Studien zu Sprache und Stil der Psalmen 3110240971, 9783110240979

Vorgelegt werden Studien zu den biblischen Psalmen aus den letzten Jahren. Sie beschäftigen sich mit der Sprachform und

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Studien zu Sprache und Stil der Psalmen
 3110240971, 9783110240979

Table of contents :
Frontmatter
Inhalt
Zur Einführung
A. Forschungsgeschichtliche Studien
B. Einzelpsalmstudien
C. Studien zu speziellen Problemen des Psalters
D. Anhang
Backmatter

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Klaus Seybold Studien zu Sprache und Stil der Psalmen

Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Herausgegeben von John Barton · Reinhard G. Kratz Choon-Leong Seow · Markus Witte

Band 415

De Gruyter

Klaus Seybold

Studien zu Sprache und Stil der Psalmen

De Gruyter

ISBN 978-3-11-024097-9 e-ISBN 978-3-11-024098-6 ISSN 0934-2575 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Seybold, Klaus. Studien zu Sprache und Stil der Psalmen / Klaus Seybold. p. cm. - (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, ISSN 0934-2575 ; Bd. 415) Includes bibliographical references and index. ISBN 978-3-11-024097-9 (hardcover : alk. paper) 1. Bible. O.T. Psalms - Language, style. I. Title. BS1430.52.S49 2010 2231.2066-dc22 2010025084

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 2010 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwortȱ ȱ ȱ Dieȱ ersteȱ Aufsatzsammlungȱ mitȱ demȱ Titel:ȱ „Studienȱ zurȱ PsalmenausȬ legung“,ȱ Stuttgartȱ 1998ȱ hatteȱ dazuȱ gedient,ȱ meinenȱ 1996ȱ erschienenȱ Psalmenkommentarȱ(inȱderȱReiheȱHATȱTübingen)ȱzuȱentlasten.ȱDaȱfürȱ dieȱ Auslegungȱ derȱ Psalmtexteȱ nurȱ einȱ beschränkterȱ Raumȱ zurȱ VerfüȬ gungȱ stand,ȱ mussteȱ undȱ konnteȱ dieȱ wissenschaftlicheȱ Diskussionȱ undȱ forschungsgeschichtlicheȱBegründungȱderȱeigenenȱPosition,ȱaufȱdieȱimȱ Kommentarȱ weithinȱ verzichtetȱ werdenȱ musste,ȱ aufȱ dieȱ „Studien“ȱ verȬ legtȱ werden.ȱ Dieȱ vorliegendeȱ Aufsatzsammlungȱ stehtȱ imȱ ZusammenȬ hangȱmitȱderȱArbeitȱanȱderȱ„PoetikȱderȱPsalmen.ȱPoetologischeȱStudienȱ zumȱAltenȱTestamentȱI“,ȱStuttgartȱ2003,ȱinȱdemȱSinn,ȱdassȱdieȱdortȱverȬ treteneȱAuffassungȱimȱEinzelnenȱanȱneuenȱTextenȱnochmalsȱüberprüft,ȱ gegebenenfallsȱkorrigiertȱundȱdieȱpoetologischeȱAnalyseȱweitergeführtȱ wird.ȱ Dieȱ 22ȱ Beiträgeȱ zuȱ „Spracheȱ undȱ Stilȱ derȱ Psalmen“ȱ habenȱ zumȱ Ziel,ȱdieȱbegonneneȱArbeitȱfortzusetzen.ȱ DieȱeinzelnenȱBeiträgeȱsindȱ–ȱsofernȱsieȱbereitsȱgedrucktȱvorlagenȱ–ȱ nurȱ geringfügigȱ überarbeitetȱ worden.ȱ Sieȱ wurdenȱ anȱ dieȱ Reiheȱ angeȬ passtȱ undȱ inȱ ihrerȱ äußerenȱ Gestaltȱ vereinheitlicht.ȱ Ansonstenȱ erscheiȬ nenȱ sieȱ jedochȱ –ȱ mitȱ derȱ freundlichenȱ Genehmigungȱ derȱ betreffendenȱ Verlageȱ –ȱ inȱ derȱ Formȱ derȱ Erstfassungȱ alsȱ eigenständigeȱ Studien,ȱ dieȱ nochȱ Anlassȱ undȱ Umständeȱ ihrerȱ Entstehungȱ erkennenȱ lassen.ȱ Dasȱ bringtȱmitȱsich,ȱdassȱesȱgelegentlichȱzuȱÜberschneidungenȱundȱWiederȬ holungenȱinȱderȱSacheȱkommt.ȱȱ MeinȱDankȱgiltȱdenȱHerausgebernȱderȱReihe,ȱdassȱsieȱderȱAufnahȬ meȱ derȱ Sammlungȱ inȱ dieȱ BZAWȱ zugestimmtȱ haben.ȱ Erȱ giltȱ inȱ beȬ sondererȱWeiseȱFrauȱDr.ȱKatrinȱOttȱ(Jena),ȱdieȱinȱpräziserȱFeinarbeitȱdasȱ Layoutȱ hergestelltȱ hat.ȱ Erȱ giltȱ nichtȱ zuletztȱ demȱ Verlagȱ fürȱ dieȱ vorȬ züglicheȱBetreuungȱdesȱManuskripts.ȱ ȱ ȱ Basel,ȱimȱAugustȱ2010ȱ KlausȱSeyboldȱ

ȱ

ȱ

Inhaltȱ ȱ ȱ Vorwortȱȱ.........................................................................................................ȱȱVȱ ZurȱEinführungȱȱ.............................................................................................ȱȱ1ȱ ȱ

A.ȱForschungsgeschichtlicheȱStudienȱ 1.ȱ 2.ȱ 3.ȱ 4.ȱ ȱ

StudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱȱ.................................................ȱȱ10ȱ W.ȱM.ȱL.ȱdeȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmenȱȱ.......................................ȱȱ35ȱ BernhardȱDuhmsȱPsalmenkommentar.ȱEineȱGlosseȱȱ.......................ȱȱ53ȱ DavidȱalsȱPsalmsängerȱinȱderȱBibel.ȱEntstehungȱeinerȱ Symbolfigurȱȱ..........................................................................................ȱȱ59ȱ

B.ȱEinzelpsalmstudienȱ 5.ȱ Klangformenȱimȱ44.ȱPsalmȱȱ..................................................................ȱȱ81ȱ 6.ȱ ZumȱTextprofilȱdesȱ51.ȱPsalmsȱȱ...........................................................ȱȱ93ȱ 7.ȱ JerusalemȱinȱtheȱViewȱofȱPsalmȱ76ȱȱ...................................................ȱȱ105ȱ 8.ȱ Psalmȱ85ȱalsȱsprachlichesȱKunstwerkȱȱ..............................................ȱȱ113ȱ 9.ȱ Psalmȱ90ȱundȱdieȱTheologieȱderȱZeitȱ(Zeiten)ȱȱ................................ȱȱ129ȱ 10.ȱ FormenȱderȱTextrezeptionȱinȱPsalmȱ144ȱȱ.........................................ȱȱ145ȱ 11.ȱ TextgenetischeȱHintergründeȱdesȱ147.ȱPsalmsȱ...............................ȱȱ155ȱ 12.ȱ KriseȱderȱGeschichte.ȱGeschichtstheologischeȱAspekteȱimȱ ȱ MoseliedȱDtȱ32ȱȱ....................................................................................ȱȱ169ȱ 13.ȱ DerȱHannaȬPsalmȱ(1.ȱSamȱ2,1–10)ȱȱ....................................................ȱȱ191ȱ 14.ȱ DerȱJesajapsalmȱ(Jesȱ12,1–6)ȱȱ..............................................................ȱȱ207ȱ

C.ȱStudienȱzuȱspeziellenȱProblemenȱdesȱPsaltersȱ 15.ȱ ZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ(Psȱ138–145)ȱȱ...............ȱȱ221ȱ 16.ȱ AkrostichieȱimȱPsalterȱȱ.......................................................................ȱȱ245ȱ 17.ȱ MnemotechnikȱinȱdenȱPsalmen.ȱEineȱSpurensucheȱȱ......................ȱȱ259ȱ 18.ȱ DasȱMenschenbildȱderȱPsalmenȱȱ.......................................................ȱȱ277ȱ 19.ȱ FeindbildȱundȱMenschenwürdeȱinȱdenȱPsalmenȱȱ...........................ȱȱ293ȱ 20.ȱ DimensionenȱundȱIntentionenȱderȱDavidisierungȱderȱPsalmen.ȱ ȱ DieȱRolleȱDavidsȱnachȱdenȱPsalmenüberschriftenȱȱ ȱ undȱnachȱdemȱSeptuagintapsalmȱ151ȱȱ.............................................ȱȱ309ȱ

VIIIȱ

Inhaltȱ

D.ȱAnhangȱ 21.ȱ KrisenfestesȱBekenntnis.ȱPredigtȱamȱ23.ȱJuliȱ2000ȱüberȱ ȱ Psalmȱ113ȱimȱMünsterȱBaselȱȱ.............................................................ȱȱ331ȱ 22.ȱ EngeȱundȱWeite.ȱPredigtȱüberȱPsȱ119,26.ȱÖkumenischerȱ ȱ SemestereröffnungsȬGottesdienstȱinȱderȱPeterskircheȱBaselȱȱ ȱ amȱ29.ȱOktoberȱ1997ȱȱ..........................................................................ȱȱ339ȱ ȱ ȱ Quellennachweisȱȱ.......................................................................................ȱȱ345ȱ Abkürzungenȱȱ.............................................................................................ȱȱ347ȱ Stellenregisterȱȱ.............................................................................................ȱ351ȱ ȱ

ZurȱEinführungȱ I.ȱ Dieȱ Psalmenforschungȱ imȱ erstenȱ Jahrzehntȱ desȱ 21.ȱ Jahrhundertsȱ istȱ durchȱ zweiȱ Großereignisseȱ geprägt.ȱ Einmalȱ durchȱ dasȱ Erscheinenȱ desȱ großȱ angelegtenȱ dokumentarischenȱ Bandesȱ Reiheȱ „Formationȱ andȱ InȬ terpretationȱofȱOldȱTestamentȱLiterature“ȱVol.ȱIVȱunterȱdemȱTitel:ȱ„Theȱ BookȱofȱPsalms.ȱCompositionȱandȱReception“ȱimȱJahreȱ20051,ȱderȱeinenȱ Querschnittȱ durchȱ dieȱ weltweiteȱ Beschäftigungȱ mitȱ denȱ Psalmenȱ undȱ demȱ Psalterȱ bietet.ȱ Dieȱ Herausgeberȱ Peterȱ W.ȱ Flintȱ undȱ Patrickȱ D.ȱȱ Millerȱ habenȱ 27ȱ Beiträgeȱ zusammengestellt,ȱ dieȱ fürȱ dieȱ gegenwärtigeȱ Forschungslageȱ charakteristischȱ sind.ȱ Mitȱ denȱ Wortenȱ derȱ HerausgeȬ ber:ȱ „Theȱ wholeȱ isȱ aȱ kindȱ ofȱ stratigraphicȱ viewȱ ofȱ theȱ contemporaryȱ studyȱofȱtheȱPsalms,ȱoneȱthatȱbothȱreflectsȱtheȱworkȱofȱrecentȱdecadesȱofȱ Psalmsȱ scholarshipȱ andȱ alsoȱ providesȱ someȱ pointersȱ forȱ whereȱ theȱ studyȱofȱtheȱPsalterȱmayȱbeȱheaded.“ȱ2ȱȱ Dasȱ zweiteȱ herausragendeȱ Ereignisȱ warȱ dasȱ Colloquiumȱ Biblicumȱ Lovanienseȱvonȱ2008,ȱdasȱvonȱErichȱZengerȱpräsidiertȱwurdeȱundȱunterȱ fastȱ wörtlichȱ gleichemȱ Titelȱ standȱ wieȱ dasȱ genannteȱ Werk,ȱ nämlich:ȱ „Theȱ Compositionȱ ofȱ theȱ Bookȱ ofȱ Psalms“.ȱ Esȱ versammelteȱ gutȱ 150ȱ interessierteȱ Psalmenforscherȱ inȱ Leuven,ȱ dieȱ inȱ Hauptvorträgenȱ undȱ unzähligenȱshortȱnotesȱeindrücklichȱbewiesen,ȱwieȱlebendigȱdieȱgegenȬ wärtigeȱForschungȱaufȱdiesemȱFeldeȱist.3ȱȱ Dieȱ Ähnlichkeitȱ derȱ Titelȱ derȱ beidenȱ Veranstaltungenȱ istȱ keinȱ ZuȬ fall.ȱSieȱweisenȱgemeinsamȱinȱdieȱRichtung,ȱdieȱdieȱForschungȱgenerellȱ eingeschlagenȱhatȱundȱweiterȱverfolgenȱwill,ȱnämlichȱsichȱaufȱdieȱEntȬ stehungȱ undȱ Gestaltungȱ desȱ Psaltersȱ alsȱ Psalmensammlungȱ zuȱ konȬ zentrieren.ȱ Zugleichȱ sindȱ sieȱ einȱ deutlichesȱ Zeichenȱ dafür,ȱ wieȱ dieȱ Psalmenforschungȱ nachȱ eherȱ etwasȱ dürftigenȱ Zeitenȱ umȱ dieȱ Mitteȱ desȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ 2ȱ 3ȱ

Erschienenȱ beiȱ J.ȱ Brillȱ inȱ Leidenȱ undȱ Boston,ȱ auchȱ alsȱ Supplementȱ toȱ Vetusȱ Testamentumȱ(VT.SȱXCIX).ȱ A.ȱa.ȱO.,ȱ6.ȱ BEThLȱ238ȱ(2010).ȱȱ



ZurȱEinführungȱ

20.ȱJahrhundertsȱdannȱinȱderȱzweitenȱHälfteȱundȱbisȱheuteȱrichtigȱaufȬ geblühtȱist.4ȱ Dieȱ Richtungȱ desȱ neuenȱ Wegesȱ derȱ Psalmenforschungȱ hatȱ Erichȱ ZengerȱinȱseinemȱEingangsvortragȱundȱ„presidentialȱaddress“ȱinȱLeuȬ venȱ dargestellt:ȱ „Vonȱ derȱ Psalmenexegeseȱ zurȱ Psalterexegese.ȱ Eineȱ Forschungsskizze“.ȱErȱlegteȱgroßenȱWertȱdarauf,ȱzuȱbetonen,ȱdassȱdieȬ serȱ Wegȱ keinesfallsȱ dasȱ Endeȱ derȱ klassischenȱ Psalmenauslegungȱ derȱ Epocheȱ nachȱ Hermannȱ Gunkelȱ bedeutenȱ müsse.ȱ Dassȱ vielmehrȱ dieȱ durchȱ Intertextualitätȱ eröffneteȱ neueȱ Sichtȱ derȱ Einzelpsalmenȱ imȱ Netzȱ derȱKontexteȱneueȱPerspektivenȱsichtbarȱmacht.ȱSahȱeinstȱArturȱWeiserȱ inȱdenȱPsalmenȱ„BilderȱohneȱRahmen“ȱundȱwarȱvorȱallemȱanȱderȱAusȬ legungȱ derȱ Einzelpsalmenȱ interessiert,ȱ soȱ giltȱ esȱ nun,ȱ dieȱ durchȱ dieȱ Traditionȱvorgegebeneȱ–ȱundȱnichtȱnurȱdurchȱinhaltlicheȱoderȱformaleȱ Kriterienȱzusammengestellteȱ–ȱPosition,ȱAbfolgeȱderȱPsalmenȱimȱmasoȬ retischenȱ Psalterȱ zuȱ untersuchenȱ undȱ zuȱ erklären,ȱ mitȱ demȱ Ziel,ȱ denȱ Sinnȱ derȱ Psalmgruppen,ȱ derȱ Sammlungen,ȱ desȱ Buchganzenȱ desȱ PsalȬ tersȱ zuȱ ergründen.ȱ Umȱ imȱ Gleichnisȱ zuȱ bleiben:ȱ Derȱ Ortȱ derȱ AufhänȬ gungȱ undȱ Situierungȱ derȱ Bilderȱ inȱ derȱ Ausstellungȱ imȱ Ganzenȱ wirdȱ wichtigȱ undȱ fürȱ dieȱ Deutungȱ undȱ Bedeutungȱ entscheidend.ȱ Mitȱ denȱ WortenȱErichȱZengers:ȱ„WeilȱdieȱPsalterexegeseȱderȱMeinungȱist,ȱ…ȱdassȱ derȱPsalterȱwederȱeinȱzufälligȱentstandenes,ȱungeordnetesȱArchivȱnochȱ eineȱ bloßeȱ Anthologieȱ ist,ȱ sondernȱ sichȱ gezieltenȱ KompositionsȬȱ undȱ Redaktionsprozessenȱverdankt,ȱgehtȱsieȱderȱFrageȱnach,ȱobȱundȱwieȱderȱ literarischeȱ Textzusammenhangȱ einenȱ zusätzlichenȱ Verstehenshorizontȱ derȱEinzelpsalmenȱkonstituiert.“ȱ5ȱȱ DabeiȱwirdȱderȱBegriff,ȱderȱwieȱderȱBegriffȱ„Redaktion“ȱinȱderȱneuȬ erenȱ PentateuchȬȱ undȱ Prophetenforschungȱ eineȱ bedeutsameȱ Rolleȱ spielt,ȱ auchȱ inȱ derȱ Psalmenforschungȱ zumȱ methodischenȱ Leitbegriff,ȱ nämlichȱ „Komposition“.ȱ Gemeintȱ istȱ dieȱ „compositionȱ ofȱ theȱ book“,ȱ alsoȱ dieȱ Zusammenstellungȱ undȱ Zusammenfügungȱ derȱ Einzelstückeȱ zumȱ Ganzenȱdesȱ überkommenenȱ Psalters.ȱ Vonȱ derȱ Fülleȱ derȱ Aspekte,ȱ dieȱ dabeiȱ zuȱ berücksichtigenȱ sind,ȱ gebenȱ dieȱ Beiträgeȱ derȱ genanntenȱ Veranstaltungenȱ imȱ Einzelnenȱ einenȱ Eindruck.ȱ Leichtȱ systematisiertȱ undȱvielleichtȱetwasȱwillkürlichȱangeordnet,ȱtretenȱetwaȱdieȱfolgendenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 4ȱ



Nichtȱ zuȱ vergessenȱ sindȱ andereȱ Veranstaltungenȱ wieȱ lokaleȱ Symposienȱ undȱ KonȬ gresseȱ zuȱ ähnlichenȱ Themen,ȱ wieȱ z.ȱB.ȱ derȱ Wiss.ȱ Gesellschaftȱ fürȱ Theologieȱ (AbteiȬ lungȱAltesȱTestament)ȱ2008ȱinȱBerlin,ȱundȱvorȱallemȱdasȱSonderheftȱ77ȱ(2003)ȱderȱReȬ vueȱ desȱ Sciencesȱ Religieusesȱ mitȱ demȱ Titel:ȱ Leȱ Psautierȱ etȱ lesȱ Psaumes.ȱ Approchesȱ récentesȱ (433–584),ȱ ediertȱ vonȱ derȱ Facultéȱ deȱ Théologieȱ Catholiqueȱ derȱ Universitätȱ Strasbourg.ȱ Manuskript,ȱ7.ȱ

ȱ

I.ȱ



GesichtspunkteȱinȱErscheinung.ȱDieȱintertextuellenȱBeziehungsbegriffeȱ sindȱdenȱBeiträgenȱselbstȱentnommen.ȱȱ – –

– – – –



Juxtaposition:ȱunmittelbareȱKontexte,ȱZwillingspsalmenȱ concatenatio:ȱ Verkoppelungȱ undȱ Verklammerungȱ aufeinanderȱ folgenderȱTexteȱdurchȱrepetitiveȱSprachzeichenȱwieȱz.ȱB.ȱHalleluja,ȱ durchȱconclusioȱetc.ȱȱ clusterȬBildung:ȱ durchȱ Umfang,ȱ Überschriften,ȱ gleichenȱ WortbeȬ stand,ȱStilȱ Gruppenbildung:ȱnachȱInhaltȱoderȱAusrichtung,ȱz.ȱB.ȱKönigsȬȱoderȱ Krankenpsalmenȱ Sammlungen:ȱ traditionelleȱ Sammlungenȱ Qorach,ȱ Asaph,ȱ DavidȬ Psalmenȱ Teilpsalter:ȱ Fünfteilungȱ desȱ Psaltersȱ inȱ „Bücher“ȱ durchȱ doxoȬ logischeȱ Formeln,ȱ dannȱ derȱ elohistischeȱ Psalterȱ mitȱ „makrostrukȬ turellenȱ Kompositionsbögen“ȱ (E.ȱ Zenger),ȱ derȱ Teilpsalterȱ undȱ desȱ Gesamtpsaltersȱȱ schließlichȱ zumȱ Vergleichȱ derȱ Qumranpsalterȱ ausȱ derȱ 11.ȱ Höhleȱ (11QPsa)ȱundȱderȱSeptuagintaȬPsalter.ȱ

DieȱbeidenȱBeiträgeȱdesȱVerfassers:ȱ„ZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidȬ psaltersȱ(Psȱ138–144)“ȱ(FIOTLȱ368–390)ȱund:ȱ„DimensionenȱundȱIntenȬ tionenȱ derȱ Davidisierungȱ derȱ Psalmen.ȱ Dieȱ Rolleȱ Davidsȱ nachȱ denȱ Psalmenüberschriftenȱ undȱ nachȱ demȱ Septuagintapsalmȱ 151“ȱ (BEThLȱ 238,ȱ 2010,ȱ 125–140)ȱ sindȱ untenȱ alsȱ Nr.ȱ15ȱ undȱ Nr.ȱ20ȱ wiedergeben.ȱ Derȱ ersteȱBeitragȱversucht,ȱdieȱPsalmenserieȱ138–144ȱinȱihrerȱEntstehungȱalsȱ Gruppeȱ zuȱ rekonstruieren,ȱ undȱ zwarȱ ausgehendȱ vonȱ derȱ UrsprungsȬ situationȱ derȱ Einzeltexteȱ (imȱ Kerker?)ȱ bisȱ hinȱ zuȱ ihrerȱ ZusammenȬ stellungȱ unterȱ derȱ redaktionellenȱ DavidȬÜberschrift.ȱ Dieserȱ Vorgang,ȱ genanntȱ „Davidisierung“,ȱ wirdȱ imȱ Beitragȱfürȱ Leuvenȱ erneutȱ thematiȬ siertȱ undȱ imȱ Blickȱ aufȱ denȱ SeptuagintaȬPsalmȱ 151,ȱ derȱ Davidȱ alsȱ PsalmdichterȱundȱȬsängerȱdarstellt,ȱpräzisiert.ȱ Ohneȱ Zweifelȱ setztȱ dieȱ Untersuchungȱ derȱ kompositorischenȱ undȱ redaktionellenȱ Prozesseȱ imȱ Psalterȱ vielfältigeȱ undȱ allseitigeȱ Analysenȱ vonȱEinzeltextenȱvoraus.ȱDieȱintertextuellenȱBeziehungenȱzwischenȱdenȱ Einzelstückenȱ bedürfenȱ derȱ Absicherungȱ durchȱ dieȱ Bestimmungȱ undȱ Verortungȱ derȱ überliefertenȱ Einzeltexte,ȱ undȱ jedeȱ Artȱ Vergleichȱ imȱ Beziehungsnetzȱ–ȱ diachronischȱundȱsynchronischȱ–ȱbasiertȱ aufȱ derȱ geȬ nauenȱErkenntnisȱderȱzuȱvergleichendenȱTexte.ȱInsofernȱsetztȱdieȱSynȬ theseȱ derȱ Gesamtsichtȱ derȱ Psalterkompositionȱ dieȱ analytischeȱ Arbeitȱ voraus.ȱ



ZurȱEinführungȱ

II.ȱ Derȱ Schwerpunktȱ derȱ vorliegendenȱ Beiträgeȱ liegtȱ aufȱ derȱ EinzeltextȬ analyse,ȱ undȱ zwarȱ –ȱ meinemȱ Forschungsinteresseȱ entsprechendȱ –ȱ aufȱ derȱpoetologischenȱAnalyseȱderȱPsalmen.ȱSoȱfindenȱsichȱimȱFolgendenȱ eineȱAnzahlȱvonȱStudien,ȱwelcheȱzunächstȱvonȱderȱüberliefertenȱTextȬ einheitȱ einesȱ Psalmsȱ ausgehen,ȱ umȱ dannȱ inȱ kritischerȱ Analyseȱ dieȱ Schichtungȱ festzustellen,ȱ dieȱ Textebenenȱ zuȱ markierenȱ undȱ dannȱ daȬ rausȱ dieȱ gegebenenȱ Schlüsseȱ zuȱ ziehen.ȱ Dieȱ poetologischeȱ Analyseȱ istȱ zunächstȱ Strukturanalyse,ȱ bevorȱ dannȱ spezielleȱ Untersuchungenȱ vonȱ SpracheȱundȱStilȱzuȱgrößererȱPräzisionȱführen.ȱ Unterȱ denȱimȱ Titelȱgenanntenȱ Begriffenȱ „Spracheȱ undȱ Stil“ȱ versteȬ henȱ wirȱ dieȱ denȱ Hymnenȱ undȱ Gebetenȱ desȱ Psaltersȱ eigenenȱ ÄußeȬ rungsmöglichkeiten.ȱDabeiȱbeziehtȱsichȱderȱBegriffȱSpracheȱeherȱaufȱdieȱ SprachȬȱ undȱ Wortregisterȱ derȱ Äußerungen,ȱ Stilȱ eherȱ aufȱ dieȱ geprägteȱ Formȱ derȱ versgebundenenȱ Rede,ȱ feststellbarȱ inȱ derȱ gewähltenȱ Folgeȱ vonȱ einemȱ Wortȱ zumȱ nächstenȱ undȱ anȱ derȱ Gesamtorganisationȱ desȱ sprachlichenȱ Materials.ȱ Dieȱ Beiträgeȱ Nr.ȱ5–14ȱ verfahrenȱ grundsätzlichȱ nachȱdiesemȱMuster.ȱDabeiȱbildetȱmeistȱeineȱbesondereȱBeobachtungȱanȱ demȱTextȱdenȱAnlass,ȱgenauerȱnachzufragen.ȱȱ Nr.ȱ5ȱistȱeineȱStudieȱzuȱdenȱKlangformenȱinȱPsȱ44.ȱDaȱdieȱmusikaȬ lischeȱDarbietungȱderȱPsalmliederȱnichtȱrekonstruierbarȱist,ȱmussȱmanȱ sichȱ mitȱ derȱsprachlichenȱKlanggestaltȱbegnügen.ȱ Davonȱ gibtȱ derȱ KlaȬ gepsalmȱderȱGemeindeȱeineȱVorstellung.ȱȱ BeiȱPsȱ51(ȱNr.ȱ6)ȱgehtȱesȱumȱdasȱerkennbareȱTextprofil.ȱȱ InȱderȱfürȱeinȱReferatȱanȱderȱBarȱIlanȱUniversityȱinȱTelȱAvivȱangeȬ fertigtenȱ Studieȱ (Nr.ȱ7)ȱ wirdȱ derȱ Frageȱ nachgegangen,ȱ wieȱ inȱ demȱ AsaphȬPsalmȱ76ȱdieȱStadtȱJerusalemȱgesehenȱistȱundȱwasȱdasȱmitȱdemȱ NamenȱMorijaȱzuȱtunȱhat.ȱȱ Psalmȱ 85ȱ hatȱ einȱ besondersȱ kunstvollesȱ literarischesȱ Profilȱ (Nr.ȱ8).ȱ Erȱwirdȱalsȱ„einerȱderȱschönstenȱPsalmen“ȱ(BernhardȱDuhm)ȱgewertet.ȱȱ Eineȱ Vorlesungȱ zuȱ Psȱ 90ȱ (Nr.ȱ9)ȱ befasstȱ sichȱ mitȱ derȱ dieȱ Textformȱ bestimmendenȱZeitstrukturenȱundȱihreȱtheologischeȱBedeutung.ȱȱ Psȱ144ȱdientȱalsȱBeispielȱfürȱeineȱsekundärȱgeformte,ȱcollageȬartigeȱ Textform,ȱ dieȱ ausȱ derȱ Wiederverwertungȱ andererȱ Psalmtexteȱ lebtȱ (Nr.ȱ10).ȱȱ BeiȱPsȱ147ȱinteressiertȱdieȱArtȱderȱKompositform;ȱandersȱalsȱdieȱadȱ hocȬBildung,ȱ dieȱ Odilȱ Hannesȱ Steckȱ vorgeschlagenȱ hat,ȱ werdenȱ dieȱ Teilstückeȱ stilistischȱ analysiertȱ undȱ alsȱ psalmartigeȱ Vorstufenȱ erkanntȱ (Nr.ȱ11).ȱȱ DasȱgroßeȱMoseliedȱvonȱDtȱ32ȱwirdȱalsȱPsalmenkompositionȱerklärtȱ undȱinȱseinemȱWerdegangȱbeleuchtetȱ(Nr.ȱ12).ȱEsȱkommenȱdortȱVariaȬ

ȱ

III.ȱ



tionenȱ einerȱ älterenȱ Geschichtsdeutungȱ Israelsȱ zutage,ȱ dieȱ vonȱ grundȬ legenderȱtheologischerȱBedeutungȱsind.ȱȱ Derȱ Psalmȱ Hannasȱ ausȱ 1.ȱ Samȱ 2ȱ wirdȱ aufȱ seinenȱ höfischenȱ Stilȱ alsȱ ursprünglicherȱ Königspsalmȱ untersucht,ȱ undȱ dabeiȱ werdenȱ inschriftȬ licheȱEinflüsseȱaufȱdieȱGestaltungȱoffenȱgelegtȱ(Nr.ȱ13).ȱȱ DerȱJesajaȬPsalmȱ(Jesȱ12)ȱschließlichȱwirdȱaufȱseineȱdreiteiligeȱStrukȬ turȱhinȱuntersuchtȱundȱdasȱ„Jeschajahu“ȬMotivȱalsȱliterarischeȱGrundȬ ideeȱaufgedecktȱ(Nr.ȱ14).ȱȱ Dieȱ zuȱ verschiedenenȱ Zeitenȱ undȱ fürȱ unterschiedlicheȱ Zweckeȱ anȬ gefertigtenȱ Stilanalysenȱ gehörenȱ insgesamtȱ inȱ denȱ größerenȱ ZusamȬ menhangȱ derȱ poetologischenȱ Psalmenerklärungȱ undȱ bildenȱ eineȱ FortȬ führungȱ undȱ Ergänzungȱ derȱ grundlegendenȱ Darlegungenȱ inȱ derȱ „PoetikȱderȱPsalmen“ȱ(2003).ȱ

III.ȱ VorangestelltȱsindȱeinigeȱwenigeȱforschungsgeschichtlicheȱStudien.ȱDieȱ Studieȱ überȱ dieȱ Psalmenforschungȱ desȱ 19.ȱ Jahrhunderts,ȱ dieȱ imȱ Zugeȱ desȱ großenȱ Werkesȱ überȱ dieȱ Geschichteȱ derȱ Auslegungȱ derȱ alttestaȬ mentlichenȱLiteraturȱvonȱMagneȱSæbø6ȱentstandenȱist,ȱversuchtȱdarzuȬ stellen,ȱ wieȱ dieȱ Psalmenȱ vorȱ allemȱ inȱ grammatischȬsprachlicherȱ undȱ historischȬkritischerȱ Perspektiveȱ gesehenȱ wurden,ȱ wobeiȱ dieȱ Namenȱ Wilhelmȱ Martinȱ Leberechtȱ deȱ Wette,ȱ Hermannȱ Hupfeld,ȱ Franzȱ DeȬ litzschȱundȱBernhardȱDuhmȱbesondersȱzuȱnennenȱsindȱ(Nr.ȱ1).ȱȱ Demȱ erstenȱ undȱ demȱ letztenȱ Forscherȱ derȱ Reihe,ȱ denȱ Baslernȱ deȱ Wetteȱ undȱ Duhm,ȱ wurdeȱ ausȱ gegebenemȱ Anlassȱ eineȱ eigeneȱ Studieȱ gewidmetȱ(Nr.ȱ2ȱundȱNr.ȱ3).ȱȱ EtwasȱandersȱausgerichtetȱistȱdieȱStudieȱ(Nr.ȱ4),ȱdieȱ–ȱaufȱderȱBasisȱ derȱ bisherigenȱ Forschungȱ–ȱ dieȱ Geschichte,ȱ Entstehung,ȱ Überlieferungȱ undȱWirkungȱderȱIkoneȱ„DavidȱalsȱPsalmsänger“ȱzumȱThemaȱhat.ȱSieȱ trifftȱsichȱinȱeinigenȱPunktenȱmitȱderȱUntersuchungȱderȱDavidisierungȱ derȱ Psalmenȱ (Nr.ȱ20)ȱ undȱ suchtȱ zuȱ ergründen,ȱ wieȱ esȱ zuȱ derȱ SymbolȬ figurȱ „Davidsȱ alsȱ Sänger“ȱ undȱ zuȱ demȱ Titelbegriffȱ „Psalterȱ Davids“ȱ gekommenȱist.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 6ȱ

Hebrewȱ Bible/Oldȱ Testament:ȱ Theȱ Historyȱ ofȱ Itsȱ Interpretationȱ (HBOTȱ IIIȱ 1),ȱȱ Göttingen.ȱ



ZurȱEinführungȱ

IV.ȱȱ Thematischȱ ausgerichtetȱ sindȱ dieȱ Studienȱ Nr.ȱ16–20.ȱ Beschäftigtȱ sichȱ Nr.ȱ16ȱ nochȱ mitȱ akrostichischenȱ Erscheinungenȱ alphabetischerȱ undȱ nichtalphabetischerȱArtȱimȱPsalterȱundȱnimmtȱdamitȱdieȱpoetologischeȱ Thematikȱ derȱ Einzelstudienȱ auf,ȱ soȱ entstandȱ Nr.ȱ17ȱ (Mnemotechnikȱ inȱ denȱPsalmen)ȱalsȱAuftragswerkȱfürȱeinȱBerlinerȱAlttestamentlertreffen,ȱ istȱeineȱ„Spurensuche“,ȱdieȱBeobachtungenȱzurȱÜberlieferungȱundȱWeiȬ tergabeȱmachenȱwill.ȱȱ Dieȱ beidenȱ Studienȱ zumȱ „Menschenbildȱ inȱ denȱ Psalmen“ȱ (Nr.ȱ18)ȱ undȱzuȱ„FeindbildȱundȱMenschenwürde“ȱ(Nr.ȱ19)ȱentstandenȱalsȱGastȬ vorlegungenȱ mitȱ vorgegebenerȱ Thematik.ȱ Sieȱ fassenȱ zusammen,ȱ wasȱ sichȱanȱ soziologischen,ȱanthropologischenȱ undȱ theologischenȱ ErkenntȬ nissenȱdemȱVerfasserȱergebenȱhat.ȱȱ BeigelegtȱsindȱderȱSammlungȱderȱStudienȱauchȱzweiȱBaslerȱPredigȬ tenȱ zuȱ Psalmtextenȱ (Nr.ȱ21ȱ undȱ 22),ȱ umȱ zuȱ dokumentieren,ȱ worinȱ derȱ theologischeȱ Sinnȱ derȱ literarischenȱ Arbeitȱ anȱ denȱ Psalmenȱ besteht,ȱ nämlichȱ außerȱ sichȱ mitȱ derȱ Kompositionȱ undȱ Rezeptionȱ auchȱ mitȱ derȱ ApplikationȱbiblischerȱTexteȱzuȱbeschäftigen.ȱȱ DabeiȱöffnetȱsichȱeinȱweiterȱHorizont.ȱ ȱ ȱ

ȱ

A.ȱForschungsgeschichtlicheȱStudien

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ȱ

ȱ

1.ȱStudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱ 1.ȱTheȱLegacyȱofȱtheȱ18thȱCenturyȱȱ Theȱstudyȱofȱbiblicalȱpoetryȱinȱtheȱ19thȱcenturyȱisȱbasedȱonȱtheȱlegacyȱofȱ theȱ 18thȱ century,ȱ developedȱ andȱ summarizedȱ inȱ Einleitungȱ inȱ dasȱ Alteȱ Testamentȱ ofȱ J.ȱG.ȱ Eichhornȱ (1780–83).ȱ Importantȱ namesȱ areȱ thoseȱ ofȱ C.ȱSchöttgen,ȱR.ȱLowth,ȱJ.ȱG.ȱHerderȱandȱtheirȱresearchȱonȱtheȱlawsȱandȱ rulesȱofȱancientȱHebrewȱpoetry.ȱ Twentyȱ yearsȱ beforeȱ R.ȱ Lowthȱ itȱ wasȱ C.ȱ Schöttgenȱ whoȱ publishedȱ inȱ 1733ȱ aȱ dissertationȱ entitledȱ ergasiaȱ sacra.ȱ Heȱ foundȱ thisȱ figureȱ ofȱ speechȱinȱformerȱrhetoricalȱdiscourses.ȱHisȱdefinitionȱwasȱthatȱergasiaȱisȱ theȱ linkingȱ ofȱ entireȱ sentences,ȱ severalȱ wordsȱ orȱ clausesȱ ofȱ entireȱ senȬ tencesȱofȱsimilarȱmeaningȱ(membra)ȱinȱaȱkindȱofȱparallelism.1ȱ LowthȱwroteȱtheȱmostȱfamousȱstudyȱofȱpoetryȱofȱtheȱOldȱTestamentȱ inȱtheȱyearȱ1753:ȱDeȱsacraȱpoesiȱHebraeorumȱpraelectionesȱacademicaeȱOxoniiȱ habitae.ȱ Heȱ presentedȱ aȱ descriptionȱ ofȱ theȱ biblicalȱ styleȱ ofȱ parallelismȱ namedȱparallelismusȱmembrorumȱwithȱitsȱthreeȱcategories:ȱsynonymous,ȱ antitheticȱ andȱ syntheticȱ andȱ therebyȱ foundȱ andȱ establishedȱ modernȱ analysisȱ ofȱ Hebrewȱ poetryȱ upȱ toȱ theȱ presentȱ day.ȱ Thereȱ isȱ noȱ biblicalȱ studyȱ thatȱ isȱ notȱ concernedȱ withȱ theȱ principlesȱ ofȱ parallelismusȱ memȬ brorumȱandȱtheȱstructureȱofȱHebrewȱverse.ȱ Herderȱ wasȱ engagedȱ inȱ theȱ meaningȱ ofȱ ancientȱ Hebrewȱ poetryȱ inȱ hisȱtwoȱbooksȱaboutȱ“DerȱGeistȱderȱebräischenȱPoesie”ȱ1782/3,ȱseekingȱ forȱandȱfeelingȱintuitivelyȱtheȱmindsetȱofȱpoetsȱandȱtheȱspiritȱofȱpoeticȱ literature.ȱ Livingȱ inȱ theȱ timeȱ ofȱ theȱ romanticȱ periodȱ inȱ Germany,ȱ heȱ enthusiasticallyȱ extolledȱ theȱ poetryȱ ofȱ theȱ psalms,ȱ tracingȱ theirȱ formaȬ tionȱ fromȱ theȱ beginning.ȱ Hisȱ understandingȱ ofȱ theȱ bookȱ ofȱ Jobȱ andȱ SongȱofȱSongsȱasȱpoeticȱliterature2ȱwasȱnovelȱandȱofȱlastingȱinfluenceȱinȱ theȱ19thȱcentury.ȱȱ Accordingȱ toȱ Eichhornȱ thereȱ areȱ twoȱ importantȱ termsȱ concerningȱ theȱpoetryȱofȱtheȱOldȱTestament:ȱtheȱtermȱ“Gattung”ȱ(“Gattungenȱderȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ 2ȱ

Cf.ȱMeynet,ȱRhetoricalȱAnalysis,ȱ53–59.ȱ Herderȱ translatedȱ Cantȱ inȱ verses:ȱ Salomonsȱ Liederȱ derȱ Liebe,ȱ dieȱ ältestenȱ undȱ schönstenȱausȱMorgenlandeȱ(Leipzig:ȱWeygand,ȱ1778)ȱ–ȱasȱtriedȱJ.ȱW.ȱvonȱGoetheȱ(asȱ earlyȱasȱ1775).ȱ

10ȱ

1.ȱStudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱ

hebräischenȱ Poesie”)ȱ (formsȱ orȱ types)ȱ andȱ “Überlieferung”ȱ (tradition)ȱ inȱtheȱsenseȱofȱoralȱandȱscripturalȱtradition.ȱWithȱHerderȱheȱstressedȱonȱ theȱawarenessȱofȱtheȱpsalmsȱbeingȱancientȱtextsȱandȱofȱaȱstrangeȱcultureȱ andȱlanguage,ȱfromȱaȱworldȱthatȱisȱstillȱinȱitsȱinfancyȱ(“wieȱdieȱWeltȱ–ȱinȱ ihrerȱKindheit”).ȱHowȱshouldȱoneȱreadȱtheȱPsalms?ȱOneȱhasȱtoȱbeȱconȬ tentȱwithȱaȱweakerȱilluminationȱofȱtheseȱancientȱtextsȱ(“…ȱsieȱgenügenȱ sichȱmitȱdenȱschwächerenȱStrahlenȱihresȱZeitalters”).3ȱ Toȱtheȱlegacyȱofȱtheȱ18thȱcenturyȱmustȱalsoȱbeȱrankedȱworkȱonȱtheȱ originalȱ textȱ ofȱ theȱ Oldȱ Testamentȱ carriedȱ outȱ byȱ B.ȱ Kennicottȱ andȱ deȱ Rossiȱ inȱ theȱ 17t5hȱ andȱ 18thȱ centuriesȱ asȱ aȱ basisȱ forȱ newȱ studiesȱ onȱ HeȬ brewȱ grammarȱ andȱ lexicographyȱ upȱ toȱ W.ȱ Geseniusȱ andȱ hisȱ epochȬ makingȱbooksȱ(1810/1817).ȱȱ Inȱ theȱ 19thȱ centuryȱ muchȱ workȱ wasȱ doneȱ toȱ explainȱ biblicalȱ literaȬ tureȱ withȱ theȱ helpȱ ofȱ theseȱ studies.ȱ Aȱ grammaticalȱ andȱ historicalȱ meȬ thodȱwasȱdevelopedȱandȱacceptedȱinȱOldȱTestamentalȱexegesis.ȱAȱsurȬ veyȱwillȱshowȱhowȱmanyȱcommentariesȱonȱtheȱPsalmsȱwereȱpublished.ȱ AȱhorizontalȱlineȱrunsȱfromȱdeȱWetteȱtoȱDuhmȱandȱbyȱextensionȱtoȱbothȱ sidesȱfromȱRosenmüllerȱtoȱGunkel.ȱȱ

2.ȱWilhelmȱMartinȱLeberechtȱdeȱWetteȱȱ Oneȱ ofȱ theȱ firstȱ highlightsȱ wasȱ theȱ commentaryȱ onȱ theȱ Psalmsȱ byȱ W.ȱM.ȱL.ȱ deȱ Wette.ȱ Firstȱ publishedȱ inȱ 1811,ȱ theȱ nextȱ editionsȱ inȱ 1823,ȱ 1829,ȱ1836,ȱtheȱfifthȱeditionȱ1856ȱrevised.ȱArrangedȱwithȱseveralȱcontroȬ versialȱadditionsȱbyȱG.ȱBaur.ȱEachȱeditionȱwasȱanȱimprovementȱofȱtheȱ previousȱone,ȱespeciallyȱbyȱusingȱtheȱnewȱtoolsȱofȱW.ȱGesenius.ȱ Theȱ resultȱ ofȱ hisȱ exegeticalȱ workȱ duringȱ hisȱ timeȱ inȱ Heidelbergȱ (1807–10)ȱ wasȱ theȱ “Commentarȱ überȱ dieȱ Psalmen”,ȱ theȱ onlyȱ commenȬ taryȱheȱwroteȱonȱtheȱOldȱ Testament.ȱHeȱhadȱplannedȱaȱseriesȱofȱcomȬ mentariesȱ onȱ theȱ wholeȱ Oldȱ Testament,ȱ accomplishingȱ theȱ translationȱ ofȱtheȱOldȱTestamentȱwhichȱheȱhadȱpublishedȱatȱtheȱageȱofȱ29ȱasȱaȱjointȱ ventureȱ withȱ theȱ orientalistȱ J.ȱC.ȱW.ȱ Augustiȱ atȱ Jenaȱ inȱ 1809.ȱ Theȱ comȬ mentaryȱ onȱ theȱ Psalmsȱ isȱ toȱ beȱ understoodȱ inȱ theȱ contextȱ ofȱ hisȱ basicȱ discussionȱ aboutȱ theȱ poeticȱ biblicalȱ booksȱ ofȱ Job,ȱ Psalmsȱ andȱ EccleȬ siastes.ȱAccordingȱtoȱAugustiȱtheyȱdealȱwithȱtheȱcontradictionsȱofȱlife,ȱ especiallyȱ inȱ theȱ lyricalȱ collectionȱ ofȱ theȱ Psalter.ȱ Soȱ forȱ deȱ Wetteȱ JuȬ daismȱ isȱ theȱ religionȱ ofȱ misfortuneȱ (“Unglück”),ȱ Christianityȱ theȱ reliȬ gionȱofȱconsolation.4ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 3ȱ 4ȱ

Kraus,ȱGeschichte,ȱ133–170.ȱ Cf.ȱRogerson,ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWette,ȱ64ȱff.ȱ

ȱ

2.ȱWilhelmȱMartinȱLeberechtȱdeȱWetteȱ

11ȱ

Theȱcommentaryȱisȱaȱmasterpiece.ȱTheȱmaterialȱitȱpresentsȱasȱsupȬ portȱforȱunderstandingȱtheȱPsalmsȱlinguisticallyȱandȱhistoricallyȱisȱadȬ mirable.ȱ Probablyȱ noȱ commentaryȱ upȱ toȱ thisȱ timeȱ isȱ comparableȱ withȱ thisȱwork.ȱAsȱanȱexampleȱofȱscholarship,ȱofȱknowledgeȱandȱprecisionȱitȱ becameȱaȱstandardȱworkȱforȱallȱexegesisȱofȱtheȱOldȱTestament,ȱwrittenȱ forȱ theȱ firstȱ timeȱ notȱ inȱ Latinȱ butȱ inȱ German.ȱ Theȱ layout,ȱ inȱ theȱ firstȱ editionsȱ withȱ commentȱ textsȱ only,ȱ wasȱ completedȱ laterȱ inȱ theȱ fourthȱ editionȱbyȱaȱtranslationȱwrittenȱinȱstichoiȱandȱstanzas.ȱDeȱWetteȱtookȱupȱ theȱhistoricalȱexegesisȱofȱhisȱday,ȱseekingȱtoȱfindȱoutȱtheȱhistoricalȱsetȬ tingȱofȱeachȱpsalm.ȱ“Yetȱevenȱhere,ȱdeȱWetteȱremainedȱtrueȱtoȱhisȱconȬ victionsȱ inȱ thatȱ historicalȱ certaintyȱ wasȱ notȱ asȱ easyȱ toȱ establishȱ byȱ asȱ manyȱhadȱsupposed,ȱandȱthatȱtheȱfirstȱdutyȱofȱtheȱcommentatorȱwasȱtoȱ appreciateȱ theȱ psalmȱ asȱ aȱ poeticȱ whole,ȱ expressingȱ aȱ particularȱ reliȬ giousȱexperienceȱorȱintention.”5ȱ Theȱ firstȱ sentenceȱ ofȱ theȱ introductionȱ readsȱ asȱ follows:ȱ “Dieȱ PsalȬ menȱsindȱlyrischeȱGedichte.”ȱ(Psalmsȱareȱlyricalȱpoems.)ȱThisȱwasȱaȱnewȱ insightȱ rightȱ fromȱ theȱ outset.ȱ Theȱ Psalmsȱ areȱ notȱ onlyȱ textsȱ ofȱ Holyȱ Scriptureȱtheȱprovenanceȱofȱwhichȱcannotȱnotȱbeȱquestioned.ȱTheyȱareȱ indeedȱ poetryȱ inȱ theȱ originalȱ senseȱ ofȱ theȱ term.ȱ Thisȱ isȱ seekingȱ forȱ aȱ newȱcategory.ȱDeȱWette’sȱdefinitionȱisȱasȱfollows:ȱȱ “Lyrischȱ sindȱ dieȱ Psalmenȱ imȱ eigentlichenȱ Sinne;ȱ dennȱ beiȱ denȱ Hebräern,ȱ soȱ wieȱ imȱ Alterthumȱ überhaupt,ȱ warenȱ Dichtung,ȱ Gesangȱ undȱ Musikȱ verbunden,ȱ undȱ dieȱ Ueberschriftenȱ derȱ meistenȱ Psalmenȱ bestimmenȱ dieȱ fürȱ unsȱ freilichȱ unverständlicheȱ Verbindungȱ derselbenȱ mitȱ derȱ Musik.ȱ Auchȱ demȱ ästhetischenȱ Charakterȱ nachȱ verdientȱ dieȱ Psalmendichtungȱ denȱ Namenȱ derȱ lyrischen.ȱ Dasȱ Wesenȱ derȱ lyrischenȱ Poesieȱ istȱ unmittelbarerȱ Ausdruckȱ desȱ Gefühls,ȱ undȱ Gefühlȱ istȱ dieȱ Sphäre,ȱ inȱ welcherȱ sichȱ dieȱ meistenȱ Psalmenȱ bewegen.ȱ Schmerz,ȱ Betrübniß,ȱ Furcht,ȱ Hoffnung,ȱ Freude,ȱ Vertrauen,ȱ Dankbarkeit,ȱ ErȬ gebenheitȱ gegenȱ Gott,ȱ allesȱ wasȱ dasȱ Herzȱ bewegtȱ undȱ erhebt,ȱ istȱ inȱ diesenȱGesängenȱausgesprochen.ȱDieȱmeistenȱsindȱderȱlebendigeȱErgußȱ desȱ erregten,ȱ gefühlvollenȱ Herzens,ȱ dasȱ frischeȱ Erzeugnißȱ derȱ BeȬ geisterungȱundȱGedankenerhebung,ȱwenigeȱdasȱtodteȱMachwerkȱeinerȱ künstlichenȱ Nachbildungȱ undȱ kümmerlichenȱ Zusammenstoppelung,ȱ oderȱ undichterischeȱ Gebetsformeln,ȱ Tempelhymnenȱ undȱ Spruch=ȱ Zusammenstellungen.”ȱAndȱlaterȱinȱtheȱpassage:ȱ“ManȱkannȱdenȱPsalȬ terȱsehrȱpassendȱeineȱlyrischeȱAnthologieȱnennen”.ȱȱ TheseȱstatementsȱshowȱtheȱinfluenceȱofȱJ.ȱG.ȱHerder.ȱHerderȱwasȱdeȱ Wette’sȱ tutorȱ atȱ Weimar.ȱ Thereȱ heȱ learntȱ thatȱ theȱ homeȱ ofȱ religionȱ isȱ feelingȱandȱemotionȱasȱitsȱexpression,ȱandȱthisȱisȱwhatȱheȱfoundȱinȱtheȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 5ȱ

Rogerson,ȱOldȱTestamentȱCriticism,ȱ45.ȱ

12ȱ

1.ȱStudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱ

Psalms.ȱThereforeȱheȱaddsȱaȱnewȱdimensionȱtoȱexegesis.ȱTheseȱtextsȱareȱ theȱ mirrorȱ ofȱ theȱ soul,ȱ byȱ reflectingȱ individualȱ humanȱ emotions;ȱ andȱ humanȱemotionȱisȱtheȱreflectionȱofȱtheȱDivine.ȱȱ Thisȱ weȱ nameȱ romanticism.ȱ Theȱ Psalmsȱ mustȱ beȱ understoodȱ aesȬ theticallyȱasȱindividualȱpoems.ȱȱ Theȱ newȱ approachȱ toȱ reviewȱ theȱ Psalmsȱ asȱ lyricalȱ poemsȱ andȱ theȱ PsalterȱasȱaȱlyricalȱanthologyȱrequiresȱorderȱandȱarrangementȱinȱaccorȬ danceȱ withȱ literaryȱ criteria.ȱ Deȱ Wetteȱ facedȱ theȱ consequencesȱ immeȬ diately,ȱwhichȱledȱhimȱtoȱnewȱandȱvalidȱinsights.ȱȱ

1. DeȱWetteȱsucceededȱinȱfindingȱaȱnewȱclassificationȱofȱtheȱPsalms.ȱTheȱ aimȱ wasȱ toȱ differentiateȱ betweenȱ theȱ typesȱ ofȱ poetryȱ (“DichtungsȬ arten”).ȱ Theȱ groupsȱ heȱ combinedȱ formedȱ theȱ basisȱ ofȱ furtherȱ literaryȱ arrangementsȱ ofȱ theȱ texts.ȱ Arrangingȱ theȱ Psalmsȱ heȱ foundȱ sixȱ groupsȱ accordingȱtoȱcontentȱandȱcharacterȱ(“nachȱInhaltȱundȱCharakter”):ȱ I.ȱ Hymns,ȱ inȱ whichȱ “Jehovaȱ wasȱ praised”ȱ (heȱ heldȱ fastȱ toȱ theȱ oldȱ pronunciationȱofȱ“Jehova”ȱduringȱhisȱlifeȱinȱspiteȱofȱtheȱprotestȱofȱ W.ȱ Gesenius).ȱ “Dieseȱ Classeȱ enthältȱ dieȱ erhabenstenȱ Gedankenȱ überȱGott,ȱNatur,ȱWeltregierungȱu.ȱs.ȱw.”;ȱ II.ȱ Popularȱpsalms,ȱ“enthaltendȱAnspielungenȱaufȱdieȱalteȱGeschichteȱ derȱIsraeliten”;ȱ III.ȱ PsalmsȱofȱZionȱandȱtheȱtemple;ȱ IV.ȱ Royalȱpsalms;ȱ V.ȱ Psalmsȱofȱlament,ȱ“KlagenȱüberȱUnglückȱundȱBefeindungȱundȱBitȬ tenȱ umȱ Hülfeȱ …,ȱ dieȱ reichhaltigsteȱ Classe”ȱ (lamentsȱ aboutȱ misȬ fortuneȱ andȱ hostility,ȱ theȱ mostȱ numerousȱ group);ȱ heȱ replacedȱ theȱ termȱ“Unglückspsalmen”ȱ(psalmsȱofȱmisfortune)ȱofȱtheȱfirstȱeditionȱ everȱ frequentlyȱ byȱ “Klagpsalmen”ȱ (laments).ȱ Thereȱ areȱ sixȱ subȬ groups:ȱȱ 1.ȱindividual,ȱ2.ȱpopular,ȱ3.ȱgeneralȱlaments,ȱ4.ȱindividualȱandȱpopȬ ular,ȱ5.ȱdidacticȱpoems,ȱ6.ȱpsalmsȱofȱthanks;ȱ VI.ȱ Religiousȱ andȱ moralȱ psalms,ȱ aȱ remainderȱ ofȱ sixȱ groupsȱ ofȱ mixedȱ forms.ȱȱ

2. Accordingȱtoȱtheȱnarrowȱnumberȱofȱtextsȱandȱtheȱfewȱspecimensȱofȱtheȱ sampleȱ typesȱ (“Dichtungsarten”)ȱ deȱ Wetteȱ concludedȱ thatȱ onlyȱ remȬ nantsȱofȱHebrewȱpoetryȱhadȱsurvived.ȱTheȱabsenceȱofȱaȱsecularȱlyricȱ–ȱ withȱtheȱexceptionȱofȱPsȱ45ȱ–ȱwasȱaȱproblemȱforȱhim,ȱbearingȱinȱmindȱ thatȱoutsideȱtheȱsphereȱofȱreligionȱandȱcultȱthereȱmustȱlikewiseȱbeȱlyriȬ calȱpoetryȱarisingȱoutȱofȱfeeling.ȱ“Wahrscheinlichȱhabenȱwirȱdieȱmeistenȱ

ȱ

2.ȱWilhelmȱMartinȱLeberechtȱdeȱWetteȱ

13ȱ

dieserȱ übriggebliebenenȱ Liederȱ demȱ religiösenȱ Gebraucheȱ zuȱ verȬ danken,ȱnichtȱderȱallgemeinȱdichterischenȱTheilnahme;ȱundȱdaherȱsindȱ soȱwenigeȱweltlicheȱLiederȱdemȱUntergangeȱentrissenȱworden.”ȱ(ProbȬ ablyȱtheȱsurvivingȱsongsȱcameȱfromȱreligiousȱuseȱandȱnotȱfromȱanȱaesȬ theticȱcommitment.)ȱ

3. Theȱ literaryȱ insightȱ intoȱ theȱ provenanceȱ andȱ arrangementȱ ofȱ poemsȱ constrainedȱdeȱWetteȱtoȱreflectȱuponȱtheȱauthorshipȱofȱDavid,ȱandȱthisȱ ledȱhimȱtoȱanȱinferenceȱwithȱfarȱreachingȱconsequences.ȱHeȱheldȱfastȱtoȱ theȱbiblicalȱpictureȱofȱDavidȱtheȱlyricalȱpoetȱandȱmasterȱofȱpoeticȱartȱasȱ heȱisȱrepresentedȱinȱtheȱbooksȱofȱSamuel.ȱHeȱdiscussedȱtheȱgoldenȱageȱ ofȱ thisȱ timeȱ andȱ theȱ familiarȱ suppositionȱ ofȱ aȱ “Prophetenschuleȱ SaȬ muels”ȱwhereȱtheȱartȱofȱlyricȱpoetryȱwasȱcultivated,ȱfromȱwhichȱDavidȱ profitedȱconcerningȱtheȱelegiesȱheȱwrote.ȱHeȱfoundȱonlyȱtwoȱpsalmsȱofȱ Solomonȱ (Psȱ 72;ȱ 127)ȱ andȱ onlyȱ aȱ fewȱ textsȱ fromȱ theȱ timeȱ whenȱ proȬ pheticȱrhetoricȱflourishedȱinȱIsrael.ȱȱ “SehrȱvieleȱPsalmenȱmüssenȱnachȱdenȱErgebnissenȱeinerȱgesundenȱ kritischenȱ Exegese,ȱ dieȱ auchȱ beinaheȱ allgemeinȱ anerkanntȱ sind,ȱ inȱ dieȱ Zeitenȱ desȱ Exils,ȱ undȱ nachȱ demȱ Exilȱ gesetztȱ werden”.ȱ Manyȱ centuriesȱ ofȱlyricalȱpoetryȱareȱnotȱrepresentedȱatȱallȱorȱatȱbestȱonlyȱinadequately.ȱ Soȱ weȱ areȱ “berechtigtȱ zuȱ vermuthen,ȱ dieȱ Psalmen=Sammlungȱ mögeȱ vieleȱnamenloseȱoderȱfalschbenannteȱLiederȱausȱderȱPeriodeȱvonȱDavidȱ bisȱzuȱExilȱenthalten,ȱwasȱauchȱdieȱKritikȱimȱEinzelnenȱwahrscheinlichȱ machenȱ kann.ȱ Vermuthlichȱ habenȱ mancheȱ Propheten,ȱ besondersȱ JeȬ remias,ȱBeiträgeȱzuȱunsererȱPsalmensammlungȱgeliefert,ȱwelcheȱfälschȬ lichȱdemȱDavidȱu.ȱA.ȱzugeschreibenȱoderȱohneȱNamenȱgelassenȱsind.”ȱȱ

4. Theȱpsalmsȱinȱtheȱcommentaryȱwereȱdatedȱtoȱperiodsȱofȱtheȱhistoryȱofȱ Israel.ȱEightȱpsalmsȱareȱdefinitely,ȱfiveȱonlyȱpossiblyȱpreȬexilic.ȱPsȱ18ȱisȱ ofȱDavidicȱprovenance,ȱPsȱ132ȱwasȱusedȱforȱtheȱdedicationȱofȱtheȱtemȬ ple,ȱPsȱ133ȱforȱDavid’sȱcoronation.ȱPsȱ10ȱisȱaȱmodelȱforȱtheȱtypeȱofȱlaȬ ment.ȱManyȱpsalmsȱdateȱfromȱtheȱexileȱorȱearlyȱpostȬexilicȱperiod.ȱMoreȱ thanȱthirtyȱpsalmsȱareȱfromȱtheȱMaccabaeanȱperiod,ȱmostȱofȱthemȱcolȬ lectedȱ inȱ theȱsecondȱ halfȱ ofȱ theȱ Psalter.ȱTheȱ largestȱ groupsȱ seemȱ toȱ beȱ theȱnationalȱ(moreȱthanȱthirty)ȱandȱtheȱindividualȱlamentsȱ(someȱtwenȬ tyȬsix)ȱandȱhymnsȱ(eight).ȱȱ

5. “Einȱfrüherȱkaumȱgeahnetes,ȱhierȱauchȱnurȱanzudeutendes,ȱaberȱhöchstȱ wichtigesȱ Problem,ȱ inȱ dessenȱ Lösungȱ sichȱ dasȱ höchsteȱ exegetische,ȱ

14ȱ

1.ȱStudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱ

kritischeȱundȱästhetischeȱVerständnißȱderȱPsalmenȱdurchdringenȱmuß,ȱ istȱdieȱUnterscheidungȱdesȱUrsprünglichenȱundȱNachgeahmtenȱinȱderȱ Psalmendichtung.”ȱȱ

6. TheȱmessianicȱinterpretationȱofȱPsalmsȱwasȱrejectedȱasȱalienȱtoȱtheseȱoldȱ texts.ȱOnlyȱPsȱ22ȱindicatesȱtheȱmessianicȱconversionȱofȱtheȱnations.ȱ

7. Theȱ longestȱ andȱ mostȱ interestingȱ chapterȱ ofȱ theȱ commentaryȱ isȱ aboutȱ “RhythmusȱundȱMusikȱderȱPsalmen”ȱ(11811,ȱ47–93).ȱItȱcontainsȱaȱcomȬ pleteȱandȱdetailedȱtreatiseȱofȱbiblicalȱpoetry.ȱȱ ȱ AfterȱaȱcomprehensiveȱreviewȱdeȱWetteȱtriedȱtoȱestablishȱtheȱsystemȱofȱ parallelismȱofȱR.ȱLowth,ȱbutȱheȱagreedȱwithȱtheȱopinionȱofȱ“derȱgelehrȬ tenȱ jüdischenȱ Rabbinenȱ undȱ Herders”ȱ thatȱ thereȱ wasȱ noȱ metreȱ andȱ noȱ specificȱ numberȱ ofȱ syllablesȱ inȱ Hebrewȱ literature.”ȱ “Welchesȱ istȱ nunȱ jeneȱrhythmischeȱFormȱderȱhebräischenȱPoesie?”ȱAnswer:ȱTheȱHebrewȱ rhythmȱisȱtheȱparallelismȱofȱmembers.ȱTheȱnatureȱofȱrhythmȱisȱtheȱformȱ ofȱ speech,ȱ inhalingȱ (Arsis)ȱ andȱ exhalingȱ (Thesis):ȱ “soȱ entstehtȱ einȱ SilȬ benmaassȱ …ȱ undȱ Sätzeȱ undȱ Perioden”.ȱ Sentencesȱ developȱ intoȱ versesȱ andȱversesȱintoȱstrophes.ȱDanceȱisȱtheȱbestȱparadigmaȱofȱrhythm:ȱ“Dieȱ vollkommeneȱTanzkunstȱistȱdie,ȱwelcheȱdieȱkünstlicheȱAusbildungȱderȱ Tanzschritteȱ (pas)ȱ –ȱ sieȱ entsprechenȱ denȱ metrischenȱ Versfüssenȱ –ȱ verȬ bindetȱ mitȱ derȱ kunstreichenȱ Anordnungȱ derȱ Bewegungȱ imȱ Grossen,ȱ derȱTanzfiguren,ȱwelcheȱdenȱVersenȱundȱStrophenȱentsprechen.ȱSoȱwieȱesȱ aberȱ einenȱ Tanzȱ gebenȱ kann,ȱ derȱ nurȱ inȱ künstlichenȱ Tanzschrittenȱ beȬ stehtȱ ohneȱ Zusammensetzungȱ zuȱ Figurenȱ undȱ einemȱ Ganzenȱ –ȱ dieserȱ entsprichtȱderȱrhythmischenȱProsa:ȱsoȱlässtȱsichȱauchȱeinȱsolcherȱdenken,ȱ inȱ welchemȱ manȱ dieȱ einzelnenȱ Schritteȱ derȱ Naturȱ undȱ demȱ Zufalleȱ überlässt,ȱundȱnurȱeineȱgefälligeȱAnordnungȱderȱBewegungenȱimȱGrosȬ senȱbeabsichtigtȱ–ȱdieserȱentsprichtȱderȱzweitenȱunmetrischenȱArtȱvonȱ Rhythmus.ȱ –ȱ Zuȱ derȱ letzterenȱ Artȱ gehörtȱ derȱ hebräischeȱ Rhythmus,ȱ nämlichȱderȱParallelismusȱderȱGliederȱ…ȱ Worinȱ bestehtȱ aberȱ derȱ Parallelismusȱ derȱ Gliederȱ …?ȱ …ȱ mehrȱ umȱ denȱGedanken,ȱalsȱumȱäussereȱFormȱundȱKlangȱ…ȱdasȱEbenmaassȱdesȱ Inhaltes.”ȱȱ ItȱwasȱtheȱrhythmȱofȱideasȱthatȱR.ȱLowthȱhadȱfound.ȱDeȱWetteȱaddȬ edȱ aȱ newȱ categoryȱ ofȱ parallelismȱ whichȱ heȱ namedȱ “rhythmicȱ paralȬ lelism”,ȱifȱparallelismȱwasȱonlyȱanȱexternalȱandȱsuperficialȱform.ȱ “UndȱsoȱhättenȱwirȱdennȱdenȱParallelismusȱderȱGliederȱnachgewieȬ senȱalsȱFormȱderȱRede,ȱderȱDeclamationȱundȱdesȱGesangs,ȱundȱihmȱso,ȱ

ȱ

3.ȱPhilology,ȱHistory,ȱPoeticsȱ

15ȱ

alsȱ einerȱ wirklichenȱ rhythmischenȱ Gestaltung,ȱ eineȱ Stelleȱ nebenȱ andeȬ ren,ȱfreilichȱmehrȱausgebildetenȱRhythmusȬArtenȱangewiesen,ȱdieȱmanȱ ihmȱhoffentlichȱnichtȱstreitigȱmachenȱwird.”6ȱ Deȱ Wetteȱ wentȱ onȱ toȱ discussȱ otherȱ specialȱ formsȱ ofȱ rhythmȱ asȱ theȱ rhythmȱofȱgradationȱ(“Stufenrhythmus”)ȱandȱalsoȱacrosticȱforms.ȱFinalȬ lyȱ heȱ askedȱ himselfȱ whetherȱ theȱ accentsȱ ofȱ theȱ Hebrewȱ textȱ hadȱ anyȬ thingȱtoȱdoȱwithȱmusicalȱactivities.ȱ Inȱ deȱ Wette’sȱ viewȱ realȱ Hebrewȱ poetryȱ wasȱ characterizedȱ notȱ byȱ metreȱbutȱbyȱtheȱ“GedankenȬRhythmus”ȱ(rhythmȱofȱideas)ȱwhichȱcameȱ fromȱaȱparticularȱwayȱofȱthinkingȱandȱofȱexpressingȱfeelings.ȱThisȱisȱtheȱ realȱsenseȱofȱtheȱstylisticȱphenomenonȱofȱparallelismȱfoundȱbyȱR.ȱLowthȱ andȱreferredȱtoȱbyȱdeȱWette.ȱHeȱpointedȱoutȱthatȱequalityȱofȱideasȱ(GeȬ dankengleichheit)ȱcouldȱresultȱinȱanȱequalityȱofȱwordsȱ(Wortgleichheit)ȱ inȱ twoȱ parallelȱ sentences.ȱTheȱ ideaȱ wasȱ conceivedȱ inȱ rhyme,ȱ theȱ innerȱ formȱofȱpoetry.ȱTheȱacrosticȱbeginningȱofȱaȱverseȱorȱaȱseriesȱofȱwordsȱinȱ aȱgivenȱsentenceȱwasȱforȱhimȱformalȱpoetry.ȱȱ Toȱsumȱup:ȱ“TheȱPsalmsȱcommentary,ȱthen,ȱisȱfullyȱrepresentativeȱ ofȱdeȱWette’sȱthinkingȱduringȱtheȱJenaȱandȱHeidelbergȱperiods.ȱItȱdisȬ playsȱ scepticismȱ andȱ indifferenceȱ toȱ mattersȱ historical.ȱ Itȱ isȱ notȱ imȬ possible,ȱandȱinȱanyȱcaseȱofȱlittleȱvalue,ȱtoȱdetermineȱtheȱoriginalȱhistorȬ icalȱsettingȱofȱmanyȱpsalms.ȱWhatȱmattersȱmostȱisȱreligion,ȱseenȱasȱanȱ expressionȱ inȱ lyricalȱ aestheticȱ formsȱ ofȱ experiencesȱ ofȱ doubt,ȱ unȬ certainty,ȱjoyȱandȱhope.ȱTheȱlamentȱpsalms,ȱwhichȱcompriseȱwellȱoverȱaȱ thirdȱofȱtheȱwholeȱcollection,ȱareȱatȱtheȱheartȱofȱtheȱPsalter,ȱexpressingȱ atȱindividualȱandȱcorporateȱlevelsȱtheȱreligiousȱstrugglesȱofȱtheȱnationȱ andȱitsȱpiousȱmembers.ȱItȱisȱaȱwayȱinȱtoȱtheȱinnerȱsanctuaryȱofȱOldȱTesȬ tamentȱreligion.”7ȱȱ

3.ȱPhilology,ȱHistory,ȱPoeticsȱ andȱtheȱlinguisticȬhistoricalȱCommentariesȱ AȱsurveyȱaboutȱstudiesȱonȱtheȱPsalmsȱafterȱdeȱWetteȱshowsȱtheseȱthreeȱ termsȱ asȱ moreȱ orȱ lessȱ straightforwardȱ andȱ alwaysȱ combinedȱ together.ȱ Toȱbeȱmoreȱprecise,ȱallȱstudiesȱhaveȱtheirȱownȱfeaturesȱandȱtheirȱcenterȱ ofȱ gravity,ȱ butȱ theȱ centerȱ ofȱ gravityȱ ofȱ theȱ exegesisȱ changesȱ betweenȱ theseȱthreeȱpoints.ȱOneȱtransversalȱcanȱbeȱfoundȱ ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 6ȱ 7ȱ

Quotations:ȱCommentarȱ41836.ȱ Op.ȱcit.,ȱ76ȱf.ȱ

16ȱ

1.ȱStudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱ

byȱ lookingȱ atȱ theȱ investigationȱ supportedȱ byȱ theȱ progressȱ ofȱ Hebrewȱ philologyȱ(1),ȱȱ byȱtheȱprogressȱofȱhistoricalȱresearchȱ(2)ȱandȱȱ byȱfocussingȱonȱstyleȱandȱpoetryȱ(3).ȱ

1.ȱPhilologyȱ Asȱ anȱ effectȱ ofȱ theȱ fundamentalȱ worksȱ ofȱ W.ȱ Geseniusȱ andȱ othersȱ onȱ Hebrewȱgrammarȱandȱlexicographyȱandȱtheȱnewȱtoolsȱtheyȱcreated,ȱtheȱ exegesisȱ ofȱ theȱ Psalmsȱ cameȱ toȱ anȱ astonishingȱ climaxȱ duringȱ theȱ 19thȱ century.ȱWithoutȱtheȱhelpȱofȱtheȱcognateȱSemiticȱlanguagesȱ–ȱthisȱstudyȱ beganȱinȱtheȱsecondȱhalfȱofȱtheȱcenturyȱasȱnewȱsources,ȱespeciallyȱafterȱ cuneiformȱ charactersȱ andȱ otherȱ inscriptionsȱ hadȱ comeȱ toȱ lightȱ –ȱ HeȬ brewȱ grammarȱ wasȱ studiedȱ andȱ analyzedȱ intensivelyȱ atȱ aȱ veryȱ highȱ level.ȱ Theȱ progressȱ ofȱ interpretingȱ theȱ Psalmsȱ inȱ detailȱ wasȱ obvious.ȱ TheȱcommentariesȱafterȱdeȱWetteȱtriedȱtoȱdevelopȱthisȱbasicȱwork.ȱTheyȱ profitedȱ fromȱ theȱ grammariansȱ andȱ lexicographers.ȱ Deȱ Wetteȱ himselfȱ improvedȱ hisȱ workȱ byȱ meansȱ ofȱ newȱ editions.ȱ Accompanyingȱ studiesȱ wereȱ published,ȱ e.ȱg.:ȱ theȱ Philologischerȱ Clavisȱ byȱ H.ȱE.ȱG.ȱ Paulusȱ 1815;ȱ BeiträgeȱzurȱKritikȱbyȱClauss;ȱtheȱCommentariusȱgrammaticusȱhistoricusȱbyȱ J.ȱJ.ȱV.ȱD.ȱ Maurerȱ 1838;ȱ upȱ toȱ monographicȱ studiesȱ ofȱ psalmicȱ termsȱ asȱ thoseȱofȱA.ȱRahlfsȱ1892ȱandȱothers.8ȱ

2.ȱHistoryȱ Theȱ19thȱcenturyȱwasȱtheȱcenturyȱofȱdiscoveringȱhistory.ȱTheȱpastȱcameȱ intoȱtheȱsightȱofȱphilosophyȱandȱthisȱwasȱstudiedȱandȱreconstructedȱbyȱ historians.ȱTheȱhistoryȱofȱantiquity,ȱtheȱpoetryȱofȱformerȱtimes,ȱbecameȱ increasinglyȱaȱfieldȱofȱinterest.ȱ AfterȱH.ȱEwaldsȱworkȱonȱtheȱhistoryȱofȱIsraelȱ(GeschichteȱdesȱVolkesȱ Israel,ȱ 1843ȱff.,ȱ 31864)ȱ noȱ interpreterȱ ofȱ theȱ Psalmsȱ couldȱ dispenseȱ withȱ hisȱepochȬmakingȱresearch.ȱConcerningȱtheȱPsalterȱthereȱwasȱespeciallyȱ theȱproblemȱofȱtheȱsuperscriptionsȱwithȱhistoricalȱdataȱthatȱhadȱtoȱunȬ dergoȱcriticism.ȱWereȱtheȱpsalmsȱofȱDavidȱreallyȱcomposedȱbyȱtheȱgreatȱ kingȱ –ȱ asȱ Psȱ 151ȱ Septuagintȱ maintainsȱ –ȱ althoughȱ theȱ languageȱ andȱ styleȱofȱtheȱtextsȱareȱofȱlaterȱdate?ȱAlternatively,ȱareȱthereȱreallyȱtextsȱofȱ theȱMaccabeanȱeraȱasȱmanyȱinterpretersȱfromȱdeȱWetteȱupȱtoȱB.ȱDuhmȱ suppose?ȱ Oneȱ hasȱ toȱ considerȱ thatȱ theȱ influenceȱ ofȱG.ȱF.ȱW.ȱ Hegelȱ andȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 8ȱ

Cp.ȱDiestel,ȱGeschichteȱdesȱAltenȱTestaments,ȱ563ȱff.ȱ

ȱ

3.ȱPhilology,ȱHistory,ȱPoeticsȱ

17ȱ

thatȱhisȱphilosophyȱofȱhistoryȱwasȱpresentȱevenȱinȱtheȱworkȱofȱEwald,ȱ whoȱlookedȱforȱtheȱriseȱofȱtheȱidealȱreligionȱinȱtheȱhistoryȱofȱIsrael.ȱButȱ oneȱmustȱsayȱthatȱtheȱexegesisȱofȱtheȱPsalmsȱwasȱonlyȱindirectlyȱinfluȬ encedȱbyȱtheȱcategoriesȱofȱphilosophy,ȱespeciallyȱbyȱtheȱidealisticȱconȬ ceptionȱ ofȱ religionȱ asȱ aȱ personalȱ feeling.ȱ Theȱ conceptȱ ofȱ theȱ historyȱ ofȱ religionȱrisingȱupȱtoȱtheȱabsoluteȱorȱtrueȱreligionȱ(“wahreȱReligion”)ȱinȱ noȱwayȱinfluencedȱtheȱstudyȱofȱtheȱPsalms.ȱThisȱtrendȱlastedȱuntilȱtheȱ endȱofȱtheȱcenturyȱandȱbeyondȱ(cp.ȱH.ȱGunkel).ȱ Toȱ showȱ theȱ detailedȱ discussionȱ ofȱ historyȱ inȱ theȱ studyȱ ofȱ theȱ PsalmsȱweȱquoteȱsomeȱlinesȱfromȱdeȱWette’sȱcommentaryȱonȱPsȱ1:ȱ “GanzȱgegenȱdenȱGeistȱdiesesȱPsalmsȱsindȱdieȱMeinungenȱmancherȱ Ausleger,ȱwelcheȱinȱdemselbenȱbestimmteȱhistorischeȱBeziehungenȱfindenȱ wollen;ȱ esȱ seiȱ aufȱ Davidsȱ Verfolgungȱ durchȱ Saulȱ (Venema);ȱ oderȱ aufȱ Absalomsȱ Empörungȱ (Vers.ȱ einigerȱ Beitr.ȱ z.ȱ histor.ȱ Auslegungȱ derȱ alttestamentl.ȱBibel);ȱoderȱaufȱdieȱZeitȱderȱsyrischȬmacedonischenȱHerrȬ schaftȱ (Olshausen);ȱ oderȱ aufȱ dieȱ makkabäischenȱ Zeitenȱ undȱ dieȱ abȬ trünnigenȱ Judenȱ (Esromȱ Rudinger;ȱ Hitzig,ȱ derȱ denȱ Psalmȱ unterȱ AlexȬ anderȱJannäusȱgegenȱ85ȱv.ȱChr.ȱverfasstȱseinȱlässt).ȱDerȱPsalmȱhatȱeinenȱ ganzȱallgemeinenȱreligiösenȱSinn,ȱwieȱRosenmüllerȱu.ȱA.ȱrichtigȱbemerktȱ haben.”9ȱ

3.ȱPoeticsȱ TheȱfounderȱofȱHebrewȱpoetics,ȱBishopȱR.ȱLowth,ȱwasȱgodfatherȱofȱallȱ studiesȱofȱbiblicalȱpoetryȱduringȱtheȱ19thȱcenturyȱ(andȱbeyond).10ȱManyȱ studiesȱsoughtȱtoȱfindȱaȱstructuralȱframeworkȱtoȱtheȱbiblicalȱliterature,ȱ especiallyȱinȱtheȱPsalms.ȱTheȱdiscussionȱaboutȱmetre,ȱverse,ȱparallelism,ȱ chiasm,ȱ rhetoricalȱ style,ȱ stropheȱ andȱ stanzaȱ wentȱ onȱ successively,ȱ butȱ weȱ canȱ onlyȱ recordȱ generalȱ poeticalȱ studiesȱ byȱ J.ȱL.ȱ Saalschützȱ 1825,ȱ F.ȱBoysȱ1825,ȱE.ȱMeierȱ1853,ȱspecialȱstudiesȱofȱstropheȱbyȱF.ȱKösterȱ1831,ȱ ofȱ metreȱ byȱ J.ȱJ.ȱ Bellermannȱ 1813,ȱ A.ȱW.ȱ Krahmerȱ 1837,ȱ J.ȱJ.ȱ Vaihingerȱ 1845,ȱupȱtoȱJ.ȱLeyȱ1857/87ȱwithȱtheȱbeginningȱofȱaȱnewȱeraȱofȱmetricalȱ studies.ȱ Butȱ itȱ isȱ obviousȱ thatȱ theseȱ studiesȱ doȱ notȱ goȱ farȱ beyondȱ theȱ levelȱofȱdeȱWette’sȱtreatise.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 9ȱ Commentarȱ41836,ȱadȱPsȱ1.ȱ 10ȱ Cp.ȱDiestel,ȱGeschichte,ȱ665.ȱ

18ȱ

1.ȱStudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱ

4.ȱLinguisticȬhistoricalȱCommentariesȱ Aȱ seriesȱ ofȱ historicalȬlinguisticȱ commentaries,ȱ someȱ ofȱ whichȱ wereȱ ofȱ considerableȱlengthȱwereȱpublishedȱupȱtoȱtheȱfiftiesȱbyȱF.ȱHitzigȱ1835,ȱ H.ȱEwaldȱ1835,ȱE.ȱW.ȱHengstenbergȱ1842–47,ȱA.ȱTholuckȱ1843,ȱJ.ȱG.ȱVaiȬ hingerȱ1845,ȱC.ȱvonȱLengerkeȱ1847,ȱP.ȱScheggȱ1850,ȱJ.ȱOlshausenȱ1853,ȱ H.ȱHupfeldȱ1855–62.ȱ OnȱtheȱwayȱfromȱdeȱWetteȱtoȱDuhmȱitȱshouldȱbeȱnotedȱthatȱinȱtheȱ firstȱlineȱtheȱcommentaryȱonȱtheȱPsalmsȱbyȱH.ȱHupfeldȱinȱfourȱvolumesȱ wasȱparadigmaticȱforȱexegesisȱofȱtheȱ19thȱ century.ȱMoreȱthanȱdeȱWetteȱ andȱothersȱheȱwasȱinterestedȱinȱtheȱreligiousȱandȱtheologicalȱcharacterȱ ofȱtheȱPsalms.ȱȱ “Dassȱ einȱ Buchȱ wieȱ dieȱ Psalmenȱ –ȱ welchesȱ unsȱ dieȱ Religionȱ desȱ A.ȱT.ȱvonȱihrerȱinnerlichenȱSeite,ȱwieȱsieȱinȱdenȱGemüthernȱlebte,ȱzeigt,ȱ undȱ alsȱ Gesangbuchȱ derȱ Jüdischenȱ wieȱ Christlichenȱ Kircheȱ einenȱ geȬ wissenȱsymbolischenȱCharakterȱerhaltenȱhatȱ–ȱvorzugsweiseȱeinȱtheoloȬ gischeȱ Auslegungȱ fordert,ȱ liegtȱ aufȱ derȱ Handȱ …ȱ Ichȱ versteheȱ darunterȱ dieȱErklärungȱderȱvorkommendenȱreligiösenȱBegriffeȱundȱAnschauunȬ genȱinȱihrerȱeigenthümlichenȱgeschichtlichenȱGestalt,ȱBegränzungȱundȱ Entwicklungsstufe,ȱoderȱsolcheȱpraktischenȱAnwendungen,ȱdieȱerweisȬ lichȱ inȱ demȱ Gesichtskreisȱ undȱ derȱ Tragweiteȱ derȱ betreffendenȱ Stellenȱ liegen.”ȱ(VIIf.)11ȱȱ Theȱtheologicalȱinterpretationȱmeansȱexplainingȱallȱreligiousȱterms,ȱ ideasȱandȱviewsȱandȱpursuingȱtheirȱpracticalȱapplicationȱinȱlife.ȱMoreoȬ ver,ȱ heȱ wantedȱ toȱ writeȱ aȱ historyȱ ofȱ theȱ interpretationȱ ofȱ theȱ Psalms,ȱ whichȱ heȱ presentedȱ inȱ theȱ introductionȱ toȱ hisȱ commentaryȱ (“§ȱ11.ȱ GeȬ schichteȱderȱBearbeitungȱ(Auslegung)ȱdesȱBuchs”,ȱpp.ȱ56–65)ȱandȱinȱtheȱ interpretationȱofȱspecificȱlinesȱofȱtheȱpsalms.ȱSoȱhisȱbooksȱformȱaȱreperȬ toryȱ forȱallȱ whoȱ lookȱforȱ theȱ historyȱ ofȱtheȱ studyȱ ofȱtheȱ Psalmsȱ beforeȱ Hupfeld.ȱ Hisȱ classificationȱ ofȱ theȱ textsȱ wasȱ twofold.ȱ Heȱ distinguishedȱ betweenȱtextsȱwhichȱtreatȱofȱ“Gottȱu.ȱgöttlichenȱDingenȱüberhauptȱ(ohneȱ AnwendungȱaufȱbesondreȱVerhältnisse)”,ȱi.ȱe.ȱhymns,ȱproverbs,ȱdidacȬ ticȱ psalms,ȱetc.ȱ andȱ textsȱ withȱ “Anwendungȱ derȱ allg.ȱ Überzeugungenȱ vonȱGottȱu.ȱseinemȱReichȱaufȱbesondreȱVerhältnisseȱu.ȱLagen”,ȱtextsȱofȱ lamentȱorȱthanksgivingȱandȱroyalȱpsalms,ȱetc.ȱȱ Asȱ toȱ theȱ poeticȱ characterȱ ofȱ theȱ textsȱ heȱ wasȱ typicalȱ ofȱ hisȱ time.ȱ WithȱdeȱWetteȱheȱwasȱofȱtheȱopinion,ȱthatȱtheȱ“DichtungsartȱderȱPss.ȱ…ȱ imȱ ganzenȱ dieȱ desȱ Liedsȱ (ist),ȱ oderȱ dieȱ sog.ȱ lyrischeȱ d.ȱi.ȱ unmittelbarerȱ ErgussȱeinerȱStimmungȱoderȱeinesȱ…ȱGefühls”.12ȱHeȱwasȱveryȱcautiousȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 11ȱ DieȱPsalmen,ȱ21867.ȱ 12ȱ Op.ȱcit.,ȱ18.ȱ

ȱ

4.ȱConservatismȱ

19ȱ

withȱ datingȱ theȱ texts.ȱ Inȱ hisȱ mindȱ onlyȱ theȱ explicitȱ statementsȱ ofȱ theȱ Psalmsȱthemselvesȱwereȱofȱanyȱspecificȱvalue.ȱSoȱheȱwroteȱtoȱPsȱ1:ȱ“Einȱ ausgeführterȱ Spruchȱ …ȱ vonȱ demȱ Gedeihenȱ desȱ Gerechtenȱ u.ȱ Verderbenȱ desȱUngerechten;ȱ…ȱDerȱSatzȱdesȱPs.ȱistȱsoȱallgemeinȱu.ȱgangbar,ȱdassȱesȱ völligȱunnützȱu.ȱverkehrtȱist,ȱhierȱbestimmteȱhistorischeȱBeziehungenȱzuȱ suchen:ȱ aufȱ Davidsȱ Verfolgungȱ durchȱ Saul;ȱ oderȱ aufȱ Absalomsȱ EmȬ pörung;ȱ oderȱ garȱ aufȱ dieȱ Makkabaeischenȱ Zeitenȱ u.ȱ dieȱ abtrünnigenȱ Judenȱ …ȱ Überȱ denȱ Verfasserȱ desȱ Ps.ȱ istȱ inȱ Ermangelungȱ einerȱ ÜberȬ schriftȱnichtȱeinmalȱeineȱÜberlieferung,ȱwieȱinȱdenȱÜberschriftenȱvielerȱ anderenȱPss.,ȱvorhanden.”ȱ13ȱ Hupfeld’sȱ interpretationȱ ofȱ theȱ Psalmsȱ wasȱ oneȱ accordingȱ toȱ theȱ thinkingȱ ofȱ theȱ 19thȱ century.ȱ Theȱ textsȱ areȱ aboveȱallȱ expressionsȱ ofȱ theȱ soulȱandȱtheȱfeelingsȱofȱtheȱindividual.ȱ“Hierȱ(scil.ȱinȱtheȱpsalms)ȱfindenȱ wirȱ dieseȱ dieȱ Seeleȱ bewegendenȱ u.ȱ zuȱ ihremȱ Eigenthumȱ u.ȱ LebensȬ grundȱgewordenenȱIdeenȱinȱmannigfacherȱRichtungȱu.ȱAnwendungȱaufȱ eineȱWeiseȱausgesprochen,ȱdieȱ–ȱschonȱweilȱselbstgeschaffen,ȱursprüngȬ lich,ȱfrischȱausȱdemȱQuellȱderȱEmpfindungȱgeflossen,ȱnichtȱvonȱaussenȱ eingeführtȱu.ȱnachgeahmtȱ–ȱinȱjederȱihrerȱRichtungenȱclassischȱist.”ȱ14ȱȱ

4.ȱConservatismȱ ErnstȱWilhelmȱHengstenbergȱandȱFranzȱDelitzschȱ Duringȱtheȱ19thȱcenturyȱthereȱwasȱaȱgrowingȱneedȱforȱaȱtheologicalȱinȬ terpretationȱ ofȱ theȱ Psalms.ȱ Thisȱ phenomenonȱ doesȱ notȱ causeȱ anyȱ surȬ prise.ȱForȱmostȱcriticalȱexegesisȱwasȱinȱprincipleȱengagedȱinȱregardingȱ andȱ studyingȱ theȱ Bibleȱ asȱ literatureȱ mostlyȱ influencedȱ byȱ rationalisticȱ methodsȱ ofȱ theȱ Enlightenmentȱ (“Aufklärung”)ȱandȱofȱ historicism.ȱ Theȱ dominantȱ philosophyȱ ofȱ idealismȱ andȱ theȱ understandingȱ ofȱ religionȱ andȱitsȱhistoryȱpuzzledȱChristianȱbelievers,ȱandȱtheȱChurchȱdeniedȱsuchȱ exegesisȱandȱopposedȱacademicȱtheologyȱandȱitsȱconcerns.ȱ Theȱ normalȱ readerȱ ofȱ theȱ Psalmsȱ couldȱ notȱ understandȱ whyȱ theseȱ textsȱ attributedȱ toȱ Moses,ȱ David,ȱ Solomonȱ wereȱ inȱ factȱ notȱ writtenȱ byȱ them.ȱWhatȱaboutȱtheȱcredibilityȱofȱtheȱBible?ȱManyȱreadersȱofȱtheȱBibleȱ wereȱnotȱtrainedȱtoȱunderstandȱtheȱmanyȱpassagesȱinȱHebrew,ȱArabicȱ orȱSyriacȱwhichȱcommentatorsȱquotedȱinȱtheirȱcommentariesȱusingȱtheȱ scriptȱ ofȱ theseȱ languages.ȱ Aȱ seriesȱ ofȱ booksȱ aboutȱ theȱ Psalmsȱ wereȱ thereforeȱ publishedȱ withȱ explanationsȱ inȱ aȱ moreȱ popularȱ sense,ȱ byȱ R.ȱ Stierȱ1834;ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWetteȱ1836;ȱA.ȱTholuckȱ1843;ȱL.ȱReinkeȱ1857/58;ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 13ȱ Op.ȱcit.,ȱ68.ȱ 14ȱ Op.ȱcit.,ȱ21.ȱ

20ȱ

1.ȱStudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱ

O.ȱ Straußȱ 1859.ȱ Thisȱ trendȱ reflectsȱ conservatismȱ inȱ exegesisȱ andȱ gaveȱ riseȱ toȱ theȱ longȱ commentariesȱ onȱ theȱ Psalmsȱ byȱ E.ȱW.ȱ Hengstenbergȱ 1842–47ȱandȱinȱparticularȱF.ȱDelitzschȱ1859–60.ȱȱ E.ȱW.ȱHengstenberg,ȱanȱorientalist,ȱasȱaȱyoungȱmanȱwasȱhealedȱ–ȱasȱ heȱsaidȱ–ȱfromȱtheȱphilosophicalȱfeverȱ(“philosophischesȱFieber”),ȱwasȱ bornȱagainȱandȱbecameȱaȱpietist.ȱAsȱaȱprofessorȱinȱBerlinȱheȱrepresentedȱ theȱ soȬcalledȱ “Repristinationstheologie”ȱ (derivativeȱ fromȱ lat.ȱ pristinusȱ “former,ȱ ancient,ȱ ofȱ yesterday”,ȱ inȱ Germanȱ “gestrig”).ȱ Heȱ wantedȱ toȱ revitalizeȱ theȱ theologicalȱ dogmasȱ ofȱ theȱ Oldȱ Church.ȱ Interpretingȱ theȱ OldȱTestament,ȱheȱreturnedȱtoȱtheȱtimeȱwhenȱtheȱcanonȱofȱtheȱOldȱTesȬ tamentȱwasȱclosedȱandȱrenewedȱoldȱJewishȱsynagogicalȱtraditions.ȱHisȱ mainȱ booksȱ wereȱ theȱ “Christologieȱ desȱ Altenȱ Testamentsȱ undȱ ComȬ mentarȱüberȱdieȱmessianischenȱWeissagungen”ȱ(1855)ȱandȱhisȱcommenȬ taryȱ onȱ theȱ Psalmsȱ (1842–47).ȱ Hengstenbergȱ combinedȱ twoȱ aimsȱ ofȱ interpretation:ȱ coherenceȱ ofȱ theȱ scripturesȱ ofȱ theȱ Oldȱ andȱ Newȱ TestaȬ mentsȱ inȱ aȱ metahistoricalȱ realmȱ ofȱ Godȱ andȱ findingȱ aȱ deeperȱ senseȱ inȱ theȱ Holyȱ Scripture.ȱ Hisȱ interpretationȱ wasȱ aȱ symbolicȱ one.ȱ “Ichȱ habeȱ überallȱ nichtȱ bloßȱ behauptet,ȱ sondernȱ bewiesen,ȱ bewiesenȱ besondersȱ ausȱderȱVergleichungȱdesȱgesamtenȱsymbolischenȱSprachgebrauchsȱderȱ Schrift,ȱ inȱ demȱ sichȱ derȱ tieferenȱ Forschungȱ eineȱ wunderbareȱ Einheitȱ undȱKlarheitȱkundgibt.”ȱ15ȱInȱtheȱcaseȱofȱtheȱinterpretationȱofȱtheȱSongȱ ofȱ Songsȱ (1853)ȱ heȱ wasȱ opposedȱ toȱ allȱ thatȱ hasȱ toȱ doȱ withȱ history.ȱ Heȱ soughtȱ toȱ findȱ theȱ wayȱ –ȱ inȱ hisȱ wordsȱ –ȱ toȱ aȱ deeperȱ levelȱ ofȱ researchȱ (“tiefereȱForschung”),ȱconstructingȱaȱkindȱofȱmetahistory,ȱe.ȱg.:ȱtheȱSongȱ ofȱSongsȱisȱreferredȱtoȱSolomon.ȱButȱforȱHengstenbergȱthisȱwasȱnotȱtheȱ historicalȱKingȱSolomonȱofȱtheȱ10thȱcenturyȱBC,ȱbutȱaȱsoȬcalledȱheavenlyȱ Solomonȱ (“himmlischerȱ Salomo”).ȱ “Salomoȱ nenntȱ alsoȱ inȱ derȱ ÜberȬ schriftȱ sichȱ selbstȱ alsȱ Verfasserȱ desȱ Liedes,ȱ alsȱ seinenȱ Gegenstandȱ denȱ himmlischenȱSalomo,ȱzuȱdessenȱVorbildeȱerȱbeiȱseinerȱGeburtȱgeweihtȱ war”.ȱ Highlyȱ mythologicalȱ –ȱ H.ȬJ.ȱ Krausȱ inȱ Geschichteȱ derȱ historischȬ kritischenȱErforschungȱdesȱAltenȱTestamentsȱregardsȱthisȱreadingȱasȱintoleȬ rableȱ(“unerträglich”).ȱ Moreȱ inȱ lineȱ withȱ aȱ philologicalȱ andȱ historicalȱ exegesisȱ wasȱ Franzȱ Delitzsch.ȱInȱhisȱcommentaryȱonȱtheȱPsalmsȱDelitzschȱtookȱupȱtheȱrichȱ exegeticalȱtraditionȱofȱhisȱpredecessors.ȱHeȱtriedȱtoȱinterpretȱtheȱtextsȱasȱ theyȱ stood,ȱ linguisticallyȱ andȱ historically.ȱ Butȱ heȱ didȱ notȱ wishȱ toȱ readȱ themȱ critically.ȱ Likeȱ Hupfeldȱ andȱ Hengstenbergȱ heȱ lookedȱ forȱ aȱ theoȬ logicalȱinterpretationȱofȱtheȱgivenȱmaterial.ȱHeȱthoughtȱinȱtermsȱofȱtheȱ historyȱ ofȱ salvationȱ andȱ spokeȱ ofȱ theȱ greatȱ actsȱ ofȱ Godȱ (“dieȱ grossenȱ Tatenȱ Gottes”),ȱ asȱ understoodȱ inȱ theȱ traditionsȱ ofȱ theȱ Church.ȱ Allȱ theȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 15ȱ Cp.ȱKraus,ȱGeschichte,ȱ224.ȱ

ȱ

4.ȱConservatismȱ

21ȱ

textsȱwereȱexplainedȱliterally.ȱTheȱPsalmsȱoriginatedȱasȱtheȱsuperscripȬ tionsȱclaimed.ȱTheȱExodusȱPsalmȱExȱ15,ȱPsȱ90ȱandȱtheȱSongȱofȱMosesȱinȱ Deuteronomyȱ 32ȱ wereȱ writtenȱ byȱ Mosesȱ himself.ȱ Theseȱ areȱ theȱ oldestȱ psalms.ȱDavidȱcomposedȱmostȱofȱtheȱpsalms,ȱSolomonȱaȱfewȱandȱsubȬ sequentlyȱ theȱ Leviticalȱ singersȱ theirȱ textsȱ (Korach,ȱ Asaphȱetc.).ȱ Thereȱ mayȱalsoȱhaveȱbeenȱMaccabeanȱpsalms.ȱThereȱisȱaȱveryȱlongȱperiodȱofȱ historyȱ forȱ theȱ compositionȱ ofȱ psalms,ȱ beginningȱ withȱ Mosesȱ upȱ toȱ Judasȱ Maccabaeusȱ (fromȱ theȱ 14thȱ toȱ theȱ 2thȱ centuryȱ BC).ȱ Interestingȱ thereforeȱisȱDelitzsch’sȱdatingȱofȱPsȱ1:ȱ“WasȱdieȱAbfassungszeitȱdesȱPs.ȱ betrifft,ȱ soȱ istȱ folgendesȱ festzuhalten:ȱ 1)ȱ erȱ istȱ vorjeremianisch,ȱ dennȱ Jeremiaȱ kannteȱ ihn,ȱ dasȱ FluchȬȱ undȱ Segenswortȱ Jerȱ 17,5–8ȱ …ȱ istȱ wieȱ eineȱ auslegendeȱ undȱ ausschmückendeȱ Paraphraseȱ …ȱ Erȱ istȱ 2)ȱ nichtȱ früherȱalsȱsalomonisch.ȱDennȱinȱdieȱZeitȱvonȱSalomoȱabȱweistȱunsȱdasȱ imȱganzenȱPsalterȱnurȱhierȱvorkommendeȱWortȱfürȱSpötter,ȱeinȱinȱderȱ ZeitȱderȱChokmaȱvonȱdenȱFreigeisternȱüblichȱgewordenesȱWortȱ…ȱDaȱ erȱaberȱkeinerleiȱzeitgeschichtlichesȱAnzeichenȱenthält,ȱsoȱistȱaufȱnähereȱ Bestimmungȱ seinerȱ Entstehungszeitȱ zuȱ verzichten.ȱ Wirȱ sagenȱ mitȱ CoȬ lumba:ȱNonȱaudiendiȱsuntȱhi,ȱquiȱadȱexcludendamȱPsalmorumȱveramȱexposiȬ tionemȱfalsasȱsimilitudinesȱabȱhistoriaȱpetitasȱconanturȱinducere.”ȱ16ȱInȱshort,ȱ Psȱ1ȱwasȱcomposedȱbeforeȱJeremiah,ȱbutȱnotȱearlierȱthanȱSolomon.ȱ Andȱanotherȱpassage:ȱ“DaßȱAlexanderȱJannaiȱVerf.ȱdesȱerstenȱundȱ zweitenȱPs.ȱseiȱundȱdieȱPsalmensammlungȱabgeschlossenȱhabe,ȱistȱnachȱ Allem,ȱwasȱwirȱüberȱdenȱCharakterȱundȱdasȱSchaltenȱdiesesȱDespotenȱ wissen,ȱ moralischȱ unmöglich.”17ȱ Alexanderȱ Jannaiȱ couldȱ notȱ beȱ theȱ authorȱofȱPsȱ1ȱbecauseȱheȱwasȱofȱnegativeȱmoralȱbehavior.ȱ DelitzschȱconsistentlyȱinterpretedȱtheȱPsalmsȱasȱtheȱNewȱTestamentȱ authorsȱreadȱthem.ȱHeȱdispensedȱhimselfȱofȱtheȱhistoricalȱandȱtheȱcritiȬ calȱ insightȱ ofȱ hisȱ predecessors.ȱ Heȱ readȱ allȱ theȱ textsȱ consciouslyȱ andȱ subconsciouslyȱlikeȱpropheticȱtextsȱconcerningȱChristȱasȱeschatologicalȱ promises.ȱ Nonethelessȱ heȱ tookȱ upȱ theȱ Jewishȱ tradition.ȱ “Daßȱ ichȱ aberȱ auchȱ Leistungenȱ jüdischerȱ Forscherȱ gernȱ inȱ meinenȱ Bereichȱ ziehe,ȱ geȬ schiehtȱ inȱ demȱ Wunsche,ȱ dieȱ Scheidewandȱ zwischenȱ Synagogeȱ undȱ Kircheȱfallenȱzuȱsehen.”ȱ18ȱAsȱaȱresult:ȱ“DerȱPsalmenauslegerȱkannȱsichȱ entwederȱ aufȱ denȱ Standpunktȱ desȱ Dichtersȱ oderȱ aufȱ denȱ Standpunktȱ derȱalttestamentlichenȱGemeinde,ȱoderȱaufȱdenȱStandpunktȱderȱKircheȱ stellenȱ–ȱeineȱGrundbedingungȱdesȱAuslegungsfortschrittsȱistȱdieȱAusȬ einanderhaltungȱ dieserȱ dreiȱ Standpunkteȱ undȱ demgemäßȱ dieȱ UnterȬ scheidungȱ derȱ zweiȱ Testamenteȱ undȱ überhauptȱ derȱ verschiedenenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 16ȱ Kommentarȱ51894,ȱ66.ȱ 17ȱ Op.ȱcit.,ȱ11.ȱ 18ȱ Vorredeȱ21867.ȱ

22ȱ

1.ȱStudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱ

HeilsoffenbarungsȬȱ undȱ Heilserkenntnisstufen.”19ȱ Choosingȱ betweenȱ theseȱthreeȱpositionsȱ–ȱpoet,ȱoldȬtestamentȬcongregationȱandȱChurchȱ–,ȱ FranzȱDelitzschȱchoseȱtheȱpositionȱofȱtheȱChurch.ȱ ItȱisȱinterestingȱtoȱnoteȱthatȱtheȱcontributionȱofȱFranzȱDelitzschȱ1864ȱ (andȱ ofȱ hisȱ sonȱ Friedrichȱ Delitzschȱ 1902)ȱ toȱ theȱ understandingȱ ofȱ theȱ bookȱofȱJobȱinȱitsȱwiderȱcontextȱofȱwisdomȱliteratureȱfoundȱinȱtheȱOldȱ Testamentȱ andȱ theȱ Nearȱ Easternȱ traditionȱ wasȱ aȱ stepȱ inȱ aȱ newȱȱ direction.20ȱȱ

5.ȱNewȱAspectsȱinȱtheȱlastȱDecadesȱofȱtheȱ19thȱCenturyȱȱ Inȱtheȱsecondȱhalfȱofȱtheȱcenturyȱtheȱnumberȱofȱspecialȱstudiesȱonȱtheȱ Psalmsȱ increased.ȱ Manyȱ aspectsȱ ofȱ theȱ exegeticalȱ problemsȱ wereȱ disȬ cussed.ȱ Theseȱ studiesȱ completedȱ theȱ workȱ ofȱ exegesisȱ ofȱ manyȱ comȬ mentaries,ȱ whichȱ wereȱ publishedȱ timeȱ byȱ timeȱ byȱ Kamphausenȱ 1863;ȱ C.ȱB.ȱMollȱ1869/71;ȱA.ȱRohlingȱ1871;ȱJ.ȬB.ȱGlaireȱ1872;ȱF.ȱX.ȱPatriziȱ1875;ȱ H.ȱGraetzȱ 1882/83;ȱ H.ȱLesêtreȱ 1883/86;ȱ T.ȱK.ȱ Cheyneȱ 1888;ȱ S.ȱR.ȱ Hirschȱ 1888;ȱF.ȱBaethgenȱ1892;ȱH.ȱKesslerȱ1899;ȱB.ȱDuhmȱ1899;ȱA.ȱF.ȱKirkpatrickȱ 1891–1902.ȱ Firstȱofȱall,ȱtheȱHebrewȱtextȱofȱtheȱPsalmsȱandȱtheȱoldȱtranslationsȱ wereȱstudied.ȱ E.ȱJ.ȱ vonȱ Ortenbergȱ investigatedȱ theȱ textualȱ problems,ȱ Textkritikȱ 1861.–ȱ C.ȱ Brustonȱ wroteȱ aboutȱ leȱ texteȱ primitif,ȱ 1873.–ȱ E.ȱ Nestleȱ pubȬ lishedȱhisȱPsalteriumȱTetraglottum,ȱ1879.–ȱS.ȱBaerȱanalyzedȱtheȱMasoreticȱ textȱandȱtheȱsystemȱofȱpunctuationȱinȱtheȱpoeticalȱbooks:ȱDasȱAccentuaȬ tionssystemȱ derȱ dreiȱ biblischenȱ Bücherȱ Psalmen,ȱ Sprücheȱ Salomo’sȱ undȱ Iobȱ (publishedȱ asȱ supplementȱtoȱ theȱ commentaryȱ ofȱ F.ȱDelitzsch).–ȱ S.ȱBaerȱ alsoȱ editedȱ theȱ Masoreticȱ textȱ ofȱ theȱ bookȱ ofȱ Psalms:ȱ Liberȱ Psalmorum,ȱ textumȱmasoreticumȱaccuratissimeȱexpressit,ȱeȱfontibusȱmasoraeȱvarieȱillustraȬ vit,ȱ notisȱ criticisȱ confirmavitȱ 1880ȱ (withȱ aȱ prefaceȱ ofȱ F.ȱ Delitzsch).ȱ –ȱ F.ȱ BaethgenȱestimatedȱtheȱtextkritischenȱWertȱderȱaltenȱÜbersetzungen,ȱ1882.ȱ –ȱG.ȱHobergȱwroteȱaboutȱDieȱPsalmenȱderȱVulgata,ȱ1892;ȱL.ȱTechenȱproȬ posedȱaȱSyrischȬhebräischesȱGlossarȱtoȱtheȱPsalmsȱ1897.ȱȱ Theȱ metricsȱ ofȱ poetryȱ wereȱ intensivelyȱ studiedȱ byȱ E.ȱ Meierȱ (Dieȱ Formȱderȱ hebräischenȱ Poesie,ȱ 1853);ȱ byȱ J.ȱLeyȱ(Grundzüge,ȱ 1875;ȱ Leitfaden,ȱ 1887);ȱbyȱG.ȱBickelȱ(Carminaȱmetrice,ȱ1882/83);ȱandȱatȱleastȱbyȱE.ȱSieversȱ (StudienȱzurȱhebräischenȱMetrik,ȱ1905).ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 19ȱ Kommentarȱ51894,ȱ52ȱf.ȱ 20ȱȱ Seeȱbelow.ȱ

ȱ

6.ȱBernhardȱDuhm’sȱCommentaryȱofȱ1899ȱ

23ȱ

DatingȱtheȱPsalmsȱremainedȱaȱtopicȱofȱdebateȱinȱallȱcommentaries,ȱ cf.ȱ especiallyȱ F.ȱ Giesebrecht:ȱ Überȱ dieȱ Abfassungszeitȱ desȱ Psalters,ȱ 1881.ȱ TheȱmusicȱwasȱstudiedȱbyȱO.ȱStraußȱ(PsalterȱalsȱGesangȬȱundȱGebetbuch,ȱ 1859),ȱ J.ȱK.ȱ Zennerȱ (Dieȱ Chorgesänge,ȱ 1896),ȱ O.ȱ Fleischer,ȱ (NeumenȬ Probleme,ȱ1895–97),ȱJ.ȱKöberleȱ(DieȱTempelsänger,ȱ1899),ȱA.ȱBüchlerȱ(Zurȱ Geschichteȱ derȱ Tempelmusikȱ undȱ derȱ Tempelpsalmen,ȱ 1899/00)ȱ andȱ others.ȱ TheȱproblemȱofȱtitlesȱandȱsuperscriptionsȱandȱtheȱprocessȱofȱredacȬ tionȱwereȱexplored,ȱespeciallyȱe.ȱg.ȱbyȱHamȱ(1871),ȱA.ȱNeubauerȱ(1890),ȱ W.ȱStaerkȱ(1892),ȱB.ȱJacobȱ(1896),ȱW.ȱRiedelȱ(1899).ȱ OfȱspecialȱinterestȱandȱwidespreadȱinfluenceȱwereȱtheȱstudiesȱofȱK.ȱ Buddeȱ onȱ theȱ lamentationȱ forȱ aȱ death,ȱ theȱ Hebrewȱ qinaȱ (“LeichenȬ klage”)ȱ withȱ itsȱ typicalȱ limpingȱ meterȱ (3+2)ȱ (“Dasȱ hebräischeȱ KlageȬ lied”,ȱ1882/91).ȱHisȱobjectȱwasȱprimarilyȱtheȱbookȱofȱLamentations.ȱAndȱ lastȱbutȱnotȱleastȱthereȱwasȱaȱgreatȱnumberȱofȱmoreȱorȱlessȱsmallȱstudiesȱ onȱpsalmicȱnotionsȱandȱconceptionsȱe.ȱg.ȱofȱR.ȱSmendȱ(ÜberȱdasȱIchȱderȱ Psalmen,ȱ1888);ȱA.ȱRahlfsȱ(\Q>ȱundȱ ZQ>ȱinȱdenȱPsalmen,ȱ1892);ȱF.ȱCoblentzȱ (ÜberȱdasȱbetendeȱIch,ȱ1897)ȱandȱothers.ȱ Lookingȱ atȱ theȱ bibliographyȱ oneȱ canȱ seeȱ thatȱ theȱ termȱ “critical”ȱ playedȱanȱeverȱincreasingȱroleȱinȱtheȱtitlesȱofȱstudiesȱandȱinȱtheȱdiscusȬ sionsȱ ofȱ biblicalȱ poetry.ȱ Newȱ linesȱ wereȱ alsoȱ manifestȱ inȱ theȱ criticalȱ analysisȱofȱtheȱbooksȱofȱJobȱandȱSongȱofȱSongs.ȱ

6.ȱBernhardȱDuhm’sȱCommentaryȱofȱ1899ȱ AlthoughȱB.ȱDuhmȱwasȱofȱtheȱopinionȱ–ȱasȱR.ȱSmendȱrelates21ȱ–ȱ“dassȱ manȱ durchȱ Commentareȱ dummȱ wird”ȱ (oneȱ willȱ becomeȱ stupid)ȱ –ȱ heȱ wroteȱcommentariesȱonȱJob,ȱIsaiah,ȱJeremiah,ȱtheȱTwelve,ȱandȱtheȱPsalȬ terȱ ofȱ greatȱ importanceȱ forȱ researchȱ upȱ toȱ theȱ presentȱ day.ȱ Theȱ comȬ mentariesȱonȱJobȱandȱtheȱPsalmsȱmayȱnotȱbeȱtheȱmostȱimportantȱonesȱ–ȱ thisȱmayȱbeȱtrueȱforȱtheȱcommentariesȱofȱIsaiahȱandȱJeremiahȱ–ȱbutȱtheyȱ areȱtheȱmostȱpopular.ȱNotoriousȱisȱtheȱoutȬspokenȱlanguage,ȱtheȱpeneȬ tratingȱcriticismȱofȱtheȱ“piousȱpoetry“ȱofȱtheȱwritingsȱaboutȱtheȱPsalms.ȱ Manyȱ readersȱ areȱ shockedȱ atȱ hisȱ censorshipȱ andȱ hisȱ extremelyȱ keenȱ judgmentȱonȱtextsȱofȱtheȱHolyȱBible.ȱDuhmȱreadȱthemȱasȱheȱreadȱliteraȬ tureȱinȱgeneral.ȱȱ Theȱ secondȱ halfȱ ofȱ theȱ 19thȱ centuryȱ sawȱ aȱ considerableȱ numberȱ ofȱ importantȱcommentariesȱonȱtheȱPsalms.ȱDifferentȱinȱcharacter,ȱsomeȱofȱ themȱareȱvoluminous,ȱmostȱofȱthemȱcontainȱrichȱlinguisticȱandȱhistoriȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 21ȱ Smend,ȱDeutscheȱAlttestamentler,ȱ122.ȱ

24ȱ

1.ȱStudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱ

calȱmaterials.ȱNoneȱofȱthemȱareȱeasyȱtoȱread,ȱbutȱoneȱparticularȱexamȬ pleȱ isȱ amusingȱ becauseȱ ofȱ itsȱ livelyȱ temperament,ȱ itsȱ extremeȱ criticalȱ positionȱandȱshrewdȱjudgement.ȱItȱwasȱpublishedȱinȱtheȱlastȱyearȱofȱtheȱ centuryȱ 1899ȱ (21922),ȱ scil.ȱ theȱ Kurzerȱ HandȬCommentarȱ zumȱ Altenȱ TestaȬ mentȱbyȱB.ȱDuhm.ȱ Withȱitsȱ312ȱ+ȱ37ȱpagesȱthisȱcommentaryȱ(excludingȱaȱtranslationȱofȱ theȱ text)ȱ thisȱ isȱ oneȱ ofȱ theȱ shorterȱ ones.ȱ Duhm’sȱ translationȱ wasȱ pubȬ lishedȱseparatelyȱ(1899).ȱHeȱbroughtȱoutȱaȱsecondȱeditionȱwithȱaȱtransȬ lationȱofȱtheȱtextȱinȱaȱstichicȱwrittenȱlayoutȱ(1922).ȱEveryȱreaderȱofȱtheȱ commentaryȱ hasȱ theȱ impressionȱ thatȱ itȱ isȱ aȱ workȱ ofȱ relevance.ȱ Manyȱ problemsȱareȱenduringȱandȱhaveȱremainedȱsoȱthroughȱtheȱages.ȱAtȱtheȱ endȱofȱtheȱprefaceȱweȱread:ȱȱ “AmȱMeistenȱhatȱmirȱauchȱbeiȱdieserȱArbeitȱamȱHerzenȱgelegenȱdieȱ Religionsgeschichte.ȱ Ichȱ rechneȱ aufȱ Leser,ȱ dieȱ dieȱ wahreȱ Objektivitätȱ nichtȱimȱFesthaltenȱamȱAltenȱoderȱanȱdenȱjetztȱherrschendenȱMeinunȬ genȱ undȱ inȱ ‚besonnener‘ȱ Abkehrȱ vonȱ neuenȱ Hypothesen,ȱ sondernȱ imȱ unablässigenȱ Strebenȱ nachȱ derȱ meistȱ dunklenȱ undȱ oftȱ fremdartigenȱ Wahrheitȱ erblicken.”ȱ (VIII).ȱ (Duhmȱ triedȱ toȱ findȱ hisȱ ownȱ truth,ȱ whichȱ wasȱ oftenȱ ofȱ aȱ veryȱ strangeȱ character.ȱ Chronologicalȱ andȱ poeticalȱ statementsȱinȱhisȱviewȱareȱonlyȱ“Thesen,ȱVorschlägeȱundȱappellierenȱanȱ dieȱprüfendeȱundȱwennȱnötigȱberichtigendeȱMitarbeitȱdesȱLesers”ȱ(VII).ȱ Fourȱpointsȱconcerningȱtheȱimportanceȱofȱthisȱcommentaryȱareȱworthyȱ toȱnote.ȱ

1.ȱ “Danachȱhalteȱichȱesȱfürȱwahrscheinlich,ȱdassȱunserȱPsalmbuchȱalsȱsolȬ chesȱ unterȱ derȱ Königinȱ Alexandraȱ oderȱ Salomeȱ rundȱ 70ȱ a.ȱChr.ȱ fertigȱ gewordenȱ istȱ undȱ seinenȱEroberungszugȱ durchȱ dieȱ gesamteȱ Judenheitȱ angetretenȱ hat”ȱ (XII).ȱ Thisȱ mayȱ beȱ rightȱ concerningȱ theȱ Psalterȱ asȱ aȱ book.ȱHowever,ȱheȱsupportedȱaȱlateȱdateȱforȱmanyȱindividualȱpsalmsȱasȱ wasȱdoneȱbyȱhisȱpredecessorȱdeȱWette,ȱbecauseȱDuhmȱdidȱnotȱrelyȱonȱ theȱ historicalȱ superscriptionsȱ –ȱ heȱ isȱ speakingȱ ofȱ “pseudohistorischemȱ Kopfschmuck”ȱ(pseudoȬhistoricalȱornament).ȱȱ “KeinȱeinzigerȱPsalmȱbringtȱeinenȱunbefangenenȱundȱtendenzlosenȱ LeserȱauchȱnurȱaufȱdenȱGedanken,ȱdassȱerȱvorexilischȱseinȱkönnteȱoderȱ garȱ müsste”.ȱ Theȱ oldestȱ psalmȱ forȱ himȱ isȱ “dasȱ Volksliedȱ ausȱ derȱ Zeitȱ desȱbabylonischenȱExilsȱPsȱ137”ȱ(XIX).ȱThenȱfollowsȱaȱlongȱperiodȱwithȱ nothing.ȱ“EbensoȱkenneȱichȱkeinenȱPsalm,ȱderȱanȱdieȱpersischeȱZeitȱzuȱ denkenȱveranlasste.”ȱ“HingegenȱscheinenȱmancheȱPsalmenȱinȱderȱgrieȬ chischenȱ Zeitȱ vorȱ Antiochusȱ Epiphanesȱ entstandenȱ zuȱ sein.”ȱ “Dassȱ inȱ

ȱ

6.ȱBernhardȱDuhm’sȱCommentaryȱofȱ1899ȱ

25ȱ

dieȱ Zeitȱ vonȱ 200ȱ vorȱ bisȱ 100ȱ nachȱ Christusȱ auchȱ dieȱ meistenȱ PsalmȬ sammlungenȱundȱjedenfallsȱderȱAbschlussȱdesȱPsaltersȱfallen,ȱwäreȱvonȱ vornhereinȱ wahrscheinlich,ȱ wirdȱ aberȱ zurȱ Gewissheitȱ durchȱ denȱ UmȬ stand,ȱdassȱnichtȱwenigȱPsalmenȱsichȱmitȱvollerȱSicherheitȱalsȱErzeugȬ nisseȱ ebenȱ dieserȱ Zeitȱ erweisenȱ lassen.”ȱ (XII).ȱ Duhmsȱ proposalȱ (“VorȬ schlag”)ȱofȱhistoricalȱdatingȱisȱworthȱquotingȱinȱdetail:ȱ“Aberȱwasȱmagȱ derȱ jüngsteȱ Psalmȱ sein?ȱ Undȱ inȱ welchemȱ Zeitpunktȱ zwischenȱ derȱ AbȬ fassungȱdesȱjüngstenȱPsalmsȱundȱLkȱ13ȱ33ȱmagȱderȱPsalterȱseinenȱAbȬ schlussȱerreichtȱhaben?ȱNachȱmeinerȱÜberzeugungȱgehenȱdieȱjüngstenȱ Psalmenȱ bisȱ zuȱ rundȱ 80ȱ a.ȱChr.”ȱ Concerningȱ theȱ traditionalȱ datingȱ heȱ continued:ȱ “Dasȱ istȱ eineȱ Literarkritik,ȱ dieȱ inȱ denȱ kindlichenȱ Anfängenȱ steckenȱbleibt,ȱaberȱfreilichȱmitȱeinerȱExegeseȱharmoniert,ȱdieȱvorȱjedemȱ schärferenȱ Eindringenȱ inȱ dieȱ historischeȱ Situationȱ undȱ inȱ dieȱ indiviȬ duelleȱ Physiognomieȱ derȱ einzelnenȱ Dichtungenȱ zurückschreckt,ȱ sichȱ mitȱ erbaulichenȱ Gemeinplätzenȱ begnügtȱ oderȱ garȱ durchȱ allegorischeȱ Umdeutungȱ allesȱ konkretȱ Geschichtlicheȱ hinwegschwemmt.ȱ Dieȱ wisȬ senschaftlicheȱLiterarkritikȱdarfȱnichtȱblos,ȱsondernȱmussȱeineȱTraditionȱ vonȱsoȱillegitimerȱArtȱvollkommenȱignorieren;ȱesȱistȱeinȱnichtigerȱSpukȱ soȱ gutȱ wieȱ dasȱ allegorischeȱ Ich,ȱ dasȱ neuerdingsȱ wiederȱ umgeht,ȱ wieȱ zumȱSpottȱaufȱunsereȱEinbildung,ȱdassȱwirȱjetztȱendlichȱunsȱaufȱdieȱreinȱ sachlicheȱundȱhistorischeȱAuslegungȱverständen.”ȱ(XVIII).ȱ “SoȱgewährtȱunsȱfastȱalleinȱdieȱmitȱdemȱJahrȱ168ȱa.ȱChr.ȱbeginnendeȱ EpocheȱwegenȱihresȱReichtumsȱanȱauffallenden,ȱaufregendenȱEreignisȬ senȱ dieȱ Mittel,ȱ eineȱ Anzahlȱ Psalmenȱ mitȱ verhältnismässigȱ grosserȱ SiȬ cherheitȱgenauerȱzuȱdatierenȱ…ȱDieseȱPsalmenȱreichenȱvonȱderȱZeitȱderȱ beginnendenȱ Religionsnotȱ bisȱ inȱ dieȱ Zeitȱ desȱ Alexanderȱ Jannäus,ȱ insȱ zweiteȱDezenniumȱdesȱletztenȱJahrhunderts.ȱTieferȱhinabȱscheinenȱkeiȬ neȱ Spurenȱ zuȱ führen,ȱ wennȱ manȱ vonȱ einzelnenȱ Zusätzenȱ undȱ ÄndeȬ rungenȱ absieht.”ȱ (XIX).ȱ “Einenȱ ganzȱ festenȱ Bodenȱ hatȱ manȱ unterȱ denȱ FüssenȱbeiȱPsȱ74.ȱErȱistȱhervorgegangenȱausȱderȱgewaltigenȱErregung,ȱ inȱ dieȱ dieȱ frommenȱ undȱ patriotischenȱ Judenȱ durchȱ dieȱ Gewaltthatenȱ undȱ dieȱ Massregelnȱ versetztȱ wurden,ȱ durchȱ dieȱ Antiochusȱ Epiphanesȱ dieȱjüdischeȱReligionȱunterdrückenȱwollte.”ȱ(XX).ȱȱ Duhmȱ daresȱ toȱ giveȱ differentȱ classifications.ȱ Thereȱ areȱ “vorȬ makkabäischeȱ Psalmen”,ȱ “Psalmenȱ ausȱ derȱ Zeitȱ derȱ makkabäischenȱ Kämpfe”,ȱ “Psalmenȱ ausȱ derȱ Zeitȱ derȱ hasmonäischenȱ Hohenpriester”,ȱ “Psalmenȱ ausȱ derȱ Zeitȱ derȱ hasmonäischenȱ Könige”,ȱ “Pharisäischeȱ Kampfpsalmen”ȱandȱdatesȱtheseȱtextsȱwithinȱonlyȱaȱfewȱdecades,ȱfromȱ 168ȱBCȱuntilȱ80ȱBC.ȱ Butȱ heȱ alsoȱ hasȱ inȱ mindȱ thatȱ manyȱ textsȱ “wederȱ mitȱ derȱ äusserenȱ Zeitgeschichte,ȱnochȱmitȱParteiinteressenȱetwasȱzuȱtunȱ(haben),ȱsondernȱ …ȱ ausȱ solchenȱ persönlichenȱ Lebensgeschickenȱ hervorgegangenȱ (sind),ȱ

26ȱ

1.ȱStudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱ

wieȱsieȱüberallȱundȱzuȱallenȱZeitenȱvorkommen,ȱoderȱbehandelnȱganzȱ allgemeineȱ Stoffeȱ undȱ Fragen,ȱ Gedankenȱ undȱ Gefühle.”ȱ (XXII).ȱ Everywhereȱ heȱ foundȱ reflectedȱ “dieȱ religionsgeschichtlicheȱ EntwickȬ lungȱderȱletztenȱJahrhunderte”,ȱtheȱtimeȱ“woȱderȱdurchȱEsraȱendgiltigȱ begründeteȱNomismus,ȱwoȱGesetzȱundȱWandelȱimȱGesetz,ȱTempelȱundȱ Tempelkult,ȱ Schriftgelehrsamkeit,ȱ jüdischerȱ Partikularismusȱ undȱ monotheistischerȱUniversalismus,ȱapokalyptischeȱTheorienȱallemȱDichȬ tenȱundȱTrachtenȱzuȱGrundeȱliegen.”ȱ(XXIII)ȱItȱhasȱtoȱbeȱaccepted,ȱthatȱ theseȱtextsȱareȱnotȱearlierȱthanȱtheȱ4thȱcenturyȱandȱasȱoldȱasȱallȱorȱmostȱ ofȱtheȱtextsȱthatȱcanȱbeȱdated.ȱȱ AsȱtoȱPsȱ1ȱheȱwasȱofȱtheȱopinionȱthat:ȱ“DiesȱanspruchsloseȱMaschalȱ mussȱschonȱdarumȱjungȱsein,ȱweilȱesȱganzeȱSätzeȱausȱdenȱ‚nebiim‘ȱ(Jerȱ 17,7ȱff.ȱ Josȱ 1,8)ȱ inȱ allerȱ Unbefangenheitȱ herübernimmt,ȱ ohneȱ denȱ VorȬ wurfȱ desȱ Plagiatsȱ zuȱ besorgen:ȱ offenbarȱ sindȱ Josuaȱ undȱ Jerȱ fürȱ denȱ Verf.ȱschonȱheiligeȱBücher.ȱSollteȱesȱvonȱAnfangȱanȱzuȱeinemȱVorwortȱ fürȱ denȱ Psalterȱ bestimmtȱ gewesenȱ sein,ȱ soȱ müssteȱ seineȱ Abfassungȱ inȱ dasȱ letzteȱ Jahrh.ȱ vorȱ Chr.ȱ fallen.ȱ Esȱ könnteȱ auchȱ ausȱ einerȱ Thorarolle,ȱ demȱesȱalsȱMottoȱdiente,ȱherausgenommenȱundȱdannȱetwasȱälterȱsein,ȱ aberȱgewissȱnichtȱviel.”22ȱFirstȱcenturyȱorȱnotȱmuchȱearlier.ȱ

2.ȱ Theȱ secondȱ characteristicȱ featureȱ ofȱ theȱ commentaryȱ isȱ thatȱ Duhmȱ noȱ longerȱsaysȱthatȱtheȱPsalterȱwasȱtheȱ“bookȱofȱhymnsȱorȱaȱliturgicalȱbookȱ ofȱtheȱJewishȱcommunity”.ȱInsteadȱheȱsawȱtheȱPsalterȱasȱaȱpopularȱreliȬ giousȱbookȱ(“religiösesȱVolksbuch”).ȱHeȱconsideredȱtheȱaestheticȱqualiȬ tyȱ ofȱ manyȱ textsȱ asȱ “mittelmäßig”ȱ (mediocre).ȱ Butȱ thereȱ wereȱ alsoȱ worldwideȱmasterpiecesȱofȱlyricalȱpoems.ȱ Oftenȱquoted,ȱDuhmsȱopinionȱofȱPsȱ119,ȱwhichȱheȱconsideredȱtoȱbeȱ theȱ mostȱ worthlessȱ productionȱ whichȱ everȱ blackenedȱ paperȱ (“dasȱ inȬ haltlosesteȱProdukt,ȱdasȱjemalsȱPapierȱschwarzȱgemachtȱhat”)ȱ–ȱaȱgroȬ tesqueȱmisunderstandingȱofȱthisȱsapientalȱanthology.ȱLessȱknownȱisȱtheȱ factȱthatȱheȱmadeȱaȱtranslationȱofȱpsalmȱ119ȱcopyingȱinȱquiteȱaȱcharmȬ ingȱ fashionȱ theȱ alphabeticȱ structureȱ ofȱ thisȱ text.ȱ Heȱ perceivedȱ theȱ pedagogicalȱaimȱofȱtheȱPsalterȱasȱaȱbook:ȱ“FürȱdieȱletztenȱHerausgeberȱ desȱPsalters,ȱdieȱihnȱinȱ dieȱ Laienweltȱ brachten,ȱ mussȱ manȱ daherȱnichtȱ etwaȱdieȱPriester,ȱdieȱFunktionäreȱdesȱTempels,ȱsondernȱdieȱSchriftgeȬ lehrtenȱ halten,ȱ die,ȱ wennȱ manȱ soȱ sagenȱ darf,ȱ einȱ Interesseȱ anȱ derȱ DeȬ mokratisierungȱdesȱKultsȱimȱweiterenȱSinneȱ…ȱhatten.”ȱ(XXIV).ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 22ȱ Psalmen,ȱ5.ȱ

ȱ

6.ȱBernhardȱDuhm’sȱCommentaryȱofȱ1899ȱ

27ȱ

“Richtigerȱistȱesȱdaherȱzuȱsagen,ȱdassȱdieȱVeranstalterȱundȱHerausȬ geberȱderȱPsalmsammlungȱdieȱAbsichtȱhatten,ȱeinȱreligiösesȱVolksbuchȱ zuȱ schaffen,ȱ dasȱ demȱ Laienȱ zwarȱ auchȱ dieȱ Mittelȱ gewährte,ȱ gewissenȱ Ansprüchenȱ desȱ Tempelkultsȱ zuȱ genügenȱ (dieȱ Gelübdelieder),ȱ aberȱ hauptsächlichȱdazuȱbestimmtȱwar,ȱihmȱalsȱAndachtsȬȱundȱLesebuchȱzuȱ dienen,ȱihnȱinȱderȱDisziplinȱderȱnomistischenȱReligionȱzuȱerhalten,ȱihnȱ zumȱ Studiumȱ undȱ zurȱ Befolgungȱ desȱ Gesetzesȱ anzufeuern:ȱ soȱ hatȱ esȱ auchȱ derȱ Verfasserȱ desȱ Prologs,ȱ Psȱ 1,ȱ gemeint.”ȱ (XXIV).ȱ “Einȱ grosserȱ TeilȱderȱPsalmenȱistȱwahrscheinlichȱüberhauptȱniemalsȱamȱTempelȱgeȬ sungenȱ worden.”ȱ “Vieleȱ Psalmenȱ sindȱ gewissȱ niemalsȱ undȱ nirgendsȱ gesungenȱ worden.”ȱ “Undȱ ausȱ demȱ neuenȱ Testamenteȱ sehenȱ wir,ȱ dassȱ derȱPsalterȱauchȱalsȱreligiösesȱLehrbuchȱgalt,ȱdemȱmanȱLehrsätzeȱoderȱ dieȱ Argumenteȱ dafürȱ entnehmenȱ konnte.”ȱ Theȱ editorsȱ ofȱ theȱ Psalterȱ aimedȱatȱtheȱdemocratizationȱandȱpopularizationȱofȱtheȱpriestlyȱcult.ȱ

3.ȱ Theȱ thirdȱ featureȱ isȱ thatȱ Duhmȱ hadȱ anȱ imaginativeȱ viewȱ toȱ theȱ socialȱ realityȱofȱtheȱtimeȱofȱtheȱPsalms.ȱ“UndȱwoȱgäbeȱesȱeinȱSchriftthumȱvonȱ gleichemȱUmfang,ȱinȱdemȱsoȱvielȱvonȱSpionirenȱundȱVerleumden,ȱvonȱ Haßȱ undȱ Verachtungȱ geredetȱ würde,ȱ wieȱ imȱ Psalter!ȱ Manȱ stelltȱ sichȱ nachȱdemȱLeben,ȱwünschtȱsichȱgegenseitigȱzurȱHölle,ȱdrohtȱmitȱGottesȱ undȱmitȱeigenerȱRache,ȱverfluchtȱselbstȱKindȱundȱWeibȱdesȱGegnersȱ…ȱ Keinȱ Zugȱ trittȱ inȱ demȱ culturhistorischenȱ Bilde,ȱ dasȱsichȱ imȱ Psalterȱ abȬ spiegelt,ȱ soȱ starkȱ hervorȱ wieȱ derȱ derȱ allgemeinenȱ Verhetzung.”ȱ23ȱ Theȱ problemȱofȱenemiesȱinȱtheȱPsalmsȱhasȱtoȱbeȱsolved.ȱHeȱunderstoodȱtheȱ trueȱmeaningȱbehindȱtheȱtextsȱandȱdiscernedȱtheirȱreflectionȱofȱtheȱtrueȱ societyȱofȱtheȱtimeȱandȱofȱtheȱwholeȱofȱantiquity.ȱHeȱfoundȱaȱsociologiȬ calȱmethodȱwhileȱexplainingȱtheȱcircumstancesȱandȱconditionsȱofȱlifeȱofȱ theȱ psalmists.ȱ “Verhetzung”ȱ (incitement)ȱ isȱ hisȱ termȱ forȱ socialȱ situaȬ tionsȱwithȱnegativeȱcommunication.ȱȱ WhoȱwishesȱtoȱfindȱonlyȱtheologyȱinȱtheȱPsalms,ȱ“übersiehtȱnurȱzuȱ gerne,ȱinȱwelcherȱWeltȱundȱfürȱwelcheȱMenschenȱdieȱPsalmenȱentstanȬ denȱsind”.ȱForȱDuhmȱtheseȱareȱjustȱtheȱsameȱpeopleȱinȱtheȱsameȱsocialȱ reality,ȱ“dieȱLeute,ȱ dieȱspäterȱ aufhorchtenȱ undȱ herbeiströmten,ȱalsȱ dieȱ Armen,ȱdieȱDemüthigenȱundȱFriedfertigenȱseligȱgepriesenȱwurden,ȱalsȱ esȱ hieß:ȱ dasȱ Himmelreichȱ istȱ naheȱ herbeigekommen,ȱ alsȱ dieȱ Kraftȱ ausȱ derȱHöheȱsichȱoffenbarte.”ȱ24ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 23ȱ Duhm,ȱDieȱPsalmenȱübersetztȱ(21907),ȱXVIII.ȱ 24ȱ EndȱofȱtheȱPrefaceȱ(21922).ȱ

28ȱ

1.ȱStudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱ

WithȱtheseȱwordsȱtheȱprefaceȱofȱtheȱsecondȱeditionȱofȱDuhm’sȱhisȬ toricalȬcriticalȱcommentaryȱofȱtheȱPsalmsȱisȱconcluded.ȱ

7.ȱOutlookȱintoȱtheȱ20thȱCenturyȱ

ȱ

ȱ“History,ȱreligion,ȱliterature”ȱ–ȱtheseȱsubjectsȱaloneȱandȱinȱcombinationȱ wereȱtheȱcentralȱconceptsȱ(“Leitbegriffe”)ȱinȱtheȱresearchȱandȱstudyȱofȱ theȱBible,ȱincludingȱtheȱOldȱTestamentȱandȱtheȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱcenȬ tury.ȱAndȱitȱwasȱveryȱsuccessfulȱasȱweȱcanȱseeȱreviewingȱtheȱrichnessȱofȱ exegeticalȱ productionsȱ ofȱ thisȱ period.ȱ Theȱ investigationȱ ofȱ theȱ Psalmsȱ wasȱguidedȱbyȱ practicalȱneedsȱ toȱuseȱandȱunderstandȱ theȱ textsȱ inȱ serȬ viceȱandȱmeditation.ȱButȱitȱwasȱalwaysȱinfluencedȱbyȱtheȱmethodȱofȱtheȱ periodȱ whichȱ wasȱ historical,ȱ linguisticȱ andȱ criticalȱ inȱ comparingȱ theseȱ textsȱ withȱ otherȱ textsȱ internalȱ andȱ external.ȱ Theȱ viewȱ wasȱ developingȱ towardsȱ aȱ clearȱ pictureȱ ofȱ theȱ historyȱ ofȱ religion.ȱ Towardsȱ theȱ endȱ ofȱ theȱcenturyȱT.ȱK.ȱCheyneȱpostulated:ȱ“Atȱtheȱpresentȱjunctureȱweȱseemȱ toȱneedȱaȱmoreȱcriticalȱstudyȱofȱtheȱfactsȱwhichȱconditionȱtheȱoutwardȱ formȱofȱChristianity.ȱSomeȱofȱtheȱmostȱimportantȱofȱtheseȱareȱofȱcourseȱ toȱbeȱfoundȱinȱtheȱOldȱTestament,ȱasȱtheȱcrownȱofȱwhichȱweȱmayȱjustlyȱ regardȱtheȱPsalms.ȱTheȱhistoryȱofȱtheȱgrowthȱofȱtheȱPsalterȱmustȱthereȬ foreȱ firstȱ ofȱ allȱ beȱ studied,ȱ andȱ ifȱ theȱ wholeȱ ofȱ it,ȱ practically,ȱ shouldȱ proveȱ toȱ belongȱ toȱ theȱ greatȱ postȬExilicȱ period,ȱ weȱ shallȱ haveȱ toȱ comȬ pareȱ theȱ religiousȱ ideasȱ ofȱ theȱ Psalter,ȱ obtainedȱ byȱ aȱ carefulȱ exegesis,ȱ withȱthoseȱofȱtheȱpeoplesȱwithȱwhomȱtheȱIsraelitesȱcameȱintoȱtheȱclosestȱ contact.”25ȱ Theȱanswerȱwasȱgivenȱatȱtheȱbeginningȱofȱtheȱ20thȱ century,ȱfirstȱbyȱ theȱ foundingȱ ofȱ theȱ “Religionsgeschichtlicheȱ Schule”,ȱ thenȱ byȱ H.ȱGunkelȱandȱhisȱinvestigationȱofȱtheȱhistoryȱofȱliteratureȱ(“LiteraturȬ geschichte,ȱ Gattungsgeschichte”)ȱ andȱ byȱ studiesȱ onȱ theȱ widespreadȱ andȱ growingȱ discoveriesȱ inȱ theȱ worldȱ ofȱ theȱ orientalȱ antiquity. ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 25ȱ Cheyne,ȱTheȱOriginȱandȱReligiousȱContentsȱofȱtheȱPsalterȱ(1891),ȱX.ȱ

ȱ

Bibliographyȱ

29ȱ

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30ȱ

1.ȱStudyȱofȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCenturyȱ

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ȱ

ȱ

ȱ

2.ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmenȱ ȱ ȱ Esȱ istȱ überliefert,ȱ dassȱ deȱWetteȱ aufȱ demȱ Totenbettȱ inȱ seinemȱ Hausȱ inȱ Basel,ȱBrunngässleinȱ11ȱ–ȱdasȱlagȱhinterȱdemȱheutigenȱKunstmuseumȱ–ȱ nochȱeinigeȱVerseȱgedichtetȱhat:ȱ Engelstimmenȱklingen:ȱ „Lieber,ȱkommȱinȱunsernȱChor!ȱ DeineȱLiederȱdringenȱ HochȱzuȱGottesȱThronȱempor.“ȱ UndȱderȱSängerȱneigteȱ SanftȱdasȱHauptȱzuȱihremȱLied.ȱ Er,ȱderȱunerreichteȱSängerȱheilgerȱLieder,ȱneigteȱ SanftȱseinȱtheuresȱHauptȱundȱschied.ȱ

Ernstȱ Staehelin,ȱ derȱ Sammlerȱ undȱ Herausgeberȱ derȱ Dewettiana,ȱ demȱ dieseȱ Zeilenȱ ausȱ deȱ Wettesȱ Familieȱ übermitteltȱ wordenȱ waren,ȱ merktȱ dazuȱ an:ȱ „Esȱ scheint,ȱ daßȱ deȱ Wetteȱ denȱ Sängerȱ derȱ alttestamentlichenȱ Psalmenȱ imȱ Sinnȱ hat;ȱ mitȱ demȱ Psalterȱ hatȱ erȱ sichȱ inȱ derȱ Tatȱ inȱ seinerȱ theologischenȱ Arbeitȱ besondersȱ intensivȱ beschäftigt.“ȱ1ȱ Ohneȱ dieserȱ bewegendenȱ Visionȱ desȱ Sterbendenȱ durchȱ eineȱ Auslegungȱ zuȱ naheȱ tretenȱzuȱwollen,ȱwirdȱmanȱdarüberȱhinausȱdochȱsagenȱdürfen,ȱdassȱinȱ ihrȱdieȱlangeȱGeschichteȱeinerȱkritischenȱBeschäftigungȱmitȱeinemȱProbȬ lemȱ zuȱ ihremȱ irdischenȱ Endeȱ kam,ȱ umȱ dasȱ dieȱ Gedankenȱ deȱ Wettesȱ offenbarȱunaufhörlichȱkreistenȱundȱdasȱseineȱArbeitȱanȱdenȱbiblischenȱ Psalmenȱbestimmte:ȱdieȱFrageȱnämlichȱderȱdavidischenȱVerfasserschaft.ȱ SoȱkönnenȱwirȱinȱjenenȱVersenȱzugleichȱdasȱZeugnisȱeinerȱletztenȱHoffȬ nungȱsehen:ȱdassȱnunmehrȱdasȱihnȱoffenbarȱfortwährendȱbedrängendeȱ Problemȱ derȱ Herkunftȱ undȱ Abfassungȱ derȱ Psalmenȱ einerȱ endgültigenȱ Lösungȱnaheȱwar.ȱ NatürlichȱwarȱesȱnichtȱdasȱeinzigeȱProblem,ȱdasȱihnȱimȱBlickȱaufȱdieȱ Psalmenȱ beschäftigte.ȱ Aberȱ esȱ ließȱ ihnȱ offenbarȱ nichtȱ los,ȱ wennȱ erȱ seiȬ nenȱBlickȱaufȱjeneȱTexteȱrichtete,ȱdieȱerȱ„lyrischeȱGedichte“ȱnannte,ȱundȱ seineȱ unvergleichlicheȱ wissenschaftlicheȱ Gewissenhaftigkeitȱ ließȱ esȱ offenbarȱnichtȱzu,ȱbeiȱderȱBehandlungȱjederȱPsalmüberschrift,ȱdieȱeinenȱ Textȱ Davidȱ zuschrieb,ȱ dieȱ fürȱ ihnȱ seitȱ frühenȱ Tagenȱ eigentlichȱ festȬ stehende,ȱ radikalȬkritischeȱ Sichtȱ nichtȱ erneutȱ zuȱ diskutieren.ȱ Weilȱ esȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ

200.ȱVgl.ȱRogersonȱ1992,ȱ264ȱf.ȱ

36ȱ

2.ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmenȱ

nunȱeinmalȱsoȱüberliefertȱwar,ȱsahȱerȱsichȱgezwungen,ȱwiederȱdarüberȱ nachzudenken.ȱ Undȱ selbstȱ inȱ seinerȱ Schriftȱ „Ueberȱ dieȱ erbaulicheȱ ErȬ klärungȱ derȱ Psalmen“,ȱ dieȱ erȱ –ȱ ausȱ praktischȬtheologischenȱ Übungenȱ entstandenȱ–ȱalsȱBeilageȱzuȱderȱviertenȱundȱletztenȱvonȱihmȱbearbeiteȬ tenȱ Auflageȱ seinesȱ Psalmenkommentarsȱ 1836ȱ herausgab,ȱ spielteȱ dieseȱ Frageȱ eineȱ nichtȱ unerheblicheȱ Rolle.ȱ Fürȱ ihnȱ vereinenȱ sichȱ beiȱ diesemȱ Problemȱ offenbarȱ verschiedeneȱ Aspekte,ȱ dieȱ seinȱ Verständnisȱ derȱ Psalmtexteȱ bestimmen:ȱ dieȱ historischeȱ Frage:ȱ „dieȱ Psalmenȱ mitȱ Hülfeȱ derȱ Geschichteȱ aufȱ dieȱ Situationȱ desȱ Verfassers,ȱ inȱ derȱ sieȱ veranlasstȱ undȱ gedichtetȱ wurden,ȱ zuȱ beziehenȱ undȱ durchȱ dieseȱ Beziehungȱ zuȱ erläutern“ȱ2,ȱ undȱ dieȱ literarischeȱ Frageȱ nachȱ „Ursprungȱ undȱ AusȬ bildungȱderȱlyrischenȱPoesieȱderȱHebräer“ȱ3.ȱBeideȱkulminierenȱfürȱihnȱ inȱderȱGestaltȱDavids,ȱderȱihmȱstetsȱalsȱ„Meister“ȱinȱderȱlyrischenȱKunstȱ undȱalsȱSängerȱvorȱAugenȱgestandenȱhat.ȱ

I.ȱ Derȱ „Commentarȱ überȱ dieȱ Psalmen“ȱ warȱ dasȱ bleibendeȱ Ergebnisȱ vonȱ deȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmen.ȱEsȱistȱderȱeinzigeȱKommentar,ȱdenȱerȱ zumȱAltenȱTestamentȱgeschriebenȱhat.ȱErȱerschienȱbeiȱMohrȱundȱZimȬ merȱ inȱ Heidelbergȱ 1811,ȱ alsȱ deȱ Wetteȱ schonȱ inȱ Berlinȱ war.ȱ VoraufȬ gegangenȱ warȱ ihmȱ eineȱ kleinereȱ Schriftȱ mitȱ demȱ Titel:ȱ „Beytragȱ zurȱ Charakteristikȱ desȱ Hebraismus“ȱ vonȱ 1807,ȱ dieȱ eineȱ ersteȱ intensiveȱ BeȬ schäftigungȱ mitȱ denȱ Psalmenȱ erkennenȱ lässt,ȱ wobeiȱ ihnȱ besondersȱ dieȱ Religionȱ derȱ Psalmenȱ interessierte.ȱ Vorȱ allemȱ fandȱ seinȱ persönlichesȱ Interesseȱ dieȱ Bewältigungȱ derȱ Widerspücheȱ imȱ Lebenȱ undȱ desȱ „UnȬ glücks“ȱ inȱ denȱ individuellenȱ Gebeten,ȱ dieȱ erȱ alsȱ „Unglückspsalmen“ȱ bezeichneteȱ undȱ alsȱ besondereȱ Gruppeȱ heraushob.ȱ Derȱ „Commentar“ȱ istȱ inȱ derȱ Heidelbergerȱ Zeitȱ dannȱ inȱ denȱ Jahrenȱ 1807ȱ bisȱ 1810ȱ entstanȬ den.ȱ Erȱ warȱ gedachtȱ alsȱ Paradigmaȱ (heuteȱ würdeȱ manȱ sagenȱ „PilotȬ modell“)ȱ fürȱ eineȱ Kommentarreiheȱ zumȱ ganzenȱ Altenȱ Testamentȱ undȱ alsȱErgänzungȱzuȱderȱÜbersetzungȱdesȱgesamtenȱAltenȱTestaments,ȱdieȱ derȱ29jährigeȱ1809ȱzusammenȱmitȱdemȱwenigȱälterenȱJenaerȱOrientalisȬ tenȱ Johannȱ Christianȱ Wilhelmȱ Augustiȱ alsȱ „jointȱ venture“ȱ4ȱ herausȬ gegebenȱhatte.ȱDeȱWetteȱhatteȱdortȱdieȱPsalmenȱübernommen.ȱZuȱdemȱ Kommentarwerkȱ kamȱ esȱ nicht.ȱ Alleinȱ derȱ „Commentarȱ überȱ dieȱ PsalȬ men“ȱbliebȱvonȱdemȱGroßprojektȱübrig.ȱErȱerlebteȱzuȱLebzeitenȱdeȱWetȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 2ȱ 3ȱ 4ȱ

1856,ȱ64.ȱ AbschnittȱII,ȱ5.ȱ Rogersonȱ1992,ȱ69.ȱ

ȱ

I.ȱ

37ȱ

tesȱ vierȱ Auflagenȱ (1811,ȱ 1823,ȱ 1829ȱ undȱ 1836),ȱ alleȱ beiȱ J.ȱC.ȱB.ȱ Mohrȱ inȱ Heidelberg.ȱDieȱAuflagenȱzweiȱbisȱvierȱhatȱerȱinȱBaselȱbearbeitet,ȱwobeiȱ offenbarȱ derȱ Margarethenhügelȱ inȱ Binningenȱ eineȱ gewisseȱ Rolleȱ geȬ spieltȱhat.5ȱȱ DerȱKommentarȱwarȱeinȱJugendwerk.ȱAberȱesȱwarȱeinȱMeisterwerk.ȱ Inȱ derȱ erstenȱ Auflageȱ vielleichtȱ mitȱ Unausgeglichenheiten,ȱ dieȱ zuȬ nehmendȱverbessertȱwurden.ȱInȱderȱletztenȱAuflageȱerstȱkamȱeineȱfortȬ laufendeȱ Übersetzungȱ dazu,ȱ wobeiȱ erȱ dieȱ zweite,ȱ vonȱ ihmȱ alleinȱ verȬ antworteteȱ Übersetzungȱ derȱ gesamtenȱ Bibelȱ (2.ȱ Auflage,ȱ Heidelbergȱ 1831)ȱ zugrundeȱ legte.ȱ Schonȱ beiȱ derȱ Lektüreȱ derȱ erstenȱ Auflageȱ fragtȱ manȱ sich,ȱ weshalbȱ danachȱ überhauptȱ nochȱ Psalmenkommentareȱ geȬ schriebenȱ wurden.ȱ Auchȱ fürȱ denȱ Psalmenkommentarȱ giltȱ Juliusȱ WellȬ hausensȱ Diktumȱ ausȱ anderemȱ Zusammenhang:ȱ „Esȱ stehtȱ allesȱ schonȱ beiȱdeȱWette“.ȱWasȱhierȱgebotenȱwirdȱanȱHilfenȱfürȱdasȱsprachlicheȱundȱ historischeȱ Verständnisȱ derȱ Texte,ȱ istȱ –ȱ vollendsȱ inȱ denȱ höherenȱ AufȬ lagen,ȱ daȱ derȱ Einflussȱ vonȱ Wilhelmȱ Geseniusȱ spürbarȱ wirdȱ –ȱ kaumȱ jeȱ wiederȱ erreichtȱ worden.ȱ Fragtȱ man,ȱ weshalbȱ diesesȱ epochaleȱ Werkȱ nichtȱ zuȱ derȱ Anerkennungȱ gekommenȱ ist,ȱ dieȱ esȱ verdient,ȱ mussȱ manȱ wohlȱ dieȱ Ursacheȱ inȱ derȱ 5.ȱ Auflageȱ desȱ Kommentarsȱ suchen,ȱ dieȱ vonȱ GustavȱBaurȱinȱGießenȱ1856ȱherausgegebenȱwurde,ȱundȱinȱmeinenȱAuȬ genȱ dasȱ schlimmsteȱ Beispielȱ dafürȱ ist,ȱ wieȱ einȱ Herausgeberȱ dasȱ ihmȱ anvertrauteȱ Werkȱ misshandelnȱ undȱ verhunzenȱ konnte.ȱ Zwarȱ hatȱ dieȱ Auflageȱ dasȱ Verdienst,ȱ einigeȱ Bemerkungenȱ ausȱ deȱ Wettesȱ HandȬ exemplarȱ undȱ vorȱ allemȱ jeneȱ schonȱ genannteȱ „erbaulicheȱ Erklärung“ȱ beigefügtȱzuȱhaben;ȱdasȱwirdȱaberȱdadurchȱaufgewogen,ȱdassȱderȱVerȬ fasserȱposthumȱvonȱorthodoxerȱWarteȱgemaßregeltȱwird,ȱdassȱihmȱdieȱ „richtige“ȱ Auffassungȱ insȱ eigeneȱ Buchȱ hineinkorrigiertȱ wurde,ȱ dassȱ manȱ denȱ Vergleichȱ mitȱ demȱ Rotstiftȱ imȱ Schüleraufsatzȱ nichtȱ losȱ wird.ȱ Schade.ȱManȱgreifeȱlieberȱzuȱdenȱerstenȱAuflagen,ȱwennȱsieȱdennȱnochȱ greifbarȱsind.ȱ Mitȱ demȱ Werkȱ vonȱ 1811ȱ hatȱ deȱ Wetteȱ dasȱ Musterȱ einesȱ –ȱ wieȱ erȱ sagt:ȱ sprachlichȬhistorischenȱ Kommentarsȱ geschaffen.ȱ Erȱ wurdeȱ zumȱ Vorbild.ȱ Suchtȱ manȱ einenȱ Überblickȱ überȱ dieȱ Kommentarliteraturȱ vorȱ seinerȱ Zeitȱ zuȱ gewinnenȱ undȱ legtȱ dasȱ Literaturverzeichnisȱ derȱ erstenȱ Auflageȱ zugrundeȱ –ȱ eingeleitetȱ durchȱ denȱ galantenȱ Satz:ȱ „Ausȱ demȱ Reichthumeȱ derȱ exegetischenȱ Arbeitenȱ überȱ dieȱ Psalmenȱ möchteȱ fürȱ solche,ȱ dieȱ nichtȱ dieȱ ganzeȱ Literaturȱ umfassen,ȱ sondernȱ nurȱ dasȱ VorȬ züglichsteȱundȱBrauchbarsteȱkennenȱlernenȱwollen,ȱfolgendeȱAuswahlȱ zuȱtreffenȱseyn“ȱ6ȱ–,ȱmachtȱmanȱfolgendeȱFeststellungen:ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 5ȱ 6ȱ

Rogersonȱ1992,ȱ198ȱff.ȱ 96.ȱ

38ȱ

2.ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmenȱ

a.ȱ Dieȱ (vonȱ ihmȱ genannte)ȱ klassischeȱ Kommentarliteraturȱ nochȱ desȱ 17.ȱundȱ18.ȱJahrhunderts7,ȱvonȱdenȱjüdischenȱKommentarenȱDavidȱ Kimchi,ȱSalomoȱJarchiȱundȱAbrahamȱAbenȬEsraȱausgehend,ȱistȱmitȱ einerȱscheinbarenȱAusnahme8ȱinȱlateinischerȱSpracheȱabgefasst.ȱDeȱ WetteȱhältȱsichȱnichtȱanȱdieseȱTradition.ȱ b.ȱ Erȱnenntȱdieȱ„Uebersetzungen“ȱzuletztȱundȱführtȱunterȱihnenȱauchȱ solche,ȱdieȱdieȱÜbersetzungȱ„mitȱAnmerkungenȱbegleiten“.ȱOffenȬ barȱsiehtȱsichȱdeȱWetteȱinȱderenȱLinie.ȱSeinȱKommentarȱistȱjaȱohneȬ hinȱ imȱ Zusammenhangȱ mitȱ seinerȱ Bibelübersetzungȱ vonȱ 1809–11ȱ entstanden.ȱ Darausȱ ergibtȱ sich,ȱ dassȱ deȱ Wetteȱ denȱ traditionellenȱ Anmerkungsteilȱ derȱÜbersetzungenȱzumȱselbständigenȱWerkȱgemachtȱhatȱundȱaufȱdieseȱ Weiseȱ –ȱ abȱ 1836ȱ dannȱ mitȱ beigefügterȱ eigenerȱ Übersetzungȱ –ȱ dieȱ GatȬ tungȱ desȱ Kommentarsȱ inȱ deutscherȱ Spracheȱ geprägtȱ hat.ȱ Seineȱ KommentierungȱbietetȱjaȱdannȱauchȱnachȱLiteraturangabenȱ(oftȱfehlenȱ sie)ȱ undȱ kurzerȱ oderȱ längererȱ Charakterisierungȱ desȱ Textinhaltsȱ undȱ derȱ knappenȱ Wiedergabeȱ traditionellerȱ Auffassungenȱ vorȱ allemȱ AnȬ merkungenȱ zuȱ denȱ einzelnenȱ Versen,ȱ oftȱ nurȱ stichwortartig,ȱ oderȱ nurȱ Angabenȱ vonȱ Wortbedeutungenȱ (samtȱ gelegentlichenȱ arabischen,ȱ araȬ mäischen,ȱäthiopischenȱÄquivalentenȱ–ȱinȱOriginalschrift)ȱundȱParallelȬ stellen.ȱ Inȱ denȱ höherenȱ Auflagenȱ sindȱ dieȱ Anmerkungenȱ nichtȱ mehrȱ versȬ,ȱ sondernȱ strophenweiseȱ geordnetȱ –ȱ einȱ deutlicherȱ Fortschrittȱ inȱ derȱstrophischenȱTextgliederung.ȱ Stilȱ undȱ Diktionȱ sindȱ immerȱ gleich.ȱ Kaumȱ einmalȱ erlaubtȱ sichȱ deȱ WetteȱeinȱGefühlsurteilȱoderȱeineȱWertung,ȱfastȱnieȱoderȱganzȱseltenȱistȱ einȱAnflugȱvonȱHumorȱspürbar.ȱEmotionenȱfindenȱsichȱnurȱinȱdenȱAusȬ einandersetzungenȱmitȱanderenȱPositionen.ȱAnsonstenȱmachtȱvorȱallemȱ dieȱ1.ȱAuflageȱdenȱEindruck,ȱinȱeinemȱZugeȱgeschriebenȱzuȱseinȱ–ȱwohlȱ inȱdenȱHeidelbergerȱJahren,ȱundȱd.ȱh.ȱinȱderȱungemeinȱkurzenȱFristȱvonȱ zweiȱbisȱdreiȱJahren.ȱ VorȱundȱnachȱdemȱopusȱmagnumȱdesȱKommentarsȱhatȱsichȱdeȱWetteȱ zwarȱauchȱzuȱdenȱPsalmenȱgeäußert,ȱaberȱnieȱmehrȱsoȱkonzentriertȱundȱ intensivȱwieȱhier.ȱZuȱnennenȱsindȱdieȱkurzenȱkritischenȱBemerkungenȱ imȱ erstenȱ Bandȱ derȱ „Beiträgeȱ zurȱ Einleitung“ȱ (1806/7)9ȱ undȱ dieȱ schonȱ erwähnte,ȱvonȱJohannȱGottfriedȱHerdersȱ„GeistȱderȱebräischenȱPoesie“ȱ „undȱ seinemȱ eigenenȱ Lebensschicksal“ȱ (Verlustȱ seinerȱ Frauȱ Eberhardine)ȱ geprägteȱ Schrift:ȱ „Beytragȱ zurȱ Charakteristikȱ desȱ Hebraismus“ȱ (1807).ȱ Zuȱ nennenȱ sindȱ außerȱ einzelnenȱ Partienȱ inȱ denȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 7ȱ 8ȱ 9ȱ

17ȱTitel,ȱnurȱderȱletzteȱausȱdenȱJahrenȱ1798–1804ȱ(ErnstȱFriedrichȱCarlȱRosenmüller).ȱ Joh.ȱBernh.ȱKöhler,ȱvgl.ȱ98.ȱ 153–159.ȱ

ȱ

II.ȱ

39ȱ

Lehrbüchernȱ zurȱ Archäologie10ȱ (1814)ȱ undȱ zurȱ Einleitung11ȱ (1817)ȱ vorȱ allemȱausȱderȱBerlinerȱundȱBaslerȱZeitȱzuletztȱnochȱdieȱBemühungȱumȱ eineȱ praktischȬtheologischeȱ Verwendungȱ derȱ Psalmenȱ zurȱ „frommenȱ Erbauung“,ȱ woȱ erȱ dieȱ Ergebnisseȱ derȱ vonȱ ihmȱ gehaltenenȱ homiȬ letischenȱSeminareȱ–ȱerȱwarȱjaȱ1822ȱalsȱVertreterȱderȱPraktischenȱTheoȬ logieȱ nachȱ Baselȱ berufenȱ wordenȱ –ȱ wiedergibtȱ undȱ dieȱ Predigtȱ altȬ testamentlicherȱTexte,ȱvorȱallemȱderȱPsalmenȱanregt12ȱ(1836).ȱ

II.ȱ DerȱersteȱSatzȱderȱ„Einleitung“ȱinȱdenȱ„CommentarȱüberȱdieȱPsalmen“ȱ lautet:ȱ„DieȱPsalmenȱsindȱlyrischeȱGedichte.“ȱDamitȱstelltȱdeȱWetteȱseineȱ grundlegendȱneueȱSichtȱgleichȱanȱdenȱAnfang.ȱErȱfragtȱnachȱderȱ„DichȬ tungsart“ȱ derȱ imȱ Psalterȱ überliefertenȱ Texte.ȱ Damitȱ grenztȱ erȱ sichȱ entȬ scheidendȱ abȱ vonȱ demȱ Verständnisȱ derȱ Psalmen,ȱ dasȱ dieȱ Auslegungȱ bisherȱ –ȱ manȱ kannȱ sagen:ȱ seitȱ derȱ Entstehungȱ desȱ Psalters,ȱ imȱ Psalterȱ selbstȱ oderȱ inȱ Qumranȱ imȱ erstenȱ vorchristlichenȱ Jahrhundertȱ belegtȱ –ȱ fraglosȱbeherrschtȱhat:ȱDassȱderȱPsalterȱalsȱheiligeȱSchriftȱnachȱderȱArtȱ seinerȱ literarischenȱ Entstehungȱ nichtȱ befragt,ȱ vielmehrȱ alsȱ inspirierterȱ Textȱ„heiligerȱSchriftsteller“ȱwieȱDavid,ȱMose,ȱSalomoȱu.ȱa.ȱhingenomȬ menȱwurde.ȱDieȱFrageȱnachȱderȱ„Dichtungsart“ȱbringtȱeineȱneueȱKateȬ gorieȱ insȱ Spiel.ȱ Nachȱ derȱ Erklärungȱ derȱ traditionellenȱ Bezeichnungenȱ desȱ Psaltersȱ fährtȱ deȱ Wetteȱ darumȱ fort:ȱ „Lyrischȱ sindȱ dieȱ Psalmenȱ imȱ eigentlichenȱSinne;ȱdennȱbeyȱdenȱHebräern,ȱsoȱwieȱimȱAlterthumȱüberȬ haupt,ȱ warenȱ Dichtungȱ undȱ Gesangȱ undȱ Musikȱ verbunden,ȱ undȱ dieȱ UeberschriftenȱderȱmeistenȱPsalmenȱbestimmenȱdieȱfürȱunsȱfreylichȱunȬ verständlicheȱ Verbindungȱ derselbenȱ mitȱ derȱ Musik.ȱ Auchȱ demȱ ästheȬ tischenȱ Charakterȱ nachȱ verdientȱ dieȱ Psalmenpoesieȱ denȱ Namenȱ derȱ lyrischen.ȱ Dasȱ Wesenȱ derȱ lyrischenȱ Poesieȱ istȱ unmittelbarerȱ Ausdruckȱ derȱ Empfindung,ȱ undȱ Empfindungȱ istȱ dieȱ Sphäre,ȱ inȱ welcherȱ sichȱ dieȱ meistenȱ Psalmenȱ bewegen.ȱ Schmerz,ȱ Betrübniß,ȱ Furcht,ȱ Hoffnung,ȱ Freude,ȱVertrauen,ȱDankbarkeit,ȱErgebenheitȱgegenȱGott,ȱallesȱwasȱdasȱ Herzȱ bewegtȱ undȱ erhebt,ȱ istȱ inȱ diesenȱ Gesängenȱ ausgesprochen.ȱ Dieȱ meistenȱ sindȱ derȱ lebendigeȱ Ergußȱ desȱ gefühlvollenȱ erregtenȱ Herzens,ȱ dasȱfrischeȱErzeugnißȱderȱBegeisterungȱundȱGedankenerhebung,ȱweniȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10ȱ Lehrbuchȱ derȱ hebräischȬjüdischenȱ Archäologieȱ nebstȱ einemȱ Grundrissȱ derȱ hebräȬ ischȬjüdischenȱGeschichte,ȱLeipzigȱ1814ȱ(21830;31842).ȱ 11ȱ Lehrbuchȱ derȱ historischȬkritischenȱ Einleitungȱ inȱ dieȱ Bibelȱ Altenȱ undȱ Neuenȱ TestaȬ mentsȱI,ȱBerlinȱ1817ȱ(61844).ȱ 12ȱ ÜberȱdieȱerbaulicheȱErklärungȱderȱPsalmen,ȱBaselȱ1836.ȱ

40ȱ

2.ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmenȱ

geȱ dasȱ todteȱ Machwerkȱ einerȱ künstlichenȱ Nachbildungȱ undȱ kümmerȬ lichenȱ Zusammenstoppelung,ȱ oderȱ undichterischeȱ Gebetsformeln,ȱ Tempelhymnenȱ undȱ Spruch=Zusammenstellungen.“ȱ Undȱ weiterȱ nachȱ einemȱAbsatz:ȱ„ManȱkannȱdenȱPsalterȱsehrȱpassendȱeineȱlyrischeȱAnthoȬ logieȱ nennen“.ȱ Anȱ dieserȱ Stelleȱ fügtȱ deȱ Wetteȱ eineȱ Fußnoteȱ ein:ȱ „Augustiȱ(Einl.ȱinsȱA.ȱT.,ȱS.ȱ186)ȱvergleichtȱsieȱnichtȱübelȱmitȱderȱAnthoȬ logieȱ derȱ Griechen.“ȱ Diesȱ führtȱ ihnȱ unmittelbarȱ zurȱ Frageȱ derȱ VerȬ fasserschaft:ȱ „Erȱ (scil.ȱ derȱ Psalter)ȱ enthältȱ dieȱ lyrischenȱ Producteȱ verȬ schiedenerȱ Verfasserȱ ausȱ verschiedenenȱ Zeiten;ȱ dennȱ dieȱ Benennung:ȱ Dieȱ Psalmenȱ Davidsȱ istȱ nurȱ vomȱ vorzüglichenȱ Theileȱ hergenommeneȱ Benennung.“ȱ13ȱ Solcheȱ Sätzeȱ sindȱ wohlȱ nurȱ möglichȱ geworden,ȱ nachdemȱ Johannȱ GottfriedȱHerderȱseinȱepochalesȱWerkȱ„VomȱGeistȱderȱebräischenȱPoeȬ sie“1783/4ȱ geschriebenȱ hatte.ȱ Aufȱ diesesȱ Werkȱ verweistȱ deȱ Wetteȱ beiȱ GelegenheitȱauchȱimȱKommentar.ȱAberȱesȱmussȱihn,ȱderȱdenȱEphorusȱ Herderȱ nochȱalsȱ Schülerȱ desȱ WeimarerȱGymnasiumsȱ –ȱ seltsamerweiseȱ beiȱPrüfungenȱ–ȱkennenȱgelerntȱhatȱundȱvonȱihmȱtiefȱbeeindrucktȱwar,ȱ mehrȱ geprägtȱ haben,ȱ alsȱ esȱ nachȱ denȱ Literaturhinweisenȱ erscheint.ȱ Erȱ hatȱ diesesȱ –ȱ dieȱ Übertragungȱ seiȱ erlaubtȱ –ȱ „frischeȱ Erzeugnißȱ derȱ BeȬ geisterungȱ undȱ Gedankenerhebung“ȱ mitȱ seinenȱ „gefühlvollen“ȱ Psalmenauslegungenȱsicherlichȱinȱsichȱeingesogenȱundȱaufgenommen,ȱ wennȱesȱauchȱdortȱinȱseinemȱÜberschwangȱaufȱeinenȱvonȱOrdnungȱundȱ Maßȱ geprägtenȱ Geistȱ traf,ȱ derȱ expressiveȱ Ergüsseȱ inȱ Lehrsätzeȱ umȬ zuformulierenȱ verstand.ȱ Gewiss,ȱ derȱ deȱ Wetteȱ vonȱ 1809ȱ bisȱ 10ȱ warȱ schonȱ derȱ Überzeugung,ȱ dieȱ seinȱ theologischesȱ Denkenȱ bestimmenȱ sollteȱ undȱ auchȱ dannȱ späterȱ zurȱ explizitenȱ Darstellungȱ kam,ȱ nämlichȱ dassȱderȱSitzȱderȱReligionȱdasȱGefühlȱsei.ȱUndȱesȱistȱwohlȱmöglich,ȱdassȱ erȱ alsȱ erstenȱ biblischenȱ Kommentarȱ ebenȱ deshalbȱ dieȱ Psalmenȱ wählte,ȱ weilȱ sieȱ ihmȱ Ausdruckȱ desȱ Gefühlsȱ undȱ damitȱ derȱ Religionȱ galten.ȱ Inȱ denȱ zitiertenȱ Sätzenȱ istȱ diesesȱ „Gefühl“ȱ trotzȱ derȱ ganzenȱ Aufzählungȱ vonȱBeispielen:ȱSchmerz,ȱBetrübnis,ȱFurchtȱetc.ȱzwarȱinȱseinerȱDifferenȬ zierungȱangedeutet,ȱaberȱnochȱnichtȱalsȱdieȱzentraleȱQuelleȱderȱReligionȱ expliziert.ȱ Auchȱ inȱ denȱ Einzelauslegungenȱ bleibtȱ esȱ gezwungenerȬ maßenȱhäufigȱbeiȱAndeutungen.ȱ MitȱdieserȱBlickrichtungȱaberȱaufȱdasȱ„Gefühl“ȱderȱPsalmistenȱfügtȱ deȱWetteȱderȱExegeseȱeineȱneueȱDimensionȱhinzu.ȱDieȱTexteȱsindȱihmȱ „ErgußȱdesȱgefühlvollenȱerregtenȱHerzens“,ȱalsoȱSpiegelungȱderȱSeele,ȱ undȱ zwarȱ verschiedener,ȱ individuellerȱ Menschenȱ –ȱ unterȱ ihnenȱ auchȱ derȱ „historische“ȱ Davidȱ –ȱ undȱ jeȱ nachȱ sprachlicherȱ Kompetenzȱ derȱ dichtendenȱSeele.ȱEsȱsindȱDichtungen,ȱinȱihremȱliterarischenȱCharakterȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 13ȱ 1.ȱA.ȱ(=ȱ4.ȱA.),ȱ1ȱff.ȱ

ȱ

II.ȱ

41ȱ

derȱ ästhetischenȱ Betrachtungȱ ausgesetzt.ȱ Dassȱ demgegenüberȱ allesȱ Nichtindividuelle,ȱ offensichtlichȱ Nichtgefühlte,ȱ dasȱ erȱ inȱ liturgischenȱ Formularenȱundȱ„undichterischenȱGebetsformeln,ȱTempelhymnenȱundȱ Spruch=Zusammenstellungen“ȱ –ȱ erȱ denktȱ anȱ Psȱ 119ȱ –ȱ sah,ȱ zurückȬ gestelltȱ undȱ abgewertetȱ wurde,ȱ istȱ nurȱ dieȱ Folgeȱ dieserȱ Sichtweise.ȱ Inȱ denȱ vermeintlichȱ emotionslosenȱ Gebildenȱ fehltȱ ihmȱ dasȱ eigentlichȱ Menschliche,ȱinȱdemȱerȱdenȱWiderscheinȱdesȱGöttlichenȱerkannte.ȱNeȬ benȱdemȱGebrauchȱdesȱBegriffsȱ„historischȬkritisch“ȱbzw.ȱ„sprachlichȬ historisch“ȱhatȱihmȱderȱdesȱBegriffsȱ„lyrisch“ȱmassiveȱKritikȱderȱ„PosiȬ tiven“ȱ eingetragen,ȱ dieȱ –ȱ wieȱ seinȱ unglücklicherȱ Herausgeberȱ –ȱ darinȱ dieȱPreisgabeȱderȱheiligenȱSchriftȱanȱdieȱLiteraturgeschichteȱerblickten.ȱ Wahrscheinlichȱ littenȱ sieȱ besondersȱ anȱ denȱ nichtȱ wenigenȱ Stellen,ȱ woȱ deȱWetteȱvomȱ„Genuss“ȱoderȱ„Genießen“ȱderȱTexteȱsprach.ȱDazuȱeineȱ kleineȱBlütenlese:ȱ Psȱ 131ȱ undȱ Psȱ 139ȱ wurdenȱ vonȱ ihmȱ mitȱ demȱ Urteilȱ „einerȱ derȱ schönstenȱ Psalmen“ȱ bedacht.14ȱ Auchȱ Psȱ 137ȱ erhieltȱ einȱ vonȱ ihmȱ rechtȱ seltenȱ vergebenesȱ Lob:ȱ „Dieserȱ Psalmȱ hatȱ hohenȱ poetischenȱ Werth;ȱ erȱ istȱ ausȱ einemȱ gefühlvollen,ȱ kräftigenȱ Gemütheȱ hervorgegangen.ȱ Derȱ DichterȱführteȱimȱNothfallȱwohlȱebenȱsoȱkräftigȱdasȱSchwert,ȱalsȱerȱdasȱ Saitenspielȱglücklichȱhandhabte.“ȱ15ȱAuchȱderȱBußpsalmȱ32ȱwirdȱpositivȱ gesehen:ȱ„UebrigensȱistȱdieserȱPsalmȱeinȱherrliches,ȱunschätzbaresȱDoȬ cumentȱderȱreligiösenȱIdeeȱvonȱderȱSündenvergebungȱbeyȱdenȱHebräȬ ern.“ȱ16ȱSchwererȱbegreifbarȱistȱdasȱhoheȱLobȱbeiȱdenȱvonȱheutigenȱAusȬ legernȱ eherȱ zurückhaltendȱ beurteiltenȱ Psalmenȱ wieȱ etwaȱ demȱ damalsȱ nochȱnichtȱalsȱalphabetischȱerkanntenȱPsȱ10:ȱ„UnserȱPsalmȱistȱeinerȱderȱ originellstenȱ undȱ ältestenȱ nachȱ Spracheȱ undȱ Schreibart:ȱ erȱ magȱ manȬ chemȱ späternȱ Unglückspsalmistenȱ zumȱ Vorbildeȱ gedientȱ haben.ȱ Derȱ DichterȱringetȱmitȱSpracheȱundȱBildern:ȱerȱmußteȱsichȱselberȱdieȱBahnȱ brechen,ȱ dieȱ andereȱ spätereȱ Dichterȱ leichterȱ wandelten,ȱ daȱ sieȱ inȱ dieȱ FußstapfenȱihrerȱVorgängerȱtraten.“ȱ17ȱ UndȱzuȱPsȱ68:ȱ„derȱunsrigeȱ(scil.ȱ Dichter)ȱ istȱ einerȱ derȱ feurigsten,ȱ begeistertstenȱ derȱ Psalmendichter“ȱ (neuereȱsahenȱinȱihmȱeinenȱKatalogȱvonȱHymnen!).ȱImȱnegativenȱUrteilȱ –ȱwohlȱgänzlichȱungewohntȱbisȱdahinȱ–ȱnähertȱsichȱdeȱWetteȱdenȱdrasȬ tischenȱ Kategorien,ȱ dieȱ späterȱ Bernhardȱ Duhmȱ zuȱ verwendenȱ pflegte.ȱ VonȱPsȱ119ȱwarȱschonȱdieȱRede.ȱZuȱPsȱ96,ȱeinȱGottkönigȬHymnus,ȱsagtȱ deȱWette,ȱdassȱ„dieȱDichtungsartȱdiesesȱLiedesȱdurchȱihrenȱschlechtenȱ Charakterȱ einȱ späteresȱ Zeitalterȱ verräth“,ȱ fügtȱ aberȱ hinzu:ȱ „wobeyȱ ichȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14ȱ 15ȱ 16ȱ 17ȱ

1.ȱA.,ȱ505;ȱ4.ȱA.,ȱ626ȱ(1.ȱA.ȱnochȱnicht).ȱȱ 512.ȱ 276.ȱ 166.ȱ

42ȱ

2.ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmenȱ

freylichȱ michȱ nurȱ aufȱ denȱ Geschmackȱ berufenȱ darf“.18ȱ Denȱ GewitterȬ psalmȱ29ȱhältȱerȱfürȱ„geschmacklos“ȱ19,ȱdenȱKönigspsalmȱPsȱ110ȱfürȱeineȱ schwerȱ erträglicheȱ „dichterischeȱ Schmeicheley“ȱ20.ȱ Derȱ Klagepsalmȱ 35,ȱ „einȱspätererȱundȱnachgeahmterȱPsalmȱscheintȱesȱmirȱnachȱmeinemȱGeȬ fühleȱzuȱseyn“,ȱ„auchȱistȱerȱentsetzlichȱgedehnt:ȱDavidsȱwenigstensȱistȱ erȱnichtȱwürdig!“ȱ21ȱUndȱdaȱistȱesȱwiederȱ–ȱdasȱhehreȱBildȱvomȱDichterȱ undȱSängerȱDavid,ȱdessenȱGeistȱ–ȱwennȱüberhauptȱ–ȱnurȱsehrȱwenigeȱ derȱGedichteȱbeseelt.ȱȱ DemȱdistanzierterenȱBetrachterȱaberȱwirdȱnichtȱentgangenȱsein,ȱwasȱ dieȱ Entdeckungȱ undȱ Beschreibungȱ dieserȱ neuenȱ Dimensionȱ derȱ PsalȬ menȱ anȱ Gewinnȱ erbrachte:ȱ einmalȱ dieȱ größereȱ menschlicheȱ Näheȱ zuȱ denȱPsalmistenȱalsȱIndividuenȱ–ȱwoȱesȱsichȱumȱsolcheȱhandelte,ȱetwaȱinȱ denȱsoȱgenanntenȱIchȬPsalmenȱmitȱihrenȱIchȬGeschichten,ȱwasȱinȱjedemȱ Fallȱ demȱ Verständnisȱ dient;ȱ zumȱ anderenȱ aberȱ auchȱ eineȱ verfeinerteȱ Auslegung,ȱwelcheȱ–ȱwieȱdeȱWetteȱanȱandererȱStelleȱsagte,ȱwoȱerȱüberȱ dieȱhermeneutischenȱGrundsätzeȱsprachȱ–ȱeineȱDarstellungȱdessenȱist,ȱ „wasȱ dieȱ Eigenthümlichkeitȱ derȱ imȱ Psalmȱ enthaltenenȱ Empfindungenȱ undȱ Vorstellungenȱ ausmacht,ȱ undȱ besondersȱ derȱ eigenthümlichenȱ BeȬ ziehungenȱderselbenȱzuȱeinander“.22ȱHierȱöffnetȱsichȱeinȱneuesȱFeldȱderȱ Psalmenauslegung,ȱzumindestȱwasȱdieȱindividuellenȱPsalmenȱbetrifft.ȱ

III.ȱ Derȱ neueȱ Ansatz,ȱ inȱ denȱ Psalmenȱ lyrischeȱ Gedichteȱ zuȱ sehenȱ undȱ imȱ Psalterȱ eineȱ lyrischeȱ Anthologie,ȱ hatȱ nunȱ zurȱ Konsequenz,ȱ dassȱ nachȱ derȱOrdnungȱundȱGliederungȱdieserȱGedichtsammlungȱgefragtȱwerdenȱ muss,ȱ undȱ dasȱ nachȱ denȱ literarischenȱ Kriterienȱ derȱ lyrischenȱ Poesie.ȱ Dieseȱ Konsequenzȱ hatȱ deȱ Wetteȱ unverzüglichȱ gezogen,ȱ wasȱ ihnȱ zuȱ neuen,ȱ undȱfürȱ dieȱ Psalmenforschungȱbisȱ zuȱ diesemȱ Tageȱ imȱ WesentȬ lichenȱgültigenȱEinsichtenȱführte.ȱ

1. Deȱ Wetteȱ gelangȱ eineȱ neueȱ Klassifikationȱ derȱ Psalmen.ȱ Dieȱ GrupȬ pierungen,ȱdieȱerȱzusammenstellte,ȱsindȱdurchȱHermannȱGunkelsȱGatȬ tungsforschungȱ 100ȱ Jahreȱ späterȱ imȱ großenȱ Ganzenȱ bestätigtȱ wordenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 18ȱ 19ȱ 20ȱ 21ȱ 22ȱ

445.ȱ 265.ȱ 469.ȱ 1.ȱA.,ȱ287.ȱSpäterȱgestrichen.ȱ 1.ȱA.,ȱ94ȱf.ȱ(4.ȱA.,ȱ67).ȱ

ȱ

III.ȱ

43ȱ

undȱ habenȱ weithinȱ immerȱ nochȱ Bestand.ȱ Deȱ Wetteȱ gliederteȱ dieȱ PsalȬ menȱ inȱ sechsȱ Gruppenȱ mitȱ jeweiligenȱ Untergruppierungenȱ –ȱ wieȱ erȱ sagtȱ–ȱnachȱ„InhaltȱundȱCharakter“:ȱ Iȱ „Hymnen,ȱinȱwelchenȱJehovaȱgepriesenȱwird“ȱ(DeȱWetteȱhältȱanȱderȱ mittelalterlichenȱ Ausspracheȱ zeitȱ seinesȱ Lebensȱ fest,ȱ obwohlȱ erȱ nachȱWilhelmȱGesenius’ȱEinspruchȱihreȱProblematikȱkennenȱmussȬ te.)ȱ„DieseȱClasseȱenthältȱdieȱerhabenstenȱGedankenȱüberȱGott,ȱNaȬ tur,ȱWeltregierungȱu.ȱs.ȱw.“;ȱ IIȱ „Volksthümlicheȱ Psalmen,ȱ enthaltendȱ Anspielungenȱ aufȱ dieȱ alteȱ GeȬ schichteȱderȱIsraeliten“;ȱ IIIȱ „Zions=ȱundȱTempelpsalmen“;ȱ IVȱ „Königspsalmen“ȱ Vȱ „Psalmen,ȱwelcheȱKlagenȱüberȱUnglückȱundȱBefeindungȱundȱBittenȱ umȱHülfeȱenthalten;ȱdieȱreichhaltigsteȱClasse:ȱmehrȱalsȱeinȱDrittheilȱ derȱ ganzenȱ Psalmensammlungȱ gehörtȱ zuȱ ihr“.ȱ Denȱ früherȱ undȱ nochȱ inȱ derȱ erstenȱ Auflageȱ gebrauchtenȱ Begriffȱ „UnglückspsalȬ men“ȱ ersetztȱ erȱ zunehmend,ȱ wohlȱ umȱ eineȱ literarischeȱ BezeichȬ nungȱzuȱhaben,ȱdurchȱ„Klagpsalmen“.ȱSechsȱUntergliederungen:ȱ1.ȱ individuell,ȱ2.ȱ„volksthümlich“,ȱ3.ȱallgemeineȱKlagen,ȱ4.ȱindividuellȱ undȱ„volksthümlich“,ȱ5.ȱLehrgedichte,ȱ6.ȱDankpsalmen;ȱ VIȱ „Religiöseȱ undȱ moralischeȱ Psalmen“,ȱ eineȱ Restkategorieȱ mitȱ sechsȱ Untergruppen,ȱanȱdieȱdieȱMischformenȱangehängtȱwerden.ȱ

2. AusȱderȱeingeschränktenȱZahlȱderȱvorhandenenȱTexteȱundȱderȱoftȱnurȱ wenigenȱ überliefertenȱ Exemplareȱ derȱ „Dichtungsarten“ȱ schließtȱ deȱ Wette,ȱ dassȱ nurȱ dieȱ„Ueberresteȱ derȱlyrischenȱ Poesieȱ derȱHebräer“ȱ erȬ haltenȱsind.ȱ„Dennȱsicherlichȱistȱdieseȱweitȱfruchtbarerȱgewesen,ȱalsȱesȱ nachȱdiesenȱUeberbleibselnȱscheint,ȱundȱhatȱsichȱauchȱinȱeinemȱweiternȱ undȱvielseitigernȱGebieteȱbewegt.“ȱDasȱweitgehendeȱFehlenȱderȱ„weltȬ lichen“ȱLyrikȱ–ȱerȱnenntȱalsȱAusnahmeȱnurȱPsȱ45ȱ–ȱistȱfürȱihnȱeinȱProbȬ lem,ȱ weilȱ erȱ jaȱ davonȱ ausgehenȱ muss,ȱ dassȱ Dichtungȱ ausȱ Gefühlȱ auchȱ außerhalbȱ vonȱ „Religionȱ undȱ Cultus“ȱ entstandenȱ ist.ȱ Erȱ löstȱ diesesȱ Problemȱ durchȱ denȱ Hinweisȱ aufȱ dieȱ Überlieferung:ȱ „Wahrscheinlichȱ habenȱ wirȱ dieȱ meistenȱ dieserȱ übriggebliebenenȱ Liederȱ demȱ religiösenȱ Gebraucheȱ zuȱ verdanken,ȱ nichtȱ derȱ allgemeinȱ dichterischenȱ Theilnahme;ȱ undȱ daherȱ sindȱ soȱ wenigeȱ weltlicheȱ Liederȱ demȱ UnterȬ gangeȱentrissenȱworden.“ȱ23ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 23ȱ Zitiertȱnachȱ4.ȱA.ȱ2ȱ(etwasȱandersȱnochȱ1.ȱA.ȱ5).ȱ

44ȱ

2.ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmenȱ

3. DieȱliteraturgeschichtlicheȱEinsichtȱinȱdieȱHerkunftȱundȱGliederungȱderȱ Gedichteȱ zwingtȱ deȱ Wetteȱ imȱ Blickȱ aufȱ dieȱ traditionelleȱ Angabeȱ derȱ Verfasserschaftȱ Davidsȱ zuȱ einerȱ Folgerungȱ vonȱ weitȱ reichenderȱ WirȬ kung.ȱ Erȱ hältȱ festȱ anȱ demȱ biblischenȱ Bildȱ vonȱ demȱ lyrischenȱ Dichterȱ David,ȱ einemȱ „Meister“ȱ derȱ poetischenȱ Kunst,ȱ wieȱ esȱ vorȱ allemȱ dieȱ Samuelbücherȱ zeichnen.ȱ Erȱ fragt,ȱ wieȱ eineȱ solcheȱ Blütezeitȱ inȱ Israelȱ aufkommenȱkonnte,ȱundȱdiskutiertȱbreitȱdieȱdamalsȱoffenbarȱgeläufigeȱ Theseȱ vonȱ derȱ „Prophetenschuleȱ Samuels“,ȱ inȱ derȱ dieȱ Lyrikȱ gepflegtȱ wurdeȱundȱvonȱderȱauchȱDavidȱbeiȱseinenȱElegienȱprofitiertȱzuȱhabenȱ scheint.ȱErȱfindetȱesȱsonderbar,ȱdassȱausȱderȱZeitȱSalomos,ȱzuȱderȱ„dieȱ lyrischeȱ Poesieȱ schonȱ sehrȱ ausgebildetȱ gewesenȱ seynȱ muß“,ȱ „außerȱ zweiȱ höchstȱ unsichern,ȱ vonȱ Salomoȱ keineȱ Psalmenȱ inȱ unsererȱ SammȬ lungȱaufbewahrtȱsind“.ȱDenȱdavidischenȱAnteilȱschätztȱerȱimmerȱnochȱ alsȱhochȱein.ȱ Daȱ nunȱ anzunehmenȱ ist,ȱ dassȱ dieȱ „lyrischeȱ Poesieȱ inȱ diesemȱ ZeitȬ raumȱ nichtȱ (verstummte),ȱ inȱ welchemȱdieȱ ihrȱ verwandteȱ prophetischeȱ Beredtsamkeitȱ blühte“,ȱ aufȱ derȱ anderenȱ Seiteȱ aberȱ gilt:ȱ „Sehrȱ vieleȱ PsalmenȱmüssenȱnachȱdenȱErgebnissenȱeinerȱgesundenȱkritischenȱExeȬ gese,ȱ dieȱ auchȱ beinaheȱ allgemeinȱ anerkanntȱ sind,ȱ inȱ dieȱ Zeitenȱ desȱ Exils,ȱundȱnachȱdemȱExilȱgesetztȱwerden“,ȱsindȱvieleȱJahrhunderteȱlyriȬ scherȱ Dichtungȱ imȱ Psalterȱ offenbarȱ garȱ nichtȱ oderȱ nurȱ unzureichendȱ vertreten.ȱ Soȱ sindȱ wirȱ „berechtigtȱ zuȱ vermuthen,ȱ dieȱ PsalȬ men=SammlungȱmögeȱvieleȱnamenloseȱoderȱfalschbenannteȱLiederȱausȱ derȱ Periodeȱ vonȱ Davidȱ bisȱ zuȱ Exilȱ enthalten,ȱ wasȱ auchȱ dieȱ Kritikȱ imȱ Einzelnenȱ wahrscheinlichȱ machenȱ kann.ȱ Vermuthlichȱ habenȱ mancheȱ Propheten,ȱbesondersȱJeremias,ȱBeiträgeȱzuȱunsererȱPsalmensammlungȱ geliefert,ȱ welcheȱ fälschlichȱ demȱ Davidȱ u.ȱA.ȱ zugeschriebenȱ oderȱ ohneȱ Namenȱgelassenȱsind.“ȱ24ȱEsȱgelingtȱihm,ȱdieȱgroßenȱGräbenȱinȱderȱGeȬ schichteȱ derȱ lyrischenȱ Dichtungȱ zuȱ überbrücken,ȱ indemȱ erȱ aufȱ eineȱ Vorstellungȱ zurückgreift,ȱ dieȱ dannȱ späterȱ unterȱ demȱ Begriffȱ „GatȬ tungsgeschichte“ȱgeraumeȱZeitȱzumȱMittelpunktȱderȱForschungȱanȱdenȱ Psalmenȱ gewordenȱ ist.ȱ Erȱ führtȱ dieȱ Kategorieȱ desȱ Originalsȱ undȱ derȱ Imitationȱein:ȱ„Einȱfrüherȱkaumȱgeahnetes,ȱhierȱauchȱnurȱanzudeutenȬ des,ȱaberȱhöchstȱwichtigesȱProblem,ȱinȱdessenȱLösungȱsichȱdasȱhöchsteȱ exegetische,ȱkritischeȱundȱästhetischeȱVerständnißȱderȱPsalmenȱdurchȬ dringenȱmuß,ȱistȱdieȱUnterscheidungȱdesȱUrsprünglichenȱundȱNachgeȬ ahmtenȱ inȱ derȱ Psalmendichtung.“ȱ25ȱ Damitȱ wirdȱ dreierleiȱ erreicht.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 24ȱ 4.ȱA.,ȱ10.ȱȱ 25ȱ AbschnittȱIV:ȱ„Ursprünglicherȱundȱnachgeahmter,ȱfrühererȱundȱspätererȱCharakterȱ derȱPsalmen“.ȱ

ȱ

III.ȱ

45ȱ

Einmal:ȱEsȱfindetȱsichȱeineȱErklärungȱfürȱdieȱrechtȱzahlreichen,ȱvonȱdeȱ Wetteȱ wegenȱ ihresȱ gleichbleibendenȱ Mustersȱ undȱ eintönigenȱ Stilsȱ disȬ tanziertȱbeurteiltenȱdavidischenȱ„Klagpsalmen“,ȱdieȱerȱunmöglichȱdemȱ MeisterȱderȱklassischenȱLiedkunstȱzuschreibenȱkonnte.ȱAlsȱImitateȱsindȱ sieȱadäquaterȱerfasstȱundȱcharakterisiert.ȱZumȱanderenȱwirdȱeineȱliteraȬ rischeȱ Entwicklungȱ sichtbar,ȱ dieȱ beiȱ fixiertemȱ Musterȱ neueȱ undȱ StilȬȱ undȱAussageformenȱhervorbringenȱkonnte.ȱSieȱfindenȱnichtȱimmerȱdieȱ ästhetischeȱBilligungȱdeȱWettes,ȱweilȱerȱsichȱlieberȱdemȱUrsprünglichenȱ undȱ Authentischenȱ zuneigte.ȱ Zumȱ drittenȱ aberȱ bestärktȱ sichȱ ihmȱ dieȱ bereitsȱinȱfrüherenȱJahrenȱgewonneneȱEinsicht,ȱdassȱdieȱDominanzȱderȱ originalenȱundȱnachgeahmtenȱKlagpsalmenȱdemȱtiefstenȱCharakterȱderȱ Religionȱ derȱ Hebräerȱ entspricht,ȱ insofernȱ sieȱ fürȱ ihnȱ eineȱ Religionȱ fürȱ dasȱindividuelleȱwieȱkollektiveȱ„Unglück“ȱdarstellt.ȱNochȱinȱderȱerstenȱ Auflageȱ nannteȱ erȱ jaȱ dieseȱPsalmklasseȱ„Unglückspsalmen“,ȱ einenȱ BeȬ griff,ȱdenȱerȱdannȱspäterȱdurchȱdenȱliterarischȱoffenbarȱangemessenerenȱ Begriffȱderȱ„Klagpsalmen“ȱersetzte.ȱȱ

4. Erstȱ beiȱ derȱ wiederholtenȱ Beschäftigungȱ mitȱ derȱ „Einleitung“ȱ inȱ denȱ „Commentarȱ überȱ dieȱ Psalmen“ȱ istȱ mirȱ –ȱ trotzȱ derȱ Hinweiseȱ vonȱ RuȬ dolfȱ Smendȱ undȱ Johnȱ Rogersonȱ –ȱ bewusstȱ geworden,ȱ welcheȱ BeȬ deutungȱderȱdortȱerarbeitetenȱPoetikȱzukommtȱoderȱzukommenȱmüssȬ te.ȱDabeiȱspringtȱesȱeigentlichȱunmittelbarȱinsȱAuge,ȱdassȱderȱAbschnittȱ VIIȱ mitȱ derȱ Überschriftȱ „Rhythmusȱ undȱ Musikȱ derȱ Psalmen“ȱ einenȱ besonderenȱ Schwerpunktȱ inȱ deȱ Wettesȱ Augenȱ bildet.ȱ Schonȱ vomȱ UmȬ fangȱ herȱ umfasstȱ dieserȱ Teilȱ etwaȱ dieȱ Hälfteȱ derȱ ganzenȱ Einleitung26.ȱ Wennȱichȱrechtȱsehe,ȱwarȱesȱauchȱdieserȱAbschnitt,ȱdenȱdeȱWetteȱinȱdenȱ weiterenȱ Auflagenȱ desȱ Kommentarsȱ amȱ intensivstenȱ bearbeitetȱ undȱ verbessertȱ hatȱ –ȱ wasȱ imȱ übrigenȱ imȱ Vorwortȱ bestätigtȱ wird.27ȱ Dieserȱ Teilȱ bietetȱ eineȱ veritableȱ Abhandlungȱ überȱ dieȱ hebräischeȱ Poesieȱ imȱ AllgemeinenȱundȱderȱpoetischenȱStrukturȱderȱPsalmenȱimȱBesonderen.ȱȱ Breitȱ aufgenommenȱ istȱ dieȱ inȱ denȱ erstenȱ Jahrzehntenȱ desȱ 19.ȱ JahrȬ hundertsȱ offenbarȱ rechtȱlebhafteȱ Diskussion,ȱ dieȱ vorȱ allemȱ vonȱ Lowthȱ undȱHerderȱausgelöstȱwurde.ȱDasȱhindertȱdeȱWetteȱnicht,ȱimȱRückblickȱ aufȱ dieȱ Zeitȱ derȱ erstenȱ Auflageȱ davonȱ zuȱ sprechen,ȱ dassȱ „dieȱ UnterȬ suchungȱüberȱdieȱrhythmischeȱFormȱderȱhebräischenȱDichtkunstȱüberȬ hauptȱ undȱ derȱ Psalmenȱ insbesondereȱ ziemlichȱ inȱ Schattenȱ gestelltȱ zuȱ seynȱ(schien).“ȱ28ȱWasȱerȱdannȱselbstȱzuȱbietenȱimstandeȱist,ȱbleibtȱmehrȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 26ȱ Inȱderȱ1.ȱA.ȱ47ȱSeitenȱvonȱinsgesamtȱ99ȱSeiten,ȱinȱderȱ4.ȱA.ȱ35ȱvonȱ70ȱSeiten.ȱȱ 27ȱ Ebenda,ȱIV.ȱ 28ȱ 32.ȱ

46ȱ

2.ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmenȱ

alsȱerstaunlich.ȱZwarȱschlägtȱerȱsichȱzuȱderȱGruppeȱvonȱGelehrten,ȱdieȱ daȱbehaupten,ȱ„dieȱhebräischeȱPoesieȱseiȱohneȱallesȱMetrumȱundȱohneȱ Silbenzahl“,29ȱeineȱGruppe,ȱzuȱderȱerȱ„dieȱgelehrtenȱjüdischenȱRabbinenȱ undȱHerder“ȱzählt.ȱErȱgehtȱvomȱParallelismusȱderȱGliederȱaus,ȱalsȱderȱ rhythmusbestimmendenȱ Urformȱ hebräischerȱ Poesieȱ undȱ zugleichȱ UrȬ zelleȱallerȱhebräischenȱDichtung.ȱErȱleitetȱihnȱabȱvonȱderȱBewegungȱdesȱ Atems.ȱ Erȱ siehtȱ ihreȱ strukturbildendeȱ Prägungȱ –ȱ merkwürdigerweiseȱ trotzȱderȱgrundsätzlichenȱAblehnungȱeinerȱfestenȱMetrikȱ–ȱaufȱderȱEbeȬ neȱderȱSilben,ȱderȱVerse,ȱundȱinȱdenȱweiterenȱAuflagenȱzunehmendȱaufȱ derȱEbeneȱderȱStrophen.ȱErȱvergleichtȱsieȱmitȱdemȱTanzȱinȱseinenȱeinȬ zelnenȱ(parallelen)ȱSchritten,ȱdieȱsichȱzuȱFigurenȱverbinden.ȱErȱerinnertȱ anȱ dieȱ schlichteȱ Geometrieȱ derȱ parallelenȱ Linien,ȱ dannȱ desȱ Dreiecks,ȱ desȱVierecksȱundȱdesȱKreisesȱinȱderȱVersdichtung.ȱErȱnenntȱdenȱParalȬ lelismusȱ„GedankenȬRhythmus“ȱundȱversuchtȱeineȱüberȱdieȱnachȱlogiȬ schenȱ Kriterienȱ vorgenommeneȱ Einteilungȱ durchȱ Lowthȱ hinausreiȬ chende,ȱ amȱ literarischenȱ Befundȱ orientierteȱ Neueinteilungȱ derȱ Parallelismusformen.ȱ Erȱ wendetȱ schließlichȱ dasȱ Parallelprinzipȱ aufȱ Strophenstrukturȱ undȱ Gedichtbildungȱ an,ȱ nichtȱ ohneȱ auchȱ dieȱ Frageȱ derȱ musikalischenȱ Gestaltungȱ undȱ Ausführungȱ anhandȱ derȱ masoretiȬ schenȱ Akzentsetzungȱ zuȱ diskutieren,ȱ undȱ erȱ verweistȱ aufȱ dieȱ KantillationȱundȱIntonationȱbeiȱdenȱLesungenȱimȱGottesdienstȱderȱSynȬ agogeȱundȱderȱKirche.ȱ„WerȱinȱeinerȱjüdischenȱSynagogeȱhatȱvorlesenȱ hören,ȱ wirdȱ michȱ verstehen.“ȱ30ȱ „Undȱ soȱ hättenȱ wirȱ dennȱ denȱ ParalleȬ lismusȱderȱGliederȱnachgewiesenȱalsȱFormȱderȱRede,ȱderȱDeclamationȱ undȱ desȱ Gesangs,ȱ undȱ ihmȱ so,ȱ alsȱ einerȱ wirklichenȱ rhythmischenȱ GeȬ staltung,ȱ eineȱ Stelleȱ nebenȱ anderen,ȱ freilichȱ mehrȱ ausgebildetenȱ RhythmusȬArtenȱ angewiesen,ȱ dieȱ manȱ ihmȱ hoffentlichȱ nichtȱ streitigȱ machenȱ wird.“ȱ31ȱ Soȱ umfassendȱ istȱ m.ȱE.ȱ dasȱ Problemȱ derȱ hebräischenȱ Poesieȱ nichtȱ sehrȱ häufigȱ angegangenȱ worden,ȱ undȱmanȱ tutȱ gutȱ daran,ȱ diesenȱgrandiosenȱEntwurfȱeinerȱhebräischenȱPoetikȱwiederȱzurȱKenntȬ nisȱzuȱnehmen.ȱSeineȱunmittelbareȱUmsetzungȱfandenȱseineȱEinsichtenȱ inȱ denȱ Übersetzungenȱ derȱ Psalmenȱ (inȱ derȱ Versformȱ belassen),ȱ dannȱ aberȱvorȱallemȱinȱderȱBeachtungȱderȱStrophenstruktur,ȱdieȱerȱsoȱgutȱwieȱ beiȱ allenȱ Psalmenȱ voraussetzteȱ undȱ definierte.ȱ Beiȱ denȱ Auslegungenȱ selbstȱtrittȱdieȱpoetologischeȱAnalyseȱnichtȱsoȱstarkȱinȱErscheinung,ȱwieȱ manȱ esȱ nachȱ denȱ programmatischenȱ Vorgabenȱ erwartenȱ sollte.ȱ WahrȬ scheinlichȱ schienenȱ ihmȱ Gattungȱ undȱ Zielsetzungȱ desȱ AnmerkungsȬ kommentarsȱwenigerȱgeeignet,ȱaufȱsolcheȱFeinstrukturenȱeinzugehen.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 29ȱ 38.ȱ 30ȱ 65.ȱ 31ȱ 65ȱf.ȱ

ȱ

IV.ȱ

47ȱ

Soȱ umȱ einȱ Beispielȱ zuȱ nennen:ȱ erȱ bestimmtȱ dieȱ Strukturȱ desȱ 23.ȱ Psalmsȱ(„JehovaȱistȱmeinȱHirt,ȱichȱleideȱnichtȱMangel“)ȱmitȱseinenȱbeiȬ denȱBildern,ȱdemȱ„BildȱdesȱSchafesȱundȱdesȱHirten“ȱundȱdemȱ„Bildȱdesȱ Gastmahls“ȱalsȱzweistrophig:ȱ„ZweiȱStrophenȱ…ȱundȱeinȱSchlußvers“.ȱ Erȱ sprichtȱ dannȱ davon,ȱ dassȱ dieȱ historischenȱ Deutungenȱ „unstatthaft“ȱ seien:ȱ „undȱ dieȱ manȱ davonȱ hat,ȱ verrathenȱ gänzlichenȱ Mangelȱ anȱ GeȬ schmack,ȱ daȱ sieȱ dieȱ poetischenȱ Bilderȱ (z.ȱB.ȱ dasȱ Gastmahl)ȱ historischȱ beziehen“.32ȱ Aufȱ dieȱ inȱ diesemȱ Textȱ besondersȱ auffallendenȱ rhythȬ mischenȱVariationenȱgehtȱerȱnichtȱein.ȱAlleinȱderȱSatz:ȱ„derȱPs.ȱathmetȱ lauterȱZufriedenheitȱundȱRuhe“ȱdeutetȱdaraufhin,ȱdassȱdeȱWetteȱmehrȱ wahrgenommenȱhat,ȱalsȱerȱausführt.ȱ AufȱderȱanderenȱSeiteȱhatȱerȱsichȱnachȱseinenȱpoetischenȱKriterienȱ durchausȱeinȱUrteilȱgebildetȱundȱauchȱausgesprochen.ȱSoȱverdammtȱerȱ wieȱvieleȱvorȱundȱnachȱihmȱdenȱVerfasserȱdesȱ119.ȱPsalmsȱ(dasȱ„güldeȬ neȱABC“ȱnachȱLuther).ȱ„FürȱdasȱspätereȱAlterȱdesȱPs.ȱsprichtȱderȱganzeȱ InhaltȱundȱTon:ȱdieȱgroßeȱAchtungȱgegenȱdasȱpositiveȱGesetz,ȱdieȱBeȬ ziehungȱaufȱAbtrünnigeȱundȱFrevler,ȱaufȱUebermüthigeȱundȱVerfolgerȱ (Heiden),ȱ dieȱ Klagenȱ überȱ Leidenȱ undȱ Nachstellungen,ȱ dieȱ schlechteȱ Poesieȱ(dennȱesȱistȱkeineȱEigenthümlichkeit,ȱkeineȱHaltung,ȱkeinȱGeistȱ undȱ Lebenȱ darin,ȱ undȱ allesȱ istȱ vollȱ Wiederholung),ȱ undȱ endlichȱ dieȱ alphabetischeȱ Anordnung.“ȱ33ȱ Allesȱ unterȱ derȱ m.ȱE.ȱ nichtȱ zutreffendenȱ Voraussetzung,ȱ dassȱ derȱ Psalmȱ Poesieȱ imȱ Sinneȱ deȱ Wettesȱ überhauptȱ bietenȱwollte.ȱ

IV.ȱ Entsprechendȱ derȱ Häufigkeitȱ ihresȱ Vorkommensȱ hatȱ dieȱ Frageȱ derȱ messianischenȱ Auslegungȱ derȱ Psalmenȱ deȱ Wetteȱ lebenslangȱ beschäfȬ tigt.ȱSieȱspieltȱauchȱeineȱbesondereȱRolleȱinȱderȱ„erbaulichenȱErklärungȱ derȱPsalmen“,ȱinȱderȱerȱdieȱErfahrungenȱseinerȱhomiletischenȱSeminareȱ zusammengefasstȱ hat.ȱ Imȱ Kommentar,ȱ derȱ jaȱ grundsätzlichȱ eineȱ kritiȬ scheȱ Linieȱ verfolgt,ȱ kommtȱ sieȱ vorȱ allemȱ beiȱ derȱ Auslegungȱ derȱ sog.ȱ Königspsalmenȱ zurȱ Diskussion.ȱ Schonȱ inȱ demȱ Abschnittȱ VIIIȱ derȱ EinȬ leitungȱ überȱ dieȱ „Historischeȱ Auslegungȱ derȱ Psalmen“ȱ wirdȱ sieȱ amȱ Endeȱ erwähnt,ȱ aberȱ nurȱ umȱ sieȱ kurzȱ undȱ bündigȱ zurückzuweisen.ȱ „Uebrigensȱaber“ȱ–ȱheißtȱesȱinȱderȱerstenȱAuflageȱ–ȱ„tretenȱwirȱbeyȱderȱ Auslegungȱ derȱ Psalmenȱ ganzȱ aufȱ denȱ grammatischȬhistorischenȱ Standpunct,ȱ undȱ verlassenȱ sonachȱ jedeȱ nichtȱ grammatischȬhistorischeȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 32ȱ 225ȱf.ȱ 33ȱ 580.ȱ

48ȱ

2.ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmenȱ

Auslegung,ȱmithinȱauchȱdieȱmessianischenȱAuslegungenȱderȱPsalmen,ȱ dieȱwirȱimȱCommentareȱhöchstensȱkurzȱandeutenȱwerdenȱ…ȱDieȱmesȬ sianischeȱ Auslegungȱ istȱ keineȱ Auslegung,ȱ sondernȱ eineȱ Anwendung,ȱ undȱ alsȱ solcheȱ hatȱ sieȱ nochȱ dogmatischȬhistorischesȱ Interesse;ȱ fürȱ dieȱ Exegeseȱ istȱ sieȱ aberȱ antiquirt,ȱ undȱ wirdȱ esȱ hoffentlichȱ mitȱ allȱ ihrenȱ Schwestern,ȱ denȱ mystischȬallegorischenȱ Auslegungsartenȱ ewigȱ bleiȬ ben.“ȱ34ȱ Dieseȱ Hoffnungȱ trog,ȱ wieȱ dieȱ Änderungenȱ diesesȱ SchlussabȬ schnittsȱ inȱ denȱ höherenȱ Auflagenȱ zeigen,ȱ dieȱ jeneȱ Aussagenȱ abzuȬ mildernȱ suchen.ȱ „Übrigensȱ behauptenȱ wirȱ unsȱ beiȱ derȱ Auslegungȱ derȱ Psalmenȱ ganzȱ aufȱ demȱ historischenȱ Standpunkte,ȱ undȱ verwerfenȱ jedeȱ nichtȱ historischeȱ Auslegungsartȱ …ȱ Dieȱ messianischeȱ Erklärungȱ manȬ cherȱPsalmenȱmußȱsich,ȱwieȱdieȱprophetischenȱWeissagungenȱ(Jes.9.11.ȱ Mich.5.),ȱ geschichtlichȱ bewähren,ȱ oderȱ wirȱ könnenȱ sieȱ fürȱ nichtsȱ alsȱ eineȱ Anwendungȱ derȱ inȱ denȱ geschichtlichenȱ Vorstellungenȱ liegendenȱ Ideenȱ ansehen“.ȱ Dochȱ esȱ mussȱ derȱ „neutestamentlichenȱ Auslegungȱ überlassenȱ bleiben“.35ȱ Deȱ Wetteȱ verweistȱ damitȱ aufȱ seineȱ Abhandlungȱ überȱ denȱ Hebräerbriefȱ undȱ dessenȱ„symbolischȬtypischeȱ Lehrart“ȱ undȱ AuslegungȱderȱPsalmen.ȱȱ Immerhinȱ gestehtȱ erȱ dieȱ messianischeȱ Erklärungȱ beiȱ denȱ Psalmenȱ zu,ȱ beiȱ denenȱ sichȱ dieseȱ „geschichtlichȱ bewährt“,ȱ wasȱ dochȱ wohlȱ nurȱ heißenȱ kann,ȱ woȱ expliziteȱ Hinweiseȱ aufȱ einenȱ künftigenȱ Messiasȱ exeȬ getischȱ nachweisbarȱ sind.ȱ Nachȱ deȱ Wettesȱ Meinungȱ sindȱ dies,ȱ wennȱ überhaupt,ȱ verschwindendȱ wenige.ȱ Erȱ benütztȱ gleichȱ dieȱ Auslegungȱ desȱ 2.ȱ Psalms,ȱ umȱ dieȱ Frageȱ zuȱ klärenȱ undȱ seineȱ Positionȱ deutlichȱ zuȱ machen.ȱErȱvertrittȱbeiȱPsȱ2ȱdieȱhistorischeȱAuslegungȱundȱbeziehtȱdieȱ SelbstaussagenȱdesȱPsalmsȱaufȱdenȱirdischenȱKönigȱ(„Jehovaȱsprachȱzuȱ mir:ȱ‚DuȱbistȱmeinȱSohn,ȱIchȱhabeȱdichȱheuteȱgezeugt“„ȱ[V.ȱ7]).ȱErȱführtȱ eineȱ Fülleȱ vonȱ Argumentenȱ insȱ Feld,ȱ weshalbȱ hierȱ vonȱ demȱ Messiasȱ nachȱjüdischemȱwieȱchristlichemȱVerständnisȱnichtȱdieȱRedeȱseinȱkann.ȱ Dannȱ folgtȱ dieȱ Quintessenz:ȱ „Überhauptȱ findetȱ dieȱ messianischeȱ Ideeȱ darumȱinȱdenȱPsalmenȱschwerlichȱeineȱStelle,ȱweilȱsieȱihrerȱNaturȱnachȱ denȱ prophetischenȱ Tröstungenȱ undȱ Verheißungenȱ angehört,ȱ …ȱ nichtȱ schonȱ …ȱ alsȱ gegebenȱ angeschautȱ wird;ȱ …ȱ derȱ Messiasȱ undȱ alles,ȱ wasȱ seineȱ Erscheinungȱ bedingt,ȱ wäreȱ gleichsamȱ alsȱ vorhandenȱ gedacht.“ȱ Nachȱ einemȱ Gedankenstrichȱ fährtȱ erȱ fort:ȱ „Freilichȱ giltȱ Alles,ȱ wasȱ vonȱ einemȱisraelitischenȱKönigeȱseinerȱBestimmungȱnachȱgesagtȱwird,ȱauchȱ vomȱ Messias;ȱ undȱ wasȱ vomȱ jüdischenȱ Messiasȱ gilt,ȱ dasȱ lässtȱ sichȱ derȱ Ideeȱ nachȱ auchȱ aufȱ Christumȱ anwenden:ȱ mithinȱ lässtȱ sichȱ derȱ GeȬ brauch,ȱ denȱ dasȱ N.T.ȱ vonȱ diesemȱ Ps.ȱ machtȱ (Scil.ȱ Apgȱ 4,25.13,33;ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 34ȱ 96.ȱ 35ȱ 68ȱf.ȱ

ȱ

V.ȱ

49ȱ

Hebrȱ1,5),ȱrechtfertigen,ȱaberȱnichtȱalsȱeigentlicheȱAuslegung,ȱwovonȱh.ȱ alleinȱdieȱRedeȱist.“ȱ36ȱȱ

V.ȱ DamitȱhabenȱwirȱinȱderȱLebensarbeitȱdeȱWettesȱdieȱStelleȱerreicht,ȱwoȱ erȱ –ȱ seinerȱ Aufgabeȱ alsȱ praktischerȱ Theologeȱ gemäß,ȱ alsȱ derȱ erȱ jaȱ inȱ Baselȱ fungierteȱ –ȱ „Überȱ dieȱ erbaulicheȱ Erklärungȱ derȱ Psalmen“ȱ geȬ schriebenȱ undȱ gleichsamȱ eineȱ Homiletikȱ derȱ Psalmenȱ verfasstȱ hat.ȱ Sieȱ stammtȱausȱdemȱJahreȱ1836.ȱSieȱgehtȱaufȱpraktischȬtheologischeȱÜbunȬ genȱzurück,ȱdieȱerȱimȱWintersemesterȱ1835/36ȱdurchgeführtȱhat,ȱwobeiȱ esȱumȱdieȱMöglichkeitȱderȱPredigtȱvonȱTextenȱausȱderȱGenesisȱundȱausȱ denȱ Psalmenȱ ging.ȱ Interessanterweiseȱ hatȱ deȱ Wetteȱ dieȱ ihmȱ vonȱ denȱ StudierendenȱgeliefertenȱPapiereȱhierzuȱsowieȱdieȱNachschriftenȱseinerȱ jeweilsȱmündlichȱvorgetragenenȱBemerkungenȱinȱweitemȱUmfangȱverȬ arbeitet,ȱnichtȱohneȱdiesȱ–ȱjedochȱohneȱNamensnennungȱ–ȱkenntlichȱzuȱ machen.ȱ Soȱ entstandȱ eineȱ Schriftȱ vonȱ immerhinȱ 74ȱ Druckseiten,ȱ dieȱ späterȱ(diesȱistȱeinȱVerdienstȱdesȱgescholtenenȱHerausgebers)ȱ–ȱsoweitȱ ichȱseheȱ–ȱohneȱÄnderungenȱderȱ5.ȱAuflageȱdesȱKommentarsȱvonȱ1856ȱ beigefügtȱ hat.ȱ Sieȱ istȱ zumȱ Grundrissȱ einerȱ Hermeneutikȱ geworden.ȱ MöglicherweiseȱistȱesȱnichtȱdieȱausführlichsteȱhomiletischeȱBehandlungȱ desȱ Themasȱ Predigtȱ überȱ Psalmen,ȱ aberȱ sicherlichȱ eineȱ derȱ einȬ gehendsten.ȱDennȱesȱwerdenȱpraktischȱzuȱjedemȱPsalmtextȱinȱderȱReiȬ henfolgeȱ ihrerȱ gestuftenȱ Prädikabilitätȱ Ratschlägeȱ fürȱ dieȱ Predigtȱ geȬ geben,ȱ oftȱ schonȱ ganzeȱ Meditationenȱ oderȱ Homilienȱ vorwegȬ genommen.ȱ Dabeiȱ werdenȱ zweiȱ zeitgenössischeȱ Versucheȱ sog.ȱ „gläubiger“ȱ Psalmenauslegungȱ undȱ Ȭverwendungȱ zumȱ Teilȱ argumenȬ tativ,ȱ zumȱ Teilȱ mitȱ Ironieȱ undȱ Sarkasmusȱ widerlegtȱ undȱ fürȱ „unȬ genießbar“ȱerklärt.37ȱDieȱeigenenȱhermeneutischenȱGrundsätzeȱwerdenȱ alsȱ zehnȱ „Hauptregelnȱ fürȱ dieȱ höhereȱ Auslegungȱ undȱ erbaulicheȱ BeȬ handlungȱdesȱA.ȱT.“ȱderȱEinzelauslegungȱvorangestellt.38ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 36ȱ 69ȱf.ȱEsȱfolgenȱdieȱNamenȱvonȱ11ȱAuslegern,ȱdieȱ„nochȱderȱmessianischenȱErklärungȱ zugethan“,ȱundȱnurȱ3,ȱderenȱBeiträgeȱerȱalsȱ„Versuch“ȱdagegenstelltȱ(79).ȱ 37ȱ GemeintȱsindȱKlaussȱ(Vornameȱunbekannt)ȱundȱRudolfȱStier,ȱvonȱdenenȱerȱsagt,ȱsieȱ hättenȱ „aufgetischt“,ȱ wasȱ „demȱ gesundenȱ Geschmackeȱ widert“ȱ (3).ȱ Erȱ setztȱ sichȱ dannȱvorȱallemȱaufȱvielenȱSeitenȱ(8–33)ȱmitȱ„HrnȱStier“ȱauseinander.ȱHingegenȱgiltȱ ihmȱ dieȱ „Christlicheȱ Erbauungȱ ausȱ denȱ Psalmen“ȱ (1835)ȱ vonȱ „Hrn.ȱ Dr.ȱ Umbreitȱ inȱ Heidelberg“ȱ alsȱ „eineȱ sehrȱ schätzbare,ȱ gemüthlicheȱ Anregungȱ zurȱ erbaulichenȱ BeȬ handlungȱdieserȱheil.ȱGesänge“.ȱȱ 38ȱ 33.ȱ

50ȱ

2.ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmenȱ

DieȱwichtigsteȱErkenntnisȱscheintȱdabeiȱdieȱTheseȱzuȱsein,ȱdassȱderȱ grammatischȬhistorischeȱSinnȱderȱeigentlicheȱundȱeinzigeȱSinnȱderȱTexȬ teȱ ist,ȱ dassȱ esȱ keinenȱ „Doppelsinn“,ȱ wohlȱ aberȱ einenȱ „Untersinn“ȱ gibt,ȱ derȱalsȱ„UnmittelbaresȱundȱUnbewusstes“ȱunterȱdemȱhistorischenȱSinnȱ liegt.ȱ Theseȱ 4:ȱ „Nichtsȱ darf,ȱ alsȱ soȱ genannterȱ Untersinn,ȱ inȱ einemȱ SchriftganzenȱoderȱeinerȱSchriftstelleȱgefundenȱwerden,ȱwasȱsichȱnichtȱ nachȱ psychologischenȱ Gesetzenȱ natürlichȱ demȱ historischenȱ Sinneȱ unȬ terȬȱoderȱanlegtȱ…“ȱ39ȱDiesenȱUntersinnȱdesȱAllgemeinenȱhatȱdieȱhöheȬ re,ȱd.ȱh.ȱerbaulicheȱAuslegungȱzuȱsuchen.ȱErȱliegtȱimȱHistorischen,ȱd.ȱh.ȱ imȱ Besonderenȱ selbst,ȱ kannȱ ihmȱ aberȱ auchȱ unbewusstȱ vorausliegen.ȱ Insofernȱ kannȱ derȱ Auslegerȱ gelegentlichȱ mehrȱ sehenȱ undȱ wissen,ȱ alsȱ derȱVerfasserȱselbst,ȱweilȱdieserȱnurȱdasȱBesondereȱsieht,ȱaberȱdasȱdemȱ Verfasserȱ nichtȱ Bewusste,ȱAllgemeine,ȱUnbewussteȱ vomȱ Auslegerȱ erstȱ bewusstȱgemachtȱwird.ȱ Manȱwirdȱsagenȱkönnen,ȱdassȱdiesȱeinȱinteressanter,ȱaberȱauchȱumȬ strittenerȱAnsatzȱist.ȱJedeȱAuslegerȱstehtȱvorȱderȱFrage,ȱwasȱerȱalsȱAllȬ gemeinesȱ undȱ Unbewusstesȱ beimȱ Verfasserȱ voraussetzenȱ mussȱ undȱ kann.ȱ Obȱ dieȱ Psychologieȱ weiterhilft,ȱ wieȱ deȱ Wetteȱ meint,ȱ bleibtȱ eineȱ Frage.ȱ Beiȱ ihmȱ hängtȱ diesesȱ Verständnisȱ mitȱ seinerȱ Gesamtauffassungȱ derȱ Offenbarungȱ undȱ desȱ Glaubensȱ zusammen.ȱ Fürȱ dieȱ Formierungȱ einesȱ „Untersinns“,ȱ d.ȱh.ȱ dieȱ Verwendungȱ desȱ Historischenȱ inȱ derȱ allȬ gemeinenȱ Erbauung,ȱ siehtȱ erȱ soȱ gutȱ wieȱ keineȱ Grenze.ȱ Theseȱ 10:ȱ „ErȬ laubtȱ istȱ endlichȱ auch,ȱ dasȱ Allgemeine,ȱ dasȱ demȱ historischenȱ Sinneȱ unterliegt,ȱ durchȱ freie,ȱ aberȱ ansprechendeȱ undȱ sanftȱ fließendeȱ UeberȬ gängeȱ etwasȱ zuȱ verändern,ȱ damitȱ irgendȱ eineȱ erwünschteȱ undȱ fruchtȬ bareȱ erbaulicheȱ Benutzungȱ besserȱ gelinge.“ȱ40ȱ Derȱ Wegȱ gehtȱ überȱ „dasȱ Allgemeine“,ȱundȱdasȱistȱkeinȱungefährlicherȱWeg.ȱUmȱwiederȱeinȱBeiȬ spielȱ beizufügen:ȱ Imȱ23.ȱ Psalm,ȱ denȱ deȱ Wetteȱ sehrȱausführlichȱ erklärt,ȱ findetȱ erȱ zusammengefasstȱ folgendesȱ „Allgemeine“,ȱ dasȱ jederȱ Predigtȱ zugrundegelegtȱ werdenȱ soll:ȱ„Seligeȱ Zufriedenheitȱ inȱ Gott,ȱ inȱ welcherȱ derȱ Hinblickȱ aufȱ möglicheȱ Störungenȱ durchȱ Unglückȱ undȱ Feindschaftȱ (Vs.4.5.)ȱ nurȱ eineȱ inȱ schöneȱ Harmonieȱ aufgelösteȱ Dissonanzȱ ausȬ macht.“ȱ41ȱ –ȱ Historischȱ gesehen,ȱ fragtȱ manȱ sich:ȱ Sprichtȱ hierȱ derȱ PsalȬ mistȱoderȱnichtȱvielmehrȱderȱRomantiker?ȱ DeȱWetteȱrangȱauchȱbeiȱderȱerbaulichenȱAuslegungȱumȱdieȱrichtigeȱ Einschätzungȱ derȱ davidischenȱ Überschriftenȱ undȱ derȱ Beurteilungȱ derȱ Abfassungȱ desȱ Psalms.ȱ Undȱ natürlichȱbleibtȱ erȱ beiȱseinerȱfrühȱgewonȬ nenȱ kritischenȱ Einsicht.ȱ „Vieleȱ Psalmenȱ sindȱ z.ȱB.ȱ demȱ Davidȱ zuȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 39ȱ 33.ȱ 40ȱ 34.ȱ 41ȱ 41.ȱ

ȱ

V.ȱ

51ȱ

geschrieben,ȱdemȱsieȱdieȱKritikȱabsprechenȱmuss;ȱauchȱsindȱmancheȱinȱ denȱUeberschriftenȱaufȱLagenȱundȱVerhältnisseȱinȱseinemȱLebenȱbezoȬ gen,ȱ welcheȱ dieȱ genaueȱ historischeȱ Auslegungȱ nichtȱ passendȱ findenȱ kann.ȱ Wieȱ hatȱ sichȱ nunȱ inȱ solchenȱ Fällenȱ derȱ erbaulicheȱ Erklärerȱ zuȱ verhalten?“ȱ Wissenschaftlicheȱ Wahrhaftigkeitȱ bleibtȱ auchȱ fürȱ denȱ erȬ baulichenȱ Auslegerȱ alsȱ Regel.ȱ Daȱ esȱ ihmȱ aberȱ umȱ dasȱ Allgemeineȱ zuȱ tunȱ seinȱ muss,ȱ sollteȱ erȱ lieberȱ unnötigeȱ Konflikteȱ vermeiden,ȱ dieȱ entȬ stehen,ȱ woȱ dieȱ Kritikȱ nochȱ nichtȱ dieȱ Schätzungȱ genießt,ȱ dieȱ ihrȱ zuȬ kommt.ȱ Demȱ Predigerȱ konzediertȱ deȱ Wette:ȱ „wennȱ dieȱ Beibehaltungȱ derȱ altenȱ Vorstellungȱ keinenȱ wesentlichenȱ Nachtheilȱ mitȱ sichȱ bringt,ȱ undȱwennȱohnehinȱdieȱabweichendeȱAnsichtȱderȱKritikerȱnochȱzweifelȬ haftȱist,ȱsoȱistȱesȱrathsam,ȱimȱerbaulichenȱVortrageȱbeiȱderȱgangbarenȱzuȱ bleiben,ȱundȱjedenȱAnstoßȱoderȱunnöthige,ȱdemȱZweckeȱderȱErbauungȱ fremdeȱErörterungȱzuȱvermeiden.“ȱ42ȱ ȱ Fragtȱ manȱ nunȱ zuletztȱ imȱ Rückblickȱ aufȱ dieȱ vergangenenȱ 150ȱ Jahre,ȱ wasȱ dennȱ vonȱ unsererȱ heutigenȱ Erkenntnisȱ gesehenȱ nochȱ nichtȱ beiȱ deȱ Wetteȱstand,ȱsoȱwürdeȱichȱversuchsweiseȱzunächstȱvierȱKomplexeȱnenȬ nen,ȱwoȱdieȱForschungȱentscheidendȱüberȱihnȱhinausȱgekommenȱist:ȱ 1.ȱ Derȱ Sitzȱ imȱ Lebenȱ derȱ Psalmenȱ konnteȱ überȱ dieȱ vonȱ deȱ Wetteȱ anȬ genommeneȱ historischeȱ Situationȱ undȱ Gefühlslageȱ desȱ Dichtersȱ erweitertȱundȱimȱsozialen,ȱwieȱimȱliturgischenȱundȱgeschichtlichenȱ Umfeldȱerheblichȱpräzisiertȱwerden.ȱ 2.ȱ DerȱKontextȱderȱPsalmabfolgeȱkonnteȱ–ȱwennȱauchȱoftȱüberschätztȱ –ȱbeiȱderȱInterpretationȱausgewertetȱwerden.ȱ 3.ȱ Dieȱ altorientalischeȱ Psalmenliteratur,ȱ dieȱ inzwischenȱ zutageȱ geȬ kommenȱ ist,ȱ hatȱ zurȱ Situierungȱ undȱ Profilierungȱ derȱ hebräischenȱ Psalmenȱmaßgeblichȱbeigetragen.ȱ 4.ȱ Dieȱ Entstehungsgeschichteȱ derȱ Psalmtexteȱ wieȱ derȱ PsalmsammȬ lungenȱ konnteȱ entscheidendȱ aufgehelltȱ werdenȱ –ȱ natürlichȱ auchȱ bedingtȱ durchȱ dieȱ Zufallsfundeȱ vonȱ Qumran.ȱ Dieȱ Frageȱ derȱ VerȬ fasserschaftȱinteressiertȱdabeiȱnichtȱmehrȱinȱgleichemȱSinneȱwieȱbeiȱ deȱWette.ȱ Deȱ Wetteȱ hatȱ nurȱ seltenȱ überȱ Texteȱ desȱ Altenȱ Testamentsȱ gepredigt.ȱ WieȱoftȱerȱüberȱPsalmenȱgepredigtȱhat,ȱentziehtȱsichȱmeinerȱKenntnis.ȱ AberȱerȱwarȱzeitȱseinesȱLebensȱeinȱkritischerȱundȱeinȱerbaulicherȱAusȬ legerȱderȱPsalmenȱgeblieben.ȱDieȱVisionȱaufȱdemȱTotenbettȱzeigt,ȱdassȱ erȱsichȱselbstȱauchȱdavonȱ„erbauen“ȱließ.ȱ ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 42ȱ 36.ȱ

52ȱ

2.ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmenȱ

Literaturȱ Handschin,ȱ P.,ȱ Wilhelmȱ Martinȱ Leberechtȱ deȱ Wetteȱ alsȱ Predigerȱ undȱ SchriftȬ steller,ȱBaselȱ1958.ȱ Kraus,ȱH.ȬJ.,ȱGeschichteȱderȱhistorischȬkritischenȱErforschungȱdesȱAltenȱTestaȬ ments,ȱNeukirchenȱ1965ȱ(21969).ȱ Merx,ȱ A.,ȱ Dieȱ morgenländischenȱ Studienȱ undȱ Professorenȱ anȱ derȱ Universitätȱ Heidelbergȱ vorȱ undȱ besondersȱ imȱ 19.ȱ Jahrhundert,ȱ in:ȱ Heidelbergerȱ ProȬ fessorenȱausȱdemȱ19.ȱJahrhundert,ȱHeidelbergȱ1903.ȱ Rogerson,ȱJ.ȱW.,ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWetteȱ–ȱFounderȱofȱModernȱBiblicalȱCriticism.ȱAnȱ IntellectualȱBiography,ȱJSOT.Sȱ126,ȱSheffieldȱ1992.ȱ Smend,ȱ R.,ȱ Wilhelmȱ Martinȱ Leberechtȱ deȱ Wettesȱ Arbeitȱ amȱ Altenȱ undȱ Neuenȱ Testament,ȱBaselȱ1958.ȱ Ders.,ȱDeȱWetteȱundȱdasȱVerhältnisȱzwischenȱhistorischerȱBibelkritikȱundȱphiloȬ sophischemȱSystemȱimȱ19.ȱJahrhundert,ȱThZȱ14ȱ(1958),ȱ107–119.ȱ Ders.,ȱDeutscheȱAlttestamentlerȱinȱdreiȱJahrhunderten,ȱGöttingenȱ1989,ȱ38–52.ȱ Staehelin,ȱE.,ȱDewettiana:ȱForschungenȱundȱTexteȱzuȱWilhelmȱMartinȱLeberechtȱ deȱWettesȱLebenȱundȱWerk.ȱStudienȱzurȱGeschichteȱderȱWissenschaftenȱinȱ Baselȱ2,ȱBaselȱ1956.ȱ Ders.,ȱKleineȱDewettiana,ȱThZȱ13ȱ(1957),ȱ33–41.ȱ Vincent,ȱ J.ȱM.,ȱ Unpublizierteȱ Quellenȱ zurȱ Wirksamkeitȱ vonȱ W.ȱM.ȱL.ȱ deȱ Wetteȱ undȱ zurȱ Beziehungȱ vonȱ Eduardȱ Reussȱ zumȱ Baslerȱ Gelehrten,ȱ ThZȱ 50ȱ (1994),ȱ322–335.ȱ Wiegand,ȱA.,ȱDeȱWetteȱinȱHeidelberg,ȱKirchenȱundȱSchulblattȱ23ȱ(1874),ȱ82.ȱ

ȱ

3.ȱBernhardȱDuhmsȱPsalmenkommentar.ȱ EineȱGlosseȱ ȱ ȱ Obwohlȱ Bernhardȱ Duhmȱ nachȱ demȱ vonȱ Rudolfȱ Smendȱ überliefertenȱ Diktumȱ eigentlichȱ derȱ Meinungȱ war,ȱ „daßȱ manȱ durchȱ Commentareȱ dummȱwird“ȱ(1889),ȱhatȱerȱKommentareȱgeschrieben,ȱdieȱbisȱzumȱheuȬ tigenȱ Tagȱ ihreȱ Bedeutungȱ haben.ȱ Inȱ derȱ tabakverräuchertenȱ StudierȬ stubeȱ seinesȱ Hausesȱ amȱ St.ȱ JohannsȬRheinwegȱ 101ȱ –ȱ einȱ paarȱ Häuserȱ stadteinwärtsȱ hatteȱ auchȱ unserȱ Jubilarȱ eineȱ Zeitlangȱ seinȱ ArbeitsȬ zimmerȱ –,ȱ einȱ Haus,ȱ dasȱ erȱ gleichȱ nachȱ seinerȱ Ankunftȱ inȱ Baselȱ selbstȱ entworfenȱhabenȱsollȱundȱdasȱheuteȱ(2009)ȱnochȱstehtȱ(Abb.ȱ):ȱdortȱsindȱ nacheinanderȱvierȱKommentareȱzuȱdenȱBüchernȱJesaja,ȱJeremia,ȱZwölfȬ prophetenȱundȱPsalmenȱentstanden.ȱUnterȱdiesenȱKommentarenȱistȱderȱ überȱ dieȱ Psalmenȱ vielleichtȱ nichtȱ derȱ bedeutendsteȱ –ȱ diesesȱ Prädikatȱ kommtȱdemȱJesajaȬȱoderȱJeremiaȬKommentarȱsicherlichȱeherȱzuȱ–ȱaberȱ erȱ istȱ zumindestȱ unterȱ denȱ Forschernȱ gewissȱ derȱ berüchtigtsteȱ undȱ beliebteste.ȱ Berüchtigtȱ istȱ erȱ wegenȱ seinerȱ unverblümtenȱ Spracheȱ –ȱ DuhmȱnahmȱnieȱeinȱBlattȱvorȱdenȱMundȱ–ȱundȱwegenȱderȱunverhohleȬ nenȱ Kritikȱ anȱ derȱ „frommenȱ Poesie“.ȱ Beliebtȱ istȱ er,ȱweilȱ erȱ sichȱ soȱ gutȱ zumȱZitierenȱeignet.ȱWillȱmanȱnämlichȱetwasȱKritischesȱüberȱdieȱPsalȬ menȱ sagen,ȱ zitiertȱ manȱ Duhmȱ –ȱ wenȱ sonst?ȱ Seinȱ meistȱ karikierendes,ȱ weitȱ übertriebenes,ȱ aberȱ messerscharfesȱ Urteilȱ erspartȱ eigeneȱ FormuȬ lierungȱ undȱ schütztȱ denȱ Zitierendenȱ hinterȱ demȱ breitenȱ Rückenȱ desȱ Friesen.ȱManȱkannȱsichȱjaȱauchȱsoȱherrlichȱempörenȱüberȱeinen,ȱderȱesȱ wagt,ȱheiligeȱTexteȱliterarischȱderartȱzuȱzensurieren.ȱ MitȱdemȱDatum:ȱBasel,ȱ19.ȱAprilȱ1899ȱschlossȱBernhardȱDuhmȱdasȱ Vorwortȱ zuȱ seinemȱ Kommentar,ȱ derȱ inȱ derȱ Abteilungȱ XIVȱ imȱ Kurzenȱ HandȬCommentarȱzumȱAltenȱTestament,ȱherausgegebenȱvonȱKarlȱMarȬ ti,ȱord.ȱProfessorȱderȱTheologieȱanȱderȱUniversitätȱBern,ȱimȱVerlagȱvonȱ J.ȱC.ȱB.ȱ Mohrȱ (Paulȱ Siebeck)ȱ inȱ Freiburgȱ i.ȱB.,ȱ Leipzigȱ undȱ Tübingenȱ erȬ schienenȱ ist.ȱ Mehrȱ durchȱ Zufallȱ gewecktȱ ausȱ demȱ „KommentaȬ torenschlaf“,ȱdenȱderȱAutorȱdenȱignorantenȱPsalmauslegernȱunterȱdenȱ Kollegenȱ einmalȱ vorwarf,1ȱ reibtȱ manȱ sichȱ einȱ wenigȱ verwundertȱ dieȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ

295.ȱ

54ȱ

3.ȱBernhardȱDuhmsȱPsalmenkommentarȱ

Augen,ȱdassȱesȱtatsächlichȱeinȱJahrhundertȱherȱist,ȱdassȱdiesesȱepocheȬ machendeȱWerkȱentstandenȱist.ȱȱ Mitȱ seinenȱ 312ȱ Seitenȱ undȱ 37ȱ Seitenȱ Einleitungȱ (=ȱ 349ȱ Seiten)ȱ entȬ sprichtȱ derȱ Kommentarȱ denȱ Prinzipienȱ derȱ Reiheȱ undȱ gehörtȱ eherȱ zuȱ denȱ kürzerenȱ Kommentarenȱ zumȱ Psalter.ȱ Duhmȱ hieltȱ sichȱ inȱ etwaȱ anȱ dieȱ Vorgabeȱ –ȱ obwohlȱ erȱ eingangsȱ seinesȱ Vorwortesȱ sichȱ darüberȱ beȬ klagt,ȱ dassȱihmȱ „fürȱ2527ȱmassor.ȱVerseȱ nurȱ etwaȱzwanzigȱ Bogenȱ einȬ geräumtȱ werdenȱ konnten“ȱ2.ȱ Dieȱ vonȱ ihmȱ bearbeiteteȱ undȱ erweiterteȱ zweiteȱ Auflageȱ vonȱ 1922ȱ gehtȱ mitȱ ihrenȱ 496ȱ Seitenȱ undȱ 36ȱ Seitenȱ EinȬ leitungȱ (=ȱ 532ȱ Seiten)ȱ nurȱ scheinbarȱ wesentlichȱ darüberȱ hinaus.ȱ Sieȱ brauchtȱfürȱdieȱnunmehrȱvorangestelltenȱÜbersetzungenȱinȱstichischerȱ SchreibungȱmehrȱPlatzȱalsȱdieȱersteȱAuflage,ȱwelcheȱdieȱÜbersetzungenȱ inȱdieȱErklärungenȱeinbezogenȱhatȱundȱzugleichȱinȱeinemȱSonderbandȱ imȱselbenȱJahrȱ(21907)ȱimȱgleichenȱVerlagȱveröffentlichtȱwurde.ȱ Derȱ ersteȱ Eindruck,ȱ derȱ sichȱ beimȱ Wiederlesenȱ desȱ Kommentarsȱ einstelltȱ–ȱnachȱdenȱBemerkungenȱzurȱzweitenȱAuflageȱgingȱDuhmȱbeiȱ derȱ erstenȱ nochȱ davonȱ aus,ȱ dassȱ manȱ dasȱ Buchȱ alsȱ Ganzesȱ durchȬ arbeitenȱwürde,ȱjetztȱaberȱrechnetȱerȱmitȱLesern,ȱdieȱ„aufȱdasȱStudiumȱ einesȱeinzelnenȱBibelbuchesȱnichtȱallzuvielȱZeitȱverwendenȱkönnen“ȱ3ȱ–,ȱ istȱ derȱ einerȱ lebendigenȱ Frischeȱ undȱ fastȱ ungebrochenenȱ Aktualität.ȱ Magȱ ersteresȱ anȱ denȱ stetsȱ unterhaltsamenȱ undȱ entwaffnendenȱ TemȬ peramentsausbrüchenȱ liegen,ȱ dieȱ manȱ mitȱ nichtȱ geringemȱ Vergnügenȱ liest,ȱ wohlȱ wissend,ȱ dassȱ erȱ damitȱ daȱ undȱ dortȱ angeecktȱ istȱ undȱ sichȱ seineȱVerwundungenȱgeholtȱhat,ȱdieȱoffensichtlicheȱAktualitätȱvermitȬ teltȱ dieȱ beklemmendeȱ Frage,ȱ obȱ dennȱ wirklichȱ einȱ Fortschrittȱ inȱ derȱ Forschungȱderȱletztenȱ100ȱJahreȱerzieltȱwordenȱist.ȱManȱhatȱdasȱGefühl,ȱ dassȱvieleȱderȱgroßenȱPsalmenproblemeȱfastȱnochȱsoȱwenigȱgeklärtȱoderȱ gelöstȱ sindȱ wieȱ zurȱ vorletztenȱ Jahrhundertwende.ȱ Zitierenȱ wirȱ denȱ Schlussȱ desȱ Vorwortsȱ derȱ erstenȱ Auflage:ȱ „Amȱ Meistenȱ hatȱ mirȱ auchȱ beiȱdieserȱArbeitȱamȱHerzenȱgelegenȱdieȱReligionsgeschichte.ȱIchȱrechȬ neȱ aufȱ Leser,ȱ dieȱ dieȱ wahreȱ Objektivitätȱ nichtȱ imȱ Festhaltenȱ amȱ Altenȱ oderȱanȱdenȱjetztȱherrschendenȱMeinungenȱundȱinȱ‚besonnener‘ȱAbkehrȱ vonȱ neuenȱ Hypothesen,ȱ sondernȱ imȱ unablässigenȱ Strebenȱ nachȱ derȱ meistȱdunklenȱundȱoftȱfremdartigenȱWahrheitȱerblicken“ȱ4.ȱSolcheȱSätzeȱ relativierenȱalleȱForscherarbeit,ȱauchȱdieȱseine,ȱundȱbezeugen,ȱmitȱwelȬ cherȱ Energieȱ erȱ selbstȱ versuchtȱ hat,ȱ seinenȱ eigenenȱ Wegȱ zuȱ gehenȱ –ȱ alleinȱ derȱ Wahrheitȱ verpflichtet,ȱ dieȱ erȱ meistȱ alsȱ dunkelȱ undȱ oftȱ alsȱ fremdartigȱempfand.ȱSoȱgaltȱfürȱihnȱsicherlichȱnichtȱnurȱimȱBlickȱaufȱdieȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 2ȱ 3ȱ 4ȱ

VII.ȱ 2.ȱA.,ȱVIII.ȱ VIII.ȱ

ȱ

3.ȱBernhardȱDuhmsȱPsalmenkommentarȱ

55ȱ

„Ansetzungen“ȱzumȱMetrum,ȱwasȱerȱgleichȱamȱAnfangȱsagt:ȱ„sieȱsindȱ alsoȱ nurȱ Thesen,ȱ Vorschlägeȱ undȱ appellierenȱ anȱ dieȱ prüfendeȱ undȱ wennȱ nötigȱ berichtigendeȱ Mitarbeitȱ desȱ Lesers“ȱ5.ȱ Offenbarȱ etwasȱ entȬ täuschtȱ vonȱ dieserȱ Mitarbeitȱ undȱ vonȱ demȱ Unvermögen,ȱ seinȱ Strebenȱ nachȱderȱ„wahrenȱObjektivität“ȱzuȱwürdigen,ȱsiehtȱerȱsichȱgenötigt,ȱimȱ (kurzen)ȱVorwortȱzurȱzweitenȱAuflageȱumȱ„sachlicheȱBelehrungen“ȱzuȱ bitten,ȱ daȱ erȱ „vorȱ ‚Ueberzeugungen‘ȱ …ȱ beiȱ historischenȱ Fragenȱ nichtȱ vielȱ mehrȱ Ehrfurchtȱ (habe)ȱ alsȱ vorȱ tapferenȱ Einfällenȱ undȱ hochȬ wichtigenȱNeuentdeckungen“ȱ6.ȱDuhmscheȱIronie!ȱ ȱ DreiȱCharakteristikaȱseinerȱAuslegungȱseienȱhervorgehoben:ȱȱ Zuerstȱ dieȱ extremeȱ Spätdatierung.ȱ „Danachȱ halteȱ ichȱ esȱ fürȱ wahrȬ scheinlich,ȱ dassȱ unserȱ Psalmbuchȱ alsȱ solchesȱ unterȱ derȱ Königinȱ AlexȬ andraȱ oderȱ Salomeȱ rundȱ 70ȱ a.ȱChr.ȱ fertigȱ gewordenȱ istȱ undȱ seinenȱ ErȬ oberungszugȱ durchȱ dieȱ gesamteȱ Judenheitȱ angetretenȱ hat“ȱ7.ȱ Zwarȱ habenȱ wirȱ esȱ hierȱ mitȱ einerȱ „Überzeugung“ȱ zuȱ tun,ȱ dochȱ gibtȱ Duhmȱ auchȱ unumwundenȱ zu,ȱ dassȱ manȱ diesȱ „zwingend“ȱ nichtȱ beweisenȱ kann.ȱ Undȱ soȱ kommtȱ erȱ –ȱ nurȱ scheinbarȱ resignierend,ȱ eherȱ zähneȬ knirschendȱ–ȱzuȱdemȱSchluss:ȱ„Undȱwerȱsichȱdaraufȱkaprizierenȱwollte,ȱ denȱAbschlussȱdesȱPsaltersȱinsȱJahrȱ1ȱunsererȱZeitȱzuȱsetzen,ȱdenȱkönnȬ teȱ manȱ nichtȱ widerlegen.“ȱ Immerhin,ȱ diesenȱ Querschussȱ müssteȱ erȱ heuteȱ nichtȱ mehrȱ fürchten,ȱ weilȱ dieȱ neugefundenenȱ Qumranpsalterȱ dieseȱSpätdatierungȱzulassen.ȱAberȱkommtȱalsȱDatumȱdasȱ„dritteȱJahrȬ zehntȱdesȱletztenȱvorchristlichenȱJahrhunderts“ȱnochȱinȱFrage?ȱȱ DuhmȱkommtȱzuȱderȱschonȱetwaȱdurchȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWetteȱvertreteȬ nenȱSpätansetzungȱdurchȱdieȱDatierungȱderȱeinzelnenȱPsalmen.ȱDaȱdieȱ Überschriftenȱ dazuȱ nichtȱ dienlichȱ sindȱ –ȱ erȱ sprichtȱ vomȱ „pseudoȬ historischenȱKopfschmuck“ȱ8ȱ–,ȱkommenȱnurȱandereȱIndizienȱinȱFrage.ȱ Zeichenȱ „desȱ anscheinendȱ unausrottbarenȱ Glaubensȱ anȱ dieȱ Tradition“ȱ istȱihmȱschonȱdieȱFrage,ȱobȱeinȱPsalmȱvorexilischȱoderȱnachexilischȱsei.ȱ „Keinȱ einzigerȱ Psalmȱ bringtȱ einenȱ unbefangenenȱ undȱ tendenzlosenȱ LeserȱauchȱnurȱaufȱdenȱGedanken,ȱdassȱerȱvorexilischȱseinȱkönnteȱoderȱ garȱ müsste.“ȱ Derȱ ältesteȱ Psalmȱ istȱ fürȱ ihnȱ „dasȱ Volksliedȱ ausȱ derȱ Zeitȱ desȱ babylonischenȱ Exilsȱ Psȱ 137“ȱ9.ȱ Dannȱ kommtȱ langeȱ nichts.ȱ „Ebensoȱ kenneȱ ichȱ keinenȱ Psalm,ȱ derȱ anȱ dieȱ persischeȱ Zeitȱ zuȱ denkenȱ verȬ anlasste“.ȱ „Hingegenȱ scheinenȱ mancheȱ Psalmenȱ inȱ derȱ griechischenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 5ȱ 6ȱ 7ȱ 8ȱ 9ȱ

VII.ȱ VIII.ȱ XII.ȱ XVII.ȱ XIX.ȱ

56ȱ

3.ȱBernhardȱDuhmsȱPsalmenkommentarȱ

Zeitȱ vorȱ Antiochusȱ Epiphanesȱ entstandenȱ zuȱ sein“.ȱ „Dassȱ inȱ dieȱ Zeitȱ vonȱ200ȱvorȱbisȱ100ȱnachȱChristusȱauchȱdieȱmeistenȱPsalmsammlungenȱ undȱ jedenfallsȱ derȱ Abschlussȱ desȱ Psaltersȱ fallen,ȱ wäreȱ vonȱ vornhereinȱ wahrscheinlich,ȱ wirdȱ aberȱ zurȱ Gewissheitȱ durchȱ denȱ Umstand,ȱ dassȱ nichtȱ wenigȱ Psalmenȱ sichȱ mitȱ vollerȱ Sicherheitȱ alsȱ Erzeugnisseȱ ebenȱ dieserȱZeitȱerweisenȱlassen.“ȱ10ȱ ȱ Dasȱ zweiteȱ auffallendeȱ Charakteristikumȱ desȱ Duhmschenȱ PsalmenȬ kommentarsȱist,ȱdenȱPsalterȱnichtȱmehrȱwieȱüblichȱalsȱ„Gesangbuchȱderȱ Gemeinde“ȱoderȱalsȱ„Ritualbuch“ȱfürȱdieȱLiturgieȱzuȱbestimmen;ȱvielȬ mehrȱsiehtȱerȱinȱihmȱeinȱ„religiösesȱVolksbuch“.ȱEntsprechendȱschätzteȱ erȱdieȱpoetischeȱQualitätȱderȱTexteȱalsȱ„mittelmäßig“ȱein.ȱEsȱgibtȱunterȱ ihnenȱ„MeisterwerkeȱderȱlyrischenȱWeltliteratur“.ȱ„DerȱgrößteȱTeilȱderȱ PsalmenȱaberȱistȱMittelgutȱoderȱwenigerȱalsȱdas“ȱ11.ȱVielȱzitiertȱistȱseinȱ UrteilȱüberȱdenȱweisheitlichenȱPsalmȱ119,ȱdenȱerȱ„alsȱdasȱinhaltlosesteȱ Produkt,ȱ dasȱ jemalsȱ Papierȱ schwarzȱ gemachtȱ hat“,ȱ bezeichnete.ȱ WeniȬ gerȱ bekanntȱ aberȱ ist,ȱ dassȱ erȱ inȱ derȱ gleichzeitigenȱ Übersetzungȱ sehrȱ sorgfältig,ȱfastȱmöchteȱmanȱsagenȱliebevoll,ȱversuchtȱhat,ȱdieȱ(alphabeȬ tische)ȱStrukturȱdesȱTextesȱnachzuzeichnen.ȱErȱhatteȱnämlichȱdurchausȱ Sinnȱ fürȱ dieȱ pädagogischeȱ Abzweckungȱ desȱ Psalters.ȱ „Fürȱ dieȱ letztenȱ HerausgeberȱdesȱPsalters,ȱdieȱihnȱinȱdieȱLaienweltȱbrachten,ȱmussȱmanȱ daherȱ nichtȱ etwaȱ dieȱ Priester,ȱ dieȱ Funktionäreȱ desȱ Tempels,ȱ sondernȱ dieȱSchriftgelehrtenȱhalten,ȱdie,ȱwennȱmanȱsoȱsagenȱdarf,ȱeinȱInteresseȱ anȱderȱDemokratisierungȱdesȱKultsȱimȱweiterenȱSinneȱ…ȱhatten.“ȱ12ȱ ȱ AlsȱdrittesȱMerkmalȱhebenȱwirȱhervor,ȱdassȱDuhmȱeinenȱBlickȱfürȱdieȱ sozialeȱ Wirklichkeitȱ hatte,ȱ dieȱ vorȱ allemȱ hinterȱ denȱ zahlreichenȱ InȬ dividualȬ,ȱvorȱallemȱFeindpsalmenȱzuȱvermutenȱist.ȱWirȱzitierenȱnochȬ malsȱausȱderȱEinleitungȱzurȱÜbersetzung:ȱ„UndȱwoȱgäbeȱesȱeinȱSchriftȬ thumȱ vonȱ gleichemȱ Umfang,ȱ inȱ demȱ soȱ vielȱ vonȱ Spionirenȱ undȱ Verleumden,ȱvonȱHaßȱundȱVerachtungȱgeredetȱwürde,ȱwieȱimȱPsalter!ȱ Manȱ stelltȱ sichȱ nachȱ demȱ Leben,ȱ wünschtȱ sichȱ gegenseitigȱ zurȱ Hölle,ȱ drohtȱ mitȱ Gottesȱ undȱ mitȱ eigenerȱ Rache,ȱ verfluchtȱ selbstȱ Kindȱ undȱ Weibȱ desȱ Gegnersȱ …ȱ Keinȱ Zugȱ trittȱ inȱ demȱ culturhistorischenȱ Bilde,ȱ dasȱsichȱimȱPsalterȱabspiegelt,ȱsoȱstarkȱhervorȱwieȱderȱderȱallgemeinenȱ Verhetzung.“ȱ13ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10ȱ 11ȱ 12ȱ 13ȱ

XII.ȱ EinleitungȱzurȱÜbersetzungȱ„InȱdenȱVersmaßenȱderȱUrschrift“ȱvonȱ1899,ȱ21907,ȱXVI.ȱ XXIV.ȱ XVIII.ȱ

ȱ

3.ȱBernhardȱDuhmsȱPsalmenkommentarȱ

57ȱ

GeradeȱaufȱdiesemȱFeldȱhatȱdieȱAuslegungȱvonȱDuhmȱnochȱzuȱlerȬ nen,ȱ dennȱ sie,ȱ geneigt,ȱ lieberȱ eineȱ „Theologieȱ derȱ Psalmen“ȱ alsȱ eineȱ „Soziologie“ȱ–ȱerȱselbstȱnenntȱesȱ„Sittengeschichte“ȱ–ȱzuȱsuchen,ȱüberȬ siehtȱ nurȱ zuȱ gerne,ȱ inȱ welcherȱ Weltȱ undȱ fürȱ welcheȱ Menschenȱ dieȱ Psalmenȱ entstandenȱ sind.ȱ Fürȱ ihnȱ sindȱ dasȱ „dieȱ Leute,ȱ dieȱ späterȱ aufȬ horchtenȱ undȱ herbeiströmten,ȱ alsȱ dieȱ Armen,ȱ dieȱ Demüthigenȱ undȱ Friedfertigenȱseligȱ gepriesenȱ wurden,ȱalsȱ esȱ hieß:ȱ dasȱ Himmelreichȱ istȱ naheȱherbeigekommen,ȱalsȱdieȱKraftȱausȱderȱHöheȱsichȱoffenbarte.“ȱ Mitȱ diesenȱ Wortenȱ schließtȱ Duhmȱ seineȱ „Einleitungȱ inȱ dasȱ Psalmbuch“.ȱȱ ȱ ȱ

Abb.ȱ1:ȱȱ DuhmsȱHausȱamȱSt.ȱJohannsȬRheinwegȱ101ȱinȱBaselȱ

58ȱ

3.ȱBernhardȱDuhmsȱPsalmenkommentarȱ

ȱ Abb.ȱ2:ȱȱ ÜberȱdemȱBalkon:ȱBildtafelȱmitȱInschriftȱausȱHiobȱ14,9:ȱ ȱ ȱ „VomȱGeruchȱdesȱWassersȱwirdȱerȱgrünen.“

ȱ

4.ȱDavidȱalsȱPsalmsängerȱinȱderȱBibel.ȱ EntstehungȱeinerȱSymbolfigurȱ ȱ ȱ Dieȱ Vorstellungȱ vonȱ „Davidȱ alsȱ Psalmsänger“ȱ istȱ dasȱ Ergebnisȱ einerȱ Entwicklung,ȱdieȱausȱunterschiedlichenȱMotivenȱinȱGangȱgebrachtȱundȱ unterȱ demȱ Einflussȱ vonȱ bestimmtenȱ Interessenȱ amȱ Lebenȱ erhaltenȱ wurde.ȱIhreȱentscheidendenȱImpulseȱerhieltȱsieȱerstȱinȱnachkanonischerȱ Zeit,ȱ ausȱ derȱsichȱ dasȱ klassischȱ gewordeneȱ BildȱdesȱKönigsȱ Davidȱ mitȱ derȱ Harfeȱ herleitet,ȱ dasȱ vollendsȱ seitȱ denȱ mittelalterlichenȱ PsalterȬ illuminationenȱ dasȱallgemeineȱ Bewusstseinȱ beherrscht.ȱ Dieȱ Geschichteȱ dieserȱ Entwicklungȱ lässtȱ sichȱ zwarȱ nichtȱ vollständig,ȱ dochȱ inȱ einigenȱ Momentbildernȱ derȱ biblischenȱ undȱ nachbiblischenȱ Traditionȱ beȬ schreiben.ȱ Wieȱ jedeȱ fixeȱ Vorstellungȱ oderȱ plakativeȱ Darstellungȱ offenȬ bartȱ sieȱ mehrȱ überȱ dieȱ Interessenȱ undȱ Zieleȱ derȱ Initiatoren,ȱ Tradentenȱ undȱ Editorenȱ desȱ Psaltersȱ alsȱ überȱ dieȱ einzelnenȱ Psalmistenȱ undȱ ihreȱ Texteȱ undȱ gehörtȱ wenigerȱ zurȱ EntstehungsȬȱ alsȱ zurȱ RezeptionsȬ geschichteȱ derȱ biblischenȱ Literatur.ȱ Sieȱ erhelltȱ insofernȱ mehrȱ denȱ VorȬ gangȱderȱPräsentationȱalsȱderȱKompositionȱderȱPsalmen,ȱundȱhatȱnichtȱ soȱsehrȱmitȱderȱHerkunftȱalsȱvielmehrȱmitȱderȱWirkung,ȱsozusagenȱderȱ VerbreitungsstrategieȱdesȱentstehendenȱPsaltersȱzuȱtun.ȱInȱdieserȱFormȱ fixiertȱundȱkanonisiertȱaberȱistȱdasȱBildȱvonȱDavidȱalsȱSängerȱderȱbibliȬ schenȱ Psalmenȱ inȱ einemȱ bestimmtenȱ Sinnȱ alsȱ LeitȬȱ undȱ Titelbildȱ auchȱ TeilȱderȱbiblischenȱLiteraturgeschichte. 1ȱ Wirȱ versuchen,ȱ einigeȱ Phasenȱ derȱ Entstehungsgeschichteȱ jenesȱ kaȬ nonischȱ gewordenenȱ Bildesȱ nachzuzeichnenȱ undȱ beginnenȱ mitȱ denȱ historischenȱVoraussetzungen.ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ

EineȱderȱeindrücklichstenȱDarstellungenȱDavidsȱalsȱSängerȱstammtȱausȱderȱSynagoȬ geȱ vonȱ Gazaȱ (6.ȱ Jh.ȱ p.ȱChr.).ȱ Dasȱ Fußbodenmosaikȱ zeigtȱ Königȱ Davidȱ mitȱ einerȱ mehrsaitigenȱHarfeȱundȱderȱhebräischenȱLegendeȱ G\ZGȱ(heuteȱimȱMuseumȱfürȱMusikȱ undȱEthnologieȱinȱHaifa).ȱȱ

60ȱ

4.ȱDavidȱalsȱPsalmsängerȱinȱderȱBibelȱ

I.ȱDieȱältestenȱÜberlieferungenȱundȱderȱhistorischeȱDavidȱ Esȱ gehörtȱ zumȱ Kernbestandȱ derȱ biblischenȱ Davidüberlieferung2,ȱ dassȱ Davidȱ eineȱ Beziehungȱ zuȱ Musikȱ undȱ Gesangȱ zuerkanntȱ wird.ȱ Dassȱ dieseȱ Überlieferungȱ ihremȱ Charakterȱ nachȱ demȱ Mediumȱ derȱ Sageȱ (Heldensage,ȱ historischenȱ Sage)ȱ zugehört,ȱ machtȱ dieȱ historischeȱ AusȬ wertungȱdiesesȱÜberlieferungselementsȱkompliziert.ȱEsȱistȱzwarȱeinerȬ seitsȱvonȱvornehereinȱanzunehmen,ȱdassȱdieseȱSagenȱihreȱletztenȱWurȬ zelnȱ inȱ derȱ Personȱ undȱ Zeitȱ Davidsȱ habenȱ –ȱ sofernȱ seineȱ Historizitätȱ nichtȱ grundsätzlichȱ bestrittenȱ wirdȱ –,ȱ dochȱ istȱ natürlichȱ imȱ Einzelnenȱ schwerȱzuȱsagen,ȱwelcheȱElementeȱderȱSagenüberlieferungȱzumȱhistoriȬ schenȱ Kernȱ gehörenȱ undȱ welcheȱ nicht.ȱ Andererseitsȱ sindȱ dieseȱ Sagenȱ imȱ Mediumȱ schriftlichȬliterarischerȱ Traditionȱ innerhalbȱ einerȱ SagenȬ sammlungȱwiedergegeben,ȱsoȱdassȱungewissȱbleibt,ȱwasȱbeiȱderȱschriftȬ lichenȱ Niederlegungȱ nochȱ hinzugekommenȱ ist,ȱ umȱ eineȱ Darstellungȱ derȱ „Geschichteȱ vonȱ Davidsȱ Aufstieg“ȱzuȱ gestalten.ȱSoȱ istȱ esȱ denkbar,ȱ dassȱ dieȱ Angabe,ȱ dassȱ derȱ jungeȱ Davidȱ alsȱ Hirteȱ ausȱ einemȱ bethlehemitischenȱ Geschlechtȱ „sichȱ aufȱ dasȱ Saitenspielȱ verstand“ȱ (1.ȱ Samȱ 16,18),ȱ historischȱ zutreffendȱ ist.ȱ Esȱ istȱ aberȱ genausoȱ vorstellbar,ȱ dassȱdieseȱAngabeȱimȱZusammenhangȱvonȱPrädikatenȱwieȱ„einȱtapfeȬ rerȱMannȱundȱstreitbar,ȱderȱRedeȱmächtigȱundȱschönȱvonȱGestalt,ȱundȱ derȱHerrȱistȱmitȱihm“ȱ–ȱvorȱallemȱauchȱimȱBlickȱaufȱdieȱletzte,ȱdieȱtheoȬ logischeȱAussageȱ–ȱzuȱdemȱIdealbildȱeinesȱjungenȱMannesȱgehörte,ȱwieȱ esȱ erstȱ inȱ derȱ höfischenȱ Epocheȱ undȱ d.ȱh.ȱ inȱ derȱ nachdavidischenȱ Zeitȱ ausgebildetȱ wurde.ȱ Dannȱ wäreȱ dieseȱ Beschreibungȱ desȱ jungenȱ Davidȱ eineȱprototypische,ȱüberȱderenȱhistorischenȱHintergründeȱnichtȱvielȱzuȱ sagenȱwäre.ȱ Inȱ einȱanderesȱ Lichtȱaberȱgerätȱ dieseȱ Beschreibung,ȱwennȱ manȱdieȱ Stellenȱ hinzuzieht,ȱ dieȱ vonȱ einemȱ Konfliktȱ zwischenȱ Königȱ Saulȱ undȱ seinemȱWaffenträgerȱDavidȱerzählen,ȱderȱinȱderȱSzeneȱseinenȱAusbruchȱ fand,ȱinȱderȱderȱschwermütigeȱSaulȱdenȱSpeerȱaufȱDavidȱwarf,ȱalsȱdieȬ serȱihmȱ„mitȱ(derȱLaute)ȱaufspielte,ȱwieȱerȱjedenȱTagȱzuȱtunȱpflegte“ȱ(1.ȱ Samȱ18,10).ȱDennȱerȱwarȱjaȱwegenȱdieserȱseinerȱKunstȱauchȱanȱdenȱKöȬ nigshofȱSaulsȱgeholtȱwordenȱ(1.ȱSamȱ16,22ȱf.).ȱDiesesȱMotivȱdesȱdieȱLauȬ teȱ (kinnor)ȱ schlagendenȱ Pagenȱ istȱ soȱ starkȱ inȱ dieȱ Erzählungȱ vonȱ derȱ Entstehungȱ desȱ Konfliktesȱ undȱ desȱ Zerwürfnissesȱ verankert,ȱ dassȱ esȱ dochȱsehrȱnaheȱliegendȱist,ȱanzunehmen,ȱesȱgehöreȱzumȱUrgesteinȱderȱ SaulȬDavidüberlieferung.ȱSolchesȱeinmalȱvorausgesetzt,ȱwäreȱhierȱmögȬ licherweiseȱeinȱAnsatzpunktȱgewonnen.ȱWirȱhättenȱhierȱdasȱUrbildȱderȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 2ȱ

ZumȱFolgendenȱvgl.ȱ–ȱaußerȱdenȱSamuelkommentarenȱ–ȱvorȱallemȱDietrich,ȱKönigsȬ zeit.ȱ

ȱ

I.ȱDieȱältestenȱÜberlieferungenȱundȱderȱhistorischeȱDavidȱ

61ȱ

Vorstellung,ȱ David,ȱ „spielend,ȱ dieȱ Lauteȱ inȱ seinerȱ Hand“.ȱ Dabeiȱ istȱ bemerkenswert,ȱ dassȱ vonȱ Gesangȱ nichtȱ dieȱ Redeȱ ist.ȱ Esȱ istȱ eȱ silentioȱ nichtȱ sicherȱ auszuschließen,ȱ dassȱ Davidȱ beiȱ jenenȱ Gelegenheitenȱ auchȱ zurȱLauteȱgesungenȱhat.ȱAberȱesȱistȱdochȱauffällig,ȱdassȱdarüberȱnichtsȱ gesagtȱ ist,ȱ undȱ manȱ sichȱ vorstellenȱ muss,ȱ dassȱ jeneȱ musiktheraȬ peutischenȱ Anlässeȱ „ohneȱ Worte“ȱ verliefen,ȱ zumalȱ jaȱ derȱ kinnorȱ einȱ rhythmisches,ȱkeinȱmelodischesȱInstrumentȱgewesenȱzuȱseinȱscheint.ȱȱ Wieȱ demȱ auchȱ gewesenȱ seinȱ mag,ȱ esȱ fügtȱ sichȱ gut,ȱ sichȱ vorzuȬ stellen,ȱ dassȱ Davidȱ auchȱ desȱ Gesangesȱ mächtigȱ war,ȱ wennȱ erȱ ihnȱ beiȱ jenenȱ Gelegenheitenȱ auchȱ nichtȱ einsetzte.ȱ Soȱ konnteȱ sichȱ dasȱ vonȱ derȱ Sageȱ geschaffeneȱ Bild,ȱ Abbildȱ derȱ Wirklichkeitȱ oderȱ nicht,ȱ vonȱ ErȬ zählungȱ zuȱ Erzählungȱ verbreitenȱ undȱ sichȱ soȱ demȱ kollektivenȱ GeȬ dächtnisȱ einprägen,ȱ bisȱ esȱ schließlichȱ schriftlichȱ aufgezeichnetȱ wurdeȱ undȱinȱdieȱArchiveȱderȱKönigszeitȱkam.ȱEsȱistȱgleichfallsȱgutȱdenkbar,ȱ dassȱ sichȱ anȱ dieȱ Vorstellungȱ vonȱ demȱ dieȱ Lauteȱ schlagendenȱ Davidȱ schonȱfrühzeitigȱneueȱMotiveȱankristallisiertȱhaben.ȱ Dieȱ Davidüberlieferungȱ hatȱ nochȱ einȱ anderesȱ Bildȱ geschaffen,ȱ dieȬ sesȱMalȱdasȱdesȱKönigsȱDavidȱundȱesȱ–ȱandersȱalsȱdieȱSageȱ–ȱmitȱQuelȬ lenangabenȱdokumentiert,ȱdasȱwohlȱdasȱBildȱvomȱjungen,ȱLauteȱschlaȬ gendenȱ Pagenȱ alsbaldȱ überlagertȱ hat.ȱ Nachȱ derȱ erzählerischenȱ Darstellungȱ inȱ 2.ȱ Samȱ 2,ȱ dieȱ denȱ Eindruckȱ macht,ȱ denȱ berichtetenȱ ErȬ eignissenȱnäherȱzuȱstehenȱalsȱdasȱvonȱeinerȱ„Sage“ȱimȱAllgemeinenȱgilt,ȱ hatȱ Davidȱ –ȱ schonȱ alsȱ Königȱ vonȱ Judaȱ –ȱ aufȱ dieȱ Nachrichtȱ vomȱ Todeȱ Saulsȱ undȱ Jonathansȱ hinȱ aufȱ demȱ Gebirgeȱ Gilboaȱ einȱ Totenklageliedȱ (qinah)ȱgesungenȱ(2.ȱSamȱ1,17).ȱEsȱistȱdiesesȱLiedȱeinȱTrauerlied,ȱdasȱzuȱ denȱ Trauerritenȱ gehörtȱ wieȱ dasȱ rituelleȱ Weinenȱ undȱ Zerreißenȱ derȱ Kleiderȱ (2.ȱ Samȱ 1,11).ȱ Dieȱ Szeneȱ wiederholtȱ sichȱ beimȱ Todeȱ desȱ FeldȬ herrnȱ Abnerȱ inȱ 2.ȱ Samȱ 3,31ȱff.ȱ Derȱ Textȱ desȱ Totenklageliedsȱ istȱ dortȱ ebenfallsȱ(fragmentarisch)ȱwiedergegeben.ȱ SchonȱimȱBlickȱaufȱdieȱArtȱderȱÜberlieferungȱderȱerzählendenȱGeȬ schichtenȱ umȱ Davidȱ warȱ festzustellen,ȱ dassȱ esȱ offenbarȱ redaktionelleȱ Interessenȱ gab,ȱ dasȱ tradierteȱ Bildȱauszugestaltenȱ undȱ dieȱ SkizzenȱausȬ zumalen.ȱ Dasȱ geschahȱ zumȱ einenȱ aufȱ derȱ Ebeneȱ derȱ schriftlichenȱ FasȬ sungȱ desȱ Erzählgutsȱ etwaȱ dadurch,ȱ dassȱ demȱ jungenȱ Davidȱ dieȱ erȬ zieherischenȱ Idealeȱ desȱ weisheitlichenȱ Menschenbildesȱ zugeschriebenȱ wurden.ȱ Zumȱ anderenȱ geschahȱ esȱ dadurch,ȱ dassȱ dieȱ Szeneȱ vomȱ AusȬ bruchȱdesȱKonfliktsȱzwischenȱSaulȱundȱDavidȱzurȱSchlüsselszeneȱinȱderȱ DarstellungȱgemachtȱundȱaufȱdieseȱWeiseȱdasȱBildȱdesȱjungenȱLautenȬ spielers,ȱdenȱderȱSpießȱdesȱaufbrausendenȱKönigsȱzweiȱMalȱverfehlt,ȱzuȱ einemȱ denkwürdigenȱ Monumentȱ ausgestaltetȱ wurde,ȱ dasȱ dieȱ GeȬ schichteȱdesȱfrühenȱKönigtumsȱeindrucksvollȱzusammenfasste.ȱ

62ȱ

4.ȱDavidȱalsȱPsalmsängerȱinȱderȱBibelȱ

Zumȱ drittenȱgeschahȱ diesȱ–ȱ vonȱ gleicherȱ oderȱandererȱ Handȱ–ȱaufȱ derȱ Ebeneȱ derȱ literarischenȱ Ausstattungȱ undȱ Anreicherungȱ vonȱ TextȬ sammlungen,ȱ dieȱ manȱ mitȱ derȱ konventionellenȱ Bezeichnungȱ derȱ „ErȬ zählungenȱ vonȱ Davidsȱ Aufstieg“ȱ zuȱ umschreibenȱ versucht.ȱ Dazuȱ geȬ hörtȱ dieȱ Zitationȱ derȱ vonȱ Davidȱ angeblichȱ gedichtetenȱ Liedtexteȱ inȱ 2.ȱ Samȱ 1,17–27ȱ undȱ 3,33–34.ȱ Ersterenȱ gebenȱ dieȱ Tradentenȱ mitȱ QuellenȬ vermerk,ȱ ausȱ einerȱ Liedersammlung,ȱ genannt:ȱ „Buchȱ desȱ Wackeren“,ȱ zitierendȱwörtlichȱwieder,ȱmitȱdemȱHinweis,ȱ„manȱsollteȱesȱdieȱSöhneȱ Judasȱlehren,ȱdasȱBogen(lied)“ȱ–ȱsoȱergänztȱnachȱdemȱhierȱetwasȱrudiȬ mentärenȱhebräischenȱText3.ȱDerȱTextȱistȱganzȱnachȱArtȱdieserȱTrauerȬ liederȱ gestaltet,ȱ stelltȱ dasȱ Einstȱ undȱ Jetztȱ vergleichendȱ gegeneinanderȱ undȱ führtȱ soȱ bewegendeȱ Klageȱ überȱ denȱ eingetretenenȱ Verlust.ȱ Hierȱ wirdȱdieȱKlageȱdemȱAnlassȱentsprechendȱzumȱHeldenlied,ȱstrukturiertȱ nachȱdemȱRefrain:ȱ„WieȱsindȱdieȱHeldenȱgefallen!“ȱ Dabeiȱ istȱ vorȱ allemȱ dieȱ Notizȱ interessant,ȱ dassȱ Davidȱ diesesȱ Liedȱ zumȱZweckeȱderȱBelehrungȱderȱ„SöhneȱJudas“ȱbestimmtȱhabe.ȱEsȱliestȱ sich,ȱalsȱobȱdieȱEditorenȱdaraufȱverweisenȱwollen,ȱdassȱderȱnachfolgenȬ deȱTextȱzwarȱvonȱDavidȱverfasstȱwurde,ȱdannȱaberȱEingangȱinȱdasȱgeȬ nannteȱLiederbuchȱfandȱundȱdortȱzurȱweiterenȱVerwendungȱalsȱSchulȬ textȱentnommenȱwerdenȱsollte.ȱȱ AusȱdieserȱDarstellungȱsindȱfolgendeȱÜberlegungenȱabzuleiten:ȱ 1.ȱ Esȱ istȱ nichtȱ ganzȱ unwahrscheinlich,ȱ dassȱ dieȱ zitiertenȱ Texteȱ ganzȱ oderȱ zumȱ Teilȱ aufȱ Davidȱ zurückzuführenȱ sind.ȱ Sieȱ sindȱ offenbarȱ nachȱFormȱundȱStilȱjenerȱEpocheȱgestaltet.ȱDieȱlapidareȱDiktionȱderȱ Zeilenȱ istȱ durchȱ dasȱ Klagemetrumȱ (3+2)ȱ gebunden,ȱ fügtȱ sichȱ aberȱ nurȱ schwerȱ inȱ eineȱ festeȱ Form.ȱ Nachȱ Inhaltȱ undȱ imȱ Tonȱ sindȱ dieȱ Liederȱindividuellȱgehalten,ȱundȱmanȱmeint,ȱechteȱBetroffenheitȱzuȱ verspüren.ȱȱ 2.ȱ Dochȱ selbstȱ wennȱ manȱ konzediert,ȱ dassȱ dieseȱ Texteȱ vonȱ Davidȱ stammen,ȱmussȱmanȱzugleichȱsagen,ȱdassȱesȱprofaneȱTrauerklagenȱ sind,ȱ dieȱ mitȱ Liedernȱ undȱ Gebetenȱ nachȱ Artȱ derȱ Psalmenȱ nichtsȱ oderȱ nichtȱ vielȱ zuȱ tunȱ haben.ȱ Dasȱ giltȱ auchȱ dann,ȱ wennȱ (spätere)ȱ Psalmenȱ durchausȱ denȱ Totenklagerhythmusȱ (dasȱ QinaȬMetrum)ȱ ihrerseitsȱ verwenden.ȱ Dieȱ Trauerliederȱ enthaltenȱ fastȱ keineȱ theoȬ logischenȱoderȱreligiösenȱMotive,ȱsindȱwederȱHymnenȱnochȱGebeteȱ undȱ stehenȱ insofernȱ demȱ Wesenȱ derȱ Psalmenȱ ziemlichȱ fern.ȱ Auchȱ sindȱdieȱPsalmen,ȱvonȱeinigenȱälterenȱHymnenȱundȱKönigsliedernȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 3ȱ

WörtlicheȱÜbersetzung:ȱ„UndȱDavidȱsangȱdieseȱTotenklageȱ…ȱ–ȱundȱerȱsprach,ȱumȱ dieȱSöhneȱJudasȱzuȱlehrenȱ‚denȱBogen‘.ȱSiehe,ȱesȱistȱaufgeschriebenȱimȱBuchȱdesȱWaȬ ckeren:ȱ…“.ȱÜberliefertȱistȱnurȱdasȱWortȱ„Bogen“,ȱsoȱdassȱmanȱdenȱTextȱ(allzu)ȱwörtȬ lichȱauchȱaufȱdasȱBogenschießenȱbeziehenȱkönnte.ȱ

ȱ

II.ȱDasȱDavidbildȱderȱRedaktionȱderȱSamuelbücherȱ

63ȱ

abgesehen,ȱerstȱProdukteȱderȱnachexilischenȱZeit,ȱsoȱdassȱesȱeinemȱ Anachronismusȱ gleichkäme,ȱ denȱ Davidȱ vonȱ 2.ȱ Samȱ 1ȱf.ȱ alsȱ einenȱ „Psalmsänger“ȱzuȱbezeichnen.ȱȱ 3.ȱ Dochȱistȱauchȱhierȱwiederȱfestzustellen,ȱdassȱdasȱBildȱvomȱ„singenȬ denȱ undȱ trauerndenȱ David“ȱ –ȱ einmalȱ fixiertȱ undȱ dokumentiertȱ –ȱ prototypischȱgewordenȱzuȱseinȱscheint.ȱDiesȱgiltȱaberȱerstȱaufȱderȱliȬ terarischenȱStufeȱderȱEditionȱdesȱSagenzyklusȱalsȱ„Geschichteȱvonȱ Davidsȱ Aufstieg“ȱ mitȱ ihremȱ explizitenȱ Zitationsbeleg.ȱ Undȱ dieseȱ StufeȱistȱwohlȱinȱderȱfrühenȱKönigszeitȱanzusetzen.ȱ Insgesamtȱwirdȱmanȱsagenȱkönnen,ȱdassȱdieȱfrüheȱerzählerischeȱDavidȬ überlieferungȱdasȱBildȱDavidsȱalsȱLautenspielerȱundȱalsȱgelegentlichenȱ KlagelieddichterȱundȱȬsängerȱgekanntȱundȱverbreitetȱhat,ȱdassȱdieȱliteȬ rarischeȱEditionȱinȱderȱKönigszeitȱdasȱüberlieferteȱDavidbildȱdannȱmitȱ Textdokumentenȱ ausȱ demȱ „Buchȱ desȱ Wackeren“ȱ unterlegtȱ undȱ damitȱ festgehaltenȱ hat,ȱ undȱ dassȱ esȱ nichtȱ unwahrscheinlichȱ ist,ȱ dassȱ diesesȱ BildȱderȱhistorischenȱRealitätȱnaheȱkommt.ȱ

II.ȱDasȱDavidbildȱderȱRedaktionȱderȱSamuelbücherȱ SoweitȱbliebenȱoffenbarȱdieȱgestalterischenȱLinienȱderȱkönigszeitlichenȱ TexteȱrechtȱnaheȱbeiȱdenȱhistorischenȱGegebenheiten.ȱDieseȱwurdenȱbeiȱ denȱ späterenȱ Bearbeitungenȱ nichtȱ zerstört,ȱ jedochȱ ergänztȱ undȱ damitȱ korrigiert.ȱ Diesȱ geschahȱ aufȱ derȱ Ebeneȱ derȱ Endredaktionȱ derȱ SamuelȬ bücher,ȱ dieȱ inȱ einemȱ besonderenȱ Anhangȱ unterȱ denȱ Dokumentenȱ zurȱ Davidzeitȱ auchȱ zwei,ȱ angeblichȱ vonȱ Davidȱ verfassteȱ Texteȱ bietet:ȱ einȬ malȱdasȱLiedȱ2.ȱSamȱ22,ȱdasȱtextȬ,ȱwennȱauchȱnichtȱganzȱwortgleichȱalsȱ Psalmȱ18ȱimȱPsalterȱüberliefertȱwird,ȱundȱzumȱanderenȱdieȱsog.ȱletztenȱ WorteȱDavidsȱinȱ2.ȱSamȱ23,ȱdieȱinȱdenȱSchlussteilȱdesȱQumranpsaltersȱ 11QPsaȱalsȱPsalmȱaufgenommenȱwurden.ȱ Daȱ dieȱ Einfügungȱ diesesȱ Anhangsȱ (zusammenȱ mitȱ denȱ ErȬ zählungenȱ inȱ 2.ȱ Samȱ 21ȱ undȱ 24)ȱ denȱ fortlaufendenȱ Textȱ einerȱ GeȬ schichtsdarstellungȱzwischenȱ2.ȱSamȱ20ȱundȱ1.ȱKönȱ1ȱf.ȱunterbrichtȱundȱ offenbarȱmitȱderȱEntstehungȱderȱkanonischenȱSamuelbücherȱzuȱtunȱhat,ȱ wirdȱ manȱ dieȱ Einbringungȱ derȱ genanntenȱ Davidtexteȱ erstȱ inȱ derȱ Zeitȱ derȱ Konsolidierungȱ desȱ zweitenȱ Kanonteilsȱ derȱ sog.ȱ (Vorderen)ȱ ProȬ phetenȱansetzenȱkönnenȱundȱd.ȱh.ȱdochȱwohlȱerstȱinȱspätpersischerȱZeit.ȱ Dafürȱ sprichtȱ auchȱ dieȱ Entstehungsgeschichteȱ derȱ Texteȱ selbst.ȱ Beideȱ sindȱvonȱsehrȱunterschiedlicherȱArt.ȱPsȱ18ȱ/ȱ2.ȱSamȱ22ȱistȱeineȱKomposiȬ tionȱ ausȱ TheophanieȬȱ undȱ Königshymnen,ȱ dieȱ imȱ Textkorpusȱ selbstȱ keinenȱ bestimmtenȱ Verfasserȱ namhaftȱ macht,ȱ jaȱ durchȱ dieȱ Nennungȱ vonȱ Davidȱ imȱ letztenȱ Versȱ (V.ȱ 51)ȱ dieȱ Angabenȱ derȱ Überschrift,ȱ dassȱ

64ȱ

4.ȱDavidȱalsȱPsalmsängerȱinȱderȱBibelȱ

derȱ Textȱ vonȱ Davidȱ „gesungenȱ wurde“ȱ (V.ȱ 1),ȱ inȱ Frageȱ stellt.ȱ Erȱ wirdȱ zwarȱ inȱ Teilenȱ vorexilischȱ sein,ȱ kannȱ aberȱ inȱ derȱ überliefertenȱ „Kantatenform“ȱ alsȱ Gesamtkompositionȱ erstȱ nachexilischȱ entstandenȱ sein.ȱ 2.ȱSamȱ23,1ȱnenntȱhingegenȱimȱTextkorpusȱselbstȱsogleichȱDavidȱalsȱ Verfasser:ȱ „Esȱ sprichtȱ David,ȱ derȱ Sohnȱ Isais,ȱ esȱ sprichtȱ derȱ Mann,ȱ derȱ hochȱ gestelltȱ wardȱ etc.“ȱ Vonȱ derȱ literarischenȱ Eigenartȱ herȱ gesehen,ȱ wäreȱesȱnichtȱganzȱundenkbar,ȱdenȱ„letztenȱWorten“,ȱdieȱinȱeinemȱBeȬ kenntnisȱ zumȱ gerechtenȱ Herrscherȱ gipfeln,ȱ davidischeȱ Verfasserschaftȱ zuzuerkennen.ȱPlausiblerȱindesȱistȱdieȱAnnahme,ȱdassȱesȱsichȱumȱeineȱ literarischȬtheologischeȱGestaltungȱhandelt,ȱdieȱerstȱnachträglichȱDavidȱ überschriebenȱwurde.ȱDieȱImitationȱdesȱProphetenspruchs,ȱdieȱGegenȬ überstellungȱderȱbeidenȱTypen,ȱdieȱDefinitionenȱdesȱGerechtenȱundȱdesȱ Gottlosen,ȱsprechenȱ–ȱderȱTraditionȱderȱWeisheitȱzugehörigȱ–ȱdochȱeherȱ fürȱspätereȱAbfassungȱ(vgl.ȱPsȱ1;ȱJerȱ17;ȱPsȱ101;ȱ112ȱu.ȱa.),ȱwieȱinsbesonȬ dereȱauchȱdasȱTheologumenonȱvomȱ„Davidbund“ȱ(berit),ȱdasȱmanȱsichȱ nurȱschwerȱimȱMundeȱDavidsȱvorstellenȱkann.ȱȱ Soȱ istȱ derȱ Schlussȱ eigentlichȱ zwingend:ȱ Beideȱ Texteȱ sindȱ nachȬ davidischȱentstanden,ȱwurdenȱaberȱvonȱdenȱnachexilischenȱRedaktorenȱ undȱEditorenȱDavidȱzugeschriebenȱ–ȱzurȱhöherenȱEhreȱderȱnichtȱimmerȱ soȱglanzvollenȱGestaltȱdesȱDavidȱderȱSamuelbücher,ȱzurȱhöherenȱEhreȱ aberȱauchȱderȱTexteȱselbst,ȱaufȱdieȱnunmehrȱdasȱLichtȱderȱklassischenȱ BlütezeitȱIsraels,ȱderȱGlanzȱköniglicherȱHerkunftȱundȱderȱWürdeȱgöttȬ lichȱ offenbarterȱ Zeugnisseȱ(z.ȱT.ȱ prophetischerȱArt)ȱ fallenȱ sollte.ȱ Damitȱ trittȱ –ȱ nachȱ derȱ Sageneditionȱ –ȱ nochȱ deutlicherȱ jenesȱ Anliegenȱ hervor,ȱ dasȱanȱDavidȱalsȱeinemȱ„Verfasser“ȱundȱ„DichterȱundȱSänger“ȱundȱnunȱ ebenȱ auchȱ anȱ einemȱ „Psalmsänger“ȱ undȱ „weisenȱ Denker“ȱ interessiertȱ war,ȱalsȱdessenȱ„Werk“ȱmanȱwichtigeȱTexteȱauszeichnenȱundȱdeklarieȬ renȱkonnte.ȱEsȱgehtȱumȱdenȱhöherenȱRangȱderȱTexte,ȱumȱihreȱQualitätȱ alsȱheilsgeschichtlichȱverankerteȱundȱdarumȱgöttlichȱinspirierteȱSchriftȬ zeugnisse.ȱ Dasȱ istȱ dasȱ Interesseȱ –ȱ wieȱ zuȱ zeigenȱ seinȱ wird:ȱ auchȱ derȱ Tradentenȱ desȱ Psalters.ȱ Sieȱ benützen,ȱ davonȱ wirdȱ nochȱ dieȱ Redeȱ sein,ȱ sichȱamȱBeispielȱ„MosesȱundȱderȱPropheten“ȱkanongeschichtlichȱorienȬ tierend,ȱ dieȱ Gestaltȱ Davidsȱ inȱ ihrerȱ Funktionȱ alsȱ Schöpferȱ inspirierterȱ Poesie,ȱ hierȱ anȱ wenigenȱ Textenȱ wieȱ 2.ȱ Samȱ 22ȱ undȱ 23ȱ –ȱ imȱ gewissenȱ Sinneȱjaȱschonȱ2.ȱSamȱ1;ȱ3ȱ–,ȱspäterȱinȱgroßemȱStilȱdurchgeführt,ȱumȱdieȱ höhereȱQualitätȱihrerȱTexteȱzuȱdemonstrieren.ȱȱ

ȱ

III.ȱDasȱDavidbildȱdesȱchronistischenȱWerkesȱ

65ȱ

III.ȱDasȱDavidbildȱdesȱchronistischenȱWerkesȱ Beiȱ derȱ Beschäftigungȱ undȱ Auseinandersetzungȱ mitȱ demȱ schriftlichenȱ Erbeȱ derȱ vorexilischȬexilischenȱ Epoche,ȱ inȱ unseremȱ Zusammenhangȱ derȱ Überlieferungȱ derȱ SamuelȬȱ undȱ Königsbücher,ȱ hatȱ dasȱ chronistiȬ scheȱWerk,ȱbestehendȱausȱEsraȱundȱNehemiaȱundȱdenȱbeidenȱChronikȬ büchern,ȱeinȱDavidbildȱgeschaffen,ȱdasȱsichȱinȱvielerȱHinsichtȱbewusstȱ vonȱ demȱ traditionellenȱ unterscheidenȱ sollteȱ undȱ dieȱ theologischeȱ ImageȬBildungȱ nichtȱ unwesentlichȱ beeinflusstȱ hat.ȱ Zwarȱ kanntenȱ dieȱ ChronistenȱwohlȱEndeȱderȱ4.,ȱAnfangȱdesȱ3.ȱJahrhundertsȱvorȱChristusȱ schonȱ dieȱ Editionȱ derȱ Samuelbücherȱ undȱ dasȱ dortȱ gezeichneteȱ DavidȬ bild.ȱ Sieȱ gabenȱ ihmȱ aberȱ ausȱ ihrerȱ Interessenlageȱ undȱ inȱ ihrerȱ SichtȬ weiseȱ ganzȱ neueȱ Züge,ȱ wobeiȱ sieȱ tradierteȱ Elementeȱ undȱ Motiveȱ inȱ ihrenȱParaphrasenȱundȱKommentarenȱderȱSamueltexteȱihremȱKonzeptȱ entsprechendȱ wegließen.ȱ Sieȱ rezipiertenȱ wederȱ dasȱ Bildȱ desȱ jungenȱ David,ȱdieȱLauteȱschlug,ȱnochȱdasȱdesȱKönigs,ȱderȱdieȱTotenklageȱhielt.ȱ Stattȱ desȱ musizierendenȱ undȱ dichtendenȱ Davidȱ hebenȱ sieȱ denȱ hoheȬ priesterlichenȱ Königȱ hervor,ȱ derȱ nichtȱ fürȱ sichȱ selbstȱ klagtȱ undȱ singt,ȱ vielmehrȱ alsȱ Vorbeterȱ undȱ Fürbitterȱ vorȱ demȱ Volkȱ agiertȱ undȱ imȱ BeȬ sonderenȱalsȱStifterȱundȱBegründerȱderȱliturgischenȱEinrichtungenȱdesȱ KultesȱvorȱderȱheiligenȱLadeȱfungiert.ȱErȱwarȱes,ȱderȱdieȱPriesterȬȱundȱ Levitendiensteȱ ordnete,ȱ dieȱ Kultmusikȱ einsetzte,ȱ dieȱ musikalischenȱ Aufgabenȱverteilte,ȱdenȱAblaufȱderȱLiturgieȱ(unterȱBenützungȱdesȱPsalȬ ters,ȱvgl.ȱ1.ȱChrȱ16)ȱbestimmte,ȱvorȱallemȱdenȱTempelbauȱplante,ȱdenȱerȱ dannȱseinemȱSohnȱSalomoȱzurȱAusführungȱanvertraute.ȱKurz,ȱerȱwirdȱ alsȱ derȱ Begründerȱ desȱ nachexilischenȱ Tempeldienstesȱ undȱ derȱ KultȬ musikȱgefeiert.ȱAlsȱPsalmendichterȱundȱȬsängerȱtrittȱerȱinȱchronistischerȱ Sichtȱselbstȱnichtȱauf.ȱEntsprechendȱwerdenȱihmȱauchȱnichtȱ„dieȱletztenȱ Worte“ȱ vonȱ 2.ȱ Samȱ 23ȱ oderȱ derȱ Psalmȱ vonȱ 2.ȱ Samȱ 22ȱ zugeschrieben.ȱ Psalmdichtungȱ undȱ Ȭgesangȱ hatȱ erȱ anȱ dieȱ levitischenȱ Chöreȱ delegiert.ȱ ErȱselbstȱbleibtȱderȱköniglicheȱPriester,ȱ„mitȱeinemȱMantelȱvonȱByssusȱ bekleidet,ȱebensoȱalleȱLeviten,ȱwelcheȱdieȱLadeȱtrugen,ȱundȱdieȱSängerȱ …ȱAberȱDavidȱtrugȱauchȱeinȱlinnenesȱEphodȱ…“ȱ(1.ȱChrȱ15,27ȱf.)ȱ–ȱwieȱ einȱPriester.ȱUnd:ȱ„Damals,ȱanȱjenemȱTage,ȱhatȱDavidȱzumȱerstenȱMalȱ Asaphȱ undȱ seinenȱ Genossenȱ aufgetragen,ȱ demȱ Herrnȱ zuȱ lobsingen“ȱ –ȱ esȱfolgtȱeineȱliturgischeȱKompositionȱausȱdenȱPsalmenȱ106;ȱ96ȱundȱ105ȱ (1.ȱChrȱ16,7–36).ȱ Esȱ istȱ nichtȱ ganzȱ leicht,ȱ Bedeutungȱ undȱ Wirkungȱ diesesȱ DavidbilȬ desȱ zuȱ bestimmen.ȱ Aberȱ esȱ müssenȱ dochȱ wohlȱ levitischeȱ Kreiseȱ undȱ Tempelsängerȱ amȱ Jerusalemerȱ Tempelȱ gewesenȱ sein,ȱ dieȱ einȱ Interesseȱ anȱeinemȱsolchenȱBildȱhatten,ȱundȱdieȱaufȱdieseȱWeiseȱeineȱGenealogieȱ ihrerȱ liturgischenȱ Ämterȱ undȱ Aufgabenȱ herzustellenȱ versuchten.ȱ Demȱ

66ȱ

4.ȱDavidȱalsȱPsalmsängerȱinȱderȱBibelȱ

stehtȱ aberȱ dasȱ Davidbildȱ derȱ Psalterüberschriftenȱ gegenüber,ȱ dasȱ zeitȬ lichȱnichtȱwesentlichȱspäterȱaufgekommenȱseinȱmag,ȱaberȱeineȱziemlichȱ andersartigeȱVorstellungȱvonȱDavidȱalsȱPsalmdichterȱundȱȬsängerȱbot.ȱ

IV.ȱDasȱDavidbildȱdesȱPsaltersȱ InȱdenȱPsalmen4ȱfindenȱsichȱzweiȱDavidbilder.ȱDasȱersteȱistȱdasȱMonuȬ mentalbildȱ inȱ denȱ größtenteilsȱ vorexilischenȱ Königspsalmen.ȱ Dieseȱ Texte5ȱ stehenȱ mitȱ demȱ judäischenȱ Inthronisationsritualȱ inȱ ZusammenȬ hangȱundȱmessenȱ–ȱmitȱAusnahmeȱvonȱPsȱ45,ȱeinemȱHochzeitsliedȱfürȱ denȱnordisraelitischenȱKönigȱ–ȱdenȱregierendenȱKönigȱanȱdemȱVorbildȱ desȱ Dynastiegründers,ȱ undȱ zwarȱ aufȱ derȱ Basisȱ derȱ Verheißung,ȱ dassȱ derȱNachfolgerȱaufȱdemȱThronȱalsȱderȱGesalbteȱinȱdavidgleicherȱFunkȬ tionȱregierenȱwerde.ȱInsofernȱwirdȱdortȱgelegentlichȱaufȱdieȱDavidszeitȱ angespielt,ȱ Davidȱ selbstȱ wirdȱ relativȱ (selten)6ȱ mitȱ Namenȱ genannt.ȱ JeȬ dochȱerscheintȱerȱinȱdiesenȱKönigszeugnissenȱimmerȱalsȱKönigȱundȱnieȱ alsȱDichterȱoderȱSänger.ȱ Dasȱ zweiteȱ Davidbild,ȱ dasȱ desȱ Psalmsängers,ȱ weistȱ inȱ dieȱ Archiveȱ derȱ Schreiberȱ undȱ Schriftgelehrten,ȱ woȱ dieȱ Textsammlungenȱ entȬ standenȱsind,ȱausȱdenenȱamȱEndeȱderȱPsalterȱerwuchs.ȱȱ Wohlȱ vieleȱ Jahrzehnte,ȱ jaȱ Jahrhunderteȱ nachȱ derȱ Entstehungȱ derȱ Königspsalmen,ȱ dieȱ jaȱ überraschenderweiseȱ vonȱ einemȱ königlichenȱ Sängerȱ Davidȱ (noch)ȱ nichtsȱ wissen,ȱ warȱ inȱ denȱ Räumenȱ derȱ nachȬ exilischenȱPsalterredaktionȱeinȱDavidbildȱlebendig,ȱdasȱalsȱLeitbildȱdieȱ Arbeitȱ derȱ Tradentenȱ maßgeblichȱ bestimmtȱ hat.ȱ Dieȱ Belegeȱ gehörenȱ ausschließlichȱ zuȱ demȱ redaktionellenȱ Rahmenwerkȱ derȱ PsalmüberȬ schriftenȱundȱstammenȱsicherȱausȱderȱHandȱderȱmitȱderȱSammlungȱundȱ Zusammenstellungȱ derȱ GebetȬȱ undȱ Liedtexteȱ beschäftigtenȱ Schreiber.7ȱ Derenȱ Tätigkeitȱ wirdȱ sichȱ ebenfallsȱ überȱ längereȱ Zeitȱ erstrecktȱ haben.ȱ Jedenfallsȱ zeigenȱ dieȱ unausgeglichenenȱ Registratursysteme,ȱ dieȱ nachȬ träglichenȱÄnderungen,ȱdieȱUnterschiedeȱzwischenȱdenȱFassungenȱdesȱ masoretischen,ȱ desȱ griechischenȱ undȱ desȱ qumranischenȱ Psalters,ȱ dassȱ vieleȱHändeȱanȱdieserȱArbeitȱbeteiligtȱwaren.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 4ȱ 5ȱ 6ȱ 7ȱ

ZumȱFolgendenȱvgl.ȱSeyboldȱ²1991ȱundȱ1996ȱpassim.ȱȱ ImȱAllgemeinenȱzähltȱmanȱzuȱdenȱKönigspsalmenȱdieȱTexte:ȱPsȱ2;ȱ18;ȱ20;ȱ21;ȱ45;ȱ72;ȱ 89;ȱ101;ȱ110;ȱ132;ȱ144.ȱ InȱdenȱTextenȱselbstȱPsȱ18,51;ȱ(72,20);ȱ89,21.36.50;ȱ122,5;ȱ132,10.17;ȱ144,10.ȱ Eineȱ Überschneidungȱ ergibtȱ sichȱ bezeichnenderweiseȱ beiȱ Psȱ 18,ȱ woȱ Davidȱ inȱ V.ȱ 51ȱ imȱKorpusȱderȱKönigspsalmkompositionȱgenanntȱistȱundȱzugleichȱinȱderȱÜberschriftȱ V.ȱ1.ȱDazuȱinsbesondereȱKleer,ȱDerȱlieblicheȱSängerȱderȱPsalmenȱIsraels;ȱAuwers,ȱLeȱ Davidȱdesȱpsaumes.ȱ

ȱ

IV.ȱDasȱDavidbildȱdesȱPsaltersȱ

67ȱ

DerȱNameȱDavidsȱwirdȱinȱdenȱÜberschriftenȱinȱverschiedenerȱWeiȬ seȱbenützt.ȱImȱZentrumȱstehtȱdabeiȱdieȱFormelȱledavid.ȱSeitȱlangemȱeineȱ offeneȱ Wundeȱ derȱ Psalmenforschung,ȱ weilȱ esȱ einfachȱ nichtȱ gelingenȱ will,ȱ dasȱ Rätselȱ ihrerȱ Bedeutungȱ zuȱ lösen.ȱ Dieȱ jüngereȱ Forschungȱ hatȱ sichȱwiederȱmitȱVehemenzȱundȱauchȱmitȱeinigemȱErfolgȱaufȱdieȱProbȬ lemeȱ geworfen.ȱ Zuȱ nennenȱ sindȱ dieȱ vorȱ allemȱ dieȱ Beiträgeȱ u.ȱa.ȱ vonȱ NotkerȱFüglister,ȱJürgenȱvanȱOorschot,ȱMartinȱKleer.8ȱDochȱwirdȱmanȱ nochȱ nichtȱ sagenȱ können,ȱ vorȱ allemȱ dasȱ Problemȱ derȱ Herkunftȱ undȱ ursprünglichenȱ Bedeutungȱ derȱ Formelȱ endgültigȱ gelöstȱ zuȱ haben.ȱ Imȱ Allgemeinenȱ gabȱ manȱ früherȱ dieȱ Formelȱ mit:ȱ „vonȱ David“,ȱ auchȱ „fürȱ David“,ȱ inȱ derȱ Verbindungȱ mitȱ „Psalm“:ȱ „einȱ Psalmȱ Davids“,ȱ wiederȱ undȱversuchte,ȱdasȱhebräischeȱ leȱalsȱleȱauctorisȱalsȱAngabeȱzurȱVerfasserȬ schaftȱ zuȱ deuten.ȱ Inȱ seinemȱ drittenȱ Bandȱ überȱ dieȱ „hebräischenȱ PräȬ positionen:ȱ Dieȱ Präpositionȱ Lamed“ȱ hatȱ Ernstȱ Jenniȱ wohlȱ denȱ endȬ gültigenȱ Beweisȱ geführt,ȱ dassȱ esȱ imȱ Hebräischenȱ dieȱ spezielleȱ Verwendungȱ einesȱ leȱ alsȱ leȱ auctorisȱ nichtȱ gegebenȱ hat.9ȱ Soȱ mussȱ manȱ zunächstȱ davonȱ ausgehen,ȱ dassȱ dieȱ Formelȱ primärȱ eineȱ allgemeineȱ Zuordnungȱ undȱ Zueignungȱ bezeichnet,ȱ wasȱ natürlichȱ dieȱ Frageȱ derȱ AutorschaftȱinȱeinȱneuesȱLichtȱstellt.ȱ WichtigȱfürȱeineȱLösungȱderȱFrageȱderȱBedeutungȱderȱFormelȱimȱPsalȬ terȱscheinenȱmirȱfolgendeȱBeobachtungenȱzuȱsein:ȱ 1.ȱ Durchȱ Zuordnungȱ vonȱ einerȱ größerenȱ Zahlȱ vonȱ Textenȱ zuȱ einemȱ Namenȱ sollenȱ einheitlicheȱ Gruppenȱ bestimmtȱ undȱ abgegrenztȱ werden.ȱDasȱistȱbeiȱdenȱWallfahrtspsalmenȱso,ȱbeiȱdenȱQorachȬȱundȱ AsaphȬPsalmenȱ undȱ wirdȱ fürȱ dieȱ DavidȬPsalmenȱ auchȱ zutreffen.ȱ AufȱdieseȱWeiseȱergibtȱsichȱeineȱReiheȱvonȱTexten,ȱderenȱbesondeȬ renȱMerkmaleȱdarinȱliegen,ȱdassȱsieȱzumȱweitȱüberwiegendenȱTeilȱ ausȱindividuellenȱSchriftstücken,ȱsog.ȱIchȬPsalmenȱbesteht;ȱdassȱsieȱ vergleichsweiseȱ jungȱ sind;ȱ dassȱ sieȱ imȱ Umfeldȱ desȱ Jerusalemerȱ Tempelsȱ entstandenȱ sind;ȱ dassȱ dieȱ Texteȱ zwarȱ individuelleȱ Stileȱ aufweisen,ȱ dassȱ beiȱ ihnenȱ aberȱ dieȱ Rechtsklage,ȱ vorȱ allemȱ dieȱ Feindklage,ȱ eineȱ herausragendeȱ Rolleȱ spielt.ȱ Sieȱ bildenȱ dieȱ TeilȬ gruppenȱderȱvierȱDavidȬPsalter.ȱ 2.ȱ NachȱderȱArtȱeinerȱZuweisungȱsindȱ(fast)ȱalleȱTexteȱeinzelnȱsigniertȱ bzw.ȱgesiegeltȱ(leȱinscriptionis).ȱȱ 3.ȱ Dieȱ interneȱ Zuordnungȱ undȱ Einsortierungȱ derȱ Gruppeȱ wirdȱ zuȱ einemȱkleinerenȱTeilȱvonȱ13ȱTextenȱ(masoretischerȱText)ȱdurchȱdieȱ Lokalisierungȱ inȱ bestimmtenȱ Situationenȱ derȱ Biographieȱ Davidsȱ gesucht,ȱeinȱVorgang,ȱderȱoffenbarȱnichtȱkonsequentȱdurchgehaltenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 8ȱ 9ȱ

Vgl.ȱimȱEinzelnenȱdieȱBibliographie.ȱ Jenni,ȱDieȱhebräischenȱPräpositionen,ȱBd.ȱ3:ȱDieȱPräpositionȱLamed,ȱ71.ȱ

68ȱ

4.ȱDavidȱalsȱPsalmsängerȱinȱderȱBibelȱ

oderȱ vorzeitigȱ abgebrochenȱ wurde.ȱ Dahinterȱ stehtȱ wohlȱ derȱ VerȬ suchȱ einerȱ Typisierung.ȱ Dennȱ andersȱ lassenȱ sichȱ dieȱ Zufälligkeitȱ derȱSetzungȱundȱStreuungȱderȱÜberschriftenȱundȱihreȱunterschiedȬ lichenȱAusmaßeȱwohlȱnichtȱerklären.ȱ 4.ȱ Dieȱ griechischeȱ Übersetzungȱ unterscheidetȱ sehrȱ genauȱ Dativȱ undȱ Genitivȱ inȱ derȱ Zuordnungȱ derȱ Psalmen.10ȱ Offenbarȱ warȱ dortȱ nochȱ einȱ Wissenȱ vonȱ derȱ formelhaftenȱ Verwendungȱ desȱ ZueignungsȬ vermerksȱerhaltenȱgeblieben.ȱ Hinterȱ allenȱ diesenȱ Tätigkeitenȱ lässtȱ sichȱ zunächstȱ derȱ Vorgangȱ desȱ Registrierensȱ undȱ Verteilensȱ vonȱ Einzelblätternȱ aufȱ Serienȱ vermuten,ȱ wieȱ jaȱ ähnlicheȱ Zuordnungenȱ etwaȱ vonȱ Gefäßenȱ zumȱ Haushaltȱ desȱ Königsȱ(lmlk)ȱoderȱGegenständenȱzumȱHeiligtumȱ(lqds)ȱoderȱvonȱandeȬ renȱ Dingenȱ alsȱ Eigentumȱ (Siegel)ȱ inschriftlichȱ bekanntȱ sind.ȱ Ihnenȱ kommtȱ dieȱ Funktionȱ einerȱ allgemeinenȱ Kennzeichnungȱ undȱ ZuȬ weisungȱ zu.ȱ Vorstellbarȱ sindȱ demnachȱ Regaleȱ oderȱ Krügeȱ fürȱ beȬ stimmteȱ Textserien,ȱ dieȱ manȱ mitȱ Namensetikettenȱ unterschied,ȱ ohneȱ überȱ dieȱ Artȱ derȱ Zuordnungȱ vielȱ sagenȱ zuȱ wollen.ȱ Wahrscheinlichȱ dachtenȱ dieȱ Redaktorenȱ dabeiȱ zunächstȱ wenigerȱ historischȱ alsȱ literaȬ risch,ȱsollȱheißen,ȱihrȱInteresseȱwarȱnichtȱdieȱhistorischeȱOriginalitätȱdesȱ Textblatts,ȱsondernȱdieȱliterarischȬtheologischeȱQualitätȱdesȱInhalts.ȱ Dieseȱ Annahmenȱ belegenȱ dieȱ Vorgängeȱ umȱ dieȱ kanonischeȱ MoseȬ Überlieferung,ȱetwaȱimȱBereichȱdesȱDeuteronomiumsȱoderȱderȱBücherȱ Leviticusȱ undȱ Numeri.ȱ Ähnlicheȱ literaturgeschichtlicheȱ TraditionsvorȬ gängeȱ müssenȱ sichȱ auchȱ beiȱ derȱ Entstehungȱ derȱ großenȱ ProphetenȬ bücherȱ undȱ imȱ weisheitlichenȱ Bereichȱ umȱ dieȱ Gestaltȱ Salomosȱ abȬ gespieltȱhaben:ȱimȱPsalterȱsindȱPsȱ7211ȱundȱPsȱ127ȱalsȱSalomoȬPsalmenȱ ausgewiesen.ȱ Manȱ mussȱ –ȱ wieȱ bekanntȱ –ȱ beiȱ derȱ Literaturgeschichteȱ desȱ bibliȬ schenȱ Kanonsȱ mitȱ derȱ prinzipiellenȱ undȱ allesȱ dominierendenȱ LeitvorȬ stellungȱrechnen,ȱdassȱdieȱGewichtungȱundȱErhaltungȱbesonderer,ȱvorȱ allemȱ neuerȱ Texteȱ nurȱ durchȱ Anbindungȱ undȱ Einschaltungȱ inȱ dasȱ beȬ reitsȱ bestehendeȱ undȱ ständigȱ wachsendeȱ kanonischeȱ Repertoireȱ geȬ sichertȱwerdenȱkonnte.12ȱEinȱdirektesȱZeugnisȱdafürȱbietenȱdieȱvermutȬ lichȱvonȱdenselbenȱTradentenȱundȱEditorenȱunternommenenȱVersuche,ȱ Psalmtexteȱ gleicherȱ oderȱ ähnlicherȱ Herkunftȱ wieȱ dieȱ derȱ Davidpsalterȱ inȱ denȱ entstehendenȱ Kanonȱ heiligerȱ Schriftenȱ einzubringen.ȱ Sieȱ verȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10ȱ Pietersma,ȱDavidȱinȱtheȱGreekȱPsalms,ȱ217ȱf.ȱ 11ȱ TrotzȱderȱNotizȱPsȱ72,20,ȱwelcheȱoffensichtlichȱPsȱ72ȱzuȱdenȱ„GebetenȱDavids“ȱzählt.ȱ HierȱtretenȱzweiȱZuordnungskonzepteȱzutage,ȱdieȱsichȱüberkreuzenȱundȱhierinȱihreȱ primärȱeditorischeȱIntentionȱpreisgeben.ȱ 12ȱ Vgl.ȱ dieȱ sehrȱ umfangreicheȱ sog.ȱ apokrypheȱ undȱ pseudepigraphischeȱ Literaturȱ vorȱ allemȱausȱderȱzwischentestamentlichenȱZeit.ȱ

ȱ

IV.ȱDasȱDavidbildȱdesȱPsaltersȱ

69ȱ

suchtenȱ durchȱ Zuweisungȱ zuȱ anerkanntenȱ inspiriertenȱ Verfassernȱ dieȱ BedeutungȱihrerȱTexteȱzuȱsichern.ȱDiesȱgelang,ȱwieȱgezeigtȱimȱBlickȱaufȱ Davidȱ mitȱ Psȱ 18,ȱ identischȱ mitȱ 2.ȱ Samȱ 22,ȱ inȱ gewissemȱ Sinnȱ auchȱ beiȱ denȱ sog.ȱ letztenȱ Wortenȱ Davidsȱ 2.ȱ Samȱ 23.ȱ Esȱ gelangȱ auchȱ beimȱ Hannapsalmȱ(1.ȱSamȱ2),ȱbeimȱJonapsalmȱ(Jonȱ2),ȱHiskiapsalmȱ(Jesȱ38),ȱ Nahumpsalmȱ (Nahȱ 1),ȱ Habakukpsalmȱ (Habȱ 3)ȱ etc.,ȱ alleȱ nachȱ Wesenȱ undȱ Gattungȱ potentielleȱ Davidpsalmen.ȱ Sieȱ fandenȱ zwarȱ keineȱ AufȬ nahmeȱ mehrȱ inȱ dieȱ Toraȱ wieȱ dieȱ denȱ AsaphȬPsalmenȱ naheȱ stehendenȱ TexteȱdesȱMoseliedsȱ(Exȱ15)ȱundȱdesȱMosepsalmsȱ(Dtȱ32),ȱwohlȱaberȱinȱ denȱwerdendenȱProphetenkanon.ȱDieȱZuschreibungȱwirdȱzumȱVehikelȱ derȱ Autorisierungȱ derȱ Liederȱ undȱ Gebeteȱ alsȱ kanonischeȱ Texte.ȱ Denȱ Psalmenȱ ausȱ denȱ Sammlungenȱ gelangȱ diesȱ imȱ großenȱ Ganzenȱ offenȬ sichtlichȱ nichtȱ mehr.ȱ Soȱ wurdeȱ einȱ dritterȱ Kanonteilȱ –ȱ auchȱ fürȱ dieȱ liȬ turgischeȱundȱweisheitlicheȱLiteraturȱ–ȱwünschenswertȱundȱnotwendig.ȱ Natürlichȱ lagȱ darinȱ auchȱ derȱ Anspruchȱ persönlicherȱ VerfasserȬ schaft.ȱ Undȱ dasȱ entsprachȱ jaȱ auchȱ ganzȱ derȱ Strategieȱ derȱ KanonȬ tradenten.ȱ Dieȱ Folgeȱ warȱ dieȱ oftȱ sehrȱ seltsamȱ anmutendeȱ undȱ wenigȱ konsequenteȱVerortungȱinȱSzenenȱausȱdemȱLebenȱDavids.ȱSieȱlässtȱeinȱ mehrȱ oderȱ wenigerȱ schablonenhaftesȱ Vorgehenȱ undȱ einenȱ gewissenȱ Zwangȱ zurȱ Typisierungȱ undȱ Historisierungȱ erkennen.ȱ Dasselbeȱ giltȱ dannȱauchȱfürȱdieȱmusikalischeȱVerwendung,ȱdieȱnachȱdenȱÜberschrifȬ tenȱoffenbarȱfürȱsehrȱviele,ȱwennȱnichtȱalleȱTexteȱvorgesehenȱwar.13ȱȱ Dabeiȱ istȱ vorauszusetzen,ȱ dassȱ dasȱ Bildȱ Davidsȱ desȱ Dichtersȱ undȱ Sängersȱ zunehmendȱ eineȱ hervorgehobeneȱ Rolleȱ spielte.ȱ Aberȱ woherȱ stammtȱes?ȱ Dieȱ einzigeȱ Antwort,ȱ dieȱ demȱ Gesagtenȱ entspricht,ȱ istȱ die,ȱ anzuȬ nehmen,ȱdassȱinȱderȱZwischenzeitȱdasȱDavidbildȱderȱGeschichtsbücherȱ imȱ entstehendenȱ Prophetenkanon,ȱ derȱ sog.ȱ Vorderenȱ Prophetenȱ VerȬ breitungȱgefundenȱhatte.ȱManȱlasȱinȱjenenȱKreisenȱdieseȱSchriften,ȱmanȱ kannteȱ dieȱ Erzählungenȱ derȱ Samuelbücher,ȱ manȱsahȱ vorȱ sichȱ dasȱ Bildȱ desȱSängersȱanȱSaulsȱKönigshof,ȱdesȱKönigs,ȱderȱumȱSaulȱundȱJonathanȱ dieȱ Totenklageȱ hielt,ȱ wussteȱ wahrscheinlichȱ vonȱderȱ Konstruktionȱ desȱ chronistischenȱ Geschichtswerkesȱ herȱ alles,ȱ wasȱ mitȱ Tempelȱ undȱ TemȬ pelmusikȱundȱLiturgieȱzusammenhing,ȱaufȱDavidsȱInitiativeȱzurückzuȬ führenȱundȱsoȱzuȱlegitimieren.ȱRäumlichȱundȱzeitlichȱweitȱentferntȱvonȱ demȱ Chronistenȱ konntenȱ dieȱ Psalmeditorenȱ jaȱ nichtȱ gewesenȱ sein.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 13ȱ DafürȱstehenȱdieȱgeradeȱbeiȱdenȱDavidȱzugeschriebenenȱTextenȱsehrȱhäufigenȱmusiȬ kalischȱzuȱdeutendenȱBegriffe:ȱschirȱ„Lied,ȱGesang“,ȱmizmorȱ„LiedȱmitȱInstrumentalȬ begleitung“;ȱlamenasseachȱ„fürȱdenȱChorleiter“,ȱu.ȱa.ȱȱ

70ȱ

4.ȱDavidȱalsȱPsalmsängerȱinȱderȱBibelȱ

Übernahmȱ dochȱ dieȱ Chronikȱ ihrerseitsȱ Texteȱ ausȱ demȱ entstehendenȱ Psalter.14ȱ Soȱbegannenȱ–ȱnehmenȱwirȱanȱ–ȱdieȱArchivare,ȱdasȱBildȱdesȱSängersȱ undȱ Betersȱ Davidȱihrerseitsȱ auszugestaltenȱ undȱ auszumalen.ȱ DieȱpauȬ schaleȱ Zuordnungȱ machtȱ spezifischenȱ Inszenierungenȱ Platz.ȱ Undȱ sieȱ warenȱbemüht,ȱAnalogienȱimȱLebenȱDavidsȱzuȱfinden.ȱMancherleiȱIrrȬ tümerȱdabeiȱzeigen,ȱdassȱsieȱtrotzȱallerȱ„Schrifttreue“ȱnichtȱimmerȱsorgȬ fältigȱundȱoftȱauchȱsehrȱzufälligȱvorgegangenȱsind.ȱ SoȱentnahmenȱdieȱArchivareȱundȱEditoren,ȱumȱdenȱvonȱihnenȱverȬ waltetenȱ Textenȱ zuȱ Verbreitungȱ undȱ Verwendungȱ zuȱ verhelfen,ȱ denȱ Überlieferungenȱ sozusagenȱ eineȱ Kopieȱ desȱ traditionellenȱ Davidbildes.ȱ Esȱ sollteȱ ihrenȱ Textenȱ quasikanonischeȱ Würdeȱ verleihenȱ –ȱ gleichȱ denȱ wenigenȱTexten,ȱdieȱnochȱinȱdenȱRäumenȱdesȱbiblischenȱKanons,ȱinȱderȱ ToraȱundȱdenȱProphetenȱuntergebrachtȱwerdenȱkonnten.ȱEsȱsollteȱaberȱ zugleichȱalsȱsituativerȱRahmenȱundȱalsȱRasterȱdienen,ȱumȱdieȱFülleȱderȱ Texteȱ –ȱ mindestensȱ derȱ Ideeȱ nachȱ –ȱ einzusortieren.ȱ Dassȱ manȱ sichȱ schließlichȱdamitȱbegnügenȱmusste,ȱdieȱDavidsammlungenȱalsȱTeileȱinȱ dasȱ Großprojektȱ desȱ Psaltersȱ einzugliedern,ȱ zeigenȱ Resteȱ erhaltenerȱ Notizenȱ wieȱ z.ȱB.ȱ dasȱ singuläre:ȱ „zuȱ Endeȱ sindȱ (hier)ȱ dieȱ Gebete15ȱ DaȬ vids,ȱdesȱSohnesȱIsais“ȱinȱPsȱ72,20.ȱȱ DasȱResultatȱ warȱ indesȱetwasȱ gänzlichȱ Neues.ȱAusȱdenȱ Beständenȱ derȱgesammeltenȱVotivtexteȱwarȱeinȱfürȱdenȱeinzelnenȱMenschen,ȱseineȱ persönlichenȱAnliegenȱgedachtesȱLiedȬȱundȱGebetbuchȱgeworden,ȱnachȱ Psȱ 1ȱ eineȱ toraähnlicheȱ Buchrolle16ȱ inȱ dieȱ Handȱ desȱ „Gerechten“ȱ zurȱ Andachtȱ undȱ Erbauungȱ seinerȱ Seele.ȱ Inȱ ihrȱ sollteȱ erȱ sichȱ –ȱ soȱ warȱ esȱ wohlȱ gedachtȱ –ȱ mithilfeȱ derȱ davidischenȱ Musterbiographieȱ zurechtȬ finden.ȱ Wemȱ andersȱ unterȱ denȱ biblischȱ bekanntenȱ „Heiligen“ȱ hätteȱ manȱdiesesȱBuchȱimȱGanzenȱzuschreibenȱkönnen?ȱDochȱwohlȱnurȱdemȱ legendärenȱSängerȱundȱBeter.ȱ

V.ȱDasȱDavidbildȱinȱderȱspäterenȱÜberlieferungȱ Warȱ einmalȱ einȱ solchesȱ Idealbildȱ geschaffen,ȱ konnteȱ esȱ nichtȱ ausbleiȬ ben,ȱ dassȱ esȱ einemȱ doppeltenȱ Einflussȱ undȱ Wandelȱ unterworfenȱ war.ȱ EinmalȱwurdeȱesȱnachȱdenȱVorstellungenȱausgestaltet,ȱdieȱsichȱausȱdenȱ Einzeltextenȱergaben.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14ȱ 1.ȱChrȱ16,8–36ȱ=ȱPsȱ105,1–15;ȱPsȱ96;ȱPsȱ106,1.47ȱf.ȱ 15ȱ DieȱgriechischeȱÜbersetzungȱliestȱcharakteristischerweise:ȱ„Hymnen“ȱstattȱ„Gebete“.ȱ 16ȱ Vgl.ȱKratz,ȱDieȱToraȱDavids.ȱ

ȱ

V.ȱDasȱDavidbildȱinȱderȱspäterenȱÜberlieferungȱ

71ȱ

Dasȱheißtȱnichtsȱanderes,ȱalsȱdassȱdieȱDavidȱzugeschriebenenȱTexteȱ autobiographischȱ vollȱ ausgewertetȱ wurden.ȱ Soȱ wurdeȱ derȱ Davidȱ alsȱ derȱ Sängerȱ vonȱ Psȱ 7ȱ (Überschrift)ȱ undȱ zugleichȱ vonȱ Psȱ 8ȱ derȱ Dichterȱ undȱ Theologe,ȱ derȱ denȱ Satzȱ formulierte,ȱ dassȱ derȱ Schöpferȱ denȱ MenȬ schenȱ„umȱwenigȱgeringerȱgemachtȱalsȱeinenȱGott“ȱundȱ„mitȱEhreȱundȱ Majestätȱgekrönt“ȱhabeȱ(8,6).ȱOderȱerȱwurdeȱinȱPsȱ60ȱzumȱZeugenȱeinesȱ Orakelspruchs,ȱ derȱ mitȱ derȱ Wendungȱ „Gottȱ sprachȱ inȱ seinemȱ HeiligȬ tum“ȱ(60,8)ȱzitiertȱwird.ȱAlsȱBeterȱundȱSängerȱwurdeȱerȱmitȱdenȱunterȱ seinemȱNamenȱgesammeltenȱTextenȱidentifiziertȱundȱbekamȱvielfältigeȱ menschlicheȱZüge.ȱDieȱLebensbreiteȱdesȱhistorischenȱDavidȱließȱjaȱvieleȱ Episodenȱzu.ȱDasȱIdealbildȱdesȱGerechtenȱentstand.ȱ Dasȱ Davidbildȱ veränderteȱ sichȱ aberȱ auchȱ durchȱ andereȱ Einflüsse,ȱ dieȱ ausȱ denȱ religiösenȱ Strömungenȱ derȱ spätenȱ Zeitȱ resultierten.ȱ Dieȱ zunehmendeȱ Autoritätȱ desȱ Prophetenkanonsȱ undȱ dasȱ wachsendeȱ BeȬ dürfnisȱ nachȱ autorisiertenȱ Offenbarungenȱ machtenȱ ausȱ denȱ Liedernȱ undȱGebetenȱdesȱköniglichenȱSängersȱgöttlichȱinspirierteȱTexte.ȱDieserȱ Vorgangȱ istȱ daranȱ erkennbar,ȱ dassȱ Davidȱ immerȱ mehrȱ zumȱ Mediumȱ einesȱ Offenbarungsmittlersȱ stilisiertȱ wurde,ȱ d.ȱh.ȱ zumȱ Prototypȱ einesȱ Propheten,ȱ demȱ esȱ nachȱ denȱ Vorstellungenȱ derȱ Zeitȱ zukam,ȱ dieȱ ZuȬ kunftȱfürȱdieȱGegenwartȱweissagendȱzuȱdeuten.ȱ Dieseȱ doppelteȱ Veränderungȱ führteȱ zuȱ einerȱ Entwicklung,ȱ die,ȱ einmalȱ inȱ Gangȱ gekommen,ȱ schnellȱ anȱ Fahrtȱ gewann.ȱ Dasȱ wirdȱ amȱ deutlichstenȱanȱdenȱverschiedenenȱTextversionen,ȱinȱdenenȱderȱPsalterȱ überliefertȱ wurde:ȱ inȱ derȱ protokanonischenȱ Fassung,ȱ inȱ derȱ Fassungȱ desȱQumranȬPsaltersȱundȱinȱderȱgriechischenȱÜbersetzung.ȱȱ Imȱ Textbestand,ȱ inȱ demȱ dieȱ dreiȱ Psalterversionenȱ nochȱ weithinȱ übereinstimmten,ȱ ergabȱ sichȱ einȱ synthetisches,ȱ einȱ mosaikartigesȱ DaȬ vidbild.ȱ Dieȱ gutȱ 70ȱ ihmȱ zugeschriebenenȱ Psalmenȱ –ȱ undȱ dieȱ Zahlȱ nimmtȱ jaȱ inȱ denȱ Parallelpsalternȱ immerȱ mehrȱ zuȱ –ȱ zeichnenȱ einȱ feinȬ gerastertesȱ Bildȱ vielfältigerȱ Glaubensvollzüge.ȱ Erȱ istȱ es,ȱ derȱ klagtȱ undȱ preist,ȱ schreitȱ undȱ stöhnt,ȱ singtȱ undȱ betet,ȱ zweifeltȱ undȱ glaubt,ȱ fliehtȱ undȱ standhält.ȱ Esȱ istȱ einȱ Bildȱ wieȱ imȱ Großformat.ȱ Esȱ istȱ dasȱ protoȬ typischeȱBildȱdesȱfrommenȱundȱweisenȱSängers,ȱeinȱIdealbildȱalso,ȱdemȱ sichȱderȱGläubigeȱdurchȱseineȱGebeteȱannähernȱsollte.ȱDurchȱdasȱBuchȱ JesusȱSirachȱvomȱBeginnȱdesȱ2.ȱvorchristlichenȱJahrhundertsȱistȱbelegt,ȱ dassȱdiesesȱIdealbildȱzuȱlebendigerȱWirklichkeitȱerwachtȱist.ȱ

1.ȱDasȱZeugnisȱdesȱJesusȱSirachȱ BeiȱJesusȱSirachȱliestȱmanȱimȱsog.ȱPreisȱderȱVäterȱinȱKap.ȱ47ȱunterȱandeȬ remȱüberȱDavid:ȱ

72ȱ

4.ȱDavidȱalsȱPsalmsängerȱinȱderȱBibelȱ

8ȱ ȱ ȱ ȱ 9ȱ ȱ ȱ

BeiȱallȱseinenȱTunȱstimmteȱerȱ(David)ȱLobliederȱanȱ fürȱGottȱ,ȱdenȱHöchsten,ȱimȱrühmendenȱWorten.ȱ MitȱganzemȱHerzenȱliebteȱerȱseinenȱSchöpferȱ undȱjedenȱTagȱlobteȱerȱihnȱmitȱLiedern.ȱ ErȱließȱSaiteninstrumente17ȱ(G:ȱPsalmsänger)ȱzurȱLiedbegleitungȱȱ vorȱdemȱAltarȱaufstellenȱ undȱordneteȱdenȱKlangȱderȱLiederȱzurȱHarfeȱ…ȱ

Dasȱ istȱ dieȱ Auswirkungȱ desȱ synthetischenȱ Idealbilds18,ȱ dasȱ derȱ entȬ stehendeȱ Psalterȱ verbreitetȱ hat.ȱ Dasȱ Bildȱ vomȱ Psalmsängerȱ istȱ nunȱ zuȱ seinerȱ vollenȱ Ausbildungȱ gekommen.ȱ Esȱ lässtȱ dieȱ Angabenȱ anderȬ weitigerȱVerfasserschaft,ȱHinweiseȱaufȱdieȱQorachiten,ȱAsaphiten,ȱSaloȬ mo,ȱjaȱaufȱMose19ȱselbst,ȱvölligȱinȱdenȱHintergrundȱtreten.ȱDasȱBildȱdesȱ PsalmsängersȱDavid20ȱwirdȱzumȱLeitbild,ȱdasȱauchȱdieȱVorstellungȱvomȱ frommenȱ undȱ weisenȱ Schriftgelehrtenȱ prägt,ȱ denȱ sichȱ nachȱ Psȱ 1ȱ derȱ PsalterȱalsȱidealenȱLeserȱwünscht.ȱȱ

2.ȱDerȱQumranȬPsalterȱȱ DerȱQumranȬPsalterȱausȱderȱ11.ȱHöhleȱ(11QPsa),ȱderȱbekanntlichȱgroßeȱ TeileȱdesȱletztenȱPsalterdrittelsȱmasoretischerȱZählungȱinȱabweichenderȱ Reihenfolgeȱenthält,ȱbietetȱgutȱzehnȱPsalmtexte,ȱdieȱbisherȱnurȱzumȱTeilȱ bekanntȱ waren,ȱ darunterȱ einȱ Verzeichnisȱ derȱ literarischenȱ Werkeȱ DaȬ vids,ȱ dasȱ wohlȱ alsȱ Kolophonȱ zumȱ Psalterȱ gedachtȱ war.ȱ Diesesȱ VerȬ zeichnisȱ lässtȱ erkennen,ȱ dassȱ manȱ nunmehrȱ inȱ großerȱ Zahlȱ undȱ d.ȱh.ȱ wohlȱalleȱPsalmenȱaufȱDavidȱzurückführte,ȱnachdemȱschonȱdieȱgriechiȬ scheȱÜbersetzungȱdieȱZahlȱderȱDavidȱzugeschriebenenȱTexteȱumȱetwaȱ zehnȱ erhöhtȱ hatte.ȱ Offenbarȱ setzteȱ sichȱ dieȱ Ideeȱ einesȱ Davidpsaltersȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 17ȱ Vgl.ȱFüglister,ȱVerwendungȱundȱVerständnisȱderȱPsalmenȱundȱdesȱPsaltersȱumȱdieȱ Zeitenwende.ȱ 18ȱ „ZentrumȱvonȱSirachsȱDavidbild“ȱ–ȱschreibtȱJ.ȱMarböckȱ–ȱ„ist,ȱwieȱschonȱdurchȱdasȱ kultischeȱBildȱ…ȱundȱdenȱHinweisȱaufȱdasȱGebetȱ…ȱvorbereitet,ȱdessenȱpersönlicheȱ FrömmigkeitȱundȱSorgeȱfürȱdenȱGottesdienstȱ…ȱEinȱZugȱ,ȱderȱwederȱinȱdenȱSamuelȬ büchernȱ nochȱ inȱ derȱ Chronikȱ mitȱ ihrerȱ Betonungȱ vonȱ Davidsȱ Bedeutungȱ fürȱ denȱ Kultȱbesondersȱhervortritt,ȱstehtȱüberausȱselbständigȱundȱcharakteristischȱamȱBeginnȱ …ȱAlles,ȱDavidsȱTun,ȱseinȱHerz,ȱseineȱZeitȱsindȱvonȱseinerȱpersönlichenȱFrömmigkeitȱ alsȱumfassenderȱHaltungȱgeprägt.“ȱ(DavidsȱErbeȱinȱgewandelterȱZeit,ȱ46ȱf.)ȱ 19ȱ Psȱ90ȱwirdȱalsȱeinzigerȱPsalmȱMoseȱzugeschrieben.ȱ 20ȱ DasȱMotivȱvomȱInstrumentenbauerȱDavidȱgehtȱaufȱAmȱ6,5ȱzurück,ȱwoȱTrunkeneȱerȬ wähntȱsind,ȱdieȱ„zurȱLauteȱplärren;ȱ(wieȱDavid)ȱsichȱLiedinstrumenteȱerfinden“.ȱDerȱ TextȱistȱdunkelȱundȱscheintȱamȱEndeȱbeschädigt;ȱ„wieȱDavid“ȱscheintȱeineȱGlosseȱzuȱ sein.ȱ

ȱ

V.ȱDasȱDavidbildȱinȱderȱspäterenȱÜberlieferungȱ

73ȱ

immerȱweiterȱdurch.ȱInȱjenemȱKolophonȱwirdȱdasȱDavidbildȱnochȱeinȬ malȱinȱbedeutsamerȱWeiseȱerweitertȱundȱbereichert.ȱȱ 2ȱ

UndȱDavid,ȱderȱSohnȱIsais,ȱwarȱweise,ȱundȱeinȱLichtȱwieȱdasȱLichtȱ derȱSonne,ȱundȱeinȱDichter,ȱȱ 3ȱ auchȱklugȱundȱvollkommenȱaufȱallenȱseinenȱWegenȱvorȱGottȱundȱ denȱMenschen.ȱUndȱderȱHerrȱgabȱȱ 4ȱ ihmȱeinenȱeinsichtigenȱundȱhellenȱGeist.ȱUndȱerȱschriebȱȱ 5ȱ 3ȱ600ȱPsalmen;ȱdazuȱLiederȱvorȱdemȱAltarȱundȱüberȱdemȱ 6ȱ täglichenȱBrandopferȱzuȱsingen,ȱfürȱalleȱTageȱdesȱJahresȱ364;ȱ 7ȱ undȱfürȱdasȱSabbatopfer,ȱ52ȱLieder;ȱundȱfürȱdasȱOpferȱzumȱ 8ȱ Neumondȱ undȱ fürȱ alleȱ Festversammlungenȱ undȱ fürȱ denȱ VersöhȬ nungstag,ȱ30ȱLieder.ȱ 9ȱ UndȱalleȱLieder,ȱdieȱerȱsprach,ȱwarenȱ446,ȱundȱdieȱLiederȱ 10ȱ fürȱ dieȱ Schalttageȱ (fürȱ dasȱ Schlagzeug?),ȱ 4.ȱ Insgesamtȱ warenȱ esȱȱ 4ȱ050.ȱ 11ȱ AlleȱdieseȱsprachȱerȱalsȱProphetie,ȱdieȱihmȱvomȱHöchstenȱgegebenȱ war.21ȱȱ

Inȱ unseremȱ Zusammenhangȱ interessierenȱ nichtȱ soȱ sehrȱ dieȱ ZahlenȬ angabenȱundȱihreȱHerkunft22ȱoderȱdieȱAngabenȱzumȱSolarkalenderȱmitȱ einemȱJahrȱvonȱ364ȱTagenȱoderȱüberȱdieȱKompositionenȱfürȱdieȱInstruȬ mentalmusikȱ(unsichererȱText).ȱVielmehrȱistȱfürȱunsȱderȱSchlusspassusȱ vonȱBedeutung,ȱderȱdenȱDichterȱundȱWeisenȱDavidȱnunȱauchȱunterȱdieȱ Prophetenȱeinreiht.ȱWie,ȱistȱDavidȱauchȱunterȱdenȱPropheten?ȱWieȱimȬ merȱmanȱdieȱWendung:ȱ„sprechenȱalsȱProphetenwort“ȱversteht,ȱhierȱimȱ zusammenfassendenȱ Schlusswortȱ werdenȱ Davidsȱ Worteȱ alsȱ „PropheȬ tie“ȱ ausgegeben,ȱ dieȱ ihmȱ durchȱ Inspirationȱ geschenktȱ wurde.ȱ Nachȱ demȱProphetenverständnisȱderȱZeitȱhandeltȱesȱsichȱumȱWeissagungen,ȱ dieȱ inȱ derȱ Gegenwartȱ alsȱ erfülltȱ gelten.ȱ Undȱ unmittelbarȱ vorȱ demȱ alsȱ „David’sȱ Compositions“ȱ apostrophiertenȱ Abschnittȱ stehenȱ inȱ diesemȱ Psalterȱauchȱnochȱ„DavidsȱletzteȱWorte“ȱausȱ2.ȱSamȱ23.ȱDieseȱPerikopeȱ warȱ wohlȱ derȱ Ausgangspunktȱ fürȱ dieȱ prophetischeȱ Deutung.ȱ Dennȱ Davidsȱ Worteȱ werdenȱ dortȱ mitȱ derȱ altehrwürdigenȱ Formelȱ fürȱ denȱ prophetischenȱGottesspruchȱeingeführt,ȱgefolgtȱvonȱderȱAussage:ȱ„Derȱ GeistȱdesȱHerrnȱredetȱinȱmir,ȱundȱseinȱWortȱistȱaufȱmeinerȱZunge“ȱ(V.ȱ 2).ȱ Durchȱ dieȱ Zusammenstellungȱ aberȱ wirdȱ klar,ȱ dassȱ nichtȱ nurȱ dieȱ letztenȱWorteȱDavids,ȱsondernȱalleȱseineȱDichtungen,ȱundȱd.ȱh.ȱdieȱ4050ȱ Psalmtexteȱ insgesamtȱ alsȱ prophetischeȱ Weissagungenȱ zuȱ verstehenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 21ȱ Vgl.ȱ Theȱ Deadȱ Seaȱ Scrollsȱ Bible,ȱ ed.ȱ byȱ M.ȱ Abegg/P.ȱW.ȱ Flint/E.ȱ Ulrich,ȱ Edinburghȱ 1999,ȱ583ȱf.ȱ 22ȱ DieȱgroßeȱGesamtzahlȱ(4050)ȱkönnteȱnochȱeineȱErinnerungȱdaranȱenthalten,ȱdassȱausȱ denȱ mitȱ Votivgabenȱ gefülltenȱ Archivenȱ zunächstȱ nurȱ 73ȱ (späterȱ 150)ȱ Texteȱ ausgeȬ wähltȱwurden.ȱȱ

74ȱ

4.ȱDavidȱalsȱPsalmsängerȱinȱderȱBibelȱ

sind.ȱDamitȱaberȱwandeltȱsichȱdasȱVerständnisȱderȱPsalmen.ȱSoȱwerdenȱ jaȱ auchȱ dieȱ Psalmenȱ inȱ Qumranȱ nichtȱ nurȱ abgeschrieben,ȱ gelesenȱ undȱ meditiertȱ(manȱzählteȱetwaȱ40ȱPsalterȬExemplare);ȱsieȱwerdenȱalsȱWeisȬ sagungenȱ fürȱ dieȱ Gegenwartȱ ausgelegt.ȱ Dieȱ qumranspezifischenȱ AusȬ legungenȱ derȱ sog.ȱ PescherȬKommentareȱ zuȱ denȱ Psalmtexten23ȱ zeigen,ȱ dassȱmanȱausȱihnenȱablas,ȱwasȱfürȱdieȱGegenwartȱvorausgesagtȱwar.ȱEsȱ galt,ȱ sieȱ alsȱ Weissagungȱ zuȱ entziffern.ȱ Apokalyptischesȱ Denkenȱ prägtȱ denȱUmgangȱmitȱdenȱPsalmen.ȱ

3.ȱDieȱgriechischeȱPsalterüberlieferungȱ InȱderȱgriechischenȱFassungȱdesȱPsaltersȱzeigtȱsichȱzunächstȱeineȱganzȱ ähnlicheȱ Entwicklung.ȱ Dieȱ Zahlȱ derȱ Davidȱ zugeschriebenenȱ Psalmenȱ wirdȱerhöhtȱ(80ȱstattȱ73);ȱdieȱderȱbiographischenȱSzenerienȱerweitertȱ(Psȱ 144:ȱ„gegenȱGoliath“;ȱPsȱ27:ȱ„vorȱdemȱGesalbtwerden“).ȱPsȱ151,ȱnurȱinȱ derȱ Septuagintaȱ undȱ jetztȱ auchȱ imȱ QumranȬPsalterȱ 11QPsaȱ überliefert,ȱ istȱeinȱLied,ȱinȱdemȱDavidȱselbstȱseineȱSalbungȱdurchȱSamuelȱbesingt.ȱ Dieseȱ Akzenteȱ zeigenȱ zwarȱ eineȱ historisierendeȱ Darstellung;ȱ zugleichȱ aberȱ wirdȱ deutlich,ȱ dassȱ esȱ sichȱ nichtȱ nurȱ umȱ denȱ „geschichtlichen“ȱ David,ȱSohnȱdesȱIsai,ȱvielmehrȱumȱdenȱgesalbtenȱundȱinspiriertenȱproȬ phetischenȱ Sängerȱ handelt,ȱ dessenȱ Psalmenȱ nunȱ auchȱ dieȱ Zukunftȱ weissagen.24ȱȱ UndȱinȱderȱFolgeȱfindetȱsichȱauchȱinȱdenȱurchristlichenȱZeugnissenȱ desȱNeuenȱTestamentsȱbekanntlichȱdiesesȱBild:ȱDavidȱistȱalsȱEmpfängerȱ göttlicherȱOffenbarungȱeinȱProphet.ȱApgȱ2,29ȱff.:ȱ IhrȱMänner,ȱliebeȱBrüder,ȱlassetȱmichȱfreiȱredenȱzuȱeuchȱvonȱdemȱErzȬ vaterȱDavid.ȱErȱistȱgestorbenȱundȱbegraben,ȱundȱseinȱGrabȱistȱbeiȱunsȱ bisȱ aufȱ diesenȱTag.ȱ Daȱ erȱ nunȱ einȱ Prophetȱ warȱ undȱ wusste,ȱ dassȱihmȱ Gottȱ verheißenȱ hatteȱ mitȱ einemȱ Eide,ȱ dassȱ dieȱ Fruchtȱ seinerȱ Lendenȱ sollteȱaufȱseinemȱStuhlȱsitzen,ȱhatȱer’sȱzuvorȱgesehenȱundȱgeredetȱvonȱ derȱAuferstehungȱChristiȱ…“ȱ25ȱȱ

Derȱ „Prophet“ȱ Davidȱ alsȱ Offenbarungsmittler.ȱ Oderȱ Hebrȱ 4,7ȱ vonȱ Psȱ 95:ȱ Gottȱ sprichtȱ inȱ diesemȱ Psalmȱ zurȱ christlichenȱ Gemeindeȱ „nachȱ soȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 23ȱ MehrereȱPescherȬTexteȱzuȱPsalmstellenȱsindȱinȱQumranȱbezeugt,ȱz.ȱB.ȱzuȱPsȱ37:ȱ4QpPsȱ 37ȱoderȱzuȱPsȱ68:ȱ1QpPs.ȱ 24ȱ MöglicherweiseȱzeigtȱsichȱinȱderȱÜbersetzungȱdesȱhebr.ȱlmnschȱ(gewöhnlichȱwiederȬ gegebenȱ mit:ȱ „fürȱ denȱ Chorleiter“)ȱ HLMWRȱ WHYORȱ inȱ gleicherȱ Weiseȱ eineȱ eschatologiȬ scheȱAusdeutungȱwieȱinȱdenȱKommentarenȱausȱQumran.ȱ 25ȱ Apgȱ4,25ȱf.ȱvonȱPsȱ2ȱ„Duȱ(Gott)ȱhastȱdurchȱdenȱMundȱunseresȱVatersȱDavid,ȱdeinesȱ Knechtes,ȱdurchȱdenȱHeiligenȱGeistȱgesagt:ȱ‚WarumȱtobenȱdieȱVölkerȱ…‘ȱ“.ȱ

ȱ

VI.ȱZusammenfassungȱ

75ȱ

langerȱ Zeitȱ durchȱ David“.ȱ Esȱ giltȱ aberȱ derȱ Psalmȱ auchȱ alsȱ „WeissaȬ gung“ȱfürȱdieȱGegenwart.ȱ Dochȱ danebenȱ tauchtȱ imȱ Neuenȱ Testamentȱ undȱ inȱ derȱ jüdischenȱ Traditionȱ jenesȱ andereȱ Bildȱ wiederȱ auf:ȱ derȱ Davidȱ desȱ MonumentalȬ bildsȱ inȱ denȱ Königspsalmen.ȱ Undȱ dieȱ christlicheȱ Gemeindeȱ stelltȱ sichȱ mitȱ denȱ jüdischenȱ Gemeindenȱ angesichtsȱ diesesȱ Denkmalsȱ dieȱ Frage,ȱ obȱ nichtȱ auchȱ darinȱ eineȱ uneingelösteȱ Weissagungȱ schlummert.ȱ Dieȱ Antwortenȱfallenȱverschiedenȱaus.ȱNurȱzweiȱseienȱzitiert:ȱ Alles,ȱwasȱDavidȱinȱseinemȱBuchȱgesagtȱ hat,ȱgiltȱimȱBlickȱaufȱihn,ȱimȱ BlickȱaufȱganzȱIsraelȱundȱimȱBlickȱaufȱalleȱZeiten.26ȱ DennȱnichtȱDavidȱistȱgenȱHimmelȱgefahren.ȱErȱsprichtȱaber:ȱDerȱHerrȱ hatȱ gesagtȱ zuȱ meinemȱ Herrn:ȱ Setzeȱ dichȱ zuȱ meinerȱ Rechten,ȱ bisȱ dassȱ ichȱdeineȱFeindeȱlegeȱzumȱSchemelȱdeinerȱFüße.27ȱȱ

VI.ȱZusammenfassungȱ Dasȱ Gesagteȱ einȱ wenigȱ zusammenfassend,ȱ istȱ etwaȱ Folgendesȱ festzuȬ stellen:ȱ EsȱsindȱimȱVerlaufȱderȱbiblischenȱLiteraturgeschichteȱunterschiedliȬ cheȱ Davidbilderȱ entstanden:ȱ dasȱ sagenhafteȱ Bildȱ desȱ geschichtlichenȱ David,ȱ dasȱ szenischeȱ Denkmalȱ Davidsȱ mitȱ derȱ Lauteȱ undȱ alsȱ TotenȬ kläger,ȱdasȱMonumentalbildȱderȱKönigspsalmen,ȱdasȱhohepriesterlicheȱ Bild,ȱdasȱIdealbildȱdesȱBetersȱundȱSängersȱderȱPsalmenȱundȱdasȱHeiliȬ genbildȱ desȱ göttlichȱ inspiriertenȱ Propheten.ȱ Ihreȱ Gestaltungȱ undȱ ErȬ neuerungȱimȱWechselȱderȱZeitenȱrepräsentierenȱliterarischeȱVorgänge,ȱ besondersȱ beiȱ derȱ Psalmensammlungȱ undȱ Psalterentstehung.ȱ Sieȱ verȬ schmelzenȱ inȱ einemȱ Prozessȱ derȱ Synthetisierungȱ dortȱ zuȱ einerȱ Ikone,ȱ welcheȱ nunȱ unauslöschlichȱ inȱ denȱ Psalterȱ eingeprägtȱ ist.ȱ Sieȱ spiegelnȱ aberȱ auchȱ dieȱ theologischenȱ Entwicklungenȱ wider,ȱ dieȱ dazuȱ geführtȱ haben,ȱdassȱderȱPsalterȱTeilȱdesȱKanonsȱheiligerȱSchriftenȱwurde,ȱdassȱ schlichte,ȱ individuelle,ȱ späte,ȱ meistȱ vonȱ Laienȱ stammendeȱ Texteȱ zuȱ demȱautorisiertenȱGotteswortȱwerdenȱkonnten,ȱvonȱdenenȱderȱGlaubeȱ soȱ vielerȱ Menschenȱ lebenȱ sollte.ȱ Durchȱ dieseȱArtȱ vonȱ Bebilderungȱ desȱ Psalterȱ selbstȱ aberȱ konnteȱ imȱ Sinneȱ einerȱ vereinfachenden,ȱ zunächstȱ gleichsamȱ imaginärenȱ Illustrationȱ dieȱ Entwicklungȱ hinȱ zurȱ heiligenȱ Schriftȱ visualisiert,ȱ d.ȱh.ȱ fürȱ denȱ allgemeinenȱ Gebrauchȱ einsichtigȱ undȱ plausibelȱgemachtȱwerden.ȱEsȱgelangȱaufȱdieseȱWeise,ȱdenȱtheologischȱ außerordentlichȱkompliziertenȱVorgangȱderȱKanonisierungȱvonȱTextenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 26ȱ MidraschȱTehillimȱPsȱ18,1.ȱ 27ȱ Apgȱ2,34ȱf.ȱ

76ȱ

4.ȱDavidȱalsȱPsalmsängerȱinȱderȱBibelȱ

begreiflichȱ zuȱ machen,ȱ jaȱ zuȱ propagierenȱ undȱ zuȱ popularisieren.ȱ DaȬ durchȱ wurdeȱ esȱ derȱ Nachweltȱ einfachȱ gemacht,ȱ Davidȱ alsȱ Gestaltȱ derȱ Heilsgeschichteȱzuȱbegreifen,ȱsieȱalsȱMediumȱderȱOffenbarungȱzuȱverȬ stehenȱundȱsichȱmitȱihrȱinȱvielenȱLebenslagenȱbetendȱzuȱidentifizieren.ȱ Dochȱ gingenȱ inȱ demȱ plakativenȱ synthetischenȱ Großbildȱ derȱ DavidȬ Ikoneȱ auchȱ gewichtigeȱ Elementeȱ historischerȱ Überlieferungȱ undȱ dieȱ daraufȱ gründendeȱ theologischeȱ Differenzierungȱ aufȱ undȱ damitȱ gewisȬ sermaßenȱ verloren.ȱ Derȱ Gewinnȱ derȱ bildlichenȱ Vereinfachungȱ hatȱ seiȬ nenȱ Preis.ȱ Dieȱ Symbolfigurȱ löstȱ dieȱ konkreteȱ Realitätȱ jenerȱ Psalmtexteȱ zugunstenȱ einerȱ allgemeinenȱ Typisierungȱ derȱ Gebeteȱ undȱ Liederȱ auf,ȱ fördertȱ damitȱ zwarȱ inȱ weitemȱ Maßeȱ ihreȱ Verwendbarkeit,ȱ trägtȱ aberȱ auchȱzuȱerheblichenȱindividuellenȱSinnverlustenȱbei.ȱ ȱ

ȱ

Literaturȱ

77ȱ

Literaturȱ Auwers,ȱJ.ȬM.,ȱLeȱDavidȱdesȱpsaumesȱetȱlesȱpsaumesȱdesȱDavid,ȱin:ȱFiguresȱdeȱ Davidȱ àȱ traversȱ laȱ bible,ȱ éd.ȱ L.ȱ Desrousseauxȱ etȱ J.ȱ Vermeylen,ȱ LeDivȱ 177,ȱ Parisȱ1999,ȱ187–224.ȱ Braun,ȱ J.,ȱ Dieȱ Musikkulturȱ Altisraels/Palästinas.ȱ Studienȱ zuȱ archäologischen,ȱ schriftlichenȱundȱvergleichendenȱQuellen,ȱOBOȱ164,ȱFreiburgȱ1999.ȱ Childs,ȱB.ȱS.,ȱPsalmȱTitlesȱandȱMidrashicȱExegesis,ȱJSStȱ16ȱ(1971),ȱ137–150.ȱ Desrousseaux,ȱ L./Vermeylen,ȱ J.ȱ (éds.),ȱ Figuresȱ deȱ Davidȱ àȱ traversȱ laȱ Bible,ȱȱ LeDivȱ177,ȱParisȱ1999.ȱ Dietrich,ȱ W.,ȱ Dieȱ früheȱ Königszeitȱ inȱ Israel.ȱ 10.ȱ Jahrhundertȱ v.ȱChr.,ȱ Biblischeȱ Enzyklopädieȱ3,ȱStuttgartȱ1997ȱ(Lit.).ȱ Evans,ȱC.ȱA.,ȱDavidȱinȱtheȱDeadȱSeaȱScrolls,ȱin:ȱTheȱScrollsȱandȱtheȱScriptures.ȱ Qumranȱ Fiftyȱ Yearsȱ after,ȱ ed.ȱ byȱ S.ȱE.ȱ Porter/C.ȱA.ȱ Evans,ȱ JSPE.Sȱ 26,ȱ ShefȬ fieldȱ1997,ȱ183–197.ȱ Füglister,ȱN.,ȱDieȱVerwendungȱundȱdasȱVerständnisȱderȱPsalmenȱundȱdesȱPsalȬ tersȱ umȱ dieȱ Zeitenwende,ȱ in:ȱ J.ȱ Schreinerȱ (Hg.),ȱ Beiträgeȱ zurȱ PsalmenforȬ schung.ȱPsalmȱ2ȱundȱ22,ȱfzbȱ60,ȱWürzburgȱ1988,ȱ319–384.ȱ Jenni,ȱ E.,ȱ Dieȱ hebräischenȱ Präpositionen,ȱ Bd.ȱ3:ȱ Dieȱ Präpositionȱ Lamed,ȱ StuttȬ gartȱ2000.ȱ Kleer,ȱM.,ȱDerȱlieblicheȱSängerȱderȱPsalmenȱIsraels.ȱUntersuchungenȱzuȱDavidȱ alsȱDichterȱundȱBeterȱderȱPsalmen,ȱBBBȱ108,ȱBodenheimȱ1996.ȱ Kratz,ȱ R.ȱG.,ȱ Dieȱ Toraȱ Davids.ȱ Psalmȱ 1ȱ undȱ dieȱ doxologischeȱ Fünfteilungȱ desȱ Psalters,ȱZThKȱ93ȱ(1996),ȱ1–34.ȱ Marböck,ȱJ.,ȱDavidsȱErbeȱinȱgewandelterȱZeit,ȱThPQȱ130ȱ(1982),ȱ43–49.ȱ Mathys,ȱ H.ȬP.,ȱ Dichterȱ undȱ Beter:ȱ Theologenȱ ausȱ spätalttestamentlicherȱ Zeit,ȱ OBOȱ132,ȱFreiburgȱ1994.ȱ Noll,ȱK.ȱL.,ȱTheȱFacesȱofȱDavid,ȱJSOT.Sȱ242,ȱSheffieldȱ1997.ȱ Pietersma,ȱA.,ȱDavidȱinȱtheȱGreekȱPsalms,ȱVTȱ30ȱ(1980),ȱ213–226.ȱ Seybold,ȱK.,ȱDieȱPsalmen.ȱEineȱEinführung,ȱUTȱ382,ȱStuttgartȱ1986ȱ(21991).ȱ Ders.,ȱDieȱPsalmen.ȱHATȱ1,15,ȱhg.ȱv.ȱM.ȱKöckertȱundȱR.ȱSmendȱTübingenȱ1996.ȱ vanȱ Oorschot,ȱ J.,ȱ Nachkultischeȱ Psalmenȱ undȱ spätbiblischeȱ Rollendichtung,ȱ ZAWȱ106ȱ(1994),ȱ69–86.ȱ Zenger,ȱ E.,ȱ Davidȱ asȱ Musicianȱ andȱ Poet:ȱ Plottedȱ andȱ Painted,ȱ in:ȱ J.ȱCh.ȱȱ Exum/St.ȱD.ȱ Mooreȱ (Hg.),ȱ Biblicalȱ Studies/Culturalȱ studiesȱ (JSOT.Sȱ 266ȱ =ȱ Gender,ȱCulture,ȱTheoryȱ7),ȱSheffieldȱ1998,ȱ263–298.ȱ

ȱ ȱ

ȱ

ȱ

B.ȱEinzelpsalmstudienȱ

ȱ

ȱ

5.ȱKlangformenȱimȱ44.ȱPsalmȱ ȱ ȱ EsȱgehtȱmirȱinȱdieserȱkleinenȱStudieȱzumȱ44.ȱPsalm,ȱdieȱichȱdemȱverehrȬ tenȱKollegenȱundȱFreundȱThomasȱWilliȱzuȱseinemȱ65.ȱGeburtstagȱwidȬ menȱ möchte,ȱ zunächstȱ nichtȱ umȱ dieȱ großenȱ exegetischenȱ Problemeȱ diesesȱTextes.ȱZurȱwahrscheinlichenȱHerkunftȱderȱQorachȬPsalmenȱausȱ demȱ nördlichenȱ Danȱ hatȱ Michaelȱ D.ȱ Goulderȱ eineȱ Monographieȱ geȬ schrieben.1ȱZurȱmöglichenȱDatierungȱhatȱHaroldȱM.ȱParkerȱeinenȱVerȬ suchȱ unternommen.2ȱ Zurȱ Überlieferungsgeschichteȱ desȱ Psalmsȱ hatȱ Walterȱ Beyerlinȱ eineȱ umfassendeȱ Untersuchungȱ verfasst.3ȱ Zurȱ GeȬ schichtserfahrungȱ hatȱ sichȱ Heinrichȱ Großȱ geäußert.4ȱ Zurȱ Rhetorikȱ hatȱ Lorenȱ D.ȱ Crowȱ eineȱ Studieȱ präsentiert.5ȱ Zurȱ redaktionskritischenȱ BeȬ urteilungȱ hatȱ Erichȱ Zengerȱ eineȱ eingehendeȱ Analyseȱ desȱ Textesȱ vorȬ gelegt,ȱ dieȱ eineȱ sukzessiveȱ Entstehungȱ desȱ Textesȱ ausȱ zweiȱ selbstänȬ digenȱPsalmenȱalsȱwahrscheinlichȱansieht.6ȱZurȱTheologieȱhatȱsichȱu.ȱa.ȱ JamesȱL.ȱMaysȱunterȱdemȱStichwortȱ„theȱtheologicalȱpathos“ȱGedankenȱ gemacht7,ȱundȱzurȱGesamteinschätzungȱhatȱzuletztȱAdeleȱBerlinȱdafürȱ plädiert,ȱPsȱ44ȱderȱLiteraturȱderȱExilszeitȱzuzurechen.8ȱDanebenȱgibtȱesȱ eineȱ langeȱ Reiheȱ ältererȱ undȱ neuererȱ Kommentare,ȱ dieȱ ichȱ hierȱ nichtȱ auszählenȱwillȱundȱdieȱPsȱ44ȱaufȱjedeȱWeiseȱdurchleuchtetȱhaben.ȱ–ȱMirȱ gehtȱesȱhierȱalleinȱumȱdieȱtextlicheȱLautgestalt,ȱumȱdieȱklanglicheȱFormȱ undȱeinigeȱakustischeȱPhänomene,ȱdieȱanȱdiesemȱText9ȱerkennbarȱsind.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ 2ȱ 3ȱ 4ȱ 5ȱ 6ȱ 7ȱȱ 8ȱ



M.ȱD.ȱGoulder,ȱTheȱPsalmsȱofȱtheȱSonsȱofȱKorah,ȱJSOT.Sȱ20,ȱSheffieldȱ1982.ȱ H.ȱM.ȱParker,ȱArtaxerxesȱIIIȱOchusȱandȱPsȱ44,ȱJQRȱ68/3ȱ(1978),ȱ152–168.ȱ W.ȱBeyerlin,ȱInnerbiblischeȱAktualisierungsversuche:ȱSchichtenȱimȱ44.ȱPsalm,ȱZThKȱ 73ȱ(1976),ȱ446–460.ȱ H.ȱGroß,ȱGeschichtserfahrungȱinȱdenȱPsalmenȱ44ȱundȱ77,ȱTTZȱ80ȱ(1971),ȱ207–221.ȱ L.ȱD.ȱCrow,ȱTheȱRhetoricȱofȱPsalmȱ44,ȱZAWȱ104ȱ(1992),ȱ394–401.ȱ E.ȱ Zenger,ȱ inȱ F.ȬL.ȱ Hossfeld/E.ȱ Zenger,ȱ Dieȱ Psalmenȱ I,ȱ Psalmȱ 1–50,ȱ NEBȱ 29,ȱ WürzȬ burgȱ1993,ȱ271–278.ȱ J.ȱL.ȱMays,ȱPsalms.ȱInterpretation,ȱLouisvilleȱ1994,ȱbes.ȱ179.ȱ A.ȱ Berlin,ȱ Psalmsȱ andȱ theȱ Literatureȱ ofȱ Exile:ȱ Psalmsȱ 137,ȱ 44,ȱ 69,ȱ andȱ 78,ȱ in:ȱ P.ȱ W.ȱ Flint/P.Millerȱ(Eds.),ȱTheȱBookȱofȱPsalms.ȱCompositionȱandȱReception,ȱVT.Sȱ99,ȱLeiȬ den/Bostonȱ2005,ȱ65–86.ȱ Derȱ MTȱ wirdȱ bisȱ bisȱ aufȱ einȱ Detailȱ (Z)ȱ vonȱ denȱ Qumranfragmentenȱ 1QPscȱȱ (V.ȱ3.5.7.9.23.25)ȱundȱ4QPscȱ(8–9?)ȱgestützt.ȱ

82ȱ

5.ȱKlangformenȱimȱ44.ȱPsalmȱ

I.ȱ Dieȱ authentischeȱ Musikȱ zuȱ denȱ Psalmenȱ istȱ jaȱ unwiederbringlichȱ verȬ loren,ȱundȱalleȱmodernenȱKompensationen,ȱsoȱschönȱundȱkunstvollȱsieȱ seinȱmögen,ȱkönnenȱnurȱvageȱMöglichkeitenȱbieten,ȱwieȱmanȱsichȱdennȱ denȱ originalenȱ Vortragȱ vorzustellenȱ hat.ȱ Auchȱ derȱ Wegȱ überȱ dieȱ BeȬ schreibungȱ derȱ imȱ Psalterȱ undȱ inȱ derȱ Chronikȱ genanntenȱ MusikȬ instrumenteȱ führtȱ nichtȱ weiter.ȱ Manȱ vermagȱ nurȱ allgemeineȱ FunktioȬ nenȱ derȱ Musikbegleitungȱ anzugebenȱ –ȱ etwaȱ zurȱ Zahlȱ derȱ Saitenȱ oderȱ zurȱ Zusammenstellungȱ einesȱ Klangkörpersȱ (Psȱ 150)ȱ –,ȱ ohneȱ dassȱ zumȱ konkretenȱ Klangbildȱ etwasȱ gesagtȱ wäre.ȱ Grundsätzlichȱ wirdȱ manȱ jeȬ denfallsȱ auchȱ fürȱ dieȱ musikalischeȱ Darbietungȱ zwischenȱ denȱ TextgatȬ tungenȱ differenzierenȱ undȱ aufȱ dieȱ individuellenȱ Aussagenȱ derȱ PsalmȬ texteȱ imȱ Einzelnenȱ achtenȱ müssen.ȱ Überȱ Ansätzeȱ kommtȱ manȱ aberȱ wohlȱnichtȱmehrȱhinaus.ȱȱ AuchȱdieȱDeutungȱderȱwahrscheinlichȱaufȱeineȱfrüheȱmusikalischeȱ Sekundärverwendungȱ weisendenȱ Fachterminiȱ inȱ denȱ Überschriftenȱ –ȱ ohnehinȱeinȱweithinȱungelöstesȱProblemȱ–ȱkönnteȱimȱbestenȱFallȱeinigeȱ Anleitungenȱ fürȱ denȱ „Chormeister“ȱ oderȱ garȱ Melodieangabenȱ („nach:ȱ dieȱ Hindinȱ derȱ Morgenröte“,ȱ Psȱ 22,1;ȱ „nach:ȱ Lotusblüten“,ȱ Psȱ 45,1)ȱ ergeben,ȱfürȱdieȱmusikalischeȱWiedergabeȱkannȱsieȱnichtsȱbeitragen.ȱ FolglichȱalsoȱfehltȱbeiȱderȱRekonstruktionȱderȱPsalmtexteȱdieȱakusȬ tischeȱDimension.ȱDarumȱbleibtȱfürȱdieȱFrageȱnachȱdemȱLautgestaltȱderȱ PsalmenȱnurȱderȱschmaleȱPfadȱderȱSucheȱnachȱdenȱsprachlichenȱKlangȬ formenȱ innerhalbȱ derȱ Texte.ȱ Fürȱ dieȱ begleitendeȱ Instrumentalmusikȱ wirdȱauchȱdortȱnichtȱvielȱzuȱfindenȱsein.ȱSprache,ȱauchȱeineȱklangvolleȱ wieȱdieȱhebräischeȱSprache,ȱhatȱihreȱlautlichenȱBeschränkungen.ȱAuchȱ istȱesȱwohlȱnichtȱallzuȱhäufig,ȱdassȱdieȱInstrumenteȱsprachlichȱimitiertȱ werden.ȱ Wohlȱ aberȱ fürȱ denȱ Klangȱ derȱ Sprachmelodie,ȱ bestenfallsȱ fürȱ denȱGesang,ȱSprechgesangȱoderȱdieȱKoloraturȱsowieȱdieȱTonhöheȱundȱȱ Ȭfarbeȱ könnteȱ dieȱ poetischȬphonischeȱ Textgestaltungȱ etwasȱ ergeben.ȱ DasȱBeispielȱderȱausȱmetrischenȱStrukturenȱeinesȱTextesȱeinigermaßenȱ erkennbarenȱ rhythmischenȱ Gestaltung,ȱ derȱ Artikulationȱ undȱ desȱ Sprechtemposȱ könnteȱ dazuȱ ermutigen,ȱ auchȱ fürȱ dieȱ Intonationȱ derȱȱ Texteȱ undȱ dieȱ ursprünglichenȱ akustischenȱ Phänomeneȱ etwasȱ zuȱ erȬ hoffen. 10ȱȱ Dieseȱ Studieȱ zuȱ Psȱ 44ȱ hatȱ dieȱ Erwartungȱ undȱ zugleichȱ dieȱ ÜberȬ zeugung,ȱdassȱdieȱWahrnehmungȱsolcherȱlautlichenȱErscheinungenȱwieȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10ȱ DerȱVorschlagȱL.ȱAlonsoȬSchökels,ȱdieȱTexteȱlautȱzuȱlesen,ȱumȱihreȱLautgestaltȱ(beiȱ allerȱEinschränkung)ȱwahrzunehmen,ȱhatȱdurchausȱetwasȱfürȱsich.ȱVgl.ȱAȱManualȱofȱ HebrewȱPoetics,ȱSubBiȱ11,ȱRomaȱ1988,ȱKap.:ȱSoundsȱ20–33.ȱ

ȱ

II.ȱ

83ȱ

beiȱ anderenȱ poetischenȱ Gestaltungenȱ nichtȱ nurȱ vonȱ ornamentalerȱȱ Relevanz,ȱ sondernȱ auchȱ fürȱ dieȱ Gesamtdeutungȱ desȱ Psalmtextsȱ vonȱ Bedeutungȱist.ȱȱ

II.ȱ Dieȱ auffälligsteȱ lautlicheȱ Erscheinungȱ inȱ Psȱ 44ȱ istȱ ohneȱ allenȱ Zweifelȱ dasȱüberausȱhäufigeȱVorkommenȱderȱSilbeȱȬnu.ȱManȱzähltȱ38Ȭmalȱinȱ27ȱ Versen.ȱ Soȱ kannȱ manȱ vonȱ einemȱ Leitklangȱ sprechen.ȱ Esȱ liegtȱ nahe,ȱ inȱ diesemȱ Phonemȱ eineȱ Abkürzungȱ desȱ Personalpronomensȱ ZQMQD/ȱ ZQMQ’anachnu/nachnuȱ „wir,ȱ uns“ȱ zuȱ sehen,ȱ undȱ esȱ kannȱ nichtȱ andersȱ sein,ȱalsȱdassȱdasȱbeimȱVortragȱdesȱTextesȱinsȱOhrȱfiel.ȱWieȱeinȱcharakȬ teristischerȱAkkordȱostinatȱwiederholtȱziehtȱsichȱdieseȱKlangsilbeȱdurchȱ denȱganzenȱkollektivenȱKlagepsalm.11ȱAndersȱausgedrückt:ȱEsȱistȱdieserȱ litaneiartigȱ wiederholteȱ Klageton,ȱ derȱ demȱ Liedȱ seinenȱ besonderenȱ Charakterȱ verleiht.ȱ Mitȱ derȱ Abbreviaturȱ diesesȱ Klagetonsȱ erinnertȱ dieȱ singendeȱGemeindeȱstetigȱanȱsichȱundȱihrenȱdeplorablenȱZustand,ȱohneȱ dassȱsieȱdamitȱimmerȱwiederȱneuȱmitȱWortenȱzuȱschildernȱhat,ȱwieȱesȱ umȱsieȱsteht.ȱȱ ImȱAllgemeinenȱverwendenȱdieȱPsalmgebeteȱlitaneiartigȱinȱderȱAnȬ rufungȱ denȱ Gottesnamenȱ oderȱ eineȱ entsprechendeȱ Anrede.ȱ Soȱ gibtȱ esȱ mancheȱ Texte,ȱ dieȱ zeilenweiseȱ einȱ JHWHȱ enthalten.12ȱ Beiȱ Psȱ 44ȱ istȱ esȱ anders.ȱHierȱbringtȱsichȱdieȱbetendeȱGemeindeȱmitȱdemȱdurchgängigenȱ WirȱinȱErinnerung.13ȱUndȱinsgesamtȱpasstȱdasȱnichtȱschlechtȱzuȱeinemȱ Text,ȱinȱdemȱeineȱGemeindeȱbetont,ȱdassȱsieȱihrenȱGottȱnichtȱvergessenȱ hatȱ(V.ȱ18),ȱundȱsichȱbeklagenȱmuss,ȱdassȱerȱseinerseitsȱihrȱ„Elendȱundȱ Drangsal“ȱvergessenȱzuȱhabenȱscheintȱ(V.ȱ25).ȱȱ Nichtȱ uninteressantȱ istȱ nunȱ dieȱ Streuungȱ desȱ Leitklangsȱ imȱ Text.ȱ Nachdemȱ erȱbereitsȱ inȱ derȱ Eröffnungȱ vonȱ V.ȱ 2ȱ4Ȭmalȱ begegnetȱ undȱ soȱ rechtȱdasȱLeitmotivȱgleichȱzuȱBeginnȱanschlägt,ȱfindetȱsichȱderȱnächsteȱ Belegȱ erstȱ inȱ V.ȱ 6.ȱ Undȱ vonȱ daȱ anȱ begegnetȱ erȱ ziemlichȱ gleichmäßigȱ meistȱ 2Ȭmalȱ inȱ einerȱ Zeile,ȱ häufigȱ aufȱ dieȱ beidenȱ Parallelhälftenȱ verȬ teilt.14ȱȱ ManȱkönnteȱvonȱeinemȱPsalmtonȱsprechen.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 11ȱ Vgl.ȱauchȱdieȱBeobachtungenȱdazuȱvonȱB.ȱWeber,ȱWerkbuchȱPsalmenȱI.ȱDieȱPsalmenȱ 1ȱbisȱ72,ȱStuttgartȱ2001,ȱ205ȱf.ȱ 12ȱ AlsȱextremesȱBeispielȱetwaȱPsȱ118.ȱ 13ȱ DieȱIchȬStellenȱ(VV.ȱ5.16)ȱbedürfenȱnatürlichȱderȱErklärung.ȱȱ 14ȱ Soȱ inȱ VV.ȱ 6.8.10.11.12.18.19.20.21.23.26.27;ȱ einseitigesȱ Doppelvorkommenȱ inȱ V.ȱ 25ȱ undȱDreiervorkommenȱinȱVV.ȱ8.14.18.21.ȱ

84ȱ

5.ȱKlangformenȱimȱ44.ȱPsalmȱ

III.ȱ AuffälligȱistȱaberȱauchȱeinȱanderesȱPhänomen:ȱdieȱAkrostichie.ȱDieȱAkȬ rostichieȱistȱnichtȱnurȱeineȱgraphischeȱErscheinung,ȱobwohlȱsieȱalsȱsolȬ cheȱbesondersȱinsȱAugeȱ(!)ȱfällt.15ȱSoȱistȱesȱauchȱbeiȱPsȱ44.ȱInsȱAugeȱfällt,ȱ dassȱ dieȱ Zeilenȱ 11–15ȱ jeweilsȱ mitȱ einemȱ W/tȱ beginnen.16ȱ Einȱ typischesȱ BeispielȱfürȱAkrostichie.ȱDassȱvierȱvonȱdenȱfünfȱAnfängenȱzugleichȱmitȱ derȱWirȬSilbeȱȬnuȱverbundenȱsind,ȱlässtȱdieȱFrageȱaufkommen,ȱobȱnichtȱ auchȱ dieseȱ Erscheinungȱ eineȱ lautlicheȱ undȱ dannȱ semantischeȱ BeȬ deutungȱ hat.ȱ W/tȱ istȱ sicherȱ einȱ deutlichȱ hörbarerȱ Konsonant.ȱ Erȱ stehtȱ ohneȱZweifelȱfürȱdieȱ2.ȱPersonȱm.ȱ(KWD)ȱundȱeröffnetȱsoȱzumindestȱinȱ derȱverbalenȱSuffixformȱeineȱBeziehungȱzwischenȱDuȱundȱWir.ȱKommtȱ dazu,ȱdassȱVV.ȱ11–15ȱ(zusammenȱmitȱV.ȱ10)ȱsachlichȱalsȱvorwurfsvolleȱ KlageȱzusammengehörenȱundȱeineȱArtȱStropheȱbilden.ȱFindenȱsichȱnunȱ inȱdemȱPsalmgedichtȱnochȱandereȱlautlicheȱErscheinungenȱdieserȱArt?ȱ BeiȱgenaueremȱZusehenȱistȱdieseȱFrageȱzuȱbejahen.ȱEsȱhandeltȱsichȱ aberȱ nichtȱ umȱ graphischȱabgehobeneȱakrostichische,ȱ sondernȱ umȱ „voȬ kalische“,ȱd.ȱh.ȱlautlicheȱPhänomene.ȱ Dieȱ Verseȱ 24–27ȱ amȱ Endeȱ desȱ Psalmsȱ gehörenȱ alsȱ flehentlicheȱ GeȬ betsaussagenȱ zusammen.ȱ Graphischȱ zeigenȱ sieȱ amȱ Beginnȱ nichtsȱ AufȬ fallendes,ȱ jedochȱ phonisch.ȱ Alleȱ Zeilenȱ beginnenȱ nämlichȱ mitȱ einemȱ Wortȱ mitȱ jeweilsȱ einerȱ aȬEndung,ȱ welcheȱ dieȱ Masoretenȱ bewusstȱ alsȱ unbetontȱpunktiertȱhaben.17ȱDasȱlangeȱaȱwarȱbeimȱVortragȱgewissȱhörȬ barȱ–ȱdasȱbezeugenȱdieȱbeidenȱAdhortativformenȱinȱV.ȱ24ȱundȱV.ȱ27ȱ–ȱ undȱbandȱdieȱZeilenȱaneinander.ȱ Dieȱ Verseȱ 2–4ȱ bietenȱ inȱ derȱ erstenȱ Silbeȱ ihrerȱ Zeilenȱ ebenfallsȱ eineȱ signifikanteȱ Besonderheit.ȱ Sieȱ beginnenȱ –ȱ zumindestȱ cumȱ granoȱ salisȱ (oderȱ mehr?)ȱ –ȱ mitȱ einemȱ oȬVokal.ȱ Manȱ mussȱ dannȱ allerdingsȱ beiȱ \KODȱinȱV.ȱ2ȱdieȱschwacheȱAuftaktsilbeȱvernachlässigen,ȱwasȱlautlichȱ wohlȱkeineȱgroßenȱProblemeȱmacht.ȱAuchȱdasȱ \NȱinȱV.ȱ4ȱmussȱ–ȱwieȱinȱ V.ȱ26ȱu.ȱa.ȱ–ȱalsȱprosaischerȱZusatzȱangesehenȱwerden.ȱSchwierigerȱwirdȱ esȱ beiȱ V.ȱ 4b.ȱ Hierȱ kommtȱ man,ȱ willȱ manȱ konsequentȱ sein,ȱ umȱ eineȱ literarkritischeȱ Operationȱ nichtȱ herum.ȱ Dochȱ inȱ jedemȱ Fallȱ findetȱ sichȱ einȱ AnfangsȬoȱ wieȱ inȱV.ȱ4aȱ inȱ derȱ zweitenȱ Hälfteȱ derȱ Zeile.ȱ Esȱ istȱ eineȱ Frageȱ desȱ Ermessens,ȱ obȱ manȱ dieseȱ nachgestellteȱ oȬSilbeȱ anerkennenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 15ȱ K.ȱSeybold,ȱAkrostichieȱimȱPsalter,ȱin:ȱAlttestamentlicheȱForschungȱinȱderȱSchweiz,ȱ FestheftȱIOSOTȱ17,ȱThZȱ57,ȱBaselȱ2001,ȱ172–183.ȱ 16ȱ 5Ȭmal.ȱNichtȱganzȱsoȱauffälligȱ\N/kiȱinȱVV.ȱ4.5/7.8.ȱ 17ȱ Manȱwirdȱkonzedierenȱmüssen,ȱdassȱdasȱ KPOȱinȱV.ȱ24ȱundȱdasȱ \NȱamȱBeginnȱvonȱV.ȱ 26ȱ nichtȱ zurȱ poetischenȱ Originalformȱ gehörtȱ haben.ȱ Indesȱ folgtȱ inȱ VV.ȱ 25.26.27ȱ (24)ȱ anȱzweiterȱStelleȱjeweilsȱeinȱWortȱmitȱlangemȱ(unbetontenȱundȱauchȱbetonten)ȱa.ȱZuȱ KWU]>ȱmitȱunbetonterȱaȬEndung,ȱvgl.ȱdieȱähnlicheȱKonstruktionȱinȱPsȱ60,13ȱ(par.).ȱ

ȱ

III.ȱ

85ȱ

oderȱ dochȱ vielleichtȱ eineȱ Umstellungȱ derȱ Zeilenhälftenȱ vorschlagenȱ will.ȱBeidesȱerscheintȱmir,ȱLetzteresȱetwaȱimȱBlickȱaufȱdenȱüberliefertenȱ Textzustandȱ derȱ Psalmenȱ überhaupt,ȱ tolerabelȱ zuȱ sein.ȱ Inȱ jedemȱ Fallȱ bildenȱVV.ȱ2–4ȱeineȱgebundeneȱZeilenfolge.18ȱ InȱVV.ȱ18–23ȱscheintȱderȱZeilenanfangȱnichtȱsoȱklarȱmarkiertȱzuȱseinȱ wieȱ inȱ denȱ bisherigenȱ Zeilenfolgen.ȱ Dochȱ kannȱ manȱ allenfallsȱ verȬ merken,ȱdassȱeinȱO/lȱinȱ4ȱderȱ6ȱoderȱ5ȱZeilen19ȱimȱerstenȱWortȱbegegnet.ȱ Willȱ manȱ angesichtsȱ desȱ inȱ diesenȱ Versenȱ vorherrschendenȱ Redestilsȱ derȱAbrenuntiationȱ–ȱalsoȱderȱemphatischenȱAbsageȱundȱVerneinungȱ– nochȱ weiterȱ gehen,ȱ könnteȱ manȱ vermuten,ȱ dassȱ inȱ diesemȱ Teilȱ desȱ Psalmsȱ amȱ Anfangȱ ursprünglichȱ dasȱ jaȱ auchȱ einigeȱ Maleȱ inȱ VV.ȱ 18ȱff.ȱ nochȱbezeugteȱDOȱo.ȱä.20ȱgestandenȱhat.ȱȱ WasȱaberȱistȱmitȱdenȱrestlichenȱZeilenȱinȱVV.ȱ5–9?ȱLassenȱwirȱV.ȱ5ȱ einmalȱweg,ȱergibtȱsichȱinȱVV.ȱ6–9ȱimȱjetzigenȱKontextȱamȱZeilenanfangȱ zweimalȱ einȱ Eȱ undȱ zweimalȱ ein\N,ȱ ersteresȱ mitȱ Inklusion.ȱ Dasȱ istȱ jeȬ dochȱ imȱ Kontextȱ derȱ übrigenȱ Zeilenanfängeȱ keineȱ sehrȱ überzeugendeȱ Akrostichie.ȱ Deshalbȱ istȱ wohlȱ eineȱ andereȱ Lösungȱ wahrscheinlicher.ȱ Möglichȱwäreȱnämlich,ȱ E/bȱalsȱLeitkonsonantȱanzunehmen:ȱInȱV.ȱ7ȱbeȬ gegnetȱ erȱ allerdingsȱ auchȱ beiȱ Wegfallȱ desȱ \Nȱ dannȱ nachȱ DOȱ erstȱ imȱ zweitenȱ Wort;ȱ V.ȱ 8,ȱ derȱ mitȱ seinenȱ Perfektenȱ ohnehinȱ Schwierigkeitenȱ bereitetȱundȱzuȱVV.ȱ2ȱff.ȱgehört,ȱwahrscheinlichȱeinȱspätererȱZusatz.21ȱ Nunȱ fehlenȱ nurȱ nochȱ dieȱ Verseȱ 6,16ȱ undȱ 17,ȱ dieȱ schwerȱ inȱ diesemȱ Rahmenȱ unterzubringenȱ sind.ȱ Fürȱ V.ȱ 6ȱ wirdȱ eineȱ möglicheȱ Lösungȱ sichtbar,ȱ wennȱ manȱ ihnȱ –ȱ auchȱ ausȱ anderenȱ Gründenȱ –ȱ zuȱ VV.ȱ 24ȱff.ȱ hinzunimmt.ȱ Dannȱ müssteȱ manȱ allerdingsȱ dasȱ KWDȱ auchȱ –ȱ mitȱ masoretischerȱ Unterstützung22ȱ –ȱ imȱ Ganzenȱ undȱ damitȱ auchȱ inȱ derȱ zweitenȱ Silbeȱ alsȱ unbetontȱ lesen.ȱ VV.ȱ 16ȱf.ȱ fallenȱ zwarȱ nichtȱ ausȱ demȱ rhythmischenȱ Schema,ȱ jedochȱ ausȱ derȱ akrostichischenȱ Folgeȱ heraus.ȱ InhaltlichȱbietenȱsieȱnichtȱvielȱNeues.ȱSieȱsindȱoffenbarȱauchȱerstȱnachȬ träglichȱ eingesetztȱ worden,ȱ wobeiȱ Psȱ 8,3ȱ eineȱ gewisseȱ Rolleȱ gespieltȱ habenȱ wird.ȱ–ȱ Damitȱ sindȱ wirȱ bereitsȱ beiȱ derȱ literarkritischenȱ Analyseȱ angelangt.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 18ȱ Sachlichȱ bedingtȱ dominiertȱ inȱ diesenȱ Zeilenȱ –ȱ mitȱ Ausnahmeȱ derȱ Eingangszeileȱ –ȱ nichtȱdasȱSuffixȱderȱ1.ȱP.ȱpl.ȱȬnu,ȱsondernȱdasȱderȱ3.ȱP.ȱpl.ȱm.ȱȬmȱ(7Ȭmal).ȱ 19ȱ Manȱkannȱdavonȱausgehen,ȱdassȱV.ȱ20ȱ(ohneȱl)ȱnichtȱzumȱursprünglichenȱPsalmtextȱ gehörtȱhat.ȱVgl.ȱdieȱKommentare.ȱ 20ȱ Vgl.ȱV.ȱ18ȱ(2Ȭmal),ȱinȱV.ȱ21ȱstattȱ Dȱ(möglicherweiseȱ Dȱ–ȱ DO)ȱundȱinȱV.ȱ23ȱwieȱV.ȱ22ȱ dieȱFrageformȱDOK.ȱ 21ȱ Vgl.ȱauchȱu.ȱAnm.ȱ35.ȱ 22ȱ Dieȱ Masoretenȱ legenȱ aufȱ dasȱ folgendeȱ DZKȱ denȱ Ton,ȱ wodurchȱ KWDȱ unbetontȱ erȬ scheint.ȱ

86ȱ

5.ȱKlangformenȱimȱ44.ȱPsalmȱ

IV.ȱ Dieȱ Untersuchungȱ derȱ Zeilenanfängeȱ hatȱ zumȱ Ergebnis,ȱ dassȱ sichȱ dieȱ GesamtstrukturȱdesȱPsalmsȱabzeichnetȱundȱdieȱTextȬȱundȱKlangeinheitenȱ sichtbarȱwerden,ȱdieȱmanȱStrophenȱzuȱnennenȱpflegt.ȱEineȱersteȱStropheȱ wirdȱ durchȱ dieȱ oȬLautȬAkrostichieȱ inȱ VV.ȱ 2–4ȱ abgegrenzt.ȱ Wieȱ schonȱ angedeutet,ȱeröffnetȱV.ȱ2ȱdasȱTextȬȱundȱKlanggefügeȱdurchȱdieȱbetonteȱ Wiederholungȱ desȱ Leitklangsȱ –nu,ȱ dieȱ Stropheȱ aberȱ durchȱ dieȱ AssoȬ nanzȱ inȱ derȱ Wiederholungȱ desȱ angeschlagenenȱ oȬAkkordsȱ (3Ȭmal)ȱ alsȱ Strophenleitklang.ȱ Manȱ kannȱ vermuten,ȱ dassȱ dieȱ Wiederholungȱ denȱ semantischenȱWertȱdesȱLeitwortsȱ #]Dȱ„Ohr“ȱwachȱhält.ȱDennȱinȱderȱTatȱ gehtȱesȱjaȱinhaltlichȱumȱeinȱHörenȱdessen,ȱwasȱdieȱVäterȱerzählen,ȱgeȬ nauer:ȱ umȱ eineȱ Erinnerungȱ anȱ das,ȱ wasȱ sieȱ erzähltȱ haben.ȱ Imȱ Gebetȱ gesprochenȱwirdȱesȱzugleichȱ–ȱundȱdasȱistȱdieȱeigentlicheȱIntentionȱderȱ erstenȱZeilenȱ–ȱzurȱErmahnungȱanȱGottȱselbst,ȱsichȱdessenȱzuȱerinnern,ȱ wasȱ erȱ „vorȱ Zeiten“ȱ (GT\P\E)ȱ vollbrachtȱ hat:ȱ einȱ „Werk“ȱ (V.ȱ 2b),ȱ „Völkervertreibung“ȱ (V.ȱ 3),ȱ „ohne“ȱ alleȱ menschlicheȱ Hilfeȱ (V.ȱ 4a),ȱ mitȱ eigenemȱ „Arm“ȱ oderȱ mitȱ demȱ „Lichtȱ seinesȱ Angesichts“ȱ (V.ȱ 4b).ȱ Dieȱ ParonomasieȱinȱV.ȱ2ȱ(WO>SO>S)ȱunterstreicht,ȱdassȱesȱsichȱumȱgleichȬ förmigeȱ undȱ endgültigeȱ Tatenȱ gehandeltȱ hat;ȱ dieȱ tȬAlliterationȱ inȱ V.ȱ 3ȱ (5Ȭmal)ȱdeutetȱan,ȱdassȱdieseȱTatenȱverschiedenerȱenergischerȱAnstößeȱ bedurften.ȱDieȱganzeȱStropheȱwirdȱdurchȱdasȱwiederholteȱPhonemȱ $ȱȱ Ȭem/Ȭamȱzusammengehalten,ȱdasȱhierȱsinnvollerweiseȱdenȱLeitklangȱȬnuȱ ersetzt,ȱ daȱ esȱ sichȱ jaȱ umȱ Gottesȱ vergangenesȱ Wirkenȱ anȱ denȱ Väternȱ handelt.ȱDieȱRekapitulationȱderȱGeschichteȱbeschränktȱsichȱcharakterisȬ tischerweiseȱ aufȱ dieȱ „Einpflanzung“ȱ undȱ „Ausbreitung“ȱ derȱ Väterȱ imȱ Land,ȱalsoȱ–ȱimȱUnterschiedȱzuȱanderenȱRückblickenȱdieserȱArt23ȱ–ȱaufȱ dieȱ Landgabeȱ undȱ Landnahme.ȱ Offensichtlichȱ istȱ diesȱ dasȱ HauptȬ gravamenȱdiesesȱPsalms.ȱDieȱEinheitȱumfasstȱ5ȱZeilenȱimȱParallelismus,ȱ imȱ üblichenȱ Maschalmetrumȱ (3+3)ȱ gehalten,ȱ wasȱ imȱ Übrigenȱ fürȱ denȱ ganzenȱPsalmȱgilt.ȱȱ Erwartungsgemäßȱ müssteȱ nachȱ derȱ Logikȱ solcherȱ Rückblickeȱ nunȱ imȱ Kontrastȱ dazuȱ dieȱ gegenwärtigeȱ Situationȱ derȱ Gemeindeȱ zurȱ SpraȬ cheȱkommen.ȱDochȱinȱVV.ȱ5–9ȱfolgenȱBekenntnisaussagen,ȱdieȱbewusstȱ aufȱ dieȱ Heilstatenȱ derȱ Vergangenheitȱ Bezugȱ nehmenȱ undȱ bleibendenȱ LobpreisȱinȱAussichtȱstellenȱ(V.ȱ9).ȱDasȱerstauntȱumsoȱmehr,ȱalsȱdannȱinȱ VV.ȱ 10ȱff.ȱ dieȱ entgegenȱ allenȱ Heilstatenȱ ergangenen,ȱ strafendenȱ InterȬ ventionenȱaufgezähltȱwerden.ȱDiesȱlässtȱvermuten,ȱdassȱimȱDuktusȱdesȱ ursprünglichenȱTextsȱdieȱzweiteȱStropheȱerstȱinȱV.ȱ10ȱbegann.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 23ȱ Z.ȱB.ȱPsȱ78;ȱ105;ȱ106;ȱDtȱ32.ȱ

ȱ

IV.ȱ

87ȱ

Solchesȱ einmalȱ angenommen,ȱ ergibtȱ nunȱ denȱ erwartetenȱ scharfenȱ Kontrast.ȱ Lautlichȱ durchȱ dasȱ akrostichischeȱ tȱ markiert,ȱ dasȱ Stoßȱ aufȱ StoßȱinȱdieȱZeilenȱhineinfährt.ȱDieȱVorstellungȱvonȱSchlägenȱoderȱStöȬ ßenȱnährtȱsichȱauchȱausȱderȱinȱdiesenȱVersenȱöfterȱbegegnendenȱAlliteȬ rationȱaufȱs/sch//zȱ–ȱbesondersȱauffälligȱinȱV.ȱ10ȱundȱV.ȱ11.ȱDieȱtȬȱundȱsȬȱ Akrostichieȱ istȱ dannȱ auchȱ inȱ V.ȱ 14ȱ übernommen,ȱ derȱ –ȱ weilȱ nahezuȱ identischȱmitȱPsȱ79,4ȱ–ȱhierȱaberȱwohlȱsekundärȱeingefügtȱwurde,ȱdochȱ dannȱnichtȱmehrȱinȱV.ȱ16ȱundȱV.ȱ17,ȱdieȱvermutlichȱebenfallsȱeinȱnachȬ träglichesȱ Konstruktȱ vonȱ Redaktorenȱ darstellen.24ȱ Jedenfallsȱ endetȱ dieȱ KlangeinheitȱmitȱV.ȱ15.ȱSieȱistȱimȱGanzenȱbeherrschtȱvonȱVorwürfenȱanȱ dasȱ angesprocheneȱ Duȱ (W),ȱ wegenȱ seinesȱ zerstörerischenȱ Handelnsȱ anȱ derȱ Gemeindeȱ (ZQ).ȱ Dieȱ Lautkombinationȱ begegnetȱ variiertȱ inȱ jederȱ Zeileȱ mindestensȱ einmalȱ (sogarȱ inȱ V.ȱ 14).ȱ Inhaltlichȱ gehtȱ esȱ umȱ VerȬ stoßung,ȱ unterlasseneȱ Hilfeleistungȱ (V.ȱ 10),ȱ umȱ Niederlageȱ undȱ PlünȬ derungȱ(V.ȱ11),ȱumȱVertreibungȱundȱZerstreuungȱ(V.ȱ12),ȱPreisgabeȱundȱ Versklavungȱ (V.ȱ 13),ȱ umȱ Schmachȱ undȱ Spottȱ derȱ Völkerȱ (V.ȱ 15).25ȱ Dieȱ denȱBetroffenenȱundȱÜberlebendenȱnochȱerinnerlichenȱEreignisseȱwerȬ denȱnichtȱsoȱdeutlichȱgeschildert,ȱdassȱmanȱsieȱhistorischȱidentifizierenȱ könnte.26ȱ Dassȱ esȱ sichȱ aberȱ umȱ ultimativȱ dieȱ Existenzȱ derȱ Gemeindeȱ bedrohendeȱVorgängeȱhandelt,ȱgehtȱausȱderȱemotionalȱgeladenenȱArtiȬ kulationȱ dieserȱ Verseȱ hervor.ȱ Sieȱ bleibenȱ indesȱ imȱRhythmusȱ –ȱ nurȱ V.ȱ 12ȱhatȱimȱzweitenȱTeilȱeinȱDefizitȱ(aberȱÜberlängeȱinȱV.ȱ14!).ȱȱ EineȱdritteȱStropheȱistȱinȱVV.ȱ18–23ȱanzunehmenȱ–ȱwiederȱ5ȱZeilenȱ unterȱ Weglassungȱ vonȱ V.ȱ 20,ȱ dessenȱ Herkunftȱ rätselhaftȱ bleibt.27ȱ Dieȱ Aussagenȱ sindȱ geprägtȱ vonȱ derȱ Verneinung,ȱ dieȱ Zeilenȱ entsprechenȱ sichȱ durchȱ dasȱ apodiktischeȱ DOȱ „nicht“ȱ u.ȱä.,ȱ auchȱ wennȱ nichtȱ (mehr)ȱ alleȱexplizitȱmitȱeinerȱNegationȱbeginnen.ȱEsȱhandeltȱsichȱumȱeineȱUnȬ schuldsbeteuerungȱderȱGemeinde.ȱSieȱistȱsichȱkeinerȱSchuldȱbewusstȱimȱ Blickȱ aufȱ denȱ „Bundȱ Gottes“ȱ (V.ȱ 18),ȱ derȱ Untreueȱ undȱ Abkehrȱ vomȱ rechtenȱ Wegȱ (V.ȱ 19),ȱ vorȱ allemȱ nichtȱ derȱ Ungläubigkeitȱ undȱ Fremdgöttereiȱ (V.ȱ 21).ȱ Sieȱ bekenntȱ solchesȱ anȱ Eidesȱ stattȱ (V.ȱ 21)28,ȱ vorȱ dem,ȱderȱ„Herz“ȱundȱNierenȱprüftȱ(V.ȱ22),ȱundȱkommtȱzuȱdemȱSchluss,ȱ „deinetwegenȱwerdenȱwirȱgetötetȱTagȱfürȱTag“ȱ(V.ȱ23,ȱvgl.ȱV.ȱ18).ȱUndȱ immerȱ klingtȱ dasȱ alliterativeȱ lȱ derȱ Verneinungȱ durchȱ (besondersȱ aufȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 24ȱ DasȱgiltȱtrotzȱderȱauffälligenȱAlliterationȱaufȱmȱ(6Ȭmal)ȱundȱReimbildungȱinȱV.ȱ17ȱ–ȱ nichtȱzuletztȱwegenȱdesȱAnklangsȱanȱPsȱ8,3.ȱ 25ȱ NäherȱausgeführtȱinȱV.ȱ14ȱundȱVV.ȱ16ȱf.ȱ 26ȱ AndersȱH.ȱM.ȱParker,ȱArtaxerxesȱIIIȱOchusȱandȱPsȱ44,ȱJQRȱ68/3ȱ(1978),ȱ152–168.ȱ 27ȱ V.ȱ20ȱgehörtȱeigentlichȱzuȱdenȱVorwürfenȱinȱVV.ȱ10ȱff.ȱAusȱseinenȱallgemeinenȱAusȬ sagenȱ („Stätteȱ derȱ Schakale“,ȱ „vonȱ Finsternisȱ bedeckt“)ȱ lässtȱ sichȱ nichtsȱ Konkretesȱ entnehmen.ȱ 28ȱ V.ȱ21ȱistȱalsȱSchwursatzȱformuliert.ȱ

88ȱ

5.ȱKlangformenȱimȱ44.ȱPsalmȱ

fälligȱ inȱ V.ȱ 22).ȱ Manȱ bestreitetȱ kategorisch,ȱ gegenȱ dasȱ Hauptgebotȱ desȱ Bundesȱ verstoßenȱ zuȱ haben,ȱ undȱ kannȱ sichȱ dieȱ Misereȱ nurȱ mitȱ demȱ unerforschlichenȱWillenȱGottesȱerklären.ȱUnschuldsbekenntnisseȱdieserȱ ArtȱsindȱsonstȱnurȱvonȱeinzelnenȱMenschenȱbezeugt,ȱetwaȱinȱPsȱ7,4–6;ȱ 26,1–12;ȱ 17,3–5;ȱ 139.29ȱ Womitȱ dieȱ Gemeindeȱ dieseȱ kühneȱ Behauptungȱ begründet,ȱbleibtȱungesagt.ȱ Mitȱ derȱ viertenȱ Stropheȱ VV.ȱ 24–27ȱ ändertȱ sichȱ dieȱ Stimmungslageȱ undȱRedeintentionȱerneut:ȱvonȱderȱUnschuldsbeteuerungȱzurȱ„stürmiȬ schenȱBitte“ȱ30.ȱDiesȱwirdȱdurchȱdieȱZeilenanfänge,ȱvorȱallemȱdurchȱdenȱ dreifachȱ begegnenden,ȱ zumȱ Adhortativ31ȱ erweitertenȱ Imperativȱ zumȱ Ausdruckȱ gebracht,ȱ demȱ eineȱ emphatischeȱ undȱ zugleichȱ höflicheȱ Dringlichkeitȱzuerkanntȱwird.ȱDieȱdeutlichȱemotionaleȱHaltung,ȱdieȱinȱ derȱWarumfrage32ȱundȱinȱderȱzurȱKlageȱgedehntenȱAnredeȱsichȱäußert,ȱ kehrtȱdannȱinȱderȱdrastischenȱAusdrucksweiseȱderȱVerseȱwieder,ȱwirdȱ aberȱzugleichȱdurchȱdieȱhöflichenȱAdhortativformenȱabgemildert.ȱDennȱ derȱ indirekteȱ Vorwurf,ȱ dasȱ Elendȱ seinerȱ Gemeindeȱ „verschlafenȱ undȱ vergessen“ȱundȱdasȱAntlitzȱabgewandtȱzuȱhabenȱ(VV.ȱ24ȱf.),ȱistȱeineȱunȬ gewöhnlichȱ kühneȱ Aussage.ȱ Undȱ aufȱ derȱ anderenȱ Seiteȱ zeigtȱ dieȱ SelbstdarstellungȱderȱinȱProskyneseȱamȱBodenȱ„klebendenȱLeiber“ȱ(V.ȱ 26)ȱ denȱ aufsȱ Äußersteȱ angespanntenȱ Zustandȱ derȱ Redenden,ȱ derȱ GeȬ meindeȱ undȱ ihresȱ Sprechersȱ undȱ Psalmdichters.ȱ Bleibtȱ amȱ Endeȱ nurȱ nochȱ derȱ ausgestoßeneȱ Hilfeschreiȱ („Auf!ȱ Hilfe“!)33,ȱ derȱ Appellȱ anȱ dieȱ „Gnade“ȱ undȱ dieȱ Bitteȱ umȱ „Auslösung“ȱ undȱ Befreiungȱ ausȱ derȱ SklaȬ vereiȱ(V.ȱ27).ȱȱ DieȱvierteȱStropheȱbestehtȱzunächstȱnurȱausȱvierȱZeilen.ȱSuchtȱmanȱ nachȱeinerȱfünftenȱZeile,ȱsoȱkommtȱausȱformalenȱGründenȱvorȱallemȱV.ȱ 5ȱinȱFrage.ȱStelltȱmanȱV.ȱ5ȱversuchsweiseȱzuȱV.ȱ27,ȱergibtȱsich,ȱdassȱV.ȱ5ȱ nunmehrȱ denȱ konfessorischenȱ Höhepunktȱ derȱ Stropheȱ bildet,ȱ derȱ emȬ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 29ȱ GelegentlichȱwirdȱauchȱaufȱHiȱ31ȱverwiesenȱundȱPsȱ44ȱmitȱHiobsȱWeigerung,ȱSchuldȱ anzuerkennen,ȱverglichen.ȱȱ 30ȱ F.ȱNötscher,ȱDieȱPsalmen,ȱWürzburgȱ1947,ȱ88.ȱ 31ȱ Zuȱ Vorkommenȱ undȱ Bedeutungȱ desȱ sog.ȱ Adhortativsȱ vgl.ȱ vorȱ allemȱ E.ȱ Jenni,ȱ PresidentialȱAddress:ȱHöflicheȱBitteȱimȱAltenȱTestament,ȱVT.Sȱ92ȱ(2001)ȱ1–16ȱ=ȱStuȬ dienȱ zurȱ Sprachweltȱ desȱ Altenȱ Testamentsȱ II,ȱ Stuttgartȱ 2005,ȱ 151–165;ȱ Ders.,ȱ UnterȬ suchungenȱzumȱhebräischenȱKohortativ,ȱZAHȱ15/16ȱ(2002/03),ȱ19–67ȱ=ȱebda.166–226,ȱ sowie:ȱ Verwendungenȱ desȱ Imperativsȱ imȱ BiblischȬHebräischen,ȱ ebda.ȱ 227–316,ȱ bes.ȱ 266ȱff.ȱȱ 32ȱ KPOȱinȱV.ȱ24ȱistȱüberzähligȱundȱwohlȱvonȱV.ȱ25ȱherȱbeeinflusst.ȱZuȱV.ȱ5ȱs.ȱu.ȱȱ 33ȱ AsyndetischeȱKonstruktionȱvonȱeinzelnenȱAusrufenȱmitȱauffallenderȱVokalisierung:ȱ úȬaȱeȬaȬáȱáȬu.ȱ

ȱ

IV.ȱ

89ȱ

phatisch34ȱ alleȱ Bittenȱ alleinȱ demȱ Willenȱ Gottesȱ überlässt,ȱ derȱ alsȱ „KöȬ nig“ȱüberȱdieȱ„HeilȱJakobs“ȱverfügt.ȱObȱ–ȱwieȱgelegentlichȱübersetztȱ–ȱ tatsächlichȱ anȱ einenȱ militärischenȱ „Sieg“ȱ bzw.ȱ anȱ „Siege“ȱ gedachtȱ ist,ȱ könnteȱ manȱ ausȱ denȱ folgendenȱ Versenȱ vermutenȱ (VV.ȱ 6ȱff.),ȱ istȱ aberȱ angesichtsȱ derȱ angedeutetenȱ Situationȱ eherȱ unwahrscheinlich.ȱ Sicherȱ ist,ȱdassȱmitȱderȱNennungȱdesȱAhnherrnȱJakobȱanȱdasȱGesamtschicksalȱ Israelsȱerinnertȱwirdȱ(vgl.ȱPsȱ46,(4.)8.12).ȱȱ Eineȱ fünfteȱ Stropheȱ alsȱ Abgesangȱ bildenȱ dieȱ Verseȱ 6–9.ȱ Dabeiȱ istȱ ausȱverschiedenenȱGründenȱV.ȱ8ȱalsȱsekundärȱzuȱbeurteilen.35ȱSoȱergibtȱ sichȱ eineȱ Stropheȱ ausȱ nurȱ dreiȱ Zeilen.ȱ Alsȱ dominantenȱ Konsonantenȱ wirdȱmanȱdasȱakrostichischeȱ E/bȱansehenȱdürfen,ȱdasȱzudemȱdieȱVersȬ hälftenȱzusammenhält.36ȱDabeiȱistȱEȱjeweilsȱaufȱGottȱbezogen.37ȱDennȱerȱ wirdȱ–ȱsoȱdieȱZuversichtȱderȱBetendenȱ–ȱaktivȱwerdenȱundȱdieȱLageȱaufȱ dasȱ Gebetȱ hinȱ ändern.ȱ Dieseȱ Aussichtȱ wirdȱ zuerstȱ mitȱ demȱ Bildȱ vomȱ Kampfȱ desȱ Wildstiersȱ plastischȱ beschrieben:ȱ Niederwerfenȱ undȱ ZerȬ tretenȱ (V.ȱ6),ȱdannȱ mitȱ einemȱ Zitat,ȱ dasȱ ausȱeinemȱ Königspsalmȱ stamȬ menȱkönnte,ȱverdeutlichtȱ(V.ȱ7)38ȱundȱzuletztȱmitȱdemȱVersprechen,ȱalleȱ Zeitȱ Gottȱ zuȱ rühmen39ȱ undȱ seinenȱ Namenȱ zuȱ preisenȱ (V.ȱ 9),ȱ abȬ geschlossen.ȱ V.ȱ 9ȱ istȱ dadurchȱ alsȱ einȱ Schlussversȱ gestaltetȱ worden,ȱ beȬ vorȱdieȱVersfolgeȱverändertȱwurde.40ȱȱ AuchȱwennȱinȱdieserȱletztenȱStropheȱdieȱAkrostichieȱnichtȱsoȱmarȬ kantȱhervortritt,ȱistȱdochȱimȱRückblickȱaufȱdieȱlautlicheȱGestaltungȱdieȬ sesȱ Textesȱ imȱ Ganzenȱ zuȱ sagen:ȱ Nachȱ Strophenȱ gegliedert,ȱ wirdȱ eineȱ besondereȱkunstvolleȱIntonationȱoderȱKompositionȱerkennbar.ȱSieȱverȬ leihtȱ demȱ Textȱ einenȱ besonderenȱ Charakter,ȱ dadurch,ȱ dassȱ dieȱ RedeformȱlautlichȱuntermaltȱundȱsoȱinȱihrerȱWirkungȱintensiviertȱwird.ȱ Damitȱ kommtȱ derȱ Psalmȱ ganzȱ naheȱ anȱ einenȱ Gesangstextȱ heran.ȱ Vorȱ allemȱmitȱderȱAkrostichieȱ(AlliterationȱundȱAssonanz)ȱundȱdemȱrepetiȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 34ȱ ZuȱderȱbesonderenȱBedeutungȱvonȱ DZKKWDȱalsȱ„selectiveȬexclusive“:ȱ„Youȱareȱheȱ–ȱ myȱking“ȱ(ähnlichȱ2.ȱSamȱ7,28)ȱvgl.ȱT.ȱMuraoka,ȱEmphaticȱWordsȱandȱStructuresȱinȱ BiblicalȱHebrew,ȱJerusalem/Leidenȱ1985,ȱ67–69.ȱȱ 35ȱ V.ȱ8ȱistȱausȱformalenȱGründenȱ–ȱ metriȱcausa,ȱ fehlendeȱ Akrostichieȱ–ȱaberȱauchȱausȱ sachlichenȱ Gründenȱ –ȱ temporisȱ causa,ȱ Perfekteȱ inȱ futurischemȱ Kontext,ȱ sowieȱ alsȱ WiederholungȱvonȱV.ȱ4ȱ–ȱalsȱNachtragȱanzusehen.ȱ 36ȱ InȱV.ȱ9ȱallerdingsȱnur,ȱwennȱmanȱderȱLXXȱfolgtȱ(APCEZ).ȱ 37ȱ AlsȱBethȱinstrumentiȱundȱalsȱBethȱcausaeȱdifferenziertȱnachȱE.ȱJenni,ȱDieȱhebräischenȱ Präpositionen,ȱBd.ȱ1:ȱDieȱPräpositionȱBeth,ȱStuttgartȱ1992,ȱNr.ȱ1711ȱundȱNr.ȱ1631.ȱ 38ȱ Vgl.ȱJosȱ24,12.ȱ 39ȱ EsȱentsprichtȱderȱTonartȱdesȱPsalms,ȱdassȱderȱCodexȱLeningradensisȱdieȱFormȱ ZQOOKȱ „wirȱ rühmen“ȱ (wohlȱ performativesȱ Perfekt)ȱ aufȱ derȱ letztenȱ Silbe,ȱ demȱ Leittonȱ desȱ Psalmsȱakzentuiert.ȱȱ 40ȱ Dasȱ selaȱ beiȱ V.ȱ 9ȱ könnteȱ anȱ dieȱ ursprünglicheȱ Stellungȱ vonȱ V.ȱ 9ȱ erinnern,ȱ inȱ jedemȱ FallȱmarkiertȱesȱeineȱdeutlicheȱZäsurȱimȱPsalm.ȱȱ

90ȱ

5.ȱKlangformenȱimȱ44.ȱPsalmȱ

tivenȱLeittonȱnuȱergibtȱsichȱeineȱSprachtonkompositionȱvonȱeindrucksȬ vollerȱDichte.ȱDazuȱpasst,ȱdassȱinȱderȱeröffnendenȱZeileȱV.ȱ2,ȱdieȱohneȬ hinȱ sozusagenȱ dieȱ Tonartȱ vorgibt,ȱ inȱ demȱ Ausdruckȱ ZQ\WZEDȱ „unsereȱ Väter“ȱ gleichsamȱ inȱ nuceȱalleȱ inȱ denȱ einzelnenȱ Strophenȱ akrostichischȱ verwendetenȱ Sprachtöneȱenthaltenȱ sind.ȱ Inȱ denȱ Phonemenȱ aȬbȬoȬtȬeȬnuȱ klingenȱalleȱdieseȱTöneȱ–ȱauchȱdieȱderȱdrittenȱStropheȱ(oȬVokal)ȱan,ȱsoȱ dassȱsichȱnebenȱdemȱLeitklangȱauchȱeinȱLeitwortȱundȱLeitmotivȱhervorȬ tritt,ȱ anȱ dasȱ sichȱ dieserȱ Textȱ anhängt.ȱ Manȱ kannȱ sichȱ zuletztȱ nurmehrȱ anȱdasȱhalten,ȱwasȱdieȱVäterȱerzähltȱhaben.ȱ

V.ȱ Diesesȱ Klanggebildeȱ basiertȱ nunȱ aufȱ einemȱ rhythmischenȱ Grundgefüge,ȱ dasȱ natürlichȱ auchȱ zurȱ lautlichenȱ Dimensionȱ desȱ Textesȱ gehört.ȱ ZuȬ nächstȱstelltȱmanȱfest,ȱdassȱeinȱsehrȱruhigerȱundȱgleichmäßigerȱRhythȬ musȱvorherrscht,ȱdenȱmanȱmitȱ3+3ȱmetrischȱbewertenȱkann.ȱUndȱzwarȱ giltȱ diesȱ fürȱ alleȱ Zeilen,ȱ sogarȱ fürȱ dieȱ alsȱ sekundärȱ einzuschätzendenȱ (VV.ȱ 8.14.16.17.20).41ȱ Dieȱ Strophenȱ werdenȱ rhythmischȱ nichtȱ unterȬ schieden;ȱ manȱ könnteȱ sieȱ vergleichsweiseȱ „aufȱ eineȱ Melodie“ȱ singen.ȱ Dieȱ Besonderheitenȱ begegnenȱ imȱ Stropheninnern.ȱ Soȱ fälltȱ auf,ȱ dassȱ inȱ beidenȱHälftenȱvonȱZeileȱIȱ3ȱ(V.ȱ3aE.b)ȱbeiȱdenȱnarrativenȱVerbformenȱjeȱ vierȱ unbetonteȱ Silbenȱ aufeinanderfolgen.ȱ Diesȱ bedeutetȱ eineȱ BeȬ schleunigungȱdesȱRedetempos.ȱDieseȱpasstȱnichtȱschlechtȱaufȱdieȱSinnȬ aussage,ȱ dieȱ hierȱ vonȱ derȱ Vertreibungȱ derȱ Feinde,ȱ derȱ Rodungȱ desȱ Landesȱ undȱ derȱ Einpflanzungȱ undȱ Ausbreitungȱ beiȱ derȱ Landnahmeȱ spricht.ȱImȱerstenȱFallȱ(Ȭtaȱwatti‫ܒܒ‬aȆem)ȱkommtȱvielleichtȱeineȱOnomatoȬ pöieȱ(„hacken“?)ȱhinzuȱundȱmachtȱdarausȱeineȱklingendeȱSequenz.ȱ–ȱInȱ V.ȱ 12ȱ istȱ beimȱ zweitenȱ Gliedȱ einȱ Versfußȱ ausgefallen.ȱ –ȱ Inȱ V.ȱ 13ȱ wirdȱ derȱVerkaufȱumȱeinȱSpottgeldȱundȱdieȱVerschleuderungȱamȱEndeȱauchȱ mitȱeinȱpaarȱunbetontenȱSilbenȱwiedergegeben.ȱ–ȱV.ȱ18ȱistȱüberfülltȱundȱ müssteȱaufȱdasȱNormalmaßȱgekürztȱwerden.ȱ–ȱInȱV.ȱ21ȱwirdȱdemȱAusȬ druckȱ „fremderȱ Gott“ȱ jeȱ einȱ Akzentȱ gegeben.ȱ Esȱ könnteȱ sein,ȱ dassȱ erȱ aufȱ dieseȱ Weiseȱ ausȱ demȱ Flussȱ derȱ Zeileȱ herausfallenȱ soll.ȱ Vonȱ derȱ überfülltenȱZeileȱV.ȱ24ȱwarȱbereitsȱdieȱRede.ȱKlanglichȱauffallendȱistȱdieȱ HäufungȱderȱsȬLaute,ȱdieȱmitȱderȱReimbildungȱ M[QOMQ]WODȱendet.ȱ–ȱ DasȱauffälligsteȱrhythmischeȱPhänomenȱistȱdieȱvonȱdenȱMasoretenȱkonȬ sequentȱ durchgeführteȱ auftaktloseȱ Betonungȱ derȱ erstenȱ Silbeȱ inȱ derȱ viertenȱ Stropheȱ (VV.ȱ 24–27.5).ȱ Dieȱ Zeilenȱ setzenȱ sozusagenȱ mitȱ einemȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 41ȱ 11ȱ vonȱ 28ȱ Zeilenȱ bestehenȱ ausȱ 18ȱ Silbenȱ (meistȱ 9+9),ȱ 18ȱ Zeilenȱ ausȱ 17–19ȱ undȱ 25ȱ Zeilenȱausȱ16–20ȱSilben.ȱȱ

ȱ

VI.ȱ

91ȱ

Fortissimoȱ ein.ȱ Derȱ besondereȱ Rufcharakterȱ derȱ Zeilenȱ kommtȱ soȱ vollȱ zumȱTragen.ȱDerȱAbgesangȱverspricht,ȱamȱJubeltonȱ(OOK)ȱfestzuhalten.ȱȱ ȱ

VI.ȱ WasȱergibtȱsichȱfürȱdasȱGesamtverständnisȱdesȱTexts?ȱGenauer:ȱWelcheȱ theologischeȱ Absichtȱ wirdȱ inȱ derȱ redaktionellenȱ Bearbeitungȱ sichtbar?ȱ HerausgegriffenȱseienȱzuletztȱzweiȱAspekte:ȱȱ a.ȱ dieȱProsaisierungȱdesȱPsalmgedichtsȱundȱȱ b.ȱ dieȱUmstellungȱderȱStrophen.ȱ

a. Dieȱ Prosaisierung,ȱ dieȱ alleȱ Psalmenȱ erfasstȱ hat,ȱ hatȱ auchȱ Psȱ 44ȱ umgeȬ staltet.ȱDochȱhatȱsieȱdieȱpoetischeȱFormȱundȱauchȱdenȱSinngehaltȱnichtȱ wesentlichȱverändert.ȱDieȱhinzugefügtenȱPartikelȱ–ȱmeistȱamȱZeilenanȬ fangȱ–ȱundȱdieȱwenigenȱErklärungenȱ–ȱinȱAppositionȱ–ȱerleichternȱdieȱ Verständlichkeit.42ȱBedeutsamerȱsindȱdannȱschonȱdieȱZusatzverse.ȱV.ȱ8ȱ suchtȱdieȱunvermitteltȱinȱV.ȱ5ȱeinsetzendeȱZuversichtȱderȱGemeindeȱzuȱ erklären,ȱ indemȱ sieȱ Hilfeȱ vorȱ Feindenȱ auchȱ derȱ gegenwärtigenȱ GeȬ meindeȱ konstatiert.43–ȱ V.ȱ 14ȱ istȱ wohlȱ ausȱ Psȱ 79,4ȱ entlehntȱ –ȱ dochȱ dortȱ gehtȱesȱumȱdasȱzerstörteȱJerusalem.ȱ–ȱVV.ȱ16ȱf.ȱbeschreibenȱanschaulich,ȱ wasȱesȱheißt,ȱdemȱSpottȱderȱVölkerȱverfallenȱzuȱsein.ȱ–ȱV.ȱ20ȱistȱschwerȱ zuȱ erklären.ȱ Esȱ könnteȱ sein,ȱ dassȱ sichȱ hinterȱ denȱ Andeutungenȱ („Ortȱ derȱSchakale“)ȱKonkretesȱverbirgt,ȱdasȱdemȱAuslegerȱentgeht.ȱDochȱdieȱ neuenȱ Zeilenȱ sindȱ inȱ derȱ Regelȱ demȱ Strukturgerüstȱ desȱ Psalmsȱ angeȬ passt,ȱvonȱdemselbenȱMetrumȱ–ȱnurȱV.ȱ14ȱhatȱÜberlängeȱ–,ȱsoȱdassȱmanȱ eigentlichȱ annehmenȱ kann,ȱ dassȱ dieȱ Redaktorenȱ dieȱ stichischeȱ Formȱ gesehenȱundȱberücksichtigtȱhaben.44ȱMitȱAusnahmeȱderȱVerseȱ2,ȱ3ȱundȱ 4ȱhabenȱdieȱMasoretenȱsichȱauchȱanȱdasȱstichischeȱMusterȱgehaltenȱundȱ dieȱPunktationȱanȱdasȱParallelismusgefügeȱangepasst.ȱ

b. GravierenderȱwarȱderȱEingriffȱbeiȱderȱanzunehmendenȱUmstellungȱderȱ letztenȱStropheȱVV.ȱ(5)ȱ6–9.ȱEinȱGrundȱdafürȱwarȱwohl,ȱdenȱPsalmȱmitȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 42ȱ Z.ȱB.ȱinȱV.ȱ18,ȱV.ȱ19ȱoderȱV.ȱ22.ȱ 43ȱ Vgl.ȱdieȱPerfektformen.ȱ 44ȱ DieȱHandschriftȱ4QPscȱscheint,ȱmindestensȱbeiȱPsȱ44,ȱauchȱstichischȱangelegtȱgeweȬ senȱ zuȱ sein,ȱ vgl.ȱ P.ȱW.ȱ Flint,ȱ Theȱ Deadȱ Seaȱ Psalmsȱ Scrollsȱ andȱ theȱ Bookȱ ofȱ Psalms,ȱ StudiesȱonȱtheȱTextsȱofȱtheȱDesertȱofȱJudah,ȱVol.ȱ17,ȱLeiden/NewȱYork/Kölnȱ1997,ȱ34.ȱȱ

92ȱ

5.ȱKlangformenȱimȱ44.ȱPsalmȱ

denȱgrellenȱAkkordenȱderȱStropheȱIVȱ(VV.ȱ24–27)ȱausklingenȱzuȱlassen,ȱ soȱ dassȱ sichȱ einȱ eindeutigerȱ Klagepsalmȱ ohneȱ jedesȱ Lobgelübdeȱ erȬ gebenȱ sollte.ȱ Immerhinȱ istȱ damitȱ dieȱ besondereȱ Tonlageȱ derȱ Stropheȱ wahrgenommenȱ undȱ anerkanntȱ worden.ȱ Einȱ zweiterȱ Grundȱ –ȱ zuȱ schließenȱ ausȱ derȱ Abtrennungȱ derȱ Schlusszeileȱ derȱ Stropheȱ (V.ȱ 5)ȱ –ȱ bestandȱ wohlȱ darin,ȱ dieȱ eigenenȱ Bekenntnisaussagenȱ derȱ klagendenȱ Gemeindeȱ direktȱ anȱ dieȱ Rekapitulationȱ derȱ Vätergeschichteȱ (VV.ȱ 2–4)ȱ anzuschließen,ȱ umȱ soȱ dieȱ Kontinuitätȱ desȱ „Bundesvolkes“ȱ (vgl.ȱ V.ȱ 18)ȱ zuȱ wahren.ȱ Dochȱ dieȱ Konsequenzenȱ derȱ Umstellungȱ waren,ȱ dassȱ nunȱ ohneȱallenȱÜbergangȱmitȱV.ȱ10ȱüberausȱschroffȱdieȱAnklagenȱundȱVorȬ würfeȱanȱdieȱGottheitȱfolgen.ȱDieseȱstehenȱinȱstarkemȱKontrastȱzuȱdenȱ Bekenntnisaussagenȱ inȱ VV.ȱ 5ȱff.ȱ undȱ könnenȱ nurȱ dadurchȱ erklärtȱ werȬ den,ȱdassȱmanȱeineȱZäsurȱannimmtȱ(sela?).ȱLiterarkritischeȱoderȱüberlieȬ ferungsgeschichtlicheȱ Lösungenȱ liegenȱ nahe.ȱ Derȱ ursprünglicheȱ GeȬ sangstextȱhatteȱdiesesȱProblemȱnicht.ȱ

ȱ

6.ȱZumȱTextprofilȱdesȱ51.ȱPsalmsȱ ȱ ȱ Ausgehendȱ vonȱ einigenȱ Beobachtungenȱ zurȱ formalenȱ Strukturȱ vonȱȱ Psȱ51,ȱdieȱnichtȱalleȱneuȱsind1,ȱmöchteȱichȱversuchen,ȱdieseȱinȱihrerȱBeȬ deutungȱ neuȱ einzuschätzenȱ undȱ fürȱ dasȱ Verständnisȱ desȱ Textesȱ nutzȬ barȱzuȱmachen.ȱIchȱwidmeȱdieseȱÜberlegungenȱdemȱMeisterȱderȱhebräȬ ischenȱ Spracheȱ undȱ Expertenȱ derȱ theologischenȱ Klangrede,ȱ Rüdigerȱ Bartelmus,ȱzuȱseinemȱ65.ȱGeburtstagȱinȱfreundschaftlicherȱVerbundenȬ heit.ȱȱ

I.ȱ WasȱdieȱältesteȱhandschriftlicheȱÜberlieferungȱbetrifft,ȱsoȱzeigtȱeinȱBlickȱ inȱ denȱ Codexȱ Aleppoȱ undȱ denȱ Codexȱ Leningradensisȱ verschiedeneȱ Wiedergabe.ȱ Dieȱ breiten,ȱ zweispaltigenȱ Kolumnenȱ gliedernȱ denȱ Textȱ unterschiedlich.ȱ Undȱ zwarȱ schreibtȱ derȱ AleppoȬCodexȱ denȱ Textȱ fastȱ durchgängigȱinȱKola,ȱdieȱerȱdurchȱweiteȱZwischenräumeȱabzugrenzenȱ sucht.ȱBeginnendȱ–ȱunterȱEinbeziehungȱderȱÜberschriftȱ–ȱmitȱV.ȱ3aȱimȱ zweitenȱ Teilȱ derȱ Zeileȱ folgtȱ eineȱ stichischȱ angelegteȱ Schreibung.ȱ Dieȱ Versanfängeȱ sindȱ dabeiȱ bisȱ V.ȱ 16ȱ imȱ Vergleichȱ mitȱ demȱ Layoutȱ derȱ BHKȱ(FrantsȱBuhl)ȱundȱBHSȱ(HansȱBardtke)ȱandersȱaufȱdieȱZeilenȱverȬ teiltȱ undȱ meistȱ umȱ einȱ Kolonȱ verschoben.ȱ Erstȱ mitȱ V.ȱ 17ȱ ändertȱ sichȱ dannȱnachȱdemȱüberlangenȱV.ȱ16ȱdieȱKolafolge.ȱBisȱV.ȱ19ȱentsprichtȱsieȱ derȱWiedergabeȱinȱBHKȱundȱBHS.ȱDabeiȱistȱesȱbemerkenswert,ȱdassȱderȱ Codexȱ Aleppoȱ zweiȱ Malȱ zweiȱ aufeinanderfolgendeȱ Zeilenȱ mitȱ Z,ȱ dannȱ auchȱ zweiȱ andereȱ mitȱ tȱ undȱ mitȱ aȱ undȱ vorȱ allemȱ dreiȱ aufeinanderȬ folgendeȱZeilenȱmitȱ \KOD/ȱ lD/ȱ OD(V.ȱ12;ȱV.ȱ13a;ȱV.ȱ13b)ȱbeginnenȱ lässtȱ undȱ dadurchȱ eineȱ gewisseȱ akrostichischeȱ Absichtȱ zuȱ erkennenȱ gibt.ȱ DerȱCodexȱLeningradensisȱhingegenȱteiltȱandersȱab.ȱZwarȱauchȱmitȱ breitenȱ Zäsuren,ȱ aberȱ seltenȱ sindȱ dieȱ Zeilenȱ stichischȱ geordnet.ȱ Nurȱ einmalȱbegegnetȱbeiȱdenȱZeilenanfängenȱdieȱFolgeȱ>/>.ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ

Vgl.ȱzuletztȱB.ȱWeber,ȱWerkbuchȱI,ȱ233–237.ȱ

94ȱ

6.ȱZumȱTextprofilȱdesȱ51.ȱPsalmsȱ

DieȱbeidenȱHandschriftenȱausȱderȱ4.ȱHöhleȱvonȱQumran,ȱ4QPscȱundȱ 4QPsj,ȱdieȱkleineȱTeileȱdesȱTextsȱausȱPsȱ51,1–6ȱbezeugen2,ȱunterscheidenȱ sichȱ inȱ gleicherȱ Weiseȱ dadurch,ȱ dassȱ erstereȱ ihrenȱ Textȱ offenbarȱ nachȱ Stichenȱ mitȱ Zäsurȱ inȱ derȱ Mitteȱ gliedert,ȱ währendȱ letztereȱ Handschriftȱ prosaisch,ȱ d.ȱh.ȱ fortlaufendȱ schreibt.ȱ Vonȱ 4QPscȱ scheintȱ demnachȱ eineȱ Linieȱ zumȱ AleppoȬCodex,ȱ vonȱ 4QPsjȱ zumȱ Codexȱ Leningradensisȱ zuȱ verlaufen.ȱ GehtȱmanȱdemȱFingerzeigȱderȱstichischenȱSchreibungȱweiterȱnach,ȱ entdecktȱ manȱ bald,ȱ dassȱ dasȱ Prinzipȱ derȱ paarweiseȱ gleichenȱ ZeilenȬ anfängeȱdenȱTextȱvonȱPsȱ51ȱcharakterisiert.ȱDasȱistȱzuȱerkennen,ȱwennȱ manȱ–ȱandersȱalsȱinȱ4QPscȱundȱdemȱAleppoȬCodexȱ–ȱdenȱZeilenbeginnȱ nichtȱ –ȱ bedingtȱ durchȱ dieȱ langeȱ Überschriftȱ –ȱ halbzeilenverschobenȱ ansetzt,ȱ sondernȱ ihnȱ wieȱ inȱ derȱ masoretischenȱ SatzȬȱ undȱ VersȬ gliederung,ȱaufgenommenȱvonȱBHKȱundȱBHS,ȱamȱrechtenȱKolumnenȬ randȱplatziert.ȱDannȱsiehtȱmanȱschnellȱdieȱakrostichischeȱBesonderheit,ȱ wobeiȱderȱKopfteilȱdesȱPsalmsȱzunächstȱaußerȱAchtȱbleibenȱmuss.ȱȱ DieȱbeidenȱZeilenȱvonȱV.ȱ4ȱbeginnenȱbeideȱmitȱeinemȱO.ȱ Anȱdirȱalleinȱhabeȱichȱgesündigt,ȱ wasȱböseȱistȱinȱdeinenȱAugen,ȱhabeȱichȱgetan.ȱ DamitȱduȱRechtȱbehältstȱmitȱdeinemȱWort,ȱ reinȱdastehstȱinȱdeinemȱRichten.ȱ

DieȱVerseȱsindȱinternȱparallelisiert,ȱaberȱauchȱexternȱmiteinanderȱdurchȱ dieȱPartikelȱ #>POȱ„damit,ȱsodass“ȱsyntaktischȱverbunden.ȱManȱkönnteȱ beideȱVerseȱinȱeinemȱsynthetischenȱ(oderȱsyntaktischenȱParallelismus)ȱ verknüpftȱsehen,ȱwofürȱdieȱAkrostichieȱalsȱgraphischesȱZeichenȱsteht.ȱ DieȱbeidenȱZeilenȱV.ȱ7ȱundȱV.ȱ8ȱbeginnenȱentsprechendȱjeweilsȱmitȱ einemȱ#K„sieh“.ȱȱ Sieh,ȱinȱSchuldȱbinȱichȱgeboren,ȱ undȱinȱSündeȱhatȱmichȱmeineȱMutterȱempfangen.ȱ Sieh,ȱanȱWahrheitȱimȱInnerstenȱhastȱduȱGefallen,ȱ undȱimȱVerborgenenȱtueȱmirȱWeisheitȱkund.ȱ

Dieȱ Zeilenȱ sindȱ internȱ parallel.ȱ Beiȱ derȱ externenȱ Beziehungȱ allerdingsȱ kannȱ manȱ schwerlichȱ –ȱ abgesehenȱ vonȱ demȱ Beginnȱ –ȱ einenȱ ParallelisȬ musȱerkennen.ȱAberȱdasȱgraphischeȱPhänomenȱistȱgegeben.ȱDaraufȱistȱ zurückzukommen.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 2ȱ

NachȱderȱQumranbibelȱvonȱM.ȱAbegg/P.ȱW.ȱFlint/E.ȱUlrich,ȱTheȱDeadȱSeaȱBible,ȱ530:ȱ Teileȱ ausȱ Psȱ 51,1–5ȱ bzw.ȱ 51,2–6.ȱ 4QPscȱ gehörtȱ zuȱ denȱ zweiȱ Dutzendȱ Handschriftenȱ ausȱQumran,ȱdieȱihreȱTexteȱstichographischȱanordnet.ȱVgl.ȱE.ȱTov,ȱSpecialȱLayoutȱofȱ PoeticalȱUnits,ȱ115–128,ȱbes.ȱ117.ȱZuȱ4QPsjȱ schreibtȱP.ȱFlint:ȱ„Theȱlinesȱareȱwrittenȱinȱ proseȱformatȱandȱpaleographicȱanalysisȱindicatesȱaȱdateȱofȱca.ȱ50ȱCE.“ȱTheȱDeadȱSeaȱ Psalmsȱ Scrollsȱ andȱ theȱ Bookȱ ofȱ Psalms,ȱ 34ȱf.;ȱ vgl.ȱ 57.62.90ȱf.122ȱ undȱ Plateȱ IIIȱ (FragȬ mentȱausȱ4QPsc).ȱFürȱ4QPscȱgiltȱoffenbarȱeinȱähnlichesȱDatum.ȱ

ȱ

I.ȱ

95ȱ

DieȱVerseȱ9ȱundȱ10ȱfallenȱdurchȱeinȱvierfachȱgesetztesȱWȱinsȱAuge:ȱ EntsündigeȱmichȱmitȱYsop,ȱdassȱichȱreinȱwerde!ȱ Wascheȱmich,ȱdassȱichȱweißerȱwerdeȱalsȱSchnee!ȱ LassȱmichȱFreudeȱundȱWonneȱhören,ȱȱ dassȱdieȱGebeineȱjubeln,ȱdieȱduȱzerschlagen!ȱ

Alleȱ Halbverseȱ werdenȱ aufȱ dieseȱ Weiseȱ graphischȱ –ȱ undȱ zusätzlichȱ alliterativȱ–ȱengȱverbunden.ȱȱ InȱV.ȱ12ȱundȱ13ȱistȱdasȱgraphischeȱPrinzipȱleichtȱgetrübt,ȱdadurch,ȱ dassȱ dieȱ Zeilenanfängeȱ nichtȱ präziseȱ mitȱ demselbenȱ Konsonantenȱ beȬ ginnen,ȱvielmehrȱeinemȱEOȱeinȱODgegenübersteht.ȱ EinȱreinesȱHerzȱschaffeȱmir,ȱGott,ȱ undȱerneuereȱdenȱfestenȱGeistȱinȱmir!ȱ VerwirfȱmichȱnichtȱvonȱdeinemȱAngesicht,ȱ undȱnimmȱdeinenȱheiligenȱGeistȱnichtȱvonȱmir!ȱ

EsȱentstehtȱdieȱFrage,ȱobȱmanȱdieseȱunreineȱAkrostichieȱalsȱsolcheȱgelȬ tenȱlassenȱsoll.ȱManȱwirdȱdieȱFrageȱmitȱRücksichtȱaufȱdieȱpoetologischeȱ Freiheitȱ wohlȱ bejahenȱ können.ȱ Zudemȱ istȱ zuȱ bedenken,ȱ dassȱ dieȱ graȬ phischeȱAkrostichieȱkeinȱformalerȱMechanismusȱist,ȱdassȱvielmehrȱdaȬ hinterȱ dieȱ akustischenȱ Phänomeneȱ derȱ Reimbildung,ȱ alsoȱ dieȱ AlliteraȬ tion,ȱ stehen.3ȱ Inȱ diesemȱ Fallȱ bindenȱ dieȱ vierȱ imperativischenȱ FormuȬ lierungenȱundȱderȱBegriffȱMZUȱ„Geist“ȱdieȱbeidenȱVerseȱsozusagenȱantiȬ thetischȱaneinander.ȱ EtwasȱabweichendȱvonȱdiesemȱPrinzipȱderȱPaarbildungȱwirdȱinȱV.ȱ 11ȱundȱV.ȱ14ȱsichtbar,ȱdieȱgleichsamȱrahmendȱumȱdieȱzuletztȱgenanntenȱ Verseȱ 12ȱ undȱ 13ȱ akrostichischȱ durchȱ einȱ Kȱ aufeinanderȱ bezogenȱ sind.ȱ ZwarȱwürdeȱderȱexterneȱParallelismusȱkeineȱSchwierigkeitȱbieten,ȱdochȱ wegenȱdesȱAbstandsȱderȱZeilenȱwirdȱmanȱzurückhaltendȱurteilenȱmüsȬ sen.4ȱ DasȱgiltȱauchȱfürȱdieȱVerseȱ15ȱundȱ17,ȱdieȱsichȱumȱV.ȱ16ȱgruppieren.ȱ Beideȱ beginnenȱ mitȱ einemȱ D.ȱ Dochȱ istȱ inȱ diesemȱ Fallȱ erkennbar,ȱ dassȱ beideȱ engereȱ Beziehungenȱ zueinanderȱ alsȱ etwaȱ zuȱ V.ȱ 16aȱ haben,ȱ derȱ mitȱ seinerȱ unvermitteltȱ neuenȱ Anrufungȱ ziemlichȱ isoliertȱ steht.ȱ Etwasȱ anderesȱistȱesȱmitȱV.ȱ16b,ȱderȱV.ȱ17ȱvorwegnimmt.ȱ IchȱwillȱdieȱÜbertreterȱdeineȱWegeȱlehren,ȱ ȱ undȱdieȱSünderȱwerdenȱsichȱzuȱdirȱzurückwenden.ȱ RetteȱmichȱvorȱblutigemȱAnschlag,ȱGott,ȱduȱGottȱmeinesȱHeils!ȱ MeineȱZungeȱwirdȱdeineȱGerechtigkeitȱpreisen.ȱ Herr,ȱmeineȱLippenȱöffne,ȱ undȱmeinȱMundȱwirdȱdeinȱLobȱverkünden!ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 3ȱ 4ȱ

Vgl.ȱdazuȱmeineȱStudie,ȱAkrostichieȱimȱPsalter.ȱ DasȱProblemȱkompliziertȱsichȱbeiȱmöglichenȱUmstellungen,ȱs.ȱu.ȱ

96ȱ

6.ȱZumȱTextprofilȱdesȱ51.ȱPsalmsȱ

AmȱEndeȱdesȱTextsȱwirdȱesȱschwieriger,ȱdasȱakrostichischesȱBauprinzipȱ weiterȱ zuȱ verfolgen.ȱ V.ȱ 18ȱ beginntȱ –ȱ wennȱ manȱ dasȱ \Nȱ poetologischȱ vernachlässigt,ȱwasȱjaȱdurchausȱmöglichȱistȱ–ȱmitȱeinemȱ Oȱvonȱ DO.ȱMitȱ einemȱ Oȱ beginntȱ auchȱ V.ȱ 19aEȱ vonȱ EOȱ „Herz“.ȱ Dasȱ Prinzipȱ wäreȱ erȬ halten,ȱ wennȱ manȱ entwederȱ V.ȱ 18bȱ oderȱ V.ȱ 19aDȱ alsȱ Zusatzȱ erkennenȱ könnte.ȱUndȱdiesȱistȱbeiȱletzteremȱbegründbar,ȱeinmalȱdadurch,ȱdassȱV.ȱ 19aDȱausȱderȱdenȱPsalmȱbeherrschendenȱGebetsanredeȱherausfälltȱundȱ zumȱ anderenȱ V.ȱ 19DEȱ –ȱ denȱ Begriffȱ ME]ȱ „Schlachtopfer“ȱ vermittelndȱ aufgreifendȱ–ȱvorwegnimmt.ȱ (Denn)ȱduȱbegehrstȱkeineȱSchlachtopfer,ȱichȱwürdeȱsieȱgeben;ȱ Brandopferȱ gefallenȱ dirȱ nichtȱ (Gottesopferȱ sindȱ einȱ zerbrochenerȱ Geist).ȱ EinȱzerbrochenesȱundȱzerschlagenesȱHerz,ȱ wirstȱdu,ȱGott,ȱnichtȱverachten.ȱ

BevorȱwirȱzumȱAnfangsteilȱzurückkehren,ȱhaltenȱwirȱaberȱzunächstȱalsȱ Ergebnisȱfest,ȱ –



– –

dassȱ dasȱ Psalmkorpusȱ vonȱ Psȱ 51ȱ mehrfachȱ paarweiseȱ gleicheȱ ZeiȬ lenanfängeȱ aufweist,ȱ mindestensȱ vierȱ (wahrscheinlichȱ sechs)ȱ beiȱ achtȱ (oderȱ zwölf)ȱ derȱ überliefertenȱ achtzehnȱ Zeilenȱ (ohneȱ V.ȱ 1–2ȱ undȱV.ȱ20–21);ȱ dassȱ diesesȱ graphischeȱ Phänomenȱ signalisiert,ȱ dassȱ Verszeilenȱ –ȱ einmalȱauchȱHalbverseȱ(V.ȱ9ȱf.)ȱ–ȱimȱParallelismusȱpaarweiseȱmiteiȬ nanderȱverbundenȱsind;ȱ dassȱ gelegentlichȱ beiȱ dieserȱ Artȱ Akrostichieȱ nochȱ einȱ alliterativer,ȱ d.ȱh.ȱreimartigȱakustischerȱHintergrundȱanzunehmenȱist;ȱȱ undȱ dassȱ nunmehrȱ zuȱ fragenȱ ist,ȱ wieȱ sichȱ dazuȱ dieȱ bisherȱ ausȬ gelassenenȱVerseȱ3–5.16ȱverhalten.ȱȱ

II.ȱ V.ȱ 16ȱ fälltȱ inȱ verschiedenerȱ Hinsichtȱ ausȱ demȱ Kontext.ȱ Erȱ formuliertȱ einenȱ Hilferufȱ mittenȱ inȱ demȱ Gelübdeteil,ȱ derȱ Dankȱ versprechenȱ will,ȱ nachdemȱ dieȱ Bittenȱ vomȱ AnfangsȬȱ (V.ȱ 3ȱf.)ȱ undȱ Mittelteilȱ (V.ȱ 8–14)ȱ beȬ reitsȱverklungenȱsind.ȱErȱruftȱnachȱRettung,ȱundȱzwarȱvorȱ \PGȱ„BlutȬ vergießen“,ȱ„Blutschuld“,ȱwasȱbedeutet,ȱdassȱderȱPsalmistȱsichȱaktuellȱ inȱ einerȱ sehrȱ bedrohlichenȱ Lageȱ befindet.ȱ Eigeneȱ Blutschuldȱ istȱ wohlȱ auszuschließen.ȱ Vielmehrȱ mussȱ erȱ einenȱ „blutigenȱ Anschlag“ȱ5ȱ durchȱ Mitmenschenȱbefürchten.ȱSieȱbleibenȱinȱdemȱPsalmȱimȱDunkeln.ȱDochȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 5ȱ

ZürcherȱBibelȱ1931.ȱ

ȱ

II.ȱ

97ȱ

kenntȱ manȱ ausȱ anderenȱ Klagepsalmenȱ dasȱ Phänomenȱ derȱ Feindeȱ nurȱ zuȱ gut.ȱ Trotzȱ seinerȱ geistlichenȱ Erneuerungȱ mussȱ erȱ sichȱ nochȱ inȱ LeȬ bensgefahrȱsehen?ȱHatȱihnȱeineȱVorgeschichteȱihnȱeingeholt?ȱDerȱHilfeȬ rufȱ vonȱ V.ȱ 16ȱ stehtȱ inȱ einemȱ gewissenȱ Kontrastȱ zuȱ derȱ anfänglichenȱ Bitteȱ umȱ Gnadeȱ undȱ Vergebung.ȱ Sieȱ bildetȱ dieȱ Sinnmitteȱ desȱ Psalmsȱ undȱwirdȱinȱV.ȱ3ȱentsprechendȱzusammenfassendȱformuliert:ȱ Seiȱmirȱgnädig,ȱGott,ȱnachȱdeinerȱGüte!ȱ NachȱdeinemȱgroßenȱErbarmenȱtilgeȱmeineȱVergehen!ȱ Großȱistȱsieȱ–ȱwascheȱmichȱreinȱvonȱmeinerȱSchuld,ȱ undȱreinigeȱmichȱvonȱmeinerȱSünde!ȱ DennȱichȱselbstȱkenneȱmeineȱVergehenȱ undȱmeineȱSündeȱstehtȱimmerȱvorȱmir.ȱ

AberȱschonȱdieȱBetonung,ȱnurȱalleinȱanȱGottȱgesündigtȱzuȱhaben,ȱdeuȬ tetȱ an,ȱ dassȱ esȱ dazuȱ eineȱ andereȱ Meinungȱ gibt,ȱ dieȱ imȱ Sinneȱ einerȱ BeȬ drohungȱ blutigeȱ Folgenȱ habenȱ könnte.ȱ Dieȱ Logikȱ derȱ Klagepsalmenȱ lässtȱdasȱannehmen.ȱȱ Dasȱ führtȱ zuȱ derȱ Vermutung,ȱ dassȱ derȱ ursprünglicheȱ Psalmtextȱ einmalȱandersȱgelautetȱhat.ȱSoȱkönnteȱmanȱversuchen,ȱdenȱKlagepsalmȱ –ȱstattȱmitȱdemȱMiserereȱ–ȱmitȱdemȱHilfeschreiȱausȱV.ȱ16aȱbeginnenȱzuȱ lassen:ȱ ErretteȱmichȱvorȱblutigenȱFolgen,ȱGott!ȱ Seiȱmirȱgnädig,ȱGott,ȱnachȱdeinerȱGüte!ȱ

Dieȱ Vorwegnahmeȱ derȱ Sündenvergebungȱ inȱ V.ȱ 3b.4ȱ wäreȱ dannȱ zuȬ gunstenȱ derȱ z.ȱT.ȱ ähnlichȱ formuliertenȱ Verseȱ inȱ V.ȱ 9–11ȱ alsȱ eineȱ BeȬ arbeitungȱdesȱursprünglichenȱTextsȱanzusehen.ȱBeiȱStreichungȱderȱentȬ sprechendenȱPassagenȱkönnteȱmanȱalsȱGrundtextȱrekonstruieren:ȱ VieleȱsindȱmeinerȱVergehen,ȱichȱkenneȱsieȱselbst,ȱ undȱmeineȱSündeȱstehtȱimmerȱvorȱmir.ȱ

Dasȱ hätteȱ denȱ Vorteil,ȱ dassȱ nunmehrȱ auchȱ derȱ Psalmanfangȱ desȱ urȬ sprünglichenȱ Klagegebetsȱ akrostichischȱ mitȱ einemȱ Kȱ gestaltetȱ wäre,ȱ undȱsomitȱsämtlicheȱVerseȱinȱdenȱpoetologischenȱRahmenȱeinbezogenȱ wärenȱ oderȱ werdenȱ könnten.ȱ Dassȱ dadurchȱ derȱ Textȱ anȱ innererȱ StrinȬ genzȱ gewinnenȱ würde,ȱ istȱ keineȱ Frage.ȱ Derȱ etwasȱ überfüllteȱ Anfangȱ V.ȱ3–5ȱ wäreȱ beiȱ Wegfallȱ derȱ Wiederholungenȱ gestrafft,ȱ undȱ V.ȱ 16ȱ beȬ kämeȱseinenȱOrtȱundȱseineȱeigentlicheȱFunktionȱalsȱexistentiellerȱHilfeȬ rufȱwieder.ȱAlsȱFolgeȱdieserȱOperationȱmüssteȱmanȱeineȱUmarbeitungȱ desȱPsalmtextsȱannehmen,ȱdieȱ–ȱetwasȱplakativȱgesagtȱ–ȱausȱdemȱKlaȬ gegebetȱ einȱ geistlichȬliturgischesȱ Gebetsformularȱ Miserereȱ (undȱ inȱ derȱ Folgeȱ davonȱ bekanntlichȱ einenȱ kirchlichenȱ Bußpsalm)ȱ gemachtȱ hat.ȱ Überarbeitungenȱ dieserȱ Artȱ sindȱ inȱ derȱ Geschichteȱ derȱ PsalmendichȬ tungȱ vielfachȱ bezeugt.ȱ Beiȱ Psȱ 51ȱ weisenȱ daraufȱ dieȱ Überschrift,ȱ dieȱ

98ȱ

6.ȱZumȱTextprofilȱdesȱ51.ȱPsalmsȱ

Nachschriftȱ inȱ V.ȱ 20ȱf.ȱ undȱ dieȱ Zusätzeȱ inȱ V.ȱ 16ȱ undȱ 18ȱ hin.ȱ Dieȱ AusȬ legungȱkannȱdurchȱdieseȱAnnahmeȱvonȱnachträglichenȱUmarbeitungenȱ nurȱgewinnen.6ȱ

III.ȱ Dieȱ Rekonstruktionȱ einesȱ Primärtextesȱ hatȱ denȱ weiterenȱ Vorteil,ȱ dassȱ nunmehrȱderȱursprünglicheȱBauplanȱdesȱPsalmsȱklarȱzutageȱliegt.ȱDieȱ Doppelverseȱ mitȱ gleichemȱ Anfangȱ bildenȱ dieȱ Bauteile,ȱ ausȱ denenȱ sichȱ derȱPsalmȱzusammensetzt.ȱDieȱVerseȱsindȱdurchgehendȱimȱverbreitetenȱ 3+3ȱMetrumȱgehalten.ȱDabeiȱkönnenȱimmerȱzweiȱDoppelverseȱzuȱeinerȱ Stropheȱ verbundenȱ werden.ȱ Dieseȱ Strophenȱ zeigenȱ dieȱ derȱ Gattungȱ KlageȬȱundȱDankgebetȱentsprechendenȱGedankenfolge.ȱEsȱbeginntȱmitȱ Anrufung,ȱBitteȱumȱHilfeȱ–ȱStropheȱI,ȱwirdȱfortgeführtȱdurchȱdieȱBitteȱ umȱVergebungȱundȱEinigungȱvonȱderȱSchuldȱ–ȱStropheȱII;ȱesȱfolgtȱdieȱ Bitteȱ umȱ geistlicheȱ Erneuerungȱ –ȱ Stropheȱ IIIȱ undȱ schließtȱ mitȱ einemȱ VersprechenȱvonȱDankȱundȱLobpreisȱ–ȱStropheȱIV.ȱDieȱStrophenȱwerȬ denȱ durchȱ Zäsurenȱ deutlichȱ abgegrenzt,ȱ wodurchȱ sichȱ eineȱ sehrȱ klareȱ Gliederungȱergibt.ȱȱ Imȱ Einzelnenȱ istȱ außerȱ derȱ restauriertenȱ EingangsȬȱ undȱ Schlussphaseȱ fürȱdenȱGrundpsalmȱnochȱzuȱerwägen,ȱ 1.ȱ obȱnichtȱdasȱletzte,ȱmetrischȱnichtȱvollständigeȱKolonȱvonȱV.ȱ6ȱetwaȱ durchȱeineȱerneuteȱAnrufungȱamȱStrophenendeȱaufgefülltȱwerdenȱ kann.ȱ Solcheȱ Anrufungenȱ sindȱ häufig,ȱ hierȱ imȱ Textȱ etwaȱ inȱ V.ȱ 12ȱ nichtȱ immerȱ metrischȱ eingepasst.ȱ Soȱ kannȱ dasȱ Fehlenȱ auchȱ eineȱ willkürlicheȱLückeȱreißen.ȱȱ Manȱkönnteȱsichȱweiterȱfragen,ȱ 2.ȱ obȱ nichtȱ ausȱ inhaltlichenȱ Gründenȱ V.ȱ 8ȱ undȱ V.ȱ 11ȱ alsȱ vertauschtȱ anzusehenȱ sind.ȱ V.ȱ 7ȱ verweistȱ aufȱ dieȱ „Erbsünde“ȱ inȱ Empfängnisȱ undȱGeburt,ȱundȱdieȱBitteȱumȱAbschreibungȱundȱLöschungȱdesȱeiȬ genenȱSündenregistersȱvonȱV.ȱ11ȱsowieȱdieȱBitteȱumȱkultischeȱReiȬ nigungȱinȱV.ȱ9–10ȱkönntenȱsichȱunmittelbarȱdaranȱanschließen.ȱDieȱ Stropheȱ wäreȱ dadurchȱ einheitlichȱ undȱ abgerundet.ȱ Aufȱ derȱ andeȬ renȱ Seiteȱ verweistȱ V.ȱ 8ȱ aufȱ dasȱ besondereȱ Augenmerk,ȱ dasȱ dieȱ Gottheitȱ demȱ Innerstenȱ desȱ Menschenȱ ( WZMI/WV)ȱ zuwendet.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 6ȱ

Keineȱ derȱ eindringlichenȱ Auslegungen,ȱ unterȱ denenȱ ichȱ besondersȱ dieȱ vonȱ H.ȬJ.ȱ Stoebe,ȱ Gottȱ seiȱ mirȱ Sünderȱ gnädig;ȱ W.ȱH.ȱ Schmidt,ȱ Individuelleȱ Eschatologie,ȱ undȱ H.ȱ Leene,ȱ Personalȱ Penitence,ȱ hervorhebenȱ möchte,ȱ verliertȱ ihreȱ Bedeutung.ȱ Sieȱ beȬ ziehenȱsichȱebenȱaufȱdenȱumgearbeiteten,ȱdenȱmasoretischenȱTextȱdesȱMiserere,ȱdasȱ seineȱbleibendeȱWirkungȱinȱsichȱträgt.ȱȱ

ȱ

III.ȱ

99ȱ

DieserȱGedankeȱwirdȱdannȱinȱV.ȱ12ȱundȱV.ȱ13ȱmitȱderȱBitteȱumȱeinȱ neuesȱ Herzȱ weitergeführt.ȱ Dieȱ –ȱ möglicherweiseȱ durchȱ dieȱ ZuȬ sammenstellungȱderȱbeidenȱmitȱ #Kȱ beginnendenȱVerseȱveranlassteȱ –ȱ Umstellungȱ könnteȱ auchȱ dieȱ Verschiebungȱ vonȱ V.ȱ 14ȱ zurȱ Folgeȱ gehabtȱ haben.ȱ Dieȱ Reihenfolgeȱ V.ȱ 8.14.12.13ȱ würdeȱ präziseȱ zumȱ akrostichischenȱ Prinzipȱ passen,ȱ ohneȱ eineȱ andereȱ Rahmenstrukturȱ annehmenȱ zuȱ müssen.ȱ Strengȱ genommen,ȱ müssteȱ manȱ sichȱ entȬ scheiden,ȱ 3.ȱ obȱ inȱ V.ȱ 12–13ȱ unterȱ dieȱ metrischȱ überschüssigenȱ Teileȱ auchȱ dieȱ Qualifizierungȱ desȱ Begriffsȱ MZUalsȱ „fest“ȱ oderȱ „heilig“ȱ fällt.ȱ Derȱ Begriffȱ„willigerȱGeist“ȱinȱV.ȱ14ȱistȱmetrischȱgesichert,ȱnichtȱjedochȱ dieȱ theologischȱ interessantenȱ Attribute7,ȱ dieȱ möglicherweiseȱ derȱ redaktionellenȱÜberarbeitungȱdesȱTextesȱzuȱverdankenȱsind.ȱȱ DasȱergibtȱimȱGanzenȱfolgendenȱGrundtextȱ(inȱÜbersetzung):ȱ 16a.3aȱ (K)ȱ ErretteȱmichȱvorȱblutigenȱFolgen,ȱJHWH!ȱ ȱ ȱ Seiȱmirȱgnädig,ȱJHWH,ȱnachȱdeinerȱGüte!ȱ 4.5ȱ ȱ VieleȱsindȱmeinerȱVergehen,ȱichȱkenneȱsieȱselbst,ȱ ȱ ȱ undȱmeineȱSündeȱstehtȱimmerȱvorȱmir.ȱ 6ȱ (O)ȱ Anȱdirȱalleinȱhabeȱichȱgesündigt,ȱ ȱ ȱ wasȱböseȱistȱinȱdeinenȱAugen,ȱhabeȱichȱgetan.ȱ ȱȱ ȱ DamitȱduȱRechtȱbehältstȱmitȱdeinemȱWort,ȱ ȱ ȱ reinȱdastehstȱinȱdeinemȱRichtenȱ(JHWH).ȱ 7ȱ (O)ȱ Sieh,ȱinȱSchuldȱbinȱichȱgeboren,ȱ ȱ ȱ undȱinȱSündeȱhatȱmichȱmeineȱMutterȱempfangen.ȱ 11ȱ ȱ VerbirgȱdeinȱAngesichtȱvorȱmeinenȱSünden,ȱ ȱ ȱ undȱalleȱmeineȱVerschuldungenȱtilge!ȱ 9ȱ (W)ȱ EntsündigeȱmichȱmitȱYsop,ȱdassȱichȱreinȱwerde!ȱ ȱ ȱȱ Wascheȱmich,ȱdassȱichȱweißerȱwerdeȱalsȱSchnee!ȱ 10ȱ ȱ LassȱmichȱFreudeȱundȱWonneȱhören,ȱȱ ȱ ȱ dassȱdieȱGebeineȱjubeln,ȱdieȱduȱzerschlagen!ȱ 8ȱ (K)ȱ Sieh,ȱanȱWahrheitȱimȱInnerstenȱhastȱduȱGefallen,ȱ ȱ ȱ undȱimȱVerborgenenȱtueȱmirȱWeisheitȱkund.ȱ 14ȱ ȱ GibȱmirȱwiederȱdieȱWonneȱdeinesȱHeils,ȱ ȱ ȱ undȱstützeȱmichȱdurchȱeinenȱwilligenȱGeist.ȱ 12ȱ (O)ȱ EinȱreinesȱHerzȱschaffeȱmir,ȱGott,ȱ ȱ ȱ undȱerneuereȱdenȱ(festen)ȱGeistȱinȱmir!ȱ 13ȱ ȱ VerwirfȱmichȱnichtȱvonȱdeinemȱAngesicht,ȱ ȱ ȱ undȱ nimmȱ (deinenȱ heiligen)ȱ denȱ Geistȱ nichtȱ vonȱ ȱ ȱ mir!ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 7ȱ

DazuȱimȱBesonderenȱdieȱÜberlegungenȱvonȱE.ȱWürthwein,ȱBemerkungen,ȱundȱW.ȱH.ȱ Schmidt,ȱIndividuelleȱEschatologie.ȱ

100ȱ

6.ȱZumȱTextprofilȱdesȱ51.ȱPsalmsȱ

15ȱ ȱ ȱ 17ȱ ȱ 18ȱ ȱ ȱ 19ȱ ȱ

(D)ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ (O)ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ

IchȱwillȱdieȱÜbertreterȱdeineȱWegeȱlehren,ȱ undȱdieȱSünderȱwerdenȱsichȱzuȱdirȱzurückȬȱ wenden.ȱ Herr,ȱmeineȱLippenȱöffne,ȱ undȱmeinȱMundȱwirdȱdeinȱLobȱverkünden!ȱ (Denn)ȱduȱbegehrstȱkeineȱSchlachtopfer,ȱichȱwürȬ deȱsieȱgeben;ȱ Brandopferȱgefallenȱdirȱnicht.ȱ EinȱzerbrochenesȱundȱzerschlagenesȱHerz,ȱ wirstȱdu,ȱGott,ȱnichtȱverachten.ȱ

IV.ȱ Wieȱ immerȱ manȱ sichȱ beiȱ diesenȱ Fragenȱ imȱ Einzelnenȱ entscheidet,ȱ esȱ berührtȱnurȱwenigȱdieȱsprachlichȬpoetischeȱGestaltung,ȱdieȱdenȱeinzelȬ nenȱ Strophenȱ jeweilsȱ besonderenȱ Klangȱ undȱ besondereȱ Färbungȱ verȬ leiht.ȱ Zwarȱ tretenȱ dieȱ Klangfigurenȱ nichtȱ soȱ deutlichȱ hervorȱ wieȱ anȬ derswo.8ȱ Dennochȱ istȱ esȱ beachtlich,ȱ wieȱ denȱ Strophenȱ jeweilsȱ Akzenteȱ eingeprägtȱsind,ȱdieȱdieȱSinnaussageȱmittragen.ȱ Dieȱ auffälligsteȱ Klangfigurȱ findetȱ sichȱ wohlȱ amȱ Endeȱ vonȱ Stropheȱ II.ȱDieȱDoppelzeileȱV.ȱ9ȱf.ȱwirdȱdurchȱeinȱvierfachesȱ W/tȱzuȱBeginnȱderȱ einzelnenȱ Kolaȱ akzentuiert.ȱ Dazuȱ kommenȱ nochȱ andereȱ Explosivlauteȱ wieȱ Gȱundȱ Iȱ(Beispiel:ȱ W\NG).ȱSieȱverbindenȱsichȱmehrmalsȱmitȱlangenȱ eȬTönen,ȱdreiȱMalȱzuȱderȱauchȱsonstȱwiederkehrenden,ȱlanggezogenenȱ LautfolgeȱȬeni.ȱZuȱdenȱExplosivenȱkommenȱinȱV.ȱ9ȱvermehrtȱLaryngaleȱ (Dȱundȱ K),ȱinȱV.ȱ10ȱsȬLaute.ȱSieȱverleihenȱdemȱVersklangȱdenȱEindruckȱ einerseitsȱdesȱStoßensȱoderȱvonȱStößen,ȱandererseitsȱdesȱGießensȱoderȱ Spritzens.ȱ Manȱ kannȱ sichȱ fragen,ȱ obȱ dasȱ etwasȱ mitȱ denȱ rituellenȱ VorȬ gängenȱderȱReinigungȱzuȱtunȱhat,ȱvonȱderȱdieseȱZeilenȱreden.ȱWenigerȱ profiliertȱ scheintȱ dieȱ ersteȱ Doppelzeileȱ zuȱ klingen.ȱ Inȱ V.ȱ 7ȱ undȱ V.ȱ 11ȱ begegnetȱ nebenȱ einemȱ sonorenȱ nȱ dasȱ langeȱ iȱ derȱ erstenȱ Person.ȱ Dochȱ LetzteresȱgiltȱfürȱandereȱZeilenȱauch.ȱ StropheȱIIIȱ(V.ȱ8.14.12.13)ȱistȱgekennzeichnetȱdurchȱdenȱinȱV.ȱ8ȱnochȱ gesteigertenȱ Explosivklangȱ undȱ dasȱ personaleȱ iȱ (auchȱ Ȭeni),ȱ demȱ sichȱ dasȱdreifacheȱ Wortȱ MZUȱ mitȱ seinemȱdunklenȱ Klangȱundȱ dieȱ Worteȱ fürȱ tiefeȱ innereȱ Verborgenheitȱ (WZMIundȱ WVȱ Pt.pass.)ȱ zugesellen.ȱ Imȱ tiefenȱInnernȱarbeitetȱGottȱgeheimnisvollȱundȱschafftȱ(DUE)ȱdenȱneuenȱ Menschenȱ–ȱnachȱVergebungȱundȱReinigung.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 8ȱ

Vgl.ȱz.ȱB.ȱmeineȱStudie,ȱKlangformenȱimȱ44.ȱPsalm.ȱ

ȱ

V.ȱ

101ȱ

Stropheȱ Iȱ nunȱ charakterisiertȱ dieȱ doppelteȱ Anrufung,ȱ JHWHȱ –ȱ imȱ elohistischenȱ Psalter.ȱ Darumȱ dominiertȱ nebenȱ demȱ allgegenwärtigenȱ Ichȱ(i)ȱdasȱappellativeȱDu,ȱmitȱ Wȱanvisiert.ȱDabeiȱbildenȱdieȱbeidenȱersȬ tenȱ Worteȱ desȱ Urpsalmsȱ ausȱ V.ȱ 16:ȱ \PGP\QO\[Kȱ fürȱ sichȱ eineȱ einȬ drücklicheȱ Klangfigurȱ (hassileni//middamim),ȱ vergleichbarȱ etwaȱ Psȱ 130,1b,ȱ worinȱ sichȱ dieȱ ganzeȱ Geschichteȱ desȱ Psalmistenȱ zuȱ spiegelnȱ scheint.ȱȱ Inȱ Stropheȱ IVȱ –ȱ wiederȱ beherrschtȱ vonȱ tȬȱ undȱ iȬLautenȱ (AWOKW)ȱ –ȱ trittȱvorȱallemȱdieȱZeileȱV.ȱ17ȱklanglichȱhervor.ȱDasȱdreifacheȱ SȱmoduȬ liertȱ denȱ Klangȱ –ȱ manȱ wirdȱ nichtȱ fehlgehen,ȱ wennȱ manȱ darinȱ dieȱ geȬ öffnetenȱ Lippenȱ undȱ denȱ offenenȱ Mundȱ desȱ lobpreisendenȱ Sängersȱ vertontȱ sieht.ȱ Dieȱ Stropheȱ endetȱ etwasȱ abrupt.ȱ Dochȱ findetȱ manȱ inȱ V.ȱ 20ȱf.,ȱjedenfallsȱfürȱdenȱGrundtext,ȱnichtȱdenȱpassendenȱAbschluss.ȱȱ

V.ȱ NochmalsȱzurückȱzurȱAkrostichieȱdesȱPsalms.ȱBetrachtetȱmanȱdieȱFolgeȱ derȱdoppeltȱgesetztenȱKonsonanten,ȱsoȱergibtȱsichȱfolgendeȱReihe:ȱ Kȱ

O K W K O D O

Selbstredendȱ mitȱ denȱ durchȱ Restaurationȱ behobenenȱ UnregelmäßigȬ keiten:ȱSieȱliegenȱbeimȱerstenȱ Kȱundȱbeimȱletztenȱ O.ȱNimmtȱmanȱdieseȱ Reiheȱ OȱDȱ/ȱOȱKȱ/ȱWȱKȱ/ȱOȱKbzw.ȱOȱDȱ/ȱOȱKȱWȱKȱ/ȱOȱKȱ einmalȱ fürȱ gegeben,ȱ fälltȱ auf,ȱ dassȱ sichȱ bestimmteȱ Konsonantenfolgenȱ wiederholen,ȱ bzw.ȱ dieȱ Folgenȱ sichȱ wiederholen:ȱ Oȱ undȱ Kȱ sowieȱ OK.ȱ Weiterȱ fälltȱ auf,ȱ dassȱ sichȱ ausȱ dieserȱ Folge,ȱ nahezuȱ vollständig,ȱ dasȱ hebräischeȱ Wortȱ KOKW,ȱ vielleichtȱ sogarȱ mitȱ Artikelȱ K,ȱ aberȱ ohneȱ dieȱ Endungȱ undȱ materȱ lectionisȱ Kȱ ableitenȱ lässt.9ȱ Istȱ dasȱ einȱ Zufall?ȱ Oderȱ entsprichtȱdiesȱnichtȱdemȱLeitbegriffȱderȱletztenȱStrophe:ȱ AWOKWȱ„deinȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 9ȱ

Werȱ dieȱ obenȱ versuchtenȱ literarkritischenȱ Operationenȱ nichtȱ nachvollziehenȱ kann,ȱ seiȱ daraufȱ hingewiesen,ȱ dassȱ sichȱ denȱ Anfangskonsonantenȱ vonȱ V.ȱ 10–14ȱ desȱ masoretischȱ überliefertenȱ Textsȱ inȱ direkterȱ Folgeȱ dieȱ Reihe:KD(O)ȱ OKWȱ entȬ nehmenȱ lässt,ȱ dieȱ wieȱ dieȱ desȱ rekonstruiertenȱ Grundtextsȱ zumindestȱ auchȱ erȬ klärungsbedürftigȱist.ȱ

102ȱ

6.ȱZumȱTextprofilȱdesȱ51.ȱPsalmsȱ

Lob“ȱinȱV.ȱ17ȱundȱwohlȱauchȱderȱFunktionȱnichtȱdesȱKlagegebets,ȱaberȱ desȱ postȱ festumȱ schriftlichȱ niedergelegtenȱ undȱ aufbewahrtenȱ GrundȬ psalms?ȱÜberdiesȱistȱ KOKWȱsoȱetwasȱwieȱeinȱsehrȱfrüherȱd.ȱi.ȱzeitgenösȬ sischerȱGattungsbegriff.ȱDasȱkunstvollȱverfassteȱGebetsgedichtȱaufȱdieȬ seȱ Weiseȱ zuȱ charakterisieren,ȱ wäreȱ sinnvoll.ȱ Wasȱ zögernȱ lässt,ȱ eineȱ solcheȱKunstformȱhierȱfestzustellen,ȱistȱeinmalȱdieȱfehlendeȱEndungȱ K;ȱ manȱkönnteȱsieȱbeiȱdefektiverȱSchreibungȱverschmerzen.ȱZumȱanderenȱ aberȱdieȱwohlȱnochȱnichtȱsinnvollȱerklärbarenȱKonsonantenȱamȱAnfangȱ undȱSchlussȱ (K,ȱ O,ȱ Kȱsowieȱ D,ȱ O).ȱVorȱallemȱaber,ȱ dassȱ –ȱandersȱalsȱ inȱ derȱ Keilschriftliteraturȱ –ȱ inȱ derȱ hebräischenȱ Literaturȱ besondersȱ derȱ Psalmenȱ diesesȱ besondereȱ Phänomenȱ anderswoȱ nochȱ nichtȱ sicherȱ nachgewiesenȱ werdenȱ konnte.10ȱ Derȱ Versuchȱ vonȱ B.ȱ Duhmȱ beiȱ Psȱ 110ȱ istȱ wohlȱ fehlgeschlagen.ȱ Vielleichtȱ gibtȱ esȱ nochȱ eineȱ bessereȱ Lösung,11ȱ dieȱimȱAugenblickȱnochȱnichtȱsichtbarȱist.ȱ

VI.ȱ NochȱhypothetischerȱsindȱzuletztȱÜberlegungenȱzurȱPositionȱvonȱPsȱ51ȱ imȱPsalter,ȱmitȱdenenȱichȱ–ȱmehrȱalsȱDenkanstößeȱ–ȱdieseȱkleineȱStudieȱ beendenȱmöchte.ȱȱ BeimȱArrangementȱderȱPsalmen,ȱdasȱzuȱderȱmasoretischenȱReihenȬ folgeȱderȱTexteȱgeführtȱhat,ȱsindȱoffensichtlichȱzweiȱmehrȱoderȱwenigerȱ gegenläufigeȱTendenzenȱwirksamȱgeworden.ȱZumȱeinenȱdasȱBestreben,ȱ homogeneȱ Psalmgruppenȱ (sog.ȱ Psalter)ȱ zusammenȱ stehenȱ zuȱ lassen,ȱ bzw.ȱ alsȱ solcheȱ zusammenzustellen,ȱ wieȱ manȱ esȱ anȱ denȱ GruppenbilȬ dungenȱ derȱ DavidȬ,ȱ QorachȬ,ȱ AsaphȬ,ȱ JHWHȬKönigsȬ,ȱ WallfahrtspsalȬ menȱdeutlichȱsehenȱkann.ȱZumȱanderenȱstehtȱdemȱgegenüberȱundȱzumȱ TeilȱentgegenȱdieȱTendenz,ȱdieȱEinzeltexteȱzuȱverselbständigenȱundȱzuȱ profilieren,ȱ wasȱ vorȱ allemȱ durchȱ dieȱ Setzungȱ vonȱ Überschriftenȱ geȬ schieht,ȱ dieȱ nunȱ typischerweiseȱ auchȱ dieȱ Gruppenȱ erfasstȱ hatȱ –ȱ mitȱ einigenȱ Ausnahmenȱ wieȱ z.ȱB.ȱ denȱ sog.ȱ JHWHȬKönigsȬHymnen.ȱ Dieȱ Gruppenphaseȱ scheintȱ zeitlichȱ früherȱ anzusetzenȱ zuȱ sein.ȱ Dieȱ IndiviȬ dualbehandlungȱgreiftȱstarkȱinȱbestehendeȱGruppenȱein,ȱlegtȱgebündelȬ teȱTexteȱjeȱfürȱsich,ȱumȱihnenȱdenȱgebührendenȱRahmenȱundȱoftȱeinenȱ besonderenȱPlatzȱzuzuweisen.ȱDieȱStreuungȱderȱsog.ȱKönigspsalmenȱistȱ dafürȱeinȱanschaulichesȱBeispiel.ȱ Wennȱ manȱ davonȱ ausgeht,ȱ dassȱ Psȱ 51ȱ durchȱ seineȱ Überschriftȱ derȱ Gruppeȱ derȱ DavidȬPsalmenȱ zugehört,ȱ entsprichtȱ dieȱ Folgeȱ 51.52ȱff.ȱ ofȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10ȱ Vgl.ȱmeineȱStudie:ȱAkrostichieȱimȱPsalter.ȱ ȱ

ȱ

VI.ȱ

103ȱ

fenbarȱ nochȱ derȱ altenȱ Gruppenfolge.ȱ Dochȱ dieȱ Psalmenȱ davorȱ störenȱ dieseȱ Reihenfolge,ȱ indemȱ abȱ Psȱ 41ȱ andereȱ Textgruppenȱ (QorachȬ Psalmenȱ 41–49)ȱ undȱ einȱ andererȱ Textȱ (einȱ AsaphȬPsalmȱ 50)ȱ vorausȬ gehen.ȱ Dieȱ Einfügungȱ vonȱ Psȱ50ȱ–ȱabgetrenntȱ vonȱ seinerȱ Gruppeȱ–ȱ istȱ erklärbar.ȱ Istȱ erȱ dochȱ imȱ Blickȱ aufȱ dieȱ massiveȱ Opferkritikȱ mitȱ Psȱ 51ȱ thematischȱ verwandt.ȱ Offenbarȱ wollteȱ dieȱ Redaktionȱ beideȱ Texteȱ zuȬ sammenordnen.ȱ Dieȱ Begründungȱ fürȱ dieȱ Einfügungȱ desȱ erstenȱ Teilsȱ derȱQorachȬGruppeȱnachȱPsȱ41ȱscheintȱwenigerȱklarȱersichtlichȱzuȱsein.ȱ Vielleichtȱ wollteȱ manȱ nebenȱ demȱ ausgewiesenenȱ Krankheitspsalmȱ 41ȱ mitȱ Psȱ 42/43ȱ denȱ thematischȱ ähnlichenȱ Textȱ vonȱ einemȱ verunglücktenȱ Pilgerȱ stellen.ȱ Dieserȱ Doppelpsalmȱ hätteȱ dannȱ dieȱ ganzeȱ Reiheȱ derȱ QorachȬTexteȱnachȱsichȱgezogen.ȱ Dannȱ aberȱ verstehtȱ manȱ oderȱ auchȱ nicht,ȱ weshalbȱ Psȱ 51ȱ –ȱ nachȱ E.ȱ WürthweinȱebenfallsȱeindeutigȱeinȱKrankheitspsalmȱ–ȱvonȱPsȱ41ȱabgeȬ setztȱundȱdieȱQorachȬGruppeȱdazwischenȱeingestelltȱwurde.ȱImmerhinȱ scheintȱ sichȱ dieȱ Annahmeȱ zuȱ bestätigen,ȱ dassȱ innerhalbȱ desȱ DavidȬ PsaltersȱamȱEndeȱeineȱGruppeȱvonȱTextenȱzusammengeordnetȱwurden,ȱ dieȱsichȱvornehmlichȱmitȱKrankheitȱundȱHeilungȱbefassen.ȱImȱÜbrigenȱ eineȱ Besonderheit,ȱ dieȱ sichȱ auchȱ beiȱ denȱ anderenȱ DavidȬPsalternȱ festȬ stellenȱlässt.12ȱ DochȱdieȱQorachȬTexteȱ(44–49)ȱundȱderȱAsaphȬTextȱ(50)ȱ störenȱdieseȱReiheȱundȱsetzenȱeineȱstarkeȱZäsurȱvorȱPsȱ(50–)ȱ51.ȱ Dieȱ Dingeȱ komplizierenȱ sichȱ nochȱ dadurch,ȱ dassȱ Psȱ 49ȱ wohlȱ vonȱ derȱÜberschrift,ȱaberȱnichtȱvonȱseinemȱCharakterȱherȱeinȱQorachȬPsalmȱ ist.ȱIhmȱfehlenȱdieȱKennzeichen,ȱdieȱdieserȱGruppeȱeigenȱsind.ȱErȱistȱeinȱ Weisheitspsalmȱ wieȱ Psȱ 73,ȱ denȱ manȱ auchȱ vonȱ derȱ AsaphȬGruppeȱ alsȱ nichtȱ homogenȱ trennenȱ muss.ȱ Beidesȱ sindȱ vomȱ Typosȱ herȱ Einzeltexte,ȱ dieȱ überallȱ imȱ Psalterȱ stehenȱ könnten:ȱ didaktischeȱ Zwischentexteȱ mitȱ vergleichbarerȱ Funktionȱ wieȱ dieȱ Königspsalmen.ȱ Ihreȱ Positionierung,ȱ vorȱallemȱdieȱvonȱPsȱ49,ȱscheintȱdarumȱzuletztȱerfolgtȱzuȱsein.ȱ ManȱkannȱdarausȱfolgendeȱvorläufigenȱSchlüsseȱziehen:ȱ 1.ȱ Psȱ51ȱwarȱeinȱPsalmtext,ȱderȱursprünglichȱPsȱ41ȱ–ȱohneȱdieȱDoxoȬ logieȱinȱ41,14,ȱdieȱsehrȱspätȱbeiȱderȱFünfteilungȱdesȱPsaltersȱeingeȬ brachtȱwordenȱzuȱseinȱscheintȱ–ȱalsȱKrankheitspsalmȱfolgte.ȱErȱgeȬ hörteȱ alsoȱ eigentlichȱ zumȱ erstenȱ Davidpsalter,ȱ standȱ vorȱ demȱ Beginnȱ desȱ zweiten,ȱ derȱmitȱ einerȱReiheȱ vonȱ FeindȬPsalmenȱ eröffȬ netȱwird.ȱ 2.ȱ DurchȱdieȱQorachȬGruppeȱ42–48ȱwurdeȱderȱZusammenhangȱzerrisȬ sen,ȱobwohlȱPsȱ42/43ȱthematischȱzuȱPsȱ41ȱpasst,ȱnichtȱaberȱPsȱ44ȱff.ȱȱ 3.ȱ Psȱ50ȱwurdeȱvonȱderȱAsaphȬGruppeȱgetrenntȱundȱzuȱPsȱ51ȱgesellt.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 12ȱ Vgl.ȱmeinenȱPsalmenkommentarȱz.ȱSt.ȱ

104ȱ

6.ȱZumȱTextprofilȱdesȱ51.ȱPsalmsȱ

4.ȱ Psȱ49ȱwurdeȱalsȱ„Waise“ȱinȱdieȱLückeȱgestellt,ȱdieȱsichȱzwischenȱPsȱ 48ȱundȱPsȱ50–51ȱauftat.ȱ Esȱkönnteȱauchȱandersȱgewesenȱsein.ȱInȱjedemȱFallȱwurdeȱPsȱ51ȱdurchȱ dieȱ Editionȱ eineȱ Sonderbehandlungȱ zuteil,ȱ dieȱ jaȱ auchȱ seinemȱ poetoȬ logischenȱundȱseinemȱtheologischenȱGewichtȱentspricht.ȱȱ

Literaturȱ Abegg,ȱM./Flint,ȱP./Ulrich,ȱE.,ȱTheȱDeadȱSeaȱBible,ȱEdinburghȱ1999.ȱ Flint,ȱ P.,ȱ Theȱ Deadȱ Seaȱ Psalmsȱ Scrollsȱ andȱ theȱ Bookȱ ofȱ Psalms,ȱ StTDJȱ 17,ȱ LeiȬ den/NewȱYork/Kölnȱ1997.ȱ Leene,ȱH.,ȱPersonalȱPenitenceȱandȱtheȱRebuildingȱofȱZion:ȱTheȱUnityȱofȱPsalmȱ 51,ȱin:ȱGiveȱearȱtoȱmyȱwords.ȱPsalmsȱandȱotherȱPoetryȱinȱandȱaroundȱtheȱ Hebrewȱ Bible,ȱ Essaysȱ inȱ honourȱ ofȱ Professorȱ N.ȱA.ȱ vanȱ Uchelen,ȱ ed.ȱ byȱ J.ȱ Dyk,ȱAmsterdamȱ1996,ȱ61–77.ȱ Schmidt,ȱ W.ȱH.,ȱ Individuelleȱ Eschatologieȱ imȱ Gebet,ȱ in:ȱ Neueȱ Wegeȱ derȱ PsalȬ menforschung,ȱFSȱW.ȱBeyerlin,ȱhg.ȱv.ȱK.ȱSeybold/E.ȱZenger,ȱHerdersȱBibliȬ scheȱStudienȱ1,ȱFreiburg/Basel/Wienȱ1994,ȱ345–360ȱ(Lit.).ȱ Seybold,ȱK.,ȱDieȱPsalmen,ȱHATȱ1,15,ȱTübingenȱ1996.ȱ Ders.,ȱ Akrostichieȱ imȱ Psalter,ȱ in:ȱ Alttestamentlicheȱ Forschungȱ inȱ derȱ Schweiz,ȱ FestheftȱIOSOTȱ17,ȱThZȱ57,ȱBaselȱ2001,ȱ172–183.ȱ Ders.,ȱKlangformenȱimȱ44.ȱPsalm,ȱin:ȱMeinȱHausȱwirdȱeinȱBethausȱfürȱalleȱVölȬ kerȱgenanntȱwerdenȱ(Jesȱ56,7).ȱJudentumȱseitȱderȱZeitȱdesȱZweitenȱTempelsȱ inȱGeschichte,ȱLiteraturȱundȱKult,ȱFSȱThomasȱWilli,ȱNeukirchenȱ2007,ȱ133– 143.ȱ Stoebe,ȱH.ȬJ.,ȱGottȱseiȱmirȱSünderȱgnädig.ȱ EineȱAuslegungȱdesȱ51.ȱPsalms,ȱBStȱ 20,ȱNeukirchenȬVluynȱ1958.ȱ Tov,ȱE.,ȱSpecialȱLayoutȱofȱPoeticalȱUnitsȱinȱtheȱTextsȱfromȱtheȱJudeanȱDesert,ȱin:ȱ Giveȱearȱtoȱmyȱwords.ȱPsalmsȱandȱotherȱPoetryȱinȱandȱaroundȱtheȱHebrewȱ Bible,ȱEssaysȱinȱhonourȱofȱProfessorȱN.ȱA.ȱvanȱUchelen,ȱed.ȱbyȱJ.ȱDyk,ȱAmsȬ terdamȱ1996,ȱ115–128.ȱ VonkȱBrooks,ȱC.,ȱPsalmȱ51,ȱInterp.ȱ49ȱ(1995),ȱ62–66.ȱ Weber,ȱB.,ȱWerkbuchȱPsalmenȱI.ȱDieȱPsalmenȱ1ȱbisȱ72,ȱStuttgartȱ2001.ȱ Würthwein,ȱ E.,ȱ Bemerkungenȱ zuȱ Psalmȱ 51,ȱ in:ȱ Neueȱ Wegeȱ derȱ PsalmenforȬ schung,ȱ FSȱ W.ȱ Beyerlin,ȱ hg.ȱv.ȱ K.ȱ Seybold/E.ȱ Zenger,ȱ Herdersȱ Biblischeȱ Studienȱ1,ȱFreiburg/Basel/Wienȱ1994,ȱ381–388ȱ(Lit.).ȱ

ȱ

7.ȱJerusalemȱinȱtheȱViewȱofȱPsalmȱ76ȱ 1.ȱSecondaryȱreferencesȱtoȱJerusalemȱinȱtheȱPsalmsȱ Thereȱ areȱ reasonsȱ toȱ supposeȱ thatȱ theȱ soȬcalledȱ Psalmsȱ ofȱ Korahȱ asȱ aȱ groupȱofȱtextsȱitselfȱ(42–49.84–85.87–88)ȱhaveȱtheirȱoriginsȱinȱtheȱnorthȬ ernȱpartsȱofȱIsrael.1ȱThisȱassumptionȱwouldȱexplainȱseveralȱfeaturesȱinȱ theseȱpsalms:ȱ – –



whyȱtheȱkingȱofȱPsȱ45ȱisȱmarryingȱaȱdaughterȱofȱTyreȱ(v.ȱ12);ȱ whyȱtheȱcityȱofȱGodȱofȱPsȱ46ȱ(v.ȱ4)ȱisȱsituatedȱnearȱaȱriverȱ“whoseȱ streamsȱ enjoyȱ theȱ city,ȱ whichȱ theȱ Mostȱ Highȱ hasȱ madeȱ hisȱ holyȱ dwelling”;ȱ whyȱthisȱcityȱandȱitsȱholyȱhillȱ(“Zion’sȱhill”ȱofȱPsȱ48:3)ȱisȱlocatedȱinȱ theȱfurthestȱregionsȱofȱtheȱnorthȱorȱisȱnamedȱ‘tsafon‘ȱ(#ZS[);ȱwhyȱtheȱ psalmistȱ cryingȱ “asȱ aȱ hindȱ longsȱ forȱ runningȱ wadis”ȱ (Psȱ 42ȱf.),ȱ “sunkȱ inȱ misery”,ȱ thereforeȱ remembersȱ Godȱ “fromȱ theȱ Hermonsȱ andȱtheȱspringsȱofȱJordan,ȱandȱfromȱtheȱhillȱofȱMizar”ȱ(v.ȱ7).ȱ

Inȱviewȱis,ȱweȱguess,ȱinȱallȱtheseȱandȱotherȱdescriptions,ȱaȱcityȱofȱGodȱ whichȱisȱDan,ȱnowȱTellȱDanȱorȱTellȱelȬQadi.ȱTheȱreferencesȱtoȱZionȱandȱ JerusalemȱsupposedlyȱstemȱfromȱaȱrelectureȱandȱreȬuseȱofȱtheseȱtextsȱasȱ songsȱ orȱ prayersȱ ofȱ theȱJerusalemȱ singersȱ whenȱ theyȱ convened.ȱOrigiȬ nallyȱtheseȱpsalmsȱhadȱaȱperspectiveȱofȱtheirȱown.ȱIȱsupposeȱtheirȱcenȬ tralȱ motifȱ wasȱ originallyȱ notȱ relatedȱ toȱ Jerusalem.ȱ Onlyȱ laterȱ onȱ theȱ situationȱ changed.2ȱ Theȱ cityȱ ofȱ Godȱ becomesȱ theȱ “goldenȱ city”ȱ ofȱ theȱ canonicalȱpsalterȱandȱtheȱbible.ȱ Inȱ additionȱ toȱ this,ȱ thereȱ isȱ reasonȱ toȱ supposeȱ thatȱ theȱ soȬcalledȱ PsalmsȱofȱAsaphȱasȱaȱgroupȱ(50ȱandȱ73–83)ȱdidȱnotȱhaveȱtheirȱoriginsȱinȱ Jerusalemȱ orȱinȱ theȱsouthernȱ partȱ ofȱ Israelȱ either.ȱ Takenȱasȱaȱ groupȱ ofȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ 2ȱ

Cf.ȱM.ȱBuss,ȱTheȱPsalmsȱofȱAsaphȱandȱKorah,ȱJBLȱ82ȱ(1963),ȱ387–392;ȱM.ȱD.ȱGoulder,ȱ TheȱPsalmsȱofȱtheȱSonsȱofȱKorah,ȱJSOT.Sȱ20ȱ(1982).ȱ Weȱsuggestȱthatȱ“harȱZion”ȱ(#Z\[UK)ȱe.ȱg.ȱinȱ48:3ȱ(afterȱ ZYGTUKv.ȱ2),ȱandȱ“beȬZion”ȱ (#Z\[E)ȱinȱtheȱKorahiteȱPsalmȱ84:8ȱareȱlaterȱinsertionsȱandȱthatȱ“Zion”ȱ(#Z\[)ȱe.ȱg.ȱinȱtheȱ KorahiteȱPsalmȱ87ȱa.ȱo.ȱisȱreplacingȱtheȱoriginalȱ“Dan”ȱ(#G).ȱInȱtheȱpresentȱstateȱtheseȱ textsȱareȱpsalmsȱofȱZion.ȱ

106ȱ

7.ȱJerusalemȱinȱtheȱViewȱofȱPsalmȱ76ȱ

commonȱprovenanceȱ–ȱasȱisȱcurrentȱinȱmodernȱresearchȱofȱtheȱpsalms3ȱ–ȱ theyȱ showȱ aȱ geographicalȱ horizonȱ whichȱ mayȱ beȱ calledȱ Ephraimitic.ȱȱ Iȱreferȱe.ȱg.ȱtoȱPsȱ80.4ȱIsraelȱisȱnamedȱ‘Joseph‘,ȱwhichȱisȱ“Ephraim,ȱBenȬ jamin,ȱManasse”ȱ(v.ȱ2ȱf.),ȱaȱ“vineȱfromȱEgypt”ȱplantedȱbetweenȱseaȱandȱ river.ȱ Psȱ 83ȱ withȱ itsȱ tableȱ ofȱ clansȱ whichȱ stemȱ mainlyȱ fromȱ eastern,ȱ southȬwesternȱ andȱ northȬwesternȱ regions,ȱ i.ȱe.ȱ Philistinesȱ andȱ Tyreȱ (v.ȱ 6ȱff.),ȱ nowhereȱ mentionsȱ ZionȬJerusalem.ȱ Whereȱ weȱ readȱ aboutȱ ‘Zion‘ȱ (50:2;ȱ76:3),ȱ‘HarȱZion‘ȱ(74:2;ȱ78:68ȱff.)ȱandȱJerusalemȱ(79:1.3),ȱweȱhaveȱtoȱ doȱmostȱlikelyȱwithȱsecondaryȱadditionȱandȱexplanationsȱthatȱareȱdueȱ toȱ theȱ receptionȱ andȱ relectureȱ asȱ ZionȬpsalms.ȱ Thisȱ mayȱ beȱ aȱ generalȱ featureȱforȱtheȱtextsȱofȱdestructionȱpsalmsȱ745ȱandȱ796,ȱbutȱitȱisȱcertainlyȱ notȱ validȱ forȱ Psȱ 76.ȱ Psȱ 76ȱ isȱ anȱ exceptionȱ forȱ althoughȱ thisȱ textȱ isȱ anȱ AsaphȬPsalmȱwithȱEphraimiteȱhorizon,ȱtheȱfocalȱpointȱisȱclearlyȱJudahȬ Jerusalem.ȱThereforeȱthisȱPsȱ76ȱisȱofȱspecialȱinterestȱforȱtheȱresearchȱonȱ theȱpsalmist’sȱviewȱofȱJerusalem.ȱHowever,ȱitȱisȱaȱtextȱwithȱmanyȱprobȬ lems.7ȱȱ Inȱ thisȱ studyȱ Iȱ likeȱ lookȱ intoȱ theȱ geographicalȱ perspectiveȱ ofȱ thisȱ textȱ firstȱ (2.),ȱ followedȱ byȱ theȱ viewȱ ofȱ Jerusalemȱ asȱ aȱ religiousȱ centerȱ (3.).ȱInȱconclusionȱIȱwillȱofferȱsomeȱconsiderationsȱconcerningȱtheȱnameȱ andȱplaceȱofȱ“Moriah”ȱ(4.).ȱ ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 3ȱ

4ȱ 5ȱ





Cf.ȱBuss,ȱop.ȱcit.;ȱK.ȬJ.ȱIllman,ȱThemaȱundȱTraditionȱinȱdenȱAsafȬPsalmen,ȱÅboȱ1976;ȱ B.ȱZ.ȱ Luria,ȱ \USDP\OKW\UP]P,ȱ Bethȱ Miqraȱ 73ȱ (1978),ȱ 151–61;ȱ P.ȱ Schelling,ȱ Deȱ Asafspsalmen.ȱHunȱSamenhangȱenȱAchtergrond,ȱKampenȱ1985;ȱH.ȱP.ȱNasuti,ȱTradiȬ tionȱHistoryȱandȱtheȱPsalmsȱofȱAsaph,ȱSBL.DSȱ88ȱ(1988).ȱ Cf.ȱW.ȱBeyerlin,ȱSchichtenȱimȱ80.ȱPsalm,ȱin:ȱDasȱWortȱundȱdieȱWörter,ȱFSȱG.ȱFriedȬ rich,ȱStuttgartȱ1973,ȱ9–24.ȱ Psȱ74ȱmostȱlikelyȱrefersȱtoȱtheȱdestructionȱ“ofȱtheȱholyȱplacesȱofȱEl”ȱinȱtheȱwholeȱlandȱ (v.ȱ 8)ȱ includingȱ theȱ templeȱ ofȱ Jerusalem.ȱ However,ȱ theȱ textȱ ofȱ v.ȱ 2ȱ concerningȱ theȱ Lord’sȱpropertyȱ(AWOMQ):“mountȱZionȱisȱit”ȱ(K]#Z\[UK)ȱisȱnotȱoriginal.ȱCf.ȱPsȱ73,2ȱinȱ theȱGreekȱtraditions.ȱ Psȱ 79ȱ deploresȱ theȱ destructionȱ ofȱ theȱ Lord’sȱ propertyȱ (AWOKQ)ȱ Jerusalemȱ andȱ surȬ roundingsȱ(v.ȱ3),ȱbutȱtheȱexplicitȱnamingȱofȱJerusalemȱ(OYZU\)ȱ(V.ȱ1b)ȱisȱprosaicȱandȱ late.ȱ Cf.ȱ theȱ commentariesȱ andȱ monographsȱ (n.ȱ 3)ȱ andȱ especiallyȱ W.ȱA.ȱ Beuken,ȱ God’sȱ PresenceȱinȱSalem:ȱAȱStudyȱofȱPsalmȱ76,ȱin:ȱLovenȱenȱGeloven,ȱFSȱN.ȱH.ȱRidderbos,ȱ Amsterdamȱ1975,ȱ135–150;ȱP.ȱBuis,ȱLeȱSeigneurȱlibèreȱlesȱhommes:ȱPsaumeȱ76,ȱETRelȱ 55ȱ (1980),ȱ 412–415.ȱ Weȱ doȱ notȱ discussȱ theȱ cruxȱ interpretumȱ inȱ v.ȱ 11ȱ here.ȱ Cf.ȱ J.ȱA.ȱ Emerson,ȱ Aȱ neglectedȱ solutionȱofȱaȱproblemȱinȱ Psalmȱlxxxviȱ11,ȱVTȱ24ȱ(1974),ȱ136– 146;ȱ K.ȱ Seybold,ȱ Dasȱ “Wir”ȱ inȱ denȱ AsaphȬPsalmen.ȱ Spezifischeȱ Problemeȱ einerȱ Psalmgruppe,ȱ in:ȱ Neueȱ Wegeȱ derȱ Psalmenforschung.ȱ Herdersȱ Biblischeȱ Studienȱ 1,ȱ Freiburgȱ1994,ȱn.38.ȱNoteȱ4QPse[1]ȱ(=ȱ4QPs87)ȱtoȱthisȱverse,ȱandȱcp.ȱn.ȱ23ȱfurtherȱon.ȱ

ȱ

2.ȱTheȱgeographyȱofȱPsalmȱ76ȱ

107ȱ

2.ȱTheȱgeographyȱofȱPsalmȱ76ȱ Theȱ pointȱ ofȱ viewȱ ofȱ Psȱ 76ȱ isȱ locatedȱ somewhereȱ outsideȱ Judahȱ andȱ Jerusalem.ȱTheȱauthorȱisȱlookingȱtowardsȱJerusalem.ȱTheȱcontextȱofȱtheȱ AsaphȬpsalmsȱ suggestȱ thatȱ itsȱ standingȱ isȱ northȱ ofȱ Jerusalem,ȱ maybeȱ Ephraim,ȱManasse,ȱBenjaminȱ(80:3),ȱofȱShilohȱ(78:60.67)ȱorȱstillȱanotherȱ placeȱinȱtheȱnorthernȱregionsȱ(83:6ȱff.).ȱTheȱexactȱlocationȱcannotȱbeȱdeȬ termined,ȱ butȱ oneȱ ofȱ theseȱ possibilitiesȱ isȱ veryȱ likely.ȱ Weȱ supposeȱ anȱ exilicȱdate,ȱafterȱ(722ȱor)ȱ586,ȱespeciallyȱwhenȱcomparingȱPsȱ76ȱwithȱtheȱ psalmsȱ78,ȱ80,ȱ74ȱandȱ79.ȱItȱseemsȱasȱifȱPsȱ76ȱdoesȱnotȱconsiderȱtheȱhighȱ claimsȱofȱtheȱpreexilicȱcapitalȱJerusalemȱandȱofȱtheȱsacredȱkingshipȱthatȱ belongedȱ toȱ theȱ Davidicȱ dynastyȱandȱ ofȱ theȱ Zionȱ tradition:ȱ “Heȱ choseȱ theȱtribeȱofȱJudahȱandȱMountȱZionȱwhichȱheȱloved”ȱisȱstatedȱinȱPsȱ78,ȱ butȱonlyȱinȱaȱsecondaryȱsupplement.8ȱ“InȱJudahȱGodȱisȱ(orȱwas)ȱknown,ȱ …ȱhisȱtentȱisȱ(orȱwas)ȱinȱSalem”ȱ(76:2ȱf.)ȱsoundsȱveryȱreservedȱindeed.ȱItȱ echoesȱaȱreductionȱinȱimportance.ȱIndeedȱJerusalemȱwasȱ“laidȱinȱruins”ȱ (79:1).ȱWeȱareȱinȱtheȱdaysȱofȱLamentations,ȱthatȱmeansȱinȱtheȱperiodȱofȱ exile.ȱ Muchȱ clearerȱ thanȱ theȱ psalmist’sȱ pointȱ ofȱ viewȱ isȱ thereforeȱ theȱ psalmist’sȱ pointȱ ofȱ destination.ȱ Theȱ psalmistȱ isȱ lookingȱ south.9ȱ Hisȱ perspectiveȱcentersȱatȱJerusalem.ȱItȱhasȱfrequentlyȱbeenȱnoticedȱthatȱtheȱ beginningȱ ofȱ thisȱ textȱ hasȱ aȱ localȱ accentuation:10ȱ fourȱ timesȱ theȱ letterȱ ‘bet‘ȱ(E)ȱisȱused:ȱ“inȱJudah,ȱinȱIsrael,ȱinȱSalem,ȱinȱZion”ȱ–,ȱthenȱ‘shamah‘ȱ (KPY)ȱ =ȱ “thither”ȱ (76:4),ȱ afterȱ whichȱ theȱ referenceȱ toȱ theȱ placeȱ ofȱ theȱ martialȱepiphanyȱfollows.ȱ InȱJudahȱisȱGodȱknown,ȱ InȱIsraelȱisȱHisȱnameȱgreat,ȱ AndȱShalemȱwasȱHisȱtent,ȱ AndȱHisȱdwellingplaceȱinȱZion.ȱ

Thisȱ placeȱ ofȱ epiphany:ȱ “itȱ wasȱ ‘wayehi‘ȱ (\K\Z)ȱ theȱ placeȱ ofȱ hisȱ tentȱ ‘sukko‘ȱ (ZNV)”,ȱ isȱ calledȱ ‘Shalem‘ȱ (OY).ȱ Thereȱ isȱ noȱ doubtȱ thatȱ thisȱ ‘Shalem‘ȱ isȱ notȱ theȱ nameȱofȱaȱShalemȱnearȱShechem,ȱ asȱ mightȱbeȱ supȬ posedȱ fromȱ Genȱ 33:18ȱ inȱ theȱ Greekȱ versionȱ 6DOKPȱ (ar.ȱ ‘Salim‘),ȱ butȱ aȱ shortȱ nameȱ ofȱ Jerusalemȱ (OYZU\)ȱ asȱ inȱ Genȱ 14:18.11ȱ Thisȱ hypocoristiȬ conȱpointsȱatȱtheȱplaceȱ‘Shalem‘ȱasȱaȱfoundationȱbyȱaȱdeityȱnamedȱOY,ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 8ȱ 9ȱ 10ȱ 11ȱ

WeȱsuggestȱthatȱPsȱ78:65–72ȱshouldȱbeȱconsideredȱanȱappendix.ȱ Asȱdoesȱtheȱauthorȱofȱtheȱ“BlessingȱofȱMoses”,ȱDeut.ȱ33:7.ȱ Cf.ȱBeuken,ȱop.ȱcit.ȱ137ȱff.ȱ Josephus,ȱ Antiquitiesȱ I,ȱ 10,2:ȱ WKQPHYQWRL6ROXPD X^VWHURQHMNDOHVDQ-,HURVRYOXPD;ȱ GeȬ nesisȱ Apocryphonȱ 22:ȱ D\KOY.ȱ Cf.ȱ L.ȱ Koehler,ȱ W.ȱ Baumgartner,ȱ Hebräischesȱ undȱ AramäischesȱLexikonȱ(HAL)ȱs.ȱv.ȱOYȱIIȱ1424ȱf.ȱ

108ȱ

7.ȱJerusalemȱinȱtheȱViewȱofȱPsalmȱ76ȱ

“theȱ mostȱ high”ȱ ofȱ theȱ priestȱ Melchizedekȱ whoȱ wasȱ saidȱ toȱ haveȱ welȬ comedȱ Abrahamȱ inȱ Shalem.ȱ Theȱ referenceȱ toȱ thisȱ shortȱ nameȱ inȱ Psȱ 76ȱ producesȱovertonesȱthatȱareȱloudȱenoughȱtoȱevokeȱtheȱnameȱofȱ‘Zion‘ȱinȱ theȱsameȱstichos.ȱTheȱpsalmistȱrecallsȱtheȱoldȱhistoryȱofȱthisȱtownȱbeforeȱ Davidȱ andȱ Solomonȱ andȱ evenȱ beforeȱ theȱ revelationȱ atȱ Sinai.ȱ Butȱ forȱ whatȱreasonȱheȱrecallsȱthisȱperiodȱofȱdaysȱgoneȱby?ȱ Weȱmayȱdetectȱtheȱaimȱofȱthisȱtextȱinȱv.ȱ12,ȱwhereȱtheȱpsalmistȱexȬ hortsȱtheȱpeopleȱtoȱvowȱandȱtoȱpayȱuntoȱtheȱLord.ȱOriginallyȱthisȱverseȱ 12ȱmayȱhaveȱfollowedȱdirectlyȱuponȱv.ȱ4.ȱTheȱoldȱhymnicȱprayerȱaboutȱ theȱtheophanicȱwarȱofȱtheȱdeityȱwasȱplacedȱinȱtheȱmiddleȱofȱtheȱpsalmȱ (v.ȱ 5–11ȱ andȱ 13).12ȱ Inȱ paraeneticȱ wordsȱ theȱ addresseesȱ ofȱ theȱ textȱ areȱ remindedȱ toȱ goȱ toȱ Shalemȱ andȱ “bringȱ theirȱ tribute”ȱ (\YZO\EZ\).13ȱ Theȱ psalmȱisȱaȱToraȬorientatedȱanswerȱtoȱtheȱunexpressedȱquestionȱwhetherȱ itȱisȱallowedȱtoȱfulfillȱvowsȱandȱgoȱtoȱJerualemȱforȱthoseȱwhoȱdwellȱnearȱ orȱwereȱaccustomedȱtoȱdoȱsoȱinȱformerȱtimes.ȱTheȱproblemȱofȱtheȱpsalmȱ isȱ anȱ exilicȱ one:ȱ Isȱ Jerusalemȱ stillȱ theȱ religiousȱ center,ȱ andȱ ifȱ so:ȱ forȱ whom?ȱ

3.ȱJerusalemȱasȱaȱreligiousȱcenterȱȱ TheȱcentralȱpoliticalȱandȱeconomicȱfunctionȱofȱJerusalemȱinȱtheȱtimeȱofȱ theȱ lastȱ Judeanȱ kingsȱ andȱ theȱ lossȱ ofȱ itsȱ statusȱ inȱ theȱ timeȱ ofȱ theȱ exileȱ belongsȱ toȱ theȱ fieldȱ ofȱ history.ȱ Hereȱ weȱ wantȱ toȱ discussȱ theȱ specificȱ problemȱofȱJerusalemȱasȱaȱreligiousȱcenter.14ȱ TheȱprogramȱofȱtheȱDeuteronomicȱreformȱwrittenȱdownȱinȱchapterȱ 12–1915ȱ inȱ theȱ bookȱ ofȱ Dtȱ providedȱ thatȱ onlyȱ oneȱ centralȱ andȱ officialȱ sanctuaryȱ shouldȱ exist.ȱ Inȱ theȱ daysȱ ofȱ Josiahȱ thereȱ wasȱ noȱ doubtȱ thatȱ Jerusalemȱshouldȱbecomeȱthisȱcenter,ȱtoȱwhichȱeveryoneȱinȱ‚Israel‘ȱwasȱ obligedȱtoȱgoȱtoȱdoȱhisȱduty.ȱWeȱreadȱinȱ12:6:ȱȱ ThereȱyouȱshallȱcomeȱandȱbringȱyourȱwholeȬofferingsȱ(N\WO>)ȱandȱ sacrificesȱ (N\ME]),ȱ yourȱ tithesȱ andȱ contributions,ȱ yourȱ vowsȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 12ȱ Weȱ willȱ demonstrateȱ elsewhereȱ thatȱ Psȱ 76ȱ consistsȱ ofȱ aȱ hymnicȱ prayerȱ inȱ twoȱ strophes,ȱthreeȱstichoiȱeachȱ(I:ȱ5–7;ȱII:ȱ8.11.13)ȱwithȱaȱpsalmicȬparaeneticȱinclusionȱ(2– 4.12)ȱandȱredactionalȱinsertionsȱ(1.9.10)ȱandȱtranspositionsȱ(13ȱfromȱ11).ȱ 13ȱ Cp.ȱnoteȱ27.ȱ 14ȱ SeeȱtheȱnoteworthyȱstudyȱofȱS.ȱAmsler,ȱJérusalem,ȱlaȱloiȱetȱlesȱprophètes,ȱin:ȱLeȱderȬ nierȱetȱl’avantȬdernier.ȱEtudesȱsurȱl’AncienȱTestament,ȱGenèveȱ1993,ȱ101–108.ȱ 15ȱ Cf.ȱ12;ȱ14:19–23;ȱ16;ȱ17:8–13;ȱ18:1–8;ȱ19:1–13ȱ(26:12–15).ȱTheseȱtextsȱareȱexplanationsȱ andȱ regulationsȱ ofȱ theȱ soȬcalledȱ principleȱ ofȱ culticȱ centralization.ȱ Presumablyȱ thisȱ statuteȱstandsȱinȱconnectionȱwithȱtheȱreunionȱofȱsouthȱandȱnorthȱafterȱtheȱretreatȱofȱ theȱAssyriansȱoutȱofȱtheirȱprovinces.ȱ

ȱ

109ȱ

3.ȱJerusalemȱasȱaȱreligiousȱcenterȱ

(N\UGQ)ȱandȱfreewillȱofferings,ȱandȱtheȱfirstȬbornȱofȱyourȱherdsȱandȱ flocks.ȱ

Weȱ doȱ notȱ knowȱ whetherȱ theseȱ statutes16ȱ wereȱ everȱ acceptedȱ andȱ obȬ servedȱ –ȱ letȱ usȱ say,ȱ forȱ example,ȱ afterȱ theȱ destructionȱ ofȱ Bethelȱ asȱ aȱ sanctuaryȱbyȱJosiahȱ(2ȱKingsȱ23:15ȱff.)ȱ–ȱinȱtheȱwholeȱland.ȱȱ InȱtheȱtimeȱofȱJeremiahȱtheȱtempleȱofȱJerusalemȱwasȱaȱculticȱcenter.ȱ StandȱinȱtheȱcourtȱofȱtheȱLord’sȱhouseȱandȱspeakȱtoȱtheȱinhabitantsȱofȱ allȱcitiesȱofȱJudahȱwhoȱcomeȱtoȱworshipȱthereȱ(Jerȱ26:2).ȱ TheȱTempleȱofȱtheȱLord,ȱtheȱTempleȱofȱtheȱLordȱisȱhereȱ(Jerȱ7:3).ȱ

Thisȱwasȱsaidȱbeforeȱtheȱexile.ȱ“InȱJudahȱGodȱ(KZK\)ȱwasȱknownȱ…,ȱ inȱ Zionȱ wasȱ Hisȱ dwelling”,ȱ accordingȱ toȱ Psȱ 76.ȱ Theȱ psalmistȱ grapplesȱ withȱtheȱquestion:ȱandȱnow,ȱafterȱtheȱcatastropheȱofȱtheȱdestructionȱofȱ theȱ templeȱ andȱ theȱ exile,ȱ canȱ weȱ stillȱ regardȱ Zionȱ Hisȱ dwellingplace?ȱ Theȱpsalmistȱanswersȱinȱtheȱaffirmative,ȱandȱheȱhasȱtwoȱargumentsȱforȱ that:ȱ First:ȱIfȱGod’sȱtentȱwasȱthereȱinȱtheȱpast,ȱthatȱplaceȱremainsȱaȱholyȱ place,ȱevenȱifȱtheȱtentȱhasȱbeenȱtornȱdown.ȱApparentlyȱheȱconfirmsȱtheȱ principleȱofȱsacralȱcontinuity.ȱShalemȱremainsȱJerusalem,ȱtheȱmountȱofȱ theȱ Lord’sȱ tentȱ remainsȱ mountȱ Zion,ȱ theȱ placeȱ ofȱ theȱ temple,ȱ evenȱ inȱ ruins.ȱ Second:ȱ Godȱ wasȱ there,ȱ DUZQU\GDUZDQ:ȱ “mighty,ȱ majestic,ȱ terriȬ ble”,ȱasȱtheȱoldȱhymnȱtestifiesȱ(v.ȱ5ȱff.)ȱ–ȱevenȱinȱtheȱsadȱdaysȱwhenȱtheȱ weaponsȱ ofȱ Jerusalemȱ wereȱ brokenȱ byȱ Godȱ himself,ȱ asȱ Jeremiahȱ saysȱ (21:4ȱff.,ȱcf.ȱLamȱ2:1ȱff.).ȱHenceȱthisȱplaceȱisȱtheȱstageȱofȱHisȱmajesticȱandȱ sovereignȱ deeds.ȱ Inȱ thisȱ respectȱ theȱ psalmistȱ hasȱ learntȱ fromȱ theȱ proȬ phet.ȱ TheȱyoungȱJeremiahȱsawȱinȱaȱvisionȱtheȱpeopleȱfromȱtheȱnorthȱturningȱ toȱZion.ȱ ForȱaȱdayȱwillȱcomeȱwhenȱtheȱwatchmenȱonȱEphraim’sȱhillsȱcryȱout:ȱ ComeȱletȱusȱgoȱupȱtoȱZion,ȱtoȱtheȱLord,ȱourȱGodȱ(31:6).17ȱ

TheȱoldȱJeremiahȱsawȱtheȱfulfillmentȱofȱhisȱdreamȱinȱtheȱexileȱofȱMizȬ pah.ȱ Theȱ secondȱ dayȱ afterȱ theȱ murderȱ ofȱ Gedaliah,ȱ whileȱ itȱ wasȱ notȱ yetȱ known,ȱ thereȱ cameȱ eightyȱ menȱ fromȱ Shechem,ȱ Shilohȱ andȱ Samaria.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 16ȱ Seeȱ e.ȱg.ȱ G.ȱ vonȱ Rad,ȱ Dasȱ fünfteȱ Buchȱ Mose.ȱ Deuteronomium.ȱ Dasȱ Alteȱ Testamentȱ Deutschȱ(ATD)ȱ8ȱ(1964)ȱ11ȱff.;ȱ62ȱff.;ȱR.ȱAlbertz,ȱReligionsgeschichteȱIsraelsȱI,ȱATDȱEȱ 8/1,ȱGöttingenȱ1992,ȱ304ȱff.,ȱesp.ȱ322ȱff.ȱ 17ȱ S.ȱN.ȱ Lohfink,ȱ Derȱ jungeȱ Jeremiaȱ alsȱ Propagandistȱ undȱ Poet:ȱ Zumȱ Grundstockȱ vonȱ Jer.ȱ 30–31,ȱ BEThLȱ 54ȱ (1981),ȱ 351–368;ȱ K.ȱ Seybold,ȱ Derȱ Prophetȱ Jeremia,ȱ Lebenȱ undȱ Werk,ȱStuttgartȱ1993.ȱAȱdateȱbeforeȱ609ȱisȱlikely.ȱJeremiahȱisȱoccupiedȱwithȱtheȱprobȬ lemȱofȱtheȱreunionȱofȱtheȱregionsȱofȱtheȱAssyrianȱprovincesȱnorthȱofȱJudah.ȱ

110ȱ

7.ȱJerusalemȱinȱtheȱViewȱofȱPsalmȱ76ȱ

Theyȱhadȱshavenȱoffȱtheirȱbeards,ȱtheirȱclothesȱwereȱrentȱandȱtheirȱboȬ diesȱwereȱgashed,ȱandȱtheyȱwereȱcarryingȱgrainȬofferingsȱandȱfrankinȬ censeȱ toȱ bringȱ themȱ toȱ theȱ houseȱ ofȱ theȱ Lordȱ (KZK\W\ED\EKO)ȱ (41:4ȱf.).ȱ

Heȱ doesȱ notȱ knowȱ muchȱ aboutȱ theȱ backgroundȱ ofȱ thisȱ pilgrimageȱ ofȱ mourning,ȱneitherȱaboutȱtheȱhistoricityȱofȱtheȱaccountȱnorȱofȱtheȱkerygȬ maticȱaimsȱofȱtheȱnarrator.18ȱButȱitȱsoundsȱasȱifȱPsȱ76:12ȱwasȱtheȱmotiveȬ kernelȱofȱthisȱstory.ȱ“MakeȱvowsȱtoȱtheȱLord,ȱyourȱGod,ȱandȱpayȱthemȱ duly;ȱ letȱ theȱ peopleȱ allȱ aroundȱ himȱ bringȱ theirȱ tribute”.19ȱ Theȱ “peopleȱ allȱ aroundȱ him”ȱ (Z\E\EV)ȱ mayȱ recallȱ theȱ specialȱ topographicalȱ termȱ OYZU\WZE\EVPorȱ \EVPȱ “Surroundingȱ ofȱ Jerusalem”,ȱ whichȱ occursȱ severalȱtimesȱinȱtheȱbookȱofȱJeremiahȱnextȱtoȱtheȱexpressionȱ“townsȱofȱ Judahȱ andȱ landȱ ofȱ Benjamin”ȱ (Jerȱ 17:26;ȱ 32:44;ȱ 33:13;ȱ cf.ȱ 2ȱ Kingsȱ 23:5)ȱ andȱmayȱreferȱtoȱtheȱsurroundingsȱofȱtheȱcity.20ȱTheȱpilgrimsȱhoweverȱ cameȱfromȱShiloh,ȱShechemȱandȱSamaria.ȱItȱseemsȱthatȱtheȱclaimsȱofȱtheȱ Deuteronomicȱprogramȱofȱaȱcentralizedȱculticȱplaceȱwereȱonlyȱpartiallyȱ accepted.ȱ Aȱ conceptȱ ofȱ neighborshipȱ andȱ regionalȱ culticȱ centersȱ wasȱ forcedȱbyȱtheȱexilicȱsituation.ȱ Itȱwasȱaȱtimeȱofȱuncertainty,ȱalsoȱconcerningȱtheȱreligiousȱroleȱofȱtheȱ placeȱofȱtheȱtempleȱandȱitsȱ‘tel‘ȱ–ȱtheȱ“highȱmountain”ȱofȱZechȱ4:7.ȱAtȱ lastȱinȱtheȱbeginningsȱofȱtheȱSecondȱTempleȱrestrictionsȱforȱtheȱneighȬ borsȱ ofȱ theȱ northȱ wereȱ introduced,ȱ asȱ mayȱ beȱ gatheredȱ fromȱ Hagȱ 2,ȱ Ezraȱ4ȱetc.ȱButȱinȱmyȱviewȱPsȱ76ȱexpressedȱaȱdifferentȱposition.ȱItsȱspeȬ cialȱoutlookȱmayȱbecomeȱclearȱifȱourȱproposalȱtoȱreadȱtheȱwordȱMoriahȱ inȱtheȱpsalmȱisȱcorrect.ȱ

4.ȱTheȱnameȱofȱ‘Moriah‘ȱinȱPsalmȱ76ȱ K\UZPKUK21ȱ isȱ accordingȱ toȱ 2ȱ Chrȱ 3:1ȱ theȱ mountainȱ whereȱ SoloȬ monȱ beganȱ toȱ buildȱ theȱ houseȱ ofȱ theȱ Lordȱ (KZK\W\E)ȱ inȱ Jerusalem.ȱ ThereȱheȱbroughtȱupȱtheȱArkȱofȱtheȱCovenantȱfromȱtheȱ“cityȱofȱDavid”ȱ (G\ZGU\>),ȱ “whichȱ isȱ calledȱ Zion”ȱ (#Z\[D\K),ȱ accordingȱ toȱ 2ȱ Chrȱ 5:2ȱ (identicalȱ withȱ 1ȱ Kingsȱ 8:2).ȱ Theȱ placeȱ ofȱ theȱ templeȱ isȱ calledȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 18ȱ Cf.ȱR.ȱP.ȱCarroll,ȱJeremiah,ȱOldȱTestamentȱLibraryȱ3ȱ(1986),ȱ708ȱff.ȱ 19ȱ Theȱissueȱcentersȱhereȱuponȱaspectsȱofȱprivateȱreligionȱlikeȱvowsȱ(andȱmourningȱ–ȱitȱ mayȱ beȱ mourningȱ concerningȱ cityȱ andȱ temple,ȱ Jerȱ 41),ȱ cf.ȱ A.ȱ Schenker,ȱ Gelübdeȱ imȱ AltenȱTestament:ȱunbeachteteȱAspekte,ȱVTȱ39ȱ(1989),ȱ87–91.ȱ 20ȱ Cf.ȱ alsoȱ Psȱ 79:3.ȱ Cf.ȱ M.ȱ Noth,ȱ Jerusalemȱ undȱ dieȱ israelitischeȱ Tradition,ȱ Oldȱ TestaȬ mentȱ Studiesȱ 8ȱ (1950),ȱ 28–46.37ȱ n.ȱ 11ȱ (=ȱ Theologischeȱ Büchereiȱ 6ȱ [1957/60]ȱ 172– 187.180ȱn.ȱ11).ȱ 21ȱ Cf.ȱHALȱ600.ȱ

ȱ

4.ȱTheȱnameȱofȱ‘Moriah‘ȱinȱPsalmȱ76ȱ

111ȱ

K\UZPKUK:ȱTheȱlaterȱtraditionȱafterȱChroniclesȱwhichȱmayȱbeȱdatedȱinȱ theȱ4–3thȱcenturiesȱBCEȱisȱdependentȱuponȱthisȱidentification.22ȱ ConcerningȱtheȱonlyȱmoreȱancientȱtextȱinȱwhichȱtheȱnameȱofȱMoriahȱ isȱattestedȱ–ȱGenȱ22ȱ–ȱthereȱareȱsomeȱproblemsȱofȱinterpretation.ȱAbraȬ hamȱhasȱtoȱgoȱtoȱaȱlandȱ(UD)ȱcalledȱ K\UPKȱtoȱsacrifyȱhisȱsonȱ“onȱoneȱ ofȱ theȱ hills”ȱ (\UKKGMDO>),ȱ supposedlyȱ inȱ thisȱ land.ȱ Theȱ textualȱ evidenceȱ showsȱ thatȱ theȱ Samaritanusȱ readsȱ KDUZPKȱ (withȱ Dȱ forȱ \);ȱ Symmachusȱ KDUPKȱ(WK RMSWDVLYD);ȱPeshittaȱ \UPDK.23ȱTheȱtextȱofȱGenȱ 22ȱpresentsȱanȱetiologicalȱstory,ȱprobablyȱwithȱtheȱintentionȱtoȱexplainȱ theȱ nameȱ ofȱ KD\UPȱ (withȱ \ȱ andȱ D)ȱ fromȱ theȱ verbalȱ rootȱ KDUȱ (r’h)ȱ orȱ perhapsȱ alsoȱ fromȱ DU\ȱ (yr’)ȱ “Abrahamȱ calledȱ theȱ nameȱ ofȱ thisȱ placeȱ KDU\KZK\ȱ ‘theȱ Lordȱ willȱ see‘ȱ (‘andȱ provide‘),ȱ forȱ upȱ toȱ thisȱ dayȱ oneȱ says:ȱonȱtheȱmountain,ȱtheȱLordȱisȱseen”ȱ(KDU\KZK\UKE),ȱwhichȱcanȱ beȱ readȱ alsoȱ as:ȱ “Heȱ willȱ see”ȱ (KDU\).ȱ Itȱ isȱ notȱ knownȱ whetherȱ thisȱ nameȱ andȱ placeȱ isȱ identicalȱ withȱ theȱ nameȱ andȱ placeȱ ofȱ theȱ templeȱ mount,ȱbutȱitȱisȱnotȱimpossible.24ȱ UnfortunatelyȱtheȱgraffitoȱinscriptionȱfromȱChirbetȱBetȬLejjȱreadȱbyȱ JosephȱNavehȱinȱ196325:ȱKZK\K\KZQȱ[WQQ]KKWDK\U[Z]PK:ȱ“Moriahȱyouȱ haveȱfavored,ȱtheȱdwellingȱofȱtheȱLordȱ(K\)”,ȱisȱveryȱuncertainȱandȱnowȱ evenȱ abandoned26.ȱ Theȱ missingȱ linkȱ hasȱ notȱ yetȱ beenȱ foundȱ then.ȱ Butȱ howȱaboutȱourȱPsȱ76?ȱ Weȱreadȱinȱv.ȱ12ȱaȱwordȱwhichȱseemsȱratherȱdifficultȱtoȱunderstand:ȱ DUZPOȱ(lmwr’).ȱGenerallyȱitȱisȱinterpretedȱasȱreferringȱtoȱGod,ȱ“whoȱisȱ toȱ beȱ feared”.ȱ Theȱ Septuagintȱ readsȱ WZ  IREHUZ ȱ (DUZQO),ȱ likeȱ v.ȱ 5.8.13;ȱ Symmachusȱ WZ QRPRGRYWKȱ (DUZPO).ȱ Apparentlyȱ theȱ Hebrewȱ originalȱ causedȱ problemsȱ ofȱ interpretation.ȱ Butȱ itȱ isȱ obviousȱ toȱ translateȱ “toȱ Morah”,ȱthatȱis:ȱtoȱtheȱmountainȱorȱlandȱnamedȱ“Morah”ȱ=ȱ“Morijah”.ȱ Fourȱ argumentsȱ seemȱ toȱ confirmȱ ourȱ hypothesisȱ thatȱ mayȱ haveȱ farȱ reachingȱconsequencesȱforȱtheȱpsalm’sȱlinkȱwithȱtheȱstoryȱinȱGenesisȱ22:ȱ 1.ȱ K/DUZPKȱisȱtheȱnorthernȱpronunciationȱofȱtheȱnameȱ–ȱasȱtheȱSamaȬ ritanusȱonȱGenȱ22ȱmakesȱclear.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 22ȱ Josephus,ȱAntiquitiesȱI,ȱ224;ȱVII,ȱ333;ȱJubileesȱ18,13;ȱBereshitȱRabbaȱ55.ȱ 23ȱ SeeȱBHS.ȱItȱisȱaȱpityȱthatȱ4QgenExȱ(frag.ȱ1ȱ[=ȱ4Q1]ȱofȱGenȱ22:12ȱdoesȱnotȱgiveȱfurtherȱ evidenceȱ thanȱ ]D\UCDKDU\\[K]O[D.ȱ Cf.ȱ J.ȱR.ȱ Davila,ȱ Theȱ Nameȱ ofȱ Godȱ atȱ Moriah,ȱ JBLȱ110ȱ(1991),ȱ577–582.ȱ 24ȱ H.ȱGunkelȱthoughtȱofȱaȱnowȱunknownȱplaceȱnamedȱ“Jeruel”;ȱforȱGenȱ22,ȱseeȱG.ȱvonȱ Rad’sȱandȱW.ȱZimmerli’sȱcommentariesȱandȱH.ȱGrafȱReventlow,ȱOpfereȱdeinenȱSohn.ȱ EineȱAuslegungȱvonȱGenesisȱ22,ȱBiblischeȱStudienȱ53ȱ(1968),ȱa.ȱo.ȱȱ 25ȱ IsraelȱExplorationȱJournalȱ23ȱ(1963),ȱ74–92.ȱ 26ȱ A.ȱ Lemaire,ȱ Prièresȱ enȱ tempsȱ deȱ crise:ȱ Lesȱ inscriptionsȱ deȱ Khirbetȱ Betȱ Lei,ȱ RBȱ 83ȱ (1976),ȱ 558–568ȱ (bibliography);ȱ D.ȱ Conrad,ȱ Texteȱ ausȱ derȱ Umweltȱ desȱ Altenȱ TestaȬ mentsȱ(TUAT),ȱed.ȱbyȱO.ȱKaiser,ȱII/4;ȱGüterslohȱ1988,ȱ559ȱff.ȱ

112ȱ

7.ȱJerusalemȱinȱtheȱViewȱofȱPsalmȱ76ȱ

2.ȱ DUZPKȱ isȱ anȱ archaicȱ nameȱ ofȱ theȱ mountainȱ ofȱ theȱ temple,ȱ compaȬ rableȱwithȱtheȱarchaicȱnamesȱofȱOYȱandȱ#Z\[.ȱAllȱtheseȱnamesȱreferȱ toȱtheȱsameȱplace.ȱInȱPsȱ76:3ȱtheseȱnamesȱareȱprefixedȱcomparableȱ toȱtheȱwayȱ‘Mora‘ȱisȱprefixedȱinȱv.ȱ12.ȱOneȱmayȱconsiderȱv.ȱ12ȱasȱanȱ echoȱofȱv.ȱ2–3:ȱGodȱhasȱHisȱholyȱplaceȱinȱJudah,ȱinȱIsrael,ȱinȱShalemȱ andȱinȱZion:ȱtherefore,ȱ“bringȱyourȱofferingsȱtoȱMora”;ȱcf.ȱ2ȱChrȱ3:1ȱ andȱ5:2.ȱ 3.ȱ Theȱ placeȱ isȱ theȱ oldȱ residenceȱ ofȱ theȱ Lord,ȱ whoȱ isȱ comingȱ asȱ kingȱ andȱjudge,ȱasȱweȱknowȱfromȱtheȱZionȬtraditionȱandȱfromȱtheȱhymnȱ presentedȱinȱv.ȱ5ȱff.ȱThereforeȱ“tribute”ȱ(\Y)27,ȱthatȱis:ȱofferingsȱandȱ payments,ȱ mustȱ beȱ broughtȱ toȱ Himȱ beforeȱ Hisȱ “tent”ȱ andȱ “dwelȬ ling”ȱinȱShalemȱandȱZion,ȱtheȱUZDQȱ(=ȱU\GD)ȱ“lightedȱup”ȱ(v.ȱ5)ȱandȱ DUZQȱ“awful”ȱ(v.ȱ8).ȱ 4.ȱ Psȱ76ȱisȱexilicȱinȱdateȱandȱrevisionȱstillȱlaterȱ(cp.ȱ9ȱf.).ȱ Itȱ mightȱ beȱ thenȱ thatȱ weȱ haveȱ inȱ thisȱ psalmȱ theȱ missingȱ linkȱ betweenȱ theȱ Akedahȱ inȱ Genȱ 22ȱ (EȬtradition)ȱ andȱ theȱ identificationȱ ofȱ Moriahȱ withȱtheȱTempleȱ(JerusalemȬtradition).ȱPersonallyȱIȱdoȱnotȱseeȱanyȱobȬ stacleȱtoȱacceptȱthisȱexplanation.ȱ Psȱ76ȱwouldȱcontainȱaȱfullȬfledgedȱtheologyȱofȱtheȱholyȱplaceȱofȱJeȬ rusalem,ȱ whichȱ connectsȱ theȱ Templeȱ ofȱ Jerusalemȱ withȱ theȱ Akedah.ȱ Abraham’sȱ steadfastȱ loyaltyȱ toȱ Godȱ isȱ theȱ modelȱ forȱ theȱ bringingȱ ofȱ sacrificeȱ uponȱ theȱ Lord’sȱ mountain.ȱ Inȱ spiteȱ ofȱ theȱ ruinsȱ andȱ theȱ exileȱ theȱpsalmistȱisȱableȱtoȱperceiveȱGod’sȱlastingȱgloryȱuponȱtheȱmountainȱ ofȱ Zionȱ andȱ depictsȱ theȱ futureȱ ofȱ theȱ peopleȱ bringingȱ sacrificesȱ toȱ theȱ Lord.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 27ȱ \Yȱisȱmostȱlikelyȱanȱaramaicȱorȱugariticȱloanwordȱ(cf.ȱHALȱ1368)ȱandȱanȱelementȱofȱ theȱtheologyȱofȱtheȱkingshipȱofȱGodȱonȱmountȱZion,ȱasȱbecomesȱclearȱinȱPsȱ68:30;ȱIsȱ 18:7ȱ(withȱOE\).ȱ

ȱ

8.ȱPsalmȱ85ȱalsȱsprachlichesȱKunstwerkȱ ȱ ȱ „EinerȱderȱschönstenȱPsalmen“ȱ–ȱschreibtȱBernhardȱDuhmȱüberȱPsalmȱ 85ȱ inȱ seinemȱ Psalmenkommentarȱ vonȱ 18991,ȱ undȱ manȱ wirdȱ demȱ gernȱ zustimmen.ȱDochȱmöchteȱmanȱauchȱwissen,ȱworanȱesȱdennȱliegt,ȱdassȱ manȱ diesenȱ Textȱ alsȱ soȱ „schön“ȱ empfindet.ȱ Dasȱ gehtȱ nichtȱ ohneȱ eineȱ eingehendeȱ poetologischeȱ Untersuchung.ȱ Einigeȱ Überlegungenȱ dazuȱ sollenȱErnstȱJenni,ȱdemȱMeisterȱderȱpräzisenȱsprachlichenȱAnalyseȱheȬ bräischerȱ Texte,ȱ demȱ langjährigenȱ Kollegenȱ undȱ liebenȱ Freundȱ zuȱ seiȬ nemȱ80.ȱGeburtstagȱgewidmetȱsein.ȱȱ

I.ȱ Wirȱ beginnenȱ mitȱ einemȱ Blickȱ aufȱ seineȱ textlicheȱ Gestalt.ȱ GlücklicherȬ weiseȱistȱaufȱderȱMasadaȱdasȱFragmentȱeinerȱPsalmenhandschriftȱzutaȬ geȱgekommen,ȱdasȱmitȱPsȱ82–85ȱauchȱeinenȱTeilȱvonȱPsȱ85ȱenthält.ȱDieȱ Handschriftȱ (MasPsa),ȱ dieȱ wohlȱ ausȱ derȱ erstenȱ Hälfteȱ desȱ 1.ȱ nachȬ christlichenȱ Jahrhundertsȱ stammt,ȱ zeigtȱ mitȱ ihrerȱ stichischenȱ SchreiȬ bungȱ an,ȱ dassȱ manȱ zumindestȱ inȱ ihrerȱ Umgebungȱ durchausȱ Sinnȱ fürȱ dieȱ Parallelstrukturȱ derȱ Verszeilenȱ hatte.ȱ Dieȱ inȱ derȱ Mitteȱ gespaltenenȱ ZeilenȱwurdenȱkonsequentȱundȱmitȱdeutlichenȱZwischenräumenȱbetontȱ zurȱ Darstellungȱ gebracht.ȱ Vonȱ Psȱ 85ȱ istȱ nurȱ einȱ kleinerȱ Teilȱ erhaltenȱ (Abb.ȱ)2.ȱDochȱerkenntȱmanȱanȱdenȱvollständigerȱerhaltenenȱPsalmenȱimȱ Kontext,ȱwelcheȱVorstellungenȱvonȱderȱTextstrukturȱdieȱSchreiberȱdieȬ serȱ Rolleȱ hatten.ȱ Dieȱ inȱ einigemȱ Abstandȱ folgendenȱ BenȬAscherȬ HandschriftenȱdesȱCodexȱAleppoȱ(CA)ȱundȱCodexȱLeningradensisȱ(CL)ȱ schreibenȱ zwarȱ nichtȱ stichisch,ȱ achtenȱ aberȱ trotzȱ desȱ Primatsȱ derȱ KoȬ lumnenschreibungȱ ebenfallsȱ darauf,ȱ dieȱ Versmitteȱ durchȱ Intervalleȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ



B.ȱDuhm,ȱDieȱPsalmen.ȱKurzerȱHandȬCommentarȱXIV,ȱFreiburgȱi.ȱBr.ȱu.ȱa.ȱ1899,ȱ217.ȱ Inȱdieȱ2.ȱAuflageȱvonȱ1922ȱfügtȱerȱhinzu:ȱ„schönȱnachȱInhaltȱundȱpoetischerȱAusfühȬ rung“,ȱ327.ȱ Dieȱ Abbildungȱ nachȱ B.ȱD.ȱ Kelleher/J.ȱP.ȱ O’Neillȱ u.ȱa.ȱ (Eds.),ȱ Treasuresȱ ofȱ theȱ Holyȱ Land,ȱAncientȱArtȱfromȱtheȱIsraelȱMuseum,ȱTheȱMetropolitanȱMuseumȱofȱArt,ȱNewȱ Yorkȱ 1986,ȱ 275–276ȱ (Abb.ȱ150);ȱ E.ȱ Sternȱ (Ed.),ȱ Theȱ Newȱ Encyclopediaȱ ofȱ ArchaeloȬ gicalȱExcavationsȱinȱtheȱHolyȱLand,ȱVol.ȱ3,ȱNewȱYorkȱu.ȱa.ȱ1993ȱ(Masada,ȱAbb.ȱ982).ȱ

114ȱ

8.ȱPsalmȱ85ȱalsȱsprachlichesȱKunstwerkȱ

deutlichȱzuȱmachen,ȱderȱCodexȱAleppoȱnochȱkonsequenterȱalsȱderȱCoȬ dexȱLeningradensis.ȱDieȱSchreiberȱhattenȱSinnȱfürȱgraphischeȱStruktuȬ renȱundȱversuchten,ȱdieseȱinȱRahmenȱihrerȱMöglichkeitenȱzuȱverwirkliȬ chen.3ȱ Offenbarȱ orientiertenȱ sieȱ sichȱ anȱ architektonischenȱ Formenȱ undȱ Musternȱwieȱz.ȱB.ȱzweierȱengstehenderȱSäulenȱ(soȱMasPsa)4ȱoderȱeinemȱ KolumnenȬTurmȱ mitȱ RandȬȱ undȱ Eckausrichtung,ȱ undȱ freiemȱ MauerȬ werkȱimȱInnernȱ(soȱCAȱundȱCL).ȱȱ Dieȱ Manuskripteȱ zeigenȱ aberȱ auch,ȱ dassȱ manȱ offenbarȱ aufȱ eineȱ strophischeȱ Gliederungȱ undȱ akrostichischeȱ Erscheinungenȱ amȱ Anfangȱ derȱ Zeilenȱ jedenfallsȱ beiȱ diesenȱ Textenȱ nichtȱ geachtetȱ hat.5ȱ Soȱ istȱ nachȱ derȱ viertenȱ Zeile,ȱ woȱ ausȱmancherleiȱ Gründenȱ einȱ neuerȱ Abschnittȱ zuȱ beginnenȱscheint,ȱinȱdemȱFragmentȱvonȱPsȱ85ȱkeinȱAbsatzȱzuȱerkennen.ȱ Derȱ Kolumnenumbruchȱ dominiert.ȱ Fürȱ eineȱ Strophengliederungȱ müsȬ senȱdarumȱandereȱKriterienȱgelten.ȱEinȱKolonȱbestehtȱdemnachȱausȱ+/ƺȱ 14ȱZeichenȱ(mitȱLeerstellen).ȱ

Abb.ȱ1:ȱMasPsaȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 3ȱ

4ȱ 5ȱ

Zurȱ stichischenȱ Schreibungȱ vonȱ Psalmenȱ inȱ denȱ Qumranhandschriftenȱ vgl.ȱ E.ȱ Tov,ȱ SpecialȱLayoutȱofȱPoeticalȱUnitsȱinȱtheȱTextsȱfromȱtheȱJudeanȱDesert,ȱin:ȱGiveȱearȱtoȱ myȱwords,ȱPsalmsȱandȱotherȱPoetryȱinȱandȱaroundȱtheȱHebrewȱBible,ȱEssaysȱinȱhoȬ nourȱofȱProfessorȱN.ȱA.ȱvanȱUchelen,ȱed.ȱbyȱJ.ȱDyk,ȱAmsterdamȱ1999,ȱ115–128.ȱ Dieȱ Abständeȱ zwischenȱ denȱ nebeneinanderȱ geschriebenenȱ Psalmtextenȱ sindȱ nurȱ wenigȱgrößerȱalsȱdieȱzwischenȱdenȱHalbversen.ȱȱ Andersȱistȱdasȱz.ȱB.ȱbeiȱPsȱ119,ȱvgl.ȱTov,ȱSpecialȱLayout.ȱ

ȱ

I.ȱ

115ȱ

Abb.ȱ2:ȱPsȱ85ȱnachȱdemȱAleppoȱCodexȱ

ȱ DenȱBlickȱanȱMasPsaȱgeschärftȱundȱMaßȱgenommenȱkannȱmanȱsichȱnunȱ demȱüberliefertenȱmasoretischenȱTextȱzuwenden.6ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 6ȱ

MasPsaȱ85ȱstimmtȱmitȱdemȱMTȱvölligȱüberein.ȱ

116ȱ

8.ȱPsalmȱ85ȱalsȱsprachlichesȱKunstwerkȱ

UP]´PLMUTR$\Q(E@OLM ;HQP@O 1 ETR>`\·W\ELY@¢W:EY@7E@Y  [U´D KZK\´W\[LU2 KOVWD)M $ONW\6L.L 0> #Z2>`WDFQ3  3D #UM`PHWE\YLKs WUE@>$ON7S@V D4 :Q0>L V@> . USHKZ´:Q>HY@\,\KH~OD!:QEH:Y5 UGRZUGRO@ 3@D  YRP@7L:Q%$QDs7O>O@K 6  E$:MP@F@\, 0@> Z´:Q`Y@\Z´ 'V@M KZK\´:QDHU´K 8 OYU%HG\´\.LKZK\´ODHKU%HG\´$KP K>P@Y@D9 KOV@NLO@:E:Y\$OD Z´Z\G\VLM`$ODZ´0> $OD :Q[HU´D %@GE.#.RY@OL>Y@\,Z\DU(\OLEUT D 10 :TYQOYZ´TG[:Y*S@Q,WPDsZ$GVM11 TY@Q,\,P 9PLTG[Z´MP[@7LUDPHWPDs12 +O:E\´#7H7L:Q[HU´D Z´E)K #7H\,KZK\´$*13 Z\P>3@ UGO@FH\Z´ /HK \´Z\QSO@TG[14 Gemessenȱ anȱ denȱ Vorgabenȱ zeigtȱ sichȱ inȱ denȱ Zeilenȱ 7ȱ (18//13),ȱ 9aȱ (17//17),ȱ9bȱ(17//15)ȱundȱ10ȱ(19//16)ȱeineȱleichteȱÜberlänge,ȱdieȱsichȱzuȬ meistȱmitȱZusätzenȱerklärenȱlässt.ȱAlleinȱ9bȱbedarfȱeinerȱtextkritischenȱ Operation.7ȱ Stichometrischȱhandeltȱ esȱ sichȱ alsoȱ beiȱ demȱ Psalmȱ umȱ einȱ sehrȱ gleichmäßigȱ gebautes,ȱ ziemlichȱ präziseȱ konstruiertesȱ ParallelisȬ musgefüge,ȱdemȱmanȱjeȱnachȱmetrischemȱSystemȱeinȱ14:14ȱKonsonanȬ tenȬȱ(+/ƺȱ2)ȱoderȱeinȱkonventionellesȱ3+3ȱEinheitsmaßȱzurechnenȱkann.ȱ NochȱeineȱandereȱgraphischeȱErscheinungȱdeutetȱsichȱan.8ȱDieȱZeiȬ lenȱ V.ȱ 6.7.8ȱ beginnenȱ jeweilsȱ mitȱ einemȱ K,ȱ dieȱ Zeilenȱ V.ȱ 9a.9b.10ȱ mitȱ einemȱD.ȱDiesȱregtȱan,ȱdieȱFrageȱnachȱakrostichischenȱFormenȱweiterȱzuȱ verfolgen.ȱDochȱfallenȱsolcheȱvonȱderȱTextgestaltȱherȱnichtȱohneȱweiteȬ resȱ insȱ Auge.9ȱ Andersȱ istȱ das,ȱ wennȱ manȱ sichȱ derȱ Klanggestaltȱ desȱ Psalmsȱzuwendet.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 7ȱ 8ȱ



Inȱ9bȱscheintȱeinȱKOVȱinȱdenȱTextȱgeratenȱzuȱsein.ȱ DasȱungeklärteȱselaȱamȱEndeȱvonȱV.ȱ3ȱundȱeventuellȱinȱV.ȱ9ȱkönnteȱwieȱanderswoȱalsȱ Zeichenȱ undȱ Notatȱ fürȱ eineȱ Zäsurȱ gelten,ȱ müssteȱ allerdingsȱ anȱ denȱ Randȱ versetztȱ werden.ȱ Dasȱ ZȬcopulativumȱ beimȱ zweitenȱ Kolonȱ imȱ Parallelismusȱ bleibtȱ m.ȱE.ȱ eineȱ offeneȱ Frage.ȱȱ

ȱ

II.ȱ

117ȱ

II.ȱ Dieȱ Klanggestaltȱ einesȱ Psalmtextesȱ hatȱ gegenüberȱ derȱ Textgestaltȱ naȬ türlichȱ Priorität.ȱ Psalmenȱ sindȱ primärȱ gesprochene,ȱ gesungeneȱ oderȱ sonstwieȱgeäußerteȱSprachgebilde,ȱwasȱmanȱgelegentlichȱvergisst,ȱweilȱ manȱinȱersterȱLinieȱmitȱderȱschriftlichenȱFormȱzuȱtunȱhat.ȱEsȱgehtȱhierȱ auchȱ nichtȱ umȱ dasȱ m.ȱE.ȱ unlösbareȱ Problemȱ derȱ historischenȱ Psalmenmusik,ȱauchȱnichtȱumȱdasȱbesondereȱmasoretischeȱAkzentsysȬ temȱimȱPsalter,ȱvielmehrȱgehtȱesȱnurȱumȱeinigeȱBeobachtungenȱanȱderȱ lautlichenȱ Gestaltungȱ derȱ Texte,ȱ soweitȱ sieȱ erkennbarȱ undȱ definierbarȱ sind.ȱDieȱAuffälligkeitenȱseienȱhierȱzuerstȱzusammengestellt.ȱ 1.ȱ EsȱfälltȱanȱPsȱ85ȱauf,ȱdassȱdieȱdreiȱerstenȱZeilenȱvonȱVerbalformenȱ geprägtȱ sind,ȱ dieȱ alleȱ –ȱ alsȱ Formenȱ 2.ȱP.ȱm.ȱ Perfektȱ –ȱ aufȱ Ȭtaȱ endenȱ (rasita,ȱ schabta,ȱ nasa’ta,ȱ kissita,ȱ ’asapta,ȱ heschibota)10.ȱ Aufȱ dieseȱ Weiseȱ entstehtȱtextlichȱeinȱfestesȱGerüstȱundȱklanglichȱeineȱdurchgehendeȱ Reimwirkung.ȱ 2.ȱ AlleȱdreiȱZeilenȱbeginnenȱlautlichȱmitȱeinerȱSilbeȱmitȱlangem,ȱunbeȬ tontenȱa.ȱManȱkannȱdarinȱeineȱArtȱAuftaktȱsehen,ȱjedenfallsȱwerdenȱ dieȱdreiȱZeilenȱdadurchȱzusätzlichȱzusammengebunden.ȱȱ 3.ȱ InȱdenȱZeilenȱV.ȱ5–8ȱdominiertȱdieȱEndsilbeȱȬenu/Ȭanu.11ȱSicherȱmitȱ eindrücklicherȱKlangwirkung.ȱ 4.ȱ DasȱakrostichischeȱKȱinȱV.ȱ6.7.8ȱwurdeȱbereitsȱerwähnt.ȱEsȱistȱaufȱV.ȱ 5–8ȱ beschränkt.ȱ Vonȱ denȱ bisherigenȱ Feststellungenȱ herȱ mussȱ manȱ diesȱ auchȱ zuȱ denȱ akustischen,ȱ nichtȱ nurȱ zuȱ denȱ graphischenȱ ErȬ scheinungenȱrechnen.12ȱ 5.ȱ DȱbildetȱeineȱAkrostichieȱinȱV.ȱ9–10,ȱallerdingsȱnur,ȱwennȱmanȱV.ȱ9ȱ wieȱüblichȱhalbiertȱundȱaufȱzweiȱZeilenȱverteilt.ȱȱ 6.ȱ DazuȱkommenȱAssonanzenȱ(aȬoȱFolge),ȱAlliterationenȱ(l)ȱundȱandeȬ reȱ Reimformenȱ inȱ diesenȱ Versen,ȱ etwaȱ mitȱ derȱ Silbeȱ ODȱ (’l/’al/’el).ȱ Sieȱwerdenȱdadurchȱklanglichȱzusammengeschlossen.ȱ 7.ȱ InȱV.ȱ11–14ȱsindȱbesondersȱauffälligȱdieȱvielenȱSegolatformen13.ȱDasȱ kommtȱ natürlichȱ vonȱ derȱ Wiederholungȱ derȱ Hauptbegriffe.ȱ Dochȱ ergibtȱ sichȱ damitȱ einȱ besonderesȱ Klangfeld,ȱ dasȱ durchȱ dieȱ beidenȱ AusdrückeȱUDPHȱundȱ UGO@ȱmitgetragenȱwird.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10ȱ UnterstütztȱdurchȱalliterierendeȱBezüge,ȱwieȱz.ȱB.ȱchatta’tamȱ„unsereȱSünde“ȱinȱV.ȱ3.ȱ 11ȱ Insgesamtȱ7Ȭmal.ȱ 12ȱ Textkritischȱ entstehtȱ dieȱ Frage,ȱ obȱ nichtȱ dieseȱ Erscheinungȱ dieȱ Korrekturȱ bzw.ȱ geȬ wissermassenȱ denȱ Austauschȱ derȱ beidenȱ Verbformenȱ WE\YLK!ȱ undȱ :QEH:Yȱ inȱ Vȱ 4ȱf.ȱ beȬ fürwortet.ȱDannȱwärenȱ4ȱAnfängeȱmitȱ Kȱzuȱverzeichnen.ȱÜberȱdenȱalsȱNachtragȱverȬ dächtigenȱV.ȱ6ȱs.ȱu.ȱ 13ȱ 8Ȭmal.ȱ

118ȱ

8.ȱPsalmȱ85ȱalsȱsprachlichesȱKunstwerkȱ

8.ȱ Segolȱ scheintȱ auchȱ inȱ diesenȱ Zeilenȱ denȱ Eingangslautȱ zuȱ bilden.ȱ DamitȱwerdenȱdieȱZeilenȱV.ȱ11.12.14ȱdurchȱReimȱverbunden,ȱV.ȱ13ȱ aberȱ–ȱohnehinȱhäufigȱalsȱErgänzungȱangesehenȱ–ȱausgeschlossen.14ȱ 9.ȱ Auffälligȱ (undȱ schwierig)ȱ sindȱ dieȱ dreiȱ mitȱ Qȱ beginnendenȱ VerbȬ formen:ȱ nipgaschu,ȱ naschaqu,ȱ nischqapȱ(undȱ tismach).ȱWieȱimmerȱ sieȱ grammatikalischȱ zuȱ bestimmenȱ sindȱ –ȱ sieȱ habenȱ einenȱ Klangwert,ȱ derȱreimbildendȱundȱbindendȱwirkt.ȱ 10.ȱ DiesȱgiltȱversinternȱnunȱbesondersȱvonȱdemȱSchlussversȱ14,ȱdessenȱ Konsistenzȱ nebenȱ denȱ genanntenȱ Erscheinungenȱ vorȱ allemȱ durchȱ eineȱlȬAlliterationȱundȱReimformȱaufȱȬajwȱklanglichȱbetontȱwird.ȱ ȱWirȱziehenȱausȱdiesenȱBeobachtungenȱfolgendeȱSchlüsse:ȱ a.ȱ Psȱ 85ȱ istȱ einȱ sehrȱ bewusstȱ undȱ kunstvollȱ komponierterȱ Text,ȱ derȱ besondersȱzahlreicheȱKlangmittelȱeinsetzt,ȱumȱeinȱexpressivesȱlautȬ lichesȱ Profilȱ zuȱ gestalten.ȱ Manȱ kannȱ dieȱ Akrostichienȱ alsȱ AuftaktȬ phänomeneȱdazuzählen.ȱ b.ȱ Dieȱ masoretischeȱ Traditionȱ hatȱ trotzȱ ihrerȱ Tendenzȱ zurȱ ProsaȬ isierungȱ erstaunlichȱ vieleȱ derȱ klanglichenȱ Elementeȱ erhalten.ȱ Nurȱ anȱeinzelnenȱStellenȱistȱdasȱKlangbildȱgetrübt,ȱkannȱaberȱohneȱVerȬ lustȱundȱmitȱdeutlichemȱGewinnȱtextkritischȱrestauriertȱwerden.ȱȱ ȱ EsȱempfehlenȱsichȱfolgendeȱtextkritischenȱVorschläge:ȱȱ V.ȱ4:ȱStattȱWZE\YK:ȱWEY(EZYȱ„umkehren“)ȱmitȱLXXȱoderȱWEYKȱ (WEYhi.ȱ„beenden“).ȱ V.ȱ5:ȱMitȱKȱamȱAnfang:ȱZQE\YKȱ(„Stelleȱunsȱwiederȱher!“)ȱmitȱLXX.ȱ V.ȱ7:ȱKWDȱistȱüberzählig.ȱ V.ȱ9:ȱKZK\ȱistȱüberzählig.ȱ–ȱDieȱEmendation:ȱstattȱ KOVNOZEZY\$ODZȱ(„undȱsieȱsollenȱnichtȱzurȱTorheitȱzurückȬ kehren“):ȱKOVEO$\UY\ODZȱ(„undȱüberȱdenen,ȱdieȱaufrechtenȱ Sinnes.ȱSela“)ȱentsprichtȱamȱehestenȱdenȱGegebenheiten.ȱȱ V.ȱ10:ȱZusatz:ȱZ>Y\ȱ„seinȱHeil“ȱ(nachȱV.ȱ8).ȱ V.ȱ14:ȱStatt:ȱF\Zȱ(„undȱsetztȱ[ihreȱTritte]“):ȱZOYZȱ„undȱFriede“.ȱȱ c.ȱ Durchȱ dieȱ lautlichenȱ Harmonisierungenȱ undȱ Differenzierungenȱ zeichnetȱ sichȱ eineȱ Textgliederungȱ ab,ȱ dieȱ denȱ Psalmȱ inȱ vier,ȱ mitȱ Abzügenȱ gleichȱ große,ȱ d.ȱh.ȱ dreizeilige,ȱ Strophenȱ unterteilt,ȱ dieȱ jeȱ ihrȱ eigeneȱ Klangfarbeȱ undȱ ebenȱ auchȱ Sinnaussageȱ haben:ȱ Iȱ 2–4;ȱ IIȱ 5.7–8;ȱIIIȱ9–10;ȱIVȱ11–12.14.ȱ d.ȱ WieȱfastȱbeiȱallenȱPsalmenȱistȱmitȱZusätzenȱzuȱrechnen.ȱV.ȱ6ȱundȱV.ȱ 13ȱfallenȱsehrȱwahrscheinlichȱdarunter.ȱV.ȱ6ȱfälltȱimȱVergleichȱzuȱV.ȱ 4ȱebenfallsȱausȱdemȱRahmenȱderȱSinnaussage:ȱIstȱderȱZornȱGottesȱ nunȱ wirklichȱ („ganz“)ȱ aufgegebenȱ oderȱ mussȱ aufȱ ewigeȱ Zeitȱ geȬ bangtȱ werden?ȱ V.ȱ 13ȱ fälltȱ formalȱ wieȱ inhaltlichȱ ausȱ demȱ Rahmen:ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14ȱ V.ȱ13ȱführtȱnachȱMTȱüberhauptȱkeinȱSegol.ȱ

ȱ

III.ȱ

119ȱ

Erȱ verheißtȱ Erntesegen.ȱ Beideȱ störenȱ dieȱ Dreizeiligkeitȱ derȱ StroȬ phengliederung,ȱaberȱauchȱdieȱhoheȱStimmungslageȱdesȱPsalms.ȱ AberȱesȱlassenȱsichȱnochȱmehrȱSchlüsseȱausȱdemȱGesagtenȱziehen.ȱ

III.ȱ Fragtȱ manȱ sich,ȱ welcheȱ Vorstellungȱ hinterȱ derȱ Verbalketteȱ derȱ erstenȱ Stropheȱ (V.ȱ 2–4)ȱ steht,ȱ istȱ dieȱ Antwortȱ eindeutig:ȱ Esȱ istȱ dasȱ KWD,ȱ dasȱ DUȱGottes,ȱdasȱhierȱangerufenȱundȱaufgerufenȱwird,ȱanȱdieȱvergangeȬ nenȱ Heilstatenȱ zuȱ denken.ȱ Dieȱ handelndeȱ Personȱ stehtȱ imȱ VorderȬ grund15ȱ mitȱ ihremȱ sechsfachenȱ Handeln,ȱ dasȱ dochȱ inȱ allemȱ aufȱ Einesȱ hinausläuft:ȱHeilȱfürȱseinȱLand,ȱfürȱJakobȱ(V.ȱ2).ȱUndȱesȱgehtȱhier,ȱwieȱ immerȱ manȱ ansonstenȱ dasȱ hebräischeȱ Perfektȱ deutet,ȱ umȱ dieȱ VerganȬ genheit,ȱeherȱsogarȱumȱdieȱVorvergangenheit.ȱManȱkannȱdasȱHeilȱkonȬ statieren.ȱ Esȱ istȱ geschehen.ȱ Dieȱ Wendeȱ istȱ vollzogenȱ (WZEYWEY).ȱ Alsȱ GegenüberȱzumȱDuȱGottesȱerscheintȱ„deinȱLand“,ȱ„Jakob“,ȱ„deinȱVolk“ȱ alsȱNutznießerȱdesȱHandelns.ȱ InȱderȱzweitenȱStropheȱ(V.ȱ5–8)ȱtrittȱdasȱWirȱinȱdenȱVordergrund.16ȱ EsȱistȱdieȱGruppeȱumȱdenȱPsalmistenȱ(„deinȱVolk“,ȱV.ȱ7),ȱdieȱinȱStropheȱ Iȱ schonȱ angedeutet,ȱ jetztȱ betendȱ auftritt,ȱ undȱ fürȱ sichȱ selbstȱ sprichtȱ („uns“).ȱ Sieȱ kleidetȱ ihreȱ Bittenȱ inȱ Imperativȱ undȱ Jussivȱ (V.ȱ 5.8)ȱ undȱ inȱ Fragenȱ–ȱV.ȱ6ȱnegativȱformuliertȱmitȱpositiverȱErwartung.ȱSieȱbestehtȱinȱ lautlichȱmonotonerȱWiederholungȱderȱBezugssilbeȱȬenu,ȱȬanuȱdarauf,ȱanȱ demȱHeilshandelnȱGottesȱTeilȱzuȱhaben.ȱ Mitȱ V.ȱ 9ȱ ändertȱ sichȱ dasȱ Sprachgeschehen.ȱ Nunmehrȱ kommtȱ eineȱ ersteȱ Personȱ zuȱ Wort.ȱ Sieȱ trittȱ eherȱ verdecktȱ auf,ȱ explizitȱ nurȱ inȱ derȱ Verbalformȱ K>PYD,ȱ undȱ verbirgtȱ sichȱ inȱ demȱ nurȱ angedeutetenȱ akrostichischenȱDȱ(V.ȱ9a.9b.10).ȱDassȱmanȱaberȱinȱdieserȱdrittenȱStropheȱ inȱdemȱ„Ich“ȱdenȱeigentlichenȱSprecherȱundȱVerfasserȱdesȱPsalmsȱvorȱ sichȱhat,ȱzeigtȱdasȱdominierendeȱAuftreten.ȱErȱnimmtȱfürȱsichȱmitȱdemȱ Kohortativ:ȱ „ichȱ willȱ dochȱ hören“ȱ inȱ Anspruch,ȱ zuȱ vernehmen,ȱ wasȱ Gottȱ (ODK)ȱ redet,ȱ undȱ auchȱ mitȱ seinenȱ Wortenȱ wiederzugeben,ȱ wasȱ Gottȱdennȱzuȱsagenȱhatȱ(V.ȱ9).ȱManȱvermutetȱeineȱprophetischeȱAutoriȬ tät17,ȱwasȱdurchȱdasȱFolgendeȱgestütztȱwird.ȱDieȱAntwortȱaufȱdasȱGebetȱ desȱerstenȱTeilsȱwirdȱdurchȱdiesesȱprophetischeȱIchȱvermittelt.ȱDieȱdenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 15ȱ 11Ȭmalȱgenanntȱdieȱ2.ȱPerson.ȱ 16ȱ 7ȬmalȱmitȱV.ȱ6.ȱ 17ȱ Soȱ z.ȱB.ȱ H.ȱGunkel,ȱ derȱ Psȱ 85ȱ „prophetischeȱ Liturgie“ȱ bestimmt.ȱ Oder:ȱ „Derȱ Dichterȱ wirdȱ hierȱ zumȱ Prophetenȱ oderȱ Weisheitslehrer,ȱ derȱ sichȱ aufȱ eineȱ göttlicheȱ OffenȬ barungȱberuft“,ȱF.ȱNötscher,ȱDieȱPsalmen,ȱEchterȬBibel,ȱWürzburgȱ1947,ȱ173;ȱu.ȱa.ȱ

120ȱ

8.ȱPsalmȱ85ȱalsȱsprachlichesȱKunstwerkȱ

bisherigenȱ Strophenȱ eigeneȱ Emphaseȱ ostinaterȱ Wiederholungenȱ (Ȭta;ȱȱ Ȭenu/Ȭanu)ȱ setztȱ sichȱ hierȱ fortȱ inȱ Formȱ vonȱ WortȬȱ undȱ AusdrucksȬ wiederholungen:ȱ UEG\,ȱ ODȱ (Präposition),ȱ derȱ Worteȱ fürȱ dieȱ WirȬ Gruppe:ȱ „seinȱ Volk“,ȱ „seineȱ Getreuen“,ȱ („dieȱ aufrichtigenȱ Sinnesȱ sind“ȱ18),ȱ„dieȱihnȱfürchten“,ȱ„unserȱLand“.ȱDieserȱGrößeȱgiltȱdasȱganzeȱ InteresseȱdesȱRedenden.ȱEmphatischȱistȱdieȱPartikelȱ ADȱ„ja,ȱgewiss“ȱ(V.ȱ 10).ȱUndȱ dieȱganze,ȱdenȱ Zeilenparallelismusȱfastȱ aufhebende,ȱ„gradieȬ rende“ȱSatzaussage:ȱ„Soȱnaheȱistȱerȱ(seinȱHeil)“ȱmitȱderȱzwingendȱeinȬ tretendenȱKonsequenz,ȱ„soȱdassȱHerrlichkeitȱinȱunseremȱLandȱwohnenȱ kann“.19ȱ Wäreȱ nichtȱ dieȱ aȬoȬȱ undȱ lȬParallelitätȱ vonȱ „nahe“ȱ undȱ „HerrȬ lichkeit“ȱ (undȱ „Friede“,ȱ V.ȱ 9),ȱ hätteȱ dieȱ theologischeȱ Konklusionȱ dieȱ poetischeȱ Versstrukturȱ ganzȱ überdeckt.ȱ Einȱ prophetischerȱ Theologeȱ ergreiftȱdasȱWort.ȱ Inȱ derȱ viertenȱ Stropheȱ (V.ȱ 11–14)ȱ tretenȱ wiederȱ andereȱ Personenȱ auf.ȱ Sieȱ werdenȱ inȱ Paarenȱ pluralischȱ inȱ derȱ drittenȱ Personȱ eingeführt.ȱ Esȱ sindȱ vierȱ Personen,ȱ genauerȱ Personifikationenȱ abstrakterȱ Größen,ȱ dreiȱ vonȱ grammatischȱ männlichemȱ (ZOYTG[GVM)ȱ undȱ eineȱ vonȱ weiblichemȱ Geschlechtȱ (WPD).ȱ Derȱ Unterschiedȱ inȱ demȱ SprachgescheȬ henȱ gegenüberȱ denȱ vorherigenȱ Strophenȱ liegtȱ einmalȱ darin,ȱ dassȱ dieȱ Subjekteȱ jeȱ inȱ Spitzenstellungȱ genanntȱ sind.ȱ Sieȱ sindȱ alsȱ Figurenȱ inȱ eiȬ nemȱ imaginärenȱ nominalenȱ Raumȱ gestellt,ȱ undȱ ihreȱ Aktivitätenȱ werȬ denȱ charakterisierendȱ angefügt,ȱ etwaȱ imȱ Sinneȱ einerȱ adjektivischenȱ KennzeichnungȱoderȱeinesȱrelativenȱAnschlusses.ȱZumȱanderenȱistȱdasȱ verbaleȱ Gerüstȱ durchȱ zweiȱ NifalȬFormen20ȱ undȱ eineȱ PielȬFormȱ geȬ prägt.21ȱ Dadurchȱ wirdȱ dasȱ Geschehenȱ inȱ V.ȱ 11–12.14ȱ aufȱ eineȱ andereȱ Ebeneȱverlegt,ȱdieȱdurchȱdieȱReflexivfunktionȱdesȱNifalȱundȱdieȱFaktiȬ tivfunktionȱdesȱPielsȱgeprägtȱist.ȱDieȱPersonenȱagierenȱgegenseitigȱundȱ mitȱsichȱselbst,ȱalsȱstündenȱsieȱaufȱeinerȱbesonderenȱimaginärenȱBühne:ȱ einȱ„Reigen“,ȱ„Quartett“ȱoderȱ„ballet“ȱ22.ȱDieȱBühneȱistȱdieȱganzeȱWelt,ȱ ErdeȱundȱHimmel.ȱDaȱalsȱSprecherȱdieȱIchȬPersonȱausȱV.ȱ9ȱf.ȱzuȱdenkenȱ ist,ȱkannȱmanȱmitȱGrundȱvonȱeinerȱVisionȱsprechen.23ȱȱ Soȱ istȱ dieȱ Frageȱ nachȱ derȱ Bildwelt,ȱ derȱ imaginativenȱ Gestaltȱ desȱ Textesȱgestellt.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 18ȱ S.ȱo.ȱ 19ȱ Dazuȱ E.ȱ Jenni,ȱ Dieȱ hebräischenȱ Präpositionen,ȱ Bd.ȱ3:ȱ Dieȱ Präpositionȱ Lamed,ȱ StuttȬ gartȱ2000,ȱ222.ȱ 20ȱ EigentlichȱsindȱesȱdreiȱreflexiveȱFormen,ȱdennȱZTYQȱinȱV.11ȱergibtȱnurȱalsȱReflexivumȱ einenȱSinn:ȱ„sieȱküsstenȱsich“.ȱȱ 21ȱ V.ȱ13ȱfälltȱauchȱverbalȱgänzlichȱausȱdemȱRahmen.ȱ 22ȱ R.ȱJ.ȱTournay,ȱSeeingȱandȱHearingȱGodȱwithȱtheȱPsalms,ȱTheȱPropheticȱLiturgyȱofȱtheȱ SecondȱTempleȱinȱJerusalem,ȱSheffieldȱ1991:ȱ„aȱkindȱofȱmysticalȱballet“ȱ(191).ȱ 23ȱ SoȱauchȱinȱderȱRegelȱdieȱKommentare.ȱ

ȱ

IV.ȱ

121ȱ

IV.ȱ „Gerechtigkeitȱ undȱ Friedeȱ küssenȱ sich“.ȱ Psȱ 85ȱ hatȱ durchȱ diesesȱ Bildȱ eineȱ gewisseȱ Berühmtheitȱ erlangt,ȱ wieȱ manȱ etwaȱ anȱ derȱ vonȱ FrankȬ Lotharȱ Hossfeld/Erichȱ Zengerȱ gesammeltenȱ Sekundärliteraturȱ sehenȱ kann.24ȱ Dochȱ dieȱ besondereȱ Plakatierungȱ reißtȱ diesesȱ Motivȱ ausȱ demȱ ZusammenhangȱderȱzumindestȱvierȱBildszenen,ȱdieȱinȱderȱviertenȱStroȬ pheȱsprachlichȱabgebildetȱsind.ȱ Expliziteȱ Bildmotiveȱ undȱ Vergleicheȱ findenȱ sindȱ sonstȱ nichtȱ inȱ Psȱ 85.ȱ Nurȱ derȱ Satzȱ amȱ Endeȱ derȱ zweitenȱ Stropheȱ lässtȱ beiȱ genaueremȱ Hinsehenȱ aufhorchen:ȱ „Lassȱ unsȱ schauen,ȱ JHWH,ȱ deineȱ Güte“ȱ (V.ȱ 8).ȱ Manȱ könnteȱ dieȱ Formulierungȱ alsȱ sehrȱ allgemeinȱ gefasstȱ verstehenȱ –ȱ etwaȱimȱSinneȱvonȱV.ȱ13:ȱ„DannȱgibtȱJHWHȱauchȱdasȱGute,ȱundȱunserȱ Landȱ gibtȱ seinenȱ Ertrag“ȱ –,ȱ wennȱ nichtȱ derȱ Kontextȱ vonȱ V.ȱ 11ȱff.ȱ ihmȱ eineȱspeziellereȱBedeutungȱabverlangenȱwürde.ȱDieȱWendungȱmitȱGottȱ alsȱ Subjektȱ undȱ imȱ kausativenȱ Hifilȱ erhältȱ einȱ größeresȱ Gewichtȱ daȬ durch,ȱ dassȱ sieȱ vornehmlichȱ inȱ zweiȱ Bereichenȱ beheimatetȱ zuȱ seinȱ scheint.ȱ EinmalȱimȱgottesdienstlichenȱRaum,ȱwieȱbeispielsweiseȱdieȱPsalmȬ stellenȱ50,23ȱundȱ91,16ȱandeuten:ȱ Gottȱ verspricht,ȱ„seinȱ Heil“ȱ schauenȱ zuȱ lassen,ȱ wasȱ imȱ Zusammenhangȱ mitȱ demȱ „Schauenȱ seinesȱ AnȬ gesichts“ȱstehenȱmag.ȱDarüberȱsprichtȱderȱalteȱMoseȬTextȱExȱ33,18,ȱwoȱ esȱdarumȱgeht,ȱwieȱGottesȱ„Herrlichkeit“ȱgeschautȱwerdenȱkann.ȱPsȱ85ȱ stehtȱnachȱV.ȱ10ȱinȱdiesenȱRaum.ȱ ZumȱanderenȱgehörtȱdieȱWendungȱinȱdenȱZusammenhangȱpropheȬ tischenȱ Sehertumsȱ undȱ visionärerȱ Offenbarung.ȱ Dasȱ legenȱ dieȱ Stellenȱ Numȱ 23,3;ȱ Genȱ 41,28;ȱ Amȱ 7,1;ȱ Sachȱ 1,9ȱ u.ȱa.ȱm.ȱ nahe.ȱ Auchȱ dasȱ proȬ phetischeȱElementȱeignetȱPsȱ85.ȱȱ Inȱ diesemȱ doppeltenȱ Sinnraumȱ bewegtȱ sichȱ derȱ Psalmist.ȱ HervorȬ gegangenȱistȱdarausȱdieȱVisionȱderȱviertenȱStrophe.ȱ SieȱbestehtȱausȱsechsȱBildszenen,ȱzuerstȱpaarweise,ȱdannȱeinzelnȱanȱ dieȱ vierȱ Figurenȱ angehängt.ȱ Dabeiȱ bedeutetȱ dieȱ Personifikationȱ derȱ weiträumigenȱ Begriffe,ȱ dassȱ eineȱ Artȱ GrundȬȱ undȱ Rahmenbedeutungȱ jeweilsȱ vorausgesetztȱ ist.ȱ Wasȱ dannȱ mitȱ denȱ vierȱ Figurenȱ ZOYTG[WPDGVMȱangedeutetȱwird,ȱistȱnatürlichȱjedemȱPsalmbeterȱ einigermaßenȱ bekannt,ȱ etwaȱ zuȱ umschreibenȱ mitȱ Güteȱ undȱ Liebeȱ –ȱ Treueȱ undȱ Wahrheitȱ –ȱ Gerechtigkeitȱ undȱ Ordnungȱ –ȱ Wohlstandȱ undȱ Friede.ȱ Imȱ Grundeȱ sindȱ alleȱ Beziehungsbegriffe,ȱ angewendetȱ aufȱ dasȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 24ȱ Hossfeld/Zengerȱ 523.ȱ Vgl.ȱ besondersȱ J.ȱ Ebach,ȱ „Gerechtigkeitȱ undȱ Friedenȱ küssenȱ sich“,ȱ oder:ȱ „Gerechtigkeitȱ undȱ Friedenȱ kämpfen“ȱ (Psȱ 85,11),ȱ In:ȱ U.ȱ Bail/R.ȱ Jostȱ (Hgg.),ȱGottȱanȱdenȱRändern,ȱGüterslohȱ1996,ȱ42–52.ȱ

122ȱ

8.ȱPsalmȱ85ȱalsȱsprachlichesȱKunstwerkȱ

Verhältnisȱ Gottȱ undȱ seinȱ Volk.ȱ Dieȱ erstenȱ beidenȱ sindȱ Attribute,ȱ dieȱ anderenȱ Zustandsbegriffe,ȱ dieȱ eineȱ ausgeglicheneȱ Beziehungȱ kennȬ zeichnen.ȱ Dochȱ dieȱ Gewichteȱ inȱ derȱ Gemeinschaftȱ sindȱ ungleichȱ verȬ teilt.ȱ Esȱ stehtȱ hierȱ einȱ Gebenȱ undȱ Empfangen,ȱ einȱ Verhaltenȱ undȱ einȱ ZustandȱinȱFrage.ȱDieȱGrößenȱsindȱhimmlischenȱUrsprungs:ȱWirkkräfteȱ göttlichenȱ Handelns.ȱ Eineȱ neueȱ Zuordnungȱ wirdȱ versuchtȱ –ȱ inȱ metaȬ phorischȬallegorischerȱOffenheit.ȱȱ

1. WPDGVM,ȱ inȱ V.ȱ 11aȱ nichtȱ alsȱ Doppelbegriffȱ oderȱ Hendiadyoinȱ aufgeȬ fasst,ȱ begegnenȱ sieȱ sichȱ –ȱ wieȱ zweiȱ unterschiedlicheȱ Menschenȱ (Prvȱ 22,2;ȱ29,13).ȱWohlȱnichtȱzufällig.ȱSieȱfindenȱsichȱzusammen,ȱsieȱgehörenȱ zusammen,ȱsowohlȱbeimȱgöttlichenȱwieȱmenschlichenȱPartnerȱfürȱsichȱ genommen.ȱ Derȱ Ausdeutungȱ desȱ Zusammentreffensȱ derȱ beidenȱ FiguȬ ren,ȱmännlichȱwieȱweiblich,ȱistȱvielȱSpielraumȱgelassen.ȱȱ

2. ZOYTG[ȱ „küssenȱ sich“ȱ25,ȱ d.ȱh.ȱ auchȱ sieȱ kommenȱ undȱ gehörenȱ zuȬ sammen.ȱSieȱscheinenȱeinȱengesȱVerhältnisȱeinzugehen.ȱ

3. Schwierigerȱ zuȱ verstehen,ȱ alsȱ esȱ zunächstȱ aussieht,ȱ istȱ dieȱ Rolleȱ derȱ WPDȱinȱderȱBeziehungȱnachȱV.ȱ12.ȱKannȱmanȱsichȱeineȱweiblicheȱFigurȱ vorstellen,ȱdieȱ„ausȱderȱErdeȱsprosst“ȱ,ȱ„wächst“ȱoderȱ„aufblüht“?ȱWieȱ einȱBaumȱoderȱBusch,ȱvielmehrȱeineȱArtȱBaumgöttin?ȱUndȱwasȱsollȱdasȱ bedeuten?ȱWächstȱdieȱTreueȱoderȱWahrheitȱ„ausȱderȱErde“ȱoderȱ„vomȱ Bodenȱauf“ȱoderȱsoȱähnlich?ȱDieȱParallelzeileȱV.ȱ12bȱsprichtȱvonȱeinemȱ eindeutigerenȱ Verhalten:ȱ einemȱ „Hinunterblicken“.ȱ Sollteȱ nichtȱ etwasȱ AdäquatesȱinȱderȱerstenȱVershälfteȱgemeintȱsein?ȱWirȱvermutenȱaramäȬ ischenȱSpracheinfluss.ȱWennȱdennȱeineȱetymologischeȱVerwandtschaftȱ derȱ Verbenȱ MP[ȱ undȱ MPFȱ möglichȱ erscheint26,ȱ letzteresȱ inȱ derȱ BedeuȬ tungȱ „sichȱ freuen“,ȱ zudemȱ eineȱ Nebenbedeutungȱ „strahlen,ȱ leuchten“ȱ diesesȱ Verbsȱ imȱ AramäischȬSyrischen27ȱ angenommenȱ werdenȱ kann,ȱ ergäbeȱ sichȱ einȱ Bildszene,ȱ daȱ dieȱ WPDȱ „sichȱ freut“ȱ oderȱ nochȱ besser:ȱ „vomȱErdbodenȱherȱ(freudig)ȱaufstrahlt“.ȱInȱjedemȱFallȱwürdeȱsieȱbesȬ serȱinȱdasȱfigürlicheȱRollenspielȱundȱdasȱreflexiveȱNifalȬGeschehenȱderȱ Verseȱ11ȱf.ȱpassenȱalsȱdieȱvegetarischeȱVorstellungȱvonȱWachstumȱ(dazuȱ V.ȱ13).ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 25ȱ ManȱmussȱeinȱNifalȱ(:T9Q,)ȱkonjizieren,ȱdasȱQalȱistȱtransitiv,ȱnachȱHALȱ690.ȱ 26ȱ HALȱ1243.ȱ 27ȱ BDBȱ855ȱu.ȱa.ȱ

ȱ

IV.ȱ

123ȱ

4. V.ȱ 12bȱ scheintȱ zunächstȱ eineȱ klareȱ Vorstellungȱ zugrundeȱ zuȱ liegen:ȱ TYQȱ nif.ȱ „imȱ Fensterrahmenȱ erscheinen“,ȱ „herunterblicken“,ȱ unterȬ stütztȱ durchȱ Stellenȱ vomȱ Erscheinungsfensterȱ wieȱ Hlȱ 6,10;ȱ Prvȱ 7,6;ȱ Jerȱ 6,1ȱ u.ȱa.ȱ Dieȱ Figurȱ blicktȱ demnachȱ vomȱ Himmelȱ herunter.ȱ Wasȱ indesȱ zögernȱ lässt,ȱ ist,ȱ dassȱ dieseȱ göttlicheȱ Erscheinungȱ derȱ TG[ȱ seinȱ soll,ȱ eineȱGröße,ȱdieȱmanȱeherȱaktivȱaufȱErdenȱerwartetȱwieȱinȱV.ȱ14a.ȱSollteȱ TG[ȱinȱV.ȱ14aȱeinȱdrittesȱMalȱinȱErscheinungȱtreten,ȱnunȱinȱeinerȱandeȬ renȱFunktionȱalsȱinȱV.ȱ11ȱundȱV.ȱ12?ȱDasȱkönnteȱeineȱbewussteȱSetzungȱ sein,ȱaberȱesȱwirdȱeigentlichȱnichtȱklar,ȱweshalb.ȱSoȱkönnteȱmanȱvermuȬ ten,ȱ dassȱ eineȱ Verschreibungȱ vorliegt,ȱ undȱ dassȱ dasȱ nachȱ V.ȱ 11ȱ nichtȱ mehrȱauftretendeȱGVMȱursprünglichȱSubjektȱdieserȱErdenschauȱwar.ȱZuȱ derȱ zurückhaltendȱ beobachtendenȱ Rolleȱ passtȱ Güteȱ undȱ Liebeȱ besserȱ alsȱdieȱdochȱzuweilenȱetwasȱhärterȱdurchgreifendeȱGerechtigkeit.ȱ

5. Dieȱ Gerechtigkeitȱ TG[ȱ trittȱ dannȱ inȱ V.ȱ 14ȱ inȱ aktiverȱ Rolleȱ alsȱ Heroldȱ undȱTrabantȱinȱErscheinung:ȱErȱbemühtȱsichȱoderȱsollteȱsichȱbemühenȱ (Jussiv),ȱseinemȱGottȱvoranzugehen,ȱdenȱgöttlichenȱAdventȱvorzubereiȬ tenȱ undȱ denȱ Wegȱ zuȱ bahnenȱ (Piel).ȱ Parallelenȱ findenȱ sichȱ inȱ Jesȱ 58,8ȱ undȱ–ȱallerdingsȱmitȱdemȱSubjektȱWPDZGVMȱ–ȱinȱPsȱ89,15.ȱȱ

6. TextkritischeȱMüheȱmachtȱdannȱzuletztȱV.ȱ14b.ȱManȱhatȱdenȱEindruck,ȱ dassȱdieȱVorstellungȱeinerȱNachhutȱzwingendȱwird,ȱundȱmanȱwirdȱeineȱ solcheȱauchȱfinden:ȱEsȱgehtȱdarum,ȱdassȱjemandȱGottesȱSpurȱundȱ„denȱ Wegȱ seinerȱ Schritte“ȱ imȱ Nachhineinȱ sichert.ȱ Undȱ dafürȱ kommtȱ dieȱ schonȱvielfachȱkonjizierteȱFigurȱdesȱZOYȱwohlȱamȱehestenȱinȱFrage.ȱSieȱ istȱes,ȱdieȱauchȱnachȱdemȱAdventȱzurückbleibenȱsoll.ȱ Fragtȱ manȱ sich,ȱ woherȱ einȱ solchesȱ visionäresȱ Schaustückȱ stammt,ȱ findetȱmanȱdreiȱweiterführendeȱIndizien.ȱEinmalȱbegegnenȱsolcheȱPerȬ sonifikationenȱ göttlicherȱ Attributeȱ imȱ Kontextȱ vonȱ TheophanieȬ schilderungen.ȱDafürȱkönnenȱPsȱ89,15;ȱ96,6;ȱHabȱ3,3,ȱaberȱauchȱdieȱUrȬ theophanieȱ inȱ Exȱ 33ȱ alsȱ Paralleleȱ angeführtȱ werden.ȱ Offenbarȱ konnteȱ manȱ sichȱ Gottȱ alsȱ König,ȱ Herrscherȱ oderȱ „Kriegsmann“ȱ nurȱ mitȱ entȬ sprechenderȱ Begleitungȱ vorstellen.ȱ Dieseȱ Rollenȱ spieltenȱ dannȱ inȱ jeȱ anderenȱKonstellationenȱjeneȱabstraktenȱGrößenȱwieȱHerrlichkeit,ȱPestȱ undȱ Seuche,ȱ Heilȱ undȱ Segen,ȱ Rechtȱ undȱ Gerechtigkeit,ȱ Hoheitȱ undȱ Pracht.ȱEtwaȱPsȱ96,6ȱ(vgl.ȱ97,2):ȱȱ Prachtȱ(GZK)ȱundȱHoheitȱ(UGK)ȱsindȱvorȱseinemȱAngesicht,ȱ

124ȱ

8.ȱPsalmȱ85ȱalsȱsprachlichesȱKunstwerkȱ

Machtȱ(]>)ȱundȱGlanzȱ(WUDSW)ȱinȱseinemȱHeiligtum28ȱ

Zumȱ anderenȱ begegnenȱ solcheȱ Visionenȱ inȱ derȱ exilischȬnachexilischenȱ HeilsȬProphetieȱ(Jesȱ45,8;ȱ58,8;ȱ59,14ȱf.).ȱEinȱBeispielȱausȱJesȱ32,15–18:ȱ BisȱüberȱunsȱausgegossenȱwirdȱderȱGeistȱausȱderȱHöhe.ȱ DannȱwirdȱdieȱWüsteȱzumȱGarten,ȱundȱderȱGartenȱwirdȱzumȱWaldȱgeȬ rechnet.ȱ UndȱdasȱRechtȱ(ISYP)ȱwirdȱinȱderȱWüsteȱwohnen,ȱȱ undȱGerechtigkeitȱ(KTG[)ȱimȱGartenȱweilen.ȱ UndȱdasȱWerkȱderȱGerechtigkeitȱ(KTG[)ȱwirdȱFriedeȱ(ZOY)ȱseinȱȱ undȱdieȱFruchtȱdesȱRechtsȱSicherheitȱ(MIEZITYK)ȱaufȱimmer.ȱ UndȱmeinȱVolkȱwirdȱanȱderȱStätteȱdesȱFriedensȱ(ZOY)ȱwohnen,ȱȱ inȱsicherenȱWohnungenȱ(WZQNYP)ȱundȱstillenȱPlätzen.ȱ

Zumȱ drittenȱ aberȱ findenȱ sichȱ charakteristischerweiseȱ solcheȱ PersoniȬ fikationenȱ imȱ Umkreisȱ derȱ QorachȬPsalmen:ȱ Psȱ 43,3;ȱ 45,4;ȱ 89,15.ȱ Psȱ 85,11ȱff.ȱamȱnächstenȱkommtȱPsȱ43,3:ȱ SendeȱdeinȱLichtȱ(AUZD)ȱundȱdeineȱTreueȱ(AWPD),ȱȱ dassȱsieȱmichȱleiten;ȱ MichȱbringenȱzumȱBergȱdeinesȱHeiligtumsȱȱ undȱzuȱdeinenȱWohnungenȱ(A\WZQNYP).ȱ

DieseȱTexteȱweisenȱdenȱWeg:ȱSolcheȱIkonenȱscheinenȱinȱeinemȱsakralenȱ Milieuȱentstandenȱzuȱsein,ȱwoȱdieȱkultische,ȱprophetischeȱundȱtheologiȬ scheȱSichtȱzusammenwirkenȱkonnte.ȱDafürȱistȱauchȱPsȱ85ȱeinȱZeugnis.ȱ

V.ȱ Derȱ Zugangȱ zurȱ Theologieȱ desȱ Psalmsȱ wirdȱ dadurchȱ erleichtert,ȱ dassȱ derȱ Verfasserȱ dieȱ Darstellungȱ desȱ Handelnsȱ Gottesȱ periodisiertȱ undȱ damitȱsystematisiertȱhat.ȱDieȱersteȱStropheȱsprichtȱvomȱHandelnȱGottesȱ inȱ derȱ Vergangenheit,ȱ dieȱ vierteȱ vonȱ demȱ Handelnȱ inȱ derȱ Zukunft.ȱ Bleibenȱ fürȱ dieȱ Gegenwartȱ dieȱ zweiȱ mittlerenȱ Strophen.ȱ Fürȱ alleȱ dreiȱ HandlungsweisenȱhatȱderȱPsalmistȱeineȱeigeneȱSprachformȱundȱDenkȬ weise.ȱ Fürȱ dasȱ Handelnȱ Gottesȱ inȱ derȱ Vergangenheitȱ werdenȱ VerbalȬ aussagenȱ verwendet.ȱ Diese,ȱ alsȱ bleibendȱ gültigȱ insȱ Perfektȱ gesetzt,ȱ kennzeichnenȱdasȱHandelnȱalsȱeinȱpersönliches,ȱohneȱGrundȱoderȱMoȬ tivȱ anzugeben,ȱ ausgehendȱ vonȱ einerȱ innerenȱ Initiative,ȱ vonȱ Zornȱ undȱ Grimmȱ nunmehrȱ abzusehenȱ undȱ dasȱ fälligeȱ Strafhandelnȱ wegenȱ SchuldȱundȱVerfehlungȱauszusetzen.ȱV.ȱ2ȱnenntȱdiesȱmitȱdemȱpolitischȬ juristischenȱ Ausdruck:ȱ WZEYWEYȱ „eineȱ Wendeȱ herbeiführen“,ȱ denȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 28ȱ Inȱ1.ȱChrȱ16,27ȱff.ȱvariiert.ȱ

ȱ

V.ȱ

125ȱ

vorigenȱ Zustandȱ wiederherstellenȱ (restitutioȱ inȱ integrum).ȱ Woraufȱ sichȱ dieseȱ Aktionȱ bezieht,ȱ wirdȱ nichtȱ näherȱ erläutert.ȱ Nachȱ derȱ biblischenȱ Traditionȱ bedurfteȱ esȱ nichtȱ wenigerȱ solcherȱ Amnestien,ȱ dieȱ V.ȱ 3ȱ VerȬ gebungȱundȱVersöhnungȱnennt.ȱFürȱdieȱBeter,ȱSänger,ȱHörerȱwarȱwohlȱ klar,ȱ dassȱ esȱ sichȱ dabeiȱ umȱ einȱ traditionellesȱ Theologumenonȱ handeltȱ undȱ auch,ȱ wasȱ esȱ fürȱ sieȱ inȱ ihrerȱ Zeitȱ bedeutete.ȱ Dieȱ theologischeȱ ArȬ gumentationȱ bleibtȱ inȱ derȱ erstenȱ Stropheȱ eherȱ konventionell.ȱ AufhorȬ chenȱlässtȱnurȱderȱBegriffȱ„deinȱLand“,ȱfürȱdasȱLand,ȱdasȱGottȱfürȱsichȱ reklamiertȱ (vgl.ȱ Psȱ 60,8–10),ȱ dasȱ Heiligeȱ Land,ȱ undȱ dannȱ derȱ Nameȱ „Jakob“,ȱ derȱ inȱ denȱ QorachȬȱ undȱ AsaphȬPsalmenȱ häufigerȱ begegnetȱ undȱeineȱnördlicheȱPerspektiveȱaufȱdasȱVolkȱGottesȱandeutet.29ȱ Interessantȱ ist,ȱ dassȱ dasȱ narrativeȱ Imperfectumȱ consecutivumȱ hierȱ nichtȱverwendetȱwird.ȱEsȱgehtȱebenȱnichtȱumȱeinȱkontingentesȱEreignis,ȱ dasȱsichȱerzählenȱoderȱberichtenȱließe.ȱEsȱgehtȱumȱeineȱgottgeschaffeneȱ Basisȱ undȱ Voraussetzung,ȱ welcheȱ derȱ Psalmȱ imȱ Gebetȱ bekenntȱ undȱ dankbarȱanerkennt.ȱ Ganzȱ andersȱ –ȱ wieȱ gezeigtȱ –ȱ dieȱ Stropheȱ überȱ Gottesȱ Handelnȱ inȱ derȱZukunft.ȱKeineȱverbale,ȱsondernȱeineȱnominaleȱTheologieȱherrschtȱ hierȱ vor:ȱ Begriffeȱ werdenȱmiteinanderȱinȱ Beziehungȱgesetzt.ȱ Dasȱwäreȱ einȱSpielȱmitȱAbstracta,ȱwieȱesȱsystematischesȱDenkenȱbevorzugt,ȱwäreȱ nichtȱ dasȱ ganzeȱ bildlichȱ undȱ szenischȱ gestaltet.ȱ Dasȱ liegtȱ natürlichȱ anȱ derȱ Intention,ȱ Vorgestelltes,ȱ nurȱ Gedachtes,ȱ nochȱ Ungeschehenesȱ ausȬ zusagenȱ undȱ begreiflichȱ zuȱ machen.ȱ Dazuȱ dientȱ dieȱ Vision,ȱ dieȱ mitȱ SymbolenȱarbeitetȱundȱUnsichtbaresȱsichtbarȱzuȱmachenȱversucht.ȱDiesȱ istȱ einȱ theologischesȱ Anliegenȱ derȱ Propheten.ȱ Darumȱ habenȱ sieȱ ihreȱ Sprachbilderȱgeschaffenȱundȱmanchmalȱ–ȱwieȱinȱPsȱ85ȱ–ȱzurȱIkoneȱausȬ gestaltet. 30ȱOftȱkönnenȱsieȱihreȱkühnenȱProjektionenȱaufȱeinȱGotteswortȱ zurückführen,ȱwieȱPsȱ60ȱmitȱdemȱBildȱvomȱgöttlichenȱKrieger,ȱoderȱJesȱ 32.ȱDerȱPsalmistȱvonȱPsȱ85ȱkannȱdasȱauch.ȱErȱberuftȱsichȱaufȱeinȱWort,ȱ dasȱ erȱ vernommenȱ habenȱ willȱ (V.ȱ 9),ȱ undȱ dasȱ erȱ mitȱ derȱ Formel:ȱ ZOYUEGȱ „Friedeȱ sagen“,ȱ „Heilȱ sprechen“,ȱ möglicherweise:ȱ „dasȱ SeȬ genswortȱsprechen“ȱ(Psȱ122,6ȱff).ȱJedenfallsȱgewinntȱerȱdarausȱeineȱkreȬ ativeȱAuslegung,ȱmachtȱdasȱHeilȱ–ȱwieȱinȱV.ȱ8ȱgewünschtȱ–ȱsichtbar,ȱaufȱ seineȱbesondereȱWeise,ȱmitȱprophetischemȱAnspruch.ȱȱ Wieȱ deutetȱ derȱ Psalmistȱ seineȱ Gegenwart?ȱ Dieȱ mittlerenȱ Strophenȱ suchenȱ daraufȱ eineȱ Antwort.ȱ Undȱ zwarȱ sehrȱ konkret,ȱ sozusagenȱ mitȬ hilfeȱ derȱ praktischenȱ Theologie.ȱ Dieȱ Situationȱ derȱ Gemeindeȱ istȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 29ȱ Vgl.ȱ z.ȱB.ȱ 44,5;ȱ 46,8.12;ȱ 47;5;ȱ 84,9;ȱ 87,2ȱ –ȱ 75,10;ȱ 76,7;ȱ 77,16;ȱ 78,5.21.71;ȱ 79,7;ȱ 81,2.5;ȱ Psȱ 105,6.10.23;ȱDtȱ32,9.ȱ 30ȱ „…ȱsoȱwundervoll,ȱsoȱunirdischȱdasȱbarockeȱGoldȱdiesesȱGemäldesȱ…“,ȱH.ȱSchmidt,ȱ DieȱPsalmen,ȱ1934,ȱ161.ȱ

126ȱ

8.ȱPsalmȱ85ȱalsȱsprachlichesȱKunstwerkȱ

deplorabel.ȱ Erȱ nenntȱ sieȱ „tot“,ȱ bzw.ȱ sieȱ mussȱ wiederȱ zumȱ Lebenȱ erȬ wecktȱwerdenȱ(V.ȱ7).ȱFreudeȱfehltȱundȱHeil,ȱdieȱGüteȱGottesȱwirdȱnichtȱ mehrȱgesehenȱ(V.ȱ5–7).ȱDabeiȱkannȱderȱPsalmistȱdaraufȱverweisen,ȱdassȱ nichtȱ allesȱ verlorenȱ ist.ȱ Manȱ hatȱ nochȱ einȱ Landȱ (V.ȱ 10).ȱ Manȱ hatȱ einȱ Heiligtum,ȱ woȱ manȱ zusammenkommt.ȱ Diesesȱ bestehtȱ offenbarȱ noch.ȱ Jedenfallsȱ kannȱ Gottesȱ Herrlichkeitȱ dortȱ nochȱ Wohnungȱ beziehenȱ (#NY).ȱGebeteȱsindȱnochȱmöglichȱ(V.ȱ2ȱff.).ȱUndȱ–ȱsoȱderȱPsalmistȱ(AD)ȱ–ȱ dasȱHeilȱistȱganzȱnaheȱ(EZUT)ȱ(V.ȱ10).ȱDochȱesȱbedarfȱdesȱaufrüttelndenȱ Impulses:ȱPsȱ85.ȱ

VI.ȱ Psȱ85ȱistȱalsoȱnichtȱnurȱeinȱliterarischesȱKunstwerk.ȱEsȱistȱeinȱText,ȱderȱ seineȱFunktionȱhatteȱundȱinȱgewisserȱWeiseȱbehielt,ȱwieȱdasȱdieȱÜberȬ schriftȱ anzeigt.ȱ Auchȱ dieȱ Zusätzeȱ (inȱ V.ȱ 6.13)ȱ undȱ dieȱ Veränderungenȱ (inȱV.ȱ9.12–14)ȱbezeugen,ȱdassȱderȱTextȱweiterȱverwendetȱwurde.ȱȱ Woȱ undȱ wannȱ erȱ entstandenȱ ist,ȱ lässtȱ sichȱ nurȱ annäherndȱ bestimȬ men.ȱ Dochȱ sprechenȱ einigeȱ Indizienȱ dafür,ȱ dassȱ dieserȱ Psalmȱ imȱ UmȬ kreisȱdesȱHeiligtumsȱvonȱDanȱinȱNordisraelȱentstandenȱist.ȱDaraufȱdeuȬ tetȱ zunächstȱ derȱ weitereȱ Kontextȱ derȱ QorachȬPsalmen,ȱ derenȱ mutmaßlicheȱ Lokalisierungȱ sichȱ aufȱ dieȱ Texteȱ Psȱ 42ȱf.;ȱ 46;ȱ 48ȱ undȱ 84ȱ stützt.31ȱ Vorȱ allemȱ Psȱ 84ȱ ausȱ demȱ unmittelbarenȱ Kontextȱ sprichtȱ eineȱ nochȱdeutlichereȱSprache.ȱErȱfeiertȱdasȱPilgerheiligtum,ȱdasȱentgegenȱV.ȱ 8ȱebenȱnichtȱ„aufȱdemȱZion“ȱ–ȱesȱseiȱdennȱ„aufȱdemȱZionȱdesȱNordens“ȱ (Psȱ 48,3)ȱ –ȱ steht,ȱ wieȱ ausȱ demȱ angedeutetenȱ Wegȱ derȱ Wallfahrerȱ inȱ 84,6ȱff.ȱzuȱentnehmenȱist.ȱEsȱgibtȱeineȱReiheȱvonȱMotiven,ȱdieȱeineȱVerȬ bindungȱ annehmenȱ lassen:ȱ Derȱ Begriffȱ derȱ „Wohnungenȱ JHWHȱ Zebaots“ȱ(84,2),ȱinȱPsȱ46ȱthematisiert,ȱbegegnetȱinȱderȱverbalenȱFormȱinȱ 85,10;ȱdasȱGottesprädikatȱdesȱlebendigenȱGottesȱ(\MOD)ȱvonȱ84,3ȱundȱ 42,3ȱspiegeltȱsichȱinȱ85,7;ȱdieȱSituationȱderȱGemeindeȱnachȱ85ȱistȱnichtȱ unähnlichȱderȱdesȱKlagepsalmsȱ44;ȱundȱnichtȱzuletztȱdieȱAufnahmeȱderȱ Theologumenaȱ derȱgöttlichenȱ Attributeȱ alsȱ dieȱ personifiziertenȱ„gutenȱ Mächte“ȱ32ȱinȱV.ȱ11ȱff.ȱdeutetȱaufȱdieselbeȱHerkunft.ȱSoȱerhärtetȱsichȱderȱ lokaleȱBezugȱzuȱdemȱaltenȱTempelheiligtumȱinȱDan.ȱWasȱdieȱzeitlicheȱ Ansetzungȱ angeht,ȱ kommtȱ manȱ überȱ eineȱ allgemeineȱ Angabeȱ wieȱ „wahrscheinlichȱnachexilisch“ȱnichtȱhinaus.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 31ȱ Dieseȱ Theseȱ vonȱ M.ȱD.ȱ Goulder,ȱ Theȱ Palmsȱ ofȱ theȱ Sonsȱ ofȱ Korah,ȱ JSOTȱ (1982),ȱ hatȱ u.ȱE.ȱeinigesȱfürȱsich.ȱ 32ȱ Abgeschlossenȱ inȱ einerȱ erstenȱ Fassungȱ amȱ 4.2.06,ȱ demȱ 100.ȱ Geburtstagȱ Dietrichȱ Bonhoeffers.ȱ

ȱ

Übersetzungȱ

Übersetzungȱȱ 1ȱ ȱ 2ȱ ȱ 3ȱ ȱ 4ȱ ȱ ȱ 5ȱ ȱ 6ȱ ȱ 7ȱ ȱ 8ȱ ȱ ȱ 9ȱ ȱ ȱ ȱ 10ȱ ȱ ȱ 11ȱ ȱ 12ȱ ȱ 13ȱ ȱ 14ȱ ȱ

FürȱdenȱChorleiter:ȱFürȱdieȱQorachiten.ȱEinȱPsalmȱ Duȱhast,ȱJHWH,ȱdeinȱLandȱbegnadigt,ȱ hastȱdasȱGeschickȱJakobsȱgewendet.ȱ DuȱhastȱdieȱSchuldȱdeinesȱVolkesȱvergeben,ȱ hastȱalleȱihreȱSündeȱbedeckt.ȱSelaȱ DuȱhastȱzurückgenommenȱdeinenȱganzenȱGrimm,ȱ abgewendetȱdieȱGlutȱdeinesȱZorns.ȱ Stelleȱunsȱwiederȱher,ȱGottȱunseresȱHeils,ȱ undȱbrichȱdeinenȱUnmutȱgegenȱuns!ȱ (WillstȱduȱunsȱfürȱalleȱZeitȱzürnen?ȱ DeinenȱZornȱziehenȱvonȱGeschlechtȱzuȱGeschlecht?)ȱ Bistȱduȱesȱnicht,ȱderȱunsȱwiederȱlebendigȱmachenȱkann,ȱ soȱdassȱdeinȱVolkȱsichȱüberȱdichȱfreut?ȱ Lassȱuns,ȱJHWH,ȱdeineȱGüteȱschauenȱ undȱschenkeȱunsȱdeinȱHeil!ȱ Ichȱwillȱhören,ȱwasȱGottȱspricht;ȱ ja,ȱ(JHWH)ȱerȱsprichtȱvomȱFrieden.ȱ ZuȱseinemȱVolkȱundȱseinenȱGetreuenȱ undȱzuȱdenenȱdieȱaufrichtigenȱHerzensȱsind.ȱSelaȱ Gewissȱistȱerȱ(seinȱHeil)ȱnaheȱbeiȱdenen,ȱdieȱihnȱfürchten,ȱ dassȱseineȱHerrlichkeitȱwohntȱinȱunsermȱLand.ȱ DieȱGüteȱundȱdieȱTreue,ȱsieȱhabenȱsichȱgetroffen;ȱ dieȱGerechtigkeitȱundȱderȱFriede,ȱsieȱhabenȱsichȱgeküsst.ȱ DieȱTreue,ȱsieȱstrahltȱvonȱderȱErdeȱauf;ȱ undȱdieȱGüte,ȱsieȱblicktȱvomȱHimmelȱherab.ȱ (AuchȱwirdȱJHWHȱdasȱGuteȱgeben,ȱ undȱunserȱLandȱgibtȱseinenȱErtrag.)ȱ DieȱGerechtigkeit,ȱsieȱgehtȱvorȱihmȱher,ȱ undȱderȱFriede,ȱerȱfolgtȱihmȱaufȱSchrittȱundȱTritt.ȱ

127ȱ

128ȱ

8.ȱPsalmȱ85ȱalsȱsprachlichesȱKunstwerkȱ

Literaturȱ AlonsoȱSchökel,ȱL.,ȱAȱManualȱofȱHebrewȱPoetics,ȱSubBiȱ11,ȱRomȱ1988.ȱ Duhm,ȱB.,ȱDieȱPsalmen,ȱKHCȱ14,ȱFreiburgȱi.ȱBr.ȱ1899ȱ(Tübingenȱ21922).ȱ Ebach,ȱ J.,ȱ „Gerechtigkeitȱ undȱ Friedenȱ küssenȱ sich“,ȱ oder:ȱ „Gerechtigkeitȱ undȱ Friedenȱ kämpfen“ȱ (Psȱ 85,11).ȱ Überȱ eineȱ biblischeȱ Grundwertdebatte,ȱ in:ȱ Gottȱ anȱ denȱ Rändern,ȱ Sozialgeschichtlicheȱ Perspektivenȱ aufȱ dieȱ Bibel,ȱ hg.ȱv.ȱU.ȱBail/R.ȱRost,ȱGüterslohȱ1996,ȱ42–52.ȱ Flint,ȱ P.ȱW.,ȱ Theȱ Deadȱ Seaȱ Psalmsȱ Scrollsȱ andȱ theȱ Bookȱ ofȱ Psalms,ȱ StTDJȱ 17,ȱ Leiden/NewȱYork/Kölnȱ1997.ȱ Goulder,ȱM.ȱD.,ȱTheȱPsalmsȱofȱtheȱSonsȱofȱKorah,ȱJSOT.Sȱ20,ȱSheffieldȱ1982.ȱ Gunkel,ȱH.,ȱAusgewählteȱPsalmenȱübersetztȱundȱerklärt,ȱGöttingenȱ41917.ȱ Hossfeld,ȱ F.ȬL./Zenger,ȱ E.,ȱ Psalmenȱ 51–100,ȱ übersetztȱ undȱ ausgelegt,ȱ Herdersȱ Theologischerȱ Kommentarȱ zumȱ Altenȱ Testament,ȱ Freiburg/Basel/Wienȱ 2000.ȱ Jenni,ȱ E.,ȱ Dieȱ hebräischenȱ Präpositionen,ȱ Bd.ȱ3:ȱ Dieȱ Präpositionȱ Lamed,ȱ StuttȬ gartȱ2000.ȱ Kelleher,ȱ B.ȱD./O’Neillȱ J.ȱP.ȱ etȱ al.ȱ (Eds.),ȱ Treasuresȱ ofȱ theȱ Holyȱ Land,ȱ Ancientȱ ArtȱfromȱtheȱIsraelȱMuseum,ȱTheȱMetropolitanȱMuseumȱofȱArt,ȱNewȱYorkȱ 1986,ȱ275–276ȱ(Fotoȱ150).ȱ Nötscher,ȱF.,ȱDieȱPsalmen,ȱEchterȬBibel,ȱWürzburgȱ1947.ȱ Schmidt,ȱH.,ȱDieȱPsalmen,ȱHATȱ1,15,ȱTübingenȱ1934.ȱ Seybold,ȱK.,ȱPoetikȱderȱPsalmen.ȱPoetologischenȱStudienȱzumȱAltenȱTestamentȱ Bd.ȱ1,ȱStuttgartȱ2003.ȱ Stern,ȱ E.ȱ (Ed.),ȱ Theȱ Newȱ Encyclopediaȱ ofȱ Archaeologicalȱ Excavationsȱ inȱ theȱ HolyȱLand,ȱVol.ȱ3,ȱNewȱYorkȱetȱal.ȱ1993ȱ(Masada,ȱAbb.ȱ982).ȱ Terrien,ȱ S.,ȱ Theȱ Psalms,ȱ Strophicȱ Structureȱ andȱ Theologicalȱ Commentary,ȱ GrandȱRapidsȱ2004.ȱ Theȱ Deadȱ Seaȱ Scrollsȱ Bible,ȱ ed.ȱ byȱ M.ȱ Abegg/P.ȱW.ȱ Flint/E.ȱ Ulrich,ȱ Edinburghȱ 1999.ȱ Tournay,ȱR.ȱJ.,ȱSeeingȱandȱHearingȱGodȱwithȱtheȱPsalms.ȱTheȱPropheticȱLiturgyȱ ofȱtheȱSecondȱTempleȱinȱJerusalemȱ(tr.ȱJ.ȱE.ȱCrowley),ȱJSOT.Sȱ118,ȱSheffieldȱ 1991.ȱ Tov,ȱE.,ȱSpecialȱLayoutȱofȱPoeticalȱUnitsȱinȱtheȱTextsȱfromȱtheȱJudeanȱDesert,ȱin:ȱ Giveȱearȱtoȱmyȱwords,ȱPsalmsȱandȱotherȱPoetryȱinȱandȱaroundȱtheȱHebrewȱ Bible,ȱEssaysȱinȱhonourȱofȱProfessorȱN.ȱA.ȱvanȱUchelen,ȱed.ȱbyȱJ.ȱDyk,ȱAmsȬ terdamȱ1999,ȱ115–128.ȱ Yadin,ȱY.,ȱMasada:ȱHerod’sȱFortressȱandȱtheȱZealots’ȱLastȱStand,ȱLondonȱ1966,ȱ 170–172.ȱ Zenger,ȱE.,ȱDasȱMythischeȱinȱdenȱPsalmenȱ84ȱundȱ85,ȱin:ȱMythosȱimȱAltenȱTesȬ tamentȱ undȱ seinerȱ Umwelt,ȱ FSȱ fürȱ H.ȬP.ȱ Müller,ȱ hg.ȱv.ȱ A.ȱ Langeȱ u.ȱa.,ȱ BZAWȱ278,ȱBerlinȱ1999,ȱ233–251.ȱ

ȱ

9.ȱPsalmȱ90ȱundȱdieȱTheologieȱderȱZeitȱ(Zeiten)ȱ ȱ ȱ DieȱWorteȱdesȱ90.ȱPsalmsȱsindȱinȱvielerȱMenschenȱMund.ȱEinmalȱganzȱ abgesehenȱvonȱSchriftlesungenȱundȱGebetenȱzeigtȱsichȱeineȱbesondereȱ profaneȱVorliebeȱfürȱZitateȱausȱdiesemȱPsalmȱwie:ȱ„UnserȱLebenȱwähȬ retȱ 70ȱ Jahr,ȱ undȱ wenn’sȱ hochȱ kommt,ȱ soȱ sind’sȱ 80ȱ Jahr“.ȱ Oder:ȱ „Wirȱ bringenȱ unsereȱ Tageȱ zuȱ wieȱ einȱ Geschwätz“.ȱ Oderȱ nachȱ denȱ fettȱ geȬ drucktenȱVersenȱderȱälterenȱLutherbibelȱetwaȱauch:ȱ„LehreȱunsȱbedenȬ ken,ȱ dassȱ wirȱ sterbenȱ müssen,ȱ aufȱ dassȱ wirȱ klugȱ werden“.ȱ Oderȱ einȱ wenigȱreligiöser:ȱ„1000ȱJahreȱsindȱvorȱdirȱwieȱderȱTag,ȱderȱgesternȱverȬ gangenȱist“.ȱȱ GeflügelteȱWorte,ȱteilweiseȱzuȱgeläufigenȱSprichwörternȱgeworden,ȱ ausȱ demȱ Zusammenhangȱ gerissenȱ undȱ tradiertȱ wieȱ vieleȱ biblischeȱ Weisheiten,ȱ bekanntermaßenȱ nachȱ einerȱ weitȱ verbreitetenȱ undȱ langeȱ anhaltendenȱ ÜberlieferungsȬȱ undȱ Auslegungsmethode,ȱ fürȱ dieȱ dasȱ zuletztȱgenannteȱZitatȱinȱ2.ȱPetrȱ3,8ȱfürȱunserenȱPsalmȱdasȱVorbildȱist.ȱ EsȱgibtȱaberȱauchȱeineȱganzeȱReiheȱvonȱNachdichtungen,ȱdieȱsichȱmehrȱ oderȱwenigerȱanȱdieȱVorgabenȱdesȱPsalmsȱhalten,ȱvielmehrȱinȱdenȱaltenȱ SchlauchȱganzȱneuenȱWeinȱgießen,ȱohneȱzuȱsehen,ȱdassȱderȱalteȱhebräiȬ scheȱ Schlauchȱ sehrȱ löchrigȱ istȱ undȱ imȱ Allgemeinenȱ nichtȱ haltenȱ kann,ȱ wasȱmanȱinȱihnȱfüllt.ȱ Gemeinsamȱ istȱ wohlȱ allen,ȱ dieȱ sichȱ ausȱ irgendeinemȱ Grundȱ vonȱ demȱ Psalmȱ angezogenȱ oderȱ angesprochenȱ fühlen,ȱ dassȱ sieȱ dasȱ Gefühlȱ haben,ȱ erȱ bieteȱ einigeȱ grundsätzlichȱ wichtigeȱ Aussagenȱ zumȱ menschȬ lichenȱLebenȱinȱseinerȱzeitlichenȱDimension.ȱUndȱdiesȱistȱnunȱinȱkeinerȱ Weiseȱ falsch,ȱ dennȱ mitȱ Zeit,ȱ mitȱ derȱ Lebenszeit,ȱ mitȱ derȱ Qualitätȱ derȱ ZeitenȱhatȱesȱdieserȱTextȱzuȱtun.ȱAberȱinȱwelcherȱWeise?ȱDasȱistȱnunȱdieȱ Frage,ȱ dieȱ unsȱ exegetischȱ undȱ theologischȱ beschäftigenȱ sollȱ inȱ derȱ ErȬ wartung,ȱetwasȱvomȱbiblischen,ȱspeziellȱalttestamentlichenȱVerständnisȱ derȱZeitȱundȱderȱZeitenȱzuȱerfahren.ȱȱ

130ȱ

9.ȱPsalmȱ90ȱundȱdieȱTheologieȱderȱZeitȱ(Zeiten)ȱ

I.ȱ Dochȱ zuerstȱ müssenȱ einigeȱ psalmtypischeȱ exegetischeȱ Fragenȱ geklärtȱ werden.ȱȱ Derȱ Textȱ desȱ 90.ȱ Psalmsȱ istȱ konträrȱ zuȱ denȱ glattenȱ Übersetzungenȱ ziemlichȱrauȱundȱschwierig.ȱAusȱQumranȱkamȱinȱdieserȱHinsichtȱkeineȱ Hilfe,ȱ soȱ dassȱ manȱ aufȱ dieȱ altenȱ Textversionenȱ angewiesenȱ ist.ȱ Aberȱ nichtȱnurȱimȱBlickȱaufȱdieȱSemantikȱbietetȱderȱTextȱ–ȱwieȱGerhardȱvonȱ Radȱsagtȱ–ȱeinigeȱ„unangenehmeȱSchwierigkeiten“,ȱnochȱetwasȱdeutliȬ cherȱgesagt:ȱeinigeȱfastȱunverständlicheȱPassagen,ȱdieȱüberzeugendȱzuȱ verstehenȱ nochȱ nichtȱ gelungenȱ ist.ȱ Dazuȱ kommenȱ dieȱ imȱ Psalterȱ übliȬ chenȱ literarischenȱ Schäden,ȱ dieȱ durchȱ denȱ vielfachenȱ Gebrauchȱ einȬ getretenȱsindȱundȱdazuȱzwingen,ȱdassȱmanȱfastȱkeinenȱPsalmtextȱohneȱ restaurativeȱ Arbeitȱ übernehmenȱ undȱ verstehenȱ kann.ȱ Derȱ Schadenȱ scheintȱnunȱgeradeȱbeiȱPsȱ90ȱbesondersȱgroß.ȱEsȱgibtȱkeineȱÜbersetzungȱ oderȱ Wiedergabe,ȱ dieȱ ohneȱ Umstellungenȱ auskommt:ȱ Esȱ seiȱ dennȱ fürȱ denȱ Preisȱ derȱ Unverständlichkeit.ȱ Dasȱ allesȱ istȱ nichtȱ neu,ȱ bleibtȱ aberȱ eineȱständigȱneuȱzuȱleistendeȱAufgabe.ȱUndȱgeradeȱinȱeinemȱText,ȱderȱ soȱdiffizileȱundȱsublimeȱUnterscheidungenȱinȱderȱFrageȱnachȱdemȱZeitȬ verständnisȱvornimmt,ȱkämeȱesȱaufȱalleȱNuancenȱan.ȱSoȱsindȱauchȱhierȱ dieȱVerlegenheitȱundȱdasȱNichtwissenȱdesȱExpertenȱgrößerȱalsȱdasȱdesȱ einfachenȱBibellesers,ȱderȱsichȱanȱseineȱÜbersetzungȱhaltenȱkann.ȱUndȱ dieȱÜbersetzungenȱsindȱalsȱliterarischeȱZeugnisseȱ–ȱmanȱdenkeȱnurȱanȱ dieȱ Lutherübersetzungȱ oderȱ anȱ dieȱ Übersetzungȱ derȱ älterenȱ Zürcherȱ Bibelȱ vonȱ 1931ȱ –ȱ alsȱ solcheȱ unübertrefflich.ȱ Aber:ȱ Gebenȱ sieȱ denȱ Sinnȱ desȱbeschädigtenȱGrundtextesȱwieder?ȱ SolcheȱProblemeȱgehörenȱinȱdieȱexegetischeȱWerkstattȱundȱkönnenȱ hierȱ nichtȱ inȱ allerȱ Ausführlichkeitȱ diskutiertȱ werden.ȱ Darumȱ versucheȱ ichȱimȱVorhineinȱdarzustellen,ȱwieȱsichȱderȱTextȱmirȱdarstelltȱundȱwelȬ cheȱ Fassungȱ wirȱ unsererȱ Nachfrageȱ nachȱ demȱ Denkenȱ überȱ dieȱ Zeitȱ zugrundeȱlegen.ȱ

1. Psȱ 90ȱ scheintȱ vorȱ allemȱ amȱ Anfangȱ undȱ amȱ Endeȱ beschädigtȱ zuȱ sein.ȱ Dasȱ könnteȱ vonȱ daherȱ kommen,ȱ dassȱ erȱ alsȱ Dokumentȱ vielȱ gebrauchtȱ undȱdadurchȱetwasȱabgegriffenȱwurde.ȱEsȱkönnteȱaberȱauchȱ–ȱwasȱmirȱ inȱ diesemȱ Fallȱ wahrscheinlicherȱ istȱ –ȱ vonȱ derȱ Einarbeitungȱ inȱ dieȱ SeȬ rienfolgeȱherrühren,ȱdieȱdenȱAnschlussȱanȱPsȱ91ȱff.ȱerreichenȱwollte.ȱ

2. Psȱ90ȱwirdȱnachȱderȱÜberschrift:ȱ„EinȱGebetȱfürȱMose,ȱdenȱMannȱGotȬ tes“ȱ alsȱ Mosepsalm,ȱ alsȱ derȱ einzigeȱ Mosepsalmȱ imȱ Psalterȱ definiert.ȱ

ȱ

I.ȱ

131ȱ

WasȱimmerȱvonȱdenȱweithinȱsekundärenȱPsalmüberschriftenȱzuȱhaltenȱ ist:ȱ Erȱ wirdȱ dadurchȱ mitȱ denȱ imȱ Pentateuchȱ überliefertenȱ MoseȬ psalmen,ȱdemȱMosepsalmȱzumȱExodusȱ(Exȱ15)ȱundȱdemȱMoseliedȱ(Dtȱ 32)ȱ–ȱundȱwennȱmanȱwillȱ–ȱdemȱMosesegenȱ(Dtȱ33)ȱgleichgestellt.ȱDieseȱ TexteȱsetzenȱdieȱnachmosaischeȱZeitȱvoraus,ȱsindȱalsoȱzumindestȱnichtȱ imȱ Wortlautȱ aufȱ Moseȱ zurückzuführen.ȱ Exȱ 15ȱ weißȱzudemȱ vonȱ einemȱ Tempelheiligtum,ȱ Dtȱ 32ȱ gehörtȱ seinerȱ Gattungȱ nachȱ alsȱ Anklageȱ aufȱ Bundesbruchȱ inȱ dieȱ Exilszeit.ȱ Soȱ liegtȱ esȱ nahe,ȱ auchȱ fürȱ Psȱ 90ȱ anȱ dieȱ Exilszeitȱ zuȱ denken,ȱ inȱ derȱ jaȱ auchȱ dieȱ deuteronomistischeȱ Mosetoraȱ desȱDtȱentstandenȱist.ȱDassȱerȱandeutendȱvonȱeinerȱHeilswendeȱsprichtȱ (V.ȱ15),ȱpasstȱinsȱBild.ȱSollteȱdieȱTheseȱrichtigȱsein,ȱdassȱmitȱdemȱ„Werkȱ unsererȱHände“ȱkonkretȱderȱTempelneubauȱgemeintȱseinȱ–ȱwofürȱm.ȱE.ȱ einigesȱ sprichtȱ –ȱ könnteȱ manȱ demȱ Textȱ sogarȱ eineȱ festeȱ Datierungȱ zuȬ weisen:ȱ Erȱ istȱ möglicherweiseȱ anlässlichȱ desȱ Wiederaufbausȱ eines,ȱ jaȱ dannȱwohlȱdesȱzweitenȱJerusalemerȱTempelsȱverfasstȱworden.ȱ

3. DieȱWidmungȱundȱZuweisungȱanȱMoseȱkönnteȱausȱähnlichenȱGründenȱ erfolgtȱ seinȱ wieȱ dieȱ Entstehungȱ desȱ „zweitenȱ Gesetzes“,ȱ desȱ DeuteroȬ nomiums,ȱ dieȱ jaȱ vonȱ derȱ Intentionȱ getragenȱ war,ȱ inȱ dieȱ klassischeȱ MosezeitȱundȱihreȱOffenbarungȱzurückzukehrenȱundȱaufȱderȱBasisȱdesȱ mosaischenȱGesetzesȱundȱsozusagenȱaufȱderȱGrundlageȱderȱTheologieȱ Mosesȱeinenȱneuenȱ Beginnȱ zuȱ wagen.ȱDassȱ auchȱ Psȱ 90ȱ grundsätzlicheȱ theologischeȱFestlegungenȱtreffenȱwill,ȱistȱunbestreitbar.ȱ

4. Vielleichtȱ warȱ –ȱ soȱ eineȱ diskutableȱ Annahmeȱ –,ȱ beginnendȱ mitȱ Psȱ 90ȱ einmalȱ einȱ Mosepsalterȱ geplant,ȱ derȱ dieȱ theologischȱ überausȱ bedeutȬ samenȱ Texteȱ ausȱ demȱ Erbgutȱ desȱ erstenȱ Tempelsȱ (GottȬKönigsȬ Hymnenȱ93ȱff.,ȱKönigspsalmenȱ101.110,ȱLiturgienȱ103ȱff.ȱu.ȱa.)ȱenthaltenȱ sollte.ȱJedenfallsȱbeginntȱmitȱPsȱ90ȱnichtȱnurȱdasȱsog.ȱvierteȱBuch,ȱsonȬ dernȱ eineȱ Reiheȱ vonȱ fundamentalenȱ Texten,ȱ dieȱ –ȱ dochȱ wohlȱ konzepȬ tuellȱbedingtȱ–ȱvonȱZeugnissenȱmitȱeinerȱTheologieȱderȱheiligenȱZeitȱ(Psȱ 90),ȱ Theologieȱ desȱ sakralenȱ Raumsȱ (Psȱ 91)ȱ undȱ Theologieȱ derȱ KultȬ musikȱ(Psȱ92)ȱeröffnetȱwird.ȱ

5. Psȱ90ȱistȱseinemȱCharakterȱnachȱeinȱGebet.ȱManȱhatȱihnȱseinerȱGattungȱ nachȱ alsȱ Klageliedȱ oderȱ alsȱ Hymnusȱ eingestuft.ȱ Stilelementeȱ dieserȱ Gattungenȱ sindȱ auchȱ erkennbar.ȱ Dochȱ imȱ Ganzenȱ gesehenȱ entziehtȱ erȱ sichȱ inȱ seinerȱ individuellenȱ Eigenartȱ eigentlichȱ einerȱ Kategorisierung.ȱ Erȱ istȱ formalȱ alsȱ Gedichtȱ oderȱ alsȱ Liedȱ gestaltet,ȱ dasȱ ohneȱ allzuȱ großeȱ

132ȱ

9.ȱPsalmȱ90ȱundȱdieȱTheologieȱderȱZeitȱ(Zeiten)ȱ

SchwierigkeitȱinȱsechsȱjeȱdreizeiligeȱStrophenȱgegliedertȱwerdenȱkann,ȱ dieȱinȱdemȱfürȱHymnenȱundȱweisheitlicheȱTexteȱgewöhnlichenȱRhythȬ musȱdesȱausbalanciertenȱMaschalȬVersesȱ(3+3)ȱgehaltenȱsind.ȱDieȱStroȬ phengliederungȱ istȱ nichtȱ nurȱ vonȱ formalerȱ undȱ vonȱ periphererȱ BeȬ deutung,ȱ sondernȱ entwickeltȱ bedeutungstragendȱ eineȱ Zeitauffassungȱ nachȱsechsȱAspekten,ȱanȱdieȱsichȱunsereȱUntersuchungȱhaltenȱkann.ȱIchȱ verschweigeȱ aberȱ nicht,ȱ dassȱ vorȱ allemȱ imȱ Eingangsbereichȱ ErȬ gänzungenȱundȱUmstellungenȱnötigȱsind.ȱSoȱgehört,ȱkurzȱgesagt,ȱV.ȱ4ȱ nachȱ vornȱ zuȱ V.ȱ 2,ȱ derȱ seinerseitsȱ wohlȱ denȱ ursprünglichenȱ Anfangȱ gebildetȱ hat,ȱ währendȱ V.ȱ 1ȱ eigentlichȱ undȱ demȱ Sinneȱ nachȱ ganzȱ ansȱ Endeȱ gehört.ȱ Dasȱ magȱ aufȱ sichȱ beruhen,ȱ weilȱ derȱ Gedankengangȱ loȬ gischȱinȱjedemȱFalleȱinȱdieserȱRichtungȱverläuft.ȱ

II.ȱ BevorȱwirȱzuȱdemȱgedanklichenȱGebäudeȱeinerȱZeitentheorieȱkommen,ȱ mussȱ nochȱ zuvorȱ etwasȱ Allgemeinesȱ gesagtȱ werdenȱ überȱ dieȱ antikeȱ Zeitauffassung,ȱ dasȱ Zeitmaßȱ undȱ dasȱ Zeitgefühl,ȱ soweitȱ esȱ dieȱ alttesȬ tamentlichenȱZeugnisseȱundȱauchȱdieserȱPsalmȱerkennenȱlassen.ȱDasȱistȱ natürlichȱeinȱsehrȱweitesȱFeldȱoderȱbesserȱgesagt:ȱeinȱendloserȱWegȱaufȱ denȱichȱmichȱhierȱnichtȱeinlassenȱkann,ȱundȱeigentlichȱgehtȱesȱmirȱnurȱ darum,ȱ deutlichȱ zuȱ machen,ȱ dassȱ sichȱ dasȱ moderneȱ Zeitgefühlȱ wohlȱ erheblichȱvonȱdemȱantikenȱunterscheidet.ȱȱ DerȱmoderneȱMenschȱlebtȱmitȱUhrȱundȱKalender,ȱtagtäglich,ȱstündȬ lich,ȱimmerȱimȱBewusstsein,ȱwelcheȱStundeȱesȱgeschlagenȱhat,ȱinȱSichtȬ weiteȱ permanentȱ einesȱ Chronometers,ȱ nachȱ demȱ erȱ sichȱ vergewissert,ȱ lebtȱimȱBewusstseinȱdesȱDatums,ȱdasȱerȱnachȱkurzerȱÜberlegungȱjederȬ zeitȱ weißȱ oderȱ erinnertȱ oderȱ rekonstruiert,ȱ bezogenȱ aufȱ festeȱ Termine,ȱ dieȱ ihmȱ denȱ Tagesrhythmusȱ vorgebenȱ undȱ –ȱ durchȱ Töneȱ oderȱ Zeigerȱ angezeigtȱ–ȱseineȱinnereȱbiologischeȱUhrȱschärfenȱoderȱstörenȱusw.ȱusf.ȱ Zudemȱ hatȱ erȱ gelernt,ȱ mitȱ größtenȱ undȱ kleinstenȱ Zeitmaßenȱ umzuȬ gehen,ȱkenntȱvorȱallemȱhoheȱGeschwindigkeitenȱundȱlebtȱinȱihnenȱundȱ mitȱihnen.ȱKurz:ȱDasȱLebenȱistȱtotalȱundȱununterbrochenȱzeitbestimmt.ȱ Ohneȱ Romantisierung,ȱ aberȱ historischȱ wohlȱ richtig:ȱ Derȱ antikeȱ Menschȱ lebteȱ nichtȱ ohneȱ Zeit,ȱ aberȱ ohneȱ Uhr,ȱ ohneȱ Kalender,ȱ ohneȱ Hochgeschwindigkeitsgefühl.ȱ Manȱ magȱ darüberȱ nachdenken,ȱ obȱ erȱ einenȱ abstraktenȱ Zeitbegriffȱ entwickeltȱ hat,ȱ z.ȱB.ȱ hebr.ȱ ’etȱ :ȱ manȱ sagtȱ mehrȱ inȱ derȱ Bedeutungȱ desȱ Zeitinhalts,ȱ derȱ konkreten,ȱ derȱ gefülltenȱ Zeit:ȱevent,ȱnotȱtime.ȱUnserȱTextȱjedenfallsȱbenütztȱdiesenȱBegriffȱnicht.ȱ Undȱwennȱwirȱuns,ȱstattȱüberȱdasȱantikeȱZeitgefühlȱzuȱspekulierenȱ–ȱanȱ

ȱ

III.ȱ

133ȱ

dieȱ Vorgabenȱ unseresȱ Zeitpsalmsȱ halten,ȱ istȱ esȱ rechtȱ eindeutig,ȱ wieȱ der/dieȱVerfasserȱdiesesȱTextesȱdamitȱumging/en:ȱȱ 1.ȱ Jeȱ 6Ȭmalȱ benützenȱ sieȱ dasȱ Wortȱ „Tag“ȱ undȱ dasȱ Wortȱ „Jahr“,ȱ undȱ zwarȱ inȱ fastȱ allenȱ denkbarenȱ grammatischenȱ VerwendungsmögȬ lichkeitenȱ alsȱ Singular,ȱ alsȱ Plural,ȱ gespaltenȱ alsȱ femininerȱ EinzelȬȱ undȱ maskulinerȱ Mengenplural,ȱ inȱ konstruiertenȱ Formen,ȱ mitȱ ZahȬ lenȱ(1000,ȱ80,ȱ70)ȱoderȱinȱGleichungenȱ(„soȱvieleȱTageȱwieȱ…;ȱsoȱvieȬ leȱ Jahreȱ wieȱ …“)ȱ verbundenȱ u.ȱa.ȱ Soȱ wirdȱ zumindestȱ klar,ȱ seineȱ Zeitauffassungȱ orientiertȱ sichȱ anȱ denȱ elementarenȱ oderȱ existenȬ tialenȱ Grunddatenȱ –ȱ nachȱ denenȱ wirȱ imȱ Grundeȱ jaȱ auchȱ lebenȱ –ȱ nachȱTagȱundȱJahr,ȱd.ȱh.ȱnachȱderȱSonneȱ(derȱMondȱundȱdieȱWocheȱ undȱderȱSabbatȱspielenȱimȱPsalmȱkeineȱRolleȱ–ȱdaraufȱistȱzurückzuȬ kommen).ȱȱ 2.ȱ Sieȱ richtenȱ sichȱ aberȱ auchȱ nachȱ denȱ damalsȱ wieȱ heuteȱ geläufigenȱ Zeitstufenȱoderȱdemȱ„Zeitlageverhältnis“ȱ(RüdigerȱBartelmus),ȱdasȱ einȱHeute,ȱeinȱGesternȱundȱeinȱMorgenȱkennt.ȱDaraufȱbautȱderȱTextȱ auf.ȱDieȱGegenwartslinieȱverläuftȱjustȱzwischenȱV.ȱ12ȱundȱV.ȱ13,ȱwoȱ dieȱImperativeȱdenȱdarstellendenȱTeilȱablösen.ȱ Alsoȱ istȱ dieȱ menschlicheȱ Grunderfahrungȱ vonȱ Zeit,ȱ derȱ Grundmaßeȱ undȱ derȱ Perspektiveȱ Ausgangspunktȱ seinesȱ Denkens.ȱ Undȱ natürlichȱ gehtȱesȱnichtȱumȱpräziseȱZeitmessungȱoderȱdenȱBegriffȱderȱZeitȱalsȱsolȬ chenȱ oderȱ garȱ eineȱ erkenntnistheoretischeȱ Kategorieȱ Zeit,ȱ eherȱ schonȱ umȱ eineȱ Daseinskonstante,ȱ eineȱ Seinsordnungȱ undȱ jedenfallsȱ umȱ dieȱ Lebenszeit,ȱdieȱZeitȱderȱMenschen,ȱunsereȱZeit.ȱȱ

III.ȱ DerȱPsalmȱbeginntȱmitȱderȱBeschreibungȱderȱgöttlichenȱZeit.ȱSchonȱeinȱ solchesȱ Unterfangenȱ istȱ außergewöhnlich.ȱ Zwarȱ hatȱ dieȱ liturgischeȱ SpracheȱseitȱjeherȱPrädikationenȱentwickeltȱoderȱausȱanderenȱreligiösenȱ Bereichenȱentlehnt,ȱdieȱvonȱ„ewigerȱDauer“,ȱgarȱ„Ewigkeit“ȱoderȱähnliȬ chemȱ reden;ȱ undȱ unserȱ Psalmȱ tutȱ esȱ jaȱ auch:ȱ „vonȱ Geschlechtȱ zuȱ GeȬ schlechtȱ„(UGZUGE)“,ȱ„vonȱEwigkeitȱzuȱEwigkeit“ȱ(OZ>G>OZ>P).ȱ DochȱsindȱsieȱmehrȱoderȱwenigerȱzuȱFormelnȱerstarrt,ȱderenȱSinnȱdurchȱ häufigenȱGebrauchȱbisȱzuȱeinemȱvagenȱGedankenȱabgeblasstȱerscheint.ȱ DiesȱgenügtȱdemȱPsalmȱnicht,ȱundȱerȱwillȱmehrȱüberȱseinesȱGottesȱundȱ „Herrn“ȱ (\QZGD)ȱ Existenzweiseȱ sagenȱ undȱ gehtȱ inȱ theologischerȱ KühnȬ heitȱdarinȱweiterȱalsȱdieȱmeistenȱLiturgenȱderȱPsalmendichtung.ȱȱ UmȱüberȱjeneȱfernenȱHöhenȱetwasȱzuȱsagen,ȱbenütztȱerȱdieȱbeiden,ȱ offenbarȱ einzigenȱ sprachlichenȱ Möglichkeiten,ȱ dieȱ dasȱ zuȱ erlaubenȱ scheinen:ȱdieȱSpracheȱdesȱMythosȱundȱdieȱStilformȱdesȱVergleichs.ȱ

134ȱ

9.ȱPsalmȱ90ȱundȱdieȱTheologieȱderȱZeitȱ(Zeiten)ȱ

Imȱ Blickȱ aufȱ denȱ Mythosȱ erstensȱ mussȱ nunȱ allesȱ bedachtȱ werden,ȱ wasȱzuȱseinerȱgenuinenȱHerkunftȱundȱursprünglichenȱBedeutungȱundȱ dannȱzuȱseinerȱVerwendungȱetwaȱimȱZusammenhangȱderȱDarstellungȱ derȱSchöpfung,ȱderȱErschaffungȱderȱWeltȱzuȱerkennenȱist.ȱDerȱMythosȱ hatȱ erklärende,ȱ legitimierende,ȱ paradigmatischȬmodellhafteȱ Funktionȱ undȱbeschäftigtȱsichȱmitȱderȱUrzeit,ȱalsoȱderȱZeitȱvorȱderȱWeltzeit,ȱdemȱ Uranfang,ȱ W\CDUE.ȱ Soȱ setztȱ derȱ Psalmȱ auchȱ einȱ mitȱ derȱ Vorzeit,ȱ umȱ dannȱ mythischȱ denȱ Uranfangȱ derȱ Weltȱ alsȱ Geburtsvorgangȱ anzudeuȬ ten:ȱ„EheȱdennȱdieȱBergeȱ…“ȱDieȱmitȱderȱmythischenȱSpracheȱVertrauȬ tenȱhattenȱhierȱwohlȱkeineȱProbleme.ȱSieȱwussten,ȱdassȱdieȱSpracheȱdesȱ MythosȱinȱBildernȱundȱMetaphernȱspricht.ȱSoȱverstandenȱsieȱdasȱplastiȬ scheȱ Bildȱ derȱ Weltgeburt,ȱ ohneȱ anȱ derȱ Vorstellungȱ einerȱ gebärendenȱ Göttinȱ Anstoßȱ zuȱ nehmenȱ oderȱ mitȱ anderenȱ Vorstellungenȱ vonȱ derȱ Weltentstehung,ȱ etwaȱ demȱ Bauherrnmodellȱ vonȱ Genȱ 1ȱ oderȱ demȱ HandwerkermodellȱinȱGenȱ2ȱinȱKonfliktȱzuȱkommen.ȱEsȱwarȱvonȱvorȬ zeitigenȱ undȱ jenseitigenȱ Realitätenȱ dieȱ Rede.ȱ Wieȱ könnteȱ darüberȱ anȬ dersȱ gesprochenȱ werdenȱ alsȱ imȱ mythischenȱ Bildȱ undȱ inȱ davonȱ abgeȬ setztenȱProjektionen:ȱeheȱdieȱUrweltȱmythischȱentstandȱ–ȱundȱhierȱgehtȱ Psȱ90ȱüberȱGenȱ1,1ȱhinausȱ–ȱwarstȱdu/oderȱbistȱduȱdaȱ(V.ȱ2).ȱDieȱLinieȱ wirdȱinsȱUnendlicheȱrückwärtsȱverlängert.ȱ Dieȱ zweiteȱ Aussageȱ arbeitetȱ mitȱ demȱ Vergleich.ȱ „Tausendȱ Tageȱ sindȱ inȱ deinenȱ Augenȱ wieȱ derȱ gestrigeȱ Tag,ȱ wennȱ erȱ vergangenȱ ist“.ȱ Dasȱ istȱ metaphorischȱ gemeint,ȱ nichtȱ mathematisch.ȱ Manȱ rechneȱ alsoȱ nichtȱimȱMaßstabȱ1:365ȱ000ȱundȱmeineȱdamitȱgöttlicheȱDimensionenȱzuȱ erreichen.ȱEsȱistȱeherȱumgekehrtȱgedacht:ȱWirȱkönnenȱvonȱGottȱnurȱimȱ verkleinertenȱMaßstabȱreden,ȱundȱdasȱwirdȱbeiȱZeitlängenȱamȱAugenȬ fälligsten,ȱgiltȱaberȱdochȱwohlȱinȱjederȱBeziehung.ȱ Undȱ dasȱ modellhafte,ȱ dasȱ mythische,ȱwieȱ dasȱ verkleinerte,ȱdasȱ foȬ kussierte,ȱ theologischeȱ Redenȱ birgtȱ Gefahren.ȱ Derȱ Gebetsstilȱ nimmtȱ ihmȱimȱPsalmȱdieȱSchärfe.ȱ Ichȱhabe,ȱgleichsamȱparadigmatischȱdieȱersteȱStropheȱüberȱdieȱgöttȬ licheȱZeitȱetwasȱausführlicherȱbehandelt,ȱumȱzuȱzeigenȱwieȱtheologischȱ durchdachtȱ dieserȱ Textȱ vorgeht.ȱ Erȱ arbeitetȱ durchgehendȱ mitȱ demȱ quantitativenȱ TagȬȱ undȱ Jahrmodell.ȱ Dasȱ istȱ seineȱ Längsachse.ȱ Inȱ denȱ QuerachsenȱderȱeinzelnenȱStrophenȱbenütztȱerȱjeȱnachȱdemȱSubjektȱdesȱ ZeiterlebensȱdieȱqualitativenȱBeschreibungsmusterȱvorgegebenerȱSinnȬȱ undȱStilebenen.ȱ DiesȱwirdȱnebenȱderȱerstenȱamȱdeutlichstenȱinȱderȱviertenȱStropheȱ (V.ȱ 10–12).ȱ Dieȱ Zeitȱ desȱ einzelnenȱ Menschenȱ wirdȱ imȱ Stilȱ derȱ sprichȬ wörtlichenȱ Weisheitȱ derȱ Alltagsspracheȱ beschrieben:ȱ 70,ȱ „wennȱ esȱ hochkommt“ȱ –ȱ dasȱ warȱ imȱ altenȱ Israelȱ beiȱ einerȱ errechnetenȱ LebensȬ erwartungȱumȱ40ȱherumȱsehrȱseltenȱ–ȱ80ȱAltersjahre.ȱMitȱsolchenȱIdealȬ

ȱ

III.ȱ

135ȱ

zahlenȱrechneteȱauchȱdieȱaltorientalischeȱWelt.ȱOffenbarȱgehörtenȱsieȱ–ȱ wieȱalleȱsolcheȱBerechnungenȱ–ȱzumȱRepertoireȱdesȱanthropologischenȱ Schulwissens.ȱ Dassȱ dieȱ Jahreȱ „mitȱ Mühsalȱ undȱ Trugȱ (Illusion)“ȱ anȬ gefülltȱwaren,ȱistȱAusdruckȱeinerȱantikenȱLebenserfahrung.ȱ(Nebenbeiȱ gesagt:ȱ Auchȱ derȱ mitȱ „wennȱ esȱ hochkommt“ȱ wiedergegebeneȱ AusȬ druckȱistȱeineȱKonjektur.ȱDennȱderȱüberlieferteȱTextȱergibtȱwenigȱoderȱ keinenȱ Sinn).ȱ Undȱ schließlichȱ gehörtȱ dieȱ Mahnung,ȱ dieȱ Tageȱ seinesȱ Lebensȱ„zuȱzählen,ȱumȱ„einȱweisesȱHerz“ȱzuȱgewinnenȱ(V.ȱ12),ȱzuȱdenȱ klugenȱ Mahnungen,ȱ welcheȱ eineȱ praktischȬtheologischeȱ Weisheitȱ zuȱ propagierenȱsuchte.ȱȱ Kurz:ȱ Dieseȱ vierteȱ Stropheȱ lebtȱ ausȱ Elementenȱ desȱ weisheitlichenȱ Denkens,ȱ verwendetȱ gesammeltesȱ Erfahrungswissenȱ oderȱ pragȬ matischeȱ Ratschlägeȱ zurȱ Kennzeichnungȱ derȱ Lebenszeitȱ desȱ einzelnenȱ Menschenȱ(„unsereȱZeit“).ȱ Hatȱ manȱ einmalȱ diesesȱ Strukturgesetzȱ desȱ Psalmsȱ entdeckt,ȱ istȱ esȱ einȱ Leichtes,ȱ auchȱ inȱ denȱ übrigenȱ Strophenȱ jeweilsȱ spezifischeȱ KennȬ zeichnungenȱderȱLebenszeitenȱzuȱfinden.ȱȱ Ichȱkannȱmichȱhierȱetwasȱkürzerȱfassen.ȱȱ DerȱPsalmȱhandeltȱinȱdenȱmittlerenȱStrophenȱFolgendesȱab:ȱ StropheȱIIȱ(V.ȱ3–6):ȱdieȱZeitȱderȱMenschheitȱinȱderȱGenerationenfolȬ geȱ–ȱmanȱkönnteȱsagenȱ–ȱinȱpoetisch–philosophischemȱStil,ȱalsoȱinȱdenȱ demȱ geschichtlichemȱ Denkenȱ undȱ Deutenȱ großerȱ Zeiträumeȱ eigenenȱ Metaphern:ȱeinȱKommenȱundȱGehenȱderȱGenerationen,ȱeinȱAufblühenȱ undȱ Verwelkenȱ derȱ Menschheitsgeschichte.ȱ (Derȱ Textȱ istȱ hierȱ leiderȱ ganzȱinȱUnordnungȱgeraten,ȱoffenbar,ȱweilȱmanȱdieȱähnlichȱlautendenȱ Wörterȱfürȱ„Jahr“ȱundȱ„Schlaf“ȱ–ȱbeeinflusstȱvonȱdenȱzuvorȱerwähntenȱ Nachtwachenȱ –ȱ verwechseltȱ hat.ȱ Auchȱ istȱ hierȱ mitȱ Textverlustenȱ zuȱ rechnen).ȱȱ Stropheȱ IIIȱ (V.7–9):ȱ dieȱ Zeitȱ desȱ eigenenȱ Volkesȱ inȱ bedrohlichȱ schwindender,ȱaberȱdochȱnochȱnichtȱganzȱabgelaufenerȱZeit,ȱundȱzwarȱ imȱ konfessorischȬreligiösenȱ Sprachstilȱ einerȱ Gemeinde,ȱ dieȱ sichȱ beiȱ ihremȱGesangȱbeimȱSchlusstonȱangekommenȱsiehtȱ(„wirȱbeendenȱunseȬ reȱJahreȱwieȱmitȱeinemȱ KJK,ȱeinemȱletztenȱTon,ȱAtemzugȱoderȱSeufzer“,ȱ „fleetingȱsound“ȱV.ȱ9)ȱ(?).ȱ Derȱ Psalmȱ differenziertȱ dieȱ Zeitaspekteȱ undȱ ordnetȱ denȱ verschieȬ denenȱSubjektenȱjeȱihreȱLebenszeitȱzu.ȱDabeiȱwähltȱerȱ–ȱnichtȱimmerȱinȱ gleicherȱKlarheitȱwieȱinȱderȱerstenȱStropheȱerkennbarȱ–ȱdieȱjeweilsȱanȬ gemessenȱ erscheinendeȱ Stilebene,ȱ vorȱ allemȱ dieȱ weisheitlichȬ belehrendeȱ Redeweise,ȱ dieȱ sichȱ amȱ deutlichstenȱ etwaȱ abhebtȱ vonȱ derȱ theologischenȱ Sprache,ȱ dieȱ sichȱ liturgischȱ geläufigerȱ Formelnȱ überȱ dieȱ SündeȱderȱMenschenȱundȱüberȱGottesȱZornȱbedient.ȱȱ

136ȱ

9.ȱPsalmȱ90ȱundȱdieȱTheologieȱderȱZeitȱ(Zeiten)ȱ

DieȱumschriebeneȱZeitȱistȱdieȱjeȱdenȱLebenden,ȱdenȱMenschenȱeinȬ zelnȱ oderȱ derȱ Menschheit,ȱ derȱ Gemeindeȱ imȱ Ganzenȱ undȱ gemeinsamȱ zukommendeȱZeit.ȱEsȱsindȱdieȱinȱderȱGeschichteȱderȱWeltȱerkennbarenȱ undȱ offenbarȱ soȱ undȱ soȱ bestimmten,ȱ rahmendenȱ Zeitordnungen;ȱ esȱ sindȱ dieȱ Zeitmaße,ȱ dieȱ manȱ demȱ Laufȱ derȱ Weltȱ entnehmenȱ kann,ȱ dieȱ offensichtlichȱinȱGeltungȱwarenȱundȱnochȱsindȱoderȱdochȱseinȱsolltenȱ–ȱ „wennȱesȱhochkommt“,ȱdasȱheißt:ȱimȱIdealfall.ȱDabeiȱzeigtȱdieȱBestimȬ mungȱ derȱ Zeitȱ derȱ Gemeindeȱ –ȱ undȱ dieȱ dritteȱ Stropheȱ istȱ nichtȱ ohneȱ Bedachtȱ zwischenȱ dieȱ Idealzeitenȱ derȱ Menschheitȱ undȱ derȱ einzelnenȱ Menschenȱeingeordnetȱ–ȱ„unterȱdemȱZornȱGottes“ȱschonȱbeträchtlicheȱ Einschränkungenȱ undȱ Einbußen.ȱ Dieȱ hierȱ sichȱ äußerndeȱ Gemeindeȱ stehtȱoffenbarȱunterȱschwerenȱBedrohungenȱihrerȱeigenenȱZeitȱundȱd.ȱh.ȱ ihrerȱExistenz.ȱ AnȱdieserȱStelleȱamȱEndeȱderȱviertenȱStropheȱsetztȱderȱPsalmȱeineȱ deutlicheȱZäsur.ȱDieȱBlickrichtungȱändertȱsich.ȱMarkiertȱistȱhierȱeinȱEinȬ bruchȱ inȱ dasȱ Systemȱ derȱ bestehendenȱ Zeitordnungen,ȱ soweitȱ sieȱ dasȱ menschlicheȱLebenȱbetreffen.ȱUndȱmitȱdemȱUmbruchȱscheinenȱauchȱdieȱ Ordnungenȱ derȱ Menschheitszeitȱ inȱ Generationenfolgeȱ undȱ dasȱ idealeȱ AlterȱderȱIndividuenȱinȱihremȱBestandȱinȱhohemȱMaßeȱgefährdet.ȱȱ Dennȱ mitȱ derȱ fünftenȱ Stropheȱ erreichtȱ dasȱ Psalmgedicht,ȱ dasȱ sichȱ bislangȱ mitȱ derȱ „ewigȱ stillen“ȱ Vergangenheitȱ beschäftigtȱ hat,ȱ nunȱ dieȱ eigeneȱ Gegenwart.ȱ Inȱ denȱ beidenȱ letztenȱ Strophenȱ sprichtȱ derȱ Psalmȱ vonȱ seinerȱ eigenenȱ Zeit;ȱ sieȱ handelnȱ vonȱ derȱ Gegenwartȱ undȱ vonȱ derȱ Zukunft.ȱ Dasȱ zeitdeutende,ȱ belehrende,ȱ hymnischeȱ Gebetȱ wirdȱ damitȱ zumȱ klagendenȱ Appellȱ imȱ Blickȱ aufȱ dieȱ gegenwärtigeȱ undȱ dieȱ komȬ mendeȱZeit.ȱ

IV.ȱ VonȱderȱgegenwärtigenȱLageȱredend,ȱwerdenȱalleȱGebeteȱundȱPsalmenȱ fürȱ unsȱ meistȱ enigmatisch.ȱ Sieȱ setzenȱ voraus,ȱ wasȱ wirȱ nichtȱ wissen,ȱ nämlichȱihreȱaktuelleȱSituation.ȱNurȱdieȱTexte,ȱdieȱihrerȱSituationȱeineȱ besondereȱ Darstellungȱ undȱ konkreteȱ Deutungȱ geben,ȱ lassenȱ nähereȱ Einsichtȱzu.ȱBeiȱPsȱ90ȱsindȱwirȱzumindestȱauchȱaufȱProjektionenȱangeȬ wiesen.ȱ Aberȱ auchȱinȱ dieserȱStropheȱ überȱ dieȱ adȱ hocȱ gegenwärtigȱ betendeȱ GemeindeȱbleibtȱderȱTextȱbeiȱseinemȱSystem:ȱDieȱStropheȱbewegtȱsichȱ zwarȱinȱderȱSpracheȱdesȱkollektivenȱKlagepsalms,ȱderȱSpracheȱdesȱGeȬ bets;ȱaberȱseinȱThemaȱverlässtȱerȱnicht,ȱvielmehrȱrichtetȱerȱdasȱAugenȬ merkȱnunȱaufȱdieȱfließendeȱoderȱ–ȱwieȱmanȱgerneȱsagtȱ–ȱdieȱ„fallendeȱ Zeit“.ȱPfeilschnellȱverfliegtȱdieȱGegenwart,ȱoderȱwieȱderȱPsalmȱsagt:ȱsieȱ

ȱ

IV.ȱ

137ȱ

huschtȱvorbeiȱ„alsȱflögenȱwirȱdavon“ȱ(V.ȱ10).ȱDerȱPfeilschussȱoderȱderȱ Vogelflugȱ wirdȱ zumȱ Maßȱ derȱ höchstenȱ Geschwindigkeit.ȱ Esȱ giltȱ derȱ Gegenwart,ȱderȱfliegendenȱZeitȱdesȱjetzigenȱAugenblicks.ȱSieȱistȱextremȱ kurz.ȱ Immerhinȱ lässtȱ sieȱ zu,ȱ Richtungenȱ zuȱ bestimmenȱ undȱ EntȬ scheidungenȱzuȱtreffenȱ–ȱfürȱdasȱKommende,ȱdieȱZukunft.ȱ StropheȱVȱnenntȱinȱdreiȱBittenȱdreiȱwichtigeȱEntscheidungenȱfürȱdieȱ Zukunft:ȱ 1.ȱ dieȱBitteȱumȱRückkehrȱGottesȱ(Jhwhs)ȱ–ȱ„wieȱlangeȱnochȱ…?“ȱGeȬ meintȱscheintȱdieȱRückkehrȱzuȱderȱgewohntenȱHeilsȬȱundȱZeitordȬ nung,ȱ umȱ dieȱ durchȱ dasȱ Exilȱ irritiertenȱ „Knechte“ȱ zuȱ tröstenȱ (V.ȱ 13).ȱ 2.ȱ dieȱBitteȱumȱSättigungȱmitȱGnadeȱamȱMorgen,ȱumȱdavonȱzuȱlebenȱ –ȱeinȱLebenȱlangȱ(V.ȱ14).ȱ 3.ȱ dieȱ Bitteȱ umȱ Kompensationȱ „nachȱ einzelnenȱ Tagenȱ berechnet“ȱ (WZP\N)ȱfürȱdieȱJahreȱderȱBedrückungȱundȱderȱNot.ȱEineȱimȱAltenȱ Testamentȱ nichtȱ ganzȱ ungewöhnlicheȱ Aufrechnungȱ undȱ BuchȬ haltung!ȱ Dasȱ betrifftȱ nunȱ dasȱ Heute,ȱ dieȱ Gegenwart.ȱ Dieȱ gottesdienstlicheȱ GeȬ genwartȱderȱBetenden.ȱDerȱPsalmȱerwartetȱeinȱaktuellesȱHandelnȱseinesȱ Gottes.ȱ Dieȱ Wiederherstellungȱ derȱ altenȱ ZeitȬȱ undȱ Heilsordnung.ȱ Derȱ BegriffȱfürȱdasȱHeuteȱoderȱdasȱJetztȱfälltȱzwarȱnicht.ȱDochȱistȱerȱinȱdenȱ Imperativenȱ implizitȱ enthalten.ȱ Undȱ wiederȱ spieltȱ dasȱ TagesȬȱ undȱ dasȱ Jahresmodellȱ inȱ derȱ theologischenȱ Vorstellungȱ eineȱ Rolle.ȱ Auchȱ dieȱ erbeteneȱ Heilszuwendungȱ richtetȱ sichȱ nachȱ diesenȱ Zeitmaßen.ȱ Wasȱ immerȱunterȱderȱGnadeȱamȱMorgenȱzuȱverstehenȱist:ȱSieȱbestimmtȱdieȱ Zeitȱ undȱ reichtȱ fürȱ alleȱ folgendenȱ Tageȱ desȱ Lebensȱ undȱ animiertȱ zuȱ JubelȱundȱFreude.ȱDieȱgöttlicheȱBuchführungȱfürȱStrafenȱnachȱJahrȱundȱ Tagȱ wirdȱ offenbarȱ alsȱ Instrumentȱ derȱ göttlichenȱ Gerechtigkeitȱ vorausȬ gesetzt.ȱȱ Esȱkönnteȱauchȱsein,ȱdassȱmanȱdieȱdeterminierteȱZeitangabeȱ UTEEȱ nichtȱ mitȱ demȱ indeterminiertenȱ „amȱ Morgen“,ȱ sondernȱ mitȱ „anȱ dieȬ sem/heuteȱMorgen“ȱübersetzenȱmuss.ȱWäreȱdiesȱderȱFallȱ–ȱichȱbinȱmirȱ nichtȱganzȱsicherȱ–ȱhättenȱwirȱeinenȱfürȱdieȱEntstehungȱdesȱTextesȱundȱ dieȱZeitȱderȱBetendenȱüberraschendȱfestenȱHaftpunkt.ȱImȱAllgemeinenȱ verstehtȱmanȱdieȱAngabeȱimȱSinneȱvonȱ„jedenȱMorgen“ȱ–ȱdochȱweshalbȱ istȱdasȱnichtȱklarerȱausgedrückt?ȱȱ AufȱdenȱerstenȱBlickȱvölligȱunverständlichȱerscheintȱdieȱletzteȱundȱ sechsteȱStropheȱ(V.ȱ16ȱf.).ȱSieȱhandeltȱ–ȱsoȱvielȱwirdȱausȱdenȱhebräischenȱ Verbalformenȱklarȱ–ȱeindeutigȱvonȱderȱZukunft.ȱAberȱsieȱsprichtȱnichtȱ mehrȱ imȱ TagȬȱ oderȱ Jahrmodell.ȱ Dieȱ Zeitmaßbegriffeȱ kommenȱ nichtȱ mehrȱ vor.ȱ Offenbarȱ richtetȱ sichȱ derȱ Blickȱ inȱ dieȱ offeneȱ Zeit,ȱ insȱ NichtȬ mehrȬZählȬȱoderȱMessbare.ȱHebräischȱgedacht,ȱundȱfürȱdieȱKompositiȬ

138ȱ

9.ȱPsalmȱ90ȱundȱdieȱTheologieȱderȱZeitȱ(Zeiten)ȱ

onȱ desȱ Psalmsȱ vonȱ besondererȱ Bewandtnis,ȱ kehrtȱ derȱ Begriffȱ OZ>ȱ „Dauerȱ ohneȱ Ende“ȱ ausȱ denȱ Anfangszeilen,ȱ welcheȱ dieȱ göttlicheȱ Zeitȱ beschreiben,ȱohneȱexpliziteȱNennungȱwiederȱzurück.ȱ HilftȱderȱStilvergleichȱvielleichtȱhierȱweiter?ȱZunächstȱwillȱesȱscheiȬ nen,ȱ alsȱ obȱ nurȱ schwerȱ begreifbareȱAllgemeinbegriffeȱ verwendetȱ sind:ȱ „deinȱWerk“,ȱ„dasȱWerkȱunsererȱHände“,ȱ„deinȱGlanz“,ȱ„derȱ>QȱunseȬ resȱ Gottes“.ȱ Sieȱ mögenȱ „erscheinen“,ȱ „überȱ unsȱ sein“,ȱ „befestigtȱ werȬ den“,ȱzuȱergänzen:ȱaufȱDauer.ȱWasȱistȱgemeint?ȱ Zuȱ Rechtȱ denkenȱ dieȱ neuerenȱ Auslegerȱ anȱ dieȱ Erscheinungȱ einerȱ Theophanie,ȱ derȱ Gottesgegenwart,ȱ wieȱ sieȱ imȱ Tempelgottesdienstȱ erȬ wartetȱundȱerlebtȱwurde.ȱDennȱdiesȱalleinȱentsprichtȱderȱangeschlageȬ nenȱTonhöheȱundȱStilfom.ȱEsȱhandeltȱsichȱinȱderȱTatȱwohlȱumȱliturgiȬ scheȱ Sprache.ȱ Vielȱ hängtȱ anȱ derȱ Bedeutungȱ vonȱ >Q,ȱ dasȱ mitȱ „Lieblichkeit“ȱm.ȱE.ȱvölligȱunzureichendȱübersetztȱwäre.ȱEherȱschonȱistȱ anȱ einenȱ Parallelbegriffȱ zuȱ UGKȱ „Lichtglanz“ȱ zuȱ denkenȱ (J.ȱD.ȱ Levenson)ȱ –ȱ wasȱ dieȱ einzigeȱ wirklicheȱ Paralleleȱ inȱ Psȱ 27,4ȱ auchȱ naheȱ legt:ȱ „dieȱ Freundlichkeitȱ desȱ Herrnȱ zuȱ schauenȱ inȱ seinemȱ Tempel“.ȱ DamitȱscheintȱesȱnurȱeinȱSchrittȱnochȱzuȱderȱVermutung,ȱdassȱmitȱdemȱ „Werkȱ unsererȱ Hände“,ȱ dasȱ „gefestigt“ȱ werdenȱ soll,ȱ ebenȱ derȱ Tempelȱ gemeintȱist.ȱDiesȱvorausgesetzt,ȱkannȱesȱsichȱnurȱumȱdenȱneugebautenȱ Tempelȱ handeln,ȱ derȱ inȱ denȱ 20igerȱ Jahrenȱ desȱ 6.ȱ Jahrhundertsȱ eingeȬ weihtȱwurde.ȱIstȱderȱSchlussȱzuȱgewagt?ȱIstȱdiesesȱEreignisȱderȱAnlassȱ zuȱPsȱ90?ȱEsȱliegtȱvonȱSinnȱundȱStrukturȱdiesesȱTextesȱherȱnahe,ȱesȱsoȱ zuȱ sehen.ȱ Dannȱ aber,ȱ wennȱ dasȱ soȱ seinȱ sollte,ȱ erhebenȱ sichȱ ganzȱ neueȱ Fragen.ȱ Zuerstȱdiese:ȱWieȱwirdȱdennȱnunȱdieȱZeitȱderȱZukunft,ȱdieȱLebensȬ zeitȱ inȱ derȱ Zukunftȱ definiert?ȱ Dieȱ letzteȱ Stropheȱ deutetȱ an,ȱ dassȱ dieȱ ZukunftȱetwasȱmitȱdemȱvonȱGottȱbefestigtenȱ„WerkȱunsererȱHände“ȱzuȱ tunȱ hat,ȱ dassȱ dieȱ Zukunftȱ anȱ demȱ Geschehenȱ imȱ Tempelheiligtumȱ hängt,ȱdassȱ dortȱ dasȱ vermitteltȱ wird,ȱ wasȱzuvorȱ schonȱ alsȱ dieȱ „Gnadeȱ amȱMorgen“ȱbeschriebenȱwurdeȱ(V.ȱ14).ȱSollteȱdasȱsoȱzuȱverstehenȱsein,ȱ dassȱ imȱ Tempelgottesdienstȱ dasȱ „Schauen“ȱ desȱ ewigenȱ göttlichenȱ LeȬ bensȱ möglichȱ wirdȱ undȱ dassȱ ausȱ demȱ Schauenȱ eineȱ „Sättigung“ȱ fürsȱ eigeneȱLebenȱhervorgeht?ȱOder:ȱSollteȱderȱPsalmȱtatsächlichȱdieȱkühneȱ Theseȱvertreten,ȱdassȱimȱGottesdienstȱetwasȱvonȱderȱewigenȱgöttlichenȱ ZeitȱaufȱdasȱmenschlicheȱLebenȱübertragenȱwird?ȱ Hierȱ lässtȱ unsȱ derȱ Psalmȱ alleinȱ mitȱ unserenȱ Gedanken.ȱ Dasȱ Alteȱ Testamentȱblicktȱ–ȱwieȱSieȱwissenȱ–ȱnurȱungernȱüberȱdieȱLebensgrenzeȱ hinausȱ inȱ dieȱ Nachzeitȱ inȱ derȱ Unterweltȱ undȱ sprichtȱ nurȱ sehrȱ seltenȱ theologischȱüberȱeinȱWeiterlebenȱnachȱdemȱTod.ȱUmsoȱwertvollerȱsindȱ Aussagenȱ derȱ indirektenȱ Artȱ wieȱ inȱ diesemȱ Psalm,ȱ derȱ anzudeutenȱ scheint,ȱdassȱauchȱdieȱLebensgrenzeȱinȱZukunftȱoffenerȱseinȱwirdȱalsȱesȱ

ȱ

V.ȱ

139ȱ

zunächstȱ vonȱ denȱ Festlegungenȱ derȱ Lebensordnungenȱ herȱ zuȱ seinȱ scheint.ȱ Umȱ sichȱ nichtȱ zuȱ weitȱ hinauszuwagen,ȱ lässtȱ esȱ derȱ Psalmistȱ wohlȱ bewusstȱ inȱ derȱ Schwebe.ȱ Aberȱ indemȱ erȱ zumȱ Anfangȱ zurückȬ findet,ȱ suggeriertȱ erȱ denȱ Gedankenȱ anȱ einȱ „ewigesȱ Leben“ȱ –ȱ dasȱ beiȱ Gottȱist,ȱ„seinenȱKnechten“ȱaberȱzuȱ„erscheinen“ȱvermag.ȱEsȱgibtȱAusȬ leger,ȱ dieȱ meinen,ȱ derȱ inȱ V.ȱ 17ȱ fehlendeȱ Halbversȱ seiȱ vonȱ V.ȱ 1ȱ herȱ zuȱ füllenȱundȱesȱ wäreȱ dasȱ Gedichtȱ amȱ Endeȱ zuȱlesen:ȱ„Ja,ȱgibȱdemȱWerkȱ unsererȱ Händeȱ Bestand.ȱ Eineȱ (ewige)ȱ Zufluchtȱ (bistȱ du)ȱ fürȱ unsȱ (geȬ worden)ȱvonȱGeschlechtȱzuȱGeschlecht.“ȱ DannȱwäreȱderȱRingȱwirklichȱgeschlossen.ȱ

V.ȱ WelchenȱOrtȱhatȱdieȱZeitkonzeptionȱvonȱPsȱ90ȱimȱZusammenhangȱderȱ Zeittheorienȱ desȱ Altenȱ Testaments?ȱ Wirȱ fragenȱ zuletztȱ nachȱ demȱ StelȬ lenwertȱdieserȱVorstellungen.ȱ DasȱausgeprägtesteȱtheologischeȱZeitkonzeptȱbietetȱm.ȱE.ȱdieȱsoȱgeȬ nannteȱPriesterschrift,ȱalsoȱdieȱvonȱGenȱ1ȱherȱverfolgbareȱundȱziemlichȱ eindeutigȱfestlegbareȱliterarischeȱSchicht,ȱderenȱEntstehungȱmanȱtradiȬ tionellerweiseȱimmerȱnochȱmitȱdemȱbabylonischenȱExilȱinȱVerbindungȱ bringenȱkann.ȱSieȱbietetȱeinȱZeitsystemȱalsȱHeilsordnung.ȱDieȱZeitlichȬ keitȱ istȱ eineȱ Grunddimensionȱ derȱ Schöpfung:ȱ Mitȱ demȱ SiebentageȬ schemaȱistȱderȱzeitlicheȱRhythmusȱderȱWeltȱimmanentȱundȱinhärentȱalsȱ Naturgesetzȱ eingegeben.ȱ Überȱ dieȱ zeitlicheȱ Ordnungȱ regierenȱ dieȱ GeȬ stirneȱ inȱ ihrerȱ Funktionȱ alsȱ Uhrȱ undȱ Kalender.ȱ Außerȱ demȱ globalenȱ ZeitrhythmusȱimȱSiebenersystemȱistȱdemȱmenschlichenȱLebenȱprimärȱ–ȱ erkennbarȱanȱdenȱextremȱhohenȱLebensalternȱderȱerstenȱGenerationenȱ–ȱ eineȱFastȬȱoderȱQuasiȬEwigkeitȱ(bisȱzuȱ969ȱJahren)ȱbestimmt,ȱdieȱallerȬ dingsȱ ausȱ denȱ vonȱ derȱ Priesterschriftȱ mitȱ „Gewalt“ȱ umschriebenenȱ GründenȱeineȱdeutlichȱabsteigendeȱTendenzȱzeigen.ȱDieȱWeltgeschichteȱ istȱchronologischȱfestgelegt.ȱDieȱ(inȱsichȱnichtȱstimmigen)ȱZahlenȱjedenȬ fallsȱsignalisierenȱdieȱOrdnungen,ȱdieȱzudemȱdurchȱdieȱverschiedenenȱ PeriodenȱderȱOffenbarungȱstrukturiertȱsind.ȱMosesȱTodȱmitȱ120ȱJahrenȱ (nachȱ Dtȱ 34,7)ȱ beweist,ȱ dassȱ dasȱ Ganzeȱ vonȱ derȱ Priesterschriftȱ aufgeȬ bauteȱ HeilsȬȱ undȱ Sühnesystemȱ zwarȱ dieȱ Existenzȱ derȱ Gemeindeȱ oderȱ desȱ Volkesȱ bewahren,ȱ aberȱ dieȱ Lebenszeitȱ derȱ Mitgliederȱ desȱ GottesȬ volkesȱ nichtȱ grundsätzlichȱ wiederȱ aufȱ dasȱ Niveauȱ derȱ SchöpfungsȬ ordnungȱhebenȱkonnte.ȱManchesȱwäreȱnochȱausȱAnsätzenȱauszuziehen,ȱ wasȱnachȱderȱPriesterschriftȱzurȱTheorieȱdesȱgesühntenȱundȱversöhntenȱ Lebensȱgehört.ȱ

140ȱ

9.ȱPsalmȱ90ȱundȱdieȱTheologieȱderȱZeitȱ(Zeiten)ȱ

Wohlȱ umȱ einigesȱ älterȱ istȱ dieȱ vonȱ derȱ deuteronomischȬ deuteronomistischeȱ Theologieȱ geprägteȱ Vorstellung,ȱ dassȱ dieȱ LebensȬ zeitȱ sowohlȱ Israelsȱ imȱ Ganzenȱ wieȱ derȱ einzelnenȱ Menschenȱ abhängigȱ istȱ vonȱ derȱ Einhaltungȱ derȱ Gebote.ȱ Formuliertȱ istȱ dieseȱ Auffassungȱ einerȱethischȱkonditioniertenȱLebenszeitȱalsȱFaustregelȱinȱdemȱbekannȬ tenȱFolgesatzȱzumȱElterngebot:ȱ„aufȱdassȱduȱlangeȱlebestȱinȱdemȱLande,ȱ dasȱderȱHerr,ȱdeinȱGott,ȱdirȱgebenȱwird“ȱ(Exȱ20,12),ȱeindeutigȱbeheimaȬ tetȱ imȱ Kontextȱ derȱ Paräneseȱ (Dtȱ 5,16),ȱ woȱ esȱ prinzipiellȱ umȱ dieȱ BeȬ folgungȱ desȱ erstenȱ Gebotsȱ desȱ Dekalogsȱ oderȱ desȱ Hauptgebotsȱ geht.ȱ Dahinterȱ verbirgtȱ sichȱ aberȱ keineȱ explizierteȱ Zeittheorie,ȱ vielmehrȱ inȱ bestimmtemȱSinneȱdieȱLogikȱeinesȱTunȬErgehenȬZusammenhangs,ȱderȱ aufȱdieȱLebenserwartungȱbezogenȱist.ȱȱ OhneȱaufȱdasȱvorȱallemȱinȱderȱProphetieȱDeuterojesajasȱerkennbareȱ Modellȱ zurȱ Zeitenfrageȱ einzugehenȱ undȱ nurȱ explizierteȱ Zeitkonzepteȱ aufzunehmen,ȱ wäreȱ vonȱ denȱ spätenȱ Darlegungenȱ Qoheletsȱ zurȱ ZeitȬ frageȱzuȱsprechen,ȱdieȱinȱQohȱ3,ȱaberȱauchȱinȱdenȱzyklischenȱSystemenȱ vonȱQohȱ1ȱerkennbarȱsind.ȱ QoheletȱbeschränktȱsichȱaufȱAussagenȱzurȱmenschlichenȱZeit.ȱDieseȱ istȱfürȱihnȱzyklischȱstrukturiert,ȱundȱdamitȱ„ewig“:ȱ Einȱ Geschlechtȱ gehtȱ dahin,ȱ undȱ einȱ anderesȱ kommt;ȱ aberȱ dieȱ Erdeȱ bleibtȱewigȱstehen.ȱȱ Dieȱ Sonneȱ gehtȱ auf,ȱ dieȱ Sonneȱ gehtȱ unterȱ undȱ strebtȱ zurückȱ anȱ ihrenȱ Ort,ȱwoȱsieȱwiederumȱaufgeht.(1,4ȱf.)ȱ

AuchȱdieȱmenschlicheȱZeit:ȱ Allesȱ hatȱ seineȱ bestimmteȱ Stunde,ȱ jedesȱ Dingȱ unterȱ (!)ȱ demȱ Himmelȱ hatȱseineȱZeit.ȱȱ GebärenȱhatȱseineȱZeit,ȱ undȱSterbenȱhatȱseineȱZeit.ȱ PflanzenȱhatȱseineȱZeitȱ undȱAusreißenȱhatȱseineȱZeitȱ…ȱ DerȱKriegȱhatȱseineȱZeitȱ undȱderȱFriedeȱhatȱseineȱZeit.ȱ(3,1ȱff.8)ȱ

AllesȱhatȱseineȱZeit.ȱAlleȱZeiträumeȱsindȱbesetzt,ȱbzw.ȱsieȱwerdenȱjeȱneuȱ besetzt.ȱ Einȱ geschlossenesȱ System,ȱ dasȱ programmiertȱ undȱ gesteuertȱ wird.ȱEinȱvollkommenesȱSystem,ȱdasȱnurȱeinenȱNachteilȱhat:ȱEsȱistȱunȬ veränderlich.ȱ „Allesȱ hatȱ erȱ schönȱ gemachtȱ inȱ seinerȱ Zeit;ȱ sogarȱ dieȱ EwigkeitȱhatȱerȱihnenȱinsȱHerzȱgelegt:ȱNurȱdassȱderȱMenschȱdasȱWerkȱ nichtȱ fassenȱ kann,ȱ dasȱ Gottȱ vonȱ Anfangȱ bisȱ zumȱ Endeȱ gemachtȱ hat.“ȱ (3,11).ȱ Vonȱ derȱ Einwirkungȱ derȱ göttlichenȱ Zeitȱ („Ewigkeit“)ȱ aufȱ dasȱ zeitlicheȱErlebenȱderȱLebensinhalteȱhatȱ„derȱMensch“ȱ(GDK)ȱnichts.ȱ GerhardȱvonȱRadȱhatȱverschiedentlichȱdieȱTheologieȱdesȱ90.ȱPsalmsȱ undȱ seinȱ Zeitverständnisȱ inȱ dieȱ Näheȱ vonȱ Qoheletȱ gestelltȱ undȱ imȱ

ȱ

V.ȱ

141ȱ

Psalmȱ dieȱ beginnendeȱ Skepsisȱ erkannt,ȱ dieȱ inȱ derȱ Philosophieȱ desȱ „PredigersȱSalomo“ȱsichȱzuȱWorteȱmeldet.ȱDasȱBindegliedȱerkenntȱerȱinȱ derȱweisheitlichenȱTradition,ȱzuȱderȱbeideȱKonzepteȱgehörenȱsollen,ȱdieȱ sichȱ aufȱ demȱ Wegeȱ zuȱ einemȱ theologischenȱ Determinismusȱ befindet,ȱ denȱ erȱ dannȱ beiȱ Jesusȱ Sirachȱ undȱ inȱ derȱ Apokalyptikȱ vollȱ ausgebildetȱ erkennt.ȱZitat:ȱ Dieseȱ kurzenȱ Hinweiseȱ aufȱ denȱ Predigerȱ Salomoȱ müssenȱ genügen;ȱ aberȱ ichȱ denke,ȱ sieȱ genügenȱ auch,ȱ umȱ dieȱ Annahmeȱ zuȱ begründen,ȱ daßȱunserȱPsalmȱungefährȱderȱgleichenȱgeistigenȱundȱtheologischenȱSiȬ tuationȱ entstammtȱ wieȱ derȱ Predigerȱ Salomo.ȱ Auchȱ fürȱ denȱ 90.ȱ Psalmȱ istȱdieserȱimȱAltenȱTestamentȱsoȱauffallendeȱGeschichtsverlustȱcharakȬ teristisch.ȱWasȱweißȱderȱPsalmȱnochȱvonȱGott?ȱDaßȱerȱewigȱist,ȱdaßȱdieȱ MenschenȱunterȱdemȱGerichtȱdiesesȱfernen,ȱverborgenenȱGottesȱlebenȱ undȱdaßȱsichȱdemȱMenschenȱdasȱWerkȱGottes,ȱdieȱDoxaȱseinesȱHeilsȬ handelnsȱoffenbarenȱmüßte.ȱNurȱdarinȱfändeȱerȱwiederȱTrost.ȱUndȱderȱ Predigerȱ Salomo,ȱ derȱ soȱ beweglichȱ vonȱ derȱ tiefenȱ Verborgenheitȱ desȱ HandelnsȱGottesȱzuȱredenȱwußteȱ–ȱwieȱhätteȱerȱseineȱBitteȱanȱGottȱanȬ dersȱformulierenȱkönnenȱals:ȱ‚LaßȱoffenbarȱwerdenȱanȱdeinenȱKnechtȬ enȱdeinȱWirken,ȱdeineȱHerrlichkeitȱüberȱihrenȱKindern‘?ȱ UndȱmitȱdieserȱtheologischenȱOrtsbestimmungȱdesȱPsalmsȱöffnetȱsichȱ auchȱ derȱ Wegȱ zuȱ einerȱ Einordnungȱ dieserȱ Dichtungȱ inȱ etwasȱ weitereȱ Zusammenhänge.ȱIchȱglaubeȱnichtȱanȱdieȱkultischeȱSituation,ȱderȱdieȬ serȱPsalmȱentstammenȱsollȱ…ȱErȱistȱfürȱeinenȱkultischȬliturgischenȱTextȱ vielȱzuȱreflektiertȱ…ȱȱ Dannȱ gehörtȱ unserȱ Psalmȱ demȱ geistigȬtheologischenȱ Phänomenȱ zu,ȱ dasȱ wirȱ ‚Weisheit‘ȱ nennen,ȱ einerȱ sehrȱ spirituellenȱ Theologie,ȱ merkȬ würdigȱdistanziertȱvonȱKultusȱundȱHeilsgeschichte,ȱderenȱTrägerȱwirȱ inȱdenȱWeisheitsschulenȱzuȱsuchenȱhaben.1ȱȱ

InȱderȱvonȱunsȱvertretenenȱSichtȱdesȱPsalmsȱundȱseinerȱZeitauffassungȱ –ȱaberȱauchȱseinerȱEntstehungszeitȱ–ȱistȱderȱTextȱdochȱvielȱnäherȱanȱdieȱ deuteronomischȬdeuteronomistischeȱ Theologieȱ undȱ vorȱ allemȱ anȱ dieȱ theologischeȱ Heilslehreȱ derȱ Priesterschriftȱ heranzurücken.ȱ Zwarȱ sindȱ weisheitlicheȱStilȬȱundȱDenkformenȱinȱPsȱ90ȱvorhanden,ȱaberȱsieȱdomiȬ nierenȱdenȱTextȱnicht,ȱsondernȱbildenȱeinenȱTeilaspektȱderȱDarlegung.ȱ BlicktȱmanȱaberȱaufȱdieȱkategorialenȱVorstellungenȱundȱGrundbegriffeȱ derȱTexte,ȱistȱeindeutigȱfestzustellen:ȱ

a. Psȱ90ȱverwendetȱwieȱdieȱPriesterschriftȱalsȱZeitmaßeȱdasȱTagȬȱundȱdasȱ JahrȬModell,ȱ wobeiȱ epochaleȱ Einteilungenȱ hinzukommenȱ („Tagȱ GotȬ tes“,ȱ „Tagȱ derȱ Menschheit“,ȱ „Tageȱ derȱ Menschen“,ȱ „dieȱ Tageȱ unsererȱ Jahre“„ȱ„unsereȱTage“).ȱDasȱentsprichtȱdemȱTagȬ,ȱWochenȬȱundȱJahresȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ

VonȱRad,ȱ1963,ȱ280ȱf.,ȱvgl.ȱDers.,ȱWeisheitȱinȱIsrael.ȱ

142ȱ

9.ȱPsalmȱ90ȱundȱdieȱTheologieȱderȱZeitȱ(Zeiten)ȱ

rhythmusȱ derȱ Priesterschrift,ȱ dieȱ darüberȱ hinausȱ auchȱ eineȱ PeriodiȬ sierungȱ vornimmt2.ȱ Qoheletȱ aberȱ sprichtȱ abstraktȱ vonȱ „Stunde“ȱ (#P])ȱ undȱ „Zeit“ȱ (W>)ȱ undȱ „Ewigkeit“ȱ (OZ>),ȱ siehtȱ keineȱ erkennbareȱ BeȬ ziehungȱzwischenȱ denȱ Zeitordnungen,ȱ jaȱ bestreitetȱ solcheȱ ZusammenȬ hängeȱexplizit.ȱ

b. Psȱ90,ȱdasȱDeuteronomiumȱundȱdieȱPriesterschriftȱbehauptenȱeineȱEinȬ wirkungȱgöttlicherȱZeitȱundȱgöttlichenȱLebensȱaufȱdieȱmenschlicheȱZeitȱ undȱ menschlichesȱ Erleben.ȱ Ja,ȱ ihrȱ theologischesȱ Anliegenȱ istȱ es,ȱ dieȱ Vermittlungȱ undȱ gegenseitigeȱ Einwirkungȱ derȱ Zeitenȱ festzustellen,ȱ neinȱ festzuhaltenȱ undȱ zuȱ etablieren:ȱ Dasȱ Deuteronomiumȱ durchȱ dieȱ GeboteȱderȱTora,ȱdieȱPriesterschriftȱmitȱdemȱgroßȱausgebautenȱSühneȬ institutȱ umȱ dieȱ sog.ȱ Stiftshütte,ȱ Psȱ 90ȱ wahrscheinlichȱ imȱ Blickȱ aufȱ denȱ Tempelneubau,ȱ derȱ alsȱ menschlichesȱ Werkȱ aberȱ erstȱ derȱ Akzeptanzȱ durchȱ dieȱ Gottheitȱ bedarf.ȱ Qoheletȱ kannȱ mitȱ alledemȱ nichtsȱ anfangen.ȱ EinenȱsolchenȱneuenȱImpulsȱausȱderȱBegegnungȱderȱZeitenȱgibtȱesȱfürȱ ihnȱnichtȱoderȱnichtȱmehr.ȱ

c. Psȱ 90ȱ aberȱ liegtȱ imȱ Unterschiedȱ zuȱ derȱ deuteronomischȬdeuteronoȬ mistischenȱPredigtȱinsofernȱaufȱderȱLinieȱderȱPriesterschrift,ȱalsȱerȱmitȱ demȱWiederaufbauȱdesȱTempelsȱeineȱneueȱPeriodeȱbeginnenȱlässt,ȱdieȱ vonȱ derȱ Gottesgegenwartȱ undȱ derȱ verborgenenȱ persönlichenȱ GnadenȬ gabeȱausȱderȱgöttlichenȱZeitȱbestimmtȱist.ȱȱ DieseȱtheologischenȱKonzepteȱvonȱderȱZeitȱalsȱLebenszeitȱhabenȱihȬ reȱ jeȱ relativeȱ Bedeutungȱ undȱ auchȱ eineȱ jeȱ begrenzteȱ Wirkungȱ gehabt.ȱ Wasȱ dabeiȱ dieȱ Zeitauffassungȱ desȱ 90.ȱ Psalmsȱ angeht,ȱ soȱ istȱ wohlȱ festȬ zustellen,ȱ dassȱ dieseȱ gegenüberȱ denȱ genanntenȱ theologischenȱ DefiniȬ tionenȱeinerȱkonditioniertenȱLebenszeiterwartung,ȱeinerȱsakralȱperiodiȬ siertenȱ Zeiteinteilungȱ undȱ einerȱ determiniertenȱ Zeitordnungȱ amȱ eindeutigstenȱ vonȱ einerȱ ganzȱ neuȱ qualifiziertenȱ persönlichenȱ Zeitȱ spricht,ȱ vomȱEinbruchȱderȱ ewigenȱ Zeitȱinȱ dasȱ menschlicheȱLebenȱundȱ vonȱ denȱ Veränderungen,ȱ dieȱ sichȱ darausȱ ergeben.ȱ Derȱ „Morgenglanzȱ derȱ Ewigkeit“ȱ istȱ es,ȱ denȱ derȱ Psalmȱ zuȱ erfassenȱ versucht,ȱ undȱ imȱ eiȬ gentlichenȱ Sinneȱ istȱ esȱ wohlȱ einȱ Abglanzȱ davon,ȱ derȱ aufȱ diesemȱ Textȱ liegtȱundȱihmȱseineȱBedeutungȱverleiht.ȱ ȱ Vielleichtȱ lässtȱ sichȱ vonȱ daherȱ nunȱ leichterȱ verstehen,ȱ warumȱ dieserȱ Psalmȱalsȱeinȱ„GebetȱMoses“ȱbezeichnetȱundȱalsȱsolchesȱimȱPsalterȱtraȬ diertȱwurde.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 2ȱ

Offenbarungsperioden:ȱManȱdenkeȱanȱJ.ȱWellhausensȱ„Vierbundesbuch“.ȱ

ȱ

Literaturȱ

143ȱ

Literaturȱ Clifford,ȱR.ȱJ.,ȱWhatȱDoesȱtheȱPsalmistȱAskȱforȱinȱPsalmsȱ39:5ȱandȱ90:12?ȱJBLȱ119ȱ (2000),ȱ59–66.ȱ Eichrodt,ȱ W.,ȱ Heilserfahrungȱ undȱ Zeitverständnisȱ imȱ Altenȱ Testament,ȱ FSȱ K.ȱ Barth,ȱThZȱ12ȱ(1956),ȱ103–125.ȱ Galling,ȱK.,ȱDasȱRätselȱderȱZeitȱimȱUrteilȱKoheletsȱ(Kohȱ3,1–15),ȱZThKȱ58ȱ(1961),ȱ 1–15.ȱ Foster,ȱJ.ȱA.,ȱTheȱMotherhoodȱofȱGod:ȱTheȱUseȱofȱ̴ylȱasȱGodȬLanguageȱinȱtheȱ Hebrewȱ Scriptures,ȱ in:ȱ Uncoveringȱ Ancientȱ Stones,ȱ Essaysȱ inȱ Memoryȱ ofȱ H.ȱNeilȱRichardson,ȱed.ȱbyȱL.ȱM.ȱHopfe,ȱWinonaȱLake/Ind.ȱ1994,ȱ93–102.ȱ Jenni,ȱE.,ȱ’etȱZeit,ȱTHATȱ2,ȱ370–385.ȱ KnorrȱvonȱRosenroth,ȱChr.,ȱ„MorgenglanzȱderȱEwigkeit“ȱ(1654)ȱ1684,ȱWGBȱ450.ȱ BBKL.ȱ Kronholm,ȱT.,ȱ’et,ȱThWATȱ6,ȱ463–482ȱ(Lit.).ȱ Malamat,ȱ A.,ȱ Longevity:ȱ Biblicalȱ Conceptsȱ andȱ Someȱ Ancientȱ Nearȱ Easternȱ Parallels,ȱAfO.Bȱ19ȱ(1983),ȱ215–229.ȱ Müller,ȱH.ȬP.,ȱSprachlicheȱBeobachtungenȱzuȱPs.ȱXCȱ5ȱf.,ȱVTȱ50ȱ(2000),ȱ394–400.ȱ Levenson,ȱJ.ȱD.,ȱAȱtechnicalȱmeaningȱforȱn’mȱinȱtheȱHebrewȱBible,ȱVTȱ35ȱ(1985),ȱ 61–67.ȱ vonȱRad,ȱG.,ȱWeisheitȱinȱIsrael,ȱNeukirchenȱ1970.ȱ vonȱ Rad,ȱ G.,ȱ Derȱ 90.ȱ Psalm,ȱ in:ȱ Gottesȱ Wirkenȱ inȱ Israel,ȱ Vorträgeȱ zumȱ Altenȱ Testamentȱ(1963),ȱhg.ȱv.ȱO.ȱH.ȱSteck,ȱNeukirchenȱ1974,ȱ268–283.ȱ Schnocks,ȱJ.,ȱ„EheȱdieȱBergeȱgeborenȱwurden,ȱbistȱdu.“ȱDieȱGegenwartȱGottesȱ imȱ90.ȱPsalm,ȱBiKȱ54ȱ(1999),ȱ163–169.ȱ Seybold,ȱ K.,ȱ Zuȱ denȱ Zeitvorstellungenȱ inȱ Psalmȱ 90,ȱ in:ȱ Veritasȱ hebraica,ȱ FSȱ fürȱ ErnstȱJenni,ȱThZȱ53ȱ(1997),ȱ97–108ȱ(=ȱStudienȱzurȱPsalmenauslegung,ȱStuttȬ gartȱ1998,ȱ147–160).ȱ Tsevat,ȱM.,ȱPsalmȱXC,ȱVTȱ35ȱ(1985),ȱ115–117.ȱ Vries,ȱ S.ȱJ.ȱ de,ȱ Yesterday,ȱ Todayȱ andȱ Tomorrow.ȱ Timeȱ andȱ Historyȱ inȱ theȱ Oldȱ Testament,ȱLondonȱ1975.ȱ Wilch,ȱJ.ȱR.,ȱTimeȱandȱEvent,ȱLeidenȱ1969ȱ

ȱ

ȱ

ȱ ȱ

ȱ

10.ȱFormenȱderȱTextrezeptionȱinȱPsalmȱ144ȱ I.ȱ Psalmȱ 144ȱ gibtȱ demȱ Exegetenȱ manchesȱ Rätselȱ auf.ȱ Durchȱ denȱ ÜberȬ schriftenvermerk,ȱderȱinȱdenȱQumranhandschriftenȱ11QPsaȱ und,ȱwieȱesȱ scheint,ȱ11QPsbȱüberraschendȱfehlt,ȱwirdȱerȱDavidȱzugewiesen,ȱwasȱdieȱ Septuagintaȱ mitȱ demȱ Hinweisȱ aufȱ Goliathȱ (SURWRQȱ *ROLDG)ȱ bioȬ graphischȱversteht.ȱInȱV.ȱ10ȱbegegnetȱDavidȱaberȱinȱderȱdrittenȱPerson,ȱ alsoȱobȱerȱmitȱdemȱPsalmistenȱnichtȱidentischȱwäre.ȱ–ȱPsȱ144ȱbestehtȱausȱ zweiȱTeilstückenȱvonȱvölligȱunterschiedlichemȱCharakter.ȱDerȱersteȱTeilȱ (V.ȱ1–11)ȱ stelltȱ sichȱ darȱalsȱ dasȱ Gebetȱ einesȱ Einzelnenȱ mitȱ allenȱ seinenȱ gattungsgegebenenȱ Elementen.ȱ Derȱ zweiteȱ Teilȱ (V.ȱ 12–15),ȱ scheinbarȱ engȱmitȱdemȱerstenȱdurchȱeineȱRelativpartikelȱverbunden,ȱerweistȱsichȱ vonȱ seinerȱ Formȱ herȱ alsȱ eineȱ Artȱ Segensbekenntnis,ȱ das,ȱ imȱ WirȬStilȱ gehalten,ȱ inȱ keinerȱ deutlichȱ erkennbarenȱ Weiseȱ aufȱ dasȱ Klagegebetȱ bezogenȱist.ȱWieȱpasstȱdasȱzusammen?ȱ–ȱDerȱersteȱTeilȱistȱimȱsog.ȱanȬ thologischenȱ Stil1ȱ gehalten,ȱ denȱ eineȱ direkteȱ undȱ engeȱ Abhängigkeitȱ vonȱPsȱ18ȱauszeichnet.ȱMerkwürdigerweiseȱsprichtȱderȱPsalmistȱgeradeȱ dortȱvonȱeinemȱ„neuenȱLied“,ȱdasȱerȱzuȱsingenȱgedenkt.ȱDassȱerȱdamitȱ dieȱ vorliegendeȱ Klageȱ alsȱ einȱ Exzerptȱ ausȱ Psȱ 18ȱ meint,ȱ istȱ dochȱ wohlȱ auszuschließen.ȱ Meintȱ erȱ denȱ Segensspruchȱ imȱ Schlussteil?ȱ Istȱ dasȱ überhauptȱeinȱLied?ȱOderȱmeintȱerȱeinȱganzȱanderes,ȱimȱweiterenȱKonȬ textȱ desȱ viertenȱ Davidpsaltersȱ erhaltenesȱ oderȱ ebenȱ auchȱ nichtȱ erȬ haltenesȱ Danklied?ȱ –ȱ Inȱ denȱ Handschriftenȱ 11QPsaȱ undȱ 11QPsbȱ istȱ Psȱ 144ȱbezeugtȱ–ȱübrigensȱinȱbeidenȱTeilen,ȱwieȱderȱerhalteneȱRestȱvonȱV.ȱ 15ȱzeigt;ȱdochȱderȱKontextȱunterscheidetȱsichȱvomȱmasoretischenȱText.ȱ Inȱ11QPsaȱfindetȱsichȱdieȱReihenfolge:ȱ…ȱPsȱ93ȱ–ȱ141ȱ–ȱ133ȱ–ȱ144ȱ–ȱ155ȱ (SyrȱIII)ȱ–ȱ142ȱ–ȱ143ȱ–ȱ149ȱ–ȱ150ȱ…,ȱinȱ11QPsb:ȱPsȱ141ȱ–ȱ133ȱ–ȱ144.2ȱWasȱ hatȱ dasȱ zuȱ bedeuten?ȱ Ergibtȱ sichȱ ausȱ dieserȱ Positionierungȱ derȱ Texteȱ einȱjeȱunterschiedlichesȱVerständnisȱvonȱPsȱ144?ȱȱ Vielleichtȱ lagȱ esȱ anȱ denȱ Merkwürdigkeitenȱ diesesȱ Textes,ȱ dassȱ erȱ allzuȱ häufigȱ nichtȱ Gegenstandȱ intensiverȱ Untersuchungenȱ gewordenȱ ist.ȱ Unterȱ demȱ Wenigen,ȱ wasȱ manȱ abgesehenȱ vonȱ derȱ KommentarȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ 2ȱ

Vgl.ȱA.ȱRobert,ȱArt.ȱHistoriquesȱ(Genres),ȱDBSȱIVȱ(1949),ȱ19–23.ȱ Vgl.ȱP.ȱW.ȱFlint,ȱTheȱDeadȱSeaȱPsalmsȱScrollsȱandȱtheȱBookȱofȱPsalms,ȱSTDJȱ17,ȱ1997.ȱ

146ȱ

10.ȱFormenȱderȱTextrezeptionȱinȱPsalmȱ144ȱ

literaturȱfindenȱkann,ȱragenȱdieȱArbeitenȱvonȱR.ȱJ.ȱTournay,ȱL.ȱAlonsoȬ Schökel,ȱH.ȬP.ȱMathysȱundȱJ.ȱH.ȱHunterȱheraus.3ȱ DieȱfolgendenȱÜberlegungenȱzuȱPsȱ144,ȱdieȱdemȱlangjährigenȱKolȬ legenȱ undȱ Freundȱ Odilȱ Hannesȱ Steckȱ gewidmetȱ sind,ȱ demȱ ichȱ inȱ wisȬ senschaftlichȬmethodischerȱ wieȱ inȱ menschlicherȱ Hinsichtȱ mancheȱ FörȬ derungȱ undȱ wohltuendeȱ Auffrischungȱ verdanke,ȱ konzentrierenȱ sichȱ –ȱ denȱ Leitlinienȱ diesesȱ Bandesȱ entsprechendȱ –ȱ aufȱ dieȱ schriftinterneȱ Schriftauslegungȱ undȱ d.ȱh.ȱ beiȱ denȱ Psalmenȱ aufȱ dieȱ psalterinterneȱ Psalmauslegung,ȱ fürȱ dieȱ sichȱ dieȱ Begriffeȱ relectureȱ undȱ Rezeptionȱ einȬ gebürgertȱ haben.ȱ Dieȱ Begriffeȱ werdenȱ hierȱ inȱ einemȱ weitenȱ Sinneȱ fürȱ alleȱdieȱDependenzvorgängeȱverwendet,ȱdieȱanȱdemȱTextȱimȱBlickȱaufȱ seineȱVorlagen,ȱCoȬTexteȱoderȱKontexte,ȱaberȱauchȱimȱBlickȱaufȱinterneȱ VeränderungenȱbeiȱderȱVerwendungȱundȱWiederverwendungȱerkennȬ barȱsind.ȱDassȱdasȱnurȱinȱAuswahlȱundȱgleichsamȱskizziertȱgeschehenȱ kann,ȱbrauchtȱnichtȱeigensȱerwähntȱzuȱwerden.ȱ

II.ȱ EinȱsynoptischerȱVergleichȱvonȱPsȱ144ȱmitȱseinenȱParalleltexten,ȱzuȱdeȬ nenȱnichtȱnur,ȱwenngleichȱzurȱHauptsacheȱPsȱ18,ȱsondernȱ–ȱmindestensȱ stellenweiseȱ–ȱauchȱPsȱ8,ȱPsȱ33,ȱPsȱ39ȱundȱPsȱ104ȱzuȱrechnenȱsind,ȱzeigt,ȱ dassȱ nurȱ wenigeȱStellenȱ ohneȱ Paralleleȱundȱalsoȱ alsȱeigenständigȱoderȱ originalȱ –ȱ mitȱ Vorbehaltȱ –ȱ anzusehenȱ sind.ȱ Wirȱ gehenȱ dabeiȱ vonȱ derȱ Annahmeȱaus,ȱdassȱdieȱAbhängigkeitȱaufȱSeitenȱvonȱPsȱ144ȱliegt.ȱDieseȱ Annahmeȱ stütztȱ sichȱ sowohlȱ aufȱ denȱ anthologischenȱ Gesamtcharakterȱ vonȱPsȱ144,ȱwieȱauchȱdieȱBeurteilungȱderȱParallelenȱimȱEinzelnen.ȱWirȱ sehenȱhierȱvonȱeinerȱDarstellungȱderȱDetailsȱabȱundȱachtenȱbesondersȱ aufȱdieȱsignifikantenȱErgebnisse.ȱDieȱsingulärenȱAussagenȱbegegnenȱimȱ Wesentlichen:ȱȱ 1.ȱ gehäuftȱundȱkonzentriertȱimȱBereichȱderȱGebetsbittenȱinȱV.ȱ7ȱf.11;ȱȱ 2.ȱ ebensoȱimȱBereichȱdesȱGelübdeversprechensȱV.ȱ9ȱf.;ȱȱ 3.ȱ nurȱ sporadischȱ inȱ Versteilenȱ imȱ Korpus,ȱ dieȱ manȱ eherȱ alsȱ epȬ exegetischeȱErläuterungenȱeinordnenȱmöchte.ȱȱ ImȱerstenȱBereichȱerschwertȱdieȱWiederholungȱganzerȱTextpassagenȱdieȱ Klarsichtȱ aufȱ denȱ Textverlauf.ȱ Imȱ Anschlussȱ anȱ R.ȱJ.ȱ Tournayȱ scheintȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 3ȱȱ

R.ȱJ.ȱTournay,ȱLeȱPsaumeȱCXLIV,ȱStructureȱetȱinterprétation,ȱRBȱ91ȱ(1984),ȱ520–530;ȱ L.ȱAlonsoȱSchökel,ȱAȱManualȱofȱHebrewȱPoetics,ȱSubBiȱ11,ȱ1988,ȱbes.ȱ142–147;ȱH.ȬP.ȱ Mathys,ȱ Dichterȱ undȱ Beter,ȱ Theologenȱ ausȱ spätalttestamentlicherȱ Zeit,ȱ OBOȱ 132,ȱ 1994,ȱbes.ȱ262–266;ȱJ.ȱH.ȱHunter,ȱInterpretationstheorieȱinȱderȱpostmodernenȱZeit,ȱSuȬ cheȱ nachȱ Interpretationsmöglichkeitenȱ anhandȱ vonȱ Psalmȱ 144,ȱ in:ȱ Neueȱ Wegeȱ derȱ Psalmenforschung.ȱFSȱW.ȱBeyerlin,ȱHerdersȱBiblischeȱStudienȱ1,ȱ1994ȱ(21995),ȱ45–62.ȱ

ȱ

II.ȱ

147ȱ

mirȱ dieȱ Annahmeȱ einerȱ Dubletteȱ aufgrundȱ einesȱ Abschreibeversehensȱ dieȱ besteȱ Erklärungȱ zuȱ sein.ȱ D.ȱh.,ȱ esȱ istȱ zuȱ vermuten,ȱ dassȱ einȱ AbȬ schreiberȱ denȱ Passusȱ desȱ jetzigenȱ V.ȱ 11ȱ schonȱ inȱ V.ȱ 7ȱf.ȱ untergebrachtȱ hatȱ undȱ soȱ denȱ Textsinnȱ erheblichȱ gestörtȱ hat.4ȱ Warȱ inȱ V.ȱ 7ȱf.ȱ imȱ AnȬ schlussȱanȱdieȱkosmischeȱTheophanieaussageȱdavonȱdieȱRede,ȱdassȱdieȱ göttlicheȱInterventionȱdieȱRettungȱ„ausȱvielenȱWassern“ȱbewirkenȱsollȬ te,ȱistȱdieȱkonkreteȱBitteȱumȱHilfeȱ„ausȱderȱHandȱderȱFremden“ȱ–ȱeineȱ Formulierung,ȱdieȱauchȱausȱPsȱ18ȱstammtȱ–,ȱerstȱamȱEndeȱderȱKlageȱamȱ richtigenȱ Ort.ȱ Dortȱ erscheintȱ nunȱ auchȱ dieȱ singuläreȱ undȱ darumȱ beȬ sondersȱ wichtigeȱ Aussageȱ überȱ dieȱ Feinde,ȱ nämlich,ȱ dassȱ „ihrȱ Mundȱ Nichtigesȱ geredetȱ hatȱ undȱ ihreȱ Rechteȱ (Hand)ȱ eineȱ Rechteȱ (Hand)ȱ desȱ Trugs“ȱistȱ(V.ȱ8ȱ=ȱV.ȱ11ab.E).ȱ Obwohlȱ dieseȱ Formulierungȱ imȱ Blickȱ aufȱ dieȱ Vorgabenȱ vorȱ allemȱ vonȱPsȱ18ȱganzȱeigenständigȱist,ȱsoȱheißtȱdasȱnicht,ȱdassȱdamitȱeinȱindiȬ viduellerȱSachverhaltȱangesprochenȱist.ȱVielmehrȱistȱdieserȱSachverhaltȱ inȱ derȱ Psalmenüberlieferungȱ geläufig.ȱ Erȱ verweistȱ aufȱ dieȱ Situationȱ vielerȱ–ȱundȱebenȱauchȱdieȱderȱunmittelbarȱbenachbartenȱTexteȱ(etwaȱPsȱ 139;ȱ141;ȱ142)ȱ–ȱsog.ȱFeindpsalmen,ȱinȱdenenȱderȱBeterȱsichȱeinerȱ„nichȬ tigen“ȱ ( DZY),ȱ d.ȱh.ȱ unbegründeten,ȱ vielmehrȱ durchȱ falscheȱ Schwüreȱ lanciertenȱ Anschuldigungȱ zuȱ erwehrenȱ hat.ȱ Diesȱ gehtȱ überȱ Psȱ 18ȱ undȱ dieȱ genanntenȱ Vorlagenȱ hinaus.ȱ Soȱ wirdȱ manȱ schließenȱ dürfen,ȱ dassȱ derȱ Passusȱ vonȱ anderswoherȱ stammt.ȱ Zumindestȱ inȱ derȱ Imaginationȱ desȱVerfassersȱdarfȱhierȱderselbeȱErnstȱderȱLageȱvorausgesetztȱwerdenȱ wieȱ etwaȱ beiȱ denȱ Kontextpsalmen,ȱ soȱ dassȱ erȱ gattungsgemäßȱ alsȱ einȱ individuellerȱ Klagepsalm,ȱ alsȱ Feindpsalmȱ undȱ Gebetȱ einesȱ AngeȬ klagtenȱeinzuordnenȱist.ȱ Eineȱ Stützeȱ findetȱ dieseȱ Annahmeȱ inȱ denȱ unterȱ 3.ȱ aufgeführten,ȱ sporadischenȱEigenaussagenȱimȱTextkorpus:ȱInȱdemȱinȱdenȱ„Vorlagen“ȱ nichtȱvorgegebenenȱaramäischenȱAusdruckȱ EUTOȱ„zumȱKampf“ȱinȱV.ȱ 1,ȱderȱdasȱhebräischeȱKPMOPOȱvonȱPsȱ18,35ȱwiedergibt;ȱinȱdemȱdreimalȱ imȱPsalmȱverwendetenȱaramäischenȱVerbumȱK[Sȱ(V.ȱ7.10.11;ȱhebräischȱ „befreien“);ȱinȱdemȱAusdruckȱUF>¼ȱOEQ(q%@ȱ„mitȱderȱZehnerȬHarfe“ȱinȱV.ȱ 9ȱundȱV.ȱ10ȱderȱAusdruckȱ K>rUEUMPHȱ „vorȱbösemȱSchwert“,ȱderȱwohlȱ dieȱeigeneȱprekäreȱSituationȱandeutetȱundȱursprünglichȱnichtȱimȱSinneȱ vonȱ1.ȱSamȱ17ȱaufȱdasȱSchwertȱdesȱGoliathȱzuȱbeziehenȱist,ȱsondernȱaufȱ eineȱ drohendeȱ Hinrichtungȱ imȱ Falleȱ derȱ Verurteilung.ȱ Dieseȱ Angabenȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 4ȱ

Tournayȱ(1984)ȱfasstȱdenȱPsalmȱmitȱLXXȱundȱwieȱPsȱ151ȱalsȱDavidpsalmȱauf.ȱSeineȱ Rekonstruktionȱ fügtȱ V.ȱ 10c.11ȱ nachȱ V.ȱ 7b.8ȱ einȱ undȱ lässtȱ denȱ Gebetsteilȱ mitȱ V.ȱ 10bȱ endenȱ(„quiȱsauveȱDavidȱsonȱserviteur“).ȱManȱkönnteȱauchȱV.7b.8ȱalsȱDubletteȱstreiȬ chenȱ(wieȱTournay)ȱundȱtrotzdemȱV.ȱ10.11ȱanȱihremȱOrtȱbelassen.ȱȱ

148ȱ

10.ȱFormenȱderȱTextrezeptionȱinȱPsalmȱ144ȱ

verdeutlichenȱdieȱSituationȱeinesȱbedrängtenȱBetersȱundȱgehörenȱwohlȱ zumȱGrundbestandȱdesȱPsalms.ȱ AuchȱdieȱPsalterüberlieferungȱscheintȱdiesȱzuȱbestätigen.ȱ Derȱ MTȱ schließtȱ Psȱ 144ȱ imȱ viertenȱ Davidpsalterȱ anȱ dieȱ Reiheȱ 138– 143ȱ an,ȱ allesȱ Feindpsalmenȱ undȱ Klageliederȱ desȱ Einzelnen.ȱ Erȱ deutetȱ damitȱ Psȱ 144ȱ (undȱ vielleichtȱ auchȱ Psȱ 145)ȱ wohlȱ inȱ diesemȱ Sinne.ȱ Dieȱ Psalterhandschriftenȱ 11QPsaȱ undȱ 11QPsbȱ bietenȱ zwarȱ eineȱ andereȱ ReiȬ henfolge,ȱ aberȱ zumindestȱ 11QPsaȱ stelltȱ Psȱ 144ȱ ebenfallsȱ inȱ eineȱ Reiheȱ vonȱKlageliedernȱdesȱEinzelnen5,ȱwieȱvorȱallemȱdieȱnachfolgendenȱTexȬ teȱPsȱ155ȱ(SyrȱIII),ȱ142,ȱ143ȱbeweisen.ȱȱ Darfȱ derȱ Schluss,ȱ dassȱ Psȱ 144,1–11ȱ alsȱ Klageliedȱ einesȱ Einzelnenȱ konzipiertȱwar,ȱinȱetwaȱalsȱrichtigȱoderȱwahrscheinlichȱangesehenȱwerȬ den,ȱ ergibtȱ sichȱ einȱ zweiterȱ Schluss.ȱ Dieȱ Frageȱ nämlich,ȱ wasȱ mitȱ demȱ „neuenȱ Lied“ȱ gemeintȱ seinȱ könnte,ȱ scheintȱ sichȱ zuȱ klären.ȱ Stehtȱ derȱ Ausdruckȱ imȱ Lobgelübdeȱ desȱ Klagepsalms,ȱ kannȱ eigentlichȱ nurȱ einȱ Dankliedȱ (oderȱ Hymnus)ȱ gemeintȱ sein,ȱ undȱ esȱ istȱ damitȱ ausgeȬ schlossen,ȱ dassȱ erȱ sichȱ aufȱ dasȱ Gebetȱ selbstȱ bezieht.ȱ Inȱ Frageȱ kommtȱ auchȱ kaumȱ nochȱ Psȱ 144,12–15.ȱ „Neu“ȱ scheintȱ diesesȱ Psalmstückȱ inȱ jeȬ demȱ Fallȱ zuȱ sein,ȱ aberȱ alsȱ einȱ zurȱ Harfeȱ gesungenesȱ Dankliedȱ istȱ esȱ dochȱ schwerlichȱ anzusehen,ȱ obwohlȱ zuzugestehenȱ ist,ȱ dassȱ DankȬ psalmenȱeineȱAffinitätȱzuȱweisheitlichenȱFormenȱwieȱdemȱGlückȬȱundȱ Segenswunschȱzeigenȱkönnenȱ(z.ȱB.ȱPsȱ32;ȱ41ȱu.ȱa.).ȱEinȱexpliziterȱBezugȱ zurȱKlagesituationȱistȱjedochȱnichtȱsichtbar.ȱEherȱkommtȱPsȱ145ȱinȱFraȬ geȱ –ȱ eineȱ interessanteȱ Möglichkeit,ȱ dieȱ allerdingsȱ nurȱ imȱ Kontextȱ derȱ masoretischenȱ Überlieferungȱ Anhaltȱ hat.ȱ Immerȱ möglichȱ istȱ natürlich,ȱ dassȱ einȱ unbekanntesȱ „neuesȱ Lied“ȱ gemeintȱ ist,ȱ dasȱ denȱ Wegȱ inȱ dieȱ Psalterarchiveȱnichtȱgefundenȱhat.ȱȱ Wasȱ Psȱ 144,12–15ȱ angeht,ȱ wirdȱ inȱ jedemȱ Falleȱ dieȱ Zäsurȱ zuȱ Psȱ 144,1–11ȱ größer,ȱ seiȱ es,ȱ dassȱ dasȱ Verhältnisȱ Klagepsalmȱ –ȱ Dankpsalmȱ wieȱ inȱ Psȱ 22ȱ ist,ȱ dannȱ wäreȱ einȱ Situationswechselȱ anzunehmen;ȱ oderȱ dassȱursprünglichȱgarȱkeineȱBeziehungȱzwischenȱbeidenȱbestand,ȱdannȱ wäreȱ dieȱ Abfolgeȱ redaktionellȱ sekundärȱ bestimmtȱ worden,ȱ wasȱ vieleȱ Auslegerȱfürȱwahrscheinlichȱhalten.6ȱ ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 5ȱ 6ȱ

Dasȱgiltȱvermutlichȱauchȱfürȱ11QPsb,ȱdochȱistȱdenȱFragmentenȱoffenbarȱkeineȱweitereȱ Psalmenfolgeȱzuȱentnehmen.ȱ DieȱAnalyseȱvonȱ144,12–15ȱkannȱhierȱnichtȱvorgenommenȱwerden.ȱIchȱwerdeȱaufȱdasȱ ProblemȱanȱeinemȱanderenȱOrtȱzurückkommen.ȱ

ȱ

III.ȱ

149ȱ

III.ȱ Derȱ Frage,ȱ wasȱ dieȱ getroffeneȱ Entscheidungȱ fürȱ dasȱ Verhältnisȱ desȱ PsalmsȱzuȱseinenȱQuellenȱoderȱVorlagenȱbedeutet,ȱistȱjetztȱeigensȱnachȬ zugehen.ȱWennȱalsoȱPsȱ144,1–11ȱalsȱeinȱgattungskonformerȱKlagepsalmȱ verfasstȱ wordenȱ ist,ȱ wirdȱ dieȱ Abhängigkeitȱ zumȱ Problem,ȱ vollendsȱ dadurch,ȱ dassȱ dieȱ rezipiertenȱ Texteȱ nurȱ zuȱ einemȱ geringenȱ Teilȱ denȱ Klagepsalmenȱ zuzurechnenȱ sind.ȱ Dennȱ eigentlichȱ giltȱ diesȱ nurȱ fürȱ Psȱ 39,ȱ dessenȱ Kehrversȱ (V.ȱ 6.12:ȱ GD$O.OEKȱ D )ȱ inȱ seinerȱ GrundausȬ sageȱ inȱ 144,4ȱ wiederkehrt.ȱ Ansonstenȱ stammtȱ dasȱ entlieheneȱ Materialȱ ausȱdemȱBereichȱvonȱHymnusȱundȱDankliedȱ(Psȱ8;ȱ18;ȱ33;ȱ104).ȱ ZuȱerinnernȱistȱinȱdiesemȱZusammenhangȱzunächstȱanȱdieȱvonȱW.ȱ Beyerlinȱ inȱ seinerȱ Studie:ȱ „Dieȱ tôdåȱ derȱ Heilsvergegenwärtigung“ȱ7ȱ beschriebeneȱ Funktionȱ vonȱ Vertrauensaussagenȱ imȱ Klagepsalm.ȱ DaȬ nachȱdientȱdieȱAufnahmeȱvonȱBekenntnisaussagenȱdieserȱArtȱderȱVerȬ gewisserungȱ derȱ erhofftenȱ Errettungȱ aufgrundȱ vonȱ vorgegebenenȱ Heilserfahrungen,ȱ seienȱ sieȱ allgemeinerȱ oderȱ individuellerȱ Art.ȱ Unterȱ diesemȱ Aspektȱ betrachtet,ȱ kommtȱ denȱ ausȱ demȱ HymnenȬȱ undȱ DankȬ liederbereichȱ rezipiertenȱ Aussagenȱ inȱ Psȱ 144ȱ dieseȱ heilsvergegenȬ wärtigendeȱFunktionȱzu.ȱAndersȱaberȱalsȱinȱanderenȱFällenȱwäreȱdieseȱ nichtȱ ausȱ derȱ eigenenȱ Erfahrungȱ geschöpft,ȱ sondernȱ denȱ überliefertenȱ undȱ zudemȱ benennbarenȱ Textenȱ ausȱ demȱ Repertoireȱ desȱ heranȬ wachsendenȱPsaltersȱentnommen.ȱȱ UngewöhnlichȱengȱistȱdieȱBeziehungȱvonȱPsȱ144ȱzuȱPsȱ188.ȱDieȱAnaȬ lyseȱ imȱ Einzelnenȱ ergibt,ȱ dassȱ vieleȱ rezipierteȱ Sätzeȱ undȱ Wendungenȱ sehrȱ naheȱ amȱ wortwörtlichenȱ Zitatȱ liegen,ȱ dassȱ sieȱ aberȱ dennochȱ inȱ ihrerȱ neuenȱ Formulierungȱ kleineȱ Variationenȱ undȱ Freiheitenȱ zeigen.ȱ Dasȱ Materialȱ stammtȱ vorȱ allemȱ ausȱ denȱ Textbereichenȱ Psȱ 18,9ȱf.ȱ sowieȱ 18,15–20ȱ undȱ 18,45–51.ȱ Dieȱ ausgewähltenȱ Passagenȱ sindȱ aberȱ jeweilsȱ demȱSinnrahmenȱdesȱKlagepsalmsȱeingepasstȱundȱinsofernȱnichtȱinȱderȱ Reihenfolgeȱbelassen,ȱdieȱPsȱ18ȱbietet.ȱEsȱergibtȱsichȱalsȱReihenfolgeȱderȱ Quellentexte:ȱ18,47ȱ–ȱ18,3ȱ–ȱ18,35ȱ–ȱ18,3ȱ–ȱ(18,48ȱeherȱ2.ȱSamȱ22,48)ȱ–ȱ8,5ȱ –ȱ39,5ȱf.ȱ–ȱ104,32ȱ–ȱ18,10ȱ–ȱ18,9ȱ–ȱ18,15ȱ–ȱ18,17ȱ–ȱ18,18.20ȱ–ȱ33,2ȱf.ȱ–ȱ(18,45– 18,49)ȱ–ȱ18,50ȱ–ȱ18,51ȱ–ȱ18,45ȱ–ȱ18,49).ȱGrobȱgesprochenȱfindenȱvorȱallemȱ derȱAnfangȱundȱderȱSchlussȱvonȱPsȱ18,ȱalsoȱderȱAnrufungsteilȱundȱdasȱ Gelübdeversprechenȱ Verwendung.ȱ Imȱ Mittelteilȱ vonȱ Psȱ 144ȱ kommenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 7ȱ 8ȱ

W.ȱ Beyerlin,ȱ Dieȱ tôdåȱ derȱ Heilsvergegenwärtigungȱ inȱ denȱ Klageliedernȱ desȱ EinzelȬ nen,ȱZAWȱ79ȱ(1967),ȱ208–224.ȱ ZuȱPsȱ18ȱvgl.ȱbes.ȱF.ȬL.ȱHossfeld,ȱDerȱWandelȱdesȱBetersȱinȱPsȱ18.ȱWachstumsphasenȱ einesȱ Dankliedes,ȱ in:ȱ Freudeȱ anȱ derȱ Weisungȱ desȱ Herrn,ȱ FSȱ H.ȱGroß,ȱ SBBȱ 13,ȱ 1986,ȱ 171–190.ȱ

150ȱ

10.ȱFormenȱderȱTextrezeptionȱinȱPsalmȱ144ȱ

hymnischeȱ Motiveȱ ausȱ demȱ mittlerenȱ Korpusȱ vonȱ Psȱ 18,ȱ ergänztȱ vonȱ MotivenȱausȱPsȱ8;ȱ33;ȱ39;ȱ104ȱdazu.ȱDabeiȱzeichnetȱsichȱauchȱnochȱderȱ GesamtrahmenȱvonȱPsȱ18,ȱwenigstensȱinȱleichtenȱStrichen,ȱab.ȱ Psȱ144ȱistȱjaȱtrotzȱseinesȱanthologischenȱStilsȱkeineswegsȱohneȱfesteȱ Struktur.ȱ Dieȱ wiederholtenȱ Anrufungenȱ inȱ V.ȱ 1.3.5.9ȱ lassenȱ Strophenȱ erkennen,ȱ wobeiȱ dieȱ Zahlȱ derȱ Zeilenȱ zwischenȱ 3ȱ undȱ 2ȱ zuȱ alternierenȱ scheintȱ(3ȱ–ȱ2ȱ–ȱ3ȱ–ȱ2ȱ–2)ȱundȱderȱSchlussȱwieȱderȱAnfangȱSonderstatusȱ hat,ȱ seiȱ es,ȱ dassȱ erȱ soȱ geplantȱ war,ȱ oderȱ dassȱ etwasȱ sekundärȱ ausȬ gefallenȱist.ȱVorherrschendȱistȱ–ȱAnfangszeilenȱmitȱBesonderheitenȱ–ȱinȱ derȱ rekonstruiertenȱ Fassungȱ (alsoȱ ohneȱ V.ȱ 7b.8)ȱ dasȱ nichtȱ ungewöhnȬ licheȱ3+3ȬMetrum.ȱȱ SoȱgesehenȱverteiltȱsichȱdasȱMaterialȱausȱdenȱQuellenpsalmenȱnochȱ deutlicher,ȱ insofern,ȱ alsȱ dieȱ Epiklesenȱ vonȱ Psȱ 18ȱ inȱ Stropheȱ Iȱ (V.ȱ 1–2),ȱ dieȱ anthropologischenȱ Sätzeȱ ausȱ Psȱ 8;ȱ 39ȱ inȱ Stropheȱ IIȱ (V.ȱ 3–4),ȱ dieȱ hymnischenȱWendungenȱausȱPsȱ18ȱ(Mitte)ȱundȱ104ȱinȱStropheȱIIIȱ(V.ȱ5– 7a),ȱLobversprechungenȱausȱPsȱ18ȱ(Ende)ȱundȱPsȱ33ȱinȱStropheȱIVȱ(V.ȱ9– 10a.b)ȱbegegnen,ȱwährendȱStropheȱVȱ(V.ȱ10c–11)ȱweitgehendȱausȱEigenȬ formulierungenȱbesteht.ȱ AllesȱdasȱmachtȱimȱHinblickȱaufȱdieȱGattungȱSinn.ȱDasȱBesondereȱ dabeiȱistȱnur,ȱdassȱdieȱüblichenȱGattungselementeȱdesȱKlagegebetsȱmitȱ entliehenemȱ Materialȱ besetztȱ sind:ȱ Sowohlȱ dieȱ Epikleseȱ I,ȱ dieȱ ElendsȬ schilderungȱII,ȱdieȱBittenȱIII,ȱdasȱLobversprechenȱIVȱwerdenȱmitȱvorgeȬ gebenenȱAussagenȱaufgefüllt,ȱwährendȱdasȱindividuelleȱAnliegenȱVȱfürȱ sichȱstehtȱ undȱ sozusagenȱfürȱ sichȱ selbstȱ spricht.ȱManȱ wirdȱ sagenȱ könȬ nen,ȱ dassȱderȱ Verfasserȱ sehrȱ bewusstȱ vorgegangenȱistȱ undȱ imȱ Ganzenȱ seinenȱTextȱgutȱgeplantȱhat.ȱȱ

IV.ȱ Wieȱ gehtȱ derȱ Psalmistȱ mitȱ seinemȱ Materialȱ um?ȱ Zunächstȱ istȱ festzuȬ stellen,ȱ dassȱ dieȱ eindeutigeȱ Zuweisungȱ derȱ rezipiertenȱ Passagenȱ anȱ bekannteȱ Texteȱ hierȱ dieȱ Annahmeȱ ausschließt,ȱ esȱ handleȱ sichȱ umȱ einȱ allgemeinesȱ liturgischȬrituellesȱ Repertoire,ȱ ausȱ demȱ erȱ eklektischȱ geȬ schöpftȱ habe.ȱ Wohlȱ hatȱ erȱ gewählt,ȱ aberȱ dochȱ sehrȱ gezielt,ȱ undȱ wennȱ manȱvonȱderȱStelleȱinȱV.ȱ5ȱausȱPsȱ104,32ȱeinmalȱabsieht,ȱdannȱausȱTexȬ ten,ȱdieȱallesamtȱdemȱerstenȱDavidpsalterȱangehören.ȱZufallȱoderȱnicht,ȱ jedenfallsȱspieltenȱfürȱihnȱgeradeȱdieseȱTexteȱ–ȱundȱallenȱvoranȱPsȱ18ȱ–ȱ eineȱ entscheidendeȱ Rolle.ȱ Sofortȱ schließtȱ sichȱ dieȱ Frageȱ an:ȱ Wieȱ lagenȱ ihmȱdennȱdieseȱTexteȱvor?ȱȱ DieȱrelativeȱGenauigkeitȱderȱWiedergabeȱvorȱallemȱderȱStellenȱausȱ Psȱ 18ȱ sowieȱ derȱ Dispositionȱ vonȱ Psȱ 18ȱ lässtȱ annehmen,ȱ esȱ seienȱ ihmȱ

ȱ

IV.ȱ

151ȱ

dieseȱ Psalmenȱ inȱ einerȱ festen,ȱ undȱ d.ȱh.ȱ wohlȱ schriftlichenȱ Formȱ zuȬ gänglichȱgewesen.ȱUndȱdieȱKonstellationȱlegtȱnaheȱ–ȱwiederȱunterȱAbȬ sehungȱ vonȱ Psȱ 104ȱ –,ȱ dassȱ esȱ sichȱ dabeiȱ umȱ einȱ schonȱ festerȱ gefügtesȱ Korpusȱgehandeltȱhat.ȱDieȱFrageȱnachȱderȱBeziehungȱderȱDavidpsalterȱ zueinanderȱ tauchtȱ auf.ȱ Esȱ istȱ jedenfallsȱ festzuhalten,ȱ dassȱ geradeȱ derȱ vierteȱ Davidpsalterȱ Psȱ 138–145ȱ auchȱ inȱ andererȱ Hinsichtȱ Näheȱ zumȱ erstenȱDavidpsalterȱzeigt,ȱsoȱinȱderȱDominanzȱderȱKlageliederȱdesȱEinȬ zelnenȱundȱderȱFeindpsalmen.ȱManȱwirdȱdemȱentnehmenȱkönnen,ȱdassȱ beiȱderȱBildungȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱderȱersteȱeineȱRolleȱgespieltȱ hat.ȱ Insofernȱ wäreȱ derȱ Hinweisȱ aufȱ eineȱ meditativeȱ Erinnerungȱ inȱ Psȱ 143,5ȱdurchausȱkonkretȱauchȱaufȱTexteȱzuȱbeziehen.ȱ Weiterȱistȱfestzustellen,ȱdassȱderȱVerfasserȱhinsichtlichȱderȱFormenȱ derȱ Rezeption,ȱ alsȱ daȱ sindȱ Zitationȱ alsȱ wörtlicheȱ Wiedergabe,ȱ AnȬ spielungȱaufȱbestimmteȱAussagenȱundȱvageȱReminiszenz,ȱeherȱimȱBeȬ reichȱderȱgebundenenȱWiedergabeȱbleibt.9ȱDieȱNäheȱzuȱdenȱTextenȱistȱ groß.ȱSieȱwirdȱnurȱdurchȱdieȱEinpassungenȱinȱdenȱneuenȱRahmenȱundȱ dieȱeigenenȱ(aramäischȱgefärbten)ȱWiedergabenȱsoȱweitȱrelativiert,ȱdassȱ manȱ vonȱ sinngemäßer,ȱaberȱ bewussterȱAufnahmeȱsprechenȱ muss.ȱ Dieȱ Vertrautheitȱ mitȱ demȱ psalmischenȱ Materialȱ istȱ erstaunlichȱ großȱ undȱ zeigtȱ zudemȱ mehrȱ Souveränitätȱ alsȱ dieȱ Wiederaufnahmenȱ etwaȱ inȱ Psȱ 14/53;ȱ40/70;ȱ57/60/108,ȱeherȱschonȱPsȱ115/135.ȱDamitȱsindȱwirȱaberȱbeȬ reitsȱimȱBereichȱderȱPsalterredaktionen.ȱEsȱkönnteȱsein,ȱdassȱPsȱ144,1– 11ȱinȱdiesenȱBereichȱgehört.10ȱȱ InȱdiesemȱZusammenhangȱdarfȱvielleichtȱdieȱErinnerungȱanȱDavidȱ undȱseinȱGeschickȱinȱV.ȱ10ȱ–ȱohnehinȱseltenȱinȱdenȱPsalmkorporaȱselbstȱ –ȱ alsȱ eineȱ Artȱ Zitationvermerkȱ aufȱ denȱ „Davidpsalm“ȱ 18ȱ angesehenȱ werden,ȱ natürlichȱ vorgegebenȱ durchȱ Psȱ 18,51.ȱ Derȱ Verfasserȱ teiltȱ soȱ gleichsamȱmit,ȱwasȱerȱtut,ȱindemȱerȱPsȱ18ȱfürȱseineȱZweckeȱheranzieht.ȱȱ Ausȱ denȱ wenigenȱ individuellenȱ Angabenȱ gewinntȱ manȱ nichtȱ denȱ Eindruck,ȱerȱselbstȱstelleȱ–ȱwieȱmanȱöftersȱlesenȱkannȱ–ȱeineȱköniglicheȱ oderȱ zumindestȱ führendeȱ Persönlichkeitȱ dar.ȱ Erȱ nimmtȱ denȱ Terminusȱ „Gesalbter“ȱ ausȱ Psȱ 18,51ȱ nichtȱ auf.ȱ Derȱ Hinweisȱ aufȱ dasȱ MilitärhandȬ werkȱ inȱ V.ȱ 1ȱ undȱ dieȱ „Söhneȱ derȱ Fremden“ȱ könnenȱ alsȱ zitathaftȱ nichtȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 9ȱ Vgl.ȱL.ȱAlonsoȱSchökel,ȱAȱManualȱofȱHebrewȱPoetics,ȱ143ȱff.ȱȱ 10ȱ Esȱfälltȱschwer,ȱdenȱgenauenȱOrtȱaufȱdemȱWegeȱzurȱWiederaufnahmeȱundȱZitationȱ ganzerȱ geschlossenerȱ Texteȱ zuȱ markieren.ȱ Setztȱ manȱ alsȱ einȱ möglichesȱ Kriteriumȱ fest,ȱ dassȱ einȱ wörtlichesȱ Zitatȱ dannȱ unzweideutigȱ vorliegt,ȱ wennȱ dreiȱ aufeinanderȬ folgendeȱWörterȱgleichförmigȱwiedergegebenȱsind,ȱsindȱesȱinȱPsȱ144ȱnichtȱsehrȱvieleȱ Stellen,ȱdieȱdiesemȱKriteriumȱgenügenȱ(etwaȱ7ȱvonȱ20:ȱV.ȱ1aD;ȱV.ȱ2a;ȱV.5ȱa;ȱV.ȱ5b;ȱV.ȱ 6a;ȱV.ȱ6b;ȱV.ȱ7ȱab;ȱ(V.ȱ11)ȱ–ȱalsoȱnichtȱeinmalȱdieȱHälfte.ȱDochȱdieȱBindungȱderȱmeisȬ tenȱ Stellenȱ anȱ denȱ Textȱ Psȱ 18ȱ machtȱ klar,ȱ dassȱ erȱ demȱ Verfasserȱ alsȱ ganzerȱ vorȬ gelegenȱhat.ȱ

152ȱ

10.ȱFormenȱderȱTextrezeptionȱinȱPsalmȱ144ȱ

dieselbeȱ Aussagekraftȱ habenȱ wieȱ dieȱ Eigenaussageȱ vonȱ denȱ VerȬ leumdern.ȱ Vorȱ allem:ȱ vorȱ derȱ hasmonäischenȱ Zeitȱ istȱ esȱ schwer,ȱȱ „Könige“ȱinȱIsraelȱauszumachen,ȱaufȱdieȱsichȱderȱPsalmȱbeziehenȱkönnȬ te.ȱ Wirȱ denken,ȱ dassȱ hierȱ dieȱ „Demotisierung“ȱ11ȱ einesȱ Königspsalmsȱ vorliegt,ȱwieȱmanȱsieȱauchȱsonstȱimȱUmkreisȱderȱaltenȱKönigspsalmenȱ imȱPsalterȱerkennenȱkann.ȱDerȱPsalmistȱübernimmtȱdieȱRolleȱdesȱDavidȱ vonȱ Psȱ 18,ȱ umȱ sichȱ alsȱ ebensoȱ hilfsbedürftigȱ darzustellenȱ undȱ umȱ seiȬ nenȱHoffnungenȱeineȱAusrichtungȱzuȱgeben.ȱ DamitȱsindȱwirȱwohlȱbeimȱNervȱdesȱPsalmsȱangelangt.ȱDerȱGrundȱ fürȱdieȱRezeptionȱvorgeverfassterȱTexteȱist,ȱsichȱmitȱdenȱ„königlichen“ȱ Aussagenȱ zuȱ kleiden,ȱ weilȱ dieseȱ fürȱ ihnȱ bereitsȱ denȱ Charakterȱ altȬ bewährter,ȱ d.ȱh.ȱ erhörterȱ undȱ darumȱ geheiligterȱ Texteȱ haben.ȱ Fürȱ ihnȱ habenȱsieȱoffenbarȱdieȱWürdeȱheiligerȱSchrift.ȱJedenfallsȱtrautȱerȱihnenȱ mehrȱzuȱalsȱeigenenȱErfahrungenȱundȱderenȱFormulierung.ȱ SoȱkleidetȱerȱauchȱdieȱSelbstdarstellungȱinȱderȱKlageȱinȱdieȱbewährȬ tenȱ Bekenntnissätzeȱ überȱ denȱ Menschenȱ ausȱ Psȱ8ȱ undȱ 39.ȱ Hierȱ vorȱ alȬ lemȱ wirdȱ auchȱ deutlich,ȱ dassȱ derȱ Psalmistȱ nichtȱ wörtlich,ȱ sondernȱ adȱ sensumȱ zitiert.ȱ Erȱ gibtȱ dieȱ markantenȱ Sätzeȱ ihrerȱ Grundaussageȱ nachȱ wieder,ȱ aberȱ imȱ einzelnenȱ nichtȱ mitȱ denȱ wörtlichȱ gleichenȱ FomulierungenȱwieȱinȱdenȱüberliefertenȱVorlagen,ȱsondernȱmitȱdeutlichȱ selbstgewähltenȱWörtern,ȱetwaȱbeiȱdenȱVerbenȱderȱZuwendungȱinȱV.ȱ3:ȱ „erkennen“ȱ stattȱ „gedenken“,ȱ „(ein)schätzen“ȱ stattȱ „be(heimȬ)suchen“ȱ oderȱinȱV.ȱ4ȱinȱderȱErsetzungȱvonȱ O[ȱdurchȱ O[,ȱwobeiȱbeidesȱsichȱaufȱ dasȱ„Schattenbild“ȱbeziehenȱdürfte.12ȱ VonȱbesonderemȱInteresseȱinȱunseremȱZusammenhangȱistȱdieȱFraȬ ge,ȱ inȱ welchemȱ Sinneȱ Psȱ 144ȱ seineȱ Vorlagenȱ aufgefasstȱ undȱ ausgelegtȱ hat.ȱVonȱderȱsog.ȱDemotisierungȱderȱKönigspsalmaussagenȱwarȱbereitsȱ dieȱ Rede.ȱ Dasȱ Verständnisȱ derȱ anthropologischenȱ Kernstelleȱ inȱ V.ȱ 5ȱ liegtȱ aufȱ derselbenȱ Linie,ȱ nurȱ dassȱ dieȱ Demotisierungȱ schonȱ vonȱ Psȱ 8ȱ vollzogenȱ wurde:ȱ Dieȱ dortigenȱ Königsprädikateȱ sindȱ aufȱ denȱ EinzelȬ menschenȱbezogen.ȱDurchȱdieȱgewähltenȱVerbenȱwirdȱmöglicherweiseȱ dieȱ Aussageȱ inȱ Psȱ 8ȱ vonȱ derȱ dochȱ sehrȱ tatorientiertenȱ Zuwendungȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 11ȱ DerȱBegriffȱnachȱdemȱVorschlagȱO.ȱKaisersȱin:ȱDerȱGottȱdesȱAltenȱTestaments,ȱWeȬ senȱundȱWirken,ȱTheologieȱdesȱATȱ2,ȱGöttingenȱ1998,ȱ170ȱAnm.ȱ38.ȱ 12ȱ SpätestensȱhierȱverdichtetȱsichȱdieȱVermutung,ȱdassȱzwarȱschriftlicheȱTexteȱimȱSpielȱ sind,ȱdassȱdieseȱaberȱnichtȱdieȱunmittelbareȱVorlageȱbilden.ȱSchonȱbeiȱdemȱSebirȱ inȱ V.ȱ 2ȱ gewinntȱ manȱ denȱ Eindruck,ȱ dassȱ derȱ MTȱ vonȱ 144,2ȱ (\0L„> ȱ „meinȱ Volk“ȱ stattȱ \P>ȱ „Völker“)ȱ eineȱ bewussteȱ Anpassungȱ anȱ dieȱ DavidȬKönigȬFiktionȱ ist,ȱ dieȱ Psȱ 18,48ȱMTȱsowieȱvorȱallemȱdieȱQȬHandschriftenȱhierȱnichtȱbezeugen.ȱDasȱkannȱeineȱ späteȱredaktionelleȱÄnderungȱsein.ȱDassȱderȱPsalmistȱaberȱimȱRückgriffȱaufȱPsȱ39,6ȱ O[ȱstattȱO[ȱschreibt,ȱistȱdochȱvermutlichȱalsȱeineȱsehrȱbewussteȱAnspielungȱaufȱdieȱ VorlageȱoderȱaberȱeineȱungenaueȱReminiszenzȱanȱdenȱWortlautȱzuȱerklären.ȱ

ȱ

IV.ȱ

153ȱ

Gottesȱ zumȱ Menschenȱ leichtȱ insȱ Kognitiveȱ verschoben:ȱ Esȱ gehtȱ jetztȱ mehrȱumȱdieȱSichtweiseȱdesȱMenschen,ȱumȱdessenȱWahrnehmungȱundȱ Einschätzung.ȱ Dieȱ Hoheitsaussagenȱ vonȱ Psȱ 8ȱ sindȱ hierȱ aberȱ nurȱ präȬ sent,ȱwennȱdasȱZitatȱalsȱsolchesȱerkanntȱwird.ȱDerȱSinnȱderȱPsȱ8ȬStelleȱ istȱindesȱstärkerȱanȱdieȱneueȱSituationȱangepasst,ȱdieȱjaȱ–ȱdieȱParalleleȱ vonȱPsȱ139ȱistȱtraditionsgeschichtlichȱnichtȱfern13ȱ–ȱauchȱmitȱErkennen,ȱ EinschätzenȱundȱBeurteilenȱzuȱtunȱhat.ȱ Neu,ȱundȱeherȱderȱHiobstelleȱ7,17ȱf.,ȱvergleichbarȱ–ȱwohlȱihrerseitsȱ eineȱ Zitierungȱ vonȱ Psȱ 8,5ȱ –ȱ istȱ dieȱ andereȱ Seiteȱ derȱ anthropologischenȱ These,ȱdieȱimȱKontrastȱzuȱderȱHoheitsaussageȱstehtȱ–ȱwennȱmanȱsoȱwillȱ dieȱNiedrigkeitsaussageȱvonȱPsȱ39.ȱSieȱistȱimȱSinneȱderȱdortigenȱKrankȬ heitsklageȱaufgenommen.ȱȱ DieȱEpiphanieaussagenȱinȱV.ȱ5ȱff.,ȱeklektischȱentnommenȱPsȱ18ȱundȱ Psȱ 104,ȱ sindȱ andersȱ alsȱ inȱ ihremȱ angestammtenȱ Kontextȱ alsȱ AuffordeȬ rung,ȱAppellȱundȱBitteȱformuliert.ȱDiesȱwohlȱinȱderȱMeinung,ȱdassȱesȱinȱ demȱvorliegendenȱFallȱeinerȱsolchenȱkosmischenȱInterventionȱbedürfe,ȱ wennȱdennȱeineȱwirksameȱHilfeȱfürȱdenȱKlagendenȱzustandeȱkommenȱ soll.ȱEsȱgibtȱBelegeȱinȱdenȱFeindpsalmenȱderȱEinzelnen,ȱdieȱsichȱähnlichȱ ausdrücken,ȱundȱvonȱeinerȱTheophanieȱihreȱRettungȱerwarten.ȱNeuȱistȱ hierȱnurȱderȱAufwand,ȱdenȱderȱBeterȱalsȱzuȱseinenȱGunstenȱeingesetztȱ erwartet.ȱ Fastȱ möchteȱ manȱ diesȱ eineȱ Übersteigerungȱ nennen,ȱ wasȱ beȬ deutenȱ würde,ȱ dassȱ dasȱ zitathafteȱ Redenȱ gleichsamȱ metaphorischȱ zuȱ verstehenȱ seiȱ undȱ dieȱ kosmischenȱ Erscheinungenȱ symbolischȱ nurȱ dasȱ zumȱ Ausdruckȱ bringenȱ sollen,ȱ dassȱ dieȱ Gottheitȱ mitȱ ihrerȱ ganzenȱ MachtȱzuȱHilfeȱeilenȱmöge.ȱ Zitathaftesȱ Redenȱ hatȱ eineȱ Tendenzȱ zumȱ Uneigentlichen,ȱ MetaȬ phorischen,ȱ Symbolischen,ȱ istȱ oftȱ nichtȱ wörtlichȱ gemeint,ȱ sondernȱ ruftȱ nachȱ Parallelenȱ undȱ Analogienȱ wieȱ derȱ Vergleich.ȱ Esȱ verschleiertȱ dieȱ realeȱ Situationȱ inȱ Richtungȱ aufȱ dasȱ Typischeȱ undȱ damitȱ Wünschbare.ȱ Solangeȱ dieȱ Präsenzȱ derȱ Realsituationȱ solchesȱ Redenȱ amȱ Bodenȱ hältȱ –ȱ wieȱesȱbeiȱPsȱ144ȱnochȱseinȱmagȱ–,ȱsindȱdieȱFormulierungenȱzwarȱkühnȱ undȱexaltiertȱzuȱnennen,ȱaberȱalsȱIllustrationenȱderȱ(SelbstȬ)ȱDarstellungȱ aufzufassen.ȱ Fälltȱ diesesȱ Gewichtȱ wegȱ –ȱ wieȱ etwaȱ beiȱ derȱ reinȱ litȬ urgischenȱ Wiederverwendungȱ –,ȱ hatȱ erȱ denȱ Anscheinȱ einerȱ reinenȱȱ „Blütenlese“.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 13ȱ Vgl.ȱ E.ȱ Würthwein,ȱ Erwägungenȱ zuȱ Psalmȱ 139,ȱ VTȱ 7ȱ (1957),ȱ 165–182ȱ (=ȱ Wortȱ undȱ Existenz,ȱStudienȱzumȱAltenȱTestament,ȱGöttingenȱ1970,ȱ179–196).ȱDazuȱBeitragȱ19.ȱ imȱvorliegendenȱBand:ȱFeindbildȱundȱMenschenwürdeȱinȱdenȱPsalmen.ȱ

154ȱ

10.ȱFormenȱderȱTextrezeptionȱinȱPsalmȱ144ȱ

V.ȱ AuchȱderȱAuslegerȱhatȱseineȱMüheȱmitȱdiesemȱMosaikȬȱoderȱMusivstil.ȱ EsȱistȱinȱjedemȱFalleȱnotwendig,ȱnachȱdemȱSchwerpunktȱzuȱsuchen,ȱderȱ dasȱTextgebildeȱträgt.ȱInȱdiesemȱFalleȱscheintȱesȱmirȱdieȱRekonstruktionȱ derȱ formbestimmendenȱ Situationȱ zuȱ sein,ȱ dieȱ alleȱ Teilelementeȱ zumȱ GanzenȱfügtȱundȱdenȱTextȱlebendigȱwerdenȱlässt.ȱ DieȱSituationȱkannȱundȱwirdȱinȱdiesemȱFalleȱdennochȱeineȱfiktionaȬ leȱ sein.ȱ Manȱ müssteȱ schonȱ annehmen,ȱ dassȱ derȱ Angeklagteȱ oderȱ VerȬ folgteȱ zugleichȱ einȱ –ȱ sagenȱ wirȱ –ȱ Schriftgelehrterȱ gewesenȱ sei,ȱ demȱ esȱ dennochȱanȱeigenenȱFormulierungenȱmangelt.ȱDasȱistȱnichtȱsehrȱwahrȬ scheinlich.ȱ Schonȱ eherȱ könnteȱ manȱ überlegen,ȱ obȱ esȱ sichȱ umȱ einenȱ Übungstextȱ einesȱ angehendenȱ Liturgenȱ handelt.14ȱ Versuchtȱ manȱ sichȱ ausȱdemȱGegebenenȱdasȱProfilȱdesȱVerfassersȱzuȱerstellen,ȱsoȱsindȱfolȬ gendeȱIndizienȱbestimmend:ȱȱ Erȱ hatȱ eineȱ Präferenzȱ fürȱ dasȱ Aramäische.ȱ Erȱ istȱ inȱ hohemȱ Maßeȱ vertrautȱmitȱderȱÜberlieferungȱderȱDavidpsalterȱIȱ(Psȱ2–41)ȱundȱIVȱ(Psȱ 138–143);15ȱ demȱ ersterenȱ gehörenȱ dieȱ Vorlagenȱ Psȱ 8;ȱ 18;ȱ 33;ȱ 39ȱ an,ȱ zuȱ demȱ letzterenȱ bestehtȱ eineȱ kontextgegebeneȱ Affinität,ȱ dieȱ zusätzlichȱ durchȱdieȱZugehörigkeitȱzurȱgleichenȱGattungȱverstärktȱwird.ȱErȱkannȱ offenbarȱ freiȱ überȱ dieȱ Psalmenarchiveȱ verfügen:ȱ Erȱ istȱ inȱ derȱ Lage,ȱ eiȬ nenȱ gattungstypischenȱ Textȱ zuȱ konstruieren,ȱ derȱ nachmalsȱ Aufnahmeȱ inȱ dieȱ kanonischenȱ Sammlungenȱfand.ȱErȱ kenntȱ dieȱtypischeȱSituationȱ derȱ Gebeteȱ derȱ Angeklagten,ȱ entwederȱ ausȱ eigenerȱ Anschauungȱ oderȱ ausȱ derȱ Literatur,ȱ etwaȱ derȱ nächstverwandtenȱ Feindpsalmenȱ imȱ KonȬ text16.ȱErȱstehtȱdenȱpsalminternenȱRedaktionsvorgängen,ȱdieȱsichȱinȱdenȱ Dublettenȱniedergeschlagenȱhaben,ȱnahe.ȱAllesȱinȱallemȱergibtȱsichȱdasȱ Bildȱ einesȱ Psalmautors,ȱ derȱ vermutlichȱ inȱ derȱ Funktionȱ einesȱ Lektorsȱ oderȱ Schreibers,ȱ Redaktors,ȱ Editorsȱ inȱ denȱ Psalmarchivenȱ derȱ DavidȬ sammlungenȱ beschäftigtȱ war,ȱ dieȱ Sammlungenȱ kannteȱ undȱ ausȱ demȱ ihmȱ zugänglichenȱ Material,ȱ vielleichtȱ alsȱ Auftragsarbeit,ȱ einȱ gattungsȬ typischesȱ Exemplarȱ oderȱ Formularȱ einesȱ Angeklagtengebetsȱ zuȬ sammengestelltȱhat.ȱZuȱdieserȱAnnahmeȱwürdeȱpassen,ȱdassȱauchȱdasȱ „neueȱ Lied“ȱ –ȱ wennȱ esȱ dennȱ Psȱ 145ȱ seinȱ sollteȱ –ȱ alsȱ Akrostichonȱ eineȱ gleicheȱoderȱähnlicheȱAbkunftȱaufweist.ȱDannȱaberȱwirdȱdieȱFrageȱnachȱ demȱZwischenstückȱPsȱ144,12–15ȱerstȱrechtȱdringlich.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14ȱ SoȱdieȱAuffassungȱvonȱB.ȱD.ȱEerdmans,ȱTheȱHebrewȱBookȱofȱPsalms,ȱOTSȱIVȱ(1947),ȱ598.ȱ 15ȱ VonȱdenȱVorlagenȱfehltȱnurȱPsȱ104.ȱManȱkönnteȱsichȱvorstellen,ȱdassȱerȱauchȱzuȱdenȱ Davidpsalmenȱgehörtȱhat,ȱwasȱdurchȱdieȱReiheȱPsȱ101ȱ–ȱ103ȱ–ȱ108ȱ–ȱ110ȱ(MT)ȱalsȱdemȱ DavidpsalterȱIIIȱdochȱwohlȱnahegelegtȱwird.ȱȱ 16ȱ IchȱverweiseȱderȱKürzeȱhalberȱaufȱmeinenȱKommentar,ȱHATȱIȱ1ȱ15ȱ(1996)ȱundȱmeineȱ StudienȱzurȱPsalmenauslegung,ȱStuttgartȱ1998.ȱȱ

ȱ

11.ȱTextgenetischeȱHintergründeȱdesȱ147.ȱPsalmsȱ ȱ ȱ DenȱAnstoßȱzuȱdieserȱkleinenȱStudieȱzuȱPsȱ147ȱgabȱmirȱderȱallzuȱfrühȱ verstorbene,ȱbefreundeteȱ Zürcherȱ Kollegeȱ Odilȱ Hannesȱ Steck,ȱ derȱ sichȱ inȱeinerȱlängerenȱAnmerkungȱinȱseinerȱAbhandlungȱüberȱ„DieȱPropheȬ tenbücherȱ undȱ ihrȱ theologischesȱ Zeugnis“ȱ mitȱ derȱ Entstehungȱ diesesȱ Psalmsȱmodellhaftȱbeschäftigt.ȱAusȱdieserȱAnmerkung1,ȱdieȱinȱmancherȱ Hinsichtȱ bemerkenswertȱ ist,ȱ stammtȱ auchȱ derȱ hierȱ verwendeteȱ TitelȬ begriff.ȱIchȱwidmeȱdieseȱZeilenȱHubertȱIrsiglerȱzuȱseinemȱ65.ȱGeburtsȬ tag,ȱ meinemȱ Freiburgerȱ Kollegen,ȱ mitȱ demȱ ichȱ seitȱ langenȱ Jahrenȱ inȱ guterȱNachbarschaftȱfreundschaftlichȱverbundenȱbin.ȱ Odilȱ Hannesȱ Steckȱ vertratȱ inȱ jenerȱ Anmerkungȱ eineȱ völligȱ neueȱ Auffassungȱ vonȱ derȱ Entstehungȱ vonȱ Psȱ 147,ȱ dahingehend,ȱ dassȱ derȱ PsalmȱerstȱimȱVerlaufeȱderȱSchlussredaktionȱdesȱPsaltersȱadȱhocȱetȱinȱlocoȱ abgefasstȱwordenȱist,ȱeineȱAuffassung,ȱdieȱerȱm.ȱE.ȱfrüherȱschonȱeinmalȱ imȱBlickȱaufȱPsȱ102ȱvertretenȱhat:ȱ„Psȱ147,ȱwahrscheinlichȱeinȱliterarischȱ fürȱ seineȱ Positionȱ (vorȱ Psȱ 148.150)ȱ amȱ Endeȱ desȱ Psaltersȱ gebildeterȱ Psalm“.ȱGestütztȱwirdȱdieseȱAnnahmeȱdurchȱdieȱAusführungenȱseinesȱ SchülersȱReinhardȱG.ȱKratz,ȱderȱinȱdasȱEntstehungsmodellȱnochȱweitereȱ PsalmenȱausȱdemȱSchlussteilȱdesȱPsaltersȱeinbezieht.2ȱ WirȱgebenȱdieȱganzeȱAnmerkungȱimȱWortlautȱwieder.ȱ

I.ȱ Daßȱ Bezugnahmenȱ beiȱ Kontextentsprechungȱ auchȱ überȱ exponierteȱ Einzelwörterȱlaufen,ȱläßtȱsichȱinȱFortschreibungstextenȱderȱProphetenȬ überlieferungȱ vielfachȱ beobachten.ȱ Einȱ Beispielȱ entsprechendenȱ VorȬ gehensȱ inȱ einemȱ anderenȱ Überlieferungsbereich,ȱ demȱ derȱ Psalmen,ȱ magȱ dasȱ Vorgehenȱ illustrieren:ȱ Psȱ 147,ȱ wahrscheinlichȱ einȱ literarischȱ fürȱ seineȱ Positionȱ (vorȱ Psȱ 148.150)ȱ amȱ Endeȱ desȱ Psaltersȱ gebildeterȱ Psalm,ȱ vgl.ȱ dazuȱ Kratz,ȱ ZThKȱ 1992,ȱ 13–25.35–40.ȱ Derȱ Einsatzȱ diesesȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ 2ȱ

O.ȱH.ȱSteck,ȱ Dieȱ Prophetenbücherȱ undȱ ihrȱ theologischesȱ Zeugnis.ȱ Wegeȱ derȱ NachȬ frageȱundȱFährtenȱzurȱAntwort,ȱTübingenȱ1996,ȱ106ȱf.,ȱNr.ȱ142.ȱ R.ȱ Kratz,ȱ Dieȱ Gnadeȱ desȱ täglichenȱ Brots.ȱ Späteȱ Psalmenȱ aufȱ demȱ Wegȱ zumȱ VaterȬ unser,ȱZThKȱ89ȱ(1992),ȱ1–40.ȱȱ

156ȱ

11.ȱTextgenetischeȱHintergründeȱdesȱ147.ȱPsalmsȱ

PsalmsȱmitȱJerusalemȱ(147,2)ȱerfolgtȱinȱAnknüpfungȱanȱdenȱSchlußȱdesȱ vorangehendenȱPsalmsȱ(146,10;ȱvgl.ȱauchȱ GZ>ȱ146,9/147,6),ȱdieȱErnähȬ rungsaussagenȱ (147,7–9)ȱ sindȱ aufȱ entsprechendeȱ imȱ vorangehendenȱ NahkontextȱabgestimmtȱundȱausȱdemȱTextablaufȱdesȱPsaltersȱgespeistȱ (Kratz).ȱPsȱ147ȱorientiertȱsichȱtextgenetischȱimȱganzenȱbesondersȱanȱPsȱ 33ȱ(s.ȱdazuȱeingehendȱVosberg,ȱStudien,ȱ91–99;ȱKratz,ȱZTHKȱ1992,ȱ14– 16),ȱ zusammenȱ mitȱ Psȱ 34ȱ derȱ KOKWȬPsalmȱ vonȱ Buchȱ I,ȱ derȱ hier,ȱ woȱ amȱEndeȱdesȱPsaltersȱeineȱKOKWȱbezüglichȱderȱfinalenȱHeilsverwirkliȬ chungȱ gebildetȱ werdenȱ soll,ȱ alsȱ vorrangigerȱ Spendetextȱ dientȱ (vgl.ȱ Psȱ 147,1/33,1ȱf).ȱ Imȱ Diensteȱ gepriesenerȱ Heilsverwirklichungȱ inȱ derȱ GeȬ genwartȱ werdenȱ Bittenȱ ausȱ demȱ voranstehendenȱ literarischenȱ Psalmenkontextȱ alsȱ jetztȱ erhörteȱ aufgegriffen,ȱ vgl.ȱ Psȱ 147,2a.13/51,20;ȱ Psȱ147,2b/106,47ȱ+ȱJesȱ56,8;ȱEzȱ39,28.ȱDieȱTextproduktionȱinȱPsȱ147ȱerȬ folgtȱso,ȱdaßȱimmerȱvonȱPsalmaussagenȱausgegangenȱwird;ȱdieseȱwerȬ denȱ mitȱ Aussagenȱ ausȱ Prophetenȱ (undȱ Tora)ȱ zusammengesehen,ȱ umȱ festzuhalten,ȱdaßȱsolcheȱAussagenȱpreisenswertȱjetztȱerfülltȱoderȱdochȱ inȱErfüllungȱbegriffenȱsind.ȱDerȱwesentlicheȱhermeneutischeȱSteg,ȱumȱ vonȱBezugstextȱzuȱBezugstextȱundȱdarausȱfürȱPsȱ147ȱzurȱeigenenȱForȬ mulierungȱ zuȱ kommen,ȱ sindȱ übereinstimmendeȱ Begriffeȱ undȱ FormuȬ lierungenȱ ausȱ sachentsprechendenȱ Kontexten,ȱ dieȱ auchȱ fürȱ professioȬ nelleȱ Schriftkundigeȱ dieȱ textgenetischenȱ Hintergründeȱ derȱ ForȬ mulierungenȱ vonȱ Psȱ 147ȱ offenkundigȱ machen.ȱ Soȱ gesehenȱ klärtȱ sichȱ z.ȱB.ȱ dieȱ eigentümlicheȱ thematischeȱ Abfolgeȱ derȱ Aussagenȱ ausȱ V.ȱ 4–5ȱ zwischenȱ V.ȱ 3ȱ undȱ V.ȱ 6.ȱ Dieȱ Formulierungȱ Psȱ 147,3ȱ hatȱ sichȱ ausȱ demȱ Wegȱ(vgl.ȱschonȱPsȱ51,20/Psȱ147,2a)ȱPsȱ51,19ȱ–ȱPsȱ34,19ȱ–ȱProphetenausȬ sagenȱ (Ezȱ 6,9;ȱ Jesȱ 61,1;ȱ Ezȱ 34,16,ȱ vgl.ȱ Jesȱ 30,26;ȱ Jerȱ 33,6)ȱ ergeben.ȱ Psȱ 147,4–5ȱsollenȱzwischenȱV.ȱ3ȱundȱV.ȱ6ȱoffenbarȱGottesȱRettungsmachtȱ fürȱ dieȱ frommenȱ (V.ȱ 11)ȱ Schwachenȱ hervorheben.ȱ Dieȱ Aussagenȱ entȬ stehenȱ durchȱ Blickȱ aufȱ Psȱ 34,20bȱ (vgl.ȱ schonȱ Psȱ 147,3/34,19)ȱ viaȱ O[Qȱ weiterȱaufȱPsȱ33,16bȱ(vgl.ȱauchȱdieȱKontrastverwendungȱvonȱPsȱ33,17aȱ inȱ Psȱ 147,10ȱ gegenüberȱ V.ȱ 11ȱ undȱ dieȱ Aufnahmeȱ vonȱ Psȱ 33,18ȱ inȱ Psȱ 147,11)ȱundȱviaȱ MN$EUȱ aufȱJesȱ40,26–31,ȱderȱText,ȱderȱsamtȱGenȱ13,16;ȱ 15,5ȱdieȱFormulierungȱvonȱPsȱ147ȱfȱmaßgeblichȱbeeinflußtȱundȱoffenbarȱ soȱ gelesenȱ wird,ȱ daßȱ esȱ Jahwesȱ anȱ denȱ Sternenȱ demonstrierteȱ Machtȱ ist,ȱ dieȱ dasȱ Gottesvolkȱ kräftigt.ȱ Fürȱ dieȱ Rezeptionȱ durchȱ Psȱ 147ȱ istȱ wichtig,ȱdaßȱJahweȱinȱseinerȱMachtȱalleȱSterneȱzählenȱkannȱ(V.ȱ4a,ȱvgl.ȱ Jesȱ 40,26aEb)ȱ undȱ deshalbȱ überȱ eineȱ Einsichtȱ verfügt,ȱ dieȱ selbstȱ nichtȱ zählbarȱ istȱ (V.ȱ 5b,ȱ vgl.ȱ Jesȱ 40,28b).ȱ Imȱ Hintergrundȱ steht,ȱ daßȱ Israelȱ kraftȱ solcherȱ anȱ denȱ Sternenȱ demonstriertenȱ Stärkeȱ Jahwesȱ (Jesȱ 40,26)ȱ soȱgerettetȱwird,ȱdaßȱesȱvollständigȱgesammeltȱwirdȱ(V.ȱ2ȱunterȱBenutȬ zungȱ vonȱ Ezȱ 39,28ȱ VQN),ȱ worinȱ sichȱ Jesȱ 40,26ȱ undȱ Ezȱ 39,28bȱ sachlichȱ decken.ȱ Psȱ 147ȱ willȱ imȱ Blickȱ aufȱ dieȱ demȱ Gottesvolkȱ gewährteȱ HeilsȬ verwirklichungȱ einenȱ Jahweȱ preisen,ȱ derȱ darinȱ Psalteraussagenȱ zielhaftȱ bewahrheitetȱ undȱ ErzväterȬȱ undȱ Prophetenverheißungenȱ inȱ einemȱerfüllt.ȱ

ȱ

II.ȱ

157ȱ

II.ȱ Dieseȱ methodischȱ grundsätzlichenȱ undȱ literargenetischȱ höchstȱ bedenȬ kenswertenȱAusführungen,ȱdieȱwirȱhierȱwegenȱderȱnichtȱganzȱleichtenȱ Auffindbarkeitȱ vollständigȱ zitieren,ȱ istȱ derȱ Ausgangspunktȱ unsererȱ Überlegungenȱ zurȱ Entstehungȱ vonȱ Psȱ 147.ȱ Esȱ istȱ einȱ eindrucksvollesȱ undȱungewöhnlichȱdetailliertesȱBild,ȱdasȱOdilȱHannesȱSteckȱentworfenȱ hat.ȱEinȱVerfasser,ȱeherȱeinȱBearbeiterȱbiblischerȱTexte,ȱwähltȱausȱdemȱ Bestandȱ derȱ Psalmtexteȱ fürȱ ihnȱ wichtigeȱ Verseȱ aus,ȱ vergleichtȱ sieȱ mitȱ ähnlichȱ lautendenȱ Textenȱ ausȱ demȱ Corpusȱ propheticum,ȱ wodurchȱ jeneȱ denȱ Charakterȱ vonȱ Weissagungenȱ erhalten,ȱ dieseȱ aberȱ alsȱ ErfüllungsȬ bekenntnisseȱ derȱ Weissagungenȱ inȱ denȱ Rahmenȱ einesȱ neuȱ gestaltetenȱ Psalmtextsȱ gestelltȱ undȱ soȱ aktualisiertȱ werden.ȱ Imȱ Ganzenȱ einȱ innerȬ biblischerȱ hermeneutischerȱ Vorgang,ȱ derȱ zurȱ Geneseȱ desȱ Psalmsȱ 147ȱ führtȱ undȱ dessenȱ besondereȱ Formȱ undȱ Bedeutungȱ erklärt.ȱ Einȱ theoȬ logischesȱ Modellȱ vonȱ großerȱ Transparenz,ȱ jedochȱ imȱ Einzelnenȱ nichtȱ ganzȱ unkompliziertȱ undȱ darumȱ vielleichtȱ etwasȱ anfällig,ȱ weilȱ esȱ aufȱ einigenȱAnnahmenȱberuht,ȱdieȱalsȱsolcheȱFragenȱaufwerfen.ȱȱ EineȱersteȱsolcheȱAnnahmeȱscheintȱzuȱsein,ȱdassȱdemȱVerfasserȱvonȱ Psȱ147ȱalleȱeinschlägigenȱkanonischenȱBuchrollenȱvonȱderȱToraȱüberȱdieȱ ProphetenȱbisȱzumȱPsalter,ȱpräziserȱbisȱzuȱPsȱ146ȱoderȱ150ȱdesȱPsaltersȱ –ȱPsȱ147ȱwirdȱjaȱadȱhocȱgebildetȱ–,ȱzurȱVerfügungȱstehen.ȱSoȱkannȱderȱ „professionelleȱSchriftkundige“ȱ–ȱfallsȱerȱnichtȱdenȱbisȱdahinȱbestehenȬ denȱBibeltextȱimȱKopfȱhatȱ–ȱdieȱrelevantenȱStellenȱwieȱGenȱ13,16;ȱ15;5;ȱ Jesȱ30,26;ȱ40,26–31;ȱJerȱ33,6;ȱEzȱ6,9;ȱ34,16;ȱ39,28ȱoffenbarȱohneȱWeiteresȱ heranziehen,ȱumȱsieȱfürȱseineȱZweckeȱalsȱKriterienȱundȱalsȱFilterȱfürȱdieȱ AktualitätȱderȱPsalmverseȱeinzubringen.ȱDerȱ„wesentlicheȱhermeneutiȬ sche“ȱ Wegȱ oderȱ „Steg“ȱ führtȱ dabeiȱ überȱ „übereinstimmendeȱ Begriffeȱ undȱ Formulierungenȱ ausȱ sachentsprechendenȱ Kontexten“,ȱ dieȱ demȱ Verfasserȱ bewusstȱ seinȱ müssten.ȱ Istȱ solchesȱ ohneȱ dieȱ Hilfeȱ vonȱ KonȬ kordanzȱundȱLexikonȱmöglich?ȱȱ Eineȱ weitereȱ Annahmeȱ istȱ die,ȱ dassȱ alsȱ „vorrangigerȱ Spendetext“ȱ fürȱdieȱBildungȱdesȱneuenȱPsalmsȱPsȱ33ȱundȱ34ȱgelten.ȱDafürȱwirdȱaufȱ dieȱ paralleleȱ Wendungȱ inȱ Psȱ 33,1ȱf.ȱ (inȱ Buchȱ I)ȱ undȱ 147,1ȱ (inȱ Buchȱ IV)ȱ abgehoben,ȱ woȱ jeweilsȱ vonȱ einerȱ KOKWKZDQȱ „einemȱ schönenȱ HymȬ nus“ȱ dieȱ Redeȱ ist.ȱ Zwarȱ wirdȱ aufȱ Psȱ 33ȱ undȱ 34ȱ imȱ Ganzenȱ undȱ ihrenȱ allgemeinerenȱhymnischenȱAussagenȱundȱdazuȱaufȱdieȱAusführungenȱ vonȱLotharȱVosbergȱundȱReinhardȱG.ȱKratzȱ verwiesen.ȱIndesȱsehrȱvieleȱ Stellenȱ sindȱ esȱ nicht,ȱ dieȱ diesemȱ „Spendetext“ȱ konkretȱ zuȱ entnehmenȱ waren.ȱ Erwähntȱ werdenȱ 33,16b.17a;ȱ 34,19.20,ȱ etwaȱ vierȱ Stellen,ȱ dieȱ mehrȱ oderȱ wenigerȱ motivischȱ variiertȱ inȱ Psȱ 147ȱ anklingen.ȱ Derȱ RückȬ griffȱ aufȱ denȱ „Nahkontext“ȱ Psȱ 146ȱ ergibtȱ einigeȱ Stellenȱ (146,7–10)ȱ mitȱ

158ȱ

11.ȱTextgenetischeȱHintergründeȱdesȱ147.ȱPsalmsȱ

ähnlichenȱMotiven,ȱjedochȱkeineȱeigentlichesȱVerszitat.ȱEsȱstelltȱsichȱdieȱ Frage,ȱ obȱ soȱ eineȱ substantielleȱ intertextuelleȱ Beziehungȱ aussieht,ȱ dieȱ überȱhymnischeȱAnklängeȱhinausgeht.ȱ EineȱmethodischȱfraglicheȱAnnahmeȱscheintȱmirȱauchȱzuȱsein,ȱsichȱ allzuȱ sehrȱ aufȱ „exponierteȱ Einzelwörter“ȱ zuȱ verlassen,ȱ dieȱ möglicherȬ weiseȱbeiȱdirektenȱFortschreibungenȱprophetischerȱTexteȱimȱSinneȱvonȱ Auslegungenȱ eineȱ Rolleȱ spielen.ȱ Beiȱ Psalmtextenȱ aber,ȱ derenȱ DirektȬ beziehungȱzumindest,ȱwieȱauchȱdieȱBeziehungȱzuȱdenȱmotivähnlichenȱ prophetischenȱ Texten,ȱ immerhinȱ nichtȱ vonȱ vornhereinȱ feststeht,ȱgenüȬ genȱHinweiseȱaufȱeinzelneȱWörterȱ(wieȱ O[Qȱ–ȱ VQNȱ –ȱ MNEUȱetc.)ȱdochȱ wohlȱnicht,ȱumȱeineȱengeȱdirekteȱBeziehungȱoderȱgarȱAbhängigkeitȱzuȱ belegen.ȱ IstȱderȱEindruckȱganzȱfalsch,ȱwennȱmanȱvermutet,ȱdassȱStecksȱVorȬ stellungȱvonȱderȱEntstehungȱdesȱPsȱ147ȱvomȱBildȱdesȱmitȱderȱKonkorȬ danzȱarbeitendenȱGelehrtenȱbeeinflusstȱist,ȱeinesȱVerfassers,ȱderȱdieȱwoȱ immerȱ gefundenenȱ Versteileȱ undȱ Textbausteineȱ neuȱ zuȱ einemȱ Mosaikȱ zusammenstellt?ȱ Eineȱ anthologischeȱ Methodeȱ istȱ dies,ȱ gewiss;ȱ undȱ sieȱ hatȱ wohlȱ auchȱ beiȱ Psȱ 147ȱ eineȱ Rolleȱ gespielt.ȱ Aberȱ erklärenȱ sichȱ dieȱ literarischenȱ Eigentümlichkeitenȱ diesesȱ Textsȱ durchȱ solcheȱ anthoȬ logischȱeklektischenȱVorgängeȱallein?ȱȱ

III.ȱ GehtȱmanȱvonȱderȱüberliefertenȱGestaltȱdesȱTextes3ȱaus,ȱfindetȱmanȱinȱ Psȱ 147ȱ einȱ überraschendȱ gleichmäßigȱ geformtes,ȱ durchȱ dieȱ LobpreisȬ formelȱgerahmtesȱGedichtȱoderȱLied.ȱEsȱgliedertȱsichȱinȱdreiȱStrophen,ȱ dieȱ jeweilsȱ durchȱ eineȱ Aufforderungȱ zumȱ Lobpreisȱ neuȱ eingeleitetȱ werdenȱ(V.ȱ1.7.124),ȱesȱfolgenȱzweimalȱ5,ȱeinmalȱ65ȱhymnischeȱVerse.ȱV.ȱ 19ȱf.ȱ sindȱ alsȱ Anhangȱ zuȱ verstehen,ȱ welcherȱ aufȱ Jakobs/Israelsȱ Privilegȱ zuȱsprechenȱkommt.ȱNurȱinȱV.ȱ8bȱistȱdasȱmetrischeȱGefügeȱimȱMTȱgeȬ stört,ȱ insofernȱ alsȱ einȱ Halbversȱ ausgefallenȱ zuȱ seinȱ scheint.ȱ Dieȱ LXXȱ bietetȱ einenȱ Ersatzȱ nachȱ Psȱ 104,14.ȱ Imȱ Vergleichȱ mitȱ anderenȱ hymniȬ schenȱ Textenȱ imȱ Psalterȱ kannȱ manȱ sagen,ȱ dassȱ dieȱ äußereȱ Formȱ vonȱ Psalmȱ147ȱfastȱmakellosȱzuȱnennenȱist,ȱwasȱnochȱunterstrichenȱwerdenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 3ȱ 4ȱ 5ȱ

MT.ȱ LXXȱ ergänztȱ V.ȱ 8bȱ nachȱ Psȱ 104,14.ȱ 4QPsdȱ bietetȱ inȱ V.ȱ 1ȱ einenȱ erweitertenȱ Textȱ (wahrscheinlichȱDittographie),ȱvgl.ȱM.ȱAbeggȱa.ȱo.,ȱTheȱDeadȱSeaȱBibleȱ(1999).ȱ NachȱLXXȱbeginntȱhierȱeinȱneuerȱPsalmȱmitȱeigenerȱÜberschriftȱ(vgl.ȱu.ȱV.).ȱ ManȱkönnteȱGründeȱfinden,ȱdassȱV.ȱ15ȱnachȱV.ȱ18ȱgebildetȱistȱundȱdarumȱalsȱsekunȬ därȱeinzuschätzenȱist.ȱDannȱwäreȱauchȱfürȱV.ȱ13ȱff.ȱdieȱFünferreiheȱgegeben.ȱ

ȱ

III.ȱ

159ȱ

könnte,ȱ wennȱ manȱ dieȱ zahlreichenȱ hymnischenȱ Partizipienȱ amȱ VersȬ anfangȱeinheitlichȱmitȱoderȱohneȱbestimmtenȱArtikelȱlesenȱwürde.ȱȱ Dochȱ geradeȱ anȱ diesemȱ Punktȱ erkenntȱ manȱ dannȱ dochȱ inȱ demȱ StrophenȬȱ undȱ Versgefügeȱ einigeȱ Unregelmäßigkeiten,ȱ jaȱ unvermitteltȱ harteȱ Übergängeȱ undȱ gedanklicheȱ Zäsuren.ȱ Magȱ manȱ dieseȱ demȱ beȬ wusstȱ anthologischenȱ Stilȱ zuschreiben,ȱ soȱ istȱ nurȱ schwerȱ zuȱ erklären,ȱ weshalbȱsichȱdieseȱsprunghafteȱDiktionȱwiederholt.ȱHartȱistȱderȱÜberȬ gangȱ vonȱ V.ȱ 2ȱ zuȱ V.ȱ 3ȱ zuȱ V.ȱ 4:ȱ Dieȱ Aussageȱ vomȱ Aufbauȱ Jerusalemsȱ undȱ derȱ Sammlungȱ derȱ Zerstreutenȱ Israelsȱ (V.ȱ 2)ȱ kontrastiertȱ mitȱ derȱ AussageȱvonȱderȱHeilungȱderȱzerbrochenenȱHerzenȱ(V.ȱ3)ȱundȱderȱZähȬ lungȱ derȱ Gestirneȱ (V.ȱ 4).ȱ Zwarȱ kannȱ manȱ dieȱ hymnischenȱ PrädikatioȬ nenȱalsȱeineȱArtȱAufzählungȱgöttlicherȱGroßtatenȱauffassen.ȱDannȱaberȱ bedarfȱesȱeinerȱErklärung,ȱweshalbȱdieȱdreiȱgenanntenȱThemenȱimȱweiȬ terenȱTextȱinȱdieserȱbesonderenȱMischungȱvorliegen.ȱȱ Stelltȱ manȱ versuchsweiseȱ dieȱ Verseȱ nachȱ thematischenȱ GesichtsȬ punktenȱ zusammen,ȱ ergebenȱ sichȱ dieȱ folgendenȱ Cluster,ȱ dieȱ alsȱ TeilȬ stückeȱerkennbarȱwerden:ȱ

1. 2ȱ DerȱJerusalemȱaufbaut,ȱJHWH,ȱȱ ȱ sammeltȱdieȱVersprengtenȱIsraels.ȱ 12ȱ Rühme,ȱJerusalem,ȱJHWH,ȱȱ ȱ lobeȱdeinenȱGott,ȱZion.ȱ 13ȱ DennȱdieȱRiegelȱdeinerȱToreȱhatȱerȱfestgemacht,ȱȱ ȱ deineȱSöhneȱinȱdeinerȱMitteȱgesegnet.ȱ 14ȱ derȱdeinenȱGrenzenȱFriedenȱschafft,ȱȱ ȱ mitȱdemȱbestenȱWeizenȱdichȱsättigt.ȱȱ ȱ DieȱVerseȱbildenȱdasȱTeilstückȱA:ȱDreiȱzusammenhängendeȱJerusalemȬ Verse,ȱeinerȱabgesprengtȱalsȱV.ȱ2;ȱV.ȱ12ȱistȱalsȱAnfangsversȱdenkbar.ȱ

2. 3ȱ ȱ 6ȱ ȱ 7ȱ ȱ 10ȱ ȱ 11ȱ ȱ

Derȱheilt,ȱdieȱzerbrochenenȱHerzensȱsind,ȱ undȱihreȱWundenȱverbindet.ȱ DerȱdenȱGebeugtenȱaufhilft,ȱJHWH,ȱȱ dieȱFrevlerȱerniedrigtȱinȱdenȱStaub.ȱ AntwortetȱJHWHȱimȱDanklied,ȱȱ spieltȱunseremȱGottȱaufȱderȱLeier.ȱ AnȱderȱKraftȱ(wie)ȱdesȱPferdsȱhatȱerȱkeineȱFreude,ȱȱ keinȱGefallenȱanȱdenȱSchenkelnȱdesȱMannes.ȱ DerȱGefallenȱhatȱanȱdenen,ȱdieȱihnȱfürchten,ȱȱ dieȱaufȱseineȱGnadeȱharren.ȱ

160ȱ

11.ȱTextgenetischeȱHintergründeȱdesȱ147.ȱPsalmsȱ

Teilstückȱ B.ȱ Zweimalȱ zweiȱ paarweiseȱ gebündelteȱ Verse;ȱ V.ȱ 7ȱ alsȱ einȬ leitenderȱAufruf.ȱ

3. 1ȱ Gutȱistȱes,ȱunseremȱGottȱzuȱsingen,ȱȱ ȱ schönȱistȱes,ȱeinenȱHymnusȱanzustimmen.ȱ 4ȱ DerȱdenȱSternenȱdieȱZahlȱbestimmt,ȱȱ ȱ sieȱalleȱmitȱNamenȱruft.ȱ 5ȱ GroßȱistȱunserȱGottȱundȱreichȱanȱKraft,ȱȱ ȱ unermesslichȱistȱseineȱWeisheit.ȱ 8ȱ DerȱdenȱHimmelȱmitȱWolkenȱbedeckt,ȱȱ ȱ derȱErdeȱdenȱRegenȱschafft.ȱ ȱ DerȱaufȱBergenȱGrasȱsprießenȱlässtȱ…ȱ 9ȱ DerȱdemȱViehȱNahrungȱgibt,ȱȱ ȱ denȱjungenȱRaben,ȱwonachȱsieȱkrächzen.ȱ (15ȱ DerȱseinȱWortȱzurȱErdeȱsendet,ȱȱ ȱ schnellȱeiltȱseinȱWort)ȱ 16ȱ DerȱSchneeȱwieȱWolleȱspendet,ȱȱ ȱ denȱReifȱwieȱAscheȱstreut.ȱ 17ȱ DerȱdasȱEisȱwieȱBrockenȱwirft,ȱ ȱ vorȱseinemȱFrostȱ–ȱwerȱkannȱbestehen?ȱ 18ȱ ErȱsendetȱseinȱWortȱundȱlässtȱschmelzen,ȱȱ ȱ lässtȱseinenȱWindȱwehen,ȱsoȱrieseltȱdasȱWasser.ȱ ȱ TeilstückȱC:ȱBeibehalteneȱVersfolge.ȱDerȱAufrufȱzuȱBeginnȱinȱV.ȱ1.ȱ

4. 19ȱ DerȱJakobȱseinȱWortȱverkündet,ȱȱ ȱ seineȱSatzungenȱundȱRechteȱIsrael.ȱ 20ȱ AnȱkeinemȱVolkȱhatȱerȱsoȱgehandelt,ȱȱ ȱ undȱseineȱGesetzeȱkennenȱsieȱnicht.ȱ ȱ TeilstückȱD.ȱAlsȱNachtragȱadȱvocemȱ„WortȱJHWHs“ȱerkennbar.ȱ

IV.ȱ Manȱ wirdȱ nichtȱ fehlgehen,ȱ wennȱ manȱ dieseȱ Textteileȱ alsȱ thematischȱ zusammenhängendeȱ Versfolgenȱ wahrnimmtȱ undȱ inȱ ihnenȱ dieȱ eigentȬ lichenȱBauteileȱdiesesȱPsalmsȱerkennt.ȱFürȱsichȱgenommenȱscheinenȱesȱ Fragmenteȱ jeȱ verschiedenerȱ Textsortenȱ zuȱ sein,ȱ wasȱ dadurchȱ bestätigtȱ wird,ȱdassȱsieȱsichȱselbstȱalsȱsolcheȱdeklarieren.ȱDasȱgeschiehtȱinȱdenȱalsȱ

ȱ

IV.ȱ

161ȱ

Aufforderungȱ formuliertenȱ Versenȱ innerhalbȱ desȱ durchȱ dieȱ LobpreisȬ formelȱ(V.ȱ1.20)ȱgerahmtenȱGesamtpsalms.ȱȱ V.ȱ 12ȱ enthältȱ einenȱ Aufrufȱ anȱ dieȱ Stadtȱ Jerusalemȱ undȱ dieȱ Ziongemeindeȱ(fem.ȱsg.).ȱErȱlässtȱeinȱlobendesȱundȱrühmendesȱZionliedȱ erwarten,ȱwieȱsichȱdasȱjaȱdannȱinȱdenȱVersenȱ2.13ȱf.ȱauchȱandeutet.ȱDerȱ Aufrufȱ inȱ V.ȱ 7ȱ giltȱ einzelnenȱ Personenȱ (pl.ȱm.),ȱ dieȱ zuȱ einemȱ Dankliedȱ (KGZW),ȱaufgefordertȱwerden.ȱDasȱzurȱLeierȱ(UZQN)ȱgesungeneȱDankliedȱ istȱdasȱBekenntnisȱeinesȱoderȱmehrererȱEinzelnerȱvorȱderȱGemeindeȱalsȱ DankȱfürȱeineȱempfangeneȱWohltatȱ(vgl.ȱPsȱ107).ȱDieȱAufforderungȱinȱ V.ȱ1ȱschließlichȱgiltȱderȱGemeindeȱ(„unserȱGott“)ȱoderȱderenȱChor,ȱeinȱ Lobliedȱ(KOKW)ȱanzustimmen,ȱd.ȱh.ȱeinenȱHymnus,ȱwieȱerȱsichȱjaȱinȱdenȱ folgendenȱ Versenȱ mitȱ mehrheitlichȱ partizipialenȱ Prädikationenȱ zuȱ BeȬ ginnȱdarstellt.ȱȱ Nichtȱ nurȱ dieȱ Eingangsverseȱ desȱ Zionliedes,ȱ desȱ Dankpsalmsȱ undȱ desȱ Schöpfungshymnusȱ grenzenȱ dieȱfragmentarischenȱ PsalmteileȱvonȬ einanderȱab;ȱesȱsindȱauchȱganzȱunterschiedlicheȱThemen,ȱdieȱzurȱSpraȬ cheȱ kommenȱ undȱ ebenȱ jenenȱ Eindruckȱ sprunghafterȱ Diktionȱ verȬ ursachen.ȱȱ InȱFragmentȱAȱistȱdieȱRedeȱvonȱWiederaufbauȱJerusalems,ȱvonȱderȱ SammlungȱderȱVertriebenen,ȱvonȱderȱTorriegelsicherung,ȱdemȱFriedenȱ anȱ denȱ Grenzenȱ undȱ demȱ Wohlstandȱ fürȱ dieȱ Bürger,ȱ sozusagenȱ vonȱ stadtpolitischenȱThemen.ȱDasȱDankliedȱTodaȱistȱgewöhnlichȱeinȱeigensȱ neuȱverfasstesȱLied,ȱdasȱwohlȱinnerhalbȱeinerȱkasualenȱDankopferfeier,ȱ überȱeineȱpersönlichȱerfahreneȱgöttlicheȱWohltatȱvorgetragenȱwird.ȱAlsȱ ThemenȱwerdenȱinȱTeilȱBȱangedeutet:ȱHeilungȱ„zerbrochenerȱHerzen“,ȱ Wundbehandlung,ȱHilfeȱfürȱdieȱFrommenȱundȱErniedrigungȱderȱGottȬ losen,ȱGlaubenszuversichtȱundȱHoffnung.ȱFürȱTeilȱCȱistȱderȱhymnischeȱ LobpreisȱderȱkosmischenȱOrdnungȱdasȱThema,ȱdieȱbisȱzuȱdenȱSternenȱ sinnvollȱeingerichtetȱistȱundȱdankȱdesȱgöttlichenȱSchöpferȬWortesȱfunkȬ tioniert,ȱeinȱWassersystem,ȱdasȱalleȱWeltȱ–ȱselbstȱdieȱjungenȱRabenȱ–ȱamȱ Lebenȱ erhält.ȱ Mitȱ diesemȱ Themaȱ stehtȱ dasȱ Fragmentȱ demȱ WasserȬ hymnusȱPsȱ104ȱsehrȱnahe.ȱȱ Folglichȱistȱzuȱerwarten,ȱdassȱsichȱinȱderȱDurchführungȱderȱThemenȱ jeȱnachȱliterarischerȱGattungȱStilunterschiedeȱergeben.ȱIndesȱistȱbeiȱdenȱ kleinenȱFragmentenȱeineȱStiluntersuchungȱnurȱbeschränktȱmöglichȱundȱ begrenztȱaussagekräftig.ȱȱ Fragmentȱ Aȱ bewegtȱ sichȱ ganzȱ imȱ Sinnbezirkȱ „Stadtȱ Jerusalem“.ȱ ZwarȱsindȱdieȱEinzelaussagenȱhymnischȱüberhöhtȱ–ȱJHWHȱistȱdasȱSubȬ jektȱdesȱHandelnsȱ–,ȱaberȱdieȱerwähntenȱZieleȱseinerȱFürsorgeȱsindȱsehrȱ konkretȱundȱbenennbarȱundȱbleibenȱimȱRaumȱdesȱPolitischen.ȱFürȱsichȱ genommenȱ gehörtȱ dasȱ Fragmentȱ inȱ dieȱ Reiheȱ derȱ Ziongebete,ȱ wieȱ sieȱ etwaȱinȱPsȱ102,13–23ȱoderȱ51,20ȱf.ȱüberliefertȱsind,ȱundȱinȱdieȱderȱHeilsȬ

162ȱ

11.ȱTextgenetischeȱHintergründeȱdesȱ147.ȱPsalmsȱ

weissagungenȱz.ȱB.ȱinȱJesȱ56,8ȱoderȱZefȱ3,14–20.ȱEsȱscheintȱ–ȱundȱdarinȱ hatȱOdilȱHannesȱSteckȱrichtigȱgesehenȱ–ȱalsȱobȱsichȱinȱPsȱ147,2.12ȱff.ȱdieȱ Erinnerungȱ daranȱ niederschlägt,ȱ dassȱ sichȱ mitȱ demȱ Mauerbauȱ Nehemiasȱ imȱ 5.ȱJh.ȱ (nachȱ Nehȱ 12,27–43)ȱ undȱ neuerȱ RückkehrmöglichȬ keitenȱfürȱJerusalemȱmanchesȱimȱSinneȱderȱGebetserhörungȱundȱHeilsȬ verwirklichungȱ geändertȱhat.6ȱ Wasȱ denȱ hymnischenȱStilȱangeht,ȱ fallenȱ besondersȱ dieȱ zurȱ Paarbildungȱ neigendenȱ Binnenreimeȱ (AlliteraȬ tionen)7ȱinȱV.ȱ12–14ȱauf,ȱwobeiȱdieȱJubellauteȱ Oȱundȱ EeineȱRolleȱspieȬ len.8ȱLautlichȱhatȱdasȱFragmentȱinsofernȱeinenȱleichtȱanderenȱCharakterȱ alsȱseineȱUmgebung.ȱ FragmentȱB,ȱalsȱGesangȱzuȱLeierbegleitungȱverfasst,ȱbleibtȱganzȱimȱ SinnraumȱdesȱindividuellenȱDanklieds.ȱIhmȱeignetȱaußerȱdemȱDankȱjaȱ derȱBlickȱaufȱdasȱBleibende,ȱdasȱausȱdemȱGeschehenȱzuȱlernenȱundȱzuȱ behaltenȱist,ȱdieȱBelehrungȱderȱZuhörerȱausȱeigenerȱErfahrung,ȱdieȱzumȱ Allgemeinenȱ tendiert.ȱ Folglichȱ istȱ imȱ Pluralȱ vonȱ denȱ „gebrochenenȱ Herzen“ȱ (V.ȱ 3),ȱ denȱ gebeugtenȱ Frommenȱ undȱ erniedrigtenȱ Gottlosenȱ (V.ȱ 6),ȱ denȱ Starkenȱ undȱ Schwachenȱ (V.ȱ 10),ȱ denȱ Gottesfürchtigenȱ undȱ Glaubendenȱ(V.ȱ11)ȱdieȱRede,ȱdieȱalleȱausȱdemȱindividuellȱGeschehenenȱ ihreȱ Schlüsseȱ ziehenȱ sollen.ȱ Nächsteȱ Parallelenȱ findenȱ sichȱ inȱ Psȱ 102;ȱ 103ȱundȱ107.ȱDieȱ Formulierungenȱ vonȱFragmentȱ Bȱbleibenȱimȱ Ganzenȱ hymnischȱundȱaffirmativ.ȱCharakteristischerweiseȱsindȱunterȱdieȱhymȬ nischenȱPrädikationenȱ negativeȱ Aussagenȱ gemischtȱ (V.ȱ10,ȱ vgl.ȱV.ȱ 6b),ȱ dieȱdazuȱangetanȱsind,ȱderȱLehreȱdesȱDankliedsȱeinenȱwarnendenȱUnȬ tertonȱ beizugeben.ȱ Poetischȱ geformtȱ sindȱ dieȱ stockendeȱ D/>Ȭ Alliterationȱ(V.ȱ6),ȱdieȱReimbildungenȱȬYȱȱ YȬȱundȱ O-Mȱ/ȱ MOȱ(V.ȱ11b).ȱImȱ GanzenȱistȱdasȱFragmentȱimȱStilȱkonventionellȱundȱmerklichȱfarbloserȱ alsȱderȱKontext.9ȱ Umfangreicherȱ undȱ damitȱ ergiebigerȱ istȱ dasȱ hymnischeȱ Fragmentȱ C.ȱ Seineȱ Aussageȱ bewegtȱ sichȱ imȱ Horizontȱ vonȱ Welt/Kosmos/ȱ SchöpfungȱimȱSinneȱeinesȱfunktionierendenȱSystems.ȱDazuȱgehörenȱdieȱ zahllosenȱSterneȱundȱHimmelskörper,ȱwelcheȱdieȱZeitenȱanzeigenȱundȱ alsȱ Kalenderȱ fungierenȱ (V.ȱ 4).ȱ Sieȱ zuȱ kennenȱ undȱ zuȱ bewegenȱ bedarfȱ göttlicherȱKompetenzȱ(V.ȱ5).ȱDazuȱgehörenȱdieȱWolkenȱamȱHimmel,ȱdieȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 6ȱ 7ȱ

8ȱ 9ȱ

Vgl.ȱauchȱNehȱ7,3:ȱdieȱToreȱwurdenȱnachtsȱwiederȱgeschlossen;ȱ7,4;ȱ11,1ȱf.:ȱdieȱBevölȬ kerungszahlȱstiegȱan,ȱ5,1–13:ȱNotȱundȱArmutȱwurdenȱüberwunden.ȱ 2ȬmalȱYȱinȱV.ȱ12a;ȱ4ȬmalȱUȱinȱV.ȱ13,ȱ3ȬmalȱinȱKombinationȱmitȱE,ȱwasȱmöglicherweiseȱ zusammenȱ mitȱ denȱ Knacklautenȱ Tȱ (2Ȭmal)ȱ undȱ Nȱ (5Ȭmal)ȱ dasȱ Knarrenȱ undȱ VerrieȬ gelnȱderȱToreȱandeutenȱsollte.ȱOderȱklingtȱinȱUEȱdasȱAUEȱ„segnen“ȱvonȱV.13bȱnach?ȱ 3ȬmalȱOȱinȱV.ȱ12,ȱ4ȬmalȱEȱinȱV.ȱ13.ȱ Vgl.ȱV.ȱ7.ȱInȱV.ȱ10ȱscheintȱeineȱsprichwörtlicheȱRedeweiseȱvorgegebenȱzuȱsein.ȱInsoȬ fernȱistȱderȱHinweisȱaufȱdieȱ„Pferdestärke“ȱwohlȱinȱübertragenemȱSinnȱzuȱverstehen.ȱ

ȱ

V.ȱ

163ȱ

denȱ Regenȱ bringen,ȱ derȱ dasȱ Grasȱ undȱ Krautȱ sprießenȱ lässtȱ (V.ȱ 8).10ȱ ÜberhauptȱdieȱRegelungȱdesȱWasserhaushaltsȱimȱJahresablauf:ȱRegenȱ–ȱ Schneeȱ–ȱReifȱ–ȱEisȱ–ȱSchmelzwasser.ȱAllesȱgarantiertȱdurchȱdasȱjeweilsȱ ergehendeȱ göttlicheȱ Wortȱ alsȱ Befehl,ȱ dieȱ unergründlicheȱ Weisheitȱ desȱ Schöpfersȱzeigendȱ(V.ȱ5).ȱDasȱdichterischeȱNiveauȱdiesesȱFragmentsȱistȱ ungleichȱhöherȱalsȱdasȱderȱFragmenteȱAȱundȱB.ȱEsȱstehtȱderȱPoetikȱvonȱ Psȱ104ȱnahe,ȱaberȱauchȱderȱdesȱHiobdichters,ȱmanȱvergleicheȱnurȱPsȱ147ȱ mitȱHiȱ38,19–4111.ȱAbhängigkeitenȱsindȱnichtȱausgeschlossen.ȱWasȱaberȱ dasȱFragmentȱCȱvorȱallemȱkennzeichnet,ȱistȱsozusagenȱdieȱaufȱȱ(undȱ#)ȱ gestimmteȱTonart.ȱInȱeinerȱganzenȱReiheȱvonȱVersenȱfindetȱsichȱ ȱallȬ iterativȱverwendetȱinȱverschiedenenȱReimformen,ȱsoȱV.ȱ4ȱ(5Ȭmal),ȱV.ȱ8aȱ (6Ȭmal),ȱ V.ȱ 9ȱ (mitȱ #),ȱ V.ȱ 18.ȱ Wahrscheinlichȱ einȱ Echoklangȱ desȱ überallȱ präsentenȱMotivsȱ\Pȱ„Wasser“ȱ(vgl.ȱV.).ȱAuffälligȱsindȱzudemȱdieȱtonȬ malendenȱLautspieleȱinȱV.ȱ9,ȱwoȱdasȱGekrächzeȱderȱjungenȱRabenȱnachȬ gebildetȱwirdȱ(ZDUT\EU>);ȱdannȱinȱV.ȱ16b,ȱwoȱderȱReifȱmitȱderȱKlangȬ figurȱ U]S\USDNUSNȱ charakterisiertȱ wird,ȱ inȱ V.ȱ 17ȱ woȱ dieȱ Brockenȱ körnigenȱEisesȱbeschriebenȱsindȱ(zweimalȱ UT,ȱdazuȱdasȱzerkleinerndeȱ \WSN)ȱundȱschließlichȱinȱV.ȱ18ȱwoȱdasȱWehenȱdesȱWindesȱ(VPZ)ȱdasȱ SchmelzenȱdesȱEisesȱundȱdasȱRieselnȱdesȱWassersȱ(\PZO]\)ȱauslöst.ȱInȱ V.ȱ16–17ȱdominiertȱdasȱvergleichendeȱN:ȱ„SchneeȱwieȱWolle“,ȱ„Reifȱwieȱ Staub“ȱ12,ȱ„EisȱwieȱKörnerȱoderȱBrocken“ȱ(Hagel).13ȱȱ Fragmentȱ Dȱ (V.ȱ 19ȱf.)ȱ zeigtȱ außerȱ demȱ synonymenȱ undȱ antithetiȬ schenȱParallelismusȱkeineȱMerkmaleȱpoetischerȱPrägung.ȱDieȱtheologiȬ schenȱAussagenȱstehenȱderȱProsaȱnahe.ȱSieȱsindȱepexegetischȱvonȱdenȱ Versenȱabgeleitet,ȱdieȱvomȱWortȱGottesȱsprechenȱ(V.ȱ18.15),ȱaberȱdieseȱ Aussagenȱaufȱ„SatzungenȱundȱGesetze“ȱ–ȱd.ȱh.ȱaufȱdieȱToraȱ–ȱbeziehen,ȱ dieȱalleinȱJakob/Israelȱverkündigtȱwordenȱist.ȱ

V.ȱ AndersȱalsȱOdilȱHannesȱSteckȱgehenȱwirȱdavonȱaus,ȱdassȱdieȱgenanntenȱ FragmenteȱA–DȱdenȱGrundstockȱvonȱPsȱ147ȱbilden.ȱDasȱschließtȱnichtȱ aus,ȱdassȱauchȱPsalmenȱwieȱ33;ȱ104;ȱ146ȱu.ȱa.ȱaufȱdieȱKompositionȱvonȱ Psȱ 147ȱ vonȱ Einflussȱ waren,ȱ wieȱ dasȱ Beispielȱ derȱ LXXȱ inȱ 147,8bȱ undȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10ȱ V.ȱ8bȱscheintȱerstȱredaktionellȱvonȱPsȱ104,14ȱentlehntȱzuȱsein.ȱ 11ȱ Hiȱ38,41ȱbegegnenȱdennȱauchȱdieȱ„jungenȱRaben“ȱwieder,ȱdieȱumȱNahrungȱzuȱGottȱ schreien.ȱVgl.ȱauchȱSirȱ3,15ȱundȱ42,15–43,37.ȱ 12ȱ „wieȱSalz“ȱ(Sirȱ43,15).ȱ 13ȱ B.ȱDuhmȱmöchteȱ„Eis“ȱundȱ„Kälte“ȱnichtȱzuȱ„JahvesȱSegnungen“ȱgezähltȱwissen.ȱErȱ hältȱdarumȱV.ȱ17ȱfürȱ„zugesetzt“.ȱVgl.ȱDieȱPsalmen.ȱInȱdenȱVersmaßenȱderȱUrschriftȱ (1907),ȱ219.ȱ

164ȱ

11.ȱTextgenetischeȱHintergründeȱdesȱ147.ȱPsalmsȱ

104,14ȱzeigt.ȱDochȱistȱdieserȱEinflussȱwohlȱeinȱsekundärer,ȱderȱdieȱGeȬ samtkompositionȱ vonȱ Psȱ 147ȱ nurȱ nochȱ oberflächlichȱ berührt.ȱ Imȱ Blickȱ aufȱ dieȱ eruiertenȱ Bauteileȱ aberȱ istȱ dieȱ Konstruktionȱ desȱ Textsȱ primärȱ durchȱ Zusammenordnungȱ undȱ Zusammensetzungȱ vorliegenderȱ Psalmfragmenteȱerfolgt.ȱDieȱArtȱundȱWeiseȱderȱVerarbeitungȱundȱZuȬ sammensetzungȱderȱTeileȱlässtȱsichȱinȱetwaȱsoȱvorstellen:ȱȱ DurchȱdieȱSetzungȱvonȱV.ȱ1ȱausȱFragmentȱCȱanȱdieȱSpitzenpositionȱ sowieȱvonȱV.ȱ18ȱinȱEndstellungȱundȱdurchȱdieȱBeibehaltungȱderȱvorgeȬ gebenenȱ Versfolgeȱ inȱ V.ȱ 4.5,ȱ V.ȱ 8a.bȱ undȱ V.ȱ 15–18ȱ lässtȱ sichȱ schließen,ȱ dassȱderȱBearbeiterȱdasȱumfänglichsteȱFragmentȱseinerȱneuenȱKompoȬ sitionȱzugrundeȱgelegtȱhat.ȱNichtȱzuȱentscheidenȱist,ȱobȱerȱganzȱzuȱAnȬ fangȱ bereitsȱ denȱ liturgischenȱ Rahmenȱ mitȱ derȱ Lobpreisformelȱ Halleluȱ Jahȱ inȱ V.ȱ 1ȱ undȱ V.ȱ 20ȱ gesetztȱ hatȱ oderȱ obȱ dieȱ Rahmungȱ erstȱ alsȱ AbȬ rundungȱundȱZielsetzungȱamȱEndeȱbeigefügtȱwordenȱist.ȱDasȱdoppelteȱ \NȱinȱV.ȱ1ȱlässtȱdieȱFrageȱoffen,ȱbestätigtȱaberȱdurchȱseineȱverbindendeȱ Funktion,ȱ dassȱ esȱ galt,ȱ eineȱ Beziehungȱ zwischenȱ zweiȱ formelhaftȱ vorȬ gegebenenȱAussagenȱherzustellen.ȱ Derȱ mitȱ V.ȱ 2ȱ erfolgteȱ Rückgriffȱ aufȱ Fragmentȱ A,ȱ mitȱ V.ȱ 3ȱ aufȱ dasȱ FragmentȱB,ȱwobeiȱjeweilsȱderȱursprünglicheȱAnfangȱderȱFragmenteȱ(V.ȱ 12.7)ȱübergangenȱwurde,ȱlässtȱerkennen,ȱdassȱderȱBearbeiterȱzweiȱzentȬ raleȱ Aussagenȱ ausȱ denȱ vorliegendenȱ Textenȱ auswählenȱ undȱ zusamȬ menstellenȱwollte.ȱMitȱV.ȱ4ȱzusammen,ȱderȱFortsetzungȱvonȱC,ȱgewannȱ erȱ aufȱ dieseȱ Weiseȱ dreiȱ mitȱ Partizipienȱ konstruierteȱ hymnischeȱ Verse,ȱ welcheȱ nacheinanderȱ aufzählendȱ dreiȱ göttlicheȱ Großtatenȱ benannten.ȱ Alsȱ heilvolleȱ Aktionenȱ „unseresȱ Gottes“ȱ sindȱ sieȱ vereint.ȱ Dochȱ liegenȱ sieȱaufȱvölligȱunterschiedlichenȱEbenen:ȱDerȱWiederaufbauȱbetrifftȱdieȱ StadtȱJerusalem,ȱdieȱSammlungȱganzȱIsraelȱ(V.2),ȱdieȱHeilungȱderȱHerȬ zenȱ undȱ Wundenȱ betrifftȱ einzelneȱ Gläubigeȱ (V.ȱ 3),ȱ dieȱ Zählungȱ undȱ Aufrufungȱ derȱ Sterneȱ aberȱ denȱ ganzenȱ Kosmosȱ (V.ȱ 4).ȱ Dadurch,ȱ dassȱ dieȱVerseȱihremȱursprünglichenȱKontextȱentrissenȱwurden,ȱverlierenȱsieȱ auchȱ ihrenȱ angestammtenȱ Sitzȱ imȱ Leben.ȱ Verseȱ einesȱ Zionliedsȱ undȱ einesȱ Dankopferpsalmsȱ werdenȱ denȱ lobpreisendenȱ Zeilenȱ einesȱ HymȬ nusȱ gleichgestelltȱ undȱ soȱ zuȱ Teilenȱ einesȱ neuenȱ Psalms,ȱ demȱ anȱ derȱ systematischȬtheologischenȱ Zusammenordnungȱ derȱ BekenntnisausȬ sagenȱlag.ȱȱ Dieseȱ Tendenzȱ wirdȱ durchȱ denȱ folgendenȱ V.ȱ 5ȱ bestätigt,ȱ derȱ nachȱ denȱ göttlicheȱ Handlungenȱ berichtendenȱ Versenȱ zuȱ Aussagenȱ weiterȬ führt,ȱdieȱbeschreibendȱvonȱdenȱEigenschaftenȱGottes,ȱGröße,ȱKraftȱundȱ Weisheitȱsprechen.ȱInȱdiesemȱsystematischenȱZusammenhangȱerhältȱV.ȱ 6ȱausȱBȱdannȱdieȱFunktionȱeinerȱKonklusion:ȱJHWHȱistȱes,ȱderȱRichtenȬ de,ȱ derȱ aufhilftȱ undȱ erniedrigtȱ –ȱ jeȱ nachdem:ȱ Demütigeȱ undȱ Gottlose.ȱ

ȱ

V.ȱ

165ȱ

DerȱstraffendeȱStrangȱderȱVersfolgeȱentkleidetȱdieȱEinzelaussagenȱihrerȱ KonkretionȱundȱabstrahiertȱsieȱzurȱtheologischenȱLehre.ȱ MitȱV.ȱ7ȱausȱBȱbeginntȱeineȱneueȱStropheȱundȱeinȱneuerȱGedankenȬ gang.ȱDieserȱistȱdadurchȱcharakterisiert,ȱdassȱVerseȱausȱderȱTodaȱinȱV.ȱ 7ȱ undȱ V.ȱ 10ȱf.ȱ denȱ Rahmenȱ bildenȱ fürȱ Aussagenȱ überȱ dieȱ SchöpfungsȬ ordnungȱ inȱ V.ȱ 8ȱf.ȱ Dasȱ istȱ gattungsmäßigȱ fürȱ eineȱ Todaȱ nichtȱ unȬ gewöhnlich.ȱDennȱPsalmistenȱvonȱDankpsalmenȱgreifenȱgernȱzurȱForȬ mulierungȱ ihrerȱ Dankbarkeitȱ aufȱ vorgegebeneȱ hymnischeȱ Texteȱ zurück.ȱImȱvorliegendenȱZusammenhangȱaberȱgiltȱderȱDankȱundȱLobȬ preisȱ derȱ Versorgungȱ derȱ Lebewesenȱ mitȱ Nahrung,ȱ undȱ zwarȱ durchȱ einenȱ funktionierendenȱ Wasserhaushalt:ȱ Wolkenȱ amȱ Himmel,ȱ Regenȱ aufȱdieȱErde,ȱGrasȱaufȱdenȱBergen,ȱ(GewächseȱfürȱdieȱMenschen),ȱFutȬ terȱ fürȱ dasȱ Vieh,ȱ Nahrungȱ fürȱ dieȱ jungenȱ Raben.ȱ Nichtȱ ganzȱ leichtȱ istȱ derȱ Anschlussȱ anȱ V.ȱ 10ȱf.ȱ zuȱ begreifen,ȱ derȱ davonȱ spricht,ȱ dassȱ Gottesȱ Gnadeȱ vomȱ Verhaltenȱ derȱ Menschenȱ abhängigȱ ist,ȱ währendȱ dochȱ dieȱ Gnadeȱ desȱ Regensȱ überȱ Gerechteȱ undȱ Ungerechteȱ ergeht.ȱ MöglicherȬ weiseȱhatȱderȱBearbeiterȱvomȱMotivȱderȱhilflosenȱjungenȱRaben,ȱdieȱinȱ besondererȱWeiseȱversorgtȱwerden,ȱgeschlossen,ȱdassȱdieȱnichtȱsoȱhilfȬ losenȱ starkenȱ Pferdeȱ undȱ kraftstrotzendenȱ Männerȱ solcherȱ Fürsorgeȱ wenigerȱbedürfen,ȱjaȱdassȱGottesȱWohlgefallenȱnichtȱaufȱihnen,ȱsondernȱ aufȱdenȱGottesfürchtigenȱundȱderȱGnadeȱBedürftigenȱliegt.ȱDieȱvorgeȬ gebenenȱVerseȱließenȱsichȱwohlȱnichtȱbesserȱinȱdenȱtheologischenȱRahȬ menȱeinbringen.ȱDieserȱaberȱbetontȱ–ȱnichtȱganzȱgeradlinigȱ–,ȱdassȱsichȱ Gottȱ derȱ Schöpferȱ undȱ Erhalterȱ inȱ besondererȱ Weiseȱ umȱ dieȱ BedürfȬ tigenȱkümmertȱ–ȱamȱBeispielȱderȱjungenȱRaben.ȱȱ Dieȱ dritteȱ Stropheȱ (V.ȱ 12–18)ȱ wendetȱ sichȱ anȱ Zionȱ undȱ Jerusalemȱ mitȱ derȱ Aufforderung,ȱ JHWHȱ wegenȱ desȱ Wiederaufbausȱ zuȱ preisenȱ (A).ȱ Derȱ Anschlussȱ anȱ denȱ Schöpfungshymnusȱ wirdȱ zunächstȱ nichtȱ deutlich.ȱ Erstȱ mitȱ V.ȱ 13,ȱ woȱ vomȱ Segnenȱ undȱ vonȱ V.ȱ 14,ȱ woȱ vonȱ derȱ VersorgungȱJerusalemsȱmitȱdemȱ„FettȱdesȱWeizens“ȱdieȱRedeȱist,ȱwirdȱ klar,ȱ dassȱ dieȱ Wasserversorgungȱ auchȱ dieȱ Stadtȱ Jerusalemȱ einschließtȱ undȱihrȱdieȱnotwendigeȱErnährungȱgewährleistet.ȱAbȱV.ȱ15ȱistȱdasȱWortȱ ganzȱ Teilȱ Cȱ überlassen.ȱ Möglichȱ istȱ allerdings,ȱ dassȱ V.ȱ 15ȱ selbstȱ einȱ vielleichtȱerstȱtertiärerȱÜbergangsversȱist,ȱderȱvonȱderȱVersorgungȱderȱ Stadtȱ zumȱ jahreszeitlichenȱ Wasserhaushaltȱ zurücklenkenȱ soll.ȱ TheoloȬ gischȱ gesehenȱ stehtȱ hinterȱ denȱ Vorgängenȱ nachȱ V.ȱ 15ȱ undȱ V.ȱ 18ȱ dasȱ „WortȱJHWHs“,ȱdasȱoffenbarȱ–ȱvomȱHimmelȱaufȱdieȱErdeȱherabgesandtȱ –ȱ befehlsmäßigȱ dieȱ Geschehnisseȱ auslöst.ȱ Mitȱ demȱ Terminusȱ „Wortȱ Gottes“ȱ ( KUPD/UEG)ȱ bringtȱ derȱ neueȱ Psalmȱ dasȱ ganzeȱ göttlichȱ veranȬ lassteȱGeschehenȱaufȱdenȱBegriff.ȱExplizitȱnurȱvonȱdenȱkosmischenȱ(V.ȱ 4)ȱ undȱ klimatischenȱ Erscheinungenȱ (V.ȱ 15.18)ȱ ausgesagt,ȱ giltȱ esȱ dochȱ wohlȱaȱparteȱpotioriȱfürȱalleȱgöttlichenȱTätigkeiten,ȱdieȱderȱPsalmenȱvonȱ

166ȱ

11.ȱTextgenetischeȱHintergründeȱdesȱ147.ȱPsalmsȱ

V.ȱ2ȱanȱhymnischȱaufreiht.ȱInsofernȱbildetȱderȱBegriffȱdenȱtheologischenȱ SchlüsselȱzumȱVerständnisȱdesȱgöttlichenȱWirkensȱinȱseinerȱDynamik.ȱ Dasȱ Wortȱ wirdȱ gesandt,ȱ eiltȱunverzüglichȱ dahinȱundȱ löstȱ schöpferischȱ Wirkungenȱaus,ȱdieȱaufȱallenȱdreiȱEbenenȱdieȱgleichenȱsind:ȱimȱHimmelȱ undȱaufȱErden,ȱinȱderȱStadtȱundȱinȱdenȱ„Herzen“ȱderȱMenschen,ȱexemȬ plifiziertȱanȱdenȱkonkretenȱEreignissen.ȱ Dassȱ derȱ neueȱ Psalmȱ theologischȱaufȱ dieseȱ Erkenntnisȱ zuläuft,ȱ dieȱ derȱ letzteȱ Satzȱ imȱ Corpusȱ V.ȱ 18ȱ endgültigȱ formuliert,ȱ wirdȱ durchȱ dieȱ nachträglicheȱHinzufügungȱundȱAuslegungȱderȱVerseȱimȱAnhangȱnochȱ unterstrichen.ȱ Analogȱ etwaȱ zurȱ Theologieȱ derȱ Weisheitȱ inȱ Hiȱ 28,ȱ undȱ ähnlichȱwieȱinȱPsȱ19ȱwirdȱzuletztȱfestgestellt,ȱdassȱdasȱinȱallenȱDingenȱ wirksame,ȱ aberȱ alsȱsolchesȱ nichtȱ hörbareȱ undȱ greifbareȱ Gotteswortȱ alsȱ GesetzȱundȱWeisungȱderȱToraȱinȱJakob/Israelȱ–ȱundȱnurȱdaȱ–ȱoffenbarȱ ist,ȱundȱzwarȱpluralischȱnachȱdemȱQereȱalsȱ„SatzungenȱundȱGesetze“.ȱ Einȱ Bekenntnisȱ zumȱ Sonderstatusȱ Israelsȱ inȱ derȱ Weltȱ derȱ Völkerȱ derȱ Welt.ȱȱ Entstandenȱ aberȱ istȱ durchȱ collageartigeȱ Zusammenfügungȱ verȬ schiedenerȱ Teilstückeȱ einȱ neuerȱ Psalm,ȱ einȱ neuesȱ Lied,ȱ wennȱ manȱ aufȱ dieȱ fünfȬȱ oderȱ sechszeiligenȱ Strophenȱ blickt,ȱ dieȱ jeweilsȱ neuȱ mitȱ AufȬ rufenȱ eingeleitetȱ sindȱ undȱ damitȱ dieȱ durchȱ denȱ Rahmenȱ bestimmteȱ Lobpreisliturgieȱtragen;ȱeinȱneuerȱHymnusȱnachȱFormȱundȱInhaltȱ–ȱausȱ derȱHandȱderȱWeisen.14ȱ Siehtȱ manȱ sichȱ nachȱ Analogienȱ um,ȱ trittȱ vorȱ allemȱ Psȱ 102ȱ hervor,ȱ derȱ eineȱ –ȱ allerdingsȱ nichtȱ soȱ glattȱ gefügteȱ –ȱ Kombinationȱ vonȱ KlageȬ lied,ȱDankliedȱundȱZionliedȱdarstellt.ȱZuȱdenkenȱistȱauchȱanȱPsȱ103,ȱeinȱ ausȱ einerȱ Dankliedliturgieȱ hervorgegangenerȱ Text,ȱ vielmehrȱ auchȱ anȱ dieȱAbfolgeȱderȱPsalmenȱ103ȱundȱ104,ȱdieȱinȱähnlicherȱWeiseȱwieȱPsȱ147ȱ eineȱ Dankliedliturgieȱ mitȱ einemȱ Schöpfungshymnus,ȱ dasȱ WassersysȬ temȱderȱNaturȱverherrlichend,ȱfortsetzt.ȱGanzȱsingulärȱistȱalsoȱdieȱGeȬ neseȱ vonȱ Psȱ 147ȱ nicht.ȱ Esȱ gibtȱ zuȱ seinerȱ Entstehungsgeschichteȱ dochȱ einigeȱParallelen.ȱȱ Schonȱ dasȱ Fragmentȱ Cȱ mitȱ derȱ Zuspitzungȱ seinerȱ theologischenȱ Aussageȱ aufȱ dasȱ wirkendeȱ Wortȱ Gottesȱ gehtȱ überȱ Psȱ 104ȱ hinaus,ȱ derȱ diesesȱGrundmotivȱnichtȱkennt.ȱInȱdiesemȱPunktȱstehtȱesȱPsȱ33ȱ(V.ȱ4–9)ȱ nahe.ȱManȱkönnteȱanȱeineȱzusammenfassendeȱParaphraseȱbeiderȱTexteȱ denken,ȱwennȱnichtȱdasȱFragmentȱdochȱgewichtigeȱeigeneȱMotiveȱbieȬ tenȱwürde,ȱwieȱz.ȱB.ȱdieȱgöttlicheȱArbeitȱmitȱdenȱSternenȱoderȱdasȱGeȬ frierenȱundȱAuftauenȱdesȱWassers.ȱDieserȱSkopusȱbestimmtȱdennȱauchȱ denȱ neuenȱ Psalmȱ 147ȱ undȱ gibtȱ ihmȱ denȱ besonderenȱ Charakterȱ einerȱ theologischenȱBelehrung.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14ȱ Vgl.ȱE.ȱZenger,ȱ„DurchȱdenȱMundȱeinesȱWeisen“ȱ(2003),ȱ139–155.ȱ

ȱ

VI.ȱ

167ȱ

VI.ȱ DieȱPsalterüberlieferungȱbietetȱfürȱPsȱ147ȱvierȱverschiedeneȱPositionen:ȱ 1.ȱ DieȱmasoretischeȱAnordnungȱstelltȱPsȱ147ȱinȱdenȱKontextȱderȱkleiȬ nenȱ Sammlungȱ vonȱ Hymnen,ȱ dieȱ mitȱ demȱ Lobrufȱ Hallelujaȱ litȬ urgischȱ gerahmtȱ sind:ȱ …146–147–148–149–150,ȱ inȱ sinnvollȱ geordȬ neterȱAbfolge.ȱ 2.ȱ Dieȱ griechischeȱ Übersetzungȱ derȱ LXXȱ undȱ dieȱ Vulgataȱ habenȱ dieȬ selbeȱReihenfolgeȱ wieȱ derȱMT,ȱ teilenȱaberȱ Psȱ 147ȱ inȱzweiȱPsalmenȱ aufȱundȱführtȱPsȱ147,1–11ȱalsȱ146.ȱundȱ147,12–20ȱalsȱ147.ȱPsalm.ȱ 3.ȱ Dieȱ QumranȬHandschriftȱ 4QPsdȱ (Mitteȱ 1.ȱ Jh.ȱa.)ȱ stelltȱ Psȱ 147ȱ zwiȬ schenȱPsȱ106ȱ(?),ȱeinenȱHallelujaȬPsalm,ȱundȱPsȱ104:ȱ…ȱ106(?)–147– 104ȱ…ȱ 4.ȱ Derȱ QumranȬPsalterȱ 11QPsaȱ (Mitteȱ 1.ȱJh.ȱp.)ȱ hatȱ eineȱ ganzȱ andereȱ Reihenfolge.ȱ Erȱ stelltȱ Psȱ 147ȱ zwischenȱ 104ȱ undȱ 105ȱ inȱ derȱ Reihe:ȱȱ …ȱ118–104–147–105–146–148ȱ…ȱDabeiȱkommtȱPsȱ14715ȱnachȱPsȱ104ȱ vorȱ eineȱ Reiheȱ vonȱ HallelujaȬPsalmenȱ (10516–146–148)ȱ zuȱ stehen.ȱ Dieȱ Anordnungȱ trägtȱ vorȱ allemȱ derȱ Verwandtschaftȱ mitȱ Psȱ 104ȱ Rechnung.ȱ Esȱ scheint,ȱ alsȱ obȱ dieȱ Diskussionȱ umȱ dieȱ Prioritätȱ derȱ Anordnungȱ derȱ Psalmenȱ 100–150ȱ imȱ MTȱ nochȱ nichtȱ endgültigȱ abgeschlossenȱ werdenȱ kann.ȱ Inȱ jedemȱ Fallȱ istȱ dieȱ unterschiedlicheȱ Reihenfolgeȱ inȱ denȱ QumȬ ranȬHandschriftenȱ gegenüberȱ demȱ MTȱundȱ auchȱ derȱ LXXȱ bemerkensȬ wert.ȱ Mitȱ derȱ Zuordnungȱ zuȱ denȱ HallelujaȬPsalmenȱ verbindenȱ sieȱ beiȱ ihrerȱSetzungȱdieȱsachlicheȱBeziehungȱzuȱPsȱ104,ȱwährendȱfürȱdieȱAnȬ ordnungȱ inȱ MTȱ undȱ LXXȱ dieȱ Funktionȱ derȱ HallelȬSammlungȱ alsȱ SchlussȬDoxologieȱ wichtigȱ ist.17ȱ Fastȱ hatȱ manȱ denȱ Eindruck,ȱ dassȱ dieȱ klarereȱ Gruppeneinteilungȱ vonȱ MTȱ undȱ LXXȱ späterȱ erfolgtȱ seiȱ alsȱ dieȱ Anordnungȱ inȱ denȱ QumranȬHandschriften,ȱ derenȱ Bestand,ȱ vorȱ allemȱ beiȱ11QPsa,ȱnochȱwenigerȱfestgelegtȱerscheint.ȱȱ Ganzȱ gleich,ȱ wieȱ manȱ dieseȱ Frageȱ entscheidenȱ möchte.ȱ Einȱ ArguȬ mentȱfürȱoderȱgegenȱdieȱadȱhocȬAbfassungȱvonȱPsȱ147ȱlässtȱsichȱdarausȱ nichtȱ gewinnen.ȱ Dennȱ inȱ beidenȱ Fällenȱ istȱ nichtȱ auszuschließen,ȱ dassȱ Psȱ104ȱ derȱ Ausgangspunktȱ einesȱ neuenȱ Psalmsȱ (oderȱ Psalmen)ȱ seinȱ konnte.ȱ Derȱ Gedanke,ȱ derȱ sichȱ darausȱ ableitenȱ ließe,ȱ dassȱ Psȱ 147ȱ inȱ bewussterȱ theologischerȱ Fortführungȱ oderȱ Korrekturȱ vonȱ Psȱ 104ȱȱ entstandenȱwäre,ȱhatȱzwarȱeinigesȱfürȱsich.ȱDochȱistȱauchȱdieseȱFolgeȬ rungȱnichtȱbeweisbar.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 15ȱ Inȱ11QPsaȱistȱPsȱ147ȱohneȱdieȱHallelujaȬRahmungȱüberliefert.ȱȱ 16ȱ LXXȱverbindetȱdasȱHallelujaȱamȱEndeȱvonȱPsȱ104ȱmitȱPsȱ105,ȱderȱimȱMTȱmitȱeinemȱ Hallelujaȱendet.ȱ 17ȱ „Someȱ (asȱ 146–150)ȱ apparentlyȱ playȱ aȱ significantȱ roleȱ inȱ theȱ editorialȱ organizationȱ andȱshapingȱofȱtheȱfinalȱformȱofȱtheȱbook.“ȱVgl.ȱG.ȱW.ȱWilsonȱ193ȱf.ȱ

168ȱ

11.ȱTextgenetischeȱHintergründeȱdesȱ147.ȱPsalmsȱ

Literaturȱ AbeggȱM./Flint,ȱP./Ulrich,ȱE.,ȱTheȱDeadȱSeaȱBible,ȱSanȱFranciscoȱ1999.ȱ AlonsoȬSchökel,ȱL.,ȱAȱManualȱofȱHebrewȱPoetics,ȱSubBiȱ11,ȱRomaȱ1988.ȱ Flint,ȱP.ȱW.,ȱTheȱDeadȱSeaȱPsalmsȱScrollsȱandȱtheȱBookȱofȱPsalms.ȱStudiesȱonȱtheȱ TextsȱofȱtheȱDesertȱofȱJudahȱXVII,ȱLeiden/NewȱYork/Kölnȱ1997.ȱ Gillingham,ȱS.ȱE.,ȱPsalmsȱthroughȱtheȱCenturiesȱI,ȱOxfordȱ2008.ȱ Kratz,ȱR.ȱG.,ȱDieȱGnadeȱdesȱtäglichenȱBrots.ȱSpäteȱPsalmenȱaufȱdemȱWegȱzumȱ Vaterunser,ȱZThKȱ89ȱ(1992)ȱ1–40ȱ(13–25.35–40).ȱ Steck,ȱ O.ȱH.,ȱ Dieȱ Prophetenbücherȱ undȱ ihrȱ theologischesȱ Zeugnis.ȱ Wegeȱ derȱ NachfrageȱundȱFährtenȱzurȱAntwort,ȱTübingenȱ1996.ȱ Ulrich,ȱ E.ȱ etȱ al.,ȱ Qumranȱ Caveȱ 4.ȱ XI:ȱ Psalmsȱ toȱ Chronicles,ȱ DJDȱ XVI,ȱ Oxfordȱ 2000.ȱ Vosberg,ȱ L.,ȱ Studienȱ zumȱ Redenȱ vomȱ Schöpferȱ inȱ denȱ Psalmen,ȱ BEvThȱ 69,ȱ Münchenȱ1975.ȱ Wilson,ȱG.ȱH.,ȱTheȱEditingȱofȱtheȱHebrewȱPsalter,ȱSBL.DSȱ76,ȱChicoȱ1985.ȱ

ȱ

ȱ

12.ȱKriseȱderȱGeschichte.ȱ GeschichtstheologischeȱAspekteȱ imȱMoseliedȱDtȱ32ȱ ȱ ȱ DieȱinȱdieserȱGeschichtsdarstellungȱhervorstechendeȱReduktionȱdesȱinȱ WirklichkeitȱdochȱsehrȱvielgestaltigenȱVersagensȱanȱJahweȱaufȱdieȱeineȱ Versündigungȱ gegenȱdasȱ1.ȱGebotȱverrätȱeineȱdeutlicheȱAbhängigkeitȱ vonȱ einerȱ theologischȱ schonȱ sehrȱ standardisiertenȱ GeschichtsbeȬ trachtung.ȱ (GerhardȱvonȱRadȱzuȱDtȱ32)ȱ

ȱ ȱ 18Ȭmal,ȱwennȱichȱrichtigȱgezähltȱhabe,ȱverwendetȱGerhardȱvonȱRadȱinȱ seinerȱ Auslegungȱ desȱ Moseliedes1ȱ Dtȱ 32ȱ denȱ Begriffȱ „Geschichte“ȱ mitȱ seinenȱZusammensetzungenȱundȱAbleitungen.ȱZeichenȱdafür,ȱdassȱderȱ BegriffȱfürȱseinȱVerständnisȱdiesesȱTextesȱsehrȱwichtigȱwar.ȱEsȱgehtȱmirȱ inȱ dieserȱ Studie,ȱ dieȱ ichȱ alsȱ kleineȱ Gabeȱ demȱ verehrtenȱ Kollegenȱ undȱ liebenȱFreundȱJoachimȱConradȱmitȱgutenȱWünschenȱzuȱseinemȱ70.ȱGeȬ burtstagȱ widmenȱ möchte,ȱ nichtȱ darum,ȱ dieȱ Verwendungȱ desȱ Begriffȱ derȱ Geschichteȱ beiȱ Gerhardȱ vonȱ Radȱ zuȱ hinterfragen,ȱ obwohlȱ esȱ reizȬ vollȱ wäre,ȱ dieȱ verschiedenenȱ Facettenȱ seinerȱ Verwendungȱ nachzuȬ zeichnen.ȱ Ichȱ möchteȱ vielmehrȱ –ȱ demȱ Rahmenthemaȱ entsprechendȱ –ȱ denȱFragenȱnachgehen,ȱdieȱsichȱangesichtsȱeinesȱsoȱweiträumigenȱTexȬ tesȱwieȱDtȱ32ȱzumȱThemaȱGeschichteȱaufdrängen.ȱInȱwelcherȱPerspekȬ tiveȱwirdȱdieȱGeschichteȱgesehen?ȱDabeiȱsindȱbestimmteȱVorfragenȱzuȱ behandeln,ȱ alsȱ daȱ sind:ȱ Dieȱ Frageȱ nachȱ Herkunftȱ undȱ Geschichteȱ desȱ Textes,ȱ nachȱ denȱ sprachlichenȱ Mittelnȱ derȱ Darstellungȱ derȱ Geschichteȱ alsȱ Urgeschichteȱ undȱ alsȱ Geschichteȱ Israels,ȱ nachȱ derȱ Bedeutungȱ derȱ „standardisiertenȱGeschichtsbetrachtung“,ȱnachȱderȱEigenartȱderȱtheoȬ logischenȱGeschichtsdeutungȱinȱdiesemȱText.ȱEsȱistȱzuȱwünschen,ȱdassȱ damitȱauchȱaufȱdasȱgewaltigeȱcanticumȱcygneumȱMosisȱ(MosesȱSchwanenȬ gesang),ȱaufȱjenenȱbedeutsamenȱText,ȱderȱnichtȱnurȱwegenȱseinesȱerhebȬ lichenȱ Umfangsȱ einȱ „Felsblock“ȱ undȱ zudemȱ einȱ Findlingȱ zuȱ nennenȱ wäre,ȱwenigstensȱpartiellȱeinȱwenigȱLichtȱfällt.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ

G.ȱvonȱRad,ȱDasȱfünfteȱBuchȱMose,ȱDeuteronomium,ȱATDȱ8,1964,ȱ136–144ȱ(Zitatȱ141).ȱ

170ȱ

12.ȱKriseȱderȱGeschichteȱ

I.ȱ Dieȱ ältereȱ Forschungȱ hatȱ großeȱ Anstrengungenȱ unternommen,ȱ Dtȱ 32ȱ nachȱ seinerȱ Herkunftȱ zuȱ bestimmenȱ undȱ vorȱ allemȱ zuȱ datieren.ȱ StellȬ vertretendȱzuȱnennenȱwärenȱdieȱStudienȱvonȱKarlȱBuddeȱ(1920)2,ȱErnstȱ Sellinȱ (1925)3ȱ undȱ Ottoȱ Eißfeldtȱ (1958)4,ȱ dieȱ alsȱ solcheȱ auchȱ Zeugnisseȱ desȱ Scheiternsȱ dieserȱ Fragestellungȱ sind.ȱ Eineȱ einigermaßenȱ wahrȬ scheinlicheȱ Datierungȱ konnteȱ beiȱ allerȱ Müheȱ nichtȱ gefundenȱ werden.ȱ Obwohlȱ dortȱ sehrȱ bestimmteȱ Herkunftsdatenȱ vorgeschlagenȱ undȱ verȬ tretenȱ werden,ȱ hatȱ jedenfallsȱ eineȱ extremeȱ Frühdatierungȱ kaumȱ AnȬ erkennungȱ gefunden.ȱ Immerȱ nochȱ scheintȱ jedesȱ Datumȱ derȱ LiteraturȬ geschichteȱ vomȱ 11.ȱ bisȱ zumȱ 3.ȱ Jahrhundertȱ möglichȱ zuȱ sein.ȱ Ohneȱ dieȱ ganzeȱDiskussionȱaufzunehmen,ȱgehenȱwirȱmitȱderȱspäteren,ȱetwaȱmitȱ demȱNamenȱG.ȱErnestȱWrightȱ(1962)5,ȱJulienȱHarveyȱ(1967)6ȱundȱJamesȱ R.ȱ Bostonȱ (1968)7ȱ zuȱ belegendenȱ Forschung,ȱ undȱ z.ȱT.ȱ auchȱ denȱ jüngeȬ renȱ undȱ jüngstenȱ Arbeiten,ȱ etwaȱ vonȱ Hubertȱ Irsiglerȱ (1990)8,ȱ PaulȱSandersȱ (1996)9ȱ undȱ Matthewȱ Thiessenȱ (2004)10,ȱ davonȱ aus,ȱ dassȱ dieserȱTextȱdasȱErgebnisȱeinerȱlängeren,ȱundȱwohlȱnichtȱunkomplizierȬ tenȱ Überlieferungsgeschichteȱ ist,ȱ dieȱ manȱ methodischȱ amȱ sicherstenȱ stratigraphischȱvomȱgegebenenȱEndtextȱherȱzurückverfolgt.ȱȱ Dabeiȱ istȱ dieȱ Entstehungȱ desȱ jüngstenȱ Stratumsȱ alsȱ solchesȱ amȱ klarstenȱ zuȱ erkennen.ȱ Dieȱ Rezeptionȱ desȱ Textesȱ durchȱ dasȱ DeuteroȬ nomiumȱ(Dt)ȱundȱdieȱProblemeȱdesȱKontextesȱvonȱDtȱ31–34ȱgehörenȱzuȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 2ȱ 3ȱ 4ȱ

K.ȱBudde,ȱDasȱLiedȱMose’sȱDeut.ȱ32ȱerläutertȱundȱübersetzt,ȱTübingenȱ1920.ȱ E.ȱSellin,ȱWannȱwurdeȱdasȱMoseliedȱDtnȱ32ȱgedichtet?ȱZAWȱ43ȱ(1925),ȱ161–173.ȱȱ O.ȱ Eißfeldt,ȱ Dasȱ Liedȱ Mosesȱ Deuteronomiumȱ 32,1–43ȱ undȱ dasȱ Lehrgedichtȱ Asaphsȱ Psalmȱ78ȱsamtȱeinerȱAnalyseȱderȱUmgebungȱdesȱMoseliedes,ȱBerichteȱüberȱdieȱVerȬ handlungenȱ derȱ Sächsischenȱ Akademieȱ derȱ Wissenschaftenȱ zuȱ Leipzigȱ Bd.ȱ 104/5,ȱ Berlinȱ1958.ȱ 5ȱ G.ȱE.ȱ Wright,ȱ Theȱ Lawsuitȱ ofȱ God:ȱ Aȱ FormȬCriticalȱ Studyȱ ofȱ Deuteronomyȱ 32,ȱ in:ȱ B.ȱW.ȱ Andersen/W.ȱ Harrelsonȱ (Eds.),ȱ Israel’sȱ Propheticȱ Heritage,ȱ FSȱ J.ȱ Muilenburg,ȱ NewȱYorkȱ1962,ȱ26–67.ȱ 6ȱ J.ȱ Harvey,ȱ Leȱ plaidoyerȱ prophétiqueȱ contreȱ Israëlȱ aprèsȱ laȱ ruptureȱ deȱ l’alliance,ȱ Étudeȱ d’uneȱ formuleȱ littéraireȱ deȱ l’Ancienȱ Testament,ȱ Studiaȱ 22,ȱ Paris/Montréalȱ 1967,ȱ31–36.ȱ 7ȱ J.ȱR.ȱBoston,ȱTheȱWisdomȱInfluenceȱuponȱtheȱSongȱofȱMoses,ȱJBLȱ87ȱ(1968),ȱ198–202.ȱ 8ȱ H.ȱIrsigler,ȱ Dasȱ Proömiumȱ imȱ Moseliedȱ Dtnȱ 32.ȱ Struktur,ȱ Sprechakteȱ undȱ RedeȬ intentionenȱ vonȱ V.1–3,ȱ in:ȱ M.ȱ Görg/R.ȱ Schulzȱ (Hgg.),ȱ Linguaȱ restitutaȱ orientalis,ȱ FSȱ J.ȱAssfalg,ȱÄATȱ20,ȱWiesbadenȱ1990,ȱ161–174.ȱ 9ȱ P.ȱ Sanders,ȱ Theȱ Provenanceȱ ofȱ Deuteronomyȱ 32,ȱ Leiden/Newȱ York/Kölnȱ 1996,ȱ 199–214.ȱ 10ȱ M.ȱThiessen,ȱTheȱFormȱandȱFunctionȱofȱtheȱSongȱofȱMosesȱ(Deuteronomyȱ32:1–43),ȱ JBLȱ123/3ȱ(2004),ȱ401–424.ȱ

ȱ

I.ȱ

171ȱ

einerȱ derȱ letztenȱ Phasenȱ derȱ Entstehungsgeschichteȱ diesesȱ Textes.ȱ Soȱ bedeutsamȱdieȱIntegrationȱdesȱLiedesȱinȱdenȱKontextȱderȱletztenȱWorteȱ Mosesȱist,ȱwirdȱdochȱmitȱdieserȱVerwendungȱundȱVerwertungȱdesȱTexȬ tesȱ dieȱ Deutungȱ derȱ Schlussredaktionȱ desȱ Deuteronomiums,ȱ desȱ deuȬ teronomistischenȱ Geschichtswerksȱ (dtrȱ G)ȱ oderȱ desȱ Pentateuchsȱ inȱ irȬ gendeinerȱFormȱgreifbar.11ȱDieseȱDeutungȱaberȱistȱzwarȱimȱBlickȱaufȱdieȱ offensichtlichȱ unabhängigeȱ Entstehungȱ undȱ Gestaltungȱ sekundär.ȱ Dasȱ TextkorpusȱscheintȱdurchȱdieseȱSituierungȱnichtȱmehrȱtangiertȱzuȱsein.ȱ GleichwohlȱändertȱsichȱderȱSinnȱdesȱTextesȱdurchȱdieȱVersetzungȱinȱdieȱ Mosezeitȱ undȱ dieȱ Bestimmungȱalsȱ Dichtungȱ Moses.ȱDieȱ Fixierungȱ desȱ StandortsȱderȱRedeȱbestimmtȱdieȱPerspektive.ȱȱ Fasstȱ manȱ dieȱ vordeuteronomischenȱ Phasenȱ desȱ Textesȱ insȱ Auge,ȱ stößtȱmanȱaufȱdieȱStrataȱderȱliterarischenȱEntstehungsgeschichte,ȱdieȱzuȱ bestimmenȱ undȱ einzuordnenȱ schwierigȱ ist.ȱ Hilfreichȱ sindȱ dabeiȱ vorȱ allemȱdieȱneuerenȱArbeitenȱzuȱFormȱundȱGattungȱdesȱMoseliedes.ȱDieȬ seȱstimmenȱimȱErgebnisȱdarinȱüberein,ȱdassȱsieȱverschiedeneȱSchichtenȱ undȱ insofernȱ eineȱ mehrphasigeȱ Entstehungȱ annehmen.ȱ Beiȱ dieserȱ SchichtenanalyseȱspieltȱvorȱallemȱdieȱZäsurȱeineȱRolle,ȱdieȱzwischenȱV.ȱ 25ȱ undȱ V.ȱ 26ȱ erkennbarȱ ist,ȱ wobeiȱ inȱ V.ȱ 26ȱ formalȱ eineȱ zweiteȱ GottesȬ redeȱ beginntȱ undȱ thematischȱ dieȱ Darstellungȱ sichȱ derȱ Gegenwartȱ undȱ Zukunftȱzuwendet.ȱVorȱallemȱvonȱG.ȱErnestȱWrightȱwurdeȱdieȱEinsichtȱ erarbeitetȱ undȱ vonȱ Matthewȱ Thiessenȱ neuerdingsȱ aufgenommen,ȱ dassȱ dieȱ Zäsurȱ auchȱ eineȱ Veränderungȱ derȱ literarischenȱ Gattungȱ anzeigt,ȱ insofernȱ alsȱ dieȱ vonȱ ihmȱ bisȱ zuȱ dieserȱ Zäsurȱ angenommeneȱ GerichtsȬ redeȱ (Rib)ȱ inȱ Formȱ einerȱ Selbstredeȱ Gottesȱ mitȱ „theologischen“ȱ ErwäȬ gungenȱ universellerȱ Artȱ weitergeführtȱ wirdȱ undȱ inȱ demȱ monotheistiȬ schenȱBekenntnisȱinȱVV.ȱ39ȱff.ȱgipfelt,ȱdasȱmitȱdenȱAussagenȱvonȱVV.ȱ8ȱf.ȱ undȱ 43ȱ (inȱ derȱ SeptuagintaȬȱ undȱ derȱ QumranȬFassung)ȱ kontrastiert.ȱ Dieseȱ neuestenȱ Analysenȱ sprechenȱ hierȱ vonȱ Erweiterungȱ undȱ FortȬ schreibung.ȱ Mitȱ denȱ Ergebnissenȱ dieserȱ Untersuchungenȱ scheintȱ mirȱ dieȱ BeȬ obachtungȱletztlichȱkompatibel,ȱdassȱderȱTextȱdesȱMoseliedesȱimȱGanȬ zen,ȱalsoȱvonȱV.ȱ1ȱbisȱV.ȱ43,ȱmitȱwenigenȱAbstrichen,ȱwieȱsieȱbeiȱsolchenȱ poetischenȱ Textenȱ etwaȱ vergleichbarerȱ Psalmenȱ normalȱ zuȱ seinȱ scheiȬ nen,ȱ eineȱ strophischeȱ Strukturȱ aufweist.ȱ Ohneȱ diesȱ hierȱ imȱ Einzelnenȱ nachzuweisen,ȱsindȱzwölfȱStrophenȱanzunehmen,ȱvonȱdenenȱelfȱausȱjeȱ fünfȱVersenȱimȱMaschalȬMetrumȱbestehen.ȱDieȱ1.ȱStropheȱumfasstȱmehrȱ alsȱ5ȱVerse.ȱSieȱistȱoffenbarȱalsȱRahmungȱeingesetztȱundȱverteiltȱsichȱaufȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 11ȱ RedaktionellerȱHerkunftȱistȱdarumȱderȱRahmenȱDtȱ31,16–30ȱ(oderȱauchȱnurȱDtȱ31,30)ȱ undȱDtȱ32,44ȱ(bzw.ȱ32,44–47),ȱdessenȱProblemeȱhierȱnichtȱaufgegriffenȱwerden.ȱVorȱ allemȱgehtȱesȱumȱdasȱProblemȱderȱParallelisierungȱvonȱKUZWȱundȱKU\Y.ȱ

172ȱ

12.ȱKriseȱderȱGeschichteȱ

VV.ȱ1–3ȱundȱV.ȱ43,ȱjeȱnachdem,ȱwelcherȱTextfassungȱmanȱinȱV.ȱ43ȱfolgt.ȱ DerȱVollständigkeitȱhalberȱseiȱdieȱvorausgesetzteȱGliederungȱkurzȱwieȬ dergegeben:ȱȱ Iȱ1–3.43;ȱIIȱ4–6;ȱIIIȱ7–9;ȱIVȱ10–12;ȱVȱ13–14.15ab;ȱVIȱ15*.17–18ȱ(1642);ȱ VIIIȱ 23–25;ȱ IXȱ 26–29;ȱ Xȱ 30–32ȱ (+33);ȱ XIȱ 34.35.37.38bȱ (+36.38a);ȱXIIȱ39–41ȱ(+42).ȱ DieȱeinzelnenȱStrophenȱwerdenȱteilweiseȱauchȱdurchȱpoetischeȱStilȬ formenȱ wieȱ Akrostichien,ȱ Alliterationen,ȱ Assonanzenȱ undȱ andereȱ SeȬ quenzenȱalsȱsolcheȱprofiliert.ȱInȱderȱGesamtstrukturȱkommtȱdasȱpostuȬ lierteȱ Gedichtȱ oderȱ Liedȱ demȱ vonȱ Matthewȱ Thiessenȱ angenommenenȱ Hymnusȱnahe.ȱȱ Daȱ dieseȱ Fassungȱ ihreȱ nächstenȱ Parallelenȱ inȱ denȱ GeschichtspsalȬ menȱ Psȱ 78ȱ undȱ Psȱ 105;ȱ 106ȱ hat,ȱ wirdȱ manȱ dieȱ Herkunftȱ desȱ Gedichtsȱ dortȱ suchen,ȱ woȱ dieȱ Kontexteȱ zuhauseȱ sind.ȱ Dabeiȱ deutetȱ mancherleiȱ daraufhin,ȱ dassȱ derȱ Kontextȱ derȱ primärenȱ undȱ sekundärenȱ AsaphȬ psalmenȱ zeitlichȱ aufȱ exilischeȱ Abkunftȱ undȱ geographischȱ undȱ theoȬ logischȱaufȱBetȬElȱundȱseinȱUmfeldȱverweist.ȱDazuȱpasstȱderȱzuȱBeginnȱ sichtbarȱwerdendeȱweisheitlicheȱCharakterȱderȱDichtung,ȱdieȱsichȱselbstȱ alsȱeineȱ„Lehre“ȱ(MTO)ȱeinführtȱundȱversteht.ȱȱ AnerkenntȱmanȱdieȱParallelitätȱdieserȱTexte,ȱwirdȱvonȱdenȱAsaphȬ Textenȱ hierȱ nochȱ eineȱ weitereȱ Einsichtȱ bedeutsam.12ȱ Esȱ gehörtȱ zumȱ WesenȱderȱAsaphȬTexte,ȱdassȱsieȱälteresȱMaterialȱaufnehmenȱundȱverȬ arbeiten.ȱÄlteresȱMaterialȱheißtȱinȱdiesemȱZusammenhangȱinȱderȱRegel:ȱ vorexilischeȱ Überlieferungen.ȱ Soȱ wäreȱ zuȱ fragen,ȱ obȱ nichtȱ auchȱ Dtȱ 32ȱ alsȱeinȱdenȱAsaphȬPsalmenȱverwandterȱoderȱähnlicherȱTextȱsolcheȱAufȬ arbeitungenȱ erkennenȱ lässt.ȱ Damitȱ aberȱ kommtȱ derȱ ersteȱ Teilȱ desȱ GeȬ dichtsȱinsȱBlickfeld.ȱ WasȱG.ȱErnestȱWrightȱalsȱRibȬRedeȱerkanntȱundȱdargestelltȱhat,ȱalsoȱ VV.ȱ 1–25,ȱ istȱ vonȱ Artȱ undȱ Inhaltȱ vomȱ folgenden,ȱ fortlaufendenȱ Textȱ verschieden,ȱdassȱesȱinȱderȱTatȱnaheȱliegt,ȱhierȱeinenȱälterenȱundȱältesȬ tenȱ Kernȱ desȱ Textesȱ zuȱ finden.ȱ Insofernȱ wirdȱ manȱ mitȱ derȱ Annahmeȱ weiterarbeitenȱkönnen,ȱdassȱwirȱinȱderȱerstenȱHälfteȱdesȱMoseliedesȱaufȱ dieȱ unterstenȱ Schichtenȱ (oderȱ dasȱ Urgestein)ȱ stoßen,ȱ dieȱ offenbarȱ einȬ malȱ inȱ einerȱ bestimmtenȱ Situationȱ ihreȱ festeȱ Funktionȱ gehabtȱ haben,ȱ bevorȱSieȱdannȱvonȱdemȱVerfasserȱdesȱGedichtsȱinȱeinenȱneuenȱKontextȱ gestelltȱwurden.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 12ȱ Vgl.ȱ dazuȱ meinenȱ Beitrag:ȱ Dasȱ „Wir“ȱ inȱ denȱ AsaphȬPsalmen.ȱ Spezifischeȱ Problemeȱ einerȱ Psalmgruppe,ȱ in:ȱ K.ȱ Seybold/E.ȱ Zengerȱ (Hgg.)ȱ Neueȱ Wegeȱ derȱ PsalmenȬ forschung,ȱFSȱW.ȱ Beyerlin,ȱHerdersȱBiblischeȱStudienȱ1,ȱFreiburgȱ1994ȱ(21995),ȱ143– 155ȱ(=ȱStudienȱzurȱPsalmenauslegung,ȱStuttgartȱ1998,ȱ231–243).ȱ

ȱ

II.ȱ

173ȱ

Wieȱ immerȱ manȱ dasȱ imȱ Einzelnenȱ beurteilenȱ mag,ȱ esȱ scheintȱ geȬ botenȱ zuȱ sein,ȱ beiȱ derȱ Arbeitȱ anȱ Dtȱ 32ȱ denȱ sukzessivenȱ EntstehungsȬ prozessȱimȱAugeȱzuȱbehalten,ȱwennȱmanȱdieȱAussagenȱdesȱTextesȱaufȱ ihreȱ Geschichtsbezogenheitȱ untersuchenȱ will.ȱ Dieȱ Standorteȱ ändernȱ sichȱundȱmitȱihnenȱderȱBlickȱaufȱdieȱGeschichte.ȱ

II.ȱ Manȱ wirdȱ mitȱ G.ȱ Ernestȱ Wrightȱ u.ȱa.ȱ annehmenȱ können,ȱ dassȱ dieȱ GeȬ richtsredeȱ imȱ erstenȱ Teilȱ desȱ Textesȱ einenȱ besonderenȱ Sitzȱ imȱ Lebenȱ voraussetzt.ȱ Dieserȱ wirdȱ zeitlichȱ gesehenȱ vorȱ derȱ weisheitlichenȱ GeȬ dichtfassungȱ desȱ mutmaßlichenȱ AsaphȬTextesȱ anzusetzenȱ sein.ȱ Esȱ scheint,ȱdassȱdieȱmeistenȱRibȬTexteȱimȱAltenȱTestamentȱdieȱKatastropheȱ desȱExilsȱinsȱAugeȱfassenȱoderȱvoraussetzen.ȱ Soȱgesehenȱwäreȱauchȱdasȱ fürȱ dasȱ RibȬStratumȱ vonȱ Dtȱ 32ȱ eherȱ anȱ eineȱ frühexilischeȱ alsȱ vorȬ exilischeȱEntstehungȱzuȱdenken.13ȱȱ

1. Nehmenȱ wirȱeinmalȱ an,ȱ esȱ habeȱ imȱ BetȬElȱ derȱ frühnachexilischenȱZeitȱ eineȱ liturgischeȱ Klagefeierȱ stattgefunden,ȱ aufȱ derȱ dieȱ Gerichtsredeȱ geȬ haltenȱ wurde,ȱ vonȱ derȱ inȱ Dtȱ 32,1–25ȱ nochȱ eineȱ Niederschriftȱ erhaltenȱ ist.ȱDieseȱGerichtsredeȱwäreȱwieȱüblichȱvonȱeinemȱprophetischenȱSpreȬ cherȱimȱNamenȱseinesȱGottesȱ(VV.ȱ1.3)ȱvorȱeinemȱalsȱkosmischȱuniverȬ salȱ gedachtenȱ Forumȱ (V.ȱ 1:ȱ Himmelȱ undȱ Erde;ȱ V.ȱ 43:ȱ dieȱ Völkerȱ bzw.ȱ dieȱGöttersöhne)ȱvorgetragenȱ–ȱoderȱfiktivȱalsȱeineȱsolcheȱRedeȱverfasstȱ worden.ȱ Dannȱ aberȱ ergibtȱ sichȱ eineȱ bestimmteȱ Sichtweiseȱ derȱ GeȬ schichte,ȱundȱzwarȱderȱGeschichteȱIsraels,ȱJakobsȱoderȱJeschuruns,ȱebenȱ derȱ Größe,ȱ derenȱ Vergangenheitȱ rückblickendȱ zuȱ beurteilenȱ ist.ȱ Dieȱ Darstellungȱ derȱ Geschichteȱ Israelsȱ geschiehtȱ nachȱ demȱ Maßstabȱ desȱ Kontrastesȱzwischenȱdem,ȱwieȱundȱwasȱJeschurunȱgewesenȱistȱundȱwasȱ darausȱ gewordenȱ istȱ (VV.ȱ 7–15)ȱ undȱ dem,ȱ wieȱ esȱ sichȱ dazuȱ verhaltenȱ hatȱ (VV.ȱ 15–18).ȱ Ausȱ derȱ Aufzählungȱ derȱ Wohltatenȱ seinesȱ Gottesȱ erȬ gebenȱ sichȱ Vorhaltungȱ undȱ Vorwurf.ȱDieȱ Folgeȱ desȱ Ergehensȱistȱ –ȱ geȬ sehenȱ vomȱ Tageȱ derȱ Beurteilungȱ herȱ –ȱ nurȱ logisch,ȱ direkteȱ Ableitung.ȱ Tatȱ undȱ Tatfolgeȱ entsprechenȱ sichȱ (V.ȱ 15bȱ –ȱ V.ȱ 19;ȱ V.ȱ 21).ȱ Inȱ derȱ GeȬ schichteȱdesȱVolkesȱrealisiertȱsichȱeinȱStrafverfahren,ȱbasierendȱaufȱdenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 13ȱ Nochȱ weiterȱ zurückzugehenȱ empfiehltȱ sichȱ nicht,ȱ trotzȱ derȱ offensichtlichenȱ FormȬ gebungȱalsȱRibȬRedeȱvonȱJesȱ1ȱundȱJerȱ2.ȱDochȱgiltȱdieȱFormȱderȱredaktionellenȱKapiȬ telfassung,ȱnichtȱdenȱprophetischenȱRedenȱalsȱsolchen.ȱDieseȱjedochȱliegtȱkaumȱfrüȬ herȱalsȱdieȱexilischeȱZeit.ȱ

174ȱ

12.ȱKriseȱderȱGeschichteȱ

juristischenȱ Denkformenȱ desȱ Talionsrechts.ȱ Diesȱ zuȱ verkünden,ȱ dientȱ dieȱ RibȬRede.ȱ Ihreȱ Geschichtsdarstellungȱ istȱ eklektisch,ȱ aufȱ dieȱ BeȬ urteilungȱkollektivenȱVerhaltensȱkonzentriert.ȱSieȱsetztȱeineȱumfassenȬ deȱÜbersichtȱundȱeinȱkritischesȱUrteilȱvoraus,ȱwieȱesȱProphetenȱoffenȬ barȱ eigenȱ war.ȱ Esȱ gehtȱ nichtȱ umȱ Geschichteȱ alsȱ politisches,ȱ sozioȬ kulturelles,ȱ menschlichesȱ Geschehen,ȱ sondernȱ umȱ dieȱ Geschichteȱ derȱ Gottesbeziehung,ȱwieȱsieȱimȱHorizontȱeinesȱGerichtstagesȱerscheint.ȱSieȱ erklärtȱ aktuelleȱ Gegenwartȱ aufȱ derȱ Basisȱ bestimmterȱ Ereignisseȱ derȱ Vergangenheitȱundȱfordertȱ–ȱauchȱdiesȱistȱprophetischȱ–ȱReaktionen.ȱ

2. Dieseȱ Perspektiveȱ istȱ fürȱ denȱ weisheitlichenȱ Verfasserȱ desȱ StrophenȬ gedichtsȱ bereitsȱ erneutȱ Vergangenheit.ȱ Dieȱ Zeitȱ istȱ weiterȱ fortgeschritȬ ten,ȱ ohneȱ dassȱ esȱ zuȱ demȱ imȱ göttlichenȱ Gerichtsurteilȱ angekündigtenȱ Letztenȱgekommenȱwäreȱ(VV.ȱ20ȱff.).ȱAuchȱimȱExilȱundȱnachȱdemȱExilȱ warȱIsraelȱexistent.ȱAuchȱdurchȱdasȱExilȱwurdeȱ„seinȱGedächtnisȱunterȱ denȱMenschenȱnichtȱausgetilgt“ȱ(V.ȱ26).ȱEsȱbedurfteȱeinerȱNeueinschätȬ zungȱ derȱ neuenȱ Gegenwart.ȱ Vorȱ diesemȱ Hintergrundȱ entstandenȱ dieȱ sog.ȱ Geschichtspsalmenȱ undȱ ebenȱ auchȱ derȱ Psalmȱ Dtȱ 32.ȱ Nunmehrȱ nichtȱimȱUmkreisȱderȱPropheten,ȱsondernȱimȱUmkreisȱderȱLehrerȱundȱ Weisen,ȱwieȱesȱderȱEingangȱdesȱLiedesȱ–ȱparallelȱzuȱPsȱ78,1–3ȱ–ȱdeutlichȱ macht.ȱ Esȱ gehtȱ umȱ Belehrung,ȱ Bewusstseinsbildungȱ aller,ȱ dieȱ ausȱ derȱ GeschichteȱderȱVergangenheitȱzuȱgewinnenȱistȱundȱdieȱGeschichteȱderȱ Zukunftȱbestimmt.ȱ MeineȱLehreȱriesleȱwieȱderȱRegen,ȱ meineȱRedeȱträufleȱwieȱderȱTau,ȱ WieȱRegenschauerȱaufȱdasȱGrünȱ undȱwieȱWassertropfenȱaufȱdasȱGras.ȱ(V.ȱ2)ȱ

Derȱ Lehrerȱ sprichtȱ undȱ derȱ Dichter.ȱ Dieȱ buntenȱ Verseȱ inȱ häufigȱ synoȬ nymenȱ Parallelismenȱ stammenȱ vonȱ diesemȱ Verfasser.ȱ Dieȱ pleroȬ phorischenȱ Aussagenȱ stehenȱ imȱ Diensteȱ poetischȱ expressiver,ȱ oftȱ fastȱ spielerischerȱ Darstellung,ȱ dieȱ verschiedentlichȱ sichȱ gegenȱ Ernstȱ undȱ StrengeȱderȱGottesredeȱ seltsamȱausnimmt.14ȱ Eineȱ andereȱ Zeit,ȱ eineȱ anȬ dereȱRedeform,ȱeineȱandereȱPerspektive.ȱDieȱDarstellungȱderȱGeschichȬ teȱgeschiehtȱmitȱHilfeȱderȱVorlage,ȱdieȱwahrscheinlichȱnachȱneuenȱGeȬ sichtspunktenȱ dichterischȱ ausgestaltetȱ wird.ȱ Vorȱ allemȱ wirdȱ nunȱ dieȱ neuesteȱ Geschichteȱ inȱ denȱ Gesichtskreisȱ einbezogen,ȱ jedochȱ nichtȱ so,ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14ȱ Manȱ leseȱ unterȱ diesemȱ Gesichtspunktȱ etwaȱ dieȱ bilderreichenȱ Zeilenȱ VV.ȱ 10ȱff.ȱ oderȱ dieȱ Aufzählungȱ inȱ VV.ȱ 13ȱff.ȱ mitȱ derȱ Reimsequenzȱ inȱ Vȱ 15aE.ȱ Einȱ ähnlichesȱ PhänoȬ menȱbietetȱsichȱetwaȱinȱdenȱausgemaltenȱDarstellungenȱderȱägyptischenȱPlagenȱvonȱ Psȱ78ȱ(vgl.ȱauchȱPsȱ105;ȱ106).ȱ

ȱ

II.ȱ

175ȱ

dassȱdieȱHeilstatenȱundȱUnheilsfolgenȱderȱVergangenheitȱeinfachȱfortȬ geschriebenȱ würden.ȱ Keineȱ neuenȱ Ereignisseȱ werdenȱ expliziert.ȱ Derȱ VerfasserȱhältȱoffenbarȱanȱdemȱStandortȱderȱGerichtsredeȱfestȱundȱführtȱ dieȱGottesredeȱdurchȱeinenȱumfangreichenȱzweitenȱTeilȱweiterȱ(VV.ȱ26– 41/42).ȱDasȱistȱdeshalbȱmöglich,ȱweilȱdieȱGerichtsredeȱschonȱimȱletztenȱ Teilȱabȱ V.ȱ20ȱ(„Undȱ erȱsprach“)ȱ denȱ Urteilsspruchȱalsȱ IchȬRedeȱ Gottesȱ einbringt.ȱ Soȱ konnteȱ dieseȱ Gottesredeȱ fortgeführtȱ werden.ȱ Sieȱ enthältȱ dieȱretardierendenȱErwägungenȱGottesȱüberȱdasȱeventuellȱfalscheȱBild,ȱ dasȱsichȱdieȱVölker,ȱdenenȱesȱ„anȱRatȱgebrichtȱundȱdieȱohneȱVerstandȱ sind“ȱ (V.ȱ 28),ȱ vonȱ denȱ Vorgängenȱ inȱ Israelȱ machenȱ könnten.ȱ Darausȱ wächstȱ dannȱ derȱ Entschluss,ȱ dasȱ Gerichtȱ nichtȱ anȱ Israel,ȱ vielmehrȱ anȱ dessenȱ Feindenȱ zuȱ vollziehen.ȱ Derȱ Höhepunktȱ istȱ dannȱ dasȱ vonȱ Gottȱ ausgehendeȱSelbstbekenntnis,ȱ dasȱzuȱdenȱ dogmatischenȱ Spitzensätzenȱ desȱAltenȱTestamentsȱgehört:ȱ Sehetȱnun,ȱdassȱich,ȱichȱesȱbin,ȱ undȱkeinȱGottȱnebenȱmirȱist.ȱ(V.ȱ39).ȱ

Derȱ Monotheismusȱ istȱ dieȱ Lehre,ȱ dieȱ dasȱ Gedichtȱ verbreitenȱ will,ȱ zuȬ sammenȱmitȱderȱEinsicht,ȱdassȱdieȱGeschichteȱderȱZukunftȱIsraelsȱalleinȱ vonȱ dieserȱ Erwägungȱ undȱ diesemȱ Entschlussȱ Gottesȱ abhängt,ȱ mithinȱ eineȱ creaturaȱ verbi,ȱ ebenȱ desȱ inȱ diesemȱ Textȱ wiedergegebenenȱ Wortesȱ ist.ȱ Konkretȱ wirdȱ dieseȱ Vorausschauȱ nicht,ȱ esȱ seiȱ denn,ȱ inȱ denȱ –ȱ wohlȱ späterȱ ergänztenȱ –ȱ blutigenȱ Bildern,ȱ mitȱ denenȱ dasȱ Strafgerichtȱ anȱ „Feindenȱ undȱ Hassern“ȱ vollzogenȱ wirdȱ (VV.ȱ 41.42).ȱ Innerhalbȱ derȱȱ Gottesredeȱ wandeltȱ sichȱ dieȱ Perspektiveȱ vonȱ derȱ Vergangenheitȱ zurȱ Zukunft.ȱ

3. Wennȱ dieȱ Redaktionȱ desȱ Deuteronomiums,ȱ desȱ dtrȱ Geschichtswerksȱ oderȱ desȱ Pentateuchsȱ oderȱ eineȱ eventuelleȱ Endredaktionȱ nunȱ diesesȱ theologischeȱ Lehrgedichtȱ undȱ Liedȱ „zurȱ Gänze“ȱ (31,30)ȱ inȱ denȱ Mundȱ Mosesȱlegt,ȱverpflanztȱsieȱdiesenȱTextȱinȱdieȱVergangenheitȱderȱMoseȬ zeitȱundȱverändertȱaufȱdieseȱWeiseȱnochȱeinmalȱdieȱPerspektiveȱgrundȬ sätzlich.ȱDennȱjetztȱwirdȱdieserȱTextȱzurȱWeissagung.ȱDennȱzuȱdiesemȱ Zeitpunktȱ hätteȱ derȱ historischeȱ Moseȱ zwarȱ aufȱ dieȱ Erwählungȱ seinesȱ VolkesȱinȱderȱgöttlichenȱUrzeitȱ(VV.ȱ8ȱf.)ȱundȱbestenfallsȱaufȱdieȱAuffinȬ dungȱ Jakobsȱ inȱ derȱ Wüsteȱ (VV.ȱ 10ȱff.)ȱ alsȱ Ereignisȱ zurückblickenȱ könȬ nen.ȱ Allesȱ weitereȱ aber,ȱ wasȱ mitȱ denȱ Stichwortenȱ Landgabe,ȱ Absageȱ undȱ Verwerfungȱ angedeutetȱ wirdȱ (VV.ȱ 13ȱff.),ȱ warȱ vonȱ Moseȱ ausȱ geȬ sehenȱ Zukunftsvision.ȱ Moseȱ erscheintȱ mithinȱ alsȱ derȱ Visionärȱ derȱ ZuȬ kunftȱIsraels.ȱSeineȱVisionȱwurdeȱkanonisiertȱ–ȱwohlȱalsȱdieȱVisionȱeiȬ nesȱ Propheten,ȱ wieȱ „hinfortȱ keinerȱ mehrȱ aufstand“,ȱ derȱ „mitȱ JHWHȱ vonȱAngesichtȱzuȱAngesichtȱverkehrte“ȱ(Dtȱ34,10).ȱȱ

176ȱ

12.ȱKriseȱderȱGeschichteȱ

Dtȱ 32ȱ aberȱ wirdȱ durchȱ Moseȱ zurȱ apokalyptischenȱ Geschichtsschau.ȱ GeschichteȱinȱFormȱvonȱWeissagung.ȱȱ

III.ȱ Derȱ vonȱ Gerhardȱ vonȱ Radȱ imȱ Blickȱ aufȱ Dtȱ 32ȱ geprägteȱ Begriffȱ derȱ „standardisiertenȱGeschichtsbetrachtung“ȱwirktȱanregendȱundȱherausȬ forderndȱ zugleich.ȱ Bezogenȱ istȱ erȱ zunächstȱ aufȱ dieȱ Beurteilungȱ vonȱ Ereignissenȱ undȱ Entwicklungenȱ derȱ Richterzeitȱ sowieȱ vorȱ allemȱ derȱ KönigeȱinȱdenȱbeidenȱReichen,ȱwelcheȱinȱdenȱKönigsbüchernȱdurchgeȬ hendȱ einerȱ „standardisierten“ȱ Beurteilungȱ nachȱ demȱ erstenȱ Gebotȱ unȬ terzogenȱ werden.ȱ Dasȱ Urteil,ȱ dasȱ bekanntermaßenȱ meistȱ negativȱ ausȬ fällt,ȱ wirdȱ imȱ Allgemeinenȱ derȱ dtrȱ Geschichtsdeutungȱ zugeschrieben,ȱ worausȱ dannȱ zuȱ schließenȱ wäre,ȱ dassȱ dieȱ kritischenȱ Standardsȱ imȱ BeȬ reichȱ derȱ dtrȱ Theologieȱ derȱ exilischenȱ Epocheȱ entwickeltȱ undȱ angeȬ wendetȱwurden.ȱSofernȱDtȱ32ȱinȱderȱNäheȱdieserȱTheologieȱanzusiedelnȱ ist,ȱistȱderȱTextȱsicherlichȱauchȱvonȱdaherȱbeeinflusst.ȱDerȱAbfallȱIsraelsȱ vonȱdemȱGottȱderȱErwählungȱzuȱanderenȱGötternȱistȱderȱHauptanklaȬ gepunktȱ derȱProzessrede.ȱDasȱ entsprichtȱ demȱ Standardȱ dtrȱ Theologie.ȱ ZuȱdenȱtheologischenȱStandardsȱwirdȱmanȱauchȱdieȱgrundlegendeȱVoȬ raussetzungȱ einerȱ Beurteilungȱ derȱ Geschichteȱ zählenȱ können,ȱ dassȱ nämlichȱ derȱVerlaufȱderȱGeschichteȱ Israelsȱ–ȱ undȱ dochȱ wohlȱauchȱ derȱ Verlaufȱ derȱ Weltgeschichteȱ –ȱ vonȱ denȱ Aktionenȱ undȱ Reaktionenȱ desȱ Schöpfergottesȱ abhängigȱ sind,ȱ derȱ ihnȱ nachȱ seinemȱUrteilȱsteuert.ȱ Dasȱ zumindestȱistȱdasȱErbeȱderȱklassischenȱProphetie.ȱUndȱauchȱdasȱgehörtȱ zuȱ denȱ Traditionenȱ derȱ Geschichtsbetrachtung,ȱ dassȱ mitȱ demȱ InstruȬ mentȱ derȱ RibȬRedeȱ inȱ derȱ kultischenȱ Verwurzelungȱ einerȱ Klagefeierȱ sowohlȱeinȱMittelȱderȱAnmahnungȱderȱfürȱIsraelȱgültigenȱStandardsȱimȱ Prozessȱ derȱ Gottesbeziehungȱ alsȱ auchȱ einȱ Mediumȱ fürȱ dieȱ ÜberȬ lieferungȱeinerȱentsprechendenȱkritischenȱSichtȱausȱderȱPerspektiveȱdesȱ GottesȱderȱErwählungȱgeschaffenȱwar.ȱWennȱdieȱZusammenstellungenȱ solcherȱ RibȬTexte,ȱ z.ȱB.ȱ durchȱ Julienȱ Harvey15,ȱ inȱ etwaȱ zutreffendȱ ist,ȱ könnteȱmanȱanȱeineȱnachprophetischeȱEntwicklungȱdenken,ȱinȱderȱsichȱ dieȱprophetischenȱKriterienȱbewahrtȱhaben.ȱ Sovielȱ anȱ Übereinstimmungȱ mitȱ einerȱ „standardisiertenȱ GeȬ schichtsbetrachtung“ȱ magȱ zunächstȱ gesehenȱ undȱ anerkanntȱ werden,ȱ wennȱnunȱaberȱauchȱwesentlichȱdifferenzierterȱvonȱdenȱBesonderheitenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 15ȱ J.ȱ Harvey,ȱ Leȱ plaidoyerȱ prophétique,ȱ vgl.ȱ auchȱ H.ȱB.ȱ Huffmon,ȱ Theȱ Covenantȱ LawȬ suitȱinȱtheȱProphets,ȱJBLȱ78ȱ(1959),ȱ285–295.ȱ

ȱ

III.ȱ

177ȱ

derȱGeschichtsdeutungȱvonȱDtȱ32ȱdieȱRedeȱseinȱmuss.ȱSieȱbetreffenȱdieȱ folgendenȱPunkte:ȱ 1.ȱ Dieȱ Verfasserȱ derȱ einzelnenȱ Textschichtenȱ blickenȱ unterschiedlichȱ aufȱdieȱGeschichteȱIsraels.ȱDerȱRibȬTextȱmisstȱdenȱZustandȱderȱseiȬ nerzeitigenȱGegenwartȱanȱdemȱZustandȱderȱGottesbeziehungȱIsraȬ els,ȱdieȱalsȱausschließlicheȱgedachtȱwar;ȱderȱLehrȬTextȱmisstȱihnȱanȱ derȱ Theologieȱ desȱ theoretischenȱ Monotheismus;ȱ derȱ MoseȬTextȱ anȱ demȱOrtȱimȱvaticiniumȱmitȱseinerȱprinzipiellenȱHeilserwartung.ȱ 2.ȱ Dieȱ Erwählungȱ wirdȱ alsȱ urzeitlicherȱ Anfangȱ undȱ DMUFKYderȱ GeȬ schichteȱ Jakobs/Israels/Jeschurunsȱ ziemlichȱ singulärȱ dargestellt.ȱ Dasȱ giltȱ sowohlȱ fürȱ dieȱ Verteilungȱ derȱ einzelnenȱ Völkerȱ unterȱ dieȱ „Gottessöhne“ȱwieȱfürȱdieȱErwählungȱIsraelsȱinȱderȱWüste,ȱdieȱdemȱ geläufigenȱ Bildȱ derȱ PatriarchenȬȱ undȱ derȱ ExodusȬȱ undȱ SinaiȬ traditionȱnichtȱentspricht.ȱ 3.ȱ DieȱverkürzteȱDarstellungȱderȱtraditionellenȱGeschichtsepochenȱimȱ LiedȱentsprichtȱnichtȱderȱkanonischenȱFolgeȱderȱPentateuchthemenȱ (wasȱauchȱvonȱdenȱGeschichtspsalmenȱgilt).ȱ 4.ȱ DieȱVerwerfungȱwirdȱpauschalȱalsȱFolgeȱderȱLandgabeȱdargestellt,ȱ daȱ Jeschurunȱ „fettȱ undȱ bequem“ȱ gewordenȱ war.ȱ Dieȱ Zuwendungȱ zuȱ denȱ bisherȱ unbekanntenȱ „Dämonen“ȱ undȱ denȱ neuenȱ Götternȱ „ausȱderȱNähe“ȱ(V.ȱ17)ȱbetontȱeineȱneueȱNuanceȱgegenüberȱderȱsteȬ reotypenȱDarstellungȱdesȱdtrȱGeschichtswerks,ȱdasȱformelhaftȱvonȱ derȱSündeȱJerobeamsȱspricht.ȱ 5.ȱ Dieȱ Straffolgeȱ nachȱ demȱ Urteilȱ derȱ Gerichtsredeȱ istȱ nurȱ vageȱ beȬ schriebenȱ undȱ imȱ Sinneȱ derȱ Prophetenȱ nachȱ derȱ iusȬtalionisȬLogikȱ nurȱ angedeutet.ȱ Dasȱ Rätselȱ umȱ dasȱ UnȬVolkȱ machtȱ diesȱ deutlichȱ (V.ȱ21).ȱ 6.ȱ Einzelpersonenȱ wieȱ dieȱ Königeȱ werdenȱ nichtȱ verantwortlichȱ geȬ macht.ȱ 7.ȱ DieȱGeschichteȱderȱZukunftȱmitȱinnerenȱÜberlegungenȱzurȱWürdeȱ derȱ Gottheitȱ istȱ damitȱ theologischȱ begründetȱ undȱ besserȱ gesichertȱ alsȱ imȱ dtrȱ Geschichtswerk,ȱ dasȱ jaȱ amȱ Endeȱ mitȱ derȱ Begnadigungȱ KönigȱJojachinsȱnurȱeinenȱSilberstreifenȱamȱHorizontȱandeutenȱsoll.ȱ Dieseȱ Differenzierungenȱ sprechenȱ dafür,ȱ dassȱ fürȱ dieȱ Entstehungȱ desȱ MoseliedtextesȱdochȱeineȱjeȱbesondereȱVerfasserschaftȱanzunehmenȱist,ȱ dieȱ einȱ sehrȱ eigenwilligesȱ theologischesȱ Denkenȱ verrät.ȱ Sieȱ stehtȱ erȬ kennbarȱ demȱ innerenȱ Kreisȱ derȱ theologischenȱ Traditionȱ derȱ Asaphpsalmen,ȱ Pssȱ 50;ȱ 81;ȱ 82ȱ sowieȱ Pssȱ 78;ȱ 105;ȱ 106ȱ näherȱ alsȱ derȱ dtrȱ Einheitstheologie.ȱȱ

178ȱ

12.ȱKriseȱderȱGeschichteȱ

IV.ȱ WasȱaberȱwusstenȱdieȱVerfasserȱdesȱLiedkomplexesȱüberhauptȱvonȱderȱ GeschichteȱIsraels?ȱUndȱwieȱstellenȱsieȱdieseȱdar?ȱDiesenȱFragenȱwollenȱ wirȱunsȱnunmehrȱwidmen.ȱȱ Dieȱ imȱ Moseliedȱ erwähntenȱ Epochenȱ derȱ inȱ seinerȱ Sichtȱ verȬ gangenenȱ Geschichteȱ Israelsȱ (unterȱ Einschlussȱ derȱ nachträglichȱ soȬ zusagenȱ vatiziniertenȱ Entwicklungen)ȱ sindȱ pauschalȱ gesprochenȱ dieȱ Urgeschichte,ȱ dieȱ Wüstenzeit,ȱ dieȱ Etablierungȱ imȱ Landȱ (LandȬ nahmezeit)ȱ undȱ dieȱ BedrohungȱundȱUnterwerfungȱdurchȱfremdeȱ VölȬ ker.ȱAlleȱanderenȱEreignisse,ȱsofernȱesȱnachȱdemȱbeschlossenenȱUnterȬ gangȱnochȱeinȱIsraelȱalsȱVolkȱGottesȱgebenȱsollteȱ(VV.ȱ26ȱff.),ȱsindȱselbstȱ fürȱ dieȱ RibȬRedeȱ Geschehenȱ inȱ derȱ Zukunft,ȱ derenȱ Richtungȱ nurȱ sehrȱ allgemeinȱangegebenȱwerdenȱkann.ȱ ZunächstȱaberȱgehtȱesȱumȱdieȱEpochenȱderȱVergangenheit.ȱVerganȬ genheitȱalsȱgescheheneȱGeschichteȱkannȱerzähltȱwerden.ȱDieȱErzählungȱ istȱdasȱsprachlichȬliterarischeȱMediumȱderȱGeschichtsdarstellung.ȱȱ Nunȱ istȱ esȱ interessantȱ zuȱ sehen,ȱ dassȱ dasȱ Gedichtȱ beiȱ derȱ DarȬ stellungȱ derȱ verschiedenenȱ Epochenȱ derȱ Vergangenheitȱ sichȱ unterȬ schiedlicherȱ Zeitbegriffeȱ undȱ Tempusformenȱ bedient.ȱ Dieȱ Stropheȱ IIIȱ vonȱVV.ȱ7–9ȱbefasstȱsichȱmitȱderȱUrgeschichte.ȱSieȱnenntȱdieseȱEpocheȱ „Tageȱ derȱ Urzeit“ȱ16,ȱ charakterisiertȱ sieȱ alsȱ dieȱ Zeitȱ derȱ Weltaufteilungȱ durchȱdenȱhöchstenȱGottȱundȱgibtȱinsofernȱeineȱErgänzungȱderȱbiblischȱ bezeugtenȱ Urgeschichteȱ inȱ Genȱ 1–11,ȱ alsȱ dasȱ darzustellendeȱ epochaleȱ EreignisȱderȱVerteilungȱderȱWeltvölkerȱaufȱdieȱ„Gottessöhne“ȱ17ȱsichȱanȱ dieȱ Völkertafelȱ (Genȱ 10)ȱ oderȱ dieȱ Entstehungȱ derȱ Sprachenȱ inȱ derȱ Turmbaugeschichteȱ (Genȱ 11)ȱ anschließt.ȱ Dieseȱ ’ôlamȬZeitȱ istȱ eigentlichȱ dieȱ Zeitȱ derȱ Götter,ȱ dieȱ Zeitȱ derȱ Organisationȱ derȱ Grundlagenȱ derȱ geȬ schaffenenȱ Welt,ȱ eigentlichȱ dasȱ Feldȱ desȱ existenzbegründendenȱ MyȬ thos.ȱ Solcheȱ Mythenȱ oderȱ Erzählungenȱ vonȱ derȱ Urgeschichteȱ sindȱ esȱ dennȱ auch,ȱ dieȱ dasȱ Gedichtȱ denȱ „Vätern“ȱ undȱ „Alten“ȱ zuerkennt.ȱ Sieȱ tragenȱ dieȱ Überlieferungȱ derȱ Urzeitgeschichten.ȱ Manȱ mussȱ dieȱ AltȬ vordernȱ fragen,ȱ dannȱ werdenȱ sieȱ davonȱ erzählen.ȱ Dasȱ stimmtȱ mitȱ derȱ ParallelstelleȱinȱPsȱ78ȱinsoweitȱüberein,ȱalsȱdortȱinȱVV.ȱ3ȱf.ȱexplizitȱvonȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 16ȱ DerȱfeminineȱPluralȱdeutetȱwohlȱdieȱBesonderheitȱdieserȱUrzeittageȱ(Einzelplural)ȱan.ȱ 17ȱ Esȱ kannȱ alsȱ sicherȱ gelten,ȱ dassȱ derȱ ursprünglicheȱ Textȱ inȱ V.ȱ 8ȱ nachȱ 4QDtqȱ undȱ denȱ Versionenȱsoȱgelautetȱhat:ȱ ODH\QEȱ–ȱspäterȱaberȱwieȱV.ȱ43ȱimȱmasoretischenȱTextȱalsȱ anstößigȱ empfundenȱ undȱ zuȱ „Söhnenȱ Israels“ȱ korrigiertȱ wurde.ȱVgl.ȱ R.ȱ Meyer,ȱ Dieȱ BedeutungȱvonȱDeuteronomiumȱ32,6ȱf.43ȱ(4Q)ȱfürȱdieȱAuslegungȱdesȱMoseliedes,ȱin:ȱ A.ȱKuschkeȱ (Hg.),ȱVerbannungȱundȱHeimkehr,ȱFSȱW.ȱ Rudolph,ȱTübingenȱ1961,ȱ197– 209;ȱ P.ȱW.ȱ Skehan,ȱ Aȱ Fragmentȱ ofȱ theȱ „Songȱ ofȱ Moses“ȱ (Dtnȱ 32)ȱ fromȱ Qumran,ȱ BASORȱ136,ȱ1954,ȱ12–15.ȱ

ȱ

IV.ȱ

179ȱ

derȱerzählendenȱÜberlieferungȱderȱGroßtatenȱGottesȱ–ȱallerdingsȱdannȱ derȱinȱderȱFrühzeitȱIsraelsȱ–ȱdieȱRedeȱist.ȱErzählenȱ(USVȱpi.),ȱauchȱvonȱ derȱ Urzeit,ȱ istȱ Sacheȱ derȱ Väter.ȱ Auchȱ wirdȱ nunȱ gleichȱ danachȱ inȱ 32,8ȱ derȱInhaltȱeinerȱsolchenȱErzählungȱkurzȱundȱknappȱwiedergegeben:ȱ AlsȱderȱHöchsteȱdieȱVölkerȱverteilteȱȱ undȱdieȱMenschenkinderȱschied,ȱ BestimmteȱerȱdieȱGrenzenȱderȱNationenȱ nachȱderȱZahlȱderȱGottessöhneȱ(MT:ȱSöhneȱIsraels).ȱ

Merkwürdigerweiseȱ begegnetȱ hierȱ nurȱ einȱ Verbumȱ finitumȱ (E[Qȱ hi.ȱ „bestimmen,ȱ aufstellen“).ȱ Esȱ stehtȱ fürȱ dieȱ zusammenfassendeȱ DarstelȬ lungȱderȱUrzeitȱimȱreinenȱImperfekt.ȱDochȱgiltȱinȱdiesemȱGedichtȱauchȱ dasȱ reineȱ Imperfektȱ nebenȱ demȱ konsekutivenȱ Imperfektȱ ohneȱ erkennȬ barenȱ Unterschiedȱ offenbarȱ archaisierendȱ alsȱ Erzähltempus.18ȱ Überallȱ sonstȱ sindȱ dieȱ biblischenȱ Mythenȱ oderȱ Urgeschichtenȱ imȱ großenȱ GanȬ zenȱimȱkonsekutivenȱImperfektȱundȱNarrativȱgehalten.ȱ AuffälligȱistȱdieȱsparsameȱSetzungȱderȱVerbalformenȱinȱStropheȱIII,ȱ ganzȱimȱGegensatzȱzuȱStropheȱIV.ȱImȱSinneȱderȱZusammenfassungȱdesȱ ErgebnissesȱeinesȱGeschehensȱistȱauchȱderȱdieȱStropheȱabschließendeȱV.ȱ 9ȱalsȱNominalsatzȱkonzipiert:ȱ AberȱderȱAnteilȱJHWHsȱwarȱ(ist)ȱseinȱVolk,ȱ JakobȱdasȱLosȱseinesȱEigentums.ȱ

Urzeitlichesȱ Geschehenȱ mitȱ bleibenden,ȱ grundlegendenȱ EntscheidunȬ genȱdesȱHöchsten,ȱdasȱdieȱnachfolgendenȱZeitenȱderȱMenschheitȱmaßȬ geblichȱ bestimmt.ȱ Urzeitȱ istȱ dieȱ Zeitȱ derȱ Schöpfungȱ undȱ Gestaltung19,ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 18ȱ Vgl.ȱvorȱallemȱjetztȱJ.ȱTropper,ȱAlthebräischesȱundȱsemitischesȱAspektsystem,ȱZAHȱ 11ȱ(1998),ȱ153–190.ȱ 19ȱ DieȱFrageȱscheintȱmirȱungeklärt,ȱ obȱnichtȱdieȱominöseȱGottesbezeichnungȱinȱDtȱ32:ȱ UZ[Kȱ„derȱFels“ȱeinȱmasoretischesȱMissverständnisȱist.ȱ„Fels“ȱistȱhierȱgebrauchtȱwieȱ einȱ Gottesepitheton,ȱ abhängigȱ vonȱ einerȱ nichtȱ mehrȱ sicherȱ eruierbarenȱ GottesȬ bezeichnung,ȱdieȱsichȱnochȱinȱeinigenȱEigennamenȱerhaltenȱhat,ȱwieȱz.ȱB.ȱUZ[$W\Eȱ(Josȱ 15,58),ȱ UZ[KGS(Numȱ1,10),ȱ UZ[\ODȱ(Numȱ1,5).ȱZwarȱistȱsemantischȱkeinȱgroßerȱUnȬ terschied,ȱobȱmanȱ„Fels“ȱnochȱalsȱMetapherȱoderȱabgeblasstȱalsȱTitelȱversteht.ȱBeidesȱ istȱ bezeugt:ȱ vgl.ȱ 2.ȱ Samȱ 22,3.32.47ȱ par.;ȱ 2.ȱ Samȱ 23,3;ȱ 1.ȱ Samȱ 2,2ȱ u.ȱa.ȱ Dasȱ NebenȬ einanderȱmitȱdemȱNomenȱ„Fels“ȱwirktȱindesȱinȱDtȱ32ȱmerkwürdigȱ(vgl.ȱV.ȱ13ȱundȱV.ȱ 18;ȱV.ȱ30ȱundȱV.ȱ31ȱz.ȱB.).ȱMüssteȱmanȱnichtȱdieȱSpurȱvonȱC.ȱWiegand,ȱ DerȱGottesnaȬ meȱ UZ[ȱ undȱ seineȱ Deutungȱ inȱ demȱ Sinneȱ Bildnerȱ oderȱ Schöpferȱ inȱ derȱ altenȱ jüdiȬ schenȱ Litteratur,ȱ ZAWȱ 10ȱ (1890),ȱ 85–96,ȱ nochȱ einmalȱ aufnehmenȱ undȱ nachȱ „spätȬ jüdischem“ȱ Vorbildȱ versuchen,ȱ denȱ Terminusȱ vonȱ einerȱ Nebenformȱ desȱ Verbumsȱ U[\ȱ>ȱ UZ[/U\[ȱIVȱabzuleiten,ȱundȱihnȱmitȱStellenȱwieȱPsȱ75,6ȱ;ȱJesȱ45,16;ȱEzȱ43,11ȱalsȱ eineȱältereȱFormȱfürȱdasȱNomenȱ U[Z\ȱ„Schöpfer,ȱBildner“ȱverstehen?ȱDasȱwürdeȱjeȬ denfallsȱzuȱVV.ȱ 4ȱf.;ȱV.ȱ6ȱ undȱVV.ȱ7–9ȱgutȱ passen.ȱVgl.ȱz.ȱB.ȱTHATȱII,ȱ538–543ȱ(A.ȱS.ȱ vanȱderȱWoude).ȱȱ

180ȱ

12.ȱKriseȱderȱGeschichteȱ

undȱ dasȱ Resultatȱ wirdȱ entsprechendȱ imȱ affirmativenȱ Nominalstilȱ festȬ gehalten.ȱ Dieȱ folgendeȱ Stropheȱ IVȱ (VV.ȱ 10–12),ȱ dieȱ vonȱ derȱ Frühzeitȱ Jakobsȱ spricht,ȱ strotztȱ nurȱ soȱ vonȱ reinenȱ Imperfektformen,ȱ soȱ dassȱ manȱ verȬ suchenȱkönnte,ȱinȱderȱReiheȱderȱVerbalformenȱeineȱJodȬAkrostichieȱalsȱ strophenbindendȱ zuȱ sehen.20ȱ Esȱ gehtȱ umȱ dieȱ Epocheȱ derȱ Erwählungȱ Jakobsȱ inȱ derȱ Wüste.ȱ Auchȱ fürȱ dieseȱ Anfangszeitȱ Israelsȱ bietetȱ Dtȱ 32ȱ eineȱAlternativeȱzurȱStandarddarstellungȱderȱGeschichteȱIsraelsȱinȱdenȱ BüchernȱGenesisȱundȱExodus,ȱwoȱdieȱZeitȱderȱPatriarchenȱvonȱderȱZeitȱ Moses,ȱ dieȱ Zeitȱ derȱ Landsucheȱ derȱ einzelnenȱ Sippenȱ vonȱ derȱ Zeitȱ derȱ Formationȱ Israelsȱ amȱ Sinaiȱ unterschiedenȱ wird.ȱ Esȱ istȱ wahrscheinlich,ȱ dassȱdasȱGedichtȱdieȱZeitȱderȱErwählungȱinȱderȱWüsteȱalsȱderȱlegendäȬ renȱ Gründungszeitȱ durchȱ dieȱ archaischenȱ Erzähltemporaȱ vonȱ derȱ folȬ genden,ȱ geschichtlichenȱ Zeitȱ bewusstȱ absetzenȱ wollte,ȱ woȱ dannȱ dasȱ konsekutiveȱ Imperfektȱ alsȱ eigentlichesȱ Tempusȱ derȱ erzähltenȱ VerȬ gangenheitȱzuȱseinemȱRechtȱkommt.ȱEsȱistȱdieȱZeitȱderȱErwählung,ȱalsoȱ desȱAnfangs.ȱDafürȱzuständigȱistȱdieȱnarrativeȱFormȱderȱSageȱundȱLeȬ gende.ȱ Hierinȱ entsprichtȱ Dtȱ 32ȱ denȱ Sagenȱ undȱ Legendenȱ desȱ PentaȬ teuchsȱ –ȱ nurȱebenȱ dasȱ Fehlenȱ desȱ verbindendenȱ waȱunterscheidetȱ hierȱ dieȱpoetischeȱFormȱvonȱderȱprosaischen,ȱkettetȱaberȱdieȱEreignisseȱunȬ verbundenȱundȱnichtȱadditivȱgegliedertȱfastȱnochȱfesterȱaneinander.ȱȱ KennzeichenȱderȱGründungsȬLegendeȱundȱhierosȱlogosȱist,ȱdassȱGottȱ alsȱ Subjektȱ desȱ Handelnsȱ erscheint.ȱ Seinȱ Handelnȱ wirdȱ durchȱ zweiȱ Vergleicheȱ illustriert.ȱ Einmalȱ durchȱ denȱ Vergleichȱ mitȱ demȱ Augapfel,ȱ demȱ ganzȱ besondereȱ Vorsichtȱ undȱ Beachtungȱ zuteilȱ wird.ȱ Undȱ zumȱ anderenȱmitȱdemȱGleichnisȱvomȱAdlerȱoderȱGeier,ȱderȱsichȱaufopferndȱ umȱ seineȱ Jungenȱ kümmert.ȱ Metaphorischȱ wirdȱ soȱ dieȱ Wüstenzeitȱ alsȱ Zeitȱ besondererȱ göttlicherȱ Zuwendungȱ undȱ Betreuungȱ geschildert,ȱ jaȱ alsȱgöttlichesȱWunderȱdargestellt.ȱHistorischesȱausȱdieserȱFrühzeitȱwirdȱ nichtȱ greifbar,ȱ esȱ seiȱ denn,ȱ dassȱ alsȱ Ortȱ desȱ Geschehensȱ dasȱ Landȱ derȱ SteppeȱundȱderȱWüsteȱbezeichnetȱwird,ȱaberȱohneȱnähereȱAngaben.ȱZuȱ diesemȱ Themaȱ wissenȱ dieȱ Erzählungenȱ inȱ Genesisȱ undȱ Exodusȱ dochȱ wohlȱ mehrȱ zuȱ sagen.ȱ Dochȱ gehtȱ esȱ hierȱ nurȱ umȱ dieȱ Schilderungȱ vonȱ Gottesȱ Anfangstatȱ derȱ Erwählung:ȱ Esȱ warȱ keinȱ „fremderȱ Gott“ȱ beteiȬ ligt.ȱEineȱ theologischeȱ Aussageȱangesichtsȱ derȱ sonstigenȱ ÜberlieferunȬ genȱderȱVäterzeit,ȱdieȱimȱBlickȱaufȱdasȱThemaȱ„GottȱderȱVäter“ȱeinȱetȬ wasȱanderesȱBildȱbieten.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 20ȱ Nurȱ V.ȱ 11ȱ tanztȱ ausȱ derȱ Reihe,ȱ könnteȱ aberȱ durchȱ Umstellungȱ derȱ beidenȱ erstenȱ Wörterȱeingepasstȱwerden.ȱInȱV.ȱ12ȱerscheintȱmitȱJHWHȱsinnvollȱdasȱmitȱdemȱperȬ sonalenȱPräfixȱJodȱschonȱangezeigte,ȱeigentlicheȱSubjektȱdesȱHandelns.ȱ

ȱ

IV.ȱ

181ȱ

ȱErstȱ inȱ Stropheȱ Vȱ (VV.ȱ 13–15)ȱ tretenȱ dieȱ konsekutivenȱ Imperfekteȱ inȱdenȱVordergrund,ȱzusammenȱmitȱdenȱdasȱResultatȱdesȱGeschehensȱ konstatierendenȱ Perfektenȱ inȱ V.ȱ 15b,ȱ dieȱ alsȱ Reimsequenzȱ amȱ Endeȱ ohnehinȱ einenȱ besonderenȱ Akzentȱ setzen.ȱ Dieseȱ Stropheȱ beschäftigtȱ sichȱ mitȱ derȱ Epocheȱ derȱ Wüstenwanderungȱ undȱ derȱ Landnahme.ȱ Dieȱ Landnahmeȱ istȱ jedochȱ mitȱ derȱ Erwähnungȱ desȱ „Weizens“ȱ undȱ desȱ „Traubenbluts“ȱinȱV.ȱ14ȱnurȱangedeutet.ȱOffenbarȱstelltȱsichȱdieseȱdemȱ Verfasserȱ andersȱ darȱ alsȱ dieȱ vorigeȱ Epoche.ȱ Darumȱ verwendetȱ erȱ verȬ mehrtȱ dieȱ gewöhnlichenȱ Temporaȱ derȱ Geschichtserzählung.ȱ Leiderȱ istȱ dieȱ letzteȱ Zeileȱ beschädigt,ȱ soȱ dassȱ nichtȱ ganzȱ deutlichȱ wird,ȱ wieȱ dieȱ Zuordnungȱ derȱ Sätzeȱ dortȱ zuȱ bestimmenȱ ist.21ȱ Immerhinȱ istȱ dieȱ dritteȱ Personȱ imȱ Singularȱ eingangsȱ nochȱ wieȱ inȱ derȱ vorigenȱ Stropheȱ GegenȬ standȱdesȱfürsorglichenȱHandelnsȱGottes.ȱ GedachtȱistȱaberȱnichtȱmehrȱanȱeinenȱJungen,ȱderȱsichȱinȱderȱWüsteȱ verirrtȱ hat;ȱ eherȱ jetztȱ schonȱ anȱ einenȱ erwachsenenȱMannȱ alsȱ einsamenȱ Wanderer,ȱderȱ–ȱüberȱTälerȱundȱHöhenȱdurchȱdieȱWüsteȱgeführt,ȱwunȬ dersamȱversorgtȱmitȱWasserȱausȱdemȱkieselhartenȱFels,ȱernährtȱvonȱdenȱ Tierenȱ seinerȱ Herdeȱ –ȱ endlichȱ imȱ Landeȱ desȱ Weizensȱ undȱ desȱ Weinsȱ ankommt.ȱ WiederȱüberdecktȱdasȱgroßformatigeȱFrescoȱeineȱganzeȱEpoche,ȱdieȱ durchȱ dieȱ Überlieferungenȱ desȱ Buchesȱ Numeriȱ vielfältigerȱ belegtȱ undȱ bezeugtȱist.ȱUndȱwiederȱwirdȱmanȱsagenȱmüssen,ȱdassȱdieȱIntentionȱderȱ AussageȱalsȱVorwurfȱundȱAnklageȱdieȱDarstellungȱbestimmt.ȱDieȱganȬ zeȱEpocheȱistȱnurȱsehrȱallgemeinȱalsȱWanderungȱzuȱeinemȱZielȱundȱalsȱ Übergangȱgeschildert.ȱDerȱHinweisȱaufȱdasȱWunderȱ„Wasserȱausȱdemȱ Fels“ȱ gibtȱ einenȱ Hinweisȱ aufȱ dieȱ Quelle,ȱ ausȱ derȱ derȱ Verfasserȱ geȬ schöpftȱhat.ȱSolcheȱReminiszenzenȱsetzenȱeineȱmitȱExodusȱundȱNumeriȱ vergleichbareȱlegendäreȱTraditionȱvoraus.ȱZusammenfassendȱtöntȱdannȱ dasȱUrteilȱimȱWortspielȱinȱV.ȱ15aEȱrhetorischȱundȱambivalent:ȱ„Fettȱbistȱ duȱgeworden,ȱdickȱundȱfeist“.22ȱDerȱVorwurfȱderȱHybrisȱangesichtsȱderȱ paradiesischenȱ Möglichkeitenȱ imȱ Landeȱ kündigtȱ sichȱ an.ȱ Undȱ derȱ HochmutȱkommtȱvorȱdemȱFall.ȱ Auchȱ Stropheȱ VIȱ (VV.ȱ 15–18)ȱ beginntȱ zunächstȱ imȱ Erzählstil,ȱ verȬ fälltȱ dannȱ aberȱ inȱ denȱ rhetorischenȱ Stilȱ einesȱ gerichtlichenȱ Plädoyers.ȱ Dieȱ Anklageredeȱ verdrängtȱ dieȱ geschichtlicheȱ Darstellung.ȱ Esȱ wirdȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 21ȱ Hierȱwieȱanderswoȱ(z.ȱB.ȱinȱV.ȱ18)ȱistȱderȱWechselȱzurȱzweitenȱPerson,ȱalsoȱzurȱdirekȬ tenȱAnredeȱinȱeinemȱberichtendenȱZusammenhangȱnichtȱganzȱleichtȱzuȱerklären.ȱEsȱ istȱ anzunehmen,ȱ dassȱ dieseȱ Sprechhaltungȱ inȱ derȱ Funktionȱ derȱ Gerichtsredeȱ beȬ gründetȱistȱ(soȱu.ȱa.ȱauchȱG.ȱvonȱRad,ȱvgl.ȱauchȱM.ȱThiessen).ȱInȱderȱDarstellungȱdesȱ Gedichtsȱ erscheinenȱ dieseȱ Textpartienȱ wieȱ uneingeführteȱ Zitate.ȱ Derȱ Verfasserȱ hatȱ sichȱoffenbarȱimȱEinzelnenȱnochȱrechtȱengȱanȱseineȱVorlagenȱgehalten.ȱ 22ȱ š¬mant¬ȱȆÁbîtÁȱkÁsîtÁ.ȱ

182ȱ

12.ȱKriseȱderȱGeschichteȱ

festgestellt,ȱ dassȱ „Jeschurun23ȱ fettȱ wurdeȱ undȱ aufbegehrte“ȱ24ȱ undȱ seiȬ nenȱGottȱ„verwarf“ȱundȱdenȱ„FelsȱseinesȱHeils“ȱfürȱ„nichtigȱerklärte“ȱ25ȱ (V.ȱ 15)ȱ undȱ den,ȱ derȱ ihnȱ geboren,ȱ „betrog“ȱ26ȱ undȱ seinenȱ Gottȱ (OD)ȱ „vergaß“ȱ(V.ȱ18).ȱDieseȱHandlungenȱwerdenȱberichtendȱalsȱFaktenȱfestȬ gehalten.ȱSieȱbeziehenȱsichȱwiederȱbildlichȱaufȱeinȱIndividuum,ȱdasȱimȱ letztenȱ Teilȱ dannȱ alsȱ Duȱ direktȱ angesprochenȱ wird.ȱ Imȱ Zwischenteilȱ wirdȱangedeutet,ȱumȱwasȱesȱsichȱkonkretȱhandelt.ȱNachȱderȱausȱV.ȱ21ȱ eingedrungenenȱ Zusatzzeileȱ stelltȱ V.ȱ 17ȱ schlichtȱ fest,ȱ dassȱ „sie“ȱ –ȱ unȬ vermitteltȱgehtȱdieȱRedeȱinȱdenȱPluralȱüberȱ–ȱdenȱ„nichtgöttlichenȱDäȬ monen“ȱ (KODDO\GY)ȱ undȱ „Göttern,ȱ dieȱ sieȱ (bisher)ȱ nichtȱ gekanntȱ hatten“ȱ(Z>G\DO\KOD),ȱständig27ȱgeopfertȱhaben.ȱUndȱfügtȱhinzu,ȱ dassȱjeneȱvermeintlichenȱGottheitenȱ(\KOD)ȱ„neue“ȱseien,ȱdieȱ„ausȱderȱ Nähe“ȱ gekommenȱ sind,ȱ vonȱ denenȱ ihreȱ Väterȱ „(noch)ȱ nichtsȱ gewusstȱ haben“ȱ (ZU>FDO)28.ȱ Inȱ diesenȱ Feststellungenȱ wirdȱ derȱ Versuchȱ erȬ kennbar,ȱ dieȱ Ursacheȱ fürȱ denȱ Abfallȱ desȱ Volkesȱ vonȱ seinemȱ eigenenȱ Gottȱzuȱerkennenȱundȱzuȱbestimmen.ȱDieserȱVersuchȱhebtȱsichȱabȱvonȱ denȱreinȱnegativenȱBeschimpfungen,ȱdieȱausȱdenȱFormelnȱderȱdtrȱStanȬ dardtheologieȱ oderȱ auchȱ ausȱ derȱ Verspottungȱ derȱ fremdenȱ Götterȱ beiȱ Deuterojesajaȱspricht.ȱ Jeneȱ neuenȱ Götter,ȱ dieȱ dieȱ Väterȱ nochȱ nichtȱ gekanntȱ haben,ȱ komȬ menȱ ausȱ derȱ geographischenȱ Nähe,ȱ d.ȱh.ȱ derȱ Umwelt.ȱ Sieȱ könnenȱ denȱ Statusȱ einesȱ UZ[,ȱ jaȱ ODȱ /ȱ KODihrerȱ Völkerȱ (VV.ȱ 18.31),ȱ nichtȱ aberȱ desȱ Gottesȱ Jeschuruns,ȱ beanspruchen.ȱ Dasȱ verstößtȱ gegenȱ dieȱ urtümlicheȱ Weltordnungȱ(V.ȱ8)ȱundȱkannȱnurȱmitȱeinerȱSanktionȱbedachtȱwerden.ȱ Hierȱ wirdȱ dieȱ Logikȱ derȱ RibȬAnklageȱ amȱ deutlichstenȱ fassbar.ȱ Dieȱ alsȱ ZeugenȱinȱV.ȱ1ȱundȱV.ȱ43ȱangesprochenenȱkosmischenȱGrößenȱHimmelȱ undȱ Erdeȱ müssenȱ diesesȱ UrȬVergehenȱ verurteilen.ȱ Außerȱ denȱ Sätzenȱ überȱ denȱ allgemeinenȱ Religionszerfallȱ kommtȱ geschichtlichȱ Konkretesȱ nichtȱzurȱSprache.ȱȱ GenerellȱaberȱlässtȱsichȱimȱRückblickȱaufȱdiese,ȱderȱVergangenheitȱ gewidmetenȱ Teileȱ desȱ Gedichtsȱ sagen:ȱ Dieȱ Geschichtsdarstellungȱ ist,ȱ andersȱ alsȱ inȱ denȱ großenȱ Traditionswerkenȱ desȱ Pentateuch,ȱ aberȱ sehrȱ ähnlichȱdenȱprophetischenȱSummarienȱetwaȱinȱHosȱ11,ȱJerȱ2,ȱEzȱ16ȱundȱ 20,ȱundȱ–ȱsofernȱdasȱdtrȱGeschichtswerkȱimȱDtȱschonȱbezeugtȱistȱ–ȱauchȱ derȱdtrȱGeschichtsdarstellung,ȱimȱgroßenȱGanzenȱeinlinigȱundȱaufȱdasȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 23ȱ #ZUY\,ȱwohlȱeinȱalterȱEhrennameȱfürȱIsrael,ȱvgl.ȱDtȱ33,5.26;ȱJesȱ44,2,ȱSirȱ37,25.ȱ 24ȱ I>Eȱ„ausschlagen,ȱeinenȱFußtrittȱgebenȱ=ȱverschmähen“ȱ(HAL).ȱ 25ȱ OEQȱIIȱpi.ȱ 26ȱ WohlȱvonȱDYQȱhi.ȱabzuleiten.ȱ 27ȱ Imperfectumȱiterativum.ȱ 28ȱ U>Fȱhap.ȱleg.,ȱwohlȱinȱderȱBedeutungȱvonȱ„sichȱkümmern,ȱbesuchen“ȱetc.ȱ(par.ȱGTS).ȱ

ȱ

V.ȱ

183ȱ

modellhafteȱ Gegenüberȱ Jakob/Israel/Jeschurunsȱ zuȱ seinemȱ Gottȱ reduȬ ziert,ȱ einerȱ Beziehung,ȱ dieȱ alsȱ VaterȬSohnȬVerhältnisȱ oderȱ BräutigamȬ BrautȬBeziehungȱgezeichnetȱundȱbeurteiltȱwird.ȱȱ

V.ȱ MitȱundȱinȱStropheȱVIIȱ(VV.ȱ19–21)ȱverschwindenȱnachȱderȱEinführungȱ derȱGottesredeȱdieȱstrukturbestimmendenȱVergangenheitstempora,ȱvorȱ allemȱdasȱkonsekutiveȱImperfekt,ȱundȱdieȱzukunftsorientiertenȱTempoȬ raȱbeherrschenȱdasȱFeld.ȱDennȱderȱganzeȱzweiteȱTeilȱvonȱDtȱ32ȱabȱV.ȱ20ȱ bisȱzumȱEndeȱinȱV.ȱ41ȱ(oderȱ42)ȱbestehtȱausȱeinerȱausgedehntenȱGottesȬ rede,ȱdieȱsichȱmitȱdenȱFolgenȱdesȱgefälltenȱUrteilsȱüberȱdasȱGottesvolkȱ beschäftigt.ȱSieȱistȱimȱrhetorischenȱStilȱgehaltenȱwieȱalleȱRedenȱimȱAltenȱ Testament.ȱ Sieȱ bildetȱ fürȱ dasȱ Gedichtȱ denȱ entscheidendenȱ theologiȬ schenȱHöhepunkt,ȱundȱdasȱändertȱsichȱauchȱfürȱdasȱendtextlicheȱMoseȬ liedȱnicht.ȱ NochȱganzȱimȱRahmenȱderȱälterenȱRibȬLiturgieȱinȱV.ȱ19ȱff.ȱwirdȱdasȱ Ergehenȱ desȱ Urteilsspruchsȱ überȱ dasȱ Gottesvolkȱ imȱ Berichtsstilȱ derȱ Vergangenheitȱzugewiesen.ȱDiesesȱUrteilȱsamtȱBegründungȱistȱfürȱdenȱ VerfasserȱdesȱGedichtsȱeinȱFaktumȱderȱGeschichte.ȱInsofernȱistȱdieȱGotȬ tesredeȱalsȱZitatȱeinesȱgültigȱergangenenȱUrteilsspruchsȱaufgenommenȱ undȱniedergelegt.ȱȱ DerȱSacheȱnachȱdrücktȱdieseȱRedeȱaus,ȱdassȱdasȱfälligeȱUrteilȱüberȱ dasȱabgefallenenȱEigentumsvolkȱnichtȱoderȱnurȱansatzweiseȱvollzogenȱ wird,ȱdassȱdieȱaufgebotenenȱStrafmaßnahmen,ȱdieȱvorȱallemȱdurchȱeinȱ „UnȬVolk“ȱ (>DOE)ȱ undȱ eineȱ „törichteȱ Nation“ȱ (OEQ\ZJE)ȱ (V.ȱ 21)ȱ vollstrecktȱ werdenȱ sollten,ȱ abgebrochenȱ werden,ȱ undȱ zwarȱ ausȱ RückȬ sichtȱaufȱdenȱgutenȱRufȱundȱNamenȱdesȱhöchstenȱundȱ–ȱwieȱV.ȱ39ȱbeȬ tontȱ–ȱalleinigenȱGottesȱvorȱderȱVölkerwelt.ȱDiesȱwirdȱinȱdenȱStrophenȱ umȱV.ȱ26,ȱwoȱoffenbarȱdieȱalteȱRibȬRedeȱzumȱEndeȱkommtȱ–ȱmanȱhatȱ denȱ Eindruckȱ –,ȱ etwasȱ umständlichȱ inȱ gewundenerȱ Argumentationȱ dargelegt.ȱ Dabeiȱ gibtȱ dieȱ Redeȱ Einblickeȱ inȱ dieȱ innerenȱ Überlegungenȱ Gottesȱ zurȱ Frageȱ derȱ zukünftigenȱ Geschichteȱ Israelsȱ inȱ einerȱ feindlichȱ gewordenenȱ Völkerwelt.ȱ Derȱ rhetorischeȱ Aufwandȱ aberȱ erklärtȱ sichȱ durchȱ dieȱ Intention,ȱ dieȱ Rechtslogikȱ derȱ RibȬRedeȱ mitȱ Anklageȱ undȱ Urteilȱ inȱ eineȱ Begnadigungȱ ausȱ freienȱ Stückenȱ umzuformen.ȱ TheoloȬ gischȱ gesehenȱ istȱ dasȱ eineȱ epochaleȱ Wende,ȱ indemȱ dasȱ Geschickȱ desȱ GottesvolkesȱnichtȱmehrȱanȱdieȱRechtsfolgenȱeinerȱgebrochenenȱBezieȬ hung,ȱ sondernȱ anȱ dieȱ freie,ȱ alleinȱ imȱ Willenȱ Gottesȱ undȱ inȱ seinerȱ einȬ samenȱ Entscheidungȱ begründetenȱ Verheißungȱ gebundenȱ wird.ȱ Dieȱ

184ȱ

12.ȱKriseȱderȱGeschichteȱ

Zukunftsbasisȱaberȱist,ȱmitȱdenȱWortenȱeinesȱDeuterojesajaȱgesprochen:ȱ „DasȱWortȱunseresȱGottesȱaberȱbleibtȱfürȱalleȱZeit“ȱ(Jesȱ40,8).ȱ Bedeutsamȱ fürȱ dieȱ Geschichtsbetrachtungȱ istȱ dabeiȱ vorȱ allemȱ dieȱ Artȱ undȱ Weise,ȱ wieȱ nunȱ überȱ dieȱ Entstehungȱ derȱ Geschichteȱ derȱ ZuȬ kunftȱ reflektiertȱ wird.ȱ Dasȱ geschiehtȱ inȱ denȱ etwasȱ enigmatischenȱ VerȬ senȱ derȱ Stropheȱ XIȱ inȱ VV.ȱ 34–38ȱ samtȱ ihrenȱ Zusätzen.29ȱ Nichtȱ neuȱ istȱ zwarȱdieȱderȱHeilsprophetieȱnaheȱstehendeȱAnsageȱeinesȱblutigenȱGeȬ richtsȱ anȱ denȱ Feinden,ȱ wohlȱ auchȱ nichtȱ dieȱ hierȱ angedeuteteȱ VerȬ spottungȱderȱunfähigenȱGötter,ȱdieȱalsȱ„Fels“ȱundȱ„Schutz“ȱnichtsȱtauȬ genȱ (VV.ȱ 37ȱf.).ȱ Dochȱ inȱ denȱ Eingangsversenȱ wirdȱ dasȱ Geheimnisȱ derȱ ZukunftȱundȱihrerȱGeschichteȱangesprochen.ȱDieȱVorstellung,ȱdieȱhierȱ dominiert,ȱ istȱ dieȱ einerȱ göttlichenȱ Vorratskammer,ȱ woȱ dieȱ Zeitenȱ derȱ Zukunftȱ (oderȱ dieȱ Zukunftspläne)ȱ gehortetȱ werdenȱ (WU[ZDE).ȱ Sieȱ lieȬ genȱ dortȱ versiegeltȱ (WM)ȱ undȱ verborgenȱ (\GP>VPN)30ȱ undȱ wartenȱ darauf,ȱdassȱderȱTerminȱfürȱihreȱVerwirklichungȱeintritt.ȱDarumȱsprichtȱ V.ȱ35bȱimȱBlickȱaufȱdieȱFeindeȱIsraelsȱ(V.ȱ27),ȱdassȱderȱ„TagȱihresȱUnȬ glücksȱ (G\D)ȱ 31ȱ naheȱ ist“ȱ undȱ dassȱ dasȱ „Verhängnisȱ (WGW>)32ȱ aufȱ sieȱ zueilt“.ȱȱ Dieȱ Vorstellungȱ einesȱ Vorratsȱ vonȱ Zukunftsplänen,ȱ dieȱ hierȱ anȬ klingt,ȱistȱdannȱinȱderȱZeitȱderȱApokalyptikȱaufgegriffenȱundȱgroßȱausȬ gebautȱworden.ȱDieȱGeschichteȱderȱZukunftȱliegtȱparatȱundȱwartetȱaufȱ ihreȱ Verwirklichung.ȱ Dassȱ keineȱ konkretenȱ Ankündigungenȱ gemachtȱ werdenȱkönnen,ȱliegtȱdurchausȱinȱderȱNaturȱderȱzurȱZeitȱderȱRibȬRedeȱ wieȱ desȱ Gedichtsȱ (undȱ erstȱ rechtȱ desȱ Moselieds)ȱ nochȱ inȱ derȱ Zukunftȱ verborgenenȱPlanungen.ȱEsȱliegtȱaberȱauchȱdaran,ȱdassȱinȱdieȱGeschichȬ teȱinȱdieserȱSichtȱinȱeineȱKriseȱgeratenȱist.ȱWasȱgeschiehtȱnachȱdemȱerȬ gangenemȱ Urteilȱ undȱ demȱ teilweiseȱ ausgesetztenȱ Strafvollzug?ȱ Derȱ VerlaufȱderȱGeschichteȱgibtȱdarüberȱkeineȱAuskunftȱmehr.ȱȱ Überȱ dieȱ Zukunftȱ entscheidetȱ alleinȱ eineȱ göttlicheȱ Entschließung.ȱ Sieȱ wirdȱ inȱ derȱ Fortsetzungȱ derȱ Redeȱ verkündet.ȱ Werȱ dasȱ Rechtȱ zurȱ Wiedergabeȱ einerȱ solchenȱ Proklamationȱ einesȱ göttlichenȱ Beschlussesȱ hat,ȱ bleibtȱ ungewiss.ȱ Wahrscheinlichȱ –ȱ soȱ wirdȱ manȱ imȱ Blickȱ aufȱ dasȱ MotivȱvonȱdenȱVorrätenȱanȱZukunftȱundȱdasȱMotivȱvomȱBlutgerichtȱanȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 29ȱ Anzunehmenȱist,ȱdassȱdieȱFünfzahlȱderȱZeilenȱauchȱhierȱgewahrtȱseinȱwird,ȱwobeiȱV.ȱ 36ȱundȱV.ȱ38aȱdurchȱdieȱprosaischeȱAnknüpfungȱundȱ durchȱihreȱIntentionȱ sichȱamȱ ehestenȱalsȱergänzendeȱZusätzeȱzuȱerkennenȱgeben.ȱȱ 30ȱ VPNȱ„aufbewahren,ȱverbergen“ȱ(hap.ȱleg).ȱ 31ȱ BezeugtȱvorȱallemȱinȱdenȱFremdvölkerorakelnȱderȱProphetenȱ(z.ȱB.ȱJerȱ18,13ȱff.;ȱ46,21;ȱ 48,16;ȱ Obȱ 12ȱf.;ȱ Ezȱ 35,5),ȱ dannȱ auchȱ aufȱ Individuenȱ bezogen,ȱ z.ȱB.ȱ Psȱ 18,19ȱ (König),ȱ undȱhäufigerȱbeiȱHiȱundȱinȱdenȱPrv.ȱ 32ȱ GW>ȱ „bereiten,ȱ besorgen“;ȱ G\W>ȱ „vorbereitet,ȱ zukünftig“;ȱ Jesȱ 10,13ȱ auchȱ imȱ ZuȬ sammenhangȱmitȱderȱVorstellungȱvonȱVorräten.ȱ

ȱ

V.ȱ

185ȱ

denȱ Feindenȱ vermutenȱ könnenȱ –ȱ stehtȱ hinterȱ denȱ Zukunftsaussagenȱ desȱ zweitenȱ Teilsȱ derȱ Gottesredeȱ dieȱ exilischȬnachexilischeȱ HeilsȬ prophetie.ȱ Wasȱ manȱ sicherȱ sagenȱ kann,ȱ ist,ȱ dassȱ imȱ geschichtsȬ theologischenȱ Denkenȱ sichȱ einȱ Umschlagȱ vollzieht.ȱ Dieȱ Perspektiveȱ ändertȱ sich.ȱ Vonȱ derȱ Erinnerungȱ anȱ dieȱ Epochenȱ derȱ Vergangenheitȱ bleibtȱinȱderȱSelbstredeȱGottesȱfürȱdieȱGegenwartȱwichtigȱalsȱQuintesȬ senzȱvorȱallemȱdasȱWortȱderȱVerheißung,ȱausȱdemȱsichȱdieȱErwartungȱ zukünftigerȱ Heilstatenȱ ergibt.ȱ Dasȱ historischeȱ Denkenȱ neigtȱ sichȱ demȱ eschatologischenȱDenkenȱzu.ȱ DerȱweisheitlicheȱVerfasserȱdesȱGedichtsȱnimmtȱsichȱallerdingsȱdieȱ Freiheit,ȱdieseȱRedeȱvonȱderȱZukunftȱinȱseinemȱSinneȱfortzuschreiben,ȱ umȱ dannȱ amȱ Endeȱ nochȱ einenȱ einmaligenȱ Höhepunktȱ zuȱ setzen.ȱ Erȱ unternimmtȱ es,ȱ dieȱ Gotteslehreȱ seinerȱ Zeit,ȱ denȱ theoretischenȱ MonoȬ theismus,ȱ inȱ dieȱ Selbstredeȱ Gottesȱ aufzunehmenȱ (V.ȱ 39).ȱ Erȱ formuliertȱ damitȱ inȱ wenigenȱ Sätzenȱ dieȱ Lehre,ȱ dieȱ erȱ ausȱ derȱ Gerichtsredeȱ desȱ erstenȱ Teilsȱ undȱ derȱ Gottesredeȱ desȱ zweitenȱ Teilsȱ zuȱ ziehenȱ gedenkt.ȱ Undȱ das,ȱ obwohlȱ dieseȱ Lehreȱ derȱ Intentionȱ desȱ überkommenenȱ RahȬ mentextsȱ inȱ V.ȱ 1ȱ undȱ V.ȱ 43ȱ sowieȱ denȱ Aussagenȱ inȱ V.ȱ 7ȱff.ȱ nichtȱ entȬ spricht,ȱjaȱmanȱmussȱsogarȱsagen:ȱwiderspricht.ȱDamitȱüberhöhtȱerȱalleȱ AussagenȱzurȱGeschichte,ȱdieȱnurmehrȱalsȱParadigmaȱfürȱseineȱGottesȬ lehreȱ gelten.ȱ Zugleichȱ fundiertȱ erȱ aberȱ dieȱ überraschendeȱ Wendeȱ inȱ GottesȱGesinnungȱtheologischȱundȱerklärtȱsieȱmitȱderȱFreiheit,ȱdieȱdemȱ alleinigenȱGottȱzusteht.ȱȱ ImȱKontextȱnochmalsȱzitiert:ȱ Sehetȱnun,ȱdassȱich,ȱichȱderȱbin,ȱ undȱkeinȱGottȱnebenȱmirȱist.ȱ Ichȱbin’s,ȱderȱtötetȱundȱlebendigȱmacht,ȱ habeȱichȱzerschlagen,ȱwerdeȱichȱauchȱheilenȱ (undȱniemandȱerrettetȱausȱmeinerȱHand).ȱ DennȱichȱerhebeȱzumȱHimmelȱmeineȱHandȱ undȱspreche:ȱSoȱwahrȱichȱinȱEwigkeitȱlebe!ȱ(VV.ȱ39ȱf.)ȱ

Derȱ alsȱ Liedȱ Mosesȱ präsentierteȱ Textȱ Dtȱ 32ȱ kanonisiertȱ dieseȱ „Lehre“ȱ nebenȱderȱ„Tora“ȱ–ȱwieȱderȱKontextrahmenȱzeigtȱ–ȱalsȱGlaubensȬȱundȱ Existenzgrundȱ undȱ alsȱ Basisȱ derȱ nachmosaischenȱ Geschichteȱ Israels.ȱ Aufȱ dieseȱ Weiseȱ wirdȱ dieserȱ Textȱ inȱ jederȱ nurȱ möglichenȱ Weiseȱ großȬ geschriebenȱ undȱ fürȱ gültigȱ erklärt.ȱ Erȱ enthältȱ dieȱ Grundlegungȱ allerȱ ZukunftȱIsraelsȱundȱderȱVölkerwelt.ȱ

186ȱ

12.ȱKriseȱderȱGeschichteȱ

VI.ȱ Wasȱ beiȱ derȱ Untersuchungȱ derȱ geschichtlichenȱ Aspekteȱ imȱ Moseliedȱ besondersȱ auffällt,ȱ istȱ derȱ Wandelȱ undȱ schließlichȱ dieȱ Aufhebungȱ derȱ historischenȱPerspektive.ȱDasȱistȱzunächstȱdieȱFolgeȱdesȱveränderlichenȱ Standpunktsȱ desȱ jeweiligenȱ Betrachters.ȱ Derȱ Sprecherȱ derȱ eingangsȱ zitiertenȱ RibȬRedeȱ hatȱ einenȱ historischenȱ Standort,ȱ wennȱ dieserȱ auchȱ nurȱvermutungsweiseȱperȱanalogiamȱderȱAsaphȬPsalmenȱundȱderenȱRibȬ Redenȱ vorȱ allemȱ inȱ Psȱ 50ȱ undȱ Psȱ 81ȱ bestimmtȱ werdenȱ kann.ȱ Dasȱ istȱ seineȱGegenwart.ȱErȱblicktȱzurückȱinȱdieȱVergangenheit,ȱsoȱweitȱesȱderȱ kosmischeȱHorizontȱseinesȱDenkensȱzulässt,ȱbisȱhinȱinȱdieȱUrzeit,ȱdannȱ dieȱVorzeitȱIsraels,ȱdieȱFrühzeitȱbisȱzurȱLandnahmeȱJeschuruns.ȱDamitȱ schlägtȱerȱimȱÜbrigenȱdenselbenȱBogen,ȱderȱauchȱdieȱpentateuchischenȱ „Geschichtswerke“ȱ strukturiert,ȱ vonȱ derȱ Schöpfungȱ bisȱ zurȱ LandȬ nahme,ȱ entsprechendȱ denȱ Themenȱ undȱ demȱ Umfangȱ desȱ einstȱ vonȱ MartinȱNothȱangenommenenȱBasiswerksȱG.33ȱDasȱistȱmerkwürdig,ȱweilȱ jaȱ ebenȱ dieȱ konkreteȱ Darstellungȱ vonȱ Dtȱ 32ȱ ganzȱ andereȱ Wegeȱ geht.ȱ GanzȱohneȱgegenseitigeȱBeziehungȱscheintȱdieseȱParalleleȱnichtȱerklärȬ barȱ zuȱ sein.ȱ Gabȱ esȱ inȱ dieserȱ Hinsichtȱ inȱ bestimmtenȱ Kreisenȱ inȱ Israelȱ dochȱ soȱ etwasȱ wieȱ eineȱ inȱ derȱ Strukturȱ derȱ Erinnerungȱ begründete,ȱ standardisierteȱDarstellungȱderȱGeschichte?ȱ Dochȱ auchȱ dieȱ Zukunftȱ spieltȱ inȱ derȱ RibȬRedeȱ inȱ denȱ zurȱ älterenȱ Gottesredeȱ zuȱ zählendenȱ Versen,ȱ dieȱ einȱ VernichtungsȬUrteilȱ kündenȱ (VV.ȱ 20–25),ȱ eineȱ Rolle.ȱ Derȱ Standortȱ inȱ derȱ Gegenwartȱ istȱ dannȱ nochȱ derselbeȱ wieȱ derȱ derȱ prophetischenȱ Unheilsverkündigung,ȱ daȱ –ȱ wasȱ wahrscheinlichȱistȱ–ȱAnsätzeȱzuȱderȱerweitertenȱGottesredeȱinȱVV.ȱ26– 41ȱschonȱzuȱderȱRibȬRedeȱgehörtȱhabenȱsollten.34ȱ DerȱStandortȱderȱStrophendichtungȱwirdȱvermutlichȱ–ȱwieȱgezeigtȱ–ȱ zeitlichȱspäterȱundȱinȱweisheitlichenȱKreisenȱzuȱsuchenȱsein.ȱDerȱBlickȱ aufȱ dieȱ Vergangenheitȱ ändertȱ sichȱ gegenüberȱ demȱ derȱ RibȬRedeȱ inȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 33ȱ Dieȱ Forschungȱ zurȱ „oralȱ history“ȱ undȱ zurȱ Strukturȱ desȱ kollektivenȱ Gedächtnissesȱ vorȱ allemȱ inȱ schriftloserȱ Kulturenȱ hatȱ überraschendeȱ Parallelenȱ zutageȱ gefördertȱ zwischenȱ derȱ typischenȱ Epocheneinteilungȱ desȱ menschlichenȱ ErinnerungsverȬ mögensȱ undȱ denȱ solcheȱ Erinnerungenȱ sammelndenȱ undȱ tradierendenȱ Archivenȱȱ (etwaȱdesȱjahwistischenȱundȱpriesterschriftlichenȱ Werks).ȱVonȱdaherȱfälltȱnochmalsȱ einȱneuesȱLichtȱaufȱdasȱNothscheȱGrundlagenwerkȱGȱalsȱdasȱidealtypischeȱGedächtȬ nisȱ Israels.ȱ Vgl.ȱ dazuȱ meineȱ Bemerkungenȱ in:ȱ Bemerkungenȱ zurȱ mündlichenȱ ÜberȬ lieferungȱimȱaltenȱIsrael,ȱin:ȱJ.ȱvonȱUngernȬSternberg/H.ȱReinauȱ(Hgg.),ȱVergangenȬ heitȱinȱmündlicherȱÜberlieferung,ȱColloquiumȱRauricumȱ1,ȱStuttgartȱ1988,ȱ141–148.ȱ 34ȱ VV.ȱ1ȱundȱ43,ȱwoȱdasȱkosmischeȱForumȱderȱGerichtsredeȱangesprochenȱist,ȱkönnteȱ einenȱentsprechendȱabgeändertenȱUrteilsspruchȱimȱSinneȱderȱVersöhnungȱ(USNȱpi.)ȱ undȱderȱletztlichenȱVerschonungȱdesȱeigenenȱVolkesȱundȱderȱBestrafungȱderȱFeindeȱ vermutenȱlassen.ȱ

ȱ

VI.ȱ

187ȱ

sofern,ȱalsȱnunȱdieȱRibȬLiturgieȱselbstȱmitȱderȱspätprophetischȱerweiterȬ tenȱ Gottesredeȱ inȱ dieȱ Vergangenheitȱ gerücktȱ wird.ȱ Dieseȱ wirdȱ alsȱ erȬ zählteȱVergangenheitȱzurȱLehrredeȱinȱderȱGegenwartȱdesȱVerfassers.ȱInȱ derȱberichtendenȱVerarbeitungȱwirdȱdieȱRibȬRedeȱmitȱihrerȱGeschichtsȬ betrachtungȱzitiertȱundȱmitsamtȱderȱWeissagungȱrezipiert,ȱundȱdarausȱ wirdȱ dieȱ Lehreȱ fürȱ dieȱ Gegenwartȱ undȱ Zukunftȱ gezogen.ȱ Imȱ eigentliȬ chenȱSinnȱhandeltȱesȱdabeiȱumȱeineȱAuslegungȱundȱkreativeȱVerarbeiȬ tungȱ überkommenerȱ Schriftzeugnisse.ȱ Dieȱ Lehreȱ wirdȱ zugespitztȱ zuȱ einemȱtheologischȬdogmatischenȱSummarium,ȱdasȱinȱdemȱmonotheistiȬ schenȱ Credoȱ inȱ VV.ȱ 39ȱf.ȱ seinenȱ Höhepunktȱ erreicht.ȱ Derȱ theologischeȱ GesamtüberblickȱreißtȱdamitȱdieȱverschiedenenȱhistorischenȱPerspektiȬ venȱ auf.ȱ DieȱGeschichteȱ wirdȱ theologischȱ transparentȱ fürȱ dieȱ ErkenntȬ nisȱ Gottes.ȱ Sieȱ wirdȱ imȱ theologischenȱ Dogmaȱ zusammengefasst,ȱ dasȱ zeitlosȱ gilt.ȱ Esȱ markiertȱ denȱ Standortȱ Gottes,ȱ skizziertȱ dieȱ Sichtȱ Gottesȱ aufȱ dieȱ menschlicheȱ Geschichteȱ undȱ umgreiftȱ insofernȱ alleȱ WahrȬ nehmungȱkonkretenȱgeschichtlichenȱGeschehens.ȱ DieȱRedaktoren,ȱdieȱausȱderȱDichtungȱDtȱ32ȱeinȱMoseliedȱmachten,ȱ habenȱoffenbarȱdieȱBedeutungȱdiesesȱSummariumsȱundȱseineȱuniversaȬ leȱPerspektiveȱerkannt.ȱSieȱsindȱinȱihrerȱGegenwartȱmitȱderȱSammlungȱ undȱ Bewahrungȱ derȱ gesammeltenȱ Traditionenȱ derȱ Vergangenheitȱ beȬ schäftigt,ȱ undȱ esȱ istȱ anzunehmen,ȱ dassȱ sieȱ dieȱ Geschichteȱ Israelsȱ imȱ Ganzenȱüberblicken.ȱWennȱsieȱnunȱdiesenȱTextȱinȱeineȱZeitȱzurückȱverȬ setzen,ȱ dieȱ fürȱ sieȱ kanonischenȱ Charakterȱ hat,ȱ machenȱ sieȱ ausȱ diesemȱ Textȱ eineȱ programmatischeȱ Vorausschau.ȱ Dieseȱ schließtȱ dieȱ prophetiȬ scheȱGerichtsredeȱundȱdieȱgöttlicheȱZukunftsredeȱein.ȱDerȱTextȱistȱvorȬ herbestimmt.ȱDieȱGeschichteȱ–ȱsoȱwollenȱsieȱimȱAnschlussȱanȱdieȱDefiȬ nitionȱderȱZukunftȱvonȱV.ȱ34ȱsagenȱ–ȱverläuftȱnachȱeinemȱ„Textbuch“,ȱ dasȱ bereitsȱ Moseȱ bekanntȱ war.ȱ Soȱ wirdȱ dasȱ Liedȱ zurȱ apokalyptischenȱ Schau.ȱDieȱgeschichtlichenȱDimensionenȱlösenȱsichȱvollendsȱauf:ȱMoseȱ besingtȱ dieȱ Universalgeschichteȱ Gottes,ȱ Vergangenheitȱ undȱ Zukunft,ȱ vonȱderȱUrgeschichteȱbisȱinȱdieȱEwigkeitȱgöttlichenȱLebensȱ(V.ȱ40).ȱEsȱ istȱ seineȱ letzteȱ undȱ –ȱ nachȱ derȱ Traditionȱ –ȱ seineȱ größteȱ Vision.ȱ Keinȱ Wunder,ȱdassȱdieȱTradentenȱnichtȱmehrȱwussten,ȱobȱsieȱDtȱ32ȱalsȱLiedȱ ( K\UY)ȱoderȱalsȱLehreȱ(KUZW)ȱeinordnenȱsollten.ȱȱ

188ȱ

12.ȱKriseȱderȱGeschichteȱ

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ȱ

Literaturȱ

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ȱ

ȱ

ȱ

13.ȱDerȱHannaȬPsalmȱ(1.ȱSamȱ2,1–10)ȱ 1.ȱEinȱKönigspsalm?ȱ KeinȱZweifelȱ–ȱderȱHannaȬPsalmȱgleichtȱeinemȱKönigspsalm.ȱDefiniertȱ manȱ Königspsalmenȱ alsȱ Texte,ȱ dieȱ vonȱ einemȱ oderȱ fürȱ einenȱ Königȱ gedichtetȱundȱgesprochenȱwurden,ȱistȱdieȱAussageȱvonȱV.ȱ10ȱeindeutig:ȱ „Undȱ erȱ (JHWH)ȱ gebeȱ Machtȱ seinemȱ Königȱ //ȱ undȱ erhöheȱ dasȱ Hornȱ seinesȱ Gesalbten!“ȱ Derȱ Psalmȱ sprichtȱ amȱ Endeȱ vonȱ einemȱ Königȱ derȱ GegenwartȱoderȱderȱZukunft,ȱundȱreihtȱsichȱdamitȱeinȱinȱeineȱSerieȱvonȱ Königstexten,ȱdieȱsichȱinȱirgendeinerȱFormȱ–ȱundȱseiȱesȱnurȱalsȱWunschȱ –ȱ mitȱ demȱ Königȱ beschäftigen.ȱ Siehtȱ manȱ näherȱ zu,ȱ istȱ esȱ beimȱ Psalmȱ derȱHannaȱnichtȱnurȱderȱSchlusswunsch,ȱderȱsichȱthematischȱmitȱdemȱ Königȱ beschäftigt;ȱ vielmehrȱ istȱ esȱ dasȱ Korpusȱ imȱ Ganzen,ȱ dasȱ großeȱ politischeȱThemenȱansprichtȱundȱbekenntnishaftȱbehandelt.ȱ Magȱ dieȱ Aussageȱ vomȱ „Jubel“ȱ zuȱ Beginnȱ nochȱ durchausȱ imȱ geȬ danklichenȱ Rahmenȱ derȱ dankbarȱ betendenȱ Frauȱ liegen,ȱ soȱ istȱ dochȱ ziemlichȱ befremdlich,ȱ dassȱ dieȱ Parallelaussageȱ inȱ V.ȱ 1aEȱ vonȱ derȱ ErȬ höhungȱ „meinesȱ Horns“ȱ spricht,ȱ einȱ Motiv,ȱ dasȱ eigentlichȱ mehrȱ derȱ männlichenȱ Lebensweltȱ zugehört.ȱ Entsprechendȱ wirdȱ dieȱ Wendung:ȱ „dasȱ Hornȱ erheben“ȱ –ȱ dieȱsichȱ nachȱPsȱ92,11ȱaufȱ denȱ Wildstier,ȱ AuerȬ ochsenȱoderȱBüffelȱbeziehtȱ–ȱauchȱvorwiegendȱvonȱeinemȱKönig,ȱetwaȱ Davidȱ (Psȱ 89,25),ȱ einemȱ Gesalbtenȱ (1.ȱ Samȱ 2,10)ȱ vonȱ JHWHȱ oderȱ garȱ vonȱ einemȱ (männlichen)ȱ Kollektivumȱ wieȱ demȱ derȱ Gottlosenȱ (Psȱ 75,5ȱf.11)ȱ oderȱ Bedrängerȱ (Klȱ 2,17)ȱ bezogen.ȱ Aufȱ weiblicheȱ Personenȱ passtȱdasȱ„SinnbildȱderȱKraft“ȱ1ȱoffensichtlichȱnicht.ȱȱ UndȱschonȱimȱnächstenȱVersȱistȱvonȱeinemȱSiegȱundȱTriumphȱüberȱ „meineȱFeinde“ȱdieȱRede,ȱinȱeinerȱGeste,ȱdieȱwiederumȱwenigȱweiblichȱ erscheintȱ –ȱ abgesehenȱ davon,ȱ dassȱ nachȱ derȱ Erzählungȱ vonȱ Hannaȱ soȱ zahlreicheȱFeindeȱgarȱnichtȱbekanntȱsind.ȱDieȱFeindeȱwerdenȱdannȱinȱV.ȱ 3ȱf.,ȱ vorȱ allemȱ aberȱ inȱ V.ȱ 9ȱ alsȱ \>CUȱ „Gottlose,ȱ Verbrecher“,ȱ alsoȱ zuȬ gleichȱ alsȱ JHWHsȱ „Gegner“ȱ (ZE\UPȱ Kȱ sg.,ȱ Qȱ pl.)ȱ charakterisiert,ȱ dieȱ seinemȱ „Gerichtȱ anȱ denȱ Endenȱ derȱ Erde“ȱ (V.ȱ 10)ȱ unterliegenȱ werden.ȱ DieȱDimensionenȱsindȱfürȱdieȱFrauȱdesȱElqanaȱausȱdemȱefraimitischenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ

ZürcherȱBibelȱ(1931)ȱz.ȱSt.ȱ

192ȱ

13.ȱDerȱHannaȬPsalmȱ(1.ȱSamȱ2,1–10)ȱ

Ramataimȱ dochȱ einȱ wenigȱ zuȱ groß.ȱ Dagegenȱ passenȱ sieȱ –ȱ belegbarȱ durchȱ dieȱ Königspsalmenȱ Psȱ 2;ȱ 20;ȱ 21;ȱ 72;ȱ 110ȱ u.ȱa.ȱ –ȱ durchausȱ inȱ denȱ Rahmenȱ derȱ judäischenȱ Königsideologie.ȱ Derȱ Schlussȱ istȱ nichtȱ zuȱ umȬ gehen:ȱ Hannaȱ istȱ mitȱ 1.ȱ Samȱ 2ȱ einȱ Königspsalmȱ inȱ denȱ Mundȱ gelegtȱ worden.ȱȱ

2.ȱStrophenbauȱ DieȱmasoretischeȱÜberlieferungȱhatȱdenȱTextȱ2,1–10ȱinȱoffeneȱParaschenȱ gesetztȱ undȱ damitȱ ihreȱ Sonderstellungȱ alsȱ Perikopeȱ bestätigt.ȱ Sieȱ hatȱ aberȱ denȱ offensichtlichȱ poetischȱ gestaltetenȱ Psalmȱ alsȱ Prosaȱ wiederȬ gegeben,ȱwiewohlȱsieȱdurchȱAkzentsetzungȱdieȱVersȬȱundȱSatzstrukturȱ imȱ Parallelismus,ȱ wennȱ nichtȱ durchȱ Versendzäsuren,ȱ soȱ dochȱ durchȱ TrennerȱundȱdamitȱzumindestȱinȱAndeutungȱkenntlichȱgemachtȱhat.ȱȱ Demȱ Auslegerȱ nachȱ Schöttgenȱ undȱ Lowthȱ fälltȱ derȱ fastȱ durchȬ gehendeȱ Parallelismusȱ membrorumȱ desȱ Textesȱ insȱ Augeȱ –ȱ wieȱ esȱ dasȱ LayoutȱderȱBHKȱundȱBHSȱexemplarischȱverdeutlicht.ȱDieȱgroßenȱBenȬȱ AscherȬHandschriftenȱ sindȱ nichtȱ soȱ rigoros.ȱ Sieȱ sehenȱ nurȱ inȱ V.ȱ 4.6.7ȱ abgeschlosseneȱ Verszeilen.ȱ Ansonstenȱ fassenȱ sieȱ meistȱ zweiȱ Zeilenȱ zuȱ einerȱ Verseinheitȱ zusammenȱ (V.ȱ 1.35).ȱ Soȱ könnenȱ sieȱ dieȱ überȬ schüssigenȱ Halbzeilenȱ gutȱ integrierenȱ (V.ȱ 2.9.10).ȱ Dassȱ sieȱ imȱ Bereichȱ vonȱV.ȱ8ȱundȱ10ȱSchwierigkeitenȱhattenȱundȱdarumȱaufȱeinfacheȱWeiseȱ dieȱSätzeȱundȱVerseȱkumulierten,ȱistȱoffensichtlich.ȱDasȱlagȱwohlȱdaran,ȱ dassȱdortȱ–ȱwieȱdieȱQȬ,ȱLXXȬȱundȱVȬFassungenȱzeigenȱ–ȱdieȱTextüberȬ lieferungȱnichtȱklarȱundȱeindeutigȱwarȱundȱebenȱbestenfallsȱeineȱSatzȬȱ oderȱ Teilversakzentuierungȱ zuließ.ȱ Insofernȱ istȱ fürsȱ Ersteȱ dieȱ StrukȬ turierungȱ vonȱ BHKȱ undȱ BHSȱ nichtȱ unbegründet,ȱ dieȱ eineȱ stichischeȱ Wiedergabeȱ desȱ Textesȱ bietet,ȱ dabeiȱ besondersȱ aufȱ dieȱ VersȬ ParallelismenȱachtetȱundȱV.ȱ9bȱundȱV.ȱ10bEȱalsȱWaisenȱstehenȱlässt.2ȱ Nichtȱ ganzȱ soȱ problemlosȱ verhältȱ esȱ sichȱ beiȱ derȱ StrophengliedeȬ rung,ȱdieȱmanȱgrundsätzlichȱbeiȱPsalmdichtungenȱdieserȱArtȱerwartenȱ darf.ȱDurchȱZeileneinzugȱgebenȱdieȱDruckausgabenȱvor,ȱdassȱsieȱinȱV.ȱ 1aE–3;ȱ V.ȱ 4–5;ȱ V.ȱ 6–9;ȱ V.ȱ 10ȱ ungleichȱ großeȱ Teilstückeȱ oderȱ Strophenȱ erkennen,ȱ eineȱ Einteilung,ȱ dieȱ demȱ masoretischenȱ Textbestandȱ durchȬ ausȱRechnungȱträgt.ȱȱ Allerdingsȱ istȱ beiȱ näheremȱ Zusehenȱ zuȱ fragen,ȱ obȱ nichtȱ nachȱ V.ȱ 1ȱ eineȱZäsurȱanzusetzenȱist.ȱDennȱsowohlȱderȱgrammatischeȱSubjektȬȱundȱ Objektwechselȱ(JHWHȱinȱ2.ȱundȱ3.ȱPerson)ȱwieȱSatztypwechselȱalsȱauchȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 2ȱ

Sieȱ betrachtenȱ V.ȱ 2aEdabeiȱ mitȱ einigenȱ derȱ griechischenȱ Übersetzungenȱ alsȱ Glosseȱ (additum).ȱȱ

ȱ

3.ȱTextlicheȱProblemeȱ

193ȱ

derȱ Themenwechselȱ istȱ soȱ eklatant,ȱ dassȱ sichȱ eineȱ Zäsurȱ empfiehlt.ȱ Auchȱistȱzuȱfragen,ȱobȱdurchȱdieȱmehrfacheȱSetzungȱeinesȱ \NȱamȱVersȬ anfangȱ (V.ȱ 3.8b.9b)ȱ nichtȱ dochȱ zumȱ Ausdruckȱ kommt,ȱ dassȱ anȱ diesenȱ Stellenȱ dasȱ Bedürfnisȱ entstandenȱ ist,ȱ dieȱ Beziehungȱ derȱ Verseȱ aufȬ einanderȱnäherȱzuȱklären.ȱZumindestȱdeutetȱsichȱanȱdiesenȱStellenȱanȱ–ȱ besondersȱauffallendȱinȱV.ȱ8ȱundȱV.ȱ9ȱ–,ȱdassȱeinȱGliederungsproblemȱ empfundenȱwurde.ȱ Ziehtȱ manȱ eineȱ vorläufigeȱ Bilanz,ȱ zeichnetȱ sichȱ ab,ȱ dassȱ derȱ Textȱ mitȱeinemȱzweizeiligenȱTeilȱbeginnt,ȱdannȱfolgenȱzweiȱTeileȱzuȱjeȱdreiȱ Zeilen,ȱeinȱsechs(+)ȬzeiligerȱTeilȱundȱamȱSchlussȱeinȱzweieinhalbȬȱbzw.ȱ dreizeiligerȱ Teil.ȱ Esȱ dominierenȱ dieȱ Dreizeiler,ȱ wobeiȱ weiterȱ zuȱ unterȬ suchenȱist,ȱobȱderȱSechs(+)ȬZeilerȱnichtȱzuȱhalbierenȱist.3ȱ

3.ȱTextlicheȱProblemeȱ Dasȱlässtȱsichȱnurȱklären,ȱwennȱmanȱdieȱtextȬȱundȱliterarkritischenȱFraȬ genȱdesȱTextesȱeinerȱAntwortȱzugeführtȱhat.ȱSolcheȱFragenȱstelltȱjederȱ alttestamentlicheȱ Text,ȱ weilȱ dieȱ Originaleȱ nichtȱ mehrȱ vorhandenȱ sindȱ undȱ dieȱ Textüberlieferungȱ inȱ sichȱ nichtȱ immerȱ einheitlichȱ ist.ȱ Wirȱ beȬ schränkenȱunsȱaufȱdieȱfürȱdieȱTextgeneseȱentscheidendenȱFragen.ȱ

1. Eineȱ ersteȱ Problemstelleȱ Endeȱ V.ȱ 1.ȱ Hierȱ begegnetȱ dieȱ ersteȱ vonȱ zweiȱ Stellenȱ mitȱ einerȱ Anredeȱ anȱ dieȱ Gottheitȱ inȱ derȱ 2.ȱ Person.ȱ Dasȱ überȬ raschtȱinȱeinemȱKontext,ȱderȱvonȱderȱ3.ȱPersonȱfürȱdieȱGottheitȱgeprägtȱ istȱ(V.ȱ1aE.J;ȱV.ȱ2ȱaD.J;ȱV.ȱ3bff.),ȱaberȱentsprichtȱderȱEinleitungȱinȱV.ȱ1aDȱ alsȱGebet:ȱ„UndȱHannaȱbeteteȱundȱsprach:ȱ…“ȱDerȱSchlussȱliegtȱnahe,ȱ dassȱdieȱEinführungȱderȱ2.ȱPersonȱamȱEndeȱundȱ–ȱwohlȱalsȱÜberschussȱ undȱ alsȱ Glosseȱ –ȱ inȱ derȱ Zeilenmitteȱ erfolgte,ȱ alsȱ derȱ Psalmtextȱ inȱ denȱ erzählendenȱ Kontextȱ eingebrachtȱ wurde.ȱ Dieseȱ Annahmeȱ öffnetȱ denȱ Raumȱ fürȱ eineȱ Vermutungȱ imȱ Blickȱ aufȱ dieȱ inȱ derȱ erstenȱ Stropheȱ soȬ wohlȱ formalȱ wieȱ inhaltlichȱ vermissteȱ dritteȱ Verszeile.ȱ V.ȱ 1ȱ gibtȱ sichȱ deutlichȱ alsȱ Ausdruckȱ desȱ Triumphesȱ überȱ „meineȱ Feinde“ȱ zuȱ erȬ kennen.ȱ Demnachȱ beziehtȱ sichȱ dieȱ erwähnteȱ „Hilfe“ȱ –ȱ „deineȱ Hilfe“ȱ bzw.ȱ „dieȱ Hilfeȱ JHWHs//Gottes“ȱ aufȱ einenȱ Siegȱ inȱ einerȱ dochȱ wohlȱ gewalttätigenȱAuseinandersetzung.ȱDochȱesȱfehltȱvorȱdemȱinȱV.ȱ2ȱeinȬ setzenden,ȱ überȱ denȱ Siegȱ reflektierendenȱ Bekenntnisȱ einȱ Hinweisȱ daȬ rüber,ȱ worumȱ esȱ sichȱ dennȱ konkretȱ gehandeltȱ hat.ȱ Suchtȱ manȱ imȱ erȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 3ȱ

Derȱ Beginnȱ mitȱ O+Infinitivȱ inȱ V.ȱ 8aJȱ bietetȱ sichȱ nichtȱ unbedingtȱ fürȱ eineȱ StrophenȬ zäsurȱan.ȱ

194ȱ

13.ȱDerȱHannaȬPsalmȱ(1.ȱSamȱ2,1–10)ȱ

haltenenȱ Textbestand,ȱ etwaȱ inȱ denȱ überzähligenȱ Versen,ȱ nachȱ demȱ Verlorenenȱ–ȱinȱderȱAnnahme,ȱdassȱtextlicheȱBearbeitungenȱsichȱoftȱmitȱ UmstellungenȱvorhandenerȱVerseȱbegnügenȱ–,ȱkommtȱeigentlichȱnebenȱ V.ȱ 10aDȱ nurȱ V.ȱ 9aȱ inȱ Frage.ȱ V.ȱ 10ȱ istȱ imȱ Ganzenȱ aberȱ aufȱ dieȱ Zukunftȱ ausgerichtet,ȱwährendȱV.ȱ9bȱ–ȱtrotzȱImperfektformulierung4ȱ–ȱoffenbarȱ dasȱgrundlegendeȱundȱdenȱJubelȱauslösendeȱEreignisȱwiedergibt:ȱ„Dieȱ Füßeȱ seinesȱ Frommenȱ bewahrtȱ er,ȱ undȱ dieȱ Gottlosenȱ kommenȱ inȱ derȱ Finsternisȱum.“ȱ EineȱRettungȱinȱ einerȱKampfȬȱ oderȱgarȱVerfolgungssiȬ tuationȱ desȱ Königs.ȱ Dieȱ Vermutungȱ setztȱ u.ȱa.5ȱ voraus,ȱ dassȱ amȱ Endeȱ vonȱV.ȱ1ȱdasȱmutmaßlicheȱSubjektȱdesȱHandelnsȱ(JHWH,ȱ OD)ȱgenanntȱ war.ȱȱ

2. V.ȱ2–3ȱsindȱvonȱemphatischenȱNominalsätzenȱbestimmt.ȱInȱderenȱFolgeȱ passtȱ V.ȱ 3aȱ mitȱ seinerȱ Warnungȱ anȱ bisherȱ nichtȱ erwähnteȱ hochmütigeȱ undȱfrecheȱPersonenȱ–ȱdieȱFeindeȱvonȱV.ȱ1ȱsindȱjaȱbesiegtȱ(oderȱtot,ȱV.ȱ 9a)ȱ–ȱeigentlichȱnicht,ȱesȱseiȱdenn,ȱmanȱsäheȱinȱdenȱAngeredetenȱSpötterȱ oderȱ Ketzer,ȱ dieȱ denȱ inȱ V.ȱ 2ȱ formuliertenȱ monotheistischenȱ GlaubensȬ satzȱ inȱ Zweifelȱ ziehen,ȱ inȱ demȱ sichȱ derȱ Psalmistȱ mitȱ seinerȱ Gemeindeȱ („unserȱGott“)ȱeinigȱweiß.ȱAberȱdarumȱkannȱesȱdemȱüberȱFeindeȱtriumȬ phierendenȱ Königȱ prinzipiellȱ dochȱ wohlȱ nichtȱ gehen,ȱ wiewohlȱ natürȬ lichȱ einȱ solcherȱ Siegȱ auchȱ eineȱ Entscheidungȱ überȱ dieȱ religiösenȱ AusȬ einandersetzungenȱbedeutet.ȱEinȱAustauschȱvonȱV.ȱ3aȱmitȱV.ȱ8bȱwürdeȱ hierȱinȱverschiedenerȱHinsichtȱAbhilfeȱschaffen.ȱV.ȱ8bȱistȱanȱseinemȱOrtȱ isoliert.ȱDieȱgriechischeȱundȱlateinischeȱÜberlieferungȱverzichteteȱganzȱ aufȱihn,ȱauchȱdasȱQumranȬFragmentȱ4QSamaȱ lasȱoffenbarȱinȱV.ȱ9ȱeinenȱ anderenȱ Text.6ȱ Alsȱ Schöpfungsbekenntnisȱ vonȱ eigenemȱ Profilȱ aberȱ würdeȱ derȱ Versȱ (alsȱ Zitat?)ȱ nichtȱ schlechtȱ inȱ dieȱ Abfolgeȱ vonȱ dogȬ matischenȱSpitzensätzenȱpassen,ȱdieȱV.ȱ2ȱf.ȱbieten:ȱ DennȱJHWHsȱsindȱdieȱPfeilerȱderȱErde,ȱundȱerȱlegteȱdenȱWeltkreisȱdaȬ rauf.ȱ

EsȱwürdeȱeineȱdreizeiligeȱStropheȱergeben.ȱ

3. V.ȱ 9bȱ istȱ eineȱ Waise.ȱ „Dennȱ derȱ Menschȱ vermagȱ nichtsȱ aufȱ eigenerȱ Kraft“.ȱDieseȱtheologischeȱSentenzȱistȱvonȱeigenemȱGewicht.ȱDemȱSinȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 4ȱ 5ȱ



Dazuȱu.ȱ Dasȱ denȱ Psalmȱ dominierendeȱ Dreiermetrumȱ verlangtȱ fürȱ V.ȱ 1bEȱ einenȱ drittenȱ AkȬ zent.ȱ Einȱ dieȱ Freudeȱ besondersȱ betonendesȱ \Nȱ passtȱ eherȱ inȱ denȱ Sinnrahmenȱ desȱ HannaȬGebetsȱalsȱinȱdenȱKönigspsalm.ȱ Vgl.ȱBHSȱ(P.ȱA.ȱH.ȱdeȱBoer)ȱz.ȱSt.ȱ

ȱ

3.ȱTextlicheȱProblemeȱ

195ȱ

neȱnachȱfügtȱsieȱsichȱnurȱschlechtȱinȱdenȱüberliefertenȱKontextȱein.ȱV.ȱ9ȱ sprichtȱ vonȱ einerȱ Bewahrungȱ desȱ „Frommen“ȱ (Königs)ȱ imȱ Kampf,ȱ V.ȱ 10aȱ vonȱ Widersachernȱ JHWHs,ȱ dieȱ zerschlagenȱ werdenȱ –ȱ wohlȱ ebenȬ fallsȱvonȱKriegȱundȱFeind.ȱAberȱeineȱAussageȱüberȱdasȱVermögenȱbzw.ȱ Unvermögenȱ „desȱ Menschen“ȱ –ȱ alsoȱ Freundȱ undȱ Feindȱ –ȱ istȱ hierȱ schwerȱ begreiflich.ȱ Amȱ ehestenȱ nochȱ verständlichȱ wäreȱ einȱ Anschlussȱ anȱV.ȱ6–8,ȱwoȱvonȱJHWHsȱsouveränerȱVerfügungȱüberȱdasȱmenschlicheȱ LebenȱdieȱRedeȱist.ȱAuchȱdieȱNachbarschaftȱvonȱeinemȱversetztenȱV.ȱ3aȱ (nachȱ V.ȱ 8a)ȱ wäreȱ nichtȱ unpassend.ȱ Inȱ V.ȱ 3aȱ werdenȱ „Menschen“ȱ anȬ gesprochen,ȱ dieȱ offenbarȱ mitȱ demȱ Grunddogmaȱ vonȱ V.ȱ 9bȱ nichtsȱ zuȱ schaffenȱ habenȱ wollenȱ undȱ darumȱ vielȱ vonȱ (eigenem)ȱ Großemȱ undȱ Hohemȱzuȱredenȱwissenȱ–ȱVermessenesȱinȱdenȱAugenȱdesȱPsalmisten,ȱ weilȱ sieȱ dieȱ Verfügungshoheitȱ derȱ Gottheitȱ überȱ dasȱ Lebenȱ leugnen.ȱ Ihnenȱgiltȱdasȱ„Nein“ȱvonȱV.ȱ3a,ȱaufȱderȱBasisȱvonȱV.ȱ9b.ȱ

4. Inȱ V.ȱ 10ȱ fehltȱ zurȱ dreizeiligenȱ Stropheȱ einȱ Kolon.ȱ V.ȱ 10aEȱ undȱ aJȱ sindȱ Parallelsätze,ȱwieȱauchȱV.ȱbDȱundȱbE.ȱQȱundȱdieȱVersionenȱkönnenȱnichtȱ helfen.ȱ Wahrscheinlichȱ istȱ dieȱ Schadstelleȱ eineȱ Folgeȱ derȱ Operationenȱ imȱBereichȱvonȱV.ȱ9.ȱ Eineȱ nachȱ denȱ bisherigenȱ Annahmenȱ rekonstruierteȱ Textfassungȱ hätteȱdieȱVersfolge:ȱ 1aEJ.ȱ1b*.ȱ9b:ȱ MeinȱHerzȱfreutȱsichȱanȱJHWH,ȱ meinȱHornȱistȱerhobenȱdurchȱJHWH,ȱ meinȱMundȱistȱaufgetanȱgegenȱmeineȱFeinde,ȱ dennȱichȱfreueȱmichȱüberȱdieȱHilfeȱJHWHs.ȱȱ DieȱFüßeȱseinesȱGetreuenȱbehütetȱer,ȱ dieȱFrevlerȱaberȱkommenȱumȱinȱderȱFinsternis.ȱ

2aDb.ȱ8b.ȱ3b:ȱ NiemandȱistȱsoȱheiligȱwieȱJHWH,ȱȱ undȱkeinȱFelsȱistȱwieȱunserȱGott.ȱȱ JHWHȱgehörenȱdieȱPfeilerȱderȱErde,ȱ undȱaufȱsieȱhatȱerȱdenȱErdkreisȱgelegt.ȱ JHWHȱistȱeinȱGott,ȱderȱallesȱkennt,ȱ vonȱihmȱwerdenȱdieȱTatenȱgeprüft.ȱ

4.ȱ5a.ȱ5b:ȱ DerȱBogenȱderȱHeldenȱ–ȱzerbrochenȱ(?),ȱ StrauchelndeȱaberȱhabenȱsichȱmitȱKraftȱgegürtet.ȱ SatteȱmachenȱsichȱdienstbarȱfürȱBrot,ȱ Hungrigeȱaberȱmüssenȱdasȱnichtȱmehrȱtun.ȱ DieȱUnfruchtbareȱgebiertȱsieben,ȱ dieȱaberȱvieleȱKinderȱhat,ȱverwelkt.ȱ

196ȱ

13.ȱDerȱHannaȬPsalmȱ(1.ȱSamȱ2,1–10)ȱ

6.ȱ7.ȱ8aDE:ȱ JHWHȱtötetȱundȱmachtȱlebendig,ȱ erȱführtȱhinabȱinsȱTotenreichȱundȱführtȱwiederȱhinauf.ȱ JHWHȱmachtȱarm,ȱundȱerȱmachtȱreich.ȱ Erȱerniedrigt,ȱaberȱerȱerhöhtȱauch.ȱ ErȱrichtetȱdenȱGeringenȱaufȱausȱdemȱStaub,ȱ hebtȱdenȱArmenȱaufȱausȱdemȱKot,ȱ

8aEJ.ȱ3a.ȱ9b:ȱ umȱihnȱnebenȱEdleȱzuȱsetzen,ȱ undȱeinenȱerhabenenȱThronȱteiltȱerȱihnenȱalsȱErbbesitzȱzu.ȱ FührtȱnichtȱsoȱvieleȱhochmütigeȱReden,ȱ nichtsȱFrechesȱkommeȱausȱeuremȱMund!ȱ DennȱausȱeigenerȱKraftȱistȱderȱMenschȱnichtȱstark.ȱ …ȱ

10aD.ȱ10aEJ.ȱ10bDE:ȱ WerȱmitȱJHWHȱstreitet,ȱwirdȱerschrecken,ȱ überȱihnȱlässtȱerȱimȱHimmelȱDonnerȱerdröhnenȱ …ȱ JHWHȱrichtetȱdieȱEndenȱderȱErde.ȱ SeinemȱKönigȱgebeȱerȱStärke,ȱ undȱerhebeȱdasȱHornȱseinesȱGesalbten.7ȱ

ȱ Nebenȱ kleinerenȱ Bearbeitungenȱ undȱ Änderungenȱ sindȱ zweiȱ größereȱ Umstellungenȱ(V.ȱ9bȱundȱV.ȱ3aȱ~ȱV.ȱ8b)ȱanzunehmen.ȱ

4.ȱDieȱTemporaȱundȱihreȱVerteilungȱ DassȱdieȱFolgeȱderȱTempora,ȱgenauer,ȱdieȱdurchȱdieȱTemporaȱbestimmȬ tenȱSatztypenȱundȱihreȱFolge,ȱfürȱdasȱVerständnisȱeinesȱalttestamentliȬ chenȱTextesȱkonstitutivȱist,ȱhatȱRüdigerȱBartelmusȱanhandȱvonȱ1.ȱSamȱ2ȱ gezeigt.8ȱ Wirȱ versuchenȱ vorȱ allem,ȱ dieȱ Streuungȱ undȱ ClusterȬBildungȱ derȱ Satztypenȱ inȱ diesemȱ Psalmtextȱ zuȱ erkennen,ȱ umȱ darausȱ Schlüsseȱ aufȱdasȱSinngefälleȱzuȱziehen.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 7ȱ 8ȱ

Arrangementȱ mithilfeȱ derȱ wörtlichȱ ziemlichȱ genauenȱ Neuenȱ Zürcherȱ BibelüberȬ setzungȱvonȱ2007.ȱ R.ȱBartelmus,ȱTempusȱalsȱStrukturprinzipȱ(1987).ȱ

ȱ

4.ȱDieȱTemporaȱundȱihreȱVerteilungȱ

197ȱ

1. V.ȱ 1ȱ bietetȱ eineȱ Folgeȱ vonȱ asyndetisch9ȱ gereihtenȱ Sätzen,ȱ wobeiȱ Perfektsätzeȱ einenȱ Nominalsatzȱ mitȱ Partizipȱ einschließen.ȱ Dieȱ BeȬ sonderheitȱderȱdreiȱVerbalsätzeȱnachȱdemȱkatalȬxȱTyposȱbestehtȱdarinȱ–ȱ undȱ dasȱ giltȱ auchȱ fürȱ denȱ eingeschlossenenȱ Nominalsatzȱ –,ȱ dassȱ sieȱ semantischȱ Aussagenȱ überȱ dieȱ 1.ȱ Personȱ sg.ȱ machen,ȱ insofernȱ sprechȬ akttheoretischȱ alsȱ performativeȱ Äußerungenȱ einzuschätzenȱ sind.ȱ Dasȱ heißtȱinȱdiesemȱFalleȱwohl,ȱdassȱsieȱeineȱemphatische,ȱlautȱundȱdeutlichȱ gezeigteȱ Freudeȱ signalisieren.ȱ Sieȱ symbolisierenȱ semantischȱ durchȱ dieȱ Verbenȱ O>ȱ undȱ MPFȱ undȱ imitierenȱ durchȱ dieȱ gestischenȱ Topoiȱ „erȬ hobenesȱ (Horn)ȱ Haupt“ȱ undȱ „aufgerissenerȱ Mund“ȱ denȱ triumphalenȱ JubelȱdesȱSiegers.ȱDerȱPsalmdichterȱversetztȱsichȱdamitȱinȱdieȱSituationȱ desȱ Triumphesȱ zurück.ȱ Dasselbeȱ geschiehtȱ imȱ Kontextȱ derȱ nichtȱ mehrȱ stillȱ(1,13ȱf.)ȱbetendenȱHanna.ȱ Erwägtȱ manȱ dieȱ Möglichkeit,ȱ imȱ Anschlussȱ anȱ V.ȱ 1ȱ Vȱ 9aȱ zuȱ lesen,ȱ siehtȱmanȱimȱBlickȱaufȱdieȱTemporaȱeinȱanderesȱBild.ȱV.ȱ9a,ȱderȱaufȱdenȱ GrundȱderȱtriumphalenȱFreudeȱhinzuweisenȱscheint,ȱbietetȱdafürȱzweiȱ xȬjiqtolȬSätze,ȱ dieȱ nichtȱ ganzȱ leichtȱ zuȱ deutenȱ sind.ȱ Zumindestȱ wirdȱ manȱ sagenȱ können:ȱ Sieȱ betonenȱ dieȱ Objekteȱ desȱ göttlichenȱ Handelnsȱ (dieȱ Füßeȱ desȱ Frommenȱ undȱ dieȱ Frevler)ȱ undȱ sindȱ inȱ diesemȱ ZusamȬ menhangȱ rückblickenderȱ Reflexionȱ wohlȱ alsȱ iterativeȱ Imperfekteȱ einȬ zuordnen.10ȱ Sieȱ scheinenȱ zumȱ Ausdruckȱ bringenȱ zuȱ wollen,ȱ dassȱ dasȱ BehütenȱundȱBewahrenȱdesȱflüchtendenȱKönigsȱundȱderȱUntergangȱderȱ Feindeȱ(alsȱFrevlerȱbeurteilt)ȱausȱmehrerenȱwiederholtenȱAktionenȱbeȬ stand.ȱInȱderȱKombinationȱderȱSätzeȱdieserȱerstenȱStropheȱspiegeltȱsichȱ einleitendȱ derȱ gedanklicheȱ Aufschwungȱ desȱ ganzenȱ Psalms,ȱ derȱ ausȱ einerȱ einschneidendenȱ existentiellenȱ Erfahrungȱ theologischeȱ Schlüsseȱ abzuleitenȱversucht.ȱȱ

2. DieȱzweiteȱStropheȱistȱnunȱvonȱNominalsätzenȱgeprägt,ȱganzȱgleich,ȱobȱ manȱ dieȱ Glosseȱ inȱ V.ȱ 2aEȱ hinzunimmtȱ oderȱ nicht;ȱ V.ȱ 3aȱ oderȱ imȱ AusȬ tauschȱV.ȱ8bȱsindȱohnehinȱalsȱZwischentexteȱzuȱverstehen,ȱdieȱalsȱWarȬ nungȱoderȱalsȱBekenntnisȱimȱKontextȱisoliertȱstehenȱundȱoffensichtlichȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 9ȱ Dasȱ \Nȱ istȱ möglicherweiseȱ sekundärȱ undȱ hatȱ zumindestȱ hierȱ keineȱ konjunktionaleȱ Funktion.ȱ 10ȱ S.ȱu.ȱzuȱV.ȱ6–8.ȱ

198ȱ

13.ȱDerȱHannaȬPsalmȱ(1.ȱSamȱ2,1–10)ȱ

zitathaftenȱ Charakterȱ haben.11ȱ V.ȱ 3bȱ bestehtȱ nachȱ demȱ Qereȱ ebenfallsȱ ausȱzwei,ȱallerdingsȱpositivȱformuliertenȱNominalsätzen.12ȱȱ Nominalsätzeȱ haltenȱ „ewige“ȱ Wahrheitenȱ fest.ȱ Sindȱ sieȱ negativȱ formuliert,ȱ wieȱ inȱ V.ȱ 2,ȱ eignetȱ ihnenȱ einȱ polemischȱ abwehrenderȱ Zug,ȱ derȱ fastȱ einemȱ Anathemaȱ gleichkommt.ȱ Inȱ jedemȱ Fallȱ werdenȱ dieȱ BeȬ hauptungen,ȱ dieȱ andereȱ Behauptungenȱ ausschließenȱ sollen,ȱ alsȱ GlauȬ bensbekenntnisseȱ(„unserȱGott“)ȱvorgebracht.ȱ V.ȱ2ȱwirdȱsoȱzumȱdogmatischenȱSpitzensatz.ȱKommtȱdazu,ȱdassȱdieȱ verwendetenȱTheologumenaȱ„derȱHeilige“ȱundȱ„derȱFels“ȱmutmaßlichȱ ältereȱGottesbegriffe13ȱenthalten,ȱwobeiȱdieȱmonotheistischeȱZuspitzungȱ derȱ Unvergleichlichkeitsaussageȱ eineȱ überraschendeȱ Konturierungȱ enthält:ȱEsȱgibtȱkeineȱGottheitȱaußerȱ…ȱ V.ȱ3bȱbringtȱdannȱdieȱpositiveȱCharakterisierungȱderȱeinzigenȱGottȬ heitȱalsȱeinerȱallwissendenȱundȱrichtendenȱhinzuȱundȱschließtȱsomitȱdasȱ BekenntnisȱdeȱDeoȱab:ȱsolusȱDeus,ȱSchöpfer,ȱAllwissender,ȱRichter.ȱDieȱ StropheȱbestätigtȱdasȱzentraleȱGlaubensbekenntnisȱIsraels.ȱ

3. InȱdenȱVersenȱ4–5ȱbegegnenȱsechsȱPerfektformen,ȱalleȱimȱxȬqatalȬStatus.ȱ Ihreȱ Funktionȱ istȱ eineȱ emphatischȱ konstatierende.ȱ Inȱ derȱ Reihungȱ derȱ Fälleȱ werdenȱ konkreteȱ göttlicheȱ Handlungsweisenȱ angeführt,ȱ dieȱ sichȱ aufȱdasȱLebenȱinȱKrieg,ȱUnterhalt,ȱFamilieȱbeziehenȱundȱgegenȱmenschȬ lichesȱErmessenȱdieȱsozialenȱWerteȱundȱRängeȱinȱihrȱGegenteilȱverwanȬ delt.ȱ Diesesȱ gegenläufigeȱ Wirkenȱ wirdȱ durchȱ dieȱ Gegenüberstellungȱ derȱFälleȱexemplifiziert,ȱwobeiȱdieȱGleichartigkeitȱderȱverbalenȱFormenȱ eineȱfesteȱRichtlinieȱimȱHandelnȱGottesȱanȱdenȱMenschenȱanzeigt.ȱȱ

4. DieȱVerseȱ6–8aEȱsindȱdurchȱdieȱzahlreichenȱPartizipienȱundȱdieȱdarausȱ gebildetenȱ Nominalsätzeȱ mitȱ göttlichemȱ Subjektȱ charakterisiert.ȱ Dieseȱ ParallelsetzungȱzeigtȱoffensichtlichȱEigenschaftenȱdesȱHandelnsȱan,ȱdieȱ sichȱ ausȱ denȱ konkretenȱ Fällenȱ derȱ vorigenȱ Stropheȱ ergeben.ȱ Undȱ wieȬ derȱdominiertȱdasȱPrinzipȱderȱGegenläufigkeit,ȱhierȱsogarȱinȱvierȱHalbȬ versenȱverdoppeltȱverwendet.ȱImȱÜbrigenȱwirdȱdurchȱdieȱFolgeȱdeutȬ lich,ȱ dassȱ dieȱ imȱ MTȱ überliefertenȱ Verbalformenȱ O>\Zȱ undȱ \U\ȱ inȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 11ȱ V.ȱ 8bȱ bestehtȱ seinerseitsȱ ausȱ einemȱ V.ȱ 2ȱ entsprechendenȱ Nominalsatz,ȱ gefolgtȱ vonȱ einemȱ Verbalsatz,ȱ derȱ inȱ narrativemȱ Stilȱ ausȱ einemȱ Schöpfungsberichtȱ zuȱ zitierenȱ scheint.ȱ 12ȱ Jedenfallsȱ kannȱ manȱ V.ȱ 3bEsoȱ auffassen:ȱ „undȱ fürȱ ihnȱ (gilt),ȱ dassȱ Handlungenȱ geȬ wogenȱwerden“.ȱDieȱKorrekturȱzuȱ#NZWODȱ„GottȱdesȱWägensȱvonȱHandlungen“ȱwäȬ reȱnochȱeindeutiger.ȱȱ 13ȱ Vgl.ȱDtȱ32.ȱ

ȱ

4.ȱDieȱTemporaȱundȱihreȱVerteilungȱ

199ȱ

Kontextȱ dieselbeȱ Funktionȱ habenȱ wieȱ dieȱ Partizipienȱ inȱ denȱ NominalȬ sätzen,ȱnämlichȱeineȱdasȱHandelnȱcharakterisierendeȱiterative.ȱȱ

5. Stropheȱ 5ȱ istȱ nachȱ masoretischerȱ Überlieferungȱ nichtȱ vollständigȱ undȱ nichtȱeindeutigȱerhalten.ȱSowohlȱinȱderȱmasoretischenȱFassungȱalsȱauchȱ inȱ derȱ Rekonstruktionȱ bestehtȱ sieȱ ausȱ etwasȱ disparatenȱ Sätzen,ȱ dieȱ inȬ desȱ durchȱ einenȱ Finalsatzȱ mitȱ Oȱ undȱ Infinitivȱ eingeleitetȱ wird.ȱ Erȱ entȬ hältȱ dieȱ Zielbestimmungȱ fürȱ dieȱ vonȱ V.ȱ 4ȱ anȱ aufgereihtenȱ göttlichenȱ Handlungsweisen,ȱbezogenȱaufȱdenȱletztgenanntenȱArmen,ȱinȱwelchemȱ sichȱ derȱ Königȱ selbstȱ darstellt:ȱ Erȱ erhältȱ nichtȱ nurȱ einenȱ Ehrenplatzȱ unterȱdenȱEdlenȱderȱWelt,ȱvielmehrȱerbtȱerȱdenȱfürȱihn,ȱdenȱGesalbten,ȱ vorgesehenenȱThron.ȱErȱhatȱAnlass,ȱsichȱanȱdieȱGegnerȱsolcherȱZusagenȱ mitȱ einemȱ doppeltenȱ bzw.ȱ dreifachenȱ „Nicht!“ȱ (OD/DO)ȱ zuȱ wendenȱȱ (V.ȱ3a.9b):ȱeineȱzitierteȱWarnungȱimȱJussivȱsollȱsieȱanȱihrenȱgegenteiliȬ genȱ Zielenȱ hindern;ȱ etwasȱ unvermittelt:ȱ eineȱ negativeȱ apodiktischeȱ Sentenzȱ überȱ dieȱ grundsätzlichȱ begrenzteȱ Machtȱ desȱ „Menschen“.ȱ AuchȱderȱKönigȱkannȱsichȱseinenȱThronȱnichtȱselbstȱgarantieren.ȱ

6. DieȱletzteȱStropheȱlebtȱvonȱdemȱfuturischȬjussivischenȱImperfektȱ(fünfȱ Formen,ȱunterschiedlichȱplatziert).ȱEsȱistȱdasȱTempusȱfürȱWunschȱundȱ Erwartung.ȱErinnertȱwirdȱanȱeinȱeschatologischesȱGerichtȱfürȱalleȱWelt,ȱ verbundenȱmitȱdemȱWunsch,ȱderȱGesalbteȱKönigȱmögeȱdasȱmitȱGottesȱ Hilfeȱ unbeschadetȱ durchstehen.ȱ Derȱ Schlusstoposȱ führtȱ zumȱ Anfangȱ desȱPsalmsȱzurück.ȱDasȱerhöhteȱHornȱmögeȱauchȱinȱZukunftȱzumȱZeiȬ chenȱ seinesȱ Königtumsȱ werden,ȱ wieȱ erȱ esȱ inȱ dieserȱ Situationȱ derȱ GeȬ schichteȱerfahrenȱhat.ȱ Erkennbarȱ wirdȱ inȱ derȱ Strophenfolgeȱ mitȱ demȱ geplantenȱ Wechselȱ derȱ Temporaȱ undȱ Satztypenȱ alsȱ Signalȱ undȱ Impulsȱ eineȱ DenkbeweȬ gung,ȱdieȱSchrittȱfürȱSchrittȱeinenȱErkenntnisgewinnȱmarkiertȱundȱausȱ demȱ Psalmtextȱ einȱ theologischesȱ Dokumentȱ vonȱ zentralerȱ Bedeutungȱ macht.ȱ Dieȱ dabeiȱ eingesetztenȱ SprachȬȱ undȱ Stilmittelȱ befördernȱ denȱ Prozess,ȱ der,ȱ ausgehendȱ vonȱ grundlegendenȱ Erlebnissen,ȱ durchȱ dieȱ dadurchȱ ausgelöstenȱ Emotionenȱ vorangetriebenȱ wird.ȱ Erȱ führtȱ –ȱ nachȱ demȱ Gefühlsausbruchȱ derȱ erstenȱ Stropheȱ –ȱ sicherȱ nichtȱ unbeeinflusstȱ durchȱtraditionelleȱFormulierungenȱzuȱdogmatischenȱKernaussagenȱinȱ denȱStrophenȱzweiȱbisȱfünf,ȱumȱdannȱamȱEndeȱinȱStropheȱsechsȱHoffȬ nungenȱfürȱdieȱZukunftȱzuȱfinden.ȱEinȱtheologischesȱMeisterwerk,ȱdasȱ sichȱ derȱ Logikȱ einesȱ Glaubensbekenntnissesȱ entlangȱ bewegtȱ undȱ zuȱ monotheistischenȱ (II),ȱ geschichtstheologischenȱ (III),ȱ ethischenȱ (IV),ȱ anthropologischenȱ (V)ȱ undȱ eschatologischenȱ (VI)ȱ Einsichtenȱ kommt.ȱ

200ȱ

13.ȱDerȱHannaȬPsalmȱ(1.ȱSamȱ2,1–10)ȱ

Welcherȱ Königȱ inȱ Israelȱ hatȱ einȱ solchesȱ Textdokumentȱ zuȱ verantworȬ ten?ȱ Oderȱ inȱ welchemȱ höfischenȱ Umkreisȱ könnteȱ einȱ solcherȱ ErkenntȬ nisprozessȱ dokumentiertȱ wordenȱ sein?ȱ Gibtȱ esȱ Spuren,ȱ dieȱ aufȱ seineȱ Herkunftȱschließenȱlassen?ȱ

5.ȱDieȱpoetologischeȱStrukturȱ Anȱ derȱ poetologischenȱ Strukturȱ desȱ Psalmsȱ istȱ zunächstȱ auffälligȱ eineȱ gewisseȱKonzinnitätȱundȱKürzeȱderȱDiktion.ȱSoȱfehlenȱimȱganzenȱTextȱ derȱausgeschriebeneȱbestimmteȱArtikelȱundȱdieȱnotaȱaccusativi.ȱMagȱdasȱ anȱ derȱ masoretischenȱ Überlieferungȱ inȱ diesemȱ Textbereichȱ desȱ Samuelbuchesȱ liegen.ȱ Ungewöhnlichȱ istȱ esȱ gleichwohl.ȱ Dieȱ Verseȱ sindȱ auchȱmehrheitlichȱasyndetischȱaneinandergereiht;ȱnurȱdasȱnichtȱselteneȱ \NȱbegegnetȱinȱeinleitenderȱoderȱerklärenderȱFunktionȱrelativȱhäufigȱ(V.ȱ 1b.2.3b.8b.9b),ȱ charakteristischerweiseȱ vorȱ allemȱ anȱ literarkritischȱ beȬ denklichenȱ Stellen,ȱ undȱ gehtȱ wohlȱ aufȱ dasȱ Kontoȱ redaktionellerȱ BeȬ arbeitung.ȱDasȱachtȱMalȱgesetzteȱJHWHȱjedochȱgehörtȱaußerȱinȱV.ȱ10aJ,ȱ woȱ esȱ keinenȱ Akzentȱ trägt,ȱ zumȱ Grundbestand.14ȱ Inȱ soȱ gutȱ wieȱ jedemȱ Versȱ zeigenȱ sichȱ kunstvolleȱ assonantischeȱ undȱ alliterativeȱ Figuren.ȱ Soȱ inȱ V.ȱ 1aȱ undȱ V.ȱ 1bȱ einȱ jeȱ dreifachesȱ Eȱ alsȱ Leitklangȱ wohlȱ desȱ emotioȬ nalenȱEngagements.ȱInȱV.ȱ3bȱbegegnetȱeinȱalliterativesȱO,ȱinȱV.ȱ5ȱf.ȱeinȱP,ȱ vorȱallemȱinȱFormȱderȱPluralendung,ȱinȱV.ȱ7ȱeinȱC,ȱV.ȱ8ȱundȱV.ȱ10ȱP;ȱdasȱ \ȱ desȱ Hifilȱ istȱ häufigȱ inȱ V.ȱ 6–8ȱ (V.ȱ 8a:ȱ 6Ȭmal),ȱ undȱ inȱ V.ȱ 8–10ȱ trittȱ dasȱ Phänomenȱ derȱ Konsonantenwiederholungȱ mehrmalsȱ auf.ȱ Inȱ V.ȱ 6ȱ beȬ gegnetȱ dieȱ Klangfigurȱ O>\ZOZDY.ȱ Demȱ Psalmȱ eignetȱ demnachȱ eineȱ gewisseȱExpressivität,ȱobwohlȱdieseȱnebenȱderȱTempusfolgeȱmehrȱbeiȬ läufigȱzuȱseinȱscheintȱundȱnichtȱsehrȱinȱdenȱVordergrundȱtritt.ȱȱ Inȱ denȱ Vordergrundȱ trittȱ jedochȱ einȱ anderesȱ Phänomen,ȱ dasȱ m.ȱE.ȱ nurȱ seltenȱ beachtetȱ wurde.ȱ Dieȱ auffälligsteȱ poetologischeȱ Erscheinungȱ desȱHannaȬPsalmsȱistȱnämlichȱeineȱbestimmteȱVerwendungȱderȱAkroȬ stichie.ȱBlicktȱmanȱaufȱdieȱAnfangskonsonantenȱdesȱstichischȱgesetztenȱ Texts,ȱ undȱ zwarȱ vorȱ allenȱ literarkritischenȱ Operationen,ȱ soȱ fälltȱ insȱ Auge,ȱ dassȱ dieȱ Strophenȱ jeweilsȱ eineȱ besondereȱ Affinitätȱ zuȱ bestimmȬ tenȱAnfangskonsonantenȱentwickeln.ȱ DasȱistȱinȱderȱStropheȱIIȱ D,ȱdasȱinȱV.ȱ2ȱf.ȱzweimalȱ–ȱunterȱAbzugȱdesȱ \NȱinȱV.ȱ3bȱ–ȱdreimalȱanȱderȱSpitzeȱderȱVerseȱerscheint.15ȱInȱStropheȱVIȱ istȱesȱeinȱ\,ȱdasȱ–ȱanalogȱzuȱStropheȱIIȱ–ȱzweimal,ȱbzw.ȱunterȱStreichungȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14ȱ EsȱistȱwohlȱinȱV.ȱ1bȱstattȱderȱ2.ȱPersonȱzuȱergänzenȱ(oderȱOD).ȱ 15ȱ Durchȱ eineȱ obenȱ erwogeneȱ Vertauschungȱ vonȱ V.ȱ 3aȱ undȱ 8bȱ würdeȱ dasȱ Bildȱ allerȬ dingsȱgetrübt,ȱundȱmanȱwäreȱgenötigt,ȱstattȱKZK\ȱeinȱODȱoderȱ\QZGDȱzuȱlesen.ȱ

ȱ

5.ȱDieȱpoetologischeȱStrukturȱ

201ȱ

derȱ Kopulaȱ dreimalȱ dieȱ Verseȱ einleitet.ȱ Eineȱ Umstellungȱ derȱ beidenȱ erstenȱ Worteȱ (zweimalȱ JHWH)ȱ istȱ erforderlich,ȱ umȱ inȱ Stropheȱ IVȱ einȱ sechsfachȱ dieȱ Halbverseȱ eröffnendesȱ Pȱ zuȱ erkennen.ȱ Imȱ überliefertenȱ Textȱ istȱ nurȱ V.ȱ 8aȱ soȱ erhalten;ȱ V.ȱ 6ȱ undȱ V.ȱ 7ȱ mögenȱ ursprünglichȱ dieȱ gleicheȱStrukturȱgehabtȱhaben.ȱStropheȱV,ȱzwarȱunterȱliterarkritischemȱ Verdacht,ȱzeigtȱinȱderȱerhaltenenȱFormȱ–ȱbeiȱWegfallȱdesȱdoppeltenȱ\Nȱ–ȱ dreiȱ Versanfängeȱ mitȱ demȱ Konsonantenȱ O,ȱ beiȱ Versetzungȱ vonȱ V.ȱ 9aȱ sogarȱinȱderȱVersfolge.ȱȱ Ganzȱ soȱ einfachȱ liegenȱ dieȱ Dingeȱ beiȱ denȱ restlichenȱ Strophenȱ nunȱ allerdingsȱ nicht.ȱ Stropheȱ Iȱ bietetȱ zweiȱ Halbverse,ȱ dieȱ mitȱ einemȱ Uȱ beȬ ginnen,ȱindesȱnurȱinȱV.ȱ1bȱamȱVersanfang.ȱEineȱUmstellungȱderȱHalbȬ verseȱ inȱ V.ȱ 1aȱ istȱ denkbar,ȱ aberȱ nichtȱ letztlichȱ beweisbar,ȱ esȱ seiȱ denn,ȱ manȱ gewichteȱ dieȱ mitȱ V.ȱ 1aEȱ undȱ V.ȱ 10ȱ bEȱ zuȱ gewinnendeȱ Inklusionȱ durchȱ dasȱ Hornmotivȱ soȱ stark,ȱ dassȱ esȱ dieȱ Umstellungȱ rechtfertigt.ȱ AberȱesȱkommtȱnochȱeinȱArgumentȱhinzu.ȱVersetztȱmanȱV.ȱ9aȱwieȱverȬ suchtȱ ausȱ anderenȱ Gründenȱ zuȱ V.ȱ 1,ȱ hätteȱ manȱ dieȱ dritteȱ UȬZeileȱ geȬ wonnen.16ȱOhneȱManipulationȱgehtȱesȱbeiȱStropheȱIIIȱnichtȱab.ȱZwarȱistȱ derȱsȬKonsonantȱinȱV.ȱ4ȱf.ȱdominant,ȱaberȱnurȱinȱV.ȱ5aȱanȱderȱSpitzeȱdesȱ Verses.ȱ Beiȱ V.ȱ 5bȱ müssteȱ manȱ dasȱ K>ECȱ „siebenfach“ȱ umstellenȱ undȱ beiȱV.ȱ4ȱtolerieren,ȱdassȱdasȱCȱvonȱWCTȱ„Bogen“ȱnurȱdenȱzweitenȱRangȱ einnimmt.17ȱ Gehtȱmanȱ–ȱmitȱeinigemȱZögernȱ–ȱvonȱderȱRichtigkeitȱoderȱWahrȬ scheinlichkeitȱ dieserȱ Annahmenȱ aus,ȱ istȱ derȱ nächsteȱ Schrittȱ natürlichȱ dieȱ Frage,ȱ obȱ dieȱ Abfolgeȱ derȱ Anfangskonsonantenȱ einenȱ Sinnȱ ergibt.ȱ Bekanntermaßenȱ könnenȱ akrostichischeȱ Strukturenȱ sowohlȱ lautlicheȱ wieȱ auchȱ graphischeȱ Funktionȱ haben.18ȱ Inȱ diesemȱ Fallȱ kommenȱ offenȬ barȱ beideȱ Funktionenȱ zurȱ Geltung.ȱ Esȱ liegtȱ keineȱ alephbetischeȱ Folgeȱ vor,ȱaberȱdieȱFolgeȱhatȱeineȱgraphischeȱBedeutungȱinsofern,ȱalsȱdieȱsieȱ Strophenȱ voneinanderȱ abtrennt.ȱ Sieȱ hatȱ aberȱ zusätzlicheȱ eineȱ lautlicheȱ Funktion,ȱ indemȱ dieȱ Konsonantenfolgeȱ alsȱ Wörterȱ gelesenȱ durchausȱ einenȱSinnȱzuȱergebenȱscheint.ȱ \ȱ–ȱ Oȱ–ȱ Pȱ–ȱ Cȱ–ȱ Dȱ–ȱ Uȱwäreȱalsȱ \OPCDUȱ lesbarȱundȱ–ȱvielleichtȱ–ȱals:ȱ„Kopf,ȱGipfel,ȱdasȱBesteȱ–ȱmeinerȱWorte“ȱ zuȱ deutenȱ analogȱ etwaȱ zuȱ \WMPFYDUȱ „meineȱ höchsteȱ Freude“ȱ (Psȱ 137,6)ȱoderȱ \ENZNYDUȱ„derȱhöchsteȱStern“ȱ(Hiȱ22,12),ȱwobeiȱ \OPȱalsȱ Pluralȱdesȱaramäischȱbeeinflusstenȱ KOPȱ(2.ȱSamȱ23,2;ȱPsȱ19,5;ȱPsȱ139,4,ȱ Prvȱ23,9ȱundȱsehrȱhäufigȱHi,ȱz.ȱB.ȱ23,5)ȱzuȱverstehenȱist.ȱImȱBlickȱaufȱdenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 16ȱ DasȱwürdeȱdieȱWahlȱdesȱimȱZusammenhangȱetwasȱseltsamȱklingendenȱUȬWortesȱOJUȱ „Fuß“ȱerklären,ȱvgl.ȱAUGȱvonȱ4QSama.ȱ 17ȱ Esȱmagȱerwogenȱwerden,ȱobȱdasȱ WCTȱhierȱüberhauptȱursprünglichȱist.ȱEinȱ„Panzer“ȱ wäreȱeinȱselteneresȱWort,ȱwürdeȱaberȱgutȱinȱdenȱKontextȱpassen.ȱȱ 18ȱ Vgl.ȱK.ȱSeybold,ȱAkrostichie.ȱ

202ȱ

13.ȱDerȱHannaȬPsalmȱ(1.ȱSamȱ2,1–10)ȱ

Inhaltȱ desȱ Königspsalmsȱ mitȱ seinenȱ grundsätzlichenȱ theologischenȱ Aussagenȱ wäreȱ diesȱ keineȱ unpassende,ȱ vielmehrȱ eineȱ sehrȱ treffendeȱ Formulierung.ȱZweifelȱbleibenȱnatürlich,ȱeinmalȱwegenȱeinerȱgewissenȱ UnsicherheitȱinȱderȱBestimmungȱderȱAnfangskonsonantenȱundȱ–ȱmehrȱ prinzipiellȱ –ȱ weilȱ solcheȱ Erscheinungenȱ (wiewohlȱ ausȱ demȱ AkkadiȬ schenȱ bekannt)ȱ imȱ Hebräischen,ȱ soweitȱ ichȱ sehe,ȱ bisherȱ nichtȱ nachȬ gewiesenȱwerdenȱkonnten.ȱ SolltenȱalleȱdieseȱAnnahmenȱzutreffen,ȱkönnenȱsieȱgleichwohlȱnichtȱ zurȱzeitlichenȱFixierungȱdesȱPsalmsȱbeitragen,ȱjedenfallsȱnichtȱmehrȱalsȱ esȱ dieȱ Charakterisierungȱ alsȱ Königspsalmȱ schonȱ tut.ȱ Aberȱ vielleichtȱ darfȱmanȱausȱdieserȱbewusstenȱFormatisierungȱ–ȱnunȱwiederumȱanalogȱ etwaȱzuȱPsȱ72ȱoderȱzuȱJesȱ38ȱ–ȱschließen,ȱinȱdemȱKönigspsalmȱ1.ȱSamȱ2ȱ eineȱInschriftȱoderȱinschriftartigeȱDarstellungȱzuȱerkennen.ȱȱ

6.ȱEineȱInschrift?ȱ Umȱ eineȱ Vorstellungȱ vonȱ derȱ Entstehungȱ zuȱ vermitteln,ȱ könnteȱ manȱ sichȱdenȱTextȱsoȱstrukturiertȱdenken:ȱ

KZK\E\EOO>KZK\\QUTKPU ODW>ZC\E\WMPC\E\ZDO>\SEMU ZPG\ACME\>CUUPC\ZG\GVM\OJU ZQ\KODNUZ[#\DZKZK\NCZGT#\D OEWK\O>WC\ZUD\T[PKZK\O WZOO>ZQNWQZOZKZK\WZ>GOD O\MZU]D\OCNQZKWM\UEJWCT G>ZOGME>UZUNCQMOE\E>EC KOOPD\QEWEUKGO\KUT>K>EC O>\ZOZDCG\UPK\MPKZK\W\PP PZUPDO\SCU\C>PZKZK\C\UZP #Z\ED\U\WSCDPOGUS>P\TP OMQ\GZENDVNZ\E\GQ>E\CZKO N\SPTW>D[\KKEJZEUWOD AUE\GQ#WQC\DUEJ\MNEDO >U\\PCE#Z\O>ZE\UPZWM\KZK\ UD\VSD#\G\ ZK\CP#UTU\ZZNOPO]>#W\

ȱ

6.ȱEineȱInschrift?ȱ

203ȱ

OderȱnachȱdenȱmirȱverfügbarenȱZeichenȱderȱalthebräischenȱSchrift19:ȱ

!-!//$ǥ$!-!//&)(!%)

$+-//+"%//-$/'") -%/i"B/))%/-/*"/$ )  -&/!$#)-.i/-!-!/#-(i/ $+B!/$+C/-H)/(.%!-!/$ +-$$-&#+&-$-!-!/+-$  $/"-)0B/$#&-!+"B/) +( -$"B)-)#&B"$B/ !$$%B/&+)!$/!)(!  $/-$-/)%!/"%!-!/+/%% B%-)%d$/')/%-!-!//)-% i-/B/)/+'%$)'%B/(%  B$"&/-#*#-B//&B/-!$ B#/'%(+./!! -)+$ i)/&i+&/) /"#$  B)/B/%i-/$-/)%-+"/!-!/ O)/*'i// -!/%i)(B)/--#$%$0i+/ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 19ȱ SiglumȱWORDȱAradȱLevelȱVI,ȱnachȱEAEHLȱIȱ(1975)ȱAradȱ(YȱAharoni):ȱIronȱAgeȱIIC,ȱ lateȱ7thȱcenturyȱtoȱtheȱbeginningȱofȱtheȱ6thȱcenturyȱ(83–88).ȱ

204ȱ

13.ȱDerȱHannaȬPsalmȱ(1.ȱSamȱ2,1–10)ȱ

7.ȱAufnahmeȱinȱdieȱErzählungȱ Wieȱ derȱ Erzählerȱ vonȱ 1.ȱ Samȱ 1ȱff.ȱ anȱ dieseȱ mutmaßlicheȱ Inschriftȱ undȱ denȱPsalmtextȱkam,ȱentziehtȱsichȱderȱKenntnis.ȱTatsacheȱist,ȱdassȱerȱdenȱ Textȱ anȱ denȱ erzählerischenȱ Zusammenhangȱ angepasstȱ hatȱ –ȱ jedoch,ȱ wennȱmanȱesȱimȱGanzenȱüberblickt,ȱnurȱinȱerstaunlichȱgeringemȱMaße.ȱȱ

1. Dieȱ Einpassungȱ desȱ Textesȱ inȱ dieȱ vonȱ 1.ȱ Samȱ 2,1ȱ angedeuteteȱ GebetȬ situationȱ istȱ nurȱ rechtȱ oberflächlichȱ geschehen,ȱ amȱ Endeȱ vonȱ V.ȱ 1ȱ mitȱ derȱnachȱderȱEröffnungȱinȱderȱdrittenȱPersonȱdochȱziemlichȱunerwarteȬ tenȱ Einsetzungȱ derȱ zweitenȱ Personȱ („durchȱ deineȱHilfe“),ȱ soȱ dassȱ sichȱ derȱ Textȱ zurȱ Anredeȱ zuȱ öffnenȱ scheint.ȱ Mitȱ V.ȱ 3ȱ indesȱ kehrtȱ derȱ Textȱ unvermitteltȱwiederȱzuȱJHWHȱinȱdritterȱPersonȱzurück.ȱNurȱderȱwahrȬ scheinlichȱsekundäreȱPassusȱinȱV.ȱ3aEȱversuchtȱnochȱeinmalȱdieȱAngleiȬ chungȱanȱdieȱGebetsrede,ȱwasȱderȱweitereȱKontextȱdannȱeindeutigȱwieȬ derȱzurücknimmt.ȱFortanȱerscheintȱdannȱJHWHȱmehrmalsȱnurȱnochȱinȱ dritterȱPerson.ȱȱ

2. Dieȱ starkeȱ Feindbetonungȱ desȱ politischȱ wieȱ theologischȱ bedeutsamenȱ Textesȱ schonȱ inȱ V.ȱ 1ȱ mussteȱ demȱ Erzählerȱ Schwierigkeitenȱ bereiten,ȱ dennȱimȱerzählendenȱKontextȱistȱvonȱpersönlichȱbedrohlichenȱFeindenȱ derȱBeterinȱüberhauptȱkeineȱRede.ȱManȱwirdȱnachȱ1.ȱSamȱ1ȱff.ȱHannasȱ Mann,ȱdieȱNebenfrauȱundȱderenȱSöhneȱoderȱdenȱPriesterȱEliȱundȱseineȱ nichtswürdigenȱSöhneȱdochȱwohlȱnichtȱzuȱdenȱ„Feinden“ȱzählenȱdürȬ fen,ȱüberȱdieȱHannaȱsoȱtriumphalȱjubelnȱkonnte,ȱwieȱdasȱV.ȱ1ȱdarstellt.ȱ VollendsȱgingȱesȱdochȱbeiȱihremȱKinderproblemȱnichtȱumȱeineȱVerfolȬ gungssituationȱ aufȱ Lebenȱ undȱ Tod,ȱ anȱ derȱ „Frevler“ȱ oderȱ „Gottlose“ȱ beteiligtȱ warenȱ (V.ȱ 9).ȱ Dieȱ Versetzungȱ desȱ Versesȱ 9ȱ nachȱ hintenȱ warȱ dringendȱ notwendig,ȱ umȱ denȱ Textȱ nichtȱ vonȱ Vornehereinȱ unpassendȱ erscheinenȱzuȱlassen.ȱAlleinȱmitȱV.ȱ3ȱundȱderȱdirektenȱWarnungȱanȱalleȱ Hochmütigenȱ undȱ Frechenȱ konnteȱ derȱ Eindruckȱ erwecktȱ werden,ȱ esȱ gingeȱumȱdieȱbösenȱRedenȱvorȱallemȱinȱderȱFamilieȱ(undȱderȱPriesterȬ söhne),ȱ denenȱ Hannaȱ ausgesetztȱ war.ȱ Aberȱ warenȱ dieseȱ alsȱ derartȱ schwerwiegendȱ anzusehen,ȱ dassȱ Gott,ȱ derȱ allwissendeȱ Richterȱ derȱ Welt,ȱaufgebotenȱwerdenȱmusste,ȱumȱdieseȱRedenȱoderȱTatenȱzuȱbeurȬ teilenȱ undȱ nachȱ V.ȱ 10ȱ gegebenenfallsȱ mitȱ demȱ Todeȱ zuȱ bestrafen?ȱ Istȱ dasȱ verhältnismäßigȱ gedacht?ȱ Nurȱ dieȱ Redeȱ vonȱ derȱ unfruchtbarenȱ Frau,ȱdieȱdurchȱGottesȱHilfeȱ–ȱandersȱalsȱdieȱkinderreicheȱMutter,ȱnichtȱ verwelkt,ȱsondernȱsiebenȱKinderȱgebiertȱ(V.ȱ5b),ȱpasstȱzurȱSituationȱderȱ bisȱ dahinȱ kinderlosenȱ Hanna.ȱ Dieseȱ Aussageȱ inȱ demȱ Psalmȱ –ȱ einȬ

ȱ

8.ȱVorbildȱfürȱdasȱMagnifikat?ȱ

205ȱ

gebundenȱinȱdenȱKontext,ȱderȱvomȱkorrigierendenȱEingriffȱderȱGottheitȱ inȱ Umkehrungȱ derȱ Verhältnisseȱ sprichtȱ –ȱ istȱ dieȱ einzigeȱ Stelleȱ inȱ demȱ Psalm,ȱdieȱdirektȱaufȱHannaȱbezogenȱwerdenȱkann.ȱWahrscheinlichȱistȱ derȱGrundȱderȱZitationȱdesȱKönigspsalmsȱdurchȱHannaȱinȱdiesemȱPasȬ susȱzuȱsehen.ȱȱ

3. Alleȱ anderenȱ ähnlichȱ gerichtetenȱ Aussagenȱ sprengenȱ dieȱ persönlicheȱ Dimension.ȱ Aberȱ natürlichȱ istȱ esȱ nichtȱ unsinnig,ȱ dassȱ eineȱ verantȬ wortungsbewussteȱ Frauȱ inȱ ihremȱ Gebetȱ auchȱ derȱ Fürbitteȱ fürȱ ihreȱ Umwelt,ȱ insbesondereȱ desȱ gesalbtenȱ Königs,ȱ gedenkt,ȱ vonȱ demȱ indesȱ zurȱ Zeitȱ derȱ Geburtȱ Samuelsȱ eigentlichȱ nochȱ keineȱ Redeȱ seinȱ konnte.ȱ Dieȱ Erzählerȱ –ȱ wohlȱ wissendȱ umȱ dieȱ Geschichteȱ vonȱ derȱ Entstehungȱ desȱKönigtumsȱinȱIsraelȱ–ȱließenȱdieȱMutterȱdesȱspäterenȱKönigmachersȱ prophetischenȱGeistesȱdieȱZukunftȱvorwegnehmen.ȱAberȱsieȱtatenȱdies,ȱ indemȱsieȱeinenȱerstȱsehrȱvielȱspäterȱdenkbarenȱKönigspsalmȱinȱdieȱZeitȱ Hannasȱzurückdatierten.ȱDiesȱgeschahȱimȱRückblickȱundȱwarȱeinȱkomȬ positionellerȱ Kunstgriff,ȱ wieȱ erȱ auchȱ zurȱ Einfügungȱ desȱ MoseȬ,ȱ JonaȬ,ȱ HiskiaȬ,ȱ HabakukȬ,ȱ NahumȬPsalmsȱ undȱ andererȱ Textdokumente20ȱ geȬ führtȱhat.ȱ

8.ȱVorbildȱfürȱdasȱMagnifikat?ȱ Esȱistȱanzunehmenȱ–ȱwieȱesȱgemeinhinȱgeschiehtȱ–,ȱdassȱderȱPsalmȱderȱ Maria,ȱdasȱsog.ȱMagnifikat,ȱseinȱVorbildȱinȱdemȱHannaȬPsalmȱhat.ȱDaȬ fürȱ sprechenȱ dieȱ vergleichbareȱ Situationȱ derȱ Beterin,ȱ derȱ psalmartigeȱ Charakter,ȱdieȱprinzipiellenȱtheologischenȱAussagenȱundȱderenȱuniverȬ saleȱPerspektive.ȱDirekteȱAnleihenȱamȱWortlautȱvonȱ1.ȱSamȱ2ȱLXXȱsindȱ –ȱ wieȱ dieȱ neuerenȱ Ausgabenȱ desȱ NTȱ Nestle21,ȱ entgegenȱ älterenȱ RandȬ angaben,ȱ belegenȱ –ȱ nichtȱ festzustellen.ȱ Anklängeȱ anȱ dieȱ psalmistischeȱ Literaturȱ jedochȱ gibtȱ esȱ daȱ undȱ dort,ȱ wobeiȱ vorȱ allemȱ Psȱ 113ȱ eineȱ geȬ wisseȱ Rolleȱ spielt.ȱ Ansonstenȱ istȱ dasȱ Magnifikatȱ inȱ Lkȱ 1,46–55ȱ nachȱ Strukturȱ undȱ Inhaltȱ alsȱ eigenständigesȱ Psalmstückȱ zuȱ bewerten. ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 20ȱ EineȱgewisseȱAnalogieȱbildetȱauchȱdieȱEinfügungȱderȱKönigspsalmenȱanȱbestimmtenȱ StellenȱdesȱentstehendenȱPsalters.ȱ 21ȱ Etwaȱ26.ȱA.ȱ(1979).ȱ

206ȱ

Literaturȱ

Literaturȱ Aharoni,ȱY.,ȱArad,ȱin:ȱEncyclopediaȱofȱArchaeologicalȱExcavationsȱinȱtheȱHolyȱ LandȱVol.ȱ1,ȱed.ȱbyȱM.ȱAviȬYonah,ȱLondonȱ1975,ȱ74–89ȱ(bes.86ȱf.).ȱ Auffret,ȱP.,ȱEtȱd’unȱtrôneȱdeȱgloireȱilȱlesȱfaitȱhériter.ȱÉtudeȱstructurelleȱdeȱcantiȬ queȱd’Anne,ȱOTEsȱ8ȱ(1995),ȱ223–240.ȱ Bartelmus,ȱR.,ȱTempusȱalsȱStrukturprinzip,ȱAnmerkungenȱzurȱstilistischenȱundȱ theologischenȱ Relevanzȱ desȱ Tempusgebrauchsȱ imȱ „Liedȱ derȱ Hanna“ȱ (1ȱ Samȱ2,1–10),ȱBZȱ31ȱ(1987),ȱ15–35.ȱ BeckerȬSpörl,ȱ S.,ȱ „Undȱ Hannaȱ beteteȱ undȱ sieȱ sprach“.ȱ Literarischeȱ UntersuȬ chungenȱ zuȱ 1ȱ Samȱ 2,1–10.ȱ Textwissenschaft,ȱ Theologie,ȱ Hermeneutik,ȱȱ Linguistik,ȱLiteraturanalyse,ȱInformatikȱ2,ȱTübingenȱ1992.ȱ deȱBoer,ȱP.ȱA.ȱH.,ȱEinigeȱBemerkungenȱundȱGedankenȱzumȱLiedȱinȱ1ȱSamȱ2,1– 10,ȱ in:ȱ Beiträgeȱ zurȱ alttestamentlichenȱ Theologie,ȱ FSȱ W.ȱ Zimmerli,ȱ hg.ȱv.ȱ H.ȱDonner,ȱGöttingenȱ1977,ȱ53–59.ȱ deȱBoer,ȱP.ȱA.ȱH.,ȱAȱLostȱBiblicalȱTextȱ(1ȱSamȱ2,10ȱLXX),ȱin:ȱSelectedȱStudiesȱinȱ OldȱTestamentȱExegesis,ȱed.ȱbyȱP.ȱA.ȱH.ȱdeȱBoer/C.ȱvanȱDuin,ȱOTSȱ27,ȱLeiȬ denȱ1991,ȱ62–66.ȱ Cook,ȱJ.ȱE.,ȱHannah’sȱDesire,ȱGod’sȱDesign,ȱEarlyȱInterpretationsȱofȱtheȱStoryȱofȱ Hannah,ȱJSOT.Sȱ282,ȱSheffieldȱ1999.ȱ Dhorme,ȱP.,ȱLeȱcantiqueȱd’Anne,ȱRBȱ(1907),ȱ386–397.ȱ Dietrich,ȱW.,ȱSamuelȱ1,ȱBKȱVIII/1,1,ȱNeukirchenȬVluynȱ2003ȱ(Lit.).ȱ Freedman,ȱ D.ȱN.,ȱ Psalmȱ 113ȱ andȱ theȱ Songȱ ofȱ Hannah,ȱ in:ȱ Pottery,ȱ Poetry,ȱ andȱ Prophecy,ȱStudiesȱinȱEarlyȱHebrewȱPoetry,ȱWinonaȱLake/Ind.ȱ1980,ȱ143–261.ȱ Haupt,ȱP.,ȱTheȱPrototypeȱofȱtheȱMagnificat,ȱZDMGȱ58ȱ(1904),ȱ617–632.ȱ Hurvitz,ȱ A.,ȱ Originalsȱ andȱ Imitationsȱ inȱ Biblicalȱ Hebrew,ȱ Aȱ Comparativeȱ ExȬ aminationȱ ofȱ 1Samȱ 2:1–10ȱ andȱ Psȱ 113:3–9,ȱ in:ȱ Biblicalȱ andȱ relatedȱ Studiesȱ presentedȱ toȱ Samuelȱ Iwry,ȱ ed.ȱ byȱ A.ȱ Kort/S.ȱMorschauser,ȱ Winonaȱ Lake/Ind.ȱ1985,ȱ115–121.ȱ Loretz,ȱ O.,ȱ Psalmenstudien.II.I.ȱ 1ȱ Samȱ 2,1–10ȱ Hannasȱ Lobgesang,ȱ UFȱ 5ȱ (1973),ȱ 213–214.ȱ Mathys,ȱ H.ȬP.,ȱ Dichterȱ undȱ Beter,ȱ Theologenȱ ausȱ spätalttestamentlicherȱ Zeit,ȱ OBOȱ132,ȱFreiburgȱ1994.ȱ Meynet,ȱR.,ȱDieuȱdonneȱsonȱNomȱàȱJésus,ȱAnalyseȱrhétoriqueȱdesȱLcȱ1–26–56ȱetȱ deȱ1ȱSamȱ2,1–10,ȱBibȱ66ȱ(1985),ȱ39–72.ȱ Seybold,ȱ K.,ȱ Akrostichieȱ imȱ Psalter,ȱ in:ȱ Alttestamentlicheȱ Forschungȱ inȱ derȱ Schweiz,ȱFestheftȱIOSOTȱ17,ȱThZȱ57,ȱBaselȱ2001,ȱ172–183.ȱ Tournay,ȱR.ȱJ.,ȱLeȱCantiqueȱd’Anne,ȱIȱSamȱII,1–10,ȱin:ȱMélangesȱD.ȱBarthélemy,ȱ ed.ȱparȱP.ȱCasetti,ȱOBOȱ38,ȱFreiburgȱ1981,ȱ554–576.ȱ Tov,ȱE.,ȱDifferentȱEditionsȱofȱtheȱSongȱofȱHannahȱandȱofȱItsȱNarrativeȱFrameȬ work,ȱ in:ȱ Tehillahȱ leȬMoshe,ȱ FSȱ M.ȱ Greenberg,ȱ ed.ȱ byȱ M.ȱ Cogan,ȱ Winonaȱ Lake/Ind.ȱ1997,ȱ149–170.ȱ Watts,ȱ J.ȱW.,ȱ Psalmȱ andȱ Story,ȱ Insetȱ Hymnsȱ inȱ Hebrewȱ Narrative,ȱ JSOT.ȱS.ȱ139,ȱ Sheffieldȱ1992.ȱ Watts,ȱJ.ȱW.,ȱBiblicalȱPsalmsȱOutsideȱtheȱPsalter,ȱin:ȱTheȱBookȱofȱPsalms,ȱComȬ positionȱandȱReception,ȱed.ȱbyȱP.ȱW.ȱFlint/P.ȱD.ȱMiller,ȱVT.Sȱ99,ȱFormationȱ andȱInterpretationȱofȱOldȱTestamentȱLiteratureȱ4,ȱLeidenȱ2005,ȱ288–309.ȱ Willis,ȱJ.ȱT.,ȱTheȱSongȱofȱHannahȱandȱPsalmȱ113,ȱCBQȱ35ȱ(1973),ȱ139–154.ȱ

ȱ

14.ȱDerȱJesajapsalmȱ(Jesȱ12,1–6)ȱ ȱ ȱ Vorȱ fastȱ genauȱ 60ȱ Jahrenȱ schriebȱ Martinȱ Schmidt,ȱ damalsȱ Pfarrerȱ inȱ Kilchbergȱ (Baselland),ȱ inȱ derȱ „Vorbemerkung“ȱ zuȱ seinerȱ theologischenȱ DissertationȱimȱFachȱAltesȱTestamentȱmitȱDatumȱdesȱ1.ȱAprilȱ1948:ȱ Dieȱ Anregungȱ zuȱ vorliegenderȱ Arbeitȱ gabenȱ mir:ȱ 1.ȱ einȱ Seminarȱ beiȱ Herrnȱ Professorȱ W.ȱ Eichrodtȱ imȱ Wintersemesterȱ 1939/40ȱ überȱ HeseȬ kiel,ȱzuȱdemȱichȱeineȱSeminararbeitȱüberȱ„DieȱBedeutungȱdesȱTempelsȱ beiȱ Hesekiel“ȱ einreichteȱ –ȱ 2.ȱ dieȱ Preisfrageȱ derȱ Baslerȱ Theologischenȱ FakultätȱfürȱdasȱJahrȱ1941:ȱ„DerȱsalomonischeȱTempel,ȱseineȱSchicksaleȱ undȱseineȱBedeutungȱimȱWandelȱderȱGeschichte.“ȱDaßȱdieȱdamalsȱbeȬ gonnenenȱ Untersuchungenȱ zumȱ Themaȱ „Prophetȱ undȱ Tempel“ȱ schließlichȱ inȱ derȱ gegenwärtigenȱ Formȱ einerȱ Dissertationȱ derȱ TheoȬ logischenȱ Fakultätȱ derȱ Universitätȱ Baselȱ vorgelegtȱ werdenȱ konnten,ȱ wäreȱ ohneȱ dieȱ stetigeȱ Förderungȱ undȱ Beaufsichtigungȱ derȱ Arbeitȱ durchȱ Herrnȱ Professorȱ Eichrodtȱ unmöglichȱ gewesen.ȱ Dieȱ endgültigeȱ Fassungȱ derȱ Dissertationȱ hatȱ ausȱ einerȱ Mengeȱ seinerȱ Bemerkungenȱ undȱHinweiseȱsowieȱausȱsolchenȱvonȱHerrnȱProfessorȱW.ȱBaumgartnerȱ Nutzenȱ ziehenȱ können,ȱ weshalbȱ ichȱ denȱ beidenȱ Herrenȱ zuȱ großemȱ Dankȱverpflichtetȱbin.ȱHerrȱProfessorȱEichrodtȱhatȱdieȱArbeitȱalsȱRefeȬ rentȱundȱHerrȱProfessorȱBaumgartnerȱalsȱKorreferentȱbegutachtet.ȱȱ Dieȱ Hauptarbeitȱ anȱ meinerȱ Dissertationȱ habeȱ ichȱ inȱ denȱ Jahrenȱ 1944ȱ undȱ1945ȱwährendȱmeinerȱTätigkeitȱanȱderȱEvangelischenȱLehranstaltȱ Schiersȱgeleistetȱ…ȱ

Esȱ handeltȱ sichȱ alsoȱ umȱ eineȱ Arbeit,ȱ dieȱ währendȱ desȱ Zweitenȱ WeltȬ kriegsȱinȱdenȱJahrenȱ1939ȱbisȱ1945ȱentstandenȱistȱundȱdenȱbezeichnenȬ denȱ Untertitelȱ trägt:ȱ „Eineȱ Studieȱ zumȱ Problemȱ derȱ Gottesnäheȱ imȱ Altenȱ Testament“.1ȱFaktischȱgehtȱesȱinȱderȱUntersuchung,ȱdieȱihrenȱbleibendenȱ Platzȱ inȱ derȱ alttestamentlichenȱ Wissenschaftȱ behaltenȱ wird,ȱ umȱ dieȱ DeutungȱderȱGottesnäheȱdurchȱdieȱklassischenȱProphetenȱimȱBlickȱaufȱ denȱ Jerusalemerȱ Tempel.ȱ Alsȱ Ergebnisȱ derȱ sehrȱ sublimenȱ undȱ tiefȬ sinnigenȱ Erörterungenȱ liestȱ manȱ imȱ Kapitelȱ „Zusammenfassungȱ undȱ Schluss“ȱbezüglichȱdesȱProphetenȱJesaja:ȱ Inȱ denȱ Ereignissenȱ seinerȱ Zeit,ȱ dieȱ aufȱ eineȱ Katastropheȱ derȱ menschȬ lichȬpolitischenȱ Pläneȱ Judasȱ hindrängen,ȱ schautȱ Jesajaȱ dasȱ Wesenȱ derȱ Gottesnäheȱ darin,ȱ daßȱ Jahve,ȱ derȱ kreatürlichenȱ Weltȱ unendlichȱ überleȬ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ

EvangelischerȱVerlagȱAG,ȱZollikonȬZürichȱ1948,ȱ276ȱSeiten,ȱ642ȱAnmerkungen.ȱ

208ȱ

14.ȱDerȱJesajapsalmȱ(Jesȱ12,1–6)ȱ

gen,ȱinȱdieserȱWeltȱseinenȱPlanȱdurchsetzt,ȱdemzufolgeȱinȱverborgenerȱ Gerichtsnäheȱwaltet,ȱwoȱdieȱMenschenȱihnȱnichtȱerkennen,ȱinȱderȱEndȬ zeit,ȱ amȱ Zielȱ seinesȱ Planesȱ allerȱ Weltȱ offenbarȱ seinȱ wird,ȱ inȱ derȱ VerȬ borgenheitȱ aberȱ (insofernȱ dieseȱ nichtȱ dasȱ letzteȱ Zielȱ ist)ȱ sichȱ schonȱ durchȱ Werkzeugeȱ undȱ Zeichenȱ seinesȱ Planesȱ demȱ Glaubenȱ offenbart.ȱ Entsprechendȱ diesenȱ dreiȱ Formenȱ derȱ Gottesnäheȱ (verborgener,ȱ zeiȬ chenhaftȱsichȱoffenbarenderȱundȱendzeitlichȱoffenbarer)ȱistȱderȱTempelȱ nachȱdem,ȱwasȱerȱdemȱgegenwärtigenȱIsraelȱbedeutet,ȱOrtȱverborgenerȱ Gottesnähe,ȱ fürȱ dieȱ endzeitlicheȱ Zukunftȱ Ortȱ offenbarerȱ Gottesnähe,ȱ fürȱdenȱProphetenȱaberȱinȱderȱGegenwartȱOrtȱderȱOffenbarungsnähe,ȱ Zeichen,ȱdaßȱJahveȱanȱdemȱVerborgenenȱhervortritt,ȱdaßȱerȱalleinȱdasȱ Dunkelȱ seineȱ Verborgenheitȱ erhellenȱ kannȱ undȱ daßȱ erȱ nachȱ seinemȱ Willenȱ hervortretenȱ will.ȱ Soȱ istȱ derȱ Tempelȱ (bzw.ȱ derȱ Tempelberg)ȱ OrientierungspunktȱdesȱGlaubens,ȱderȱsichȱausȱderȱWeltȱderȱverborgeȬ nenȱGottesnäheȱdemȱweltüberwindendenȱOffenbarungsplanȱentgegenȬ streckt,ȱSignalȱfürȱdasȱWesenȱeinesȱneuenȱIsrael,ȱdasȱdurchȱdenȱGlauȬ benȱausȱderȱVerborgenheitȱzurȱendzeitlichenȱvölligenȱGotteserkenntnisȱ heranwächst.ȱ(214)ȱ

Esȱistȱbesondersȱreizvoll,ȱdenȱJesajapsalmȱJesȱ12ȱimȱSpannungsfeldȱdieȬ serȱ drei,ȱ vonȱ Martinȱ Schmidtȱ bestimmten,ȱ Formenȱ derȱ Gottesnäheȱ zuȱ sehen.ȱ IchȱwidmeȱdieȱkleineȱexegetischeȱStudieȱdemȱlangjährigenȱKollegenȱ undȱliebenȱFreundȱMartinȱAntonȱSchmidtȱmitȱallenȱgutenȱWünschenȱzuȱ seinemȱ90.ȱGeburtstag.ȱ

I.ȱ Auslegungenȱ desȱ Jesajapsalmsȱ gibtȱ esȱ viele,ȱ unterȱ ihnenȱ wegenȱ ihrerȱ Ausführlichkeitȱ besondersȱ herausragendȱ dieȱ vonȱ HansȬPeterȱ Mathys2,ȱ derȱichȱimȱEinzelnenȱbeiȱetwasȱandererȱGewichtungȱweithinȱbeipflichȬ tenȱ kann,ȱ undȱ dieȱ linguistischeȱ Analyseȱ desȱ Archibaldȱ L.ȱH.ȱM.ȱ vanȱ Wieringen3.ȱUngelöstȱistȱ–ȱsoweitȱichȱseheȱ–ȱdieȱFrageȱderȱHerkunftȱdesȱ Textes.ȱ Zweiȱ Modelleȱ werdenȱ kontroversȱ diskutiert.ȱ Dasȱ erste,ȱ etwasȱ ältereȱModell,ȱerkenntȱinȱJesȱ12ȱeinenȱvonȱanderswoȱherȱstammenden,ȱ zunächstȱselbständigenȱPsalm,ȱdenȱeinȱBuchredaktorȱinȱdasȱentstehenȬ deȱJesajabuchȱanȱexponierterȱStelleȱeingearbeitetȱhat.4ȱDasȱzweiteȱErkläȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 2ȱ 3ȱ 4ȱ

H.ȬP.ȱMathys,ȱDichterȱundȱBeterȱ(1994),ȱ181–200.ȱȱ A.ȱvanȱWieringen,ȱIsaiahȱ12,1–6ȱ(1997).ȱ FürȱdieȱältereȱAuslegungȱmögeȱeinȱZitatȱvonȱH.ȱSchmidtȱausȱdemȱWerk:ȱDieȱgroßenȱ Prophetenȱ derȱ Reiheȱ SATȱ (1915)ȱ stehen:ȱ „Derȱ Mann,ȱ demȱ wirȱ dieȱ Erhaltungȱ dieserȱ wertvollenȱSammlungȱ(scil.ȱJesȱ2–12)ȱverdanken,ȱistȱschließlichȱauchȱnochȱimȱBesitzȱ einesȱ religiösenȱ GemeindeȬLiedesȱ (12,1)ȱ gewesen.ȱ Dasȱ hatȱ erȱ zuȱ seinenȱ JesaiaȬWortenȱ

ȱ

I.ȱ

209ȱ

rungsmodellȱgehtȱdavonȱaus,ȱdassȱdasȱKapitelȱimȱBlickȱaufȱdasȱJesajaȬ buchȱeigensȱfürȱdenȱOrtȱinȱJesȱ12ȱvonȱeinemȱBearbeiterȱverfasstȱwurde,ȱ derȱ dieȱ jesajanischeȱ Botschaftȱ inȱ poetischenȱ Wortenȱ verdichtenȱ wollte.ȱ ExponentȱdesȱerstenȱModellsȱistȱinȱneuererȱZeitȱu.ȱa.ȱFrankȱCrüsemann5,ȱ VertreterȱdesȱzweitenȱModellsȱz.ȱB.ȱGeorgȱFohrer6,ȱOdilȱHannesȱSteck7,ȱ W.ȱS.ȱPrinsloo8,ȱ HansȬPeterȱ Mathys9ȱ u.ȱa.ȱ Eineȱ Entscheidungȱ inȱ dieserȱ FrageȱsuchenȱwirȱaufȱdemȱWegeȱeinerȱliterarischenȱundȱpoetologischenȱ Analyseȱ desȱ Textesȱ undȱ beginnenȱ damit,ȱ denȱ Ortȱ desȱ Textesȱ zuȱ beȬ stimmen.ȱ Jesȱ 12ȱ –ȱ daranȱ istȱ keinȱ Zweifelȱ –ȱ bildetȱ denȱ Abschlussȱ desȱ erstenȱ Jesajabuches,ȱdasȱmanȱvonȱdenȱÜberschriftenȱinȱ1,2;ȱ2,1ȱundȱ13,1ȱherȱalsȱ eigenständigeȱ literarischeȱ Größeȱ erkennenȱ kann.ȱ Inȱ allenȱ dreiȱ ÜberȬ schriftenȱ wirdȱ Jesajaȱ benȱ Amosȱ mitȱ vollemȱ Namenȱ alsȱ Autorȱ desȱ folȬ gendenȱBuchesȱeingeführt.ȱFürȱunserenȱZusammenhangȱspieltȱesȱkeineȱ Rolle,ȱwoȱmanȱdasȱzweiteȱBuchȱendenȱlässt,ȱmitȱJesȱ23ȱoderȱ27ȱoderȱ39.ȱ DieȱZäsurȱamȱEndeȱdesȱerstenȱBuchesȱnachȱKapitelȱ12ȱistȱdeutlichȱundȱ gibtȱdemȱKapitelȱseinenȱbesonderenȱRang.ȱ DerȱAnschlussȱanȱdasȱVorigeȱwirdȱinȱJesȱ12ȱdadurchȱerreicht,ȱdassȱ mitȱ demȱ formelhaftenȱ Hinweisȱ aufȱ „jenenȱ Tag“ȱ (DZKKZ\E)ȱ aufȱ denȱ letztenȱ mitȱ derselbenȱ Formelȱ eingeleitetenȱ Textȱ inȱ 11,11–16ȱ zurückȬ verwiesenȱwirdȱundȱaufȱdieseȱWeiseȱinȱdasȱmitȱdieserȱFormelȱgestalteteȱ Fächerwerkȱ derȱ jesajanischenȱ Textsammlungȱ eingefügtȱ wird.ȱ Dieȱ vorȬ hergehendenȱ Texteȱ bildenȱ ebenfallsȱ poetischȱ geformteȱ Einheitenȱ –ȱ soȱ derȱberühmteȱTextȱvomȱmessianischenȱTierfriedenȱ(11,1–9),ȱderȱSpruchȱ vonȱ derȱ Wurzelȱ Isaisȱ alsȱ Bannerȱ fürȱ dieȱ Völkerȱ (11,10)ȱ undȱ dannȱ dieȱ Weissagungȱ vonȱ derȱ Sammlungȱ undȱ Heimkehrȱ Israelsȱ ausȱ Ostȱ undȱ West,ȱ einȱ Exodusȱ ausȱ demȱ Zweistromlandȱ wieȱ einstȱ ausȱ demȱ Landeȱ Ägyptenȱ(11,11–16).ȱDieseȱWeissagungȱistȱalsȱdreistrophischesȱGedichtȱ gestaltet,ȱmitȱderȱZeile:ȱ UndȱeineȱStraßeȱwirdȱseinȱfürȱdenȱRestȱmeinesȱVolkes,ȱ derȱvonȱAssurȱübrigȱgelassenȱwurde.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ

5ȱ 6ȱ

7ȱ 8ȱ 9ȱ

aufȱ einȱ freigebliebenesȱ Pergamentstückchenȱ hintenȱ hinzugeschrieben.ȱ Aufȱ dieseȱ WeiseȱistȱeinȱnichtȱvonȱJesaiaȱstammendesȱLied,ȱdasȱseinerȱArtȱnachȱunterȱdieȱPsalȬ menȱgehört,ȱunterȱdieȱWorteȱdesȱProphetenȱgeraten.“ȱ(129)ȱ F.ȱ Crüsemann,ȱ Studienȱ zurȱ Formgeschichteȱ vonȱ Hymnusȱ undȱ Dankliedȱ inȱ Israelȱ (1969),ȱ55ȱf.;ȱ227ȱf.ȱ G.ȱ Fohrer,ȱ Dasȱ Buchȱ Jesajaȱ Iȱ (21966):ȱ Zweiȱ Lieder,ȱ wahrscheinlichȱ vomȱ „letztenȱ BeȬ arbeiter“ȱ derȱ Sammlungȱ hinzugefügt,ȱ einȱ Dankliedȱ (V.ȱ 1–3),ȱ ausȱ Exȱ 15,2,ȱ undȱ einȱ Hymnusȱ(V.ȱ4–6),ȱausȱPsȱ105,1ȱgeschöpftȱ(172–175).ȱȱ O.ȱH.ȱSteck,ȱDieȱProphetenbücherȱ(1996),ȱ40ȱf.ȱ W.ȱS.ȱPrinsloo,ȱIsaiahȱ12ȱ(1992),ȱ25ȱff.ȱ A.ȱa.ȱO.,ȱ181ȱff.ȱ

210ȱ

14.ȱDerȱJesajapsalmȱ(Jesȱ12,1–6)ȱ

undȱdemȱwohlȱprosaischenȱZusatz:ȱȱ WieȱesȱfürȱIsraelȱgewesenȱwarȱanȱdemȱTagȱ(Z\E),ȱalsȱesȱausȱdemȱLandȱ Ägyptenȱheraufzog.ȱ(11,16).ȱ

Aufȱdiesenȱ„Tag“ȱdesȱExodusȱausȱÄgyptenȱbeziehtȱsichȱderȱunmittelbarȱ inȱ 12,1ȱ einsetzendeȱ Textȱ „Undȱ duȱ wirstȱ anȱ jenemȱ Tageȱ sprechen“ȱ offenȬ sichtlichȱnicht.ȱDennȱdiesȱistȱeinȱTagȱderȱVergangenheit.ȱVielmehrȱistȱesȱ derȱinȱ11,10ȱff.ȱangekündigteȱzukünftigeȱ„Tag,ȱdaȱderȱHerrȱzumȱzweitenȱ Malȱ seineȱ Handȱ erhebenȱwird“,ȱderȱkommendeȱ Exodusȱ ausȱ Assur,ȱanȱ demȱ dasȱ gesprochenȱ werdenȱ soll,ȱ wasȱ Kap.ȱ12,1ȱff.ȱwiedergibt.ȱ Esȱ hanȬ deltȱsichȱalsoȱliterarischȱ–ȱschonȱdasȱkopulativeȱ„Und“ȱzeigtȱesȱanȱ–ȱumȱ einenȱAnhangȱanȱdasȱGedichtȱvomȱzweitenȱExodus,ȱderȱnäherhinȱausȬ führt,ȱwieȱjenerȱzukünftigeȱHeilstagȱgefeiertȱundȱwasȱdabeiȱzurȱSpracheȱ kommenȱsoll.ȱ Verstehtȱ manȱ unterȱ demȱ „Du“ȱ dieserȱ Anschlussformelȱ zunächstȱ ganzȱIsrael,ȱwieȱesȱinȱ11,16ȱgenanntȱist,ȱwirdȱmanȱdadurchȱüberrascht,ȱ dassȱ inȱ 12,4ȱ eineȱ zweiteȱ Anschlussformelȱ ganzȱ ähnlicherȱ Gestaltȱ folgt.ȱ Nurȱ dassȱ nunmehrȱ merkwürdigerweiseȱ eineȱ Mehrzahlȱ vonȱ Feierndenȱ angesprochenȱwird:ȱ„UndȱihrȱwerdetȱanȱjenemȱTageȱsprechen.“ȱMagȱmanȱ dieȱpluralischeȱFassungȱalsȱkontextbedingtȱansehen,ȱwoȱjaȱinȱderȱTatȱinȱ V.ȱ 3ȱ einȱ Wechselȱ vomȱ Singularȱ zumȱ Pluralȱ erfolgtȱ ist,ȱ istȱ esȱ dennochȱ auffällig,ȱdassȱüberhauptȱeinȱzweitesȱScharnierȱnötigȱist,ȱumȱKap.ȱ12ȱanȱ Kap.ȱ11ȱfestzumachen.ȱManȱwirdȱohneȱFrageȱdarausȱschließenȱkönnen,ȱ dassȱdieȱbeidenȱBindegliederȱinȱV.ȱ1ȱundȱV.ȱ4ȱvonȱeinerȱredigierendenȱ Handȱ stammen,ȱ dieȱ bemühtȱ war,ȱ Jesȱ 12ȱ engȱ anȱ denȱ gegebenenȱ Textȱ anzubinden.ȱ Dasȱsprichtȱdafür,ȱdassȱderȱneueȱTextȱvonȱJesȱ12ȱzunächstȱohneȱdieȱ prosaischȱ gehalteneȱ Scharnierformelnȱ fürȱ sichȱ zuȱ lesenȱ undȱ zuȱ versteȬ henȱist.ȱ ȱ 1ȱȱ ȱ ȱ ȱ 2ȱ ȱ

UndȱduȱwirstȱanȱjenemȱTageȱsprechen:ȱ Ichȱdankeȱdir,ȱJHWH,ȱ (denn)ȱduȱhattestȱmirȱgezürnt;ȱ deinȱZornȱwandteȱsichȱundȱduȱtröstestȱmich.ȱ (Sieh,)ȱGottȱistȱmeinȱHeil!ȱIchȱvertraueȱundȱfürchteȱmichȱnicht.ȱ (Denn)ȱ meineȱ Stärkeȱ undȱ meinȱ Liedȱ istȱ JHȱ (JHWH),ȱ undȱ erȱ wardȱ mirȱzumȱHeil.ȱ 3ȱȱ UndȱihrȱwerdetȱWasserȱmitȱFreudenȱschöpfenȱausȱdenȱQuellenȱdesȱ Heils.ȱ 4ȱ UndȱihrȱwerdetȱanȱjenemȱTageȱsprechen:ȱ ȱ DanketȱJHWH,ȱ ȱ ruftȱanȱseinenȱNamen,ȱ

ȱ

ȱ ȱ 5ȱ ȱ ȱ 6ȱ ȱ

II.ȱ

211ȱ

tutȱkundȱunterȱdenȱVölkernȱseineȱTaten,ȱ verkündet,ȱdassȱseinȱNameȱerhabenȱist!ȱ SingtȱJHWH,ȱ dennȱerȱhatȱGroßesȱgetan!ȱ Bekanntȱseiȱ(di)esȱaufȱderȱganzenȱWelt.ȱ Jauchzeȱundȱjuble,ȱduȱBewohnerinȱZions,ȱȱ dennȱgroßȱistȱinȱdeinerȱMitteȱ–ȱderȱHeiligeȱIsraels!10ȱ

II.ȱ DasȱdoppelteȱScharnierȱinȱV.ȱ1ȱundȱV.ȱ4ȱtäuschtȱdarüberȱhinweg,ȱdassȱ derȱTextȱeigentlichȱeineȱdreifacheȱStrukturȱhat.11ȱZweiȱäußereȱTeileȱinȱV.ȱ 1–2ȱ undȱ V.ȱ 5–6ȱ umfassenȱ einenȱ mittlerenȱ Teil.ȱ Dabeiȱ ergibtȱ sich,ȱ dassȱ dieȱ äußerenȱ Teileȱ eineȱ parallelȱ angelegteȱ rhythmischeȱ Strukturȱ haben.ȱ LegtȱmanȱdieȱakzentuierendeȱMetrikȱzugrunde,ȱzeigenȱsieȱeineȱcharakȬ teristischeȱ Stufungȱ derȱ Zeilen.ȱ Sieȱ beginnenȱ jeweilsȱ mitȱ einemȱ VerbalȬ ausdruck,ȱ aufȱ denȱ einȱ „JHWH“ȱ alsȱ Anredeȱ oderȱ Adresseȱ folgtȱ (2ȱ AkȬ zente);ȱ esȱ folgtȱ eineȱ Kurzzeile,ȱ jeweilsȱ mitȱ 2ȱ Akzentenȱ (ohneȱ dasȱ prosaischeȱ \N),ȱ dannȱ eineȱ Zeileȱ mitȱ 3ȱ Hebungenȱ (inȱ V.ȱ 5ȱ leichtȱ überȬ dehnt),ȱ daraufȱ eineȱ Zeileȱ mitȱ 4ȱ Hebungenȱ (inȱ V.ȱ 2aȱ überdehnt)12,ȱ schließlichȱeineȱZeileȱmitȱ5ȱHebungenȱ(inȱV.ȱ2bȱausgeweitet).13ȱDieȱZeiȬ lenfolgeȱergibtȱdieȱfolgendenȱWerte:ȱ2ȱ–ȱ2ȱ–ȱ3ȱ–ȱ4ȱ–ȱ5.ȱDieȱbeidenȱTeileȱ habenȱeineȱStufenstruktur.ȱȱ InȱderȱÜbersetzung:ȱ I.ȱ Ichȱdankeȱdir,ȱJHWH.ȱ Duȱhattestȱmirȱgezürnt.ȱ DeinȱZornȱwandteȱsichȱundȱduȱtröstestȱmich.ȱ GottȱistȱmeinȱHeil!ȱIchȱvertraueȱundȱfürchteȱmichȱnicht.ȱ MeineȱStärkeȱundȱmeinȱLiedȱistȱJH,ȱundȱerȱwardȱmirȱzumȱHeil.ȱ ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10ȱ DerȱTextȱistȱanȱeinigeȱStellenȱuneinheitlichȱüberliefert,ȱkannȱaberȱmitȱHilfeȱderȱrelativȱ gutenȱ Bezeugungȱ durchȱ dieȱ Qumranhandschriftenȱ 1QJesaȱ (V.ȱ 1–6);ȱ 1QJesbȱ (V.ȱ 3–6);ȱ 4QJesaȱ (V.ȱ 4–6);ȱ 4QJesbȱ (V.ȱ 2);ȱ 4QJescȱ (V.ȱ 1)ȱ korrigiertȱ undȱ gestütztȱ werdenȱ (vgl.ȱ M.ȱ Abeggȱu.ȱa.,ȱTheȱDeadȱSeaȱScrollsȱBible,ȱ1999).ȱLXXȱweichtȱinȱV.ȱ1ȱundȱ2ȱleichtȱvomȱ MTȱabȱ(V.ȱ1:ȱ„undȱhattestȱErbarmenȱmitȱmir“;ȱV.ȱ2:ȱJHȱfehlt).ȱ 11ȱ Vgl.ȱ dieȱ Diskussionȱ beiȱ W.ȱG.ȱE.ȱ Watson,ȱ Classicalȱ Hebrewȱ Poetryȱ (1986),ȱ 163;ȱ W.ȱS.ȱPrinsloo,ȱ Isaiahȱ 12ȱ (1992),ȱ passim;ȱ P.ȱ Höffken,ȱ Dasȱ Buchȱ Jesajaȱ (1993),ȱ 126ȱf.;ȱ A.ȱL.ȱH.ȱM.ȱvanȱWieringen,ȱIsaiahȱ12,1–6ȱ(1997),ȱpassimȱu.ȱa.ȱ 12ȱ EinȱWortȱistȱinȱv.ȱ2aȱüberzählig,ȱKQKȱ„siehe“ȱoderȱODȱ„Gott“.ȱ 13ȱ InȱV.ȱ2bȱistȱdasȱrezitativeȱ\Nȱ(einȱZitatȱimȱZitat)ȱundȱeinesȱderȱbeidenȱNominaȱJHWHȱ oderȱJHȱüberzählig.ȱ

212ȱ

14.ȱDerȱJesajapsalmȱ(Jesȱ12,1–6)ȱ

III.ȱ SingtȱJHWH!ȱ ErȱhatȱGroßesȱgetan!ȱ BekanntȱseiȱesȱaufȱderȱganzenȱWelt.ȱ Jauchzeȱundȱjuble,ȱduȱBewohnerinȱZions!ȱ GroßȱistȱinȱdeinerȱMitteȱ–ȱderȱHeiligeȱIsraels!ȱ

Solcheȱ Textstrukturenȱ sindȱ ausȱ derȱ Poesieȱ derȱ Psalmenȱ undȱ derȱ ProȬ phetieȱbekannt.ȱPsȱ13;ȱ52;ȱ57,8–12;ȱ70,ȱdannȱJesȱ2,2–4;ȱ32,15–20;ȱ30,27–33ȱ u.ȱa.ȱm.ȱ DerȱSinnȱistȱvonȱFallȱzuȱFallȱverschieden.ȱ Einȱ Problemȱ bleibtȱ nunȱ derȱ mittlereȱ Teilȱ V.ȱ 3–4.ȱ Nachȱ derȱ meȬ trischenȱ Analyseȱ ergibtȱ sichȱ dieȱ Zeilenfolge:ȱ 5ȱ –ȱ 2ȱ –ȱ 2ȱ –ȱ 3ȱ –ȱ 4.14ȱ Dieseȱ Folgeȱ legtȱ nahe,ȱ dassȱ dieȱ Fünferzeileȱ umgestelltȱ wordenȱ ist.ȱ Daȱ derȱ ÜbergangȱvonȱV.ȱ2ȱzuȱV.ȱ3ȱohnehinȱwegenȱdesȱNumeruswechselsȱhartȱ undȱderȱSinnablaufȱgestörtȱist,ȱistȱeineȱUmstellungȱnichtȱunwahrscheinȬ lich,ȱzumalȱjaȱauchȱdieserȱmittlereȱTeilȱwohlȱmitȱeinemȱImperativȱsamtȱ Adresseȱbegonnenȱhabenȱwird.15ȱDannȱaberȱwäreȱauchȱimȱmittlerenȱTeilȱ eineȱgestufteȱStrukturȱerkennbar:ȱ II.ȱ DanketȱJHWH,ȱ ruftȱanȱseinenȱNamen,ȱ tutȱkundȱdenȱVölkernȱseineȱTaten,ȱ verkündet,ȱdassȱseinȱNameȱerhabenȱist!ȱ UndȱschöpftȱWasserȱmitȱFreudenȱausȱdenȱQuellenȱdesȱHeils.ȱ

Derȱ Sinnȱdieserȱ gestuftenȱStrukturȱistȱ nichtȱ ganzȱ leichtȱ zuȱ bestimmen.ȱ Mitȱ Sicherheitȱ gehtȱ esȱ umȱ eineȱ Steigerung,ȱ wahrscheinlichȱ inȱ denȱ einȬ zelnenȱStufenteilenȱundȱauchȱinȱderȱAbfolgeȱderȱTeile.ȱWegenȱdesȱanaȬ logenȱBausȱderȱdreiȱTeileȱkannȱvonȱStrophenȱgesprochenȱwerden.ȱErstȱ eineȱ Analyseȱ derȱ Strophenȱ wirdȱ dasȱ Sinngefälleȱ bzw.ȱ dieȱ Sinnstufenȱ deutlichȱmachen.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14ȱ Dieseȱ Zeileȱ bestehtȱ ausȱ 4ȱ Hebungen,ȱ istȱ aberȱ entgegenȱ derȱ üblichenȱ Konstruktionȱ unsymmetrischȱ(1+3)ȱangelegtȱ(\NȱerhältȱhierȱoffenbarȱeinenȱAkzent).ȱȱ 15ȱ ÜberȱdieȱGründeȱderȱUmstellungȱs.ȱu.ȱ

ȱ

III.ȱ

213ȱ

III.ȱ Manȱ darfȱ nunȱ nichtȱ übersehen,ȱ dassȱ Jesȱ 12,1–6ȱ alleȱ Kennzeichenȱ einesȱ individuellenȱ Dankliedsȱ inȱ derȱ Gunkelschenȱ Prägungȱ desȱ Begriffsȱ anȱ sichȱträgt.16ȱAmȱBeginnȱstehtȱeineȱGebetsanredeȱmitȱdemȱcharakteristiȬ schenȱVerbumȱKGKȱhi.ȱ„loben,ȱbekennen,ȱdanken“.ȱEsȱhandeltȱsichȱalsoȱ umȱeineȱ KGZW,ȱeinȱDankgebetȱfürȱeineȱerfahreneȱWohltat,ȱdasȱimȱRahȬ menȱ einesȱ Dank(opfer)ritualsȱ amȱ Tempelȱ dargebrachtȱ wird.ȱ Esȱ folgtȱ wieȱhäufigȱinȱdiesemȱZusammenhangȱeinȱzitierendenȱoderȱerklärendesȱ \N,ȱdasȱdenȱGrundȱderȱDanksagungȱangibt.ȱDieȱStropheȱbietetȱdanachȱ charakteristischȱ erzählendeȱ Elementeȱ imȱ Perfekt,ȱ iterativesȱ Imperfektȱ undȱ Imperfektȱ mitȱ wawȬconsecutivum,ȱ deutlicherȱ nochȱ inȱ derȱ griechiȬ schenȱ Übersetzung.ȱ Esȱ istȱ nachȱ V.ȱ 1ȱf.ȱ dieȱ Redeȱ vonȱ einerȱ persönlichȱ empfangenenȱ K>ZY\ȱ „Rettung,ȱ Hilfe,ȱ Heil“ȱ inȱ einerȱ Situation,ȱ dieȱ vonȱ GottesȱZornȱundȱvonȱTrostlosigkeitȱgeprägtȱwar.ȱEsȱfehltȱauchȱnichtȱdasȱ Bekenntnis.ȱ Derȱ „Gottȱ desȱ Heils“,ȱ demȱ erȱ vertraute,ȱ erwiesȱ demȱ Beterȱ „Heil“.ȱErȱfandȱsogarȱzuȱeinerȱBekenntnisformel,ȱdieȱerȱdenȱMitfeiernȬ denȱ mitteilenȱ wollteȱ (V.ȱ 2).ȱ Ungewöhnlichȱ istȱ nur,ȱ dassȱ derȱ Psalmistȱ stattȱ derȱ üblichenȱ Belehrungȱ derȱ Mitfeierndenȱ auchȱ dieȱ (große)ȱ GeȬ meindeȱimȱGanzenȱ(V.ȱ3ȱf.)ȱundȱsogarȱdieȱ„BewohnerȱvonȱZion“,ȱd.ȱi.ȱdieȱ StadtȱJerusalem,ȱeigensȱmahnendȱanzusprechenȱwagt.ȱ DochȱamȱAnfangȱbleibtȱdieȱersteȱStropheȱ(V.ȱ1–2)ȱganzȱimȱRahmenȱ einesȱ Danklieds.ȱ Wohl,ȱ dieȱ Stufungȱ gibtȱ derȱ Stropheȱ eineȱ besondereȱ Prägung.ȱManȱkönnteȱmeinen,ȱerȱwolleȱdamitȱdieȱunfassbareȱGrößeȱdesȱ erfahrenenȱHeilsȱandeuten.ȱDerȱBegriffȱ„Heil“ȱhatȱseinerȱSemantikȱnachȱ auchȱetwasȱinsȱUnbegrenzteȱAusgreifendes.ȱDochȱistȱdasȱnichtȱdasȱeinȬ zigeȱ Merkmal,ȱ dasȱ denȱ Psalmistenȱ alsȱ einenȱ Dichterȱ ausweist.ȱ Dieȱ allȬ iterativenȱ Wortanfängeȱ zusammenȱ mitȱ denȱ auffallendȱ häufigenȱ VokaȬ lenȱ aȱ undȱ iȱ ergebenȱ (vgl.ȱ vorȱ allemȱ V.ȱ 2b)ȱ soȱ etwasȱ wieȱ einenȱ GrundklangȱoderȱAkkord,ȱderȱvermutlichȱdemȱunausgesprochenenȱ \QDȱ (Ich)ȱ entnommenȱ ist.ȱ Dazuȱ kommt,ȱ dassȱ derȱ Passusȱ inȱ V.ȱ 2:ȱ GMSDDOZMIEDȱ „ichȱ vertraueȱ undȱ fürchteȱ michȱ nicht“ȱ einȱ kunstȬ vollesȱ WortȬȱ undȱ Klangspielȱ bietet,ȱ dasȱ dieȱ Konsonantenȱ kunstvollȱ variiert,ȱ wohlȱ zumȱ Zeichenȱ dafür,ȱ wieȱ wenigȱ esȱ bedarf,ȱ umȱ vonȱ derȱ AngstȱzumȱVertrauenȱzuȱgelangenȱ–ȱundȱumgekehrt.ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 16ȱ H.ȱGunkel,ȱ Einleitungȱ (21966)ȱ §ȱ 7:ȱ Dieȱ Dankliederȱ desȱ Einzelnen,ȱ 265–292.ȱ H.ȱGunkel/J.ȱBegrichȱzählenȱJesȱ12ȱzuȱdenȱmitȱdemȱ„DankliedȱIsraels“ȱ(V.ȱ3–6)ȱkomȬ biniertenȱDankliedern,ȱ314–323.ȱVgl.ȱauchȱF.ȱCrüsemann,ȱStudienȱzurȱFormgeschichȬ teȱ (1969):ȱ Obergattung:ȱ imperativerȱ Hymnus,ȱ 55ȱf.,ȱ Untergattung:ȱ Dankliedȱ einesȱ Einzelnen,ȱ227ȱf.ȱ

214ȱ

14.ȱDerȱJesajapsalmȱ(Jesȱ12,1–6)ȱ

AndersȱistȱderȱLautklangȱinȱderȱzweitenȱStropheȱ(V.ȱ4.3).ȱHierȱdomiȬ nierenȱ dieȱ dunklenȱ uȱ undȱ oȬLaute,ȱ erstereȱ meistȱ alsȱ Pluralendungȱ anȱ denȱImperativenȱ(4Ȭmal),ȱletztereȱalsȱSuffixȱderȱdrittenȱPerson.ȱDreiȱMalȱ beginnenȱ dieȱ Zeilenȱ mitȱ einemȱ HifilȬK.ȱ Dazuȱ kommtȱ auffallendȱ häufiȬ gesȱZusammentreffenȱgleicherȱKonsonantenȱ(m/m,ȱs/s,ȱl/lȱu.ȱä.),ȱdasȱmanȱ alsȱ Pluralsignalȱ deutenȱ könnte.ȱ Jedenfallsȱ istȱ inȱ dieserȱ Stropheȱ eineȱ Pluralitätȱangesprochen,ȱdieȱaufȱsolcheȱWeiseȱanȱihreȱgottesdienstlichenȱ Pflichtenȱ gemahntȱ undȱ zuȱ kultischenȱ Handlungenȱ aufgefordertȱ werȬ den.ȱ Dasȱ Beispielȱ vomȱ rituellenȱ Wasserschöpfen,ȱ Wasseropfernȱ oderȱ Wasserausteilenȱ willȱ wahrscheinlichȱ anȱ einenȱ Jerusalemerȱ Lokalritusȱ erinnern,ȱ derȱ vomȱ Laubhüttenfestȱ bezeugtȱ ist.17ȱ Entsprechendȱ zurȱ ersȬ tenȱ Stropheȱ istȱ dasȱ Leitwortȱ derȱ „Name“ȱ JHWH,ȱ dessenȱ Erhabenheitȱ wiederumȱ unbegrenztȱ aufsteigtȱ undȱ dessenȱ Erklingenȱ imȱ Ausrufenȱ immerȱlauterȱwird.ȱ DieȱdritteȱStropheȱbeschäftigtȱsichȱmitȱderȱ„BewohnerinȱZions“,ȱderȱ StadtȱJerusalem.ȱIhrȱGrundklangȱbestehtȱdarumȱinȱdemȱdominierendenȱ sȬLautȱ(9ȬmalȱMT),ȱverbundenȱmitȱdemȱhellenȱiȱderȱEndungȱderȱ2.ȱPerȬ sonȱ femininum.18ȱ Aufȱ dieseȱ Weiseȱ wirdȱ nunȱ derȱ ursprünglicheȱ Jesajapsalmȱ zuȱ einemȱ Zionpsalm,ȱ wirdȱ dochȱ dieȱ Stadtȱ aufgerufen,ȱ dieȱ Präsenzȱ desȱ „Heiligenȱ Israels“ȱ inmittenȱ derȱ Stadtȱ aufȱ demȱ Zionȱ weltȬ weitȱ bekanntȱ zuȱ machen.ȱ Dazuȱ bedarfȱ esȱ einerȱ nochȱ größerenȱ LautȬ stärkeȱ derȱ Proklamation,ȱ wofürȱ dieȱ Verbenȱ OK[ȱ „wiehern,ȱ jauchzen,ȱ schreien“ȱundȱ #QUȱ„laut,ȱgellendȱrufen,ȱjubeln“ȱstehen.ȱEsȱgehtȱumȱGeȬ sangȱundȱMusik.ȱDieȱGrößeȱdesȱ„HeiligenȱIsraels“ȱkönnteȱAnlassȱgeweȬ senȱsein,ȱdenȱgesungenenȱTextȱsozusagenȱnachȱobenȱzuȱöffnen.ȱȱ AlsȱErgebnisȱstellenȱwirȱfest,ȱdassȱ 1.ȱ dieȱdreiȱTeileȱoderȱStrophenȱvonȱJesȱ12ȱjeȱeineȱandereȱAdressierungȱ haben,ȱ soȱ dassȱ nebenȱ demȱ Duȱ derȱ Gottheitȱ inȱ derȱ erstenȱ undȱ dieȱ Gemeindeȱ derȱ Todafestfeierȱ inȱ derȱ zweitenȱ inȱ derȱ drittenȱ Stropheȱ dieȱ realȱ präsenteȱ Stadtȱ Jerusalemȱ undȱ ihreȱ Einwohnerȱ angeȬ sprochenȱ werden.ȱ Dasȱ entsprichtȱ derȱ Perspektiveȱ undȱ demȱ HoriȬ zontȱeinerȱpersönlichenȱDanksagung,ȱdieȱjaȱnachȱderȱTraditionȱderȱ DankȬȱundȱLobpreispsalmenȱnebenȱderȱAnredeȱanȱdieȱGottheitȱverȬ schiedeneȱAnredeformenȱkennt;ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 17ȱ Vgl.ȱJ.ȱJeremias,ȱ Golgothaȱ(1926),ȱ82ȱf.ȱGeschildertȱwirdȱdasȱZeremoniellȱz.ȱB.ȱinȱMiȬ schnaȱSukkaȱV,1–4.ȱDasȱheiligeȱWasserȱwurdeȱausȱderȱGihonȬQuelleȱgeschöpft.ȱ„Werȱ dieȱFreudeȱanȱderȱStätteȱdesȱSchöpfensȱnichtȱgesehen,ȱhatȱseinerȱLebtagȱkeineȱFreudeȱ gesehen.“ȱ(V.ȱ1).ȱ 18ȱ Esȱistȱnichtȱganzȱunwahrscheinlich,ȱdassȱderȱImperativȱinȱV.ȱ5ȱwieȱdieȱImperativeȱinȱ V.ȱ6ȱursprünglichȱsingularischȱformuliertȱwar:ȱ \UP]ȱ„singȱundȱspiele“ȱ(Zȱundȱ \ȱwarenȱ leichtȱverwechselbar).ȱ

ȱ

IV.ȱ

215ȱ

2.ȱ Jesȱ 12ȱ inȱ seinerȱ Urformȱ einenȱ singulärȱ geprägtenȱ undȱ kunstvollȱ gestaltetenȱDankpsalmȱdarstellt,ȱderȱfürȱeineȱrealeȱoderȱfiktive,ȱloȬ kalȱ gebundeneȱ Todafeierȱ verfasstȱ wurde.ȱ Erȱ gehörtȱ wohlȱ inȱ denȱ Umkreisȱ derȱ biblischenȱ Dankpsalmen,ȱ dieȱ amȱ Zionheiligtumȱ entȬ standenȱsind:ȱwieȱz.ȱB.ȱPsȱ13;ȱ30;ȱ41ȱu.ȱa.ȱDurchȱseineȱVerwendungȱ imȱJesajabuchȱgerätȱerȱinȱdieȱGruppeȱderȱspeziellȱinȱJesȱ1–12ȱüberȬ liefertenȱ Ziontexte,ȱ wieȱ z.ȱB.ȱ Jesȱ 2,2–4;ȱ 4,3–6;ȱ 10,20–23;ȱ 10,24–26,ȱ dannȱauchȱ31,19–26;ȱ32,17–24,ȱdieȱjeȱanȱihrerȱStelleȱimȱBuchȱdurchȱ denȱKontextȱeineȱsekundäreȱBedeutungȱgewinnen.ȱAuchȱJesȱ12,1–6ȱ bekommtȱanȱseinemȱOrtȱeinenȱneuenȱSinn.ȱ

IV.ȱ Dasȱ Erste,ȱ dasȱ auffällt,ȱ istȱ dieȱ Positionȱ desȱ Zionpsalmsȱ amȱ Endeȱ derȱ erstenȱ Buchrolleȱ Jesȱ 1–12.ȱ Damitȱ erhältȱ derȱ Textȱ denȱ Charakterȱ einerȱ Unterschrift,ȱvielleichtȱauchȱeinesȱKolophons.19ȱInsofernȱistȱesȱdeutlich,ȱ dassȱmitȱdemȱinȱV.ȱ1ȱangeredetenȱDuȱundȱdenȱinȱV.ȱ4ȱangeredetenȱIhrȱ nichtȱ mehrȱ derȱ dankendeȱ Sängerȱ undȱ dieȱ mitȱ ihmȱ feierndeȱ ZionȬ Gemeinde,ȱ sondernȱ entwederȱ einȱ mitȱ derȱ Buchentstehungȱ gleichȬ zeitigerȱLeserȱbzw.ȱLesergruppeȱoderȱaberȱeineȱmitȱderȱErfüllungȱderȱinȱ Kap.ȱ11ȱangekündigtenȱEreignisseȱzeitgenössischeȱoderȱebenȱeschatoloȬ gischeȱGemeinschaftȱgemeintȱist.ȱDaȱdasȱIchȱundȱdieȱIhrȱgesondertȱaufȬ geführtȱ werden,ȱ müssenȱsieȱ wohlȱ unterschiedenȱ werden.ȱ WahrscheinȬ lichȱ aberȱ istȱ dasȱ Ichȱ jetztȱ kollektivȱ fürȱ dieseȱ Gemeindeȱ gebraucht,ȱ dieȱ pluralischȱausȱEinzelnenȱbesteht,ȱdenenȱdieȱImperativeȱgelten.ȱInȱjedemȱ Fallȱgilt,ȱdassȱJesȱ12ȱnunmehrȱzukunftgerichtetȱist,ȱTeilȱhatȱanȱderȱeschaȬ tologischenȱ Perspektive,ȱ dieȱ dasȱ ersteȱ Jesajabuchȱ kennzeichnetȱ undȱ gleichȱ derȱ Einleitungȱ inȱ 2,2–4ȱ fürȱ „dasȱ Endeȱ derȱ Tage“ȱ gilt.ȱ Esȱ istȱ dieȱ Zeitȱ derȱ Heilsvollendung,ȱ inȱ derȱ gleichwohlȱ gilt,ȱ dassȱ dieȱ Gemeindeȱ und/oderȱ der/dieȱ Einzelneȱ rückblickendȱ aufȱ dieȱ Vergangenheitȱ einȱ Bekenntnisȱ zuȱ demȱ „Gottȱ desȱ Heils“ȱ sprechen,ȱ kultischeȱ Feiernȱ (wieȱ Wasserschöpfen)ȱveranstaltenȱundȱdannȱvorȱallemȱsichȱumȱdieȱ„VölkerȬ mission“ȱkümmernȱ sollen.ȱ Amȱ Endeȱaber,ȱundȱ Jesȱ 12ȱgehtȱ davonȱ aus,ȱ wirdȱ esȱ Jerusalemȱ undȱ denȱ Zionȱ inȱ welcherȱ Formȱ auchȱ immerȱ (2,2;ȱ 12,6),ȱ immerȱ nochȱ gebenȱ mitȱ demȱ zentralenȱ undȱ weltweitȱ wichtigenȱ Faktum,ȱdassȱderȱ„HeiligeȱIsraels“ȱinȱihrerȱMitteȱpräsentȱist.20ȱAufȱdieseȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 19ȱ Vgl.ȱO.ȱH.ȱSteck,ȱDieȱProphetenbücherȱ(1996),ȱ40ȱf.;ȱ80ȱu.ȱa.ȱ 20ȱ Davonȱ sprechenȱ auchȱ dieȱ imȱ weiterenȱ Sinneȱ prophetischenȱ Ziontexte,ȱ ausȱ denenȱ etwaȱZefȱ3,11–13;ȱ3,14–15;ȱ3,16–18ȱbesondersȱzuȱerwähnenȱsind.ȱ

216ȱ

14.ȱDerȱJesajapsalmȱ(Jesȱ12,1–6)ȱ

WeiseȱerklärenȱsichȱdieȱbeidenȱRandtexteȱdesȱerstenȱJesajabuchesȱ2,2–4ȱ undȱ12,1–6ȱgegenseitig.ȱ Indesȱ hatȱ esȱ mitȱ demȱ Schlusspsalmȱ inȱ Jesȱ 12ȱ nochȱ eineȱ besondereȱ Bewandtnis.ȱEsȱistȱsicherȱkeinȱZufall,ȱdassȱinȱdenȱwenigenȱVersen,ȱdazuȱ nochȱ inȱ V.ȱ 2–3ȱ gedrängt,ȱ dasȱ LeitȬȱ undȱ Zielwortȱ desȱ Textesȱ K>ZY\ȱ jeschu’aȱ „Hilfe,ȱ Rettung,ȱ Heil“ȱ wiederholtȱ undȱ aufȱ dieseȱ Weiseȱ nochȱ besondersȱ betontȱ wird.ȱ Dennȱ mitȱ diesemȱ Begriffȱ klingtȱ natürlichȱ derȱ NameȱdesȱProphetenȱ ZK\>Y\ȱJeschaȬJahuȱan,ȱderȱübersetztȱ„GeholfenȬhatȬ Jahu“ȱ(oderȱ„Gotthilf“)ȱheißt.ȱDamitȱstehtȱderȱNameȱvirtuellȱauchȱinȱderȱ Unterschriftȱ aufȱ derȱ letztenȱ Kolumne,ȱ bzw.ȱ aufȱ demȱ letztenȱ Blattȱ desȱ Buches.21ȱȱ Zweiȱ Folgerungenȱ sindȱ denkbar:ȱ Einmal,ȱ dassȱ derȱ Prophetennameȱ undȱ seinȱ Klangȱ einenȱ Bearbeiterȱ dazuȱ verführte,ȱ dieȱ letzte,ȱ dieȱ fünfȬ hebigeȱZeileȱderȱMittelstrophe,ȱdieȱjaȱdenȱZentralbegriffȱimȱAusdrucksȱ „dieȱQuellenȱdesȱHeils“ȱenthält,ȱgegenȱdenȱSinnablaufȱzuȱdenȱanderenȱ AkkordklängenȱmitȱdemȱJesajanamenȱinȱV.ȱ3ȱzuȱstellenȱundȱdamitȱnachȱ vorneȱzuȱrücken.ȱȱ Undȱzumȱanderen,ȱdassȱaufȱdieserȱEbeneȱmitȱdenȱ metaphorischenȱ Verwendungȱ desȱ Ausdrucksȱ „dieȱ Quellenȱ desȱ Heils“ȱ möglicherweiseȱ auchȱ dieȱ Quellenschrift,ȱ ebenȱ dasȱ Buchȱ „Jesaja“ȱ selbst,ȱ d.ȱh.ȱ Jesȱ 1–12ȱ selbstȱgemeintȱoderȱmitgemeintȱseinȱkönnte.ȱDasȱwäreȱeineȱbeachtlicheȱ theologischeȱÜbertragungȱeinesȱTopos,ȱdessenȱrealerȱHintergrundȱwohlȱ inȱVergessenheitȱgeratenȱwar,ȱundȱeinȱHinweisȱaufȱeineȱneueȱEinschätȬ zungȱ derȱ Offenbarung,ȱ dassȱ nunmehrȱ ohneȱ Tempelȱ undȱ Wasserkultȱ inskünftigȱdasȱLesenȱprophetischerȱSchriftenȱderȱVermittlungȱdesȱHeilsȱ dienenȱwird.ȱȱ DerȱDankpsalmȱvomȱZionȱträgtȱjedenfallsȱanȱseinemȱOrtȱnichtȱunȬ wesentlichȱ dazuȱ bei,ȱ dassȱ sowohlȱ dasȱ ersteȱ Jesajabuchȱ (Kap.ȱ1–12)ȱ alsȱ auchȱ dasȱ Großbuchȱ Jesajaȱ (Kap.ȱ1–66)ȱ insgesamtȱ vonȱ demȱ Leitthemaȱ „Zion“ȱgeprägtȱist.ȱ AmȱEndeȱnochmalsȱeinȱZitatȱausȱderȱArbeitȱvonȱMartinȱSchmidt:ȱ WoȱesȱumȱwahreȱGottesnähe,ȱGottesgeschichte,ȱaktuelleȱEntscheidung,ȱ umȱGottesȱVolk,ȱGottesȱPlan,ȱGottesȱHerrschaft,ȱnichtȱumȱMythosȱundȱ Kosmologieȱ geht,ȱ daȱ stehtȱ dasȱ Zeichenȱ desȱ Tempelsȱ aufgerichtet.ȱ Dieȱ gesamteȱBotschaftȱderȱProphetenȱführtȱunsȱnichtȱzuȱeinerȱabschließenȬ denȱ Betrachtungȱ überȱ dasȱ Verhältnisȱ vonȱ Gottȱ undȱ Welt,ȱ Gottȱ undȱ Mensch,ȱsondernȱendetȱmitȱeinerȱFrage,ȱdieȱaktuellȱbleibenȱmuß:ȱWirdȱ dort,ȱwoȱGottȱdasȱZiel,ȱdieȱVollendungȱseinesȱPlanesȱalsȱ„WohnenȱinȬ mittenȱIsraels“ȱ(undȱdamitȱ„inmittenȱderȱVölker“)ȱoffenbart,ȱauchȱIsraȬ elȱ vonȱ innenȱ herausȱ erneuert?ȱ Machtȱ esȱ diesesȱ Geschenkȱ zuȱ seinerȱ Aufgabe?ȱ(218)ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 21ȱ Vgl.ȱbesondersȱH.ȬP.ȱMathys,ȱDichterȱundȱBeterȱ(1994),ȱ188ȱff.ȱ

ȱ

Literaturȱ

217ȱ

Literaturȱ NeuereȱJesajaȬKommentareȱ Beuken,ȱW.ȱA.ȱM.,ȱJesajaȱ1–12,ȱHThK,ȱFreiburgȱ2003.ȱ Fohrer,ȱG.,ȱDasȱBuchȱJesaja,ȱZBK,ȱZürich/Stuttgartȱ1960ȱ(21966).ȱ Höffken,ȱP.,ȱDasȱBuchȱJesaja,ȱKap.ȱ1–39,ȱNSKAT,ȱStuttgartȱ1993.ȱ Kaiser,ȱO.,ȱDasȱBuchȱdesȱProphetenȱJesaja,ȱKap.ȱ1–12,ȱATD,ȱGöttingenȱ51981.ȱ Kilian,ȱR.,ȱJesajaȱ1–12,ȱNEB,ȱWürzburgȱ1986.ȱ Wildberger,ȱH.ȱ,ȱJesajaȱ1–12.13–27.28–39,ȱBK,ȱNeukirchenȬVluynȱ1972/78/82.ȱ

ZumȱThemaȱ Abegg,ȱM./Flint,ȱP.ȱW./Ulrich,ȱE.,ȱTheȱDeadȱSeaȱScrollsȱBible,ȱEdinburghȱ1999.ȱ Crüsemann,ȱ F.,ȱ Studienȱ zurȱ Formgeschichteȱ vonȱ Hymnusȱ undȱ Dankliedȱ inȱ Israel,ȱWMANTȱ32,ȱNeukirchenȬVluynȱ1969.ȱ Gunkel,ȱ H.ȱ,ȱ Einleitungȱ inȱ dieȱ Psalmen,ȱ Dieȱ Gattungenȱ derȱ religiösenȱ Lyrikȱ Israels,ȱGöttingenȱ1933ȱ(21966).ȱ Jeremias,ȱJ.,ȱGolgotha,ȱAngelos.ȱBȱ1,ȱLeipzigȱ1926ȱ(82ȱf.).ȱ Lux,ȱ R.,ȱ „Musik“ȱ eineȱ Gottesmetapher?ȱ Anmerkungenȱ zuȱ Exȱ 15,2;ȱ Jesȱ 12,2;ȱ Psȱ 118,14,ȱ Mitteilungenȱ undȱ Beiträgeȱ derȱ Forschungsstelleȱ Judentumȱ derȱȱ TheologischenȱFakultätȱLeipzigȱ17ȱ(1999),ȱ34–44.ȱ Mathys,ȱ H.ȬP.,ȱ Dichterȱ undȱ Beter:ȱ Theologenȱ ausȱ spätalttestamentlicherȱ Zeit,ȱ OBOȱ132,ȱFreiburgȱ1994.ȱ Prinsloo,ȱ W.ȱS.ȱ,ȱ Isaiahȱ 12:ȱ One,ȱ Twoȱ orȱ Threeȱ Songs,ȱ in:ȱ Goldeneȱ Äpfelȱ inȱ silȬ bernenȱ Schalen,ȱ Collectedȱ Communicationsȱ toȱ theȱ XIIIthȱ Congressȱ ofȱ IOSOT,ȱ Leuvenȱ 1989,ȱ hg.ȱv.ȱ K.ȬD.ȱ Schunck/M.ȱ Augustin,ȱ BEATȱ 20,ȱ FrankȬ furtȱa.ȱM./Berlinȱ1992,ȱ25–33.ȱ Schmidt,ȱ H.ȱ,ȱ Dieȱ großenȱ Prophetenȱ übersetztȱ undȱ erklärt,ȱ SATȱ 2,2,ȱ Göttingenȱ 1915.ȱ Seybold,ȱK./Neidhart,ȱW.,ȱVierterȱSonntagȱnachȱOsternȱ(Kantate),ȱJesȱ12,1–6ȱin:ȱ Predigtstudien.ȱ Zurȱ Perikopenreiheȱ V,ȱ Bd.ȱ 5,2,ȱ hg.ȱv.ȱ P.ȱ Krusche/D.ȱȱ Rössler/R.ȱRoessler,ȱStuttgart/Berlinȱ1983,ȱ52–57.ȱ Steck,ȱ O.ȱH.ȱ,ȱ Dieȱ Prophetenbücherȱ undȱ ihrȱ theologischesȱ Zeugnis.ȱ Wegeȱ derȱ NachfrageȱundȱFährtenȱzurȱAntwort,ȱTübingenȱ1996.ȱ vanȱWieringen,ȱA.ȱL.ȱH.ȱM.,ȱIsaiahȱ12,1–6,ȱAȱDomainȱandȱCommunicationȱAnaȬ lysis,ȱ in:ȱ Studiesȱ inȱ theȱ Bookȱ ofȱ Isaiah,ȱ FSȱ W.ȱA.ȱM.ȱ Beuken,ȱ ed.ȱ byȱ J.ȱ vanȱ Ruiten/M.ȱVervenne,ȱBEThLȱ132,ȱLeuvenȱ1997,ȱ149–172.ȱ Watson,ȱ W.ȱG.ȱE.,ȱ Classicalȱ Hebrewȱ Poetry.ȱ Aȱ Guideȱ toȱ itsȱ Techniques,ȱ JSOT.Sȱ 26,ȱSheffieldȱ1984,ȱ21986.ȱ

ȱ

ȱ

C.ȱStudienȱzuȱspeziellenȱProblemenȱdesȱPsaltersȱ

ȱ

ȱ

15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ (Psȱ138–145)ȱ ȱ ȱ Derȱ sog.ȱ vierteȱ Davidpsalter1,ȱ demȱ manȱ dieȱ Texteȱ Psȱ 138–145ȱ zuȬ schreibt,ȱwirdȱdurchȱzweiȱFaktorenȱkonstituiert:ȱeinmalȱdurchȱdieȱallenȱ Textenȱ vorangestellteȱ Zueignungsformelȱ GZGOȱ inȱ denȱ Überschriften,ȱ zumȱanderenȱdurchȱdieȱabgrenzendeȱGruppierungȱderȱTextfolge,ȱwelȬ cheȱ durchȱ dieȱ Einzelpsalmenȱ 135;ȱ 136ȱ undȱ 137ȱ aufȱ derȱ einenȱ undȱ dieȱ Hymnusgruppeȱ Psȱ 146–150ȱ aufȱ derȱ anderenȱ Seiteȱ einenȱ Rahmenȱ marȬ kiert.ȱ Istȱ nunȱ dieȱ Setzungȱ derȱ Überschriftenȱ inȱ denȱ hebräischenȱ undȱ griechischenȱ Hauptzeugen,ȱ d.ȱh.ȱ inȱ derȱ LXX,ȱ inȱ denȱ QȬHandschriftenȱ undȱimȱMTȱ–ȱbeiȱkleinerenȱVariationenȱimȱEinzelnen2ȱ–ȱhinsichtlichȱderȱ Zueignungȱ imȱ großenȱ Ganzenȱ einheitlichȱ überliefert,ȱ gibtȱ esȱ beiȱ derȱ Textfolgeȱ erheblicheȱ Unterschiede.ȱ Dieȱ vonȱ MTȱ undȱ LXXȱ festgelegteȱ Reihenfolgeȱ138–145ȱwirdȱvonȱdenȱQȬHandschriftenȱnichtȱbezeugt3,ȱwieȱ jaȱ überhauptȱ wahrscheinlichȱ nurȱ dieȱ Handschriftȱ MasPsbȱ dieȱ Psalmenfolgeȱ imȱMTȬPsalterȱ unterstützt;ȱ vielmehrȱ bietetȱ vorȱ allemȱ dieȱ inȱdiesemȱTextbereichȱbesondersȱgutȱerhalteneȱHandschriftȱ11QPsaȱeinȱ völligȱanderesȱBild:ȱDieȱReihenfolgeȱabȱPsȱ135ȱist:ȱ –135–136+Catena–145+Postscript–154–Pleaȱ forȱ Deliverance–139– 137–138–Sirȱ51–ApostropheȱtoȱZion–93–141–133–144–155–142–143–149– 150–Hymnȱ toȱ theȱ Creator–2.ȱ Samȱ 23–David’sȱ Compositions–140–134– 151A–151B//EndeȱderȱPsalterhandschriftȱ(vgl.ȱLXX).ȱȱ Vonȱ einerȱ Gruppierungȱ 138–145ȱ (150)ȱ findetȱ sichȱ inȱ demȱ 11QȬ PsalterȱscheinbarȱkeineȱSpur.ȱDochȱsiehtȱmanȱnäherȱzu,ȱfälltȱinsȱAuge,ȱ dassȱdieseȱetwaȱ25ȱSchlusstexteȱjaȱsamtȱundȱsondersȱalsȱDavidȬPsalmenȱ ausgewiesenȱ sind,ȱ seiȱ esȱ durchȱ expliziteȱ Angabenȱ undȱ Verweiseȱ imȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ 2ȱ



EsȱgibtȱzuȱdieserȱGruppeȱwenigȱspezielleȱLiteratur,ȱvgl.ȱM.ȱMillard,ȱDieȱKompositionȱ desȱPsalters.ȱEinȱformgeschichtlicherȱAnsatz,ȱFATȱ6,ȱTübingenȱ1994,ȱ45.144ȱff.ȱ Vgl.ȱ J.ȱA.ȱ Sanders,ȱ Theȱ Psalmsȱ Scrollȱ ofȱ Qumranȱ Caveȱ 11ȱ [11QPsa],ȱ DJDȱ IV,ȱ Oxfordȱ 1965;ȱP.ȱW.ȱFlint,ȱTheȱDeadȱSeaȱPsalmsȱScrollsȱandȱtheȱBookȱofȱPsalms,ȱStudiesȱonȱtheȱ TextsȱofȱtheȱDesertȱofȱJudahȱ17,ȱLeidenȱ1997ȱ(dortȱweitereȱLiteratur).ȱDieȱgriechischeȱ Überlieferungȱ hatȱ z.ȱT.ȱ biographischeȱ Erweiterungenȱ beiȱ Psȱ 138ȱ (MTȱ 139),ȱ 142ȱ (MTȱ 143),ȱ143ȱ(MTȱ144),ȱ11QPsaȱliestȱbeiȱPsȱ145ȱ KOSWȱstattȱKOKWȱsowieȱeineȱUnterschrift:ȱ #ZUN]OWD].ȱ VonȱderȱGruppeȱMTȱPsȱ138–145ȱsindȱaußerhalbȱvonȱ11QPsaȱnurȱPsȱ141,10ȱ(11QPsb),ȱ Psȱ144,1–2ȱ(11QPsb)ȱundȱPsȱ143,2–4.6–8ȱ(4QPsp)ȱbezeugt.ȱ

222ȱ

15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ

Textkorpusȱ oderȱ durchȱ denȱ inȱ David’sȱ Compositionsȱ vorweggenomȬ menenȱKolophon,ȱderȱoffenbarȱsämtlicheȱTexteȱdesȱ11QȬPsaltersȱDavidȱ zuschreibenȱ will.ȱ Expliziteȱ DavidȬVerfasserschaftȱ machenȱ nebenȱ denȱ durchȱ Überschriftenȱ ausgewiesenenȱ Psalmenȱ (inȱ 11QPsa:ȱ 133;ȱ 138;ȱ 140;ȱ 143;ȱ145)4ȱ geltend:ȱ dieȱ letztenȱ Worteȱ 2.ȱSamȱ23;ȱ Sirȱ 51;ȱ Psȱ 151A(B).ȱ Beiȱ denȱ Textenȱ Psȱ 154;ȱ Pleaȱ undȱ Psȱ 155,ȱ dieȱ ohneȱ Überschriftȱ sind,ȱ kannȱ manȱeineȱÜbertragungȱderȱZuschreibungȱausȱdemȱKontextȱannehmen,ȱ daȱsieȱebenfallsȱindividuelleȱGebeteȱsind.ȱWasȱübrigȱbleibt,ȱsindȱhymniȬ scheȱ Zionpsalmen,ȱ dieȱ gegenȱ Endeȱ derȱ Reiheȱ daȱ undȱ dortȱ eingestreutȱ wordenȱ zuȱ seinȱ scheinen.ȱ Soȱ wirdȱ manȱ sagenȱ können,ȱ dassȱ derȱ 11QȬ Psalterȱ zwarȱ imȱ letztenȱ Teilȱ vonȱ derȱ masoretischenȱ Reihenfolgeȱ derȱ Texteȱabweicht,ȱdassȱerȱaberȱdenȱTextbestandȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ desȱ MTȱ überliefert,ȱ wenngleichȱ durchȱ andereȱ DavidȬTexteȱ oderȱ ihresȬ gleichenȱ erweitertȱ undȱ mitȱ Zionpsalmenȱ vermischt.ȱ Daȱ einȱ GruppieȬ rungsprinzipȱ wieȱ beimȱ mtȱ Psalter:ȱ 135–137ȱ Ziontexte,ȱ 138–145ȱ DavidȬ psalmen,ȱ 146–150ȱ Hymnenȱ nichtȱ erkennbarȱ ist,ȱ istȱ anzunehmen,ȱ dassȱ einȱ solchesȱ fürȱ 11QPsaȱ (noch)ȱ nichtȱ bestandȱ oderȱ ausȱ allgemeinenȱ ErȬ wägungenȱ zurȱ generellenȱ DavidȬVerfasserschaftȱ nichtȱ (mehr)ȱ relevantȱ war.ȱ Trotzȱ diesesȱ etwasȱ kompliziertenȱ Sachverhaltsȱ derȱ Überlieferungȱ wirdȱ manȱ schließenȱ dürfen,ȱ dassȱ dieȱ inȱ demȱ letztenȱ Teilȱ derȱ beidenȱ Psalterȱ überliefertenȱ DavidȬTexteȱ insofernȱ alsȱ etwasȱ Besonderesȱ angeȬ sehenȱwurden,ȱalsȱsieȱnichtȱinȱdieȱoffenbarȱbereitsȱvorhandenenȱDavidȬ Psalterȱintegriertȱoderȱdortȱaddiertȱwurden,ȱvielmehrȱnachȱdenȱgroßenȱ KomplexenȱdesȱPsȱ119ȱundȱdesȱWallfahrtȬPsaltersȱplatziertȱwurdenȱundȱ insofernȱ insgesamtȱ denȱ Eindruckȱ einesȱ Nachtragsȱ vermitteln.ȱ Dieȱ BarȬ rierenȱ derȱ genanntenȱ Komplexeȱ deutenȱ daraufȱ hin,ȱ dassȱ dieȱ Sammlerȱ undȱEditorenȱderȱPsalmdichtungȱdieseȱTexteȱvonȱbereitsȱvorgegebenenȱ anderenȱGruppierungenȱdistanzierenȱwollten.ȱ Beideȱ Psalterȱ habenȱ ihrȱ Materialȱ unterschiedlichȱ arrangiert.ȱ Dabeiȱ wirdȱmanȱnichtȱdavonȱausgehenȱkönnen,ȱdassȱeineȱAbhängigkeitȱinȱderȱ einenȱ oderȱ anderenȱ Richtungȱ besteht.ȱ Wederȱ istȱ derȱ MTȬPsalterȱ alsȱ Weiterführungȱ undȱ Bearbeitungȱ desȱ 11QȬPsaltersȱ anzusehen,ȱ inȱ derȱ Weise,ȱ dassȱ erȱ dieȱ DavidȬTexteȱ selektioniertȱ undȱ alsȱ Gruppeȱ fürȱ sichȱ konzentriertȱ hätte.ȱ Nochȱ istȱ zuȱ sehen,ȱ dassȱ derȱ 11QȬPsalterȱ ausȱ demȱ MTȬPsalterȱ hervorgegangenȱ wäre,ȱ dadurchȱ dassȱ erȱ eineȱ vorhandeneȱ Gruppierungȱ aufgelöstȱ undȱ mitȱ neuenȱ Textenȱ durchsetztȱ hätte.ȱ AnzuȬ nehmenȱ istȱ vielmehr,ȱ dassȱ beideȱ Versionenȱ unterschiedlichȱ vorgeganȬ genȱsind,ȱwobeiȱihrȱeditorischesȱZielȱeinȱähnlichesȱgewesenȱist,ȱnämlichȱ dieȱ Hervorhebungȱ derȱ DavidȬVerfasserschaft,ȱ auchȱ undȱ besondersȱ imȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 4ȱ

NichtȱalleȱAnfängeȱsindȱinȱ11QPsaȱerhalten.ȱSoȱnichtȱbeiȱ139;ȱ141;ȱ142.ȱPsȱ93ȱundȱ137ȱ sindȱnachȱLXXȱDavidpsalmen.ȱ

ȱ

1.ȱDieȱAngabenȱderȱÜberschriftenȱ

223ȱ

letztenȱ Teilȱ einerȱ wahrscheinlichȱ bereitsȱ soweitȱ herangewachsenenȱ Sammlung.ȱDieȱeditorischeȱArbeitȱanȱdiesemȱSchlussteilȱlässtȱsichȱwohlȱ inȱbeidenȱVersionenȱdadurchȱcharakterisieren,ȱindemȱmanȱfeststellt:ȱ Esȱ warȱ dieȱ Aufgabe,ȱ Restbeständeȱ vonȱ Individualtextenȱ sowieȱ hymnischeȱ Ziontexteȱ demȱ bestehendenȱ Psalterȱ beizufügen,ȱ ohneȱ sieȱ dortȱ einbringenȱ zuȱ könnenȱ oderȱ zuȱ wollen,ȱ woȱ bereitsȱ solcheȱ TeilȬ sammlungenȱbestanden.ȱManȱlösteȱdieseȱso,ȱdassȱdieȱeineȱVersionȱTexteȱ auswählteȱ undȱ säuberlichȱ gruppierteȱ (138–145ȱ Davidtexte,ȱ 146–150ȱ Hymnen),ȱdieȱandereȱdenȱBestandȱzumȱTeilȱdurchȱbereitsȱsanktionierteȱ oderȱ „kanonisierte“ȱ Texteȱ (ausȱ 2.ȱ Sam),ȱ aberȱ auchȱ durchȱ „apokryphe“ȱ Texteȱ ergänzteȱ undȱ denȱ ganzenȱ entstehendenȱ Psalterȱ zumȱ DavidȬ Psalterȱerklärte.ȱ Inȱ beidenȱ Fällenȱ spieltenȱ dieȱ hymnischenȱ ZionȬTexteȱ undȱ dieȱ DaȬ vidȬTexteȱeineȱjeȱbesondereȱRolle.ȱSieȱgehörtenȱzumȱvorliegendenȱRestȬ bestand.ȱWoherȱkamenȱdieseȱTexte?ȱ UmȱdieserȱFrageȱimȱBlickȱaufȱdieȱDavidȬTexteȱweiterȱnachzugehen,ȱ mussȱzuerstȱdieȱinȱdenȱÜberschriftenȱdokumentierteȱEinschätzungȱderȱ Texteȱerörtertȱwerden.ȱ

1.ȱDieȱAngabenȱderȱÜberschriftenȱ Daȱ dieȱ Versionenȱ undȱ Editionenȱ inȱ derȱ Bezeugungȱ derȱ Überschriftenȱ weithinȱ übereinstimmen,ȱ istȱ zuȱ schließen,ȱ dassȱ sieȱ dieseȱ bereitsȱ inȱ ihȬ remȱ Materialȱ vorfanden.ȱEsȱ istȱ nichtȱ sehrȱ wahrscheinlich,ȱ dassȱdieȱ BeȬ arbeiterȱ beiȱ einigermaßenȱ unterschiedlichemȱ Vorgehenȱ dieseȱ fastȱ gleichlautendȱoderȱgarȱgemeinsamȱgesetztȱhätten.ȱSonstȱhättenȱsieȱdochȱ beiȱ ihrerȱ Tendenzȱzurȱ Davidisierungȱdieȱ Überschriftenȱ –ȱimȱSinneȱ derȱ biographischenȱ Erweiterungenȱ derȱ griechischenȱ Fassungȱ –ȱ bearbeitetȱ undȱeinanderȱangeglichenȱoderȱinȱirgendeinerȱWeise,ȱetwaȱinȱderȱReiȬ henfolgeȱ derȱ einzelnenȱ Angaben,ȱ andersȱ gestaltet.ȱ Dieȱ Überschriftenȱ müssenȱihnenȱbereitsȱvorgelegenȱhaben,ȱundȱzwarȱalsȱzumȱTextkorpusȱ gehörigeȱ Teile,ȱ anȱ denenȱ sieȱ willentlichȱ nichtsȱ mehrȱ ändernȱ konnten.ȱ SomitȱstelltȱsichȱdieȱFrage,ȱwerȱsieȱverfasstȱhat.ȱ Weilȱ wirȱ andererseitsȱ alsȱ unwahrscheinlichȱ ausschließen,ȱ dassȱ dieȱ Psalmenüberschriftenȱ mitȱ derȱ Abfassungȱ derȱ Psalmenȱ –ȱ alsȱ vonȱ denȱ Verfassernȱselbstȱgesetztȱ–ȱentstandenȱsind,ȱkommenȱnurȱrezeptionelleȱ bzw.ȱ redaktionelleȱ Maßnahmenȱ zwischenȱ Abfassungȱ derȱ Einzeltexteȱ undȱ derȱ inȱ denȱ Handschriftenȱ bezeugtenȱ Psalterversionenȱ undȱȱ ȬeditionenȱinȱFrage.ȱDieseȱaberȱhaltenȱanȱderȱFiktionȱfestȱoderȱsuggerieȬ renȱdieȱVorstellung,ȱalleȱdieseȱTexteȱseienȱdavidisch,ȱd.ȱh.ȱentwederȱvonȱ Davidȱ oderȱ fürȱ Davidȱ verfasst,ȱ woranȱ derȱ 11QȬPsalterȱ ganzȱ explizitȱ

224ȱ

15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ

festhält,ȱgefolgtȱvonȱderȱLXX,ȱwährendȱderȱMTȬPsalterȱinȱdiesemȱPunktȱ sichȱoffenerȱverhält.ȱ Dieȱ Problemeȱ derȱ Psalmenüberschriftenȱ sindȱ bekanntlichȱ bisherȱ nichtȱ befriedigendȱ gelöst,ȱ undȱ manȱ bewegtȱ sichȱ dabeiȱ aufȱ wenigȱ geȬ sichertemȱBoden.ȱAuchȱistȱdasȱZielȱdieserȱStudieȱnicht,ȱdieseȱProblemeȱ zuȱdiskutieren.ȱSieȱmöchteȱnurȱdieȱschlichteȱFrageȱstellen,ȱweshalbȱdieȱ Psalmenȱ138–145ȱüberschriftlichȱ„davidisiert“ȱwurdenȱundȱwasȱdasȱfürȱ ihreȱEinschätzungȱzuȱbedeutenȱhat.ȱ Zunächstȱ derȱ Bestand:ȱ Dieȱ Überschriftenȱ imȱ viertenȱ DavidȬPsalterȱ unterscheidenȱsichȱnichtȱgrundsätzlichȱvonȱdenenȱderȱanderenȱDavidȬ Psalter.ȱDasȱgrundlegendeȱElementȱistȱdieȱFormelȱ GZGO,ȱdieȱmehrheitȬ lichȱunmittelbarȱvorȱdemȱbeginnendenȱTextkorpusȱsteht.ȱSieȱistȱhäufigȱ verbundenȱ mitȱ einemȱ „Gattungsbegriff“,ȱ wieȱ UZP]Pȱ (4Ȭmal),ȱ O\NCP,ȱ KOKWȱ oderȱ KOSWȱ (jeȱ 1Ȭmal)5.ȱ Dabeiȱ spieltȱ dieȱ Reihenfolgeȱ offenbarȱ syntaktischȱkeineȱRolle,ȱwieȱmanȱanȱderȱunerklärbarenȱUmkehrungȱbeiȱ Psȱ139ȱundȱPsȱ140ȱsieht.ȱDieserȱKernbestandȱistȱzweiȱMalȱdurchȱZusätzeȱ erweitertȱ worden:ȱ durchȱ dieȱ Voranstellungȱ desȱ wohlȱ musikalischenȱ Terminusȱ M[QPOȱ(Psȱ139;ȱ140)ȱundȱdurchȱdieȱanȱdenȱDavidnamenȱanȬ gehängteȱbiographischeȱNotizȱ(Psȱ142),ȱwasȱinȱderȱLXXȱ(dortȱauchȱbeiȱ Psȱ MTȱ 139;ȱ 143;ȱ 144)ȱ vermehrtȱ geschieht.ȱ Beideȱ Zusätzeȱ scheinenȱ erstȱ sekundärȱ oderȱ tertiärȱ zurȱ Überschriftȱ hinzugekommenȱ zuȱ sein:ȱ derȱ Terminusȱ zumȱ Zweckeȱ einerȱ tertiärenȱ musikalischenȱ Verwendbarkeitȱ (nebenȱ UZP]P),ȱ dieȱ Notizȱ imȱ Zugeȱ derȱ konsequentenȱ historischenȱ BiographisierungȱundȱVerortungȱimȱLebenȱDavidsȱnachȱderȱTradition,ȱ wobeiȱdieȱAnnahmeȱderȱVerfasserschaftȱdurchȱDavidȱvorausgesetztȱist.ȱ BeiȱdiesenȱletztenȱZusätzenȱliegtȱdieȱMotivationȱoffen.ȱDerȱHinweisȱ aufȱdieȱ„Höhle“ȱalsȱOrtȱderȱEntstehungȱvonȱPsȱ142ȱergibtȱsichȱausȱderȱ Assoziationȱmitȱdemȱ„Kerker“,ȱinȱdemȱsichȱderȱPsalmistȱnachȱeigenemȱ Zeugnisȱbefindetȱ(V.ȱ8).ȱDerȱHinweisȱ„fürȱdenȱChorleiter“ȱjedoch,ȱfallsȱ erȱ dennȱ soȱ zuȱ verstehenȱ ist,ȱ istȱ zwarȱ klar,ȱ entziehtȱ sichȱ aberȱ derȱ beȬ gründetenȱEinsicht.ȱWeshalbȱsollenȱgeradeȱPsȱ139ȱundȱPsȱ140ȱmusikaȬ lischȱ besondersȱ gutȱ verwertbarȱ sein?ȱ Dieȱ Frageȱ istȱ auch,ȱ wieȱ dieȱ SetȬ zungȱ derȱ anderen,ȱ älterenȱ Teileȱ derȱ Überschriftȱ motiviertȱ ist.ȱ Nachvollziehbarȱ istȱ wohlȱ relativȱ einfachȱ dieȱ Charakterisierungȱ durchȱ dieȱ„Gattungsbegriffe“:ȱGesang,ȱLehrgedicht,ȱLobpreis,ȱGebet.ȱAlsȱGeȬ sänge,ȱzurȱLeierȱvorgetragen,ȱkönnenȱdieȱIchȬPsalmenȱ139;ȱ140;ȱ141;ȱ143ȱ verstandenȱwerden,ȱwieȱauchȱPsȱ145ȱalsȱLobpreisȱoderȱalsȱGebet.ȱWasȱ anȱPsȱ142ȱlehrhaftȱseinȱsoll,ȱvorȱallemȱgegenüberȱdenȱtheologischenȱundȱ weisheitlichenȱ Textenȱ Psȱ 139ȱ oderȱ Psȱ 145,ȱ denenȱ dieserȱ Titelȱ vielȱ eherȱ zuzuerkennenȱwäre,ȱbleibtȱrätselhaft.ȱVielleichtȱistȱesȱdochȱdieȱ„Lehre“ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 5ȱ

11QPsaȱbeiȱPsȱ145ȱKOSWȱstattȱKOKW.ȱ

ȱ

2.ȱDieȱZueignungsformelȱ

225ȱ

ausȱ derȱ Höhleȱ desȱ Kerkers,ȱ dieȱ vonȱ denȱ Tradentenȱ besondersȱ hervorȬ gehobenȱ werdenȱ sollte.ȱ Dochȱ wirdȱ jaȱ auchȱ dieȱ Bezeichnungȱ „LehrȬ gedicht“ȱamȱEndeȱdurchȱdenȱBegriffȱ„Gebet“ȱergänztȱundȱkorrigiert.ȱ DreiȱPunkteȱsindȱfestzuhalten:ȱ 1.ȱ Dieȱ Angabenȱ derȱ Überschriftenȱ gruppierenȱ sichȱ umȱ denȱ KernbeȬ griffȱderȱDavidȬFormel,ȱdieȱauchȱ–ȱwieȱetwasȱbeiȱPsȱ138ȱundȱPsȱ144ȱ –ȱisoliertȱstehenȱkann.ȱȱ 2.ȱ Sieȱsindȱz.ȱT.ȱabhängigȱvonȱnachträglicherȱEinschätzungȱundȱformaȬ lerȱ Einordnungȱ nachȱ demȱ Psalminhaltȱ oderȱ auchȱ vonȱ einerȱ terȬ tiärenȱmusikalischenȱVerwendung.ȱ 3.ȱ Dieȱ DavidȬFormelȱ istȱ ausȱ denȱ Textenȱ nichtȱ abzuleiten,ȱ jedenfallsȱ nichtȱimȱSinneȱeinerȱVerfasserschaft.ȱImȱGegenteil:ȱDieȱErwähnungȱ Davidsȱ Psȱ 144,10ȱ inȱ derȱ drittenȱ Personȱ sprichtȱ zumindestȱ beiȱ dieȬ semȱTextȱgegenȱeineȱAbfassungȱdurchȱDavid.ȱDasselbeȱgiltȱvonȱdenȱ inȱ denȱ Textenȱ selbstȱ erkennbarenȱ Situationen,ȱ dieȱ –ȱ undȱ dasȱ giltȱ selbstȱundȱgeradeȱfürȱdieȱKerkerszeneȱvonȱPsȱ142ȱ–ȱsichȱnurȱschwerȱ mitȱ derȱ ausȱ derȱ Traditionȱ bekanntenȱ Biographieȱ Davidsȱ vereinȬ barenȱlassen.ȱ WasȱhatȱdieȱFormelȱzuȱbedeuten?ȱ

2.ȱDieȱZueignungsformelȱ DieȱMöglichkeitenȱderȱDeutungȱderȱFormelȱsindȱbekanntȱundȱmüssenȱ nichtȱnochȱeinmalȱaufgelistetȱwerden.ȱDasȱProblemȱliegtȱdarin,ȱdassȱdieȱ Bedeutungȱ derȱ Formelȱ sichȱ offenbarȱ imȱ Laufeȱ derȱ Überlieferungȱ verȬ ändert,ȱ undȱ zwarȱ extremȱ verändertȱ hat.ȱ Istȱ durchȱ dieȱ biographischenȱ Zusätzeȱ zumindestȱ dieȱ Vorstellungȱ einerȱ davidischenȱ Verfasserschaftȱ alsȱ gegebenȱ anzusehen,ȱ dieȱ außerȱ durchȱ dieȱ LXXȱ durchȱ dieȱ 11QPsaȬ Texteȱ David’sȱ Compositionsȱ undȱ dieȱ Letztenȱ Worteȱ explizitȱ gesichertȱ wird,ȱ kannȱ dieseȱ Deutungȱ offensichtlichȱ nichtȱ dieȱ ursprünglicheȱ MeiȬ nungȱ derȱ Formulierungȱ gewesenȱ sein.ȱ Dennȱ einmalȱ istȱ einȱ OȬauctorisȱ imȱ Hebräischenȱ nichtȱ nachzuweisen;ȱ vielmehrȱ istȱ dieȱ präpositionaleȱ Verbindungȱ alsȱ allgmeinerȱ Ausdruckȱ derȱ Zugehörigkeitȱ (ascriptio)6ȱ zuȱ verstehen,ȱwasȱinsbesondereȱdieȱFälleȱmitȱisolierterȱFormelȱ(Psȱ138;ȱ144)ȱ undȱ damitȱ dieȱ wahrscheinlicheȱ Grundformȱ derȱ Überschriftȱ betrifft.ȱ EineȱVerfasserschaftȱdurchȱDavidȱistȱsoȱzunächstȱnichtȱintendiert,ȱvielȬ mehrȱeigentlichȱausgeschlossen.ȱZumȱanderenȱwiderlegtȱdieȱNennungȱ DavidsȱinȱdritterȱPersonȱdieȱAnnahme,ȱdasȱsprechendeȱIchȱseiȱmitȱDaȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 6ȱ

Vgl.ȱE.ȱJenni,ȱDieȱhebräischenȱPräpositionen,ȱBd.ȱ3:ȱDieȱPräpositionȱLamed,ȱStuttgartȱ 2000,ȱpassim.ȱ

226ȱ

15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ

vidȱselbstȱgleichzusetzenȱ(Psȱ18;ȱ144).ȱSchließlichȱsprichtȱdieȱNennungȱ desȱ Tempelsȱ undȱ seinesȱ Umfeldsȱ eigentlichȱ deutlichȱ gegenȱ dieȱ davidȬ ischeȱ Zeit,ȱ undȱ dassȱ dieȱ geschilderteȱ realeȱ Situationȱ einerȱ GefangenȬ schaftȱ imȱ Tempelverließȱ nichtȱ mitȱ derȱ judäischenȱ Höhleȱ vergleichbarȱ ist,ȱmüssteȱauchȱdenenȱaufgefallenȱsein,ȱdieȱsolcheȱTexteȱaufȱdemȱHinȬ tergrundȱ derȱ Zeugnisseȱ ausȱ denȱ Vorderenȱ Prophetenȱ herauszulesenȱ versuchten.ȱSomitȱwäreȱfürȱdieȱErstsetzungȱderȱFormelȱeineȱursprüngȬ lichȱandereȱBedeutungȱanzunehmen.ȱ Welcheȱ Bedeutungȱ dasȱ war,ȱ kannȱ m.ȱE.ȱ nurȱ ausȱ derȱ Analogieȱ verȬ gleichbarerȱ Zuschreibungenȱ undȱ ausȱ demȱ gleichgeartetenȱ Versuchȱ geschlossenȱwerden,ȱbestimmteȱTexteȱbekanntenȱFigurenȱzuzuordnen,ȱ umȱ ihnenȱ dadurchȱ einȱ stärkeresȱ Gewichtȱ undȱ eineȱ höhereȱ Weiheȱ zuȱ verleihenȱoderȱihnenȱgarȱdieȱWürdeȱbesondersȱheiligerȱSchriftenȱzuzuȬ erkennen.ȱ Kurzum,ȱ dieseȱ Formelnȱ gehörenȱ inȱ dieȱ Phaseȱ derȱ Wertungȱ undȱ Würdigungȱ vorhandenerȱ Texteȱ undȱ somitȱ inȱ dieȱ bewegteȱ GeȬ schichteȱderȱKanonisierungȱaktuellerȱTexte.ȱVielȱistȱüberȱdieseȱProzesseȱ nichtȱbekannt,ȱaberȱschonȱderȱPsalterȱbezeugtȱmitȱseinenȱZuweisungenȱ anȱMose,ȱSalomo,ȱAsaphȱsowieȱdieȱQorachiten,ȱdieseȱTendenz,ȱdieȱauȬ ßerhalbȱ desȱ Psaltersȱ imȱ Anschlussȱ anȱ dieȱ MoseȬToraȱ desȱ DeuteroȬ nomiumsȱ undȱ derȱ Priesterschrift,ȱ derȱ Weisheitsliteraturȱusw.ȱ literaturȬ geschichtlichȱaußerordentlichȱwirksamȱgewordenȱwar.ȱȱ DieselbeȱTendenzȱverfolgtenȱjaȱauchȱdieȱTradenten,ȱdieȱversuchten,ȱ nochȱ vorhandenesȱ Psalmenmaterialȱ inȱ derȱ bereitsȱ kanonischenȱ Toraȱ oderȱ denȱ sichȱ zumȱ Prophetenkanonȱ hinȱ entwickelndenȱ Großarchivenȱ derȱ biblischenȱ Schriftenȱ unterzubringen.ȱ Esȱ istȱ nurȱ aufȱ dieȱ sog.ȱ MoseȬ PsalmenȱinȱExȱ15ȱoderȱDtȱ32,ȱaufȱdenȱHannaȬPsalm,ȱHiskiaȬPsalm,ȱJonaȬ Psalm,ȱHabakukȬPsalm,ȱNahumȬPsalmȱu.ȱa.ȱzuȱverweisen,ȱdieȱletzterenȱ Texteȱ nachȱ Artȱ undȱ Herkunftȱ denȱ DavidȬPsalmenȱ unmittelbarȱ verȬ gleichbar,ȱ umȱ zuȱ erkennen,ȱ wieȱ starkȱ derȱ Drangȱ gewesenȱ seinȱ muss,ȱ möglichstȱvielȱnochȱdemȱwerdendenȱKanonȱeinzuverleiben.ȱ Offenbarȱ warȱ dieȱ Kapazitätȱ baldȱ einmalȱ erschöpft,ȱ undȱ esȱ wurdeȱ dieȱIdeeȱentwickelt,ȱdieȱvielenȱTexteȱausȱdenȱArchivenȱzuȱsammeln,ȱzuȱ ordnenȱ undȱ zumȱ Gebrauchȱ aufzubereiten.ȱ Aufȱ dieseȱ oderȱ ähnlicheȱ WeiseȱkamȱesȱwohlȱzurȱEntstehungȱvonȱPsaltersammlungen.ȱ Damitȱ aberȱ entstandȱ zugleichȱ dasȱ Bedürfnis,ȱ dieȱ großeȱ Mengeȱ derȱ Einzeltexteȱ –ȱ undȱ amȱ Anfangȱ standenȱ dieȱ Einzeltexteȱ –ȱ überschaubarȱ zuȱordnen,ȱzuȱsortierenȱundȱfürȱdenȱGebrauchȱauszuzeichnen.ȱSieȱwurȬ denȱ jeweilsȱ mitȱ einerȱ Zuschreibungȱ alsȱ Etikette,ȱ alsȱ einerȱ Artȱ Siegelȱ oderȱ Stempel,ȱ versehen.ȱ Dieȱ Formelȱ „für/zuȱ NN“ȱ funktioniertȱ jaȱ nur,ȱ wennȱ eineȱ Auswahlȱ vonȱ unterschiedlichenȱ Möglichkeitenȱ besteht.ȱ Esȱ scheint,ȱalsȱobȱdieȱFormelȱ GZGOȱebenȱeineȱbestimmteȱGruppeȱvonȱTexȬ tenȱsiegelnȱundȱdadurchȱkenntlichȱmachenȱsollte.ȱNebenȱdenȱGruppenȱ

ȱ

3.ȱZurȱVerwendungȱderȱTexteȱ

227ȱ

derȱ AsaphȬTexte,ȱ derȱ QorachitenȬTexte,ȱ derȱ MoseȬȱ undȱ SalomoȬTexteȱ bezeichnetȱsieȱdieȱgrößteȱPsalmengruppe,ȱebenȱdieȱderȱDavidȬPsalmen.ȱ SoȱgesehenȱistȱderȱSchlussȱunausweichlich,ȱdassȱdieȱFormelȱursprüngȬ lichȱ „nur“ȱ alsȱ Namensetikettȱ fungierte,ȱ dasȱ eineȱ Mengeȱ gleichartigerȱ Texteȱsignierenȱsollte.ȱDieȱGleichartigkeitȱbestehtȱwohlȱdarin,ȱdassȱdieȱ Texteȱ1.ȱausȱdemȱUmkreisȱdesȱJerusalemerȱTempelsȱstammenȱ(imȱUnȬ terschiedȱ zuȱ derȱ AsaphȬȱ undȱ QorachitenȬGruppe);ȱ dassȱ sieȱ 2.ȱ inȱ ihrerȱ MehrheitȱalsȱIndividualpsalmenȱverfasstȱoderȱverwendetȱwordenȱsind;ȱ dassȱsieȱ3.ȱoffenbarȱnachȱderȱVerwendungȱimȱTodaȬRitualȱalsȱVotivtexȬ teȱ abgelegtȱ undȱ archiviertȱ wordenȱ sind;ȱ dassȱsieȱ 4.ȱ bisȱzuletzt,ȱ imȱ UnȬ terschiedȱ zuȱ allenȱ anderenȱ Gruppen,ȱ nochȱ aufgestocktȱ undȱ vermehrtȱ werdenȱkonntenȱ(wieȱmanȱanȱderȱAbfolgeȱderȱDavidȬPsalterȱbisȱhinȱzuȱ denȱ apokryphenȱ Psalmtextenȱ vonȱ 11QPsaȱ sehenȱ kann).ȱ Teilȱ undȱ ReȬ sultatȱdiesesȱProzessesȱscheintȱderȱvierteȱDavidȬPsalterȱzuȱsein.ȱ

3.ȱZurȱVerwendungȱderȱTexteȱ WasȱergibtȱsichȱimȱBlickȱaufȱdieȱVerwendbarkeitȱderȱTexte?ȱEsȱistȱjaȱdasȱ ProblemȱallerȱIndividualtexteȱvorȱallemȱderȱDavidȬPsalter,ȱdassȱsieȱalsȱ Votivtexteȱ persönlichȱ verfasstȱ undȱ biographischȱ verwurzeltȱ sind,ȱ dassȱ eineȱ Wiederverwendungȱ imȱ Sinneȱihrerȱ primärenȱ Absichtȱ kaumȱmögȬ lichȱ ist.ȱ Woȱ gibtȱ esȱ hasserfüllteȱ Zusammenstößeȱ wieȱ beiȱ Psȱ 139,ȱ woȱ Feindseligkeitenȱ wieȱ beiȱ Psȱ 140,ȱ oderȱ Verleumdungenȱ undȱ Anklagenȱ wieȱbeiȱPsȱ141ȱeinȱzweitesȱMal?ȱWoȱgibtȱesȱmitȱdenȱKerkergebetenȱdieȬ serȱGruppeȱvergleichbareȱSituationen?ȱEsȱistȱdasselbeȱProblemȱwieȱbeiȱ denȱ Königspsalmen.ȱ Eineȱ Wiederaufnahmeȱ undȱ Aneignungȱ solcherȱ IchȬGebeteȱ istȱ eigentlichȱ unmöglich.ȱ Beiȱ demȱ Königspsalmȱ 2ȱlösenȱ dieȱ Tradentenȱ dasȱ Problemȱ dadurch,ȱ dassȱ sieȱ denȱ Vorbildcharakterȱ desȱ königlichenȱ Handelnsȱ undȱ Sprechensȱ hervorheben:ȱ „Wohlȱ allen,ȱ dieȱ ihmȱ (so)ȱ vertrauen!“ȱ (2,12)ȱ –ȱ undȱ dieseȱ Lösungȱ scheintȱ auchȱ fürȱ dieȱ BehandlungȱderȱVotivtexteȱVorbildȱzuȱsein:ȱDieȱTexteȱkonntenȱnichtȱalsȱ solcheȱ reȬzitiertȱ undȱ nachȬgebetet,ȱ aberȱ sieȱ konntenȱ gelesen,ȱ meditiertȱ undȱ musiziertȱ werden.ȱ Undȱ esȱ scheint,ȱ alsȱ obȱ mitȱ derȱ Davidisierungȱ eineȱ Historisierungȱ intendiertȱ war,ȱ welcheȱ ausȱ denȱ aktuellenȱ Gebetenȱ lehrhaftȬerbaulicheȱ Meditationstexteȱ ausȱ vergangenerȱ „klassischer“ȱ Zeitȱmachte.ȱInȱdieserȱAbsichtȱtreffenȱsichȱdieȱEtikettierungȱderȱJerusaȬ lemȬPsalmenȱ mitȱ demȱ DavidȬSiegelȱ wieȱ dieȱ Autorisierungȱ alsȱ „heiligeȱ Schriften“ȱ derȱ DavidȬZeitȱundȱauchȱ dieȱ Biographisierungȱalsȱ„David’sȱ Compositions“,ȱ dieȱ sichȱ einerȱ unmittelbarenȱ Aneignungȱ undȱ VerwenȬ dungȱalsȱaktuelleȱGebeteȱentziehen.ȱDieȱPsalmenauslegungȱinȱQumranȱ wieȱdieȱneutestamentlicheȱPsalmenverwendungȱhabenȱ–ȱwieȱmanȱweißȱ

228ȱ

15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ

–ȱ dieserȱ Intentionȱ entsprochen.ȱ Psalmtexte,ȱ auchȱ ausȱ demȱ Bereichȱ desȱ viertenȱ DavidȬPsalters,ȱ werdenȱ alsȱ göttlicheȱ Verheißungȱ undȱ heiligeȱ Schriftȱinterpretiert.ȱ AuchȱdieȱinȱderȱviertenȱHöhleȱvonȱQumranȱgefundenenȱundȱunterȱ denȱSiglaȱ4Q380ȱundȱ4Q381ȱediertenȱPsalmsammlungenȱverwendenȱdieȱ ÜberschriftenȱinȱanalogerȱWeise.ȱDieȱbeidenȱgänzlichȱerhaltenenȱlauten:ȱ ·\K¢ODKC\DOKOKWȱ381,24,4ȱ UZCDAOPZWDZONEKGZK\AOPKCQPOKOSW ȱ381,33.8,ȱȱ dieȱrestlichen:ȱ K\GE>OKOKWȱ380.1ȱii.8ȱ ]OKOKWȱ380,4,2ȱ GattungsbezeichnungenȱmitȱderȱZuschreibungsformel,ȱdannȱeineȱbibliȬ scheȱ Figur,ȱ Gottesmann,ȱ Manasse,ȱ Obadja,ȱ z.ȱT.ȱ mitȱ biographischenȱ Angaben:ȱ Imȱ Endeffektȱ bezeichnenȱ sieȱ Verfasserschaft.ȱ Obȱ dasȱ urȬ sprünglichȱsoȱwar,ȱistȱebenfallsȱfraglich.ȱDieȱAngabenȱfehlenȱbeiȱandeȬ renȱ Texten,ȱ dieȱ offensichtlichȱ einmalȱ selbständigȱ waren.7ȱ Dieȱ ZuȬ schreibungȱ zeigtȱ deutlichȱ dieȱ Intention,ȱ dieseȱ Texteȱ alsȱ „biblisch“ȱ zuȱ erweisenȱundȱihnenȱ„kanonische“ȱWürdeȱzuȱverleihen.ȱ Wasȱ ergibtȱ sichȱ ausȱ derȱ Gruppierungȱ derȱ Texteȱ inȱ derȱ mtȱ ReihenȬ folge?ȱ Vielleichtȱ dieses:ȱ Derȱ ersteȱ Psalmȱ derȱ Gruppe,ȱ Psȱ 138,ȱ stehtȱ alsȱ „Dankpsalm“ȱinȱeinemȱgewissenȱAbstandȱzuȱderȱaktuellenȱBedrängnis,ȱ blicktȱzurückȱaufȱeineȱHeilserfahrungȱimȱnarrativenȱStilȱ(„AmȱTag,ȱdaȱ ichȱrief,ȱdaȱerhörtestȱduȱmich“,ȱV.ȱ3)ȱundȱdenktȱanȱdieȱZukunftȱinȱderȱ Befürchtungȱ derȱ Wiederholungȱ ähnlicherȱ Ereignisseȱ („Wennȱ ichȱ [wieȬ der]ȱ mittenȱ inȱ Notȱ kommenȱ sollte,ȱ halteȱ duȱ michȱ amȱ Lebenȱ …,ȱ V.ȱ 7).ȱ DagegenȱsindȱdieȱPsalmenȱ139–143ȱimȱGebetsgestusȱ(vgl.ȱ143,6)ȱBittenȱ undȱ Appelle,ȱ dieȱ unmittelbarȱ ausȱ aktuellerȱ Notȱ herausȱ gesprochenȱ zuȱ seinȱscheinen,ȱjedenfallsȱnachȱderȱSelbstdarstellungȱderȱRedenden.ȱDasȱ giltȱ möglicherweiseȱ auchȱ vonȱ Psȱ 144Aȱ (V.ȱ 1–11),ȱ sofernȱ seineȱ SprechȬ situationȱnachȱV.ȱ(7)11ȱebenfallsȱdieȱBitteȱinȱNotȱzuȱseinȱscheint.ȱAndersȱ scheintȱesȱbeiȱPsȱ144Bȱ(V.ȱ12–15)ȱzuȱseinȱ(s.ȱu.ȱExkurs).ȱPsȱ145,ȱderȱletzteȱ inȱderȱmtȱReihe,ȱistȱnachȱFormȱundȱInhaltȱalsȱLobpreisȬȱundȱDankgebetȱ inȱderȱreflektierenderȱDistanzȱzuȱaktuellenȱEreignissenȱverfasst,ȱwelcheȱ fürȱ allgemeineȱ Feststellungenȱ undȱ theologischeȱ Lehrsätzeȱ Raumȱ gibt.ȱ Erȱbildetȱjetztȱ–ȱauchȱwennȱerȱnachȱPsȱ144BȱalsȱeinȱNachtragȱanzusehenȱ wäreȱ –ȱ mitȱ Psȱ 138ȱ zusammenȱ einenȱ Rahmenȱ umȱ dieȱ Gruppe.ȱ Dieserȱ RahmenȱaberȱleitetȱzugleichȱzumȱVerständnisȱderȱTexteȱan,ȱinsofern,ȱalsȱ erȱauchȱdieȱReiheȱderȱKlageȬȱundȱBittgebeteȱmitȱBlickȱaufȱdieȱgewendeȬ teȱ Notȱ zuȱ lesenȱ lehrt.ȱ Vonȱ denȱ mittlerenȱ Psalmenȱ sindȱ gewissȱ Psȱ 139ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 7ȱ

Vgl.ȱE.ȱM.ȱSchuller,ȱNonȬCanonicalȱPsalmsȱfromȱQumran.ȱAȱPseudepigraphicȱCollecȬ tion,ȱAtlantaȱ1986,ȱbes.ȱ25ȱff.ȱ

ȱ

3.ȱZurȱVerwendungȱderȱTexteȱ

229ȱ

undȱ 143ȱ dieȱ Texteȱ mitȱ derȱ kunstvollstenȱ Gestaltungȱ undȱ derȱ größtenȱ Tiefenschärfe,ȱwährendȱdieȱmittlereȱGruppeȱPsȱ140–142ȱjeȱihrȱbesondeȬ resȱ Anliegenȱ scharfȱ profilieren,ȱ aberȱ –ȱ soweitȱ ichȱ seheȱ –ȱ inȱ ihrerȱ Folgeȱ keineȱ konstitutiveȱ Strukturȱ erkennenȱ lassen.ȱ Derȱ innereȱ ZusammenȬ hangȱderȱGruppeȱliegtȱalsoȱnichtȱinȱderȱmtȱReihenfolgeȱalsȱsolcher,ȱeineȱ Annahme,ȱderȱjaȱschonȱ11QPsaȱmitȱunterschiedlicherȱAnordnungȱnichtȱ günstigȱwäre.ȱWasȱaberȱverbindetȱdieseȱTexteȱuntereinander?ȱ Exkursȱ BevorȱdieserȱFrageȱweiterȱnachzugehenȱist,ȱmussȱnochȱeinȱkurzerȱVorȬ haltȱinȱFormȱeinesȱExkursesȱgemachtȱwerden.ȱPsȱ144Bȱ(V.ȱ12–15)ȱistȱeinȱ Rätselȱ undȱ entziehtȱ sichȱ m.ȱE.ȱ bisherȱ einerȱ befriedigendenȱ Erklärung.ȱ Anzunehmenȱist,ȱdassȱderȱTextȱȱ 1.ȱ ursprünglichȱnichtȱzuȱPsȱ144Aȱgehörtȱhat.ȱDerȱPsȱ144A,ȱeineȱCollaȬ geȱausȱPsȱ18;ȱPsȱ8ȱu.ȱa.ȱ(alsoȱvorȱallemȱausȱdemȱerstenȱDavidpsalter),ȱ istȱnachȱV.ȱ11ȱeinȱBittgebet.ȱEsȱistȱschwerȱeinzusehen,ȱwasȱamȱEndeȱ einesȱsolchenȱTextsȱ–ȱselbstȱalsȱKonglomeratȱvonȱZitatenȱ–ȱeinȱMaȬ karismusȱaufȱdasȱJhwhȬVolkȱsoll,ȱohneȱnachweisbareȱBeziehungȱzuȱ demȱvoranstehendenȱText.ȱȱ Anzunehmenȱistȱdeshalb,ȱdassȱderȱTextȱ 2.ȱ einȱselbständigesȱStückȱeigenenȱAussagesinnsȱundȱmitȱbesondererȱ Funktionȱ gewesenȱ ist.ȱ Dassȱ dieseȱ inȱ einerȱ vergleichendenȱ Absageȱ anȱdieȱLebensformenȱvonȱanderenȱVölkernȱbesteht,ȱVölkern,ȱderenȱ Gottȱ Jhwhȱ nichtȱ istȱ undȱ denenȱ esȱ darumȱ „geradeȱ so“ȱ (KNN)ȱ nichtȱ ergehtȱ (V.ȱ 15),ȱ legtȱ sichȱ mitȱ Hinsichtȱ aufȱ dieȱ verwendetenȱ VerȬ gleicheȱnahe.ȱDieseȱscheinenȱausȱeinerȱneuen,ȱvielleichtȱderȱmoderȬ nenȱhellenistischenȱGesellschaftȱzuȱstammen.ȱȱ Esȱistȱfolglichȱȱ 3.ȱ anzunehmen,ȱdassȱdieserȱspätȱentstandeneȱTextȱeineȱAffinitätȱzuȱPsȱ 1ȱhat,ȱdemȱoffenbarȱeineȱähnlichȱabgrenzendeȱFunktionȱeignet.ȱȱ Dasȱführtȱschließlichȱdazu,ȱ 4.ȱ anzunehmen,ȱdassȱdiesemȱausȱgenormtenȱSätzenȱbestehendenȱTextȱ beiȱderȱPsalterentstehungȱzusammenȱmitȱPsȱ1ȱeinmalȱeineȱrahmenȬ deȱFunktionȱzugedachtȱwar,ȱdieȱdannȱaberȱdurchȱimmerȱneueȱZuȬ sätze:ȱ Psȱ 145;ȱ Psȱ 146ȱff.ȱ verdecktȱ wurde.ȱ Vonȱ daherȱ gesehen,ȱ wäreȱ Psȱ145,ȱjetztȱAbschlussȱderȱGruppe,ȱnachträglichȱanȱdieseȱStelleȱgeȬ brachtȱ worden.ȱ Wieȱ demȱ auchȱ gewesenȱ seinȱ mag,ȱ offenbarȱ überȬ lagernȱsichȱanȱdieserȱStelleȱzweiȱdispositionelleȱKonzepte:ȱdasȱeinerȱ DavidȬGruppeȱ undȱ dasȱ einerȱ PsalterȬRahmungȱ (Psȱ 1–144).ȱ MerkȬ würdigerweiseȱ wäreȱ dasȱ letztereȱ alsȱ dasȱ ältereȱ anzusehen,ȱ dasȱ durchȱ dieȱ DavidȬReiheȱ (undȱ Psȱ 145–150)ȱ zurückgedrängtȱ wurde.ȱ

230ȱ

15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ

Derȱ Blickȱ aufȱ 11QPsaȱ lehrt,ȱ dassȱ dieserȱ Vorgangȱ sichȱ bisȱ hinȱ zurȱ VerdrängungȱvonȱPsȱ144ȱausȱjederȱsichtbarenȱstrategischenȱPositionȱ zugunstenȱeinesȱDavidȬPsaltersȱfortgesetztȱhatȱ–ȱVorgänge,ȱdieȱimȱ SpätstadiumȱderȱPsalterredaktionȱstattfanden.ȱȱ

4.ȱZurȱHerkunftȱderȱTexteȱ WoherȱstammenȱdieȱTexte?ȱȱ Dieȱ Annahme,ȱ dassȱ dieȱ mitȱ GZGOausgezeichnetenȱ Texteȱ ausȱ demȱ Umkreisȱ desȱ Jerusalemerȱ Tempelsȱ kommen,ȱ wirdȱ durchȱ dieȱ internenȱ AngabenȱderȱPsalmgruppeȱ138–145ȱweithinȱbestätigt.ȱDabeiȱistȱesȱkaumȱ unterscheidbarȱ oderȱ feststellbar,ȱ obȱ dieȱ Gebeteȱ beiȱ ihremȱ aktuellenȱ ursprünglichenȱ mündlichenȱ Vortragȱ innerhalbȱ desȱ Tempelbereichsȱ oderȱimȱweiterenȱUmfeldȱdesȱHeiligtumsȱmitȱBlickȱaufȱdenȱheiligenȱOrtȱ gesprochenȱ wurden,ȱ obȱ sieȱ inȱ Vorbereitungȱ einerȱ Rezitationȱ vorherȱ oderȱerstȱnachträglichȱausȱdemȱGedächtnisȱniedergeschriebenȱwurden.ȱ ManȱmussȱsichȱmitȱderȱEinsichtȱbegnügen,ȱdassȱdieȱGebeteȱzumȱeinenȱ vonȱ individuellenȱ Menschenȱ ausȱ persönlichenȱ Gründenȱ fürȱ eineȱ beȬ stimmteȱ einmaligeȱ Gelegenheitȱ verfasstȱ wurden.ȱ Dieȱ inȱ denȱ Anliegenȱ derȱGebeteȱ–ȱmitȱAusnahmeȱdesȱweisheitlichȱgelehrtenȱPsȱ145ȱundȱdesȱ collagiertenȱPsȱ144Aȱ–ȱangedeutetenȱsozialenȱVerhältnisseȱundȱdieȱgeȬ wähltenȱFormulierungenȱsindȱm.ȱE.ȱzuȱpersönlichȱgeprägt,ȱumȱdabeiȱanȱ Gebetsformulareȱ oderȱ liturgischeȱ Vorlagenȱ zuȱ denken.ȱ Selbstȱ fürȱ Psȱ 144Aȱ istȱ dasȱ aberȱ keineswegsȱ sicher,ȱ obwohlȱ dieȱ vonȱ ihmȱ benütztenȱ psalmischenȱ Ausdrucksformenȱ aufȱ einȱ künstlichesȱ Konstruktȱ weisen.ȱ Dochȱ nichtȱ jederȱ Beterȱ findetȱ fürȱ seineȱ persönlichstenȱ Anliegenȱ auchȱ eigeneȱ originelleȱ Worte.ȱ Psȱ 144Aȱ hatȱ sichȱ anȱ Vorlagenȱ gehalten.ȱ Seineȱ Situationȱ aberȱ istȱ wahrscheinlichȱ genausoȱ einmaligȱ gewesenȱ wieȱ dieȱ derȱ anderenȱ Klagegebete.ȱ Psȱ 145ȱ istȱ ebenfallsȱ einȱ IchȬPsalm,ȱ derȱ zwarȱ nichtsȱPersönlichesȱverlautenȱlässt,ȱderȱaberȱzumȱAusdruckȱbringt,ȱdassȱ erȱsichȱinȱhymnischemȱLobpreisȱbetätigenȱwillȱ(V.ȱ1ȱf.),ȱoffenbar,ȱweilȱerȱ auchȱeinenȱpersönlichenȱAnlassȱdazuȱhat.ȱ SoȱistȱfürȱdieseȱimȱgroßenȱGanzenȱbiographischȱbedingtenȱGebetsȬ texteȱanzunehmen,ȱdassȱsieȱmitȱBlickrichtungȱaufȱdenȱOrtȱverfasstȱworȬ denȱsind,ȱwoȱmanȱdieȱGottheitȱvornehmlichȱanzureden,ȱanzuflehen,ȱzuȱ lobpreisen,ȱzuȱbesingenȱpflegte,ȱwoȱmanȱdieȱErhörungȱderȱGebeteȱundȱ ZuwendungȱderȱHilfeȱamȱehestenȱerwartenȱkonnte.ȱUndȱdaȱsieȱ–ȱwieȬ derȱmitȱmöglicherȱAusnahmeȱvonȱPsȱ144A,ȱderȱvonȱGefangenschaftȱinȱ fremderȱHandȱsprichtȱ–ȱandereȱStandorteȱnichtȱnennenȱoderȱerkennenȱ lassen,ȱ wirdȱ manȱ schließenȱ dürfen,ȱ dassȱ sieȱ inȱ irgendeinerȱ Beziehungȱ zumȱJerusalemerȱ(dochȱwohl:ȱzweiten)ȱTempelȱentstandenȱsind.ȱ

ȱ

4.ȱZurȱHerkunftȱderȱTexteȱ

231ȱ

Diesȱ wirdȱ durchȱ Einzelaussagenȱ bestätigt,ȱ auchȱ wennȱ manȱ dieseȱ nurȱ aufȱ denȱ jeweiligenȱ Psalmȱ beziehenȱ darf.ȱ Soȱ kündigtȱ derȱ Psalmistȱ vonȱ Psȱ 138ȱ an,ȱ dassȱ erȱ inȱ Richtungȱ aufȱ dasȱ Tempelheiligtumȱ (ACGTON\KOD)ȱ anbetenȱ werdeȱ (V.ȱ 2).ȱ Zwarȱ istȱ nichtȱ sicher,ȱ obȱ sichȱ diesȱaufȱdenȱVortragȱdesȱvorliegendenȱPsalmsȱoderȱaufȱeinȱzukünftigesȱ Gebetȱ bezieht.ȱ Dochȱ stehtȱ damitȱ dieserȱ Psalmȱ inȱ jedemȱ Fallȱ inȱ einerȱ Beziehungȱ zumȱ Tempel.ȱ Psȱ 139ȱ istȱ alsȱ Reinigungseid8ȱ derartȱ engȱ mitȱ einemȱentsprechendenȱVerfahrenȱverflochten,ȱdassȱmanȱsichȱeinenȱanȬ derenȱ Ortȱ alsȱ denȱ Ortȱ derȱ Realpräsenzȱ derȱ Gottheitȱ nichtȱ vorstellenȱ kann.ȱ Psȱ 140ȱ sprichtȱ amȱ Endeȱ seinesȱ Hilferufsȱ davon,ȱ dassȱ dieȱ „AufȬ richtigenȱ beiȱ (WDȱ eig.ȱ „mit“)ȱ deinemȱ (scil.ȱ JHWHs)ȱ Angesichtȱ wohnenȱ werden“ȱ(V.ȱ14),ȱwasȱvielleichtȱfürȱdenȱPsalmistenȱjetztȱnochȱnichtȱgilt,ȱ aberȱdochȱinȱErwartungȱeinesȱsolchenȱAufenthalts,ȱd.ȱh.ȱimȱBlickȱaufȱdasȱ Heiligtumȱgesagtȱist.ȱDerȱschwierigeȱText,ȱdasȱGebetȱPsȱ1419,ȱsollȱnachȱ demȱ nochȱ gutȱ lesbarenȱ Eingangsteilȱ „alsȱ Räucherwerkȱ geltenȱ vorȱ deiȬ nemȱ Angesicht,ȱ meineȱ Handerhebungȱ alsȱ Abendopfer“ȱ (V.ȱ 2),ȱ wasȱ dochȱwohlȱnurȱbedeutenȱkann,ȱdassȱderȱVerfasser,ȱauchȱwennȱerȱanȱdenȱ kultischenȱ Ritualenȱ selbstȱ nichtȱ teilnehmenȱ kannȱ (oderȱ dieseȱ missȬ achtet?),ȱ mitȱ seinenȱ Wortenȱ denȱ kultischenȱ Ortȱ derȱ nahenȱ Gottheitȱ sucht.ȱ Dieȱ gleicheȱ Näheȱ sucht,ȱ lautȱ rufend,ȱ Psȱ 142,ȱ umȱ „meineȱ Klageȱ vorȱihmȱauszugießen“ȱ(\MCZ\QSOASCD),ȱwasȱsichȱdochȱwohlȱaufȱebenȱ diesenȱPsalmȱbeziehtȱ(vgl.ȱV.ȱ6ȱff.).ȱDassȱsichȱbeimȱLobpreisȱdannȱ„dieȱ Gerechtenȱ umȱ ihnȱ scharenȱ werden“ȱ (V.ȱ 8),ȱ wäreȱ indesȱ erstȱ aufȱ eineȱ neueȱ gottesdienstlicheȱ Gelegenheitȱ zuȱ beziehen,ȱ dieȱ nochȱ aussteht.ȱ AuchȱPsȱ143ȱsprichtȱvonȱderȱgrößtmöglichenȱNäheȱzuȱdem,ȱderȱGebeteȱ erhörtȱ undȱ –ȱ wieȱ dasȱ auchȱ fürȱ Psȱ 138ȱ giltȱ –ȱ zuȱ beantwortenȱ pflegtȱ (V.ȱ 7ȱff.,ȱvgl.ȱPsȱ138,2.4).ȱInȱjedemȱFallȱbreitetȱerȱdieȱHändeȱzumȱGebetȱmitȱ diesemȱPsalm10ȱ(oderȱdemȱinȱV.ȱ7ȱff.ȱfolgendenȱGebetsstück),ȱwasȱdochȱ wohlȱnichtȱohneȱBezugȱzumȱTempelheiligtumȱdenkbarȱist.ȱVonȱPsȱ144Aȱ warȱ bereitsȱ dieȱ Rede.ȱ Erȱ könnteȱ ausȱ derȱ Distanzȱ gesprochenȱ sein,ȱ ausȱ fremderȱ Umgebung,ȱ aberȱ auchȱ erȱ inȱ derȱ Erwartung,ȱ mitȱ einemȱ neuenȱ Liedȱ aufȱzehnsaitigerȱ Harfeȱ (V.ȱ 9)ȱ imȱ Lobpreisȱ dankenȱ undȱ damitȱ dasȱ angefangeneȱ Gebetȱ zuȱ Endeȱ bringenȱ zuȱ können.ȱ Dasȱ beziehtȱ sichȱ aufȱ dasȱ Dankritualȱ alsȱ derȱ Fortsetzungȱ desȱ Klagegebets,ȱ aufȱ dasȱ hinȱ alleȱ dieseȱ Gebetsklagenȱ ausgerichtetȱ sind.ȱ Psȱ 144Bȱ liegtȱ außerhalbȱ desȱ GeȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 8ȱ

NachȱE.ȱWürthweinsȱimmerȱnochȱgültigemȱNachweis:ȱ„ErwägungenȱzuȱPsalmȱ139“,ȱ VTȱ7ȱ(1957),ȱ165–82ȱ(=ȱWortȱundȱExistenz,ȱStudienȱzumȱAltenȱTestament,ȱGöttingenȱ 1970,ȱ179–96).ȱ 9ȱ Vgl.ȱ meinenȱ Versuchȱ einerȱ Deutung:ȱ „Psalmȱ 141.ȱ Einȱ neuerȱ Anlauf“,ȱ in:ȱ Biblischeȱ Welten,ȱ FSȱ fürȱ M.ȱ Metzger,ȱ hg.ȱv.ȱ W.ȱ Zwickel,ȱ OBOȱ 123,ȱ Fribourg/Göttingenȱ 1993,ȱ 199–214ȱ(=ȱStudienȱzurȱPsalmenauslegung,ȱStuttgartȱ1998,ȱ173–88).ȱ 10ȱ \WCUSȱPerfectumȱcoincidentiae.ȱ

232ȱ

15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ

sichtsfelds,ȱ esȱ seiȱ denn,ȱ erȱ wäreȱ alsȱ einȱ Beitragȱ zurȱ Dankfeierȱ aufzuȬ fassen,ȱ woraufȱaberȱ nichtsȱ hinweist.ȱ Dagegenȱ stelltȱsichȱ derȱalphabetiȬ scheȱ Psȱ 145ȱ selbstȱ zuȱ Beginnȱ alsȱ einȱ solchesȱ Dankgebetȱ dar.ȱ Esȱ liegtȱ nichtȱ fern,ȱ inȱ ihmȱ einenȱ solchenȱ Beitragȱ zuȱ sehen,ȱ derȱ eineȱ allerdingsȱ nichtȱmehrȱwahrnehmbareȱKlageȱabschließt.ȱInȱjedemȱFallȱaberȱpasstȱerȱ mitȱseinerȱReichȬGottesȬTheologieȱ(V.ȱ1.11ȱff.)ȱnirgendsȱbesserȱhinȱalsȱanȱ dasȱJerusalemerȱHeiligtum.ȱȱ Fazit:ȱDieȱGebetsklagenȱPsȱ140–144AȱgehörenȱmitsamtȱdemȱBeichtȬȱ undȱ Bekenntnispsalmȱ 139ȱ undȱ wieȱ dieȱ Dankgebeteȱ Psȱ 138ȱ undȱ 145ȱ inȱ denȱ Umkreisȱ desȱ Jerusalemerȱ Tempels.ȱ Sieȱ sindȱ durchȱ dasȱ liturgischeȱ KlageȬDankȬSchemaȱ imȱ weitestenȱ Sinneȱ aufȱ denȱ Ortȱ derȱ göttlichenȱ Präsenzȱbezogenȱundȱsomitȱkultischȱorientiert,ȱauchȱwennȱihrȱrealerȱOrtȱ außerhalbȱdesȱsakralenȱBereichsȱanzusetzenȱwäre.ȱ Zuȱ diesemȱ Befundȱ passtȱ dieȱ Annahme,ȱ dassȱ esȱ sichȱ beiȱ diesenȱ Psalmenȱ umȱ AsylȬȱ undȱ –ȱ wasȱ fastȱ aufȱ dasȱ Gleicheȱ hinausläuftȱ –ȱ umȱ GebeteȱvonȱGefangenenȱhandelt.ȱ

5.ȱGefangenschaftspsalmenȱ Dassȱ dieseȱ undȱ andereȱ Feindpsalmenȱ imȱ Jerusalemerȱ Tempelasyl11ȱ entstandenȱsind,ȱistȱeineȱsehrȱwahrscheinlicheȱAnnahme.ȱSieȱentsprichtȱ demȱsozialenȱBeziehungsgefüge,ȱdasȱimȱHintergrundȱderȱGebeteȱsichtȬ barȱwirdȱundȱkurzȱgesagtȱdarinȱbesteht,ȱdassȱdieȱPsalmistenȱsichȱzwarȱ anȱ Leibȱ undȱ Lebenȱ bedrohtȱ fühlen,ȱ dassȱ sieȱ sichȱ aberȱ dennochȱ nichtȱ unmittelbarȱ gegenȱ direkteȱ persönlicheȱ Attackenȱ derȱ Feindeȱ wehrenȱ müssen,ȱ dieseȱ vielmehrȱ zunächstȱ –ȱ darüberȱ sprichtȱ Psȱ 140ȱ amȱ deutȬ lichstenȱ –ȱ offensichtlichȱ hinterȱ sichȱ wissenȱ undȱ vonȱ einerȱ gewissenȱȱ Distanzȱzuȱ denȱ Verfolgernȱ profitierenȱkönnen.ȱ Dieȱvonȱ ihnenȱ gewählȬ tenȱ Formulierungenȱ fürȱ diesenȱ Zwischenhaltȱ sindȱ wohlȱ ausȱ derȱ AsylȬ praxisȱgenommenȱundȱgehörenȱinȱdenȱZusammenhangȱderȱZulassungȱ zumȱTempelbereich.ȱDiesȱgiltȱzuerstȱfürȱdieȱsechsȱPsalmenȱ138–143;ȱfürȱ Psȱ144ABȱundȱ145ȱistȱAnderesȱanzunehmen.ȱ Dochȱ mitȱ derȱ Kennzeichnungȱ Asylȱ wäreȱ dieȱ Situationȱ dieserȱ PsalȬ mistenȱ nurȱ unzureichendȱ beschrieben.ȱ Asylȱ bedeutetȱ inȱ diesemȱ ZuȬ sammenhangȱ zugleichȱ Haftȱ undȱ Gefängnis,ȱ bisȱ esȱ dennȱ zuȱ einerȱ LöȬ sungȱ desȱ jeweiligenȱ Fallesȱ kommt.ȱ Soȱ wäreȱ auchȱ vonȱ UntersuchungsȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 11ȱ Vgl.ȱL.ȱDelekat,ȱ AsylieȱundȱSchutzorakelȱamȱZionheiligtum.ȱEineȱUntersuchungȱzuȱ denȱprivatenȱ Feindpsalmen,ȱLeidenȱ1967;ȱW.ȱBeyerlin,ȱDieȱRettungȱderȱBedrängtenȱ inȱdenȱFeindpsalmenȱderȱEinzelnenȱaufȱinstitutionelleȱZusammenhängeȱuntersucht,ȱ FRLANTȱ99,ȱGöttingen,ȱ1970.ȱ

ȱ

5.ȱGefangenschaftspsalmenȱ

233ȱ

haftȱ zuȱ reden,ȱ wieȱ jaȱ dasȱ altisraelitischeȱ Rechtswesenȱ nurȱ UntersuȬ chungsgefängnisse,ȱ aberȱ keineȱ Freiheitsstrafenȱ undȱ keineȱ Gefängnisseȱ fürȱverurteilteȱSträflingeȱkennt.ȱȱ DieȱdeutlichsteȱBeschreibungȱeinesȱsolchenȱ„SitzesȱimȱLeben“ȱfindetȱ sichȱinȱPsȱ107,10–16:ȱ DieȱinȱDunkelȱundȱFinsternisȱsaßen,ȱ gebundenȱinȱHaft12ȱundȱEisen,ȱ WeilȱsieȱdenȱWortenȱGottesȱgetrotztȱ undȱdenȱRatschlussȱdesȱHöchstenȱverachtet;ȱ DerenȱHerzȱerȱdurchȱMühsalȱgebeugt,ȱ dieȱstrauchelten,ȱohneȱdassȱjemandȱhalf;ȱ DieȱdannȱschrienȱzuȱJHWHȱinȱihrerȱNotȱ…ȱ

Soȱ sindȱ auchȱ dieȱ wenigenȱ eindeutigenȱ Angabenȱ derȱ Psalmenȱ zuȱ demȱ konkretenȱAufenthaltsortȱderȱBeterȱzuȱverstehen.ȱPsȱ142,8ȱsprichtȱvomȱ Kerkerȱ (\CSQUJVPPKD\[ZKȱ „Führeȱ michȱ dochȱ ausȱ demȱ Kerker!“ȱ13)ȱ undȱPsȱ143,3ȱvonȱderȱVersetzungȱanȱ„finstereȱStellen“ȱ(\NCMP)ȱ14,ȱwasȱ wohlȱaufȱÄhnlichesȱhinausläuft.15ȱObwohlȱmanȱüberȱkonkretereȱDatenȱ hinsichtlichȱ derȱ Unterbringungȱ vonȱ Flüchtlingenȱ undȱ Asylantenȱ imȱ UmkreisȱdesȱTempelkomplexesȱ–ȱdennȱwoȱsonstȱsolltenȱsolcheȱVerließeȱ seinȱ –ȱ derȱ fraglichenȱ Zeitȱ nichtȱ verfügt,ȱ gibtȱ dochȱ derȱ BaruchȬBerichtȱ ausȱ demȱ Jeremiabuchȱ eineȱ Vorstellung,ȱ wieȱ dasȱ inȱ derȱ vorexilischenȱ Zeitȱgehandhabtȱwurde.ȱVielȱandersȱwerdenȱdieȱFlüchtlinge,ȱVerfolgtenȱ undȱ Angeklagtenȱ auchȱ nichtȱ behandeltȱ wordenȱ sein.16ȱ Dassȱ dieȱ SituaȬ tionȱderȱbetreffendenȱinhaftiertenȱPsalmistenȱdeplorabelȱwar,ȱlassenȱjaȱ auchȱ dieȱ knappenȱ Hinweiseȱ aufȱ ihrȱ miserablesȱ Befindenȱ (Pssȱ 142,4;ȱ 143,3ȱf.7)ȱ durchblicken.ȱ Allgemeineȱ Erwägungenȱ zurȱ Versorgungslageȱ vonȱGefangenenȱunterȱAnklageȱ(vgl.ȱ1.ȱKönȱ22,27ȱpar.ȱ2.ȱChrȱ18,26)ȱundȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ \Q>ȱkönnteȱwieȱanȱanderenȱspätenȱStellenȱdieȱspezielleȱBedeutungȱ„Gefangenschaft“,ȱ

12ȱ

13ȱ 14ȱ

15ȱ 16ȱ

„Haft“ȱangenommenȱhaben,ȱwasȱschonȱfrüherȱvonȱD.ȱW.ȱThomasȱinȱJThSȱ16ȱ(1965),ȱ 444ȱf.,ȱ vermutetȱ wurdeȱ (vgl.ȱ HALȱ 810),ȱ fallsȱ nichtȱ eineȱ Nominalbildungȱ (abgeleitetȱ vomȱVerbumȱ KQ>ȱ IIȱ„beugen,ȱniederdrücken“ȱu.ȱÄ.)ȱmitȱdupliziertemȱNunȱmitȱdieȬ serȱBedeutungȱangenommenȱwerdenȱkannȱ(vgl.ȱPsȱ105,18).ȱInȱjedemȱFallȱbeziehtȱsichȱ dasȱNomenȱinȱbesonderenȱKontextenȱwieȱPsȱ107,10.41;ȱHiȱ36,8;ȱThrȱ3,1ȱu.ȱa.ȱaufȱdasȱ konkreteȱ Elendȱ desȱ „Gebeugtseins“ȱ imȱ Sinneȱ desȱ inȱ denȱ Stockȱ Geschlossenen.ȱ Psȱ 140,13ȱsprichtȱvonȱ \Q>#\G,ȱ demȱ Prozessȱdesȱ„Elenden“ȱbzw.ȱHäftlingsȱ–ȱinȱ diesemȱ Zusammenhang.ȱ UJVPȱIȱ„Gefängnis“,ȱ„Verließ“ȱ(Jesȱ24,22//UZE;ȱJesȱ42,7).ȱ ZwarȱistȱderȱPassusȱinȱ143,3ȱmöglicherweiseȱganzȱoderȱteilweiseȱeinȱZitatȱ(oderȱeineȱ Glosse)ȱausȱThrȱ3,6,ȱtrifftȱaberȱalsȱsolchesȱundȱimȱVergleichȱderȱInsassenȱmitȱdenȱ„fürȱ immerȱToten“ȱ(OZ>\WP)ȱziemlichȱgenauȱdenȱSachverhaltȱ(vgl.ȱJesȱ42,16;ȱPssȱ88,7;ȱ74,ȱ20?).ȱ DieȱRedeȱvomȱFührenȱ„aufȱebenerȱErde“ȱ(Psȱ143,10)ȱkönnteȱ–ȱbeiȱallerȱMetaphorikȱ–ȱ auchȱmitȱVorstellungenȱvonȱunterirdischenȱVerließenȱzuȱtunȱhaben.ȱ FürȱdieȱfrühchristlicheȱZeitȱwäreȱActȱheranzuziehenȱ(Kap.ȱ4ȱf.;ȱ7;ȱ12;ȱ22ȱf.).ȱ

234ȱ

15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ

auchȱ zuȱ derȱ wohlȱ durchausȱ üblichenȱ Folterpraxisȱ rundenȱ dasȱ Bild,ȱ wenngleichȱdieȱTexteȱüberȱdieseȱihreȱUmständeȱnichtȱsehrȱvielȱsagen,ȱab.ȱ Ihnenȱ drohteȱ jaȱ weitȱ Schlimmeres.ȱ Sieȱ standenȱ unterȱ Anklage.ȱ Dieȱ Verfolger,ȱdieȱvonȱihnenȱsoȱgenanntenȱ„BedrängerȱundȱFeinde“ȱbliebenȱ präsent,ȱ undȱ ihrȱ Schicksalȱ hingȱ vonȱ Entscheidenȱ ab,ȱ dieȱ überȱ Lebenȱ oderȱ Todȱ befanden17,ȱ undȱ d.ȱh.ȱ dochȱ wohlȱ vonȱ Entscheidenȱinȱ wieȱimȬ merȱ geartetenȱ Prozessenȱ oderȱ gerichtlichenȱ oderȱ gerichtsähnlichenȱ Verfahren.ȱ Dasȱ führtȱ zuȱ derȱ Frageȱ weiter,ȱ wessenȱ dennȱ dieseȱ Psalmistenȱ beȬ schuldigtȱ wurden.ȱ Wasȱ warȱ es,ȱ dasȱ soȱ schwerȱ wog,ȱ dassȱ dieseȱ MenȬ schenȱ alleȱ umȱ ihrȱ Lebenȱ fürchtenȱ mussten?ȱ Zweiȱ derȱ Texteȱ machenȱ dazuȱkonkretereȱAngaben.ȱEinmalȱderȱPsalmistȱvonȱPsȱ139,ȱdemȱoffenȬ barȱ vorgeworfenȱ wurde,ȱ aufȱ einemȱ „Wegȱ desȱ Götzen(dienstes)“ȱ (E[>AUG)18ȱgewandeltȱzuȱsein.ȱWasȱdasȱimȱKlartextȱheißt,ȱdeutetȱerȱinȱ derȱ Schlussstropheȱ seinesȱGebetsȱ (V.ȱ 19–22)ȱ an.ȱ Erȱ wirdȱ inȱseinenȱAuȬ genȱ fälschlichȱ beschuldigt,ȱ mitȱ denȱ „JHWHȬHassern“ȱ undȱ „Rebellen“ȱ heimlichȱ gemeinsameȱ Sacheȱ gemachtȱ zuȱ haben,ȱ wovonȱ erȱ sichȱ öffentȬ lichȱundȱdezidiertȱinȱdemȱReinigungsverfahrenȱdistanzierenȱmuss:ȱ„Mitȱ vollkommenemȱHassȱhasseȱichȱsie;ȱzuȱFeindenȱsindȱsieȱmirȱgeworden“ȱ (V.ȱ22).ȱLetztereȱFormulierungȱkonzediertȱoffenbar,ȱdassȱdasȱnichtȱimȬ merȱsoȱwar,ȱundȱdassȱdieȱVerfolger,ȱalsȱ„Frevler“ȱundȱ„Blutmenschen“ȱ bezeichnet,ȱ möglicherweiseȱ dochȱ einenȱ Grundȱ oderȱ Vorwandȱ fürȱ ihreȱ Anklageȱgehabtȱhabenȱkönnten.ȱȱ Einȱ Sakraldeliktȱ istȱ auchȱ hinterȱ denȱ nichtȱ mehrȱ deutlichȱ lesbarenȱ Vorwürfenȱ zuȱ vermuten,ȱ dieȱ inȱ Psȱ 141ȱ angedeutetȱ sind.ȱ Dortȱ gingȱ esȱ offenbarȱumȱTeilnahmeȱanȱMahlfeiernȱundȱumȱdasȱEssenȱvonȱverboteȬ nenȱ Speisen,ȱ dieȱ zuȱ Anzeigenȱ führten,ȱ zuȱ falschen,ȱ wieȱ derȱ Psalmistȱ meint,ȱ weshalbȱ erȱ erwartet,ȱ dassȱ dieȱ „Frevler“ȱ sichȱ inȱ ihremȱ eigenenȱ Netzȱ verfangen.ȱ Weilȱ esȱ wiederȱ umȱ Lebenȱ oderȱ Todȱ geht,ȱ mussȱ dieȱ Anzeigeȱ sehrȱ ernstȱ genommenȱ werden.ȱ Darumȱ istȱ anzunehmen,ȱ dassȱ einȱschweresȱreligiösesȱDeliktȱzurȱDebatteȱsteht.ȱ SoȱdeutlichȱwerdenȱdieȱanderenȱPsalmistenȱderȱGruppeȱnicht.ȱAberȱ immerhinȱ lässtȱ Psȱ 138ȱ –ȱ wennȱ manȱ denȱ Ausdruck:ȱ „vorȱ denȱ Göttern“ȱ (\KODGJQ)ȱunmittelbarȱnebenȱderȱAnrufungȱJhwhsȱsoȱverstehenȱwillȱ (V.ȱ1)ȱ–ȱvermuten,ȱdassȱesȱbeiȱderȱihmȱvonȱseinenȱFeindenȱzurȱLastȱgeȬ legtenȱ Sacheȱ umȱ etwasȱ Religiösesȱ gehandeltȱ hat,ȱ dasȱ seineȱ Existenzȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 17ȱ Dassȱ esȱ umȱ Lebenȱ oderȱ Todȱ ging,ȱ zeigenȱ Stellenȱ ausȱ allenȱ Textenȱ derȱ Gruppe:ȱ Pssȱ 138,7;ȱ139,19;ȱ140,11ȱf.;ȱ141,8;ȱ142,6;ȱ143,3.12;ȱ144,11ȱundȱzusammenfassendȱPsȱ145,20.ȱ 18ȱ Mitȱ Würthwein,ȱ vgl.ȱ meinenȱ Beitrag:ȱ Feindbildȱ undȱ Menschenwürde.ȱ Dasȱ Zeugnisȱ derȱ Psalmen,ȱ in:ȱ E.ȱ Hermsȱ (Hg.),ȱ Menschenbildȱ undȱ Menschenwürde,ȱ Güterslohȱ 2001,ȱ307–19.ȱ

ȱ

6.ȱGerichtlicheȱVerfahren?ȱ

235ȱ

bedrohtȱhat,ȱdasȱerȱaberȱnunȱdurchȱJhwhsȱEintretenȱ(\G>EUPJ\)ȱhinterȱ sichȱgebrachtȱzuȱhabenȱglaubtȱ(V.ȱ8)ȱundȱöffentlichȱbezeugenȱwillȱ(V.ȱ1).ȱȱ DieȱAnklagenȱgegenȱdenȱtemperamentvollenȱPsalmistenȱvonȱPsȱ140ȱ sindȱnichtȱklarȱformuliert,ȱnurȱdieȱBosheitȱundȱFalschheitȱundȱGefährȬ lichkeitȱ („wieȱ dieȱ Schlangen“)ȱ wirdȱ betontȱ undȱ dieȱ Hoffnung,ȱ wiederȱ zuȱ denȱ Gerechtenȱ undȱ Aufrichtigenȱ gezähltȱ zuȱ werdenȱ (V.ȱ 14),ȱ wennȱ dennȱ durchȱ Jhwhsȱ Interventionȱ dasȱ„Armengericht“ȱ denȱ „Prozessȱ desȱ Elenden“ȱ(V.ȱ13)ȱzumȱgutenȱEndeȱgeführtȱhat.ȱ Dasȱ siehtȱ derȱ Psalmistȱ vonȱ Psȱ 142ȱ inȱ seinemȱ Verließȱ nichtȱ anders,ȱ ohneȱzuȱsagen,ȱwelcheȱ„Falle“ȱmanȱihmȱdennȱgestelltȱhat.ȱErȱmussȱzuȬ geben,ȱ dassȱ erȱ hineingeratenȱ istȱ undȱ nunȱ aufȱ dieȱ Anerkennungȱ seinesȱ tadellosenȱ Vorlebensȱ (V.ȱ 4)ȱ undȱ seinerȱ Arglosigkeitȱ setzt,ȱ dieȱ zuȱ demȱ „Unfall“ȱgeführtȱhat.ȱȱ Psȱ143ȱgibtȱauchȱkeineȱkonkretenȱAnhaltspunkte.ȱEsȱistȱaberȱanzuȬ nehmen,ȱ dassȱ derȱ Psalmistȱ inȱ ähnlicherȱ Lageȱ istȱ wieȱ derȱ Psalmistȱ vonȱ Psȱ142:ȱErȱistȱinȱderȱbetreffendenȱSacheȱsichȱseinerȱUnschuldȱsehrȱsicherȱ undȱberuftȱsichȱdarauf,ȱeinȱ„Knechtȱ(GE>)ȱJhwhs“ȱzuȱsein;ȱerȱhofftȱaufȱ Gerechtigkeitȱ undȱ Gnade,ȱ dieȱ denȱ Fallȱ zuȱ seinenȱ Gunstenȱ undȱ gegenȱ seineȱFeindeȱundȱVerfolgerȱentscheidenȱwerdenȱ(V.ȱ11ȱf.).ȱEsȱgehtȱauchȱ hierȱumȱLebenȱundȱTod.ȱ Derȱ Psalmistȱ vonȱ Psȱ 144Aȱ befindetȱ sichȱ zwarȱ inȱ derȱ Gewaltȱ vonȱ „Fremden“,ȱdamitȱinȱGefangenschaft;ȱdochȱistȱnichtȱsicher,ȱobȱdiesȱmitȱ demȱ Tempelgefängnisȱ zuȱ tunȱ hat.ȱ Manȱ müssteȱ dannȱ ausländischesȱ Aufsichtspersonalȱannehmen,ȱwasȱnichtȱsehrȱnaheliegt.19ȱȱ Undȱ wasȱ hinterȱ denȱ allgemeinenȱ Aussagenȱ desȱ alphabetischenȱ Dankpsalmsȱ 145ȱ steht,ȱ werȱ dieȱ „Gefallenenȱ undȱ Gebeugten“ȱ (dieȱ GeȬ fangenen?)ȱsind,ȱdenenȱgeholfenȱwurde,ȱundȱobȱsichȱdasȱDankgebetȱfürȱ dieȱ Versorgungȱ mitȱ Nahrungȱ inȱ V.ȱ 14–16ȱ aufȱ eineȱ selbsterlebteȱ SituaȬ tionȱ imȱ Gefängnisȱ bezieht,ȱ bleibtȱ offen.ȱ Dochȱ istȱ nichtȱ zuȱ übersehen,ȱ dassȱ dieȱ Aussagenȱ diesesȱ Textsȱ gleichfallsȱ imȱ Horizontȱ derȱ GefangenȬ schaftstexteȱbleiben.ȱ

6.ȱGerichtlicheȱVerfahren?ȱ Esȱ gibtȱ alsoȱ Anzeichen,ȱ dassȱ esȱ sichȱ beiȱ diesenȱ Fällenȱ umȱ Anzeigenȱ wegenȱ angeblicherȱ religiöserȱ Delikteȱ handelt,ȱ dieȱ offenbarȱ fürȱ dieȱ BeȬ treffendenȱ lebensbedrohendȱ warenȱ –ȱ obȱ sieȱ nunȱ insȱ Heiligtumsasylȱ geflohenȱsind,ȱwieȱdasȱvonȱPsȱ11,1ȱbekanntȱist,ȱoderȱzwangsweiseȱdortȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 19ȱ AndersȱnochȱinȱmeinerȱStudie:ȱ„FormenȱderȱTextrezeptionȱinȱPsalmȱ144“,ȱin:ȱSchriftȬ auslegungȱ inȱ derȱ Schrift,ȱ FSȱ O.ȱH.ȱSteck,ȱ hg.ȱ vonȱ R.ȱG.ȱ Kratzȱ u.ȱa.,ȱ BZAWȱ 300,ȱ BerȬ lin/NewȱYorkȱ2000),ȱ281–90.ȱ

236ȱ

15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ

hinȱ verbrachtȱ wurdenȱ undȱ zurȱ Aburteilungȱ vorläufigȱ inȱ denȱ Kerkerȱ geworfenȱ wurden.ȱ Auchȱ dieȱ Gruppeȱ derȱ ehemaligenȱ „Gefangenen“,ȱ dieȱnachȱPsȱ107,10–16ȱliturgischȱauftretenȱsoll,ȱwirdȱvonȱdemȱeventuellȱ sekundärenȱ V.ȱ 11ȱ beschuldigt,ȱ gegenȱ göttlicheȱ Worteȱ undȱ Geboteȱ verȬ stoßenȱ zuȱ haben.ȱ Sieȱ warenȱ alsoȱ ausȱ religiösenȱ Gründenȱ inȱ Haftȱ geȬ nommenȱ wordenȱ –ȱ manȱ erinnertȱ sichȱ anȱ Mtȱ 5,25ȱ –,ȱ umȱ aufȱ eineȱ EntȬ scheidungȱ überȱ ihrȱ Lebenȱ zuȱ warten,ȱ dieȱ vonȱ einerȱ höherenȱ Instanzȱ getroffenȱwerdenȱsollte.ȱ Soweitȱ ichȱ sehe,ȱ gibtȱ esȱ nichtȱ vieleȱ Informationenȱ überȱ eineȱ GeȬ richtsbarkeitȱamȱzweitenȱTempel,ȱdieȱfürȱsolcheȱSakraldelikteȱzuständigȱ wäre.ȱ Manȱ istȱ aufȱ einigeȱ sporadischeȱ Datenȱ undȱ vorȱ allemȱ aufȱ allgeȬ meineȱ Erwägungenȱ angewiesen.ȱ Wirȱ versuchen,ȱ dieseȱ zusammenȬ zustellen,ȱumȱdarausȱeinȱungefähresȱBildȱzuȱgewinnen.ȱȱ

1. Eineȱ solcheȱ Instanzȱ müssteȱ ausȱ Experten,ȱ d.ȱi.ȱ ausȱ Priesternȱ bestehen.ȱ Dafürȱ nunȱ gibtȱ dieȱ Tempelvisionȱ Hesekielsȱ einenȱ Hinweis.ȱ Dieȱ zadokidischenȱ Priesterȱ sollenȱ (auch)ȱ inȱ Zukunftȱ nachȱ Hesȱ 44,24ȱ u.ȱa.ȱ „beiȱ Streitsachenȱ (E\UO>)ȱ zuȱ Gerichtȱ sitzen,ȱ umȱ zuȱ schlichtenȱ (ISCOZGP>\)ȱnachȱmeinenȱ(scil.ȱJhwhs)ȱRechtssatzungenȱ(\ISCPE)“,ȱ wasȱ fürȱ einȱ Tempelgerichtȱ spricht.ȱ Dafürȱ istȱ dieȱ Chronikstelleȱ 2.ȱ Chrȱ 19,8ȱeinȱweitererȱBeleg.ȱDemȱKönigȱJosaphatȱwirdȱzugeschrieben,ȱdassȱ erȱ„auchȱinȱJerusalemȱeineȱAnzahlȱLevitenȱundȱPriesterȱundȱFamilienȬ häupterȱfürȱdasȱGerichtȱJhwhsȱundȱfürȱdieȱRechtshändelȱderȱBewohnerȱ Jerusalems“ȱ bestellte.ȱ Vorsteherȱ sollteȱ derȱ Hohepriesterȱ seinȱ undȱ alsȱ Beamteȱ solltenȱ Levitenȱ fungierenȱ (V.ȱ 11).ȱ Dasȱ Datumȱ istȱ gewissȱ anaȬ chronistisch,ȱdieȱSacheȱselbstȱaberȱanȱsichȱplausibelȱundȱfürȱdieȱZeitȱderȱ ChronikȱvermutlichȱRealität.ȱ

2. DerȱStelleȱHiobȱ31,26–28ȱistȱzuȱentnehmen,ȱdassȱfremdreligiöseȱHandȬ lungenȱ wieȱ dieȱ Anbetungȱ vonȱ Sonnenlichtȱ undȱ Mondȱ alsȱ einȱ „VerȬ gehenȱfürȱdasȱsakraleȱStrafgericht“ȱ(\O\OS#Z>)ȱgeahndetȱwurde,ȱdennȱ –ȱ soȱ dieȱ Begründungȱ –ȱ Gottȱ imȱ Himmelȱ istȱ dadurchȱ geleugnetȱ worȬ den.20ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 20ȱ \O\OSistȱinȱjedemȱFallȱinȱdiesemȱKontextȱeinȱjuristischȬforensischerȱBegriffȱ(vgl.ȱ HALȱ881ȱf.).ȱNachȱHiȱ31,11ȱpar.ȱ31,28ȱwirdȱeinȱsolchesȱsakralesȱVergehenȱ KP]ȱgeȬ nannt,ȱeinȱTerminus,ȱderȱinȱPsȱ26,10ȱundȱähnlichȱauchȱinȱPsȱ139,20ȱundȱ140,9ȱbeȬ gegnet.ȱ

ȱ

6.ȱGerichtlicheȱVerfahren?ȱ

237ȱ

3. Mittelȱ fürȱ dieȱ Urteilsfindungȱ warenȱ vorȱ allemȱ Befragungenȱ undȱ VerȬ höre,ȱ sicherȱ auchȱ unterȱ Folter,ȱ undȱ Zeugenaussagen,ȱ sowieȱ EidesȬ leistungen,ȱvorȱallemȱimȱSinneȱdesȱReinigungseidsȱ(vgl.ȱHiȱ31;ȱPsȱ7),ȱinȱ manchenȱFällenȱmöglicherweiseȱauchȱeinȱGottesurteilȱ(Ordal).ȱȱ

4. Dieȱ Urteileȱ solltenȱ nachȱ 2.ȱ Chrȱ 19,6ȱ „imȱ Namenȱ JHWHs“ȱ gefälltȱ werȬ den.ȱ Nachȱ dem,ȱ wasȱ überȱ solcheȱ Entscheidungenȱ auszumachenȱ ist,ȱ ergehenȱ sieȱ prinzipiellȱ alternativ:ȱ beiȱ erwiesenerȱ Falschanklageȱ trafȱ esȱ dieȱ Ankläger.ȱ Beiȱ sakralenȱ Deliktenȱ wieȱ z.ȱB.ȱ Gotteslästerungȱ oderȱȱ Ȭfluchȱ (Levȱ 24,10–16)21ȱ oderȱ Sabbatschändungȱ (Numȱ 15,32–36)ȱ schriebȱ dieȱToraȱanhandȱvonȱPräzedenzfällenȱdieȱTodesstrafeȱvorȱ–ȱinȱdenȱgeȬ nanntenȱFällenȱinȱFormȱderȱSteinigung.ȱDieȱBeschuldigtenȱwurdenȱbisȱ zurȱEntscheidungȱinȱGewahrsamȱgenommenȱ(UPCPE)ȱ(Levȱ24,12;ȱNumȱ 15,34).ȱ

5. Dieȱ Urteileȱ wurdenȱ wahrscheinlichȱ sofortȱ vollzogenȱ –ȱ undȱ zwarȱ vonȱ denȱ Beteiligtenȱ selbst.ȱ Eineȱ Parteiȱ wurdeȱ schuldig,ȱ dieȱ andereȱ freiȱ geȬ sprochen.ȱ Todesstrafeȱ oderȱ Freilassungȱ warenȱ dieȱ extremenȱ MöglichȬ keiten,ȱdieȱvielleichtȱnichtȱimmerȱzurȱAnwendungȱkamen.ȱAnȱandererȱ Stelleȱhabeȱichȱvermutet,ȱdassȱanȱderȱbekanntenȱStelleȱHabȱ2,4ȱeinȱsolȬ chesȱ Urteilȱ überliefertȱ oderȱ wiedergegebenȱ ist22,ȱ sofernȱ esȱ richtigȱ ist,ȱ dassȱesȱsichȱdortȱebenfallsȱumȱeinenȱKlageȬȱundȱFeindpsalmȱhandelt.23ȱ „SieheȱdasȱUrteilȱ(?)!ȱ24ȱNichtȱaufrichtigȱistȱseineȱSeeleȱinȱihmȱ(scil.ȱdemȱ Schuldigen).ȱ Derȱ Gerechteȱ aberȱ sollȱ aufgrundȱ seinerȱ Redlichkeitȱ amȱ Lebenȱbleiben.“ȱ25ȱ ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 21ȱ R.ȱR.ȱHutton,ȱTheȱCaseȱofȱtheȱBlasphemerȱRevisitedȱ(Lev.ȱXXIVȱ10–23),ȱVTȱ49ȱ(1999),ȱ 532–41:ȱ„Heȱblasphemedȱtheȱdivineȱnameȱbyȱusingȱitȱillegitimately“ȱ(540).ȱ 22ȱ „Habakukȱ 2,4bȱ undȱ seinȱ Kontext“,ȱ in:ȱ Zurȱ Aktualitätȱ desȱ Altenȱ Testaments,ȱ FSȱ G.ȱ Sauer,ȱ hg.ȱv.ȱ S.ȱKreuzer/K.ȱ Lüthi,ȱ Frankfurt/Bern/Newȱ York/Parisȱ 1992,ȱ 99–107ȱȱ (=ȱStudienȱzurȱPsalmenauslegung,ȱStuttgartȱ1998,189–98).ȱ 23ȱ TrotzȱderȱbeachtenswertenȱArbeitȱvonȱB.ȱHuwyler,ȱHabakukȱundȱseineȱPsalmen,ȱin:ȱ ProphetieȱundȱPsalmen,ȱFSȱK.ȱSeybold,ȱhg.ȱv.ȱB.ȱHuwylerȱu.ȱa.,ȱAOATȱ280,ȱMünsterȱ 2001),ȱ231–59,ȱglaubeȱichȱimmerȱnoch,ȱdassȱesȱsichȱumȱeinenȱPsalmȱhandelt,ȱderȱmitȱ derȱProphetieȱHabakuksȱnichtsȱzuȱtunȱhatȱundȱnurȱmehrȱoderȱwenigerȱzufälligȱdortȱ steht.ȱ 24ȱ Vgl.ȱAnm.ȱ20.ȱDazuȱauchȱvomȱVerf.,ȱNahumȱ–ȱHabakukȱ–ȱZephanja,ȱZürcherȱBibelȬ kommentareȱ24,2,ȱZürichȱ1991,ȱ66ȱf.:ȱKonjektur,ȱstattȱ KOS>ȱzuȱlesen:ȱ KO>Sȱ„Lohn“,ȱ „Strafe“ȱoderȱKO\OSȱ„Urteil“.ȱȱ 25ȱ K\M\ȱqal.ȱ

238ȱ

15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ

Esȱfälltȱnichtȱschwer,ȱdieȱPsalmgebeteȱPsȱ138–145ȱinȱdieseȱSkizzeȱeinzuȬ zeichnen.ȱDabeiȱistȱwohlȱnichtȱanzunehmen,ȱdassȱdieseȱTexteȱ–ȱeventuȬ ellȱ mitȱ Ausnahmeȱ vonȱ Psȱ 139ȱ –ȱ selbstȱ Teilȱ desȱ Verfahrensȱ warenȱ undȱ etwaȱalsȱschriftlicheȱDeklarationenȱabverlangtȱundȱdannȱalsȱentlastendeȱ Beweisstückeȱgewertetȱwurden,ȱobwohlȱesȱnichtȱunmöglichȱist,ȱdassȱsoȱ vonȱFallȱzuȱFallȱverfahrenȱwurde.ȱDieȱschriftlicheȱAufzeichnungȱkönnteȱ dafürȱ sprechen.ȱ Eherȱ schonȱ wirdȱ manȱ sieȱ fürȱ echteȱ Gebeteȱ undȱ HilfeȬ rufeȱ imȱ Sinneȱ vonȱ Psȱ 107,13ȱ ansehen,ȱ dieȱ allerdingsȱ dasȱ gerichtlicheȱ Milieuȱ widerspiegeln,ȱ inȱdemȱ sichȱ dieȱPsalmistenȱ befanden.ȱEsȱgibtȱ inȱ jedemȱ Textȱ einigeȱ Hinweise,ȱ welcheȱ zurȱ konkretenȱ Anschauungȱ derȱ Situationȱbeitragen:ȱ –





Psȱ142,ȱimȱKerkerȱausgerufen,ȱbeklagtȱimȱBlickȱaufȱseinenȱFallȱdasȱ FehlenȱeinesȱU\NP,ȱeinesȱZeugen26,ȱderȱAuskunftȱüberȱdieȱhinterhälȬ tigenȱ Anschlägeȱ seinerȱ Verfolgerȱ gebenȱ könnte.ȱ Soȱ istȱ erȱ aufȱ denȱ angewiesen,ȱderȱseinenȱ„Pfad“ȱkennt.ȱȱ Psȱ 140ȱ konzentriertȱ sichȱ vorȱ allemȱ darauf,ȱ dieȱ Verfolgerȱ alsȱ „böseȱ Menschen“ȱ,ȱalsȱTerroristenȱ(V.ȱ2),ȱalsȱschlangenzüngigeȱVerleumȬ derȱ undȱ Giftmischerȱ (V.ȱ 3ȱf.)ȱ zuȱ charakterisieren,ȱ umȱ sieȱ damitȱ alsȱ falscheȱ Anklägerȱ hinzustellen,ȱ aufȱ dieȱ ihreȱ Verleumdungenȱ wieȱ glühendeȱKohlenȱregnenȱsollen,ȱsoȱdassȱmanȱsieȱinȱ„Erdlöchern“ȱ27ȱ verscharrenȱ muss.ȱ Weilȱ dennȱ Verleumderȱ („Männerȱ derȱ Zunge“)ȱ undȱGewalttäterȱimȱLandeȱnichtsȱzuȱsuchenȱhaben,ȱsollenȱsieȱvielȬ mehrȱihrerseitsȱmitȱGitterȱundȱHürden28ȱgejagtȱoderȱverjagtȱwerdenȱ (V.ȱ 13ȱf.).ȱ Dennȱ –ȱ erȱ istȱ sichȱ sicherȱ –ȱ JHWHȱ führtȱ „dieȱ Sacheȱ desȱ Elenden,ȱdasȱGerichtȱderȱArmen“ȱundȱistȱdenȱAufrichtigenȱundȱGeȬ rechtenȱverpflichtetȱ(V.ȱ14).ȱȱ Psȱ 141ȱ bietetȱ nurȱ einigeȱ unzusammenhängendeȱ Reflexe.ȱ Dieȱ ErȬ wähnungȱ vonȱ Gerechtenȱ undȱ Frommenȱ könnteȱ besagen,ȱ dassȱ dieȱ AnklageȱaufȱBeteiligungȱanȱMahlfeiernȱbeiȱ„Übeltätern“ȱvonȱihnenȱ ausging.ȱJedenfallsȱschlugenȱsieȱdenȱBeschuldigtenȱ(V.ȱ5)29.ȱRichterȱ werdenȱerwähnt,ȱdieȱzuhörenȱundȱdieȱRedeȱbeurteilenȱsollenȱ(V.ȱ6).ȱ Erȱ erwartetȱ dieȱ Hinrichtungȱ derȱ Frevler,ȱ dieȱ sichȱ inȱ ihrenȱ StellȬ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 26ȱ NachȱH.ȱJ.ȱBoecker,ȱRedeformenȱdesȱRechtslebensȱimȱAltenȱTestament,ȱWMANTȱ14,ȱ NeukirchenȬVluynȱ1964;ȱ 21970),ȱeinȱjuristischerȱTerminusȱ(39),ȱvgl.ȱ2.ȱSamȱ3,37;ȱDanȱ 11,39,ȱaberȱauchȱDtȱ16,19ȱmitȱpar.ȱ 27ȱ ZumȱHapaxȱlegomenonȱvgl.ȱSirȱ12,16.ȱ 28ȱ MitȱR.ȱJ.ȱTournay,ȱSeeingȱandȱHearingȱGodȱwithȱtheȱPsalms.ȱTheȱPropheticȱLiturgyȱ ofȱtheȱSecondȱTempleȱinȱJerusalem,ȱJSOT.Sȱ118,ȱSheffieldȱ1991,ȱ194.ȱȱ 29ȱ OKȱ „schlagen,ȱ prügeln“ȱ (vgl.ȱ Prvȱ 23,35)ȱ könnteȱ auchȱ imȱ Sinneȱ vonȱ „foltern“ȱ gemeintȱsein.ȱ

ȱ

6.ȱGerichtlicheȱVerfahren?ȱ

239ȱ

netzenȱverfangenȱhabenȱ–ȱerȱselbstȱaberȱwirdȱdavonkommenȱ(UE>,ȱ V.ȱ9ȱf.).30ȱȱ – Psȱ 143ȱ setztȱ aufȱ dieȱ „Wahrheitsliebe“ȱ undȱ „Gerechtigkeit“ȱ seinesȱ Herrn,ȱalsȱ dessenȱ Knechtȱerȱ sichȱzweiȱMalȱ bekennt,ȱ dassȱ erȱihnȱ inȱ diesemȱFallȱvorȱgewalttätigenȱFeindenȱschütztȱ(V.ȱ1.3).ȱErȱwünschtȱ keinenȱProzess,ȱderȱihnȱundȱseinȱLebenȱimȱGanzenȱbeurteilt:ȱ„Dennȱ vorȱdirȱistȱkeinȱLebenderȱgerecht“ȱ(V.ȱ2).ȱErȱbittetȱumȱeineȱLösung:ȱ GnadeȱvorȱRechtȱ(V.ȱ2.8.11ȱf.),ȱdieȱallerdingsȱzurȱFolgeȱhat,ȱdassȱderȱ Wahrheitȱ undȱ Gerechtigkeitȱ Genügeȱ getanȱ wird,ȱ undȱ dieȱ Feindeȱ undȱ Verfolgerȱ „vernichtet“ȱ undȱ „zugrundeȱ gerichtet“ȱ werden,ȱ währendȱerȱselbstȱamȱLebenȱbleibtȱ(K\Mȱpi.)ȱ(V.ȱ11ȱf.).ȱȱ – Psȱ144ȱdeutetȱinȱV.ȱ8.11ȱNegativesȱundȱLügnerischesȱan,ȱlässtȱaberȱ nichtȱerkennen,ȱobȱerȱanȱeineȱgerichtlicheȱLösungȱdenkt.ȱȱ – Psȱ 145ȱ nenntȱ nurȱ dasȱ Resultat,ȱ nachȱ demȱ solcheȱ Ketzerprozesseȱ endenȱ sollten:ȱ Verschonungȱ „derer,ȱ dieȱ JHWHȱ lieben“,ȱ undȱ VerȬ nichtungȱderȱ„Gottlosen“ȱ(V.ȱ20).ȱȱ – Psȱ 139ȱ istȱ vielȱ stärkerȱ inȱ denȱ Prozessablaufȱ verwickelt,ȱ indemȱ derȱ Beterȱ denȱ ihmȱ offenbarȱ vorgelegtenȱ Beichtspiegelȱ fürȱ denȱ ReiniȬ gungseidȱ(V.ȱ2–18)ȱseinemȱGebetȱzugrundeȱlegt,ȱumȱanȱihmȱentlangȱ zuȱgehenȱundȱseineȱUnschuldȱgegenüberȱderȱAnklageȱzuȱbeweisen.ȱ Nachȱ V.ȱ 20ȱ lautetȱ dieȱ Anklageȱ offenbarȱ aufȱ „Schandtat“ȱ (KP]PO),ȱ demȱjuristischenȱTerminusȱfürȱreligiöseȱDelikteȱ(Jerȱ11,15).ȱDasȱimȱ Psalmȱ zugrundegelegteȱ Dokumentȱ istȱ vonȱ theologischȱ großerȱ BeȬ deutung,ȱ weilȱ esȱ eineȱ Theologieȱ derȱ Schöpfungȱ undȱ derȱ praesentiaȱ Deiȱimpliziert.ȱDieȱvielenȱeigenenȱWorteȱdesȱPsalmistenȱinȱV.ȱ19ȱff.ȱ bleibenȱdahinterȱzurück:ȱSieȱsprechenȱvonȱseinemȱ„vollkommenenȱ Hass“ȱ (W\ONW)ȱ gegenüberȱ denȱ „JHWHȬHassern“ȱ undȱ „JHWHȬ Widersachern“ȱundȱwünschenȱdenȱihnȱmitȱfalschenȱAnklagenȱverȬ folgendenȱ„Blutmännern“ȱdenȱTodȱ(V.ȱ19–22).ȱȱ – Zuletztȱ Psȱ 138,ȱ derȱ aufȱ einenȱ erfolgreichenȱ Prozessȱ zurückblickenȱ kann.ȱAuchȱdaȱgingȱesȱumȱLebenȱundȱTod.ȱAlsȱentscheidendȱsiehtȱ erȱ eineȱ „Äußerung“ȱ (KUPDȱ bzw.ȱ KS\UPD)ȱ seinesȱ Gottesȱ an,ȱ dieȱ wunderbarerweiseȱergangenȱistȱundȱdieȱvonȱvielenȱgehörtȱwordenȱ ist.ȱ Sehrȱ wahrscheinlichȱ handeltȱ esȱ sichȱ dabeiȱ umȱ einenȱ UrteilsȬ spruch,ȱderȱjaȱnachweislichȱimȱNamenȱJHWHsȱergehtȱundȱdenȱderȱ Beterȱ alsȱ persönlicheȱ Offenbarungȱ fürȱ sichȱ selbstȱ ansahȱ („Duȱ antȬ wortetestȱmir“,ȱV.ȱ3).ȱRätselhaftȱbleibtȱdieȱErwähnungȱ„allerȱKönigeȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 30ȱ Esȱ könnteȱ sein,ȱ dassȱ dieȱ fastȱ unverständlichenȱ Aussagenȱ inȱ V.6a.7a,ȱ dieȱ vonȱ „Gestürztwerden“,ȱ„Felsen“,ȱ„Mühlstein“ȱ(?),ȱ„vonȱdenȱRichtern“ȱsprechen,ȱinȱParalȬ leleȱzumȱ„ZerstreuenȱvonȱGebeinenȱ(?)ȱvorȱdemȱScheol“ȱzumindestȱeineȱAnspielungȱ aufȱeineȱHinrichtungȱdurchȱSteinigungȱenthalten.ȱVgl.ȱdazuȱSeybold,ȱPsalmȱ141.ȱEinȱ neuerȱAnlauf.ȱ

240ȱ

15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ

derȱErdeȱ(oderȱdesȱLandes)“ȱalsȱOhrenzeugenȱdiesesȱGotteswortes,ȱ dieȱ zudemȱ aufgefordertȱ werden,ȱ zuȱ lobpreisenȱ undȱ „dieȱ Wegeȱ JHWHs“ȱ zuȱ besingenȱ (V.ȱ 4ȱf.).ȱ Dasȱ ergibtȱ wenigȱ Sinn,ȱ soȱ dassȱ dieȱ VermutungȱeinerȱTextentstellungȱnaheliegt.ȱVielleichtȱistȱnichtȱAOP,ȱ sondernȱ ADOPȱ zuȱ lesenȱ undȱ aufȱ alleȱ „Priesterȱ desȱ Landes“ȱ bzw.ȱ Landpriesterȱzuȱbeziehen,ȱdieȱnachȱMalȱ2,7;ȱQohȱ5,5;ȱHiȱ33,23ȱundȱ Psȱ 35,5ȱf.ȱ inȱ derȱ Spätzeitȱ soȱ genanntȱ wurden:ȱ Priesterȱ dieȱ aufȱ demȱ LandeȱverstreutȱwohntenȱundȱvonȱdenenȱesȱnachȱHiȱ33,23ȱTausenȬ deȱ gab.ȱ Dieȱ Richtigkeitȱ dieserȱ Korrekturȱ vorausgesetzt,ȱ wäreȱ demȱ zuȱentnehmen,ȱdassȱdenȱLandpriestern,ȱdieȱgelegentlichȱamȱJerusaȬ lemerȱ Heiligtumȱ Dienstȱ taten,ȱ dieȱ besondereȱ Aufgabeȱ oblag,ȱ imȱ TempelgerichtȱergangeneȱGerichtsurteileȱinȱihremȱWohnbereichȱimȱ „Land“ȱ zuȱ vertretenȱ undȱ durchzusetzen.ȱ Dassȱ dieȱ Anerkennungȱ einesȱ Freispruchsȱ imȱ Landȱ einȱ Problemȱ seinȱ konnte,ȱ lassenȱ auchȱ andereȱPsalmenȱdurchblicken.ȱPsȱ138ȱhofftȱaufȱweitereȱBewahrungȱ desȱLebensȱ(K\Mȱpi.)ȱbeiȱkünftigenȱNotfällenȱ(V.ȱ7ȱf.).ȱȱ

7.ȱWerȱwarenȱdieȱVerfasser?ȱ Werȱ warenȱ dieȱ Verfasserȱ dieserȱ Texte?ȱ Wirȱ gehenȱ davonȱ aus,ȱ dassȱ esȱ bestimmteȱindividuelleȱPersonenȱwaren,ȱdieȱinȱihremȱFallȱfürȱsichȱselbstȱ sprachen.ȱ Dassȱ sieȱ ghostwriterȱ hatten,ȱ Liturgenȱ oderȱ Schreiber,ȱ dieȱ wussten,ȱ wieȱ manȱ solcheȱ Gebeteȱ formulierte,ȱ istȱ inȱ ihrerȱ Situationȱ unȬ wahrscheinlich.ȱDassȱmanȱFormulareȱfürȱGebeteȱbereitȱhieltȱfürȱsolcheȱ Fälle,ȱ istȱ nichtȱ auszuschließen,ȱ aberȱ dochȱ wohlȱ wegenȱ derȱ Vielfaltȱ derȱ Möglichkeitenȱnichtȱnaheliegend.ȱAuchȱwennȱPsȱ139ȱTeileȱeinesȱBeichtȬ spiegelsȱ oderȱ Ähnlichesȱ verwendet,ȱ istȱ nichtȱ gesagt,ȱ dassȱ dasȱ vorlieȬ gendeȱGebetȱmitȱV.ȱ19ȱff.ȱeineȱVorlageȱhatte.ȱBeiȱPsȱ144Aȱsiehtȱman,ȱwasȱ einȱumȱeigeneȱFormulierungenȱverlegenerȱPsalmistȱmacht:ȱErȱgreiftȱaufȱ dasȱihmȱoffenbarȱzugänglicheȱRepertoireȱvonȱPsalmenmaterialȱ–ȱetwasȱ wieȱderȱersteȱDavidpsalter31ȱ–ȱzurück.ȱWasȱdabeiȱherauskommt,ȱistȱaberȱ soȱwenigȱprofessionellȱwieȱdieȱSchlussverseȱvonȱPsȱ139.ȱȱ Manȱ mussȱ esȱ schonȱ auchȱ einfachenȱ Menschenȱ imȱ altenȱ Israelȱ zuȬ trauen,ȱdassȱsieȱsolcheȱGebeteȱformulierenȱkonnten.ȱOhnehinȱistȱjaȱnurȱ eineȱganzȱkleineȱAuswahlȱdavonȱerhalten.ȱSieȱstehenȱinȱeinerȱziemlichȱ stabilenȱ Gebetstradition.ȱ Dasȱ wirdȱ deutlichȱ sichtbar,ȱ wennȱ manȱ zuȬ nächstȱaufȱdieȱStrukturȬȱundȱStilmusterȱachtet,ȱdieȱsieȱverwenden.ȱNurȱ wenigeȱHinweiseȱzumȱFormenrepertoire:ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 31ȱ Pssȱ8;ȱ18;ȱ39,ȱvgl.ȱSeybold,ȱFormenȱderȱTextrezeptionȱinȱPsalmȱ144.ȱ

ȱ

7.ȱWerȱwarenȱdieȱVerfasser?ȱ

241ȱ

1.ȱ Alleȱ Texteȱ verwendenȱ denȱ Parallelismusȱ gleichȱ bemessenerȱ Teileȱ alsȱ Versstruktur.ȱ Wennȱ nichtȱ versintern,ȱ dannȱ extern,ȱ wieȱ inȱ derȱ bemerkenswertenȱReihenbildungenȱvonȱPsȱ143,7–10ȱundȱPsȱ144B.ȱ 2.ȱ Alleȱ Texte,ȱ mitȱ Ausnahmeȱ desȱ alphabetischenȱ Psȱ 145,ȱ bildenȱ StroȬ phen32,ȱdieȱinȱderȱRegelȱetwaȱgleichȱgroßȱgewesenȱzuȱseinȱscheinen.ȱ 3.ȱ BesondereȱFormmusterȱfindenȱsichȱinȱPsȱ145:ȱalphabetischeȱAkrosȬ tichie33;ȱinȱPsȱ141:ȱverdeckteȱoderȱverwischteȱAkrostichieȱ(V.ȱ2–4a.6:ȱ D;ȱ V.ȱ 4b–5:ȱ DEȱ oderȱ E,ȱ V.ȱ 7–8:ȱ K)34;ȱ Litaneistilȱ inȱ Psȱ 144,12–15(B);ȱ ausgemalteȱ Metaphorikȱ inȱ Psȱ 14035;ȱ vorȱ allemȱ aberȱ eineȱ kunstvollȱ strukturierteȱ Gesamtanlageȱ inȱ Psȱ 143ȱ mitȱ abgemessenemȱ StufenȬ aufstiegȱ (V.1–6),ȱ einerȱ Plattformȱ parallelȱ gelegterȱ Balkenzeilenȱ (V.ȱ 7–10)ȱundȱeinemȱgestuftenȱAbstiegȱ(V.ȱ11ȱf.)36.ȱInȱderȱÜberzeugung,ȱ dassȱ Gebetsspracheȱ dasȱ Besteȱ zuȱ bietenȱ habe,ȱ dasȱ verfügbarȱ ist,ȱ sindȱauchȱdieseȱspätenȱTexteȱverfasst.ȱDabeiȱsindȱStilunterschiede,ȱ jaȱ unterschiedlicheȱ Stilebenen,ȱ etwaȱzwischenȱPsȱ143ȱ undȱ Psȱ144Aȱ oderȱPsȱ13837ȱundȱPsȱ142ȱoderȱinnerhalbȱderȱPsalmenȱPsȱ139ȱ(V.ȱ1– 18//V.ȱ19–24)ȱundȱ144ABȱdurchausȱzuȱerkennen.ȱ Zumȱ anderenȱ schöpfenȱ dieseȱ Psalmistenȱ ausȱ derȱ theologischȬ liturgischenȱTraditionȱundȱausȱdenȱinȱderȱEntstehungȱbegriffenenȱheiliȬ genȱ Schriften.38ȱ Auchȱ hierȱ nurȱ wenigeȱ augenfälligeȱ Beispiele:ȱ Psȱ 139ȱ stütztȱ sichȱ aufȱ einenȱ Beichtspiegel,ȱ derȱ eineȱ überȱ Genȱ 1ȱ undȱ Psȱ 8ȱ hinȬ ausgehende,ȱ individuellȱ bezogeneȱ Theologieȱ derȱ Schöpfungȱ undȱ derȱ göttlichenȱGegenwartȱbietet.ȱPsȱ144ȱzitiertȱausȱdemȱerstenȱDavidpsalterȱ u.ȱa.ȱ Psȱ 18ȱ undȱ Psȱ 8.ȱ Psȱ 145ȱ zitiertȱ dieȱ sog.ȱ Gnadenformelȱ ausȱ Exȱ 34,6.ȱ BerührungenȱergebenȱsichȱzwischenȱPsȱ143,3ȱundȱThrȱ3,6;ȱPsȱ142,4ȱundȱ Psȱ143,4ȱetc.ȱAuchȱdieȱnichtȱwenigenȱBekenntnisaussagen:ȱ„JHWHȱstehtȱ fürȱ michȱ ein“ȱ (138,8);ȱ „Duȱ bistȱ meinȱ Gott“ȱ (140,7;ȱ 143,10);ȱ „aufȱ dichȱ verlasseȱichȱmich“ȱ(141,8;ȱ143,8);ȱ„DuȱbistȱmeineȱZuflucht“ȱ(142,6);ȱ„ichȱ binȱ deinȱ Knecht“ȱ (143,12);ȱ „meinȱ Gottȱ undȱ König“ȱ (145,1)ȱ u.ȱa.ȱ sindȱ inȱ derȱGlaubenstraditionȱverwurzeltȱundȱwerdenȱzitierendȱaktualisiert.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 32ȱ InȱPsȱ140ȱunterstrichenȱdurchȱdieȱKOVȬGliederung.ȱ 33ȱ DieȱMTȱfehlendeȱQȬZeileȱistȱinȱderȱLXXȱundȱ11QPsaȱbelegt.ȱ 34ȱ Vgl.ȱ vomȱ Verf.,ȱ Akrostichieȱ imȱ Psalter,ȱ in:ȱ Alttestamentlicheȱ Forschungȱ inȱ derȱ Schweiz,ȱFestheftȱIOSOTȱ17,ȱThZȱ57,ȱBaselȱ2001,ȱ172–83.ȱ 35ȱ SchlangenbilderȱinȱV.ȱ4.6.10.12ȱ(?).ȱ 36ȱ Genauereȱ Messdatenȱ einerȱ vorläufigenȱ metrischenȱ Strukturanalyse:ȱ V.ȱ 1–6:ȱ 3+2+3//4+4//3+3+3(2)//3+3//3+3+3//3+1+3.ȱ V.ȱ 7–10:ȱ 5(3+2)//6//5//6//5//5//5.ȱ V.ȱ 11ȱf.:ȱ 4+4//3+3//2(3).ȱ 37ȱ BeiȱPsȱ138ȱmagȱeineȱgewisseȱStilnachlässigkeitȱzuȱEntstellungenȱundȱMissverständȬ nissenȱgeführtȱhabenȱ(V.ȱ1.4)ȱ(wieȱbeiȱPsȱ141?).ȱ 38ȱ Dieȱ inȱ Psȱ 143,5ȱ erwähnteȱ Meditationȱ sprichtȱ vonȱ einemȱ Traditionsbezugȱ ähnlicherȱ Art.ȱȱ

242ȱ

15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ

Dieȱ Beobachtung,ȱ dassȱ dieȱ irgendeinesȱ sakralenȱ Vergehensȱ beȬ schuldigtenȱ Psalmistenȱ inȱ ihrenȱ Gebetenȱ offensichtlichȱ traditionelleȱ RechtgläubigkeitȱanȱdenȱTagȱlegen,ȱmagȱmitȱihrerȱVerteidigungȱzuȱtunȱ habenȱundȱistȱausȱderȱkonkretenȱSituationȱverständlich.ȱAufȱderȱandeȬ renȱ Seiteȱ mutetȱ esȱ dochȱ seltsamȱ an,ȱ dassȱ geradeȱ bekennendeȱ RechtȬ gläubigeȱ –ȱ dieȱ Aufrichtigkeitȱ derȱ Bekenntnisseȱ unterstelltȱ –ȱ inȱ solche,ȱ möglicherweiseȱ vonȱ „Gerechten“ȱ undȱ „Frommen“ȱ ausgehendenȱ AnȬ klagenȱ undȱ gerichtlichenȱ Auseinandersetzungenȱ geratenȱ sind.ȱ Freilichȱ wissenȱwirȱwenigȱüberȱdenȱGlaubensalltagȱundȱüberȱreligiöseȱundȱsoȬ zialeȱKonflikteȱinȱjenerȱspätenȱZeitȱ(dasȱüberȱdieȱZeugnisseȱderȱPsalmenȱ hinausgeht).ȱDochȱwirdȱmanȱdieȱVermutungȱäußernȱkönnen,ȱdassȱdieseȱ Texteȱ undȱ ihreȱ realenȱ Hintergründeȱ eineȱ gewisseȱ religiöseȱ Spannungȱ oderȱErhitzungȱundȱeineȱgewisseȱNervositätȱerahnenȱlassen,ȱdieȱmögliȬ cherweiseȱ mitȱ demȱ zunehmendenȱ Einflussȱ desȱ Hellenismusȱ aufȱ dasȱ Glaubenslebenȱ derȱ Gemeindenȱ umȱ Jerusalemȱ zusammenhängt.ȱ VielȬ leichtȱkönnteȱPsȱ144BȱdarüberȱetwasȱAufklärungȱbieten,ȱwürdeȱerȱsichȱ nichtȱeinemȱbefriedigendenȱVerständnisȱbisherȱverweigern.ȱ ȱ

ȱ

Literaturȱ

243ȱ

Literaturȱ Auffret,ȱ P.,ȱ Oȱ Dieu,ȱ connaisȱ monȱ coeur:ȱ Étudesȱ structurelleȱ duȱ Psaumeȱ CXXXIX,ȱVTȱ47ȱ(1997),ȱ1–22.ȱ Beyerlin,ȱW.,ȱDieȱRettungȱderȱBedrängtenȱinȱdenȱFeindpsalmenȱderȱEinzelnenȱ aufȱ institutionelleȱ Zusammenhängeȱ untersucht,ȱ FRLANTȱ 99,ȱ Göttingenȱ 1970.ȱ Boecker,ȱH.ȱJ.,ȱRedeformenȱdesȱRechtslebensȱimȱAltenȱTestament,ȱWMANTȱ14,ȱ NeukirchenȬVluynȱ1964ȱ(21970).ȱ Brown,ȱW.ȱP.,ȱPsalmȱ139,ȱInterp.ȱ50ȱ(1996),ȱ280–84.ȱ Delekat,ȱL.,ȱAsylieȱundȱSchutzorakelȱamȱZionheiligtum.ȱEineȱUntersuchungȱzuȱ denȱprivatenȱFeindpsalmen,ȱLeidenȱ1967.ȱ Flint,ȱ P.ȱW.,ȱ Theȱ Deadȱ Seaȱ Psalmsȱ Scrollsȱ andȱ theȱ Bookȱ ofȱ Psalms,ȱ STDJȱ 17,ȱ Leidenȱ1997.ȱ Huwyler,ȱB.,ȱHabakukȱundȱseineȱPsalmen,ȱin:ȱProphetieȱundȱPsalmen,ȱFSȱfürȱK.ȱ Seybold,ȱhg.ȱv.ȱB.ȱHuwylerȱu.ȱa.,ȱAOATȱ280,ȱMünsterȱ2001,ȱ231–59.ȱ Hutton,ȱR.ȱR.,ȱTheȱCaseȱofȱtheȱBlasphemerȱRevisitedȱ(Lev.ȱXXIVȱ10–23),ȱVTȱ49ȱ (1999),ȱ532–41.ȱ Kratz,ȱR.ȱG.,ȱDieȱGnadeȱdesȱtäglichenȱBrots,ȱSpäteȱPsalmenȱaufȱdemȱWegȱzumȱ Vaterunser,ȱZThKȱ89ȱ(1992),ȱ1–40.ȱ Mazor,ȱ Y.,ȱ Whenȱ Aestheticsȱ Isȱ Harnessedȱ toȱ Psychologicalȱ Charakterizationȱ –ȱ „ArsȱPoetica“ȱinȱPsalmȱ139,ȱZAWȱ109ȱ(1997),ȱ260–71.ȱ Millard,ȱ M.,ȱ Dieȱ Kompositionȱ desȱ Psalters.ȱ Einȱ formgeschichtlicherȱ Ansatz,ȱ FATȱ9,ȱTübingenȱ1994.ȱ Sanders,ȱJ.ȱA.,ȱTheȱPsalmsȱScrollȱofȱQumranȱ11ȱ[11QPsa],ȱDJDȱ4,ȱOxfordȱ1965.ȱ Seybold,ȱK.,ȱPsalmȱ141,ȱEinȱneuerȱAnlauf,ȱin:ȱBiblischeȱWelten,ȱFSȱfürȱM.ȱMetzȬ ger,ȱhg.ȱv.ȱW.ȱZwickel,ȱOBOȱ123,ȱFribourgȱ1993,ȱGöttingenȱ1993,ȱ199–214ȱ(=ȱ StudienȱzurȱPsalmenauslegung,ȱhg.ȱv.ȱK.ȱSeybold,ȱStuttgartȱ1998,ȱ173–88).ȱ Ders.,ȱHabakukȱ2,4bȱundȱseinȱKontext,ȱin:ȱZurȱAktualitätȱdesȱAltenȱTestaments,ȱ FSȱfürȱG.ȱSauer,ȱhg.ȱv.ȱS.ȱKreuzer/K.ȱLüthi,ȱFrankfurtȱ1992,ȱ99–107ȱ(=ȱStudiȬ enȱzurȱPsalmenauslegung,ȱhg.ȱv.ȱK.ȱSeybold,ȱStuttgartȱ1998,ȱ189–98).ȱ Ders.,ȱ Feindbildȱ undȱ Menschenwürde,ȱ Dasȱ Zeugnisȱ derȱ Psalmen,ȱ in:ȱ MenȬ schenbildȱundȱMenschenwürde,ȱhg.ȱv.ȱE.ȱHerms,ȱGüterslohȱ2000,ȱ307–19).ȱ Ders.,ȱ Formenȱ derȱ Textrezeptionȱ inȱ Psalmȱ 144,ȱ in:ȱ Schriftauslegungȱ inȱ derȱ Schriftȱ FSȱ fürȱ O.ȱH.ȱSteck,ȱ hg.ȱv.ȱ R.ȱG.ȱ Kratzȱ u.ȱa.,ȱ BZAWȱ 300,ȱ Berlin/Newȱ Yorkȱ2000,ȱ281–90.ȱ Ders.,ȱ Akrostichieȱ imȱ Psalter,ȱ in:ȱ Alttestamentlicheȱ Forschungȱ inȱ derȱ Schweiz,ȱ FestheftȱIOSOTȱ17,ȱThZȱ57,ȱBaselȱ2001,ȱ172–83.ȱ Tournay,ȱR.ȱJ.,ȱSeeingȱandȱHearingȱGodȱwithȱtheȱPsalms.ȱTheȱPropheticȱLiturgyȱ ofȱtheȱSecondȱTempleȱinȱJerusalem,ȱJSOT.Sȱ118,ȱSheffieldȱ1991.ȱ Würthwein,ȱE.,ȱErwägungenȱ zuȱPsalmȱ139,ȱVTȱ7ȱ(1957),ȱ165–82ȱ(=ȱDers.,ȱWortȱ undȱExistenz,ȱStudienȱzumȱAltenȱTestament,ȱGöttingenȱ1970,ȱ179–96).ȱ Zenger,ȱE.,ȱ„DassȱallesȱFleischȱdenȱNamenȱseinerȱHeiligungȱsegne“ȱ(Psȱ145,21),ȱ Dieȱ Kompositionȱ Psȱ 145–150ȱ alsȱ Anstoßȱ zuȱ einerȱ christlichȬjüdischenȱ Psalmenhermeneutik,ȱBZȱ41ȱ(1997),ȱ1–27.ȱ

ȱ

ȱ

16.ȱAkrostichieȱimȱPsalterȱ I.ȱ WerȱsichȱmitȱderȱPoetikȱderȱPsalmenȱbeschäftigt,ȱstößtȱalsbaldȱaufȱBeȬ sonderheitenȱ derȱ Versanfängeȱ undȱ dabeiȱ aufȱ Erscheinungsformenȱ derȱ Akrostichie.ȱ Dieȱ Akrostichieȱ alsȱ Mittelȱ zurȱ bewusstenȱ Gestaltungȱ derȱ VersanfängeȱundȱdamitȱderȱVersfolgeȱmussȱgrundsätzlichȱinȱdemȱweiȬ terenȱ Rahmenȱ derȱ Versstrukturȱ derȱ Psalmtexteȱ gesehenȱ werden.ȱ Alsȱ StilformȱkommtȱsieȱinȱdieȱNäheȱderȱAlliteration,ȱd.ȱi.ȱdemȱAnfangsȬȱoderȱ Stabreim.ȱ Imȱ Unterschiedȱ aberȱ zurȱ Alliterationȱ beziehtȱ sichȱ dieȱ AkroȬ stichieȱ nichtȱ aufȱ versȬȱ oderȱ zeileninterneȱ Strukturen,ȱ sondernȱ alsȱ Formmerkmalȱ desȱ poetischenȱ Sprachstilsȱ aufȱ dieȱ Abfolgeȱ vonȱ VersȬȱ undȱZeilenanfängenȱinȱeinemȱgegebenenȱText.ȱ InȱderȱpoetologischenȱErforschungȱderȱPsalmenȱsindȱbisherȱvorȱalȬ lemȱzweiȱErscheinungenȱderȱAkrostichieȱinsȱBlickfeldȱgetreten:ȱ EinmalȱdieȱFormȱderȱLitanei,ȱderenȱVersanfängeȱdurchȱwiederholteȱ Wörterȱgleichförmigȱgebildetȱsindȱ(Anaphora).ȱDazuȱgehörenȱimȱPsalterȱ TexteȱwieȱPsȱ29;ȱ136;ȱ150.ȱDieseȱFormȱistȱverbreitetȱinȱderȱhymnischenȱ Dichtung.ȱIhreȱFunktionȱistȱauchȱbeiȱliterarischerȱVerwendungȱdieȱEmȬ phase,ȱ dieȱ durchȱ dieȱ ständigeȱ Wiederholungȱ gleicherȱ VersȬȱ oderȱ ZeiȬ leneröffnungȱerreichtȱwird.1ȱDieȱmasoretischeȱÜberlieferungȱhatȱbeiȱderȱ Satzeinteilungȱ imȱ großenȱ Ganzenȱ daraufȱ Rücksichtȱ genommen,ȱ wieȱ manȱesȱetwaȱanȱPsȱ29ȱtrotzȱallerȱtextlichenȱÜbermalungȱnochȱbeobachȬ tenȱkann.ȱ Zumȱ anderenȱ dasȱ alphabetischeȱAkrostichon,ȱ welchesȱ dasȱ hebräischeȱ KonsonantenalphabetȱzurȱGestaltungȱderȱVersanfängeȱverwendet.ȱTraȬ ditionellȱwurdeȱdieȱAkrostichieȱvorȱallemȱanȱdenȱalphabetischenȱTextenȱ desȱ Altenȱ Testamentsȱ untersucht,ȱ wasȱ zuȱ nichtȱ allzuȱ vielenȱ ErkenntȬ nissenȱgeführtȱhat.ȱImmerhinȱwirdȱesȱimmerȱdeutlicher,ȱdassȱdieȱalphaȬ betischeȱAkrostichieȱnichtȱprimärȱalsȱeinȱakustischesȱPhänomenȱeinzuȬ schätzenȱist.ȱAuchȱistȱesȱfraglich,ȱobȱsieȱsichȱimȱAllgemeinenȱzurȱStützeȱ desȱ Gedächtnissesȱ –ȱ alsȱ soȱ genannteȱ „Eselsbrücke“ȱ –ȱ eignet.ȱ Dennȱ eiȬ gentlichȱ istȱ dasȱ Alphabetȱ bzw.ȱ Alephbetȱ alsȱ abstrakteȱ KonsonantenȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ

Formalȱvergleichbar,ȱaberȱandererȱHerkunftȱundȱFunktionȱsindȱdieȱReihenbildungenȱ z.ȱB.ȱbeiȱRechtstextenȱwieȱGebotsreihenȱoderȱFluchserien.ȱ

246ȱ

16.ȱAkrostichieȱimȱPsalterȱ

folgeȱ fürȱ einenȱ ausȱ demȱ Gedächtnisȱ zitierendenȱ Sprecherȱ zuȱ kompliȬ ziertȱ undȱ zuȱ aufwendig.ȱ Eherȱ schonȱ istȱ esȱ alsȱ systematischesȱ GliedeȬ rungsschemaȱfürȱeinenȱorganischenȱSinnzusammenhangȱinȱschriftlicherȱ Darstellungȱ denkbar.ȱ Wahrscheinlichȱ stammtȱ esȱ auchȱ ausȱ derȱ Schule.ȱ Einȱ pädagogischerȱ Zweckȱ istȱ wohlȱ damitȱ verbundenȱ –ȱ wieȱ dasȱ AlephbetȬTäfelchenȱ vonȱ IzbetȬSartaȱ ausȱ demȱ 12.ȱ Jh.ȱ a.ȱ zeigt.2ȱ Dieȱ „Weisheit“ȱ hatȱ sichȱ seinerȱ bedient,ȱ umȱ Sachverhalteȱ umfassendȱ imȱ Sinneȱ einesȱ Kompendiumsȱ oderȱ einerȱ Summaȱ literarischȱ darzustellen.ȱ Daȱ greiftȱ dannȱ dieȱ Symbolikȱ desȱ Aȱ undȱ Oȱ bzw.ȱ desȱ Alephȱ undȱ Taw.ȱ DiesȱlassenȱdieȱtheologischenȱSummarienȱetwaȱvonȱPsȱ25;ȱ34;ȱ37;ȱ111ȱf.ȱ undȱ 119ȱ erkennen.ȱ Offensichtlichȱ eignetȱ diesenȱ Texten,ȱ welcheȱ durchȱ denȱ Zwangȱ derȱ Spielregelȱ oftȱ Einbußenȱ anȱ Stilȱ undȱ Sinnȱ hinnehmenȱ müssen,ȱeinȱgewisserȱspielerischerȱZugȱfürȱdasȱAuge.ȱ Aufȱ dieseȱ beidenȱ Formenȱ gehenȱ wirȱ inȱ dieserȱ Skizzeȱ nichtȱ weiterȱ ein.ȱ Vielmehrȱ interessierenȱ wirȱ unsȱ fürȱ konsonantische,ȱ aberȱ nichtȬ alphabetischeȱ Akrostichaȱ undȱ versuchen,ȱ damitȱ aufȱ einȱ Phänomenȱ aufȬ merksamȱzuȱmachen,ȱdasȱzwarȱvielfachȱimȱEinzelnenȱbeobachtetȱwurȬ de3,ȱ demȱ aberȱ vielleichtȱ nochȱ nichtȱ dieȱ Aufmerksamkeitȱ gewidmetȱ wird,ȱ dieȱ ihmȱ alsȱ Formelementȱ derȱ Psalmendichtungȱ zukommt.ȱ Dieȱ nichtalphabetischenȱAkrostichaȱsindȱwohlȱauchȱbeiȱdenȱPsalmenȱzahlȬ reicherȱalsȱbisherȱangenommenȱwurde.ȱ Vonȱ denȱ altorientalischenȱ Analogienȱ warȱ schonȱ inȱ anderemȱ ZuȬ sammenhangȱ dieȱ Rede.4ȱ Soȱ istȱ hierȱ wenigstensȱ nochmalsȱ hinzuweisenȱ aufȱ dieȱ ugaritischeȱ Literaturȱ undȱ aufȱ dieȱ keilschriftlicheȱ PsalmenȬ literaturȱ derȱ sog.ȱ Babylonischenȱ Hiobdichtungȱ undȱ verschiedenerȱ GeȬ betstexteȱausȱderȱneuassyrischenȱZeit.ȱIhreȱakrostichischeȱKonstruktionȱ istȱkompliziertȱundȱbestehtȱzuȱeinemȱTeilȱausȱSätzenȱundȱSatznamen,ȱinȱ einemȱFallȱsogarȱinȱKombinationȱmitȱdenȱSchlusszeichenȱderȱVerse.5ȱȱ Beiȱ diesenȱ formalenȱ Gestaltungenȱ entstehtȱ dieȱ prinzipielleȱ Frage,ȱ welchesȱ ihrȱ Stellenwertȱ istȱ undȱ woȱ sieȱ imȱ Spektrumȱ derȱ Akrostichienȱ anzusiedelnȱsind.ȱHabenȱ sieȱ eherȱ eineȱ klanglicheȱ Funktionȱ wieȱ dieȱ LiȬ taneienȱ oderȱ primärȱ eineȱ graphischeȱ Funktionȱ wieȱ dieȱ alphabetischenȱ Serienȱ undȱ alsoȱ imȱ engerenȱ Sinneȱ eineȱ „literarische“ȱ Bedeutung?ȱȱ Fungierenȱ sieȱ alsȱ rhetorischesȱ Stilmittelȱ derȱ Wiederholung,ȱ sindȱ insoȬ fernȱ fürȱ dasȱ Ohrȱ bestimmtȱ undȱ dienenȱ derȱ lautlichenȱ Kohärenzȱ derȱ Versaussagen,ȱoderȱfungierenȱsieȱvielmehrȱalsȱgraphischesȱKunstmittelȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 2ȱ 3ȱ 4ȱ 5ȱ

Naveh,ȱEarlyȱHistoryȱofȱtheȱAlphabet,ȱ36ȱff.ȱ Vgl.ȱWatson,ȱClassicalȱHebrewȱPoetry;ȱFreedman,ȱAcrosticȱPoems;ȱSoll,ȱBabylonianȱ andȱBiblicalȱAcrostics.ȱ Vgl.ȱSeybold,ȱAkrostichieȱbeiȱDeuterojesaja.ȱ Vgl.ȱ Soll,ȱ Babylonianȱ andȱ Biblicalȱ Acrostics;ȱ Watson,ȱ QuasiȬAcrosticsȱ inȱ Ugariticȱ Poetry.ȱ

ȱ

II.ȱ

247ȱ

fürȱ dasȱ Augeȱ undȱ dienenȱ damitȱ derȱ Sicherungȱ derȱ Strukturȱ beiȱ derȱ Niederschriftȱ undȱ derȱ Wiederverwendungȱ durchȱ Lektüreȱ undȱ AbȬ schrift?ȱȱ BeginnenȱwirȱmitȱeinigenȱauffälligenȱBeispielen.ȱ

II.ȱ 1. ZunächstȱPsȱ72.ȱBeimȱüberliefertenȱTextȱvonȱPsȱ72,1–17ȱfälltȱinsȱAuge,ȱ dassȱ eineȱ sehrȱ großeȱ Zahlȱ derȱ masoretischenȱ Verseȱ mitȱ einemȱ Jodȱ (\)ȱ beginnt.ȱManȱzähltȱ9ȱMalȱbeiȱdenȱ17ȱbeziffertenȱVersen,ȱeineȱZahl,ȱdieȱ sichȱ nochȱ erhöhenȱ würde,ȱ wennȱ manȱ –ȱ wasȱ problemlosȱ istȱ –ȱ dieȱ vorelohistischeȱFormȱinȱV.ȱ1ȱberücksichtigt.ȱWennȱmanȱdaranȱgeht,ȱdieȱ ursprünglichenȱVersformenȱwiederherzustellenȱundȱ–ȱwasȱproblematiȬ scher,ȱaberȱunumgänglichȱistȱ–ȱdieȱTextstörungenȱimȱBereichȱvonȱV.ȱ4ȱf.ȱ undȱ V.ȱ 15ȱ durchȱ Umstellungenȱ zuȱ beheben,ȱ wirdȱ sichȱ dieȱ Zahlȱ nochȬ malsȱerhöhen.ȱZudemȱistȱdenkbar,ȱdassȱverschiedeneȱFälleȱeinesȱWawȬ JodȬBeginnsȱwegenȱUnsicherheitenȱbeimȱWawȱauchȱzuȱBucheȱschlagen.ȱ DannȱaberȱliegtȱinȱjedemȱFallȱalsȱErgebnisȱvor,ȱdassȱmehrȱalsȱdieȱHälfteȱ allerȱ Verseȱ mitȱ demȱ gleichenȱ Konsonantenȱ Jodȱ beginnen,ȱ einȱ zuȱ hoherȱ statistischerȱ Wert,ȱ alsȱ dassȱ manȱ ihnȱ alsȱ zufälligȱ abtunȱ könnte.6ȱ Stehtȱ dahinterȱeineȱbestimmteȱAbsicht,ȱundȱwennȱja:ȱwelche?ȱ Dieȱ Auffälligkeitȱ diesesȱ akrostichischenȱ Phänomensȱ gewinntȱ nochȱ anȱ Intensität,ȱ wennȱ manȱ eineȱ zweiteȱ Beobachtungȱ hinzunimmt.ȱ Beiȱ einerȱ ganzenȱ Reiheȱ vonȱ Versenȱ vonȱ Psȱ 72ȱ beginntȱ dieȱ zweiteȱ Zeileȱ jeȬ weilsȱ mitȱ einemȱ Waw.ȱ Esȱ sindȱ imȱ überliefertenȱ Textȱ sogarȱ nochȱ mehrȱ alsȱbeiȱdenȱJodȬAnfängen,ȱmindestensȱ11,ȱwobeiȱfürȱdieseȱZahlȱdasȱobenȱ Gesagteȱ ebenfallsȱ gilt.ȱ Sieȱ könnteȱ leichtȱ höherȱ seinȱ undȱ wirdȱ größer,ȱ wennȱmanȱversucht,ȱdieȱVersparallelismenȱnachȱeinerȱderȱherkömmliȬ chenȱmetrischenȱMethodenȱzuȱbestimmenȱundȱdieȱursprünglichenȱ3+3Ȭ MaschalȬVerseȱwiederherzustellen.ȱDasȱgehtȱnatürlichȱnichtȱohneȱRisiȬ ko.ȱDochȱfürȱunsereȱZweckeȱreichenȱdieȱZahlenȱaufȱderȱBasisȱderȱnichtȬ restauriertenȱ masoretischenȱ Textüberlieferungȱ aus,ȱ umȱ imȱ Ansatzȱ einȱ Formprinzipȱzuȱerkennen,ȱdasȱbeiȱderȱAbfassungȱdiesesȱTextesȱoffenbarȱ eineȱbestimmteȱRolleȱgespieltȱhat.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 6ȱ

ZumindestȱalsȱExperimentȱwäreȱderȱVersuchȱinteressant,ȱobȱnichtȱausȱdemȱüberlieȬ fertenȱTextȱdieȱ20ȱoderȱ21ȱVerszeilenȱ(verteiltȱaufȱ5ȱStrophen?)ȱjeȱmitȱJodȬAnfangȱreȬ konstruierbarȱwären.ȱDochȱeineȱ100ȱ%ȬLösungȱistȱohnehinȱinȱderȱantikenȱPoesieȱnichtȱ zuȱerwarten.ȱ

248ȱ

16.ȱAkrostichieȱimȱPsalterȱ

Manȱ kannȱ einwenden,ȱ dassȱ JodȬAkrostichaȱ soȱ natürlichȱ sindȱ wieȱ WawȬConsecutivaȱamȱSatzanfangȱundȱdieȱKopulaȱinȱderȱzweitenȱSatzȬ hälfteȱ nichtsȱ wenigerȱ alsȱ bemerkenswertȱ ist.ȱ Dasȱ istȱ natürlichȱ richtig.ȱ DennochȱistȱesȱbeiȱpoetischenȱTexten,ȱzuȱdenenȱmanȱPsȱ72ȱdochȱzweiȬ fellosȱ zählenȱ muss,ȱ erstaunlich,ȱ dassȱ erȱ dieseȱ nichtȱ ungewöhnlichenȱ sprachlichenȱ Mittelȱ hierȱ alsȱ Formelementeȱ inȱ soȱ großerȱ Zahlȱ undȱ soȱ konsequentȱinȱderȱVerskonstruktionȱeinsetzt.ȱ DieȱFrage,ȱobȱdieseȱFormelementeȱbeimȱVortragȱdesȱPsalmgebetsȱ–ȱ undȱ Psȱ 72ȱ istȱ einȱ Gebetȱ –ȱ akustischȱ vernehmlichȱ gewesenȱ sind,ȱ wirdȱ manȱ geradeȱ wegenȱ derȱ Häufigkeitȱ dieserȱ sprachlichenȱ Erscheinungȱ nichtȱ leichtȱ beantwortenȱ können.ȱ Wahrscheinlichȱ aberȱ schon.ȱ Dochȱ scheintȱinȱdiesemȱFallȱdieȱgraphischeȱFunktionȱvonȱhöhererȱBedeutungȱ zuȱsein,ȱweilȱanzunehmenȱist,ȱdassȱdemȱKönigspsalmȱ72ȱeinȱderartigesȱ Gewichtȱ zukommt,ȱ dasȱ ihnȱ inȱ dieȱ Näheȱ inschriftlicherȱ DokumentatioȬ nenȱ bringt.7ȱ Graphischȱ gesehenȱ aberȱ mussteȱ auchȱ schonȱ inȱ althebräiȬ scherȱSchriftȱdasȱPhänomenȱdochȱwohlȱaufgefallenȱseinȱundȱwenigstensȱ dieȱAbschreiberȱdazuȱgebrachtȱhaben,ȱdiesenȱTextȱ–ȱwieȱz.ȱT.ȱnochȱvonȱ denȱ Masoretenȱ übernommenȱ undȱ gepflegtȱ –ȱ inȱ stichischerȱ Schreibungȱ wiederzugeben.8ȱ EinenȱletztenȱGedankenȱauszusprechenȱzögertȱman,ȱweilȱnichtȱganzȱ sicherȱist,ȱobȱerȱnichtȱnurȱeineȱAssoziationȱdesȱmodernenȱAuslegersȱist.ȱ Manȱ könnteȱ annehmen,ȱ dassȱ dieȱ inȱ diesemȱ Textȱ soȱ häufigeȱ Folgeȱ derȱ KonsonantenȱJodȱundȱWawȱ(Z\)ȱetwasȱmitȱdemȱTetragrammȱ KZK\ȱzuȱtunȱ hatȱundȱmitȱderȱ(ursprünglichen)ȱEpikleseȱganzȱamȱBeginnȱdesȱPsalmsȱ inȱ V.ȱ 1ȱ zusammenhängt.ȱ Dochȱ wäreȱ sicherlichȱ alsȱ Abkürzungȱ fürȱ dasȱ TetragrammȱdieȱFormȱK\(Jh)ȱnaheliegender.ȱWieȱimmerȱesȱsichȱverhalȬ tenȱ mag,ȱ dieȱ graphischeȱ Funktionȱ dieserȱ Formȱ derȱ Akrostichieȱ istȱ unȬ gleichȱ wichtigerȱ alsȱ dieȱ eventuellȱ zusätzlicheȱ Verwendungȱ alsȱ eineȱ etȬ wasȱkryptischeȱAbbreviatur.9ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 7ȱ 8ȱ



DerȱKönigspsalmȱ20ȱweistȱimȱerstenȱTeilȱ(VV.ȱ1–6)ȱähnlicheȱMerkmaleȱauf.ȱErȱwäreȱ entsprechendȱaufȱakrostichischeȱPhänomeneȱzuȱuntersuchen.ȱȱ Manȱ erinnertȱ sichȱ anȱ dasȱ Phänomenȱ desȱ medialenȱ Waw,ȱ dasȱ inȱ bestimmtenȱ QumrantextenȱeineȱwohlȱnichtȱnurȱgraphischeȱRolleȱspielt.ȱVgl.ȱz.ȱB.ȱ4QpalaeoExodm.ȱ Psȱ72ȱistȱoffenbarȱinȱQumranȱtextlichȱnichtȱbelegt.ȱȱ Konsequentȱ angewendet,ȱ könnteȱ dieseȱ Formbestimmungȱ dieȱ Textanalysenȱ unterȬ stützen,ȱdieȱinȱdemȱTextȱeineȱSchichtungȱzuȱerkennenȱversuchen.ȱBeiȱdenȱalsȱsekunȬ därȱ beurteiltenȱ Partienȱ (VV.ȱ 8–11;ȱ 15;ȱ 17aJb)ȱ fehlenȱ dieȱ akrostichischenȱ FormmerkȬ maleȱweitgehend,ȱvgl.ȱzuletztȱ Arneth,ȱ„SonneȱderȱGerechtigkeit“,ȱHossfeld/Zenger,ȱ Psalmenȱ51–100.ȱ

ȱ

II.ȱ

249ȱ

2. AlsȱzweitesȱBeispielȱwählenȱwirȱPsȱ103.ȱPsȱ103ȱhatȱalsȱliturgischerȱTextȱ ebenfallsȱ eineȱ auffälligeȱ akrostichischeȱ Struktur.ȱ Blicktȱ manȱ aufȱ dieȱ Versanfänge,ȱ dieȱ hierȱ auchȱ mitȱ derȱ Einteilungȱ desȱ MTsȱ fastȱ identischȱ sind,ȱergibtȱsichȱfolgendeȱReihung:ȱ ȱ

EEKKK>\UOONNNNDNZO\EEEE

1ȱ–ȱ5ȱ6ȱ–ȱ8ȱ9ȱ–ȱ14ȱ15ȱ–ȱ19ȱ20ȱ–ȱ22ȱ ȱ ManȱerkenntȱhierȱdreiȱBlöcke,ȱdieȱdurchȱakrostichischeȱMerkmaleȱausȬ gezeichnetȱ undȱ offensichtlichȱ korreliertȱ sind,ȱ undȱ zweiȱ Zwischenteile,ȱ dieȱohneȱsolcheȱMerkmaleȱsind.ȱDieȱdreiȱBlöckeȱbietenȱmindestensȱzweiȱ MalȱnacheinanderȱjeweilsȱdenselbenȱAnfangskonsonanten.ȱDabeiȱkönnȬ teȱ esȱ durchausȱ soȱ sein,ȱ dassȱ derȱ Konstruktionsplanȱ ursprünglichȱ nochȱ transparenterȱgewesenȱwar.ȱDurchȱleichteȱtextlicheȱBearbeitungȱkönnteȱ manȱdieȱEinheitlichkeitȱdadurchȱerhöhen,ȱdassȱ \ȱinȱderȱ6.ȱundȱ7.ȱdurchȱ K,ȱinȱderȱ19.ȱZeileȱmitȱeinigemȱGrundȱ Kȱbzw.ȱ Eȱersetztȱwird.ȱDannȱwäȬ renȱ dieȱ formaleȱ Parallelitätȱ desȱ erstenȱ undȱ desȱ zweitenȱ Blocksȱ nochȱ augenfälligerȱ(EEKKK/KKȱ–ȱ OONNNN).ȱDerȱdritteȱundȱletzteȱBlockȱzeigtȱ vier/fünfȱ Malȱ denȱ gleichenȱ Konsonantenȱ (E/EEEE).ȱ Obȱ dieȱ FormalȬ strukturȱ nochȱ weiterenȱ Schemataȱ unterworfenȱ gewesenȱ ist,ȱ bleibeȱ zuȬ nächstȱ dahingestellt.ȱ Immerhinȱ istȱ eineȱ Konsonantenwiederholungȱ inȱ derȱ Zweitzeileȱ derȱ Verseȱ zumindestȱ imȱ Bereichȱ vonȱ VV.ȱ 3–6ȱ (K)ȱ undȱ VV.ȱ 9–10ȱ (DO)ȱ feststellbar.10ȱ Außerhalbȱ desȱ Schemasȱ stehenȱ –ȱ soweitȱ erkennbarȱohneȱakrostichischeȱMerkmaleȱ–ȱdieȱZeilenȱ(undȱVerse)ȱ(6,ȱ7)ȱ 8ȱundȱ15,ȱ16,ȱ17,ȱ18,ȱ(19).ȱ Dieȱ wiederholtenȱ Anfangskonsonantenȱ sindȱ inȱ Psȱ 103ȱ sicherlichȱ nichtȱ inȱ ersterȱ Linieȱ alsȱ graphischeȱ Markierungenȱ gedacht.ȱ Vielmehrȱ gehörenȱsieȱwohlȱjeweilsȱzuȱsprachlichenȱSinnelementen,ȱdieȱalsȱsolcheȱ dieȱ semantischeȱ Strukturȱ desȱ Textesȱ bestimmen.ȱ Eȱ inȱ VV.ȱ 1.ȱ 2.ȱ 22bȱ zuȱ \CSQ\NUEȱ „Lobe,ȱ meineȱ Seele“,ȱ Eȱ inȱ VV.ȱ 20.ȱ 21.ȱ 22aȱ zuȱ KZK\ZNUEȱ „LobetȱJHWH“;ȱ KȱinȱV.ȱ3–5(6)ȱistȱTeilȱderȱhymnischȬpartizipialenȱPräȬ dikationen,ȱOȱgehörtȱzurȱNegationȱDOȱ„nicht“;ȱNȱfungiertȱwechselweiseȱ alsȱ präfigierteȱ Präpositionȱ desȱ Vergleichsȱ oderȱ alsȱ Teilȱ derȱ Partikelȱ \Nȱ (auchȱV.ȱ16).ȱAlleȱdieseȱElementeȱsindȱtypischȱfürȱdenȱhymnischenȱStilȱ undȱ könnenȱ alsȱ solcheȱ eineȱ liturgischeȱ Funktionȱ erfüllen.11ȱ Beimȱ VorȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10ȱ Aufȱ dieȱ Endreimbildungenȱ vorȱ allemȱ aufȱ îȱ imȱ Bereichȱ vonȱ V.ȱ 1–6ȱ gehenȱ wirȱ hierȱ nichtȱnäherȱein.ȱEsȱistȱaberȱnichtȱunmöglich,ȱdassȱeinȱZusammenhangȱmitȱderȱAkroȬ stichieȱbzw.ȱAlliterationȱbesteht,ȱvgl.ȱdieȱAusführungenȱzuȱPsȱ66.ȱ 11ȱ Manȱerinnereȱ sichȱanȱdieȱ Rubrikenȱ derȱVerseȱ1–4ȱ diesesȱ PsalmsȱinȱderȱHandschriftȱ 2QPsȱundȱihreȱmutmaßlicheȱliturgischeȱFunktion.ȱ

250ȱ

16.ȱAkrostichieȱimȱPsalterȱ

tragȱ sindȱ sieȱ alsȱ Signaleȱ fürȱ liturgischeȱ Vorgängeȱ gewissȱ vernehmlichȱ gewesen.ȱAberȱesȱistȱnaheliegend,ȱanzunehmen,ȱdassȱdieseȱFormmerkȬ maleȱ zumindestȱ späterȱ zugleichȱ alsȱ Markierungenȱ derȱ schriftlichenȱ Aufzeichnungȱgedientȱhaben,ȱseiȱesȱinȱderȱTextvorlageȱfürȱdenȱLiturgenȱ oderȱ beiȱ derȱ schriftlichenȱ Weitergabeȱ innerhalbȱ derȱ DavidȬPsalterȬ Archive.ȱ Dieȱ verbleibendenȱ Zeilenȱ derȱ Zwischentexteȱ passenȱ nichtȱ inȱ dasȱ formaleȱ Schema.ȱ Fürȱ sieȱ aberȱ giltȱ alsȱ gemeinsamesȱ Merkmal,ȱ dassȱ sieȱ allesamtȱ Zitateȱ oderȱ zitatähnlicheȱWendungenȱsind.12ȱ Soȱ stelltȱ sichȱ dieȱ Frage,ȱ obȱ dieȱ belassenenȱ Zwischenräumeȱ zwischenȱ denȱ hymnischenȱ Zeilenȱ(VV.ȱ7–8.15–18)ȱfürȱfreieȱRezitationenȱvonȱ„Schrifttexten“ȱvorgeȬ sehenȱwarenȱundȱjeȱnachdemȱdurchȱ„Schriftzitate“ȱinȱderȱihnenȱvorgeȬ gebenenȱFormȱaufgefülltȱwerdenȱkonnten.ȱDannȱhättenȱwirȱbeiȱPsȱ103ȱ einȱ festesȱ liturgischesȱ Gerüstȱ mitȱ eingebautenȱ variablenȱ Teilen,ȱ dieȱ jeȱ nachȱ Anlassȱ ausgewechseltȱ werdenȱ konnten.ȱ Wieȱ dasȱ auchȱ gewesenȱ seinȱmag,ȱalsȱRekonstruktionȱdesȱSchriftbildsȱistȱinȱderȱTatȱdieȱRekonȬ struktionȱinȱstichischerȱSchreibungȱderȱBHȱderȱhemistichischȱgespalteȬ nenȱSchreibungȱderȱQumranhandschriftȱ4QPsbȱ(undȱderȱnurȱsehrȱfragȬ mentarischȱerhaltenenȱProsadiktionȱvonȱ11QPsa)ȱvorzuziehen.13ȱ

3. Beispiel:ȱPsȱ121.ȱBetrachtetȱmanȱPsȱ121ȱhinsichtlichȱseinerȱVersanfängeȱ –ȱ Verseȱ imȱ Sinneȱ derȱ herkömmlichenȱ Stichographieȱ desȱ MTȱ undȱ derȱ rekonstruiertenȱderȱBH,ȱdieȱhierȱeinmalȱzusammenfallenȱ(mitȱAusnahȬ meȱvonȱV.ȱ1,ȱderȱmitȱderȱÜberschriftȱbeginnt),ȱdannȱfälltȱauf,ȱdassȱdieȱ Anfängeȱ merkwürdigeȱ Gesetzmäßigkeitenȱ zeigen.ȱ Dieȱ Zeilenȱ 1ȱ undȱ 3ȱ beginnenȱ mitȱ D,ȱ dieȱ Zeilenȱ 5–8ȱ mitȱ \.ȱ Nurȱ dieȱ Zeilenȱ 2ȱ (>)ȱ undȱ 4ȱ (K)ȱ fallenȱ ausȱ demȱ Schema.14ȱ Besondersȱ merkwürdigȱ istȱ nun,ȱ dassȱ diesesȱ SchemaȱzuȱeinemȱTeilȱauchȱfürȱdieȱAnfängeȱderȱjeweiligen,ȱwohlȱetwasȱ kürzeren,ȱ zweitenȱ Vershälfteȱ gilt.ȱ Beiȱ Zeileȱ 2,ȱ 3,ȱ 5ȱ undȱ 7ȱ istȱ dasȱ offenȬ sichtlich,ȱbeiȱdenȱrestlichenȱlässtȱsichȱfragen,ȱobȱdasȱSchemaȱnichtȱtrotzȱ einesȱ vorangestelltenȱ Zȱ bzw.ȱ Pȱ (Zeileȱ 1ȱ undȱ 6)ȱ mindestensȱ verborgenȱ oderȱandeutungsweiseȱrealisiertȱist.ȱZeileȱ4ȱistȱohnehinȱimȱVerdacht,ȱeinȱ Zusatzȱzuȱsein,ȱundȱfürȱeineȱletzteȱZeileȱkönntenȱandereȱGesetzeȱgelten.ȱ Einheitlicherȱ nochȱ undȱ besserȱ erklärbarȱ wäreȱ dasȱ Schema,ȱ wennȱ manȱ nichtȱ nurȱ graphische,ȱ sondernȱ auchȱ akustischeȱ Absichtenȱ unterstellt.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 12ȱ ZuȱV.ȱ7ȱf.ȱvgl.ȱExȱ34,6,ȱdazuȱPsȱ86,15;ȱ145,3;ȱzuȱV.ȱ15–17ȱvgl.ȱPsȱ90,5ȱf.;ȱ102,5;ȱJesȱ40,6ȱf.;ȱ 56,4.ȱ 13ȱ Vgl.ȱdieȱAbbildungȱbeiȱTov.ȱDerȱTextȱderȱHebräischenȱBibel,ȱ319ȱ(oderȱSeybold,ȱDieȱ Psalmen.ȱEineȱEinführung,ȱTitelblatt).ȱ 14ȱ V.ȱ 5–8ȱ beginnenȱ 3Ȭmalȱ mitȱ KZK\.ȱ Selbstȱ wennȱ inȱ V.ȱ 8ȱ metriȱ causaȱ KZK\ȱ überzähligȱ wäre,ȱwürdeȱdiesȱnichtsȱändernȱ(UPC\).ȱȱ

ȱ

II.ȱ

251ȱ

DannȱwürdenȱsichȱauchȱdieȱLaryngaleȱ Dȱundȱ >ȱ(undȱsogarȱ K)ȱgutȱmitȬ einanderȱvertragen.ȱDasȱsprichtȱeigentlichȱallesȱfürȱursprünglichȱstichȬ ischeȱoderȱhemistichischeȱSchreibweise.ȱ ȱ

DP > D (– \(?) \Z \ P

       

       

       

D > D K)ȱ \ \ \ \

ȱ Zufallȱ oderȱ nicht?ȱ Dochȱ wohlȱ nicht.ȱ Derȱ Sinnȱ desȱ Schemasȱ D(>)ȱ –ȱ \ȱȱ jedoch,ȱ fallsȱ dennȱ einȱ solcherȱ damitȱ verbundenȱ war,ȱ müssteȱ nochȱ geȬ fundenȱwerden.ȱ

4. Beispielȱ Psȱ 40.ȱ Derȱ Textȱ vonȱ Psȱ 40ȱ zeigtȱ imȱ erstenȱ Teilȱ (VV.ȱ 2–5)ȱ eineȱ auffälligeȱ akrostichischeȱ Folgeȱ vonȱ Narrativformenȱ (5Ȭmal).ȱ Manȱkannȱ darinȱeinȱMerkmalȱfürȱbesonderenȱErzählstilȱerkennen,ȱzudemȱdadurchȱ bestimmt,ȱ dassȱ dieȱ Sätzeȱ immerȱ längerȱ werden.ȱ Beiȱ stichographischerȱ Schreibungȱ ergibtȱ sichȱ mitȱ kleinenȱ Abweichungenȱ einȱ signifikantesȱ Stufenmuster,ȱdasȱderȱSinnstrukturȱdesȱTextesȱzuȱentsprechenȱscheint.15ȱ DieȱAnnahmeȱlegtȱsichȱnahe,ȱdassȱdahinterȱnichtȱnurȱeineȱrhetorische,ȱ sondernȱauchȱeineȱgraphischeȱAbsichtȱsteckt.ȱ Diesȱ giltȱ umsoȱ mehr,ȱ alsȱ inȱ demselbenȱ Psalmtextȱ imȱ drittenȱ Teilȱ (VV.ȱ14–18)ȱeinȱAkrostichonȱaufȱ \ȱsichtbarȱwird,ȱundȱzwarȱ–ȱohneȱVerȬ änderungȱdesȱTextesȱ–ȱebenfallsȱmitȱ5ȬmalȱgleichemȱVersanfang.ȱAuchȱ hierȱ istȱ esȱ wieȱ beiȱ Psȱ 72ȱ denkbar,ȱ jaȱ durchȱ dieȱ Dubletteȱ Psȱ 70,2ȱ sogarȱ wahrscheinlich,ȱdassȱderȱEingangsversȱV.ȱ14ȱeineȱnichtȱmehrȱerhalteneȱ Epikleseȱ KZK\ȱ anȱ denȱ Beginnȱ gestelltȱ hatte.ȱ Dannȱ würdeȱ einȱ weiterer,ȱ sechsterȱJodȬVersanfangȱdazukommen.ȱObȱV.ȱ18AȱamȱEndeȱsichȱdaranȱ mitȱ \OECM\ȱ auchȱ nochȱ beteiligenȱ wollteȱ oderȱ auchȱ nichtȱ –ȱ oderȱ sichȱ zumindestȱ mitȱ demȱ graphischȱ engȱ verwandtenȱ Zȱ vonȱ \QDZȱ ebenȱ dochȱ graphischȱ anpassenȱ wollte,ȱ kannȱ offenȱ bleiben.ȱ V.ȱ 18Bȱ könnteȱ urȬ sprünglichȱ–ȱundȱdafürȱsprichtȱwiederȱPsȱ70,616ȱ–ȱmitȱdemȱGottesnamenȱ begonnenȱ haben.ȱ Inȱ jedemȱ Fallȱ istȱ diesesȱ graphischeȱ Phänomenȱ derȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 15ȱ SolcheȱStufenmusterȱzeigenȱetwaȱauchȱPsȱ13ȱundȱ108,2–6ȱ(=ȱ57,8–12).ȱ 16ȱ Manȱsiehtȱdeutlich,ȱwieȱderȱParalleltextȱPsȱ70ȱdenȱVersanfangȱ(mitȱ Zȱ!)ȱverwischtȱhatȱ (V.ȱ5B).ȱ

252ȱ

16.ȱAkrostichieȱimȱPsalterȱ

zahlreichenȱ JodȬAnfängeȱ sehrȱ beachtlich.ȱ Esȱ wirftȱ inȱ jedemȱ Fallȱ einȱ deutlichesȱ Lichtȱ aufȱ dieȱ QinaȬStruktur,ȱ derȱ dieserȱ Psalm(teil)ȱ offenbarȱ unterworfenȱwarȱundȱdieȱdurchȱdieȱakrostichischeȱMarkierungȱerhaltenȱ werdenȱsollte.ȱ

5. BeispielȱPsȱ66.ȱVomȱFormalenȱherȱgesehenȱistȱanȱdiesemȱPsalmȱdreierleiȱ auffällig:ȱEinmalȱbietetȱerȱdreiȱMalȱdasȱSignalwortȱsela;ȱzweitensȱbietetȱ erȱ dieȱ Akrostichieȱ Kȱ imȱ erstenȱ Teil,ȱ Dȱ imȱ zweitenȱ Teil;ȱ drittensȱ istȱ vorȱ allemȱimȱletztenȱTeilȱ(abȱV.ȱ13)ȱdasȱVersendeȱfastȱdurchgehendȱaufȱdenȱ Vokalȱiȱausgerichtet.ȱȱ KonzentrierenȱwirȱunsȱaufȱdieȱKombinationȱderȱbeidenȱletztenȱBeȬ sonderheiten.ȱ Dieseȱ Konstruktionȱ erscheintȱ explizitȱ siebenȱ Mal17,ȱ undȱ esȱ wäreȱ einȱ Leichtes,ȱ durchȱ geringeȱ Umstellungenȱ nochȱ dreiȱ weitereȱ SequenzenȱdieserȱArtȱausfindigȱzuȱmachen.18ȱDasȱkannȱinȱdieserȱHäuȬ figkeitȱ keinȱ Zufallȱ sein.ȱ Wäreȱ esȱ nochȱ möglich,ȱ beiȱ derȱ Folgeȱ vonȱ DȬ Anfängenȱ anȱ eineȱ akrostichische,ȱ möglicherweiseȱ alphabetischeȱ undȱ insofernȱprimärȱgraphischeȱErscheinungȱzuȱdenken,ȱistȱdieseȱErklärungȱ beiȱ derȱ kombiniertenȱ Reimsequenzȱ auszuschließen,ȱ weilȱ dieȱ aufȱ iȱ lauȬ tendeȱ Endsilbeȱ nichtȱ inȱ allenȱ Fällenȱ mitȱ \ȱ pleneȱ wiedergegebenȱ ist,ȱ soȱ dassȱdochȱwohlȱeherȱeineȱlautlicheȱErklärungȱangebrachtȱist.ȱGanzȱausȬ schließenȱlässtȱsichȱindesȱauchȱdieȱgraphischeȱLösungȱnicht.ȱDannȱhätteȱ derȱVerfasserȱeinȱschriftlichesȱFormmusterȱseinenȱVersenȱunterlegtȱundȱ sichȱ anȱ dasȱ vorgegebeneȱ Rahmenmuster:ȱ \ȱ –––––––ȱ D,ȱ soȱ gutȱ esȱ ging,ȱ gehalten.ȱȱ Näherȱ liegtȱ aberȱ vielleichtȱ doch,ȱ dassȱ eineȱ Lautfolgeȱ undȱ insofernȱ einȱakustischesȱSignalȱdasȱMotivȱfürȱdieseȱauffälligeȱKonstruktionȱwar.ȱ UndȱesȱgibtȱdreiȱArgumente,ȱdieȱdafürȱundȱd.ȱh.ȱfürȱeineȱbestimmteȱArtȱ vonȱReimbildungȱsprechen:ȱȱ 1.ȱ ImȱletztenȱTeilȱdesȱPsalmsȱ(VV.ȱ13–20)ȱkommtȱoderȱ–ȱfallsȱdieȱVerseȱ aufzuteilenȱ sindȱ (VV.ȱ 13–15.16–20)ȱ –ȱ kommenȱ Sprecherȱ zuȱ Wort,ȱ dieȱoffenbarȱzumȱOpfermahlȱschreitenȱundȱmitȱerklärendenȱWortenȱ ihrȱ Tunȱ begleiten,ȱ wasȱ zwarȱ monotonȱ klingt,ȱ aberȱ immerhinȱ lautȱ undȱbetontȱgesprochenȱwirdȱundȱbetontȱgehörtȱwerdenȱsoll.ȱSelbstȱ wennȱeinȱvorgegebenesȱFormularȱbenütztȱwordenȱist,ȱsoȱwäreȱdochȱ dieȱ primärȱ angestrebteȱ Verwendungȱ derȱ Verseȱ derȱ deutlichȱ verȬ nehmlicheȱVortrag,ȱderȱfürȱdenȱmiterlebendenȱHörerȱwahrnehmbarȱ seinȱsollte.ȱDazuȱkommtȱalsȱArgument,ȱdassȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 17ȱ VV.ȱ13ȱ(\).14.15b.16b.17.18ȱ(\).19.ȱ 18ȱ VV.ȱ15a.16a.20.ȱ

ȱ

II.ȱ

253ȱ

2.ȱ dieȱ beidenȱ Formelementeȱ zusammengefügtȱ dasȱ hebräischeȱ \QDȱ „ich“ȱanklingenȱlassen,ȱdasȱinȱdiesemȱliturgischenȱZusammenhangȱ ohnehinȱsichȱhandelndȱinȱdenȱVordergrundȱdrängt.ȱUndȱschließlichȱȱ 3.ȱ istȱ nichtȱ einzusehen,ȱ weshalbȱ geradeȱ nurȱ dieseȱ letztenȱ Verseȱ mitȱ AkroȬȱundȱTelostichieȱdieserȱArtȱfürȱdenȱPsalmleserȱgraphischȱherȬ vorgehobenȱundȱunterstrichenȱwerdenȱsollten.ȱȱ Wichtigȱ istȱ dieȱ Erkenntnis,ȱ dassȱ esȱ offenbarȱ inȱ derȱ Psalmendichtungȱ nebenȱ demȱ Stabreimȱ auchȱ Formenȱ vonȱ Endreimȱ gegebenȱ hat,ȱ dassȱ erȱ aberȱnochȱnichtȱinȱallenȱFällenȱentdecktȱundȱerschlossenȱwurde.19ȱ

6. Beispiel:ȱPsȱ63.ȱPsȱ63ȱgiltȱalsȱeinȱschlichtesȱDanklied,ȱdessenȱVersfolgeȱ einȱ wenigȱ inȱ Unordnungȱ geratenȱ istȱ –ȱ wieȱ manȱ insbesondereȱ anȱ demȱ schwerȱ einzuordnendenȱ V.ȱ 7ȱ undȱ denȱ vagenȱ Schlussversenȱ V.ȱ 11ȱf.ȱ seȬ henȱ kann.ȱ Aberȱ derȱ Textȱ zeigtȱ akrostichischeȱ Merkmale.ȱ Zuerstȱ fälltȱ auf,ȱ dassȱ 5ȱ vonȱ 11ȱ masoretischenȱ Versenȱ (undȱ 7ȱ vonȱ 13ȱ Zeilenȱ inȱ derȱ BH)ȱ mitȱ einemȱ Kaphȱ (N)ȱ beginnen,ȱ wasȱ immerhinȱ einenȱ rechtȱ hohenȱ Anteilȱausmacht.ȱBlicktȱmanȱnäherȱzu,ȱerkenntȱmanȱauchȱ2ȱAlephȬVerseȱ (2.7)ȱundȱeineȱHäufungȱvonȱJodȬZeilenfängenȱinȱVV.ȱ10–12.ȱLassenȱsichȱ darausȱbestimmteȱFormregelnȱableiten?ȱ UmȱmitȱderȱletztenȱErscheinungȱzuȱbeginnen:ȱDieȱReihenbildungenȱ vonȱ Imperfekt/Jussivformenȱ mitȱ demȱ JodȬAnfangȱ derȱ drittenȱ Person,ȱ wieȱsieȱinȱVV.ȱ10–12aȱbegegnen,ȱsindȱinȱdenȱKlageȬȱundȱDankpsalmenȱ derȱ Einzelnenȱ nichtȱ ungewöhnlich.ȱ Soȱ kannȱ manȱ aufȱ Stellenȱ wieȱ Psȱ 35,4ȱff.26ȱff.;ȱ40,15ȱff.;ȱ70,1ȱff.;ȱ109,13ȱff.ȱverweisen,ȱwoȱdasselbeȱPhänomenȱ zuȱbeobachtenȱist.ȱEsȱkönnteȱsein,ȱdassȱdieseȱSerienȱ–ȱandersȱalsȱetwaȱinȱ denȱ Königspsalmenȱ 20;ȱ 72ȱ –ȱ aufȱ dieȱ feststehendeȱ Diktionȱ einerȱ AnȬ wünschungȱ oderȱ Verwünschungȱ zurückzuführenȱ ist,ȱ wobeiȱ dasȱ anȬ klingendeȱ Jodȱ eineȱ signifikanteȱ Rolleȱ spielenȱ mag.ȱ Angewandtȱ aufȱ 63,10ȱff.,ȱ wärenȱ allerdingsȱ einigeȱ Umstellungenȱ nachȱ demȱ StrukturȬ musterȱ vonȱ V.ȱ 11ȱ nötig,ȱ wasȱ soȱ fernȱ nichtȱ liegt.ȱ Esȱ könnteȱ m.ȱE.ȱ geȬ lingen,ȱnachȱdemȱakrostichischenȱStrukturplanȱdenȱTextȱrestaurativȱzuȱ behandelnȱ undȱ möglicherweiseȱ seineȱ originäreȱ Formȱ wiederherzuȬ stellen.ȱȱ Wasȱ denȱ Psalmanfangȱ angeht,ȱ soȱ wäreȱ esȱ entgegenȱ derȱ masoretiȬ schenȱÜberlieferungȱzumindestȱverständlicher,ȱwennȱaufȱdenȱeröffnenȬ denȱV.ȱ2ȱmitȱderȱVoranstellungȱderȱEpikleseȱzunächstȱzweiȱAlephȬZeilenȱ folgenȱ(V.ȱ2aDb),ȱanȱdieȱsichȱamȱbestenȱderȱAlephȬVersȱ(auchȱzweiȱZeiȬ len?)ȱV.ȱ7ȱanschließenȱkönnteȱnachȱdemȱSchema:ȱ\ȱ(D)ȱ/ȱDȱD//Dȱ(E)D. ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 19ȱ ManȱvergleicheȱdamitȱauchȱdieȱEndreimbildungen,ȱdieȱKrahmalkov,ȱTwoȱNeoȬPunicȱ PoemsȱinȱRhymedȱVerse,ȱanȱneupunischenȱInschriftenȱbeobachtetȱhat.ȱȱ

254ȱ

16.ȱAkrostichieȱimȱPsalterȱ

(\/D)ȱJHWHȱ(Gott),ȱȱ (D)ȱ duȱbistȱmeinȱGott,ȱȱ (D)ȱ ichȱsucheȱdich;ȱ ȱ meineȱSeeleȱdürstetȱnachȱdir.ȱ (D)ȱ WennȱichȱdeinȱgedenkeȱaufȱmeinemȱLager,ȱ (D/E)ȱ inȱNachtwachenȱüberȱdichȱsinne.ȱ ȱ Derȱ mittlereȱ Teilȱ wäreȱ einȱ Akrostichonȱ mitȱ demȱ Konsonantenȱ Kaph.ȱ Nichtȱwenigerȱalsȱ5ȱ(mitȱV.ȱ12bȱsogarȱ6)ȱwürdenȱwieȱinȱeinerȱalphabetiȬ schenȱ KaphȬStropheȱ aufeinanderȱ folgenȱ –ȱ angeführtȱ durchȱ dasȱ HapaxȬ legomenonȱ KPNȱ„schmachten,ȱlechzen“ȱo.ȱä.ȱ–,ȱdieȱdavonȱspricht,ȱdassȱ dieȱSchauȱvonȱGottesȱ ]Z>ȱundȱ GZENȱdieȱWendeȱherbeigeführtȱundȱdenȱ Dürstendenȱgesättigtȱhat.ȱMitȱjeweilsȱdoppeltenȱ(oderȱgarȱdreifachen20)ȱ \Nȱ undȱ #Nȱ undȱ (womöglich21)ȱ N/ZPNȱ versuchtȱ derȱ Psalmistȱ dieseȱ neueȱ Erfahrungȱ zuȱ berichten,ȱ zuȱ begründenȱ undȱ zuȱ erklärenȱ –ȱ Dankpsalmaufgaben.ȱ InteressantȱistȱbeiȱdiesemȱBeispiel,ȱdassȱdasȱakrostichischeȱElementȱ jeweilsȱwiederȱvonȱsinntragendenȱWörternȱoderȱFormenȱabgeleitetȱist.ȱ Derȱ Anfangȱ wäreȱ alsȱ einȱ Nachklangȱ zuȱ demȱ Leitbegriffȱ \ODȱ „meinȱ Gott“ȱ oderȱ KWDȱ „du“ȱ aufzufassen.ȱ Derȱ Hauptteilȱ würdeȱ dieȱ vonȱ KPNȱ undȱ GZENȱherzuleitendeȱAuftaktfigurȱgleichsamȱalsȱLeitklangȱverwenȬ den.ȱ Derȱ Schlussteilȱ aberȱ würdeȱ inȱ dieȱ aggressivenȱ \ȬWünscheȱ einȬ stimmen,ȱdieȱwohlȱobligatȱauchȱzuȱdenȱDankgebetenȱgehörten.ȱDieserȱ Textȱ istȱ einȱ rechtȱ komplexesȱ Gebilde,ȱ dabeiȱ sindȱ dieȱ klanglichenȱ undȱ rhythmischenȱ Figurationen,ȱ geschweigeȱ dennȱ dasȱ semantischeȱ BezieȬ hungsgefügeȱimȱDetailȱnochȱgarȱnichtȱinȱdenȱBlickȱgekommen.ȱ

III.ȱ Mehrȱ alsȱ eineȱ vorläufigeȱ Bilanzȱ istȱ nachȱ soȱ wenigenȱ Beispielenȱ nichtȱ möglich.ȱDieseȱaberȱweistȱeinigeȱPunkteȱauf,ȱdieȱhierȱjedenfallsȱgenanntȱ seinȱsollen.ȱȱ

1. Dasȱ Phänomenȱ derȱ Akrostichieȱ istȱ imȱ Psalterȱ durchausȱ zuȱ beachten,ȱ wieȱdiesȱjaȱschonȱfrüherȱgelegentlichȱversuchtȱwurde22ȱundȱauchȱinȱderȱ Prophetieȱdaȱundȱdortȱaufgezeigtȱwerdenȱkonnte.23ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 20ȱ MitȱV.ȱ12b.ȱ 21ȱ MitȱkorrigiertemȱV.ȱ2ba.ȱ 22ȱ DuhmȱinȱseinemȱKommentarȱ1899ȱ(1922)ȱhatȱbekanntlichȱz.ȱB.ȱversucht,ȱimȱTextȱvonȱ Psȱ110ȱnachȱBickellsȱVorschlagȱeinȱAkrostichonȱ #>PCȱ zuȱerkennen,ȱdasȱdieȱverborȬ

ȱ

III.ȱ

255ȱ

2. Esȱ erweistȱ sichȱ alsȱ wahrscheinlich,ȱ dassȱ dieȱ nichtalphabetischeȱ AkroȬ stichieȱausȱderȱAnaphoraȱ(WiederholungȱeinesȱWortesȱamȱVersanfang)ȱ undȱ derȱ Alliterationȱ (Wiederholungȱ vonȱ Anfangskonsonantenȱ inȱ derȱ WortȬȱ undȱ Versfolge)ȱ entstandenȱ ist.ȱ Mitȱ dieserȱ Herkunftȱ erklärtȱ sichȱ ihreȱ nochȱ gelegentlichȱ erkennbareȱ klanglicheȱ oderȱ rhetorischeȱ FunktiȬ on,ȱ etwaȱ beiȱ denȱ Verskettenȱ mitȱ wawȬconsecutivumȱ oderȱ manchenȱ JodȬȱ undȱ AlephȬAnfängen.ȱ Dasȱ giltȱ immerȱ dann,ȱ wennȱ nichtȱ primärȱ derȱ Konsonantȱselbst,ȱsondernȱdieȱmitȱihmȱgebildeteȱFormȱdenȱVersbeginnȱ dominiert.ȱ Esȱ giltȱ auchȱ beiȱ abbreviertenȱ Nachklängenȱ einesȱ LeitausȬ drucksȱ mitȱ einerȱ Artȱ Echowirkungȱ (z.ȱB.ȱ Cȱ beiȱ ZOC)ȱ undȱ möglicherȬ weiseȱimȱ Klangspielȱ derȱ poetischenȱ Texte,ȱ dasȱ unsȱ jedochȱ weitgehendȱ verschlossenȱist.ȱ

3. Dieȱ dominierendeȱ Funktionȱ aberȱ scheintȱ wieȱ beiȱ derȱ alphabetischenȱ Akrostichieȱ eineȱ graphische,ȱ genauerȱ eineȱ stichographischeȱ gewesenȱ oderȱ gewordenȱ zuȱ sein.ȱ Dieȱ auffälligeȱ Gestaltungȱ undȱ Hervorhebungȱ vonȱ Anfangskonsonantenȱ durchȱ Wiederholungȱ sollteȱ einerseitsȱ derȱ textlichenȱKohärenz,ȱandererseitsȱderȱimmanentenȱGliederungȱdienen.ȱ InȱdieserȱordnendenȱFunktionȱstehtȱsieȱderȱAnaphoraȱundȱAlliterationȱ nahe.ȱAberȱsieȱgiltȱnunȱdochȱinȱersterȱLinieȱderȱübersichtlichenȱGliedeȬ rungȱ geschriebenerȱ Texte.ȱ Wieȱ andersȱ sollteȱ auchȱ eineȱ Versgliederungȱ inȱ derȱ Niederschriftȱ sichtbarȱ gemachtȱ werden,ȱ wennȱ dieȱ üblicheȱ Schreibweiseȱ –ȱ vorȱ allemȱ beiȱ Abschriftenȱ –ȱ dieȱ zeilenfüllendeȱ scriptioȱ continuaȱ war.ȱ Soȱzeigenȱ jaȱnochȱ dieȱ spärlicherȱ gewordenenȱ stichischenȱ Schreibformenȱ einesȱ Teilsȱ derȱ Psalterhandschriftenȱ ausȱ Qumranȱ undȱ selbstȱeinigeȱwenigeȱBeispieleȱinȱdenȱmasoretischenȱBibelhandschriftenȱ nochȱ eineȱ Nachwirkungȱ davon,ȱ abgesehenȱ vonȱ derȱ Textgliederungȱ durchȱ dieȱ masoretischeȱ Punktation,ȱ dieȱ einenȱ ähnlichenȱ Zweckȱ mitȱ anderenȱMittelnȱverfolgt,ȱundȱvielleichtȱdochȱauchȱnochȱvonȱdemȱaltenȱ akrostichischenȱSystemȱbeeinflusstȱseinȱmag.ȱBeiȱeinemȱderȱEpigraphieȱ naheȱstehendenȱTextȱwieȱdemȱKönigspsalmȱleuchtetȱesȱunmittelbarȱein,ȱ dassȱerȱlapidareȱInitialenȱzuȱsetzenȱsuchte.ȱ ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ geneȱBeziehungȱdesȱPsalmsȱaufȱdenȱHohepriesterȱSimonȱenthaltenȱsollte.ȱSoȱlegtȱerȱ auchȱVV.ȱ1–4ȱdaraufhinȱaus.ȱErȱhatȱdarinȱzuȱRechtȱkeineȱNachfolgeȱgefunden.ȱDennȱ 1.ȱsindȱdieȱentnommenenȱKonsonantenȱnichtȱalsȱVersȬȱoderȱZeilenbeginnȱverwendet,ȱ derȱletzteȱKonsonantȱ #ȱgehörtȱzurȱEinführungȱdesȱzweitenȱPsalmteilsȱ(dieȱdesȱerstenȱ istȱnichtȱberücksichtigt)ȱundȱ2.ȱistȱdieȱSpätdatierungȱdesȱKönigspsalmsȱjaȱzumindestȱ problematischȱ(254ȱff.).ȱ 23ȱ Vgl.ȱSeybold,ȱAkrostichieȱbeiȱDeuterojesaja.ȱ

256ȱ

16.ȱAkrostichieȱimȱPsalterȱ

4. DieȱeigentlicheȱBedeutungȱderȱAkrostichieȱliegtȱdemnachȱinȱihrerȱversȬ abgrenzendenȱ Funktion.ȱ Dennȱ durchȱ dieȱ besondereȱ Gestaltungȱ derȱ Versanfängeȱsignalisiertȱsie,ȱwoȱderȱAnfangȱundȱentsprechendȱdasȱEnȬ deȱ desȱ (vorhergehenden)ȱ Versesȱ oderȱ derȱ Vershälfteȱ zuȱ setzenȱ ist.ȱ Esȱ könnteȱ sein,ȱ dassȱ sichȱ ihreȱ Funktionȱ inȱ vielenȱ Fällenȱ darinȱ erschöpftȱ undȱandereȱSinnbezügeȱgarȱnichtȱoderȱnurȱsekundärȱbeabsichtigtȱsind.ȱ Dannȱ wäreȱ sieȱ alsȱ einȱ Schutzȱ gegenȱ dieȱ Prosaisierungȱ eingesetzt,ȱ welȬ cheȱoffensichtlichȱdenȱmeistenȱpoetischenȱTextenȱbeiȱderȱAbschriftȱwiȬ derfahrenȱist.ȱȱ

5. Dassȱ nachgewieseneȱ Formenȱ derȱ Akrostichieȱ prinzipiellȱ fürȱ Strukturȱ undȱBauplanȱeinesȱTextesȱvonȱBedeutungȱsind,ȱstehtȱohneȱZweifelȱfest.ȱ DassȱdieȱFeststellungȱderȱFormenȱderȱVersanfängeȱfürȱsichȱalleinȱnochȱ nichtȱausreicht,ȱdürfteȱebenfallsȱeinsichtigȱsein.ȱEsȱistȱnotwendig,ȱnachȱ derȱIntentionȱderȱFormgebungȱzuȱfragen.ȱSelbstȱfürȱdenȱunwahrscheinȬ lichenȱ Fallȱ einerȱ Buchstabenspielereiȱ wäreȱ eineȱ gesicherteȱ Erkenntnisȱ derȱ stilistischenȱ Absichtȱ einȱ exegetischerȱ Gewinn.ȱ Sindȱ dieȱ stichoȬ graphischenȱ Mittelȱ bewusstȱ eingesetzt,ȱ sindȱ sieȱ fürȱ dieȱ Interpretationȱ natürlichȱvonȱelementarerȱRelevanz.ȱȱ

6. EinȱNebeneffektȱderȱBeachtungȱdieserȱFunktionȱderȱAkrostichieȱscheintȱ mirȱderȱzuȱsein,ȱdassȱerȱdieȱRekonstruktionȱderȱoriginalenȱSchreibweiseȱ derȱ Texteȱ fordertȱ undȱ auchȱ inȱ denȱ Fällenȱ legitimiert,ȱ woȱ eineȱ akroȬ stichischeȱVorgabeȱnichtȱoderȱnochȱnichtȱerkennbarȱist.ȱSieȱhatȱdenȱVorȬ teil,ȱ dassȱ sieȱ grundsätzlichȱ denȱ „Anweisungen“ȱ derȱ Autorenȱ selbstȱ folgt,ȱwasȱnichtȱheißenȱsoll,ȱdassȱandereȱRekonstruktionenȱdiesȱnichtȱzuȱ tunȱversuchen.ȱ

7. Daȱ dieȱ Akrostichieȱ mindestensȱ auchȱ etwasȱ mitȱ einerȱ autorisiertenȱ Stichographie,ȱalsoȱdemȱoriginalenȱLayoutȱderȱTexteȱzuȱtunȱhat,ȱgehörtȱ sieȱinȱdenȱBereichȱliterarischenȱSchaffens.ȱWieȱdieȱalphabetischeȱsoȱträgtȱ auchȱdieȱnichtalphabetischeȱAkrostichieȱZeichenȱeinerȱSprachkulturȱanȱ sich,ȱ dieȱ sichȱ imȱ Mediumȱ desȱ geschriebenenȱ Wortes,ȱ derȱ Schrift,ȱ derȱ Lektüreȱ undȱ derȱ relectureȱ bewegt.ȱ Dieseȱ hatȱ sichȱ vonȱ derȱ Klangkulturȱ zwarȱ niemalsȱ ganzȱ gelöst,ȱ hatȱ aberȱ fürȱ denȱ derȱ Schriftȱ verpflichtetenȱ AuslegerȱinȱjedemȱFallȱPriorität.ȱ

ȱ

Literaturȱ

257ȱ

Literaturȱ AlonsoȬSchökel,ȱL.,ȱAȱManualȱofȱHebrewȱPoetics,ȱSubBiȱ11,ȱRomaȱ1988.ȱ Arneth,ȱ M.,ȱ „Sonneȱ derȱ Gerechtigkeit“.ȱ Studienȱ zurȱ Solarisierungȱ derȱ JahweȬ ReligionȱimȱLichteȱvonȱPsalmȱ72,ȱBZABRȱ1,ȱWiesbadenȱ2000.ȱ Auffret,ȱ P.,ȱ Laȱ Sagesseȱ aȱ bâtiȱ saȱ maison.ȱ Étudesȱ desȱ structuresȱ littérairesȱ dansȱ l’Ancienȱ Testamentȱ etȱ spécialementȱ dansȱ lesȱ Psaumes,ȱ OBOȱ 49,ȱ FreiȬ burg/Göttingenȱ1982.ȱ Freedman,ȱ D.ȱN.,ȱ Acrosticȱ Poemsȱ inȱ theȱ Hebrewȱ Bible:ȱ Alphabeticȱ andȱ otherȬ wise,ȱCBQȱ48ȱ(1986),ȱ408–31.ȱ Hossfeld,ȱ F.ȬL./Zenger,ȱ E.,ȱ Psalmenȱ 51–100,ȱ HThKAT,ȱ Freiburg/Basel/Wienȱ 2000.ȱ Krahmalkov,ȱ C.ȱR.,ȱ Twoȱ NeoȬPunicȱ Poemsȱ inȱ Rhymedȱ Verse,ȱ RSFenȱ 3ȱ (1975),ȱ 169–205.ȱ Naveh,ȱJ.,ȱEarlyȱHistoryȱofȱtheȱAlphabet.ȱAnȱIntroductionȱtoȱWestȱSemiticȱEpiȬ graphyȱandȱPalaeography,ȱJerusalemȱ1982.ȱ Mooij,ȱJ.ȱJ.ȱA.,ȱOnȱtheȱ„Foregrounding“ȱofȱGraphicȱElementsȱinȱPoetry,ȱin:ȱComȬ parativeȱ Poetics,ȱ FSȱ Janȱ Kamerbeekȱ Jr.,ȱ ed.ȱ byȱ D.ȱ W.ȱ Fokkema/E.ȱ KunneȬ Ibsch/A.ȱJ.ȱA.ȱvanȱZoest,ȱAmsterdamȱ1975,ȱ89–102.ȱ Seybold,ȱK.,ȱDieȱPsalmen.ȱEineȱEinführung,ȱStuttgartȱ1986ȱ(21991).ȱ Seybold,ȱK.,ȱDieȱPsalmen,ȱHATȱ1,15,ȱTübingenȱ1996.ȱ Seybold,ȱK.,ȱAkrostichieȱbeiȱDeuterojesaja?ȱin:ȱDieȱSpracheȱderȱPropheten,ȱZüȬ richȱ1999,ȱ200–210ȱ(=ȱVielseitigkeitȱdesȱAltenȱTestaments,ȱFSȱfürȱG.ȱSauer,ȱ hg.ȱv.ȱ J.ȱA.ȱ Loader/H.ȱV.ȱ Kieweler,ȱ Wienerȱ Alttestamentlicheȱ Studienȱ 1,ȱ Frankfurtȱu.ȱa.ȱ1999,ȱ79–90).ȱ Soll,ȱW.ȱM.,ȱBabylonianȱandȱBiblicalȱAcrostics,ȱBibȱ69ȱ(1988),ȱ305–323.ȱ Soll,ȱW.ȱM.,ȱPsalmȱ119.ȱMatrix,ȱFormȱandȱSetting,ȱCBQ.MSȱ23,ȱWashingtonȱ1991.ȱ Sweet,ȱR.,ȱAȱPairȱofȱDoubleȱAcrosticsȱinȱAkkadian,ȱOrȱ38ȱ(1969),ȱ459–460.ȱ Tov,ȱ E.,ȱ Derȱ Textȱ derȱ Hebräischenȱ Bibel.ȱ Handbuchȱ derȱ Textkritik,ȱ Stuttgartȱ 1997.ȱ Tov,ȱE.,ȱSpecialȱLayoutȱofȱPoeticalȱUnitsȱinȱtheȱTextsȱfromȱtheȱJudeanȱDesert,ȱin:ȱ Giveȱearȱtoȱmyȱwords.ȱPsalmsȱandȱotherȱPoetryȱinȱandȱaroundȱtheȱHebrewȱ Bible,ȱ Essaysȱ inȱ honourȱ ofȱ Professorȱ N.ȱA.ȱ vanȱ Uchelen,ȱ ed.ȱ byȱ J.ȱ Dyk,ȱȱ Amsterdamȱ1999,ȱ115–128.ȱ Watson,ȱ W.ȱG.ȱE.,ȱ QuasiȬAcrosticsȱ inȱ Ugariticȱ Poetry,ȱ UFȱ 12ȱ (1980),ȱ 445–447ȱȱ (=ȱ Anaphoricȱ Alliterationȱ inȱ Ugariticȱ Verse,ȱ in:ȱ Traditionalȱ Techniquesȱ inȱ ClassicalȱHebrewȱVerse,ȱJSOT.Sȱ170,ȱSheffieldȱ1994,ȱ431–434).ȱ Watson,ȱ W.ȱG.ȱE.,ȱ Classicalȱ Hebrewȱ Poetry:ȱ Aȱ Guideȱ toȱ itsȱ Techniques,ȱ JSOT.Sȱ 26,ȱSheffieldȱ1984.ȱ Watson,ȱ W.ȱG.ȱE.,ȱ Traditionalȱ Techniquesȱ inȱ Classicalȱ Hebrewȱ Verse,ȱ JSOT.Sȱ 170,ȱSheffieldȱ1994.ȱ

ȱ

ȱ

17.ȱMnemotechnikȱinȱdenȱPsalmen.ȱ EineȱSpurensucheȱ ȱ ȱ Unterȱ demȱ vorgegebenenȱ Themaȱ „Mnemotechnikȱ inȱ denȱ Psalmen“ȱ verstehenȱwirȱimȱSinneȱdesȱGesamtprojektsȱ„MündlichkeitȱundȱSchriftȬ lichkeit“ȱ Hilfenȱ fürȱ dasȱ Auswendiglernenȱ undȱ Behaltenȱ vonȱ Psalmtextenȱ undȱ fragenȱ nachȱ Spurenȱ solcherȱ Gedächtnisstützenȱ imȱ Psalter.ȱ Imȱ Blickȱ aufȱ denȱ unübersichtlichenȱ Textbestandȱ arbeitenȱ wirȱ amȱbestenȱmitȱParadigmenȱundȱgewinnenȱsoȱModelle,ȱdieȱBeobachtunȬ genȱundȱSchlüsseȱerlauben.1ȱ

1.ȱPsȱ40ȱ Alsȱ einȱ erstesȱ Paradigmaȱ wählenȱ wirȱ Psȱ 40.ȱ Esȱ handeltȱ sichȱ dabeiȱ umȱ einenȱ Text,ȱ denȱ manȱ traditionellȱ alsȱ eineȱ DankliedȬKompositionȱ beȬ stimmtȱ hat.ȱ Sieȱ bietetȱ denȱ einmaligenȱ Vorteil,ȱ dassȱ sieȱ überȱ ihreȱ HerȬ kunftȱundȱEntstehungȱAuskunftȱgibt.ȱNachȱeigenerȱAussageȱgehörtȱderȱ Textȱ inȱ dieȱ kultischeȱ Situationȱ einerȱ TodaȬFeier.ȱ Erȱ sollteȱ „vorȱ derȱȱ großenȱ Gemeinde“, EUOKTOȱ (V.10ȱf.),ȱ vorgetragenȱ werden.ȱ EntȬ sprechendȱ beginntȱ erȱ mitȱ einemȱ sog.ȱ berichtendenȱ Lobpreisȱ inȱ V.ȱ 2–5,ȱ derȱinȱderȱimȱPsalterȱnichtȱsehrȱhäufigenȱnarrativenȱStilformȱmitȱwawȬ Imperfektenȱ dieȱ Vorgeschichteȱ erklärt.ȱ Wieȱ üblichȱ inȱ derȱ Anredeformȱ gehalten,ȱsprichtȱerȱvonȱGottȱinȱderȱdrittenȱPerson:ȱ UnerschüttertȱharrteȱichȱdesȱHerrn,ȱundȱerȱneigteȱsichȱzuȱmirȱ undȱhörteȱmeinȱSchreien.ȱ UndȱerȱzogȱmichȱausȱderȱGrubeȱdesȱVerderbens,ȱausȱtiefemȱSchlamm,ȱ undȱerȱstellteȱmeineȱFüßeȱaufȱdenȱFelsen,ȱmachteȱfestȱmeineȱTritte.ȱȱ UndȱerȱgabȱmirȱeinȱneuesȱLiedȱinȱdenȱMund,ȱeinenȱLobgesangȱaufȱunȬ sernȱGottȱ…ȱ(V.ȱ2–4)ȱ

ȱDieȱallgemeineȱundȱbildhafteȱRedeȱwäreȱnochȱdeutlicher,ȱwennȱmanȱV.ȱ 13,ȱ derȱ imȱ Klartextȱ undȱ Perfektstilȱ derȱ Vorvergangenheitȱ vonȱ „Leidenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ

Fürȱ Einzelfragenȱ derȱ Analyseȱ verweiseȱ ichȱ auchȱ meinenȱ Kommentar:ȱ Dieȱ Psalmen,ȱ HATȱ14,ȱTübingenȱ1996.ȱ

260ȱ

17.ȱMnemotechnikȱinȱdenȱPsalmenȱ

ohneȱ Zahl“ȱ spricht,ȱ zumȱ Eingangsberichtȱ herübernehmenȱ würde,ȱ wasȱ nichtȱunbegründetȱzuȱseinȱscheint.ȱȱ DennȱLeidenȱohneȱZahlȱhattenȱmichȱumgeben,ȱ meineȱSündenȱhattenȱmichȱereilt,ȱundȱichȱkonnteȱnichtȱmehrȱaufsehen;ȱ ihrerȱwarenȱmehrȱalsȱdieȱHaareȱmeinesȱHauptes,ȱȱ undȱmeinȱMutȱhatteȱmichȱverlassen.ȱ

Amȱ Endeȱ diesesȱ Teilsȱ folgtȱ dannȱ derȱ nichtȱ unüblicheȱ lehrhafteȱ MakaȬ rismus:ȱ„Wohlȱdem,ȱderȱseinȱVertrauenȱaufȱdenȱHerrnȱsetztȱ…“ȱ(V.ȱ5).ȱ Insgesamtȱ istȱ derȱ Berichtȱ zusammenȱ mitȱ V.ȱ 13ȱ inȱ denȱ Versstilȱ desȱ Fünfersȱ gesetzt,ȱ alsoȱ desȱ QinaȬMetrums,ȱ wasȱ allerdingsȱ –ȱ soweitȱ ichȱ seheȱ–ȱfürȱeinenȱsolchenȱFallȱungewöhnlichȱist.ȱ Dieȱ Redeȱ istȱ vonȱ einemȱ „neuenȱ Lied“,ȱ alsoȱ vonȱ einemȱ selbstȱ verȬ fasstenȱoderȱeigensȱgewähltenȱLied,ȱdasȱdemȱPsalmistenȱ„inȱdenȱMundȱ gegeben“ȱwurdeȱ(V.ȱ4).ȱAlsoȱhandeltȱesȱsichȱumȱeinenȱGesangsvortrag.ȱ ManȱwirdȱdieȱAussageȱnichtȱsoȱengȱverstehenȱdürfen,ȱdassȱderȱVortragȱ inspirativȱundȱspontanȱerfolgte.ȱVielmehrȱwirdȱesȱsichȱumȱeinenȱtradiȬ tionellȱ wohlgeformtenȱ Textȱ handeln,ȱ derȱ näherhinȱ alsȱ „Lobgesangȱ aufȱ unsernȱGott“ȱ(V.ȱ4)ȱbeschriebenȱwird,ȱaberȱdochȱwohlȱinȱderselbenȱSiȬ tuationȱzuȱGehörȱgebrachtȱwurde.ȱ Dannȱ liegtȱ esȱ nahe,ȱ diesesȱ „neueȱ Lied“ȱ inȱ demȱ folgendenȱ Textȱ zuȱ suchen.ȱUndȱinȱderȱTatȱfolgtȱeinȱAbschnitt,ȱderȱdieȱ„WunderȱundȱRatȬ schlüsse“ȱ preist,ȱ dieȱ „Du,ȱ oȱ Herr,ȱ anȱ unsȱ vollbrachtȱ hast“.ȱ Derȱ inȱ epiȬ schenȱLangzeilenȱ(4+4)ȱgehalteneȱTextȱreichtȱbisȱV.ȱ12,ȱworaufȱdannȱderȱ schonȱerwähnteȱrückblickendeȱV.ȱ13ȱfolgt.ȱDemnachȱliegtȱhierȱoffenbarȱ derȱTextȱdesȱneuenȱLiedesȱvor,ȱdenȱderȱPsalmistȱverfasstȱ–ȱdochȱwohlȱinȱ schriftlicherȱFormȱ–ȱundȱbeiȱdemȱAnlassȱderȱDankfeierȱvorgetragenȱhat.ȱ Wieȱdasȱgeschah,ȱalsȱSprechgesang,ȱalsȱSoloȱmitȱoderȱohneȱInstrumenȬ talbegleitung,ȱistȱnichtȱeruierbar.ȱ Jedochȱ trägtȱ erȱ sogleichȱ zuȱ Beginnȱ seinesȱ Liedesȱ vor,ȱ dassȱ erȱ denȱ GesangȱanstelleȱeinesȱDankopfersȱzelebrierenȱmöchte,ȱweilȱerȱwieȱandeȬ reȱPsalmistenȱauchȱderȱÜberzeugungȱist,ȱ„SchlachtopferȱundȱSpeisopferȱ gefallenȱdirȱnichtȱ…,ȱBrandopferȱundȱSündopferȱforderstȱzuȱnicht“ȱ(V.ȱ 7).ȱDarumȱdachteȱerȱanȱeineȱandereȱOpfergabeȱ–ȱinȱwörtlicherȱWiederȬ gabe:ȱ „Daȱ sagteȱ ich:ȱ Sieheȱ ichȱ binȱ gekommenȱ mitȱ einerȱ Schriftrolle,ȱ beschrieben,ȱaufȱmir“ȱ(V.ȱ8).ȱȱ Dasȱ Verständnisȱ dieserȱ Stelleȱ verdanktȱ dieȱ PsalmenȬ auslegungȱGüntherȱBornkamm,ȱ derȱ dieȱ Stelleȱ –ȱ sieȱ wirdȱ inȱ Hebrȱ 10ȱ zitiertȱ–,ȱdieȱmanȱgewöhnlichȱaufȱToraȬRollenȱbezogenȱhatte,ȱnunmehrȱ aufȱ eineȱ Kleinrolleȱ bezieht,ȱ dieȱ derȱ Psalmistȱ mitȱ sichȱ brachteȱ undȱ anȬ

ȱ

1.ȱPsȱ40ȱ

261ȱ

stattȱ einesȱ Dankopfersȱ alsȱ Votivgabeȱ niederlegenȱ wollte.2ȱ Aufȱ dieserȱ PapyrusȬȱ oderȱ Pergamentrolle (USVWOJP) standȱ etwasȱ geschrieben,ȱ natürlichȱ etwasȱ Individuellesȱ aufȱ denȱ eigenenȱ Fallȱ bezogen.ȱ Obȱ manȱ dasȱ\O>EZWNȱübersetzenȱkannȱmitȱ„aufȱmir“ȱ(dieȱRolle)ȱoderȱmitȱ„überȱ mich“ȱ3ȱseiȱdahingestellt.ȱWichtigerȱistȱdieȱFrage,ȱobȱdas,ȱwasȱaufȱdieserȱ Schriftrolleȱgeschriebenȱstand,ȱnochȱerhaltenȱist.ȱȱ Daȱmanȱdavonȱausgehenȱkann,ȱdassȱderȱSängerȱdieȱVotivrolleȱnichtȱ nurȱ niedergelegt,ȱ sondernȱ zuvorȱ auchȱ vorgelesenȱ oderȱ vorgesungenȱ hat,ȱkommtȱamȱehestenȱderȱSchlussteilȱderȱPsalmkompositionȱinȱFrage.ȱ UndȱinȱderȱTatȱfindetȱsichȱdortȱgleichsamȱalsȱAnhangȱnachȱjenemȱV.ȱ13ȱ nochȱeinȱzweistrophigesȱGebetsgedicht,ȱwiederȱimȱStilȱderȱzweimalȱvierȱ Fünfer,ȱ dasȱ manȱ nachȱ traditionellerȱ Definitionȱ alsȱ Klagepsalmȱ oderȱ Klagegebetȱansprechenȱkann.ȱEsȱsprichtȱvonȱeinerȱdurchȱeineȱVielzahlȱ vonȱ Feindenȱ verursachten,ȱ bedrängendenȱ Notlage.ȱ Esȱ istȱ demnachȱ alsȱ Gebetȱ inȱ derȱ Notsituationȱ entstanden.ȱ Dieȱ kunstvolleȱ Gestaltungȱ desȱ Gebetsȱ–ȱesȱistȱinȱgewissemȱSinneȱeinȱakrostichischerȱText:ȱfünfȱderȱachtȱ Zeilenȱ beginnenȱ mitȱ einemȱ Jodȱ–ȱ kannȱ nichtȱ darüberȱ hinwegtäuschen,ȱ dassȱesȱsichȱursprünglichȱumȱeinenȱHilferufȱhandelt,ȱwieȱV.ȱ2ȱsagt,ȱumȱ einenȱ„Gebetsschrei“ȱ(\W>ZY),ȱdenȱderȱBeterȱ–ȱwasȱmanȱauchȱbeiȱandeȬ renȱ Klageliedernȱ annehmenȱ mussȱ –ȱ nachträglichȱ inȱ gesetztenȱ Wortenȱ zuȱPapyrusȱgebrachtȱhat.ȱȱ Undȱ nunȱ istȱ imȱ hohemȱ Maßeȱ bedeutsam,ȱ dassȱ justȱ dieserȱ Textȱ (40,14–18)ȱalsȱPsȱ70ȱimȱzweitenȱDavidȬPsalterȱselbständigȱundȱalsȱZitatȱ zumȱTeilȱinȱPsȱ35ȱ(4–6.25–27)ȱimȱerstenȱDavidȬPsalterȱwiederȱbegegnet.ȱ Manȱdarfȱannehmen,ȱdassȱdasȱeineȱFolgeȱderȱdemȱHeiligtum,ȱalsoȱdochȱ wohlȱdemȱTempelȱinȱJerusalem,ȱdediziertenȱTextgabeȱdarstellt.ȱ Unterȱ derȱ Voraussetzung,ȱ dassȱ dieseȱ Annahmenȱ zutreffen,ȱ habenȱ wirȱesȱdabeiȱmitȱverschiedenenȱFormenȱvonȱschriftlichenȱTextenȱzuȱtun:ȱ 1.ȱ EinemȱschriftlichȱaufȱeinemȱrelativȱkostbarenȱPapyrusȱoderȱPergaȬ mentȱ verfasstenȱ Text,ȱ derȱ aufȱ einȱ Klagegebetȱ zurückgeht,ȱ dasȱ derȱ Psalmistȱzitierend,ȱvorȱallemȱwohlȱauchȱstilisierendȱniedergeschrieȬ benȱ hat.ȱ Manȱ wirdȱ sichȱ vorstellenȱ dürfen:ȱ inȱ Schönschrift,ȱ alsȱ VoȬ tivgabeȱgedacht.ȱDabeiȱmagȱdieȱfastȱdurchgehendeȱJodȬAkrostichieȱ eineȱstichischeȱSchreibungȱnachȱVersenȱanzeigen;ȱauchȱdieȱWiederȬ verwendungȱinȱPsȱ70ȱundȱ35ȱnehmenȱdieseȱauf.ȱWichtigȱistȱnatürȬ lichȱ auchȱ derȱ QinaȬStil,ȱ vonȱ anderenȱ Reimformenȱ undȱ denȱ versȬ übergreifendenȱParallelismenȱganzȱzuȱschweigen.ȱEineȱVorstellungȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 2ȱ 3ȱ

G.ȱ Bornkamm,ȱ Lobpreis,ȱ Bekenntnisȱ undȱ Opfer,ȱ in:ȱ FSȱ E.ȱ Haenchen,ȱ 1964,ȱ 46–63ȱȱ (=ȱGeschichteȱundȱGlaubeȱI,ȱ1968,ȱ122–139).ȱ SoȱLXXȱundȱHebrȱ10:ȱSHULHMPRX .ȱ

262ȱ

17.ȱMnemotechnikȱinȱdenȱPsalmenȱ

vonȱ solchenȱ Textniederschriftenȱ gebenȱ dieȱ z.ȱT.ȱ inȱ stichischerȱ AnȬ ordnungȱgeschriebenenȱHandschriftenȱausȱQumran.4ȱ 2.ȱ Einemȱ fürȱ denȱ öffentlichenȱ Vortragȱ verfasstenȱ Textȱ einesȱ „neuenȱ Liedes“ȱ (V.ȱ 6–12),ȱ siebenȱ inȱ einheitlichemȱ Metrumȱ 4+4ȱ gestaltetenȱ Langversen,ȱ demȱ dieȱ mitgebrachteȱ Rolleȱ dannȱ wohlȱ alsȱ eineȱ Artȱ „attachment“ȱzugefügtȱwar.ȱ 3.ȱ Einemȱ einleitendenȱ Textȱ alsȱ Vorlageȱ fürȱ einȱ einleitendesȱ mündȬ lichesȱVorwort,ȱ dessenȱfesteȱ Formȱauchȱ aufȱ schriftlicheȱ Abfassungȱ hindeutet.ȱ 4.ȱ Einemȱ ausȱ diesenȱ Vorgabenȱ undȱ Einzelteilenȱ komponierten,ȱ dochȱ wohlȱ vomȱ Psalmistenȱ oderȱ einemȱ Bearbeiterȱ zusammengestelltenȱ (zusammengehefteten)ȱ Gesamttext,ȱ derȱ dannȱ irgendwannȱ einmalȱ aufȱeineȱeigeneȱSchriftrolleȱüberschriebenȱwurdeȱ–ȱundȱdannȱspäterȱ mitȱeinemȱÜberschriftenvermerkȱversehenȱwurde.ȱ Derȱmündlichȱvorgetragene,ȱinȱseinerȱGesamtheitȱanlässlichȱderȱDankȬ feierȱ gesprochene,ȱ gesungene,ȱ vorgeleseneȱ undȱ alsȱ Psalmȱ überlieferteȱ Textȱ basiertȱ somitȱ nachweislichȱ vonȱ Beginnȱ anȱ aufȱ schriftlichenȱ VorȬ lagen.ȱ Derȱ garstigeȱ Grabenȱ hinȱ zurȱ originalen,ȱ akustischen,ȱ aktuellenȱ Mündlichkeitȱ istȱ auchȱ hierȱ nichtȱ mehrȱ zuȱ überspringen.ȱ Dieȱ UnterȬ schiedeȱ z.ȱB.ȱ derȱ Gebetsklageȱ undȱ derȱ Votivrolleȱ sindȱ nichtȱ reȬ konstruierbar.ȱNurȱderȱBlickȱhinüberȱistȱdaȱundȱdortȱnochȱmöglich.ȱ ZurückȱzuȱderȱAusgangsfrageȱnachȱderȱMnemotechnik,ȱdemȱBehalȬ tenȱ undȱ Erinnernȱ derȱ Worteȱ desȱ Psalms.ȱ Esȱ lagȱ inȱ derȱ Absichtȱ desȱ Psalmisten,ȱ dassȱ seineȱ Worteȱ nichtȱ wirkungslosȱ bleibenȱ sollten.ȱDankȬ psalmenȱ sindȱ belehrendeȱ Texte.ȱ Dieȱ Frage,ȱ obȱ erȱ bewusstȱ Technikenȱ eingesetztȱhat,ȱumȱdieȱNachhaltigkeitȱeinerȱFixierungȱimȱGedächtnisȱzuȱ bewirkenȱ oderȱ zuȱ fördern,ȱ mussȱ manȱ wohlȱ differenziertȱ beantworten.ȱ DerȱBerichtȱvonȱseinemȱFallȱwarȱtrotzȱsehrȱallgemeinerȱDiktionȱfürȱalleȱ HörerȱderȱSacheȱnachȱwohlȱgutȱzuȱbehalten.ȱVielleichtȱkannteȱmanȱdieȱ UmständeȱseinerȱBedrängnis.ȱDemȱBehaltenȱdienteȱnebenȱdemȱErzählȬ stilȱ wohlȱ auchȱ derȱ emphatischeȱ Makarismus:ȱ „Wohlȱ dem,ȱ derȱ …“ȱ (5),ȱ derȱ Zustimmungȱ zuȱ demȱ Gesagtenȱ verlangte.ȱ Vonȱ demȱ „neuenȱ Lied“ȱ LiedȱwirdȱmanȱwohlȱauchȱÄhnlichesȱsagenȱkönnen.ȱȱ MitȱdemȱmitgebrachtenȱSchriftstückȱverbandȱderȱPsalmistȱwohlȱanȬ dereȱ Absichten.ȱ Sieȱ solltenȱ derȱ Dokumentationȱ einerȱ Gebetserhörungȱ dienenȱundȱwarenȱdarumȱSacheȱdesȱHeiligtumsȱundȱseinerȱArchive,ȱdieȱ solcheȱ Texteȱ offenbarȱ gesammeltȱ hat.ȱ Damitȱ aberȱ beginntȱ eineȱ neueȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 4ȱ

Z.ȱB.ȱ4QPsbȱ ;ȱMasȱPs,ȱdazuȱE.ȱTov,ȱSpecialȱLayoutȱofȱPoeticalȱUnitsȱinȱtheȱTextsȱfromȱ theȱJudeanȱDesert,ȱin:ȱGiveȱearȱtoȱmyȱwords,ȱPsalmsȱandȱotherȱPoetryȱinȱandȱaroundȱ theȱ Hebrewȱ Bible.ȱ Essaysȱ inȱ honourȱ ofȱ Professorȱ N.ȱA.ȱ vanȱ Uchelen,ȱ ed.ȱ byȱ J.ȱ Dyk,ȱ Amsterdamȱ1999,ȱ115–128.ȱ

ȱ

2.ȱMerkmaleȱhebräischerȱPoesieȱ

263ȱ

Geschichte:ȱ dieȱ derȱ schriftlichenȱ Überlieferung,ȱ möglicherweiseȱ desȱ ganzenȱDossiers.ȱȱ Inȱ Psȱ 70ȱ undȱ 35ȱ sehenȱ wirȱ nochȱ Spurenȱ einerȱ erstenȱ WirkungsȬ geschichte.ȱ Dieȱ Wirkungȱ desȱ Vortragsȱ inȱ derȱ großenȱ Gemeindeȱ –ȱ einȬ malȱabgesehenȱvonȱderȱGebetserhörungȱ–ȱistȱnichtȱmessbar.ȱDabeiȱwirdȱ manȱdieȱLehrwirkungȱsolcherȱVorträgeȱausȱindividuellenȱErfahrungenȱ nichtȱ unterschätzen.ȱ Dieȱ eigentlicheȱ Wirkungȱ istȱ feststellbarȱ inȱ derȱ schonȱmehrfachȱerwähntenȱRezeptionȱundȱZitationȱderȱTexteȱinȱandeȬ renȱPsalmenȱ–ȱvonȱHebrȱ10ȱsehenȱwirȱinȱdiesemȱZusammenhangȱab.ȱ Psȱ 70ȱ setztȱ Kenntnisȱ zumindestȱ derȱ Votivrolleȱ voraus.ȱ Einzelneȱ AbweichungenȱimȱTextȱsindȱnichtȱeinheitlichȱerklärbar.ȱAberȱdieȱTextȬ näheȱistȱsoȱgroß,ȱdassȱm.ȱE.ȱnurȱeineȱAbschriftȱinȱFrageȱkommt.ȱAlsoȱhatȱ derȱPsalmistȱvermutlichȱZugangȱzuȱdenȱVotivtextenȱundȱsomitȱzuȱdemȱ Tempelarchivȱ gehabt.ȱNatürlichȱ kannȱallesȱ auchȱ ganzȱ andersȱgewesenȱ sein,ȱ z.ȱB.ȱ persönlicheȱ Bekanntschaft,ȱ Zufallsfund,ȱ HandȬzuȬHandȬ Überlieferung.ȱ Auszuschließenȱ istȱ dochȱ wohlȱ Anwesenheitȱ desȱ PsalȬ mistenȱvonȱ70ȱbeiȱderȱDankfeierȱvonȱPsȱ40,ȱinsofernȱmündlicheȱWeiterȬ gabeȱundȱGedächtnisleistungȱeinesȱOhrenzeugen.ȱDieȱKommunikationȱ lagȱ–ȱhierȱwirdȱmanȱdieȱDavidsammlungenȱimȱPsalterȱinȱBetrachtȱzieȬ henȱ müssenȱ –ȱ aufȱ derȱ offiziellenȱ Ebeneȱ derȱ Archive.ȱ Dieȱ Dubletteȱ beȬ weistȱaber,ȱdassȱderȱZugangȱzuȱdenȱArchivenȱmöglichȱwurde.ȱ Dasȱ giltȱ auchȱ fürȱ denȱ Redaktor,ȱ derȱ einigeȱ Verseȱ ausȱ Psȱ 40ȱ inȱ dieȱ komplizierteȱKompositionȱvonȱPsȱ35ȱkehrversartigȱeingefügtȱhat.ȱErȱhatȱ denȱ Textȱ sehrȱ wahrscheinlichȱ auchȱ ausȱ demȱ Votivrolleȱ oderȱ derȱ GeȬ samtrolleȱvonȱPsȱ40ȱabgeschrieben.ȱDieȱGedächtnisleistungȱbeschränktȱ sichȱ dabeiȱ aufȱ erinnerndeȱ Assoziationen,ȱ dieȱ ihmȱ beimȱ Lesenȱ undȱ BeȬ arbeitenȱältererȱArchivtexteȱkamen.ȱȱ

2.ȱMerkmaleȱhebräischerȱPoesieȱ WasȱtunȱdieȱPsalmdichterȱüberȱdasȱanȱPsȱ40ȱErkennbareȱhinaus,ȱdamitȱ ihreȱTexteȱaufgenommenȱundȱaufbehaltenȱwerden?ȱZuȱnennenȱsindȱdieȱ traditionellenȱ Merkmaleȱ derȱ hebräischenȱ Poesie:ȱ Parallelismusȱ membrorum,ȱMetrum,ȱStrophenstrukturȱetc.ȱManȱwirdȱganzȱallgemeinȱ sagenȱkönnen,ȱdassȱsieȱzumindestȱdieȱNebenfunktionȱhaben,ȱHaftȬȱundȱ Hilfsmittelȱ fürȱ dasȱ Gedächtnisȱ zuȱ sein.ȱ Alleȱ Artenȱ vonȱ regelmäßigerȱ Wiederholungȱ tragenȱ zurȱ Vertrautheitȱ mitȱ einemȱ Textȱ undȱ zurȱ Behältlichkeitȱ bei:ȱ Derȱ synonymeȱ Parallelismusȱ lenktȱ dieȱ Gedankenȱ inȱ dieselbeȱRichtung,ȱderȱantithetischeȱinȱdieȱGegenrichtung.ȱBeideȱmaniȬ pulierenȱ dabeiȱ dasȱ Gedächtnis.ȱ Dasȱ Metrumȱ gibtȱ einenȱ bestimmtenȱ Rhythmusȱ vor,ȱ derȱ wieȱ einȱ Geländerȱ wirkt,ȱ anȱ demȱ sichȱ dieȱ WiederȬ

264ȱ

17.ȱMnemotechnikȱinȱdenȱPsalmenȱ

gabeȱ festhaltenȱ kann.ȱ DieȱStrophenstrukturȱ istȱ einȱ festerȱ Textplan,ȱ derȱ eineȱRahmenordnungȱschafft.ȱ Dieȱ Psalmdichterȱ richtenȱ sichȱ fastȱ ausnahmslosȱ nachȱ diesenȱ poetiȬ schenȱ Grundsätzen.ȱSieȱ schaffenȱ darausȱ jeweilsȱ eineȱ individuellȱ strukȬ turierteȱDichtung.ȱȱ Nehmenȱwirȱz.ȱB.ȱdieȱhymnischenȱDichtungen,ȱetwaȱvonȱPsȱ45;ȱ46;ȱ 47;ȱ 104ȱ u.ȱä.ȱSieȱ sindȱ vonȱVornhereinȱ oderȱ schonȱ frühȱ durchȱ dieȱÜberȬ schriftenȱalsȱ„Lieder“ȱgekennzeichnetȱworden.ȱDerȱGesangsvortragȱgaltȱ naturgemäßȱzunächstȱderȱPremiere,ȱderȱerstmaligenȱDarbietung.ȱAlso:ȱ derȱHochzeitȱdesȱKönigsȱ(Psȱ45)ȱundȱanderenȱfestlichenȱGelegenheitenȱ (z.ȱB.ȱPsȱ46;ȱ47ȱThronbesteigungsfest).ȱȱ DabeiȱhelfenȱdieȱfestenȱmetrischenȱVersformen,ȱvielleichtȱauchȱeineȱ Melodie,ȱderȱDarbietung.ȱ BeiȱweisheitlichenȱTextenȱhelfenȱsowohlȱdasȱgleichmäßigeȱMaschalȬ MetrumȱalsȱauchȱderȱParallelismusȱmembrorumȱdemȱGedächtnis.ȱLetzȬ tererȱ vorȱ allemȱ inȱ Formȱ desȱ antithetischenȱ Parallelismus,ȱ demȱ –ȱ nachȱ demȱVorbildȱderȱProverbiaȱ–ȱoffenbarȱeineȱpädagogischeȱFunktionȱeigȬ net.ȱ Wahrscheinlichȱ konnteȱ dieserȱ sichȱ fürȱ dasȱ Festhaltenȱ vonȱ Versenȱ günstigȱauswirken.ȱȱ WichtigerȱnochȱistȱdieȱWahlȱderȱstrophischenȱStrukturschemata.ȱSieȱ istȱamȱbestenȱbeiȱdenȱKehrversgedichtenȱnachzuweisen.ȱSieȱspieltȱaberȱ –ȱsoweitȱichȱseheȱ–ȱnichtȱnurȱbeiȱpsalmischenȱLiedformen,ȱsondernȱbeiȱ sehrȱvielenȱPsalmtexten,ȱvorȱallemȱauchȱGebetstextenȱeineȱdominierenȬ deȱRolle.ȱSchonȱdieȱZahlenȱzeigenȱdiesȱan.ȱZehnȱStrophenȱinȱPsȱ45;ȱdreiȱ inȱ Psȱ 46;ȱ zwölfȱ inȱ Psȱ 104ȱ usw.ȱ Vermutlichȱ hängtȱ dasȱ mitȱ demȱ Gesangȱ zusammenȱ undȱ istȱ abhängigȱ vonȱ bestimmtenȱ Tonsequenzenȱ desȱ VorȬ tragsȱ (vonȱ Melodienȱ zuȱ sprechen,ȱ istȱ fastȱ etwasȱ riskant).ȱ Überȱ dieȱ Psalmenmusikȱwissenȱwirȱnurȱwenig,ȱzuȱwenig,ȱumȱsichȱeineȱVorstelȬ lungȱ machenȱ zuȱ können,ȱ wieȱ dieȱ Texteȱ vorgetragenȱ wordenȱ sindȱ undȱ dieȱ Musikȱ geklungenȱ hat.ȱ Dieȱ Nennungȱ vonȱ Instrumentenȱ undȱ dieȱ AngabenȱinȱdenȱÜberschriftenȱreichenȱdazuȱnichtȱaus.ȱModerneȱVersuȬ cheȱsindȱinteressant,ȱdochȱreinȱspekulativ.ȱ InȱletzterȱZeitȱhabeȱichȱmichȱmitȱdemȱSprachklangȱeinigerȱPsalmtexȬ teȱ beschäftigt,ȱ umȱ aufȱ diesemȱ Wegeȱ vielleichtȱ eineȱ Ahnungȱ vonȱ derȱ verlorenenȱakustischenȱSeiteȱderȱTexteȱzuȱgewinnen.ȱȱ DazuȱalsȱParadigmaȱPsȱ44.ȱȱ

ȱ

3.ȱKlangformen,ȱReime,ȱStrophenbauȱ

265ȱ

3.ȱKlangformen,ȱReime,ȱStrophenbauȱ Wasȱmirȱu.ȱa.ȱbeiȱPsȱ44ȱ–ȱdemȱneuenȱParadigma5ȱ–ȱauffiel,ȱwarȱvorȱalȬ lem,ȱ dassȱ esȱ charakteristischeȱ Sprachklängeȱ gibt,ȱ dieȱ trotzȱ masoretischerȱ Vereinheitlichungȱ nochȱ hörbarȱ zuȱ seinȱ scheinen,ȱ getraȬ genȱ vonȱ konsonantischenȱ undȱ vokalischenȱ Leitklängenȱ wieȱ z.ȱB.ȱ Akrostichien,ȱ Assonanzen,ȱ Alliterismen,ȱ Reimfolgen,ȱ auchȱ KlangpauȬ senȱ etc.ȱ Wichtigȱ ist,ȱ dassȱ dieseȱ Klängeȱ meistȱ derȱ Strophengliederungȱ folgen.ȱ Dasȱ würdeȱ dafürȱ sprechen,ȱ dassȱ derȱ Vortragȱ derȱ Strophenȱ jeȱ charakteristisch,ȱd.ȱh.ȱinȱNuancenȱundȱVariationenȱverschiedenȱwar.ȱȱ DieȱauffälligsteȱlautlicheȱErscheinungȱinȱPsȱ44ȱistȱohneȱallenȱZweifelȱ dasȱüberausȱhäufigeȱVorkommenȱderȱSilbeȱȬnu.ȱManȱzähltȱ38Ȭmalȱinȱ27ȱ Versen.ȱEsȱliegtȱnahe,ȱinȱdiesemȱPhonemȱeineȱAbkürzungȱdesȱPersonalȬ pronomensȱ ZQMQDZQMQȱ (anachnu/nachnu) „wir,ȱ uns“ȱ zuȱ sehen.ȱ Esȱ kannȱ nichtȱandersȱsein,ȱalsȱdassȱdasȱbeimȱVortragȱdesȱTextesȱinsȱOhrȱfiel.ȱWieȱ einȱ charakteristischerȱ Akkordȱ ostinatȱ wiederholt,ȱ ziehtȱ sichȱ dieseȱ Klangsilbeȱ durchȱ denȱ ganzenȱ kollektivenȱ Klagepsalm.6ȱ Andersȱ ausgeȬ drückt:ȱ Esȱ istȱ dieserȱ litaneiartigȱ wiederholteȱ Klageton,ȱ derȱ demȱ Liedȱ seinenȱbesonderenȱCharakterȱverleiht.ȱMitȱderȱAbbreviaturȱdiesesȱKlaȬ getonsȱ erinnertȱ dieȱ singendeȱ Gemeindeȱ stetigȱ anȱ sichȱ undȱ ihrenȱ deplorablenȱZustand,ȱohneȱdassȱsieȱdamitȱimmerȱwiederȱneuȱmitȱWorȬ tenȱzuȱschildernȱhat,ȱwieȱesȱumȱsieȱsteht.ȱȱ ImȱAllgemeinenȱverwendenȱdieȱPsalmgebeteȱlitaneiartigȱinȱderȱAnȬ rufungȱ denȱ Gottesnamenȱ oderȱ eineȱ entsprechendeȱ Anrede.ȱ Soȱ gibtȱ esȱ mancheȱ Texte,ȱ dieȱ zeilenweiseȱ einȱ JHWHȱ enthalten.7ȱ Beiȱ Psȱ 44ȱ istȱ esȱ anders.ȱHierȱbringtȱsichȱdieȱbetendeȱGemeindeȱmitȱdemȱdurchgängigenȱ Wirȱ inȱ Erinnerung.8ȱ Undȱ insgesamtȱ passtȱ dasȱ nichtȱ schlechtȱ zuȱ einemȱ Text,ȱinȱwelchemȱeineȱGemeindeȱbetont,ȱdassȱsieȱihrenȱGottȱnichtȱverȬ gessenȱ hatȱ (V.ȱ 18)ȱ undȱ sichȱ beklagenȱ muss,ȱ dassȱ erȱ seinerseitsȱ ihrȱ „ElendȱundȱDrangsal“ȱvergessenȱzuȱhabenȱscheintȱ(V.ȱ25).ȱȱ Nichtȱ uninteressantȱ istȱ nunȱ dieȱ Streuungȱ desȱ Leitklangsȱ imȱ Text.ȱ Nachdemȱ erȱbereitsȱ inȱ derȱ Eröffnungȱ vonȱ V.ȱ 2ȱ4Ȭmalȱ begegnetȱ undȱ soȱ rechtȱdasȱLeitmotivȱgleichȱzuȱBeginnȱanschlägt,ȱfindetȱsichȱderȱnächsteȱ Belegȱ erstȱ inȱ V.ȱ 6.ȱ Undȱ vonȱ daȱ anȱ begegnetȱ erȱ ziemlichȱ gleichmäßigȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 5ȱ 6ȱ 7ȱ 8ȱ

DieȱGrundgedankenȱzuȱdiesemȱParadigmaȱsindȱweiterȱausgeführtȱundȱbegründetȱinȱ meinemȱArtikel:ȱKlangformenȱimȱ44.ȱPsalm,ȱFSȱfürȱTh.ȱWilli,ȱ2007.ȱ Vgl.ȱauchȱdieȱBeobachtungenȱdazuȱvonȱB.ȱWeber,ȱWerkbuchȱPsalmenȱI,ȱDieȱPsalmenȱ 1ȱbisȱ72,ȱStuttgartȱ2001,ȱ205ȱf.ȱ AlsȱextremesȱBeispielȱetwaȱPsȱ118.ȱ DieȱIchȬStellenȱ(V.ȱ5.16)ȱbedürfenȱnatürlichȱderȱErklärung.ȱ

266ȱ

17.ȱMnemotechnikȱinȱdenȱPsalmenȱ

meistȱ 2Ȭmalȱ inȱ einerȱ Zeile,ȱ häufigȱ aufȱ dieȱ beidenȱ Parallelhälftenȱ verȬ teilt.9ȱȱ ManȱkönnteȱvonȱeinemȱPsalmtonȱsprechen.ȱ AuffälligȱistȱaberȱdannȱauchȱdasȱPhänomenȱderȱAkrostichie.ȱDieȱAkȬ rostichieȱ istȱ nichtȱ nurȱ eineȱ graphischeȱ Erscheinung,ȱ obwohlȱ sieȱ unsȱ zunächstȱalsȱsolcheȱbesondersȱinsȱAugeȱ(!)ȱfällt.10ȱSoȱistȱesȱauchȱbeiȱPsȱ 44.ȱInsȱAugeȱfällt,ȱdassȱdieȱZeilenȱV.ȱ11–15ȱjeweilsȱmitȱeinemȱ W/t beginȬ nen.11ȱ Einȱ typischesȱ Beispielȱ fürȱ Akrostichie.ȱ Dassȱ vierȱ vonȱ denȱ fünfȱ AnfängenȱzugleichȱmitȱderȱWirȬSilbeȱȬnuȱverbundenȱsind,ȱlässtȱdieȱFraȬ geȱ aufkommen,ȱ obȱ nichtȱ auchȱ dieseȱ Erscheinungȱ eineȱ lautlicheȱ undȱ dannȱ semantischeȱ Bedeutungȱ hat.ȱ W/tȱ istȱ sicherȱ einȱ deutlichȱ hörbarerȱ Konsonant.ȱ Undȱ erȱ stehtȱ ohneȱ Zweifelȱ fürȱ dieȱ 2.ȱ Personȱ maskulinumȱ (KWD)ȱ undȱ eröffnetȱ soȱ zumindestȱ inȱ derȱ verbalenȱ Suffixformȱ eineȱ BeȬ ziehungȱ zwischenȱ Duȱ undȱ Wir.ȱ Kommtȱ dazu,ȱ dassȱ dieȱ Verseȱ 11–15ȱ (zusammenȱ mitȱ V.ȱ 10)ȱ sachlichȱ alsȱ vorwurfsvolleȱ Klageȱ zusammenȬ gehörenȱ undȱ eineȱ Artȱ Stropheȱ bilden.ȱ Findenȱ sichȱ nunȱ inȱ demȱ PsalmgedichtȱnochȱandereȱlautlicheȱErscheinungenȱdieserȱArt?ȱ BeiȱgenaueremȱZusehenȱistȱdieseȱFrageȱzuȱbejahen.ȱEsȱhandeltȱsichȱ aberȱ nichtȱ umȱ deutlichȱ graphischȱ abgehobeneȱ akrostichische,ȱ sondernȱ umȱ„vokalische“,ȱd.ȱh.ȱreinȱlautlicheȱPhänomene.ȱ Dieȱ Verseȱ 24–27ȱ amȱ Endeȱ desȱ Psalmsȱ gehörenȱ alsȱ flehentlicheȱ GeȬ betsaussagenȱ zusammen.ȱ Graphischȱ zeigenȱ sieȱ amȱ Beginnȱ nichtsȱ AufȬ fallendes,ȱ jedochȱ phonisch.ȱ Alleȱ Zeilenȱ beginnenȱ nämlichȱ mitȱ einemȱ Wortȱ mitȱ jeweilsȱ einerȱ aȬEndung,ȱ welcheȱ dieȱ Masoretenȱ bewusstȱ alsȱ unbetontȱpunktiertȱhaben.12ȱDasȱlangeȱaȱwarȱbeimȱVortragȱgewissȱhörȬ barȱ–ȱdasȱbezeugenȱdieȱbeidenȱAdhortativformenȱinȱV.ȱ24ȱundȱV.ȱ27ȱ–ȱ undȱbandȱdieȱZeilenȱaneinander.ȱ Dieȱ Verseȱ 2–4ȱ bietenȱ inȱ derȱ erstenȱ Silbeȱ ihrerȱ Zeilenȱ ebenfallsȱ eineȱ signifikanteȱ Besonderheit.ȱ Sieȱ beginnenȱ –ȱ zumindestȱ cumȱ granoȱ salisȱ (oderȱ mehr?)ȱ –ȱ mitȱ einemȱ oȬVokal.ȱ Manȱ mussȱ dannȱ allerdingsȱ beiȱ \KODȱinȱV.ȱ2ȱdieȱschwacheȱAuftaktsilbeȱvernachlässigen,ȱwasȱlautlichȱ wohlȱkeineȱgroßenȱProblemeȱmacht.ȱAuchȱdasȱ \NȱinȱV.ȱ4ȱmussȱ–ȱwieȱinȱ V.ȱ26ȱu.ȱa.ȱ–ȱalsȱprosaischerȱZusatzȱangesehenȱwerden.ȱSchwierigerȱwirdȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 9ȱ

SoȱinȱV.ȱ6.8.10.11.12.18.19.20.21.23.26.27;ȱeinseitigesȱDoppelvorkommenȱinȱV.ȱ25ȱundȱ DreiervorkommenȱinȱV.ȱ8.14.18.21.ȱ 10ȱ K.ȱSeybold,ȱAkrostichieȱimȱPsalter,ȱin:ȱAlttestamentlicheȱForschungȱinȱderȱSchweiz,ȱ FestheftȱIOSOTȱ17,ȱThZȱ57,ȱBaselȱ2001,ȱ172–183.ȱ 11ȱ 5Ȭmal.ȱNichtȱganzȱsoȱauffälligȱ\N/kiȱinȱV.ȱ4.5/7.8.ȱ 12ȱ Manȱwirdȱkonzedierenȱmüssen,ȱdassȱdasȱ KPOȱinȱV.ȱ24ȱundȱdasȱ \NȱamȱBeginnȱvonȱV.ȱ 26ȱnichtȱzurȱpoetischenȱOriginalformȱgehörtȱhaben.ȱIndesȱfolgtȱinȱV.ȱ25.26.27ȱ(24)ȱanȱ zweiterȱ Stelleȱ jeweilsȱ einȱ Wortȱ mitȱ langemȱ (unbetontenȱ undȱ auchȱ betonten)ȱ a.ȱ Zuȱ KWU]>ȱmitȱunbetonterȱaȬEndungȱvgl.ȱdieȱähnlicheȱKonstruktionȱinȱPsȱ60,13ȱ(par.).ȱ

ȱ

3.ȱKlangformen,ȱReime,ȱStrophenbauȱ

267ȱ

esȱ beiȱ V.ȱ 4b.ȱ Hierȱ kommtȱ man,ȱ willȱ manȱ konsequentȱ sein,ȱ umȱ eineȱ literarkritischeȱ Operationȱ nichtȱ herum.ȱ Dochȱ inȱ jedemȱ Fallȱ findetȱ sichȱ einȱ AnfangsȬoȱ wieȱ inȱV.ȱ4aȱ inȱ derȱ zweitenȱ Hälfteȱ derȱ Zeile.ȱ Esȱ istȱ eineȱ FrageȱdesȱErmessens,ȱobȱmanȱdieseȱnachgestellteȱoȬSilbeȱpoetischȱanerȬ kennenȱ oderȱ dochȱ vielleichtȱ eineȱ Umstellungȱ derȱ Zeilenhälftenȱ vorȬ schlagenȱ will.ȱ Beidesȱ erscheintȱ mir,ȱ Letzteresȱ etwaȱ imȱ Blickȱ aufȱ denȱ überliefertenȱTextzustandȱderȱPsalmenȱüberhaupt,ȱtolerabelȱzuȱsein.ȱInȱ jedemȱFallȱbildenȱV.ȱ2–4ȱeineȱklanglichȱgebundeneȱZeilenfolge.13ȱ InȱV.ȱ18–23ȱscheintȱderȱZeilenanfangȱnichtȱsoȱklarȱmarkiertȱzuȱseinȱ wieȱinȱdenȱbisherigenȱZeilenfolgen.ȱDochȱkannȱmanȱallenfallsȱvermerȬ ken,ȱ dassȱ einȱ O/lȱ inȱ 4ȱ derȱ 6ȱ oderȱ 5ȱ Zeilen14ȱ imȱ erstenȱ Wortȱ begegnet.ȱ Willȱ manȱ angesichtsȱ desȱ inȱ diesenȱ Versenȱ vorherrschendenȱ Redestilsȱ derȱAbrenuntiationȱ–ȱalsoȱderȱemphatischenȱAbsageȱundȱVerneinungȱ–ȱ nochȱ weiterȱ gehen,ȱ könnteȱ manȱ vermuten,ȱ dassȱ inȱ diesemȱ Teilȱ desȱ Psalmsȱ amȱ Anfangȱ ursprünglichȱ dasȱ jaȱ auchȱ einigeȱ Maleȱ inȱ V.ȱ 18ȱff.ȱ nochȱbezeugteȱDOȱo.ȱä.15ȱgestandenȱhat.ȱȱ Wasȱ aberȱ istȱ mitȱ denȱ restlichenȱ Zeilenȱ inȱ V.ȱ 5–9?ȱ Lassenȱ wirȱ V.ȱ 5ȱ einmalȱweg,ȱergibtȱsichȱinȱV.ȱ6–9ȱimȱjetzigenȱKontextȱamȱZeilenanfangȱ zweimalȱ einȱ Eȱ undȱ zweimalȱ einȱ \N,ȱ ersteresȱ mitȱ Inklusion.ȱ Dasȱ istȱ jeȬ dochȱ imȱ Kontextȱ derȱ übrigenȱ Zeilenanfängeȱ keineȱ sehrȱ überzeugendeȱ Akrostichie.ȱDeshalbȱistȱeineȱandereȱLösungȱwahrscheinlicher.ȱMöglichȱ wäreȱ nämlich,ȱ E/bȱ alsȱ Leitkonsonantenȱ anzunehmen:ȱ Inȱ V.ȱ 7ȱ begegnetȱ erȱ allerdingsȱ auchȱ beiȱ Wegfallȱ desȱ \Nȱ dannȱ nachȱ DOȱ erstȱ imȱ zweitenȱ Wort;ȱ V.ȱ 8,ȱ derȱ mitȱ seinenȱ Perfektenȱ ohnehinȱ Schwierigkeitenȱ bereitetȱ undȱzuȱV.ȱ2ȱff.ȱgehört,ȱwahrscheinlichȱeinȱspätererȱZusatz.16ȱ NunȱfehlenȱnurȱnochȱdieȱVerseȱ6,ȱ16ȱundȱ17,ȱdieȱschwerȱinȱdiesemȱ Rahmenȱ unterzubringenȱ sind.ȱ Fürȱ V.ȱ 6ȱ wirdȱ eineȱ möglicheȱ Lösungȱ sichtbar,ȱwennȱmanȱihnȱ–ȱauchȱausȱanderenȱGründenȱ–ȱzuȱV.ȱ24ȱff.ȱhinȬ zunimmt.ȱ Dannȱ müssteȱ manȱ allerdingsȱ dasȱ KWDȱ auchȱ –ȱ mitȱ masoretischerȱ Unterstützung17ȱ –ȱ imȱ Ganzenȱ undȱ damitȱ auchȱ inȱ derȱ zweitenȱ Silbeȱ alsȱ unbetontȱ lesen.ȱ V.ȱ 16ȱf.ȱ fallenȱ zwarȱ nichtȱ ausȱ demȱ rhythmischenȱ Schema,ȱ jedochȱ ausȱ derȱ akrostichischenȱ Folgeȱ heraus.ȱ InhaltlichȱbietenȱsieȱnichtȱvielȱNeues.ȱSieȱsindȱoffenbarȱauchȱerstȱnachȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 13ȱ Sachlichȱ bedingtȱ dominiertȱ inȱ diesenȱ Zeilenȱ –ȱ mitȱ Ausnahmeȱ derȱ Eingangszeileȱ –ȱ nichtȱdasȱSuffixȱderȱ1.ȱP.ȱpl.ȱȬnu,ȱsondernȱdasȱderȱ3.ȱP.ȱpl.ȱm.ȱȬmȱ(7Ȭmal).ȱ 14ȱ Manȱkannȱdavonȱausgehen,ȱdassȱV.ȱ20ȱ(ohneȱl)ȱnichtȱzumȱursprünglichenȱPsalmtextȱ gehörtȱhat.ȱVgl.ȱdieȱKommentare.ȱ 15ȱ Vgl.ȱV.ȱ18ȱ(2Ȭmal),ȱinȱV.ȱ21ȱstattȱ Dȱ (möglicherweiseȱ DDO)ȱundȱinȱV.ȱ23ȱwieȱV.ȱ22ȱ dieȱFrageformȱDOK.ȱ 16ȱ Vgl.ȱauchȱu.ȱAnm.ȱ19.ȱ 17ȱ Dieȱ Masoretenȱ legenȱ aufȱ dasȱ folgendeȱ DZKȱ denȱ Ton,ȱ wodurchȱ KWDȱ unbetontȱ erȬ scheint.ȱ

268ȱ

17.ȱMnemotechnikȱinȱdenȱPsalmenȱ

träglichȱ eingesetztȱ worden,ȱ wobeiȱ Psȱ 8,3ȱ eineȱ gewisseȱ Rolleȱ gespieltȱ habenȱwird.ȱ Psȱ44ȱistȱeinȱLiedȱfürȱoderȱvonȱeinerȱGemeinde.ȱObȱesȱnunȱimȱChorȱ oderȱsolistischȱvorgetragenȱwurdeȱoderȱwerdenȱsollte,ȱdieȱKlangformenȱ sindȱ –ȱ anstelleȱ einerȱ Melodieȱ –ȱ wohlȱ fürȱ dasȱ Behaltenȱ desȱ Wortlautsȱ undȱgemeinsameȱSprechenȱdesȱTextesȱvonȱeinigerȱBedeutungȱgewesen.ȱ Vielȱ mehrȱ indesȱ kannȱ manȱ diesemȱ Paradigmaȱ aberȱ fürȱ unsereȱ Frageȱ wohlȱnichtȱentnehmen.ȱ

4.ȱStrukturelleȱGedächtnisstützenȱ Dieȱ Verwendungȱ strukturellȱ eigentümlicherȱ Textformenȱ alsȱ GedächtȬ nisstützeȱ istȱ anzunehmen.ȱ Dochȱ istȱ dasȱ nichtȱ dieȱ ersteȱ undȱ wichtigsteȱ FunktionȱbestimmterȱBauformen.ȱNehmenȱwirȱdieȱLitaneiform,ȱalsoȱdieȱ monotoneȱ Wiederholungȱ bestimmterȱ Elementeȱ meistȱ vomȱ Anfangȱ eiȬ nesȱ Textes.ȱ Ganzȱ allgemeinȱ kannȱ manȱ feststellen,ȱ dass,ȱ wieȱ alleȱ Artenȱ vonȱWiederholung,ȱauchȱdieseȱFormȱdieȱAnstrengungenȱdesȱGedächtȬ nissesȱerleichtert,ȱwennȱsieȱdennȱgefordertȱseinȱsollten.ȱDennȱauchȱLitaȬ neienȱ habenȱ eineȱ graphischeȱ Funktion,ȱ dieȱ Texteȱ inȱ schriftlicherȱ Formȱ ordnet.ȱ Nehmenȱ wirȱ alsȱ Beispielȱ etwaȱ dieȱ rekonstruierteȱ Urformȱ vonȱ Psȱ29,ȱ derenȱ siebenȱ Zeilenȱ jeweilsȱ mitȱ einemȱ KZK\OZTȱ beginnen.ȱ Dieȱ siebenfachȱ gesetzteȱ Konstanteȱ gibtȱ demȱ Textȱ einȱ festesȱ Gerüst.ȱ Zwarȱ sindȱdieȱZeilenȱjeweilsȱdannȱabgewandelt.ȱDochȱdieȱWiederholungȱderȱ Anfänge,ȱdieȱüberschaubareȱSiebenzahlȱundȱwohlȱauchȱderȱinhaltlicheȱ FortschrittȱerhöhenȱbeiȱHörerȱwieȱLeserȱdieȱEmpfänglichkeit.ȱDasȱmarȬ kanteȱSprachgebildeȱprägtȱsichȱein.ȱEinȱVortragȱkannȱsichȱanȱdenȱKanȬ tenȱfesthalten.ȱȱ Ähnlichȱzuȱbeurteilenȱsindȱm.ȱE.ȱpsalmischeȱTextformen,ȱdieȱstrukȬ turellȱ assoziativȱ anȱ bestimmteȱ Figurenȱ erinnern.ȱ Solcheȱ imaginärenȱ Figuren,ȱ imȱ Sinnȱ behalten,ȱ könnenȱ einenȱ potentiellenȱ Vortragȱ lenkenȱ gleichwieȱ dieȱ rhythmischenȱ undȱ akustischenȱ Sequenzenȱ derȱ Melodienȱ undȱReime.ȱȱ EinȱauffälligesȱBeispielȱscheintȱPsȱ13ȱzuȱsein.ȱWieȱbekannt,ȱhatȱderȱ TextȱdieȱFormȱeinerȱsichȱvonȱuntenȱaufbauendenȱPyramideȱoderȱbesserȱ einesȱ Stufenturms,ȱ einerȱ Ziqqurrat.ȱ Dieȱ Basisȱ bildenȱ fünfȱ fünfteiligeȱ KQDG>ȬSätzeȱ –ȱ mitȱ einerȱ Verluststelleȱ imȱ drittenȱ Satzȱ (V.ȱ 3a).ȱ Dannȱ folgenȱ vierȱ vierteiligeȱ Sätzeȱ oderȱ Kola.ȱ Dannȱ –ȱ allerdingsȱ nurȱ zweiȱ –ȱ dreiteiligeȱ Kola.ȱ Amȱ Endeȱ schließlichȱ zweiȱ zweiteiligeȱ (ohneȱ \N),ȱ dieȱ einenȱdankendenȱLobgesangȱankündigen.ȱTrotzȱallerȱAbstriche:ȱZufälȬ ligȱentstehtȱeineȱsolcheȱFormȱnicht.ȱSieȱentsprichtȱderȱAbsichtȱdesȱPsalȬ misten,ȱseinemȱGebetȱzusätzlichȱeineȱvielsagendeȱFormȱzuȱgeben,ȱmagȱ

ȱ

5.ȱStichwörterȱ

269ȱ

manȱ sieȱ Stufenturmȱ oderȱ Aufstiegȱ ausȱ derȱ Tiefeȱ oderȱ Erhebungȱ derȱ StimmeȱoderȱVeränderungȱdesȱTonfallsȱnennen.ȱDieȱMetaphernȱzeigenȱ an,ȱ dassȱ inȱ dasȱ Textgebildeȱ einȱ Gerüstȱ eingezogenȱ ist,ȱ dasȱ ihmȱ eineȱ charakteristischeȱ Gestaltȱ verleiht.ȱ Esȱ istȱ sehrȱ wahrscheinlich,ȱ dassȱ einȱ denkbarerȱVortragȱalsȱSprechgesangȱoderȱLiedȱ–ȱdieȱÜberschriftȱsprichtȱ vonȱUZP]Pȱ–ȱdurchȱdieseȱFormȱgeprägtȱundȱerleichtertȱwird.ȱȱ AlsȱeinȱzweitesȱBeispielȱistȱPsȱ57,8–12ȱparallelȱzuȱPsȱ108,2–6ȱzuȱnenȬ nen.ȱ Dabeiȱ lassenȱ wirȱ dieȱ Frageȱ beiseite,ȱ obȱ dieȱ Dubletteȱ aufȱ schriftȬ licherȱoderȱmündlicherȱBasisȱentstandenȱistȱ(DieȱKompositionȱderȱTexteȱ undȱihreȱBeziehungȱzuȱPsȱ60ȱlässtȱeherȱanȱdieȱschriftlicheȱVerwendungȱ denken).ȱBeiȱPsȱ57ȱliegtȱgegenüberȱPsȱ13ȱeineȱumgekehrteȱStrukturȱvor.ȱ Erȱ beginntȱ mitȱ zweiȱ Wörternȱ anȱ derȱ Spitze.ȱ Dannȱ folgenȱ Zeilenȱ mitȱ drei,ȱvier,ȱfünf,ȱsechs,ȱsieben,ȱachtȱWörternȱ–ȱinȱV.ȱ8ȱundȱ9ȱmasoretischȱ nichtȱberücksichtigt,ȱjedochȱinȱV.ȱ10–12.ȱDieȱBHKȱundȱBHSȱstelltenȱdieȱ stichischeȱSchreibweiseȱwiederȱherȱ(wieȱbeiȱPsȱ13).ȱWelchesȱistȱdieȱpoȬ etischeȱ Vorstellung,ȱ dieȱ denȱ Sprachduktusȱ lenkt?ȱ Wohlȱ nichtȱ soȱ sehrȱ dieȱ naheȱ liegendeȱ architektonischeȱ einesȱ Stufenturmsȱ alsȱ vielmehrȱ dieȱ einesȱimmerȱweiterȱausgreifendenȱBogens,ȱeinesȱGewölbes,ȱdieȱderȱamȱ MorgenȱbeginnendeȱGesangȱausfüllenȱsoll,ȱsoweitȱdieȱGüteȱundȱTreueȱ Gottesȱreichtȱ„bisȱanȱdenȱHimmel“,ȱ„binȱanȱdieȱWolken“,ȱja,ȱ„überȱdieȱ Himmelȱ hinaus“ȱ (V.11ȱ undȱ V.12).ȱ Kannȱ dieseȱ Formȱ denȱ Vortragȱ stütȬ zen?ȱWahrscheinlich.ȱȱ

5.ȱStichwörterȱ Dieȱ Niederschriftȱ vonȱ Stichwörternȱ alsȱ Gedächtnisstützeȱ istȱ alltäglichȱ undȱkommtȱwohlȱüberallȱvor.ȱInȱdenȱPsalmenȱkenneȱichȱvorȱallemȱeinȱ möglichesȱBeispiel:ȱPsȱ148.ȱDortȱtritt,ȱwieȱbekannt,ȱeinȱDoppelchorȱzumȱ LobpreisȱdesȱHerrnȱauf.ȱEinȱChorȱhatȱzuȱsingenȱ„vomȱHimmelȱher“ȱ(V.ȱ 1–6).ȱ Dieȱ himmlischenȱ Wesenȱ werdenȱ litaneiartigȱ aufgefordert,ȱ jeȱ inȱ denȱJubelȱeinzustimmen:ȱȱ Lobetȱihn,ȱalleȱseineȱEngel,ȱ lobetȱihnȱalleȱseineȱHeerscharen!ȱ Lobetȱihn,ȱSonneȱundȱMondȱetc.ȱ

Aufforderungen,ȱdieȱdannȱerstȱnochȱrealisiertȱwerdenȱmüssen.ȱȱ ImȱzweitenȱTeilȱ(V.ȱ7–12),ȱderȱdemȱirdischenȱChorȱgilt,ȱwerdenȱdieȱ Chormitgliederȱ nurȱ nochȱ aufgezählt.ȱ Nichtȱ einmalȱ mehrȱ dieȱ AufȬ forderungȱzumȱLobpreisȱistȱausgeführt.ȱȱ LobetȱdenȱHerrnȱvonȱderȱErdeȱher!ȱȱ UngetümeȱundȱalleȱUrfluten,ȱFeuerȱundȱHagel,ȱSchneeȱundȱRauch,ȱ Sturmwindȱetc.ȱ

270ȱ

17.ȱMnemotechnikȱinȱdenȱPsalmenȱ

DieȱAusführungȱdesȱTextesȱwurdeȱdenȱLiturgen,ȱVorsängern,ȱWiederȬ verwendernȱ etc.ȱ überlassen.ȱ Eineȱ Erscheinung,ȱ dieȱ imȱ Psalterȱ mögȬ licherweiseȱöfterȱvorkommenȱmag,ȱalsȱesȱzunächstȱerscheint.ȱȱ

6.ȱAlphabetischeȱundȱnichtalphabetischeȱAkrostichieȱalsȱ Eselsbrücke?ȱ Inȱ derȱ poetologischenȱ Erforschungȱ derȱ Psalmenȱ sindȱ bisherȱ vorȱ allemȱ dreiȱErscheinungenȱderȱAkrostichieȱinsȱBlickfeldȱgetreten.ȱȱ EinmalȱdieȱFormȱderȱLitanei,ȱderenȱVersanfängeȱdurchȱwiederholteȱ Wörterȱgleichförmigȱgebildetȱsindȱ(Anaphora).ȱDazuȱgehörenȱimȱPsalterȱ TexteȱwieȱPsȱ29;ȱ136;ȱ150.ȱDieseȱFormȱistȱverbreitetȱinȱderȱhymnischenȱ Dichtung.ȱIhreȱFunktionȱistȱauchȱbeiȱliterarischerȱVerwendungȱdieȱEmȬ phase,ȱ dieȱ durchȱ dieȱ ständigeȱ Wiederholungȱ gleicherȱ VersȬȱ oderȱ ZeiȬ leneröffnungȱ erreichtȱ wird.18ȱ Dieȱ masoretischeȱ Überlieferungȱ hatȱ beiȱ derȱSatzeinteilungȱimȱgroßenȱGanzenȱdaraufȱRücksichtȱgenommen,ȱwieȱ manȱ esȱ etwaȱ anȱ Psȱ 29ȱ trotzȱ allerȱ textlichenȱ Übermalungȱ nochȱ beobȬ achtenȱkann.ȱ Zumȱ anderenȱ dasȱ alphabetischeȱAkrostichon,ȱ welchesȱ dasȱ hebräischeȱ KonsonantenalphabetȱzurȱGestaltungȱderȱVersanfängeȱverwendet.ȱTraȬ ditionellȱwurdeȱdieȱAkrostichieȱvorȱallemȱanȱdenȱalphabetischenȱTextenȱ desȱ Altenȱ Testamentsȱ untersucht,ȱ wasȱ zuȱ nichtȱ sehrȱ vielenȱ ErkenntȬ nissenȱ geführtȱ hat.19ȱ Immerhinȱ wirdȱ esȱ immerȱ deutlicher,ȱ dassȱ dieȱ alȬ phabetischeȱ Akrostichieȱ nichtȱ primärȱ alsȱ einȱ akustischesȱ Phänomenȱ einzuschätzenȱist.ȱAuchȱistȱesȱfraglich,ȱobȱsieȱsichȱimȱAllgemeinenȱzurȱ Stützeȱ desȱ Gedächtnissesȱ –ȱ alsȱ soȱ genannteȱ „Eselsbrücke“ȱ –ȱ eignet.ȱ Dennȱ eigentlichȱ istȱ dasȱ Alphabetȱ bzw.ȱ Alephbetȱ alsȱ abstrakteȱ KonsoȬ nantenfolgeȱ fürȱ einenȱ ausȱ demȱ Gedächtnisȱ zitierendenȱ Sprecherȱ zuȱ kompliziertȱ undȱ zuȱ aufwendig.ȱ Eherȱ schonȱ istȱ esȱ alsȱ systematischesȱ Gliederungsschemaȱ fürȱ einenȱ organischenȱ Sinnzusammenhangȱ inȱ schriftlicherȱ Darstellungȱ denkbar.ȱ Wahrscheinlichȱ stammtȱ esȱ auchȱ ausȱ derȱSchule.ȱEinȱpädagogischerȱZweckȱistȱwohlȱdamitȱverbundenȱ–ȱwieȱ dasȱ AlephbetȬTäfelchenȱ vonȱ IzbetȬSartaȱ ausȱ demȱ 12.ȱ Jh.ȱ a.ȱ zeigt.20ȱ Dieȱ „Weisheit“ȱ hatȱ sichȱ seinerȱ bedient,ȱ umȱ Sachverhalteȱ umfassendȱ imȱ Sinneȱ einesȱ Kompendiumsȱ oderȱ einerȱ Summaȱ literarischȱ darzustellen.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 18ȱ Formalȱvergleichbar,ȱaberȱandererȱHerkunftȱundȱFunktionȱsindȱdieȱReihenbildungenȱ z.ȱB.ȱbeiȱRechtstextenȱwieȱGebotsreihenȱoderȱFluchserien.ȱ 19ȱ WichtigȱsindȱdieȱUntersuchungenȱvonȱW.ȱM.ȱSoll,ȱBabylonianȱandȱBiblicalȱAcrostics,ȱ 305–323;ȱDers.,ȱPsalmȱ119.ȱMatrix,ȱFormȱandȱSetting.ȱ 20ȱ Naveh,ȱEarlyȱHistoryȱofȱtheȱAlphabet,ȱ36ȱff.ȱ

ȱ

6.ȱAlphabetischeȱundȱnichtalphabetischeȱAkrostichieȱalsȱEselsbrücke?ȱ

271ȱ

Daȱ greiftȱ dannȱ dieȱ Symbolikȱ desȱ Aȱ undȱ Oȱ bzw.ȱ desȱ Alephȱ undȱ Taw.ȱ DiesȱlassenȱdieȱtheologischenȱSummarienȱetwaȱvonȱPsȱ25;ȱ34;ȱ37;ȱ111ȱf.ȱ undȱ 119ȱ erkennen.ȱ Offensichtlichȱ eignetȱ diesenȱ Texten,ȱ welcheȱ durchȱ denȱ Zwangȱ derȱ Spielregelȱ oftȱ Einbußenȱ anȱ Stilȱ undȱ Sinnȱ hinnehmenȱ müssen,ȱeinȱgewisserȱspielerischerȱZugȱfürȱdasȱAuge.ȱȱ Fürȱ dieȱ alphabetischeȱ Akrostichieȱ kommenȱ demnachȱ alsȱ Funktionȱ inȱFrage:ȱwenigerȱGedächtnisstützeȱfürȱdieȱVersfolgeȱbeimȱVortragȱalsȱ BezifferungȱeinerȱGanzheitȱundȱvorȱallemȱSchutzȱderȱstichometrischenȱ SchreibungȱnachȱVersen.ȱ Wichtigȱsindȱ–ȱwieȱschonȱbeiȱPsȱ44ȱgezeigtȱ–ȱdrittensȱvorȱallemȱauchȱ dieȱ nichtalphabetischenȱ Akrosticha.ȱ Dasȱ Phänomenȱ wurdeȱ aufmerksamȱ zwarȱ vielfachȱ imȱ Einzelnenȱ beobachtet21.ȱ Dochȱ istȱ ihmȱ vielleichtȱ nochȱ nichtȱ dieȱ Aufmerksamkeitȱ gewidmetȱ wird,ȱ dieȱ ihmȱ alsȱ Formelementȱ derȱ Psalmendichtungȱ zukommt.ȱ Dieȱ nichtalphabetischenȱ Akrostichaȱ sindȱ wohlȱ auchȱ beiȱ denȱ Psalmenȱ zahlreicherȱ alsȱ bisherȱ angenommenȱ wurde.ȱ Dieȱ altorientalischenȱ Analogienȱ erwähnenȱ wirȱ inȱ diesemȱ ZusamȬ menhangȱnurȱamȱRande.22ȱEsȱistȱhierȱaberȱwenigstensȱnochmalsȱhinzuȬ weisenȱ aufȱ dieȱ ugaritischeȱ Literaturȱ undȱ aufȱ dieȱ keilschriftlicheȱ Psalmenliteraturȱderȱsog.ȱBabylonischenȱTheodizeeȱundȱverschiedenerȱ GebetstexteȱausȱderȱneuassyrischenȱZeit.ȱIhreȱakrostichischeȱKonstrukȬ tionȱistȱkompliziertȱundȱbestehtȱzuȱeinemȱTeilȱausȱSätzenȱundȱSatznaȬ men,ȱ inȱ einemȱ Fallȱ sogarȱ inȱ Kombinationȱ mitȱ denȱ Schlusszeichenȱ derȱ Verse.23ȱWieȱdieȱkeilschriftlicheȱWiedergabeȱzeigt,ȱistȱdieȱFunktionȱderȱ Akrostichieȱvorwiegendȱeineȱgraphische.ȱȱ Beiȱ diesenȱ formalenȱ Gestaltungenȱ entstehtȱ dieȱ prinzipielleȱ Frage,ȱ woȱ dieȱ hebräischenȱ Akrostichienȱ anzusiedelnȱ sind,ȱ undȱ welchesȱ ihrȱ Stellenwertȱ ist.ȱ Habenȱ sieȱ eherȱ eineȱ klanglicheȱ Funktionȱ wieȱ dieȱ LiȬ taneienȱ oderȱ primärȱ eineȱ graphischeȱ Funktionȱ wieȱ dieȱ alphabetischenȱ Serienȱ undȱalsoȱ imȱengerenȱ Sinneȱ eineȱ„literarische“ȱ Bedeutung?ȱFunȬ gierenȱ sieȱ alsȱ rhetorischesȱ Stilmittelȱ derȱ Wiederholung,ȱ sindȱ insofernȱ fürȱ dasȱ Ohrȱ bestimmtȱ undȱ dienenȱ derȱ lautlichenȱ Kohärenzȱ derȱ VersȬ aussagen,ȱ oderȱ fungierenȱ sieȱ vielmehrȱ alsȱ graphischesȱ Kunstmittelȱ fürȱ dasȱAugeȱundȱdienenȱdamitȱderȱSicherungȱderȱStrukturȱbeiȱderȱNiederȬ schriftȱundȱderȱWiederverwendungȱdurchȱLektüreȱundȱAbschrift?ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 21ȱ Vgl.ȱ Watson,ȱ Classicalȱ Hebrewȱ Poetry;ȱ Freedman,ȱ Acrosticȱ Poems;ȱ Soll,ȱ BabyloȬ nianȱandȱBiblicalȱAcrostics.ȱ 22ȱ Vgl.ȱSeybold,ȱAkrostichieȱbeiȱDeuterojesaja,ȱ201.ȱ 23ȱ Vgl.ȱ Soll,ȱ Babylonianȱ andȱ Biblicalȱ Acrostics;ȱ Watson,ȱ QuasiȬAcrosticsȱ inȱ Ugariticȱ Poetry.ȱ

272ȱ

17.ȱMnemotechnikȱinȱdenȱPsalmenȱ

Fürȱ dieȱ nichtȱ alphabetischeȱ Aktrostichieȱ kannȱ manȱ etwaȱ Folgendesȱ feststellen:ȱȱ

1. DasȱPhänomenȱ istȱ imȱPsalterȱ durchausȱ zuȱ beachten,ȱ wieȱ diesȱ jaȱschonȱ früherȱgelegentlichȱversuchtȱwurde24ȱundȱauchȱinȱderȱProphetieȱdaȱundȱ dortȱaufgezeigtȱwerdenȱkonnte.25ȱ

2. Esȱerweistȱsichȱalsȱwahrscheinlich,ȱdassȱdieȱnichtalphabetischeȱAkrostiȬ chieȱ ausȱ derȱ Anaphoraȱ (Wiederholungȱ einesȱ Wortesȱ amȱ Versanfang)ȱ undȱ derȱ Alliterationȱ (Wiederholungȱ vonȱ Anfangskonsonantenȱ inȱ derȱ WortȬȱ undȱ Versfolge)ȱ entstandenȱ ist.ȱ Mitȱ dieserȱ Herkunftȱ erklärtȱ sichȱ ihreȱ nochȱ gelegentlichȱ erkennbareȱ klanglicheȱ oderȱ rhetorischeȱ FunkȬ tion,ȱetwaȱbeiȱdenȱVerskettenȱmitȱwawȬconsecutivumȱoderȱmanchenȱJodȬȱ undȱ AlephȬAnfängen.ȱ Dasȱ giltȱ immerȱ dann,ȱ wennȱ nichtȱ primärȱ derȱ Konsonantȱselbst,ȱsondernȱdieȱmitȱihmȱgebildeteȱFormȱdenȱVersbeginnȱ dominiert.ȱ Esȱ giltȱ auchȱ beiȱ abbreviertenȱ Nachklängenȱ einesȱ LeitȬ ausdrucksȱmitȱeinerȱArtȱEchowirkungȱ(z.ȱB.ȱCȱbeiȱZOC)ȱundȱmöglicherȬ weiseȱimȱ Klangspielȱ derȱ poetischenȱ Texte,ȱ dasȱ unsȱ jedochȱ weitgehendȱ verschlossenȱist.ȱ

3. Dieȱ dominierendeȱ Funktionȱ aberȱ scheintȱ wieȱ beiȱ derȱ alphabetischenȱ Akrostichieȱ eineȱ graphische,ȱ genauerȱ eineȱ stichographischeȱ gewesenȱ oderȱ gewordenȱ zuȱ sein.ȱ Dieȱ auffälligeȱ Gestaltungȱ undȱ Hervorhebungȱ vonȱ Anfangskonsonantenȱ durchȱ Wiederholungȱ sollteȱ einerseitsȱ derȱ textlichenȱKohärenz,ȱandererseitsȱderȱimmanentenȱGliederungȱdienen.ȱ InȱdieserȱordnendenȱFunktionȱstehtȱsieȱderȱAnaphoraȱundȱAlliterationȱ nahe.ȱAberȱsieȱgiltȱnunȱdochȱinȱersterȱLinieȱderȱübersichtlichenȱGliedeȬ rungȱ geschriebenerȱ Texte.ȱ Wieȱ andersȱ sollteȱ auchȱ eineȱ Versgliederungȱ inȱ derȱ Niederschriftȱ sichtbarȱ gemachtȱ werden,ȱ wennȱ dieȱ üblicheȱ Schreibweiseȱ –ȱ vorȱ allemȱ beiȱ Abschriftenȱ –ȱ dieȱ zeilenfüllendeȱ scriptioȱ continuaȱwar.ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 24ȱ DuhmȱinȱseinemȱKommentarȱ1899ȱ(1922)ȱhatȱbekanntlichȱz.ȱB.ȱversucht,ȱimȱTextȱvonȱ Psȱ 110ȱ nachȱ Bickellsȱ Vorschlagȱ einȱ Akrostichonȱ #>PCȱ zuȱ erkennen,ȱ dasȱ dieȱ verborȬ geneȱBeziehungȱdesȱPsalmsȱaufȱdenȱHohepriesterȱSimonȱenthaltenȱsollte.ȱSoȱlegtȱerȱ auchȱV.ȱ1–4ȱdaraufhinȱaus.ȱErȱhatȱdarinȱzuȱRechtȱkeineȱNachfolgeȱgefunden.ȱDennȱ1.ȱ sindȱ dieȱ entnommenenȱ Konsonantenȱ nichtȱ alsȱ VersȬȱ oderȱ Zeilenbeginnȱ verwendet,ȱ derȱletzteȱKonsonantȱ gehörtȱzurȱEinführungȱdesȱzweitenȱPsalmteilsȱ(dieȱdesȱerstenȱ istȱnichtȱberücksichtigt)ȱundȱ2.ȱistȱdieȱSpätdatierungȱdesȱKönigspsalmsȱjaȱzumindestȱ problematischȱ(254ȱff.).ȱ 25ȱ Vgl.ȱSeybold,ȱAkrostichieȱbeiȱDeuterojesaja.ȱ

ȱ

7.ȱDieȱrelectureȱderȱPsalmenȱinȱQumranȱ

273ȱ

4. DieȱeigentlicheȱBedeutungȱderȱAkrostichieȱliegtȱdemnachȱinȱihrerȱversȬ abgrenzendenȱ Funktion.ȱ Dennȱ durchȱ dieȱ besondereȱ Gestaltungȱ derȱ Versanfängeȱsignalisiertȱsie,ȱwoȱderȱAnfangȱundȱentsprechendȱdasȱEnȬ deȱ desȱ (vorhergehenden)ȱ Versesȱ oderȱ derȱ Vershälfteȱ zuȱ setzenȱ ist.ȱ Esȱ könnteȱ sein,ȱ dassȱ sichȱ ihreȱ Funktionȱ inȱ vielenȱ Fällenȱ darinȱ erschöpftȱ undȱandereȱSinnbezügeȱgarȱnichtȱoderȱnurȱsekundärȱbeabsichtigtȱsind.ȱ Dannȱ wäreȱ sieȱ alsȱ einȱ Schutzȱ gegenȱ dieȱ Prosaisierungȱ eingesetzt,ȱ welȬ cheȱoffensichtlichȱdenȱmeistenȱpoetischenȱTextenȱbeiȱderȱAbschriftȱwiȬ derfahrenȱist.ȱȱ

5. DaȱdieȱAkrostichieȱmitȱeinerȱautorisiertenȱStichographie,ȱalsoȱdemȱoriȬ ginalenȱ Layoutȱ derȱ Texteȱ zuȱ tunȱ hat,ȱ gehörtȱ sieȱ inȱ denȱ Bereichȱ literariȬ schenȱ Schaffens.ȱ Wieȱ dieȱ alphabetischeȱ soȱ trägtȱ auchȱ dieȱ nichtȬ alphabetischeȱ AkrostichieȱZeichenȱ einerȱ Sprachkulturȱ anȱ sich,ȱdieȱ sichȱ imȱMediumȱdesȱgeschriebenenȱWortes,ȱderȱSchrift,ȱderȱFestlegungȱdesȱ Wortlauts,ȱ derȱ Lektüreȱ undȱ natürlichȱ dannȱ auchȱ derȱ relectureȱ bewegt.ȱ Insofernȱ betrifftȱ sieȱ auchȱ dieȱ Frageȱ derȱ Behaltbarkeitȱ vonȱ Textenȱ imȱ KurzzeitȬȱ oderȱ Langzeitgedächtnis.ȱ Sieȱ vereinigtȱ sichȱ dabeiȱ mitȱ denȱ ReimsequenzenȱundȱderenȱHilfestellung.ȱÜberȱdieȱgenaueȱFunktionȱimȱ RahmenȱderȱMnemotechnikȱistȱschwerlichȱmehrȱzuȱsagen.ȱ

7.ȱDieȱrelectureȱderȱPsalmenȱinȱQumranȱ ManȱkannȱwohlȱausȱallgemeinenȱErwägungenȱannehmen,ȱdassȱPsalmȬ texteȱ alsȱ Ganzeȱ oderȱ inȱ Teilenȱ imȱ Gedächtnisȱ derȱ Gläubigenȱ lebten,ȱ jaȱ dassȱ dieseȱ Existenzformȱ zunächstȱ dieȱ wirksamsteȱ gewesenȱ seinȱ muss.ȱ Selbstȱ dieȱ Tradentenȱ undȱ Editorenȱ derȱ Psalmenüberlieferungȱ hattenȱ wohlȱzunächstȱnurȱeinȱoderȱwenigeȱOriginalexemplareȱgeschaffen.ȱManȱ kannȱ vermuten,ȱ dassȱ solcheȱ inȱ Schreiberwerkstätten,ȱ Archivenȱ undȱ Bibliotheken,ȱvielleichtȱwieȱinȱÄgyptenȱ„Lebenshaus“ȱgenanntenȱInstiȬ tutionenȱ desȱ Tempelsȱ niedergeschriebenȱ undȱ aufgelegtȱ waren.ȱ Dannȱ warȱ manȱ inȱ jedemȱ Fallȱ beimȱ Lesenȱ undȱ Behaltenȱ aufȱ seinȱ Gedächtnisȱ angewiesen.ȱDochȱgeschahȱdasȱaufȱschriftlicherȱBasisȱdurchȱAbschriftenȱ undȱ Exzerpte.ȱ Letzteresȱ wirdȱ inȱ Qumranȱ sehrȱ anschaulich.ȱ Dieȱ gutȱ 36ȱ gefundenenȱ Psalmenhandschriften,ȱ zumȱ Teilȱ ausȱ vorqumranischenȱ Beständenȱ stammend,ȱ zumȱ Teilȱ inȱ denȱ Skriptorienȱ nachȱ dortigenȱ Schreibkonventionenȱ geschrieben,ȱ gebenȱ einȱ anschaulichesȱ Bildȱ vonȱ

274ȱ

17.ȱMnemotechnikȱinȱdenȱPsalmenȱ

derȱ Abschreibetraditionenȱ derȱ Psalmen.ȱ Dazuȱ gehörenȱ auchȱ dieȱ sog.ȱ Florilegien26ȱ oderȱ dieȱ größerenȱ psalmartigenȱ Textkompositionenȱ wieȱ z.ȱB.ȱpseudepigraphischenȱ„NonȬcanonicalȱPsalms“ȱ4Q380ȱundȱ381,ȱdieȱ Hartmutȱ Stegemannȱ undȱ vorȱ allemȱ Eileenȱ M.ȱ Schullerȱ herausgegebenȱ undȱbearbeitetȱhaben.27ȱSieȱsindȱwohlȱebenfallsȱimȱMediumȱschriftlicherȱ Arbeitȱ entstanden.ȱ Selbstȱ dieȱ dortȱ mehrfachȱ zitiertenȱ biblischenȱ PsalȬ menȱsindȱwohlȱaufȱschriftlicherȱBasisȱzitiert.ȱȱ

8.ȱEinigeȱHinweiseȱausȱanderenȱPsalmen,ȱz.ȱB.ȱPsȱ77;ȱ76ȱ AuswendiglernenȱundȱAuswendigwissenȱvonȱPsalmenȱmussȱzwarȱeineȱ allgegenwärtigeȱ Rolleȱ gespieltȱ haben.ȱ Leiderȱ istȱ darüberȱ explizitȱ sehrȱ wenigȱbekannt.ȱDochȱnichtȱjederȱAngehörigeȱderȱQumrangemeinschaftȱ konnteȱ wohlȱjederzeitȱ inȱ dieȱ Bibliothekȱderȱ Höhleȱ4ȱgehenȱ umȱ dortȱ inȱ denȱ aufgelegtenȱ Psalmrollenȱ zuȱ lesen,ȱ soȱ wieȱ esȱ fürȱ Gläubigeȱ anfangsȱ wohlȱunerschwinglichȱwar,ȱHandschriftenȱanfertigenȱzuȱlassenȱoderȱzuȱ erwerben.ȱBleibtȱnurȱderȱWegȱüberȱdasȱGedächtnis.ȱȱ WennȱderȱPsalmistȱdesȱ77.ȱPsalmsȱverschiedeneȱAnläufeȱmacht,ȱinȱseiȬ nerȱ Notȱ zuȱ betenȱ undȱ zuȱ meditieren,ȱ „imȱ nächtlichenȱ Wachen“ȱ „überȱ dieȱ Tageȱ derȱ Vorzeitȱ nachzusinnen“,ȱ „derȱ urlängstȱ vergangenenȱ Tageȱ zuȱ gedenken“;ȱ wennȱ erȱ „desȱ Nachtsȱ flüstertȱ fürȱ sichȱ hin“,ȱ undȱ „seinȱ Geistȱforscht“ȱnachȱ„allȱdenȱmächtigenȱTaten“,ȱsetztȱdasȱvoraus,ȱdassȱerȱ dieȱ Grundlagenȱ desȱ Gedenkensȱ inȱ seinemȱ Gedächtnisȱ vorfindet.ȱ WelȬ cherȱ Artȱ dieseȱ sind,ȱ sagtȱ erȱ nicht;ȱ jedochȱ zitiertȱ erȱ inȱ V.ȱ 17–20ȱ einenȱ hymnischenȱ Textȱ überȱ dasȱ Wunderȱ amȱ Schilfmeer,ȱ derȱ zwarȱ keinȱ Psalm,ȱ indesȱ einȱ Exȱ 15ȱ naheȱ stehenderȱ Hymnusȱ ist.ȱ Hierȱ hatȱ manȱ einȱ Beispiel,ȱwelcheȱRolleȱdasȱGedächtnisȱinȱsolchenȱFällenȱspielenȱkonnte.ȱ Auchȱ Psȱ 76,ȱ wieȱ andereȱ AsaphȬPsalmen,ȱ enthältȱ inȱ V.ȱ 5–11ȱ einȱ psalmartigenȱ hymnischenȱ Textȱ überȱ eineȱ Theophanieȱ (wohlȱ ausȱȱ „Salem“ȱ =ȱ Jerusalem),ȱ mitȱ demȱ derȱ Psalmistȱ sogarȱ zuȱ argumentierenȱ versucht,ȱdessenȱKenntnisȱerȱsomitȱbeiȱseinenȱAdressatenȱvoraussetzt.ȱ Soȱ gibtȱ esȱ amȱ Endeȱ einigeȱ wenigeȱ Hinweise,ȱ aberȱ mehrȱ nochȱ Fragen.ȱ HatȱmanȱdasȱAuswendiglernenȱbewusstȱgeübt?ȱWieȱgroßȱwarȱderȱUmȬ fangȱ desȱ jeweilsȱ präsentenȱ Wissensȱ umȱ dieȱ Psalmtexte?ȱ Hattenȱ Jesusȱ undȱseineȱJüngerȱbeimȱletztenȱPassahmahl,ȱalsȱ„sieȱdenȱLobgesangȱsanȬ gen“ȱ(Mkȱ14,26ȱpar.)ȱzuvorȱdieȱTexteȱdesȱgroßenȱHallelsȱvonȱPsȱ111–118ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 26ȱ Z.ȱB.ȱ4Qȱ174ȱ(flor)ȱmitȱZitatenȱausȱPsȱ1ȱundȱ2ȱsamtȱKommentar.ȱ 27ȱ Vgl.ȱSchuller,ȱNonȬCanonicalȱPsalmsȱfromȱQumran.ȱDieȱzitiertenȱbiblischenȱPsalmenȱ (9;ȱ18;ȱ76;ȱ86;ȱ89;ȱ106)ȱlagenȱwahrscheinlichȱinȱschriftlicherȱFormȱvor,ȱvgl.ȱTheȱUseȱofȱ Scripture,ȱ32–38ȱ

ȱ

8.ȱEinigeȱHinweiseȱausȱanderenȱPsalmen,ȱz.ȱB.ȱPsȱ77;ȱ76ȱ

275ȱ

verteilt?ȱDochȱlässtȱsichȱeinȱBildȱdesȱPhänomensȱimȱGanzenȱm.ȱE.ȱnichtȱ rechtȱ oderȱ vielleichtȱ nochȱ nichtȱ gewinnen.ȱ Aberȱ beiȱ allenȱ diesenȱ BeiȬ spielenȱ vonȱ Zitatenȱ undȱ Wiedergaben,ȱ vonȱ Formenȱ derȱ relecture,ȱ vonȱ Reminiszenzenȱu.ȱa.ȱlässtȱsichȱnichtȱmitȱSicherheitȱsagen,ȱobȱsieȱprimärȱ nurȱ aufȱ Gedächtnisleistungenȱ beruhenȱ oderȱ auchȱ aufȱ derȱ Basisȱ vonȱ schriftlichenȱVorlagenȱerfolgtȱsind.ȱAuchȱsindȱdieȱÜbergängeȱfließend,ȱ dennȱ einȱ präziseȱ memorierterȱ Textȱ kommtȱ einerȱ schriftlichenȱ Vorlageȱ sehrȱnahe.ȱ

276ȱ

17.ȱMnemotechnikȱinȱdenȱPsalmenȱ

Literaturȱ AlonsoȬSchökel,ȱL.,ȱAȱManualȱofȱHebrewȱPoetics,ȱSubBiȱ11,ȱRomaȱ1988.ȱ Auffret,ȱ P.,ȱ Laȱ Sagesseȱ aȱ bâtiȱ saȱ maison.ȱ Étudesȱ desȱ structuresȱ littérairesȱ dansȱ l’Ancienȱ Testamentȱ etȱ spécialementȱ dansȱ lesȱ Psaumes,ȱ OBOȱ 49,ȱ FreiȬ burg/Göttingenȱ1982.ȱ Freedman,ȱ D.ȱN.,ȱ Acrosticȱ Poemsȱ inȱ theȱ Hebrewȱ Bible:ȱ Alphabeticȱ andȱ otherȬ wise,ȱCBQȱ48ȱ(1986),ȱ408–31.ȱ Hossfeld,ȱ F.ȬL./Zenger,ȱ E.,ȱ Psalmenȱ 51–100,ȱ HThKAT,ȱ Freiburg/Basel/Wienȱ 2000.ȱ Krahmalkov,ȱ C.ȱR.,ȱ Twoȱ NeoȬPunicȱ Poemsȱ inȱ Rhymedȱ Verse,ȱ RSFenȱ 3ȱ (1975),ȱ 169–205.ȱ Naveh,ȱJ.,ȱEarlyȱHistoryȱofȱtheȱAlphabet.ȱAnȱIntroductionȱtoȱWestȱSemiticȱEpiȬ graphyȱandȱPalaeography,ȱJerusalemȱ1982.ȱ Mooij,ȱJ.J.A.,ȱOnȱtheȱ„Foregrounding“ȱofȱGraphicȱElementsȱinȱPoetry,ȱin:ȱComȬ parativeȱ Poetics,ȱ FSȱ Janȱ Kamerbeekȱ Jr.,ȱ ed.ȱ byȱ D.ȱW.ȱ Fokkema/E.ȱ KunneȬ Ibsch/AȱW.ȱG.ȱE.,ȱJ.ȱA.ȱvanȱZoest,ȱAmsterdamȱ1975,ȱ89–102.ȱ E.ȱM.ȱ Schuller,ȱ NonȬCanonicalȱ Psalmsȱ fromȱ Qumran.ȱ Aȱ Pseudepigraphicȱ ColȬ lection,ȱHSS,ȱAtlantaȱ1986ȱ Seybold,ȱK.,ȱDieȱPsalmen,ȱEineȱEinführung,ȱStuttgartȱ1986ȱ(21991).ȱ Seybold,ȱK.,ȱDieȱPsalmen,ȱHATȱ1,15,ȱTübingenȱ1996.ȱ Seybold,ȱK.,ȱAkrostichieȱbeiȱDeuterojesaja?ȱin:ȱDieȱSpracheȱderȱPropheten,ȱZüȬ richȱ1999,ȱ200–210ȱ(=ȱVielseitigkeitȱdesȱAltenȱTestaments,ȱFSȱfürȱG.ȱSauer,ȱ hg.ȱv.ȱ J.ȱA.ȱ Loader/H.ȱV.ȱ Kieweler,ȱ Wienerȱ Alttestamentlicheȱ Studienȱ 1,ȱ Frankfurtȱu.ȱa.ȱ1999,ȱ79–90).ȱ Soll,ȱW.ȱM.,ȱBabylonianȱandȱBiblicalȱAcrostics,ȱBibȱ69ȱ(1988),ȱ305–323.ȱ Soll,ȱW.ȱM.,ȱPsalmȱ119.ȱMatrix,ȱFormȱandȱSetting,ȱCBQ.MSȱ23,ȱWashingtonȱ1991.ȱ Sweet,ȱR.,ȱAȱPairȱofȱDoubleȱAcrosticsȱinȱAkkadian,ȱOr.ȱ38ȱ(1969),ȱ459–460.ȱ Tov,ȱ E.,ȱ Derȱ Textȱ derȱ Hebräischenȱ Bibel,ȱ Handbuchȱ derȱ Textkritik,ȱ Stuttgartȱ 1997.ȱ Tov,ȱE.,ȱSpecialȱLayoutȱofȱPoeticalȱUnitsȱinȱtheȱTextsȱfromȱtheȱJudeanȱDesert,ȱin:ȱȱ Giveȱ earȱ toȱ myȱ words,ȱ Psalmsȱ andȱ otherȱ Poetryȱ inȱ andȱ aroundȱ theȱ Hebrewȱ Bible,ȱ Essaysȱ inȱ honourȱ ofȱ Professorȱ N.ȱA.ȱ vanȱ Uchelen,ȱ ed.ȱ byȱ J.ȱ Dyk,ȱȱ Amsterdamȱ1999,ȱ115–128.ȱ Watson,ȱ W.ȱG.ȱE.,ȱ QuasiȬAcrosticsȱ inȱ Ugariticȱ Poetry,ȱ UFȱ 12ȱ (1980),ȱ 445–447ȱ (=ȱ Anaphoricȱ Alliterationȱ inȱ Ugariticȱ Verse,ȱ in:ȱ Traditionalȱ Techniquesȱ inȱ ClassicalȱHebrewȱVerse,ȱJSOT.Sȱ170,ȱSheffieldȱ1994,ȱ431–434).ȱ Watson,ȱ W.ȱG.ȱE.,ȱ Classicalȱ Hebrewȱ Poetry:ȱ Aȱ Guideȱ toȱ itsȱ Techniques,ȱ JSOT.Sȱ 26,ȱSheffieldȱ1984.ȱ Watson,ȱ W.ȱG.ȱE.,ȱ Traditionalȱ Techniquesȱ inȱ Classicalȱ Hebrewȱ Verse,ȱ JSOT.Sȱ 170,ȱSheffieldȱ1994.ȱ

ȱ

18.ȱDasȱMenschenbildȱderȱPsalmenȱ I.ȱ CZQDKPȱ „Wasȱ istȱ derȱ Mensch?“ȱ Dieȱ Frageȱ wirdȱ vonȱ Menschenȱ desȱ AltenȱTestamentsȱselbstȱgestellt.ȱSieȱkommtȱinȱdieserȱoderȱinȱähnlicherȱ FormȱeinȱpaarȱMalȱvor,ȱzweiȱMalȱimȱPsalter,ȱzweiȱMalȱimȱBucheȱHiob.ȱ Undȱ immerȱsindȱ esȱ exponierteȱ Stellen.ȱDreiȱ Malȱ begegnetȱ sieȱ imȱKonȬ textȱ desȱ Gebets,ȱ d.ȱh.ȱ sieȱ wirdȱ anȱ Gottȱ gestellt.ȱ Imȱ Kontextȱ desȱ Gebetsȱ aberȱwandeltȱsichȱdieȱFrage.ȱAusȱeinerȱallgemeinȱundȱabstraktȱformuȬ liertenȱ anthropologischenȱFrageȱ wirdȱ einȱ existentiellȱundȱ konkretȱartiȬ kuliertesȱ Problem,ȱ gleichbedeutendȱ mitȱ derȱ Frage:ȱ Werȱ binȱ ichȱ alsȱ Mensch?ȱ Beideȱ Frageformenȱ bietetȱ unsȱ dasȱ Buchȱ Hiob:ȱ Inȱ seinerȱ psalmähnlichenȱ Notklageȱ inȱ derȱ erstenȱ Erwiderungsredeȱ sprichtȱ Hiobȱ alsȱBeter:ȱ„WasȱistȱdochȱderȱMensch,ȱdassȱduȱihnȱgroßȱachtenȱundȱdassȱ duȱ dichȱ umȱ ihnȱ bekümmernȱ müsstest?“ȱ (7,15)ȱ –ȱ undȱ erȱ meintȱ sichȱ selbst:ȱ„Lassȱabȱvonȱmir,ȱeinȱHauchȱnurȱsindȱjaȱmeineȱTage“.ȱInȱseinerȱ zweitenȱ Redeȱ nimmtȱ derȱ ältesteȱ Freundȱ dieȱ Frageȱ auf:ȱ „Wasȱ istȱ dochȱ derȱ Mensch,ȱ dassȱ erȱ reinȱ seinȱ könnte,ȱ dassȱ gerechtȱ seinȱ könnteȱ derȱ Weibgeborene?“ȱ (15,14)ȱ –ȱ er,ȱ derȱ Menschȱ imȱ Allgemeinen,ȱ alleȱ MenȬ schen.ȱ Erȱ sagtȱ nicht:ȱ ich.ȱ Erȱ stelltȱ eineȱ sehrȱ allgemeineȱ theologischeȱȱ Frage.ȱ WoȱdieȱFrageȱinȱdenȱPsalmenȱbegegnet,ȱistȱesȱdieȱnachȱdemȱeigenenȱ Ich.ȱ Zweiȱ Belegeȱ sindȱ zuȱ nennen:ȱ Psȱ 8,5,ȱ dieȱ berühmteȱ Stelleȱ mitȱ derȱ berühmtenȱAntwortȱ(ichȱbenützeȱausȱpraktischenȱGründenȱdieȱneuesteȱ ZürcherȱÜbersetzungȱvonȱ1996):ȱ„WennȱichȱdeinenȱHimmelȱschaue,ȱdasȱ Werkȱ deinerȱ Händeȱ …:ȱ Wasȱ istȱ derȱ Mensch,ȱ dassȱ duȱ seinerȱ gedenkstȱ …?“ȱIchȱ–ȱDu.ȱDerȱPsalmȱverbindetȱbekanntlichȱdieȱFormȱdesȱHymnusȱ mitȱ derȱ desȱ individuellenȱ Gebets.ȱ Beideȱ Redeformenȱ sindȱ konstitutivȱ fürȱ dasȱ Zeugnisȱ diesesȱ Texts.ȱ Dannȱ Psȱ 144,3ȱ –ȱ möglicherweiseȱ zitiertȱ derȱ Psalmistȱ demȱ Sinneȱ nachȱ ausȱ demȱ ihmȱ schonȱ bekanntenȱ Psȱ 8:ȱ „Herr,ȱwasȱistȱderȱMensch,ȱdassȱduȱihnȱkennstȱ…?“ȱAberȱauchȱerȱmeintȱ sichȱselbstȱ–ȱseiȱesȱinȱEigenformulierungȱoderȱimȱZitat.ȱ Esȱ istȱ einȱ Unterschied,ȱ obȱ manȱ inȱ eigenerȱ Betroffenheitȱ dieȱ Frageȱ stelltȱundȱsichȱselbstȱimȱAugeȱhatȱwieȱHiobȱoderȱdieȱPsalmistenȱvonȱPsȱ 8ȱ undȱ 144,ȱ oderȱ obȱ manȱ eineȱ Frageȱ anȱ dieȱ gelehrteȱ Weltȱ derȱ Weisenȱ stelltȱwieȱEliphasȱimȱHiobdialog.ȱDieȱersteȱFrageȱerwartetȱeineȱAntwort,ȱ

278ȱ

18.ȱDasȱMenschenbildȱderȱPsalmenȱ

dieȱmichȱimȱletztenȱselbstȱbetrifftȱ–ȱsagenȱwir:ȱmitȱgöttlicherȱAutorität.ȱ Dieȱ zweiteȱ erwartetȱ eineȱAntwortȱ ausȱderȱ logischenȱ Plausibilitätȱeinesȱ theologischenȱ Systems.ȱ Grundsätzlichȱ schließtȱ sichȱ dasȱ gegenseitigȱ nichtȱausȱ–ȱwieȱmanȱanȱPsȱ8ȱsehenȱkann.ȱWirȱkommenȱdaraufȱzurück.ȱ Auchȱ seiȱ inȱ keinerȱ Weiseȱ gesagt,ȱ dieȱ großenȱ theologischenȱ Aussagenȱ zurȱAnthropologieȱimȱAltenȱTestamentȱwieȱetwaȱGenȱ1,ȱGenȱ2ȱundȱGenȱ 9ȱseienȱnichtȱausȱexistentiellenȱFragenȱhervorgegangen.ȱ Bedeutsamȱaberȱscheintȱmirȱzuȱsein,ȱdassȱ 1.ȱ dieȱAntwortenȱaufȱsolcheȱausȱderȱeigenenȱExistenzȱhervorbrechenȬ denȱFragenȱnotwendigȱvonȱderȱindividuellenȱSituationȱherȱgeprägtȱ sindȱundȱalsoȱzunächstȱkonkretȱseinȱmüssen.ȱD.ȱh.ȱwirȱhabenȱesȱmitȱ individuellenȱZeugnissenȱzuȱtun,ȱderenȱallgemeineȱBedeutungȱerstȱ durchȱ dieȱ nachträglicheȱ Anerkennungȱ undȱ Zustimmungȱ durchȱ weitereȱZeugenȱgewährleistetȱwird.ȱEinȱGrundphänomenȱderȱbibliȬ schenȱTheologie;ȱ 2.ȱ wirȱ gehaltenȱ sind,ȱ zuerstȱ dieȱ konkretenȱ Zusammenhängeȱ beiȱ Zeugnissesȱ solcherȱ Artȱ soȱ genauȱ wieȱ möglichȱ zuȱ erkennen,ȱ umȱ dannȱdieȱübergreifendeȱBedeutungȱbesserȱverstehenȱzuȱkönnen;ȱ 3.ȱ wirȱdavonȱausgehenȱmüssen,ȱdassȱjeweilsȱdieȱFragenȱderȱPsalmisȬ tenȱerörtertȱwerdenȱundȱnichtȱunbedingtȱdieȱFragen,ȱdieȱeventuellȱ unsȱ gegenwärtigȱ bedrängen.ȱ Dasȱ betrifftȱ vorȱ allemȱ Erwartungen,ȱ dieȱnichtȱbefriedigtȱwerdenȱkönnenȱ–ȱichȱdeuteȱnurȱan:ȱDerȱfeminisȬ tischeȱ Aspektȱ imȱ biblischenȱ Menschenbildȱ wirdȱ ausȱ Gründenȱ fehȬ lenderȱBelegeȱnichtȱexplizitȱzurȱSpracheȱkommenȱkönnen;ȱerȱistȱunȬ terȱ dasȱ neutraleȱ Ichȱ inȱ denȱ Psalmenȱ subsumiertȱ zuȱ denken;ȱ auchȱ werdeȱ ichȱ denȱ Aspektȱ derȱ Sozialitätȱ desȱ Menschenȱ nichtȱ explizitȱ ausführenȱ können,ȱ wenngleichȱ erȱ ansatzweiseȱ zurȱ Spracheȱ komȬ menȱwird;ȱȱ 4.ȱ wirȱvorȱallemȱmitȱParadigmenȱarbeitenȱmüssen,ȱweilȱdieȱFülleȱderȱ einzelnenȱ Aussagenȱ soȱ leichtȱ nichtȱ –ȱ wennȱ überhauptȱ –ȱ integriertȱ undȱsystematisiertȱwerdenȱkann.ȱ Beginnenȱ wirȱ unsereȱ Sucheȱ nachȱ demȱ Menschenbildȱ mitȱ einigenȱ BildȬ nissen,ȱdieȱdieȱPsalmistenȱvonȱsichȱselbstȱgezeichnetȱhaben.ȱȱ

II.ȱ DieȱbiblischenȱPsalmenȱbestehenȱbekanntlichȱnichtȱnurȱausȱLiedernȱundȱ GebetenȱwieȱunsereȱGesangȬȱundȱGebetbücher,ȱvielmehrȱbildenȱpersönȬ licheȱ Zeugnisseȱ einenȱ großenȱ Teilȱ derȱ überliefertenȱ Texte.ȱ Inȱ derȱ TerȬ minologieȱ derȱ Forschungȱwerdenȱ dieseȱ Zeugnisseȱunterȱ denȱ Begriffenȱ „KlageȬȱundȱDankliederȱdesȱEinzelnenȱoderȱderȱEinzelnen“ȱgeführt.ȱEsȱ

ȱ

II.ȱ

279ȱ

sindȱinȱderȱTatȱKlagenȱundȱBerichteȱeinzelnerȱMenschenȱüberȱihreȱeigeȬ neȱSituationȱundȱihrȱeigenesȱSchicksal,ȱdasȱsieȱvorȱdasȱAngesichtȱihresȱ GottesȱbringenȱundȱinȱGegenwartȱeinerȱzuhörendenȱGemeindeȱgleichȬ samȱöffentlichȱvortragen.ȱDieseȱpersönlichenȱTexteȱstammenȱimȱgroßenȱ GanzenȱvonȱLaien,ȱd.ȱh.ȱnichtȱvonȱprofessionellenȱDichternȱoderȱTheoȬ logen,ȱihnenȱhaftetȱderȱGeruchȱdesȱAlltagsȱundȱdieȱSchwereȱdesȱmühȬ samȱ gefundenenȱ sprachlichenȱ Ausdrucksȱ an.ȱ Dabeiȱ sindȱ sieȱ oftȱ vonȱ großerȱEinfachheitȱundȱKlarheitȱundȱvonȱeinerȱüberzeugendenȱEinsichȬ tigkeit,ȱ weilȱ hinterȱ ihnenȱ dieȱ Erfahrungȱ einesȱ hartenȱ undȱ schwerenȱ Lebensȱ steht,ȱ undȱ manȱ spürt,ȱ dassȱ jemandȱ spricht,ȱ derȱ seineȱ Worteȱ einemȱquälendenȱLeidenȱoderȱeinemȱbedrohlichenȱKonfliktȱabgerungenȱ hat,ȱundȱderȱweiß,ȱwasȱerȱsagt.ȱȱ Fürȱ unsȱ alsȱ denȱ spätenȱ Lesernȱ undȱ Benützernȱ derȱ Heiligenȱ Schriftȱ undȱihrerȱPsalmtexteȱhatȱdieseȱTatsacheȱdenȱunschätzbarenȱVorteil,ȱinȱ dasȱLebenȱderȱbetendenȱundȱsingendenȱMenschenȱEinblickȱnehmenȱzuȱ können,ȱdieȱvonȱsichȱselbstȱsprechen,ȱkonkretȱundȱeinmalig,ȱundȱnichtȱ zuerstȱ vonȱ einemȱ wieȱ immerȱ betrachtetenȱ allgemeinenȱ MenschenȬ schicksalȱundȱMenschenbild,ȱdemȱdannȱmeistȱetwasȱAbgehobenesȱundȱ darumȱ Unverbindlichesȱ anhaftet.ȱ Dieseȱ Klagenȱ undȱ Berichte,ȱ dieȱ –ȱ soȱ stellenȱwirȱunsȱdasȱvorȱ–ȱalsȱerhörteȱGebeteȱnachträglichȱaufgezeichnet,ȱ alsȱVotivgabenȱdargebracht,ȱdannȱniedergelegtȱundȱabgeschriebenȱundȱ späterȱ gesammeltȱ undȱ zumȱ weiterenȱ Gebrauchȱ ediertȱ wurden,ȱ sindȱ nunȱderȱGegenstandȱunseresȱFragensȱundȱSuchensȱnachȱdemȱSchicksal,ȱ dasȱsieȱbetroffenȱhat,ȱundȱnachȱdemȱBild,ȱdasȱsichȱinȱihnenȱabzeichnet.ȱ EsȱistȱeineȱbeträchtlicheȱAnzahlȱvonȱZeugnissen,ȱdieȱüberliefertȱwurdeȱ –ȱmanȱsprichtȱvonȱetwaȱ70ȱTextenȱunterȱdenȱ150ȱPsalmen;ȱsieȱsindȱvorȱ allemȱinȱdenȱPsalmserienȱzuȱfinden,ȱdieȱdemȱPrototypȱdesȱPsalmisten,ȱ nämlichȱdemȱKönigȱDavidȱzugeschriebenȱsind.ȱDieȱZuschreibungȱwirdȱ jaȱ meistȱ alsȱ Verfasserschaftȱ verstanden,ȱ wasȱ alsȱ grundsätzlichȱ unzuȬ treffendȱ anzusehenȱ ist.ȱ Dieȱ meistenȱ dieserȱ Texteȱ derȱ Einzelnenȱ stamȬ menȱnachȱSprache,ȱStilȱundȱSinnȱausȱsehrȱvielȱspätererȱZeitȱalsȱderȱdaȬ vidischenȱ Epoche.ȱ Esȱ handeltȱ sichȱ weithinȱ –ȱ wahrscheinlichȱ –ȱ umȱ Widmungenȱ oderȱ besserȱ umȱ bibliothekarischeȱ Zuordnungenȱ durchȱ Etiketten,ȱ nichtȱ umȱ Verfasserangaben.ȱ Wirȱ findenȱ demnachȱ unsereȱ biographischenȱ Texteȱ inȱ ersterȱ Linieȱ inȱ denȱ sog.ȱ Davidspsaltern,ȱ vonȱ denenȱvierȱimȱPsalterȱaufbewahrtȱsind.ȱInȱderȱMehrzahlȱderȱTexteȱfinȬ denȱsieȱsichȱinȱderȱerstenȱHälfteȱdesȱPsaltersȱinȱdenȱZiffernȱ2(oderȱ3)–72ȱ (oderȱ89),ȱdasȱentsprichtȱnachȱderȱtraditionellenȱEinteilungȱdenȱBüchernȱ Iȱ(bisȱ41)ȱundȱIIȱ(bisȱ72)ȱoderȱIIIȱ(bisȱ89).ȱ ȱ

280ȱ

18.ȱDasȱMenschenbildȱderȱPsalmenȱ

III.ȱ Blickenȱ wirȱ aufȱ dieseȱ Zeugnisse,ȱ vielmehrȱ aufȱ dieȱ Schicksale,ȱ dieȱ sichȱ hinterȱ diesenȱ Textenȱ auftun,ȱ ausȱ einerȱ gewissenȱ Entfernung,ȱ soȱ sehenȱ wirȱ einenȱ Stromȱ vonȱ Menschenȱ unterschiedlichsterȱ Art,ȱ vonȱ WallȬ fahrern,ȱ dieȱ zumȱ Festȱ nachȱ Jerusalemȱ hinaufȱ pilgern,ȱ belastete,ȱ angstȬ volle,ȱ aberȱ auchȱ fröhlichȱ undȱ gutgelaunteȱ Menschen,ȱ vollȱ vonȱ ErwarȬ tungen,ȱwieȱesȱPilgerȱsind,ȱdieȱviel,ȱwennȱnichtȱallesȱfürȱsichȱvonȱdieserȱ Reiseȱ erhoffen.ȱ Undȱ dieȱ dochȱ auchȱ rechtȱ zahlreichenȱ Danksagungenȱ bringenȱ zumȱ Ausdruck,ȱ dassȱ sieȱ nichtȱ durchwegȱ enttäuschtȱ wordenȱ sind.ȱDerȱAnblickȱeinerȱwallfahrendenȱMenschenmengeȱistȱdochȱwohlȱ einȱ erfreulicher.ȱ Festlicheȱ Menschenȱ verbreitenȱ guteȱ Stimmung,ȱ undȱ dieseȱ vermagȱ vieleȱ kleineȱWundenȱ undȱ Sorgen,ȱ wennȱ nichtȱ zuȱ heilen,ȱ soȱdochȱzuȱverdrängenȱundȱzuȱüberdecken.ȱEsȱgabȱinȱletzterȱZeitȱStimȬ men,ȱ dieȱ ausȱ diesemȱ generellenȱ Charakterzugȱ abzuleitenȱ versuchten,ȱ dassȱ derȱ Psalterȱ soȱ etwasȱ darstelltenȱ sollte,ȱ wieȱ dasȱ Buchȱ derȱ anȱ derȱ Wallfahrtȱ –ȱ ausȱ welchenȱ Gründenȱ auchȱ immerȱ –ȱ Gehinderten,ȱ sozuȬ sagenȱeineȱBuchrolleȱalsȱmeditativerȱErsatzȱfürȱeineȱReise.ȱȱ Nebenȱ diesemȱ farbenfrohenȱ Zug,ȱ derȱ gemessenenȱ Schrittesȱ zumȱ Festȱ hinzog,ȱ gabȱ esȱ aberȱ schonȱ damalsȱ einenȱ ganzȱ anderen,ȱ nichtȱ soȱ auffälligenȱ Stromȱ vonȱ Menschen,ȱ dieȱ wenigerȱ imȱ Taktȱ derȱ Liederȱ dahinzogen,ȱsondernȱdieȱgehetztȱundȱatemlos,ȱsoȱschnellȱwieȱnurȱmögȬ lich,ȱliefen,ȱumȱihrȱLebenȱliefen.ȱDasȱZielȱwarȱdasȱgleiche.ȱImȱSinnȱhatȬ tenȱsieȱnurȱeines:ȱdasȱAsylȱimȱHeiligtum.ȱDenȱStromȱdieserȱFlüchtlingeȱ bildetenȱnichtȱVerfolgteȱundȱVerfemteȱausȱfremdenȱLändernȱundȱStaaȬ ten,ȱ sondernȱ Verfolgteȱ undȱ Vertriebeneȱ ausȱ demȱ eigenenȱ Volkȱ undȱ Land.ȱ Dieȱ orientalischeȱ Antikeȱ kannteȱ –ȱ dasȱ mussȱ ichȱ hierȱ erklärendȱ einflechtenȱ–ȱnichtȱdenȱdemokratischenȱRechtsstaatȱimȱmodernenȱeuroȬ päischenȱ Sinne.ȱ Zwarȱ hatteȱ jedeȱ Staatsform,ȱ wieȱ jedeȱ Gemeinschaftȱ überhauptȱ–ȱundȱauchȱdasȱinȱwechselndenȱfremdstaatlichenȱundȱhalbȬ staatlichenȱFormenȱverfassteȱantikeȱIsraelȱ–,ȱdasȱprinzipielleȱBestreben,ȱ Rechtȱzuȱsetzenȱ(inȱGesetzenȱundȱOrdnungen)ȱundȱRechtȱzuȱsprechenȱ (durchȱ Personenȱ undȱ Institutionen).ȱ Aberȱ esȱ warȱ keineswegsȱ fürȱ denȱ einzelnenȱ Menschenȱ garantiert,ȱ dassȱ erȱ seinȱ Rechtȱ auchȱ erhielt.ȱ MissȬ liebigeȱ Mitmenschen,ȱ Neider,ȱ soȱ genannteȱ Freundeȱ undȱ vorȱ allemȱ Feindeȱ–ȱundȱinȱdiesenȱPsalmenȱwimmeltȱesȱvonȱFeinden;ȱsieȱsindȱallȬ gegenwärtigȱ –ȱ verstandenȱ esȱ offenbar,ȱ anderenȱ durchȱ entsprechendeȱ Aktionen,ȱ etwaȱ Anzeigenȱ undȱ Anklagen,ȱ dasȱ Rechtȱ zuȱ nehmen;ȱ undȱ nichtȱnurȱdasȱRecht,ȱsondernȱamȱEndeȱauchȱihrȱHabȱundȱGut,ȱFamilieȱ undȱ garȱ ihrȱ Leben.ȱ Immerȱ nochȱ galtȱ derȱ Rechtssatz,ȱ dassȱ aufȱ zweierȱ Zeugenȱ Mundȱ Todesurteileȱ gefälltȱ werdenȱ konntenȱ –ȱ undȱ wennȱ dieseȱ Zeugenȱ„falscheȱZeugenȱwaren“ȱ–ȱja,ȱwasȱdann?ȱDannȱbliebȱimȱdamaliȬ

ȱ

IV.ȱ

281ȱ

genȱIsraelȱoffenbarȱnurȱdieȱFlucht.ȱ„FliehȱinȱdieȱBergeȱwieȱeinȱVogel“,ȱ rietenȱ treueȱ Freundeȱ einemȱ derartȱ Verfolgtenȱ nachȱ Psȱ 11,1;ȱ dochȱ derȱ wählteȱdieȱriskantereȱAlternative:ȱdasȱAsylȱamȱHeiligtumȱmitȱderȱHoffȬ nungȱaufȱeinenȱProzessȱ–ȱwohlȱamȱTempelgerichtȱ(dasȱistȱumstritten)ȱ–ȱ undȱ einenȱ Freispruchȱ –ȱ wennȱ erȱ dennȱ bisȱ dahinȱ kam.ȱ Derȱ rechtsfreieȱ Raumȱ warȱ groß,ȱ undȱ derȱ Wegȱ warȱ weit.ȱ Soȱ hetztenȱ sieȱ dahin,ȱ nebenȱ undȱ imȱ Zugȱ derȱ Wallfahrer,ȱ einȱ unsichtbarerȱ Flüchtlingsstrom,ȱ vielȬ leichtȱkeinȱsoȱspektakulärer,ȱeinȱmehrȱverborgenerȱZug,ȱvielleichtȱkeineȱ Massenbewegung,ȱaberȱwohlȱnichtȱwenige,ȱVerfolgte,ȱAngeklagte,ȱUnȬ glückliche,ȱ vermehrtȱ nochȱ durchȱ andere,ȱ dieȱ allenȱ Anlassȱ hatten,ȱ dieȱ RechtssphäreȱdesȱheiligenȱOrtesȱundȱseinerȱGerichteȱaufzusuchenȱoderȱ einfachȱ Entlastungȱ vonȱ ihrerȱ Mühsalȱ zuȱ finden.ȱ Nochȱ dieȱ Bergpredigtȱ sprichtȱvonȱsolchenȱFällenȱ(Mtȱ5,23–26).ȱ Mitȱ ihnenȱ zogȱ –ȱ umȱ imȱ Bildeȱ zuȱ bleibenȱ –ȱ nochȱ einȱ anderer,ȱ ganzȱ unsichtbarerȱ Strom,ȱ unwirklich,ȱ sozusagenȱ virtuell,ȱ allerȱ derer,ȱ dieȱ nichtȱ mehrȱ fähigȱ waren,ȱ selbstȱ zuȱ gehen,ȱ zuȱ wandern,ȱ zuȱ wallfahren.ȱ Sieȱ zogenȱ inȱ Gedankenȱ mit.ȱ Esȱ warenȱ Krankeȱ undȱ Alte,ȱ Verunglückteȱ undȱ Gefangeneȱ jederȱ Art.ȱ Vonȱ vielenȱ Psalmenȱ mussȱ manȱ annehmen,ȱ dassȱsieȱaufȱdemȱKrankenlagerȱgesprochenȱwurden,ȱseiȱesȱaufȱderȱBettȬ stattȱ imȱ eigenenȱ Haus,ȱ seiȱ esȱ aufȱ demȱ AschenȬȱ undȱ Müllhaufen,ȱ aufȱ demȱnichtȱnurȱeinȱHiobȱleidendȱimȱFreienȱlagȱ–ȱmenschlicherȱMüllȱ–,ȱseiȱ esȱ inȱ einerȱ Grabhöhle,ȱ woȱ dieȱ vertriebenenȱ Hautkrankenȱ undȱ AusȬ sätzigenȱ sichȱ aufzuhaltenȱ hatten.ȱ Sieȱ zogenȱ inȱ Gedankenȱ mitȱ wieȱ derȱ wohlȱ erstȱ unterwegsȱ verunglückteȱ (einȱ Knochenbruch?)ȱ Psalmistȱ undȱ Dichterȱ desȱ Doppelpsalmsȱ 42/43,ȱ derȱ irgendwoȱ imȱ Jordantalȱ liegenȱ bliebȱ undȱ sichȱ nichtsȱ mehrȱ ersehnteȱ als,ȱ zuȱ „wallenȱ inȱ derȱ Scharȱ derȱ Edlenȱ zumȱ Hauseȱ Gottes,ȱ mitȱ lautemȱ Frohlockenȱ undȱ Dankenȱ inȱ feiȬ ernderȱMenge“ȱ(42,5),ȱundȱwenigstensȱseinȱLiedȱalsȱGebetȱzumȱGottesȬ dienstȱ mitsandte.ȱ Vielleichtȱ istȱ diesȱ auchȱ wörtlichȱ zuȱ nehmen,ȱ dassȱ erȱ undȱandereȱihreȱschriftlichȱformuliertenȱGebeteȱdenȱPilgernȱmitȱgabenȱ undȱ aufȱ dieseȱ Weiseȱ ihrȱ Heilȱ überȱ dasȱ aufgezeichneteȱ Gebetȱ suchten.ȱ Undȱmancheȱscheinenȱesȱauchȱgefundenȱzuȱhaben.ȱ

IV.ȱ Ausȱ derȱ großenȱ Zahlȱ derȱ wanderendenȱ Menschenȱ undȱ derȱ vonȱ ihnenȱ überliefertenȱZeugnisseȱgreifeȱichȱzunächstȱdreiȱheraus,ȱundȱzwarȱsolȬ che,ȱdieȱüberȱdieȱunmittelbareȱundȱindividuelleȱErfahrungȱdesȱLeidensȱ oderȱ derȱ großenȱ Freudeȱ hinausȱ Einsichtenȱ gewonnenȱ haben,ȱ dieȱ nichtȱ nurȱ fürȱ sieȱselbst,ȱ sondernȱ fürȱ ihreȱ Mitmenschenȱ undȱ zuletztȱ auchȱ fürȱ unsȱBedeutungȱhaben.ȱGewiss,ȱdasȱIndividuelleȱerhebtȱsichȱdannȱzumȱ

282ȱ

18.ȱDasȱMenschenbildȱderȱPsalmenȱ

Universellen.ȱAberȱgeradeȱhierȱwirdȱunserȱInteresseȱwach,ȱunsȱ–ȱsoȱdarfȱ manȱ wohlȱ sagenȱ –ȱ denenȱ nichtsȱ Menschlichesȱ fremdȱ istȱ undȱ dieȱ wirȱ eineȱvitaleȱNeugierȱhaben,ȱzuȱerfahren,ȱwieȱdennȱandereȱMenschen,ȱinȱ diesemȱFalleȱebenȱantikeȱMenschenȱundȱnochȱdazuȱbiblischeȱMenschen,ȱ ihrȱ Lebenȱ geführtȱ undȱ gemeistertȱ oderȱ verwirktȱ undȱ verlorenȱ haben,ȱ wieȱ sieȱ ihrenȱ persönlichenȱ Erfahrungenȱ sprachlichenȱ Ausdruckȱ verȬ schafftȱundȱanȱwelchenȱBildern,ȱVorbildernȱundȱLeitbildernȱsieȱsichȱinȱ ihremȱDaseinȱorientiertȱhaben.ȱ

1. Alsȱ erstenȱ Textȱ wähleȱ ichȱ Psȱ 39,ȱ offenbarȱ dasȱ Gebetȱ einesȱ SchwerȬ kranken,ȱ derȱ unterȱ körperlichenȱ Leidenȱ undȱ dazuȱ unterȱ GewissensȬ qualenȱ litt.ȱ Wasȱ erȱ genauȱ hatte,ȱ weißȱ manȱ wieȱ beiȱ vielenȱ KrankenȬ psalmenȱ nicht.ȱ Dieȱ Beschreibungen,ȱ dieȱ ohnehinȱ jaȱ nichtȱ einerȱ medizinischenȱDiagnoseȱdienten,ȱsindȱzuȱungenau.ȱDieȱMenschenȱhatȬ tenȱjaȱauchȱimȱAllgemeinenȱdamalsȱkeinerleiȱmedizinischeȱoderȱphysioȬ logischeȱKenntnisse,ȱwarenȱmitȱihremȱSchmerzȱundȱLeidenȱmeistȱallein.ȱ Eineȱ Medizinȱ imȱ modernenȱ Sinne,ȱ dieȱdenȱ Namenȱverdientȱ hätte,ȱ gabȱ esȱ nicht,ȱ jedenfallsȱ fürȱ sieȱ nicht.ȱ Dieȱ vorderorientalischeȱ Antikeȱ etwaȱ Ägyptensȱ undȱ Mesopotamiensȱ hatteȱ zwarȱ erstaunlicheȱ medizinischeȱ Erkenntnisseȱ undȱ Möglichkeitenȱ –ȱ bisȱ hinȱ zuȱ kompliziertenȱ AugenȬ operationenȱ–,ȱaberȱdasȱkamȱnurȱWenigenȱzugute,ȱdieȱdenȱZugangȱhatȬ ten,ȱ amȱ Königshof,ȱ bestenfallsȱ inȱ großstädtischenȱ Zentren.ȱ Demȱ einȬ fachenȱ Volkȱ warȱ diesȱ verwehrt.ȱ Zudemȱ warȱ esȱ sozusagenȱ Spitzenmedizin,ȱ dieȱ nurȱ fürȱ Spezialfälleȱ inȱ Frageȱ kam.ȱ Dochȱ vieleȱ schwereȱ Krankheiten,ȱ zumalȱ innere,ȱ warenȱ auchȱ ihrȱ unbekannt.ȱ Dasȱ Volkȱ behalfȱ sichȱ mitȱ demȱ populärenȱ Alternativwissen,ȱ vonȱ demȱ manȱ glaubte,ȱdassȱesȱhalf,ȱverbundenȱmitȱallerleiȱmagischenȱRitenȱundȱBräuȬ chen,ȱ derentwegenȱ inȱ Israelȱ jedeȱ Formȱ vonȱ Arzttumȱ undȱ Arzneiȱ verȬ pöntȱ war.ȱ Nochȱ dieȱ späteȱ Zeitȱ hatteȱ Mühe,ȱ demȱ Arztȱ wenigstensȱ eineȱ Existenzberechtigungȱ zuzubilligenȱ (vgl.ȱ Sirȱ 38).ȱ Fürȱ alleȱ Patientenȱ derȱ fraglichenȱZeitȱgaltȱdasȱSchicksalȱHiobs.ȱBedrängtȱvonȱwohlmeinendenȱ Freundenȱ undȱ übelgesinntenȱ Feinden,ȱ angefochtenȱ vonȱ denȱ VerȬ sprechungenȱ derȱ Quacksalber,ȱ denȱ letztenȱ Wegȱ inȱ dasȱ „Landȱ ohneȱ Wiederkehr“ȱ vorȱ Augen,ȱ bliebȱ ihnenȱ oftȱ nurȱ eines:ȱ dasȱ Gebet.ȱ Hiobȱ nahmȱesȱwahrȱundȱfandȱGehörȱ–ȱoffenbarȱgaltȱesȱauchȱvonȱdemȱKranȬ kenȱdesȱ39.ȱPsalms.ȱȱ Auchȱ erȱ hatteȱ sichȱ inȱ seinerȱ schwerenȱ Krankheit,ȱ dieȱ ihmȱ deutlichȱ machte,ȱ dassȱ erȱ nichtȱ mehrȱ vielȱ Zeitȱ hatteȱ (Sieh,ȱ nurȱ handbreitȱ hastȱ duȱ meineȱ Tageȱgemacht,ȱ undȱ meineȱ Lebenszeitȱ istȱ wieȱ nichtsȱ vorȱ dir,ȱ V.ȱ6a)ȱ ofȬ fenbarȱ zuȱ Äußerungenȱ hinreißenȱ lassen,ȱ dieȱ ihmȱ nachträglichȱ großeȱ QualenȱbereitetenȱundȱseineȱkörperlichenȱSchmerzenȱsteigerten.ȱWasȱesȱ

ȱ

IV.ȱ

283ȱ

genauȱ war,ȱ istȱ nichtȱ gesagt,ȱ aberȱ esȱ scheintȱ etwasȱ imȱ Zusammenhangȱ vonȱ Beschwörungenȱ gewesenȱ zuȱ sein,ȱ dieȱ gegenȱ böseȱ Mächteȱ undȱ Krankheitsgeisterȱdurchgeführtȱwurden.ȱTeilnahmeȱanȱsolchen,ȱgewissȱ fremdreligiösenȱ magischenȱ Ritualenȱ warȱ einȱ kapitalesȱ undȱ todesȬ würdigesȱ Vergehenȱ nachȱ Traditionȱ undȱ Glaubeȱ inȱ Israel.ȱ Soȱ doppeltȱ mitȱ einerȱ Krankheitȱ zumȱ Todeȱ undȱ schwererȱ Schuldȱ belastet,ȱ suchtȱ erȱ dasȱ Gebetȱundȱ lässtȱ dabeiȱletzteȱ Einsichtenȱ erkennenȱ inȱ seinȱundȱallerȱ MenschenȱSchicksal.ȱAusȱderȱSelbstdarstellungȱwirdȱeinȱMenschenbild.ȱ Alsȱ ersteȱ Einsichtȱ formuliertȱ erȱ einenȱ allgemeinenȱ Satz,ȱ denȱ erȱ zuȬ demȱspäterȱwiederholt:ȱ Ja,ȱeinȱHauchȱnurȱistȱalles,ȱwasȱMenschȱheißt.ȱ NurȱwieȱeinȱSchattenȱgehtȱderȱMenschȱeinher,ȱ MachtȱLärmȱumȱeinȱNichts,ȱhäuftȱzusammenȱ undȱweißȱnicht,ȱwerȱeinsammelnȱwird.ȱ(V.ȱ6b.7)ȱ

MagȱunsȱdieseȱErkenntnisȱvorkommenȱalsȱwieȱeineȱBanalität,ȱsoȱmussȱ manȱdochȱbedenken,ȱdassȱnichtȱeinȱmitȱderȱganzenȱLastȱhumanistischerȱ TraditionȱundȱBildungȱwestlichȬmodernerȱHerkunftȱbeschwerterȱPhiloȬ soph,ȱ sondernȱ eherȱ einȱ unbelasteter,ȱ dochȱ nichtȱ ungebildeterȱ Menschȱ sprichtȱundȱausȱeigenerȱErfahrungȱbestätigt,ȱwasȱanȱsichȱauchȱverbreiteȬ teȱ antikeȱ Einsichtȱ war,ȱ nämlich,ȱ wasȱ Vergänglichkeitȱ heißt.ȱ Undȱ ausȱ eigenerȱBetroffenheitȱstelltȱesȱsichȱandersȱda,ȱwiegenȱdieȱWorteȱschweȬ rerȱalsȱinȱderȱWeisheitsschuleȱderȱLehrer.ȱJa,ȱsagtȱer,ȱderȱSatzȱistȱnurȱzuȱ wahr,ȱdassȱwirȱvergänglicheȱWesenȱsind.ȱ„Hauch“,ȱsagtȱer,ȱundȱmeintȱ denȱ dünnenȱ Atem,ȱ anȱ demȱ dasȱ Lebenȱ hängt,ȱ „Schatten“,ȱ sagtȱ er,ȱ undȱ denktȱanȱdieȱExistenzȱderȱToten,ȱvonȱdenenȱdieȱganzeȱAntikeȱundȱauchȱ Israelȱ glaubte,ȱ dassȱ sieȱ alsȱ Schattenȱ inȱ derȱ Unterweltȱ weiterlebten.ȱ Daȱ bleibtȱ nichtȱ vielȱ Substanz,ȱ anȱ Hauchȱ undȱ Schatten,ȱ beideȱ äußerstȱ schwerȱ fassbar,ȱ flüchtig,ȱ kurzlebig,ȱ ebenȱ vergänglich.ȱ Desȱ Menschenȱ Wesenȱ–ȱvergleichbarȱdemȱVergänglichsten,ȱdasȱesȱgibt,ȱLufthauchȱundȱ Schatten.ȱȱ GleichesȱgiltȱauchȱseinemȱLebenȱundȱseinemȱLebenswerkȱ–ȱwiederȱ gemessenȱanȱderȱeigenenȱErfahrungȱ–ȱerȱsprichtȱ(WilliamȱShakespeareȱ hatȱ wohlȱ denȱ Psalmȱ auchȱ gelesen?)ȱ vonȱ „vielȱ Lärmȱ umȱ nichts“ȱ undȱ „Aufhäufen“ȱundȱ„Sammeln“ȱvonȱDingenȱundȱWerten,ȱvonȱdenenȱmanȱ selbstȱ nichtsȱ mehrȱ hat.ȱ „Ziemlichȱ sinnlos“,ȱ lautetȱ dasȱ skeptische,ȱ fastȱ zynischeȱUrteilȱdesȱeinsichtigenȱKrankenȱüberȱseinȱLeben.ȱ SeineȱzweiteȱEinsichtȱistȱnichtȱganzȱsoȱleichtȱnachvollziehbar,ȱwieȱesȱ beiȱdieserȱerstenȱscheint,ȱdieȱsichȱdesȱBeifallsȱallerȱZynikerȱundȱSkeptiȬ kerȱ–ȱundȱallerȱRealistenȱsicherȱist.ȱErȱsprichtȱnämlichȱeinenȱGlaubensȬ satzȱaus,ȱzuȱdemȱdieserȱisraelitischeȱMenschȱdurchȱseineȱTraditionȱanȬ geleitetȱ wurde.ȱ Warȱ dieȱ ersteȱ eineȱ philosophischeȱ Einsicht,ȱ istȱ dieȱ zweiteȱeineȱtheologische.ȱErȱwagtȱnämlichȱdenȱSatzȱ–ȱanȱdemȱauchȱeinȱ

284ȱ

18.ȱDasȱMenschenbildȱderȱPsalmenȱ

Hiobȱ nieȱ gezweifeltȱ hatȱ –,ȱ dassȱ nämlichȱ dieȱ Ursacheȱ seinerȱ ganzenȱȱ MisereȱbeiȱGottȱliegt:ȱ …ȱduȱhastȱesȱgefügt.ȱ NimmȱdeineȱPlageȱvonȱmir.ȱIchȱvergeheȱunterȱderȱWuchtȱdeinerȱHand.ȱ MitȱStrafenȱzüchtigstȱduȱdenȱMenschenȱumȱderȱSchuldȱwillen.ȱ DuȱlässestȱseineȱAnmutȱzergehenȱwieȱeineȱMotte.ȱ EinȱHauchȱistȱalles,ȱwasȱMenschȱheißt.ȱ(V.ȱ10b–12)ȱ

Wirȱ lesenȱ recht:ȱ „deineȱ Plage“,ȱ „deineȱ Strafen“!ȱ Derȱ altisraelitischeȱ Mensch,ȱ derȱ nachȱ demȱ Glaubenȱ anȱ seinenȱ Gott,ȱ derȱ ihnȱ inȱ allemȱ undȱ alleinȱ undȱ unbedingtȱ anging,ȱ mussteȱ auchȱ seineȱ Krankheitȱ wieȱ seinȱ ganzesȱLebenȱaufȱihnȱzurückführen.ȱAlles,ȱwasȱmitȱihmȱgeschieht,ȱgeȬ schiehtȱvonȱGott.ȱ„DerȱHerrȱhat’sȱgegeben,ȱderȱHerrȱhat’sȱgenommen.ȱ DerȱNameȱdesȱHerrnȱseiȱgelobt!“,ȱsoȱsprichtȱHiob.ȱSoȱbekenntȱsichȱderȱ Beterȱ zuȱ seinemȱ Gottȱ undȱ seinemȱ Geschick.ȱ Dasȱ istȱ seineȱ ganzeȱ undȱ seineȱ letzteȱ Hoffnung.ȱ Dieseȱ aberȱ istȱ fürȱ ihnȱ mehrȱ alsȱ jeneȱ fataleȱ EinȬ sichtȱinȱdasȱLosȱderȱVergänglichkeit,ȱundȱsieȱgibtȱihmȱdieȱMöglichkeitȱ zuȱhandeln.ȱ GegenȱdasȱFatumȱderȱVergänglichkeitȱistȱnichtsȱzuȱmachen.ȱDabeiȱ bleibtȱes.ȱErȱwiederholtȱdenȱSatzȱvomȱHauchȱdesȱLebens.ȱWeilȱerȱaberȱ seineȱSituationȱabhängigȱweißȱvonȱseinemȱGott,ȱkannȱerȱmitȱdiesemȱreȬ den.ȱUndȱdasȱistȱesȱ–ȱesȱistȱdieȱdritteȱEinsichtȱ–,ȱwasȱdieȱPsalmistenȱnochȱ könnenȱundȱauchȱtun:ȱSieȱredenȱmitȱihremȱGottȱüberȱihrenȱFall.ȱ Wasȱwirdȱdadurchȱanders?ȱZumindestȱdies:ȱKrankheitȱwirdȱzuȱeiȬ nerȱ Sache,ȱ überȱ dieȱ sichȱ redenȱ lässt,ȱ weilȱ sieȱ inȱ dieȱ Beziehungȱ hineinȬ gehört,ȱdieȱderȱPsalmistȱzuȱseinemȱGottȱhat.ȱDarumȱistȱauchȱdieȱdüstereȱ EinsichtȱinȱdieȱWesenlosigkeitȱundȱVerlorenheitȱdesȱmenschlichenȱDaȬ seinsȱ wenigerȱ bitterȱ undȱ düster,ȱ weilȱ nunȱ etwasȱ Persönlichesȱ hinzuȬ kommt,ȱ weilȱ dasȱ allgemeineȱ Menschenlosȱ inȱ derȱ persönlichenȱ BeȬ ziehungȱeinenȱSinnȱbekommt.ȱDasȱmachtȱselbstȱdenȱSchwerkrankenȱzuȬ versichtlich.ȱ Inȱ einemȱ seltenȱ schönenȱ undȱ sprechendenȱ Bildȱ nenntȱ erȱ sichȱeinenȱpersönlichenȱ„GastȱGottes“ȱaufȱErden.ȱȱ HöreȱmeinȱGebet,ȱoȱHerr,ȱvernimmȱmeinȱSchreien,ȱ schweigeȱnichtȱzuȱmeinenȱTränen;ȱ dennȱichȱbinȱeinȱGastȱbeiȱdir,ȱȱ einȱBeisasseȱwieȱalleȱmeineȱVäter.ȱ(V.ȱ13)ȱ

DasȱklingtȱandersȱalsȱdasȱWortȱvonȱHauchȱundȱSchattenȱoderȱvonȱderȱ totenȱ Motte.ȱ Dasȱ Menschenbildȱ diesesȱ Psalmistenȱ istȱ nichtȱ dasȱ einesȱ Toten,ȱ sondernȱ einesȱ Lebendigen:ȱ Erȱ nenntȱ sichȱ einenȱ Gastȱ undȱ istȱ zuȱ BesuchȱaufȱErden.ȱ

ȱ

IV.ȱ

285ȱ

2. AlsȱzweitenȱPsalmȱwähleȱichȱPsȱ52,ȱdasȱZeugnisȱeinesȱVerfolgten,ȱeinenȱ sog.ȱFeindpsalm.ȱDieseȱPsalmenȱwerdenȱsoȱgenannt,ȱweilȱsieȱeinȱFeindȬ bildȱ enthalten.ȱ Dasȱ Feindbildȱ derȱ Psalmenȱ hatȱ vieleȱ Fragenȱ aufgeworȬ fen,ȱ undȱ vielȱ istȱ darüberȱ geschriebenȱ worden,ȱ mitȱ demȱ Ergebnis,ȱ dassȱ dieȱ Feindbilderȱ nichtȱ einheitlichȱ sind.ȱ Esȱ kommtȱ jeweilsȱ aufȱ dieȱ PerȬ spektiveȱan,ȱinȱderȱeinȱFeindbildȱsteht.ȱBeiȱdenȱvonȱunsȱgewähltenȱTexȬ tenȱ sindȱ esȱ inȱ derȱ Regelȱ individuelleȱ Feinde,ȱ d.ȱh.ȱ persönlicheȱ Gegnerȱ ausȱ demȱ Umfeldȱ derȱ Psalmisten,ȱ Mitmenschen,ȱ dieȱ ausȱ irgendeinemȱ Grundȱ zuȱ Gegnernȱ undȱ Feindenȱ desȱ betroffenenȱ Menschenȱ gewordenȱ sind.ȱEinȱsolchesȱBildȱzeichnetȱauchȱPsȱ52.ȱFeindbilderȱsindȱauchȱMenȬ schenbilder,ȱundȱeinenȱMenschenȱsiehtȱderȱPsalmistȱoffenbarȱvorȱsich.ȱ Erȱ sprichtȱ ihnȱ direktȱ anȱ –ȱ Zeichenȱ einerȱ konkretenȱ Situation.ȱ Erȱ nenntȱ ihnȱ „Tyrann“ȱ („Held“ȱ übersetztȱ dieȱ Zürcherȱ Bibelȱ jetzt)ȱ –ȱ wohlȱ mehrȱ Eindruckȱ seinerȱ Wirkungȱ alsȱ Bezeichnungȱ einesȱ Rangs.ȱ Dieserȱ „TyȬ rann“,ȱ einȱ reicherȱ undȱ mächtigerȱ Mann,ȱ „tyrannisiert“ȱ offenbarȱ denȱ Sprechendenȱundȱnichtȱnurȱihn.ȱDieȱGefahrȱgehtȱausȱvonȱeinerȱverbalenȱ Bedrohung:ȱ AufȱVerderbenȱgehtȱausȱdeineȱZungeȱȱ wieȱeinȱscharfesȱMesser,ȱduȱRänkeschmied!ȱ(V.ȱ4)ȱ

Verbaleȱ Attackenȱ sindȱ immerȱ dannȱ gefährlich,ȱ wennȱ sieȱ Vorwürfe,ȱ Anzeigen,ȱ Anklagenȱ enthalten,ȱ dieȱ meistȱ nichtȱ reinȱ verbaleȱ ÄußerunȬ genȱ bleiben,ȱ sondernȱ zuȱ Maßnahmenȱ führen.ȱ Wirȱ erkennenȱ hierȱ dieȱ typischeȱ Situationȱ einerȱ Anklageerhebung,ȱ wobeiȱ leiderȱ überȱ dieȱ konȬ kretenȱ Anklagepunkteȱ nichtsȱ auszumachenȱ ist.ȱ Derȱ betroffeneȱ VerȬ klagteȱsprichtȱvonȱ„Lüge“ȱundȱ„verderblichenȱReden“,ȱwelcheȱvonȱderȱ „trügerischenȱ Zunge“ȱ desȱ „Tyrannen“ȱ kommen.ȱ Erȱ weißȱ vonȱ ihrerȱ Haltlosigkeit.ȱ Dochȱ werȱ bezeugtȱ seineȱ Unschuld,ȱ verschafftȱ ihmȱ seinȱ Recht?ȱ Imȱ Allgemeinenȱ sindȱ solcheȱ Konstellationenȱ imȱ Psalterȱ allesȱ andereȱalsȱ ungefährlich.ȱDerȱ Sprecherȱ weißȱ sichȱ inȱ schwererȱ BedrängȬ nis.ȱ Erȱ istȱ aberȱ auchȱ realistischȱ genug,ȱ umȱ einzusehen,ȱ dassȱ manȱ zumȱ Rechtȱnichtȱvonȱselbstȱundȱvonȱalleinȱkommt,ȱdassȱerȱetwasȱunternehȬ menȱmuss,ȱumȱseinȱRechtȱzuȱfindenȱundȱseinȱLebenȱzuȱretten.ȱZielȱderȱ bedrängtenȱ Rechtssuchendenȱ warenȱ dasȱ Tempelheiligtumȱ undȱ seineȱ Gerichte.ȱNurȱvonȱihnenȱ–ȱundȱnichtȱvonȱderȱlokalenȱGerichtsbarkeitȱ–ȱ konnteȱ erȱ Hilfeȱ inȱ seinemȱ Fallȱ erwarten.ȱ Dieȱ lokalenȱ Behördenȱ warenȱ beiȱ schwerenȱ Konfliktenȱ meistȱ völligȱ überfordert,ȱ weilȱ sieȱ nichtȱ Mittelȱ undȱMachtȱhatten,ȱdieȱalleinȱfürȱdieȱErmittlungenȱnötigȱwaren.ȱUndȱinȱ diesemȱFallȱhandelteȱesȱsichȱoffenbarȱumȱeinenȱmächtigenȱMann,ȱȱ derȱdaȱvertrautȱaufȱseinenȱgroßenȱReichtum,ȱ derȱdaȱtrotztȱaufȱseineȱSchätze.ȱ(V.ȱ9)ȱȱ

286ȱ

18.ȱDasȱMenschenbildȱderȱPsalmenȱ

Daȱ liegtȱ Korruptionȱ immerȱ sehrȱ nahe.ȱ Wasȱ warȱ zuȱ tun?ȱ Derȱ Psalmistȱ setztȱaufȱdieȱTempelgerichteȱundȱihreȱGerechtigkeit,ȱzumindestȱaufȱdasȱ Asyl,ȱdasȱeinȱHeiligtumȱgewährenȱkonnteȱ–ȱzeitweise.ȱAmȱbestenȱwäreȱ esȱ schon,ȱ wennȱ dieȱ Gerichteȱ sprächenȱ undȱ eineȱ Schlichtungȱ herbeiȬ führten!ȱSoweitȱwarȱderȱPsalmistȱwohlȱnochȱnicht.ȱAberȱdasȱAsylȱwurȬ deȱihmȱoffenbarȱgewährt:ȱ IchȱaberȱbinȱwieȱeinȱgrünenderȱÖlbaumȱimȱHauseȱGottes,ȱ ichȱverlasseȱmichȱaufȱGottesȱGnadeȱimmerȱundȱewig.ȱ(V.ȱ10)ȱ

Mitȱ zweiȱ Bildernȱ kennzeichnetȱ derȱ Psalmistȱ dieȱ Auseinandersetzung:ȱ dortȱdasȱ„scharfeȱMesser“,ȱhierȱderȱ„grünendeȱÖlbaum“.ȱWoȱdasȱRechtȱ undȱdasȱUnrechtȱistȱ–ȱerȱweißȱes.ȱObȱesȱaberȱauchȱentschiedenȱzuȱTageȱ kommt,ȱweißȱerȱnicht.ȱImmerhinȱhatȱerȱdasȱAsylȱerreichtȱundȱerȱfeiertȱ diesenȱ Fortschrittȱ wieȱ einenȱ großenȱ Triumph,ȱ einenȱ Triumphȱ desȱ Rechts.ȱSeinȱFallȱstimmtȱ nachdenklich.ȱWennȱ erȱsoȱ klarȱ ist,ȱ wieȱ esȱ derȱ Psalmistȱ darstellt;ȱ wennȱ Unrechtȱ undȱ Rechtȱ soȱ offenȱ amȱ Tageȱ liegen,ȱ wieȱ erȱ selbstȱ –ȱ allerdingsȱ alsȱ Beteiligterȱ –ȱ meint;ȱ wennȱ erȱ derartȱ überȬ zeugtȱist,ȱzuȱdenȱGerechtenȱzuȱgehörenȱundȱnichtȱzuȱdenȱUngerechten,ȱ wasȱhindertȱesȱeigentlich,ȱdassȱdarüberȱentschiedenȱwirdȱundȱdasȱRechtȱ erteiltȱ wird?ȱ Audiaturȱ etȱ alteraȱ pars.ȱ Fürȱ unsȱ istȱ esȱ nichtȱ möglich.ȱ Wirȱ hörenȱ nurȱ eineȱ Partei.ȱ Dieȱ beidenȱ Menschenbilderȱ diesesȱ Zeugnissesȱ aberȱsindȱklarȱundȱdeutlichȱverteilt.ȱDochȱwasȱnütztȱes,ȱRechtȱzuȱhaben,ȱ aberȱRechtȱnichtȱzuȱbekommen?ȱUndȱwennȱauchȱdieȱGerichteȱesȱnichtȱ gebenȱwolltenȱoderȱkonnten?ȱ Derȱ Psalmistȱ hatȱ einȱ klaresȱ Bildȱ vonȱ gutȱ undȱ böseȱ undȱ vonȱ sichȱ –ȱ wieȱ dieȱ meistenȱ Menschen.ȱ Aberȱerȱistȱ imȱ Zweifel,ȱ obȱ sichȱdiesȱ inȱ seiȬ nemȱ Fallȱ durchsetzt.ȱ Soȱ bleibtȱ ihmȱ dieȱ explizitȱ ausgesprocheneȱ HoffȬ nungȱ aufȱ denȱ göttlichenȱ Gerichtsherrnȱ undȱ seineȱ Gerechtigkeit,ȱ zuȱ handelnȱundȱzuȱhelfen,ȱsoȱdassȱdasȱRechtȱauchȱzumȱTragenȱkommt.ȱEsȱ istȱeineȱHoffnung,ȱaberȱnurȱeineȱHoffnung:ȱ SoȱwirdȱdichȱGottȱniederbrechenȱaufȱimmer,ȱ dichȱpackenȱundȱherausreißenȱausȱdemȱZelte,ȱ undȱdichȱentwurzelnȱausȱdemȱLandeȱderȱLebenden.ȱ(V.ȱ7)ȱ

Einȱ Siegȱ derȱ Gerechtigkeitȱ würdeȱ esȱ sein,ȱ undȱ dasȱ ethischeȱ Weltbildȱ kämeȱwiederȱinsȱLot.ȱUndȱwennȱesȱdennȱeintrifft,ȱ werdenȱdieȱGerechtenȱesȱschauen,ȱesȱschauenȱundȱschaudern,ȱ undȱsieȱwerdenȱseinerȱlachen:ȱ Seht,ȱdasȱistȱderȱMann,ȱderȱnichtȱGottȱzuȱseinerȱZufluchtȱmachte,ȱ derȱvertrauteȱaufȱseinenȱgroßenȱReichtum.ȱ(V.ȱ8ȱf.)ȱ

Zumȱ Menschenȱ gehörtȱ nachȱ diesemȱ Zeugnisȱ seinȱ Recht.ȱ Aberȱ diesesȱ mussȱ imȱ Konfliktfallȱ erstȱ gesprochenȱ werden.ȱ Bisȱ dahinȱ bleibtȱ esȱ einȱ Anspruch.ȱWennȱesȱeintrifft,ȱistȱesȱeinȱGeschenkȱundȱeineȱHeilsgabe.ȱȱ

ȱ

IV.ȱ

287ȱ

3. NebenȱdieseȱAlltagsfälleȱstellenȱwirȱdenȱExtremfall,ȱPsȱ22,ȱdasȱZeugnisȱ einesȱzurȱHinrichtungȱGeführten,ȱderȱimȱletztenȱMomentȱnochȱgerettetȱ wird.ȱ Derȱ rechtȱ langeȱ Psalmȱ gibtȱ eineȱ LeidensȬȱ undȱ eineȱ HeilsgeȬ schichteȱ wieder,ȱ dieȱ durchȱ großeȱ Tiefenȱ undȱzuȱ großenȱ Höhenȱführte.ȱ Nichtȱ umsonstȱ hatȱ dieȱ Passionsgeschichteȱ derȱ neutestamentlichenȱ EvangelienȱdiesenȱTextȱbenütztȱ–ȱausȱAnlassȱderȱletztenȱWorteȱJesu,ȱderȱ diesenȱ Psalmȱ zitiertȱ –,ȱ umȱ dasȱ Geschickȱ desȱ Gekreuzigtenȱ undȱ AufȬ erstandenenȱ„ausȱderȱSchrift“ȱdarzustellen.ȱDasȱvonȱdortȱentlehnteȱBildȱ desȱ„Schmerzensmannes“ȱistȱeinȱbewegendesȱZeugnisȱdafür,ȱwasȱMenȬ schenȱ Menschenȱ antunȱ können,ȱ ganzȱ gleich,ȱ obȱ zuȱ Rechtȱ oderȱ zuȱ UnȬ recht.ȱDerȱPsalmist,ȱwohlȱeinȱzumȱTodeȱVerurteilter,ȱbeklagtȱseineȱVerȬ lassenheitȱundȱerdrückendeȱEinsamkeit.ȱȱ IchȱaberȱbinȱeinȱWurmȱundȱkeinȱMensch,ȱ einȱSpottȱderȱLeuteȱundȱverachtetȱvomȱVolke.ȱ Alle,ȱdieȱmichȱsehen,ȱspottenȱmeiner,ȱ verziehenȱdieȱLippenȱundȱschüttelnȱdenȱKopf:ȱ ‚Erȱwarf’sȱaufȱdenȱHerrn,ȱderȱmögeȱihmȱhelfen;ȱ erȱretteȱihn,ȱdenȱerȱhatȱjaȱGefallenȱanȱihm.‘ȱ(V.ȱ7–9)ȱ

UndȱdannȱbeginntȱdieȱSchilderungȱseinesȱLeidensȱ–ȱoffenbarȱnachträgȬ lichȱ aufgezeichnetȱ (V.ȱ 10ȱff.).ȱ Dieȱ vonȱ anderenȱ Menschenȱ ausgehendeȱ Gewaltȱrücktȱbedrohlichȱimmerȱnäherȱanȱihnȱheran.ȱErȱbeschreibt,ȱwieȱ dasȱ Unheilȱ ihnȱ inȱ immerȱ engerenȱ Kreisenȱ einschnürt,ȱ sprichtȱ bildhaftȱ vonȱ Büffelnȱ undȱ Löwen,ȱ dieȱ inȱ umringenȱ undȱ denȱ Rachenȱ aufreißen.ȱ Schließlichȱ berührtȱ esȱ seineȱ Hautȱ undȱ erfasstȱ ihnȱ selbst.ȱ Dieȱ Gliederȱ lösenȱsichȱauf.ȱWieȱWasserȱwirdȱseinȱLebenȱausgeschüttet.ȱSeinȱInneresȱ zerschmilztȱwieȱWachsȱundȱzerfließt,ȱderȱTopfȱ–ȱsoȱdrücktȱerȱsichȱausȱ–ȱ wirdȱ vomȱ Herdȱ gestellt.ȱ Bilderȱ äußerstenȱ Leidens.ȱ Zuletztȱ sprichtȱ erȱ wieȱeiner,ȱderȱgarȱnichtȱmehrȱbetroffenȱist,ȱvonȱdenȱEreignissen,ȱdieȱsichȱ anȱihmȱvollziehen.ȱErȱistȱschonȱganzȱaufȱDistanz.ȱErȱbeobachtet,ȱwasȱanȱ ihmȱgeschieht.ȱErȱsprichtȱnurȱnochȱimȱKlartextȱ–ȱvonȱsichȱwieȱvonȱeinerȱ drittenȱ Person.ȱ Einigeȱ Stichworteȱ mögenȱ genügen:ȱ Bluthundeȱ umrinȬ genȱ ihn;ȱ seineȱ Gliederȱ werdenȱ geknebelt;ȱ erȱ siehtȱ dieȱ Blickeȱ vielerȱ aufȱ sichȱgerichtet;ȱmanȱwürfeltȱüberȱseineȱKleider.ȱDannȱeinȱletzterȱGebetsȬ seufzer:ȱ „Du,ȱHerr,ȱeileȱmirȱzuȱhelfen!“ȱ–ȱSonstȱistȱesȱzuȱspätȱ(V.ȱ20).ȱȱ

Eineȱ Unterschriftȱ unterȱ demȱ Psalmȱ bezeugt,ȱ dassȱ dasȱ Gebetȱ Erhörungȱ fand:ȱ„Duȱhastȱmichȱerhört“ȱ(V.ȱ22,ȱfehltȱinȱderȱaltenȱZürcherȱÜbersetȬ zung,ȱnichtȱinȱderȱvonȱ1996).ȱEinȱDankliedȱschließtȱsichȱan.ȱDerȱMannȱ kamȱmitȱdemȱLebenȱdavonȱ(V.ȱ23–32).ȱ

288ȱ

18.ȱDasȱMenschenbildȱderȱPsalmenȱ

Eineȱ extremeȱ Situationȱ gewiss,ȱ dasȱ Schicksalȱ einesȱ TodeskandidaȬ ten!ȱ Wasȱ fürȱ einȱ Bild,ȱ wasȱ fürȱ einȱ Menschenbild.ȱ Ecceȱ homo!ȱ Sehet,ȱ welchȱ einȱ Mensch!ȱ Wieȱ weitȱ kannȱ einȱ Bildȱ entstelltȱ werden,ȱ umȱ nochȱ BildȱeinesȱMenschenȱzuȱsein.ȱGrässlich,ȱaberȱwahrȱ–ȱwirȱwissenȱes,ȱhaȬ benȱ selbstȱ solcheȱ Bilderȱ gesehenȱ inȱ derȱ Realitätȱ oderȱ inȱ denȱ Medien.ȱ Dochȱwieȱandersȱnochȱistȱes,ȱwennȱesȱeigeneȱRealitätȱist,ȱselbsterlitten.ȱ Nichtȱauszudenken.ȱTrotzdem:ȱWillȱmanȱvomȱMenschenȱsprechenȱundȱ vonȱdemȱAnblick,ȱdenȱerȱbietet,ȱdannȱgehörtȱdasȱdazu.ȱUndȱvieleȱwisȬ senȱ es,ȱ Künstlerȱ undȱ Dichter,ȱ wieȱ deformiertȱ dasȱ Bildȱ vomȱ Menschenȱ werdenȱkann.ȱKeineȱSchönfärbereiȱinȱderȱBibel,ȱkeinȱWegsehenȱvonȱderȱ Realitätȱ inȱ denȱ Psalmen.ȱ Dieseȱ Texteȱ habenȱ derȱ Realitätȱ insȱ Augeȱ geȬ blickt.ȱSieȱsahenȱdieȱWahrheit,ȱindemȱsieȱsichȱaufȱdenȱBodenȱderȱRealiȬ tätȱstellten.ȱUndȱdortȱbeginnenȱdieȱPsalmenȱdenȱDialogȱmitȱihremȱGott,ȱ vorȱdessenȱBlickȱesȱnachȱihrerȱÜberzeugungȱkeineȱTäuschungȱgibt.ȱ

V.ȱ Nunȱ möchteȱ ichȱ aufȱ einigeȱ gemeinsameȱ Zügeȱ derȱ dreiȱ Selbstbildnisseȱ aufmerksamȱmachen.ȱInsȱAugeȱfallenȱbesonders:ȱ 1.ȱ Derȱ schonungsloseȱ Realismusȱ derȱ Darstellung.ȱ Dasȱ giltȱ nunȱ nichtȱ nurȱfürȱdieȱdreiȱvorgestelltenȱSelbstbilder,ȱsondernȱwohlȱinsgesamtȱ fürȱ dieȱ biblischenȱ Psalmenȱ undȱ fürȱ dieȱ ganzeȱ biblischeȱ Literatur.ȱ BisȱzurȱAnstößigkeitȱrealistischȱundȱdrastischȱwerdenȱdieȱMitmenȬ schenȱundȱihreȱTaten,ȱwirdȱdieȱeigeneȱMisereȱgeschildertȱundȱoffenȱ gelegt,ȱ ohneȱ Rücksichtȱ aufȱ denȱ Imageverlustȱ oderȱ Einbußenȱ anȱ Würde.ȱ Prinzipȱ istȱ absoluteȱ Ehrlichkeitȱ undȱ Wahrheitȱ –ȱ dieȱ PsalȬ mistenȱwissen,ȱdassȱsieȱvorȱihremȱewigenȱRichterȱstehen;ȱȱ 2.ȱ DieȱSprachlichkeit,ȱinȱdieȱsieȱihrȱProblem,ȱihrȱLeiden,ȱihreȱAngstȱzuȱ fassenȱwissen.ȱSieȱfindenȱnochȱWorte,ȱWorteȱzurȱeigenenȱKlärung,ȱ WorteȱzurȱVerdeutlichungȱihrerȱSituation,ȱWorte,ȱumȱaufȱsichȱaufȬ merksamȱ zuȱ machen.ȱ Esȱ gibtȱ inȱ denȱ Klagepsalmenȱ dieȱ Traditionȱ derȱ sog.ȱ Elendsschilderungȱ mitȱ festenȱ Wendungen,ȱ Begriffenȱ undȱ Bildmotiven.ȱ Eineȱ besondereȱ Spracheȱ desȱ Leidensȱ –ȱ gleichsamȱ alsȱ Ersatzȱ fürȱ dieȱ fehlendeȱ medizinischeȱ oderȱ juristischeȱ Fachsprache.ȱ Vorȱallemȱaberȱliegtȱihnenȱdaran,ȱmitȱdieserȱsprachlichenȱSelbstdarȬ stellungȱdasȱAugeȱundȱdasȱOhrȱihresȱGottesȱzuȱerreichen.ȱManȱdarfȱ jaȱnichtȱvergessen,ȱdassȱsieȱimȱGebetȱbegriffenȱsindȱundȱihrenȱFallȱ vorȱderȱletztenȱInstanzȱdarzulegenȱversuchen.ȱDasȱführtȱzumȱdritȬ tenȱundȱwohlȱbedeutsamstenȱMerkmalȱdieserȱSelbstbilder:ȱ 3.ȱ DieȱUngebrochenheitȱihrerȱHoffnung.ȱSoȱmiserabelȱsichȱdieseȱMenȬ schenȱfühlen,ȱsoȱdeplorabelȱsieȱdieseȱihreȱLageȱdarstellenȱundȱsoȱfaȬ

ȱ

VI.ȱ

289ȱ

talȱihreȱChancenȱvonȱderȱUmweltȱbeurteiltȱwerden,ȱsieȱlassenȱsichȱ nichtȱfixieren,ȱlassenȱsichȱnichtȱdurchȱZwängeȱeinengenȱundȱlassenȱ sichȱ nichtȱ durchȱ dieȱ Aussichtslosigkeitȱ inȱ dieȱ Resignationȱ treiben.ȱ SieȱhabenȱnochȱeineȱHoffnung,ȱundȱanȱdieserȱHoffnungȱhaltenȱsieȱ festȱ–ȱauchȱaufȱdemȱAbstiegȱzurȱUnterwelt,ȱauchȱinȱdenȱletztenȱMiȬ nutenȱamȱGalgen.ȱFürȱsieȱistȱdasȱrealistischeȱMomentbildȱihresȱauȬ genblicklichenȱZustandsȱundȱErgehensȱnichtȱdasȱletzteȱBild,ȱdasȱsieȱ vonȱsichȱundȱihremȱLebenȱhabenȱundȱzeichnen.ȱSieȱsehenȱMöglichȬ keiten,ȱ dassȱ esȱ nochȱ andersȱ werdenȱ kannȱ undȱ andersȱ kommenȱ kann.ȱ Manȱwirdȱhierȱdistanziert,ȱaberȱzutreffendȱvonȱreligiösenȱDimensionenȱ undȱ Möglichkeitenȱ sprechen,ȱ welcheȱ zumȱ Menschseinȱ dieserȱ PsalmisȬ tenȱ gehören,ȱ undȱ manȱ kannȱ diesȱ nüchternȱ registrierenȱ undȱ ihreȱ AusȬ sagenȱ inȱ dieserȱ Hinsichtȱ vergleichenȱ undȱ dannȱ theologischȱ werten.ȱ Manȱmussȱaberȱanerkennen,ȱdassȱsieȱetwasȱhaben,ȱwasȱfürȱsieȱaußerorȬ dentlichȱ hilfreich,ȱ jaȱ sinnstiftendȱ undȱ darumȱ lebensbejahendȱ ist.ȱ Dennȱ sieȱbleibenȱnichtȱinȱihrerȱWeltsichtȱundȱinȱihremȱLebensbildȱgefangen,ȱ sondernȱ vermögenȱ beiȱ allerȱ materiellen,ȱ leiblichenȱ undȱ seelischenȱ GeȬ bundenheit,ȱihreȱSituationȱzuȱübersteigen,ȱzuȱtranszendieren,ȱindemȱsieȱ vonȱ sichȱ einȱ Hoffnungsbildȱ haben:ȱ einȱ Gastȱ beiȱ Gott,ȱ einȱ grünenderȱ Ölbaum,ȱeinȱRufer,ȱdessenȱNotschreiȱGehörȱfindet.ȱ Fragtȱman,ȱwoherȱsieȱdieseȱFähigkeitȱdesȱHoffensȱhaben,ȱmussȱmanȱ aufȱ dieȱ Glaubenserfahrungenȱ verweisen,ȱ aufȱ dieȱ dieseȱ Menschenȱ zuȬ rückblickenȱ undȱ aufȱ dieȱ sieȱ sichȱ verlassen.ȱ Sieȱ lebenȱ inȱ derȱ Sinnweltȱ ihresȱ Glaubens.ȱ Dieseȱ erlaubtȱ ihnen,ȱ inȱ jederȱ Situation,ȱ inȱ dieȱ auchȱ kommenȱ mögen,ȱ darüberȱ mitȱ ihremȱ Gottȱ zuȱ reden,ȱ dasȱ Bildȱ ihresȱ ErȬ gehensȱzuȱzeichnenȱundȱsoȱalte,ȱaberȱauchȱganzȱneueȱundȱwunderbareȱ Möglichkeitenȱ zuȱ erwarten.ȱ Mögenȱ solcheȱ Selbstbildnisseȱ anderenȱ alsȱ Illusionenȱ erscheinen.ȱ Fürȱ dieseȱ Menschenȱ warenȱ sieȱ unumstößlicheȱ RealitätȱundȱderȱSinnraum,ȱinȱdemȱHoffnungenȱentstehen.ȱ

VI.ȱ AmȱklarstenȱistȱdiesesȱBildȱdesȱMenschseinsȱ–ȱalsȱLeitbildȱreflektiertȱ–ȱ formuliertȱundȱdargestelltȱinȱzweiȱanderenȱPsalmen.ȱIchȱmeineȱdenȱPsȱ8ȱ undȱPsȱ139,ȱaufȱdieȱichȱnunȱzuletztȱnochȱzuȱsprechenȱkommenȱmöchte.ȱ ZuerstȱPsȱ139.ȱ Wennȱichȱrechtȱsehe,ȱsetztȱPsȱ139ȱzuȱeinem,ȱinȱseinerȱtheologischenȱ Kühnheitȱ einmaligenȱ Wagnisȱan,ȱ dasȱ darinȱ besteht,ȱ dasȱMenschenbildȱ objektiv,ȱ gleichsamȱ vonȱ außen,ȱ oderȱ vonȱ obenȱ zuȱ konzipieren.ȱ Oderȱ ohneȱMetapherȱundȱmitȱschlichterenȱWortenȱgesagt:ȱdasȱMenschenbildȱ

290ȱ

18.ȱDasȱMenschenbildȱderȱPsalmenȱ

zuȱ rekonstruieren,ȱ dasȱ derȱ Sichtweiseȱ ihresȱ Gottesȱ entspricht:ȱ sozuȬ sagenȱdieȱgöttlicheȱBildsichtȱnachzuzeichnen.ȱȱ Dochȱ auchȱ dieserȱ Psalm,ȱ derȱ mitȱ denȱ Wortenȱ beginnt:ȱ „Herr,ȱ duȱ hastȱ michȱ erforscht,ȱ undȱ kennstȱ mich“,ȱ setztȱ subjektiveȱ Erfahrungenȱ voraus,ȱErfahrungenȱeinerȱschwerenȱKriseȱseinerȱsozialenȱBeziehungen.ȱ Seineȱ Integritätȱ istȱ ebenfallsȱ –ȱ damitȱ rücktȱ erȱ inȱ dieȱ Näheȱ vonȱ Psȱ 52ȱ –ȱ bedrohtȱ vonȱ Anklagenȱ undȱ Vorwürfen,ȱ dieȱ vonȱ Feindenȱ undȱ Hassernȱ aufgebrachtȱwordenȱsind.ȱDieȱSituationȱhatȱE.ȱWürthweinȱinȱeinerȱfrüȬ henȱ Arbeitȱ ausȱ denȱ 50erȱ Jahrenȱ –ȱ wieȱ ichȱ meineȱ –ȱ gültigȱ beschrieben.ȱ Derȱ Psalmistȱ hatȱ sichȱ vonȱ diesenȱ Vorwürfenȱ zuȱ reinigenȱ inȱ einerȱ offiȬ ziellenȱ Erklärung,ȱ dieȱ dieserȱ Psalmȱ wiedergibt.ȱ Insofernȱ istȱ dasȱ hierȱ entworfeneȱMenschenbildȱnichtȱdieȱindividuelleȱEinsichtȱeinesȱgeistlichȱ inspiriertenȱ Dichters,ȱ vielmehrȱ dieȱ ihmȱ vorgegebene,ȱ wohlȱ amȱ theoȬ logischenȱZentrumȱJerusalemsȱentworfeneȱundȱverbreiteteȱtheologischeȱ Anthropologie,ȱdieȱsichȱhierȱinȱganzȱungewöhnlichenȱFormulierungenȱ –ȱnachȱpoetischenȱStrophenȱgeordnetȱ–ȱausspricht.ȱInsofernȱkommtȱihmȱ dieȱFunktionȱeinesȱLeitbildsȱzu.ȱ Obȱichȱsitzeȱoderȱgehe,ȱduȱweißtȱes,ȱ verstehstȱmeineȱGedankenȱvonȱfernȱ(V.ȱ3).ȱ

VölligeȱTransparenz.ȱ WohinȱsollȱichȱgehenȱvorȱdeinemȱGeistȱ undȱfliehenȱvorȱdeinemȱAngesicht?ȱ(V.ȱ7).ȱȱ

StändigeȱÜberwachung.ȱ Dennȱduȱbistȱes,ȱderȱmeineȱNierenȱgeschaffen,ȱ derȱmichȱimȱLeibȱmeinerȱMutterȱgewobenȱhatȱ(V.ȱ13).ȱ

UranfänglicheȱAbhängigkeit.ȱ DieȱTageȱwarenȱschonȱgeformt,ȱ alsȱnochȱkeinerȱvonȱihnenȱdaȱwarȱ(V.ȱ16).ȱ

FestgelegteȱZukunftȱ ȱ–ȱwennȱdennȱderȱTextȱhierȱganzȱinȱOrdnungȱist.ȱ Zusammengenommenȱ einȱ Bekenntnisȱ zurȱ „schlechthinigenȱ AbȬ hängigkeit“ȱ (Friedrichȱ Schleiermacher)ȱ desȱ Menschenȱ oder,ȱ wieȱ manȱ heuteȱ formuliert,ȱ zumȱ „transzendentȬrelationalenȱ Menschenbild“ȱ (soȱ Wilfriedȱ Härleȱ imȱ Septemberȱ 1999ȱ aufȱ demȱ Wienerȱ Kongress),ȱ dasȱ inȱ seinerȱunausweichlichenȱDirektheitȱbetroffenȱmacht.ȱ Auchȱ beiȱ demȱ Psalmistenȱ vonȱ Psȱ 8ȱ istȱ esȱ zunächstȱ dieȱ persönlicheȱ Betroffenheit,ȱdieȱihnȱzuȱdemȱAusrufȱveranlasst:ȱ WasȱistȱdochȱderȱMensch,ȱdassȱduȱseinerȱgedenkst?ȱ Undȱderȱeinzelne,ȱdassȱduȱdichȱseinerȱannimmst?ȱ

ȱ

VI.ȱ

291ȱ

Erȱkannȱsichȱdasȱeinfachȱnichtȱvorstellen,ȱwasȱauchȱtheologischȱschwerȱ zuȱfassenȱist,ȱdassȱnämlichȱderȱSchöpferȱderȱganzenȱWeltȱinȱihrenȱunȬ fasslichenȱDimensionenȱundȱderȱHerrȱderȱMenschheitȱinȱihrerȱfastȱunȬ endlichenȱAnzahlȱsichȱseinerȱganzȱpersönlichȱzugewandtȱhatȱundȱsichȱ umȱihnȱselbstȱkümmert.ȱAberȱdieseȱErfahrungȱistȱes,ȱdieȱihmȱdenȱRückȬ schlussȱerlaubt,ȱesȱliegeȱdemȱSchöpferȱsehrȱviel,ȱungeheuerȱvielȱanȱdenȱ einzelnenȱ Menschen.ȱ Dasȱ führtȱ ihnȱ zuȱ demȱ Menschenbild,ȱ dasȱseinesȬ gleichenȱ (auchȱ inȱ derȱ Bibel)ȱ sucht.ȱ Ichȱ macheȱ aufȱ dieȱ Hauptaussagenȱ aufmerksam:ȱ 1.ȱ Würdeȱ undȱ Hoheitȱ desȱ Menschenȱ bestehenȱ inȱ seinerȱ GottähnlichȬ keit.ȱ„Duȱmachtestȱihnȱwenigȱgeringerȱ–ȱalsȱEngel“,ȱsagteȱdieȱZürȬ cherȱÜbersetzungȱalterȱAusgabeȱnachȱdemȱGriechischenȱangeloi,ȱdieȱ neueȱübersetztȱdannȱrichtiger:ȱ „alsȱGott“;ȱ mitȱEhreȱundȱHoheitȱkröntestȱduȱihn.“ȱ(V.ȱ6)ȱȱ

ȱ

EsȱistȱdasȱBildȱeinesȱgekröntenȱHauptes,ȱeinesȱKönigs,ȱdasȱhierȱentȬ worfenȱ wirdȱ (Hofstilȱ –ȱ Königsideologie).ȱ Wievielȱ diesesȱ „wenig“ȱ ist,ȱsagtȱerȱnicht.ȱErȱkannȱesȱoderȱwillȱesȱwohlȱnichtȱsagen.ȱDabeiȱistȱ immerȱzuȱbedenken,ȱdassȱderȱhierȱgenannteȱ„Gott“ȱalsȱderȱSchöpferȱ angesprochenȱist.ȱEsȱistȱderȱMenschȱmitȱderȱihmȱgewährtenȱFreiheitȱ desȱWillens,ȱwofürȱerȱsichȱauchȱentscheidenȱwill.ȱȱ 2.ȱ Würdeȱ undȱ Hoheitȱ desȱ Menschenȱ bestehenȱ inȱ seinerȱ LebensaufȬ gabe.ȱErȱistȱalsȱAufseherȱüberȱdieȱganzeȱSchöpfungȱbestellt.ȱ DuȱsetztestȱihnȱzumȱHerrscherȱüberȱdasȱWerkȱdeinerȱHände,ȱ allesȱhastȱduȱihmȱunterȱdieȱFüßeȱgelegtȱ(V.ȱ7).ȱ

ȱ

ȱ

Diesesȱ„alles“ȱwirdȱsogleichȱbeschrieben.ȱEsȱistȱdieȱganzeȱWeltȱdesȱ Lebendigen.ȱ Derȱ Begriff:ȱ „unterȱ dieȱ Füßeȱ gelegt“ȱ kannȱ wohlȱ nichtȱ heißen,ȱallesȱniederzutretenȱundȱzuȱzerstören.ȱEsȱkannȱnurȱheißen:ȱ darüberȱherrschen,ȱregierenȱ–ȱundȱdasȱistȱdochȱwohlȱinȱkeinerȱWeiȬ seȱgleichbedeutendȱmitȱzerstören.ȱȱ EsȱgibtȱnurȱeineȱbiblischeȱStelle,ȱdieȱdieserȱgleichkommt:ȱEsȱistȱdieȱ Schöpfungsaussageȱ vonȱ derȱ Ebenbildlichkeitȱ desȱ Menschen.ȱ Derȱ MenschȱistȱGottesȱEbenbildȱoderȱBildȱ(Genȱ1,26)ȱundȱrepräsentiertȱ dieȱ Gottheit,ȱ sollȱ heißen:ȱ erȱ vertrittȱ denȱ Schöpferȱ aufȱ Erden.ȱ Wieȱ BilderȱausȱHolzȱundȱSteinȱinȱderȱreligiösenȱWeltȱGottheitenȱdarstelȬ len,ȱ soȱ stelltȱ nachȱ derȱ Bibelȱ derȱ Mensch,ȱ jederȱ Mensch,ȱ männlichȱ undȱ weiblichȱ –ȱ hierȱ gehtȱ Genȱ 1ȱ explizitȱ überȱ Psȱ 8ȱ hinausȱ –ȱ einȱ leȬ bendigesȱ Abbildȱ darȱ desȱ lebendigenȱ Gottesȱ –ȱ mitȱ allenȱ KonseȬ quenzen,ȱdieȱdasȱfürȱdieȱWesensȬȱundȱSinnbestimmungȱhat.ȱ

292ȱ

18.ȱDasȱMenschenbildȱderȱPsalmenȱ

VII.ȱ NunȱsindȱwirȱdochȱbeiȱdenȱallgemeinenȱLeitbildernȱangelangt.ȱUndȱesȱ kannȱkeinȱZweifelȱsein,ȱdassȱdieȱMenschenbilderȱdieserȱbeidenȱPsalmenȱ eineȱ gemeinsameȱ Wurzelȱ haben.ȱ Sieȱ wäreȱ näherȱ zuȱ umschreibenȱ alsȱ durchȱdieȱfolgendenȱFaktorenȱbestimmt:ȱSchöpfungstheologie,ȱpriesterȬ schriftlicheȱTradition,ȱJerusalemerȱAktualitätȱ–ȱbeideȱPsalmenȱsindȱm.ȱE.ȱ Teilȱ einesȱ rechtlichenȱ Verfahrensȱ zwischenȱ Anklageȱ undȱ Gottesurteilȱ undȱhaftenȱanȱderselbenȱStelle.ȱȱ Esȱ sindȱ theologischeȱ Spitzensätze,ȱ dieȱ schonȱ alsȱ solcheȱ gültigȱ vonȱ denȱBeternȱrezipiertȱwordenȱsind.ȱWieȱalleȱSpitzensätzeȱhabenȱsieȱetwasȱ Universelles,ȱ Theoretisches,ȱ Idealesȱ anȱ sich.ȱ Aberȱ geradeȱ alsȱ tradierteȱ IdealbilderȱhabenȱsieȱdieȱFunktionȱvonȱLeitbildern,ȱvonȱVorbildern,ȱanȱ denenȱsichȱdieȱFrageȱnachȱdemȱSinnȱdesȱLebensȱorientierenȱkann.ȱȱ Anȱihnenȱ–ȱundȱdamitȱschließtȱsichȱderȱRingȱ–ȱmessenȱauchȱdieȱziȬ tiertenȱ Psalmistenȱ ihrȱ eigenesȱ Selbstbild.ȱ Vonȱ daherȱ wohlȱ ihreȱ unȬ erbittlicheȱ Wahrhaftigkeitȱ undȱ Wirklichkeitsnähe;ȱ dennȱ allzuȱ vielȱ inȱ ihremȱ Lebenȱ passtȱ garȱ nichtȱ diesesȱ Raster.ȱ Vonȱ daherȱ wohlȱ auchȱ ihrȱ gnadenlosesȱ Feindbild;ȱ sieȱ sehenȱ dortȱ dasȱ göttlicheȱ Ebenbildȱ verletztȱ undȱbeschmutzt,ȱwoȱeineȱderȱgottähnlichenȱPersonenȱgegenȱeineȱandeȬ reȱ auftritt.ȱ Vonȱ daherȱ aberȱ auchȱ ihreȱ Einsicht,ȱ dassȱ derȱ Menschȱ seinȱ Wesenȱ undȱ seinȱ Schicksalȱ verfehlt,ȱ wennȱ derȱ dieseȱ Sinnbestimmungȱ nichtȱanerkennt.ȱ Soȱ istȱ dasȱ Menschenverständnisȱ dieserȱ undȱ andererȱ Psalmenȱ beȬ stimmtȱvonȱeinemȱLeitbild,ȱanȱdemȱsieȱsichȱmessenȱlassen.ȱWasȱesȱindesȱ konkretȱbedeutet,ȱdieserȱBestimmungȱgerechtȱzuȱwerden,ȱlassenȱsieȱwieȱ andereȱ Texteȱ offen.ȱ Dennȱ sieȱ sindȱ derȱ Meinung,ȱ dieserȱ Stellvertreterȱ Gottesȱ inȱ derȱ Regierungȱ derȱ Schöpfungȱ habeȱ genugȱ Verstandȱ undȱ Phantasie,ȱ umȱ etwasȱ ausȱ seinemȱ Lebenȱ zuȱ machen,ȱ dasȱ dieserȱ seinerȱ WürdeȱundȱHoheitȱundȱderȱGrößeȱseinerȱAufgabeȱentspricht.ȱ

ȱ

19.ȱFeindbildȱundȱMenschenwürdeȱinȱdenȱPsalmenȱ ȱ ȱ Dieȱ bedeutsamstenȱ Aussagenȱ zurȱ Würdeȱ desȱ Menschenȱ imȱ Psalter1ȱ findenȱsichȱinȱzweiȱTexten,ȱdieȱzuȱdenȱFeindpsalmenȱzuȱzählenȱsind:ȱPsȱ 8ȱundȱPsȱ139.ȱJedenfallsȱkommenȱinȱdiesenȱTextenȱFeindeȱvor.ȱ VorȱdenȱvielȱzitiertenȱhymnischenȱSätzenȱinȱPsȱ8:ȱ„Wasȱistȱdochȱderȱ Mensch,ȱ dassȱ duȱ seinerȱ gedenkst?ȱ Undȱ desȱ Menschenȱ Kind,ȱ dassȱ duȱ dichȱseinerȱannimmst?“ȱstehenȱamȱRandeȱderȱCruxȱlacunaeȱvonȱV.ȱ2ȱdieȱ deutlichȱ lesbarenȱ Sätzeȱ überȱ bestimmteȱ Feinde:ȱ „hastȱ duȱ einȱ Bollwerkȱ errichtetȱ deinerȱ Widersacherȱ wegen,ȱ umȱ einȱ Endeȱ zuȱ bereitenȱ demȱ rachgierigenȱ Feind“ȱ2.ȱ Nachȱ denȱ Bekenntnissenȱ vonȱ Psȱ 139,ȱ alsȱ GeȬ schöpfȱ Gottesȱ wunderbarȱ geschaffenȱ zuȱ sein,ȱ begegnenȱ imȱ Schlussteilȱ desȱ Gebetsȱ (V.ȱ 19ȱff.)ȱ Sätzeȱ wie:ȱ „Wolltestȱ du,ȱ Gott,ȱ denȱ Frevlerȱ töten.ȱ Ihrȱ Mörder,ȱ weichtȱ vonȱ mir.ȱ Sieȱ sprechenȱ vonȱ dirȱ vollerȱ Tücke,ȱ esȱ erȬ hebenȱ sichȱ deineȱ Feindeȱ imȱ Wahn.ȱ Sollteȱ ichȱ nichtȱ hassen,ȱ Herr,ȱ dieȱ dichȱ hassen,ȱ solltenȱ michȱ nichtȱ ekeln,ȱ dieȱ sichȱ gegenȱ dichȱ auflehnen?ȱ Ichȱ hasseȱ sieȱ mitȱ glühendemȱ Hass,ȱ auchȱ mirȱ sindȱ sieȱ zuȱ Feindenȱȱ geworden“ȱ3ȱ Dieȱ Frageȱ legtȱ sichȱ nahe:ȱ Geltenȱ dieȱ großenȱ undȱ hohenȱ Aussagenȱ überȱ denȱ Menschenȱ auchȱ fürȱ dieseȱ Feinde?ȱ Präziserȱ gefragt:ȱ Könnenȱ dieȱ Psalmistenȱ ihrȱ Menschenbildȱ auchȱ aufȱ dieseȱ Feindeȱ übertragen?ȱ Wennȱsieȱdasȱkönnen,ȱwasȱhatȱdasȱfürȱKonsequenzenȱfürȱihrȱFeindbild?ȱ Wennȱsieȱdasȱaberȱnichtȱtun,ȱistȱzuȱfragen,ȱweshalbȱsieȱesȱnichtȱtunȱundȱ welcheȱKonsequenzenȱdasȱfürȱihrȱMenschenbildȱhat.ȱDieseȱFragenȱsindȱ es,ȱ denenȱ wirȱ unsȱ schrittweiseȱ vortastendȱ nähernȱ wollen.ȱ Esȱ gehtȱ umȱ dieȱTragweiteȱundȱumȱdieȱGültigkeitȱjenerȱtheologischenȱundȱanthropoȬ logischenȱSpitzensätze.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ

2ȱ 3ȱ

FürȱalleȱFragenȱdesȱTextes,ȱ derȱTextanalyseȱundȱȬauslegungȱimȱ Einzelnenȱ verweiseȱ ichȱaufȱmeinenȱKommentarȱzuȱdenȱPsalmen,ȱDieȱPsalmen,ȱHATȱIȱ15,ȱTübingenȱ1996,ȱ sowieȱaufȱdieȱStudienȱzurȱPsalmenauslegung,ȱStuttgartȱ1998.ȱ SoȱdieȱtraditionelleȱWiedergabeȱdesȱmasoretischenȱTextes.ȱ NachȱderȱneuenȱZürcherȱÜbersetzungȱvonȱ1996.ȱ

294ȱ

19.ȱFeindbildȱundȱMenschenwürdeȱinȱdenȱPsalmenȱ

I.ȱ Beideȱ Psalmenȱ sehenȱ dasȱ Wesenȱ desȱ Menschenȱ inȱ seinemȱ Erschaffensein,ȱinȱseinerȱGeschöpflichkeit,ȱdochȱdiesȱmitȱdurchausȱunȬ terschiedlichenȱ Akzenten.ȱ Psȱ 8ȱ sprichtȱ zwarȱ vomȱ Aktȱ desȱ Erschaffensȱ desȱ Menschen.ȱ Dieȱ narrativenȱ undȱ konstativenȱ Verbalformenȱ undȱ derȱ Terminusȱ„WerkeȱdeinerȱHände“ȱ(A\G\\F>P)ȱzeigen,ȱdassȱerȱanȱjenenȱ urzeitlichenȱ Vorgangȱ denkt.ȱ Dieȱ letztenȱ Hymnuszeilenȱ sprechenȱ dennȱ auchȱ eindeutigȱ vonȱ derȱ Ersterschaffungȱ „desȱ Menschen“ȱ (GD)ȱ alsȱ einemȱ Prototypȱ (V.ȱ 7–9).ȱ Inȱ dieseȱ Perspektiveȱ istȱ jedochȱ –ȱ imȱ Kontextȱ einerȱBekenntnisaussageȱ–ȱauchȱdasȱIchȱdesȱPsalmisten,ȱexplizitȱdannȱinȱ V.ȱ5,ȱaberȱwohlȱindirektȱangesprochenȱschonȱmitȱdemȱAusdruckȱ„EinȬ zelmensch“ȱ (GD#E),ȱ einbezogen.ȱ Soȱ istȱ wohlȱ zuȱ unterscheiden:ȱ Derȱ Psalmistȱ sprichtȱ vonȱ sichȱ undȱ meintȱ sichȱ selbst;ȱ dochȱ erȱ beziehtȱ sichȱ dabeiȱ aufȱ ihmȱ vorgegebeneȱ Schöpfungstraditionen.ȱ Dortȱ findetȱ erȱ dieȱ GrundlageȱfürȱeineȱhymnischeȱAussageȱüberȱdenȱhohenȱRangȱdesȱMenȬ schenȱ imȱ geschaffenenȱ Kosmos.ȱ Dieserȱ Rangȱ –ȱ dasȱ istȱ seinȱ Themaȱ –ȱ liegtȱ umȱ „einȱ Weniges“ȱ unterȱ demȱ Rangȱ (eines)ȱ Gottesȱ (\KOD).ȱ Dieȱ Königsinsignienȱ „Würde“ȱ (GZEN)ȱ undȱ „Hoheit“ȱ (UGK)ȱ zeichnenȱ ihnȱ ausȱ (V.ȱ 6).ȱ Gegenüberȱ denȱ Mitgeschöpfenȱ nimmtȱ erȱ dieȱ Positionȱ einesȱ Herrschersȱ ein:ȱ gesetzt,ȱ „zuȱ herrschenȱ überȱ dieȱ Werkeȱ deinerȱ Hände,ȱ allesȱ hastȱ duȱ ihmȱ zuȱ Füßenȱ gelegt“ȱ (V.ȱ 7).ȱ Dieȱ Bestimmungȱ desȱ MenȬ schenȱliegtȱ–ȱähnlichȱwieȱinȱderȱBildaussageȱvonȱGenȱ1,26ȱ–ȱdarin,ȱStattȬ halterȱ desȱ Schöpfersȱ inȱ derȱ dreifachȱ gestuftenȱ Weltȱ derȱ Lebewesenȱ zuȱ sein.ȱDerȱmythologischeȱBlickȱaufȱdieȱWeltȱderȱSchöpfungȱinȱihrerȱersȬ tenȱ Bestimmungȱ sowieȱ derȱ Anklangȱ anȱ Genȱ 1ȱ zeigenȱ dieȱ allgemeineȱ Gültigkeitȱ dieserȱ hymnischenȱ Sätze.ȱ Undȱ offenbarȱ istȱ esȱ fürȱ denȱ PsalȬ mistenȱ keineȱ Schwierigkeit,ȱ dieseȱ prinzipiellenȱ Aussagenȱ imȱ Rahmenȱ seinesȱpersönlichenȱBekenntnissesȱzuȱverwenden.ȱ Einȱ erstesȱ Malȱ kreuztȱ damitȱ derȱ Begriffȱ unserenȱ Weg,ȱ derȱ sichȱ alsȱ Schlüsselbegriffȱ erweisenȱ wird:ȱ nämlichȱ derȱ Begriffȱ GZEN4.ȱ Vonȱ Hausȱ ausȱeinȱWort,ȱdem,ȱwieȱseinenȱVerwandten,ȱdieȱBedeutungȱdesȱSchweȬ ren,ȱ desȱ Lastenden,ȱ desȱ besonderenȱ Gewichtsȱ anhaftet,ȱ dasȱ aberȱ –ȱ alsȱ solchesȱneutralȱundȱoffenȱ–ȱjeȱnachȱKontextȱ„seineȱLastȱverteilen“ȱkonnȬ te.ȱInȱPsȱ8,6bȱistȱderȱKontextȱeindeutigȱundȱlegtȱdieȱBedeutungȱaufȱdieȱ demȱ Menschenȱ beiȱ seinerȱ Erschaffungȱ verlieheneȱ göttlicheȱ „Würde“ȱ fest,ȱ dieȱ ihnȱ wieȱ eineȱ Kroneȱ schmückt,ȱ ihmȱ aberȱ zugleichȱ dieȱ Bürdeȱ einesȱ königlichenȱ Verwaltersȱ derȱ Schöpfungȱ auferlegt.ȱ Derȱ ParallelȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 4ȱ

Vgl.ȱ C.ȱ Westermann,ȱ GENȱ kbdȱ schwerȱ sein,ȱ THATȱ Iȱ 794–812;ȱ Ch.ȱ Dohmen/P.ȱ Stenmans/M.ȱWeinfeld,ȱ GENȱkÁআe঎ȱetc.ȱThWATȱIVȱ13–40.ȱ

ȱ

I.ȱ

295ȱ

begriffȱ UGKȱundȱparalleleȱStellen5ȱbezeugen,ȱdassȱesȱsichȱdabeiȱumȱeinȱ königlichesȱ Attributȱ handelt,ȱ dasȱ –ȱ alsȱ vomȱ Schöpferȱ verliehenȱ –ȱ eineȱ göttlicheȱWürdeȱmeint.ȱ Psȱ139ȱkommtȱinȱderȱdrittenȱderȱsechsȱStrophenȱexplizitȱaufȱdasȱBeȬ kenntnisȱ zurȱ Geschöpflichkeitȱ zuȱ sprechen.ȱ Dieȱ Stropheȱ istȱ amȱ Endeȱ undȱ imȱ Übergangȱ zurȱ viertenȱ offensichtlichȱ beschädigt.ȱ Trotzdemȱ istȱ nochȱgutȱerkennbar,ȱdassȱderȱPsalmistȱinȱV.ȱ13ȱff.ȱvonȱderȱ„Erschaffung“ȱ undȱ„Bereitung“ȱseinerȱeigenenȱPersonȱdurchȱeineȱunmittelbareȱAktionȱ seinesȱGottesȱberichtet.ȱDaȱesȱzunächstȱnurȱumȱdieȱErinnerungȱanȱdenȱ Gesamtsinnȱgeht,ȱzitiereȱichȱdieȱVerseȱohneȱBearbeitungȱzunächstȱnachȱ derȱneuenȱZürcherȱÜbersetzung:ȱ Dennȱduȱbistȱes,ȱderȱmeineȱNierenȱgeschaffen,ȱ derȱmichȱimȱLeibȱmeinerȱMutterȱgewobenȱhat.ȱ Ichȱpreiseȱdich,ȱdassȱichȱsoȱherrlich,ȱsoȱwunderbarȱgeschaffenȱbin;ȱ wunderbarȱsindȱdeineȱWerke,ȱ meineȱSeeleȱweißȱdiesȱwohl.ȱ MeinȱGebeinȱwarȱdirȱnichtȱverborgen,ȱ alsȱichȱimȱDunkelnȱgemachtȱwurde,ȱ kunstvollȱgewirktȱinȱdenȱTiefenȱderȱErde.ȱ Nochȱbevorȱichȱgeborenȱwar,ȱsahenȱmichȱdeineȱAugen,ȱ inȱdeinemȱBuchȱwarȱallesȱverzeichnet,ȱ dieȱTageȱwarenȱschonȱgeformt,ȱ alsȱnochȱkeinerȱvonȱihnenȱdaȱwar.ȱ

DerȱPsalmistȱsprichtȱganzȱeindeutigȱhierȱvonȱseinemȱeigenenȱIch.ȱSeinȱ Bekenntnisȱ beziehtȱ sichȱ aufȱ seinȱ eigenesȱ Dasein.ȱ Derȱ Gedankeȱ anȱ dieȱ Erschaffungȱdesȱ Menschen,ȱ imȱ mythologischenȱSinneȱ desȱ erstenȱ MenȬ schen,ȱ desȱ Urmenschen,ȱ derȱ Menschheitȱ liegtȱ ihmȱ fern.ȱ Dieȱ inȱ V.ȱ 15ȱ erwähntenȱ „Tiefenȱ derȱ Erde“ȱ könntenȱ zwarȱ anȱ jeneȱ mythischeȱ Urzeitȱ denkenȱlassen.ȱDochȱscheintȱderȱTextȱimȱParallelismusȱderȱSinnaussageȱ bedenklich.ȱ Natürlicherȱ wäreȱ es,ȱ anȱ denȱ Mutterschoßȱ zuȱ denken.6ȱ Esȱ kannȱ aberȱ keinemȱ Zweifelȱ unterliegen,ȱ dassȱ erȱ dieȱ ganzeȱ ArgumentaȬ tionȱ seinesȱ Plädoyersȱ aufȱ dasȱ Bekenntnisȱ stellt,ȱ erȱ seiȱ seinemȱ Wesenȱ nachȱ einȱ vonȱ Gottesȱ eigenerȱ Handȱ geschaffenesȱ Geschöpf,ȱ undȱ seineȱ ganzȱWürdeȱbesteheȱinȱderȱFaktizitätȱdiesesȱGeschehensȱumȱseineȱGeȬ burt.ȱ Gemeinsamȱ istȱ beidenȱ Bekenntnissen,ȱ dassȱ dieȱ Beterȱ imȱ Blickȱ aufȱ ihreȱeigeneȱGeschöpflichkeitȱsprechen,ȱbeiȱPsȱ8ȱausȱdemȱSinnduktusȱerȬ kennbar,ȱbeiȱPsȱ139ȱexplizitȱausgeführt;ȱdassȱsieȱzugleichȱaufȱeineȱnichtȱ näherȱ ausgeführte,ȱ geheimnisvolleȱ schöpferischeȱ Tätigkeitȱ (A\F>Pȱ pl.:ȱ 8,7;ȱ 139,14)ȱ rekurrieren,ȱ wobeiȱ Psȱ 8ȱ seinȱ individuellesȱ Ichȱ deutlichȱ aufȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 5ȱ 6ȱ

Vgl.ȱz.ȱB.ȱdieȱStelleȱPsȱ21,6ȱimȱKönigspsalm.ȱ VermutlichȱeinȱHörfehler:ȱVUNȱ„Mutterschoß“ȱstattȱUDȱ„Erde“.ȱ

296ȱ

19.ȱFeindbildȱundȱMenschenwürdeȱinȱdenȱPsalmenȱ

dieȱurzeitlicheȱErschaffungȱderȱMenschenȱbezieht,ȱdieseȱaberȱbeiȱPsȱ139ȱ eherȱumgekehrtȱundȱindirektȱausȱderȱVerallgemeinerungȱdesȱindividuȬ ellenȱSachverhaltsȱzuȱerschließenȱist.ȱ

II.ȱ WasȱistȱderȱaktuelleȱAnlass,ȱvonȱderȱeigenenȱGeschöpflichkeitȱzuȱspreȬ chen?ȱ Dieȱ Frageȱ mussȱ fürȱ beideȱ Psalmenȱ differenziertȱ beantwortetȱ werden.ȱ Beiȱ Psȱ 139ȱ kannȱ aufȱ dieȱ schonȱ etwasȱ ältere,ȱ aberȱ immerȱ nochȱ gültigeȱ Studieȱ vonȱ Ernstȱ Würthweinȱ zurückgegriffenȱ werden.ȱ Ihmȱ scheintȱ esȱ gelungenȱ zuȱ sein,ȱ sowohlȱ denȱ Sitzȱ imȱ Lebenȱ alsȱ auchȱ dieȱ FunktionȱdiesesȱPsalmtextesȱzuȱbestimmen.7ȱ Würthweinȱ versuchteȱ inȱ seinerȱ Auslegungȱ vonȱ 1957ȱ denȱ Psalmȱ nichtȱmehrȱalsȱdasȱ„geistlicheȱLied“ȱeinesȱindividuellenȱBetersȱimȱSinneȱ Hermannȱ Gunkelsȱ zuȱ sehen,ȱ sondernȱ mitȱ Aageȱ Bentzenȱ undȱ Arturȱ Weiserȱ alsȱ einenȱ Textȱ ausȱ derȱ Gattungȱ derȱ Gebeteȱ derȱ Angeklagten,ȱ präziserȱ noch:ȱ alsȱ einenȱ „normativen“ȱ Formulartext,ȱ derȱ demȱ Beterȱ vorgelegtȱ war.ȱ Erȱ erkannteȱ folglichȱ denȱ Sitzȱ imȱ Lebenȱ desȱ Psalmsȱ inȱ einemȱ Ordalverfahren,ȱ inȱ demȱ derȱ Psalmistȱ dazuȱ genötigtȱ wurde,ȱ dieȱ schwerwiegendenȱ Festlegungenȱ desȱ Textesȱ alsȱ eineȱArtȱ Reinigungseidȱ nachzusprechen,ȱ umȱ sichȱ vonȱ demȱ Verdachtȱ desȱ Götzendienstesȱ zuȱ reinigen.ȱ Dieseȱ Deutungȱ stütztȱ sichȱ vorȱ allemȱ aufȱ denȱ EingangsȬȱ undȱ Schlussteilȱ desȱ Psalms,ȱ derȱ seinesȱ ungewöhnlichȱ drastischenȱ Inhaltsȱ wegenȱvonȱdenȱAuslegernȱmeistȱübergangenȱwurde.ȱȱ Wennȱ Psȱ 139ȱ inȱ diesemȱ Sinneȱ eineȱ Textvorlageȱ istȱ undȱ nichtȱ dieȱ freieȱ undȱ persönlicheȱ Äußerungȱ einesȱ Betersȱ alsȱ Dichter,ȱ kommtȱ ihmȱ eineȱoffizielleȱBedeutungȱinsofernȱzu,ȱalsȱseineȱtheologischenȱAussagenȱ vonȱgrößererȱTragweiteȱsindȱalsȱesȱindividuelleȱBekenntnisseȱjedenfallsȱ zunächstȱ seinȱ können.ȱ Imȱ Blickȱ aufȱ dieȱ Feindszenerieȱ diesesȱ Textesȱ mussȱ dannȱ unterschiedenȱ werdenȱ zwischenȱ verschiedenenȱ PersonenȬ gruppen.ȱ Einmalȱ demȱ Personenkreis,ȱ vonȱ demȱ sichȱ derȱ Angeklagteȱ abzusetzenȱ versucht,ȱ vonȱ demȱ erȱ sichȱ öffentlichȱ distanzierenȱ muss,ȱ demgegenüberȱ erȱ seinenȱ „vollkommenenȱ Hass“ȱ erklärenȱ muss;ȱȱ Konkretesȱistȱdazuȱnichtȱauszumachen;ȱvermutungsweiseȱsindȱesȱLeuȬ te,ȱdieȱfürȱihnȱeineȱreligiöse,ȱvielleichtȱauchȱpolitischeȱVersuchungȱdarȬ stellten,ȱ soȱ dassȱ derȱ Vorwurfȱ derȱ Götzenverehrungȱ –ȱ wennȱ erȱ dennȱ richtigȱerschlossenȱistȱ(E[>)8ȱ–ȱauchȱgreifenȱkonnte.ȱMitȱdieserȱGruppeȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 7ȱ 8ȱ

E.ȱ Würthwein,ȱ Erwägungenȱ zuȱ Psalmȱ 139,ȱ VTȱ 7ȱ (1957),ȱ 165–182ȱ (=ȱ Wortȱ undȱ ExisȬ tenz,ȱStudienȱzumȱAltenȱTestament,ȱGöttingenȱ1970,ȱ179–196).ȱȱ DerȱmasoretischeȱTextȱmitȱRechtȱwörtlichȱgenommen.ȱ

ȱ

II.ȱ

297ȱ

hatȱ erȱ alsȱ denȱ „Gottverhassten“ȱ deutlichȱ undȱ endgültigȱ abzurechnen.ȱ Überȱ sieȱ undȱ ihrenȱ Statusȱ weiterȱ nachzudenkenȱ wäreȱ mangelsȱ einerȱ textlichenȱBasisȱSpekulationȱundȱreineȱWillkür.ȱEtwasȱandersȱistȱesȱbeiȱ derȱzweitenȱGruppe,ȱdieȱalsȱVerfolgerȱgeschildertȱwerdenȱundȱdieȱvonȱ jenerȱ Gruppeȱ derȱ Versucherȱ zuȱ trennenȱ sind.ȱ Dieseȱ warenȱ offenbarȱ aktivȱgewordenȱimȱSinneȱeinerȱAnzeigeȱundȱAnklage,ȱmitȱderȱsichȱderȱ Psalmistȱ auseinandersetzenȱ muss.ȱ Dassȱ solcherartȱ Anklagenȱ fürȱ dieȱ Betroffenenȱ gefährlichȱ waren,ȱ nichtȱ nurȱ ihremȱ Rufȱ undȱ ihremȱ Imageȱ schadenȱ zufügten,ȱ sondernȱ fürȱ Leibȱ undȱ Lebenȱ bedrohlichȱ werdenȱ konnten,ȱ wissenȱ wirȱ ausȱ denȱ vergleichendenȱ Untersuchungenȱ derȱ Feindpsalmenȱ undȱ derȱ Gebeteȱ derȱ Angeklagten.ȱ Nachȱ demȱ gültigenȱ RechtssystemȱhandeltȱesȱbeiȱsolchenȱFällenȱumȱeinenȱKonfliktȱzwischenȱ zweiȱ Parteien,ȱ dessenȱ Ausgangȱ inȱ einemȱ Alternativurteilȱ bestand.ȱ Soȱ gesehen,ȱ nimmtȱ derȱ Psalmistȱ inȱ seinemȱ „Reinigungseid“ȱ dasȱ Urteilȱ inȱ V.ȱ19ȱvorweg,ȱindemȱerȱdenȱKlägerȱ(oderȱseineȱPartei)ȱalsȱ >YUȱbezeichȬ netȱundȱseinenȱTodȱoderȱmindestensȱdieȱEntfernungȱderȱ„BlutȬMänner“ȱ bzw.ȱ „Mörder“ȱ verlangt.ȱ Diesesȱ Urteilȱ undȱ seinȱ wieȱ immerȱ vorstellȬ barerȱ Vollzugȱ wäreȱ zugleichȱ dasȱ Urteilȱ überȱ Rechtȱ undȱ Unrechtȱ undȱ dasȱ Urteilȱ überȱ Ehreȱ undȱ Unehre.ȱ Demȱ Verurteiltenȱ bzw.ȱ demȱ >YUȱ undȱseinerȱSippeȱkommenȱ–ȱnachȱallemȱwasȱgemeinhinȱsonstȱüberȱseinȱ Schicksalȱgesagtȱwirdȱ–ȱEhrenrechteȱnichtȱmehrȱzu.ȱEsȱscheint,ȱdassȱerȱ mitȱseinerȱEhreȱauchȱseinȱLebenȱverwirktȱhat.ȱȱ Beiȱ Psȱ 8ȱ istȱ Anlassȱ undȱ Hintergrundȱ wenigerȱ deutlichȱ erkennbar.ȱ DennochȱmussȱauchȱfürȱdiesenȱTextȱ–ȱdaraufȱistȱschonȱverschiedentlichȱ hingewiesenȱwordenȱ–ȱeineȱraisonȱd’êtreȱvorausgesetztȱwerden.ȱSieȱliegtȱ inȱ V.ȱ 3–5ȱ u.ȱE.ȱ zumȱ Teilȱ verdecktȱ undȱ verborgen.ȱ Fürȱ dieseȱ Annahmeȱ sprechenȱverschiedeneȱIndizien:ȱȱ 1.ȱ Psȱ8ȱwirdȱseinerȱGattungȱnachȱgewöhnlichȱalsȱindividuellerȱHymȬ nusȱ deklariert.ȱ Seinenȱ unmittelbarenȱ Kontextȱ bildenȱ jedochȱ dieȱ Psalmenȱ7ȱundȱ9/10ȱundȱ11,ȱundȱvonȱihnenȱherȱgesehenȱgehörtȱerȱinȱ dieȱ Gruppeȱ derȱ Feindpsalmenȱ oderȱ dieȱ Gebeteȱ derȱ Angeklagten.9ȱ Derȱ Kontextȱ inȱ Formȱ derȱ Juxtapositionȱ hatȱ inȱ derȱ Forschungȱ derȱ jüngstenȱ Vergangenheitȱ zunehmendȱ anȱ Bedeutungȱ gewonnen.ȱ Übernimmtȱ manȱ dieseȱ Klassifizierung,ȱ istȱ derȱ Fallȱ ziemlichȱ einȬ deutig.ȱȱ 2.ȱ Dieȱ IchȬAussagenȱ bestätigenȱ dieseȱ Einordnung.ȱ Dieȱ individuellenȱ Anteileȱ imȱ Psalmȱ zeigen,ȱ dassȱ dieȱ allgemeinenȱ hymnischenȱ AusȬ sagenȱ einenȱ aktuellenȱ Anlassȱ haben.ȱ Erȱ liegtȱ inȱ denȱ Erfahrungenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 9ȱ

Anders,ȱ mitȱ Blickȱ aufȱ denȱ ursprünglichenȱ Hymnentext,ȱ O.ȱ Kaiser,ȱ Erwägungenȱ zuȱ Psalmȱ8,ȱin:ȱNeueȱWegeȱderȱPsalmenforschung,ȱFSȱW.ȱBeyerlin,ȱFreiburg/Basel/Wienȱ 21995ȱ(1994),ȱ207–221ȱ(Lit.).ȱ

298ȱ

19.ȱFeindbildȱundȱMenschenwürdeȱinȱdenȱPsalmenȱ

derȱ Personȱ desȱ Beters.ȱ Darumȱ istȱ derȱ prononcierteȱ Ausrufȱ inȱ V.ȱ 5ȱ aufȱeinȱindividuellesȱErlebenȱzuȱbeziehen.ȱEsȱverwundertȱdenȱBeterȱ imȱ höchstenȱ Maße,ȱ dassȱ einȱ „Mensch“ȱ (YZQD),ȱ alsoȱ „einȱ einzelnerȱ Mensch“ȱ (GD$#E)ȱ –ȱ undȱ damitȱ meintȱ erȱ sichȱ dochȱ wohlȱ selbstȱ –ȱ dieserȱ besonderenȱ Aufmerksamkeitȱ undȱ Fürsorgeȱ desȱ Schöpfersȱ desȱHimmelsȱundȱderȱGestirneȱgewürdigtȱwurde,ȱdassȱdieserȱ„seiȬ nerȱgedachte“ȱ(UN])ȱundȱ„sichȱseinerȱannahm“ȱ(GTS).ȱȱ 3.ȱ DieseȱHeilserfahrungȱhatȱzuȱtunȱmitȱeinerȱBedrohung,ȱdieȱoffenbarȱ vonȱ „Verfolgern“,ȱ „Feindȱ undȱ Rächer“ȱ (V.ȱ 3)ȱ ausging.ȱ Zwarȱ sindȱ dieseȱalsȱGottesȱ„Verfolger“ȱstilisiert.ȱDochȱscheintȱes,ȱdassȱdieseȱ–ȱ derȱ Terminusȱ „Rächer,ȱ rachgierig“ȱ (TQWP)ȱ deutetȱ daraufȱ hin10ȱ –ȱ zunächstȱ denȱ Psalmistenȱ selbstȱ bedrängtȱ undȱ bedrohtȱ haben.ȱ Dieȱ göttlicheȱ Institutionȱ einerȱ „Macht“ȱ jedochȱ alsȱ einesȱ „Bollwerks“ȱ (]>)ȱ (V.ȱ 3)ȱ –ȱ hierȱ istȱ derȱ Textȱ sehrȱ enigmatischȱ –ȱ hatȱ ihnȱ offenbarȱ davorȱbewahrt.ȱDerȱPsalmistȱgehtȱdavonȱaus,ȱdassȱdasȱihmȱwiderȬ fahreneȱHeilȱdarinȱbesteht,ȱdassȱihmȱinȱeinemȱaktuellenȱKonfliktȱ–ȱ umȱmitȱPsȱ4ȱzuȱredenȱ–ȱseineȱ„Ehre“ȱwiederhergestelltȱundȱdieȱihmȱ offenbarȱabgesprocheneȱ„Würde“ȱwiederȱzuteilȱwurde.ȱ Wennȱ esȱ nunȱ möglichȱ ist,ȱ dieȱ Situationȱ desȱ Betersȱ vonȱ Psȱ 8ȱ nachȱ denȱ HintergrundskizzenȱderȱPsalmenȱ7,ȱ9/10,ȱ11ȱu.ȱa.ȱauszuleuchten,ȱergibtȱ sichȱ einȱ ähnlichesȱ Bildȱ wieȱ fürȱ Psȱ 139.ȱ Mitȱ demȱ Unterschied,ȱ dassȱ derȱ PsalmistȱvonȱPsȱ8ȱschonȱaufȱdasȱzurückblickenȱkann,ȱwasȱdemȱPsalmisȬ tenȱ vonȱ Psȱ 139ȱ nochȱ bevorsteht:ȱ nämlichȱ dieȱ möglicheȱ Befreiungȱ vonȱ denȱschwerenȱBedrängnissen,ȱdieȱeineȱsolcheȱInquisitionȱnötigȱgemachtȱ haben.ȱSeinȱVertrauenȱundȱseineȱHoffnungȱindesȱsindȱungebrochen:ȱȱ Erforscheȱmich,ȱGott,ȱundȱerkenneȱmeinȱHerz,ȱ prüfeȱmichȱundȱerkenneȱmeineȱGedanken.ȱ Sieh,ȱobȱeinȱgottloserȱWegȱmichȱverführt,ȱ undȱleiteȱmichȱaufȱewigemȱWeg.ȱ(V.ȱ23ȱf.)ȱ

DaranȱsollenȱsichȱnunȱweitereȱÜberlegungenȱanschließen.ȱ

III.ȱ Ihrȱ Mächtigenȱ (Y\D\QE),ȱ wieȱ langeȱ nochȱ bleibtȱ meineȱ Ehreȱ geȬ schändet,ȱwolltȱihrȱNichtigesȱlieben,ȱaufȱLügenȱsinnen?ȱ(Psȱ4,3).ȱ Wennȱ ichȱ dem,ȱ derȱ gutȱ zuȱ mirȱ war,ȱ Bösesȱ tatȱ undȱ denȱ beraubte,ȱ derȱ michȱohneȱGrundȱbedrängt,ȱsoȱverfolgeȱmichȱderȱFeindȱundȱholeȱmichȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10ȱ VergleichbarȱsindȱbezeichnenderweiseȱdieȱAussagenȱvonȱPsȱ139,21.ȱ

ȱ

III.ȱ

299ȱ

ein,ȱ treteȱ zuȱ Bodenȱ meinȱ Lebenȱ undȱ legeȱ inȱ denȱ Staubȱ meineȱ Ehre.ȱȱ (Psȱ7,5ȱf.)ȱ

Zitateȱ ausȱ zweiȱ Feindpsalmenȱ undȱ Gebetenȱ vonȱ Angeklagten,ȱ dieȱ unȬ gefährȱ dieselbeȱ Situationȱ beschreiben,ȱ welcheȱ fürȱ Psȱ 139ȱ mitȱ einigerȱ Sicherheit,ȱ fürȱ Psȱ 8ȱ mitȱ einigerȱ Wahrscheinlichkeitȱ vorauszusetzenȱ ist.ȱ GewähltȱwurdenȱsieȱalsȱKontext,ȱweilȱsieȱdreierleiȱdeutlichȱmachen:ȱȱ 1.ȱ Esȱ handeltȱ sichȱ dabeiȱ nachȱ derȱ Überzeugungȱ derȱ Betroffenenȱ umȱ falscheȱAnklagen.ȱȱ 2.ȱ EsȱgehtȱalsoȱinȱjenenȱAnklagenȱinsofernȱumȱdieȱInfragestellungȱderȱ eigenenȱ Integrität,ȱ undȱ sieȱ erlebenȱ denȱ Angriffȱ zuerstȱ alsȱ Attackeȱ aufȱihreȱpersönlicheȱEhreȱ(GZEN).ȱȱ 3.ȱ Esȱ stehtȱ inȱ jenenȱ Konfliktenȱ derȱ Psalmistenȱ mitȱ ihrenȱ Feindenȱ dieȱ eigeneȱExistenzȱaufȱdemȱSpiel.ȱ Derȱ Begriffȱ GZENȱ hatȱ inȱ seinerȱ Verwendungȱ inȱ derȱ Weisheitsliteraturȱ (Prv,ȱ Psȱ undȱ Hi),ȱ bezogenȱ aufȱ denȱ konkretenȱ gesellschaftlichenȱ Statusȱ bestimmterȱMenschen,ȱeinenȱprimärȱsozialenȱCharakter.ȱDieȱAbleitungȱ vonȱdemȱBedeutungskernȱdesȱ„Schweren,ȱGewichtigen“ȱhatȱinȱdiesemȱ mehrȱumgangssprachlichȱprofanenȱGebrauchȱundȱinȱderȱ–ȱwohlȱziemȬ lichȱ spätenȱ –ȱ sapientialenȱ Spezialverwendungȱ dieȱ Bedeutungȱ einesȱ sozialenȱ Verhältnisbegriffsȱ undȱ bezeichnetȱ Wertȱ undȱ Gewichtȱ unterȬ schiedlicherȱHöhe,ȱderȱsichȱausȱdemȱjeweiligenȱStatusȱdesȱEinzelnenȱimȱ gesellschaftlichenȱ Lebenȱ ergibtȱ undȱ ihmȱ vonȱ seinerȱ Umgebungȱ zuerȬ kanntȱwird.ȱErȱschreibtȱMenschenȱmehrȱoderȱwenigerȱBedeutung,ȱmehrȱ oderȱ wenigerȱ „spezifischesȱ Gewicht“ȱ zu,ȱ dasȱ sichȱ ausȱ ihremȱ sozialenȱ Verhaltenȱ ergibt.ȱ Erȱ meintȱseinȱ Ansehen,ȱ eben:ȱ wieȱ erȱ vonȱ seinerȱUmȬ weltȱ angesehenȱ undȱ eingeschätztȱ wird.ȱ Insofernȱ entsprichtȱ dieserȱ BeȬ deutungsaspektȱ desȱ hebräischenȱ Begriffsȱ ziemlichȱ genauȱ demȱ altȬ griechischenȱWLPKYȬBegriff.11ȱȱ FürȱdasȱweisheitlicheȱVerständnisȱdesȱindividuellenȱEhrbegriffsȱseiȱ Clausȱ Westermannȱ zitiert:ȱ „Hierȱ (scil.ȱ inȱ derȱ Spruchweisheit)ȱ bezeichȬ netȱkåbødȱdieȱgeachteteȱStellung,ȱdieȱeinȱMenschȱinȱseinemȱLebenskreisȱ hat,ȱdieȱFrauȱ(Sprȱ11,16)ȱwieȱderȱMannȱ(Sprȱ3,35;ȱ15,33;ȱ18,12;ȱvgl.ȱ29,23;ȱ Predȱ 10,1).ȱ Manȱ kannȱ dieseȱ Ehreȱ durchȱ seinȱ Verhaltenȱ verlierenȱ (Sprȱ 26,1.8;ȱvgl.ȱHabȱ2,16);ȱsieȱerweistȱsichȱimȱVerhaltenȱ(Sprȱ20,3;ȱ25,2);ȱLeȬ benȱundȱEhreȱgehörenȱzusammenȱ(Sprȱ21,21;ȱ22,4;ȱvgl.ȱPsȱ112,9;ȱ149,5;ȱ Hiȱ 29,20)ȱ …“ȱ12ȱ Westermannȱ hatȱ gesehen,ȱ dassȱ dieselbeȱ individuelleȱ VerwendungȱdesȱBegriffsȱauchȱinȱderȱ„KlageȱdesȱEinzelnen“ȱbegegnet.ȱ ErȱführtȱdieȱobenȱzitiertenȱPsalmenȱ4ȱundȱ7ȱan,ȱdazuȱdieȱKlageȱHiobsȱinȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 11ȱ Vgl.ȱ J.ȱ Schneiderȱ ThWNTȱ VIII,ȱ 170ȱff.ȱ Dieȱ Übersetzungsgeschichteȱ mitȱ ihrenȱ VerȬ schiebungenȱ(GRY[D,ȱWLPKY)ȱistȱvonȱbesondererȱtheologischerȱBedeutung.ȱȱ 12ȱ THATȱI,ȱ800.ȱ

300ȱ

19.ȱFeindbildȱundȱMenschenwürdeȱinȱdenȱPsalmenȱ

19,9,ȱdieȱinȱderȱTatȱimȱVerlaufȱdesȱzweitenȱRedegangsȱzuȱeinerȱFeindȬ klageȱgewordenȱist,ȱundȱkonfrontiertȱsieȱmitȱStellenȱausȱdenȱPsalmenȱ3;ȱ 62;ȱ73;ȱ84ȱ(sowieȱ1.ȱChrȱ29,12ȱundȱPredȱ6,2):ȱ„demgegenüberȱweißȱderȱ Klagendeȱ imȱ Bekenntnisȱ derȱ Zuversichtȱ dieȱ Wahrungȱ seinerȱ Ehreȱ beiȱ Gottȱ aufgehoben“ȱ undȱ fährtȱ dannȱ fort:ȱ „Aberȱ soȱ wirdȱ nurȱ inȱ beȬ sonderenȱ Situationenȱ gesprochen;ȱ sonstȱ istȱ dieȱ Ehreȱ etwasȱ reinȱȱ Zwischenmenschliches.“ȱ13ȱ Zunächstȱistȱdazuȱzuȱbemerken:ȱMagȱesȱbeiȱdemȱBegriffȱumȱ„etwasȱ reinȱZwischenmenschliches“ȱgehen,ȱsoȱheißtȱdasȱnicht,ȱdassȱihmȱkeineȱ theologischeȱ Bedeutungȱ zukäme.ȱ Auchȱ wennȱ sichȱ dieȱ spezielleȱ VerȬ wendungȱdesȱBegriffsȱfürȱdieȱindividuelleȱEhreȱinȱIsraelȱerstȱallmählichȱ undȱziemlichȱspätȱausgebildetȱhabenȱsollte,ȱsoȱistȱdochȱderȱSachverhaltȱ schonȱ unterȱ denȱ zuȱ schützendenȱ Freiheitsrechtenȱ etwaȱ desȱ Dekalogsȱ aufgeführt,ȱdortȱinȱGestaltȱdesȱVerbotsȱderȱfalschenȱ(rufȬȱundȱexistenzȬ schädigenden)ȱZeugenaussageȱ(Exȱ20,16;ȱDtȱ5,20).ȱDortȱwirdȱderȱBeginnȱ einerȱ Entwicklungȱ sichtbar,ȱ derȱ zurȱ Ausbildungȱ einesȱ ÄquivalentȬ begriffsȱfürȱeinȱmenschlichesȱGrundrechtȱführt.ȱ Wichtigerȱ nochȱ istȱ es,ȱ jeneȱ „besonderenȱ Situationen“ȱ insȱ Augeȱ zuȱ fassen,ȱwelcheȱnachȱWestermannȱzuȱdemȱBekenntnisȱAnlassȱgaben,ȱdieȱ Wahrungȱ derȱ Ehreȱ desȱ Klagendenȱ seiȱ „beiȱ Gottȱ aufgehoben“.ȱ Hinterȱ dieserȱAussageȱscheintȱsichȱnämlichȱebenȱderȱSachverhaltȱzuȱverbergen,ȱ vonȱdemȱinȱdenȱobigenȱÜberlegungenȱschonȱdieȱRedeȱwar.ȱ 1.ȱ DerȱvonȱFeindenȱverfolgteȱBeterȱvonȱPsȱ3ȱ(Manȱsagt:ȱ„Erȱhatȱkeineȱ HilfeȱbeiȱGott“)ȱbekenntȱsichȱzuȱseinemȱGott,ȱderȱihmȱ„Schildȱundȱ Ehreȱbedeutet“,ȱundȱerwartet,ȱdassȱdieserȱihmȱ„seinȱHauptȱemporȬ hebt“ȱ(V.ȱ4),ȱdassȱaberȱdenȱVerfolgernȱaberȱ„dieȱZähneȱzerschmetȬ tertȱ werden“ȱ (V.ȱ 8).ȱ Dasȱ alles,ȱ währendȱ erȱ sichȱ aufȱ demȱ heiligenȱ Bergȱbefindet,ȱwoȱerȱoffenbarȱdieȱNachtȱimȱAsylfriedenȱverbringenȱ konnte.ȱ Esȱ istȱ anȱ einȱ Urteilȱ imȱ Sakralprozessȱ zuȱ denken,ȱ dasȱ dieȱ Wendeȱbringenȱsollte.ȱ 2.ȱ Eineȱ vergleichbareȱ „besondereȱ Situation“ȱ lässtȱ auchȱ derȱ Psȱ 62ȱ erȬ kennen,ȱebenfallsȱdasȱBekenntnisȱeinesȱVerfolgten14,ȱderȱimȱ„AngeȬ sichtȱ seinerȱ Feinde“ȱ (V.ȱ 4ȱf.)ȱ anȱ seinemȱ Bekenntnisȱ festhält:ȱ „Aufȱ Gottȱ stehtȱ meinȱ Heilȱ undȱ meineȱ Ehreȱ (\GZENZ\>Y\)“ȱ (V.ȱ 8).ȱ Derȱ Psalmȱ istȱ darumȱ besondersȱ interessantȱ inȱ unseremȱ ZusammenȬ hang,ȱweilȱerȱdasȱBedeutungselementȱdesȱSchweren,ȱdesȱGewichtsȱ imȱBlickȱaufȱdasȱMenschenbildȱverwendet.ȱAusȱeigenerȱErfahrungȱ findetȱ erȱ zuȱderȱ Aussage,ȱ derȱ Menschȱseiȱ „nurȱ einȱ Hauchȱ (OEK)“,ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 13ȱ Ebda.ȱ 14ȱ Vgl.ȱ vomȱ Verf.,ȱ Asyl?ȱ Psalmȱ 62ȱ –ȱ Zeugnisȱ einesȱ Verfolgten,ȱ ZMissȱ 18ȱ (1992)ȱ 2–5ȱȱ (=ȱStudienȱzurȱPsalmenauslegungȱ125–129).ȱȱ

ȱ

IV.ȱ

301ȱ

„einȱ Nichtsȱ aufȱ derȱ Waagschale“,ȱ dieȱ „nachȱ obenȱ schnellt“ȱ (V.10).ȱ KeinȱGewichtȱkommtȱihmȱzu.ȱZähltȱerȱsichȱselbstȱzuȱdenȱGewichtȬ losen,ȱwieȱmanȱvermutenȱmuss,ȱhofftȱerȱseinenȱkabodȱwiederȱzuȱfinȬ den,ȱdenȱerȱzusammenȱmitȱdemȱ„Heil“ȱvomȱgerechtenȱGerichtȱseiȬ nesȱGottesȱerwartet.ȱDieȱ„Ehre“ȱistȱhierȱgesehenȱalsȱeineȱHeilsgabe,ȱ dieȱ demȱ Beterȱ zurückerstattetȱ wird.ȱ Diesȱ aberȱ mussȱ sichȱ inȱ seinerȱ bedrängtenȱLageȱinȱeinerȱrechtlichȱwirksamenȱAktionȱrealisierenȱ–ȱ schnellȱ undȱ durchschlagend.ȱ Sonstȱ istȱ esȱ keineȱ Hilfeȱ fürȱ ihn.ȱ Dasȱ bloßeȱWissenȱdarum,ȱdassȱdieȱEhreȱ„beiȱGottȱaufgehoben“ȱist,ȱkannȱ dochȱwohlȱalsȱsolchesȱalleinȱeineȱkonkreteȱHilfeȱnichtȱsein.ȱȱ 3.ȱ EineȱbesondereȱSituationȱzeigtȱauchȱPsȱ85,ȱwohlȱeinȱPilgerpsalm.ȱErȱ erwartetȱ inȱ gleicherȱ Weiseȱ vomȱ Hauseȱ seinesȱ Gottes,ȱ dassȱ dortȱ „GnadeȱundȱEhre“ȱerteiltȱwirdȱundȱ„Glück“,ȱdenenȱ„dieȱunsträflichȱ wandeln“ȱ(V.ȱ11ȱf.).ȱAberȱerȱsagtȱnicht,ȱwieȱdasȱgeschehenȱsoll,ȱundȱ istȱ insofernȱ selbstȱ erklärungsbedürftig15ȱ wieȱ dieȱ berühmte,ȱ aberȱ dunkleȱStelleȱȱ 4.ȱ Psȱ73,24,ȱwoȱderȱweiseȱBeterȱdieȱHoffnungȱaussprichtȱmitȱdemȱSatz:ȱ „Danachȱnimmstȱduȱmichȱ(in)ȱEhrenȱauf“ȱ16.ȱ WasȱwirȱmitȱdiesenȱÜberlegungenȱumkreisen,ȱistȱdasȱProblemȱdesȱEhrȬ verlustsȱaufȱVerdachtȱoderȱdurchȱeineȱausȱdemȱUmkreisȱdesȱBetreffenȬ denȱ lancierteȱ Anklage.ȱ Dieȱ Anklägerȱ nennenȱ dieȱ Psalmistenȱ ihreȱ perȬ sönlichenȱ Gegner,ȱ dieȱ sieȱ nichtȱ ohneȱ –ȱ ausȱ eigenerȱ UnschuldsȬ überzeugungȱ genährteȱ –ȱ subjektiveȱ Wertungen,ȱ jaȱ eigentlicheȱ BeȬ schimpfungen,ȱ behandeln.ȱ Dieȱ ausȱ Psȱ 7ȱ bekannten,ȱ fürȱ Psȱ 139ȱ anzunehmenden,ȱfürȱPsȱ8ȱvorauszusetzenden,ȱimȱZusammenhangȱderȱ Psalmenȱ dochȱ wohlȱ inȱ ersterȱ Linieȱ religiösȬsozialenȱ Verdächtigungenȱ jedenfallsȱ beschädigenȱ dasȱ individuelleȱ Ansehen,ȱ dasȱ image,ȱ denȱ Ruf,ȱ dieȱ sozialeȱ Integrität,ȱ denȱ GZENȱ desȱ Einzelnenȱ undȱ könnenȱ –ȱ inȱ BlickȬ richtungȱderȱPsalmenȱ–ȱschwerwiegendeȱFolgenȱhaben.ȱ

IV.ȱ NunȱzeigenȱdieȱerhaltenenȱGebeteȱderȱAngeklagtenȱimȱPsalter,ȱdassȱesȱ offenbarȱ Möglichkeitenȱ gab,ȱ dieȱ inȱ solchenȱ sozialenȱ Konfliktenȱ undȱ KrisenȱLösungenȱundȱHilfenȱversprachen.ȱEsȱscheint,ȱalsȱobȱesȱimȱsakȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 15ȱ Hilftȱ zurȱ Erklärungȱ dieȱ berühmteȱ Stelleȱ vonȱ derȱ außergerichtlichenȱ Versöhnungȱ inȱ derȱBergpredigtȱMtȱ5,21ȱff.ȱ(25)?ȱ 16ȱ Wirȱ lassenȱ dieȱ Psalmstellenȱ aufȱ derȱ Seite,ȱ beiȱ denenȱ vermutetȱ werdenȱ könnte,ȱ dassȱ derȱ MTȱ einȱ ursprünglichesȱ GENȱ („Leber“)ȱ überdeckt,ȱ z.ȱB.ȱ Psȱ 16,9;ȱ 30,13,ȱ 57,9;ȱ 108,2ȱ u.ȱa.,ȱvgl.ȱThWATȱIVȱ15ȱf.24.ȱȱ

302ȱ

19.ȱFeindbildȱundȱMenschenwürdeȱinȱdenȱPsalmenȱ

ralenȱBereichȱRechtsinstanzenȱgegebenȱhat,ȱdieȱinȱsolchenȱFällenȱangeȬ rufenȱwerdenȱkonnten.ȱDieȱerhaltenenȱPsalmtexteȱausȱderȱGruppeȱderȱ Angeklagtengebete,ȱ undȱ nichtȱ zuletztȱ Psȱ 139ȱ undȱ Psȱ 8ȱ bezeugen,ȱ dassȱ esȱ einenȱ Wegȱ gab,ȱ denȱ Konfliktȱ zurȱ Entscheidungȱ zuȱ bringenȱ undȱ soȱ einenȱeventuellenȱEhrverlustȱmitȱallenȱFolgenȱzuȱverhindernȱoderȱ–ȱimȱ Falleȱ falscherȱ Behauptungenȱ –ȱ dieȱ Rehabilitationȱ herbeizuführen.ȱ Dieȱ relativȱgeringeȱZahlȱvorȱallemȱderȱexternenȱBelegeȱfürȱdieȱExistenzȱeiȬ nerȱsolchenȱInstitutionȱbleibtȱeinȱProblem.ȱM.ȱE.ȱdeutetȱsichȱdadurchȱan,ȱ dassȱ dieserȱ Rechtswegȱ entwederȱ nichtȱ jedermannȱ bekanntȱ oderȱ zuȬ gänglichȱwar.ȱ ImȱBlickȱistȱdieȱschonȱmehrfachȱinȱunterschiedlicherȱGestaltȱvertreȬ teneȱ Hypotheseȱ einesȱ sakralenȱ Gerichtsverfahrensȱ amȱ Tempelȱ inȱ JeruȬ salem,ȱ dasȱ alsȱ eineȱ Artȱ letzterȱ Instanzȱ inȱ schwerȱ lösbarenȱ Konfliktenȱ undȱ Auseinandersetzungenȱ umȱ Grundrechteȱ zuȱ entscheidenȱ hatte,ȱ demȱ beiȱ unklarerȱ Rechtslageȱ auchȱ Elementeȱ undȱ Zügeȱ einesȱ Ordalsȱ eignenȱkonnten.ȱDieȱAnnahmeȱeinesȱsolchenȱVerfahrensȱscheintȱFragenȱ nachȱ demȱ Sitzȱ imȱ Lebenȱ eineȱ Reiheȱ persönlicherȱ Gebetszeugnisseȱ kläȬ renȱzuȱkönnen.ȱOhneȱdenȱBeweisgangȱhierȱnochmalsȱantretenȱzuȱkönȬ nen,ȱverweiseȱichȱaufȱdieȱ–ȱinȱmeinenȱAugenȱsehrȱhilfreichenȱundȱbleiȬ bendȱ gültigenȱ –ȱ Untersuchungenȱ vonȱ Hansȱ Schmidt,ȱ Aageȱ Bentzen,ȱ Ernstȱ Würthwein,ȱ Lienhardȱ Delekat,ȱ Walterȱ Beyerlinȱ u.ȱa.,ȱ wobeiȱ auchȱ Forschungsbeiträgeȱ zumȱ Buchȱ Hiobȱ hinzuzufügenȱ sind.17ȱ Fürȱ dieȱ beiȬ denȱanthropologischenȱTexte,ȱmitȱdenenȱwirȱunsȱbeschäftigen,ȱerweistȱ sieȱsichȱalsȱnützlichȱundȱerhellend.ȱ Wirȱgehenȱdavonȱaus,ȱdassȱdieȱLösungȱeinesȱakutenȱKonfliktsȱ–ȱwieȱ ihnȱ einȱ Verdachtȱ oderȱ eineȱ Anklageȱ darstellt,ȱ beiȱ demȱ nichtȱ nurȱ dieȱ Parteienȱselbst,ȱderȱAngeklagteȱundȱdieȱsog.ȱFeinde,ȱsondernȱauchȱdieȱ Umweltȱ undȱ Lebensweltȱ derȱ Betreffendenȱ inȱ Mitleidenschaftȱ gezogenȱ istȱ–ȱnurȱinȱeinemȱallseitsȱanerkanntenȱSchiedsspruchȱbestehenȱkonnte.ȱ Konfliktparteien,ȱdieȱsichȱgegenseitigȱbisȱaufsȱBlutȱ(Psȱ139,19)ȱbekämpȬ fenȱundȱgegenseitigȱdenȱTodȱanwünschenȱoderȱandrohen,ȱkönnenȱnichtȱ dadurchȱ ruhiggestelltȱ werden,ȱ dassȱ sieȱ etwaȱ imȱ sakralenȱ Raumȱ desȱ Heiligtumsfriedensȱ getrenntȱ werdenȱ undȱ dortȱ –ȱ nurȱ dieȱ derȱ Beklagtenparteiȱ scheinenȱ erhaltenȱ zuȱ sein18ȱ –ȱ ihreȱ Gebeteȱ verrichtenȱ konntenȱimȱVertrauenȱaufȱeineȱsichȱirgendwieȱabzeichnendeȱzukünftigeȱ Lösung.ȱ Dieȱ Parteienȱ musstenȱ einemȱ autoritativen,ȱ öffentlichkeitsȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 17ȱ Derȱ dramatischeȱ Aufbauȱ desȱ Hiobdialogsȱ istȱ offensichtlichȱ vomȱ graduellenȱ Ablaufȱ undȱ derȱ logischenȱ Strukturȱ einesȱ solchenȱ Verfahrensȱ herȱ bestimmt.ȱ Zumȱ ersterenȱ vgl.ȱAnm.ȱ1,ȱzumȱletzterenȱetwaȱH.ȬP.ȱMüller,ȱDasȱHiobproblem.ȱSeineȱStellungȱundȱ Entstehungȱ imȱ Altenȱ Orientȱ undȱ imȱ Altenȱ Testament,ȱ EdFȱ 84,ȱ Darmstadtȱ 21988ȱ (1978).ȱ 18ȱ ManȱkönnteȱinȱPsȱ109ȱeinȱgegenteiligesȱBeispielȱsehen.ȱ

ȱ

IV.ȱ

303ȱ

wirksamenȱ Schiedsspruchȱ unterworfenȱ werden.ȱ Undȱ allesȱ sprichtȱ inȱ denȱ genanntenȱ Textenȱ dafür,ȱ dassȱ solcheȱ Urteilssprücheȱ inȱ langȬ wierigenȱ Verfahren,ȱ z.ȱT.ȱ wohlȱ auchȱ durchȱ Gottesgerichtsentscheidȱ gefundenȱwurdenȱundȱergangenȱsind.ȱIchȱhabeȱinȱanderemȱZusammenȬ hangȱschonȱversuchtȱdarzulegen,ȱdassȱderȱberühmteȱSatzȱausȱHabȱ2,4:ȱ „DerȱGerechteȱaberȱsollȱkraftȱseinerȱTreueȱleben!“ȱnichtȱdemȱProphetenȱ desȱ7.ȱJahrhunderts,ȱsondernȱdemȱinȱdasȱHabakukȬBuchȱeingeschriebeȬ nenȱIndividualpsalmȱzuzurechnenȱistȱundȱinsofernȱeinȱBelegȱdafürȱseinȱ könnte,ȱ wieȱ einȱ solcherȱ Urteilsspruchȱ ausgesehenȱ hat,ȱ derȱ überȱ schulȬ digȱ (>YU)ȱ undȱ unschuldigȱ (T\G[)ȱ imȱ reziprokenȱ Sinneȱ desȱ althebräiȬ schenȱ Rechtswesensȱ zuȱ entscheidenȱ hatte.19ȱ Wieȱ auchȱ immer,ȱ dieȱ Rechtsfolgenȱ waren:ȱ Bestrafung,ȱ bestehendȱ inȱ Ehrverlustȱ fürȱ denȱ VerȬ urteilten,ȱeventuellȱTodesstrafe,ȱvgl.ȱdieȱAusdrückeȱ„vernichten“ȱ(WEYȱ hi.ȱ inȱ Psȱ 8,3),ȱ „töten“ȱ (OITȱ inȱ Psȱ 139,19)ȱ oderȱ Freispruchȱ mitȱ demonȬ strativer,ȱ d.ȱh.ȱ öffentlicherȱ Rehabilitationȱ „imȱ Angesichtsȱ derȱ Feinde“ȱ (Psȱ 23,5)ȱ undȱ wohlȱ vorȱ einerȱ gottesdienstlichenȱ Gemeinde.ȱ Führtȱ hierȱ einȱdirekterȱWegȱweiterȱzurȱpaulinischenȱRechtfertigungslehre?ȱ Dassȱ Psȱ 139ȱ inȱ denȱ Zusammenhangȱ einesȱ solchenȱ Verfahrensȱ geȬ hörtȱundȱalsȱsog.ȱReinigungseidȱTeilȱdesȱVerfahrensȱselbstȱist,ȱhatȱErnstȱ Würthweinȱdargelegt.ȱDieȱgrundlegendenȱGlaubenssätzeȱdiesesȱPsalmsȱ sindȱdemnachȱnichtȱnurȱeinmaligeȱEinsichtenȱeinesȱerleuchtetenȱBeters.ȱ Sieȱ sindȱ vielmehrȱ formularhafteȱ Aufstellungen,ȱ einemȱ Beichtformularȱ vergleichbar,ȱ überȱ dieȱ Reinheitȱ desȱ Gewissensȱ undȱ dasȱ durchsichtigeȱ WesenȱdesȱGläubigen.ȱSieȱdokumentierenȱdamitȱdasȱMenschenbildȱderȱ JerusalemerȱTempeltheologenȱundȱhabenȱinsofernȱoffiziellenȱCharakter.ȱ DerȱAusgangȱdesȱVerfahrensȱistȱnichtȱbekannt.ȱAusȱderȱErhaltungȱdesȱ Formulartextesȱkannȱgeschlossenȱwerden,ȱdassȱdieȱVorlageȱwohlȱauchȱ fürȱandereȱFälleȱdienenȱkonnte.ȱAusȱdenȱindividuellenȱPartienȱimȱletzȬ tenȱTeilȱ(V.ȱ17ȱff.)ȱergibtȱsich,ȱdassȱdieserȱFallȱwohlȱzugunstenȱdenȱAnȬ geklagtenȱbeendetȱwurde.ȱ Psȱ8ȱgehörtȱnachȱunserenȱÜberlegungenȱinȱdieȱPhaseȱnachȱErgehenȱ desȱUrteilsȱundȱVollzugȱderȱStrafeȱanȱdemȱ„FeindȱundȱdenȱRachgieriȬ gen“.ȱ Erȱ hatȱ insofernȱ doxologischenȱ Charakter.ȱ Erȱ anerkenntȱ befreitȱ undȱerleichtert,ȱaberȱauchȱinȱhöchstemȱMaßeȱverwundert,ȱdassȱerȱnachȱ demȱ Kerkerȱ (Psȱ 142,8)ȱ wiederȱ denȱ freienȱ Himmelȱ undȱ seineȱ Sterneȱ schauenȱdarfȱ–ȱoffenbarȱwarȱerȱsichȱdesȱAusgangsȱderȱSacheȱsoȱsicherȱ nichtȱ–,ȱdassȱihmȱeineȱpersönlicheȱHeilszuwendungȱzuteilȱwurde,ȱdieȱerȱ inȱhymnischenȱWortenȱbekennt.ȱAberȱauchȱerȱbeziehtȱsichȱaufȱeinȱMenȬ schenbild,ȱ dasȱ ihmȱ vorgegebenȱ war,ȱ dasȱ erȱ aberȱ nunȱ anȱ sichȱ bewährtȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 19ȱ Habakukȱ 2,4ȱ undȱ seinȱ Kontext.ȱ Zurȱ Aktualitätȱ desȱ Altenȱ Testaments,ȱ FSȱ G.ȱ Sauer,ȱ Frankfurtȱetc.ȱ1992,ȱ99–107ȱ(=ȱStudienȱ189–198).ȱȱ

304ȱ

19.ȱFeindbildȱundȱMenschenwürdeȱinȱdenȱPsalmenȱ

undȱ bestätigtȱ undȱ sichȱ „beiȱ Gottȱ aufgehoben“ȱ sah.ȱ Esȱ ist,ȱ kurzȱ gesagt,ȱ dieȱ vonȱ ihmȱ zitierteȱ imagoȬDeiȬVorstellungȱ inȱ V.ȱ 6ȱff.ȱ Offenbarȱ gehörteȱ sie,ȱwieȱdieȱCredoȬSätzeȱausȱPsȱ139,ȱebenfallsȱzumȱgültigenȱBestandȱderȱ JerusalemerȱTheologieȱ–ȱseiȱesȱinȱGestaltȱeinerȱToraȬRolleȱmitȱGenȱ1,26,ȱ seiȱ esȱ alsȱ eineȱ Ausleseȱ vonȱ anthropologischenȱ Spitzensätzen.ȱ Esȱ istȱ jaȱ auchȱ denkbar,ȱ dassȱ derȱ hymnischeȱ Rahmenvers:ȱ „Herr,ȱ unserȱ HerrȬ scher,ȱwieȱherrlichȱistȱdeinȱNameȱinȱallenȱLanden“ȱsichȱaufȱdenȱGültigȬ keitsbereichȱ desȱ ergangenenȱ Urteilsȱ bezieht,ȱ innerhalbȱ dessenȱ derȱ PsalmistȱinȱZukunftȱlebenȱzuȱkönnenȱhofft.ȱ

V.ȱ Wirȱ ziehenȱ einigeȱ Schlüsseȱ ausȱ diesenȱ Überlegungenȱ imȱ Blickȱ aufȱ dasȱ angesprocheneȱMenschenbild.ȱȱ

1. Dieȱ beidenȱ Basistexteȱ Psȱ 8ȱ undȱ Psȱ 139ȱ gehörenȱ inȱ dieȱ Davidpsalterȱ Iȱ undȱ IV.ȱ Esȱ istȱ deshalbȱ anzunehmen,ȱ dassȱ sieȱ ausȱ demȱ Umkreisȱ desȱ zweitenȱTempelsȱinȱJerusalemȱstammen,ȱundȱzwarȱvermutlichȱausȱdemȱ nachexilischenȱ5.ȱoderȱ4.ȱ(oderȱ3.)ȱJahrhundert.ȱJedenfallsȱbezeugenȱsieȱ dasȱ Faktum,ȱ dassȱ manȱ amȱ Tempelȱ eineȱ theologischeȱ Anthropologie20ȱ entwickeltȱundȱgepflegtȱhat,ȱdieȱinȱdenȱbeidenȱTextenȱihrenȱjeȱeigenenȱ Niederschlagȱ gefundenȱ hat.ȱ Beideȱ zeigenȱ jaȱ einenȱ Anteilȱ traditionellerȱ undȱoffiziellerȱTheologie,ȱderȱinȱdenȱZeugnissenȱselbstȱrezipiertȱistȱundȱ rezitiertȱ wird.ȱ Beideȱ bezeugenȱ einȱ Menschenbild,ȱ dasȱ aufȱ mythischen,ȱ vielmehrȱmythologischȱabgeleitetenȱSchöpfungsvorstellungenȱgründet,ȱ dasȱ aberȱ aufȱ dieȱ Individualitätȱ desȱ Menschenȱ bezogenȱ ist.ȱ Beideȱ PsalȬ mistenȱ sprechenȱ vonȱ sichȱ selbst,ȱ seiȱ esȱ imȱ IchȬStilȱ desȱ Betroffenenȱ (Psȱ 139)ȱ oderȱ verallgemeinerndȱ inȱ derȱ drittenȱ Personȱ (Psȱ 8).ȱ Sieȱ bekennenȱ sichȱzuȱ demȱhohenȱ Rang,ȱdenȱ dieȱ theologischeȱ Konzeptionȱ demȱMenȬ schenȱ alsȱ einemȱ persönlichȱ geschaffenenȱ Werkȱ desȱ Schöpfersȱ zuerȬ kennt:ȱ wenigȱ geringerȱ zuȱ seinȱ alsȱ (ein)ȱ Gottȱ –ȱ imȱ Mutterleibȱ bereitetȱ undȱgeformt.ȱDaȱsieȱdieseȱWesensaussageȱimȱBekenntnisȱaufȱsichȱselbstȱ beziehen,ȱ werdenȱ dieȱ Tragweiteȱ undȱ derȱ Geltungshorizontȱ nichtȱ anȬ gesprochen.ȱ Danachȱ gefragt,ȱ würdenȱ sieȱ sichȱ wohlȱ aufȱ dieȱ mythoȬ logischȬtheologischeȱAussageȱberufen:ȱalleȱMenschenȱ–ȱinȱstatuȱnascendi.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 20ȱ Vgl.ȱdazuȱinȱweiteremȱSinneȱO.ȱKaiser,ȱDerȱGottȱdesȱAltenȱTestaments.ȱWesenȱundȱ Wirken,ȱTheologieȱdesȱATȱ2,ȱGöttingenȱ1998,ȱ278–318.ȱ

ȱ

V.ȱ

305ȱ

2. DassȱdieserȱAussageȱvonȱderȱGeschöpflichkeitȱdesȱMenschenȱeinȱhoherȱ Anspruchȱ zuȱ eigenȱ ist,ȱ derȱ vonȱ diesenȱ einȱ entsprechendesȱ Verhaltenȱ erwartet,ȱ lässtȱ sieȱ zuȱ einemȱ Problemȱ derȱ Praxisȱ werden.ȱ Werȱ konnteȱ bestehenȱvorȱsolchemȱAnspruch?ȱ„Werȱdarfȱweilenȱaufȱdeinemȱheiligenȱ Berge?“ȱ(Psȱ15,1).ȱDieȱkultischeȱPraxisȱderȱZulassungȱzumȱGottesdienstȱ trägtȱ demȱ offenbarȱ Rechnungȱ inȱ denȱ soȱ genanntenȱ Torliturgien.ȱ Dieȱ Pilgerȱ bekennenȱ sichȱ zuȱ einemȱ ihrerȱ Bestimmungȱ konformen,ȱ ethischȱ bewusstenȱLeben.ȱWerȱsichȱselbstȱalsȱunwürdigȱerkennt,ȱkannȱsichȱofȬ fenbarȱdurchȱReinheitsȬȱundȱwomöglichȱSühneritenȱentsprechendȱvorȬ bereitenȱundȱzurüsten.ȱManȱdenkeȱetwaȱanȱdasȱBeispielȱdesȱ51.ȱPsalmsȱ (ausȱ demȱ zweitenȱ Davidspsalter):ȱ „Wascheȱ michȱ reinȱ vonȱ meinerȱ Schuldȱ…“ȱ(V.ȱ4).ȱDavonȱistȱhierȱnichtȱzuȱsprechen.ȱZuȱsprechenȱistȱaberȱ vonȱ denȱ Fällen,ȱ daȱ denȱ anbetungswilligenȱ Mitmenschenȱ vonȱ anderenȱ dieȱ Fähigkeitȱ undȱ Würdeȱ abgesprochenȱ wird,ȱ fernerhinȱ unterȱ demȱ AnspruchȱeinerȱgottgemäßenȱExistenzȱdieȱsakraleȱNäheȱderȱGottheitȱzuȱ suchen,ȱ jaȱ überhauptȱ einȱ Lebensrechtȱ inȱ derȱ Gemeindeȱ zuȱ haben.ȱ Derȱ Einspruchȱ eskalierteȱ zumȱ Konflikt.ȱ Esȱ istȱ derȱ Fallȱ desȱ Psalmistenȱ 139:ȱ ihmȱwirdȱGötzendienstȱzumȱVorwurfȱgemacht.ȱ

3. Fürȱ dieseȱ Fälleȱ scheintȱ dasȱ Tempelheiligtumȱ vorgesorgtȱ zuȱ haben.ȱ Esȱ wurdeȱ dieȱ Möglichkeitȱ einerȱ Konfliktlösungȱ gesuchtȱ undȱ inȱ einemȱ rechtlichenȱ Schiedsgerichtsverfahrenȱ etabliert.ȱ Dieȱ Gebeteȱ betroffenerȱ Angeklagterȱ dokumentierenȱ denȱ Vorgang.ȱ Dieȱ Notwendigkeitȱ zurȱ InȬ stitutionalisierungȱ diesesȱ Rechtswegsȱ nötigteȱ dieȱ Tempeltheologenȱ dazu,ȱKonsequenzenȱausȱihremȱMenschenbildȱundȱDaseinsverständnisȱ zuȱziehen.ȱDieȱlehrhaftenȱWendungenȱimȱHymnusȱundȱdieȱUnschuldsȬ beteuerungȱ desȱ Reinigungseidesȱ sindȱ wohlȱ dasȱ Ergebnis.ȱ Dieȱ persönȬ lichenȱDaseinsbeziehungenȱderȱMenschenȱwerdenȱinȱeinȱNetzwerkȱvonȱ Aspektenȱ umgesetzt,ȱ welcheȱ dieȱ absoluteȱ Transparenzȱ desȱ persönliȬ chenȱmenschlichenȱLebensȱbedingen.ȱDieȱdreiȱerstenȱStrophenȱdesȱ139.ȱ PsalmsȱstehenȱunterȱdenȱFragestellungen:ȱWasȱsiehtȱGottȱnicht?ȱWohinȱ könnteȱichȱfliehen?ȱKenntȱerȱnichtȱseinȱeigenesȱWerk?ȱEsȱistȱdieȱStundeȱ derȱWahrheit.ȱ

4. Esȱ istȱ zuȱ vermuten,ȱ dassȱ imȱ Zentrumȱ jenesȱ Schiedsverfahrensȱ eineȱ EiȬ desleistungȱ stand,ȱ dieȱ eineȱ expliziteȱ Selbstverfluchungȱ einschloss.ȱ Daȱ sichȱ dieȱ Auffassungenȱ überȱ dieȱ Fluchwirkungȱ einesȱ Schwursȱ wohlȱ imȱ LaufeȱderȱZeitȱgewandeltȱhaben,ȱgingenȱdieȱLiturgenȱdazuȱüber,ȱanȱdieȱ Stelleȱ derȱ Selbstverfluchungȱ dieȱ Ankündigungȱ oderȱ Androhungȱ derȱ

306ȱ

19.ȱFeindbildȱundȱMenschenwürdeȱinȱdenȱPsalmenȱ

WirkungȱderȱpraesentiaȱDeiȱzuȱsetzen.ȱDieȱEntwicklungȱdesȱsog.ȱReiniȬ gungseidesȱ vonȱ Hiȱ 29ȱff.ȱ zuȱ Psȱ 139ȱ zeigtȱ dieȱ Veränderung.ȱ Vomȱ Fluchȱ istȱ inȱ Psȱ 139ȱ nichtȱ dieȱ Rede,ȱ wohlȱ aberȱ vonȱ derȱ schiedsrichterlichenȱ Entscheidung,ȱseiȱesȱdurchȱeineȱArtȱInquisition,ȱseiȱesȱdurchȱeinȱOrdal.ȱ Derȱ theologischeȱ Rationalisierungsprozessȱ setztȱ sichȱ fort.ȱ Derȱ gemeinȬ sameȱGlaubeȱanȱdieȱpraesentiaȱdesȱSchöpfersȱbleibtȱaberȱdieȱBasis.ȱȱ

5. Aufȱ dieȱ höchstȱ spannendeȱ Frage,ȱ inȱ welcherȱ Beziehungȱ dieseȱ sakraleȱ RechtspraxisȱzumȱSchutzȱderȱMenschenwürdeȱundȱIntegritätȱ(kabod)ȱzuȱ derȱ anȱ demselbenȱ Heiligtumȱ tradiertenȱ undȱ gepflegtenȱ kabodȬJhwhȬ Theologieȱ steht,ȱ gehenȱ wirȱ hierȱ –ȱ auchȱ umȱ theologischeȱ Kurzschlüsseȱ zuȱ vermeidenȱ –ȱ nichtȱ weiterȱ ein.ȱ Dassȱ Zusammenhängeȱ bestehen,ȱ beȬ zeugenȱ dieȱ KZK\GZENȬStellenȱ ausȱ derȱ näherenȱ Umgebungȱ unsererȱ Psalmen.21ȱDieȱLinieȱwäreȱweiterȱzuȱverfolgen.ȱȱ

6. Dieȱ Stundeȱ derȱ Wahrheitȱ mussteȱ esȱ anȱ denȱ Tagȱ bringen,ȱ wieȱ Schuldȱ undȱ Unschuldȱ sichȱ verteilen.ȱ Freispruchȱ undȱ Schuldspruchȱ trenntenȱ dieȱ Parteien.ȱ Anerkennungȱ undȱ Gültigkeitȱ derȱ Entscheidungȱ istȱ voȬ rausgesetzt.ȱ Nunȱ gibtȱ esȱ offiziellȱ Freigesprocheneȱ („Gerechte“)ȱ undȱ Verurteilteȱ („Frevler“).ȱ Ehreȱ undȱ Würdeȱ warenȱ bewahrt,ȱ derȱ GZENȱ wurdeȱ demȱ Verdächtigtenȱ bestätigt,ȱ demȱ Verurteiltenȱ abgesprochen.ȱ Dasȱ Verfahrenȱ führteȱ dieȱ Beteiligtenȱ inȱ eineȱ Krisis.ȱ Lebenȱ undȱ Todȱ –ȱ zumindestȱ Ausschlussȱ ausȱ derȱ Gemeinschaftȱ standenȱ aufȱ demȱ Spiel.ȱ DerȱspürbareȱErnstȱderȱLageȱvonȱPsȱ139ȱwieȱdieȱspürbareȱErleichterungȱ desȱPsȱ8ȱsindȱAuswirkungenȱsolcherȱEntscheidungen.ȱ

7. Dieȱ Frageȱ ist,ȱ inwiefernȱ sichȱ dieserȱ Sachverhaltȱ inȱ derȱ theologischenȱ VerwendungȱdesȱBegriffsȱ GZENȱniederschlägt.ȱPsȱ8ȱlässtȱerkennen,ȱdassȱ derȱ Psalmistȱ dasȱ aktuellȱ erfahreneȱ Heilȱ persönlicherȱ Zuwendungȱ alsȱ eineȱ Wiederherstellungȱ seinerȱ ursprünglichenȱ menschlichenȱ Würdeȱ undȱ Integritätȱ (UGKZȱ GZEN)ȱ ansieht.ȱ Darausȱ istȱ zuȱ schließen,ȱ dassȱ dieȱ AnerkennungȱseinesȱRechtsȱsichȱauchȱaufȱseinȱsozialesȱAnsehenȱ(GZEN)ȱ inȱ Formȱ einerȱ gesellschaftlichenȱ Rehabilitationȱ „imȱ Land“ȱ auswirkenȱ musste.ȱInȱPsȱ139ȱkommtȱderȱTerminusȱnichtȱvor.ȱAnȱseinerȱStelleȱundȱ inȱseinerȱFortsetzungȱkönntenȱdieȱPsalmstellenȱ62,8ȱundȱ84,12ȱ–ȱundȱjeȱ nachȱ Ausdeutungȱ 73,24ȱ stehen.ȱ Sieȱ bezeugenȱ dieȱ Erfahrungȱ imȱ BeȬ kenntnissatz:ȱ „Aufȱ Gottȱ stehtȱ meinȱ Heilȱ undȱ meineȱ Ehre“,ȱ denn:ȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 21ȱ Z.ȱB.ȱPsȱ26,8;ȱ29,1ȱff.;ȱ145,5.11ȱu.ȱa.ȱ

ȱ

V.ȱ

307ȱ

„GnadeȱundȱEhreȱgibtȱderȱHerr;ȱerȱversagtȱnichtȱGlückȱdenen,ȱdieȱunȬ sträflichȱwandeln“.ȱWessenȱGZENȱesȱist,ȱderȱdieȱendlicheȱAufnahmeȱdesȱ BetersȱnachȱPsȱ73,24ȱumgibt,ȱmussȱdahingestelltȱbleiben.ȱ Derȱ Nachweltȱ hinterlassenȱ dieseȱ Zeugnisseȱ –ȱ soȱ willȱ ichȱ meineȱ Überlegungenȱ beschließenȱ –ȱ einenȱ Eindruckȱ vonȱ derȱ unerbittlichenȱ Konsequenz,ȱ mitȱ derȱ dieȱ hoheȱ theologischeȱ Bestimmungȱ desȱ geȬ schaffenenȱIndividuumsȱundȱdessenȱAnspruchȱaufȱWürdeȱfestgehalten,ȱ beiȱ Verdachtȱ verfolgtȱ undȱ gegenȱ Anfeindungenȱ geschütztȱ wurde.ȱ Fürȱ dieȱschuldigȱgesprochenenȱVerliererȱaberȱ–ȱdieȱ„Feinde“ȱ–ȱgabȱesȱwohlȱ keineȱGnade.ȱ

ȱ

ȱ

20.ȱDimensionenȱundȱIntentionenȱderȱ DavidisierungȱderȱPsalmen.ȱ DieȱRolleȱDavidsȱnachȱdenȱPsalmenüberschriftenȱ undȱnachȱdemȱSeptuagintapsalmȱ151ȱ ȱ ȱ AlsȱzumȱerstenȱMalȱimȱBlickȱaufȱdieȱSammlungȱderȱPsalmenȱdieȱRedeȱ warȱvonȱ„demȱPsalterȱDavids“,ȱkamȱeinȱProzessȱzuȱseinemȱvorläufigenȱ Ende,ȱdenȱwirȱ„Davidisierung“ȱnennenȱwollen;ȱundȱesȱbegannȱdieȱnichtȱ endenȱ wollendeȱ Geschichteȱ desȱ Problems,ȱ dassȱ manȱ dieȱ Herkunftȱ desȱ biblischenȱ Psaltersȱ imȱ Ganzenȱ vonȱ demȱ historischenȱ Davidȱ mitȱ einȬ sichtigenȱ wissenschaftlichenȱ Gründenȱ bestreitenȱ muss.ȱ Beiȱ derȱ Frageȱ derȱDatierungȱdiesesȱEndȬȱundȱAnfangspunktsȱwirdȱmanȱeinerseitsȱaufȱ dasȱ 2.ȱ Makkabäerbuchȱ verwiesen,ȱ woȱ vonȱ denȱ „Büchernȱ Davids“ȱ dieȱ Redeȱist;1ȱ andererseitsȱaufȱQumran,ȱwoȱderȱKolophonȱderȱPsalmenrolleȱ ausȱ derȱ 11.ȱ Höhleȱ dieseȱ Annahmeȱ voraussetzt.2ȱ Zeitlichȱ magȱ beidesȱ nichtȱ sehrȱ weitȱ auseinanderȱ liegen.ȱ Derȱ Rezeptionsprozessȱ derȱ VorȬ stellungȱ vonȱ demȱ biblischenȱ Psalterȱ Davidsȱ wurdeȱ durchȱ dieȱ dreiȱ ReȬ ligionenȱ Judentum,ȱ Christentumȱ undȱ Islamȱ fixiertȱ undȱ sanktioniert3ȱ –ȱ imȱ Talmud,ȱ imȱ Neuenȱ Testament,ȱ imȱ Koranȱ wirdȱ sieȱ vorausgesetztȱ –,ȱ soȱ dassȱ esȱ nahezuȱ unmöglichȱ erscheint,ȱ dieseȱ Festlegungȱ inȱ Frageȱ zuȱ stellenȱund,ȱfürȱdieȱEntstehungȱderȱbiblischenȱPsalmenȱjedenfalls,ȱliteȬ raturgeschichtlichȱandereȱAnnahmenȱzuȱtreffen.ȱȱ Inȱ diesemȱ Zusammenhangȱ sollȱ nurȱ dieȱ ersteȱ Hälfteȱ desȱ Prozessesȱ zurȱ Diskussionȱ stehen,ȱ dieȱ Davidisierung.ȱ Wieȱ beiȱ allenȱ zuȱ unterȬ suchendenȱ literarischenȱ Prozessenȱ istȱ esȱ nurȱ möglich,ȱ vonȱ einzelnenȱ PhasenȱoderȱStationenȱauszugehen,ȱderenȱBestimmungȱzudemȱvonȱderȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 1ȱ





2.ȱ Makkȱ 2,13.ȱ Inȱ einemȱ derȱ dasȱ Buchȱ einleitendenȱ Briefeȱ istȱ eineȱ vonȱ Nehemiaȱ geȬ stifteteȱ Bibliothekȱ inȱ Jerusalemȱ erwähnt,ȱ inȱ derȱ u.ȱa.ȱ dieȱ Bücherȱ Davidsȱ gesammeltȱ wordenȱseinȱsollenȱ(WDSHULWZ QEDVLOHYZQELEOLYDNDLSURIKWZ QNDLWDWRX 'DXLG ȱ 11QPsaȱ XXVII.ȱ Vgl.ȱ dazuȱ dieȱ Stellenȱ 4QMMTȱ (G\ZGZ\D\EQK\UEGZKYPUSV)ȱ sowieȱ 11QMelȱiiȱ10,ȱdieȱdieȱVerfasserschaftȱdesȱPsaltersȱdurchȱDavidȱvoraussetzen.ȱInȱderȱ Kriegsrolleȱ begegnetȱ zudemȱ derȱ Begriffȱ \OKWKUSV,ȱ jedochȱ ohneȱ direktenȱ Bezugȱ (4Q491),ȱvgl.ȱu.ȱa.ȱSchuller,ȱNonȬcanonicalȱPsalmsȱfromȱQumran,ȱ54;ȱFlint,ȱTheȱDeadȱ SeeȱPsalmȱScrolls,ȱ22ȱf.ȱ BabaȱBatraȱ14b;ȱPesachimȱ117a.ȱ–ȱMkȱ12,36;ȱLkȱ20,42;ȱApgȱ1,16ȱu.ȱö.ȱRömȱ4,6;ȱ11,9.ȱ–ȱ Sureȱ4,163;ȱ17,55.ȱ

310ȱ

20.ȱDimensionenȱundȱIntentionenȱderȱDavidisierungȱderȱPsalmenȱ

Quellenlageȱ abhängt.ȱ Ichȱ möchteȱ versuchen,ȱ denȱ Prozessȱ unterȱ literaȬ turwissenschaftlichenȱ Aspektenȱ zuȱ sehen,ȱ undȱ zwarȱ mitȱ Schwerpunktȱ aufȱderȱFrühphase,ȱumȱsoȱetwasȱLichtȱinȱdieȱVorgängeȱzuȱbringen,ȱdieȱ zurȱ Entstehungȱ derȱ DavidȬSammlungenȱ undȱ desȱ DavidȬPsaltersȱ geȬ führtȱhaben.ȱEsȱistȱeinȱdurchausȱvielschichtigerȱProzess,ȱwieȱesȱschonȱinȱ derȱ etwasȱ kompliziertenȱ Formulierungȱ desȱ Themasȱ zumȱ Ausdruckȱ kommt.ȱ Esȱ sindȱ dieȱ folgendenȱ vierȱ Gesichtspunkte,ȱ dieȱ wirȱ nacheinȬ anderȱbetrachten:ȱ 1.ȱ DieȱRolleȱDavidsȱinȱdenȱPsalmenȱ–ȱunterȱAbsehungȱvonȱdenȱÜberȬ schriften;ȱ 2.ȱ DieȱEntstehungȱderȱDavidpsalmen;ȱ 3.ȱ DieȱEndformȱderȱüberliefertenȱPsaltersammlungen;ȱ 4.ȱ DieȱpersönlicheȱFrömmigkeitȱalsȱSchlüsselkategorie.ȱ

I.ȱ Derȱ Nameȱ Davidȱ begegnetȱ bekanntlichȱ imȱ Psalterȱ inȱ dreiȱ Bereichen.ȱ ZunächstȱamȱhäufigstenȱinȱdenȱÜberschriftenȱzuȱdenȱPsalmenȱalsȱForȬ melȱundȱalsȱbiographischeȱAngabeȱ–ȱdieseȱklammernȱwirȱaus,ȱunterȱderȱ Voraussetzung,ȱ dassȱ sieȱ einerȱ späterenȱ Phaseȱ alsȱ dieȱ Psalmcorporaȱ angehören;ȱ dannȱ inȱ einemȱ Teilȱ derȱ Königspsalmenȱ undȱ schließlichȱ inȱ denȱ beidenȱ außerkanonischȱ gebliebenenȱ Textenȱ derȱ Psalterhandschriftȱ ausȱderȱ11.ȱHöhle:ȱinȱdemȱKolophonȱüberȱdasȱliterarischeȱWerkȱDavidsȱ (Kol.ȱXXVII)ȱundȱinȱdemȱzuvorȱalsȱPsȱ151ȱinȱgriechischerȱFormȱbekannȬ tenȱTextȱ(Kol.ȱXXVIII).4ȱȱ Beiȱ denȱ Königspsalmenȱ handeltȱ esȱ sichȱ umȱ Psȱ 89,ȱ denȱ manȱ derȱ Exilszeitȱ zuweisenȱ kann,ȱ umȱ denȱ Königspsalmȱ inȱ derȱ sekundärenȱ Dankpsalmkompositionȱ vonȱ Psȱ 18ȱ (=ȱ 2.ȱ Samȱ 22),ȱ umȱ denȱ WallfahrtsȬ psalmȱ Psȱ 132ȱ undȱ denȱ wohlȱ spätenȱ undȱ sekundärȱ gebildetenȱ Psȱ 144.ȱ DieȱErwähnungenȱsindȱbeiläufig;ȱnurȱPsȱ132ȱbeschäftigtȱsichȱausführliȬ cherȱ mitȱ einemȱ Ereignisȱ derȱ Davidzeit:ȱ derȱ Auffindungȱ derȱ Hl.ȱ Lade,ȱ demȱ geplantenȱ Tempelbauȱ undȱ derȱ Dynastieverheißung.ȱ Darinȱ komȬ menȱ alleȱ Stellenȱ überein,ȱ dassȱ sieȱ sichȱ direktȱ oderȱ indirektȱ aufȱ diesesȱ epochemachendeȱ Ereignisȱ beziehen.ȱ Undȱ andersȱ alsȱ beiȱ denȱ imȱ Textȱ denȱ Dynastiegründerȱ nichtȱ mitȱ Namenȱ benennendenȱ älterenȱ KönigsȬ psalmenȱwieȱPsȱ2;ȱ72;ȱ110,ȱdieȱwohlȱinȱdemȱjudäischenȱKönigsritualȱderȱ Inthronisationȱ ihreȱ Wurzelȱ haben,ȱ hatȱ manȱ beiȱ denȱ späterenȱ KönigsȬ psalmenȱ denȱ Eindruck,ȱ dassȱ sieȱ sichȱ derȱ literarischenȱ vorkanonischenȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 4ȱ

DortȱinȱKol.ȱXXVIIȱsindȱauchȱfragmentarischȱdieȱ„letztenȱWorteȱDavids“ȱvonȱ2.ȱSamȱ 23ȱ(7)ȱwiedergegeben.ȱȱ

ȱ

I.ȱ

311ȱ

Überlieferungȱ speziellȱ derȱ Nathanverheißungȱ oderȱ „Königsnovelle“ȱ vonȱ2.ȱSamȱ7ȱ(1.ȱChrȱ17)ȱverdanken.ȱDasȱdortȱwiedergegebeneȱBildȱDaȬ vidsȱistȱdasȱdesȱKönigs,ȱdasȱMonumentalbildȱeinesȱgekröntenȱundȱgeȬ salbtenȱHerrschers,ȱderȱdasȱPrivilegȱeinerȱbesonderenȱGottesbeziehungȱ –ȱtheologischȱgefasstȱalsȱ„Bund“ȱ–ȱgenießt.5ȱSoȱimȱLobpreisȱdesȱKönigsȱ (Schlussvers):ȱȱ DerȱduȱdeinemȱKönigȱgroßesȱHeilȱverleihstȱ undȱdeinemȱGesalbtenȱHuldȱerweisestȱ DavidȱundȱseinenȱNachkommenȱfürȱalleȱZeitȱ(Psȱ18,51).ȱȱ

NachȱPsȱ89,4ȱff.:ȱ Duȱsprachst:ȱIchȱhabeȱeinenȱBundȱgeschlossenȱmitȱmeinemȱErwählten,ȱ ichȱhabeȱmeinemȱKnechtȱDavidȱgeschworen:ȱ AufȱewigȱwillȱichȱgründenȱdeinȱGeschlechtȱ fürȱalleȱZeitenȱbauenȱdeinenȱThron.ȱ…ȱȱ

89,50ȱ(Schlussverse):ȱ WoȱsindȱdeineȱfrüherenȱGnadenbeweise,ȱHerr,ȱ wieȱduȱsieȱDavidȱgeschworenȱbeiȱdeinerȱTreue?ȱ

Psȱ144,9:ȱ Gott,ȱichȱwillȱdirȱeinȱneuesȱLiedȱsingen,ȱ//ȱaufȱzehnsaitigerȱHarfeȱwillȱ ichȱdirȱspielen,ȱ//ȱderȱduȱdenȱKönigenȱdenȱSiegȱgibst,ȱ//ȱderȱDavidȱerȬ rettetȱ(hat),ȱseinenȱKnecht.ȱ

Hierȱ wärenȱ auchȱ dieȱ Schlussverseȱ desȱ Geschichtspsalmsȱ 78ȱ einzuȬ ordnen,ȱwoȱinȱeinerȱArtȱNachtragȱkurzȱauchȱDavidsȱgedachtȱwird:ȱ ErȱerwählteȱDavid,ȱseinenȱKnecht,ȱ holteȱihnȱvonȱdenȱHürdenȱderȱHerde.ȱ VonȱdenȱMutterschafenȱnahmȱerȱihn,ȱ zuȱweidenȱseinȱVolkȱJakobȱ(undȱseinȱEigentumȱIsrael).ȱ UndȱerȱweideteȱsieȱmitȱgutemȱSinnȱ undȱleiteteȱsieȱmitȱweiserȱHandȱ(78,70–72).ȱȱ

Amȱ ausführlichstenȱ istȱ –ȱ wieȱ gesagtȱ –ȱ Psȱ 132,ȱ derȱ midraschartigȱ inȱȱ Versenȱ dieȱ Geschichteȱ vonȱ derȱ Auffindungȱ derȱ Ladeȱ undȱ derȱ DavidȬ verheißungȱerzählt:ȱ DerȱHerrȱhatȱdemȱDavidȱgeschworenȱwahrhaftigenȱEid,ȱdavonȱerȱnichtȱ abgeht:ȱȱ EinenȱSprossȱausȱdeinemȱGeschlechtȱwillȱichȱaufȱdeinenȱThronȱsetzenȱ …ȱ(132,11).ȱ Dortȱ(aufȱZion)ȱwillȱichȱDavidȱeinȱHornȱsprießenȱlassen;ȱ meinemȱGesalbtenȱhabeȱichȱeineȱLeuchteȱbereitetȱ(132,17).ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 5ȱ

Vonȱdenȱ„ThronenȱdesȱHausesȱDavids“,ȱalsoȱvonȱderȱköniglichenȱGerichtsbarkeitȱinȱ JerusalemȱsprichtȱPsȱ122,5.ȱ

312ȱ

20.ȱDimensionenȱundȱIntentionenȱderȱDavidisierungȱderȱPsalmenȱ

VonȱdaȱistȱderȱWegȱnichtȱweitȱzuȱPsȱ151,ȱderȱvonȱderȱBerufungȱDavidsȱ zumȱDichterkönigȱerzählt.ȱAberȱgeradeȱdiesesȱThema,ȱDavidȱalsȱSängerȱ undȱ Dichter,ȱ alsȱ Verfasserȱ vonȱ Liedernȱ undȱ Gebeten,ȱ ebenȱ vonȱ PsalȬ men,ȱkommtȱinȱdenȱTextenȱderȱKönigspsalmenȱnichtȱvor.ȱNurȱalsȱKöȬ nigȱ begegnetȱ dieȱ Gestaltȱ Davids,ȱ alsȱ Denkmalȱ einesȱ begnadetenȱ HerrȬ schers,ȱanȱdasȱmanȱseitȱderȱExilszeitȱgernȱerinnert.ȱNochȱistȱkeineȱRedeȱ –ȱ esȱ sindȱ indesȱ nurȱ wenigeȱ marginaleȱ Zeugnisseȱ erhaltenȱ –ȱ vonȱ demȱ begnadetenȱSänger.ȱ DasȱistȱbeiȱPsȱ151ȱanders.ȱErȱistȱinȱzweiȱFassungenȱüberliefert:ȱeinerȱ hebräischenȱ inȱ 11QPsaȱ undȱ einerȱ griechischenȱ inȱ derȱ Septuaginta.ȱ BeiȬ denȱgemeinsamȱistȱderȱBezugȱaufȱdieȱGeschichteȱvonȱderȱSalbungȱDaȬ vidsȱ undȱ derȱ Geschichteȱ vonȱ Goliathȱ (1.ȱ Samȱ 16ȱ undȱ 17),ȱ dieȱ sieȱ verȬ kürztȱ inȱ Versenȱ wiedergeben.ȱ Ohneȱ aufȱ dieȱ Problemeȱ derȱ Doppelüberlieferungȱ hierȱinȱ extensoȱ eingehenȱ zuȱ könnenȱ –ȱ fürȱ unsereȱ Zweckeȱnurȱsoȱviel:ȱ BeiȱderȱhebräischenȱVersionȱhandeltȱesȱsichȱumȱzweiȱPsalmenȱmitȱjeȱ eigenenȱÜberschriften.ȱDerȱersteȱPsalmȱwirdȱinteressanterweiseȱmitȱderȱ Überschriftȱ „Hallelujah.ȱ Vonȱ David,ȱ demȱ Sohnȱ Isais“ȱ eingeführt,ȱ derȱ zweite,ȱ nurȱ fragmentarischȱ erhalteneȱ mitȱ derȱ Überschriftȱ „Beginnȱ derȱ Hel(dentatenȱ Da)vids“.ȱ Dieȱ griechischeȱ Fassungȱ bietetȱ einenȱ zusamȬ menhängendenȱ Textȱ unterȱ derȱ Überschrift:ȱ „Dieserȱ Psalmȱ (ist)ȱ eigenȬ händigȱfürȱ(HLM)ȱDavidȱgeschriebenȱundȱ(steht)ȱaußerhalbȱderȱZählung.ȱ AlsȱerȱgegenȱdenȱGoliathȱkämpfte“.6ȱ BeideȱTextformenȱlassenȱDavidȱvonȱsichȱerzählen:ȱ„Kleinerȱwarȱichȱ alsȱ meineȱ Brüderȱ …“ȱ undȱ betonenȱ vorȱ allem,ȱ dassȱ Davidȱ MusikȬ instrumenteȱangefertigtȱhat,ȱundȱzwarȱeineȱ„FlöteȱoderȱPfeife“ȱ(EJZ>ȱ//ȱ RMUJDQRQ)ȱbzw.ȱeineȱ„LauteȱoderȱLeier“ȱ(UZQNȱ//ȱ\DOWKYULRQ),ȱaufȱdenenȱerȱ zurȱEhreȱ(GZEN)ȱdesȱHerrnȱgespieltȱundȱgesungenȱhabe.ȱȱ Einȱ größererȱ Unterschiedȱ bietetȱ dannȱ dieȱ folgendeȱ Textpartie,ȱ dieȱ unterȱdemȱStichwortȱ„Orpheusmotiv“ȱinȱderȱfrühenȱForschungȱzuȱdemȱ Qumrantextȱ ausführlichȱ diskutiertȱ wurde.ȱ Diesesȱ Motiv,ȱ dasȱ davonȱ handelt,ȱdassȱDavidȱnurȱfürȱdieȱBäumeȱundȱseineȱTiereȱgesungenȱhabe,ȱ währendȱdieȱBergeȱundȱHügelȱalsȱstummeȱZeugenȱnurȱzugehörtȱhättenȱ –ȱ derȱ Textȱ istȱ anȱ dieserȱ Stelleȱ nichtȱ ganzȱ eindeutigȱ –,ȱ fehltȱ inȱ derȱȱ griechischenȱFassungȱsoȱgutȱwieȱganz.ȱȱ Entsprechendȱ istȱ derȱ Skopusȱ derȱ beidenȱ Textversionenȱ auchȱ verȬ schieden.ȱWährendȱderȱgriechischeȱPsalmȱvorȱallemȱaufȱdieȱHeldentatȱ Davidsȱ imȱ Kampfȱ umȱ Goliathȱ hinausȱ willȱ undȱ dieȱ Salbungȱ durchȱ SaȬ muelȱ alsȱ Ermächtigungȱ dazuȱ versteht,ȱ giltȱ fürȱ dieȱ hebräischeȱ Fassungȱ dieȱ Salbungȱzumȱ Fürstenȱ(G\JQ)ȱ undȱ –ȱnachträglichȱüberȱ dieȱ Zeileȱ einȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 6ȱ

WiederȱandersȱdieȱsyrischeȱFassung:ȱ„EineȱTodaȱvonȱDavid“.ȱ

ȱ

II.ȱ

313ȱ

gefügtȱ–ȱzumȱHerrscherȱ(OYZP)ȱüberȱdieȱ„SöhneȱseinenȱBundes“ȱnurȱalsȱ einȱersterȱSchrittȱzumȱgroßenȱSängerȱundȱKünder,ȱderȱ–ȱandersȱalsȱdieȱ Bergeȱ undȱ Hügelȱ „vonȱ denȱ Tatenȱ desȱ Herrnȱ desȱ Allsȱ künden,ȱ reden,ȱ erzählenȱwird“ȱ(G\J\/UEG\/USV\)ȱ(Z.ȱ7).ȱMitȱdiesenȱdreiȱVerbenȱerfasstȱ derȱPsalmȱdieȱFunktionȱderȱvonȱDavidȱgedichtetenȱTexte.ȱ WieȱimmerȱderȱEinflussȱdesȱOrpheusmotivsȱzuȱbeurteilenȱistȱ–ȱeineȱ Rolleȱ spieltȱ dabeiȱ dieȱ Darstellungȱ Davidsȱ alsȱ Sängerȱ inȱ derȱ Synagogeȱ vonȱ Europos7ȱ –,ȱ dasȱ Davidbildȱ diesesȱ Psalmsȱ hebräischerȱ Provenienzȱ gibtȱdieȱVorstellungȱwieder,ȱdieȱKönigȱDavidȱvorȱallemȱalsȱSängerȱsahȱ undȱdieȱTraditionȱeinleitete,ȱdassȱerȱderȱvonȱGottȱdurchȱdenȱProphetenȱ Samuelȱ beauftragteȱ Dichterȱ undȱ Sängerȱ vonȱ Psalmenȱ war.ȱ Dieȱ inȱ 11QPsaȱ überlieferteȱ Listeȱ derȱ Werkeȱ Davidsȱ sprichtȱ jaȱ dannȱ auchȱ vonȱ DavidȱalsȱdemȱbegnadetenȱSchriftstellerȱ(„weiseȱundȱleuchtendȱwieȱdasȱ Sonnenlicht“)ȱ undȱ vonȱ Gottȱ erleuchtetenȱ Dichterȱ vonȱ 3600ȱ Hymnenȱ (\OKW),ȱinsgesamtȱvonȱ4050ȱWerken,ȱunterȱdieȱwohlȱauchȱdieȱnachȱderȱ Septuagintaȱ gezähltenȱ 150ȱ bzw.ȱ 151ȱ Psalmenȱ zuȱ subsumierenȱ sind.ȱ „Alleȱ dieseȱ sprachȱ erȱ alsȱ Prophetieȱ (KDZEQE),ȱ dieȱ ihmȱ vorȱ demȱ HöchȬ stenȱgegebenȱwar“ȱ–ȱsoȱderȱSchlussȱderȱWerkliste.ȱȱ Derȱ Wandelȱ imȱ Davidbildȱ istȱ deutlich.ȱ Derȱ idealeȱ Königȱ derȱ KöȬ nigspsalmenȱ–ȱundȱauchȱnochȱderȱSiegerȱüberȱGoliathȱinȱPsȱ151ȱ–ȱwirdȱ zumȱ idealenȱ Dichterȱ undȱ Sängerȱ einerȱ großenȱ Zahlȱ vonȱ Psalmen,ȱ daȬ runterȱ wohlȱ vieleȱ oderȱ alleȱ derȱ 150ȱ (151++)ȱ derȱ biblischenȱ Sammlung.ȱ Nachȱ denȱ Überschriftenȱ wirdȱ nurȱ etwaȱ dieȱ Hälfteȱ derȱ 150ȱ masoretiȬ schenȱPsalmenȱexplizitȱvonȱDavidȱhergeleitet.ȱȱ Dasȱ Bildȱ vomȱ Psalmensängerȱ istȱ dabei,ȱ zumȱ Titelbildȱ derȱ SammȬ lungȱ zuȱ werden.ȱ Esȱ istȱ einȱ Momentbildȱ ausȱ derȱ Spätphaseȱ imȱ Prozessȱ derȱDavidisierung.ȱ WasȱergibtȱsichȱaberȱausȱdenȱTextenȱselbstȱfürȱdieȱFrühphase,ȱd.ȱh.ȱ überȱdieȱHerkunftȱderȱPsalmenȱselbst,ȱdieȱihreȱÜberschriftȱexplizitȱvonȱ Davidȱherleitet?ȱ

II.ȱ „ZuȱEndeȱsindȱdieȱGebeteȱDavids,ȱdesȱSohnesȱIsais.“ȱȱ

DieȱNotizȱvonȱ72,20,ȱamȱEndeȱdesȱzweitenȱPsalmenbuches,ȱlässtȱdaraufȱ schließen,ȱȱ 1.ȱ dassȱ esȱ imȱ Psalterȱ eineȱ Reiheȱ vonȱ „Gebeten“ȱ –ȱ dieȱ Septuagintaȱ sprichtȱvon:ȱ„Hymnen“ȱ–ȱgegebenȱhabenȱmussȱundȱȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 7ȱ

Sanders,ȱTheȱPsalmsȱScrollȱofȱQumranȱCaveȱ11,ȱ62ȱu.ȱa.ȱ

314ȱ

20.ȱDimensionenȱundȱIntentionenȱderȱDavidisierungȱderȱPsalmenȱ

2.ȱ dassȱdieseȱReiheȱunmittelbarȱvorȱPsȱ72ȱgestandenȱhabenȱmussȱundȱ folglichȱ etwasȱ mitȱ derȱ Folgeȱ Psȱ 2–72,ȱ bzw.ȱ denȱ Psalmenbüchernȱ einsȱundȱzweiȱzuȱtunȱhabenȱmuss;ȱȱ 3.ȱ dass,ȱ daȱ esȱ sichȱ beiȱ Psȱ 72ȱ nachȱ derȱ Überschriftȱ umȱ einenȱ SalomoȬ Psalmȱ handelt,ȱ dieȱ Notizȱ einerȱ älterenȱ Stufeȱ derȱ Entwicklungȱ anȬ gehört,ȱ derenȱ Zusammensetzungȱ offenbarȱ homogenerȱ warȱ alsȱ dieȱ überlieferteȱReihenfolge.ȱ Ichȱ geheȱ nunȱ weiterȱ vonȱ derȱ Annahmeȱ aus,ȱ dassȱ mitȱ denȱ „Gebeten“ȱ oderȱ„Hymnen“ȱDavidsȱdochȱwohlȱgrundsätzlichȱdieȱmitȱdemȱVermerkȱ GZGOȱ„vonȱDavid“ȱversehenenȱPsalmenȱgemeintȱoderȱmitgemeintȱsind,ȱ wasȱaufȱdieȱmeistenȱderȱvonȱPsȱ2–72ȱüberliefertenȱTexteȱzutrifft.8ȱ Manȱ wirdȱ darumȱ innerhalbȱ derȱ Folgeȱ derȱ Psalmenȱ 2–72ȱ jeneȱ Gruppierungȱ sehenȱ dürfen,ȱ dieȱ mitȱ derȱ Notizȱ vonȱ 72,20ȱ gemeintȱ ist.ȱ Durchȱ dieȱ EinȬ fügungȱ derȱ Gruppeȱ derȱ Qorachpsalmenȱ undȱ demȱ Asaphpsalmȱ wirdȱ dieȱFolgeȱgespalten,ȱweshalbȱmanȱmitȱderȱspäterenȱEinteilungȱvonȱzweiȱ Davidpsalternȱ sprichtȱ (Psȱ 2–41ȱ undȱ 51–72).ȱ Dazuȱ sindȱ dieȱ kleinerenȱ DavidȬGruppierungenȱ Psȱ 101.103.108–110ȱ undȱ Psȱ 138–145ȱ möglicherȬ weiseȱalsȱdritterȱundȱvierterȱDavidpsalterȱhinzuzunehmen.9ȱ DassȱesȱsichȱdabeiȱumȱursprünglichȱeigeneȱSammlungenȱoderȱTeilȬ sammlungenȱ handelt,ȱ kannȱ manȱ derȱ Analogieȱ derȱ anderenȱ PsalmȬ sammlungenȱ derȱ QorachȬ,ȱ AsaphȬȱ undȱ Wallfahrtpsalmengruppeȱ entȬ nehmen,ȱsoȱdassȱdieȱAnnahmeȱvonȱDavidpsalmsammlungenȱeineȱwohlȱ tragfähigeȱAusgangsbasisȱbildet.ȱȱ Wieȱ aberȱ kamȱ esȱ dazu?ȱ Erkenntnisseȱ zurȱ Entstehungȱ derȱ EinzelȬ psalmenȱundȱderȱPsalmgruppenȱkönnenȱzunächstȱnurȱanȱinternenȱKriȬ terienȱ gewonnen,ȱ alsoȱ derȱ Eigenartȱ derȱ Texteȱ undȱ Sammlungenȱ selbstȱ entnommenȱwerden.ȱȱ

1. BeiȱdenȱmitȱderȱNotizȱ„vonȱDavid“ȱversehenenȱTextenȱhatȱmanȱesȱmitȱ wenigenȱAusnahmenȱmitȱPsalmenȱvonȱEinzelnenȱzuȱtun,ȱmitȱsog.ȱIchȬ Psalmen,ȱnachȱGunkelȱKlageȬȱundȱDankliederȱdesȱEinzelnen,ȱdieȱihrenȱ primärenȱSitzȱimȱLebenȱsehrȱwahrscheinlichȱinȱgottesdienstlichenȱVerȬ anstaltungenȱwieȱdemȱ„KlageȬȱundȱBittritual“ȱ–ȱfallsȱesȱsoȱetwasȱgabȱ–ȱ undȱ demȱ Dankopfermahlȱ u.ȱä.ȱ gehabtȱ haben,ȱ eheȱ sieȱ einenȱ Platzȱ inȱ Sammlungenȱ erhaltenȱ haben.ȱ Dasȱ schränktȱ nebenbeiȱ eineȱ möglicheȱ direkteȱ Verfasserschaftȱ durchȱ Davidȱ erheblichȱ ein,ȱ dieȱ dannȱ dieȱ allȬ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 8ȱ



AusnahmenȱsindȱPsȱ2;ȱ33;ȱ66;ȱ67;ȱ71,ȱdieȱQorachpsalmenȱ42–49,ȱderȱAsaphpsalmȱ50,ȱ derȱ Salomopsalmȱ 72ȱ undȱ derȱ Ethanpsalmȱ 89.ȱ Bemerkenswertȱ istȱ es,ȱ dassȱ darunterȱ vierȱsog.ȱKönigspsalmenȱsindȱ(2;ȱ72;ȱ89;ȱ132).ȱDagegenȱistȱPsȱ86ȱeineȱWaise.ȱ DerȱDavidvermerkȱbeiȱPsalmenȱinȱanderenȱGruppierungenȱ(Psȱ122;ȱ124;ȱ131;ȱ133)ȱistȱ alsȱsekundärȱanzusehen.ȱVgl.ȱdieȱFortsetzungȱinȱderȱgriechischenȱÜberlieferung.ȱ

ȱ

II.ȱ

315ȱ

gemeinȱ angenommeneȱ nachexilischeȱ Datierungȱ derȱ Texteȱ nahezuȱ ausȬ schließt.ȱ Umȱ sichȱ eineȱ Vorstellungȱ vonȱ derȱ Entstehungȱ derȱ Texteȱ zuȱ verschaffen,ȱ betrachtetȱ manȱ amȱ bestenȱ einmalȱ mehrȱ alsȱ Paradigmaȱ Psȱ 40.ȱȱ Esȱ handeltȱ sichȱ dabeiȱ umȱ eineȱ dreiteiligeȱ DankliedȬKomposition,ȱ dieȱdenȱeinmaligenȱVorteilȱbietet,ȱdassȱsieȱüberȱihreȱHerkunftȱundȱEntȬ stehungȱ Auskunftȱ gibt.ȱ Nachȱ eigenerȱ Aussageȱ gehörtȱ derȱ Textȱ inȱ dieȱ kultischeȱ Situationȱ einerȱ TodaȬFeier.ȱ Erȱ sollteȱ „inȱ großerȱ Gemeinde“ȱ (EUOKTEȱ V.ȱ 10ȱf.)ȱ vorgetragenȱ werden.ȱ Entsprechendȱ beginntȱ erȱ imȱ erstenȱ Teilȱ mitȱ einemȱ sog.ȱ berichtendenȱ Lobpreisȱ inȱ V.ȱ 2–5,ȱ derȱ inȱ derȱ imȱPsalterȱnichtȱsehrȱhäufigenȱnarrativenȱStilformȱmitȱwawȬImperfektenȱ dieȱ Vorgeschichteȱ desȱ Textesȱ erklärt.ȱ Wieȱ üblichȱ inȱ derȱ Anredeformȱ gehalten,ȱsprichtȱerȱvonȱGottȱinȱderȱdrittenȱPerson:ȱ Dieȱ allgemeineȱ undȱ bildhafteȱ Redeȱ wäreȱ nochȱ deutlicher,ȱ wennȱ manȱ V.ȱ 13,ȱ derȱ imȱ Klartextȱ undȱ Perfektstilȱ derȱ Vorvergangenheitȱ vonȱ „Leidenȱ ohneȱ Zahl“ȱ spricht,ȱ zumȱ Eingangsberichtȱ herübernehmenȱ würde,ȱwasȱnichtȱunbegründetȱzuȱseinȱscheint.ȱȱ AmȱEndeȱdiesesȱTeilsȱfolgtȱdannȱderȱnichtȱunüblicheȱlehrhafteȱMaȬ karismus:ȱ„Wohlȱ dem,ȱderȱ seinȱVertrauenȱaufȱ denȱ Herrnȱ setztȱ …“ȱ(V.ȱ 5).ȱ Insgesamtȱ istȱ derȱ Berichtȱ zusammenȱ mitȱ V.ȱ 13ȱ inȱ denȱ Versstilȱ desȱ Fünfersȱ gesetzt,ȱ alsoȱ desȱ QinaȬMetrums,ȱ wasȱ allerdingsȱ –ȱ soweitȱ ichȱ seheȱ–ȱfürȱeinenȱsolchenȱFallȱungewöhnlichȱist.ȱ DieȱRedeȱistȱdabeiȱinȱV.ȱ4ȱvonȱeinemȱ„neuenȱLied“,ȱalsoȱvonȱeinemȱ selbstȱ verfasstenȱ oderȱ eigensȱ gewähltenȱ Lied,ȱ dasȱ demȱ Psalmistenȱ „inȱ denȱ Mundȱ gegeben“ȱ wurdeȱ (V.ȱ 4).ȱ Alsoȱ handeltȱ esȱ sichȱ umȱ einenȱ GeȬ sangsvortragȱ mitȱ einemȱ traditionellȱ geformtenȱ Text,ȱ derȱ näherhinȱ alsȱ „LobgesangȱaufȱunsernȱGott“ȱ(V.ȱ4)ȱbeschriebenȱwird,ȱaberȱdochȱwohlȱ inȱderselbenȱSituationȱzuȱGehörȱgebrachtȱwurde.ȱ Esȱliegtȱesȱnahe,ȱdiesesȱ„neueȱLied“ȱinȱdemȱfolgendenȱzweitenȱTeilȱ desȱ Psalmsȱ zuȱ suchen.ȱ Undȱ inȱ derȱ Tatȱ folgtȱ einȱ Abschnitt,ȱ derȱ dieȱ „Wunderȱ undȱ Ratschlüsse“ȱ preist.ȱ Derȱ inȱ epischenȱ Langzeilenȱ (4+4)ȱ gehalteneȱTextȱreichtȱbisȱV.ȱ12,ȱworaufȱdannȱderȱschonȱerwähnteȱrückȬ blickendeȱV.ȱ13ȱfolgt.ȱȱ Sogleichȱ zuȱ Beginnȱ diesesȱ seinesȱ Liedesȱ stelltȱ erȱ fest,ȱ dassȱ erȱ denȱ GesangȱanstelleȱeinesȱDankopfersȱzelebrierenȱmöchte,ȱweilȱerȱwieȱandeȬ reȱPsalmistenȱauchȱderȱÜberzeugungȱist,ȱ„SchlachtopferȱundȱSpeisopferȱ gefallenȱ dirȱ nichtȱ …,ȱ Brandopferȱ undȱ Sündopferȱ forderstȱ zuȱ nicht“ȱ (V.7).ȱ Darumȱ dachteȱ erȱ anȱ eineȱ andereȱ Opfergabeȱ –ȱ V.ȱ 8ȱ inȱ wörtlicherȱ Wiedergabe:ȱ„Daȱ sagteȱich:ȱ Sieheȱichȱ binȱ gekommenȱ mitȱ einerȱSchriftȬ rolle,ȱbeschrieben,ȱaufȱmir.“ȱȱ

316ȱ

20.ȱDimensionenȱundȱIntentionenȱderȱDavidisierungȱderȱPsalmenȱ

DasȱVerständnisȱdieserȱStelleȱverdanktȱdieȱPsalmenauslegung,ȱwieȱ bekannt,ȱGüntherȱBornkamm,ȱderȱdieȱStelleȱ–ȱsieȱwirdȱinȱHebrȱ10ȱzitiertȱ –,ȱ dieȱ manȱ gewöhnlichȱ aufȱ ToraȬRollenȱ bezogenȱ hatte,ȱ nunmehrȱ aufȱ eineȱ Kleinrolleȱ bezieht,ȱ dieȱ derȱ Psalmistȱ mitȱ sichȱ brachteȱ undȱ anstattȱ einesȱ Dankopfersȱ alsȱ Votivgabeȱ niederlegenȱ wollte.10ȱ Aufȱ dieserȱ PaȬ pyrusȬȱoderȱPergamentrolleȱ(USVWOJP)ȱstandȱetwasȱgeschrieben,ȱdasȱ natürlichȱ aufȱ denȱ eigenenȱ Fallȱ bezogenȱ war.ȱ Obȱ manȱ dasȱ \O>EZWNȱ übersetzenȱ kannȱ mitȱ „aufȱ mir“ȱ (dieȱ Rolle)ȱ oderȱ mitȱ „überȱ mich“ȱ11ȱ seiȱ dahingestellt.ȱȱ Manȱ kannȱ davonȱ ausgehen,ȱ dassȱ derȱ Sängerȱ dieȱ Votivrolleȱ nichtȱ nurȱniedergelegt,ȱsondernȱauchȱvorgelesenȱoderȱvorgesungenȱhat.ȱDaȬ beiȱ kommtȱamȱ ehestenȱ derȱ Schlussteilȱderȱ Kompositionȱ inȱ Frage.ȱ Undȱ inȱderȱTatȱfindetȱsichȱdortȱgleichsamȱalsȱAnhangȱnachȱjenemȱV.ȱ13ȱnochȱ einȱzweistrophigesȱGebetsgedicht,ȱdasȱmanȱtraditionellȱalsȱKlagepsalmȱ oderȱ Klagegebetȱ ansprechenȱ kann.ȱ Esȱ sprichtȱ vonȱ einerȱ durchȱ eineȱ Vielzahlȱ vonȱ Feindenȱ verursachtenȱ Notlage.ȱ Esȱ istȱ demnachȱ alsȱ Gebetȱ inȱderȱNotsituationȱentstanden,ȱnachȱV.ȱ2ȱeinȱ„Schrei“ȱ(\W>ZY),ȱdenȱderȱ Beterȱ –ȱ wasȱ manȱ auchȱ beiȱ anderenȱ Klageliedernȱ annehmenȱ mussȱ –ȱ nachträglichȱinȱgesetztenȱWortenȱzuȱPapyrusȱgebrachtȱhat.ȱȱ UndȱnunȱistȱimȱhohemȱMaßeȱbedeutsam,ȱdassȱjustȱdieserȱSchlussteilȱ desȱPsalmsȱ(40,14–18)ȱalsȱselbständigerȱPsalmȱmitȱDavidȬÜberschriftȱimȱ zweitenȱ DavidȬPsalterȱ alsȱ Psȱ 70ȱ einȱ zweitesȱ Malȱ erhaltenȱ istȱ undȱ zuȬ gleichȱalsȱZitatȱwenigstensȱzumȱTeilȱinȱPsȱ35ȱ(4–6.25–27)ȱauchȱimȱerstenȱ DavidȬPsalterȱ wiederȱ begegnet.ȱ Manȱ darfȱ annehmen,ȱ dassȱ diesȱ eineȱ FolgeȱderȱDedikationȱderȱTexteȱamȱHeiligtumȱist.ȱ Unterȱ derȱ Voraussetzung,ȱ dassȱ dieseȱ Annahmenȱ zutreffen,ȱ habenȱ wirȱesȱdabeiȱmitȱverschiedenenȱVotivȬTextenȱzuȱtun:ȱ 1.ȱ mitȱeinemȱaufȱeinemȱPapyrusȱoderȱaufȱPergamentȱverfasstenȱText,ȱ derȱ aufȱ dasȱ Klagegebetȱ zurückgeht,ȱ dasȱ derȱ Psalmistȱ –ȱ sichȱ selbstȱ zitierendȱ undȱ stilisierendȱ –ȱ niedergeschriebenȱ hat,ȱ alsȱ Votivgabeȱ wohlȱ inȱ Schönschriftȱ verfasst,ȱ wovonȱ dieȱ z.ȱT.ȱ inȱ stichischerȱ AnȬ ordnungȱ geschriebenenȱ PsalmȬHandschriftenȱ ausȱ Qumranȱ eineȱ Vorstellungȱgeben.12ȱ 2.ȱ mitȱeinemȱfürȱdenȱöffentlichenȱVortragȱverfasstenȱTextȱeinesȱ„neuȬ enȱLiedes“ȱ(V.ȱ6–12),ȱsiebenȱinȱeinheitlichemȱMetrumȱ4+4ȱgestalteȬ tenȱLangversen,ȱdemȱdieȱmitgebrachteȱRolleȱdannȱwohlȱalsȱeineȱArtȱ „attachment“ȱzugefügtȱwar.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 10ȱ Bornkamm,ȱLobpreis,ȱBekenntnisȱundȱOpfer,ȱ46–63.ȱ 11ȱ SoȱLXXȱundȱHebrȱ10:ȱSHULHMPRX .ȱ 12ȱ Z.ȱB.ȱ4QPsbȱ;ȱMasȱPs,ȱdazuȱE.ȱTovȱ(1999),ȱ115–128.ȱ

ȱ

II.ȱ

317ȱ

3.ȱ mitȱ einemȱ einleitendenȱ Textȱ alsȱ Vorlageȱ fürȱ einȱ berichtendesȱ VorȬ wort,ȱdessenȱfesteȱFormȱauchȱaufȱschriftlicheȱAbfassungȱhindeutet.ȱ 4.ȱ mitȱ einemȱ ausȱ diesenȱ Vorgabenȱ undȱ Einzelteilenȱ komponierten,ȱ dochȱwohlȱvomȱPsalmistenȱoderȱeinemȱBearbeiterȱzumȱDossierȱzuȬ sammengestelltenȱundȱzusammengeheftetenȱGesamttext,ȱderȱdannȱ irgendwannȱ einmalȱ aufȱ eineȱ größereȱ Schriftrolleȱ überschriebenȱ wurdeȱ–ȱundȱdannȱdabei,ȱspäter,ȱmitȱeinemȱÜberschriftenvermerkȱ versehenȱwurde.ȱȱ ȱ Mitȱ denȱ mitgebrachtenȱ Schriftstückenȱ verbandȱ derȱ Psalmistȱ wohlȱ dieȱ Absicht,ȱ dieseȱ alsȱ Dokumentationȱ einerȱ Gebetserhörungȱ demȱ Heiligtumȱ zuȱ übermittelnȱ undȱ seinenȱ Archivenȱ zuȱ überlassen,ȱ woȱ solcheȱTexteȱoffenbarȱgesammeltȱwurden.ȱDamitȱbeginntȱdannȱeineȱ neueȱ Geschichteȱ desȱ Dossiersȱ Psȱ 40,ȱ nämlichȱ dieȱ derȱ literarischenȱ Überlieferung.ȱ

2. Dieȱ nächsteȱ Phaseȱ imȱ Entstehungsprozessȱ derȱ Davidpsalmenȱ istȱ manȬ gelsȱ Quellenȱ nurȱ hypothetischȱ zuȱ rekonstruieren.ȱ Manȱ kannȱ sichȱ vorȬ stellen,ȱdassȱdieȱVotivtextbeständeȱundȱliturgischenȱArchiveȱvonȱliteraȬ rischȱ undȱ theologischȱ Interessiertenȱ entdecktȱ wurden.ȱ Sieȱ stießenȱ aufȱ ausgedienteȱ undȱ abgelegteȱ Texte,ȱ dieȱ sieȱ offenbarȱfürȱ wertȱ fanden,ȱ sieȱ derȱ Nachweltȱ zugänglichȱ zuȱ machen.ȱ Darunterȱ befandenȱ sichȱ wohlȱ ältereȱ liturgischeȱ Vorlagenȱ wieȱ dieȱ nachmaligenȱ Gottkönigstexteȱ (Psȱ93–100)ȱ undȱ ebenȱ zahlreicheȱ Votivtexteȱ unterschiedlicherȱ BedeuȬ tung.ȱ Manȱ wirdȱ annehmenȱ dürfen,ȱ dassȱ dannȱ eineȱ Reiheȱ vonȱ Textenȱ ausgewähltȱundȱzuȱneuerȱVerwendungȱvorgesehenȱwurde.ȱȱ DerȱersteȱVorgangȱscheintȱgewesenȱzuȱsein,ȱdieȱausgewähltenȱTexteȱ zuȱ kennzeichnen.ȱ Dazuȱ dienteȱ dieȱ Zugehörigkeitsformel:ȱ GZGOȱ „vonȱ David“.ȱZwarȱistȱdieȱsprachlichȬgrammatischeȱFunktionȱderȱFormelȱalsȱ Lamedȱ inscriptionisȱ deutlich,ȱ nämlichȱ eineȱ Signatur,ȱ wodurchȱ eineȱ realȱ vorhandeneȱ Größeȱ alsȱ einerȱ Personȱ zugehörigȱ bezeichnetȱ wird13ȱ –ȱ dasȱ Beispielȱ derȱ Siegelinschriftenȱ machtȱ dasȱ anschaulich.ȱ Dieȱ Frageȱ aberȱ kannȱ m.ȱE.ȱ nichtȱ eindeutigȱ beantwortetȱ werden,ȱ weshalbȱ dieȱ mitȱ derȱ EditionȱdieserȱletztenȱGruppeȱvonȱTextenȱBefasstenȱdieseȱmitȱdemȱDaȬ vidȬEtikettȱ versahen.ȱ Inȱ welchemȱ Sinneȱ wirdȱ einȱ Psalmȱ undȱ eineȱ PsalmgruppeȱdemȱDavidȱzugeschrieben?ȱȱ Warenȱ jedeȱ Editorenȱ schonȱ derȱ Meinung,ȱ dieȱ inȱ denȱ Jerusalemerȱ TempelarchivenȱaufgefundenenȱTexteȱseienȱvonȱDavidȱverfasst?ȱIstȱdasȱ denkbar?ȱ Oderȱ habenȱ spätereȱ Editorenȱ denȱ Vermerkȱ angebracht,ȱ umȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 13ȱ Vgl.ȱ Jenni,ȱ Dieȱ hebräischenȱ Präpositionen,ȱ Bd.ȱ3:ȱ Dieȱ Präpositionȱ Lamed:ȱ Lamedȱ ascriptionis,ȱ54–83ȱ(Lamedȱinscriptionis,ȱ71).ȱ

318ȱ

20.ȱDimensionenȱundȱIntentionenȱderȱDavidisierungȱderȱPsalmenȱ

dieȱneueȱGruppeȱvonȱanderenȱPsalmgruppenȱvermutlichȱandererȱHerȬ kunft14ȱ zuȱunterscheiden?ȱEtwaȱvonȱdenȱmutmaßlichȱnordisraelitischenȱ GruppenȱderȱQorachȬȱundȱderȱAsaphpsalmen?ȱWarumȱhabenȱsieȱdannȱ derȱneuenȱGruppierungȱnichtȱauchȱwieȱdenȱanderenȱeineȱSängergildeȬ bezeichnungȱ gegeben?ȱ Z.ȱB.ȱ wieȱ beiȱ Psȱ 89:ȱ \MU]DK#W\DOȱ „vonȱ Etanȱ demȱEsrachiten“ȱoderȱnachȱ39,1;ȱ62,1ȱu.ȱa.ȱ#ZWZG\Oȱ„vonȱJedutun“?ȱWollȬ teȱmanȱschonȱgleichȱzuȱBeginnȱeineȱArtȱKanonizitätȱdurchȱZuordnungȱ derȱTexteȱzuȱeinerȱbiblischenȱFigurȱinȱAnspruchȱnehmen?ȱOderȱwarȱesȱ zuerstȱ einfachȱ eineȱ vorläufigeȱ Signaturȱ fürȱ dieȱ Zuweisungȱ zuȱ einerȱ Sammlung,ȱdieȱerstȱimȱEntstehenȱwar?ȱGehörtȱdieȱSammelbezeichnungȱ „dieȱGebeteȱDavids,ȱdesȱSohnesȱIsais“ȱvonȱ72,20ȱbereitsȱinȱdieseȱPhaseȱ derȱSammlung?ȱȱ IchȱkannȱdieseȱFragenȱnichtȱschlüssigȱbeantworten.ȱ Manchmalȱ stelleȱ ichȱ mirȱ vorȱ –ȱ ohneȱ beweiskräftigeȱ Indizienȱ undȱ etwasȱaußerhalbȱderȱlegalenȱMethodik:ȱ Wieȱwäreȱes,ȱwennȱdieȱersteȱPhaseȱderȱDavidisierungȱsoȱverlaufenȱ wäre:ȱ Dieȱ Entdeckerȱ desȱ Tempelarchivsȱ mitȱ denȱ abgelegtenȱ VotivtextȬ beständenȱwarenȱderȱMeinung,ȱsieȱseienȱaufȱdenȱ„SchatzȱdesȱPriamos“ȱ gestoßen,ȱ d.ȱi.ȱ aufȱ dieȱ Hinterlassenschaftȱ desȱ großenȱ Königsȱ David.ȱ Dieseȱ Meinungȱ fandȱ ihreȱ Stützeȱ inȱ derȱ ihnenȱ bekanntenȱ Ideologieȱ derȱ Chronikbücher,ȱdassȱalles,ȱwasȱmitȱTempel,ȱTempelmusikȱundȱTempelȬ liturgieȱ inȱ Jerusalemȱ zusammenhängt,ȱ aufȱ Davidȱ zurückzuführenȱ istȱ (1.ȱChrȱ 25),ȱ undȱ ebenȱ besondersȱ auchȱ dieȱ neuentdecktenȱ Texteȱ –ȱ wieȬ wohlȱdavonȱnichtȱexplizitȱdieȱRedeȱist.15ȱAuchȱwarȱerȱalsȱderȱ„Lieblingȱ derȱ Liederȱ Israels“ȱ (2.ȱ Samȱ 23,1)ȱ bereitsȱ kanonisiert.ȱ Sieȱ hättenȱ denȱ Fundȱ registriertȱ undȱ dieȱ Texteȱ imȱ Einzelnenȱ mitȱ demȱ Vermerkȱ G\ZGOȱ ausgezeichnet.ȱ Ausȱ dieserȱ anfänglichenȱ Annahmeȱ einerȱ Zuschreibungȱ würdeȱ sichȱ dannȱ leichtȱ erklären,ȱ weshalbȱ dieȱ nachmaligenȱ Bearbeiter,ȱ Redaktorenȱ undȱ Editorenȱ derȱ DavidȬPsalmȬSammlungenȱ sukzessivȱ versuchtȱhaben,ȱaufȱdieserȱBasisȱdieȱHerkunftȱderȱTexteȱdurchȱbiograȬ phischeȱ Überschriftenȱ bisȱ hinȱ zuȱ denȱ Schlusstextenȱ desȱ QumranȬ Psaltersȱundȱzuȱdenȱ„PsalterȱDavid“ȱȬTitelnȱweiterzuverfolgen.ȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 14ȱ Nichtȱ unwahrscheinlichȱ istȱ dieȱ Herkunftȱ derȱ Asaphpsalmenȱ ausȱ BetȬElȱ undȱ derȱ QorachpsalmenȱausȱDan.ȱ 15ȱ Einȱ Passusȱausȱ2.ȱChrȱ29,25–30,ȱderȱdavonȱspricht,ȱdassȱ derȱKönigȱHiskiaȱdenȱGotȬ tesdienstȱ mitȱ demȱ Lobpreisȱ derȱ Levitenȱ „mitȱ denȱ Instrumentenȱ Davids“ȱ beginnenȱ undȱ amȱ Endeȱ dieȱ Levitenȱ „denȱ Lobpreisȱ JHWHȱ zuȱ Ehrenȱ mitȱ denȱ Wortenȱ Davidsȱ undȱdesȱSehersȱAsaph“ȱanstimmenȱließ,ȱkönnteȱinȱdiesemȱSinnȱinterpretiertȱwerden.ȱ Dieȱinȱ1.ȱChr.ȱ16ȱzitierteȱPsalmenkompositionȱbestehtȱausȱTeilenȱvonȱPsȱ105;ȱ96ȱundȱ 106,ȱinsofernȱnichtȱausȱDavidȬPsalmen.ȱ

ȱ

II.ȱ

319ȱ

Dochȱ diesȱ jedenfallsȱ kannȱ manȱ mitȱ einigerȱ Sicherheitȱ sagen,ȱ dassȱ dieȱSignaturȱerstensȱ(1.)ȱeineȱGruppeȱvonȱTextenȱerkennenȱlässt,ȱdieȱinȱ derȱ Auswahlȱ einenȱ besonderenȱ Charakterȱ zeigt,ȱ dieȱ gleicheȱ BehandȬ lungȱ erfahrenȱ undȱ dieȱ einȱ gemeinsamesȱ Schicksalȱ vereint;ȱ dassȱ zweiȬ tensȱ(2.)ȱdieȱDavidȬSignaturȱfürȱdieȱPsalmenȱeineȱAufwertungȱbedeutet,ȱ indemȱsie,ȱgefundenȱalsȱanonymeȱLaientexte,ȱnunmehrȱeinerȱprominenȬ tenȱ geschichtlichenȱ Gestaltȱ zugeordnetȱ werden.ȱ Damitȱ liegtȱ (3.)ȱ eineȱ selbständigeȱGruppeȱvonȱgutȱ70ȱTextenȱvor,ȱwelcheȱinȱvierȱSerienȱüberȬ liefertȱsind,ȱwobeiȱderȱüberlieferteȱOrtȱimȱPsalterȱdafürȱspricht,ȱdassȱdieȱ vierȱ Teilgruppenȱ unterschiedlicherȱ Größeȱ zeitlichȱ nacheinanderȱ inȱ Schübenȱentstandenȱsind.ȱ

3. Esȱscheintȱmöglichȱzuȱsein,ȱausȱderȱReihenfolgeȱderȱDavidpsalmenȱaufȱ eineȱSortierungȱderȱTexte,ȱjaȱaufȱeinȱbewusstesȱArrangementȱzuȱschlieȬ ßen.ȱDazuȱgibtȱesȱbekanntlichȱUntersuchungenȱmitȱwichtigenȱErgebnisȬ sen.ȱAufȱeinȱkennzeichnendesȱMerkmalȱderȱGruppeȱgeheȱichȱausȱprakȬ tischenȱ Gründenȱ nichtȱ ein:ȱ aufȱ dieȱ auffallendenȱ Dublettenȱ imȱ Bereichȱ derȱDavidpsalmen16.ȱFürȱunsereȱZweckeȱweiseȱichȱnurȱaufȱdieȱauffälligeȱ Tatsacheȱ hin,ȱ dassȱ dieȱ Davidpsalmen,ȱ dieȱ inȱ derȱ großenȱ Mehrheitȱ ausȱ Individualtextenȱbestehenȱ–ȱundȱdazuȱwenigenȱHymnen,ȱdieȱwieȱPsȱ8ȱ wohlȱauchȱvonȱeinzelnenȱPsalmistenȱgedichtetȱoderȱverwendetȱwurdenȱ –ȱanȱmarkantenȱStellenȱvonȱeinigenȱKönigspsalmenȱbegleitetȱsind:ȱPsȱ2;ȱ 18;ȱ20;ȱ21;ȱdannȱPsȱ72;ȱ89;ȱweiterȱPsȱ101;ȱ110ȱundȱzuletztȱPsȱ144.ȱSollenȱ dieseȱTexteȱdieȱköniglichȬdavidischeȱHerkunftȱsichernȱoderȱbestätigen?ȱȱ Inȱ jedemȱ Fallȱ bedeutetȱ esȱ eineȱ zusätzlicheȱ Aufwertungȱ derȱ aufgeȬ fundenenȱ Texte,ȱ wennȱ sieȱ mitȱ denȱ altehrwürdigen,ȱ imȱ Kernȱ vorexilȬ ischenȱKönigstextenȱundȱKulthymnenȱzusammengestelltȱwerden.ȱDieseȱ Zusammenstellungȱ konnteȱ ihreȱ Wirkungȱ aufȱ dieȱ Gruppierungȱ nichtȱ verfehlen,ȱdaȱjaȱnunȱauchȱdieseȱälterenȱTexteȱdenȱDavidvermerkȱerhielȬ ten,ȱ obschonȱ sieȱ vonȱ unbekanntenȱ Sängernȱ undȱ Königenȱ herstammenȱ mussten.ȱ Sollteȱ damitȱ einȱ weitereȱ Aufwertungȱ verbundenȱ sein,ȱ wofürȱ dieȱEckpositionenȱvonȱPsȱ2;ȱ72;ȱ89;ȱ144ȱsprechenȱ–ȱsieȱgebenȱsozusagenȱ dieȱ Tonhöheȱ an,ȱ inȱ derȱ dieȱ Psalmenȱ aufgenommenȱ werdenȱ sollenȱ –,ȱ dannȱwäreȱmitȱdieserȱzweitenȱAufwertungȱeineȱbereitsȱinȱderȱZuschreiȬ bungȱ erkennbareȱ Tendenzȱ fortgesetzt,ȱ dieȱ Gruppeȱ derȱ Votivpsalmenȱ aufȱdieȱHöheȱvonȱanerkanntenȱKulttextenȱzuȱerheben.ȱManȱkönnteȱvonȱ einerȱVorstufeȱderȱ„Kanonisierung“ȱ–ȱquasiȱalsȱKönigstexteȱ–ȱsprechen.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 16ȱ Vgl.ȱPsȱ14//53;ȱ40//70//35;ȱ31//71;ȱ57+60ȱ=ȱ108;ȱ144ȱ>ȱ18.ȱ

320ȱ

20.ȱDimensionenȱundȱIntentionenȱderȱDavidisierungȱderȱPsalmenȱ

4. EinȱanderesȱPhänomenȱscheintȱdieseȱAnnahmeȱzuȱstützen.ȱNichtȱweniȬ geȱPsalmenȱoderȱpsalmartigeȱTexteȱfindenȱsichȱinȱdenȱzweiȱzurȱZeitȱderȱ Entstehungȱ desȱ Psaltersȱ wohlȱ bisȱ zuȱ einenȱ bestimmtenȱ Gradȱ bereitsȱ etabliertenȱKanonteilen:ȱinȱderȱToraȱundȱimȱProphetenkanon.ȱKonntenȱ inȱderȱToraȱnurȱsehrȱwenigeȱPsalmenȱ–ȱinȱderȱRegelȱHymnenȱbesondeȬ rerȱ Artȱ wieȱ Exȱ 15,ȱ Dtȱ 32ȱ Eingangȱ finden,ȱ keineȱ Individualpsalmen,ȱ soȱ warenȱ esȱ imȱ Prophetenkanonȱ schonȱ mehr,ȱ wenigerȱ inȱ denȱ Vorderenȱ Prophetenȱ (1.ȱ Samȱ 2;ȱ 2.ȱ Samȱ 22:ȱ typischerweiseȱ nurȱ Königspsalmen),ȱ mehrȱ dannȱ inȱ denȱ Späterenȱ Prophetenȱ (Jesȱ 12;ȱ 38;ȱ Miȱ 6;ȱ Jonȱ 2;ȱ Habȱ 3;ȱ Nahȱ1ȱu.ȱa.:ȱjedenfallsȱz.ȱT.ȱechteȱEinzelpsalmen).ȱAuchȱhierȱistȱeinȱTrendȱ auszumachen,ȱ Psalmtexteȱ zuȱ kanonisieren,ȱ wenngleichȱ dasȱ nurȱ inȱ selȬ tenenȱFällenȱgelungenȱist.17ȱȱ DieselbeȱTendenzȱistȱauchȱerkennbarȱinȱderȱBearbeitung,ȱdieȱbeiȱ13ȱ Davidtextenȱ derȱ Überschriftȱ eineȱ biographischeȱ Situationȱ zufügte,ȱ inȱ derȱ Davidȱ denȱ jeweiligenȱ Textȱ gedichtetȱ oderȱ gesprochenȱ habenȱ soll.ȱ Bestesȱ undȱ zugleichȱ dekuvrierendesȱ Beispielȱ Psȱ 51:ȱ „(Fürȱ denȱ MusikȬ meister:)ȱ Einȱ Psalmȱ vonȱ David,ȱ alsȱ derȱ Prophetȱ Natanȱ zuȱ ihmȱ kam,ȱ nachdemȱerȱzuȱBatsebaȱgegangenȱwar.“ȱFastȱalleȱdieseȱbiographischenȱ Informationenȱ sind,ȱ zumȱ Teilȱ mitȱ Missverständnissenȱ undȱ NamensȬ verwechslungenȱ belastet,ȱ denȱ Samuelbüchernȱ entnommenȱ undȱ setzenȱ dieseȱvoraus.ȱEsȱistȱanzunehmen,ȱdassȱdamitȱeinȱweitererȱVersuchȱvorȬ liegt,ȱdieȱvorhandenenȱDavidpsalmenȱeinemȱfesten,ȱdazuȱbiblischȱveriȬ fizierbarenȱ Ortȱ zuzuweisen.ȱ Derȱ Effektȱ wäreȱ nahezuȱ derselbeȱ wieȱ derȱ einerȱ Einfügungȱ vonȱ illustrierendenȱ Psalmzitatenȱ inȱ denȱ heiligenȱ Textȱ selbst.ȱ MitȱderȱbiographischenȱZuweisungȱhatȱdieȱDavidisierungȱeinzelnerȱ TexteȱundȱdamitȱauchȱderȱGruppierungȱbereitsȱihrenȱerstenȱHöhepunktȱ erreicht.ȱ Dieȱ Intention,ȱ dieseȱ Texteȱ zuȱ kanonisieren,ȱ mussteȱ sehrȱ starkȱ gewesenȱ sein,ȱ daȱ manȱ inȱ Kaufȱ nahm,ȱ dassȱ diesȱ gegenȱ dieȱ historischeȱ Wahrheitȱ–ȱdieȱerstenȱBearbeiterȱmusstenȱsieȱgekanntȱhabenȱ–ȱundȱteilȬ weiseȱgegenȱdenȱSinnȱderȱTexteȱselbstȱverstieß.ȱDochȱsieȱkonntenȱsichȱ durchsetzen.ȱ Davidȱ wurdeȱ alsȱ Dichterȱ undȱ Sängerȱ dieserȱ Psalmenȱ anȬ erkannt,ȱeinȱBildȱdasȱinȱderȱChronikȱaufȱbesondereȱWeiseȱnochȱweiterȱ ausgestaltetȱwurde.ȱȱ

5. Wiederȱ eineȱ neueȱ Phaseȱ imȱ Prozessȱ derȱ Davidisierungȱ wirdȱ inȱ denȱ PsalmtextenȱausȱQumranȱundȱimȱgriechischenȱPsalterȱderȱSeptuagintaȱ wahrnehmbar.ȱ Inȱ jeȱ spezifischenȱ Textenȱ wirdȱ Davidȱ prophetischesȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 17ȱ DieȱDubletteȱPsȱ18//2.ȱSamȱ22ȱspieltȱdabeiȱnatürlichȱeineȱbesondereȱRolle.ȱ

ȱ

III.ȱ

321ȱ

Charismaȱzuerkannt,ȱsoȱdassȱseineȱWerkeȱalsȱinspiriertȱundȱdenȱbereitsȱ alsȱ biblischȬkanonischȱ anerkanntenȱ prophetischenȱ Schriftenȱ gleichranȬ gigȱ propagiertȱ werden.ȱ Derȱ entscheidendeȱ Passusȱ ausȱ demȱ Kolophonȱ 11QPsaȱ Kol.ȱ XXVIIȱ „David’sȱ Compositions“ȱ lautetȱ entsprechend:ȱ „Soȱ betrugȱ dasȱ Ganzeȱ viertausendȱ undȱ fünfzig.ȱ (11)ȱ Undȱ alleȱ dieseȱ sprachȱ erȱdurchȱProphetie,ȱdieȱihmȱvorȱdemȱHöchstenȱgegebenȱwordenȱwar.“ȱ18ȱ Demȱ entsprichtȱ dieȱ Feststellung,ȱ dassȱ inȱ Qumranȱ offenbarȱ trotzȱ allerȱ Andeutungenȱ fürȱ einenȱ dreiteiligenȱ Schriftenkanonȱ dieȱ Psalmenȱ alsȱ Prophetieȱ eingeschätztȱ undȱ gewertetȱ wurden.ȱ Sieȱ wurdenȱ wieȱ andereȱ prophetischeȱ Schriftenȱ derȱ Auslegungȱ durchȱ Pescherȱ undȱ Midraschȱ gewürdigt.19ȱ Insofernȱ standȱ dieȱ Anerkennungȱ derȱ Psalmenȱ unterȱ EinȬ schlussȱderȱgutȱ10,ȱinȱ11QPsaȱüberliefertenȱTexteȱalsȱHeiligeȱSchriftȱbeȬ reitsȱfest.ȱDieȱPsalmtexteȱwerdenȱalsȱheiligeȱSchriftȱzitiert.20ȱ DerȱProzessȱ derȱ Kanonisierungȱ scheintȱ damitȱ imȱ Prinzipȱ vorȱ oderȱ mitȱ derȱ ProphetisierungȱderȱDavidtexteȱbereitsȱabgeschlossenȱzuȱsein.ȱDieȱTexȬ teȱkonntenȱinȱMidraschimȱbearbeitetȱundȱinȱPescharimȱfürȱdieȱGegenȬ wartȱ ausgelegtȱ werden.ȱ Dennȱ –ȱ soȱ dieȱ Implikationȱ –ȱ Davidȱ sprachȱ inȱ dieȱZukunftȱvorausschauendȱfürȱdieȱGegenwartȱderȱQumrangemeindeȱ (manȱ vgl.ȱ Pescherȱ zuȱ Psȱ 37,ȱ einemȱ Davidpsalm).ȱ Inȱ dieserȱ Phaseȱ wirdȱ Davidȱ dieȱ Rolleȱ einesȱ SchriftȬProphetenȱ zuerkannt,ȱ undȱ dieȱ DavidȬ psalmenȱ erhaltenȱ nachȱ derȱ königlichenȱ undȱ derȱ prominentȱ biographiȬ schenȱ undȱ biblischȱ heilsgeschichtlichenȱ nunmehrȱ auchȱ prophetischenȱ CharakterȱundȱprophetischeȱWürde.ȱȱ DamitȱistȱdieȱEndphaseȱderȱDavidisierungȱschonȱfastȱerreicht.ȱDieseȱ aberȱstelltȱsichȱunterschiedlichȱdar.ȱȱ

III.ȱ Dieȱ Endgestaltȱ derȱ verschiedenenȱ Psalterüberlieferungen,ȱ alsoȱ desȱ Qumranpsaltersȱ 11Q,ȱ desȱ Septuagintapsaltersȱ undȱ desȱ masoretischenȱ PsaltersȱzeigenȱdannȱdieȱletztenȱStationenȱderȱDavidisierungȱan.ȱ Amȱweitestenȱfortgeschrittenȱzeigtȱsieȱsichȱimȱ11QȬPsalter.ȱDaȱallerȬ dingsȱ dieȱ Haupthandschriftenȱ erstȱ mitȱ Psȱ 101//102ȱ –ȱ bzw.ȱ beiȱ andererȱ ReihenfolgeȱmitȱPsȱ93ȱ–ȱbeginnen,ȱkonzentriertȱsichȱdieȱFrageȱnachȱdemȱ ProfilȱaufȱdasȱletzteȱDrittelȱdesȱPsalters.ȱUndȱhierȱistȱmitȱdenȱKol.ȱXXVIIȱ ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 18ȱ NachȱMaier,ȱDieȱQumranȬEssener,ȱ340ȱf.ȱ 19ȱ Alsȱ Midraschimȱ geltenȱ etwaȱ 11QMelchȱ undȱ 4QMidrEschat,ȱ vgl.ȱ Jain/Steudel,ȱ Lesȱ manuscritsȱpsalmiques,ȱ542ȱf.ȱZuȱdenȱPescharimȱvgl.ȱetwaȱ4QpPsaȱ,ȱdazuȱCoulot,ȱUnȱ jeuȱdeȱpersuasionȱsectaire,ȱ544–551.ȱ 20ȱ ZuȱdenȱPsalmzitatenȱvgl.ȱJain/Steudel,ȱLesȱmanuscritsȱpsalmiques,ȱ539–543.ȱ

322ȱ

20.ȱDimensionenȱundȱIntentionenȱderȱDavidisierungȱderȱPsalmenȱ

undȱXXVIIIȱeinȱeindeutigesȱZeichenȱgesetzt.ȱDerȱschonȱKol.ȱXXVIIȱwieȬ dergegebeneȱ Kolophonȱ mitȱ derȱ Aufzählungȱ derȱ gesammeltenȱ Werkeȱ Davidsȱ –ȱ darunterȱ 3600ȱ Psalmenȱ –ȱ mitȱ derȱ wichtigenȱ Feststellungȱ desȱ prophetischenȱCharismasȱ(KDZEQ)ȱDavidsȱ(Z.ȱ11),ȱsprichtȱeineȱdeutlicheȱ Sprache.ȱ Danachȱ folgenȱ –ȱ wohlȱ alsȱ Nachträgeȱ gedachtȱ –ȱ nochȱ Davidsȱ letzteȱWorteȱ(2.ȱSamȱ23)ȱ–ȱPsȱ140ȱ–ȱ134ȱ–ȱ151Aȱ–ȱ151BȱalsȱDavidpsalmen,ȱ dieȱdasȱBildȱabrunden.ȱPeterȱW.ȱFlintȱhatȱdieseȱProfilierungȱimȱEinzelȬ nenȱdargestelltȱundȱalsȱ„DavidicȱEmphasis“ȱbeschrieben:ȱ„11QPsaȱwasȱ thusȱ regardedȱ byȱ theȱ compiler(s)ȱ asȱ aȱ trueȱ Davidicȱ Psalterȱ and,ȱ accordingly,ȱasȱauthoritativeȱScripture.“ȱ21ȱȱ DerȱSeptuagintaȬPsalter,ȱderȱgegenüberȱderȱmasoretischenȱÜberlieȬ ferungȱzusätzlichȱ14ȱweitereȱPsalmenȱmitȱdemȱDavidvermerkȱversehenȱ hat22,ȱendetȱmitȱPsȱ151ȱmachtȱdadurchȱabschließendȱ–ȱwieȱgezeigtȱ–ȱmitȱ demȱPorträtȱdesȱSängersȱDavidȱklar,ȱwieȱdieȱFrageȱnachȱderȱHerkunftȱ derȱ Psalmenȱ zuȱ beantwortenȱ ist.ȱ Insofernȱ fungiertȱ Psȱ 151ȱ fastȱ wieȱ einȱ „Titelblatt“.ȱDavidȱistȱ„theȱfatherȱofȱtheȱpsalms“ȱ23,ȱauchȱwennȱdieȱÜberȬ schriftenȱ –ȱ vorȱ allemȱ derȱ anderenȱ Psalmgruppen,ȱ bisweilenȱ auchȱ beiȱ denȱDavidsammlungenȱ–ȱetwasȱanderesȱbesagen:ȱ„vonȱMose“ȱ(Psȱ89ȱ=ȱ MTȱ90),ȱ„vonȱSalomo“ȱ(Psȱ71;ȱ126ȱ=ȱMTȱ72;ȱ127).24ȱȱ Zurückhaltenderȱ istȱ dabeiȱ bemerkenswerterweiseȱ derȱ MTȱ Psalter.ȱ Zwarȱ ergibtȱ sichȱ ausȱ derȱ Mehrheitȱ derȱ DavidȬÜberschriftenȱ einȱ ÜberȬ gewichtȱzugunstenȱdesȱVerfassersȱDavid.ȱAberȱderartȱeindeutigeȱZeugȬ nisseȱ einerȱ abschließendenȱ Davidisierungȱ desȱ ganzenȱ Psaltersȱ wieȱ imȱ 11QȬPsalterȱ oderȱ imȱ LXXȬPsalterȱ findenȱ sichȱ hierȱ nicht.ȱ Offensichtlichȱ nahmȱmanȱRücksichtȱaufȱandereȱPsalmgruppenȱundȱaufȱdieȱTexteȱohneȱ Verfasservermerk,ȱ dieȱ imȱ letztenȱ Psalterdrittelȱ Psȱ 90–150ȱ dominieren.ȱ ObȱdarinȱeineȱtheologischeȱAbsichtȱerkennbarȱwird,ȱdieȱGeraldȱHenryȱ Wilsonȱ herauszuarbeitenȱ suchteȱ –ȱ stattȱ Königȱ Davidȱ Gottkönigȱ –,ȱ seiȱ dahingestellt.25ȱȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 21ȱ 22ȱ 23ȱ 24ȱ

Flint,ȱTheȱDeadȱSeeȱPsalmȱScrolls,ȱpassimȱ(Zitat:ȱ224).ȱ LXXȱPsȱ32;ȱ42;ȱ66;ȱ70;ȱ90;ȱ92–98;ȱ103;ȱ136ȱ(MTȱ+1).ȱ R.ȱJ.ȱTournay,ȱSeeingȱandȱHearingȱGodȱwithȱtheȱPsalms,ȱ45.ȱ Besondersȱ groteskȱ erscheintȱ diesȱ beiȱ Psȱ 29ȱ (=ȱ MTȱ 30)ȱ undȱ 95ȱ (=ȱ MTȱ 96).ȱ Dieȱ ÜberȬ schriftȱlautet:ȱ„BisȱzumȱEnde.ȱPsalmȱLiedȱvonȱderȱErneuerungȱdesȱHauses.ȱFürȱ(von)ȱ David.“ȱ „Alsȱ dasȱ Hausȱ gebautȱ wurdeȱ nachȱ derȱ Gefangenschaft.ȱ Liedȱ fürȱ (von)ȱ DaȬ vid“.ȱVgl.ȱauchȱdenȱVermerkȱbeimȱQorachȬTeilpsalmȱ43ȱ(LXXȱ42).ȱ 25ȱ G.ȱH.ȱWilson,ȱTheȱEditingȱofȱtheȱHebrewȱPsalter,ȱ139–228.ȱ

ȱ

IV.ȱ

323ȱ

IV.ȱ Dieȱ eigentlichȱ erstaunliche,ȱ wenngleichȱ nichtȱ singuläreȱ Entwicklungȱ derȱDavidisierungȱdesȱPsalters,ȱdieȱvonȱderȱerstenȱZuschreibungȱeinesȱ VotivpsalmsȱbisȱhinȱzurȱIkoneȱeinesȱ„VatersȱderȱPsalmen“ȱführte,ȱohneȱ Rücksichtȱ aufȱ dieȱ literarhistorischenȱ Gegebenheiten,ȱ wobeiȱ esȱ äußerstȱ unwahrscheinlichȱ ist,ȱ dassȱ überhauptȱ eineȱ Zeileȱ ausȱ demȱ Psalterȱ aufȱ Davidȱ zurückgeht,ȱ amȱ Endeȱ alsȱ pseudepigraphischeȱ Theseȱ aufȱ Dauerȱ verfestigt,ȱ verlangtȱ eineȱ starkeȱ Motivation.ȱ Sieȱ sollȱ hierȱ nochȱ abȬ schließendȱzurȱSpracheȱkommen.ȱ Dasȱerste,ȱvielleichtȱetwasȱoberflächliche,ȱjedochȱliterargeschichtlichȱ wirksameȱ Motivȱ zuȱ dieserȱ Entwicklungȱ warȱ –ȱ allgemeinȱ gesprochenȱ –ȱ wohlȱ dieȱ Frageȱ nachȱ derȱ Herkunftȱ soȱ vielerȱ poetischerȱ Texte:ȱ Lieder,ȱ Gebete,ȱ Gedichte,ȱ akrostichischeȱ Versdichtungen.ȱ Derȱ expliziteȱ HinȬ weisȱaufȱdenȱbekanntestenȱSängerȱundȱDichterȱinȱdenȱbiblischenȱÜberȬ lieferungenȱ botȱ offenbarȱ eineȱ plausibleȱ einheitlicheȱ Antwort.ȱ Auchȱ bestachȱ dieȱ einfacheȱ Lösungȱ trotzȱ widersprüchlicherȱ HerkunftsȬ angaben.ȱ Davidȱ wurdeȱ dannȱ dieȱ Symbolfigurȱ undȱ „Patron“ȱ fürȱ dieȱ biblischeȱLieddichtung,ȱwieȱMoseȱfürȱdieȱGesetzgebung,ȱSalomoȱfürȱdieȱ Weisheitȱ undȱ dieȱ Prophetenȱ fürȱ Offenbarungenȱ u.ȱä.ȱ Dieȱ Sammlungȱ wurdeȱzumȱBuchȱmitȱeinerȱTitelfigur.ȱ Dasȱ zweiteȱ Motivȱ warȱ wohlȱ dasȱ Anliegen,ȱ denȱ offenbarȱ plötzlichȱ entdecktenȱ Reichtumȱ vonȱ individuellenȱ Glaubenszeugnissenȱ zuȱ erfasȬ senȱ undȱ gewissermaßenȱ einzuordnen.ȱ Diesȱ setztȱ voraus,ȱ dassȱ esȱ einȱ wachsendesȱInteresseȱanȱsolchenȱZeugnissenȱpersönlicherȱFrömmigkeitȱ gab.ȱ Esȱ istȱ wahrscheinlich,ȱ dassȱ diesesȱ Interesseȱ erstȱ nachexilischȱ aufȬ kamȱ undȱ literarischeȱ Folgenȱ hatte.ȱ Frühereȱ Zeitenȱ besaßenȱ auchȱ eineȱ persönlicheȱFrömmigkeit.ȱDochȱhatȱdieseȱkeinenȱexplizitenȱliterarischenȱ Niederschlagȱ gefunden.ȱ Alleinȱ inȱ derȱ Bildungȱ derȱ Eigennamenȱ findetȱ sichȱ soȱ etwasȱ wieȱ eineȱ Vorstufeȱ zuȱ einerȱ Bewegung,ȱ dieȱ dannȱ nachexilisch,ȱ wohlȱ sogarȱ spätnachexilischȱ anȱ Breiteȱ gewann.ȱ Dasȱ indiȬ viduelleȱ Glaubenslebenȱ findetȱ inȱ Gebeten,ȱ Bekenntnissenȱ undȱ Liedernȱ seinenȱAusdruck.ȱȱ Zurȱ einheitlichenȱ Erfassungȱ diesesȱ neuartigenȱ Interesses,ȱ konkretȱ zumȱVerständnisȱundȱzurȱEinordnungȱsoȱvielerȱGlaubenszeugnisseȱwieȱ denȱ nachmaligenȱ Davidpsalmen,ȱ erschienȱ esȱ wohlȱ günstig,ȱ dieseȱ EinȬ zelzeugnisseȱinȱderȱeinzigenȱBiographieȱanzusiedeln,ȱwelcheȱdieȱbibliȬ scheȱ Überlieferungȱ dazuȱ anbotȱ (Jeremiasȱ Biographie,ȱ alsȱ möglicheȱ AlȬ ternative,ȱkamȱwohlȱnichtȱinȱgleicherȱWeiseȱinȱFrage,ȱobwohlȱsichȱdortȱ Ansätzeȱ dazuȱ findenȱ lassen),ȱ nämlichȱ Davidsȱ Leben,ȱ vorgestelltȱ alsȱ idealtypischȱfürȱeinȱindividuellesȱDaseinȱmitȱmöglichstȱvielenȱNischen,ȱ umȱ dortȱ dieȱ Glaubenszeugnisseȱ zuȱ verorten.ȱ Dassȱ diesȱ zuȱ einerȱÜberȬ

324ȱ

20.ȱDimensionenȱundȱIntentionenȱderȱDavidisierungȱderȱPsalmenȱ

lastungȱderȱDavidbiographieȱführenȱmusste,ȱhabenȱwohlȱdieȱBearbeiterȱ derȱPsalmüberschriftenȱgemerktȱundȱesȱbeiȱwenigenȱbewendenȱlassen,ȱ dieȱ Bearbeiterȱ desȱ SeptuagintaȬȱ undȱ desȱ 11QȬPsaltersȱ warenȱ nichtȱ soȱ sensibel.ȱ Inȱ jedemȱ Fallȱ warȱ diesȱ einȱ wirksamesȱ pädagogischesȱ Mittel,ȱ denȱ gefundenenȱ Psalmenȱ einenȱ bleibendenȱ Verwendungsortȱ zuzuȬ weisenȱundȱdenȱNachbeternȱundȱȬsängernȱzuȱzeigen,ȱinȱwelchenȱSituaȬ tionenȱ einȱ Psalmgebetȱ oderȱ Ȭliedȱ angebrachtȱ ist.26ȱ Dasȱ Angebotȱ anȱ GlaubensbekenntnissenȱundȱȬerkenntnissenȱimȱPsalterȱsprichtȱfürȱsich.ȱȱ Davidisierungȱ heißtȱ inȱ diesemȱ Sinneȱ Festlegungȱ einerȱ bestimmtenȱ InterpretationȱderȱTexte.ȱ Dasȱ dritteȱ undȱ zugleichȱ dasȱ Hauptmotivȱ derȱ Davidisierungȱ derȱ Psalmenȱ warȱ dieȱ Intention,ȱ denȱ Davidpsalmen,ȱ dannȱ demȱ DavidpsalȬ ter,ȱ denȱ anderenȱ Psalmensammlungenȱ undȱ zuletztȱ derȱ gesamtenȱ Sammlungȱ kanonischeȱ Würdeȱ zuȱ verschaffenȱ undȱ d.ȱh.ȱ konkret,ȱ dieȱ TexteȱimȱoffiziellenȱArchivȱheiligerȱSchriftenȱunterzubringen.ȱDieȱAufȬ findungȱamȱheiligenȱOrtȱgenügteȱdazuȱoffenbarȱnicht.ȱEsȱbedurfteȱderȱ Zuordnungȱ zuȱ bereitsȱ kanonischȱ gefestigtenȱ Beständen.ȱ Diesesȱ Motivȱ überdeckteȱ–ȱwieȱbeiȱanderenȱpseudepigraphischenȱTextenȱauchȱ–ȱwohlȱ alleȱ Bedenkenȱ einerȱ präziserenȱ literarischenȱ Bestimmung.ȱ Dassȱ dieserȱ Versuchȱ einerȱ Kanonisierungȱ nichtȱ ganzȱ glattȱ verlaufenȱ ist,ȱ bekundenȱ dieȱkanonischȱumstrittenenȱPsalmtexte,ȱwieȱsieȱetwaȱinȱderȱSeptuaginta,ȱ undȱdannȱvorȱallemȱinȱderȱLiteraturȱvonȱQumranȱbezeugtȱsind:ȱinȱersȬ terȱLinieȱz.ȱB.ȱPsȱ151ȱundȱdieȱgutȱzehnȱaußerbiblischenȱPsalmzeugnisseȱ ausȱdemȱ11QȬPsalter.27ȱȱ Derȱ Dichterȱ undȱ Sängerȱ Davidȱ aberȱ warȱ derȱ idealeȱ AnknüpfungsȬ punkt,ȱ wieȱ dasȱ auchȱ dieȱ Texteȱ imȱ Anhangȱ desȱ zweitenȱ Samuelbuchesȱ (2.ȱSamȱ22;ȱ23)ȱerkennenȱlassen.ȱSieȱgewannenȱimȱProphetenkanonȱnochȱ eineȱ höhereȱ Würdeȱ –ȱ wieȱ dieȱ PentateuchȬPsalmen.ȱ Aberȱ immerhinȱ konntenȱ dieȱ Editorenȱ desȱ werdendenȱ Psaltersȱ imȱ Vorwortȱ vonȱ Psȱ 1ȱ bereitsȱvorschlagen,ȱdieȱfolgendeȱSammlungȱzuȱlesen,ȱwieȱmanȱdieȱToraȱ zuȱ lesenȱ hat,ȱ undȱ darüberȱ alsȱ demȱ Worteȱ Gottesȱ „zuȱ sinnenȱ Tagȱ undȱ Nacht.“ȱDerȱGedankeȱanȱdieȱzurȱIkoneȱgewordeneȱGestaltȱDavidsȱgabȱ dazuȱdenȱAnstoß.ȱ

ȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱȱ 26ȱ Psȱ102ȱistȱkeinȱausgewiesenerȱDavidpsalm.ȱDochȱdieȱÜberschriftȱdrücktȱaus,ȱdassȱesȱ sichȱ umȱ einȱ auchȱ fürȱ Davidpsalmenȱ typischesȱ Gebetsformularȱ handelt:ȱ „Gebetȱ fürȱ einenȱElenden,ȱwennȱerȱverzagtȱistȱundȱseineȱKlageȱvorȱJHWHȱausschüttenȱwill.“ȱ 27ȱ EsȱwäreȱnochȱaufȱandereȱPsalmenȬÜberlieferungenȱausȱQumranȱ(vgl.ȱSchuller,ȱNonȬ canonicalȱ Psalmsȱ fromȱ Qumran,ȱ 12ȱff.12–14;ȱ Flint,ȱ Theȱ Deadȱ Seeȱ Psalmȱ Scrolls,ȱ 257–264;ȱ Jain/Steudel,ȱ Lesȱ manuscritsȱ psalmiques,ȱ 539–543),ȱ sowieȱ aufȱ andereȱ psalterähnlicheȱSammlungen,ȱz.ȱB.ȱdieȱPsalmenȱSalomos,ȱhinzuweisen.ȱ

ȱ

IV.ȱ

325ȱ

DavidisierungȱheißtȱKanonisierung.ȱBleibtȱdieȱFrage,ȱwelchemȱTypȱderȱ KanonisierungȱdieȱDavidisierungȱdennȱamȱnächstenȱsteht,ȱȱ – –



derȱMosaisierungȱ–ȱdieȱGeschichteȱIsraelsȱalsȱArchiv,ȱinȱdasȱalleȱGeȬ setzestexteȱeingestelltȱwerden;ȱ derȱ Jesajanisierungȱ oderȱ Prophetisierungȱ –ȱ einȱ Grundbestandȱ vonȱ echtenȱTexten,ȱderȱdurchȱdeuteroȬȱundȱtritoprophetischeȱÜberliefeȬ rungenȱaufgestocktȱwird;ȱ derȱSalomonisierungȱ–ȱalleȱweisheitlichenȱSpruchdichtungenȱwerdenȱ mitȱeinemȱhöfischȬköniglichenȱRahmenȱversehen?ȱ

OderȱhandeltȱesȱsichȱjeȱnachȱTeilphaseȱumȱeineȱMischungȱoderȱAbfolgeȱ ausȱallen?ȱ

326ȱ

20.ȱDimensionenȱundȱIntentionenȱderȱDavidisierungȱderȱPsalmenȱ

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ȱ

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328ȱ

20.ȱDimensionenȱundȱIntentionenȱderȱDavidisierungȱderȱPsalmenȱ

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ȱ

D.ȱAnhang

ȱ

ȱ

ȱ

21.ȱKrisenfestesȱBekenntnis.ȱ Predigtȱamȱ23.ȱJuliȱ2000ȱ überȱPsalmȱ113ȱimȱMünsterȱBaselȱ ȱ ȱ 1ȱ Hallelujah!ȱLobetȱdenȱHerrn!ȱ ȱ Lobet,ȱihrȱKnechteȱdesȱHerrn,ȱ ȱ lobetȱdenȱNamenȱdesȱHerrn!ȱ 2ȱ DerȱNameȱdesȱHerrnȱseiȱgelobtȱ ȱ vonȱnunȱanȱbisȱinȱEwigkeit!ȱ 3ȱ VomȱAufgangȱderȱSonneȱ ȱ bisȱzuȱihremȱNiedergangȱ ȱ seiȱgepriesenȱderȱNameȱdesȱHerrn!ȱ 4ȱ DerȱHerrȱistȱerhabenȱ ȱ überȱalleȱVölker,ȱ ȱ undȱseineȱHerrlichkeitȱ ȱ überȱdieȱHimmel!ȱ 5ȱ WerȱistȱdemȱHerrnȱgleich,ȱȱ ȱ unsermȱGott,ȱ ȱ imȱHimmelȱundȱaufȱderȱErde?ȱ 6ȱ Ihm,ȱderȱdrobenȱthrontȱinȱderȱHöhe,ȱ ȱ derȱherniederschautȱinȱdieȱTiefe;ȱ 7ȱ derȱausȱdemȱStaubȱ ȱȱ denȱGeringenȱaufrichtet,ȱ ȱ ausȱdemȱKotȱdenȱArmenȱerhebt,ȱ 8ȱ dassȱerȱihnȱsetzeȱnebenȱFürsten,ȱ ȱ nebenȱdieȱFürstenȱseinesȱVolkes;ȱ 9ȱ derȱdieȱUnfruchtbare,ȱKinderloseȱ ȱ zurȱfröhlichenȱMutterȱȱ ȱ vonȱKindernȱmacht!ȱ ȱ Hallelujah!ȱLobetȱdenȱHerrn!ȱ ȱ (ÜbersetzungȱnachȱderȱZürcherȱBibelȱvonȱ1931)ȱ ȱ ȱ

332ȱ

21.ȱKrisenfestesȱBekenntnisȱ

LiebeȱGemeinde,ȱ Wasȱ nimmtȱ manȱ mit,ȱ wennȱ dasȱ eigeneȱ Hausȱ inȱ Flammenȱ steht?ȱ Einȱ Albtraum,ȱ dieseȱ Frage,ȱ dochȱ nichtȱ ganzȱ ohneȱ Anlass,ȱ schlägtȱ manȱ dieȱ Zeitungȱ auf.ȱ Sieȱ istȱ leichterȱ zuȱ bewältigen,ȱ wennȱ manȱ sieȱ stellt,ȱ bevorȱ dieȱEreignisseȱunsȱeinholen.ȱDennȱdannȱistȱsieȱdaraufȱgerichtet,ȱzuȱkläȬ ren,ȱwasȱunsȱdasȱLiebsteȱundȱdasȱWichtigsteȱimȱLebenȱist,ȱundȱwasȱwirȱ nichtȱmissenȱwollen.ȱ DieȱFrageȱstelltȱsichȱauchȱinȱeinemȱanderenȱSinn.ȱWasȱist,ȱwennȱunȬ serȱreligiösesȱGehäuse,ȱsagenȱwir:ȱunsereȱKircheȱoderȱunserȱguterȱalterȱ GlaubeȱinȱFlammenȱsteht!ȱWasȱistȱnochȱzuȱretten,ȱwasȱkönnenȱwirȱmitȬ nehmen!ȱ Ichȱweißȱnicht,ȱobȱdieȱSituationȱunsererȱKircheȱoderȱunseresȱGlauȬ bensȱ soȱ dramatischȱ ist,ȱ dassȱ solcheȱ Entscheidungenȱ anstehen.ȱ Aberȱ esȱ wirdȱgutȱsein,ȱsichȱeinmalȱdieseȱFrageȱnachȱdem,ȱwasȱunsȱamȱWichtigsȬ tenȱ ist,ȱ zuȱ stellen,ȱ bevorȱ wirȱ durchȱ dieȱ Situationȱ zuȱ Entscheidungenȱ gezwungenȱwerden,ȱdieȱwirȱimȱGrundeȱgarȱnichtȱtreffenȱwollen.ȱ Derȱ113.ȱPsalmȱhatȱsichȱdieserȱFrageȱgestellt.ȱErȱistȱinsofernȱeinȱganzȱ außergewöhnlichesȱ Dokument,ȱ alsȱ erȱ darüberȱ nachdenkt,ȱ wasȱ vomȱ altenȱ Glaubenȱ inȱ seineȱ Zeitȱ hinüberȱ zuȱ rettenȱ ist.ȱ Esȱ istȱ natürlichȱ einȱ Dokumentȱ seinerȱ Zeit,ȱ inȱderȱ Spracheȱ seinerȱ Zeitȱ verfasst,ȱausȱ derȱ BeȬ drängnisȱ seinerȱ Zeitȱ formuliert.ȱ Derȱ unbekannteȱ Verfasserȱ hatȱ einenȱ Textȱ niedergeschrieben,ȱ einȱ paarȱ Notizenȱ zuȱ Papierȱ oderȱ Papyrusȱ geȬ bracht,ȱkeineȱzehnȱZeilenȱlang,ȱderȱKonventionȱentsprechendȱinȱVerseȱ gesetzt,ȱ mitȱ demȱ typischȱ hebräischenȱ Gedankenreim,ȱ dasȱ Gewandȱ eiȬ nesȱ Lobpreishymnusȱ umgeworfen.ȱ Aberȱ mitȱ seinenȱ Stichwortenȱ stelltȱ sichȱ dieserȱ Psalmistȱ denȱ religiösenȱ Grundfragenȱ seinerȱ Zeitȱ undȱ suchtȱ eineȱsoȱknappeȱAntwort,ȱdassȱerȱsieȱinȱjederȱKriseȱtragenȱundȱmitnehȬ menȱkann.ȱ SeinȱProblemȱistȱeinȱsehrȱmodernes.ȱErȱstehtȱnichtȱsoȱsehrȱ–ȱbildlichȱ gesprochenȱ–ȱvorȱeinerȱFeuerfront,ȱeherȱschonȱvorȱeinerȱÜberschwemȬ mung.ȱ Alsȱ Überschwemmungȱ seinerȱ angestammtenȱ Kultur,ȱ ihrerȱ LeȬ bensform,ȱihresȱDenkensȱundȱGlaubens,ȱebenȱauchȱseinerȱheimatlichenȱ Religionȱ–ȱsoȱnehmenȱwirȱanȱ–ȱmussteȱerȱdenȱEinbruchȱeinerȱneuenȱZeitȱ erleben,ȱdieȱZeitȱdesȱHellenismus,ȱderȱHellenisierung,ȱdieȱallesȱmitȱsichȱ riss,ȱ wasȱ anȱ Gewachsenemȱ regionalȱ bestandȱ undȱ dieȱ ganzeȱ Ökumeneȱ derȱdamalsȱbekanntenȱWeltȱinȱdemȱgroßenȱStromȱderȱgriechischenȱKulȬ turȱ vereinigte.ȱ Nichtȱ alleȱ beklagtenȱ dieȱ neueȱ Zeit,ȱ dennȱ sieȱ botȱ vieleȱ Vorteile:ȱEinheitsspracheȱGriechisch,ȱEinheitsbildung,ȱAufschwungȱderȱ Wirtschaft,ȱMobilität,ȱeinȱeinheitlichesȱWeltgefühl,ȱkurz,ȱaufȱeinenȱmoȬ dernenȱ Nennerȱ gebracht:ȱ eineȱ Artȱ Universalisierung,ȱ InternationaȬ lisierungȱ oderȱ „Globalisierung“ȱ –ȱ jedochȱ istȱ dieserȱ Begriffȱ nochȱ nichtȱ vorhanden,ȱ weilȱ dieȱ Weltȱ nochȱ nichtȱ alsȱ Globusȱ erkanntȱ undȱ erlebtȱ

ȱ

21.ȱKrisenfestesȱBekenntnisȱ

333ȱ

wurde.ȱDamitȱstandenȱdieȱGläubigenȱvorȱeinerȱneuenȱFormȱvonȱReligiȬ ositätȱalsȱeinerȱEinheitsreligion,ȱalsȱeinerȱallesȱumfassendenȱWeltreligiȬ on,ȱ inȱ derȱ alleȱ vorhandenenȱ regionalenȱ Kulturenȱ undȱ Religionenȱ aufȬ gehobenȱwären.ȱȱ Ichȱ meineȱ nun,ȱ dassȱ diesesȱ Problemȱ heuteȱ einȱ höchstȱ aktuellesȱ ist,ȱ nämlichȱdieȱFrage,ȱobȱesȱnichtȱanȱderȱZeitȱwäre,ȱauchȱdieȱmannigfachenȱ Religionsformenȱ zuȱ vereinheitlichenȱ undȱ nebenȱ derȱ Weltethikȱ eineȱ einheitlicheȱWeltreligionȱalsȱRahmenȱzuȱentwerfen,ȱinȱdemȱdannȱauchȱ dieȱ jüdischeȱ undȱ dieȱ christlicheȱ Religion,ȱ vonȱ anderenȱ religiösenȱ ErȬ scheinungenȱ undȱ Denominationenȱ einmalȱ ganzȱ abgesehen,ȱ aufzunehȬ menȱwären?ȱLägeȱesȱnichtȱimȱTrendȱderȱZeit,ȱeineȱFusionȱderȱReligioȬ nenȱoderȱwenigstensȱderȱKirchenȱundȱKonfessionenȱanzustreben?ȱDasȱ Ergebnisȱ wäreȱ dochȱ eineȱ kolossaleȱ Vereinfachung,ȱ garȱ eineȱ ErleichteȬ rungȱ desȱ Lebensȱ inmittenȱ derȱ soȱ schwierigenȱ religiösenȱ Verhältnisse.ȱ NatürlichȱhatȱdieseȱIdeeȱetwasȱFaszinierendes,ȱundȱesȱkönnteȱsein,ȱdassȱ wirȱinȱTatȱundȱWahrheitȱinȱdieserȱRichtungȱschonȱweiterȱfortgeschrittenȱ sind,ȱalsȱesȱdenȱAnscheinȱhat.ȱDieȱKirchenȱsindȱsichȱnäherȱgekommenȱ alsȱ je,ȱ dieȱ Konfessionenȱ sindȱ imȱ Dauergespräch.ȱ Fremdeȱ Religionenȱ undȱreligiöseȱStrömungenȱüberziehenȱerfolgreichȱunserȱLand.ȱDerȱalteȱ Glaubeȱ tutȱ sichȱ sichtlichȱ schwer.ȱ Warumȱ nichtȱ dasȱ bewährteȱ Modellȱ einerȱ Fusionȱ anstreben,ȱ zunächstȱ derȱ Konfessionenȱ undȱ derȱ Kirchen,ȱ dannȱderȱReligionen?ȱȱ Wennȱ diesȱ dennȱ derȱ Trendȱ derȱ Zeitȱ seinȱ sollteȱ –ȱ undȱ manchesȱ sprichtȱdafür,ȱdassȱesȱsoȱist,ȱstelltȱsichȱdieȱFrageȱumȱsoȱdrängender:ȱWasȱ alsoȱ nehmenȱ wirȱ mit?ȱ Wasȱ istȱ unsȱ dasȱ Wichtigsteȱ anȱ demȱ altenȱ GlauȬ ben?ȱWasȱhabenȱdennȱwirȱzuȱbieten?ȱ Derȱ 113.ȱ Psalmȱ nenntȱ dreiȱ Punkte,ȱ dieȱ erȱ anȱ seinemȱ GlaubensbeȬ kenntnisȱ nichtȱ aufgebenȱ kann.ȱ Esȱ sindȱ seineȱ Antwortenȱ aufȱ dieȱ dreiȱ religiösenȱ Grundfragen,ȱ mitȱ denenȱ erȱ sichȱ inȱ derȱ neuenȱ Zeitȱ auseinȬ anderzusetzenȱhat:ȱWoȱistȱGott?ȱWoȱbegegnetȱGott?ȱWoȱhandeltȱGott?ȱȱ Zuerstȱ erinnertȱ erȱ daran,ȱ dassȱ derȱ Glaubeȱ nichtȱ tunȱ kann,ȱ wasȱ erȱ will.ȱErȱistȱsichȱselbstȱnichtȱverfügbar.ȱErȱistȱaufȱRealitätenȱbezogen,ȱdieȱ erȱ nichtȱ willkürlichȱ ändernȱ kann.ȱErȱ istȱ aufȱ Faktenȱ gegründetȱ undȱ hatȱ mitȱdiesenȱFaktenȱzuȱrechnen.ȱ ȱ Undȱ alsȱ erstesȱ Faktumȱ desȱ Glaubensȱ nenntȱ unserȱ Psalmȱ dieȱ JenseitigȬ keitȱGottes:ȱȱ DerȱHerrȱistȱerhabenȱüberȱdieȱVölker,ȱ undȱseineȱHerrlichkeitȱüberȱdieȱHimmel!ȱ

DieȱersteȱAussageȱgiltȱdemȱneuenȱWeltbild.ȱSieȱgiltȱGottȱinȱeinerȱWelt,ȱ dieȱ immerȱ weiterȱ durchforschtȱ wird,ȱ dieȱ inȱ Realitätȱ undȱ Vorstellungȱ immerȱgrößerȱzuȱwerdenȱscheint,ȱohneȱdassȱeinȱOrtȱfürȱGottȱgefundenȱ

334ȱ

21.ȱKrisenfestesȱBekenntnisȱ

würde.ȱ Wasȱ dieȱ Zeitȱ desȱ Psalmistenȱ beschäftigte;ȱ wasȱ dieȱ Philosophieȱ mitȱheroischerȱAnstrengungenȱbesondersȱimȱ18.ȱundȱ19.ȱJahrhundertȱzuȱ klärenȱ versuchte;ȱ wasȱ dieȱ gigantischenȱ Möglichkeitenȱ neuesterȱ NaturȬ wissenschaftȱ undȱ Technikȱ nichtȱ lösenȱ konnten,ȱ dieȱ Frageȱ nämlich,ȱ woȱ dennȱGottȱzuȱfindenȱseiȱ–ȱdazuȱhatȱderȱPsalmistȱnurȱdiesenȱeinenȱSatzȱ aufgeschrieben:ȱ DerȱHerrȱistȱerhabenȱüberȱdieȱVölker,ȱȱ undȱseineȱHerrlichkeitȱüberȱdieȱHimmel!ȱ

NatürlichȱistȱdasȱeinȱGlaubenssatz,ȱausȱanderenȱQuellenȱgewonnenȱalsȱ dieȱ Erkenntnisseȱ derȱ Wissenschaft.ȱ Ja,ȱ erȱ setztȱ eigentlichȱ derenȱ negaȬ tivenȱResultateȱvorausȱundȱfügtȱbloßȱhinzu,ȱdassȱderȱOrtȱnochȱgarȱnichtȱ erreichtȱist,ȱwoȱallenfallsȱGottȱzuȱfindenȱwäre.ȱBetontȱundȱentscheidendȱ wichtigȱistȱfürȱihnȱdasȱeineȱWörtleinȱ„über“.ȱErȱistȱ„überȱderȱWelt“,ȱdieȱ wirȱ kennen,ȱ „seineȱ Herrlichkeitȱ istȱ überȱ denȱ Himmeln“.ȱ Magȱ esȱ unsȱ nachȱallȱdenȱEinsichtenȱinȱdieȱZeitȱdesȱUranfangsȱundȱihresȱ„Urknalls“,ȱ inȱ dieȱ Weiteȱ desȱ Universums,ȱ dieȱ alleȱ Vorstellungȱ spürbarȱ übersteigt,ȱ nochȱ soȱ bedrängendȱ sein,ȱ dassȱ manȱ inȱ denȱ Himmelnȱ undȱ aufȱ Erdenȱ denȱOrtȱvonȱGottesȱHerrlichkeitȱnichtȱfindenȱkann.ȱEsȱistȱdemȱPsalmisȬ tenȱ wichtig,ȱ daranȱ unbedingtȱ festzuhalten,ȱ dassȱ derȱ Schöpferȱ jenseitsȱ seinesȱ Schöpfungswerkesȱ steht,ȱ undȱ dassȱ dieȱ Instrumenteȱ seinesȱ hochȱ entwickeltenȱGeschöpfsȱnichtȱzureichen,ȱihnȱdortȱaufzuspüren.ȱEsȱgibtȱ keinenȱGrundȱfürȱdenȱGlauben,ȱgesicherteȱwissenschaftlicheȱErgebnisseȱ anzuzweifeln.ȱ Sieȱ geltenȱ innerhalbȱ denȱ Grenzen,ȱ dieȱ denȱ Menschenȱ gezogenȱ sindȱ –ȱ derȱ Psalmȱ sagt:ȱ „denȱ Völkern“ȱ alsȱ hätteȱ erȱ schonȱ eineȱ Ahnungȱdavon,ȱdassȱWissenschaftȱundȱTechnikȱnurȱnochȱalsȱweltweiȬ tesȱ Teamworkȱ möglichȱ sind.ȱ Derȱ Glaubeȱ denktȱ seinemȱ Wesenȱ nachȱ überȱ dieseȱ Grenzenȱ hinausȱ undȱ betetȱ anȱ „dieȱ Herrlichkeitȱ Gottes,ȱ dieȱ überȱdenȱHimmelnȱist.“ȱ DerȱPsalmȱnenntȱdiesȱeinȱFaktum.ȱEsȱistȱdemȱGlaubenȱnichtȱverfügȬ bar.ȱNurȱdieȱDeutungȱdesȱFaktumsȱstehtȱdemȱGlaubenȱfrei.ȱ ȱ DieȱzweiteȱFrageȱdrängtȱsichȱauf.ȱEsȱistȱdieȱFrageȱnachȱdenȱMöglichkeiȬ tenȱderȱBegegnungȱmitȱdemȱjenseitigenȱGott.ȱSieȱbeantwortetȱderȱPsalmȱ wiederumȱmitȱeinemȱSatz:ȱȱ DerȱdrobenȱthrontȱinȱderȱHöhe,ȱ derȱschautȱherniederȱinȱdieȱTiefe.ȱ

DerȱBlickȱGottesȱistȱaufȱunsȱgerichtet.ȱWirȱlebenȱimȱGesichtsfeldȱseinerȱ Augen?ȱ Wiederȱ istȱ esȱ menschlicheȱ Rede,ȱ wieȱ alleȱ Redeȱ desȱ Glaubensȱ undȱ derȱ Theologie.ȱ Sieȱ kannȱ garȱ nichtȱ anders,ȱ sieȱ mussȱ Vorstellungenȱ verwenden,ȱdieȱverstehbarȱsind:ȱderȱKönigȱaufȱdemȱThron,ȱhochȱerhaȬ ben,ȱ derȱ aufȱ seineȱ Untertanenȱ herabschaut,ȱ mitȱ wachemȱ Blickȱ –ȱ dasȱ

ȱ

21.ȱKrisenfestesȱBekenntnisȱ

335ȱ

sindȱ Bilder,ȱ jaȱ Visionen.ȱ Soȱ ungefährȱ sollȱ manȱ sichȱ dieȱ Wirklichkeitȱ Gottesȱvorstellen.ȱWichtigȱdaranȱistȱdieȱAussageȱvonȱdemȱBlick.ȱDennȱ dadurchȱsindȱwirȱunmittelbarȱbetroffen.ȱWirȱlebenȱnichtȱinȱderȱAbweȬ senheitȱ Gottes.ȱ Wirȱ lebenȱ vorȱ demȱ Angesicht,ȱ dasȱ unsȱ ansieht,ȱ unentȬ wegtȱansieht,ȱundȱdasȱunserenȱBlickȱsucht.ȱ Liebeȱ Gemeinde,ȱ dieserȱ Textȱ wurdeȱ etwaȱ dreiȱ Jahrhunderteȱ vorȱ Christiȱ Geburtȱ geschrieben,ȱ undȱ dochȱ istȱ erȱ dasȱ reineȱ Evangelium.ȱ Erȱ besagtȱ nichtsȱ anderes,ȱ alsȱ dassȱ sichȱ Gottȱ fürȱ unsȱ interessiertȱ undȱ sichȱ umȱunsȱkümmert.ȱNahtlosȱschließtȱsichȱan,ȱwasȱvonȱJesusȱvonȱNazarethȱ berichtetȱwird,ȱdassȱerȱnachȱdenȱMenschenȱgeschaut,ȱgesucht,ȱwasȱverȬ lorenȱ war,ȱ sichȱ gekümmertȱ umȱ die,ȱ dieȱ inȱ derȱ Tiefeȱ sind.ȱ Dennȱ dortȱ sindȱ wirȱ nachȱ demȱ Weltbildȱ diesesȱ Psalms,ȱ ganzȱ untenȱ inȱ derȱ Tiefe,ȱ daraufȱ angewiesen,ȱ dassȱ nachȱ unsȱ geschautȱ wird,ȱ undȱ jemandȱ daȱ ist,ȱ derȱsichȱumȱunsȱkümmert.ȱ InȱderȱLesungȱdesȱTextesȱanȱdieȱKorintherȱ(1.ȱKorȱ1,27–29)ȱkommtȱ PaulusȱaufȱdieseȱSeiteȱdesȱEvangeliumsȱzuȱsprechen.ȱAnlassȱwarȱwohlȱ dieȱ besondereȱ sozialeȱ Zusammensetzungȱ derȱ Gemeindeȱ inȱ Korinth.ȱ Paulusȱinterpretiertȱ dieseȱalsȱ Werkȱdesȱ Gottes,ȱ derȱnachȱuntenȱ schaut:ȱ „Nichtȱ vielȱ Gewaltige,ȱ nichtȱ vielȱ Edleȱ sindȱ berufen.ȱ Sondernȱ wasȱ …ȱ wasȱschwachȱistȱvorȱderȱWelt,ȱdasȱhatȱGottȱerwählt,ȱdassȱerȱzuȱSchanȬ denȱ mache,ȱ wasȱ starkȱ ist;ȱ undȱ dasȱ Unedleȱ vorȱ derȱ Weltȱ undȱ dasȱ VerȬ achteteȱhatȱGottȱerwählt,ȱundȱdasȱdaȱnichtsȱist,ȱdassȱerȱzunichteȱmache,ȱ wasȱ etwasȱ istȱ …“ȱ Dahinȱ ausgerichtetȱ istȱ Gottesȱ „evangelischer“ȱ Blickȱ aufȱdieȱWelt.ȱDarinȱsindȱsichȱderȱPsalmistȱundȱderȱApostelȱeinig.ȱGottesȱ Sorgeȱ umȱ dieȱ Tiefenȱ derȱ Weltȱ istȱ einȱ Faktum.ȱ Auchȱ diesesȱ Faktumȱ istȱ demȱGlaubenȱnichtȱverfügbar.ȱEsȱistȱihmȱvorgegeben,ȱundȱerȱdeutetȱesȱ alsȱGnade.ȱȱ ȱ Dieȱ dritteȱ Frageȱ istȱ darumȱ dieȱ Frageȱ nachȱ denȱ Konsequenzenȱ diesesȱ Blickesȱ inȱ dieȱ Tiefe.ȱ Wasȱ sindȱ dieȱ Konsequenzenȱ diesesȱ Evangeliums,ȱ dassȱ Gottȱ herniederschautȱ inȱ dieȱ Weltȱ derȱ Menschen?ȱ Derȱ Psalmȱ legtȱ allenȱ Wertȱ aufȱ dasȱ Bekenntnis,ȱ dassȱ derȱ Blickȱ inȱ dieȱ Tiefeȱ nichtȱ ohneȱ Wirkungȱbleibt;ȱdassȱderȱGott,ȱzuȱdemȱerȱsichȱbekennt,ȱeinȱaktiverȱGottȱ ist,ȱderȱherniederschaut,ȱumȱzuȱhandeln.ȱȱ ErȱkannȱzweiȱBeispieleȱnennen,ȱundȱhierȱwirdȱseinȱBekenntnisȱganzȱ konkret.ȱDieȱBeispieleȱstehenȱdafür,ȱauszusagen,ȱwieȱGottȱhandelt,ȱumȱ dieȱArtȱundȱWeiseȱseinesȱZugriffsȱzumȱAusdruckȱzuȱbringen.ȱ ȱ DasȱersteȱBeispielȱistȱausȱdemȱSozialbereichȱgenommen:ȱ DerȱausȱdemȱStaubȱdenȱGeringenȱaufrichtet,ȱ ausȱdemȱKotȱdenȱArmenȱerhebt.ȱ

336ȱ

21.ȱKrisenfestesȱBekenntnisȱ

Esȱ gehtȱ umȱ die,ȱ dieȱ ganzȱ untenȱ imȱ Dreckȱ leben.ȱ Derȱ Psalmistȱ nimmtȱ keinȱBlattȱvorȱMundȱundȱNaseȱundȱbenütztȱzweiȱWörter,ȱdieȱdeutlicherȱ nichtȱ seinȱ könntenȱ undȱ denȱ Geruchȱ dessenȱ anȱ sichȱ haben,ȱ dasȱ sieȱ beȬ zeichnen.ȱ Mitȱ „Staub“ȱ undȱ „Kot“ȱ istȱ dasȱ vergleichsweiseȱ etwasȱ sterilȱ übersetzt,ȱnäherȱheranȱkommenȱdaȱschonȱdieȱAusdrückeȱ„Dreck“ȱundȱ „Müll“.ȱDasȱistȱsieȱalsoȱkonkret,ȱdieȱTiefe,ȱzuȱderȱGottȱherniederschaut,ȱ jaȱ inȱ dieȱ erȱ herniedersteigt,ȱ inȱ derȱ erȱ zuȱ wühlenȱ undȱ räumenȱ sichȱ anȬ schickt,ȱum,ȱjaȱumȱdasȱLebenȱderȱdortȱExistierendenȱzuȱretten.ȱ UnsereȱgutbürgerlicheȱWeltȱlässtȱsichȱnichtȱsoȱleichtȱalsȱeinȱLebenȱinȱ Dreckȱ undȱ Müllȱ beschreiben.ȱ Dasȱ wäreȱ gegenüberȱ derȱ hierȱgenanntenȱ Lebenslageȱ eineȱ Übertreibungȱ undȱ einȱ Unrecht.ȱ Trotzdemȱ istȱ unsȱ inȱ unsererȱgutenȱGesellschaftȱsolchesȱLebenȱdurchausȱbekannt,ȱwirȱbrauȬ chenȱnurȱdieȱAugenȱetwasȱaufzumachenȱundȱinȱWinkelȱundȱEckenȱzuȱ sehenȱ anȱ Bahnhöfenȱ undȱ Gassenzimmern.ȱ Ebensoȱ gibtȱ esȱ Stationenȱ inȱ SpitälernȱundȱHeilanstalten,ȱdieȱwenigȱandersȱsind.ȱDortȱlebenȱdieȱArȬ menȱdieserȱWelt,ȱaufȱdieȱGottȱherniederschaut,ȱumȱsieȱausȱdemȱSchlaȬ masselȱzuȱziehen.ȱȱ EsȱgibtȱaberȱnichtȱnurȱdieseȱFormȱderȱArmut,ȱesȱgibtȱauchȱseelischeȱ Armut,ȱwoȱesȱdenȱMenschenȱ–ȱwieȱmanȱsoȱsagtȱ–ȱdreckigȱgeht,ȱdassȱsieȱ sichȱselbstȱalsȱMüllȱdesȱLebensȱvorkommen.ȱÜberȱUrsachenȱsprichtȱderȱ Psalmistȱ nicht.ȱ Erȱ gehtȱ vonȱ derȱ akutenȱ Situationȱ aus.ȱ Undȱ erȱ istȱ derȱ Meinung,ȱdassȱgeradeȱdortȱinȱderȱTiefeȱderȱArmutȱundȱderȱNotȱGottesȱ BlickȱhinreichtȱundȱseinȱArmȱzugreift,ȱundȱerȱhältȱanȱdiesemȱBekenntȬ nisȱfestȱalsȱdemȱWichtigsten,ȱwasȱesȱvonȱGottȱzuȱsagenȱgibt.ȱDerȱPsalȬ mistȱzeichnetȱunsȱdasȱBildȱeinesȱGottes,ȱderȱsichȱdieȱHändeȱschmutzigȱ macht,ȱumȱMenschenȱzuȱretten.ȱEsȱistȱdiesesȱBild,ȱanȱdemȱerȱunbedingtȱ festhaltenȱmöchte.ȱDennȱdaranȱhängtȱfürȱihnȱalles.ȱ ȱ Dasȱ zweiteȱ Beispielȱ istȱ sozusagenȱ ausȱ demȱ Mikrobereichȱ gewähltȱ undȱ beziehtȱ sichȱ aufȱ dieȱ Körperwelten,ȱ woȱ fürȱ unsȱ dieȱ Medizinȱ zuständigȱ ist.ȱ Eineȱ solcheȱ warȱ demȱ Psalmistenȱ nochȱ nichtȱ bekannt.ȱ Medizinȱ istȱ aufsȱ Ganzeȱ gesehenȱ eineȱ Errungenschaftȱ erstȱ derȱ modernenȱ Zeit.ȱ TrotzdemȱmachtȱerȱamȱBeispielȱklar,ȱwasȱerȱmeint,ȱundȱseinȱGedankenȬ gangȱistȱfastȱmodernȱ–ȱnichtȱnurȱdeshalb,ȱweilȱseinȱzweitesȱBeispielȱderȱ weiblichenȱLebensweltȱentnommenȱist:ȱȱ DerȱdieȱUnfruchtbare,ȱdieȱKinderloseȱȱ zurȱfröhlichenȱMutterȱvonȱKindernȱmacht.ȱ

InȱderȱSpracheȱeinerȱnahezuȱmedizinlosenȱZeitȱsprichtȱerȱvomȱWunderȱ derȱHeilung.ȱUndȱeinȱWunderȱbleibtȱeineȱHeilungȱauchȱfürȱdie,ȱdieȱmitȱ allerȱMedizinȱversorgtȱwerdenȱkönnen.ȱErȱscheutȱsichȱnicht,ȱzuȱbekenȬ nen,ȱdassȱauchȱinȱderȱinnerenȱWeltȱdesȱOrganismusȱGottȱEingriffeȱvorȬ nehmenȱ kannȱ undȱ will,ȱ soȱ dassȱ Lebensschädenȱ behobenȱ werden.ȱȱ

ȱ

21.ȱKrisenfestesȱBekenntnisȱ

337ȱ

Ja,ȱ erȱistȱ derȱÜberzeugung,ȱ dassȱauchȱ dieȱ innereȱ Körperweltȱ inȱseinenȱ Zuständigkeitsbereichȱ fällt.ȱ Nichts,ȱ auchȱ dasȱ Intimsteȱ nicht,ȱ stehtȱ auȬ ßerhalbȱ seinesȱ Handelns.ȱ Undȱ auchȱ diesȱ istȱ fürȱ seinenȱ Glaubenȱ einȱȱ Faktum.ȱ ȱ Manȱ hatȱ zuȱ staunenȱ überȱ dieȱ weitenȱ Dimensionen,ȱ inȱ denenȱ dieserȱ Psalmistȱ alsȱ antikerȱ Menschȱ zuȱ denkenȱ vermag.ȱ Soȱ siehtȱ erȱ dieȱ ganzeȱ geweiteteȱ Welt,ȱ wieȱ sieȱ vorȱ Gottesȱ Augenȱ daliegt:ȱ Derȱ Makrokosmosȱ desȱUniversumsȱinȱdenȱdamalsȱmöglichenȱVorstellungenȱ–ȱGottȱjenseitsȱ derȱHimmel;ȱdannȱdieȱTiefeȱderȱErde,ȱwoȱdasȱmenschlicheȱLebenȱverȬ läuftȱ –ȱ mitȱ ihrenȱ sozialenȱ Untiefenȱ vonȱ Staubȱ undȱ Dreck;ȱ zuletztȱ dieȱ Mikroweltȱ desȱ menschlichenȱ Körpersȱ mitȱ seinemȱ kompliziertȱ funktioȬ nierendenȱOrganismus.ȱUndȱerȱsiehtȱinȱallenȱdiesenȱRäumenȱderȱWeltȱ GottȱamȱWerk,ȱderȱherabsieht,ȱzupacktȱundȱeingreift.ȱWorteȱeinesȱkühȬ nenȱ Glaubens,ȱ Einsichtenȱ inȱ Fakten,ȱ dieȱ derȱ Glaubeȱ vermittelt,ȱ dieȱ ihȬ rerseitsȱKonsequenzenȱverlangen.ȱ DerȱkleineȱPsalm,ȱderȱüberȱdasȱGrößteȱundȱWichtigsteȱinȱderȱWeltȱ spricht,ȱistȱanȱsichȱeinȱUnikum.ȱInȱdieȱtraditionelleȱliturgischeȱFormȱgeȬ kleidetȱ undȱ soȱ unterȱ Liedtextenȱ aufbewahrt,ȱ istȱ erȱ einȱ unscheinbaresȱ Zeugnis.ȱ Immerhinȱ deutenȱ dieȱ Evangelienȱ an,ȱ Jesusȱ habeȱ diesenȱȱ PassahȬPsalmȱamȱVorabendȱseinesȱTodesȱgebetet.ȱErȱistȱnurȱdasȱSchild,ȱ dasȱdieȱRichtungȱanzeigt.ȱErȱhatteȱjaȱnurȱaufȱFaktenȱzuȱverweisen.ȱAusȱ sichȱselbstȱhatteȱerȱnichtsȱzuȱmachen.ȱSoȱistȱerȱliterarischȱauchȱnurȱeinȱ Torso.ȱAbruptȱistȱseinȱEnde.ȱErȱbrichtȱseineȱGedankenȱab.ȱErȱhatteȱgeȬ sagt,ȱwasȱerȱsagtenȱwollte.ȱȱ Damitȱaberȱbeginntȱfürȱihnȱ–ȱwieȱfürȱunsȱ–ȱdieȱZeitȱdesȱReagierens,ȱ desȱHandelns,ȱunseresȱHandelns.ȱWirȱhabenȱdasȱSchildȱgesehen.ȱNachȱ biblischerȱ Einsichtȱ hatȱ sichȱ allesȱ menschlicheȱ Handelnȱ anȱ Gottesȱ VorȬ bildȱ zuȱ orientieren.ȱ Dabeiȱ gehtȱ esȱ nichtȱ umȱ einȱ Imitieren,ȱ schonȱ garȱ nichtȱumȱeinȱReduzieren,ȱetwaȱnurȱaufȱdieȱhierȱgewähltenȱBeispieleȱvonȱ Aktivität.ȱAberȱdieȱRichtungȱmussȱstimmen!ȱDieȱGrundhaltungȱsolltenȱ wirȱinȱunsȱaufnehmen,ȱwieȱsieȱdasȱEvangeliumȱdiesesȱPsalmsȱverkünȬ digt:ȱdassȱwirȱmitȱdemȱBlickȱinȱdieȱHöheȱdenȱewigenȱGottȱehren;ȱdassȱ wirȱ zugleichȱ mitȱ ihmȱ dieȱ unappetitlichenȱ undȱ unangenehmenȱ Tiefenȱ desȱLebensȱinȱBlickȱnehmen,ȱumȱzuȱsehen,ȱobȱdaȱnochȱLebenȱist,ȱdemȱ geholfenȱwerdenȱkann.ȱUndȱfürȱdieȱinnersteȱKörperwelt,ȱdieȱwirȱtrotzȱ allenȱ Fortschrittsȱ zumindestȱ aufȱ absehbareȱ Zeitȱ wohlȱ nochȱ nichtȱ werȬ denȱganzȱbeherrschenȱkönnen,ȱkönnenȱundȱdürfenȱwirȱaufȱGottesȱEinȬ griff,ȱaufȱdasȱWunderȱhoffen.ȱSoȱistȱesȱnebenȱderȱEinsichtȱdesȱGlaubensȱ inȱ dieȱ Faktenȱ notwendig,ȱ dieȱ Richtungȱ insȱ Augeȱ zuȱ fassen,ȱ dieȱ derȱ Psalmistȱunsȱvorschlägt,ȱalsȱdieȱHaltung,ȱdieȱderȱGlaubeȱeinzunehmenȱ hat:ȱdieȱdesȱLobpreisesȱfürȱdenȱHerrnȱüberȱdenȱHimmeln,ȱderȱaktivenȱ

338ȱ

21.ȱKrisenfestesȱBekenntnisȱ

MithilfeȱinȱdenȱTiefenȱderȱmenschlichenȱGesellschaftȱundȱderȱHoffnungȱ aufȱdasȱHandelnȱGottes,ȱdasȱimmerȱeinȱWunderȱbleibenȱwird.ȱ LiebeȱGemeinde,ȱwennȱwirȱFusionenȱeingehenȱwollenȱoderȱmüssen,ȱ istȱesȱnotwendigȱdieȱeigeneȱPositionȱzuvorȱzuȱklären.ȱDerȱPsalmȱkannȱ unsȱdazuȱverhelfen.ȱEsȱgibtȱFakten,ȱaufȱdieȱderȱGlaubeȱbaut.ȱSieȱstehenȱ ihmȱfest.ȱErȱistȱnichtȱfrei,ȱsieȱzuȱändern.ȱDerȱPsalmȱzeigtȱihmȱdieȱRichȬ tung,ȱinȱdieȱerȱzuȱgehenȱhat.ȱDasȱmachtȱihnȱsouveränȱundȱfrei,ȱauchȱzuȱ GesprächenȱüberȱFusionen.ȱMehrȱbrauchtȱesȱnicht,ȱaberȱauchȱnichtȱweȬ niger.ȱMitȱdemȱPsalmȱwerdenȱwirȱalleȱBrändeȱundȱKrisenȱüberstehen.ȱ ȱ Amen.ȱ

ȱ

22.ȱEngeȱundȱWeite.ȱ PredigtȱüberȱPsȱ119,26.ȱ ÖkumenischerȱSemestereröffnungsȬGottesdienstȱ inȱderȱPeterskircheȱBaselȱamȱ29.ȱOktoberȱ1997ȱ ȱ ȱ LiebeȱGemeinde,ȱ fürȱ unsereȱ biblischeȱ Besinnungȱ habeȱ ichȱ einenȱ Spruchȱ ausȱ demȱ 119.ȱ Psalmȱgewählt,ȱjenerȱgroßenȱSammlungȱvonȱAphorismen,ȱdieȱImpulseȱ gebenȱundȱunserȱDenkenȱundȱHandelnȱanstoßenȱwollen.ȱDerȱSpruchȱistȱ derȱ 96.ȱ inȱ derȱ Folgeȱ derȱ 176ȱ nachȱ demȱ Alphabetȱ geordnetenȱ undȱ derȱ letzteȱ derȱ acht,ȱ dieȱ mitȱ demȱ hebräischenȱ Buchstabenȱ Lamedȱ =ȱ lȱ beȬ ginnen.ȱ Erȱ lautetȱ inȱ derȱ Übersetzungȱ derȱ neuenȱ Revisionȱ derȱ Zürcherȱ Bibelȱvonȱ1996:ȱ Ichȱsah,ȱdassȱallesȱVollkommeneȱeineȱGrenzeȱhat,ȱ aberȱgrenzenlosȱweitȱreichtȱdeinȱGebot.ȱ

Werȱ hierȱ „ich“ȱ sagt,ȱ wissenȱ wirȱ nicht.ȱ Dochȱ istȱ erȱ wohlȱ derȱ Erbauerȱ diesesȱ Eiffelturmsȱ vonȱ einemȱ Psalm.ȱ Derȱ Psalmȱ bestehtȱ ausȱ lauterȱ gleichartigenȱBauteilen.ȱDochȱjederȱderȱ176ȱVerseȱistȱeinȱStückȱfürȱsich,ȱ ebenȱ einȱ Aphorismus.ȱ Undȱ Aphorismenȱ wollenȱ nichtȱ fortlaufendȱ geȬ lesen,ȱ auchȱ nichtȱ überflogenȱ werden.ȱ Sieȱ müssenȱ meditiertȱ werden.ȱ DabeiȱistȱjedesȱWort,ȱjedeȱSilbeȱvonȱBedeutung.ȱAuchȱderȱAphorismusȱ 96ȱ istȱ eineȱ poetischeȱ Sentenz,ȱ einȱ kostbarerȱ Edelstein,ȱ geschliffenȱ wieȱ einȱDiamant.ȱErȱhatȱnurȱeinenȱkleinenȱMakel.ȱDasȱschöneȱWortspielȱistȱ beschädigt.ȱDieȱBearbeiter,ȱdieȱdieȱFassungȱhergestelltȱhaben,ȱdieȱerstenȱ Leserȱ oderȱ Abschreiberȱ habenȱ einȱ überflüssigesȱ Wortȱ eingefügt.ȱ Esȱ stammtȱ ausȱ derȱ griechischenȱ Fassung.ȱ Dasȱ istȱ nichtȱ seltenȱ inȱ diesenȱ Texten.ȱEinȱerklärendesȱWort,ȱvielleichtȱanȱdenȱRandȱgeschrieben,ȱgerätȱ inȱdenȱText.ȱAberȱdortȱstörtȱes.ȱOffensichtlichȱistȱesȱdasȱWortȱ„dasȱVollȬ kommene“.ȱ Esȱ fälltȱ ausȱ demȱ Rahmenȱ derȱ Versstruktur.ȱ Esȱ entsprichtȱ griechischemȱDenken.ȱEsȱistȱdavonȱauszugehen,ȱdassȱderȱAphorismusȱ zuvorȱvielȱknapperȱundȱeindeutigerȱformuliertȱwar:ȱ Ichȱsah,ȱdassȱallesȱeineȱGrenzeȱhat,ȱ aberȱgrenzenlosȱweitȱreichtȱdeinȱGebot“ȱ

Dieserȱ Versȱ stelltȱ unsȱ nunȱ eineȱ meditativeȱ Aufgabe.ȱ Sieȱ bestehtȱ darin,ȱ unserȱ Lebensgefühlȱ zuȱ testenȱ undȱ überȱ dieȱ Grenzenȱ unseresȱ Lebensȱ

340ȱ

22.ȱEngeȱundȱWeiteȱ

nachzudenken,ȱundȱzwarȱ–ȱundȱdaȱistȱderȱhebräischeȱVersȱkonkreterȱalsȱ derȱ griechischeȱ –ȱ überȱ dieȱ räumlichenȱ Grenzenȱ diesesȱ unseresȱ gegenȬ wärtigenȱLebens.ȱDerȱgriechischeȱVersȱwillȱüberȱdasȱVollkommeneȱimȱ Allgemeinenȱreflektieren,ȱüberȱdasȱÄsthetischeȱdesȱVollkommenen.ȱDerȱ hebräischeȱ Versȱ leitetȱ unsȱ an,ȱ aufȱ dieȱ Realitätȱ unseresȱ jetzigenȱ Lebensȱ zuȱ blicken,ȱ sozusagenȱ unsȱ selbstȱ zuȱ erforschen,ȱ mitȱ derȱ Frage,ȱ inȱ welȬ chenȱräumlichenȱGrenzenȱwirȱeigentlichȱleben.ȱDabeiȱgibtȱunsȱderȱVerȬ fasserȱ dasȱ Ergebnisȱ seinerȱ eigenenȱ Bemühungȱ vor:ȱ Erȱ behauptet,ȱ erȬ fahrenȱ zuȱ haben,ȱ dassȱ allesȱ seineȱ Grenzeȱ hat.ȱ Dasȱ klingtȱ zunächstȱ wieȱ einȱ philosophischerȱ Satz.ȱ Erȱ könnteȱ auchȱ beiȱ denȱ Griechenȱ zuȱ findenȱ sein,ȱ dieȱ überȱ dasȱ Seiendeȱ undȱ überȱ dasȱ Nichtseiendeȱ nachdachten.ȱ Allesȱ Dingȱ hatȱ seineȱ Zeit.ȱ Hartȱ stoßenȱ sichȱ dieȱ Dingeȱ imȱ Raum.ȱ Dochȱ dasȱ istȱ esȱ geradeȱ nicht,ȱ wasȱ derȱ Psalmistȱ bedenkenȱ will.ȱ Abstraktȱ zuȱ denkenȱ liegtȱ ihmȱ fern.ȱ Erȱ formuliertȱ eineȱ Lebenserfahrung,ȱ dieȱ QuintȬ essenzȱeigenerȱBeobachtung:ȱEsȱgibtȱnichts,ȱdasȱgrenzenlosȱwäre,ȱkeineȱ Unendlichkeitȱ imȱ Leben.ȱ Dochȱ auchȱ soȱ istȱ dieȱ Aussageȱ nochȱ vielȱ zuȱ abstrakt.ȱ Derȱ Psalmistȱ stehtȱ konkretȱ aufȱ seinemȱ IchȬStandpunktȱ undȱ schautȱ inȱ dasȱ Umfeldȱ seinesȱ Lebensȱ undȱ erkennt,ȱ dassȱ erȱ überallȱ anȱ Grenzenȱstößt.ȱȱ SoweitȱmitȱdemȱWortȱdesȱPsalmistenȱmitgegangen,ȱsindȱwirȱsicherȱ bereit,ȱnunȱausȱeigenerȱErfahrungȱweiterzudenken.ȱDennȱwasȱzunächstȱ wieȱ eineȱ Binsenweisheitȱ klingt,ȱ entpupptȱ sichȱ baldȱ alsȱ eineȱ tiefeȱ EinȬ sichtȱinȱdieȱGrundbedingungȱunseresȱLebens.ȱÜberallȱgibtȱesȱräumlicheȱ Grenzen!ȱ Esȱ giltȱ imȱ wörtlichstenȱ Sinne,ȱ denktȱ manȱ anȱ dieȱ Räume,ȱ inȱ denenȱ sichȱ dasȱ Lebenȱ abspielt.ȱ Vielleichtȱ habenȱ Sieȱ selbstȱ dasȱ Glückȱ einesȱ großenȱ Studierzimmersȱ oderȱ einesȱ Raumsȱ alleinȱ fürȱ sichȱ selbst,ȱ garȱ eineȱ Wohnung,ȱ einȱ Haus?ȱ Raumȱ umȱ sichȱ zuȱ haben,ȱ genügendȱ RaumȱohneȱGrenzen,ȱistȱLebensqualität.ȱMeistȱjedochȱistȱmanȱoderȱfühltȱ manȱ sichȱ mehrȱ oderȱ wenigerȱ beengtȱ durchȱ vielerleiȱ Grenzenȱ undȱ BeȬ drängnissen.ȱ Magȱ dieȱ Lebenssituationȱ objektivȱ alsȱ geräumigȱ erȬ scheinen,ȱesȱgibtȱKennzeichen,ȱdieȱdaraufȱdeuten,ȱdassȱvieleȱMenschenȱ subjektivȱ unterȱ ihrerȱ räumlichenȱ Engeȱ leiden.ȱ Ichȱ deuteȱ nurȱ anȱ undȱ nenneȱ alsȱ Symptomȱ desȱ Leidensȱ unterȱzuȱ großerȱ Engeȱ etwaȱ dasȱFernȬ weh,ȱ dasȱ offensichtlichȱ dieȱ Menschenȱ inȱ großemȱ Umfangȱ erfasstȱ zuȱ habenȱscheint.ȱNieȱgabȱesȱwohlȱsoȱvielȱMobilitätȱinȱderȱWeltȱwieȱinȱderȱ heutigenȱ Zeit.ȱ Jederȱ Autobesitzerȱ fährtȱ jedesȱ Jahrȱ nachȱ Kilometernȱ geȬ zähltȱ einȱ paarȱ Malȱ umȱ dieȱ Erde,ȱ fliegtȱ möglicherweiseȱ nochȱ größereȱ Entfernungen.ȱ Gibtȱ esȱ dafürȱ einenȱ Grund?ȱ Ichȱ nenneȱ dasȱ Fernsehen:ȱ dasȱFensterȱzuȱderȱaufȱSchirmgrößeȱverkleinertenȱgroßenȱWeltȱübtȱeineȱ unheimlicheȱFaszinationȱaus,ȱanȱdieȱmanȱsichȱaufȱDauerȱoffenbarȱdochȱ nichtȱ gewöhnenȱ kann.ȱ Istȱ unsȱ unsereȱ eigeneȱ Weltȱ mitȱ ihrenȱ MöglichȬ

ȱ

22.ȱEngeȱundȱWeiteȱ

341ȱ

keitenȱzuȱeng,ȱoderȱwirdȱunsȱsuggeriert,ȱsieȱseiȱzuȱeng?ȱOderȱleidenȱwirȱ tatsächlichȱanȱdenȱumȱunsȱgezogenenȱGrenzen?ȱ Wirȱ stoßenȱ auchȱ anȱ dieȱ Grenzenȱ imȱ übertragenenȱ Sinn.ȱ Wirȱ komȬ menȱdahin,ȱwoȱesȱnichtȱweiterȱgeht,ȱwoȱeineȱWandȱist,ȱwoȱwirȱdieȱEngeȱ undȱ ihreȱ Zwängeȱ fühlen.ȱ Angstȱ istȱ einȱ Phänomen,ȱ dasȱ ausȱ derȱ Engeȱ entsteht.ȱWennȱzuȱvieleȱnachȱdemȱPlatzȱstreben,ȱderȱauchȱunserȱZielȱistȱ …ȱ Wennȱ manȱ inȱ großerȱ Mengeȱ mitgehtȱ –ȱ wohlȱ wissend,ȱ dassȱ geradeȱ dieȱMengeȱdieȱÄngsteȱerzeugt.ȱUndȱdannȱebenȱdieȱGrenzenȱderȱeigenenȱ Fähigkeiten.ȱ Esȱ gehörtȱ wohlȱ mehrȱ dennȱ jeȱ zuȱ denȱ Effektenȱ desȱ StudiȬ ums,ȱ dieȱ eigenenȱ Grenzenȱ erfahrenȱ zuȱ müssenȱ undȱ demgemäßȱ dannȱ denȱLebensplanȱzuȱgestalten.ȱManȱmussȱlernen,ȱmitȱsolchenȱGrenzenȱzuȱ leben.ȱ Undȱ natürlichȱ bringtȱ dasȱ Zusammenlebenȱ mitȱ sich,ȱ dassȱ Grenzenȱ entstehen,ȱvertieftȱwerden,ȱgeschlossenȱwerden,ȱbewachtȱwerden.ȱDortȱ istȱ einȱ besondersȱ neuralgischerȱ Punkt.ȱ Dortȱ sindȱ wirȱ amȱ empfindȬ lichsten,ȱ gibtȱ esȱ schnellȱ eineȱ Schmerzgrenze,ȱ gibtȱ esȱ Kollisionenȱ undȱ Grenzkonflikteȱ…ȱȱ DassȱauchȱallesȱVollkommeneȱeineȱGrenzeȱhatȱ–ȱdaȱhatȱderȱGlossaȬ torȱ gewissȱ rechtȱ –ȱ istȱ auchȱ eineȱ Erfahrungȱ –ȱ sagenȱ wirȱ –ȱ aufȱ höhererȱ Ebene,ȱ etwaȱ inȱ derȱ Kunstȱ undȱ Ästhetik.ȱ Davonȱ sprichtȱ derȱ hebräischeȱ Aphoristikerȱ dochȱ wohlȱ nicht.ȱ Erȱ sprichtȱ davon,ȱ wasȱ wirȱ imȱ Grundeȱ alleȱ wissen,ȱ vonȱ demȱ grundlegendenȱ Lebensgefühl,ȱ dassȱ unsȱ überallȱ Grenzenȱumgeben,ȱbeengen,ȱeinschnüren,ȱerdrückenȱkönnenȱundȱdassȱ esȱ zurȱ ständigenȱ Aufgabeȱ gehört,ȱ mitȱ einengendenȱ Grenzenȱ zuȱ lebenȱ undȱsichȱmitȱderȱGefahrȱderȱEnge,ȱmitȱderȱAngstȱständigȱauseinanderȬ zusetzen.ȱ ȱ Dasȱ istȱ aberȱ nurȱ dieȱ ersteȱ Aufgabe.ȱ Derȱ Aphoristikerȱ stelltȱ unsȱ nochȱ eineȱ zweiteȱ Aufgabe.ȱ Dieseȱ istȱ wenigerȱ erkenntnisbezogen,ȱ wenigerȱ analytisch,ȱdaraufȱkonzentriert,ȱdieȱeigeneȱSituationȱzuȱbedenken.ȱEsȱistȱ dieȱ Aufgabe,ȱ wegzublickenȱ vonȱ sich,ȱ dieȱ Klageȱ überȱ dieȱ eigeneȱ SituaȬ tionȱzuȱbeendenȱundȱihmȱgedanklichȱzuȱfolgen.ȱEsȱistȱeineȱAufgabeȱderȱ Nachahmung,ȱ desȱ Nachvollzugs,ȱ derȱ Bewegung,ȱ nichtȱ mehrȱ desȱ StillȬ standsȱundȱVerharrensȱaufȱdemȱeigenenȱIchpunkt.ȱImȱzweitenȱSatzȱsagtȱ derȱPsalmistȱnichtȱmehr:ȱIchȱsah.ȱVielmehrȱgehtȱerȱzumȱHandelnȱüber.ȱ ErȱwendetȱsichȱvonȱsichȱundȱseinerȱWeltȱab,ȱwendetȱsichȱauchȱvonȱuns,ȱ seinenȱZuhörern,ȱabȱ–ȱundȱerȱsprichtȱeinȱGebet.ȱ „Aber“ȱsagtȱer,ȱindemȱerȱsichȱumwendet:ȱDieȱSituationsanalyseȱistȱ zwarȱrichtig,ȱdieȱDiagnoseȱstimmt,ȱdieȱconditionȱhumaineȱistȱnunȱeinȬ malȱ soȱ –ȱ aberȱ dasȱ istȱ nichtȱ alles.ȱ Jedenfallsȱ nichtȱ fürȱ ihn.ȱ SituationsȬ analysenȱ alleinȱ –ȱ esȱ denke,ȱ werȱ will,ȱ auchȱ anȱ einenȱ Karlȱ Marxȱ –ȱȱ genügenȱnicht.ȱDennȱsieȱändernȱalsȱsolcheȱnochȱnichtsȱoderȱnichtȱviel,ȱ

342ȱ

22.ȱEngeȱundȱWeiteȱ

sindȱ jedenfallsȱ inȱ Gefahr,ȱ zuȱ Zwängenȱ zuȱ erstarren.ȱ Allesȱ richtigȱ undȱ wahr,ȱaberȱnichtȱhilfreich!ȱDerȱAphoristikerȱglaubt,ȱunsȱvormachenȱzuȱ sollen,ȱ wieȱ manȱ einenȱ Perspektivenwechselȱ vollzieht,ȱ inȱ Bewegungȱ kommt.ȱ Wegȱ vonȱ derȱ Nabelschau,ȱ herausȱ ausȱ derȱ Engeȱ –ȱ hinȱ zuȱ…ȱ jaȱ wohin?ȱ Früherȱ übersetzteȱ manȱ denȱ Versȱ mitȱ demȱ Begriffȱ„Unendlichkeit“:ȱ Wegȱ vonȱ denȱ endlichenȱ Dingen,ȱ hinȱ zurȱ Unendlichkeit!ȱ Dochȱ dasȱ istȱ dasȱromantischeȱLebensgefühl.ȱWoȱwäreȱdennȱdieȱUnendlichkeit,ȱwennȱ esȱ dennȱ stimmt,ȱ dassȱ sieȱ inȱ dieserȱ Weltȱ nichtȱ ist?ȱ Derȱ Psalmistȱ drücktȱ sichȱ andersȱ aus:ȱ „aberȱ grenzenlosȱ weitȱ reichtȱ deinȱ Gebot“.ȱ Wörtlichȱ übersetztȱ undȱ nochȱ deutlicherȱ lautetȱ derȱ Satz:ȱ „eineȱ großeȱ Weiteȱ hatȱ deinȱ Gebot“.ȱDaȱ nunȱistȱ dieȱ Öffnungȱ derȱ Enge:ȱ dieȱgroßeȱ Weite.ȱUnd:ȱ SieȱöffnetȱsichȱimȱgöttlichenȱGebot.ȱ„Gebot“ȱistȱeinerȱderȱachtȱBegriffe,ȱ dieȱderȱAphoristikerȱalsȱVariantenȱfürȱdasȱWortȱGottesȱgebraucht.ȱDasȱ Gebotȱ istȱ dasȱ Wortȱ Gottesȱ nachȱ derȱ Seiteȱ desȱ göttlichenȱ Willens,ȱ alsȱ Impulsȱ zumȱ Handeln,ȱ dasȱ ethischeȱ Wort.ȱ Diesesȱ istȱ es,ȱ dasȱ eineȱ neueȱ Weltȱöffnet.ȱ Meintȱetwaȱjemand,ȱchristlicheȱEthikȱseiȱengȱundȱkleinkariert?ȱDasȱ wäreȱeinȱIrrtum,ȱzwarȱnichtȱganzȱohneȱGrundȱentstandenȱinȱeinerȱZeit,ȱ alsȱmanȱchristlicheȱEthikȱaufȱMoral,ȱgarȱaufȱSexmoral,ȱreduzierte!ȱGroȬ ßerȱFehlerȱallerȱchristlichenȱMoralapostel!ȱDasȱgöttlicheȱGebotȱhatȱWeiȬ te,ȱdennȱesȱöffnetȱdieȱGrenzenȱundȱführtȱinȱeinenȱgrenzenlosenȱRaum.ȱ Dasȱ istȱ dasȱ Lebensgefühlȱ desȱ Glaubensȱ –ȱ soȱ lehrtȱ unsȱ derȱ weiseȱ PsalȬ mist:ȱdasȱGefühlȱderȱunbegrenztenȱWeite,ȱohneȱalleȱEngeȱundȱGrenzen.ȱ Wieȱistȱdasȱzuȱverstehen?ȱ DerȱPsalmistȱerinnertȱunsȱganzȱschlichtȱanȱdreiȱDinge:ȱ EinmalȱanȱdasȱGebet.ȱDerȱPsalmistȱwendetȱsichȱjaȱselbstȱzumȱGebetȱ undȱsprichtȱganzȱunvermitteltȱmitȱseinemȱGott.ȱDasȱGebetȱsprengtȱalleȱ Grenzenȱundȱerlaubtȱes,ȱauchȱüberȱdasȱzuȱsprechen,ȱdasȱüberȱalleȱGrenȬ zenȱ unseresȱ Daseinsȱ hinausȱ reicht.ȱ Esȱ eröffnetȱ eineȱ neueȱ Dimension.ȱ DieseȱMöglichkeitȱdesȱRedensȱimȱGebetȱnimmtȱderȱPsalmistȱvorȱunseȬ renȱAugenȱwahr.ȱErȱsprichtȱmitȱdem,ȱderȱdieȱunbegrenztenȱMöglichkeiȬ tenȱhat,ȱundȱgewinntȱdadurchȱganzȱneueȱPerspektiven.ȱ Dasȱ Gebetȱ machtȱ unserȱ Lebenȱ grenzenlos.ȱ Unserȱ Sprechenȱ verȬ ändertȱsichȱinȱdiesemȱRaumȱundȱmitȱihmȱwirȱselbst.ȱ Erȱ erinnertȱ anȱ dasȱ biblischeȱ Wort,ȱ dasȱ ausȱ sichȱ eineȱ neueȱ Weltȱ erȬ öffnetȱ undȱ schafftȱ undȱ unsȱ inȱ denȱ weitenȱ Raumȱ dieserȱ neuenȱ Weltȱ stellt.ȱDieȱRedeȱistȱvomȱReicheȱGottes.ȱDieserȱRaumȱumgreiftȱinȱgroßerȱ Weiteȱ denȱ kleinenȱ ichȬzentriertenȱ Umkreis,ȱ derȱ unsȱ umgibtȱ undȱ oftȱ bedrängt.ȱEsȱistȱeinȱfreierȱRaum,ȱinȱdemȱganzȱandereȱMaßstäbeȱgelten,ȱ inȱdemȱtrennendeȱGrenzenȱaufgehobenȱsind.ȱVorȱallemȱistȱerȱeinȱalterȬ nativerȱLebensraum,ȱderȱsichȱdirektȱvorȱunsȱauftut,ȱinȱdemȱvielesȱmögȬ

ȱ

22.ȱEngeȱundȱWeiteȱ

343ȱ

lichȱ ist,ȱ wasȱ dieȱ eigenenȱ Grenzenȱ nichtȱ zuzulassenȱ scheinen.ȱ Unsereȱ LebensrichtungȱverändertȱsichȱinȱdiesemȱRaum.ȱȱ Johannes:ȱWohinȱsollenȱwirȱgehen?ȱDuȱhastȱWorteȱdesȱewigenȱLeȬ bens.ȱ Undȱ Paulus:ȱ Ichȱ vermagȱ allesȱ durchȱ den,ȱ derȱ michȱ mächtigȱ macht.ȱAllesȱ–ȱsagtȱderȱApostel!ȱ ErȱerinnertȱzuletztȱanȱdasȱWortȱGottesȱalsȱGebot,ȱanȱdenȱgöttlichenȱ Willen.ȱ Wasȱ istȱ dasȱ größteȱ Gebot?ȱ „…ȱ undȱ deinenȱ Nächstenȱ wieȱ dichȱ selbst!“ȱ Istȱ daȱ nichtȱ wiederȱ dieȱ Grenze,ȱ dieȱ unsȱ dieȱ Mitmenschenȱ setȬ zen?ȱWohlȱistȱesȱso,ȱaberȱimȱoffenenȱRaumȱwerdenȱdieȱGrenzenȱdurchȬ lässig,ȱ sindȱ keineȱ Grenzenȱ mehrȱ imȱ altenȱ Sinne,ȱ vielmehrȱ KontaktȬ flächen,ȱ dieȱ einȱ Miteinanderȱ möglichȱ machen.ȱ Dasȱ Gebotȱ derȱ NächstenliebeȱdeutetȱdieȱeinzigeȱGrenzeȱan,ȱdieȱesȱinȱdemȱweitenȱRaumȱ desȱGlaubensȱgibt.ȱDaȱwerdenȱdieȱvonȱallerȱEngeȱBefreitenȱ–ȱwieȱLutherȱ sagtȱ –ȱ zuȱ dienstbarenȱ Knechtenȱ allerȱ Menschen,ȱ dieȱ dieȱ Grenzenȱ zumȱ Nächstenȱachtenȱundȱverteidigen,ȱaberȱauchȱüberwinden.ȱȱ Allesȱ dasȱ kannȱ unserȱ Lebenȱ undȱ dasȱ Lebensgefühlȱ verändern.ȱ Esȱ ergibtȱ sichȱ fürȱ unsȱ dieȱ Aufgabe,ȱ imȱ Raumȱ derȱ unbegrenztenȱ MöglichȬ keitenȱ unseresȱ Glaubensȱ Zeichenȱ zuȱ setzen.ȱ DerȱWilleȱ Gottesȱ istȱ grenȬ zenlos.ȱUnsereȱPhantasie,ȱihnȱzuȱtun,ȱmussȱebenfallsȱgrenzenlosȱsein.ȱ AnȱwasȱderȱPsalmversȱunsȱerinnert,ȱdasȱistȱnichtȱneu.ȱAberȱesȱmussȱ neuȱvollzogenȱwerden.ȱSonstȱsinkenȱwirȱzurückȱinȱdieȱlähmendeȱEngeȱ unsererȱ alltäglichenȱ Zwänge.ȱ Dochȱ wäreȱ dasȱ schade.ȱ Folgenȱ wirȱ ihm,ȱ ergibtȱ sichȱ dieȱ Möglichkeit,ȱ einȱ neuesȱ Lebensgefühlȱ zuȱ findenȱ undȱ zuȱ entwickeln.ȱDasȱsollȱ–ȱinȱdiesemȱSinneȱ–ȱgrenzenlosȱsein.ȱSoȱjedenfallsȱ siehtȱesȱderȱPsalmist.ȱ ȱ Amen.

ȱ

ȱ

Quellennachweisȱ ȱ ȱ 1.ȱStudyȱofȱtheȱPsalmsȱinȱtheȱ19thȱCentury.ȱEntwurfȱzuȱeinemȱBeitragȱfürȱ dasȱProjektȱHebrewȱBible/OldȱTestament:ȱTheȱHistoryȱofȱItsȱInterpretaȬ tionȱ(HBOTȱIIIȱ1),ȱed.ȱbyȱM.ȱSæbø,ȱGöttingenȱ2009ȱ(unveröffentlicht).ȱ 2.ȱW.ȱM.ȱL.ȱdeȱWettesȱArbeitȱanȱdenȱPsalmen,ȱin:ȱWilhelmȱMartinȱLebeȬ rechtȱdeȱWette.ȱEinȱUniversaltheologeȱdesȱ19.ȱJahrhunderts,ȱhg.ȱv.ȱH.ȬP.ȱ Mathys/K.ȱSeybold,ȱBaselȱ2001,ȱ62–78.ȱ 3.ȱ Bernhardȱ Duhmsȱ Psalmenkommentar.ȱ Eineȱ Glosse,ȱ in:ȱ Religionȱ inȱ Basel.ȱEinȱLeseȬȱundȱBilderbuch,ȱUlrichȱGäblerȱzumȱ60.ȱGeburtstag,ȱhg.ȱ Th.ȱK.ȱKuhn/M.ȱSallmann,ȱBaselȱ2001,ȱ77–80.ȱ 4.ȱ Davidȱ alsȱ Psalmsängerȱ derȱ Bibel.ȱ Entstehungȱ einerȱ Symbolfigur,ȱ in:ȱ W.ȱ Dietrich/H.ȱHerkommerȱ (Hgg.),ȱ Königȱ Davidȱ –ȱ biblischeȱ SchlüsselȬ figurȱundȱeuropäischeȱLeitgestalt,ȱStuttgartȱ2003,ȱ145–164.ȱ 5.ȱKlangformenȱimȱ44.ȱPsalm,ȱin:ȱMeinȱHausȱwirdȱeinȱBethausȱfürȱalleȱ Völkerȱgenanntȱ werdenȱ(Jesȱ 56,7).ȱJudentumȱ seitȱderȱZeitȱ desȱ Zweitenȱ Tempels,ȱ in:ȱ Geschichte,ȱ Literaturȱ undȱ Kult,ȱ FSȱ Th.ȱ Willi,ȱ hg.ȱv.ȱȱ J.ȱMännchen/T.ȱReiprich,ȱNeukirchenȬVluynȱ2007,ȱ133–143.ȱ 6.ȱ Zumȱ Textprofilȱ desȱ 51.ȱ Psalms,ȱ in:ȱ Sprachenȱ –ȱ Bilderȱ –ȱ Klänge.ȱȱ DimensionenȱderȱTheologieȱimȱAltenȱTestamentȱundȱinȱseinerȱUmwelt,ȱ FSȱ R.ȱ Bartelmus,ȱ hg.ȱv.ȱ C.ȱ KarrerȬGrube/ȱ J.ȱ Krispenz/ȱ Th.ȱ Krüger/ȱ C.ȱRose/A.ȱSchellenberg,ȱAOATȱ359,ȱMünsterȱ2009,ȱ295–304.ȱ 7.ȱ Jerusalemȱ inȱ theȱ viewȱ ofȱ Psalmȱ 76.ȱ Extendedȱ versionȱ ofȱ aȱ lectureȱ atȱ theȱBarȱIlanȱUniversityȱTelȱAvivȱonȱJune,ȱ1993,ȱpublishedȱin:ȱTheȱCenȬ tralityȱ ofȱ Jerusalem.ȱ Historicalȱ Perspectives,ȱ ed.ȱ byȱ M.ȱ Poorthuis/Ch.ȱ Safrai,ȱKampenȱ1996,ȱ7–14.ȱ 8.ȱ Psalmȱ 85ȱ alsȱ sprachlichesȱ Kunstwerk,ȱ in:ȱ „…ȱ derȱ seineȱ Lustȱ hatȱ amȱ WortȱdesȱHerrn!“,ȱFSȱfürȱE.ȱJenni,ȱhg.ȱv.ȱJ.ȱLuchsinger/H.ȬP.ȱMathys/M.ȱ Saur,ȱAOATȱ336,ȱMünsterȱ200,ȱ330–343.ȱ 9.ȱPsalmȱ90ȱundȱdieȱTheologieȱderȱZeitȱ(Zeiten).ȱVortragȱanȱderȱTheoȬ logischenȱFakultätȱKielȱ2001ȱ(unveröffentlicht).ȱ

346ȱ

Quellennachweisȱ

10.ȱFormenȱderȱTextrezeptionȱinȱPsalmȱ144,ȱin:ȱSchriftauslegungȱinȱderȱ Schrift,ȱFSȱO.ȱH.ȱSteck,ȱhg.ȱv.ȱR.ȱG.ȱKratz/Th.ȱKrüger/K.ȱSchmid,ȱBZAWȱ 300,ȱBerlinȱ2000,ȱ281–290.ȱ 11.ȱTextgenetischeȱHintergründeȱdesȱ147.ȱPsalms,ȱentnommenȱausȱ„Derȱ überȱ Seineȱ Wirkungȱ nachsinntȱ beiȱ Tagȱ undȱ beiȱ Nacht“,ȱ FSȱ fürȱ H.ȱIrsigler,ȱ©ȱVerlagȱHerderȱGmbH,ȱFreiburgȱ2010.ȱ 12.ȱ Geschichteȱ inȱ derȱ Krise.ȱ Geschichtstheologischeȱ Aspekteȱ imȱ MoseȬ liedȱ Dtȱ 32,ȱ in:ȱ Dasȱ Alteȱ Testamentȱ –ȱ einȱ Geschichtsbuch?!ȱ FSȱ fürȱ J.ȱConrad,ȱhg.ȱv.ȱU.ȱBecker/J.ȱvanȱOorschot,ȱLeipzigȱ2005,ȱ59–80.ȱ 13.ȱDerȱHannaȬPsalmȱ(1.ȱSamȱ2),ȱ2009ȱ(unveröffentlicht).ȱ 14.ȱ Derȱ JesajaȬPsalmȱ (Jesȱ 12).ȱ Versöhnungȱ undȱ Wandel.ȱ Reconciliationȱ andȱTransformation,ȱFSȱM.ȱA.ȱSchmidt,ȱhg.ȱv.ȱM.ȱChung/R.ȱJansen,ȱThZȱ 65,ȱBaselȱ2009,ȱ7–17.ȱ 15.ȱZurȱGeschichteȱdesȱviertenȱDavidpsaltersȱ(Psȱ138–145),ȱin:ȱTheȱBookȱ ofȱ Psalms:ȱ Compositionȱ andȱ Reception,ȱ ed.ȱ P.ȱW.ȱ Flint/P.ȱD.ȱ Miller,ȱ FIOTLȱIVȱ(SVTȱ99),ȱLeiden/Bostonȱ2005,ȱ368–390.ȱ 16.ȱ Akrostichieȱ imȱ Psalter,ȱ in:ȱ Alttestamentlicheȱ Forschungȱ inȱ derȱ Schweiz,ȱFestheftȱIOSOTȱ17,ȱThZȱ57,ȱBaselȱ2001,ȱ172–183.ȱ 17.ȱMnemotechnikȱinȱdenȱPsalmen.ȱEineȱSpurensuche.ȱVortragȱvorȱderȱ atl.ȱ Sektionȱ derȱ Wiss.ȱ Gesellschaftȱ fürȱ Theologieȱ inȱ Berlinȱ 2007ȱ (unȬ veröffentlicht).ȱ 18.ȱ Dasȱ Menschenbildȱ derȱ Psalmen.ȱ Vortragȱ anȱ derȱ Theologischenȱ FaȬ kultätȱderȱUniversitätȱErlangen,ȱ1999ȱ(unveröffentlicht).ȱ 19.ȱFeindbildȱundȱMenschenwürde.ȱDasȱZeugnisȱderȱPsalmen,ȱin:ȱMenȬ schenbildȱ undȱ Menschenwürde,ȱ E.ȱ Hermsȱ (Hg.),ȱ Güterslohȱ 2001,ȱ 307– 319.ȱ 20.ȱDimensionenȱundȱIntentionenȱderȱDavidisierungȱderȱPsalmen.ȱDieȱ Rolleȱ Davidsȱ nachȱ denȱ Psalmenüberschriftenȱ undȱ nachȱ demȱ SeptuaȬ gintapsalmȱ 151,ȱ E.ȱ Zengerȱ (Ed.),ȱ Theȱ Compositionȱ ofȱ theȱ Bookȱ ofȱ Psalms,ȱBEThLȱ238ȱ(2010),ȱLeuvenȱ2008,ȱ125–140.ȱ 21.ȱ Psȱ 113:ȱ Krisenfestesȱ Bekenntnis;ȱ Gottesdienstȱ Münsterȱ Basel,ȱ 23.7.2000ȱ(unveröffentlicht).ȱ 22.ȱ Psȱ 119,86:ȱ Engeȱ undȱ Weite.ȱ Ökumenischerȱ SemestereröffnungsȬ gottesdienst,ȱPeterkircheȱBasel,ȱ29.10.1997ȱ(unveröffentlicht).ȱ

ȱ

Abkürzungenȱ ȱ ȱ ÄATȱ ABRȱ AfO.Bȱ AOATȱ ȱ ATD(E)ȱ ȱ BASORȱ ȱ BBBȱ BBKLȱ ȱ BDBȱ ȱ BEThLȱ ȱ BEvThȱ BHSȱ Bibȱ BiKȱ BiSeȱ BKȱ ȱ BNȱ BVSAWȱ ȱ BZABRȱ ȱ BZAWȱ ȱ BZȱ CBQȱ CBQ.MSȱ ȱ DBSȱ

ÄgyptenȱundȱAltesȱTestament,ȱWiesbadenȱ AustralianȱBiblicalȱReviewȱ ArchivȱfürȱOrientforschung,ȱGrazȱ AlterȱOrientȱundȱAltesȱTestament,ȱKevlaer/ȱ Neukirchen/Vluynȱ Dasȱ Alteȱ Testamentȱ Deutschȱ (Ergänzungsbände),ȱ Göttingenȱ BulletinȱofȱtheȱAmericanȱSchoolsȱofȱOrientalȱReȬ search,ȱJerusalemȱu.ȱȱa.ȱ BonnerȱBiblischeȱBeiträge,ȱBonnȱ BiographischȬBibliographischesȱKirchenlexikon,ȱ Nordhausenȱ F.ȱ Brown/S.ȱ ȱR.ȱ Driver/C.ȱ ȱA.ȱ Briggs,ȱ Aȱ Hebrewȱ andȱ EnglishȱLexiconȱofȱtheȱOldȱTestament,ȱOxfordȱ1979ȱ BibliothecaȱEphemeridumȱtheologicarumȱLovanienȬ sium,ȱLeuvenȱ BeiträgeȱzurȱevangelischenȱTheologie,ȱMünchenȱ BibliaȱHebraicaȱStuttgartensiaȱ Biblica,ȱRomȱ BibelȱundȱKirche,ȱStuttgartȱ BiblicalȱSeminar,ȱSheffieldȱ Biblischerȱ Kommentarȱ zumȱ Altenȱ Testament,ȱ NeuȬ kirchen/Vluynȱ BiblischeȱNotizen,ȱBamberg/Münchenȱ Berichteȱ überȱ dieȱ Verhandlungenȱ derȱ Sächsischenȱ AkademieȱderȱWissenschaftenȱzuȱLeipzig,ȱLeipzigȱ BeihefteȱzurȱZeitschriftȱfürȱaltorientalischeȱundȱbibȬ lischeȱRechtsgeschichte,ȱWiesbadenȱ Beihefteȱ zurȱ Zeitschriftȱ fürȱ dieȱ Alttestamentlicheȱ Wissenschaft,ȱBerlin/NewȱYorkȱȱ BiblischeȱZeitschrift,ȱPaderbornȱu.ȱȱa.ȱȱ CatholicȱBiblicalȱQuarterly,ȱWashingtonȱD.ȱȱC.ȱ Catholicȱ Biblicalȱ Quarterly.ȱ Monographȱ Series,ȱ WashingtonȱD.ȱȱC.,ȱ Dictionnaireȱdeȱlaȱbible,ȱSupplémentȱ

348ȱ DiKiȱ EAEHLȱ ȱ EdFȱ ETRelȱ FATȱȱ FRLANTȱ ȱ FSȱ fzbȱ(FzB)ȱ HALȱ ȱ ȱ HATȱ HBOTȱ ȱ HSSȱ HThKȱ ȱ Interp.ȱ IOSOTȱ ȱ JBLȱ JJSȱ JPThȱ JQRȱ JSOT(SS)ȱ ȱ JSPE.Sȱ ȱ JSStȱ KEH KHC KK LeDiv MGWJ MT NEB

Abkürzungenȱ

DialogȱderȱKirchen,ȱFreiburgȱ ȱ Encyclopediaȱ ofȱ Archaeologicalȱ Excavationsȱ inȱ theȱ HolyȱLand,ȱOxfordȱ ErträgeȱderȱForschung,ȱDarmstadtȱ Étudesȱreligieuses,ȱParisȱ ForschungenȱzumȱAltenȱTestament,ȱTübingenȱ Forschungenȱ zuȱ Religionȱ undȱ Literaturȱ desȱ Altenȱ undȱNeuenȱTestaments,ȱGöttingenȱ Festschriftȱ ForschungenȱzurȱBibel,ȱWürzburgȱ Hebräischesȱ undȱ aramäischesȱ Lexikonȱ zumȱ Altenȱ Testamentȱ (W.ȱ Baumgartner/J.ȱ ȱJ.ȱ Stamm),ȱ 3.ȱ AuflaȬ ge,ȱLeidenȱ1967ȱ HandbuchȱzumȱAltenȱTestament,ȱTübingenȱ Hebrewȱ Bible/Oldȱ Testament.ȱ Theȱ Historyȱ ofȱ itsȱ Interpretation,ȱGöttingenȱ HarvardȱSemiticȱStudies,ȱWinonaȱLakeȱ Herdersȱ theologischerȱ Kommentarȱ zumȱ Altenȱ TesȬ tament,ȱFreiburg/ȱBasel/Wienȱ Interpretation,ȱRichmondȱ InternationalȱOrganizationȱforȱtheȱStudyȱofȱtheȱOldȱ Testamentȱ JournalȱofȱBiblicalȱLiterature,ȱAtlantaȱ ȱ JournalȱofȱJewishȱStudies,ȱLondonȱ JahrbücherȱfürȱprotestantischeȱTheologie,ȱTübingenȱ JewishȱQuarterlyȱReview,ȱPhiladelphiaȱ JournalȱforȱtheȱStudyȱofȱtheȱOldȱTestamentȱȱ (SupplementsȱSeries),ȱSheffieldȱ JournalȱforȱtheȱStudyȱofȱtheȱPseudepigrapha.ȱȱ SupplementȱSeries,ȱSheffieldȱ JournalȱofȱSemiticȱStudies,ȱManchesterȱ Kurzgefaßtes exegetisches Handbuch zum Alten Testament, Leipzig Kurzer Hand-Commentar zum Alten Testament, Freiburg/Leipzig/Tübingen Kurzgefaßter Kommentar, München Lectio divina, Paris Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, Breslau u.ȱȱa. Masoretischer Text Die Neue Echter Bibel, Würzburg

ȱ

NSKAT OBO Or OTEs OTS RB Rben RevSR RSFen SAT SBAB SBB SBL.DS SBONT SBS StTDJ SubBi SVT THAT ThLZ ThPQ ThQ ThWAT ThWNT ThZ TSK TTZ TUAT UT UTB VT WGB

Abkürzungenȱ

349ȱ

Neuer Stuttgarter Kommentar zum Alten Testament, Stuttgart Orbis Biblicus et Orientalis, Fribourg/Göttingen Orientalia, Rom Old Testament Essays, Pretoria Oudtestamentische Studiën, Leiden Revue biblique, Paris Revue bénédictine de critique, d’histoire et de littérature religieuses, Maredsous Revue des sciences religieuses, Strasbourg Rivista di studi fenici, Roma Die Schriften des Alten Testaments, Göttingen Stuttgarter Biblische Aufsatzbände, Stuttgart Stuttgarter Biblische Beiträge, Stuttgart Society of Biblical Literature, Dissertation Series, Missoula The Sacred Books of the Old and New Testament (P. Haupt), Leipzig/Baltimore/London Stuttgarter Bibelstudien, Stuttgart Studies on the Texts of the Desert of Judah, Leiden Subsidia biblica, Roma Supplements to Vetus Testamentum, Leiden Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament (E. Jenni), München u.ȱȱa. Theologische Literaturzeitung, Leipzig Theologisch-praktische Quartalschrift, Linz Theologische Quartalschrift, Tübingen Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament (G.ȱȱJ. Botterweck/H. Ringgren), Stuttgart Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament (G. Kittel/G. Friedrich), Stuttgart Theologische Zeitschrift, Basel Theologische Studien und Kritiken, Leipzig Trierer Theologische Zeitschrift, Trier Texte aus der Umwelt des Alten Testaments (O. Kaiser), Gütersloh Urban Taschenbücher, Stuttgart Uni Taschenbücher Vetus Testamentum, Leiden Evangelisches Gesangbuch, Stuttgart

350ȱ WMANT ZAH ZAW ZBK ZDMG ZMiss ZThK

Abkürzungenȱ

Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament, Neukirchen/Vluyn Zeitschrift für Althebraistik, Stuttgart Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft, Berlin Zürcher Bibelkommentare, Zürich Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Wiesbaden u.ȱȱa. Zeitschrift für Mission, Stuttgart Zeitschrift für Theologie und Kirche, Tübingen

ȱ

Stellenregisterȱ ȱ ȱ Fettdruckȱ bedeutet,ȱ dassȱ dieȱ entsprechendenȱ Stellenȱ zitiertȱ oderȱ ausführlichȱ thematisiertȱsind.ȱ ȱ 15,58ȱ 178(19)ȱ Altesȱ Numȱ ȱ Testamentȱ 1,5ȱ 178(19)ȱ

Genȱ 1–11ȱ 1ȱ ȱ ȱ 1,1ȱ 1,26ȱ 2ȱ 9ȱ 10ȱ 11ȱ 13,16ȱ 14,18ȱ 15,5ȱ 22ȱ 33,18ȱ ȱ

178ȱ 134.139.ȱ 241.278.ȱ 291.294ȱ 134ȱ 294.304ȱ 134.278ȱ 278ȱ 178ȱ 178ȱ 156f.ȱ 107ȱ 136f.ȱ 111f.(24)ȱ 107ȱ

Exȱ 15ȱ ȱ ȱ 15,2ȱ 20,12ȱ 20,16ȱ 33ȱ 34,6ȱ ȱ ȱ

21.69.131.ȱ 226.274.ȱ 320ȱ 209(6).217ȱ 140ȱ 300ȱ 123ȱ 241.ȱ 250(12)ȱ

Levȱ 24,10–16ȱ 237(21)ȱ 24,12ȱ 237ȱ

1,10ȱ 178(19)ȱ 15,32–36ȱ 237ȱ 15,34ȱ 237ȱ

ȱ Dtnȱ 5,16ȱ 5,20ȱ 12–19ȱ 12ȱ 12,6ȱ 14,19–23ȱ 16,19ȱ 17,8–13ȱ 18,1–8ȱ 19,1–13ȱ 26,12–15ȱ 31–34ȱ 31,30ȱ 32ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ 32,9ȱ 33ȱ 33,5.26ȱ 33,7ȱ 34,7ȱ 34,10ȱ ȱ

140ȱ 300ȱ 10ȱ 108(15)ȱ 108f.ȱ 108(15)ȱ 238(26)ȱ 108(15)ȱ 108(15)ȱ 108(15)ȱ 108(15)ȱ 170ȱ 175ȱ 4.21.69.ȱ 86(23).131.ȱ 169–189.ȱ 198(13).ȱ 226.320ȱ 125(29)ȱ 131ȱ 182(23)ȱ 107(9)ȱ 139ȱ 175ȱ

Josȱ 1,8ȱ

26ȱ

1.ȱSamȱ 1,13f.ȱ 2ȱ 2,2ȱ 2,1–10ȱ ȱ 16ȱ 16,18ȱ 16,22f.ȱ 17ȱ 18,10ȱ ȱ

197ȱ 5.69ȱ 178(19)ȱ 191–206.ȱ 226.320ȱ 312ȱ 60ȱ 60ȱ 147.312ȱ 60ȱ

2.ȱSamȱ 1f.ȱ 1,11ȱ 1,17–27ȱ 2ȱ 3ȱ 3,31ff.ȱ 3,37ȱ 7ȱ 7,28ȱ 22ȱ ȱ ȱ 22,3ff.ȱ 22,48ȱ 23ȱ ȱ ȱ ȱ 23,1ȱ

63f.ȱ 61ȱ 61f.ȱ 61ȱ 64ȱ 61ȱ 238(26)ȱ 311ȱ 89(34)ȱ 63ff.69.ȱ 310.324.ȱ 320(17)ȱ 178(19)ȱ 149ȱ 63ff.69.73.ȱ 221f.225.ȱ 310(4).322. 324ȱ 318ȱ

352ȱ 23,2ȱ 23,3ȱ ȱ

Stellenregisterȱ

201ȱ 178(19)ȱ

1.ȱKönȱ 1f.ȱ 8,2ȱ 22,22ȱ ȱ

63ȱ 110ȱ 233ȱ

2.ȱKönȱ 23,5ȱ 110ȱ 23,15ff.ȱ 109ȱ

ȱ Jesȱ 1–66ȱ 1–12ȱ 1ȱ 2,2–4ȱ 2–12ȱ 2,1ȱ 4,3–6ȱ 9ȱ 10,13ȱ 10,20–23ȱ 10,24–26ȱ 11ȱ 11,1–9ȱ 11,10ff.ȱ 11,11–16ȱ 12ȱ 12,1–6ȱ ȱ 13,1ȱ 18,7ȱ 23ȱ 23,2ȱ 24,22ȱ 27ȱ 30,26ȱ 30,27–33ȱ 31,19–26ȱ 32,15–20ȱ 32,17–34ȱ 38ȱ ȱ 39ȱ

40,6f.ȱ 40,8ȱ 40,26–31ȱ 42,7ȱ 42,16ȱ 44,2ȱ 45,8ȱ 45,16ȱ 56,4ȱ 56,8ȱ 58,8ȱ 59,14f.ȱ 61,1ȱ

250(12)ȱ 184ȱ 156f.ȱ 233(14)ȱ 233(14)ȱ 182(23)ȱ 124ȱ 178(19)ȱ 250(12)ȱ 162ȱ 123f.156ȱ 124ȱ 156f.ȱ

ȱ 216ȱ 216ȱ 173ȱ 212.215ȱ 208(4)ȱ 209ȱ 215ȱ 48ȱ 184(31)ȱ 215ȱ 215ȱ 48ȱ 209ȱ 209.240ȱ 209f.215ȱ 5ȱ 207–217.ȱ 320ȱ 209ȱ 112(27)ȱ 209ȱ 209ȱ 233(12)ȱ 209ȱ 156f.ȱ 212ȱ 215ȱ 124f.212ȱ 215ȱ 69.202.ȱ 226.320ȱ 209ȱ

Jerȱ 2ȱ 6,1ȱ 7,3ȱ 11,15ȱ 17ȱ 17,5–8ȱ 17,7ff.ȱ 17,26ȱ 18,13ff.ȱ 21,4ff.ȱȱ 26,2ȱ 30f.ȱ 31,6ȱ 32,44ȱ 33,6ȱ 33,13ȱ 41ȱ 41,4f.ȱ 46,21ȱ 48,16ȱ ȱ

173.182.ȱ 123ȱ 109ȱ 239ȱ 64ȱ 21ȱ 26ȱ 110ȱ 184(13)ȱ 109ȱ 109ȱ 109(17)ȱ 109ȱ 110ȱ 156f.ȱ 110ȱ 10(19)ȱ 110ȱ 184(31)ȱ 184(31)ȱ

11ȱ ȱ

182ȱ

Amȱ 6,5ȱ

72(20)ȱ

ȱ Obȱ 12f.ȱ ȱ

184(31)ȱ

Jonȱ 2ȱ

69.226.320ȱ

Miȱ 5ȱ 6ȱ ȱ

48ȱ 320ȱ

Nahȱ 1ȱ ȱ

69.226.320ȱ

Habȱȱ 2,4ȱ ȱ ȱ 2,16ȱ 3ȱ 3,3ȱ ȱ

237(22).ȱ 243.ȱ 303(19)ȱ 299ȱ 69.226.320ȱ 123ȱ

Zefȱ 3,11–20ȱ 162.ȱ ȱ 215(20)ȱ ȱ

Hagȱ 2ȱ ȱ

110ȱ

Sachȱ

Ezȱ 6,9ȱ 16ȱ 20ȱ 34,16ȱ 35,5ȱ 39,28ȱ 43,11ȱ 44,24ȱ

Hosȱ

156f.ȱ 182ȱ 182ȱ 156f.ȱ 184(31)ȱ 156f.ȱ 178(19)ȱ 236ȱ

4,7ȱ ȱ

110ȱ

Malȱ 2,7ȱ ȱ

240ȱ

Psȱ 1ȱ ȱ ȱ

17(9).19.ȱ 21.26f.64.ȱ 70.72.229.ȱ

ȱ

ȱ 2–72ȱ 2–41ȱ 2ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ 2,12ȱ 3ȱ 4ȱ 4,3ȱ 7ȱ ȱ 7,4–6ȱ 8ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ 8,3ȱ ȱ 8,5ȱ 8,6ȱ 9f.ȱ 9ȱ 10ȱ 11ȱ 11,1ȱ 13ȱ ȱ ȱ 14ȱ ȱ 15,1ȱ 16,9ȱ 17,3–5ȱ 18ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ

353ȱ

Stellenregisterȱ

324.326ȱ 314ȱ 154.314ȱ 21.48.ȱ 66(5).ȱ 74(25).192.ȱ 227.279.ȱ 310.314(8). 319ȱ 227ȱ 300ȱ 298f.ȱ 298ȱ 71.237.ȱ 297ff.301ȱ 88.298f.ȱ 71.146.ȱ 149f.152ff. 229.ȱ 240(31).ȱ 241.277f.ȱ 319ȱ 85.87(24).ȱ 268ȱ 149.277ȱ 71ȱ 297f.ȱ 274(27)ȱ 13.41ȱ 297f.ȱ 235.281ȱ 212.215.ȱ 251(15).ȱ 268f.ȱ 151.ȱ 319(16)ȱ 305ȱ 301(16)ȱ 88ȱ 13.18.ȱ 66(5.7).69. 145ff.154. 226.229.ȱ 240(31).ȱ 241.ȱ 274(27).ȱ

ȱ ȱ ȱ 18,1ȱ 18,19ȱ 18,35ȱ 18,48ȱ 18,51ȱ ȱ 19ȱ 19,5ȱ 20ȱ ȱ 21ȱ ȱ 21,6ȱ 22ȱ ȱ 22,1ȱ 23ȱ 23,5ȱ 25ȱ 26,1–12ȱ 26,8ȱ 27ȱ 27,4ȱ 29ȱ ȱ 29,1ff.ȱ 30ȱ ȱ 30,13ȱ 31ȱ 32ȱ 33ȱ ȱ ȱ ȱ 33,1f.ȱ 33,2ȱ 33,4–9ȱ 33,16ȱ 34ȱ 34,19f.ȱ 35ȱ ȱ

310.ȱ 319(16).ȱ 320(17)ȱ 64.66(7)ȱ 184(31)ȱ 147ȱ 152(12)ȱ 63.66(6f.).ȱ 151.311ȱ 166ȱ 201ȱ 66(5).192.ȱ 248(7).319ȱ 66(5).192.ȱ 319ȱ 295(5)ȱ 14.148.ȱ 287f.ȱ 82ȱ 47.50ȱ 303ȱ 246.271ȱ 88.236(20)ȱ 306(21)ȱ 74ȱ 138ȱ 42.245.ȱ 268.270ȱ 306(21)ȱ 215.322ȱ (24)ȱ 301(16)ȱ 319(16)ȱ 41.148ȱ 146.149f.ȱ 154.156f.ȱ 163.314(8). 322(22)ȱ 156ȱ 149ȱ 166ȱ 157ȱ 246.271ȱ 156f.ȱ 42.261ff.ȱ 316.ȱ

ȱ 35,4ff.ȱ 35,26ff.ȱ 35,5f.ȱ 37ȱ ȱ 39ȱ ȱ ȱ ȱ 39,1ȱ 39,5f.ȱ ȱ 40ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ 40,15ff.ȱ 41–49ȱ 41ȱ ȱ 41,14ȱ 42–49ȱ 42f.ȱ ȱ 42,3ȱ 42,5ȱ 42,7ȱ 43ȱ 43,3ȱ 44–49ȱ 44ȱ ȱ ȱ ȱ 44,5ȱ 45ȱ ȱ ȱ 45,1ȱ 45,4ȱ 46ȱ 46,4.8.12ȱ ȱ 47ȱ

319(16)ȱ 253ȱ 253ȱ 240ȱ 74(23).ȱ 246.271ȱ 146.149f.ȱ 152f.154.ȱ 240(31).ȱ 282ff.ȱ 318ȱ 143.149.ȱ 152(12)ȱ 151.ȱ 251ff.ȱ 259–263.ȱ 315ff.ȱ 319(16)ȱ 253ȱ 103.105ȱ 103.148.ȱ 215.279ȱ 103ȱ 314(8)ȱ 103.105.ȱ 126.281ȱ 126ȱ 281ȱ 105ȱ 322(22.24)ȱ 124ȱ 103ȱ 4.81–92.ȱ 126.ȱ 264–268.ȱ 271ȱ 125(29)ȱ 12.43.ȱ 66(5).105.ȱ 264ȱ 82ȱ 124ȱ 126.264ȱ 89.105.ȱ 125(29)ȱ 264ȱ

354ȱ 47,5ȱ 48ȱ 48,3ȱ 49ȱ 50ȱ ȱ ȱ 50,2ȱ 51–72ȱ 51ȱ ȱ 51,1ȱ 51,4ȱ 51,19ff.ȱ 52ff.ȱ 52ȱ ȱ 53ȱ ȱ 57ȱ ȱ 57,8–12ȱ ȱ ȱ 57,9ȱȱ 60ȱ ȱ ȱ 60,8–10ȱ 60,8ȱ 60,13ȱ ȱ 62ȱ 62,1ȱ 62,8ȱ 63ȱ 66ȱ ȱ ȱ 67ȱ ȱ 68ȱ 68,30ȱ 69ȱ 70ȱ ȱ

Stellenregisterȱ

125(29)ȱ 104.126ȱ 105(2).126ȱ 103ȱ 103.105.ȱ 177.186.ȱ 314(8)ȱ 106ȱ 314ȱ 4.93–104.ȱ 276ȱ 320ȱ 305ȱ 156.162ȱ 102ȱ 212.285f.ȱ 290ȱ 151.ȱ 319(16)ȱ 151.ȱ 319(16)ȱ 212.ȱ 251(15).ȱ 269ȱ 301(16)ȱ 71.125.ȱ 151.269.ȱ 319(16)ȱ 125ȱ 71ȱ 84(17).ȱ 266(12)ȱ 300(14)ȱ 318ȱ 306ȱ 253f.ȱ 249(10).ȱ 252f.ȱ 314(8)ȱ 314(8).ȱ 322(22)ȱ 41.74(23)ȱ 112(27)ȱ 81(8)ȱ 151.212.ȱ 251(16).ȱ

ȱ 253.261ff.ȱ ȱ 316.ȱ ȱ 319(16)ȱ 70,2ȱ 251ȱ 70,6ȱ 251ȱ 71ȱ 314(8).ȱ ȱ 319(16).ȱ ȱ 322(22)ȱ 72ȱ 13.66(5).ȱ ȱ 68.192.202. ȱ 247f.(8).ȱ ȱ 251.257.ȱ ȱ 279.310.ȱ ȱ 314(8).319. ȱ 322ȱ 72,20ȱ 66(6).ȱ ȱ 68(11).70.ȱ ȱ 313ȱ 73–83ȱ 105ȱ 73ȱ 103.300ȱ 73,24ȱ 301.306f.ȱ 74ȱ 25.106f.ȱ 74,2.8ȱ 106(5)ȱ 74,20ȱ 233(14)ȱ 75,5.11ȱ 191ȱ 75,6ȱ 178(19)ȱ 75,10ȱ 125(29)ȱ 76ȱ 4.ȱ ȱ 105–112.ȱ ȱ 274(27)ȱ 76,7ȱ 125(29)ȱ 77ȱ 81(4).274ȱ 77,16ȱ 125(29)ȱ 78ȱ 81(8).ȱ ȱ 86(23).107. ȱ 172.177ȱ 78,1–3ȱ 174(14)ȱ 78,5.21.71ȱ ȱ 125(29)ȱ 78,60.67ȱ 107ȱ 78,65ff.ȱ 106.107(8)ȱ 78,70–72ȱ 311ȱ 79ȱ 106f.ȱ 79,1.3ȱ 106(6).ȱ ȱ 110(20)ȱ 79,4ȱ 87.91ȱ

79,7ȱ 125(29)ȱ 80ȱ 106(4)ȱ 80,3ȱ 107ȱ 81ȱ 177.186ȱ 81,2.5ȱ 125(29)ȱ 82ȱ 177ȱ 82–85ȱ 113ȱ 83ȱ 106ȱ 83,6ff.ȱ 107ȱ 84f.ȱ 105ȱ 84ȱ 126.128.ȱ ȱ 300ȱ 84,2f.ȱ 126ȱ 84,6ff.ȱ 105(2).126ȱ 84,9ȱ 125(29)ȱ 84,12ȱ 306ȱ 85ȱ 4.ȱ ȱ 113–128.ȱ ȱ 274(27).ȱ ȱ 301ȱ 86,15ȱ 250(12)ȱ 87f.ȱ 105ȱ 87ȱ 105(2)ȱ 87,2ȱ 125(29)ȱ 88,7ȱ 233(14)ȱ 89ȱ 66(5).ȱ ȱ 274(7).279. ȱ 310.314(8). ȱ 318f.ȱ 89,4ff.ȱ 311ȱ 89,15ȱ 123f.ȱ 89,21.36.50 ȱ 66(6)ȱ 89,25ȱ 191ȱ 90ȱ 4.21.ȱ ȱ 71(19).ȱ ȱ 129–143.ȱ ȱ 322ȱ 90,5f.ȱ 250(12)ȱ 91ff.ȱ 130ȱ 91ȱ 131.ȱ ȱ 322(22)ȱ 92ȱ 131ȱ 92,11ȱ 191ȱ 93–100ȱ 317.ȱ ȱ 322(22)ȱ

ȱ

93ȱ 145.ȱ ȱ 222(4).321ȱ 95ȱ 74ȱ 96ȱ 41.65.ȱ ȱ 70(14).ȱ ȱ 318(15).ȱ ȱ 322(24)ȱ 96,6ȱ 123ȱ 97,2ȱ 123ȱ 100ȱ 167.276ȱ 101ȱ 64.131.ȱ ȱ 154(15).ȱ ȱ 314.319.ȱ ȱ 321ȱ 102ȱ 155.162.ȱ ȱ 166.321.ȱ ȱ 323f.(26)ȱ 102,5ȱ 250(12)ȱ 102,13–23ȱ ȱ 162ȱ 103ff.ȱ 131ȱ 103ȱ 154(15).ȱ ȱ 166.247f.ȱ ȱ 314ȱ 104ȱ 146.151.ȱ ȱ 153.ȱ ȱ 154(15).ȱ ȱ 161.163.ȱ ȱ 166.ȱ ȱ 167(16).ȱ ȱ 264.ȱ ȱ 322(22)ȱ 104,14ȱ 158(3).ȱ ȱ 163(10).ȱ ȱ 164ȱ 104,32ȱ 149f.ȱ 105ȱ 65.ȱ ȱ 167(16).ȱ ȱ 172.ȱ ȱ 174(14).ȱ ȱ 177.ȱ ȱ 318(15)ȱ 105,1–15ȱ 70(14).ȱ ȱ 86(23).ȱ ȱ 209(6)ȱ

Stellenregisterȱ

105,6.10.23 ȱ 125(29)ȱ 105,18ȱ 233(12)ȱ 106ȱ 65.167.ȱ ȱ 172.ȱ ȱ 174(14).ȱ ȱ 177.ȱ ȱ 274(27).ȱ ȱ 318(15)ȱ 106,1.47f.ȱ70(14).ȱ ȱ 86(23).156 ȱ ȱ 107ȱ 161f.ȱ 107,10–16ȱ ȱ 233.236.ȱ ȱ 238ȱ 107,41ȱ 233(12)ȱ 108–110ȱ 314ȱ 108ȱ 151.ȱ ȱ 154(15).ȱ ȱ 319(16)ȱ 108,2ȱ 301(16)ȱ 108,2–6ȱ 251(15).ȱ ȱ 269ȱ 109ȱ 302(18)ȱ 109,13ff.ȱ 253ȱ 110ȱ 42.66(5).ȱ ȱ 131.ȱ ȱ 154(15).ȱ ȱ 192.ȱ ȱ 254(22).ȱ ȱ 272(24).ȱ ȱ 310.319ȱ 111–118ȱ 274ȱ 111ȱ 246.271ȱ 112ȱ 64.246.271ȱ 112,9ȱ 299ȱ 113ȱ 205f.331– ȱ 338ȱ 115ȱ 151ȱ 118ȱ 83(12).ȱ ȱ 167.265(7)ȱ 118,14ȱ 217ȱ 119ȱ 26.41.47.ȱ ȱ 56.114(5).ȱ ȱ 222.246.ȱ

355ȱ ȱ 257.ȱ ȱ 270(19).ȱ ȱ 271ȱ 119,26ȱ 339–343ȱ 121ȱ 250f.ȱ 122ȱ 314(9)ȱ 122,5ȱ 66(6)ȱ 122,6ff.ȱ 125ȱ 124ȱ 314(9)ȱ 127ȱ 13.68.322ȱ 130,1ȱ 101ȱ 131ȱ 41.314(9)ȱ 132ȱ 13.66(5).ȱ ȱ 310f.314(8)ȱ 132,5ȱ 311(5)ȱ 132,10.17ȱ66(6).ȱ ȱ 311.326ȱ 132,11ȱ 311ȱ 133ȱ 13.145.ȱ ȱ 222.314(9)ȱ 134ȱ 221.322ȱ 135ȱ 151.221ȱ 136ȱ 221.245.ȱ ȱ 270ȱ 137ȱ 24.41.55.ȱ ȱ 81(8).221.ȱ ȱ 222(4).ȱ ȱ 322(22)ȱ 137,6ȱ 201ȱ 138–145ȱ 3.148.151.ȱ ȱ 154.221– ȱ 242.314ȱ 138ȱ 221f.225.ȱ ȱ 228.231f.ȱ ȱ 234.238ff. ȱ 241(37)ȱ 138,7ȱ 234(17)ȱ 139ȱ 41.88.147.ȱ ȱ 153.221.ȱ ȱ 222(4).224. ȱ 227ff.230ff. ȱ 234.289ff. ȱ 293ff.307ȱ 139,4ȱ 201ȱ 139,19ȱ 234(17)ȱ 140ȱ 221f.224.ȱ

356ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ 140,9ȱ 140,11f.ȱ 140,13ȱ 141ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ 141,8ȱ 141,10ȱ 142ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ 142,4ȱ 142,6ȱ 142,8ȱ 143ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ 143,2ff.ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ 143,6ȱ 143,10ȱ 143,12ȱ 144ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ

Stellenregisterȱ

227.229f.ȱ 232.235.ȱ 238.ȱ 241(32).ȱ 322ȱ 236(20)ȱ 234(17)ȱ 233(12)ȱ 145.147.ȱ 222(4).227. 231.234.ȱ 238.ȱ 239(30).ȱ 241.243ȱ 234(17)ȱ 221(3)ȱ 145.147f.ȱ 221(2).ȱ 222(4).224. 229.231.ȱ 235.238.ȱ 241ȱ 233ȱ 234(17)ȱ 233.303ȱ 145.148.ȱ 221(2).222. 224.228f.ȱ 231.235.ȱ 239ff.ȱ 151.ȱ 221(3).ȱ 233(14).ȱ 241(38).ȱ 234(17)ȱ 228ȱ 233(15)ȱ 234(17)ȱ 4.66(6).ȱ 74.145– 154.221(2). 224ff.229ff. 232.ȱ 235(19).ȱ 239–243.ȱ 277.310.ȱ

ȱ 144,1f.ȱ 144,3ȱ 144,9ȱ 144,10ȱ ȱ 144,11ȱ 145ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ 145,3ȱ 145,5.11ȱ 145,20ȱ 145,21ȱ 146ff.ȱ 146ȱ ȱ ȱ 147ȱ 148ȱ ȱ 149ȱ 149,5ȱ 150ȱ ȱ ȱ ȱ ȱ 151ȱ ȱ ȱ 154ȱ 155ȱ ȱ ȱ

319(16)ȱ 221(3)ȱ 277ȱ 311ȱ 66(6).ȱ 225.228ȱ 234(17)ȱ 148.154.ȱ 221(2).222f. 224(5).228– 232.235.ȱ 238f.241ȱ 250(12)ȱ 306(21)ȱ 234(17)ȱ 243ȱ 229ȱ 156f.163.ȱ 167.221.ȱ 223ȱ 4.155–168ȱ 155.167.ȱ 269ȱ 145.167ȱ 299ȱ 82.145.ȱ 155.157.ȱ 167.221.ȱ 233.229.ȱ 245.270ȱ 3.16.74.ȱ 147(4).221. 309–327ȱ 221f.ȱ 145.148.ȱ 222ȱ

166ȱ 306ȱ 299ȱ 88(29).237ȱ 236ȱ 236(20)ȱ 240ȱ 233(12)ȱ 163(11)ȱ

Prvȱ 3,35ȱ 15,33ȱ 18,12ȱ 20,3ȱ 21,21ȱ 22,4ȱ 23,9ȱ 23,55ȱ 25,2ȱ 26,1.8ȱ 29,23ȱ ȱ

299ȱ 299ȱ 299ȱ 299ȱ 299ȱ 299ȱ 201ȱ 238(29)ȱ 299ȱ 299ȱ 299ȱ

Hlȱ 6,10ȱ ȱ

123ȱ

Kohȱ 1ȱ 1,4f.ȱ 3ȱ 3,1ff.8ȱ 3,11ȱ 5,5ȱ 6,2ȱ 10,1ȱ ȱ

140.143ȱ 140ȱ 140.143ȱ 140ȱ 140ȱ 240ȱ 300ȱ 299ȱ

Klȱ

Hiȱ 1,21ȱ 7,15ȱ 7,17f.ȱ 14,9ȱ 15,14ȱ 19,9ȱ 22,12ȱ 23,5ȱ

28ȱ 29ff.ȱ 29,20ȱ 31ȱ 31,26–28ȱ 33,11ȱ 33,23ȱ 36,8ȱ 38,19–41ȱ ȱ

284ȱ 277ȱ 153ȱ 58ȱ 277ȱ 300ȱ 201ȱ 201ȱ

2,1ff.ȱ 2,17ȱ 3,1ȱ 3,6ȱ ȱ ȱ

109ȱ 191ȱ 233(12)ȱ 233(14).ȱ 241ȱ

Danȱ 11,39ȱ

238(26)ȱ

ȱ

357ȱ

Stellenregisterȱ

Esȱ 4ȱ ȱ

110ȱ

Nehȱ 5,1–13ȱ 7,3f.ȱȱ 11,1f.ȱ 12,27–43ȱ ȱ

162(6)ȱ 162(6)ȱ 162(6)ȱ 162ȱ

1.ȱChrȱ 15,27f.ȱ 16ȱ 16,7–36ȱ 16,27ff.ȱ 17ȱ 25ȱ 29,12ȱ ȱ

65ȱ 65.318(15)ȱ 65.70(14)ȱ 124(28)ȱ 311ȱ 318ȱ 300ȱ

2.ȱChrȱ 3,1ȱ 5,2ȱ 18,26ȱ 19,6ȱ 19,8ȱ 29,25–30ȱ ȱ

110.112ȱ 110.112ȱ 233ȱ 237ȱ 236ȱ 318(15)ȱ

ȱ

Judaicaȱ Sirȱ 3,15ȱ 163(11)ȱ 12,16ȱ 238(26)ȱ 37,25ȱ 182(23)ȱ 38ȱ 282ȱ 47,8f.ȱ 72ȱ 42,15–43,37 ȱ 163(11)ȱ 51ȱ 221f.ȱ

ȱ 2.ȱMakkȱ2,13 ȱ 309(1)ȱ Jubȱ18,13ȱ111(22)ȱ ȱ

ȱ

1QpPs68ȱ 74(23)ȱ 1QJesa/bȱ 211(10)ȱ 2QPsbȱ 249(11)ȱ 4Q174ȱ 274(26)ȱ 4Q380/381 ȱ 228.274ȱ 4Q491ȱ 309(2)ȱ 4QMMTȱ 309(2)ȱ 4QGenExȱ111(23)ȱ 4QDtqȱ 178(17)ȱ 4QSamaȱ 194ȱ 4QJesa/b/cȱ 211(10)ȱ 4QmidrEschat ȱ 321(19)ȱ 4QMelchȱIIȱ10 ȱ 309(2)ȱ 4QpalaeoExm ȱ 248(8)ȱ 4QPsbȱ 250.ȱ ȱ 262(4).ȱ ȱ 316(12)ȱ 4QPsdȱ 158(3).167ȱ 4QpPs37ȱ 74(23).ȱ ȱ 321(19)ȱ 11QPsaȱ 221ff.ȱ ȱ (2.3.4).242. ȱ 250.309f.ȱ ȱ 312.321ȱ 11QPsaȱKol.ȱXXVII ȱ 73.309(2).ȱ ȱ 309f.(4).321f.ȱ 11QPsaȱKol.ȱXXVIII ȱ 310.321f.ȱ 11QPsa/bȱ 145.148(5)ȱ 11QPsbȱȱ 221(3)ȱ 11QPscȱ 167(15)ȱ GenȱApoȱ22 ȱ 107(11)ȱ Pleaȱ 221f.ȱ Apostrophe ȱ 221ȱ Hymnȱ 221ȱ Catenaȱ 221ȱ David’sȱCompos ȱ 221.225.ȱ ȱ 227ȱ

MasPsaȱ 113f.243.ȱ ȱ 316(12)ȱ MasPsbȱ 221ȱ SyrȱPsȱIIIȱ145.148ȱ ȱ

ȱ JosȱAntȱIȱ10,2 ȱ 107(11)ȱ JosȱAntȱIȱ224 ȱ 111(22)ȱ BabaȱBatraȱ14b ȱ 309(3)ȱ BerȱRabȱ55 ȱ 111(22)ȱ MidrȱTehȱ18,1 ȱ 75(26)ȱ MischȱSukȱV,1–4 ȱ 214(17)ȱ Pesachimȱ117a ȱ 309(3)ȱ ȱ ȱ

Neuesȱ Testamentȱ

Mtȱ5,21–26 ȱ 236.281.ȱ ȱ 301(15)ȱ Mkȱ14,26ȱ274ȱ Mkȱ12,36ȱ309(3)ȱ Lkȱ1,46–55 ȱ 205ȱ Lkȱ13,33ȱ 25ȱ Lkȱ20,42ȱ 309(3)ȱ Apgȱ1,16ȱ 309(3)ȱ Apgȱ2,29ff. ȱ 74ȱ Apgȱ2,34f. ȱ 75ȱ Apgȱ4f.ȱ 233(16)ȱ Apgȱ4,25ȱ 48.74(25)ȱ Apgȱ7ȱ 233(16)ȱ Apgȱ12ȱ 233(16)ȱ Apgȱ13,33 ȱ 48.74(25)ȱ Apgȱ22f.ȱ 233(16)ȱ

358ȱ Römȱ4,6ȱ 309(3)ȱ Römȱ11,9ȱ309(3)ȱ 1.ȱKorȱ1,27–29 ȱ 335ȱ Hebrȱ1,5ȱ 48f.ȱ

Stellenregisterȱ

Hebrȱ4,7ȱ 74ȱ Hebrȱ10ȱ 260f.(3).ȱ ȱ 263.ȱ ȱ 316(11)ȱ 2.ȱPetrȱ3,8ȱ129ȱ

ȱ ȱ

Islamicaȱ KoranȱSureȱ4,163 ȱ 309(3)ȱ KoranȱSureȱ17,55 ȱ 309(3)ȱ ȱ