Mediation in der Wirtschaft: Wege zum professionellen Konfliktmanagement [2. neu bearbeitete Auflage] 9783504380823

Eine Mediation kann Konflikte, wie sie in und zwischen Unternehmen entstehen, zufrieden stellend und kostengünstig außer

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Mediation in der Wirtschaft: Wege zum professionellen Konfliktmanagement [2. neu bearbeitete Auflage]
 9783504380823

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Duve/Eidenmüller/Hacke Mediation in der Wirtschaft

Mediation in der Wirtschaft Wege zum professionellen Konfliktmanagement von

Rechtsanwalt Dr. Christian Duve M.P.A. (Harvard) Frankfurt a.M.

Prof. Dr. Horst Eidenmüller LL.M. (Cambridge) o. Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Rechtsanwalt Dr. Andreas Hacke Düsseldorf

2. neu bearbeitete Auflage

2011

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verz:eiclmet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-06256-9 ©2011 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Ühersetzungen, Mikroverfilml.lilge11 und die Einspei.chenmg und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: A. Quednau, Haan Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I

Die Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Ursachen, Entwicklung und Folgen von Konflikten in der Wirtschaft verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

Die Methode der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

3

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen . . .

83

4

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren . . . . . 107

5

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern und Beziehung aufbauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

6

Interessen erforschen und gewichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

7

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten . . . . . . . . . . 187

8

Verteilungsprozesse effizient gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

9

Alternativen zu einer Verhandlungslösung prüfen . . . . . . . . . 235

10

Lösungspaket schnüren und umsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

11

Schwierige Situationen in Mediationsverfahren bewältigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

1

2

II

III

7

Die erfolgreiche Anwendung von Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 12

Mediation intelligent nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

13

Mediationsverfahren institutionalisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

5

Inhalt

Die Zukunft der Wirtschaftsmediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

Anhang Endnoten zu den Kapiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Muster, Checklisten, Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439

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Vorwort

Die Mediation ist aus dem Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Seit dem Erscheinen der Vorauflage dieses Buches hat sie in nur wenigen Jahren eine rasante Entwicklung genommen und sich als Instrument der Konfliktbeilegung neben der staatlichen Gerichtsbarkeit und der Schiedsgerichtsbarkeit fest etabliert. Immer mehr Unternehmen erkennen und nutzen die erheblichen Vorteile, welche die Mediation gerade bei Wirtschaftskonflikten im Vergleich mit traditionellen Formen der Konfliktbeilegung bietet: Streitigkeiten lassen sich in einer Mediation zumeist wesentlich schneller, günstiger und besser für die Reputation, die Geschäftsbeziehungen der betroffenen Unternehmen sowie – bei unternehmensinternen Konflikten – die internen Unternehmensabläufe bewältigen. Auch finden Konfliktparteien in einer Mediation häufig interessengerechte, kreative und wertschöpfende Lösungen, die sonst unerkannt blieben. Neue Impulse hat diese Entwicklung zum einen durch eine Vielzahl gerichtsinterner oder gerichtsverbundener Mediationsprogramme, zum anderen durch die Europäische Mediationsrichtlinie erhalten. Diese ist durch die Mitgliedstaaten bis zum 21. Mai 2011 umzusetzen. Sie enthält Regelungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen einer (Wirtschafts-)Mediation wie Vorschriften zur Vertraulichkeit, zur Verjährung und zur Durchsetzung von Mediationsvergleichen. Deutschland wird diese Umsetzung voraussichtlich zum Anlass nehmen, ein „Mediationsgesetz“ zu schaffen, welches sich nicht auf grenzüberschreitende Streitigkeiten beschränkt, sondern auch rein innerstaatliche Fälle regelt. Es ist zu erwarten, dass die Mediation im Allgemeinen und die Wirtschaftsmediation im Besonderen durch diesen gesetzgeberischen Schritt in Europa und Deutschland einen weiteren Auftrieb erlangen werden. Dieses Buch hat vor allem ein Ziel: Sie mit der Methode und dem Potenzial der Mediation als Instrument eines effektiven Konfliktmanagements bei Streitigkeiten in und zwischen Unternehmen vertraut zu machen. Dabei geht es uns vor allem um das Wie der Mediation: Unser Anliegen ist es, Ihnen das Verfahren der Mediation nahezubringen und aufzuzeigen, wie Sie dieses sinnvoll im Alltag der Wirtschaftspraxis einsetzen können. Wir wenden uns dabei sowohl an Entscheidungsträger in Unternehmen und ihre juristischen oder betriebswirtschaftlichen Berater als auch an Richter, Rechtsanwälte und Mediatoren. 7

Vorwort In Teil 1 stehen mit den Herausforderungen eines professionellen Konfliktmanagements die konflikttheoretischen Grundlagen der Mediation im Mittelpunkt. Wir gehen den Ursachen und dem Verlauf von Wirtschaftskonflikten nach und stellen Ihnen Alternativen zu traditionellen Formen der Konfliktbeilegung vor. In Teil 2 nehmen wir die Methode der Mediation in den Blick. Dabei folgen wir in unserer Darstellung dem typischen Verlauf einer Wirtschaftsmediation – vom Erstkontakt bis zum Abschluss des Mediationsvergleiches – und gehen dabei auf die Besonderheiten der Mediation bei der Bewältigung von Konflikten in und zwischen Unternehmen ein. In Teil 3 geht es schließlich um die erfolgreiche Anwendung der Mediation in der Wirtschaftspraxis. Hier stellen wir Ihnen Wege vor, wie Sie die Mediation bei der Bewältigung von Wirtschaftskonflikten sinnvoll nutzen und diese im Rahmen komplexer Konfliktmanagementsysteme in Unternehmen institutionalisieren können. Modernes Konfliktmanagement durch Mediation ist eine Querschnittsmaterie, die aus dem reichen Schatz unterschiedlicher wissenschaftlicher Teilgebiete schöpft. Entsprechend folgt unser Buch einem interdisziplinären Ansatz, in dem wir die Erkenntnisse der psychologischen, spieltheoretischen, ökonomischen und juristischen Forschung zusammenführen und für die praktische Umsetzung aufarbeiten. Dem Ziel der praktischen Umsetzung dient auch eine Vielzahl von konkreten Hinweisen und Beispielen, die größtenteils aus unserer eigenen, langjährigen Mediationspraxis stammen. Das Konzept des Buches, das in der ersten Auflage eine sehr freundliche Aufnahme gefunden hat, beruht zum einen auf dieser langjährigen Mediationspraxis und zum anderen auf unserer intensiven Beschäftigung mit dem Thema in Ausbildung und Forschung. Mit der vorliegenden Auflage haben wir das Werk entsprechend der Entwicklung der Forschung, der Diskussion in Wissenschaft und Praxis sowie unseres weiter angewachsenen Erfahrungswissens aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht. Die einschlägigen Vorschriften zur Umsetzung der Mediationsrichtlinie in Deutschland werden nach dem zum Zeitpunkt der Drucklegung aktuellen Regierungsentwurf zitiert. Hilfreiche Unterstützung haben wir bei der Vorbereitung der Neuauflage insbesondere von den wissenschaftlichen und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Lehrstuhl von Professor Eidenmüller in München erhalten. Unser besonderer Dank gilt dabei namentlich Frau Anne Bercher, Herrn Matthias Prause, Herrn Olaf Preuss, Herrn Andreas Vogel sowie – für die umsichtige Betreuung der Drucklegung – Frau Marina Javid-Mamasani. Für Anregungen und Kritik sind wir dankbar. Frankfurt a. M., München und Düsseldorf, im April 2011 Christian Duve, Horst Eidenmüller, Andreas Hacke

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I

Die Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

Erinnern Sie sich noch, wann und wie Sie Ihren ersten Konflikt erlebt haben? Seitdem ist vermutlich schon viel Zeit verstrichen: Bereits in frühester Kindheit erfahren wir, dass unser Verhalten auf Widerstand stößt oder eigene Vorstellungen nicht durchsetzbar sind. Im Berufsleben verhält es sich nicht anders. Streitigkeiten im Vorstand bzw. unter Geschäftsführern oder zwischen Mitarbeitern, Abteilungen bzw. selbständigen Unternehmen im Konzernverbund belasten unsere tägliche Arbeit ebenso wie Spannungen im Verhältnis zu Geschäftspartnern, Lieferanten, Wettbewerbern und Abnehmern. Wenn in der Wirtschaft Konflikte bekannt werden, erregen sie oftmals große öffentliche Aufmerksamkeit. So eskalierte im Jahre 1996 ein lang anhaltender Streit zwischen zwei renommierten Automobilherstellern unter beachtlich hoher öffentlicher Anteilnahme derart, dass die Adam Opel AG und ihre US-Mutter General Motors (GM) den damaligen VW-Vorstandschef Ferdinand Piëch sowie seinen Kollegen, den Ex-Opel-Manager José Ignacio López, in den Medien einer „kriminellen Verschwörung“ beschuldigten und eine Schadensersatzklage vor einem amerikanischen Bundesgericht in Michigan einreichten.1 Dem endgültigen wirtschaftlichen Absturz der Swiss Air gingen ein interner Konflikt zwischen dem Verwaltungsrat und dem Vorstandsvorsitzenden Philippe Bruggisser über die teure Allianz-Strategie der Luftfahrtgesellschaft und schließlich die Aufsehen erregende Entlassung Bruggissers voraus.2 Über die Familie Herz, Inhaber der Maxingvest AG (einer der größten deutschen Familiengesellschaften mit einem Umsatz von knapp 9 Milliarden Euro, die unter anderem als Dachgesellschaft der Tchibo GmbH und der Beiersdorf AG fungiert), hieß es in der Presse, dass sie jahrelang ihren „Streit aus dem Kinderzimmer“ im Unternehmen fortgesetzt hätte.3 Im Sommer 2009 kam es zu einem öffentlichkeitswirksamen Eklat im monatelang schwelenden Machtkampf zwischen dem Automobilzulieferer Continental und seinem Großaktionär Schaeffler, als Schaeffler versuchte, den Continental-Vorstandsvorsitzenden Karl-Thomas Neumann gegen den Widerstand der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat abzusetzen.4 Dass Auseinandersetzungen zwischen Personen oder in der Sache entstehen, ist auch in der Wirtschaft unvermeidbar. Verteilungsstreitigkeiten, Grundsatz- oder Wertfragen und Strategiekonflikte müssen ausgetragen werden. Warum aber bleiben in den gerade genannten – und vielen anderen, nicht in das Licht der Öffentlichkeit geratenen – Situationen die Fronten ungeachtet 9

Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements intensiver Bemühungen verhärtet oder eskalieren auf scheinbar nicht zu verhindernde Weise? Aus Sicht der Betroffenen ist die Antwort naheliegend: Auf der anderen Seite stehen Überzeugungstäter, uneinsichtige und unbelehrbare Personen. Mit rationalen Konfliktparteien ließe sich eine Auseinandersetzung sicherlich einvernehmlich beenden. Aber mit diesen Gegnern geht es eben nicht. Ihnen muss man knallhart begegnen. Eine andere Sprache verstehen sie nicht. Bemerkenswert an solchen Erklärungen ist, dass sie regelmäßig von beiden Seiten vorgebracht werden. Tragen also in Wirklichkeit stets alle Beteiligten die Verantwortung für die Entstehung, fortwährende Dauer und mögliche Eskalation eines Konflikts? Diese Frage erfordert eine differenzierte Antwort. Im ersten Teil des Buches werden Sie daher zunächst in Kapitel 1 lesen, warum Konflikte entstehen und wie sie sich entwickeln. Anschließend werden Sie die Faktoren kennenlernen, die den Verlauf von Auseinandersetzungen beeinflussen. Im zweiten Kapitel erhalten Sie einen Überblick über diejenigen Verfahren, die gewöhnlich zur Beilegung von Streitigkeiten gewählt werden. Sie reichen von intuitiv geführten Verhandlungen zwischen den Betroffenen bis hin zu Prozessen vor staatlichen Gerichten. Anschließend finden Sie erste Informationen über die Mediation. Sie werden erfahren, warum diese als eine zügige und effektive Methode der Konfliktbeilegung in vielen Fällen den wirtschaftlichen Interessen der Parteien besser gerecht wird als traditionelle Wege der Streiterledigung, welche – wie die eingangs genannten Beispiele illustrieren – sich oft über sehr lange Zeiträume hinziehen, hohe Kosten verursachen und nicht den eigentlichen Zielen der Betroffenen dienen.

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1

Ursachen, Entwicklung und Folgen von Konflikten in der Wirtschaft verstehen

Nachrichtensendungen und Tageszeitungen hätten wenig zu berichten, gäbe es keine Konflikte. Romanen würde die Spannung fehlen und Kriminalgeschichten hätten keinen Anfang. Auch im Wirtschaftsleben gehören Konflikte zum Alltag. Sie können fruchtbar und nützlich sein. Schon bei Heraklit heißt es: „Alles ist in Bewegung, und nichts bleibt stehen. Der Streit ist der Vater von allem … Man muss wissen, dass er zu Recht besteht und dass alles durch Streit und Notwendigkeit entsteht“.1 Auf politischer Ebene hätte es bedeutende gesellschaftliche Reformen – wie z. B. die Einführung der Mitbestimmung in Betrieben oder des allgemeinen Wahlrechts sowie den friedlichen Übergang totalitärer Regime zu demokratischen Systemen – ohne Konflikte nicht gegeben. Die Marktwirtschaft lebt von der Vielfalt der Ideen und der Konkurrenz um Kunden. Der Wettbewerb setzt kreative Kräfte frei und nutzt so das Potential unterschiedlicher Sichtweisen für innovative Entwicklungen. Gleichzeitig ruft er Spannungen zwischen denjenigen hervor, die sich um dieselben Ziele bemühen. Für den Einzelnen können Konflikte belastend oder auch befreiend wirken. Manchmal besteht erst im Konflikt die Chance, sich der eigenen Vorstellungen und Interessen bewusst zu werden, die Perspektive anderer besser zu verstehen und neue Kompetenzen zu erwerben. Schließlich können Auseinandersetzungen mit Dritten auch in heterogenen Gruppen Einigkeit herstellen. Das gilt im Wirtschaftsleben etwa, wenn der Wettbewerb oder die Bedrohung durch einen Konkurrenten (z. B. im Falle einer sogenannten feindlichen Übernahme) die Angehörigen eines Unternehmens zusammenschweißt. Allerdings verhalten sich die Beteiligten in Auseinandersetzungen nicht immer konstruktiv. Bei Differenzen zwischen den Betroffenen entsteht schnell Misstrauen. Die Kommunikation stockt, nimmt ab oder endet. Statt Missverständnisse auszuräumen, betonen die Kontrahenten ihre Differenzen. Entwickelt sich ein Streit in dieser Weise, entstehen für das Unternehmen und seine Inhaber ebenso wie für Geschäftspartner, Kunden, Mitarbeiter und somit für die Volkswirtschaft materielle und immaterielle Kosten. Wie hoch diese ausfallen können, zeigt eine Aussage von Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser aus dem Frühjahr 2002. Er vermutete damals, dass jeder Streiktag in seiner Branche eine Wertschöpfung von 11

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements 2,5 Milliarden Euro gefährde.2 Selbst wenn nicht eine ganze Industrie, sondern nur eine Firma durch einen Konflikt betroffen ist, können sehr hohe Kosten auflaufen. Der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Lufthansa AG, Jürgen Weber, erklärte bei der Hauptversammlung des Unternehmens im Sommer 2001, der kurz zuvor beendete Tarifkonflikt der Gesellschaft mit ihren Piloten habe Umsatzausfälle und Streikkosten in Höhe von 75 Millionen Euro sowie zusätzliche Personalkosten in Höhe von 125 Millionen Euro verursacht.3 Der Lokführerstreik bei der Deutschen Bahn AG (DB) im Herbst 2007 belastete das Jahresergebnis der DB um 160 Millionen Euro, wie der damalige Vorstandsvorsitzende Hartmut Mehdorn auf der Bilanzpressekonferenz 2007 angab.4 Die Gesamtverluste für die deutsche Wirtschaft beliefen sich auf knapp 500 Millionen Euro.5 Während einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der Warnaco Group und dem Calvin Klein Trademark Trust sank der Aktienkurs der Warnaco Group an der New Yorker Börse von 14 US-Dollar im Januar 2000 auf 2,75 US-Dollar im Januar 2001.6 Noch heftiger traf es die Aktionäre der Mobilcom AG. Während eines massiven – von der Öffentlichkeit verfolgten – Streits zwischen den Gesellschaftern fielen die Aktien vier Tage in Folge mit erheblichen Kursabschlägen auf ein 52-Wochen-Tief von 9,90 Euro. An einem der vier Tage erreichten die Verluste fast 21 Prozent, also ein Fünftel des Unternehmenswertes.7 Diese Entwicklung wirkte sich auf den Kurs der Kaufoptionsscheine der Mitarbeiter ebenso nachteilig aus wie auf deren Stimmung. Nach Ansicht von Betriebsrat Teufel fühlten sie sich als „Spielball im politischen Geplänkel“.8 Kasten 1

Werden aufgrund einer Auseinandersetzung Dienst- oder Produktionsleistungen nicht erbracht, wie es etwa angesichts des Ausfalls von Flügen bei einem Streik in der Luftfahrtbranche der Fall ist, lassen sich die direkten Kosten konkret beziffern. Dabei handelt es sich um die durch den Konflikt unmittelbar entstehenden finanziellen Einbußen der betroffenen Unternehmen (z. B. Bezahlung von Zeitarbeitspersonal während eines Streiks, Kosten der Rechtsverfolgung bzw. Sachverständigenkosten in einem Rechtsstreit oder Vertragsstrafen bei verspäteter Projektfertigstellung). Die indirekten Kosten des Konflikts gehen oft weit über solche unmittelbar in einer Auseinandersetzung entstehenden finanziellen Nachteile hinaus: 12

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen Sie umfassen die wirtschaftlichen Folgen, die durch die Ablenkung von der eigentlichen geschäftlichen Tätigkeit entstehen. Zu den indirekten Kosten gehören auch ökonomisch schwer quantifizierbare, aber dennoch bedeutsame Beschädigungen der Reputation. Noch weniger quantitativ fassbar sind Auswirkungen von Konflikten auf das Betriebsklima und die -kultur, wie sie z. B. der Betriebsratsvorsitzende für den Fall der Mobilcom geschildert hat (vgl. Kasten 1). Ob sich solche indirekte Kosten auf die Kurse an den Finanzmärkten auswirken, hängt von ihrer Sichtbarkeit ab: Wenn Kapitalmärkte vollständig effizient wären, müssten sie eigentlich auch die indirekten Kosten von Konflikten in der Kursentwicklung widerspiegeln. Das können sie allerdings nur, wenn die Marktteilnehmer Kenntnis von ihnen erhalten. Das ist jedoch nicht immer der Fall: Indirekte Kosten finden in den Finanzdaten eines Unternehmens regelmäßig keine Erwähnung. Die Konflikte, durch die sie verursacht werden, sind Außenstehenden nicht ohne Weiteres bekannt. Dass indirekte finanzielle Nachteile weniger offensichtlich sind, bedeutet indes nicht, dass sie deswegen vernachlässigt werden könnten. Schließlich fallen sie oft sehr viel höher als die direkten Kosten aus und beeinträchtigen in jedem Fall die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Natürlich entsprechen der Lufthansa-Streik, der Bahnstreik, die eskalierte Gesellschafterauseinandersetzung bei Mobilcom oder die Auswirkung des Gerichtsprozesses zwischen der Warnaco Group und dem Calvin Klein Trust auf den Aktienkurs nicht dem Unternehmensalltag. Doch ließen sich die Beispiele für wirtschaftlich belastende Konflikte beliebig ergänzen. Selbst in ruhigeren Zeiten verbringen Mitarbeiter durchschnittlich immerhin 12 Prozent ihrer Arbeitszeit im Unternehmen damit, Konflikte auszutragen. Größere Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten sind noch konfliktanfälliger.9 Angesichts der durch sie verursachten hohen Kosten verdient das Management von Konflikten aus volks- und betriebswirtschaftlicher Sicht größere Aufmerksamkeit. Dies gilt umso mehr, als sich durch ein reflektiertes Konfliktmanagement erhebliche Effizienzeffekte realisieren lassen: Mit einem überschaubaren personellen wie finanziellen Aufwand können große Schäden vermieden werden. Wie wir in diesem Buch näher darstellen werden, ist die Methode der Mediation für die Begrenzung der direkten und indirekten Kosten von Konflikten in vielen Fällen besonders geeignet. Um als Unternehmer, Geschäftsführer, Syndikus, Personalleiter oder anwaltlicher Berater sinnvolle Initiativen für ein professionelles Konfliktmanagement zu entwickeln, bedarf es jedoch zuerst einer Konfliktdiagnose (vgl. Kapitel 4). Mit ihr stellen Sie fest, ob sich im konkreten Fall die Mediation oder eine andere Methode der Konfliktbeilegung anbietet (vgl. Kapitel 2 zu den verschiedenen Verfahren der Streitbeilegung). 13

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements Wenn Sie als Mediator tätig sind, wird diese Diagnose ohnehin eine Ihrer ersten Aufgaben sein. Dabei stellen sich Ihnen konkret vor allem folgende Fragen: Welcher Konflikt liegt vor? Was bewegt die betroffenen Personen? Warum ist deren Vertrauen in ihren eigenen Standpunkt so groß und die Meinung über den oder die Gegner so gering? Bei der Beantwortung dieser Fragen im Einzelfall stellen sich im Vorfeld weitere Fragen: Wie entstehen überhaupt Streitigkeiten in der Wirtschaft? Welche Konflikttypen gibt es? Wieso verstärkt sich das Selbstvertrauen der Parteien oft noch während des Konflikts? Warum nehmen Eskalationen einen scheinbar automatischen Verlauf? Diese Themen sind Gegenstand des ersten Kapitels. Bevor wir uns den Konfliktanlässen zuwenden, wollen wir aber dem „Wesen des Konflikts“ nachgehen.

Gibt es eine Konflikttheorie? Konflikte lassen sich in zahlreiche Kategorien einteilen. Philosophen haben ebenso ihren Beitrag zur Konfliktforschung geleistet wie Psychologen, Soziologen, Theologen, Ökonomen, Naturwissenschaftler und Juristen. Jede dieser Disziplinen verfügt über eine Vielzahl von Theorien, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit Ursachen, Entstehung, Verlauf und Auswirkungen von Konflikten in ganz unterschiedlichen Kontexten beschäftigen.10 Das Spektrum der Untersuchungen reicht vom Jugend-, Paar- und Generationenkonflikt bis zu Konflikten in Organisationen oder Auseinandersetzungen zwischen Staaten und Völkern. Angesichts der Vielzahl der nach dem jeweiligen Umfeld zu berücksichtigenden Faktoren überrascht es nicht, dass es bislang ebenso wenig gelungen ist, eine allgemein anerkannte Konflikttheorie zu entwickeln, wie etwa eine allgemeingültige Lehre vom Menschen in der Anthropologie zu erarbeiten. Vergleicht man die klassischen Konflikttheorien der verschiedenen Wissenschaftszweige miteinander, so sind sie stark durch die Methodik und den Gegenstand ihres jeweiligen Fachs geprägt. Die Sozialwissenschaftler haben sich lange Zeit vor allem mit dem Anlass von Konflikten beschäftigt. Sie haben sich auf die sozialen Bedingungen (z. B. marxistische oder liberale Theorie), auf die Beziehungen in Organisationen (z. B. Kontingenztheorie), die Anreize des homo oeconomicus (z. B. ökonomische Theorie) oder die Aktionen und Reaktionen vollständig rationaler Akteure konzentriert (z. B. Spieltheorie). Dagegen haben sich die Theorien, die sich dem Innenleben des Menschen zugewandt haben, vor allem mit der Wahrnehmung des Anlasses und den Reaktionen darauf beschäftigt (z. B. Psychoanalyse, Tiefenpsychologie, Individualpsychologie, analytische und kognitive Psychologie). Da sich Menschen in Gruppen anders verhalten als individuell,

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Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen stammen wichtige Beiträge zum Verständnis von Konflikten auch aus der Gruppenpsychologie. Erst in den letzten Jahrzehnten begannen die einzelnen Fachrichtungen, sich interdisziplinär auszurichten. In den USA haben Rechts- und Politikwissenschaftler ebenso wie Psychologen die Themen Verhandeln und Mediation inzwischen als eigene, übergreifende Forschungsfelder in ihren Fachbereichen anerkannt.11 Wir verfolgen in diesem Buch ebenfalls einen interdisziplinären Ansatz. Im Folgenden befassen wir uns zunächst wie die Sozialwissenschaften aus objektiver Sicht mit dem Anlass von Konflikten im Wirtschaftsleben. Anschließend wenden wir uns wie die kognitive Psychologie einigen Mechanismen der subjektiven Konfliktwahrnehmung zu, bevor wir auf die Erkenntnisse der Organisationspsychologen zurückgreifen und den Verlauf von Konflikten über neun Eskalationsstufen verfolgen. In späteren Kapiteln werden wir z. B. auf Einsichten der Spieltheorie (vgl. z. B. Kapitel 2 zum Verhandlungsdilemma) und der Entscheidungstheorie (vgl. z. B. Kapitel 9 zur Prozessrisikoanalyse) zurückgreifen.

Warum entstehen Konflikte im Wirtschaftsleben? Grundsätzlich gibt es aus objektiver Sicht für jeden Konflikt – sei es ein unternehmensinterner Konflikt oder eine Auseinandersetzung zwischen Unternehmen – einen Anlass und ein Verhalten mindestens eines Betroffenen. Unter Anlässen für Konfliktverhalten verstehen wir diejenigen äußeren Umstände, welche die Erwartungen, Vorstellungen und Gefühle der Akteure im Wirtschaftsleben beeinflussen. Im Vordergrund unserer Darstellung stehen Auseinandersetzungen, die sich zwischen Unternehmen oder ihren Vertretern entwickeln (externe Konflikte). Wir werden uns aber auch mit Konflikten innerhalb von Unternehmen beschäftigen (interne Konflikte). Sie entstehen im Geschäftsalltag auf allen Ebenen, also zwischen Gesellschaftern, Vorstands-, Geschäftsführungsmitgliedern oder Angehörigen von Aufsichtsgremien in derselben Weise wie zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten. Dazu kommen bei internen Auseinandersetzungen noch die Interessengegensätze, die zwischen verschiedenen Hierarchiestufen oder ganz allgemein zwischen dem Betriebsrat einerseits und dem jeweiligen Arbeitgeber andererseits zu bewältigen sind. Schließlich haben im Zuge der Unternehmenskonzentration auch Differenzen im Verhältnis von Konzernunternehmen oder Unternehmensabteilungen zueinander an Bedeutung gewonnen. Sie stehen in gewisser Weise zwischen externen und internen Konflikten, weil sich einerseits Einheiten mit einer hohen – oft auch rechtlichen – Eigenständigkeit gegenüberstehen, die – andererseits – innerhalb derselben Gruppe dazu „verdammt“ sind, sich zu einigen. 15

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements Unabhängig davon, ob eine interne oder externe Streitigkeit vorliegt, können Konflikte nach ihrem Anlass im Wirtschaftsleben in fünf Kategorien eingeteilt werden: Differenzen über Sachfragen (Sachkonflikte), Auseinandersetzungen über Werte- und Grundsatzfragen (Wert- und Grundsatzkonflikte), Streitigkeiten über die Verteilung von Ressourcen, Ansehen oder Macht (Verteilungskonflikte), Meinungsverschiedenheiten über die Mittel oder den Weg (Strategiekonflikte) sowie Störungen des Verhältnisses zwischen Personen (Beziehungskonflikte).12 Von diesen zu unterscheiden sind Konflikte, die jeder selbst innerlich bewältigen muss (innere Konflikte). Dieser Bereich wird nur kurz gestreift, denn die Kenntnis innerer Konflikte ist für uns nur insoweit von Belang, als sie auch das Verhalten der Betroffenen in Auseinandersetzungen mit anderen beeinflussen. Diese Einteilung ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung: Wenn Sie direkt von einem Streit betroffen sind, erleichtert Ihnen diese Typologie die Auswahl des optimalen Streitbeilegungsverfahrens. Im zweiten Kapitel werden verschiedene Methoden der Konfliktbeilegung dargestellt. Die Eignung der jeweiligen Methode für den konkreten Fall (vgl. Kapitel 2) hängt auch davon ab, in welche der fünf Kategorien ein Konflikt fällt. Zudem beeinflusst die Natur des Konflikts die Rollendefinition, die Sie als Mediator vornehmen werden (vgl. Kapitel 3), ebenso wie Ihre Vorbereitung auf die Mediationsverhandlung (vgl. Kapitel 4) und Ihre Verhandlungsführung (vgl. Kapitel 5). Ob der Schwerpunkt Ihrer Arbeit in der Interessenerforschung (vgl. Kapitel 6), in der Suche nach Lösungsmöglichkeiten (vgl. Kapitel 7), in der Überwindung von Verteilungsstreitigkeiten (vgl. Kapitel 8) oder in der Bewertung der jeweiligen Nichteinigungsalternativen liegt (vgl. Kapitel 9), richtet sich ebenfalls unter anderem auch nach dem Konflikttypus.

Sachkonflikte Sachkonflikte zwischen Unternehmen entstehen, wenn unterschiedliche Überzeugungen in sachlichen Fragen auftreten, z. B. weil die Beschaffenheit einer Dienstleistung oder eines Produkts nicht den Erwartungen des Geschäftspartners entspricht. Ist der Kunde mit der Qualität nicht zufrieden, verweigert er typischerweise die Zahlung des Kaufpreises, verlangt sein Geld zurück, fordert kostenlosen Ersatz oder eine zügige Behebung der festgestellten Fehler bzw. Einschränkungen. Dagegen wünscht der Verkäufer oder Auftragnehmer regelmäßig die Bezahlung und Abnahme der Ware. Bei Sachkonflikten handelt es sich deshalb um Zielkonflikte, in denen die Beteiligten in Verhandlungen jeweils ein anderes Ergebnis erreichen wollen, weil sich ihre Beurteilungen des Anlasses voneinander unterscheiden. Sachkonflikte im Betrieb beruhen dagegen oft auf den Interessengegensätzen zwischen Unternehmer und Arbeitnehmern. Konflikte, welche die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsplatzes betreffen, finden in Unternehmen, 16

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen die über einen Betriebsrat verfügen, zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber statt. Vertreter der Arbeitgeber bewerten z. B. das Ziel der Flexibilisierung der Arbeitszeit häufig zunächst anders als der Betriebsrat oder die Belegschaft. So konnten die Gespräche über ein neues Arbeitsmodell bei der Volkswagen AG („5000 x 5000“) erst nach monatelangem, zähem Ringen zwischen den Vertretern des Automobilherstellers und der IG Metall erfolgreich abgeschlossen werden. Den Meinungswandel förderte wohl die Einsicht, dass mit dem neuen Konzept Arbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben, die sonst im Ausland entstanden wären.13 Ende 2008 beendete VW das Projekt „Auto 5000“ und integrierte die bis dahin eigenständige Produktionstochter wieder in den VW-Konzern.14 Fühlt sich ein Mitarbeiter unzureichend beteiligt, ungerecht beurteilt, oder ist er mit der Arbeitsverteilung nicht einverstanden, kann es zu einem individuellen Konflikt zwischen einem Vorgesetzten und einem einzelnen Mitarbeiter kommen. Die Anstellung eines neuen Kollegen, eine neue Verteilung von Zuständigkeiten in einer Abteilung oder eine Fusion mit einem anderen Unternehmen verbessern die Erfolgsaussichten für manche und verschlechtern sie für andere. Sachkonflikte können sich auch aus verschiedenen Erwartungen im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf eines Vorhabens ergeben. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Lieferungen oder Dienstleistungen später erbracht werden als vereinbart. Wirtschaftlich wirken sich derartige Verzögerungen besonders gravierend aus, wenn Infrastrukturprojekte nicht rechtzeitig fertiggestellt werden. So sollte der Denver International Airport ursprünglich vier Jahre nach der Grundsteinlegung im Jahr 1989 eröffnet werden.15 Tatsächlich wurde der neue Großflughafen aber erst Ende Februar 1995 in Betrieb genommen. Häufig entstehen Sachkonflikte auch aufgrund eines hohen Zeitdrucks. Dieser verursacht Informationsdefizite, beschränkt die Kommunikation und führt zu Missverständnissen. Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen können daran selbst in erfolgreichen Zeiten ebenso leiden wie das Verhältnis zwischen einem Vorgesetzten und seinen Mitarbeitern oder die Beziehung zwischen Gesellschaftern. Brett Cosor und Jeff Studley gründeten 1995 CPR MultiMedia Solutions, ein Unternehmen, das Strategiespiele für den PC-Einsatz herstellt und Vorführungen bei Großereignissen arrangiert. Die Mitinhaber erzielten in den ersten Jahren ihrer gemeinsamen Geschäftsaktivitäten zweistellige Wachstumsraten. Das Geschäft boomte, und dennoch entstanden plötzlich Streitigkeiten zwischen den Gründern. Als Cosor zu einem Kundentermin fuhr, nahm er drei wichtige Teile der Ausstattung mit, die Studley wenige Stun-

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Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements den später für einen Auftrag fehlten. Als dieser feststellte, dass sein Partner Cosor das Gerät mitgenommen hatte, war Studley außer sich vor Wut. Er fragte sich, ob Cosor seine Kunden unwichtig wären. Derartige Anlässe häuften sich derart, dass Studley im Rückblick feststellte: „We stopped pulling in the same direction in the same harness. All of a sudden, there were two moons pushing tides in different directions, and that creates a lot of turbulence“.16 Kasten 2

Gravierende Folgen können eintreten, wenn weitreichende Investitionsentscheidungen unter Zeitdruck gefällt werden. So verhält es sich z. B., wenn ein Unternehmenskauf aus steuerlichen Gründen noch bis zum Ende des Jahres abgeschlossen werden soll. Bleibt dann nicht genügend Zeit für eine sorgfältige Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kaufobjekts oder für einen Vergleich von Angeboten durch den Verkäufer, sind spätere Auseinandersetzungen über die Angemessenheit des Kaufpreises, Schadensersatzleistungen oder die Wirksamkeit von Gewährleistungsausschlüssen in vielen Fällen unvermeidbar.

Wert- und Grundsatzkonflikte Eine andere Qualität erhalten Sachkonflikte, wenn eine Auseinandersetzung das Werteverständnis mindestens eines Beteiligten berührt (Wertkonflikt), dieser eine allgemeinverbindliche Klärung des Konflikts anstrebt, oder der Konflikt aus anderen Gründen eine grundsätzliche Bedeutung gewinnt (Grundsatzkonflikt). Wertkonflikte sind Auseinandersetzungen, in denen fundamental unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen aufeinandertreffen. Diese Streitigkeiten lassen sich nicht immer einvernehmlich beilegen. Das liegt daran, dass Werte nicht nur Bedürfnisse und Ziele betreffen, sondern das eigene Selbstverständnis von Personen berühren. Hinter dem Sachkonflikt wird um Wertüberzeugungen oder Glaubensinhalte gerungen. Wenn also z. B. ein Pharmaunternehmen plant, sich an Abtreibungskliniken oder an der Stammzellenforschung in den USA zu beteiligen, können im Unternehmen, in dessen Entscheidungsgremien oder unter den Mitarbeitern und Aktionären unüberbrückbar erscheinende Auffassungen aufeinandertreffen. Da manche der Beteiligten in einem Entgegenkommen eine Aufgabe ihres eigenen Ideals oder ihrer Wertüberzeugung sehen, ist ihre Bereitschaft zu Konzessionen sehr viel geringer als in anderen Konflikten. Wertkonflikte können daher am ehesten durch eine verbindliche Entscheidung eines Dritten im Rahmen eines zivil- oder schiedsgerichtlichen Verfahrens beigelegt werden. Allerdings bieten sich auch Ansatzpunkte für die Mediation solcher Auseinan18

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen dersetzungen, wenn Sie als Mediator danach fragen, auf welche Normen die jeweiligen Werturteile gestützt werden oder ob bzw. wie diese im konkreten Fall tatsächlich betroffen sind. Je mehr Sie über die Gerechtigkeitsvorstellungen der Beteiligten erfahren, um so eher können Sie im Dialog mit diesen klären, ob Differenzierungen oder Relativierungen möglich sind oder nicht (vgl. Kapitel 5). Praktisch größere Bedeutung haben im Wirtschaftsleben Auseinandersetzungen, denen die Parteien grundsätzliche Bedeutung beimessen, ohne dass sie – wie Wertkonflikte – das eigene Selbstverständnis der Beteiligten berühren würden. Bei Grundsatzkonflikten handelt es sich um Auseinandersetzungen, die entweder zahlreiche Sachverhalte betreffen oder häufiger auftreten könnten und daher einer Klärung bedürfen. Eine solche Situation liegt z. B. dann vor, wenn ein Gericht grundsätzlich darüber entscheiden soll, ob eine Bank für die Benachrichtigung eines Kunden über die Nichteinlösung eines Schecks ein Entgelt fordern darf.17 Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf kann aber auch entstehen, wenn die Entwicklung neuer Technologien zu Streitigkeiten über die Zulässigkeit ihrer Nutzung führt, etwa im Hinblick auf das sogenannte spidering18oder deep linking19, das die Rechtmäßigkeit bestimmter Suchmaschinen und -techniken im Internet betrifft. Wenn eine grundsätzliche und verbindliche Klärung von allen Betroffenen angestrebt wird, sollten die Parteien tatsächlich die Gerichte entscheiden lassen (vgl. Kapitel 2). In Wertkonflikten geht es also mindestens einem Beteiligten um Anschauungen, zu denen er sich bekennt, in Grundsatzstreitigkeiten dagegen um eine Präzedenzwirkung.

Strategiekonflikte Strategiekonflikte unterscheiden sich von Sach- und Grundsatzkonflikten dadurch, dass die Beteiligten dasselbe Ziel erreichen wollen, etwa den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Sie sind aber geteilter Meinung über den richtigen Weg zum Ziel oder die richtigen Mittel, um dieses zu erreichen. Verschiedene Vorstellungen über die Verwirklichung desselben Ziels können selbst dann aufeinandertreffen, wenn die Beteiligten sich nahestehen und in vielen Fragen übereinstimmen. Die Steilmann-Gruppe, vormals eines der größten europäischen Textilunternehmen mit Hauptsitz in Wattenscheid, erzielte 1998 einen Jahresumsatz von ca. 750 Millionen Euro. Rechtzeitig zum 70. Geburtstag von Textilunternehmer Klaus Steilmann im Juni 1999 sollte Tochter Britta die Führung des Unternehmens übernehmen. Unter seinen drei Töchtern galt Britta stets als Liebling des Vaters. Schon in jungen Jahren hatte sie Ver-

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Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements antwortung im elterlichen Betrieb übernommen und sich einen Namen mit Öko-Mode gemacht. Im Alter von 27 Jahren war sie als stellvertretende Vorsitzende des Fußballklubs Wattenscheid 09 als erste Frau in das Präsidium eines Bundesligavereins gewählt worden. Der damalige Kanzlerkandidat Rudolf Scharping hatte Britta im Jahr 1994 in seinen Beraterstab berufen. Im Jahr 1995 verlieh Bundespräsident Roman Herzog ihr das Bundesverdienstkreuz. Dass Klaus Steilmann ungeachtet aller Meriten und unbestrittenen Qualifikationen seiner Tochter im Jahr 1999 dennoch zunächst nicht diese als neue Vorstandsvorsitzende berief, lag vor allem an verschiedenen Ansichten über die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Am zweiten Januar-Wochenende 1999, so war im manager magazin zu lesen, „scheiterten nach insgesamt 15 Verhandlungsstunden die Schlichtungsgespräche der beiden Dickköpfe, Britta kündigte zum 31. März 1999“.20 Tochter Britta wollte mit der Steilmann-Gruppe durch mehr eigene Marken und eine stärkere Präsenz im Einzelhandel sichtbar in Erscheinung treten. Vater Klaus scheute den Wettbewerb zu seinen langjährigen großen Handelspartnern wie C&A und Marks&Spencer. Nach etwas mehr als zwei Jahren und dem Intermezzo des Vorstandsvorsitzenden Joachim Vogt trat Britta Steilmann im August 2001 schließlich doch noch die Nachfolge ihres Vaters an.21 Nachdem das Unternehmen im Jahre 2003 erstmalig rote Zahlen schrieb, übergab Britta Steilmann die Geschäftsführung dann schließlich an ihre Schwestern Ute und Cornelia. Die Insolvenz des Unternehmens konnte 2006 nur durch die vollständige Übernahme aller Anteile durch die italienische Radici-Gruppe abgewendet werden.22 Kasten 3

Verschiedene Ansichten über den richtigen Weg sind im Wirtschaftsleben an der Tagesordnung. So stellte sich der Aufsichtsratsvorsitzende Dieter Vogel die Sanierung der Deutschen Bahn AG und die Zukunft des Schienennetzes anders vor als der damalige Vorstandsvorsitzende Hartmut Mehdorn. Als Vogel realisierte, dass die Bundesregierung als Repräsentant des Eigentümers Bundesrepublik Deutschland die Pläne des Bahnchefs Mehdorn stützte, erklärte er im März 2001 seinen Rücktritt.23 Ein Jahr zuvor hatten im April 2000 entgegengesetzte Auffassungen über die Zukunft des Investmentgeschäfts der Dresdner Bank die Fusion zwischen der Deutsche Bank AG und der Dresdner Bank AG zum Scheitern gebracht.24 Der damalige Vorstandsvorsitzende der Dresdner Bank, Bernhard Walter, trat zurück. Im Jahr 2002 musste Thomas Middelhoff die Bertelsmann AG als Vorstandsvorsitzender verlassen, da er andere Vorstellungen über den Kurs des Unternehmens hatte als die das Unternehmen kontrollierenden Eheleute Mohn.25 20

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen

Verteilungskonflikte Von Sachkonflikten, Wert- und Grundsatz- sowie Strategiekonflikten sind schließlich Verteilungskonflikte zu unterscheiden. Bei ihnen stehen sich weder entgegengesetzte Ziele noch verschiedene Mittel gegenüber. Auch die Beziehung der Beteiligten mag gut oder zumindest nicht belastet („neutral“) sein. Doch haben die Betroffenen verschiedene Vorstellungen darüber, wie materielle oder immaterielle Güter wie etwa wirtschaftlicher Erfolg oder Misserfolg, Chancen und Risiken, finanzielle Ressourcen oder Macht zu verteilen sind. Im Verhältnis zwischen Unternehmen ergeben sich Verteilungskonflikte häufig aus Differenzen über die Risikotragung. Insbesondere wenn sich die Geschäfte nicht wie erwartet entwickeln, ist die Versuchung groß, das Absatz-, Verwendungs- oder Betriebsrisiko auf den Vertragspartner abzuschieben. In den letzten Jahren machten vor allem die Zulieferer in der Automobilindustrie die Erfahrung, dass die Hersteller den Kostendruck an sie weitergeben. Wie bereits seit einiger Zeit in den Vereinigten Staaten, bürden nun auch europäische Autohersteller etwa ihre Gewährleistungskosten den Zulieferfirmen auf. Nach Einschätzung der Unternehmensberatung A. T. Kearney fallen in den USA angesichts von Qualitätsproblemen und Rückrufaktionen für Gewährleistungsarbeiten jährliche Kosten in Höhe von 10 Milliarden Euro an. Diese Lasten würden zunehmend auf Zulieferer verlagert.26 Auch unternehmensinterne Konflikte betreffen häufig die Verteilung finanzieller Ressourcen. Derartige Streitigkeiten können im Verhältnis zwischen Abteilungen über die finanziellen Vor- oder Nachteile aus der Abwicklung von vertragsähnlichen Verhältnissen entstehen (vgl. dazu das Beispiel der Siemens AG im Kapitel 12). Zwischen Arbeitgebern und -nehmern betreffen sie z. B. die Beteiligung am Unternehmenserfolg über Aktienoptionsprogramme oder Belegschaftsaktien, über Bonuszahlungen oder Gehaltserhöhungen. In der Krise kann es umgekehrt zu Verhandlungen über Lohnkürzungen kommen. So haben Piloten der Deutschen Lufthansa AG Anfang der 1990er Jahre während einer Unternehmenskrise freiwillig auf einen Teil ihres Gehalts verzichtet.27 Zwischen Gesellschaftern können z. B. Differenzen über die Bestimmung der Gewinnanteile, die Bildung von Rückstellungen oder die Voraussetzungen für Nachschusspflichten bestehen. Gegenstand der Auseinandersetzungen in Unternehmen kann aber auch die Verteilung von Macht sein. Das gilt besonders in Zeiten des Übergangs, wie z. B. nach dem Tod eines Gründers oder dem Rücktritt eines Unternehmensführers. So spekulierte die Öffentlichkeit bereits kurze Zeit nach dem Tod von Rudolf Augstein im November 2002 darüber, wer dessen Nachfolge als Herausgeber des Spiegels antreten werde. Steht ein Wechsel in der Führungsetage bevor, wie es sich bei der Deutschen Telekom AG vor dem Rücktritt 21

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements des Vorstandsvorsitzenden Ron Sommer im Juli 2002 ankündigte, beziehen die potentiellen Nachfolger und ihre „Truppen“ Stellung, um sich in der folgenden Ära möglichst viel Einfluss zu verschaffen. Als 2008/2009 bei der Deutschen Bank AG ein Nachfolger für den Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann gesucht wurde, dessen Vertrag Ende 2010 auslaufen sollte, versuchte sich der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Börsig selbst ins Spiel zu bringen. Nachdem der Aufsichtsrat am 27. April 2009 überraschend beschlossen hatte, Ackermann eine Vertragsverlängerung bis 2013 anzubieten, kam es zwischen Börsig und Ackermann wiederholt zu Spannungen.28 Verteilungskonflikte können sich schließlich auch auf die Reputation beziehen, etwa wenn es bei Zusammenschlüssen von Unternehmen um die Frage geht, welcher Name, welches Logo oder welche Farbe überlebt. Ebenso symbolträchtig kann die Wahl des Vorstandsvorsitzenden oder – insbesondere für die Mitarbeiter und die Bevölkerung am Stammsitz noch wichtiger – des Firmensitzes sein. Verteilungskonflikte treten sehr häufig auf und sind auch dort von Bedeutung, wo Potential zu einer gemeinsamen Wertschöpfung vorhanden ist. Denn an das Problem, wie der Konflikt zur gemeinsamen Wertschöpfung genutzt werden kann, schließt sich unweigerlich die Frage nach der Verteilung des so geschaffenen Wertes an (zu Details der Bewältigung von Verteilungskonflikten vgl. Kapitel 8).

Beziehungskonflikte Jeder Konflikt hat – wie menschliches Verhalten generell – eine Sach- und eine Beziehungsebene. Die Qualität einer Beziehung hängt wesentlich von der Fähigkeit der Personen ab, Konflikte zu verhandeln. Störungen auf der Beziehungsebene ergeben sich in der Regel also nicht aus einer Situation als solcher, sondern aus Unzulänglichkeiten im Umgang mit dieser. In dem zuvor geschilderten Fall Steilmann war nach allem, was bekannt ist, das Verhältnis zwischen Vater Klaus und Tochter Britta gut (vgl. Kasten 3). Die Übergabe des Unternehmens scheiterte zunächst an verschiedenen Auffassungen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Wenn die Auseinandersetzung in der Sache auch das Verhältnis zwischen Vater und Tochter belastet hätte, hätten im Sachkonflikt zusätzlich Störungen auf der Beziehungsebene vorgelegen. Sobald sich eine Person durch die andere – auch unabhängig von einer sachlichen Differenz – gestört, beeinträchtigt oder missachtet fühlt, liegt neben dem Sachkonflikt regelmäßig ein Beziehungskonflikt vor. Wie Sachkonflikte die Beziehung der Beteiligten berühren können, zeigte sich z. B. in der bereits in Kasten 1 erwähnten Auseinandersetzung Calvin Klein Trademark Trust vs. Warnaco Group29, als Calvin Klein persönlich in der Fernsehsendung „Larry King Live“ seiner Kontrahentin Linda Wachner vorwarf, sie produziere „substandard products“.30 Nicht selten bleiben um22

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen gekehrt Sachkonflikte ungelöst, weil ein seit langem schwelender Beziehungskonflikt einem konstruktiven Umgang mit Sachfragen entgegensteht. Nahezu die Hälfte, nämlich 47 Prozent, der Konflikte in Unternehmen entstehen aus zwischenmenschlichen Gründen. Dagegen haben 53 Prozent der Auseinandersetzungen ihre Ursache in sachlichen, arbeitsbezogenen Differenzen.31 Situationen, in denen die Beziehung zwischen den Parteien der eigentliche Gegenstand des Konflikts ist, finden sich häufig in vordergründig gesellschafts- oder erbrechtlichen Auseinandersetzungen sowie bei internen und externen Streitigkeiten nach Unternehmenszusammenschlüssen. Eine Konfliktbeilegung ist in diesen Fällen so lange nicht möglich, wie die Spannungen auf der Beziehungsebene nicht abgebaut werden können. Beziehungskonflikte beschränken sich nicht auf Streitigkeiten zwischen den unmittelbar Betroffenen. Vielmehr suchen die Beteiligten, wenn ein Beziehungskonflikt besteht, geradezu nach weiteren Sachkonflikten, in denen sie Ansprüche vorbringen, eigene Macht nutzen und den anderen beschädigen können. Die eigentlichen Beziehungskonflikte bleiben dagegen ungelöst, weil die Betroffenen nicht dazu bereit sind, ihr persönliches Verhältnis zu klären. Häufig wird daher der Sachkonflikt nur zum Anlass genommen, den Beziehungskonflikt mit anderen Mitteln weiterzuführen. Er wird zum Stellvertreterkonflikt (character contest).32 In Familiengesellschaften lässt sich besonders deutlich sehen, wie schwierige Beziehungen sogar mehrere Generationen belasten und die Einheit eines Unternehmens in Frage stellen können. Anfang der 1990er Jahre gab es sieben Familiengesellschafter in der damaligen H. Bahlsen Keksfabrik KG. Sie gehörten zwei Familienstämmen an. Neben den familienangehörigen Gesellschaftern waren noch zwei externe Manager an der Unternehmensleitung beteiligt. Die Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaftern gestaltete sich schon damals schwierig, weil sie sich gegenseitig Kompetenz und Führungseigenschaften absprachen. Daher verbündeten sich einzelne Familienmitglieder immer wieder mit einflussreichen Personen außerhalb des Unternehmens. Als der Minderheitsgesellschafter Hermann Bahlsen im Jahre 1992 mit der Unterstützung des Beirats für einen neuen externen Manager warb, sahen die Mehrheitsgesellschafter ihre Position in Gefahr. Sie lehnten den Vorschlag ab, der Konflikt eskalierte. Werner Michael Bahlsen und sein Bruder Lorenz Bahlsen ließen Hermann Bahlsen als Komplementär aus dem Handelsregister streichen und erteilten ihm Hausverbot. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit war nicht mehr möglich.33 Nachdem die Zusammenarbeit innerhalb der Gesellschaft immer schwieriger verlief, teilten die aktiven Familienmitglieder im Jahre 1993 zunächst das operative Geschäft untereinander auf. Im Jahre 1999 vollzogen die ver-

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Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements bliebenen Eigentümer der alten Bahlsen-Gruppe, Werner Michael Bahlsen und sein Bruder Lorenz Bahlsen (sie hielten jeweils 36 Prozent) einerseits sowie deren Schwager Gisbert von Nordeck (28 Prozent) andererseits, die faktische Trennung und teilten die Gruppe in drei selbständige Unternehmen auf. Werner Michael Bahlsen übernahm unter Beibehaltung der Marke Bahlsen die Sparte Süßgebäck, Lorenz Bahlsen die Snackproduktgruppe sowie die Marke Nordeck. Gisbert von Nordeck selbst sollte mit Konzerngesellschaften in der Schweiz und Österreich sowie mit Immobilien abgefunden werden.34 Kasten 4

Störungen der Beziehungsebene können in nahezu jedem Konflikt auftreten, so dass ein Dritter, der den Beteiligten helfen möchte, über ein erhebliches Maß an emotionaler und psychologischer Kompetenz verfügen muss. Mit der Frage, wie Sie die Emotionen der Parteien besser verstehen und deren Kommunikation effektiv fördern können, werden wir uns in Kapitel 5 näher beschäftigen.

Innere Konflikte Jeder Mensch kennt innere Konflikte. Sie sind ein notwendiger Teil der Persönlichkeitsentwicklung.35 In der Meinung, die eine Person von sich selbst hat, dem sogenannten Selbstkonzept, sieht die Psychologie heute ein bedeutendes Merkmal der Persönlichkeit.36 Sie wird durch die Botschaften geprägt, die sich aus Beziehungen zu anderen Menschen ergeben („Du bist handwerklich unbegabt.“, „Du kannst gut zeichnen.“ oder auch „Wie oft muss ich Dir das denn noch erklären?“). Hat sich das Selbstkonzept erst einmal verfestigt, schaffen wir uns als Individuen eine Erfahrungswelt, die dieses immer wieder bestätigt. Zu den Prägungen, die wir aus Kindheit und Jugend mit uns tragen, kommen im Laufe des Lebens berufliche Erfahrungen hinzu. Wer sich in seiner Funktion gegenläufigen, eigenen und fremden Anforderungen ausgesetzt sieht, empfindet neue Spannungen. Sie können auch zwischen privaten und beruflichen Erwartungen entstehen. So erwartete z. B. Vater Klaus Steilmann möglicherweise, dass seine Tochter sein Lebenswerk fortsetzt, während diese einen eigenständigen unternehmerischen Weg wählen wollte. Ähnliche Erwartungen an die Unternehmenskontinuität, wie ein Vater sie an seine Kinder stellt, würden einen familienexternen Manager kaum in dieser Weise treffen. Obwohl sie insbesondere auf Beziehungskonflikte einen erheblichen Einfluss haben, sind innere Konflikte selbst in der Regel nicht Gegenstand der Mediation. Unter Umständen erfordern sie eine individuelle Beratung, z. B. im Rahmen eines Coaching oder einer Therapie. Als Mediator sollten Sie 24

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen allerdings darauf vorbereitet sein, dass Sie auf Reaktionen treffen, die in keiner Relation zu ihrer jeweiligen Ursache zu stehen scheinen. Der Grund für ein solches Verhalten eines Beteiligten, der sich – äußerlich unerklärlich – ungewöhnlich unnachgiebig zeigt, sich nicht entscheiden mag oder in seinen Positionen schwankt, mag in einem inneren Konflikt liegen. Eine unsichere innere Haltung wirkt sich so auf die eigenen Vorstellungen ebenso wie auf das Verhalten gegenüber anderen aus. Besteht z. B. zwischen hohen Ansprüchen an sich selbst und dem tatsächlichen Leistungsvermögen eine größere Diskrepanz, kann bereits eine als ungerecht empfundene Zurückweisung am Arbeitsplatz zu extremen Antworten, wie z. B. Beleidigungen, führen. Wenn ein selbstbewusster Kollege eine derartige Reaktion als überzogen empfindet, nimmt die Eskalation schnell ihren Lauf. Als Mediator können Sie eine solche Situation im Rückblick dadurch aufklären, dass Sie die Beteiligten nach der Motivation für ihr jeweiliges Verhalten befragen (vgl. Kapitel 5). Wird dabei ein innerer Konflikt sichtbar („Ich war damals sehr angespannt. Ich hatte privat Schwierigkeiten, konnte mich nicht konzentrieren und merkte, dass mir Fehler unterliefen, zu denen es sonst nicht gekommen wäre.“), ist auch für den anderen erkennbar, warum die Reaktion schärfer ausfiel, und eine Beilegung des Konflikts wird leichter. Dasselbe gilt im Hinblick auf andere frühere Erfahrungen. So wird jemand, der schon einmal Opfer eines Anlagebetruges geworden ist, seinen Geschäftspartnern zumeist mit sehr viel mehr Misstrauen begegnen, als es andere Personen tun würden.

Nutzen der Konflikttypisierung

Abbildung 1: Der Konfliktkreis

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Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements Der Konfliktkreis zeigt fünf objektive Anlässe, aus denen heraus ein Konflikt entstehen kann. Natürlich lässt sich über die Einteilung ebenso wie über die Zahl der zu bildenden Kategorien streiten. So ließen sich zu den verschiedenen Konfliktarten zahlreiche Untergruppen und andere Anwendungsbeispiele finden. Auch sind die Übergänge zwischen den einzelnen Konfliktarten fließend. So hängt die Trennschärfe der Unterscheidung nach Sach- und Strategiekonflikten davon ab, wie ein Ziel definiert wird. Je abstrakter dieses ist, um so eher liegt ein Wettstreit über den Weg dorthin vor (Strategiekonflikt). Je konkreter es dagegen gefasst wird, um so eher kann man in der Auseinandersetzung eine sachliche Differenz entdecken (Sachkonflikt). Der Zweck der Darstellung besteht lediglich darin, die Konfliktanlässe in einer Weise zu typisieren, welche Ihnen als Entscheidungsträger im Unternehmen oder Berater die Auswahl der geeigneten Methode der Konfliktbeilegung erleichtert. Wenn Sie als Mediator beauftragt werden, können Sie in Kenntnis des Konflikttyps die Verhandlung besser vorbereiten. So ist z. B. in einem Sachkonflikt die Sachverhaltsaufklärung von besonderer Bedeutung (vgl. Kapitel 4). Bei Beziehungs- und Strategiekonflikten ist vor allem Ihre Kommunikationsfähigkeit gefordert (vgl. Kapitel 5). Bei Sach- und Verteilungskonflikten werden Sie der Erörterung der Interessen (vgl. Kapitel 6) und der Nichteinigungsalternativen der Beteiligten erhöhte Aufmerksamkeit schenken (vgl. Kapitel 9). In Verteilungskonflikten werden Sie sich auch auf Kriterien für eine effiziente und faire Lösung konzentrieren (vgl. Kapitel 8).

Subjektive Wahrnehmung von Konflikten Nicht jede Uneinigkeit ist schon ein Konflikt. Ob sich aus Meinungsverschiedenheiten über das Ziel, den Weg, die grundsätzliche Bedeutung, die Verteilung oder aus einer Spannung in einer Beziehung eine Streitigkeit entwickelt, hängt in hohem Maße von der subjektiven Wahrnehmung der Situation durch den oder die Betroffenen ab. Ein Konflikt entsteht erst, wenn zumindest ein Betroffener eine Uneinigkeit als Beeinträchtigung erlebt, also den Eindruck hat, durch eine Unvereinbarkeit von Gefühlen, Erwartungen oder Vorstellungen beeinträchtigt zu werden.37 Ähnlich definieren Sozialpsychologen Konflikte als die Wahrnehmung einer Interessendivergenz oder den Glauben, dass die gegenwärtigen Bestrebungen der Parteien sich nicht gleichzeitig erreichen ließen.38 Die Untersuchung der subjektiven Wahrnehmung ist vielleicht der spannendste Teil der Konfliktdiagnose (vgl. Kapitel 4 und 5). Es ist immer wieder eindrucksvoll, wie sehr sich zwei individuelle Realitäten voneinander unterscheiden können. Das gilt auch im Wirtschaftsleben, obwohl die Akteure – anders als in vielen privaten Streitigkeiten – in der Regel die Bedürfnisse 26

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen und Interessen ihrer Geschäftspartner gut einschätzen können, weil sie es gewohnt sind, über Anreizstrukturen nachzudenken: Um Kunden zu gewinnen, müssen sie deren Bedürfnisse kennen, um sich im Wettbewerb durchzusetzen, das Verhalten ihrer Mitbewerber antizipieren. Die an einer Auseinandersetzung Beteiligten erörtern meistens allerdings eher die eigene Strategie und die Ziele des Gegners als mögliche Wahrnehmungsunterschiede. Dabei liegt der Schlüssel zum Verständnis jedes Verhaltens in der Kenntnis der subjektiven Sichtweise des Handelnden. Diese wird durch verschiedene kognitive Mechanismen beeinflusst, die wir im Folgenden darstellen wollen.39 Wie Sie später in diesem Buch feststellen werden, gibt Ihnen das Wissen um die Abläufe in unseren Köpfen Ansatzpunkte dafür, wie Sie die Beteiligten zu einer Überprüfung ihrer eigenen Haltung veranlassen können (vgl. Kapitel 5 und 6).

Selektive Wahrnehmung Konflikte sind nicht statisch. Vielmehr verlaufen sie dynamisch. Auch unsere Wahrnehmung ist ständig Veränderungen ausgesetzt. Da niemand dazu in der Lage ist, alle in der Umwelt vorhandenen Informationen zu verarbeiten, erfolgt die Wahrnehmung selektiv. Jeder sieht nur einen Ausschnitt der Realität.40 Dieses Filtern von Daten stellt zunächst einen Schutz des menschlichen Gehirns gegen Informationsüberflutung dar. Das Phänomen der selektiven Wahrnehmung lässt sich aber auch durch die sogenannte kognitive Dissonanztheorie erklären.41 Sie geht von dem Prinzip der kognitiven Konsistenz bzw. Balance aus. Danach kann ein Individuum nicht gleichzeitig zwei einander entgegengesetzten Auffassungen anhängen. Um die Entstehung solcher Widersprüche zu vermeiden, sucht der Mensch aktiv nach Informationen, die mit seiner Einstellung übereinstimmen. Eindrücke, die mit dieser nicht im Einklang stehen, unterdrückt er dagegen. Wir organisieren also unsere eigenen Meinungen, Einstellungen und Wahrnehmungen so spannungsfrei wie möglich, um innere Widersprüche zu vermeiden. Da jede Person nur einen Teil der auf sie einströmenden Informationen verarbeitet und dazu neigt, solche Eindrücke zu ignorieren, die sich mit ihrem Weltbild nicht vertragen, nehmen wir jeweils dieselben Geschehnisse anders wahr. Daher dürfte es eigentlich nicht überraschen, dass sich die Vorstellungen der an einem Konflikt Beteiligten mit zunehmender Zeit immer weiter voneinander entfernen. Tatsächlich glaubt aber jeder, der andere müsste die Welt so sehen können wie er selbst, wenn dieser sich nur etwas Mühe geben würde … Die Aufgabe des Mediators besteht in solchen Situationen daher darin, die jeweilige Informationslage zu vervollständigen oder zu korrigieren, den dafür notwendigen Austausch zu moderieren und Empathie zu wecken (vgl. Kapitel 5 und 6). 27

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements

Überoptimistische Einschätzung Entgegengesetzte Auffassungen von Konfliktparteien lassen sich häufig auch deswegen nur schwer überbrücken, weil ihnen häufig überoptimistische Einschätzungen (judgmental overconfidence) zugrunde liegen.42 Streitende sind oft jeweils davon überzeugt, sie wären „im Recht“. Stellt eine juristische Auseinandersetzung die Alternative zu einer Einigung dar, sind sie sicher, dass sie im Falle einer gerichtlichen Klärung jedenfalls über größere Erfolgschancen als die andere Seite verfügen. Nun können Sachverhalte und Rechtsfragen natürlich vernünftigerweise unterschiedlich beurteilt werden. Eine Einigung wird in vielen Fällen allerdings durch die bereits beschriebene Haltung erschwert: Jeder meint, der andere müsste sich doch dem eigenen, sorgfältig gebildeten Urteil anschließen. Diese Überschätzung des eigenen Standpunkts ist durch zahlreiche empirische Studien belegt.43 So hat eine bekannte Untersuchung z. B. gezeigt, dass Personen, die lediglich über einseitige Informationen verfügen, mit größerer Bestimmtheit den Ausgang eines Rechtsstreits vorhersagen als diejenigen, die beide Standpunkte kennen. Obwohl die nur von einer Seite informierten Betroffenen um die Unvollständigkeit wussten, konnten sie nicht die Korrekturen vornehmen, die notwendig gewesen wären, um zu einer ausgewogenen Einschätzung zu gelangen.44 Für die Erklärung dieses Überoptimismus gibt es verschiedene Gründe. Eine der Ursachen dürfte in der zuvor erörterten selektiven Wahrnehmung zu sehen sein. Da jeder Betroffene nur einen Ausschnitt der Realität wahrnimmt und kognitive Dissonanzen zu vermeiden versucht, unterschätzt er diejenigen Umstände, die zwar dem anderen, ihm selbst aber nicht oder nur teilweise bekannt sind. Auch die Vernachlässigung objektiver, externer Informationen (z. B. Statistiken, Rechtsprechung, Argumente für andere Auffassungen) trägt zu Überoptimismus bei. Dasselbe gilt für die einseitige Konzentration auf selbstgesetzte Ziele. Sie können schnell wie ein Anker wirken.45 Der Mediator gleicht diese Defizite aus: Er wird für die Einbeziehung zusätzlicher Informationen sorgen, Missverständnisse ausräumen, das Verständnis für andere Sichtweisen fördern und dadurch zu einer Veränderung der Wahrnehmung beitragen (vgl. Kapitel 6 und 7).

Sich selbsterfüllende Vorhersagen Vermittelt uns die selektive Wahrnehmung ein gefiltertes Realitätsbild, so verkleinern wir diesen Filter kognitiv noch stärker, indem wir unsere eigenen Haltungen verfestigen: Negative Einschätzungen bestätigen ungünstige Gefühle, diese verstärken wiederum unsere abwertenden Urteile. Derartige Mechanismen führen dazu, dass es immer wahrscheinlicher wird, dass eine 28

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen negative Erwartung eintritt. Diesen Effekt bezeichnet man als sich selbsterfüllende Vorhersage (self-fulfilling prophecy).46 Sich selbsterfüllende Vorhersagen treten im Berufsleben an vielen Stellen auf: Wenn Sie als Direktor einer Unternehmensberatung einem Ihrer Teams weniger zutrauen und sich dessen Projekt regelmäßiger und genauer ansehen als das anderer Einheiten, besteht naturgemäß eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Sie dort auch mehr Fehler finden. Bewerbungsgespräche entsprechen ebenfalls allzu oft dem Eindruck, den der Fragende schon zuvor aufgrund der Unterlagen gewonnen hat.47 Ganz überraschend bewahrheitet sich die eigene Vorstellung dann tatsächlich … So verschärfen Erwartungen Konflikte, weil die Kontrahenten im Verhalten der Gegenseite regelmäßig die Eigenschaften finden, die sie vorausgesagt haben. Gruppen verlieren ihre Autonomie und Motivation. Die Fehlerhäufigkeit nimmt zu. Ein Mediator kann diesen Mechanismen entgegenwirken, indem er die Parteien zu einer kritischen Reflexion ihrer einseitigen Sichtweise motiviert und ihnen durch die Vermittlung objektiver Informationen sowie der subjektiven Perspektive des Kontrahenten zu einer realistischen Bewertung des Konfliktes verhilft.

Attributionelle Verzerrungen Selektive Wahrnehmung, sich selbsterfüllende Vorhersagen und überoptimistische Einschätzungen erklären, warum viele Konfliktparteien dazu neigen, ihre Forderungen mit einer beeindruckenden Beharrlichkeit zu verfolgen. Nun sollte man allerdings meinen, dass es im Laufe der mit einer Auseinandersetzung verbundenen Gespräche zu einer Überprüfung und Annäherung von Standpunkten kommt. Tatsächlich fällt die subjektive Wahrnehmung mit anhaltender Dauer eines Konflikts jedoch zunehmend einseitiger aus: Die Vorstellungen der Beteiligten verzerren sich also immer weiter. Warum fällt uns die Korrektur unserer Einstellungen sogar nach einer kritischen Beschäftigung mit der eigenen Sichtweise und derjenigen unserer Verhandlungspartner mit zunehmender Zeit eher schwerer als leichter? Ein Grund dürfte darin liegen, dass wir sogenannten attributionellen Verzerrungen unterliegen. Haben wir nämlich erst einmal eine wenig wohlwollende Einstellung zu einer Person entwickelt, so schreiben wir nach der sogenannten Attributionstheorie Informationen, die unsere negative Haltung bestätigen, ihren Charaktereigenschaften zu. Dagegen halten wir ihr ein positives Verhalten nicht zugute, sondern rechnen es lediglich der Situation zu.48 Solche attributionellen Verzerrungen können sich deswegen verhängnisvoll auswirken, weil der Betroffene sie kaum korrigieren kann: Tritt er – aus Sicht des Beobachters – in kritikwürdiger Weise auf, so bewertet dieser das 29

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements Verhalten als Beleg für sein negatives Bild. Verhält sich der Beobachtete dagegen tadellos, so ist dieses – aus Sicht des Kontrahenten – außergewöhnliche Benehmen natürlich kein positives Zeichen, sondern nur strategisch oder situationsbedingt zu erklären. Der Betroffene befindet sich in einer fast tragischen Situation: Wie er sich auch verhält – er hat keine Chance, das Bild, das sein Gegenüber von ihm hat, zu verbessern. Auch wenn sein Verhalten diesem gefällt, bekommt der Betroffene dafür keinen Kredit. Verärgert es ihn dagegen, bestätigt der Beobachtete in den Augen des Beobachters nur seinen schlechten Charakter. Im Gespräch mit einem Mediator können sich solche attributionellen Verzerrungen auflösen. Um zu einer Wahrnehmungsänderung zu gelangen, bedarf es allerdings eines Austausches über die jeweilige Motivation der Handelnden (vgl. Kapitel 5).

Verlustangst So unterschiedlich die Motivation der Akteure im Wirtschaftsleben und ihre Wahrnehmung sein mögen, so weitgehend stimmen sie doch in ihrem Gewinnstreben überein. Interessanterweise ist allerdings die Verlustangst (loss aversion) der meisten Menschen stärker ausgeprägt als ihr Bemühen, unsichere Chancen zu realisieren.49 Vereinfacht ausgedrückt sind wir überraschend risikofreudig, wenn wir Verluste vermeiden wollen. Das ist bemerkenswert, weil die Mehrheit allgemein eher risikoscheu ist. Anderenfalls hätten Versicherungen keine Existenzchance. Da Konflikte ebenso wie ihre Beendigung oft mit Nachteilen für die eine oder andere Seite verbunden sind (z. B. Zahlungsverpflichtung, Aufgabe von Macht oder Einfluss im Unternehmen), gehen die Kontrahenten oft große Risiken ein, um diese Nachteile zu vermeiden. Dabei neigen sie sogar dazu, hohe, aber ungewisse Verluste eher in Kauf zu nehmen als geringere, aber sichere Einbußen. Nimmt also mindestens ein Beteiligter den Ausgang eines Konflikts als einen „Verlust“ wahr, wird er unter Umständen beachtliche Risiken eingehen, um dieses Ergebnis auszuschließen. Zu einem derartigen Verhalten kann es z. B. kommen, wenn die Parteien eine nicht ihren Vorstellungen entsprechende Machtverteilung oder eine für die Unternehmensentwicklung beschlossene Strategie als einen großen Nachteil betrachten, den sie vermeiden müssen. Ebenso erschwert Verlustangst eine Verständigung, wenn Einigungsmöglichkeiten in Sach- oder Verteilungskonflikten an ursprünglichen Forderungen gemessen werden. Ob wir eine Veränderung als Verlust oder Gewinn betrachten, hängt allerdings stets von dem Bezugspunkt ab, den wir wählen. Für Anleger an der Börse, die sich Gedanken darüber machen, ob sie Aktien halten oder verkaufen wollen, ist das beispielsweise regelmäßig der Einstiegskurs. Öko30

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen nomisch ist diese Betrachtung unsinnig: Für die Entscheidung über den Verkauf von Aktien kommt es nur auf die Beurteilung der weiteren Entwicklung des Marktes an. Zu dieser Prognose kann der ursprüngliche Kurs nichts beitragen. Aus psychologischer Sicht ist er dennoch von maßgeblicher Bedeutung, da er über die Einschätzung als Gewinn oder Verlust entscheidet. Bei der Akquisition eines Unternehmens sind ähnliche Referenzpunkte z. B. ein früherer Kaufpreis oder Beträge, die für den Erwerb vergleichbarer Betriebe in der Branche derzeit gezahlt werden. Da regelmäßig verschiedene Bezugspunkte in Betracht kommen, kann ein Mediator, der mit den Beteiligten eine Ex-post-Betrachtung durch eine Prognose ersetzt oder alternative Orientierungspunkte identifiziert, auch alternative Deutungsmöglichkeiten finden und dadurch zur Überwindung des Phänomens der Verlustangst beitragen.

Versunkene Kosten Wenn Verlustangst eine so wichtige Rolle spielt, sollten die im Verlauf einer Auseinandersetzung bereits entstandenen Kosten den Konfliktparteien eigentlich als Warnung dienen. Wer weiß, wie viel er bereits in der Vergangenheit aufgewendet hat, müsste auch kalkulieren können, was noch auf ihn zukommt. Das Bewusstsein um die mit der Fortsetzung eines Konflikts verbundenen Ausgaben dürfte also die Bereitschaft, weitere Mittel aufzuwenden, mindern. Tatsächlich werfen jedoch viele, wie der Volksmund sagt, gutem Geld noch schlechtes hinterher. Statt ein glückloses Joint Venture zu beenden und Zeit und Mittel in ein neues Engagement zu stecken, führen Investoren diesem neues Kapital zu, um ihren Einsatz zu retten: Schließlich soll dieser nicht vergebens gewesen sein. Ähnlich geht es Kreditgebern, die ein notleidendes Unternehmen weiterhin stützen, obwohl dieses nicht sanierungsfähig und/oder -würdig ist. Sie lassen sich von den bereits versunkenen Kosten (sunk costs)50 ebenso leiten wie Konfliktparteien, die schon viel aufgewendet haben. So erweisen sich z. B. immer wieder bereits entstandene Anwaltskosten und Gerichtsgebühren als eine schwer zu überwindende Einigungshürde. Eine sorgfältige Kalkulation der mit einer Fortsetzung des Streits verbundenen finanziellen Folgen im Rahmen einer Risikoanalyse mit Unterstützung des Mediators kann die Wirkung dieses Phänomens begrenzen (vgl. Kapitel 9).

Reaktive Abwertung Nehmen wir an, dass sich die zuvor genannten kognitiven Barrieren überwinden lassen. Eine Partei unterbreitet einen Vorschlag, der eine für alle Beteiligten vorteilhafte Lösung zu bieten scheint. Woran liegt es, wenn in einer solchen Situation dennoch keine Einigung zustande kommt? Möglicherweise reduziert alleine der Umstand, dass ein – für beide Seiten vorteil31

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements hafter – Vorschlag von einer Seite geäußert wird, dessen Wert und Attraktivität in den Augen der anderen Seite erheblich. Wird eine Anregung nur deswegen zurückgewiesen, weil sie von einem Kontrahenten stammt, bezeichnen wir dieses Phänomen als reaktive Abwertung (reactive devaluation).51 Die Ursachen für eine solche Abwertung können vielfältig sein. Gerade in Konflikten neigen die Parteien dazu, in einem Angebot nach versteckten Vorteilen für die andere Seite zu suchen: Wenn „die“ einen Vorschlag machen, muss er gut für sie sein – sonst würden sie ihn nicht unterbreiten. Wenn er aber vorteilhaft für die anderen ist, so folgt daraus (wahrlich nicht zwingend), dass er nachteilig für uns sein wird.52 Daher kann ein Zugeständnis, auch wenn es auf den ersten Blick attraktiv zu sein scheint, wohl nichts wert sein. Derartige Schlüsse lassen sich mit der bereits erwähnten kognitiven Dissonanztheorie dadurch erklären, dass wir versuchen, Informationen und Einstellungen in Einklang miteinander zu bringen. Dass die jeweils andere Seite tatsächlich an einer gemeinsamen, konstruktiven Beilegung des Konflikts interessiert sein könnte, wird von den Kontrahenten nicht für möglich gehalten. Dementsprechend tritt die rational eigentlich naheliegende Frage, welche unbekannten Informationen die Gegenseite haben könnte und wie diese zur gemeinsamen Wertschöpfung genutzt werden könnten, in den Hintergrund. Bei manchen Menschen ist das Gefühl ausgeprägt, dass die nicht verfügbaren Möglichkeiten attraktiver sein könnten bzw. müssten als die verfügbaren Optionen („The grass is always greener on the other side of the fence.“). Diese Einstellung kann auch die Wahrnehmung der eigenen Präferenzen beeinflussen und eine reaktive Abwertung hervorrufen.53 Schließlich mag eine Konzession die andere Seite dazu veranlassen, noch weitere Zugeständnisse zu verlangen.54 Die reaktive Abwertung liegt in diesem Fall in der Vorstellung, dass mit der notwendigen Härte im Laufe der Verhandlung noch mehr zu erreichen wäre.

Internationale und interkulturelle Konflikte Die subjektive Wahrnehmung der Beteiligten erschwert auch die Beilegung der bislang nicht als selbständige Kategorien aufgeführten, im Wirtschaftsleben bedeutsamen internationalen und interkulturellen Konflikte. Dem Anlass nach entsprechen diese Auseinandersetzungen den zuvor dargestellten Kategorien. Allerdings unterscheiden sich Erwartungen und Vorstellungen z. B. über die Behandlung von Kunden, den Umgang im Betrieb oder die Qualität von Produkten gelegentlich derart, dass Streitigkeiten entstehen, die innerhalb derselben Kultur oder innerhalb desselben Landes nicht auftreten würden.55 Der globale Marktplatz erfordert daher in besonderer Weise den individuellen Umständen entsprechende, flexible Mechanismen der Streitbeilegung, wie wir sie im zweiten Kapitel näher darstellen werden.56 32

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen

Konfliktverlauf Die eben geschilderten kognitiven Mechanismen lassen erahnen, warum Konflikte sich nicht immer ohne weiteres beilegen lassen. Dennoch wird häufig unterschätzt, mit welcher Geschwindigkeit und Eigendynamik sie sich entwickeln. Ob sich die Mediation oder eine andere der im zweiten Kapitel darzustellenden Methoden zur Konfliktbeilegung anbietet, hängt allerdings auch davon ab, auf welcher Eskalationsstufe sich ein Konflikt befindet. Da sie durch komplexe psychologische Abläufe geprägt sind, lassen sich Eskalationen nicht schematisch darstellen. Dennoch können wir bestimmte typische Entwicklungslinien nachzeichnen. Eine Kategorisierung, die wir in der Praxis als hilfreich empfunden haben, bildet das weit verbreitete Modell der neun Eskalationsstufen von Glasl.57 Die einzelnen Phasen werden jeweils durch sogenannte Wendepunkte begrenzt. Diese auch als Regressionsschwellen bezeichneten Punkte charakterisieren jene Situationen, in denen die Konfliktparteien abrupt die nächste Eskalationsstufe betreten.

Abbildung 2: Neun Eskalationsstufen (nach Friedrich Glasl)

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Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements

Verhärtung der Standpunkte (Stufe 1) Das in gegensätzlichen Erwartungen, Vorstellungen oder Gefühlen liegende und als beeinträchtigend empfundene Konfliktpotential verwandelt sich auf der ersten Stufe in einen Konflikt, wenn die Beteiligten sich gegenseitig nicht mehr oder nur noch wenig beeinflussen lassen. Sobald sich die Standpunkte verhärten, beginnen die Beteiligten, Geschehnisse nur noch verzerrt wahrzunehmen. Das eigene Verhalten wird dann zunächst leicht positiv, das Verhalten des anderen leicht negativ beurteilt. Trotz wahrnehmbarer Spannungen, eines Gefühls des Unbehagens und der Befangenheit, ist der Konflikt aber in einem frühen Stadium noch im Gespräch zu lösen. Die Beteiligten sind meistens darum bemüht, keine Polarisierung entstehen zu lassen.

Zunahme von Spannungen (Stufe 2) Auf der zweiten Stufe nehmen Spannungen und Reizzustände zu. In diesem Stadium beginnen die Beteiligten, Auffassungsunterschiede hervorzuheben. Damit verschaffen sie sich ein gesteigertes Selbstwertgefühl und provozieren die andere Seite. Kollisionen treten verstärkt auf und werden auch nicht mehr gemieden. Zumindest einer der Beteiligten führt das Gespräch möglicherweise von oben herab, so dass dadurch eine weitere Entfremdung entsteht. Die Kommunikation nimmt ab. Widersprüche und Fehlinterpretationen nehmen zu. Die Auseinandersetzung bewegt sich jedoch nach wie vor ausschließlich in einem intellektuellen Rahmen. Auf den Stufen 1 und 2 bedienen sich die Kontrahenten gerne äußerlich logischer Verfahren, um ihren Standpunkt zu begründen. Tatsächlich verbergen sich dahinter jedoch oft Denkfehler. Dementsprechend leiten die Parteien aus einer zeitlichen Reihenfolge Schlussfolgerungen über einen kausalen Zusammenhang ab, der tatsächlich nicht besteht. So hatten in einer mittelständischen Unternehmensberatung zwei Gesellschafter, für Zwecke dieser Darstellung Schiller und Erhard genannt, die Aufgaben unter sich aufgeteilt. Schiller war u. a. für die Kontakte zu den Medien zuständig. Als Erhard fragte, ob das jährliche Pressegespräch mit dem für die Branche zuständigen Wirtschaftsredakteur einer Zeitung bereits stattgefunden habe, verneinte Schiller. Wenig später erfuhr Erhard von einem Bekannten, dass er Schiller am Vorabend mit dem Wirtschaftsredakteur in einem Münchener Szene-Lokal gesehen habe. Erhard war außer sich und berichtete einem Kollegen noch am selben Abend, Schiller sei ein Lügner. Tatsächlich fand das Pressegespräch erst in der folgenden Woche statt. Am Vorabend war Schiller ebenso wie der Wirtschaftsredakteur bei einer großen Geburtstagsfeier eingeladen gewesen, hatte allerdings weder neben ihm gesessen noch Gelegenheit gehabt, sich mit ihm zu unterhalten. In ähnlicher Weise geben die Be34

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen teiligten Äußerungen eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung oder stellen unbedeutende Aspekte des Verhaltens des anderen überzogen dar.58

Taten statt Worte (Stufe 3) Nach der Betonung von Auffassungsunterschieden gelangt zumindest einer der Konfliktbeteiligten früher oder später zu der Überzeugung, dass nunmehr Taten folgen müssen. Sie können schnell, einseitig und unabhängig begangen werden. Daher kann ein Beteiligter die andere Seite vor vollendete Tatsachen stellen oder von ihr beabsichtigte Handlungsweisen blockieren. Dieses Stadium ist z. B. erreicht, wenn sich die Mitglieder eines Vorstands vor den Sitzungen nicht mehr über Aktivitäten eines Ressorts abstimmen, die auch einen anderen Bereich betreffen. Der Konflikt weitet sich auf Dritte aus. So bilden sich z. B. im Vorstand „Pro“- und „Contra“-Lager um die Betroffenen. Stehen sich Gruppen einander gegenüber, so steigt in diesem Stadium der Konformitätsdruck. Das Verhalten der anderen Seite wird zunehmend nach stereotypen Mustern beurteilt, wie sie sich in politischen Auseinandersetzungen häufig zeigen. In bedrückender Weise wurde dieser Umstand auch im 300-Seelendorf Herzogenaurach sichtbar, nachdem sich die Brüder Adi und Rudolf Dassler getrennt hatten. Während Adi Dassler die bislang gemeinsam betriebene Schuhfabrik unter dem Namen Adidas weiterführte, gründete sein Bruder Rudolf Dassler Puma. Mitarbeiterwechsel von einer Firma zur anderen waren lange Zeit ausgeschlossen. Lokale weigerten sich, Mitarbeiter des Konkurrenten zu bedienen. Noch heute gibt es im Ort keinen Sportfachhändler, der beide Marken führt.59

Verlagerung des Forums (Stufe 4) Sofern auf die Taten hin keine Beendigung des Konflikts durch einen Dritten oder eine Einigung folgt, nimmt auf der vierten Stufe die Neigung zu, die andere Seite für die Fortdauer der Auseinandersetzung verantwortlich zu machen. Das Selbstbild wird überhöht. Obwohl die handelnde Konfliktpartei durch ihr eigenes Verhalten Aggressionen provoziert und Unbehagen gefördert hat, sieht sie sich tendenziell eher in der Rolle des Reagierenden. Die Beteiligten betrachten die Auseinandersetzung zunehmend als eine Wahl zwischen Sieg und Niederlage. Die Neigung der Parteien, Zugeständnisse zu machen, nimmt ab, weil sie diese als Verlust betrachten und begleitend ihre Risikobereitschaft zunimmt. Dieser Umstand entspricht der zuvor beschriebenen Verlustangst. In der Auseinandersetzung zwischen den Bahlsen-Gesellschaftern hatte Altgesellschafter Werner Michael Bahlsen im Jahre 1983 z. B. im Gesellschaftsvertrag festlegen lassen, dass Komplementär Hermann Bahlsen 35

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements 1989 aus der Geschäftsführung auszuscheiden habe und im Jahre 2000 unter Abfindung zum Buchwert ganz aus dem Gesellschaftsverhältnis entlassen werden sollte. Hermann Bahlsen fühlte sich nicht nur durch diese – rechtlich unwirksame – Klausel im Gesellschaftsvertrag benachteiligt. Vielmehr sah er auch viele andere Verhaltensweisen seiner Mitgesellschafter als feindlich an. So äußerte er zum Beispiel wiederholt die Überzeugung, seine Brüder würden versuchen, seinen Familienstamm mittels der Ausschüttungspolitik „auszuhungern“. Dahinter stand die Vermutung, dass im Unternehmen verbleibende Gewinne langfristig den Mitgesellschaftern Werner Michael und Lorenz Bahlsen nützen würden, da sie versuchten, Hermann Bahlsen aus dem Unternehmen zu drängen.60 Kasten 5

Die Auseinandersetzungen werden in diesem Stadium häufig in ein anderes Forum verlagert. So schalten die Konfliktbeteiligten beispielsweise Rechtsanwälte ein oder wenden sich an eine breite Öffentlichkeit. Die Angriffe nehmen einen persönlichen Charakter an. Nicht selten bezweifeln die Kontrahenten die Glaubwürdigkeit der anderen Seite. Die Gefahr eines Gesichtsverlustes nimmt für beide Seiten durch die direkten Angriffe zu.

Gesichtsverlust (Stufe 5) Eine andere Dimension gewinnt eine Auseinandersetzung, wenn ein Konfliktbeteiligter den anderen tatsächlich dazu bringt, sein Gesicht zu verlieren. Wenn diese fünfte Eskalationsstufe erreicht ist, wachsen die Diskrepanzen zwischen Selbst- und Feindbild deutlich. Die Kontrahenten schieben einander die Schuld an der Stagnation in ihren Bemühungen um eine Einigung zu. Auf beiden Seiten erhöht sich die Frustration. Einen Rückzug halten die Betroffenen für immer weniger wahrscheinlich. Rückblickend bringen sie frühere Verhaltensweisen mit dem Bild in Verbindung, das sie zwischenzeitlich von ihrem Gegner entwickelt haben. Der Gefahr des Gesichtsverlusts setzte sich Linda Wachner, Chief Executive der Warnaco Group, in dem bereits erwähnten Rechtsstreit mit dem Calvin Klein Trademark Trust aus (vgl. Kasten 1). Warnaco stellt aufgrund eines Lizenzvertrages Calvin Klein-Jeans her. Im Prozess wurde Wachner mit dem Vorwurf konfrontiert, sie habe dieses Lizenzrecht verletzt, indem sie unberechtigterweise Jeans an Billiganbieter verkauft hätte. Angesichts der öffentlich erhobenen Vorwürfe urteilte David Wolfe, Kreativdirektor der Doneger Group, einer New Yorker Beratungsfirma aus der Modebranche, die Auseinandersetzung könnte auch im Falle eines Obsiegens vernichtende Folgen für Frau Wachner haben: „Linda could come out of this with her reputation in shreds“.61 36

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen

Drohung und Zwang (Stufe 6) Sobald die Beteiligten keinen Weg zurück mehr erkennen können, nimmt die Neigung zu, die andere Seite zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. In der Drohung liegt zwar noch die Hoffnung, diese nicht umsetzen zu müssen. Die bedrohte Seite sieht in der Ankündigung des Kontrahenten allerdings einen Angriff und glaubt, ebenfalls mit einer Gegendrohung antworten zu müssen. Indem beide Seiten meinen, ihrer Forderung mit Nachdruck zum Erfolg zu verhelfen, sieht der jeweils Bedrohte in dem Verhalten des anderen vor allem eine Provokation. Die damit verbundenen Nachteile stärken seine Entschlossenheit, einen anderen Weg zu gehen.62 Drohungen nutzten die Parteien auch in dem bereits erwähnten Streit zwischen dem Gründer und Vorstandsvorsitzenden der Mobilcom AG, Gerhard Schmid, und seinem Mehrheitsgesellschafter France Télécom (vgl. Kasten 1). Das französische Telekommunikationsunternehmen drohte, es würde Schmid wegen Vertragsbruchs verklagen.63 Dieser konterte, in diesem Fall könnte er von einer Verkaufsoption Gebrauch machen und einen Teil seiner Aktien zu einem – angesichts einer schlechten Geschäfts- und Börsenlage – über dem Marktpreis liegenden Kurs verkaufen. Für France Télécom bedeutete diese Ankündigung, die von dem Unternehmen eingegangenen Verpflichtungen in Höhe von rund 6 bis 7 Milliarden Euro übernehmen zu müssen.64

Begrenzte Vernichtungsschläge (Stufe 7) Sofern sich auch auf der sechsten Eskalationsstufe keiner der Konfliktbeteiligten durchsetzt, kann es auf der siebten Stufe zu begrenzten Vernichtungsschlägen kommen. Nun fürchten die Konfliktbeteiligten um ihre eigene „Existenz“ – sei es der Job im Unternehmen oder dessen wirtschaftliches Überleben. Der anderen Seite trauen sie alles zu. Skrupel und Gewissensbisse im Hinblick auf das eigene Verhalten nehmen ab. Verluste auf der anderen Seite bereiten Genugtuung und kompensieren den unbefriedigten Siegeswillen. So entstehen neue Spannungsherde. Außergewöhnliches Engagement lässt sich in diesem Stadium häufig insbesondere bei Gesellschafterauseinandersetzungen beobachten. In einem solchen Fall aus unserer Praxis beantragten verfehdete Partner binnen weniger Wochen zwölf einstweilige Verfügungen gegeneinander. Diese zielten unter anderem darauf ab, den anderen daran zu hindern, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, die Büroräume zu betreten oder Schreiben an Kunden zu verschicken.

Zerstörung der Existenzgrundlage (Stufe 8) Schließlich streben die Konfliktbeteiligten auf der achten Stufe die Zerstörung der Existenzgrundlage des anderen an. Sofern es sich um eine Gruppe 37

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements handelt, wird alles unternommen, um diese zu zersplittern und die einzelnen Mitglieder gegeneinander auszuspielen. Schädliche Auswirkungen auf sie selbst fürchten die Beteiligten solange nicht, wie sie zumindest ihre eigene Existenz als gesichert bzw. ungefährdet betrachten. Eine derartige Entwicklung vollzog sich binnen relativ kurzer Zeit, nachdem der Investor Frank Lorenzo im Jahre 1986 die nordamerikanische Fluglinie Eastern Airlines erworben hatte. Damals wollte er vor allem Personalkosten senken. Das Management der Fluggesellschaft kündigte daher im Jahre 1987 an, die Kosten müssten um jährlich 120 Millionen US-Dollar reduziert werden.65 Dieses Vorhaben stieß auf heftigen Widerstand. Nach den Angaben der International Association of Machinists and Aerospace Workers (IAM) lagen die Löhne der Mechaniker bereits unter denen anderer, gewerkschaftlich organisierter Kollegen. Angesichts des den Berichten zufolge rauen Managementverhaltens war eine Verständigung ungeachtet der schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht zu erzielen. Stattdessen kam es zu langen Streiks, in deren Folge die Verluste erheblich anstiegen.66

Zerstörung der anderen Seite (Stufe 9) Die neunte und letzte Stufe ist erreicht, wenn kein Weg mehr aus dem Konflikt heraus zu führen scheint und alle Mittel aufgewendet werden, um die andere Seite zu zerstören. Ein solcher Vernichtungswille kann in diesem Stadium so weit reichen, dass ein Kontrahent den eigenen Untergang in Kauf nimmt, sofern nur die Gegenseite nicht überlebt. So endete auch der Machtkampf zwischen Lorenzo und der Eastern Airlines-Belegschaft: Nach dreieinhalb Jahren erbitterter Auseinandersetzungen stellte die 1927 gegründete Fluglinie im Januar 1991 ihren Betrieb ein und wurde liquidiert. Lorenzo verlor sein Unternehmen und seine Macht, die Angestellten ihre Arbeitsplätze.67

Nutzen des Eskalationsmodells Ähnlich wie über die verschiedenen Konfliktkategorien lässt sich auch über die hier getroffene Einteilung in verschiedene Eskalationsstufen trefflich streiten. Ebenso wenig wie die fünf Konflikttypen sind die neun Eskalationsstufen in der Lebenswirklichkeit stets sauber voneinander zu trennen. Manche Streitigkeiten dehnen sich binnen kürzester Zeit über verschiedene Stufen aus. Ebenso kommt es vor, dass verschiedene Stufen verschmelzen oder Kontrahenten auch einmal die eine oder andere Stufe überspringen. Zudem nimmt die Komplexität von Konflikten im Laufe der Zeit häufig so stark zu, dass sich die Vielzahl verschiedener Verhaltensweisen und Reaktionen durch einfache Modelle nicht mehr darstellen lässt. Die Einteilung nach verschiedenen Konfliktursachen und die Betrachtung des Verlaufs nach Eskalationsstufen erleichtern allerdings die Konfliktdiagnose. Zudem gibt 38

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen dieses Modell Ihnen als Entscheidungsträger im Unternehmen, als Berater oder Mediator einen ersten Anhaltspunkt für die Entscheidung über die geeignete Methode der Konfliktbeilegung (vgl. Kapitel 2 und 12). Wenn beispielsweise auf Stufe 5 das gegenseitige Vertrauen der Konfliktparteien völlig zerstört worden ist, können schwächere Interventionen nicht mehr eingesetzt werden. Umgekehrt kann in frühen Eskalationsstadien ein stärkerer Eingriff viel zu kräftig wirken.68

Zusammenfassung Aus objektiver Sicht bilden die Ursache eines jeden Konflikts ein Anlass und ein Verhalten. Im Wirtschaftsleben kommt es zu Sachkonflikten, wenn die Beteiligten unterschiedliche Ziele erreichen wollen. Wenn eine Auseinandersetzung Anschauungen berührt, zu denen sich mindestens ein Betroffener bekennt, handelt es sich um einen Wertkonflikt. Reicht die Bedeutung über den Einzelfall hinaus, liegt ein Grundsatzkonflikt vor. Streiten die Parteien nicht über das Ziel, sondern über den Weg dorthin, kann sich daraus ein Strategiekonflikt entwickeln. Weder das Ziel noch den Weg betreffen Streitigkeiten, die ihre Ursache in der Beziehung zwischen Personen haben. Schließlich können Konflikte über die Verteilung von wirtschaftlichem Erfolg, Macht oder Risiken entstehen. Auf Auseinandersetzungen haben auch innere Konflikte der Beteiligten Einfluss. Ein Anlass und ein Verhalten alleine stellen allerdings noch keinen Konflikt dar. Dieser liegt vielmehr erst dann vor, wenn zumindest ein Beteiligter die Situation subjektiv als eine Beeinträchtigung wahrnimmt. Angesichts der dynamischen Natur des Konflikts empfinden die an einem Konflikt Beteiligten regelmäßig die Beeinträchtigung umso stärker, je länger eine Auseinandersetzung andauert. Ursächlich dafür sind ihre selektive Wahrnehmung ebenso wie verschiedene kognitive Mechanismen, aufgrund derer wir nach einer Bestätigung unserer Einstellungen suchen, unsere eigenen Möglichkeiten überoptimistisch einschätzen, Verluste vermeiden wollen oder Vorschläge anderer abwerten. Infolge sich selbsterfüllender Vorhersagen und einer sich zunehmend verzerrenden Wahrnehmung eskalieren Auseinandersetzungen schneller, als Betroffene es anfangs absehen und später realisieren. Bereits aufgewendete Mittel wollen die Parteien keinesfalls verloren geben. So werden aus verhärteten Fronten schnell Taten, auf die Drohungen und begrenzte Vernichtungsschläge folgen. Je nach Gegenstand der Auseinandersetzung können sie bis zur Existenzgefährdung des Einzelnen oder zur Zerstörung einer Organisation führen. Die Verhärtung der Standpunkte (Stufe 1), die Polarisierung der Debatte (Stufe 2) sowie die Umsetzung eigener Vorstellungen durch Taten (Stufe 3) erlauben in vielen Fällen noch eine einvernehmliche Regelung ohne die Un39

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements terstützung durch einen Dritten. Sobald Auseinandersetzungen jedoch in einen weiteren Kreis getragen werden (Stufe 4), ein Gesichtsverlust entsteht (Stufe 5) oder Drohstrategien verfolgt werden (Stufe 6), bietet sich eines der im nächsten Kapitel darzustellenden, informellen Verfahren, insbesondere die Mediation, zur Konfliktbeilegung an. Auf den folgenden Eskalationsstufen sind die Konfliktparteien dagegen häufig nicht mehr dazu fähig, einen Konflikt selbst zu lösen. In diesen Stadien werden neben der Mediation andere Methoden der Streitbeilegung in Betracht kommen.

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Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen

Historisch betrachtet hat sich unser Konfliktverhalten fortentwickelt.1 Noch bevor es Waffen gab, lösten Menschen Streitigkeiten im Wege der Flucht. Jedenfalls die körperlich Unterlegenen beendeten eine Auseinandersetzung dadurch, dass sie sich entfernten. Dann entdeckten unsere Vorfahren die Waffen – von diesem Zeitpunkt an wollten einige nicht mehr davonlaufen, sondern ihre Gegner vernichten. Wer weder fliehen noch zerstören konnte oder wollte, hatte nur noch die Möglichkeit, sich dem anderen zu unterwerfen. Einen großen Fortschritt auf dem Weg zur zivilisierten Gesellschaft stellte die nächste Verhaltensstufe dar: Nach ihren Erfahrungen mit Flucht, Vernichtung und Unterwerfung erkannten die Betroffenen, dass es sinnvoll sein könnte, einen am Konflikt Unbeteiligten einzuschalten und ihm die Konfliktlösung im Wege der Delegation zu übertragen. Einen weiteren großen Sprung machte die Menschheit, als sie die Vorzüge selbstbestimmter Konfliktlösung entdeckte. Einen ersten Schritt in diese Richtung bildete die gütliche Einigung im Wege des gegenseitigen Nachgebens – der Kompromiss. Dabei stand zunächst die Beilegung des Konfliktes als solcher, nicht so sehr die Qualität der Einigung im Vordergrund. Inhaltlich waren die häufig symmetrischen Zugeständnisse nicht unbedingt von einem gegenseitigen Verständnis der Bedürfnisse des Konfliktpartners getragen und berücksichtigten die Interessen der Parteien daher nicht vollständig. Hierzu kam es erst, als es den Menschen – als Ergebnis eines Dialoges – möglich wurde, auch in kontroversen Situationen einen inhaltlichen Konsens zu erzielen. Während die Parteien beim Kompromiss lediglich darin übereinstimmen, den Konflikt zu beenden und für dieses Ziel jeweils gleichermaßen Einbußen in der Verwirklichung ihrer Interessen in Kauf nehmen, tragen die Beteiligten im Konsens das Ergebnis ohne verdeckten oder offenen inhaltlichen Widerspruch vollständig mit, weil es ihren jeweiligen Interessen so weit wie möglich gerecht wird. Kompromiss und Konsens unterscheiden sich damit vor allem in der Übereinstimmung der Parteien mit dem Einigungsergebnis und der Integration der gegenseitigen Interessen. Um einen Konsens oder zumindest einen Kompromiss zu erzielen, bemühen wir uns in Verhandlungen regelmäßig darum, selbst den Konflikt beizulegen. Dabei folgen die meisten von uns ihrer Intuition. Wenn direkte Gespräche nicht zum Erfolg führen, sehen die Beteiligten dagegen oft nur noch eine Möglichkeit, um einen Streit zu schlichten: Sie delegieren den Konflikt 41

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements an einen Dritten, der eine Entscheidung treffen und den Streit damit beenden kann. Obwohl sich das menschliche Konfliktverhalten also höher entwickelt hat, zeigt sich gleichzeitig eine interessante, gegenläufige Tendenz: Je stärker eine Auseinandersetzung eskaliert, umso weiter fallen die Kontrahenten auf frühere Entwicklungsstufen des Konfliktverhaltens zurück. Wenn die Betroffenen untereinander nicht dazu in der Lage sind, einen Konsens oder zumindest einen Kompromiss zu erzielen, delegieren sie die Entscheidung an Vorgesetzte, Gerichte oder andere Unparteiische. Wenn sich ein Konflikt durch diese Vorgehensweise nicht beenden lässt, streben sie – zumindest im übertragenen Sinne – die Unterwerfung oder Vernichtung des anderen an. So beendete der Geschäftsbereich Halbleitergeräte der STEAG Electronic Systems AG, Essen, einen Patentstreit mit den amerikanischen Wettbewerbern Mattson Technology und CFM Technologies im Jahre 2000 dadurch, dass er diese im Wege der Fusion in das eigene Unternehmen integrierte.2 Sofern sich der andere nicht unterwerfen lässt, besteht nur noch die Möglichkeit der Flucht. Am Arbeitsplatz liegt diese beispielsweise in der (inneren oder tatsächlichen) Kündigung, im Wettbewerb im Rückzug aus einem Markt, in dem sich keine Gewinne erwirtschaften lassen, oder im Prozess im Anerkenntnis eines klägerischen Anspruchs.

Abbildung 1: Grundmuster der Konfliktlösung (nach Gerhard Schwarz)3

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Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen In diesem Kapitel werden Sie feststellen, dass es neben dem Bemühen, einen Konsens oder Kompromiss in direkten Verhandlungen zu erzielen, auf der einen Seite und der Delegation, Unterwerfung, Vernichtung oder Flucht auf der anderen Seite noch andere, konstruktive Möglichkeiten der Streitbeilegung gibt, die häufig ungenutzt bleiben. Wenn Sie diese Methoden gezielt einsetzen, optimieren Sie die Verhandlungsführung erheblich und behalten auch noch in Situationen die Kontrolle, in denen eine Streitigkeit normalerweise einem Dritten zur Entscheidung vorgelegt würde. Als Berater steht Ihnen ein größeres Spektrum an Verfahren zur Verfügung, das Sie in Verträgen für den Streitfall vorsehen oder, wenn dieser eintritt, auswählen können.

Intuitives Verhandeln Die meisten Menschen vertrauen in Verhandlungen ebenso wie in ihrer alltäglichen Kommunikation ihrer Intuition.4 Für viele Situationen ist dieses Vertrauen vollkommen berechtigt. Für die Verhandlung trifft dies in der Regel jedoch gerade nicht zu. Denn unser intuitiv erlerntes Verhandlungsverhalten ist vom Standpunkt der modernen Verhandlungstheorie aus betrachtet oft ineffizient. Auch wenn einige Menschen von Natur aus über ein sehr viel höheres Verhandlungsgeschick verfügen als andere: Die meisten Menschen sind ineffektive Verhandler und bleiben hinter den Möglichkeiten gemeinsamer Wertschöpfung weit zurück. So haben empirische Studien nachgewiesen, dass weniger als 4 % der Manager in Verhandlungen in der Lage sind, wertschöpfende Kooperationsgewinne (win-win agreements) zu realisieren.5 In 20 % der Fälle erzielen sie sogar (nur) beiderseits nachteilige Ergebnisse – regelrechte lose-lose agreements.6 Selbst wenn die Verhandlungspartner in den streitigen Punkten vollkommen übereinstimmen, nehmen sie das nur in der Hälfte der Fälle überhaupt wahr.7 Die Folgen sind erheblich: Reale Chancen zur Einigung werden verpasst, Möglichkeiten zur gemeinsamen Wertschöpfung verschenkt. In der Folge werden viele Konflikte häufig nur deshalb fortgesetzt und eskalieren weiter, weil die Parteien greifbare Möglichkeiten der Einigung nicht erkennen und ungenutzt lassen. Die Ineffektivität unseres eigenen Verhandlungsverhaltens ist uns indes in der Regel nicht bewusst. Aufgrund eines falschen Verständnisses der Dynamik in Verhandlungen und typischer Wahrnehmungsfallen, vor allem einer überoptimistischen Einschätzung unserer eigenen Verhandlungsfähigkeiten, halten wir uns selbst für effektive, die anderen dagegen für ineffektive Verhandler. Im Folgenden wollen wir daher einige typische Ursachen für die Ineffektivität intuitiven Verhandelns aufdecken und Ihnen so einen Weg zur Verbesserung Ihres eigenen Verhandlungsverhaltens aufzeigen. Denn effektives Verhandeln ist ebenso wie andere Verhaltensweisen erlernbar.8 Die intuitiven Beschränkungen unseres eigenen Verhandlungsverhaltens sind vielfältig: Sie können darin liegen, dass wir effektives mit kompetiti43

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements vem Verhandeln gleichsetzen, uns auf die Verteidigung und Maximierung unserer geltend gemachten Positionen konzentrieren, die Alles-oder-NichtsAlternativen suggerieren, dass wir darauf bedacht sind, den eigenen Nutzen zu maximieren, Konflikte als Nullsummenspiele verstehen, uns frühzeitig auf Lösungsmöglichkeiten festlegen oder die Sach- und Beziehungsebene miteinander vermengen. In den weiteren Kapiteln dieses Buches werden wir Ihnen zeigen, wie Sie diese Stolperfallen durch ein Modell interessenorientierten Verhandelns im Rahmen der Mediation überwinden und Konflikte durch wertschöpfende, beiderseits interessengerechte Einigungen beilegen können.

Ineffektives Konfliktverhalten Eine wesentliche Hürde auf dem Weg zu einer effektiven Beilegung von Konflikten liegt häufig darin, dass wir in einem bestimmten Konfliktverhalten gefangen sind und uns so integrative Lösungen selbst verbauen. Die Art, wie wir uns in Konfliktsituationen verhalten, wird stark durch die eigene Persönlichkeit geprägt: Sind Sie ein ehrgeiziger Mensch, verfolgen Sie intuitiv eher kompetitive oder konfrontative Strategien zur Durchsetzung Ihrer Ziele. Ihre Selbstbehauptung ist stark, die Einfühlung in die Situation des anderen zumeist schwach ausgeprägt. Sie orientieren sich vor allem an den eigenen Interessen und Zielen. Die Interessen und Bedürfnisse des Verhandlungspartners spielen dagegen kaum eine Rolle. Es besteht die Tendenz, Unterschiede in den Positionen zu betonen sowie auf die Wahrnehmung und das Verhalten der anderen Partei durch Manipulationen, Drohung oder Zwang Einfluss zu nehmen. Andere reagieren auf Konfliktsituation dadurch, dass sie nachgeben oder Konflikte vermeiden, um Auseinandersetzungen nicht austragen zu müssen. Hier ist die Selbstbehauptung schwach, das Einfühlungsvermögen dagegen stark ausgeprägt. Parteien, die zu diesem Konfliktverhalten neigen, stecken ihre eigenen Interessen und Ziele zugunsten derer ihres Konfliktpartners zurück. Die Folge ist eine Vermeidungshaltung, in der die betroffene Partei Interessenunterschiede aus Konfliktscheu verdrängt und eher Einbußen in der Verwirklichung der eigenen Interessen hinnimmt, als den Konflikt offen auszutragen. Besitzen Sie dagegen jedoch bereits intuitiv die Fähigkeit, eigene wie fremde Ziele in Ihrem Verhalten zu berücksichtigen, lösen Sie das zugrundeliegende Problem oder suchen zumindest einen Kompromiss. Die Organisationspsychologie hat die Variationen möglichen Konfliktverhaltens im Thomas-Kilmann-Modell systematisch erfasst.9 Die folgende Abbildung (S. 45) verdeutlicht die Grundtendenzen intuitiven Konfliktverhaltens. Je nach Persönlichkeitstyp neigen Sie dazu, bestimmte Strategien eher zu verfolgen als andere. Jede dieser Verhaltensweisen scheint Ihnen dementsprechend auch rational zu sein. Folgen Sie nur Ihrer Intuition, sind Sie sich

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Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen allerdings der Möglichkeit, das eigene Vorgehen zu variieren, vielleicht nicht in vollem Umfang bewusst. Sie bleiben in dem Ihrer Persönlichkeit entsprechenden Konflikttypus gefangen. Interessenorientiertes, problemlösendes Verhandeln, bei dem beide Parteien ihre jeweiligen Bedürfnisse verwirklichen, ohne die des anderen zu vernachlässigen, gelingt daher nur wenigen. Begünstigt wird dieser ineffektive Prozess durch die Fehlvorstellung, dass effektives Verhandeln darin bestünde, die eigenen Interessen kompetitiv zu Lasten des anderen Verhandlungspartners weitest möglich durchzusetzen und dass dies notwendig sei, um sich davor zu schützen, selbst „über den Tisch gezogen“ zu werden. Durchsetzungsstarke Parteien werden dadurch in ihrem Verhalten bestärkt, während Parteien, die eigentlich über ein eher geringes Selbstbehauptungsvermögen verfügen, zu einer eher kompetitiven Verhandlungsstrategie gedrängt werden. Das Ergebnis sind regelmäßig wenig interessengerechte und damit auch nicht dauerhafte Einigungen oder sogar ein Scheitern der Einigungsbemühungen und damit eine Eskalation des Konflikts.

Abbildung 2: Intuitives Konfliktverhalten

Werden Sie sich allerdings der unterschiedlichen Verhaltensmuster in Konflikten bewusst, so werden Sie eine überraschende Entdeckung machen: Der fälschlich angenommene Dualismus zwischen starker Selbstbehauptung und schwacher Einfühlung besteht in Wirklichkeit nicht. In Verhandlungen stehen uns weitaus mehr Möglichkeiten zur Verfügung, als nachzugeben oder zu versuchen, die eigenen Forderungen ohne Rücksicht auf den anderen durchzusetzen. Effektives Verhandeln ist gerade nicht durch eine einseitig stark ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstbehauptung, sondern vielmehr dadurch geprägt, dass Selbstbehauptungs- und Einfühlungsvermögen in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander stehen. Erst dann werden Lösungen möglich, die den Interessen und Zielen beider Parteien gleichermaßen ent45

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements sprechen und so geeignet sind, den Konflikt dauerhaft und nachhaltig beizulegen.

Konzentration auf Positionen Sobald Konflikte entstehen, beharren die Kontrahenten häufig intuitiv auf ihren Positionen. Sie sehen ihr Verhalten und das der anderen Seite in Gegensätzen und berufen sich auf das Recht als objektives Kriterium. Über die Konzentration auf ihren jeweiligen Standpunkt geraten die eigentlichen, hinter den eingenommenen Positionen stehenden Interessen der Beteiligten in den Hintergrund. Welche langwierigen Streitigkeiten sich aus dem Beharren auf die Richtigkeit der eigenen Einschätzung ergeben können, zeigt sich besonders deutlich bei Informationstechnologie-Projekten oder Bauvorhaben. Oft enden die Auseinandersetzungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer erst in der letzten Instanz vor dem Bundesgerichtshof (BGH). So hatte ein Unternehmen aus der Immobilienbranche Anfang der 1980er Jahre ein Softwarehaus mit der Anpassung eines vorhandenen Programms für die eigenen Geschäftsabläufe beauftragt. Die Arbeitsergebnisse des Auftragnehmers entsprachen ebenso wenig wie die Abrechnung den Erwartungen des Auftraggebers. Nachdem die Arbeiten des Softwarehauses auch nach einer Fristsetzung bis zum Dezember 1982 nicht abgeschlossen waren, kündigte das Immobilienunternehmen den Vertrag fristlos mit der Begründung, die Beratungsleistungen seien mangelhaft, die Kosten überhöht und die Termine nicht eingehalten worden. Der Auftragnehmer verlangte sein Honorar. Elf Jahre vergingen, bis der Bundesgerichtshof (BGH) diesen Rechtsstreit schließlich im Jahre 1993 entschieden und den Werklohnanspruch des Auftragnehmers bestätigt hatte.10 Zu diesem Zeitpunkt befand sich das zwischenzeitlich in Konkurs gefallene Unternehmen aus der Immobilienbranche bereits in der Liquidation.11 Darüber hinaus war der Prozess noch nicht beendet, da das Gericht keine abschließende Entscheidung traf, sondern den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwies. Die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen an einer Fertigstellung bzw. Nutzung der Software, an einer finanziellen Entlohnung der Leistungen und an Folgegeschäften ließen sich zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr erfüllen. Kasten 1

Das ist umso tragischer, als sich die Interessen der Konfliktparteien trotz sich widersprechender Positionen oft sehr wohl miteinander vereinbaren lassen. Die Fixierung auf die geltend gemachten Positionen verhindert, dass das im Konflikt verborgene Potential zur Realisierung von Kooperations46

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen gewinnen ausgeschöpft werden kann. Werte werden verschenkt. Eine Beilegung des Konflikts scheitert.

Basar-Ritual und ineffiziente Kommunikation Sind die Parteien in einem festgefahrenen Positionendenken gefangen, läuft die Verhandlung regelmäßig nach einem typischen Verhaltensmuster ab, das dem Feilschen auf einem orientalischen Basar entspricht (Basar-Ritual): Beide Parteien beginnen mit weit auseinanderliegenden, relativ extremen Eröffnungspositionen, die sich im Gang der Verhandlung schrittweise einander annähern. Nach den ungeschriebenen, intuitiven Regeln dieses BasarRituals sind beide Parteien peinlich darauf bedacht, keine größeren Zugeständnisse zu machen als die jeweils andere Seite und die jeweilige Position möglichst lange zu halten. In der Folge werden die stets einander entsprechenden Konzessionsschritte vom vermeintlich „letzten Angebot“ über das „definitiv letzte Angebot“ bis hin zum „endgültigen Angebot“ mit wachsender Annäherung der Parteien immer kleiner, bis sich die Beteiligten in der Mitte treffen – oder eine Einigung scheitert.12

Positionen suggerieren Alles-oder-Nichts-Alternativen Ein solcher Verhandlungsprozess ist nicht nur langwierig, sondern auch in hohem Maße ineffizient. Denn eine mögliche Einigung ist stets mit einem Verlust für beide Seiten verbunden und blockiert durch die Fixierung auf Maximalpositionen die Möglichkeit kreativer, beiderseits interessengerechter Lösungen. Dadurch, dass die Anreizstruktur des Basar-Rituals unkooperatives, kompetitives und sogar manipulatives Verhalten belohnt, drohen der Konflikt weiter zu eskalieren und die Verhandlung endgültig zu scheitern. Dabei sind Situationen selten, in denen es nur darauf ankommt, ob ein Vertrag wirksam oder unwirksam, eine Rechtsposition richtig oder falsch, ein Anliegen realisierbar oder unrealisierbar ist. Unter diesen Bedingungen besteht die Wahl lediglich zwischen zwei Varianten: Ein Gericht kann im Rahmen einer streitigen Auseinandersetzung nur so oder so entscheiden. Rechtlich lässt sich nur über Wirksamkeit oder Unwirksamkeit befinden. Praktisch bestehen dagegen unter Umständen verschiedene Möglichkeiten der Vertragsanpassung. Lässt sich eine Verständigung nicht binnen kurzer Zeit finden, gehen die Verhandlungspartner intuitiv allerdings oft ohne Not davon aus, dass es nur eine solche Alles-oder-Nichts-Alternative gibt.13 Chancen der wertschöpfenden Realisierung von Kooperationsgewinnen bleiben so ungenutzt.

Überhöhte Maximalforderungen Die Beilegung von Konflikten wird regelmäßig zudem dadurch erschwert, dass die Beteiligten intuitiv Maximalforderungen stellen. Sie wissen, dass 47

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements niemand über eine einmal geäußerte Position hinausgehen kann. Gerade erfahrene Verhandlungsführer versuchen häufig, sich durch diese Vorgehensweise genügend Raum für Konzessionen zu schaffen und rücken nur nach zähem Ringen in kleinen Schritten von ihren ursprünglichen Forderungen ab. Die Festlegung auf Maximalpositionen hat jedoch erhebliche negative Auswirkungen auf den Einigungsprozess, die wir in Kapitel 8 näher in den Blick nehmen werden. Die Eingangspositionen wirken nämlich als Wahrnehmungsanker (anchoring), der die Parteien in ihren jeweiligen Positionen fixiert: Je weiter die Forderungen auseinanderliegen, desto schwieriger wird es für die betroffene Partei, von ihrer einmal eingenommenen Position ohne Gesichtsverlust wieder abzurücken und erhebliche Zugeständnisse zu machen. Denn Konzessionen werden als Verlust wahrgenommen und aufgrund des psychologischen Mechanismus der Verlustaversion, den wir in Kapitel 1 bereits kennengelernt haben, von den Parteien unbedingt vermieden. Diese haben sich durch ihr Verhalten damit in eine Lage manövriert, aus der sie sich nicht mehr problemlos ohne fremde Hilfe befreien können. Die Verhandlung droht zu scheitern. Wie sehr das lange Festhalten an Maximalpositionen weitergehende Interessen der Beteiligten beeinträchtigen kann, wurde im Rahmen der Verhandlungen über Entschädigungszahlungen für frühere Zwangsarbeiter sichtbar.14 Deren Vertreter strebten einen möglichst hohen Betrag an, während die Repräsentanten der deutschen Wirtschaft an einer engen Begrenzung der Aufwendungen interessiert waren. Hinter der Forderung der Zwangsarbeiter stand allerdings nicht nur das materielle Interesse an einer finanziellen Entschädigung. Schließlich war allen Beteiligten klar, dass keine Summe die erduldeten Qualen auch nur annähernd hätte kompensieren können. Vielmehr wollten die im Krieg Ausgenutzten auch eine moralische Genugtuung und eine Anerkennung für das erlittene Leid erfahren. Den Vertretern der deutschen Wirtschaft lag ebenfalls daran, ein solches Zeichen zu setzen. Daher boten sie frühzeitig die Gründung einer Stiftung an, welche die Erinnerung an das geschehene Unrecht am Leben halten sollte. Diese mit dem Namen „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ bezeichnete Organisation bildete einen wichtigen Bestandteil der abschließenden Vereinbarung. In der öffentlichen Diskussion drohte diese Aufgabe allerdings in Vergessenheit zu geraten, nachdem monatelang über die Höhe der Entschädigungszahlungen gerungen worden war. Im Positionskampf waren ursprünglich von beiden Seiten berücksichtigte Interessen also so weit in den Hintergrund getreten, dass sich das gemeinsam verfolgte Ziel der öffentlichen Anerkennung nicht mehr oder nur noch teilweise erreichen ließ. Kasten 2

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Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen

Verständnis des Konflikts als Nullsummenspiel Das Denken in gegensätzlichen Positionen statt in Interessen, die sich miteinander vereinbaren lassen, hat noch eine weitere Konsequenz: den Nullsummenmythos. Häufig betrachten die Konfliktparteien ihre Auseinandersetzung als ein Nullsummenspiel, bei dem jeder Gewinn eines Beteiligten spiegelbildlich einem entsprechenden Verlust des anderen gegenübersteht. Dabei erscheint jedes Zugeständnis als ein mindestens ebenso großer Nachteil wie ein Tor, das der Gegner in einem Fußballspiel erzielt. Für manche Führungskräfte in der Wirtschaft wäre der Vergleich zum sportlichen Wettkampf allerdings noch viel zu harmlos. So lautete die spontane Antwort eines berufserfahrenen Studenten an der Harvard Business School auf die Frage, wie sich das Wirtschaftsleben in einem Satz charakterisieren lasse: „Business is War“.15 Wenn einzelne Geschäftsleute bereits die ganz normale unternehmerische Tätigkeit als Krieg betrachten, überrascht es nicht, dass Kooperationsmöglichkeiten im Konfliktfall erst recht übersehen werden. Die weit verbreitete Grundeinstellung, dass der zu verteilende „Wertkuchen“ eine bestimmte Größe habe (fixed pie perception), verbunden mit dem Bestreben, davon das größte Stück für sich zu wollen, ist daher auch eine der häufigsten Ursachen für das Scheitern von Verhandlungen. Wer mit einem solchen Ansatz an Verhandlungen herangeht, hält es für ausgeschlossen, dass sich Lösungen finden lassen, welche die Interessen beider Parteien gleichermaßen berücksichtigen und so den verfügbaren „Wertkuchen“ zum Nutzen aller Beteiligten vergrößern. Zu sehr auf den eigenen Vorteil bedachte Verhandler gefährden daher kreative Kooperationsmöglichkeiten und schaden sich damit letztlich selbst. Vor Beginn der Saison 2002/03 versagte die Deutsche Fußball Liga (DFL) dem Fußballverein Eintracht Frankfurt die Lizenz für die Zweite Bundesliga. Zur Begründung hieß es, der Klub habe die finanziellen Voraussetzungen für den Spielbetrieb nicht ordnungsgemäß nachgewiesen, da eine Garantie nicht, wie verlangt, unwiderruflich sei. Von dieser Entscheidung schien die sportlich aus der Zweiten Liga bereits abgestiegene Spielvereinigung Unterhaching zu profitieren. Ein Schiedsgericht befand allerdings kurze Zeit später, dass die Eintracht die Spielberechtigung erhalten müsste. Die eingereichten Unterlagen hätten den Anforderungen der DFL entsprochen. Noch bevor dieses Ergebnis bekannt wurde, kündigten die Vertreter der Spielvereinigung Unterhaching an, sie würden vor einem ordentlichen Gericht die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragen. Gleichzeitig wurde innerhalb der DFL diskutiert, ob für den Fall, dass Eintracht Frankfurt die Lizenz erhalten würde, ausnahmsweise eine Saison lang 19 statt 18 Vereine in der Zweiten Liga spielen würden. Möglicherweise hätte diese Idee breitere Unterstützung gefunden. Es wäre allerdings

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Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements erforderlich gewesen, dass sich Eintracht Frankfurt und die Spielvereinigung Unterhaching frühzeitig gemeinsam dafür stark gemacht und nachdrücklich an die Solidarität der Liga appelliert hätten. Stattdessen setzten die Bayern in einer – nach Ansicht von Fachleuten – aussichtslosen juristischen Auseinandersetzung alles daran, die Lizenzerteilung für die Hessen zu verhindern.16 Am Ende mussten die Unterhachinger dennoch den Weg in das Amateurlager antreten. Kasten 3

Maximierung des eigenen Nutzens Die bisher genannten Verhaltensweisen sind letztlich Ausdruck derselben Grundeinstellung: eines Verhandlungsverhaltens, das ausschließlich an der Maximierung des eigenen Nutzens ausgerichtet ist. Die Parteien verzögern den Fortgang der Verhandlung, halten wichtige Informationen zurück oder geben nur vage oder manipulative Auskünfte. So klärte ein Verhandlungsführer seinen Auftragnehmer im Rahmen eines Bauprojekts nicht darüber auf, dass der als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz im Inland ausgegebene Auftraggeber eine Gesellschaft ungarischen Rechts mit ausschließlichem Sitz in Ungarn war. Natürlich war für ihn erkennbar, dass der Sitz der Gesellschaft für die Beurteilung der Bonität durch den Vertragspartner eine Rolle spielen könnte.17 In Kenntnis des tatsächlichen Unternehmenssitzes hätte der deutsche Vertragspartner den Vertrag nicht abgeschlossen. Oft täuschen Parteien in Verkaufsverhandlungen auch über ihre Nichteinigungsalternativen, beispielsweise über die Existenz von Konkurrenzangeboten oder angebliche Beschränkungen ihres Verhandlungsspielraums. Einem solchen Verhalten liegt ein gravierender Irrtum zugrunde: In Verhandlungen rücksichtslos die Maximierung des eigenen Nutzens auf Kosten des Verhandlungspartners zu suchen, ist der sicherste Weg, ein schlechtes, ineffizientes und in jeder Hinsicht suboptimales Verhandlungsergebnis zu erzielen und am Ende nicht nur mit wenig, sondern mit einem Scheitern der Verhandlung aus der Auseinandersetzung herauszukommen. Statt eines Gewinners stehen am Ende dann zwei Verlierer. Denn wer in egoistischer Konfrontation in die Verhandlung hineingeht, verkennt, dass eine Einigung nur mit Zustimmung seines Verhandlungspartners zustande kommen wird. Wer eine Einigung will, muss daher auch die Interessen der anderen Seite in den Blick nehmen. Eine beiderseits interessengerechte Lösung anzustreben, liegt daher im ureigensten Interesse jeder der beiden Parteien. Die Verhandlung wird damit erst durch Kooperation fruchtbar und kann dann sogar einen Wertzuwachs ermöglichen. 50

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen Aggressive Strategien der eigenen Nutzenmaximierung bergen darüber hinaus noch ein weiteres erhebliches Risiko: Werden manipulative Techniken wie etwa Täuschungen, Drohungen oder Zwang eingesetzt, so kann dies neben dem Schaden für den Verhandlungspartner gerade für den „Täter“ erhebliche negative Konsequenzen haben: So sind auf diese Weise zustande gekommene Vereinbarungen regelmäßig rechtlich anfechtbar oder sogar nichtig und der „Täter“ muss gegebenenfalls neben zivilrechtlichen auch gravierende strafrechtliche Konsequenzen gewärtigen.18 Abgesehen von ethischen Erwägungen können solche Strategien natürlich auch den Verlust von Reputation, Geschäftsbeziehungen oder möglichen Kooperationen zur Folge haben und sich damit auch wirtschaftlich in erheblichem Maße negativ auswirken.

Frühzeitige Auswahl und Bewertung von Lösungsmöglichkeiten Ein weiterer Grund für das Scheitern von Verhandlungen besteht häufig darin, dass die Beteiligten intuitiv bereits in einem Stadium über Lösungen nachdenken, in dem sie sich ihrer Interessen und Bedürfnisse noch gar nicht hinreichend bewusst sind. Darüber hinaus wählen die Verhandlungsführer häufig frühzeitig bestimmte Lösungen aus und bewerten diese, bevor eine Suche nach möglichst vielen denkbaren Lösungsoptionen überhaupt begonnen, geschweige denn abgeschlossen wurde. Dadurch legen sie sich schnell auf Lösungen fest, die zwar ihren Positionen, nicht aber unbedingt ihren Interessen und denen ihres Verhandlungspartners entsprechen. Und weil sich die eingenommen Positionen im Gegensatz zu den Interessen der Parteien regelmäßig widersprechen, wird der Konflikt durch konfrontative, positionsgeleitete „Vorschläge“ noch weiter zementiert. Nach den für die Automobilindustrie geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen19 kann ein Händlervertrag grundsätzlich nur mit einer zweijährigen Kündigungsfrist durch den Hersteller oder Importeur beendet werden. Ausnahmsweise ist eine Kündigung mit einer einjährigen Kündigungsfrist zulässig, wenn die Restrukturierung des gesamten Vertriebsnetzes notwendig ist. Zwischen einem Automobilhersteller, der europaweit sein Händlernetz restrukturieren wollte, und dem Importeur dieser Fahrzeuge kam es zum Streit darüber, ob die Verträge mit den Händlern mit einer einjährigen oder mit einer zweijährigen Kündigungsfrist beendet werden sollten. Der Importeur berief sich darauf, dass sich eine einjährige Kündigungsfrist vor den nationalen Gerichten nicht begründen ließe. Daher sei im Falle einer Prozessniederlage mit Schadensersatzforderungen in zweistelliger Millionenhöhe zu rechnen. Der Hersteller argumentierte dagegen, dass eine Kündi-

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Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements gung mit einer einjährigen Kündigungsfrist auch in anderen Ländern von Gerichten gebilligt worden sei. Die Standpunkte schienen unvereinbar, die Beziehung der Geschäftsführer litt. Bei einer näheren Bestandsaufnahme des Vertriebsnetzes zeigte sich, dass mehr als 90 Prozent der Händler in dem betroffenen Staat ohnehin einen neuen Vertrag angeboten bekommen sollten. Damit war – selbst für den Fall einer Prozessniederlage – das Haftungsrisiko des Importeurs deutlich niedriger als es zunächst den Anschein hatte. Zudem stellte sich heraus, dass zwei Drittel der Händler, die keinen neuen Vertrag erhalten würden, einen Werkstattvertrag angeboten bekämen. Da weder Hersteller noch Importeur damit rechneten, dass es größere Auseinandersetzungen mit den zukünftigen Werkstattbetreibern geben würde, reduzierte sich das potentielle Risiko einer Kündigung binnen Jahresfrist noch weiter. Erst ein klärendes Gespräch konnte in diesem Fall eine Lösungsmöglichkeit erhalten, die der Importeur bereits verworfen hatte, ohne zuvor die Auswirkungen der verschiedenen Strategien vollständig zu prüfen. Kasten 4

Vermengung von Beziehungs- und Sachebene Bei der Erörterung der Beziehungskonflikte im ersten Kapitel haben wir bereits festgestellt, dass jedes Verhalten und jede Kommunikation auf einer Beziehungs- und auf einer Sachebene stattfindet. Das liegt daran, dass wir gleichzeitig mit dem Verstand und mit den Gefühlen reagieren. Psychologen unterscheiden daher auch die emotionale und die kognitive Wirkung eines Ereignisses. Da diese Effekte zeitgleich eintreten, trennen wir intuitiv allerdings meistens nicht zwischen beiden Ebenen. Wie wir im ersten Kapitel im Zusammenhang mit der Attributionstheorie und dem Phänomen der reaktiven Abwertung gesehen haben, werden Vorschläge daher auch nicht ausschließlich nach sachlichen Kriterien beurteilt. Vielmehr bewerten wir eine Idee tatsächlich auch danach, wer sie geäußert hat. Ist die Beziehung zwischen den Kontrahenten belastet, so werden Vorschläge unabhängig von ihrer inhaltlichen Qualität häufig allein deshalb abgelehnt, weil sie vom jeweiligen Kontrahenten kommen. Auch ein noch so guter Vorschlag geht damit ins Leere – die Störung auf der Beziehungsebene wirkt auf der Sachebene fort. Umgekehrt kann ein Sachkonflikt auch die Beziehung zwischen den Parteien belasten. Besteht zwischen den Beteiligten ein Konflikt in der Sache, kann es häufig dazu kommen, dass eine der Parteien die Auseinandersetzung „persönlich nimmt“ und sich auch als Person angegriffen fühlt. Eine solche Vermengung von Sach- und Beziehungsebene ist gefährlich. Das Verhandlungsklima verschlechtert sich, der Konflikt droht weiter zu eskalieren, eine Einigung wird unwahrscheinlicher. 52

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen Einer der Auslöser der letzten weltweiten Finanzkrise, die Pleite der USamerikanischen Investmentbank Lehman Brothers, wird mittlerweile auch auf einen Konflikt auf der Beziehungsebene zurückgeführt: Am 14.9.2008 verweigerte der damalige US-amerikanische Finanzminister Henry Paulson staatliche Maßnahmen zur Rettung von Lehman Brothers. Paulson war vor seiner Tätigkeit als Finanzminister lange Zeit Chef der Investmentbank Goldman Sachs und somit einer der Hauptwettbewerber von Lehman Brothers gewesen. Der Vorstandsvorsitzende von Lehman Brothers, Richard Fuld, soll in seiner Zeit bei Lehman Brothers praktisch alles daran gesetzt haben, die Marktmacht von Goldman Sachs zu brechen und auch deshalb hochriskante Geschäftspraktiken geduldet und gefördert haben. Fuld und Paulson sollen sich vor dem Hintergrund jahrelanger verbitterter Rivalität seit langem in inniger Abneigung verbunden gewesen sein. Auch deshalb habe Paulson in seiner Funktion als Finanzminister anders als zuvor bzw. danach anderen Instituten – am 17.9.2008 wurde American International Group (AIG) gerettet – Lehman Brothers staatliche Hilfe verwehrt und so den Niedergang der Bank und damit seines früheren Rivalen besiegelt.20 Kasten 5

Traditionelle Mechanismen der Konfliktbeilegung Was geschieht, wenn intuitive Verhandlungen nicht zu dem gewünschten Erfolg führen? Kann weder ein Konsens noch eine Einigung im Wege eines Kompromisses erzielt werden, geben die Beteiligten die Verantwortung für die Konfliktbeilegung regelmäßig im Wege der Delegation an einen Dritten ab.

Delegation in innerbetrieblichen Auseinandersetzungen Bei innerbetrieblichen Auseinandersetzungen wenden sich die Kontrahenten in der Regel zunächst informell an den unmittelbaren Vorgesetzten oder einen anderen geeigneten Repräsentanten der nächsten Hierarchieebene. Diesem ungeschriebenen Grundsatz folgen selbst Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der höchsten Entscheidungsgremien in Unternehmen. In vielen Fällen handelt es sich dabei um Strategiekonflikte. So musste in dem bereits im ersten Kapitel erwähnten Streit zwischen dem früheren Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, und dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Dieter Vogel, über die Zukunft des Schienennetzes der damalige Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig als Anteilseigner der Deutschen Bahn eine Entscheidung treffen. Vogel trat daraufhin zurück.21 53

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements Gelegentlich wird eine mit dem Unternehmen vertraute Persönlichkeit, z. B. ein Aufsichtsratsmitglied, gebeten, seinen Einfluss in Beziehungskonflikten auf Gesellschafterebene geltend zu machen. So haben in einer Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern der Bahlsen KG Mitglieder des Beirats versucht, zwischen den verfehdeten Familienstämmen zu vermitteln.22 Derselbe frühere Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bahn Vogel, der im Frühjahr 2001 in dieser Funktion zurücktreten musste, vermittelte ein Jahr später in der in Kapitel 1 erwähnten Auseinandersetzung zwischen Mobilcom-Gründer Schmid und France Télécom, also bei einem Strategiekonflikt, der schon nach kurzer Zeit von einem Beziehungskonflikt zwischen France Télécom-Chef Michel Bon und dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Mobilcom AG Gerhard Schmid begleitet wurde. Als von der Bundesregierung bestellter Unterhändler war Vogel maßgeblich an der Einigung zwischen den Kontrahenten beteiligt.23 Am 9.2.2003 wurde er zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats gewählt.24

Schlichtung Um ein eher informelles, aber traditionsreiches Verfahren bei unternehmensinternen Konflikten handelt es sich auch, wenn Tarifpartner zur Beilegung von Arbeitskämpfen einen Schlichter anrufen. Die Schlichtung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schlichter einen unverbindlichen Vorschlag zur Einigung unterbreiten soll. Oft kommen dabei bekannte und verdiente Politiker zum Einsatz. Im Sommer 2001 war es z. B. der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, der einen Vorschlag für die zukünftige Vergütung der Lufthansa-Piloten unterbreitete. Die Tarifvertragsparteien nahmen diesen umgehend an.25 Im Sommer 2007 einigten sich die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und die Deutsche Bahn auf die beiden CDU-Politiker Heiner Geißler und Kurt Biedenkopf als Schlichter bzw. Vermittler.26 Im Streit zwischen der Deutschen Telekom und ihrer Wettbewerber um den Ausbau des schnellen VDSL-Datennetzes in Deutschland schaltete die Telekom im August 2009 überraschend die Bundesnetzagentur als Schlichter ein.27 Obwohl sich das Verfahren der Schlichtung in Tarifauseinandersetzungen bewährt hat, wird es für die Beilegung von Verteilungskonflikten sonst eher wenig genutzt.

Beschwerdeverfahren Fühlt sich ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber oder von anderen Arbeitnehmern im Betrieb benachteiligt, ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt, kann er auch ein formelles Verfahren wählen. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sieht für diesen Zweck das sog. individuelle und/oder das sog. kollektive Beschwerdeverfahren vor (§§ 84, 85 BetrVG). Die Beschwerde kommt bei Rechts- und bei Regelungsstreitigkeiten in Betracht (also bei anspruchsorientierten, justiziablen Auseinandersetzungen 54

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ebenso wie bei solchen über Arbeitsbedingungen).28 Die Konfliktlösung wird in diesen Fällen an die Einigungsstelle oder eine betriebliche Beschwerdestelle delegiert. Angesichts der im ersten Kapitel dargestellten, großen Zahl von Streitigkeiten, die ihre Ursache im zwischenmenschlichen Bereich haben, müssen diese Stellen Beziehungskonflikte ebenso lösen wie Sachkonflikte.

Prozess vor Arbeitsgerichten Jenseits der informellen Vorgehensweisen und formellen Beschwerdeverfahren wählen die Betroffenen sehr häufig den Weg zum Gericht. Insbesondere dann, wenn ein Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer eine Kündigung ausspricht, schließt sich regelmäßig das arbeitsgerichtliche Kündigungsschutzverfahren an. Auch wenn nur ein Bruchteil dieser Prozesse tatsächlich mit einem Urteil abgeschlossen wird und der Großteil der Kündigungssachen durch einen Vergleich, durch Klagerücknahme, Erledigung oder Verweisung an ein anderes Gericht endet, suchen die Betroffenen sich zunächst ein Forum, in dem sie den im Zusammenhang mit dem intuitiven Verhandeln geschilderten Positionskampf führen und ihren Abfindungspoker betreiben können.29 Auch wenn vordergründig Sachkonflikte ausgetragen werden, interessiert die Parteien in Wirklichkeit meistens nur noch die Höhe der Abfindung. Es liegt also ein klassischer Verteilungskonflikt vor. Wenn die Bedeutung einer Streitigkeit über den Einzelfall hinausreicht, ist die Arbeitsgerichtsbarkeit natürlich ebenfalls zur Entscheidung von Grundsatzkonflikten berufen. Dass die Verhandlungen vor den Arbeitsgerichten indes häufig an den Interessen der Parteien vorbeigehen, ist durch empirische Untersuchungen nachgewiesen worden. So sind nach Einschätzung der zur Entscheidung berufenen Berufsrichter bei Vergleichen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die im arbeitsgerichtlichen Güteverfahren gem. § 54 Abs. 1 ArbGG geschlossen werden, die Kündigungen in 40 % der Vergleiche rechtswidrig. Dem Arbeitnehmer wird in diesen Fällen das Kündigungsrecht gleichsam „abgekauft“.30 Nur in 6 % der Fälle führt der Vergleich zu einer Wiederherstellung der Arbeitsverhältnisse.31 Die Zufriedenheit der Arbeitnehmer ist daher regelmäßig gering.32 Abhilfe können hier Verhandlungslösungen schaffen, die nicht ausschließlich an der schematischen Annahme einer Abfindungsvereinbarung orientiert sind, sondern sich an den tatsächlichen Interessen der Parteien orientieren und von diesen als fair empfunden werden. Selten werden die Gerichte dagegen in Streitigkeiten zwischen den Betriebspartnern angerufen. Da die außergerichtliche Beilegung von Meinungsverschiedenheiten den Betriebspartnern kraft Gesetzes ausdrücklich aufgegeben ist (vgl. § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG), ist die gerichtliche Lösung in diesen Fällen tatsächlich nur die ultima ratio.33 55

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements

Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen Wie in innerbetrieblichen Auseinandersetzungen stehen in Streitigkeiten zwischen Unternehmen verschiedene Wege der Konfliktbeilegung zur Auswahl. Gelingt es den zuständigen Personen auf der Fachebene nicht, einen Konflikt beizulegen, kommen häufig Mitglieder der Geschäftsführung oder des Vorstands der betroffenen Unternehmen zusammen. Auch wenn sich beide Seiten zuvor regelmäßig intern bzw. anwaltlich beraten lassen, haben diese Gespräche zumeist einen rein kaufmännischen Charakter: Die Beteiligten versuchen, eine Lösung jenseits rechtlicher Maßstäbe zu finden. Erst wenn diesen Bemühungen kein Erfolg beschieden ist, bedeuten die Kaufleute der Rechtsabteilung oder ihren Rechtsanwälten, dass sie aktiv werden sollten.

Prozess vor staatlichen Gerichten Falls die Verhandlungen der Anwälte bzw. Justitiare nicht zu einer einvernehmlichen Lösung führen, bleibt aus Sicht vieler Unternehmensvertreter in Sach- oder Verteilungskonflikten nur noch der Weg zum Gericht. Auch komplexe wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten werden regelmäßig von staatlichen Gerichten entschieden, weil das Gerichtssystem in Deutschland nach wie vor eine hohe Akzeptanz in der Wirtschaft genießt. So machte André Leysens Gebema nv, eine Tochterfirma der Gevaert nv, einen Schadensersatzanspruch in Höhe von rund 160 Millionen Euro gegen die Deutsche Bank AG durch eine Klage vor dem Landgericht Frankfurt geltend, nachdem sich bei der Philipp Holzmann AG nach der Übernahme von 30 Prozent der Aktien durch die belgische Gesellschaft ein Milliardenloch aufgetan hatte.34 Einen Kompromissappell des Vorsitzenden Richters wiesen die Rechtsanwälte zurück. Für die Entscheidung vor staatlichen Gerichten besonders geeignet sind auch Grundsatzkonflikte, in denen mindestens eine Partei eine Rechtsfortbildung anstrebt, weil Sachverhalte, z. B. wegen der Neuartigkeit einer Technologie oder eines Finanzinstruments, bislang noch nicht rechtlich geklärt worden sind und eine Vielzahl von Fällen betreffen: Im ersten Kapitel wurde beispielhaft bereits die Frage erwähnt, inwieweit der Betreiber einer Homepage sich unter Berufung auf seinen Urheberrechtsschutz gegen die Nutzung seiner Daten und Links durch fremde Suchmaschinen wehren kann (spidering oder deep linking).

Schiedsverfahren In nationalen wie internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten wird häufig auch die Durchführung von Schiedsverfahren vereinbart. Sie bieten sich für die Beilegung von Sach- und Verteilungskonflikten an, die einer verbindlichen Entscheidung durch einen Dritten bedürfen. Die Parteien genießen bei der

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Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen Einleitung und Durchführung dieser Art der Konfliktbewältigung ein hohes Maß an Autonomie. Sie können sich über den oder die Schiedsrichter ebenso wie über die Verfahrensweise und den Schiedsort verständigen. Das Schiedsverfahren findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und unterliegt flexiblen Verfahrensregeln. Es gibt keine Berufungsinstanz. Der Schiedsspruch lässt sich aufgrund der sogenannten New York-Konvention nahezu weltweit durchsetzen.35 Den Weg eines Schiedsverfahrens haben z. B. die Mitglieder der Andersen Consulting Business Unit gewählt, als sie im Jahre 1997 eine Schiedsklage bei der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) gegen die Arthur Andersen Business Unit und die Andersen Worldwide Société Cooperative erhoben und damit die Spaltung in eine selbständige Unternehmensberatung Accenture und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen einleiteten.36 Auch der Konflikt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Toll Collect-Konsortium wegen der verspäteten Einführung der Lkw-Maut wird in einem Schiedsverfahren behandelt.37 Ein weiteres Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist die 2009 vom französischen Atomkonzern Areva bei der ICC eingereichte Schiedsklage gegen Siemens im Zusammenhang mit einem Joint Venture zwischen Siemens und der russischen Agentur für Atomenergie, Rosatom.38

Schiedsgutachten Insbesondere für die Beilegung von Sach- oder Verteilungsfragen kommt auch die Beauftragung eines Sachverständigen bzw. eines Gutachters in Betracht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass unabhängig von einer rechtlichen Auseinandersetzung Wirtschaftsprüfer mit der Aufklärung eines Sachverhalts beauftragt werden. Wenn die Parteien den Erkenntnissen des Gutachters mehr Gewicht verleihen wollen, können sie ihn auch als Schiedsgutachter beauftragen. Dieser stellt eine Sachverhaltsfrage mit bindender Wirkung fest (vgl. auch Kapitel 8).39 Soweit die Feststellungen des Schiedsgutachters nicht offensichtlich unrichtig sind, kann über diese Frage auch in einem nachfolgenden Rechtsstreit nicht mehr entschieden werden.

Alternativen zu traditionellen Mechanismen der Konfliktbeilegung erkennen Natürlich ist der Weg vor ein Gericht oder Schiedsgericht in Kontinentaleuropa in der Regel nicht mit denselben Kosten verbunden wie z. B. in den USA. Auch der Zeitaufwand ist weniger groß. Dennoch kann es viele Jahre dauern, bis über Streitigkeiten abschließend entschieden wird. Häufig kommt es zwar zu einem Vergleich – doch hätten die Beteiligten diesen auch sehr viel früher und kostengünstiger abschließen und noch bestehende Wert57

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements schöpfungspotentiale nutzen können. Nicht nur in dem zu Beginn des Kapitels erwähnten Beispiel aus der Softwarebranche, sondern auch in vielen anderen Fällen haben die Parteien am Ende der Auseinandersetzung ihre eigentlichen Ziele verfehlt. Wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten sind aufgrund des Zeitablaufs eingeschränkt. Der Gegenwert von Waren, die im Zeitpunkt der Entstehung eines Konflikts auf dem Markt noch erfolgreich hätten abgesetzt werden können, lässt sich nur noch als Schadensposten oder gar nicht mehr geltend machen. Die Reputation ist beschädigt. Hohe direkte und indirekte Kosten sind angefallen. Diese sollen nicht vergebens aufgewendet worden sein (vgl. zu direkten wie indirekten Kosten und dem sunk cost-Phänomen bereits Kapitel 1). So muss es allerdings nicht kommen. Wenn Sie das ganze Spektrum der Konfliktbeilegung kennen und dieses frühzeitig nutzen, können Sie die frustrierenden Erfahrungen vieler Unternehmen sowie überflüssige Ausgaben vermeiden und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen finden.

Interessenorientiertes Verhandeln Auch ohne die Unterstützung Dritter besteht die Chance zu einer konstruktiveren Vorgehensweise. Die zuvor aufgezeigten Grenzen des intuitiven Verhandelns sind nämlich nicht unüberwindlich. Vielmehr bietet die sogenannte interessenorientierte Verhandlungslehre ein methodisches Konzept zur Optimierung der Verhandlungsführung an. Dieses Modell ist in Deutschland als Harvard-Konzept bekannt geworden.40 Dessen Autoren haben erkannt, dass viele Bemühungen um eine Verständigung an den zuvor dargestellten intuitiven Verhaltensmustern scheitern.

Elemente des Harvard-Konzepts Nach dem Harvard-Konzept soll der Schwerpunkt in Verhandlungen nicht auf den Positionen, sondern auf den Interessen der Beteiligten liegen. Entsprechend dem Rat der Autoren trennen gute Verhandlungsführer zwischen der Sach- und der Beziehungsebene. Die Parteien sind gehalten, möglichst viele Einigungsoptionen zu sammeln, bevor sie diese nach objektiven Kriterien bewerten. Erst wenn sich eine Einigung abzeichnet, sollen die Beteiligten prüfen, ob dieses Ergebnis mindestens so gut ist wie ihre beste Alternative zu einem Vergleichsabschluss, also ihre Best Alternative to a Negotiated Agreement, oder abgekürzt: BATNA.41 Die Anwendung des Harvard-Konzepts hat sich praktisch bewährt. Sie verbessert die Verhandlungsführung erheblich. Das Modell stößt allerdings auch auf Grenzen.

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Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen

Notwendigkeit der Offenlegung Um die Vorteile des Ansatzes zu nutzen, müssen die Verhandlungspartner sich nämlich gegenseitig umfassend über ihre Interessen informieren: Empirische Untersuchungen haben bestätigt, dass sich in zahlreichen Verhandlungen optimale Ergebnisse nur erzielen lassen, wenn die Parteien ihre Präferenzen offenlegen.42 Davor schrecken sie allerdings in der Regel intuitiv zurück, weil sie befürchten, dass ihre Offenheit von der anderen Seite ausgenutzt wird. Dieser Umstand ist jedem schon aus Preisverhandlungen in Alltagsgeschäften bekannt: Weiß der Käufer um die Notwendigkeit eines Fahrzeugverkaufs, weil der Verkäufer beruflich im nächsten Monat ins Ausland geht, kann er den Preis drücken. Ist dem Verkäufer eines seltenen Automobils bekannt, dass der Käufer dieses schon lange sucht und über keine Alternative verfügt, kann er einen höheren Preis verlangen. Der Anreiz, Informationen zu verschweigen, ergibt sich aus einem Dilemma, in dem sich Parteien in Verhandlungen häufig befinden.

Verhandlungsdilemma Wir haben bei der Untersuchung der intuitiven Verhaltensmuster in Verhandlungen bereits festgestellt, dass tatsächlich viel seltener, als von den Beteiligten angenommen, wirklich ein Nullsummenspiel – wie in einem sportlichen Wettkampf – vorliegt. Dennoch konzentrieren sich die Verhandlungsführer regelmäßig auf ihren individuellen Vorteil. Insofern verhält es sich wie bei dem aus der Spieltheorie als Gefangenendilemma bekannten Entscheidungsproblem.43 Es wird in seiner Anwendung auf Verhandlungen auch als Verhandlungsdilemma bezeichnet.44 Zwei Komplizen in Gefangenschaft können ein Geständnis ablegen. Ihnen ist nicht erlaubt, miteinander zu sprechen. Sie stehen vor folgender Wahl: Wenn beide aussagen, werden auch beide wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Gesteht keiner, erhalten sie jeweils wegen Hehlerei eine Strafe von „nur“ jeweils sechs Monaten Gefängnis. Sagt einer aus, der andere aber nicht, trifft den Gestehenden als Kronzeuge keine Haftstrafe, während der andere zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt wird. Die Gefangenen werden rational jeweils überlegen, was der andere macht: Gesteht der Mithäftling, muss man für sich selbst eine fünfjährige Haftstrafe vermeiden. Schweigt der jeweils andere, will jeder die Freiheit durch die eigene Aussage erlangen. Für beide ist ein Geständnis also rational betrachtet die dominante Strategie: Wenn sich die Gefangenen nicht miteinander verständigen können, werden sie sich beide jeweils für ein Geständnis entscheiden. Der Nachteil dieser Entscheidung besteht darin, dass beide Gefangenen in diesem Fall zwei Jahre

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Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements „absitzen“ müssen. Dagegen hätte der optimale Weg für sie gemeinsam darin gelegen, nicht auszusagen und nur zu einer sechsmonatigen Haftstrafe wegen Hehlerei verurteilt zu werden. Kasten 6

Abbildung 3: Das Gefangenendilemma

Ebenso wie im Gefangenendilemma haben auch Sie in Verhandlungen die Wahl zwischen einem kooperativen und einem nicht kooperativen Verhandlungsstil. Entweder, Sie legen Informationen offen, stellen Ihre Präferenzen dar und führen den anderen nicht auf eine falsche Fährte, oder Sie geben so wenig Auskunft wie möglich, legen sich frühzeitig fest, geben irreführende Hinweise oder täuschen Ihr Gegenüber. Wenn Sie und Ihr Verhandlungspartner kooperieren, werden Sie ein gutes Verhandlungsergebnis erzielen, das strukturell der sechsmonatigen Haftstrafe der Gefangenen entspricht. Wenn keiner von Ihnen kooperiert, werden Sie nur mittelmäßig abschneiden. Wenn Ihr Verhandlungspartner allerdings kooperiert und Sie seine Offenheit ausnutzen, werden Sie sogar individuell einen hervorragenden Abschluss erreichen, welcher der Kronzeugenregelung ohne Freiheitsstrafe entspricht. Nehmen Sie an, dass nur Ihr Verhandlungspartner seine Präferenzen offen darstellt und Sie Ihre verschweigen. Sie weisen also z. B. nicht darauf hin, 60

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen dass Sie Ihr Fahrzeug umgehend verkaufen müssen, weil Sie nächste Woche nach Übersee ziehen und noch Reisegeld benötigen. Der potentielle Käufer Ihres Fahrzeugs erklärt Ihnen dagegen in aller Offenheit, dass er sich in den Sportwagen verliebt hätte, den Sie verkaufen wollen, und schon lange ein Fahrzeug mit genau dem Silber-Metallic-Ton Ihres Fahrzeugs gesucht habe. Das Modell sei allerdings bei dieser Baureihe nur selten hergestellt worden. Er habe erst zwei andere, sehr viel ältere Fahrzeuge des gleichen Typs gesehen, die sich in einem weniger guten Zustand befunden hätten. In diesem Fall können Sie einen hohen Preis für das Fahrzeug verlangen. Sie erzielen also strukturell ein ebenso hervorragendes Ergebnis wie der Gefangene, der wegen seiner Aussage überhaupt keine Haftstrafe antreten muss, während Ihr Verhandlungspartner vergleichsweise ebenso schlecht abschneidet wie der Gefangene, der fünf Jahre hinter Gittern verbringen wird. Umgekehrt schließen Sie schlecht und Ihr Käufer hervorragend ab, wenn Sie Ihre Umzugspläne und Ihre finanziellen Nöte offenlegen, während Ihr Kaufinteressent nichts über seine Begeisterung für Ihr Fahrzeug und dessen Seltenheitswert äußert. Wenn Sie beide sich bedeckt halten, erzielen Sie nach einigem Pokern über den Preis vermutlich ein mittelmäßiges Ergebnis, das strukturell der zweijährigen Haftstrafe der beiden Gefangenen entspricht. Wenn Sie sich beide rational verhalten, ziehen Sie ein hervorragendes gegenüber einem guten Verhandlungsergebnis vor. Für den Fall, dass Ihr Gegenüber nicht kooperiert, würden Sie immer noch lieber einen mittelmäßigen als einen schlechten Abschluss erreichen. Also werden Sie sich nicht kooperativ verhalten. Ihr Verhandlungspartner wird dieselben Überlegungen anstellen und zu derselben Einschätzung gelangen wie Sie. Für Sie beide besteht die überlegene Strategie somit darin, zur Maximierung des jeweils eigenen Nutzens bzw. zur Vermeidung der Ausbeutung durch den anderen nicht zu kooperieren, indem Sie z. B. Informationen über Ihre jeweiligen Präferenzen verdecken. Daher wird der Kaufinteressent Sie vermutlich ebenso wenig darüber informieren, dass er unbedingt Ihr Fahrzeug kaufen will, wie Sie ihm über ihre Umzugspläne und die Notwendigkeit, Ihre Reisekasse zu füllen, berichten werden. Wenn Sie beide Ihre Interessen verschweigen, erkennen Sie allerdings möglicherweise eine eigentlich existierende, für Sie vorteilhafte Lösung nicht oder schließen zu ungünstigeren Konditionen als nötig ab. So kommt im Beispiel das Geschäft vielleicht nicht zustande, weil der Käufer Sie mit seiner Entscheidung noch ein wenig „zappeln“ lassen will oder Sie beim Preis zu hoch pokern. Das daraus resultierende Ergebnis fällt – wie im Fall des Geständnisses beider Gefangenen (beide müssen zweijährige Haftstrafen verbüßen) – suboptimal aus: Sie verkaufen z. B. das Fahrzeug, von dem Sie sich trennen wollen, kurzerhand zu einem niedrigeren Preis an einen ande61

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements ren Interessenten. Der potentielle Käufer findet sein Wunsch-Fahrzeug nicht. Das Verhandlungsdilemma besteht also darin, dass die individuell rationale Entscheidung, sich nicht kooperativ zu verhalten, zu einem für beide Seiten unerwünschten Ergebnis führt. Glücklicherweise gibt es in vielen Situationen tatsächlich auch rationale Gründe für ein kooperatives Verhalten. So berücksichtigt das Verhandlungsdilemma in seiner einfachen Form beispielsweise nicht, dass in langfristigen Geschäftsbeziehungen andere Motive Vorrang haben. So sind die Verhandlungspartner häufig viel mehr daran interessiert, eine langjährige geschäftliche Partnerschaft zu erhalten, als in einem einzelnen Geschäft ein paar Euro mehr „herauszuschlagen“ und dafür eine wirtschaftlich viel wertvollere Geschäftsbeziehung zu riskieren. Das Verhandlungsdilemma gibt jedoch Aufschluss darüber, welche Umstände kooperatives Verhalten begünstigen oder behindern: Kommunikation, Informationsaustausch und Vertrauen sind wichtige Voraussetzungen für die Optimierung von Verhandlungsergebnissen.

Verteilungskriterien Selbst wenn sich das Verhandlungsdilemma bewältigen und die Wertschöpfung maximieren lässt, stellt sich in jeder Verhandlung irgendwann die Frage, wie der geschaffene Wert verteilt werden soll. Das Harvard-Konzept empfiehlt zu diesem Zweck die Verwendung objektiver Kriterien. Tatsächlich gibt es allerdings keine objektiven, sondern allenfalls legitime, normative Kriterien. Wie schwierig es ist, diese zu identifizieren (ausführlich dazu Kapitel 8), zeigt sich in Preisverhandlungen. Selbst für die Feststellung eines Wertes, der sich im Markt bildet, stehen in der Regel verschiedene Maßstäbe zur Verfügung. So ist die Zahl der Methoden zur Bewertung von Unternehmen oder Immobilien kaum übersehbar. Ein neutraler Dritter kann die Parteien bei der Auswahl der Methode unterstützen und die Verteilungsdiskussion moderieren. Wegen der bereits erwähnten intuitiven Neigung, Maximalpositionen zu beziehen, gleiten viele Verhandlungen im Verteilungsstadium aber wieder in einen Positionsstreit ab. Ohne Hilfestellung durch einen Dritten scheitern Einigungsversuche von Parteien daher gelegentlich auch nach einer großen Annäherung an vergleichsweise kleinen Differenzen, wie z. B. der Aufteilung der Anwalts- oder Gerichtskosten.

Verzerrte Wahrnehmung Das Harvard-Konzept setzt schließlich voraus, dass die Verhandlungspartner ihre Wahrnehmung erweitern bzw. korrigieren können. Das ist, wenn bereits ein Konflikt vorliegt, aufgrund der im ersten Kapitel beschriebenen kognitiven Barrieren (z. B. selektive Wahrnehmung, überoptimistische Einschätzung, reaktive Abwertung, Attribution, Verlustangst) oft nicht einfach. 62

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen Diese Hürden erschweren regelmäßig Informationsaustausch und Kooperation. Sie wirken sich umso stärker aus, je weiter sich ein Konflikt auf den Eskalationsstufen bereits in Richtung Abgrund bewegt hat. Allerdings gibt es eine Reihe von Instrumenten, um die negativen Auswirkungen von Wahrnehmungsverzerrungen auszugleichen (ausführlich dazu in Kapiteln 4 ff.).

Mediation Auch intuitive Verhaltensweisen, das Verhandlungsdilemma, das Fehlen objektiver Kriterien und eine verzerrte Wahrnehmung schließen jedoch die konstruktive Suche nach einem Konsens oder zumindest einem Kompromiss nicht aus. Im Spektrum der Konfliktbeilegungsmethoden bietet die Mediation – zwischen direkten Verhandlungen einerseits und der Delegation der Entscheidung an Richter, Schiedsrichter, -gutachter, Beschwerdestellen, Schlichter oder Vorgesetzte andererseits – ein Forum, das es den Parteien erlaubt, mit der Unterstützung durch einen Dritten zu einer selbstbestimmten Einigung zu gelangen.

Charakteristika In der Mediation unterstützt ein Dritter die Parteien in ihren Verhandlungen. Sie führen diese eigenverantwortlich und freiwillig. Der Mediator hat kein Entscheidungsrecht. Seine Autorität beschränkt sich auf das Recht zur Verhandlungsleitung und stützt sich auf das Vertrauen, das ihm die Beteiligten entgegenbringen. Diese oder der Mediator können eine Mediation jederzeit abbrechen und beenden. Da der Mediator sie in ihren Verhandlungen unterstützt, folgt daraus ein weites Begriffsverständnis.45 Nach unserer Auffassung fällt jede Mitwirkung eines Dritten, die über eine rein kommunikative Unterstützung – wie z. B. in einer Moderation – hinausgeht und nicht von vornherein – wie z. B. in einer Schlichtung – auf einen unverbindlichen Vorschlag ausgerichtet ist, grundsätzlich unter den Begriff der Mediation, wenn sie mindestens die Erörterung der Interessen, Einigungsoptionen und Nichteinigungsalternativen der Beteiligten einschließt.

Funktion des Mediators In Kapitel 3 werden die verschiedenen Rollen, die ein Mediator wahrnimmt, näher erörtert. An dieser Stelle genügt es festzuhalten, dass er dafür sorgt, dass die Beteiligten nicht im Austausch von Positionen verharren, sondern ihre eigentlichen Bedürfnisse und Interessen berücksichtigen (vgl. Kapitel 6). Die dafür nötigen Informationen bringt der Mediator in gemeinsamen Sitzungen oder in Einzelgesprächen mit Hilfe geeigneter Fragen in Erfahrung (vgl. Kapitel 5). Als Vermittler kann er so verhindern, dass die Parteien die Verhandlungsgegenstände vorzeitig eingrenzen und Lösungsmöglichkeiten frühzeitig bewerten (vgl. Kapitel 5 und 7). Der Mediator achtet darauf, dass 63

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements die eigentliche Verhandlung adäquat vorbereitet und in dieser zwischen Schwierigkeiten auf der Sach- und der Beziehungsebene unterschieden wird (vgl. Kapitel 4). Seine Tätigkeit verhindert die Wahrnehmung von Interessengegensätzen als Nullsummenspiel bzw. Alles-oder-Nichts-Alternativen. Der Mediator kann schließlich den Blick der Beteiligten in die Zukunft lenken. Wenn zwei Unternehmen z. B. im Vertrieb kooperieren, aber die gewünschten Ziele nicht erreichen, gibt es in einem frühen Stadium regelmäßig zahlreiche Ansatzpunkte, um auch in einer wenig befriedigenden wirtschaftlichen Situation zu einer Lösung zu kommen, welche Verluste minimiert und Kooperationsgewinne maximiert. Selbst nach der Beendigung eines Vertrages lassen sich immer wieder ungeahnte Lösungsmöglichkeiten entdecken. So machte ein großer Warenhändler in einem Rechtsstreit mit einem Lieferanten ein Optionsrecht auf ein Warenlager geltend. Der Lieferant nahm die Position ein, das Optionsrecht bestehe nach der – zwischenzeitlich ausgesprochenen – Kündigung des Vertriebsvertrages nicht mehr. Die Auffassungen schienen unvereinbar, bis in einer Mediation geklärt wurde, welchen Inhalt das Warenlager hatte. Dabei stellte sich heraus, dass beide Parteien ganz unterschiedliche Vermarktungsmöglichkeiten für das Inventar sahen. Erst die gemeinsame Feststellung des Lagerbestandes eröffnete zusätzliche Lösungsmöglichkeiten und erlaubte eine Verständigung.

Vorteile Die Mediation hat im Vergleich mit den zuvor genannten, traditionellen Methoden der Konfliktbeilegung viele Vorteile: Die Parteien behalten die Kontrolle über den Verhandlungsprozess ebenso wie die Freiheit, das Verhandlungsergebnis nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Das Mediationsverfahren lässt sich vom ersten Kontakt zwischen dem Mediator und den Beteiligten bis zum eventuellen Abschluss einer Vergleichsvereinbarung schnell durchführen: Meistens genügen dafür wenige Wochen, ausnahmsweise wenige Monate. Angesichts des geringeren zeitlichen Aufwandes fallen auch die Kosten regelmäßig deutlich niedriger aus als in langwierigen direkten Verhandlungen oder streitigen Verfahren (vgl. Einleitung zu Teil 3). Die Beteiligten sind empirischen Untersuchungen zufolge mit dem Mediationsprozess und dessen Ergebnissen überdurchschnittlich zufrieden. Die Einigungsquote liegt regelmäßig bei ca. 70–90 Prozent. Nach einer Studie von 449 Fällen Mitte der 1990er Jahre, die von den vier größten nordamerikanischen privaten Dienstleistern im Bereich der Alternativen Streitbeilegung administriert wurden, konnten 78 Prozent der Auseinandersetzungen in einer Mediation beigelegt werden. Die Untersuchung bestätigte, dass die Mediation kostengünstiger war als ein Schiedsverfahren, zügiger zu einem Abschluss führte und von den Parteien als be-

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Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen friedigenderes Verfahren empfunden wurde.46 Die American Arbitration Association berichtet, dass die Parteien erfahrungsgemäß in 85 Prozent der von ihr administrierten Mediationsfälle eine Einigung erzielten.47 Die Erfolgsquote des britischen Centre for Effective Dispute Resolution (CEDR) bleibt mit 82 Prozent geringfügig dahinter zurück.48 Ähnlich hohe Einigungsquoten sind auch aus jüngster Zeit für die in zahlreichen Bundesländern eingerichteten gerichtsverbundenen Mediationsprogramme nachgewiesen worden. So hat die empirische Begleitforschung zum bayerischen Modellprojekt Güterichter Einigungsquoten von knapp 70 % belegt, wobei in einigen Fallgruppen die Parteien sogar in 80 % eine Einigung erzielten.49 Entsprechende Ergebnisse sind auch aus anderen Mediationsprojekten, wie etwa dem Projekt gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen (76,4 %), nachgewiesen, wobei aufgrund der besonderen Rahmenbedingungen am Landgericht Göttingen sogar eine Einigungsquote von 87,5 % erreicht wurde.50 Selbst in staatlich angeordneten, obligatorischen Mediationsprogrammen liegen die Einigungsquoten nur wenig niedriger (vgl. Einleitung zu Teil 3). Kasten 7

Eignung Es gibt kaum Situationen, in denen sich die Mediation als Methode zur Konfliktbeilegung nicht eignet (vgl. Kapitel 12). Häufig wird behauptet, Mediation komme insbesondere für Auseinandersetzungen in langfristigen Beziehungen in Betracht: Bei diesen sei das Potential für eine weitere Zusammenarbeit am größten. Wenn dagegen z. B. zwischen Fremden ein Streit über die finanziellen Folgen eines Unfalls entstanden ist, komme nur eine juristische bzw. autoritäre Lösung in Frage. Unsere Erfahrung in der Mediation zeigt, dass diese Annahmen nicht zutreffen: Tatsächlich wollen sich beispielsweise auch seit langer Zeit verbundene Geschäftspartner, wenn es zu einem gravierenden Konflikt gekommen ist, ebenso voneinander trennen wie Ehepaare, die sich in eine Scheidungsmediation begeben. Ihr Ziel besteht darin, im Laufe der Auseinandersetzung keinen weiteren Schaden entstehen zu lassen. Umgekehrt hat sich die Mediation als Methode auch in Situationen bewährt, in denen überhaupt keine persönliche Beziehung zwischen den Beteiligten bestand, wie z. B. in Produkthaftungsstreitigkeiten. So stimmte beispielsweise ein großes europäisches Orthopädieunternehmen der Ernennung eines Mediators zu, um über Ansprüche wegen angeblich fehlerhafter künstlicher Hüftgelenke zu verhandeln.51 Die Mediation kann für alle fünf Konflikttypen des Wirtschaftslebens erfolgreich genutzt werden. In der Verhandlungsforschung geht man sogar vermehrt von einer widerlegbaren Vermutung dafür aus, dass jeder Streit grundsätzlich für die Beilegung im Rahmen der Mediation geeignet ist („Step One: 65

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements Assume Mediation“).52 So haben z. B. ein amerikanisches und ein deutsches Unternehmen in einem unveröffentlichten Fall aus unserer Praxis einen Sachkonflikt über die Beendigung eines Vertriebsvertrages in einer Mediation beigelegt. In einem öffentlich bekannt gewordenen Grundsatzkonflikt verständigten sich IBM und Fujitsu mit der Hilfe von zwei Mediatoren über die Nutzung des IBM-Betriebssystems durch Fujitsu.53 Ein dreijähriger Streit zwischen Tricia Cox und Julie Eisenhower, den beiden Töchtern des früheren US-Präsidenten Nixon, wegen der zukünftigen Nutzung und Aufsicht über die Präsidentenbibliothek sowie den Einsatz finanzieller Mittel in Höhe von 20 Millionen US-Dollar konnte in einer Mediation einvernehmlich geregelt werden.54 Ebenso endeten die von der Öffentlichkeit verfolgten Tarifauseinandersetzungen in einem Verteilungskonflikt zwischen dem Museum of Modern Art in New York und dessen Mitarbeitern.55 Schließlich konnte ein Mediator in einem anderen, nicht publizierten Fall aus unserer Praxis die Gesellschafter eines Software-Unternehmens bei der Beilegung eines Strategiekonflikts über die Geschwindigkeit des weiteren Wachstums des Unternehmens unterstützen.

Deal Mediation Meistens kommt es in der Praxis erst zu einer Mediation, wenn direkte Verhandlungen festgefahren oder gescheitert sind. Wir beobachten immer wieder, dass die Betroffenen Mediationsverfahren nicht frühzeitig genug einleiten und dadurch Lösungsmöglichkeiten verspielen. Gelegentlich wäre es sogar sinnvoll, einen Mediator schon zu Vertragsverhandlungen hinzuzuziehen. Bereits in dieser Phase bestehen nämlich häufig weitreichende Interessengegensätze, an denen etwa Unternehmenszusammenschlüsse scheitern können. Als Beispiel haben wir die gescheiterte Vereinigung von Deutscher Bank und Dresdner Bank bereits erwähnt. Delikate Themen wie Mehrheitsverhältnisse, Personalfragen und der Sitz einer Gesellschaft lassen sich unter Umständen mit Hilfe eines Dritten leichter behandeln. Diese Spielart wird treffend auch als deal mediation56 bezeichnet. In vertraulich behandelten Einzelfällen ist sie vor Fusionen auch in Deutschland gewählt worden. Ebenso sind Integrationsprozesse nach einem Unternehmenszusammenschluss mediativ begleitet worden.57

Andere alternative Streitbeilegungsverfahren Um die in Verhandlungen zwischen den Beteiligten ohne Unterstützung Dritter auftretenden Hürden aus dem Weg zu räumen, bieten sich neben der Mediation noch andere alternative Streitbeilegungsverfahren an. Ihre Einsatzmöglichkeiten und Funktionsweisen werden im Folgenden kurz dargestellt. Sie lassen sich im Einzelfall statt der Mediation wählen oder aber auch mit ihr kombinieren. Zunächst geht es um Methoden, die präventiv 66

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen genutzt oder etabliert werden können, um die Entstehung oder Ausweitung eines Konflikts zu vermeiden (pre-dispute Alternative Dispute Resolution bzw. ADR), anschließend um jene Verfahren, welche die Streitbeilegung dadurch erleichtern, dass sie eine Prognose über den Ausgang eines Rechtsstreits erlauben (post-dispute ADR).

Pre-dispute ADR Um die Entstehung eines Konflikts zu vermeiden, kommt zunächst ganz allgemein die Moderation von Verhandlungen in Betracht. Bei größeren Projekten geht dem Beginn des Vorhabens in erweiterter Form oft ein sogenanntes partnering voraus. Für Großprojekte kann es sich darüber hinaus lohnen, von vornherein ein dispute review board als eine eigene Institution für die Beilegung von Streitigkeiten einzurichten. Um Gesprächen eine Struktur zu geben und Zeitverluste zu vermeiden, werden Arbeitssitzungen im Wirtschaftsleben regelmäßig moderiert. Manche Unternehmen nutzen die Moderation nicht nur für die effiziente Gestaltung interner Sitzungen, sondern auch zur Vermeidung von Konflikten, z. B. mit Geschäftspartnern. So wurde von einem der Weltmarktführer auf dem Gebiet der Verdichtungsgeräte (Maschinen für Erd-, Asphalt-, Müllverdichtung), der Bomag GmbH, berichtet, dass dieser seine Kunden bereits in die Produktentwicklung einbeziehe und dabei für Planungsgespräche einen Moderator engagiere. Dessen Aufgabe bestehe darin, bei der Beratung über die Gestaltung neuer Produktreihen eine effektive Kommunikation zwischen Anbieter und Kunden zu gewährleisten. Gleichzeitig solle er die Zusammenarbeit zwischen Entwicklungs- und Produktionsteams erleichtern.58 Ein anderes Verfahren zur Konfliktvermeidung, das bereits vor dem eigentlichen Projektbeginn stattfindet, wird zunehmend in Projekt-, Kooperations- oder Fusionsverträgen eingesetzt: In einem entspannten, geselligen Rahmen treffen die Projektbeteiligten bei einem als partnering bezeichneten Ereignis zusammen. Dadurch sollen sie sich kennenlernen, ein gemeinsames Verständnis der bevorstehenden Aufgabe erarbeiten, um später entstehende Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten leichter ausräumen zu können. Das partnering trägt dem Umstand Rechnung, dass neben der Zusammenarbeit auf der Sachebene die Beziehungsebene von Bedeutung ist.59 Darüber hinaus werden vor allem in größeren Bau- und vor allem auch Anlagebauprojekten Dritte zur Unterstützung der Konfliktbeilegung hinzugezogen. In der Regel handelt es sich um Sachverständige, die bereits vor Projektbeginn über das Vorhaben informiert werden. Die Mitglieder eines

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Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements sogenannten dispute review board (DRB) können jederzeit angerufen werden, wenn es zu Auseinandersetzungen kommt. Mit der frühzeitigen Unterrichtung dieser Sachverständigen und der Möglichkeit, sie kurzfristig einschalten zu können, sollen eine zeitnahe Klärung von Sachkonflikten ermöglicht und Verzögerungen bei der Fertigstellung vermieden werden.60 Den Mitgliedern des dispute review board kann das Recht eingeräumt werden, verbindliche Entscheidungen wie ein Schiedsgericht oder -gutachter zu treffen. Alternativ kann ihre Kompetenz auf unverbindliche Empfehlungen beschränkt werden. Beim Bau des Kanaltunnels ist z. B. ein Klärungsverfahren mit einem sogenannten adjudication board praktiziert worden.61 Auch in der deutschen Wirtschaft erfreuen sich dispute review boards (häufig auch kurz als dispute boards bezeichnet) zunehmender Beliebtheit. So betrachtet die Siemens AG dieses Verfahren in vielen Fällen als sogar gegenüber der Mediation vorzugswürdig.62 Kasten 8

Post-dispute ADR Wenn sich die Parteien nach Konfliktentstehung zwar die abschließende Entscheidung vorbehalten, gleichzeitig aber die Einschätzung eines neutralen Dritten berücksichtigen oder sich auf der Basis des Vorschlags eines Dritten einigen wollen, kommen insbesondere die Schlichtung oder schlichtungsähnliche Verfahren in Betracht. Manche Branchen haben dieses Vorgehen in der Funktion des Ombudsmannes institutionalisiert. Angesichts ihrer regelmäßigen Nutzung durch die Tarifpartner ist es erstaunlich, wie selten die Parteien in anderen internen oder externen Konflikten auf die Schlichtung zurückgreifen. In den USA ist dies anders: Unter den Programmen für alternative Streitbeilegung an staatlichen Gerichten befindet sich auch die early neutral evaluation. Hierbei unterstützt der Dritte die Parteien dadurch in ihren Vergleichsverhandlungen, dass er mit ihnen seine unverbindliche Einschätzung der Rechtslage diskutiert. Anders als ein Richter oder Schiedsrichter trifft der Schlichter keine verbindliche Entscheidung. Im Gegensatz zu einem Mediator unterbreitet er allerdings regelmäßig einen Vorschlag für eine Lösung. Der Übergang zu einer Mediation, die sich auf eng begrenzte Sachfragen konzentriert, zu denen der Mediator selbst Stellung bezieht (Sachbeurteilung, vgl. Kapitel 3), ist fließend. Auf den Schlichtungsgedanken stützt sich auch die Institution des Ombudsmannes, der in Deutschland z. B. seit 1992 im privaten Bankgewerbe,63 seit 2001 in der Versicherungswirtschaft64 und ab 2011 auch für

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Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen Streitigkeiten zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten65 und daneben für zahlreiche andere Branchen existiert. Während allerdings der Vorschlag eines Schlichters für alle Beteiligten unverbindlich ist, bindet die Entscheidung des Ombudsmannes die Banken und Versicherungen (bis zu einem Betrag von 5.000 Euro). Dagegen steht dem Kunden der Rechtsweg zum ordentlichen Gericht in jedem Fall offen. Ombudsleute werden in diesen Branchen für die Beilegung von Sach- und Verteilungskonflikten genutzt. Ombudsleute können allerdings auch andere Funktionen übernehmen. Eine vermittelnde Aufgabe haben etwa die Patientenbeauftragten, die es in manchen Krankenhäusern gibt. Einige unter ihnen werden als Ombudsmann tätig.66 Sie sollen die Lösung von Sach- und Beziehungskonflikten erleichtern. Die Deutsche Bahn AG hat nach dem ICE-Unglück in Eschede am 3.6.1998, bei dem 100 Personen ums Leben kamen und 88 schwer verletzt wurden, einem Ombudsmann einen Fonds von damals 5 Millionen DM für die Vermittlung psychosozialer Betreuung und die Verweisung an Krankenhäuser sowie Beratung in Rechtsfragen zur Verfügung gestellt.67 Weniger etabliert als die Institution des Ombudsmannes ist das sog. minitrial (vgl. Kapitel 9). In diesem Verfahren präsentieren die Rechtsanwälte der Parteien in komprimierter Form jeweils ihre Argumente in Anwesenheit der Entscheidungsträger. Diese können aufgrund des Vortrags ein eigenes Bild der Lage gewinnen. Ein Dritter kann anschließende Vergleichsverhandlungen moderieren. Das mini-trial bietet sich insbesondere in Sachkonflikten an, in denen die Beurteilung von Sachverhalts- und Rechtsfragen im Vordergrund steht und eine Beweisaufnahme in einer streitigen Verhandlung nicht erforderlich ist.68 Der Gedanke eines zur Erleichterung von Vergleichsverhandlungen abgekürzten Gerichtsverfahrens ließe sich auch nutzen, indem zumindest ein „Gericht“ oder „Schiedsgericht“ aus drei Personen im Rahmen einer mock litigation oder arbitration „zum Schein“ konstituiert wird. Dieses Gremium bekäme freilich keine Entscheidungsgewalt. Es würde vielmehr – wie im mini-trial – komprimierten Parteivorträgen folgen. Anschließend würden die „Scheinrichter“ zusammentreffen, beraten und verkünden, wie sie entscheiden, um dadurch den Parteien eine Prognose über den Ausgang eines streitigen Verfahrens zu erleichtern. Der mini-trial erfüllt damit in gewisser Hinsicht die Funktion einer realitätsnahen Prozessrisikoanalyse.69 Kasten 9

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Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements

Collaborative Law Ein neues Verfahren der Konfliktbeilegung ist mit dem Collaborative Law in den USA entstanden.70 Als „Mediation ohne Mediator“ ist es zwischen der zweiparteilichen, interessenorientierten Verhandlung und der drittunterstützten Mediation angesiedelt. Im Gegensatz zu einer reinen Verhandlung sind die Parteien im Rahmen des Collaborative-Law-Verfahrens nicht auf sich allein gestellt, sondern werden in ihrer Auseinandersetzung durch Dritte unterstützt. Diese Aufgabe wird hier allerdings nicht wie in der Mediation durch einen Mediator als neutralen Vermittler, sondern durch Collaborative Law-Anwälte erfüllt. Dabei handelt es sich um „normale“ Anwälte, die allerdings in Verhandlung und Mediation besonders geschult sind. Diese stehen den Parteien als eigene Anwälte zur Seite, beraten sie in allen rechtlichen Fragen und vertreten deren Interessen gegenüber ihrem Verhandlungspartner. Im Gegensatz zu regulären Parteianwälten sind sie indes in besonderer Weise zu einer kooperativen, einvernehmlichen und interessenorientierten Verhandlungsführung bzw. Beilegung eines bereits entstandenen Konflikts verpflichtet. Aufgrund spezieller Collaborative-Law-Verträge, die von allen Anwälten und Parteien unterzeichnet werden, verpflichten sich die Beteiligten, einen Konflikt oder etwa bestehende Interessensgegensätze kooperativ und ohne Beschreiten des Rechtsweges in einem problemlösungsorientierten Verhandlungsverfahren zu bewältigen und gemeinsam faire und beiderseits interessengerechte Lösungen zu entwickeln.71 Die Einleitung oder Androhung eines Zivilprozesses ist im Rahmen des Verfahrens ausgeschlossen. Darüber hinaus verpflichten sich die Beteiligten zu absoluter Vertraulichkeit und stellen sich gegenseitig alle notwendigen Informationen zur Verfügung. Den Collaborative-Law-Anwälten ist es darüber hinaus vertraglich verboten, die Parteien in einem möglichen späteren Gerichtsverfahren zu vertreten, so dass ein hoher Verhaltensanreiz besteht, aktiv an einer kooperativen Verhandlungslösung mitzuwirken. Bei Bedarf und mit der Zustimmung aller Beteiligten können darüber hinaus neutrale Experten zur unterstützenden Klärung von Sachfragen hinzugezogen werden.

Multi-step ADR Als Verantwortlicher im Unternehmen oder als Berater sollten Sie sicherstellen, dass die gewählte Vorgehensweise für die Beilegung des konkreten Konflikts tatsächlich am besten geeignet ist, indem Sie dem Motto fitting the forum to the fuss folgen.72 Das Wissen um die Methodenvielfalt genügt dazu allerdings nicht. Für ein effektives Konfliktmanagement ist entscheidend, die geeignete Vorgehensweise so früh wie möglich auszuwählen. Dazu kommt es leider oft nicht, weil die Beteiligten zu lange darauf vertrauen, dass sie in direkten Verhandlungen eine Einigung erzielen. Wenn sie dann 70

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen erkennen, dass sich eine Verständigung nicht erreichen lässt, sehen sie keine andere Chance mehr als die Delegation. Daher ist es von großer Bedeutung, dass die Suche nach dem geeigneten Verfahren bestenfalls bereits vor der Entstehung von Konflikten (beispielsweise in Vertragsverhandlungen), spätestens aber unmittelbar nach Entstehung des Konflikts beginnt. In diesem Stadium können sich die Parteien in einer ergebnisoffenen, unverbindlichen Vorgehensweise noch ein Maximum an Prozess- und Ergebniskontrolle erhalten. Bei den Verfahren, die mindestens mit einem Vorschlag oder sogar mit einem verbindlichen Abschluss enden, überlassen sie die Herrschaft über das Procedere und den Ausgang dagegen von vornherein einem Dritten. Im Hinblick auf die Verfahrensgestaltung können Sie sich für die Wahl einer Methode oder eine Kombination mehrerer Methoden entscheiden.73 Informelle, unverbindliche Vorgehensweisen, wie das interessenorientierte Verhandeln, das partnering, die Moderation oder die Mediation, lassen sich mit formellen Verfahren kombinieren, die durch eine Empfehlung (wie im Falle eines Schlichters oder eines Ombudsmannes) oder eine verbindliche Entscheidung abgeschlossen werden. So besteht zum Beispiel die Möglichkeit, für den Fall des Scheiterns einer Mediation die Durchführung eines Schiedsverfahrens zu vereinbaren (med-arb) oder erst ein Schiedsverfahren und anschließend eine Mediation durchzuführen (arb-med) (Kapitel 10).74 Alternativ können die Beteiligten vor, während oder am Ende einer Mediation vereinbaren, eine Einzelfrage durch einen Sachverständigen oder – mit verbindlicher Wirkung – durch einen Schiedsgutachter klären zu lassen. In einer von einem der Autoren durchgeführten Mediation ging es etwa um einen Streit zwischen einem Hersteller von Speicherchips und einem Zulieferbetrieb der Automobilindustrie. Aufgrund eines Problems mit dem Chip kam es bei dem Automobilhersteller zu erheblichen Produktionsausfällen, die der Zulieferer im Wege des Regresses auf den Chip-Hersteller abwälzen wollte. Zwar erleichterte die dauernde Geschäftsbeziehung zwischen Zulieferer und Chip-Hersteller das Finden einer konsensualen Lösung. Ohne eine Klärung der Verantwortlichkeit für die Probleme mit dem Chip (Technologieschwäche? Einbaufehler? Bedienungsfehler?) wäre eine Einigung in der Mediation jedoch kaum möglich gewesen. Deswegen wurde ein Sachverständiger hinzugezogen, der in der Mediation binnen einer halben Stunde die vorliegenden Parteigutachten auf Plausibilität prüfte und die Einschätzung abgab, dass vermutlich eine Technologieschwäche vorgelegen habe. Ein paar Stunden später kam es zum Vergleich. Kasten 10

Strukturell vergleichbare, gestaffelte Vorgehensweisen hat der Gesetzgeber für betriebsverfassungsrechtliche Auseinandersetzungen vorgesehen (§ 76 71

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements BetrVG). Das Einigungsstellenverfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat entspricht einer Abfolge aus Schlichtung und Schiedsverfahren. Zu Beginn der Verhandlung nimmt der Vorsitzende nämlich die Funktion des Schlichters wahr. Wenn die paritätisch besetzte Einigungsstelle allerdings keinen Konsens herbeiführen kann und Stimmengleichheit besteht, muss der Vorsitzende – wie ein Richter oder Schiedsrichter – eine Entscheidung treffen. Die von der Arbeitsgemeinschaft Baurecht im Deutschen Anwaltverein entwickelte Schlichtungsordnung (SOBau) sieht ebenfalls ausdrücklich ein zweistufiges Verfahren vor, in dem ein Schiedsverfahren auf eine Schlichtung folgt.75 Derartige Kombinationen verschiedener Methoden der Konfliktbeilegung werden auch als vielstufige alternative Streitbeilegung bezeichnet (multistep ADR). Einige amerikanische Unternehmen haben sowohl für Streitigkeiten mit und zwischen Angestellten wie auch für Konflikte mit Kunden spezielle Streitbeilegungsprogramme entwickelt (dispute systems design).76 In Deutschland beschränken sich derartige Programme derzeit überwiegend noch auf den Umgang mit Kundenbeschwerden (Beschwerdemanagement).77 Doch finden auch hier umfassende und differenzierte Ansätze zunehmend Interesse (vgl. Kapitel 13). So hat der Energiekonzern E.ON im Jahr 2006 das Pilotprojekt „Mediation im E.ON-Konzern“ gestartet, um konzerninterne Konflikte schnell, effizient und nachhaltig beilegen zu können.78

Praktische Bedeutung der ADR-Methoden Angesichts ihrer Eignung für die Beilegung aller im ersten Kapitel genannten Konflikttypen hat die Mediation unter den Methoden zur alternativen Streitbeilegung ein besonders großes Potential. Das zeigt sich auch an Umfragen in den USA. Dort hat sich die Wirtschaftsmediation in den vergangenen 40 Jahren bewährt, nicht zuletzt aufgrund der bekannten Schwächen des US-amerikanischen Ziviljustizsystems. Vertraut man den von unabhängiger Seite durchgeführten Untersuchungen, so hat sie weite Verbreitung erfahren und große Anerkennung gefunden. In einer von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte&Touche durchgeführten Umfrage gaben 1993 noch 51 Prozent der befragten Vertreter von Rechtsabteilungen die Schiedsgerichtsbarkeit als das von ihnen bevorzugte Verfahren an, während lediglich 41 Prozent die Mediation nannten. Dagegen bezeichneten in einer ebenfalls von Deloitte&Touche organisierten Befragung im Jahre 1996 bereits 65 Prozent der Teilnehmer aus 62 Rechtsabteilungen und 77 Anwaltskanzleien die Mediation als die Streitbeilegungsmethode ihrer ersten Wahl, während nur noch 28 Prozent die Schiedsgerichtsbarkeit nannten.79 Schließlich gaben in einer von der American Bar Association zu Beginn der 1990er-Jahre durchgeführten Erhebung 51 Prozent der befragten Anwälte an, sie würden die Mediation einem Gerichtsverfahren vorziehen.80 Die Bedeutung der Mediation 72

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen in den USA lässt sich auch daran erkennen, dass sich mehr als 40 führende Franchise-Unternehmen (z. B. Dunkin’ Donuts Inc., Holiday Inn und Meineke Discount Muffler Shops Inc.) an einem National Franchise Mediation Program beteiligt haben, welches die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Franchise-Gebern und -Nehmern erleichtern soll.81 Dass die Mediation in den USA als Verfahren der Konfliktbeilegung fest etabliert ist, ist auch durch eine aktuelle empirische Untersuchung der geographischen Verteilung der Mediationshäufigkeit bzw. -dichte nachgewiesen worden.82 Der Mediation Receptivity Index (MRI), der von dem in Harvard lehrenden Professor Frank Sander entwickelt worden ist, zeigt dabei, dass die Mediation in den Wirtschafts- und Finanzzentren sowie in den Regionen, in denen sie besonders gefördert wird (z. B. Florida, Washington D.C.), die größte Akzeptanz erfährt. Inzwischen gibt es auch in Deutschland erste Erhebungen zur Wirtschaftsmediation. Die von PriceWaterhouseCoopers 2005 und 2007 in Auftrag gegebenen Studien zum praktischen Konfliktmanagement in deutschen Unternehmen kamen zu dem Ergebnis, dass die große Mehrzahl der befragten Unternehmen zwar alternative Streitbeilegungsverfahren wie die Schlichtung oder die Mediation gegenüber dem staatlichen Gerichtsverfahren als vorteilhafter einordneten, der gerichtliche Prozess aber nach wie vor das tatsächlich meistgenutzte Verfahren zur Konfliktbewältigung darstellt. Dies überrascht, weil zwar die Qualität des deutschen Gerichtssystems als solche nicht in Frage gestellt wurde, dieses jedoch als teuer und ineffizient eingestuft wird.83 Zu einem ähnlichen Befund kommt eine Studie der Wirtschaftskanzlei TaylorWessing aus dem Jahre 2009, die darüber hinaus feststellt, dass die gerichtsinterne Mediation als fester Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens von 75 % der Befragten begrüßt wird.84 Damit genießt die Wirtschaftsmediation hier zwar sicherlich noch nicht denselben Stellenwert wie in den USA. In den vergangenen Jahren haben jedoch auch die heimischen Unternehmen zunehmend erkannt, dass eine einvernehmliche, wertschöpfende Konfliktbeilegung auch dann noch möglich ist, wenn direkte Verhandlungen gescheitert sind. So hat z. B. die STEAG AG seit 1998 mehrere Streitigkeiten im Anlagenbau in der Mediation erfolgreich gelöst. Im Jahre 2000 gaben mit der AGIV AG und der Hollandsche Beton Group nv (HBG) zwei Unternehmen erstmalig öffentlich bekannt, dass sie einen bereits vor dem Landgericht Frankfurt am Main rechtshängigen Prozess im Wege der Mediation durch einen Vergleich beilegen konnten.85 Andere Mediationsverfahren wurden z. B. in der Energie- und Informationstechnologiebranche sowie im Handel und im Zusammenhang mit langfristigen Kooperationsverträgen in der Industrie erfolgreich durchgeführt. Erste Erhebungen in Europa scheinen dabei die in den USA gefundenen Ergebnisse im Hinblick auf die Zufriedenheit der Parteivertreter zu be73

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements stätigen. Immerhin knapp ein Viertel (24 Prozent) der Justitiare, die sich im Jahre 2001 an einer Umfrage unter 202 Unternehmen beteiligten, bezeichneten die Mediation als die von ihnen bevorzugte Methode der Streitbeilegung. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Repräsentanten von Rechtsabteilungen geht davon aus, dass sie die Mediation in Zukunft häufiger nutzen werden.86 Zudem existiert auch in Deutschland mittlerweile die notwendige Infrastruktur: Seit Januar 1998 unterstützt das Europäische Institut für Conflict Management e.V. (eucon)87 Unternehmen bei der Gestaltung und Durchführung alternativer Streitbeilegungsverfahren. Zu den Förderern dieses Instituts zählen z. B. die Siemens AG ebenso wie Ericsson oder Unternehmen der Versicherungsbranche und Vertreter nahezu aller großen Wirtschaftskanzleien. Seit dem Frühjahr 2000 existiert mit dem Centrum für Verhandlungen und Mediation an der Ludwig-Maximilians-Universität München die erste akademische Einrichtung, die den Austausch zwischen Wirtschaft und Forschung über Möglichkeiten der Optimierung der Konfliktbeilegung systematisch fördert. Zu den Mitgliedern gehören ebenfalls renommierte Adressen der deutschen Wirtschaft wie die Siemens AG und die AllianzProzessFinanz GmbH. Neben dem ebenfalls seit dem Jahr 2000 bestehenden Contarini-Institut für Mediation an der Fernuniversität Hagen wurde im Jahr 2003 an der Universität Heidelberg das Heidelberg Center for International Dispute Resolution als weitere Forschungseinrichtung dieser Art ins Leben gerufen. Seit 2008 existiert darüber hinaus an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) ein Institut für Konfliktmanagement, das unter anderem einen Master-Studiengang Mediation anbietet. Unter den Initiativen der Wirtschaft selbst ist insbesondere der im Jahr 2008 gegründete Round Table Mediation und Konfliktmanagement der Deutschen Wirtschaft hervorzuheben. Runder Tisch zu den Themen Konfliktmanagement und Mediation Die SAP AG und die E.ON Kernkraft GmbH haben einen Runden Tisch zu den Themen Konfliktmanagement und Mediation im Unternehmen ins Leben gerufen. Mittlerweile sind auch die Aareon AG, ABB AG, AUDI AG, Bayer AG, Bombardier Transportation GmbH, Deutsche Bahn AG, Deutsche Bank AG, Deutsche Lufthansa Technik AG, Deutsche Telekom AG, E-Plus Mobilfunk GmbH & Co. KG, EnBW AG, ERGO AG, Fraunhofer Gesellschaft, GRUNDIG Intermedia GmbH, HSG Zander GmbH, Nokia Siemens Networks GmbH & Co. KG, Porsche AG, Siemens AG und das ZDF am Runden Tisch vertreten. Innerhalb dieses Gremiums tauschen Vertreter der beteiligten Unternehmen sich über ihre jeweiligen Methoden des Konfliktmanagements aus und bilden zugleich ein Sprachrohr der deutschen Wirtschaft gegenüber der Politik sowie sonstigen Dritten zu

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Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen Fragen der Mediation und des Konfliktmanagements. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet vom Institut für Konfliktmanagement der Viadrina Universität Frankfurt/Oder.88 Kasten 11

Zusammenfassung Intuitiv beharren die an einem Konflikt Beteiligten häufig auf ihren Positionen. Sie trennen nicht zwischen ihrer Meinung über die andere Seite und dem Gegenstand der Auseinandersetzung. Die Verhandlungsmasse sehen sie regelmäßig als begrenzt an. Lösungsmöglichkeiten werden frühzeitig bewertet und als Alternativen verstanden, die wenig Spielraum lassen („Allesoder-Nichts“). Im Vorteil des anderen schlägt sich nach dieser Sichtweise wie in einem Nullsummenspiel als Kehrseite der eigene Nachteil nieder. Schon um sich dagegen zu schützen, konzentrieren sich Verhandlungsführer intuitiv überwiegend oder vollständig auf eine Maximierung des eigenen Nutzens. Um die damit verbundenen, nachteiligen Folgen (keine Einigung, suboptimale Ergebnisse, weitere Eskalation, hohe materielle wie immaterielle Kosten) zu vermeiden, lassen sich durch die Wahl geeigneter Methoden (z. B. durch Moderation, partnering oder den Einsatz von dispute review boards) bereits präventiv Vorkehrungen für den Konfliktfall treffen (pre-dispute ADR). Den Fallen des intuitiven Verhandelns können die Beteiligten entgehen, indem sie die Grundsätze des Harvard-Konzepts beachten. Häufig sind die Parteien jedoch nicht in der Lage, den Konflikt selbständig beizulegen. Hier kann die Unterstützung durch einen Mediator helfen, der auf der Grundlage umfassender Informationen mit den Beteiligten an einer einvernehmlichen Konfliktlösung arbeitet. Der Erfolg gibt der Mediation Recht: Sie führt in mehr als drei Vierteln aller Streitigkeiten zu einer Verständigung und darüber hinaus inhaltlich zu beiderseits interessengerechten, wertschöpfenden Ergebnissen, die so nicht durch verbindliche Drittentscheidung realisierbar wären. Die Mediation ist kein starres, förmliches Verfahren, sondern extrem flexibel, lässt sich zügig durchführen und erhält den Parteien ein Maximum an Verfahrens- und Ergebniskontrolle. Ist bereits ein Konflikt entstanden (post-dispute ADR), stehen neben der Mediation alternativ und ergänzend z. B. die Schlichtung (über Tarifauseinandersetzungen hinaus), der mini-trial oder Ombudsleute ebenso zur Verfügung wie die traditionellen alternativen Konfliktlösungsmechanismen des Schiedsverfahrens und des Schiedsgutachtens. Auch innovative Ansätze wie 75

Herausforderung des professionellen Konfliktmanagements eine mock arbitration oder litigation sind denkbar. Sie können in verschiedenen Varianten als vielstufige Hybridverfahren kombiniert werden (multistep ADR). Unabhängig davon, ob Sie eine Methode wählen oder mehrere Optionen verbinden wollen, sollten Sie die von ihnen angestrebte Vorgehensweise stets im Hinblick auf ihre Eignung zur Beilegung des konkreten Konflikts prüfen und damit dem Leitgedanken des fitting the forum to the fuss Rechnung tragen. In den USA haben sich die Mediation und andere alternativen Methoden der Konfliktbeilegung seit mehr als 40 Jahren bewährt. Auch in Deutschland ist die Mediation mittlerweile fest etabliert und aus der Rechtspraxis nicht mehr wegzudenken. In zahlreichen Bundesländern sind gerichtsverbundene Mediationsprogramme entstanden und auch von Unternehmen wird die Mediation in verstärktem Maße eingesetzt. In den letzten Jahrzehnten hat sich damit das Verständnis des Umgangs mit Konflikten entscheidend gewandelt. An die Stelle des antagonistischen „Kampfes um das Recht“ ist zunehmend die gemeinsame Problemlösung getreten. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass auch am Ende eines gewonnenen Prozesses meistens zwei Verlierer stehen – im Hinblick auf Zeit, Kosten, Reputation und verschenkte Werte. Der Zivilprozess ist nicht mehr der alleinige Königsweg sondern nur noch eines von mehreren möglichen Instrumenten der Streitbeilegung. Den Parteien steht heute eine Vielzahl von Verfahren zur Behandlung von Konflikten zur Verfügung, aus denen sie das für ihren Konflikt geeignete auswählen können. Der Mediation kommt dabei in der Verhandlungsforschung wie auch in der realen Rechtspraxis eine Schlüsselrolle zu. In den folgenden Abschnitten wollen wir Ihnen nun zeigen, wie Sie die Mediation erfolgreich zur Beilegung von Konflikten einsetzen können.

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II

Die Methode der Mediation

Im ersten Teil des Buches haben wir die Frage nach den Ursachen, der Entwicklung und den Folgen von Konflikten in der Wirtschaft untersucht und sodann eine ganze Reihe von Verfahren kennengelernt, die zur Behandlung von Wirtschaftskonflikten geeignet sind. Dabei haben wir uns einen ersten Überblick über das interessenorientierte Verhandeln nach dem HarvardKonzept und das Mediationsverfahren verschafft. Im zweiten Teil geht es nun um die Methode der Wirtschaftsmediation. Dabei wollen wir Ihnen eine von mehreren möglichen Methoden vorstellen, eine Mediation erfolgreich durchzuführen. Denn auch wenn es bestimmte Grundsätze des Mediationsverfahrens – wie etwa den Grundsatz der Vertraulichkeit – gibt, so existiert doch nicht die eine richtige Methode der Mediation. Diese ist vielmehr flexibel und von den Zielen des Verfahrens, der Person des Mediators, den Erwartungen der Parteien und den konkreten Besonderheiten des jeweiligen Konfliktes abhängig. Da die Parteien in den Grenzen des Rechts die Art, wie sie ihren Konflikt beilegen, frei bestimmen – also von ihrer Privatautonomie Gebrauch machen – können, ist die Mediation auch nicht auf eine bestimmte Methode festgelegt. Vielmehr kann der Mediator seine Rolle und den Ablauf der Mediation unter Berücksichtigung der Vorstellungen der Parteien ganz unterschiedlich ausgestalten und auch flexibel an den Gang der Verhandlung anpassen. Für unsere Darstellung haben wir ein 5-Phasen-Modell der Mediation gewählt. Es wird nach unserer Erfahrung den Anforderungen an das Verfahren am besten gerecht und hat sich in der Ausbildung wie auch in der realen Mediationspraxis hervorragend bewährt. Danach lässt sich der Verlauf einer Wirtschaftsmediation idealtypisch in eine Vorphase (Phase 0) und fünf Phasen einteilen (vgl. Abbildung 1). Dabei handelt es sich um einen flexiblen Rahmen, nicht um eine starre Struktur.

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Methode der Mediation

Abbildung 1: Phasen einer Wirtschaftsmediation

Phase 0: Einstieg in die Mediation Aus Sicht von Unternehmensvertretern und Rechtsanwälten, die bereits praktische Erfahrungen mit der Vorbereitung einer Mediation gesammelt haben, kann bei Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen die größte Schwierigkeit zunächst darin bestehen, überhaupt erst einmal in die Mediation zu gelangen. Sofern die Parteien insoweit noch keine vertragliche Vereinbarung getroffen haben, müssen sie sich über die Durchführung des Mediationsverfahrens einigen, was eine ausreichende Information über die Grundzüge des Verfahrens und ggf. entsprechende Überzeugungsarbeit erfordert. Anschließend ist zu klären, ob die Parteien die Mediation mit Hilfe einer Institution oder in eigenständiger Regie durchführen wollen (vgl. Kapitel 12).

Phase 1: Eröffnung der Mediation Haben sich die Parteien auf die Durchführung einer Mediation und auf Sie als Mediator verständigt, werden Sie zunächst die Sitzung inhaltlich vorbereiten und – gemeinsam mit den Konfliktparteien – die Teilnehmer auswählen. Am Tagungsort eröffnen Sie dann die eigentliche Mediationsverhandlung (vgl. Kapitel 3 und 4). Die Phase 1 beginnt. Anlässlich der Eröffnung macht der Mediator üblicherweise einige kurze Eingangsbemerkungen, in denen er die Charakteristika der Mediation, seine Rolle und den Ablauf der Sitzung zusammenfasst. Hinweise für die Gestaltung eines solchen Eröffnungsstatements finden Sie im Anhang. Regelmäßig werden Sie darin auch Ihre eigene Unparteilichkeit und Neutralität betonen. Unter Umständen müssen Punkte aus den Vorgesprächen aufgegriffen werden, die noch klärungsbedürftig geblieben sind. Dazu kann, insbesondere wenn die Gestaltung oder Verwirklichung von Rechten eine Rolle spielt, eine nähere Abstimmung über Ihre Rolle gehören (vgl. Kapitel 3). In diesem Fall werden Sie mit den Beteiligten erörtern, ob bzw. inwieweit Sie als 78

Methode der Mediation Mediator zu Rechtsfragen Stellung nehmen. Sofern die Parteien zuvor noch keine Mediationsvereinbarung und/oder keinen Mediatorvertrag abgeschlossen haben, sollte dies spätestens jetzt geschehen (vgl. Kapitel 12). Dem Eingangsstatement kommt darüber hinaus auch in psychologischer Hinsicht eine prägende Bedeutung für das gesamte weitere Geschehen des Mediationsverfahrens zu. Hier können Sie auf die Parteien beruhigend einwirken, Vertrauen schaffen und den richtigen Ton angeben. Wie auch sonst im Leben, so gilt auch hier, dass der erste Eindruck der wichtigste ist. Hier stellen Sie die Weichen für den weiteren Ablauf der Verhandlung. Durch eine positive Grundeinstellung und die Art, wie Sie auf die Parteien eingehen, können Sie die Grundlagen für eine offene, vertrauensvolle und kooperative Atmosphäre zwischen den Parteien und damit auch für den Erfolg des gesamten Mediationsverfahrens legen.

Phase 2: Bestandsaufnahme Die zweite Phase der Mediation dient der Erörterung der Verhandlungsthemen sowie der Sach- und (ggf.) Rechtslage, über die Sie nach der Statuserhebung bereits einen Überblick gewonnen haben (vgl. Kapitel 4). Welche Themen dabei zu behandeln sind, hängt vom Konflikttyp ebenso wie von den Besonderheiten des Einzelfalls ab. Ihre Aufgabe als Mediator besteht in dieser Phase darin sicherzustellen, dass alle relevanten Themen erfasst, Missverständnisse – soweit möglich – ausgeräumt und Informationslücken geschlossen werden. Dadurch geben Sie den Beteiligten später die Gelegenheit, Wahrnehmungsunterschiede festzustellen und die eigene Sichtweise kritisch zu überprüfen (vgl. Kapitel 5). Unabhängig von verbleibenden unterschiedlichen Bewertungen einzelner Umstände sollten die Beteiligten am Ende dieser Phase zumindest ein gemeinsames Verständnis der Konfliktursachen entwickelt haben.

Phase 3: Erforschen der Interessen In der dritten Phase der Mediation kommt Ihnen als Mediator die Aufgabe zu, die hinter den geltend gemachten Positionen verborgenen, tatsächlichen Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten zu erforschen (vgl. Kapitel 6). In dieser Phase sollten Sie herausfinden, was den Beteiligten wirklich wichtig ist, woran ihnen mehr und woran weniger liegt. Das ist gelegentlich nicht leicht, da die Parteien intuitiv dazu neigen, Positionen zu beziehen, ohne ihre eigentlichen Interessen preiszugeben (vgl. Kapitel 2). Sobald sie sich auf einen Standpunkt festgelegt haben, verlieren sie gelegentlich auch die dahinterstehenden Interessen aus dem Blick. Selbst wenn sich die Beteiligten ihrer Interessen bewusst bleiben, machen sie sich häufig wenig Gedanken darüber, in welchem Prioritätsverhältnis diese untereinander stehen. Darüber hinaus können sich die Interessen im Laufe der Zeit ändern, so dass sie 79

Methode der Mediation sich nach einer längeren Konfliktdauer möglicherweise nicht mehr mit den ursprünglichen Bedürfnissen der Parteien decken.

Phase 4: Entwickeln und Bewerten von Lösungen In der vierten Phase beginnt der Prozess der Problemlösung (vgl. Kapitel 7). In diesem Abschnitt tragen Sie als Mediator gemeinsam mit den Parteien in einem Brainstorming mit Kritikverbot zunächst so viele Ideen wie möglich zur Beilegung des Konflikts zusammen. Dabei sollten Sie darauf achten, dass sich die Beteiligten darum bemühen, auch ihnen selbst unrealistisch oder gar verrückt erscheinende Einfälle zu entwickeln, ohne diese zu bewerten. Die Bewertung findet in dieser Phase erst in einem zweiten Schritt statt. Nur so kann verhindert werden, dass gute Ideen durch eine vorschnelle Festlegung auf andere Lösungsvorschläge verlorengehen. Die Trennung zwischen der Sammlung und Bewertung bereitet allerdings vielen Personen große Schwierigkeiten. Denn die meisten unter uns neigen dazu, Äußerungen sofort zu beurteilen. Seien Sie daher als Mediator nicht überrascht, wenn Sie in dieser Phase zunächst auf Widerstand stoßen. Geschäftsleute und Rechtsanwälte fürchten oft, dass sie später an unbedachten Äußerungen aus einem Brainstorming festgehalten werden könnten. Um den Beteiligten diese Sorge zu nehmen, sollten Sie zu Beginn der Sammlung klarstellen, dass diese vollkommen unverbindlich erfolgt und keine Urheberschaft an Ideen besteht. Erst anschließend geht es darum, die gesammelten Ideen im Hinblick auf ihre Realisierbarkeit zu prüfen. Gleichzeitig ist zu überlegen, mit welchen Lösungsmöglichkeiten sich der größte Wert schöpfen lässt und wie die einzelnen Optionen unter Berücksichtigung von Fairness-Gesichtspunkten zu beurteilen sind. Insbesondere in Sach-, Strategie- und Grundsatzkonflikten kommt es darauf an, möglichst geeignete, legitime Bewertungskriterien zu identifizieren. Besonders schwierig ist dies in den meisten Verteilungskonflikten (vgl. Kapitel 8). Nach Abschluss der Bewertung ist zu überlegen, wie sich die identifizierten Einigungsoptionen zu den Nichteinigungsalternativen der Beteiligten verhalten (vgl. Kapitel 9).

Phase 5: Vereinbarung/Abschluss eines Lösungspaketes In der fünften und letzten Phase der Mediation geht es darum, aus den realisierbaren Einigungsoptionen ein Gesamtpaket zu schnüren, das sich umsetzen und ggf. auch rechtlich durchsetzen lässt (vgl. Kapitel 10). Sofern zusätzliche Schritte zu erledigen sind, wie z. B. die notarielle Beurkundung einer Anteilsübertragung zur Bewältigung eines Gesellschafterkonflikts, ist die weitere Vorgehensweise abzustimmen. In vielen Fällen lässt sich in dieser Phase auch ein letztes Feilschen um die Höhe von Zahlungen, Zeitpunkte, 80

Methode der Mediation Zinsen oder Steuervorteile nicht ganz vermeiden. Daran scheitert die Mediation gewöhnlich allerdings nicht mehr. Sobald sich die Beteiligten über die Eckpunkte verständigt haben, ist regelmäßig auch die Grundlage für die konkrete Umsetzung einer Vergleichslösung gelegt. Die hier dargestellte Phasenstruktur einer Wirtschaftsmediation ist, das sei erneut betont, kein Prokrustesbett und sollte es auch nicht sein. Sie ist ein Orientierungsrahmen, der es einem erleichtern kann, sich in und mit dieser Form der Konfliktbehandlung zurechtzufinden – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Jede Wirtschaftsmediation hat ihre unverwechselbare Gestalt: Sie ist ein Verfahren der Beteiligten, und diese können es ganz auf ihre Wünsche und Bedürfnisse zuschneiden. Dabei zeigt die Erfahrung, dass sich auch komplexere Verfahren in einigen Tagen zu einem erfolgreichen Abschluss führen lassen. Anders als etwa in der Familienmediation wird in der Wirtschaftsmediation selten in mehreren Sitzungen verhandelt. Aus praktischen Gründen, insbesondere zur Sicherstellung der Anwesenheit zentraler Entscheidungsträger, wird zumeist versucht, eine Konfliktlösung „in einem Zug“ herbeizuführen. Ähnlich wie bei der Verhandlung größerer Transaktionen entsteht so nicht selten eine besondere Dynamik, manchmal auch eine besondere Dramatik. In den folgenden Kapiteln werden Sie mehr über die Methode der Mediation erfahren. Unsere Darstellung wird dem typischen Ablauf einer Mediation bei Wirtschaftskonflikten folgen und anwendungsorientiert sein: von der Benennung eines bestimmten Mediators bis hin zur Umsetzung eines Mediationsvergleichs oder einer sonstigen Abschlussvereinbarung. Sie werden viele Techniken, Werkzeuge und Konzepte kennenlernen, die zu einer effektiven Konfliktbewältigung eingesetzt werden können. Mit Beispielen aus der Mediationspraxis werden die Funktionsweise und die Relevanz der vorgestellten Methoden verdeutlicht und illustriert. Wir richten uns allerdings nicht nur an potentielle Mediatoren. Die folgenden Kapitel sollten Ihnen auch die Vorbereitung und Nutzung der Mediation als unmittelbar Konfliktbeteiligter (z. B. als Unternehmer oder Mitarbeiter) sowie (juristischer) Berater erleichtern.

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Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen

Bevor wir uns der Vorgehensweise des Mediators näher zuwenden, wollen wir einen kurzen Blick auf Ursprung und Zweck der Mediation richten: Worin besteht eigentlich die Zielsetzung der Mediation? Wie hat sie ihre praktische Bedeutung in den Vereinigten Staaten und Europa gewonnen? Und vor allem: Wie soll ein Mediator, der keine Entscheidungsgewalt besitzt, die Konfliktparteien überhaupt sinnvoll unterstützen? Welche Erwartungen haben die Beteiligten an den Mediator? Wie definiert er seine Rolle? Wie verhalten Sie sich als Mediator, wenn ein Rechtsstreit die Alternative zu einer Einigung darstellt? Müssen Sie als Mediator die Parteien über ihre Rechte und Pflichten aufklären? Dürfen Sie das überhaupt? Gilt etwas anderes, wenn die Parteien in einer Mediation durch Rechtsanwälte vertreten werden? Welche Rolle spielt das Recht in der Mediation? Die Beantwortung dieser Fragen ist Gegenstand des dritten Kapitels. Wir haben im vorherigen Kapitel gesehen, dass das Spektrum der Streitbeilegungsmethoden größer ist als viele vermuten. Im Folgenden werden Sie feststellen, dass auch die Möglichkeiten, die ein Mediator hat, um die Konfliktparteien zu unterstützen, vielfältig sind: So können Sie sich in dieser Rolle z. B. darauf beschränken, aufmerksam zuzuhören, Ihr Mitgefühl oder Ihre Anteilnahme zu zeigen und im Übrigen der Diskussion freien Lauf zu lassen. Vielleicht halten Sie es aber auch für besser, die Verhandlung vorab nach Themen zu strukturieren und den Ablauf zu kontrollieren. Manche Mediatoren verhandeln mit den Konfliktparteien lieber in getrennten, andere vorzugsweise in gemeinsamen Gesprächen. Im Austausch mit den Beteiligten kann ein Mediator Anregungen geben oder einen eigenen Lösungsvorschlag unterbreiten. Er kann sich auf die Erörterung bestimmter Streitpunkte konzentrieren oder Hintergründe erforschen.

Entwicklung und Ziele der Mediation Seit Menschen zusammenleben, werden Dritte als Vermittler tätig. Auch Sie haben in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis oder im Berufsleben sicherlich schon einmal diese Rolle eingenommen. Sie stehen damit in einer langen historischen Tradition. Als ein eigenes, so bezeichnetes Verfahren hat sich die Mediation dagegen in der westlichen Welt erst in der 83

Methode der Mediation zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts etabliert.1 Die mit ihrem Einsatz angestrebten Ziele unterscheiden sich allerdings in den verschiedenen Anwendungsfeldern erheblich. Die Mediationspraxis der Gegenwart hat ihre Wurzeln in zwei nahezu parallel verlaufenden Entwicklungen: Auf der einen Seite sind die Bemühungen um einen besseren Zugang zum Recht vor allem für sozial benachteiligte Gruppen zu nennen, die im Kontext der Bürgerrechtsbewegung in den USA Mitte der 1960er Jahre zur Einrichtung lokaler Mediationszentren, den sogenannten Neighborhood Justice oder Community Mediation Centers, geführt haben. Auf der anderen Seite steht das Ringen um eine Reform des USJustizsystems, das mit der von U.S. Chief Justice Warren E. Burger 1976 einberufenen Pound Conference seinen Anfang genommen und sich in einer Fülle von Reformgesetzen und gerichtsverbundenen Mediationsprogrammen niedergeschlagen hat. Es war die legendäre Pound Conference, auf der Harvard Professor Frank Sander seine Vision des Gerichts als eines Multi-Door Courthouse vorstellte, die in der Folgezeit die ADR-Bewegung nachhaltig prägen und der Mediation den Weg in die Gerichte bahnen sollte.2 Die Gründer der Community Mediation Centers wollten auch den weniger privilegierten Gruppen der Gesellschaft einen erleichterten, von staatlichen Autoritäten unabhängigen Zugang zum Recht eröffnen.3 Die Mediation sollte also mehr soziale Gerechtigkeit und eine neue Kultur des Umgangs mit Konflikten schaffen.4 Insofern besteht eine interessante Parallele zum Verständnis der Kommission der Europäischen Union, welche die Bedeutung der Mediation in einem Grünbuch zur Außergerichtlichen Streitbeilegung aus dem Jahr 2002 und in der daraufhin ergangenen Mediationsrichtlinie ebenfalls vor allem unter dem Gesichtspunkt des Zugangs zum Recht sieht. Anders als den Protagonisten der Community Mediation geht es der Kommission aber nicht um die Unabhängigkeit der Parteien von staatlichen Autoritäten. Vielmehr begrüßt sie eine institutionelle Förderung auf nationaler oder internationaler Ebene.5 Zu den ersten Anwendungsfeldern der Mediation gehörte die Familienmediation. Seit den 1970er Jahren sind ihre Befürworter in den USA aktiv. Sie streben mehr Autonomie für Ehepartner an, die in der Zukunft getrennte Wege beschreiten wollen. Die Unterstützung durch einen Dritten soll diese Paare in die Lage versetzen, ihr Schicksal in einer einschneidenden Phase ihres Lebens (wieder) selbst in die Hand nehmen zu können. Im Rahmen dieser auf die Verwirklichung der Privatautonomie ausgerichteten Zielsetzung wird dem Mediator häufig die Rolle eines bloßen Katalysators zugeschrieben.6 Eine im Hinblick auf die in der Vergangenheit liegenden Ereignisse noch weiterreichende Zielsetzung verfolgen die Befürworter einer Verständigung zwischen Tätern und Opfern von Straftaten mit der sogenannten Victim84

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen Offender-Mediation. Seit 1998 ist der sogenannte Täter-Opfer-Ausgleich auch in Deutschland in der Strafprozessordnung vorgesehen.7 Dieses ebenfalls durch einen Dritten unterstützte Verfahren soll eine Chance zur Sühne und – bei entsprechender Bereitschaft beider Seiten – Versöhnung8 jenseits des starren strafrechtlichen Sanktionssystems bieten.9 Einer wiederum anderen Zielsetzung dient die Mediation im Zusammenhang mit öffentlichen Infrastrukturvorhaben. In diesen Fällen wird eine frühzeitige Beteiligung der potentiell oder tatsächlich Betroffenen jenseits bzw. vor Beginn des förmlichen Verwaltungsverfahrens angestrebt.10 So sollte etwa eine im Zusammenhang mit dem geplanten Ausbau des Flughafens Frankfurt am Main im Jahre 1998 eingesetzte Mediationsgruppe den Bedarf und die Möglichkeiten der Kapazitätserweiterung des Flughafens sowie die ökonomische, ökologische und soziale Entwicklung der Rhein-Main Region untersuchen und Empfehlungen aussprechen. Auch die geplanten Erweiterungen der Flughäfen Bozen und Wien-Schwechat wurden jeweils von einer Mediation begleitet.11 Andere Motive etablierten die Wirtschaftsmediation in den USA: Angesichts der Prozessdauer und der immensen Kosten streitiger Auseinandersetzungen sowie der Ungewissheit über den Verfahrensausgang suchten amerikanische Unternehmen Mitte der 1970er Jahre eine kostengünstige, zügige und faire Methode der Konfliktbeilegung, die in der Regel vertraulich erfolgen sollte. Mit dieser Zielsetzung gründeten Vertreter einer Gruppe von Fortune 500Unternehmen und großer Anwaltskanzleien 1979 das CPR International Institute for Conflict Prevention and Resolution (CPR) in New York.12 Die Einrichtung von CPR markiert den Beginn der systematischen Nutzung der Mediation für Streitigkeiten zwischen sowie innerhalb von Unternehmen in den USA. Das Institut hat seitdem zahlreiche Branchen sowie Verbandsund Unternehmensvertreter bei der Durchführung von Mediationsverfahren ebenso wie bei der Entwicklung anderer innovativer Methoden der Streitbeilegung unterstützt. Mittlerweile hat sich in den Vereinigten Staaten ein privater Markt für Streitbeilegung entwickelt, in dem kommerzielle und gemeinnützige Organisationen ihre Dienstleistungen bei der Auswahl von Mediatoren sowie der Administration von alternativen Streitbeilegungsverfahren und der Vertragsgestaltung anbieten.13 Im Vordergrund der Wirtschaftsmediation steht also die instrumentelle Verhandlungsperspektive: Die Mediation soll den Parteien als Instrument dienen, um ihre Einigungsund eventuelle Wertschöpfungsmöglichkeiten auf möglichst effiziente Weise zu erforschen.14 Im Einzelfall überschneiden sich die mit der Wirtschaftsmediation angestrebten Ziele mit den für andere Kontexte genannten Motiven. Bei Gesellschaftsauseinandersetzungen oder arbeitsrechtlichen Streitigkeiten kann es – wie in der Familienmediation – z. B. auch darum gehen, den Betroffenen 85

Methode der Mediation eine Gelegenheit zu geben, eine „Lebens(abschnitts)gemeinschaft“ selbständig aufzulösen. Auch können Situationen eintreten, in denen eine Verständigung nur zu erzielen ist, wenn zumindest einzelne Betroffene ihr Verhalten grundsätzlich ändern (vgl. die in Kapitel 1 erörterten inneren Konflikte). Das gilt insbesondere für Beziehungs- und Gruppenkonflikte. In Streitigkeiten zwischen Unternehmen halten wir es allerdings in der Regel nicht für das Ziel einer Wirtschaftsmediation, eine Transformation der Persönlichkeit der Beteiligten zu bewirken.15 Sie kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die Alternative der durch sie vertretenen Unternehmen ein Rechtsstreit darstellt. Anders kann es sich in betriebsinternen Konflikten verhalten: In Fällen von Mobbing oder anderen schwer belasteten persönlichen Beziehungen lässt sich, sofern eine weitere Zusammenarbeit ermöglicht werden soll, ein Konflikt möglicherweise gar nicht anders lösen (vgl. zur Wiederherstellung von Autonomie Kapitel 6, zur Problematik einer fehlenden Mediationseignung bei erheblichen Machtungleichgewichten Kapitel 12). Sieht man das Ziel der Mediation in der möglichst effizienten Erforschung eventueller Einigungs- und Wertschöpfungsmöglichkeiten, besteht die Aufgabe des Mediators als Dienstleister darin, die Beteiligten in ihren autonomen Verhandlungen so zu unterstützen, dass sie freiwillig und eigenverantwortlich entscheiden können, ob und ggf. wie sie einen Konflikt beilegen. Genügt aber die Erforschung von Einigungsmöglichkeiten tatsächlich? Soll der Mediator die Parteien nicht auch zu einem Ergebnis führen? Besteht im Abschluss eines Vergleichs nicht das eigentliche Ziel einer Mediation? Nach unserer Auffassung ist eine Einigung weder stets möglich noch stets die beste Lösung. Wenn die Betroffenen aufgrund einer umfassenden Erörterung ihrer Interessen, der Einigungsoptionen und der jeweils zur Verfügung stehenden Alternativen (Nichteinigungsalternativen) zu dem Ergebnis kommen, dass sie kein Übereinkommen erzielen sollten, hat die Mediation ebenfalls ihren Zweck erfüllt.16 Haben Sie aufgrund einer sorgfältigen Diskussion der Sachverhalts- und Rechtsfragen beispielsweise den Eindruck gewonnen, dass die Erfolgsaussichten für Ihr Unternehmen in einem Rechtsstreit sehr hoch sind (vgl. ausführlich zur Prozessrisikoanalyse Kapitel 9), kann es durchaus rational sein, diesen zu führen – und dann hoffentlich zu gewinnen. Die Mediation war deswegen nicht erfolglos – ganz im Gegenteil. Schließlich können die Parteien nun ihre Nichteinigungsalternativen besser einschätzen. Nicht anders zu bewerten wäre es, wenn sich die Beziehung der Parteien verbessert hat, der Streitstoff eingegrenzt worden ist, Teillösungen gefunden worden sind oder die Beteiligten zumindest ein besseres Verständnis der Konfliktpunkte gewonnen haben, das ihnen eine anderweitige Klärung (z. B. mit Hilfe eines Gutachters oder Schiedsgutachters) erlaubt und die Vorbereitung eines ab86

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen schließenden, streitigen Verfahrens erleichtert (vgl. Kapitel 10). Aus diesen Gründen kann das Ziel einer Mediation nicht ausschließlich in einer Einigung liegen – auch wenn diese häufig sinnvoll und wahrscheinlich ist. Wir bewerten also den Mediationserfolg nicht danach, ob ein Vergleich zustande kommt oder nicht. Um die Entscheidungsfreiheit der Parteien zu wahren, muss die Mediation vielmehr ergebnisoffen sein.

Rolle des Mediators Wir haben bereits festgestellt, dass ein Mediator keine Entscheidungsgewalt hat. Seine Aufgabe besteht alleine darin, die Parteien in ihren Verhandlungen zu unterstützen. Dennoch kann schon diese begrenzte Mitwirkung die Verhandlungsdynamik in vielfältiger Hinsicht positiv beeinflussen. Dies zeigt bereits die Dauer von Mediationsverhandlungen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in einem direkten Gespräch nach zwei Stunden alle Argumente ausgetauscht worden sind, eine Mediation über denselben Gegenstand aber einen vollen Tag oder länger in Anspruch nimmt. Das ist keine vergebens verbrachte Zeit: Ein guter Mediator kann die Parteien nämlich zur Entwicklung eines gemeinsamen Sachverhaltsverständnisses und zu einer umfassenden Würdigung ihrer Positionen, Interessen und Lösungsmöglichkeiten animieren, wie sie in einem direkten Gespräch zwischen den Beteiligten in der Regel nicht stattfindet. Lässt sich anschließend eine Einigung erzielen, sind die für diese Erörterung investierten Stunden im Vergleich zu einer langwierigen Auseinandersetzung kaum der Rede wert. Selbst wenn sich kein Konsens einstellt, haben die Beteiligten in der Regel zumindest ein sehr viel besseres Bild des gesamten Konflikts gewonnen. Das Risiko, die eigenen Erfolgsaussichten wegen selektiver Wahrnehmung und überoptimistischer Einschätzung zu positiv einzustufen, ist dann jedenfalls verringert (vgl. Kapitel 1). Indem der Mediator den Konfliktstoff eingrenzt und sich auf bestimmte Sachfragen konzentriert oder durch Fragen nach wirtschaftlichen Motiven bislang noch nicht erörterte Einigungsoptionen auszuloten hilft, eröffnen sich erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten. Im Rahmen seiner Verhandlungsleitung kann der Mediator beispielsweise versuchen, eine Einigung durch eigene Vorschläge zu fördern. Führt er Einzelgespräche, kann er – soweit für deren Inhalt nicht vollständige Vertraulichkeit vereinbart wurde – entscheiden, welche Informationen er zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Gewichtung an welche anderen Beteiligten weitergibt.17 Den Mediator trifft also ein hohes Maß an Verantwortung für die Gestaltung des Verhandlungsprozesses, die wir als Prozessverantwortung bezeichnen. Was aber folgt aus dieser Prozessverantwortung? Die erste Aufgabe des Mediators besteht darin, die Erwartungen der Beteiligten zu klären und mit diesen gemeinsam seine eigene Rolle zu definieren. Oftmals haben die Kon87

Methode der Mediation fliktparteien keine Kenntnis der Mediation. Andere machen sich vor ihren ersten Kontakten mit einem Mediator keine Gedanken über dessen Rolle oder Funktion. Die Erwartungshaltungen können sich insoweit stark voneinander unterscheiden: Einige stellen sich den Mediator wie einen Schlichter vor, der die Parteien anhört und anschließend einen Vorschlag unterbreitet. Andere meinen, ein Mediator dürfe selbst gar keine Stellung beziehen und betrachten diesen als Moderator. Keine dieser Haltungen ist richtig oder falsch: Ein Dritter kann die Beteiligten nämlich sowohl dadurch unterstützen, dass er einen Vorschlag macht, als auch dadurch, dass er „nur“ deren Verhandlungen leitet. Daneben kann er den Parteien bei der Vorbereitung ihrer Gespräche behilflich sein, mit ihnen ihre Nichteinigungsalternativen untersuchen, ihre Interessen erforschen, die Verhandlungen strukturieren, den jeweiligen Sachstand zusammenfassen, für die Einhaltung von Verfahrensregeln sorgen, den Austausch (insbesondere vertraulicher) Informationen erleichtern, die Sachverhaltsaufklärung unterstützen, seine eigene Expertise einfließen lassen, analytische Hilfestellung (z. B. durch die Verwendung von Computermodellen) leisten, Themenlisten zusammenstellen, Vergleichsentwürfe verfassen und überarbeiten oder Vereinbarungen optimieren.18 Welche Vorgehensweise der Mediator und die Parteien wählen, steht in ihrem Ermessen. Sie können die gesamte Freiheit der privatautonomen Verhandlungsführung nutzen. Vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen werden die Beteiligten ihre Erwartungen ebenso wie den Gegenstand der Auseinandersetzung und den von Ihnen als Mediator erwarteten Stil erörtern. Darin besteht das Aushandeln des Mediationsverfahrens. Verhandlungen sind dynamische Prozesse. Die zu Beginn getroffenen Festlegungen sind daher nicht endgültig. Als Mediator können Sie – und sollten Sie, wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass die vereinbarte Problem- und Rollendefinition nicht weiterführt – den Prozess oder Ihre Rolle zu Beginn eines jeden Verhandlungsabschnitts erneut mit den Beteiligten diskutieren. Aus den verschiedenen Möglichkeiten, den Konflikt und die Rolle des Mediators zu definieren, hat der amerikanische Rechtswissenschaftler Leonard Riskin eine Matrix entwickelt, aus der sich vier idealtypische Mediationsstile ergeben.19 Ihre Bezeichnungen lassen sich dem in Abbildung 1 dargestellten Koordinatensystem entnehmen. Die vertikale Achse betrifft die Definition des Konflikts. Insoweit geht es darum, ob der Streitgegenstand begrenzt oder umfassend aufgefasst werden soll. Die horizontale Achse betrifft die Rolle des Mediators. Dieser kann versuchen, eine Einigung durch eigene Stellungnahmen oder Vorschläge zu fördern. Dann ist die Intensität des Eingriffs hoch.20 Beschränkt der Mediator sich darauf, einen konstruktiven Dialog zwischen den Parteien herzustellen, würde er seine Rolle eher wie ein Moderator gestalten. 88

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen In der im ersten Kapitel erwähnten Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern der Mobilcom AG (Gerhard Schmid und France Télécom) wäre der Konflikt begrenzt definiert worden, wenn die Parteien lediglich die Frage erörtert hätten, ob Schmid seine Pflichten als Gesellschafter verletzte. Der Konflikt wäre umfassend behandelt worden, wenn die Beteiligten neben den Vorgängen aus der Vergangenheit auch die zukünftige Geschäftspolitik von Mobilcom und das Verhältnis der Gesellschafter untereinander zum Gegenstand der Mediation gemacht hätten. Ein Mediator hätte seine Rolle zudem eher wie ein Moderator, der die Gespräche der Beteiligten strukturiert, oder wie ein Schlichter, der Einigungsvorschläge macht, definieren können. Kasten 1

Abbildung 1: Mediationsstile (nach Leonard Riskin)

Je nach Konflikt- und Rollendefinition lassen sich also vier verschiedene Mediationsstile als Orientierungsrichtungen unterscheiden. Im Folgenden werden die wesentlichen Charakteristika dieser typisierten Vorgehensweisen skizziert. 89

Methode der Mediation

Sachbeurteilung Wenn Sie beruflich als Rechtsanwalt oder Richter tätig sind, ist Ihnen die als Sachbeurteilung bezeichnete Vorgehensweise bestens vertraut. Sie entspricht der klassischen, juristischen Arbeitsweise. Der Mediator konzentriert sich auf die Erörterung bestimmter Sach- oder Rechtsfragen, beurteilt diese und erläutert den Beteiligten sein Verständnis. Bei der Sachbeurteilung unterscheidet sich Ihre Vorgehensweise nicht wesentlich von der eines Schiedsrichters oder Schiedsgutachters: Sie identifizieren die für die Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Fragen und wenden die einschlägigen Rechtsnormen an. Wenn Sie in einer Mediation eine Sachbeurteilung vornehmen, können Sie erheblich zur Versachlichung der Diskussion zwischen den Konfliktparteien beitragen und mit diesen etwa auch eine sorgfältige Analyse der Prozessrisiken durchführen (vgl. Kapitel 9). Ein Dritter, der die Mediation als Sachbeurteilung versteht, erörtert daher insbesondere die Stärken und Schwächen der jeweiligen Standpunkte. Im Rahmen eines Streits über ein Datenverarbeitungsprojekt kann er sich z. B. auf die Behandlung der vom Auftraggeber beanstandeten Fehler konzentrieren und die Spezifikationen mit den Beteiligten untersuchen. Wenn die Nichteinigungsalternative ein Rechtsstreit ist, wird der Mediator in der Regel Voraussagen über den Ausgang des Gerichtsverfahrens treffen. Angesichts seines damaligen Hauptberufs als Chief Judge des United States Court of Appeals in Chicago, seiner Expertise im Kartellrecht und seiner eigenen Beiträge zur ökonomischen Theorie des Rechts war es nicht überraschend, dass der in der ersten Instanz des Kartellrechtsstreits zwischen der Microsoft Corporation und dem US-amerikanischen Justizministerium als Mediator aktive Richard A. Posner die Mediation als Sachbeurteilung gestaltete. Er führte monatelang Einzelgespräche mit den Parteien, in denen er auch Prognosen über ihre jeweiligen Erfolgsaussichten anstellte.21 Der Übergang zwischen der Sachbeurteilung auf der einen und der Schlichtung auf der anderen Seite ist, wie sich an diesem Beispiel zeigt, fließend (vgl. Kapitel 2). Der Unterschied besteht zum einen in der Sicherheit, mit der die Parteien über die Prognose hinaus einen eigenen, abschließenden Vorschlag des Dritten erwarten können: Die Beteiligten wissen, dass ein Schlichter regelmäßig einen solchen Vorschlag unterbreiten wird. Bei einem Mediator rechnen sie demgegenüber normalerweise nicht mit einer abschließenden Empfehlung. Zum anderen unterscheidet sich die Mediation von der Schlichtung dadurch, dass sie den in der Einleitung zu diesem Teil dargestellten fünf Phasen folgt. Die Schlichtung orientiert sich in der Regel nicht an diesem Phasenmodell. Ein Schlichter geht stattdessen in der Regel von der Erörterung der Positionen direkt zu seiner Bewertung und Empfehlung über. 90

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen Beschränkt der Mediator seine Verhandlungsführung auf eine Sachbeurteilung, so neigen die Parteien allerdings oft dazu, diese als einen rein distributiven Prozess zu begreifen. Wir hatten im letzten Kapitel ja bereits festgestellt, dass die meisten Menschen Konflikte intuitiv als Nullsummenspiele betrachten. Daher ist aus ihrer Sicht ein Vorschlag des Dritten unbedingt notwendig, wobei sie sich selbstverständlich wünschen, dass dieser zu ihren Gunsten ausfällt. Dementsprechend besteht die Gefahr, dass sie sich nur wenig von ihren Positionen lösen können und wollen.

Sachmoderation Eine Mediation, in welcher die Parteien zwar den Konfliktstoff eingrenzen möchten, aber keine eigene Beurteilung durch einen Dritten wünschen, bezeichnen wir als Sachmoderation. Ihre Rolle als Mediator beschränkt sich in diesem Fall darauf, den Beteiligten Fragen zur Sach- und ggf. Rechtslage zu stellen und die Entwicklung sowie Bewertung von Vorschlägen zu moderieren (vgl. Kapitel 2). Der New Yorker Rechtsanwalt Ed Wesely, der in Vergleichsverhandlungen häufig als Mediator tätig war, konzentrierte sich auf Rechtsfragen, unterbreitete aber keine eigenen Vorschläge. Er unterscheidet sich nach seinen Worten von anderen Praktikern, wie dem als Beispiel genannten Sol Schreiber, folgendermaßen: „Sol has a recommended settlement which he tells the parties. I do not. I work with the parties and with the numbers the parties are talking about and try to drive to a consensual result“. Er versucht, über die Art der Fragen Einigungschancen zu identifizieren: „… what I want to know is your maximum endurable unhappiness. I don’t like this. I don’t like this one a little bit, but I can live with it. That’s what I try and drive at. While it is a rare situation that I will get the first time around what that party’s maximum endurable unhappiness is, I get a pretty good feel for where it is likely to be, and on both sides.“22 Kasten 2

Umfassende Beurteilung Wenn die Parteien sich ein umfassendes Bild über ihre Auseinandersetzung verschaffen wollen und Sie als Mediator darum ersuchen, einen alle Aspekte berücksichtigenden Lösungsvorschlag zu unterbreiten, nehmen Sie eine umfassende Beurteilung vor. In einer solchen Situation werden Sie versuchen, eine Lösung zu entwickeln, die den Interessen der Beteiligten so umfassend wie möglich gerecht wird und deren Standpunkte berücksichtigt. Ein Mediator, der ein derart weitreichendes Konzept ausarbeitet, muss im Zweifel 91

Methode der Mediation auch für seine Lösung werben. Ähnlich wie bei der Sachbeurteilung sind bei dieser Vorgehensweise die Übergänge zur Schlichtung fließend. Um einen eigenen Vorschlag unterbreiten zu können, neigen z. B. in Tarifauseinandersetzungen hinzugezogene Schlichter dazu, eine umfassende Beurteilung vorzunehmen. In seinen Vermittlungsbemühungen zwischen Israelis und Palästinensern entwickelte sich der damalige US-Präsident Bill Clinton im Dezember 2000 zu einem Mediator, der eine umfassende Sachbeurteilung vornahm. In den letzten Wochen seiner Amtszeit veranlassten der Zeitdruck bis zum bevorstehenden Ende seiner Präsidentschaft und die Frustration über die vergeblichen, vorausgegangenen Vermittlungsbemühungen Clinton dazu, den Parteien einen Vorschlag zur Beilegung des Konflikts zu unterbreiten, der alle Facetten des Konflikts zu berücksichtigen versuchte und bis in die Details ausgearbeitet war. Der Vorschlag war für beide Konfliktparteien zu präzise.23 Der palästinensische Verhandlungsführer Arafat und der israelische Ministerpräsident Barak konnten sich über seine Annahme nicht verständigen. Kasten 3

Umfassende Moderation Analysieren der Mediator und die Beteiligten den Konflikt umfassend, beschränkt der Mediator seine eigene Rolle allerdings auf die des Moderators, dann liegt eine umfassende Moderation vor. Von einem Moderator unterscheiden Sie sich als Mediator in diesem Fall dadurch, dass Sie dem in der Einleitung zu diesem Teil dargestellten Ablauf folgen und die Interessen sowie Einigungsmöglichkeiten mit den Beteiligten zielorientiert untersuchen. Die Abgrenzung zu einer reinen Moderation kann allerdings fließend sein. Im Rahmen einer umfassenden Moderation animiert der Mediator die Beteiligten durch Fragen dazu, ihre Wahrnehmung des Konflikts zu überprüfen, ihre Interessen – ggf. in Einzelgesprächen – zu benennen sowie selbst Einigungsoptionen zu entwickeln und Nichteinigungsalternativen zu prüfen. Sofern Sie als Mediator eingeschaltet werden und aus den Erwartungen der Beteiligten nicht eindeutig schließen können, dass diese eine Sachmoderation, eine Sachbeurteilung oder eine umfassende Beurteilung wünschen, schlagen Sie die umfassende Moderation als Vorgehensweise vor. Mit ihr können Sie sicherstellen, dass etwaige Rechtsfragen ebenso wie die Interessen der Parteien möglichst weitgehende Berücksichtigung finden.

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Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen Im Jahre 1985 hatte die International Business Machines Corporation (IBM) ein Schiedsverfahren gegen die Fujitsu Limited (Fujitsu) eingeleitet. Die Amerikaner warfen den Japanern vor, urheberrechtswidrig das Betriebssystem von IBM kopiert und ihre Pflichten aus einem zwei Jahre zuvor geschlossenen Vergleichsvertrag verletzt zu haben. Als der Vorsitzende des Schiedsgerichts Donald McDonald 1987 sein Amt niederlegte, schlugen die beiden parteiernannten Schiedsrichter Robert H. Mnookin und John L. Jones den Beteiligten vor, von nun an keine Entscheidungen mehr zu treffen. Sie würden – deren Einverständnis vorausgesetzt – fortan nur noch als Mediatoren tätig werden. Nachdem weder IBM noch Fujitsu während des Schiedsverfahrens einen substantiellen Fortschritt in der Sache feststellen konnten, stimmten sie zu. Als Mediatoren bezogen Mnookin und Jones die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen, der Branche, der Arbeitnehmer, des Handels und der Kunden ebenso in die Erörterung ein wie die zu entscheidenden Rechtsfragen.24 Kasten 4

Nutzen der Typisierung der Mediationsstile Bei den soeben vorgestellten, vier unterschiedlichen Mediationsstilen handelt es sich lediglich um Typisierungen, die sich in der Praxis nicht immer so eindeutig wiederfinden lassen. Als Mediator werden – und sollen – Sie in der Regel keiner Stilrichtung ausschließlich folgen, sondern die Erwartungen der Parteien und die Dynamik der Verhandlungen berücksichtigen. Der Mediationsstil kann sich darüber hinaus im Gang des Mediationsverfahrens verändern und auch in einen anderen Stil übergehen: So kann etwa die Bewertung des Mediators den Ausgangspunkt einer moderierten Diskussion der Parteien bilden. Ob ein Konflikt zu Beginn einer Mediation auf bestimmte Themen begrenzt oder umfassend erörtert wird, ist für den weiteren Verlauf der Verhandlungen allerdings ebenso maßgeblich wie die Entscheidung darüber, ob ein Mediator als Moderator tätig wird oder selbst Stellung bezieht. Gleichzeitig kennzeichnet das Spannungsverhältnis zwischen den verschiedenen Rollen des Mediators auch das Maß an Selbstbestimmung und Privatautonomie, das den Parteien und ihren Beratern verbleibt, bzw. spiegelbildlich den Einfluss, den der Mediator nimmt.25 Als Fachleute neigen wir dazu, Probleme einzugrenzen und selbst Vorschläge zu unterbreiten, also in der unteren linken Ecke des Koordinatenkreuzes tätig zu werden. Mit eigenen Vorschlägen entsprechen Sie als Mediator auch häufig der Erwartungshaltung der Beteiligten. Viele können sich nämlich nicht vorstellen, dass ein Dritter sie sinnvoll in einer Auseinandersetzung unterstützen kann, ohne eigene Vorschläge zu machen.26 Schließlich kommen Einigungen in Schiedsverfahren, in Tarifverhandlungen, vor einer Eini93

Methode der Mediation gungsstelle oder über einen Prozessvergleich vor Gericht in der Regel erst zustande, nachdem der Unparteiische einen Vorschlag unterbreitet hat. Derartige Erwartungen können also auch Ihre Rollendefinition beeinflussen. Um ein für alle Beteiligten möglichst befriedigendes Ergebnis zu erzielen, ist es jedoch in den meisten Fällen sinnvoll, den Konfliktstoff sowie die jeweiligen Interessen und Lösungsmöglichkeiten umfassend zu untersuchen (vgl. Kapitel 6 und 7). Sofern die Parteien Ihnen die Vorgehensweise überlassen oder Sie Ihnen einen Vorschlag zum Procedere unterbreiten, empfehlen wir Ihnen daher, zunächst das Gespräch zu moderieren und den Konflikt gemeinsam mit den Beteiligten umfassend zu analysieren. Ihre Zielrichtung ist also zunächst die rechte obere Ecke der Matrix in Abbildung 1. Wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass die Diskussion zu weit ausufert oder sich im Verlauf der Verhandlungen zeigt, dass die Beteiligten den Konflikt begrenzen oder – in der Praxis bedeutsam – Ihre Meinung erfahren wollen, besprechen Sie mit diesen eine Änderung Ihrer Rollen- oder der Konfliktdefinition. Damit können Sie Enttäuschungen vermeiden, die daraus entstehen, dass die Parteien einen solchen Rollenwechsel von Ihnen jedenfalls in einer späteren Phase möglicherweise erwarten: So äußerte nach einer Mediation, die ohne Einigung endete, einer der Beteiligten, er hätte sich am Ende der Verhandlungen eine deutliche Stellungnahme des Mediators gewünscht – auch wenn diese seinen Standpunkt nicht gestützt hätte. Ohne die Leitung des Mediators hätte sich sein Team „alleine gefühlt“. So groß ist das Interesse an der Auffassung des Dritten in vielen Fällen allerdings nicht. In der Mehrzahl der Auseinandersetzungen genügt es, wenn Sie in einem fortgeschrittenen Stadium von den Parteien vielleicht überbewertete Argumente kritisch hinterfragen (z. B. „Welche Beweismittel würden Sie für diese Behauptung vor Gericht anbieten? Was werden diese Zeugen aussagen? Was werden die Zeugen der Gegenseite bekunden? Wer trägt die Beweislast? Wie verhält es sich, wenn sich das Gericht nicht überzeugen lässt, weil Aussage gegen Aussage steht?“). Der bekannte amerikanische Wirtschaftsmediator Richard Chernick27 versteht sich ebenfalls primär als Moderator, der Verhandlungen unter den Konfliktparteien leitet. Erst in einem späteren Mediationsstadium lässt er gegebenenfalls seine eigene Auffassung erkennen. Er beschreibt seine Vorgehensweise wie folgt: „Ich verfolge im Grundsatz einen moderierenden Mediationsstil, gehe allerdings mehr in eine beurteilende Richtung, wenn es sich als nötig erweist. Ich gehe nie so weit […], dass ich den Parteien gegenüber äußern würde, wer Recht hat oder wer falsch liegt, und ihnen erklären würde, was richtig wäre oder wie ein Vergleich aussehen sollte. Aber ich werde am

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Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen Ende ziemlich deutlich, wenn ich keinen Erfolg mit meinen Bemühungen habe, die Parteien zu einer Verständigung zu bewegen.“28 Kasten 5

Sofern Ihre Vorschläge das Verfahren betreffen, sind sie als Teil Ihrer Verhandlungsleitung ohnehin unbedenklich und führen selten zu Widerspruch. Wenn es demgegenüber um die Lösung von Differenzen in der Sache geht, bergen eigene Vorschläge des Mediators dagegen das Risiko in sich, dass Sie von zumindest einer Seite nicht mehr als neutral und unparteiisch betrachtet werden. Wir halten es daher für sinnvoll, eigene Vorschläge und Bewertungen so lange wie möglich zurückzuhalten (vgl. Kapitel 8 und 10).

Ergebnisverantwortung Wir haben zu Beginn des Kapitels bereits erwähnt, dass den Mediator in jedem Fall eine Prozessverantwortung trifft. Wie viel Verantwortung für den Ausgang eines Konflikts, also wie viel Ergebnisverantwortung Sie tragen, hängt demgegenüber maßgeblich von Ihrer Rollendefinition ab.29 Einen Dritten, der ausschließlich als Moderator agiert, trifft grundsätzlich keine Verantwortung für das Ergebnis. Anders kann es sich verhalten, wenn Sie im Rahmen einer Sachmoderation durch Ihre Fragen zumindest mittelbar Einfluss auf den Abschluss nehmen. Dagegen trägt ein Mediator, der im Rahmen einer Sachbeurteilung oder umfassenden Beurteilung die Standpunkte der Parteien bewertet, eigene Vorschläge unterbreitet und – falls ein Rechtsstreit die Nichteinigungsalternative darstellt – zu den Erfolgsaussichten Stellung nimmt, auch für den Ausgang der Verhandlung eine größere Verantwortung. Wenn die Beteiligten ihre Beurteilung berücksichtigen, haben Sie das Ergebnis sogar unmittelbar beeinflusst. Ob Sie als Mediator Ergebnisverantwortung tragen, ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn auch rechtliche Fragen Gegenstand einer Mediation sind. Darum geht es im nächsten Abschnitt.

Rolle des Rechts in der Mediation Jedenfalls in den Fällen, in denen die Gestaltung oder Verwirklichung von Rechten der Beteiligten in der Mediation eine Rolle spielen, lässt sich die Auseinandersetzung mit juristischen Fragen nicht vermeiden. Von Bedeutung ist das Recht in der Wirtschaftsmediation, wenn es – zumindest möglicherweise – für die Beurteilung der Auseinandersetzung zwischen den Parteien Anwendung findet. Davon zu unterscheiden ist das Recht der Wirtschaftsmediation. Dieses betrifft die Rahmenbedingungen, unter denen die Mediationsverhandlungen stattfinden. 95

Methode der Mediation

Recht in der Wirtschaftsmediation Das Recht kann in der Wirtschaftsmediation auf mehrfache Weise zum Tragen kommen. Zunächst nutzen die Parteien regelmäßig rechtliche Argumente zur Begründung ihrer Standpunkte. Die juristische Beurteilung ist auch für die Bewertung ihrer Nichteinigungsalternativen maßgeblich (vgl. Kapitel 9). Schließlich lassen sich der Rechtsordnung Einigungsoptionen entnehmen (vgl. Kapitel 7 und 8). So eröffnen z. B. Normen im Steuerrecht den Beteiligten finanzielle Ersparnisse, die Vereinbarung von Rücktrittsrechten oder Vertragsstrafen schafft Sicherheit. In gesellschaftsrechtlichen Transaktionen haben regelmäßig steuerliche Gesichtspunkte besondere Bedeutung. Bei der Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft gemäß § 1 Abs. 3 Ziffer 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG)30 lässt sich z. B. der Anfall der Grunderwerbsteuer vermeiden, wenn der Erwerber unmittelbar oder mittelbar nicht mehr als 95 Prozent der Anteile der Gesellschaft erwirbt und die übrigen, tatbestandlichen Ausschlussvoraussetzungen ebenfalls nicht vorliegen. Das Recht zieht den Verständigungsmöglichkeiten der Parteien aber auch Grenzen. Sofern Einigungsoptionen sogenanntes zwingendes – also der Dispositionsfreiheit der Parteien entzogenes – Recht verletzen, lassen sich daraus abgeleitete Positionen in einem späteren Streitfall rechtlich nicht durchsetzen. So haben die Beteiligten bei der Gestaltung langfristiger Verträge häufig ein übereinstimmendes Interesse an Preisabsprachen, unbegrenzten Wettbewerbsverboten und Marktaufteilungen. Solche Vereinbarungen sind jedoch kartellrechtswidrig. Werden sie getroffen, sind sie wegen eines Verstoßes gegen zwingendes Recht nichtig. Die Parteien können sich in einem späteren Prozess gegenüber ihrem Vertragspartner nicht auf entsprechende Vereinbarungen berufen. Etwas anderes gilt im Hinblick auf das sogenannte dispositive Recht. Dabei handelt es sich um gesetzliche Bestimmungen, von denen die Beteiligten im Rahmen ihrer Privatautonomie abweichen können. Dispositives Gesetzesrecht ist deswegen nicht bedeutungslos. Vielmehr bietet es oft einen Orientierungsrahmen für die Suche nach einer fairen Lösung. Schweigt das Gesetz, können amtliche Begründungen und Erläuterungen dieselbe Leitbildfunktion übernehmen. Die Kommission der Europäischen Union hat z. B. Vorschriften in den sogenannten Gruppenfreistellungsverordnungen (etwa für Vertriebsverträge im Allgemeinen oder für die Automobilbranche) in dazu von ihr verfassten Leitlinien erläutert. Aus diesem Kommentar ergibt sich im Einzelnen, welche Regelungen gegen das Kartellverbot nach Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU) verstoßen und welche Vereinbarungen freigestellt sind.31 Die Parteien können grundsätzlich von den freigestellten, dispositiven Regeln abweichen. Im Rahmen einer Vereinbarung über die Fortsetzung eines Vertragshändler96

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen oder Liefervertrages kann die Wirksamkeit vertraglicher Abreden also dadurch gesichert werden, dass die freigestellten Klauseln gewählt und die Erläuterungen der Kommission berücksichtigt werden.

Recht der Wirtschaftsmediation Vom Recht in der Wirtschaftsmediation zu unterscheiden ist das Recht der Wirtschaftsmediation.32 Dieses umfasst Vorschriften des Gesetzgebers und privatautonome Vereinbarungen, welche die Rahmenbedingungen der Mediation betreffen. Gesetzliche Regelungen finden sich z. B. in den USA im sogenannten Uniform Mediation Act33, einem Modellgesetz, das von den amerikanischen Bundesstaaten in deren jeweiligen Rechtsordnungen übernommen werden kann34, und in Österreich im Zivilrechts-Mediations-Gesetz (ZivMediatG).35 In der Europäischen Union liegt seit 2008 mit Inkrafttreten der europäischen Mediationsrichtlinie36 ein Rechtsrahmen vor, der wesentliche Fragen des Verhältnisses von Mediation und Gerichtsverfahren in Europa einer einheitlichen Regelung unterwirft. In Deutschland beschränken sich diese Rahmenregelungen derzeit noch auf wenige Bestimmungen, wie z. B. das Vorschlagsrecht der Gerichte für eine außergerichtliche Streitbeilegung gemäß § 278 Abs. 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) oder einzelne Vorschriften im anwaltlichen Berufsrecht. Im Familienrecht ist mit dem neuen Verfahrensrecht zum 1.9.2009 erstmals eine Regelung in Kraft getreten, nach der das Familiengericht den Parteien die Teilnahme an einer Informationssitzung über Mediation vorschlagen und die Nichtteilnahme mit einer negativen Kostenfolge verknüpfen kann.37 Die Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie in nationales Recht lässt weitere Regelungen erwarten, die auch das Recht der Wirtschaftsmediation betreffen.38 Entscheidend werden innerhalb dieses Rahmens aber weiterhin die zwischen den Parteien getroffenen privatautonomen Absprachen, also die Mediationsvereinbarung und der Mediatorvertrag (vgl. Kapitel 12), bleiben. Wegen der mit ihr unter Umständen verbundenen Ergebnisverantwortung bedarf die Rolle des Mediators einer besonderen Konkretisierung, wenn Rechtsfragen in der Wirtschaftsmediation zu berücksichtigen sind. Insbesondere in den in Kapitel 1 dargestellten Sach-, Grundsatz- und Verteilungskonflikten zwischen Unternehmen ist das regelmäßig der Fall. In diesen Streitigkeiten geht es nämlich häufig darum, Rechte zu gestalten oder zu verwirklichen. Der Rechtsstreit stellt in diesen Fällen zumeist eine wichtige Nichteinigungsalternative dar. Daher werden in diesen Auseinandersetzungen oft Rechtsanwälte oder juristische Hochschullehrer als Mediatoren ausgewählt. Begleiten Sie Ihren Mandanten als Parteivertreter in der Mediation, werden Sie mit ihm überlegen, wie sich seine Ziele rechtlich begründen und im Rahmen aller in Betracht kommenden Einigungsoptionen sowie Nichteinigungsalternativen am besten erreichen lassen. Sie werden Ihren Man-

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Methode der Mediation danten bei einem erfolgreichen Abschluss der Mediation im Hinblick auf die rechtliche Gestaltung des Ergebnisses unterstützen. Darüber hinaus können Sie das Für und Wider der Einigungsmöglichkeiten mit Ihrem Mandanten während der Verhandlungen immer wieder neu erörtern und diesem als Berater zur Seite stehen (ausführlicher zur Rolle des Rechtsanwalts als Parteivertreter vgl. Kapitel 12). Anders verhält es sich häufig bei Streitigkeiten innerhalb von Unternehmen, insbesondere bei den im ersten Kapitel dargestellten Strategie- und Beziehungskonflikten. In diesen Fällen ist eine rechtliche Durchsetzung der eigenen Auffassung regelmäßig nicht möglich. Im Übrigen ist zu unterscheiden: Sofern Sachkonflikte zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber ausgetragen werden oder das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern oder zwei Kollegen betreffen, ist der Weg vor Gericht jedenfalls nicht stets eine Alternative. Sobald das allerdings der Fall ist, weil z. B. ein individuelles Arbeitsverhältnis beendet oder ein Sozialplan verhandelt wird, bedarf es der juristischen Unterstützung. Im Folgenden wollen wir daher untersuchen, welche Rolle dem Mediator im Umgang mit dem Recht zukommt. In diesem Zusammenhang müssen wir danach unterscheiden, ob ein Rechtsanwalt oder ein Nichtjurist tätig ist.

Rolle des Anwaltsmediators Wird ein Rechtsanwalt als Mediator tätig (Anwaltsmediator), unterliegt er den Regelungen des Berufsrechts.39 Die Parteien erwarten grundsätzlich von ihm, dass er sie über das Recht der Wirtschaftsmediation aufklärt. Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob bzw. inwieweit der Anwaltsmediator die Parteien auch über ihre Rechte sowie Pflichten belehren und damit das Recht in der Wirtschaftsmediation behandeln muss. Insoweit kommt es zunächst einmal darauf an, ob die Parteien selbst anwaltlich vertreten sind oder nicht. Werden diese nicht gesondert rechtlich beraten, ist mit ihnen sorgfältig abzustimmen, wie weit die Aufklärungspflicht des Anwaltsmediators reichen soll.

Geltung des Berufsrechts Die Berufsordnung für Rechtsanwälte stellt klar, dass die Tätigkeit als Mediator eine anwaltliche Tätigkeit ist.40 Die Geltung des Berufsrechts hat für den Anwalt wie für die Parteien Vorteile: Rechtsanwälte können bereits aufgrund ihrer beruflichen Stellung die vertrauliche Behandlung von Informationen garantieren. Der Anwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet41 und kann sich im Falle eines Scheiterns der Mediation in einem nachfolgenden Prozess auf sein Zeugnisverweigerungsrecht bzw. seine entsprechende Pflicht berufen.42 Für Mediatoren anderer Berufsgruppen ist dies umstritten.43 98

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen

Keine Belehrungspflicht bei anwaltlicher Vertretung der Parteien Die Anwendung des Berufsrechts hat allerdings auch Zweifel darüber hervorgerufen, wie weit ein Anwalt seinen Berufspflichten in der Funktion als Mediator genügen muss. So könnten Sie sich als Rechtsanwalt z. B. fragen, ob Sie überhaupt dazu berechtigt sind, sich auf die Rolle des Moderators zu beschränken oder ob Sie die Beteiligten stets – wie einen eigenen Mandanten – umfassend über ihre Rechte und Pflichten aufklären und belehren müssen. Das Oberlandesgericht Hamm hat diese Frage für den Anwaltsmediator differenziert beantwortet: Zwar untersteht der Anwaltsmediator dem Berufsrecht der Rechtsanwälte. Doch trifft ihn in seiner Funktion als Mediator die Beratungspflicht nicht in gleichem Maße wie als Parteivertreter.44 Nach unserer Auffassung ist für die Frage des Umfangs der Beratungspflicht zunächst danach zu unterscheiden, ob die Parteien anwaltlich vertreten sind. Ist dies der Fall, halten wir eine solche Belehrungspflicht des Anwaltsmediators für verfehlt. In Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen ist das die Regel. Das Spannungsverhältnis zwischen der Rolle des Mediators und den Berufspflichten des Rechtsanwalts lässt sich in diesen Fällen ohne weiteres auflösen. In dieser Konstellation trifft Sie also als Rechtsanwalt keine Verpflichtung zu einer umfassenden rechtsberatenden Tätigkeit.

Belehrungspflicht gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Parteien Wenn die Parteien nicht anwaltlich vertreten sind, lässt sich eher begründen, dass ein Anwaltsmediator die Beteiligten grundsätzlich über ihre Rechte und Pflichten aufklären und belehren muss. Noch nicht gesagt ist damit allerdings, wie weit diese Belehrungspflicht reichen soll. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Hamm trifft den Anwaltsmediator aufgrund seiner Verpflichtung zur Neutralität lediglich die Pflicht, den von beiden Parteien unterbreiteten Sachverhalt rechtlich zu würdigen, nicht aber, wie ein einseitiger Interessenvertreter die Vertragsparteien umfassend zu beraten, von sich aus besondere Umstände zu ermitteln oder „ins Blaue hinein“ über alle sich möglicherweise ergebenden eventuellen Verpflichtungen zu belehren.45 Denn aus der Verpflichtung zur Aufklärung kann sich ein Spannungsverhältnis zur regelmäßig mindestens ebenso dringend erwarteten Unparteilichkeit und Neutralität des Mediators sowie zu dessen Auftrag ergeben, Einigungsmöglichkeiten zu erforschen. Als Anwaltsmediator können Sie die Gratwanderung zwischen diesen Anforderungen am ehesten bestehen, indem Sie die Beteiligten zu Beginn des Mediationsverfahrens auf Ihre diesbezügliche Verpflichtung hinweisen und diese konkretisieren. Dabei können Sie den Parteien auch die Bedeutung rechtlicher Informationen als Grundlage für eine umfassend informierte 99

Methode der Mediation Entscheidung vor Augen führen. Möglicherweise entscheiden die Beteiligten sich dann jeweils für eine anwaltliche Unterstützung. Anderenfalls können Sie, soweit es eben möglich ist, durch diese Hinweise zumindest der Gefahr begegnen, dass Sie später als parteiisch angesehen werden.

Rollenkonkretisierung gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Parteien Indem Sie als Anwaltsmediator auf Ihre Verpflichtung zur Aufklärung hinweisen, haben Sie, wie erwähnt, noch nicht entschieden, wann Sie tatsächlich eingreifen werden: Weisen Sie darauf hin, dass das dispositive Recht eine für einen Beteiligten günstigere Regelung vorsieht? Intervenieren Sie erst (oder überhaupt), wenn eine Partei (möglicherweise) eine Ausschlussfrist versäumt oder eine Formvorschrift übersieht? Sprechen Sie den drohenden Ablauf einer Verjährungsfrist an? Warnen Sie die Parteien, wenn diese zu einem Ergebnis gelangen, das vor einem Gericht möglicherweise keinen Bestand hätte? Greifen Sie nur ein, falls die von den Parteien erzielte Einigung offensichtlich rechtsunwirksam ist? Wir empfehlen Ihnen, diese Fragen ausführlich mit den Beteiligten zu erörtern. Sofern Sie als reiner Moderator tätig werden, können Sie mit den Parteien möglicherweise vereinbaren, dass Sie nicht in Ihrem Beruf als Rechtsanwalt tätig werden. Angesichts der eingangs erwähnten Geltung des Berufsrechts ist derzeit allerdings nicht absehbar, ob Sie eine solche Regelung zuverlässig gegen den Vorwurf absichert, Ihrer Belehrungspflicht nicht nachgekommen zu sein. Nehmen Sie im Laufe der Verhandlungen – jedenfalls unter Umständen – eine Sachbeurteilung oder eine umfassende Beurteilung vor, und beziehen Sie selbst rechtlich Stellung, ist eine möglichst detaillierte Vereinbarung Ihres Auftrags unerlässlich. Angesichts der strengen Rechtsprechung zu den Pflichten des Anwalts, der einen Mandanten in Vergleichsverhandlungen vertritt, ist nicht damit zu rechnen, dass zukünftige Gerichtsentscheidungen zu den Pflichten eines Anwaltsmediators von besonderer Milde und Nachsicht geprägt sein werden. Wir empfehlen Ihnen daher dringend, Ihre Rolle nach der Beratung mit den Beteiligten im sogenannten Mediatorvertrag so klar und eindeutig wie möglich zu regeln (vgl. Kapitel 12).46 Darüber hinaus enthält der Regierungsentwurf für ein deutsches Mediationsgesetz eine spezielle gesetzliche Hinweispflicht: Der Mediator soll danach „die Parteien, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinweisen, die Vereinbarung bei Bedarf durch externe Berater überprüfen zu lassen.“47

Rolle des nichtanwaltlichen Mediators Während sich für Sie als Anwaltsmediator in rechtlichen Auseinandersetzungen die gerade erörterte Frage stellen kann, wie weit Ihre Beratungspflicht reicht, stehen Sie als nichtanwaltlicher Mediator in Deutschland vor 100

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen einem anderen Problem. Für Sie stellt sich umgekehrt die Frage, ob Sie überhaupt als Mediator tätig werden dürfen, wenn nicht wirtschaftliche, sondern rechtliche Fragen den Schwerpunkt der Auseinandersetzung darstellen. In diesen Fällen kann Ihre Tätigkeit nämlich gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen.48

Erlaubnispflicht nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz Nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz ist die Tätigkeit nichtanwaltlicher Mediatoren nur dann eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung, wenn der Mediator durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreift, also beispielsweise Vergleichsvorschläge macht oder die rechtliche Wirksamkeit von Optionen oder die Nichteinigungsalternativen der Parteien hinterfragt.49 Das Gesetz stellt gegenüber den Regelungen des früheren Rechtsberatungsgesetzes nur vordergründig eine erhebliche Besserstellung der nichtanwaltlichen Mediatoren dar: Auch nach der Rechtsprechung zum früheren Rechtsberatungsgesetz war eine rein moderierende Tätigkeit des nichtanwaltlichen Mediators in Konflikten, in denen es nicht um Rechtsfragen ging, grundsätzlich zulässig.50 Es wird im Einzelfall wohl weiter fraglich bleiben, ab wann ein Mediator „durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreift“ und somit eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung anbietet, und bis wohin er sich noch im erlaubnisfreien Raum bewegt.51

Privatautonomie vs. Rechtsdienstleistungsgesetz Wir meinen, dass die Parteien im Rahmen ihrer Privatautonomie unabhängig von der Art des Konflikts und den erwarteten Eingriffen des Mediators („rechtliche Regelungsvorschläge“ oder nicht) dazu berechtigt sein müssen, sich über die Ernennung eines nichtjuristischen Mediators zu verständigen, ebenso wie sie auch einen Schiedsrichter auswählen können, der nicht zur Rechtsdienstleistung befugt ist.52 Wenn die Parteien einen Dritten ohne Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz damit beauftragen können, einen nahezu weltweit vollstreckbaren Schiedsspruch zu erlassen, müssen sie erst recht eine Person ihrer Wahl ohne Entscheidungsgewalt mit der Unterstützung in Vergleichsverhandlungen betrauen dürfen. Wenn Sie als Nichtjurist als Mediator tätig werden, sollten Sie sich allerdings der Tatsache bewusst sein, dass die bisherige Rechtsprechung sehr streng ist und Ihre Tätigkeit ggf. als unzulässige Rechtsdienstleistung einstufen wird. Wenn die Beteiligten nicht durch Rechtsanwälte beraten werden, sollten Sie ihnen bei Einleitung einer Mediation daher empfehlen, sich jeweils unabhängig durch Rechtsanwälte vertreten zu lassen oder diese zumindest vorab zu konsultieren. Sofern dazu Anlass besteht, sollten Sie darauf hinweisen, dass die einvernehmliche Beilegung der Auseinandersetzung 101

Methode der Mediation die Rechte der Beteiligten berühren kann. Sie könnten hinzufügen, dass Sie nicht dazu in der Lage sind, die Parteien über ihre Rechte und Pflichten oder die rechtliche Tragweite einer Einigung zu unterrichten bzw. am Abschluss und der Formulierung eines Vergleichs, die über eine reine Protokollierung hinausgeht, mitzuwirken (vgl. die Checklisten für das sogenannte Eröffnungsstatement in Kapitel 4 bzw. im Anhang).

Keine Erlaubnispflicht bei bestimmten Konflikten In Beziehungskonflikten, in denen offensichtlich ausschließlich persönliche oder kommunikative Schwierigkeiten geklärt werden müssen, besteht selbstverständlich keine Erlaubnispflicht nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Daher sind Sie hier auch sicher nicht dazu verpflichtet, entsprechende Hinweise zu geben. Als Beispiel ließe sich eine unternehmensinterne Mediation nennen, in der es um einen Generationenkonflikt, Vorbehalte gegen die Einführung neuer Technologien oder die Verbesserung der Beziehung zwischen zwei Gesellschaftern geht. Dasselbe gilt in Strategiekonflikten, in denen, wie im Steilmann-Fall (vgl. Kapitel 1), Differenzen über den richtigen Weg, um ein bestimmtes wirtschaftliches Ziel im Markt zu erreichen, im Vordergrund stehen. Ebenso verhält es sich, wenn ein Sachkonflikt etwa die Frage betrifft, wie technische Schwierigkeiten in einer Papier- oder Verpackungsanlage am besten behoben werden können. Auch ein Verteilungskonflikt, in dem zwei Kooperationspartner um die geeigneten Personen für die Besetzung der Führungspositionen in einem bislang wenig erfolgreichen Joint Venture streiten, ließe sich als Beispiel nennen.

Akzeptanz des Mediators Von einem Mediator wird regelmäßig erwartet, dass er neutral und unparteiisch ist. Auch das Oberlandesgericht Hamm spricht diese Erwartung in dem bereits erwähnten Urteil aus: „Der Mediator vertritt keine Partei und ist allein dazu verpflichtet, ein Verfahren der Streitschlichtung zu moderieren, wobei er dem Grundsatz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet ist“.53 Die Pflicht zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gehört zu den wesentlichen Anforderungen, die ein Rechtsstaat an die Rechtsprechung stellt. Dieselben Grundsätze gelten für private Schiedsrichter oder Schiedsgutachter, die eine für die Parteien verbindliche Entscheidung treffen. Auch ein Schlichter, der einen Vorschlag unterbreitet, sollte diesen rechtsstaatlichen Ansprüchen genügen, um ein faires Verfahren zu gewährleisten (zu Schiedsverfahren, -gutachten und Schlichtung vgl. Kapitel 2). Bei Auseinandersetzungen im Wirtschaftsleben besteht im Hinblick auf den Mediator regelmäßig dieselbe Erwartungshaltung. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn es um die Gestaltung oder Verwirklichung von Rechten geht und 102

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen ein Rechtsstreit eine Nichteinigungsalternative eines Beteiligten darstellt. Dementsprechend heißt es in dem Regierungsentwurf für ein deutsches Gesetz zur Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie: „Der Mediator hat den Parteien alle Umstände offenzulegen, die seine Unabhängigkeit und Neutralität beeinträchtigen können. Er darf bei Vorliegen solcher Umstände nur als Mediator tätig werden, wenn die Parteien dem ausdrücklich zustimmen.“54 Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sind damit Eigenschaften, die zur aufgeklärten Disposition der Konfliktbeteiligten stehen. Dass Parteien auch prima facie nicht unabhängige oder neutrale Personen als Mediatoren akzeptieren, hat sich insbesondere in internationalen politischen Verhandlungen gezeigt. Als der frühere finnische Staatspräsident Martti Ahtisaari damit beauftragt wurde, zwischen Russland und Jugoslawien über eine Beendigung des Balkan-Krieges zu verhandeln, war er nicht von der Europäischen Union mandatiert, sondern von allen Beteiligten akzeptiert worden. Dennoch war er weder unparteiisch noch unvoreingenommen, sondern verfolgte die außenpolitische Linie der EU. Dasselbe galt für den damaligen amerikanischen Botschafter Richard Holbrooke oder den früheren russischen Ministerpräsidenten Jewgeni Primakow. Sie alle wurden von den am Konflikt Beteiligten zur Unterstützung der Verhandlungen herangezogen, ohne als neutral und unparteiisch angesehen zu werden. Vertreter von Haftpflichtversicherungen vertreten häufig die Auffassung, sie seien in Verhandlungen über Haftpflichtschäden als Mediatoren tätig. Das trifft insoweit zu, als die Versicherungen weder Schädiger noch Geschädigter sind. Dennoch sind sie selbst Partei, weil sie ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben. Die anderen Beteiligten können sie gleichwohl als Vermittler akzeptieren. Kasten 6

Da die Mediation nichts anderes als eine Verhandlung ist, kommt es entscheidend darauf an, ob die Konfliktparteien die Neutralität und Unparteilichkeit des Vermittlers erwarten. Dies ist in der Regel der Fall, aber nicht immer. Wenn die Betroffenen einen solchen Anspruch nicht stellen, genügt es, dass der Mediator für die Parteien akzeptabel ist, sofern er diese über die maßgeblichen Umstände, die gegen seine Neutralität bzw. Unparteilichkeit sprechen könnten, aufgeklärt hat. Schließlich haben die von einem Konflikt Betroffenen die Freiheit, sich von jeder Person unterstützen zu lassen, die sie als hilfreich ansehen. Für die Erfolgsaussichten der Mediation ist ausschlaggebend, dass die Beteiligten Sie als Mediator akzeptieren und – unter den genannten Vorausset103

Methode der Mediation zungen – auf Ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit vertrauen können. Nur dann werden sie Ihrer Verhandlungsleitung folgen, Ihre Vorschläge zur Vorgehensweise oder zur Sache aufnehmen und die strittigen Themen – zumindest in Einzelgesprächen – tatsächlich offen erörtern. Daher ist es unabdingbar, dass Sie gegenüber den Parteien alle Umstände, die den Eindruck erwecken könnten, Ihre Neutralität und Unabhängigkeit zu gefährden, vor Ihrer Benennung als Mediator offenlegen. Wie verhalten Sie sich aber, wenn Sie meinen, dass die Beteiligten ein ungerechtes Ergebnis vereinbaren? Unter welchen Voraussetzungen ist der Inhalt einer Einigung ungerecht? Wer bestimmt, ob eine Ungerechtigkeit vorliegt? Dürfen Sie sich darauf beschränken, im Falle eines ungerechten Ergebnisses einzugreifen, oder müssen Sie schon einschreiten, wenn sich jemand auf ein nach Ihrer Ansicht „lediglich“ unvorteilhaftes Ergebnis einlässt? Wir sind im Grundsatz der Auffassung, dass ein Mediator die Gerechtigkeitsvorstellungen der Parteien nicht durch seine eigene Einschätzung ersetzen sollte. Schließlich machen die Betroffenen von ihrer Privatautonomie Gebrauch. Ein Mediator sollte die Parteien in ihren Verhandlungen unterstützen und grundsätzlich jeden eigenverantwortlich getroffenen Entschluss akzeptieren – auch wenn dieser eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen zuwiderläuft (vgl. Kapitel 8). Eigenverantwortlich handeln die Beteiligten, wenn sie ihre Entscheidungen informiert und im Bewusstsein ihrer Tragweite treffen.55 Sofern Sie als Mediator den Eindruck haben, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, haben Sie die Möglichkeit, die Verhandlungen jederzeit abzubrechen.56 Das gilt auch in den Grenzfällen, in denen der Vergleich offensichtlich gegen zwingendes Recht verstößt oder Sie aus moralischen Gründen ein Ergebnis nicht mittragen wollen oder können (vgl. Kapitel 11).

Abschluss der Mediationsvereinbarung und des Mediatorvertrags Sobald die Beteiligten sich mit dem Mediator über seine Rolle verständigt haben, liegen die Voraussetzungen für den Abschluss eines Vertrages vor. Sofern sich die Parteien bereits in einer (zweiseitigen) Mediationsvereinbarung auf die Durchführung der Mediation geeinigt hatten, werden sie mit dem Mediator nun einen eigenen, drei- oder mehrseitigen Mediatorvertrag abschließen (vgl. zu Einzelheiten Kapitel 12). Die Abstimmung des Vertragsinhalts kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Zudem besteht das Risiko, dass die Parteien in Positionen zurückfallen, wenn und weil Rechtsfragen wieder in den Vordergrund treten. In Auseinandersetzungen, in denen es (zumindest) auch um die Gestaltung oder Ver-

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Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen wirklichung von Rechten geht, ist die vertragliche Vorsorge allerdings zu wichtig, als dass sie dem Zufall überlassen werden sollte. Um die Vertraulichkeit auch für den Fall sicherzustellen, dass eine Mediation letztlich doch nicht durchgeführt wird, ihr aber ein Informationsaustausch vorausgeht, sollte jedenfalls die Mediationsvereinbarung so früh wie möglich abgeschlossen werden. In komplexen Streitigkeiten setzen wir uns daher in der Rolle des Mediators in einem eigens dafür angesetzten Termin bereits vor der eigentlichen Mediationsverhandlung mit den Parteivertretern zusammen. In anderen Fällen genügt es, nach einer Erörterung der Rolle des Mediators und des Rechts in der Mediationssitzung auch die Mediationsvereinbarung und den Mediatorvertrag abzuschließen.

Zusammenfassung Die Wirtschaftsmediation soll den Beteiligten dadurch ein faires, zügiges und kostengünstiges Verfahren zur Streitbeilegung bieten, dass ein Dritter sie in ihren Verhandlungen unterstützt. An dieser Zielsetzung orientiert sich auch die Rolle des Mediators. Er kann als Moderator das Gespräch leiten oder selbst Stellung beziehen, sich auf bestimmte Konfliktthemen konzentrieren oder diese umfassend erforschen. Wie der Dritte vorgeht, ist vor Verhandlungsbeginn mit den Beteiligten abzustimmen. Dabei sollte der Mediator deren Erwartungen ebenso wie den Konflikttyp und seine eigenen Fähigkeiten berücksichtigen. Tendenziell empfiehlt sich jedenfalls zu Beginn der Mediation ein moderierender, umfassender Ansatz. Da der Anwaltsmediator auch in der Funktion des Mediators den Regeln des anwaltlichen Berufsrechts unterliegt, muss er dem Spannungsfeld zwischen seinen Beratungspflichten und den Erwartungen der Parteien an seine Neutralität und Unparteilichkeit gerecht werden. Von der Verpflichtung zur Rechtsberatung ist er lediglich dann vollständig befreit, wenn die Parteien jeweils anwaltlich vertreten und mit dieser Vorgehensweise einverstanden sind. Im Übrigen sollte der Anwaltsmediator dafür sorgen, dass seine Aufklärungs- bzw. Belehrungsbefugnisse und -pflichten in der Mediationsvereinbarung bzw. im Mediatorvertrag detailliert geregelt werden. Der nichtanwaltliche Mediator darf nach derzeit geltendem Recht tätig werden, solange er nicht durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreift. Die Parteien erwarten in der Regel von jedem Mediator, dass er unabhängig und unparteilich ist. In manchen Situationen kann es genügen, dass er für die Beteiligten akzeptabel ist, obwohl er die Anforderungen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht erfüllt. Dazu muss der prospektive Mediator die Beteiligten allerdings über kritische Umstände aufgeklärt haben, so dass diese eine informierte Entscheidung treffen können. Der Mediator soll105

Methode der Mediation te in keinem Fall die Gerechtigkeitsvorstellungen der Parteien durch seine Ideale ersetzen und mit eigenen Vorschlägen sparsam umgehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien ausdrücklich eine Sachbeurteilung durch den Mediator im Rahmen der Mediation wünschen. Für den anwaltlichen wie für den nichtanwaltlichen Mediator ist das Aushandeln seiner Rolle vor Beginn der eigentlichen Mediation von großer Bedeutung. Diese Aufgabendefinition ist regelmäßig ein zentraler Teil der Vorbereitungsphase. Wie sich diese professionell gestalten lässt, ist Gegenstand des folgenden Kapitels.

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Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren

Nachdem wir bislang eine funktionale Perspektive gewählt und nach der Art des Problems sowie nach der Vorgehensweise des Mediators unterschieden haben, wollen wir jetzt den Verlauf der Mediation chronologisch betrachten. Tatsächlich beginnt diese in der wirtschaftsrechtlichen Praxis oft schon lange, bevor die eigentliche Mediationsverhandlung stattfindet. Sobald Sie als Mediator mit den Parteien in Kontakt getreten sind, werden Sie Informationen sammeln, um z. B. den Anlass des Konflikts, bisher bestehende Einigungsbarrieren und die Eskalationsstufe ebenso festzustellen wie die jeweiligen Standpunkte der Kontrahenten. Mit derartigen Angaben können Sie sich in der Regel ein gutes Bild über den Sachverhalt – und eventuell die Rechtslage – machen, das es zu Beginn der eigentlichen Mediationsverhandlung zu vertiefen gilt. Diese Statuserhebung in Phase 0 und Phase 1 der Mediation sowie der Abschluss der Konfliktdiagnose sind Gegenstand dieses Kapitels. Im Folgenden wird zunächst kurz betrachtet, wie die Kontaktaufnahme verläuft, bevor wir uns der eigentlichen Konfliktdiagnose und inhaltlichen Vorbereitung einer Mediationsverhandlung zuwenden. Die Konfliktdiagnose kann bereits in Vorgesprächen oder mittels schriftlicher Stellungnahmen stattfinden, wird aber häufig erst im direkten Austausch abgeschlossen werden. Aufgrund der gesammelten Informationen wissen Sie als Mediator, welche Art von Konflikt vorliegt und auf welcher Eskalationsstufe sich dieser befindet. Darüber hinaus sind Ihnen die Personen, die an der Mediationsverhandlung teilnehmen werden, ebenso bekannt wie die mittelbar in den Konflikt Involvierten. In Kenntnis des Konfliktstatus und der Betroffenen werden Sie auch feststellen, inwieweit die Differenzen mehr auf einer sachlichen oder mehr auf einer persönlichen Ebene liegen bzw. inwieweit sie ineinander verwoben sind.

Kontaktaufnahme Aller Anfang ist schwer. In vielen Fällen besteht die größte Herausforderung für Sie als Mediator daher darin, den Übergang von Phase 0 zu Phase 1 zu bewirken. Die dafür notwendigen Aktivitäten beginnen mit der ersten Kontaktaufnahme. In Streitigkeiten zwischen Unternehmen ist es nicht unge107

Methode der Mediation wöhnlich, dass der erste Kontakt zwischen Ihnen als potentiellem Mediator und den Beteiligten über Organisationen wie die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) in Köln1 oder das Centre for Effective Dispute Resolution (CEDR)2 in London erfolgt. Das liegt daran, dass viele Streitbeilegungsklauseln in Verträgen auf die Verfahrensordnungen dieser Institutionen verweisen. Wenn eine Mediation nach den Regeln einer solchen Organisation durchgeführt wird, unterbreitet sie den Parteien Vorschläge für die Auswahl eines Mediators (vgl. Kapitel 12). Daher besteht Ihr erster Kontakt als potentieller Mediator, wenn sich Ihr Name auf der Liste einer solchen Institution befindet, zu deren Repräsentanten. Sobald die Parteien sich über Ihre Auswahl als Mediator verständigt haben, wird ein Unternehmensvertreter direkt mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Wenn es z. B. in einem Sach- oder Verteilungskonflikt um rechtliche Fragen geht, sind Ihre ersten Ansprechpartner in der Regel die Rechtsanwälte oder Justitiare des Unternehmens. Sie werden auch in den Fällen, in denen die Mediation ohne institutionelle Unterstützung stattfindet, die Verbindung zu Ihnen herstellen. Anders verhält es sich in unternehmensinternen Konflikten zwischen Gesellschaftern, Mitgliedern der Unternehmensleitung (Vorstand bzw. Geschäftsführung) oder eines Aufsichtsgremiums, sofern z. B. ein Beziehungs- oder Strategiekonflikt vorliegt, für deren Lösung keine Rechtsfragen zu klären sind. In diesen Situationen nimmt in der Regel ein Angehöriger der genannten Personenkreise das Gespräch mit Ihnen als möglichem Mediator auf. Dasselbe gilt, wenn Sie in einem internen Unternehmensprojekt, wie z. B. einer Standortverlagerung oder Umstrukturierung, von dem dafür Verantwortlichen oder in einer Auseinandersetzung zwischen Mitarbeitern von dem Vorgesetzten hinzugezogen werden und es nicht um die Verwirklichung oder Durchsetzung von Rechten geht. Gelegentlich erkundigen sich Unternehmensvertreter bei Ihnen erst einmal nach der Möglichkeit, eine Mediation durchzuführen, ohne dazu bereits fest entschlossen zu sein. In diesen Fällen genügt es, den Interessierten allgemeines Informationsmaterial zur Mediation zu senden. Wir empfehlen Ihnen für diese Fälle die Verwendung eines Informationsblatts oder eine persönliche Vorstellung. In manchen Situationen geht die Initiative für die Einleitung einer Mediation von einem Einzelnen aus, z. B. einem Mitglied der Rechtsabteilung, einem Gesellschafter oder einem Beirat, der im Unternehmen erst noch Überzeugungsarbeit leisten muss. Dann bietet sich eine Kurzpräsentation durch den potentiellen Mediator oder eine andere mit der Methode vertraute und erfahrene Person an. Insbesondere dann, wenn die Mediation in einem Unternehmen systematisch genutzt oder das Konfliktmanagement optimiert werden soll (vgl. Kapitel 13), kann auch die Durchführung eines Verhandlungs-Workshops empfehlenswert sein.

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Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren Im San Francisco Symphony Orchestra war es in den 1980er und 1990er Jahren zu schweren Spannungen zwischen dem Orchester und der Verwaltung gekommen. Die kompetitiven Musiker und der Executive Director des traditionsreichen Hauses, Peter Pastreich, hatten sich in jahrelangen Streitigkeiten bereits an die scharfen Konfrontationen gewöhnt. Nach einer besonders verbitterten, von einem Streik begleiteten Auseinandersetzung im Jahre 1996 war die in der Hewlett Foundation für die Förderung der darstellenden Künste verantwortliche Mitarbeiterin Melanie Beene um die Zukunft des Orchesters besorgt. Einer ihrer Kollegen erkundigte sich bei Robert H. Mnookin danach, ob dieser sich an einem Projekt beteiligen könnte, das die Arbeitsbedingungen in dem berühmten Haus im Westen verbessert. Mnookin führte zunächst Gespräche mit den für das Management und für die Musik verantwortlichen Personen. Bei dieser Gelegenheit schlug er die Gründung eines San Francisco Symphony Conflict Resolution Program vor. Die erste Stufe dieses Programms bestand in der Durchführung von zwei zweitägigen Verhandlungsworkshops mit den Musikern und der Verwaltung im Marin County Resort der San Francisco State University.3 Kasten 1

Vorbereitung der Mediation und Konfliktdiagnose Sobald die Beteiligten zu Ihnen Kontakt aufgenommen und Sie als Mediator gewählt haben, stellt sich für Sie die Frage, wann Sie mit der Bestandsaufnahme beginnen wollen. Sollten Sie die Mediation inhaltlich vorbereiten, oder wäre es besser, vollkommen unbefangen in die Verhandlung zu gehen? Sollten Sie sich erst in der gemeinsamen Sitzung mit den Beteiligten (in Phase 1) oder vorab (in Phase 0) informieren lassen? Wenn Sie sich dafür entscheiden, sich bereits vor dem Treffen kundig zu machen, an wen wenden Sie sich? Schließlich müssen Sie sich – unabhängig vom Zeitpunkt – überlegen, welche Informationen Sie benötigen und welche nützlich wären.

Inhaltliche Vorbereitung der Mediation? Manche Mediatoren vertreten die Auffassung, in der Regel sei es besser, vor Beginn der Verhandlungen keine Informationen einzuholen. Anderenfalls würden sie sich vorzeitig eine Meinung bilden und ihre Unvoreingenommenheit verlieren. Sie wären weniger neugierig und würden weniger Fragen stellen. Damit könnte sich das kreative Potential ihrer Rolle verringern. Auch wenn sie als Mediator in diesem Fall zu Beginn der Sitzung notwendigerweise viele Verständnisfragen stellen müssten, würde die dafür aufgewandte Zeit den Verhandlungsprozess nicht belasten. Schließlich würde sie auch 109

Methode der Mediation den Parteien dazu dienen, etwas über den Standpunkt der anderen Seite zu erfahren und ihre eigene Sichtweise zu überprüfen.4 Andere sind der Meinung, für jede Verhandlung sei die Vorbereitung besonders wichtig.5 Dementsprechend sollte der Mediator schon in Phase 0 Informationen sammeln. Auf diese Weise könne er sich vorab einen Überblick über die Themen und die Beteiligten verschaffen. Eine umfassende Vorbereitung erleichtere es ihm, zielführende Fragen zu stellen, Zusammenhänge zu erkennen und die Verhandlungen effizient zu gestalten. Darüber hinaus sei es für den Mediator viel leichter, den Respekt der Beteiligten zu finden bzw. zu erhalten, wenn er mit den Umständen vertraut ist. Nach unserer Auffassung kommt es im Hinblick auf Nutzen und Gefahren einer inhaltlichen Mediationsvorbereitung maßgeblich auf den Konflikttyp und den Kontext an. In reinen Beziehungskonflikten, also nicht in personalisierten Sachkonflikten oder bei nebeneinander bestehenden Sach- und Beziehungskonflikten (vgl. Kapitel 1), ist die Vorbereitung weniger wichtig: In diesen Auseinandersetzungen steht regelmäßig die subjektive Wahrnehmung der Betroffenen im Vordergrund. Die Aufgabe des Mediators besteht darin, einen Austausch darüber zu ermöglichen oder zu erleichtern. Sie steuern die Kommunikation, stellen geeignete Fragen, hören aktiv zu, paraphrasieren, verbalisieren und normalisieren (vgl. Kapitel 5). Wenn die Betroffenen anwesend sind, benötigen Sie im Grundsatz vorab keine weiteren Informationen. Sie werden allerdings immer wieder dafür Sorge tragen müssen, dass die Beteiligten nicht in die Muster des intuitiven Verhandelns zurückfallen oder die Sach- und Beziehungsebene zu vermischen beginnen (vgl. Kapitel 2). Anders verhält es sich bei Sach-, Grundsatz- bzw. Wert-, Strategie- und Verteilungskonflikten. Sobald diese angesichts der aufgeworfenen Sachverhaltsoder Rechtsfragen, technischer Schwierigkeiten oder organisatorischer Gesichtspunkte nicht mehr ohne weiteres überblickbar sind, gewährleistet nur eine sorgfältige Vorbereitung hohe Effizienz. Sie stellt sicher, dass die geeigneten Teilnehmer in der Mediationsverhandlung anwesend sind und etwa zusätzliche, erforderliche Informationsquellen zur Verfügung stehen. So machte in einem Konflikt über ein Softwareentwicklungsprojekt z. B. ein Auftraggeber zahlreiche gravierende Mängel geltend. Diese konnten aufgrund der zuvor ausgetauschten Informationen in der Mediationssitzung auf der Grundlage des allen zugänglichen Datenmodells und Pflichtenhefts zielführend erörtert werden. Über die Kenntnis des Konflikttyps hinaus sind für Sie möglicherweise Angaben hinsichtlich des Eskalationsgrads hilfreich. Auf einer niedrigen Eskalationsstufe können Sie den Prozess offener gestalten als bei einer bereits weiter eskalierten Auseinandersetzung (vgl. Kapitel 1). In einem fortgeschrittenen Stadium empfiehlt sich unter Umständen die Kombination der 110

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren Mediation mit einem anderen Streitbeilegungsverfahren (vgl. Kapitel 2 und 10). In der Praxis hat es sich z. B. als hilfreich erwiesen, für Teilfragen Schiedsgutachten in Auftrag zu geben oder Sachverständige zu einzelnen Themen zur Verhandlung hinzuzuziehen (vgl. das Praxisbeispiel in Kasten 10 in Kapitel 2). Schließlich sind regelmäßig Informationen über frühere Vergleichsvorschläge von Interesse, um Näheres über die Einigungshürden zu erfahren, die bislang eine Verständigung verhindert haben. Ein Überblick über Konflikttyp, Eskalationsgrad und Einigungshindernisse erleichtert es Ihnen, die Teilnehmer an der Mediationsverhandlung auszuwählen, die Vorgehensweise zu strukturieren und sich über die Agenda Gedanken zu machen. Letztlich haben wir es in komplexen Streitigkeiten für die eigene Gelassenheit und Konzentration in der Rolle des Mediators als förderlich empfunden, uns vorab zumindest eine erste Orientierung über die Themen, mögliche Interessen der Parteien, ihre Nichteinigungsalternativen, den jeweiligen Einigungsbereich und mögliche Einigungsoptionen zu verschaffen. Wenn Sie die Parteien als Anwaltsmediator rechtlich beraten (vgl. Kapitel 3) oder eine Prozessrisikoanalyse durchführen (vgl. Kapitel 9), ist eine gründliche Vorbereitung – selbst wenn Sie in diesem Stadium nur mit Hypothesen arbeiten können – unerlässlich. Die Informationssammlung vor dem Verhandlungsbeginn dient aber nicht nur Ihnen als Mediator, sondern auch den Beteiligten. Wir haben in Auseinandersetzungen zwischen Organisationen wiederholt die Erfahrung machen müssen, dass deren Vertreter sich nicht gründlich genug mit der Sache befasst haben. Sofern es um juristische Fragen geht, bereiten leider auch nicht alle Rechtsanwälte eine Verhandlung gutachtlich vor. Sie konzentrieren sich vielmehr auf die Begründung des eigenen Standpunkts, ohne alle Argumente sorgfältig abzuwägen. Eine derart unzureichende Aufarbeitung erschwert die Erörterung des Sachverhalts ebenso wie die Diskussion der damit verbundenen Rechtsfragen: Sind die Parteien schon für sich nicht dazu in der Lage, die relevanten Gesichtspunkte zu gewichten und auf dieser Basis zu bewerten, werden sie erst recht keine Einigung mit ihren Kontrahenten erzielen. Als Parteivertreter sollten Sie sich daher selbst intensiv vorbereiten und Ihre Mandanten dabei so weit wie möglich einbeziehen.6 Sie haben schon in dieser Phase große Einflussmöglichkeiten. Der Mediator wird jede konstruktive Anregung der Rechtsanwälte oder anderer Berater gerne aufnehmen. Wenn Vorgespräche zwischen Ihnen und dem Mediator stattfinden, können Sie sicherstellen, dass die aus Sicht Ihres Mandanten entscheidenden Themen in der Mediationsverhandlung diskutiert werden. Sie können die Agenda beeinflussen und dafür Sorge tragen, dass die relevanten Personen an der Verhandlung teilnehmen. In einem frühen Stadium besitzen Sie als Parteivertreter auch noch einen besseren Überblick als der Mediator im Hinblick auf 111

Methode der Mediation die Frage, ob die andere Seite die für eine Konfliktbeilegung maßgeblichen Personen benannt hat. Gegebenenfalls sollten Sie deren Einbeziehung anregen.

Informationssammlung Wie gehen Sie am besten vor, wenn Sie als Mediator vorab Informationen einholen? Um sich einen Überblick über die Themen der Mediation zu verschaffen, eignen sich in Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen Schriftsätze, von den Beteiligten frei verfasste schriftliche Stellungnahmen bzw. sogenannte pre-mediation briefing reports oder Interviews.

Schriftsätze Befinden sich die Parteien bereits in einem Rechtsstreit, bieten die Schriftsätze eine naheliegende und geeignete Informationsquelle. Sofern Sie zusätzliche Informationen über wirtschaftliche Gesichtspunkte benötigen, sollten Sie diese Punkte vor der Mediationsverhandlung mit den Beteiligten klären.

Schriftliche Stellungnahmen Wenn die Parteien kein streitiges Verfahren eingeleitet haben oder einleiten wollen, können Sie sich von den Betroffenen oder ihren Rechtsanwälten kompakte Zusammenfassungen bzw. Stellungnahmen zum Streitstand geben lassen. In den meisten Fällen müssen diese nicht mehr als ca. 10 bis 15 Seiten lang sein. Wenn Unternehmen durch Rechtsanwälte vertreten sind, liegt der Umfang der Schriftsätze dennoch oft weit darüber. Wie vor Gerichtsterminen werden gerne auch noch am Vorabend der Verhandlung weitere Streitschriften eingereicht, die von Prozessschriftsätzen kaum zu unterscheiden sind. Unabhängig von ihrer Länge sollten sie die zuvor erwähnten Punkte abdecken, also jedenfalls Angaben über den bisherigen Verlauf des Konflikts und etwaige frühere Vergleichsverhandlungen ebenso einschließen wie die Darstellung des Sachverhalts und, sofern erheblich, der wesentlichen Rechtsargumente. Diese Hintergrunddarstellungen dienen nicht nur der Vorbereitung des Mediators, sondern, wie bereits erwähnt, ebenso der Vorbereitung der Beteiligten. In einer Auseinandersetzung, in der Unternehmen durch Rechtsanwälte beraten werden, haben die Juristen zudem Gelegenheit, sich über wirtschaftliche Gesichtspunkte Gedanken zu machen, die vielleicht im Verlauf der Auseinandersetzung zunächst in den Hintergrund getreten sind. Ähnliche Erwägungen gelten für die innerbetriebliche Mediation, wenn sie ihrer Struktur nach derjenigen zwischen Unternehmen vergleichbar ist. Das ist z. B. dann der Fall, wenn sich größere Abteilungen in einem Unternehmen oder Gesellschaften innerhalb eines Konzerns als Kontrahenten gegenüberstehen.

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Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren Sie können die Parteien auch darum bitten, Ihnen vertrauliche Stellungnahmen zu schicken. In diesem Fall bekommt die jeweils andere Seite keine Kenntnis der Ihnen übermittelten Informationen. Möglicherweise werden Sie so tatsächlich vertrauliche Angaben über versteckte Einigungshindernisse erhalten. Wenn Sie derartiges Sonderwissen besitzen, müssen Sie allerdings darauf achten, welche Umstände Sie im späteren gemeinsamen Gespräch mit der anderen Partei berücksichtigen können. Ohne eine entsprechende Kennzeichnung lässt sich diese Unterscheidung in vielen Fällen nur schwer treffen. Zum Zweck der Vorbereitung ist die Kenntnis vertraulicher Informationen regelmäßig indes gar nicht nötig, da Sie im Verlauf der Mediation noch genügend Gelegenheit haben, die notwendigen Hintergrundinformationen – ggf. in Einzelgesprächen – zu sammeln. Zudem relativiert sich der Wert vertraulicher Vorabinformationen zumeist dadurch, dass die Beteiligten in ihren schriftlichen Äußerungen vor der eigentlichen Mediationsverhandlung eher ihren Standpunkt so entschieden wie möglich demonstrieren wollen und selten ganz überraschende Informationen offenbaren. Daher sollten die Stellungnahmen und Begleitdokumente, die Sie als Mediator erhalten, in der Regel von vornherein allen Beteiligten zur Kenntnis gegeben werden. Insbesondere für den Fall, dass ein solcher Informationsaustausch zustande kommt, sollten die Parteien zum Schutz der Vertraulichkeit der einander überlassenen Dokumente zuvor jedenfalls eine Mediationsvereinbarung abgeschlossen haben (vgl. dazu Kapitel 12). Eines Mediatorvertrages bedarf es in diesem Stadium nur, wenn nur oder auch dem Mediator Unterlagen vertraulich überlassen werden.

Pre-Mediation Briefing Report Der Vorbereitung des Mediators und der Parteien dient auch die Verwendung sogenannter pre-mediation briefing reports.7 Bei einem entsprechenden Dokument handelt es sich ebenfalls um eine schriftliche Stellungnahme, welche jede Partei mit ihren Beratern auf der Grundlage einer von Ihnen als Mediator vorgegebenen Gliederung verfasst. Die Anfertigung des premediation briefing report soll sicherstellen, dass die Beteiligten sich nicht nur auf die Begründung ihrer jeweiligen Positionen konzentrieren, sondern bereits über ihre Interessen (vgl. Kapitel 6), in Betracht kommende Einigungsoptionen (vgl. Kapitel 7) sowie Nichteinigungsalternativen (vgl. Kapitel 9) nachdenken und ihre Standpunkte in einem größeren Gesamtzusammenhang sehen. Daher könnte der briefing report z. B. folgende Fragen beantworten: Welche Themen sollten wir besprechen? Welche Interessen haben die Beteiligten und wie lassen sich diese gewichten? Welche bereits jetzt vorhersehbaren mittel- und langfristigen Vorteile könnte eine Einigung den Parteien bieten, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht? Welche anderen Vorteile wären denkbar? Welche Szenarien kommen in Betracht, wenn keine Einigung erfolgt? Gibt es Dritte, insbesondere Kunden, die Branche 113

Methode der Mediation insgesamt, aber eventuell auch Mitbewerber, die aus einer Einigung Nutzen ziehen könnten? Orientiert man sich an der Struktur einer Mediation, lassen sich die relevanten Fragen am besten nach den Punkten in der folgenden Checkliste ordnen.8 Checkliste: pre-mediation briefing report ● ●

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Chronologie des Konflikts (bisheriger Verlauf, Standpunkte) Parteien bzw. Beteiligte (evtl. Biographie der Parteivertreter, Rolle im Konflikt) Interne Strukturen (Wer entscheidet? Wer hat welchen Einfluss?) Relevante Themen (Um welche Themen und Sachprobleme geht es?) Interessen und Werte der Parteien Perspektive nach einer Einigung (Welche mittel- oder langfristigen Vorteile hätte diese?) Nichteinigungsalternativen (Alternativen und jeweils beste Alternative zu einer Einigung) Erforschung von Einigungsoptionen (Welche Elemente könnten denkbar Teil einer Einigung sein?) Überblick über bisherige Verhandlungsthemen, Einigungsversuche und Lösungen Objektive Fairness-Standards, die sich heranziehen lassen könnten Trade-off-Analyse (Austauschmöglichkeiten im Hinblick auf Güter oder Dienstleistungen?) Vorteile für Dritte (Welche anderen Personen oder Organisationen profitieren von einer möglichen Einigung?)

Kasten 2

Unternehmensvertreter haben uns berichtet, dass sie die Vorbereitung von Mediationsverhandlungen mit Hilfe eines pre-mediation briefing report als sehr hilfreich empfunden haben und dieselben Fragen auch nach Abschluss der Mediation wiederholt zur Vorbereitung anderer Vergleichsverhandlungen nutzen konnten.

Interviews Sofern insbesondere in Sachkonflikten komplizierte technische Fragen oder ein komplexer Sachverhalt zu bearbeiten sind, kann es auch sinnvoll sein, dass Sie zusätzlich zur Einholung schriftlicher Stellungnahmen Interviews mit den Beteiligten oder ggf. sogar sachverständigen Dritten führen. Auf diese Weise können Sie feststellen, ob die notwendigen Informationen in der Mediationsverhandlung verfügbar und für die Entscheider verständlich sind. 114

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren

Auswertung der Informationen Auf der Grundlage der gesammelten Informationen verschaffen Sie sich einen Überblick über die relevanten Themen und können, sofern Sie diesen nicht bereits aufgrund der ersten Kontakte einschätzen konnten, den Konflikttypus beurteilen. Jetzt werden Sie sich Gedanken darüber machen, wie sich in der Verhandlung etwaige Missverständnisse aufklären und Informationslücken schließen lassen. Zudem strukturieren Sie mit dem Ihnen nun vorliegenden Hintergrundwissen eine Agenda. Angesichts der Tatsache, dass viele Menschen stärker visuell als auditiv veranlagt sind, sollte jener Sinneskanal häufiger durch bildliche Darstellungen angesprochen werden, als es in vielen Verhandlungen der Fall ist. Zur Optimierung der Verhandlungen können Sie also dadurch beitragen, dass Sie bereits vor dem Zusammentreffen mit den Parteien die technischen Möglichkeiten zur visuellen Unterstützung bedenken. Diese beginnen bei der Anfertigung einer Chronologie der Ereignisse, die Sie in der Verhandlung für alle sichtbar darstellen und ggf. mit den Teilnehmern ergänzen können. In entsprechender Weise lassen sich mit Hilfe von Graphiken oder flow charts technisch oder rechtlich komplizierte Sachverhalte veranschaulichen. Wenn Rechtsfragen in der Mediation von Bedeutung sind, können die Weichenstellungen optisch mittels eines Entscheidungsbaums dargestellt werden, wie er für eine Prozessrisikoanalyse genutzt wird (vgl. Kapitel 9).

Auswahl der Teilnehmer Eine weitere Aufgabe des Mediators besteht in der Auswahl der geeigneten Teilnehmer für die Mediationsverhandlung.9 Achten Sie darauf, dass in diesem Personenkreis die notwendige Kenntnis über den Konflikt ebenso vorhanden ist wie die Vertretungs- und Entscheidungsbefugnis. Damit die verantwortlichen Personen sich ein eigenes Bild verschaffen, sollten sie selbst anwesend sein. So lassen sich auch Zweifel über die Abschlussbereitschaft ausräumen. Darüber hinaus sollte, soweit möglich, schon im Voraus bedacht werden, wer an der etwaigen Umsetzung eines Mediationsergebnisses beteiligt wäre. Besteht also z. B. die Möglichkeit, dass ein Kooperationsvertrag fortgesetzt wird, so sollte der dafür zuständige Mitarbeiter an der Mediationssitzung teilnehmen. Seien Sie sich als Mediator auch der Möglichkeit bewusst, dass die Teilnehmer an einer Verhandlung andere Interessen haben können als diejenigen, die sie vertreten. Neben den im ersten Kapitel behandelten kognitiven Einigungshürden, die ihre Ursache in unserer Wahrnehmung haben, und den im zweiten Kapitel erwähnten intuitiven bzw. strategischen Verhaltensweisen stellen Interessengegensätze zwischen einem Vertreter und dem Vertretenen (principal-agent-problem) eines der größten strukturellen Hin115

Methode der Mediation dernisse für die Beilegung von Konflikten dar. Gleichzeitig kann die Auswahl des am besten geeigneten Verhandlungsführers bzw. -teams erheblich zu einem konstruktiven Verlauf einer Sitzung beitragen und eine Einigung erst ermöglichen.10

Vertretungs- und Entscheidungsbefugnis Ein Unternehmen oder eine Behörde sollte sich durch eine Person in der Mediation vertreten lassen, die schon aufgrund ihrer Funktion (z. B. vertretungsberechtigter Vorstand einer Aktiengesellschaft, Geschäftsführer einer GmbH oder Behördenleiter) offensichtlich über die nötige Abschlusskompetenz verfügt. Wenn das zuständige Vorstandsmitglied oder der Geschäftsführer selbst nicht an den Verhandlungen teilnehmen können, sollte jedenfalls eine vertretungsberechtigte Person an seiner Stelle erscheinen. Ob ein solcher Repräsentant über eine uneingeschränkte Vollmacht verfügt, um einen Vergleich abschließen zu können, lässt sich natürlich nicht ohne weiteres feststellen. Daher sollte diese Frage vor Verhandlungsbeginn geklärt werden. Von einer bestimmten Größe an bestehen in vielen Unternehmen sogenannte Gremienvorbehalte. Wenn die Beilegung eines Konflikts dementsprechend eine Entscheidung des Gesamtvorstands oder Aufsichtsrats erfordert, müsste theoretisch die Vorstands- oder Aufsichtsratssitzung mit der Mediationsverhandlung zusammenfallen. Das ist ebenso wenig realistisch wie die Anwesenheit aller Mitglieder eines Gremiums bei Gesamtvertretung oder -geschäftsführung. Dasselbe würde für eine GmbH gelten, die mehrere Geschäftsführer bestellt hat. Deren gemeinsame Anwesenheit wird in der Praxis kaum realisierbar – und für den Verhandlungsverlauf nicht unbedingt nützlich – sein. Damit ein in der Mediation gefundener Konsens später vom entscheidungsbefugten Gremium auch gebilligt wird, sollte dieses eine Person mit der Verhandlungsführung (und Vertretung bezüglich eines Abschlusses) bevollmächtigen, die ihr Vertrauen genießt. Sie kann die Entscheidungsträger dann unverzüglich über den Verlauf der Mediationssitzung informieren und den Abschluss erläutern. In einer komplexen Mediation zwischen einem deutschen und einem italienischen Industrieunternehmen aus dem Bereich des internationalen Anlagenbaus, die von einem der Autoren durchgeführt wurde, entwickelte sich die mangelnde Entscheidungskompetenz des Verhandlungsführers einer Partei zum entscheidenden Problem. Der Mediator hatte sich im Vorfeld der Mediation in einer Telefonkonferenz zwischen den Beteiligten zwar versichert, dass die Verhandlungsführer rechtsverbindlich für ihre Gesellschaft würden handeln können. Nach der mündlichen und in den

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Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren Grundzügen auch schriftlich festgehaltenen Einigung in der Mediation teilte der Verhandlungsführer der italienischen Seite drei Tage später jedoch mit, dass das Ergebnis zwar grundsätzlich Bestand haben könne, jedoch in einzelnen Punkten geändert werden müsse. Er habe zwar eine Verhandlungs-, aber keine Abschlussvollmacht gehabt. Die andere Seite nahm dieses Verhalten zum Anlass, die Mediation für gescheitert zu erklären. Ein jahrelanger Rechtsstreit schloss sich an. Kasten 3

Der abwesende Entscheidungsträger Der Erfolg einer Mediation hängt in hohem Maße davon ab, ob sich die verschiedenen Einschätzungen der Konfliktbeteiligten im Laufe der Verhandlungen in einer Weise verändern, die eine Verständigung ermöglicht. Damit sich ein solcher Wahrnehmungswandel vollziehen kann, bedarf es eines intensiven Gesprächs. Wenn ein Entscheider nicht selbst am Verhandlungstisch sitzt, wird er offensichtlich nicht über denselben Informationsstand verfügen wie die Teilnehmer. Daran kann die Billigung des in einer Mediation gefundenen Ergebnisses scheitern. Es ist wenig überraschend, dass die Ablehnung eines Vergleichs durch einen abwesenden Entscheidungsträger unter den Beteiligten große Frustration auslösen wird. Die Abwesenheit eines Verantwortlichen hilft daher nur derjenigen Partei, die eine Mediation lediglich zum Zweck der Ausforschung oder Verschleppung missbraucht. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich auch Spitzenführungskräfte großer Unternehmen zur Teilnahme an einer Mediation bereit finden, wenn der Konflikt für das Unternehmen eine größere Bedeutung hat und der Nutzen der Anwesenheit zuvor überzeugend dargestellt worden ist. In einem Fall, in dem ein Unternehmen in der Mediation durch einen Syndikus vertreten war, bedurfte die Billigung des Vergleichs eines Vorstandsbeschlusses. Der Vorstand wurde durch seinen Justitiar laufend über den Fortgang der Verhandlung informiert und stimmte letztlich der gefundenen Einigung zu. Bis zuletzt befürchtete allerdings die durch ein Mitglied der Geschäftsführung vertretene Gegenseite, die Einigung könnte am abwesenden Vorstand scheitern. Die dadurch entstandenen Zweifel belasteten den Verhandlungsprozess erheblich. Dazu wäre es nicht gekommen, wenn ein Vorstandsmitglied anwesend gewesen wäre.

Einbeziehung der mittelbar am Konflikt Beteiligten Auch mittelbar Betroffene sollten jedenfalls dann an der Mediation teilnehmen, wenn sie Einfluss auf den Abschluss einer Vereinbarung haben oder die praktische Umsetzung eines Vergleichs fördern oder blockieren könnten. 117

Methode der Mediation Besondere Bedeutung kommt der Auswahl zu, sofern eine Vielzahl von Personen oder Organisationen von einer Auseinandersetzung betroffen ist. Die im ersten Kapitel bereits erwähnte Frankfurter Flughafenmediation ist dafür ein Beispiel. Die drei Mediatoren begaben sich nach ihrer Beauftragung rasch an die Arbeit. Sie schrieben die Flughafen AG ebenso wie die Lufthansa AG und Vertreter der Tarifparteien und Kommunen an. Sodann nahmen sie mit den Vertretern von Bürger- und Naturschutzinitiativen Kontakt auf. Diese fühlten sich zurückgesetzt. Sie gewannen den Eindruck, dass sich die Vorgehensweise der Mediatoren an den Bedürfnissen des Landes Hessen und des Flughafens orientiere, ihre Bedenken und Einwände jedoch nicht ernst genommen würden. Daher lehnten sie eine Teilnahme an der im Sommer 1998 begonnenen Mediation ab.11 Die sogenannte Mediationsgruppe setzte sich zusammen aus Vertretern der Kommunen, der Wirtschaft, der Flughafen AG (heute: Fraport), der Flugsicherung, der Luftfahrtindustrie, der Ministerien und einem Vertreter einer Initiative gegen Fluglärm. Vertreter anderer Bürger- und Naturschutzvereinigungen gehörten der Mediationsgruppe nicht an.12 Nicht immer sind die tatsächlich an einem Konflikt Beteiligten ohne weiteres erkennbar. So kann ein Vergleichsschluss zwischen zwei Unternehmen beispielsweise dadurch erschwert werden, dass die Produktionsabteilung intern andere Vorstellungen verfolgt als die Vertriebs- oder Finanzabteilung. Der verhandelnde Justitiar mag einen Sachverhalt anders einschätzen als der entscheidende Geschäftsführer. Daher sollten idealerweise diejenigen an einer Mediation teilnehmen, die auf die Entscheidung über eine Einigung oder deren Umsetzung Einfluss haben. Sitzen unmittelbar oder mittelbar Betroffene nicht am Verhandlungstisch, besteht die Gefahr, dass eine zwischen den Teilnehmern erzielte Verständigung im Nachhinein erheblichen Angriffen ausgesetzt ist und keinen Bestand hat. In der Frankfurter Flughafenmediation hat die Mediationsgruppe im Februar 2000 die Notwendigkeit eines Ausbaus grundsätzlich bejaht und gleichzeitig vorgeschlagen, kompensierende Maßnahmen, wie ein Nachtflugverbot, zu ergreifen. Die Mitglieder der Mediationsgruppe hatten sich – wenn auch mit verschiedenen Einschränkungen – grundsätzlich über den Ausbau verständigt. Dieses Ergebnis fand zwar bei der Landesregierung und in der breiten Öffentlichkeit durchaus positive Resonanz. Für Unternehmen und nicht im unmittelbaren Umfeld des Flughafens wohnende Bürger konnte der geplante Ausbau des Flughafens ja auch nur ein Mehr an Arbeitsplätzen und direkten Reiseverbindungen bedeuten. Zudem würde er das zunehmende wirtschaftliche Gewicht der Rhein-Main-Region unterstreichen. Die Reaktion der an der Mediation nicht beteiligten Bürger- und Naturschutzinitiativen bestand dagegen – ebenso wie die Reaktion der in den betroffenen Kommunen wohnenden Bürger – in nachdrücklichem Protest.13 Die Kommunen hatten zwi-

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Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren schenzeitlich sogar Sonderposten in ihren Haushalt eingestellt, um mit allen juristischen und politischen Mitteln einen Ausbau zu verhindern. Auch in Situationen mit einer geringeren Zahl von Beteiligten kann die Nichtteilnahme eines mittelbar Betroffenen einer Einigung entgegenstehen. So haben finanzierende Banken erheblichen Einfluss auf die geschäftliche Strategie wirtschaftlich angeschlagener Unternehmen. Der Haftpflichtversicherer entscheidet über den Abschluss eines Vergleichs in einem Schadensfall. In entsprechenden Konstellationen empfiehlt es sich daher, Vertreter von Banken oder Versicherungen in die Verhandlungen einzubeziehen. In einer von einem der Autoren zusammen mit einem US-amerikanischen Mediator durchgeführten Co-Mediation stritten sich ein Industriekonzern und eine internationale Anwaltssozietät über einen möglichen Beratungsfehler der Kanzlei. Der Konzern hatte unter Mandatierung der Sozietät ein Unternehmen an einen Dritten verkauft und aufgrund des behaupteten Beratungsfehlers dabei einen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe erlitten. An der Mediation nahm der Berufshaftpflichtversicherer der Anwaltssozietät teil und verfolgte die Verhandlungen aufmerksam. Die Entscheidung der Anwälte, sich in einer bestimmten Höhe zu vergleichen, fiel in enger Abstimmung mit den Repräsentanten der Versicherung. Kasten 4

Teilnahme potentieller Zeugen oder Sachverständiger Bisweilen wird sich auch die Frage stellen, ob potentielle Zeugen oder Sachverständige an der Mediation teilnehmen sollten (vgl. dazu nochmals das Praxisbeispiel in Kasten 10 in Kapitel 2). In dieser Hinsicht stehen Sie als Parteivertreter oder Mediator vor folgender Alternative: Wenn Sie diese Personen in die Verhandlungen einbeziehen, empfiehlt es sich, eine in die Mediationsvereinbarung aufzunehmende Vertraulichkeitsklausel nicht zu weit zu fassen, damit sie später nicht durch eine zu umfassende Vereinbarung an der Aussage in einem gerichtlichen Verfahren gehindert sind (vgl. Kapitel 12). So könnte der Schutz der Vertraulichkeit ausdrücklich darauf beschränkt werden, dass Zeugen oder Sachverständige für (bestimmte) Inhalte des Mediationsverfahrens in einem nachfolgenden Prozess nicht als Zeuge benannt werden, im Übrigen aber uneingeschränkt aussagen können. Legen Sie auf einen noch umfassenderen Schutz der Vertraulichkeit Wert, und stehen andere Personen zur Verfügung, ist es möglicherweise besser, auf die Einbeziehung der potentiellen Zeugen oder sachverständigen Zeugen vollständig zu verzichten.

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Methode der Mediation

Organisatorische Vorbereitung der Mediationsverhandlung Noch bevor Sie mit den Parteien inhaltlich „zur Sache“ kommen, wollen diese oft bereits den Ort und Zeitpunkt für die Mediationsverhandlung festlegen. Das liegt in der Regel daran, dass sie Streitigkeiten zügig beenden möchten und die Bedeutung der Vorbereitung unterschätzen. Die eigentliche Verhandlung kann sich – je nach Fall – entweder über mehrere Termine erstrecken oder en bloc auf eine Sitzung konzentrieren. Die Blockveranstaltung lässt sich angesichts größerer Teilnehmerzahlen und gefüllter Terminkalender meistens leichter realisieren. Sie hat zudem den Vorteil, dass in einer Verhandlung über einen längeren Zeitraum eher eine Eigendynamik entstehen kann, die tatsächlich eine Einigung erlaubt. Insoweit unterscheidet sich die Wirtschaftsmediation auch deutlich von der Familienmediation, in der das betroffene Paar und der Mediator oft über einen längeren Zeitraum in periodisch stattfindenden Sitzungen verhandeln.

Verhandlungsort Für die gemeinsame Verhandlung empfiehlt sich regelmäßig ein neutraler Ort. Dafür kommen z. B. die Büroräume des Mediators, aber auch die Konferenzräume eines Hotels oder eines Tagungszentrums in Betracht. Darüber hinaus sollte mindestens ein Zusatzraum für den Fall zur Verfügung stehen, dass Sie ein Einzelgespräch führen oder die Parteien sich zur Beratung zurückziehen wollen. Noch besser ist es, wenn Sie zwei zusätzliche Räume für die internen Besprechungen der Parteien zur Verfügung haben. Unterschätzen Sie dabei nicht die Bedeutung der Symbolik: Im Hamburger Büro der Kanzlei eines der Autoren werden die Konferenzzimmer mit Tugenden wie Toleranz, Gerechtigkeit oder Tradition bezeichnet. Offenbar ist diese Namensgebung nicht nur Makulatur. Keine Partei war im Rahmen einer Mediationsverhandlung jedenfalls dazu bereit, den zunächst für Einzelgespräche vorgesehenen Raum „Großzügigkeit“ zu belegen … Welche Bedeutung einzelne Begriffe haben, konnten wir ebenfalls anlässlich einer Mediationsverhandlung in einem Tagungszentrum einer Stuttgarter Bank erfahren, in dem wir besonders zuvorkommend behandelt und mit gesenkter Stimme angesprochen wurden. Der Anlass für dieses Verhalten war wohl, wie wir im Nachhinein herausgefunden haben, die offizielle Bezeichnung der Veranstaltung als „Meditation Schumacher AG ./. Handelshaus KG“ (Namen geändert).

Tisch und Sitzordnung Gelegentlich haben auch andere Äußerlichkeiten Einfluss auf die Verhandlungsdynamik: Manche glauben, eine rechteckige Tafel sei am besten geeig120

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren net, weil sie eher dem typischen Sitzungssaal entspricht. Andere meinen, bereits äußerlich lasse sich die Bildung von Fronten vermeiden, wenn die Parteien sich an einem runden – oder zumindest ovalen Tisch – gegenübersitzen. Für die Verhandlungen zwischen den polnischen Kommunisten und den Vertretern der „gesellschaftlichen Kräfte“, insbesondere der Gewerkschaft Solidarnosc, wurde im Jahre 1988 sogar eigens ein runder Tisch angefertigt und in Jablonna aufgestellt. Nachdem immer wieder Streiks aufflammten, wanderte dieser zunächst in eine Lagerhalle, bis er im Februar 1989 schließlich für die Verhandlungen im Radziwill-Palais in Warschau genutzt werden konnte.14 Ungeachtet der Symbolik hängt der Erfolg einer Mediation jedoch regelmäßig nicht von der Tischform ab. Größeren Einfluss auf den Verlauf der Verhandlung kann, wie jeder von abendlichen Einladungen nur zu gut weiß, dagegen die Sitzordnung haben. Wenn Rechtsanwälte an einer Mediation teilnehmen, neigen diese manchmal dazu, ihre Mandanten „abzuschirmen“ – sofern diese nicht selbst sehr dominant sind. Überlegen Sie sich aufgrund der Umstände des Einzelfalls daher, ob Sie den oder die Unternehmensvertreter neben sich positionieren oder ob es sinnvoller ist, die Anwälte bereits durch eine Seitenbemerkung direkt ansprechen zu können. Zurückhaltung ist geboten. Wenn Sie eine Sitzordnung zu detailliert vorgeben, werden die Parteien sich gegen eine zu große Einmischung wehren.

Visualisierung Wichtig ist in jedem Fall, dass die Beteiligten den Mediator und dessen für alle Beteiligten angefertigten Aufzeichnungen jederzeit sehen können. Natürlich sollte auch die erforderliche Büro- und Konferenzausstattung, insbesondere zur Visualisierung, vorhanden sein: Wenn die Parteien in einem Mediationsverfahren ihre Sichtweise überprüfen und die der anderen Seite besser verstehen lernen sollen, dann müssen sich Standpunkte auch sichtbar machen lassen: Flipcharts und Pinnwände, auf denen Sie während der Verhandlung Notizen machen können, sollten daher ebenso wie ein Overhead-Projektor und/oder Beamer sowie eine Projektionswand zur Verfügung stehen. Achten Sie allerdings darauf, dass Skizzen, Flipcharts und Dokumente, die eine Partei vertraulich mit Ihnen bearbeitet, nicht der anderen Partei zugänglich werden: Ein nur umgeblättertes, statt abgehängtes und gesichertes Flipchart kann sonst zu peinlichen Folgen führen, möglicherweise sogar zu Ihrer Haftung.

Umgebung Betrifft die Mediation einen komplexen Gegenstand, und ist für sie mindestens ein Tag angesetzt, hat es sich bewährt, gemeinsam eine angenehme

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Methode der Mediation Umgebung außerhalb der Bürowelt, zum Beispiel ein Hotel in einem nahen Erholungsgebiet, aufzusuchen. Sie reduzieren damit das Risiko unvorhergesehener Unterbrechungen und schaffen atmosphärisch einen Ausgleich zu den intensiven Gesprächen. Nicht umsonst finden politische Verhandlungen häufig in einem landschaftlich reizvollen, abgeschlossenen Umfeld statt: Heute ist es kaum mehr vorstellbar, dass Israelis und Palästinenser erfolgreich hinter verschlossenen Türen verhandeln. Zur Zeit des sogenannten Oslo-Prozesses war das aber der Fall. Damals tagten die Konfliktparteien zunächst in einem Privathaus in der Nähe von Oslo und später an verschiedenen Orten wie z. B. dem Hilton Hotel in Tunis15 oder dem Konferenzzentrum des Automobilkonzerns Fiat in Turin.16 Auch die Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung im Juli 1990 fanden, nachdem sie fast zu scheitern drohten, in betont privater Atmosphäre – Kohl und Gorbatschow erschienen auf einer rustikalen Sitzgruppe aus abgesägten Baumstämmen in Strickjacke und Pullover – in einer Datscha Gorbatschows bei Achys im Kaukasus statt. Das Schicksal der deutschen Einheit entschied sich nicht in Moskau, sondern in einer Jagdhütte weitab vom politischen Betrieb.

Physische Bedürfnisse Wie weit Sie die physischen Bedürfnisse der Beteiligten, insbesondere im Rahmen der zeitlichen Planung, berücksichtigen wollen, ist letztlich eine Frage des persönlichen Verhandlungsstils. Als Schlichter zwischen den Tarifvertragsparteien im öffentlichen Dienst schlug Hans Koschnik im Januar 2003 z. B. vor, am zweiten Verhandlungstag möglichst früh zu beginnen, da „müde Verhandlungsgegner gute Verhandlungspartner“ seien.17 Natürlich hat dieser Ansatz seinen Reiz, weil Erschöpfung tatsächlich dazu beitragen kann, verhärtete Positionen aufzulösen. Die Parteien sollten aber auch noch „am Tag danach“ zu einem erzielten Ergebnis stehen. Daher halten wir wenig davon, nur aufgrund der Auszehrung der Beteiligten zu einem Konsens zu kommen. Wir finden es im Gegenteil wichtig, in den Verhandlungen immer wieder ein „time out“ vorzusehen. Pausen zur rechten Zeit können nicht selten inhaltlich mehr bewirken als ein zwanghaftes Weiterverhandeln „um jeden Preis“. Um eine gute Arbeitsatmosphäre herzustellen, kann es sich bei Auseinandersetzungen mit einer größeren Zahl von Beteiligten darüber hinaus als sinnvoll erweisen, mit diesen vor Beginn der Mediationsverhandlung zu einem informellen Austausch, wie z. B. einem gemeinsamen Abendessen am Vorabend, zusammenzutreffen.

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Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren Checkliste: Organisatorische Vorbereitung der Mediation ● ●





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Raum für gemeinsame Sitzungen, möglichst mit rundem/ovalem Tisch Mindestens ein zusätzlicher Raum für Einzelgespräche, besser zwei Zusatzräume Personal Computer und einschlägige Software (z. B. für Graphiken, Prozessrisikoanalyse) Technische Ausstattung am Tagungsort (zusätzlich zu Telefon, Faxgerät, Drucker, Kopiergerät: Flipcharts, Papier, Pinnwände, Internet-Zugang, Beamer, Leinwand im Verhandlungsraum) Reise- und Hotelbuchung Evtl. vorheriges Zusammentreffen (z. B. am Vorabend)

Kasten 5

Eröffnung der Mediation Wenn die Vorbereitung abgeschlossen, die Rolle des Mediators und ggf. des Rechts in der Mediation geklärt sind und die Parteien sich mit dem Mediator über die vertraglichen Regelungen verständigt haben, ist es endlich soweit: Dem Auftakt der eigentlichen Mediationsverhandlung steht nichts mehr entgegen. Sie beginnt regelmäßig mit der Einführung durch den Mediator, dem sogenannten Eröffnungs-Statement. Anlässlich dieses einführenden Kurzvortrags haben Sie Gelegenheit, für alle Beteiligten – also auch diejenigen, die an den Vorgesprächen oder der Formulierung der Mediationsvereinbarung bzw. des Mediatorvertrages nicht beteiligt waren – Ihre Rolle, den Streitgegenstand, die Charakteristika des Mediationsverfahrens, die wesentlichen Regeln (Vertraulichkeit, Möglichkeit der Beendigung) und den Ablauf zusammenzufassen. Sofern diese Fragen noch nicht bereits vorab geklärt wurden, sollten spätestens in dieser Phase die Problemdefinition und die Rolle des Mediators, wie im dritten Kapitel erörtert, in Abstimmung mit den Erwartungen der Parteien ausgehandelt werden. Sofern einzelne Punkte noch offengeblieben waren, lassen sie sich zu Beginn der Sitzung klären. Die Eröffnung der Mediation dient also einerseits dazu, das Ergebnis der über das Procedere getroffenen Vereinbarungen darzustellen und offene Fragen zu klären. Gleichzeitig gibt sie Ihnen eine Gelegenheit, den Ton zu setzen. Sie können ein Vorbild für das angestrebte Kommunikationsverhalten abgeben, indem Sie die Beteiligten um ihr Einverständnis mit dem Ablauf der Mediation bitten, Fragen stellen, Bedenken aufnehmen und mit den Teilnehmern im Dialog klären. Schließlich können Sie während der Eröffnung auf die Vorteile der Mediation hinweisen: Die Parteien verfügen über eine Gestaltungsfreiheit, die sie vor Gericht nicht hätten. Sie haben Kontrolle 123

Methode der Mediation über die Verhandlungen und ihren Ausgang. Die Mediation führt in über 80 Prozent der Fälle zu einer Einigung (vgl. Kapitel 2). Sofern die Beteiligten an der Mediationsverhandlung bereits in Vorgespräche involviert waren, kann das Eröffnungs-Statement knapp ausfallen. Wenn Personen an der Verhandlung teilnehmen, die nicht selbst an früheren Gesprächen beteiligt waren, sollten Sie diesen das Ergebnis erläutern. Länger als fünf bis zehn Minuten dürfte eine solche Einführung allerdings, wenn keine Punkte offengeblieben sind, nicht dauern. Checkliste: Eröffnungs-Statement ●



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Rolle des Mediators: keine Entscheidungsbefugnis, Unterstützung, Mediationsstil Unparteilichkeit und Unabhängigkeit (sofern nicht ausnahmsweise Akzeptanz ausreichend) Möglichkeit jedes Beteiligten, das Verfahren jederzeit zu beenden Vertraulichkeit (während der Mediation, gegenüber Dritten und im Hinblick auf ein nachfolgendes streitiges Verfahren) Ablauf der Mediation (vgl. Einleitung zu Teil 2) Abschluss (in Rechtsstreitigkeiten: verbindliche Einigung möglich) Erfolgsaussichten (hohe Einigungsquote) Fragen? Kommunikationsregeln (vgl. Kapitel 5)

Hinweis: Eine ausführliche (alternative) Checkliste befindet sich im Anhang Kasten 6

Konfliktdiagnose in der Mediationsverhandlung Während sich die organisatorische Vorbereitung der Mediationsverhandlung relativ schnell erledigen lässt, ist die eigentliche Informationssammlung und Konfliktdiagnose zu deren Beginn regelmäßig noch nicht abgeschlossen. Sie fortzusetzen, ist die Aufgabe des Mediators. Sobald dieser die im dritten Kapitel erörterte Rollen- und Konfliktdefinition mit den Parteien vorgenommen und sein Eröffnungs-Statement vorgetragen hat, geht es in der ersten Phase der Mediationssitzung nämlich darum, ein gemeinsames Problemverständnis zu entwickeln und die jeweilige, subjektive Wahrnehmung der Parteien zu ergänzen. Wenn Sie den Beteiligten Gelegenheit geben, ihre Sichtweise der Ereignisse darzustellen, erfolgt diese Schilderung häufig emotional. Lassen Sie diese Emotionen zu. Im folgenden fünften Kapitel werden 124

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren wir erläutern, wie Sie eine dadurch möglicherweise drohende Eskalation vermeiden können.

Eröffnungsbemerkungen der Parteien Sobald Sie die Mediation mit Ihrem Eröffnungs-Statement eingeleitet und insbesondere Ihre Rolle geklärt haben, sind also die Konfliktparteien an der Reihe: Nun können sie, soweit noch nicht zuvor geschehen, ihre Themen benennen und endlich der anderen Seite und dem neutralen Dritten „ihre Geschichte“ erzählen.

Wer darf oder muss beginnen? Die erste Frage, die sich Ihnen im Rahmen der Verhandlungsleitung stellt, betrifft die Reihenfolge, in der die Parteien ihre Sichtweise darstellen können: Wer darf (oder muss) beginnen? So wenig es die Beteiligten in der Regel abwarten können, ihre eigene Sichtweise aufzuzeigen, so sehr zieren sie sich manchmal, zuerst zu sprechen. Wenn Sie die Entscheidung darüber, wer den Anfang macht, den Parteien überlassen, kann sich darüber also eine zumeist kurze, aber dennoch nicht unbedingt notwendige Debatte ergeben. Daher empfiehlt es sich in den Fällen, in denen ein Rechtsstreit die Alternative darstellt, zuerst diejenige Seite zum Vortrag aufzufordern, die in einem Prozess die Klage erheben würde. Handelt es sich dagegen um eine betriebsinterne Mediation, in der es nicht um die Ausübung oder Verwirklichung von Rechten geht, könnte z. B. derjenige beginnen, der die Mediation angeregt hat. Letztlich geht es in dieser Phase lediglich darum, den Verhandlungsauftakt vor größeren Spiegelfechtereien zu schützen. Jedes rationale Kriterium, das Sie für die Reihenfolge vorschlagen, ist daher grundsätzlich zur Begründung gegenüber den Parteien geeignet und ausreichend. („Warum fangen Sie, Herr Müller, als derjenige, der eine Zahlung begehrt hat, nicht an?“; „Herr Schmidt, sind Sie damit einverstanden, dass Herr Müller uns zunächst den Sachverhalt darlegt? Dann kann er aus seiner Sicht darstellen, wie es zu dem Schaden gekommen ist, auf den die X-AG vor Gericht ihre Ansprüche stützen würde.“)

Einführung durch Rechtsanwälte oder Unternehmensvertreter? Wenn Unternehmen in einer Auseinandersetzung durch Rechtsanwälte vertreten werden, stellt sich Ihnen als Mediator zudem vielleicht die Frage, ob Sie zunächst diesen oder den Unternehmensangehörigen selbst das Wort erteilen. Es gibt insoweit – im Gegensatz zur gerade beschriebenen Reihenfolge von Kläger und Beklagtem vor Gericht – keine einheitliche Praxis. Oft führen die Rechtsanwälte in den aktuellen Stand der Auseinandersetzung ein. Sie können meistens die Darstellung gut strukturieren, sind es gewohnt, in streitigen Verhandlungen aufzutreten, kennen die Erwartungshal125

Methode der Mediation tung zumindest der beteiligten Fachleute und verfügen über die entsprechende Routine. Die Unternehmensvertreter ergänzen in diesem Fall lediglich den Vortrag ihres Rechtsanwalts, wenn sie dafür einen Bedarf sehen. Andererseits kann der Vortrag streiterprobter Rechtsanwälte polarisieren und das Augenmerk auf das Recht und die – gegebenenfalls verhärteten – Positionen lenken. Es ist deshalb auch nicht ungewöhnlich und in vielen Fällen empfehlenswert, dass ein Mitglied der Geschäftsführung, ein Projektleiter oder ein Unternehmensjurist die Einführung übernimmt. Sie können diese Entscheidung letztlich aber den Parteien überlassen. Um die eigentlich Betroffenen frühzeitig einzubeziehen, halten wir es allerdings in jedem Fall für sinnvoll, sie auch für den Fall, dass ein Rechtsanwalt in den Streitstand einführt, bereits während der Darstellung des Sachverhalts jedenfalls ergänzend zu Wort kommen zu lassen. Wenn ein Anwaltsmediator tätig wird, schätzen es klassische Prozessanwälte gelegentlich weniger, dass ein Kollege die Verhandlungen leitet und direkten Zugang zu ihren Mandanten hat. Übernimmt dann auch noch der Unternehmensvertreter die gesamte Einführung, mag sich der Parteivertreter ausgeschlossen vorkommen. Um diesen Effekt zu vermeiden, können Sie Ihren Kollegen bereits vorab ankündigen, dass Sie sich für die rechtliche Beurteilung an sie wenden werden. Durch einen solchen Hinweis signalisieren Sie den Anwälten, dass sie auch in diesem Prozess, über den sie weniger Kontrolle haben als über direkte Vergleichsverhandlungen, ihre Funktion wahrnehmen können.

Aufgabe des Mediators Ihre Aufgabe als Mediator besteht während der Eröffnungsbemerkungen der Parteien zunächst einmal darin, aktiv zuzuhören und mit Hilfe von Fragen eine möglichst genaue Bestandsaufnahme durchzuführen (vgl. Kapitel 5). Um den Parteien zu signalisieren, dass ihre Botschaften Sie erreicht haben, fassen Sie abschnittweise deren Äußerungen zusammen (vgl. Kapitel 5). Inhaltlich stellen Sie gemeinsam mit den Parteien fest, inwieweit deren Schilderung des Sachverhalts übereinstimmt. Auf diese Weise schichten Sie streitige und unstreitige Themen ab. Da die Parteien in der Regel ihre eigene Bewertung mit den tatsächlichen Gegebenheiten vermengen, arbeiten Sie in Ihren Zusammenfassungen und Nachfragen heraus, welche Differenzen tatsächlich den Sachverhalt betreffen und an welchen Punkten zwar ein Ereignis als solches, nicht aber dessen Bewertung, unstreitig ist. Als Mediator sorgen Sie prozessual weiterhin dafür, dass es während des Vortrags einer Partei nicht zu größeren Unterbrechungen durch die andere Seite kommt. Einzelne Störungen lassen sich selten ganz vermeiden. Das liegt zum einen daran, dass sich die jeweilige Wahrnehmung des Konflikts durch die Parteien stark voneinander unterscheidet. Schon deswegen gelingt 126

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren es den Beteiligten, die gerade zuhören müssen, nicht immer, sich mit eigenen Kommentaren („Das ist doch gar nicht wahr.“) zurückzuhalten, bis sie selbst ihre Sichtweise darstellen können. Diese Schilderung beginnt dann oft mit einer wiederum bei den anderen entsprechende Reaktionen auslösenden Bemerkung wie dieser: „Gut, dass wir jetzt auch einmal erzählen können, wie es wirklich war.“ Letztlich sollten Sie sicherstellen, dass es nicht wie in einer Talkshow zugeht, in der die Diskussionsbeiträge nur noch Schlag auf Schlag folgen. Zu Zwischenbemerkungen oder -rufen der Gegenseite kommt es auch deswegen, weil viele Konfliktparteien dazu neigen, das Verhalten der anderen Seite in einer wertenden, nicht gerade wohlwollenden Art und Weise zu schildern („Wir sind während der Vertragsverhandlungen von diesen Personen betrogen worden. Sie haben uns zugesichert, alle wesentlichen Informationen offenzulegen. Dass ein Tochterunternehmen in Kanada jahrelang fällige Abgaben nicht bezahlt hat, haben sie uns verschwiegen. Nun müssen wir zahlen. Aber so einfach können die den Schaden nicht auf uns abwälzen …“). Durch regelmäßige Zusammenfassungen verhindern Sie, wie wir in Kapitel 5 näher darstellen werden, dass es ungeachtet derartiger Negativbemerkungen zu einer Eskalation kommt. Auf die zuvor wiedergegebene Bemerkung könnten Sie etwa wie folgt reagieren: „Sie sind enttäuscht, weil Ihnen nach Ihrem Eindruck während der Vertragsverhandlungen nicht alle wesentlichen Informationen zur Verfügung standen. Insbesondere war Ihnen nicht bekannt, dass …“.

Konfliktdiagnose auf der Sachebene Das Ziel der Konfliktdiagnose auf der Sachebene sollte zunächst – soweit sich die nötigen Informationen nicht bereits aus den vorab ausgetauschten Stellungnahmen, Schriftsätzen oder Antworten auf den pre-mediation briefing report ergeben – darin bestehen, die Themen zu sammeln. Die Beteiligten verständigen sich dabei zumindest über die relevanten Sachverhaltsfragen und bestehende Differenzen. Die wesentlichen Punkte sollten, sofern sich dieses anbietet, chronologisch und thematisch geordnet sowie für alle visuell erkennbar (z. B. auf Flipcharts) festgehalten werden. Auf diese Weise gehen die einmal erarbeiteten Ergebnisse nicht verloren. Wenn sie an geeigneter Stelle sichtbar bleiben, lassen sie sich auch in späteren Verhandlungsphasen schnell wiederfinden. Wenn Rechtsfragen eine Rolle spielen, besteht das Ziel der Konfliktdiagnose auf der Sachebene ebenfalls darin, alle relevanten Argumente für die verschiedenen Positionen zu sammeln und systematisch darzustellen. Gelegentlich äußern die Beteiligten Zweifel, ob eine detaillierte Erörterung von Rechtsfragen eine Einigung nicht mehr erschweren als erleichtern würde. Dahinter steht die Sorge, dass die Begründung von Rechtsstandpunkten eher 127

Methode der Mediation polarisiert als zusammenführt. Die Diskussion der juristischen Argumente ist allerdings aus verschiedenen Gründen wichtig: Zum einen bestimmen sie, wie wir später näher erörtern werden, die Nichteinigungsalternativen der Parteien (vgl. Kapitel 9). Schließlich hängen die Erfolgsaussichten in einem Rechtsstreit in der Regel auch von der juristischen Begründung ab. Zum anderen zeigt sich immer wieder, dass die Parteien für Konzessionen eine rational erscheinende, innere Rechtfertigung benötigen. Wenn zu Beginn der Verhandlung also deutlich wird, dass auch die andere Seite über gute Argumente verfügt, lassen sich in einem fortgeschrittenen Stadium eigene Zugeständnisse intern und extern besser erklären.

Untersuchung der Beziehungsebene und Behebung von Störungen So wie jedes Geschehen in einem Menschen sowohl das Denken als auch die Gefühlswelt anspricht, betreffen auch Konflikte regelmäßig die Sachebene ebenso wie die Beziehungsebene. Gelegentlich verbirgt sich hinter Sach-, Strategie-, Wert- und Grundsatz- sowie Verteilungskonflikten dementsprechend auch ein Beziehungskonflikt, dessen Klärung erst die Konfliktbeilegung erlaubt. Daher besteht eine Ihrer Aufgaben als Mediator zu Beginn der Verhandlung darin, neben den Sachfragen auch die Beziehung zwischen den Beteiligten zu klären. Während Sie sich allerdings über die tatsächlichen Streitpunkte durch Schriftsätze oder Stellungnahmen ein erstes Bild verschaffen können, werden Sie über die Beziehung der Betroffenen Näheres erst bei einer persönlichen Begegnung in Erfahrung bringen. Nur in wenigen Fällen befinden sich insoweit schon im pre-mediation briefing report hilfreiche Ausführungen. Selbst wenn sich diesem etwas über ein gespanntes oder zerrüttetes Verhältnis entnehmen lässt, sagt die bloße Feststellung selten etwas über die Ursachen oder eventuelle Klärungsmöglichkeiten aus.

Diagnose der Beziehung Zu Beginn einer Mediation haben die Kontrahenten keine allzu hohe Meinung voneinander („Wir sind heute hergekommen, damit Sie endlich Ihrer Pflicht nachkommen, den von uns geforderten Betrag von 10 Millionen Euro zu zahlen.“ oder „Wir können nichts dafür, dass Sie so chaotisch organisiert sind.“) und versichern sich einander ihr jeweiliges Überlegenheitsgefühl („Wir haben unseren Standpunkt sorgfältig überprüft und wissen, dass unsere Erfolgsaussichten hoch sind.“). Herabsetzende, kalte oder abweisende Äußerungen sind zum Auftakt einer Verhandlung keine Seltenheit („Ich war schon in diesem Geschäft tätig, als Sie noch nicht einmal Ihr Studium begonnen hatten.“). Aus solchen Bemerkungen können Sie für die Diagnose der Beziehung zwischen den Beteiligten auf zwei Ebenen Erkenntnisse ableiten: Zum einen 128

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren stellen Sie fest, wie einer den anderen als Person bewertet („So einer bist du [in meinen Augen]!“); zum anderen können Sie beobachten, wie die Beteiligten ihre Beziehung zueinander definieren („So stehen wir zueinander [… nicht wahr?]!“).18 Aus der Bewertung des anderen und der jeweiligen Beziehungsdefinition durch die Kontrahenten lassen sich zwar noch nicht unbedingt Ansätze für eine Klärung gewinnen. Diese werden Sie allerdings finden, wenn es Ihnen gelingt, zusätzliche Informationen zu sammeln: Bringen Sie daher in Erfahrung, wie sich die Konfliktparteien in der Vergangenheit verhalten haben und wie sie miteinander umgegangen sind. Gab es bestimmte Muster, also Verhaltensweisen, die wiederholt aufgetaucht sind? („So haben die immer gearbeitet: Erst gab es große Ankündigungen, als wir aber die Ausschreibungsunterlagen einreichen mussten, fehlte die Hälfte der Dokumente.“). Wenn Sie etwas über solche Verhaltensmuster erfahren, bemühen Sie sich zweitens darum, Informationen über die jeweilige Motivation der Akteure zu sammeln (Mediator: „Wie war das mit den Unterlagen für die Ausschreibung?“ Antwort: „Es ist richtig, dass wir manchmal Probleme hatten, die Frist einzuhalten.“ Mediator: „Woran lag das?“ Antwort: „Unsere Geschäftspartner haben erheblichen Druck ausgeübt. Wir wollten keine Zweifel an unserer Leistungsbereitschaft aufkommen lassen.“) Binnen kürzester Zeit haben Sie auf diese Weise etwas über die Interessen der Beteiligten erfahren und ggf. sogar Verständnis auf der anderen Seite geweckt (vgl. Kapitel 6). Alle Erkenntnisse, die Ihnen ein besseres, strukturelles Verständnis der Beziehung zwischen den am Konflikt Beteiligten geben, können nützlich sein, um eine Klärung herbeizuführen: Wie haben sich die Kontrahenten in der Vergangenheit verhalten? Welche Motive haben sie verfolgt? Gibt es Abhängigkeiten, Minderwertigkeitsgefühle, Verletzungen oder andere Belastungen der Beziehung, die eine Zusammenarbeit in der Sache erschwert oder gar verhindert haben? Können Missverständnisse, die z. B. das Motiv für eine bestimmte Verhaltensweise darstellten, aufgeklärt werden („Ich habe damals den Herrn Schmidt mit der Betreuung des neuen Kunden beauftragt, weil er sich in dieser Branche sehr gut auskennt. Ich wollte Sie damit nicht zurücksetzen und war auch nicht über den Verlauf des Projekts ‚Dublin‘ enttäuscht.“)? Emotionen wie Angst oder Enttäuschung verraten oft etwas über die Bedürfnisse und Interessen der Beteiligten (vgl. Kapitel 5 und 6).

Entflechtung von Sach- und Beziehungsebene Der Qualität der Kommunikation zwischen den Beteiligten können Sie auch entnehmen, wie erheblich die Spannungen zwischen diesen sind. Der Beziehungskonflikt wirkt sich bei gravierenden Störungen auf die Sachebene aus. Beziehungs- und Sachebene befinden sich im sogenannten Zustand der Verflochtenheit19, den wir im ersten Kapitel bereits kurz erwähnt haben. 129

Methode der Mediation

Abbildung 1: Beziehungskonflikt mit Auswirkung auf Sachebene (nach Friedemann Schulz von Thun)

Umgekehrt kann sich natürlich auch ein Sachkonflikt auf die Beziehung der Beteiligten auswirken. In diesem Fall handelt es sich um einen sogenannten personalisierten Sachkonflikt. Auch in dieser Konstellation befinden sich Sach- und Beziehungsebene im Zustand der Verflochtenheit.

Abbildung 2: Personalisierter Sachkonflikt (nach Friedemann Schulz von Thun)

Im Stadium der Verflochtenheit lassen sich in Verhandlungen nur schwer Fortschritte erzielen. Daher ist es notwendig, Sach- und Beziehungsebene zu trennen (vgl. Kapitel 2). Klären Sie zu diesem Zweck, ob der Schwerpunkt der Differenzen im tatsächlichen oder persönlichen Bereich liegt. In Sachoder Verteilungskonflikten stellen Sie im Wirtschaftsleben häufig fest, dass die Kontrahenten zwar hart miteinander umgehen, die Schärfe jedoch nur ihrer Interessendurchsetzung dient. Der Fortschritt in der Sache entspannt dann auch sehr schnell das Verhältnis unter den Beteiligten. Wenn die Betroffenen dagegen einander misstrauen, sich in der Vergangenheit getäuscht, hintergangen oder ungerecht behandelt gefühlt haben oder sich aktuell (zumindest auf einer Seite) noch als Bedrohung empfinden, sollten Sie zunächst die Beziehung klären. 130

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren In einer Mediation, in der es um einen Auftrag für den Umbau eines großflächigen Anwesens in einer Großstadt ging, trafen ein Investmentbanker und seine Frau als Auftraggeber und ein Architekt als Auftragnehmer aufeinander. Der Architekt forderte einen erheblichen, noch ausstehenden Teil seines Honorars für die Umbauarbeiten. Der Auftraggeber verweigerte die Zahlung unter Berufung auf diverse, angebliche Planungsfehler des Architekten. Im Laufe des Tages stellte sich heraus, dass der zunächst wortführende Bankier über Einzelheiten des Umbaus wenig wusste. Tatsächlich hatten seine Ehefrau und der Architekt die Details besprochen. Sie war der Auffassung, der Architekt sei für die Raumplanung bestens geeignet, wollte allerdings einen Innenausstatter mit der Entwicklung eines Einrichtungskonzepts betrauen. Darüber informierte sie den Architekten zunächst nicht. Als dieser die zusätzliche Beauftragung bemerkte, war er offensichtlich schwer enttäuscht und fühlte sich in seiner Berufsehre verletzt. Ihren Änderungswünschen kam er nun, soweit überhaupt, nur unter Kritik und zögerlich nach. Ein klärendes Gespräch fand nicht statt. Alleine die Erörterung dieses Vorfalls – und damit der Beziehung der Beteiligten – wirkte befreiend. Nachdem die Auftraggeberin dem Architekten ihre große Wertschätzung für den Zuschnitt ihres Hauses und zwei andere, von ihm entworfene Bauwerke in der Stadt entgegengebracht hatte, ließen sich die behaupteten Planungsmängel sehr konstruktiv diskutieren. Die Auseinandersetzung konnte noch am selben Tag beigelegt werden. Kasten 7

In vielen Situationen können Sachprobleme wie in dem in Kasten 7 geschilderten Beispiel recht rasch gelöst werden, sobald sich erst einmal die Beziehung zwischen den Beteiligten von Gefühlen wie Missgunst, Neid oder Enttäuschung befreien lässt. Erklären sich negative Emotionen dagegen eher aus sachlichen Differenzen oder aus strategischen Verhaltensweisen, ist es in der Regel sinnvoll, zunächst über eine Zusammenarbeit auf der Sachebene eine erste Annäherung und später eine Entflechtung von Sach- und Beziehungsebene zu erreichen. Das gilt insbesondere, wenn – wie es häufig der Fall ist – die Betroffenen in diesem Forum nach langer Zeit erstmalig eine Gelegenheit haben, konstruktiv miteinander zu sprechen.

Zusammenfassung Für die Diagnose des Konflikts ist die Vorbereitung der Mediationsverhandlung von entscheidender Bedeutung. Sie beginnt mit der Logistik (Auswahl Tagungsort, Tisch, Sitzordnung, Hilfsmittel wie Flipchart, Beamer u. a.). Der Umfang der inhaltlichen Vorbereitung richtet sich nach dem Konflikttyp.

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Methode der Mediation Bei Beziehungskonflikten ist der konkrete Vorbereitungsaufwand in der Regel geringer als bei Sach-, Grundsatz-, Wert-, Strategie- oder Verteilungskonflikten. Wenn Rechtsnormen von den Parteien als objektive Kriterien zur Lösung eines Sach- oder Verteilungskonflikts genutzt werden, müssen Sie als Mediator darauf vorbereitet sein, selbst Stellung zu beziehen. Auch als Berater sollten Sie sich möglichst in der Weise vorbereiten, dass Sie die Argumente der Parteien gewichten und damit eine Risikoanalyse erleichtern können. Eine sorgfältige Vorbereitung, z. B. unter Verwendung eines premediation briefing report, empfiehlt sich daher für alle Beteiligten. Da die Entscheidung über eine einvernehmliche Konfliktlösung von den Verhandlungsteilnehmern getroffen werden muss, kommt auch deren Auswahl erhebliche Bedeutung zu. Insbesondere sollten der oder die eigentliche(n) Entscheidungsträger anwesend sein. Mittelbar Beteiligte, die sich der Umsetzung einer Einigung widersetzen könnten, sollten – soweit es möglich ist – ebenfalls in die Verhandlung einbezogen werden. Sofern die Teilnahme potentieller Zeugen oder Sachverständiger an der Mediationsverhandlung beabsichtigt ist, sind die Folgen für ein streitiges Verfahren zu bedenken. Die wesentlichen Merkmale der Mediation, die Definition seiner Rolle und des Konflikts sowie den Ablauf des Verfahrens stellt der Mediator zu Beginn der eigentlichen Mediationsverhandlung im Rahmen des sog. EröffnungsStatement dar. Die Aufklärung des Sachverhalts und die Untersuchung der Beziehung zwischen den Beteiligten zu Beginn der Mediationsverhandlung schließen die Konfliktdiagnose ab. Im nächsten Kapitel werden wir Emotionen als eine weitere Quelle der Erkenntnis über den Konflikt und einen wichtigen Verhandlungsfaktor näher betrachten. Darüber hinaus werden wir auf die in diesem Kapitel mehrfach erwähnten Kommunikationstechniken zurückkommen, mit denen Sie als Mediator nicht nur während der Konfliktdiagnose, sondern während des gesamten Mediationsprozesses operieren.

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Emotionen verstehen, Kommunikation fördern und Beziehung aufbauen

Zu Beginn einer Verhandlung lassen Konfliktparteien oft ihren Gefühlen freien Lauf. In diesem Moment verschaffen sie ihrem Unmut über das Verhalten der anderen Seite Aufmerksamkeit. Obwohl in Publikationen und Mediationsausbildungen immer wieder betont wird, wie wichtig es ist, dass die Betroffenen erst einmal „Dampf ablassen“, schätzen viele Mediatoren diese Situation überhaupt nicht. Sie fürchten vor allem das Risiko einer Eskalation. Gleichzeitig sind sie der Auffassung, es wäre besser, wenn die Verhandlung so sachlich wie möglich abliefe. In der Versachlichung der Diskussion sehen sie sogar eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Wenn überhaupt, dann haben Emotionen nach ihrer Meinung lediglich im Einzelgespräch des Mediators mit einer Partei Raum. Schließlich besteht in diesem Rahmen nicht die Gefahr, dass die Verhandlung außer Kontrolle geraten könnte. Daran ist richtig, dass eine „Get-it-out-of-your-system“-Mentalität sich nur bewährt, wenn sie tatsächlich negative Emotionen auflöst.1 Anderenfalls reiht sich nämlich nur eine weitere, schmerzhafte Erfahrung an frühere, unbefriedigende Erlebnisse. Insofern trifft die oft aufgestellte Behauptung, die Parteien sollten erst einmal Dampf ablassen, nicht uneingeschränkt zu.2 Das gilt auch für die Annahme, man könnte nach einer emotionalen Phase ohne weiteres wieder zur sachlichen Arbeit übergehen. Tatsächlich sind Emotionen jederzeit Teil unseres Verhaltens. Wir können sie nicht einfach ausschalten oder auf einen bestimmten Teil eines Gesprächs beschränken. Sie sind auch nicht nur destruktiv, sondern können ebenso sehr hilfreich sein. Wir befinden uns in jedem Moment in irgendeinem emotionalen Zustand. In diesem Kapitel wollen wir daher zunächst untersuchen, welche Bedeutung Emotionen in Auseinandersetzungen haben.3 Wir werden anschließend erklären, warum sie eine wichtige Informationsquelle bieten und Sie als Mediator Gefühle auch in einer Mediation zulassen sollten. Sodann wenden wir uns der Frage zu, wie Sie die Kommunikation zwischen den Beteiligten fördern können. Zu diesem Zweck stellen wir Ihnen die für die Praxis wichtigsten Kommunikationstechniken vor. Mit deren Hilfe werden Sie emotional angespannte Phasen ebenso wie andere schwierige Situationen bewältigen können, ohne dass es zu Eskalationen kommt. Schließlich werden wir darauf eingehen, wie Sie als Mediator eine vertrauensvolle Be-

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Methode der Mediation ziehung zwischen den Konfliktparteien aufbauen können, die diesen eine interessenorientierte Konfliktbeilegung ermöglicht oder diese erleichtert.

Bedeutung von Emotionen im Konflikt erkennen Auch wenn es in der Wirtschaft oft um materielle Dinge wie Geld geht, handelt niemand ohne Gefühle. Diese können sogar angesichts vordergründig sachlicher Differenzen ganz erhebliche Auswirkungen auf die Beziehung zwischen den Beteiligten haben. Die Annahme, dass Gefühle nur in der Familienmediation eine Bedeutung hätten, ist daher falsch. Auch in der Wirtschaftsmediation handeln nicht anonyme Vertreter „der anderen Seite“, sondern reale Menschen mit realen Gefühlen, tief verwurzelten Werten, ihren eigenen Erfahrungen und einer individuellen Persönlichkeit. Parteien sind in erster Linie Menschen.4 In vielen Fällen steht die Mediation am Ende eines längeren, für beide Seiten oft schmerzhaften Konfliktes. Es wird Themen geben, die für jedenfalls einen der beiden Konfliktpartner besonders wichtig sind, die mit ihrer Person, ihrer Beziehung zu der anderen Partei oder den Interessen der vertretenen Organisation verknüpft sind. In einem von einem der Autoren geleiteten Mediationsverfahren anlässlich einer Gesellschafterauseinandersetzung stritten ein Gesellschafter und der Sohn seines früheren und mittlerweile verstorbenen Bruders und Mitgesellschafters um Abfindungs- und Gewinnansprüche, die letztlich der Witwe des Verstorbenen und somit der Mutter des die Verhandlung für sie führenden Sohns zustanden. Auf die an den Sohn gerichtete Frage des Mediators, was ihm in dieser Auseinandersetzung besonders wichtig sei, brach dieser in Tränen aus und sagte: „Dass meinem verstorbenen Vater Gerechtigkeit widerfährt und dass ich mein ihm am Sterbebett gegebenes Versprechen, für meine Mutter zu sorgen, einlösen kann.“ Kasten 1

Oft steht viel auf dem Spiel: Es mag um das Schicksal eines Unternehmens, die berufliche Zukunft der Parteien oder um Arbeitsplätze gehen. Emotionen sind daher – wenn auch in unterschiedlichem Maße – stets Teil der Mediation. In der Folge können sich Sach- und Beziehungskonflikte häufig überlagern, wie wir im ersten und vierten Kapitel bereits gesehen haben. Die Konsequenzen einer solchen Vermischung der Ebenen im Einzelfall sind durchaus gravierend. So erläuterte ein distinguierter Geschäftsmann einem der Autoren in einem Gespräch über eine Gesellschafterstreitigkeit die Situation wie folgt: „Eines würden wir Ihnen gerne vorab erklären: Unser Problem besteht nicht darin, dass wir unseren Gegner nicht mögen. Das wahre Problem ist: Wir hassen ihn. Wir würden ihn am liebsten hinrichten lassen.“ 134

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen Negative Gefühle erreichen im Wirtschaftsleben – glücklicherweise – selten diese Stärke und werden – auch bei geringerer Intensität – kaum derart klar formuliert. In vielen Situationen ist nach außen vielmehr kaum erkennbar, in welchem Maße Gefühle im Spiel sind. Wir wenden uns daher im Folgenden zunächst dem Ausdruck von Emotionen zu, bevor wir näher erörtern, warum wir Emotionen als Teil jedes Konflikts akzeptieren müssen. Da viele Menschen ihre Emotionen stark kontrollieren, werden wir anschließend die Notwendigkeit der Offenlegung von Gefühlen darstellen, bevor wir uns näher mit ihrer Analyse beschäftigen. Dabei wird sich zeigen, dass Emotionen als Wertindikatoren ebenso wie als Aussagen über Gerechtigkeitsvorstellungen und Gradmesser von Beziehungen für die Konfliktbeilegung auf der Sachebene von Bedeutung sind.

Ausdruck und Wirkung von Emotionen erfassen Emotionen äußern sich auf verschiedene Art und Weise. Innerlich empfinden wir Gefühle wie z. B. Freude, Stolz, Enttäuschung oder Ärger. Aus den Erkenntnissen über einen Anlass und dessen subjektiver Beurteilung entsteht die Erlebnisqualität von Emotionen. Dabei kann derselbe Umstand, der von einer Person positiv aufgenommen wird, von einer anderen Person aufgrund unterschiedlicher persönlicher Erfahrungen (vgl. Kapitel 1) oder Präferenzen negativ bewertet und empfunden werden. Zur Illustration sei folgendes einfaches Beispiel erwähnt: Als die Deutsche Börse AG vor einigen Jahren in ein neues Bürogebäude mit Großraumbüros in der Nähe von Frankfurt umzog, gab es, Äußerungen aus dem Umfeld zufolge, entgegengesetzte Reaktionen in der Belegschaft. Während sich team- und kommunikationsorientierte Mitarbeiter auf neue, offene Großraumbüros freuten, waren Kollegen, welche die Ruhe und Konzentrationsmöglichkeit des eigenen Zimmers immer geschätzt hatten, zunächst enttäuscht. Menschen reagieren auf Erlebnisse stets rational und emotional. Das Bewusstsein dafür fehlt im Geschäftsleben allerdings, wenn sich die Akteure ausschließlich auf die sachliche Problemlösung konzentrieren. Gleichzeitig gibt es einzelne Bereiche der Wirtschaft, wie etwa die Werbung, die tagein tagaus sehr erfolgreich unsere Emotionen ansprechen. Werber appellieren (selten) an unseren Verstand und (häufig) an unser Gefühl: Wer will schließlich nicht zu den glücklichen, attraktiven Menschen gehören, die uns das Wohlgefühl demonstrieren, das sich durch den Genuss eines Produkts oder einer Dienstleistung einstellen soll? Emotionen wirken indes nicht nur auf unsere Wahrnehmung, sondern äußern sich auf drei verschiedenen (weiteren) Ebenen: Sie beeinflussen unseren Körper, unser Denken und unser Verhalten.5 Auf der körperlichen, der physiologischen Ebene lösen Emotionen Veränderungen in der Biochemie unseres Körpers aus, die dazu führen können, dass wir uns am Konflikt 135

Methode der Mediation beteiligen, kämpfen oder fliehen.6 Sind die Emotionen von ihrer Intensität her schwach, werden wir uns dieser Veränderungen selbst häufig kaum bewusst sein: Wir erröten, beginnen vielleicht zu schwitzen oder müssen unwillkürlich lächeln. Werden die Emotionen dagegen stärker, fallen die körperlichen Reaktionen oft heftiger aus: Das Herz beginnt zu rasen, der Blutdruck erhöht sich, der Atem wird schneller, das Temperaturempfinden verändert sich, die Hände oder auch der ganze Körper können anfangen zu zittern. Wird der Körper von Emotionen überwältigt, kann es zur emotionalen Überflutung kommen: Rationales Denken wird durch die Dominanz von Emotionen weitgehend verdrängt.7 Die Informationsverarbeitung des Gehirns ist gestört, kreatives Überlegen und die Fähigkeit zur kooperativen Problemlösung sind einschränkt. Die physiologischen Auswirkungen der Emotionen machen es schwer, Gefühle einfach zu unterdrücken. Der Rat, den Parteien die Möglichkeit zu geben, „Dampf abzulassen“ (steam off), um „abzukühlen“, hat hier seinen Ursprung. In den folgenden Abschnitten werden wir Ihnen daher Wege aufzeigen, wie Sie insbesondere negative Emotionen der Parteien analysieren, anerkennen und effektiv begrenzen können. Emotionen wirken darüber hinaus auf kognitiver Ebene und beeinflussen unser Denken. Welche Wirkung unsere Emotionen dabei konkret entfalten, hängt davon ab, ob es sich um positive oder negative Gefühle handelt. Sind die Parteien durch negative Emotionen belastet, kreisen die Gedanken häufig um das sie auslösende Ereignis. Das Denken wird dominiert von Ängsten, Ärger oder Wut. Ein Beteiligter ist zu rationaler Analyse kaum noch in der Lage. Die Verstrickung in negative Gefühle kann sogar so weit gehen, dass die Parteien gar nicht bemerken, dass ihr Verhandlungspartner gerade ein wesentliches Zugeständnis gemacht hat.8 Im Zusammenspiel mit dem Mechanismus der reaktiven Abwertung werden Vorschläge der anderen Partei, auch wenn sie objektiv den eigenen Interessen entgegenkommen, ignoriert oder abgewertet. Umgekehrt verbessern positive Emotionen die Fähigkeit der Parteien zur kreativen und wertschöpfenden Problemlösung. Ohne die Angst, ausgenutzt und „über den Tisch gezogen zu werden“, wird das Denken frei und flexibel. Anstatt die Vorschläge des jeweils anderen abzulehnen, beginnen die Parteien, den Konflikt als gemeinsam zu lösendes Problem wahrzunehmen und Einigungsoptionen zu entwickeln. Für Sie als Mediator stellt sich dabei die Aufgabe, herauszufinden, ob die Gefühle ihre eigentliche Ursache in der Beziehung der Parteien zueinander haben und daher Teil des zu lösenden Problems sind, ob sie die Beilegung des Konfliktes fördern, oder ob sie eine Störquelle auf der Suche nach einer gemeinsamen Lösung darstellen und daher begrenzt werden müssen. Hierfür stehen Ihnen eine Reihe von Techniken zur Verfügung, die wir in den folgenden Abschnitten näher vorstellen werden. Emotionen beeinflussen schließlich auch unser Verhalten. Steigen positive oder negative Gefühle in uns auf, zeigt sich das regelmäßig in unserer Spra136

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen che, unserer Körpersprache und unseren Handlungen. Von besonderer Bedeutung ist dabei vor allem unsere nonverbale Kommunikation. Sie nimmt nicht nur quantitativ einen wesentlichen Teil unserer Kommunikation ein, sondern ist auch qualitativ besonders wirkmächtig.9 Der Körpersprache kann man sich kaum entziehen, und selbst Worte können sich ihr gegenüber nur schwer durchsetzen. Steht das, was wir sagen, im Widerspruch zu dem, was unsere Körpersprache vermittelt, so wird man eher dem glauben, was unsere Körpersprache über uns preisgibt als unseren Worten. Lehnen wir uns zurück, verschränken wir die Arme, oder wenden wir uns von unserem Gegenüber ab, so kann auch das noch so gut gemeinte Angebot ins Leere gehen, weil es aufgrund der sich widersprechenden Botschaften nicht glaubhaft wirkt. Um auf die Emotionen, die durch die Sprache, die Körpersprache und die Handlungen der Parteien ausgedrückt werden, angemessen reagieren zu können, müssen diese zunächst dekodiert werden. Der Schluss von einem Verhalten, von nonverbaler oder sogar verbaler Kommunikation auf die zugrundeliegenden Gefühle ist allerdings nicht ganz einfach und kann leicht zu Fehlinterpretationen führen.10 Wir werden Ihnen eine Reihe von Techniken – wie etwa das aktive Zuhören, Paraphrasieren oder Verbalisieren – vorstellen, mit denen sie den Gefühlen, die im konkreten Konflikt im Spiel sind, auf die Spur kommen können.

Emotionen als Teil des Konflikts akzeptieren Wie zu allen anderen Teilen unseres Lebens gehören Emotionen auch zum Wesen jedes Konflikts:11 Streitigkeiten rufen stets Gefühle hervor, welche von den Beteiligten mitunter auch nach längerer Zeit noch sehr intensiv empfunden werden.12 Schon in dem Moment, in dem wir realisieren, dass sich die von uns angestrebten Ziele nicht oder nicht so, wie wir es uns wünschen, erreichen lassen, stellen sich z. B. Ungeduld, Ärger oder Enttäuschung ein. Tendenziell verstärken sich diese Emotionen, je weiter die Parteien auf den im ersten Kapitel dargestellten Eskalationsstufen voranschreiten und je intensiver die dort geschilderten kognitiven Mechanismen die Wahrnehmung beeinflussen. Tatsächlich sind Gefühle natürlich zu komplex, um einen linearen Entwicklungsverlauf zu nehmen. Angesichts des Zusammenhangs zwischen Konflikten und Gefühlen werden Sie als Mediator aber unweigerlich auf diese stoßen und Informationen über sie erhalten. Während uns im Alltagsleben die ganze Bandbreite positiver wie negativer Emotionen begegnet, treffen wir im Konfliktfall selten auf Glücksgefühle. Vielmehr teilen die Parteien in der Mediationsverhandlung mindestens eine Frustration – nämlich diejenige über die Existenz des Konflikts. Auch im Übrigen herrschen eher belastende Emotionen vor.13 Dazu gehört vor allem Angst, z. B. weil ein Verhandlungsführer fürchtet, von seinen Vorgesetzten, Gesellschaftern oder Aufsichtsorganen intern für einen Vergleichsabschluss kritisiert zu werden, der für das Unternehmen nicht günstig genug zu sein 137

Methode der Mediation scheint. Viele Konfliktparteien hegen Misstrauen gegenüber den Absichten und der Ehrlichkeit der anderen Seite. Sie glauben, dass jedes Angebot die Kontrahenten begünstigt. Immer wieder tritt auch Ärger oder Empörung über ein früheres oder aktuelles Verhalten des Gegners oder, wie in dem eingangs erwähnten Zitat eines Gesellschafters, gar die Äußerung von Feindseligkeit auf. Gerade für die konfliktunerfahrene Partei wird die Mediation daher häufig als emotionaler Stress erlebt. Die Ursachen hierfür sind vielfältig: Die Parteien fühlen sich vielleicht durch die Forderung ihres Konfliktpartners bedroht oder persönlich angegriffen. Häufig steht viel auf dem Spiel, oder die Emotionen sind nicht nur Begleiterscheinung des Konfliktes, sondern selbst Teil des Problems. Im Rahmen der Mediation geht es daher weniger um die Frage, ob Gefühle für den Konflikt eine Rolle spielen, sondern vielmehr darum, dass sich die Parteien ihrer eigenen Emotionen und derer ihres Verhandlungspartners bewusst werden, ihre Wirkung auf den Konflikt erkennen und lernen, effektiv mit ihnen umzugehen.

Offenlegung von Emotionen ermöglichen Wenn Parteien ihrem Unmut über das Verhalten der anderen Seite Ausdruck verleihen, lassen sie ihren Emotionen gerne freien Lauf. Im Übrigen sprechen die Beteiligten dagegen selten von sich aus über Gefühle. In der Wirtschaft herrscht die Auffassung vor, solche „Gefühlsduselei“ sei irrational, negativ oder überflüssig. Man dürfe Gefühle höchstens ausdrücken, wenn sie sich rational rechtfertigen ließen – also z. B., wenn das ungerechte Verhalten der Gegenspieler dargestellt wird. Anderenfalls seien sie etwas für Kinder und Kinofilme, aus männlicher Sicht vielleicht auch noch etwas für Frauen. Manche halten die Offenlegung von Emotionen verhandlungstaktisch für eine Schwäche. Sie meinen, dass diese Offenheit ihre Verwundbarkeit zeigt. Andere sind sich ihrer Gefühle gar nicht bewusst. Das bedeutet nicht, dass sie diese verdrängt hätten. Sie sind es jedoch einfach weder privat noch gar beruflich gewohnt, über ihre Gefühle zu reflektieren und diese offen darzustellen. Es fällt ihnen schwer, ihnen Ausdruck zu verleihen, da dies einen hohen Grad an sprachlicher Differenzierung verlangt. Das zeigt sich zum Beispiel an der Verwendung doppeldeutiger Begriffe („Ich habe mich nicht wohlgefühlt, als uns der Termin für die Fertigstellung genannt wurde.“ – Diese Äußerung lässt nicht erkennen, ob sich der Betreffende lediglich unter Zeitdruck befand, Angst hatte, dass der Auftrag nicht zu bewältigen wäre, oder es ihm an dem Tag vielleicht sowieso körperlich nicht gut ging). Tatsächlich hat der Ausdruck von Emotionen aber auch eine befreiende Wirkung. Nur wer Gefühle preisgibt, kann sie auch verarbeiten. Wer dage138

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen gen Emotionen unterdrückt, ist in der Mediation abgelenkt und wird sich nicht wirklich in die Haltung des anderen hineinversetzen.14 Ihre Aufgabe als Mediator besteht daher darin, wie ein Katalysator in das Reaktionsverhalten der Beteiligten einzugreifen. Zudem kann die Kenntnis der Emotionen der Parteien Ihnen das Verständnis des Konflikts erheblich erleichtern. Insbesondere um Beziehungskonflikte zu klären, ist es notwendig, dass die Betroffenen ihren Gefühlen Ausdruck verleihen. Schließlich bestimmt sich die Qualität menschlicher Beziehungen über die Emotionen, die wir füreinander empfinden. Angesichts der zuvor erwähnten sprachlichen Anforderungen müssen Sie durch entsprechende Nachfragen herausfinden, was gemeint war. Auf diese Weise erhalten Sie wichtige Hinweise über die Bedürfnisse und Interessen der Parteien. In dem oben erwähnten kleinen Beispiel könnte das z. B. Kalkulationssicherheit, Flexibilität, kooperative Planung oder Ähnliches sein (vgl. zur Interessenanalyse Kapitel 6).

Emotionen als Informationsquellen verstehen Gefühle können den Parteien in einer schwierigen Phase einer Verhandlung zum Durchbruch verhelfen oder zum Scheitern führen. Bevor wir im nächsten Abschnitt auf diese Wirkung eingehen, wollen wir eine andere Funktion der Emotionen hervorheben: Für Sie als Mediator stellen diese eine wichtige Informationsquelle dar und geben Ihnen Aufschluss über die Werte, Gerechtigkeitsvorstellungen und Beziehungen der Parteien. Ihre Bedeutung erkennen Sie auch, indem Sie im Laufe der Verhandlungen die Intensität der Emotionen verfolgen.

Emotionen als Wert- und Gerechtigkeitsindikatoren nutzen Bei der Darstellung von Wert- und Grundsatzkonflikten haben wir festgestellt, dass diese schwierig zu lösen sein können, weil sie unser Selbstverständnis berühren oder eine Vielzahl von Streitigkeiten betreffen. Sie wecken daher auch in besonderer Weise Emotionen. So führt ein Gesichtsverlust wegen der damit verbundenen Bedeutung für den Betroffenen dazu, dass er auf die nächste Eskalationsstufe tritt. Umgekehrt zeigen Emotionen aber auch, wie viel uns ein Anliegen wert ist: Das eigene Ansehen hat für jede Person Bedeutung. Werte sind Gefühle, die wir mit Ereignissen oder Erfahrungen verbinden. Wir regen uns auf, weil eine Erwartung, die uns wichtig ist, nicht erfüllt, oder eine Vorstellung, die uns etwas bedeutet, nicht geteilt wird. Unterschiedliche Auffassungen über Gerechtigkeit sind daher oft Anlass für einen Konflikt. Neben Konflikten über verschiedene Werte kann es auch Konflikte bei Anwendung desselben Gerechtigkeitsprinzips geben. Ein früherer Gesellschaf139

Methode der Mediation ter, der seine Anteile an einem Unternehmen verkauft hat, mag sich z. B. dadurch ungerecht behandelt fühlen, dass die Gesellschaft im Verkaufsjahr hohe, den Ertrag mindernde Rückstellungen gebildet hat. Er vermutet möglicherweise, dass dadurch sein Gewinnbezugsrecht für diesen Zeitraum geschmälert werden sollte. Umgekehrt empfindet der frühere Partner bereits diesen Vorwurf als Unverschämtheit, weil er die Bilanzerstellung seinem Wirtschaftsprüfer überlassen hat. Beiden dürfte es um eine gerechte, das heißt an den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen, klaren und wahren Bilanzierung orientierten kaufmännischen Verhaltensweise gehen. Dem Mediator dienen Emotionen also als eine wichtige Informationsquelle über die Gerechtigkeits- und Wertvorstellungen der Parteien. Erforscht er mit den Beteiligten, wie sie ihre Werte definieren, können sich daraus Anhaltspunkte für eine Lösung ergeben. Im eben genannten Beispiel dürften sie sich aus einer Besprechung der einzelnen Bilanzpositionen ableiten lassen. Nur so lässt sich feststellen, ob die gemeinsame Gerechtigkeitsvorstellung tatsächlich umgesetzt wurde. Vielen gilt der Gleichheitsgedanke als Grundprinzip der Gerechtigkeit.15 Aber auch Prinzipien der Reziprozität, Billigkeit, Tradition, Kompensation oder Fairness können jenseits rechtlicher Normen für die Beteiligten von grundlegender Bedeutung sein. Die Herausforderung für Sie als Mediator besteht darin, zunächst die jeweiligen Gerechtigkeitsvorstellungen so klar wie möglich mit den Beteiligten herauszuarbeiten. Erst wenn sie diese artikuliert haben, können sie ein Bewusstsein für die Subjektivität dieser oft als objektiv angesehenen Prinzipien entwickeln. Diese Einsicht erlaubt auch die Prüfung, ob die Gerechtigkeitsvorstellungen der Parteien tatsächlich unvereinbar sind oder ob ein Ausgleich bzw. eine Kombination verschiedener Prinzipien in Betracht kommt. Typischerweise reagiert eine Partei auf die in Emotionen wie Ärger, Empörung oder Feindseligkeit enthaltenen Anschuldigungen mit Gegenvorwürfen, so dass die Auseinandersetzung schnell eskaliert. Wie lässt sich eine solche Eskalation vermeiden? Fragen Sie als Mediator nach den Normen, welche die Beteiligten als verletzt wahrnehmen. Dann müssen die Betroffenen reflektieren, ob die Norm gut begründet und ihre Geltung allgemein anerkannt ist. Auch besondere Voraussetzungen und Nebeneffekte im Falle ihrer Durchsetzung werden sie dann eher beachten.16

Emotionen als Beziehungsindikatoren erkennen Gefühle wirken sich nicht nur auf eine Person, sondern auch auf deren Verhältnis zu anderen aus: Emotionen beeinflussen Beziehungen. Viele Konfliktursachen, die mit der Beziehung zwischen Personen in Verbindung gebracht werden, sind letztlich Beeinträchtigungen von Gefühlen. Beziehun140

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen gen leiden, wenn Personen sich ungerecht behandelt fühlen. Daher kann eine Klärung der jeweiligen Gerechtigkeitsvorstellungen der Beteiligten ebenso wie eine Ergänzung ihrer jeweiligen Wahrnehmung unmittelbar zu einer Entspannung oder Verbesserung einer belasteten Beziehung führen.

Intensität von Emotionen verfolgen Die Intensität von Emotionen schwankt während der Dauer eines Konflikts ebenso wie im Verlauf einer Mediationsverhandlung. Gefühle begleiten zu jeder Zeit das Verhalten im Konflikt. Sie müssen nicht durchgängig negativ sein. So kann sich Zufriedenheit etwa dann einstellen, wenn ein Beteiligter sich dem eigenen Ziel zu nähern scheint oder eine befürchtete Entwicklung nicht eintritt. Die Schwankungen der Emotionen dienen Ihnen als Mediator während einer Verhandlung auch als Indikator für die Bedeutung einzelner Themen. Sie können ein Indiz dafür sein, wo möglicherweise versteckte Einigungsbarrieren oder Schwachpunkte in der Argumentation liegen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Debatte an den Stellen hitzig wird, an denen eine Partei ihre Ziele oder ihre Argumentation bedroht sieht. Auch wenn Sie diese nicht überbewerten sollten, so hilft Ihnen doch die Deutung äußerlicher Anzeichen dabei, die jeweiligen Gefühle oder Stimmungen aufzunehmen. Emotionen werden, wie bereits angesprochen, von biophysiologischen Veränderungen begleitet und finden ihren äußeren Ausdruck etwa in der Mimik, der Haltung, der Muskelspannung oder der Intonation der Sprache. Menschen bringen ihre Gefühle ganz überwiegend nonverbal zum Ausdruck. An der Körpersprache lässt sich gerade in einer Konfliktsituation ablesen, ob ein Betroffener z. B. verbissen oder ärgerlich, ängstlich oder entspannt, zufrieden oder zuversichtlich ist. Versuchen Sie also, diese Signale zu lesen, ohne Sie überzuinterpretieren. Zumindest als psychologische Laien verkennen wir nämlich häufig die Bedeutung einzelner physischer Ausdrucksformen.17 Scheuen Sie sich nicht, durch geeignete Fragen festzustellen, ob ihre Beobachtung zutrifft („Ich habe den Eindruck, dass sich gegenwärtig eine gewisse Frustration ausbreitet. Teilen Sie diese Einschätzung? Was können wir tun, um zu der Energie zurückzufinden, die uns heute Morgen erhebliche Fortschritte gebracht hat?“). In einer Mediation aus unserer Praxis, die ein EDV-Projekt betraf, diskutierten die Parteien sachlich über die umstrittene Qualität der fertiggestellten Software. Dagegen wurde der Ton sehr viel lauter und schärfer, als die Aufgabenaufteilung besprochen und die jeweils Verantwortlichen identifiziert wurden. Die zunehmende Intensität der Emotionen wies auf die Bedeutung des Themas hin: Da während des Projekts die Leitung mehrfach wechselte, herrschte Unklarheit. Je mehr Einzelheiten an das Tages-

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Methode der Mediation licht zu kommen drohten, um so mehr fürchteten die Parteivertreter in dieser Phase, für Organisations- und Planungsfehler in die Verantwortung genommen zu werden. Als dann auch noch ein Teilnehmer mit dem Abbruch der Gespräche drohte, war spätestens klar, dass dieser Themenkomplex eine besonders sorgfältige Behandlung verdiente. Kasten 2

Selbst kurzzeitig auftretende Emotionen geben Ihnen möglicherweise Anhaltspunkte über die Beziehung der Beteiligten, deren Anliegen oder Interessen. Konflikte können nämlich ebenso aus einem kurzfristigen Impuls wie aus einer Stimmung oder Haltung heraus entstehen.18

Emotionen analysieren Zu den Emotionen, mit denen Sie als Mediator am häufigsten konfrontiert werden, gehören Ärger und Empörung. Wenn eines dieser Gefühle entsteht, sind vier Komponenten der subjektiven Bewertung zu unterscheiden:19 Die Person, die sich ärgert, nimmt erstens eine Handlung als eine Verletzung einer Norm oder eines eigenen Anspruchs wahr. Sie fühlt sich zweitens betroffen, weil diese Regel für sie von Bedeutung ist oder sie sich mit ihr identifiziert. Drittens wird ein anderer verantwortlich gemacht. Schließlich liegen einsichtige Rechtfertigungsgründe nach der subjektiven Auffassung der verärgerten Person nicht vor. Dem „Beschuldigten“ mag es dagegen schon am Bewusstsein fehlen, eine Norm oder den Anspruch eines anderen verletzt zu haben. Vielleicht fühlt er sich auch nicht verantwortlich, weil aus seiner Sicht ein anderes Ziel Vorrang hatte. Möglicherweise macht er auch Gegenvorwürfe geltend. Um in einer solchen Situation eine Klärung herbeizuführen, ist es nötig, die einzelnen Komponenten der subjektiven Bewertung zu identifizieren, die das Gefühl des Ärgers hervorgerufen haben. Worin lag die verletzende Handlung? Warum hat sie die verärgerte Person betroffen? Wie sieht es der „Verletzer“? Wieso ist dieser nach Auffassung der verletzten Person verantwortlich? Welche Haltung nimmt er dazu ein? Warum gibt es dafür keine Rechtfertigung? Wenn die Betroffenen jeweils diese Fragen beantworten, reflektieren sie ihre eigenen Emotionen ebenso wie die des anderen. Die folgende Checkliste gibt einen Überblick darüber, mit welchen Fragen Sie in der Praxis Emotionen mit den Beteiligten konstruktiv bearbeiten können.20

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Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen Checkliste: Konstruktive Bearbeitung von Emotionen ●

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Welches Verhalten des anderen hat eine Emotion (z. B. Ärger, Empörung, Enttäuschung) ausgelöst? Wie sieht der Kontrahent den Vorfall? Welche Normen und Ansprüche werden von der befragten Partei als verletzt wahrgenommen? Kennt die andere Partei diese Normen und Ansprüche? Akzeptiert sie diese Normen und Ansprüche? Gibt es Möglichkeiten einer Relativierung dieser Normen und Ansprüche? Welche Probleme sind durch diese Normen und Ansprüche entstanden, welche Emotionen haben sie ausgelöst? Kennt die andere Partei diese Probleme? Wie bewertet sie diese Schwierigkeiten? Sind die Probleme so gewichtig, wie sie zunächst eingeschätzt wurden? Wie wird die Verantwortlichkeit eingeschätzt? Wie bewertet die andere Partei die Verantwortlichkeit? Akzeptiert sie behauptete Einschränkungen der Verantwortlichkeit? Welche Rechtfertigungsmöglichkeiten hat die Partei, der ein Vorwurf unterbreitet wird? Akzeptiert die andere Seite diese Rechtfertigungsargumente?

Kasten 3

Emotionen zulassen Gefühle können die Konfliktbeilegung erleichtern oder erschweren, sie können zur Eskalation oder Deeskalation beitragen, uns dazu ermutigen, zusammenzuarbeiten oder uns daran hindern. Emotionen können destruktiv oder konstruktiv, erfreulich oder niederdrückend, positiv oder negativ sein. Sie können verblenden oder die Augen öffnen. In einem Konflikt empfinden die meisten Menschen negative, destruktive und schmerzhafte Emotionen. Dennoch kann gerade in den Emotionen die Energie liegen, die zur Änderung der Wahrnehmung und Konfliktbeilegung nötig ist. Ebenso wie Konflikte Angst, Wut und Hass hervorrufen, setzen sie nämlich auch positive Emotionen wie das Gefühl der Befreiung, des Stolzes, des Muts oder Mitgefühls frei.

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Methode der Mediation

Mit Fragen Wahrnehmung offenlegen Emotionen zulassen bedeutet nicht, dass Sie als Mediator die Rolle eines Therapeuten einnehmen sollen. Vielmehr geht es darum, die Existenz von Emotionen in Konflikten und ihre zuvor dargestellte Bedeutung in konstruktiver Weise anzuerkennen. Was können Sie also konkret tun?21 Als Mediator sind Sie dazu in der Lage, die Parteien zur Offenlegung ihrer jeweiligen Wahrnehmung zu animieren. Damit geben Sie ihnen eine Gelegenheit zur Neubewertung des Geschehens, die auch ihre Emotionen verändern kann. Sie können die Konfliktparteien mit Hilfe der im zweiten Teil dieses Kapitels darzustellenden Kommunikationstechniken (insbesondere dem sogenannten aktiven Zuhören und bestimmten Fragetechniken) bei einer Korrektur ihrer Wahrnehmung unterstützen. Schließlich begleiten Sie diesen Prozess empathisch. Ob wir uns gut oder schlecht, angespannt oder entspannt, konzentriert oder abgelenkt, begeistert oder gelangweilt fühlen, hängt nicht von objektiven Kriterien, sondern von unserem subjektiven Empfinden ab. Dieses kann sich von Person zu Person erheblich unterscheiden. In manchen Fällen genügt es, bislang einseitige Wahrnehmungen offenzulegen. So verhielt es sich z. B. in einem langwährenden Streit zwischen zwei Mitarbeiterinnen in der Buchhaltung eines großen Unternehmens, Blanche und Frieda genannt, die sich seit Jahren in einem Konflikt befanden.22 Auf die eigentlich naheliegende Frage des Mediators, worin die Ursache für die Auseinandersetzung lag, antwortete Blanche, Frieda hätte vor acht Jahren eine herabsetzende Bemerkung über ihren Ehemann gemacht, der damals gerade an Krebs verstorben sei. Angesichts der Trauer und des Schmerzes, den sie ohnehin empfunden hätte, habe sie darauf nicht reagiert. Stattdessen legte sie gegenüber Frieda ein kaltes, strafendes Verhalten an den Tag. Frieda war geschockt, als sie in einer Mediation den Grund für die Zurückweisung erfuhr. Sie erklärte ihrer Kollegin, dass sie nicht vom Tod ihres Ehemannes wusste und sie selbstverständlich nicht verletzen wollte. Frieda entschuldigte sich für ihre unsensiblen Worte. Blanche erwiderte diese Entschuldigung und bedauerte, dass sie Frieda nicht angesprochen hatte, um ihr ihre Gefühle mitzuteilen. Beide Frauen erkannten, welche seelischen Schmerzen sie sich acht Jahre lang zugefügt hatten, weil sie über ihre Gefühle schlicht nicht gesprochen hatten.

Offenheit des Prozesses fördern Als Mediator können Sie ein Forum für eine Aussprache schaffen, welche zumindest die Einsicht herstellt, dass es möglich ist, einander zu verstehen, ohne notwendigerweise den Standpunkt des anderen zu teilen. Schließlich hören die Beteiligten in einer Mediation häufig nach langer Zeit erstmalig, wie die Kontrahenten den Konflikt sehen. Dieser Austausch kann eine bis-

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Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen lang nicht vorhandene Offenheit herstellen – und zu überraschenden Wendungen führen. In einer Mediation standen sich ein Hersteller von Software für MultiMedia-Anwendungen (TV- und Filmproduktionen) und ein Unternehmen gegenüber, das die Kundenberatung und Programmwartung für diesen übernommen hatte. Der Softwarehersteller forderte angeblich zu viel bezahlte Vergütungen zurück. Die Verhandlung begann mit einer ausführlichen Erörterung des Sachverhalts und einer Darstellung der Rechtspositionen. Dabei stellte sich heraus, dass der Softwarehersteller grundsätzlich weiterhin an der Wartung und Kundenberatung durch den Geschäftspartner interessiert war, bestimmte Standardaufgaben – auch aus Kostengründen – aber selbst wahrnehmen wollte. Diese sollten durch ein Call-Center erledigt werden. Nach Auffassung des Softwareherstellers folgte diese Aufgabenteilung bereits aus dem Vertrag. Die Berater waren anderer Auffassung. Für beide Ansichten gab es auf die Vertragshistorie und den Wortlaut der Vertragsdokumente gestützte Argumente. Zu einem Durchbruch kam es, als der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens noch während der Erörterung der jeweiligen Aufgaben emotional bewegt erklärte, dass sein Unternehmen Insolvenz anmelden müsste, wenn es die geforderten Beträge zahlen müsste. Dasselbe könnte geschehen, wenn das vertragliche Aufgabenspektrum des Unternehmens maßgeblich verkleinert würde. Es war für jeden offensichtlich, dass diese Äußerung keinem strategischen Verhalten entsprach. Daher überlegten die Beteiligten gemeinsam, welche anderen Aufgaben durch welches Unternehmen jeweils am kundenfreundlichsten und kostengünstigsten wahrgenommen werden könnten. Dabei stellte sich heraus, dass die Unterstützung von Kunden in der Implementierung der Software durch das Beratungsunternehmen ausgeweitet werden könnte. Für die verschiedenen Aufgaben wurde ein neuer Abrechnungsschlüssel festgelegt, ein Ratenzahlungsplan für einen Teil der geforderten Beträge vereinbart und der Streit im Übrigen beigelegt. Kasten 4

Das Offenlegen von Emotionen ist für den Verfahrensablauf und das Herstellen einer kooperativen Grundeinstellung von erheblicher Bedeutung. Denn wenn wir unsere Emotionen unterdrücken oder verstecken, können wir uns mit ihnen nicht konstruktiv auseinandersetzen. Sie gären in uns, stauen sich auf und explodieren möglicherweise schon aufgrund eines geringen Anlasses. Sind die Emotionen Teil des Sachproblems, so wird eine effektive Problemlösung verhindert, solange die Parteien die den Konflikt verursachenden Gefühle nicht offenlegen. 145

Methode der Mediation Im Umgang mit Emotionen ist Ihre Kommunikationsfähigkeit als Mediator in besonderer Weise gefragt. Wer mit emotional angespannten Situationen umgehen kann, ist in der Regel auch dazu in der Lage, in anderen Phasen der Verhandlung die Kommunikation erfolgreich zu kontrollieren. Welche Techniken Sie für eine erfolgreiche Gesprächsführung einsetzen können, ist Gegenstand des folgenden zweiten Teils dieses Kapitels.

Kommunikation verbessern In einem Gespräch mit einem Vorgesetzten oder mit einem Unparteiischen in einem streitigen Verfahren versuchen die Parteien regelmäßig, diesen davon zu überzeugen, dass sie – im wahren oder übertragenen Sinne – „im Recht“ sind. Da der Dritte eine Entscheidung trifft, wollen sie die Überlegenheit ihres Standpunktes deutlich machen. Informationen, deren Preisgabe sich auf ihre Erfolgschancen nachteilig auswirken könnte, halten die Beteiligten zurück. In besonders angespannten Situationen unterscheidet sich das Maß an Aufmerksamkeit für die andere Seite nur wenig vom demonstrativen Zeitunglesen von Parlamentariern in Bundestagsdebatten bei Vorträgen des politischen Gegners. Für jedes Argument wird, während der andere noch spricht, im Geiste bereits ein Gegenargument formuliert. Entgegengesetzte Behauptungen und Vorwürfe prallen aufeinander. In einer Mediation lässt sich eine Verständigung allerdings nur erzielen, wenn die Parteien jeweils Verständnis füreinander entwickeln. Um dieses Ziel zu erreichen, können – und müssen – sich die Beteiligten anders verhalten als in einem streitigen Verfahren vor einem entscheidungsbefugten Dritten. Dennoch fällt ihnen ein offener Austausch insbesondere zu Beginn der Verhandlung regelmäßig schwer. Sie besitzen kein oder nur noch wenig Vertrauen zueinander und haben in vielen Fällen lange nicht mehr miteinander gesprochen. Ihre Aufgabe als Mediator besteht darin, diese Sprachlosigkeit zu überwinden. Geschulte Mediatoren bedienen sich dabei in der Regel eines Kommunikationsstils, der als non-direktive Gesprächsführung bezeichnet wird.23 Zu den wichtigsten kommunikativen Instrumenten gehören dabei das aktive Zuhören, verständige Zusammenfassungen (Paraphrasieren und Verbalisieren) sowie verschiedene Fragetechniken. Als Mediator sind Sie das Kommunikationsmodell für die Parteien. Wenn Sie dieser Vorbildfunktion gerecht werden, stellen Sie zunächst eine Kommunikationsbrücke zwischen diesen her und werden – im besten Fall – im Laufe der Verhandlung so überflüssig wie „die Fliege an der Wand“. Gute Kommunikation beginnt beim Zuhören. Daher beginnen wir die Darstellung der folgenden Techniken auch mit der Erörterung des sogenannten aktiven Zuhörens. Anschließend werden wir uns den verschiedenen Arten 146

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen der Wiedergabe des Gesagten zuwenden (Paraphrasieren, Verbalisieren sowie Normalisieren und Strukturieren), bevor wir in diesem Zusammenhang ergänzend die Möglichkeit, Kommunikationsregeln aufzustellen, behandeln. Besondere Aufmerksamkeit verdienen abschließend verschiedene Fragetechniken – sind doch Fragen das für die Verhandlungsführung vielleicht wichtigste Kommunikationsinstrument.24

Aktives Zuhören Wenn der nordamerikanische Senator George Mitchell gefragt wird, welchen Beitrag er als Vermittler zum Friedensschluss in Nordirland geleistet hätte, verweist er regelmäßig darauf, dass er den Kontrahenten geduldig zugehört habe. Für seine Verdienste in diesem Konflikt ist er mit zahlreichen Auszeichnungen, wie z. B. dem Global Citizen Award 2000, bedacht worden.25 Zumindest die Begründung für die Ehrungen des amerikanischen Staatsmannes ist allerdings überraschend. Jeder Mensch, der nicht taub ist, hört täglich andere Menschen reden. Was also sollte so ungewöhnlich an dieser Eigenschaft sein, dass eine Person dafür ausgezeichnet wird? Bei genauerer Überlegung ist der kommunikative Vorgang des Zuhörens indes durchaus komplex. Er lässt sich in folgende vier Stufen aufteilen: Erst die aufmerksame und unvoreingenommene Wahrnehmung erlaubt eine Interpretation einer Aussage. Als Hörender bemühen Sie sich also darum zu verstehen, was der Sprechende sagt. Eine sorgfältige Würdigung des Gesagten gestattet wiederum dessen Bewertung, auf deren Grundlage schließlich eine Antwort formuliert werden kann. Die Beantwortung lässt durch eine verständige Zusammenfassung erkennen, dass der Zuhörende die Botschaft verstanden hat. Nur wenn ein Mediator genau zuhört, kann er erfahren, was die Parteien bewegt, und einen Dialog zwischen ihnen herstellen. Nur wenn diese ihre Sichtweise darstellen können, besteht die Chance, dass sie sich verstanden fühlen. Unter diesen Bedingungen werden die Beteiligten möglicherweise zur Überprüfung und Änderung ihres Standpunkts bereit sein und sich darum bemühen, das Verhalten des anderen ebenfalls zu verstehen. Um tatsächlich die Äußerungen von Personen vollständig wahrnehmen, interpretieren und bewerten zu können, müssen Sie aktiv zuhören. Der Begriff des aktiven Zuhörens soll den Unterschied zum passiven Schweigen zum Ausdruck bringen. Aktives Zuhören bedeutet nicht, dass Sie mit dem Inhalt der Aussage einverstanden sein müssen. Wie aber können Sie Ihr Verständnis bekunden, ohne Einverständnis zum Ausdruck zu bringen? Eine verstehende Haltung können Sie demonstrieren, indem Sie eine aufmerksame Körperhaltung einnehmen, den Sprechenden nicht unterbrechen, Ihre eigene Ansicht zurückhalten und Gesten des Verständnisses, z. B. durch 147

Methode der Mediation gelegentliches (kein regelmäßiges) Kopfnicken, die Anfertigung von Notizen oder die Bitte um zusätzliche Erläuterungen („Erklären Sie mir das bitte noch näher.“) zeigen. Das aktive Zuhören wird durch ein verständiges Zusammenfassen, also Paraphrasieren, der Äußerungen der Beteiligten unterstützt. Wir werden dieser Technik wegen ihrer großen Bedeutung für die Kommunikation sogleich einen eigenen Abschnitt widmen. Zum aktiven Zuhören im weiteren Sinne zählt auch das verständnis- und informationsorientierte, die Gefühle des Betroffenen aufnehmende, Fragen, dem wir uns ebenfalls im Folgenden ausführlich zuwenden werden.26 Aktives Zuhören ist sinnvoll und erforderlich, bis deutlich wird, dass der Gesprächspartner sich verstanden fühlt. Sie vermeiden so Missverständnisse unter den Beteiligten. Nehmen Sie als Mediator gelegentlich auch mit den nicht sprechenden Beteiligten Blickkontakt auf, um diesen zu signalisieren, dass sie ebenfalls die Gelegenheit erhalten werden, sich zu äußern. Wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass ein an der augenblicklichen Erörterung Unbeteiligter ungeduldig wird, geben Sie ihm einen kurzen Hinweis, der etwa wie folgt lauten kann: „Frau Albert, bitte sehen Sie es mir nach, dass ich Sie hier kurz unterbreche. Es ist mir wichtig, Ihre Darstellung vollständig zu hören. Gleichzeitig möchte ich Sie, Herr Bertolt, wissen lassen, dass Sie nach den Ausführungen von Frau Albert genauso viel Zeit für Ihre Ausführungen haben werden“.

Paraphrasieren Eines der wichtigsten Kommunikationsinstrumente des Mediators ist das regelmäßige Zusammenfassen der Äußerungen der Teilnehmer. Es wird auch als Paraphrasieren bezeichnet.27 Dieses Zusammenfassen ist zunächst für Ihr eigenes Verständnis der Parteien wichtig. Gleichzeitig soll es diesen das Gefühl vermitteln, tatsächlich verstanden worden zu sein: Selbst wenn Sie als Mediator nämlich die Parteien noch so gut verstehen, genügt die bloße Bekundung „Ich verstehe Sie!“ nicht unbedingt, um diesen auch den entsprechenden Eindruck zu verschaffen. Aus beiden Gründen ist es daher sehr wichtig, mit eigenen Worten wiederzugeben, was der Sprechende zuvor gesagt hat. Obgleich Ihnen das wiederholte Paraphrasieren zunächst künstlich vorkommen mag, sollten Sie diese Technik als Mediator daher jedenfalls möglichst regelmäßig gebrauchen. Sie ist für die Standortbestimmung ebenso wichtig wie für die Moderation der Emotionen („Ich habe Sie so verstanden, Herr Albert, dass es Ihnen wichtig ist, jetzt noch einmal über die Geschäftspolitik zu sprechen. Stimmt das?“). Wenn Sie konsequent paraphrasieren, folgen Sie fortwährend – in Gesprächsschleifen – den Äußerungen der Beteiligten. Sie strukturieren also die Verhandlung nicht selbst, indem Sie einzelne Punkte aus den Bemerkungen herausgreifen und eine eigene Richtung vorgeben. Daher wird der systemati148

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen sche Gebrauch dieser Technik auch als looping bezeichnet: Sie folgen der Richtung, welche das Gespräch nimmt, und bestätigen, was Sie gerade gehört haben.28

Verbalisieren Sie brauchen sich in Ihren Paraphrasen allerdings nicht darauf zu beschränken, den Aussagen der Parteien zu folgen. Sie können auch Einfluss darauf gewinnen, wie das Gesagte beim anderen ankommt, indem Sie die Äußerungen der Beteiligten auf einer adäquaten Abstraktionsebene zusammenfassen. Diese umdeutende Zusammenfassung wird auch als Verbalisieren bezeichnet.29 Reizwörter, die eine Verhandlung in eine negative Richtung führen („Wir haben die Schnauze voll. Wenn das so weitergeht, sollten wir das Ganze abbrechen und nach Hause gehen.“), können Sie auf diese Weise neutralisieren. Wichtig ist, dennoch den dahinter stehenden Bedeutungsgehalt zutreffend wiederzugeben („Sie sind im Moment mit dem Verlauf der Verhandlung unzufrieden und haben Zweifel, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind. Wie sollten wir nach Ihrer Vorstellung weiter verfahren?“). So kontrollieren Sie das Gespräch und verhindern eine Eskalation. Diese Methode ist auch nützlich, um die Beteiligten zu einer Überprüfung ihrer Wahrnehmung zu veranlassen, wie wir im Zusammenhang mit der Erörterung dieses Themas später näher erläutern werden. Zuvor wollen wir uns allerdings noch zwei weiteren Techniken zuwenden, von denen Sie auch während Ihrer Zusammenfassungen Gebrauch machen können.

Normalisieren Neben dem Paraphrasieren und Verbalisieren besteht eine andere, hilfreiche Kommunikationsstrategie im Normalisieren.30 Mit dieser Technik lassen Sie eine Bewertung in Ihre Zusammenfassung einfließen oder fügen diese hinzu. Sie entspannen z. B. eine Situation durch den Hinweis darauf, dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn in einer bestimmten Phase Emotionen auftreten oder finanzielle Differenzen verbleiben („Nach meinem Eindruck sprechen wir gerade über einen Punkt, der für Sie alle von Bedeutung ist. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in einer solchen Situation der Austausch etwas kontrovers wird. Wie können wir die in der Diskussion entstandene Dynamik nutzen, um diese Frage zu klären?“ oder: „Sie haben sich heute bereits deutlich aufeinander zu bewegt. Es kommt häufig vor, dass nach mehreren Zugeständnissen aller Beteiligten vorübergehend der Eindruck entsteht, jetzt ginge es nicht weiter. Erfahrungsgemäß geht es dann aber doch weiter. Lassen Sie uns also überlegen, ob uns noch eine andere Kombination einfällt.“). Sie können die Entscheidungsfindung der Parteien auch erleichtern, indem Sie erläutern, dass eine derartige Konstruktion Ihnen schon in anderen Vereinbarungen begegnet ist und sich bewährt hat („Eine ähnliche Regelung haben wir zur Berücksichtigung der Verantwortung des Vertragshänd149

Methode der Mediation lers für das Dispositionsrisiko in anderen Verträgen bei der Bewertung des Lagerbestandes ebenfalls getroffen.“).

Strukturieren Schließlich können Sie Zusammenfassungen und Neutralisierungen dazu nutzen, die Verhandlung zu strukturieren. Das bietet sich insbesondere dann an, wenn Anhaltspunkte für eine Anpassung der Tagesordnung oder für den Übergang zum nächsten Punkt bestehen („Haben wir jetzt alle Gesichtspunkte, die für eine frühzeitige Stilllegung des Werks sprechen, gesammelt? Besteht noch Ergänzungsbedarf? Wenn das nicht der Fall ist, können wir dann die Argumente sammeln, die für eine Fortsetzung des Betriebs sprechen?“). Vielleicht wollen Sie das Gespräch auch nach Themen und Unterthemen ordnen, also die Verhandlung partialisieren („Stellen die Positionierung der Abteilung im Unternehmen und die Ziele für das neue Jahr nicht eigentlich zwei Themen dar? Was halten Sie davon, wenn wir die eben besprochenen Punkte entsprechend aufteilen und ggf. ergänzen?“).

Vereinbarung von Kommunikationsregeln Wenn die Parteien ihre Sicht des Konflikts schildern, neigen sie oft dazu, der anderen Seite Vorwürfe zu machen. Vorwürfe lösen Widerspruch und Verteidigungshaltungen aus. Diese Spirale kann schnell zum Zusammenbrechen der Kommunikation führen. Die Beteiligten greifen einander an oder streiten die Berechtigung der Sichtweise des anderen ab. Es liegt an Ihnen als Mediator, eine derartige Eskalation zu verhindern. Zusätzlich zur Nutzung der zuvor behandelten Techniken besteht auch die Möglichkeit, mit den Beteiligten bereits zu Beginn der Verhandlung Kommunikationsregeln zu vereinbaren. Durch derartige Absprachen unterstützen Sie das aktive Zuhören. So hat es sich in manchen Mediationssitzungen bewährt, beim Auftakt der Gespräche mit den Parteien zu vereinbaren, dass diese einander nicht unterbrechen. Bevor die eigentliche Verhandlung beginnt, ist das Einverständnis dafür leicht zu gewinnen. Natürlich verhindert diese Abmachung nicht, dass es später zu Unterbrechungen kommt. Wenn aber eine entsprechende Abrede erst einmal getroffen ist, erleichtert sie Ihnen das Einschreiten. Sie stoßen dann auch die Betroffenen nicht vor den Kopf, wenn Sie diese darum bitten, einander ausreden zu lassen. Es versteht sich von selbst, dass Sie ein gutes Vorbild sein sollten. Intervenieren Sie selbst also auch nur in Ausnahmefällen. Gerade zu Beginn ihrer Darstellung sollten die Parteien sich möglichst im Zusammenhang äußern können. Jede Unterbrechung zu Beginn der Verhandlung kann sich schnell als hinderlich erweisen: Wer sich schon am Anfang eines Gespräches nicht ausreichend mitteilen kann, wird kaum das Gefühl gewinnen, dass man ihm 150

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen zuhört, um ihn zu verstehen. Daher sollten Sie erst dann nachfragen, wenn die Betroffenen ihre Sichtweise im Zusammenhang darstellen konnten. Wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie – z. B. in einer innerbetrieblichen Mediation – ihren Gesprächspartnern kommunikativ noch mehr Disziplin abverlangen können, vereinbaren Sie eine weitere Spielregel. Sie erfordert ein höheres Engagement der Parteien: Bitten Sie diese darum, zur Situationsbeschreibung nur noch sogenannte „Ich-Aussagen“ zu benutzen. An die Stelle einer Deutung des Verhaltens der anderen Person („Sie haben in unverantwortlicher Weise gehandelt.“ oder „Sie haben mich betrogen.“ oder „Sie sind nie zu erreichen.“) tritt die eigene Wahrnehmung („Ich habe Ihre Handlung damals als unverantwortlich empfunden.“ oder „Ich habe mich getäuscht gefühlt.“ oder „Ich würde gerne öfter mit Ihnen Kontakt aufnehmen.“).31 Der sachliche Inhalt einer Bemerkung wird durch eine „Ich-Aussage“ nicht verändert. Sie wird vielmehr der Realität angenähert, da der Sprechende nun nicht das Verhalten des anderen bewertet, sondern dessen Wirkung auf sich selbst darstellt. Eine Aussage über diese persönliche Wirkung ist jedoch schwerer angreifbar, weil sie nicht mehr unmittelbar als Vorwurf an den anderen gerichtet ist. Eher führt sie zu Nachdenklichkeit. Wer als Verhandlungspartner erlebt, welche Betroffenheit er bei der anderen Person ausgelöst hat, ist in der Regel auch eher dazu bereit, darauf einzugehen. Tatsächlich fällt vielen Personen die Umstellung ihrer sprachlichen Verhaltensmuster sehr schwer. Zudem besteht die Gefahr, dass in einer Verhandlung zwischen Geschäftsleuten die Verwendung einer derartigen Kommunikationsregel für viele etwas zu spielerisch wirkt. Das gilt insbesondere, wenn mehrere Personen an der Mediation beteiligt sind und die Gesichtswahrung für die Beteiligten eine größere Rolle spielt. Wir schlagen daher vor, derartige Initiativen nur zu ergreifen, wenn ihre Umsetzung durch die angesprochenen Personen auf Akzeptanz stößt.

Fragen So hilfreich die bisher beschriebenen verschiedenen Kommunikationstechniken auch sind – das wichtigste Instrument des Mediators ist seine Fähigkeit, den Konfliktparteien Fragen zu stellen. Wer schon einmal bei einer Abendeinladung neben einer Person gesessen hat, die keine Fragen stellt, weiß, wie wichtig diese für die Kommunikation sind. Die Fragen des Mediators sind in jeder Phase der Verhandlung für deren weiteren Verlauf von zentraler Bedeutung. Als Mediator üben Sie durch Ihre Fragen erheblichen Einfluss darauf aus, was die Parteien besprechen: „Wer fragt, der führt.“ Da die Konfliktparteien viele Fragen, die Sie aufwerfen, einander nicht stellen würden, können Sie gleichzeitig auch den Informationsfluss erheblich erleichtern. 151

Methode der Mediation Welche Fragen Sie stellen, hängt ebenso vom Gegenstand der Verhandlung und der Kommunikation durch die Beteiligten wie von der Phase der Mediation ab. Um ein gemeinsames Verständnis eines komplexen Sachverhalts zu gewinnen, bedarf es zielführender Fragen zur Aufklärung der Situation. In Beziehungskonflikten steht dagegen das Nachdenken der Beteiligten über die bisherige Wahrnehmung ihres Verhältnisses im Vordergrund. Ebenso wie sich die Fragen nach dem Konflikttyp unterscheiden, eignen sich unterschiedliche Fragen für verschiedene Phasen der Mediation. Während zu Beginn einer Verhandlung die Informationsgewinnung im Vordergrund steht, hat in einem späteren Stadium die Reflexion der Einigungsoptionen oder der verfügbaren Bewertungskriterien größere Bedeutung. Für Ihre Arbeit als Mediator sind insbesondere vier Fragetypen hilfreich.32 Sie lassen sich nach dem durch sie verfolgten Zweck in direkte, zirkuläre, strategische und reflexive Fragen einteilen. Daneben gibt es offene und geschlossene Fragen. Die zuletzt genannte Differenzierung ergibt sich aus den Möglichkeiten zur Beantwortung, die dem Betroffenen verbleiben.

Abbildung 1: Unterscheidung von Fragetypen nach dem Zweck der Frage (Abbildung nach Karl Tomm)33

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Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen

Direkte Fragen Wenn Sie konkrete Informationen sammeln wollen, um einen Sachverhalt zu ermitteln, eignet sich vor allem der Einsatz direkter bzw. investigativer Fragen.34 Das sind Fragen, die eine klare Zielrichtung haben, Ursachen betreffen und sich eindeutig beantworten lassen. Sie bieten sich damit insbesondere in einem frühen Stadium der Mediation an („Seit wann arbeiten Sie zusammen?“, „Wann haben Sie sich dazu entschlossen, das Joint Venture zu gründen?“, „Haben Sie damals bereits über die Aufgabenverteilung zwischen Ihnen gesprochen?“). Direkte Fragen sind für die Konfliktdiagnose unerlässlich. Gleichzeitig besteht ein Nachteil ihrer Verwendung darin, dass sich die Beteiligten auf den Status quo konzentrieren. Bestehende Auffassungen werden dadurch erhalten und, da sie wenig in Zweifel gezogen werden, sogar noch gefestigt.

Zirkuläre Fragen Zur Informationsgewinnung können Sie auch zirkuläre Fragen nutzen.35 Ihre Verwendung geht von der Annahme aus, dass man Informationen aus dem Erkennen und Formulieren von „Unterschieden“ gewinnt und sich die Bedeutung einer Verhaltensweise aus ihrem Zusammenhang ergibt. Typischerweise betreffen diese Fragen hypothetische Ereignisse ebenso wie Verhaltenswirkungen. Zirkuläre Fragen eignen sich daher auch dafür, die Präferenzen, Motive und Interessen der Beteiligten zu erforschen („Was haben die Inhaber gesagt, als Sie ihnen mitteilten, dass die Verkaufszahlen zurückgegangen sind?“, „Wie haben Ihre Vertragspartner reagiert, als Sie vorgeschlagen haben, die Mindestverkaufszahlen für das kommende Geschäftsjahr anzuheben?“). Das Ziel besteht hierbei nicht in der Sammlung von Fakten. Vielmehr erfahren Sie mit diesem Fragetyp etwas über die Beziehung zwischen Personen und deren jeweilige Wahrnehmung. Mit zirkulären Fragen können Sie Unterschiede in der Wahrnehmung von Beziehungen („Welcher Ihrer Abteilungsleiter hat das beste Verhältnis zu Ihnen?“), graduelle Unterschiede („Wie sehen Sie die Chancen eines Rechtsstreits, wie sehen Sie diese in der zweiten Instanz?“), Wenn-Dann-Unterschiede („Welche Optionen haben Sie jetzt, um einen weiteren Verlust von Marktanteilen zu vermeiden? Wenn Sie darauf warten wollen, bis Sie neue Produkte vorstellen können, vergeht dann zu viel Zeit? Wenn Sie jetzt eine Marketingkampagne für die aktuellen Fahrzeuge starten, haben Sie Sorge, dass die Einführung der neuen Modelle leidet?“) oder hypothetische Unterschiede („Welche Möglichkeiten verbleiben Ihnen, wenn Sie sich heute nicht einigen können? Welche Vor- und Nachteile sind damit jeweils verbunden?“) herausarbeiten. Die Verwendung zirkulärer Fragen bietet sich schließlich insbesondere an, wenn Sie den Beziehungsstatus erheben oder an der Verbesserung einer Beziehung arbeiten möchten („Was könnten Sie für 153

Methode der Mediation ihn tun, wenn er Sie tatsächlich in Zukunft in Ihrer Arbeit unterstützen würde?“). Wenn diese Fragen zum Ziel führen, haben sie eine befreiende Wirkung, indem sie die Parteien zwingen, sich über Dinge Gedanken zu machen, die sie vorher vielleicht noch nicht erwogen oder bedacht haben. Die Beteiligten können sich aus einer linearen Betrachtungsweise lösen. Mit Hilfe zirkulärer Fragen können Sie auch versuchen, Blockaden in der Verhandlung z. B. dadurch aufzulösen, dass Sie auf einer Meta-Ebene mit den Parteien kommunizieren („Haben Sie auch den Eindruck, dass wir uns im Moment ein wenig im Kreis bewegen? Was könnten wir tun, um wieder voranzukommen?“). Es versteht sich von selbst, dass von solchen Fragen nicht zu viel Gebrauch gemacht werden sollte.

Strategische Fragen Größeren Einfluss auf den weiteren Verhandlungsverlauf nehmen Sie, wenn Sie strategische Fragen stellen („Warum lassen Sie diesen Vorwurf nicht fallen? Welchen Nutzen hat es für Sie, dieses Thema weiter zu verfolgen?“). Die Wirkung dieser Fragen ist insofern einschränkend, als Sie das Gespräch lenken und damit die Richtung beeinflussen, die eine Verhandlung nimmt. Sie ist gleichzeitig nötig, um problematische Annahmen oder Verhaltensweisen einem Realitätstest zu unterziehen und eine konstruktive Lösung zu finden. So regen Sie als Mediator z. B. an, dass die Parteien über bestimmte Fragen oder Lösungsansätze nachdenken, oder erkundigen sich, wie die Beteiligten die Prozessrisiken einschätzen („Wollen wir noch einmal überlegen, wie Sie Ihrer Beweislast für den Fall, dass es zum Prozess käme, genügen könnten?“). Seien Sie jedoch vorsichtig: Solche strategischen Fragen können bei der befragten Partei schnell Misstrauen hinsichtlich Ihrer Neutralität wecken. Sie sollten daher stets abwägen, ob der Einsatz entsprechender Fragen wirklich geboten erscheint und das – für den Erfolg der Mediation sehr kritische – Risiko eines (wahrgenommenen) Neutralitätsverlusts lohnt.

Reflexive Fragen Schließlich können Sie reflexive Fragen36 nutzen, wenn Sie das bisherige Geschehen reflektieren möchten oder die Beteiligten zur Nachdenklichkeit animieren wollen. Nach einer Pause oder Unterbrechung könnten Sie etwa fragen: „Wenn Sie an den heutigen Vormittag zurückdenken, wie schätzen Sie den bisherigen Verlauf der Verhandlung ein? Wo haben wir die größten Fortschritte erzielt? Wie können wir uns der verbleibenden Themen am besten annehmen?“ Mit dieser Vorgehensweise beeinflussen Sie die Verhandlungen nicht so unmittelbar wie mit strategischen Fragen. Stärker als bei zirkulären Fragen aktivieren Sie hierdurch aber die Problemlösungskompetenz der Beteiligten, indem Sie deren Aufmerksamkeit auf geeignete The154

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen men oder Gesichtspunkte lenken. Entsprechende Fragen fördern also den Verhandlungsprozess.

Offene und geschlossene Fragen Eine andere Einteilung zwischen verschiedenen Fragetypen lässt sich aus den Möglichkeiten ableiten, die dem Befragten zur Beantwortung verbleiben. Insoweit kann insbesondere zwischen offenen Fragen, die dem Antwortenden sehr viel Raum für eine Antwort lassen, und geschlossenen Fragen, auf die der Antwortende im Grundsatz nur mit „ja“ oder „nein“ antworten kann, unterschieden werden. Offene Fragen erleichtern den Informationsfluss („Wie wollen wir jetzt vorgehen?“), vermeiden Belehrungen („Welche Vorschläge haben Sie für die Lösung dieser Frage?“), drängen keine Lösungen auf („Welche Gesichtspunkte sollten wir aus Ihrer Sicht noch berücksichtigen?“) und animieren den Befragten zum Nachdenken („Welche Punkte müssen wir in diesem Zusammenhang ansprechen?“). Sie beleben das Gespräch und vermitteln den Beteiligten das Gefühl, dass ihre Darstellung Bedeutung hat. Offene Fragen signalisieren Interesse und Einfühlungsvermögen („Welche Möglichkeiten bestünden, um Ihrem Interesse nach einer wirtschaftlichen Handhabung der Abwicklung gerecht zu werden?“). Offene Fragen sind in jeder Phase der Verhandlung ein sehr wichtiges Kommunikationsinstrument, insbesondere aber, wenn es um die Erforschung der Interessen der Parteien in Phase 3 (vgl. Kapitel 6) und die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten in Phase 4 (vgl. Kapitel 7) geht. In anderen Situationen empfiehlt sich allerdings bisweilen der Einsatz geschlossener Fragen („Sind Sie damit einverstanden, dass wir jetzt beginnen?“). Auf sie kann es im wahrsten Sinne des Wortes zur Verhandlungsführung ankommen, wenn die Parteien vom Thema abkommen oder – in der Praxis nicht selten – einzelne Beteiligte zu weitschweifigen Ausführungen neigen („Waren Sie bei der Vertragsverhandlung am 2. Oktober 2010 persönlich anwesend?“). Die Verwendung geschlossener Fragen ist umgekehrt auch hilfreich, wenn eine Person kaum am Gespräch teilnimmt und Sie versuchen, Informationen von ihr zu erhalten („Kennen Sie sich mit dieser Technologie aus? Können Sie einem Kunden die Funktionsweise der Geräte erklären? Wären Sie dazu in der Lage, mit anderen Technikern über die angeblichen Mängel zu sprechen?“). Schließlich können Sie diesen Fragetyp verwenden, wenn Sie gemeinsam mit den Beteiligten logische Gedankengänge nachvollziehen oder eine Überprüfung ihres Standpunkts anregen wollen. Geschlossene Fragen bieten sich insbesondere an, wenn es in Phase 2 um die gezielte Aufklärung bestimmter Sachverhaltsfragen oder in Phase 4 um die abschließende Bewertung von Lösungsmöglichkeiten geht. Sowohl mit offenen als auch mit geschlossenen Fragen können Sie dem Überoptimismus der Parteien entgegenwirken. Als besonders wirkungsvoll 155

Methode der Mediation hat es sich erwiesen, die Beteiligten zu bitten, die Perspektive zu wechseln und zu erklären, welche Gründe es dafür geben könnte, dass ihr Standpunkt unzutreffend ist. Müssen Parteien die Schwäche ihrer eigenen Positionen erklären, werden ihnen mögliche Defizite unter Umständen deutlicher bewusst. Insbesondere in einem Einzelgespräch, das einer Partei die Möglichkeit gibt, vertrauensvoll mit Ihnen als Mediator auch über Schwachpunkte der eigenen Position zu reden, werden Sie dieses Vorgehen wählen (zu Einzelgesprächen vgl. Kapitel 6 und 9). Da die Steuerung des Informationsflusses eine Ihrer wichtigsten Aufgaben ist, werden Sie in jeder Phase der Mediation Nachfragen stellen. Sie sollten der Klärung oder Ergänzung dienen. Wenn sich das Bild vervollständigt, können diese zeigen, wie gut Sie die Parteien verstanden haben.

Wahrnehmung des Konflikts durch die Parteien feststellen und verändern Um ein gemeinsames Verständnis der Themen zu erarbeiten, genügt es nicht, die maßgeblichen Fakten zu sammeln. Die Beteiligten müssen auch die jeweilige Wahrnehmung des Konflikts durch den anderen verstehen und ihre Haltung korrigieren können. Als Mediator haben Sie mehrere Möglichkeiten, die Wahrnehmung der Parteien zu verändern. Für das gegenseitige Verständnis förderlich ist es, die Parteien dazu zu animieren, zwischen dem eigentlichen Ereignis, also dem Anlass, und ihrer jeweiligen Wahrnehmung des Ereignisses zu unterscheiden. Darüber hinaus können Sie als Mediator die Wahrnehmung der Parteien dadurch verändern, dass Sie die zuvor erläuterten Techniken des Paraphrasierens und Verbalisierens nutzen.

Unterscheidung zwischen Ereignis und dessen Wahrnehmung Der Grund für negative Emotionen liegt nicht in dem Ereignis selbst, sondern in der Reaktion darauf. Um also negative Gefühle gegenüber einer Person oder einem Ereignis zu verändern, muss sich folglich die Bewertung durch den Betroffenen ändern. Um eine überoptimistische Selbsteinschätzung, reaktive Abwertung, attributionelle Verzerrungen oder ähnliche kognitive Einigungshindernisse (vgl. Kapitel 2) abbauen oder wenigstens begrenzen zu können, müssen die Betroffenen ebenfalls ihre Wahrnehmung verändern. Sie können den Beteiligten diese Aufgabe dadurch erleichtern, dass Sie mit ihnen schon sprachlich stets genau zwischen einer Aussage und deren Wahrnehmung unterscheiden. Wenn die Beteiligten den Unterschied zwischen dem Ereignis und dessen Interpretation erkennen, ist die Grundlage für ein größeres, gegenseitiges Verständnis häufig schon gelegt. Nehmen wir folgen156

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen des, anonymisiertes Beispiel aus der Praxis: Die zwei Inhaber eines Verlags unterhalten sich über den wenig befriedigenden Geschäftsverlauf im zurückliegenden Jahr. Inhaber Beckmann äußert: „Wir haben uns wohl im letzten Jahr zu sehr mit neuen Projekten verzettelt.“ Sein Partner Schwarzer antwortet: „Das finde ich nicht fair. Wenn Du die Beziehungen zu den Kunden nicht vernachlässigt hättest, stünden wir heute besser da.“ Das Gespräch eskaliert. Wie kommt es zu der Eskalation? Inhaber Schwarzer, der viel Zeit mit dem Aufbau des neuen Online-Geschäfts verbracht hat, fühlt sich angegriffen. Zwar will sein Partner Beckmann nur zur Diskussion stellen, ob sich der Verlag auf bestimmte Sparten konzentrieren sollte. Schwarzer bezieht seinen Hinweis allerdings sofort auf sich, da er für den Aufbau des OnlineGeschäfts zuständig ist. Er fühlt sich angegriffen, weil er in der Bemerkung von Beckmann eine versteckte Kritik an dem von ihm verantworteten Geschäft sieht. Bevor er sich erkundigt, ob sein Eindruck zutrifft, geht er zum Angriff über. Er wirft Beckmann die Vernachlässigung der Kunden vor. Beckmann versteht diese Attacke nicht. Er hatte die Verbindung zum Aufbau des Online-Geschäfts gar nicht herstellen wollen, fühlt sich in die Defensive gedrängt und schlägt ebenfalls verbal zurück. Hätte das Gespräch zwischen Beckmann und Schwarzer in einer Mediation stattgefunden, hätte der Mediator die Bemerkung von Beckmann über die Notwendigkeit der Konzentration auf das Kerngeschäft aufnehmen können. Er hätte ihm eine auf eine Klarstellung abzielende Nachfrage stellen können, um herauszufinden, in welcher Weise sich die beiden Gesellschafter mit dem Aufbau neuer Geschäftsfelder beschäftigt haben („Bitte helfen Sie mir, die Situation zu verstehen. Welche Projekte hatten Sie sich im vergangenen Jahr vorgenommen? Mit welchen Kundenbeziehungen hingen diese zusammen?“). Auf diese Weise wären das Missverständnis und die Eskalation zu vermeiden oder schnell zu korrigieren gewesen. Das Beispiel zeigt also, wie hilfreich ein unbeteiligter, mit sprachlicher Sensibilität ausgestatteter Dritter die Kommunikation unterstützen kann.

Prüfung der Bewertungen durch Verbalisieren Auch indem Sie die Techniken des Paraphrasierens und Verbalisierens nutzen, veranlassen Sie die Beteiligten zu einer Überprüfung ihrer Bewertungen. Dabei können Sie als Mediator den eigentlichen Hintergrund der Aussage verdeutlichen, indem Sie die zugrundeliegenden Empfindungen und Interessen hervorheben, ohne den Inhalt der Aussage zu verfälschen. Sie neutralisieren die Äußerung und formulieren sie positiv um. Ein Vertragshändler äußert in einer Mediation, der Hersteller habe lediglich „Schrott-Autos“ geliefert. Der Mediator kann diese Aussage wie folgt wiedergeben: „Sie waren

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Methode der Mediation also von der Qualität der gelieferten Produkte sehr enttäuscht. Ihnen liegt daran, hochwertige Fahrzeuge zu erhalten.“ Hinter der Beschwerde über die „Schrott-Autos“ standen sowohl ein Gefühl der Enttäuschung als auch das sachliche Interesse an einer bestimmten Produktqualität, das der Mediator in seiner Zusammenfassung wiedergegeben hat. Dabei hat er eine negative Bewertung durch eine neutrale Umschreibung des Gefühls ersetzt und das Interesse positiv formuliert. Wenn ein Mediator über einen längeren Zeitraum hinweg Aussagen über den Unwert der Handlungen des anderen durch Aussagen über das jeweilige Gefühl der Beteiligten und deren Ansprüche ersetzt, können sich im Lauf der Verhandlungen die Wahrnehmungen und damit auch die Emotionen (im engeren Sinne) und Stimmungen verändern. Aggressive Impulse bleiben aus, eine konstruktive Stimmung entwickelt sich, die Beteiligten können eine sachliche Haltung einnehmen. Wir haben bereits am Anfang dieses Kapitels darauf hingewiesen, dass Gefühle aus der Bewertung der eigenen Wahrnehmung entstehen. Die Interpretation der Wahrnehmung erfolgt bei den meisten Menschen willkürlich. Sie kann stärker die positiven oder die negativen Aspekte betonen. Je weiter ein Konflikt sich fortentwickelt, umso mehr negative Gefühle hegen die Beteiligten allerdings. Im ersten Kapitel haben wir bereits die Mechanismen beschrieben, die zu Wahrnehmungsverzerrungen führen, und den Verlauf von Eskalationen dargestellt. Indem Sie die Bemerkungen der Beteiligten in der zuvor beschriebenen Weise wiedergeben, können Sie zu einer Deeskalation beitragen. Die unterschwelligen positiven Aspekte einer Äußerung hervorzuheben, ist so lange legitim, wie sie sich tatsächlich feststellen lassen. Sobald die positiven Gesichtspunkte nur in Ihrer Wunschvorstellung vorhanden sind oder Sie versuchen, diese den Parteien zu suggerieren, werden die Beteiligten Ihre Zusammenfassungen als Fehldeutungen angreifen. Dasselbe gilt, wenn eine positive Motivation zwar existiert, aber von Ihnen in einer Weise betont wird, die in keinem Verhältnis mehr zu der Wahrnehmung der Parteien steht. Auch vor Verallgemeinerungen sollten Sie sich daher hüten. Wenn Sie eine angemessene Balance bei der Wiedergabe der Äußerungen der Parteien auf einem adäquaten Abstraktionsniveau finden, so können Sie damit auch das Einigungshindernis der Verlustangst reduzieren (vgl. Kapitel 2). Menschen sind nämlich eher zu Zugeständnissen bereit, wenn sie den Verhandlungsrahmen insgesamt positiv einschätzen. Dagegen scheinen Personen, die eine Verhandlung negativ bewerten, eher auf ihrer Position zu beharren. Wenn Sie negative Formulierungen neutral umdeuten, können Sie so auch die Verlustangst der Beteiligten begrenzen.

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Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen

Fragen zur Feststellung der jeweiligen Wahrnehmung Indem Sie den Beteiligten durch Ihre Verbalisierungen deren eigene Wahrnehmungen vor Augen führen, helfen Sie ihnen auch, zwischen der Sachund der Beziehungsebene zu trennen. Sie unterdrücken damit nicht Emotionen, sondern bringen diese mit in die Verhandlung ein. Sofern Sie die Parteien dabei unterstützen, Anlässe und Gefühle zu unterscheiden, schaffen Sie die Voraussetzung dafür, dass die Beteiligten die Ereignisse anders bewerten, ihre Haltung ändern und eine Beilegung des Konflikts möglich wird. Für diesen Zweck sind z. B. die folgenden Fragen hilfreich:37 „Wie wichtig ist dieses Ereignis für Sie – heute und in der Zukunft? Was könnte es weniger bedeutungsvoll erscheinen lassen? Wie könnte Ihnen dieser Vorfall in einer Weise helfen, die Sie bislang noch nicht erörtert haben? Wie wichtig ist es für Sie, den anderen in dieser Situation verantwortlich machen zu können? Welchen Nutzen haben Sie, wenn Sie dem anderen die Verantwortung aufbürden? Unterstellt, er würde diese tragen, welche Kosten hat dieser Zustand für Sie? Was würde Ihnen helfen, über diese Vorwürfe hinwegzukommen? Wie ließe sich die Situation korrigieren? Was haben Sie getan, um mit der Situation zurechtzukommen? Wie fühlen Sie sich, nachdem Sie diesen Versuch unternommen haben? Was könnten Sie noch unternehmen? Warum wäre diese Initiative hilfreich?“

Einfühlungsvermögen fördern Am leichtesten fällt es den Konfliktparteien, ihre Wahrnehmung zu korrigieren, wenn es ihnen gelingt, die Sichtweise anderer zu verstehen und sich in deren Lage hineinzuversetzen. Viele sträuben sich allerdings bereits gegen den bloßen Versuch eines solchen Perspektivenwechsels. Sie fürchten, dass sie damit den Eindruck vermitteln könnten, sie würden die Ansichten der anderen Partei teilen. Tatsächlich hat Einfühlungsvermögen jedoch nichts mit Sympathie zu tun. Verstehen ist nicht Billigen. Es kommt alleine darauf an, eine Situation, in der sich die andere Partei befunden hat, oder ihr Verhalten in dieser Lage nachempfinden zu können. Um als Mediator emotional Verständnis zu signalisieren, gehen Sie regelmäßig mit kurzen Zusammenfassungen auf die Emotionen der Beteiligten ein. Sie gefährden Ihre Unparteilichkeit dabei nicht durch Äußerungen, die lediglich Interesse oder Verständnis bekunden. Wohldosiert dürfen Sie darin auch Anerkennung aussprechen. So können Sie zum Beispiel die gerade vortragende Partei ermuntern fortzufahren, indem Sie etwa sagen: „Das interessiert mich genauer. Können Sie das noch ein wenig näher erklären?“ Formulieren Sie auch ein Lob, soweit dieses sich auf den Verhandlungsprozess bezieht: „Ich glaube, wir haben Fortschritte gemacht. Wir sind einer Lösung nähergekommen.“ Schließlich bringen Sie Ihr Mitgefühl zum Ausdruck, in159

Methode der Mediation dem Sie zum Beispiel sagen: „Ich kann mir vorstellen, dass Sie damals unter erheblichem Druck standen. Das kann ich nachempfinden.“ Wenn Sie in diesem Sinne Empathie zeigen, beachten Sie allerdings stets die Wirkung auf die anderen Personen und überschreiten Sie nicht die Grenze zur Sympathiebekundung. Das wäre z. B. der Fall, wenn Sie eigene Bewertungen einfließen lassen und sich auf die Seite einer Partei stellen würden: „Sie müssen damals ja unter einem vollkommen ungerechtfertigten Druck gestanden haben. Da hätte ich mich genauso zur Wehr gesetzt wie Sie.“ Durch ein empathisches Kommunikationsverhalten können Sie dazu beitragen, dass die Parteien sich ebenfalls darum bemühen, die andere Seite und deren Befindlichkeiten besser zu verstehen. Eigenes Einfühlungsvermögen zu zeigen, bedeutet jedoch nicht, die Kontrahenten zu einem entsprechenden Verhalten zu drängen. Das wäre kontraproduktiv.38 Um auch den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, die Situation eines anderen nachzuempfinden, kann sich ein Perspektivenwechsel empfehlen (vgl. Kapitel 6).39

Vertrauen und Beziehung fördern Zu Beginn des Konflikts sind die Beteiligten meist in negativen Emotionen und Feindbildern gefangen. Die Kommunikation ist gestört, das Vertrauen gering. Um den Konflikt jedoch nachhaltig beizulegen, ein Ergebnis zu erzielen, das den Interessen beider Parteien gleichermaßen gerecht wird und dazu auch noch kreativ Werte zu schaffen, bedarf es effektiver Kooperation. Ein gutes Ergebnis kann nur durch das Poolen der gemeinsamen geistigen und materiellen Ressourcen gelingen. Ein erster Schritt besteht darin, dass die Parteien ihren Konfliktpartner nicht nur als anonymen Gegner, sondern als Person kennenlernen. Jemandem, den man persönlich kennt, der ein Gesicht und einen Namen hat, kann man nicht mehr so leicht die dem Feindbild der „Gegenseite“ entsprechenden Eigenschaften zuschreiben. Merken die Beteiligten, dass der Vertreter des „Gegners“ ja „eigentlich ganz nett“ ist, ist ein erster Schritt hin zu einer kooperativen Beziehung getan. Eine gute Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen können Treffen in informalem Rahmen – wie etwa ein gemeinsames Mittagessen, ein kurzer Small Talk40 vor dem Beginn der Mediation oder ein Gespräch in den Pausen – bieten. Häufiger informaler Kontakt zwischen den zerstrittenen Parteien im Vorfeld der Mediation ist für den Aufbau einer funktionierenden Arbeitsbeziehung von großer Bedeutung. So haben empirische Studien gezeigt, dass der bloße Kontakt, die Präsenz und die körperliche Nähe zueinander dazu führen, dass man sich gegenseitig zunehmend sympathischer findet.41 Dem liegt der unbewusste Mechanismus zugrunde, dass wir Dinge oder Personen, denen wir längere Zeit ausgesetzt sind, mögen.42 Im Kontext bedeutender und komplexer Mediationen kann es 160

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen daher auch aus diesem Grund durchaus sinnvoll sein, der eigentlichen Mediation mehrere informale Treffen und Telefonkonferenzen vorangehen zu lassen. Zum Zeitpunkt der Mediation stehen sich die Beteiligten dann nicht mehr als Gegner, sondern als alte Bekannte gegenüber.43 Dass man seinen Konfliktpartner auf einer persönlichen Ebene als Person anerkennt, seine Emotionen versteht und seinen Argumente zuhört, heißt nicht, dass man ihm auch in der Sache zustimmt. Es ist aber die Voraussetzung, in der Sache zu einer guten, beiderseits interessengerechten Einigung zu gelangen. In dem Maße, in dem es den Parteien gelingt, eine positive Beziehung zueinander aufzubauen, werden Sach- und Beziehungsebene voneinander getrennt und die Verhandlung in kooperativere Bahnen gelenkt.

Gemeinsamkeiten entdecken Das Beziehungsband zwischen den Parteien wird enger, wenn sie Gemeinsamkeiten entdecken, sich auf ein gemeinsames Ziel oder eine gemeinsame Vision verständigen oder einem gemeinsamen Problem gegenüberstehen. Wir mögen Menschen, die so sind wie wir. Dieser Grundsatz gilt auch zwischen Parteien in Verhandlungen. So konnte in empirischen Untersuchungen nachgewiesen werden, dass eine gleiche Einstellung zu einem Objekt, etwa einem Ereignis, einer Idee oder einer dritten Person, die gegenseitige Attraktion zwischen Personen verstärkt.44 Der Anlass für eine solche Gemeinsamkeit kann dabei trivial sein: die Heimatstadt, die gemeinsam besuchte Universität, ein längerer Auslandsaufenthalt im gleichen Land, die geteilte Begeisterung für ein Hobby, eine Sportart oder eine Mannschaft, ein ähnlicher familiärer oder beruflicher Hintergrund, die gleiche Vorliebe für eine bestimmte Musikrichtung, ein gemeinsames Lieblingsbuch, eine bestimmte Küche. Stellen die Parteien fest, dass sie aus derselben Stadt kommen („Berlin kenne ich sehr gut. Ich habe dort lange Zeit gelebt. Aus welcher Ecke dort kommen Sie?“), einen ähnlichen familiären Hintergrund haben („Ich habe auch Kinder. Wie alt sind Ihre?“), dieselbe Begeisterung für den Sport („Ich bin begeisterter Bergsteiger. Kennen Sie den Tristkogel?“) oder auch denselben beruflichen Status teilen („Lässt Sie Ihr Chef auch wie bei uns bis Mitternacht arbeiten?“), ist das Eis erst einmal gebrochen, und es eröffnet sich ein ganzes Feld gemeinsamer Gesprächsthemen. Eine ähnliche Wirkung hat das gegenseitige Spiegeln der Körpersprache der Parteien.45 Als Mediator können Sie diesen Prozess fördern, indem Sie den Parteien – etwa durch ein informales Treffen vor dem Beginn der Mediation – ein geeignetes Forum zum gegenseitigen Kennenlernen zur Verfügung stellen und sie durch geeignete Fragen anregen, Gemeinsamkeiten zu entdecken. Eine ähnliche Wirkung wie das Aufdecken von Gemeinsamkeiten hat das Minimieren von Unterschieden, indem es dazu beiträgt, die negative Wahrnehmung, die eine Partei im Hinblick auf ihrem Konfliktpartner hat, zu

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Methode der Mediation reduzieren. Dabei kann Ihrer vermittelnden Tätigkeit als Mediator zentrale Bedeutung zukommen, indem Sie etwa durch Paraphrasieren die Unterschiede zwischen den Positionen verringern und stattdessen die gemeinsamen Punkte, wie etwa das gemeinsame Ziel einer schnellen, kostengünstigen und wertschöpfenden Beilegung des Konfliktes, betonen. Die Identifizierung eines gemeinsamen Zieles und einer gemeinsamen Vision kann die Haltung der Parteien zueinander erheblich verbessern und sie in der miteinander geteilten Herausforderung, ein gemeinsames Problem zu meistern, zusammenführen.46 Als Mediator können Sie diesen Wechsel von der kontradiktorischen zur problemlösenden Perspektive unterstützen, indem Sie den Parteien die Bedeutung und die Vorteile einer Kooperation deutlich machen, sie für das gemeinsame Ziel einer einvernehmlichen, wertschöpfenden Lösung des Sachproblems begeistern und den Blick von der Vergangenheit auf die Zukunft lenken.

Gegenseitiges Verständnis fördern Werden am Beginn der Verhandlung die geltend gemachten Forderungen häufig noch als ungerechtfertigt oder sogar als Provokation empfunden, so kann sich diese Einstellung schnell ändern, wenn die Parteien aus ihrer jeweiligen Perspektive die Hintergründe des Sachproblems, ihre Sorgen und ihre Emotionen offenlegen. Das differenziertere Verständnis des Sachproblems aus der Sicht des anderen Konfliktpartners führt nicht nur zu einer objektiveren Sicht auf die materiellen Fragen, sondern verbessert zugleich die Beziehung zwischen den Parteien. Die jeweils andere Partei wird nicht mehr als Gegner, sondern vielmehr als Person mit Visionen, Sorgen, Ängsten und Gefühlen wahrgenommen, die nicht mehr ohne Weiteres ignoriert werden können, sondern vielmehr als legitime Interessen wahrgenommen werden. Wenn die Parteien beginnen, darüber nachzudenken, wie sich diese Interessen mit den eigenen integrieren lassen, haben sie bereits den wesentlichen Schritt von der kontradiktorischen zur Perspektive des Problemlösers vollzogen. Sie können die Parteien in diesem Prozess als Mediator unterstützen, indem Sie sie zu einem offenen Austausch über ihre Emotionen, Sorgen und Interessen motivieren. Hierzu können Sie auf die ganze Bandbreite an Techniken zurückgreifen, die wir Ihnen in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellt haben. Die Preisgabe von Informationen über sich selbst und die eigenen Emotionen macht verwundbar, lädt aber zu reziprokem Verhalten ein und baut so Vertrauen auf.47 Das Prinzip der Reziprozität ist sehr stark und in Verhandlung von zentraler Bedeutung.48 Es wirkt in beide Richtungen: Wenn wir etwas erhalten, fühlen wir uns gedrängt, diese Geste des Gebens zu erwidern, und wenn uns jemand etwas schuldet, so fühlen wir uns ihm auf besondere Weise nahe.

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Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen

Positive Gefühle verstärken Positive Gefühle lassen sich allerdings nicht nur durch das Herstellen von Reziprozität stärken. Ihnen steht als Mediator eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, mit deren Hilfe Sie nicht nur negative Emotionen begrenzen, sondern darüber hinaus auch positive Emotionen fördern können. So können Sie die Parteien an eine positive Zeit gemeinsamer Zusammenarbeit erinnern, durch Fragen herausarbeiten, aus welchen Gründen diese Zusammenarbeit beendet wurde (z. B. Missverständnisse) und eine positive, gemeinsame Zukunft entwerfen. Darüber hinaus können und sollten Sie auch durch eine positive Grundeinstellung, vielleicht durch den Einsatz von Humor und durch eine geeignete Gesprächsführung gleich zu Beginn der Mediation, den richtigen Ton setzen und sich proaktiv um eine positive Gesprächsatmosphäre bemühen. Auf dieser Grundlage wird es den Parteien leichter fallen, den Konflikt hinter sich zu lassen, sich in ihrer Beziehung wieder neu aufeinander hin auszurichten und gegenseitig Vertrauen aufzubauen.

Vertrauen aufbauen Vertrauen wächst schrittweise über eine längere Zeit. Es ist wie die Reputation ein wertvolles, nicht leicht ersetzbares Gut: Es dauert lange, bis Vertrauen gewachsen ist, und es ist schnell verspielt. Vertrauen ist die freiwillige Erbringung einer riskanten Vorleistung unter Verzicht auf explizite vertragliche Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen in der Erwartung, dass diese riskante Vorleistung erwidert und nicht ausgenützt wird.49 Vertrauen kann aus zwei Quellen erwachsen: Aus der Tatsache, dass ich eine Person sehr gut kenne, sie verstehe und daher ihr Verhalten zutreffend einschätzen und vorhersagen kann (wissensbasiertes Vertrauen), und aus der Tatsache, dass ich mich mit einer Person, ihren Werten und ihrer Persönlichkeit identifiziere (identifikationsbasiertes Vertrauen). Zentral für das Wachsen von Vertrauen ist damit eine ausreichend enge Beziehung, eine intime Kenntnis der anderen Person und eine Geschichte bestätigter und damit nicht oder kaum enttäuschter Erwartungen. Um im Rahmen der Mediation Vertrauen aufzubauen, bedarf es daher eines Minimums an gegenseitigem Verständnis und gegenseitiger Wertschätzung, um dessen Vermittlung Sie sich als Mediator bemühen müssen. Im Kontext von Verhandlungen gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um das gegenseitige Vertrauen der Parteien zu fördern: Neben klaren, übereinstimmenden und sich nicht widersprechenden Aussagen, gehören dazu eine Kongruenz von Wort und Tat, kleine Zeichen des guten Willens, ein Vertrauensvorschuss, etwa indem man sich selbst in eine substantiell oder nur symbolisch unterlegene Position begibt, die andere Partei um Hilfe oder um einen Gefallen bittet, indem man etwas Persönliches preisgibt, eine 163

Methode der Mediation echte Sorge für die Nöte und Interessen der anderen Partei unter Wahrung der eigenen Interessen zeigt und ein Verständnis für die Bedürfnisse und Sorgen des jeweiligen Verhandlungspartners entwickelt, auch wenn man selbst diese nicht teilt.50

Zusammenfassung Die Emotionen der Beteiligten sind im Konflikt ebenso wie in den Bemühungen um dessen Beilegung stets präsent. Sie zu verstehen, ist für die Konfliktbeilegung wichtig, weil sie über Bedürfnisse und Interessen ebenso wie über die Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen der Parteien oder die Qualität von Beziehungen Auskunft geben. Anders als man vermuten könnte, besteht die Schwierigkeit für den Mediator weniger im Schutz der Beteiligten gegen Gefühlsausbrüche als vielmehr in der Wahrnehmung und Offenlegung versteckter Emotionen. Denn über den Einsatz von Kommunikationstechniken, insbesondere das Paraphrasieren und Verbalisieren, lassen sich emotionale Eskalationen vermeiden. Dagegen ist es ohne die Bereitschaft der Beteiligten, sich über ihre Wahrnehmungen und Empfindungen auszutauschen, sehr viel schwieriger, eine Klärung der unterschiedlichen Interpretationen der Realität zu erzielen. Mit Hilfe der Techniken des aktiven Zuhörens, des verständigen Zusammenfassens (Paraphrasieren und Verbalisieren) sowie verschiedener Fragetypen können Sie als Mediator die Emotionen der Beteiligten kontrollieren und den Gang der Verhandlung steuern. Fragen lassen sich nach ihrem Zweck (direkte, zirkuläre, strategische und reflexive Fragen) sowie den Möglichkeiten der Beantwortung (offene und geschlossene Fragen) einteilen. In der Praxis ist es zusätzlich manchmal nützlich, zu Beginn der Mediation mit den Beteiligten Kommunikationsregeln zu vereinbaren: Die Beteiligten unterbrechen einander nicht. Sie sprechen über ihre eigene Wahrnehmung, ohne das Handeln der anderen zu bewerten. Mit der geeigneten Kommunikation veranlassen Sie als Mediator die Beteiligten in einem ersten Schritt dazu, zwischen den Ereignissen und ihrer Wahrnehmung zu unterscheiden. In einem zweiten Schritt können Sie eine Prüfung der Bewertung anregen. Während das Paraphrasieren und Verbalisieren auf der sprachlichen und damit intellektuellen Ebene stattfindet, bekunden Sie auf der emotionalen Ebene Ihr Einfühlungsvermögen. So fördern Sie intellektuell und emotional die Konfliktbearbeitung. In geeigneten Situationen laden Sie die Betroffenen dazu ein, sich selbst jeweils in die Perspektive des anderen zu versetzen und darzustellen, wie sie diese erlebt haben. Wenn die Wahrnehmungsunter-

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Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen schiede geklärt worden sind, ist die Entwicklung eines gemeinsamen Konfliktverständnisses in der Regel abgeschlossen. Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen den Parteien wird gefördert, wenn sie ermutigt werden, Gemeinsamkeiten zu entdecken und durch einen Perspektivwechsel Verständnis für die Situation und die Interessen des anderen zu entwickeln. Welche Bedeutung die Interessen der Beteiligten in einer Mediation haben und wie sich diese erforschen lassen, ist Gegenstand des nächsten Kapitels.

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Interessen erforschen und gewichten

Zwei Schwestern streiten in der Küche um die letzte dort liegende Orange. „Ich bin älter als Du!“, ruft die eine. „Das interessiert mich nicht, Du hast gestern schon eine Orange gegessen!“, entgegnet die andere. „Wenn Du mir die Orange nicht lässt, dann nehme ich sie mir einfach!“, erwidert wiederum die erste, körperlich stärkere Schwester. „Das kannst Du gerne versuchen, dann erzähle ich alles der Mutter!“, erhält sie zur Antwort, und in diesem Stil geht der Austausch der Argumente weiter. Nehmen Sie einmal an, Sie sollten den Streit zwischen den beiden Schwestern schlichten. Was würden Sie tun? Eine gerechte Lösung scheint darin zu liegen, die Orange in zwei Hälften zu teilen und beiden Schwestern jeweils eine Hälfte anzubieten (vielleicht schlagen Sie auch vor, dass eine der beiden Schwestern, die durch das Los bestimmt wird, teilen und die andere aussuchen soll, vgl. Kapitel 8). Unterstellen wir einmal, Sie gehen genau so vor. Die eine Schwester nimmt nun ihre Hälfte, pellt die Schale ab und isst das Fruchtfleisch. Die andere Schwester entfernt ebenfalls die Schale von ihrer Hälfte, wirft das Fruchtfleisch weg und beginnt, mit der Schale einen Orangenkuchen zu backen. Wie gefällt Ihnen Ihre Lösung? Was dieses vielzitierte1 und zugegebenermaßen stilisierte Beispiel anschaulich zeigt, ist die Bedeutung von Interessen in einer Verhandlung oder Mediation: Eine Lösung, die allein einen Ausgleich zwischen den geltend gemachten Verhandlungspositionen der Beteiligten („Ich will die Orange!“) sucht, ist zumeist suboptimal. Wenn demgegenüber die „hinter“ diesen Verhandlungspositionen „verborgenen“ Interessen erforscht werden, lassen sich häufig bessere Ergebnisse erzielen. Beide Schwestern hätten 100 Prozent (und nicht nur 50 Prozent) dessen bekommen, worum es ihnen geht. Ähnliches gilt auch und gerade bei Konflikten im Wirtschaftsleben. Eine mit dem Orangen-Beispiel vergleichbare Struktur haben etwa Verteilungskonflikte, welche die Auseinandersetzung eines Vermögens oder einer Vermögensgesamtheit betreffen. Denken Sie beispielsweise an Gesellschafter eines Unternehmens, die jeweils „das Unternehmen“ für sich beanspruchen, oder an Miterben, welche sich um „die Erbschaft“ streiten. Aber auch bei Sach-, Grundsatz-, Strategie- oder Beziehungskonflikten (vgl. Kapitel 1) führt ein Beharren auf den geltend gemachten Verhandlungspositionen oftmals zu suboptimalen Ergebnissen für alle Beteiligten. 167

Methode der Mediation Mit dem Begriff und der Bedeutung von Interessen, mit ihrer Vielfalt, Wahrnehmung, Gewichtung und Veränderung wollen wir uns deshalb in diesem Kapitel beschäftigen. Auch wird es darum gehen, Ihre Rolle als Mediator im Rahmen des Prozesses der Interessenerforschung und -gewichtung näher zu bestimmen sowie die Mediationstechniken kennenzulernen, die Sie insoweit einsetzen können. In Kapitel 7 werden wir dann erörtern, wie sich in einer Mediation aus den gewichteten Interessen der Beteiligten wertschöpfende Lösungsmöglichkeiten zur Konfliktbewältigung entwickeln lassen. Vorab sei nochmals bemerkt, dass Mediation in unterschiedlichen Formen und Stilen stattfindet (vgl. Kapitel 3).2 Als Mediator können Sie sich auf eine Analyse und Bearbeitung eines beschränkten Konfliktfeldes konzentrieren. Möglicherweise wünschen die Beteiligten aber auch eine umfassende Konfliktbewältigung. Sie müssen mit den Parteien von Fall zu Fall und gegebenenfalls von Situation zu Situation festlegen, ob Sie eher moderierend oder auch bewertend vorgehen wollen und welche Art von Bewertungen zulässig sind und gewünscht werden. Schließlich kommt es vor allem darauf an, „die Basis“ der Mediation zu bestimmen: Soll es primär um eine Abschätzung der Rechtslage gehen (rights-based-mediation)? Oder stehen die Erforschung der Interessen der Beteiligten und die Entwicklung interessengerechter Problemlösungen im Vordergrund (interest based mediation)? Aufgrund der Bedeutung von Interessen für eine dauerhafte und allseits zufriedenstellende Konfliktbewältigung wird letzteres regelmäßig der Fall sein – aber dies muss in der Mediation geklärt werden.

Positionen, Interessen und Bedürfnisse Was ist ein „Interesse“? Dem eingangs geschilderten Orangen-Beispiel lassen sich Anhaltspunkte für die Bestimmung des Interessenbegriffs in Abgrenzung zu dem Begriff der Verhandlungsposition (kurz: Position) entnehmen. Eine Position wird festgelegt durch eine Forderung: Ein Beteiligter verlangt etwas von einem anderen. Juristisch gesprochen bedeutet dies: Es wird ein Anspruch geltend gemacht. „Ich will 100.000 Euro Schadensersatz von Ihnen!“ wäre beispielsweise eine typische Position. Positionen beziehen sich auf mögliche Ergebnisse einer Verhandlung oder Mediation. Interessen sind demgegenüber Gründe oder Motive für eine bestimmte Position. So kann hinter dem Verlangen nach Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall beispielsweise das Interesse des Geschädigten an Wiederherstellung seiner körperlichen Integrität (Heilungskosten), an der Finanzierung seines Lebensunterhaltes (Verdienstausfall), an einem Ausgleich für den erlittenen Schmerz und vieles andere liegen. Verkürzt gesagt geht es bei Positionen darum, was (welches konkrete Ergebnis) man will, während bei Interessen nach dem Warum einer bestimmten Forderung gefragt wird. 168

Interessen erforschen und gewichten Eine wichtige Funktion sozialer oder rechtlicher Normen liegt darin, Ansprüche festzulegen. Damit überführen sie regelmäßig bestimmte Interessen in bestimmte Positionen. Wenn ein Konflikt „verrechtlicht“ wurde, wenn es nur noch Rechtsfragen sind, um die gestritten wird, dann geht es ausschließlich um Positionen. Die Frage nach den Interessen der Beteiligten ist ein Schritt in Richtung einer „Entrechtlichung“ der Auseinandersetzung: Warum wird eine bestimmte Forderung erhoben? Was würde ihre Erfüllung für den Anspruchsteller bedeuten? Worum geht es den Beteiligten wirklich? Die Unterscheidung zwischen Positionen und Interessen ist wichtig, weil ein bestimmtes Interesse in der Regel auf unterschiedliche Weise befriedigt werden und demzufolge auch in ganz unterschiedliche Positionen „münden“ kann: Das Interesse eines Unternehmensangestellten an Anerkennung seiner Arbeit mag beispielsweise durch eine Gehaltserhöhung, eine Beförderung, durch eine besondere Auszeichnung („Mitarbeiter des Monats“), durch lobende Worte des Chefs oder durch eine Urlaubsreise („Incentive-Reise“) befriedigt werden. Die Menge allseits vorteilhafter Lösungsmöglichkeiten wird größer, wenn die Positionsebene verlassen wird und die Interessen der Beteiligten ins Blickfeld kommen. Nun ist die Frage nach dem „Warum“ einer bestimmten Forderung natürlich möglicherweise wiederholbar. Anders gewendet: „Hinter“ einem bestimmten Interesse steht eventuell ein weiteres, fundamentaleres Interesse. So ist der Wunsch, einen Orangenkuchen zu backen, eventuell vorrangig durch den Spaß am Backen motiviert, eventuell aber auch durch die „Lust auf Süßes“ oder schlicht durch Appetit, gegebenenfalls auch durch eine Kombination aus allen diesen Möglichkeiten. Man kann dies zum Anlass nehmen, terminologisch zwischen Positionen, Interessen (unterschiedlicher Grade) und – auf einer noch fundamentaleren Ebene – Bedürfnissen (ebenfalls unterschiedlicher Grade) zu differenzieren. Während sich die Menschen hinsichtlich ihrer Interessen häufig stark voneinander unterscheiden, besteht regelmäßig Übereinstimmung im Hinblick auf grundlegende Bedürfnisse wie z. B. physisches Wohlbefinden und soziale Wertschätzung.3 Interessen sind danach zeit-, umstands- und persönlichkeitsabhängige Motive, die sich aus bestimmten Bedürfnissen ergeben. Es ist wichtig, die Funktion dieser Differenzierung im Auge zu behalten: Das Erforschen „tiefer liegender“ Interessen bzw. Bedürfnisse hat den Sinn, das Spektrum denkbarer Lösungsmöglichkeiten zu erweitern (vgl. oben). Soweit man sinnvollerweise die Frage stellen kann, warum etwas beansprucht bzw. gewünscht wird, sollte man diese Frage in einer Mediation stellen (sich selbst – als Beteiligter – oder als Mediator). Sinnvoll ist diese Frage, solange „tiefer liegende“ Interessen bzw. Bedürfnisse potentiell auf unterschiedliche Art und Weise erfüllt werden können, die Konfliktlösungsmöglichkeiten also erweitert werden. Weniger sinnvoll ist die Suche nach 169

Methode der Mediation fundamentalen Interessen bzw. Bedürfnissen, wenn dadurch unvereinbare ideologische Differenzen (Werthaltungen) zutage gefördert werden: „[Leftist guerilla leaders] … might unite on the issue of overthrowing the rightist dictator; an agreement that attempted to reconcile their underlying interests would likeley be more difficult to achieve.“4 Im Gegensatz zu reinen Interessenkonflikten sind Wertkonflikte nur schwer im Rahmen einer Mediation beizulegen.5

Bedeutung von Interessen und Interessenerforschung Die Erforschung der Interessen der Beteiligten besitzt in einer Mediation in vielen Fällen einen zentralen Stellenwert. Nicht selten wird ein Großteil oder sogar der überwiegende Teil der Mediationszeit mit dieser Aufgabe verbracht. Dafür gibt es – über den bereits erwähnten Aspekt der Erweiterung des Lösungsraumes hinaus – gute Gründe, mit denen wir uns im Folgenden näher beschäftigen.

Abbildung 1: Viereck der Schlüsselfaktoren (© Bühring-Uhle, Eidenmüller, Nelle)

Abbildung 1 zeigt die Entscheidungssituation eines Beteiligten in einer Verhandlung bzw. Mediation. Wenn Sie dieser Beteiligte sind, dann bedeutet dies: Irgendwann müssen Sie sich zwischen den denkbaren Einigungsoptionen und den Ihnen zur Verfügung stehenden Nichteinigungsalternativen entscheiden. Dafür brauchen Sie einen Bewertungsmaßstab. Das sind in ers170

Interessen erforschen und gewichten ter Linie6 Ihre Interessen. Sie fragen sich, ob eine bestimmte Einigungsoption Ihren Interessen besser dient als eine bestimmte Nichteinigungsalternative oder vice versa. Einigungsoptionen, Nichteinigungsalternativen und Interessen sind nicht „objektiv gegeben“. Sie haben vielmehr ein gänzlich subjektives Bild dieser Faktoren, nehmen diese subjektiv wahr. Das gilt auch für Ihre Interessen: Sie haben eine Vorstellung davon, worum es Ihnen in einer Verhandlung bzw. Mediation geht. Diese Vorstellung kann aus den unterschiedlichsten Gründen verzerrt oder unrichtig sein (etwa weil Sie von einem anderen Beteiligten manipuliert wurden). Umgekehrt beeinflussen Ihre Interessen auch Ihre Wahrnehmung: Sie sehen die Welt so, wie Sie sie sehen wollen (selektive Wahrnehmung, vgl. Kapitel 1). Dieses Viereck der Schlüsselfaktoren stellt, wie bereits erwähnt, die Entscheidungssituation eines Beteiligten dar. So wie Sie haben auch alle anderen Beteiligten ihre „eigenen“ Interessen und Nichteinigungsalternativen sowie ihre höchst subjektive Sicht der Dinge. Gemeinsam sind allen Beteiligten nur die denkbaren bzw. vorgeschlagenen Einigungsoptionen. Vor diesem Hintergrund wird eine Reihe von Gründen dafür deutlich, dass der Prozess der Interessenerforschung in jeder Mediation einen sehr hohen Stellenwert besitzt.

Klärung von Bewertungsmaßstäben und Autonomiegewinnung Wer als Beteiligter in einer Mediation seine Interessen nicht kennt, kann keine informierte Entscheidung über bestimmte Konfliktlösungsmöglichkeiten treffen. Noch schlimmer, als nicht zu wissen, was man will (im Sinne von: welches Ziel man erreichen möchte, welche Position man beansprucht), ist es, nicht zu wissen, was einen befriedigt bzw. glücklich macht. Auch Akteure im Wirtschaftsleben legen sich über die Vielfalt ihrer Interessen bzw. der Interessen ihrer Organisation oftmals nicht hinreichend Rechenschaft ab. Ein wesentlicher Zweck der Interessenerforschung in der Mediation liegt deshalb darin, den Beteiligten zu helfen, Klarheit hinsichtlich der eigenen Interessen als dem relevanten Bewertungsmaßstab zu gewinnen. Bisweilen sind das Selbstwertgefühl eines Beteiligten und seine Autonomie allerdings so beschädigt, dass er sich nicht einmal mehr als selbstbestimmten Träger eigener Interessen begreift. Man denke etwa an eine Mediation, deren Anlass massives Mobbing gegen einen Mitarbeiter in einem Unternehmen ist. In einer solchen Situation kann eine Klärung der Interessenlage erst erfolgen, wenn vorher das Selbstwertgefühl und die Autonomie des Betreffenden wiederhergestellt wurden. Diesem zu helfen, sich nicht über Projektionen anderer, sondern „aus sich selbst heraus“ zu bestimmen, ist das Ziel. Kann dieses Ziel nicht erreicht werden, so ist Mediation als Form 171

Methode der Mediation der Konfliktbewältigung ein ungeeignetes Verfahren, und die Beteiligten sind in einem eher justizförmigen Prozess möglicherweise besser aufgehoben (vgl. Kapitel 12).

Reflexion der eigenen Wahrnehmung Wir hatten bereits gesehen, dass unsere Interessen unsere Wahrnehmung beeinflussen (wir sehen, was wir sehen wollen), und dass wir umgekehrt auch ein ganz subjektives Bild davon haben, was unsere Interessen sind (wir haben eine Vorstellung davon, worum es uns geht). Interessenerforschung in einer Mediation ist nicht nur wichtig, um den Beteiligten zu helfen, sich Klarheit über ihre Bewertungsmaßstäbe zu verschaffen und gegebenenfalls (in bestimmten Konfliktsituationen) ihr Selbstwertgefühl und ihre autonome Entscheidungsfähigkeit wiederzugewinnen. Es geht auch darum, den Effekt unserer Interessen auf unsere Wahrnehmung („Was sehe ich nicht, weil ich es nicht sehen will?“) sowie umgekehrt unsere Selbsteinschätzung kritisch zu reflektieren („Welches Bild habe ich von meinen Interessen?“). Nur so lässt sich eine informierte und aufgeklärte Entscheidung zur Konfliktbeilegung treffen.

Förderung von Empathie Der dritte und vielleicht wichtigste Grund für die Bedeutung der Interessenerforschung in einer Mediation liegt in der Förderung der Empathie der Beteiligten, also ihrer Fähigkeit, auch für die Interessen der anderen Beteiligten und deren Sichtweise Verständnis zu entwickeln. Bereits in Kapitel 5 hatten wir uns mit der rationalen und der emotionalen Dimension der Empathie beschäftigt. Bei der Interessenerforschung steht die zuerst genannte Dimension im Vordergrund: Gefragt ist nicht so sehr emotionale Einfühlung als vielmehr rationales Verstehen. Jeder Beteiligte in einer Mediation hat seine eigenen Interessen und seine subjektive Sicht der Dinge, seine „Landkarte“, an der er sich orientiert. Die eigene Sicht der Dinge ist jedoch nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit, ein Wirklichkeitskonstrukt. Gute Verhandler sind solche, die neben ihren eigenen Interessen immer auch diejenigen des Verhandlungspartners und dessen Wahrnehmung der Verhandlungssituation im Auge haben: Nur wer insoweit nicht „im Dunkeln tappt“, kann seinem Verhandlungspartner Vorschläge machen, die auch für diesen – nach seiner Interessenlage und seiner Einschätzung der Verhandlungssituation – potentiell akzeptabel sind. Ob man entsprechende Vorschläge dann auch machen will, ist eine ganz andere Frage. Das hängt von der eigenen Interessenlage ab. Interessenerforschung in einer Mediation bedeutet also keineswegs nur Erforschung der eigenen Interessen, deren Wahrnehmung und kritische Refle172

Interessen erforschen und gewichten xion. Interessenerforschung bedeutet auch und gerade, dass jeder Beteiligte die Interessen der jeweils anderen und deren Wahrnehmung erkennen und verstehen lernt. Es geht darum, die Begrenztheit und Relativität der eigenen Sichtweise zu verstehen und das Wirklichkeitsbild, von dem man ausgeht, zu korrigieren und zu erweitern. Die Angst, dadurch Vorteile zu verspielen oder schlechter abzuschneiden, ist unbegründet: Sie können sehr bestimmt Ihre Interessen vertreten – also stark sein in der Dimension der Selbstbehauptung – und gleichzeitig ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen für die Interessenlage der anderen Beteiligten entwickeln. Zwischen Selbstbehauptung und Einfühlungsvermögen besteht nur scheinbar ein Gegensatz. Sich gut einfühlen zu können bedeutet nicht, nachzugeben oder nachgeben zu müssen (vgl. Abbildung 2).7

Abbildung 2: Selbstbehauptung und Einfühlung

Als Mediator nehmen Sie in dem Prozess der Förderung der gegenseitigen Empathie eine Schlüsselrolle ein. Machen Sie deutlich, worum es geht: Die Beteiligten sollen Gelegenheit erhalten, die Interessen der jeweils anderen Seite besser zu verstehen. Dieses Verständnis kann man auch dann entwickeln, wenn man einander „nicht mag“: Empathie ist etwas anderes als Sympathie. Bereits als Sie sich den Konflikt aus der Warte aller Beteiligten haben schildern lassen, nachfragten und so ein erstes Bild der Situation erhielten, konnte die jeweils andere Seite gar nicht anders als zuzuhören und damit – vielleicht zum ersten Mal – etwas über die Interessen der Gegenseite zu erfahren. Jetzt soll dieses Verständnis weiterentwickelt und vertieft werden.

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Methode der Mediation Ein bekannter US-amerikanischer Rechtsprofessor erzählte anlässlich einer Tagung zum Verhandlungsmanagement einmal von seiner Tätigkeit als junger Rechtsanwalt in einer größeren Sozietät. Zusammen mit zwei ebenfalls jungen Kollegen wurde er eines Tages in das Büro eines der Seniorpartner gerufen. Dieser berichtete den drei Anwälten über eine rechtliche Anfrage eines neuen Mandanten, der für die Sozietät sehr wichtig werden könne. Er bat die drei deshalb, binnen 48 Stunden ein solides Gutachten zu entwerfen, das die gestellten Fragen beantwortet. Die drei jungen Anwälte begannen sogleich mit großem Einsatz, in Tagund Nachtarbeit das Gutachten fertigzustellen. Zwei Tage später übergaben sie es ihrem Chef. Der blätterte es aufmerksam und interessiert durch, bemerkte, dass nach seinem ersten Eindruck wohl gute Arbeit geleistet worden sei, und erklärte dann: „Allerdings muss ich Euch jetzt sagen, dass unser tatsächlicher Mandant die Gegenseite ist. Ihr habt nochmals 48 Stunden, um das ‚richtige‘ Gutachten zu schreiben.“ Die drei jungen Anwälte waren naturgemäß zunächst verstört und auch verärgert. Hatten sie umsonst geschuftet? Als sie das Gutachten „umschrieben“, merkten sie jedoch, dass ihnen dies leichter fiel als erwartet: Sie hatten sich so intensiv mit den möglichen Überlegungen und Argumenten der anderen Seite – und damit auch mit den Schwächen der eigenen Position – auseinandergesetzt, dass sie viel souveräner schreiben und den Interessen ihres Mandanten dienen konnten. Der Trick des Chefs zahlte sich aus. Kasten 1

Entdeckung von Wertschöpfungspotentialen Die Erforschung der Interessen der Beteiligten in einer Mediation hat über die Förderung der gegenseitigen Empathie hinaus schließlich den – bereits angesprochenen – Zweck, den Lösungsraum zu erweitern. Wir werden uns im nächsten Kapitel ausführlich mit der Frage beschäftigen, wie sich in einer Mediation „Wert schöpfen“ lässt, wie also Einigungsoptionen entwickelt werden können, die für alle Beteiligten Vorteile bieten. Dabei wird sich zeigen, dass einerseits gemeinsame, andererseits aber auch unterschiedliche Interessen zur Wertschöpfung ausgenützt werden können (erinnert sei insoweit nochmals an das eingangs diskutierte Orangen-Beispiel). Während das gegenseitige Beharren auf unterschiedlichen Positionen regelmäßig in ein Nullsummenspiel führt, bei dem einem Gewinn einer Seite ein entsprechender Verlust der anderen entspricht (Win/Lose-Ergebnis), ermöglicht ein Verhandeln auf Interessenbasis Win/Win-Ergebnisse. Positionsorientiertes Verhandeln versucht, die Vergangenheit zu bewältigen; interessenorientier174

Interessen erforschen und gewichten tes Verhandeln ist darauf gerichtet, die Zukunft zu gestalten – zum Vorteil aller Beteiligten.

Vielfalt von Interessen Die Interessen der Beteiligten in einer Mediation können außerordentlich vielfältig sein. Es gilt, diese Vielfalt zu erfassen, den bestehenden Interessenraum also möglichst vollständig auszuloten. Dabei kann es für Sie als Mediator hilfreich sein, wenn Sie gedanklich zwischen verschiedenen Interessentypen unterscheiden. Häufig wird beispielsweise zwischen prozessbezogenen, persönlichen und wirtschaftlichen Interessen sowie solchen Interessen differenziert, welche die (Geschäfts-)Beziehung zwischen den Beteiligten betreffen.8 Diese Differenzierung erschöpft sich allerdings in einer formellen Kategorisierung unterschiedlicher Interessen. Über materielle Interesseninhalte sagt sie nichts aus. Mit anderen Worten: Dass ein bestimmter Unternehmer wirtschaftliche Interessen hat, ist trivial. Entscheidend ist die Frage, welche Inhalte diese Interessen im Einzelfall haben (z. B. Liquiditätssicherung, Kostensenkung, Umsatzsteigerung, geschäftlicher Ruf). Gleichwohl ist eine formelle Kategorisierung unterschiedlicher Interessen sinnvoll, weil sie uns hilft, in einer strukturierten Form über mögliche Interesseninhalte nachzudenken und diese zu erfragen (vgl. Kasten 2). Wer die potentielle Vielfalt denkbarer Interessen der Beteiligten im Auge hat, wird sich intensiver und erfolgreicher bemühen, tatsächlich ein möglichst vollständiges Bild der Interessenlage zu gewinnen. Interessenvielfalt ergebnisbezogene ./. prozessbezogene kurzfristige ./. langfristige qualitative ./. quantitative ideelle ./. wirtschaftliche persönliche ./. institutionelle gemeinsame ./. unterschiedliche individuelle ./. soziale strategische ./. einzelfallbezogene gegenwärtige ./. zukünftige […] Kasten 2

Bei Wirtschaftsmediationen hat die potentielle Interessenvielfalt im Einzelfall bereits auf die Vorbereitung der Mediation erhebliche Auswirkungen. 175

Methode der Mediation Sind in den Konflikt beispielsweise eine oder mehrere Kapitalgesellschaften involviert, stellt sich sofort die Frage nach der Mitwirkung einer Vielzahl von Personen mit in der Regel stark divergierenden Interessen (Management [altes/neues], Aufsichtsräte bzw. Beiräte, Aktionäre, Belegschaft, Geschäftspartner, Justitiare etc.). Befinden Sie sich in der Rolle des Mediators, dann ist es Ihre Aufgabe, im Vorfeld der geplanten Mediation und im Gespräch mit den unmittelbar Betroffenen den Kreis der Mediationsteilnehmer zu bestimmen: Wer kann zur Konfliktlösung etwas beitragen? Wessen Sachkunde/Kenntnisse sind unerlässlich? Wer hat ein Interesse an einer einvernehmlichen Konfliktlösung, wer gegebenenfalls nicht? Wessen Mithilfe ist für die Umsetzung eines etwaigen Ergebnisses wichtig oder sogar zwingend erforderlich? Das sind einige Fragen, die Sie sich stellen sollten (zu Einzelheiten vgl. Kapitel 4 und 12).

Methoden der Interessenerforschung Angesichts der Bedeutung, welche die Phase der Interessenerforschung für den Mediationsprozess besitzt, stellt sich um so dringender die Frage nach den Methoden, die Ihnen als Mediator zur Verfügung stehen, um diese Phase konstruktiv zu begleiten. Wichtig ist zunächst, dass Sie allen Beteiligten ganz klar den Unterschied zwischen Interessenerforschung auf der einen Seite und der Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten auf der anderen Seite vor Augen führen. Jede Form der vorschnellen Lösungsorientierung ist äußerst schädlich für den Prozess der Interessenerforschung. Als Mediator können Sie die Notwendigkeit dieser Unterscheidung wie folgt erläutern: „Wir wollen jetzt versuchen, ein umfassendes und genaues Bild der Interessenlage zu gewinnen. Dazu ist es wichtig, dass Sie alle Gedanken an Lösungen und Lösungsoptionen zurückstellen. Nur so besitzen Sie die Chance, Ihre eigenen Interessen und diejenigen Ihres Verhandlungspartners wirklich unvoreingenommen zu benennen und sich mit diesen auseinanderzusetzen.“ Haben Sie die Beteiligten für den Unterschied zwischen Interessenerforschung und der Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten sensibilisiert, müssen Sie – um die verschiedenen Methoden der Interessenerforschung sinnvoll einsetzen zu können – im Einzelfall zunächst den Fokus der Interessenerforschung bestimmen.

Fokus der Interessenerforschung Ein komplexer Konflikt (viele Beteiligte, viele Themen) berührt regelmäßig nicht nur äußerst vielfältige Interessen der Beteiligten. Für jeden Beteiligten können sich diese Interessen auch unterscheiden, je nachdem, welche Konfliktfelder (Themen) betrachtet werden. Interessenforschung lässt sich themenspezifisch, aber auch konfliktfeldübergreifend betreiben. Häufig

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Interessen erforschen und gewichten wird es sich empfehlen, das erste Vorgehen zu wählen. Zwar ist es zeitaufwendiger. Im Rahmen der Bestandsaufnahme des Konflikts wurden unterschiedliche Themen jedoch bereits gesammelt und geordnet. Nur bei einer Segmentierung der Konfliktfelder ist es möglich, die konfliktfeldspezifischen Interessen der Beteiligten zu erfassen und entsprechend angepasste Lösungen zu entwickeln. Zudem kommt bei einzelnen Fragen, für die eine Lösung rasch gefunden werden kann, eine Problemabschichtung in Betracht. Schließlich hat eine konfliktfeldspezifische Interessenerforschung den Vorteil, dass sie zumindest häufig konkretere Ergebnisse erbringt und zu einer Entideologisierung der Auseinandersetzung beiträgt (was eine Einigung erleichtert, da weltanschauliche Differenzen erfahrungsgemäß schwer zu überbrücken sind). Gleichzeitig wird die Möglichkeit, am Ende der Mediation einzelne Themen zusammenzuführen und Paketlösungen zu erarbeiten, dadurch nicht verschlossen. In einem von zweien der Autoren gemeinsam durchgeführten Mediationsverfahren ging es um Streitigkeiten zwischen einem Handelsvertreter für Verpackungsmaschinen und seinem Prinzipal. Themen der Mediation waren die Wirksamkeit der Kündigung des Vertrages durch den Vertreter, offene Provisionsansprüche, ein möglicher Ausgleichsanspruch des Vertreters sowie Schadensersatzansprüche, die von beiden Seiten wegen behaupteten vertragswidrigen Verhaltens der jeweils anderen Seite geltend gemacht wurden. Es erwies sich als hilfreich, die Interessen der Beteiligten nach Themen getrennt zu erforschen. So stellte sich schnell heraus, dass beide Parteien aus einer Vielzahl von Gründen das Vertretungsverhältnis gerne beenden wollten. Damit konnte dieser Punkt rasch erledigt und eine Gemeinsamkeit geschaffen werden, die die Behandlung der übrigen Konfliktgegenstände erleichterte. Kasten 3

Erforschung der eigenen Interessen (Selbstbehauptung) Wenn Sie als Mediator in den Prozess der Interessenerforschung „einsteigen“, dann werden Sie zunächst damit beschäftigt sein, den Beteiligten zu helfen, sich über ihre eigenen Interessen Klarheit zu verschaffen. Sie werden also primär mit der Dimension der Selbstbehauptung der Konfliktbeteiligten arbeiten (vgl. nochmals Abbildung 2): Wer seine eigenen Interessen kennt und diese auch vertreten kann, wird eher in der Lage und bereit sein, in ein konstruktives Gespräch mit der anderen Seite einzutreten und sich auf deren Interessen einzulassen.

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Methode der Mediation

Interessen erfragen und visualisieren Interessenerforschung erfordert von Ihnen als Mediator in erster Linie den Einsatz von Fragetechniken (vgl. Kapitel 5). Schlagen Sie den Beteiligten vor, dass Sie zunächst mit der einen und dann mit der anderen Seite bzw. weiteren Beteiligten versuchen wollen, die hinter den geltend gemachten Positionen liegenden Interessen zu erforschen. Fragen Sie nicht nach der Vergangenheit, nach Ursachen und Verantwortlichkeiten, sondern nach Motiven, Wünschen oder Bedürfnissen. Achten Sie auf die Zukunftsgerichtetheit Ihrer Fragen: Als Wirtschaftsmediator sind Sie in erster Linie kein Psychoanalytiker, sondern Problemlöser („Welche zusätzlichen Handlungsmöglichkeiten würde eine Einigung für Sie mit sich bringen?“). Lassen Sie den Beteiligten ausreichend Zeit zu antworten, verlangsamen Sie den Mediationsprozess. Geben Sie sich nicht mit schnell artikulierten, offensichtlichen Interessen zufrieden. Wichtige Interessen sind häufig verborgen und/oder werden – z. B. aus strategischen Erwägungen oder Angst – nur zögerlich artikuliert. Erwarten und tolerieren Sie Sekunden des Schweigens: So können Sie die Beteiligten dazu anhalten, bei einem bestimmten Thema zu bleiben und sich zu öffnen. Achten Sie auf Schlüsselwörter und andere Signale, die ein Beteiligter durch sein verbales oder nonverbales Kommunikationsverhalten aussendet. Das wiederholte Verwenden bestimmter Worte (z. B. „wichtig“, „substantiell“ oder „bedeutend“), Änderungen im Tonfall, der Lautstärke, der Sprechgeschwindigkeit, unerwartete Pausen oder Auslassungen oder besonders betonende Gesten können ein Zeichen für eine hohe emotionale Betroffenheit bzw. einen besonders wichtigen Punkt (ein besonders starkes Interesse) sein. Einen Werkunternehmer, der wiederholt und betont den Wunsch nach einer „raschen Lösung“ artikuliert, plagen möglicherweise Liquiditätsprobleme (vgl. Kasten 4). Visualisieren Sie die artikulierten Interessen, etwa unter Nutzung eines Flipcharts. Sofern negative Interessen formuliert werden (etwa Vergeltung oder Insolvenz eines Konkurrenten), ist die Versuchung hoch, diese – ähnlich wie bei der Sammlung der Mediationsthemen – positiv „umzuformulieren“. Widerstehen Sie dieser Versuchung: Interessen sind Ausdruck der Identität der Beteiligten. Die Gefahr ist groß, dass diese sich nicht verstanden oder sogar manipuliert fühlen, wenn Sie ihre Äußerungen nur sinngemäß und nicht wörtlich notieren. So wenig Sie genannte Interessen umformulieren sollten, so sehr sollten Sie sich nicht mit ersten Antworten zufrieden geben. Nutzen Sie die in Kapitel 5 diskutierten Kommunikationstechniken: Hören Sie aktiv zu – insbesondere durch Paraphrasieren („Verstehe ich Sie richtig, dass …?“) –, fassen Sie zusammen, was gesagt wurde, und fragen Sie weiter, stellen Sie 178

Interessen erforschen und gewichten insbesondere offene Fragen („Was würde Sie zufrieden stellen? Warum stört Sie …? Was bedeutet es für Sie, wenn Sie sagen, dass …?“ etc.). Helfen Sie den Beteiligten, bestimmte Interessen zu fokussieren und detailliert zu ergründen („Lassen Sie uns diesen Gesichtspunkt einmal vertiefen.“). Geben Sie wertschätzendes Feedback, wenn ein Beteiligter sein Interessenspektrum auffächert. Bei sich überlagernden oder sogar widerstreitenden Rollen eines Beteiligten ist es hilfreich, wenn Sie partialisieren, also rollenspezifisch nach Interessen fragen (der Unternehmer als Manager, Eigentümer, Familienvater, Bruder etc. – vgl. das Beispiel des Konflikts in der Steilmann-Gruppe in Kapitel 1). Dadurch kann eine Differenzierung gelingen, ohne die eine Konfliktlösung im Einzelfall möglicherweise unerreichbar ist.

Einzelgespräche führen Immer wieder wird es Situationen geben, in denen einzelne Beteiligte über ihre Interessen vor den Augen der Gegenseite nicht reden wollen – überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in bestimmter Hinsicht. Bei einem deutlichen Machtgefälle zwischen den Konfliktparteien oder massiven Verletzungen auf einer Seite ist die Scheu vor entsprechenden Gesprächen häufig besonders stark ausgeprägt. Auch strategische Erwägungen können dazu führen, dass bestimmte Interessen im Plenum nicht offenbart werden. In einem von einem der Autoren als Mediator begleiteten Mediationsverfahren anlässlich eines Konflikts zwischen einem Automobilzulieferer (Polster für Sitze) und dem -hersteller wegen Qualitätsmängeln der gelieferten Ware sowie Verzugs wurde im Verlauf der gemeinsamen Interessenerforschung eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen auf beiden Seiten ermittelt. Eines aber offenbarte der Zulieferer aus gutem Grunde nicht bzw. nur indirekt („rasche Lösung“): Er hatte akute Liquiditätsprobleme und hätte „übermorgen“ die Einleitung eines Insolvenzverfahrens beantragen müssen, wenn von Seiten des Herstellers nicht schnell gewisse Zahlungen geleistet wurden. Dieser Punkt und sein Effekt auf eine mögliche Konfliktlösung wurden in einem Einzelgespräch mit dem Mediator ausführlich erörtert. Kasten 4

Aus diesen Gründen sollten Sie gegebenenfalls erwägen, den Prozess der Interessenerforschung ganz oder zum Teil im Rahmen vertraulicher Einzelgespräche mit den Beteiligten durchzuführen (vgl. Kapitel 9).9 Eine vollständige Verlagerung dieses Prozesses in Einzelgespräche ist aber nur dann angezeigt, wenn eine Seite vor den Augen der anderen zunächst überhaupt nicht über ihre Interessen sprechen kann oder will. Dies ist jedenfalls bei Ver179

Methode der Mediation handlungen zwischen Unternehmen ein seltener Fall. Ansonsten werden Sie in Einzelgesprächen – die Sie gegebenenfalls aus ganz anderen Gründen vorgeschlagen haben (insbesondere zur Erforschung der beiderseitigen Nichteinigungsalternativen, vgl. Kapitel 9) – lediglich ergänzend fragen, ob Ihnen ein Beteiligter noch etwas mitteilen möchte, was Sie vertraulich behandeln werden.10

Erforschung der Interessen der anderen Seite (Einfühlung) Wir hatten bereits gesehen, dass zur Interessenerforschung auch die Auseinandersetzung mit den Interessen der anderen Beteiligten gehört, dass es darum geht, sich in diese hineinzuversetzen, Empathie zu entwickeln. Das ist der schwierigere Teil: Erwarten Sie als Mediator Widerstand. Zu Beginn wird die Neigung, sich näher mit „dem Gegner“ zu beschäftigen, regelmäßig gering ausgeprägt sein. Machen Sie deutlich, warum dies wichtig ist: „Es wird später darum gehen, Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln, zu denen alle Beteiligten auf der Grundlage ihrer jeweiligen Interessen ‚Ja‘ sagen können. Dazu ist es unerlässlich, dass alle besser verstehen, welche Interessen der Verhandlungspartner hat und wie dieser die Situation sieht.“ Fördern können Sie das wechselseitige Verständnis der Beteiligten, indem Sie diesen die Möglichkeit geben, die „Interessenliste“ der jeweils anderen Seite zu kommentieren und mit dieser in ein Gespräch über deren Interessenlage einzutreten: „Sie haben jetzt gehört, welche Interessen Ihr Verhandlungspartner hat und wie er die Verhandlungssituation einschätzt. Welche dieser Interessen können Sie nachvollziehen, verstehen? Was an der Liste überrascht Sie? Fehlt nach Ihrer Meinung ein wichtiges Interesse? Was veranlasst Sie zu dieser Einschätzung?“ Geben Sie den Beteiligten ausreichend Zeit, sich in die jeweils anderen hineinzuversetzen und sich auf deren Gedankenwelt tatsächlich einzulassen. Eine strukturierte Möglichkeit, diesen Prozess zu vollziehen, liegt in der Durchführung einer Rollenwechselübung oder aber im Einsatz von Entscheidungsszenarien. Rollenwechselübung11 Rollenwechselübungen gibt es in unterschiedlichen Formen. Eine vor allem zur Vorbereitung von Verhandlungen bewährte Variante, die sich auch in einer Mediation einsetzen lässt, trennt zwischen drei Phasen (der für jede Phase zu veranschlagende Zeitraum kann – in Abhängigkeit von der Komplexität der Mediation – zwischen 15 Minuten und einer Stunde liegen). Jede dieser drei Phasen spielen Sie als Mediator mit den Beteiligten in Einzelgesprächen durch. In der ersten Phase interviewen Sie als „Helfer“

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Interessen erforschen und gewichten einen bestimmten Beteiligten über seine Ziele, Interessen, denkbare Einigungsoptionen und mögliche Nichteinigungsalternativen. In der zweiten Phase wechselt der betreffende Beteiligte die Rolle: Er „ist“ jetzt sein Verhandlungspartner (dies können und sollten Sie durch einen Sitzwechsel unterstützen). Sie interviewen ihn über die Ziele, Interessen, denkbare Einigungsoptionen und mögliche Nichteinigungsalternativen seines Verhandlungspartners. In der dritten Phase der Übung vollziehen Sie nunmehr einen Rollenwechsel: Sie spielen den betreffenden Beteiligten und verhandeln mit diesem – er spielt weiter seinen Verhandlungspartner – eine mögliche Konfliktlösung. Phase 2 und Phase 3 zwingen den Beteiligten dazu, sich intensiv mit der Vorstellungswelt und dem Wahrnehmungshorizont seines Verhandlungspartners zu beschäftigen. Es verhandelt sich anders, wenn man bereits einmal in dem Stuhl des Verhandlungspartners gesessen hat und wenn man schon einmal wie dieser den eigenen Argumenten ausgesetzt war. Kasten 5

Arbeiten mit Entscheidungsszenarien12 Ein ähnlicher Effekt lässt sich durch den Einsatz von Entscheidungsszenarien erreichen. Gemeinsam mit Ihnen als Mediator versucht ein Beteiligter in einem Einzelgespräch zunächst, sich Klarheit über das gegenwärtige Entscheidungsszenario (Ist-Szenario) seines Verhandlungspartners zu verschaffen: Vor welche Entscheidung sieht sich dieser durch meinen letzten Vorschlag gestellt? Welche positiven und negativen Konsequenzen ergeben sich für ihn, wenn er diesem Vorschlag zustimmt? Anschließend erarbeiten Sie als Mediator und der betreffende Beteiligte ein Soll-Szenario: Wie müsste ein Vorschlag aussehen, dem der Partner auf der Grundlage seiner Interessen zustimmen könnte? Nicht selten wird eine solche Analyse dazu beitragen, dass ein Beteiligter die zentralen Interessen seines Verhandlungspartners besser versteht und damit auch größere Klarheit über die Parameter eines zustimmungsfähigen Einigungsvorschlages erhält. Kasten 6

Obwohl es in der Regel sinnvoll ist, mit den Beteiligten zunächst über ihre eigenen Interessen und erst anschließend über diejenigen der Gegenseite zu sprechen, werden Sie gelegentlich auch umgekehrt vorgehen. Sind erfahrene Verhandler involviert, können Sie folgendes Vorgehen in Betracht ziehen: In einem ersten Schritt bitten Sie zunächst jede Partei, sich die Interessen der jeweils anderen Seite und deren Priorisierung zu überlegen. Dazu geben Sie allen Beteiligten ausreichend Zeit. In einem zweiten Schritt werden diese

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Methode der Mediation Interessen dann vorgetragen und von Ihnen – etwa auf einem Flipchart oder mittels den Parteien zuvor ausgehändigten Moderationskarten – visualisiert. Anschließend erhält jede Partei Gelegenheit, die Einschätzung ihrer Verhandlungspartner zu kommentieren und gegebenenfalls den Inhalt und die Priorisierung zu korrigieren bzw. zu ergänzen. Durch diese Spiegelung wird allen Beteiligten von vornherein die Bedeutung nahegelegt, welche die Entwicklung von Empathie innerhalb des Prozesses der Interessenerforschung besitzt. Gleichzeitig bleibt ihre Autonomie gewahrt: Sie besitzen das „Recht zur Korrektur“.

Gewichtung von Interessen Den „Interessenraum“ möglichst vollständig zu erfassen, ist wichtig. Dabei dürfen Sie als Mediator jedoch nicht stehenbleiben. Manche Interessen sind für einen Beteiligten lebensnotwendig, manche sehr wichtig, andere weniger wichtig, manche vergleichsweise unbedeutend. Dies herauszufinden, ist essentiell: Nicht nur gänzlich unterschiedliche Interessen bergen Wertschöpfungspotential (erinnert sei nochmals an das Orangen-Beispiel), sondern auch unterschiedliche Priorisierungen: Eine Seite macht im Hinblick auf einen bestimmten Punkt ein Zugeständnis, das ihr leicht fällt, der anderen Seite aber viel nützt, und erhält dafür bei einem anderen Punkt ein entsprechendes Zugeständnis ihres Verhandlungspartners. Es ist Ihre Aufgabe als Mediator, den Beteiligten zu helfen, entsprechende Differenzierungen vorzunehmen.13 Was können Sie konkret tun, damit dieses Ziel erreicht wird? An erster Stelle ist insoweit wieder das einfachste Mittel zu nennen: Fragen Sie und fordern Sie die Beteiligten auf, ihre Interessen zu priorisieren. „Was ist Ihnen besonders wichtig? Warum? Worauf könnten Sie notfalls verzichten?“ Immaterielle Interessen (z. B. Reputation) lassen sich in ihrer Gewichtung durch Fragen möglicherweise mit monetären Interessen vergleichbar machen („Wieviel würden Sie in Public Relations-Maßnahmen investieren, um den durch ein Gerichtsverfahren drohenden Reputationsverlust auszugleichen?“). Eine weitere Möglichkeit, Priorisierungen zwischen Interessen vorzunehmen, ist der Einsatz von Gewichtungsfaktoren. Sie können die Beteiligten beispielsweise bitten, jedem geltend gemachten Interesse einen Faktor zwischen 1 (kaum bedeutsam) und 5 (außerordentlich bedeutsam) zuzuordnen. Noch präzisere Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn jeder Beteiligte eine fixe Punktmenge (etwa 100) erhält und diese Punktmenge entsprechend der subjektiven Einschätzung der Bedeutung seiner Interessen auf bestimmte Verhandlungsgegenstände verteilen muss.

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Interessen erforschen und gewichten Punkteschema zur Interessenbewertung14 Angenommen, Ursula Müller verhandele mit Heinz Stephan über eine neue Position als Marketingleiterin in der Stephan AG. Verhandlungsgegenstände seien Gehalt, Urlaub und Mitarbeiterzahl. Der Verhandlungsspielraum, der durch die Ausgangsforderungen abgesteckt wurde, reiche von etwa 80.000 bis 100.000 Euro Gehalt, 20 bis 30 Urlaubstage und 10 bis 20 Mitarbeiter. Als Mediator können Sie den Beteiligten helfen, die Bedeutung ihrer jeweiligen Interessen mittels eines Punkteschemas zu präzisieren. Bitten Sie Ursula und Heinz in einem ersten Schritt zunächst, sich darüber klar zu werden, wie viele von jeweils 100 Punkten sie auf die für sie optimale Lösung bei den einzelnen Themen allokieren würden (z. B. bei Ursula: 60 Punkte für ein Gehalt von 100.000 Euro, 30 Punkte für 20 Mitarbeiter und 10 Punkte für 30 Urlaubstage). In einem zweiten Schritt geht es dann darum, innerhalb des Spektrums der denkbaren Lösungen bei einem bestimmten Thema Punkte zu verteilen. Dabei kann sich herausstellen, dass der Punktzuwachs nicht linear erfolgt, sondern abnimmt. So ist für Ursula eine Gehaltssteigerung von 80.000 auf 90.000 Euro wahrscheinlich wichtiger als eine weitere Steigerung von 90.000 auf 100.000 Euro (mit der Folge, dass Ursula von den 60 Punkten vielleicht 0 Punkte einem Gehalt von 80.000 Euro, 40 Punkte einem Gehalt von 90.000 Euro und 60 Punkte einem Gehalt von 100.000 Euro zuweist – natürlich sind hier weitere Abstufungen möglich). Auf der Grundlage einer entsprechend differenzierten Interessenbewertung können dann Lösungen gefunden werden, welche die möglichen Unterschiede zwischen Ursula und Heinz im Hinblick auf die relative Bedeutung ihrer jeweiligen Interessen abbilden. Kasten 7

Ein entsprechender Ansatz erlaubt es in einem späteren Stadium der Mediation, auf der Basis der sogenannten adjusted winner strategy nicht nur maximal wertschöpfende (und damit effiziente), sondern vor allem auch gerechte (faire) Lösungen zu identifizieren (vgl. ausführlich Kapitel 8). Ebenso wie bei der Erforschung der Interessen der Beteiligten werden Sie auch bei einer Interessenpriorisierung erwägen, ob Sie insoweit eher im gemeinsamen Gespräch oder aber primär in Einzelgesprächen agieren wollen. Im Grundsatz gilt auch hier wieder: Halten Sie die Mediation und die Medianten so lange wie möglich „zusammen“, und fragen Sie lieber in einem – gegebenenfalls aus einem anderen Grund anberaumten – Einzelgespräch nach Differenzierungen bzw. Gewichtungen, die ein Beteiligter Ihnen erst auf diesem Forum mitteilen möchte. Sofern Sie allerdings eine präzise Interessengewichtung mittels eines Punkteschemas anstreben, wird das häufig nur in Einzelgesprächen möglich sein: Kaum ein Beteiligter wird 183

Methode der Mediation seine Karten in dieser Weise vor den Augen der anderen auf den Tisch legen (wollen).

Veränderung von Interessen Wenn Sie sich als Mediator „auf die Spuren“ der Interessen der Beteiligten machen und ihnen helfen, diese zu erforschen und zu priorisieren, dann entsteht im besten Fall ein höchst differenziertes Gesamtbild, mit dem Sie und alle anderen Beteiligten in der Mediation weiterarbeiten können, um interessengerechte, allseits vorteilhafte Lösungen zu entwickeln. Dabei dürfen Sie jedoch nicht vergessen, dass das so gewonnene Bild eine Momentaufnahme ist: Unsere Lebensbedingungen sind einem ständigen Wandel unterworfen, gleiches gilt für uns selbst und unsere Ziele, unsere Interessen und unser Wertesystem – pánta rhei, wie es schon Heraklit formuliert haben soll.15 Seien Sie deshalb offen für Interessenveränderungen, und ermutigen Sie die Beteiligten, selbst ein Höchstmaß an Offenheit an den Tag zu legen. Nicht nur unser Interessensystem kann sich ändern, auch neue Informationen können dazu führen, dass wir eine bestimmte Frage heute anders beurteilen als vorher. Insbesondere in Mediationsverfahren, die sich über Monate oder gar Jahre erstrecken – was bei Wirtschaftskonflikten allerdings ungewöhnlich ist –, müssen Sie eine erhebliche Sensibilität für mögliche Verschiebungen in den Interessensystemen der Beteiligten entwickeln. Interessenerforschung ist kein statischer, sondern ein dynamischer Prozess. Bürgerdialog Flughafen Berlin Brandenburg International16 Ein dem öffentlich-rechtlichen Bereich entstammendes Beispiel für die Notwendigkeit einer hohen Sensibilität des Mediators für die (mögliche) Verschiebung von Interessensystemen der Beteiligten ist der Bürgerdialog Flughafen Berlin Brandenburg International. Er kam im Juli 1993 in Gang und erstreckte sich über drei Jahre bis zum September 1996. Hintergrund des Bürgerdialogs war die Standortsuche für einen neuen Berliner Verkehrsflughafen, der die drei bestehenden (Tegel, Tempelhof, Schönefeld) ersetzen sollte. Als Mediator und Moderator agierte die vom Land Brandenburg beauftragte Mediator GmbH mit Sitz in Oldenburg. Beteiligt waren Hunderte von Personen und Institutionen, und es gab ebenfalls Hunderte von Konfliktfeldern. Dass es bei einem Vermittlungsverfahren dieser Größenordnung, das sich über Jahre erstreckt, äußerst schwierig ist, der Komplexität Herr zu werden, liegt auf der Hand (vgl. Kapitel 11). Gleichzeitig zeigt sich auch die besondere Herausforderung, mögliche Veränderungen der Interessenlagen zu erspüren. Das Ende des Bürgerdialogs

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Interessen erforschen und gewichten wurde eingeleitet durch einen Beschluss der Berlin Brandenburg Flughafen GmbH im Juni 1996, den Flughafen Schönefeld auszubauen. Offensichtlich hatte sich die Interessenlage der Gesellschafter der GmbH, zu denen neben dem Bund auch die Länder Berlin und Brandenburg gehören, im Zuge des Verfahrens maßgeblich verändert. Kasten 8

Transrapid München Auch anhand des Scheiterns der Transrapidpläne in München lässt sich verdeutlichen, dass sich aufgrund neuer Informationen die Grundlagen für eine Interessenbildung ändern können. Der Transrapid München war ein von Ende 2000 bis März 2008 verfolgtes Projekt zum Bau einer Magnetschwebebahn-Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen dem Flughafen München und dem Münchner Hauptbahnhof. Der Transrapid galt als Prestigeprojekt der CSU-Staatsregierung. SPD, Grüne, Naturschützer und andere Kritiker lehnten das Vorhaben aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, Umwelt und Sicherheit ab. Nachdem man sich im Herbst 2007 zunächst über die Finanzierung geeinigt hatte und damit der Weg für den Transrapid grundsätzlich frei war, scheiterte das Projekt jedoch im Frühling 2008 an einer aktuellen, von 1,85 auf mehr als drei Milliarden Euro gestiegenen Kostenprognose. Danach verständigten sich Vertreter von Bund und Land darauf, das Projekt nicht zu realisieren. Hieran lässt sich gut erkennen, dass Veränderungen hinsichtlich der Finanzierungsmöglichkeiten die zuvor verteidigten Interessen (Verbesserung des Wirtschaftsstandortes, bessere Anbindung, Prestige) nach erfolgtem reality check verblassen lassen können: Die Interessenverwirklichung stößt an unüberwindliche Grenzen (Restriktionen).17 Kasten 9

Zusammenfassung Die Erforschung der Interessen der Beteiligten besitzt für den Erfolg einer Mediation zumeist eine zentrale Bedeutung: Jeder Beteiligte wird dazu angeregt, sich einerseits über die eigenen Bewertungsmaßstäbe klar zu werden (Selbstbehauptung) und diese kritisch zu reflektieren, sich aber andererseits auch mit den Interessen der jeweils anderen auseinanderzusetzen (Empathie). Interessenorientiertes Verhandeln birgt im Gegensatz zu positionsorientiertem Verhandeln zudem das Potential für langfristig befriedigende Lösungen, die für alle Beteiligten Vorteile aufweisen (sogenannte Win/WinLösungen). 185

Methode der Mediation Interessen können außerordentlich vielgestaltig sein, und in komplexeren Mediationsverfahren sind sie dies regelmäßig auch. Als Mediator werden Sie den Prozess der Interessenerforschung zumeist damit einleiten, dass Sie dessen Fokus bestimmen (Welche Interessen sind im Hinblick auf einen bestimmten Verhandlungsgegenstand relevant?). Sie werden die Interessen der Beteiligten erfragen und visualisieren, gegebenenfalls auch in Einzelgesprächen. Empathie erzeugen Sie, indem Sie jeder Seite die Möglichkeit geben, zu den artikulierten Interessen der anderen Beteiligten Stellung zu nehmen. Auch strukturierte Übungen lassen sich zu diesem Zweck einsetzen (Rollenwechselübung, Entscheidungsszenarien). Nicht alle Interessen sind gleich wichtig. Neben der bloßen Interessensammlung ist deshalb die Priorisierung von Interessen eine wesentliche Aufgabe: Gerade unterschiedlich bedeutsame Interessen sind häufig der Schlüssel für wertschöpfende Lösungen. Hilfreich für die Vornahme entsprechender Priorisierungen sind vor allem Gewichtungsfaktoren (beispielsweise Punktesysteme). Interessen sind aber nicht nur unterschiedlich wichtig, sie sind auch wandelbar. Insbesondere in lang andauernden Mediationsverfahren müssen ursprüngliche Einschätzungen deshalb immer wieder revidiert werden: Interessenerforschung ist ein dynamischer Prozess. Diesen dynamischen Prozess mit der gebotenen Aufmerksamkeit und Gründlichkeit zu betreiben, legt die Basis für eine mögliche Konfliktlösung. Wie gehen Sie als Mediator in der Mediation mit den Interessen der Beteiligten um? Was können Sie aus dem Interessenspektrum entwickeln? Das sind Fragen, die uns im nächsten Kapitel beschäftigen werden, dessen Gegenstand die Suche und die Bewertung von Lösungsmöglichkeiten in einer Mediation sein wird.

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Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten

Die Interessen der Konfliktparteien sind wichtige Elemente der Mediation, gewissermaßen ihr wesentliches „Baumaterial“. Nicht immer, aber häufig stehen sie im Zentrum einer Mediation: Zumeist erwarten die Beteiligten von dem Mediator in erster Linie nicht eine Einschätzung der Rechtslage (rights-based-mediation), sondern Unterstützung bei der Entwicklung und Bewertung von Lösungsmöglichkeiten auf der Grundlage ihrer Interessen (interest based mediation). Diese zu erforschen, zu sammeln und zu gewichten, ist dann ein erster, wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer dauerhaften, alle Beteiligten zufriedenstellenden Konfliktlösung. Das beste Baumaterial ist jedoch nichts wert, wenn Sie es nicht oder falsch nutzen. Interessenerforschung, -sammlung und -gewichtung sind kein Selbstzweck. Für den Erfolg einer Mediation ist letztlich von entscheidender Bedeutung, was die Beteiligten – unter Anleitung des Mediators – mit und aus ihren Interessen machen: Gelingt die Entwicklung allseits vorteilhafter (interessengerechter) Lösungen? Wie lassen sich solche Lösungen finden? Welchen Beitrag können Sie als Mediator dazu leisten? Anders als in der Phase der Statuserhebung des Konflikts und anders als in einem Gerichts- oder Schiedsverfahren ist nun von den Parteien und von Ihnen als Mediator in besonderem Maße eine zukunftsgerichtete Sichtweise gefordert: Was können wir ab jetzt gemeinsam tun, um unsere Probleme dauerhaft zu lösen? Nicht selten werden sich Lösungsansätze erst zeigen, wenn das Problemfeld erweitert und auch Fragen, die in einem streitigen Verfahren nicht erörtert würden, in die Betrachtung einbezogen werden. Als Mediator müssen Sie wissen, wie sich in einer Verhandlung Wert schöpfen lässt, und Sie müssen in der Lage sein, das diesbezügliche kreative Potential aller Beteiligten freizusetzen. Mit diesem Kapitel wollen wir Sie dabei unterstützen. In einem ersten Abschnitt geht es zunächst um Wertschöpfungsmöglichkeiten und das sogenannte integrative Verhandeln. Kreativitätstechniken zur Steigerung der Wertschöpfung werden in einem zweiten Abschnitt diskutiert. Hinweise zur Konkretisierung und Bewertung von Einigungsoptionen schließen das Kapitel ab.

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Methode der Mediation

Wertschöpfung und Integratives Verhandeln Wer in eine Mediation eintritt, ist regelmäßig zunächst in einem „Nullsummenparadigma“ gefangen: Erhält die Gegenseite einen Vorteil, muss das zwangsläufig, so denken wir, einem gleich großen Nachteil für uns selbst entsprechen (vgl. Kapitel 3). Dass es Lösungen geben könnte, die allen Beteiligten Vorteile bieten, erscheint zunächst fernliegend. Indes ist genau das die Regel: Reine Nullsummenspiele sind in der Realität seltener, als gemeinhin vermutet wird. In den meisten Fällen lassen sich Gestaltungen finden, die einer Seite nützen, ohne der anderen zu schaden. Solche Lösungen tragen in einer Verhandlung bzw. Mediation dazu bei, Wert zu schöpfen: Der insgesamt zur Verteilung stehende „Kuchen“ wird größer. Daran haben alle Beteiligten ein gemeinsames Interesse. Abbildung 1 zeigt die Anteile zweier Personen, Albert und Billa, an dem in einer Mediation gemeinsam geschaffenen Wert, etwa dem (variablen) Gewinn eines Joint Venture. Alle Punkte auf der abgebildeten Kurve sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Position eines Beteiligten nur noch verbessern lässt, wenn gleichzeitig diejenige eines anderen Beteiligten verschlechtert wird. Solche Lösungen entsprechen einem Effizienzkriterium, das von dem italienischen Ökonomen Vilfredo Pareto entwickelt wurde.1 Sie werden deswegen auch als Pareto-effizient bezeichnet, die in Abbildung 1 sichtbare Kurve als Pareto-Kurve. Das Ziel in einer Verhandlung ist klar: Es geht darum, sich nach Nordosten zu bewegen, also die Pareto-Kurve (und damit beispielsweise die Punkte X oder Y) zu erreichen. Punkt Z ist im Vergleich zu X oder Y ineffizient: Würden sich Albert und Billa für Z entscheiden, dann würden sie unnötig Werte auf dem Verhandlungstisch liegenlassen. Die Position beider ließe sich – durch die Wahl von X oder Y – verbessern.

Abbildung 1: Integratives Verhandeln

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Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten Wie lassen sich nun in einer Mediation praktisch allseits vorteilhafte Lösungen erreichen? Welches sind die Quellen für eine mögliche Wertschöpfung? Die Antwort auf diese Fragen liegt in dem Begriff des „integrativen Verhandelns“: Wertschöpfung in einer Verhandlung bzw. Mediation erfolgt dadurch, dass die Interessen der Beteiligten integriert, dass sie miteinander verzahnt werden.2 Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen.3

Gemeinsamkeiten der Beteiligten Häufig wird sich herausstellen, dass die Beteiligten trotz aller Konflikte eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten, insbesondere von gemeinsamen Interessen, verbindet: etwa der Wunsch nach Aufrechterhaltung einer bestehenden Geschäftsbeziehung (z. B. im Rahmen eines gesellschaftsrechtlichen Verhältnisses oder eines schuldrechtlichen Langzeitvertrages) oder die Möglichkeit, Kostenvorteile zu realisieren (z. B. durch steuerliche Gestaltungen oder die Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung). Bedeutsam ist auch das gemeinsame Interesse, unnötige Wertverluste zu vermeiden: Von einem insolventen Unternehmen profitiert niemand mehr (außer dem Insolvenzverwalter). Gleiches gilt beispielsweise für ein Lager mit verdorbener Ware. Neben materiellen Interessen sind es häufig aber auch verfahrensbezogene Interessen, welche die Beteiligten miteinander verbinden. So werden die Verhandlungspartner in aller Regel an einer Deeskalation des Konfliktes interessiert sein und einen Gerichtsprozess möglichst vermeiden wollen. Sie haben darüber hinaus regelmäßig ein Interesse an einem fairen und transparenten Verfahren, an dem sie angemessen beteiligt sind. Ist dies gewährleistet, so werden sie mit vielen Ergebnissen in der Sache leben können, auch wenn das Resultat ihren Erwartungen nicht vollständig entspricht.

Unterschiede zwischen den Beteiligten Dass Gemeinsamkeiten zur Wertschöpfung und damit auch Konsensbildung ausgenutzt werden können, ist offensichtlich. Dass aber auch und gerade Unterschiede zwischen den Beteiligten der Schlüssel für allseits vorteilhafte Gestaltungen sein können, erscheint kontraintuitiv: Die Gleichsetzung von Unterschied, Konflikt und Dissens liegt nahe. So suggestiv diese Gleichsetzung ist, so falsch wäre sie. Erinnert sei an dieser Stelle nochmals an das in Kapitel 6 diskutierte Beispiel des Streits zweier Schwestern um eine Orange. Immer dann, wenn Unterschiede in den Interessen, Ressourcen, Fähigkeiten oder Kosten der Beteiligten Tauschpotentiale ermöglichen, bieten gerade diese Unterschiede die Chance zur Wertschöpfung. Dieser Gesichtspunkt kann in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ein guter Verhandler und erst recht ein qualifizierter Media189

Methode der Mediation tor werden in einer Verhandlungs- bzw. Konfliktsituation nach entsprechenden Unterschieden suchen, die sich zur Wertschöpfung „ausbeuten“ lassen. Mit Techniken, die zu diesem Zweck eingesetzt werden können, werden wir uns daher in diesem Kapitel noch ausführlich beschäftigen. Kann ich der Gegenseite etwas geben, was für diese eine zentrale Bedeutung besitzt, mir jedoch weniger wichtig ist? Was kann mir die Gegenseite dafür zugestehen? Wer von uns beiden verfügt über bestimmte Ressourcen (Fähigkeiten), die für ein gemeinsames Projekt nötig sind? Wer kann eine bestimmte Aufgabe kostengünstiger erledigen? Das sind einige Fragen, die uns helfen können, die in Unterschieden liegenden Wertschöpfungspotentiale zu identifizieren. Das Auffinden und Ausnutzen von Unterschieden zwischen den Konfliktparteien spielt in praktisch jedem Mediationsverfahren als Instrument zur „Kuchenvergrößerung“ eine zentrale Rolle. Zwei Beispiele aus unserer Mediationspraxis mögen diesen Punkt illustrieren: Im Zentrum eines Verfahrens standen sehr hohe Schadensersatzforderungen der Käuferin eines Bauunternehmens gegen die Verkäuferin wegen einer angeblichen vorsätzlichen Täuschung über die Unternehmensverhältnisse. Monetär betrachtet ist jede Schadensersatzzahlung ein Nullsummenspiel: Ein Euro für die Klägerin ist ein Euro weniger für die Beklagte. Indes hatte sich in der Phase der Interessenermittlung gezeigt, dass die Unternehmenskäuferin einen sehr hohen Bestand an Grundstücken und Bauprojekten und gleichzeitig einen sehr hohen Liquiditätsbedarf hatte. Auf der anderen Seite verfügte die Verkäuferin über Barmittel in einem beträchtlichen Umfang und hatte gleichzeitig ein Interesse daran, die Ergebnisauswirkungen von Schadensersatzzahlungen möglichst niedrig zu halten. Auf dieser Grundlage lag es nahe, zumindest einen Teil etwaiger „Schadensersatzzahlungen“ durch Grundstücks- und Projektgeschäfte zu erbringen: Die Klägerin verkaufte der Beklagten Grundstücke und Projekte zu einem sehr hohen, aber bilanziell noch „vertretbaren“ Preis (Aktivtausch, keine Gewinnauswirkung). Sie erhielt dadurch eine erhebliche Liquiditätszufuhr (mehr als bei einer „reinen“ Schadensersatzzahlung) und verringerte gleichzeitig ihren Grundstücks- bzw. Projektbestand. Die Beklagte demgegenüber reduzierte ihre Liquidität, ohne eine derart negative Gewinnauswirkung, wie sie sie bei „reinen“ Schadensersatzzahlungen zu verkraften gehabt hätte. Im Ergebnis konnten also unterschiedliche Interessen zur Wertschöpfung ausgenutzt werden. In einem anderen Verfahren stritten sich der Mehrheitsgesellschafter einer GmbH (eine börsennotierte AG) und die drei Minderheitsgesellschafter (drei junge Computerspezialisten). Schnell hatte sich herausgestellt, dass die AG mit der GmbH ganz andere Ziele verfolgte als die drei Computer-

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Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten spezialisten: Erstere wollte rasch wachsen und eine strategische Marktposition besetzen, wobei sie die anderen Gesellschafter als „Handlanger“ betrachtete – letztere hatten ein Interesse an einem langsamen Wachstum („klein, aber fein“) und sahen sich nach einer vorangegangenen, langjährigen Angestelltentätigkeit nunmehr erstmalig in einer echten „Unternehmerrolle“. Diese unterschiedlichen Interessen ließen sich nicht miteinander vereinbaren bzw. zu einer Wertschöpfung ausnutzen. Vielmehr lag eine Trennung der Beteiligten nahe, und dazu kam es schließlich: Die AG verkaufte ihre Anteile an der GmbH an die drei Computerspezialisten. Nachdem man sich auf den Kaufpreis verständigt hatte, ging es allerdings um die Frage, wie dieser zu erbringen sei. Dabei halfen Unterschiede: Die drei Computerspezialisten konnten jedenfalls einen Teil durch Werkleistungen erbringen – diese nutzten der AG viel (der Einkauf am Markt wäre sehr teuer gewesen) und kosteten die drei Computerspezialisten wenig (sie kannten sich mit der Materie aus und hatten entsprechende Leistungen bereits in der Vergangenheit erbracht). Hier wurden also unterschiedliche Fähigkeiten und Kosten zur Wertschöpfung ausgenutzt. Kasten 1

Es sind aber nicht nur unterschiedliche Interessen, Ressourcen, Fähigkeiten oder Kosten, die als Grundlage für Kooperationsgewinne in Betracht kommen. Auch Unterschiede im Hinblick auf Prognosen (Erwartungen), Zeitoder Risikopräferenzen bieten Raum für allseits vorteilhafte Gestaltungen. Betrachten wir Abbildung 2, und nehmen wir an, dass Albert (Manager einer AG) mit Billa (deren Mehrheitsgesellschafterin und Aufsichtsratsvorsitzende) über Alberts Gehalt verhandelt. Albert schlägt eine für ihn besonders günstige Lösung C vor (sehr hohes Gehalt), Billa demgegenüber die Lösung D (sehr niedriges Gehalt). Lösung C ist für Billa nicht akzeptabel: Sie ist schlechter als Billas beste Nichteinigungsalternative (0-Punkt). Aus demselben Grund ist Lösung D für Albert nicht akzeptabel. Eine Einigung ist jedoch möglich, wenn Albert und Billa sich auf einen zufallsabhängigen (kontingenten) Vertrag verständigen können4: Würden sie es beispielsweise von dem Wurf einer Münze abhängig machen, ob Lösung C oder D in Kraft gesetzt werden soll (Randomisierung), so betrüge der erwartete Nutzen für beide C/2 + D/2 oder (C + D)/2 (beide Ereignisse sind gleich wahrscheinlich). Dem entspricht graphisch Punkt E.

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Methode der Mediation

Abbildung 2: Wertschöpfung durch kontingente Verträge

Albert und Billa können sich jedoch noch besser stellen. Sie könnten daran denken, den Aktienkurs des Unternehmens zu einem bestimmten (zukünftigen) Zeitpunkt darüber entscheiden zu lassen, welcher Vertrag gelten soll: C, wenn dieser Kurs überschritten, und D, wenn er unterschritten wird. Sofern Albert und Billa diametral unterschiedliche Erwartungen im Hinblick auf die Kursentwicklung haben, gehen beide mit einer subjektiven Wahrscheinlichkeit von 1 davon aus, dass der von ihnen jeweils bevorzugte Vertrag in Kraft gesetzt werden wird. Dem entspricht graphisch Punkt F. Die hier vorgestellte Form der Wertschöpfung durch Randomisierung und/ oder Ausnutzen divergierender Prognosen ist keineswegs nur ein interessantes Gedankenspiel. Sämtliche Optionsmärkte beruhen auf demselben Prinzip. Ähnliches gilt für die bereits erwähnte Ausnutzung von unterschiedlichen Risiko- bzw. Zeitpräferenzen (Versicherungsmärkte einerseits, Kreditmärkte andererseits). Besonders groß ist das Wertschöpfungspotential, wenn entsprechende Unterschiede kumuliert auftreten. Auch dies sei anhand eines Beispiels aus unserer Mediationspraxis verdeutlicht. Im konkreten Fall ging es um die außergerichtliche Sanierung eines notleidenden, mittelständischen Bauunternehmens. Beteiligt an den – durch den Mediator gesteuerten – Sanierungsverhandlungen waren außer dem Alleingesellschafter und -geschäftsführer noch zwei Banken (darunter die „Hausbank“) sowie die beiden wichtigsten Lieferanten. Die Gläubiger hatten ein zentrales Interesse daran, die operative Führung des Unternehmens in „neue Hände“ zu legen. Der Alleingesellschafter konnte sich einen Rückzug aus dem Unternehmen durchaus vorstellen, sofern dieses im Handelsverkehr weiterhin mit ihm identifiziert würde. Im

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Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten Hinblick auf die entscheidende Frage nach der Neuordnung der Finanzierungsbeziehungen der Gesellschaft bestanden zwischen den Gläubigern gravierende Unterschiede: Während die Hausbank die Unternehmenszukunft relativ optimistisch einschätzte (unter anderem im Lichte geplanter Kooperationen mit Tochtergesellschaften der Bank), waren die übrigen Gläubiger sehr pessimistisch gestimmt. Auch hatten insbesondere die Lieferanten selbst mit erheblichen Liquiditätsproblemen zu kämpfen. Die schließlich gefundene Lösung bildete diese Unterschiede zwischen den Beteiligten ab: Der Alteigentümer der Gesellschaft übertrug seine Anteile für einen symbolischen Betrag auf die Hausbank, die über einen Fremdgeschäftsführer die operative Steuerung des Unternehmens übernahm. Die übrigen Gläubiger erhielten eine Barquote auf ihre Forderungen. Der Alteigentümer blieb dem Unternehmen durch einen eingerichteten Beirat verbunden, auch die Firma wurde fortgeführt. Kasten 2

Ob es Unterschiede zwischen den Beteiligten gibt, die Spielräume für integratives Verhandeln eröffnen, hängt regelmäßig von den Themen ab, um die es in der Mediation geht. Je mehr Verhandlungsgegenstände es gibt, desto leichter sind allseits vorteilhafte Gestaltungen möglich: Mit der Zahl der Verhandlungsgegenstände steigt die Wahrscheinlichkeit wertschöpfender Tauschgeschäfte. Das Ausnutzen von Unterschieden durch „Paketlösungen“ setzt demzufolge bisweilen voraus, dass die Verhandlungsgegenstände erweitert werden. Genau darauf müssen Sie als Mediator achten: Haben die Beteiligten ein möglicherweise zu enges Verständnis davon, worum es bei ihrem Konflikt geht? Könnte es eine Einigung erleichtern, wenn auch noch über eine bestimmte andere Frage gesprochen würde? Durch die situationsgerechte Erweiterung der Mediationsgegenstände wird häufig eine Win/WinLösung möglich, die anders nie zustande gekommen wäre. Hier liegt auch ein wesentlicher Vorteil einer Mediation im Vergleich etwa zu einem Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren, bei dem die Problemsicht durch die „Verrechtlichung“ von vornherein verengt ist (und regelmäßig bleibt). Im Jahr 2003 wurde die gerade erst bekannt gewordene US-Band „The Postal Service“ von dem amerikanischen Postunternehmen „United States Postal Services (USPS)“ wegen Markenverletzung abgemahnt.5 Unterlassungsansprüche wurden geltend gemacht. In einem streitigen (Schieds-) Gerichtsverfahren hätte es lediglich um das Recht, den Namen zu führen, gehen können. Die Beteiligten entschlossen sich jedoch dazu, zunächst zu verhandeln und entwickelten schließlich eine Win-Win-Lösung, die so nicht justiziabel gewesen wäre: „The Postal Service“ warb bei seinem jun-

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Methode der Mediation gen Publikum auf Alben und bei Konzerten mit dem USPS-Logo und trat bei einer jährlichen USPS-Veranstaltung auf. Im Gegenzug durfte die Band ihren Namen behalten und ihre Alben sogar über die USPS-Webseite vertreiben.6 Dies trug den Interessen beider Seiten Rechnung: Die Band konnte weiterhin unter ihrem inzwischen bekannten Namen auftreten und so ihre Karriere vorantreiben; das Postunternehmen erhoffte sich durch die Werbung, den Marktanteil bei einem jüngeren Kundenkreis zu erhöhen. Kasten 3

Skaleneffekte Neben dem Ausnutzen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Beteiligten liegt eine dritte Möglichkeit zur Wertschöpfung in einer Verhandlung oder Mediation schließlich in der Nutzung von Größenvorteilen (Skaleneffekten). Aus der Mikroökonomik ist bekannt, dass die durchschnittlichen Herstellkosten eines bestimmten Produktes sinken, je mehr Einheiten davon hergestellt werden. Entsprechende Skaleneffekte lassen sich in vielfältiger Weise zur Realisierung von Kooperationsgewinnen ausnutzen. Ein wichtiges Beispiel sind Joint Ventures bei Forschungs- oder Produktionsvorhaben. Genauso wie auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Beteiligten, müssen Sie als Mediator auch auf mögliche Größenvorteile als Quelle der Wertschöpfung achten. So hat einer der Autoren beispielsweise einmal eine Mediation zwischen zwei Chemieunternehmen durchgeführt, die mit einem Streit um Details eines Produktionslizenzvertrages begann und mit der Neugründung eines Gemeinschaftsunternehmens endete, das die Entwicklung eines neuartigen Herstellungsverfahrens für Autolacke zum Ziel hatte.

Wertschöpfungspotentiale erkennen und nutzen Zu wissen, dass Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Skaleneffekte als Wertschöpfungsquellen in Betracht kommen, ist ein erster, wichtiger Schritt. Was können Sie als Mediator nun aber in der Mediation konkret tun, um gemeinsam mit den Beteiligten entsprechende Wertschöpfungspotentiale zu erkennen und zu nutzen? Wie helfen Sie den Konfliktparteien, allseits vorteilhafte Gestaltungen zu identifizieren? Und wie verhindern Sie, dass unnötig Werte auf dem Verhandlungstisch „liegenbleiben“?

Die Bedeutung kreativen Denkens Ohne Kreativität geht es nicht – gerade in schwierigen, festgefahrenen Mediationssituationen ist sie ein Schlüssel zur Auflösung von Denkblocka194

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten den und ein Wegweiser aus Sackgassen, in die sich die Beteiligten hineinmanövriert haben. Vor allem in der Phase der Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten (Einigungsoptionen) besitzt kreatives Denken in einer Mediation deshalb eine zentrale Bedeutung. Wer in eine Mediation eintritt, ist regelmäßig zunächst nicht nur in einem „Nullsummenparadigma“ gefangen.7 Das eigene Denken wird zumeist auch stark von einer Art „Tunnelvision“ geprägt: Der Konflikt hat eine – gegebenenfalls weit zurückreichende – Vorgeschichte, seine Ursachen werden in einer bestimmten Art wahrgenommen und interpretiert. Auch existiert eine verfestigte Vorstellung davon, wie er denn – wenn überhaupt – gelöst werden könnte (vgl. zu den kognitiven Barrieren für eine Konfliktlösung Kapitel 1). Sind Juristen involviert, verstärkt sich dieser Trend noch: Der Rechtsanwalt erklärt uns, unter welchen Voraussetzungen wir Ansprüche haben (oder uns ihnen ausgesetzt sehen), wir werden gezwungen, präzise Gründe zu finden (oder diese zu entkräften), denken rückwärtsgewandt und „in die Tiefe“ (vertikal). Neue Ideen lassen sich so natürlich nur schwer finden. Kreatives Denken bedeutet in erster Linie, sich von etablierten Denkmustern zu lösen, ein und dasselbe Problem aus einer ganz anderen Warte zu betrachten, nicht „in die Tiefe“, sondern „in die Breite“, „seitwärts“ oder gar „abseitig“ zu denken (lateral).8 Warum ist das nötig? Vielleicht geht es uns manchmal wie jemandem, der nach Wasser sucht und einen Brunnen gräbt. Wenn Sie nichts finden, graben Sie immer tiefer. Anstatt immer tiefer zu graben – und damit in der Grube zu verschwinden –, ist es vielleicht sinnvoll, aus der Grube zu steigen und es an einer anderen Stelle erneut zu versuchen. „The world that we have made as a result of the level of thinking that we have done so far, has created problems we cannot solve at the level of thinking at which we created them“ – so hat es Albert Einstein einmal formuliert.9 Kreatives (laterales) Denken hilft uns häufig, auch analytisch komplex erscheinende Probleme überraschend schnell und verblüffend einfach zu lösen. Nehmen Sie einmal an, Sie hätten ein Glas Wein und ein Glas Wasser. Sie gießen einen Löffel voll Wein in das Wasserglas und rühren um. Wein und Wasser mischen sich. Dann nehmen Sie einen Löffel voll Flüssigkeit aus dem Wasserglas und gießen ihn in das Weinglas. Ist mehr Wein in dem Wasserglas als Wasser in dem Weinglas, oder verhält es sich umgekehrt? Ihre Intuition sagt Ihnen vielleicht, dass mehr Wein in dem Wasserglas als Wasser in dem Weinglas ist (denn: Sie haben zuerst Wein in das Wasser gegossen). Dieser Eindruck täuscht jedoch: Es ist genauso viel Wein in dem Wasser wie Wasser in dem Wein. Um dieses Ergebnis zu verifizieren, können Sie den Prozess betrachten und rechnen. Das ist die naheliegende, analytische Methode. Sie können aber auch lateral denken und vom End195

Methode der Mediation zustand ausgehen: In beiden Gläsern ist am Ende gleich viel Flüssigkeit. Wenn ein bestimmtes Volumen Wein in dem Wasser ist, dann wurde dadurch ein bestimmtes Volumen Wasser verdrängt – und dieses kann nur in dem Wein sein. Um sich für kreatives (laterales) Denken zu öffnen, müssen Sie eine Reihe von Dingen zulassen und fördern: 1. Angst überwinden. Es geht nicht darum, sofort stimmige oder praktikable Lösungen zu entwickeln. Vielmehr sollen neuartige Ideen generiert werden, wie man ein bestimmtes Problem gegebenenfalls auch lösen könnte – Sie haben nichts zu verlieren. 2. Offenheit und Toleranz entwickeln. Auch wenn Sie die Ansichten, Interessen, Positionen und das Verhalten der anderen Beteiligten in einer ganz bestimmten Weise beurteilen – bewahren Sie eine offene Haltung, und gestehen Sie jedem zu, interessante, ungewöhnliche Ideen zu formulieren.

Die Rolle des Mediators Im Hinblick auf die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten befinden Sie sich als Mediator in einer anderen Rolle als in früheren Phasen der Mediation: Es geht jetzt nicht so sehr darum, dass Sie zwischen den Konfliktparteien vermitteln, ausgleichend wirken und Kommunikationsstörungen beheben. Vielmehr hängt es von Ihrem Auftreten und Verhalten ab, ob ein kreativer Prozess in Gang kommt. Dieses Ziel werden Sie nur erreichen, wenn Sie die Beteiligten zu kreativem Denken motivieren, wenn Sie Vorschläge zur Prozessgestaltung machen und insofern auch Regie führen. Als außenstehender Dritter sind Sie für die Rolle eines „Kreativitätskatalysators“ prädestiniert: Die eingefahrenen Denkmuster, in denen die Konfliktparteien sich bewegen, sind nicht die Ihren, deren „Tunnelvision“ teilen Sie nicht. Sie verfügen über eine unbefangene Sicht auf die Dinge, über eine frische Perspektive. Das erleichtert es Ihnen, Ideenanregungen und Gedankenanstöße zu geben. Die Betonung liegt auf „Anregungen“ und „Anstöße“: Mediation ist ein Verfahren der unmittelbar Betroffenen und muss es auch bleiben – sie können und sollen lediglich helfen; die Problemlösung selbst in die Hand zu nehmen, ist nicht Ihre Aufgabe.

Kreativität mit System: Kreativitätstechniken Es entspricht einer verbreiteten Vorstellung, dass es kreative und weniger kreative Menschen gibt. Diese Vorstellung ist nur teilweise richtig. Natürlich ist Kreativität bis zu einem gewissen Grade talentabhängig. Aber genauso, wie man beispielsweise eine Sportart erlernen und seine diesbezüglichen Fähigkeiten ausschöpfen und erweitern kann, lässt sich auch der in uns „schlummernde“ Einfallsreichtum entdecken, entfalten und steigern. Kreatives Denken kann man lernen, ja man kann es sogar – so widersprüchlich das auf den ersten Blick scheint – mit System betreiben. 196

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten Es ist wichtig, dass Sie als Mediator einige Kreativitätstechniken kennen, um sie situationsgerecht vorschlagen und einsetzen zu können. Machen Sie deutlich, worin die Grundidee zur Kreativitätssteigerung liegt: Jede Art der Anschauung ist nur eine mögliche Betrachtungsweise; kreativ zu sein, heißt zunächst nicht, die bestmögliche Lösung zu finden, sondern in einem ersten Schritt möglichst viele denkbare Lösungen zu entdecken. Folgen Sie der Maxime, die Hamlet auf die staunende Verwunderung Horatios hin ausspricht: „There are more things in heaven and earth, Horatio, than are dreamt of in your philosophy.“10 Vorurteile, eine vorschnelle Ergebnisorientierung und Entscheidungshektik beschränken die Entfaltung unseres kreativen Potentials. Ein weiteres Hindernis für kreatives Denken, mit dem Sie als Mediator rechnen müssen, ist die Sorge der Beteiligten, sich festzulegen, Zugeständnisse zu machen oder in anderer Form die eigene Verhandlungsposition zu schwächen. Machen Sie deutlich, dass diese Befürchtung unbegründet ist: Alles, was im Rahmen der Entwicklung von Lösungsoptionen gesagt wird, ist zunächst vollkommen unverbindlich. Eine Idee zu äußern oder einen Vorschlag zu entwickeln, ist eine Sache – sich zu verpflichten, diese Idee bzw. diesen Vorschlag zu akzeptieren oder umzusetzen, eine ganz andere.

Brainstorming Eine verbreitete und auch für Wirtschaftsmediationen geeignete Kreativitätstechnik ist das sogenannte Brainstorming: Es geht darum, einen „Sturm des Geistes“ zu entfachen und eine möglichst umfangreiche, unverbindliche Sammlung spontaner Ideen zur Problemlösung zu entwickeln. Die 1948 vom Werbefachmann Alex F. Osborn entwickelte Technik des Brainstormings geht von der Prämisse aus, dass zwei Köpfe klüger sind als einer allein und dass das Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung besser ist als die Summe seiner einzelnen Teile.11 Grundregel eines jeden Brainstormings ist das Kritikverbot: Sämtliche Ideen, Vorstellungen und Lösungsmöglichkeiten werden zunächst ohne jede Bewertung oder Kritik gesammelt (Phantasiephase). Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt („‘Wildness‘ is welcomed“)12: Je phantasievoller, kühner und „verrückter“ die Ideen sind, umso besser. Erst nachdem alle Kreativitätspotentiale ausgeschöpft sind, werden die einzelnen Vorschläge in einem klar abzugrenzenden zweiten Schritt auf ihre Realisierbarkeit und ihren Wertschöpfungsbeitrag hin untersucht und bewertet (Bewertungs- und Verwirklichungsphase). Dadurch lässt sich vermeiden, dass ungewöhnliche oder verblüffende Lösungen, die bei näherer Betrachtung hohe Kooperationsgewinne versprechen, bereits im Keim erstickt oder als utopisch zurückgewiesen werden. Ziel eines Brainstormings ist es, möglichst viele Ideen zu generieren. Denn je mehr Ideen zur Verfügung stehen, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, 197

Methode der Mediation dass sich unter ihnen ein Gedanke befindet, der den Durchbruch zur Beilegung des Konfliktes bringt. Die entwickelten Ideen „gehören“ der Gruppe. Kein Teilnehmer am Brainstorming kann deshalb eine Urheberschaft an den von ihm entwickelten Ideen beanspruchen. Diese Grundregel schützt nicht nur vor Kritik, sondern begünstigt auch eine Weiterentwicklung der gefundenen Ideen. Denn häufig gehen gute Ideen schrittweise aus bereits existierenden hervor.13 Die Teilnehmer sind daher eingeladen, die von anderen vorgeschlagenen Ideen weiterzuentwickeln und miteinander zu kombinieren. Ein Brainstorming kann jeder Mediationsbeteiligte natürlich auch für sich selbst durchführen. Möglicherweise werden die Parteien daran sogar zuerst denken, weil ein gemeinsames Brainstorming mit dem Verhandlungspartner Risiken birgt: Eventuell teilt man unbeabsichtigt vertrauliche Informationen mit, sagt etwas, was der andere ausnutzen kann oder hält aus Furcht vor Ausbeutung Ideen zurück, die scheinbar für einen selbst ungünstig sind. Diese Risiken müssen mit den Chancen eines gemeinsamen Brainstormings abgewogen werden: Es schafft eine problemlösende Atmosphäre, erhöht die Sensitivität der Beteiligten für die Interessen und Ziele der jeweils anderen Seite und kann zur Entdeckung von Lösungen beitragen, die alle Interessen – nicht nur die eigenen – berücksichtigen. Auch werden auf diese Weise häufig Ideen entwickelt, auf die eine Seite allein, ohne den Austausch mit der anderen, nicht gekommen wäre. Unsere Erfahrung zeigt zudem, dass es die meisten Konfliktbeteiligten als reizvoll empfinden, gewissermaßen unter dem Dach eines gemeinsamen Brainstormings auch einmal „verrückte“ Dinge zu sagen, um zu sehen, wie die andere Seite darauf reagiert. Dies setzt natürlich voraus, dass mit einer entsprechenden Äußerung keinerlei präjudizielle Wirkung verbunden ist. Wenn Sie als Mediator mit den Beteiligten ein gemeinsames Brainstorming durchführen, dann machen Sie deutlich, worum es geht: Spontaneität zu entwickeln, Außergewöhnliches, ja Irreales zu denken (ohne sich festzulegen), und vor allem: nicht zu kritisieren oder zu diskutieren. „Es gibt keine Hierarchien. Niemand kann und sollte geistiges Eigentum beanspruchen. Es ist erwünscht, Ideen von anderen Beteiligten aufzugreifen und weiterzuentwickeln.“ Machen Sie gleichzeitig die Zielrichtung deutlich, in die sich die Kreativität der Beteiligten entwickeln soll: „Wir haben festgestellt, dass es Ihnen, Frau A, in erster Linie um die Aussöhnung mit Ihrem Bruder, und Ihnen, Herr B, primär um eine zukunftsgerichtete Fortführung des elterlichen Unternehmens geht. Welche Ideen kommen Ihnen beiden in den Sinn, wenn es darum geht, Ihre jeweiligen Interessen zu befriedigen?“ Nutzen Sie ein Flipchart, um alles, was gesagt wird, wortgetreu aufzuschreiben. Wenn der Prozess der Ideenentwicklung ins Stocken gerät, sagen Sie etwas Ungewöhnliches oder sogar Provozierendes. Es ist immer wieder ver-

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Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten blüffend, welche neuen Ideen auf den Tisch kommen, wenn ein Beteiligter das Korsett der Normalität bewusst durchbricht. So war einer der Autoren einmal als Mediator in einer Dreieckskonstellation „Eigentümer – Mieter – Untermieter“ tätig. Der Mieter von Geschäftsräumen (Fahrradverkauf und -reparatur) hatte vor mehreren Jahren gegenüber den Eigentümern erhebliche Renovierungsverpflichtungen übernommen und dafür einen langfristigen Mietvertrag zu sehr günstigen Konditionen ausgehandelt. Als er den Beruf wechselte, vermietete er die Räume mit einem erheblichen Aufschlag unter. Bald zeigte sich, dass alle Beteiligten mit der Situation unzufrieden waren: Die Eigentümer hatten ein Interesse an einer langfristigen Vermietung an seriöse Mieter und wollten sich nicht mehr mit dem derzeitigen Hauptmieter über die Erfüllung der übernommenen Renovierungsverpflichtungen „herumschlagen“. Diesen wiederum plagten erhebliche Liquiditätssorgen, und er wünschte sich, möglichst ebenfalls aus dem Vertrag auszusteigen, allerdings nur gegen eine „Entschädigung“ wegen der erbrachten Leistungen. Die vermögenden Untermieter wiederum hatten ein starkes Interesse an einer sicheren Position und konnten sich im Übrigen vorstellen, den Hauptmieter „auszukaufen“. Allerdings scheuten sie eine Haftung für die Renovierungsverpflichtungen. Nach der Klärung der Interessenlage wurden im Wege eines gemeinsamen Brainstormings denkbare Lösungen entwickelt. Die naheliegenden Ideen nannten die Beteiligten zuerst: Übernahme des Hauptmietvertrages durch die Untermieter gegen eine Abstandszahlung an den derzeitigen Hauptmieter; Aufhebung des derzeitigen Haupt- und des Untermietvertrages sowie Neuabschluss eines Hauptmietvertrages mit den derzeitigen Untermietern gegen eine entsprechende Abstandszahlung. Es gab eine Pause. Der Mediator fragte, ob ein Verkauf des gesamten Hauses in Betracht käme. Unmittelbar anschließend brachte einer der Beteiligten den Gedanken ins Spiel, dass die derzeitigen Untermieter das Haus kaufen könnten. So kam es dann schließlich auch. Darüber hinaus wurde der Hauptmietvertrag mit dem derzeitigen Hauptmieter einvernehmlich gegen eine Abstandszahlung beendet. Kasten 4

Brainwriting Einem ähnlichen Ziel wie die Durchführung eines Brainstormings dient eine andere Kreativitätstechnik, das Brainwriting: Das Ziel besteht auch hier darin, möglichst viele Ideen zur Lösung eines bestimmten Problems zu entwickeln. Anders als beim Brainstorming, bei dem alle Beteiligten dem 199

Methode der Mediation Mediator ihre Gedanken zurufen, wird dafür aber eine strukturierte Form der schriftlichen Ideensammlung eingesetzt: Jeder Beteiligte schreibt fünf Minuten lang drei Ideen auf ein Blatt Papier (oder eine Moderationskarte). Nach Ablauf der Zeit gibt jeder sein Blatt im Uhrzeigersinn weiter, und wieder haben alle Beteiligten fünf Minuten Zeit, drei weitere Ideen zu skizzieren. Das Anknüpfen an und Vertiefen bzw. Ausbauen von bereits formulierten Ideen ist erlaubt und erwünscht. Der Vorgang wird fortgesetzt, bis jedes Blatt Papier einmal im Kreis weitergereicht wurde. Natürlich haftet der Zeitvorgabe und der Vorgabe, eine bestimmte Zahl von Ideen vorzuschlagen, etwas Formales an. Aber Kreativität sollte nicht mit Regellosigkeit verwechselt werden: Der Kreativitätsertrag lässt sich zumeist steigern, wenn man sich ein Ziel vorgibt und dann auch versucht, dieses Ziel durch klar strukturierte Abläufe zu erreichen. Brainstorming & Brainwriting ● ●















Ziel: möglichst viele und phantasievolle Ideen in kürzester Zeit Expressivität: äußern Sie alle Ideen, die Ihnen in den Sinn kommen, egal wie verwegen oder verrückt sie erscheinen Kritikverbot: Kommentare, Bewertungen und Kritik eigener und fremder Ideen sind verboten keine Urheberschaft von Ideen: alle Ideen „gehören“ der Gruppe, alle Teilnehmer sind eingeladen, die von anderen vorgeschlagenen Ideen weiterzuentwickeln und zu kombinieren Kreativität: denken Sie lateral in Alternativen, je kühner und phantasievoller, desto besser; auch verwegene und „verrückte“ Ideen zulassen Prozessmoderation: Steuerung des Brainstormings durch einen Moderator Verfahrenstrennung: Klare Trennung vom übrigen Verhandlungsgeschehen Zwei-Phasen Modell: Klare Trennung der Phasen (1. Ideen finden, 2. Ergebnisse sortieren und bewerten) Gruppe erweitern: Gruppe um Experten, Anwälte oder weitere Dritte erweitern

Kasten 5

Mindmapping Verbreiteter noch als Brainwriting ist das sogenannte Mindmapping. Der hauptsächliche Zweck dieser Technik liegt – wie ihr Name schon sagt – darin, die eigenen Gedanken zu organisieren, eine „Landkarte des Geistes“ zu entwerfen: Sie visualisieren Ihre Überlegungen zu einem bestimmten 200

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten Problemkreis, indem Sie, von einem Hauptthema ausgehend, in einzelnen Verästelungen Neben- und Unterthemen (Gedanken) ableiten.14 Mindmaps können Sie mit „Papier und Bleistift“ erstellen. Sie können zu diesem Zweck aber auch auf eine Vielzahl von einschlägigen Software-Werkzeugen zurückgreifen.15 Abbildung 3 zeigt die Funktionsweise von Mindmapping anhand einer typischen Fragestellung aus der Unternehmenspraxis: Wie soll mit einem bestimmten Firmengrundstück verfahren werden?

Abbildung 3: Mindmapping

Mindmapping ist nicht nur ein hilfreiches Instrument der Problemstrukturierung. Indem der sich entwickelnde Baum an allen Stellen „offen“ für Ergänzungen und Hinzufügungen ist, lädt diese Technik dazu ein, assoziativ und kreativ weiterzudenken und das Gedankenbild so zu verfeinern. Ähnlich wie Brainwriting können Sie als Mediator deshalb auch Mindmapping als Kreativitätsstimulans nutzen: Ein Beteiligter beginnt, Ideen zu einem bestimmten Hauptthema in der Form einer mindmap auf einem Blatt Papier zu skizzieren. Anschließend wird das Papier an den nächsten Beteiligten weitergereicht, der den Baum erweitert und ergänzt. Dieser Vorgang setzt sich fort, bis das Papier wieder seinen Ausgangspunkt erreicht (gegebenenfalls werden noch weitere Runden durchgeführt, bis alle Ideen erschöpft 201

Methode der Mediation sind). Mit einem Laptop, einem Beamer und entsprechender Software lassen sich mindmaps gemeinsam mit den Parteien auch elektronisch entwickeln und dynamisch anpassen.

6-Hüte-Methode Insbesondere bei komplexen Fragestellungen kann es hilfreich sein, das Problem systematisch von verschiedenen Seiten (Perspektiven, Denkansätzen) anzugehen und die jeweilige Herangehensweise (den jeweiligen Denkmodus) auch durch ein bestimmtes Symbol zu unterstreichen. Dies leistet die von Edward de Bono entwickelte 6-Hüte-Methode.16 Allein der Begriff klingt vielleicht ein wenig verrückt und/oder sogar albern. Die Methode ist indes lediglich unkonventionell, und kreatives Denken ist zu seiner Entfaltung auch auf ungewöhnliche Mittel angewiesen. Zudem wird die 6-HüteMethode erfolgreich in und von einer Vielzahl von Unternehmen zur Steigerung der Kreativität in Projekten eingesetzt. Die Idee ähnelt derjenigen der Rollenwechselübung, die wir in Kapitel 6 kennengelernt haben: Während es dort um die Einnahme unterschiedlicher Rollen ging, sind es bei der 6-HüteMethode unterschiedliche Denkmodi, die man – für einen begrenzten Zeitraum – übernimmt. Jeder Hut hat eine andere Farbe, und jede Farbe symbolisiert eine unterschiedliche Denkrichtung. 6-Hüte-Methode (nach Edward de Bono) Weißer Hut: Denken Sie an ein weißes Blatt Papier, das farbneutral ist und Informationen aufnehmen kann. Der weiße Hut steht für die wertfreie Sammlung und Verifizierung entscheidungsrelevanter Informationen („Um das geplante Projekt zu beurteilen, benötigen wir noch …“). Roter Hut: Denken Sie an die Farbe Rot, an Feuer und Wärme. Der rote Hut steht für Gefühle, Intuition und Instinkt („Ich habe im Hinblick auf unser Vorhaben ein ungutes Gefühl, da …“). Schwarzer Hut: Stellen Sie sich einen strengen Richter in schwarzer Robe vor. Der Träger des schwarzen Hutes ist kritisch, er sucht, benennt und begründet die negativen Aspekte eines Vorschlags oder Vorhabens („Dieses Projekt ist gefährdet, weil …“). Gelber Hut: Denken Sie an Sonnenschein. Der gelbe Hut steht für eine optimistische Grundeinstellung und das Bemühen, die positiven Aspekte eines Vorschlags oder Vorhabens zu identifizieren und seine Erfolgsaussichten zu vergrößern („Das Projekt könnte dann gelingen, wenn …“). Grüner Hut: Stellen Sie sich Vegetation und üppiges Wachstum vor. Der grüne Hut repräsentiert kreatives Denken, neue Ideen und die Suche nach

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Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten zusätzlichen Alternativen („Könnten wir statt des ursprünglich angedachten Projekts nicht auch etwas ganz anderes machen?“). Blauer Hut: Denken Sie an den Himmel und an die Vogelperspektive. Der blaue Hut steht für die Kontrolle von Methoden und Verfahren. Der Träger des blauen Huts legt die Themen der Überlegungen fest, kann andere Hüte „aktivieren“, formuliert Zusammenfassungen und Schlussfolgerungen sowie Kommentare zu dem gerade benutzten Denkmodus. Kasten 6

Die Hüte haben, wie bereits erwähnt, die Funktion von Symbolen, die die Identifikation der Beteiligten mit dem jeweiligen Denkmodus erleichtern sollen: Wenn wir gedanklich einen bestimmten Hut aufsetzen, übernehmen wir eine bestimmte Denkrichtung und verpflichten uns gleichzeitig, diese mit Leben zu erfüllen. Zu seiner Zeit kommt jeder zu Wort: der Faktensammler in uns, der Gefühlsbetonte, der Kritiker, der Optimist und der Kreative. Welcher Hut zu welchem Zeitpunkt aufgesetzt wird, entscheidet der Träger des blauen Hutes, der für den Gesamtprozess verantwortlich ist. In einer Mediation ist der „geborene“ Träger des blauen Hutes der Mediator. Wenn Sie die 6-Hüte-Methode einsetzen möchten, müssen Sie demzufolge eine Reihe von Fragen der Verfahrensgestaltung beantworten: Wie viel Zeit steht insgesamt zur Verfügung? In welcher Reihenfolge sollten die unterschiedlichen Hüte (gedanklich) aufgesetzt werden? Wie soll mit den Ergebnissen der Diskussion umgegangen werden? Unsere Erfahrung zeigt, dass die 6-Hüte-Methode auch mit einem nur sehr geringen Zeiteinsatz (30 Minuten bis eine Stunde) in verblüffender Weise dazu beitragen kann, ein gleichzeitig strukturiertes und umfassendes Bild eines bestimmten Problems zu entwerfen. Ähnlich wie beim Brainstorming empfiehlt es sich, den schwarzen Hut erst gegen Ende der Übung zu Wort kommen zu lassen, um kreative Impulse nicht bereits im Keim zu ersticken, gefolgt vielleicht vom roten Hut, um gegebenenfalls auf einer positiven, gefühlsmäßigen Note zu enden. Als Moderator und Chronist der Ereignisse können Sie beispielsweise alle Äußerungen auf diversen Flipcharts visualisieren, wobei Sie jeder Denkrichtung ein Flipchart zuordnen und mit der entsprechenden Hutfarbe schreiben sollten (sofern diese gut lesbar ist). Den größten Ertrag bringt die 6-Hüte-Methode natürlich dann, wenn sie in einer (größeren) Gruppe eingesetzt wird: Mit der Zahl der Beteiligten steigt die Zahl der geäußerten Ansichten und Ideen, auch und gerade „unter dem grünen Hut“. Nichts spricht jedoch dagegen, das Verfahren auch in kleinen Gruppen oder sogar für sich selbst (allein) zu nutzen, etwa zur Vorbereitung 203

Methode der Mediation der Mediation. Wenn Sie sich als Mediator in einem sehr konservativen Umfeld befinden, mag es im Einzelfall auch sinnvoll sein, die 6-Hüte-Methode lediglich als „Kurzmetapher“ einzusetzen: Sie schildern, welche Rolle mit welchem Hut verbunden ist, und fordern die Beteiligten dann auf, die Rolle zu wechseln (etwa in dem Sinne, dass der schwarze Hut einmal abgesetzt und gegen den grünen getauscht wird).

Problem oder Problemsicht verändern Wenn der Gedankenfluss ins Stocken gerät und sich in der Mediation möglicherweise sogar ein „betretenes Schweigen“ ausbreitet, sind Sie als Mediator besonders gefordert. Alle Augen richten sich fragend und erwartungsvoll auf Sie. Sie spüren den erhöhten Stress. Was können oder sollten Sie tun? In einer solchen Situation ist es nicht immer hilfreich, eine der soeben erörterten Methoden vorzuschlagen bzw. anzuwenden. Insbesondere dann, wenn die Stimmung angespannt ist, mag das im Einzelfall sogar kontraproduktiv sein und/oder als unangemessen empfunden werden („Spielerei“). Das zu beurteilen, erfordert von Ihnen natürlich ein gewisses Fingerspitzengefühl. Unsere Erfahrung zeigt jedenfalls, dass die Experimentierbereitschaft auch und gerade von Akteuren im Wirtschaftsleben größer ist, als man vielleicht vermutet. Aber auch wenn Sie keine der bereits erörterten Kreativitätstechniken einsetzen, bedeutet das nicht, dass Sie hilflos zusehen müssten, wie sich alle Beteiligten in einer Sackgasse „verrennen“. Die Maxime, von der Sie sich leiten lassen sollten, lautet Veränderung. Veränderung kann es auf unterschiedlichen Ebenen geben: auf der inhaltlichen Ebene, aber auch auf der Ebene der Verfahrensgestaltung. Inhaltliche Veränderung bedeutet in erster Linie: Veränderung des Problems, um das es geht, oder der Problemsicht, die die Beteiligten gerade zugrunde legen. Die Mittel, die sie zu diesem Zweck einsetzen können („Kreativitätsimpulse“), sind zahlreich (vgl. Kasten 7).17 Reformulieren Sie das Problem, teilen, vereinfachen, verallgemeinern oder vermischen Sie es, wecken Sie Assoziationen, suchen Sie Analogien, blicken Sie nach vorn (oder zurück), nutzen Sie Erfahrungen, spekulieren oder provozieren Sie, wechseln Sie das Thema, oder schaffen Sie eine tabula rasa, auf der neu begonnen werden kann. Finden Sie irgendeinen Impuls, der den objektiven oder den subjektiv wahrgenommenen Status quo des Verhandlungsgegenstandes (Problems) verändert.

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Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten Kreativitätsimpulse ●

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Problem reformulieren: Wo liegt das Problem? Haben wir das Problem verstanden? Problem aufsplitten: Können wir eine Teilfrage beantworten? Problem vereinfachen: Kann ein einfacheres, spezielleres Problem gelöst werden? Problem verallgemeinern: Kann man das Problem allgemeiner lösen? Annahmen hinterfragen: Auf welchen (eventuell zweifelhaften) Annahmen beruhen unsere bisherigen Überlegungen? Blick zurück: Wie machte man es früher? Wie haben wir so etwas vorher schon gelöst? Aus Erfahrung lernen: Was hat sich bewährt? Können wir Komponenten bisheriger Lösungen verwenden? Welchen Fehler wollen wir nicht noch einmal machen? Blick nach vorn: Wie würde man es später machen? Spekulieren: Was wäre, wenn …? Assoziationen wecken: Welche Ideen und Eindrücke gewinnen wir, wenn wir über eine verwandte Frage nachdenken? Analogien entwickeln: Gibt es Vorbilder für eine Problemlösung aus anderen Lebensbereichen? Provozieren: Unser Denken durch herausfordernde Aussagen ins Ungleichgewicht bringen. Vermischen: Gedanken, Lösungen mixen. Thema wechseln: Ein anderes Thema (Problem) zuerst bearbeiten. Tabula rasa: Alles vergessen, aus der Leere neu beginnen.

Kasten 7

Besonders wirkungsvoll sind häufig mentale Provokationen: willkürliche, herausfordernde Aussagen, die verunsichern und unser Denken „aufrütteln“ sollen. Das können Umkehrungen sein („Alle Arbeiter sollten dafür bezahlen, dass sie hier arbeiten dürfen.“), Übertreibungen („Jeder Ihrer Angestellten erhält 200 Tage Urlaub im Jahr.“), Zerrbilder („Der Betriebsrat legt die Dividende fest.“) oder Wunschbilder („Die Arbeit erledigt sich von alleine.“). Situationsgerecht eingesetzt, können solche Provokationen manchmal gerade durch die in ihnen liegende Komik dazu beitragen, etablierte Denkmuster zu durchbrechen bzw. eine bestimmte Problemsicht zu relativieren. Während eines Mediationsverfahrens anlässlich eines erbittert geführten Streits zwischen mehreren Gesellschaftern eines mittelständischen Unternehmens äußerte ein Beteiligter in einem Einzelgespräch mit dem Mediator, sein Partner habe sich nicht genügend für die Firma eingesetzt und sei 205

Methode der Mediation „unfähig“. Der Mediator antwortete wie folgt: „Sie haben also den Eindruck, sich einen inkompetenten, unwilligen, rückständigen und das Unternehmen ruinierenden Geschäftspartner ausgesucht zu haben, mit dem eigentlich überhaupt niemand, und erst recht kein vernünftiger Mensch, zusammenarbeiten kann“ (Übertreibungs-Provokation). Der Beteiligte begann sogleich, seine Äußerung zu relativieren und „gute“ Seiten seines Partners zu entdecken.

Verfahrensstruktur oder Vorgehensweise verändern Genauso, wie Sie eine Blockade möglicherweise durch eine inhaltliche Veränderung auflösen können, bringen Sie auch durch eine Veränderung der Verfahrensstruktur (Vorgehensweise) neue Bewegung in die Mediation. Sie haben bis jetzt mit den Beteiligten nur gemeinsam verhandelt? Erwägen Sie die Durchführung von Einzelgesprächen (dazu Kapitel 9), oder schlagen Sie andere Verhandlungskonstellationen vor (weniger Beteiligte, mehr Beteiligte). Sie haben immer in demselben Raum gearbeitet? Denken Sie über eine Variierung des Verhandlungsortes nach, einen Umgebungswechsel – verhandeln und mediieren kann man auch unter freiem Himmel. Auch wenn Sie in demselben Raum bleiben: Erwägen Sie, Ihren Verhandlungsstil zu modifizieren und dies durch nonverbale und verbale Signale deutlich zu machen (Aufstehen, Bewegung im Raum, stimmliche Signale, Ermunterungen etc.). Die Beteiligten sind müde? Schlagen Sie eine Pause vor. Schöpferische Pausen sind auch als routinemäßige Unterbrechung sinnvoll: „Wir gönnen uns jetzt zwei Stunden, um in angenehmer Atmosphäre über diese Frage nochmals ganz neu nachzudenken“. Erwägen Sie, etwas gemeinsam zu unternehmen, um dann mit neuer Energie an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Auch kleine Gedankenübungen oder Spiele, die zu „abseitigem“ Denken anregen (brainteasers), steigern im Einzelfall möglicherweise die Kreativität.18 Welchen Einfluss solche scheinbaren Äußerlichkeiten haben können, wissen wir aus der Politik. Die entscheidende Frage der deutschen Wiedervereinigung, die Zugehörigkeit des vereinten Deutschlands zur NATO, wurde zwischen Helmut Kohl und Michail Gorbatschow im Juli 1990 bei Spaziergängen am Fluss Selemtschuk im verschlafenen Kaukasusdorf Archys geklärt.

Einigungsoptionen konkretisieren und bewerten Kreativität hilft bei der Entdeckung neuer Ideen und damit bei der effektiven Nutzung von Wertschöpfungspotentialen. Eine vage Idee ist jedoch etwas anderes als ein ausgearbeiteter, abstimmungsreifer Vorschlag. Nicht jede Idee lässt sich im Übrigen realisieren, und nicht jede realisierbare Idee dient den Interessen der Beteiligten gleich gut. Aus unkonturierten Ideen müssen denkbare Einigungsoptionen entwickelt, und diese müssen geordnet und bewertet werden. 206

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten

Ideen und Einigungsoptionen Wenn Sie als Mediator mit den Beteiligten ein Brainstorming oder eine andere Kreativitätsübung durchführen, dann wird es Ihnen im besten Fall gelingen, eine Vielzahl neuer Möglichkeiten zu entdecken, Vorstellungen und Ideen zu generieren. Als Verhandlungsgegenstand und damit auch für die Mediation relevant sind die entsprechenden Möglichkeiten, Vorstellungen und Ideen letztlich jedoch nur, wenn sie so konkret formuliert werden, dass sie potentiell zur Abstimmung gestellt werden können. Eine Einigungsoption ist ein Vorschlag, zu dem die Beteiligten „ja“ oder „nein“ sagen können. Der Weg von einer vagen Idee zu einer konkreten Einigungsoption kann sehr weit sein. Hier sind Sie als Mediator gefordert, durch gezielte Fragen den Beteiligten zu helfen, konkreter und umsetzungsorientiert zu denken, aus Stichworten Maßnahmen oder Projektbeschreibungen zu entwickeln: „Sie haben vorgeschlagen, dass man auch bei einer Auflösung der Gesellschaft weiter zusammenarbeiten könne. Welche Form der Zusammenarbeit stellen Sie sich vor? An welche Art von Projekten denken Sie? Wann könnte das erste Projekt stattfinden? Wer sollte daran beteiligt sein? Bis wann sollte es fertiggestellt werden?“ Helfen Sie den Beteiligten, tatsächlich Vorschläge auf den Verhandlungstisch zu bringen.

Ordnen von Einigungsoptionen Bewerten lassen sich entsprechende Vorschläge erst, wenn man sie vorher geordnet hat. In einer komplexen Mediation (viele Themen, viele Beteiligte) ist nicht zu erwarten, dass die zur Diskussion gestellten, denkbaren Einigungsoptionen alle auf einer Ebene liegen. Manche dieser Einigungsoptionen werden nur einzelne Themen oder Fragestellungen betreffen, andere demgegenüber möglicherweise eine Gesamtlösung ins Auge fassen. Einzelne Lösungsvorschläge werden von der Realisierung bestimmter Voraussetzungen abhängig sein. Unterstützen Sie die Beteiligten dabei, die Zusammenhänge zwischen vorgeschlagenen Einigungsoptionen zu sehen und diese zu ordnen. Erleichtert wird Ihnen dies durch eine intelligente Visualisierung dieser Zusammenhänge, etwa mit Hilfe von Flipcharts oder Moderationskarten. Letztere haben insoweit den Vorteil, dass sie sich leicht „reorganisieren“ lassen: Wenn im Zuge der Diskussion bestimmter Einigungsoptionen neue Gesichtspunkte auftauchen, ursprüngliche Zusammenhänge revidiert und andere gesehen bzw. geschaffen werden, lässt sich dieser Weiterentwicklungsprozess durch eine neue Zusammenstellung der Karten leicht und übersichtlich visualisieren. Bei beschriebenen Flipcharts ist das zumeist nicht so einfach möglich.

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Methode der Mediation

Bewerten von Einigungsoptionen Regelmäßig die schwierigste Aufgabe im Prozess der Konkretisierung und Bewertung von Einigungsoptionen ist natürlich der letzte Part: die Evaluierung von Lösungsvorschlägen. Bewerten kann man auf der Grundlage unterschiedlicher Kriterien. So kann man sich fragen, ob eine bestimmte Lösung gerecht bzw. fair ist. Diese Frage werden wir uns in dem nächsten Kapitel stellen. Man kann und muss sich aber auch fragen, ob ein Vorschlag erstens überhaupt realisierbar (umsetzbar) und zweitens möglichst effizient in dem Sinne ist, dass er die denkbaren Wertschöpfungspotentiale umfassend ausschöpft. Um diese Fragen zu beantworten, können Sie als Mediator unterschiedlich anspruchsvolle Methoden vorschlagen bzw. durchführen. Am einfachsten ist sicherlich die PMI-Methode: Dabei handelt es sich um eine Sammlung von Plus-Punkten (P), Minus-Punkten (M) sowie interessanten Punkten (I) eines bestimmen Vorschlags. Ähnlich wie beim Brainstorming kann und sollte insoweit ein zeitlich begrenzter, „kollektiver Suchvorgang“ erfolgen, wobei sich die Reihenfolge Plus-Minus-Interessant bewährt hat. Gegebenenfalls lässt sich der Bewertungsvorgang noch verfeinern, etwa indem den einzelnen PMI-Punkten Gewichtungsfaktoren (von eins bis drei) zugeordnet werden. Die PMI-Methode hat den Vorteil, dass sie auch bei der Bewertung von Einigungsoptionen Raum für kreative Einfälle lässt. Nachteilig ist, dass dieser Bewertungsvorgang die entscheidenden Fragen nach der Realisierbarkeit und der Effizienz bestimmter Vorschläge nicht notwendig beantwortet. Auch ist das Plus des einen natürlich häufig das Minus des anderen und umgekehrt. Aus diesen Gründen wird es häufig hilfreicher sein, wenn dem Bewertungsvorgang eine Reihe von präzise formulierten Prüffragen zugrunde gelegt wird (vgl. Kasten 8). Diese Fragen sind im Hinblick auf jeden einzelnen Vorschlag zu stellen und sukzessive „abzuarbeiten“. So wird eine strukturierte und möglichst vollständige Evaluation der zur Diskussion stehenden Einigungsoptionen gefördert. Prüffragen ●



Realisierbarkeit: Lässt sich der Vorschlag umsetzen? Welche Probleme, Sachzwänge und Widerstände sind bei seiner Verwirklichung zu erwarten? Gibt es Partner oder Verbündete, die bei der Realisierung helfen können? Wie sähen die ersten Umsetzungsschritte aus (Ablaufplan)? Effizienz: Wie gut dient der Vorschlag den Interessen der Beteiligten? Wurden sämtliche Wertschöpfungspotentiale realisiert (Gemeinsam-

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Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten keiten, Unterschiede, Skaleneffekte)? Welche Folgewirkungen sind bei einer Umsetzung zu erwarten („vernetzter Zusammenhang“), und wie sind diese zu bewerten? Kasten 8

Ob ein Vorschlag tatsächlich alle Wertschöpfungspotentiale ausnutzt oder nicht, hängt maßgeblich von den Interessen der Beteiligten und ihrer relativen Gewichtung ab. Dabei nutzen Sie als Mediator nun das in der Phase der Interessenerforschung gesammelte „Baumaterial“. Welche der jetzt zur Diskussion stehenden Lösungsansätze befriedigen welche Interessen der Beteiligten in welchem Maße? Wie müsste ein Vorschlag noch verändert oder verfeinert werden, damit er bestimmte gewichtige Interessen möglichst vollständig abdeckt? Was könnte zur Befriedigung des Interesses ABC der einen Seite, was zur Befriedigung des Interesses XYZ der anderen Seite getan werden? Was wären jeweils interessengerechte Gegenleistungen? Um zu ermitteln, in welchem Maß welche Interessen von bestimmten Vorschlägen abgedeckt werden, können Sie mit Punktesystemen arbeiten: Jeder Beteiligte erhält z. B. eine bestimmte Anzahl von Punkten, die er nach seinen Präferenzen auf die (noch) in der Diskussion befindlichen Einigungsoptionen verteilen kann. Ein anderer Ansatz ist der, zunächst abstrakt gemäß den eigenen Präferenzen zu ermitteln, welches Interesse aus einer fixen Punktmenge wie viele Punkte erhält (vgl. hierzu schon Kapitel 6). Sodann werden bestimmte Vorschläge daraufhin untersucht, in welchem Maße sie welches Interesse befriedigen würden. So lässt sich schnell ermitteln, welchen „Punktestand“ ein Beteiligter bezogen auf seine Interessen bei Realisierung eines bestimmten Vorschlags erhalten und wie demgegenüber der „Punktestand“ des oder der anderen Beteiligten ausfallen würde. In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Software-Instrumenten entwickelt worden, die auf dieser oder einer ähnlichen Basis helfen können, Effizienzpotentiale zu realisieren. Das Haupteinsatzfeld dieser Instrumente liegt im Bereich der online dispute resolution, also im Rahmen einer Streitbeilegung unter Nutzung elektronischer Datennetze. Aber auch offline können solche Programme zur Optionenbewertung Verwendung finden. Besonders vielversprechend erscheint insbesondere das System Smartsettle (vgl. Kasten 9). Ein anderes Werkzeug zur Optionenbewertung, das neben einer möglichst gerechten Verteilung zumindest auch eine möglichst effiziente Verteilung anstrebt, werden wir im nächsten Kapitel vorstellen: die sogenannte adjusted winner strategy.

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Methode der Mediation Smartsettle (www.smartsettle.com)19 Smartsettle hilft den Beteiligten, ihre Präferenzen bezüglich verschiedener Lösungsoptionen und -pakete in kardinale Nutzenpunkte zu überführen. Dabei erfährt die jeweils andere Seite nicht, welche Punkte ein Beteiligter vergibt: Auf diese Weise lassen sich strategische Barrieren abbauen. Durch die Abbildung der individuellen Präferenzstrukturen kann das System den Gesamtnutzen für jedes beliebig zusammengesetzte Lösungspaket errechnen. Dies ermöglicht es den Parteien, ohne großen Zeitaufwand beliebig viele Lösungspakete durchzuspielen und zu vergleichen. Es hilft ihnen damit, selbst bei sehr komplexen Konflikten mit vielen Konfliktgegenständen und Lösungsoptionen den Überblick zu behalten. Überdies kann das Programm auf der Basis dieser Daten selbst optimale (wertmaximierende) Lösungspakete erarbeiten und vorschlagen. Kasten 9

Zusammenfassung Die Entwicklung und Bewertung von Lösungsmöglichkeiten stehen im Zentrum einer jeden Mediation. Bei der Entwicklung von Einigungsoptionen kommt es vor allem darauf an, Wertschöpfungspotentiale (Effizienzpotentiale) zu nutzen: Was können wir tun, um zu vermeiden, dass am Ende mögliche Gewinne für alle Beteiligten auf dem Verhandlungstisch liegenbleiben? Wertschöpfung ist in Verhandlungen variantenreich möglich: Nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch und gerade Unterschiede zwischen den Parteien lassen sich für allseits vorteilhafte Tauschgeschäfte ausnutzen. Darüber hinaus können Größenvorteile (Skaleneffekte) zu Effizienzgewinnen führen. Ob entsprechende Wertschöpfungspotentiale in einer Mediation realisiert werden oder nicht, hängt maßgeblich von der Kreativität der Beteiligten ab. Der Mediator ist in dieser Phase nicht so sehr als Vermittler, sondern vielmehr als motivierende Kraft, als Ideengeber sowie als Organisator und Katalysator kreativer Prozesse gefordert. Kreativität lässt sich entwickeln, und ein guter Mediator wird den Beteiligten unter Einsatz entsprechender Techniken (etwa Brainstorming, Brainwriting, Mindmapping, 6-Hüte-Methode etc.) helfen, das in ihnen schlummernde Kreativitätspotential voll zu entfalten. Lösungsmöglichkeiten müssen aber nicht nur entwickelt, sie müssen auch konkretisiert, geordnet und bewertet werden. Hier sind nicht so sehr die Kreativität der Beteiligten, als vielmehr ihr kritischer Geist und ihre Genauigkeit gefordert. Relevant für die Bewertung von Einigungsoptionen sind 210

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten zum einen ihre Realisierbarkeit und zum anderen ihre Effizienz, hier verstanden als die größtmögliche Verwirklichung der Interessen aller Beteiligten. Beiden Eigenschaften lässt sich mit Hilfe strukturierter Prüffragen auf die Spur kommen. Zudem stehen einschlägige Software-Werkzeuge als Bewertungsinstrumente zur Verfügung. Natürlich wird die Akzeptanz einer bestimmten Einigungsoption auch und gerade davon abhängen, ob sie von den Beteiligten als gerecht bzw. fair angesehen wird. Dabei handelt es sich freilich um einen so wichtigen Gesichtspunkt, dass er ein eigenes Kapitel verdient hat.

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Verteilungsprozesse effizient gestalten

Stellen Sie sich vor, Ihre wohlhabende Tante hätte Ihnen und Ihrer Schwester zusammen 1 Million Euro vererbt. Allerdings stehe die Erbeinsetzung unter einer Bedingung: Sie müssen Ihrer Schwester ein beliebiges Angebot machen, wie das Geld zwischen Ihnen beiden aufgeteilt werden soll (Einheit: 1 Euro). Nimmt diese das Angebot an, so gilt die von Ihnen vorgeschlagene Verteilung. Lehnt Ihre Schwester ab, geht die ganze Erbschaft an das Rote Kreuz. Was für eine Verteilung schlagen Sie Ihrer Schwester vor? Und wozu würden Sie – als Ihre Schwester – noch „ja“ sagen? Aus ökonomischer Sicht scheint die Antwort auf beide Fragen denkbar einfach zu sein: Sie schlagen vor, dass Sie 999.999 Euro bekommen und bieten Ihrer Schwester 1 Euro an. Ihre Schwester wird dieses Angebot bei rationalem Verhalten offenbar annehmen: 1 Euro ist besser als kein Euro. Tatsächlich hat eine Vielzahl von Experimenten jedoch gezeigt, dass die Realität anders aussieht: Die Mehrzahl der Vorschlagenden gewährt der Gegenseite einen beachtlichen Anteil der Gesamtsumme (häufig: 1/3 oder 1/2). Wenn Minimalbeträge vorgeschlagen werden, wird das Angebot mehrheitlich abgelehnt.1 Die naheliegende – und zutreffende – Interpretation dieses Ergebnisses lautet: Nicht nur der eigene ökonomische Vorteil, sondern auch und gerade die (wahrgenommene) Fairness2 einer bestimmten Lösung sind entscheidend für ihre Beurteilung. Das gilt in dem soeben diskutierten Spiel ebenso wie in jeder Mediation: Eine Einigungsoption, die ein Beteiligter als unfair empfindet, wird er in der Regel ablehnen. Selbst wenn er sie einmal – aus welchen Gründen auch immer – akzeptiert, wird er später möglicherweise nach Mitteln und Wegen suchen, das zunächst gefundene Ergebnis wieder in Frage zu stellen. Das Auffinden fairer Lösungen in einer Mediation ist aber nicht nur wichtig. Es ist häufig auch sehr schwierig. Während alle Beteiligten ein gemeinsames Interesse daran haben, den zur Verteilung anstehenden „Kuchen“ so weit wie möglich zu vergrößern, sind ihre Interessen diametral entgegengesetzt, soweit es um die Aufteilung dieses „Kuchens“ geht: Jeder möchte sich natürlich ein möglichst großes „Stück“ sichern. Das geht anscheinend nur, indem ein anderer auf gerade dieses „Stück“ verzichtet.

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Methode der Mediation Als Mediator sind Sie in dieser Phase der Mediation besonders gefordert. Rechnen Sie mit hoher Emotionalität aller Beteiligten und auch mit Streit: Es wird jetzt gewissermaßen ernst. Welche Taktiken strategischen Verhaltens werden die Konfliktparteien anwenden, um ihren persönlichen Vorteil zu maximieren? Wie können und sollten Sie diesen Taktiken begegnen? Was können Sie tun, um Verteilungsprozesse effizient zu gestalten, so dass möglichst kein Wert vernichtet wird? Welche materiellen Verteilungskriterien lassen sich in die Verhandlungen einführen? Welche Verteilungsverfahren kommen in Betracht? Das sind die Fragen, mit denen wir uns in diesem Kapitel beschäftigen wollen. In einer fairen und ressourcenschonenden Gestaltung von Verteilungsprozessen liegt eine wichtige Chance für die Mediation und eine zentrale Aufgabe eines jeden Mediators.

Wertverteilung und distributives Verhandeln Im letzten Kapitel wurde aufgezeigt, worum es bei der Entwicklung von Einigungsoptionen hauptsächlich geht: Wertschöpfungspotentiale müssen erkannt und genutzt werden, mögliche Gewinne für alle Beteiligten sollten nicht auf dem Verhandlungstisch liegenbleiben. Die Zielsetzung distributiven Verhandelns ist eine andere: Nicht die Maximierung des Gesamtgewinns, sondern diejenige des eigenen Anteils hieran steht im Vordergrund. Praktisch jede reale Verhandlungssituation besitzt auch diese Dimension. Betrachten wir Abbildung 1, die in ähnlicher Form bereits in Kapitel 7 dargestellt wurde. Während Albert eine Lösung möglichst weit „östlich“ auf der Pareto-Kurve bevorzugt (etwa Punkt X), strebt Billa „nach Norden“ (etwa zu Punkt Y). Billa würde sogar die Lösung Z der Lösung X vorziehen, obwohl Z ineffizient ist (Wert verschenkt). Gleiches gilt umgekehrt für Albert: Er würde Z gegenüber Y präferieren.

Abbildung 1: Distributives Verhandeln

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Verteilungsprozesse effizient gestalten Die Taktiken, die die Beteiligten einsetzen, um ihren persönlichen Vorteil zu maximieren, sind zahlreich. Manche sind harmlos, andere bergen ein erhebliches Eskalationspotential und damit auch eine große Gefahr der Wertvernichtung in sich. Als Mediator müssen Sie wissen, was gerade „gespielt“ wird, und Sie müssen in bestimmten Situationen auch gezielt gegensteuern bzw. bestimmte Taktiken neutralisieren.

Veränderung der Nichteinigungsalternativen Erfolg in Verhandlungen hängt zu einem großen Teil davon ab, über welche Handlungsmöglichkeiten wir verfügen, wenn wir uns mit der anderen Seite nicht einigen (sogenannte Nichteinigungsalternativen). Je besser die eigenen Nichteinigungsalternativen sind, desto besser werden wir abschneiden.3 Die vielleicht wirkungsvollste Taktik distributiven Verhandelns hat deshalb zum Ziel, die eigenen Nichteinigungsalternativen zu verbessern und diejenigen der Gegenseite zu verschlechtern: Die an einem heraufziehenden Tarifkonflikt beteiligte Gewerkschaft baut eine Streikkasse auf und mobilisiert die Presse gegen etwaige Aussperrungsaktionen der Arbeitgeberseite. Im Grundsatz handelt es sich hier um ein legitimes Mittel strategischen Verhaltens, das Sie als Mediator regelmäßig weder unterbinden können noch sollten. Eine Ihrer Aufgaben liegt jedoch darin, den Beteiligten ein möglichst realistisches (nicht durch Optimismus verzerrtes) Bild ihrer Nichteinigungsalternativen zu vermitteln. Denn wer seine Nichteinigungsalternativen überschätzt, „pokert“ zu hoch und lässt dadurch die Verhandlung möglicherweise scheitern. Damit werden wir uns ausführlich in Kapitel 9 beschäftigen.

Ausschluss unerwünschter Einigungsoptionen durch Selbstbindung Eine aggressivere Taktik als die „Arbeit an den Nichteinigungsalternativen“ ist der Ausschluss unerwünschter Einigungsoptionen durch Selbstbindung (commitment). Es entspricht einer verbreiteten Meinung, dass es in Verhandlungs- oder Konfliktsituationen von Vorteil ist, jederzeit flexibel auf Handlungen bzw. Taktiken der Gegenseite reagieren zu können. Tatsächlich kann es jedoch bisweilen besser sein, über gar keine Flexibilität mehr zu verfügen.4 Wenn etwa zwei Lastwagenfahrer aufeinander zu rasen und der Ausweichende als „Hasenfuß“ das Spiel verliert, maximiert derjenige seine Gewinnchancen, der – für den anderen sichtbar – sein Steuerrad herausreißt und aus dem Fenster wirft: Jetzt kann nur noch der andere ausweichen. Solche Taktiken sind weit verbreitet: das Abschneiden von Kommunikationslinien nach Abgabe eines befristeten Angebots, Rücktrittsdrohungen für den Fall der Ablehnung eines bestimmten Vorschlags, Rückstellungen für Schadensersatzleistungen in einer bestimmten Höhe, Aufsichtsratsbeschlüsse, die den Umfang von Sanierungsbeiträgen begrenzen – immer geht 215

Methode der Mediation es darum, durch eine (scheinbar) unwiderrufliche Selbstbindung der anderen Seite ein Verhalten aufzuzwingen, das für einen selbst optimal ist. Wie gehen Sie als Mediator mit entsprechenden Taktiken um? Commitment-Strategien besitzen ein erhebliches Eskalationspotential: Wenn der Verhandlungspartner die Selbstbindung seines Gegenübers nicht wahrnimmt, wenn er sie nicht ernst nimmt, wenn er irrational handelt, oder wenn die Folgen eines „trotzigen“ Verhaltens für ihn weniger schlimm sind als erwartet und er sich deshalb auf den angebotenen Schlagabtausch einlässt, droht eine für alle Beteiligten gefährliche Situation. Als Mediator sollten Sie deshalb darauf hinwirken, dass die Beteiligten die Anwendung entsprechender Selbstbindungstaktiken unterlassen. Indem sie den Verhandlungsraum verkleinern, widersprechen sie dem Geist der Mediation und in der Regel auch der durch alle Beteiligten in der Mediationsvereinbarung eingegangenen Verpflichtung, den Mediationsprozess durch einen von Offenheit geprägten Kommunikations- und Verhandlungsstil zu fördern. Selbstbindungstaktiken verringern zudem massiv die Aussichten auf eine gütliche Konfliktbeilegung. Als Hüter der Integrität des Mediationsverfahrens haben Sie als Mediator die Legitimation und den Auftrag, korrigierend einzugreifen und das Verhandlungsgeschehen wieder in konstruktivere Bahnen zu lenken. Keinesfalls dürfen Sie sich zum „Handlanger“ einer beabsichtigten Selbstbindung machen lassen (vgl. Kasten 1). Im Rahmen eines von einem der Autoren als Mediator durchgeführten Mediationsverfahrens anlässlich eines gescheiterten Unternehmenskaufs geschah Folgendes: Zu Beginn des dritten Verhandlungstages ersuchte der Vorstandsvorsitzende der Partei, von der Schadensersatz verlangt wurde, den Mediator um ein Einzelgespräch. In diesem Gespräch äußerte er sich in etwa wie folgt: „Wir erkennen an, dass es in den letzten beiden Tagen gewisse Fortschritte gegeben hat. Gleichzeitig haben wir das Gefühl, dass die Verhandlungen festgefahren sind und die Gegenseite an ihren überzogenen Forderungen festhält. Wir haben uns deshalb ein faires, letztes Vergleichsangebot überlegt, das wir der Gegenseite unterbreiten möchten. Schon unsere bisherigen Zugeständnisse gehen weit über das Limit hinaus, das wir uns ursprünglich gesetzt hatten – noch weiter können und werden wir nicht gehen. Die Details sind handschriftlich skizziert worden. Ich möchte Sie bitten, der Gegenseite diesen Umschlag zu überreichen, in dem sich unser Vergleichsangebot befindet. Wenn damit Einverständnis besteht, kommen wir zusammen; sonst ist die Mediation gescheitert.“ Der Vorstandsvorsitzende reichte dem Mediator den Umschlag. Diesen Umschlag durfte der Mediator nicht annehmen: Erstens hätte er sich damit zum Handlanger einer Seite gemacht und seine Neutralität kompromittiert. Zweitens wäre es zu einer eskalationsträchtigen, unwiderruf-

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Verteilungsprozesse effizient gestalten lichen Selbstbindung gekommen. Infolgedessen erinnerte der Mediator den Vorstandsvorsitzenden daran, dass es mit seiner Rolle als Mediator nicht vereinbar wäre, wenn er das „letzte Angebot“ überbrächte. Auch wies er darauf hin, dass entsprechende Angebote die Suche nach interessengerechten Einigungsoptionen behindern und deswegen nicht unterbreitet werden sollten. Man habe für den dritten Tag vorab ein bestimmtes, sinnvolles Vorgehen vereinbart, nämlich die Fortsetzung einer begonnenen Prozessrisikoanalyse, und daran sollten sich alle Beteiligten jetzt auch halten. Die Hand mit dem Umschlag wurde zurückgezogen. Schlussendlich führte die Mediation nach Abschluss der Prozessrisikoanalyse, weiteren Einzelgesprächen und direkten Verhandlungen der führenden Unternehmensvertreter unter Moderierung des Mediators (ohne Beteiligung der Rechtsanwälte) zu einer Einigung der Konfliktparteien. Kasten 1

Werfen von Wahrnehmungsankern Ebenfalls im Zusammenhang mit der „Manipulation von Einigungsoptionen“ stehen Versuche, die Wahrnehmung des Verhandlungspartners auf bestimmte Lösungen zu lenken – und damit von anderen abzulenken – oder dessen Erwartungsniveau zu beeinflussen. So wirkt das erstmalige Nennen eines bestimmten Preises (einer bestimmten Zahl) häufig wie ein „Anker“ für die weiteren Verhandlungen (anchoring): Auch wenn der genannte Preis objektiv keine größere Legitimation für sich beanspruchen kann als andere, zieht er doch die Aufmerksamkeit der Beteiligten auf sich: Man redet über diesen Preis.5 Gleichzeitig wird das Erwartungsniveau des Verhandlungspartners beeinflusst: Mehr als gewisse Zugeständnisse von dem festgelegten Preisniveau sind offenbar nicht zu erreichen. Ähnlich wie die Veränderung der Nichteinigungsalternativen ist das Arbeiten mit Wahrnehmungsankern ein grundsätzlich legitimes Mittel strategischen Verhaltens. Als Mediator werden Sie denjenigen, der entsprechende Anker wirft, einladen, Interessen und/oder Kriterien vorzutragen, die „hinter“ der artikulierten Position stehen („Wenn ich Sie richtig verstanden habe, halten Sie jede Schadensersatzzahlung von weniger als 100.000 Euro für nicht angemessen. Dieser Betrag ist natürlich denkbar. Auch ein noch höherer Betrag wäre denkbar ebenso wie ein niedrigerer. Anhand welcher Kriterien sollten wir beurteilen, welcher Betrag angemessen ist?“). Damit werden wir uns sogleich noch ausführlicher beschäftigen. Kritisch werden Wahrnehmungsanker, wenn sie in Form eines „Friss oder Stirb“-Angebots in die Mediation eingeführt werden („Ich mache Ihnen jetzt ein überaus faires Angebot, über das ich nicht mehr feilsche. Wenn Sie 217

Methode der Mediation 100.000 Euro zahlen, ist die Sache aus der Welt. Mehr verlange ich nicht, weniger akzeptiere ich nicht.“). Solche Angebote werden mit der Attitüde einer unwiderruflichen Selbstbindung formuliert. Deshalb sollten Sie als Mediator auf sie auch entsprechend reagieren: Machen Sie deutlich, dass ein derartiges Verhalten in der Mediation kontraproduktiv ist und unterlassen werden sollte. Denn mit solchen „letzten“ Angeboten kann sich die betreffende Partei schnell in eine für sie ausweglose Sackgasse manövrieren: Je höher der Anker geworfen wird, und je größer die Differenz zwischen den beiden Verhandlungspositionen ist, umso schwieriger wird es für die Partei, die sich „weit aus dem Fenster gelehnt“ hat, von der einmal eingenommenen Position ohne Gesichtsverlust wieder abzurücken. Eine Einigung kann so erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden. Sie können die so entstandene Blockade aufbrechen, indem Sie das „Thema wechseln“ und die Aufmerksamkeit der Parteien auf die gegenseitigen Interessen und Nichteinigungsalternativen lenken (debiasing). Durch damit einhergehenden Perspektivwechsel lassen sich die wahrnehmungsverzerrenden Auswirkungen des Ankers weitgehend ausgleichen.6 Oft hilft es, hierzu etwas Humor einzusetzen und so einer Partei ohne Gesichtsverlust aus der Ecke zu helfen, in die sie sich durch ihr „letztes Angebot“ gerade zu verbarrikadieren droht: „Erfahrungsgemäß ist ja das letzte Angebot stets das letzte bis zum nächsten. Lassen Sie uns doch daher für einen Moment noch einmal betrachten, was Sie zuvor als Ihnen besonders wichtig in dieser Auseinandersetzung identifiziert haben.“

Täuschung über Interessen und/oder Nichteinigungsalternativen Nicht nur eskalationsträchtig, sondern auch unter ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten (höchst) bedenklich sind Täuschungen, etwa über Interessen oder Nichteinigungsalternativen. Über Interessen wird beispielsweise getäuscht, wenn Scheinzugeständnisse gemacht werden: Ein Verhandlungspartner gibt im Hinblick auf einen Verhandlungsgegenstand etwas auf, was ihm nur scheinbar wichtig ist, um sich damit bei einem anderen Verhandlungsgegenstand Vorteile „zu erkaufen“. Täuschungen über Nichteinigungsalternativen reichen vom vergleichsweise harmlosen Bluff – während der Verhandlungen über die Fortsetzung eines Vertriebsvertrages trifft sich der Agent mit einem anderen Hersteller – bis zur krassen Lüge („Wenn wir uns nicht einigen können, werden wir noch heute mit ihrem Hauptwettbewerber abschließen“ – dieser ist dazu jedoch definitiv nicht bereit bzw. es gibt nicht einmal entsprechende Verhandlungen.). Wenn Sie als Mediator den Eindruck haben, dass ein Beteiligter durch Täuschungen Sondervorteile erreichen möchte, können Sie an erster Stelle durch gezielte Fragen versuchen, Nachdenklichkeit bezüglich des eigenen Verhaltens auszulösen („Wie lange verhandeln Sie bereits mit dem Wettbewerber ihres Vertragspartners? Was macht dessen Angebot für Sie attraktiv? 218

Verteilungsprozesse effizient gestalten In welcher Hinsicht unterscheidet sich dieses Angebot von den Konditionen des bestehenden Vertrags?“). Zumeist können Sie so dem Betreffenden signalisieren, dass sein Verhalten weder akzeptabel ist noch sein Ziel erreicht. In krassen Fällen werden Sie – sofern Sie sich sicher sind – das entsprechende Verhalten in einem Einzelgespräch (Vermeidung eines Gesichtsverlustes) auch einmal thematisieren und auf seine Bedeutung bzw. mögliche Konsequenzen hinweisen (Verletzung der Mediationsvereinbarung, mögliche Anfechtbarkeit eines etwaigen Mediationsvergleichs etc.). Dabei sollten Sie durchaus mit der betroffenen Partei „Klartext“ reden und ihr deutlich machen, dass sie sich mit einem derartigen Verhalten vor allem selbst schadet. Denn Täuschungen, Lügen und Manipulationen „fliegen“ in aller Regel früher oder später auf. Insoweit haben Lügen in der Tat „kurze Beine“. Abgesehen von erheblichen Reputationsschäden – bekanntlich sieht man sich im Leben immer auch ein zweites Mal – gefährdet die betreffende Partei mit einer solchen Strategie vor allem das Ergebnis, das sie gerade erreichen will. Bemerkt nämlich die andere Seite, dass sie „über den Tisch gezogen“ worden ist, führt das nicht nur zu einer weiteren Eskalation des Konfliktes. Die getäuschte Partei wird das erschlichene Ergebnis vor allem auch nicht anerkennen, sondern juristisch anfechten oder schlichtweg nicht umsetzen. Darüber hinaus hat ein derartiges Verhandlungsverhalten häufig auch strafrechtliche Konsequenzen.7

Wege zur effizienten Gestaltung von Verteilungsprozessen Im letzten Abschnitt wurden distributive Verhandlungstaktiken der Konfliktparteien behandelt, mit denen Sie als Mediator rechnen müssen. Was aber können Sie selbst in dieser Rolle aktiv tun, um Verteilungsprozesse effizient zu steuern, so dass möglichst kein Wert vernichtet und Eskalationsrisiken minimiert werden? Von zentraler Bedeutung ist insoweit zunächst Ihre Haltung. Keinesfalls sollten Sie den Beteiligten Ihr eigenes Wertesystem „überstülpen“. Als Mediator werden Sie vielmehr lediglich denkbare Möglichkeiten zur Bewältigung von Verteilungsproblemen ins Spiel bringen (Verteilungskriterien bzw. -verfahren), um dann in einem diskursiven Prozess mit den Konfliktparteien den Verteilungsprozess auszuhandeln und zu gestalten – an dem Grundsatz der Eigenverantwortung der Konfliktparteien sollte nicht gerüttelt werden. Ähnlich wie in der Phase der Entwicklung denkbarer Einigungsoptionen ist auch bei der Gestaltung von Verteilungsprozessen der Einsatz von Kreativitätstechniken hilfreich, insbesondere in festgefahrenen Situationen: An welche Verteilungskriterien bzw. -verfahren denken die Beteiligten gerade nicht, welche kommen gegebenenfalls in Betracht, welche sind konsensfähig? Eine entsprechende Erweiterung des Lösungsraumes bewirkt nicht selten einen Perspektivenwechsel, der eine schwierige Klippe in der Mediation zu überwinden hilft.

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Methode der Mediation Sich als Mediator bei der Auswahl von Verteilungskriterien bzw. -verfahren zurückzunehmen und „nur“ Anregungen im Hinblick auf die Gestaltung von Verteilungsprozessen zu geben sowie diese zu steuern, kann schwierig sein. Jeder Mediator wird Situationen erleben, in denen er das Gefühl hat, dass eine Seite dabei ist, sich in der Sache auf ein unvorteilhaftes und möglicherweise sogar (in den eigenen Augen) ungerechtes Verteilungskriterium bzw. -verfahren und als Folge auf ein entsprechend unvorteilhaftes Verfahrensergebnis einzulassen. Diese Spannung müssen Sie grundsätzlich aushalten: Mediation bringt die Konfliktparteien selbst „ans Ruder“ und gibt diesen damit ein sehr hohes Maß an Prozess- und Ergebnisverantwortung.8 Allerdings sollten Sie aufmerksam darauf achten, ob die Partei, die sich auf eine für sie eigentlich ungünstige Wertverteilung einlässt, ihre Entscheidung tatsächlich auf einer zutreffenden Informationsgrundlage trifft und ob sie in der Lage ist, für ihre Interessen auch in vollem Umfang selbst einzustehen.9 Denn eine Wertverteilung, die eine Seite deutlich übervorteilt, ist regelmäßig ein Indiz für Informationsasymmetrie oder Machtungleichgewicht und damit für eine Einschränkung der tatsächlichen Privatautonomie der jeweiligen Partei. Eine bewusste Selbstschädigung ist irrational: Niemand wird freiwillig einer Lösung zustimmen, mit der er bewusst einen Nachteil in Kauf nimmt, ohne dass diesem ein Ausgleich gegenübersteht. Tut er dies doch, so liegt der Schluss nahe, dass die Entscheidung nicht auf hinreichender Informationsgrundlage getroffen wurde, dass die Konsequenzen des eigenen Handelns nicht in vollem Umfang reflektiert wurden, oder dass der Handelnde nur eingeschränkt in der Lage ist, für seine Interessen effektiv einzustehen (self agency).10 Ist dies der Fall, sollten Sie – gegebenenfalls in einem Einzelgespräch – mit der betroffenen Partei reden um herauszufinden, inwieweit ein Autonomiedefizit vorhanden ist. Sie können auch beiden Parteien noch einmal die Konsequenzen einer verbindlichen Einigung – nämlich eine regelmäßig nicht mehr lösbare Leistungsverpflichtung – vor Augen führen, ihnen nahelegen, sich noch einmal hinreichend über die rechtlichen und sachlichen Rahmenbedingungen zu informieren, beide Parteien über die wesentlichen Aspekte der Sach- und Rechtslage aufklären und mit ihnen die Möglichkeit der Beiziehung eines rechtlichen Beistands erörtern.11 Dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt: Denn auf der einen Seite ist es nicht Ihre Aufgabe als Mediator, jegliche unvorteilhafte Wertverteilung auszugleichen und Ihre eigene Bewertung an die Stelle der privatautonomen Entscheidung der Parteien zu setzen. Auf der anderen Seite muss der Mediator als Hüter der Verfahrensintegrität und als Garant für eine Verwirklichung der Verfahrensziele, zu denen auch eine beiderseits als fair und interessengerecht empfundene Einigung gehört, sicherstellen, dass die Parteien ihre Einigungsentscheidung tatsächlich privatautonom und auf hinreichend informierter Grundlage getroffen haben. Die Neutralität und die Verfahrensverantwortung des Mediators gebieten in diesen Fällen gerade ein steuerndes Eingrei220

Verteilungsprozesse effizient gestalten fen. Lassen sich Machtungleichgewichte bei absehbar grob unbilligen Ergebnissen nicht zumindest etwas ausgleichen, ist die Mediation nicht das geeignete Verfahren, um den Konflikt beizulegen. Hier sind die Parteien in einem rechtsförmlichen Verfahren besser aufgehoben. Die Mediation kann (und sollte) dann zugunsten eines gerichtlichen Entscheidungsverfahrens beendet werden.12

Informationsgrundlagen verbessern Eine Vielzahl von Verteilungsstreitigkeiten entsteht allein deshalb, weil die Beteiligten unterschiedliche Vorstellungen über (verteilungsrelevante) Sachverhaltsfragen haben. Wenn etwa ein Bauunternehmer der Überzeugung ist, dass das von ihm errichtete Bauwerk mangelfrei ausgeführt wurde, dann wird er in einem Schadensersatzstreit mit dem Bauherrn natürlich zu keinen Zahlungen bereit sein. Nicht selten hat auch die Frage, wie bestimmte Vermögensgegenstände (z. B. Unternehmen oder Grundstücke) zu bewerten sind, in der Mediationspraxis eine zentrale Bedeutung: Man denke etwa an eine Auseinandersetzung zwischen mehreren Gesellschaftern, die über die Höhe der Abfindungszahlungen an den oder die Ausscheidenden streiten. Eine Verbesserung der Informationsgrundlagen kann dann die Einigungschancen erhöhen. Dieser Gesichtspunkt steht im Zentrum des sogenannten London Approach für die außergerichtliche Sanierung von Unternehmen. Seit den späten siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich in London mit Unterstützung der englischen Zentralbank (Bank of England) ein Regelsystem für außergerichtliche (freie) Unternehmensreorganisationen entwickelt. Es ist juristisch nicht einklagbar und wird als London Approach bezeichnet.13 In seinem Rahmen agiert die englische Zentralbank als Mediator in den Bankenverhandlungen über eine Finanzierung der Reorganisation und Fortführung eines notleidenden Unternehmens. Zu den wichtigsten Prinzipien des London Approach gehört die Herstellung vollständiger Informationstransparenz: „Entscheidungen über die längerfristige Zukunft des Unternehmens werden nur auf der Grundlage zuverlässiger Informationen getroffen, die allen Bankengläubigern gleichermaßen in vollem Umfang zur Verfügung stehen.“14 Der London Approach war lange Zeit eine Erfolgsgeschichte, weil er sich in zahlreichen Unternehmensreorganisationen bewährte. Erst seit etwa 10 Jahren hat er durch die Fragmentierung der Bankenlandschaft und vor allem das Auftreten von Finanzinvestoren als maßgebliche Gläubiger an Bedeutung verloren. Kasten 2

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Methode der Mediation Zur Verbesserung der Informationsgrundlagen in der Mediation gehört einerseits eine möglichst umfassende Mitteilung aller vorhandenen, entscheidungsrelevanten Informationen zwischen den Beteiligten. Dazu verpflichtet regelmäßig bereits die Mediationsvereinbarung, und Sie werden als Mediator darauf achten, dass die entsprechenden Verpflichtungen auch eingehalten werden. Neben der Kommunikation vorhandener Informationen wird sich häufig aber auch die Bewertung eines bestimmten Sachverhalts zur Erhöhung der Einigungswahrscheinlichkeit als hilfreich erweisen. Insoweit sind unterschiedliche Wege gangbar.

Unverbindliche Expertenmeinung des Mediators / eines Dritten Denkbar ist zunächst, dass die Konfliktparteien den Mediator oder aber – gegebenenfalls auf dessen Vorschlag – einen Dritten damit beauftragen, eine unverbindliche Expertenmeinung im Hinblick auf eine bestimmte Tatoder Rechtsfrage abzugeben (vgl. insoweit bereits Kapitel 2). Regen Sie als Mediator eine solche Bewertung nicht zu früh an: „Erst moderieren, dann evaluieren“, lautet die Devise, an die Sie sich halten sollten (vgl. Kapitel 3).15 Jede Bewertung setzt Sie der Gefahr aus, zumindest einer Seite parteilich zu erscheinen. Auch legen Sie sich durch eine bestimmte Bewertung fest – es wird Ihnen schwerfallen, in der Mediation davon noch einmal abzuweichen, selbst wenn neue Informationen auftauchen sollten. Sie haben gewissermaßen Ihr Pulver verschossen. Beauftragen die Parteien Sie – und nicht einen Dritten – mit einer neutral evaluation16, ergeben sich regelmäßig Kostenvorteile. Allerdings setzt ein solches Vorgehen voraus, dass Sie über eine entsprechende Expertise verfügen. Die Unverbindlichkeit der Stellungnahme des Mediators bzw. des Dritten erhält den Parteien im Übrigen ihre Entscheidungsfreiheit. Darin liegt freilich auch die Schwäche dieses Vorgehens: Es ist nicht sichergestellt, dass es nach der Expertise tatsächlich zu einer Einigung kommt.

Verbindliche Expertenmeinung des Mediators / eines Dritten In der Mediationspraxis wird deshalb gelegentlich ein anderer Weg eingeschlagen: Die Beurteilung des Mediators bzw. des Dritten soll für die Beteiligten verbindlich sein. Bisweilen vergleichen sich die Beteiligten, machen jedoch den genauen Inhalt des Vergleichs von der Stellungnahme des Dritten abhängig, etwa im Hinblick auf die Bewertung eines Unternehmens oder aber im Hinblick auf die Beurteilung einer einzelnen, strittigen Rechtsfrage. Aus deutscher Sicht handelt es sich bei der Drittentscheidung in diesen Fällen regelmäßig nicht um eine schiedsrichterliche Entscheidung, sondern um ein Schiedsgutachten (vgl. Kapitel 2). Denn zumeist werden die Parteien die Frage nicht endgültig der staatlichen Gerichtsbarkeit entziehen wollen. Ihnen liegt vielmehr daran, deren Kontrollkompetenz in den engen Grenzen 222

Verteilungsprozesse effizient gestalten des § 319 Abs. 1 BGB zu erhalten.17 Auch in der internationalen Schiedsgerichtspraxis tendiert die überwiegende Meinung dahin, entsprechende Expertenstellungnahmen nicht als Schiedssprüche zu qualifizieren.18

Materielle Verteilungskriterien einbringen Wenn die Hauptursache für einen schwierigen Verteilungskonflikt in der Mediation nicht in unterschiedlichen Informationsständen oder Sachverhaltseinschätzungen der Beteiligten liegt, können Sie als Mediator materielle Verteilungskriterien in die Verhandlungen einbringen oder aber bestimmte Verteilungsverfahren vorschlagen. Soweit es um materielle Verteilungskriterien geht, ist an normative Standards sowie an Fokalpunkte zu denken. Es ist zumeist leichter und mit Ihrer Neutralität auch weitaus besser vereinbar, Kriterien oder Verfahren für die Lösung von Verteilungskonflikten mit den Parteien zu erarbeiten oder diese vorzuschlagen, als unmittelbar Lösungsvorschläge zu erörtern. Unsere Praxis zeigt, dass hierin häufig der Schlüssel zum Erfolg bei der Suche nach Antworten auf die anstehenden Verteilungsfragen liegt.

Normative Standards „Insist on using objective criteria“ lautet eine der vier zentralen Handlungsempfehlungen des von Fisher, Ury und Patton entwickelten Konzepts eines prinzipiengeleiteten Verhandelns (sogenanntes Harvard-Konzept, vgl. Kapitel 2).19 Objektive Kriterien (rechtliche oder ethische Regeln, technische Standards, Präjudizien, das Urteil eines unabhängigen Dritten) können die Beteiligten vor Druck des jeweiligen Verhandlungspartners schützen. Sie wirken legitimitätsstiftend und vergrößern die Chance, dass sich alle Beteiligten fair behandelt fühlen. Zudem erhöhen sie möglicherweise die Akzeptanz und Stabilität eines gefundenen Ergebnisses und steigern seine Vermittelbarkeit gegenüber Dritten. In den meisten realen Verhandlungssituationen gibt es jedoch wesentlich mehr „objektive“ Kriterien, als es zunächst den Anschein haben mag, und diese Kriterien lassen sich zur Begründung ganz unterschiedlicher Ergebnisse heranziehen. In diesem Sinne gibt es keine „Objektivität“. Wenn es beispielsweise um die Bemessung der Abfindungshöhe eines ausscheidenden Gesellschafters geht, nach welchem „objektiven“ Kriterium soll dann der Unternehmenswert bestimmt werden? Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren der Unternehmensbewertung (Substanzwertanalyse, Ertragswertanalyse, Discounted Cash Flow-Verfahren, Marktkapitalisierung etc.), und keines dieser Verfahren ist „objektiver“ als ein anderes. Man sollte deswegen besser nicht von dem Gebrauch „objektiver“ Kriterien, sondern von demjenigen normativer Kriterien oder Standards sprechen.

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Methode der Mediation Entsprechende Standards werden die Beteiligten regelmäßig von sich aus in die Mediation einführen. Freilich wird sich jede Seite zumeist aus taktischem Kalkül darauf beschränken, diejenigen Kriterien vorzutragen, welche die eigene Position stützen. Als Mediator sind Sie insoweit in unterschiedlicher Hinsicht gefordert20: Zum einen sollten Sie jeden Beteiligten dazu bringen, seine eigenen Maßstäbe (Gerechtigkeitsvorstellungen) klar zu artikulieren, aber auch Verständnis für diejenigen der anderen zu entwickeln. Letzteres lässt sich durch Reformulieren erreichen: Die Vorstellungen einer Partei sollten durch die jeweils andere so reformuliert werden, dass jene sich richtig verstanden fühlt (vgl. Kapitel 5). Zum anderen geht es darum, zusätzliche Kriterien zu identifizieren. Welche anderen/weiteren Standards, an die die Beteiligten im Augenblick nicht denken, kommen noch in Betracht? Kreativität ist insoweit nicht weniger wichtig als beim Entwickeln von Lösungsoptionen. Daher werden Sie beispielsweise auch an ein gemeinsames Brainstorming denken, um den Fundus an Bewertungskriterien bzw. -standards anzureichern. Auf dieser Grundlage können Sie schließlich den Beteiligten die Relativität der vorgeschlagenen bzw. ermittelten Gesichtspunkte deutlich machen: Regelmäßig gibt es viele unterschiedliche, gleichermaßen legitime Kriterien bzw. Standards. Die alleinige Anwendung eines Kriteriums bzw. Standards würde alle anderen verletzen („normative Relativierung“). Möglicherweise wendet derjenige, der einen bestimmten Maßstab vorgeschlagen hat, diesen in anderen Zusammenhängen gar nicht an („empirische Relativierung“). Ist das Bewusstsein für die Relativität der Bewertungsmaßstäbe geschärft, werden häufig Lösungen möglich, die ansonsten nicht hätten erreicht werden können. In dem bereits in Kapitel 7 angesprochenen Mediationsverfahren zwischen den Gesellschaftern einer GmbH stellte sich – wie so häufig – die Frage nach der Bewertung der Gesellschaft: Es ging um den Preis, zu dem die drei Computerspezialisten zum Anteilsverkauf bereit waren. Im Wege eines gemeinsamen Brainstormings wurden zunächst denkbare Verfahren der Unternehmensbewertung im konkreten Fall (insgesamt 11) aufgelistet und der Unternehmenswert auf ihrer Basis überschlägig errechnet. Nach einer längeren Erörterung über das „richtige“ Verfahren machte der Vorstandsvorsitzende der AG den folgenden Vorschlag: Die beiden Extremwerte sollten gestrichen werden (Substanzwert auf der einen Seite, anteilige Börsenkapitalisierung auf der anderen Seite), die übrigen Werte könne man mitteln. Dieser Vorschlag fand schließlich die Zustimmung der drei Computerspezialisten – vielleicht, weil „hinter“ ihm auch zwei akzeptable normative Standards stecken: 1. Es erscheint fair, solche Kriterien zu eliminieren, die eine Seite extrem begünstigen. 2. Wenn man keine Anhaltspunkte dafür hat, welche von den verbleibenden Kriterien „richtig“

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Verteilungsprozesse effizient gestalten sind, erscheint es fair, sie alle gleich zu gewichten (was durch die Mittelwertbildung geschieht). Kasten 3

In manchen Fällen streiten die Beteiligten nicht primär um Bewertungsmaßstäbe, sondern vor allem um deren Anwendung auf den praktischen Fall. Sie sind sich also beispielsweise darüber einig, dass einem Handelsvertreter eine (Teil-)Provision entsprechend seinem Verursachungsbeitrag für ein bestimmtes Geschäft zustehen soll, haben jedoch unterschiedliche Auffassungen über diesen Verursachungsbeitrag. In einer solchen Situation werden Sie sich als Mediator zunächst vor allem darum bemühen, dass die subjektive Sichtweise jeder Partei bei der Anwendung des relevanten Maßstabs den jeweils anderen deutlich wird (vgl. Kapitel 5). Allein dadurch verbessert sich zumeist die Beziehung der Beteiligten. Ferner können Sie durch geeignete Fragen (vgl. Kapitel 5) dazu beitragen, die Sachverhaltsgrundlagen zu klären. Schließlich ist daran zu denken, dass Sie oder ein Dritter mit Einverständnis der Parteien eine (verbindliche) Einschätzung im Hinblick auf den relevanten Sachverhalt abgeben. Damit hatten wir uns bereits beschäftigt.

Fokalpunkte Ein besonderes Gewicht erhalten normative Kriterien oder Standards, wenn sie Ergebnisse rechtfertigen, die gleichzeitig sogenannte Fokal- bzw. Konvergenzpunkte (focal points) sind.21 Dabei handelt es sich um Lösungen, die durch eine bestimmte Eigenschaft aus allen anderen „herausstechen“ und dadurch den Beteiligten besonders auffallen. Schelling spricht plastisch vom „intrinsischen Magnetismus bestimmter Lösungen“.22 Der Grund für diesen magnetischen Effekt kann beispielsweise in der Einfachheit der Lösung, ihrer mathematischen Symmetrie, ihrer „offensichtlichen“ Fairness (50/50Aufteilung) oder ihrer geographischen Prominenz liegen: Sie und wir bekommen einen Preis, wenn es Ihnen gelingt, sich mit uns ohne vorherige Absprache an einem bestimmten Tag in Berlin zu treffen. Wo gehen Sie hin? Unendlich viele Orte und Zeitpunkte kommen in Betracht. Indes scheint „irgend etwas“ für 12:00 Uhr mittags und das Brandenburger Tor zu sprechen. Bei einer außergerichtlichen Unternehmensreorganisation richtet sich die Beteiligung der involvierten Banken an einem Überbrückungskredit beispielsweise häufig nach dem prozentualen Anteil ihrer ungesicherten Altengagements an dem Gesamtvolumen der ungesicherten Altkredite. Die Höhe der Beteiligung an einem Sanierungskredit richtet sich dann nach dem vorher vergebenen Überbrückungskredit. Die Logik dieser Fokalpunkte ist eine doppelte: Die Anknüpfung an die Höhe der ungesicherten Altengage225

Methode der Mediation ments bei der Vergabe eines Überbrückungskredits erscheint gerecht, weil diese Höhe ein Indikator für die Risiken ist, die die Banken in der Vergangenheit übernommen haben. Eine entsprechende Quotenfortschreibung bei der Vergabe eines Sanierungskredits liegt dann darüber hinaus auch deshalb nahe, weil man sich bereits einmal auf die Gerechtigkeit einer entsprechenden Aufteilung verständigt hat. Insbesondere in komplexen Mediationsverfahren (mehrere Themen, viele Verhandlungspartner) können Fokalpunkte ein wirkungsvolles Instrument sein, um Verteilungskonflikte zu moderieren. Problematisch bei der Suche nach entsprechenden Lösungen ist allerdings, dass sie häufig nur auf den ersten Blick fair sind, bei näherer Betrachtung jedoch einzelne Beteiligte unangemessen begünstigen. So kann es in Sanierungskonstellationen beispielsweise vorkommen, dass eine an der Höhe der Altengagements orientierte Aufteilung der Quoten bezüglich eines Überbrückungs- oder Sanierungskredits deshalb unfair ist, weil einzelne der beteiligten Banken wesentlich stärker von einer fortdauernden Geschäftsbeziehung mit dem notleidenden Unternehmen profitieren als andere (z. B. in der Funktion einer Emissionsbank für Anleihen oder über Beratungsaufträge). Fokalpunkte haben dann lediglich eine phony precision, wie es in der Literatur einmal treffend formuliert wurde.23 Als Mediator sind Sie deshalb – ähnlich wie bei der Suche nach normativen Standards – in doppelter Hinsicht gefordert: Einerseits sollten Sie mögliche Fokalpunkte finden und in die Verhandlungen einbringen; andererseits müssen Sie solche Punkte aber auch hinsichtlich ihrer legitimitätsstiftenden Wirkung hinterfragen: Worauf beruht der magnetische Effekt im konkreten Fall? Ist er Ausdruck eines überzeugenden Gerechtigkeitskriteriums? Oder handelt es sich um eine zwar naheliegende, aber doch – gegeben den konkreten Einzelfall und seine Umstände – ungerechte Lösung? Kreativität und kritische Evaluation sind die beiden Leitlinien, von denen Sie sich als Mediator bei der Nutzung von Fokalpunkten leiten lassen sollten.

Unterschiedliche Verteilungsverfahren berücksichtigen Nicht nur materielle Verteilungskriterien wie normative Standards oder Fokalpunkte können ein sinnvolles Instrument zur Bewältigung von Verteilungskonflikten sein, sondern auch die Verständigung auf ein bestimmtes Verteilungsverfahren, das von allen Konfliktparteien als fair akzeptiert wird. Gerade verfahrensbezogene Interessen der Beteiligten besitzen für die Bewertung von denkbaren Einigungsoptionen häufig eine große Bedeutung: Die empirische Forschung zeigt, dass ein Ergebnis bei wahrgenommener Verfahrensgerechtigkeit auch dann akzeptiert wird, wenn es ungünstiger als erwartet ausfällt.24

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Verteilungsprozesse effizient gestalten Denkbare Verteilungsverfahren gibt es viele. Manche sind sehr einfach und im wahrsten Sinne des Wortes altbekannt. Andere sind komplizierter und wirken – zumindest auf den ersten Blick – recht technisch. Als Mediator sollten Sie mit den wichtigsten Verfahren und ihren Eigenschaften vertraut sein, um sie situationsgerecht vorschlagen und/oder bewerten zu können.

Losverfahren (Zufallsprinzip) Ein zumindest denkbares Verteilungsverfahren ist es, das Los (den Zufall) darüber entscheiden zu lassen, welcher von mehreren Beteiligten in welcher Weise berücksichtigt bzw. nicht berücksichtigt wird.25 Als „Auffangverfahren“ besitzt das Losen eine nicht zu unterschätzende Attraktivität: Es kommt zu einer eindeutigen und – wenn man sich auf dieses Verfahren verständigt hat – fairen Entscheidung. Gleichzeitig ist das Verfahren praktisch universell einsetzbar, insbesondere in Verteilungskonflikten (z. B. bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft oder einer Gesellschaft). Mehr als eine Auffanglösung sollte das Zufallsprinzip gleichwohl nicht sein: Es kann zu einer Verteilung führen, die den inhaltlichen Interessen der Beteiligten überhaupt nicht oder nur unzureichend entspricht. Dagegen kann es bei der Entscheidung von Verfahrensfragen („Wer fängt an?“, „Wer bekommt den größeren der zur Verfügung stehenden Rückzugsräume am Tagungsort“ etc.) häufig ein einfaches und nützliches Hilfsmittel sein.

Abwechseln Den inhaltlichen Interessen der Beteiligten wird regelmäßig ein anderes Verfahren besser gerecht: das „Abwechseln“. Seine mögliche praktische Bedeutung zeigt sich insbesondere in Situationen, in denen größere Sammlungen von Gegenständen mit unklarem Wert auf mehrere Berechtigte aufgeteilt werden müssen. Man stelle sich etwa vor, Albert und Billa seien Miterben zu je 1/2 des im Wesentlichen aus einer umfangreichen Gemäldesammlung bestehenden Vermögens des verstorbenen Claus. Konsequentes Abwechseln würde insoweit bedeuten, dass zunächst Albert ein Gemälde wählt, dann Billa, dann wieder Albert – und so weiter bis zur Erschöpfung des Bestandes. Der Grundgedanke dieses Verfahrens liegt darin, Fairness durch Reziprozität herzustellen („einmal Du, einmal ich“). Indes ist derjenige, der als erster auswählen kann, offensichtlich im Vorteil. Dieser Vorteil lässt sich durch eine Modifikation des Verfahrens im Sinne eines ausgeglichenen Abwechselns kompensieren: Albert kann ein Gemälde wählen, dann Billa zwei, dann wieder Albert eines und Billa eines – und so weiter wie beim konsequenten Abwechseln (auch andere Formen ausgeglichenen Abwechselns sind denkbar). Können sich Albert und Billa gleichwohl nicht darauf einigen, wer zunächst auswählen darf, werden Sie als Mediator insoweit gegebenenfalls einen Losentscheid vorschlagen. 227

Methode der Mediation

Einer teilt, der andere sucht aus Ein weiteres, altbekanntes und einfaches Verteilungsverfahren mit einem ähnlichen Anwendungsfeld wie das (konsequente bzw. ausgeglichene) Abwechseln verbirgt sich hinter der Umschreibung „Einer teilt, der andere sucht aus“. Bereits Abram schlug es vor, um seinen Konflikt mit Lot beizulegen. „Und das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten; denn ihre Habe war groß … Und es war immer Zank zwischen den Hirten von Abrams Vieh und den Hirten von Lots Vieh … Da sprach Abram zu Lot: Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder. Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken. Da hob Lot seine Augen auf und besah die ganze Gegend am Jordan. Denn ehe der Herr Sodom und Gomorra vernichtete, war sie wasserreich … Da erwählte sich Lot die ganze Gegend am Jordan und zog nach Osten. Also trennte sich ein Bruder von dem anderen, so dass Abram wohnte im Lande Kanaan und Lot in den Städten am unteren Jordan …“ (Genesis 13, 6 bis 12). Kasten 4

Anders als beim Verfahren des (konsequenten oder ausgeglichenen) Abwechselns soll Fairness hier nicht durch Reziprozität, sondern durch die freiwillige Einräumung eines Wahlrechts hergestellt werden. Möglich ist dies ohne weiteres allerdings nur, wenn der Konfliktgegenstand teilbar ist oder wenn es mehrere (in etwa gleichwertige) Konfliktgegenstände gibt. Zusätzliche Schwierigkeiten für das Verfahren ergeben sich, wenn die Anteile der Konfliktparteien ungleich sind. In allen diesen „schwierigeren“ Fällen kann das Prinzip „Einer teilt, der andere sucht aus“ nur modifiziert angewendet werden. Hilfreich ist es insoweit, wenn sich die Verhandlungsmasse durch Geldzuschüsse aller Beteiligten anreichern lässt. Wir variieren den konstruierten Fall und nehmen an, Albert und Billa seien mit Erbquoten von 1/4 bzw. 3/4 die alleinigen Erben des Claus. Der Nachlass bestehe im Wesentlichen nur aus einem Hausgrundstück. Sein Verkehrswert liege „irgendwo“ im Bereich von 0,4 Millionen bis 0,6 Millionen Euro. Albert und Billa schießen entsprechend ihren Erbquoten 0,5 Millionen bzw. 1,5 Millionen Euro, insgesamt also 2 Millionen Euro, in die Erbmasse. Derjenige, der die Rolle des Teilenden übernimmt (dazu sogleich im Text), hat nun die Aufgabe, vier Teilmassen zu bilden (unter

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Verteilungsprozesse effizient gestalten beliebiger Kombination des vorhandenen Grundstücks und der eingeschossenen Geldbeträge). Anschließend darf der andere sich seine Teile aussuchen (entsprechend seiner Erbquote entweder einen oder drei Teile). Kasten 5

Gemeinhin wird die Rolle des Teilenden in einer solchen Situation als nachteilig empfunden: Derjenige, der wählen „darf“, scheint im Vorteil zu sein. Zwingend ist dies jedoch keineswegs. Wer die Präferenzen des anderen gut einzuschätzen vermag und – relativ zu diesem – risikofreudig ist, für den ist die Rolle des Teilenden attraktiv.26 Nehmen wir in dem soeben diskutierten Beispiel etwa an, Albert (Erbquote 1/4) wisse, dass Billa (Erbquote 3/4) das Grundstück aufgrund eines besonderen Affektionsinteresses 0,7 Millionen Euro wert sei. Billa dagegen denke von Albert, dass dieser einen Wert von 0,4 Millionen Euro ansetze. Tatsächlich habe Albert jedoch dasselbe Affektionsinteresse wie Billa. Muss Billa teilen, wird sie das Haus plus 0,2 Millionen Euro sowie drei Teile in Höhe von jeweils 0,6 Millionen Euro bilden. Albert wählt das Haus plus 0,2 Millionen Euro und erhält damit von einer übereinstimmend angenommenen Gesamtvermögensmasse von 2,7 Millionen Euro einen Betrag von 0,9 Millionen Euro, also weit mehr als 1/4 (nämlich 1/3). Darf dagegen Albert teilen, wird er Billa das Haus sowie drei Teile in Höhe von jeweils 0,6 Millionen Euro anbieten. Billa entscheidet sich für das Haus und zwei Geldbeträge und erhält damit insgesamt 2,03 Millionen Euro, also nur ganz knapp mehr als 3/4. Können sich Albert und Billa – oder andere Konfliktparteien – nicht darauf verständigen, wer die Rolle des Teilenden übernehmen darf (soll), so werden Sie als Mediator – ähnlich wie beim Verfahren des Abwechselns – insoweit gegebenenfalls einen Losentscheid vorschlagen.

Adjusted Winner-Verfahren Anders als die bisher diskutierten Verteilungsverfahren versucht das von Steven Brams und Alan Taylor entwickelte Adjusted-Winner-Verfahren sicherzustellen, dass am Ende alle Beteiligten auf der Grundlage ihrer jeweiligen Präferenzen (subjektiv) tatsächlich gleichmäßig befriedigt werden.27 Bewerkstelligen lässt sich das mithilfe eines Punkteschemas. Nehmen wir in einer weiteren Variation unseres Beispiels an, Albert und Billa seien Erben zu jeweils 1/2 eines Vermögens, das aus unterschiedlichen Gegenständen besteht: aus einem Pensionsfonds, einem Wohnhaus, einer Ferienwohnung, einem Aktiendepot sowie aus sonstigen beweglichen Gegenständen (Kfz und Mobiliar). In einem ersten Schritt des Verfahrens werden Albert und Billa gebeten, entsprechend ihren Präferenzen verdeckt jeweils insgesamt 100 Punkte auf diese unterschiedlichen Vermögensgegenstände zu verteilen (vgl. Abbildung 2). 229

Methode der Mediation Vermögensgegenstand

Albert

Billa

Pensionsfonds

50

40

Wohnhaus

20

30

Ferienwohnung

15

10

Aktiendepot

10

10

5

10

100

100

Sonstiges (Kfz, Mobiliar) Gesamtzahl

Abbildung 2: Punkteschema im Rahmen des Adjusted Winner-Verfahrens

In einem zweiten Schritt erhalten Albert und Billa provisorisch die Gegenstände, die sie im Vergleich zu dem jeweils anderen höher bewerten (die entsprechenden Punktzahlen sind fett gedruckt). Danach verfügt Albert über 65 und Billa über 40 Punkte. In einem dritten Schritt müssen nun Korrekturen vorgenommen werden, um eine gleichmäßige Punktverteilung herzustellen. Das Aktiendepot bewerten Albert und Billa gleich hoch: Es wird Billa zugewiesen, die „aufholen“ muss und damit 50 Punkte hat. Immer noch besteht eine Diskrepanz von 15 Punkten (65 zu 50). Albert muss also noch etwas abgeben. Aber was? Er verfügt über den Pensionsfonds und die Ferienwohnung. Nun folgt die entscheidende Überlegung: Derjenige Gegenstand, bei dem die relativen Bewertungen von Albert und Billa am wenigsten divergieren, ist der Pensionsfonds. Wenn Pensionsfondsanteile übertragen werden, werden Billa durch Einsatz der relativ wenigsten Punkte von Albert die relativ meisten Punkte zugeteilt. Der zum Ausgleich erforderliche Punktverlust bei Albert und damit der Gesamtpunktverlust sind demzufolge kleiner als bei einer Übertragung (von Anteilen) der Ferienwohnung. Wie viele Pensionsfondsanteile Albert zu übertragen hat, um eine zwischen Albert und Billa gleiche Punktverteilung herzustellen, lässt sich nach der Formel 65 – 50x = 50 + 40x errechnen. Löst man diese Gleichung nach x auf, so ergibt sich x = 1/6. Das bedeutet: Albert erhält 5/6 und Billa 1/6 der Pensionsfondsanteile. Albert muss also 1/6 der Anteile auf Billa übertragen. Er verliert damit 8,63 Punkte (1/6 x 50 Punkte). Gleichzeitig gewinnt Billa 6 Punkte (1/6 x 40 Punkte). Damit verfügen Albert und Billa am Ende jeweils über 56,6 Punkte. Das Reizvolle am Adjusted Winner-Verfahren ist, dass es die Präferenzen der Beteiligten voll zur Geltung bringt und damit tatsächlich eine möglichst effiziente Verteilung bewirkt: Würde man alle Vermögensgegenstände hypothetisch zwischen Albert und Billa gleichmäßig aufteilen, dann erhielten sie jeweils 50 Punkte und stünden damit subjektiv schlechter als bei einer Verteilung nach dem Adjusted Winner-Modus. Das Adjusted Winner-Verfahren führt also nicht nur zu einer subjektiv vollständig gleichmäßigen (und damit 230

Verteilungsprozesse effizient gestalten gerechten), sondern auch zu einer ökonomisch optimalen (effizienten) Aufteilung. Für die Anwendung dieses Verfahrens ist es nicht erforderlich, dass die Beteiligten ihre Interessen (Präferenzen) in Geldwerten ausdrücken. Sie müssen aber in der Lage sein, allen Verhandlungsgegenständen entsprechend ihrer relativen Bedeutung einen kardinalen Punktwert zuzuordnen. Diese Aufgabe ist schwierig genug. Zudem darf diese Bewertung nicht davon abhängen, ob sie ihre Interessen im Hinblick auf die einzelnen Gegenstände im Ergebnis ganz, nur zum Teil oder gar nicht durchsetzen können (die Punktwerte müssen „separierbar“ sein). Im Übrigen funktioniert Adjusted Winner nur dann optimal, wenn der zur Herstellung einer ausgeglichenen Verteilung designierte Verhandlungsgegenstand (im Beispielsfall der Pensionsfonds) teilbar ist. Ist dies nicht der Fall, muss insoweit gegebenenfalls auf einen anderen Verhandlungsgegenstand ausgewichen werden, und das ist mit Gesamtpunktverlusten (Effizienzverlusten) verbunden.28 Als Instrument zur effizienten Bewältigung von Verteilungsstreitigkeiten besitzt das Adjusted Winner-Verfahren einen sehr breiten Anwendungsbereich. Immer dann, wenn in einer bestimmten Konfliktsituation mehrere Verhandlungsthemen (Verhandlungsgegenstände) zu bearbeiten sind, kann es zum Einsatz kommen. Das aber ist gerade bei Wirtschaftskonflikten häufig der Fall: Man denke etwa an Tarifauseinandersetzungen, an (Neu-)Verhandlungen über Langzeitverträge, an Kooperations- und Joint Venture-Verträge etc. Zu beachten ist allerdings, dass Adjusted Winner nicht sicherstellen kann, dass alle Beteiligten aufrichtig handeln: Ähnlich wie im Rahmen des Verfahrens „Einer teilt, der andere sucht aus“ lassen sich durch eine strategisch motivierte Fehldarstellung der eigenen Präferenzen Vorteile erzielen, wenn man die Präferenzen der Gegenseite kennt.

Automatisierte Verteilung durch Software-Werkzeuge Nicht alle Konfliktsituationen haben eine so komplexe Struktur, dass Sie als Mediator den Einsatz des Adjusted Winner-Verfahrens erwägen werden. Bisweilen geht es auch in einer Wirtschaftsmediation um gänzlich eindimensionale Streitigkeiten in dem Sinne, dass etwa nur die Zahlung einer bestimmten Geldsumme (Kaufpreis, Schadensersatz etc.) und deren mögliche Höhe im Raume stehen. Zwar werden Sie als Mediator in solchen Situationen daran denken, den Verhandlungsraum zu erweitern, um dadurch Möglichkeiten der Wertschöpfung zu schaffen (vgl. Kapitel 7). Indes wird Ihnen dies nicht immer gelingen. Selbst wenn Sie insoweit Erfolg haben, stellt sich am Ende möglicherweise die Frage nach der Bewertung der beiderseitigen Leistungen bzw. Verpflichtungen am Maßstab eines festzulegenden Preises.

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Methode der Mediation Zur Unterstützung dieser Preisfestlegung stehen inzwischen auch SoftwareWerkzeuge zur Verfügung. Diese Software-Werkzeuge sind in erster Linie darauf angelegt, online genutzt zu werden.29 Theoretisch und praktisch können sie aber auch offline als Mediationsinstrument Verwendung finden. In der Sache handelt es sich dabei um besonders effiziente Formen eines Basars: Die Beteiligten legen ihre Forderungen bzw. Angebote (etwa im Hinblick auf eine bestimmte Schadensersatzzahlung) in mehreren Runden unabhängig voneinander fest. Wenn die mitgeteilten Werte nicht mehr als einen – vorher festgelegten – Prozentsatz (vom Angebot bzw. der Forderung) auseinander liegen, errechnet die Software den Mittelwert als Einigung. Wird das System online genutzt, so steigen von Runde zu Runde die Verfahrenskosten und damit auch der Anreiz der Beteiligten, sich zu einigen. Denselben Anreizeffekt können Sie als Mediator natürlich auch bei einer Offline-Nutzung implementieren. Entsprechende Software-Werkzeuge sollten in ihrer Bedeutung als Instrument zur Lösung von Verteilungskonflikten weder unter- noch überschätzt werden. Sie können helfen, ein eindimensionales Verteilungsproblem rasch und kostengünstig zu bewältigen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Zusammenfassung In jeder Mediation spielen Verteilungsfragen eine zentrale Rolle: Während die Beteiligten ein gemeinsames Interesse daran haben, den zur Verteilung verfügbaren „Kuchen“ so weit wie möglich zu vergrößern, sind ihre Interessen im Rahmen der Verteilung dieses Kuchens diametral entgegengesetzt: Jeder möchte für sich selbst das größte Stück. Die Taktiken, die zu diesem Zweck eingesetzt werden, sind zahlreich: Sie reichen von der Veränderung von Nichteinigungsalternativen über den Ausschluss unerwünschter Einigungsoptionen durch Selbstbindung bis hin zum Werfen von Wahrnehmungsankern und der Täuschung über Interessen und/oder Nichteinigungsalternativen. Als Mediator müssen Sie diese Taktiken kennen, um ihnen situationsgerecht entgegenwirken zu können und Eskalationsgefahren einzudämmen. Sie können aber auch aktiv dazu beitragen, dass Verteilungsprozesse effizient, also ressourcenschonend und interessengerecht, ablaufen. Hier liegt eine häufig verkannte, wichtige Chance der Mediation. Bisweilen wird bereits eine Verbesserung der Informationsgrundlagen ein entscheidender Schritt zur Entschärfung eines Verteilungskonflikts sein. Als Mediator können Sie ferner durch das Einbringen materieller Verteilungskriterien (normative Standards, Fokalpunkte) Verteilungskonflikte moderieren. Schließlich steht eine Vielzahl von Verteilungsverfahren zur Verfügung, die – situationsgerecht eingesetzt – einen wesentlichen Beitrag zu einer möglichst effizien232

Verteilungsprozesse effizient gestalten ten Lösung von Verteilungskonflikten leisten können. Eine besondere Beachtung verdient insoweit vor allem das sogenannte Adjusted Winner-Verfahren. Insbesondere in komplexen Mediationen (viele Themen bzw. Verhandlungsgegenstände) kann es im Einzelfall der Schlüssel zu einer subjektiv als äußerst fair empfundenen und gleichzeitig ökonomisch effizienten Lösung sein. Die Aufteilung eines in der Mediation erarbeiteten Kooperationsgewinns mit Hilfe eines bestimmten Verteilungsmodus konkretisiert das, was den Beteiligten schlussendlich als mögliche Einigungsoption gewissermaßen vor Augen steht. Sollten sie dem zustimmen? Nicht zwingend: Nicht alles, was als Einigungsoption in Betracht kommt, stellt jede Seite besser als ihre beste Nichteinigungsalternative. Nur dann, wenn es sich um eine Lösung handelt, die für alle Beteiligten dieses Kriterium erfüllt, besteht tatsächlich eine reale Chance für einen Mediationsvergleich. Die alternativen Handlungsmöglichkeiten und deren Wahrnehmung durch die Parteien haben daher erhebliches Gewicht für das Gelingen einer Mediation. Mit den Nichteinigungsalternativen der Parteien und ihrer Bewertung sowie der Rolle des Mediators in diesem Zusammenhang wollen wir uns daher im nächsten Kapitel näher beschäftigen.

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Alternativen zu einer Verhandlungslösung prüfen

Wenn sich die an einem Wirtschaftskonflikt Beteiligten auf eine Mediation einlassen, dann wird es ihnen in der Regel auch gelingen, den Konflikt im Wege der Mediation beizulegen: Die Erfahrung zeigt, dass etwa drei Viertel der eingeleiteten Mediationsverfahren zu einer Einigung führen.1 Scheitert eine Mediation, so kann dies vor allem an guten Nichteinigungsalternativen einzelner Beteiligter liegen: Wer für den Fall der Nichteinigung Handlungsmöglichkeiten hat, die ihn besser stellen als die realisierbaren Einigungsoptionen, wird diese rationalerweise ablehnen. Genauso wie Einigungsoptionen werden allerdings auch Nichteinigungsalternativen subjektiv – und damit möglicherweise verzerrt – wahrgenommen. Dass ein Beteiligter einen bestimmten Einigungsvorschlag ablehnt, kann auch daran liegen, dass er eine zu optimistische Vorstellung von seinen Nichteinigungsalternativen hat. Zu den Aufgaben eines Mediators gehört es deshalb, den Beteiligten ein realistisches Bild ihrer jeweiligen Nichteinigungsalternativen zu vermitteln. Ist die wichtigste Nichteinigungsalternative – wie bei Wirtschaftskonflikten häufig – ein Rechtsstreit, so können Sie als Mediator zu diesem Zweck vor allem sogenannte Prozessrisikoanalysen einsetzen. Mit der Bedeutung von Nichteinigungsalternativen für die Durchführung einer Mediation und mit ihrer Bewertung wollen wir uns in diesem Kapitel näher beschäftigen. Soweit dabei die Prozessführung als spezifische Nichteinigungsalternative und deren Bewertung untersucht werden, stehen unternehmensexterne Konflikte im Vordergrund. Allgemein sind Nichteinigungsalternativen aber natürlich auch bei dem Versuch einer gütlichen Beilegung unternehmensinterner Konflikte bedeutsam.

Bedeutung von Nichteinigungsalternativen Eine Mediation hat als drittunterstützte Verhandlung genauso wie jede andere Verhandlung eine Struktur, die sich entscheidungstheoretisch erfassen lässt: Jeder Konfliktbeteiligte steht während der Mediation irgendwann vor der Frage, ob er einem denkbaren Einigungsvorschlag – des Mediators oder der anderen Seite – zustimmen oder aber diesen ablehnen soll. Diese Entscheidung kann man nur dann verständig treffen, wenn man sich über die 235

Methode der Mediation eigenen Nichteinigungsalternativen Rechenschaft ablegt: Was tue ich, wenn die Mediation scheitert?

Arten von Nichteinigungsalternativen Nichteinigungsalternativen können in unterschiedliche Richtungen gehen. Ein Beteiligter kann dazu in der Lage sein, einem anderen gegen dessen Willen ein bestimmtes Vorgehen aufzuzwingen. In diese Kategorie gehört etwa die bereits erwähnte Möglichkeit, einen Rechtsstreit anzustrengen oder fortzuführen. Bei innerbetrieblichen Konflikten zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem kann letzterer, falls es zu keiner Einigung kommt, eine verbindliche Entscheidung treffen und durchsetzen. Denkbar ist aber auch, dass ein Dritter den Verhandlungspartner ersetzt: Wer sich beispielsweise als Automobilhersteller im Dauerstreit mit einem Zulieferer befindet, wird dessen Austausch durch einen anderen Vertragspartner erwägen. Schließlich kann auch ein „Alleingang“ eine Nichteinigungsalternative sein: Das Produkt, das der Zulieferer herstellt, kann man eventuell auch selbst produzieren.

Beste Nichteinigungsalternative (BATNA) und Einigungsbereich Nicht alles, was als Nichteinigungsalternative denkbar ist, ist auch realisierbar, und nicht alles, was realisierbar ist, dient den eigenen Interessen gleich gut. Für den Entscheidungsprozeß eines Beteiligten relevant ist diejenige Nichteinigungsalternative, die seinen Interessen am besten dient und sich umsetzen lässt. Dafür hat sich das US-amerikanische Kürzel BATNA eingebürgert (vgl. insoweit bereits Kapitel 2).2 Es steht für: Best Alternative To a Negotiated Agreement. Ein Beteiligter wird einem Angebot in der Mediation rationalerweise nur zustimmen können, wenn dieses besser ist als seine BATNA. Für die vorgeschlagenen oder denkbaren Einigungsoptionen bildet die jeweilige BATNA also die Messlatte. Aus der Warte eines allwissenden Beobachters gibt es für die Voraussetzungen einer rationalen Einigung damit eine einfache Formel: Nur wenn sich in der Mediation Einigungsoptionen finden lassen, die für alle Beteiligten besser sind als ihre jeweilige BATNA, ist eine Einigung zu erwarten. Lösungen, die dieses Kriterium erfüllen, liegen im sogenannten Einigungsbereich. Er markiert das Spektrum der prinzipiell für jeden akzeptablen Einigungsoptionen. Sind die jeweiligen BATNAs schlecht, ist der Einigungsbereich groß, sind sie gut, ist er klein. In Abbildung 1 ist der Einigungsbereich für eine Zwei-Personen-Verhandlung einmal beispielhaft graphisch dargestellt. Nehmen wir an, A möchte sich zur Ruhe setzen und sein Unternehmen verkaufen. Er habe bereits ein Angebot eines potentiellen Käufers in Höhe von 500.000 Euro (das ist die BATNA von A). Er verhandelt nunmehr mit B, der ein vergleichbares Un236

Alternativen zu Verhandlungslösung prüfen ternehmen von einem Dritten für 1,5 Millionen Euro erwerben könnte (das ist die BATNA von B). Alle Kaufpreise zwischen 500.000 und 1,5 Millionen Euro sind für A und B potentiell akzeptabel, sie liegen im Einigungsbereich.

Abbildung 1: Einigungsbereich

BATNA und Verhandlungsmacht Eine gute BATNA ist gleichzeitig ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis des im Zusammenhang mit Verhandlungen und Mediation häufig gebrauchten, schillernden Begriffs der (großen oder kleinen) Verhandlungsmacht. Je größer die Fähigkeit eines Beteiligten ist, ein für ihn gutes Ergebnis durchzusetzen, desto größer ist seine Verhandlungsmacht. Diese Fähigkeit speist sich aus unterschiedlichen Quellen: Intellektuelle Fähigkeiten und finanzielle Ressourcen gehören dazu. Wer auf eine schnelle Einigung weniger angewiesen ist als der Verhandlungspartner, ist ebenfalls im Vorteil.3 Die größte Verhandlungsmacht aber ergibt sich aus guten Nichteinigungsalternativen. Je besser die eigene BATNA ist, desto ruhiger und sicherer wird ein Beteiligter den Verhandlungs- oder Mediationsraum betreten: Ihn ohne eine Einigung wieder zu verlassen, ist für ihn kein schlechtes Ergebnis. Wer demgegenüber aufgrund einer schlechten BATNA dringend eine Einigung mit dem Verhandlungspartner benötigt, hat „schlechtere Karten“. Er kann und wird größere Zugeständnisse machen als sein Gegenüber.

Nichteinigungsalternativen entwickeln und kommunizieren Nichteinigungsalternativen sind in der Regel nicht einfach gegeben. Sie müssen vielmehr entwickelt werden. Hat ein Beteiligter eine schlechte BATNA, wird er versuchen, diese zu verbessern. Verfügt er dagegen über eine gute BATNA, wird es der Gegenseite umgekehrt um deren Verschlechterung gehen. Von großer Bedeutung kann dabei die Mobilisierung der Presse sein. Ein Arbeitgeberverband, dem es in einer Tarifauseinandersetzung öffentlichkeitswirksam gelingt, einen Streik als volkswirtschaftlich unverantwortlich hinzustellen, verschlechtert damit die wichtigste Nichteinigungsalternative der Arbeitnehmerseite.

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Methode der Mediation Über die Tarifauseinandersetzung zwischen der Bahn und der GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) im Jahre 2007 konnte man angesichts der von der GDL angedrohten Streiks auf der Homepage des manager magazin am 26. Juli 2007 unter dem Titel „Bahn droht mit Fahrpreiserhöhungen“ lesen: „Die Bahn setzt Suckale [Margret Suckale, damals Bahn-Personalchefin] zufolge auch weiterhin auf Verhandlungen mit dem Fahrpersonal. Scheitere eine Einigung jedoch, seien ein umfangreicher Stellenabbau und die Erhöhung der Fahrpreise kaum zu vermeiden. Die Bahn könne eine Lohnsteigerung von bis zu 4,5 Prozent anbieten, ohne Rationalisierungen und Fahrpreiserhöhungen einleiten zu müssen. Bereits für einen Abschluss von 7 Prozent mehr Entgelt habe das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) einen Abbau von 9.000 Arbeitsplätzen prognostiziert. Die GDL fordert mindestens 31 Prozent mehr Lohn sowie einen Spartentarifvertrag.“4 Kasten 1

Ebenso wenig wie Nichteinigungsalternativen in der Regel einfach gegeben sind, sind sie in einer Verhandlung bzw. Mediation ohne Weiteres wirksam. Wirkung auf die Gegenseite entfalten sie nur, wenn sie dieser bekannt sind. Nur dann können und werden sie deren Verhalten beeinflussen. Wer eine gute BATNA hat, sollte sie also auch kommunizieren. Geschickter als eine eskalationsträchtige Drohung („Wir werden streiken, wenn ihr unserer Forderung von 5 Prozent mehr Lohn nicht zustimmt.“) ist insoweit eine passive Formulierung („Der Druck auf unsere Organisation zu streiken, wird zunehmen.“).

Bewertung von Nichteinigungsalternativen Für die Verhandlung bzw. Mediation relevant sind damit letztlich nicht die tatsächlichen, sondern die (von der Gegenseite) wahrgenommenen Nichteinigungsalternativen. Wenn die Arbeitgeberseite glaubt, dass bei einem Angebot von unter 5 Prozent gestreikt wird, dann kommt es nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer tatsächlich streiken können und wollen. Viele strategische Manöver in Wirtschaftskonflikten setzen genau hier an: Es wird versucht, die Gegenseite über die Nichteinigungsalternativen, die einem selbst zur Verfügung stehen, zu täuschen. Schützen können sich die Beteiligten vor derartigen Manipulationen vor allem dadurch, dass sie nachhaken und präzisere Informationen und unter Umständen auch Nachweise für die behaupteten Nichteinigungsalternativen verlangen. Wird die geltend gemachte Verhandlungsposition etwa mit dem Hinweis auf ein angeblich besseres Alternativangebot eines Dritten gerechtfertigt, so ist es sinnvoll, die jeweilige Partei einzuladen, den „geheim238

Alternativen zu Verhandlungslösung prüfen nisvollen Unbekannten“ konkret zu benennen oder dessen schriftliches Angebot vorzulegen. Ist dies nicht möglich, so verliert die behauptete Nichteinigungsalternative an Überzeugungskraft und Legitimation, weil sich die darauf berufende Partei zu Recht die Frage gefallen lassen muss, warum sie die jeweiligen Informationen zu diesem Angebot, sollte es denn überhaupt existieren, nicht offenlegt. Wie wir bereits im Rahmen der Ankerstrategien und anderer manipulativer Techniken gesehen haben, gehen Versuche, sich durch Täuschung gegenüber seinem Verhandlungspartner einen Vorteil zu verschaffen, häufig „nach hinten los“. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Betrug „auffliegt“ und die getäuschte Partei das Ergebnis des Verfahrens insgesamt in Frage stellt. Daher ist es sinnvoller, aktiv an der tatsächlichen Verbesserung der eigenen Nichteinigungsalternativen zu arbeiten. Wer sich als Partei die Mühe macht und im Vorfeld des Mediationsverfahrens schriftliche Alternativangebote einholt, hat nicht nur eine bessere Ausgangsposition, sondern trägt auch zur Bewahrung der für die Mediation unabdingbaren Verfahrensfairness bei. Mediation ist ein kooperatives Verfahren und setzt den good will und das gegenseitige Vertrauen aller Beteiligten voraus. Wer seinen Verhandlungspartner bewusst über wesentliche Schlüsselfaktoren täuscht, setzt sich über die Regeln hinweg, zu denen er sich zuvor in der Mediationsvereinbarung und im Mediatorvertrag verpflichtet hat. Und er verbaut sich und den übrigen Beteiligten den Weg, um zu einer konstruktiven, an der Lösung eines gemeinsamen Problems orientierten und wertschöpfenden Beilegung des Konfliktes zu gelangen, die das eigentliche Ziel des Mediationsverfahrens ist.

Überoptimismus als Einigungsbarriere Genauso wie ein Beteiligter sich über die Nichteinigungsalternativen der Gegenseite irren kann, unterliegt er möglicherweise auch im Hinblick auf die eigenen Nichteinigungsalternativen einer verzerrten Wahrnehmung. Diese kann sich insbesondere aus einer zu optimistischen (überoptimistischen) Einschätzung eigener Nichteinigungsalternativen ergeben. Optimismus ist im Prinzip eine nützliche Lebenseinstellung, weil er uns hilft, auch kritische Situationen zu meistern. Ungerechtfertigter Optimismus (Überoptimismus) ist jedoch schädlich. Er verleitet zu leichtfertigem Verhalten und in Konfliktsituationen dazu, die eigenen Nichteinigungsalternativen zu überschätzen. Die Kognitionspsychologie hat in den letzten Jahrzehnten viele Belege für derartigen Überoptimismus erbracht (vgl. Kapitel 1).5 Fragt man die in einen Wirtschaftskonflikt involvierten Rechtsanwälte nach den Prozessaussichten der von ihnen vertretenen Parteien, so geben sie regelmäßig Wahrscheinlichkeiten an, die sich zu mehr als 1 (= 100 Prozent) addieren. Handelt es sich um besonders ambitionierte Anwälte, liegt die Summe der mitgeteilten

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Methode der Mediation Wahrscheinlichkeiten zumeist bei über 1,5 (ca. 140–160 Prozent): Jede Seite ist sehr zuversichtlich, den Prozess zu gewinnen. Auf dieser Grundlage kann man sich natürlich nicht vergleichen. Im Einzelfall verstärkt das Phänomen der Verlustaversion noch den vergleichshindernden Effekt von Überoptimismus. Die meisten Menschen sind grundsätzlich risikoscheu. Deswegen schließen wir Versicherungen ab. Allerdings werden viele von uns gelegentlich zu Spielernaturen, wenn es darum geht, drohende Verluste zu vermeiden.6 Wer in einer Mediation als Anspruchsgegner die Zahlung einer (moderaten) Vergleichssumme als Verlust wahrnimmt, geht möglicherweise hohe Risiken ein, um diesen Verlust nicht erleiden zu müssen. Wenn der Anspruchsteller seinerseits die Vergleichssumme an einer ursprünglichen (überzogenen) Forderung misst, gilt für ihn dasselbe. Ein guter Verhandler kennt diese Mechanismen und ist in der Lage, die eigene Wahrnehmung kritisch zu reflektieren. Wie aber können bzw. sollten Sie sich als Mediator verhalten, wenn Sie sehen, dass sich eine überoptimistische Einschätzung der Nichteinigungsalternativen durch die Konfliktparteien gepaart mit Verlustaversion zu einer massiven Einigungsbarriere entwickeln?

Bedeutung von Einzelgesprächen Wenig hilfreich ist es in solchen Situationen, die Beteiligten in gemeinsamen Verhandlungen zur Besonnenheit zu ermahnen. Kaum jemand wird vor den Augen der Gegenseite Schwächen in der eigenen (rechtlichen) Position zugeben, zumal wenn er diese vorher vehement verteidigt hat. Häufig wird der Mediator deshalb Einzelgespräche vorschlagen (vgl. Kapitel 6). Sie sind ein Forum, auf dem die Beteiligten vertrauensvoll mit dem Mediator kommunizieren können. Darin kann der Schlüssel für einen Erfolg der Mediation liegen. Strategisch bedeutsame Informationen, die sie der Gegenseite niemals preisgeben würde, teilt eine Partei eventuell dem Mediator mit. Die Bereitschaft zur kritischen Überprüfung der eigenen Nichteinigungsalternativen steigt. Der Mediator erlangt eine zutreffendere Einschätzung von Einigungschancen und -hindernissen. In emotional stark belasteten Situationen sind Einzelgespräche zudem ein Instrument, das sich zur Deeskalation einsetzen lässt. Erwägen Sie als Mediator die Durchführung von Einzelgesprächen, so sollten Sie sich aber auch der Gefahren bzw. Risiken dieses Instruments bewusst sein, um ihnen durch eine geeignete Verfahrensgestaltung entgegenwirken zu können.7 Hat ein Beteiligter den Eindruck, dass es in einem Einzelgespräch zwischen der Gegenseite und dem Mediator zu „Mauscheleien“ kommt, werden die Neutralität des Mediators und die prozedurale Integrität 240

Alternativen zu Verhandlungslösung prüfen des Mediationsverfahrens erheblich belastet. Nicht zu unterschätzen ist bei komplexen Mediationen auch das Risiko, dass der Mediator versehentlich seine Vertraulichkeitsverpflichtung bricht (Was wurde mir im Vertrauen gesagt?). Schließlich können überlange Einzelgespräche die jeweils nicht beteiligte Partei bzw. deren Vertreter ermüden und frustrieren. Einzelgespräche sollten Sie als Mediator deshalb nur führen, nachdem Sie allen Beteiligten deren Zweck und auch mögliche Länge erläutert haben, so dass ein Maximum an Verfahrenstransparenz gewährleistet ist. Die Zulässigkeit von Einzelgesprächen sollte ausdrücklich vereinbart werden, gegebenenfalls bereits in der Mediationsvereinbarung und im Mediatorvertrag.8 Sinnvollerweise werden Sie die jeweils gerade nicht an einem Einzelgespräch beteiligte Partei anderweitig beschäftigen und ihr z. B. „Hausaufgaben“ geben. Bei einer Co-Mediation sollten Sie Einzelgespräche nicht simultan führen. Das wäre zwar scheinbar mit einer Zeitersparnis verbunden und hätte für die agierenden Mediatoren auch den Vorteil, dass sie nur die vertraulichen Informationen einer Seite „im Kopf behalten“ müssen. Aber der Zeitvorteil würde regelmäßig durch den notwendigen Informationsaustausch zwischen den Mediatoren wieder verspielt, und vor allem droht eine Gefährdung der Neutralität der Mediatoren („mein“ bzw. „Dein“ Mediator).

Kritische Fragen des Mediators Im Rahmen eines Einzelgesprächs steht Ihnen als Mediator eine Reihe von Techniken zur Verfügung, um einem Beteiligten eine realistische Sicht auf seine Nichteinigungsalternativen zu vermitteln. An erster Stelle zu nennen sind insoweit einfache, kritische Fragen (zu Fragetypen und -techniken vgl. ausführlich Kapitel 5). Die Ursachen für Überoptimismus liegen häufig in vagen oder sogar nebulösen Vorstellungen davon, „was man alles machen könnte“, wenn die Mediation scheitert. Hier werden Sie ansetzen und insistierend nachfragen, damit der Beteiligte sich konkreter über die Realitätsnähe seiner Vorstellungen und ihren Bezug zu seinen Interessen Rechenschaft ablegt („Auf welchen Zulieferer weichen Sie aus, wenn die Zusammenarbeit mit Ihrem jetzigen Partner endet? Wie schnell ginge das? Gibt es schon einen Vorvertrag? Wie schätzen Sie Ihren möglichen neuen Partner im Hinblick auf Qualität und Termintreue ein? Worauf gründet sich Ihre Einschätzung?“). Auch Suggestivfragen können insoweit ein legitimes Mittel sein, um Reflexionsprozesse auszulösen („Was gefällt Ihnen nicht an einem Streik?“). Keinesfalls dürfen Sie als Mediator insoweit zu früh aufgeben: Rechnen Sie mit abblockenden Antworten, haken Sie nach, fragen Sie weiter, stellen Sie notorisch überoptimistische Konfliktparteien auf eine harte Probe. Als agent of reality ist es Ihre Aufgabe, die Annahmen der Parteien kritisch zu prüfen und so mögliche Wahrnehmungsverzerrungen auszugleichen.9 241

Methode der Mediation Nicht selten wird diese Art des kritischen Hinterfragens von der betroffenen Partei oder ihren Beratern als Parteinahme für die andere Seite wahrgenommen. Sie kann daher zu einer Gefährdung Ihrer (wahrgenommenen) Neutralität führen, was die Mediation insgesamt infrage stellen kann. Machen Sie daher deutlich, dass der Grund für Ihre Fragen nicht in einer Parteinahme für die andere Seite zu suchen ist, sondern allein dazu dient, dem zuvor beschriebenen, allgemeinen Phänomen des Überoptimismus’ entgegenzuwirken, der – bezogen auf die eigenen Nichteinigungsalternativen – ein Hindernis auf dem Weg zu einer Einigung darstellen kann. Formulieren Sie Ihre Fragen zudem vorsichtig und nicht zu kritisch, damit diese nicht als Überzeugung von der Position der Gegenseite missverstanden werden können. In einem von einem der Autoren durchgeführten Mediationsverfahren zwischen einem Energiekonzern und einem Industrieunternehmen in einem Konflikt über Nutzungskonditionen einer Kraftwerksanlage führte der Mediator in der entscheidenden Phase mit den Parteien wechselnd längere Einzelgespräche. Dabei hinterfragte er vor allem kritisch die jeweiligen Nichteinigungsalternativen. Als er nach einem dieser Einzelgespräche mit der einen Partei wieder den Raum der anderen betrat, empfing ihn deren Anwalt mit den Worten: „Seien Sie gewiss, dass wir unsere rechtlichen Chancen in diesem Fall sehr gewissenhaft geprüft haben. Wir haben in den letzten Stunden den Eindruck gewonnen, dass Sie zunehmend die Position der Gegenseite einnehmen. Das können wir nicht akzeptieren. Wir wollen die Mediation daher abbrechen.“ Nachdem der Mediator die Vertreter dieser Partei einige Zeit nach den Gründen für ihren – aus seiner Sicht unberechtigten – Eindruck befragt hatte, brachte erst seine Versicherung, dass er die Gegenseite ebenso kritisch befrage und auch diese sich hierzu bereits kritisch gezeigt habe, die betroffene Partei dazu, die Mediation fortzusetzen. Kurze Zeit später einigten sich die Parteien. Kasten 2

Dass ein Beteiligter in einem Einzelgespräch mit Ihnen vertrauensvoll und offen kommunizieren kann, bedeutet natürlich nicht, dass er dies auch tun wird: Nicht nur die Gegenseite ist möglicherweise Täuschungen und Manipulationsversuchen ausgesetzt, sondern auch der Mediator (Vorspiegelung nicht existierender Handlungsmöglichkeiten oder Beschönigung derselben, unrichtige Darstellung von Äußerungen der Gegenseite etc.).10 Dieser kann zwar keine verbindliche Entscheidung treffen. Sondervorteile lassen sich aber unter Umständen erzielen, wenn er bei unverbindlichen Lösungsvorschlägen unter dem Eindruck entsprechender Täuschungen bzw. Manipulationsversuche steht. Patentrezepte dagegen gibt es nicht. Aufmerksamkeit hilft, insbesondere im Hinblick auf die Konsistenz bestimmter Äußerungen. Auch kritisches Nachfragen und – in eklatanten und offensichtlichen Fällen – 242

Alternativen zu Verhandlungslösung prüfen eine deutliche Erinnerung an den Geist der Mediation, dem sich alle Beteiligten in der Mediationsvereinbarung bzw. dem Mediatorvertrag verpflichtet haben (vgl. Kapitel 12), können wirksame Schutzschilde sein. Notfalls sollten Sie die Mediation abbrechen.

Prozessrisikoanalysen Wenn die BATNA eines Beteiligten in der (Fort-)Führung eines Rechtsstreits liegt, bietet sich insbesondere bei komplexen Wirtschaftskonflikten ein weiteres Instrument zur realitätsnahen Beurteilung dieser Nichteinigungsalternative an: die Durchführung einer sogenannten Prozessrisikoanalyse.11 Dabei handelt es sich um den Versuch, auf entscheidungstheoretischer Grundlage zu einer möglichst präzisen Abschätzung der Prozessaussichten zu gelangen. Das „Bauchgefühl“, gute oder schlechte Chancen zu haben, kann nämlich bisweilen erheblich trügen. Die Bedeutung von Prozessrisikoanalysen hat in den letzten Jahren in der Praxis der Wirtschaftsmediation zugenommen. Am Ende dieses Kapitels werden wir auf ein Mediationsverfahren zu sprechen kommen, in dem sich eine solche Analyse als Schlüssel für eine allseits zufriedenstellende Einigung erwiesen hat.

Erwartungswert und kumulierte Wahrscheinlichkeiten Dass die Führung eines Prozesses in einem komplexen Wirtschaftskonflikt häufig mit erheblichen Risiken verbunden ist, ist bekannt („Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“). Weniger bekannt ist – jedenfalls unter Juristen –, dass diese Risiken mit Hilfe einfacher Konzepte der Entscheidungstheorie erfasst und bewertet werden können. Entsprechende Konzepte sind überall dort einsetzbar, wo Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden müssen (Beispiel: Beurteilung der Sinnhaftigkeit einer Investition, etwa der Realisierung eines Joint Venture). Der Grundgedanke des Verfahrens geht dahin, die Prozessführung als eine solche Entscheidung unter Unsicherheit zu begreifen und ihren Erwartungswert zu berechnen. Der Erwartungswert eines unsicheren Ereignisses ist das Produkt aus dem Wert dieses Ereignisses (wenn es eintritt) und seiner Eintrittswahrscheinlichkeit. Betrachten wir folgende Lotterie: Sie erhalten eine 1-Euro-Münze, sofern die Münze auf Zahl fällt. Der Erwartungswert dieser Lotterie beträgt 1/2 x 1 Euro = 50 Cent. Er repräsentiert letztlich den durchschnittlichen Gewinn, den Sie hätten, wenn Sie diese Lotterie sehr oft spielen würden. Wie hoch ist der Erwartungswert der Lotterie, wenn Sie die Münze nur dann erhalten, sofern sie zweimal hintereinander auf Zahl fällt? Um diese Frage zu beantworten, müssen Sie zunächst die Wahrscheinlichkeit Ihres Erfolges berechnen. Mehrere unsichere Ereignisse, die kumulativ eintreten müssen, sind zu multiplizieren (kumulierte Wahrscheinlichkeiten). Die Wahrschein243

Methode der Mediation lichkeit beläuft sich jetzt also auf 1/2 x 1/2 = 1/4. Demzufolge beträgt der Erwartungswert dieser Lotterie 1/4 x 1 Euro = 25 Cent.

Erwartungswert einer Prozessführung Diese Konzepte können Sie nutzen, um den Erwartungswert einer Prozessführung zu berechnen. Nehmen wir einmal an, ein Automobilhersteller habe seinem Vertragshändler wegen angeblich rufschädigender Äußerungen (die Äußerungen sind als solche unstrittig) fristlos gekündigt. Der Vertrag enthalte ein jederzeitiges Sonderkündigungsrecht des Herstellers, dessen Wirksamkeit jedoch zweifelhaft sei. Der Händler erwägt eine Schadensersatzklage. Sein entgangener Gewinn betrage 90.000 Euro, seine Vertrauensaufwendungen 45.000. In der Mediation macht der Hersteller ein Vergleichsangebot in Höhe von 10.000 Euro. Der Händler hält dieses Angebot für „lächerlich“. Sie schlagen – als Mediator – eine Prozessrisikoanalyse vor, damit beide Parteien ein möglichst realistisches Bild ihrer jeweiligen Prozessaussichten gewinnen. Hersteller und Händler sind einverstanden. In einem ersten Schritt geht es darum, mit den Beteiligten gemeinsam einen sogenannten Entscheidungsbaum zu entwickeln. Er stellt die mit einem Prozess verbundenen Unsicherheiten und ihre logische Verknüpfung graphisch dar (vgl. Abbildung 2 S. 245). Am Anfang des Baums (markiert durch einen sogenannten Entscheidungsknoten) steht die Entscheidung des Händlers über die Annahme des Vergleichsangebots oder das Führen eines Prozesses. Kommt es zum Rechtsstreit, gewinnt der Händler diesen nur, wenn für die Kündigung ein wichtiger Grund erforderlich war (das Sonderkündigungsrecht also unwirksam ist) und dieser nicht vorlag. Beide Schaltstellen werden durch sogenannte Ereignisknoten markiert: Die Entscheidung des mit der Sache befassten Gerichts ist ein unsicheres Ereignis. Wie hoch der zu leistende Schadensersatz bei einem Prozessgewinn ist, hängt davon ab, ob das Gericht das positive (entgangener Gewinn) oder nur das negative Interesse (Vertrauensaufwendungen) zuspricht (dritter Ereignisknoten). Am Ende der Äste des Baums befinden sich sogenannte Endknoten, an denen die Zahlungen stehen, die der Händler in der jeweiligen Variante erhält. Diesen Baum sollten Sie als Mediator mit den Beteiligten in einer gemeinsamen Sitzung und nicht in Einzelgesprächen entwerfen: Im Hinblick auf die relevanten Fragen und ihre logische Verknüpfung müssen die Parteien übereinstimmen. Für den nun folgenden, zweiten Schritt der Prozessrisikoanalyse sollten Sie demgegenüber das Einzelgespräch suchen: Jetzt muss ermittelt werden, wie wahrscheinlich es ist, dass sich das Gericht an den Verzweigungen des Baums so oder so entscheidet. Im Hinblick auf die erste Weichenstellung wäre also beispielsweise die Wahrscheinlichkeit einzuschätzen, mit der eine Kündigung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für zulässig erachtet wird. Dazu müssen die einschlägige Fachliteratur, 244

Alternativen zu Verhandlungslösung prüfen die höchstrichterliche Rechtsprechung sowie die bisherige Entscheidungspraxis des mit der Sache befassten Gerichts im Hinblick auf das vertraglich vereinbarte Sonderkündigungsrecht ausgewertet werden. Die Kontrahenten werden unterschiedliche Prognosen äußern und zu einer kritischen Reflexion ihrer jeweiligen Einschätzung aus strategischen Gründen in der Regel nur in einem Einzelgespräch bereit sein.

Abbildung 2: Prozessrisikoanalyse mit Hilfe eines Entscheidungsbaums

Zweifellos ist die Ermittlung der relevanten Wahrscheinlichkeiten der wichtigste und zugleich schwierigste Teil einer Prozessrisikoanalyse. Zum einen besteht die Gefahr, dass ein trügerisches „Bauchgefühl“ durch eine nicht weniger trügerische Scheingenauigkeit ersetzt wird. Die relevanten Wahrscheinlichkeitseinschätzungen müssen so gut wie möglich begründet sein. Jeder muss sich bewusst sein, dass er an der einen oder anderen Stelle auch (deutlich) irren kann. Zum anderen sind Sie als Mediator als „kritischer Sparringspartner“ besonders gefordert: Sie müssen dazu in der Lage sein, rechtliche Argumente der Beteiligten zu bewerten. Sehr gute Rechtskenntnisse sind insoweit unerlässlich. Im Übrigen gilt auch hier: Rechnen Sie mit defensiven, überoptimistischen Einschätzungen, und seien Sie bohrend kritisch in ihrem Urteil – niemandem ist gedient, wenn alle Beteiligten am Ende ihre ursprünglichen, realitätsfernen Einschätzungen nur bestätigen. 245

Methode der Mediation Haben Sie in einem Einzelgespräch den Baum mit Wahrscheinlichkeitseinschätzungen vervollständigt, können Sie in einem dritten Schritt der Prozessrisikoanalyse den Erwartungswert der Prozessführung ermitteln. Auf der Basis der in Abbildung 2 lediglich beispielhaft eingetragenen Werte beträgt dieser: (2/3 x 2/3 x 1/2) 90.000 Euro + (2/3 x 2/3 x 1/2) 45.000 Euro = 30.000 Euro. In einem so einfachen Fall kann man Entscheidungsbäume ohne weiteres „auf der Rückseite eines Briefumschlags“ zeichnen und den Prozesserwartungswert manuell errechnen. Bei komplizierten Wirtschaftskonflikten sind indes Entscheidungsbäume mit einer zwei- oder sogar dreistelligen Zahl von Verästelungen keine Seltenheit. In diesen Fällen ist einschlägige Software, wie sie inzwischen von mehreren Anbietern zur Verfügung gestellt wird, eine große Hilfe.12

Vollständige Kosten/Nutzen-Analyse Die Berechnung des Prozesserwartungswerts genügt noch nicht, um die Entscheidung über Prozessführung oder Annahme eines etwaigen Vergleichsangebots zu treffen. Aus der Warte des Händlers sind ferner insbesondere der Zeitwert des Geldes, seine Risikoneigung sowie die Kosten beider Handlungsalternativen zu berücksichtigen.13 Nimmt der Händler das Vergleichsangebot des Herstellers an, erhält er unverzüglich 10.000 Euro. Ein Gerichtsverfahren dagegen kann mehrere Jahre dauern, insbesondere wenn der Instanzenzug ausgeschöpft wird. Gewinnt der Händler, bekommt er zwar 90.000 Euro oder 45.000 Euro, aber erst in ferner Zukunft. Zwar erhält er regelmäßig auch Prozesszinsen zugesprochen. Wenn diese jedoch niedriger sind als der auf dem Markt erzielbare Zins und der entsprechende Schaden auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund ersetzt verlangt werden kann, muss der Prozesserwartungswert mit der Zinsdifferenz auf einen Gegenwartswert abgezinst werden.14 Es kommt hinzu, dass der Händler möglicherweise Risiken scheut. Eine risikoneutrale Person ist indifferent zwischen einem unsicheren Erwartungswert und einem sicheren Betrag in gleicher Höhe. Wer risikoscheu ist, zieht demgegenüber einen niedrigeren, sicheren Betrag einem höheren, unsicheren Erwartungswert vor. Wie bereits erwähnt, sind die meisten Menschen grundsätzlich risikoscheu. Möglicherweise wäre der Händler deshalb dazu bereit, einen Betrag weit unter 30.000 Euro zu akzeptieren. In diesem Fall müsste er keinen Prozess führen, bei dem er zwar 90.000 Euro gewinnen, aber auch völlig leer ausgehen kann. Wirkt bei dem Händler das bereits beschriebene Phänomen der Verlustaversion, ist er eventuell aber auch risikofreudig – das hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Der Einfluss der Risikoneigung auf die Beurteilung der riskanten Nichteinigungsalternative „Prozessführung“ lässt sich mittels einer sogenannten Risikopräferenzfunktion ermitteln (vgl. Kasten 3). 246

Alternativen zu Verhandlungslösung prüfen Risikopräferenzfunktionen bilden die (unterschiedliche) Einstellung von Menschen zu Risiken ab. Betrachten wir folgende Lotterie: Sie erwägen, X Euro in eine Biotechnologiefirma zu investieren. In einiger Zeit wird eine letztinstanzliche Entscheidung über die Gültigkeit eines für das Unternehmen wesentlichen Patents ergehen. Wenn die Entscheidung für das Unternehmen günstig ist, verdoppelt sich Ihre Investition. Wenn sie ungünstig ausfällt, verliert sie die Hälfte ihres Wertes. Beide Szenarien seien gleich wahrscheinlich. Welchen Maximalbetrag investieren Sie? Der Erwartungswert des Investments ist positiv: (X Euro x 1/2) + (–X Euro/2 x 1/2) = 1/4 X Euro. Wenn Sie risikoscheu sind, werden Sie gleichwohl maximal einen bestimmten Betrag X Euro investieren. Dieser Wert ist ein sogenannter Risikokoeffizient, der in Ihre Risikopräferenzfunktion eingeht. Auf deren Grundlage können Sie ermitteln, welchen Wert die riskante Nichteinigungsalternative „Prozessführung“ für Sie hat (auch hierfür steht einschlägige Software zur Verfügung). Kasten 3

Schließlich sind die Kosten zu beachten, die ein Vergleichsschluss bzw. eine Prozessführung auslösen würde. Die Kosten eines Vergleichsschlusses sind in der Regel einfach zu errechnen. Zur Ermittlung der zu erwartenden Prozesskosten können Sie wieder einen Entscheidungsbaum anfertigen. Geändert werden müssen lediglich die Werte an den Endknoten. Wenn der Händler beispielsweise voll obsiegt (90.000 Euro), hat er nach deutschem Recht keine Prozesskosten zu tragen (§ 91 der Zivilprozessordnung, ZPO). Nur geschätzt werden können naturgemäß die indirekten Kosten (Beanspruchung von Managementzeit und anderer Ressourcen, Rufschädigung etc.), die mit einer jahrelangen Prozessführung verbunden sind. Dass sie nur schwer – wenn überhaupt – zu quantifizieren sind, sollte einen nicht dazu verleiten, sie zu ignorieren: Nicht selten werden die indirekten Kosten eines Rechtsstreits dessen direkte Kosten weit übersteigen.15 Im Ergebnis geht der Prozesserwartungswert damit in ein komplexes Kosten/Nutzen-Kalkül ein, das die Basis für eine aufgeklärte Entscheidung eines Beteiligten zwischen der Einigungsoption des Vergleichsschlusses auf der einen und der Führung eines Prozesses als Nichteinigungsalternative auf der anderen Seite bildet.

Pendeldiplomatie des Mediators Wer als Mediator in einem Wirtschaftskonflikt mit den Beteiligten eine Prozessrisikoanalyse durchführt, sollte nicht erwarten, dass bereits „die erste Runde“ zu einer so starken Annäherung der Standpunkte führt, dass eine Einigung möglich ist. Die Praxis zeigt, dass sich zunächst nur geringfügige 247

Methode der Mediation Fortschritte erzielen lassen. Zumeist werden Sie als Mediator deshalb in eine Art Pendeldiplomatie eintreten: Die vorläufigen Ergebnisse der Prozessrisikoanalyse werden in weiteren Einzelgesprächen im Lichte neuer Informationen und Einschätzungen kritisch überprüft und korrigiert. Schritt für Schritt können Sie so dazu beitragen, dass ein Einigungsbereich entsteht.

Nutzen von Prozessrisikoanalysen Zweifellos ist die Durchführung einer Prozessrisikoanalyse mit einem gewissen Aufwand verbunden. Nicht nur der Mediator, sondern auch die Konfliktparteien und ihre Rechtsanwälte müssen sich mit Grundkonzepten der Entscheidungstheorie vertraut machen, um diese gewinnbringend einsetzen zu können. Soll die Prozessrisikoanalyse durch Spezialsoftware unterstützt werden, ist zudem deren Anwendung zu erlernen. Dieser Aufwand dürfte indes mehr als aufgewogen werden durch den Nutzen, den Prozessrisikoanalysen haben. Der bereits erwähnte Vorwurf der Scheingenauigkeit ist insofern ungerecht, als er sich die Frage nach dem alternativen Vorgehen gefallen lassen muss. Kein verantwortungsvoller Unternehmer würde heute eine Investitionsentscheidung im Millionenbereich unter Unsicherheit treffen, ohne vorher eine seriöse Investitionsrechnung durchgeführt zu haben, die denkbare Entwicklungsszenarien und ihre Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt. Gleichwohl empfehlen Rechtsanwaltssozietäten noch heute die Führung von Prozessen in dieser Größenordnung auf der Grundlage des „Bauchgefühls“, dass vermutlich „überwiegende Erfolgsaussichten“ bestehen („… aber selbstverständlich gibt es Risiken, die wir nicht kontrollieren können …“). Natürlich ist es richtig, dass bestimmte Risiken – insbesondere solche im tatsächlichen Bereich (unbekannte Fakten) – schwer einzuschätzen und zu beherrschen sind. Indes befreit dies nicht von der Verantwortung, überhaupt eine möglichst seriöse Risikoanalyse vorzunehmen. Prozessrisikoanalysen zwingen die Beteiligten, die Unwägbarkeiten eines Falles präzise und transparent zu analysieren und auf dieser Basis miteinander über sie zu kommunizieren. Der wesentliche Vorteil eines solchen Vorgehens liegt darin, dass überoptimistische Einschätzungen auf einen harten Prüfstand gestellt werden. Intuitiv tendieren nämlich viele von uns dazu, den Effekt sich kumulierender Wahrscheinlichkeiten zu ignorieren: In dem Fall des Vertragshändlers besteht eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Kündigung nur bei wichtigem Grund zulässig ist. Zudem besteht eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieser nicht vorliegt (jeweils 2/3). Mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/2 erhält der Händler dann sein positives Interesse ersetzt. Dass es dazu tatsächlich kommt, ist im Ergebnis jedoch hochgradig unwahrscheinlich: Die entsprechende Aussicht beträgt nicht einmal 23 Prozent (2/9). 248

Alternativen zu Verhandlungslösung prüfen Dass Juristen (Syndizi, externe Rechtsanwälte) Prozessrisikoanalysen häufig skeptischer gegenüberstehen als die von ihnen beratenen Unternehmer bzw. Unternehmensvertreter, überrascht nicht: Zum einen kann es unter Einkommensgesichtspunkten für manche Anwälte verlockend sein, bei hohen Streitwerten einen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang „erst einmal anzufangen“. Zum anderen fällt es Juristen offensichtlich außerordentlich schwer, sich von dem Paradigma der „richtigen Entscheidung“ zu lösen und einen Prozess als – nur partiell kontrollierbare – Lotterie zu begreifen, die man entscheidungstheoretisch analysieren kann und gegebenenfalls auch sollte. Für Unternehmer bzw. Unternehmensvertreter ist dies wesentlich leichter: Da sie mit entsprechenden Werkzeugen tagtäglich umgehen, haben sie zu Prozessrisikoanalysen häufig einen schnellen und einfachen Zugang. Dadurch erlangen sie gleichzeitig ein Verständnis der juristischen Struktur ihres Falles, das ihnen die Lektüre langer Schriftsätze selten vermittelt. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt: Prozessrisikoanalysen helfen Kaufleuten und Juristen, sinnvoll und detailliert miteinander über die aufgeworfenen Rechtsfragen zu diskutieren. Dadurch verbessert sich nicht nur die Kommunikation innerhalb des eigenen Lagers. Auch diejenige zwischen den Konfliktparteien verändert sich. Prozessrisikoanalysen thematisieren die Unwägbarkeiten eines Rechtsstreits als ein gemeinsames Problem aller Beteiligten. An die Stelle einer von Positionsgerangel und Willensstärke geprägten Auseinandersetzung tritt deshalb nicht selten die gemeinsame Suche nach einer rationalen Problemlösung. Kommt es zu einer Einigung, lässt sich das Ergebnis deshalb auch Außenstehenden gegenüber besser vertreten: Eine gründliche Prozessrisikoanalyse erleichtert es einem Vorstandsvorsitzenden, der Hauptversammlung eine hohe Vergleichssumme zu erklären, die die Gesellschaft bezahlt.

Rolle der Rechtsanwälte Dass Prozessrisikoanalysen auf entscheidungstheoretischen Konzepten basieren, bedeutet keineswegs, dass dadurch Rechtsprobleme und Rechtsanwälte in der Mediation weniger wichtig sind. Das Gegenteil ist der Fall: Ohne ein gründliches Verständnis der aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich seriöse Wahrscheinlichkeitseinschätzungen bezüglich der einzelnen Verzweigungen des Entscheidungsbaums nicht gewinnen. Hier zeigt sich, ob ein Anwalt seinen Fall wirklich verstanden hat. Es ist immer einfacher, eine allgemein und vage gehaltene Aussage über die Prozessaussichten zu machen, als Schritt für Schritt im Hinblick auf detaillierte Einzelfragen Rede und Antwort zu stehen. Gute Anwälte sind dazu in der Lage. Sie begleiten ihren Mandanten in einer Prozessrisikoanalyse ebenso professionell wie im Gerichtssaal, bringen ihr spezielles Wissen ein und hinterfragen das Vorgehen und etwaige Einschätzungen des Mediators. Die Erfahrung lehrt, dass dieses Mehr an Beratungsqualität durchaus honoriert wird. 249

Methode der Mediation Im Jahre 2000 kam es zu einem Mediationsverfahren in einem Konflikt zwischen der AGIV AG auf der einen Seite und der Hollandsche Beton Groep nv (HBG) auf der anderen Seite.16 HBG hatte Ende 1996 die Wayss & Freytag AG (W&F), ein traditionsreiches Bauunternehmen, von der AGIV für einen Kaufpreis von 189 Millionen DM erworben. In der Folgezeit war W&F in eine erhebliche Schieflage geraten. HBG fühlte sich von AGIV getäuscht und klagte vor dem Landgericht Frankfurt unter anderem auf Rückerstattung des Kaufpreises. Der Gesamtstreitwert der anhängigen Prozesse betrug weit über 200 Millionen DM. Im Zentrum des Verfahrens um eine mögliche Kaufpreisrückerstattung standen komplizierte Rechts- und Tatfragen im Zusammenhang mit einer möglichen vorsätzlichen Täuschung der HBG durch die AGIV: Welche handelnden Personen verfügten damals über bestimmte Informationen? War das Wissen dieser Personen anderen Personen zuzurechnen? Vergleichsgespräche waren gescheitert, weil die Einschätzungen der Beteiligten im Hinblick auf ihre Prozessaussichten extrem weit auseinander lagen. Zum Erfolg der Mediation trug eine Prozessrisikoanalyse maßgeblich bei. Etwa die Hälfte der dreitägigen Mediationszeit wurde auf sie verwendet. Nachdem der komplexe Entscheidungsbaum in einem gemeinsamen Gespräch mit allen Beteiligten erarbeitet worden war, wurden in Einzelgesprächen Wahrscheinlichkeitseinschätzungen bezüglich der vielen Detailfragen ermittelt. Auf diese Weise gelang es, die Diskrepanz in den Prozesserwartungen um ca. 40 Prozent auf ca. 60 Prozent zu reduzieren. Gleichzeitig entstand eine problemlösungsorientierte und konstruktive Gesprächsatmosphäre, die für den weiteren Verlauf der Mediation äußerst förderlich war. Pendeldiplomatie des Mediators führte zu einer weiteren Annäherung der Standpunkte, bevor in einem Gespräch zwischen dem Vorstandsvorsitzenden der AGIV und einem Vorstandsmitglied von HBG unter Moderation des Mediators der Durchbruch gelang. Anlässlich einer Konferenz, auf der im Jahre 2001 unter anderem über diesen Fall gesprochen wurde, lobte ein beteiligtes Vorstandsmitglied den disziplinierenden Effekt, den die Prozessrisikoanalyse gehabt habe. Ein anderes Vorstandsmitglied stellte fest, dass er in Zukunft keinen wirtschaftlich bedeutenden Prozess mehr führen würde, ohne vorher von seinen Rechtsanwälten eine Prozessrisikoanalyse erhalten zu haben: „Mach’ mir den Entscheidungsbaum!“ laute nunmehr seine Devise. Kasten 4

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Alternativen zu Verhandlungslösung prüfen

Sensitivitätsanalysen Zudem sind Prozessrisikoanalysen gerade für die beteiligten Rechtsanwälte ein interessantes analytisches Werkzeug, weil sich aus ihnen prozesstaktisch hilfreiche Informationen ableiten lassen. Die Wahrscheinlichkeitseinschätzungen an den einzelnen Ereignisknoten basieren nämlich auf der jeweils relevanten Fakten- und Rechtslage. Diese ist möglicherweise beeinflussbar. Auch können neue Erkenntnisse im Zeitverlauf zu einer neuen Einschätzung einer bestimmten Frage führen. Es ist deshalb reizvoll, den Erwartungswert eines Prozesses einmal in Abhängigkeit von der – sich gegebenenfalls ändernden – Wahrscheinlichkeitseinschätzung bezüglich eines bestimmten Faktors darzustellen. Darum geht es bei sogenannten Sensitivitätsanalysen (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Sensitivitätsanalyse

Abbildung 3 zeigt beispielsweise den Prozesserwartungswert in Abhängigkeit von der Wahrscheinlichkeitseinschätzung bezüglich der Frage, ob eine Kündigung in dem bereits erörterten Fall nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig ist. Man sieht, dass der Prozesserwartungswert von 30.000 Euro auf 45.000 Euro steigt, wenn diese Wahrscheinlichkeitseinschätzung nicht 2/3 (wie ursprünglich angenommen), sondern 1 beträgt. Für den Händler bzw. seine anwaltlichen Vertreter lohnt es sich also, Ressourcen von bis 251

Methode der Mediation zu 15.000 Euro in die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der eigenen Rechtsauffassung zu investieren. Ähnliches gilt im Hinblick auf Tatfragen, bei denen die Beweislage unsicher (und gegebenenfalls veränderbar) ist.

Mini-trial Ein weiteres Instrument, das Sie als Mediator – oder aber ein zusätzlich eingeschalteter Dritter – mit Einverständnis der Parteien nutzen können, um deren Realitätssinn zu schärfen und überoptimistische Einschätzungen im Hinblick auf einen möglichen Prozessausgang zu korrigieren, liegt schließlich in der Veranstaltung eines sogenannten Mini-trials bzw. in der Integration von Elementen eines solchen Mini-trials in das Mediationsverfahren (vgl. Kapitel 2).17 „Erfunden“ wurde diese Form der Konfliktbehandlung im Rahmen eines Patentrechtsstreits zwischen zwei US-amerikanischen Unternehmen im Jahre 1977.18 Die ihr zugrundeliegende Idee geht dahin, entscheidungsbefugten Unternehmensvertretern Gelegenheit zu geben, auf der Basis einer begründeten Einschätzung einer kompetenten und neutralen Partei hinsichtlich des wahrscheinlichen Prozessausgangs Vergleichsverhandlungen zu führen. Der Einschätzung des Neutralen liegen regelmäßig eine extrem komprimierte Beweisaufnahme und gleichermaßen knappe Plädoyers der Rechtsanwälte beider Seiten zugrunde. Ähnlich wie eine Prozessrisikoanalyse dient damit auch ein Mini-trial dazu, die Parteien zu einer realistischeren Einschätzung ihrer jeweiligen Prozessaussichten zu bewegen. Allerdings ist die Eingriffsintensität des Dritten bei einem Mini-trial höher: Während er bei einer Prozessrisikoanalyse lediglich kritische Fragen zu Wahrscheinlichkeitseinschätzungen im Hinblick auf Einzelpunkte stellt und allenfalls einmal seine Rechtsansicht bezüglich solcher Einzelpunkte artikuliert, gibt er im Rahmen eines Mini-trial eine eigene Einschätzung hinsichtlich des gesamten Prozessausganges ab. Die Integration eines Mini-trials in ein Mediationsverfahren verschiebt damit die Gewichte von einer eher moderierenden Rolle des Mediators hin zu einer stark evaluierenden Funktion und impliziert damit gleichzeitig einen entsprechenden Autonomieverlust auf Seiten der Parteien. Die praktische Bedeutung von Mini-trials im Bereich internationaler Wirtschaftskonflikte ist derzeit noch gering. Bei nationalen Wirtschaftskonflikten spielen sie fast gar keine Rolle. Situationsspezifisch eingesetzt, können Mini-trials bzw. Elemente hiervon erheblich zur Fokussierung und Beschleunigung von Vergleichsverhandlungen bei stark rechtlich geprägten Konflikten beitragen. Gleichzeitig besitzen sie auch einen beachtlichen disziplinierenden Effekt in dem Sinne, dass sich die Parteien zu einer intensiven, auch die einschlägigen Rechtsfragen einbeziehenden, Vorbereitung der Mediation genötigt sehen. 252

Alternativen zu Verhandlungslösung prüfen

Zusammenfassung Eine Einigung der Beteiligten in einer Wirtschaftsmediation ist nur zu erwarten, wenn sie für alle im Vergleich mit ihren (wahrgenommenen) besten Nichteinigungsalternativen (BATNAs) Vorteile verspricht. Eine gute BATNA ist die vielleicht wichtigste Quelle von Verhandlungsmacht: Wer auf eine Einigung mit der Gegenseite nicht angewiesen ist, ist im Vorteil. Allerdings tendieren die meisten Menschen dazu, ihre Nichteinigungsalternativen zu überschätzen. Wir sind überoptimistisch im Hinblick auf unsere Handlungsmöglichkeiten für den Fall einer Nichteinigung. Wenn die BATNA in einem Wirtschaftskonflikt in der Führung eines Prozesses liegt, wird der Mediator deshalb versuchen, den Beteiligten zu einer möglichst realistischen Einschätzung dieser Nichteinigungsalternative zu verhelfen. Kritische Fragen in Einzelgesprächen sind ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Insbesondere in komplexen Fällen kann der Mediator darüber hinaus auf das Instrument der Prozessrisikoanalyse zurückgreifen. Der Grundgedanke einer solchen Analyse geht dahin, die Führung eines Prozesses als Entscheidung unter Unsicherheit zu begreifen. Deren Wert lässt sich mittels eines Entscheidungsbaums auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeitseinschätzungen errechnen. Prozessrisikoanalysen disziplinieren: Sie zwingen zu einer kritischen Bewertung sämtlicher mit einem Prozess verbundenen Unwägbarkeiten und deren Verknüpfung. Auf diese Weise steigen die Transparenz und die Präzision in der Risikoabschätzung und damit zumeist auch die Wahrscheinlichkeit einer Einigung. Ein ähnlicher Effekt kann mit der Durchführung eines Mini-trial im Rahmen einer Mediation oder aber mit der Integration von Elementen eines solchen Mini-trial in das Mediationsverfahren verbunden sein. Zeigt die Analyse der jeweiligen Nichteinigungsalternativen in der Mediation, dass es Einigungsoptionen gibt, die für alle Beteiligten besser sind als ihre jeweilige BATNA, ist eine Einigung zu erwarten. Wie diese sich schlussendlich herbeiführen und in ein stabiles Lösungspaket umsetzen lässt, wird uns im folgenden Kapitel beschäftigen.

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Lösungspaket schnüren und umsetzen

Im letzten Kapitel wurde dargestellt, wie die (wahrgenommenen) Nichteinigungsalternativen der Beteiligten den Raum der denkbaren Einigungsmöglichkeiten (den sogenannten Einigungsbereich) begrenzen: Ein Erfolg der Mediation ist nur wahrscheinlich, wenn es Lösungen gibt, die für alle Beteiligten besser sind als ihre jeweils besten, realisierbaren Nichteinigungsalternativen (BATNAs). Zeichnen sich Einigungschancen ab, wird der Mediator den Beteiligten helfen, diese zu konkretisieren und zu bewerten (vgl. Kapitel 7 und 8). Auch wenn eine Verständigung „zum Greifen nah“ ist, kommt es in dieser Phase der Mediation nicht selten zu heftigem strategischen Verhandeln: Jetzt wird zwar nur noch über Bruchteile der ursprünglich diskutierten Summen gerungen. Professionelle Eitelkeit und die Arbeit am Ruf des harten Verhandlers spielen nun jedoch eine größere Rolle als inhaltliche Interessen – keine Seite möchte am Ende zuletzt nachgegeben haben. Ob dadurch Einigungschancen verspielt werden, hängt maßgeblich vom Geschick des Mediators ab. Er kann den Beteiligten helfen, verbleibende Einigungshindernisse zu überwinden, gegebenenfalls Einigungsvorschläge unterbreiten sowie die Konturen einer Einigung mit Hilfe des sogenannten EinText-Verfahrens präzisieren (hierzu sogleich mehr). Bei Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen wird er im Einzelfall auch am Abschluss eines rechtsverbindlichen Vergleichs und möglicherweise sogar an der Errichtung eines Vollstreckungstitels mitwirken.1 Scheitert die Mediation, bedeutet das bei unternehmensexternen Streitigkeiten nicht zwangsläufig den „Gang zu Gericht“. Eventuell verspricht ein „zweiter Anlauf“ nach einigen Tagen oder Wochen doch noch einen Erfolg in der Sache. Ist dies nicht der Fall, können sich die Parteien eines Wirtschaftskonflikts möglicherweise zumindest auf ein anderes, nichtgerichtliches Verfahren zur Konfliktbewältigung verständigen. Auch insoweit sind Vorschläge des Mediators und gegebenenfalls dessen aktive Mitwirkung an einem solchen Verfahren hilfreich.

Verbleibende Einigungshindernisse überwinden Wenn eine Einigung in der Mediation in greifbarer Nähe liegt, die Verhandlungen jedoch an der einen oder anderen Stelle festgefahren sind, werden 255

Methode der Mediation sich die Augen der Beteiligten regelmäßig fragend auf Sie als Mediator richten: Was können Sie tun, um verbleibende Einigungshindernisse zu überwinden? Welches Vorgehen angezeigt ist, hängt entscheidend von der Art des Einigungshindernisses ab.

Strategische Hindernisse Streiten die Parteien in erster Linie um die Verteilung des Kooperationsgewinns, können Sie versuchen, einen Perspektivenwechsel herbeizuführen. Die gegenwärtige Auseinandersetzung über einen bestimmten (marginalen) Punkt erscheint in einem anderen Licht, wenn das Blickfeld erweitert wird und die bestehenden Gemeinsamkeiten, bereits erreichte Zwischenergebnisse sowie zukünftige Kooperationsmöglichkeiten betont werden. In gewisser Hinsicht müssen Sie insoweit auch Motivator sein: Zeigen Sie den Beteiligten, wie viel sie bereits erreicht haben und wie viel sie noch gemeinsam erreichen können. Bisweilen ist es ferner hilfreich, wenn Sie alle Anwesenden an die Verfahrensgestaltung erinnern können, die sie im Vorfeld vereinbart haben (vgl. Kapitel 5): Die Beteiligten haben sich aus gutem Grund zu einer bestimmten Vorgehensweise verpflichtet. Das vereinbarte Verfahren – etwa die Durchführung einer Prozessrisikoanalyse – ist dann der festgelegte Kurs, der eine schwierige Klippe zu überwinden hilft. Bemühen Sie sich in jedem Fall darum, eine problemorientierte, konstruktive Gesprächsatmosphäre aufrechtzuerhalten (bzw. diese wiederherzustellen), um zu verhindern, dass sachliche Differenzen in persönliche Vorwürfe (Abneigung) umschlagen, also Person und Verhandlungsgegenstand miteinander vermengt werden (vgl. Kapitel 2). Manche Mediatoren versuchen, strategische Einigungshindernisse auch dadurch zu überwinden, dass sie den Beteiligten in Einzelgesprächen bedingte Zugeständnisse entlocken: „Was könnten Sie der anderen Seite geben, wenn diese sich zu XYZ bereit erklären würde?“ Dieses Instrument kann durchaus effektiv sein, um letzte Hürden zu überwinden. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass die Mehrzahl der Beteiligten ein entsprechendes Vorgehen eher negativ bewertet: Es entsteht der Eindruck, in einen „Kuhhandel“ gezwungen zu werden. Die Mechanismen des intuitiven, am Modell des Basars ausgerichteten Verhandelns wollte man durch die Mediation aber gerade überwinden. Überdies erhöht das Arbeiten mit bedingten Zugeständnissen stark den auf allen Beteiligten lastenden Einigungsdruck. Dieser Effekt ist für das Klima der Mediation nicht notwendig förderlich.

Strukturelle Hindernisse Wenn sich nicht so sehr strategisches Verhalten, sondern vielmehr strukturelle Faktoren als Einigungshindernis erweisen, sollten Sie erwägen, die Ver256

Lösungspaket schnüren und umsetzen fahrensstruktur zu ändern (change the game). An einem komplexen Wirtschaftskonflikt ist regelmäßig eine Vielzahl von Personen beteiligt, und diese Personen haben zumeist ganz unterschiedliche Interessen. Typischerweise gilt dies etwa für das Management eines betroffenen Unternehmens, die Mitarbeiter seiner Rechtsabteilung sowie die eingeschalteten externen Rechtsanwälte. Während diese im Rahmen einer Prozessrisikoanalyse eine wichtige Funktion haben (vgl. Kapitel 9), ist ihr Beitrag beim Aushandeln der Grundstruktur einer möglichen Einigung – insbesondere im Hinblick auf die Höhe etwaiger Geldzahlungen – regelmäßig eher begrenzt. In einer festgefahrenen Situation sollten Sie daher eine Veränderung der Gesprächsstruktur in Betracht ziehen: Vielleicht verhandeln Sie (besser) ohne Rechtsanwälte oder sogar ganz ohne Juristen, indem Sie im kleinen Kreis nur mit den Vorstandsvorsitzenden (Vorsitzenden der Geschäftsführung) reden bzw. mit diesen Einzelgespräche führen. Vielleicht schlagen Sie auch vor, dass diese direkt miteinander kommunizieren. Ähnlich wie beim Abschluss eines Kauf-, Kooperations- oder Vertriebsvertrages ist es auch in einer Wirtschaftsmediation häufig ein bilaterales Gespräch der wichtigsten Entscheidungsträger, welches den endgültigen Durchbruch bewirkt.

Kognitive Hindernisse Auch kognitive Hindernisse können diesen Durchbruch behindern. Von Bedeutung ist insoweit vor allem das Phänomen der sogenannten Verlustaversion, mit dem wir uns bereits beschäftigt haben (vgl. Kapitel 2, 5 und 9): Während die meisten Menschen risikoscheu sind, wenn es um mögliche Gewinne geht, werden wir zu Spielern, sind also risikofreudig, um reale oder eingebildete Verluste zu vermeiden. Versuchen Sie als Mediator daher, den Beteiligten Lösungsmöglichkeiten als Gewinn zu präsentieren (Näheres zu entsprechenden Framing-Effekten sogleich): Der Anspruchsteller könnte vor Gericht auch ganz leer ausgehen. Der Anspruchsgegner, der vielleicht etwas bezahlen soll, würde im Rahmen eines Rechtsstreits möglicherweise mit einem noch viel schlechteren Ergebnis konfrontiert. Erheblich entschärft wird das Problem der Verlustaversion im Übrigen, wenn sich eine bestimmte Lösungsmöglichkeit aus einer Prozessrisikoanalyse entwickelt hat (vgl. Kapitel 9). In diesem Fall ist der Bezugsrahmen nämlich nicht mehr ein möglicher Totalgewinn bzw. Totalverlust. Vielmehr wird die betreffende Lösung im Kontext des Werkzeugs „Prozessrisikoanalyse“ gesehen und als Ergebnis eines rationalen, nachvollziehbaren Prozesses bewertet.

Einigungsvorschläge des Mediators Gewissermaßen als ultima ratio können Sie als Mediator in einer kritischen Phase der Mediation auch in Erwägung ziehen, den Beteiligten einen be257

Methode der Mediation stimmten Einigungsvorschlag zu unterbreiten. Auf den ersten Blick ist diese Vorgehensweise nicht unproblematisch, steht doch im Zentrum der Mediation der Gedanke, dass die Konfliktparteien selbst versuchen sollen, interessengerechte Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Dass der Mediator einen Einigungsvorschlag unterbreitet, könnte also „dem Geist der Mediation“ widersprechen. Auch setzen Sie sich als Mediator durch einen Einigungsvorschlag dem Risiko aus, zumindest einer Seite parteilich zu erscheinen. Zudem legen Sie sich mit einem entsprechenden Vorschlag gewissermaßen fest – es wird Ihnen schwerfallen, davon in der Mediation noch einmal abzuweichen (vgl. Kapitel 8). Andererseits ist insoweit sorgfältig zwischen Einigungsvorschlägen als „Denkanstößen“ auf der einen Seite und schlichterspruchähnlichen Einigungsvorschlägen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Ein Schlichterspruch ist – sofern nichts anderes vereinbart wurde – für die Parteien zwar ebenfalls nicht verbindlich. Aufgrund der Autorität und des Ansehens des Schlichters wird er in der Mehrzahl der Fälle jedoch akzeptiert.2 Darauf ist das Schlichtungsverfahren auch ausgerichtet (vgl. Kapitel 2 und 3). Ein Mediator wird sich demgegenüber immer bemühen, die Mediation als Verhandlung der unmittelbar Betroffenen zu leiten. Das bedeutet, dass er jede Form des „Einigungsdiktats“ vermeiden und allenfalls denkbare Einigungsoptionen ins Spiel bringen wird („Wäre das eine Lösungsmöglichkeit?“ „Ich könnte mir vorstellen, dass … Was meinen Sie?“). Nicht unproblematisch sind deshalb Verfahrensgestaltungen, welche die Ablehnung eines Vergleichsvorschlags des Mediators mit finanziellen Sanktionen verknüpfen (siehe Kasten 1). Der Grundgedanke der Michigan Mediation geht dahin, die Ablehnung eines Vergleichsvorschlags des Mediators für eine Partei mit Nachteilen zu verbinden, sofern diese Ablehnung – ex post betrachtet – unvernünftig bzw. unbegründet erscheint. Denkbar ist etwa eine Vereinbarung des Inhalts, dass die den Vergleichsvorschlag ablehnende Partei die außergerichtlichen Kosten der anderen Seite für den Fall übernimmt, dass erstere bei einer nachfolgenden streitigen Auseinandersetzung ein schlechteres Ergebnis als in der Mediation erzielt. Der Name Michigan Mediation rührt daher, dass ähnliche Kostensanktionen erstmalig im Rahmen eines gerichtsverbundenen Mediationsprogramms im US-Bundesstaat Michigan vorgesehen wurden.3 Rechtlich können die Beteiligten eines Mediationsverfahrens aus deutscher Sicht zwar nicht die §§ 91 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) modifizieren. Sie können aber materiellrechtliche Vereinbarungen über die Kostenerstattung treffen.4 Für ein nachfolgendes Schiedsverfahren sind sogar Vereinbarungen möglich, welche unmittelbar die schiedsrichterliche Kos-

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Lösungspaket schnüren und umsetzen tenentscheidung binden (vgl. § 1057 Abs. 1 ZPO). Welche Anreizwirkung von einer Kostenübernahmevereinbarung der beschriebenen Art ausgeht, hängt natürlich von der im streitigen Verfahren sonst geltenden Kostentragungsregel ab. So ist die Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten des Gegners zu übernehmen, schmerzhafter, wenn dieser sie sonst voll tragen müsste, wie dies im US-amerikanischen Recht – anders als etwa im deutschen – grundsätzlich der Fall ist.5 Die Anreizwirkungen von Kostenübernahmevereinbarungen lassen sich demzufolge nur abschätzen, wenn klar ist, in welchem Forum eine streitige Auseinandersetzung gegebenenfalls geführt würde. Kostenübernahmevereinbarungen können ein wirkungsvolles Instrument zur Disziplinierung von Überoptimismus und strategischem Verhalten sein. Sie verändern aber auch den Charakter einer Mediation, indem der Vorschlag des Mediators ein großes Gewicht erhält. Gleichzeitig steigt der auf den Konfliktparteien lastende Einigungsdruck. Erheblich eingeschränkt wird der Nutzen dieses Mediationsinstruments im Übrigen dadurch, dass es sich vor allem für Verteilungskonflikte eignet (vgl. Kapitel 1). Bei unterschiedlichen Konfliktdimensionen ist das Einsatzpotential von Kostenübernahmevereinbarungen begrenzt. Kasten 1

Denkbare Einigungsoptionen ins Spiel zu bringen, kann aus einer Reihe von Gründen für den Fortgang der Mediation nützlich oder sogar unerlässlich sein. An einer anderen Stelle hatten wir uns bereits mit dem Phänomen der sogenannten reaktiven Abwertung beschäftigt (vgl. Kapitel 1 und 5): Einigungsvorschläge der Gegenseite werden allein deshalb abgewertet, weil sie von dieser (dem „feindlichen Lager“) kommen („Es muss einen Grund geben, warum er mir dies ausgerechnet jetzt vorschlägt – wo liegt der Haken?“). Bisweilen hat man als Mediator in einer Mediation den Eindruck, dass eine überaus sinnvolle Lösung „in der Luft liegt“, diese jedoch sofort energisch abgelehnt würde, wenn einer der unmittelbar Konfliktbeteiligten sie ins Spiel brächte. Darin läge eine gewisse Tragik, weil es schwierig ist, eine beschädigte Einigungsoption doch noch zu retten bzw. in einer späteren Mediationsphase zu reaktivieren. In einer solchen Situation kann es sinnvoll sein, wenn der Mediator gewissermaßen als „Sündenbock“ in die Bresche springt und eine bestimmte Einigungsoption zur Diskussion stellt. Damit sind noch weitere Vorteile verbunden: Als Mediator haben Sie es in der Hand, die Einigungsoption so zu formulieren, dass sie von den Beteiligten möglichst positiv aufgenommen wird. Objektiv betrachtet macht es keinen Unterschied, ob 50 von 100 Arbeitsplätzen verloren gehen oder aber 50 von 100 Arbeitsplätzen erhalten werden können. Subjektiv ist der Be-

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Methode der Mediation zugsrahmen (frame), in dem eine bestimmte Aussage steht bzw. in den sie gestellt wird, jedoch für ihre Wahrnehmung und Bewertung relevant. Die kognitionspsychologische Forschung hat eine Vielzahl von Belegen für entsprechende Framing-Effekte erbracht.6 Ein Mediator, der einen Einigungsvorschlag unterbreitet, kann und wird darauf achten, dass dieser von allen Beteiligten als etwas Positives (als Gewinn) wahrgenommen und interpretiert werden kann. Dafür kommt es entscheidend auf die Wahl des Referenzpunktes an: Nicht an überzogenen Ausgangsforderungen, sondern an realistischen Nichteinigungsalternativen sollte der Vorschlag gemessen werden. Der praktisch wichtigste Vorteil von Einigungsvorschlägen des Mediators dürfte darin liegen, dass dadurch deren Vermittelbarkeit gegenüber Dritten gesteigert werden kann. Wer einer Haupt- oder Gesellschafterversammlung Rechenschaft schuldet, hat es leichter, wenn er auf „vernünftige Anregungen“ eines neutralen Dritten verweisen kann und nicht erklären muss, warum er sich dem „Verhandlungsdiktat“ der Gegenseite gebeugt hat. Über das Mediationsverfahren anlässlich des Konflikts zwischen der Hollandsche Beton Groep nv (HBG) und der AGIV AG (vgl. Kapitel 9) wird im Geschäftsbericht 2000 der AGIV AG (S. 58) unter der Überschrift „Ein erfahrener Mediator half“ wie folgt berichtet: „Vor diesem Hintergrund kamen beide Seiten überein, einen außenstehenden Mediator einzuschalten. Dabei wurde mit Herrn … ein Fachmann mit großer einschlägiger Erfahrung ausgewählt.“ Unter der folgenden Überschrift „Ein Schlussstrich ist gezogen“ heißt es weiter: „Nach mehrtägigen Verhandlungen im August 2000 kam es zu einem Vergleich …“. Unter anderem die Erfahrung und Neutralität („außenstehend“) des Mediators werden hier als wesentlicher Grund für die eigene Zustimmung zu der schließlich gefundenen Vergleichslösung angeführt. Kasten 2

Verfahrensordnungen sehen häufig vor, dass der Mediator berechtigt ist, den Konfliktbeteiligten mit deren Zustimmung Einigungsvorschläge zu unterbreiten.7 Sicher ist es wichtig, dass die Zulässigkeit dieses Vorgehens (auch rechtlich) geklärt ist. Allerdings ist zweifelhaft, ob eine ex ante vereinbarte Vertragsklausel insoweit den besten Weg darstellt. Sie signalisiert, dass Einigungsvorschläge des Mediators zu erwarten sind. Dieses Signal widerspricht dem Ziel der Mediation, das in einer eigenständigen Konfliktlösung durch die Betroffenen liegt. Gleichzeitig werden die Grenzen zur Schlichtung verwischt. Erforderlich und genügend ist es deshalb, wenn der Mediator sich ad hoc des Einverständnisses der Beteiligten versichert, bevor er in einer bestimmten Situation einen Einigungsvorschlag lanciert.

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Lösungspaket schnüren und umsetzen Dabei sind auch ungewöhnliche, kreative Verfahrensgestaltungen denkbar. Wir werden uns in diesem Kapitel noch mit der sogenannten High-Low Arbitration beschäftigen, einer besonderen Form des Schiedsverfahrens, bei der die Parteien dem Schiedsrichter durch die Mitteilung „letzter Angebote“ die Bandbreite vorgeben, innerhalb derer dessen Entscheidung liegen muss. Ein ähnliches Vorgehen können Sie als Mediator auch erwägen, wenn Sie einen Einigungsvorschlag machen wollen: Ein entsprechender Korridor begrenzt Ihre Vorschlagsmacht und belässt den Parteien damit mehr Autonomie als bei einer Gestaltung, die Ihnen vollkommen freie Hand bezüglich eines Einigungsvorschlags gibt.

Ein-Text-Verfahren Ein wichtiges und in der Mediationspraxis bewährtes Instrument, auf das Sie bei der Entwicklung und Konkretisierung eines möglichen Einigungsvorschlags zurückgreifen können, ist das sogenannte Ein-Text-Verfahren.8 Es hat beispielsweise im Jahr 1978 in den Camp-David-Verhandlungen zwischen Israel (repräsentiert durch Menachem Begin) und Ägypten (repräsentiert durch Anwar el-Sadat) eine große Rolle gespielt, bei denen der damalige US-amerikanische Präsident Jimmy Carter als Mediator agierte.9 Der Grundgedanke des Verfahrens besteht darin, dass der Mediator bei einer sich abzeichnenden Einigungsmöglichkeit einen gemeinsamen Arbeitstext anfertigt, der die Grundzüge eines Lösungsvorschlags bezüglich aller Verhandlungsthemen enthält. Dieser Text wird den Beteiligten präsentiert und kann von ihnen kritisiert sowie ergänzt werden. Sinnvollerweise sollte der Text deshalb in elektronischer Form vorliegen – Korrekturen sind dann einfach möglich. Der Mediator setzt so einen Überarbeitungsprozess in Gang, in dessen Verlauf er den Arbeitstext mehrfach verändert, um der geäußerten Kritik sowie den Verbesserungsvorschlägen Rechnung zu tragen. Wenn er sich nicht mehr in der Lage sieht, potentiell konsensfähige Änderungen vorzunehmen, ist der Endpunkt des Prozesses erreicht: Jetzt müssen sich die Beteiligten entscheiden, ob sie das gemeinsame Arbeitsprodukt akzeptieren können und wollen. Insbesondere in komplexen Wirtschaftsmediationen ist dieses Vorgehen bei der Entwicklung eines konsensfähigen Lösungsvorschlags nützlich: 1. Das Ein-Text-Verfahren verringert die Verhandlungskosten, da ein Konsolidierungsprozess in Gang gesetzt wird und eine „Papier- bzw. E-MailSchlacht“ durch das Hin- und Hersenden von Entwürfen und Gegenentwürfen unterbleibt. 2. Da über alle Themen gleichzeitig entschieden wird, muss kein Beteiligter befürchten, dass sein Zugeständnis bei einem Thema nicht durch ein entsprechendes Zugeständnis anderer Verhandlungsbeteiligter bei einem anderen Thema honoriert wird. Mit anderen Worten: Die von jedem 261

Methode der Mediation zu tragenden Risiken sind geringer. 3. Die gleichzeitige Behandlung aller Themen erleichtert Paketlösungen: Vorteilhafte Kompromisse werden möglich, weil den Beteiligten die einzelnen Themen (und entsprechende Lösungen) unterschiedlich wichtig sind (zur Ausnutzung von Unterschieden als Quelle für Wertschöpfung vgl. Kapitel 7). 4. Schließlich erzeugt die Arbeit an einem Text zumindest ein gewisses Gefühl der Gemeinsamkeit und stärkt die Initiative sowie das Engagement der Beteiligten. Wer einmal erlebt hat, wie dramatisch sich die Verhandlungsatmosphäre (zum Positiven) wandeln kann, wenn die Konfliktbeteiligten – unter Anleitung des Mediators – beginnen, gemeinsam an einer Problemlösung zu arbeiten, wird die zentrale Bedeutung dieses Punkts bestätigen. Ein wichtiges Anwendungsfeld für das Ein-Text-Verfahren liegt im Insolvenzrecht.10 Ein notleidendes Unternehmen kann mithilfe eines sogenannten Insolvenzplans saniert werden. Berechtigt, einen solchen Plan vorzulegen, ist gemäß § 218 Abs. 1 S. 1 der Insolvenzordnung (InsO) unter anderem der Insolvenzverwalter. Er ist eine neutrale, von dem Schuldner und seinen Gläubigern unabhängige Person (vgl. § 56 Abs. 1 InsO) und damit kraft Amtes mediativ tätig. Regelmäßig wird der Insolvenzverwalter vor der Planvorlage umfangreiche Verhandlungen mit den verschiedenen Gläubigergruppen sowie dem Schuldner und dessen Repräsentanten führen. Inhalt und Ablauf dieser Verhandlungen sind in der Insolvenzordnung nur rudimentär geregelt (vgl. § 218 Abs. 3 InsO). Gleichwohl ist offensichtlich, dass sie für Erfolg oder Scheitern eines vorgelegten Insolvenzplans von entscheidender Bedeutung sind. Zur Annahme eines Plans ist nämlich erforderlich, dass er in jeder Gläubigergruppe eine einfache Kopf- und Summenmehrheit der Abstimmenden findet (§ 244 Abs. 1 InsO). Gruppenbildung und Planinhalt unterliegen in gewissen gesetzlichen Grenzen (§§ 219 ff. InsO) der freien Gestaltung des „Planarchitekten“. Ein geschickter Gruppenzuschnitt ist daher ein wichtiger Schlüssel für die Erfolgsaussichten eines vorgelegten Sanierungsplans. Um die Akzeptanz eines von ihm vorgelegten Plans zu erhöhen, wird sich der Insolvenzverwalter deshalb zunächst darum bemühen, die Interessen der einzelnen Insolvenzbeteiligten (Lieferanten, Banken, Fiskus, Arbeitnehmer, Eigentümer usw.) zu erforschen. Gleichgerichtete oder aber unterschiedliche Interessen sind der Schlüssel zur Realisierung von Kooperationsgewinnen (vgl. Kapitel 7), die sich dann in einer bestimmten Planstruktur (Gruppenbildung, Planinhalte) abbilden lassen. In dieser Phase des Insolvenzplanverfahrens kann der Insolvenzverwalter in nahezu alle Rollen eines Mediators „schlüpfen“: Er kann die Verhandlungen der Insolvenzbeteiligten leiten und den Verhandlungsprozess organisieren, einen Kommunikationskanal für die Beteiligten bilden sowie in

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Lösungspaket schnüren und umsetzen Einzelgesprächen deren Interessen und Nichteinigungsalternativen ausloten und bewerten helfen. Vor allem aber bietet sich das Ein-Text-Verfahren als idealer Rahmen für die Aufstellung und Modifizierung des Plans während der Verhandlungen an: Der ursprüngliche Entwurf kommt vom Insolvenzverwalter und wird dann Schritt für Schritt ergänzt und verändert, bevor er schließlich tatsächlich dem Insolvenzgericht vorgelegt und zur Abstimmung gestellt wird (gegebenenfalls können auch nach der Planvorlage noch gewisse Änderungen vorgenommen werden, vgl. § 240 InsO). Kasten 3

Abschluss und Umsetzung eines Mediationsvergleichs Mit der Zustimmung der Konfliktparteien zu einem bestimmten – gegebenenfalls unter Einsatz des Ein-Text-Verfahrens erarbeiteten – Lösungsvorschlag ist ein großer Schritt in Richtung einer interessengerechten, dauerhaften Konfliktbewältigung getan. Eine Wirtschaftsmediation, die sich über mehrere Tage erstreckt, ist für alle Beteiligten – insbesondere auch für den Mediator – mit hohem emotionalen und psychischen Stress verbunden, sie ist „ein hartes Stück Arbeit“. Kommt es zu einer Einigung, fällt dieser Stress ab. Alle sind froh, „es geschafft zu haben“. Die Verständigung auf einen bestimmten Lösungsvorschlag bedeutet aber noch nicht notwendig das Ende der Mediation: Eine vorläufige Verständigung ist noch kein rechtsverbindlicher Vergleich. Dessen Abschluss ist jedenfalls bei Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen in der Regel von allen Beteiligten gewollt (bei unternehmensinternen Konflikten wird häufig zumindest die präzise Formulierung der erreichten Verständigung angestrebt). Möglicherweise haben diese sogar ein Interesse daran, dass der gefundene Vergleich auch vollstreckbar ist oder dass seine faktische Umsetzung sichergestellt wird. Auch insoweit kann der Mediator gegebenenfalls unterstützend tätig werden.

Abschluss eines Mediationsvergleichs Wenn alle Beteiligten die Grundstruktur eines bestimmten Lösungsvorschlags akzeptiert haben, scheint es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Abschluss eines rechtsverbindlichen Mediationsvergleichs (§ 779 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, BGB) bzw. bis zur präzisen Formulierung einer sonstigen Abschlussvereinbarung zu sein. Bekanntlich steckt der Teufel jedoch im Detail. Die Ausarbeitung der genauen Konturen eines Vergleichs (einer sonstigen Abschlussvereinbarung) kann viel Zeit in Anspruch nehmen: Gelegentlich werden erst jetzt bestimmte Interessengegensätze deutlich, die 263

Methode der Mediation vorher durch abstrakte Formulierungen überdeckt waren. Möglicherweise treten aber auch überraschend Missverständnisse zutage. Auf der anderen Seite bietet der Prozess der präzisen Formulierung einer Abschlussvereinbarung aber auch die Chance, Wertschöpfungspotentiale zu erkennen und wahrzunehmen, die bisher verborgen geblieben waren: Da die Parteien bereits eine Einigung über die wesentlichen Eckpunkte erzielt haben, können sie nunmehr ohne zusätzliche Risiken versuchen, diese Einigung zum beiderseitigen Vorteil noch zu verbessern. Der Anreiz zu strategischem Verhalten sinkt, weil man den (Minimal-)Erfolg gewissermaßen schon „in der Tasche“ hat. Howard Raiffa spricht insoweit plastisch von der Möglichkeit eines Post-settlement-settlement, also von einem Vergleich nach dem Vergleich.11 In gewisser Weise stellt dieses Vorgehen die Methode des Brainstormings (dazu Kapitel 7) auf den Kopf. Während beim Brainstorming erst erfunden und dann entschieden (bewertet) wird, ist es beim Post-settlement-settlement umgekehrt: „decide first, invent later“ lautet hier die Devise. Sofern die Parteien bei unternehmensexternen Konflikten den Abschluss eines Mediationsvergleichs i. S. v. § 779 BGB anstreben, empfiehlt es sich in der Regel, diesen Schritt – wenn möglich – noch in der Mediation selbst zu gehen und nicht auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Zumeist sind am Verhandlungstisch entscheidungs- und vertretungsbefugte Repräsentanten der Konfliktparteien anwesend. Zudem sollte die positive Grundstimmung anlässlich der erzielten Einigung dazu genutzt werden, eine rechtsverbindliche Übereinkunft herbeizuführen. Lässt man die sich bietende Gelegenheit verstreichen, besteht die Gefahr, dass das Lösungspaket später doch wieder in Frage gestellt oder aber „aufgeschnürt“ wird und – vermeintlich letzte – kleine „Ergänzungen“ bzw. Änderungen verlangt werden. Dessen ungeachtet gibt es natürlich auch Situationen, in denen der Ad-hocAbschluss eines Mediationsvergleichs nicht möglich oder aber nicht sinnvoll ist. Ersteres ist beispielsweise der Fall, wenn der Vergleich beurkundungsbedürftige Vorgänge enthalten soll und der Mediator kein Notar ist. Nicht ratsam ist ein sofortiger Vergleichsschluss, sofern umfangreiche sachverständige – insbesondere steuerliche – Prüfungen erforderlich werden. Da die Gefahr eines „nachträglichen Scheiterns“ der Mediation in beiden Fällen nicht zu unterschätzen ist, sollte dem möglichst schon bei der Mediationsplanung Rechnung getragen werden: Soweit es sich einrichten lässt, sollten alle Vorkehrungen getroffen werden, um Rechtsverbindlichkeit durch anwesende Experten bereits in der Mediationssitzung gewährleisten zu können.

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Lösungspaket schnüren und umsetzen Bei einem von zwei der Autoren als Co-Mediatoren durchgeführten Mediationsverfahren anlässlich eines Streits zwischen den Gesellschaftern eines im Industrieanlagenbau tätigen Unternehmens war es denkbar, dass eine Konfliktlösung die beurkundungsbedürftige Übertragung von GmbHGeschäftsanteilen von einem Gesellschafter auf einen anderen umfassen könnte (vgl. § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG). Einer der beteiligten Parteianwälte fragte daher im Vorfeld an, ob für einen bestimmten Zeitpunkt der Mediationssitzung vorsorglich ein Notar „reserviert“ werden solle. Die Mediatoren entschieden sich jedoch dagegen, um nicht dadurch bereits vor Beginn ein Signal in Richtung einer bis dato ja nur denkbaren Lösung zu setzen und sich somit inhaltlich zu positionieren. Nach zwei Tagen gelang es, in der Mediation eine Einigung herbeizuführen, die tatsächlich eine Geschäftsanteilsübertragung enthielt und im Wege eines detaillierten, aber rechtlich unwirksamen Vorvertrages festgehalten und paraphiert wurde. Dieser sollte binnen kurzer Frist nach der Mediation notariell beurkundet werden. Das indes geschah (leider) zunächst nicht – erst nach weiteren, längeren Verhandlungen der Parteien schlossen diese schlussendlich noch einen wirksamen Vergleich. Kasten 4

Welche Rolle spielen Sie als Mediator bei der Ausarbeitung eines Mediationsvergleichs? In erster Linie kommt es darauf an, welche Rolle Sie nach dem Willen der das Verfahren steuernden Konfliktbeteiligten spielen sollen. Wenn ein Jurist als Mediator agiert, werden die Parteien nicht selten den Wunsch äußern, er möge sie bei der Formulierung des Mediationsvergleichs unterstützen oder diese sogar übernehmen. Dies kann er jedoch nur, sofern das Rechtsdienstleistungsgesetz dem nicht entgegensteht. Unproblematisch ist das lediglich bei einer Mediationstätigkeit von Rechtsanwälten oder Notaren (vgl. Kapitel 3). Inhaltlich werden Sie als Mediator bei der Formulierung eines Mediationsvergleichs – entsprechendes gilt für sonstige Abschlussvereinbarungen – vor allem darauf achten, dass rechtswirksame, klare und präzise Regelungen getroffen werden, die sich praktisch auch umsetzen lassen bzw. deren Umsetzung einfach nachzuprüfen ist. Realgeschäfte (Beispiel: Grundstücks- oder Anteilstausch) bieten zwar regelmäßig vielfältige Wertschöpfungspotentiale (vgl. Kapitel 7), können die Abwicklung jedoch verkomplizieren (Mängelfeststellung, Wert- bzw. Preisbestimmung etc.). Offene (ungeregelte) Punkte sollten als solche beschrieben werden. Mögliche Umstandsänderungen sind zu bedenken, gegebenenfalls sind insoweit weitere Schritte (Maßnahmen) zu definieren. Im Hinblick auf etwaige Streitigkeiten aus dem Mediationsvergleich wird der Mediator den Beteiligten ein geeignetes Verfahren der Kon-

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Methode der Mediation fliktbewältigung vorschlagen und dessen Vereinbarung anregen (Verhandlungspflichten, Mediations- oder Schiedsklausel etc.). Do it SMART In der US-amerikanischen Mediationspraxis wird als hilfreiche Leitlinie für eine gute Abschlussvereinbarung häufig das Kürzel SMART verwandt: Sie sollte specific, measurable, achievable, realistic und timed sein. ● ●

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Specific: Treffen Sie klare und präzise Regelungen! Measurable: Achten Sie auf die Nachprüfbarkeit der Erfüllung getroffener Regelungen! Achievable: Vereinbaren Sie nichts Unerreichbares! Realistic: Achten Sie auf die Umsetzbarkeit und Realitätsnähe der getroffenen Regelungen! Timed: Formulieren Sie klare Zeitpläne/Meilensteine für die Umsetzung!

Kasten 5

Vollstreckbarkeit des Mediationsvergleichs In der weit überwiegenden Zahl aller Wirtschaftsmediationen spielt die Frage der Vollstreckbarkeit eines erreichten Mediationsvergleichs keine Rolle: Wer freiwillig einen solchen Vergleich abgeschlossen hat, wird seine daraus resultierenden Pflichten zumeist auch erfüllen, zumal die andere Seite ohne weiteres Klage auf Erfüllung erheben und so auf einfachem Wege einen Vollstreckungstitel erlangen kann.12 Enthält ein Mediationsvergleich indes weit in die Zukunft reichende Verpflichtungen (es besteht die Möglichkeit des Wechsels von Entscheidungsträgern!), oder erscheint seine gerichtliche Durchsetzung schwierig (etwa, weil vor einem Gericht im Ausland geklagt werden müsste), dann ist zu erwägen, ob er nicht als Vollstreckungstitel ausgestaltet werden sollte. Nach deutschem Recht stehen insoweit derzeit vor allem vier Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung: die Errichtung einer vollstreckbaren notariellen Urkunde, eines vollstreckbaren Anwaltsvergleichs, eines Gütestellenvergleichs sowie schließlich das Rechtsinstitut des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut.13 Welchen dieser Vollstreckungstitel man wählen wird, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Bei der Auswahl zu bedenken sind vor allem die Errichtungskosten, die Einfachheit bzw. Kompliziertheit des Errichtungsverfahrens, die eröffneten Vollstreckungsmöglichkeiten sowie die Frage, welche Einwände dem Vollstreckungsgegner durch den Titel abgeschnitten werden.

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Lösungspaket schnüren und umsetzen Sofern ein Notar als Mediator agiert, liegt die Errichtung einer vollstreckbaren notariellen Urkunde gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO als Titel natürlich nahe. Gemäß Art. 57 der Brüssel I-Verordnung14 und Art. 3, 4 und 25 der Verordnung zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EuVTVO)15 ist sie auch in anderen Ländern der Europäischen Union vollstreckbar. Gleiches gilt für Anwaltsvergleiche gem. § 796a ZPO, die durch einen gerichtlichen oder notariellen Beschluss für vollstreckbar erklärt wurden.16 Beide Wege der Titelschaffung werden im Rahmen einer Mediation allerdings mit zusätzlichen Kosten verbunden sein. Auch kann dabei Zeit verloren gehen. Gütestellenvergleiche fallen zwar ebenfalls unter Art. 57 der Brüssel I-Verordnung bzw. Art. 24 EuVTVO, sofern sie vollstreckbar sind. Das ist indes nur dann der Fall, wenn sie vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen wurden (vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), und zwar im Rahmen ihres festgelegten Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs. Nur unter dieser Voraussetzung werden freiwillige Mediationsverfahren erfasst.17 Praktisch weltweit vollstreckbar ist demgegenüber aufgrund der Reichweite des New Yorker UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.195818 ein Schiedsspruch. Damit stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls auf welchem Weg sich ein Mediationsvergleich in einen award on agreed terms, nach deutschem Schiedsrecht also in einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut gemäß § 1053 ZPO, überführen lässt. Eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, liegt in folgendem Vorgehen19: Die Beteiligten verständigen sich vorläufig auf einen bestimmten Mediationsvergleich, bestellen den Mediator zum Schiedsrichter und beantragen dann, dass dieser den – nach Beginn des Schiedsverfahrens rechtsverbindlich abgeschlossenen – Vergleich als Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut festhält. Gangbar ist dieser Weg allerdings nur, wenn in dem kurzen Schiedsverfahren dessen unverzichtbare Verfahrensgrundsätze, insbesondere die Verpflichtung des Schiedsrichters zur Gewährung rechtlichen Gehörs und der Gleichbehandlung der Parteien, eingehalten werden. Der Schiedsrichter hat den Beteiligten also u. a. Gelegenheit zum Rechtsgespräch über den Vergleichsinhalt zu geben. Um die Durchsetzung von Mediationsvergleichen zu erleichtern, enthält die Europäische Mediationsrichtlinie20 nunmehr eine einheitliche Vorgabe für deren Titulierung. Nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Parteien – oder eine Partei mit ausdrücklicher Zustimmung der anderen – beantragen können, dass der Inhalt einer im Mediationsverfahren erzielten schriftlichen Vereinbarung „… vollstreckbar gemacht wird“.21 Für den deutschen Gesetzgeber ergibt sich insofern aber kein Regelungsbedarf. Die oben genannten rechtlichen Möglichkeiten zur Titulierung genügen den Anforderungen der Richtlinie. Gleichwohl sieht 267

Methode der Mediation der Regierungsentwurf für ein Mediationsgesetz22 nunmehr die Einfügung einer neuen Vorschrift in die Zivilprozessordnung vor (§ 796d ZPO), nach der eine in einer Mediation geschlossene Vereinbarung auf schriftlichen Antrag aller Parteien oder auf Antrag einer Partei mit ausdrücklicher Zustimmung der anderen durch das zuständige (Amts-)Gericht oder einen Notar für vollstreckbar erklärt werden kann, sofern dem nicht bestimmte Hindernisse (fehlende Bestimmtheit, Unwirksamkeit der Vereinbarung, Verstoß gegen die öffentliche Ordnung) entgegenstehen. Sofern diese Vorschrift so Gesetz wird, ist davon auszugehen, dass sich in Zukunft dieser (einfache) Weg der Titulierung von Mediationsvergleichen durchsetzen wird. Regelungen zur Vollstreckung von Mediationsvergleichen finden sich darüber hinaus in Art. 14 des im Jahr 2002 von der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) verabschiedeten Modellgesetzes über internationale Schlichtungsverfahren bei Handelsstreitigkeiten (UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation).23 Wirkung entfaltet dieses Modellgesetz allerdings nur in den Ländern, die es in ihr nationales Recht umsetzen.24 Im Übrigen ist die Reichweite des Art. 14 begrenzt. Die Vorschrift überlässt nämlich die Festlegung des „Ob“ und des „Wie“ einer Vollstreckbarkeit dem das Modellgesetz umsetzenden Staat.

Umsetzung des Mediationsvergleichs Von der juristischen Vollstreckbarkeit des Mediationsvergleichs zu unterscheiden ist seine praktische (tatsächliche) Umsetzung. Insbesondere dann, wenn es sich bei den Konfliktparteien um große Organisationen handelt, spielt diese Frage in der Mediationspraxis eine wichtige Rolle. Dass ein Mediationsvergleich oder eine sonstige Abschlussvereinbarung tatsächlich umgesetzt wird, ist umso wahrscheinlicher, je stärker die Anreize für alle Beteiligten sind, auf dieses Ziel hinzuwirken. Eine entsprechende Gestaltung des Vergleichs kann diese Anreize schaffen (oder aber gerade nicht schaffen). Daher ist die Auswahl der getroffenen Regelungen auch aus dieser Perspektive bedeutsam (Interessengerechtigkeit der Lösung, Koppelung von Geldzahlungen an Umsetzungserfolg, Festlegung eines klaren Zeitplans, Vorhandensein der erforderlichen Ressourcen etc.). Ebenso wie die Rolle des Mediators zu Beginn der Mediation sorgfältig zu definieren ist (vgl. Kapitel 3), bedarf diese auch bei der Formulierung des Mediationsvergleichs bzw. einer sonstigen Abschlussvereinbarung und bei der tatsächlichen Umsetzung der gefundenen Regelungen der vorherigen Klärung. Soll der Mediator beispielsweise beratende, unterstützende oder überwachende Funktionen („Vollzugskontrolle“) übernehmen, ist dies sinnvollerweise in der Vereinbarung zu regeln. Hängt deren Struktur von sachverständigen Prüfungen ab (Bewertungen von Grundstücken, Unternehmen

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Lösungspaket schnüren und umsetzen bzw. Unternehmensteilen etc.), so kann dem Mediator z. B. auch die Auswahl und Kontrolle des oder der Sachverständigen übertragen werden. In einem bedeutenden Schiedsverfahren zwischen International Business Machines, Inc. (IBM) und Fujitsu Ltd. (Fujitsu) über behauptete Urheberrechtsverletzungen bzgl. Computersoftware (vgl. insoweit bereits Kapitel 3) agierten Robert H. Mnookin und John L. Jones nicht nur als Schiedsrichter. Sie wendeten auch eine Reihe von innovativen Mediationstechniken an.25 Im Laufe des Verfahrens schlossen die Parteien einen (Teil-)Vergleich („Washington Agreement“). Dieser sah unter anderem die Errichtung eines „Secured Facility Regime“ vor. Danach sollte jede Partei gegen angemessene Vergütung einen begrenzten Zugang zu den Programmierinformationen der jeweils anderen haben. Ein von den Schiedsrichtern überwachter „Facility Supervisor“ sollte sicherstellen, dass nur bestimmte – näher spezifizierte – Informationen erhoben würden. Kasten 6

Scheitern der Mediation Die meisten, aber nicht alle Mediationen führen zu einer Einigung der Konfliktparteien. Scheitert die Mediation, stellen sich die Beteiligten regelmäßig zwei Fragen: Wie ist das Mediationsverfahren zu beenden? Und: Wie soll es nach der Beendigung des Mediationsverfahrens weitergehen?

Beendigung des Mediationsverfahrens Der rechtliche Rahmen einer Mediation besteht einerseits aus einer Vereinbarung zwischen den Konfliktparteien über die Durchführung der Mediation (Mediationsvereinbarung) und andererseits aus einer Vereinbarung zwischen diesen und dem Mediator über dessen unterstützende Tätigkeit (Mediatorvertrag, vgl. Kapitel 12). Rechtlich bedeutet eine Beendigung der Mediation damit: Mediationsvereinbarung und Mediatorvertrag werden mit Wirkung ex nunc gekündigt. Diese Kündigung berührt nicht solche Pflichten der Beteiligten, die gerade bei einem Scheitern der Mediation bedeutsam werden. Ob und mit welchen Fristen eine Kündigung zulässig ist, wird regelmäßig vertraglich festgelegt. Sinnvoll erscheint eine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit durch jeden Beteiligten, sofern wenigstens ein erstes Treffen mit dem Mediator stattgefunden hat: Haben sich die Beteiligten darauf verständigt, eine Mediation durchzuführen, so sollte der Mediator zumindest das Verfahren sowie seine Chancen und Risiken im Einzelfall erläutern können – ist dies geschehen, so dominiert wieder der für Mediationsverfahren charak269

Methode der Mediation teristische Gedanke der Freiwilligkeit. Fehlt eine solche Regelung, so wird man eine entsprechende Kündigungsmöglichkeit in ergänzender Vertragsauslegung aus dem Wesen der Mediation ableiten können: Es ist nicht sinnvoll, einen Beteiligten gegen seinen Willen an ein Verfahren zu binden, das er für gescheitert hält und das er demzufolge nicht mehr konstruktiv betreibt.

Weitere Alternativverfahren Das Ende einer Mediation bedeutet nicht, dass die Beteiligten nunmehr eine streitige, gerichtliche Auseinandersetzung führen müssen. In vielen Fällen – etwa bei innerbetrieblichen oder konzerninternen Konflikten – steht diese Handlungsalternative entweder gar nicht zur Verfügung oder dient den Interessen der Beteiligten nicht. Einfallsreichtum und Augenmaß des Mediators sind auch gefragt, soweit es um Hilfestellungen im Hinblick auf weitere, denkbare Alternativverfahren zur Konfliktbeilegung geht. An anderer Stelle wurden bereits einige solcher Alternativverfahren vorgestellt: Die Beteiligten können einen Schlichter damit beauftragen, einen Schlichterspruch zu unterbreiten (vgl. Kapitel 2). Bei innerbetrieblichen Streitigkeiten kann ein gemeinsamer Vorgesetzter die Rolle des Schlichters übernehmen. Sofern eine Einigung vor allem an unüberbrückbaren Einschätzungen konfliktrelevanter Tatsachen gescheitert ist, kommt die Einholung eines Schiedsgutachtens in Betracht (vgl. Kapitel 8). Schließlich können die Beteiligten gegebenenfalls ein Mini-trial zur Abschätzung der beiderseitigen Prozessaussichten durchführen und auf dieser Grundlage eventuell erneute Vergleichsgespräche einleiten (vgl. Kapitel 9). Gleichermaßen theoretisch interessant wie praktisch bedeutsam sind andere, hybride Alternativverfahren, die (gescheiterte) Mediationsverfahren mit bestimmten Schiedsverfahren bzw. Schiedsverfahrenstypen kombinieren:

Mediation-Arbitration Denkbar ist zum einen, dass die Konfliktparteien ein Schiedsverfahren einleiten, den ehemaligen Mediator zum Schiedsrichter bestimmen und diesen bitten, den Streit mittels eines Schiedsspruchs zu entscheiden. Für diese Vorgehensweise hat sich die Bezeichnung Mediation-Arbitration, kurz: Med-Arb, eingebürgert.26 Bei innerbetrieblichen Streitigkeiten wird sie kaum in Betracht kommen, weil arbeitsrechtliche Konflikte nur in ganz begrenztem Umfang schiedsfähig sind (vgl. § 101 Arbeitsgerichtsgesetz, ArbGG). Rechtlich ist eine Personenidentität von Mediator und Schiedsrichter nach den deutschen Schiedsverfahrensregeln selbst dann möglich, wenn während der Mediation vertrauliche Einzelgespräche geführt wurden.27 Unter der Aussicht auf eine Schiedsrichtertätigkeit des Mediators kann die Informationsfreudigkeit der Konfliktparteien allerdings erheblich leiden. Es 270

Lösungspaket schnüren und umsetzen empfiehlt sich deshalb nicht, ein Med-Arb-Verfahren für den Fall des Scheiterns der Mediation bereits ex ante vorzusehen. Dieses sollte vielmehr – wenn überhaupt – ad hoc vereinbart werden. Im Übrigen hat die Einleitung eines Schiedsverfahrens natürlich zur Folge, dass die Parteien die Konfliktlösung voll in die Hände des Schiedsrichters legen und damit – im Vergleich zu dem vorangegangenen Mediationsverfahren – ihre Autonomie aufgeben. Aus diesem Grund bietet es sich insbesondere für Sachkonflikte im Verteilungsstadium sowie für Verteilungskonflikte (vgl. Kapitel 1) an, nach dem Scheitern der Einigungsbemühungen ein „besonderes“ Schiedsverfahren durchzuführen.

Final Offer Arbitration Eine solche Möglichkeit ist die sogenannte Final Offer Arbitration: Die Parteien bestimmen den Mediator als Schiedsrichter. Sie vereinbaren, dass beide Seiten jeweils verdeckt ihr letztes, „bestes“ Vergleichsangebot abgeben. Der Schiedsrichter erhält von den Angeboten der Parteien zunächst keine Kenntnis und formuliert seine „richtige“ Lösung. Anschließend werden alle drei Vorschläge aufgedeckt, und der Schiedsrichter hält als Schiedsspruch den Parteivorschlag fest, der näher an seiner Lösung liegt.28 Final Offer Arbitration wurde beispielsweise von den Schiedsrichtern in dem bereits erwähnten Konflikt zwischen IBM und Fujitsu eingesetzt, um einzelne Streitpunkte zu entscheiden. Historisch stammt Final Offer Arbitration aus der US-amerikanischen Baseball-Liga, wo das Verfahren in Gehaltskonflikten zwischen der Vereinsführung und hoch bezahlten Spielern zum Einsatz kam und kommt.29 Gelegentlich ist deshalb auch (etwas spöttisch) von „Baseball-Arbitration“ die Rede. Kasten 7

Die Kombination eines Mediationsverfahrens mit einer Final Offer Arbitration wird häufig mit dem Kürzel MEDALOA (Mediation and Last Offer Arbitration) gekennzeichnet.30 Was mit diesem hybriden Verfahrenstyp erreicht werden soll, ist klar: Es geht darum, die Parteien zur Abgabe realistischer und fairer Vergleichsangebote zu motivieren. Auch ist der Autonomieverlust, der in der Entscheidungsdelegation an den Dritten liegt, in seinem Umfang beschränkt: Ein in der Mediation erreichter Verhandlungserfolg im Sinne einer jedenfalls teilweisen Annäherung der Standpunkte kommt in den letzten Angeboten zum Ausdruck und bleibt in diesem Sinne erhalten. Allerdings sollte der von einer Final Offer Arbitration ausgehende „Zwang zur Vernünftigkeit“ auch nicht überschätzt werden.31 Abhängig von der Ein271

Methode der Mediation schätzung dessen, was der Schiedsrichter voraussichtlich tun wird (Wahrscheinlichkeitsverteilung möglicher Entscheidungen), dem voraussichtlichen Verhalten der Gegenseite und der eigenen Risikoneigung kann es rational sein, ein vergleichsweise extremes Vergleichsangebot abzugeben. Final Offer Arbitration ist ein Spiel. Trifft eine risikofreudige Partei auf eine risikoscheue, wird die risikoscheue vorsichtig (moderat) bieten und die risikofreudige ambitioniert, und das regelmäßig mit Erfolg – man kann sich ein etwas ambitionierteres Gebot gewissermaßen „leisten“, wenn der Gegner ohnehin von sich aus stark zur Mitte rückt. „Final-offer arbitration should have great appeal for the daring (the risk seekers) who play against the timid (the risk avoiders).“32

High-Low Arbitration Während der designierte Schiedsrichter bei einer Final Offer Arbitration nur zwischen zwei Entscheidungsmöglichkeiten wählen kann, wird ihm bei einer High-Low Arbitration ein größerer Entscheidungsspielraum eingeräumt: Die letzten Angebote der Beteiligten begrenzen lediglich den Entscheidungsraum, innerhalb dessen die schiedsrichterliche Lösung liegen muss.33 Im Vergleich mit einer Final Offer Arbitration ist das Risiko, das die Parteien übernehmen, geringer, weil die Zahl der zulässigen Drittentscheidungen höher ist. Andererseits entfällt der Anreiz, realistische letzte Angebote abzugeben. Möglicherweise kehren die Parteien sogar (weitgehend) zu ihren überzogenen Ausgangspositionen zurück. Von vornherein nicht tauglich ist eine High-Low Arbitration, wenn sich der Konflikt nicht entlang eines homogenen, linearen Maßstabes entscheiden lässt.

Vereinbarungen für den Fall eines Schieds- oder Gerichtsverfahrens Zur verantwortlichen Planung eines Mediationsverfahrens gehört es auch, Vorkehrungen für den Fall zu treffen, dass sich am Ende eine gerichtliche oder schiedsgerichtliche Auseinandersetzung nicht vermeiden lässt (auch die soeben besprochenen hybriden Verfahren sind ja Schiedsverfahren). Diese Vorkehrungen werden sinnvollerweise in den Verträgen getroffen, die dem jeweiligen Mediationsverfahren seine unverwechselbare Gestalt geben, also in der Mediationsvereinbarung einerseits und dem Mediatorvertrag andererseits (vgl. Kapitel 3 und 12). Denkbar ist etwa eine Regelung des Inhalts, dass auch nach der Beendigung der Mediation ein Schieds- oder Gerichtsverfahren nicht sofort, sondern erst nach einer bestimmten Wartezeit eingeleitet werden kann. Eine entsprechende „Atempause“ kann im Einzelfall dazu genutzt werden, doch noch einmal einen allerletzten Einigungsversuch zu unternehmen.34 Vor allem ist dafür Sorge zu tragen, dass die Durchführung des Mediationsverfahrens sich in einem späteren Prozess nicht nachteilig für einen oder 272

Lösungspaket schnüren und umsetzen mehrere Beteiligte auswirkt oder prozesstaktisch ausgenutzt werden kann. Bei nationalen Mediationsverfahren sind Regelungen über die Hemmung des Laufes von Verjährungsfristen nicht erforderlich, weil diese Hemmung für die Dauer der Mediation kraft Gesetzes eintritt (§ 203 BGB).35 Für internationale Mediationsverfahren sind entsprechende Bestimmungen allerdings zu empfehlen.36 In jedem Fall ist darauf zu achten, dass die Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens im Allgemeinen und diejenige von Einzelgesprächen des Mediators mit den Konfliktparteien im Besonderen nicht ex post in Frage gestellt wird. §§ 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO i. V. m. § 43a Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sowie § 18 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) gewähren ein Zeugnisverweigerungsrecht für Anwaltsmediatoren. Ob sich auch andere Berufsgruppen auf § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berufen können, ist umstritten.37 Sollte der durch den bereits erwähnten Regierungsentwurf vorgeschlagene § 4 MediationsG in Kraft treten, der eine allgemeine Verschwiegenheitspflicht für Mediatoren vorsieht, wäre diese Frage wohl im positiven Sinne geklärt. Unabhängig davon zu empfehlen sind jedenfalls prozessual wirkende Vortrags- und Beweismittelbeschränkungen. Sie führen nach deutschem Zivilprozessrecht dazu, dass ein abredewidriger Sachvortrag in einem nachfolgenden Zivilprozess unbeachtlich ist und ein abredewidriger Beweisantrag als unzulässig zurückgewiesen werden muss.38 Dies schützt die Vertraulichkeit nicht nur im Hinblick auf die Person des Mediators, sondern auch im Verhältnis der Parteien zueinander. Ob entsprechende Klauseln allerdings auch vor ausländischen Gerichten Bestand haben, hängt vom Verfahrensrecht am Prozessort (lex fori) ab und ist damit unsicher. Bei internationalen Mediationsverfahren sollte deswegen für den Fall des Scheiterns der Mediation die Durchführung eines Schiedsverfahrens vorgesehen werden: Von einem adäquat besetzten Schiedsgericht kann eher als von einem staatlichen Gericht erwartet werden, dass es Vortrags- und Beweismittelbeschränkungen honoriert.

Zusammenfassung Die Endphase einer Wirtschaftsmediation ist häufig die schwierigste: Eine Einigung scheint in greifbarer Nähe zu liegen und doch wird um deren Details zwischen den Beteiligten regelmäßig erbittert und unter Anwendung aller Mittel strategischen Verhandelns gerungen. Auch ein ansonsten nichtdirektiv agierender Mediator wird in dieser Phase unter Umständen stärker lösungsorientiert auftreten als in den vorangegangenen Phasen: Verbleibende strategische, strukturelle und kognitive Einigungshindernisse lassen sich unter Anwendung geeigneter Techniken beseitigen oder zumindest verrin273

Methode der Mediation gern. Auch kann es sinnvoll sein, denkbare Einigungsoptionen ins Spiel zu bringen: Die Gefahr, dass sie von den Beteiligten zurückgewiesen werden, ist kleiner als bei Vorschlägen, die ein unmittelbar Konfliktbeteiligter zur Diskussion stellt. Zudem lassen sich Einigungsoptionen, die der Mediator einführt, Dritten wesentlich leichter „vermitteln“. Eine wichtige und bewährte Möglichkeit, in komplexen Wirtschaftsmediationen entsprechende Einigungsoptionen zu entwickeln, ist das sogenannte Ein-Text-Verfahren. Kommt es in der Mediation zu einer Einigung, so muss diese bei Streitigkeiten zwischen Unternehmen in der Regel in einen tragfähigen rechtlichen Vergleich „übersetzt“ werden. Dessen Regelungen sollten klar und umsetzbar sein. Diese Maxime gilt auch für Abschlussvereinbarungen bei innerbetrieblichen Konflikten. Wird bei unternehmensexternen Streitigkeiten eine Vollstreckungsmöglichkeit gewünscht, so stehen eine Reihe von Instrumenten zur Erreichung dieses Ziels zur Verfügung (vollstreckbare notarielle Urkunde, Anwaltsvergleich, Gütestellenvergleich, Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut), in Zukunft möglicherweise auch die spezifische Vollstreckbarerklärung eines Mediationsvergleichs durch Gericht oder Notar gemäß § 796d ZPO n. F. Scheitern die Vergleichsbemühungen, muss nicht zwingend ein Gerichtsverfahren durchgeführt werden: In vielen Fällen, z. B. bei konzerninternen Konflikten, wird diese Handlungsoption praktisch nicht in Frage kommen. Im Übrigen gibt es eine Reihe von Alternativverfahren, an die der Mediator denken und die Parteien erinnern wird. Dazu gehören insbesondere bestimmte Schiedsverfahren bzw. Schiedsverfahrenstypen (Med-Arb, FinalOffer Arbitration, High-Low Arbitration). Für den Fall, dass es zu einem Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren kommt, sollte durch geeignete Regelungen sichergestellt werden, dass die Vertraulichkeit der Mediation nicht ex post in Frage gestellt wird. Unsere bisherigen Überlegungen in den vergangenen Kapiteln haben sich mit dem Ablauf einer Wirtschaftsmediation beschäftigt, wie er sich in der Praxis häufig verfolgen lässt. In gewisser Hinsicht mag man insoweit von einer idealtypischen Wirtschaftsmediation sprechen. Nicht selten geschehen in einer Wirtschaftsmediation jedoch Dinge, die diesen „normalen“ Ablauf erschweren bzw. verkomplizieren. Welche Gefahren für das Verfahren sind besonders bedeutsam? Wie kann der Mediator auf solche Gefahren reagieren und den Beteiligten helfen, sie zu meistern? Mit diesen Fragen wollen wir uns im nächsten Kapitel beschäftigen.

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Schwierige Situationen in Mediationsverfahren bewältigen

Wir werden die Betrachtung der Methode der Mediation mit einem Blick auf einige typische Schwierigkeiten beschließen, die bei der Durchführung von Mediationsverfahren häufiger auftreten. Dabei wird sich dieses Kapitel nicht mehr in den bislang gewählten Aufbau entlang der Chronologie eines Mediationsverfahrens einfügen. Es wird vielmehr eine Querschnittsfunktion erfüllen: Schwierige Situationen begegnen Ihnen als Mediator in jeder Phase des Verfahrens. Die folgende Diskussion dieser Schwierigkeiten wird daher vertiefend auf eine Vielzahl von Fragen eingehen, die – in der einen oder anderen Form – in den vorherigen Kapiteln bereits angesprochen wurden. Während dort aber das Augenmerk auf den Normalverlauf eines Mediationsverfahrens gerichtet wurde, werden uns hier diejenigen Problemfälle und Komplizierungen beschäftigen, die diesen Normalverlauf gelegentlich behindern. Von den typischen Schwierigkeiten, mit denen Sie als Mediator zu rechnen haben, sind die folgenden vier aufgrund ihrer praktischen Bedeutung besonders erwähnenswert: 1. Eine hohe Komplexität der Verhandlungssituation durch eine Vielzahl von Personen, Verhandlungsthemen bzw. Interessen erschwert Ihre Verhandlungsleitung. 2. Zweifel an Ihrer Neutralität gefährden zugleich den Erfolg des gesamten Verfahrens. 3. Machtungleichgewichte zwischen den Parteien stellen Sie vor die Frage, ob Sie diese ausgleichen dürfen oder sogar müssen. 4. Nicht selten führt die gesteigerte Emotionalität im Verlauf der Mediationsverhandlung zu einer Eskalation des Konflikts. Wodurch entstehen diese Schwierigkeiten im Einzelnen, und welche Strategien zu ihrer Überwindung lassen sich einsetzen? Diesen Fragen wollen wir in der Folge nachgehen.

Hohe Komplexität Die wenigsten Konflikte in der Wirtschaftspraxis bestehen aus nur einem einzigen Thema zwischen zwei Konfliktparteien. Sehr häufig haben wir es mit Situationen höherer Komplexität zu tun, wie etwa der folgende Fall zeigt: 275

Methode der Mediation Die Insolvenz der Kirch Media und die Fußballbundesliga1 Im April 2002 stand das Unternehmen Kirch Media GmbH & Co KGaA des Münchener Film- und Fernsehrechte-Händlers Leo Kirch nach dem gestellten Insolvenzantrag mit dem Rücken zur Wand. Den vorläufigen Insolvenzverwalter Michael Jaffé beschäftigte insbesondere die Forderung der Deutschen Fußball Liga (DFL), eine ausstehende Rate von 100 Millionen Euro für Fernsehübertragungsrechte bis zum 15. April zu überweisen. Dieses Geld war offenbar nicht vorhanden. Zudem sah sich Jaffé durch gesetzliche Bestimmungen des Insolvenzrechts gehindert, die DFL vor anderen Gläubigern voll zu befriedigen. Der DFL-Präsident Werner Hackmann drängte auf die Zahlung der Rate. Er war vor allem um die kleineren Vereine besorgt, die in großem Maße wirtschaftlich von den Fernsehgeldern abhängig sind. Falls das Geld nicht fristgerecht eingehe, so Hackmann, würden die Bundesligavereine den Fernsehteams der Kirch-Sender Premiere und Sat. 1 den Zugang zu den Fußballstadien an den letzten beiden Spieltagen der Saison verwehren. Die 36 Bundesligavereine selbst standen einem solchen Boykott sehr unterschiedlich gegenüber. Während die wirtschaftlich weniger starken Vereine die DFL in ihrem Ansinnen unterstützten, waren vor allem Bayern München und Bayer Leverkusen strikt gegen einen Boykott. Deren damalige Manager Karl-Heinz Rummenigge und Reiner Calmund wollten die Fernsehzuschauer nicht verprellen und vor allem ihren Sponsoren nicht die werbewirksame Bühne des Fernsehens im spannenden Saison-Finale verwehren. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF waren ebenfalls betroffen: Da sie als sogenannte „Zweitverwerter“ auf die von der KirchTochter Premiere produzierten Fernsehbilder angewiesen waren, hätte ein Boykott von Premiere durch die Vereine auch ARD und ZDF von bewegten Fußballbildern für deren Nachrichten- und Sportsendungen abgeschnitten. Zugleich spekulierten sie darauf, dass Kirch Media die Rate endgültig nicht zahlen würde, die Übertragungsrechte an die DFL zurückfallen und in einer Neuvergabe dann die öffentlich-rechtlichen Anstalten zum Zuge kommen würden. Eine Lösung musste schnell gefunden werden. Der nächste Spieltag stand unmittelbar bevor. Forderungen aus der Politik, notfalls mit Staatsbürgschaften auszuhelfen, waren auf erbitterten öffentlichen Widerstand gestoßen, nachdem sie als Versuch gewertet worden waren, die „Millionengehälter“ der Fußballprofis staatlich zu subventionieren. Mit einer Unterstützung durch die öffentliche Hand war daher nicht mehr zu rechnen. Kasten 1

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Schwierige Situationen bewältigen Worin besteht die Komplexität einer Situation wie der in Kasten 1 geschilderten Insolvenz der Kirch Media? Was sind ihre Ursachen? Und was kann getan werden, um die Komplexität solcher oder vergleichbarer Konflikte in Mediationsverfahren zu reduzieren?

Viele Parteien Regelmäßig steigert zunächst eine größere Zahl von Konfliktparteien die Komplexität einer Verhandlung.2 Je mehr Parteien beteiligt sind, umso schwieriger wird es, der Verhandlung eine Struktur zu geben: Jede Partei verfolgt eigene Interessen, die sich teilweise überschneiden, teilweise entgegenstehen. Jede Partei hat das Bedürfnis nach gleichmäßiger Teilhabe sowohl am Prozess als auch an einem möglichen Ergebnis. Zwischen den Parteien bilden sich sichtbare und unsichtbare Koalitionen und Fronten.3 Eine solche Gruppenbildung führt nicht selten in inhaltlicher Hinsicht dazu, dass Verhandlungsfortschritte verlangsamt werden: Jedes Zugeständnis muss zunächst unter den Mitgliedern der jeweiligen Gruppe abgestimmt werden – eine einmal (möglicherweise nach langwierigen internen Verhandlungen innerhalb der Gruppe) eingenommene Position wird daher oftmals noch beharrlicher verteidigt als in zweiseitigen Verhandlungen. Hinzu kommt, dass in Mehrparteienverhandlungen Zugeständnisse deshalb schwerer fallen, weil sie sich nicht gleichermaßen mit einer Erwartung der Gegenseitigkeit verknüpfen lassen wie in zweiseitigen Verhandlungen. Während dort nach einem Zugeständnis einer Seite mit einem entsprechenden Entgegenkommen der anderen Seite gerechnet werden kann, haben Zugeständnisse hier nicht immer einen klar zu identifizierenden Adressaten und müssen stets auch hinsichtlich ihrer Wirkung auf die anderen Beteiligten überprüft werden. Dies gilt gleichermaßen für die eigenen wie für die von der begünstigten Partei im Gegenzug erwogenen Verhandlungsschritte. Auch die Kommunikation ist in Mehrparteienverhandlungen zusätzlich erschwert. Jedes eigene Signal muss in dem Bewußtsein ausgesendet werden, dass es unterschiedliche Empfänger erreicht. Umgekehrt muss jeder aus den Signalen der anderen Beteiligten diejenigen Nachrichten heraushören, die für ihn selbst von Bedeutung sind. Das Risiko von Missverständnissen und Fehlinterpretationen ist entsprechend gesteigert.4 Wenn Sie es als Mediator mit einer Vielzahl von Parteien zu tun haben, werden Sie diese möglicherweise in Gruppen unterteilen und mit Vertretern der einzelnen Gruppen verhandeln. Achten Sie bei der Auswahl der Vertreter darauf, dass diese für die ganze Gruppe sprechen können. Es sollte sich um Schlüsselfiguren handeln, die die Autorität besitzen, sowohl die Interessen der Gruppe nach außen zu vertreten, als auch eine gefundene Lösung intern in der Gruppe „zu verkaufen“. Erinnert sei an das bereits zuvor dargestellte Beispiel der Frankfurter Flughafenmediation. Diese scheiterte nicht 277

Methode der Mediation zuletzt daran, dass nicht alle von dem Konflikt um den Flughafenausbau Betroffenen im Verfahren auch vertreten waren. Die Insolvenz der Eurotunnel-Betreibergesellschaften Ein Verhandeln mit Vertretern ist in komplexen Mehrparteienfällen unumgänglich. Im Herbst 1995 stellten die Betreibergesellschaften des Eurotunnels, Eurotunnel P.L.C. auf englischer und Eurotunnel S. A. auf französischer Seite, die Zinszahlungen auf ihre Schulden von ca. 9 Milliarden Euro ein. Den insolventen Schuldnern stand eine Gläubigerfront von 225 Banken gegenüber. Der ehemalige französische Justizminister Robert Badinter und der ehemalige britische Energieminister Lord Wakeham agierten als Mediatoren in den Verhandlungen über die Reorganisation der insolventen Betreibergesellschaften. Zunächst wurde ein Lenkungsausschuss aus 24 Banken gebildet. Die direkten Verhandlungen fanden dann schließlich nur noch mit sechs dieser Banken („Kernbanken“) statt.5 Kasten 2

Bei der Aufteilung einer großen Zahl von Konfliktparteien in Gruppen müssen Sie ferner die wirklichen Interessen der einzelnen Parteien sorgfältig erforschen. Gruppenbildung ist vor allem zur Bündelung gleichlaufender Interessen sinnvoll. Oft stellt sich aber heraus, dass die auf den ersten Blick eine Gruppe bildenden Parteien sehr unterschiedliche Interessen verfolgen, die eine neue Aufteilung in Untergruppen oder über scheinbare Gruppengrenzen hinweg erfordern.6 Auch können zu unterschiedlichen Verhandlungsthemen unterschiedliche Gruppen zu bilden sein. Betrachten wir dazu noch einmal das Beispiel der Insolvenz der Kirch Media (Kasten 1). Auf den ersten Blick stellte hier die DFL GmbH als Dachorganisation den idealen Fürsprecher der 36 Bundesligavereine dar; ein Mediator wäre möglicherweise versucht gewesen, allein mit der DFL anstelle von 36 Vereinsmanagern zu verhandeln. Auf den zweiten Blick aber verfolgten die einzelnen Vereine sehr unterschiedliche Interessen, die sich wiederum nicht mit denen der DFL deckten: Die „kleinen“ Vereine waren durch die ausbleibenden Fernsehgelder in ihrer Existenz bedroht und wollten daher die Ratenzahlung notfalls per Aussperrung der Kirch-Sender aus den Stadien erzwingen. Die Spitzenvereine dagegen sahen für sich den größeren Schaden in einer Aussetzung der Fernsehübertragung und den damit verbundenen Ausfällen von Werbeeinnahmen, die bei ihnen im Verhältnis zu den Fernsehgeldern einen weitaus größeren Anteil ausmachen. Die DFL als unmittelbarer Vertragspartner der Kirch Media schließlich pochte auf Vertragserfüllung, möglicherweise auch deshalb, um bei einer Weigerung schnell die Übertragungsrechte zurückzuerhalten und an andere, wirtschaftlich stabilere Partner neu verkaufen zu können. Letztlich wären also mindestens drei 278

Schwierige Situationen bewältigen Gruppen zu bilden gewesen, um zumindest die wesentlichen, unter dem Dach der DFL scheinbar gebündelten, Interessen abzubilden. Der Einsatz von Vertretern für Gruppen von Parteien hat zur Folge, dass die Mehrzahl der Betroffenen nicht mehr unmittelbar an den Verhandlungen beteiligt ist. Die Zustimmung zu einem Ergebnis wird diesen leichter fallen, wenn sie zumindest über die Inhalte und den Prozess der Verhandlung jederzeit gut informiert sind. Umfassende Transparenz durch regelmäßige Information gegenüber den nicht Anwesenden ist daher unverzichtbar, um den „Beteiligungsverlust“ beim Einsatz von Vertretern zu kompensieren. Beim Umgang mit einer Vielzahl von verhandelnden Parteien haben Sie es in zweierlei Hinsicht allerdings auch einfacher als in bilateralen Verhandlungen: Da der Einzelne in Mehrparteienverhandlungen weniger Einfluss auf das Ergebnis als in zweiseitig geführten Verhandlungen hat, wirkt sich erstens Misstrauen gegenüber einem Verhandlungspartner hier tendenziell weniger stark auf die Einigungsbereitschaft der Beteiligten aus. Zweitens ist die Neigung zu hartem distributiven Verhandeln mit unfairen Mitteln, zu Täuschungen oder Regelmissachtungen in aller Regel um so geringer ausgeprägt, je mehr Parteien am Tisch sitzen: Wer mit der geballten Abneigung und mit möglichen Gegenangriffen einer ganzen Gruppe von Verhandlungspartnern zu rechnen hat, scheut eher den Einsatz entsprechender aggressiver Taktiken.7

Interessen- und Themenvielfalt Nicht nur die Vielzahl von Parteien, sondern auch eine Vielzahl von Interessen und Themen steigert die Komplexität einer Verhandlung.8 Zwar haben wir bereits gesehen, dass Kooperationsgewinne häufig gerade in Unterschieden zwischen den Konfliktparteien verborgen liegen können (vgl. Kapitel 7). Eine große Anzahl von Interessen und Themen vergrößert daher die Chance, dass Sie als Mediator entsprechende Unterschiede identifizieren und – gemeinsam mit den Beteiligten – für kreative und wertschöpfende Lösungen ausnutzen können. Nichtsdestotrotz kompliziert eine Vielzahl von Interessen und Themen zunächst den Verfahrensablauf: Mediationsverfahren sind wie alle Verhandlungen dynamische Prozesse. Differenzen über die Reihenfolge der zu behandelnden Themen, Prioritäten und Abhängigkeiten zwischen Einzelfragen sind typische Anlässe für Blockaden. Betrachten wir nochmals das eingangs dargestellte Beispiel der Insolvenz der Kirch Media. Mit welchen Themen und Interessen hätten Sie sich hier beschäftigen müssen? Neben den bereits dargestellten Interessen der Kirch Media, der Fernsehsender, der Fußballvereine und der DFL spielten zusätzlich auch zahlreiche politische Interessen eine Rolle: So war es beispielsweise fraglich, ob ein Einstieg des australisch-amerikanischen Medienmagnaten Rupert Murdoch eine durchsetzbare Option für eine Rettung der 279

Methode der Mediation Kirch Media gewesen wäre, oder ob nicht die Furcht vor politischer Einflussnahme im deutschen Fernsehen (wie Murdoch sie auf dem britischen Zeitungsmarkt bewiesen hatte) überwogen hätte. Ebenso wenig war für unbeteiligte Dritte abzusehen, welche Auswirkungen ein (weiteres) Engagement deutscher Verlage (Bertelsmann, WAZ, Spiegel) bei Kirch auf die Fernsehlandschaft in Deutschland gehabt hätte. Inwieweit die Interessen der (neben anderen) kreditgebenden Bayerischen Landesbank mit den politischen Zielen eines bayerischen Ministerpräsidenten und damaligen Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber verwoben waren, stellte einen weiteren, gleichermaßen wichtigen wie undurchsichtigen Punkt dar. Schließlich war zumindest anfangs unklar, ob aus der Diskussion um Staatsbürgschaften zur Sicherung der Fußballübertragungen Lösungsansätze gewonnen werden konnten, oder ob diese Option angesichts der harschen öffentlichen Kritik hieran von vornherein außer Betracht gelassen werden musste. Eine einfache, erste Grundregel im Umgang mit einer solchen Vielfalt von Verhandlungsthemen und Interessen lautet: Bereiten Sie sich noch umfänglicher und gründlicher auf die Mediation vor! Nutzen Sie alle Ihnen zugänglichen Informationen aus, und bemühen Sie sich darum, weitere neue Informationen zu gewinnen. Mit wem haben Sie es zu tun? Durch welche Interessen sind die Beteiligten motiviert? Was ist die Vorgeschichte des Konflikts? Welche nicht „am Tisch“ vertretenen Interessen spielen in den Konflikt hinein? Wo bestehen Verbindungen zwischen Themen, wo gibt es Abhängigkeiten? Welche Punkte können isoliert behandelt werden? Wer könnte wem in der Verhandlung möglicherweise welches Zugeständnis machen (vgl. den in Kapitel 4 vorgestellten „Pre-Mediation Briefing Report“)? Eine sorgfältige Vorbereitung erleichtert es Ihnen zugleich, das Mediationsverfahren zielführend zu strukturieren. Eine klare Struktur nicht nur nach den einzelnen Phasen des Verfahrens, sondern auch inhaltlich nach den einzelnen Themen und Themenkreisen, nach Reihenfolgen, nach Prioritäten und nach Interdependenzen hilft Ihnen ebenfalls bei der Aufgabe, die Komplexität zu reduzieren.9 Dies gilt uneingeschränkt allerdings nur dann, wenn die gewählte Struktur allen Beteiligten auch verständlich ist. Bestenfalls erarbeiten Sie diese daher gemeinsam mit den Konfliktparteien. Erläutern Sie, warum Ihnen eine bestimmte Gliederung für Ihr Vorgehen sinnvoll erscheint, und seien Sie offen für abweichende Anregungen der Parteien. Oft ist es hilfreich, den Gesamtkomplex der zu behandelnden Themen in Themenblöcke zu schneiden, die zunächst unabhängig voneinander behandelt werden können. Unterstützen Sie diese Abschichtung und Trennung durch klare Zeitvorgaben für die einzelnen Teile. Wenn den Parteien klar ist, dass und wann jedes der Themen behandelt werden wird, fällt es ihnen in aller Regel leichter, sich zunächst nur auf einen Teilkomplex zu konzentrieren und nicht zwischen den Themenblöcken zu „springen“. 280

Schwierige Situationen bewältigen Ob Sie dabei mit den Randthemen oder sogleich mit den wesentlichen Problempunkten beginnen, hängt stark vom Einzelfall ab. Besteht grundsätzlich eine erkennbare Einigungsbereitschaft zwischen den Parteien, können Sie mit den wichtigen und „großen“ Themen beginnen. Dies hat den Vorteil, dass später Zugeständnisse bei kleineren Themen besser auf ihre Auswirkungen auf das sich abzeichnende Gesamtpaket hin beurteilt werden können und im Lichte einer bereits grundsätzlich gefundenen Lösung leichter fallen. Stoßen Sie bei dieser Reihenfolge auf deutlichen Widerstand, müssen Sie zunächst auf Randthemen ausweichen. Dies kann zumindest dazu führen, dass Zugeständnisse in diesem Bereich möglicherweise eine Dynamik bewirken, die Sie anschließend auch für die Hauptthemen nutzen können. Erwägen Sie ferner, ob Sie Unterverhandlungen mit einzelnen Parteien oder einzelnen Gruppen von Parteien führen wollen und ob hierzu der Einsatz mehrerer Mediatoren sinnvoll erscheint. In solchen Unterverhandlungen lassen sich oftmals Teillösungen erarbeiten, die schließlich zu einem Gesamtpaket zusammengefügt werden können. Erinnert sei in diesem Zusammenhang schließlich auch an die in Kapitel 4 bereits beschriebenen Mittel der Visualisierung. Der geplante Umgang mit Moderations- und Präsentationsmedien hat nicht zuletzt eine komplexitätsreduzierende Wirkung.

Gefährdungen der Neutralität des Mediators Sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, sind die Neutralität und Unabhängigkeit des Mediators Kardinalprinzipien einer Mediation (vgl. Kapitel 3). Nur wenn die Parteien davon überzeugt sind, dass Sie als Mediator das Verfahren ohne jede Parteilichkeit betreiben, werden sie Ihrer Verfahrensleitung vertrauen und auch Anregungen in der Sache gegenüber aufgeschlossen sein. Fragen der Neutralität spielen zumeist bereits im Verfahren der Auswahl des Mediators vor der Mediation eine entscheidende Rolle (vgl. Kapitel 12). Hier wollen wir uns vor allem mit Gefährdungen der Neutralität während eines solchen Verfahrens befassen. Diese stellen neben der Komplexität der Verhandlung eine zweite, typische Schwierigkeit für Mediationsverfahren dar.10 Neutralitätsgefährdungen können ganz unterschiedliche Ursachen haben.

Persönliche Beziehungen Insbesondere persönliche Beziehungen des Mediators zu einer der Parteien aus verwandtschaftlichen, freundschaftlichen, vor allem aber aus geschäftlichen Gründen stellen seine Neutralität möglicherweise in Frage. Als 281

Methode der Mediation Mediator sollten sie entsprechende Beziehungen keinesfalls verschweigen. Rechtlich sind Sie durch den Mediatorvertrag und im Vorfeld zu dessen Abschluss aus einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht sogar zu einer diesbezüglichen Offenlegung verpflichtet.11 Bei anwaltlichen Mediatoren verhindert zudem das Berufsrecht zumindest, dass sie in derselben Sache zugleich als Parteianwalt und Mediator tätig werden dürfen.12 Stellen Sie daher alle Verbindungen zu beiden Parteien diesen gegenüber offen dar, selbst dann, wenn sie Ihnen erst nach Beginn des Verfahrens bewusst werden.13 Unterlassen Sie diese Offenheit, so setzen Sie nicht nur den Erfolg des Verfahrens, sondern auch Ihren Ruf als „ehrlicher Makler“ aufs Spiel. Erfährt eine der Parteien über Ihre Sonderbeziehung zu der anderen Partei aus einer dritten Quelle, so wird sie sich hintergangen fühlen und sowohl Ihnen als Mediator als auch der Mediation als Verfahren zur Konfliktlösung mit Ablehnung begegnen. Haben Sie eine solche Verbindung mitgeteilt, ist es Sache der Parteien, ob sie Ihnen dennoch eine unparteiische Verfahrensleitung zutrauen. Nicht jede Sonderverbindung erschüttert zwangsläufig die Neutralität eines Mediators. Entscheidend ist allein, dass die Konfliktparteien hierüber in aufgeklärter Weise selbst entscheiden können.14 In der Regel wird eine sofortige Offenlegung entsprechender Umstände vertrauensbildend wirken. Die Gefahr, das Mediationsmandat zu verlieren, ist daher eher gering und fällt insbesondere gegenüber dem drohenden Reputationsverlust kaum ins Gewicht.

Einseitige Kommunikation Eine weitere typische Gefährdung der Neutralität des Mediators liegt in der Natur der Kommunikationstechniken begründet, die er in der Mediation anwenden wird. Wer einer Partei aktiv zuhört, nachfragt, ihre Aussagen wiedergibt und Verständnis signalisiert (vgl. Kapitel 5), beschäftigt sich zwangsläufig zugleich nicht mit der anderen Partei. Der Eindruck der übermäßigen Aufmerksamkeit für eine Seite kann ferner entstehen, wenn der Mediator Einzelgespräche mit nur einer der Parteien führt und somit die andere Partei auch räumlich alleine lässt (vgl. Kapitel 6 und 9). Auch außerhalb der gemeinsamen Mediationssitzungen kann es leicht zu ungleicher Kommunikation zwischen dem Mediator einerseits und den Konfliktparteien andererseits kommen: Terminliche oder andere organisatorische Absprachen werden in einseitiger Korrespondenz getroffen, der Mediator wird von einer der Parteien angerufen, um noch „Einzelheiten“ zu erörtern, auf den Fluren oder an der Bar des Konferenzhotels werden nach der Verhandlung flüchtige Gespräche geführt. Diese Konstellationen stellen potentielle Gefahren für die (wahrgenommene) Neutralität des Mediators dar. Auch hier ist Transparenz das wirksamste 282

Schwierige Situationen bewältigen Mittel zur Vermeidung von Komplikationen: Machen Sie klar, warum Sie bestimmte Frage- und Gesprächstechniken anwenden, und dass beide Parteien ausreichend und gleichmäßig Gelegenheit zur Stellungnahme haben werden. Erläutern Sie den Zweck von Einzelgesprächen und dass Sie diese möglichst, aber nicht zwingend mit beiden Parteien in gleicher Zahl und Länge führen. Hinsichtlich der Kommunikation außerhalb der gemeinsamen Sitzungen ist größtmögliche Zurückhaltung geboten. Organisatorische Fragen können auch über ein Sekretariat ohne direkte Kommunikation mit dem Mediator oder in Telefonkonferenzen mit allen Beteiligten gleichzeitig geklärt werden. Einseitige Kommunikation im Umfeld des Mediationsverfahrens sollten Sie als Mediator tunlichst vermeiden, um Zweifel an Ihrer Neutralität gar nicht erst aufkommen zu lassen. Sofern solche Kontakte unvermeidlich sind, empfiehlt es sich zumindest, die andere Partei über Anlass und Inhalt der Korrespondenz zu informieren. Diese Vorsicht gegenüber Versuchen der Einflussnahme ist bis zum Abschluss der Mediation angebracht. Nach dem erfolgreichen Abschluss eines größeren Mediationsverfahrens in einem Konflikt anlässlich eines Unternehmenskaufs sollte der im Grundsatz bereits geschlossene Vergleich vom Mediator ausgearbeitet werden. Eine der Konfliktparteien übersandte ihm hierzu weitere Informationen zu möglichen Klauselinhalten. Der Mediator versäumte es, die andere Partei hiervon in Kenntnis zu setzen. Nach der Unterzeichnung erfuhr diese von dem einseitigen „Briefing“ und drohte mit der – letztlich nicht erfolgten – Anfechtung des Vergleichs. Kasten 3

Anstrengungen der Konfliktparteien, Sie in Ihrer Rolle als Vermittler zu manipulieren (z. B. durch aufgedrängte einseitige Gespräche oder mimische Versuche zu „fraternisieren“) sollten Sie als Mediator konsequent und sichtbar abwehren, um Ihre Neutralität nicht zu gefährden. Dies vermindert die Tendenz zu neuen Angriffen gleicher Art und unterstreicht zugleich Ihren Neutralitätsanspruch und damit Ihre Autorität als neutraler Verhandlungsleiter.

Einigungsvorschläge Gerade in der Schlussphase einer Wirtschaftsmediation kann es sich für den Mediator anbieten, selbst einen Anstoß zu einer möglichen Lösung zu geben oder gar einen konkreten Einigungsvorschlag zu machen (vgl. Kapitel 3 und 10). Mit einer derartigen Initiative geben Sie als Mediator einen Teil Ihrer Neutralität auf. Sie sollten zu diesem Mittel daher – wenn überhaupt – erst 283

Methode der Mediation möglichst spät greifen. Vorschläge des Mediators werden möglicherweise von der einen oder anderen Partei als unausgewogen oder benachteiligend empfunden.15 Gleiches gilt, wenn Sie als Mediator sehr viel Zeit auf einen Punkt verwenden, der für eine Partei besonders unangenehm ist. Wir hatten bereits in dem Beispiel in Kasten 2 in Kapitel 9 beschrieben, wie in einer von einem der Autoren durchgeführten Mediation das kritische Hinterfragen der Nichteinigungsalternativen einer Partei in deren Augen als Parteinahme für die andere Partei empfunden und beinahe zum Anlass des Abbruchs der Verhandlungen genommen wurde. Tatsächlich besteht die größte Gefährdung Ihrer Neutralität bei diesen, auf der Sachebene angesiedelten, Punkten. Hierbei ist es hilfreich, Vorschläge nicht lediglich als eigene, spontane Ideen zu präsentieren. Teilen Sie in Fällen, in denen Sie durch eigene Vorschläge in die Sachdiskussion eingreifen, vielmehr die Kriterien mit, die Sie dazu bewogen haben, einen bestimmten Lösungsansatz für fair und ausgeglichen zu halten oder einen bestimmten Punkt besonders intensiv zu behandeln (vgl. Kapitel 8). Auch hilft es, noch einmal den Prozess nachzuzeichnen, der zu einem bestimmten Vorschlag geführt hat. In diesem Zusammenhang sei erneut auf die Bedeutung der Vorbereitung der Mediation hingewiesen. Eine sorgfältige Vorbereitung beinhaltet auch, sich im Vorfeld über mögliche Kriterien und Verfahren für die in der Verhandlung zu beantwortenden Verteilungsfragen Gedanken zu machen (vgl. Kapitel 8).

Machtungleichgewichte zwischen den Parteien Eine weitere Quelle für schwierige Situationen in Mediationsverfahren liegt in ausgeprägten Machtungleichgewichten zwischen den Beteiligten. Ein Mediator ist nicht entscheidungsbefugt. Zugleich katalysiert er den Verhandlungsprozess. Es besteht daher die Gefahr, dass die Verhandlungsförderung des Mediators zwar bestimmte Hindernisse auf dem Weg zu einer Einigung einebnet, sich diese Ebene aufgrund bestehender Machtungleichgewichte jedoch als „schiefe Ebene“ erweist, auf der sich Machtungleichgewichte zu Lasten der schwächeren Partei bis in eine schließlich gefundene Einigung durchsetzen. Zugleich können Machtungleichgewichte eine Einigung erschweren, wenn die schwächere Partei sich unter Druck gesetzt fühlt und einem Vorschlag gerade deshalb nicht zustimmen will, weil sie ihn als Machtausübung der anderen Seite empfindet.

Was bedeutet Macht in Verhandlungen? In Kapitel 9 haben wir dargestellt, dass die wichtigste Quelle von Verhandlungsmacht vor allem gute Nichteinigungsalternativen sind. Wer seine Interessen auch ohne die andere Seite oder sogar gegen deren Willen durchsetzen kann, weil ihm entsprechende Alternativen zur Verfügung stehen, hat die Macht, von der anderen Seite große Zugeständnisse zu fordern. 284

Schwierige Situationen bewältigen Nicht immer ist derjenige der Mächtigere in diesem Sinne, der über die größeren Ressourcen verfügt und so die scheinbar stärkere Position hat:16 Ein international agierendes Softwareunternehmen ist im Kündigungsstreit gegen einen angestellten Programmierer im wahrsten Sinne des Wortes machtlos, wenn dieser für den Fall seiner Ablösung glaubhaft damit droht, die Produkte des Unternehmens mit einem zerstörerischen Computervirus zu infizieren. Ein Automobilhersteller verfügt über größere Ressourcen als seine Zulieferer. Stellt der Zulieferer aber Teile her, zu deren Produktion nur er das erforderliche Know-how besitzt, so verschafft ihm dies Macht über den Automobilhersteller. Das Machtgefälle verschiebt sich wiederum, wenn es dem Hersteller gelingt, dieses Know-how von seinem Zulieferer abzuwerben. Auch die Stellung in Hierarchien innerhalb eines Unternehmens spiegelt nicht immer die wahren Machtverhältnisse wider. So stattet beispielsweise die Kenntnis um illegale Geschäftspraktiken ihrer Vorgesetzten auch die Angestellten unterer Ebenen mit enormer Verhandlungsmacht diesen gegenüber aus. Gleiches gilt, wenn eine bestimmte Gruppe Angestellter für das Unternehmen eine unverzichtbare Funktion erfüllt. Im Mai 2001 streikten für drei Tage die Piloten der Lufthansa AG für Gehaltserhöhungen von durchschnittlich 35 Prozent. Unter vereinfachenden Annahmen kostete der Streik die Lufthansa insgesamt ca. 40 Millionen Euro. Wäre er über einen Zeitraum von 90 Tagen ausgedehnt worden, hätte er das Unternehmen in die Verlustzone getrieben. Zieht man noch die für das Image der Lufthansa besonders wichtige Zuverlässigkeit ihrer Flugplanzusagen mit in Betracht, wird schnell deutlich, dass hier nicht das große Unternehmen der Lufthansa, sondern ein kleiner Ausschnitt seiner Angestellten, nämlich die Piloten, am längeren Hebel saßen. Es verwundert daher nicht, dass es letztendlich zu einer Einigung kam, die den Piloten eine Erhöhung ihrer Bezüge um durchschnittlich 30 Prozent sicherte.17 Ein ebenfalls beachtliches Ergebnis brachte den Lokführern der Deutschen Bahn AG der viel beachtete Arbeitskampf ihrer Gewerkschaft GDL im Herbst 2007 und Frühjahr 2008 ein. Sie setzten letztlich durch mehrtätige Streiks im Güter- und Personenverkehr ihre Forderungen nach einem eigenständigen Tarifvertrag sowie Lohnerhöhungen von etwa 11 Prozent bei gleichzeitiger Kürzung der Arbeitszeit durch. Das Machtungleichgewicht brachte der damalige GDL-Chef Manfred Schell mit den Worten auf den Punkt: „Wir können Arbeitskämpfe länger durchhalten, als Deutschland sie vertragen kann.“18 Kasten 4

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Methode der Mediation

Umgang mit Machtungleichgewichten in der Mediation Unabhängig davon, in welcher Ausprägung sich Machtungleichgewichte in einer Mediation zeigen, stellt sich die Frage, wie Sie als Mediator mit diesen umgehen sollten. Ausgeprägte Machtungleichgewichte werden häufig als ein Kriterium angesehen, welches von vornherein gegen die Eignung der Mediation als Konfliktlösungsverfahren sprechen soll (vgl. Kapitel 12). In der Tat kann es Situationen geben, in denen Sie als Mediator Ihre Unterstützung bei der Suche nach einer Verhandlungslösung nicht mehr mit Ihrem Neutralitätsanspruch oder Ihrem Verschwiegenheitsgebot vereinbaren können. In diesen Fällen werden Sie möglicherweise versucht sein, das Mediationsverfahren zu beenden bzw. es gar nicht erst zu beginnen und den Parteien andere Verfahren zu empfehlen, denen der Ausgleich von Machtungleichgewichten immanent ist.19 Zunächst sollten Sie aber den Einsatz derjenigen Techniken erwägen, die Ihnen auch innerhalb der Mediation die Möglichkeit bieten, die negativen Auswirkungen von Machtungleichgewichten zu begrenzen.

Prozessherrschaft ausüben Als Mediator sind Sie für den Verhandlungsprozess verantwortlich (vgl. Kapitel 3). Sie haben daher nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die Aufgabe, die gemeinsam mit den Parteien für diesen Prozess aufgestellten Verfahrensregeln auch durchzusetzen. Häufig äußert sich Verhandlungsmacht gerade darin, dass solche Regeln missachtet werden: Eine Tagesordnung wird nicht befolgt, die festgelegte Reihenfolge der Wortbeiträge wird nicht eingehalten, es wird einander unterbrochen, und es werden aggressive Taktiken der Kommunikation wie Drohungen oder Einschüchterungen eingesetzt. Wenn Sie hier als Mediator gegensteuern, indem Sie an die vereinbarten Regeln appellieren und deren Einhaltung sicherstellen, so verringern Sie die negativen Auswirkungen von Machtungleichgewichten, ohne zugleich in einen Widerspruch zu Ihrem Auftrag oder Ihrem Neutralitätsanspruch zu geraten. Die Ausübung Ihrer Prozessherrschaft ist daher ein wirksames Mittel auch im Umgang mit Machtungleichgewichten.

Über Ausgleichsmöglichkeiten informieren Ein weiteres Mittel stellt die Information der Parteien über Möglichkeiten des Ausgleichs von Machtungleichgewichten dar. Allerdings müssen Sie als Mediator den Parteien überhaupt erst einmal bewusst machen, dass in ihrer Situation Machtungleichgewichte eine Rolle spielen. Hierzu können sich wiederum Einzelgespräche anbieten. Weisen Sie im Rahmen eines solchen Einzelgesprächs beispielsweise darauf hin, dass externer Rechtsrat den Parteien helfen kann, ihre Position richtig einzuschätzen und sich vor einer 286

Schwierige Situationen bewältigen nachteiligen Einigung zu schützen.20 Auch können Sie den Parteien nochmals verdeutlichen, dass es nicht Ihre Aufgabe ist, Schutzrechte zum Ausgleich von Machtungleichgewichten durchzusetzen, und dass hierfür andere Verfahren wie ein Gerichts- oder ein Schiedsverfahren zur Verfügung stehen.

Arbeiten mit den Nichteinigungsalternativen Mit ähnlichem Ziel können Sie als Mediator mit den Parteien an deren Nichteinigungsalternativen arbeiten. Wenn es zutrifft, dass Verhandlungsmacht häufig aus besseren (wahrgenommenen) Nichteinigungsalternativen besteht, so können Machtungleichgewichte auch dadurch ausgeglichen werden, dass Sie gemeinsam mit jeder der Parteien den Wert und die Wahrnehmung ihrer Nichteinigungsalternativen überprüfen (vgl. Kapitel 9). Möglicherweise stellt sich dabei heraus, dass die vermeintlich schwächere Partei ihre Nichteinigungsalternativen oder diejenigen des Verhandlungspartners falsch eingeschätzt hat. Indem Sie diese Fehleinschätzung zu korrigieren helfen, verändern Sie zugleich die Verhandlungsmacht zwischen den Parteien. Diese Arbeit ist typische Mediationstätigkeit. Sie stellt keinen Eingriff dar, der nicht mit der grundsätzlich in der Sache zurückhaltenden Rolle des Mediators vereinbar wäre, und steht – zumindest objektiv – nicht im Widerspruch zu Ihrer – regelmäßig von den Parteien gewünschten (vgl. Kapitel 3) – Neutralität. Aber Vorsicht: Aus Sicht der Parteien kann ein solches Vorgehen Sie subjektiv indes sehr wohl als nicht mehr unparteiisch erscheinen lassen. Erinnert sei abermals an das zuvor bereits zitierte Beispiel aus Kapitel 9, in dem gerade das offenbar zu kritische Hinterfragen des Mediators beinahe zum Abbruch der Mediation geführt hätte.

Legitime Kriterien einbringen Die negativen Auswirkungen von Verhandlungsmacht können Sie als Mediator ferner dadurch begrenzen, dass Sie legitime Kriterien in die Verhandlung einbringen (vgl. Kapitel 8). Legitime Kriterien schützen vor Zwang und Druck und somit vor den Auswirkungen von Verhandlungsmacht, indem sie ihre Überzeugungskraft nicht aus der Sphäre einer der Verhandlungsparteien, sondern aus einer neutralen Quelle ableiten. Als legitime Kriterien bieten sich zum Beispiel ethische Normen oder Üblichkeiten (Handelsbräuche etc.), technische Standards, Marktpreise oder -konditionen, aber auch rechtliche Regeln und Präjudizien an.21 Gerade bei den zuletzt genannten Kriterien ist jedoch wieder Vorsicht geboten. Das Einbringen rechtlicher Regeln und Präjudizien bringt Sie schnell in die Rolle des Rechtsberaters beider Parteien – eine Rolle, die mit derjenigen des neutralen Vermittlers kaum vereinbar ist und die zusätzlich den rechtlichen Grenzen des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) unterliegt (vgl. Kapitel 3). Unproblematisch ist es dagegen, den Parteien die Bedeutung des 287

Methode der Mediation Rechts und des ihnen daraus zustehenden Schutzes abstrakt zu verdeutlichen und im Übrigen auf deren Unterstützung durch ihre jeweiligen Rechtsberater hinzuwirken. Allerdings sind die Grenzen hier oftmals fließend. Nicht selten werden auch die Rechtsanwälte der Parteien darauf drängen, von Ihnen als Mediator eine belastbare Aussage zu einzelnen Rechtsfragen zu erhalten. Nehmen Sie dies zum Anlass, den Rahmen Ihrer Beauftragung und des Ihnen nach den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) Gestatteten kritisch zu überprüfen. Hinzu kommt, dass Sie bereits durch das Einbringen von Bewertungskriterien immer auch in der einen oder anderen Hinsicht selbst Stellung beziehen. Wir haben zuvor bereits gesehen, dass dies Ihre (wahrgenommene) Neutralität beeinträchtigen kann und daher nur als ultima ratio erfolgen sollte.

Lösungsvorschläge bewerten und eigene entwickeln Der vielleicht stärkste Eingriff eines Mediators in den Verhandlungsverlauf zum Ausgleich von Machtungleichgewichten besteht darin, einen im Raum stehenden Lösungsvorschlag zu bewerten und eigene Vorschläge zu entwickeln. Mit einem solchen Verhalten gehen Sie als Mediator über eine reine Prozesssteuerung hinaus und greifen direkt in den Verhandlungsgegenstand ein. Erfahrungsgemäß werden Konfliktparteien nicht selten sogar darauf drängen, dass Sie doch jetzt auch einmal „Ihre Meinung zu der Sache“ äußern. Insbesondere dann, wenn die Parteien spüren, dass sie an die Grenzen ihrer Verhandlungsbereitschaft oder -fähigkeit kommen, bietet sich der eingeschaltete Dritte als ideales Ventil an. Auch hier ist wiederum äußerste Vorsicht geboten. Sie sollten der Versuchung, Vorschläge der Parteien offen zu bewerten und eigene einzubringen, längstmöglich widerstehen (vgl. oben sowie Kapitel 3 und 10). Andernfalls würde der Mediation das Element der eigenständigen, privatautonomen Konfliktlösung genommen, welches sie auszeichnet und welches zu einer größeren Akzeptanz und damit Haltbarkeit der gefundenen Ergebnisse führt. Auch steht wiederum Ihre (wahrgenommene) Neutralität auf dem Spiel. Wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass sich ohne einen solchen Eingriff ein Ergebnis abzeichnet, welches vor allem Ausdruck des Machtübergewichtes einer Partei ist, und Sie eine Unterstützung dieses Ergebnisses aus rechtlichen, ethischen oder anderen Gründen ablehnen, sollten Sie darauf hinweisen und notfalls das Mediationsverfahren beenden.22 Hier erreichen Sie die Grenze dessen, was Sie als Mediator gegen die Auswirkungen von Machtungleichgewichten tun können. In aller Regel wird es jedoch so weit nicht kommen. Der praktisch häufigere Fall ist derjenige, dass ein sich abzeichnendes Verhandlungsergebnis Ihnen lediglich nicht gänzlich ausgewogen und somit nur in mancher Hinsicht als unfair erscheint. Bevor Sie hier dem 288

Schwierige Situationen bewältigen Verfahren Ihre Unterstützung entziehen, sollten Sie zunächst noch einmal Ihr genaues Rollenverständnis und vor allem Ihren konkreten Auftrag prüfen: Sind Sie dazu eingesetzt, die Parteien vor nachteiligen Vergleichsschlüssen zu bewahren, oder sollen Sie ihnen lediglich eine Hilfestellung bei der privatautonomen und eigenverantwortlichen Lösung ihres Konflikts geben?

Eskalation Die Bedeutung von Emotionen in Mediationsverfahren auch in wirtschaftlichen Konflikten haben wir bereits in Kapitel 5 dargestellt. Eine besondere Schwierigkeit für den Ablauf der Mediation stellen Emotionen nur dann dar, wenn sie zu einer unkontrollierten Eskalation der Verhandlungssituation führen.23 Reden die Parteien kaum noch miteinander, ergehen sie sich in Anfeindungen und (möglicherweise lauten) Beschimpfungen, wenden sie starke Selbstbindungstaktiken an (vgl. Kapitel 8), oder täuschen und drohen sie einander, so hängt der Erfolg des Mediationsverfahrens nicht zuletzt auch davon ab, dass Sie als Mediator Strategien zur Deeskalation der Situation kennen und einsetzen:

„Let them vent“ Hilfreich ist es zunächst, Ausbrüche von Emotionen nicht zu übergehen oder gar zu unterbinden, sondern ihnen in der Mediation ein geordnetes Forum zu bieten. Dabei wäre es indes falsch, sämtliche Gefühlsausbrüche und Angriffe kommentarlos geschehen zu lassen, um die dahinterstehenden Spannungen abzubauen.24 Persönliche Angriffe, Beschimpfungen oder anderes verletzendes Verhalten sollten Sie in der Mediation ebenso wenig dulden wie starke Selbstbindungstaktiken oder gar Drohungen. Auch hierzu hilft wiederum die Vereinbarung einer klaren Kommunikationsstruktur. In deren Rahmen können Sie den Parteien dann die Gelegenheit geben, ihre Verärgerung oder sonstige Emotionen gegenüber der anderen Partei äußern zu können: „Let them vent“. Aus der Praxis des amerikanischen Mediators Gary Friedman ist folgende Anekdote überliefert: Die Parteien ergingen sich schon zu Beginn des Verfahrens in heftigen persönlichen Attacken, die Emotionen kochten hoch, und die Situation eskalierte zusehends. Die gegenseitigen Angriffe wechselten wie PingpongBälle die Seite, und Friedman beobachtete wie ein Schiedsrichter am Netz ruhig und gelassen das Spiel. Er reagierte überhaupt nicht. Er sagte nichts, saß stumm dabei und sah den Parteien einfach nur zu. Nach einer Weile hatten diese offenbar ihr Arsenal erschöpft und schauten etwas hilflos in

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Methode der Mediation Richtung des Mediators. In die sich bildende Stille hinein erhob Friedman langsam die Stimme und sprach in leisem Ton: „So now, do you think this was productive?“ Hierdurch hatte er zweierlei erreicht: Indem er die Parteien zunächst einfach agieren ließ, ermöglichte er ihnen, die aufgestauten Emotionen abzubauen und somit den sich anschließenden Verhandlungsprozess hiervon freizuhalten. Mit der dann gestellten Suggestivfrage machte er ihnen zugleich klar, dass das bisherige Verhalten in der Sache nicht wirklich weiterführte. Somit wies er ihnen einen Weg zurück zur Sachebene und half ihnen gewissermaßen, einige Stufen auf der Eskalationstreppe zurückzuschreiten. Kasten 5

Thematisieren Intuitiv neigen wir dazu, die zu Eskalationen führenden persönlichen Spannungen einfach zu übergehen, weil sie uns unangenehm sind und wir schnell „zur Sache“ kommen wollen. Wie verhält es sich aber, wenn das Problem gerade in einer eskalierenden persönlichen Spannung liegt, wenn sie die eigentliche „Sache“ darstellt? Auch die drohende oder die bereits eingetretene Eskalation können Sie als Mediator zum Thema der Verhandlung machen. Indem Sie den Parteien die Wirkungsweise ihres eskalationsfördernden Handelns deutlich machen, erreichen Sie einen ähnlichen Effekt wie mit der von Gary Friedman gestellten Suggestivfrage (vgl. Kasten 5). Der US-amerikanische Mediator Peter Grilli pflegt vor Beginn seiner Mediationsverfahren im Gespräch mit den Konfliktparteien auf eine Landkarte in seinem Büro zu zeigen, die den Russlandfeldzug Napoleons von 1812 darstellt. Die auf der Karte eingezeichnete Truppenstärke der sogenannten „Großen Armee“ Napoleons von ursprünglich 450.000 Mann nimmt erst von West nach Ost und dann weiter auf dem Rückzug von Ost nach West kontinuierlich ab, bis schließlich an der preußischen Grenze nur noch die wenigen versprengten Einheiten verzeichnet sind, die Hunger, Kälte und Partisanenkrieg bis dorthin überlebten. Diese Darstellung kommentiert Grilli gegenüber den Konfliktparteien mit den Worten: „You are at the beginning of a long journey. You can settle here (Grilli zeigt auf den Beginn des Weges). Of course you need not settle. You can carry on litigating and settle later (er zeigt auf den weiteren Weg). Of course, even then you need not settle …“. Kasten 6

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Schwierige Situationen bewältigen

Normalisieren Für die Konfliktparteien sind Eskalationen Ausnahmesituationen, die ihnen Aufregung und oftmals auch Unsicherheit bescheren. Sie als Mediator sind dagegen selbst mit stark eskalierenden, schwierigen Verhandlungssituationen vertraut. Sie stellen für Sie gewissermaßen etwas Normales dar. Wenn Sie diesen Eindruck den Parteien vermitteln, hemmen Sie möglicherweise weitere Eskalationen (vgl. Kapitel 5). Betonen Sie zugleich, dass die persönliche Ebene von der Sachebene zu trennen ist (vgl. Kapitel 2) und persönliche Angriffe bei aller berechtigten Emotionalität unterbleiben sollten. Die persönliche Ebene neben der Sachebene zu thematisieren, hat in vielen Fällen eine sachliche Berechtigung, sie mit der Sachebene zu vermischen, ist dagegen nahezu immer schädlich. Wenn Sie feststellen, dass die Animositäten zwischen den Parteien ein direktes Gespräch nicht mehr zulassen, helfen möglicherweise Einzelgespräche weiter. Gerade in persönlichen Dingen, in denen es erfahrungsgemäß schwerer fällt, Probleme offen anzusprechen, ermöglichen sie es, Befindlichkeiten wie Wut oder Verärgerung festzustellen und gegebenenfalls die Bereitschaft für ein Nachgeben, z. B. eine Entschuldigung, zu erwirken.

Reformulieren Im Umgang mit aggressiven, eskalationssteigernden Taktiken ist es ferner häufig sinnvoll, diese aufzugreifen und in einen anderen Bezugsrahmen zu setzen.25 Eine spitz und in persönlich aggressiver Weise vorgetragene Attacke transportiert zumeist mindestens zwei Nachrichten. Zum einen wird hiermit sachliche Ablehnung geäußert. Zum anderen wird aber zugleich auch persönliche Geringschätzung artikuliert. Wenn Sie als Mediator nun allein die in der Aussage steckende sachliche Kritik aufgreifen und reformulieren, nehmen Sie dieser Aussage die Schärfe und machen es dem Adressaten leichter, auf diese auch in sachlicher Weise zu reagieren. Zugleich zeigen Sie dem Absender, dass die persönliche Spitze ihre Wirkung verfehlt, und zwingen ihn indirekt dazu, sich ebenfalls der Sache zuzuwenden. Stellen Sie sich beispielsweise eine Verhandlungssituation vor, in der eine der Parteien folgende Formulierung wählt: „Wie können Sie nur so naiv sein zu glauben, dass dieser Vorschlag auch nur ansatzweise realisierbar ist?“ Anstatt nun in gleicher Schärfe diese offensichtlich aggressive Taktik zurückzuweisen und dadurch die Situation weiter eskalieren zu lassen, könnten Sie als Mediator entgegnen: „Die Umsetzbarkeit denkbarer Lösungen ist tatsächlich ein wichtiger Gesichtspunkt. Vielleicht können Sie uns erläutern, was genau Sie an der Realisierbarkeit der ins Spiel gebrachten Idee zweifeln lässt?“

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Methode der Mediation Reformulierungstechniken sind auch hilfreich, wenn es darum geht, aggressive Selbstbindungstaktiken (vgl. Kapitel 8) zu umgehen. Denken Sie etwa an folgende Erklärung einer Konfliktpartei in einer Vergleichsverhandlung: „Wir bieten Ihnen 500.000 Euro. Dies ist unser erstes und definitiv letztes Angebot. Wir gehören nicht zu denjenigen, die unrealistische Zahlen nennen und dann lange verhandeln. Sie können das Angebot entweder annehmen oder ablehnen. Wir halten uns für eine Antwort bis 17 Uhr heute Nachmittag bereit.“ Eine denkbare Reaktion wäre es, diese Selbstbindung zu ignorieren und einfach in der Sache weiter zu verhandeln. Dieses Verhalten erweckt aber möglicherweise den Eindruck, nicht gehört oder verstanden worden zu sein und provoziert weitere Selbstbindungserklärungen, durch die sich der Verhandler aus unserem Beispiel nur noch tiefer „eingräbt“. Er kann jetzt nicht mehr zurück. Wenn er von seiner Grenzmarke abweicht, entzieht er allen zukünftigen Bindungserklärungen ihre Glaubhaftigkeit. Sinnvoller kann es daher sein, ihm aus dieser selbstgestellten Falle herauszuhelfen, indem Sie als Mediator das vermeintlich letzte Angebot in einen anderen Bezugsrahmen stellen, es also reformulieren: „Das von Ihnen genannte Angebot ist eine der denkbaren Optionen, wie Sie und Ihr Gegenüber Ihren Konflikt heute lösen könnten. Sicher hat Ihr Verhandlungspartner auch seine Vorstellungen. Lassen Sie uns gemeinsam hören, wie diese Vorstellungen aussehen. Anschließend möchte ich Sie einladen, mir und Ihrem Gegenüber zu erläutern, wie Sie genau zu der Zahl von 500.000 Euro kommen. Bestimmt gibt es Kriterien, die diese Zahl rechtfertigen? Auch mit diesen Kriterien wollen wir uns später beschäftigen.“ Dem „letzten Angebot“ nehmen Sie so seine Verankerungswirkung, indem Sie es in ein Spektrum vieler anderer denkbarer Lösungsoptionen einordnen. Zugleich führt die Aufforderung zur Bennennung der hinter einem Vorschlag stehenden Kriterien dazu, dass ein sachliches Gespräch über die zu entscheidenden Verteilungsfragen und die dafür maßgeblichen Umstände für ein späteres Stadium der Mediation angeregt wird (vgl. Kapitel 8).

Verständnis signalisieren Eskalationen können Sie ferner mindern, indem Sie den Parteien zeigen, dass auch ihre Gefühlswelt verstanden und anerkannt wird. Häufig liegt die Ursache eines Konflikts gerade darin, dass die Parteien sich nicht gehört fühlen. Es kann daher als Mediator durchaus sinnvoll sein, diesen zu signalisieren, dass Sie ihren Ärger, ihre Sorgen und Befürchtungen verstehen (vgl. Kapitel 5). Wichtig ist in diesem Zusammenhang allein, Verständnis nicht mit Zustimmung zu verwechseln. Letzteres würde sich mit Ihrer Neutralität als Mediator schwer vereinbaren lassen. Verständnis dagegen können Sie durchaus für beide Seiten haben und dieses auch äußern, ohne dabei Ihre neutrale Rolle zu gefährden. Nicht selten führt dies sogar zu einem besseren 292

Schwierige Situationen bewältigen Verständnis der Parteien füreinander. Ebenso wie inhaltlich das Erkennen der Interessen der anderen Konfliktpartei für die Suche nach einer insgesamt interessengerechten Konfliktlösung erforderlich ist (vgl. Kapitel 6), ist es im Umgang mit Eskalationen hilfreich, Verständnis unter den Parteien für die Sorgen oder die besondere Emotionalität der jeweils anderen Seite in einer bestimmten Situation zu wecken.

Gemeinsamkeiten betonen Eskalation führt häufig dazu, dass die Parteien ihre Differenzen überbetonen und den Blick für Gemeinsamkeiten verlieren. Deshalb kann es eine sinnvolle Strategie für einen Mediator darstellen, den Blick wieder auf diese Gemeinsamkeiten zu lenken: Machen Sie den Parteien deutlich, dass sie neben allen Streitpunkten auch bestimmte Interessen teilen, zum Beispiel das Interesse an einer Zusammenarbeit in der Zukunft oder auch nur an einem erfolgreichen Abschluss des Mediationsverfahrens. Stellen Sie heraus, dass die Gründe für Verärgerung oder Wut bei den meisten Menschen ähnlich sind, und rufen Sie so weiteres Verständnis für eine bestimmte Gefühlsregung einer der Parteien hervor. Betonen Sie ferner bereits gefundene Teillösungen als ersten gemeinsamen Schritt hin zu einer Gesamtverständigung, und fassen sie Zwischenergebnisse regelmäßig zusammen (vgl. Kapitel 5).

Spannungsabbau physisch unterstützen Um angespannten, eskalierenden Situationen vorzubeugen und Spannungen abzubauen, kann es schließlich sinnvoll sein, die Parteien auch in physischer Hinsicht zu entlasten. In Fällen starker Eskalation sollten Sie als Mediator erwägen, die Parteien vorübergehend voneinander zu trennen, Pausen zu machen oder Einzelgespräche zu führen.26 Manchmal benötigen die Beteiligten gerade eine solche „Auszeit“ voneinander, um überhaupt wieder miteinander reden zu wollen. Wenn selbst dies nicht hilft, um die Eskalationsspirale zurückzudrehen, sollten Sie erwägen, sich mit den Konfliktparteien zu vertagen und einen anderen Termin – gegebenenfalls sogar unter Austausch der für die Parteien Verhandelnden – für die Fortsetzung der Mediation zu vereinbaren.27 Diese können die so gewonnene Zwischenzeit nutzen, noch einmal ihre Nichteinigungsalternativen zu überprüfen und sich so möglicherweise doch noch davon zu überzeugen, dass ihnen mit einer Überwindung ihrer Differenzen und einer Fortsetzung der Gespräche in weniger eskalierender Weise mehr gedient ist als mit einem endgültigen Abbruch der Verhandlungen.

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Methode der Mediation

Zusammenfassung Wir haben uns in diesem Kapitel mit einigen typischen schwierigen Situationen befasst, die in Mediationsverfahren immer wieder auftreten. Die meisten Mediationen sind komplexer strukturiert als das klassische „Zwei Parteien – ein Streitpunkt“-Verhältnis. Als Mediator können Sie Gefährdungen Ihrer Neutralität ausgesetzt sein. Machtungleichgewichte zwischen den Parteien können Sie vor schwierige Entscheidungen zwischen dem Drang nach Einflussnahme und den Geboten der Neutralität und Vertraulichkeit stellen. Schließlich besteht in Mediationsverfahren häufig eine Tendenz zur Eskalation, da die Parteien dieses Verfahren überhaupt erst beginnen, wenn sich ihr Konflikt bereits entwickelt hat und die zweiseitigen Verhandlungen ohne Erfolg geblieben sind. Um diese typischen Gefahren für den Erfolg des Verfahrens zu bewältigen, stehen Ihnen unterschiedliche Instrumente zur Verfügung. In komplexen Verfahren mit vielen Parteien werden Sie an die Bildung von Untergruppen und den Einsatz von Vertretern denken. Die Vereinbarung klarer Kommunikationsregeln hilft zusätzlich, die Komplexität zu reduzieren. Stehen in der Verhandlung viele Themen und viele unterschiedliche Interessen an, ist die gründliche Vorbereitung ein erster Schlüssel für den Erfolg des Verfahrens. Bestenfalls schon aus dieser Vorbereitung folgt eine klare Gliederung für Ihr Vorgehen in der Mediation sowohl nach den Phasen des Verfahrens als auch nach den verschiedenen Themen. Gegebenenfalls schneiden Sie Themenblöcke und führen Unterverhandlungen mit nur einigen der Parteien. Techniken der Visualisierung helfen bei der Vereinbarung und Durchsetzung einer klaren Struktur. Sehen Sie Ihre Neutralität durch bestehende Beziehungen zu einer der Parteien gefährdet, so sollten Sie das offen zur Sprache bringen, um keine Zweifel an Ihrer Unvoreingenommenheit aufkommen zu lassen. Wollen Sie im Verfahren eigene Vorschläge zur Konfliktlösung einbringen, so vergewissern Sie sich zuvor des Einverständnisses der Parteien mit diesem Vorgehen, und teilen Sie zugleich die Kriterien mit, die Ihren Vorschlägen zugrunde liegen. Im Umgang mit Machtungleichgewichten hilft Ihnen zunächst die Ausübung Ihrer Herrschaft über den Verhandlungsprozess. Ferner können Sie den Parteien in der Mediation die Bedeutung von Machtungleichgewichten aufzeigen und sie zugleich daran erinnern, dass zu deren Ausgleich andere Verfahren wie Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren zur Verfügung stehen. Wenn Sie den Parteien dabei helfen, ihre Nichteinigungsalternativen kritisch zu betrachten, ebnen Sie möglicherweise das zuvor wahrgenommene Machtgefälle zwischen diesen ein. Um dem aggressiven Einsatz von Verhandlungsmacht entgegenzuwirken, können Sie als Mediator des Weiteren versuchen, legitime Kriterien in das Verfahren einzubringen. Diese lenken 294

Schwierige Situationen bewältigen den Blick weg von reiner Machtausübung und hin zu sachlichen Maßstäben für eine Konfliktlösung. Schließlich können – als ultima ratio – eingebrachte eigene Lösungsvorschläge des Mediators helfen, einer als übertrieben empfundenen Machtentfaltung entgegenzuwirken. Zur Deeskalation können Sie den Parteien einen Rahmen anbieten, in dem sie ihren Emotionen in geregelter und angemessener Form Ausdruck verschaffen können: Let them vent! Übergehen Sie persönliche Differenzen zwischen den Beteiligten nicht, sondern thematisieren Sie diese. Nehmen Sie den Parteien das Gefühl, sich in einer Ausnahmesituation zu befinden, indem Sie Emotionalität in der Mediation als etwas Normales darstellen. Versuchen Sie, aggressiv vorgetragenen Argumenten ihre persönliche Spitze zu nehmen. Hierzu können Sie diese reformulieren und so in einen anderen Bezugsrahmen stellen. Im Umgang mit eskalierenden Situationen kann es ferner helfen, wenn Sie eigenes Verständnis für die Gefühlsregungen der Parteien signalisieren und wechselseitiges Verständnis unter diesen stimulieren. Schließlich wirkt es eskalationsmindernd, wenn Sie als Mediator bestehende bzw. im Verfahren schon erarbeitete Gemeinsamkeiten betonen.

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III

Die erfolgreiche Anwendung von Mediation

Im ersten Teil unserer Darstellung zur Mediation in der Wirtschaft haben wir die Hintergründe betrachtet, vor denen sich das Verfahren der Wirtschaftsmediation abspielt. Ausgehend vom Konflikt als Ursprung und Gegenstand aller Fragen der Konfliktbehandlung, haben wir uns den unterschiedlichen Arten des Umgangs mit Konflikten zugewandt. Dabei wurde deutlich, dass die intuitiv gewählten, klassischen Mechanismen der Konfliktbehandlung einige Unzulänglichkeiten aufweisen. Hier setzte die Betrachtung alternativer Konfliktbehandlungsmethoden im Allgemeinen und des Verfahrens der Mediation im Besonderen an. Der zweite Teil widmete sich der Methode der Mediation. Geleitet vom chronologischen Ablauf eines Mediationsverfahrens haben wir dessen unterschiedliche Bestandteile und die dabei geltenden Besonderheiten kennengelernt: Ausgangspunkt waren die Aushandlung und Vereinbarung des Verfahrens sowie die Diagnose des Konflikts in allen seinen Facetten – hierbei spielte auch die Untersuchung der Emotionen und der Kommunikation zwischen den Beteiligten eine wichtige Rolle. Fragen der Erforschung und Gewichtung ihrer Interessen, der Entwicklung und Bewertung von Lösungsmöglichkeiten, der zielführenden Gestaltung von Verteilungsprozessen bis hin zur sorgfältigen und systematischen Überprüfung von Nichteinigungsalternativen und schließlich Überlegungen zur Umsetzung einer konkret gefundenen Lösung schlossen sich an. Abgerundet wurde dieser Teil durch Gedanken zu einigen typischen Schwierigkeiten bei der Durchführung komplexer Mediationsverfahren. Diese konzeptionelle Beschäftigung mit der Methode der Mediation bei Wirtschaftskonflikten hat einen ausgeprägten praktischen Bezug. Die analytische Durchdringung und die systematische Darstellung des Ablaufs einer Wirtschaftsmediation dienten und dienen immer auch dazu, Ihnen als Entscheidungsträger oder Berater konkrete praktische Werkzeuge vorzustellen, mit deren Hilfe sie Ihren Umgang mit Konflikten verbessern können. In diesem dritten Teil möchten wir Ihnen abschließend einige weitere, konkrete Hilfestellungen für den tatsächlichen Einsatz dieser Werkzeuge geben und so zu einer möglichst systematischen Umsetzung der bisher gewonnenen Einsichten beitragen. Zuvor wollen wir jedoch noch einer vorgeschalteten Frage nachgehen: Ist der Einsatz von Mediationsverfahren in der Wirt297

Erfolgreiche Anwendung von Mediation schaft unter ökonomischen Gesichtspunkten überhaupt sinnvoll? Vergleicht man die direkten Verfahrenskosten eines Mediationsverfahrens mit denjenigen eines Schieds- oder eines Gerichtsverfahrens, so stellt man fest, dass insbesondere bei Streitwerten jenseits von 5.000 Euro das Mediationsverfahren die weitaus günstigste Variante darstellt, während Schieds- und Gerichtsverfahren untereinander in etwa vergleichbare, gegenüber der Mediation aber sehr viel höhere Kosten verursachen. Die Differenz wird zudem mit steigenden Streitwerten zunehmend größer (vgl. Abbildung 1), so dass Mediationsverfahren gerade auch in wirtschaftlich sehr bedeutenden Konflikten erhebliche Kostenvorteile mit sich bringen.1 Nun mag man einwenden, dass Mediationsverfahren, anders als Schiedsund Gerichtsverfahren, nicht in allen Fällen zu einer endgültigen Konfliktlösung führen.

Abbildung 1: Vergleich der direkten Verfahrenskosten zwischen Mediations-, Schieds- und staatlichem Gerichtsverfahren2

Mediationen können scheitern. In diesen Fällen sind die Kosten der gescheiterten Mediation zu den dann noch zusätzlich anfallenden Kosten eines Schieds- oder Gerichtsverfahrens zu addieren, so dass der Einsatz der Mediation sogar zu einer Steigerung der Gesamtkosten führt.

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Erfolgreiche Anwendung von Mediation Selbst unter Berücksichtigung dieses – im Prinzip zutreffenden – Einwands fällt die Kostenbilanz jedoch zugunsten der Mediation aus: Erfahrungswerte zeigen, dass Mediationsverfahren in mehr als zwei Drittel aller Fälle erfolgreich abgeschlossen werden können.3 Dies bedeutet, dass vor der Durchführung eines Mediationsverfahrens die Kosten eines Schieds- oder Gerichtsverfahrens mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als einem Drittel zusätzlich zu den Mediationskosten anfallen werden. Bei der Prognose, ob sich ein Mediationsverfahren trotz der Möglichkeit seines Scheiterns „rechnet“, ist also nur etwa ein Drittel der Kosten eines Schieds- bzw. Gerichtsverfahrens zu den reinen Mediationskosten hinzuzurechnen. Bei dieser Rechnung erreichen die zu erwartenden Kosten jedoch nicht den Wert eines vergleichbaren Schieds- oder Gerichtsverfahrens, die bei unmittelbarer Wahl eines dieser Verfahren ja unvermeidbar anfallen.4 Es kommt hinzu, dass die indirekten Kosten (Managementzeit, Verlust von Geschäftsbeziehungen, Motivationsverluste der Mitarbeiter etc.) dabei noch gar nicht berücksichtigt sind.5 Sie sind bei Durchführung einer Mediation regelmäßig geringer: Diese kann schneller als ein Gerichts- oder Schiedsverfahren durchgeführt werden. Zudem schont sie unter Umständen die Beziehung der Konfliktparteien bzw. kann sie möglicherweise sogar ausbauen helfen.6 Auch bietet die Durchführung eines Mediationsverfahrens die Gelegenheit, den Konflikt zu strukturieren und die erforderlichen Unterlagen zusammenzutragen. Beides kann auch für ein etwa folgendes Gerichts- oder Schiedsverfahren genutzt werden, in dem diese Kosten sonst ohnehin angefallen wären. Die Antwort auf unsere Frage nach dem ökonomischen Sinn des Einsatzes von Mediation lautet also: Mediation hat mit Blick auf die Kosten einen positiven Optionswert – aus einer Perspektive ex ante lohnt es sich immer, sie einem Schieds- oder Gerichtsverfahren vorzuschalten.7 Es ist daher sinnvoll und nützlich, die bereits angesprochenen Aspekte der praktischen Nutzung der Mediation genauer zu betrachten. Hierzu wollen wir in diesem Schlussteil zunächst aufzeigen, wie Mediation als Verfahren zur Lösung wirtschaftlicher Konflikte zweckmäßig eingesetzt und vorbereitet werden kann: In welchen Fällen verspricht ein Mediationsverfahren Erfolg? Wie finde ich einen geeigneten Mediator, und wie kann ich mich diesbezüglich mit meinem Verhandlungspartner verständigen? Welche organisatorische und fachliche Unterstützung steht bei der Planung und Durchführung eines Mediationsverfahrens zur Verfügung? Welche Rolle spielen Rechtsanwälte im Zusammenhang mit Mediationsverfahren? Auf diese Fragen zu antworten, ist Aufgabe des folgenden Kapitels. Schließlich werden wir einen Blick auf den institutionalisierten Einsatz von Mediationsverfahren werfen. Zweck einer solchen Institutionalisierung ist in erster Linie die Überwindung strategischer Barrieren, die oftmals den Weg 299

Erfolgreiche Anwendung von Mediation in ein Mediationsverfahren versperren. Dabei werden wir sehen, dass eine Institutionalisierung sowohl auf externe Konflikte zwischen als auch auf interne Konflikte innerhalb von Unternehmen abzielen kann. Sogenannte Konfliktmanagementsysteme bieten einen geeigneten Rahmen für den Umgang mit beiden Ausprägungen wirtschaftlicher Konflikte. Nicht alles kann hier ohne weiteres aus den zumeist aus der US-amerikanischen Praxis stammenden Modellen übernommen werden. Die Unternehmenswirklichkeit in Deutschland bringt zahlreiche Besonderheiten mit sich, die beim institutionalisierten Einsatz von Mediationsverfahren zu berücksichtigen sind. Insbesondere das umfassende System des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts ist hier zu nennen. Auf diese und andere, mit dem Einsatz von Konfliktmanagementsystemen verbundene Fragestellungen werden wir im Schlusskapitel 13 genauer eingehen.

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Mediation intelligent nutzen

Der tatsächliche Einsatz von Mediationsverfahren in der Wirtschaft erfordert die Beschäftigung mit einigen wichtigen praktischen Fragestellungen. Welche Konflikte eignen sich überhaupt für ein Mediationsverfahren, und zu welchem Zeitpunkt sollte das Verfahren eingeleitet werden? Wenn Sie erst nach einem mehrjährigen Prozess-Marathon feststellen, dass dieser Fall wohl besser bei einem Mediator aufgehoben gewesen wäre, ist es zu spät: Ihre Konfliktlösung besteht in einem Vollstreckungstitel für eine der Parteien, die direkten und indirekten Kosten eines Gerichtsverfahrens sind aufgelaufen, die Zeit ist verstrichen, und die Geschäftsbeziehung mit Ihrem Verhandlungspartner hat Schaden genommen oder ist sogar zerstört. Zu erkennen, ob sich ein Konflikt für eine Mediation eignet, stellt aber nur den ersten Schritt der praktischen Umsetzung dar. Sind Sie selbst zur Mediation entschlossen, ist in Abstimmung mit dem Verhandlungspartner ein Mediator auszuwählen und zu verpflichten. Dabei spielt dessen Qualifikationsprofil eine entscheidende Rolle. In diesem Zusammenhang ist auch die Verpflichtung mehrerer Mediatoren als Team zu erwägen. Strategische Hindernisse bei der Verständigung auf einen bestimmten Mediator lassen sich durch strukturierte Auswahlverfahren überwinden. Schließlich können Sie bei der Durchführung Ihres Mediationsverfahrens die Hilfe von Organisationen und Forschungseinrichtungen sowie von Ihren Rechtsanwälten in Anspruch nehmen.

Mediationseignung von Konflikten Die Mediation wird in der Praxis bei den unterschiedlichsten wirtschaftlichen Konflikten erfolgreich eingesetzt.1 Ausgewählte Anwendungsgebiete der Wirtschaftsmediation Konflikte zwischen Unternehmen: ● Gesellschafts-, handels- und erbrechtliche Konflikte (z. B. Gesellschafterauseinandersetzungen, Unternehmensnachfolgeregelungen) ● Post-Merger-Konflikte ● Gescheiterte Unternehmenskäufe 301

Erfolgreiche Anwendung von Mediation

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Unternehmenssanierungen Neuverhandlungen bei Langzeitverträgen Bau- und Anlagenprojekte Produzentenhaftung

Konflikte innerhalb von Unternehmen: ● Innerbetriebliche Konflikte mit oder zwischen Mitarbeitern ●



Konflikte zwischen Abteilungen oder Geschäftsbereichen untereinander oder mit der Unternehmensleitung Konflikte zwischen konzernverbundenen Unternehmen untereinander oder mit der Konzernleitung

Kasten 1

Diese vielfältige Praxis widerlegt die Aussagen von starren Kriterienkatalogen, die bestimmte Voraussetzungen für die Eignung eines Konflikts für ein Mediationsverfahren zwingend vorgeben wollen. Auch unsere Praxis zeigt, dass viele Konflikte, die bei einer schematischen Prüfung anhand der üblicherweise formulierten Kriterien sicher „durchgefallen“ wären, erfolgreich im Wege der Mediation beigelegt werden konnten.2 So mag intuitiv als ein wesentliches Eignungskriterium für Mediationsverfahren zum Beispiel eine langfristig angelegte Bindung zwischen den Konfliktparteien erscheinen. Erst wenn die Parteien gemeinsame zukunftsgerichtete Interessen teilen – so wird häufig angenommen –, lohnt es sich, ein Mediationsverfahren zu versuchen. Tatsächlich werden Mediationen jedoch erfolgreich auch in solchen Konflikten durchgeführt, in denen es nicht um die Gestaltung, sondern gerade um die geordnete Auflösung einer Geschäftsbeziehung geht. Auseinandersetzungen von Gesellschaften, Beendigungen von Handelsvertretungen oder Konflikte nach Unternehmenskäufen sind typische Anwendungsbeispiele. Um einen Fall der letzten Kategorie handelte es sich etwa bei dem in Kapitel 9 näher beschriebenen Mediationsverfahren zwischen der AGIV AG und der Hollandsche Beton Groep nv (HBG) über den Verkauf der Wayss & Freytag AG. Der Streitfall (vermeintliche Täuschungshandlungen durch die Verkäuferin im Vorfeld der Transaktion) betraf allein die Vergangenheit. Ferner verbanden die beiden Kontrahenten über den konkreten Konflikt hinaus lediglich einzelne, wirtschaftlich nicht bedeutende Geschäftsbeziehungen zwischen Tochterunternehmen. Trotz dieser geringen Zukunftsgerichtetheit des Konflikts konnte er im Wege der Mediation letztlich beigelegt werden. Damit ist nicht gesagt, dass es nicht bestimmte Kriterien gäbe, die einen Konflikt als besonders geeignet oder umgekehrt als besonders ungeeignet für eine Mediation erscheinen lassen. Solche wollen wir hier auch vorstellen. Für den Umgang mit entsprechenden Kriterienkatalogen gilt aber zumindest 302

Mediation intelligent nutzen Folgendes: Erstens sind sie nicht als schematisch anzuwendende „Rechenoperation“, sondern allein als Orientierungshilfe zu verstehen. Auch Konflikte, die keinem der genannten Eignungskriterien entsprechen, können möglicherweise im Wege der Mediation beigelegt werden. Zweitens empfiehlt es sich, die folgenden Kriterien flexibel und mit Blick auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu handhaben. Es mag in einer konkreten Situation nur ein einzelner Grund für ein Mediationsverfahren sprechen. Wenn dieser Grund aber besonderes schwer wiegt, kann ein solches Verfahren selbst dann geeignet sein, wenn sämtliche andere Eignungskriterien nicht erfüllt sind. Drittens schließlich kann sich mit dem zeitlichen Fortschreiten eines Konflikts die Bewertung hinsichtlich seiner Eignung für ein Mediationsverfahren verändern. Es ist daher hilfreich, diese Eignung nicht nur einmal zu Beginn eines Konflikts, sondern in seinem weiteren Verlauf periodisch erneut zu prüfen.

Kriterien für die Eignung eines Mediationsverfahrens Die folgenden Kriterien sollen Ihnen in dem soeben ausgeführten Sinn eine Orientierung bei der Frage nach der Eignung eines Konflikts für ein Mediationsverfahren bieten.3

Interessen im Vordergrund In Abgrenzung zum gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Verfahren ist Mediation in der Regel ein vorrangig interessengeleitetes Verfahren der Konfliktbehandlung. Zwar spielt das Recht auch in der Mediation häufig eine wichtige Rolle, indem es eine der denkbaren Nichteinigungsalternativen der Parteien markiert und so den Einigungsbereich begrenzt. Das Verfahren der Mediation fragt jedoch zumeist nicht nur nach den Rechtsansprüchen, sondern vor allem nach den Interessen der Parteien. Daher sind Konflikte dann besonders mediationsgeeignet, wenn weniger rechtliche Positionen und mehr die dahinter liegenden und über das Rechtliche hinausgehende Interessen der Konfliktparteien im Vordergrund stehen. Dies wird indes auf die Mehrzahl der auch vor den Zivilgerichten verhandelten Verfahren zutreffen. Denn jede Partei hat ganz spezifische Interessen, die durch den Konflikt betroffen sind und die durch die abstrakte Regelung des Gesetzes regelmäßig nur unvollkommen verwirklicht werden. Auch und gerade in Wirtschaftskonflikten, in denen auf den ersten Blick vermeintlich überwiegend rechtliche Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, geht es häufig um wirtschaftliche Interessen, die im Wege der Mediation einfacher miteinander in Einklang zu bringen sind, als dies in einem Zivilprozess möglich wäre.

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Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Gestaltung der Zukunft Ein typisches Interesse, welches sich nur selten in Rechtsansprüche übersetzen lässt, ist das Interesse an einer bestimmten Gestaltung der Zukunft. Hierbei geht es – anders als häufig formuliert – nicht nur um die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft. Wir haben bereits einleitend gesehen, dass eine langfristig angelegte Beziehung zwischen den Parteien kein ausschließliches, sondern lediglich ein denkbares Eignungskriterium für Mediationsverfahren ist. Zwar trifft es zu, dass beispielsweise in unternehmensinternen Konflikten zwischen Abteilungen, konzernverbundenen Unternehmen oder mit einzelnen Mitarbeitern gerade auch die dauerhafte Verbindung der Konfliktparteien über den Tag hinaus für ein Mediationsverfahren spricht, welches die Beziehung schont und kreative Optionen für eine gemeinsame Zukunft hervorbringen kann. Gleiches gilt in externen Konflikten zwischen Unternehmen, die aufeinander angewiesen sind oder die trotz Differenzen im Einzelfall ihre Zusammenarbeit im Grundsatz fortsetzen wollen. Zugleich kann aber auch das genau entgegengesetzte Interesse ebenfalls für die Durchführung einer Mediation sprechen. Nicht selten geht es den Parteien in einer Mediation gerade um eine ganz bestimmte Art der Beendigung einer geschäftlichen Beziehung. Auch dies ist ein in die Zukunft – wenn auch nicht in die gemeinsame – gerichtetes Interesse. Wenn die Parteien nach einer praktikablen, gemeinsam erarbeiteten und interessengeleiteten Auflösung ihrer Verbindung streben, sich zugleich aber über einzelne Abwicklungsfragen nicht verständigen können, wird eine Mediation häufig eine sinnvolle Alternative zu einem langwierigen Gerichtsverfahren darstellen. Nicht so sehr die Dauerhaftigkeit einer Beziehung, sondern vielmehr umfassender die Zukunftsorientierung einer angestrebten Konfliktlösung sollte daher als Eignungskriterium für die Mediation genannt werden.

Wunsch nach Vertraulichkeit Parteien wirtschaftlicher Konflikte wünschen oftmals Diskretion und Vertraulichkeit. Gerichtsverfahren finden in Deutschland aber grundsätzlich öffentlich statt. Die Vertraulichkeit ist dagegen ein wesentliches Charakteristikum der Mediation. Wer die Wirkung eines in der Öffentlichkeit ausgetragenen Konflikts fürchtet („schlechte Presse“, unliebsame Mitwisser vertraulicher unternehmerischer Informationen), wird daher eher den Konferenzraum des Mediators als den Verhandlungssaal des Landgerichts ansteuern.

Wunsch nach Geschwindigkeit Häufig kommt es den Parteien auch darauf an, möglichst rasch zu einer Lösung ihres Konflikts zu kommen. Auch hier haben Mediationsverfahren 304

Mediation intelligent nutzen Vorteile: Sie lassen sich in aller Regel in einem Bruchteil der üblichen Verfahrensdauer von Gerichts- oder Schiedsverfahren beenden und befriedigen somit eher als diese das Bedürfnis nach Geschwindigkeit.4 So konnte beispielsweise die britische Mediationsinstitution „Centre for Effective Dispute Resolution“ (CEDR) die im Jahre 2004 von ihr verwalteten 693 Mediationsverfahren in wirtschaftlichen Konflikten zu 75 Prozent an einem Tag oder kurze Zeit später beenden. Dabei hatten 18 Prozent der dort administrierten Fälle einen Streitwert von über 1 Million £.5 Gerade in Branchen wie der Bauwirtschaft, wo einzelne Konflikte nicht selten zu Behinderungen des gesamten Projekts führen und sich die Beweislage praktisch täglich verändert, stellen daher Mediationsverfahren oder andere alternative Konfliktlösungsverfahren mit mediativen Elementen (vgl. die Darstellung sogenannter Dispute Review Boards in Kapitel 2) eine besonders effektive Form des Konfliktmanagements dar. Erinnert sei in diesem Zusammenhang noch einmal an die mit der Beschleunigung einhergehende günstigere Kostenprognose von Mediationsverfahren, die selbst bei Einbeziehung der Möglichkeit eines Scheiterns der Mediation und der dann noch zusätzlich anfallenden Kosten eines Folgeverfahrens gültig ist: Mediation hat – von Fällen mit ganz geringen Streitwerten einmal abgesehen – unter Kostengesichtspunkten einen positiven Optionswert.6

Hohe Komplexität Auch die hohe Komplexität eines Konflikts kann ein Anzeichen für die Eignung eines Mediationsverfahrens sein. In der Mediation liegt die Herrschaft über das Verfahren beim Mediator. Dessen verfahrensleitende Funktion wird um so eher benötigt, je mehr Themen, je mehr Parteien und je mehr unterschiedliche Interessen die Verhandlung prägen. Sollen komplexe Verhandlungen nicht an ihrer Komplexität ersticken, sind eine klare Struktur und eine formelle Führung unumgänglich (vgl. Kapitel 11). Dabei fällt es leichter, die Strukturierung einem neutralen Dritten zu überlassen. Jedem, der schon einmal eine von einem „Gegner“ vorgeschlagene Tagesordnung argwöhnisch auf strategisch motivierte Aufstellungen oder Auslassungen von Punkten durchgesehen hat, wird das sofort einleuchten.7 Es wirkt hier nicht nur hinderlich, dass die übrigen Konfliktparteien einem in der Sache Beteiligten eine interessenfreie Leitung der Verhandlung nicht zutrauen. Hinzu kommt, dass selbst der gutwillige Beteiligte die Verhandlungsleitung nur halbherzig betreiben kann, wenn er zugleich auch eigene inhaltliche Interessen verfolgen muss. Die Finanzkrise der Philipp Holzmann AG im Herbst 19998 Im November 1999 gab der traditionsreiche Baukonzern Philipp Holzmann AG überraschend eine Überschuldung von umgerechnet etwa 1,22 Milliar305

Erfolgreiche Anwendung von Mediation den Euro bekannt. Carl Ludwig von Boehm-Bezing leitete die zwischen den verschiedenen Gläubigerbanken geführten Verhandlungen über die Aufbringung einer Sanierungssumme von ca. 1,8 Milliarden Euro. BoehmBezing war zu diesem Zeitpunkt sowohl Aufsichtsratsvorsitzender der Philipp Holzmann AG als auch Vorstandsmitglied von deren Hauptkreditgeber, der Deutschen Bank AG. Die Deutsche Bank war seit 1873 mit dem Baukonzern eng verflochten. Seit 1932 wurde der Aufsichtsratsvorsitzende bei Holzmann von ihr gestellt. In den Nachkriegsjahren hielt die Deutsche Bank stets einen Anteil von 25 bis 35 Prozent an den Aktien der Gesellschaft. Das von Boehm-Bezing in die Verhandlungen eingebrachte letzte Angebot der Deutschen Bank für einen Beitrag zur Sanierung von Holzmann über ca. 750 Millionen Euro wurde von den übrigen Gläubigerbanken als zu niedrig abgelehnt. Sie sahen sich nicht in der Lage, den Fehlbetrag gemeinsam aufzubringen. Die Verhandlungen über eine freie Sanierung scheiterten. Kasten 2

Ein neutraler Mediator dagegen hat in der Sache keine eigenen Interessen. Sein Interesse besteht allein darin, dem Verhandlungsprozess eine zielführende Struktur und darin den Parteien Hilfestellungen auf dem Weg zu einer eigenständigen Lösung zu geben. Mediationsverfahren eignen sich demnach gerade bei besonders komplexen Fallgestaltungen.

Hohe Emotionalität Gleiches gilt aus ähnlichen Gründen für besonders emotionsgeladene Konflikte.9 Intuitiv neigen wir dazu, die in wirtschaftlichen Auseinandersetzungen wirkenden Emotionen auszublenden. Dabei haben zahlreiche wirtschaftliche Konflikte ihre tiefere Ursache in den Emotionen der beteiligten Entscheidungsträger (vgl. Kapitel 5): Verletzte Eitelkeiten, Rachegefühle, der Wunsch nach Anerkennung, der daraus gespeiste Trieb, eine Niederlage „nicht auf sich sitzen lassen“ zu wollen, Machtinstinkt, Neid – diese und ähnliche emotionale Motive haben schon Karrieren gemacht und Unternehmen ruiniert. Das Wirtschaftsmagazin brand eins berichtete über den Untergang des hessischen Software-Unternehmens Trius-AG:10 „Gier und Neid, Dilettantismus und Unwissenheit, Überforderung und Selbstüberschätzung haben ein Unternehmen in den Tod getrieben, das nach Einschätzung von Branchenkennern durchaus das Zeug dazu hatte, erfolgreich zu sein. Die Geschichte von Trius handelt von Kleinstadtjungs,

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Mediation intelligent nutzen die zu hoch hinaus wollen. Von Aktionären, die das große Geld witterten und am Ende die Geprellten sind. Von Männern, die sich in Machtkämpfe verstricken. Von Geschäftsfreunden, die vorgeblich uneigennützige Ziele verfolgen, aber vor allem sich selbst bedienen. … Für fast alle Beteiligte ist R. der Schuldige. Er sei größenwahnsinnig, heißt es, ein Selbstdarsteller. … ‚Mein Image ist dahin‘, sagt er. … Aber die Scharte lässt sich ja auswetzen. R. will ein neues Unternehmen gründen. Er wird es ihnen zeigen, all denen, die an ihm gezweifelt und sich von ihm abgewandt haben.“ Kasten 3

In Fällen starker Emotionalisierung entgleitet uns bisweilen die Fähigkeit, den Prozess der Verhandlung noch effektiv zu steuern. Wenn sich erst einmal ein Gefühl der Hoffnungs- und Sinnlosigkeit des Umgangs mit unserem Verhandlungspartner und ein entsprechender Ärger über diesen breitmachen, liegt es scheinbar fern, einen Anstoß zu einer bewussten, gemeinsamen Wahl des weiteren Vorgehens zu geben. Gerade in solchen Situationen kann aber die moderierende Funktion eines Mediators helfen, auf ein sachliches Gleis zurückzukehren. Der Mediator kann den Parteien als Ventil dienen, um ihren Emotionen in geordneter Weise Luft zu machen. Er wird sich ferner bemühen, die emotionale von der sachlichen Ebene des Konflikts zu trennen, damit das Fortschreiten auf der Sachebene nicht weiter durch Angriffe auf der Beziehungsebene gefährdet wird.

Internationalität Schließlich mag der grenzüberschreitende Charakter eines Konflikts dazu führen, dass dieser sich eher für ein Mediationsverfahren als für eine gerichtliche Auseinandersetzung eignet. Neben der schwierigeren Erreichbarkeit ausländischer Gerichte ist es hier vor allem die Scheu der Konfliktparteien, sich dem ausländischen materiellen und prozessualen Recht „auszuliefern“, welche die Suche nach anderen Formen und Foren der Konfliktbehandlung motiviert. Während vor den staatlichen Gerichten das jeweils geltende (internationale) Prozessrecht zu beachten und zu beherrschen ist und die Neutralität der Richter gegenüber ausländischen Parteien von diesen oftmals angezweifelt wird, können sie das Verfahrensrecht der Mediation weitgehend vertraglich selbst gestalten.11 Aus diesen Gründen erfolgten bereits im Jahre 2004 elf Prozent der vom CEDR geführten Mediationsverfahren unter Beteiligung internationaler Konfliktparteien.12

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Erfolgreiche Anwendung von Mediation Kriterien, die für die Mediationseignung von Konflikten sprechen ● ● ● ● ● ● ●

Interessen, nicht Rechtspositionen stehen im Vordergrund Zukunftsorientierte Problembewältigung wird angestrebt Ausgeprägter Wunsch nach Vertraulichkeit Hohe Relevanz einer schnellen Konfliktlösung Gesteigerte Komplexität des Konflikts Besondere Emotionalität des Konflikts Internationalität des Konflikts

Kasten 4

Mögliche Ausschlussgründe für Mediation Mediationsverfahren sind für viele, nicht aber für alle Konflikte das geeignete Verfahren. Bestimmte Konfliktsituationen schließen den Einsatz von Mediationsverfahren sogar gänzlich aus.

Entgegenstehendes zwingendes Recht Ein Mediationsverfahren scheidet aus, sofern gesetzliche Bestimmungen die privatautonome Regelung des Streitgegenstandes nicht zulassen. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn die Parteien nicht dispositionsbefugt über die im Streit stehenden (Rechts-)Güter sind, so dass sie hierüber auch keinen Vergleich schließen können. So sind in innerbetrieblichen Konflikten zwischen Unternehmen und ihren Mitarbeitern zahlreiche Arbeitnehmerschutzrechte der Dispositionsbefugnis des daraus berechtigten Arbeitnehmers und somit jeder Verhandlung entzogen. Beispielsweise kann ein Arbeitnehmer nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) auf die ihm in einem Tarifvertrag eingeräumten Rechte nur insoweit verzichten, als dies im Tarifvertrag selbst ausdrücklich vorgesehen ist. Beschränkt sich ein Konflikt auf diese unverzichtbaren Rechtspositionen, ist eine Mediation daher ausgeschlossen. Zwingendes Recht steht zum anderen dem Einsatz von Mediationsverfahren dann entgegen, wenn es besondere Verfahren der Konfliktlösung vorschreibt. Dies ist vor allem in öffentlich-rechtlichen Zusammenhängen der Fall. Bindet sich die Verwaltung im Rahmen eines Mediationsverfahrens an ein Verhandlungsergebnis, und greift sie damit zugleich in Rechte eines Dritten ein, so hat sie die Beteiligungsregeln des gesetzlich geregelten Verwaltungsverfahrens zu beachten.13 Mediationsverfahren kommen hier daher gegenwärtig nur vorbereitend oder begleitend zu den gesetzlichen Verfahrensarten in Betracht.

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Öffentliches Interesse an Rechtsdurchsetzung und -entwicklung In Konflikten, in denen ein öffentliches Interesse an einer Rechtsdurchsetzung und -entwicklung besteht, eignen sich Mediationsverfahren ebenfalls weniger zur Konfliktlösung. Beispielsweise gegenüber strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen oder grob verbraucherschutzwidrigen Geschäftspraktiken oder in Fällen mit wettbewerbs- oder umweltrechtlichem Bezug besteht ein gesellschaftliches Bedürfnis nach einer allgemein wirkenden, öffentlichen und abschreckenden Sanktionierung anhand der für alle geltenden Gesetze. Dieses Bedürfnis können Mediationsverfahren nicht befriedigen.14 Der im Wege der Mediation (letztlich erfolglos) behandelte Kartellrechtsstreit zwischen dem US-amerikanischen Justizministerium und der Microsoft Corp. über die Verbreitung des Microsoft Computerbetriebssystems „Windows“ eignete sich unter diesem Gesichtspunkt von vornherein nur bedingt für diese Form der Konfliktlösung.15

Wunsch nach Präzedenz- oder Öffentlichkeitswirkung Auch zur Etablierung eines Präzedenzfalles lassen sich Mediationsverfahren nicht einsetzen. In Grundsatzkonflikten (vgl. Kapitel 1 und 2), in denen eine Partei nicht nur für diesen, sondern auch für eine Vielzahl von gleichartigen Folgefällen eine Klärung herbeizuführen wünscht, wird sie in aller Regel versuchen, die entscheidenden Rechtsfragen gerichtlich und damit verbindlich klären zu lassen. Eine solche Grundsatzfrage kann beispielsweise die Auslegung von bestimmten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) betreffen, die eine der Konfliktparteien in sämtlichen der von ihr abgeschlossenen Verträgen verwendet. Ähnlich verhält es sich, wenn eine der Parteien den Konflikt besonders öffentlichkeitswirksam ausgetragen wissen möchte. Geht es gerade darum, den möglicherweise imageschädigenden Einfluss von öffentlichen Gerichtsverfahren als Druckmittel einzusetzen, wird eine Mediation nicht das Verfahren erster Wahl sein. Zwar ließe sich auch eine Mediation öffentlich durchführen. Zum einen ist aber hierzu die Zustimmung der anderen Konfliktpartei erforderlich. Zum anderen wird selbst ein öffentliches Mediationsverfahren nicht dieselbe Publikumswirkung wie ein Gerichtsverfahren erzeugen. Typische Beispiele, in denen es einer der Parteien um Öffentlichkeitswirkung gehen mag, sind Klagen in Produkthaftungsfällen oder zur Bekämpfung möglicherweise verbraucherschutzwidriger Praktiken. So sahen sich beispielsweise im Nachgang des Zusammenbruchs der Investmentbank Lehman Brothers im Jahre 2008/2009 zahlreiche Banken von Sammelklagen geschädigter Anleger ausgesetzt. In solchen Fällen ist es schwierig, die potentiellen Kläger zu einem Verzicht auf ihr oftmals einziges Druckmittel einer öffentlichen Klage und zur Durchführung eines Mediationsverfahrens zu bewegen. 309

Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Bedürfnis nach einstweiliger Sicherung Mediationsverfahren sind schnell. Dennoch kann der mit ihnen verbundene Zeitaufwand zu Rechtsverlusten führen. Zwar droht bei der Durchführung eines Mediationsverfahrens nicht die Verjährung der betroffenen Ansprüche: Nach § 203 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist diese während des Schwebens von Verhandlungen gehemmt.16 Neben dem schlichten Zeitablauf können jedoch auch aktive, einer gerichtlichen Klärung vorgreifende Veränderungen des Status quo durch die Parteien oder Dritte vorgenommen werden. In solchen Fällen ist zwar ein Mediationsverfahren nicht an sich ungeeignet. Es ist jedoch ratsam, von dem regelmäßig vereinbarten, vorübergehenden Ausschluss der Klagbarkeit während der Mediation Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes auszunehmen. Dann können unabhängig vom Mediationsverfahren beispielsweise einstweilige Verfügungen und somit vorläufige Vollstreckungstitel zur Sicherheit erwirkt werden. Mögliche Ausschlussgründe für den Einsatz von Mediation ● ●

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Entgegenstehendes zwingendes Recht Überragendes öffentliches Interesse an Rechtsdurchsetzung und -entwicklung Wunsch nach Präzedenz- oder Öffentlichkeitswirkung Bedürfnis nach einstweiliger Sicherung

Kasten 5

Zeitpunkt für Mediation Es bleibt die Frage zu beantworten, zu welchem Zeitpunkt in der Entwicklung eines zur Mediation geeigneten Konflikts die Initiative zu diesem Verfahren ergriffen werden sollte. Unsere klare Empfehlung hierzu lautet: An die Einleitung eines Mediationsverfahrens sollten Sie möglichst früh denken. Dies gilt sowohl unter einem prozeduralen wie auch unter einem inhaltlichen Aspekt: Haben die Konfliktparteien erst einmal Stellung bezogen, beharren sie strikt auf ihren Positionen, und besteht die Kommunikation im Wesentlichen nur noch aus feindlich vorgetragenen, wechselseitigen Anschuldigungen, so wird es schwerfallen, sie überhaupt noch zu irgendeinem gemeinsamen Vorgehen zu bewegen. Haben sie sich zugleich inhaltlich in der Sache bereits festgelegt und möglicherweise sogar vollendete Tatsachen geschaffen, indem sie zum Beispiel Dritten die Fertigstellung eines zwischen den Parteien streitigen Auftrags übertragen haben, engt dies den Raum für Lösungsoptionen in der Mediation ein.

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Auswahl des Mediators Da die Person des Mediators starken Einfluss auf die spätere Gestalt und inhaltliche Ausrichtung des Verfahrens hat, stellt dessen Bestimmung oftmals eine der entscheidenden Hürden auf dem Weg zu einer Mediation dar. Die Parteien fürchten erfahrungsgemäß insbesondere, dass der Mediator voreingenommen zugunsten der jeweils anderen Seite sein könnte. Fragen der Auswahl eines geeigneten Mediators lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:17 Welche Qualifikationen muss der Mediator mitbringen? Sollen mehrere Mediatoren als Team verpflichtet werden? Welche Verfahren helfen den Parteien bei der Auswahl der konkreten Person(en)?

Qualifikation des Mediators Die Qualifikation einer Person für den Einsatz als Mediator steht und fällt mit dem Vertrauen, das die Konfliktparteien in sie setzen. Dieses Vertrauen speist sich erfahrungsgemäß aus unterschiedlichen Quellen: Insbesondere in Mediationsverfahren mit wirtschaftlichem Hintergrund ist häufig die Sachkompetenz18 des Mediators ein erstes entscheidendes Auswahlkriterium. Wer den Konflikt der Parteien inhaltlich und fachlich nicht versteht, wird ihnen bei der Lösung nur schlecht behilflich sein können. Vor allem wird er von den Parteien nicht als gleichwertiger Gesprächspartner akzeptiert werden. Bei der Auswahl eines Mediators sollten Sie daher darauf achten, dass er zumindest Kenntnisse in der betroffenen Sachmaterie mitbringt oder sich diese aufgrund seines fachlichen Hintergrunds schnell verschaffen kann. Hierin liegt auch ein wesentlicher Vorteil der Mediation gegenüber Gerichtsverfahren: Fallspezifische Sachkompetenz wird dort allenfalls über Sachverständige hinzugezogen, auf deren Auswahl die Parteien aber nur geringen Einfluss haben. In der Mediation können sie dagegen die Person des Mediators selbst bestimmen und so dessen Anforderungsprofil genau festlegen. In diesem Zusammenhang werden gegebenenfalls auch Rechtskenntnisse eine wichtige Rolle spielen: Das Mediationsverfahren soll den Parteien möglicherweise auch eine realistische Einschätzung ihrer Nichteinigungsalternative „Gerichtsverfahren“ (soweit diese naheliegend ist) ermöglichen. Soll hierzu nicht ein weiterer neutraler Dritter hinzugezogen werden, kann auf einschlägige Rechtskenntnisse in der Person des Mediators nicht verzichtet werden. Wer als Mediator akzeptiert werden will, sollte aber auch die Methode der Mediation beherrschen und in der Steuerung des Mediationsprozesses geschult sein. Dafür sind sowohl eine theoretische Ausbildung in Verhandlungslehre und Mediationstechniken als auch praktische Erfahrung mit deren Einsatz hilfreich: Erst das Zusammenspiel dieser beiden Komponenten vermittelt dem Mediator die neben der Sachkompetenz erforderliche Prozesskompetenz. 311

Erfolgreiche Anwendung von Mediation Konfliktparteien akzeptieren ferner insbesondere solche Personen als Mediator, die sie als „gleichrangig“ ansehen. Dabei wird diese Gleichrangigkeit selten allein durch die Prozess- und Sachkompetenz einer bestimmten Person vermittelt. Bedeutsam sind zusätzlich ein ähnlicher Erfahrungshorizont, ein vergleichbares berufliches oder soziales Umfeld oder schlicht die Zugehörigkeit zu derselben Altersgruppe. Auch solche Kriterien tragen dazu bei, dass sich für einen bestimmten Konflikt eine Person besonders als Mediator eignet. Der Versuch der feindlichen Übernahme von Thyssen durch Krupp19 Im Frühjahr 1997 plante der damalige Vorstandsvorsitzende der KruppHoesch AG, Gerhard Cromme, eine feindliche Übernahme der Thyssen Stahl AG. Dieser bis dato größte Versuch einer feindlichen Übernahme in der deutschen Wirtschaftsgeschichte stieß auf ein erhebliches öffentliches Interesse und den erbitterten Widerstand der Belegschaft der Thyssen Stahl AG und ihres Vorstandsvorsitzenden Dieter Vogel. Zwei Tage nach Bekanntwerden der Pläne trafen sich Cromme und Vogel an einem geheimen Ort, um die Chancen einer Einigung über eine friedliche Fusion auszuloten. Diese Gespräche wurden moderiert von zwei gleichermaßen erfahrenen und daher mit den Beteiligten „auf Augenhöhe“ verhandelnden Vermittlern: einerseits dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Mercedes Benz AG und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden der Weltausstellung Expo 2000, Helmut Werner, und andererseits dem früheren Vorstandsvorsitzenden der Preussag Stahl AG und späteren Vorsitzenden des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, Kurt Stähler. Kasten 6

Letztlich ist für die Frage der Auswahl des Mediators entscheidend, dass die Beteiligten ihn ob seiner Kompetenz, Ausstrahlung, Persönlichkeit, Integrität und natürlichen Autorität als unparteiischen Verfahrensleiter akzeptieren. So war beispielsweise der in dem bereits angesprochenen Mediationsverfahren im Kartellrechtsstreit zwischen dem US-amerikanischen Justizministerium und der Microsoft Corp. als Mediator tätige Bundesrichter Richard A. Posner weder ein erfahrener Diplomat noch Mediator. Als Richter und Autor zahlreicher Bücher über rechtliche, ethische und politische Fragestellungen hatte er sich jedoch einen Ruf als einer der fähigsten und einflussreichsten Bundesrichter sowie als anerkannte Kapazität auf dem Gebiet des Wettbewerbs- und Kartellrechts erarbeitet. Obwohl die Parteien sich in diesem vom Gericht angeordneten Verfahren Posner nicht als Mediator aussuchen konnten, genoss er offenbar das Vertrauen beider Seiten. In internationalen Mediationsfällen sind schließlich zusätzlich auch die Sprachkenntnisse und/oder die Nationalität des Mediators von Bedeutung. 312

Mediation intelligent nutzen Parteien unterschiedlicher nationaler Herkunft legen in aller Regel Wert darauf, dass der Mediator aus einem anderen Land als die Gegenpartei stammt. Das von Ihnen gewünschte Anforderungsprofil sollten Sie zu einer Art Checkliste zusammenstellen, anhand derer Sie leicht überprüfen können, in welchem Maße bestimmte Personen als Mediator für Ihren Konflikt in Betracht kommen. Darin lassen sich die unterschiedlichsten Fragen zu Ausbildung, Erfahrung sowie Branchen-, Rechts- oder Sprachkenntnissen beantworten (vgl. S. 407 f.).20 Wenn Sie umgekehrt als Mediator tätig werden (wollen), sollten Sie damit rechnen, mit entsprechenden Fragen konfrontiert zu werden und diese auch sorgfältig beantworten.21

Mediationsteams/Co-Mediation Insbesondere bei komplexen Auseinandersetzungen können die Parteien ein Interesse daran haben, mehrere Personen als Mediatoren zu benennen. Die Beauftragung von Co-Mediatoren oder ganzer Mediationsteams bietet sich vor allem dann an, wenn sichergestellt werden soll, daß auf der Seite des Dritten ein bestimmtes technisches, wirtschaftliches oder rechtliches Fachwissen vorhanden ist, und eine einzelne Person dieses Spektrum nicht mehr abdeckt bzw. abdecken kann. Die Vorteile der Co-Mediation liegen auf der Hand: Der Einsatz mehrerer Vermittler kann diesen die Arbeitsaufteilung erleichtern. Sie können sich in ihren unterschiedlichen Qualifikationen ergänzen und sich in der Verhandlungsführung abwechseln. Die bereits in mehreren Kapiteln erwähnte, ursprünglich als Schiedsverfahren eingeleitete Auseinandersetzung zwischen IBM und Fujitsu über Urheberrechte an IBM-Betriebssystemen und andere Vertragsverletzungen wurde als Co-Mediation fortgesetzt. Die beiden Mediatoren Robert H. Mnookin und John L. Jones ergänzten sich optimal: Während Mnookin die Rechtsfragen behandelte und den Verhandlungsprozeß gestaltete, verfügte Jones über Erfahrungen in der Unternehmensleitung und den einschlägigen technischen Sachverstand als Ingenieur.22 Eine von einem der Autoren zusammen mit einem US-amerikanischen Mediator durchgeführte Co-Mediation betraf eine mögliche Haftung einer internationalen Anwaltssozietät gegenüber einem US-amerikanischen Unternehmen wegen eines behaupteten Beratungsfehlers (vgl. zu diesem Fall bereits Kapitel 4). Diese Haftung richtete sich nach deutschem Recht. Da der US-amerikanische Mediator zwar eine herausragende Prozesskompetenz besaß, jedoch das deutsche Recht nicht kannte, bot sich eine CoMediation mit einem deutschen Juristen an. 313

Erfolgreiche Anwendung von Mediation In einer anderen, von einem der Autoren zusammen mit einem ehemaligen Vorstand aus der (Rück-)Versicherungbranche durchgeführten CoMediation ging es um einen Streit aus einem Rückversicherungsverhältnis, der sich im Wesentlichen um die Auslegung einer bestimmten Vertragsklausel drehte. Hier wurden die Mediationskompetenz und die allgemeine juristisches Kompetenz eines Mediators mit der Branchenkenntnis des anderen kombiniert. Kasten 7

Ein weiterer Aspekt ist nicht zu unterschätzen: Mediationsverfahren können für den Mediator großen psychischen und physischen Stress bedeuten: Auf ihn richten sich erwartungsvoll die Augen der Konfliktparteien und ihrer Anwälte. Er ist verantwortlich für die Steuerung des Mediationsprozesses zwischen häufig emotional engagierten Beteiligten. Er hat das Verfahren laufend neu anzustoßen, wenn es ins Stocken gerät und deren Hoffnung auf eine Einigung schwindet. Zugleich muss er die inhaltlichen Entwicklungen der Verhandlung stets im Auge behalten und bewerten, um sich abzeichnende Einigungsoptionen zu erkennen. Nicht zuletzt hat er genau darauf zu achten, dass er in Einzelgesprächen vertraulich mitgeteilte Informationen der einen Partei nicht der anderen offenbart. Vor diesem Hintergrund kann daher gerade in komplexen Wirtschaftskonflikten die Hinzuziehung eines zweiten Mediators nützlich sein. Hierbei mag es schon ausreichen, dass der eine Co-Mediator dem anderen die technischen und organisatorischen Aufgaben des Verfahrens abnimmt, während dieser selbst sich auf die inhaltlichen Fragen konzentriert. Hinzu kommt, dass es eine deutliche Entlastung für den Mediator bedeutet, sich im Laufe eines möglicherweise mehrere Tage dauernden Mediationsverfahrens mit einem in der Sache vertrauten und erfahrenen Kollegen über den Fortgang der Verhandlungen besprechen zu können. Dieser Entlastungseffekt wird allerdings nur dann zu realisieren sein, wenn die Beteiligten erprobtermaßen gut zusammenarbeiten und untereinander harmonieren: Bestenfalls sind Mediationsteams „eingespielte“ Teams. Allerdings führt die Verpflichtung von mehr als einem Mediator selbstverständlich zu einer Steigerung der Verfahrenskosten, die im Einzelfall gegen den zu erwartenden Zusatznutzen abzuwägen ist. Dabei wird es nicht immer erforderlich sein, den weiteren Dritten für das gesamte Verfahren hinzuzuziehen. Drohen die Verhandlungen beispielsweise an unterschiedlichen Bewertungen bestimmter Sachfragen zu scheitern, so kann es ausreichen, einen Sachverständigen nur punktuell mit der Klärung eben dieser Frage zu beauftragen (vgl. Kapitel 8). Die zusätzliche Kostenlast lässt sich so zumindest in Grenzen halten. 314

Mediation intelligent nutzen Vor der Einleitung eines Mediationsverfahrens ist daher nicht nur das an den Mediator mit Blick auf den konkreten Konflikt zu stellende Qualifikationsprofil gründlich zu bedenken. Auch die Frage, ob, wann, in welcher Funktion und in welchem Umfang weitere neutrale Dritte als Co-Mediatoren oder in anderer Funktion hinzuzuziehen sind und welche Personen sich für diese Rolle eignen, bedarf der Planung.

Auswahlverfahren Als Konfliktpartei mögen Sie selbst genaue Vorstellungen darüber haben, wer Ihnen als Mediator geeignet erscheint. Die Herausforderung besteht jedoch regelmäßig darin, gemeinsam mit Ihrem Verhandlungspartner eine diesbezügliche Verständigung zu erzielen: Möglicherweise ist die Kommunikation nicht frei von Störungen, und Vorschläge der Gegenseite werden als strategisch motiviert reaktiv abgewertet. Naturgemäß erschwert das die einvernehmliche Bestimmung eines Mediators. Nichtsdestotrotz ist eine Verständigung in der Auswahlfrage unumgänglich: Nur wenn alle Konfliktparteien den Mediator als neutralen, unparteiischen Verfahrensleiter akzeptieren, werden sie sich auf ein Mediationsverfahren unter seiner Leitung einlassen. Um nicht bereits in dieser Frühphase einer Mediation in strategischen Blockaden steckenzubleiben oder eine uninformierte Entscheidung zu treffen, können Sie Unterstützung von außen in Anspruch nehmen. Diese kann mehr oder weniger institutionalisiert sein. So stehen Verzeichnisse zur Verfügung, aus denen sich Ausbildung und Tätigkeitsschwerpunkte einzelner Mediatoren ergeben und die als neutrale Referenz zumindest für Anregungen genutzt werden können.23 Dies allein löst jedoch das Problem einer konkreten Verständigung auf einen bestimmten Mediator noch nicht. Mittlerweile bieten aber auch in Deutschland zahlreiche Institutionen die Durchführung von Mediationsverfahren als professionelle Dienstleistung an (siehe S. 413 f.). Teil dieser Dienstleistung ist regelmäßig auch die Unterstützung bei der Auswahl eines geeigneten Mediators. Die entsprechenden Institutionen führen in der Regel Listen von bei ihnen akkreditierten Mediatoren und können hieraus Vorschläge machen.24 Andere Organisationen sehen in ihren Verfahrensregeln die verbindliche Bestimmung eines Mediators durch die Organisation selbst vor, sofern die Parteien nicht zu einer Einigung finden.25 In aller Regel wird es ausreichen, wenn eine Partei der anderen aus einer solchen Liste einige Personen vorschlägt und dieser zur Wahl stellt. Gelingt auch hierdurch keine Verständigung, haben sich als effektive und zugleich faire Methode der Bestimmung eines Mediators sogenannte Ranglistenverfahren erwiesen.26 Hierbei beauftragen die Konfliktparteien eine neutrale Stelle (z. B. eine mit Mediation befasste Institution, einen Gerichts- oder 315

Erfolgreiche Anwendung von Mediation Kammerpräsidenten oder eine Industrie- und Handelskammer) mit der Erstellung einer Vorschlagsliste. Darauf soll eine bestimmte Anzahl von Mediatoren sowie deren Qualifikationsprofil aufgeführt sein. Entsprechende Wünsche der Parteien können schon bei der Erstellung der Liste berücksichtigt werden. Aus ihr kann nun jede Partei zunächst diejenigen Personen (weniger als die Hälfte) streichen, die sie als ungeeignet von der Leitung des Verfahrens ausschließen möchte. Die verbliebenen Personen versieht jede Konfliktpartei sodann mit einem Ranglistenplatz entsprechend ihrer Präferenzen. Als Mediator bestimmt ist diejenige Person, die in der Summe beider Listenplazierungen die niedrigste Zahl auf sich vereinigt. Bei gleichen niedrigsten Werten entscheidet das Los.

Organisation des Mediationsverfahrens Mediationsverfahren sind selbstgestaltete Verfahren der Konfliktlösung. Ein gesetzliches Verfahrensrecht kennen sie (von den wenigen Fällen gesetzlich angeordneter Schlichtungsverfahren abgesehen) noch nicht. Auch die Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie in deutsches Recht durch ein Mediationsgesetz wird lediglich einzelne Aspekte des Verfahrens regeln und daneben weiter viel Raum für parteiautonome Vereinbarungen lassen.27 Mit dieser Verfahrensautonomie geht ein im Verhältnis zu Gerichtsverfahren gesteigerter Organisationsaufwand einher, der über die Wahl des Mediators hinausgeht.

Mediationsvereinbarung und Mediatorvertrag An die Stelle eines gesetzlichen Verfahrensrechts (wie beispielsweise der Zivilprozessordnung) beziehungsweise neben ein solches (wie nach Inkrafttreten des geplanten Mediationsgesetzes) treten in Mediationsverfahren zwei Verträge, die dem Verfahren seinen rechtlichen Rahmen geben. Zum einen schließen die Konfliktparteien untereinander eine Mediationsvereinbarung. Hierin werden die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Parteien im Zusammenhang mit dem Mediationsverfahren geregelt: Auslösungsmechanismen für das Verfahren, Bestimmungen zur Auswahl des Mediators, Regelungen über die Teilnehmer, ein vorübergehender Klagbarkeitsausschluss, Förderungs- und Mitwirkungspflichten, Kündigungsmöglichkeiten, eine Vereinbarung über die Kostentragung im Innenverhältnis der Parteien sowie die Verpflichtung zur Vertraulichkeit und entsprechende Beweismittelverzichte sind hier typische Regelungsgegenstände. Zum anderen schließen die Parteien mit dem Mediator einen Mediatorvertrag. Darin werden die Rechte und Pflichten zwischen dem Mediator und den Parteien vereinbart. Hier werden die Vertraulichkeit des Mediators, 316

Mediation intelligent nutzen seine Rolle und seine Befugnisse, seine Haftung und nicht zuletzt seine Vergütung geregelt. In ihrer rechtlichen Wirkung sind diese beiden Verträge voneinander getrennt zu sehen. Tatsächlich ist das Regelungsprogramm der beiden Vertragsebenen jedoch häufig in einem integrierten Dokument enthalten, welches alle Beteiligten vor der Mediation unterzeichnen (siehe S. 403 f.). Hierbei gibt es wiederum unterschiedliche Erscheinungsformen. Die entsprechenden Verträge können individuell und umfassend für den Einzelfall passend gestaltet werden. Alternativ stehen Musterverträge zur Verfügung, deren Gehalt die Parteien und der Mediator durch eine einfache Verweisklausel für sich und ihr Verfahren in Geltung setzen können (hierzu sogleich mehr). Zwar bedeutet die Gestaltung dieses Rechts der Mediation im Vergleich zum Gerichtsverfahren einen gesteigerten Organisationsaufwand und somit auch eine gesteigerte Verantwortung. Damit einher geht aber zugleich eine ungleich größere Freiheit, bereits bei der Wahl und Gestaltung des Verfahrens privatautonome, eigene Entscheidungen zu treffen.28 Diese Gestaltung sollte – ob selbst entwickelt oder in Form eines Musters – zumindest die in Kasten 8 dargestellten Fragen beantworten.29 Sollte das geplante Mediationsgesetz gemäß dem bereits erwähnten Regierungsentwurf in Kraft treten, wird man zukünftig zusätzlich die Frage zu beantworten haben, ob neben dem Gesetz zusätzliche Regelungen erforderlich oder gewünscht sind oder ob von einzelnen Bestimmungen dieses Gesetzes im Einzelfall durch vertragliche Regelung abgewichen werden kann und soll.30 Regelungsgegenstände von Mediationsvereinbarung und Mediatorvertrag ●











Wann und wodurch wird das Verfahren ausgelöst? Wie verhält sich dieses Verfahren zu Parallelverfahren, beispielsweise einer Klage oder einem selbständigen Beweisverfahren? Werden von dem Verfahren materiellrechtliche Folgen (z. B. Verjährung, Haftungsverschärfungen) betroffen? Wer soll das Verfahren als Mediator leiten bzw. wie kann diese Person bestimmt werden? Welche Personen sollen auf Seiten der Konfliktparteien teilnehmen? Welchen Inhalt soll das Verfahren haben, was verstehen die Parteien unter Mediation, oder welche andere Methode der Konfliktbeilegung soll zum Einsatz kommen?31



Wie kann die Vertraulichkeit der Mediation gewährleistet werden?32



Wie soll das Verfahren beendet werden?

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Erfolgreiche Anwendung von Mediation

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Wer trägt die Kosten des Verfahrens? Wie kann die Durchsetzbarkeit einer in der Mediation gefundenen Einigung sichergestellt werden?33

Kasten 8

Institutionelle und fachliche Unterstützung Wie bei der Frage nach der Auswahl des Mediators bereits angedeutet, stehen auch in Deutschland zunehmend Institutionen bereit, die mediationswillige Konfliktparteien bei der Gestaltung und Organisation ihres Mediationsverfahrens unterstützen (siehe S. 413 f.). Auch innerhalb der Anwaltschaft finden sich mehr und mehr in Fragen der Mediationsplanung und -durchführung geschulte Rechtsanwälte. Neben rein kommerziellen Anbietern haben sich mittlerweile auch universitäre Einrichtungen etabliert, die als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis Schulungs- und Beratungsdienste anbieten.34 Die Nutzung der Dienste solcher Institutionen hat Vor- und Nachteile zugleich. Sie bringt eine erhebliche organisatorische Entlastung mit sich: Fragen der Auswahl und Bezahlung des Mediators, des Ortes des Verfahrens sowie der anzuwendenden sonstigen Verfahrensregeln werden von vielen Institutionen im Rahmen ihrer Musterverfahrensordnungen beantwortet. Gerade die Verwendung solcher Regelwerke bietet den Vorteil, dass Streitigkeiten über den Verfahrensverlauf in ohnehin angespannter Atmosphäre vermieden werden können. Viele dieser Musterverfahrensordnungen sind zudem frei zugänglich, so dass sie auch ohne die sonstige (ggf. kostenpflichtige) Inanspruchnahme der entsprechenden Institution genutzt werden können. Auswahl von Musterverfahrensordnungen35 Deutschsprachige Muster ● Mediationsordnung und Schlichtungsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) (www.dis-arb.de): Anwendbar für nationale wie internationale Streitigkeiten, die Bestellung internationaler Mediatoren oder Schlichter ist möglich. Auch kann das Verfahren im Ausland (auch in anderer Sprache) stattfinden. Die Verfahrensordnung lässt sich formlos für anwendbar erklären. Das Verfahren kann in ein Schiedsverfahren nach der Schiedsordnung der DIS übergeleitet werden. Kosten: Einleitung des Verfahrens: 250 Euro, Gebühr für die Mediatoroder Schlichterbestellung: ab 250 Euro, Mediatorhonorar mangels abweichender Vereinbarung: 300 Euro pro Stunde, Schlichterhonorar 200 Euro bis 400 Euro pro Stunde. Die DIS bietet zudem seit 2010 mit einer Kon-

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Mediation intelligent nutzen fliktmanagementordnung, einer Verfahrensordnung für Adjudikation, einer Gutachtenordnung und einer Schiedsgutachtenordnung weitere passgenaue Verfahrensordnungen für unterschiedliche Konfliktbeilegungsverfahren an. Insbesondere die Konfliktmanagementordnung ist dabei hervorzuheben: Ist diese vertraglich vereinbart, so steht den Parteien im Konfliktfall ein Konfliktmanager zur Verfügung, der sie bei der Auswahl und Ausgestaltung des für den konkreten Konflikt am besten geeigneten Verfahrens berät und mit ihnen hierüber einen verbindlichen Konfliktmanagementplan zu vereinbaren versucht. Die Kosten hierfür belaufen sich auf pauschal 500 Euro für die DIS und auf pauschal 2.500 Euro für den Konfliktmanager. ●







Verfahrensordnung für das Mediationsverfahren des Europäischen Instituts für Conflict Management (eucon) (www.eucon-institut.de): Eine speziell für wirtschaftliche Konflikte konzipierte Mediationsverfahrensordnung mit einem Schwerpunkt auf einer zügigen Streitbeilegung. Enthält umfassende Bestimmungen zur Absicherung der Vertraulichkeit. Kosten: streitwertabhängige Verfahrensgebühr, bestehend aus Grund- und Benennungsgebühr zwischen 1.000 und 7.200 Euro, Honorar des Mediators wird zwischen den Parteien und diesem vereinbart.36 Hamburger Mediationsordnung für Wirtschaftskonflikte der Handelskammer Hamburg (www.hk24.de): Ähnlich der eucon-Verfahrensordnung. Anwendbar sowohl für externe als auch für interne unternehmerische Konflikte. Mindestens eine der Parteien muss einer deutschen Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer angehören. Kosten: streitwert- und aufwandsabhängige Verfahrenspauschale zwischen etwa 100 und 500 Euro, Mediatorhonorar nach Stundensätzen von etwa 150 bis 350 Euro bzw. Tagessätzen von etwa 1.200 Euro bis 2.800 Euro.37 Verfahrensordnung der Schlichtungsstelle der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern und des Münchener AnwaltVereins e.V. zur Beilegung kaufmännischer Streitigkeiten (www.muenchen. ihk.de): Anwendbar auf Streitigkeiten, die einen Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches (HGB) in Ausübung seiner geschäftlichen Tätigkeit oder gesellschaftsrechtliche Verhältnisse einer gewerblich tätigen Gesellschaft betreffen. Wenigstens eine der Parteien muss einer deutschen Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer angehören oder von einem Rechtsanwalt vertreten sein, der Mitglied eines dem Deutschen Anwaltverein angeschlossenen Anwaltvereins ist. Kosten: Verfahrenspauschale zwischen 75 und 2.500 Euro (abhängig von Streitwert und Aufwand), Stundenhonorar des Mediators streitwertabhängig zwischen 150 und 200 Euro.38 Mediationsordnung der DIRO Rechtsanwaltsorganisation EWIV (www. diro.de): praktikable, übersichtliche Verfahrensordnung, die alle wesent319

Erfolgreiche Anwendung von Mediation lichen Regelungspunkte abdeckt und sich formlos zur Anwendung bringen lässt. Die DIRO verfügt über ein Netz von ausgebildeten Wirtschaftsmediatoren, aus denen sie geeignete Personen vorschlagen kann. Kosten: streitwertabhängige Verwaltungsgebühr zwischen 200 und 1.600 Euro, streitwertabhängiges Stundenhonorar für den Mediator in unbenannter Höhe. ●





Schlichtungsordnung der International Chamber of Commerce Deutschland (ICC) (www.icc-deutschland.de): leicht verständliche, gut handhabbare und zugleich umfassende Verfahrensordnung für die Schlichtung von internationalen Wirtschaftskonflikten. Der Schlichter soll das Verfahren „nach freiem Ermessen unter Beachtung der Grundsätze der Unparteilichkeit, Billigkeit und Gerechtigkeit“ durchführen. Kosten: Verwaltungspauschale je nach Streitwert zwischen 2.500 und 8.000 USDollar. Die Gebühren des Schlichters werden prozentual abfallend nach dem jeweiligen Streitwert berechnet.39 Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe (Bankenombudsmann) des Bundesverbandes Deutscher Banken (BDB) (www.bankenverband.de): Der vom Vorstand des BDB berufene Bankenombudsmann soll Streitigkeiten zwischen Banken und ihren Kunden schlichten. Sein Spruch ist für den Kunden nicht verbindlich, die Banken sind dagegen in Verfahren bis zu einem bestimmten Streitwert hieran gebunden. Die Kosten trägt der Bundesverband. Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) der Arbeitsgemeinschaft für privates Bau- und Architektenrecht im Deutschen AnwaltVerein (www.arge-bauschlichtung.de): Verfahrensordnung speziell für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen an Bauvorhaben Beteiligten. Das Verfahren nach der SOBau umfasst drei Elemente: 1. Ein Schlichtungsverfahren, das mit einem unverbindlichen Spruch des Schlichters endet. 2. Ein isoliertes Beweisverfahren, in dem Sachverständige Gutachten zu strittigen Fragen erstellen, auf deren Grundlage der Schlichter einen verbindlichen Beschluss fällt. 3. Ein Schiedsverfahren zur verbindlichen Streitentscheidung, welches unabhängig von den beiden anderen Elementen eingeleitet werden kann. Schlichter und Schiedsrichter können personengleich sein. Kosten: Für die Schlichtung und das isolierte Beweisverfahren wird je nach Zeitaufwand des Schlichters ein Stundenhonorar mit einem Satz von ca. 200 Euro berechnet. Dem Schiedsrichter steht höchstens eine dreifache 13/10 Rechtsanwaltsgebühr zu, wobei für die Berechnung ein Mindeststreitwert von etwa 25.000 Euro angesetzt wird.

320

Mediation intelligent nutzen Englischsprachige Muster ●







European Mediation Procedure des CPR Institute for Dispute Resolution (www.cpradr.org): Einfache Verfahrensordnung mit Anpassungsvorschlägen für die wichtigsten europäischen Rechtsordnungen. Zahlreiche Begleitdokumente zur eigenverantwortlichen Verfahrensorganisation. Kosten: Mediatorhonorar nach individueller Vereinbarung. Model Mediation Procedure des Centre for Effective Dispute Resolution (CEDR) (www.cedr.co.uk): Britisches Verfahrensmuster für Mediationsverfahren ohne sachliche oder örtliche Einschränkung. Detailliert geregelte administrative Unterstützung des Verfahrens durch das CEDR, erläuternde Kommentierungen zu den einzelnen Klauseln. Kosten: Es werden drei unterschiedliche, jeweils sehr detailliert geregelte Abrechnungsmethoden je nach den Parteiwünschen angeboten. Individuelle Vereinbarungen sind teilweise möglich. Commercial Mediation Rules der American Arbitration Association (AAA) (www.adr.org): umfassendes Klauselwerk für Mediationsverfahren in wirtschaftlichen Konflikten unter Leitung der AAA. Zahlreiche Sonderregelwerke für bestimmte Branchen und Regionen verfügbar. Kosten: Verfahrensgebühren von 75 US-Dollar pro Mediationsstunde, Mediatorhonorar zwischen 125 bis 800 US-Dollar.40 Mediation Rules des World Intellectual Property Organization (WIPO) Arbitration and Mediation Center (www.arbiter.wipo.int): Verfahrensordnung nicht nur für Streitigkeiten im Bereich des geistigen Eigentums. Einbindung anderer alternativer Konfliktlösungsverfahren durch den Mediator ist vorgesehen. Kosten: Verwaltungsgebühr von 0,1 Prozent des Streitwertes, maximal 10.000 US-Dollar Mediatorhonorar, nach Stunden(300 bis 600 US-Dollar) bzw. Tagessätzen (1.500 bis 3.500 US-Dollar).

Kasten 9

Ein Nachteil der Verwendung entsprechender Muster mag darin liegen, dass die Parteien sich nicht mehr gleichermaßen aktiv in die Gestaltung ihres Verfahrens einschalten, sondern sich allein auf das Muster verlassen. Verwenden Sie solche Muster daher in dem Bewusstsein, dass sämtliche darin enthaltenen Regeln nur Vorschläge sind, die Sie zusammen mit Ihrem Verhandlungspartner und dem Mediator nach Ihren Wünschen abändern können. Zusätzlich führt die Einschaltung einer – jedenfalls kommerziellen – Institution auch zu separaten Verfahrenskosten: Nicht nur der Mediator ist zu entlohnen, auch die ihn vermittelnde und das Verfahren steuernde Organisation wird sich ihre Dienste bezahlen lassen. Demgegenüber sparen Sie allerdings diejenigen Kosten, die Sie für ein eigenständiges Verfahrensdesign durch Ihre Berater aufwenden würden. 321

Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Die Rolle der Rechtsanwälte Auch die Rechtsanwälte der Konfliktparteien können das Mediationsverfahren fachlich unterstützen. Bisweilen lehnen diese die Mediation allerdings aus der Sorge ab, hierdurch Gebühren einzubüßen. Die sonst in Gerichtsprozessen zu verdienenden Honorare sind selbstverständlich Teil des mit der Mediation verbundenen Einsparungspotentials an Konflikt- und Gerichtskosten. Wer als Rechtsanwalt indes das Interesse seines Mandanten an Kostenersparnis als ein (zumindest mittel- und langfristig) auch eigenes Interesse begreift, der wird sich der Frage zuwenden, wie er sein Dienstleistungsangebot um den Baustein der Mediationsberatung und -betreuung ergänzen kann.41 Die vielfältigen, wichtigen Funktionen eines Rechtsanwalts in diesem Zusammenhang lassen sich in vier Kategorien einordnen.

Türöffner zum Verfahren der Mediation Traditionell sind Rechtsanwälte die ersten Ansprechpartner von Konfliktparteien, die in zweiseitigen Verhandlungen auf dem Weg zu einer Konfliktlösung nicht mehr weiterkommen. Damit fällt den Rechtsanwälten bereits bei der Wahl des richtigen weiteren Verfahrens eine Schlüsselrolle zu. Es liegt in ihrer Verantwortung, dem Mandanten aus dem gesamten Spektrum denkbarer Konfliktlösungsmethoden das geeignete Verfahren zu empfehlen.42 Dieses Spektrum zu kennen und die anwaltliche Rolle in jedem der darin enthaltenen Verfahren zu beherrschen, ist Teil professioneller Rechtsberatung.

Anwaltliche Vorbereitung der Mediation Für Mediationsverfahren gilt ebenso wie für zweiseitige Verhandlungen, dass ein wesentlicher Schlüssel zu einem erfolgreichen Abschluss in einer engagierten und umfassenden Vorbereitung liegt.43 Diese richtet sich zunächst an Ihren Mandanten. Sofern Sie es nicht bereits anlässlich der gemeinsamen Entscheidung für die Mediation getan haben, klären Sie Ihren Mandanten genau darüber auf, was ihn im Mediationsverfahren erwartet. Erläutern Sie ihm den Ablauf des Verfahrens, seine Spezifika und die möglichen Ergebnisse. Stellen Sie die Verfahrensregeln dar, und erwägen Sie gemeinsam mögliche Änderungen. Ferner ist es wichtig, den Mandanten über die Rollen aller Beteiligten zu informieren. Stellen Sie klar, dass der Mediator keine bindende, abschließende Entscheidung fällen, sondern allein die Beteiligten bei ihrer gemeinsamen Suche nach einer Lösung des Konflikts unterstützen wird. Damit einher geht eine aktive Rolle des Mandanten, die für ihn zumindest in Gegenwart seines Rechtsanwalts möglicherweise ungewohnt ist. Besprechen Sie mit ihm, inwieweit er zur Ausfüllung dieser Rolle selbst das Gespräch führen oder wann er Ihnen das Feld überlassen soll. Schließlich sollten Sie vor allem auch Ihre eigene Rolle im 322

Mediation intelligent nutzen Mediationsverfahren erklären (hierzu sogleich). Machen Sie deutlich, dass Sie anders als in gerichtlichen oder anderen streitigen Verhandlungen tendenziell zurückhaltender agieren werden. Begründen Sie dies mit der Bedeutung einer eigenständig gefundenen Konfliktlösung, auf die ein Mediationsverfahren abzielt. Auch der Fall als solcher ist vorzubereiten. Dieser Teil der Vorbereitung gleicht im Wesentlichen der typischen Arbeit im Vorfeld von Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren: Gründliches Aktenstudium, die Anforderung weiterer Dokumente, Überlegungen zum Teilnehmerkreis, zu zeitlichen Beschränkungen, zum Umfang der Verhandlungsbereitschaft und zu möglichen Einigungsvorschlägen gehören hierher. Speziell mit Blick auf die Mediation sollten Sie sich auch fragen, welches die zugrundeliegenden Interessen und Bedürfnisse Ihres Mandanten einerseits und seines Verhandlungspartners andererseits sind. Dies wird in der Mediation einer der wesentlichen Ansatzpunkte für die Suche nach Lösungen sein (vgl. Kapitel 6).44 Ferner zielt die anwaltliche Vorbereitung eines Mediationsverfahrens auf dessen organisatorischen Rahmen ab. Auch hierbei erfüllen Sie als Rechtsanwalt eine wichtige Funktion. Das Verfahrensrecht einer Mediation ist größtenteils Vertragsrecht: Wie bereits gesehen, schließen die Konfliktparteien untereinander eine Mediationsvereinbarung ab und verpflichten gemeinsam den Mediator in einem Mediatorvertrag. Bei Gestaltung und Abschluss dieser Verträge ist Rechtsrat unerlässlich. Zuletzt können Sie als Rechtsanwalt Ihren Mandanten auch bei der Auswahl eines geeigneten Mediators unterstützen.

Anwaltliche Beratung in der Mediation Auch während des Mediationsverfahrens können Rechtsanwälte eine bedeutende Funktion für ihre Mandanten und das Verfahren ausüben. Hierbei besteht die Herausforderung darin, seine eigene Rolle den einzelnen Phasen der Mediation anzupassen. Dies erfordert ein nicht geringes Maß an Flexibilität. Zu Beginn der Mediation, wenn es um die Diagnose des Konflikts und die Erforschung der Interessen der Parteien geht, sollten Sie eher eine zurückhaltende Rolle einnehmen und den Mandanten weitgehend für sich selbst sprechen lassen, sofern es nicht um Ausführungen zur Rechtslage geht. Allenfalls können Sie hier bestimmte Informationen beisteuern und gegebenenfalls Schritte des Mediators, die Ihnen risikoreich für Ihren Mandanten erscheinen, kritisch hinterfragen. In den folgenden Phasen steigt der Grad Ihrer Beteiligung: Bei der Bewertung von entwickelten Lösungsoptionen werden Sie diese auf ihre rechtliche Zulässigkeit und Umsetzbarkeit überprüfen und gegebenenfalls auch selbst entsprechende Vorschläge einbringen. Um zu entscheiden, ob eine Lösungsoption den Interessen Ihres Mandanten eher dient als die Nichteinigungs323

Erfolgreiche Anwendung von Mediation alternative eines möglichen Gerichtsprozesses, sollten Sie zugleich die Chancen einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit Fortschreiten des Verfahrens neu überprüfen und Ihren Mandanten entsprechend informieren (vgl. Kapitel 9). Geht es abschließend darum, eine gefundene Lösung in einen rechtswirksamen und vollstreckbaren Vergleich umzusetzen (vgl. Kapitel 10), sind wieder Ihre vertragsgestaltenden Fähigkeiten gefragt.

Mediationsbezogene anwaltliche Beratung nach Abschluss des Verfahrens Die Rolle des Rechtsanwalts im Zusammenhang mit einem Mediationsverfahren endet nicht mit dessen Abschluss. Ist das Verfahren erfolglos geblieben, gilt es, gegebenenfalls weitere zweiseitige Verhandlungen zu führen. Zu deren Vorbereitung können Sie die im Mediationsverfahren erreichten Ergebnisse oder eingetretenen Veränderungen auswerten und verwenden, soweit diese nicht von der Vertraulichkeitsvereinbarung erfasst sind. Wurde in der Mediation eine Einigung erzielt, sind die Einhaltung und notfalls die Durchsetzung im Wege der Vollstreckung sicherzustellen. Auch hierbei spielen Sie als Anwalt eine für den Mandanten wichtige Rolle.

Zusammenfassung Um Mediationsverfahren intelligent einzusetzen und vorzubereiten, sind eine Reihe von Gesichtspunkten zu berücksichtigen: Es ist erstens zu prüfen, ob sich ein bestimmter Konflikt für das Verfahren der Mediation eignet. Nur wer hierfür sensibilisiert ist, kann den Anstoß zur Mediation geben. Es sind sodann zweitens Fragen der Auswahl des Mediators zu beantworten: Welches Qualifikationsprofil sollte er aufweisen? Empfiehlt sich die Verpflichtung mehrerer Mediatoren als Team? Welche Verfahren helfen bei der Verständigung auf eine bestimmte Person, die alle Konfliktparteien als unparteiisch akzeptieren? Drittens schließlich müssen Sie sich sowohl als Konfliktpartei als auch als Mediator der Tatsache bewusst sein, dass Mediationsverfahren selbstorganisierte Verfahren der Konfliktbehandlung sind. Der Organisation des Verfahrens ist daher besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Zur Unterstützung kann die Hilfe von Mediationsinstitutionen oder universitären Forschungseinrichtungen in Anspruch genommen werden. Nicht zuletzt können auch Rechtsanwälte eine wichtige Rolle bei der Organisation und Nutzung von Mediationsverfahren spielen. Wenn sie bereit sind, ihre Funktion den Spezifika des Mediationsverfahrens anzupassen und die hierfür erforderlichen Fähigkeiten zu erwerben, werden Rechtsanwälte auch diesen Bereich der Konfliktbehandlung möglicherweise nicht mehr nur als Bedrohung, sondern auch als interessante Erweiterung ihrer Tätigkeit kennenlernen.

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Mediationsverfahren institutionalisieren

Im vorangegangenen Kapitel haben uns Fragen des Einsatzes und der Planung von Mediationsverfahren beschäftigt. Es ging dort um die ad hoc initiierte Nutzung der Mediation zur Lösung einzelner, im Wirtschaftsleben auftretender Konflikte. Wie aber lässt sich die Mediation im Rahmen eines professionellen Konfliktmanagements institutionalisiert in Unternehmen einsetzen? Empirische Untersuchungen zeigen, dass der wirtschaftliche Nutzen der Mediation am größten ist, wenn diese nicht nur zufällig von Fall zu Fall, sondern als Teil eines systematischen Managements von Konflikten erfolgt.1 Vor allem dann lassen sich direkte und indirekte Konfliktkosten – wie beanspruchte Managementzeit und Geschäftsablaufstörungen – spürbar reduzieren. Es lohnt sich, hierüber genauer nachzudenken. In einem ersten Abschnitt dieses Kapitels werden wir den Begriff des Konfliktmanagementsystems erläutern und die Vorteile des Einsatzes eines solchen Systems an einem Beispiel aus der Praxis illustrieren. Im zweiten Abschnitt befassen wir uns mit denjenigen Elementen eines Konfliktmanagementsystems, die in externen Konflikten zwischen Unternehmen die Mediation verstärkt zum Einsatz bringen können. Der dritte Abschnitt beleuchtet Besonderheiten beim Einsatz von Konfliktmanagementsystemen für Konflikte innerhalb eines Unternehmens. Ausgehend von Beispielen aus der US-amerikanischen Praxis betrachten wir hier auch den arbeitsrechtlichen Rahmen in Deutschland als Grenze und zugleich Ansatzpunkt für die Gestaltung von Konfliktmanagementsystemen. Im vierten Abschnitt geben wir praktische Hilfestellungen für die erfolgreiche Entwicklung und Implementierung solcher Systeme.

Konfliktmanagementsysteme Zur institutionalisierten Anwendung von Mediationsverfahren bei wirtschaftlichen Konflikten bietet sich als integriertes Konzept der Aufbau eines sogenannten Konfliktmanagementsystems in Unternehmen an. Ein solches System besteht aus einem Satz von Regeln, denen der Umgang mit Konflikten unterworfen wird. Darin wird versucht, die bisherigen Methoden der Konfliktbehandlung zu analysieren, möglicherweise auftretende Konflikte zu antizipieren und diese systematisch einem geeigneten Konfliktlösungs325

Erfolgreiche Anwendung von Mediation verfahren zuzuführen. Es geht um die Schaffung eines Regelgefüges zur planvollen und differenzierten Konfliktbehandlung. Ausgangspunkt der Gestaltung eines Konfliktmanagementsystems ist ein Wandel im Konfliktverständnis: Wer auf Konflikte nur reagiert, versteht sie allein als unternehmerisches Risiko. Wer sie dagegen als einen normalen Vorgang erkennt und das in ihnen angelegte Potential für Kreativität und Motivation berücksichtigt, versteht sie auch als unternehmerische Chance zur Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung von persönlichen und geschäftlichen Beziehungen sowie als Ausgangspunkt neuer Ideen. Zudem sind Konfliktbewältigungskosten nicht fix, sondern variabel und damit minimierbar. In den USA arbeiten zahlreiche namhafte Unternehmen mit Konfliktmanagementsystemen (Dispute Resolution Systems). In vielen Fällen sind derartige Systeme noch auf die Anwendung in betriebsinternen Konflikten mit bzw. zwischen Arbeitnehmern beschränkt. Denkbar ist jedoch durchaus auch die Einbeziehung von Konflikten zwischen unternehmerischen Einheiten eines Konzerns oder von externen Konflikten mit Kunden und Zulieferern. Als Pionier dieser Entwicklung gilt das Technologieunternehmen Motorola Inc., welches bereits im Jahr 1985 auf Initiative seines damaligen Syndikus Richard Weise den Umgang mit Konflikten zu systematisieren begann.2 Ein wesentliches Ziel des Motorola-Systems ist es, Konflikte möglichst frühzeitig beizulegen. Ausgangspunkt war die Annahme, dass mit Fortschreiten eines Konflikts dessen Kosten exponentiell steigen. Diese These konnte später bestätigt werden: So wurden bei Motorola im Jahre 1993 die Kosten für typische Arbeitsrechtsstreitigkeiten erfasst. Hierzu wurde der Ablauf eines solchen Konflikts in drei Phasen unterteilt. Die erste Phase umfasste die anfänglichen Gespräche mit den Betroffenen und der Rechtsabteilung sowie die erste Kontaktaufnahme mit externen Rechtsanwälten und die Sichtung von Dokumenten. Bis zum Abschluss dieser Phase der Konfliktbearbeitung fielen etwa jeweils 17.000 bis 20.000 USDollar an. Als zweite Phase wurden Zeugen- und Expertengespräche, das Zusammenstellen von Beweismaterial und gegebenenfalls Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes definiert. Am Ende dieser Phase hatte der Konflikt im Durchschnitt bereits Kosten von etwa 80.000 bis 110.000 US-Dollar verursacht. Der eigentliche Gerichtsprozess inklusive seiner unmittelbaren Vorbereitung bildete schließlich die dritte und letzte Phase. Wurde der Konflikt bis zum Abschluss dieser Phase verfolgt, führte er zu Gesamtkosten von jeweils rund 190.000 bis 250.000 US-Dollar (vgl. Abbildung 1).3

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Mediationsverfahren institutionalisieren

Abbildung 1: Konfliktkosten bei Motorola Inc.

Um Konflikte in einer möglichst frühen Phase beizulegen, wurde beschlossen, alternative Verfahren der Konfliktbeilegung wie die Mediation verstärkt zum Einsatz zu bringen. Hierzu installierte Motorola ein Konfliktmanagementsystem, und zwar in erster Linie für externe Konflikte. Danach war bei Konflikten einer bestimmten Größenordnung von dem damit befassten Syndikus ein Bewertungsformular (screen) auszufüllen. Dieses sollte zu einer sachlichen Einschätzung zwingen, ob sich die fragliche Streitigkeit für ein alternatives Konfliktbeilegungsverfahren eignet. Eine Kopie des ausgefüllten Formulars war sodann an einen speziellen Koordinator des Konfliktmanagementsystems weiterzuleiten, der dem betroffenen Anwalt beratend in Fragen der Verfahrenswahl zur Seite stand. Zur Kontrolle wurde vierteljährlich ein Statusbericht erstellt, der sämtliche Syndizi über alle mittels des Formulars erfassten laufenden Sachen informierte. Hierdurch wurden Syndizi, die einen Streitfall zu Beginn nicht in ein alternatives Verfahren geleitet hatten, an diese Möglichkeit erinnert, und der Chefsyndikus zugleich darüber informiert, welche Verfahren nicht auf diesem Weg behandelt wurden. In den ersten vier Jahren nach Einführung dieses Systems im Jahre 1986 konnten die in einem bestimmten Geschäftsbereich gegen Motorola geführ327

Erfolgreiche Anwendung von Mediation ten Prozesse in Handelssachen von 70 auf 23 jährlich reduziert werden, obwohl der Umsatz dieses Geschäftsbereichs in derselben Zeit von 2,25 Milliarden auf 3,5 Milliarden US-Dollar stieg. Im Jahre 1993 wurden von siebzehn typischen Arbeitsrechtsstreitigkeiten elf in der ersten und fünf in der zweiten Phase beigelegt, so dass nur noch ein Fall zu Gericht kam. Mittlerweile sind zahlreiche Unternehmen in den USA dem Beispiel Motorolas gefolgt. So werden Konfliktmanagementsysteme (dort zumeist mit Blick auf betriebsinterne Konflikte mit Mitarbeitern) in Firmen wie Halliburton Co., Shell, General Electric oder der US-amerikanischen Post betrieben.4 Auch in Deutschland gibt es eine ganze Reihe von Initiativen zur Etablierung entsprechender Systeme, beispielsweise in der Maritim Hotelgesellschaft mbH, der HessenChemie, im E.ON-Konzern oder der Siemens AG (hierzu später).5

Systematisches Management externer Konflikte Ein Konfliktmanagementsystem kann zum einen Elemente umfassen, die auf den Einsatz von Mediationsverfahren bei externen Konflikten zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen, z. B. zwischen einem Hersteller und seinem Zulieferer, abzielen. Zwar liegt hier die Wahl der Art der Konfliktlösung nicht allein in der Hand eines beteiligten Unternehmens. Erforderlich ist vielmehr eine Verständigung mit dem jeweiligen Konfliktpartner. Dennoch lässt sich auch insofern der Einsatz von Verfahren wie der Mediation institutionalisieren. In externen Konflikten zwischen Unternehmen scheitert der Einsatz von Mediationsverfahren oftmals an einer sehr einfachen strategischen Barriere: Mediationsverfahren sind drittunterstützte Verhandlungen. Wer den Anstoß zu einem Mediationsverfahren gibt, sendet daher das Signal aus, verhandlungsbereit zu sein. Verhandlungsbereitschaft wiederum wird aber landläufig verbunden mit Nachgiebigkeit, vielleicht sogar mit Schwäche der eigenen Position. Ein solches Signal wollen Parteien im Konflikt regelmäßig nicht aussenden. Demgemäß scheuen sie sich, ein Mediationsverfahren anzuregen. Zwar gibt es viele rationale Gründe, diese oder andere Formen der alternativen Streitbeilegung einem Gerichtsverfahren vorzuziehen: Vertraulichkeit, kurze Verfahrensdauer, geringe Verfahrenskosten sowie die Überwindung strategischer, kognitiver und struktureller Einigungshindernisse. Hinzu treten die Ausschöpfung von Wertschöpfungspotentialen, Lösungspakete, in denen die Parteiinteressen umfassender abgebildet sind als in den gegebenen Rechtsansprüchen, die Erhaltung von (Geschäfts-)Beziehungen sowie ggf. die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft. Um kein (vermeintliches) Signal der Schwäche auszusenden, gehen diese Aspekte aber gelegentlich unter. Dann kommt ein Mediationsverfahren allen328

Mediationsverfahren institutionalisieren falls noch aufgrund von gesetzlichen Anordnungen zur Anwendung, die jedoch im deutschen Rechtsraum erst im Aufbau und bislang wenig praxisrelevant sind. Insbesondere machen solche Vorschriften Überlegungen zum privatautonomen Konfliktmanagement nicht überflüssig. Schließlich kann dieses schon im Vorfeld verhindern, dass ein Konflikt überhaupt vor die Gerichte kommt bzw. kommen soll und somit in den Anwendungsbereich der betreffenden gesetzlichen Anordnungen fällt. Allgemein gesetzlich angeordnete Schlichtungsverfahren in Deutschland In § 15a des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung (EGZPO) hat der Bundesgesetzgeber den Bundesländern die Möglichkeit eingeräumt, obligatorische Streitschlichtungsverfahren landesgesetzlich anzuordnen. Von dieser Ermächtigung machen die Bundesländer in unterschiedlichem Umfang Gebrauch.6 Hiervon sind allerdings nur Fälle bis zu einem Gegenstandswert von 750 Euro erfasst. Zudem bestehen einfache Möglichkeiten, dem gesetzlichen Zwang zu entgehen.7 Hinzu kommt, dass hier nach dem „Gießkannenprinzip“ sämtliche, den Schwellenwerten unterliegende Fälle ohne jede Analyse der Art und Eignung des jeweiligen Konflikts einem Schlichtungsverfahren zugeführt werden,8 das häufig nicht nach den Grundsätzen der Mediation durchgeführt wird. So sind die Güteverfahren nach § 15a EGZPO oft rechtsförmig ausgestaltet und auf einen vom Schlichter vorgegebenen Schlichtungsspruch ausgerichtet. Die Vorteile einer tatsächlich privatautonomen Beilegung des Konfliktes, die Realisierung wertschöpfender Kooperationsgewinne und die Entwicklung eines beiderseits interessengerechten Ergebnisses treten daher häufig in den Hintergrund.9 Entsprechend hat eine im Jahre 2006 erhobene Evaluation der Jahre 2002 bis 2004 ergeben, dass in weniger als 1 % aller Verfahren eine Schlichtung nach § 15a EGZPO stattgefunden hat.10 Daneben ist in § 278 Abs. 5 S. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Möglichkeit einer gerichtlichen Anregung zur Durchführung einer alternativen Konfliktlösung vorgesehen. Der für alle zivilgerichtlichen Verfahren zwingend vorgeschriebene Gütetermin kann danach durch eine vom Richter vorgeschlagene „außergerichtliche Streitschlichtung“ ersetzt werden. Erste praktische Erfahrungen zeigen, dass die Richter von dieser Ermessensnorm mit ihrem weiten Tatbestandsspielraum („in geeigneten Fällen“) bislang praktisch kaum Gebrauch machen.11 Ob die im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Mediationsrichtlinie vorgesehene Möglichkeit der richterlichen Anregung einer außergerichtlichen oder auch gerichtsinternen Mediation hieran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.12 Kasten 1

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Erfolgreiche Anwendung von Mediation Um die strategisch bedingte Barriere („Signal der Schwäche“) auf dem Weg zur verstärkten Nutzung von Mediationsverfahren unabhängig von gesetzlichen Anordnungen bei externen Konflikten zu überwinden, bieten sich im Rahmen eines Konfliktmanagementsystems die folgenden Instrumente an.13

Selbstbindungsmechanismen Stellen Sie sich vor, Sie könnten in einem Konflikt Ihrem Verhandlungspartner glaubhaft vermitteln, dass Sie nicht zufällig gerade nur in diesem, sondern in allen Konflikten zunächst immer das Verfahren der Mediation zur Konfliktlösung ernsthaft erwägen und bei vermeintlicher Eignung auch vorschlagen. In diesem Fall ließe sich Ihrer Initiative zur Mediation nicht mehr ein scheinbares Eingeständnis von Verhandlungsschwäche, sondern vielmehr ein Signal des systematischen Umgangs mit Konflikten entnehmen. Die strategische Barriere zum Anstoß eines Mediationsverfahrens wäre überwunden. Wie aber kann eine solche Mitteilung mit der erforderlichen Glaubhaftigkeit kommuniziert werden? Einen denkbaren Weg stellt die vorherige Abgabe einer Selbstbindungserklärung dar. Danach erklären Sie, in allen Konflikten vorrangig die Mediation oder andere alternative Konfliktlösungsverfahren anzustreben. Auf diese Erklärung können Sie sodann in jedem Einzelfall verweisen. Sie kann beispielsweise Teil der veröffentlichten Unternehmenspolitik bzw. -philosophie (z. B. im Internetauftritt oder in PR-Broschüren) sein. Eine Studie aus dem Jahre 2005 hat ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes alternativer Streitbeilegungsmethoden umso höher ist, je deutlicher das Bekenntnis dazu zum Unternehmensleitbild gehört.14 Aber auch ein nur unternehmensintern publizierter Vorstandsbeschluss zur generellen Unterstützung der Mediation, wie er bei dem Energieunternehmen STEAG AG im Jahre 1998 gefasst wurde, kann die bezweckte Referenzwirkung entfalten, da extern auf ihn verwiesen werden kann.15 Ähnliches gilt für das Beispiel des Bayerischen Brauerbund e.V., der – als Dachverband potentieller Konfliktparteien – die Vermittlung in Konflikten zwischen seinen Mitgliedern in seiner Satzung zu seinem Vereinszweck gemacht hat.16 Eine noch stärkere Selbstbindungswirkung haben Verpflichtungserklärungen, die bei einer externen, neutralen Stelle hinterlegt werden. Alle Unterzeichner einer solchen Erklärung bekräftigen darin die Absicht, in den zwischen ihnen auftretenden Konflikten vor der Einleitung gerichtlicher Schritte immer zunächst die Durchführung einer Mediation zu erwägen. Auch wenn hieraus noch keine Rechtspflicht folgt, erleichtert eine solche Erklärung (selbst gegenüber Parteien, die nicht zu den Unterzeichnern gehören) die Initiative zu einem Mediationsverfahren im Einzelfall.17 330

Mediationsverfahren institutionalisieren In den USA haben mittlerweile ca. 4.000 Unternehmen, darunter auch amerikanische Tochterunternehmen deutscher Konzerne wie der Siemens AG oder der Volkswagen AG, beim CPR International Institute for Conflict Prevention & Resolution in New York folgende Erklärung (pledge) im sogenannten „CPR Corporate Policy Statement on Alternatives to Litigation ©“ hinterlegt:18 „We recognize that for many disputes there is a less expensive, more effective method of resolution than the traditional lawsuit. Alternative dispute resolution (ADR) procedures involve collaborative techniques which can often spare businesses the high costs of litigation. In recognition of the foregoing, we subscribe to the following statements of principle on behalf of our company and its domestic subsidiaries: In the event of a business dispute between our company and another company which has made or will then make a similar statement, we are prepared to explore with that other party resolution of the dispute through negotiation or ADR techniques before pursuing full-scale litigation. If either party believes that that dispute is not suitable for ADR techniques, or if such techniques do not produce results satisfactory to the disputants, either party may proceed with litigation.“ Ebenfalls in der Absicht, die Initiative zu Mediationsverfahren zu erleichtern, haben ca. 1.500 Rechtsanwaltskanzleien das „CPR Law Firm Policy Statement on Alternatives to Litigation ©“ unterzeichnet: „We recognize that for many disputes there may be methods more effective for resolution than traditional litigation. Alternative dispute resolution (ADR) procedures – used in conjunction with litigation or independently – can significantly reduce the costs and burdens of litigation and result in solutions not available in court. In recognition of the foregoing, we subscribe to the following statements of policy on behalf of our firm: First, appropriate lawyers in our firm will be knowledgeable about ADR. Second, where appropriate, the responsible attorney will discuss with the client the availability of ADR procedures so the client can make an informed choice concerning resolution of the dispute.“ Kasten 2

Eine ähnliche Absichtserklärung haben im Frühjahr 2002 die Vertreter von 68 US-amerikanischen Versicherungsunternehmen mit Blick auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York, Pennsylvania und Virginia unterzeichnet. Sie vereinbarten, Regulierungsstreitigkeiten untereinander 331

Erfolgreiche Anwendung von Mediation anlässlich der Anschläge ebenfalls vorrangig durch Verhandlungen und Mediation lösen zu wollen, ohne allerdings ihr Klagerecht einzuschränken.19 Auch in Deutschland sind vergleichbare Mechanismen einer multilateralen Verpflichtung denkbar. Hierzu bieten sich Unternehmen derselben Branche als Kerngruppe einer entsprechenden Erklärung an, welche dann auch von Zulieferfirmen und weiteren Unternehmen unterzeichnet und so in ihrem Anwendungsbereich erweitert werden kann.

Mediationsklauseln Schiedsklauseln gehören im Wirtschaftsleben zur gängigen Vertragspraxis. Zunehmend enthalten Vertragswerke daneben oder isoliert auch Mediationsklauseln, durch die Streitigkeiten aus der Durchführung des Vertrags einem Mediationsverfahren zugeführt werden. Auch hierdurch können Sie – diesmal gemeinsam mit Ihrem Verhandlungspartner – das strategische Problem des „ersten Schritts“ überwinden: Sie verhandeln die Mediationsklausel während der Vertragsverhandlungen und somit in friedlicher(er) Atmosphäre. Ihr Vorschlag zu einer Mediationsklausel wird in dieser Phase nicht in gleicher Weise strategisch hinterfragt wie der Vorschlag zu einem Mediationsverfahren nach dem Auftreten eines Konflikts. Mediationsklauseln empfehlen sich nicht nur in solchen Vertragsbeziehungen, die auf eine längere Zusammenarbeit angelegt sind, auch wenn es in diesen Konstellationen naturgemäß von besonderer Bedeutung ist, dass einzelne Konflikte nicht die Geschäftsbeziehung gefährden, sondern einem effektiven, beziehungsschonenden Verfahren unterworfen werden.20 Im Rahmen eines Konfliktmanagementsystems können Sie in Zusammenarbeit mit Ihrer Rechtsabteilung und Ihren externen Rechtsanwälten dafür vorsorgen, dass die Verwendung von Mediationsklauseln zu Ihrer gängigen Vertragspraxis wird und Sie die Nutzung entsprechender Klauseln regelmäßig gegenüber Ihren Vertragspartnern anregen. Eine Mediationsklausel soll helfen, Konflikte zu beseitigen, nicht neue Konflikte schaffen. Deshalb gilt: Wollen Sie den Nutzen einer Mediationsklausel realisieren, sollten Sie diese sorgfältig gestalten.21 Nichts ist misslicher, als anlässlich eines später auftretenden Konflikts über die richtige Lesart der vereinbarten Konfliktlösungsklausel in weitere Auseinandersetzungen zu geraten. Wohin führt uns etwa die Klausel: „Im Streitfall werden die Parteien ein Mediationsverfahren durchführen“, außer zu den Folgefragen: Wann liegt ein Streitfall vor? Was heißt „ein Mediationsverfahren“? Wer soll dieses leiten? Wo soll es stattfinden? Wer muss daran teilnehmen? Wer bezahlt das Verfahren? Wie wird es beendet? Bei der Formulierung entsprechender Klauseln kommen dieselben Grundsätze zur Anwendung, die wir bereits im Zusammenhang mit der Auswahl 332

Mediationsverfahren institutionalisieren bestimmter Verfahrensregeln kennengelernt haben (vgl. Kasten 8 in Kapitel 12, vgl. S. 317 f.). Besonderheiten ergeben sich allerdings daraus, dass es anders als bei der dort untersuchten nachträglichen Organisation der Mediation angesichts eines entstandenen Konflikts hier um die vorsorgliche Vereinbarung eines Mediationsverfahrens geht (vgl. S. 325 f.). Da der Konflikt zum Zeitpunkt der Vereinbarung einer solchen Klausel noch gar nicht entstanden ist, kann diese nur pauschal formuliert werden. Die in der Praxis verwendeten Klauseln verweisen denn auch zumeist sämtliche Streitigkeiten aus dem Vertrag und seiner Durchführung in ein und dasselbe Verfahren. So hat beispielsweise der Energiekonzern E.ON in seiner Vereinbarung über die Kooperation zwischen den Betreibern von in Deutschland gelegenen Gasversorgungsnetzen gemäß § 20 Abs. 1b EnWG einen obligatorischen Mediationsversuch festgehalten. Danach ist primär der Verhandlungsweg zu beschreiten. Im Falle des Misserfolges müssen sich die Vertragspartner auf einen Mediator einigen, oder dieser wird von den entsprechenden Verbänden bestimmt. Schließlich bleibt noch der Gang zum Schiedsgericht.22 Um den strategischen Vorteil einer vorsorglichen Verständigung nutzen und zugleich das spätere Verfahren flexibler als mit einer solchen Standardklausel dem einzelnen Konflikt anpassen zu können, ist aber auch folgendes, abgestuftes Vorgehen möglich: In Ihrer Klausel verpflichten Sie sich nicht auf die Durchführung eines bereits benannten, spezifischen Verfahrens, sondern in einem ersten Schritt allein auf eine gemeinsame Fallanalyse und Verfahrensberatung durch einen Mediator oder eine Mediationsinstitution. In dieser Sitzung werden der Konflikt analysiert und das für seine Lösung geeignet erscheinende Verfahren ausgewählt oder gestaltet. Dieses Verfahren wird sodann in einem zweiten Schritt zur Anwendung gebracht. Die Verpflichtung zur Teilnahme hieran kann – ebenso wie bei einer einfachen Mediationsklausel – wiederum bereits in dieser qualifizierten Mediationsklausel selbst enthalten sein. Abweichend hierzu kann von vornherein ein Mediationsverfahren für den Fall der Nichteinigung bezüglich des durchzuführenden Verfahrens vorgesehen werden. In einer solchen qualifizierten, abgestuften Klausel lassen sich auch bereits bestimmte Vorverständigungen über Gegenstände treffen, über die erfahrungsgemäß im Konfliktfall schwieriger eine Einigung gefunden wird. Zu denken ist dabei in erster Linie an die Bestimmung eines Mediators oder eines Auswahlmechanismus’ zu seiner Bestimmung samt der Festlegung des Anforderungsprofils für seine Person. In der Praxis sehen beispielsweise die ADR Rules der Internationalen Handelskammer in Paris (International Chamber of Commerce, ICC) einen solchen Mechanismus vor.

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Erfolgreiche Anwendung von Mediation Auszug aus Artikel 5 der ICC ADR Rules23 „Conduct of the ADR Procedure 1. The Neutral and the parties shall promptly discuss, and seek to reach agreement upon, the settlement technique to be used, and shall discuss the specific ADR procedure to be followed. 2. In the absence of an agreement of the parties on the settlement technique to be used, mediation shall be used.“ Kasten 3

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die neue „Konfliktmanagementordnung“ der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Bei deren Vereinbarung lassen sich die Parteien im Konfliktfall von einem neutralen „Konfliktmanager“ über geeignete Konfliktlösungsverfahren beraten und streben unter dessen Leitung die Vereinbarung eines Konfliktmanagementplans an.24 Mit dem Einsatz von Mediationsklauseln ist gegenüber dem Versuch einer Ad-hoc-Verständigung allerdings auch ein gewisses Risiko verbunden, welches hier nicht verschwiegen werden soll. Dieses ist ökonomischer Natur und basiert auf der durch eine Mediationsklausel bewirkten Anreizstruktur für die Vertragsparteien: Wenn Sie wissen, dass Sie im Falle eines Vertragsbruchs nicht unmittelbar die volle „Härte des Gesetzes“ trifft, sondern zunächst ein Mediationsverfahren durchgeführt wird, und wenn Sie weiter annehmen, dass in diesem Mediationsverfahren ein Ergebnis erzielt wird, welches Sie weniger hart trifft als ein Gerichtsurteil („Wir werden uns schon irgendwo in der Mitte unserer Positionen einigen.“), so verändern sich Ihre Anreize bzgl. eines Vertragsbruchs. Dieser wird potentiell „billiger“ und fällt möglicherweise preiswerter aus als der Schaden, den Sie der anderen Partei durch ihn zufügen. Das Mediationsverfahren kann dann also insgesamt zu (volkswirtschaftlichen) Effizienzverlusten führen.25 Dieser Effekt ist allerdings im Falle einer vorherigen Verständigung im Wege einer Mediationsklausel geringer als dann, wenn lediglich eine Partei (berechtigt) erwartet, dass ein Mediationsverfahren ohne eine solche Klausel durchgeführt wird: Während im letzteren Fall die Aussicht auf ein Mediationsverfahren am Vertragskalkül der Parteien nicht teilhat, ist sie im Falle einer Vertragsklausel gewissermaßen mit „eingepreist“ – die Parteien können hier die durch die Klausel bewirkte Anreizstruktur in ihre Erwägungen mit einbeziehen. Dann aber spricht die freiwillige, beidseitige Zustimmung zum Vertrag (zumindest als ein erster Anschein) dafür, dass dieser samt der Mediationsklausel effizient ist. Allerdings setzt die Einbeziehung der anreizverändernden Wirkung in das Kosten-/Nutzen-Kalkül bei der Erwägung einer Mediationsklausel voraus, dass man um diese Wirkung weiß.

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Mediationsverfahren institutionalisieren

Konfliktmanagementverträge In einer umfangreichen Geschäftsbeziehung mit vielen Einzelverträgen ist es möglicherweise sinnvoll, den Einsatz von Mediationsverfahren nicht in jedem dieser Verträge im Wege einer Mediationsklausel aufs Neue zu vereinbaren, sondern eine Rahmenvereinbarung bezüglich der Behandlung der in der Geschäftsbeziehung auftretenden Konflikte insgesamt zu treffen. Ein solcher Konfliktmanagementvertrag kann Teil einer sonstigen, die Geschäftsbeziehung regierenden Rahmenvereinbarung sein. In dieser Gestalt ist er letztlich nichts anderes als eine erweiterte Mediationsklausel. Er kann jedoch auch separat geschlossen werden, gewissermaßen als Grundgesetz für die Lösung von Konflikten zwischen den Beteiligten. Auch die Initiative zum Abschluss eines entsprechenden Vertrages lässt sich als Teil eines umfassenden Konfliktmanagementsystems begreifen. Conflict Resolution Agreement zwischen Bombardier Transportation und Alstom Im Frühjahr 2002 schlossen die Schienenfahrzeughersteller Bombardier Transportation (eine Sparte der kanadischen Bombardier Inc.) und Alstom Transport SA aus Frankreich einen solchen Konfliktmanagementvertrag. Hierzu hieß es in einer Pressemitteilung von Bombardier Transportation vom 16.4.2002: „Bombardier Transportation and Alstom sign conflict resolution agreement Bombardier Transportation and Alstom Transport have concluded an agreement establishing a formal conflict-resolution mechanism, designed to quickly settle any disputes that might arise when they are working on joint projects. The agreement stipulates that, in all cases where such conflicts arise, the matter will be submitted to a neutral mediator. To ensur that disputes are resolved promptly, the mediator is required to present his or her recommendations within 30 days of being appointed. Assuming both parties agree with the recommendations, they will have an additional 30 days to negotiate and enter into a binding agreement putting the matter to rest. Only in cases where one or both parties disagree with the mediator’s recommendations – or where agreement on terms of a settlement cannot be reached within the prescribed 30-day time limit – would they resort to the dispute resolution mechanisms incorporated into the contract in question. As President and COO Pierre Lortie observed, Alstom and Bombardier Transportation have cooperated and shared scope on many projects over the years. This relationship generally has been beneficial to both parties. ‚However, disputes are bound to arise from time to time and – given the rapid growth of the two companies as well the increased com-

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Erfolgreiche Anwendung von Mediation plexity of the industry – we thought it would be a good idea to come up with a Code of Conduct that would facilitate their rapid resolution.‘ Pierre Lortie cited a number of positive outcomes likely to stem from the agreement: ●





efficient resolution of issues, leading to reduced tensions and a mature relationship between the parties; preventing conflicts at the project level from souring relationships at other levels of the two organizations; and providing customers with assurance they will not be held hostage in cases of conflict, therefore reducing risks.“

Kasten 4

Die Verwendung eines solchen oder ähnlichen Konfliktmanagementvertrags hat verschiedene Vorteile: Zum einen erinnert sie die Beteiligten daran, dass Konflikte Teil der wirtschaftlichen Normalität und dementsprechend regelmäßig zu erwarten sind. Dies nimmt später tatsächlich auftauchenden Streitigkeiten ihr Überraschungspotential. Zum anderen führt der institutionalisierte Einsatz von bewusst gewählten und selbst gestalteten Konfliktlösungsverfahren zu einem ökonomisch sinnvolleren Umgang mit Konflikten. Wie durch die anderen, zuvor beschriebenen Formen der Institutionalisierung auch, kann durch einen Konfliktmanagementvertrag der zufällige, sporadische und oftmals holzschnittartige Umgang mit Konflikten („Verhandeln, Vergleichen?, Verklagen!“, vgl. Kapitel 2) durch ein System ersetzt werden, das jeden einzelnen Konflikt einem hierfür maßgeschneiderten Lösungsmechanismus zuführt. Neben diesem unmittelbaren Potential der Kostenminimierung bei der Konfliktbehandlung hat die Nutzung eines solchen Systems einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Effekt: Das Wissen darum, dass auftretende Konflikte professionell behandelt werden, und das geschärfte Bewusstsein um die Kosten von Konflikten, verhindern oftmals ihre Eskalation. Die Verschlechterung bestimmter Geschäftsabläufe bis hin zum Auftauchen erster Streitigkeiten wird nicht als Beginn einer schnell eskalierenden Konfliktspirale, sondern als Teil des Vorhergesehenen und Geplanten verstanden. Wer genau absehen kann, in welchem Verfahren der Konflikt aufgefangen werden wird, agiert und reagiert gelassener. Die häufig eskalationssteigernden, intuitiven Verhaltensweisen im Konflikt werden zurückgedrängt.

Anreizstrukturen für die Nutzung von Mediationsverfahren Wer Mediationsverfahren im Rahmen eines Konfliktmanagementsystems institutionalisiert in externen Konflikten zum Einsatz bringen will, sollte den in seinem Unternehmen an der Behandlung derartiger Konflikte betei336

Mediationsverfahren institutionalisieren ligten Personen und Beratern die richtigen Anreize dafür setzen. Neben der zuvor beschriebenen, strategisch motivierten Scheu zur Initiative zu einem Mediationsverfahren aus Sorge vor einem Signal der Schwäche kann nämlich vor allem die in Unternehmen bestehende Anreizstruktur für bestimmte Konfliktlösungsverfahren den systematischen Einsatz der Mediation behindern. Wichtige Anreize werden in erster Linie durch die Zuweisung der Konfliktkosten innerhalb des Unternehmens gesetzt. Sofern der mit einer konfliktreichen Verhandlung befasste Manager die Zahlung einer Vergleichssumme als Minus in seinem Budget verbuchen muss, besteht für ihn der Anreiz, sich auch bei hohen Risiken gegen ein Nachgeben (auch gerichtlich) zur Wehr zu setzen. Die dadurch verursachten Kosten der Rechtsabteilung sowie die sonstigen Transaktionskosten eines Gerichtsprozesses (Managementzeit, Rechtsanwaltskosten etc.) werden dagegen häufig als Gemeinkosten nicht oder nur teilweise auf die vom Manager verantwortete Kostenstelle umgelegt. Zusätzlich wirkt hier das psychologische Phänomen der sogenannten Verlustaversion26 (vgl. Kapitel 1 und 9): Unsere Risikobereitschaft ist zur Vermeidung von Verlusten regelmäßig größer als zur Realisierung von Gewinnen. In unserem Beispiel wird ein Manager daher zur Vermeidung eines Minus in „seinem“ Budget in Form einer vergleichsweisen Zahlung möglicherweise selbst dann auf die Durchführung eines Prozesses drängen, wenn dieser mit enormen Risiken verbunden ist. Teil eines erfolgreichen Konfliktmanagementsystems ist es daher auch, nicht nur das Ergebnis einer bestimmten Konfliktlösung, sondern auch sämtliche auf dem Weg hierzu aufgewendeten Kosten dort zu verbuchen, wo sie ausgelöst werden. Das bringt die persönlichen Interessen des verantwortlichen Mitarbeiters mit denen des Unternehmens in Einklang und setzt einen Anreiz zur Wahl des insgesamt effizientesten Lösungsverfahrens.27Auch den eingeschalteten Beratern, vorrangig den Rechtsanwälten, lassen sich durch eine geeignete Vertragsgestaltung die „richtigen“ (Kosten-)Anreize zur Wahl alternativer Konfliktlösungsverfahren wie der Mediation setzen. Der US-amerikanische Konzern General Electric (GE) knüpft die Bezahlung externer Rechtsanwälte in der Vorbereitung streitiger Verfahren mittlerweile an die Bedingung, dass diese binnen kurzer Frist ein sogenanntes early case assessment, also eine frühe Fallbeurteilung, abgeben. Darin sollen die Anwälte sowohl zu Chancen und Risiken des Falls Stellung nehmen als auch begründen, welche Methode der Streitbeilegung sie anraten und wieso sie – gegegebenenfalls – keine Mediation oder andere alternative Form der Streitbeilegung empfehlen. Ohne Erstellung dieses Dokuments wird der Anwalt nicht bezahlt.28 Kasten 5

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Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Systematisches Management interner Konflikte Konflikte innerhalb eines Unternehmens unterscheiden sich in vielfacher Hinsicht von solchen zwischen Unternehmen. Die Strukturen innerhalb von Unternehmen sind besonders konfliktträchtige Gebilde. Dies liegt zum einen an der Vielzahl potentieller Konfliktherde: Arbeitnehmer untereinander, Arbeitnehmer und Vorgesetzte, Betriebsrat und Vorstand (Geschäftsführung), Vorstand (Geschäftsführung) und Aufsichtsrat (Beirat), Unternehmensführung und Gesellschafter, Abteilungen oder Gesellschafter untereinander, einzelne Unternehmen in einem Konzernverbund untereinander oder gegenüber der Konzernleitung – mit der Vielzahl der Beteiligten und ihrer Beziehungen zueinander steigt unweigerlich der potentielle Konfliktstoff. Zudem haben die Betroffenen oftmals sehr gegensätzliche Interessen. Schließlich sind die Konfliktparteien in unternehmensinternen Konflikten in aller Regel weitaus stärker aufeinander angewiesen als in externen Konflikten: Sie verbindet eine gemeinsame Zukunft, sofern nicht die Kündigung oder sonstige Aufhebung der Verbindung eine Konfliktbeendigung ermöglicht. Solche Konsequenzen stellen aber häufig nur die ultima ratio dar. Kündigungen und Neubesetzungen sind kostenintensiv, binden Managementressourcen und gefährden das Arbeitsklima. Bisweilen ist eine persönliche Trennung gar nicht möglich oder nicht erwünscht. Umstrukturierungen des Unternehmens, mit denen abteilungs- oder betriebsübergreifenden, konzerninternen Konflikten begegnet werden soll, sind ebenfalls zeit- und kostenintensiv. Hinzu kommt, dass sie nicht allein wegen der Konfliktanfälligkeit der bisherigen Struktur vorgenommen werden können, sondern zugleich auch zahlreichen anderen wirtschaftlichen Anforderungen genügen müssen. Vor diesem Hintergrund bieten sich Verfahren, die – wie die Mediation – eine Lösung von Konflikten möglichst im Wege der (Neu-)Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft unter Schonung der betroffenen geschäftlichen oder persönlichen Beziehung anstreben, in besonderem Maße an. Es ist daher naheliegend, beim Aufbau eines Konfliktmanagementsystems den verstärkten Einsatz der Mediation insbesondere bei unternehmensinternen Konflikten zu erwägen. So befassen sich die bereits eingangs erwähnten Systeme in Unternehmen wie Shell („Shell Resolve“), General Electric („General Electric Early Dispute Resolution System“) oder in der US-amerikanischen Post („U.S. Postal Redress“) im Wesentlichen mit arbeitsplatzbezogenen Streitigkeiten. Nicht alle diese Programme beruhen seitens der Arbeitnehmer auf Freiwilligkeit. Unabhängig von der Freiwilligkeit der Teilnahme arbeiten die meisten USamerikanischen Programme mit einem System abgestufter Konfliktlösungsverfahren, die gestaffelt nach ihrer Kostenintensität bzw. ihrer Verbindlichkeit zum Einsatz kommen. So werden häufig zunächst strukturierte Gesprä338

Mediationsverfahren institutionalisieren che zwischen den Betroffenen geführt, dann folgt ein Mediationsverfahren, und schließlich steht der Weg zu verbindlichen Verfahren wie der Schiedsgerichtsbarkeit offen. Gepaart mit einer frühen Analyse aufkommender Konflikte und einer Verfahrensberatung durch besonders geschulte Mitarbeiter bzw. einer speziell hierfür geschaffenen Abteilung gelingt es innerhalb solcher Systeme oft, Konflikte in einem sehr frühen Stadium beizulegen. Viele dieser Programme haben denn auch zu erstaunlich positiven Ergebnissen geführt: So konnte beispielsweise das freiwillige Mediationsprogramm der USamerikanischen Post „U.S. Postal Redress“ in den Jahren 2000 und 2001 jeweils über 70 Prozent der dort behandelten Fälle gütlich lösen. Die Zufriedenheit der Beteiligten mit den Ergebnissen lag im Schnitt ebenfalls bei etwa 70 Prozent.29 Indes sollte man sich von den begleitenden Programmbroschüren („For the Benefit of All“) nicht blenden lassen. Nicht selten geht es den Unternehmen im Ergebnis darum, auch in internen Konflikten der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entkommen. Das in den USA praktizierte Jury-System hält immer wieder für Arbeitgeber unliebsame Überraschungen bereit. Die Gefahr, zu Strafschadensersatzzahlungen (punitive damages) in Millionenhöhe verurteilt zu werden, sowie das kostspielige Vorverfahren der pre-trial discovery verstärken die Suche nach anderen Foren der Konfliktlösung und letztlich auch nach einem Ausschluss des regulären Rechtswegs. So ist beispielsweise den Mitarbeitern von Halliburton nach dem dort geltenden Dispute Resolution Program der Weg zu den staatlichen Gerichten in arbeitsrechtlichen Konflikten versperrt: „This means you waive any rights you may have to bring a lawsuit against your employer and to a jury trial regarding any such disputes, including for claims of discrimination based on race, national origin, gender, religion, age or disability under any federal or state civil rights statute“, heißt es in den Informationsbroschüren. Den Arbeitnehmern bleibt demnach in arbeitsrechtlichen Konflikten als letzte Instanz zur Durchsetzung ihrer Rechte nur ein Schiedsverfahren. Dieses können sie erst nach einer Zahlung von 50 US-Dollar beginnen, die übrigen Kosten übernimmt der Arbeitgeber. Ob diese auf den ersten Blick großzügig erscheinende Kostenübernahme dem unbefangenen Urteil der von der AAA oder von JAMS gestellten Schiedsrichter dienlich ist, sei hier dahingestellt. Die verbindliche Vereinbarung von unternehmensinternen Streitbeilegungsmechanismen unter Ausschluss des Rechtsweges, die in Deutschland freilich so auch nicht möglich wären (dazu sogleich Kasten 6), birgt indes auch erhebliche Gefahren. Sie kann dazu führen, dass Unternehmen ihre Arbeitnehmer gleichsam zur Aufgabe der ihnen zustehenden Rechte verpflichten und sie stattdessen auf ein weitgehend „weiches“, extralegales Rechtsschutzsystem verweisen. Denn mit dem Rechtsweg sind den Angestellten zugleich auch ihre wichtigsten Nichteinigungsalternativen und damit die stärkste Quelle ihrer Verhandlungsmacht genommen. 339

Erfolgreiche Anwendung von Mediation Der Fall Jones vs. KBR/Halliburton Dass ein außerrechtliches, ausschließlich privates Konfliktmanagementsystem vor dem Hintergrund des damit verbundenen drohenden Ausschlusses der ihnen verfassungsrechtlich zustehenden Rechte rechtsstaatlich hochproblematisch ist, zeigt anschaulich der Fall Jones vs. KBR/ Halliburton:30 Die 20-jährige KBR/Halliburton-Angestellte Leigh Jones war im Rahmen eines Logistikvertrages mit der US-Army im Irak eingesetzt. Sie machte glaubhaft geltend, von mehreren Arbeitskollegen massiv vergewaltigt, verschleppt und drei Tage lang in einem Schiffscontainer festgehalten worden zu sein. Sie wurde schließlich von Angehörigen der USBotschaft befreit. Nachdem Halliburton den Fall im Rahmen seines „Dispute Resolution Program“ nicht weiter verfolgte und gesammelte Beweise verschwanden, kämpfte sie vier Jahre lang um ihr Recht, vor einem ordentlichen Gericht gehört zu werden. Dies war ihr von Halliburton stets mit dem Verweis auf den mit dem Arbeitsvertrag automatisch unterzeichneten Rechtsverzicht verweigert worden. Am 15.9.2009 entschied ein Bundesgericht in New Orleans im Berufungsverfahren, dass Jones‘ Schadensersatzanspruch nicht von der „Schiedsvereinbarung“ umfasst war.31 Der Weg zu den Gerichten war frei. Der Jones-Fall hatte auch politische Folgen, die für die Praxis von Konfliktmanagementsystemen von erheblicher Bedeutung sind. Nachdem Jones vor dem US-Kongress und dem Rechtsausschuss des US-Senates ausgesagt hatte, verabschiedete der Senat ein Gesetz, das die Auftragsvergabe an Unternehmen begrenzt, die in ihren Arbeitsverträgen verbindliche Schiedsvereinbarungen zur ausschließlich unternehmensinternen Beilegung von Streitigkeiten vorsehen.32 Damit wurde zum ersten Mal der Einsatz von Konfliktmanagementsystemen aufgrund der mit ihnen verbundenen Gefahren für verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte rechtlich begrenzt. Kasten 6

Trotz dieser Exzesse vorrangig in der US-amerikanischen Praxis verbleiben gute und auch rechtlich und moralisch vertretbare Gründe für die Einführung von Konfliktmanagementsystemen. Die Gestaltung solcher Systeme für unternehmensinterne Konflikte kann gleichwohl auch in Deutschland natürlich nur unter Berücksichtigung der hiesigen Rechtsordnung und der hiesigen Unternehmenswirklichkeit gelingen. In erster Linie ist hierbei an das deutsche Individual- und Kollektivarbeitsrecht zu denken, welches der Entwicklung und Implementierung eines Konfliktmanagements durch die Unternehmensleitung Grenzen setzt. Das dadurch geschaffene Schutzniveau darf in Fällen des zwingenden Rechts nicht durch privatautonome Vereinbarungen unterlaufen oder gar einseitig durch die Unternehmensleitung abgewandelt werden. Zugleich bieten die arbeitsrechtlichen Regelungen aber 340

Mediationsverfahren institutionalisieren auch Ansätze für eine Strukturierung der innerbetrieblichen Konfliktlösung, die bei der Gestaltung eines Konfliktmanagementsystems genutzt werden können:33 Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen und Anknüpfungspunkte für ein Konfliktmanagementsystem ●











Der nach § 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in Unternehmen mit mehr als fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern zu bildende Betriebsrat fungiert als gesetzlich vorgesehener Ansprechpartner im Konflikt und als Konfliktlösungsorgan, vgl. §§ 84, 85 BetrVG. Im Rechtsweg vor den Arbeitsgerichten ist einer streitigen Verhandlung nach § 54 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) stets eine Güteverhandlung vorgeschaltet. Nach dem Regierungsentwurf für ein Mediationsgesetz soll das Arbeitsgericht zudem eine außergerichtliche oder gerichtsinterne Mediation vorschlagen können (§ 54a ArbGG n. F.).34 In der Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgebern im Rahmen des Betriebsverfassungsrechts sollen nach § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG Streitigkeiten mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandelt und Vorschläge für die Beilegung von Streitigkeiten gemacht werden. Maßnahmen des Arbeitskampfes sind nach § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG unzulässig. Im Bereich der Mitbestimmung (z. B. §§ 87 Abs. 1, 111–113 BetrVG) dienen die Einigungsstellen nach § 76 BetrVG dem Erzielen gütlicher Lösungen in Konflikten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Betriebsvereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber können als Instrument der konsensualen Konfliktlösung genutzt werden. Insbesondere kann durch Betriebsvereinbarung gemäß § 86 S. 2 BetrVG für das Beschwerdeverfahren nach den §§ 84 ff. BetrVG eine „betriebliche Beschwerdestelle“ anstatt der gesetzlich vorgesehenen Einigungsstelle eingerichtet werden. Die Ausgestaltung einer solchen Beschwerdestelle bietet einen Ansatzpunkt für ein systematisches Management von Konflikten mit Arbeitnehmern.35 Wie sich aus den §§ 2, 4 ArbGG ergibt, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör im arbeitsgerichtlichen Verfahren unabdingbar. Ferner kann der Arbeitnehmer nach § 4 Tarifvertragsgesetz (TVG) auf tarifvertraglich begründete Rechte nicht verzichten. Schiedsvereinbarungen schließlich sind nur für die wenigen, in § 101 Abs. 2 ArbGG genannten Berufsgruppen36 zulässig. Ein dauerhafter Klageverzicht im Rahmen eines Konfliktmanagementsystems, wie er z. B. in dem bereits erwähnten Halliburton Dispute Resolution Program enthalten ist, wäre daher in Deutschland rechtlich unwirksam.37

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Erfolgreiche Anwendung von Mediation



Selbst ein nur vorübergehender (dilatorischer) Klageverzicht, demzufolge der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten erst nach Durchführung eines Mediationsverfahrens offensteht, stößt jedenfalls dann an Grenzen, sofern dadurch unabdingbare Rechte des Arbeitnehmers unterlaufen werden. Das ist beispielsweise in Kündigungsstreitigkeiten der Fall, wenn ein hierfür vorgesehenes Mediationsverfahren voraussehbar nicht in der nach § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für eine Kündigungsschutzklage vorgesehenen Dreiwochenfrist abgewickelt werden kann, so dass die Durchführung der Mediation zu einem Verlust des Klagerechts des Arbeitnehmers führen würde.38

Kasten 7

Selbst innerhalb dieser Schranken und der folglich im Vergleich zum USamerikanischen Rechtsraum weniger großen Gestaltungsfreiheit lässt sich aber auch in deutschen Unternehmen das Potential von Konfliktmanagementsystemen für Kostensenkungen und Motivationssteigerungen realisieren, wie erste praktische Erfahrungen zeigen. Konfliktmanagement in der Maritim Hotelgesellschaft mbH39 Im Jahre 1999 wurde bei der Maritim Hotelgesellschaft mbH die Einführung eines Konfliktmanagementsystems beschlossen. Konflikte sollten besser erkannt, und es sollte aktiv und konstruktiv mit ihnen umgegangen werden. Die erforderlichen finanziellen und personellen Mittel wurden bereitgestellt. Zunächst erhielten sodann ausgewählte Mitarbeiter, u. a. aus dem Gesamtbetriebsrat, Schulungen im Umgang mit Konflikten und dem Einsatz von Mediationstechniken und eine Ausbildung zu sogenannten „Konfliktlotsen“. Anschließend wurde ein Konzept zum weiteren Aufbau eines Konfliktmanagementsystems entwickelt. Besonders konfliktträchtige Bereiche innerhalb des Unternehmens wurden ermittelt und Lösungsvorschläge für die dort auftretenden Konflikte durch die Mitarbeiter erarbeitet. Sodann sollten die Prinzipien des Konfliktmanagementsystems sämtlichen Mitarbeitern in weiteren Schulungen nähergebracht werden. In den einzelnen Betrieben und in der Hauptverwaltung strebte man den (verstärkten) Einsatz alternativer Konfliktbehandlungsmethoden an. Schließlich sollten die durch das System bewirkten Veränderungen nachträglich bewertet werden. Schon nach diesen ersten Schritten waren gewisse praktische Erfolge zu verzeichnen. So haben sich die stellvertretenden Direktoren zweier Hotels der Kette wechselseitig als Mediatoren in Konflikten des jeweils anderen Betriebs angeboten. Mitarbeiter berichten von einer verbesserten Atmosphäre und einer gesteigerten Kompetenz in konfliktträchtigen Gesprächen.

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Mediationsverfahren institutionalisieren Die in der Rechtsabteilung tätigen Juristen beziehen die Möglichkeit von Mediationsverfahren nunmehr stets in die Begutachtung aufkommender Rechtsstreitigkeiten ein und haben bereits erste arbeitsrechtliche Konflikte im Wege der Mediation beilegen können. Die Ergebnisse der Schulungsseminare und die ersten praktischen Erfahrungen wurden der Geschäftsleitung übermittelt, die diese nunmehr bei der weiteren Gestaltung des Konfliktmanagementsystems berücksichtigen kann. Die ehemalige Syndikusanwältin der Maritim Hotelgesellschaft mbH, die an der Initiative zu diesem System maßgeblich beteiligt war, konstatiert, dass bereits nach wenigen Monaten der Vorbereitung ein Wandel in der unternehmensinternen Konfliktkultur stattgefunden habe. Die ersten Erfolge und die positive Resonanz der Beteiligten führt sie vor allem darauf zurück, dass die Mitarbeiter und Betriebspartner in die Entwicklung einbezogen werden und ihre Ideen einbringen können. Dies führe dazu, dass sie sich nun auch mit den angewendeten Verfahren identifizierten und bereit seien, die erlernten Techniken einzusetzen. Kasten 8

Innerbetriebliche Konflikte mit Mitarbeitern sind jedoch nur eine Ausprägung unternehmensinterner Streitigkeiten. Auch Konflikte zwischen einzelnen Unternehmensteilen (etwa zwischen verschiedenen Geschäftsbereichen) oder aber zwischen einzelnen konzernverbundenen Unternehmen zählen dazu. Solche unternehmensinternen Auseinandersetzungen sind häufig weniger persönlich als stärker materiell ausgeprägt: Die Beteiligten kämpfen um ein bestimmtes Ergebnis für ihren Bereich. Sofern der berufliche Erfolg des jeweils Verantwortlichen im Rahmen eines Anreizsystems an die Ergebnisse seines Verantwortungsbereichs gekoppelt ist, werden entsprechende Konflikte häufig besonders verbissen und oftmals ohne hinreichende Berücksichtigung der verursachten Konfliktkosten geführt. Zugleich lassen sich diese Konflikte in den seltensten Fällen durch ein Gericht oder Schiedsgericht beilegen, da die Konfliktparteien entweder derselben juristischen Person angehören oder aber Gerichts- bzw. Schiedsgerichtsverfahren konzernintern möglichst vermieden werden sollen. Auch bietet sich nicht immer eine Konfliktlösung durch Vorgesetzte an. Sofern nämlich der erste gemeinsame Vorgesetzte der Beteiligten auf der Ebene des Vorstands bzw. der Geschäftsführung angesiedelt ist, ist er nicht selten zu weit vom eigentlichen Konfliktfall entfernt. Gleichzeitig erschweren die häufig stark divergierenden Darstellungen des Sachverhalts durch die Beteiligten zusätzlich eine sachgerechte Entscheidung übergeordneter Hierarchieebenen. Vor diesem Hintergrund findet nach einem von der Rechtsabteilung der Siemens AG im Jahre 2002 speziell für diese Art von unternehmensinternen Konflikten entwickelten Konfliktmanagementsystem40 zunächst eine Ver343

Erfolgreiche Anwendung von Mediation handlung zwischen den Beteiligten statt, an der unter Umständen der betroffene Vorgesetzte teilnimmt. Bleibt diese Verhandlung ergebnislos, können beide Seiten die Rechtsabteilung als verantwortliche Stelle für das Konfliktmanagement einschalten. Diese bespricht mit den Beteiligten das weitere Vorgehen. Verfahren der Wahl sind zunächst Schiedsgutachten, da viele derartige Konflikte in erster Linie einen sachlich-technischen und weniger einen rechtlichen Hintergrund haben. Daneben kommen Mediationsverfahren in Betracht, die entweder intern durch die Rechtsabteilung oder durch externe Mediatoren unter administrativer Begleitung der Rechtsabteilung durchgeführt werden. Werden diese Verfahren von den Beteiligten abgelehnt, oder kommt auch hierdurch keine Einigung zustande, so erarbeitet die Rechtsabteilung in Abstimmung mit den Beteiligten eine Entscheidungsvorlage für den Vorstand bzw. die Geschäftsgebietsleitung. Darin gibt sie – ohne eigene Stellungnahme – den wesentlichen Sachverhalt und die maßgeblichen Argumente der Beteiligten wieder. Anhand dieser Vorlage führt sodann der Vorstand bzw. die Geschäftsgebietsleitung eine Konfliktlösung herbei. Als ein weiteres, interessantes Beispiel sei auf das Unternehmen E.ON verwiesen. Es startete 2006 zur Beilegung konzerninterner Streitigkeiten – sowohl zwischen als auch innerhalb der einzelnen Konzerngesellschaften – ein Projekt zur Konzernmediation. Die intern als Mediatoren ausgebildeten Mitarbeiter treten dabei gegenüber den streitenden Parteien zwar als Dritte auf, sind aber zugleich mit dem Konzern und seiner Funktionsweise vertraut. Bei der Mediatorenausbildung, dem verfahrensrechtlichen Rahmen wie auch der Kommunikation des Verfahrens werden die allgemeinen Mediationsregeln durch konzernspezifische modifiziert. Neben seinem Zweck der Streitbeilegung wirkt sich das Projekt nach Angaben von mit dem Projekt betrauten Mitarbeitern auch positiv auf deren Verhandlungs- und Kommunikationsverhalten aus.41 Ein solches transparentes und konsensorientiertes Konfliktmanagement hilft, auch für materielle, unternehmensinterne Konflikte effektive Lösungen zu finden, in denen sich die Beteiligten mit ihren Ansichten wiederfinden und die sich nicht in einer autoritativen Entscheidung durch die Unternehmensleitung erschöpfen. Zudem diszipliniert die Perspektive, dass es jedenfalls im Nichteinigungsfall zu einer solchen Entscheidung käme: Der Anreiz, zu einer einvernehmlichen Konfliktlösung zu finden, steigt.

Prinzipien der erfolgreichen Gestaltung von Konfliktmanagementsystemen Die in den vorangegangenen Abschnitten diskutierten Beispiele zeigen die große Bandbreite für die Ausgestaltung von Konfliktmanagementsystemen 344

Mediationsverfahren institutionalisieren für unternehmensexterne sowie -interne Konflikte. Welches sind die Prinzipien, die diese Ausgestaltung leiten sollten und über Erfolg oder Misserfolg eines entsprechenden Systems entscheiden?42

Analyse des bisherigen Konfliktverhaltens Die sinnvolle Gestaltung eines Konfliktmanagementsystems setzt eine gründliche Analyse des bisherigen Konfliktverhaltens und des Umgangs mit Konflikten voraus: Wo entstehen die meisten Konflikte? Welcher Art sind diese Konflikte (vgl. Kapitel 1)? Wer ist an ihnen häufig beteiligt? Wie wird mit aufkommenden Konflikten umgegangen? Welche Verfahren werden zur Konfliktlösung eingesetzt? Wie effektiv arbeiten diese Verfahren, das heißt: Werden die Konflikte wirklich dauerhaft gelöst? Sind die Beteiligten mit den Lösungen zufrieden? Welche Kosten werden für die Beilegung von Konflikten aufgewendet, und welche Wirkung hat der bisherige Umgang mit Konflikten sowohl intern für die Motivation der Mitarbeiter als auch extern für die Außendarstellung des Unternehmens? Sich diese Fragen zu stellen und sie zu beantworten, erfüllt zwei Funktionen: Zum einen werden Schwachstellen des bisherigen Umgangs mit Konflikten aufgedeckt und somit die Ansatzpunkte für die Gestaltung systematischer Verbesserungen deutlich. Zum anderen wird aber auch die Messlatte für das zu schaffende Konfliktmanagement gelegt. Ohne vergleichbare Ausgangsdaten kann der Erfolg eines solchen Systems nicht beurteilt werden. Schon zur Erhebung des Status quo empfiehlt es sich, die Mitarbeiter aktiv zu beteiligen, wie dies im Beispiel der Maritim Hotelgesellschaft mbH (vgl. Kasten 8) im Rahmen der angebotenen Seminarveranstaltungen erfolgte.

Grundsatzentscheidung der Unternehmensleitung Wird ein Konfliktmanagementsystem eingerichtet, so sollte dieser Schritt (nur) mit der vollen Unterstützung der Unternehmensführung gegangen und entsprechend kommuniziert werden. Erforderlich ist ein Signal, dass das aktive Management von Konflikten Teil der Unternehmenspolitik und der Unternehmensphilosophie werden soll. Ein solches Signal kann beispielsweise in den veröffentlichten „obersten Grundsätzen“ des Unternehmens gesetzt werden. Teil der erforderlichen Unterstützung „von oben“ ist auch die Bereitstellung der nötigen finanziellen und personellen Mittel zur Umsetzung der zu entwickelnden Ideen.

Beteiligung der Mitarbeiter So wichtig die Unterstützung „von oben“ auch ist, so unverzichtbar ist die Akzeptanz eines neuen Konfliktmanagementsystems „in der Breite“. Die Mitarbeiter müssen das System annehmen, soll es im Alltag auch eingesetzt 345

Erfolgreiche Anwendung von Mediation werden und zu Veränderungen führen. Dafür haben sich unterschiedliche Mechanismen als erfolgreich erwiesen: Es ist zunächst hilfreich, die Mitarbeiter über die geplanten Veränderungen von Anfang an zu informieren. Nur wer versteht, zu welchem Zweck und mit welchen Mitteln der Umgang mit Konflikten verändert werden soll, wird sich daran aktiv beteiligen können und wollen. Es empfiehlt sich daher, die Mitarbeiter in Schulungen mit den Grundfragen alternativer Konfliktlösungsmethoden vertraut zu machen. Solche Kurse steigern die Konfliktkompetenz jedes einzelnen und können zu einer dauerhaften Senkung der insgesamt für die Konfliktbewältigung aufgewendeten Kosten führen. Dabei kann gerade solchen Mitarbeitern, die eine entsprechende Begabung und ein entsprechendes Interesse mitbringen, eine besondere Ausbildung zu professionellen „Konfliktmanagern“ oder Mediatoren angeboten werden. Die Vertreter der Rechtsabteilung (vgl. das Beispiel der Siemens AG) sowie vor allem die Mitarbeiter der Personalabteilung bieten sich naturgemäß für eine solche Rolle an. Im Übrigen lassen sich Begabung für und Bereitschaft zum Einsatz alternativer Konfliktlösungsmethoden auch bei der Auswahl und Bewertung von Führungskräften berücksichtigen.43 Bei der Zusammensetzung des konzerneigenen Mediatorenpools legt E.ON z. B. Wert auf die Berücksichtigung bestimmter Kriterien der Mitarbeiter wie Zugehörigkeit zu Konzerngesellschaft, Beruf, Hierarchie, Betriebsstandort, Alter oder Geschlecht. Neben der Information und Schulung der Mitarbeiter ist es förderlich, diese auch an der Ausgestaltung des Systems zu beteiligen. Sie sind die beste Informationsquelle, wenn es darum geht, den bisherigen Umgang mit Konflikten zu analysieren. Ferner haben sie aufgrund ihrer unmittelbaren Erfahrung oftmals viele kreative Ideen zur Konfliktlösung. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter ein neues Konfliktmanagement am ehesten akzeptieren werden, wenn sie Einfluss auf dessen konkrete Ausgestaltung nehmen konnten. In diesem Zusammenhang sei nochmals daran erinnert, wie wichtig die Einbettung eines Konfliktmanagementsystems in die bestehende Konfliktkultur des Unternehmens ist. Die gewachsenen Strukturen, sei es in Form des Betriebsrats, sei es in Form einzelner Mitarbeiter, die sich als Vertrauenspersonen in Konflikten hervorgetan haben, sollten durch ein Konfliktmanagementsystem nicht ersetzt, sondern vielmehr zu dessen Gestaltung eingesetzt werden. Dies betrifft auch die externen Rechtsanwälte. Auch diese sollten bei der Gestaltung des Systems beteiligt werden oder zumindest mit den Mechanismen des neu geschaffenen Konfliktmanagements vertraut gemacht werden.

Bestimmung einer verantwortlichen Stelle Ferner ist zu entscheiden, welche Abteilung im Unternehmen für die Umsetzung des Konfliktmanagementsystems verantwortlich sein soll. Wichtig

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Mediationsverfahren institutionalisieren ist, dass die von dem System Betroffenen einen konkreten Ansprechpartner für alle Fragen der Nutzung und Weiterentwicklung haben und dass die Steuerung des Systems möglichst aus einer Hand erfolgt. Auch bei der Wahl einer verantwortlichen Stelle für das Konfliktmanagementsystem werden Sie vermutlich in erster Linie an die Personal- und/oder die Rechtsabteilung denken. Daneben können Sie die bereits angesprochenen, arbeitsrechtlich vorgegebenen Institutionen einbinden. In Betracht kommen hier vor allem die Einigungsstellen nach § 76 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bzw. eine für das Beschwerdeverfahren nach den §§ 84 ff. BetrVG stattdessen durch Betriebsvereinbarung gemäß § 86 S. 2 BetrVG einzurichtende „betriebliche Beschwerdestelle“, sowie möglicherweise auch der Betriebsrat (vgl. Kasten 7).

Bestimmung der anzuwendenden Verfahren Sodann müssen die Gestalter eines Konfliktmanagementsystems festlegen, welche Verfahren für welche Art von Konflikten zum Einsatz gebracht werden sollen. Wichtig ist hier vor allem, dass Instanzen zur frühzeitigen Erkennung und Beurteilung von Konflikten geschaffen werden. Diese Aufgabe können insbesondere die Leiter des Konfliktmanagementsystems aus der Personal- und/oder Rechtsabteilung in Zusammenarbeit mit den bereits beschriebenen, im Unternehmen ausgebildeten Konfliktmanagern („Konfliktlotsen“) übernehmen. Es muss – bildhaft gesprochen – ein Umschlagplatz für Konflikte zur Verfügung stehen, auf dem die Parteien zu einem geeigneten Lösungsverfahren finden können. Unterstützend lassen sich hier Fallbewertungsformulare ähnlich dem bereits dargestellten screen bei Motorola einsetzen. Ein ähnlicher, allgemein verwendbarer Bewertungsbogen kann über das CPR International Institute for Conflict Prevention & Resolution bezogen werden.44 Als konkrete Verfahren kommen zunächst strukturierte Gespräche in Betracht, die insbesondere aufgrund der vorherigen Schulungen in Mediationstechniken häufig konstruktiver als vor Einrichtung des Systems verlaufen werden. Solche Gespräche können auch genutzt werden, um gemeinsam das weitere Vorgehen in einem Konfliktfall zu vereinbaren. Weiter lassen sich interne Mediationsverfahren vorsehen, die von den im Unternehmen zu Konfliktmanagern oder Mediatoren ausgebildeten Mitarbeitern geleitet werden können. Soll die Erfahrung (oder auch die Neutralität) professioneller Konfliktmanager genutzt werden, oder handelt es sich um unternehmensexterne Konflikte, sind externe Mediationsverfahren unter Leitung einer Mediationsinstitution in Betracht zu ziehen (vgl. Kapitel 12). Schließlich kann erwogen werden, sachliche oder rechtliche Begutachtungen strittiger Fragen durch externe Sachverständige oder Rechtsanwälte oder auch intern durch Mitarbeiter der Rechtsabteilung einzuholen.

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Erfolgreiche Anwendung von Mediation Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, dass die Teilnahme an den beschriebenen Verfahren in betriebsinternen Konflikten für die Mitarbeiter insofern freiwillig sein muss, als dadurch weder der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten abgeschnitten noch zwingende Arbeitnehmerschutzrechte unterlaufen werden dürfen. Verpflichtend kann ein solches System – jedenfalls sofern es den staatlichen Rechtsweg verzögert oder ausschließt – daher lediglich einseitig für das Unternehmen ausgestaltet werden. Jedoch ist auch eine in diesem Sinne asymmetrische Verpflichtung insofern gegebenenfalls sinnvoll, als sie den Arbeitnehmern des betroffenen Unternehmens signalisiert, dass dieses tatsächlich hinter dem eingeführten System steht. Somit steigert diese einseitige Verpflichtung möglicherweise auch die Bereitschaft der Belegschaft zur freiwilligen Teilnahme.

Staffelung der Verfahrensarten Um die Kostenvorteile alternativer Konfliktlösungsverfahren zu realisieren, sollten die in das System integrierten Verfahrensschritte in der Reihenfolge ihrer Kostenintensität gestaffelt werden. Diese entspricht der Reihenfolge der hier gewählten Darstellung: direkte Gespräche, interne oder externe Mediationsverfahren bzw. interner oder externer Sach- oder Rechtsrat, Schieds- bzw. Gerichtsverfahren.45 Mit der Kostenintensität steigt regelmäßig zugleich der Grad der Verbindlichkeit der Verfahren. Auch insofern ist die hier gewählte Reihenfolge sinnvoll, da danach zunächst die weniger verbindlichen Verfahren zur Anwendung kommen und so der Raum für eine selbst gefundene Lösung möglichst lange offengehalten wird. Zugleich empfiehlt es sich, die in der Reihenfolge später gestaffelten Verfahren nicht allein als „Einbahnstraße“, sondern vielmehr als potentielle Schleife (loop back) zurück zu den vorherigen Stufen zu konzipieren. So können zum Beispiel begutachtende Verfahren (Sachverständige, Rechtsrat) ins Stocken geratene direkte Gespräche und Verhandlungen wieder in Gang bringen.

Anpassung der Anreizstrukturen Schließlich sollten im Rahmen des Konfliktmanagementsystems die bereits beschriebenen Kosten-Anreizstrukturen für die Nutzung alternativer Konfliktlösungsverfahren dadurch gesetzt werden, dass alle Kosten der Konfliktbehandlung dort verbucht werden, wo sie verursacht wurden.

Evaluation und Weiterentwicklung Abgerundet wird ein Konfliktmanagementsystem durch Maßnahmen der Evaluation und Weiterentwicklung. In regelmäßigen Abständen durch die Mitarbeiter und die externen (Rechts-)Berater vorgenommene Bewertungen lassen die Veränderungen erkennen, die schon bewirkt wurden, und zeigen 348

Mediationsverfahren institutionalisieren zugleich auf, welche Verbesserungen der zunächst implementierten Struktur noch möglich und sinnvoll sind.

Transparenz und Förderung Wie bereits eingangs dargestellt, sollten die schließlich umgesetzten Ideen zum Konfliktmanagement sodann in einer veröffentlichten Unternehmenspolitik und/oder in einem Handbuch festgehalten werden, um diese auch im Geschäftsalltag für alle Beteiligten sichtbar und leicht handhabbar zu machen. Gegenüber den externen Geschäftspartnern sollten die einschlägigen Elemente des gewählten Konfliktmanagementsystems ebenfalls deutlich gemacht und aktiv gefördert werden. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Möglichkeit der Abgabe einseitiger (bindender) Absichtserklärungen und den Abschluss von Verträgen mit Mediationsklauseln sowie von Konfliktmanagementverträgen. Prinzipien der erfolgreichen Gestaltung von Konfliktmanagementsystemen46 ● ●



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Analyse des bisherigen Konfliktumgangs und seiner Schwachstellen Bewusste Entscheidung der Unternehmensführung, Anstoß zu neuer Unternehmenspolitik im Umgang mit Konflikten Information, Schulung und Beteiligung der Mitarbeiter auf allen Ebenen sowie der externen Berater Ausbildung einzelner Mitarbeiter zu „Konfliktlotsen“ und Mediatoren Bestimmung einer für das System verantwortlichen Stelle unter Integration bestehender Konfliktlösungssysteme (Personalabteilung, Rechtsabteilung, ggf. Betriebsrat etc.) Festlegung anzuwendender Verfahren für unterschiedliche Konfliktsituationen und Bestimmung entsprechender Auswahlkriterien unter Beachtung des arbeitsrechtlichen Rahmens Staffelung der anzuwendenden Verfahren nach Kostenintensität bzw. Verbindlichkeit Schleifen zurück in der Kette der Verfahrensarten Anpassung der Anreizstrukturen durch geeignete Konfliktkostenzuweisungen Evaluation und Weiterentwicklung Transparente Darstellung des Systems nach innen und fördernde Maßnahmen nach außen (Vertragsgestaltung etc.)

Kasten 9

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Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Zusammenfassung Wir haben uns in diesem Schlusskapitel mit Instrumenten einer Institutionalisierung von Mediation befasst. Damit schließt sich der Kreis zum Ausgangspunkt unserer Darstellung: Konflikte sind im Wirtschaftsleben ebenso unvermeidlich wie in allen anderen Lebensbereichen. Das heißt jedoch nicht, dass der Umgang mit wirtschaftlichen Konflikten nicht geplant und systematisch verbessert werden könnte. Anders gewendet: Gerade weil das Auftreten von Konflikten auch in der Wirtschaft nicht vermieden werden kann, drängt sich die Frage nach einem professionellen Konfliktmanagement auf. Hierzu können Mediationsverfahren einen wesentlichen Beitrag leisten. Ihr volles Potential entfalten sie jedoch erst dann, wenn sie nicht nur sporadisch, sondern in geplanter und institutionalisierter Weise zum Einsatz kommen. Ausgehend von einem Wandel im Verständnis von Konflikten und dem Bewusstsein ihrer Kosten kann die Herausforderung einer solchen Institutionalisierung insbesondere durch den Einsatz umfassender Konfliktmanagementsysteme gemeistert werden. Selbstbindungsmechanismen und vertragliche Vereinbarungen zwischen Unternehmen sind Elemente eines solchen Systems im Bereich unternehmensexterner Konflikte. Die Einrichtung von Beschwerdestellen, die Ausbildung einzelner Mitarbeiter zu Mediatoren, die Inanspruchnahme anderer, unternehmensfremder Mediatoren sowie die einseitige Verpflichtung des Unternehmens zur vorrangigen Nutzung der Mediation sind Elemente bezüglich unternehmensinterner Konflikte. Überwölbt werden sollten diese beiden Bereiche eines Konfliktmanagementsystems von einer klaren Unterstützung durch die Unternehmensleitung, einer Analyse des bisherigen und einer Auswertung des zukünftigen Umgangs mit Konflikten, der Bestimmung einer für das Konfliktmanagement verantwortlichen Stelle sowie der Ausrichtung der internen Kosten-Anreizstrukturen auf die Nutzung des jeweils effizientesten Streitbeilegungsmechanismus.

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Die Zukunft der Wirtschaftsmediation

Damit sind wir am Ende unseres Buches angekommen. In den vorangegangenen Kapiteln haben Sie die Methode und das Potential der Mediation kennengelernt. Dabei haben wir gesehen, dass die Mediation in Wirtschaftskonflikten sehr häufig eine attraktive Alternative zur Konfrontation vor einem streitentscheidenden Dritten bietet. Wie aber sieht die Zukunft der Wirtschaftsmediation aus? In der Vorauflage haben wir bereits einen Ausblick gewagt und versucht, diese Frage aus der damaligen Perspektive zu beantworten. Jetzt, acht Jahre später, haben sich viele unserer Erwartungen erfüllt oder sind sogar übertroffen worden. Die Mediation und verwandte Verfahren haben in den vergangenen Jahren eine rasante Entwicklung genommen und sind nun mittlerweile auch in Deutschland neben dem Zivilprozess und Schiedsverfahren als Konfliktbeilegungsmethoden etabliert. Die Mediation findet vielerorts auch in der Ausbildung Berücksichtigung. Neben dem universitären Angebot hat sich dabei ein aktiver und vielfältiger freier Markt für Aus- und Weiterbildung im Bereich ADR etabliert, der maßgeblich von den Mediationsverbänden als den berufsständischen Vereinigungen der Mediatoren getragen wird. Auch in den Unternehmen wird die Mediation zunehmend für die Beilegung innerbetrieblicher Konflikte und von Streitigkeiten zwischen Unternehmen eingesetzt. Viele, auch prominente Unternehmen haben praktische Erfahrungen in der Nutzung der Mediation sammeln können und entwickeln ihre „Werkzeuge“ für die Beilegung von Konflikten anhand dieser Erfahrungen laufend weiter. Einzelne Unternehmen setzen zur Beilegung unternehmensinterner Konflikte zunehmend auf integrierte Konfliktmanagementsysteme. Die gerichtsverbundenen Mediationsprogramme wie etwa das bayerische Projekt Güterichter laufen mit Erfolg und tragen ebenfalls zu einer breiteren Wahrnehmung und stärkeren Nutzung der Mediation auch in breiteren Schichten der Bevölkerung und der Unternehmen bei. Im Kontext dieser Etablierung der Mediation als Streitbeilegungsmethode beobachten wir zwei – durchaus gegenläufige – Trends: Einerseits ist eine stärkere Institutionalisierung der Mediation, getrieben vor allem durch den Gesetzgeber und durch private wie staatliche Ausbildungsanbieter festzustellen. 351

Erfolgreiche Anwendung von Mediation Zu nennen sind hier vor allem die 2008 in Kraft getretene europäische Mediationsrichtlinie sowie das zu ihrer Umsetzung geplante deutsche Mediationsgesetz. Wichtige Motive sind hier die Festlegung bestimmter Mindeststandards für die Qualifikation des Mediators und für die Qualität und Verlässlichkeit des Verfahrens. Auf privater Ebene haben Ausbildungs- und andere Institute ähnliche Standards etabliert. Diese Institutionalisierung verfolgt gewiss bedeutsame Ziele. Gleichwohl führt sie zwangsläufig zu einer gewissen Einengung, sei es in der Definition dessen, was Mediation sein oder nicht sein soll, sei es in der Frage, wer Mediation anbieten oder nicht anbieten können soll. Demgegenüber ist andererseits die wirtschaftliche Praxis von einer erfrischenden Unverkrampftheit im Umgang mit der Mediation und verwandten Verfahren und einer großen Offenheit zur gesamten Palette denkbarer Streitbeilegungsmethoden geprägt. Mehr und mehr setzt sich in Unternehmen offenbar das Bewusstsein durch, dass es nicht das geeignete Konfliktlösungsverfahren für sämtliche Konflikte in der Wirtschaft gibt, sondern dass unterschiedliche Konflikte auch unterschiedliche Konfliktbeilegungsverfahren erfordern und dass diese Verfahrensvielfalt durch zahlreiche Anbieter am Markt auch verfügbar ist. Damit einher geht die Erkenntnis, dass Konflikte in der Wirtschaft nicht die Konflikte Dritter, sondern die eigenen Konflikte sind, und dass es zu einem verantwortlichen und kosten- und risikobewussten Umgang mit diesen Konflikten gehört, auch die jeweils geeigneten Konfliktbeilegungsverfahren zu wählen und auszugestalten. So entstehen neue, teils hybride Verfahren aus unterschiedlichen Elementen der „klassischen“ ADR-Verfahren, die Rolle und Funktion des Mediators wird variiert, und neben der reinen Mediation werden halbverbindliche, begutachtende Verfahren wie zum Beispiel dispute boards zunehmend und mit Erfolg eingesetzt. Insbesondere die anwaltlichen Berater sind mehr und mehr auch als Verfahrensgestalter gefragt. Damit scheint sich allmählich der Kreis zu einem wichtigen Ausgangspunkt in der zeitgenössischen Diskussion über alternative Streitbeilegungsmechanismen zu schließen: der wegweisenden Idee von Frank Sander eines „fitting the forum to the fuss“ – also der maßgeschneiderten Gestaltung des für den jeweiligen Konflikt geeigneten Forums. Wir begrüßen diesen offenen Ansatz, der weniger danach fragt, was Mediation ist oder nicht ist, sein darf oder nicht sein darf, sondern eher herausfinden möchte, wie ein Mediator oder auch ein sonstiger Dritter den Parteien effektiv bei der Lösung ihres jeweiligen Konflikts statt oder vor einer verbindlichen Drittentscheidung durch einen Richter oder Schiedsrichter helfen kann. Dieser offene Ansatz ist unseres Erachtens der richtige und konsequente Ausdruck der für die Mediation so wichtigen Prinzipien der Freiwil352

Zukunft der Wirtschaftsmediation ligkeit und der Privatautonomie auch auf der Verfahrensebene. Es wird spannend bleiben zu sehen, ob der Gesetzgeber und andere, welche die Mediation institutionalisieren wollen, mit dieser in der Praxis sich entwickelnden Vielfalt Schritt halten und diese nicht ohne Not einengen. Da auch sie letztlich das Ziel verfolgen, die Mediation und ihre Nutzung zu fördern, bleibt zu hoffen, dass ihnen dies gelingt.

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Endnoten zu den Kapiteln

I Die Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements 1 2 3 4

Berliner Zeitung (B.Z.) v. 9.3.1996, S. 9. Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 24.1.2001, S. 26. Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 14.12.2000, S. 23. Süddeutsche Zeitung (S.Z.) v. 31.7.2009, S. 17.

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Ursachen, Entwicklung und Folgen von Konflikten in der Wirtschaft verstehen

1 Heraklit, zitiert nach Orthbrandt (1985), S. 58. Vgl. hierzu auch Heraklit/Diels (1960), S. 169. 2 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 20.3.2002, S. 17. 3 Handelsblatt v. 20.6.2001, S. 6. 4 Bilanz-Pressekonferenz für das Geschäftsjahr 2007, Rede Hartmut Mehdorn – siehe auch Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 1.4.2008, S. 14. 5 Handelsblatt v. 31.3.2008, S. 1. 6 New York Times v. 19.1.2001, S. 19 (Business). 7 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 22.2.2002, S. 28. 8 Die ZEIT v. 20.6.2002, S. 21. 9 Zu diesem Befund kam das Wiener Hernstein Management Institut, Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 8.7.2002, S. 17. 10 Vgl. für einen Überblick: Raiser (2007), S. 274 f. 11 Für Überblicke über den aktuellen Forschungsstand vgl. Bühring-Uhle/Eidenmüller/ Nelle (2009); Thompson (2009); Bazerman (2005); Moffitt/Bordone (2005); MenkelMeadow/Love/Kupfer-Schneider (2006); Arrow/Mnookin/Ross/Tversky/Wilson (1995); Breslin/Rubin (1991). 12 Bislang gibt es noch keine allgemein anerkannte Typologie der Konfliktarten, sondern nur eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze. Das Spektrum reicht von der von Aubert getroffenen Unterscheidung zwischen competition (Verteilungskonflikt) und dissensus (Wertkonflikt) über die ähnliche Terminologie bei Thibaut und Walker (conflicts of interests und conflicts of cognition) bis zu der im Anschluss an Luhmann getroffenen Differenzierung zwischen personen-, rollen- und normbezogenen Konflikten bei Gessner. Vgl. Gessner (1976); Thibaut (1975); Aubert (1963), S. 179. Vgl. zum Ganzen auch Raiser (2007), S. 279 f. 13 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 7.9.2001, S. 19. Im Oktober 2002 begann die Serienfertigung des Minivan Touran nach dem 5000 x 5000-Modell, Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 12.9.2002, S. 26. 14 Süddeutsche Zeitung (S.Z.) v. 5.11.2008, S. 22. Dies hatte zur Folge, dass die Auto 5000Beschäftigten den VW-Angestellten gleichgestellt und wieder nach dem finanziell attraktiveren Haustarifvertrag des Konzerns bezahlt wurden. 15 Keil/Montealegre (2002).

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Endnoten zu den Kapiteln 16 Useem (1998), S. 56. Der Artikel ist abrufbar unter: www.inc.com/magazine/19980801/ 980.html. 17 Eine derartige Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach Auffassung des Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 13.2.2001, unwirksam, 56 Betriebs-Berater (BB), S. 643 ff. (2001). 18 Vgl. z. B. Ebay Inc. v. Bidder’s Edge, Inc., 2000 U.S. Dist. Lexis 7287 100 F. Supp. 2d 1058 (N.D. Cal. May 24, 2000); Mark Ferguson v. Friendfinders, Inc., et al., No. A092653 (Cal. Crt. App., First Appellate Dist., January 2, 2002). 19 Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied in seinem grundlegenden Urteil „Paperboy“ vom 17.7.2003, 56 Neue Juristische Wochenschrift (NJW), S. 3406 ff. (2003), dass das Datenbankherstellerrecht aus § 87b Abs. 1 S. 2 UrhG nicht dadurch verletzt wird, dass aus Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, die in einer Datenbank gespeichert sind, durch einen Internet-Suchdienst einzelne kleinere Bestandteile auf Suchwortanfrage an Nutzer übermittelt werden, um diesen einen Anhaltspunkt dafür zu geben, ob der Abruf des Volltexts für sie sinnvoll wäre. Dies gilt auch bei wiederholtem und systematischem Zugriff des Suchdienstes auf die Datenbank. 20 Manager Magazin März 1999, S. 36 f. 21 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 21.8.2001, S. 19. 22 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 27.9.2006, S. 17. 23 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 8.3.2001, S. 17. 24 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 6.4.2000, S. 1. 25 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) v. 6.10.2002, S. 37. 26 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 16.7.2002, S. 14. 27 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 10.4.2001, S. 21. 28 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) vom 26.7.2009, S. 25. Der Vertrag von Ackermann wurde aufgrund eines Aufsichtsratsbeschlusses vom 28.7.2009 bis 2013 verlängert. 29 129 F. Supp. 2d 254 (S.D.N.Y. 2001). 30 New York Times v. 19.1.2001, S. 19. 31 Vgl. oben En. 9. 32 Goffman (1982), S. 139 ff. Vgl. dazu auch Luhmann (1999), S. 58. 33 Böhm (2000), S. 38 f. 34 Hoffmann (1999). 35 Schwarz (2010), S. 99 ff. 36 Schulz von Thun (2010), S. 187 ff.; zur Person als Quelle sozialer Konflikte Glasl (2007), S. 38 ff. 37 Glasl (2010), S. 17 definiert den Konflikt als „Interaktion zwischen Aktoren …, wobei wenigstens ein Aktor eine Differenz bzw. Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen und im Denken bzw. Vorstellen und im Fühlen und im Wollen mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge“. 38 Vgl. Rubin/Pruitt/Kim (2004), S. 7 f.: „For us, conflict means perceived divergence of interest, or a belief that the parties’ current aspirations cannot be achieved simultaneously“ (Hervorhebung im Original). 39 Vgl. hierzu eingehend Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2009), S. 38 ff.; Thompson (2009), S. 5 ff. 40 Cooper/Fazio (1979); vgl. auch Rubin/Pruitt/Kim (2004), S. 106 f., 156 ff. m. w. N. zu empirischen Untersuchungen. 41 Festinger (1957). 42 Einhorn/Hogarth (1978). 43 Für einen Überblick über die empirischen Untersuchungen siehe Neale/Bazerman (1991), S. 53 ff. 44 Kahnemann/Tversky (1995), S. 46 ff. 45 Tversky/Kahnemann (1974).

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Endnoten zu den Kapiteln 46 Merton (1957), S. 179 ff.; für eine empirische Untersuchung, die sich selbsterfüllende Vorhersagen von Lehrern gegenüber Schülern nachgewiesen hat, vgl. Rosenthal/ Jacobson (1968). 47 Dipboye (1982). 48 Rubin/Pruitt/Kim (2004), S. 159 m. w. N. 49 Kahnemann/Tversky (1979); dies. (1984). 50 Arkes/Blumer (1985); Thaler (1980). 51 Oskamp (1965); für Beispiele weiterer empirischer Untersuchungen vgl. Ross (1995) m. w. N. 52 Ross (1995), S. 34. 53 Ross (1995), S. 35. 54 Ross (1995), S. 37. 55 Einen guten Überblick über verschiedene Ansichten zum Einfluss der Kultur auf Verhandlungen geben Faure/Rubin (1993); zu Kultur und Konfliktmanagement: Ross (1993); vgl. auch Kimmel (2006); Avruch (2003). 56 Carroll/Mackie (2006), S. 7 f., 103 ff. 57 Glasl (2010), S. 14, S. 233 sowie ders. (2003), S. 103 ff., 112. 58 Glasl (2010), S. 239 ff. 59 Kittel (2002). 60 Böhm (2000), S. 54. 61 New York Times v. 19.1.2001, S. 19 (Business). 62 Glasl (2010), S. 277. 63 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 22.2.2002, S. 18. 64 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 22.3.2002, S. 16. 65 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 15.3.1989, S. 20. 66 Zur Verhandlungsdynamik und der Bedeutung der Konzessionen in diesem Fall vgl. McKersie (1991). 67 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 21.1.1991, S. 17. 68 Glasl (2003), S. 105 f. 2

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen

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Schwarz (2010), S. 277 f. Pressemitteilung der STEAG Aktiengesellschaft v. 29.6.2000. Schwarz (2010), S. 278. Haft (2000), S. 20 ff. Nadler/Thompson/Van Boven (2003), S. 535. Die Studie zeigt allerdings auch, dass sich dieser Anteil durch Lernprozesse auf 37 % erhöhen lässt. Ebenda, S. 536. Hrebec/Thompson (1996), S. 406. Ebenda. Nadler/Thompson/Van Boven (2003); Menkel-Meadow (2001); dies. (1993). Kilmann/Thomas (1977) auf der Grundlage von Blake/Mouton (1964). Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 25.3.1993, 46 Neue Juristische Wochenschrift (NJW) S. 1972 (1993). Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 25.3.1993, 46 Neue Juristische Wochenschrift (NJW) S. 1972 (1993). Patton (2005), S. 288. Vgl. hierzu Luhmann (1999), S. 58; Luhmann (1976), S. 69. Die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter wurde 2006 offiziell abgeschlossen. Insgesamt wurden durch die Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ fast 4,4 Mrd. Euro verteilt, Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 13.6.2007, S. 13. Die Äußerung fiel in der ersten Doppelstunde einer Veranstaltung „Game Theory“ von Prof. Adam Brandenburger an der Harvard Business School im Wintersemester 1996/97 in Anwesenheit eines der Autoren. Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 11.7.2002, S. 33.

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Endnoten zu den Kapiteln 17 Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 13.6.2002, 57 Wertpapier-Mitteilungen (WM) S. 34 (2003). 18 In Betracht kommt neben den Tatbeständen der Nötigung (§ 240 StGB) und ggf. Erpressung (§ 253 StGB) vor allem eine Strafbarkeit wegen Betruges (§ 263 StGB), die in diesen Fällen auch häufig einschlägig sein wird, da es dem Betreffenden ja gerade darum geht, sich durch Täuschung seines Verhandlungspartners einen rechtswidrigen Vorteil zu verschaffen und sich auf dessen Kosten zu bereichern. 19 Vgl. den zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung geltenden Art. 5 (2) Nr. 2, (3) der Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28.6.1995 bzw. (seit dem 1.10.2002) Art. 3 (5) b) der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 v. 31.7.2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor. 20 Der Spiegel 11/2009, S. 40 ff. 21 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 8.3.2001, S. 17. 22 Böhm (2000), S. 99. 23 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 25.11.2002, S. 17. 24 www.mobilcom.de (Investor Relations). 25 Süddeutsche Zeitung (S.Z.) v. 9./10.6.2001, S. 23. 26 Dabei vermieden es die Parteien selbst aus strategischen Gründen, von einer „Schlichtung“ zu sprechen, da die Bahn gerade keinen Tarifvertrag mit der GDL abschließen, sondern lediglich „Gespräche“ führen wollte, Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 11.8.2007, S. 10. 27 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 11.8.2009, S. 15. 28 Vgl. Lembcke (2002). 29 Vgl. zum Ganzen Lembcke (2001), S. 112 ff. 30 Rottleuthner (1982), S. 150; Falke/Höland/Rhode/Zimmermann (1981), S. 810. 31 Falke/Höland/Rhode/Zimmermann (1981), S. 809, 912. 32 Schönholz (1982), S. 150. 33 Vgl. Lembcke (2001), S. 117. 34 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 24.2.2001, S. 16. 35 UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche v. 10.6.1958, abgedruckt in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann (2009), Schlussanhang VI. 36 Bonell (2001). 37 manager magazin 10/2009 vom 25.9.2009, S. 14. 38 Welt am Sonntag v. 10.5.2009, S. 44. 39 Greger/Stubbe, (2007); Meyer (1995); Wittmann (1978). 40 Fisher/Ury/Patton (1991). Der in der Übersetzung verwendete Begriff „Harvard Konzept“ mag insofern etwas irreführend sein, als sich an der Harvard University Wissenschaftler verschiedener Disziplinen mit durchaus unterschiedlichen Ansätzen der Verhandlungs- und Konfliktforschung widmen. Er ist allerdings auch zutreffend, weil die Autoren eben alle an der Harvard University und dem von Roger Fisher dort gegründeten Program on Negotiation tätig waren bzw. sind. 41 Der Ausdruck geht zurück auf Fisher/Ury/Patton (1991). 42 So hat die Untersuchung von Thompson (1991), S. 177 ergeben, dass Parteien, die Informationen zur Verfügung stellen und von ihrem Verhandlungspartner einfordern, ihre Urteilsgenauigkeit und ihre Fähigkeit zur Entwicklung beiderseits interessengerechter Ergebnisse verbessern konnten. Vgl. hierzu auch Thompson (2009), S. 82 ff.; Bazerman/ Neale (1993), S. 90 ff. 43 Rapoport (1989). 44 Eidenmüller (1997), S. 49 ff.; Lax/Sebenius (1986), S. 5 f., 29 ff. 45 Unsere Definition entspricht der Ausweitung des Begriffs Mediation in der internationalen Literatur zum Konfliktmanagement, die z. T. noch weiter geht, vgl. Glasl (2003), S. 113 ff. m. w. N. sowie Goldberg/Sander/Rogers/Cole (2007), S. 107: „Mediation is negotiation carried out with the assistance of a third party“. So weist auch Riskin darauf

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hin, dass es aufgrund der Entwicklung der Mediation in der Praxis für eine klar begrenzte Definition des Mediationsbegriffes bereits zu spät sei. Riskin (1996), S. 13. Vgl. auch Abramson (2005), S. 106: „It is too late to justify a favored, circumscribed definition of mediation.“ Diesem weiten Verständnis des Begriffs Mediation folgt auch der Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vom 8.12.2010 (MediationsG-RegE), BT-Drs. 60/11, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2011/0060-11.pdf. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 des darin vorgeschlagenen Mediationsgesetzes ist Mediation „ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben.“ § 2 Abs. 3 MediationsG-RegE stellt zu den Aufgaben des Mediators lediglich fest: „Der Mediator ist allen Parteien gleichermaßen verpflichtet. Er fördert die Kommunikation der Parteien und gewährleistet, dass die Parteien in angemessener und fairer Weise in die Mediation eingebunden sind. Er kann im allseitigen Einverständnis getrennte Gespräche mit den Parteien führen.“ Brett/Barsness/Goldberg (1996). www.adr.org (American Arbitration Association Annual Report 2000). The Daily Telegraph v. 1.2.2001, S. 69. Greger (2007), S. 23, 96 (abrufbar im Internet unter www.reinhard-greger.de/aber/guete richter-abschlussbericht.pdf). Vgl. zur Bewertung der gerichtsinternen Mediationsprojekte und den sich daraus ergebenden Regelungsempfehlungen Greger (2010). Niedersächsisches Justizministerium und Konsens e.V. (2005), S. 26 f., 28 (abrufbar im Internet unter www.mediation-in-niedersachsen.de/Abschlussbericht.pdf). Vgl. auch Olenhusen (2004). Pressemeldung in der Financial Times online (www.FT.com) v. 3.12.2001. Sander/Rozdeiczer (2006), S. 32 : „A. Step One: Assume Mediation. The combination of the theoretical examination … and the empirical data suggests that mediation is almost always a superior starting process.“ Vgl. zuletzt auch Sander (2007), S. 600: „… to continue on our current path until we reach ‘The Tipping Point’ – a point where the balance shifts to a presumption of exploring the use of mediation in particular settings unless it is shown to be contraindicated.“ Mnookin (1992). Pressemeldung Associated Press v. 9.8.2002. New York Times v. 10.9.2000, S. 10 (NY Region). Hager/Pritchard (2000). Dutt (1999) beschreibt die mediative Begleitung der Integration nach der Akquisition einer kleinen schwedischen Unternehmensberatung durch eine US-amerikanische Consulting-Firma. Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 12.10.1998, S. 34. Pinnell (1999). Für einen Überblick siehe Groton (1997). Lembcke (2007); Wiegand (2000), S. 201. So die Chief Counsel Litigation der Siemens AG, Frau Dr. Anke Sessler, in ihrem Vortrag „Außergerichtliche Streitbeilegung – Bedeutung, Vertragsgestaltung und Durchführung“ bei der Tagung „Dispute Resolution Day“ des Centrums für Verhandlungen und Mediation an der Ludwig-Maximilians-Universität München am 16.6.2010. Scherpe (2001) und für aktuelle Informationen: www.bdb.de. Knauth (2001) und für aktuelle Informationen: www.versicherungsombudsmann.de. So sieht der neu geschaffene § 191 f. BRAO die Einrichtung einer Schlichtungsstelle für solche Streitigkeiten vor. Makowka (1999). Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 8.7.1998, S. 14. Eidenmüller (2002b), S. 7; Duve (1999), S. 96 Fn. 91 m. w. N. Vgl. hierzu eingehend Eidenmüller (2000), S. 5 ff. Engel (2010) m. w. N.

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Endnoten zu den Kapiteln 71 Im Rahmen eines Collaborative-Law-Verfahrens schließen die Beteiligten miteinander unterschiedliche Verfahrensverträge: 1. Die Parteien untereinander eine der Mediationsvereinbarung vergleichbare „Collaborative-Law-Vereinbarung“, 2. die Parteien mit ihren Anwälten eine Vereinbarung, die das anwaltliche Mandat und den zuvor geschlossenen Rechtsdienstleistungsvertrag modifiziert, und 3. zwei Verfahrensleitungsverträge zwischen den Parteien und dem jeweils gegnerischen Anwalt, in denen dieser mit der Verfahrensleitung betraut wird. 72 Sander/Goldberg (1994). 73 Kupfer-Schneider (2000). 74 Vgl. auch Eidenmüller (2002b), S. 8 ff. 75 Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) der ARGE Baurecht, Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwalt-Verein. 76 Ury/Brett/Goldberg (1990). 77 Stauss/Seidel (2000). 78 Klowait (2008); ders. (2006). 79 Higgins/Connell (1997). 80 Reuben (1996). 81 13 Alternatives (Newsletter des CPR Institute for Dispute Resolution), S. 16 (1995). 82 Prause (2008). Vgl. auch Sander (2007); Prause (2007). Vgl. zur Mediation in den USA auch Kulms (2008), S. 403 ff. 83 Wellmann/Kraus/Kampherm (2007), S. 7, 14 ff.; Nestler/Hammes/Gläßer/Kirchhoff/ Breidenbach (2005). 84 Nach dieser Studie sind Gerichtsverfahren derzeit zwar noch der meist genutzte Weg zur Konfliktbewältigung in Streitigkeiten zwischen Unternehmen. Bevorzugt werden aber die als schneller, kostengünstiger und verlässlicher eingeschätzten außergerichtlichen Verfahren, Taylor Wessing International Dispute Resolution Survey, 2009, vgl. Pressemitteilung von Taylor Wessing v. 30.6.2009 sowie www.taylorwessing.com/ disputessurvey/. 85 Die Nachricht wurde als ad hoc-Meldung über das Internet bekannt gemacht. Anlässlich einer Veranstaltung des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) am 12.10.2001 auf dem Petersberg berichteten Vorstandsmitglieder beider Parteien über den erfolgreichen Verlauf dieser Mediation. 86 Legal Week v. 28.6.2001, S. 10 ff. 87 Früher: Gesellschaft für Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement e.V. (gwmk). 88 www.europa-uni.de/ikm. Vgl. auch www.rtmkm.de; Klowait (2008), S. 175.

II Die Methode der Mediation 3

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen

1 Galanter/Rogers (1991), S. 18 ff. 2 Vgl. zur Geschichte der ADR-Bewegung Goldberg/Sander/Rogers/Cole (2007), S. 6 f.; Alfini/Press/Sternlight/Stulberg (2006), S. 2 ff.; Barrett/Barrett (2004). 3 Breidenbach (1995), S. 122 f. m. w. N. bezeichnet diesen Ansatz daher als Access to Justice-Projekt. 4 Merry/Milner (1995). 5 Vgl. dazu Duve (2002); Eidenmüller (2002a); Erwägungsgrund (2) der Richtlinie 2008/ 52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (ABl. EU Nr. L 136 v. 24.5.2008, S. 3). 6 Breidenbach (1995), S. 123 ff. m. w. N. bezeichnet diesen Ansatz als Individual Autonomy-Projekt. 7 Die Vorschrift des § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 Strafprozessordnung (StPO) lautet wie folgt: „Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht, … (5.) sich ernsthaft

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zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, oder …“. Breidenbach (1995), S. 130 ff. m. w. N. bezeichnet diesen Ansatz als ReconciliationProjekt. Schon seit 1994 findet der Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a Strafgesetzbuch (StGB) im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung: „Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder 2. in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt, so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.“ Im Jugendstrafrecht ist der Täter-Opfer-Ausgleich als Erziehungsmaßregel in § 10 Abs. 1 Nr. 7 Jugendgerichtsgesetz (JGG) vorgesehen. Breidenbach (1995), S. 132 ff. m. w. N. bezeichnet diesen Ansatz als Social Transformation-Projekt. Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 5.6.1998, S. 14; Vgl. auch von Bargen (2008a), S. 208; Falk/Hagleitner-Klocker/Woschnak (2007); Webseite zur Flughafen-Mediation Wien: www.viemediation.at. Für nähere Informationen: www.cpradr.org. Vgl. z. B. JAMS (www.jamsadr.com); American Arbitration Association (www.adr.org). Breidenbach (1995), S. 120 ff. m. w. N. bezeichnet diesen Ansatz auch als Service DeliveryProjekt. Als Väter derjenigen, die eine Transformation der Persönlichkeit als Ziel der Mediation betrachten, gelten Bush/Folger (2005). Ausführlich dazu Sander (1995). Auch nach § 1 Abs. 1 S. 1 des MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45) wird in der Mediation eine Beilegung des Konflikts lediglich „angestrebt“. Leiss (2006); Duve/Zürn (2001). Raiffa (1995), S. 143. Riskin (1996), S. 19 ff. Acht Jahre nach Veröffentlichung seiner mittlerweile klassischen Matrix hat Riskin seine „Grid“ mehrmals weiterentwickelt (Old New Grid, New New Grid) und um die zeitliche Dimension ergänzt. Allgemein durchgesetzt hat sich bislang nur die klassische Riskin-Matrix. Vgl. Riskin (2003a) m. w. N. Zu einer an Eingriffsmaßstab und -intensität orientierten Betrachtungsweise mit zahlreichen Gestaltungsvorschlägen für die Vertragspraxis vgl. Hacke (2001), S. 179 ff. New York Times v. 25.3.2000, S. B 14. Zitiert nach Duve (1999), S. 228 Fn. 121 und 122. Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 4.1.2001, S. 3. Mnookin (1992). Riskin (2003b); ders. (2005), hat zwischenzeitlich dieses Modell mit einer neuen Terminologie versehen und durch Abwandlungen ergänzt, die diesen Einfluss noch deutlicher zum Ausdruck bringen sollen. Derartige Erwartungen an die Rolle des Mediators sind vor allem für die gerichtsverbundene Mediation nachgewiesen worden. Anders als in der außergerichtlichen Mediation erwarten die Beteiligten von einem richterlichen Mediator, dass er durch Hinweise zur Rechtslage, zum Prozessrisiko oder durch eigene Lösungsvorschläge aktiv in das Verhandlungsgeschehen eingreift. Vgl. den Abschlussbericht bei Greger (2007), S. 100 (abrufbar im Internet unter www.reinhard-greger.de/aber/gueterichter-abschlussbericht.pdf). Richard Chernick ist Vice President und Managing Director der Arbitration Practice von JAMS. Er ist ein in den USA anerkannter Experte für die Beilegung von komplexen Mehrparteienverfahren und hat mehrere hundert Mediations- und Schiedsverfahren durchgeführt.

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Endnoten zu den Kapiteln 28 Zitiert nach Duve (1999), S. 233 Fn. 138. 29 Nach § 2 Abs. 6 S. 1 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45) soll der Mediator im Falle einer Einigung darauf hinwirken, dass die Parteien „die Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen.“ 30 Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.2.1997 (BGBl. 1997 I S. 418, 1804), zuletzt geändert durch Artikel 29 des Gesetzes vom 8.12.2010 (BGBl. 2010 I S. 1768). 31 Unterzeichnet in Rom am 25.3.1957, ABl. EU Nr. C 115, S. 47 ff. Konsolidierte Fassung im Anschluss an die Änderung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007. Im Internet abrufbar unter www.europa.eu.int/eur-lex/de/treaties. 32 Eidenmüller (2001), S. 32 ff. 33 www.mediate.com/articles/umafinalstyled.cfm. 34 Der Uniform Mediation Act wurde bislang von elf Bundesstaaten in innerstaatliches Recht umgesetzt, in drei weiteren Bundesstaaten wurden entsprechende Umsetzungsgesetze in die Parlamente eingebracht www.acrnet.org/uma/index.htm. 35 www.parlament.gv.at/PG/DE/XXII/I/I_00047/pmh.shtml. Vgl. dazu Hopf (2010); Pruckner (2003); Köper (2004). 36 Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen. Vgl. dazu Hopt (2010); Wagner (2010); Eidenmüller/Prause (2008b); Wagner/Thole (2008). 37 §§ 135 Abs. 1, 150 Abs. 4 S. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vom 17.12.2008, BGBl I 2008, 2586. 38 Vgl. z. B. den MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45). 39 OLG Hamm, Urt. v. 20.10.1998, OLG Report, S. 129 ff. (7/1999) = 53 Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), S. 836 (1999), unter Bezugnahme auf den Schlussbericht des Ausschusses Mediation der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), BRAK-Mitteilung, S. 187 (5/1996). 40 § 18 Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA): „Wird der Rechtsanwalt als Vermittler, Schlichter oder Mediator tätig, so unterliegt er den Regeln des Berufsrechts.“ 41 § 43a Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) i. V. m. § 2 BORA. 42 § 383 Abs. 1 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO). 43 Dafür Eidenmüller (2001), S. 24 f.: Wer Mediation dauerhaft (als Gewerbe im Sinne des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) betreibt, ist (wohl) zur Zeugnisverweigerung berechtigt, weil die Geheimhaltung vertraulicher Tatsachen „durch ihre Natur“ geboten ist. Ebenso Wagner/ Thole (2008), Rn. 39; Eckardt/Dendorfer (2001), S. 789; Hacke (2001), S. 259 f.; a. A: Cremer (2007), S. 60; Groth/Bubnoff (2001), S. 339 f. Nach § 4 S. 1 des MediationsGRegE (oben Kapitel 2 En. 45) sind der Mediator und die in die Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundenen Personen gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Danach stünde diesen im Zivilprozess das Zeugnisverweigerungsrecht des § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu (so auch die Begründung des MediationsG-RegE, S. 16). 44 OLG Hamm, Urt. v. 20.10.1998, OLG Report, S. 129 ff. (7/1999) = 53 Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), S. 836 (1999). 45 Ebenda. 46 Umfassend zur Regelung von Eingriffsbefugnissen in ADR-Vereinbarungen Hacke (2001). 47 § 2 Abs. 6 S. 2 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45). 48 Das zum 1. Juli 2008 in Kraft getretene Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) ersetzt das bis dahin geltende Rechtsberatungsgesetz (RBerG). 49 Vgl. hierzu die ausführliche Begründung des MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45), der eingehend zur Abgrenzung zwischen erlaubnisfreier Mediation und erlaubnispflichtiger Rechtsdienstleistung Stellung nimmt. Danach kann die Mediation „zwar Rechtsinformationen beinhalten und sich auf Rechtsverhältnisse beziehen sowie Regelungsmöglichkeiten zur Diskussion stellen, sie überlässt jedoch den Konfliktparteien die

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eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse. Unbedenklich ist also stets die allgemeine Darstellung rechtlicher und tatsächlicher Handlungsoptionen. Greift der Mediator aber in die Gespräche der Beteiligten durch rechtliche Regelungsvorschläge ein, so ist diese Tätigkeit Rechtsdienstleistung und nicht … erlaubnisfrei.“, MediationsG-RegE, S. 22 (Hervorhebungen durch die Autoren). Allerdings können nach der Entwurfsbegründung im Einzelfall auch rechtliche Regelungsvorschläge nach § 5 RDG als rechtsdienstleistende Nebenleistung zulässig sein, wenn sie im Verhältnis zur Gesamtmediation nur einen Randbereich betreffen. Inwieweit sich diese Abgrenzungskriterien in der Praxis bewähren, bleibt abzuwarten. LG Hamburg, Urt. v. 29.2.2000, 15 Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport (NJW-RR), S. 1514 (2000); LG Rostock, Urt. v. 11.8.2000, 55 Betriebs-Berater (BB), S. 698 (2001) = 51 Anwaltsblatt (AnwBl.), S. 178 (2001) = 3 Zeitschrift für Konfliktmanagement (ZKM), S. 235 (2000) m. Anm. Trossen; OLG Rostock, Urt. v. 20.6.2001, 55 Betriebs-Berater (BB), S. 1869 (2001) m. Anm. Duve = 4 Zeitschrift für Konfliktmanagement (ZKM), S. 293 (2001) (Leitsatz m. Anm. Mankowski). Vgl. zum Ganzen auch Duve/Tochtermann (2001); Henssler (2003). Allerdings nahm das Landgericht Rostock in der zuvor zitierten Entscheidung an, dass eine Mediation in einem rechtlichen Rahmen, etwa wenn es um Rechtsansprüche aus einem Vertragsverhältnis geht, stets notwendig die Rechtsberatung einschließt. Das Oberlandesgericht Rostock hat diese Entscheidung in dem ebenfalls zuvor zitierten Urteil bestätigt. Weiterführend zu Zulässigkeit und Grenzen der nichtanwaltlichen Mediation nach dem RDG: Römermann (2008); Tochtermann (2007); Henssler (2006). Vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG): Rechtsdienstleistung ist nicht „die Tätigkeit von Einigungs- und Schlichtungsstellen, Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern.“ OLG Hamm, Urt. v. 20.10.1998, OLG Report, S. 129 ff. (7/1999) = 53 Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), S. 836 (1999). § 3 Abs. 1 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45). So auch § 2 Abs. 6 S. 1 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45), wonach der Mediator im Falle einer Einigung darauf hinzuwirken hat, dass „die Parteien die Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen.“ Nach § 2 Abs. 5 S. 2 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45) kann der Mediator die Mediation jederzeit beenden, insbesondere wenn er der Auffassung ist, dass eine „eigenverantwortliche Kommunikation oder eine Einigung der Parteien“ nicht zu erwarten ist.

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren

1 Wie viele andere klassische Schiedsorganisationen bietet auch die DIS die Administration von Mediationsverfahren an, siehe www.dis-arb.de. 2 www.cedr.co.uk. 3 Mnookin/Friedman/Cutcher-Gershenfeld (2001). 4 Diese Auffassung vertritt z. B. der den Autoren persönlich bekannte Peter Grilli, der in den letzten zehn Jahren insgesamt in über 2.000 Streitigkeiten als Wirtschaftsmediator aktiv geworden ist. In der Literatur finden sich sogar noch weiterreichende Auffassungen, die unabhängig von der Vorbereitung Fachkunde nicht für nötig halten. So behauptet etwa van Winkle (2001), S. 43: „To be effective, mediators need not have specific substantive expertise. It would obviously be helpful, but an experienced and successful mediator can be very effective in a given case without extensive substantive experience.“ Mosten (1997), S. 134, vertritt für die Familienmediation folgende Ansicht: „Few would argue that the ideal mediator choice would be a family law specialist who also has many years of mediation process training and experience. While some lawyers/ mediators fit this bill, the sad truth is that you will generally be forced to choose between mediators who are strong on the law and weaker in the process and those skilled in the mediation process but who are not educated in family law or choose not to use their family law expertise in their mediation“.

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Endnoten zu den Kapiteln 5 Raiffa (1995), S. 145 ff. 6 Vgl. zur anwaltlichen Beratung im Vorfeld der Mediation Hacke (2004), S. 80, 84. 7 Raiffa (1995), S. 146, spricht von pre-negotiation briefing reports, die wir in diesem Kontext als pre-mediation briefing reports bezeichnen wollen. 8 Raiffa (1995), S. 146. Vgl. Zur Vorbereitung der Mediation auch Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2009), S. 92 ff.; Golann (2009), S. 49 ff.; Stefan/Troja (2009), S. 300 f.; Abramson (2003), S. 75 f., 182 ff., 241 ff.; Risse (2003), S. 140 ff.; Susskind/McKearnan/ Thomas-Larmer (1999), S. 99 ff., 112. 9 Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2009), S. 92 ff. Vgl. hierzu auch Lax/Sebenius (2006), S. 53 ff. 10 Zum Ganzen: Mnookin/Susskind (1999). 11 Vgl. z. B. Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 17.7.1998, S. 66 („Nein zur Mediation bekräftigt“), und v. 18.7.1998, S. 55 („Grüne fordern Ausbaugegner zur Teilnahme an Mediation auf“). 12 Dagegen versucht das seit 2007 in Berlin laufende Mediationsverfahren „Zukunft Landwehrkanal“, die Konfliktbetroffenen möglichst umfassend mit einzubinden. So sind auch Anwohnervertreter am Verfahren beteiligt, www.landwehrkanal-berlin.de. 13 Vgl. z. B. Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) (Rhein-Main-Teil) v. 15.8.2000, S. 56 („Offenbach will gegen Nordbahn klagen“), Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) (Rhein-Main-Teil) v. 20.8.2000, S. 3 („Kelsterbach zeigt Zähne“), Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) (Rhein-Main-Teil) v. 30.8.2000, S. 62 („Naturschutzverbände klagen“). 14 Der „runde Tisch“ wurde erst zum geflügelten Wort, dann zum Modell für den gesamten Ostblock, so Ludwig in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 6.2.1999, S. 3. 15 Savir (1999), S. 128 ff. 16 Savir (1999), S. 178 ff. 17 Diese Bemerkung machte Koschnik in einem Bericht der Nachrichtensendung „Tagesschau“ vom 2.1.2003 (20.00 Uhr) in der ARD. Gegen das in Tarifvertragsverhandlungen weit verbreitete Ritual eines nächtlichen Verhandlungsmarathons entschied sich 2007/ 2008 Manfred Schell, Verhandlungsführer der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn: „Gestritten haben wir von 9 Uhr bis 22 Uhr. Dann war pünktlich Schluss. Damit jeder in der Nacht seine Position nochmals in Ruhe überdenken konnte.“, Rheinischer Merkur (online) vom 18.12.2008. 18 Schulz von Thun (2010), S. 156, 158 ff. 19 Schulz von Thun (2010), S. 198, 199 ff. 5

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Vertrauen und Beziehung aufbauen

1 Jones/Bodtker (2001). 2 Wie wir im vorangegangenen Kapitel gesehen haben, wirken sich negative Emotionen in erheblichem Umfang destruktiv auf das Verhandlungsergebnis aus. So führen Wut und Verärgerung zu einer geringeren Einigungsrate, Friedman/Brett/Anderson/Olekalns/ Goates/Lisko (2004), S. 373 ff. 3 Zu diesem Thema grundlegend Fisher/Shapiro (2006); Moore (2003), S. 166 ff. 4 „Negotiators are people first“: Auf diese prägnante Formel bringen Fisher/Ury/Patton (1991), S. 18 ff., die Einsicht in die Bedeutung von Emotionen in Verhandlung und Mediation. 5 Fisher/Shapiro (2006), S. 11 f.; Moore (2003), S. 168 ff.; vgl. auch Lazarus (1991). 6 Moore (2003), S. 169. Vgl. auch Jones/Bodtker (2001), S. 227 ff.; Adler/Rosen/Silverstein (1998), S. 165 ff. 7 Moore (2003), S. 169 f.; Jones/Bodtker (2001), S. 228 ff. 8 Fisher/Shapiro (2006), S. 11; Moore (2003), S. 170. 9 Vgl. hierzu Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2010), S. 113 ff. 10 Moore (2003), S. 168 f.

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Endnoten zu den Kapiteln 11 Die Einteilung der folgenden Punkte geht zurück auf Jones/Bodtker (2001), S. 217, 221 ff. m. w. N. 12 Fisher/Shapiro (2006), S. 8 ff., bringen es prägnant auf den Punkt: „Stop Having Emotions? You Can‘t. … Ignore Emotions? It Won’t Work.“ 13 Darstellung nach Montada/Kals (2007), S. 64, 151 f. 14 Montada/Kals (2007), S. 144 f. 15 Zu Gleichheit als Gerechtigkeitsideal vgl. Montada (2000), S. 42 ff. 16 Montada/Kals (2007), S. 155 f. 17 Studien haben ergeben, dass es bei der Wahrnehmung von Emotionen zu „Übersetzungsproblemen“ zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen kann. So konnten asiatische Probanden die Mimik westeuropäischer und amerikanischer Gesichter nicht zweifelsfrei einer der Grundemotionen wie Ärger, Angst, Freude, Trauer, Ekel oder Überraschung zuordnen, Süddeutsche Zeitung (S.Z.) v. 14.8.2009, S. 20. 18 Shapiro (2001) unterscheidet je nach Dauer vier unterschiedliche Stufen von Gefühlen (= Emotionen). Wenn ein Gefühlszustand aktuell durch eine Begebenheit ausgelöst wird, handelt es sich um einen Impuls. Die freudige Begrüßung einer vertrauten Person, die Sie lange Zeit nicht gesehen haben, oder, für manche, der Ausdruck der Freude über den Sieg ihres Vereins an einem Bundesliga-Spieltag, stellt einen Impuls dar. Hält die Freude über den Moment hinaus an, und erstreckt sie sich z. B. über die Dauer einer Unterhaltung, so ist die Freude nicht nur ein momentaner Impuls, sondern liegt als Emotion im engeren Sinne vor. Wenn Sie über einen noch längeren Zeitraum gut aufgelegt sind, weil Sie sich z. B. im Urlaub befinden und den ganzen Tag bei blauem Himmel und Sonnenschein zwischen Palmen hindurch auf das türkisblaue Wasser des Indischen Ozeans schauen, so sind Sie guter Stimmung. Wenn Sie – auch an einem Tag, mit dessen Verlauf Sie eigentlich unzufrieden sind – es grundsätzlich begrüßen, anderen Personen zu begegnen, haben Sie – ungeachtet einer gerade weniger guten Stimmung – eine offene Haltung. 19 Ausführlich zu den vier Komponenten der subjektiven Bewertung mit weiteren Anwendungsbeispielen Montada/Kals (2007), S. 153 ff. 20 Frageliste nach Montada/Kals (2001), S. 149 f. 21 Konkrete Beispiele zum Umgang mit Emotionen bei Jameson/Bodtker/Jones (2006). 22 Beispiel nach Cloke/Goldsmith (2000), S. 82. 23 Dieser Kommunikationsstil wurde von dem amerikanischen Psychiater und Psychotherapeuten Carl Rogers entwickelt, vgl. Faber/Brink/Raskin (1998). 24 Vgl. zum Einsatz von Kommunikationstechniken in der Verhandlung Bühring-Uhle/ Eidenmüller/Nelle (2009), S. 117 ff. 25 Siehe www.globalcitizenscircle.org/programs/awards/gcc00.html. Ausführlich zu den Friedensverhandlungen und seiner Rolle: Mitchell (1999). 26 Vgl. zum Ganzen Benien (2003), S. 162 ff. 27 Thompson (2009), S. 114; Galliker/Weimer (2006), S. 53; Bolton (1986), S. 51 f. 28 Friedmann/Himmelstein (2005); Mnookin/Peppet/Tulumello (2000), S. 63 ff. 29 Hofmann/Rothfischer/Trossen (2008), S. 162; Rogall (2005), S. 66. 30 Cloke/Goldsmith (2000), S. 74. 31 Cohn (1975), S. 124. 32 Tomm (2009). 33 Vereinfachte und modifizierte Darstellung der Abbildung von Tomm (2009), S. 192. 34 Tomm (2009), S. 179 f. 35 Tomm (2009), S. 71 ff. und 180 ff. 36 Tomm (2009), S. 183 ff. 37 Jones/Bodtker (2001), S. 217, 237 f. 38 Friedman (1993), S. 45. 39 Cloke/Goldsmith (2000), S. 125 ff. 40 Der Einfluss des Small Talk auf die Beziehung zwischen Personen ist enorm. So ist empirisch nachgewiesen worden, dass schon eine kurze Unterhaltung ausreichen kann,

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um zwischen den Gesprächspartnern Vertrauen wachsen zu lassen. Vgl. Morris/Nadler/ Kurtzberg/Thompson (2002), S. 95 ff. Vgl. Thompson (2009), S. 138 m. w. N. Segal (1974), S. 656 f.; Zajonc (1968), S. 21 ff. Thompson (2009), S. 138. Byrne (1971); Walton/McKersie (1965), S. 225. LaFrance (1985), S. 214 ff. Thompson (2009), S. 135 ff. Thompson (2009), S. 141. Vgl. hierzu Gouldner (1960), S. 177 f. Luhmann (2000), S. 48; Ripperger (1998), S. 54 ff., 60 ff., 85 ff. Moore (2003), S. 194.

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Interessen erforschen und gewichten

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Vgl. etwa Fisher/Ury/Patton (1991), S. 56 f. Vgl. auch Riskin (1996), S. 17 ff., 35. Vgl. Esser (2001), S. 125 ff. Lax/Sebenius (1986), S. 69. Aubert (1963), S. 29 f. Vgl. zum Begriff des Wert- und Grundsatzkonfliktes auch Kapitel 1. „In erster Linie“ deshalb, weil es noch andere relevante Bewertungsmaßstäbe gibt: zum einen Werte, die Sie internalisiert haben (vgl. Kapitel 8), und zum anderen Grenzen (z. B. physische oder finanzielle), die Ihren Handlungsmöglichkeiten gesetzt sind. Das in Abbildung 2 dargestellte dual concern model geht ursprünglich wohl zurück auf die Unterscheidung zwischen concern for people und concern for tasks bei Blake/ Mouton (1964). Weitere Nachweise bezüglich der Weiterentwicklung des Modells finden sich bei Pruitt (1993), S. 30 f. Vgl. Golann (1996), S. 246 ff. Eine etwas andere Kategorisierung von unterschiedlichen Interessen findet sich etwa bei Menkel-Meadow (2001), S. 109 f. Vgl. hierzu Calkins (2006). Solche Gespräche sind nach dem Regierungsentwurf für ein Mediationsgesetz generell zulässig, vgl. § 2 Abs. 3 S. 3 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45): „[Der Mediator] kann im allseitigen Einverständnis getrennte Gespräche mit den Parteien führen.“ Insbesondere US-amerikanische Mediatoren verlagern demgegenüber häufig den gesamten Prozess der Interessenerforschung generell in Einzelgespräche, vgl. etwa Calkins (2006); Picker (2004), S. 31. Vgl. auch Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2009), S. 108 ff. Eingehend hierzu Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2009), S. 99 ff. Vgl. auch Fisher/ Kopelman/Kupfer-Schneider (1996), S. 50 ff. In einem Fernsehinterview über seine Verhandlungserfahrungen und seinen Verhandlungsstil äußerte sich der ehemalige US-amerikanische Präsident Bill Clinton einmal wie folgt: „You do not only have to understand the interests and motives of your counterpart. You have to understand their deepest concerns, their nightmares.“ Diese Äußerung trifft den Nagel auf den Kopf: Es gibt keine dauerhafte, einvernehmliche Lösung eines Konflikts, welche die deepest concerns aller Beteiligten nicht adressiert. Der lange und äußerst schwerwiegende Konflikt zwischen dem jüdischen Volk und dem Staat Israel auf der einen und dem palästinensischen Volk auf der anderen Seite bietet für diese These umfangreiches Anschauungsmaterial. Vgl. insoweit auch Lax/Sebenius (1986), S. 77 ff., von denen das in Kasten 7 diskutierte Beispiel stammt. Das Zitat wird Heraklit wohl fälschlicherweise zugeschrieben. Vgl. etwa Aristoteles (1922), S. 10: „Auch meint [Heraklit], dass [die Seele] das Unkörperlichste sei und in beständigem Fluss sich befinde.“ Für eine ausführliche Schilderung vgl. www.mediatorgmbh.de. Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.), 28.3.2008, S. 14.

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Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten

1 Vgl. insoweit Eidenmüller (2005a), S. 48 ff. 2 Das Konzept des integrativen Verhandelns wurde – ebenso wie das im nächsten Kapitel diskutierte Konzept des distributiven Verhandelns – entwickelt vor allem von Walton/ McKersie (1965). 3 Vgl. insoweit auch Eidenmüller (1997), S. 40 ff.; Lax/Sebenius (1986), S. 88 ff. 4 Dazu vor allem Sebenius (1984), S. 199 ff.; Raiffa (1982), S. 91 ff. 5 Zum Fall vgl. www.pon.harvard.edu/daily/business-negotiations/how-an-indie-popband-used-mutual-gains-negotiation-to-keep-their-name/?cid=10. 6 The Washington Post v. 10.11.2004, S. A 25. 7 Das Phänomen des „Nullsummenmythos“ in Verhandlungssituationen konnte auch empirisch nachgewiesen werden, vgl. Thompson (2009), S. 8, 79 m. w. N.; Thompson/ Hastie (1990), S. 102, 116 ff. 8 Den Begriff „laterales Denken“ hat Edward de Bono geprägt, vgl. de Bono (1967). 9 Fundstelle: www.nuc.berkeley.edu/neutronics/todd/frame/open.html. Vgl. auch American Nuclear Society (1996). 10 Shakespeare, Hamlet, Act I, Scene V, Hamlet to Horatio. 11 Osborn hatte in seinem 1948 erstmals erschienenen Buch „Your Creative Power“ vier Grundregeln des Brainstormings entwickelt: „1) Judicial judgment is ruled out. Criticism of ideas will be withheld until the next day. 2) ‘Wildness’ is welcomed. The crazier the idea, the better; it’s easier to tone down than to think up. 3) Quantity is wanted. The more ideas we pile up, the more likelihood of winners. 4) Combination and improvement are sought. In addition to contributing ideas of our own, let’s suggest how another’s idea can be turned into a better idea; or how two or more ideas can be joined into still another idea.“ Osborn (1948), S. 269. Vgl. auch Clark (1989); Osborn (1953). 12 Osborn (1948), S. 269. 13 Osborn (1948), S. 247 ff. 14 Die Literatur zum Mindmapping ist umfangreich. Eine gute Einführung bietet Wycoff (1991). 15 Vgl. etwa www.mindjet.com, www.cognitive-tools.de oder www.freemind.sourceforge. net. 16 Vgl. de Bono (1999). 17 Vgl. auch Weinstein/Morton (2003), S. 854 ff.; Menkel-Meadow (2001), S. 122 f. 18 Vgl. Menkel-Meadow (2001), S. 119, 136. 19 Für eine knappe Darstellung der Funktionsweise von Smartsettle vgl. auch Yunis (2002), S. 198 ff. 8

Verteilungsprozesse effizient gestalten

1 Genau gesagt liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Vorschläge abgelehnt werden, die der Gegenseite weniger als 1/5 gewähren, zwischen 0,4 und 0,6. Vgl. Fehr/Schmidt (2003) m. w. N., abrufbar unter www.iew.unizh.ch/wp/iewwp075.pdf. 2 Zu Bedeutung und Auswahl „fairer“ Kriterien vgl. auch Richardson (2007). 3 Dabei kommt es nicht darauf an, über welche Nichteinigungsalternativen man real verfügt, sondern darauf, welche Einschätzung die Gegenseite von den eigenen Nichteinigungsalternativen gewinnt, ausführlich dazu in Kapitel 9. 4 Grundlegend insoweit Schelling (1960), S. 22 ff. 5 Zu dem Phänomen des anchoring vgl. etwa Lax/Sebenius (1986), S. 134 f. 6 Dieser debiasing effect eines Perspektivwechsels konnte durch empirische Untersuchungen nachgewiesen werden. Vgl. hierzu Galinsky/Mussweiler (2001), S. 658 ff., 661 ff. 7 Da es der betreffenden Partei gerade darum geht, durch Täuschung des Verhandlungspartners einen Vermögensvorteil zu erlangen, steht eine Betrugsstrafbarkeit nach § 263 StGB im Raum.

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Endnoten zu den Kapiteln 8 Zu erwägen ist, ob man als Mediator verpflichtet ist, eine Partei darüber aufzuklären, wenn diese – nach Einschätzung des Mediators – einem Lösungsvorschlag zustimmen möchte, der sie offensichtlich schlechter stellt als ihre beste Nichteinigungsalternative. Für eine derartige Aufklärungspflicht Eidenmüller (2001), S. 38 f. 9 In diesem Sinne auch der Regierungsentwurf für ein Mediationsgesetz, vgl. § 2 Abs. 6 S. 1 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45): „Der Mediator wirkt im Falle einer Einigung darauf hin, dass die Parteien die Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen.“ Vgl. auch § 2 Abs. 5 S. 2 MediationsG-RegE: „Der Mediator kann die Mediation beenden, insbesondere wenn er der Auffassung ist, dass eine eigenverantwortliche Kommunikation oder eine Einigung der Parteien nicht zu erwarten ist.“ 10 Vgl. hierzu eindrücklich Fox (1996). 11 Rechtliche Vertretung ist das Verfahren der Wahl, um Defizite in der self agency auszugleichen. Vgl. Riskin (1985), S. 27. 12 In diesem Sinne etwa Nr. 2.3.6. der Richtlinien der Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation (BAFM) und Nr. 3.2 des europäischen Verhaltenskodexes für Mediatoren, vgl. www.bafm-mediation.de/organisation/richtlinien-der-bafm/ und www.ec. europa.eu/civiljustice/adr/adr_ec_code_conduct_en.pdf. 13 Vgl. Kent (1993). Ausführlich dazu Eidenmüller (1999), S. 236 ff. 14 Vgl. Kent (1993), S. 82 (Übersetzung der Verf.). 15 Ähnlich Golann/Aaron (1997), S. 30: „Evaluate as late in the process as possible“. 16 Ausführlich zu verschiedenen Formen der nichtbindenden neutral evaluation Brown/ Marriott (1999), Rn. 16-001 ff.; Golann/Aaron (1997). 17 Zur Abgrenzung zwischen Schiedsgerichts- und Schiedsgutachtenverfahren vgl. etwa Raeschke-Kessler/Berger (2009), Rn. 451 ff.; Hacke (2001) S. 210 ff. – jeweils m. w. N. 18 Vgl. etwa Bühring-Uhle (2006), S. 315 Fn. 117 m. w. N. 19 Vgl. Fisher/Ury/Patton (1991), S. 81 ff. 20 Vgl. insoweit auch Montada (2000), S. 55 ff. 21 Pionier des Konzepts der Fokalpunkte ist Thomas Schelling, vgl. Schelling (1960), S. 57 ff., 67 ff., 111 ff. 22 Schelling (1960), S. 70. 23 McMillan (1992), S. 53. 24 Vgl. Lind/Tyler (1988). 25 Die Losentscheidung gehört zu den ältesten Verteilungsmechanismen, die in der frühen „Verhandlungsforschung“ die Funktion der verbindlichen richterlichen Entscheidung einnahm. So findet sich im Anschluss an antike römische Autoren bereits bei Grotius und Pufendorf die Trias von Verhandlung („Primum est colloquium“), Vermittlung/ Schiedsspruch („Alterum est … compromissum“) und dem Los („Tertia ratio est per fortem“). Vgl. Grotius (1995), S. 395 ff.; dt. Übersetzung: Grotius/Schätzel (1950), S. 391 ff. Vgl. Pufendorf (1995), S. 563 ff.; engl. Übersetzung: Pufendorf/Oldfather/ Oldfather (1995), S. 826. 26 Vgl. insoweit auch Raiffa (1982), S. 297 ff. 27 Ausführlich zu diesem Verfahren Brams/Taylor (1999), S. 69 ff. 28 Entsprechende Effizienzverluste treten auch dann auf, wenn Gegenstände verkauft werden, um eine Verteilung zu ermöglichen. Dann tritt nämlich der Marktpreis an die Stelle der ggf. höheren subjektiven Bewertung durch einzelne Beteiligte. 29 Vgl. etwa www.cybersettle.com. 9

Alternativen zu einer Verhandlungslösung prüfen

1 Vgl. Carroll/Mackie (2006), S. 90 f. (Vergleichsrate der von dem Centre for Effective Dispute Resolution (CEDR) administrierten Wirtschaftsmediationen 1997 und 1998 ca. 85 Prozent); Duve/Ponschab (1999), S. 266 (Bericht über Schätzungen und Statistiken, nach denen weltweit bis zu 80 Prozent aller Mediationsverfahren erfolgreich abgeschlossen werden). Nichts ableiten lässt sich aus diesen empirischen Befunden allerdings für die Frage, in wie viel Prozent aller Konfliktfälle Mediation zu einem Erfolg im Sinne

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einer Einigung führen würde: Die Basis der vorliegenden Schätzungen bzw. Statistiken sind die Konfliktfälle, in denen Mediation tatsächlich durchgeführt wird, und dazu gehört möglicherweise ein größerer Anteil „vergleichsgeneigter“ Konfliktfälle. Allerdings gibt es auch Statistiken über gerichtsverbundene Mediationsprogramme, die alle anhängigen Konflikte betreffen, und danach ergibt sich ein ähnliches Bild, vgl. Kapitel 2 und begleitende Endnoten (Einigungsquoten von 70–87,5 %). Der Ausdruck geht zurück auf Fisher/Ury/Patton (1991), S. 100. Dass Ungeduld die Position eines Verhandlungs- oder Mediationsbeteiligten schwächt, ist eine bekannte spieltheoretische Erkenntnis, vgl. etwa Rubinstein (1982). Vgl. www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,496604,00.html. Vgl. Kahneman/Tversky (1995), S. 46 ff. Erklären lässt sich dieses Verhalten auf der Grundlage einer sogenannten Wertfunktion, die folgende Charakteristika aufweist (grundlegend Kahneman/Tversky (1979)): (1) Wertänderungen werden ausgehend vom Status quo bestimmt; (2) die Wertfunktion ist konkav für Gewinne und konvex für Verluste; (3) sie ist steiler für Verluste als für Gewinne. Vgl. insoweit auch Driehaus (2005); Duve/Zürn (2001). Zwar sieht § 2 Abs. 3 2 S. 3 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45) vor, dass ein Mediator im allseitigen Einverständnis Einzelgespräche führen kann. Es kann jedoch nicht schaden, wenn dies klarstellend in Mediationsvereinbarung und Mediatorvertrag nochmals geregelt wird. Vgl. Calkins (2006), S. 289 ff. Vgl. Myerson (1991), S. 70 ff. Ausführlich zu diesem Instrument Morawietz (2004); Eidenmüller (2000); Hoffer (1996); Aaron (1995); Victor (1985). Bekannte Anbieter sind etwa Litigation Risk Analysis, Inc. (www.litigationrisk.com) oder TreeAge Software, Inc. (www.treeage.com); speziell für Mediation: PaperChace (www.paperchace.com). Im Einzelfall relevant sind möglicherweise auch Risiken der Zwangsvollstreckung. Sie bleiben hier unberücksichtigt. Der Gegenwartswert einer in n Jahren gezahlten Summe X, gegeben einen Zinssatz von i, beträgt X/(1+i)n. Zu dem Versuch, die Konfliktkosten zu erfassen, vgl. Troja (2006). Vgl. auch die KPMGKonfliktkostenstudie: KPGM, Die Kosten von Reibungsverlusten in Industrieunternehmen, in Zusammenarbeit mit der Hochschule Regensburg und der Berner Fachhochschule vom 1.1.2009, abrufbar unter www.mediation.bfh.ch/uploads/tx_frppublikatio nen/KPMG_Konfliktkostenstudie_02.pdf. Vgl. dazu www.handelsblatt.com/archiv/hollandsche-beton-groep-und-agiv-schliessenvergleich;348110 sowie den Geschäftsbericht 2000 der AGIV AG, S. 57 f. Ausführlich zu Mini-trials Brown/Marriott (1999), Rn. 16-038 ff. Parteien des Rechtsstreits waren Telecredit, Inc., und TRW, Inc. Eine Diskussion des Mini-trial in diesem Fall findet sich bei Green/Marks/Olson (1978), S. 501 ff.

Lösungspaket schnüren und umsetzen

1 Ein Vollstreckungstitel ist ein in einem bestimmten Verfahren errichtetes (rechtliches) Dokument, das Grundlage für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner sein kann. 2 Ausführlich zu den Unterschieden zwischen Mediation und Schlichtung Eidenmüller (2004), S. 53 f.; Prütting (2003), S. 2. 3 Für den derzeitigen Rechtszustand des Programms vgl. Michigan Court Rule 2.403, zur Kostensanktion vgl. Michigan Court Rule 2.403 (O) (abrufbar unter coa.courts.mi.gov/ rules/documents/1chapter2civilprocedure.pdf). Ähnliche Sanktionsmöglichkeiten bestehen in England aufgrund von 44.5(3)(a)(ii) der Civil Procedure Rules (abrufbar unter www.justice.gov.uk/civil/procrules_fin/contents/parts/part44.htm). Danach hat das Ge-

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richt bei seiner Kostenentscheidung zu berücksichtigen, welche Anstrengungen vor oder während des Verfahrens zu einer gütlichen Streitbeilegung unternommen wurden. Vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 6.3.1952, BGHZ 5, S. 251, 258. Vgl. etwa Schack (2003), S. 9 ff. m. w. N. Grundlegend Tversky/Kahneman (1981). Vgl. etwa Art. 20 1. p der CIDRA Mediation Rules, www.cidra.org/med-rules. Als sein Erfinder gilt Louis Sohn, vgl. Fisher/Ury/Patton (1991), S. xii. Eine ausführliche Beschreibung des Verfahrens findet sich bei Raiffa (1982), S. 205 ff. Carter hat den Verlauf der Verhandlungen später in seinen Memoiren ausführlich geschildert, vgl. Carter (1982). Vgl. insoweit Eidenmüller (2008a), vor §§ 217 bis 269, Rn. 44 ff., insbes. Rn. 48 ff. Vgl. auch Rösch (2009), insbes. S. 254 ff. Vgl. Raiffa (1993). Eine Klage in Deutschland könnte beispielsweise im Urkundenprozess nach §§ 592 ff. ZPO erfolgen. Ausführlich zu Fragen der Vollstreckbarkeit eines Mediationsvergleichs Eidenmüller (2002b), S. 5 f.; Eidenmüller (2001), S. 44 ff.; Hacke (2001), S. 276 ff. Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG v. 16.1.2001 Nr. L 12, S. 1 ff. Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, ABl. EG v. 30.4.2004 Nr. L 143, S. 15 ff. Für die Brüssel I-Verordnung sehr strittig: Für eine Anerkennung vgl. Eidenmüller (2005b), S. 128; Eidenmüller (2002b), S. 5 Fn. 45 m. w. N.; offenlassend Hacke (2001), S. 286 ff. m. w. N. Von Art. 24 f. der EuVTVO werden sie dagegen erfasst, wenn sie durch gerichtliche Entscheidung oder in einer öffentlichen notariellen Urkunde vollstreckbar gemacht worden sind, vgl. Hess (2010), S. 542 Fn. 38 m. w. N.; Kropholler (2008), Art. 24 Rn. 2. Dies wird teilweise aber auch anders gesehen, vgl. Eidenmüller (2002b), S. 5 Fn. 46 m. w. N. BGBl. II 1961, S. 121. Ausführlich zu diesem Vorgehen (und den dagegen erhobenen Einwänden) Eidenmüller (2002b), S. 6; Hacke (2001), S. 289 ff. Richtlinie (EG) Nr. 52/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. EU Nr. L 136 v. 24.5.2008, S. 3. Ausführlich dazu Eidenmüller/Prause (2008b), S. 2740; Wagner/Thole (2008), S. 38; Eidenmüller (2005b), S. 128 f. MediationsG-RegE, vgl. hierzu oben Kapitel 2 En. 45. Abrufbar unter www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/2002Model_ conciliation.html. Vgl. auch Hess (2008), S. 87 ff.; Friedrich (2004). Umgesetzt wurde das Modellgesetz bislang in Albanien (2003), Honduras (2000), Kanada (2005), Kroatien (2003), Nikaragua (2005), Slovenien (2008) und Ungarn (2002), vgl. www. uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/2002Model_conciliation_status.html. Dazu ausführlich Bühring-Uhle (1991). Vgl. Walz (2006), S. 82 ff.; Brown/Marriott (1999) Rn. 7–106 ff. Das ist allerdings sehr umstritten, vgl. ausführlich Eidenmüller (2002b), S. 9 f. Bei dieser Variante einer Final Offer Arbitration handelt es sich um das sogenannte Envelope-Verfahren. Nach deutschem Schiedsrecht ist diese Gestaltung ohne weiteres möglich: Gemäß § 1042 Abs. 3 ZPO unterliegt das schiedsrichterliche Verfahren weitgehend der Disposition der Beteiligten, und gemäß § 1051 Abs. 1 und 3 ZPO können sie dem Schiedsgericht einen bestimmten rechtlichen Entscheidungsmaßstab vorgeben sowie dieses auch zu einer Billigkeitsentscheidung ermächtigen. Zusammengenommen

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wird man aus diesen Vorschriften die Befugnis ableiten können, dem Schiedsgericht zwei Entscheidungsalternativen vorzugeben, zwischen denen es sich entscheiden muss. Vgl. Goldberg/Sander/Rogers/Cole (2007), S. 282 ff. Vgl. Coulson (1994), der diese hybride Verfahrensart „erfunden“ hat. Eine ausführliche Analyse der Anreizeffekte von Final Offer Arbitration findet sich bei Raiffa (1982), S. 109 ff. Raiffa (1982), S. 118. Ähnlich wie bei einer Final Offer Arbitration ist es auch bei einer High-Low Arbitration sinnvoll, dass der Schiedsrichter seine Entscheidung in Unkenntnis der von den Parteien vorgegebenen Bandbreite trifft: Dadurch wird die Chance eines wirklich vollständig unparteilichen Entscheidungsverhaltens maximiert. Rechtstechnisch liegt in einer solchen Regelung eine Ausdehnung des in einer Mediationsvereinbarung regelmäßig enthaltenen, dilatorischen Klageverzichts. Ausführlich dazu Eidenmüller (2003). Wie ein mit der Sache befasstes ausländisches (staatliches) Gericht sie qualifizieren und ob es sie honorieren würde, ist eine andere Frage. Bei einem Schiedsgericht kann – unabhängig von der Qualifikationsfrage – erwartet werden, dass Regelungen über eine Verjährungshemmung respektiert werden. Vgl. zur Diskussion oben Kapitel 3 En. 43. Vgl. Eidenmüller (2001), S. 27 f. Umfassend Wagner (1998), S. 608 ff., insbes. S. 621 ff., 640 ff. und 683 ff. m. w. N.

Schwierige Situationen in Mediationsverfahren bewältigen

1 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 9.4.2002, S. 40 und v. 6.4.2002, S. 39. 2 Vgl. hierzu Menkel-Meadow/Love/Kupfer-Schneider (2006), S. 443 ff.; Moore (2003), S. 427 ff.; Hampson/Hart (1999), S. 1 ff., 23 ff.; Zartman (1994) m. w. N. 3 Vgl. Thompson (2009), S. 221; Raiffa/Richardson/Metcalfe (2002), S. 430 ff.; Schwarz (2001), S. 294 ff.; Lax/Sebenius (1991). 4 Vgl. zum ganzen Touval (1993), 355 ff. 5 Vgl. hierzu Eidenmüller (1999), S. 529 f. m. w. N. 6 Hierzu Raiffa/Richardson/Metcalfe (2002), S. 465 ff. 7 Vgl. Touval (1993), S. 359. 8 Hierzu Mnookin/Peppet/Tulumello (2000), S. 274 ff.; Susskind (1994), S. 82 ff.; Winham (1977). 9 Vgl. hierzu ausführlich Lax/Sebenius (2006), S. 99 ff. 10 Eingehend hierzu Tochtermann (2008a), S. 103 ff. 11 Dem entspricht die in § 3 Abs. 1 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45) vorgeschlagene Regelung: „Der Mediator hat den Parteien alle Umstände offenzulegen, die seine Unabhängigkeit und Neutralität beeinträchtigen können. Er darf bei Vorliegen solcher Umstände nur als Mediator tätig werden, wenn die Parteien dem ausdrücklich zustimmen.“ 12 Hierzu Hacke (2001), S. 225 ff., v. a. S. 231. Entsprechende (umfassende) Tätigkeitsverbote für alle Mediatoren – vorbehaltlich eines ausdrücklichen Einverständnisses der Parteien – finden sich jetzt in § 3 Abs. 2 bis 4 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45). 13 Vgl. Section 9 (b) des Uniform Mediation Act: „If a mediator learns any fact described in subsection (a) (1) after accepting a mediation, the mediator shall disclose it as soon as is practicable.“ Der Uniform Mediation Act ist ein von der US-amerikanischen National Conference of Commissioners on Uniform State Laws entworfenes Modellgesetz zur Vereinheitlichung der gesetzlichen Regelung der Mediation in den USA, abrufbar unter www.law.upenn.edu/bll/archives/ulc/mediat/UMA2001.htm; vgl. hierzu Hilber (2003); Eidenmüller (2002a). 14 In diesem Sinne auch § 3 Abs. 1 S. 2 sowie § 3 Abs. 4 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45). Auch US-amerikanische Gerichte tolerieren selbst vermeintlich schwerwiegen-

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de Interessenkonflikte, solange diese vom Mediator rechtzeitig offengelegt wurden, vgl. Coben/Thompson (2006), S. 140 f. Vgl. Tochtermann, (2008a), S. 70 ff.; Schwarz (2001), S. 296. Eine vertiefte Analyse von Machtungleichgewichten in Verhandlungen geben Adler/ Silverstein (2000). Vgl. auch Moore (2003), S. 389 ff.; Breidenbach (1995), S. 248 ff.; Davis/ Salem (1984). Vgl. hierzu Döring (2001). Zitiert nach Spiegel Online vom 7.3.2008. Dem entspricht im Wesentlichen § 2 Abs. 5 S. 2 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45): „Der Mediator kann die Mediation beenden, insbesondere wenn er der Auffassung ist, dass eine eigenverantwortliche Kommunikation oder eine Einigung der Parteien nicht zu erwarten ist.“ Eine entsprechende gesetzliche Hinweispflicht ergibt sich aus § 2 Abs. 6 S. 2 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45). Vgl. hierzu oben S. 100. Zur Bedeutung legitimer Kriterien für den Ausgang von Verhandlungen vgl. Richardson (2007); Fisher/Ury/Patton (1991), S. 81 ff. In diesem Sinne auch § 2 Abs. 5 S. 2 MediationsG-RegE. Vgl. hierzu oben Kapitel 2 En. 45. Risse (2003), S. 239 f.; Fisher/Ury/Patton (1991), S. 31 f. Vgl. Fisher/Shapiro (2006), S. 146 ff., 152 ff. Vgl. zu der Technik des „to reframe“ Ury (1993), S. 76 ff. Fisher/Shapiro (2006), S. 153; Risse (2003), S. 239. Vgl. Schneeweiß (2000), S. 527.

III Die erfolgreiche Anwendung von Mediation 1 Diese Ergebnisse beruhen auf plausiblen Annahmen, verändern sich aber auch nicht wesentlich, wenn man diese Annahmen leicht modifiziert, vgl. hierzu Eidenmüller (2002b), S. 2; ders. (2001), S. 5 ff., 67 ff. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Horst (2009), S. 1170 und Winterstetter (2002), S. 519 ff., 523 f. Für die gerichtsverbundene Mediation in Deutschland ist eine solche Kostenersparnis auch empirisch nachgewiesen worden. So hat die Untersuchung von Spindler (2006), S. 176, gezeigt, dass 61,1 % der Parteien von einer Kostenersparnis der Mediation gegenüber der streitigen Erledigung des Konfliktes in einem Zivilprozess ausgehen. Eine regelmäßig aktualisierte Bibliographie empirischer Studien zur gerichtsverbundenen Mediation in den USA findet sich unter courtadr.org/files/MedStudyBiblio2ndEd2.pdf. 2 Die Kosten des Zivilverfahrens wurden auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und des Gerichtskostengesetzes (GKG) ermittelt. Für das Schiedsverfahren wurden die gemittelten Gesamtkosten des Verfahrens mit 3 Schiedsrichtern einschließlich der Kosten der Schiedsorganisation auf der Grundlage der Kostenordnungen der DIS und der ICC sowie die entsprechenden Kosten der Parteianwälte nach dem RVG zugrundelegt. Für das Mediationsverfahren wurde von einer vertragsautonomen Mediation außerhalb eines staatlichen Gerichtsverfahrens ausgegangen und ein Mediatorenhonorar von 350 € / h sowie ein Zeitbedarf von 21 bis 30 Stunden angesetzt. Die Kosten der an der Mediation beteiligten Parteianwälte bestimmen sich nach den Regelungen des RVG (1,30 Geschäftsgebühr, 1,50 Einigungsgebühr und Auslagenpauschale). Vgl. zu den Kosten des Mediationsverfahrens auch Horst (2009) und Eidenmüller (2001). 3 Vgl. Duve/Ponschab (1999), S. 266 ff. 4 Die angegebenen Erfolgswerte von ca. zwei Dritteln beziehen sich allerdings nur auf diejenigen Konflikte, in denen Mediationsverfahren versucht wurden. Es spricht eine gewisse Vermutung dafür, dass diese Fälle von vornherein eher zu einer Einigung und somit einer Lösung im Wege der Mediation geeignet waren als der Durchschnitt aller Konflikte. Statistisch lassen sich diese Werte daher nicht auf alle denkbaren Konflikte übertragen. Aussagekräftig sind insoweit aber Erfolgswerte von staatlich angeordneten

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Endnoten zu den Kapiteln Mediationsprogrammen für sämtliche Konflikte. Deren Einigungsraten liegen im Mittel ca. 8 bis 10 Prozent unterhalb derer freiwilliger Programme, erreichen im Einzelfall aber immer noch Werte von über 70 Prozent. Vgl. z. B. Untersuchung des in North Carolina durchgeführten Programms für gerichtsangeordnete Mediationsverfahren (Program of Court-Ordered Mediated Settlement Conferences, MSCs) in Zivilverfahren von Clarke/ Ellen/McCormick (1995), abrufbar unter courtadr.org/files/CourtOrderedMedNC.pdf. 5 Vgl. zu diesen „Transaktionskosten“ Spindler (2006), 177 ff. So gaben 42,1 % der befragten Parteien an, dass als Motivation für die Teilnahme am Mediationsverfahren die Vermeidung der mit einem Gerichtsverfahren verbundenen Belastungen ausschlaggebend war. In der Untersuchung des bayerischen Projektes „Güterichter“ waren es sogar 55,5 %, vgl. Greger (2007), S. 51 ff. 6 Vgl. hierzu die empirischen Ergebnisse bei Greger (2007), S. 51 ff. und Spindler (2006), S. 170 ff. 7 Eidenmüller (2002b), S. 2. 12

Mediation intelligent nutzen

1 Vgl. die empirische Untersuchung unter 1.000 der größten amerikanischen Unternehmen aus dem Jahre 1998 von Linsky/Seeber (1998), S. 10. 2 Der Harvard Professor und Mediationspionier Frank Sander geht von einer grundsätzlichen, freilich widerlegbaren Vermutung für eine Eignung eines Konfliktes für die Mediation als Ziel der Bemühungen um eine Institutionalisierung des Mediationsverfahrens aus, vgl. Sander (2007), S. 600; Sander/Rozdeiczer (2006), S. 32. 3 Vgl. auch ausführlich Duve (2004). 4 Dieses Ergebnis ist auch empirisch belegt. So hat die wissenschaftliche Begleitforschung der gerichtsnahen Mediation in Niedersachsen nachgewiesen, dass sich 71,25 % der befragten Parteien in der Zivilgerichtsbarkeit aus Gründen der Zeitersparnis für die Mediation entschieden haben, Spindler (2006), S. 173 ff. 5 Siehe die Statistik unter www.cedr.com/index.php?location=/library/articles/Statistics_ 2004.htm. 6 Winterstetter (2008), S. 519 ff.; Eidenmüller (2002b), S. 2; Eidenmüller (2001), S. 5 ff., 67 ff. 7 Verstärkt wird dieser Effekt durch das Phänomen der reaktiven Abwertung, das wir Ihnen in Kapitel 1 näher vorgestellt haben. 8 Vgl. hierzu Der Spiegel, Hefte 50 und 52 aus dem Jahre 1999. 9 Vgl. Goldberg/Sander/Rogers/Cole (2007), S. 153 ff.; Eidenmüller (2004), S. 65 f. 10 4 brand eins 2002, Heft 3, S. 36, 38, 44. 11 Zu internationalen Mediationen vgl. Eidenmüller (2002b), S. 53 ff.; zu Fragen der Gestaltung grenzüberschreitender Konfliktlösungsmechanismen Stallard (2002) und zum internationalen Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation Hutner (2005). Allgemein zur vertraglichen Gestaltung von Mediationsverfahren siehe Hacke (2001). 12 Siehe die Statistik unter www.cedr.com/index.php?location=/library/articles/Statistics_ 2004.htm. 13 Hierzu Holznagel (1997), S. 157. 14 Vgl. hierzu Fiss (1984). 15 Siehe die Presseerklärung des als Mediator in diesem Verfahren berufenen Chief Judge Richard A. Posner unter www.pbs.org/newshour/bb/cyberspace/jan-june00/posner_4-3. html. 16 Vgl. hierzu auch Art. 8 Abs. 2 der Mediationsrichtlinie (Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. EU Nr. L 136 v. 24.5.2008, S. 3), der die Mitgliedstaaten zum Schutz der Mediationsparteien vor einer Verjährung ihrer streitbefangenen Ansprüche verpflichtet. 17 Ausführlich zur Auswahl des Mediators Eidenmüller (2004), S. 80 ff.; Hacke (2001), S. 147 ff. und Allen/Mohr (2000). 18 Die hier verwendete Begrifflichkeit geht zurück auf Eidenmüller (2004), S. 93 ff.

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Endnoten zu den Kapiteln 19 Vgl. hierzu die Presseberichte unter rhein-zeitung.de/on/97/03/21/topnews/stahlge spraech.html sowie Süddeutsche Zeitung (S.Z.) v. 21.3.1997, S. 2. 20 Vgl. entsprechende Profile zu den bei der Hamburger Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte der IHK Hamburg gelisteten Mediatoren unter www.hk24.de/recht_und_fair_ play/schiedsgerichtemediationschlichtung/mediation/mediationsstelle/wer_sind_unsere_ mediatoren/. 21 Vgl. auch 3 Abs. 5 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45): „Der Mediator ist verpflichtet, die Parteien auf deren Verlangen über seinen fachlichen Hintergrund, seine Ausbildung und seine Erfahrung auf dem Gebiet der Mediation zu informieren.“ 22 Persönliches Gespräch eines der Autoren mit den beiden Mediatoren am 11. Februar 1997. 23 Z. B. Ewig (2002). 24 Vgl. z. B. die umfangreiche Liste der Hamburger Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte der IHK Hamburg (oben En. 20). 25 So § 3 der Verfahrensordnung für das Mediationsverfahren des Europäischen Instituts für Conflict Management e.V. (eucon), zu beziehen über www.eucon-institut.de/down load/regelwerk/eucon_1_ verfahrensordnung.pdf. 26 So z. B. Pkt. 2 der CPR Institute for Dispute Resolution European Mediation Procedure, abrufbar unter www.cpradr.org/Portals/0/International%20Arbitration%20Rules%20 &%20ADR%20Procedures/CPR%20EUROPEANMEDIATION.pdf und Art. 4 der Commercial Arbitration and Mediation Center for the Americas (CAMCA) Mediation Rules, abrufbar unter www.adr.org/sp.asp?id=22092#Camcamed. 27 Vgl. den MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45). Für einen rechtsvergleichenden Überblick über die Einbindung der Mediation in Recht und Verfahren vgl. eingehend Alexander (2010) und Steffek (2010). 28 Zu Fragen der vertraglichen Gestaltung von Mediationsverfahren siehe Eidenmüller (2001) sowie Hacke (2001). 29 Hilfestellungen bei American Arbitration Association (2007); Hacke (2001), S. 89 ff.; Sander/Goldberg (1994). 30 Dabei lässt der Regierungsentwurf leider unklar, welche Regelungen des Gesetzes zwingend und welche dispositiv sind, von welchen Vorschriften die Parteien also abweichen dürfen und von welchen nicht. Teilweise enthält der Entwurf hierzu Bestimmungen (so zu möglichen Abweichungen von den Neutralitätsanforderungen an den Mediator, § 3 Abs. 4 MediationsG-RegE, oben Kapitel 2 En. 45). Zu denkbaren (und näherliegenden) Abweichungen von anderen Bestimmungen (wie zum Beispiel zu den Aufgaben des Mediators in § 2) schweigt der Entwurf dagegen. 31 Insbesondere zu den Aufgaben des Mediators empfiehlt sich eine eindeutige Regelung im Mediatorvertrag („Was soll er tun? Was nicht?“). Leider sagt gerade hierzu der MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45) nicht, ob und ggf. inwieweit von der geplanten gesetzlichen Aufgabenbeschreibung in § 2 des Entwurfs abgewichen werden darf. Unseres Erachtens sind Abweichungen hiervon zulässig, da gerade die Ausgestaltung des Verfahrens Ausdruck der Parteiautonomie ist, die für das Verfahren der Mediation wesentlich ist. 32 Nach § 4 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45) soll der Mediator gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sein. Nach der Begründung des Regierungsentwurfes können „die am Mediationsverfahren beteiligten Parteien … die nach § 4 MediationsG zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen im allseitigen Einvernehmen von dieser Pflicht entbinden.“ (MediationsG-RegE, S. 24). Der Verzicht auf eine zwingende Verschwiegenheitsverpflichtung ist zu begrüßen, da dies eher den Prinzipien der Freiwilligkeit und Parteiautonomie entspricht, welche die Mediation tragen. Als Schutzzweck der Vertraulichkeitspflicht sind damit Schutzzweck allein die Interessen der Parteien an der Vertraulichkeit der Inhalte des Verfahrens, nicht dagegen die allgemeine Integrität der Mediation als (abstraktes) Verfahren oder die durch Vertraulichkeit bewirkte grundsätzliche Abgeschlossenheit der Mediation gegenüber anderen Verfahren.

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Endnoten zu den Kapiteln 33 Nach der geplanten Einfügung eines neuen § 796d in die Zivilprozessordnung (ZPO) durch den MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45) setzt die Vollstreckbarerklärung eines Mediationsvergleichs weiter die Zustimmung aller Parteien voraus. Soll die Vollstreckbarkeit schon vor Verfahrensbeginn verbindlich vereinbart werden, sind daher weiterhin entsprechende vertragliche Regelungen (ggf. in notariell beurkundeter Form) erforderlich. 34 So etwa das Centrum für Verhandlungen und Mediation (CVM) an der Universität München, www.c-v-m.org. 35 Weitere Muster z. B.: Mediation Rules der Chicago International Dispute Resolution Association (CIDRA) unter www.cidra.org/rules/; Mediation Rules des Commercial Arbitration and Mediation Center for the Americas (CAMCA) unter www.adr.org/ sp.asp?id=22092#Camcamed; Mediation Procedure des London Court of International Arbitration (LCIA) unter www.lcia.org/Dispute_Resolution_Services/LCIA_Mediation_ Rules.aspx; Conciliation Rules der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) unter www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/ml-conc/0390953_Ebook.pdf. 36 Siehe §§ 10–12 der Verfahrensordnung des EUCON, www.eucon-institut.de/download/ regelwerk/eucon_1_verfahrensordnung.pdf. 37 Siehe die Honorarordnung unter: www.hk24.de/recht_und_fair_play/schiedsgerichte mediationschlichtung/mediation/mediationsstelle/regularien/363566/honorarordnung. html. 38 Kostenordnung als Anlage 1 unter: www.muenchen.ihk.de/mike/ihk_geschaeftsfelder/ recht/Anhaenge/Verfahrensordnung-des-MediationsZentrums.pdf. 39 Siehe unter www.iccwbo.org/court/arbitration/id4093/index.html#article_30. 40 Siehe unter www.adr.org/sp.asp?id=33581. 41 Grundlegend zur Rolle des Rechtsanwalts in Mediationsverfahren Picker (2004), S. 51 ff.; Cooley (2002); vgl. auch Sternlight (1999). 42 Vgl. Kupfer-Schneider (2000). 43 Vgl. Picker (2004), S. 51. 44 Siehe Picker (2004), S. 54. 13 1 2 3 4 5

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Mediationsverfahren institutionalisieren McEwen (1998). Stucki (1997); Weise (1989). Angaben bei Stucki (1997). Vgl. auch die Zusammenstellung in CPR Institute for Dispute Resolution (2002). Allerdings ist das mögliche Potential bei weitem noch nicht ausgeschöpft. So haben zwei, von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers in Auftrag gegebene empirische Studien ergeben, dass Verfahren außergerichtlicher Konfliktbeilegung zwar als vorteilhaft wahrgenommen, jedoch in der Praxis kaum eingesetzt werden. Ursache hierfür ist eine Kombination aus lückenhaften theoretischen Kenntnissen der Verantwortlichen sowie mangelnde praktische Erfahrung: Kampherm/Kraus/Wellmann (2007) und Breidenbach/Gläßer/Hammes/Kirchhoff/Nestler (2005). Vgl. hierzu auch Wellmann/Kraus/Kampherm (2008) und Gläßer/Kirchhoff (2005). Bislang bestehen Schlichtungsgesetze zur Umsetzung des § 15a EGZPO in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. So z. B. durch die Einleitung eines Mahnverfahrens, vgl. § 15a Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EGZPO. Vgl. die Anregungen zu gesetzlich angeordneter Mediation bei Nelle/Hacke (2001). Trenczek (2009), 184; Knodel/Winkler (2008); Greger (2007), 130 m. w. N. Zum Unterschied zwischen Mediation und Schlichtung vgl. Prütting (2003), S. 2 f. Hommerich/Prütting/Ebers/Lang/Traut (2006), S. 90 f., 319. Prütting (2008), § 278 Rn. 34. Vgl. auch Hommerich/Prütting/Ebers/Lang/Traut (2006), S. 83 ff.

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Endnoten zu den Kapiteln 12 Vgl. Artikel 3 Nr. 5 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45). 13 Eine Beschreibung verschiedener Instrumente des Konfliktmanagements findet sich in Troja/Stubbe (2008) und Schoen (2003), S. 252 ff. 14 Nestler/Hammes/Gläßer/Kirchhoff/Breidenbach (2005), S. 12. 15 Telefonische Auskunft von Kurt Nottbohm, ehemaliger Chefsyndikus der STEAG, Essen, im Oktober 2002 gegenüber einem der Autoren. 16 Satzung zu beziehen über Bayerischer Brauerbund e.V., Oskar-von-Miller-Ring 1, 80333 München: www.bayerisch-bier.de. 17 Vgl. Klowait/Hill (2007); Gans (2001), S. 70. 18 www.cpradr.org/AboutCPR/TheCPRADRPledge/tabid/74/Default.aspx; vgl. hierzu auch Picker (2004), S. 25 f.; zur Auswertung einer Studie über die Diskrepanzen von theoretischer Bewertung und tatsächlicher Nutzung außergerichtlicher Verfahren, insbes. bei CPR-Mitgliedern: Wellmann/Kraus/Kampherm (2007). 19 Vol. 3 No. 1 Connection, Program Update for Members of the CPR Institute for Dispute Resolution (2002), S. 2. 20 Vgl. deshalb etwa die Satzung der Gesellschaft für Recht und Ökonomik (Hamburg), eines Idealvereins, die in ihrem § 11 eine Mediationsklausel enthält: www.glea.de. 21 Hilfestellungen geben u. a. American Arbitration Association (2007); Tochtermann (2008b); Friedrich (2007); Hacke (2001); Holland (2000) und Aibel/Friedman (1996). 22 www.eonhanse.com/pages/eha_de/Netz/Gasnetz/Allgemeine_Bedingungen_fuer_Netzan schluss_und_Netzzugang/_documents/2008-07-29__KOV_III_end2.pdf. 23 Abrufbar unter www.iccwbo.org/court/adr/id4452/index.html. 24 Zu beziehen unter www.dis-arb.de/KMO_2010.PDF. 25 Vgl. hierzu und zum folgenden Eidenmüller (2001), S. 7.; Shavell (1995). 26 Grundlegend Kahneman/Tversky (1979). 27 Siehe die Fallstudie bei McEwen (1998), S. 10 ff.; vgl. auch Schoen (2003), S. 202 ff. 28 Persönliches Gespräch eines der Autoren mit dem Senior Counsel Litigation der GE Infrastructure – Oil & Gas, Michael McIllwrath in Florenz am 10.6.2010; Halm (2008). 29 www.usps.com/redress/. 30 Vgl. dazu en.wikipedia.org/wiki/Jamie_Leigh_Jones und www.guardian.co.uk/world/ 2009/oct/15/defence-contractors-rape-claim-block. 31 U.S. Court of Appeals of for the 5th Circuit, Urteil v. 15.9.2009 in der Rechtssache Jones v. Halliburton Co., Dokumenten-Nr. 08-20380, 583 F.3d 228, 228, 232 (5th Cir. 2009), www.ca5.uscourts.gov/opinions%5Cpub%5C08/08-20380-CV0.wpd.pdf. Dass die Rechtslage indes unklar bleibt, zeigt das Urteil des obersten Gerichtshofes des Staates Texas. Dieser hatte in einem Rechtsstreit zwischen Halliburton Co. und einem Mitarbeiter des Unternehmens die Verbindlichkeit des Ausschlusses der staatlichen Gerichtsbarkeit zugunsten des beschriebenen Schiedsverfahrens noch für rechtens erklärt. Supreme Court of Texas, Urt. v. 30.5.2002 in der Rechtssache In re Halliburton Company, Dokumenten-Nr. 00-1206, 45 Tex. Sup. Ct. J. 720 (Tex. 2002), www.supreme.courts.state.tx.us/ historical/2002/may/001206.PDF. 32 Department of Defense Appropriations Act, 2010, H.R. 3326 v. 21.9.2009, www. govtrack.us/congress/billtext.xpd?bill=h111-3326. 33 Ausführlich z. B. Altmann/Fiebiger/Müller (2005), S. 244 ff.; Kramer (2005); Schubert (2000); Budde (1999); Prütting (1999). 34 Art. 5 MediationsG-RegE (oben Kapitel 2 En. 45). 35 Budde (1999), S. 32; kritisch hierzu Schubert (2000), S. 528. 36 Für Rechtsstreitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis, das sich nach einem Tarifvertrag bestimmt, dessen persönlicher Geltungsbereich überwiegend Bühnenkünstler, Filmschaffende, Artisten oder Kapitäne und Besatzungsmitglieder nach den §§ 2 und 3 des Seemannsgesetzes umfasst. 37 Eidenmüller (2001), S. 14 ff.; Vgl. Budde (1999), S. 35. 38 Eidenmüller (2001), S. 15. 39 Die Darstellung basiert auf dem Praxisbericht der damaligen Syndikusanwältin der Maritim Hotelgesellschaft mbH, vgl. Dendorfer (2001).

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Endnoten zu den Kapiteln 40 Vortrag von Christian Stubbe, Syndikus der Siemens AG, auf Einladung des Centrum für Verhandlungen und Mediation (CVM) an der Universität Münster (jetzt: München) am 10.1.2003. 41 Klowait (2008). 42 Grundlegend Costantino/Merchant (1996); vgl. auch Ponschab/Dendorfer (2009), S. 608 ff.; Goldberg/Sander/Rogers/Cole (2007); Altmann/Fiebiger/Müller (2005), S. 227 ff.; Schoen (2003), S. 241 ff.; Hacke (2001), S. 345 ff.. 43 Vgl. Dendorfer (2001), S. 172. 44 CPR ADR Suitability Guide, Bestellformular unter www.cpradr.org/CPRStore/tabid/ 67/ProductID/11/Default.aspx. 45 Zur Kostenerfassung: Troja (2006); KPMG, Konfliktkostenstudie: Die Kosten von Reibungsverlusten in Industrieunternehmen, in Zusammenarbeit mit der Hochschule Regensburg und der Berner Fachhochschule vom 1.1.2009, abrufbar unter www.kpmg.de/ docs/20090101_Konfliktkosten_Gesamt_web_FINAL.pdf. 46 Vgl. auch die Hilfestellung im CPR Program to Resolve Employment Disputes unter www.cpradr.org.

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401

.

Muster, Checklisten, Hinweise

Beispiele für Mediationsklauseln Die folgende Klausel kann (ähnlich einer Schiedsklausel) in Verträge integriert werden, um Streitigkeiten einem Mediationsverfahren zuzuführen:1

Mediation – Gerichtsverfahren / Schiedsgerichtsverfahren 1. „Die Parteien werden sich nach Treu und Glauben darum bemühen, jede Streitigkeit, die sich aus diesem Vertrag ergibt oder im Zusammenhang mit seiner Durchführung entsteht, in direkten Verhandlungen unter Einbeziehung von Vertretern der Geschäftsführungsebene beizulegen. 2. Vor Beschreiten des Rechtswegs werden die Parteien auf Antrag einer Partei gegenüber der anderen eine Mediation nach der im Zeitpunkt der Anrufung geltenden Verfahrensordnung der […] durchführen. 3. Der Rechtsweg ist erst eröffnet, wenn entweder (a) sich die Parteien nicht innerhalb einer Frist von 60 Tagen seit Antrag einer Partei auf Durchführung einer Mediation gütlich geeinigt haben oder (b) beide Parteien einander schriftlich den Verzicht auf die Durchführung der Mediation erklären. Für diesen Fall vereinbaren die Parteien den Gerichtsstand […]. Alternative: Für diesen Fall vereinbaren die Parteien unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit die Durchführung eines Schiedsverfahrens nach der im Zeitpunkt der Anrufung geltenden Verfahrensordnung der […] durch [einen/drei] Schiedsrichter.“ 4. Verfahrensort für alle Verfahren nach dieser Bestimmung ist […]. Verfahrenssprache in allen Verfahren nach dieser Bestimung ist […].

__________ 1

Umfassende Klauselvorschläge bei Hacke (2001).

403

Muster, Checklisten, Hinweise Soll zunächst eine Verfahrensberatung vorgesehen werden, um einen möglichen späteren Konflikt in das am besten geeignete Konfliktlösungsverfahren zu leiten, kann beispielsweise folgende Klausel verwendet werden:

Verfahrensberatung 1. „Die Parteien werden sich nach Treu und Glauben darum bemühen, jede Streitigkeit, die sich aus diesem Vertrag ergibt oder im Zusammenhang mit seiner Durchführung entsteht, in direkten Verhandlungen unter Einbeziehung von Vertretern der Geschäftsführungsebene beizulegen. 2. Vor Beschreiten des Rechtswegs werden sie eine Verfahrensberatung durch […] über das geeignete Konfliktlösungsverfahren durchführen und das empfohlene Verfahren einleiten. 3. Für den Fall, dass die Parteien innerhalb von 90 Tagen seit der Aufforderung einer Seite zur Durchführung der Beratung keine oder keine vollständige Einigung in dem empfohlenen Verfahren erzielen, steht ihnen das Recht zu, den Rechtsweg zu bestreiten. [Gerichtsstands- oder Schiedsklausel, s. o.].“

404

Beispiel einer Kombination von Mediationsvereinbarung und Mediatorvertrag

Zwischen 1. […] GmbH 2. […] AG 3. Rechtsanwälte […] (Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1. und 2.) 4. […] AG 5. Rechtsanwälte […] (Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 4.) 6. Name des Mediators

wird folgende Vereinbarung geschlossen: I.

Die Beteiligten zu 1., 2. und 4. beauftragen den Beteiligten zu 6. (im Folgenden: der „Mediator“) damit, sie bei der Bewältigung wirtschaftsrechtlicher Konflikte zwischen den Beteiligten zu 1. und 4. sowie zwischen den Beteiligten zu 2. und 4. durch Mediation zu unterstützen. Die Konflikte sind Gegenstand rechtshängiger Zivilprozesse vor dem […].

II.

Ziel der Mediation ist die möglichst eigenverantwortliche Konfliktbewältigung durch die Beteiligten zu 1., 2. und 4. Der Mediator besitzt keine Entscheidungskompetenz. Er fördert als neutraler Vermittler die Suche nach interessengerechten Einigungsmöglichkeiten. Seine Haftung ist auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Der Ablauf der Mediation im Einzelnen wird von den Beteiligten zu 1., 2. und 4. und dem Mediator einvernehmlich festgelegt.

III. Alle Beteiligten verpflichten sich, die Mediation durch einen von Fairness, Offenheit und gegenseitigem Respekt geprägten Verhandlungsstil zu fördern. Dazu gehört insbesondere die Bereitschaft der Beteiligten zu 405

Muster, Checklisten, Hinweise 1., 2. und 4., Informationen offenzulegen, die die Einigungschancen erhöhen könnten. Alle Beteiligten verpflichten sich, den Inhalt der in der Mediation offengelegten Informationen vertraulich zu behandeln, insbesondere diese nicht in einem gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Verfahren gegen einen anderen Beteiligten zu verwenden. Davon ausgenommen sind Informationen, die ein Beteiligter außerhalb der Mediation eigenständig erlangt hat oder erlangen könnte. Der Mediator verpflichtet sich darüber hinaus, Informationen, die nur ihm im Vertrauen von einem Beteiligten zugänglich gemacht wurden, entsprechend vertraulich zu behandeln. In einem gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Verfahren wird kein Beteiligter einen anderen Beteiligten als Zeugen über vertrauliche Inhalte des Mediationsverfahrens benennen. IV. Die Mediation kann von den Beteiligten zu 1., 2., 4. oder 6. jederzeit durch Erklärung gegenüber den übrigen Beteiligten beendet werden. V.

Der Mediator wird das Ergebnis der Mediation zu Beweiszwecken schriftlich dokumentieren. Alle Beteiligten werden das Dokument zeichnen. Für den Fall einer (Teil-)Einigung werden die Beteiligten zu 3. und 5. etwa noch erforderliche Schritte zur rechtsverbindlichen Umsetzung des Mediationsergebnisses ergreifen.

VI. Für seine Tätigkeit erhält der Mediator eine Vergütung von € […]/Stunde (Mediationszeit und Vorbereitungszeit) zuzüglich etwaiger Reise- und Aufenthaltskosten. Die Vergütung wird zur einen Hälfte von den Beteiligten zu 1. und 2. gesamtschuldnerisch und zur anderen Hälfte von der Beteiligten zu 4. geschuldet. Ort, den […]

406

Checkliste zum Anforderungsprofil an einen Mediator

(1) Persönliche Informationen ●

Name



Geburtsjahr



Nationalität



Berufsbezeichnung



Adresse/Tel/Fax/E-Mail/Internet

(2) Sachkompetenz als Mediator ●

Allgemeine berufliche Ausbildung



Ausgeübte berufliche Tätigkeiten



Sachlicher Schwerpunkt der Tätigkeiten



Betriebswirtschaftliche Kenntnisse



Branchenkenntnisse



Technische Kenntnisse



Juristische Kenntnisse



Psychologische Kenntnisse



Veröffentlichungen

(3) Prozesskompetenz als Mediator ●

Theoretische Ausbildung in Mediation – Wann? – Wo? – Wie lange? – Welche Inhalte/Schwerpunkte? – Einmalig/wiederholt? – Abschluss (Prüfung)?

407

Muster, Checklisten, Hinweise ●

Praktische Erfahrungen in Mediation – An wie vielen Verfahren mitgewirkt? – Wie viele Verfahren davon eigenverantwortlich geleitet? – Welche Sachmaterien? – Streitwerte (Durchschnitt und insgesamt)



Mediationsstil(e)



Verhandlungssichere Sprachkenntnisse



Ggf. spezielle Länderschwerpunkte internationaler Tätigkeit

408

Beispiel eines Eröffnungsstatements des Mediators (Notizen)

(1) Begrüßung: Sie haben sich grundsätzlich auf Mediation verständigt → Gemeinsamkeit, auf die wir bauen wollen und können (2) Vorstellung der Beteiligten ●

Mediator: – Name – Beruflicher Hintergrund – Mediationskompetenz



Andere Beteiligte sollen sich selbst vorstellen

(3) Im Folgenden: Information über Mediation ●

Ziele: – Strukturierung des Prozesses – Abschluss der Mediationsvereinbarung (sofern noch nicht geschehen)









Mediation = Altes Verfahren: Vermittlung durch neutralen Dritten, zumeist erfolgreich (ca. 2/3 bis 3/4 Erfolgsquote), und ich bin zuversichtlich, dass es auch für Sie erfolgreich sein wird Kontrolle des Prozesses: ich – Kontrolle des Ergebnisses: Sie Entscheidungssituation: Zwischen Einigungsoptionen und jeweiligen Nichteinigungsalternativen auf der Basis Ihrer jeweiligen Interessen Kein Risiko für Sie: Sie können nur gewinnen. Wenn Sie sich nicht einigen: Nutzung der jeweiligen Nichteinigungsalternativen, Einigung nicht Selbstzweck, aber hier m. E. naheliegend und möglicherweise vorteilhaft für alle Beteiligten

409

Muster, Checklisten, Hinweise (4) Meine Rolle: ●





Neutraler Moderator, Unterstützung bei Verhandlungsprozess, Suche nach interessengerechten Einigungsoptionen, keine Rechtsberatung im engeren Sinne Faktoren, die Neutralität berühren könnten: Kontakte zu den Beteiligten, Vorbefassungen? Verfahren: – Eingangsstatements jeder Seite und weitere Gespräche im Plenum – Vertrauliche Einzelgespräche → wenn Informationen öffentlich nicht möglich – Evtl. auch Einzelgespräche nur mit den Rechtsanwälten oder mit einzelnen Beteiligten – Vertraulichkeit bzgl. aller Ereignisse im Plenum – Vertraulichkeit dessen, was ich in Einzelgesprächen erfahre (sofern Information als vertraulich gekennzeichnet)

(5) Ihre Rolle: ●

Aufgeschlossenheit, Offenheit, Mitarbeit, Zuhören



Wollen Sie das versuchen?

(6) Zeiteinsatz (inkl. Pausen) und sonstige organisatorische Details klären

410

Checkliste zur Organisation eines Mediationsverfahrens

Im Folgenden sind einige logistische Aspekte für die Vorbereitung und Durchführung eines Mediationsverfahrens zusammengestellt: (1) Ort des Verfahrens ●



Welches Land, welche Stadt? Welche Räumlichkeiten und technische Ausstattung? – Anzahl? – Tische, Sitzordnung? – Flipcharts, Pinwände, Moderationskarten, sonstige Visualisierungshilfen? – Overheadprojektor, Beamer, Projektionswand? – PC(s)? – Internetzugang? – Fernsehgerät und Videorecorder oder sonstige Wiedergabemedien für Bild- und/oder Ton? – Telefonanlage (Telefon-/Videokonferenzen?) – Büroservice: Drucker, Kopierer, Fax?



Welche Verpflegung? Kulturelle bzw. religiöse Besonderheiten beachten!

(2) Technische Unterstützung des Mediators ●

Welche Software-Werkzeuge?

(3) Teilnehmerkreis ●





Wer kommt? In welcher Zahl? Vertreter (Abschlussbefugnis klären!)? Rechtsanwälte? Sonstige Berater? Wer sollte noch kommen (z. B. Zeugen, Sachverständige, Dolmetscher, Notar)? Wer sollte nicht kommen? 411

Muster, Checklisten, Hinweise (4) Dokumente ●

Welche Dokumente werden benötigt?



In welchem Umfang?

(5) Verhandlungssprache (6) Zeitplan ●

Wie lange soll die Verhandlung dauern?



Wann werden welche Pausen gemacht?



Was passiert, wenn der Zeitrahmen ohne Einigung erschöpft ist? (Zeitlichen Puffer für etwaige Vereinbarung von Folgeschritten vorsehen)

(7) Tagesordnung ●

Welche Themen?



Welche Reihenfolge?



Welche Interdependenzen?

412

Mediationsorganisationen und -institutionen (Auswahl)





American Arbitration Association (AAA), New York: www.adr.org Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt e.V. (BMWA), Bad Doberan: www.bmwa.de



Center for Effective Dispute Resolution (CEDR), London: www.cedr.co.uk



Centrale für Mediation (CfM), Köln: www.centrale-fuer-mediation.de





















Centrum für Verhandlungen und Mediation (CVM) an der Universität München: www.c-v-m.org Chicago International Dispute Resolution Association (CIDRA): www. cidra.org International Institute for Conflict Prevention and Resolution (CPR), New York: www.cpradr.org Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit, Köln: www.dis-arb.de Europäisches Institut für Conflict Management e.V. (EUCON), München: www.eucon-institut.de Hamburger Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte bei der Handelskammer Hamburg: www.hk24.de International Chamber of Commerce (ICC), Paris: www.iccwbo.org International Chamber of Commerce Deutschland, Köln: www.iccdeutschland.de London Court of International Arbitration (LCIA): www.lcia-arbitration. com Schlichtungsstelle der Industrie- und Handelskammer Nordwestfalen, Münster: www.ihk-nordwestfalen.de 413

Muster, Checklisten, Hinweise ●





Schlichtungsstelle der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern und des Münchener AnwaltVereins e.V., München: www. muenchen.ihk.de United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL), Wien: www.uncitral.org World Intellectual Property Organization (WIPO) Arbitration and Mediation Center, Genf: www.arbiter.wipo.int

414

Stichwortverzeichnis

Hauptfundstellen sind kursiv gekennzeichnt. Abschluss der Mediation 80 f., 98, 104 ff., 255 ff., 263 ff. – Abschlusskompetenz 116 f. – Ein-Text-Verfahren 255, 261 ff., 274 – und Rechtsberatung 101 ff., 265 f. – Vollstreckung 266 f. – s. a. Mediationsvergleich – s. a. Vergleich Abteilungen – Konflikte zwischen 17, 112, 118, 302, 304, 338 ff. – Zuständigkeiten 17 adjudication board 68 adjusted winner strategy 183, 209, 229 ff. Aggressionen (Emotion) 35, 158 Aggressives Verhandlungsverhalten 50 f., 215 ff., 279, 291 f., 294 f. Aktienkurs – und Verlustangst 30 f. aktives Zuhören 126, 144, 146, 147 f., 150, 164 Akzeptanz des Mediators 102 ff., 124, 312 „Alles-oder-Nichts“-Alternativen 44, 47, 64 – s. a. Positionen Alternative – beste s. BATNA Alternative Dispute Resolution (ADR) – adjudication board 68 – arb-med 71 – dispute review board 67 f., 75, 305

– early neutral evaluation 68, 222 – Final Offer Arbitration 271 f. – Gestaltung von Verfahren der 71, 87 ff., 240, 258, 325 ff. – High-low Arbitration 272 – partnering 67 f. – pre-dispute 67 f. – post-dispute 68 ff. – Mediation s. dort – mini-trial 69, 75, 252 f., 270 – med-arb 71, 270 f., 274 – mock arbitration 76 – mock litigation 76 – multi-step 70 f. – Schiedsgutachten 57, 75, 111, 222, 270, 319, 344 – Schiedsverfahren 56 f., 71 f., 270 ff., 318 ff. – s. a. alternative Mechanismen der Konfliktbeilegung alternative Methoden der Konfliktbeilegung – erkennen von 57 ff. – s. a. Alternative Dispute Resolution anchoring 48, 217 f., 239, 275, 292 – s. a. Anker Anker – selbstgesetzte Ziele als 28 – s. a. anchoring Anlass – und Verhalten 15 – von Konflikten 14 ff., 25 f., 107 ff. Anlagenbau 73, 116, 265 415

Stichwortverzeichnis Anreizstrukturen für die Nutzung von Mediation 27, 70, 259, 334, 336 f., 344, 348 f. Anwaltskosten 31, 62, 298 f., 337 Anwaltsmediator 97 ff., 105, 111, 117 f., 126, 273 Anwaltsvergleich 266 f. Anwendungsgebiete der Wirtschaftsmediation 72 ff., 302 arb-med 71 Arbeitgeber 15, 54 f., 72, 215, 237 ff., 341 Arbeitnehmer 54 f., 237 ff., 308, 338 f. – und Unternehmer 16 Arbeitsgerichte 55, 341 f. Arbeitskämpfe – und Schlichtung 54, 92 Arbeitsplätze – Verlust von 38, 134 Arbeitsrecht und Konfliktmanagement 326 ff., 339 ff. arbeitsrechtliche Konflikte 85, 270, 326 ff., 339 ff., 346 f. attributionelle Verzerrungen 29 f., 62 f., 156 ff. Attributionstheorie 29, 52 Ausschlussgründe für Mediation 308 ff. – s. a. Eignung von Konflikten für Mediation Auswahl – der geeigneten Konfliktbeilegungsmethode 26, 53 ff., 57 ff., 66 f. – des Mediators 108, 311 ff. Automobilindustrie 9, 17, 51 f., 71 Autonomie – und Familienmediation 84 – Gefährdung der 220, 252, 284 ff., 288 f., 339 f. – Grenzen der 96, 101 f., 284 ff., 308 f., 339 f. – Herstellung von 171 f. 416

– bei der Konfliktbewältigung 57, 93, 96 f., 101 ff., 171 ff., 220, 228 – und self agency 220 BATNA 58, 236 ff., 253 – und Einigungsbereich 236 f., 255 – und Verhandlungsmacht 237 f., 284 ff. – s. a. Nichteinigungsalternativen – s. a. Prozessrisikoanalysen Bankenombudsmann s. Ombudsmann Bauprojekte 67, 190 – Schlichtung in 72 Beamer 121 ff., 131, 202, 411 Bedürfnisse – und Interessen 168 f. – und Positionen 168 f. Beendigung der Mediation 221, 269 f., 272 Beleidigungen 25 Berliner Flughafenmediation 184 f. Berufsrecht – der Rechtsanwälte s. dort Beschwerdemanagement 72 Beschwerdeverfahren 54 f., 341, 347 – zu Geschäftspartnern s. Geschäftsbeziehungen Bestandsaufnahme 79, 109 ff., 126 ff., 151 ff. – s. a. Informationssammlung beste Alternative s. BATNA betriebliche Konflikte 53 ff., 236, 270, 302, 308, 338 ff., 351 Betriebsklima 13 Betriebsrat – und Arbeitgeber 15, 17, 72, 98, 341 – und Konfliktmanagement 341 Betriebsverfassungsgesetz 54 f., 71 f., 341 Beurteilung – umfassende 91 f. Beweismittel 94

Stichwortverzeichnis Beweismittelbeschränkungen 273, 316 Bewertung – von Einigungsoptionen 80, 155, 206 ff., 208 ff., 222 f. – von Interessen 182 ff. – Komponenten der subjektiven 142 – von Konflikten (screening) 327, 347 – von Konfliktmanagementsystemen 342, 348 f. – durch den Mediator 90, 95, 149, 220, 222 f., 257 ff., 288 f. – von Nichteinigungsalternativen 80, 92, 238 ff., 243 ff. – durch die Parteianwälte 323 f. – von Unternehmen 62, 221 ff. – von Wahrnehmungen 29, 52, 147, 156 ff., 164 Bewertungskriterien s. Kriterien Bewertungsmaßstäbe 170 ff., 185 – s. a. Interessen Beziehungen 140 f. – Emotionen als Beziehungsindikator 140 f. – des Mediators und Neutralität 281 f., 294 – Wahrnehmung von 153 f. – s. a. Emotionen Beziehungsebene – Konfliktdiagnose auf der 128 ff. – und Sachebene 22 ff., 44, 52 f., 58, 64, 67, 110, 129 ff., 159 ff., 291, 307 Beziehungskonflikte 16, 22 ff., 52, 54 f., 69, 102, 110, 132, 134, 139, 152, 167 Brainstorming 80, 197 ff., 210, 224 f. Brainwriting 199 f. Bürgerdialog Flughafen Berlin Brandenburg International 184 f. Bürgerinitiativen 117 f.

Camp-David-Verhandlungen 261 caucus s. Einzelgespräche Charakteristika der Mediation 63, 78 f. character contest 23 Co-Mediation 241, 313 ff. Collaborative Law 70 Commitment s. Selbstbindung Community Mediation Centers 84 Dauer – von Mediationsverfahren 64, 87, 81, 120 – von Prozessen 85 Deal Mediation 66 Debiasing 218 – s. a. Wahrnehmung, Veränderung Deeskalation 143, 158, 189, 240, 289 ff. – und Einzelgespräche 240 – Gemeinsamkeiten betonen 293 – „Let them vent“ 289 – Normalisieren 149 f., 291 – Reformulieren 291 – Spannungsabbau physisch unterstützen 293 – Strategien der 289 ff. – Thematisieren 290 – Verständnis signalisieren 292 f. – s. a. Eskalation Diagnose von Konflikten 13 f., 38, 109 ff., 124 ff. direkte Fragen 153 dispositives Recht 96 f., 100 dispute review board 67 f., 75, 305 dispute resolution systems s. Konfliktmanagementsysteme dispute systems design s. Konfliktmanagementsysteme distributives Verhandeln 91, 214 ff., 279 Drohungen 37, 44, 51, 286, 289 – mit Öffentlichkeitswirkung s. dort 417

Stichwortverzeichnis early neutral evaluation 68, 222 Effizienz – der Konfliktlösung 43, 85 f., 108 ff., 208 ff., 213 ff. – des Konfliktlösungsverfahrens 85 f., 337 f., 350 – Ineffizienz intuitiven Verhandelns 43 ff. – Ineffizienz gerichtlicher Streitbeilegung 73 – Pareto 188 – von Verteilungsprozessen 213 ff. – s. a. adjusted winner strategy Eignung von Konflikten für Mediation 13, 16, 65 f., 70 ff., 75 f., 286 f., 301 ff. Einfühlungsvermögen 44 f., 159 ff., 172 f., 180 ff. – und Selbstbehauptung 44 f., 173 f. – s. a. Empathie Einigungsbarrieren s. Einigungshindernisse Einigungsbereich 236 f., 248, 303 Einigungshindernisse 51 f., 111, 113, 255 ff., 273 – Emotionen als Indikator für 141 – Emotionen als 141, 289 ff. – frühzeitige Festlegung auf Lösung als 51 f. – kognitive 26 ff., 239 f., 257 – intuitives Verhandeln als 43 ff. – Machtungleichgewichte als 284 ff. – Nullsummenmythos als 49 f., 174, 195 – strategische 51 f., 210, 256, 299 f., 328 ff. – strukturelle 256 f., 284 – überwinden 129 ff., 255 ff., 299 f., 328 ff. – Vermischung von Person- und Sachebene 52 f., 129 ff. – Vertreter als 115 f. – Verhandlungsdilemma als 59 ff. 418

– Wahrnehmungsverzerrungen 26 ff., 62, 158, 239 f. Einigungsoptionen 51 f., 96 f., 187 ff., 215 ff., 219 ff. – Ausschluss unerwünschter s. Selbstbindung – Brainstorming 80, 197 ff., 207, 224 f. – Bewerten von 80, 206 ff., 208 ff., 222 f., 323 f. – Entwickeln von 92 f., 96 f., 174 ff., 187 ff., 219 ff., 247 f., 257 ff., 323 f. – und Mediator 87 ff., 90 f., 95, 101 ff., 222 f., 257 ff., 283 f., 288 f., 294 f. – und Fairness 213 ff., 223 ff. – Ideen und 80, 197 ff., 207 – konkretisieren 206 ff. – PMI-Methode 208 – und Recht 96 – Sammeln von 58, 80, 197 ff. – Trennung von Entwicklung und Bewertung von 80, 197 ff. – s. a. Kreativität Einigungsstelle 55, 72, 341, 347 Einigungsstellenverfahren 72 Einigungsquoten von Mediationsverfahren 64 f., 124 Einigungsvorschläge des Mediators 87 ff., 90 f., 101 ff., 222 f., 257 ff., 283 f., 288 f. – und Verfahrensordnungen 260 – und Neutralität des Mediators 266 Einsatzgebiete der Wirtschaftsmediation 302 einseitige Kommunikation 282 f. Einstieg in Mediationsverfahren 78 einstweiliger Rechtsschutz 310 Ein-Text-Verfahren 255, 261 ff., 274 Einzelgespräche 179 ff., 240 ff., 282 f., 286, 291 ff. – Deeskalation durch 240 f., 291 ff.

Stichwortverzeichnis – – – –

und Machtungleichgewichte 220 und Mediationsvereinbarung 243 und Mediatorvertrag 241 und Neutralität des Mediators 216 f., 240 f., 270, 282 f. – und Nichteinigungsalternativen 92, 156, 241 ff., 245 ff., 263 – Risiken von 240 f. – und Verhandlungsort 120 – und Vertraulichkeit 87, 179, f., 240 f., 314 emotionale Intelligenz 159 f., 172 ff. – s. a. Empathie Emotionen 124, 133 ff., 164 f., 289 ff., 306 f. – analysieren von 142 f. – Ärger 30, 135, 141 f., 293 – Angst 30 f., 129, 136 ff., 143, 158, 178, 196 – als Beziehungsindikatoren 140 f. – Empörung 138, 142 f. – Enttäuschung 94, 129, 135 ff., 143, 158 – und Fragen 144 – als Informationsquelle 133, 139 ff. – Intensität von 134 ff., 141 f. – und Körpersprache 135 ff., 141, 161 – Misstrauen 11, 25, 130, 138 – Mut 143 – Neid 131, 306 – Offenlegung von 138 – Stolz 135 – als Wertindikatoren 135 – und wirtschaftliche Konflikte 134 ff. – und Wahrnehmung 144 – s. a. Beziehungen – s. a. Eskalation – s. a. Kommunikation Empathie 44 f., 155, 160, 159 f., 172 f.

– und Entscheidungsszenarien 181 – Förderung der 159 f., 172 ff. – und Rollenwechselübungen 180 f. – und Selbstbehauptung 44 f., 173 f. Entrechtlichung 169 Entscheidungsbaum 115, 244 ff. – s. a. Prozessrisikoanalysen Entscheidungsbefugnis – der Teilnehmer an einer Wirtschaftsmediation 115 ff. Entscheidungsgewalt des Mediators 63 f., 83, 87 ff., 95 Entscheidungsträger 81, 116 f., 257, 266, 306 – der abwesende 117 Entscheidungsszenarien 180 f. erbrechtliche Konflikte 23, 167, 301 Erfolgschancen – im Falle eines Gerichtsverfahrens 28 – von Mediationsverfahren 64 Erfolgsquoten von Mediationsverfahren 64 f., 124 Erforschung der Interessen 79, 153, 155, 167 ff. Ergebnisse von Verhandlungen s. Verhandlungsergebnisse Ergebnisverantwortung – des Mediators 95, 97 – der Parteien 220 Eröffnungsstatement des Mediators 78 f., 123 ff., 132, 409 f. Eskalation – von Konflikten 14 f., 33 ff., 133 ff., 215 f., 289 ff. – Ursache für 33 ff., 45, 63, 139, 143 ff., 289 ff., 336 – in Mediationsverfahren 289 ff. – durch Selbstbindung 215 f., 291 f. – Stufenmodell der 33 ff., 99, 102 f. – Vermeiden 125 ff., 140, 143 ff., 149 f., 289 ff. – s. a. Deeskalation 419

Stichwortverzeichnis s. a. Emotionen s. a. Kommunikation s. a. Konfliktverlauf s. a. schwierige Situationen in Mediationsverfahren Europäische Mediationsrichtlinie 84, 97, 103, 267, 316, 329, 352 Europäische Union 84, 96 f., 103, 267 Eurotunnel 278 – – – –

faires Verfahren – Grundsatz des 102 Fairness 26, 55, 140, 211, 213 ff., 223 ff., 288 – objektive Fairness Standards 96, 114, 140, 223 ff. – des Verfahrens 85, 102, 105, 189, 226 ff., 239, 279 – und Verteilungsprozesse 213 ff. Familiengesellschaften 9, 23 f. Familienmediation 81, 76, 85, 12 feindliche Übernahme 11, 312 Final Offer Arbitration 271 f. fitting the forum to the fuss 76, 352 Flexibilität – der Mediation 75, 77 Flipcharts 121, 123, 178, 182, 203 Fokalpunkte 225 ff. Fragearten 153 ff., 126 – direkte 153 – geschlossene 155 f. – kritische 241 ff. – offene 155 f., 179 – reflexive 154 f. – strategische 154 – Suggestivfragen 241, 290 – zirkuläre 153 f. Fragen 144, 151 ff., 175, 178 ff., 241 ff. – zum Offenlegen der Interessen 178 ff. – zum Offenlegen der Wahrnehmung 144 420

– Prüffragen für die Bewertung von Einigungsoptionen 208 f. – reality check der Nichteinigungsalternativen durch 241 ff. – s. a. Fragearten – s. a. Fragetechnik – s. a. Kommunikationstechniken Fragetechnik des Mediators 87 f., 126 f., 144 f., 151 ff., 241 ff. – s. a. Kommunikationstechniken Fragetypen s. Fragearten Framing 260 Franchise-Geber 73 Franchise-Nehmer 73 Frankfurter Flughafenmediation 85, 118, 277 f. Freiwilligkeit der Mediation 63, 86, 220, 348 Funktion des Mediators 63 f. Fusionen 17, 20, 42, 66 f., 312 – Integrationsprozesse nach 66 – Fusionsverträge 67 Gefangenendilemma 15, 59 ff., 62 f., 260 Gefühle s. Emotionen Genugtuung 37 Gerechtigkeit – des Ergebnisses einer Mediation 96 – Eingriff des Mediators bei ungerechtem Ergebnis 104 – Gerechtigkeitsvorstellungen 18 f., 135, 139 ff., 223 ff. – Gerechtigkeitskriterien 62, 80, 223 f., 287 – soziale 84 – Verfahrensgerechtigkeit 85, 102, 105, 189, 226 ff., 239, 279 – s. a. Fairness Gerichte 56 – Prozess vor staatlichen 56 – Kosten 12, 85, 246 f., 258 f., 298 f., 301, 322

Stichwortverzeichnis – Kostenanreize 258 f., 336 f., 348 ff. gerichtsverbundene Mediation 65, 76, 84, 351 Geschäftsbeziehungen 17, 51, 62, 299 geschlossene Fragen 155 f. Gesellschafter – Konflikte zwischen s. Gesellschafterauseinandersetzungen gesellschaftsrechtliche Konflikte 302 Gesellschafterauseinandersetzungen 17 f., 23 f., 36 f., 167, 190 ff. Gesetz s. Mediationsgesetz Gesichtsverlust 36, 48, 139, 218 f. Gesprächsführung – non-direkte 146 ff. Gestaltung – von Verfahren zur Konfliktbeilegung 71, 87 ff., 240, 258, 325 ff. Gremienvorbehalte 116 Grünbuch zur Außergerichtlichen Streitbeilegung 84 Gruppenfreistellungsverordnungen 96 Grundsatzkonflikte 16, 18 f., 39, 55 f., 128 Gruppenpsychologie s. Psychologie Gütestellenvergleich 266 f. Haftpflichtversicherer 103, 119 Harvard-Konzept 58, 62, 75, 223 – s. a. interessenorientiertes Verhandeln Hindernisse für eine Einigung s. Einigungshindernisse Ich-Aussagen 151 Ideen – zur Problemlösung 80, 197 ff. indirekte Kosten 12 f., 58, 247, 299, 301 Informationsauswertung 115

Informationsgrundlagen der Mediation 205 ff. Informationssammlung 109 ff. – Interviews 114 f. – pre-mediation briefing reports 113 f., 127 f., 280 – schriftliche Stellungnahmen 112 f. – Schriftsätze 112 – s. a. Bestandsaufnahme Infrastrukturvorhaben 17, 85 innerbetriebliche Konflikte 53 ff., 236, 270, 302, 308, 338 ff., 351 innere Konflikte 16, 24 f., 39 Insolvenz 20, 46, 145, 179, 189, 262 f., 276 ff. – und Insolvenzplan 262 – Insolvenzrecht 262 – und Kreditgeber 31 – s. a. Sanierungsverhandlungen Institutionalisierung der Wirtschaftsmediation 67 ff., 315, 325 ff. – institutionelle Unterstützung 318 ff., 28 – in den USA 85 Institutionen 108, 315 – und Verfahrensordnungen 108, 318 ff. integratives Verhandeln 41, 188 ff. Interessen 86, 167 ff., 303 f. – und Bedürfnisse 168 f. – und Einzelgespräche 179 – Erforschung der 79, 153, 155, 167 ff. – und Empathie 172 ff. – Fragen nach 178 f. – Gewichtung von 79, 182 ff. – und Normen 169 – und Sachkonflikte 16 f. – und Positionen 63, 80, 87, 113, 167 ff. – Priorisierung von s. Gewichtung von 421

Stichwortverzeichnis – – – – – –

von Rechtsanwälten 257 und Selbstbehauptung 177 f. Spiegelung von 181 f. Täuschung über 218 Veränderung von 168, 184 f. interessenorientiertes Verhandeln 44, 58 ff. – und Verteilungskonflikte 26 – Verschweigen von 61 – Vielfalt von 168, 175 f. – visualisieren 178 – Wahrnehmung von 168 – und Wertschöpfung 174 f. – s. a. Bewertungsmaßstäbe – s. a. Entrechtlichung Interessenerforschung – Fokus der 176 f. – Methoden der 176 ff. – s. a. Interessen interest-based-mediation 168, 187 interkulturelle Konflikte 32 internationale Konflikte 32 Interviews 114 f. Intuition 41, 43 ff., 202 intuitives Verhandeln 41, 43 ff., 59, 62 f., 256 Investitionsentscheidungen 18, 243, 248 Joint Venture 102, 188, 194, 231, 243 judgemental overconfidence s. Überoptimismus juristische Auseinandersetzung – als Nichteinigungsalternative 26 ff., 86, 90, 95, 97 f., 103, 125, 237, 243 ff. Justitiare 56, 74, 108, 118, 176 Kategorien von Konflikten s. Konfliktkategorien Körpersprache 13 ff., 141, 206, 161 – s. a. Emotionen 422

kognitive – Einigungshindernisse 26 ff., 239 f., 257 – Mechanismen 27 ff., 62, 158, 239 f. – Dissonanzen 28 f., 32 – Konsistenz 27 Kommunikation – Abnahme der 11, 34 – Blickkontakt 148 – einseitige 282 f. – Fördern der 133 ff. – Ich-Aussagen 151 – und Intuition 43 – Kommunikationsfähigkeit des Mediators 26, 146 ff. – non-verbale s. Körpersprache – Verbessern der 146 ff., 249, 261 – s. a. Emotionen Kommunikationsregeln – Vereinbarung von 124, 150 f., 164 Kommunikationstechniken 146 ff. – aktives Zuhören 126, 144, 146, 147 f., 150, 164 – looping s. Paraphrasieren – Neutralisieren 140 f., 215 – Normalisieren 149 f., 291 – Paraphrasieren 146 f., 148 f., 156 f., 162, 164, 178 – Partialisieren 150, 179 – Reformulieren 224, 291 f., 295 – Spiegeln 161, 182 – Strukturieren 150 – Verbalisieren 110, 147, 149, 157 ff., 164 Komplexität von Mediationsverfahren 111, 121, 160, 226, 261 f., 275 ff., 305 f. – 6-Hüte Methode 202 ff. – Adjusted-Winner-Verfahren 229 ff. – best practices bei komplexen Mediationen 111, 121 ff., 160 f., 176 f., 180 f., 202 ff., 207, 210,

Stichwortverzeichnis 225 ff., 229 ff., 241, 243 ff., 253, 261 ff. – Ein-Text Verfahren 261 ff. – Fokalpunkte 225 ff. – Informale Vorbereitungstreffen und Telefonkonferenzen 160 f. – Ordnen von Einigungsoptionen 207 – Physische Bedürfnisse 122 – Prozessrisikoanalyse 243 ff. – Rollenwechselübung 180 f. – Smartsettle 210 – Umgebung 121 ff. – Vertraulichkeitsschutz 241 – Visualisierung 121, 207 – Vorbereitung 123 – viele Interessen 279 ff. – viele Parteien 277 ff. – viele Themen 279 ff. Kompromiss 41 ff. – und Interessen 41 Konflikt – zwischen Abteilungen s. Abteilungen – arbeitsrechtliche 85, 270, 326 ff., 339 ff., 346 f. – Anfälligkeit für 13, 338 – Anlässe s. Anlass von Konflikten – betriebliche s. innerbetriebliche – Beziehungskonflikte 16, 22 ff., 52, 54 f., 69, 102, 110, 132, 134, 139, 152, 167 – als Chance 326 – Delegation an Dritte 53 ff. – erbrechtliche 23, 167, 309 – externe 15 f., 23, 68, 235, 264, 300, 304, 325 ff., 328 ff., 330, 336, 347 – zwischen Gesellschaftern 17 f., 23 f., 36 f., 167, 190 ff. – gesellschaftsrechtliche 302 – Grundsatzkonflikte 16, 18 f., 39, 55 f., 128 – handelsrechtliche 302

– innerbetriebliche 53 ff., 236, 270, 302, 308, 338 ff., 351 – innere 16, 24 f., 39 – interkulturelle 32 – internationale 32 – interne 15, 21 f., 72, 338 ff. – Konfliktdiagnose 13 f., 38, 109 ff., 124 ff. – Konfliktkategorien 14 ff. – Konfliktkosten 11 f., 57 f., 64, 298 ff., 305, 316 ff., 325 ff. – Konfliktkreis 25 f. – Konfliktlösung s. dort – Konfliktmanagement s. dort – Konfliktmanagementsysteme s. dort – Konflikttheorie 14 ff. – Konfliktursachen s. dort – Konfliktverlauf 14 f., 33 ff., 114 – Konfliktvermeidung 44, f. 67 f. – als Nullsummenspiel s. dort – politische 92, 103, 122, 261 – post-merger- 302 – Sachkonflikte 16 ff., 23, 25 f., 110, 114, 128 ff., 132, 134, 155, 167, 271 – Strategiekonflikte 16, 19 f., 26 f., 30, 39 f., 53 f., 66, 80, 98, 102, 108, 110, 128, 132, 167 – Tarifkonflikte 12, 54, 66, 68, 75, 92 f., 118, 122, 215, 231, 237 f., 285, 308, 341 – Typologie von 16 ff., 25 – zwischen Unternehmen 16 ff., 56, 78, 99, 107 f., 112, 255, 302, 328 ff. – unternehmensinterne s. Konflikte, innerbetriebliche – Verteilungskonflikte 16, 21 f., 26, 30, 55 f., 66, 69, 102, 108, 128, 130, 213 ff. – und Wahrnehmung 26 ff. – Wertkonflikte 16, 18 f., 110, 164, 170 – Zielkonflikte s. Sachkonflikte 423

Stichwortverzeichnis Konfliktbeilegung – geeignete Methode für s. Auswahl Konfliktbehandlungskosten s. Verfahrenskosten Konfliktdefinition 88 ff., 94, 124 Konfliktdiagnose 13 f., 38, 109 ff., 124 ff. – auf der Beziehungsebene 128 ff. – und Fragen 152 ff. – auf der Sachebene 127 f. – und subjektive Wahrnehmung 26 ff., 110, 124 Konfliktkategorien 14 ff. Konfliktkosten 11 f., 57 f., 64, 298 ff., 305, 316 ff., 325 ff. – s. a. Kosten Konfliktkreis 25 f. Konfliktlösung 41 ff. – effiziente 85 f., 188 ff., 208 f., 213 ff., 337 – faire 26, 55, 70, 80, 96, 114, 140, 211, 213 ff., 223 ff., 288 – s. a. Einigungsoptionen Konfliktmanagement 57 ff., 66 ff., 73 ff., 309 ff., 319, 325 ff. – und Arbeitsrecht 341 ff. – effektives 70 ff. – externer Konflikte 328 ff. – interner Konflikte 338 ff. Konfliktmanagementsysteme 72, 325 ff. – und Arbeitsrecht 341 ff. – Prinzipien der Gestaltung 344 ff. Konfliktmanagementverträge 335 f. Konfliktparteien – Gruppen bilden 262, 277 ff. – Kontaktaufnahme zum Mediator 107 ff. – mittelbar Betroffene 117 ff., 132 – viele 277 ff. Konflikttheorie 14 ff. Konfliktursachen 11 ff. – gemeinsames Verständnis der 79 Konfliktverhalten 41 ff. 424

Konfliktverlauf 14 f., 33 ff., 114 Konsens 41 ff. Kontaktaufnahme zwischen Mediator und den Parteien 107 ff. Kontingenztheorie 14 Konzernunternehmen 9, 15, 112, 302, 304, 326, 337 f., 343 f. kooperativer Verhandlungsstil 56 Kooperationsverträge 67, 73, 115, 231, 257 Kosten – Anwaltskosten 31, 62, 298 f., 337 – indirekte 12 f., 58, 247, 299, 301 – Konfliktkosten 11 f., 57 f., 64, 298 ff., 305, 316 ff., 325 ff. – der Mediation 64, 105 f., 247, 298 f., 305, 316, 318 ff. – Prozesskosten 85, 246 f., 258 f., 298 f., 326 ff. – Rechtsanwaltskosten 31, 62, 298 f., 337 – von Rückrufaktionen 21 – Streikkosten 11 ff., 38, 237 f., 285 – versunkene 31, 58 – der Wirtschaftsmediation s. der Mediation Kostenanreize 258 f., 336 f., 348 ff. Kostenvorteile durch Mediation 64, 188, 298 f., 348 Kreativität 187 ff., 194 ff. – laterales Denken 195 ff. – Mediator und 196 ff. – und Verteilungskriterien 219 ff. Kreativitätsimpulse 203 ff. – brainteasers 206 – mentale Provokationen 205 Kreativitätstechniken 196 ff. – Brainstorming 80, 197 ff., 207, 224 f. – Brainwriting 199 f. – Mindmapping 200 f. – 6-Hüte-Methode 202 ff. – Veränderung der Problemsicht 204 ff.

Stichwortverzeichnis – Veränderung der Verfahrensstruktur oder Vorgehensweise 206 – s. a. Visualisierung Kriterien – Auswahl durch Mediator 62, 87 ff., 90 f., 257 ff., 283 f. – legitime 62, 80, 223 ff., 287 f., 294 – objektive 46, 58, 64, 223 – Recht als objektives 46, 223 ff. – s. a. Verteilungskriterien kulturelle Unterschiede 32 Kündigung 42, 51 f., 55, 64, 244 ff., 338 ff., 342 – der Mediation 269 f., 316 Kündigungsschutzverfahren 55 Kundenbeschwerden 72, 320 laterales Denken 195 ff. legitime Kriterien 62, 80, 223 ff., 287 f., 294 London Approach 221 looping 146 f., 148 f., 156 f., 162, 164, 178 Lösung von Konflikten s. Konfliktlösung Lösungsmöglichkeiten s. Einigungsoptionen loss aversion s. Verlustangst Macht – in Unternehmen 9, 21 f., 38, 307 – in Verhandlungen 237 f., 253, 284 ff., 339 Machtungleichgewichte 284 ff. Management – von Konflikten s. Konfliktmanagement Maximierung von Nutzen s. Nutzenmaximierung med-arb 71, 270 f., 274 Mediation – Abschluss der n 80 f., 98, 104 ff., 255 ff., 263 ff. – im Anlagenbau 73, 116, 265

– Anreizstrukturen für die Nutzung von 27, 70, 259, 334, 336 f., 344, 348 f. – Anwendungsgebiete 72 ff., 302 – Ausschlussgründe für 308 ff. – Beendigung der 221, 269 f., 272 – Begriff der 63 – Charakteristika der 63, 78 f. – Co- 241, 313 ff. – Dauer von –verfahren 64, 87, 81, 120 – Deal Mediation 66 – Eignung von Konflikten für 13, 16, 65 f., 70 ff., 75 f., 286 f., 301 ff. – Einigungsquoten 64 f., 124 – Einsatzgebiete der 302 – Einstieg in 78 – Ein-Text-Verfahren 255, 261 ff., 274 – Einzelgespräche 179 ff., 240 ff., 282 f., 286, 291 ff. – Entwicklung der 110 ff. – Erfolgschancen 64 – Erfolgsquoten 64 f., 124 – Eröffnung der 78 f., 123 ff., 409 f. – fachliche Unterstützung der 318 ff. – Familienmediation 81, 76, 85, 120 – Flexibilität der 75, 77 – Freiwilligkeit 63, 86, 220, 348 – und Gerechtigkeit s. dort – gerichtsverbundene 65, 76, 84, 329, 351 – Geschwindigkeit der 64, 304 f. – Informationsgrundlagen der 221 ff. – Institutionalisierung der s. dort – Institutionen s. dort – und innere Konflikte 24 f. – als Katalysator 84, 139 – Kombination mit anderen Verfahren 110 f., 271 – und Kreativität s. dort 425

Stichwortverzeichnis – komplexe Verfahren s. Komplexität – Konfliktmanagementsysteme s. dort – und unterschiedliche Konflikttypen 65 f., 301 ff. – Kosten der 64, 105 f., 247, 298 f., 305, 316, 318 ff. – Kündigung der 269 f., 316 – Mediationsklauseln 108, 332 ff. – Methode der 77 ff. – obligatorische 65, 329, 333 – Organisation des Verfahrens 316 ff. – organisatorische Vorbereitung der 120 ff., 318 – Ort der 120 ff. – Pausen 122, 206, 293, 412 – Phasen einer 78 ff. – Recht der 95 ff., 316 ff. – Recht in der 79, 83, 91 ff. – und Rechtsberatung 99 ff. – Rolle des Rechts in der s. Recht der und Recht in der – bei Sanierungsverhandlungen 192, 221, 225 f., 302, 306 – Scheitern der 71, 98, 264, 269 ff., 274, 298 f., 305 – und Schiedsverfahren 64 – nach Schiedsverfahren s. med-arb – schwierige Situationen s. dort – Sitzordnung 120 f., 131, 411 – im Spektrum der Konfliktbeilegungsmethoden 63 – Stile der s. Mediationsstile – Tagesordnung 150, 286, 305 f., 412 – Teilnehmer an der 78, 110 f., 115 ff. – Ursprung der 83 ff. – Verfahrensordnungen 108 – Verfahrensregeln der 88, 315, 317 ff. – und Verhandeln 15 f. 426

– und Verjährung 273 – Verlauf einer 78 ff. – bei Vertragsverhandlungen s. Deal Mediation – Vertraulichkeit der 88, 98, 113, 123 f., 179 f., 273 f., 304, 316 f. – Vollstreckung nach 266 f. – Vorbereitung der 26, 78, 107 ff., 120 ff., 175 f., 180 f., 203 f., 280, 322 f. – Vorteile der 64 f. – Wertschöpfung s. dort – in der Wirtschaft s. Wirtschaftsmediation – und Zeit 64 f. – Zeitpunkt für 310 – Ziel der 77, 83 ff. – Zukunft der 351 ff. Zukunftsgerichtetheit 64, 162 f., 178, 187, 304, 308 – s. a. Mediator – s. a. Wirtschaftsmediation Mediation-Arbitration s. med-arb Mediationsgesetz 100, 268, 316, 341 Mediationsinstitutionen s. Institutionen Mediationsklauseln 108, 332 ff. Mediation Receptivity Index (MRI) 73 Mediationsstile 88 ff., 168 – interest-based-mediation 168, 187 – rights-based-mediation 168, 187 – Sachbeurteilung 90 f. – Sachmoderation 91 – umfassende Beurteilung 91 f. – umfassende Moderation 92 f. Mediationsteams s. Co-Mediation Mediationsvereinbarung 79, 104 ff., 216, 272, 316 ff. – Abschluss der 104 ff. – und Einzelgespräche 241 – Inhalt 316 ff. – Muster 317 ff.

Stichwortverzeichnis – und Vertraulichkeit 105, 113, 273 f., 317 – s. a. Recht der Mediation Mediationsvergleich 237 – Abschluss des 263 ff. – Anfechtung 51, 219, 283 – Ein-Text-Verfahren 255, 261 ff., 274 – und Rechtsberatung 101 ff., 265 f. – Rolle des Mediators 268 – Umsetzung des 268 – Vollstreckbarkeit 266 f. – s. a. Abschluss der Mediation – s. a. Vergleich Mediator – Akzeptanz des 102 ff., 312 – Auswahl des 108, 311 ff. – Auswahlverfahren 315 f. – Autorität des s. Entscheidungsgewalt des – Einigungsvorschläge des 87 ff., 90 f., 95, 101 ff., 222 f., 257 ff., 283 f., 288 f., 294 f. – Einzelgespräche s. dort – und Empathie 27, 160, 159 f., 172 f., 180 ff., 186 – Entscheidungsgewalt des 63 f., 83, 87 ff., 95 – Ergebnisverantwortung des 87 ff., 104 – Eröffnungsstatement des Mediators 78 f., 123 ff., 132, 402 f. – Fragetechnik des s. dort und s. Fragen – Funktion des 63 f. – Haftung 121, 317 – Kommunikationsfähigkeit des 26, 146 ff. – als Kommunikationsmodell 146 ff. – Kontaktaufnahme zu den Parteien 107 ff. – Kreativität s. dort

– Moderator 67, 88 f., 92 ff., 99 f., 105, 184, 203, 410 – Nationalität des 312, 407 – Neutralität des s. dort – Auswahl legitimer Kriterien durch s. Kriterien – Pendeldiplomatie 247 f. – Prozesskompetenz 294, 407 – Prozessverantwortung des 87 f., 95, 286 – Qualifikation des 311 ff. – Rechtsanwälte als 97 ff., 105, 111, 117 f., 126, 273 – und Rechtsberatung 99 ff. – Rolle des 16, 63 f., 78, 83 ff., 87 ff., 123 ff., 144, 196 – Sachkompetenz 311 f., 401 – Schlichter 54, 68 f., 72, 89 ff. – Sprachkenntnisse des 312 f., 408 – bei Standortentscheidungen 85, 108, 118, 184 f., 277 f. – Unparteilichkeit 78, 99, 102 ff., 124, 159, 258 ff., 320 – Vergütung 298 f., 318 ff., 406 – Verhandlungsführung durch 43, 58, 70, 87 ff., 91, 116, 147 – Vertrauen in 63 – Vertraulichkeit der s. dort – Vorgespräche zur 107 ff. – Vorschläge des 87 ff., 90 f., 101 ff., 222 f., 257 ff., 283 f., 288 f. – und Wahrnehmung 27 ff. – s. a. Mediation – s. a. Wirtschaftsmediation Mediatorvertrag 79, 97, 100, 104 f., 113, 123, 239, 241, 243, 269, 272, 282, 316 ff., 323 – Abschluss des 104 f. – und Einzelgespräche 241 – Inhalt 316 ff. – Muster 318 ff. – und Vertraulichkeit 105, 113, 273 f., 317 – s. a. Recht der Mediation 427

Stichwortverzeichnis Methode der Mediation 77 ff. Methoden der Konfliktbeilegung – Auswahl 26, 53 ff., 57 ff., 66 f. – Prozess vor staatlichen Gerichten 56 – Schiedsgutachten 57, 75, 111, 222, 270, 319, 344 – Schiedsverfahren s. dort – Schlichtung 68, 88 ff., 102, 258 – traditionelle 53 ff. – Vorteile der Mediation 64 f. – s. a. Alternative Dispute Resolution Michigan Mediation 258 f. mini-trial s. Alternative Dispute Resolution Misstrauen 11, 25, 130, 138, 154, 279 Missverständnisse 11, 17, 28, 67, 79, 115, 129, 148, 157, 163, 242, 264, 277 Mobbing 86, 171 Moderation – umfassende 92 f. Moderationskarten 182, 200, 207, 411 Moderator 67, 88 f., 92 ff., 99 f., 105, 184, 203, 410 Motive für Wirtschaftsmediation 85 Musterverfahrensordnungen 318 ff. Nationalität des Mediators 312, 407 Naturschutzinitiativen 109 f. Neighborhood Justice Centers 84 Neutralität der Collaborative-LawAnwälte 70 Neutralität des Mediators 78, 95, 99, 102 ff., 216 f., 220 f., 223, 240 f., 260, 275, 281 ff., 292, 294, 315 – Einigungsvorschläge und 283 f. – einseitige Kommunikation 282 f. 428

– Gefährdungen der 281 ff. – Machtungleichgewichte 284 ff. – persönliche Beziehungen 281 f. New York-Konvention 57 Nichteinigungsalternativen 63, 85 f., 96 f., 113, 170, 215, 235 ff., 287 – Arten von 236 – Bedeutung von 235 f. – beste (BATNA) 58, 236 ff., 243, 253, 255 – Bewertung von 16, 26 ff., 80, 92, 238 ff., 255 ff. – Entwickeln von 237 f. – juristische Auseinandersetzung als s. Prozess als – kommunizieren 237 f. – Prozess als 26 ff., 86, 90, 95, 97 f., 103, 125, 237, 243 ff. – und Recht 96 ff., 127 – und Sachkonflikte 27 – Täuschung über 51, 218 f., 232, 238 f. – und Überoptimismus 28 f., 155 f., 239 ff. – und Verhandlungsmacht 237 ff., 253, 287, 339 – und Verteilungskonflikte 26, 201, 215 – Wahrnehmung von 26 ff., 240 ff. – s. a. Prozessrisikoanalysen normative Standards s. Verteilungskriterien Normen – und Interessen 169 – und Positionen 169 Normalisieren 149 f., 291 – s. a. Kommunikationstechniken Notar – als Mediator 265 ff. – notarielle Beurkundung 80, 264 ff., 274 notarielle Urkunde 266 f. Nullsummenspiele 44, 49 f., 59, 64, 75, 91, 174, 188

Stichwortverzeichnis – s. a. Spieltheorie – s. a. Verhandlungsdilemma Nutzenmaximierung 50 f., 61 objektive Kriterien s. Kriterien obligatorische Mediation 65, 329, 333 öffentliches Interesse an Rechtsdurchsetzung 309 f. Öffentlichkeitswirkung 309 f. offene Fragen 155 f., 179 Offenlegung – von Präferenzen 59 f., 229 ff. Ombudsmann 68 f., 71, 320 – der Banken 68 f., 320 – der Versicherungswirtschaft 68 f. – Patientenbeauftragte als 64 Online Dispute Resolution 209, 232 Optimismus s. Überoptimismus Optionen s. Einigungsoptionen Organisation des Mediationsverfahrens 316 ff. – s. a. Mediationsvereinbarung – s. a. Mediatorvertrag Orange – Streit um die 167 ff., 174, 182, 189 organisatorische Vorbereitung der Wirtschaftsmediation 120 ff. Ökonomische Theorie 14, 90 Ort der Mediation 120 ff. Oslo-Prozess 122 overconfidence s. Überoptimismus Overhead-Projektor 121 Paraphrasieren 146 f., 148 f., 156 f., 162, 164, 178 Pareto-Effizienz 188, 214 Parteien s. Konfliktparteien Partialisieren 150, 179 partnering 67 f. Pausen 122, 206, 293, 412

Pendeldiplomatie 247 f. Perspektivenwechsel 159 f., 219, 256 Phasen einer Wirtschaftsmediation 78 ff. Pinnwände 121, 123 Positionen – und „Alles-oder-Nichts“-Alternativen 44, 47, 64 – und Bedürfnisse 44, 51, 63, 79 f., 168 ff. – und Interessen 44, 46 f., 49, 63, 79, 113, 167 ff., 174, 303, 303 – Konzentration auf 46 f. – und Normen 169 – und Rechtsansprüche 46 f. post-merger-Konflikte 302 Präferenzen – Fragen nach 153 f. – Offenlegung von 59 f., 229 ff. Präzedenzfälle 19, 309 f. – Präzedenzwirkung 19, 309 f. – s. a. Grundsatzkonflikte pre-mediation briefing reports 113 f., 127 f., 280 principal-agent-problem 115 f. Privatautonomie – in der Wirtschaftsmediation 77, 84, 93, 96, 220, 352 – und Rechtsberatung 101 f. Produkthaftungsstreitigkeiten 65 Prognosen – unterschiedliche als Wertschöpfungsquelle 191 ff. Projektverträge 67 Prozess – Erwartungswert eines 244 ff. – Kosten 85, 246 f., 258 f., 298 f., 326 ff. – als Nichteinigungsalternative 26 ff., 86, 90, 95, 97 f., 103, 125, 237, 243 ff. – Zeitaufwand 57 Prozessdauer 85 429

Stichwortverzeichnis Prozesskompetenz des Mediators 294, 407 Prozesskosten 85, 246 f., 258 f., 298 f., 326 ff. – s. a. Kosten Prozessrisikoanalysen 69, 86, 111, 115, 217, 243 ff., 256 f. – Entscheidungsbaum 115, 244 ff. – Erwartungswert eines Prozesses 244 ff. – Kosten/Nutzen-Analyse 246 f. – kumulierte Wahrscheinlichkeiten 243 f., 248 – Nutzen 248 f. – Pendeldiplomatie 247 f., 250 – und Rechtsanwälte 249 f. – Risikoneigung 246, 272 – Sensitivitätsanalysen 251 – Software zur 246 – und versunkene Kosten 31 – Wahrscheinlichkeitsrechnung 245 f. – s. a. Nichteinigungsalternativen Prozessverantwortung – des Mediators 87, 95 – der Parteien 219 Psychologie 14 f., 24 ff., 44, 239, 133 Punkteschema – zur Bewertung von Einigungsoptionen 208 ff., 229 f. – zur Interessenbewertung 183 – s. a. adjusted winner strategy – s. a. smartsettle Qualifikation des Mediators 311 ff. Rationale Akteure s. Spieltheorie reactive devaluation s. reaktive Abwertung reaktive Abwertung 31 f., 62, 136, 156, 259 Recht – dispositives 96 f., 100 430

– – – – – –

kontinentales 57 und Einigungsoptionen 96 als objektiver Maßstab 46 der Mediation 95 ff., 316 ff. in der Mediation 79, 83, 91 ff. und Nichteinigungsalternativen 96 ff., 127 – Zugang zum 84 – zwingendes 96, 104, 308, 310, 340, 348 Rechtsabteilung 56, 72, 74, 257 Rechtsansprüche s. Positionen Rechtsanwälte 56, 78, 80, 83, 90 f., 97 ff., 248 ff., 318 ff., 322 ff., 346 f. – Berufsrecht der 97 ff., 105, 273, 282 – Kosten 31, 62, 298 f., 337 – als Mediator 97 ff., 105, 111, 117 f., 126, 273 – als Parteivertreter in der Mediation 97, 103, 111, 322 ff. – und Prozessrisikoanalysen 249 f. – Rolle der in der Mediation 322 ff. – Verschwiegenheitspflicht 98 – Vorbereitung der Mediation durch 322 f. – Zeugnisverweigerungsrecht 98, 273 Rechtsberatungsgesetz 101 Rechtsdienstleistungsgesetz 101 f., 265, 287 f. Rechtsdurchsetzung – öffentliches Interesse an 309 f. Rechtsfragen – in der Wirtschaftsmediation s. Wirtschaftsmediation, Recht der und Recht in der Rechtsstreit s. Prozess reflexive Fragen 154 f. Reformulieren 204 f., 224, 291 f., 295 Regeln – der Kommunikation s. Kommunikationsregeln

Stichwortverzeichnis Reputation 13, 22, 36, 51, 58, 76, 182, 219 – und Verteilungskonflikte 22 rights-based mediation 168, 187 Risikoanalysen s. Prozessrisikoanalysen Risikoneigung – unterschiedliche als Wertschöpfungsquelle 191 ff. – und Verlustangst 30, 246 Rolle des Mediators 16, 63 f., 78, 83 ff., 87 ff., 123 ff., 144, 196 Rolle des Rechts in der Wirtschaftsmediation s. Recht Rollenwechselübung 180 f., 186, 202 – s. a. Empathie Rufschädigung 247 „runder Tisch“ 74 f., 121 Round Table Mediation und Konfliktmanagement 74 f. Runder Tisch „Konfliktmanagement und Mediation“ 74 f. Sachbeurteilung 90 f. Sachebene – und Beziehungsebene 22 ff., 44, 52 f., 58, 64, 67, 110, 129 ff., 159 ff., 291, 307 – Konfliktdiagnose auf der 127 f. Sachkompetenz des Mediators 311 f., 401 Sachmoderation 91 Sachverhalt – Aufklärung des 26, 88, 90, 107 ff. – s.a. Bestandsaufnahme Sachverhaltsaufklärung 26, 88, 90, 107 ff. Sachverständige 57, 67 f., 119, 132, 269, 347 f., 411 – als Schiedsgutachter 57 Sachkonflikte 16 ff., 23, 25 f., 110, 114, 128 ff., 132, 134, 155, 167, 271

Sanierungsverhandlungen 192, 221, 225 f., 302, 306 – London Approach 221 Schiedsgutachten 57, 75, 111, 222, 270, 319, 344 – s. a. Alternative Dispute Resolution Schiedsgutachter 57, 71, 86, 90, 102 – s. a. Sachverständige Schiedsrichter 57, 63, 68, 72, 90, 93, 101 f., 222, 258 ff., 267, 269 ff., 320, 352 Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 266 f. Schiedsverfahren 56 f., 71 f., 270 ff., 318 ff. – faires Verfahren 102 – Final Offer Arbitration 271 f. – High-low Arbitration 272 – und Mediation 64 – New York-Konvention 57 – Schiedsrichter 57, 63, 68, 72, 90, 93, 101 f., 222, 258 ff., 267, 269 ff., 320, 352 – Vollstreckung von Schiedssprüchen 57, 101, 266 f. – s.a. Alternative Dispute Resolution Schlichter 54, 68 f., 72, 89 ff. Schlichtung 68, 88 ff., 102, 258 – bei Arbeitskämpfen 54, 92 – in Baukonflikten 72, 320 – faires Verfahren 102 – in Tarifkonflikten 54, 68, 92, 122 Schlichtungsverfahren 258, 320 f., 329 Schlüsselfaktoren von Verhandlungen 170 f., 239 – Einigungsoptionen s. dort – Interessen s. dort – Nichteinigungsalternativen s. dort – Viereck der 170 f. – Wahrnehmung s. dort 431

Stichwortverzeichnis schwierige Situationen in Mediationsverfahren 275 ff. – Eskalation 289 ff. – Komplexität 275 ff. – Machtungleichgewichte 284 ff. – Neutralitätsgefährdungen 281 ff. Screening – s. Mediation, Eignung von Konflikten für – s. Bewertung, von Konflikten (screening) 6-Hüte-Methode 202 ff. – s. a. Kreativitätstechniken Selbstbehauptung 44 f., 173 f., 220 – und Empathie 44 f., 173 f. – und Interessen 177 Selbstbild 35 – s. a. Selbstkonzept Selbstbestimmung s. Privatautonomie Selbstbindung 215 ff., 232, 289, 292, 350 – Eskalation durch 215 ff., 289, 292 Selbstbindungserklärungen zur Mediation 330 ff. Selbstkonzept 24 – s. a. Selbstbild self-fulfilling prophecy s. sich selbst erfüllende Vorhersagen selektive Wahrnehmung 27 ff., 39, 62 f., 87 Sensitivitätsanalysen 251 sich selbst erfüllende Vorhersagen 28 f., 39 Sitzordnung 120 f., 131, 411 Skaleneffekte 194 smartsettle 209 f. Solidarnosc 121 Sozialwissenschaften 15 Spektrum der Konfliktbeilegungsmethoden 63, 83 – Mediation im 63 Spiegeln 161, 182 Spieltheorie 14 f., 59 432

– Verhandlungsdilemma 15, 59 ff., 62 f., 260 Sprachkenntnisse des Mediators 312 f., 408 Standortentscheidungen 85, 108, 118, 184 f., 277 f. Statuserhebung s. Bestandsaufnahme Stellvertreterkonflikt 23 Strafprozessordnung 85 Strategie – kompetitive 44 f., 51, 60 ff., 215 ff., 219, 239 – kooperative 60 ff., 188 ff. – strategische Einigungshindernisse 238, 312 – strategische Fragen 154 – strategisches Verhalten 30, 115, 131, 178 f., 210, 214 f., 238, 255, 259, 305 Strategiekonflikte 16, 19 f., 26 f., 30, 39 f., 53 f., 66, 80, 98, 102, 108, 110, 128, 132, 167 strategische Einigungshindernisse 210, 256, 273, 299 f., 328 strategische Fragen 154 Streitbeilegungsprogramme s. Konfliktmanagementsysteme Streik 11 ff., 38, 109, 121, 215, 237 f., 241, 285 – Streikkosten 11 ff., 38, 237 f., 285 Streitbeilegungsverfahren 16, 66 ff., 73 f., 111 Strukturieren 150, 280, 299 Stufenmodell der Eskalation 33 ff., 99, 102 f. Subjektive Wahrnehmung 26 ff., 124 ff., 156 ff. sunk costs s. versunkene Kosten Syndikus s. Justitiare Tagesordnung 150, 286, 305 f., 412 Taktiken s. Verhandlungstaktiken

Stichwortverzeichnis Tarifkonflikte 12, 54, 66, 68, 75, 92 f., 118, 122, 215, 231, 237 f., 285, 308, 341 Täter-Opfer-Ausgleich 85 – s. a. Victim-Offender-Mediation Täuschung 51, 218 f., 232, 239, 242, 250, 279 Teilnehmer an der Mediation 78, 110 f., 115 ff. 176, 316, 323, 411 – Auswahl der 115 ff. – Entscheidungsbefugnis 115 f. – Vertretungsbefugnis 115 ff. Themen der Verhandlung 79, 126 f., 150, 176 ff., 261 ff., 279 ff., 305, 412 Theorie – Konflikttheorie 14 ff. Trade-off-Analyse 114 traditionelle Mechanismen der Konfliktbeilegung 53 ff. Typologie von Konflikten 16 ff., 25 Überoptimismus 28 f., 39, 43, 62, 87, 155 f., 239 ff. UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation 268 Ungerechtes Ergebnis 104 Uniform Mediation Act 97 Unparteilichkeit des Mediators 78, 99, 102 ff., 124, 159, 258 ff., 320 Unternehmen – Konflikte zwischen 16 ff., 56, 78, 99, 107 f., 112, 255, 302, 328 ff. Unternehmensbewertung 62, 221 ff. unternehmensinterne Konflikte 53 ff., 236, 270, 302, 308, 338 ff., 351 Unternehmenskauf 18, 190, 216, 250, 283, 302 – und Wahrnehmung 31 Unternehmensnachfolge 20 f., 302 Unternehmensphilosophie 330, 345 Unternehmenspolitik 330, 345

Unternehmenszusammenschlüsse s. Fusionen Ursachen von Konflikten s. Konfliktursachen Verbalisieren 110, 147, 149, 157 ff., 164 – s. a. Kommunikationstechniken Verfahren – faires 102 Verfahrensauswahl 26, 53 ff., 57 ff., 66 f. Verfahrensordnungen 108, 260, 318 – Muster 318 ff. – s. a. Institutionen Verfahrensregeln der Mediation 88, 315, 317 ff. Verfahrensgestaltung 71, 87 ff., 240, 258, 325 ff. Vergleich 55, 57 f., 88, 94, 102, 117 ff., 247, 263 ff., 274 – Ein-Text-Verfahren 255, 261 ff., 274 – Vollstreckbarkeit 266 f. – s. a. Abschluss der Mediation – s. a. Mediationsvergleich Vergleichsverhandlungen 68 f., 91, 101, 112, 252 Verhalten – und Anlass 15 Verhaltensmuster 45, 47, 58 f., 129, 151 Verhandeln 15, 43 ff., 58 ff., 120 ff., 173 ff., 188 ff., 214 ff., 223, 256 – distributives 91, 214 ff., 279 – nach dem Harvard-Konzept 58, 62, 75, 223 – integratives 41, 188 ff. – interessenorientiertes 44, 58 ff. – intuitives 41, 43 ff., 59, 62 f., 256 – kooperativer Verhandlungsstil 56 Verhandlung 15 – als dynamischer Prozess 80 – politische 84, 95 433

Stichwortverzeichnis – Schlüsselfaktoren der 170 f., 239 – strukturieren 75, 80 – visuelle Unterstützung s. Visualisierung – Vorbereitung der 26, 78, 107 ff., 120 ff., 175 f., 180 f., 203 f., 280, 322 f. Verhandlungsdilemma 15, 59 ff., 62 f., 260 Verhandlungsdynamik 87, 93, 120, 281 Verhandlungsergebnisse – und Verhandlungsdilemma 62 Verhandlungsführung 43, 58, 70, 87 ff., 91, 116, 147 – Einfühlungsvermögen fördern 159 ff. – Einigungshindernisse überwinden 255 ff. – Einigungsoptionen konkretisieren und bewerten 206 ff. – Emotionen verstehen und steuern 134 ff. – Eskalation begrenzen 289 ff. – Formen der 87 ff. – durch Fragen 151 ff. – Gefährdungen der Neutralität des Mediators 281 ff. – Interessen erforschen und gewichten 176 ff. – Kommunikation verbessern 146 ff. – Hohe Komplexität bewältigen 275 ff. – Konfliktdiagnose 124 ff. – Machtungleichgewichte 284 ff. – Machtungleichgewichte ausgleichen 284 ff. – Nichteinigungsalternativen 237 f., 253, 284 ff., 339 – Nichteinigungsalternativen prüfen 235 ff. – Verteilungsprozesse effizient gestalten 213 ff. 434

– Vertrauen und Beziehung fördern 160 ff. – Wahrnehmung feststellen und verändern 156 ff. – Wertschöpfungspotentiale erkennen und nutzen 188 ff. Verhandlungsmacht 237 f., 253, 284 ff., 339 Verhandlungsposition s. Position Verhandlungstaktiken – strategische 30, 115, 131, 178 f., 210, 214 ff., 238, 255, 259, 305 – der Wertbeanspruchung 214 ff. – der Wertschöpfung 188 ff. Verhandlungsthemen 79, 126 f., 150, 176 ff., 261 ff., 279 ff., 305, 412 Verhandlungsvorbereitung 107 ff. Verjährung – Hemmung 273 – und Mediation 273 – als Regelungsgegenstand 317 – Verjährungsfristen 100 Verlauf – von Konflikten 14 f., 33 ff., 114 – einer Wirtschaftsmediation 78 ff. Verlustangst 30 f., 35, 48, 62, 158, 240, 246, 257, 337 Verlustaversion s. Verlustangst Verschwiegenheit – Pflicht des Anwaltsmediators zur 98 versunkene Kosten 31, 58 Verteilungskonflikte 16, 21 f., 26, 30, 55 f., 66, 69, 102, 108, 128, 130, 213 ff. Verteilungskriterien 62, 73, 219 ff. – Fokalpunkte 225 f. – materielle 223 ff. – normative Standards 223 ff. – s. a. Kriterien Verteilungsverfahren 226 ff. – Abwechseln 227 – Adjusted Winner-Verfahren 229 ff.

Stichwortverzeichnis – Automatisierte Verteilung durch Software-Werkzeuge 231 f. – effiziente Gestaltung von 213 f., 219 ff. – Einer teilt, der andere sucht aus 228 f. – und Fairness 213 ff. – Losverfahren 227 – s. a. Wertverteilung Vertrauen – gegenüber dem Mediator 63, 240, 311 f. – gegenüber dem Verhandlungspartner 39, 62, 79, 160 ff. – Selbstvertrauen 14 Vertraulichkeit der (Wirtschafts-) Mediation 88, 98, 113, 123 f., 179 f., 273 f., 304, 316 f. – und Collaborative Law 70 – und gesetzlicher Vertraulichkeitsschutz 273 – und Mediationsvereinbarung 316 f. – und Mediatorvertrag 316 f. – Wunsch nach 304 – s. a. Verschwiegenheit – s. a. Zeugnisverweigerungsrecht Vertreter und Vertretener 115 ff., 279 Vertretungsbefugnis 115 ff. – Gremienvorbehalte 166 Verwaltungsverfahren 85 verzerrte Wahrnehmung 29 f., 34, 39, 62 f., 156 ff., 218, 235, 239 ff. Victim-Offender-Mediation 84 – Vollstreckung von Schiedssprüchen 57, 101, 266 f. – s. a. Täter-Opfer-Ausgleich Viereck der Schlüsselfaktoren von Verhandlungen 170 f. Visualisierung 115, 121, 178 f., 200, 411 – Beamer 121 ff., 131, 202, 411 – Flipcharts 121, 123, 178, 182, 203

– von Interessen 178 f. – Moderationskarten 182, 200, 207, 411 – Overhead-Projektor 121 – Pinnwände 121 ff. – s. a. Kreativitätstechniken Vollstreckbarkeit des Mediationsvergleichs 266 f. – Anwaltsvergleich 266 f. – Gütestellenvergleich 266 f. – notarielle Urkunde 266 f. – Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 266 f. Vorbereitung der Mediation 26, 78, 107 ff., 120 ff., 175 f., 180 f., 203 f., 280, 322 f. – organisatorische 120 ff., 318 Vorhersagen – sich selbst erfüllende s. dort Vorgesetzte 15, 17, 42, 53, 63, 98, 108, 137, 146, 270, 338, 343 f. Vorschläge des Mediators 87 ff., 90 f., 95, 101 ff., 222 f., 257 ff., 283 f., 288 f., 294 f. Vorteile der Mediation 64 f. Vortragsbeschränkungen 273 Wahrnehmung – attributionelle Verzerrungen 29 f., 62 f., 156 ff. – von Erfolgschancen 29 f. – und Emotionen 144 – Fragen nach 159 – Framing 260 – in interkulturellen Konflikten 32 f. – in internationalen Konflikten 32 f. – kognitive Einigungshindernisse 26 ff., 239 f., 257 – von Konflikten 26 ff., 156 ff. – von Nichteinigungsalternativen 26 ff., 240 ff. – Perspektivenwechsel 159 f., 219, 256 435

Stichwortverzeichnis – reaktive Abwertung 31 f., 62, 136, 156, 259 – Reflexion der eigenen 29, 172, 214 – selektive 27 ff., 39, 62 f., 87 – sich selbst erfüllende Vorhersagen 28 f., 39 – subjektive 26 ff., 124 ff., 156 ff. – Überoptimismus 28 f., 39, 43, 62, 87, 155 f., 239 ff. – Unternehmenskauf 31 – Veränderung der 28, 156 ff. – Verlustangst 30 f., 35, 48, 62, 158, 240, 246, 257, 337 – versunkene Kosten 31, 58 – Verzerrungen 29 f., 34, 39, 62 f., 156 ff., 218, 235, 239 ff. Wahrnehmungsanker s. anchoring Wahrscheinlichkeitsrechnung 245 f. Wertbeanspruchung 214 ff. – distributives Verhandeln 91, 214 ff., 279 – Taktiken der 214 ff. Wertkonflikte 16, 18 f., 110, 164, 170 Wertschöpfung 43 f., 73 f., 136, 174 f., 188 ff., 206 ff. – durch Gemeinsamkeiten der Konfliktbeteiligten 189 f. – und integratives Verhandeln 41, 188 ff. – durch Skaleneffekte 194 – durch Unterschiede zwischen den Konfliktbeteiligten 189 ff., 279 – s. a. Kreativität Wertschöpfungspotentiale 58, 174 ff., 182, 185, 187 ff., 194 ff., 206 ff. – erkennen und nutzen 194 ff. Win/Lose-Ergebnisse 174 Win/Win-Ergebnisse 174 Wirtschaftsmediation

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– Abschluss der 80 f., 98, 104 ff., 255 ff., 263 ff. – Anreizstrukturen für die Nutzung von 27, 70, 259, 334, 336 f., 344, 348 f. – Anwendungsgebiete 72 ff., 302 – Ausschlussgründe für 308 ff. – Beendigung der 221, 269 f., 272 – in Deutschland 72 ff. – Eignung von Konflikten für 13, 16, 65 f., 70 ff., 75 f., 286 f., 301 ff. – Einigungsquoten von 64 f., 124 – Einsatzgebiete der 72 ff., 302 – Einstieg in das Verfahren 78 – Ein-Text-Verfahren s. dort – Einzelgespräche in der s. dort – Erfolgsquoten von s. Mediation – Eröffnung der 78 f., 123 ff., 409 f. – fachliche Unterstützung der 318 ff. – und Familienmediation 81, 76, 85, 120 – Flexibilität der 75, 77 – Freiwilligkeit 63, 86, 220, 348 – und Gerechtigkeit s. dort – gerichtsverbundene 65, 76, 84, 351 – Geschwindigkeit der 64, 304 f. – Informationsgrundlagen der 221 ff. – Institutionalisierung der s. dort – Institutionen s. dort – Kombination mit anderen Verfahren 110 f., 271 – komplexe Verfahren s. Komplexität – Konfliktmanagementsysteme s. dort – Kontaktaufnahme zu den Parteien 107 ff. – Kosten der 64, 85, 105 f., 247, 298 f., 305, 316, 318 ff., 321 f., 328, 336 ff.

Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

und Kreativität s. dort Kündigung der 269 f., 316 Mediationsklauseln s. dort Methode der 77 ff. Motive für 85 Organisation des Verfahrens s. dort organisatorische Vorbereitung der 120 ff., 318 Ort der 120 ff. Pausen 122, 206, 293, 412 Phasen einer 78 ff. und Privatautonomie 77, 84, 93, 96, 220, 352 Recht der 88 ff., 298 ff. Recht der 95 ff., 316 ff. Recht in der 79, 83, 91 ff. und Rechtsberatung 99 ff. Rechtsfragen in der s. Recht in der bei Sanierungsverhandlungen 192, 221, 225 f., 302, 306 Scheitern der 71, 98, 264, 269 ff., 274, 298 f., 305 schwierige Situationen s. dort Sitzordnung s. dort Stile der s. Mediationsstile Tagesordnung s. dort Teilnehmer an der 78, 110 f., 115 ff. Rolle des Rechts in der s. Recht der und Recht in der in den USA 84 f. Verfahrensordnungen 100 Verfahrensregeln der 88, 315, 317 ff. und Verjährung 273 Verlauf einer 78 ff. Vertraulichkeit der s. dort Vollstreckung nach s. Vollstreckbarkeit

– Vorbereitung der 26, 78, 107 ff., 120 ff., 175 f., 180 f., 203 f., 280, 322 f. – Vorgespräche zur 78, 107, 123 f. – Wertschöpfung s. dort – Zeitpunkt für 310 – Ziele der 77, 83 ff. – Zukunft der 351 f. – Zukunftsgerichtetheit 64, 162 f., 178, 187, 304, 308 – s. a. Mediation – s. a. Mediator Zeitvorteile durch Mediation 64 Zeitpräferenzen – unterschiedliche als Wertschöpfungsquelle 192 ff. Zeugnisverweigerungsrecht – des Anwaltsmediators 98, 273 Ziele der Wirtschaftsmediation 77, 83 ff. zirkuläre Fragen 153 f. Zeugen 119, 132 Zielkonflikte s. Sachkonflikte Zivilprozessordnung 97, 247, 258, 268, 316, 329 Zuhören 126 f., 147 ff. – aktives 126, 144, 146, 147 f., 150, 164 – Stufen des 146 ff. – s. a. Kommunikationstechniken Zukunft – Gestaltung der 304 – der Wirtschaftsmediation 351 ff. zwingendes Recht 96, 104, 308, 310, 340, 348 Zwischenergebnisse 256, 293 zwischenmenschliche Konflikte s. Beziehungskonflikt

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Die Autoren

Dr. Christian Duve, M.P.A. (Harvard) ist Rechtsanwalt und Partner im Frankfurter Büro der Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer. Er ist seit 2001 Vorsitzender des Ausschusses für Außergerichtliche Konfliktbeilegung im Deutschen Anwaltverein sowie Lehrbeauftragter an den Universitäten Frankfurt am Main und Zürich. Als Mediator und Schiedsrichter ist er in zahlreichen wirtschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen tätig geworden. In seiner Funktion als Schiedsrichter am Court of Arbitration for Sport (CAS) liegt ein Schwerpunkt in Streitigkeiten zwischen Fußballverbänden und -vereinen. Dr. Duve ist Mitglied des europäischen Beratungsgremiums des International Institute of Conflict Prevention and Resolution (CPR). Von 2003 bis 2006 war er Vorsitzender des Ausschusses für Schiedsgerichtsbarkeit und Alternative Streitbeilegung des Rats der Anwaltsvereine und -kammern in Europa (CCBE). Seit 2006 gehört er dem Access to Justice-Committee der CCBE als Berichterstatter für collective redress an. Freshfields Bruckhaus Deringer, Bockenheimer Anlage 44, 60322 Frankfurt am Main. E-Mail: [email protected]. Prof. Dr. Horst Eidenmüller, LL.M. (Cambridge) ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Unternehmensrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Direktor des Centrums für Verhandlungen und Mediation (CVM) an dieser Universität. Gleichzeitig ist er seit 2009 Professor an der Oxford University. Prof. Dr. Eidenmüller hatte Gastprofessuren unter anderem an der Cambridge University (2007) und an der Harvard Law School (2010 und 2011) inne. Von 2008 bis 2009 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Er ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und des European Corporate Governance Institute. Prof. Dr. Eidenmüller verfügt über eine langjährige Erfahrung als Mediator und Schiedsrichter in komplexen Wirtschaftskonflikten. Er ist Miturheber und Trainer der „Ausbildung zum Wirtschaftsmediator (cvm)“ sowie Miturheber und Trainer der Münchener Workshops zum Verhandlungsmanagement (Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle). Ludwig-Maximilians-Universität München, Veterinärstr. 5, 80539 München. E-Mail: horst.eidenmueller@jura. uni-muenchen.de. 439

Die Autoren Dr. Andreas Hacke ist Rechtsanwalt und Partner im Düsseldorfer Büro der Sozietät Zwanzig Hacke Meilke & Partner. Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht vertritt und berät er Mandanten in allen Fragen des Wirtschaftsrechts sowie bei der Lösung wirtschaftsrechtlicher Konflikte. Dr. Hacke ist zudem regelmäßig als Wirtschaftsmediator, Schlichter und Schiedsrichter tätig und hält Vorträge und Seminare zu Verhandlungsführung, Konfliktmanagement und Wirtschaftsmediation. Er ist Lehrbeauftragter der Ludwig-MaximiliansUniversität München, Miturheber und Trainer der „Ausbildung zum Wirtschaftsmediator (cvm)“ sowie Trainer der Münchener Workshops zum Verhandlungsmanagement (Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle). Rechtsanwälte Zwanzig Hacke Meilke & Partner, Goethestraße 29, 40237 Düsseldorf. E-Mail: [email protected].

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