Mein Lebenslauf und mein Wirken im Fache der Sprache und der Kunst: zunächst für Freunde und Wolwollende; nebst Drukberichtigungen und Zusäzen zu der lezten Ausgabe meiner Schrift über Wortmengerei, 1823 9783111490762, 9783111124278

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Mein Lebenslauf und mein Wirken im Fache der Sprache und der Kunst: zunächst für Freunde und Wolwollende; nebst Drukberichtigungen und Zusäzen zu der lezten Ausgabe meiner Schrift über Wortmengerei, 1823
 9783111490762, 9783111124278

Table of contents :
Vorwort
Lebenslauf
Drukberichtigungen und Zusäze zu der lezten Ausgabe meiner Schrift über Wortmengerei, 1823

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M e i n

L

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a

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und

mein Wirken im Fache der Sprache und der Kunst; zunächst für Freunde und TVoIwollende*

Nebst

D r u k b e r i chti g u n g e n u n d

Zusäzen

zu der lezten Ausgabe meiner Schrift

über Wortmengerei,

1823»

Von

Karl

Wilhelm

Kolbe,

Berlin und Leipzig. B e i

G.

R e i m e r . -

1 8 2 5.

aubuM'jua

V

D

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w

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t

.

ie Zusäze sind in diesen wenigen Blättern

die Hauptsache.

Das Übrige bitte ich den L e -

ser als blofses Beiwerk hinzunehmen.

E s wur-

de durch eine A u f f o d e r u n g der Herausgeber des b r o k h a u s i s c h e n veranlast,

Converscitioiislexicons

die. mich ersuchten einige W o r t e

über mich u n d

mein Wirken i m Fache der,

Sprache u n d der K u n s t , behufs ihres Werks, z u Papier z u bringen.

Ich trug kein Bedenken

mich ihren W ü n s c h e n zu fügen, und so f ü l t e n sich unter meiner Feder einige B o g e n ,

deren

Inhalt aber nur i m Auszuge öffentlich erschein e n wird.

A u f das Zureden mehrerer Bekan-

t e n , denen ich sie in der Handschrift mitget e i l t , lasse ich sie jezt hier, volständig u n d w i e ich sie niedergeschrieben,

nur hie und

da etwas erweitert, abdrukken.

Sie sind, w i e

IV

schon auf dem Titelblat bemerkt wird, zunächst für Freunde bestirnt, — und etwa noch f ü r die Wenigen , deren Wolwollen ich durch meine Sprachuntersuchungen so wie durch meine Leistungen in der Kunst mir vielleicht gewonnen haben möchte. Unter den Zusäzen ist einer, auf den ich Vorzüglich die Aufmerksamkeit des Lesers zu lenken wünschte, weil er erstlich gewissermaafsen historischer Art ist und uns zeigt wie unsere Alten verfuhren, wenn sie aus fremden Reden die ihrige bereichern wolten; und dan weil aus ihm unter anderm auch sehr klar hervorgeht, was man bisher so wenig beacht e t , dafs in einer g e g e b e n e n S p r a c h e , in der Sprache, sofern sie als Einzelwesen, nicht als Sprache überhaupt genommen wird, die Form nicht unter dem Inhalt, ja wol höher noch steht als dieser, und dafs man folglich einer solchen ans Leben geht, wenn man ihren Inhalt auf Kosten ihrer Form begünstigt. Er steht S, 57, hebt an mit den Worten; „Man spricht von Verwirrung der Sprache durch das Einführen neuer Wortprägungen t etc." und reicht bis S. 76- W e r , was ich hier gesagt, mit Bedacht durchliest, wird nicht ohne Be-

stürzung wahrnehmen wie so gänzlich wir Deutsche bei unserem Erweitem der -Muttersprache von der Bahn der Natur abgekommen sindj und was für «in Ungeheuer aus ihr, sofern wir sie als eine Einheit und als ein Kunstwerk zu betrachten haben, unter unseren Händen bereits geworden ist. Ich habe in diesem Zusaze den Gang, den unsere Vorfahren beim Einbürgern fremder Wörter unsere Rede gehen liefsen, den n a t ü r l i c h e n Bildungs - oder Fortbilckmgsgang der Sprache genant. Dafs er dies wirklich ist, beweisen alle Sprachen, Ursprachen und abgeleitete, die Abheimisches an sich gezogen, die lateinische, die italiänische, die spanische, die französische, selbst die griechische. Sie alle schöpften in ihren früheren und frühsten Zeiten aus den Sprachen anderer Völker, die lateinische aus der griechischen, die italiänische aus der gothischen, die spanische aus der arabischen, die französische (vslcher die lateinische zu Grunde liegt,) aus der germanischen und gallischen, die griechische aus dem Sanskrit, und sie gingen alle ohne Ausnahme den bemerkten Gang; alle hielten bei Bearbeitung des Fremden das Gesez ihrer eige-

VI

nen Wortbildung fest, unterwarfen das Neuaufgenommene den Regeln ihrer Grammatik, und schlössen es in Klang, Bau und Betonung, also in- allen Beschaffenheiten der Form, der Natur und Weise ihres Ganzen an. — Erst in neueren Zeiten, in Zeiten der Verwilderung und der Barbarei, hat die unsrige, wie ehemals die römische nach den Tagen des H a d r i a n u s , diesen Naturweg verlassen, tim, wie sie, einen ganz entgegengesezten einzuschlagen.

n s 1 a u

M ein Lebenslauf ist sehr einfach. Ich w u r d e i n Berlin g e b o r e n , k u r z nach dem Ende des siebenjährigen Krieges. J a h r und T a g weis ich iiiöht mit S i c h e r heit anzugeben. Mein V a t e r , Goldstikker u n d T a p e t e h m a p h e r , w a r ein D e u t s c h e r , meine M u t t e r , eine geborene R o l l e t , 'aus der französischen Kolonie. Französische Sitte u n d Sprache h e r s e h t e im- Kreise u n s e r e r F a m i l i e , u n d ich -wuchs gleichsam m e h r in französischer als in deutscher Luft auf. Man b r a c h t e mich auf die französische G e l e h r t e n s c h u l e , w o alle Gegenstände des Unterrichts französisch vorgetragen w u r d e n , französische Verfahrufigsweise im Betrieb des Wissenschaftlichen als Richtschnur u n d Regel galt, u n d der a l t e , rechtgläubige französische G e s c h m a k , w i e die Zeiten Ludewigs XIV i h n gestaltet, festgestelt u n d geheiligt h a t t e n , in Sachen der Litteratur ganz an der Tagesordnung w a r . Ich durchlief alle Klassen u n d w u r d e hier mit den besten Schriften der A l t e n , der R ö m e r vorzüglich, u n d dan auch der F r a n z o s e n , b e kant. E b e n w a r ich im ßegril' nach Halle abzugehn um mich dort der Rechtsgelehrsamkeit zu w i d m e n , als mir eine Lehrerstelle am Philanthropin i n Dessau, welches gerade damals in seiner schönsten Blüte stand, u n t e r seh» annehmlichen Bedingungen angetragen w u r de. Da m e i n Vater nicht vermögend w a r u n d ich v o n i h m keine Unterstüzung auf der Hochschule zu e r w a r t e n h a t t e , so schien es mir geraten diesen Ruf 1 *

4 niclit abzulehnen. I c h schlug e i n , u n d verlebte etwa drei J a h r e an der genanten Anstalt. D e r muntere, z w a n g l o s e , v o n aller Schulpedanterei entfernte T o n , der h i e r v o r h e r s c h t e u n d L e h r e r u n d Kinder unter sich gleichsam zu E i n e r traulichen Familie verband, u n d dan die herlichen Umgebungen Dessaus, die gegen die k a h l e n Sandsteppen meiner Vaterstadt so v o r teilhaft abstachen, liefsen mich meine Lage liebgew i n n e n ; u n d n u r u n g e r n entschlos ich mich sie a u f zugeben, als d u r c h Vermittelung eines V e r w a n d t e n die Stelle eines Forstsekretairs u n d Bibliothekars im u n mittelbaren Dienste des Ministers von £ K sich m i r auftat. Dieser Posten schien zu glänzende Auseichten zu b i e t e n , als dafs ich i h n hätte ausschlagen d ü r f e n . Inzwischen f ü h l t e ich sehr bald, nachdem i c h i h n w i r k l i c h a n g e t r e t e n , dafs die N a t u r mich zum Geschäftsleben n i c h t bestirnt habe u n d dafs auf dieser B a h n m i r n u n u n d n i m m e r Rosen b l ü h e n w ü r d e n . D e r Z w a n g der Kanzelei, w o ich oft ohne Beschäftigung die besten Stunden des Tages v e r t r ä u m e n u n d v e r g ä h n e n m u s t e , das Mechanische u n d Leere der Beschäftigungen selbst, die gröstenteils in Absclireibereien b e s t a n d e n , das Gesum i n dem weitläufigen Zimmer, w o sieben bis acht F e d e r n u n d eben so viel Zungen abwechselnd rauschten u n d tätig w a r e n , alles dies w u r d e m i r in die Länge unerträglich. Mein E k e l a n einer so öden Lebensweise wuchs v o n Tage zu Tage, u n d ein höchst u n a n g e n e h m e r Auftrit mit dem Minister selbst, der mein E h r g e f ü h l auf das empfindlichste v e r l e z t e , gab endlich der Sache völlig den Ausschlag u n d bestirnte mich jählings meinen Abschied zu fodern. Ich k e h r t e n a c h Dessau z u r ü k , wo m a n m i c h mit offenen Armen wieder a u f n a h m . Hier v e r lebte ich abermals einige r e c h t glükliche J a h r e im Kreise v o n M ä n n e r n , deren viele sich späterhin in der

5 Litteratur einen Namen gemacht haben, als W o l k e , B u s s e , (Hofrat in Freiberg,) M a t t h i ' s s o n , S a n d e r , (gestorben in Koppenhagen und als deutscher und dänischer Dichter bekant,) S a l z m a n , C r o m e , S p a z i e r , O l i v i e r , u.s.w.*). Einer der Gediegensten, der an Charakterstärke und Geisteskraft, wie nicht minder an weitreichender wissenschaftlicher Bildung besonders hervorragte, der Magister G ö t z , der späterhin dem Lyceum zu Riga als Director vorstand, ist aus der Welt geschieden ohne etwas anderes als im Herzen seiner Freunde und ßekanten ein ehrenvolles, unvergängliches Andenken zu hinterlassen, Er, der, wenn er. nicht ein so geringes Gewicht auf Schriftstellerruhm gelegt hätte, vielleicht ei« gliiklicher Nacheiferer L e s s i 11 g s hätte werden können, dessen Landsnian er w a r , und mit dessen Geiste der seinige in Vielem auf die auffallendste Weise und fast brüderlich zusammentraf. Ich nenne diesen Man hier besonders, weil sein Umgang den entschiedensten Einflus auf meine geistige Bildung gehabt hat. Inzwischen sank sichtbarlich die Anstalt von ihrer Höhe herab. Die Klugheit gebot mir bei Zeilen nach einer anderen Seite h i n , wo möglich, mir einen Ausweg zu bahnen, um von dem drohenden Sturze derselben nicht ratlos überrascht zu werden. Ich hatte von meiner ersten Jugend her viel Neigung zum Zeichnen gehabt, diese Neigung alier bis dahin nur in Nebenstunden, sehr unterbrochen und planlos, befriedigt. Jezt beschlos ich, troz meinem Alter, (ich war bereits über die Dreifsige hinaus;) mich aussclilieslich der

*) C a m p e war nicht mehr in der Anstalt. M i t ihm bin ich nie weder persönlich noch brieflich zusammengetreten.

6 Kunst zu widmen und das Versäumte mit Aufbietung meiner ganzen Kraft nach Möglichkeit wieder einzuholen. Ich arbeitete rastlos; und als ich einige nach meinem damaligen Dafürhalten nicht ganz verungliikte Blätter zusammengekrizelt, übersandte ich sie dem in Berlin lebenden, algemein bekanten C h o d o w i e c k i, der mein naher Anverwandter war und schon früher durch aufregenden Zuspruch meine Neigung gereizt und angefacht hatte, mit dem Ersuchen mir offenherzig und ohne alle Umschweife zu schreiben ob nach den mitgeschikten Proben zu urteilen, er für möglich hielt dafs ich bei ernstein Wollen und redlichem Fleis mich noch zu einem nicht ganz gemeinen Künstler würde hinaufarbeiten können. Die Antwort fiel ermunternd aus, und nun stand mein Vorsaz fest. Ich kehrte nach Berlin znrük, lies mich sofort in die dortige Akademie aufnehmen und sas nun, ein bärtiger Dreifsiger, mitten unter einem Schwarme zehnzwölfjähriger Knaben, auf gleiche Weise wie sie beschäftigt, und wie sie jedem Winke des Lehrers mich fügend. Auch hier ging ich alle Klassen durch und erwarb mir durch angespanten Fleis den Beifal aller meiner Oberen. Mit lebhaftem Vergnügen erinre ich mich noch wie einst der damalige Director M e i l , ein gelehrter Kunstkenner und trellicher Zeichner, (dem Laien in der Kunst auch durch seine Verbindungen mit L e s s i n g bekant,) nach Besichtigung eines Akts, *) den ich eben beendigt, mir wolwoliend auf die Schulter klopfte mit den Worten: es ist Zeit dafs Sie die Akademie verlassen; Sie können hier nichts mehr lern e n , — E r , dessen Fehler das Schmeicheln sonst eben nicht war. Dennoch konte ich nicht ganz ungeteilt * ) Einer nach dem Leben gezeichneten menschlichen Figur.

der K u n s t leben. Der D r a n g der Not zwang m i d i in der Handlungschule, die der Doktor S c h u l z e , mein ehemaliger Amtsgenosse am P h i l a n t h r o p i n , i n Berlin gestiftet h a t t e , eine Lelirerstell'e a n z u n e h m e n , die m i r täglich m e h r e r e Stunden wegfras. Doch gehörte der gröfsere Teil meiner Zeit der K u n s t , u n d n u r der .Kunst an. In den lezten J a h r e n meines Aufenthalts i n meiner Geburtstadt machte ich auch auf eigene Hand, fast ohne Anleitung, meine ersten Versuche im R a d i r e n , die freilich anfangs gar erbärmlich ausfielen, aber bei i m m e r neuem Ansaze auch i m m e r besser u n d besser gerieten u n d schon damals die Blikke einiger b e w ä h r t e n K e n n e r auf mich lenkten. Zu dieser Zeit ging der Fürst, später Herzog Ton D e s s a u , mit dem Vorhaben u m in seinem Lande eine Kunstakademie zu g r ü n d e n : welches Vorhaben jedoch aus U r s a c h e n , die n i c h t hieher g e h ö r e n , nie zur Ausf ü h r u n g kam. Mir w a r an dieser Anstalt eine L e h rerstelle zugedacht. Ich k e h r t e demnach in meine andere Heimat wieder z u r ü k ; u n d da v o r e r s t n o c h keine Einrichtungen getroffen w a r e n , auch der Wille des Fürsten sich noch nicht ganz bestirnt zu h a b e n schien, so erhielt ich vorläufig den Auftrag an der d u r c h N e u e n d o r f wiedergeborenen Hauptschule e i nige französische L e h r s t u n d e n u n d den U n t e r r i c h t im Zeichnen zu übernehmen. Die ersteren gab ich s p ä t e r h i n an einen a n d e r e n L e h r e r ab. D e r Unterricht im Zeichnen ist mir geblieben, u n d er fiilt bis auf diesen Atigenblik den Kreis meiner amtlichen W i r k samkeit aus. Diq J a h r e 1805 — 7 brachte ich mit Bewilligung ö ö des F ü r s t e n in Zürich z u , w o h i n die g e s n e r i s c h e B u c h h a n d l u n g , welche die hinleriassenen l a n d s c h a f t lichen Gemälde des b e r ü h m t e n Dichters in geäzten Blättern der kunslliebenden W r elt b e k a n t zu m a c h e n

8 wünschte, mich zur Ausführung dieses Unternehmens berufen hatte. Diese drei Jahre kau ich zu den seligsten meines Lebens rechnen. Ich lebte in der g e sn e r i s c h e n Familie wie ein Kind des Hauses. Die ehrwürdige, höchst geistreiche Mutter, die beiden S ö h n e , des Buchhändlers Gattin, eine geborene W i e l a n d , trugen mich fast im eigentlichen Sin auf den Händen, und kamen auch meinen leisesten Wünschen mit der zartesten Sorgsamkeit zuvor. Die dortigen Künstler und Kunstliebhaber, die einen geselligen, vertrauten Kreis bilden, nahmen mich auf das freundlichste in ihren Versandungen auf und traten mir überal mit Achtung und herzlicher Biederkeit entgegen. Dazu die herliche Natur der Schweiz, die ich leider im Drang der Umstände nur teilweise, nicht in ihrem ganzen Umfange habe geniefsen und auskosten können. Ungern schied ich aus diesem Lande, dessen glänzendes Bild wol erst mit dem Tode in meiner Seele untergehen wirdK

u

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.

In der K u n s t , wenigstens in meinem eigentlichen Fache, der Landschaft, kan ich für einen Selbstgelehrten gelten. Auf der Akademie habe ich mich ausschlieslich mit der Figur beschäftigt. Denn aus einer Art von Eigensin wolte ich erst, und zwar so schnei als möglich, das Schwierigere im Rükken haben, bevor ich mich ganz und ungeteilt dem Lcichteren hingäbe. In der Landschaft, die meinem Sinne zunächst tind vorzüglich zusprach, und zu der ich mir wirklich einiges Gescliik zutraute, hielt ich ohne Lehrer, ohne Unterweisung meinen eigenen Gang, — einen G a n g , welcher freilich jeden Anderen, der weniger Empfänglichkeit für Natur Schönheit gehabt hätte, als

9 i c h , nicht eben weit geführt haben würde. Schon von meinen ersten Kinderjahren h e r hing ich leidenschaftlich an reizenden Naturszenen. Ein blühender Rasenplaz, ein schön geformter Busch, ein reichbelaubter Baum ergrif mioh mit Zaubergewalt. "Wäre mir die Wahl geboten worden König zu sein i n einem öden, kahlen Lande, oder Betler in einer reichgeschmükten, in üppigem Pflanzenwuchse prangenden Gegend, ich hätte den Betler dem Könige vorgezogen. — In dem unsteten und planlosen Getreibe meiner Jugend, wo das Zeichnen mir nur Erholung und Zeitvertreib w a r , versuchte ich im Sinne der mich in Dessau umgebenden, reizenden Natur zu arbeiten. Vorzüglich zog mich der prachtvolle Eichenwuchs an, der dies Ländchen vor anderen verherlicht. Doch habe ich nie, selbst nicht in Einzelheiten, in Bäumen, Sträuchern, Kräutergruppen u. s. w. die Natur unmittelbar nachgebildet. Diese hat so manches Lebendige und Geistige, das auch dem geübtesten Griffel treu und rein dem Papiere wiederzugeben unmöglich wird. Je mehr u n d tiefer und inniger der Zeichnende dies Lebendige und Geistige, wenn er es vor Augen hat, empfindet und geniefsend in sich a u f n i m t , desto mehr driikt ihn das Gefühl seiner Ohnmacht und das lebhafte Bewustsein nieder, dafs er hier troz aller Anstrengung, in Folge seiner menschlichen Beschränkth e i t , dennoch n u r Flikarbeit liefern kan und unendlich weit hinter der Wirklichkeit zurükbleiben mus. Ich begnügte mich immer auf meinen Wanderungen und Spaziergängen die Natur scharf ins Auge zu fassen und ihre Erscheinungen mir fest ins Gedächtnis zu prägen; dan versuchte i c h , was haften geblieben w a r , in eigenen Erfindungen und Zusammenstellungen wiederholend anzubringen. Dieser Sitte blieb ich auch in Berlin getreu. Nächst der Natur waren meine F ü h -

10 rer W a t e r l o und G e s n e r , zwei Männer, die man wol mit Recht ihre Begünstigten und Auserkohrenen nennen mag, und die gefülilvolsten Erspäher ihner verborgensten Reize und Ilerliclikeiten. Ihre Blätter kamen nicht aus meinen Händen, wenn schon ich keines derselben, auch selbst in Einzelheiten nicht, je eigentlich- nachgebildet habe. Ich sah sehr wol ein dafs in meinem Alter ich mich nicht zu sehr ausbreiten dürfe und das Schwierigere dem Leichteren durchaus nachsezen müsse, solte es mir anders noch gelingen als Künstler mich auszuzeichnen; und so lies ich mich auf das Malen lieber gar nicht ein, von welchem schon das Technische mich abschrekte. Denn zu dem Mechanischen Teile der Kunst hat mir die Natur alles Gescliik versagt, und selbst in meinem Fache, dem Radiren, bin ich noch immer hier so sehr ein Neuling, dafs ich mit jeder neuen Platte auch meine "Schule von vorn wieder anfangen nms. Ich besclilos mich auf das Arbeiten mit der Nadel zu beschränken und eine Reihe selbsterfundener Landschaften, gros und klein, wie etwa mein Vorgänger W a t e r l o , in geäzten Blättern herauszugeben. In diesem engeren Kreise habe ich es nun allerdings zur einiger Fertigkeit gebracht. Ich arbeite schnei und fast nur mit der Nadel. In der Regel mus die Platte fertig und beschlossen sein so wie ich sie aus dem Scheidewasser hebe. Doch werde ich nicht selten genötigt, wenn dies und jenes (was leider noch häutig geschieht,) im Äzen versehen worden und zu schwach ausgefallen ist, den Grabstichel zu Hülfe zu nehmen um den matten Stellen Leben und Kraft zu geben. Manche der Platten, die ich in Zürich nach G e s u e r s Gemälden verfertigt, habe ich in einem Zeiträume von kaum mehr als zwei Wochen angefan-

11 gen und beendigt. Und doch widme ich der Arbeit immer nur die Morgenstunden, da ich die Nachmittage gewöhnlich in der freien Natur verlebe, deren Genus mir unentbehrliches Bedürfnis geworden ist. Viele der Blätter, die ich eben am raschesten hingekrizelt habe, gehören mit zu den gelungensten meiner Hervorbringungen. In der Landschaft mus die Nadel auf dem Kupfer freien Lauf haben, wenn ihren Gebilden der lebendige Geist, das heist das Wesentlichste , nicht verkümmert werden oder gar gänzlich ausgehen sol. Am liebsten arbeite ich nach selbstverfertigten rohen Skizzen, wo nur die Hauptgegen stände und Licht und Schatten in algemeinen Umrissen und Massen leicht und flüchtig angedeutet sind. Eine bestirntere, vollendetere Zeichnung legt mir einen Zwang auf, der in die Ausführung auf dem Kupfer übergeht und sie mehr oder minder versteift und ungelenk macht. *) Nur zu meinen grofsen Kräuterblättern bedurfte ich streng beendigter und ganz in das Einzele eingehender Vorbilder. Diese Kräuterblätter sind gesamt aus einem Blatte P o t t e r s entstanden, das zu seinen früheren Versuchen zu gehören scheint und jedem Liebhaber und Freunde der Kunst bekant ist. Es enthält zwei Kühe im Vorgrunde, eine stehende und eine liegende. Im Mittelgründe ein Hügel, von welchem ein Hirt noch anderes Rindvieh heruntertreibt. Rechts im Winkel ein herlich ausgeführter Klelteiibuseh, vol Leben und

* ) D a ich selbst Jen Vertrieb meiner Arbeiten nicht besorgen t a n , so habe ich meine Platten (wenigstens den bei weitem gröfseren Teil derselben) dem Buchhändler R e i m e r verkauft, bei dem in Berlin und Leipzig die Abdrücke zu haben sind. Noch külzlich ist eine Lieferung von j g Blättern erschienen.

12 Wahrheit. Diesen Busch hat der trefliche Meister offenbar nach der Natur gezeichnet -, und er hat Recht gehabt. Meine daraus hervorgegangenen Kräutergruppen habe ich im Ganzen wie in ihren Einzelheiten, meiner alteingerosteten Sitte gemäs, blos aus meinem Kopfe gezogen; und ich gestehe gern dafs ich Unrecht und sehr Unrecht gehabt. Ihre vielleicht nicht ganz reizlosen Formen mögen das Auge des Nichtkeniiers bestechen: den prüfenden Blik des Naturbeobachters können sie nicht aushalten.

Deutsche

Sprache.

Wie in der Kunst, und vornehmlich im Fache der Landschaft, so habe ich auch im Felde der deutschen Sprache mir den Weg selbst bahnen müssen. Auf der Schule, die mir meine Bildung gab, -war von ihr gar nicht die Rede. Alles -wurde hier französisch betrieben. Das Deutsche war verpönt; man ging ihm wie einem Unholde aus dem Wege. Erst kurz vor meinem Austreten aus derselben wandte sich ohne irgend eine bestirntere Anregung von aufsenher, gleichsam wie von seiist, mein Geist auf diesen Gegenstand. Unsere damals sich herlich entwikkelnde Litteratur began meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehn. Die Bahnbrecher K l o p s t o k , W i e l a n d , L e s s i n g , R a m 1 e r, M e n d e l s s o h n , E n g e l , G e s 11 e r, u. s. w. hatten eben ihre Mittagshöhe erstiegen; und die treflichen Männer G ö t h e , H e r d e r , B ü r g e r , V o f s , H ö l t y , die S t o l b e r g e , u. s. w. traten weteifernd neben ihnen auf. Natürlich muste die Begier, womit ich ihre Schriften las, mteine Blikke auch auf das Werkzeug lenken, mit dem sie ihre Meisterwerke ins Leben gerufen. Ich iing an die mir fast gänzlich fremd gebliebene Rlutterspraclie, welche ich bis dahin

13 nur im Gemeinleben, als Mittel des Verkehrs mit U n gebildeten, sorglos und nachlässig roh gehandhabt, jezt schärfer ins Auge zu fassen und einer ernstlicheren Prüfung zu unterwerfen'. Besonders reizte es mich sie in Ansehung ihres Baus, ihrer F o r m e n , ihres i n neren Lebens und Wirkens, mit der lateinischen u n d französischen immer wieder und wieder vergleichend zusammenzuhalten. Bald hatte sie die leztere fast gänzlich aus meinem Herzen verdrängt. In Stunden der Mufse übertrug ich Stellen aus dem L i v i u s , T a c i t u s , V i r g i l i u s , H ' o r a t i u s ; u. s. w. erst ins Französische, dan ins Deutsche, versuchte auch o f t Deutsches in Französisches und umgekehrt Französisches in Deutsches umzusezen. Durch solche häufig wiederholten Übungen enthülte sich almälig meinen Augen die ungeheure K l u f t , die die beiden lezteren Sprächen voneinander t r e n t , so wie andrerseits das mancherlei Gemeinsame, welches die deutsche, als eine Ursprache, mit der lateinischen verschwistert. Eigentlich wissenschaftlich, auf schulgerechtem Wege, habe ich die Mutterrede nie erforscht. Ohne leitende Bücher, (selbst A d e l u n g s Grammatik war es mir nie möglich ganz und vom Anfang bis zum Ende durchzugehn;) blos durch eigene Anschau u n d , wie so eben bemerkt w o r d e n , durch fleifsiges Zusammenhalten mit anderen Sprachen, sie mehr mit dem Gefühle als mit dem Verstände erfassend, gelangte ich endlich zu einer algemeinen Übersicht derselben und drang sonder grofse Mühe, auf leichtem, angenehmen Wege, in ihren Geist und in ihr Wesen ein. Daher ich mich des Lächelns nicht erwehren k a n , wenn ich mich einen Grammatiker mus schelten hören. So wolfeiles Kaufs erwirbt sich Keiner einen Namen, der nur durch Schweis und Anstrengung errungen werden mag.

14 Inzwischen war in dem von uns Deutschen seit jeher angestaunten und vergötterten Frankreich die bestehende Ordnung der Dinge plözlich zusammengestürzt. Die uralte Monarchie war einer Republik, die Herschaft der Wilkühr scheinbar der Herschaft des Gesezes gewichen; und nun erlosch Völlens der Funke von Gemeinsin und Vaterlandsliebe, der bis dahin unter u n s , dem unselbständigsten und herzlosesten aller V ö l k e r , hie und da noch kümmerlich geglommen hatte. D e m Deutschen, der begeistert dem Nachbarstaate »ich zuwandte , wurde die eigene Heimat und was nur mit dieser in Beziehung stand, jezt völlig gleichgültig, ja verhast. Unverholene Verachtung und der . schnödeste Hohn traf fast ohne Ausnähme alles w a s deutsch hies; und so konte ganz natürlich auch die Sprache, das gemeinsame Eigentum der Nation und der Spiegel ihres Geistes und S i n s , dem algetaeinen Schiksal'e nicht entgehn. Es wurde Modeton unter unseren Gelehrten und Nichtgelehrten i h r , wo es nur galt, als einem inisgeborenen Wechselbalge auf das verächtlichste zu begegnen und sie ihren Mitschwestern gegenüber, in Gespräch und Schriften, schamlos in den Staub hinabzudriikken. Ich gestehe dafs eine so unwürdige Art zu denken und zu handeln, eine so feige Selbsterniedrigung (denn in der Mutterrede zertrit der Höhner sein Volk, und in diesem zugleich sich selbst,) mich tief empörte. Die Sprache war mir Heb geworden; ich glaubte ihre Vorzüge zu k e n n e n ; und was man schäzt und wert hält, läst man nicht gern auf offener Schandbülme, im Angesicht der Menge, brandmarken. Schon damals trug ich mich mit dem Gedanken herum öffentlich aufzutreten zur Verteidigung der Gemisliandelten und in einer ausgeführteren Schrift die Spötter und Verächter zum Schweigen zu bringen. Indes wäre dieser

15 Vorsaz nicht

wol

nie in die T a t ü b e r g e g a n g e n ,

unerwartet

von

aufregenden Anstos

einer

erhalten

wenn

ich

anderen Seite h e r einen hätte,

der jählings

und

zur Stelle meinen Entschlus z u r Reife brachte. Um diese Z e i t lebte der r ü h m l i c h s t b e k a n t e , dem e c h t e n Deutschen u n v e r g e s l i c h e in Hamburg,

je-

Villers

in w e l c h e r Stadt so eben unter' L e i t u n g

eines Herren le spectateur

Karl

Bau du

eine

du. nord,

französische

scheinen angefangen hatte.» V i l l e r s , sere S p r a c h e

erst a n g e k o s t e t ,

i n das Verständnis

Zeitschrift:

in monatlichen Hefteil z u e r -

derselben

d e r damals u n -

und n u r u n v o l k o m m e n eingedrungen w a r ,

liös

i*i dieser'Zeitschrift* einen A u f s a z - a b d r u k k e n , i n w e l chem

er

eine

flüchtige

seiner Muttersprache

V e r g l e i c h u n g - derselben

anstelte.

So

geistreiche

mit

Blikke

er schon z u dieser Zeit i n ein E l e m e n t w a r f , das ihni n o c h fast v ö l l i g f r e m d w a r , es k o n t e doch n i c h t f e h l e n dafs m a n c h e schiefe B e h a u p t u n g , manches f a l s c h e Urteil

seiner

Feder

entschlüpfte.

Zwei

Äufserungcn

des sonst trellichen Mannes schieben m i r v o r n e h m l i c h einer

öffentlichen Z u r e c h t w e i s u n g

m a l dafs

im

Ganzen

zu bedürfen:

im P u n k t

des

ein-»

Wortreichtums

beide S p r a c h e n einander des G l e i c h g e w i c h t w o l h a l t e n möchten;

und

dan dafs es schlechterdings u n m ö g l i c h

sei streng

und

genügend

darzütnn

dafs die eine die

andere an Z a h l und Menge der Z e i c h e n übertreffe. Villers

Abhandlung

erregte A u f s e h n ;

der algemeinen Lauheit des Deutschen gentum

stand

zu befürchten

dafs s i e ,

und

bei

gegen sein E i vielleicht der

Absicht des Verfassers ganz z u w i d e r , a u f unsere s c h o n in so Manchem irregeleitete Jugend einen nachteiligen E i n d r u k machen möchte. Feder

Ich g r i f demnach r a s c h z u r

u m das Grundlose dieser und anderer B e h a u p -

tungen, so w e i t i c h es v e r m o c h t e , in das helste Licht zu stellen;

und so entstand in Z w i s c h e n s t u n d e n ,

die

16 meine Berufsgeschäfte mir frei gaben, die Schrift ü b e r den W o r t r e i c h t u m der d e u t s c h e n und f r a n z ö s i s c h e n S p r a c h e , und b e i d e r A n l a g e s u r P o e s i e , welche erst in zwei mäfsigen Bänden, (1806,) und dan sehr überarbeitet und in drei stärkere verteilt, (1818 — 20,) ans Licht trat. Ich muste mir hier selbst Bahn brechen j denn mir war nur wenig vorgearbeitet. J e n i s c h e n s Vergleichung mehrerer europäischen Sprachen untereinander und mit der deutschen enthält blcjfse Algemeinheiten, die mich auf meiner Bahn nicht fördern konten; und T r e n d e l n b u r g s Zusammenstellung der Muttersprache mit den beiden alten war mir, als ich mein Werk angrif, kaum dem Titel nach bekant. Erst bei der zweiten Bearbeitung, i n welcher ich auch das Latein in die Untersuchung mit gezogen, habe ich sie benuzen können und auch, wiewol nur selten, wirklich benuzt. — Diese meine Schrift nun wurde bei ihrem Erscheinen in mehreren gelehrten Zeitungen sehr günstig beurteilt und überhaupt mit ziemlich lebhaftem Beiial aufgenommen. Ob sie denselben den Zeitumständen oder innerem Verdienste zu verdanken gehabt, gebührt nicht mir zu entscheiden. Denke man indes über ihren wissenschaftlichen Wert wie und was man immer wolle: der vaterländische Sin, der sie eingab, hat, das weis ich, manches gleichgestimte Gemüt erfreulich berührt, manches laugewordene wieder erwärmt und gekräftigt. Auch das zwiefache Gute scheint sie bewirkt zu haben, dafs erstlich Viele unter uns nun deutlichere und bessere Begriffe von ihrer Muttersprache gewonnen; und dan dafs die uns schändende Unsitte diese Muttersprache bei jeder Gelegenheit ihren Schwestern gegenüber in den dunkelsten Schatten zu stellen, sich denn doch algemach verloren hat.

17

Wortmengerei. Jezt komme icli auf einen Gegenstand, der bereits f r ü h mein Gefühl empört und -bei aller meiner Achtung f ü r den Deutschen den Glauben an seine völlig gereifte Geistesbildung in mir oft wankend gemacht, auf die von den Zeiten des dreifsigjährigen Krieges her unter uns herschende Gewohnheit drei in ihrer Natur und Art gänzlich verschiedene Reden in Schriften und im Gespräch roh und wild und \vilkührlich durcheinander zu mengen. Schon auf Schulen drängte sich mir diese barbarische Unsitte als solche, ich wil sagen als einen Schandllek unserer Nation auf. Da ich schon damals die drei Sprachen, die lateinische, französische und deutsche, in allen ihren Eigenheiten und Beschaffenheiten miteinander zu vergleichen oft und gern mich beschäftigte, so muste mir der ungeheure Abstand, der hier ciie beiden erSteren von der lezteren t r e n t , bereits sehr f r ü h ins Auge fallen. Bereits sehr f r ü h legte ich mir die so natürliche Frage v o r : woher komt es dafs die R ö m e r , woher komt es dafs die Franzosen, die Italiäner, und überhaupt alle wirklich gebildete Völker Europas, wenn schon sie eben so gut als wir einsehen musten und noch müssen, welche ü b e r »chwängliche Vorteile das ungebundene Spracheiigemisch dem Sprechenden wie dem Schreibenden gew ä h r t , dennoch demselben immer Auf das geflissentlichste aus dem Wege gingen ? und ein flüchtiges Nachdenken über das Wesen und die Natur der Sprache lies mich auf diese Frage auch sehr bald die Antwort finden. Schon auf Schulen wurde mir hei dafs durch das ungeordnete Gemeng unsere Mutterrede in ihrer Einheit, also im Herzen ihres Seins, in dem Was sie eben su einem geregelten Sprachkörper, zu 2

18 einem in allen seinen Teilen mit sicli selbst i'ibereinstimmcnden Ganzen erhebt, nicht etwa blos angegriffen, sondern gänzlich zerstört und vernichtet werde. Ich konte nicht begreifen wie ein sonst verständiges uhd in Vielem fein und richtig fühlendes V o l k , das auf der Bahn des Schönen bereits bedeutend vorgeschritten w a r , ein Volk, das mit dem Erlernen anderer Sprachen sich mehr als irgend ein anderes zu schaffen machte, und folglieh auch mehr als irgend ein anderes von dem was eine Sprache ihrem Wesen und ihrer Natur nach sein und nicht sein solle, reine, lichte Vorstellungen haben zu müssen schien, dennoch kein Bedenken trug die eigene Rede, sein bestes, köstlichstes Eigentum, zu einem doppelleibigen Scheusal herabzuwürdigen und sie so dem verrufenen Lateine des Mittelalters völlig zur Seite zu stellen; nicht begreifen .wie dies Volk gegen die grellen, schneidenden Abklänge und Ungleichheiten und Ausweichungen, die für den äufseren und den inneren Sin durch das rohe Gemeng dem mündlichen wie dem schriftlichen Vortrage in Unzahl und massenweise eingedrängt wurden, bis zur gänzlichen Gefühllosigkeit sich abhärten und betäuben konte. *) Schon auf Schulen leuchtete mir

* ) Wären durcli langen Schleuder unsere Sinne nicht gebunden, die französischlateinischen Wideiartigheiten in unseren Büchern nriisten uns eben so empörend und abscheulich dünken, als in diesem Augenblik deutschenglische dem Franzosen oder Italiäner diinken würden, wenn es einem Barbaren unter ihnen einfiele mit solchen ihre Sprachen volzustopfen. — Die sanfte, rein und klar fliefsende Italiänerin in allen ihren Teilen und Gliedern m i t roh deutschen oder englischen Wörtern verbrämt und durchflochten! Vor dem liäslichen Anblik würden denn doch nicht etwa nur die bescheidensten, sondern selbst die zügellosesten, entschlossensten im.)

19 deutlich ein, dafs eine wolgeordnete, eigenen Gesezen der F o r m , des Klangs und der Betonung untergebene Sprache, wenn sie der Ausartung und dem Verderben sich nicht unausbleiblich preisgeben wolle, bei der Aufnahme f r e m d e r , mit diesen Gesezen in schrofem Widerspruch begriffener Wörter nicht blinder Wilkühr f r ö l m e n , sondern festen und unwandelbaren Hegeln sich bequemen müsse; dafs sie nach dem Vorgange der lateinischen, spanischen, italienischen, f r a n zösischen, kurz aller vortretenden Sprachen der gesitteten Welt, nur wissenschaftliche, höchstens besondere und sinliche Begriffe, aber nie algemeine vom Auslande zu entlehnen die Befugnis haben dürfe. Und in die unsere wurde wild und ohne Ordnung, ohne auch nur eine Spur von Regel, alles eingeschlept, was nur Sin und Bedeutung hatte! alles was dem Schreibenden und Sprechenden nur tauglich und zu seinen augenbliklicheii Zwekken dienlich und passend schien! Gleichsam als ob in den Wörtern der Inhalt alles, Form und Ausdruk blos Nebensache, ja unter allen nichtswerten, unbedeutenden Nebensachen die nichts wer teste , unbedevitendste eben wäre ! Man denke sich einen Künstler, der eben beschäftigt seiner Geige eine Saite aufzuspannen, nur auf Höhe oder Tiefe im Tone derselben achtete, u n bekümmert übrigens, ob der erste, blinde Grif ihm eine Darmsaite oder eine metallene in die Hände gegeben hätte! — Wie freute es mich daher als ich sah dafs doch •wenigstens Einigen unter uns vor der handgreiflichen, ungeheuren Barbarei zu ekeln schien! dafs zwei u n serer Gediegensten, Mölln er wie K l o p s t o k und handfestesten unserer Wovtmischer mit Entseien zurükfaluen.

2*

Vofs,

von

lenkend,

dem

sicli

algemein

völlig

an

betretenen Ileerwege

die

Römer

schlössen,

abund

h i n s i c h t l i c h auf die Z u l a s s u n g des F r e m d e n i h r e n V o r trag ganz in dem Sinne derselben hofte ihr

auch Andere,

Ich Ge-

r i c h t s u n d gleicher K r a f t , zur Nachfolge reizen,

und

unserem

würde

g e s t a l t e t e n ! *) gleiches

so i n

Beispiel

Schriftwesen

almä'%

eine, woltätige,

h ö c h s t wünschenswürd'ige U m k e h r der Dinge zu

Gun-

sten u n s e r e r ganz u n d d u r c h a u s v e r w a h r l o s e t e n

Prosa

b e w i r k e n . **)

Mitnichten.

W o das G e f ü h l des G u t e n

*) M a n b a t M ü h e z u begreifen w a r u m u n s e r e n G e l e h r t e n u n d Ä s t h e t i k e r n , die u n s liberal u n d i n allen S t ü k k e n d i e A l t e n als d i e n a c h a h m u u g s w ü r d i g s t e i i M u s t e r des S c h ö n e n u n d E d l e n v o r u n d entgegen h a l t e n , n i e e i n gefallen ist a u c h i m P u n k t des G e b r a u c h s •widerartiger W ö r t e r der F r e m d e u n s auf das Beispiel u n d die Sitte, w e n n n i c h t der G r i e c h e n , doch der R ö m e r , z u v e r w e i die zu den Griechen v ö l S e n > er Mensch, auch der reichbegabteste, bleibt immer nur Mensch. So beschwert sich auch sein Freund G ö l h e an mehreren Stellen seiner F a r b e n l e h r e in Ausdrükken, die man last hart, ja empörend nennen möchte, über den starren Widerstand, den die jezt lebenden, in die n e w t o n s c l i e Lehre eingerosteten Fysiker seinen Untersuchungen im Punkt der Farbe und des Lichts noch immerfort entgegensehen, — tind zeigt sich doch in einem anderen Fache als einen eben so zähen Anhänger des hergebrachten Alten, wie sie.

Drukberichtigungen und Zusäze zu der lezten Ausgabe meiner Schrift

über

Wortmengerei,

Grammaticu»

debet

esse

cusios

1823.

linguae.

S e n e c a .

3

O . 4. Die Überschrift ist so zu stellen: Bau und Form der Wörter durch Ableitungsilben, Biegungsilb e n , Abwandlungsilben, Vorlinge und Endlinge. Wie die Endlinge bei den Römern etc. Zeile 7 , lies : Zu den grammatischen Formen oder den Elementen und Teilen der Sprache, durch deren A n - nnd Einfügung der Bau ihrer Wörter zunächst bestirnt und begründet wird, gehören vor allem die Ableitungsilben, etc. S. 4 0 , Zeile 4 , n a c h : Elemente: ( S . M , 2 5 . ) Zeile 9 von unten, nach: Glieder seiner Sprache: Auch könten sie auf seinen inneren Sin nicht den Eindruk französischer, sie miisten den Eindruk rein lateinischer auf denselben hervorbringen. Und wie etc. S. 5 4 , Z. 1 5 , stat: bis auf die Möglichkeit: auch die Möglichkeit sogar. S. 6 0 . . Den Anfang des Abschnits XII bittet man so zu lesen:

XII. Wesentliche Verschiedenheit in dem Aus War der Weg, den unsere Altvorderen betraten, der rechte W e g ; u n d dafs er es war., wird wol so leicht kein Nachdenkender leugnen: so mus der g ä n z l i c h e n t g e g e n g e s e z t e , den wir eingeschlagen u n d jezt rcsch u n d rüstig f o r t w a n d e l n , notwendig ein. falscher sein, Andere V ö l k e r , von geschärfterem Sprachsin als w i r , bleiben, w e n n sie Fremdes sich aneignen w o l l e n , auch jezt noch immer dem Naturgesez getreu. Die Franzosen z. B. die, was sie in älteren und neueren Zeiten unserer Sprache abgewonnen, stets dem G e bot i h r e r Grammatik unterworfen u n d der Grundform ¿ h r e r eigenen Rede auf das strengste angepäst haben : kalte Schale,' calichat; t r i n k e n , trinquer ; L a n z e n k n e c h t , lansquenet; Feieisen, valise; Habersak, havresac ; R e i t e r , reitre; Lärm, allarme; Harnisch, harnais; S c h i f , esquif ; Garbe, gerbe; Buddel, (nie-: d e r d . ) bouteille; K o m p a n , compagnon; Konipanei, compagnie; Spellen, (buchstaben, ) ¿peller; Forst; forêt; S c h r e i n , écrira; mispreisen, (niedcrd.) mépriser; K r u g , cruche; P e l z , pelisse; blau, bleu;. Baare, bière; Küssen, coussin; Kegel, quille; Woge, wogen, vague, voguer; B a n , b a n n e n , ban, bannir; Säbel^ sabre; niedersäbeln, sabrer; H a f e n , havre; Reinhard, renard; pissen, pisser; Reichstaler, risdale ; Groschen, gros; staunen, étonner, ( estonner ; ) S p o r n , éperon; S p e r b e r , êp eruier ; T o n n e , 'tonneau; K u f e , cuve; G l o k k e , cloche; B r a n d e r , brandon; Salm, saumon; K e l l e , écuellej b r a u n , brun; f a l b , fauve; "Walter,

69 Gautier;

W i l h e l m , Guillaume

r e n , vervVahren, garder;

; r a u b e n , dérober;

wah-

B i e r , bière; S a a l , sale, salon 5 - S o l d , solde; l é k k e n , lécher; T i t t e , teton; Hütte, hutte; t a s t e n , tâter; G a r t e n , jardin; Krebs, écrivisse; gebranter W e i n , brandevin; Mährenschalk, maréchal; k r a c h e n , craquer; K l i n g k l a n g , clinquant; w a s c h (en,) gouache; k r a z e n , gratter; S p a r g e l , asperge; Balshöhnen, honnir; B e u t e , b e r g , ( O b e r p a n z e r , ) haubert; butin; S c h l e u s e , écluse ; S t u b e , étuve; N a k k e n , nuque} B o l w e r k , boulevard ; A l b e r g e , auberge; R o s , rosse{ H a s t , hâte, B u r g , bourg; D e g e n ; dague; Markt, marché; P a k , paquet; K r a m p f , crampe; Tanz, danse; t a n z e n , danser ; g r e i f e n , gripper ; F l a s c h e , flacon ; v e r r i e g e l n , verrouiller; r e i c h , riche; B e i w a c h e , bivouac ; b e i w a c h e n , bivouaquer ; etc. .— Voltaire hatte über den natürlichen Bildungsgang der S p r a c h e schwerlich' nachgedacht, als ihm bei Gelegenheit dëS A w s d r u k s assassin ( w i e marcassin, bécassine, ressasser, etc.) im Unmut die Worte entfielen: „ N o r o corrompu du mot Ehis essin. Rien nest plus ordinaire « ceux qui vont en pays lointain que de mal entendre, mal répeter, mal écrire dans leur propre langue ce qu'ils ont mal cotnpris dans une langue absolument étran~ gère , et de tromper ensuite leurs compatriotes en se trompant eux-mêmes. 12erreur s'établit de bouche en bouche et de plume en plume. Il faut des siècles pour la. détruire, " Das r o h e , wild fremde, rein morgenländische Wort Ehisessin w ü r d e als A1 g e m e i n b e g r i f ( M ö r d e r überhaupt, nicht eine besondere Klasse von M ö r d e r n , nicht-mehr die Mordbande des Alten vom B e r g e , ) im Französischen eine gar traurige Bolle gespielt, es würde durch seine F o r m aup den Reihen der Algemeinbegriil'e sich gleichsam selbst ausgeschieden haben. — Unsere ÜbergebildeLen vergessen immer dafs die Sprache aus W ö r t e r n , und

70 n u r ans Wörtern besteht, dafs sie ihrer Natur und ihrem Wesen nach ein in allen seinen Teilen gleichgearteter Körper ist oder doch sein sol, und dafs sie sonach durch jedes W o r t , welches in diesen Körper nicht eingeht u n d zum Ganzen nicht past, schwer verlezt und Schnöde eritstelt und verunstaltet wird. Den. Unverbildeten leitet hier sein ihm angeborener Naturtrieb weit sicherer j als jene ihr hochgeschraubter , überreifer Verstand; — sein Naturtrieb, sage. ich. Denn die Sprachen sind Erzeugungen der Notwendigk e i t , nicht der Überlegung. Wäre in den Schöpfern d e r menschlichen Rede nicht ein dunkles z w a r , aber lebhaftes Gefühl, eine geheime- Krai't, ihnen selbst gleichsam ünbewust, rege und lebendig "wirksam ge.•wesen, die sie sicheren Trittes gehen lies auf ihrer B a h n , schwerlich hätte wol je «ine Sprache entstehen und zu einem festbeschlossenen, wol und schön geordneten, in allen seinen Teilen und Gliedern mit sich selbst übereinstimmenden Ganzen sich entwickeln und ausbilden kötanen. Freilich klingt er seltsam, im ersten Moment fast lächerlich, der Saz: der Ungelehrt« oder das Volk bildet die Sprache; der Gelehrte und der ganz oder halb Gebildete verbildet sie} aber ei' igt dennoch buchstäblich wahr. Von den oberen Klassen ist bei uns die Wortmengerei ausgegangen, und sie wird auch fast ausschlieslich von den oberen Klassen n u r betrieb e n : welcher leztere Umstand allein schon hinreicht ihr das Zeichen der Unnatiirlichkeit, das heist mit einem anderen Worte, der entschiedensten Schlechtigkeit aufzudrükken. — Doch ich kehre von' meiner Abschweifung zuriik. Wenn der Deutsche von Verwirrung der Sprache r e d e t , so meint er immer nur die logische. Um die grammatische oder ( w a s gleifch gilt,) die ästhetische

71 bekümmert er sich nicht, — eben weil er in den Wörtern nur den Inhalt, und sonst durchaus nichts •weiter sieht; weil er jedes nur für sich, nie in seiner Verbindung mit dem Ganzen nimt. t.in Beispiel. „ C a m p e , sagt J e a n P a u l R i c h t e r , hat durch, unverständliche Übersezung verstandener Ausländer die Sprache v e r s c h o b e n und v e r w i r t . " Ich wil C a m p e n ' das Wort nicht reden. Aber eben das Recht, welches R i c h t e r hat über die logische Verwirrung der Sprache zu klagen, eben das Recht steht doch wol auch einem Anderen zu gegen die grammatische Verwirrung derselben zu eifern. Beide Arten, der Verwirrung sind schlecht; doch die leztere z u meist, weil die Jahre sie nicht, wie jene, heben können* Jene verdunkelt eine Zeit lang stellenweise die Sprache. *) Diese führt sie unaufhaltsam erst ihrer Ausartung, dan ihrer Auflösung entgegen.

*) Eine solche vorübergehende, teilweise Verdunkelung der Sprache inuste auch schbn damals stat haben, als Wörter w i e L i p p e , ( l a b i u m , ) O h r , ( a u r i s , ) Mauer, ( m u r u i , ) Pflanze, {-planta,) etc. oder w i e ü b e r f l ü s s i g , (superfluits,) anfangen, (incipereunternehmen, (entreprendre,) unterbrechen, (interrumpere,) etc. zuerst aufkamen. Durch raschen Umlauf und wiederholten Gebrauch verlor sich ihre Dunkelheit und sie w u r den almälig dem Volke verständlich. Auf gleichem Wege lernt stufenweise das Kind die Wörter seiner Mutterrede fassen. — So haben auch wirklich in den. neusten Zeiten einige von C a m p e n in Vorschlag gebrachten JSTeugepräge w i e U m w ä l z u n g , umwälzerisch, folgerecht, folgewidrig, Folgerichtigkeit, Folgewidrigkeit, (stat der pedantischen conséquent, inconséquent, Consequenz, Jncohsequenz ;) Zerbild, zerbilden, Einzelwesen und andere, selbst das so arg verschrieene S t e 1 d i c h e i 11, durch ihr häufigeres Auftreten in Schriften algéaieine Verständlichkeit bereits sich angewonnen.

72 Schlieslich noch Eine Bemerkung. Es scheint man habe bei uns bisher mit dem Ausdruk: eine v e r wir t£, v e r d o r b e n e , verwilderte, ausart e n d e und a u s g e a r t e t e Sprache immer nur sehr unklare und unbestiriite Begriffe verbunden; — und man hat sich in der felsenfesten Uberzeugung dafs die Schärfe dieses Ausdruks die unsrige unmöglich treffen könne, -mit diesen unbestimten, nebelnden und schwebelnden Begriffen auch öhne weiteres zahm und lequem begnügt. Siehe z. B. S. 4 4 0 flgd. Selbst unsere Filologen, denen doch hier die kräftig gesunden Sprachen Roms und Griechenlands, dort das verdorbene Latein des Mittelalters und das canusische Doppelgep^auder, wie H o r a t i u s es verächtlich nent," ganz unmittelbar .vor Augen standen, haben über diesen Gegenstand nichts Festes, nichts Treffendes und Befriedigendes gesagt. Denn Algemeinheiten wie etwa Gesners: Doctores nostri publici corrumpunt lingueim pa triam miscendo emnittm linguarum vocabula, die sich begnügen uns das nakte Geschichtliche hinzustellen, berühren kaum die Oberfläche und gehn der Sache nicht auf den Grund. Eben so unsicher wurde bis auf diesen Augenblik von unseren Gelehrten und Sprachkündigen um den Begrif S p r a c h r e i n i g k e i t lierumgetapt. K i n d e r l i n g , der eiri ganzes Buch über die Reinigkeit der deutschen ^Sprache geschrieben, ein Buch, das noch obenein von derberliner Akademie als eine Meisterschrift gekrönt worden , ist hier so wenig auf der rechten Fährte', dafs er sogar behauptet, unter allen jezt lebenden Sprachen sei die uhsrige die reinste, die französische dagegen ganz entschieden die unreinste: wobei er auf die seltsamste Weise Reinigkeit der Sprache mit Urtümlichkeit derselben verwechselt. Eines ähnlichen Misgrifs machten auch ohne Ausnahme alle Männer

73 und — Knaben sich schuldig, die bisher bei uns über Sprachreinigkeit und Sprachreiniger gespöttelt und gespottet. E s fiel ilmen, den, sich so weise Dünkenden, auch im Traume nie ein dafs die lezteren zu ihrem Ankämpfen gegen den Mischmasch denn doch einen anderen und tüchtigeren Grund etwa wol haben möcht e n , als den albernen, von ihnen so vielfach beliohnlächelten: verwerflich sei das Fremde, w e i l e s f r e m d u n d n i c h t d e u t s c h e n U r s p r u n g s sei. — U n r e i n , und höchst unrein k a n , wie unser Deutsch und das Latein des Mittelalters beweisen, auch eine Ursprache sein; r e i n dagegen, und in h o hem Grade rein, auch eine abgeleitete, wie die italiänische, französische, spanische, — dal'ern sie närrrl i c h , wie diese, den Gesezen der F o r m , des Klangs lind der Betonung, die sie bei ihrem Entstehen sich selbst Vorgeschrieben, unveränderlich getreu bleibt, oder ihnen doch so selten als nur immer möglich entgegenhandelt. V e r d o r b e n wiederum und in der Ausartung begriffen ist eine Sprache, Ursprache oder abgeleitete: gleichviel! die, wie die unsrfge und das entwürdigte Latein, mit diesen G r m i d g e s e z e n ( i c h nenne sie so, weil aus ihnen zunächst und am unmittelbarsten der Grundton und der Charakter der Sprache hervorgeht;) die, sage ich, mit diesen Grundgesezen ihren Scherz treibt und sie, wo es nur gilt, regellos t\nd zügellos und mit dem 'frölichsten Mute überspringt; die in den Wörtern, den Teilen und (gliedern ihres K ö r p e r s , den Inhalt, den s i e , als S p r a c h e ü b e r h a u p t , auch mit anderen gemein h a t , höher stelt als die Forin, die i h r , a l s e i n e r gegebenen Sprache, ausschiiefsend eigen ist. Denn nicht durch den Inhalt ihrer Zeichen unterscheidet sich Sprache von Sprache. Die Wörter aller Sprachen drükken Begriffe, und im Ganzen dieselben 6

74 Begriffe aus : H u n d , P f e r d , O c Ii s e , etc. chien, cheval, hoeuf, etc. canis, ecjüus, hos, etc. Tugend, L a s t e r , L i e b e , etc. vertu, vice, amour, etc. virtus, 'vitium, amor, etc. E r d e , F e u e r , L u f t , W a s s e r , etc. terre, feu, air, eau, etc. terra, ignis, aer, acjua, etc. e i n s , z w e i , drei, etc. un, deux, trois, etc. unus, duo, tres; etc. N u r durcli die F o r m derselben trit b e stirnt und entschieden die eine v o n der anderen ab. D i e Grammatik nimt aber die S p r a c h e nicht als G a t t u n g , sondern als Einzelwesen. S i e bekümmert sich nicht u m ihren inneren Gehalt, sondern blos u m ihre äufsere G e s t a l t u n g ; * ) u n d zu dieser gehört die sinliche Beschaffenheit des Sprachstofs oder die F o r m der "Wörter w e s e n t l i c h , j a als das "Wesentlichste mit. Vielleicht trägt die gegenwärtige S c h r i f t einigermaafsen bei die beiden Ausdriikke : S p r a c h r e i n i g t e i t und S p r a c h v e r d o r b e n h e i t , ü b e r deren Bedeutung schon auf Schulen der heranwachsende K n a b e im K l a r e n sein s o l t e , genauer u n d fester zu bestimmen. D a f s übrigens die S p r a c h e auch durch Verlezung a n d e r e r grammatischen G e s e z e , . der F ü g u n g , der W o r t s t e l l u n g , etc. ( a l l e s dieses gehört zur F o r m ; ) v e r d o r b e n u n d verfälscht w e r d e , versteht sich v o n selbst u n d b e d a r f keiner besonderen Erinnerung. Zunächst u n d ain empfindlichsten w i r d sie aber in dem hier in R e d e stehenden G r u n d g e s c z e angegriffen; u n d es ist eine nur durcli die betäubenden Einflüsse des Schlenders e r k l ä r b a r e überschwengliche Folgewid r i g k e i t , w e n n wir Abweichungen v o n den Regeln der Wortstellung, W o r t f ü g u n g , etc. auf das strengste r ü g e n , u n d doch zu gleicher Zeit selbst die härtesten * ) Die Bedeutung der Wörter und ihr logischer Inhalt gehört in das Wörterbuch, nicht in die Grammatik.

Verstöfse gegen die Regeln der Wortbildung ungeaLIlde t durclilassen. * ) wie w i r

durch

Vergl. S . 4 0 ° figd,

Dem

nicht

die Nebeldünste eines m e h r als z w e i -

liunderljährigen

Herkommens

eingeschläferten

und

gegen die Grundform seiner S p r a c h e dumpf und stumpf gewordenen

Franzosen

tjui manejue

de

würde

Judicium

n i c h t minder empörend,

ein: oder

gewöhnung

abhärten

stat i h n e n , etc. an

judicio

stat de jugement.



der Geist auch gegen die gröbsten' g r a m bis zu gänzlicher

kan.

Der Berliner,

blos der Hefen des V o l k s ,

argen

homme

uns die E r f a h r u n g dafs durch träge A n -

matischen F e h l e r sich

un de

j a empörender n o c h k l i n g e n

als e i n ; il manejue du jugement Leider lehrt

cest gar

ihn

seinem Q h r e

denn sich dadurch

nur

m i t den Wölfen l i c u l c n ,

etwa sie

darein,

ohne dafs er die geschweige

Manche schämen

weil sie von Anderen

die S p r a c h e

ausgelacht zu werden besorgen.

stat

wahrnimt,

beleidigt fühlt.

die wie sie

gebissen sein wil.

darin

vor über gelin,

sich sogar richtig zu s p r e c h e n , ihres Kreises,

nnd n i c h t

läst m i r stat m i c h ,

stat i h m ,

Gesezwidrigkciten

Ünempfindlichkeit

radebrechen,

Man m u s ,

sagen .sie,

wenn man v o n i h n e n n i c h t

So sagt auch wol jezt Dieser und

* ) M a n w i r d m i r einwenden dafs i n neuaufgebrachten d e u t s c h e n W o l t e r n allerdings auf den B a u geachtet u n d Übertretung des deutschen Bildungsgesezes v o n unseren Sprachkundigen gerügt w i r d . U m so unbegreiflicher i s t es dafs man in anderen, die m a n doch liberal u n d ohne Unterschied stat der w i r k l i c h deutschen gebraucht und so durch die T a t für eben so gesunde Teile der Sprache erklärt als diese, das g ä n z l i c h A u s t r e t e n d e in der F o r m n i c h t etwa n u r für unbedeutende Nebensache zu h a l t e n , nein, gar nicht einmal zu bemerken scheint. F ü h l t m a n denn hier das handgreiflich Grobe des Widerspruchs n i c h t ?

76 J e n e r : man mus Wortmengerei mit dem grofsen Haufen treiben, wenn man von ihm nicht für einen Sonderling gehalten und als solcher gehud'elt und v e r spottet und mit Kot bewcfrfen werden wil. S. 121. Z. 8. I c l i e r i n r e n u r a n d i e d o r t u n d da z e r s t r e u t e n F r a g m e n t e des L u c i lius und die W e r k e des P l a u t u s , die v o n griechischen Brokken nicht selten starren. Unter den römischen Dichtern erlaubte sich nur, wie ich schon öfter bemerkt, im Begin der Litteratur, als das Gefühl des Schönen und Edlen sich erst zu bilden r a n g , Mancher noch zuweilen den Gebrauch griechischer Wörter algemeines Inhalts. Aus dem P l a u t u s habe ich in meinem W o r t r e i c l i t u m e , T. I. S. 623. flgd. mehrere hieher gehörige Stellen angeführt. Auch Einiges aus dem L u c i l i u - s . Luc r e t i u s bietet in seinem Gedichte eine Reihe v o n Versen, die mit rein griechischen Ausdrükken auf das widrigste durchflochten ist. Da sie nebenbei beweist wie sehr, was ich hie und da in meinen Schriften behauptet, in der Umgangsprache der Römer griechische Wörter und Redensarten gewurzelt hatten, so seze ich sie h i e h e r : Nigra fieXi%Qoo; est, immunda et foetida icxo&fios, Caesia-nuX).o.diov, nervosa et lignea $OQ>.«f, Earvula -pumilio , xanncov ia, toia merurn sal, IVIagna atque immanis xctTanX^^ig, plenaque honoris, Balba loqui non quit, TQcivXifciy muta -pudens est; -At ßagrans, odiosa, loquacula Xp.unaSiov f i t ; *Io%yov iQmfiefiov tum fit, quum vivere non quit Prae macie ; QU3IVT] vero est javi mortua tussi. At gemina et mammosa Ceres est ijtsa ab Jaccho ; *Simulä aiXrjVri ac satyra'st, labiosa (fiXtj/un.

H o r a t i u s hatte diese Stelle vor Augen, als er in der dritten Satire des ersten Buches die Verse: At •pater ut gnatii etc. niederschrieb. Aber wie hoch

77 stellt hier der fein empfindende Nachahmer über seinem roheren Urbilde! E r gehörte nämlich zu den späteren, gebildeteren Dichtern, die lebhaft fühlten, dafs ein so geistloses Gemisch zweier in. ihrer Natur und Art gänzlich verschiedenen Sprachen mit dem geordneten Vortrage überhaupt, und dem poetischen insbesondere durchaus nicht vereinbar sei. Würde V i r g i l i u s , der grofse Meister im dichterischen Ausd t u k k e , in einem Gemälde, wie das folgende vom E n n i u s , das Wort pausa sich wol je erlaubt h a b e n ? — Mundus coeli vasto constitit silentio Et Neptunus saevus undis asperis p au s am dectit. Sol equis iter repressit ungulis volantihus; Constitere amnes perennes; arbores vento vacant. Wer erinnert sich hier nicht jenes anderen berüchtigten Verses von demselben Schriftsteller: At tuba terribili sonitu taratantara dixit, wo das taratantara wol kaum geschmakloser ist als unter d i e s e n Umgebungen das -pausa? Auch L u c i l i u s , der aber freilich in einer leichteren Gattung schrieb, hat dieses W o r t : Haec ubi dicta dedit, paiisam facit ore loquendi; welches der sinnige V i r g i l i u s in fmern umgewandelt h a t : — finem

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