionen statt. Den reformatorischen Ansatz verbanden sie, wie es für eine missionarische Bewegung selbstverständlich ist, mit einer ökumenischen Haltung auch um der Menschen willen, die man für ein Leben in der Nachfolge Christi gewinnen wollte. Damit ging eine Tendenz zu Anpassungen an die gesellschaftlich maßgebenden Kirchen in unterschiedlicher Intensität und offensichtlich ohne die notwendige Reflektion in den Konferenzen einher. Ein Beispiel zeigt das. Ursprünglich bauten die Methodisten schlichte »Kapellen«. Die Kanzel hatte ihren Platz in der Mitte der Frontseite des Predigtsaals, direkt der Eingangstür gegenüber. Das war vielleicht ein Relikt aus der amerikanischen Vergangenheit, in der Störungen durch in den Raum Eindringende, die man im Visier haben musste, immer wieder einmal vorkamen. Wichtiger war aber, dass dem frei formulierenden Missionar von einem erhöhten Standort in der Mitte der Blickkontakt zu denen, die vor ihm und gleichzeitig zu denen, die auf der Empore einen Platz gefunden hatten, möglich war. Vielleicht spielte auch der theologische Grundsatz eine Rolle, dass das gesprochene und das sichtbare Wort gemeinsam in die Mitte, ins Zentrum gehören. Vor der Kanzel stand nämlich ein in der Regel bescheidener Abendmahlstisch. Der war umgeben von einer Brüstung mit einem gepolsterten Kniekissen davor. Methodisten nannten diesen Ort »Betaltar«, weil dies der Ort des Opfers in einem neuen Sinn war, nämlich der Hingabe des Lebens an Gott. Kritiker und Spötter nannten diesen Ort »Bußbank« oder gar »Angstbank«, weil dort Gott Suchende nach mancher Predigt niederknieten um persönliche Fürbitte er erbitten. Zur Grundform der selbstverständlich beheizbaren Kapellen gehörte stets ein Gruppenraum, vorwiegend für die Klassversammlungen, aber auch für Sonntagsschul- und für

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

Gebetsgruppen, weiter eine mit Geschirr ausgestattete Küche für die Gestaltung von Gemeinschaftsfeiern und Agapen, eine Ablage für Garderobe, weil man sich in der Kapelle zuhause fühlte und seinen Mantel ablegte und natürlich eine einfache sanitäre Gelegenheit. Die kleinste Kapelle war ein »Gemeindezentrum«, weil Wort, Mahl, Tat und Gemeinschaft als konstitutive Elemente der Kirche in jeder missionarisch lebenden Gemeinde erlebbar sein mussten. Nach einhundert Jahren glaubten Methodisten in Deutschland im kirchlichen Wiederaufbau nach 1945 sakrale Gebäude in der Grundformation vorreformatorischer Kirchen, wie sie auch von den Landeskirchen übernommen worden waren, gestalten zu müssen. Die Kanzel rückte an die Seite, der Abendmahlstisch, jetzt optisch wie ein Altar, fand wie ein solcher in der Mitte der Frontseite seinen Platz. Ein ständiger demütigender Druck und die lange Verbannung in Hinterhöfe muss den Wunsch geweckt haben, endlich auch repräsentative Kirchen zu besitzen. Man kann sich vorstellen, wie solche Gedanken zu einer durchgehenden entsprechenden Anpassung geführt haben. Aber es hat sich auf die Dauer als Irrtum erwiesen, dass erkennbar sakrale Gebäude mehr Suchende anzuziehen. Eine missionarisch aktive Gemeinde hat sich als wichtiger erwiesen, als ein schön gestaltetes Gebäude. Beides zusammen scheint das ideal. Es gäbe zahlreiche andere Beispiele für Anpassungsprozesse. Die Landeskirche mit ihren Lebensmustern wurde prägend zeitweise bis ins »Amtskleid«, die Sprache und die ausgewählten Perikopen-Texten zur Predigt, in deren Ordnung typisch methodistische Akzente weniger vorkamen. Umgekehrt setzte nach 1945 im Zusammenhang der Bevölkerungsverschiebungen eine landeskirchliche Phase des Neubaus ein, in der ganz selbstverständlich ähnliche Grundelemente aufgenommen wurden, wie sie aus der methodistischen Tradition bekannt waren. Historische Kirchen wurden durch Gemeindehäuser ergänzt, wodurch die früher in der Kirchenverwaltung stehenden Schulen, die in ländlichen Regionen auch für kirchliche Funktionen wie den KonfirmandenUnterricht genutzt wurden, zweifellos deutlich besser ersetzt wurden. Historische Kirchen wurden nicht nur mit Heizungen ergänzt, sondern man fand auch abgelegene Räume, in die man sanitäre Anlagen einbauen konnte. Die ökumenischen Zusammenhänge und auch Auswirkungen des tiefgreifenden Wandels in den Landeskirchen auf die Entwicklungen in den methodistischen Gemeinden sind noch genauer zu erforschen. Jeder ernsthafte Ökumeniker weiß, dass unreflektierte Anpassungen ein totales Missverständnis dessen sind, was Ökumene ausmacht, zumal wenn sie eine Entwicklung in eine vergangene Zeit einleiten, deren Denk- und Lebensformen für heute mündige Gemeindeglieder überwunden sind. Gegenseitiges Beschenken und Annehmen von Geschenken, respektvolles Debattieren über Unterschiede und dabei Neues Entdecken für den Reichtum in der einen Kirche

Die »Jährliche Konferenz« – zentraler ekklesiologischer Baustein

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Jesu Christi ist herausfordernder, als sich in eine fremde und prägende Kirchenkultur unreflektiert einzufügen. Die Konferenzgemeinschaften als die in den methodistischen Kirchen maßgebenden Organe haben zwar den ökumenischen Weg zum Verzicht auf Abgrenzung beschritten, aber auf einen profilierten, gewinnbringenden Dialog sind sie noch selten eingestellt. Außer Klärungen über eine für alle Seiten fruchtbare Beteiligung am ökumenischen Dialog gehören Fragen des Kirchenbaus und der Finanzierung der gesamten Arbeit genauso wie Entwicklungen in der Gestaltung eines zeitgemäßen Gemeindelebens und die Verabschiedung von öffentlichen Erklärungen zu den verantwortungsvollen Aufgaben aller Mitglieder der Konferenz-Gemeinschaft. Der nächste Abschnitt zeigt, wie neben kritischer Reflektion auch andere kirchenleitende Verantwortlichkeiten in ihren Händen lagen und weiterhin liegen.

4.5.3 Die Organisation des innerkirchlichen Lebens durch die Jährliche Konferenz In der Mitte des 19. Jahrhunderts waren in Europa im Zusammenhang der Gemeinde- und Kirchenbildung vielfältige Initiativen gefordert. Die kirchenleitende Konferenz musste innerhalb weniger Jahre Gesangbücher gestalten und drucken lassen, die dem eigenen Selbstverständnis entsprachen. Traditionell beginnen methodistische Gesangbücher nicht mit dem Kirchenjahr, sondern mit Liedern zum Lobe Gottes. Dahin hat die Kirche nach einer zwischenzeitlichen Phase der Anpassung, die im 20. Jahrhundert liegt, zurückgefunden. Auch für die Sonntagsschulen, dem ersten Arbeitszweig in den entstehenden Gemeinden, wurde schon in den 1850er Jahren eine Kinderzeitung, ein Kinderliederbuch und Lernsprüche mit Bibelworten und Liedversen geschaffen. Noch wichtiger waren Agenden für Gottesdienste, vor allem für Taufen, Abendmahlsfeiern, Bestattungen und nach der Einführung der Zivilehe, die auch den Nicht-Staatskirchlern die kirchliche Trauung zu vollziehen ermöglichte, entsprechende Trauformulare, längst vorher waren schon die notwendigen Kirchenbücher und Formulare für die Bestätigung von Ordinationen und Beauftragungen von Laien zu gestalten und zu drucken. Organisatorisch waren Constitutionen für eine »Traktatgesellschaft« (1855), welche auch die Zeitschriften herausgab, für eine »Prediger-Hülfsgesellschaft« (1858) zur Sicherstellung der Altersversorgung, für die »Missions-Anstalt« (1858) mitsamt einer Prüfungsordnung zu formulieren, von der Konferenz zu verabschieden und zum Druck zu bringen. Nach kurzer Zeit begann schon die Diskussion um die Aussendung von Missionaren und die Einführung von Diakonissen (1864/1865). Die Ordnung

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

eines dreijährigen Unterrichts für die Kinder, der dem Konfirmations-Unterricht entsprach (1872), wurde verabschiedet, und nach einem Vierteljahrhundert wurden 1876 die Vorbereitungen für die Ausgabe eines neugestalteten Gesangbuchs getroffen. Alle Arbeiten, die wie eine Kirchenbildung im Zeitraffer wirken, wurden von Ausschüssen der Konferenz beraten und vom kirchenleitenden Plenum aller Ordinierten während der Konferenztagungen beschlossen. Bisher nicht erwähnt sind die Konferenz-Ausschüsse für Kapellenbau, für Rechtsfragen und für Bibelverbreitung, die in Verbindung mit der ›American Bible Society‹, deren Mitträger die methodistische Kirche in den Vereinigten Staaten war, auch in Europa in erheblichem Maße erfolgte. Es gab Jahre, in denen die methodistische Gesellschaft fünf Prozent des Bibelbedarfs in Deutschland mit von ihr gedruckten Lutherbibeln deckte. Das geschah nicht immer zur Freude der in Stuttgart angesiedelten Bibelgesellschaft. Die kleine Konferenz erörterte den Bau einer Kapelle in Bremerhaven für Seeleute und Auswanderer. Sie forderte die Missionsabteilung in New York auf, mit den Engländern zusammen ein »Exekutiv-Comit8 zur Vertheidigung der Religionsfreiheit« zu organisieren, und entsandte gleichzeitig aus ihrer Mitte den Prediger Ludwig Nippert zur »Jahresversammlung der Gesellschaft zur Vertheidigung der Religionsfreiheit«, die 1856 in Basel stattfand, nachdem er 1853 unter Rücksicht auf die Verpflichtungen des ›Manual for Missionaries‹ nur als Gast an einer internationalen Konferenz für Religionsfreiheit im heutigen Bad Homburg teilgenommen hatte.870 Die Konferenz entsandte Delegierte an andere Konferenzen der methodistischen Kirche in Frankreich und England und an Tagungen von Zweigen anderer methodistischer Kirchen im Lande genauso wie an die alle vier Jahre tagenden verfassunggebenden Generalkonferenzen in den USA. Andere Delegierte wurden an Allianz-Konferenzen entsandt. Superintendent Jacoby besuchte mehrere landeskirchliche Kirchentage und damit verbundene Kongresse der Inneren Mission, er kehrte bei der Basler Mission ein, um danach dort erbetene »Statuten« für die Bremer Mission-Anstalt fruchtbar zu machen. In der Schweiz besuchte er das Berner Diakonissenhaus, in dem Schwestern aus methodistischen Gemeinden ausgebildet wurden, um sich über den Aufbau und die Gestaltung einer solchen Einrichtung zu informieren. Er war ungezählte Male in England, insbesondere um in London die Kontakte zur Missionsgesellschaft der Britischen Methodistenkirche über seinen Schriftwechsel hinaus auch persönlich zu pflegen. In London hielt er auch Kontakt zur Tract-Society und zu anderen der zahlreichen englischen Organisationen, die 870 Karl Heinz Voigt, Die ›Homburg Conference‹ für Religionsfreiheit von 1853 – Eine frühe Menschenrechtsinitiative. In: Lena Lybæk/Konrad Raiser/Stefanie Schardien (Hgg.), Gemeinschaft der Kirchen und gesellschaftliche Verantwortung. FS für Professor Dr. Erich Geldbach, Münster 2004, 492–503.

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Interesse an der Erweckung auf dem Kontinent hatten. Schließlich ist zu erwähnen, dass die Konferenz die Initiative zur Bildung einer »historische Gesellschaft für die Geschichte des Methodismus in Deutschland und der Schweiz« ergriff und dass sie den Neubau einer Ausbildungsstätte für ihre Prediger mit dem Ergebnis diskutierte, das zentrale Frankfurt einer Ansiedlung im Raum Heilbronn vorzuziehen. Dies sind nur aneinander gereihte Stichworte aus den frühesten Zusammenkünften der Missionare in ihrer Konferenz. Sie zeigen die Verantwortung, welche die kleine Schar als Konferenzgemeinschaft zügig, engagiert und auch erfolgreich wahrgenommen hat, obwohl sie alle Arbeiten selber erledigen musste. Außer der zentralen Verwaltung, die durch Superintendent Jacoby persönlich erfolgte, gab es keine Dienststelle, die mit wenigstens einer Sekretärin ausgestattet war. Alle Mitarbeit früher am Harmonium, heute an der Orgel bis zur Pflege der Kapellen erfolgten ehrenamtlich. Wo es Probleme mit Regierungen und staatlichen Behörden gab, schaltete die Kirche in Deutschland und der Schweiz die regionalen amerikanischen Konsuln ein, von denen einige vor ihrer konsularischen Tätigkeit Prediger einer methodistischen Kirche, andere in der Heimat aktive Mitglieder der Kirche waren. Mehrfach nahmen Konsuln aus verschiedenen deutschen Kleinstaaten, aber auch aus dem Ausland, auch als Gäste an den Konferenztagungen teil. Verantwortliche scheuten sich nicht, Herrscherhäuser aufzusuchen, Immediateingaben bei den Königen in Württemberg wie in Preußen zu machen und mit einflussreichen Politikern wie Fürst Bismarck in Kontakt zu treten, wie es Jacoby bei Problemen im Wechsel der Machtverhältnisse in Schleswig-Holstein im Anschluss an den Deutsch-Dänischen Krieg getan hat.871 Dies zeigt nicht nur die Funktionsfähigkeit der Konferenz in der Ausgestaltung und Ordnung des eigenen kirchlichen Lebens, sondern auch die Anstrengungen um die Durchsetzung ihrer Forderungen gegenüber den Regierungen. Gleichzeitig vermittelt die Skizze einen Eindruck davon, dass die methodistischen Kirchen von Anfang an keine Gemeinschaft von weltabgewandten Konventikel-Besuchern waren. Jahrzehnte kämpften sie mit mehr oder weniger Erfolg mit dem Staat, um in den einzelnen Ländern einen öffentlich rechtlichen Status zu erlangen und mit den mächtigen sie umgebenden Kirchen, um nicht als »Sekten« diskriminiert zu werden. Nach der Übersicht über die Arbeit der kleinen Konferenzen ist ein Wort der Bewunderung über die Leistung der Prediger angemessen. Sie hatten keine fachliche Unterstützung durch ein Konsistorium mit qualifizierten theologischen und juristischen Beamten, welche – schon gar nicht mit staatlicher Un871 Schreiben Superintendent L. S. Jacoby an den preußischen Ministerpräsidenten Fürst Otto von Bismarck vom 6. Februar 1868. In: GSTA Berlin III. HA (2.4.1.) I Nr. 10946.

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terstützung – die Grundlagen für einen zukünftigen Kirchenzweig legten. Nur gering ausgebildete Missionare haben dies als eine Dienstgemeinschaft in gegenseitiger Ergänzung im Rahmen der Konferenz geschafft. Kein Jurist war unter ihnen. Zu den Konferenzen gehörten überwiegend Handwerker, die erst in der kirchlichen Mitarbeit ihre natürlichen Gaben entdeckt haben. Diese zu entfalten lernten sie erst im praktischen Vollzug, als sie ihre Begabungen engagiert in die gemeinsame Mission einbrachten. Angesichts der heutigen Bildungsdebatten gäbe es hier wunderbare Beispiele, welche Leistungen erbracht werden können, wenn Bildungschancen und Motivation zusammengeführt werden. Eine andere Ebene ist es, hier zu zeigen, wie Kirchenleitung in Gemeinschaft organisiert wurde. Die missionierenden Prediger waren zugleich die Organisatoren der Kirche, und das unter ungewöhnlichen gesellschaftlichen Umständen. Sie wuchsen in Rollen hinein, die sich der Kaufmann aus Mecklenburg, der Schreiner aus dem Oldenburger Land, der Schneider aus dem Hessischen und als Schriftsetzer aus der Schweiz beim Abschluss ihrer ursprünglichen Berufsausbildung nicht vorgestellt hatten. Aber es waren starke Persönlichkeiten, die schon darin Mut bewiesen haben, als sie sich einer Minderheitskirche anschlossen. Das war keine sozialer Aufstieg oder eine Stufe auf einer Karriereleiter. Nach der Bekehrung, einer Berufung durch Gottes Wort und die Bestätigung durch jene Gemeinde, in deren Mitte sie ihre Charismen entdeckt haben, erfolgte ein permanenter geistiger und geistlicher Zugewinn. Der wurde gefördert, als im weiteren Verlauf die Qualifizierung der entdeckten Fähigkeiten die Ausbildung erfolgte. Heute bezeichnet man diese Methode der Aus- und Weiterbildung mit gleichzeitgier entsprechender Praxis als ein ›duales System‹. Es ging damals um die Zunahme von theologischer Erkenntnis und allgemeinem Wissen in der Praxis als lebenslanges persönliches Lernen und Studieren, was auch in zahlreichen Zeitschriftenartikeln und sogar in Büchern seinen Ausdruck fand. Der praxisnahe Weg zur Hinführung und Gestaltung des pastoralen Dienstes hat sich durchaus bewährt.

4.5.4 Der Kampf um eine staatliche Anerkennung in der Vielfalt deutscher Länder In weiten Feld der Herausforderungen ragen zwei Aspekte heraus. Für die Mission und die Existenz von Gemeindekreisen war das Drängen auf Religionsfreiheit von höchster Bedeutung. Wie intolerant die Kirche sein konnte, zeigt ein Beispiel aus dem Königreich Hannover. Dort mussten nicht nur Methodisten dem gemeinsamen Druck von Staat und Kirche durch Auswanderung weichen. Selbst missionierende Lutheraner konnten die Bedrängnisse ihrer Kirche nicht

Die »Jährliche Konferenz« – zentraler ekklesiologischer Baustein

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ertragen und wanderten ins freie Amerika aus. In Schleswig musste der amerikanische Gesandte am Preußischen Hofe eingeschaltet werden, der wiederum Bismarck veranlasste, die Ausweisung des Schriftenverkäufers Christian Feldmann (1805–1884) aus Flensburg zu verhindern. Religionsfreiheit war ein Privileg, das in fast allen deutschen Staaten auf die Angehörigen der drei im Westfälischen Frieden anerkannten Konfessionen beschränkt war. Wo in Einzelfällen Dissidenten-Gesetze erlassen wurden, erweiterten sie den Rahmen für missionarische Aktivitäten und für die Möglichkeit, selber über seine konfessionelle Zugehörigkeit entscheiden zu können. Wer sich zu einem solchen im gesellschaftlichen Bewusstsein fast unglaublichen Schritt entschloss, der setzte sich persönlich Missbilligungen und Schikanen in der Gesellschaft, gelegentlich auch selbst in der eigenen Familie aus. Zudem war der Austritt aus der Staatskirche mit dem Verlust gewisser bürgerlicher Rechte verbunden.872 Mit den mühsam erlangten Dissidenten-Gesetzen verbanden sich keine Konsequenzen für einen öffentlich-rechtlichen Status als Kirchen oder Religionsgemeinschaften, der für die kirchlichen Minderheiten ebenso dringend nötig gewesen wäre. Eine rechtliche Anerkennung bedeutete mehr als einen Prestigegewinn. Sie ist trotz immer neuer Bemühungen der methodistischen Konferenzen bis zur Eröffnung einer Möglichkeit durch die Weimarer Reichsverfassung, lediglich in Bremen, Hamburg, Sachsen und Bayern gelungen. Auf dieses Problem wird weiter unten eingegangen.

Exkurs: Vom unterschiedlichen Profil der sog. Freikirchen Das System der gemeinschaftlichen Kirchenleitung durch alle Hauptamtlichen in der Verbundenheit der jährlich tagenden Konferenz ist auch im Vergleich mit anderen Minderheitskirchen ungewöhnlich. Methodisten sind vom Ursprung her eine gemeinschaftliche Missionsbewegung, die Menschen für den Glauben an Christus und zu einem aktiven Leben in dessen Nachfolge gewinnen will. Kongregationalisten bilden eine Gemeindebewegung, die auch von dem Motiv bestimmt ist, ein neutestamentlich begründetes Modell der Gemeinde zu verwirklichen. Natürlich führt der Weg auch über die erwecklich-missionarische Arbeit, aber das Ziel ist die biblisch begründete »Kongregation« zu gestalten. Das heißt auch: Methodisten sind von ihrem Ursprung her als Gemeinschaft weltzugewandt, Kongregationalisten sind eher »gemeindeorientierte« Verfechter einer Religionsfreiheit. Beide haben im Ansatz unterschiedliche theologische Selbstverständnisse, die einerseits hauptsächlich von der Soteriologie und andererseits zentral von der Ekklesiologie her bestimmt sind. Darum können sie 872 Voigt. Hausfriedensbruch (wie Anm. 760).

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sich auch gegenseitig befruchten. Die kongregationalistischen Gemeinden in der Täufertradition haben im Vergleich mit den Methodisten ein stärker ausgeprägtes denominationelles Bewusstsein als es den meisten Methodisten heute eigen ist. Die ständig notwendige Verteidigung, Rechtfertigung oder Begründung ihrer Taufpraxis führt nach innen zu ausgeprägten Standpunkten, die nicht nur das Zugehörigkeitsbewusstsein zu ihrer Gemeinde stärken, sondern auch spezielle theologische Grundkenntnisse verlangen, die man nach außen verteidigen kann. Methodisten, die ja Menschen nicht zuerst für eine Denomination gewinnen wollen, sondern sie auf den Weg der Nachfolge Christi einladen möchten, sind von diesem Ansatz her eher geneigt, sich dem Einzuladenden anzunähern und sich so weit wie möglich auf ihn einzulassen, um nicht zu sagen sich anzupassen, ihm wenigstens entgegenzukommen. Sie wollen nicht Menschen im Streitgespräch gewinnen, sondern indem sie den im Evangelium begründeten Ruf einladend verkündigen. In einer Zeit der Erfolglosigkeit müssen sie selbstkritisch die Gefahr sehen, sich erfolgversprechenden Managementmethoden zuzuwenden und sich anstatt der nach außen gewandten Mission sich gewissen Programmen und Methoden des sog. »Gemeindeaufbaus« zuzuwenden, der den Blick eher nach innen richten lässt, allerdings auch nicht ohne missionarische Aktivitäten sein kann. Der Blick auf die innerhalb der methodistischen Kirchen schon nach wenigen Jahren ihrer Mission beginnende Entwicklung zu kirchlicher Organisation zeigt, dass eine »Missionsbewegung« zu völlig anderen Entwicklungen herausgefordert ist als eine »Gemeindebewegung«. In ihr spielte von Anfang an die Gemeinde oder wenigstens eine Schar bibellesender Christen, die um geistliche Hilfe baten, in der Berufung eines Predigers eine zentrale Rolle.873 In der methodistischen Mission gab es am Anfang keine Gemeinden oder Gemeinschaften. Sie sind erst das Ergebnis der missionarischen Sendung, ohne die es weder im Zuge der Besiedlung Amerikas noch in der Ausbreitung auf dem europäischen Kontinent zu Gemeindebildungen gekommen wäre, ja gar nicht hätte kommen können. Es sei daran erinnert, dass durch diese historische Vorgabe von Anfang an die Beziehung zwischen dem »Missionar« und der sich bildenden »Gemeinde« geprägt worden ist. Knapp einhundert Jahre blieb – anders als im Kongregationalismus – die Kirchenleitung fast ausschließlich in den Händen der Ordinierten.874 Das hat die Gemeinden dauerhaft geprägt. Sie sind geneigt, allein von der »Konferenz« die Lösung ihrer Probleme zu erwarten, besonders des Finanzausgleichs und der pastoralen Besetzung. Der bedeutendste Beitrag der 873 Margarete Jelten, Unter Gottes Dachziegel. Anfänge des Baptismus in Nordwestdeutschland, Bremerhaven 1984. 874 Bei den bischöflichen Methodisten werden Laien von den Gemeinden erst seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts in zu den Pastoren paritätischer Anzahl an die Konferenzen entsandt.

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Laien liegt in der geistlichen Mitarbeit in den Sonntagsschulen, den Gemeindegruppen, den Gemeindechören, aber von besonderer Bedeutung war und ist bis heute der Predigtdienst durch ausgebildete Laienprediger und Laienpredigerinnen. Die urtümliche methodistische Weltzugewandtheit bestimmte auch die Inhalte und Aufgaben ihrer Konferenzen. Die der Dienstgemeinschaft verbindlich angehörenden Mitglieder fassten an den Konferenztagungen auch verbindliche Beschlüsse für das Leben ihrer Kirche und der Gemeinden. Freikirchlich-kongregationalistische Gesamtkörperschaften fassen dagegen Beschlüsse, die sie ihren autonomen Gemeinden zur Umsetzung lediglich empfehlen. Das ist eine Konsequenz der Autonomie der sog. Ortsgemeinden, denen die Selbstbestimmung ein hohes Gut ist.

4.6

Das Ringen um einen öffentlich-rechtlichen Status875

Dieser Aspekt kirchlichen Ringens ist bisher in der methodistischen Historiographie nicht behandelt. Darum ist es gerechtfertigt, das Thema etwas ausführlicher zu behandeln. Jede organisierte Kirche ist auf natürliche Weise und ohne eigenes Zutun ein Teil der Gesellschaft, der sie mit Wort und Tat dient. Wieweit und wie sie sich auf eine Kooperation mit einem Staat einlässt oder sie anstrebt, hängt sowohl von ihrem theologischen und historisch gewachsenen Selbstverständnis als auch von den gesellschaftspolitischen Umständen ab. Schon die ersten Prediger der methodistischen Bewegung kamen mit der Motivation in das noch unter englischer Herrschaft stehende Nordamerika, um den Kontinent zu reformieren.876 Von Anfang an wurden die christliche Verkündigung und die gesellschaftsbezogenen Aufgaben als Einheit angesehen. Von diesem in England praktizierten und in Amerika verstätigten Ansatz her suchten die methodistischen Kirchen für ihre Mission auf dem europäischen Kontinent eine Rechtsbasis. Sie zu erreichen war unter den politischen Umständen und in der hiesigen Kirchenkultur im 19. Jahrhundert ein besonders schwieriger Prozess.

875 Dieser schwierige und langwierige Vorgang ist bisher nicht umfassend untersucht. Eine Master-Studie wäre fällig. 876 Thomas Coke/Francis Asbury, To the Members of the Methodist Societies in the United States. Vorwort in: The Doctrines and Discipline of the Methodist Episcopal Church, III., Philadelphia 1798. Reprint 1978.

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Wozu »Korporationsrechte«? Mit der Ausbreitung und dem Wachstum der Gemeinden wurden eigene Andachtsräume und Kapellen geschaffen. Man konnte in einem gemieteten Tanzsaal, einer Gaststätte, in Schulen, zwischen dem Vieh auf norddeutschen Bauerndielen, in Privathäusern und anderen Provisorien wohl Menschen unter der Verkündigung sammeln. Aber um ein Gemeinschaftsleben zu entfalten, bedurfte es anderer Räumlichkeiten. Mit dem Erwerb von Gebäuden und dem Bau von Kapellen waren unterschiedliche Probleme verbunden. Woher sollte bei den überwiegend armen Kirchengliedern und Freunden das Geld kommen? Wer sollte mit Baufirmen rechtsverbindlich Verträge abschließen? Wer wurde von einer Bank als rechtmäßiger Vertreter der Kirche anerkannt, der Darlehen aufnehmen konnte? Wer war berechtigt, testamentarisch vermachte Schenkungen entgegenzunehmen?877 Und vor allem, auf wessen Namen sollte das kirchliche Eigentum grundbuchamtlich eingetragen werden? In den ersten Jahren erfolgten die Eintragungen der Kapellen und Grundstücke meistens auf den Namen des gerade dort wirkenden Predigers, manchmal waren auch Gemeindeglieder bereit, die Verantwortung zu übernehmen. Beides war nicht unproblematisch. Es ging nicht nur um die Bezahlung fälliger Steuern, auch nicht um die Kosten, die bei Umzügen mit Veränderungen von Namen im Grundbuch verbunden waren, obwohl diese Fragen geklärt sein mussten. Um größeren denkbaren Problemen vorzubeugen, fasste die Konferenz 1874 den Beschluss, »daß jeder nominelle Besitzer [kirchlichen Eigentums] der Conferenz einen Revers und diese einen Gegenrevers ausstelle.«878 Dafür wurde ein Formular beschlossen, in dem durch Unterschrift des Schultheißenamtes bestätigt wurde, dass eine ins Grundbuch auf einen nominellen Eigentümer eingetragene Immobilie sowie alles, was dazu gehört, »nicht sein Eigenthum ist, daß er somit nicht selbständig darüber verfügen und weder er selbst noch seine Gattin, Erben, Gläubiger noch irgendeiner seiner Rechtsnachfolger Anspruch darauf erheben kann, indem es wirkliches Eigenthum der jährlichen Konferenz der Bischöfl. Methodistenkirche von Deutschland und der Schweiz ist und ich bloß meinen Namen dazu geliehen habe, weil die besagte Konferenz keine Korporationsrechte besitzt. Auch bin ich verpflichtet, auf Verlangen der Conferenz oder deren Bevollmächtigten oben genanntes Grundstück mit allem, was dazu gehört, jederzeit auf einen von der Conferenz oder deren Bevollmächtigten genannten Namen übertragen zu lassen, ohne den geringsten Entschädigungsanspruch aus dieser Übertragung ab-

877 Die Methodistenkirche befasste sich anlässlich der Konferenztagung 1869 in Berlin aus gegebenem Anlass mit einem württembergischen Gesetz über Schenkungen. Verh. Konferenz in Berlin 1869, Bremen 1869, 4. 878 Weiss, Protokollauszüge früherer Conferenzen (wie Anm. 686), 116.

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leiten zu können. Im Falle meines Todes muss sofort eine solche Uebertragung stattfinden.«879

Allein diese Notlösung zeigt, wie dringend ein Rechtstitel erreicht werden musste, der nicht nur für die Sicherung der Immobilien notwendig war, sondern z. B. auch für den Abschluss von Versicherungsverträgen, Verträgen bei Vermietungen und bei Rechtsklärungen, die sich z. B. bei der Frage nach Grundstücksbebauungen, Überwegungsrechten und ähnlichen Vorgängen ergeben konnten.

Erfahrungen in Württemberg mit Baden In Bremen war bereits 1863 ein »Bremer Methodistenverein« als juristische Person anerkannt worden, der auch Vorbild für einen entsprechenden Verein in Hamburg wurde. Dagegen erwies sich die Rechtsgestaltung in Württemberg und Preußen als besonders schwierig. Das Dissidenten-Gesetz von 1872 in Württemberg war ein wichtiger Schritt. Es schuf den nötigen Freiraum zum missionarischen Wirken. In der Folge war es notwendig, auch einen Rechtsstatus zu erreichen. Ein erster Antrag, in dem 22 Prediger der Evangelischen Gemeinschaft die Verleihung des ›Inkorporationsrechts‹ anstrebten, wurde bereits am 21. Juni 1870 gestellt. Das Ministerium des Kirchen- und Schul-Wesens forderte das Konsistorium auf, sich dazu zu äußern, in wieweit »dadurch die Interessen der evangelischen Landeskirche berührt werden«.880 Zugleich wollte das Ministerium im Blick auf die Evangelische Gemeinschaft »(N)äheres über die Stellung dieser, wie es scheint, einen besonderen Zweig der Methodistensekte, über ihre kirchliche Organisation, über die von ihr verfolgten Tendenzen, sowie über ihr bisheriges interkonfessionelles Verhalten« wissen.881 Das Konsistorium antwortete mit einem achtseitigen Bericht. Er schöpfte aus den Unterlagen, welche für die Landessynode zur Beratung des DissidentenGesetzes zusammengestellt waren. Zum konfessionellen Selbstverständnis heißt es darin: »Die ›evangelische Gesellschaft‹ [sic!] ist derjenige Zweig des Methodismus, welcher sonst auch unter dem Namen ›Albrechtsbrüder‹ nach seinem Stifter, – dem pensylvanischen [sic!] Deutschen Albrecht – genannt, seit dem Jahr 1849 von Nordamerika 879 Verh. der Jährlichen Konferenz der Bischöfl. Methodistenkirche 1874 in Schaffhausen, Bremen 1874, 47. 880 Schreiben Württb. Ministerium des Kirchen- und Schul-Wesens an das evangelische Konsistorium vom 16. Aug. 1870. LKASt A26/503. 881 Ebd.

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herüber sich in Württemberg angesiedelt, festgesetzt und ausgebreitet hat und wird, obwohl die Gesellschaft selbst gegen die Benennung: ›Methodisten‹ sich beharrlich verwahrt, aufgrund theils ihrer geschichtlichen Entstehung, theils ihrer religiösen u. kirchlichen Anschauungen allgemein als eine methodistische Denomination betrachtet, wie denn insbesondere die sogenannten methodistischen Bewegungen in Württemberg seit 20 Jahren überwiegend von dieser Gesellschaft ausgehen.«882

In der Glaubenslehre stehe die »Evangelische Gesellschaft« mit den Methodisten auf evangelischem Boden, heißt es weiter. Das Hauptgewicht legt sie auf »die subjektive Aneignung des Heils durch Buße und Bekehrung«, jedoch »seltener« als in England und Amerika durch »gewaltsam religiöse Ueberreitzungen«, auch »krankhafte psychologische Erscheinungen sind dabei hierzulande seltener«. Jedoch hat das »Klassensystem […] bald Platz gegriffen.« In der Beziehung zur Landeskirche »liegt der faule Fleck der ganzen Erscheinung.« Es sei dies die »zuerst geheim gehaltene, allmählig offen zugestandene besondere Absicht aber, daß dies geschehe durch Ausbreitung eines eigenen Kirchensystems auf Kosten der Landeskirche.« Die Umstände seien von Anfang an »zweideutig, unlauter und unredlich« gewesen. »Aber nachdem man in der Stille Boden gewonnen, demaskirte man mehr u. mehr die außerhalb der Landeskirche beziehungsweise gegen dieselbe eingenommene Stellung.« Ihre im Antrag angegebene Zahl von 2.000 Mitgliedern ist »meist weiblichen Geschlechts und fast durchgängig aus der ungebildeten Klasse gewonnen.« Eine milde Haltung der Landeskirche habe der »›Evangelischen Gemeinschaft‹ faktisch freie Bahn eingeräumt« und »durch das neue Dissidenten-Gesetz883 freie Religionsausübung und ungehinderte Ausbreitung auch gesetzlich zuerkannt und jedem kirchenpolizeilichen Druck gegen dieselbe vorgebeugt.« Im Bericht wird auf die internationalen Verbindungen nach Nordamerika, Frankreich und der Schweiz hingewiesen. Das Konsistorium wirft die Frage auf, für wen das Korporationsrecht beantragt wird. »Als Motiv für das Gesuch wird vorgetragen, daß sie wegen der Menge ihrer Rechtsgeschäfte in Erwerbungen von Häusern, Grundstücken u. Erbschaftsangelegenheiten in die Lage versetzt sein müsse, in rechtsgiltiger (sic!) Weise Eigenthum erwerben zu können.« In dem Zusammenhang konstatiert das Konsistorium aufgrund der zusammen mit dem Antrag eingereichten Kirchenordnung, dass die finanziellen und andere Zuwendungen an die in Orwigsburg/Penns. angesiedelte Gesellschaft zu richten seien.884 Nach ihrer Kirchenordnung ergebe sich die Frage,

882 Bericht des ev. Konsistoriums an das Württb. Ministerium des Kirchen- und Schul-Wesens vom 30. Aug. 1870 (Entwurf). LKASt A26/503. Daraus auch die folgenden Zitate. 883 Hier scheint der erst 1872 proklamierte Gesetzestext schon seine Schatten vorauszuwerfen. 884 Die Glaubenslehre der Evangelischen Gemeinschaft,1868 (wie Anm. 211), 177.

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»ob nicht die evangelische Gemeinschaft als Ganzes ihren rechtlichen Sitz in den vereinigten Staaten von Nordamerika habe u. daselbst die Rechte einer Corporation genieße, was die Folge hätte, daß sie auch im diesseitigen Staatsgebiete, ohne daß es erst einer besonderen Verleihung zur juristischen Persönlichkeit durch die diesseitige Staatsbehörde bedürfte, in privatrechtlicher Beziehung in demselben Umfange, wie eine inländische juristische Person als Rechtssubjekt anerkannt würde.«885

Sofern es aber um eine Anerkennung in Württemberg gehe, hätten die Antragsteller »vor allem ein dießfalsiges genau bestimmtes Statut bezüglich der beabsichtigten Organisation dieses Complexes vorzulegen.« Die Landeskirche selber würde sich »gegen die Gewährung eines dießfallsigen Gesuches aussprechen, da hierdurch einer Gesellschaft, deren offene Tendenz ist, mittels verwerflicher Machinationen auf dem der evangelischen Landeskirche abgewonnenen Boden um sich zu greifen, dieß erleichtert würde.« Wieder erfolgt ein Hinweis auf das Dissidenten-Gesetz mit der Bemerkung, dass »keine Gründe vorliegen, ihr [der Ev. Gemeinschaft] für ihre Festsetzung und Ausbreitung im Lande behilflich zu sein.« Zur Zeit des Staatskirchentums war es nicht zu erwarten, dass die Kirche oder der Staat ein Interesse daran haben konnten, dass einer Minderheitskirche eine eigene Rechtsbasis verliehen wird. Das hat der württembergische Teil der bischöflichen Methodistenkirche in gleicher Weise erfahren. 1870 bildete deren Konferenz ein »Comit8 zur Erlangung des Corporationsrechts«, das in den einzelnen Ländern aktiv werden sollte.886 Nachdem die Konferenz der Methodistenkirche 1870 beschlossen hatte, Schritte zur Erlangung der Korporationsrechte einzuleiten, konnte 1872 berichtet werden, der Kanton Zürich habe dem dortigen Distrikt die Rechte gewährt. Dagegen habe der deutsche Reichstag sie wegen der eingetretenen Umstände, es ist der Deutsch-Französische Krieg gemeint, nicht gewährt.887 Ein Jahr später fasste die Konferenz erneut den Beschluss, bei den Kantonalregierungen in der Schweiz und den Landesregierungen in Deutschland um Korporationsrechte nachzusuchen. Man sah damals schon weitsichtig, dass mit der Gewährung eines Rechtstitels durch verschiedene Landesregierungen für die überregionale Kirche ein Pro-

885 Bericht des ev. Konsistoriums vom 30. Aug. 1870 ( wie. Anm. 843). Daraus auch die folgenden Zitate. 886 Verh. der Jährlichen Missions-Conferenz 1870 in Karlsruhe, 14 u. 20f. und Verh. Frankfurt/ M. 1871, 15. Das Comit8 wandte sich an den Sozialreformer und Reichstagsabgeordneten Hermann Schulze-Delitzsch (1808–1883), der sich in Rechtsfragen und für ein Vereinsrecht religiöser Vereine engagierte. Es ist wünschenswert, eine mit den öffentlichen Archiven korrespondierende Geschichte der rechtlichen Entwicklung zu erarbeiten. 887 Verh. Jährliche Konferenz der Methodistenkirche 1872 in Zürich, Bremen 1872, 27f.

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blem verbunden sei. Es führe die Eintragung von Eigentum in die Grundbücher zu der Tatsache, dass es damit »in den nominellen Besitz verschiedener Sondervereine und Kirchlein geräth, wodurch nicht nur eine Verschiedenheit der Statuten hervorgerufen wird, sondern woraus mit der Zeit mehr und mehr die Nothwendigkeit sich ergeben wird, unsere kirchlichen Districte nach den politischen Grenzen der betreffenden Staaten und Cantone zu bilden.«888

Das war weitsichtig gedacht, denn juristisch gesehen wäre es zwingend gewesen, in jedem Staat eine Verfassung für eine autonome Trägerorganisation zu bilden, die in eigener Verantwortung unabhängig von der »Konferenz« rechtswirksame Entscheidungen treffen müsste, weil sie nach den staatlichen Vorgaben innerhalb des anerkennenden Staates jeweils völlige Autonomie haben müsste. Trotz der Bedenken wurde später auf der Basis der Weimarer Reichsverfassung dieser Schritt vollzogen. Das führte zu zwei unterschiedlich besetzten Entscheidungsgremien, kirchenrechtlich war es unbestritten die überregionale Konferenz, aber in Körperschaftsangelegenheiten waren es die staatlich anerkannten einzelnen Körperschaftsvorstände mit ihren eigenen Verfassungen, die für die Gemeinden des jeweiligen Landes völlig autonome Partner des Staates waren. Diese Rechtslage wäre durchaus geeignet gewesen, während der NS-Zeit zwischen möglicherweise rivalisierender Konferenz und Körperschaftsvorständen rechtskräftige Spaltungen zu verursachen. In Württemberg wurde schließlich ein »Methodistenkirchenverein«889 konstituiert. Er reichte nacheinander zwei »Statute« an die Ludwigsburger Behörde ein und sandte unterstützend eine Petition an das Ministerium, das auch in diesem Fall ein Gutachten vom Konsistorium einforderte. Neben Wiederholungen aus der oben zitierten Stellungnahme zur Evangelischen Gemeinschaft wurde unter den historischen Informationen über die »Glaubenslehre« der bischöflichen Methodisten erklärt, sie halten sich »treu an die Grundsätze Wesleys ganz auf evangelischem Boden.«890 Im konsistorialen Bericht wurde aber über »(D)as Spezifische des Methodismus« unter Berufung auf Amerika noch einmal wieder hervorgeholt, was auf anderen Ebenen inzwischen fast keine Rolle mehr spielte, nämlich die Verzeichnung von »Buße und Bekehrung nach einer bestimmten Methode und mit gewißen augenfälligen Symptomen«.891 888 Verh. Jährliche Konferenz der Methodistenkirche 1873 in Calw, Bremen 1873, 27f. 889 Es scheint eine Formulierung zu sein, die sich an den 1863 anerkannten »Bremer Methodistenverein« anlehnt, aber in der Einfügung »…kirchen…« einen Fortschritt ausweist. 890 Bericht des württembergischen evangelischen Konsistoriums an das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens den bischöfl. Methodistenkirchenverein betreffend vom 10. Juni 1873. LKASt A26/503. 891 Ebd.

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Die erfolgte Ablehnung wurde mit Mängeln im Statut begründet. Im Falle einer Auflösung des Vereins, so die Forderung, solle eine juristische Person in Württemberg als Erbe eingesetzt werden. Das lehnte der Verein ab, weil er selber kein Organ hatte, welches rechtlich ausgestattet diese Funktion übernehmen könnte. Weiter wurde bemängelt, dass eine ausländische Behörde »über dem Verein, resp. dessen Vertretern« stehe. Über das Wirken der bischöflichen Methodisten wird ausdrücklich auf den bereits früher erstellten Bericht über die Evangelische Gemeinschaft verwiesen. Es werden jedoch die Orte genannt, welche die Bischöflichen »besetzten«. Dabei ragte Heilbronn »durch die Eingriffe ins kirchliche Amt durch Spendung der Sakramente und Massenübertritte zum Methodismus« im Jahr 1864 heraus, »was durch denselben Ernst Gebhardt ins Werk gesetzt wurde, um dessen Bittgesuch es sich jetzt handelt.«892 Die beantragende Person gab Anlass genug, kritisch zu sein. Im Jahr 1894 haben auch die Wesleyaner ein Gesuch um eine Anerkennung als juristische Person eingereicht. Dazu haben sie das Statut einer »Gebäudeverwaltung« verabschiedet. Allein diese Bezeichnung zur Bemühung um Anerkennung zeigt, was der Grund für diesen Antrag war.893 Infolge der Ablehnungen verblieben die methodistischen Kirchen besonders in Hinsicht auf das Eigentum in ihrer Rechtsunsicherheit. Der württembergische »Methodistenkirchenverein« diskutierte die Frage, ob es einen anderen Weg gibt, sein Eigentum dauerhaft zu sichern. Dabei wurde der Gedanke geboren, in Heilbronn »eine ganz gewöhnliche Baugesellschaft« zu gründen.894 Damit hatten die »Erfinder« gleichzeitig eine Lösung für das in Württemberg seit dem 16. Jahrhundert gültige Gesetz über die sog. »Tote Hand« gefunden. Durch die letzte Version dieses Gesetzes von 1872 war für Kirchen, Klöster und kirchlichen Anstalten ein Erwerb von Grundbesitz von einer Genehmigung durch die Regierung abhängig. Obwohl die Evangelische Gemeinschaft nicht als »Kirche« anerkannt war, wurde sie durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts Tübingen in Grundstücksfragen nach dem Gesetz der »Toten Hand« eingestuft. Die gerichtliche Auseinandersetzung in dieser Sache führte Prediger Jakob Kächele über den Stuttgarter Rechtsanwalt Tafel zwischen 1878 und 1885.895 Die Bemühungen endeten schließlich in der Organisation einer Aktiengesellschaft, die sich am 8. Februar 1887 ein Statut gab. Die »Aktiengesellschaft Evangelische Gemeinschaft in Deutschland« wurde schon am 5. März 1887 in das Handelsregister 892 Ebd. 893 Die staatlichen Akten liegen im Hauptstaatsarchiv Stuttgart unter E 151/02 Innenministerium – Rechtssachen (1802–1945) Bü 855. 894 Verh. Jährliche Konferenz der Methodistenkirche 1874 in Schaffhausen, Bremen 1874, 36f. 895 Richard Leger, Denkschrift. 25 Jahre Landesverband der Evangelischen Gemeinschaft in Württemberg, Körperschaft des öffentlichen Rechts, o. O., o. J. (Stuttgart 1949/50), 6f.

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Karlsruhe im Großherzogtum Baden eingetragen.896 Dieser unglaubliche Weg hat sich in Baden und Württemberg als hilfreiche Notlösung erwiesen, obwohl eine Kirche in der Rechtsgestalt einer »Aktiengesellschaft« ein eigenwilliges Gebilde ist, das es so nur unter den damals in Deutschland herrschenden kirchlichen Verhältnissen geben konnte. In der Praxis hat sich die Aktiengesellschaft so gut bewährt, dass es bei der sich ausbreitenden Kirche, die zur Bildung einer von Süddeutschland abgeteilten Norddeutschen Konferenz führte, in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer entsprechenden Bildung in Preußen kam.

Der Kampf um »Corporationsrechte« der Evangelischen Gemeinschaft in Preußen Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) ließ 1847 in Anknüpfung an das »Allgemeine Landrecht« in Preußen ein »Patent« zur Bildung neuer Religionsgesellschaften veröffentlichen.897 Darin garantierte er den »bevorrechtigten Kirchen« seinen »kräftigsten landesherrlichen Schutz«, wollte aber gleichzeitig »die in dem Allgemeinen Landrecht ausgesprochene Glaubensund Gewissensfreiheit unverkümmert Aufrecht erhalten« und »nach der Maaßgabe der allgemeinen Landesgesetze die Freiheit der Vereinigung zu einem gemeinsamen Bekenntnisse und Gottesdienste gestatten.« Es wurde proklamiert: »Diejenigen, welche in ihrem Gewissen mit dem Glauben und Bekenntnisse ihrer Kirche nicht in Uebereinstimmung zu bleiben vermögen und sich demzufolge zu einer besonderen Religionsgemeinschaft vereinigen, oder einer solchen sich anschließen, genießen hiernach nicht nur volle Freiheit des Austritts, sondern bleiben auch, insoweit ihre Vereinigung vom Staate genehmigt ist, im Genuß der bürgerlichen Rechte und Ehren.«

Den neuen Religionsgemeinschaften, die mit den Grundlagen von Lehre und Bekenntnis des Westfälischen Friedens »in wesentlicher Uebereinstimmung« stehen und ein Kirchenministerium eingerichtet haben, werden auch Rechte zum Vollzug von Amtshandlungen gewährt.898 Es wird im Text des Patents ab896 Ebd., Die Statuten, der Gesellschaftsvertrag und eine Aktie, 8–17. 897 Patent, die Bildung neuer Religionsgesellschaften betreffend vom 30. März 1847. In: GesetzSammlung für die Königlichen-Preußischen Staaten Nr. 12, Jahrgang 1847, 121f. Daraus auch das folgende Zitat. 898 Eine »Verordnung, betreffend Geburten, Heirathen und Sterbefälle, deren bürgerliche Beglaubigung durch die Ortsgerichte erfolgen muß« ist für diesen Bereich gleichzeitig am 30. März 1847 erlassen. In: Gesetz-Sammlung für die Königlichen-Preußischen Staaten Nr. 12, Jahrgang 1847, 125–128f.

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schließend erwähnt, das Gesetz sei durch »die jetzigen Bewegungen auf dem kirchlichen Gebiete« veranlasst worden. Da klingt die in Preußens Ruf bekannte liberale Haltung in Fragen der Religionsfreiheit an. Der Austritt aus den bestehenden Konfessionen wird genehmigt, die Bildung einer Religionsgemeinschaft und der Erhalt der bürgerlichen Rechte wird garantiert, desgleichen der Vollzug von Amtshandlungen. Aber die Gewährung des Korporationsrechts ist damit nicht geklärt. 1869 setzte die Konferenz der Methodistenkirche ein »Committee« ein, welches ein »Gesuch um Corporationsrechte im Preußischen Staat« einreichen sollte.899 Die KomiteeMitglieder erweiterten ihren Auftrag und bemühten sich um ein entsprechendes Recht im Norddeutschen Bund, um sogleich alle Staaten nördlich der Mainlinie mit Korporationsrechten ausgestattet zu sehen. In die Bemühungen wurde der Jurist und einflussreiche Parlamentarier Hermann Schulze-Delitzsch (1808– 1883) eingeschaltet, der Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses war. Er befasste sich zu dieser Zeit mit dem Plan, dem Reichstag ein Gesetz zum Vereinsrecht vorzulegen. Darin hatte er vorgesehen, auch religiösen Gesellschaften zu ermöglichen, diesen Status zu gewähren. Der Plan von Schulze-Delitzsch führte nicht zum erhofften Ziel, und damit wurde auch die bei den Methodisten geweckte Hoffnung zunichte. Das methodistische Komitee setzte seine Bemühungen fort. Es berichtete 1872 an die Konferenz über eingereichte »Petitionen« an die deutschen Landesregierungen und die Schweizer Kantonsregierungen. In einem Bericht des Komitees von 1873 wird über das Für und Wider einer Anerkennung in Preußen berichtet, die Erlangung aber weiter angestrebt. Es sei nicht nur eine Sicherung des Eigentums zu erlangen, sondern für die aus der Staatskirche ausgetretenen Mitglieder der methodistischen Kirche »mancherlei Vortheile in allgemein bürgerlicher, wie auch in materieller Beziehung« zu erwarten.900 Die Rechtslage erforderte es, sich an die einzelnen Landesregierungen zu wenden. Es wurde ausdrücklich beschlossen, auch unter den Umständen einer aus rechtlichen Gründen notwendigen Aufsplitterung in ›methodistische Landeskirchen‹ weiterhin um die Erlangung von jeweiligen juristischen Personen bemüht zu sein und die überregionale Einheit durch möglichst einheitliche, das meinte gleichlautende Statuten zu bewahren. Endlich erging im Frühjahr 1876 vom Berliner Ministerium an die ihm untergebenen Dienststellen der Auftrag, Recherchen über die Methodisten anzu-

899 Die Quellen im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin sind bisher nicht eingesehen. 900 Alle Vorgänge in: Verh. der Jährlichen Konferenzen 1869, 12; 1870, 20f.; 1872, 23; Zitat: 1873, 27f.

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stellen, aber so, dass keine »unberechtigten Erwartungen« entstehen.901 In allen preußischen Gebieten wurden Erhebungen angestellt. Beispielsweise wurde von Hannover aus ermittelt, ob die Voraussetzungen in statistischer Hinsicht, in den ökonomischen Verhältnissen, welche auch die »Vermögenslage ihrer Mitglieder« einbeziehen sollte, sowie Fragen zur Organisation und Außenvertretung erfüllt sind. Nach Rückfragen an die Unterbehörden in Osnabrück und Aurich kam man in Hannover zu der Einschätzung, die Verleihung von Corporationsrechten sei nicht notwendig und zweckmäßig. Andere preußische Provinzen haben dem Berliner Ministerium nicht zwingend die notwendige Verleihung empfohlen. Jedenfalls blieben die Methodisten in Preußen ohne Rechte. Die 1867 in der Berliner Junkerstraße erbaute »Salem Capelle« blieb auf den Namen des »Predigers Ludwig Sigismund Jacoby zu Bremen« eingetragen, bis – lange nach dessen Tod – eine Veränderung der Eintragung auf die »Firma ›Baugesellschaft der Bischöflichen Methodistenkirche, Gesellschaft mit beschränkter Haftung‹, mit dem Sitze zu Berlin, vertreten durch den Prediger Karl Heinrich Burkhardt, hier, Junkerstraße 5/6 und den Prediger Gustav Hempel zu Leipzig, Körnerplatz Nr. 8, als Eigenthümerin in das Grundbuch eingetragen worden ist.«902

Endlich nach dem politischen Umschwung mit dem Ende des Kaiserreichs wurden mit der Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung in wenigen Jahren in fast allen Ländern Körperschaftsrechte an die Methodistenkirchen verliehen. Rechtlich wurden die damit ausgestatteten Kirchen den Landeskirchen gleichgestellt. Ausgerechnet Preußen machte eine Ausnahme. Dahinter steckte Otto Dibelius (1880–1967), Generalsuperintendent der Kurmark und gleichzeitig Mitglied des Oberkirchenrats. In seinem auflagenstarken Buch ›Das Jahrhundert der Kirche‹ wandte er sich auch öffentlich gegen eine Verleihung der Körperschaftsrechte an »Sekten«. Das sei »grober Unfug«.903 Der methodistische Superintendent Bernhard Keip (1869–1941), Vorsitzender des Körperschaftsausschusses, trat daraufhin in eine Diskussion mit dem ihm gut bekannten Generalsuperintendenten ein.904 Dibelius antwortete.905 Prediger Jakob Klenert (1859–1933) von der Evangelischen Gemeinschaft schrieb ebenfalls an den 901 Schreiben Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten in Berlin an den Königlichen Oberpräsidenten Graf Eulenberg in Hannover vom 14. Febr. 1876. NdsHSTA Hann. 122a. XVII, Nr. 39. 902 Schreiben des Königl. Amtsgerichts I, Berlin, an das Königliche Polizei-Präsidium, Abtheilung III, vom 9. Juni 1898. LABerlin,B Rep. 206, Nr. 1388. 903 Otto Dibelius, Das Jahrhundert der Kirche, Berlin 1926, 102. 904 Bernhard Keip, Sekte und Kirche. Bemerkungen zu ›Das Jahrhundert der Kirche‹. In: WS 53. Jg. (1927), 34–45. 905 Otto Dibelius, Noch einmal Sekte und Kirche. In: WS 53. Jg., (1927), 70–75. Einzelheiten über diese Auseinandersetzung in: Voigt. Kirchliche Minderheiten, (wie Anm. 637), 250– 255.

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kurmärkischen Generalsuperintendenten. In seiner Antwort ging Dibelius davon aus, »dass die Anerkennung als öffentliche Körperschaft nur ganz großen, in langer Geschichte in der Volksgemeinschaft verwurzelten Religionsgesellschaften gegeben werden soll und kann. Ich kenne die Mitgliederzahl Ihrer Gemeinschaft nicht. Die Statistik, die mir vorliegt, beziffert sie auf 16000.906 Vielleicht ist das zu niedrig gegriffen. Aber selbst wenn es 20000, 30000, ja 40000 Mitglieder sein sollten – was ist das im Vergleich zu den beiden großen christlichen Kirchen, die ihre Mitglieder auf 20 und 40 Millionen berechnen? Wir kommen nach meiner Meinung zu einer heillosen Zersplitterung des Schulwesens, wenn man in der Verleihung der Rechte öffentlicher Körperschaften so weit geht, dass schon bei fünfstelligen Ziffern ein Antrag genehmigt wird. Dann werden wir in der Tat in Deutschland bald eine Fülle von Zwergschulen haben. Denn was der evangelischen Gemeinschaft recht ist, wird den Neu-Apostolikern, der Brüdergemeine, der Christlichen Wissenschaft, den Weissenbergern und hundert anderen kleinen religiösen Gemeinschaften billig sein. Nur dies Verfahren der staatlichen Körperschaften habe ich als groben Unfug bezeichnet.«907

Die Folge der Blockade des Verfassungsartikels durch den Generalsuperintendenten war, dass die Bischöfliche Methodistenkirche in Preußen erst am 5. Sept. 1930 die Rechte einer öffentlichen Körperschaft übertragen bekam. Den Zusammenschluss mit den bereits früher anerkannten Körperschaften am 4. September 1934 wurde von den Staatsbehörden zur »Kenntnis genommen«. Damit wurde die Bischöfliche Methodistenkirche in Deutschland erstmals als Körperschaft des öffentlichen Rechts »angesehen«.908 Die Terminologie zeigt, dass den Behörden in der Zeit des Nationalsozialismus und des Kirchenkampfes sich in der Bewertung zurückgehalten haben. Sie waren zu dieser Zeit mit der Planung einer »Reichskirche« unter dem von ihr ernannten Bischof Müller befasst, in die sie auch die Methodisten eingliedern wollte.

906 Dibelius hatte sich Informationen beim Konfessionskundler Friedrich Loofs (1858–1928) in Halle eingeholt: Loofs: Die Evangelische Gemeinschaft als Korporation des öffentlichen Rechts, wo der Konfessionskundler die missionarischen Kirchen als »parasitäre Bildungen« bezeichnet. EZA 7/Gen. XII, 120. Dort dazu auch ein Brief O. Dibelius an den EOK vom 3. Aug. 1924. EZA 7/Gen. XII, 120. 907 Brief Otto Dibelius an Jakob Chr. Klenert vom 22. Jan. 1927. EmK-ZA Rtl. Best.VLM 100 b. In seinem Buch ›Das Jahrhundert der Kirche‹ hatte Dibelius die Verleihung der Körperschaftsrechte an kirchliche Minderheiten als »grober Unfug« charakterisiert. Im Hintergrund stand während der Weimarer Zeit auch der endlose Streit in der Schulgesetzgebung, welche zeitweise die Einrichtung von Schulen an die Körperschaftsrechte band. 908 Bestätigung der Kenntnisnahme vom öffentlich-rechtlichen Zusammenschluss der Methodistenkirche in Deutschland durch das Reichs- und Preußische Ministerium des Innern vom 3. Juli 1935. EmK-ZA Reutlingen, AAS. Dort auch die Bestätigung durch den Minister für kirchliche Angelegenheiten vom 23. Dez. 1935.

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

Löschung der Aktiengesellschaft der Evangelischen Gemeinschaft in Preußen und die Folgen Die Evangelische Gemeinschaft wollte nach ihrer Ausweitung ins Preußische das Badener Erfolgsmodell einer kirchlichen Aktiengesellschaft dorthin übertragen. Das Berliner Registergericht verlangte eine Veränderung des im November 1900 eingereichten Gesellschaftsvertrags. Es hatte juristische Bedenken wegen der ausgewiesenen kirchlichen Zwecke dieser Aktiengesellschaft. Daraufhin wurde eine vom Gericht vorgeschlagene Neuformulierung in den Text aufgenommen. Genau diese Passage führte später zu Problemen, an deren Ende der gerichtliche Beschluss zur Liquidierung der Aktiengesellschaft stand. Als nämlich ruchbar geworden war, dass 1909 der »Aktiengesellschaft« in Solingen testamentarisch eine Immobilie im Wert von 15.000,00 Mark zugefallen war, verstärkten sich die gemeinsamen Aktivitäten vom Berliner Evangelischen Oberkirchenrat in Verbindung mit dem Brandenburgischen Konsistorium und der Polizei, um gegen die Ausbreitung der Evangelischen Gemeinschaft vorzugehen. Das führte am Ende dazu, dass trotz anwaltlicher Hilfe die Aktiengesellschaft im März 1911 im Handelsregister gelöscht wurde, weil sie mit der Evangelischen Gemeinschaft identisch war und ihr im Widerspruch mit Artikel 13 der preußischen Verfassung die Vorteile von Korporationsrechten verschaffte.909 Die Erlangung eines Rechtstitels für eine Religionsgemeinschaft in eigener Initiative war damals schon durch die preußische Gesetzgebung ausgeschlossen. Rechte für Religionsgemeinschaften können bis heute nicht in eigener Regie organisiert werden. Sie werden durch Parlaments-, mindestens durch Regierungsbeschluss verliehen.910 Dieser Weg war aber in Preußen erfolglos beschritten. Die Löschung der ›Aktiengesellschaft‹ der Evangelischen Gemeinschaft löste weiterführende Überlegungen aus. Die Konferenz gab Prediger Heinrich Goebel (1864–1956) den Auftrag, andere Möglichkeiten und Wege zur Erreichung der Anerkennung auszuloten. Der Umschwung vom Kaiserreich zur Republik war die willkommene Gelegenheit. Der Berliner ›Hauptausschuss Evangelischer Freikirchen‹, in den offizielle Delegierte von vier Kirchen entsandt waren911 und der sich schließlich mit der ›Vereinigung Evangelischer Freikirchen‹ 1926 zur 909 Protokoll der Generalversammlung der Aktiengesellschaft der Evangelischen Gemeinschaft in Preußen vom 31. Mai 1911, 49. Das Urteil des Königlichen Kammergerichts (Abschrift ohne Datum), 7. EZA 7/3986. 910 Der komplizierte und weitere Aspekte berührende Vorgang ist ausführlich belegt in: Voigt, Ein verweigertes Erbe. Rechtsprobleme zwischen Staat, Staatskirche und freikirchlicher Evangelischen Gemeinschaft. In: Fleischmann-Bisten/Möller/Rudolph (Hg.), Heilung der Erinnerungen (wie Anm. 259), 110–139. 911 Die Evangelische Gemeinschaft delegierte Reinhold Kücklich d. Ä. (1863–1931) und Colestin Schuler (1875–1940). Verh. der Norddeutschen Konferenz der Evangelischen Gemeinschaft 1915, 11.

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ersten ökumenischen Arbeitsgemeinschaft von autonomen Kirchen in Deutschland entwickelte, hatte gut vorgearbeitet und trat schon Ende 1918 mit sieben Forderungen im Hinblick auf die verfassunggebende Weimarer Nationalversammlung an deren Mitglieder heran. Der freikirchliche Hauptausschuss leistete erfolgreiche Lobbyarbeit, auch um zukünftig Korporationsrechte erlangen zu können.912 Unabhängig vom Berliner Freikirchen-Ausschuss wurde Heinrich Goebel aktiv.913 Er korrespondierte mit Friedrich Naumann (1860–1919),914 der als Vertreter der Deutschen Demokratischen Partei an der Weimarer Nationalversammlung teilnahm. Goebel suchte ebenfalls erfolgreich Kontakt zu Naumanns Parteifreund, Rechtsanwalt und Notar Dr. Victor Niemeyer (1863–1949), der auch Stadtverordneter in Essen war. Der von seiner Konferenz beauftragte Prediger reiste selber nach Weimar, um mit Abgeordneten zu reden.915 Im Weimarer Plenum war es der liberale Theologe Friedrich Naumann, der sich als Abgeordneter nachdrücklich für eine Gleichbehandlung der Freikirchen und der Landeskirchen einsetzte. In der Weimarer Plenums-Sitzung vom 17. Juli 1919 sagte Naumann, der Staat darf in der Frage der Körperschaftsrechte »nicht eng und kleinlich sein, und insbesondere die Gemeinschaften, die schon vorhanden sind, wie die Methodisten, die Baptisten, die Altlutheraner und sie mögen heißen wie sie wollen, brauchen keine neue Schikane und Hinschleppung mehr zu erleben!« Nach der Darlegung seiner Position wandte er sich an den im Plenum anwesenden Regierungsvertreter Hugo Preuß (1860–1925), der im Auftrag von Friedrich Ebert die Reichsverfassung entworfen hatte, und fragte ihn, »ob wir von ihm eine Aussage darüber bekommen können, daß das Recht der öffentlichen Körperschaft den bestehenden kleineren Kirchen, den Religionsgemeinschaften und Sekten,[…] ohne weiteres zuteilwerden soll?«916 was Preuß öffentlich zusagte. Tatsächlich bekamen die Minderheitskirchen, wenn sie die Voraussetzungen erfüllten, in den Ländern den in der Reichsverfassung garantierten Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts. Allerdings scherte ausgerechnet Preußen aus dieser Reihe aus.

912 Voigt, Kirchliche Minderheiten (wie Anm. 637), 246–255. Die freikirchlichen Forderungen S. 247. Ders., Freikirchen (wie Anm. 158), 147–151. 913 Karl Heinz Voigt, Ein Gewinn für alle Kirchen. Die Weimarer Reichsverfassung brachte Befreiung. In: Katholische Nachrichtenagentur – Ökumenische Information (KNA-ÖKI) vom 19. März 2019, 14f. 914 Schreiben vom 5. März 1919. BArch. N3001/13 Blatt1547/157. 915 Evangelischer Botschafter 1919, 270f., 278f. 916 Verh. der deutschen Nationalversammlung in Weimar. – 59. Sitzung Berlin 1920, Bd. 328, 1654f. Hervorhebung übernommen.

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4.7

Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

Mit Charisma ausgestattet – zum missionarischen Prediger ausgebildet

In der Geschichte der methodistischen Kirchen spielte seit dem 18. Jahrhundert die Predigt durch Laien eine entscheidende Rolle. Als die Mission in Deutschland begann, gehörte zu den frühen Aufgaben, hiesige Mitarbeiter für alle Bereiche, also auch für den Dienst der Verkündigung, zu gewinnen. Die traditionelle deutsche Theologenausbildung war für den hohen Standard an den Universitäten bekannt. Das bedeutete: um der Akzeptanz willen war es hier notwendig, für die Ausbildung der kommenden methodistischen Prediger eine angemessene theologische Ausbildung zu organisieren. Sie war bestimmt von dem theologischen Motiv der Mission und der festen Verwurzelung in Gemeinde und Kirche. Die Bedeutung der Ausbildung für die Mission unter Getauften ist Anlass genug, die Aufmerksamkeit auf diesen Bereich zu richten. Es wurde sehr früh der Blick auf die Ausbildung von Mitarbeitern gelenkt, die mit dem Charisma der freien Rede begabt waren. Ihnen sollte eine Ausbildung für eine vollzeitliche Mitarbeit in der Mission im eigenen Land ermöglicht werden. Der Impuls zur Schaffung eines Ausbildungsinstituts ging wieder von Ludwig S. Jacoby aus. Er bat am 10. Februar 1858 den Bremer Senat, »ihm die Erlaubniß zu ertheilen, eine solche Anstalt [wie er sie vorher kurz in seinem Antrag beschrieben hatte] errichten zu dürfen.«917 Nach dem zustimmenden Beschluss des Senats teilte ihm die Polizeidirektion mit, dass der Senat »einverstanden und zur Zeit dem fraglichen Antrage nicht entgegen sein wolle.« Voraussetzung sei, dass man die schon Antrag gegebenen Zusicherungen im Blick auf »daß was das Alter der Zöglinge und die Berechtigung der Lehrer zur Ertheilung des Unterrichts betreffe, […] wie überhaupt die hiesigen Gesetze und obrigkeitlichen Weisungen befolgen werde.« Eine Woche nach der Antragstellung saß Jacoby im Bremer Rathaus bei Senator Georg Heinrich Olbers (1790– 1861) im Büro. Ihm unterstand als Senator die Bremer Polizei. In dieser Eigenschaft verpflichtete er den Antragsteller auf die Bedingungen. Nur zwei Tage später beschlossen drei Missionare und drei Mitglieder der Gemeinde918 die Gründung einer Missions-Anstalt, »um junge Männer von 20 Jahren und dar917 StAHB, 2-T.1.aa.19. – Erlaubnis zur Errichtung einer Anstalt zur Bildung methodistischer Missionare. 10.–17. Febr. 1858. Dort auch die folgenden Zitate. 918 Es waren die drei Missionare Ludwig S. Jacoby aus Mecklenburg, früher Kaufmann, ausgewandert als Lutheraner, Carl Heinrich Doering (1811–1897) aus Springe/Deister, Kaufmännische Lehre, Lutheraner, 3 Jahre theologische Studium im methodistischen Allegheny-College in Meadville, Pa., Ludwig Nippert (1825–1894) aus dem elsässischen Görsdorf, ausgewandert als Lutheraner, Buchdrucker, und die Bremer Bürger Hilbert Jonker, Arbeiter, H. Luerssen, Eberhard Christoph Poppe (1804–1878) städtischer Münzwardein und Justierer der Goldwaagen und Gewichte.

Mit Charisma ausgestattet – zum missionarischen Prediger ausgebildet

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über, die sich zur Verkündigung des Wortes Gottes berufen glaubten und von einer Gemeinde dazu empfohlen werden, zum Dienst der Innern oder Äußern Mission heranzubilden.«919 Es wurde eine ›Constitution‹ entworfen und ein provisorischer Vorstand erwählt und den in verschiedenen Städten aktiven Missionaren zugesandt. Nachdem alle Missionare als Mitglieder der Konferenz der schriftlichen Umfrage ihre Zustimmung zu dem Projekt und der Ordnung gegeben hatten, wurde die Missions-Anstalt am 7. März 1858 mit 3 jungen Männern eröffnet.920 In diesen wenigen Zeilen werden einige wesentliche Elemente sichtbar. (1) Die Ausbildung soll ermöglicht werden für die Teilnahme an der heimatlichen und der weltweiten Mission, zwischen denen schon damals nicht theologisch, sondern lediglich im praktischen Vollzug unterschieden wurde. (2) Die entworfene »Constitution« mit dem Namen und Zweck der Anstalt, den Umständen für die Wahl der Lehrkräfte und des Aufsichtsgremiums, den Vorgaben über die theologischen Grundlagen des Unterrichts mit einer verpflichtenden Bindung des Direktors, der Professoren oder Lehrer, wurde zunächst allen auswärtigen Predigern der Konferenz als Leitungsorgan der Kirche zur schriftlichen Zustimmung zugesandt, um sie danach der Missionsabteilung der Kirche in New York mitzuteilen. Die bescheidene Bremer Ausbildungsstätte war – wie heute die Theologische Hochschule – eingebunden in das Netz der weltweiten Kirche. (3) Die Ausbildung der Hauptamtlichen wird allein von der Kirche – auch ökonomisch921 – getragen.922 Mit der Gründung der »Missions-Anstalt« zur Ausbildung von missionarischen Predigern, die in Deutschland und der Schweiz gewonnen wurden, war ein wichtiger Schritt zu einer Entwicklung eingeleitet, in personeller Hinsicht von den USA unabhängig zu werden. Lediglich qualifizierte Lehrkräfte waren noch nötig, um Wilhelm Schwarz, der vor seiner Auswanderung in Freiburg ein wenig katholische Theologie studiert, und Carl H. Doering, der in einem methodisti919 Erster Jahresbericht der Missions-Anstalt der Bischöflichen Methodistenkirche in Bremen, Bremen o. J. (1859), 5f. 920 Es waren dies: Martin Täger aus dem Braunschweigischen, der nach Diensten in Paris, Bremen, Berlin schließlich in Lausanne wieder aus der Methodistenkirche ausschied und eine freie Gemeinde organisierte, Arnold Sulzberger (1832–1907), ein Schriftsetzer aus Winterthur, der 1870 als erster in Bremen Ausgebildeter an der Universität Heidelberg promoviert wurde und der aus Bremen-Vegesack stammende August Rodemeyer (1837– 1899), der 1877 eine Übersicht über sage und schreibe 3.178 Religionsparteien veröffentliche. 921 Die Freude der Gemeinden über die Missions-Anstalt spiegelt sich in deren Gaben. Neben Geldspenden wurden jahrzehntelang Kleidung und Erträge aus der Landwirtschaft geschenkt, darunter Butter, Schinken und sogar von Zeit zu Zeit ein Schwein. Der ›Erste Jahresbericht der Missions-Anstalt‹ weist fünf Seiten mit Spenden von »Geldern« und »Victualien« (Lebensmittel für den täglichen Bedarf) aus, S. 19–23. 922 Protokoll der Sitzung vom 19. Februar gedruckt in: CA 1858 (20. Jg.), 78.

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

schen College in den USA eine Ausbildung erhalten hatte, zu ergänzen. In dieser Hinsicht unterstützte die New Yorker Missionszentrale das Ausbildungsinstitut923 durch die Beauftragung von Professor William F. Warren (1833–1929, in Bremen 1861–1866), der u. a. in Halle und Berlin Theologie studiert hatte und 1866 in Bremen einen Ruf an die Universität in Boston annahm, deren Präsident er später wurde. Ihm folgte Professor John F. Hurst (1834–1903, in Bremen 1866– 1871), der in Halle und Heidelberg studiert hatte, später am Drew Theological Seminary lehrte und ab 1880 als Bischof wirkte. Neben ihnen unterrichteten andere methodistische Prediger der ersten Generation, die ein Theologiestudium an deutschen Universitäten absolviert hatten. Es waren u. a. Karl Riemenschneider (1844–1925, in Bremen 1865/66), Studium in Tübingen, und Friedrich Paulus (1843–1893, in Bremen 1866–1870), Studium in Tübingen, Berlin und Halle, die beide nach ihren Bremer Jahren als Professoren Lehraufträge an deutschsprachigen methodistischen Colleges in den USA annahmen. Es war damals noch nicht vorstellbar, dass ein Methodist an eine der deutschen Landesuniversitäten berufen wurde. Genauso war es für den Durchschnitt der damals zum Predigtamt Berufenen nicht möglich, an einer deutschen Universität zu studieren, da sie fast alle – wie die in den Seminaren der Missionsgesellschaften Ausgebildeten – aus praktischen Berufen kamen.924 Die Übersicht zeigt, dass es gegenüber einer akademisch fundierten Ausbildung keine pietistischen Vorbehalte gab. Es wird gleichzeitig sichtbar, wie es für promovierte Theologen kein Problem war, ihr Wissen in den Dienst einer kleinen theologischen Institution zu stellen, die für die Entwicklung der Kirche von höchster Bedeutung war. Die Absolventen der Bremer Missions-Anstalt waren von landeskirchlichen Theologen selten anerkannt925 obwohl sie gleichzeitig für ihren erfolgreichen Einsatz bewundert wurden. Vielleicht erklärt sich das, wenn abschließend ein kurzer Blick auf den Ansatz der Ausbildung geworfen wird.

923 Thomas Hahn-Bruckart, Internationale Wissenschaftsbeziehungen freikirchlicher Theologie im 19. Jahrhundert. In: Claus Arnold/Johannes Wischmeyer (Hg.), Transnationale Dimensionen wissenschaftlicher Theologie, Göttingen 2013, 89–106 (hier: 98–102). 924 Ulrike Schuler u. a. (Hg.), Glaubenswege – Bildungswege. 150 Jahre theologische Ausbildung im deutschsprachigen Methodismus Europas. Reutlingen 2008, bietet eine Übersicht der Auszubildenden von 1858–2004 (S. 167–189), die überwiegend aus praktischen Berufen kamen. 925 Interessant ist ein Blick in das von Helmut Edelmann herausgegebenen »Brüderporträtbuch der Pastoren [!] für Amerika des Evangelisch-Lutherischen Amerikaseminars Breklum.« (Eintritte von 1882–1930/31), Breklum 2017). Die dortigen »Missionszöglinge« wurden als zukünftige Pastoren für Amerika ausgebildet. Sie weisen einen ähnlichen beruflichen Vorlauf aus, wie die Bremer Besucher der Missions-Anstalt der Methodistenkirche sie hatten.

Mit Charisma ausgestattet – zum missionarischen Prediger ausgebildet

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Generell war das Predigtamt im Sinne reformatorischer Theologie vom ersten Schritt vor der Ausbildung bis zu dessen Abschluss in den Gemeinden der Kirche verankert. Die Voraussetzung für die Ausbildung war eine durch die Heimatgemeinde des zukünftigen Missionars oder Predigers gegebene »Empfehlung«. Dies setzte bei dem Betroffenen voraus, bereits Erfahrungen als beauftragter Laienprediger gemacht zu haben. Die Gemeinde wusste also um das Charisma des zukünftigen Predigers, dem sie eine offiziell verabschiedete »Empfehlung« gab. Als mehr oder weniger erfahrener Laienprediger und vielleicht auch noch Sonntagsschullehrer begann jeder seine Ausbildung. Sie hatte die Aufgabe, das vorhandene und bereits ausgewiesene Charisma der freien Rede zu qualifizieren und mit theologischem Wissen zu untermauern. Praktisch heißt das, methodistischer Prediger wurde man nicht durch ein Studium, sondern man war es bereits, wenn man in die Gemeinschaft der Auszubildenden eintrat. Für die Ausbildung gab es von Anfang an Studienpläne und Prüfungsordnungen, die von der Konferenz beschlossen waren. Der Standort Bremen war aus politischen Gründen für den Anfang äußerst hilfreich. Dort wurde die Gründung der »Missions-Anstalt« problemlos genehmigt und die auszubildenden »Ausländer« aus anderen deutschen Staaten und der Schweiz hatten keine Probleme mit dem Zuzug in der Hansestadt, was in deutschen Ländern kein Normalfall war. Aber in der weiteren Entwicklung erwies sich Bremen für eine hauptsächlich in Deutschland und der Schweiz wirkende Kirche als zu wenig zentral. Von den ersten dreißig jungen Männern kamen allein 9 aus der Schweiz und 8 aus Württemberg. Es lag nahe, in die Suche nach einem zentralen Standort auch in Württemberg den Raum Heilbronn einzubeziehen.926 Schließlich fiel die Entscheidung, in Frankfurt am Main zu bauen, wo am 17. Januar 1869 die Einweihung des neuerrichteten Gebäudes stattfand. Der etwas ausführlichere Blick auf die Anfänge der pastoralen Ausbildung ergibt sich auch aus der Tatsache, dass dieses die erste Ausbildungsstätte927 unter den Minderheitskirchen war. Im Grunde war dies eine praktische Konsequenz aus dem Selbstverständnis des missionarischen Kirche-Seins. Wen sollte man sonst zur Mission in Städte und Dörfer senden, in denen es auch unter den Getauften zahlreiche Menschen ohne Glauben und mit mehr oder weniger formaler Bindung an die Kirche gab? Auch hier zeigt sich wieder, wie zentral sich 926 Stellungnahmen des Stuttgarter Konsistoriums Mai 1867 »das Methodisten Seminar betreffend«. LKASt A26/503. 927 In der Wesleyanischen Methodistengemeinschaft begann ein erster Ausbildungskurs 1858, die Wurzeln des Missionshauses in Waiblingen reichen bis 1869 zurück. Die Evangelische Gemeinschaft eröffnete 1877 in Reutlingen das Predigerseminar. – Ulrike Schuler, Glaubenswege – Bildungswege. 150 Jahre theologische Ausbildung im deutschsprachigen Methodismus Europas, Stuttgart 2008, 36–45.

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

der Ansatz des missions-theologischen Selbstverständnisses in der Praxis ausgewirkt hat.928

4.8

Reichtum und Grenzen des Laiendienstes in der Geschichte929

Bei der dominierenden Stellung, welche den ordinierten Reiseprediger in den methodistischen Kirchen in der Frühzeit zugewachsen war, stellt sich die Frage nach der Rolle der Laien. Zu diesem Thema sind verschiedene Stränge zu behandeln: zuerst die geistlichen Dienste und danach die Mitwirkung in Leitung und Verwaltung. Eine Kirche ohne öffentliche Förderung oder übliche Kirchensteuern verfügt in der Regel nur über begrenzte finanzielle Ressourcen. Der ehrenamtliche Dienst von Laien, wie er bei den Methodisten in jeder Art der kirchlichen Arbeit praktiziert wurde und wird, ist bis heute unverzichtbar. Es ist bereits deutlich geworden, welche Rolle die Predigt durch Laien von Anfang gespielt hat. Der systematische und überregionale Einsatz war in Deutschland und der Schweiz anfangs ein verhältnismäßig neues Phänomen, dem besonders Theologen kritisch gegenüber standen. Als der Katholik Heimo Ertl bei seinen Forschungen auf die Kritik an dem Phänomen der Predigt durch Laien stieß, hat er darauf mit der Feststellung reagiert: »Der breit angelegte propagandistische und disziplinarische Aufwand, Methodisten zum Schweigen zu bringen, und der Versuch, ihre Verkündigungsarbeit zu kriminalisieren, sollte jenen Kritikern zu denken geben, die den Predigern unter Hinweis auf die gedruckten Predigten ihre eindrucksvolle Wirkung auf das Volk absprechen wollen.«930

Ursprünglich stand Wesley selber der Predigt durch Laien kritisch gegenüber. Nach der Überwindung seiner eigenen Ablehnung hat er ein ständig erweitertes System für den Laiendienst entwickelt. Zunehmend wurden seine »Assistenten« und »Helfer« als zur Predigt Berufene, sowie »Ermahner« und »Leiter« der 928 Schuler (Hg.), ›Glaubenswege…‹ gibt einen historischen Überblick. 929 Der Begriff »Laie« ist umstritten, weil er in seinem theologischen Gehalt nicht eindeutig bestimmt werden kann. Er ist jedoch im methodistischen Kirchenrecht weltweit angewandt und meint im Grunde den Unterschied zu den Ordinierten, die insbesondere zur gewissenhaften Verwaltung der im Protestantismus gebräuchlichen Sakramente ordiniert wurden. In der methodistischen Praxis gibt es aber auch die Ordination von Laien. Von Anfang an wurden auch nicht theologisch Ausgebildete ordiniert, um insbesondere berechtigt zu sein, in Missionssituationen Taufen und das Abendmahl mit entstehenden Gemeinden feiern zu können. Insofern reicht es nicht, den Begriff »Laie« als Differenzbegriff zum ordinierten Theologen zu verwenden. Umgekehrt gibt es auch nicht-ordinierte Theologen. Ich bleibe bei der bisherigen Gepflogenheit. 930 Ertl, Dignity in Simplicity (wie Anm. 854), 97.

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Societies und Klassen, darunter auch Frauen, von ihm selber eingesetzt. Auch die Verbreitung der später aufgekommenen Sonntagsschulen wäre ohne den selbstverständlichen Einsatz der ursprünglich sogar bescheiden entlohnten Laien nicht denkbar gewesen. Es gab vereinzelt auch Frauen, die zur Predigt bereit waren und eingesetzt wurden.

Laien im Dienst der Verkündigung Vor ihrer Mitarbeit in der öffentlichen Predigt war für fast alle Laienprediger ihr geistlicher Dienst in die Leitung von Klassen der Einstieg in den Dienst eines Laienpredigers. Diese Ausgangsituation war so bedeutsam, dass die Herausgeber der Kirchenordnung von 1798 das System der Klassen respektvoll als »Universitäten für das Predigtamt« bezeichneten.931 Als »Klassführer« entdeckten sie ihre Begabung und wurden für Dienste empfohlen, welche sog. »Helfer« ausführen konnten. Helfer unterlagen schon in England strengen Ordnungen. Sie erhielten nach einer Prüfung am Beginn ihres zukünftigen Dienstes eine Schrift mit Protokollen zu Lehrfragen und zur Gemeinschaftsordnung. Sie enthielt folgende von John Wesley unterschriebene Widmung: »Solange du dich aus freien Stücken bereit erklärst und dich ernsthaft darum bemühst, im Einklang mit den folgenden Regeln zu leben, freuen wir uns, Hand in Hand unseren Weg mit dir zu gehen.«932 Man kann in dieser Formulierung eine offizielle Beauftragung sehen, gleichsam eine Ordination ohne Sakramentsvollmacht. Neben den verbindlichen Regeln gab es die Pflicht, ein Tagebuch zu führen. Für alle Laienprediger, die Wesley angestellt hatte, publizierte er Material zu ihrer Weiterbildung. Dazu gehörten auch seine Lehrpredigten,933 auf deren Theologie die Laien sich verpflichten mussten. »Assistenten«, die nächst höhere Stufe nach den »Helfern«, erfüllten in der zunehmenden Ausbreitung praktisch schon Aufsichtsaufgaben in »Bezirken« mit mehreren Societies, die einen »Helfer« als Laienprediger zugewiesen bekommen hatten. Nach den »Regeln für Assistenten« gehörte es zu ihren Aufgaben, vierteljährlich eine »Konferenz« mit Berichten der Prediger des Bezirks, die unter ihrer Aufsicht standen, zu halten. Diese knappe Übersicht vermittelt einen Eindruck davon, wie der geistliche Dienst von Laien in der Mitarbeit von Anfang an geordnet war, unter regelmäßiger Aufsicht stand und mit der Pflicht zur ständigen Fortbildung in eine 931 The Doctrines and Discipline of the Methodist Episcopal Church in America (wie 876), 148. 932 Heitzenrater, Der frühe Methodismus (wie Anm. 86), 212. Dort auch die Fragen zur »Predigerprüfung« 1746. 933 Wesley, Lehrpredigten (wie Anm. 24).

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Ordnung eingebunden war. Dieser Ansatz bewährte sich in der späteren kirchlichen Entwicklung und wurde Schritt für Schritt weiterentwickelt. Langfristig gesehen war dieses Phänomen der geistlichen Mitarbeit von Laien so wirkungsvoll, dass der Gründer des Deutschen Evangelischen Kirchentags als einer Laienbewegung, Reinold von Thadden-Trieglaff (1891–1976), sich veranlasst sah, die Methodisten schon 1948 ausdrücklich mit diesem Argument zur Mitwirkung und Teilnahme vom ersten Kirchentag an einzuladen, welche der damalige methodistische Bischof J. W. Ernst Sommer (1881–1952) natürlich angenommen hat. Vermutlich hat es im 18. und 19. Jahrhundert kaum eine Kirche gegeben, in der Laien in dem gleichen Maße mit geistlichen Aufgaben in Predigt, Seelsorge und geistlicher Gruppenleitung geschult und eingesetzt wurden, wie in den Kirchen methodistischer Tradition. Allgemein wurde der Dienst von Laien als notdürftiger »Ersatz«, dem man eine Lesepredigt zumutete, angesehen. Das war in der methodistischen Tradition anders. Die englische methodistische Bewegung wäre vermutlich ohne engagierte und authentisch wirkende Laien ein Rinnsal geblieben. Die Anfänge der methodistischen Kirchen in Amerika gingen von einer kleinen Versammlung durch die Initiative einer aus Irland emigrierten Frau und mit der Predigt eines Laien aus. Die Evangelische Gemeinschaft wäre ohne die Initiative des predigenden Laien Jacob Albrecht wohl kaum entstanden. Und in Deutschland würden bis heute die Methodisten nicht in der Lage sein, alle Kanzeln Sonntag für Sonntag zu besetzen, wenn nicht theologisch geschulte Laienprediger und Laienpredigerinnen zum ehrenamtlichen Verkündigungsdienst bereit wären.934 Nachdem der Laiendienst in Verkündigung und Seelsorge aus gutem Grund zuerst umrissen wurde, sind nun die ebenfalls unverzichtbaren Mitwirkungen der »Verwalter« (Stewards und Trustees) zu erwähnen. Ihre Aufgaben waren keineswegs auf die Verwaltung der Finanzen und Abrechnungen beschränkt. Zu ihren ständigen Aufgaben gehörte es, die Kranken und Armen aufzusuchen sowie Hilfsbedürftige zu unterstützen und zu trösten. Verwalter sollten nach ihren Hausbesuchen ihrem Prediger über die Lage der Besuchten berichten. Später erweiterte sich ihr Aufgabenfeld um die Einkäufe von Brot und Wein für die Abendmahlsfeiern.935 »Verwalter« erfüllten also neben den administrativen auch solche geistlichen Aufgaben, die ihnen ohne das Charisma der freien Rede zumutbar und zu denen sie bereit waren. Sie konnten in den Gemeinschaften

934 Gegenwärtig sind in den offiziellen Listen der Jährlichen Konferenzen 516 geprüfte und anerkannte Laienprediger ausgewiesen, davon 203 Frauen und 313 Männer aus ganz unterschiedlichen Berufen, einige aus anderen Ländern. Natürlich predigen sie unterschiedlich oft, jedenfalls wohl keiner an jedem Sonntag. 935 Lehre und Kirchenordnung (wie Anm. 211), Pflichten der Verwalter, § 193, 126.

Reichtum und Grenzen des Laiendienstes in der Geschichte

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und Gemeinden aktiv mitwirken und dazu beitragen, dass die örtliche Lebensgemeinschaft eine offene Familie Gottes bildete.

Laien in leitender Verantwortung Die Skizze wirft die Frage auf, wie es um die Teilnahme an der kirchenleitenden Verantwortung bestellt war, da zur »Konferenz« Jahrzehnte lang ausschließlich Ordinierte gehören konnten. Das ist eine alte Frage, welche die Kirche in Amerika schon in den Jahren vor 1830 bewegte und schließlich spaltete. Damals bildete sich die »Methodist Protestant Church«, die nach der Trennung von der »Mutterkirche« als autonome Kirche wirkte. An deren Konferenzen nahmen von Anfang an Ordinierte und Laien in gleicher Anzahl teil. 1939 vereinigte sich in den USA diese »Methodist Protestant Church« und andere Kirchen wesleyanischer Tradition zur »Methodist Church«. In deren Kirchenordnung wurde von jetzt an die paritätische Vertretung von Pastoren und Laien übernommen. Diese Entscheidung in der Weltkirche hatte natürlich auch in Deutschland Auswirkungen. In der ›Evangelischen Gemeinschaft‹ war schon nach der Kirchenordnung von 1918 geregelt, dass auf je fünfhundert Kirchenglieder ein stimmberechtigter Laien-Delegierter für die Konferenz gewählt werden konnte.936 Die Bestimmung der Zahl zur Wahl eines Laiendelegierten verringerte sich 1946 auf dreihundert Kirchenglieder. Dies war die Folge einer in Amerika 1946 vollzogenen Union zur ›Evangelical United Brethren Church‹ (EUBChurch).937 Es ist für die Gestalt einer weltweit wirkenden Kirche bemerkenswert, dass sich diese Vereinigung auf den deutschen Zweig der Kirche, obwohl sie nur mittelbar davon betroffen war, in der gemeinsamen Verfassung und Neugestaltung der Kirchenordnung auswirkte. Der Weg in die Mitverantwortung der Laien in kirchenleitenden Aufgaben war innerhalb der methodistischen Kirchen lang. Den deutschen Lesern des ›Evangelist‹ wurde die früheste 1892 eingetretene Veränderung der Laienvertretung durch Teilnahme an der verfassunggebenden Generalkonferenz erst im historischen Rückblick erläutert. Die Leitung der Kirche durch die Generalkonferenz, heißt es in einem Bericht, »lag früher ausschließlich in der Hand der Prediger. Die ersten Methodistenprediger gingen aus, nicht vom Volke gerufen, sondern um das Volk zu rufen. Die ersten Gemeinden, die sie bildeten, waren gewöhnlich schwach, bestanden meistens aus armen 936 Die Glaubenslehre und Kirchenordnung der Evangelischen Gemeinschaft, Stuttgart 1918, 31f. (68). 937 Kirchenordnung der Evangelischen Gemeinschaft in Europa, Ausgabe 1952.

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und ungebildeten Leuten, die Prediger waren gezwungen, die Leitung ihrer weit zerstreuten und undisziplinierten938 Gemeinden selbst zu führen.«939

Nach »Laienwahlkonferenzen« 1891 und 1895, in denen die Delegierten an die Generalkonferenzen 1892 in Omaha, Nebr., und in Cleveland, Ohio, gewählt wurden, kam es in Süddeutschland 1905 zur ersten »Laien-Versammlung«, die in den Zeitschriften diskutiert wurde.940 Danach wurden aktive »Laienvereinigungen« ab 1905 in allen Konferenzgebieten gebildet. Ihre Sitzungen fanden parallel zu den Tagungen der »Konferenzen« statt. Bischof John L. Nuelsen (1867–1946), der ab 1912 die Aufsicht über den europäischen Zweig der Kirche von Zürich aus führte, besuchte die Laiensitzungen. Bei zeitweise gemeinsamen Sitzungen lud er deren Vorsitzenden als Ausdruck der Würdigung des Laiendienstes ein, am Tisch des Vorsitzenden an seiner Seite Platz zu nehmen. In einer politisch ausgelösten Krisensituation während der 1933er Tagung der damaligen Mitteldeutschen Konferenz zeigte sich, wie wichtig die Mitwirkung der Laien in der Ablehnung deutsch-christlicher Anträge für eine zentrale Weichenstellung war.941 Erst seit der bereits erwähnten Vereinigung verschiedener methodistischer Kirchen im Jahr 1939 ist eine paritätisch von Ordinierten und Laien besetzte Konferenz durch die Kirchenordnung verpflichtend. Da alle Ordinierten an den Konferenzen teilnehmen, wird heute zur Herstellung der Parität die gleiche Anzahl von Laiendelegierten aus den Gemeinden entsandt. Die Gesamtentwicklung hat Thomas Hahn-Bruckart treffend zusammengefasst. Er schrieb: »Insgesamt ist die Beobachtung zu machen, daß die Bereiche, die jeweils neu für die Laientätigkeit erschlossen werden sollten, für den bischöflichen Methodismus und den landeskirchlichen Protestantismus genau entgegengesetzt liegen: in den Landeskirchen wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Ausweitung der Laientätigkeit in den Gemeinden heiß diskutiert, während auf der Ebene der übergemeindlichen Kirchenleitung Laien oft schon vertreten waren [besonders durch Juristen aus den Konsistorien], in der Methodistenkirche kämpften die Laien für Mitspracherechte in den überörtlichen kirchenleitenden Gremien, während die Laientätigkeit auf der Ebene der Gemeinden eine Selbstverständlichkeit war.«942

938 »undiszipliniert« meint so viel wie ›ohne die übliche kirchliche Ordnung‹, die in den angelsächsischen Ländern »Book of Discipline« titelt. 939 O. V., Die 26. Generalkonferenz der Bischöflichen Methodistenkirche. Teil III – Eine kirchenrechtliche Frage. In: Evangelist 1892, 188. 940 Thomas Hahn-Bruckart, Die Mitarbeit von Laien in der Bischöflichen Methodistenkirche in Deutschland. Zu den Kontroversen der Anfangszeit und ihren Folgen bis ins frühe 20. Jahrhundert, Kiel 2004. Unveröffentlicht. 941 Hans Witzel, Die Mitteldeutsche Jährliche Konferenz in Wilkau 1933. Report einer kirchenpolitischen Krisenstunde, Stuttgart 1983. 942 Thomas Hahn-Bruckart, Mitarbeit von Laien (wie Anm. 940), 49.

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4.9

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Diakonisches Wirken als Teil der Mission

Die Gestalt der methodistischen Diakonie wurde im 19. Jahrhundert von mehreren Faktoren bestimmt. Eine Kirche ohne einen Rechtstitel kann praktisch keine institutionellen diakonischen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Heime errichten; sie kann auch nur in gewissen Grenzen als Anstellungsträger fungieren. Die Ablehnung durch Staat und Staatskirche hatte logischerweise zur Folge, dass man nicht mit deren Wohlwollen oder gar der Öffnung einer herrschaftlichen Privatschatulle für eine Stiftung rechnen konnte. Also nahmen die Methodisten sich solcher Projekte an, die gerade vor der Tür lagen und die sie mit ihren Möglichkeiten aufgreifen konnten. Ganz am Anfang waren es in den norddeutschen Hafenstädten Bremen, Bremerhaven und Hamburg Auswanderer, denen sie auf dem nicht immer freiwilligen Weg ins Unbekannte beistanden. Sachberatung erfolgte auch durch eine mehrfach aufgelegte Broschüre ›Praktische Winke für Auswanderer‹, welche die auf ihr Schiff Wartenden von erfahrenen Amerika-Rückkehrern gerne annahmen. 1853 beriet man schon mit der Missionsabteilung in New York über eine Kapelle mit Seemannsheim für Auswanderer und Seeleute in Bremerhaven. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Anregung aus Hamburg kam, wo die britischen Methodisten 1839 eine ›Port of Hamburg Sailor’s Society‹ organisiert hatten und Hilfe anboten, bis sie wegen ihrer Proteste über das vom Senat ermögliche freizügige Leben mit eben diesem Senat in Konflikt gerieten. In Sachsen waren die Verhältnisse ganz anders. Dort versammelte man in überschaubaren Gemeinschaften Bergleute und in Heimarbeit ausgenutzte Weber, Tuchmacher, Strumpfwirker, die im gesellschaftlichen und auch im kirchlichen Leben kaum eine Rolle spielten. In biblischen »Vorträgen«, predigen durfte man jahrzehntelang nicht, haben Laienzeugen den Armen vermittelt, welche Würde sie trotz ihrer sozialen Not durch die Rechtfertigung und Akzeptanz bei Gott und unter gläubigen Christenmenschen haben. Praktisch schloss sich daran an, dass sie erlebten, wie sie selber oder andere, die sie kannten, zur Mitarbeit in geistlichen Fragen herangebildet wurden. Männer und selbst Frauen traute man zu, als Klassführer oder Sonntagsschullehrer und Leiter eigenständig und unterstützt ihre Gaben zu entfalten und eine ganz neue Seite ihrer menschlichen Existenz zu entdecken. Im Rückblick scheint es angemessen zu sein, in allen drei Dimensionen der praktizierten Mission, die von sozialen Unterschieden unabhängige Gemeinschaft, die Einbeziehung in die Mitverantwortung und das befreiende, jede einzelne Person bestätigende Wort als ganzheitliche Diakonie im Vollzug zu verstehen. Die Frage der Reihenfolge und des Gewichts von Wort, Gemeinschaft und Tat wird dabei unerheblich, weil missionarisches Handeln nicht irgendwelchen ordnenden Prinzipien folgt, sondern

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sich an der jeweils gebotenen Situation orientiert, aber dabei keine der drei Dimensionen vernachlässigt. Die Diakonie im Vollzug missionarischen Handelns war aber keinesfalls auf die individuelle Tat beschränkt, wenngleich sie im Gespräch mit anderen gleichzeitig Einsitzenden in kalten und dunklen Gefängniszellen in Hessen, Württemberg oder Sachsen, in den Kellerwohnung von Familien in Hamburg, in einem Berliner Kietz in einer verlassenen Sozialküche im vierten Hinterhof oder in der Strumpfwirker-Stube einer Heimarbeiterfamilie im Erzgebirge notwendig und möglich war. 1853 wurde schon über ein Komitee »zur Vertheidigung der Religionsfreiheit« beraten, das mit London vernetzt sein sollte. Später gab es in Württemberg die bereits erwähnte Initiative zum Erlass eines Dissidenten-Gesetzes. Die weitsichtige Organisation einer »Prediger-Hilfsgesellschaft« an der Konferenztagung 1857 zur finanziellen Sicherung des späteren Ruhestands sowie zur Versorgung der Witwen und der Waisen kann hier ebenso erwähnt werden wie die später bei Abendmahls-Gottesdiensten regelmäßig erhobenen Kollekten für die Waisen. »Die Einführung von Diakonissinnen in den Gemeinden« beriet die Konferenz erstmals 1864. Es ist noch zu erforschen, ob die ausdrückliche Beschränkung auf »in den Gemeinden« eine Folge des fehlenden Rechtsstatus war oder ob sich vielleicht aus der Erfahrung jener jungen Frauen, die aus der Wesleyanischen Gemeinschaft nach Kaiserswerth vermittelt wurden, ergab, dass man einer Anstalts-Diakonie kritisch gegenüber stand. Den jungen Winnender Frauen fehlte in Kaiserswerth anfangs die Einbindung in eine Gemeinde und sie vermissten untereinander eine Gemeinschaft, welche sie aus den methodistischen Klassen gewohnt waren.943 Nach Beratungen in verschiedenen Jahren an den methodistischen Konferenzen944 und Erkundigungen, die Superintendent Jacoby u. a. bei der Vorsteherin der Berner Diakonissenanstalt Frau Sophie Dändliker (1809–1878)945 auf seiner Reise im Frühjahr 1861 eingezogen hatte, entschied die Konferenz 1865 wegen mangelnder Ausbildungsmöglichkeit, statt Diakonissen »Krankenpflegerinnen« in den Gemeinden anzustellen, was auch in den folgenden Jahren durch einige Gemeinden in Süddeutschland geschah. Die Organisation einer kirchlichen Diakonie-Abteilung war aus unterschiedlichen Gründen schwierig. Zunächst musste 1874 die Gründung von einem »Bethanien-Verein, Diakonissenverein für allgemeine Krankenpflege« in Frankfurt/M. als eigenständige Aktiengesellschaft erfolgen, um überhaupt einen 943 Vergl. Teil 3.4.1 Abschnitt: Entwicklungsschritte (in Württemberg). 944 1863 in Frankfurt/M, 1864 in Basel, 1865 in Bremen über »Diakonissinnen.« 945 Dort waren zwei Diakonissen in der Krankenpflege tätig, die bei den Methodisten in Lausanne zum Glauben gekommen waren. – Des Herausgebers Reisebericht. In: Der Evangelist 1861, 3076.

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Rechtsträger zu haben. Auch weil die Konferenz die damit verbundenen wirtschaftlichen Verpflichtungen und Risiken nicht übernehmen konnte, musste sich diese Organisation außerhalb der normalen kirchlichen Strukturen bilden. Die Anfänge waren sehr ärmlich. Die erste angestellte Diakonisse war Sophie Roßnagel. Sie begann 1876 in Frankfurt an der ersten Erkrankten ihre Pflegetätigkeit in der Wohnung der Familie von Prediger Friedrich Eilers (1839–1923). Eilers war aus kirchenrechtlichen Gründen aus der Dienstgemeinschaft der Ordinierten ausgetreten, um die diakonische Arbeit in dem von vier Predigern gegründeten »Bethanien-Verein« aufbauen zu können. Damals war es nach der Kirchenordnung kaum möglich, einen ordinierten »Reiseprediger«, und das waren alle Ordinierten, von der Pflicht zu reisen oder versetzbar zu sein, zu entbinden und mit einer anderen Aufgabe als der eines Predigers zu betrauen. Darum nahm der aus Ostfriesland kommende Eilers um der Gründung des Bethanien-Vereins und des Diakonissen-Dienstes willen das Risiko auf sich, in Gemeinschaft, aber formal unabhängig von der Konferenz diesen Weg zu gehen. Die Kirche hat ihn und seine Diakonissenarbeit unterstützt. Trotzdem hat es zehn Jahre gedauert, bis eine Diakonissen- und Krankenheil-Anstalt mit 18 Betten in neun Zimmern und inzwischen 20 Schwestern mit deren Wohn- und Schlafräumen am Gründungsort Frankfurt eröffnet werden konnte. Von dort erfolgte schließlich eine Ausbreitung zunächst in andere Städte, dann in andere europäische Länder und schließlich bis hinüber nach Amerika als eine frühe Rückwirkung der von dort ausgegangenen Mission auf dem europäischen Kontinent. Für die Entwicklung in Deutschland sind einige Ausblicke bemerkenswert. Die notwendige Trennung der entstehenden Mutterhaus-Diakonie im Jahr 1874 scheint auch die Richtung von deren Entwicklung mitbestimmt zu haben. Zwar hat es später in zahlreichen Großstädten gemeindebezogenen Diakonissenstationen und auch Gemeindeschwestern sowohl im Dienst der methodistischen Gemeinden wie vereinzelt auch in politischen Gemeinden gegeben. Aber das Flied’nersche Vorbild der Kirchen-unabhängigen Anstaltsdiakonie wurde je länger je mehr prägend. Ein anderer bemerkenswerter Aspekt ist für die Diakonie die viel leichtere öffentliche Anerkennung der Organisationen der Diakonissen auch von Seiten der Behörden als es den sich bildenden Kirchen gelang. In Hamburg haben beispielsweise sowohl die aus der Frankfurter Tradition der methodistischen Diakonissenarbeit wie die aus der Wuppertaler Linie der früheren Evangelischen Gemeinschaft kommenden »Bethesda-Schwestern« nach ihren selbstlosen Einsätzen in der verheerenden Cholera-Epidemie von 1892 öffentliche Anerkennung, Zuspruch und Unterstützung erhalten.946 Es ist typisch, dass es für sie nach ihrem hohen Engagement auch von Seiten der Be946 Voigt, Mission in Hamburg, (wie Anm. 345), 110–139 u. 190–218.

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hörden leichter war, formelle Anerkennungen auszusprechen und sogar Unterstützung durch Erbbaugrundstücke bei der Ansiedlung zu gewähren. Die Diakonie war im Vergleich zu den Gemeinden im Vorteil, auch wenn sie sich als deren Zweige verstanden, die – wenn auch nicht formal als Körperschaften – immer miteinander verbunden geblieben sind. Ein völlig anderes Phänomen wird im internationalen Zusammenhang sichtbar. Als Folge der Einbindung in die weltweite Kirche wirkten amerikanische theologische Entwicklungen immer auch nach Europa herüber. Ein sichtbares Zeichen ist das »Soziale Bekenntnis«, das in der Folge des in den USA einflussreichen ›Social Gospel‹ seine Spuren hinterlassen hat. Die damals vielfach und von der Gesamtkirche gesellschaftsbezogenen Forderungen sind einen Vergleich mit dem berühmten 1891er Erfurter Grundsatzprogramm der Sozial Demokratischen Partei wert. Sie hatten zwar in der gesellschaftspolitischen Situation keine Chance, innerhalb der europäischen Staaten wirksam zu werden. Aber die Glieder in den Gemeinden, denen diese Forderungen von Zeit zu Zeit vorgelesen werden sollten, wurden doch über ihren Lebenshorizont hinaus informiert, vielleicht auch sensibilisiert. Unter der Überschrift »Die Kirche und die sozialen Aufgaben«947 wurde das »Soziale Bekenntnis« mit seinen Forderungen durch den Eingang in die Kirchenordnung mit einem starken Gewicht versehen. Es ging darin u. a. um »die Abschaffung der Kinderarbeit«, »die Regulierung der Frauenarbeit«, »die Beseitigung der Hungerlöhne«, »die allmähliche und vernunftgemäße Verminderung der Arbeitsstunden« und andere Probleme, die durch die Industrialisierung entstanden waren und einer Regulierung bedurften. Der stets weiterentwickelte Text ist seit 1908 in den deutschen Ausgaben der Kirchenordnung enthalten.948 Dass solche Themen in der Zeit des Kaiserreichs in Deutschland überhaupt gedruckt und in Gemeinden verlesen werden konnten, weist auch auf die gesellschaftsbezogene Bedeutung einer internationalen, ständig den Horizont erweiternden Kirchengestalt hin. 947 Lehre und Ordnung von 1908 der Bischöflichen Methodistenkirche 1908, Bremen 1908. Darin: Die Kirche und ihre sozialen Aufgaben, 514–518. 948 Heute hat dieser Teil den Titel »Soziale Grundsätze« und umfasst fast alle gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit, wie z. B. »Wasser, Luft, Boden, Bodenschätze, Pflanzen«, »Sexuelle Übergriffe«, »Pornografie«, »Rechte von Kindern«, »Informations- und Kommunikationstechnologien«, um nur einige Stichworte herauszugreifen. Angesichts der Debatten um die Zuwanderungen soll aus dem Abschnitt »Rechte der Immigranten« konkret erwähnt sein: »Wir respektieren, begrüßen und bejahen alle Menschen ungeachtet ihres Herkunftslandes als Glieder der Familie Gottes. Wir unterstreichen das Recht aller Menschen auf Chancengleichheit in der Arbeitswelt, Zugang zu Wohnraum, medizinische Versorgung, Bildung und Schutz vor Diskriminierung. […] Wir widersetzen uns einer Einwanderungspolitik, die Familienmitglieder voneinander trennt oder die Inhaftierung von Familien mit Kindern beinhaltet. Wir rufen unsere Gemeinden dazu auf, den gemeinsamen Dienst mit Migrantenfamilien aufzunehmen.« – Verfassung, Lehre und Ordnung der Evangelisch-methodistischen Kirche, Ausgabe 2017, Frankfurt/M., 2018, 62–90 (hier 75).

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Abschließend können nur die beiden außerordentlich weitreichenden Nachkriegshilfen nach 1918 und 1945 erwähnt werden. Europaweite Hilfe von amerikanischen Methodisten setzte im Anschluss an den wohl einzigen Versöhnungsgottesdienst einer protestantischen Kirche nach dem Ersten Weltkrieg, der Ende August 1919 in Berlin stattfand, ein. Die danach folgende Hungerhilfe überschritt Landes- und Kirchengrenzen. Sie reichte in Waggons der Eisenbahnen trotz der dortigen Revolution von 1917 bis weit nach Russland hinein. Vorher hatte Bischof John L. Nuelsen Russland bereist, danach wurde die Hilfe eingeleitet.949 Die kleinen deutschsprachigen Zweige der methodistischen Kirchen wurden der Arm, der die reichen Spenden aus der großen Kirche Amerika verteilte. Das sollte sich nach 1945 so nicht wiederholen. Auf diese Weise wurde die Hilfsbereitschaft neben der Milderung großer Nöte eine Hilfe zu einem ungeplantem ökumenischen Fortschritt. Die jenseits des Ozeans deutlich weiter als in Deutschland fortgeschrittene Ökumene speiste viele Hilfslieferungen wie in eine gemeinsame Pipeline ein. In Deutschland gab es aber keinen entsprechend ökumenisch organisierten Auslass. Zu den Spenderkirchen in Amerika gehörten die dort zu den größten Kirchen zählenden Methodisten und Baptisten. Sie steuerten einen erheblichen Anteil an Hilfswerkgaben bei. Natürlich wollten sie ihre eigenen Kirchenzweige in Deutschland an den Gaben beteiligt wissen.950 Für die neugebildete Evangelische Kirche in Deutschland und dem von ihr gegründeten ›Hilfswerk‹ kam es zu einer völlig ungewohnten Situation. Immer hatte sie das nationale kirchliche Feld neben den Katholiken beherrscht. Jetzt konnten sie die Minderheitskirchen nicht mehr ignorieren. Selbst kirchenrechtlich kamen sie in eine bisher nie dagewesene Lage. Das Hilfswerk musste aufgrund der Erwartung der amerikanischen Spenderkirchen und des in Planung befindlichen Ökumenischen Rates in Genf ausgeübten Drucks den Namen ändern und die Tätigkeit entsprechend organisieren. Es kam zur Bildung eines »Hilfswerks der Evangelischen Kirchen in Deutschland«. Der ungewohnte Plural, der nicht sich nicht auf die einzelnen Landeskirchen, sondern auf die Minderheitskirchen bezog, löste schwierige rechtliche Fragen aus. Das war eine Folge davon, dass es bis zu dieser Zeit keine ökumenische Gemeinschaft gab, die auch für alle Kirchen verbindliche Entscheidungen hätte treffen, wenigstens vermittelnde Anregungen geben können. Erst die Integration der traditionsreichen ›Inneren Mission‹ in das ›Hilfswerk‹ führte 1957 zur Organisation einer ›Diakonischen Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Kirchen in Deutschland‹. Damit war durch eine Art Ausgliederung für die EKD das Problem gelöst. Von 949 Ralph Dieffendorfer (Hg.), The World Service of the Methodist Episcopal Church, Chicago 1923, 218–221. 950 Karl Heinz Voigt, Einflüsse des US-Federal Council auf die Ökumene in Deutschland. In: Ulrike Schuler (Hg.), Der Methodismus in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg 1945–1965, Frankfurt/M. 2018, 94–109.

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den Nicht-Landeskirchen war diese Lösung gebilligt. Die Geschäftsstelle dieser Arbeitsgemeinschaft wurde zunächst in Frankfurt/M., dem Dienstsitz des methodistischen Bischofs Friedrich Wunderlich, angesiedelt, dann nach Stuttgart ins Diakonische Werk geholt. Im Laufe der Zeit hat sie Schritt für Schritt an Bedeutung verloren. Als die »Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland« (ACK) 1948 gebildet wurde, hielt der Rat der EKD deren Wirkungs- und Einflussmöglichkeit so gering, wie es nur irgendwie ging. Gemeinsame Entscheidungen, wie sie das gemeinsame Hilfswerk erfordert hätte, waren im Grunde ausgeschlossen. Gemeinsame öffentliche Stellungnahmen und Erklärungen behalten sich bis heute die beiden mitgliederstärksten Kirchen, also die EKD und die römisch-katholische Bischofskonferenz vor, allein abzugeben. Nach einem Beschluss der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1961 in New Delhi stand die Integration der autonomen Missionsgesellschaften in die Kirchen an. In Deutschland kam es zu einer ähnlichen Situation wie bei der Integration der Inneren Mission. Die Nicht-Landeskirchen mussten auf eine Klärung drängen, um eine gemeinsame Vertretung aller Missionen zu ermöglichen. Am Ende kam es zur Bildung des »Evangelischen Missionswerks«, das heute in mancher Hinsicht mehr gemeinsame Kompetenzen hat als die Bundes-ACK. Diese komplizierten Entwicklungen zeigen, wie bereichernd im diakonischen und missionarischen Wirken internationale Verflochtenheiten für das nationale kirchliche Leben sein können. Dazu tragen sowohl die international strukturierten Kirchen wie der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) bei. Wie allerdings auch rückläufige Entwicklungen stattfinden können, wo gegenüber dem Ausland vorübergehend notwendige Verpflichtungen abnehmen, zeigt sich sowohl im Bereich der Diakonie wie der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK). Trotz der wachsenden Mitgliederzahl der ACK behält es sich die bilaterale Gemeinschaft von EKD und römisch-katholischer Bischofskonferenz immer noch vor, öffentlich weitgehend alleine aufzutreten. Daran ändern auch immer neue Stellungnahmen und Bischofsworte zur Bedeutung der Ökumene nichts. Wie im Bereich der Diakonie die Bedeutung der Diakonischen Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Kirchen gesunken ist, wurde auch die ACK durch Kürzung der finanziellen Mittel ihrer stärksten Mitgliedskirchen zeitweise in ihrer Existenz bedroht und faktisch langfristig geschwächt. Damit ist der folgende Abschnitt schon eingeleitet.

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4.10 Methodisten waren von Anfang an ökumenisch Das letzte Fenster, das zum Blick in die Geschichte der Methodisten aus deutscher Perspektive geöffnet werden soll, gilt dem breiten Aspekt Ökumene. Wer wirklich missionarisch denkt, denkt und handelt immer ökumenisch. Der Grund ist einfach: der Mensch ohne Gott steht im Zentrum der biblischen Botschaft und darum auch im Denken und Handeln der Kirche Christi. Weder die eigene Person noch die eigene Konfession oder Vorstellungen von der Lehre sind entscheidend. Die Methodisten waren immer kooperationsinteressiert und auch vereinigungsbereit, so sehr sie auch ihre Denomination schätzen. Eine ökumenische Grundhaltung zieht sich unübersehbar durch die Geschichte aller methodistisch geprägten Denominationen. Wie eine Kette kann hier nur ein Glied an das andere angefügt werden.

John Wesleys ökumenische Haltung In vorökumenischer Zeit schrieb John Wesley 1750 seine Lehrpredigt über ›Ökumenische Gesinnung‹ (»Catholic Spirit«), um über alle konfessionellen Unterschiede hinweg »die gemeinsame Glaubensbasis der Christen und christlichen Kirchen« für sich und die von ihm geleitete Bewegung klar zu positionieren.951 Grundgedanken dieser Predigt hatte John Wesley im Jahr vorher schon nach einem Ritt über die ›Grüne Insel‹ in einem Brief »An einen römischen Katholiken« im irischen Dublin niedergeschrieben.952 Nachdem Wesley 1747 vergeblich versucht hatte, »verschiedene Zweige der Erweckungsbewegung in England und Wales« für eine Zusammenarbeit zu gewinnen,953 lud er 1764 zwischen 40 und 50 anglikanische Pfarrer ein, um mit ihnen über eine »Union«, die Wesley schon lange gesucht hatte, in ehrlicher Brüderlichkeit zu sprechen.954 Die Initiativen war erfolglos.

Erfahrungen in Amerika Die Brücke nach Deutschland führt über Amerika. Es war ganz selbstverständlich, dass bei der Konstituierung der methodistischen Kirche 1784 in 951 Manfred Marquardt, Einleitung zur Predigt über ›Ökumenische Gesinnung‹. In: Wesley, Lehrpredigten (wie Anm. 24), 550. Die Predigt folgt auf den Seiten 552–563. 952 Letter to a Roman Catholic, In: The Works of the Rev. John Wesley, hrgg. von Thomas Jackson, Bd. 10, London 18313, 80–86. 953 Heitzenrater, Der frühe Methodismus (wie Anm. 86), 209f. 954 Der Brief und drei Antworten in: WJW, Bd.21, Nashville 1992, 454–461.

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Baltimore der deutsche reformierte Pfarrer Philipp W. Otterbein (1726–1813) an den ersten methodistischen Ordinationen in Amerika durch Handauflegung mitwirkte. Als Jacob Albrecht um 1800 anfing, die spätere Evangelische Gemeinschaft zu sammeln, waren es Lutheraner, Reformierte und Mennoniten aus Deutschland und Hugenotten aus dem Elsass, die sich ihm anschlossen. Albrechts Frau blieb zeitlebens Mitglied der lutherischen Kirche. Als die Bischöfliche Methodistenkirche Amerikas 1835 eine Mission unter Immigranten aus Deutschland aufnahm, wurde der ehemalige Lutheraner Wilhelm Nast schon bald die führende Persönlichkeit innerhalb dieses Kirchenzweiges. Er gewann unter den Einwanderern Mitarbeiter, von denen die Mehrzahl ihre theologischen Grundkenntnisse aus dem Konfirmanden-Unterricht mitbrachten, den sie in ihren heimatlichen Gemeinden mit Luthers Kleinem oder dem Heidelberger Katechismus empfangen hatten. In Amerika war es unter den erwecklich bestimmten Kirchen fast normal, dass Reiseprediger aus anderen Denominationen auf fremde Kanzeln eingeladen wurden und dass sie oft, wo es keine Gemeinde der eigenen Denomination gab, auf ihren Reisen in Häusern von Predigern anderer Kirchen herbergen konnten. Als der YMCA aufkam, war es die Zeit, in der es unter Dwight L. Moody (1837–1899) zu typischen Massenversammlungen kam. An deren Stil knüpfte später auch Billy Graham (1918–2018) an. In den Großstädten Amerikas organisierte Moody deutsche Parallelveranstaltungen. Dort predigte koordiniert mit der Moody-Evangelisation der »deutsche Moody«, wie man den aus Württemberg stammenden, inzwischen Methodistenprediger gewordenen Friedrich von Schlümbach (1842–1901) nannte.955 Wenn der zum Generalsekretär des deutschen CVJM in Amerika Berufene Schlümbach ans Rednerpult trat, saßen – wie das im kongregationalistisch geprägten Amerika auch in den normalen Gottesdiensten für die Gemeindeältesten üblich war – hinter ihm eine Reihe Prediger die fast alle deutschsprachigen Kirchengemeinden der jeweiligen Stadt in vorökumenischer Gemeinsamkeit repräsentierten. In der Regel fehlte nur eine Gruppe, das waren die konfessionsbewussten Lutheraner. Mit der Erfahrung dieser Erlebnisse kamen die methodistischen Missionare nach Europa. Nicht nur, dass sie die erhoffte Religionsfreiheit nicht vorfanden. Auch ihre Vorstellung, »mitzuhelfen beim Aufbau des Reiches Gottes«, erwies sich in den von unterschiedlichen konfessionellen Richtungen geprägten Ländern Deutschlands als unmöglich. An ein Miteinander oder eine Zusammenarbeit, wie sie es aus Amerika kannten, war nicht zu denken.

955 Hahn-Bruckart, Friedrich von Schlümbach (wie Anm. 352), 115–146, hier: 206ff.

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Zur Lage in Deutschland Als der Stratege Jacoby und seine ersten Mit–Missionare nach Deutschland kamen, waren zwischenkirchliche Offenheit, Begegnungsbereitschaft, ja Gespräche zwischen einem Methodisten und einem Landeskirchler Ausnahmen. Dagegen erhielten sie von interessierten Landarbeitern, Kleinbauern und von solchen, die von ausgewanderten Verwandten Briefe aus Amerika erhalten hatten, viele Einladungen. Allein im Bremer Umland sind 53 Orte956 erwähnt, wo die Methodistenprediger in Bauernstuben, auf Dielen und in gemieteten Sälen ihre eigenen Gotteserfahrungen erzählten, über Amerika berichteten, und natürlich die Gelegenheit wahrnahmen, zu einem bewussten Leben in der Nachfolge Jesu einzuladen. Mit dieser Zuspitzung hatten die meisten bäuerlichen Familien mit ihren Knechten, Mägden und den dazu gekommenen neugierigen Nachbarn kaum einmal eine Predigt gehört. Die missionierenden Prediger hätten sich nach ihren amerikanischen Erfahrungen gar nicht vorstellen können, dass sie mit ihren methodistischen Versammlungen in ein fremdes Amt eingreifen und den kirchlichen Frieden so störten, dass es gelegentlich auch zu Krawallen kam. Niemand hatte ihnen gesagt, dass sie ihre Versammlungen vorher offiziell anmelden müssen, weil das ganze Land jeweils von jeweils einer Konfession besetzt war. Zwischenkirchliche Begegnungen konnte es darum gar nicht geben. In guter Gewohnheit lebte Jacoby seine überkonfessionelle Offenheit. Wohin er kam suchte er den Kontakt. Auf seiner ersten Berlinreise 1850 besuchte er bekannte Professoren und Pastoren, in Sachsen klopfte er beim Superintendenten in der Region an, von der aus die Arbeit der Methodisten begann, in Frankfurt suchte er einen Vertreter der Brüdergemeine auf. Wir hätten gerne gewusst, was die Gesprächsthemen waren und wie die Besuchten auf die Einkehr eines Methodisten reagiert haben. Da ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten. Nach seinen Besuchen in Berlin957 schrieb Jacoby nach Amerika. Er zählte die Namen der Besuchten auf und bemerkte, »wohin ich kam, wurde ich mit Liebe empfangen. Ich freute mich über das Kindliche dieser großen und frommen Männer und ich fand, daß viele Vorurteile schon überwunden sind.«958 Bei seinem nächsten Berlin-Besuch 1851 führte der Methodist die Kontakte weiter. Es kam zur zweiten Begegnung mit Pastor Eduard Kuntze (1799–1862), der ihn als früher Förderer der Evangelischen Allianz in Deutschland in die Ziele dieser überkonfessionellen Bewegung einführte, an deren Gründungskonferenz 1846 956 Voigt, Methodistische Mission in Hamburg (wie Anm. 345), 28 zählt die Namen der Orte und Regionen auf. 957 Vgl. 4.10 Abschnitt: Zur Lage in Deutschland. 958 Brief Ludwig S. Jacoby an Wilhelm Nast vom 11. Juli 1850. In: CA 1850 (12. Jg.), 133.

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er in London selber teilgenommen hatte. Am Tag vorher hatte er Professor Justus Ludwig Jakobi (1815–1888) besucht, der kein Verwandter des aus Bremen kommenden Jacoby war. Die Einladung zum Essen ist ein Zeichen des Wohlwollens. Der Gast berichtet über »eine sehr angenehme Unterhaltung mit Jakobi und seiner Gattin über Amerika und den Methodismus.«959 Jacoby fand in Berlin, wo er auch den amerikanischen Gesandten am preußischen Hof, Joseph A. Wright (1810–1867) besuchte, überall offene Türen. Von Berlin ging die Reise weiter zum ersten Besuch der im Raum ThüringenSachsen beginnenden Arbeit. Samstags war er in Rüßdorf angekommen, montags stand er zusammen mit dem Amerika-Rückkehrer Ehrhardt Wunderlich vor der Tür von Superintendent Nicola im nahe gelegenen Weida. Der empfing seine Besucher »liebevoll und freundlich«. Die Schilderung des Gesprächsverlaufs zeigt, dass es durch die Aktivitäten Wunderlichs zu »Klagen von Predigern« bei dem Superintendenten gekommen war.960 Er hatte sich darum schon an das Konsistorium gewandt. Nach dem kritischen Gespräch bemerkte Jacoby : »Doch entließ er uns sehr freundlich.« Am Tag darauf machten sich die beiden Methodisten auf, um in der Stadt des Regierungssitzes vom Fürstentum Reuß in Greiz ihre Pläne vorzustellen. Dort suchten sie den Kirchenrat auf, weil Wunderlich in diesem Ländchen durch den »Pöbel«, wie er es nannte, vertrieben worden war. Sie wollten für bessere Bedingungen sorgen, begegneten aber in dem Kirchenrat »einen wahrhaft frommen Mann, jedoch voll von Vorurtheil gegen Methodismus.« Vor seinen erwähnten Reisen hatte Jacoby bereits seine »Vaterstadt« Altstrelitz besucht, die er verlassen hatte, als er noch der dortigen jüdischen Gemeinde, in der seine Familie aktiv war, angehörte. Er besuchte dort auch zwei landeskirchliche Pfarrer. Über seine Begegnungen schrieb er : »Die Prediger daselbst empfingen mich mit großer Liebe. Ich war einen Sonntagabend mit zweien zusammen und erklärte ihnen unsere Lehre und Kirchenordnung. Alles gefiel ihnen ausgezeichnet; doch in Deutschland wäre es nicht einführbar.«961 Eine pessimistische Aussage, nachdem noch im März 1849 in der Verfassung eine neue politische Epoche eingeläutet schien. In Altstrelitz kam es einige Tage später zu einer zweiten Begegnung über »einige Stunden«, an der auch ein »streng lutherischer Superintendent« teilnahm. Es könnte Theodor Kliefoth (1810–1895) gewesen sein, der gerade an seinen »Acht Büchern über die Kirche« 959 Jacoby, Reisebericht an Dr. Durbin vom 24. Febr. 1851 (wie Anm. 782), 75. Daraus auch die folgenden Zitate. 960 Ein Beispiel von Pfarrer Franz V. Tesch aus Tschirna vom 11. Febr.1851 in Konsistorium Greiz, Rep. C, Kap. IV b, Nr. 35. Mit der entsprechenden Einschätzung von Ehrhardt F. Wunderlich. 961 Brief Ludwig S. Jacoby, Unsere Mission in Deutschland. Bericht vom 4. Dez. 1849. In: CA 1850 (12. Jg.), 7. Daraus auch die folgenden Zitate.

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arbeitete und auch aus konfessionskundlichen Gründen Interesse an der Begegnung gehabt haben kann. Der Superintendent verabschiedete sich – nach dem Bericht Jacobys – mit den Worten: »Sicherlich wünsche ich, daß alle, die in der lutherischen Kirche geboren, darin erhalten werden möchten. Doch mangelt es ihr an Arbeitern, sie zur Seligkeit zu führen, so wünschte ich, daß Sie sie zu lauter wahren Methodisten machen.« Genug der Beispiele, die zeigen, wie die methodistische Mission zuerst ohne Absprache begonnen wurde, sich bald persönliche Gespräche mit einzelnen Vertretern anbahnten, die aber, je länger sie hier wirkten, immer seltener wurden. Es war am Ende wie eine erfolglose Partnersuche, sowohl bei Pfarrern wie bei Kirchenbehörden.

Ökumene an den Jährliche Konferenzen im 19. Jahrhundert Die jährlichen Tagungen der kirchenleitenden Konferenzen waren auch Orte der Einübung in ökumenisches Denken und Handeln. 1865 hatte die Konferenz der Methodistenkirche 35 Mitglieder, acht davon hatten mehrere Jahre in Amerika gearbeitet, Ernst Gebhardt war aus Chile zurückgekommen. Die meisten Konferenzen standen unter der Leitung eines Bischofs, der aus Amerika kam und im Zusammenhang mit Deutschland und der Schweiz auch die Zweige der Kirche in den nordischen Ländern besuchte. Falls die Termine des bischöflichen Reiseplans im Anschluss an den Deutschlandbesuch die Weiterreise nach Skandinavien oder Italien nicht zuließen, kamen gelegentlich die zur Ordination anstehenden Kandidaten zur deutsch-schweizerischen Konferenz. Insgesamt gab es keine Konferenztagung, die nicht von mehreren Gästen aus anderen Ländern und Kirchen besucht wurde. Mit Frankreich gab es auch um die Kriegszeiten 1870/71 herum Kontakte. Aus Ungarn und Bulgarien kamen gelegentlich Besucher. Missionare, die von Amerika nach China unterwegs waren, wählten gerne den Weg über Europa, um dort eine Konferenz zu besuchen. Seit 1864 gab es regelmäßig gegenseitige Besuche, in denen offizielle Abgeordnete der Evangelischen Gemeinschaft empfangen und umgekehrt von den bischöflichen Methodisten an deren Konferenzen entsandt wurden. Konsuln, die zur methodistischen Kirche gehörten, kamen nicht nur aus deutschen Kleinstaaten und Schweizer Kantonen, sondern auch aus Kopenhagen und der Türkei. Vereinzelt kamen Besucher aus anderen Kirchen, u. a. Waldenser, Presbyterianer aus Amerika und Schottland, Professor Karl Wilhelm Ritter (1847–1906) aus dem Baltikum und natürlich regelmäßig von den Wesleyanern, gelegentlich auch von der Kirche der Vereinigten Brüder und der Herrnhuter Brüdergemeine. Grußbotschaften, die schriftlich ausgetauscht wurden, finden sich teilweise in den gedruckten Verhandlungsniederschriften der jeweiligen Konferenz. Aus

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Amerika kamen auch Besucher aus anderen Denominationen: vorwiegend Baptisten und Kongregationalisten. Der in der Schweiz geborene amerikanische Professor Philipp Schaff (1819–1893) sprach die Konferenz an und warb um eine Teilnahme an einer New Yorker Allianz-Weltkonferenz. Die Vertreter aus den deutschen Landeskirchen hielten sich mit derartigen Kontakten zurück. Was dieser Austausch bedeuten kann, zeigen z. B. die Schreiben der Konferenz in Frankreich an die Konferenz von Deutschland und Schweiz vor und nach dem Krieg von 1870/71.962

Natürliche internationale Einflüsse In London wurde 1881 die ›Ökumenische Methodistische Konferenz‹ gebildet.963 Der für die Bischöfliche Methodistenkirche des Kontinents entsandte Seminardozent Dr. Arnold Sulzberger (1832–1907) war ein Schweizer. In seinem Vortrag knüpfte er an eine ökumenische Vision an, die Bischof Matthew Simpson (1811–1884) im Eröffnungsvortrag der Konferenz vorgestellt hatte. Vor den 400 Delegierten aus 30 methodistischen Kirchenzweigen,964 von denen nur wenige eine Ahnung davon hatten, wie es den Methodisten im Land der Reformation erging, sagte Sulzberger : »Ich hoffe, der Tag wird kommen, an dem die Vorhersage unseres ehrwürdigen Bischofs Simpson Realität wird in einem Protestantischen Ökumenischen Rat in Deutschland.«965 Das war 1881 in London. Fast einhundert Jahre später wurden in die 1948 gebildete ›Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen‹ auch die Orthodoxen Kirchen und die Römisch-katholische Kirche aufgenommen. Das war weit mehr, als man 1881 für realistisch ansehen konnte. Es wird in Deutschland kaum eine Kirche geben, die in der Praxis ihres Wirkens international und ökumenisch zu jener Zeit so eingebunden war, wie 962 Die Schreiben (1) vom 27. Juni 1870 und (2) ohne Datum (nach dem Krieg). In: Verh., der Jährlichen Conferenz der Bischöflichen Methodistenkirche, 1870, 27f. und 1872, 40–42. Darin: »Es ist wahr, unsere Wunden sind blutend und wir können keinen Blick auf unser theures Frankreich werfen, ohne die Gefühle Jeremias zu empfinden, der über den Verfall seines Volkes weinte.« (42). 963 Mit Rücksicht auf den 1948 gebildeten ›Ökumenischen Rat der Kirchen‹ haben die Methodisten 1951 anlässlich ihrer 8. Weltkonferenz in Oxford beschlossen, den Namen ›Ecumenical Methodist Conference‹ in ›World Methodist Council/Weltrat Methodistischer Kirchen‹ zu ändern. 964 Die Evangelische Gemeinschaft hatte den Gelsenkirchener Prediger Heinrich Hintze (1835– 1918) entsandt. 965 Arnold Sulzberger. The Missionary Work in Papal and Semi-Infidel Nations. In: First Oecumenical Methodist Conference, London 1881, 522–528 (hier 527). (»I hope the day will come when the prophecy of our venerable Bishop Simpson will be realised by a Protestant Oecumenical Council in Germany.«).

Methodisten waren von Anfang an ökumenisch

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die Konferenzen der methodistischen Kirchen und keine Kirche, die damals schon eine vergleichbare Vorstellung von einem nationalen ökumenischen Rat hatte.

Die Evangelische Allianz als Einheitsbewegung Die Beziehungen zur einzigen internationalen Einheitsbewegung im 19. Jahrhundert, der Evangelischen Allianz, die von England nach Deutschland herüber wirkte und hier Zweigvereine organisiert hatte, waren ermutigend und hilfreich, ja für eine nach außen offene Kirche wichtig. Als auf Einladung von Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) 1857 eine Weltkonferenz der Evangelischen Allianz in Berlin zusammenkam, gab es viel Widerspruch in überregionalen kirchlichen Zeitschriften, besonders von Theologen aus der Hauptstadt Berlin. Zu den zentralen Punkten der Kritik gehörte der unnachgiebige Kampf der Londoner Allianz-Zentrale für Religionsfreiheit, zu der auch deren Einsatz für eine Akzeptanz der kirchlichen Minderheiten in Deutschland, besonders der Baptisten, gehörte. Es war außergewöhnlich, dass Wilhelm Nast (1807–1899), der führende deutsche Methodist in Amerika, zu dieser Konferenz eingeladen war, um einen Vortrag zu halten. Dieses ergab die erste Gelegenheit, in Deutschland vor einem solch großen Forum über das Selbstverständnis und die Arbeit der methodistischen Kirche in Amerika und speziell über den deutschsprachigen Zweig zu berichten.966 Nast hatte das Privileg, während dieser Konferenz als Gast bei deren Organisator, Pfarrer Eduard Kuntze (1799–1862), zu wohnen. Der aus Cincinnati angereiste Methodist hatte Kuntze, der sich als Übersetzer methodistischer Literatur und Sympathisant der wesleyanischen Kirche gezeigt hatte, schon 1844 besucht. Die methodistischen Kirchen blieben der Allianz verbunden. 1866 wurde Jacoby als Delegat für eine in den Niederlanden geplante Konferenz gewählt. In der Hoffnung auf wachsende Einheit unter den Christen hat die Jährliche Konferenz 1874 durch einen Beschluss zur Evangelischen Allianz unterstrichen, dass »wir allen Kundgebungen nach brüderlicher Vereinigung bereitwilligst die Hand bieten wollen.«967 In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu positiven Stellungnahmen.968 Das waren zu dieser Zeit Folgen jener Impulse für überkonfessionelles Wirken, welche der amerikanische, ganz nicht typische 966 Der Vortragstext von Nast in: Karl Eduard Reineck (Hg.), Verhandlungen der Versammlung evangelischer Christen Deutschlands und anderer Länder vom 9. bis 17. September 1857 in Berlin, Berlin 1857, 252–263. 967 Verh. Jährliche Conferenz der Bischöfl. Methodistenkirche 1874, Ausschuss »Allianzsache«, 42. 968 Verh. Jährliche Conferenz der Bischöfl. Methodistenkirche 1875, 41; 1876, 53, 1877, 55.

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

Quäker Robert Pearsall Smith (1827–1898) bei dessen »Triumphreise« 1875 im Sinne der Heiligungsbewegung angestoßen hatte. Durch ihn hatte sich auch die früher schon an der Evangelischen Allianz geübte Kritik verstärkt. Es waren zwei Hauptpunkte, welche diese kritische Haltung auslösten. Ihre internationale Organisation und insbesondere ihr Kampf um Religionsfreiheit, den sie ohne spezielle Interessen für eine bestimmte protestantische Konfession führte. Schon 1851 war es auf dem Elberfelder Kirchentag, zu dem auch Jacoby von Bremen angereist war, zu einer Konfrontation zwischen eingeladenen Londoner Vertretern der ›Evangelical Alliance‹ und der Kirchentagsleitung gekommen.969 Innerhalb der deutschen Allianz-Zweige spielte die Frage der Religionsfreiheit fast keine Rolle. Dieses Thema war für die deutschen Landeskirchen ein Tabu. Das hatte natürlich seine Auswirkung auf die inhaltliche Entwicklung der dadurch noch weniger Einfluss nehmenden Einheitsbewegung. Trotzdem hielten ihr die Methodisten und andere Minderheitskirchen die Treue. Es war für sie fast die einzige Ebene eines Kontaktes mit diesem und jenem landeskirchlichen Pfarrer. Zunehmend entwickelte sich durch die jährliche Januar-Gebetswoche auch für die Gemeinden eine zwischenkirchliche Brücke des Vertrauens, bis die viel später wachsende ökumenische Gemeinschaft eine breitere Basis für die Bildung gegenseitigen Verständnisses ergab, die auch von Kirchenleitungen nicht völlig ignoriert werden konnte.

Mitgestaltung der Ökumene in Deutschland Wie sehr sich die kontinentalen Methodisten nach einer überkonfessionellen Gemeinschaft gesehnt haben, zeigte ihre engagierte Mitarbeit im »Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen«, die von Anfang von in den Führungsebenen der Landeskirchen distanziert und kritisch beobachtet wurde. Der europaweit wirkende Bischof John L. Nuelsen (1867–1946), zu jener Zeit einer der führenden Ökumeniker in Europa, hat den Weltbund und dessen unermüdlichen Leiter Friedrich Siegmund Schultze (1885–1969) vielfach unterstützt und gefördert. Von Bischof Nuelsen ging auch die Initiative aus, nach dem Ersten Weltkrieg in der sich neu konstituierenden ›Deutschen Evangelischen Kirche‹, der Vorgängerin der EKD, als Methodistenkirche Mitglied zu werden. Das fand dort zwar ein Echo, aber es war so gering, dass es nicht zu ernsthaften Erwägungen kam. Die Teilnahme und Mitarbeit an der Stockholmer Weltkonferenz 1925 war 969 Karl Heinz Voigt/Thomas Schirrmacher (Hgg.), Menschenrechte für Minderheiten in Deutschland und Europa. Vom Einsatz für Religionsfreiheit durch die Evangelische Allianz und die Freikirchen im 19. Jahrhundert, Holzgerlingen 2004. Darin: »Menschenrecht Religionsfreiheit«: Thema der Internationalen Evangelischen Allianz und des Deutschen Kirchentags in der Mitte des 19. Jahrhunderts, 37–73.

Methodisten waren von Anfang an ökumenisch

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für die Evangelische Gemeinschaft und bischöflichen Methodisten, nachdem sie der Deutschen Evangelischen Kirche einige Plätze abgerungen hatten, selbstverständlich. Nachdem der Lutheraner Ludwig Ihmels (1858–1933) und ein anglikanischer Bischof aus England die ersten beiden das Konferenzthema begleitenden Sonntagspredigten gehalten hatten, war für den dritten Sonntag der methodistische Bischof Nuelsen von dem Organisationsausschuss unter Bischof Nathan Söderblom (1866–1931) dazu eingeladen. Nuelsen gehörte dem Fortsetzungsausschuss an. Außer im Stockholmer Zweig »Praktisches Christentum« waren ab 1927 die beiden methodistischen Kirchen auch im Lausanner Zweig »Glaube und Kirchenverfassung« aktiv an den Diskussionen und Studien beteiligt. Wie sich die stets zurückhaltenden ökumenischen Beziehungen der Landeskirchen gegenüber den Freikirchen auf die bedrückende Teilnahme in Oxford 1937 ausgewirkt haben, ist mit allen weiteren Begleitumständen noch nicht gründlich erforscht. Wie immer ein Ergebnis auch ausfallen wird, die ökumenische Linie wurde 1948 durch die Mitgliedschaft der weltweiten Gesamtkirche im Ökumenischen Rat selbstverständlich weitergeführt. Alles andere wäre undenkbar gewesen. Immerhin war der methodistische Laie John Mott (1865–1955) über die Weltmissionskonferenz von 1910 hinaus, an der auch Methodisten aus Deutschland trotz Protestes aus den Landeskirchen teilnahmen, einer der Wegbereiter für die Formierung des ÖRK. Beide methodistische Kirchen in Deutschland gehörten im Vorfeld der 1948 gebildeten Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen zu den treibenden Kräften.970 1968 war die weltweit erfolgte Vereinigung der Evangelischen Gemeinschaft und der Methodistenkirche zur Evangelisch-methodistischen Kirche ein Zeichen ökumenischer Konsequenz. Danach kam es 1987 in der Nürnberger St. Lorenzkirche und 1990 in der Zwickauer Friedenskirche und der Berliner Marienkirche zu neuen ökumenischen Höhepunkten. Dort wurde in gemeinsamen Abendmahls-Gottesdiensten in Verbindung mit der Deklaration der vollen ›Kirchengemeinschaft‹ zwischen den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DRR und der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) ein in West und Ost vielbeachteter Schritt zur Einheit in Vielfalt getan. Es gibt durchaus noch Möglichkeiten, diese höchste Form offizieller kirchlicher Gemeinschaft mit mehr Leben zu erfüllen. Allerdings darf man diese Erwartung auch nicht überhöhen, weil die Mehrzahl der methodistischen Gemeinden in Gottesdiensten der Evangelischen Allianz und bei ökumenischen Anlässen auch ohne diese formale kirchenrechtliche Anerkennung längst gemeinsame Abendmahlsgottesdienste gefeiert hatten. Das Besondere dieser Vereinbarung, die festschreibt, was längst praktiziert wurde, 970 Karl Heinz Voigt, Ökumene in Deutschland. Von der Gründung der ACK bis zur Charta Öcumenica,(1948–2001), KKR 65, Göttingen 2015, 96–122.

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Die Kirche – Aspekte ihrer organisatorischen Gestalt

ist: kirchenleitende Organe haben damit auch einen unübersehbaren Strich unter die Vergangenheit gezogen. Somit waren die feierlichen Gottesdienste in Nürnberg, Zwickau und Berlin ein Ausdruck der versöhnenden Kraft des Evangeliums und der Bereitschaft der beteiligten Kirche, diesem Wendepunkt einen würdigen öffentlichen Ausdruck zu geben. Er kann auch als ein Zeichen einer Bereitschaft angesehen werden, den von den Methodisten im 19. Jahrhundert angestrebten gemeinsamen missionarischen Dienst der Mission im eigenen Land in Gemeinschaft zu erfüllen. Es war gewiss kein Zufall, dass nach dem ›Missionarischen Jahr 1980‹ »der entscheidende Anstoß zu einer erneuten Beschäftigung mit dem Thema [des Aufbruchs zu einer missionarischen Ökumene …] auf ein Grundsatzreferat von Bischof Dr. Walter Klaiber […] unter dem Titel ›Missionarische Ökumene – Ökumene der Mission‹«971 zurückging. Klaiber hatte es vor den orthodoxen, römisch-katholischen und protestantischen Delegierten der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirche (ACK) gehalten. Diese waren bereit, den Anstoß aufzunehmen. Die ACK führte daraufhin 1999 in der Missionsakademie Hamburg eine über mehrere Tage dauernde Konsultation zu den Fragen gemeinsamer Mission in Deutschland durch.972 Nachdem einige Fenster und Türen zu konkreten Rückblicken und Einblicken ins Haus der methodistischen Geschichte und Praxis geöffnet worden sind, folgt jetzt ein kurzer Blick in die nahe Zukunft.

971 Walter Klaiber, Missionarische Ökumene – Ökumene der Mission. In: Ökumenische Rundschau, 1998 (49. Jg.), 291–306. 972 Klaus Peter Voß, 1. Konsultationsprozeß der ACK über die gemeinsame Aufgabe der Mission und Evangelisation in Deutschland. In: Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, hgg. von K. P. Voß u. a.), Aufbruch zu einer missionarischen Ökumene. Verständigungsprozess über die gemeinsame Aufgabe der Mission und Evangelisation in Deutschland, Hamburg 1999, 11.

Teil 5: Ausblick und Ergebnis

Es wird hilfreich sein, in einer Vorbemerkung zu erläutern, was die Methodisten unter ihrem Quadrilaterial verstehen, das auch in der Diskussion für die Formulierung des Selbstverständnisses verwendet wird. Die tragenden Elemente dieses Quadrilaterals sind zuerst die Schrift, danach auch Tradition, Erfahrung und Vernunft. Eine Kirche, die theologisch aus der reformatorischen theologischen Tradition erwachsen und dieser immer verbunden geblieben ist, braucht in zahlreichen Fragen trotz der reformatorischen Nähe zur Beschreibung ihres vergangenen und zukünftigen Weges mehr als eine Berufung auf die Schrift. Insbesondere eine kirchliche Minderheit muss über die Schrift hinaus auch für die Gestaltung ihres denominationellen Weges die Tradition, die Erfahrung und die Vernunft einbeziehen. Mit der Tradition ist auch die Zeit weit über die Reformation bis hin zur frühen Kirche gemeint. Weiter ist es geradezu zwingend, auch Erfahrungen, durch welche die Methodisten selber in nachreformatorischer Zeit infolge denkerischer, sozialer, industrieller und globaler Veränderungen mitgeprägt sind, in die Weiterentwicklungen einzubeziehen. Die Vernunft gebietet es, die drei genannten Aspekte, Schrift, Tradition und Erfahrung unter der Leitung des Geistes zusammen zu denken und mit Weitblick den jeweils weiteren Schritt der Kirche zu gestalten. In diesem Sinne ist es unausweichlich, auch das methodistische Christian Conferencing als einen Dialog zwischen Schriftauslegung, Dogmengeschichte und Geschichte der eigenen Kirche zu gestalten. Der gemeinsame kritische Dialog im Quadrilateral, der auf breiter Ebene unter der Beteiligung von Theologen und Laien seinen Ort hat, hilft in diesem weiten Blickfeld, dass die Selbstsicht nicht zur Selbstbespiegelung wird, um sich selber zu befriedigen. Wer allerdings nicht dann und wann auch in den Spiegel schaut, der hat von sich selbst kein realistisches Bild mehr. Es besteht die Gefahr, dass er sich am Ende kaum wieder erkennt.

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5.1

Ausblick und Ergebnis

Ein Blick in die Gegenwart und die Zukunft

Die historischen Beobachtungen werfen Fragen an die Gegenwart auf. Können in einer hier und da wachsenden, aber insgesamt zahlenmäßig kleiner werdenden Kirche die Ordnungen, wie es alle vier Jahre geschieht, lediglich fortgeschrieben werden oder ist die Zeit gekommen, in Teilbereichen zu neuen, den Umständen angemessenen Neuordnungen zu kommen? Das Beispiel der historischen Skizze über die Entwicklung der Konferenz als grundlegender Körperschaft der Kirche zeigt, wie in Verbindung mit Veränderungen in der kirchlichen Arbeit die Ordnung stets weiterentwickelt wurde, teils aus theologischer Einsicht, teils als Antwort auf gesellschaftliche Entwicklungen. Der Weg der Institution Konferenz führte zuerst von der ausschließlichen Gemeinschaft der ordinierten Reiseprediger zur Teilnahme und Mitwirkung aller Ordinierten. Später schloss sich die volle Integration der Laiendelegierten aus den Gemeindebezirken an. Auch die Erweiterung der hauptamtlichen ordinierten Dienste auf Pastorinnen und natürlich entsprechend auf Superintendentinnen und Bischöfinnen war ein unverzichtbarer, darum auch verhältnismäßig früher Schritt. Neben derartigen gravierenden Veränderungen, die in einer geistbewegten wachsenden Missionsgemeinschaft ihren Ursprung hatten, muss jeder Beobachter erkennen, dass geistliche Kraft nicht konservierbar ist, sondern immer wieder neu geschenkt und angenommen werden muss. Heute gibt es eine unübersehbare Tendenz von der Mission in den gebeutelten Städten und Dörfern zur Betreuung der Gemeinden durch die Hauptamtlichen. Gestresste Gemeindeglieder, die teilweise viel von ihrer missionarischen, gewinnenden Motivation verloren haben und beruflich oft ausgepowert sind, möchten betreut werden. Eine natürliche Frage für die methodistische Kirche ist, ob gewisse Elemente der missionarischen Grundstruktur der kirchlichen Wirklichkeit und dem Kontext der gesellschaftlichen Situation von heute weiterhin entsprechen. Dabei sind andere Fragen als die Zahl der Jährlichen Konferenzen in Deutschland vorrangig. So ist beispielsweise zu diskutieren, ob das heute immer weitergeführte System der Konferenzen, das eine eigentlich sympathische Grundfigur demokratischer Beteiligung und im Prinzip ein Leitungssystem weniger von einzelnen Persönlichkeiten als vielmehr durch Gremien darstellt, in dieser Form zukunftsfähig ist. Die gemeinsame Leitungsverantwortung einer kirchlichen Körperschaft in grundlegenden Fragen schließt heute Herausforderungen ein, die mit der Verantwortung der Konferenzmitglieder im 19. Jahrhundert nicht vergleichbar sind. Man denke an die kompliziert gewordenen Rechtsfragen bei der Anstellungen von Mitarbeitern, an Entscheidung über millionenschwere Bauprojekte, die Verabschiedung von überregionalen Haushaltsplänen und auch an kirchenrechtliche Veränderungen im Zusammenhang einer immer kompli-

Ein Blick in die Gegenwart und die Zukunft

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zierter werdenden nationalen und europäischen öffentlichen Rechtslage und die differenzierten Kenntnisse, die an jeden Abgeordneten gestellt werden müssen. Die Kirche wird Wege finden müssen, wie sie sachkompetente Laien für die verschiedenen Ebenen als qualifizierte Mitarbeiter, auch ehrenamtliche, berufen und in die Vorbereitung von Entscheidungsvorgängen formal einbeziehen kann, auch wenn sie keine Konferenzmitglieder sind. Die vorhandenen Ansätze müssten konsequent ausgebaut werden. In einer demokratisch organisierten Gesellschaft und der teilweise vorhandenen Bereitschaft, sich in ihr zu engagieren, sind Fragen an die Formen und Wege einer überschaubaren Kirche mit einer bewusst in sie eingetretenen und aufgenommenen Mitgliedschaft angebracht. Eine kreativ zu lösende Herausforderung an die mit Vollmacht zur Leitung ausgestatteten, also zuerst an die Zentralkonferenz-Delegierten, besteht darin, für das deutsche Zentralkonferenzgebiet eine Form der Leitung zu entwickeln, welche das System der grundlegenden Körperschaft Jährliche Konferenz nicht entmündigt und gleichzeitig Verantwortlichkeiten auf eine Ebene hebt, die sachkundig und von unserem kirchlichen Selbstverständnis her vorbereitend beschlussfähige Vorlagen in Finanz- und Ordnungsfragen für die jährlich tagenden Konferenzen erarbeiten kann. Das würde für die Plenarsitzungen Zeit schaffen, um den Jährlichen Konferenzen mehr Raum für die Erörterung und Weiterführung theologischer und gemeindlicher Fragen zu geben, wie es ihre ursprüngliche Aufgabe ist. Dazu wären besonders für Plenarsitzungen neue Formate zu erwägen. Es könnten Streitgespräche zwischen Spezialisten, Vorstellung und Begründung von Modellen für einzelne Projekte aus unterschiedlicher Perspektive durch verschieden positionierte Personen, Expertenbefragungen, Podiumsdiskussionen – auch mit ökumenischen Gästen – und andere Praktiken sein. Es ist wünschenswert, in mancher Hinsicht die Beziehungen zwischen der Konferenz und den Gemeindebezirken und Bezirkskonferenzen, also die connexionelle Verbindung und Verpflichtung zu vertiefen. Die Konferenzen sollten über die finanziellen Verpflichtungen hinaus auch inhaltlich bestimmte Themen und Fragen an die Gemeinden weitergeben und sie zu Rückmeldungen ihrer Beratungsergebnisse verpflichten. Durch die Einführung eines korrespondierenden Systems können Prozesse eingeleitet werden, durch welche das zunehmende Gemeindebewusstsein und Interesse im Sinne der connexionalen Gemeinschaft über die eigene Gemeinde hinaus verstärkt werden können. Abgesehen davon können gewachsene Einsichten zu Ergebnissen führen, die je nach Thema innerkirchliche Impulse setzen oder als Teilnahme am öffentlichen Diskurs auch medial verbreitet werden. Manche Ergebnisse könnten dann unter Einbindung der Konferenzmitglieder in ihren Gemeinden weiter diskutiert werden und das Gemeindeleben bereichern. Ein korrespondierender Dialog als ›Christian conferencing‹ unter Einbeziehung heutiger medialer Möglichkeiten

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Ausblick und Ergebnis

und gegenseitiger Besuche schließt die Möglichkeit zu gegenseitigen Impulsen ein. Das alles kann Gemeinden und Pastoren helfen, mit einem praktizierten connexionalen Bewusstsein aufkommende Gemeinde-egoistische Tendenzen zu überwinden. Auch die Praxis immer neuer Gespräche in Kleingruppen sollte kritisch analysiert werden. Es lässt sich der Eindruck nicht zurückweisen, dass zu oft lediglich die bei den Teilnehmenden vorhandenen Kenntnisse kreisen, ohne dass wirklich ein neues Tor geöffnet wird, wenn nicht inhaltlich inspirierende Impulse die Gespräche anregen, seien es theologische Fragen, gesellschaftliche Herausforderungen oder historische, rückbesinnende Klärungen für die Zukunft.

5.2

Ergebnisse

Ein Übersichtswerk, das mehr ein Bild der Kirche skizziert als eine Geschichte organisch entfaltet, hat nicht von vorne herein das Ziel, einen weiterführenden Ertrag zu erreichen. Es wäre aber gewiss ein Fehler, auf die Formulierung sich ergebender Anstöße zu verzichten.

5.2.1 Viele neue Einsichten Die Studie hat zweifellos eine Menge neuer punktueller historischer Einsichten ans Tageslicht gefördert. Sie werden für die regionale und die OrtsgemeindenForschung Anregungen und Impulse vermitteln. Neben anderen Einblicken scheint mir für eine zukünftige deutschsprachige geschichtliche Gesamtdarstellung von Interesse, die mit dem Begriff »Methodismus« verbundenen unterschiedlichen Bedeutungen im Laufe der Jahrhunderte – wie sie speziell im deutschsprachigen Europa zutage getreten sind – auch für außereuropäische Zweige erfasst zu haben. Um der Eindeutigkeit willen regen sie dazu an, den besonders in unserem Sprachgebiet im 19. Jahrhundert unterschiedlich verwendeten Begriff »Methodismus« differenziert zu verwenden. Um der Klarheit willen sind ihm der unmissverständliche Kirchenname »Evangelisch-methodistische Kirche« wie auch die offiziellen Selbstbezeichnungen seiner Vorgängerkirchen vorzuziehen.

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5.2.2 Kirche als Gemeinschaft von Glaubenden und Suchenden Noch einmal ins Blickfeld gerückt ist ein typisch methodistischer Akzent kirchlichen Lebens mit der Bereitschaft zur Mission in gemeinsamer Verantwortung. Von Anfang an stand diese Lebensform gegen einen frommen Individualismus. Das kirchenrechtlich ausgestaltete missionarische Grundkonzept war in der Praxis stets mit einem lebendigen und teilweise verbindlichen Gemeinschaftsleben verbunden. Gemeinsam getragene Verantwortung charakterisiert geradezu die methodistische Tradition und Frömmigkeit. Auf der Ebene der örtlichen Gemeinschaften wurde das zuerst in den »Klassen« gelebt, die durch die »Allgemeinen Regeln« geprägt waren, die jedem beim Eintritt in die Gemeinschaft der ihn tragenden »Klasse« vorgelesen oder in gedruckter Form überreicht wurden.973 Diese Regeln waren für Glaubende oder den Glauben Suchende eine gemeinsame verbindliche christliche Lebensordnung.974 Eine zweite Ebene gelebter verbindlicher Gemeinschaft bildete später die »Konferenz« der ordinierten Reiseprediger. Das gemeinsame Wirken in den verantwortungsvollen Entscheidungen wurde an verschiedenen Stellen gezeigt.975 Andreas Weiss der als katholischer Kirchenrechtler immer in weltweiten Dimensionen denken muss, kam zu der völlig richtigen Einsicht: »Das konnexionale Kirchensystem ermöglicht ein sehr – politisch gesprochen – demokratisches Miteinander, das allerdings auch ein hohes Maß an Bereitschaft zur Mitverantwortung, Mitarbeit und Beteiligung der Kirchenglieder erfordert. Schließlich müssen die ehrenamtlich arbeitenden Konferenzen mit ihren Ausschüssen und Kommissionen auch mit engagierten und verantwortlichen Kirchengliedern besetzt werden.«976

Ohne Frage legt gemeinschaftliche Leitung insbesondere allen Pastoren und Laienmitgliedern der Konferenzen für ihre überregionale Arbeit in hohes Maß an Mitverantwortung auf die Schulter. Von jedem mitentscheidenden Konferenzmitglied muss neben theologischem Sachverstand eine umfassende Informiertheit und natürlich eine gründliche Kenntnis des Selbstverständnisses der Kirche, um die es geht, verfügen. Über gesellschaftliche Trends kann jedes 973 Die Allgemeinen Regeln. In: Lehre, Verfassung und Ordnung (wie Anm. 795), 46–48. 974 Diese »General Rules« (in der deutschsprachigen Tradition später als »Allgemeinen Regeln« bezeichnet) wurden erstmals 1743 von John und Charles Wesley publiziert. Sie bildeten praktisch das Band, welche die methodistischen Klassen und die Gemeinschaften miteinander verband während von ihnen andererseits die Teilnahme am Abendmahl ihrer anglikanischen Gemeinde erwartet wurde, weil die Methodisten zu jener Zeit noch eine innerkirchliche ›society‹ waren. 975 Zur Jährlichen Konferenz vgl. 4.4 und 4.5. 976 Weiss, Kirchenrecht (wie Anm. 839), 248f.

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Ausblick und Ergebnis

Konferenzmitglied sich durch die gedruckten und elektronischen Medien permanent informieren. Die Erwerbung theologischer Kompetenz im Kontext methodistischer Theologie ist für die Laien fast ausschließlich in der Unterweisung und Mitarbeit in der eigenen Gemeinde, über die kirchlichen Zeitschriften, über entsprechende Literatur oder über die Fortbildung in Seminaren, wie sie von den Bildungswerken und zunehmend von der Reutlinger Theologischen Hochschule angeboten werden, möglich. Diese Verantwortung ist noch dringender im Gesamtprofil aller Konferenzdelegierten zu verankern. Von ihnen wird »ein hohes Maß an Bereitschaft zur Mitverantwortung, Mitarbeit und Beteiligung« erwartet, weil es ja darum geht, vielleicht diesen und jenen Baustein für das Leben und Wirken der Kirche Christi beisteuern zu dürfen. Diese Erwägungen zeigen, dass eine »Kirche in Mission« zu keiner Zeit in sich selber ruhen kann. Eine Kirche mit diesem Profil bleibt in einem dynamischen Prozess des Miteinander immerzu eine Dienst-, Lebens- und Lerngemeinschaft oder sie wird zu einer Art Betreuungsgesellschaft für religiöse Zeitgenossen, die ohne die Vision eines missionarischen Grundverständnisses ihrer ursprünglichen Berufung nicht mehr gerecht wird.

5.2.3 Die Hauptsache: Ein ekklesiologischer Paradigmenwechsel Deutlich weitreichender ist eine These für die methodistischen Kirchen in ihrer Gesamtheit, die hier zur Diskussion gestellt wird. Sie ergibt sich erst aus dem zusammenfassenden Überblick und lautet: Das theologische methodistische Selbstverständnis Kirche ist Mission hat im Kontext des europäischen Protestantismus einen Paradigmenwechsel zur Gestalt der Kirche und entsprechend ihrer Ordnungen sichtbar werden lassen. Das gilt auch, wenn heute der Prozess einer gewissen Anpassung an protestantische Kirchen unverkennbar ist, von welchen die Methodisten umgebenden sind. Ein solcher Paradigmenwechsel ist, soweit ich es übersehe, in der methodistischen Forschung bisher nicht formuliert. Dafür kann es verschiedene Gründe geben. (1) Sicher ist im Vergleich zur Reformation im 16. Jahrhundert die Entwicklung der methodistischen Kirche und ihres Selbstverständnisses ein langer Prozess, dem bei weitem nicht die Aufmerksamkeit geschenkt wurde, wie sie insbesondere die Wittenberger Reformation bis in die höchste politische Ebene hinein erfuhr. (2) Von den protestantischen Kirchen des europäischen Kontinents wurde die Entwicklung der Kirchen in den anglo-amerikanischen Ländern, besonders in Nordamerika, wenig beachtet, und wenn es geschah, flossen in der Regel Vorurteile ein. (3) Innermethodistisch scheint es naheliegender, wenn die Beschreibung eines solchen ekklesiologischen Paradigmenwechsels, der durch die Brüder Wesley ausgelöst in den methodistischen Kir-

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chen Gestalt gewonnen hat, von ihrem kontinentaleuropäischen Zweig ausgeht. Nirgends in der Welt ist die methodistische Mission einer solch einmaligen Ausgestaltung protestantischer Ekklesiologien begegnet, wie das infolge der reformatorischen Tradition hier der Fall ist. In der allgemeinen Öffentlichkeit – aber nicht nur in ihr – erscheint jede Form der Kirche, die nicht dem hiesigen protestantischen Prototyp entspricht, ab-norm. Man ist geneigt, einen Begriff des evangelischen Theologen Ernst Lange (1927–1974) aufzunehmen, ihn inhaltlich zu erweitern und für eine lange Periode von einem »morphologischem Fundamentalismus« zu sprechen. (4) Die mögliche Bedeutung der großen Nähe zwischen den methodistischen Kirchen und den deutschen Landeskirchen in Lehrfragen ist bereits erwähnt. Wenn die Gestalt der Kirche nur eine Konsequenz ihres jeweiligen theologischen Selbstverständnisses wäre, in deren Erhebung man lediglich exegetische und systematische Sichten einbezieht, ergäbe sich eine größere Gleichheit in den zwischenkirchlichen Dialogen und den jeweiligen Sichten, als wenn man über die greifbaren historischen Einsichten auch den Blick auf die Tradition und die Erfahrung ausweitet, wie es das Quadrilateral anregt. Gerade da, wo das erfolgt, kann der schon vor langer Zeit begründete Paradigmenwechsel unübersehbar werden.

Der historische Weg zu einem ekklesiologischen Paradigma – eine Skizze In der Aufnahme der Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben allein wurde von John Wesley seit 1738 in Großbritannien unbeabsichtigt der Same zu einer neuen Auffassung von Kirche ausgestreut, der später für das methodistische Selbstverständnis Bedeutung gewonnen hat. Es wird noch einmal daran erinnert, dass der Entwicklungsprozess innerhalb des britischen Methodismus begann, als es ihm nicht um die Korrektur einer Lehre, sondern um die Ergänzung kirchlichen Handelns durch die energische Hinwendung zu überwiegend glaubenslos und kirchenlos gewordenen Getauften, die überwiegend einer sozialen Schicht angehörten, welche der Hilfe bedurfte. In dem Gesamtphänomen spiegeln sich Entwicklungen im gesellschaftlichen Leben, die auch durch den Deismus, der englischen Form der Aufklärung, in Korrespondenz mit frühen Anzeichen der industriellen Revolution ausgelöst wurden. Die Hinwendung, die in Wesleys Wirken biographisch gesehen ihren praktischen Anfang bei den Indianern in Georgia nahm, entwickelte sich schrittweise dahin, dass der deutsche Pietismusforscher Martin Schmidt die These formulierte: John Wesley »war der erste, der klar erkannte, daß die Aufgabe des Christentums in der modernen Welt Mission heißt, zugleich der erste, der diese Erkenntnis zielbewußt und entsagungsvoll in einer umfassenden, bis in den persönlichen Lebensstil hineinrei-

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Ausblick und Ergebnis

chenden Weise verwirklichte. […] dieses Selbstverständnis ist die Grundlage der methodistischen Bewegung geblieben.«977

Über die Lebens- und Arbeitsweise Wesleys schrieb Martin Schmidt an anderer Stelle: »Die methodistische Bewegung ruhte nicht auf einem mittelalterlichen Pfründensystem, sie kannte keine Privilegien, sie war nicht an Orte, ja nicht einmal an gottesdienstliche Gebäude gebunden, sie wanderte ebenso wie der moderne Industriearbeiter, sie konnte mit einem Existenzminimum auskommen wie dieser, sie mußte sich ebenso wie er von der herrschenden Klasse ausgestoßen fühlen, sie wußte die Verantwortung für die amorphe Masse im ganzen mit dem unmittelbar persönlichen Zuspruch an den einzelnen zu vereinigen, weil sie ihn nicht mehr auf seine Zugehörigkeit zu festen Bindungen von Heimat, Tradition und Sitte anredete. Sie trug in ihrer ganzen Methodik, die teils bewußt, teils instinktiv gefunden war, die Zukunft in sich. John Wesley ist der erste gewesen, der klar erkannt hat, daß die Aufgabe des Christentums in der modernen Welt Mission heißt.«978

Die beiden treffenden Zusammenfassungen, verbunden mit der Bemerkung, Wesley sei mit seiner missionarischen Hinwendung »wegweisend für die gesamte Christenheit geworden,«979 sind inhaltlicher Ausdruck eines nachreformatorischen Paradigmenwechsels, der die Spur der Reformation nicht aufgab, aber doch einen gravierenden ekklesiologischen Fortschritt einleitete. Grundlage und theologische Ausgangsposition des Paradigmenwechsels Der Kern und Angelpunkt dieses Paradigmenwechsels ist die von Martin Schmidt hervorgehobene wesleyanische Wegweisung zu einem missions-theologischen Ansatz im Verständnis der Kirche. Dieser durch die wesleyanische Society-Bewegung als Erweckungsbewegung eingeleitete Wechsel führte von dem Bild und der Praxis wohlgeordneter, bewahrender und durch ihr territoriales und flächendeckendes Selbstverständnis nach innen gerichteter Kirchen schrittweise zu einer missionarischen Kirchengestalt und Kirchenordnung, die beide – und das ist hier wichtig – durchgehend von der missions-theologischen Mitte her bestimmt sind. Diese Grundgestalt konnte sich im Anschluss an die Erfahrungen in Großbritannien ab 1784 in Amerika weiter entwickeln. Ent-

977 Schmidt, Der junge Wesley, (wie Anm. 30), 38f. 978 Martin Schmidt, Kirche und industrielle Gesellschaft in England. In: Evangelischer Glaube und soziale Verantwortung. Vorträge gehalten auf der Christlich-sozialen Woche der Berliner Stadtmission im März 1957, 31–47 (hier : 40). 979 Schmidt, Der junge Wesley, (wie Anm. 30), 38f.

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scheidende Akzente, die in dieser Entwicklung als Teil eines Prozesses gewachsen sind, sollen kurz skizziert werden.980 Die Voraussetzung für die Gestaltung eines kirchlichen Selbstverständnisses war der Schritt von der innerkirchlichen Gemeinschaft in England zur eigenständigen Kirche in Amerika. Er erfolgte mit der Konferenz von 1784 im amerikanischen Baltimore. Dort konstituierte sich erstmals eine methodistische Kirche. John Wesley hatte den von ihm für Amerika Ordinierten für die konstituierende Konferenz eine verkürzte und teilweise theologisch veränderte Kurzfassung der ›Articles of Religion‹ sowie des anglikanischen ›Book of Common Prayer‹ mitgegeben, dazu die Ergebnisse der in England an den methodistischen Konferenzen geführten Gespräche über ›Lehre und Ordnung‹.981 Aber er hatte den von England schon seit Jahren ausgesandten Laienpredigern, seinen »Söhnen im Evangelium«, auch die Freiheit gegeben, einfach »der Schrift und der Alten Kirche« zu folgen.982 Und das taten sie. Es dauerte nicht lange, bis die amerikanischen Methodisten sich emanzipierten und eine »Discipline« als Kirchenordnung entwickelten, die ihrem gesellschaftlichen Kontext entsprach.983 Damit erfolgte Schritt für Schritt die Weiterführung des wesleyanischen Konzepts von Mission, organisatorisch gestaltet durch ein Verbundsystem von Kirchenkonferenzen und praktiziert von geisterfüllten Zeugen. Mit einer solchen Konferenz, die am 24. Dezember 1784 in Baltimore begann und zehn Tage dauerte, konstituierte sich die ›Methodist Episcopal Church‹. Eigentlich muss man sagen: es formierte sich eine dienstbereite Missionsgemeinschaft. Als zentraler theologischer Mittelpunkt war die Lehre von der Rechtfertigung allein durch den Glauben unbestritten. Aber diese Lehre wurde unter dem Gesichtspunkt praktisch-theologischer Aufgaben konsequent zur Berufung der ›Kirche als Mission‹ in Beziehung gesetzt und weitergeführt. Dieser missionstheologische Aspekt war für die konstituierende Konferenz nicht wie eine ergänzende Erweiterung des traditionellen Kirche-Seins, die man neben anderen kirchlichen Diensten, wie einen Balkon nachträglich an das fertige Haus der Kirche anbaute. Mission wurde – wie bereits bei der Jerusalemer Gründung der Kirche – zum Fundament für den gesamten Bau. Dieser ursprüngliche, also urchristliche Ansatz »Kirche ist Mission«, trat nun im theologischen Selbstverständnis und in der missionarischen Praxis als eine Einheit auf der Basis der Rechtfertigung in der werdenden methodistischen Tradition so wieder in Er980 Diese These ist weitreichend und neu. Die für sie sprechenden Argumente sind in den einzelnen Kapiteln so verstreut, dass hier ein zusammenfassender Nachweis erfolgen muss. Daraus ergibt sich, dass diese und jene Wiederholung nicht zu vermeiden ist. 981 Wesley, Sunday Service of the Methodists in North America (wie Anm. 379). 982 Ebd., S. III, Begleitbrief John Wesleys vom 10. Sept. 1784 an Dr. Coke, Mr. Asbury, and our Brethren in North-Amerika. 983 The Doctrines and Discipline of the Methodist Episcopal Church (wie Anm. 931).

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scheinung,984 dass er zum zentralen Dreh- und Angelpunkt methodistischer Theologie, Ordnung und Praxis wurde. Dieser im Vollzug der missionarischen Arbeit wieder entdeckte theologische Mittelpunkt stand in keiner Weise im Widerspruch zu neutestamentlicher und reformatorischer Theologie, wie sie seit der lutherischen Reformation in den vier »soli« auf einfache Weise zusammengefasst wurde. Jetzt konnte man sagen: »Solus Christus« – in vielfacher Weise wird die Sendung des Sohnes durch den Vater zur »Mission« als Ziel bezeugt. Der von Gott Gesandte bezieht seine Nachfolger als die an ihn Glaubenden ausdrücklich in diese ›Missio Dei‹ ein: »Gleichwie mich der Vater gesandt, so sende ich euch.« Das zentrale Motiv der Sendung ist die Verkündigung des universalen Heils in Wort und Tat, durch welche die Versöhnung und der Friede mit Gott, untereinander und mit sich selbst in der Schrift (»sola scriptura«) durch das rechtfertigende Handeln in Christus bezeugt und geschenkt wird. Dieses ist als das wesentliche Ziel der Sendung. Die allein geschenkweise (»sola gratia«) mögliche Erneuerung geschieht ohne menschliches Zutun in der Rechtfertigung, die unlösbar und allein mit dem Glauben (»sola fide«) verbunden ist, den der Heilige Geist wirkt. Diese vier elementaren Themenfelder spiegeln Kernelemente reformatorischer Theologie, welche die methodistische Predigt, Seelsorge und Kirchengestaltung entscheidend geprägt haben. Gerade der allerinnerste Kern, die Verbindung von Gnade, Glaube und Rechtfertigung, war in der missionarischen Praxis des 19. Jahrhunderts so dominierend, dass sie zu einer volkstümlichen, aber schmerzlichen Verkürzung geführt hat. Die frühe Spottbezeichnung »Methodisten« wurde besonders im deutschsprachigen Europa als »Methode der Bekehrung« interpretiert. Das intendierte im Kern mit den Hinweis auf die Notwendigkeit der Bekehrung als Lebenserneuerung in eine richtige Richtung, und wurde dennoch zu einer falschen, irritierenden Darstellung bis in die wissenschaftliche Literatur hinein. Es entstand durch das missions-theologische Grundverständnis ein anderer Typ von Kirche, als der im 16. Jahrhundert direkt aus der Reformation hervorgegangene. Bis dahin war – wenigstens in Europa – das einzige politisch geduldete Kirchenmodell die flächendeckende Staatskirche. Sie war nach dem Reformationsjahrhundert im Friedensvertrag von Münster und Osnabrück 1648

984 Wie weit entfernt manche in Deutschland noch von einem theologischen Verständnis der Methodisten als Kirche sind, zeigte eine Frage von Tübinger Studenten, als der katholische Kirchenrechtler dort eine Dissertation über »Kirchenrecht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und ausgewählter evangelischer Freikirchen« [darunter die Methodisten] schrieb und er gefragt wurde: »Haben die Freikirchen überhaupt Kirchenrecht?« In: Andreas Weiss, Kirchenrecht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (wie Anm. 839), VII.

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bis zum Ende des alten Reichs und den Stein-Hardenbergschen Reformen am Anfang der 19. Jahrhunderts in obrigkeitlichem Interesse alternativlos. Das methodistische Selbstverständnis, durchgehend vom Auftrag der Mission der Kirche bestimmt, war im 18. Jahrhundert, jedenfalls soweit sie das sog. ›christliche Abendland‹ betraf, eine grundlegend neue Sicht. Die Lehre von der Rechtfertigung des Gottlosen allein aus Gnaden durch den Glauben wurde in einen neuen historischen Zusammenhang gestellt. Aus dem bekenntnisartigen Anlass im Gegenüber zur römisch-katholischen Praxis des 16. Jahrhunderts ist im 18. Jahrhundert der Richtungs- und Wirkungswandel mit konsequent missionarisch-seelsorgerlicher Ausrichtung getreten. Durch das missionarische Selbstverständnis trat jetzt die individuelle Erfahrung der Rechtfertigung durch den Glauben infolge der Wiedergeburt ins Zentrum. Das neu aufkommende methodistische Konzept ist mit dem Begriff ›Freikirche‹ bis heute völlig unzureichend und im Verhältnis zum historisch gewachsenen theologischen Selbstverständnis geradezu irritierend beschrieben. Ihr bestimmender Ausgangspunkt war nicht der Gegensatz zur unfreien ›Staatskirche‹, wie es der Begriff ›Freikirche‹ nahelegt. Weit folgenreicher war ihr theologischer Ansatz, Missionskirche zu sein, weil dieser zu einem moderneren Verständnis von Kirche führte. Das drückten die methodistischen Kirchen auch in ihrer Praxis, ihrer Gestalt und ihrer kirchlichen Ordnung ziemlich konsequent aus. Hier lag der Anlass für die Differenz zur Landeskirche, der – typisch für die Methodisten – nicht als Lehrstreit in Abgrenzung und Verurteilung geführt wurde. Dagegen haben sie versucht, den leider einseitig eingeleiteten und auch darum misslungenen Versuch, mit den Kleingruppen der Klassen und den Gemeinschaftsfeiern der Agapen einen praktischen missionarischen Impuls an das Denken und Handeln der traditionellen reformatorischen Kirchen zu vermitteln. Bei den deutschen Methodisten in Amerika gab es die Vorstellung, dies würde in Europa in Gemeinschaft mit der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch weniger konfessionell orientierten Erweckungsbewegung möglich, ja willkommen sein. Darum kamen sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Vorstellung nach Deutschland, um »mitzuhelfen beim Aufbau des Reiches Gottes« und dazu Erfahrungen aus dem missionarischen Leben, die sie »vital religion« nannten, einzuführen.985 Der Weg von dem Bild einer staatlich organisierten und durch herrschende »Notbischöfe« geführten Kirche zur Praxis einer geradezu einseitig missionarischen Ausrichtung führte bei den Methodisten zu einem grundlegenden Wandel von der Vorstellung über die Gestalt der Kirche. Wie anders gestaltete sich nun die methodistische Art im Vergleich mit dem Verständnis von Kirche, wie sie – durch die historischen Umstände bedingt – infolge des Friedensver985 Karl Heinz Voigt, Warum kamen die Methodisten nach Deutschland?, Stuttgart 1975, 19844 .

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trags von Münster im ›Instrumentum Pacis Osnabrugensis (IPO)‹ in Europa lange Zeit maßgebend wurde. Die Herrscher einigten sich 1648 in Münster darauf, dass »sämtliche Kurfürsten, Fürsten und Stände des Römischen Reichs in ihren alten Rechten, Vorrechten, Freiheiten, Privilegien der ungehinderten Ausübung der Landeshoheit sowohl in geistlichen als auch in weltlichen Angelegenheiten [man beachte die Reihenfolge!], Herrschaften, Regalien986 sowie in deren Besitz kraft dieses Vertrags derart bestätigt und bekräftigt werden, daß sie von niemandem jemals unter irgendeinem Vorwand tatsächlich beeinträchtigt werden können oder dürfen.«987

Die Herrscher in den teilweise sehr kleinen staatlichen Gebilden des deutschen Flickenteppichs, der bis zum Reichsdeputationshauptschluss am Anfang des 19. Jahrhunderts bestand, hatten an Menschen und Kirchen außerhalb ihrer Länder und Fürstentümer wenig Interesse. Ihr Blick war mehr nach innen gerichtet. Ihre Kirchen hatten die protestantisch ausgerichteten Herrschenden, die in der Reformationszeit als »Notbischöfe« eingesetzt worden waren, über die Konsistorien in den Innenministerien fest im Griff. Missionsgeschichtlich soll daran erinnert werden, dass im 19. Jahrhundert u. a. die Missionsgesellschaften und anderen Werke sich neben den verfassten Kirchen als ›freie Assoziationen‹ bilden mussten, damit gerade diese unverzichtbar zur Kirche gehörenden Aufgaben überhaupt wahrgenommen wurden. Die Initiativen waren aus der Erweckungsbewegung herausgewachsenen. Dies heißt, dass überwiegend das Interesse derer, denen zu dieser Zeit rechtlich eine Macht über bestimmte Bereiche der Kirche zugeschrieben war, an Mission kaum interessiert waren, schon gar nicht bei ihren Untertanen im eigenen Land. In diesem Zusammenhang ist auch eine andere Frage aufzuwerfen. Wurde in der Praxis nicht doch durch die in der methodistischen Theologie ausdrücklich betonte Heiligung als Teil und dauerhafte Wirkung der Rechtfertigung ein Schritt von einer gewissen Bekenntnisstatik zu einer aktiven Nachfolgedynamik gestärkt? Bekam also jene die gesamte Verkündigung tragende Rechtfertigungslehre mehr den Charakter einer herausfordernden, zur Antwort einladenden Rechtfertigungspredigt, welche auch die Bergpredigt mit ihren ethischen Konsequenzen einschließt? Auch das wäre eine Untersuchung wert. Ein langfristig einflussreicher Schritt zur Neuerung bestand darin, dass die traditionelle Art, die Kirchenordnungen zu formulieren und in Kraft zu setzen, also Kirchenrecht setzend zu agieren, sich seit Baltimore 1784 anders als im 16. Jahrhundert auf dem europäischen Kontinent gestaltete. Bereits für die erste methodistische »Kirchenordnung« wurde in der konstituierenden und den folgenden Sitzungen von allen anwesenden Mitgliedern 986 Regalien waren: Anspruch auf Hoheitsrechte. 987 Instrumentum Pacis Osnabrugensis (IPO), (wie Anm. 358) § VIII, Abs. 1.

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der Konferenz Kirchenrechtsfragen gemeinsam diskutiert und verabschiedet. So war die methodistische Kirchenordnung nie ein Ordnungswerk von juristisch ausgebildeten Kirchenrechtlern, sondern eine kirchliche Lebensordnung, eben eine »Discipline«988 von engagierten Missionaren für ihre Dienstgemeinschaft und die Ordnung der entstehenden Missionskirche, die sie in den folgenden Jahren schrittweise weiterentwickelten. Damit führten sie eine Tradition gemeinsamer »Conversation«, später als »Christian Conferencing« bezeichnet, weiter, welche die von England nach Amerika ausgesandten wesleyanischen Missionare hier schon seit 1773 praktiziert hatten.989 Die ersten Kirchenordnungen990 sind unterzeichnet von den beiden herausragenden, den Konferenzen vorsitzenden Bischöfen Dr. Thomas Coke und Francis Asbury.991 Es war eine in der Gemeinschaft aller Mitglieder der Konferenz entstandene Lebensordnung für eine missionierende Kirche, die durch berittene Reiseprediger westwärts in kirchenloses Neuland vorstieß. Auf diese Weise ist die methodistische Verfassung und Ordnung ein gesamtkirchliches Gemeinschaftswerk, das in einem organischen Prozess von selber davon Betroffenen entstanden ist und bis heute weitergeführt wird. Die sog. Kirchenordnung wird in einem permanenten Prozess, zu dem alle Kirchenglieder Anträge einbringen können, ständig weiter verändert. Kirche ist eben ständig im Werden. Auf der Basis des Systems verfassungsrechtlich miteinander verbundener Konferenzen, die heute immer mit einer gleichen Anzahl von Theologen und Laien beschickt sind, werden auf verschiedenen Ebenen die Aufgaben gemeinsam diskutiert und entschieden, manchmal nach hartem Ringen. Zur Hilfe bei der Entscheidungsfindung insbesondere in Lehrfragen, wurde in Anknüpfung und Weiterführung einer anglikanischen Tradition das ›Quadrilateral‹ entwickelt. Mit dessen Hilfe wird in einer connexionalen Verbindung demokratisch das verbindliche Zusammenleben in der Weltkirche in theologischen und sich daraus ergebenden ethischen Angelegenheiten kirchenrechtlich gestaltet. In extremer Form kommt die Praxis der verbindlichen und alle einbeziehenden Weltgemeinschaft bei Verfassungsänderungen zum Ausdruck. Alle Ordinierten in allen Jährlichen Konferenzen der Weltkirche und 988 Vgl. 4.2 – Abschnitt: Die Organisation der methodistischen Kirche. 989 Minutes of the Methodist Conferences annually held in America from 1773–1784 inclusive, Philadelphia 1793. Das erste Protokoll von 1773 trägt den Titel: Minutes of some conversations between the Preachers in Connection with the Rev. Mr. John Wesley, Philadelphia, June, 1773. Dieser Titel zeigt den Status vor 1784 und übernahm aus England die Formulierung »in Connection«, die bis heute Ausdruck eines Akzents methodistischer Ekklesiologie ist: Connexio. 990 Ich verwende im Verlauf des weiteren Textes nun für den Begriff »Discipline« als Lehre, Verfassung und Ordnung, vereinfachend (und inhaltlich verkürzend!) wechselweise auch den Begriff »Kirchenordnung«. 991 Discipline of the Methodist Episcopal Church in America (wie Anm. 931).

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eine gleiche Anzahl aus den Gemeindebezirken als Konferenzmitglieder entsandte Laiendelegierte geben dazu gleichberechtigt ihr Votum ab.992 Konkret heißt das: an allen Verfassungsänderungen sind alle ordinierten Pastoren und alle zu einer Konferenz gehörenden Gemeindebezirke in den Entscheidungsprozess einbezogen. Nicht nur auf diese Weise, sondern auch in allen Konferenzen praktizieren Methodisten in weltweiter Verbundenheit über alle politischen Systeme hinweg demokratisch orientierte Lebens- und Leitungsformen. Die von Martin Luther ausgehenden Veränderungen zielten unter den kirchlichen Herausforderungen und gesellschaftlichen Bedingungen des 16. Jahrhunderts ursprünglich auf eine Reform der Kirche. In der methodistischen Tradition zeigt sich der Entwicklungssprung im endenden 18. Jahrhundert. Im Begleitwort der frühesten Ausgaben der methodistischen Kirchenordnung schrieben die Bischöfe und Herausgeber Coke und Asbury an die noch kleine Schar der Methodisten in Amerika: »Wir glauben demütig, dass Gottes Absicht durch die Prediger, welche Methodisten genannt werden, darin bestand, den Kontinent zu reformieren und biblische Heiligkeit über das Land zu verbreiten.«993 Der Schritt von der Reform der Kirche zur Reform eines Kontinents mit dem Wunsch, biblische Heiligkeit zu verbreiten, ist Teil des paradigmatischen Richtungswechsels. Was hier formuliert wurde war kein Statement für die Presse, sondern eine nach innen gerichtete Zielbeschreibung. Sie fand im 19. Jahrhundert ihre geschichtliche Bestätigung. Diese Richtungsänderung ist eine Folge der theologischen Leitlinie, ›Kirche in Mission‹ zu sein. Sie zieht ganz natürlich eine entsprechende formale Ausgestaltung der Ordnung nach sich, durch die innerhalb ihrer selbst alle nationalen, politischen, sprachlichen, sozialen und kulturellen Grenzen überschritten werden. Das ist nicht nur eine Möglichkeit, sondern konstitutiver Ausdruck ihres theologischen Selbstverständnisses, welcher sich nicht nur als ein Akzent unter anderen, sondern durchgehend als das bestimmende theologische Thema in der Verfassung und Ordnung der Kirche widerspiegelt. Kirche, die sich als Mission versteht, überwindet von diesem theologischen Ansatz her das in der Reformation übernommene, europäisch-territorialkirchliche Selbstverständnis der Betreuungskirche, das einerseits zu regionalen Abgrenzungen führte und sich andererseits an politischen Ländergrenzen orientierte. Das System, flächendeckende Landeskirche sein zu müssen, hat eine missionarisch ausgerichtete Kirchenkultur innerhalb der eigenen Grenzen in diesen Regionen und organisierten Landeskirchen eher verhindert als gefördert. 992 Der methodistischen Verfassung, Lehre und Ordnung war die frühere Vorstellung einer flächendeckenden Konfessionskirche immer fremd. 993 Discipline of the Methodist Episcopal Church in America (wie Anm. 931), III. (»We humbly believe that God’s design in raising up the preachers called Methodists, in America, was to reform the continent, and spread scripture-holiness over these lands.«)

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Abgesehen davon waren die Kirchen eines Landes zeitweise an politische Grenzen gebunden und wurden durch nationale, auch kulturbedingte Vorstellungen beeinflusst, die sie teilweise selber mit geprägt haben. Dagegen war die vom missionarischen Ansatz her durchgestaltete Kirchenordnung und ursprünglich auch klar erkennbare Kirchengestalt geschichtlich ein völlig neues Phänomen, das sich vielleicht in Ansätzen etwa zeitgleich auch bei der Herrnhuter Brüdergemeine findet. Die heute in der weltweiten Ökumene geläufige kurze und prägnante Formulierung »Kirche ist Mission« haben die Teilnehmer der methodistischen Konferenzen um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in dieser Prägnanz wohl kaum entwickelt. Aber in der Sache gibt es keinen Zweifel daran, dass dieses Verständnis zutiefst die Mitte ihres gesamten Dienstes ausdrückte. Als sie in früher Zeit während der ersten Konferenztagungen ihre Paragraphen der ›Discipline‹ formulierten, hatten sie in der Mehrzahl schon Jahrzehnte im weiten, damals noch unter britischer Herrschaft stehenden Amerika missioniert. Es konnte gar nicht anders sein, als dass sie das, was ihr Lebensinhalt war, nicht unmittelbar in diese Ordnungen einfließen ließen. Als Folge davon zieht sich die missionarische Ausrichtung auf der theologischen Grundlinie wie ein roter Faden durch alle Themenfelder. Ich zähle die wichtigsten nach der ersten deutschsprachigen Ordnung von 1804 auf: die »Konferenzen«, die Wahlen, die Ordinationen und das Verständnis des bischöflichen Dienstes, sowie die Gestaltung der Aufsicht durch die zeitbegrenzt präsidierenden Ältesten, der reisenden Prediger, der reisenden Diakone. Für alle Dienste war eine Auflistung ihrer jeweiligen Pflichten und Rechte formuliert. Die Artikel über die predigenden Missionare waren zusammengefasst unter der Überschrift »Von den Pflichten der Prediger gegen Gott, gegen sich selbsten und gegen andere.« Allein diese Überschrift zeigt, wie ganz selbstverständlich Glaube und daraus erwachsende ethische Haltungen miteinander verbunden sind. Vorher waren Regeln für die Prüfung derer, die sich zum Predigtamt »angetrieben glauben«, sowie die Art und Weise, wie gepredigt werden soll, formuliert. Später wird in einzelnen Paragraphen die Taufe, das »Nachtmahl des Herrn«, der öffentliche Gottesdienst behandelt und auch »Vom Singen im Geist und in der Wahrheit« geschrieben. In einem anderen Kapitel werden die Versammlungstypen behandelt, auch über die daran Teilnehmenden, bevor in einem weiteren Kapitel nach Abgrenzung zu einigen theologischen Positionen (u. a. gegen den Antinomismus und die Gnadenwahl) die notwendigen agendarischen Formulare für Taufen, Eheschließungen, Bestattungen und die verschiedenen Ordinationen gedruckt sind.994 Die knappe Übersicht zeigt, dass hier keine juristisch ausge994 Es wäre erwünscht, diese 157 seitige, von der Generalkonferenz 1804 beschlossene und ins Deutsche übersetzte »Lehre und Zuchtordnung« (wie Anm. 457) auf ihre missions-theo-

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feilte Kirchenordnung im traditionellen Sinne entstanden war, sondern eine Art Gemeinschaftsordnung für die, die sich in den missionarischen Dienst berufen ließen. Der eigentliche Titel »Discipline« drückt das in der Tendenz aus. Man kann nachvollziehen, wie in der Konsequenz die Grundlage für eine gestaltete kirchliche Ordnung in einem Prozess entstand, deren ganzheitlich missionstheologischer Ansatz sich bis heute ins praktische Wirken hinein auswirkt. Das ist manchmal hilfreich und manchmal hemmend, auch wenn Methodisten mit ihren Gemeinden bestrebt sind, in missionarischer Existenz lebende Kirche zu sein. Ich wiederhole es: diese Tradition der kirchlichen Ordnung zielt grundlegend und ganzheitlich auf alle Arbeitsbereiche einer vom Sendungsprinzip her entwickelten Nachfolge Christi hin. Die meisten Funktionen und Ordnungen stehen auch in einer konsequenten missions-theologischen Verbindung zueinander. Diese innere Konsistenz ist der zentrale, wenn man so will ›ordnungspolitische‹ Ausdruck vom Wesen methodistischer Kirchen als Mission. Der theologische Grundsatz ›Kirche in Mission‹ zu sein, fordert als einen ganz natürlichen und unverzichtbaren Ausdruck ihres Selbstverständnisses eine konsequente ökumenische Praxis. Dem für das Heil, das heißt zum Frieden mit Gott wie zum Frieden mit dem Nächsten und dem Fernsten, sowie zur Gerechtigkeit und zur Bewahrung der Schöpfung zu Gewinnenden, gilt – wie alle Aktivitäten der Kirche – ein höherer Grad an Aufmerksamkeit als dem Bestand der eigenen Konfession oder Denomination. Je ehrlicher die Gemeinschaft aller Kirchen in dieser Schalom-Frage wird, desto größer ist die Chance auf ein gemeinsames Zeugnis, das diese Welt braucht. Hinter dem Auftrag zur Teilnahme an der umfassenden Mission der Kirche Gottes stehen dann denominationelle Egoismen zurück. Methodistische Praxis weist solche Bereitschaft weltweit durch zahlreiche Unionen und Kooperationen aus. Allerdings gelingt es nicht immer, diesen Ansatz konsequent durchzuhalten; das hat sich insbesondere in Württemberg gezeigt. Bereits John Wesley kürzte 1784 die neben calvinistischen Formulierungen teilweise fast wörtlich aus der Confessio Augustana übernommenen ›39 Articles of Religion‹. In den gestrichenen Artikeln spiegelten sich die Kontroversen zwischen Lutheranern und Katholiken aus dem 16. Jahrhundert. Damit nahm Wesley den Artikeln die Tendenz der Abgrenzung. Schon die frühere sprachliche Veränderung der Anglikaner von der »Confessio« zu »Articles of Religion« kann man so interpretieren. Vielleicht war es ein vorlaufender Schritt zu einer Veränderung im Verständnis von Kirche, der den Weg von der abgrenzenden »Konfession« zur integrierenden »Denomination« ermöglichte. Neben die sich logischen Positionen hin zu untersuchen. Alle erwähnten Stichworte sind dieser Ordnung entnommen.

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als die Konfession einer bestimmten geographischen Region verstehende Einzelkirche trat das Bewusstsein, eine »Denomination« als lediglich eine Abteilung innerhalb der einen Kirche Christi zu sein. Es machte gerade das den ökumenischen Fortschritt der Denomination aus, sich selber in der kirchlichen Verschiedenheit lediglich als einen Zweig am Baum der einen Kirche neben anderen großen Ästen und kleinen Zweigen aus ein und derselben Wurzel zu sehen. Die Verbindung von denominationellem und missionarischem Selbstverständnis ermöglichte Methodisten, schon früh weitgehende ökumenische Schritte zu tun – man denke an die 1946 gebildete Kirche von Südindien – wo sich Konfessionskirchen noch zurückhielten. Mit der methodistischen Kirche entstand eine missions-theologisch begründete kirchliche Gestalt, die im 18. und 19. Jahrhundert von anderen kirchlichen Neugründungen in ihr theologisches Selbstverständnis übernommen worden ist; natürlich mit ergänzenden Akzentsetzungen der für diese Denominationen charakteristischen Selbstverständnisse, die ihr jeweiliges Proprium zum Ausdruck bringen. Zuerst konnte Jacob Albrecht, der Gründer der Evangelischen Gemeinschaft, praktisch die methodistische Discipline im Kreis der sich um ihn scharenden Mitarbeiter durchsetzen. Das scheint für die Gestalt, den Weg und vielleicht auch den dauerhaften Bestand dieser ersten deutschsprachigen methodistischen Kirche, die um 1800 in Amerika entstanden ist, eine fundamentale Voraussetzung gewesen zu sein. Drei weitere in Deutschland wirkende Kirchen haben danach die Grundstruktur adaptiert. Für die in einem Prozess zwischen 1865 und 1878 organisierte Heilsarmee (seit 1886 in Deutschland) ist das aus historischen Gründen naheliegend. Weiter haben die 1863 im US-Staat Michigan gegründete und seit 1886 in Deutschland wirkende ›Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten‹ und schließlich die 1908 in Texas organisierte und seit 1958 in Deutschland missionierende ›Kirche des Nazareners‹ die Grundelemente der methodistischen Kirchenordnung übernommen.

5.2.4 Paradigmenwechsel – Der Berufung treu bleiben Der hier beschriebene ekklesiologisch akzentuierte Paradigmenwechsel ist ein ungewohnter Blick auf die methodistische Denomination. Der Wechsel von der territorialen Betreuungskirche zur weltweiten Missionskirche erfolgte in einem langen und ungewöhnlichen Prozess, und unter Umständen, die mit den kontinentaleuropäischen Verhältnissen weder in gesellschaftlichen, noch in kulturellen und schon gar nicht mit der Entstehung konfessioneller Ekklesiologien vergleichbar sind. Die methodistischen Kirchen sind als Missionskirche anders als die protestantischen Kirchen der Reformationszeit des europäischen Kontinents seit dem

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18. Jahrhundert organisch Jahr für Jahr gewachsen. Bis heute sind sie als Denominationen im Werden und sie werden es solange bleiben, solange es sie gibt. Gegenwärtig zeigt sich das in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess. Der kirchliche Anfang am Ende des 18. Jahrhunderts erfolgte im amerikanischen Baltimore. Von dort aus kam es in Verbindung mit der missionarischen und geistlichen Kraft zu einem ungewöhnlichen starken Kirchenwachstum. Als Missionskirche überschritt sie alle Grenzen: staatliche, kulturelle, sprachliche, rassische, ja sie griff aus bis nach Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa. Für eine lange Zeit blieb der amerikanische Teil der Kirche die »Mutterkirche« im weitesten Sinn. In der Mitte des 20. Jahrhunderts diskutierte die Kirche im Kontext der ökumenischen Entwicklung, ob die Mutter ihre Kinder in die Autonomie entlassen sollte. Die Zweige in den lateinamerikanischen Staaten wählten diesen Weg. Die Europäer gingen in die andere Richtung. Sie wollten integrierte Zweige der weltweiten Kirche blieben. Im Hintergrund standen ihre Erfahrungen an den Einfluss nationalen Denkens auf die Haltung ihrer Kirchen. Es waren nicht nur die Deutschen, die sich mit ideologischen Problemen der »Deutschen Christen« auseinander setzen mussten. Auch die von Deutschland im Zweiten Weltkrieg besetzten Länder hatten ihre bitteren Erfahrungen gemacht. Später hat es sich für die Methodisten in der DDR bewährt, als Teil einer weltweiten Kirche nicht eine politisch instrumentalisierte westliche Klammer im nationalen Interesse zu sein. Die gegenwärtigen gesamtkirchlichen Veränderungsprozesse innerhalb der methodistischen Kirche gehen von veränderten Tatsachen aus. Im Mutterland Amerika, wo die Methodisten zu den Main-Line-Churches gehören, ist die Zahl der Kirchenglieder gesunken. Das ist so, wenn in einer Missionskirche ihre nicht vererbbare geistliche Kraft abnimmt und sie sich nicht einfach von politischen Trends bestimmen lässt. Gleichzeitig ist die Kirche in den afrikanischen Staaten in einem solchem Maße gewachsen, dass in naher Zukunft deren Delegierte die US-Zahl der Delegierten an der verfassunggebenden Generalkonferenz erreichen oder sogar übersteigen wird. Die Zahl der Delegierten an diese gesamtkirchlichen Generalkonferenzen wird bestimmt von der Größe der Kirche und der sich daraus ergebenden Zahl ihrer Kirchenbezirke in den Regionen. Dieser Wandel, der natürlicher Ausdruck des Lebens und der Gestalt einer Missionskirche ist, führt zwangsläufig zu tiefgreifenden Veränderungen. Es bedarf keiner scharfsinnigen Analyse um zu der Einsicht zu gelangen, dass die Zahl der USDelegierten im Verhältnis zur Zahl Delegierter aus afrikanischen und anderen außer-amerikanischen Konferenzen sich erheblich weiter verändern wird. Die bisherige historische amerikanische Dominanz tritt zurück. Damit treten auch andere Fragen in den Vordergrund. Das sind keineswegs nur Nord-Süd-Fragen im ökonomischen Bereich. Es sind auch theologisch und ethisch bestimmte

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Fragen, die oft mit kulturellen Erfahrungen und Traditionen, nicht selten auch mit nationalen Empfinden verbunden werden. Wenn also darüber reflektiert wird, dass die Kirche immer im Werden ist, so ist das – jedenfalls für Methodisten – keine systematisch-theologische Positionierung, sondern eine sich aus ihrem ekklesiologischen Selbstverständnis und daraus ergebender Praxis höchst aktuelle Wirklichkeit. Dieses ist keineswegs eine neue Entwicklung. Konkret wird das schon daran deutlich, dass seit dem Ende des 18. Jahrhunderts alle vier Jahre nach den Tagungen der Generalkonferenzen eine Neuausgabe der danach gültigen Kirchenordnungen als das verbindende Element aller Gemeinden und Konferenzen in der Welt publiziert wird. In dieser Praxis ist es auch leicht nachvollziehbar, wenn von Zeit zu Zeit das methodistische Selbstverständnisses durch Theologen und Historiker in verschiedenen Phasen eines Prozesses der Weiterentwicklung formuliert wird. Allerdings wurden die prägenden Anfänge und auch die weitere Entwicklung vorwiegend aus dem Kontext des amerikanischen Umfelds gesehen. Das ist bei der Betrachtung der Mission in Deutschland für die Zeit des 19. Jahrhunderts deutlich geworden. In diesem von ganz anderen kirchenkulturellen Gegebenheiten bestimmten Raum ergaben sich natürlicher Weise ganz andere Fragestellungen zum Selbstverständnis der eigenen Kirche, als dies unter den Umständen der Kirchenverhältnisse in den USA oder in Afrika der Fall war und auch bleiben wird. Dies bedeutete, die europäischen Methodisten haben mit Vorstellungen und Interpretationen gelebt, deren Ansätze im angelsächsischen Kontext vielfältiger konfessioneller und denominationeller Gestaltungen beheimatet waren. Man muss nicht denken, sie hätten dies unwillig getan. Das Bewusstsein, ein Teil einer wachsenden Weltkirche zu sein, hat sie stabilisiert und ermutigt. Aber es ist nicht zu verleugnen: Die gesamtkirchliche Darstellung des eigenen Selbstverständnisses hatte naturgemäß Aspekte im Blick, die, hätte man sie aus europäischer Sicht entfaltet, durch die anderen Umstände von anderen Akzenten geprägt gewesen wären. Der Kontext der methodistischen Gemeinden im deutschsprachigen europäischen Raum forderte durch das aus historischen Gründen festgefügte Kirchenumfeld dazu heraus, die eigene Sicht zu entfalten. Als man hier den entstellenden, nicht selten polemisch gemeinten Vorwurf, eine ›Sekte‹ zu sein abschütteln, und sich zusammen mit anderen Minderheitskirchen als ›Freikirche‹ positionieren konnte, war selbst das eine Falle, denn es wurde zu einer verzerrenden Bezeichnung, die den Blick auf das eigentliche kirchlich-theologische Selbstverständnis im Grunde verstellte. Die kontinentalen methodistischen Zweige haben sich – bewusst oder unbewusst – auch innerhalb der eigenen Denomination in gewisser Weise in einer zweiten Minderheitssituation gefühlt. Fast überall, wo es keine Tradition früherer Staatskirchen gab, welche die Kirchenkultur einseitig geprägt hatten, wuchsen die Methodisten in ökumenischer Gemeinschaft heran. Das hat sie aber

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andererseits auch mit einer gewissen Genugtuung, vielleicht sogar einem heimlichen Stolz erfüllt. Sie haben gerne auf die großartige Tradition in Großbritannien, auf die außergewöhnlichen Brüder John und Charles Wesley und die schnelle Ausbreitung und Bedeutung in den Vereinigten Staaten von Amerika und später in Afrika hingewiesen. Auch für international praktizierende Ökumeniker evangelischer Landeskirchen war es wichtig, in einem deutschen Minderheitenpastor einen Repräsentanten einer der großen protestantischen Kirchen in der Welt zu sehen. Die Erfahrung, dass das für die international eingebunden Katholiken in der Regel ganz selbstverständlich ist, hat sie überrascht. Nach dem berühmten John Wesley, wurden der amerikanische Friedensnobelpreisträger und ökumenisch vorantreibende Laie John R. Mott, später der aus methodistischen Wurzeln kommende Politiker Nelson Mandela (1918– 2013) und schließlich drei Generalsekretäre des ÖRK, unter denen zweifellos der konsequente Philipp Potter (1921–2015) herausragte, für sie zu IdentifikationsPersönlichkeiten, die ihnen halfen, ihren eigenen Platz im kirchlichen Miteinander zu sehen. Zweifellos hat die ökumenische Bewegung, um nur einen wesentlichen Aspekt zu erwähnen, der kleinen deutschsprachigen methodistischen Minderheit eine neue Selbstgewissheit gegeben.995 Der ökumenische Grundsatz, unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Größe alle Mitgliedskirchen in gleicher Wertschätzung zu behandeln, ist ein wichtiger Faktor. Andererseits wurde im ökumenischen Horizont von Jahr zu Jahr deutlicher, dass die im kontinentalen Europa mächtigen und großen Kirchenkörper weltweit gesehen eine einmalige Kirchengestalt haben, die sie in dieser Frage unter den Mitgliedskirchen in eine andere Art von Minderheitensituation bringt. Die sich daraus ergebenden Relativierungen öffneten die Tür, einen Raum zu betreten, in dem man das gewachsene eigene kirchliche Selbstverständnis speziell im Schatten der geschichtlich für sie in Europa entstandenen Situation reflektieren und definieren kann. Dazu genügt, wie sich gezeigt hat, in der Konsequenz nicht der Vergleich von Theologien, die aus der gleichen reformatorischen Wurzel gewachsen sind. Oben wurde gezeigt, dass nach dem methodistischen Quadrilateral neben der grundlegenden Bedeutung des biblischen Wortes und der Vernunft auch Tradition und Erfahrung, man kann auch sagen der Blick in die frühere und gegenwärtige Geschichte der Kirche Christi wert sind, sie einzubeziehen. Diese Gesamtsicht verbindet sich mit dem methodistischen Verständnis von »Theologie für die Praxis«,996 also 995 Wer die Sonntagsblätter von 1948 und die Berichterstattung um die Konstituierung des ÖRK in Amsterdam herum anschaut, wird einen entsprechenden Eindruck vermittelt bekommen. 996 »Theologie für die Praxis« ist seit 45 Jahren der Titel einer von der methodistischen Theologischen Hochschule Reutlingen herausgegebenen Zeitschrift, die sich keinesfalls auf die Publikation praktisch-theologischer Fragen beschränkt, sondern deren Titel gleichsam

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auch mit einem Blick darauf, wie das Wort zur geschichtlichen Gestalt geworden ist und es im Leben der Kirchen heute wird. Die kontinentaleuropäische Sicht kann bei eigenständiger Reflexion mit dem Ergebnis eines ekklesiologischen Paradigmenwechsels des Kirchenverständnisses von der traditionsreichen Betreuungskirche zur weltweiten Missionskirche einen Beitrag zur gesamtmethodistischen Formulierung ihres ekklesiologischen Selbstverständnisse gerade zu dem Zeitpunkt leisten, an dem sich dessen Erweiterung auch durch strukturelle Veränderungen ankündigt. Wie oben kurz erwähnt, akzeptiert die amerikanische »Mutterkirche«, dass ihre Kinder insbesondere in afrikanischen Staaten in einem Maße gewachsen sind, so dass sich das bisherige Gefälle ›von den USA zu den Overseas‹ in eine ›Ebene der Gleichen‹ weiterentwickelt, auf der sich alle an der Gesamtverantwortung auch der Mission, die ja längst die Einbahnstraßen-Praxis verlassen hat, beteiligen. In einer solchen Zeit ist ein Blick zurück gleichzeitig ein Blick in die Zukunft, denn eine Kirche, die sich mit einer Betreuung ihrer Gemeinde begnügt, wird im virulenten 21. Jahrhundert ihrer Berufung nicht gerecht. Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler wissen inzwischen, dass Staats- und Landesverfassungen wirtschaftliche Entwicklungen blockieren können.997 Das kann Kirchen – auch die methodistischen – anregen, selbstkritisch zu überprüfen, wie sich heute ihre Verfassungen auf ihre Gestalt und nachfolgend die Praxis als Missionskirche auswirken. Ähnlich interessant ist, was der Völkerund Staatsrechtler Christian Walter (*1966) darüber schreibt, wie kirchliche Minderheiten, Freidenker und Atheisten »immer wieder Anlaß geben, das traditionsgeprägte und traditionsbewusste Staatskirchenrecht zu hinterfragen und gelegentlich anzupassen und weiterzuentwickeln.«998 Das kann neben dem Hören auf die Erfahrungen in kirchenfremden Wissenschaften und auch auf die Stimmen von Freidenkern und Atheisten ein Impuls an die ökumenische Gemeinschaft von Groß- und Minderheitskirchen sein. Angesichts der Prognosen über die Zukunft der Kirche wird sie die Fragen erörtern müssen, welche Ordnungen, Gewohnheiten und Traditionen sie hindern, gemeinsam missionarische Schritte zu planen und zu gehen. Denn damit verbindet sich die Frage: Welche konfessionellen und denominationellen Rahmenbedingungen bedürfen der Veränderung, damit die Kirchen die befreiende Botschaft des Evangeliums auch schon gemeinsam unter das Volk bringen können, bevor die Einheit der Kirche, in welcher Gestalt auch immer, erreicht sein wird. als Programm für theologische Bildung, die kein Selbstzweck sein kann, gelesen werden will. 997 Stefan Voigt, Verfassungswandel ökonomisch erklären: Fragen und Einsichten eines neuen und interdisziplinären Forschungsprogramms, Colloquia Academica – Akademievorträge junger Wissenschaftler, Stuttgart 2001. 998 Walter, Motor der Modernisierung (wie Anm. 708), 199.

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Ausblick und Ergebnis

Das Interesse am missionarischen Kirche-Sein ist seit einiger Zeit verstärkt in Erscheinung getreten. Dies könnte ein Ansatz sein für zwischenkirchliche Gespräche über Grundlagen, Strategien und Möglichkeiten der Mission im eigenen Land, die nicht zuerst an die Vermehrung der Kirchenglieder denkt, sondern an der Erneuerung der Vorstellungen von und vielleicht ihrer Beziehung zu Gott in dessen Bedeutung für die globalen Entwicklungen, aber auch der jeweils eigenen Persönlichkeit. Mit dieser missionarisch orientierten Zukunftsorientierung schließt der Blick auf die ›Methodisten‹ ökumenisch. Genau das entspricht nach einer schwierigen Vorgeschichte ihrem traditionellen Selbstverständnis. Sie wird dabei sein, sobald es zu einem »Aufbruch zu einer missionarischen Ökumene« kommt.999 Mit dem Blick in die Zukunft soll abschließend in einer historisch angelegten Erörterung eine Erinnerung an die Vergangenheit erfolgen. Zu einer Sicht auf die Beziehung zwischen gestalteter Ordnung und Mission hat Philipp Potter (1921– 2015), der spätere Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, beigetragen. Er schrieb vor gut fünfzig Jahren in einem Artikel über »Das ökumenische Gespräch«: »Die Geschichte des Methodismus spiegelt genau die Geschichte des Versuchs wieder, für die Kirche eine Struktur zu finden, die ihrem missionarischen Auftrag entspricht. Für Wesley gab es Kirchenordnungen und Kirchenstrukturen nur um der Mission willen. Das war nicht die Haltung eines Pragmatikers, sondern entsprang einem tiefen Verständnis des Wesens des Evangeliums und der Kirche.«1000

In dem Zusammenhang zitierte Potter aus einem Brief John Wesleys, den er 1746 in der Sprache seiner Zeit an einen sich hinter dem Pseudonym John Smith verbergenden Kritiker schrieb: »Ich möchte fragen: Was ist der Zweck der kirchlichen Ordnung? Besteht er nicht darin, Seelen aus der Macht des Satans zu Gott zu führen und sie in der Furcht und Liebe Gottes zu erbauen? Die Ordnung ist somit nur insoweit von Wert, als sie diesem Zweck entspricht; und dient sie ihm nicht, so ist sie wertlos. Nun möchte ich gerne wissen: Wo hat die kirchliche Ordnung diese Ziele erreicht? Nicht an irgendeinem Platz, wo ich gewesen bin: Nicht unter den Arbeitern in den Zinnbergwerken Cornwalls, nicht unter den Werftarbeitern in Newcastle, nicht unter den Bergleuten in Kingswood, nicht unter den Trunkenbolden, den Gotteslästerern, 999 Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (u. a. Hg.), Aufbruch zu einer missionarischen Ökumene (wie Anm. 972). Darin ein einführender Beitrag von Bischof Walter Klaiber, der in der Bundes-ACK das Thema vorangetrieben hat: »Hintergrund und Ziele des ACKKonsultationsprozesses«, 115–134, und ein Tagungsbeitrag für ein ›ökumenisch-missionstheologisches Forum‹ aus methodistischer Sicht von Siegfried Lodewigs, 212–216. 1000 Philipp Potter, Das ökumenische Gespräch. In: C. Ernst Sommer (Hg.), Der Methodismus, KdW Bd. VI, Stuttgart 1968, 103–119 (hier : 114f.).

Ergebnisse

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den Sabbat-Schändern von Moorfields oder den Dirnen von Drury Lane. Sie alle konnten nicht in der Furcht und Liebe Gottes erbaut werden, solange sie offenkundige, freimütige Knechte des Teufels waren; und sie sind solche geblieben, obwohl in der St. Lukas- und St. Giles-Kirche höchst ordnungsgemäß gepredigt wurde. Einer der Gründe davon war, daß sie niemals der Kirche näher gekommen sind, noch überhaupt dazu den Wunsch oder die Absicht hatten, bis sie durch das, was Sie [John Smith] als ›Bruch der kirchlichen Ordnung‹ bezeichnen, dazu gebracht wurden, Gott zu fürchten, ihn zu lieben und seine Gebote zu halten.«1001

1001 Ebd., 115.

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Unveröffentlicht Thomas Hahn-Bruckart, Die Mitarbeit von Laien in der Bischöflichen Methodistenkirche in Deutschland. Zu den Kontroversen der Anfangszeit und ihren Folgen bis ins frühe 20. Jahrhundert, Kiel 2004. Unveröffentlicht. Ernst Pucklitzsch, Meine Lebenserinnerungen, unveröffentlichtes Manuskript. EmK-ZA Rtl.

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451

Benutzte Archive und Abkürzungen

Benutzte Archive und Abkürzungen Archiv der Inneren Mission Bremen Archiv des CVJM Bremen Archiv Evangelisch-Methodistische Kirche Bezirk Heilbronn Archiv der Francke’schen Stiftungen, Halle Evangelisches Zentralarchiv, Berlin Geheimes Staatsarchiv Berlin Hauptstaatsarchiv Stuttgart Landesarchiv Berlin Landesarchiv Schlesw.-Holstein, Schlesw. Landeskirchenarchiv Stuttgart Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv, Hann. Nippert Collection in Historical Society Library, Cinncinati/Ohio Staatsarchiv Bremen Staatsarchiv Dresden Universitätsarchiv Tübingen Zentralarchiv der Ev.-methodistischen Kirche

EZA GehStA HStASt LABerlin LASH LKASt NdsHSA (ohne Abk.) StAHB StADr UAT ZAEmK

Abkürzungen, die so nicht in Siegfried M. Schwertners ›Abkürzungsverzeichnis‹ der TRE erfasst sind CA EmK EV GdP WJW WS

Christlicher Apologete, deutschsprachige methodistische Kirchenzeitung, Cincinnaty/Ohio1839–1941 Evangelisch-methodistische Kirche Der Evangelist, Methodistische Kirchenzeitung Bremen, später Frankfurt/M. 1850–1968 Geschichte des Pietismus, 4 Bände (1993–2004) Works of John Wesley, Bicentenial Edition, Oxford/Nashville Wächterstimmen. Zeitschrift für Mitarbeiter in der Methodistenkirche

Anhang

Antworten auf apologetische Schriften von Verfassern der methodistischen Kirchen Zusammengestellt von Hans Jakob Reimers (Chronologisch angeordnet) O. V. (Ludwig S. Jacoby (1813–1874)), Eine kurze Vertheidigung der Methodistenkirche gegen verschiedene ungerechte Beschuldigungen, Bremen 1850, 18572. Wilhelm Nast (Hg.) (1807–1899), Was ist und will der Methodismus? Cincinnati 1853. Wilhelm Schwarz (1826–1875), Methodismus, sein Antheil an der letzten großen Erweckung, sowie seine Stellung zur Union, Bremen 1866. Auch in: Der Evangelist 1861, 3013ff. Wilhelm Schwarz (1826–1875), Vortrag über den Methodismus. Nebst Vertheidigung desselben gegen Dr. Güders Kritik in den ›Berner Hirtenstimme‹. Mit einem Anhang, Bremen/Zürich 1866. William F. Warren (1833–1829), Der Methodismus, kein Rath oder Werk aus den Menschen, Bremen 1866. Ludwig Nippert (1825–1894), Ein freies Wort über den Bericht des Zürcherischen Kirchenrathes, Zürich 1866. Ludwig Nippert (1825–1894), Offener Brief an Herrn Dekan Nast in Neuhausen über seine »Abwehr der Methodisten«, Heilbronn 1867. Johann Jakob Messmer (1841–1922), Die Methodisten in Deutschland und der Schweiz. Ein Wort zur Aufklärung und zum Frieden, Bremen 1870. Leonhard Peter (1845–1921), Antwort auf den »Nothschrei« der Hochspeyerer Conferenz gegen den Methodismus, Speyer 1874. Ludwig Nippert (1825–1894,) Kurze Abfertigung des Herrn Ernst Johann-to-Settel, Kreisvicar der Diöcese Tecklenburg, Bremen 1876. Christian Dieterle (1843–1911), Die Methodisten-Kirche. Eine kurze Beschreibung, Cannstatt 1880. Carl Weiß (1841–1883), Zur Abwehr. Eine Abhandlung über das Verhältniß der Methodisten zur Landeskirche. Ein Wort zur Verständigung und zum Frieden, Bremen o. J. (1880). Arnold Sulzberger (1832–1907), Über die Wirksamkeit des Methodismus, Bremen o. J. (1884).

454

Anhang

Ernst Gebhardt (1832–1899), Ein Wort zur Aufklärung auf die Flugschrift der Zwickauer luth. Pastoren von einem Methodisten, Bremen 18862. Wilhelm Kuder, Ein Lichtstrahl ins Dunkel oder Gedanken über kirchliche Zustände, Mandel 1887. Adolf Lüring (1828–1896), Kirche und Sekte im Licht der heiligen Schrift, Bremen o. J. Johann W. Ernst Sommer (1881–1952), Der Methodismus Deutsch oder Englisch? Bremen o. J. (1924). Karl Eisele (1878–1971), Der Methodismus, ein Element des Fortschritts innerhalb des Protestantismus, mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Deutschland, Bremen o. J. (1916/17), 19242. Bernhard Haake (1862–1924), Staatskirche oder Freikirche, Privatdruck, Schönheide, o. J. August Rücker (1871–1952), Was »Die Kirche« über den Methodismus zu sagen weiß, und was wir drauf zu erwidern haben, Bremen o. J. Immanuel Mohr DD (1906–2000), Der Unterschied zwischen der Evangelischen Gemeinschaft und den evangelischen Landeskirchen in Lehre, Verfassung und Wirkungsweise, (unveröffentlicht), 1933.

Personenregister (Zu Namen, die mit einem * versehen sind, hat der Autor BBKL-Beiträge verfasst)

Ackermann, Heinrich 312 Ahlfeld, Friedrich 312 *Albrecht, Jacob 28, 105, 145, 167–172, 174f., 177, 212, 356, 375, 392, 402, 427 Albright, Raymond W. 139, 145, 171 Algermissen, Konrad 107, 145–147 Anton Ulrich, Herzog von BraunschweigWolfenbüttel 24 *Asbury, Francis 68, 170, 347f., 373, 419, 423f. Bach, Johann Sebastian 106 *Barratt, John Cook 208, 211, 213, 271 Barth, Christian Gottlob 309 Bauernfeind, Georg Fr. Chr. 312 Baum, Johann Wilhelm 59 Baumann in Remptendorf 325 Baur, Ferdinand Christian 183, 296 *Beck, Albin Hermann 332 *Beck, Johann Friedrich Karl 229 Beck, Johann Tobias 60 Benedictus, Renatus (Rene Benoist) 22f., 27 Bengel, Johann Albrecht 112, 222, 346 Benson, John 103 Bergner, Webermeister in Fraureuth 326 *Bernstorff, Andreas Graf von 62, 286 Bethmann-Hollweg, Moritz August von 309 Bezner, Alfred in Walheim 296f. Bezner, Ferdinand 296 Binder, G. S., Prälat 235f.

*Bischoff, Georg Friedrich Heinrich 193, 308, 328, 332 Bismarck, Otto von 92, 369, 371 Blumhardt, Johann Christoph 183 Böhler, Peter 40, 50, 116 *Böhm, Heinrich 170 *Böhm, Martin 308 Boltzius, Johann Martin 29f. Bonnet, Ludwig 248 Bossuet, Jacques Benigne 23, 25 Braun, Friedrich von 119f., 123 Bucer, Martin 160, 341 Bugenhagen, Johannes 344 Burckhardt, Johann Gottlieb 55f., 93, 102 Burkhardt, Karl Heinrich 113, 164f., 208, 212, 248, 284, 382 Calvin, Johannes 130, 341 Chalmers, Thomas 77, 136 CheneviHre, Jean-Jacques 59 Christlieb, Heinrich 105, 212, 233–236, 247f, 260–264, 291 *Christlieb, Theodor 37, 60–62, 64, 80f., 91, 93, 149, 205, 298 Coke, Thomas 68, 346–348, 373, 419, 423f. Commerell, Lehrer in Mettingen 277–280 *Cook, Jean Paul 199 Costa, Isaac da 77 Cramer, Friedrich Bernhard 332 Cromwell, Oliver 47

456 Daille, Jean 47 *Dancker, Georg 193 Dändliker, Sophie 396 Delamotte, Charles 48 Dettinger, Christian 226f., 236 Dibelius, Otto 99f., 382f. Dimmlich, Franz 325 Dober, Leonhard 180 *Doering, Carl Heinrich 386f. Donandt, Ferdinand 202 Dorner, Isaak August 121 Dulon, Rudolph 195, 197 Duperron, Jacques-Davy 23 *Durbin, John Price 180–182, 185, 308, 326, 404 Ebert, Friedrich 385 *Eckstein, Herbert 269 Edwards, Jonathan 52, 77, 149, 161, 341 Ehmann, Gottlob 250 *Eilers, Friedrich 397 Eisele, Rosine 277–280 *Eisenhardt, Lorenz 252 Enßlin, Ludovika 173 Ertl, Heimo 355, 390 Eschenmayer, Carl August von 183 *Escher, Johann Jakob 135, 138f., 254f. Espig, Christian 324f., 327 Eulenberg, Graf Friedrich zu 382 Feldmann, Christian 371 *Fiege, Wessel 204, 309 Finney, Charles Grandison 28f., 35, 37f., 72, 77 Fischer, Karl Philipp 173 *Fletcher, John William 103 Fliedner, Theodor 188, 214 Fournier, August 129 Francke, August Hermann 28f., 31, 39, 97, 102, 158, 161 Francke, Gotthilf August 29–31, 40, 142 Friedrich Wilhelm IV. 149, 380, 407 Fries, Heinrich 146 Fritz, Friedrich 68, 133, 220, 222, 255, 262, 266, 272f., 285 Funcke, Otto 198

Personenregister

*Füßle, Gottlieb

228

Gäbler, Ulrich 28, 35, 38, 59, 76, 108 *Gebhardt, Ernst 62, 106, 199, 236–242, 257–270, 297, 318, 365, 379, 405 Geissel, Friedrich 216 Gerhardt, Paul 106 Gerok, Karl Friedrich von 264 Gerold, Stadtdekan 266 Geyer, Ludwig 300f., 304 Gillies, John 37, 103 Glück, Gottlieb 272f. Goebel, Heinrich 384f. Gogh, Vincent van 63f. Goßner, Johannes Evangelista 64, 308 Graham, Billy 402 Graul, Karl 83, 195 Greiner, Christoph 272f. Gronau, Israel Christian 29, 39 Grüneisen, Karl 289, 300 Guericke, Heinrich Ernst Ferdinand 77f., 81 Hahn-Bruckart, Thomas 121, 148, 163, 286, 388, 394, 402 Hampson, John 102 Harleß, Adolph 71, 300–303 Hartlaub, Johann Wilhelm Konstantin Friedrich 173 Hauber, Albert von 280, 282, 285, 287– 291, 294, 298 Heim, Friedrich Jakob Philipp 211, 395 Heimburg, Pfr. in Zielis (Reuß-Schleiz) 310 Heinrich XX. Fürst Reuß-Schleiz 310, 323 Heitzenrater, Richard P. 26, 30, 40, 46–48, 54, 170, 391, 401 Hempel, Gustav 382 Hengstenberg, Ernst Wilhelm 182, 309 Henhöfer, Aloys 77 Hermelink, Heinrich 213 Herpisch, Carl H. E. 325 Herzog, Johann Jakob 24, 78, 97f., 242 Heydt, Ludwig Ferdinand 264 Hofacker, Ludwig 308

Personenregister

Hoffmann, Christoph 211f., 236f., 251, 268 Hoffmann, Gottlieb Wilhelm 222 Hoffmann, Pfarrer von Großingersheim 227f. Hoffmann, Seminardirektor, Reuß-Schleiz 310 Hoffmann, Wilhelm 174, 183, 214 Hölder, Julius 274 Holl, Karl 63, 218 Horaz 45 Horn, William 254 Huechtens, Henricus Marcellius 23 Hundeshagen, Karl Bernhard 78, 84 *Hurst, John Fletcher 93, 388 Ideler, Karl Wilhelm 105 Ihmels, Ludwig 409 Iken, Heinrich Friedrich 195 Immer, Albert 59 Ingham, Benjamin 48 Jackson, Thomas 103, 401 Jacobi, Justus Ludwig 194 *Jacoby, Ludwig Sigismund 52, 78–80, 104, 159, 178–180, 185, 194f., 200–205, 229–234, 236, 243, 245, 257–259, 261– 265, 307–309, 312f., 315, 326, 332, 352, 368f., 382, 386, 396, 403–405, 407f. Jetter, Paul 86, 173 Jörg, Joseph Edmund 141–146 Joss, Gottlieb 59 Jung, Juliane Katharina 199, 227 *Jüngst, Johannes 57–63, 123 *Junker, Paul Gustav 121 Juvenal 45 Kalb, Ernst 119, 121–123 Kantzenbach, Friedrich Wilhelm 97 Kapff, Sixt Karl von 212, 220, 250, 287, 289 Kattenbusch, Ferdinand 70, 101 *Keip, Bernhard 382 Kern, Gottlob Christian 174 Kern, Henriette Louise 174 Kett, Jodok 59, 91, 346, 401

457 Klaiber, Walter 17, 33, 57, 127, 295, 362, 410, 432 *Klenert, Jakob 382f. Klenk, Johann Jakob 272f. Kliefoth, Theodor 404 *Klüsner, Franz 201 Knapp, Johann Georg 40 Knapp, Ludwig August 290 Koch, Charles G. 218 Koch, Dekan 267 Kolde, Theodor 96f., 123 König Karl von Württemberg 275 Kraus, Ernst Christian Friedrich 173 Krummacher, Friedrich Adolf 248 Krummacher, Friedrich Wilhelm 309 Krummacher, Hermann 92 Kübel, Robert Benjamin 60 *Kücklich d. Ä., Reinhold 384 *Kuntze, Eduard Wilhelm Theodor 103, 403, 407 Kupisch, Karl 80, 199 *Kurz, Sebastian 217f. Landerer, Christian August 290 Lang, Joseph 91–93, 95, 221 Lange, Ernst 417 Lange, Johann Peter 90, 95 Lawson, John 349 Lee, Sung-Duk 41f. Lehmann, Hartmut 59, 61, 274 Leib, Johannes P. 51, 72, 161, 221 Leibbrand, Karl August 228, 274f. Lessmann, Thomas 20, 51, 108 *Link, Johann Conrad 216f., 219–221, 223–227, 230f., 250–254, 256, 264, 267, 288, 290, 334, 352 Link, Juliana 250 Locher, Jakob 261 Löhe, Wilhelm 38, 73, 77, 161, 311f. Loofs, Friedrich 99f., 383 Luther, Martin 21f., 40, 42, 50–52, 56, 69, 71, 75, 83, 96, 98, 107, 116, 118, 127, 134, 139, 149, 151, 155, 165, 199f., 206f., 243, 339, 357, 402, 424 Lutz, Philipp 316 *Lyth, John 208

458 Maimbourg, Louis 23 Makarius der Ägypter 362 Mallet, Friedrich Ludwig 79, 193f., 199f., 203f., 309 Mandela, Nelson 430 *Mann, Ernst 233 Mann, Heinrich 316, 319f., 323, 326, 332 Masen, Jacob 23 Matthes, F. Karl 105f., 108 Matthias, Markus 28, 32f., 38, 157f., 165 Mayer, Agnes 214 Meier, Johann Daniel 202 Meyer, Dietrich 32, 44, 142 Meyer, Otto 119f. *Miller, Adam 151, 168, 193 Miller, George 168, 170–172 Milton, John 46 Möhler, Johann Adam 141f., 145–147, 294 Monod, Adolphe 77 Moody, Dwight Lyman 38, 77, 108, 118, 134, 402 Mörike, Eduard 173f., 183f. *Morris, Thomas Asbury 178 Mott, John Raleigh 181, 409, 430 Mühlenberg, Heinrich Melchior 159 Mulert, Hermann 136 *Müller, Christoph Gottlob 113, 164, 207, 212, 284 Müller, Daniel L. 59 Müller, Pfarrer von Dettingen 224 Müller, Schuhmacher in Mettingen 279 Müller jr., Karl 179 Münkel, Konrad Karneades 78–82 Musaeus, Johannes 28 Napoleon Bonaparte I. 351 Nast, Franziska 182 *Nast, Wilhelm 74, 80, 109, 123, 135–137, 146,148, 164, 173–176, 182–185, 193, 204f, 220,, 230, 232f, 357, 402f, 407 Naumann, Friedrich 286, 385 Neander, Johann August Wilhelm 98 *Neitz, Salomon 251f., 254 Nicola, Superintendent 404 Nicole, Peter 23, 25

Personenregister

Niemeyer, August Hermann 102 Niemeyer, Victor 385 Nihusius, Barthold 25 *Nikolai, Johannes 219–221, 227, 230, 290, 352 *Nippert, Ludwig 109f., 126f., 183f., 199, 214, 230, 264, 368, 386, 451 Nitschmann, David 180 Noll, Mark A. 52, 73, 161, 176, 349f. Noltenius, Johann D. 203 *Nuelsen, Heinrich 235, 261, 264, 267, 286, 363 *Nuelsen, John Louis 234, 394, 399, 408f. Oertzen, Jasper von 95 Olbers, Georg Heinrich 200, 386 *Orwig, Wilhelm W. 221 Ostertag, Johann Friedrich 216f. *Otterbein, Philipp Wilhelm 175, 308, 327, 347, 402 Outler, Albert C. 43 Pahl, Henning 287, 289 Palmer, Christian 86–88 Paul, Jean 20, 58, 93, 106, 173, 183, 215, 237, 259, 314 *Paulus, Carl Friedrich 120f., 123 Paulus, Immanuel 235 *Paulus, Philipp 125, 212, 223, 225, 227, 230f., 236f., 250–256, 267f., 286–288 Peschke, Erhard 31 Peters, Ernst Heinrich 200 Piersig, Johannes 198 Planck, Gottlieb Jakob 61, 70, 142 Plitt, Gustav Leopold 88–90 *Poppe, Eberhard Christoph 386 Posern, Kurt Ernst von 312 Potter, Philip 430, 432 Preuß, Hugo 385 *Pucklitzsch, Ernst 309, 315, 320

Personenregister

Renty, Gaston Jean-Baptiste de 46 Reuß, Christian Friedrich 128, 191, 230, 308, 310, 323f., 327f., 404 Richelieu, Armand-Jean du Plessis von 25 Richter, Caroline von 91, 173, 183f., 314 Riecker, Otto 47 *Riemenschneider, Engelhardt 259–264 Riemenschneider, Karl 388 Ritter, Karl Wilhelm 170, 405 *Rodemeyer, August 201, 387 Rohnert, Wilhelm Siegmund 115–117, 191f. Ronge, Johannes 351 Runcie, Robert A. 52 Rupp, Julius 33, 52, 349, 351 *Sankey, Ira David 118, 134 Schaarschmidt, C. H. 315 *Schäfer, Marie 196, 214 Schaff, Philipp 70, 93, 136, 139, 218, 406 Schäufele, Christiane 296 Schellwitz, Dr. 310 *Schempp, Johannes 139 Schenkel, Daniel 318 Schenkel, Traugott 315 Scheve, Eduard 37 Schimmelmann, Adeline Gräfin von 105 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 182, 185 Schlosser, Johann Ludwig 48 *Schlümbach, Friedrich von 121, 148, 159, 163, 286, 402 Schmidt, Ferdinand 316 Schmidt, Johann Andreas 24 Schmidt, Karl Christian Gottlieb 103 Schmidt, Martin 26, 30, 32, 47–49, 56, 417f. Schmucker, John Georg 72 Schmucker, Samuel Simon 72 *Schnatz, Johann Philipp 250, 252, 266f. Schneckenburger, Matthias 78, 84f. Schneider, Bernhard 128, 321, 358, 370 Scholl, Gottlieb 230f. Schrenk, Elias 64, 118f. Schröder, Bernhard 313, 315 *Schultze, Friedrich Siegmund 88, 408

459 Schulze-Delitzsch, Hermann 377, 381 Schwarz, Christian 325 *Schwarz, Wilhelm 387 Seeberg, Reinhold 83 Seeger, Ludwig 174 Semisch, Carl 129, 132 *Seybert, John 171f., 254 Shanahan, William O. 99 Siebel, Tillmann 332 *Simpson, Matthew 406 Smidt, Johann 196 Smith, John (Pseudonym) 432f. *Smith, Robert Pearsall 37, 57, 64, 118, 134, 163, 408 Söderblom, Nathan 136, 409 Soldan, Wilhelm Gottlieb 24, 27 *Sommer, Carl Ernst 58, 175f., 194, 218, 257, 432 Sommer, Johann Jakob 211 *Sommer, Joh. Wilh. Ernst 392 Sonnenberg, Joseph von 23 Southey, Robert 103, 142 Spener, Philipp Jakob 29, 34, 39, 68, 112, 158, 161 *Spoerri, Theophil 136 *Steinlen, Johann Gottlieb 272 Stensen, Nils 23 *Stevens, Abel 199 Sticker, Anna 214f. Stoecker, Adolf 60 Storr, Gottlob Christian 296 Strauß, David Friedrich 183, 318 Strebel, Valentin 99, 110–112, 114 *Stroeter, Ernst Ferdinand 92 Studt, Conrad von 63 *Sulzberger, Arnold 387, 406 Süskind, Friedrich Gottlob 182f. Süskind, Wilhelmine 173 Terenz 45 Thadden-Trieglaff, Reinold von 392 Thimme, Ludwig 136 Tholuck, Friedrich August Gottreu 34– 37, 71, 98, 103f., 121, 133, 136, 182, 185, 235, 248 Tieck, Ludwig 173, 183

460 *Tiesmeyer, Ludwig 198 Tiller, Karl F. 325 Toel, Friedrich Adolf 196f. Trenck, Albert Freiherr von der 324 *Treviranus, Georg Gottfried 196 Uhlich, Leberecht 204 Urlsperger, Samuel 30, 39 Veron, Franz 25 Vischer, Friedrich Theodor 183 Voigt, Stefan 431 Volkening, Johann Heinrich 332 Volkmann, Gustav 198 Vollert, Pfr. 326 Wächter, Karl Georg 183 Walch, Johann Georg 22–25 *Wallon, Abraham Louis 232 *Wallon, Louis 232 Walter, Christian 274, 431 Walther, C. J. 317 *Walz, Johannes 254 *Warren, William Fairfield 36, 235, 388 Watzdorf, Christian Bernhard von 311 Weiß, Friedrich 227f. Weiss, Andreas 266, 344, 374, 415, 420 *Weling, Anna Thekla von 62 Wendeborn, Gebhard Fr. August 102f. *Wesley, Charles 27, 29f., 33, 39, 45, 48– 52, 55, 116, 142, 345f., 415, 430 *Wesley, John 26, 28–57, 64, 67, 87, 96, 98, 102f., 107f., 110, 113, 116, 118, 130, 134, 141f., 145f., 149, 151, 158, 165, 180, 186f., 207, 244, 247f., 342f., 345–348,

Personenregister

355, 362, 391, 401, 417–419, 423, 426, 430, 432 Weyer, Michel 42, 55, 57, 102, 248 *Whitefield, George 27, 30, 32, 37, 47, 49, 52, 55f., 77, 103, 149, 161, 248, 341 Wichern, Johann Hinrich 160, 188, 196f., 351 Wiener, Peter 52 Williams, George 199 *Wimmer, August Gottlieb 198 Wittenberger, Theodor 311, 416 *Wollpert, Johann Georg 227–229, 254, 288 *Wright, Joseph A. 404 *Wunderlich, Ehrhardt Friedrich 308 Wunderlich, Engelbert 321f. Wunderlich, Friedrich (1823–1904) 309f., 312–314, 325, 330 *Wunderlich, Friedrich (1896–1990) 314, 400 Württemberg, König Wilhelm I. von 275 Wydenbrugk, Oskar Freiherr von 311 Wyneken, Friedrich 38, 70–82, 85, 161,166, 193, 205, 224, 312, 330 Zauleck, Paul 198 Zehmen, Baron Hans von 312 Zeller, Paul Ernst Ludwig 237f., 240 Zimmer, Emil August 316 Zimmermann, Simon F. 232 Zinser, Johann Georg 221 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von 30, 32–34, 39f., 42, 44, 54, 84, 112, 142, 207

Ortsregister

Adorf 322 Altenburg 26 Altstrelitz 178, 404 Amerika 18, 28, 35, 37f., 58, 60, 63, 68, 70–81, 85, 87f., 92f., 98, 101, 104, 108, 111f., 119, 121, 126, 130, 132f., 143–145, 148f., 151f., 156, 158–164, 166f., 172– 180, 182, 184–187, 192–196, 198–204, 215–220, 225–227, 230, 232, 235f., 240, 249–251, 253f., 257, 262, 264, 266, 270, 282, 286, 290, 303, 308, 310–312, 315, 322–329, 333, 335f., 341, 345–348, 352, 355–357, 359, 361, 363, 365, 371–373, 376, 378, 388, 392f., 395, 397, 399, 401– 407, 418f., 421, 423–425, 427f., 430 Aschaffenburg 23 Aurich 201, 382 Backnang 272, 274 Baden (Großherzogtum) 58, 128, 218, 229, 253, 255, 375, 380, 384 Bad Homburg 368 Baltimore 193, 303, 347f., 355, 402, 419, 422, 428 Basel 37, 173, 214, 236, 265f., 368, 396 Bayern 96f., 201, 208, 300, 323, 371 Belgien 295 Berga 311f., 328 Berlin 20, 31, 34, 36, 52, 58, 61f., 81, 93, 98, 103, 105, 121, 128, 132, 150, 159, 172, 181, 185, 200, 212, 214f., 217, 236, 274, 279, 287, 305f., 364, 369, 374, 381f.,

384f., 387f., 396, 399, 403f., 407, 409f., 418, 451 Bern 59, 84f., 274, 368, 396 Bissingen 250 Blankenburg 61f. Blaubeuren 135, 182 Bonlanden 109, 217 Bonn 29, 37, 58, 61f., 82, 90–93, 95, 205, 248 Borinage 63 Boston 36, 388 Brake 196, 258 Braunschweig 24, 201 Bremen 20, 32, 36, 52, 56, 70, 78–80, 104, 119, 127, 136, 178, 189, 191–201, 203– 206, 211, 219, 230f., 233, 236f., 244, 253, 259–262, 287, 308f., 311, 313, 315, 331f., 352, 359, 371, 374f., 377–379, 382, 387– 389, 395f., 398, 404, 408, 451 Bremen-Vegesack 201, 206, 387 Bremerhaven 178, 193, 196, 200, 206, 368, 372, 395 Breslau 115, 215 Bristol 244, 345, 355 Buchenbronn 273, 275 Büdingen 32, 40 Buffalo/N.Y. 237, 240, 254 Charenton 26, 47 Chile 405 China 68, 179, 329, 364, 405 Cincinnati/Ohio 74, 92, 109, 357 Cleveland/Ohio 91f., 215, 251

462 Dörtendorf 309, 311, 315f., 320, 324, 332 Dresden 173, 183, 308, 312, 317, 321, 332, 451 Düsseldorf 214 Ebersbach 273, 275 Eisenach 60f., 290, 300f., 303–305 Eliasbrunn 315, 325 Elsass 58, 128, 168f., 254f., 308, 359, 402 England 23, 25–27, 50, 52f., 55, 67, 74, 82, 86, 93, 101–103, 106, 111, 119–121, 125, 130–132, 134, 143, 149, 158f., 180f., 186f., 208–210, 247f., 303, 341f., 345– 349, 353–356, 368, 373, 376, 391, 401, 407, 409, 418f., 423 Essen 44, 57f., 199, 312, 385, 404 Esslingen 120, 173f., 184, 252, 277–280, 291 Finsterrot 273 Flensburg 105, 371 Frankfurt am Main 113, 389 Frankreich 22, 25–27, 110, 181, 223, 232, 295, 368, 376, 405f. Fraureuth 325–328 Freiburg/Breisgau 387 Freudenthal 216f. Friedrichsdorf am Taunus 232 Gefell 312 Genf 58f., 64, 341, 399 Genthin 25 Georgia 29f., 39–41, 48–50, 118, 417 Gießen 41, 58, 101, 286 Gnadau 59–61, 95, 149, 205 Görkwitz 325 Gößnitz 105, 313, 315f. Gotha 57f. Göttingen 28f., 32f., 35, 44, 46, 59f., 70, 72, 80, 94, 97, 101, 113, 119, 121, 164, 177, 189, 207, 244, 274, 362, 388, 409 Greiz 308, 311, 324–327, 404 Greiz-Zoghaus-Gommla 327 Greuthof 272f., 275 Großingersheim 74, 227f. Gütersloh 30, 59

Ortsregister

Gwennap Pit/Cornwall

54, 68

Halle 28–31, 34–36, 39f., 44, 54, 56, 71, 77f., 97–103, 105, 121, 133, 142, 150, 235, 324, 356, 383, 388 Hamburg 29, 36, 40, 48, 95, 99, 103, 117– 119, 150, 178, 189, 196–198, 200, 248, 274, 371, 375, 395–397, 403, 410 Hannover 23, 52, 71, 79, 145f., 157, 192, 196, 201, 370, 382 Heidelberg 90, 387f., 402 Heidenheim 112–115, 225f. Heilbronn 20, 62, 86, 110, 125, 223, 231f., 236, 253, 256–269, 272, 276, 291, 296, 369, 379, 389, 451 Helmstedt 24 Herrendijk 41 Herrnhut 30, 32, 39–41, 44, 134, 142 Hildesheim 32, 146 Hohenleuben 325, 332 Indien 83, 179, 308, 329, 364 Isleworth 63 Islington 120, 248 Italien 295, 329, 405 Jena

22–24

Kaiserswerth 214f., 396 Karlsruhe 253, 377, 380 Kingswood 97, 432 Köln 37, 232 Königsbronn 225 Korntal 222, 250, 283 Lancaster 170 Langenwetzendorf-Zoghaus 315 Lausanne 232f., 359, 387, 396, 409 Lauterbach 216f. Leipzig 24, 26, 37, 52, 59, 72, 80, 83, 88, 98f., 103, 105, 113, 116, 133, 165, 178, 192, 195, 248, 274, 310, 312, 314, 318, 382 Lobenstein 308 London 23, 26, 30, 40f., 47, 49f., 52, 55, 57, 60, 62, 74, 82, 93, 102f., 116, 118, 120,

Ortsregister

130, 142, 165, 186, 205, 207, 211, 215, 244, 248, 342, 345, 347, 349, 355, 368, 396, 401, 404, 406–408 Ludwigsburg 86, 105, 112f., 125, 212, 223, 225, 227, 230–238, 240f., 247f., 251– 253, 258–264, 267, 272, 280, 286f., 290, 296, 378 Mainz 26, 141, 145, 174 Mannheim 215 Marbach 224, 268, 274 Marienborn 40 Markersdorf 312 Mettingen (OT Esslingen) 277–280 Michigan 427 Missouri 70f. Mühlhausen an der Enz 236–242, 273, 275 Mühlhausen bei Oelsnitz 321 München 28, 99, 128 Münster 27, 70, 124, 132, 155, 340, 368, 420, 422 Murrhardt 273 Naila 193, 308, 323, 327 Naitschau 325 Nashville 26, 40, 47, 113, 130, 244, 362, 401, 451 Nellingen 280 Neudorf 325 Neuendettelsau 38, 73, 75, 311 Newcastle upon Tyne 345 New York 32, 52, 89, 93, 132, 148, 178– 182, 184f., 192f., 202, 270, 302, 368, 387f., 395, 406 Nitschareuth 325 Nordheim 273, 275 Nürnberg 55, 62, 102, 409f. Oberlin/Ohio 28, 37, 77 Oelsnitz 321f. Oldenburg 128, 152, 196, 201, 203, 258, 370 Omaha/Nebrasca 394 Oschitz 325 Osnabrück 124, 155, 196, 340, 382, 420

463 Ostfriesland 152, 201, 397 Oxford 33f., 41, 45, 47–55, 86, 98, 107, 110, 113, 116f., 133f., 136, 141, 146, 149, 342, 349, 359, 363, 406, 409, 451 Paris 22f., 26, 59, 199, 364, 387 Pennsylvania 168 Pfullingen 228 Plauen 316, 321f. Preußen 115, 124, 129f., 218, 248, 290, 293, 301, 305–307, 369, 375, 380–385 Pulsnitz 312 Redruth/Cornwall 54 Remptendorf 325, 327 Reuß ältere Linie 307, 310, 323f., 326f. Reuß jüngere Linie 191, 307 Reutlingen 20, 95, 120, 227–229, 235, 252, 383, 388f., 430 Richmond 63 Rom 21, 148, 329 Roßdorf 25 Rüßdorf 308, 311f., 323, 325f., 328, 330, 404 Sachsen 14, 24, 40, 105, 191, 218, 231, 307f., 312, 314–316, 318f., 322–332, 363, 371, 395f., 403f. Sachsen-Altenburg 105, 191, 307, 313, 316 Sachsen-Weimar-Eisenach 191, 307, 310, 323 Savannah/Georgia 29f., 39, 49 Schleiz 201, 308, 310, 325 Schlesien 115, 208, 215 Schorndorf 273–275 Schwarzenberg 316 Schweden 295 Schweiz 17, 23, 37, 57–59, 70, 97, 121, 135, 145, 148, 163, 169, 175, 178, 189, 191, 197, 200f., 218, 229, 232, 234, 255, 261f., 264, 308, 350, 357–359, 368–370, 374, 376f., 381, 387, 389f., 405f. Solingen 384 Stendal 25 Stockholm 408f.

464

Ortsregister

Straßburg 59, 341 Stuttgart 20, 29, 48, 51, 55, 57f., 67f., 78, 85f., 92, 99, 107, 109f., 112f., 119f., 123–125, 128f., 133, 139, 157, 160, 168, 172f., 181–183, 191, 209, 211, 213–217, 219f., 222, 224–226, 229–231, 235f., 238, 241f., 249f., 252–254, 257, 264, 266f., 269f., 272, 274–276, 280, 291, 296, 299–302, 304, 352, 368, 379, 389, 393f., 400, 421, 431f., 451 Sulz am Neckar 235 Texas 427 Triebes 310f. Tschirma 325 Tübingen 29, 70, 84, 86, 99, 101, 135, 141, 173f., 179, 182, 213f., 290, 344, 346, 355, 357, 379, 388, 451 Ulm

219, 287, 290

Verden an der Aller

70

Waiblingen 130, 213, 274, 389 Waltersdorf 312, 315, 324, 328, 330 Wannweil 227 Weida 326, 404 Weihenbronn 273, 275

Weimar 13, 99, 133, 156, 286, 308, 310, 322f., 325, 327–329, 336, 364, 371, 378, 382f., 385 Weinsberg 261, 272, 274 Welzheim 274 Werdau 317 Wien 26, 37, 141, 145, 208, 345 Winnenden 74, 86, 125, 207f., 212, 214, 230, 247, 352 Wisconsin 224–226 Wuppertal 37, 47, 196, 199, 279, 397 Württemberg 14, 18, 20, 35, 58, 68, 74, 86, 88, 91, 99, 105, 111–114, 123–125, 127– 130, 132f., 150, 164, 172f., 179, 183, 189, 191, 201, 206–210, 213, 215–218, 222, 224, 229, 231–234, 237–239, 244, 246, 248–251, 254–256, 258f., 261–265, 267f., 271, 274–277, 281, 283, 285, 287, 290, 295, 299–309, 313, 315, 321, 323, 331–333, 344, 353, 363, 365, 369, 375– 380, 389, 396, 402, 420, 426 Würzburg 23, 335 Wüstenrot 272f. Zeitz 316 Zeulenroda 310f., 328 Zürich 26, 33, 36, 56, 59, 98, 201, 259f., 359, 377, 394 Zwickau 269, 310, 315–317, 319f., 322, 326f., 332, 409f.

Sachregister

Abendmahl 42, 52, 71f., 80, 130, 160, 186, 204, 207f., 211, 213, 244–246, 249f., 252, 257–260, 262, 266f., 276, 284, 291, 297, 299, 301–303, 317, 326, 328, 340, 344, 347, 353, 365, 390, 396, 409, 415 Agapen (s.a. Liebesfest, -mahl) 41, 209– 211, 244, 362, 366, 421 Aktiengesellschaft 379f., 384, 396 Albrechtsbrüder (s.a. Ev. Gemeinschaft) 59, 88f., 125, 168, 215, 250, 281, 375 Allgemeine Regeln 165, 168, 170, 172, 207, 209, 345f., 356, 415 Allianz, Evang. 60, 62, 94f., 132, 149, 173, 199, 212, 223, 226, 235, 368, 403, 406– 409 Altlutheraner 77, 115, 117, 326, 385 Amt 25, 88, 127f., 130, 214, 228, 246, 260, 276, 291f., 339, 347, 379, 403 Anerkennung (rechtl.) 15, 82, 90, 99f., 113, 122, 133, 155, 201, 212, 220f., 249, 256, 277, 285, 301, 315, 318, 322, 326f., 329, 340, 358, 370f., 377, 379, 381, 383f., 397f., 409 Anglikaner 30, 41, 52f., 132, 174, 213, 222, 346f., 350, 426 Anhaltende Versammlung 126, 163 Antinomismus 131, 425 Arme 46, 55, 61, 74, 108, 147, 189, 232, 245, 247, 314, 319, 323, 354, 374, 392f., 395 Arminianer 47, 52 Augsburg 1555 113

Ausbildung 35, 121, 156, 198, 236f., 252, 261, 280, 333, 358, 370, 386–389 Austritt a. d. Landeskirche 252f., 317, 319, 324 Auswanderung 38, 70, 73, 76, 151, 176, 188, 192f., 202, 222, 224, 325, 370, 387 Autonome Kirche, Autonomie 212f., 215, 225, 229, 231, 249, 251, 253f., 258, 271, 275f., 283, 291, 299, 332, 335, 365, 373, 378, 385, 393, 428 Baptisten 38, 74, 83, 90, 99f., 105, 134f., 161, 188, 204, 210, 219, 222, 249, 268, 273, 351, 385, 399, 406f. Begräbnis 292f. Bekehrung 28f., 31–34, 38f., 41f., 45, 51, 53f., 56, 73, 76f., 81, 84f., 87f., 90–92, 96, 98, 101, 108–110, 112, 114, 116–118, 120– 122, 125f., 130, 132, 134f., 138, 140, 142, 144, 146f., 150f., 157–159, 161, 163–165, 177f., 195, 268, 282, 309, 312, 325, 333, 353, 355, 362, 370, 376, 378, 420 Bekehrungsmethodismus 27–29, 31, 45 Bekehrungszwang 35 – Angabe von Tag, Stunde, Ort 121f., 151, 321 – Methode der Bekehrung 17, 39, 45, 55f., 69, 87, 89f., 111, 114, 116, 127, 150, 157, 177f., 333, 420 Bekenntnisschrift 32, 53, 67, 89, 101, 108, 136, 139, 141, 145, 191f., 243, 331 Bestattungen 208, 291, 317, 319, 327, 367, 425

466 Betversammlung, beten 74, 115, 138, 207, 218, 223, 257, 326 Bischof 17, 40, 76, 138, 148, 170–172, 178, 186, 192, 194, 202, 221, 234, 254f., 276, 312, 329, 342, 347, 349, 359–361, 364, 383, 388, 392, 394, 399f., 405f., 408–410, 432 Book of Common Prayer/Common Prayer book 130, 213, 346–348, 419 Briefe 49, 74, 81, 121, 159, 162–164, 193, 207, 214, 217f., 227, 250, 258, 304, 335, 352, 403 Brüdergemeine 39, 123, 204, 207, 383, 403, 405, 425 bürgerliche Rechte 62, 277, 371, 380f. Bußbank 38, 95, 161, 225, 365 Buße 29, 31f., 34, 41f., 45, 76f., 79, 107, 109f., 121, 125–127, 130, 134, 137, 139f., 165, 282, 376, 378 Bußpraxis 33 – Bußkampf 31f., 34f., 41f., 44f., 54, 56, 79, 84, 96f., 108, 112, 114, 117, 122, 126f., 132, 134, 142, 150f., 157f., 161, 163–165, 167, 282, 333 – Bußkrampf 45, 73, 84, 106, 108, 117, 122, 131 Calvinismus 36, 341f., 353 Campmeeting (s.a.Lagerversammlung) 35, 111, 162, 356 Confessio Augustana 75, 89, 130, 155, 331, 340, 426 Connexio, Connexionalismus 41, 349, 359–361, 423 Corporationsrecht (s.a.Kirchenrecht) 202, 306, 377, 380–382 Darbysten/Darbysmus 98 Denomination 14, 19, 35, 38, 44, 62, 64, 69, 77, 80f., 94, 148f., 155f., 159, 179, 223, 299, 331, 343, 353, 372, 376, 401f., 406, 426–429 Diakonissen 189, 214f., 367, 396f. Discipline (s.a. Kirchenordnung) 19, 51, 170, 344–346, 348–350, 356, 359, 373, 391, 419, 423–427

Sachregister

Dissidenten/Dissenter 67, 129, 206, 208, 210–212, 214, 223, 229, 256, 271, 275– 277, 291f., 306, 314f., 317, 319, 322, 328, 332, 336, 365, 371, 375–377, 396 Dissidentengesetz, -register 129, 229, 272, 276, 292 Donatismus 192 Eindringlinge 17, 68, 84, 130, 133, 148, 220, 330, 334 Einwanderer 72, 75, 144, 159, 174, 178f., 185, 218, 356f., 402 Eisenacher Konferenz 95, 127f., 289, 299f., 305, 331 Erfahrung 17–19, 31f., 40, 53f., 57f., 61, 68, 71, 76f., 85, 93, 98f., 106f., 114, 116, 123, 126f., 140, 142, 151f., 155, 157, 161, 163, 165, 168f., 182, 185, 187, 209, 215, 218, 222f., 225, 235f., 243, 245, 247, 253, 256, 269, 286, 300, 304, 308, 312–315, 331, 336, 347, 355, 357f., 360, 362, 375, 389, 396, 401–403, 411, 417f., 421, 428– 431 Erlass 125, 127f., 208, 212, 238, 244, 249, 259, 267, 272, 277, 280–283, 286f., 289, 291, 293–295, 301, 314, 317f., 324, 336, 341, 371, 380, 396 Erweckung 28, 33, 35, 37, 52f., 58f., 76, 81, 106–108, 112f., 116, 118, 121, 126, 134, 147, 149, 151, 159–161, 175, 179, 186f., 190, 194, 207, 257, 282, 286, 308, 323, 325, 345, 369 Erweckungsbewegung 27, 32, 57, 71, 104, 133, 148, 177, 179, 184f., 197, 208, 212, 218, 286, 315, 352, 357, 401, 418, 421f. Evangelisation 37f., 47, 94f., 119, 126, 181, 205, 208, 251, 298, 343, 402, 410 – Evangelisationsverein 94, 149, 205 Evangelische Gemeinschaft 14, 58f., 72, 86, 88–92, 99f., 109, 112–114, 120, 123, 125, 135, 138f., 144f., 167–170, 172f., 175f., 193, 215–218, 220–229, 231, 233, 236, 238, 249–256, 264, 266f., 271, 277, 279–281, 285f., 290, 299, 308, 313, 323, 332, 352, 356f., 375–380, 382–384, 389, 392f., 397, 402, 405f., 409, 427

Sachregister

Frauen 115, 158, 195, 214f., 234, 237, 240, 247, 289, 362, 391f., 395f. Freiheit 76, 82, 110, 123f., 132, 157f., 166f., 176, 188, 211–213, 240f., 253, 269, 274, 276, 294, 312, 320, 329, 348, 352, 380, 419, 422 Freiheitsstrafe 128 Friedensglocke 216, 237, 267f., 288 Friedensschluss (1648) 124, 340f. Frömmigkeit 34f., 39, 41, 44, 57–59, 73, 85, 88f., 101, 105, 107, 122, 126, 129, 132, 134, 152, 155, 168f., 176, 184, 187, 325, 330, 333, 345, 415 Frömmigkeitstyp 57 Gefängnisstrafe 129, 324 Gemeindebildung 77, 150, 198, 203f., 208, 350, 356, 372 Gemeinschaft 37, 41, 46, 60–62, 73–75, 86, 88–90, 94f., 100f., 113f., 123f., 126, 128–130, 132, 142, 150, 156, 161, 164f., 168–172, 188, 190, 208–212, 214f., 217f., 221–226, 228, 231, 234f., 237, 239, 241, 243–247, 249–267, 269–271, 275f., 279, 281–284, 297, 299, 301f., 310, 313– 315, 319, 323, 328, 330, 339, 343f., 346– 348, 350–352, 354, 357, 359–362, 364– 372, 377, 383, 385, 389, 392, 395–397, 399f., 408–410, 412f., 415, 419, 421, 423, 426, 429, 431 Gemeinschaftsbewegung 37, 49, 59–61, 64, 91, 93–95, 118, 177, 190, 205, 211, 244, 248, 286 Generalkonferenz 136, 139, 171f., 175, 185, 215, 251f., 254, 347, 350, 358, 361, 368, 393f., 425, 428f. Gesetz, gesetzlich 25, 32, 34f., 42, 46, 50f., 54, 100, 110f., 116, 134, 158, 162, 174, 178, 187, 196, 208, 210–212, 214, 223, 232, 241f., 246, 256, 258, 264, 271, 274–277, 279, 289, 291, 306f., 313–315, 317–319, 322, 324, 327, 329, 331, 336, 365, 371, 374–377, 379–381, 386, 396 Getaufte 28, 38, 57, 67f., 76, 157, 159, 179, 186, 190, 202, 206, 222, 270, 298, 303, 318, 343, 350, 386, 389, 417

467 Gewissensfreiheit 241, 273–275, 380 Glauben 14, 21f., 35, 38, 40, 42f., 49f., 54, 57, 60, 67f., 75f., 80, 87, 94f., 110, 121f., 126, 129, 131, 135, 137–140, 150, 152, 155, 157–161, 163f., 166, 168, 170, 174f., 179, 181, 183f., 190f., 199, 202, 206–208, 211, 218, 226, 243, 257, 269–271, 274, 295, 303, 306, 318, 326, 330, 335, 337, 339, 343, 350f., 353–356, 360, 362, 371, 380, 389, 396, 415, 417, 419–421, 424f. Glaubensgewissheit 32, 40, 51, 54, 57, 68, 134, 142, 151, 184, 247, 353 Glück der Erlösung 33 Gnade 33, 41, 43, 50f., 54f., 73, 85, 106– 109, 114, 116f., 122, 126f., 130, 134, 137–140, 142, 144, 161, 165, 168, 170, 178, 184, 209, 242, 245f., 275, 295, 303, 313, 350, 353, 362, 420f. Gnadenmittel 53, 89, 116, 147, 165, 191, 207, 243f., 268 Haft 52, 309, 332, 357 Hausrecht (d. Landeskirche) 14, 113, 212, 292, 294, 299, 334 Heil 25, 42, 49f., 57, 60, 108, 125f., 130, 139, 157, 163, 179f., 211, 221, 246f., 269, 276, 295, 313, 326, 342, 353, 376, 420, 426 Heiligungsbewegung 37, 106, 134, 163, 408 Heilsarmee 62, 90, 101, 134, 427 Herrnhuter 30, 34, 39–41, 44, 49f., 57, 83f., 98, 116, 118, 142, 168f., 180, 204, 207, 209, 222, 232, 309, 351, 405, 425 Hugenotten 24–26, 47, 168, 356, 402 Innere Mission 94, 131, 188, 196–198, 205f., 212, 232, 309, 330, 351, 368, 399f., 451 Jährliche Konferenz (s. Konferenz) 234, 265, 346, 348, 358, 361, 363, 367, 374f., 377–379, 381, 392, 394, 405, 407, 412f., 415, 423 Juristische Person (s.a. Kirchenrecht) 201, 203, 375, 377, 379, 381

468 Kapelle 72f., 150, 162, 201, 203, 213, 244, 257f., 262, 277, 292, 297, 315f., 328–330, 337, 346, 365f., 368f., 374, 395 Katechismus/Katechismen 22, 42, 107, 127, 135–139, 146, 160, 175, 402 Kirche 13–15, 17–22, 24–29, 33–39, 41f., 44f., 51–53, 55–64, 67–80, 82f., 85–87, 89–102, 104, 106f., 111–115, 117–124, 127–130, 132–136, 139, 141, 143–153, 155–160, 162–181, 184–193, 197, 199, 202–218, 220–226, 229–232, 235, 237, 239–252, 254–260, 262–265, 267–272, 274–278, 281–283, 285f., 288–312, 314– 320, 322–337, 339–357, 359, 361f., 364– 390, 392–395, 397–402, 404–433, 444, 451, 453 – römisch-katholisch (auch ,katholisch‘) 13, 21, 24–26, 67, 141, 145–148, 294, 335, 339, 400, 406, 410, 421 Kirchenbehörde 131, 172, 209f., 212, 217, 220, 222, 234–236, 264, 283, 289, 333, 405 Kirchenbildung 60, 86, 130, 149, 155, 158, 179, 186, 203, 205, 246, 249–252, 255, 257, 270f., 276f., 281, 283f., 292, 299, 315, 326, 330, 345, 353, 356, 367f. Kirchengemeinschaft 14, 19, 156, 158, 209, 223, 226, 251, 281, 294, 305, 335, 409 Kirchengliedschaft 158–160, 165, 206, 297, 324 Kirchenkultur 14, 18, 78, 82, 102, 155f., 158–160, 166, 247, 295, 336, 341, 356, 363, 365, 367, 373, 424, 429 Kirchenordnung 14, 19, 51, 89, 94, 124f., 127–130, 168–171, 174, 176, 187–189, 191, 229, 241, 246, 255, 260–262, 267, 270, 282, 287, 292, 302f., 307, 309, 317, 343–345, 350, 355, 357, 360f., 363, 376, 391–394, 397f., 404, 418f., 421–427, 426, 429, 432f. – Verfassung 13, 63, 101, 133, 155, 239f., 273, 276, 307, 322, 344, 355, 357f., 378, 384, 393, 398, 404, 415, 423f., 431 Kirchenpolitik 80, 196, 206, 271

Sachregister

Kirchenrecht 249, 298, 343f., 363, 390, 415, 420, 422 Kirchentyp 350, 362 Kirchenväter 21, 362 Kirchenzucht 18, 289f., 294f., 297–299, 305, 360 Kirche-Sein 75f., 96, 191, 210, 299, 339– 341, 343, 389, 419, 432 Klassen 41, 98, 115, 126, 168, 209f., 218, 243, 283, 306, 315, 319, 354, 391, 396, 415, 421 – Klassversammlungen 207, 210f., 222, 230, 243–245, 247, 271f., 282–284, 289, 303, 319, 365 Kleingruppen 41, 46, 68, 98, 115, 206, 319, 414, 421 Konferenz 20, 41, 62, 93, 121, 136, 168– 171, 173, 176, 183, 189, 221, 225, 234f., 249, 254f., 258, 262, 265f., 300, 303, 305, 308f., 327, 332, 345f., 348f., 358–365, 367–374, 377f., 380f., 384f., 387, 389, 391, 393f., 396f., 405–407, 412f., 415, 419, 423–425, 428f. Konfession (s.a. Jährl. Konferenz) 69–72, 75, 77, 81, 101, 104, 107, 115f., 119, 143, 148, 151, 155f., 159, 169, 176, 179, 186, 188, 191, 196, 223, 235, 249, 272, 286, 299f., 331, 334f., 340, 343, 371, 381, 401, 403, 408, 426f. Konfirmation 69, 151, 159f., 206, 208, 292, 368 Konflikt 20, 30, 129, 132, 178, 190, 231, 234, 236, 240f., 265, 277, 284, 290f., 303, 317, 395 Kongregationalismus 187, 342, 372 Konsistorium 71, 95, 124, 128, 130, 132, 172, 209, 211f., 217, 219–226, 229, 233, 235f., 238, 241, 244–246, 248–250, 253, 255, 257, 259–261, 264, 266–268, 270, 276, 279–282, 285, 290f., 293–295, 297– 299, 302, 304, 307, 324, 327, 348, 369, 375–378, 384, 389, 404 Konstituierung 206, 216, 256, 265, 277, 303, 347, 401, 430 Konzil, Zweites Vatikanisches 21, 99, 141, 146f., 335

Sachregister

Körperschaft (s.a. Corporation) 18, 99, 133, 167, 213, 216, 256, 270, 275, 285, 299, 309, 322, 358, 379, 383, 385, 398, 412f. Korporationsrechte 306, 374, 377, 381, 384f. Lagerversammlung 35, 106, 162, 225, 356 Laien/Laienbewegung 20, 41, 95, 118, 120, 152, 163, 166, 168, 176, 206f., 209, 239, 245, 262, 308, 313, 316, 323, 330, 332, 340, 345, 355, 358, 367, 372f., 386, 390–394, 411, 413, 416, 423 Laienprediger 41, 43, 116, 175, 187, 209, 213, 230, 237, 315, 325, 345, 348, 355, 357, 373, 389, 391f., 419 Landeskirche 13f., 18, 60–63, 70, 76, 80, 82, 94f., 99, 104, 113, 115, 118, 122f., 125, 127–129, 131f., 172, 177, 179, 190– 192, 205, 208f., 211–213, 223–225, 230f., 235–237, 241f., 247, 249–253, 255–260, 263f., 266, 268f., 272–275, 279, 281, 283–287, 289–293, 295, 297– 307, 314f., 317–319, 321–323, 325f., 328, 331–333, 344, 351f., 366, 375–377, 381f., 385, 394, 399f., 406, 408f., 417, 420f., 424, 430 Lehre 25, 31, 36, 51, 53, 67–69, 73f., 78, 83, 86f., 89, 92, 101, 104, 107, 109f., 114, 118, 120, 123, 133, 142, 146, 155, 164, 170, 175, 187, 189, 224, 237, 239, 251, 260, 262, 264, 271, 277–279, 282f., 292, 295, 301f., 306, 323, 337, 339f., 343–346, 350, 353, 355, 357, 360, 380, 386f., 392, 398, 401, 404, 415, 417, 419, 421, 423–425 Lehrpredigten (Wesleys) 28, 42f., 53f., 116, 391, 401 Liebesfest 41, 204, 209–211, 230, 243– 245, 247, 257f., 271, 282, 284, 354 Liebesmahl 41, 210, 283f., 303 Lutheraner 14, 23, 38, 52f., 56, 71–79, 84, 99, 102, 105, 108, 115f., 149, 151, 159, 167–169, 173, 191, 193, 196, 249, 303, 317, 326, 330, 339f., 356f., 370, 386, 402, 409, 426

469 Manual for Missionaries 261, 363–365, 368 Maßregeln 84, 95, 110, 145, 301, 305f. Mennoniten 90, 123, 168f., 175, 188, 222, 327, 351, 402 Methode 22–27, 30–32, 34f., 38, 45, 48, 54f., 84–88, 90, 92, 96, 101, 105, 110– 118, 122, 125f., 131, 136, 144, 146, 150, 160, 282, 370, 372, 378 Methodismus 13f., 17, 21, 28–30, 32–39, 44–48, 51–54, 57–64, 68, 73f., 79, 82, 84f., 87f., 90–93, 95–99, 102–104, 106f., 110–120, 122, 125–127, 129–133, 135f., 142–144, 146–148, 159, 162, 164f., 174, 176–180, 183, 185, 191f., 195, 203f., 206, 211, 217, 220, 230, 233, 240, 243f., 248, 255, 260, 262, 266, 272f., 282f., 285, 287, 290, 292, 294, 297, 318, 324, 326, 333, 343, 355, 369, 375, 378f., 388f., 391, 394, 399, 401, 404, 414, 417, 432 Methodistenkirche 14, 59, 86, 88f., 104, 107, 135f., 145, 164, 167f., 173, 175, 189, 193, 201f., 204, 215f., 229, 234, 236, 245, 256, 260, 267, 271, 308, 313–317, 320, 323, 325, 328–330, 357f., 368, 374f., 377–379, 381–383, 387f., 394, 398, 402, 405–409, 451 – bischöfl. 204, 244, 260, 320, 374f., 378, 407 Minderheit 13, 21, 90, 99, 101f., 135, 143, 155, 196, 201, 204, 213f., 244, 249, 268, 274, 278, 327, 336, 340, 371, 382f., 385, 407f., 411, 430f. Mission 18f., 28, 35, 37, 49, 52, 57f., 60f., 63f., 68f., 72f., 77–79, 83, 93f., 104f., 111, 119, 123, 125, 148–151, 156, 158f., 162, 166, 174f., 177–182, 185–190, 193f., 197, 200f., 204–206, 209, 211f., 217f., 220, 222, 225, 229, 231f., 242, 245f., 249f., 252–256, 262, 265, 267, 270f., 278, 281, 283, 287, 295, 298, 308, 310, 320, 326, 328–331, 334, 336, 343f., 348, 350, 352, 354, 357–359, 364, 367f., 370, 372f., 377, 386–390, 395, 397, 400, 402–405, 410, 412, 415–422, 424–427, 429, 431f. – Mission an Getauften 95, 189f., 231

470 Missionare 14, 35, 39, 50, 59, 68f., 123, 150, 162f., 172, 177f., 180f., 185–187, 192, 196, 199f., 216, 219–223, 229, 236, 242, 249–251, 256f., 259, 261, 270, 276f., 282, 290, 303, 307, 330, 332f., 348f., 352–354, 357–359, 361, 363f., 367, 369f., 386f., 402f., 405, 423, 425 missionarisch 15, 18f., 33, 41, 54, 58, 68, 75, 80, 95f., 98, 109, 123, 134f., 157, 159f., 166, 168, 172, 176, 178, 181, 186f., 189–191, 200, 205–207, 218, 230f., 247f., 252, 254f., 261, 269, 286, 302f., 313, 315f., 318, 323, 331, 335, 347–350, 352, 355–358, 360–366, 371f., 375, 383, 386f., 389, 395f., 400f., 410, 412, 415f., 418–421, 424–428, 431f. Missionshaus 36, 121, 182, 389 Missionskirche 19, 157, 176, 270, 350, 421, 423, 427f., 431 Mitglied 46, 52, 62f., 86, 113, 127–129, 146, 153, 156, 163, 199, 208f., 216–218, 226, 228, 243, 245, 252f., 255, 259, 267f., 273–275, 277, 279f., 284, 288f., 291, 297, 299f., 314f., 317, 321f., 334, 358–362, 364, 367, 369, 373, 381–383, 385–387, 402, 405, 408, 423 Nachfolge Christi 28, 67f., 82, 107, 159, 163, 165, 177, 190, 207, 270, 276, 303, 316, 318, 354, 365, 372, 426 national 13, 61–63, 104, 110, 112, 152, 170, 180, 185, 274, 337, 399f., 407, 413, 424f., 428f. New Measures, Maßregeln 35, 37f., 72, 84, 126, 160 Nordamerika 14, 18, 29, 38, 52, 70–73, 79, 111, 145, 156, 161, 176, 216, 221, 228f., 342, 348–350, 373, 375–377, 416 Oberkirchenrat 100, 105, 128f., 133, 209, 226, 235f., 242, 301, 305f., 382, 384 Ökumene, ökumenisch 13f., 70, 147, 188, 199, 335, 366, 399–401, 405, 408–410, 425, 432

Sachregister

Ordination 49, 130, 156, 168, 170f., 213, 242, 265, 302, 346f., 349, 353, 355, 360, 367, 390f., 402, 405, 425 Ordnungen, kirchl. 51, 112, 159, 167, 208, 241, 260, 270, 272, 284, 292, 311, 343– 345, 347f., 355, 391, 412, 416, 425f., 431 Organisation 95, 156, 171, 174f., 190, 197, 203, 209, 215, 241, 253f., 265, 324, 326, 339, 344–346, 355, 367f., 372, 375, 377, 379, 382, 396f., 399, 408, 423 Paradigmenwechsel 19, 76, 416–418, 427, 431 Patristik 26 Philosophie 36, 180f. Pietismus, Pietisten 27–29, 31–35, 41f., 44, 53, 56f., 60, 64, 67, 69, 73, 83, 92f., 96f., 102, 117f., 126, 129, 135, 142, 146– 148, 150, 158f., 164f., 172, 176–178, 185, 190, 195, 212, 215, 242, 246–248, 283, 297, 333, 336, 352, 451 Pietisten-Reskript 209, 242 Pluralismus, kirchl. 61, 69, 72, 274, 334, 351, 353 Polemik 24, 38, 59, 69f., 73, 88, 99, 143, 151, 158, 164, 193, 333, 352 Polizei 109, 153, 192, 195, 200, 240, 319, 354, 382, 384, 386 Prädestination 344 Predigt, methodistische 31, 42, 50, 53f., 57, 62, 67f., 77f., 80f., 87, 95, 114–118, 125f., 129, 134, 150, 152, 158, 161–163, 168, 174, 178, 187, 194, 197, 206f., 217, 219, 223, 243, 252, 258, 282, 292, 296f., 308–311, 316, 322f., 330, 341, 346, 350, 353–355, 365f., 386, 390–392, 401–403, 420 Presbyterianer 37f., 72, 405 Priestertum aller Glaubenden 152, 206, 245 Proselytismus/Proselyten 24, 189f., 203, 298, 352 Protestantismus/Protestanten 13, 18, 22, 24–26, 54, 60, 67, 71, 99, 115, 119, 141, 143, 145, 147, 158, 166, 268, 329, 339– 341, 351, 353, 390, 394, 416

Sachregister

Quadrilateral 19, 362, 411, 417, 423, 430 Quäker 57, 90, 135, 167–169, 408 Rationalismus 34, 36, 182, 296 Rechtfertigung 41f., 50f., 53, 55, 68, 76, 78, 85, 110, 122, 138, 140, 142, 144, 146, 155, 168, 178, 206, 259, 266, 288, 303, 318, 339, 350, 353, 372, 395, 417, 419– 422 Rechtsstatus 99, 201, 212f., 277, 293, 375, 396 Reformation 13f., 18, 21, 27, 64, 67–69, 71, 75, 77f., 83, 112f., 124, 136, 155, 166, 177, 180, 184, 190f., 213, 244, 282, 330, 336, 341, 343f., 347, 350, 362, 406, 411, 416, 418, 420, 424 Reformierte 69f., 76, 80, 83–85, 128, 151, 155, 159, 167–169, 175f., 232, 249, 308, 327, 339–342, 347, 356, 362, 402 Reiseprediger 87, 125, 209, 227f., 243, 309, 349, 357, 359, 361, 364, 390, 397, 402, 412, 415, 423 Religionsfreiheit 13f., 18f., 37, 62, 72f., 76f., 123, 156, 158, 177, 181, 237, 286, 325, 350, 363, 368, 370f., 381, 396, 402, 407f. Religionsgesetze 72, 331 Revolution 47, 123, 175, 181, 184, 186, 198, 230, 270, 286, 294f., 343, 357, 399, 417 Salzburger 29 Schriftprinzip 22 Schwärmerei 79 Schwenkfelder 168f. Sekten, Sektierer 62, 70, 72, 74, 77, 86, 88– 90, 94, 99–101, 115, 117, 119, 122, 134, 144, 146, 162, 192, 194, 246, 269, 274, 302, 316, 322, 369, 382, 385 Selbstverständnis 14f., 18–20, 41, 58, 69, 76, 80, 86, 101, 112, 152, 166, 169, 172, 187f., 190, 215, 236, 246, 250, 257, 333, 337, 339, 341, 353, 359, 361f., 365, 367, 373, 375, 389, 407, 413, 416–419, 421, 424, 427, 429f., 432

471 Separation, Separatisten 152, 239, 242, 306, 346 Sonntagsschule 95, 97, 152, 187, 189, 194, 197f., 205, 278f., 289, 293, 322, 367, 373, 391 Soteriologie 135, 276, 371 Spaltung 25, 269, 282f., 378 Spiritualität 152, 271 Staatskirche 62, 69, 76, 99, 101, 123, 129, 143, 152, 177, 180, 185f., 188, 211–213, 234, 237, 239f., 260, 262, 269f., 278, 293f., 303, 313, 318, 323, 327, 330, 334, 336, 351, 357, 363, 371, 381, 384, 395, 420f., 429 Strafen 238f., 274 Strategie 231, 236, 255, 263, 432 Synodal-Ausschreiben 124f., 281, 285– 287 Synode 20, 70f., 113, 124f., 176, 224–226, 240, 259, 267, 282, 291, 304, 335 Synodus 124, 282f., 285–291, 294, 298f., 304 Tag und Stunde 85, 120–122, 131 Taufe 28, 69, 72f., 97, 107, 116, 127f., 130, 144, 151, 159f., 168, 178, 186, 189, 206f., 213, 223, 246, 249f., 284, 291f., 302f., 317–319, 326f., 341, 346, 353, 367, 390, 425 Täufer 151f., 155, 168f., 340 – Zwangstaufe 76 Territorialkirche 102, 123 Theol. Hochschule (s. a. Missionshaus, Seminar) 120, 387, 416, 430 Tradition 19, 21, 24, 33, 35, 41, 44f., 52, 55f., 64, 67, 70, 77, 83, 89, 132, 135, 157, 163, 168f., 171, 176, 178, 182, 191f., 198, 213, 216, 218, 247, 271, 274, 327, 334, 336, 341f., 347f., 351f., 357, 362, 365f., 392f., 397, 411, 415, 417–419, 423f., 426, 429–431 Verbundsystem 359, 419 Vereinigte Brüder in Christo 14, 72, 167, 169, 175f., 193, 308, 313, 323, 327f., 405

472 volkstümlich 63, 103, 126, 150, 172, 187, 198, 274, 420 Vorrede Römerbrief, Luthers 40, 50, 75, 96, 116, 118, 207, 243 Waldenser 98, 155, 179, 340, 405 Wesleyaner 41, 86, 125, 129, 172, 208– 213, 220–222, 230, 232f., 271–274, 276, 281, 284, 299, 309, 313, 323, 332, 352, 365, 379, 405

Sachregister

Westfälischer Frieden 77, 249, 340, 371, 380 Wiedergeburt 28f., 32f., 67, 72f., 76f., 85, 87, 109, 116, 122, 126, 129, 135, 138, 140, 144, 146, 157, 159, 161, 164, 177f., 303, 353, 362, 421 Zeit und Stunde 98, 114, 117 Zwickauer Statut 314–318, 326