Mediation in der Wirtschaft: Wege zum professionellen Konfliktmanagement [3. neu bearbeitete Auflage] 9783504385668

Potentiale der Mediation professionell nutzen. Konflikte in Unternehmen und zwischen Unternehmen bewältigen. Streitigkei

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Mediation in der Wirtschaft: Wege zum professionellen Konfliktmanagement [3. neu bearbeitete Auflage]
 9783504385668

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Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries Mediation in der Wirtschaft

Mediation in der Wirtschaft Wege zum professionellen Konfliktmanagement von

Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Duve M.P.A. (Harvard) Frankfurt a. M. Honorarprofessor an der Universität Heidelberg

Prof. Dr. Horst Eidenmüller LL.M. (Cambridge) o. Professor an der University of Oxford

Rechtsanwalt Dr. Andreas Hacke Düsseldorf

Privatdozent Dr. Martin Fries Ludwig-Maximilians-Universität München

3. neu bearbeitete Auflage

2019

Zitierempfehlung: Duve/Eidenmüller/Hacke/Fries. Mediation in der Wirtschaft, 3. Aufl., S. …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ­http:// dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-06261-3 ©2019 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche­ rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungs­ beständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort Die Mediation ist aus dem Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Sie hat sich als Instrument der Konfliktbeilegung neben der staatlichen Gerichtsbarkeit und der Schiedsgerichtsbarkeit fest etabliert. Immer mehr Unternehmen erkennen und nut­ zen die erheblichen Vorteile, welche die Mediation gerade bei Wirtschaftskonflikten im Vergleich mit traditionellen Formen der Konfliktbeilegung bietet: Streitigkeiten lassen sich in einer Mediation zumeist wesentlich schneller, günstiger und besser für die Reputation, die Geschäftsbeziehungen der betroffenen Unternehmen sowie – bei unternehmensinternen Konflikten – die internen Unternehmensabläufe bewältigen. Auch finden Konfliktparteien in einer Mediation häufig interessengerechte, kreative und wertschöpfende Lösungen, die sonst unerkannt blieben. Der deutsche Gesetzge­ ber hat diese Erkenntnis durch den Erlass des Mediationsgesetzes im Jahr 2012 und durch die Einführung des Zertifizierten Mediators im Jahr 2017 nachdrücklich unter­ strichen. Dieses Buch hat vor allem ein Ziel: Sie mit der Methode und dem Potential der Me­ diation als Instrument eines effektiven Konfliktmanagements bei Streitigkeiten in und zwischen Unternehmen vertraut zu machen. Dabei geht es uns vor allem um das Wie der Mediation: Unser Anliegen ist es, Ihnen das Verfahren der Mediation nahe­ zubringen und aufzuzeigen, wie Sie dieses sinnvoll im Alltag der Wirtschaftspraxis einsetzen können. Wir wenden uns dabei sowohl an Entscheidungsträger in Unter­ nehmen und ihre juristischen oder betriebswirtschaftlichen Berater als auch an Rich­ ter, Rechtsanwälte und Mediatoren. In Teil I stehen mit den Herausforderungen eines professionellen Konfliktmanage­ ments die konflikttheoretischen Grundlagen der Mediation im Mittelpunkt. Wir ­gehen den Ursachen und dem Verlauf von Wirtschaftskonflikten nach und stellen Ihnen Alternativen zu traditionellen Formen der Konfliktbeilegung vor. In Teil  II nehmen wir die Methode der Mediation in den Blick. Dabei folgen wir in unserer Darstellung dem typischen Verlauf einer Wirtschaftsmediation – vom Erstkontakt bis zu einer etwaigen Abschlussvereinbarung – und gehen dabei auf die Besonderheiten der Mediation bei der Bewältigung von Konflikten in und zwischen Unternehmen ein. In Teil III geht es schließlich um die erfolgreiche Anwendung der Mediation in der Wirtschaftspraxis. Hier stellen wir Ihnen Wege vor, wie Sie die Mediation bei der Bewältigung von Wirtschaftskonflikten sinnvoll nutzen und diese im Rahmen kom­ plexer Konfliktmanagementsysteme in Unternehmen institutionalisieren können. Modernes Konfliktmanagement durch Mediation ist eine Querschnittsmaterie, die aus dem reichen Schatz unterschiedlicher wissenschaftlicher Teilgebiete schöpft. Entspre­ chend folgt unser Buch einem interdisziplinären Ansatz, in dem wir die Erkenntnisse der psychologischen, spieltheoretischen, ökonomischen und juristischen Forschung zusammenführen und für die praktische Umsetzung aufarbeiten. Dem Ziel der prakti­ schen Umsetzung dient auch eine Vielzahl von konkreten Hinweisen und Beispielen, die größtenteils aus unserer eigenen, langjährigen Mediationspraxis stammen. 5

Vorwort

Das Konzept des Buches, das in den ersten beiden Auflagen eine sehr freundliche Aufnahme gefunden hat, beruht zum einen auf dieser langjährigen Mediationspraxis und zum anderen auf unserer intensiven Beschäftigung mit dem Thema in Ausbil­ dung und Forschung. Mit der vorliegenden Auflage haben wir das Werk entsprechend der Entwicklung der Forschung, der Diskussion in Wissenschaft und Praxis sowie mit Blick auf unser weiter angewachsenes Erfahrungswissen auf den neuesten Stand ge­ bracht. Der Kreis der Autoren wurde mit der 3. Auflage um Martin Fries ergänzt, der ebenfalls über jahrelange wissenschaftliche und praktische Erfahrungen in der Medi­ ation verfügt und mit den bisherigen Autoren auf diesem Gebiet seit langem zusam­ menarbeitet. Für Anregungen und Kritik sind wir dankbar. Frankfurt a.M., Oxford, Düsseldorf und München, im Januar 2019 Christian Duve, Horst Eidenmüller, Andreas Hacke, Martin Fries

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Inhaltsübersicht

Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Teil I

Die Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Kapitel 1 Ursachen, Entwicklung und Folgen von Konflikten in der Wirtschaft verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Kapitel 2 Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen . . . . . . 47

Teil II

Die Methode der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Kapitel 3 Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen . . . . . . . . . 85 Kapitel 4 Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren . . . . . . . . . . 103 Kapitel 5 Emotionen verstehen, Kommunikation fördern und ­Beziehung aufbauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Kapitel 6 Interessen erforschen und gewichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Kapitel 7 Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten . . . . . . . . . . . . . . . 177 Kapitel 8 Verteilungsprozesse effizient gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Kapitel 9 Alternativen zu einer Verhandlungslösung prüfen . . . . . . . . . . . . . . 219 Kapitel 10 Lösungspaket schnüren und umsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Kapitel 11 Schwierige Situationen in Mediationsverfahren bewältigen . . . . . . 255

Teil III

Die erfolgreiche Anwendung von Mediation . . . . . . . . . . . . 275

Kapitel 12 Mediation intelligent nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Kapitel 13 Mediationsverfahren institutionalisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

Die Zukunft der Wirtschaftsmediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 7

Inhaltsübersicht

Anhang Endnoten zu den Kapiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Muster, Checklisten, Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

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Inhaltsverzeichnis

Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Teil I

Die Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Kapitel 1 Ursachen, Entwicklung und Folgen von Konflikten in der Wirtschaft verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Gibt es eine Konflikttheorie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Warum entstehen Konflikte im Wirtschaftsleben? . . . . . . . . . . . . . 24 Sachkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Wert- und Grundsatzkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Strategiekonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Verteilungskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Beziehungskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Innere Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Nutzen der Konflikttypisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Subjektive Wahrnehmung von Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Selektive Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Überoptimistische Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Sich selbsterfüllende Vorhersagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Attributionelle Verzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Verlustangst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Versunkene Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Reaktive Abwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Internationale und interkulturelle Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . 39 Konfliktverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Verhärtung der Standpunkte (Stufe 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Zunahme von Spannungen (Stufe 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Taten statt Worte (Stufe 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Verlagerung des Forums (Stufe 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Gesichtsverlust (Stufe 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Drohung und Zwang (Stufe 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Begrenzte Vernichtungsschläge (Stufe 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 9

Inhaltsverzeichnis

Zerstörung der Existenzgrundlage (Stufe 8) . . . . . . . . . . . . . . . 44 Zerstörung der anderen Seite (Stufe 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Nutzen des Eskalationsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Kapitel 2 Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen . 47 Intuitives Verhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Ineffektives Konfliktverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Konzentration auf Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Basar-Ritual und ineffiziente Kommunikation . . . . . . . . . . . . . 52 Positionen suggerieren Alles-oder-Nichts-Alternativen . . . . . 52 Überhöhte Maximalforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Verständnis des Konflikts als Nullsummenspiel . . . . . . . . . . . . 54 Maximierung des eigenen Nutzens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Frühzeitige Auswahl und Bewertung von Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Vermengung von Beziehungs- und Sachebene . . . . . . . . . . . . . 57 Traditionelle Mechanismen der Konfliktbeilegung . . . . . . . . . . . . . 58 Delegation in innerbetrieblichen Auseinandersetzungen . . . . . 58 Schlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Prozess vor Arbeitsgerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen . . . . . . . . . . . . 60 Prozess vor staatlichen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Alternativen zu traditionellen Mechanismen der Konflikt­ beilegung erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Interessenorientiertes Verhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Elemente des Harvard-Konzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Notwendigkeit der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Verhandlungsdilemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Verteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Verzerrte Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Funktion des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Deal Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Andere alternative Streitbeilegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 70 10

Inhaltsverzeichnis

Pre-dispute ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Post-dispute ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Collaborative Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Multi-step ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Praktische Bedeutung der ADR-Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Teil II

Die Methode der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Phase 0: Einstieg in die Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Phase 1: Eröffnung der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Phase 2: Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Phase 3: Erforschen der Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Phase 4: Entwickeln und Bewerten von Lösungen . . . . . . . . . . . 82 Phase 5: Abschluss des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Kapitel 3 Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen . . . . 85 Entwicklung und Ziele der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Rolle des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Bedürfnisgerechte Rollendefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Typische Mediationsstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Fazilitativer Mediationsstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Evaluativer Mediationsstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Nutzen der Typisierung der Mediationsstile . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Ergebnisverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Rolle des Rechts in der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Recht in der Wirtschaftsmediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Recht der Wirtschaftsmediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Rechtliche Bewertungen und Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Akzeptanz des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Abschluss der Mediationsvereinbarung und des Mediatorvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Kapitel 4 Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren . . . . . 103 Kontaktaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Vorbereitung der Mediation und Konfliktdiagnose . . . . . . . . . . . . . 105 Inhaltliche Vorbereitung der Mediation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Informationssammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Schriftsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Schriftliche Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 11

Inhaltsverzeichnis

Mediation Briefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Vorbereitende Einzelgespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Auswertung der Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Auswahl der Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Vertretungs- und Entscheidungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Der abwesende Entscheidungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Einbeziehung der mittelbar am Konflikt Beteiligten . . . . . . . . . . 112 Teilnahme potentieller Zeugen oder Sachverständiger . . . . . . . . 114 Organisatorische Vorbereitung der Mediationsverhandlung . . . . . 114 Verhandlungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Tisch und Sitzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Visualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Umgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Physische Bedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Eröffnung der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Konfliktdiagnose in der Mediationsverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . 119 Eröffnungsbemerkungen der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Wer darf oder muss beginnen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Einführung durch Rechtsanwälte oder Unternehmensvertreter? 120 Aufgabe des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Konfliktdiagnose auf der Sachebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Untersuchung der Beziehungsebene und Behebung von Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Diagnose der Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Entflechtung von Sach- und Beziehungsebene . . . . . . . . . . . . . . . 124 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Kapitel 5 Emotionen verstehen, Kommunikation fördern und Beziehung aufbauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Bedeutung von Emotionen im Konflikt erkennen . . . . . . . . . . . . . . 128 Ausdruck und Wirkung von Emotionen erfassen . . . . . . . . . . . 129 Emotionen als Teil des Konflikts akzeptieren . . . . . . . . . . . . . . 131 Offenlegung von Emotionen ermöglichen . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Emotionen als Informationsquelle verstehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Emotionen als Wert- und Gerechtigkeitsindikatoren nutzen . 133 Emotionen als Beziehungsindikatoren erkennen . . . . . . . . . . . 134 Intensität von Emotionen verfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Emotionen analysieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Emotionen zulassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Mit Fragen Wahrnehmung offenlegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Offenheit des Prozesses fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 12

Inhaltsverzeichnis

Kommunikation verbessern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Aktives Zuhören . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Paraphrasieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Verbalisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Normalisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Strukturieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Vereinbarung von Kommunikationsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Direkte Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Zirkuläre Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Strategische Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Reflexive Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Offene und geschlossene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Wahrnehmung des Konflikts durch die Parteien feststellen und verändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Unterscheidung zwischen Ereignis und dessen Wahrnehmung 148 Unterscheidung zwischen Wirkung und Absicht . . . . . . . . . . . 149 Prüfung der Bewertungen durch Verbalisieren . . . . . . . . . . . . . 149 Fragen zur Feststellung der jeweiligen Wahrnehmung . . . . . . 150 Einfühlungsvermögen fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Vertrauen und Beziehung fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Gemeinsamkeiten entdecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Gegenseitiges Verständnis fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Positive Gefühle verstärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Vertrauen aufbauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Kapitel 6 Interessen erforschen und gewichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Positionen, Interessen und Bedürfnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Bedeutung von Interessen und Interessenerforschung . . . . . . . . . . 160 Klärung von Bewertungsmaßstäben und Autonomiegewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Reflexion der eigenen Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Förderung von Empathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Entdeckung von Wertschöpfungspotentialen . . . . . . . . . . . . . . 164 Vielfalt von Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Methoden der Interessenerforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Fokus der Interessenerforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Erforschung der eigenen Interessen (Selbstbehauptung) . . . . . 167 Interessen erfragen und visualisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Einzelgespräche führen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 13

Inhaltsverzeichnis

Erforschung der Interessen der anderen Seite (Einfühlung) . . 170 Gewichtung von Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Veränderung von Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Kapitel 7 Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten . . . . . . . . . . . 177 Wertschöpfung und integratives Verhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Gemeinsamkeiten der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Unterschiede zwischen den Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Skaleneffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Wertschöpfungspotentiale erkennen und nutzen . . . . . . . . . . . . . . 183 Die Bedeutung kreativen Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Die Rolle des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Kreativität mit System: Kreativitätstechniken . . . . . . . . . . . . . . 185 Brainstorming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Brainwriting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Mindmapping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 6-Hüte-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Problem oder Problemsicht verändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Verfahrensstruktur oder Vorgehensweise verändern . . . . . . . . . . 193 Einigungsoptionen konkretisieren und bewerten . . . . . . . . . . . . . . 194 Ideen und Einigungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Ordnen von Einigungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Bewerten von Einigungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Kapitel 8 Verteilungsprozesse effizient gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Wertverteilung und distributives Verhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Veränderung der (wahrgenommenen) Nichteinigungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Ausschluss unerwünschter Einigungsoptionen durch Selbstbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Werfen von Wahrnehmungsankern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Täuschung über Interessen und/oder Nichteinigungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Wege zur effizienten Gestaltung von Verteilungsprozessen . . . . . . 205 Informationsgrundlagen verbessern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Unverbindliche Expertenmeinung des Mediators/eines Dritten 207 Verbindliche Expertenmeinung des Mediators/eines Dritten . . . 208 Materielle Verteilungskriterien einbringen . . . . . . . . . . . . . . . . 208 Normative Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 14

Inhaltsverzeichnis

Fokalpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Unterschiedliche Verteilungsverfahren berücksichtigen . . . . . . 211 Losverfahren (Zufallsprinzip) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Abwechseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Einer teilt, der andere sucht aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Adjusted-Winner-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Automatisierte Verteilung durch Software-Werkzeuge . . . . . . . . 216 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Kapitel 9 Alternativen zu einer Verhandlungslösung prüfen . . . . . . . . . . 219 Bedeutung von Nichteinigungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Arten von Nichteinigungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 Beste Nichteinigungsalternative (BATNA) und Einigungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 BATNA und Verhandlungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Nichteinigungsalternativen entwickeln und kommunizieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Bewertung von Nichteinigungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Überoptimismus als Einigungsbarriere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Bedeutung von Einzelgesprächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Kritische Fragen des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Prozessrisikoanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Erwartungswert und kumulierte Wahrscheinlichkeiten . . . . . . . 227 Erwartungswert einer Prozessführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Vollständige Kosten/Nutzen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Pendeldiplomatie des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Nutzen von Prozessrisikoanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Rolle der Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Sensitivitätsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Mini-trial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Kapitel 10 Lösungspaket schnüren und umsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Verbleibende Einigungshindernisse überwinden . . . . . . . . . . . . . . 237 Strategische Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Strukturelle Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Kognitive Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Einigungsvorschläge des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Ein-Text-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Abschluss und Umsetzung einer Abschlussvereinbarung . . . . . . . . 244 Abschlussvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 15

Inhaltsverzeichnis

Vollstreckbarkeit der Abschlussvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . 246 Umsetzung der Abschlussvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Mediation ohne Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Beendigung des Mediationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Weitere Alternativverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Mediation-Arbitration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Final-Offer Arbitration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 High-Low Arbitration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Vereinbarungen für den Fall eines Schieds- oder Gerichtsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 Kapitel 11 Schwierige Situationen in Mediationsverfahren bewältigen . 255 Hohe Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Viele Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Interessen- und Themenvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Gefährdungen der Neutralität des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Persönliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Einseitige Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Einigungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Machtungleichgewichte zwischen den Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Was bedeutet Macht in Verhandlungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Umgang mit Machtungleichgewichten in der Mediation . . . . . 265 Prozessherrschaft ausüben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Über Ausgleichsmöglichkeiten informieren . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Arbeiten mit den Nichteinigungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . 266 Legitime Kriterien einbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Lösungsvorschläge bewerten und eigene entwickeln . . . . . . . . . . 267 Eskalation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 „Let them vent“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Thematisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Normalisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Reformulieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Verständnis signalisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Gemeinsamkeiten betonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Spannungsabbau physisch unterstützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

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Inhaltsverzeichnis

Teil III

Die erfolgreiche Anwendung von Mediation . . . . . . . . . . . 275

Kapitel 12 Mediation intelligent nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Mediationseignung von Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Kriterien für die Eignung eines Mediationsverfahrens . . . . . . 281 Interessen im Vordergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Gestaltung der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Wunsch nach Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Wunsch nach Geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Hohe Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Hohe Emotionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Internationalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Mögliche Ausschlussgründe für Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Entgegenstehendes zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Öffentliches Interesse an Rechtsdurchsetzung und ‑entwicklung . 286 Wunsch nach Präzedenz- oder Öffentlichkeitswirkung . . . . . . . 286 Bedürfnis nach einstweiliger Sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Zeitpunkt für Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Auswahl des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Qualifikation des Mediators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Zertifizierter Mediator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Mediationsteams/Co-Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Auswahlverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Organisation des Mediationsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Mediationsvereinbarung und Mediatorvertrag . . . . . . . . . . . . . 294 Institutionelle und fachliche Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . 295 Auswahl von Musterverfahrensordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Die Rolle der Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 Türöffner zum Verfahren der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Anwaltliche Vorbereitung der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 Anwaltliche Beratung in der Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Mediationsbezogene anwaltliche Beratung nach Abschluss des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Kapitel 13 Mediationsverfahren institutionalisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Konfliktmanagementsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Systematisches Management externer Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . 305 Selbstbindungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Mediationsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Konfliktmanagementverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 17

Inhaltsverzeichnis

Anreizstrukturen für die Nutzung von Mediationsverfahren . 312 Systematisches Management interner Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . 313 Prinzipien der erfolgreichen Gestaltung von Konfliktmanagementsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Analyse des bisherigen Konfliktverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Grundsatzentscheidung der Unternehmensleitung . . . . . . . . . 320 Beteiligung der Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Bestimmung einer verantwortlichen Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Bestimmung der anzuwendenden Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 321 Staffelung der Verfahrensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Anpassung der Anreizstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Evaluation und Weiterentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Transparenz und Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

Die Zukunft der Wirtschaftsmediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Anhang Endnoten zu den Kapiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Muster, Checklisten, Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Beispiele für Mediationsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Beispiel einer Kombination von Mediationsvereinbarung und Mediatorvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Checkliste zum Anforderungsprofil an einen Mediator . . . . . . . . . 375 Beispiel für die Eröffnungsworte des Mediators (Notizen) . . . . . . . 377 Checkliste zur Organisation eines Mediationsverfahrens . . . . . . . . 379 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 Die Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

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Teil I Die Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements Erinnern Sie sich noch, wann und wie Sie Ihren ersten Konflikt erlebt haben? Seitdem ist vermutlich schon viel Zeit verstrichen: Bereits in frühester Kindheit erfahren wir, dass unser Verhalten auf Widerstand stößt oder eigene Vorstellungen nicht durch­ setzbar sind. Im Berufsleben verhält es sich nicht anders. Streitigkeiten im Vorstand bzw. unter Geschäftsführern oder zwischen Mitarbeitern, Abteilungen bzw. selbstän­ digen Unternehmen im Konzernverbund belasten unsere tägliche Arbeit ebenso wie Spannungen im Verhältnis zu Geschäftspartnern, Lieferanten, Wettbewerbern und Abnehmern. Wenn in der Wirtschaft Konflikte bekannt werden, erregen sie oftmals große öffentliche Aufmerksamkeit. Beispiele liefern etwa die jahrelangen Streitigkei­ ten zwischen dem inzwischen verstorbenen Media-Markt-Gründer Erich Kellerhals und der früheren Metro AG (nunmehr Ceconomy AG), die Auseinandersetzungen zwischen Hans Barlach und dem Suhrkamp-Verlag, zwischen dem Fleischerei-Unter­ nehmer Clemens Tönnies und seinem Neffen Robert Tönnies oder auch die Familien­ fehde unter den Erben der Handelskette Aldi nach dem Tod der beiden Firmenväter Karl und Theodor Albrecht. Dass Auseinandersetzungen zwischen Personen oder in der Sache entstehen, ist auch in der Wirtschaft unvermeidbar. Verteilungsstreitigkeiten, Grundsatz- oder Wertfragen und Strategiekonflikte müssen ausgetragen werden. Warum aber bleiben in den ge­ rade genannten – und vielen anderen, nicht in das Licht der Öffentlichkeit gerate­ nen – Situationen die Fronten ungeachtet intensiver Bemühungen verhärtet oder es­ kalieren auf scheinbar nicht zu verhindernde Weise? Aus Sicht der Betroffenen ist die  Antwort naheliegend: Auf der anderen Seite stehen Überzeugungstäter, unein­ sichtige und unbelehrbare Personen. Mit rationalen Konfliktparteien ließe sich eine Auseinandersetzung sicherlich einvernehmlich beenden. Aber mit diesen Gegnern geht es eben nicht. Ihnen muss man knallhart begegnen. Eine andere Sprache verste­ hen sie nicht. Bemerkenswert an solchen Erklärungen ist, dass sie regelmäßig von beiden Seiten vorgebracht werden. Tragen also in Wirklichkeit stets alle Beteiligten die Verantwor­ tung für die Entstehung, fortwährende Dauer und mögliche Eskalation eines Kon­ flikts? Diese Frage erfordert eine differenzierte Antwort. Im ersten Teil des Buches werden Sie daher zunächst in Kapitel  1 lesen, warum Konflikte entstehen und wie sie sich entwickeln. Anschließend werden Sie die Faktoren kennenlernen, die den Verlauf von Auseinandersetzungen beeinflussen. Im Kapitel 2 erhalten Sie einen Überblick über diejenigen Verfahren, die gewöhnlich zur Beilegung von Streitigkeiten gewählt wer­ den. Sie reichen von intuitiv geführten Verhandlungen zwischen den Betroffenen bis hin zu Prozessen vor staatlichen Gerichten. Anschließend finden Sie erste Informa­ 19

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

tionen über die Mediation. Sie werden erfahren, warum diese als eine zügige und ef­ fektive Methode der Konfliktbeilegung in vielen Fällen den wirtschaftlichen Interes­ sen der Parteien besser gerecht wird als traditionelle Wege der Streiterledigung, die – wie die eingangs genannten Beispiele illustrieren – sich oft über sehr lange Zeit­ räume hinziehen, hohe Kosten verursachen und nicht den eigentlichen Zielen der Betroffenen dienen.

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Kapitel 1 Ursachen, Entwicklung und Folgen von Konflikten in der Wirtschaft verstehen Nachrichtensendungen und Tageszeitungen hätten wenig zu berichten, gäbe es keine Konflikte. Romanen würde die Spannung fehlen und Kriminalgeschichten hätten kei­ nen Anfang. Auch im Wirtschaftsleben gehören Konflikte zum Alltag. Sie können fruchtbar und nützlich sein. Schon bei Heraklit heißt es: „Alles ist in Bewegung, und nichts bleibt stehen. Der Streit ist der Vater von allem … Man muss wissen, dass er zu Recht besteht und dass alles durch Streit und Notwendigkeit entsteht.“1 Auf politi­ scher Ebene hätte es bedeutende gesellschaftliche Reformen – wie z.B. die Einführung der Mitbestimmung in Betrieben oder des allgemeinen Wahlrechts sowie den friedli­ chen Übergang totalitärer Regime zu demokratischen Systemen  – ohne Konflikte nicht gegeben. Die Marktwirtschaft lebt von der Vielfalt der Ideen und der Konkur­ renz um Kunden. Der Wettbewerb setzt kreative Kräfte frei und nutzt so das Poten­tial unterschiedlicher Sichtweisen für innovative Entwicklungen. Gleichzeitig ruft er Spannungen zwischen denjenigen hervor, die sich um dieselben Ziele bemühen. Für den Einzelnen können Konflikte belastend oder auch befreiend wirken. Manchmal besteht erst im Konflikt die Chance, sich der eigenen Vorstellun­ gen und Interessen bewusst zu werden, die Perspektive anderer besser zu verstehen und neue Kompetenzen zu erwerben. Schließlich können Auseinandersetzungen mit Dritten auch in heterogenen Gruppen Einigkeit herstellen. Das gilt im Wirtschaftsle­ ben etwa, wenn der Wettbewerb oder die Bedrohung durch einen Konkurrenten (z.B. im Falle einer sogenannten feindlichen Übernahme) die Angehörigen eines Unter­ nehmens zusammenschweißt. Allerdings verhalten sich die Beteiligten in Auseinandersetzungen nicht immer kon­ struktiv. Bei Differenzen zwischen den Betroffenen entsteht schnell Misstrauen. Die Kommunikation stockt, nimmt ab oder endet. Statt Missverständnisse auszuräumen, betonen die Kontrahenten ihre Differenzen. Entwickelt sich ein Streit in dieser Weise, entstehen für das Unternehmen und seine Inhaber ebenso wie für Geschäftspartner, Kunden, Mitarbeiter und somit für die Volkswirtschaft materielle und immaterielle Kosten. Wie hoch diese ausfallen können, zeigt eine Aussage von Gesamtmetall-Prä­ sident Martin Kannegiesser aus dem Frühjahr 2002. Schon damals vermutete er, dass jeder Streiktag in seiner Branche eine Wertschöpfung von 2,5 Milliarden Euro gefähr­ de.2 Selbst wenn nicht eine ganze Industrie, sondern nur ein Unternehmen durch ei­ nen Konflikt betroffen ist, können sehr hohe Kosten auflaufen. „„ Streikkosten auf der Schiene und in der Luft Den Geschäftsberichten der Deutschen Lufthansa AG zufolge haben Streiks der ­Piloten und Flugbegleiter dem Unternehmen seit 2014 jährlich Kosten zwischen 100 und 231 Millionen Euro beschert – für das Geld könnte man jedes Jahr einen neuen Airbus A380 kaufen. 21

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements Andere Mobilitätsunternehmen wie die Deutsche Bahn AG beklagen Streikkosten in ähnlicher Höhe. Die Bahn könnte sich davon alternativ eine Handvoll neuer ICE-Züge leisten. Das ist aber noch nicht alles: Bahnstreiks führen häufig auch zu Ausfällen im Gütertransport, die der deutschen Wirtschaft ab dem dritten Streiktag täglich Verluste in Höhe von 50 bis 100 Millionen Euro bescheren.3 Beispiel 1

Werden aufgrund einer Auseinandersetzung Dienst- oder Produktionsleistungen nicht erbracht, wie es etwa angesichts des Ausfalls von Flügen bei einem Streik in der Luft­ fahrtbranche der Fall ist, lassen sich die direkten Kosten konkret beziffern. Dabei han­ delt es sich um die durch den Konflikt unmittelbar entstehenden finanziellen Einbu­ ßen der betroffenen Unternehmen (z.B. Bezahlung von Zeitarbeitspersonal während eines Streiks, Kosten der Rechtsverfolgung bzw. Sachverständigenkosten in einem Rechtsstreit oder Vertragsstrafen bei verspäteter Projektfertigstellung). Die indirekten Kosten des Konflikts gehen oft weit über solche unmittelbar in einer Auseinandersetzung entstehenden finanziellen Nachteile hinaus: Sie umfassen die wirtschaftlichen Folgen, die durch die Ablenkung von der eigentlichen geschäftlichen Tätigkeit entstehen. Zu den indirekten Kosten gehören auch ökonomisch schwer quantifizierbare, aber dennoch bedeutsame Beschädigungen der Reputation. Noch weniger quantitativ fassbar sind Auswirkungen von Konflikten auf das Betriebsklima und die Betriebskultur. Ob sich solche indirekten Kosten auf die Kurse an den Finanzmärkten auswirken, hängt von ihrer Sichtbarkeit ab: Wenn Kapitalmärkte vollständig effizient wären, müssten sie eigentlich auch die indirekten Kosten von Konflikten in der Kursentwick­ lung widerspiegeln. Das können sie allerdings nur, wenn die Marktteilnehmer Kennt­ nis von ihnen erhalten. Das ist jedoch nicht immer der Fall: Indirekte Kosten finden in den Finanzdaten eines Unternehmens regelmäßig keine Erwähnung. Die Konflik­ te, durch die sie verursacht werden, sind Außenstehenden nicht ohne Weiteres be­ kannt. Dass indirekte finanzielle Nachteile weniger offensichtlich sind, bedeutet indes nicht, dass sie deswegen vernachlässigt werden könnten. Schließlich fallen sie oft sehr viel höher als die direkten Kosten aus und beeinträchtigen in jedem Fall die Wettbe­ werbsfähigkeit eines Unternehmens. Natürlich gehören öffentlich ausgetragene Streitigkeiten nicht unbedingt zum Unter­ nehmensalltag. Gleichwohl lassen sich die Beispiele für wirtschaftlich belastende Auseinandersetzungen beliebig ergänzen. Selbst in ruhigeren Zeiten verbringen Mit­ arbeiter durchschnittlich immerhin 12 Prozent ihrer Arbeitszeit im Unternehmen damit, Konflikte auszutragen. Größere Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten sind noch konfliktanfälliger.4 Angesichts der durch Konflikte verursachten hohen Kosten verdient ihr Management aus volks- und betriebswirtschaftlicher Sicht größere Aufmerksamkeit. Dies gilt umso mehr, als sich durch ein reflektiertes Konfliktmanagement erhebliche Effizienzeffekte realisieren lassen: Mit einem überschaubaren personellen wie finanziellen Aufwand können große Schäden vermieden werden. Wie wir in diesem Buch näher darstellen 22

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen ­|  Kap. 1

werden, ist die Methode der Mediation für die Begrenzung der direkten und indirek­ ten Kosten von Konflikten in vielen Fällen besonders geeignet. Um als Unternehmer, Geschäftsführer, Syndikus, Personalleiter oder anwaltlicher Be­ rater sinnvolle Initiativen für ein professionelles Konfliktmanagement zu entwickeln, bedarf es jedoch zuerst einer Konfliktdiagnose (vgl. Kapitel 4). Mit ihr stellen Sie fest, ob sich im konkreten Fall die Mediation oder eine andere Methode der Konfliktbeile­ gung anbietet (vgl. Kapitel 2 zu den verschiedenen Verfahren der Streitbeilegung). Wenn Sie als Mediator tätig sind, wird diese Diagnose ohnehin eine Ihrer ersten Auf­ gaben sein. Dabei stellen sich Ihnen konkret vor allem folgende Fragen: Worum geht es in dem Konflikt? Was bewegt die betroffenen Personen? Warum ist deren Vertrau­ en in ihren eigenen Standpunkt so groß und die Meinung über den oder die Gegner so gering? Wie ließe sich ein Mediations- oder anderes Konfliktlösungsverfahren ge­ stalten, um den Interessen der Beteiligten bestmöglich gerecht zu werden? Bei der Beantwortung dieser Fragen im Einzelfall stellen sich im Vorfeld weitere Fra­ gen: Wie entstehen überhaupt Streitigkeiten in der Wirtschaft? Welche Konflikttypen gibt es? Wieso verstärkt sich das Selbstvertrauen der Parteien oft noch während des Konflikts? Warum nehmen Eskalationen einen scheinbar automatischen Verlauf? Diese Themen sind Gegenstand des ersten Kapitels. Bevor wir uns den Konfliktanläs­ sen zuwenden, wollen wir aber zunächst dem „Wesen des Konflikts“ nachgehen.

Gibt es eine Konflikttheorie? Konflikte lassen sich in zahlreiche Kategorien einteilen. Philosophen haben ebenso ihren Beitrag zur Konfliktforschung geleistet wie Psychologen, Soziologen, Theolo­ gen, Ökonomen, Naturwissenschaftler und Juristen. Jede dieser Disziplinen verfügt über eine Vielzahl von Theorien, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit Ursa­ chen, Entstehung, Verlauf und Auswirkungen von Konflikten in ganz unterschiedli­ chen Kontexten beschäftigen.5 Das Spektrum der Untersuchungen reicht vom Ju­ gend‑, Paar- und Generationenkonflikt bis zu Konflikten in Organisationen oder Auseinandersetzungen zwischen Staaten und Völkern. Angesichts der Vielzahl der nach dem jeweiligen Umfeld zu berücksichtigenden Faktoren überrascht es nicht, dass es bislang ebenso wenig gelungen ist, eine allgemein anerkannte Konflikttheorie zu entwickeln, wie etwa eine allgemeingültige Lehre vom Menschen in der Anthropo­ logie zu erarbeiten. Vergleicht man die klassischen Konflikttheorien der verschiedenen Wissenschafts­ zweige miteinander, so sind sie stark durch die Methodik und den Gegenstand ihres jeweiligen Fachs geprägt. Die Sozialwissenschaftler haben sich lange Zeit vor allem mit dem Anlass von Konflikten beschäftigt. Sie haben sich auf die sozialen Bedingun­ gen (z.B. marxistische oder liberale Theorie), auf die Beziehungen in Organisationen (z.B. Kontingenztheorie), die Anreize des homo oeconomicus (z.B. ökonomische The­ orie) oder die Aktionen und Reaktionen vollständig rationaler Akteure konzentriert (z.B. Spieltheorie). Dagegen haben sich die Theorien, die sich dem Innenleben des 23

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

Menschen zugewandt haben, vor allem mit der Wahrnehmung des Anlasses von Kon­ flikten und den Reaktionen darauf beschäftigt (z.B. Psychoanalyse, Tiefenpsycholo­ gie, Individualpsychologie, analytische und kognitive Psychologie). Da sich Men­ schen in Gruppen anders verhalten als individuell, stammen wichtige Beiträge zum Verständnis von Konflikten auch aus der Gruppenpsychologie. Erst in den letzten Jahrzehnten begannen die einzelnen Fachrichtungen, sich interdis­ ziplinär auszurichten. In den USA haben Rechts- und Politikwissenschaftler ebenso wie Psychologen die Themen Verhandeln und Mediation inzwischen als eigene, über­ greifende Forschungsfelder in ihren Fachbereichen anerkannt.6 Wir verfolgen in die­ sem Buch ebenfalls einen interdisziplinären Ansatz. Im Folgenden befassen wir uns zunächst wie die Sozialwissenschaften aus objektiver Sicht mit dem Anlass von Kon­ flikten im Wirtschaftsleben. Anschließend wenden wir uns wie die kognitive Psycho­ logie einigen Mechanismen der subjektiven Konfliktwahrnehmung zu, bevor wir auf die Erkenntnisse der Organisationspsychologen zurückgreifen und den Verlauf von Konflikten über neun Eskalationsstufen verfolgen. In späteren Kapiteln werden wir z.B. auf Einsichten der Spieltheorie (vgl. z.B. Kapitel 2 zum Verhandlungsdilemma) und der Entscheidungstheorie (vgl. z.B. Kapitel 9 zur Prozessrisikoanalyse) zurück­ greifen.

Warum entstehen Konflikte im Wirtschaftsleben? Grundsätzlich gibt es aus objektiver Sicht für jeden Konflikt – sei es ein unterneh­ mensinterner Konflikt oder eine Auseinandersetzung zwischen Unternehmen – ei­ nen Anlass und ein Verhalten mindestens eines Betroffenen. Unter Anlässen für Kon­ fliktverhalten verstehen wir diejenigen äußeren Umstände, welche die Erwartungen, Vorstellungen und Gefühle der Akteure im Wirtschaftsleben beeinflussen. Im Vordergrund unserer Darstellung stehen Auseinandersetzungen, die sich zwi­ schen Unternehmen oder ihren Vertretern entwickeln (externe Konflikte). Wir wer­ den uns aber auch mit Konflikten innerhalb von Unternehmen beschäftigen (interne Konflikte). Sie entstehen im Geschäftsalltag auf allen Ebenen, also zwischen Gesell­ schaftern, Vorstands‑, Geschäftsführungsmitgliedern oder Angehörigen von Auf­ sichtsgremien in derselben Weise wie zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten. Dazu kommen bei internen Auseinandersetzungen noch die Interessengegensätze, die zwi­ schen verschiedenen Hierarchiestufen oder ganz allgemein zwischen dem Betriebsrat einerseits und dem jeweiligen Arbeitgeber andererseits zu bewältigen sind. Schließ­ lich haben im Zuge der Unternehmenskonzentration auch Differenzen im Verhältnis von Konzernunternehmen oder Unternehmensabteilungen zueinander an Bedeutung gewonnen. Sie stehen in gewisser Weise zwischen externen und internen Konflikten, weil sich einerseits Einheiten mit einer hohen – oft auch rechtlichen – Eigenständig­ keit gegenüberstehen, die  – andererseits  – innerhalb derselben Gruppe dazu „ver­ dammt“ sind, sich zu einigen. Unabhängig davon, ob eine interne oder externe Streitigkeit vorliegt, können Konflik­ te nach ihrem Anlass im Wirtschaftsleben in fünf Kategorien eingeteilt werden: Dif­ 24

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen ­|  Kap. 1

ferenzen über Sachfragen (Sachkonflikte), Auseinandersetzungen über Werte- und Grundsatzfragen (Wert- und Grundsatzkonflikte), Streitigkeiten über die Verteilung von Ressourcen, Ansehen oder Macht (Verteilungskonflikte), Meinungsverschieden­ heiten über die Mittel oder den Weg (Strategiekonflikte) sowie Störungen des Verhält­ nisses zwischen Personen (Beziehungskonflikte).7 Von diesen zu unterscheiden sind Konflikte, die jeder selbst innerlich bewältigen muss (innere Konflikte). Innere Kon­ flikte sind im Folgenden nur insoweit von Belang, als sie auch das Verhalten der Be­ troffenen in Auseinandersetzungen mit anderen beeinflussen. Diese Einteilung ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung: Wenn Sie direkt von ei­ nem Streit betroffen sind, erleichtert Ihnen diese Typologie die Auswahl des optima­ len Streitbeilegungsverfahrens. Im zweiten Kapitel werden verschiedene Methoden der Konfliktbeilegung dargestellt. Die Eignung der jeweiligen Methode für den kon­ kreten Fall hängt auch davon ab, in welche Kategorie ein Konflikt fällt. Zudem beein­ flusst die Natur des Konflikts die Rollendefinition, die Sie als Mediator vornehmen und mit den Parteien vereinbaren werden (vgl. Kapitel 3), ebenso wie Ihre Vorbereitung auf die Mediation (vgl. Kapitel 4) und Ihre Verhandlungsführung (vgl. Kapitel 5). Ob der Schwerpunkt Ihrer Arbeit in der Interessenerforschung (vgl. Kapitel 6), in der Suche nach Lösungsmöglichkeiten (vgl. Kapitel 7), in der Überwindung von Vertei­ lungsstreitigkeiten (vgl. Kapitel 8) oder in der Bewertung der jeweiligen Nichteini­ gungsalternativen liegt (vgl. Kapitel  9), richtet sich ebenfalls auch nach dem Kon­ flikttypus. Sachkonflikte Sachkonflikte zwischen Unternehmen entstehen, wenn unterschiedliche Überzeu­ gungen in sachlichen Fragen auftreten, z.B. weil die Beschaffenheit einer Dienstleis­ tung oder eines Produkts nicht den Erwartungen des Geschäftspartners entspricht. Ist der Kunde mit der Qualität nicht zufrieden, verweigert er typischerweise die Zahlung des Kaufpreises, verlangt sein Geld zurück, fordert kostenlosen Ersatz oder eine zügi­ ge Behebung der festgestellten Fehler bzw. Einschränkungen. Dagegen wünscht der Verkäufer oder Auftragnehmer regelmäßig die Bezahlung und Abnahme der Ware. Bei Sachkonflikten handelt es sich deshalb um Zielkonflikte, in denen die Beteiligten in Verhandlungen jeweils ein anderes Ergebnis erreichen wollen, weil sich ihre Beur­ teilungen des Anlasses voneinander unterscheiden. Sachkonflikte im Betrieb beruhen dagegen oft auf den Interessengegensätzen zwischen Unternehmer und Arbeitnehmern. Konflikte, welche die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsplatzes betreffen, finden in Unternehmen, die über einen Betriebsrat verfü­ gen, zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber statt. Vertreter der Arbeitgeber bewerten z.B. das Ziel der Flexibilisierung der Arbeitszeit häufig zunächst anders als der Be­ triebsrat oder die Belegschaft. So konnten seinerzeit die Gespräche über ein neues Arbeitsmodell bei der Volkswagen AG (Projekt „5000  ×  5000“) erst nach monate­ langem, zähem Ringen zwischen den Vertretern des Automobilherstellers und der IG Metall erfolgreich abgeschlossen werden. Den Meinungswandel förderte wohl die Einsicht, dass mit dem neuen Konzept Arbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben, 25

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

die sonst im Ausland entstanden wären.8 Ende 2008 beendete VW das Projekt „Auto 5000“ und integrierte die bis dahin eigenständige Produktionstochter wieder in den VW-Konzern.9 Fühlt sich ein Mitarbeiter unzureichend beteiligt, ungerecht beurteilt, oder ist er mit der Arbeitsverteilung nicht einverstanden, kann es zu einem individuellen Konflikt zwischen einem Vorgesetzten und einem einzelnen Mitarbeiter kommen. Die Anstel­ lung eines neuen Kollegen, eine neue Verteilung von Zuständigkeiten in einer Abtei­ lung oder eine Fusion mit einem anderen Unternehmen verbessern die Erfolgsaus­ sichten für manche und verschlechtern sie für andere. Sachkonflikte können sich auch aus verschiedenen Erwartungen im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf eines Vorhabens ergeben. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Lie­ ferungen oder Dienstleistungen später erbracht werden als vereinbart. Wirtschaftlich wirken sich derartige Verzögerungen besonders gravierend aus, wenn Infrastruktur­ projekte nicht rechtzeitig fertiggestellt werden. So sollte der Flughafen Berlin Brandenburg ursprünglich im Jahr 2007 eröffnet werden. Seitdem wurden so häufig neue, spätere Eröffnungstermine kommuniziert, dass manche inzwischen sogar daran zweifeln, dass der Flughafen überhaupt noch in Betrieb genommen wird. Beim Neu­ bau des Stuttgarter Hauptbahnhofs deuten sich ähnliche Verzögerungen an. Häufig entstehen Sachkonflikte auch aufgrund eines hohen Zeitdrucks. Dieser verur­ sacht Informationsdefizite, beschränkt die Kommunikation und führt zu Missver­ ständnissen. Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen können daran selbst in erfolgreichen Zeiten ebenso leiden wie das Verhältnis zwischen einem Vorgesetzten und seinen Mitarbeitern oder die Beziehung zwischen Gesellschaftern. „„ Höchstleistungen unter Druck? Von einem Partner einer internationalen Sozietät erzählt man sich folgende Geschichte: Als sich ein junger Associate eines Tages beschwerte, in der knappen, ihm zur Verfügung stehenden Zeit könne er keine gute Arbeit leisten, nahm ihn der Ältere beiseite und raunte ihm zu: Wissen Sie, wie es kommt, dass Diamanten so einzigartig funkeln? Ich verrate es Ihnen: Druck, Druck, Druck! Und wenn aller Druck nicht hilft? Schleifen, schleifen, schleifen! Nach unserer Erfahrung ist dieser Ansatz in der Regel kontraproduktiv. Fristen und Termine sind im Wirtschaftsleben zwar notwendig, um effektiv voranzukommen. Es gilt aber auch: Übermäßiger Zeitdruck erstickt Kreativität, belastet die Mitarbeitermotivation und entlädt sich früher oder später in Konflikten. Womöglich brechen diese Konflikte an ganz anderer Stelle auf, weil die Betroffenen – um mit Niklas Luhmann10 zu sprechen – andere Themen heranassoziieren und ihren Frust darüber ableiten. Solche externen Eskalationen sind schwer durchschaubar und zeitigen regelmäßig ernsthafte Konsequenzen. So liegt der Grund für manchen privaten Streit in beruflichen Schwierigkeiten, die man besser unmittelbar am Arbeitsplatz gelöst hätte. Beispiel 2 26

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen ­|  Kap. 1

Auch in anderen Kontexten hat Zeitdruck häufig gravierende Folgen. Ein Beispiel dafür sind weitreichende Investitionsentscheidungen, die die Beteiligten in großer Eile treffen, etwa wenn ein Unternehmenskauf aus steuerlichen Gründen noch bis zum Ende eines Jahres abgeschlossen werden soll. Bleibt dann nicht genügend Zeit für eine sorgfältige Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kaufobjekts oder für einen Vergleich von Angeboten durch den Verkäufer, sind spätere Auseinander­ setzungen über die Angemessenheit des Kaufpreises, Schadensersatzleistungen oder die Wirksamkeit von Gewährleistungsausschlüssen in vielen Fällen unvermeidbar. Wert- und Grundsatzkonflikte Eine andere Qualität erhalten Sachkonflikte, wenn eine Auseinandersetzung das Wer­ teverständnis mindestens eines Beteiligten berührt (Wertkonflikt), dieser eine allge­ meinverbindliche Klärung des Konflikts anstrebt oder der Konflikt aus anderen Gründen eine grundsätzliche Bedeutung gewinnt (Grundsatzkonflikt). Wertkonflikte sind Auseinandersetzungen, in denen fundamental unterschiedliche Wertvorstellungen aufeinandertreffen. Diese Streitigkeiten lassen sich nicht immer einvernehmlich beilegen. Das liegt daran, dass Werte nicht nur Bedürfnisse und Ziele betreffen, sondern das eigene Selbstverständnis von Personen berühren. Hinter dem Sachkonflikt wird um Wertüberzeugungen oder Glaubensinhalte gerungen. Wenn also z.B. ein Pharmaunternehmen plant, sich an Abtreibungskliniken oder an der Stammzellenforschung in den USA zu beteiligen, können im Unternehmen, in dessen Entscheidungsgremien oder unter den Mitarbeitern und Aktionären unüberbrückbar erscheinende Auffassungen aufeinandertreffen. Da manche der Beteiligten in einem Entgegenkommen eine Aufgabe ihres eigenen Ideals oder ihrer Wertüberzeugung se­ hen, ist ihre Bereitschaft zu Konzessionen sehr viel geringer als in anderen Konflik­ ten. Wertkonflikte können daher am ehesten durch eine verbindliche Entscheidung eines Dritten im Rahmen eines zivil- oder schiedsgerichtlichen Verfahrens beigelegt werden. Allerdings bieten sich auch Ansatzpunkte für die Mediation solcher Ausein­ andersetzungen, wenn Sie als Mediator danach fragen, auf welche Normen die jewei­ ligen Werturteile gestützt werden oder ob bzw. wie diese im konkreten Fall tatsächlich betroffen sind. Je mehr Sie über die Gerechtigkeitsvorstellungen der Beteiligten erfah­ ren, umso eher können Sie im Dialog mit diesen klären, ob Differenzierungen oder Relativierungen möglich sind (vgl. Kapitel 5). Praktisch größere Bedeutung haben im Wirtschaftsleben Auseinandersetzungen, de­ nen die Parteien grundsätzliche Bedeutung beimessen, ohne dass sie  – wie Wert­ konflikte – das eigene Selbstverständnis der Beteiligten berühren würden. Bei Grund­ satzkonflikten handelt es sich um Auseinandersetzungen, die entweder zahlreiche Sachverhalte betreffen oder häufiger auftreten könnten und daher einer Klärung be­ dürfen. Eine solche Situation liegt z.B. dann vor, wenn ein Gericht grundsätzlich dar­ über entscheiden soll, in welchem Umfang Banken ihren Kreditnehmern Bearbei­ tungsgebühren in Rechnung stellen dürfen.11 Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf kann aber auch entstehen, wenn die Entwicklung neuer Technologien zu Streitigkei­ ten über die Zulässigkeit ihrer Nutzung führt, etwa im Hinblick auf die zügig expan­ 27

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

dierenden Möglichkeiten einer automatischen Online-Rechtsberatung.12 Wenn die Betroffenen hier eine grundsätzliche und verbindliche Klärung anstreben, sollten sie tatsächlich die Gerichte entscheiden lassen (vgl. Kapitel 2). In Wertkonflikten geht es also mindestens einem Beteiligten um Anschauungen, zu denen er sich bekennt, in Grundsatzstreitigkeiten dagegen um eine Präzedenzwir­ kung. Strategiekonflikte Strategiekonflikte unterscheiden sich von Sach- und Grundsatzkonflikten dadurch, dass die Beteiligten dasselbe Ziel erreichen wollen, etwa den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Sie sind aber geteilter Meinung über den richtigen Weg zum Ziel oder die richtigen Mittel, um dieses zu erreichen. Verschiedene Vorstellungen über die Verwirklichung desselben Ziels können selbst dann aufeinandertreffen, wenn die Beteiligten sich nahestehen und in vielen Fragen übereinstimmen. „„ Streit bei Steilmann Die Steilmann-Gruppe, vormals eines der größten europäischen Textilunternehmen mit Hauptsitz in Wattenscheid, erzielte 1998 einen Jahresumsatz von ca. 750 Millionen Euro. Rechtzeitig zum 70. Geburtstag von Textilunternehmer Klaus Steilmann im Juni 1999 sollte Tochter Britta die Führung des Unternehmens übernehmen. Unter seinen drei Töchtern galt Britta stets als Liebling des Vaters. Schon in jungen Jahren hatte sie Verantwortung im elterlichen Betrieb übernommen und sich einen Namen mit Öko-Mode gemacht. Im Alter von 27 Jahren war sie als stellvertretende Vorsitzende des Fußballklubs Wattenscheid 09 als erste Frau in das Präsidium eines Bundesligavereins gewählt worden. Der damalige Kanzlerkandidat Rudolf Scharping hatte Britta im Jahr 1994 in seinen Beraterstab berufen. Im Jahr 1995 verlieh Bundespräsident Roman Herzog ihr das Bundesverdienstkreuz. Dass Klaus Steilmann ungeachtet aller Meriten und unbestrittenen Qualifikationen seiner Tochter im Jahr 1999 dennoch zunächst nicht diese als neue Vorstandsvorsitzende berief, lag vor allem an verschiedenen Ansichten über die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Am zweiten Januar-Wochenende 1999, so war im manager magazin zu lesen, „scheiterten nach insgesamt 15 Verhandlungsstunden die Schlichtungsgespräche der beiden Dickköpfe, Britta kündigte zum 31. März 1999“13. Tochter Britta wollte mit der Steilmann-Gruppe durch mehr eigene Marken und eine stärkere Präsenz im Einzelhandel sichtbar in Erscheinung treten. Vater Klaus scheute den Wettbewerb zu seinen langjährigen großen Handelspartnern wie C&A und Marks&Spencer. Nach etwas mehr als zwei Jahren und dem Intermezzo des Vorstandsvorsitzenden Joachim Vogt trat Britta Steilmann im August 2001 schließlich doch noch die Nachfolge ihres Vaters an.14 Nachdem das Unternehmen im Jahre 2003 erstmalig rote Zahlen schrieb, übergab Britta Steilmann die Geschäftsführung dann schließlich an ihre Schwestern Ute und Cornelia. Die Insolvenz des Unternehmens konnte 2006 nur durch die vollständige Übernahme aller Anteile durch die italienische Radici-­ 28

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen ­|  Kap. 1

Gruppe abgewendet werden.15 Im Herbst 2015 sollte eine Kapitalaufnahme über die Börse für neuen Schwung sorgen, aber nur wenige Anleger interessierten sich dafür. Im Frühjahr 2016 musste Steilmann schließlich Insolvenz anmelden und wurde in der Folge nach und nach zerschlagen. Beispiel 3

Verschiedene Ansichten über den richtigen Weg sind im Wirtschaftsleben an der Ta­ gesordnung. So stellte sich der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Dieter Vogel die Sa­ nierung der Deutschen Bahn AG und die Zukunft des Schienennetzes anders vor als der damalige Vorstandsvorsitzende Hartmut Mehdorn. Als Vogel realisierte, dass die Bundesregierung als Repräsentant des Eigentümers Bundesrepublik Deutschland die Pläne des Bahnchefs Mehdorn stützte, erklärte er im März 2001 seinen Rücktritt.16 Ein Jahr zuvor hatten im April 2000 entgegengesetzte Auffassungen über die Zukunft des Investmentgeschäfts der Dresdner Bank die Fusion zwischen der Deutsche Bank AG und der Dresdner Bank AG zum Scheitern gebracht.17 Der damalige Vorstandsvorsit­ zende der Dresdner Bank, Bernhard Walter, trat zurück. Im Jahr 2002 musste Thomas Middelhoff die Bertelsmann AG als Vorstandsvorsitzender verlassen, da er andere Vorstellungen über den Kurs des Unternehmens hatte als die das Unternehmen kon­ trollierenden Eheleute Mohn.18 Auch im Profisport können Strategiekonflikte erheb­ liche Werte vernichten: Nachdem sich die sportliche Lage des TSV 1860 München nach dem Einstieg des jordanischen Investors Hasan Ismaik nicht verbesserte, wech­ selte der Verein seit 2013 im Abstand meist nur weniger Monate immer wieder seinen Trainer. Im Sommer 2017 stieg der Verein schließlich aus der 2. Bundesliga ab, und weil Ismaik wegen strategischer Differenzen mit der Vereinsführung keine weiteren Gelder bereitstellen wollte, verpassten die „Sechzger“ auch die Lizenz für die 3. Liga und wurden sogleich bis zur Regionalliga durchgereicht. Dabei hätte man eigentlich schon längst wieder erstklassig spielen wollen. Verteilungskonflikte Von Sachkonflikten, Wert- und Grundsatz- sowie Strategiekonflikten sind schließlich Verteilungskonflikte zu unterscheiden. Bei ihnen stehen sich weder entgegengesetzte Ziele noch verschiedene Mittel gegenüber. Auch die Beziehung der Beteiligten mag gut oder zumindest nicht belastet („neutral“) sein. Doch haben die Betroffenen ver­ schiedene Vorstellungen darüber, wie materielle oder immaterielle Güter wie etwa wirtschaftlicher Erfolg oder Misserfolg, Chancen und Risiken, Geld oder Macht zu ver­ teilen sind. Im Verhältnis zwischen Unternehmen ergeben sich Verteilungskonflikte häufig aus Differenzen über die Risikotragung. Insbesondere wenn sich die Geschäfte nicht wie erwartet entwickeln, ist die Versuchung groß, das Absatz‑, Verwendungs- oder Betriebsrisiko auf den Vertragspartner abzuschieben. Dabei machen vor allem die Zulie­ ferer in der Automobilindustrie die Erfahrung, dass die Hersteller den Kostendruck an sie weitergeben. Wie bereits seit einiger Zeit in den Vereinigten Staaten, bürden heute auch europäische Autohersteller etwa ihre Gewährleistungskosten häufig den Zulieferfirmen auf. 29

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

Auch unternehmensinterne Konflikte betreffen häufig die Verteilung finanzieller Ressourcen. Derartige Streitigkeiten können im Verhältnis zwischen Abteilungen über die finanziellen Vor- oder Nachteile aus der Abwicklung von vertragsähnlichen Ver­ hältnissen entstehen (vgl. dazu das Beispiel der Siemens AG im Kapitel 13). Zwischen Arbeitgebern und ‑nehmern betreffen sie z.B. die Beteiligung am Unternehmenser­ folg über Aktienoptionsprogramme oder Belegschaftsaktien, über Bonuszahlungen oder Gehaltserhöhungen. In der Krise kann es umgekehrt zu Verhandlungen über Lohnkürzungen kommen. So haben Führungskräfte und Piloten von Air Berlin in der Krisensituation 2016 freiwillig auf einen Teil ihres Gehalts verzichtet.19 Eine solche Einigung ist allerdings nicht selbstverständlich. So bestehen beispielsweise unter Ge­ sellschaftern häufig Differenzen über die Bestimmung der Gewinnanteile, die Bil­ dung von Rückstellungen oder die Voraussetzungen für Nachschusspflichten. Gegenstand der Auseinandersetzungen in Unternehmen kann aber auch die Vertei­ lung von Macht sein. Das gilt besonders in Zeiten des Übergangs, wie z.B. nach dem Tod eines Gründers oder dem Rücktritt eines Unternehmensführers. So spekulierte die Öffentlichkeit bereits kurze Zeit nach dem Tod von Rudolf Augstein im November 2002 darüber, wer dessen Nachfolge als Herausgeber des Spiegels antreten werde. Steht ein Wechsel in der Führungsetage bevor, wie es sich bei der Deutschen Tele­ kom AG vor dem Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden Ron Sommer im Juli 2002 an­ kündigte, beziehen die potentiellen Nachfolger und ihre „Truppen“ Stellung, um sich in der folgenden Ära möglichst viel Einfluss zu verschaffen. Nicht selten sind es dabei verschiedene Stämme einer Familie, die um den Einfluss in einem Unternehmen rin­ gen. So schwelte etwa im Nahrungsmittelunternehmen Dr. Oetker bis Ende 2016 ein jahrelanger Streit um die Nachfolge von Richard Oetker, der sich erst in letzter Sekun­ de nach Zuziehung neutraler Dritter lösen ließ. Verteilungskonflikte können sich schließlich auch auf die Reputation beziehen, etwa wenn es bei Zusammenschlüssen von Unternehmen um die Frage geht, welcher Name, welches Logo oder welche Farbe überlebt. Nicht immer lassen sich diese Fragen so elegant lösen wie etwa bei der Commerzbank, deren Logo nach der Fusion mit der Dresdner Bank die gelbe Farbe behielt, aber die Form des Dresdner-Bank-Hexagons annahm. Ähnlich symbolträchtig kann die Wahl des Vorstandsvorsitzenden oder  – insbesondere für die Mitarbeiter und die Bevölkerung am Stammsitz noch wichtiger – des Firmensitzes sein. Verteilungskonflikte treten sehr häufig auf und sind auch dort von Bedeutung, wo Potential zu einer gemeinsamen Wertschöpfung vorhanden ist. Denn an das Problem, wie der Konflikt zur gemeinsamen Wertschöpfung genutzt wer­ den kann, schließt sich unweigerlich die Frage nach der Verteilung des so geschaffenen Wertes an (zu Details der Bewältigung von Verteilungskonflikten vgl. Kapitel 8). Beziehungskonflikte Jeder Konflikt hat – wie menschliches Verhalten generell – mindestens eine Sach- und eine Beziehungsebene. Die Qualität einer Beziehung hängt wesentlich von der Fähig­ keit der Personen ab, Konflikte zu verhandeln. Störungen auf der Beziehungsebene ergeben sich in der Regel also nicht aus einer Situation als solcher, sondern aus Unzu­ 30

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen ­|  Kap. 1

länglichkeiten im Umgang mit dieser. In dem zuvor geschilderten Fall Steilmann war nach allem, was bekannt ist, das Verhältnis zwischen Vater Klaus und Tochter Britta gut (vgl. Beispiel 3). Die Übergabe des Unternehmens scheiterte zunächst an ver­ schiedenen Auffassungen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Wenn die Auseinandersetzung in der Sache auch das Verhältnis zwischen Vater und Tochter belastet hätte, hätten im Sachkonflikt zusätzlich Störungen auf der Bezie­ hungsebene vorgelegen. Sobald sich eine Person durch die andere – auch unabhängig von einer sachlichen Differenz – gestört, beeinträchtigt oder missachtet fühlt, liegt neben dem Sachkonflikt regelmäßig ein Beziehungskonflikt vor. Nicht selten bleiben Sachkonflikte ungelöst, weil ein seit langem schwelender Bezie­ hungskonflikt einem konstruktiven Umgang mit Sachfragen entgegensteht. Nahezu die Hälfte der Konflikte in Unternehmen entstehen aus zwischenmenschlichen Grün­ den. Die andere Hälfte der Auseinandersetzungen hat ihre Ursache in sachlichen, ar­ beitsbezogenen Differenzen.20 Situationen, in denen die Beziehung zwischen den Parteien der eigentliche Gegenstand des Konflikts ist, finden sich häufig in vorder­ gründig gesellschafts- oder erbrechtlichen Auseinandersetzungen sowie bei internen und externen Streitigkeiten nach Unternehmenszusammenschlüssen. Eine Konflikt­ beilegung ist in diesen Fällen so lange nicht möglich, wie sich die Spannungen auf der Beziehungsebene nicht abbauen lassen. Beziehungskonflikte beschränken sich nicht auf Streitigkeiten zwischen den unmit­ telbar Betroffenen. Vielmehr suchen die Beteiligten, wenn ein Beziehungskonflikt besteht, geradezu nach weiteren Sachkonflikten, in denen sie Ansprüche vorbringen, eigene Macht nutzen und den anderen beschädigen können. Die eigentlichen Bezie­ hungskonflikte bleiben dagegen ungelöst, weil die Betroffenen nicht dazu bereit sind, ihr persönliches Verhältnis zu klären. Häufig wird daher der Sachkonflikt nur zum Anlass genommen, den Beziehungskonflikt mit anderen Mitteln weiterzuführen. Er wird zum Stellvertreterkonflikt (character contest).21 In Familiengesellschaften lässt sich besonders deutlich sehen, wie schwierige Beziehungen sogar mehrere Generati­ onen belasten und die Einheit eines Unternehmens in Frage stellen können. „„ Neuordnung bei Bahlsen Anfang der 1990er Jahre gab es sieben Familiengesellschafter in der damaligen H. Bahlsen Keksfabrik KG. Sie gehörten zwei Familienstämmen an. Neben den familienangehörigen Gesellschaftern waren noch zwei externe Manager an der Unternehmensleitung beteiligt. Die Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaftern gestaltete sich schon damals schwierig, weil sie sich gegenseitig Kompetenz und Führungseigenschaften absprachen. Daher verbündeten sich einzelne Familienmitglieder immer wieder mit einflussreichen Personen außerhalb des Unternehmens. Als der Minderheitsgesellschafter Hermann Bahlsen im Jahre 1992 mit der Unterstützung des Beirats für einen neuen externen Manager warb, sahen die Mehrheitsgesellschafter ihre Position in Gefahr. Sie lehnten den Vorschlag ab, der Konflikt eskalierte. Werner Michael Bahlsen und sein Bruder Lorenz Bahlsen ließen Hermann Bahlsen als Komplementär aus dem Handelsregister streichen und erteilten ihm Hausverbot. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit war nicht mehr möglich.22 31

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements Nachdem die Zusammenarbeit innerhalb der Gesellschaft immer schwieriger verlief, teilten die aktiven Familienmitglieder im Jahre 1993 zunächst das operative Geschäft untereinander auf. Im Jahre 1999 vollzogen die verbliebenen Eigentümer der alten Bahlsen-Gruppe, Werner Michael Bahlsen und sein Bruder Lorenz Bahlsen (sie hielten jeweils 36 Prozent) einerseits sowie deren Schwager Gisbert von Nordeck (28  Prozent) andererseits, die faktische Trennung und teilten die Gruppe in drei selbständige Unternehmen auf. Werner Michael Bahlsen übernahm unter Beibe­ haltung der Marke Bahlsen die Sparte Süßgebäck, Lorenz Bahlsen die Snack­ produktgruppe sowie die Marke Nordeck. Gisbert von Nordeck selbst wurde mit ­Konzerngesellschaften in der Schweiz und Österreich sowie mit Immobilien abgefunden.23 Beispiel 4

Störungen der Beziehungsebene können in nahezu jedem Konflikt auftreten, so dass ein Dritter, der den Beteiligten helfen möchte, über ein erhebliches Maß an emotio­ naler und psychologischer Kompetenz verfügen muss. Mit der Frage, wie Sie die Emotionen der Parteien besser verstehen und deren Kommunikation effektiv fördern können, werden wir uns in Kapitel 5 näher beschäftigen. Innere Konflikte Jeder Mensch kennt innere Konflikte. Sie sind ein notwendiger Teil der Persönlich­ keitsentwicklung.24 In der Meinung, die eine Person von sich selbst hat, dem soge­ nannten Selbstkonzept, sieht die Psychologie heute ein bedeutendes Merkmal der Per­ sönlichkeit.25 Sie wird durch die Botschaften geprägt, die sich aus Beziehungen zu anderen Menschen ergeben („Du bist handwerklich unbegabt.“, „Du kannst gut zeichnen.“ oder auch „Wie oft muss ich Dir das denn noch erklären?“). Hat sich das Selbstkonzept erst einmal verfestigt, schaffen wir uns als Individuen eine Erfahrungs­ welt, die dieses immer wieder bestätigt. Zu den Prägungen, die wir aus Kindheit und Jugend mit uns tragen, kommen im Laufe des Lebens berufliche Erfahrungen hinzu. Wer sich in seiner Funktion gegenläufigen, eigenen und fremden Anforderungen aus­ gesetzt sieht, empfindet neue Spannungen. Sie können auch zwischen privaten und beruflichen Erwartungen entstehen. So erwartete z.B. Vater Klaus Steilmann mögli­ cherweise, dass seine Tochter sein Lebenswerk fortsetzt, während diese einen eigen­ ständigen unternehmerischen Weg wählen wollte. Ähnliche Erwartungen an die ­Unternehmenskontinuität, wie ein Vater sie an seine Kinder stellt, würden einen fa­ milienexternen Manager kaum in dieser Weise treffen. Obwohl sie insbesondere auf Beziehungskonflikte einen erheblichen Einfluss haben, sind innere Konflikte selbst in der Regel nicht Gegenstand der Mediation. Unter Um­ ständen erfordern sie eine individuelle Beratung, z.B. im Rahmen eines Coachings oder einer Therapie. Als Mediator sollten Sie allerdings darauf vorbereitet sein, dass Sie auf Reaktionen treffen, die in keiner Relation zu ihrer jeweiligen Ursache zu ste­ hen scheinen. Der Grund für ein solches Verhalten eines Beteiligten, der sich – äußer­ lich unerklärlich – ungewöhnlich unnachgiebig zeigt, extrem emotional agiert, sich nicht entscheiden mag oder in seinen Positionen schwankt, mag in einem inneren 32

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen ­|  Kap. 1

Konflikt liegen. Eine unsichere innere Haltung wirkt sich so auf die eigenen Vorstel­ lungen ebenso wie auf das Verhalten gegenüber anderen aus. Besteht z.B. zwischen hohen Ansprüchen an sich selbst und dem tatsächlichen Leistungsvermögen eine größere Diskrepanz, kann bereits eine als ungerecht empfundene Zurückweisung am Arbeitsplatz zu extremen Antworten, wie z.B. Beleidigungen, führen. Wenn ein selbstbewusster Kollege eine derartige Reaktion als überzogen empfindet, nimmt die Eskalation schnell ihren Lauf. Als Mediator können Sie eine solche Situation im Rück­ blick dadurch aufklären, dass Sie die Beteiligten nach der Motivation für ihr jeweiliges Verhalten befragen (vgl. Kapitel 5). Wird dabei ein innerer Konflikt sichtbar („Ich war damals sehr angespannt. Ich hatte privat Schwierigkeiten, konnte mich nicht konzen­ trieren und merkte, dass mir Fehler unterliefen, zu denen es sonst nicht gekommen wäre.“), ist auch für den anderen erkennbar, warum die Reaktion schärfer ausfiel, und eine Beilegung des Konflikts wird leichter. Dasselbe gilt im Hinblick auf andere frü­ here Erfahrungen. So wird jemand, der schon einmal Opfer eines Anlagebetruges geworden ist, seinen Geschäftspartnern zumeist mit sehr viel mehr Misstrauen be­ gegnen, als es andere Personen tun würden. Nutzen der Konflikttypisierung

Sachkonflikte

Wert- und Grundsatzkonflikte

Strategiekonflikte

Verteilungskonflikte Beziehungskonflikte

Abbildung 1: Der Konfliktkreis Der Konfliktkreis zeigt fünf objektive Anlässe, aus denen heraus ein Konflikt entste­ hen kann. Natürlich lässt sich über die Einteilung ebenso wie über die Zahl der zu bildenden Kategorien streiten. So ließen sich zu den verschiedenen Konfliktarten zahlreiche Untergruppen und andere Anwendungsbeispiele finden. Auch sind die Übergänge zwischen den einzelnen Konfliktarten fließend. So hängt die Trennschärfe der Unterscheidung nach Sach- und Strategiekonflikten davon ab, wie ein Ziel defi­ 33

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

niert wird. Je abstrakter dieses ist, um so eher liegt ein Wettstreit über den Weg dort­ hin vor (Strategiekonflikt). Je konkreter es dagegen gefasst wird, um so eher kann man in der Auseinandersetzung eine sachliche Differenz entdecken (Sachkonflikt). Der Zweck der Darstellung besteht lediglich darin, die Konfliktanlässe in einer Weise zu typisieren, welche Ihnen als Entscheidungsträger im Unternehmen oder Berater die Auswahl der geeigneten Methode der Konfliktbeilegung erleichtert. Wenn Sie als Mediator beauftragt werden, können Sie in Kenntnis des Konflikttyps das Verfahren besser vorbereiten. So ist z.B. in einem Sachkonflikt die Sachverhaltsaufklärung von besonderer Bedeutung (vgl. Kapitel  4). Bei Beziehungs- und Strategiekonflikten ist vor allem Ihre Kommunikationsfähigkeit gefordert (vgl. Kapitel  5). Bei Sach- und Verteilungskonflikten werden Sie der Erörterung der Interessen (vgl. Kapitel 6) und der Nichteinigungsalternativen der Beteiligten erhöhte Aufmerksamkeit schenken (vgl. Kapitel 9). In Verteilungskonflikten werden Sie sich auf Kriterien für eine effizi­ ente und faire Lösung konzentrieren (vgl. Kapitel 8).

Subjektive Wahrnehmung von Konflikten Nicht jede Uneinigkeit ist schon ein Konflikt. Ob sich aus Meinungsverschiedenhei­ ten über das Ziel, den Weg, die grundsätzliche Bedeutung, die Verteilung oder aus einer Spannung in einer Beziehung eine Streitigkeit entwickelt, hängt in hohem Maße von der subjektiven Wahrnehmung der Situation durch den oder die Betroffenen ab. Ein Konflikt entsteht erst, wenn zumindest ein Betroffener eine Uneinigkeit als Beeinträchtigung erlebt, also den Eindruck hat, durch eine Unvereinbarkeit von Gefühlen, Erwartungen oder Vorstellungen beeinträchtigt zu werden.26 Ähnlich definieren So­ zialpsychologen Konflikte als die Wahrnehmung einer Interessendivergenz oder den Glauben, dass sich die gegenwärtigen Bestrebungen der Parteien nicht gleichzeitig erreichen ließen.27 Die Untersuchung der subjektiven Wahrnehmung ist vielleicht der spannendste Teil der Konfliktdiagnose (vgl. Kapitel 4 und 5). Es ist immer wieder eindrucksvoll, wie sehr sich zwei individuelle Realitäten voneinander unterscheiden können. Das gilt auch im Wirtschaftsleben, obwohl die Akteure  – anders als in vielen privaten Streitigkeiten – in der Regel die Bedürfnisse und Interessen ihrer Geschäftspartner gut einschätzen können, weil sie es gewohnt sind, über Anreizstrukturen nachzuden­ ken: Um Kunden zu gewinnen, müssen sie deren Bedürfnisse kennen, um sich im Wettbewerb durchzusetzen, das Verhalten ihrer Mitbewerber antizipieren. Die an einer Auseinandersetzung Beteiligten erörtern meistens allerdings eher die eigene Strategie und die Ziele des Gegners als mögliche Wahrnehmungsunterschiede. Dabei liegt der Schlüssel zum Verständnis jedes Verhaltens in der Kenntnis der sub­ jektiven Sichtweise des Handelnden. Diese wird durch verschiedene kognitive Me­ chanismen beeinflusst, die wir im Folgenden darstellen wollen.28 Wie Sie später in diesem Buch feststellen werden, gibt Ihnen das Wissen um die Abläufe in unseren Köpfen Ansatzpunkte dafür, wie Sie die Beteiligten zu einer Überprüfung ihrer eige­ nen Haltung veranlassen können (vgl. Kapitel 5 und 6). 34

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen ­|  Kap. 1

Selektive Wahrnehmung Konflikte sind nicht statisch. Vielmehr verlaufen sie dynamisch. Auch unsere Wahr­ nehmung ist ständig Veränderungen ausgesetzt. Da niemand dazu in der Lage ist, alle in der Umwelt vorhandenen Informationen zu verarbeiten, erfolgt die Wahrnehmung selektiv. Jeder sieht nur einen Ausschnitt der Realität.29 Dieses Filtern von Daten stellt zunächst einen Schutz des menschlichen Gehirns ge­ gen Informationsüberflutung dar. Das Phänomen der selektiven Wahrnehmung lässt sich aber auch durch die sogenannte kognitive Dissonanztheorie erklären.30 Sie geht von dem Prinzip der kognitiven Konsistenz bzw. Balance aus. Danach kann ein Indivi­ duum nicht gleichzeitig zwei einander entgegengesetzten Auffassungen anhängen. Um die Entstehung solcher Widersprüche zu vermeiden, sucht der Mensch aktiv nach Informationen, die mit seiner Einstellung übereinstimmen. Eindrücke, die da­ mit nicht im Einklang stehen, unterdrückt er dagegen. Wir organisieren also unsere eigenen Meinungen, Einstellungen und Wahrnehmungen so spannungsfrei wie mög­ lich, um innere Widersprüche zu vermeiden. Da jede Person nur einen Teil der auf sie einströmenden Informationen verarbeitet und dazu neigt, solche Eindrücke zu ignorieren, die sich mit ihrem Weltbild nicht vertragen, nehmen wir jeweils dieselben Geschehnisse anders wahr. Daher dürfte es eigentlich nicht überraschen, dass sich die Vorstellungen der an einem Konflikt Betei­ ligten mit zunehmender Zeit immer weiter voneinander entfernen. Tatsächlich glaubt aber jeder, der andere müsste die Welt so sehen können wie er selbst, wenn dieser sich nur etwas Mühe geben würde. Die Aufgabe des Mediators besteht in solchen Situati­ onen daher darin, die jeweilige Informationslage zu vervollständigen oder zu korri­ gieren, den dafür notwendigen Austausch zu moderieren und Empathie zu wecken (vgl. Kapitel 5 und 6). Überoptimistische Einschätzung Entgegengesetzte Auffassungen von Konfliktparteien lassen sich häufig auch deswe­ gen nur schwer überbrücken, weil ihnen oftmals überoptimistische Einschätzungen (judgmental overconfidence) zugrunde liegen.31 Streitende sind oft jeweils davon über­ zeugt, sie wären „im Recht“. Stellt eine juristische Auseinandersetzung die Alternative zu einer Einigung dar, sind sie sicher, dass sie im Falle einer gerichtlichen Klärung jedenfalls über größere Erfolgschancen als die andere Seite verfügen. Nun können Sachverhalte und Rechtsfragen natürlich vernünftigerweise unterschied­ lich beurteilt werden. Eine Einigung wird in vielen Fällen allerdings durch die bereits beschriebene Haltung erschwert: Jeder meint, der andere müsste sich doch dem eige­ nen, sorgfältig gebildeten Urteil anschließen. Diese Überschätzung des eigenen Stand­ punkts ist durch zahlreiche empirische Studien belegt.32 So hat eine bekannte Unter­ suchung z.B. gezeigt, dass Personen, die lediglich über einseitige Informationen verfügen, mit größerer Bestimmtheit den Ausgang eines Rechtsstreits vorhersagen als diejenigen, die beide Standpunkte kennen. Obwohl die nur von einer Seite informier­ ten Betroffenen um die Unvollständigkeit wussten, konnten sie nicht die Korrekturen 35

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

vornehmen, die notwendig gewesen wären, um zu einer ausgewogenen Einschätzung zu gelangen.33 Für die Erklärung dieses Überoptimismus gibt es verschiedene Gründe. Eine der Ur­ sachen dürfte in der zuvor erörterten selektiven Wahrnehmung liegen. Da jeder Be­ troffene nur einen Ausschnitt der Realität wahrnimmt und kognitive Dissonanzen zu vermeiden versucht, unterschätzt er diejenigen Umstände, die zwar dem anderen, ihm selbst aber nicht oder nur teilweise bekannt sind. Auch die Vernachlässigung objektiver, externer Informationen (z.B. Statistiken, Rechtsprechung, Argumente für an­ dere Auffassungen) trägt zu Überoptimismus bei. Dasselbe gilt für die einseitige Kon­ zentration auf selbstgesetzte Ziele. Sie können schnell wie ein Anker wirken.34 Der Mediator gleicht diese Defizite aus: Er wird für die Einbeziehung zusätzlicher Informationen sorgen, Missverständnisse ausräumen, das Verständnis für andere Sichtweisen fördern und dadurch zu einer Veränderung der Wahrnehmung beitragen (vgl. Kapitel 6 und 7). Sich selbsterfüllende Vorhersagen Vermittelt uns die selektive Wahrnehmung ein gefiltertes Realitätsbild, so verkleinern wir diesen Filter kognitiv noch stärker, indem wir unsere eigenen Haltungen verfesti­ gen: Negative Einschätzungen bestätigen ungünstige Gefühle, diese verstärken wiede­ rum unsere abwertenden Urteile. Derartige Mechanismen führen dazu, dass es im­ mer wahrscheinlicher wird, dass eine negative Erwartung eintritt. Diesen Effekt bezeichnet man als sich selbsterfüllende Vorhersage (self-fulfilling prophecy).35 Sich selbsterfüllende Vorhersagen treten im Berufsleben an vielen Stellen auf: Wenn Sie als Direktor einer Unternehmensberatung einem Ihrer Teams weniger zutrauen und sich dessen Projekt regelmäßiger und genauer ansehen als das anderer Einheiten, besteht naturgemäß eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass Sie dort auch mehr Fehler finden. Bewerbungsgespräche entsprechen ebenfalls allzu oft dem Eindruck, den der Fragende schon zuvor aufgrund der Unterlagen gewonnen hat.36 Ganz überraschend bewahrheitet sich die eigene Vorstellung dann tatsächlich. So verschärfen Erwartun­ gen Konflikte, weil die Kontrahenten im Verhalten der Gegenseite regelmäßig die Ei­ genschaften finden, die sie vorausgesagt haben. Gruppen verlieren ihre Autonomie und Motivation. Die Fehlerhäufigkeit nimmt zu. Ein Mediator kann diesen Mechanismen entgegenwirken, indem er die Parteien zu einer kritischen Reflexion ihrer einseitigen Sichtweise motiviert und ihnen durch die Vermittlung objektiver Informationen sowie der subjektiven Perspektive des Kontra­ henten zu einer realistischen Bewertung des Konfliktes verhilft. Attributionelle Verzerrungen Selektive Wahrnehmung, sich selbsterfüllende Vorhersagen und überoptimistische Einschätzungen erklären, warum viele Konfliktparteien dazu neigen, ihre Forderun­ gen mit einer beeindruckenden Beharrlichkeit zu verfolgen. Nun sollte man aller­ 36

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen ­|  Kap. 1

dings meinen, dass es im Laufe der mit einer Auseinandersetzung verbundenen ­Gespräche zu einer Überprüfung und Annäherung von Standpunkten kommt. Tat­ sächlich fällt die subjektive Wahrnehmung mit anhaltender Dauer eines Konflikts jedoch zunehmend einseitiger aus: Die Vorstellungen der Beteiligten verzerren sich also immer weiter. Warum fällt uns die Korrektur unserer Einstellungen sogar nach einer kritischen Be­ schäftigung mit der eigenen Sichtweise und derjenigen unserer Verhandlungspartner mit zunehmender Zeit eher schwerer als leichter? Ein Grund dürfte darin liegen, dass wir sogenannten attributionellen Verzerrungen unterliegen. Haben wir nämlich erst einmal eine wenig wohlwollende Einstellung zu einer Person entwickelt, so schreiben wir nach der sogenannten Attributionstheorie Informationen, die unsere negative Hal­ tung bestätigen, ihren Charaktereigenschaften zu. Dagegen halten wir ihr ein positives Verhalten nicht zugute, sondern rechnen es lediglich der Situation zu.37 Solche attributionellen Verzerrungen können sich deswegen verhängnisvoll auswirken, weil der Betroffene sie kaum korrigieren kann: Tritt er – aus Sicht des Beobachters – in kritikwürdiger Weise auf, so bewertet dieser das Verhalten als Beleg für sein negatives Bild. Verhält sich der Beobachtete dagegen tadellos, so ist dieses – aus Sicht des Kontra­ henten – außergewöhnliche Benehmen natürlich kein positives Zeichen, sondern nur strategisch oder situationsbedingt zu erklären. Der Betroffene befindet sich in einer fast tragischen Situation: Wie er sich auch verhält – er hat keine Chance, das Bild, das sein Gegenüber von ihm hat, zu verbessern. Auch wenn sein Verhalten diesem gefällt, bekommt der Betroffene dafür keinen Kredit. Verärgert es ihn dagegen, bestätigt der Beobachtete in den Augen des Beobachters nur seinen schlechten Charakter. Im Gespräch mit einem Mediator können sich solche attributionellen Verzerrungen auflösen. Um zu einer Wahrnehmungsänderung zu gelangen, bedarf es allerdings ei­ nes Austausches über die jeweilige Motivation der Handelnden (vgl. Kapitel 5). Verlustangst So unterschiedlich die Motivation der Akteure im Wirtschaftsleben und ihre Wahr­ nehmung sein mögen, so weitgehend stimmen sie doch in ihrem Gewinnstreben überein. Interessanterweise ist allerdings die Verlustangst (loss aversion) der meisten Menschen stärker ausgeprägt als ihr Bemühen, unsichere Chancen zu realisieren.38 Vereinfacht ausgedrückt sind wir überraschend risikofreudig, wenn wir Verluste vermeiden wollen. Das ist bemerkenswert, weil die Mehrheit allgemein eher risikoscheu ist. Anderenfalls hätten Versicherungen keine Existenzchance. Da Konflikte ebenso wie ihre Beendigung oft mit Nachteilen für die eine oder andere Seite verbunden sind (z.B. Zahlungsverpflichtungen, Aufgabe von Macht oder Ein­ fluss im Unternehmen), gehen die Kontrahenten oft große Risiken ein, um diese Nachteile zu vermeiden. Dabei neigen sie sogar dazu, hohe, aber ungewisse Verluste eher in Kauf zu nehmen als geringere, aber sichere Einbußen. Nimmt also mindestens ein Beteiligter den Ausgang eines Konflikts als einen „Verlust“ wahr, wird er unter Umständen beachtliche Risiken eingehen, um dieses Ergebnis auszuschließen. Zu ei­ 37

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

nem derartigen Verhalten kann es z.B. kommen, wenn die Parteien eine nicht ihren Vorstellungen entsprechende Machtverteilung oder eine für die Unternehmensent­ wicklung beschlossene Strategie als einen großen Nachteil betrachten, den sie vermei­ den müssen. Ebenso erschwert Verlustangst eine Verständigung, wenn Einigungs­ möglichkeiten in Sach- oder Verteilungskonflikten an ursprünglichen Forderungen gemessen werden. Ob wir eine Veränderung als Verlust oder Gewinn betrachten, hängt allerdings stets von dem Bezugspunkt ab, den wir wählen. Für Anleger an der Börse, die sich Gedan­ ken darüber machen, ob sie Aktien halten oder verkaufen wollen, ist das beispielswei­ se regelmäßig der Einstiegskurs. Ökonomisch ist diese Betrachtung unsinnig: Für die Entscheidung über den Verkauf von Aktien kommt es nur auf die Beurteilung der weiteren Entwicklung des Marktes an. Zu dieser Prognose kann der ursprüngliche Kurs nichts beitragen. Aus psychologischer Sicht ist er dennoch von maßgeblicher Bedeutung, da er über die Einschätzung als Gewinn oder Verlust entscheidet. Bei der Akquisition eines Unternehmens sind ähnliche Referenzpunkte z.B. ein früherer Kaufpreis oder Beträge, die für den Erwerb vergleichbarer Betriebe in der Branche gezahlt werden. Da regelmäßig verschiedene Bezugspunkte in Betracht kommen, kann ein Mediator, der mit den Beteiligten eine Ex-post-Betrachtung durch eine Prognose ersetzt oder alternative Orientierungspunkte identifiziert, auch alternative Deutungsmöglichkei­ ten finden und dadurch zur Überwindung des Phänomens der Verlustangst beitragen. Versunkene Kosten Wenn Verlustangst eine so wichtige Rolle spielt, sollten die im Verlauf einer Ausein­ andersetzung bereits entstandenen Kosten den Konfliktparteien eigentlich als War­ nung dienen. Wer weiß, wie viel er bereits in der Vergangenheit aufgewendet hat, müsste auch kalkulieren können, was noch auf ihn zukommt. Das Bewusstsein um die mit der Fortsetzung eines Konflikts verbundenen Ausgaben dürfte also die Bereit­ schaft, weitere Mittel aufzuwenden, mindern. Tatsächlich werfen jedoch viele, wie der Volksmund sagt, schlechtem Geld noch gutes hinterher. Viele haben schon beim Auf­ stieg zum Mount Everest bereut, sich dieses Ziel vorgenommen zu haben, gleichwohl sind sie weitergegangen und haben ihr Leben riskiert oder sogar verloren, nur weil sie nun einmal unterwegs waren. Ganz ähnlich läuft es in der Wirtschaft: Statt ein glück­ loses Joint Venture zu beenden und Zeit und Mittel in ein neues Engagement zu ste­ cken, führen Investoren diesem neues Kapital zu, um ihren Einsatz zu retten. Schließ­ lich soll dieser nicht vergebens gewesen sein. Ähnlich geht es Kreditgebern, die ein notleidendes Unternehmen weiterhin stützen, obwohl dieses nicht sanierungsfähig und/oder ‑würdig ist. Sie lassen sich von den bereits versunkenen Kosten (sunk costs)39 ebenso leiten wie Konfliktparteien, die schon viel aufgewendet haben. So erweisen sich z.B. immer wieder bereits entstandene Anwaltskosten und Gerichtsgebühren als eine schwer zu überwindende Einigungshürde. Eine sorgfältige Kalkulation der mit einer Fortsetzung des Streits verbundenen finanziellen Folgen im Rahmen einer Risi­ koanalyse mit Unterstützung des Mediators kann die Wirkung dieses Phänomens be­ 38

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen ­|  Kap. 1

grenzen (vgl. Kapitel 9). Für kluges Konfliktmanagement ist es nie zu spät. Selbst in Fällen, in denen die Parteien schon in zweiter Instanz vor Gericht streiten, lassen sich häufig noch Werte schöpfen oder jedenfalls weitere Wertverluste vermeiden.40 Reaktive Abwertung Nehmen wir an, dass sich die zuvor genannten kognitiven Barrieren überwinden las­ sen. Eine Partei unterbreitet einen Vorschlag, der eine für alle Beteiligten vorteilhafte Lösung zu bieten scheint. Woran liegt es, wenn in einer solchen Situation die andere Seite den Vorschlag dennoch ablehnt und keine Einigung zustande kommt? Mögli­ cherweise reduziert alleine der Umstand, dass ein – für beide Seiten vorteilhafter – Vorschlag von einer Seite geäußert wird, dessen Wert und Attraktivität in den Augen der anderen Seite erheblich. Wird eine Anregung nur deswegen zurückgewiesen, weil sie von einem Kontrahenten stammt, bezeichnen wir dieses Phänomen als reaktive Abwertung (reactive devaluation).41 Die Ursachen für eine solche Abwertung können vielfältig sein. Gerade in Konflikten neigen die Parteien dazu, in einem Angebot nach versteckten Vorteilen für die andere Seite zu suchen: Wenn „die“ einen Vorschlag machen, muss er gut für sie sein – sonst würden sie ihn nicht unterbreiten. Wenn er aber vorteilhaft für die anderen ist, so folgt daraus (wahrlich nicht zwingend), dass er nachteilig für uns sein wird.42 Daher kann ein Zugeständnis, auch wenn es auf den ersten Blick attraktiv zu sein scheint, wohl nichts wert sein. Derartige Schlüsse lassen sich mit der bereits erwähnten kognitiven Dissonanztheorie dadurch erklären, dass wir versuchen, Informationen und Ein­ stellungen in Einklang miteinander zu bringen. Dass die jeweils andere Seite tatsäch­ lich an einer gemeinsamen, konstruktiven Beilegung des Konflikts interessiert sein könnte, wird von den Kontrahenten nicht für möglich gehalten. Dementsprechend tritt die rational eigentlich naheliegende Frage, welche unbekannten Informationen die Gegenseite haben könnte und wie diese zur gemeinsamen Wertschöpfung genutzt werden könnten, in den Hintergrund. Bei manchen Menschen ist das Gefühl ausgeprägt, dass die nicht verfügbaren Mög­ lichkeiten attraktiver sein könnten bzw. müssten als die verfügbaren Optionen („The grass is always greener on the other side of the fence.“). Diese Einstellung kann auch die Wahrnehmung der eigenen Präferenzen beeinflussen und eine reaktive Abwertung hervorrufen.43 Schließlich mag eine Konzession die andere Seite dazu veranlassen, noch weitere Zugeständnisse zu verlangen.44 Die reaktive Abwertung liegt in diesem Fall in der Vorstellung, dass mit der notwendigen Härte im Laufe der Verhandlung noch mehr zu erreichen wäre. Internationale und interkulturelle Konflikte Die subjektive Wahrnehmung der Beteiligten erschwert auch die Beilegung der bis­ lang nicht als selbständige Kategorien aufgeführten, im Wirtschaftsleben bedeutsa­ men internationalen und interkulturellen Konflikte. Dem Anlass nach entsprechen diese Auseinandersetzungen den zuvor dargestellten Kategorien. Allerdings unter­ 39

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

scheiden sich Erwartungen und Vorstellungen z.B. über die Behandlung von Kunden, den Umgang im Betrieb oder die Qualität von Produkten gelegentlich derart, dass Streitigkeiten entstehen, die innerhalb derselben Kultur oder innerhalb desselben Landes nicht auftreten würden.45 Der globale Marktplatz erfordert daher in besonde­ rer Weise den individuellen Umständen entsprechende, flexible Mechanismen der Streitbeilegung, wie wir sie im zweiten Kapitel näher darstellen werden.46

Konfliktverlauf Die eben geschilderten kognitiven Mechanismen lassen erahnen, warum sich Kon­ flikte nicht immer ohne Weiteres beilegen lassen. Dennoch wird häufig unterschätzt, mit welcher Geschwindigkeit und Eigendynamik sie sich entwickeln. Ob sich die Me­ diation oder eine andere der im zweiten Kapitel darzustellenden Methoden zur Kon­ fliktbeilegung anbietet, hängt allerdings auch davon ab, auf welcher Eskalationsstufe sich ein Konflikt befindet. Da sie durch komplexe psychologische Abläufe geprägt sind, lassen sich Eskalationen nicht schematisch darstellen. Dennoch können wir be­ stimmte typische Entwicklungslinien nachzeichnen. Eine Kategorisierung, die wir in der Praxis als hilfreich empfunden haben, bildet das weit verbreitete Modell der neun Eskalationsstufen von Glasl.47 Die einzelnen Phasen werden jeweils durch sogenannte Wendepunkte begrenzt. Diese auch als Regressionsschwellen bezeichneten Punkte cha­ rakterisieren jene Situationen, in denen die Konfliktparteien abrupt die nächste Eska­ lationsstufe betreten. 1 Verhärtung

2 Debatte

3 Taten

4

Images/Koalitionen

5

Gesichtsverlust

6

Drohstrategien

7

Begrenzte Vernichtungsschläge

8

Zersplitterung

9 Abgrund

Abbildung 2: Neun Eskalationsstufen (nach Friedrich Glasl) 40

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen ­|  Kap. 1

Verhärtung der Standpunkte (Stufe 1) Das in gegensätzlichen Erwartungen, Vorstellungen oder Gefühlen liegende und als beeinträchtigend empfundene Konfliktpotential verwandelt sich auf der ersten Stufe in einen Konflikt, wenn die Beteiligten sich gegenseitig nicht mehr oder nur noch wenig beeinflussen lassen. Sobald sich die Standpunkte verhärten, beginnen die Be­ teiligten, Geschehnisse nur noch verzerrt wahrzunehmen. Das eigene Verhalten wird dann zunächst leicht positiv, das Verhalten des anderen leicht negativ beurteilt. Trotz wahrnehmbarer Spannungen, eines Gefühls des Unbe­ hagens und der Befangenheit, ist der Konflikt aber in einem frühen Stadium noch im Gespräch zu lösen. Die Beteiligten sind meistens darum bemüht, keine Polarisierung entstehen zu lassen. Zunahme von Spannungen (Stufe 2) Auf der zweiten Stufe nehmen Spannungen und Reizzustände zu. In diesem Stadium beginnen die Beteiligten, Auffassungsunterschiede hervorzuheben. Damit verschaf­ fen sie sich ein gesteigertes Selbstwertgefühl und provozieren die andere Seite. Kolli­ sionen treten verstärkt auf und werden auch nicht mehr gemieden. Zumindest einer der Beteiligten führt das Gespräch möglicherweise von oben herab, so dass dadurch eine weitere Entfremdung entsteht. Die Kommunikation nimmt ab. Widersprüche und Fehlinterpretationen nehmen zu. Die Auseinandersetzung bewegt sich jedoch nach wie vor ausschließlich in einem intellektuellen Rahmen. Auf den Stufen 1 und 2 bedienen sich die Kontrahenten gerne äußerlich logischer Verfahren, um ihren Standpunkt zu begründen. Tatsächlich verbergen sich dahinter jedoch oft Denkfehler. Dementsprechend leiten die Parteien aus einer zeitlichen Rei­ henfolge Schlussfolgerungen über einen kausalen Zusammenhang ab, der tatsächlich nicht besteht. So hatten in einer mittelständischen Unternehmensberatung zwei Ge­ sellschafter, für Zwecke dieser Darstellung Schiller und Erhard genannt, die Aufgaben unter sich aufgeteilt. Schiller war u. a. für die Kontakte zu den Medien zuständig. Als Erhard fragte, ob das jährliche Pressegespräch mit dem für die Branche zuständigen Wirtschaftsredakteur einer Zeitung bereits stattgefunden habe, verneinte Schiller. Wenig später erfuhr Erhard von einem Bekannten, dass er Schiller am Vorabend mit dem Wirtschaftsredakteur in einem Münchener Szene-Lokal gesehen habe. Erhard war außer sich und berichtete einem Kollegen noch am selben Abend, Schiller sei ein Lügner. Tatsächlich fand das Pressegespräch erst in der folgenden Woche statt. Am Vorabend war Schiller ebenso wie der Wirtschaftsredakteur bei einer großen Geburts­ tagsfeier eingeladen gewesen, hatte allerdings weder neben ihm gesessen noch Gele­ genheit gehabt, sich mit ihm zu unterhalten. In ähnlicher Weise geben die Beteiligten Äußerungen eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung oder stellen unbe­ deutende Aspekte des Verhaltens des anderen überzogen dar.48 Taten statt Worte (Stufe 3) Nach der Betonung von Auffassungsunterschieden gelangt zumindest einer der Kon­ fliktbeteiligten früher oder später zu der Überzeugung, dass nunmehr Taten folgen 41

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

müssen. Sie können schnell, einseitig und unabhängig begangen werden. Daher kann ein Beteiligter die andere Seite vor vollendete Tatsachen stellen oder von ihr beabsich­ tigte Handlungsweisen blockieren. Dieses Stadium ist z.B. erreicht, wenn sich die Mitglieder eines Vorstands vor den Sitzungen nicht mehr über Aktivitäten eines Res­ sorts abstimmen, die auch einen anderen Bereich betreffen. Der Konflikt weitet sich auf Dritte aus. So bilden sich z.B. im Vorstand Pro- und Contra-Lager um die Betrof­ fenen. Stehen sich Gruppen einander gegenüber, so steigt in diesem Stadium der Konformitätsdruck. Das Verhalten der anderen Seite wird zunehmend nach stereoty­ pen Mustern beurteilt, wie sie sich in politischen Auseinandersetzungen häufig zei­ gen. In bedrückender Weise wurde dieser Umstand auch im kleinen Ort Herzogenau­ rach sichtbar, nachdem sich die Brüder Adi und Rudolf Dassler 1948 getrennt hatten. Während Adi Dassler die bislang gemeinsam betriebene Schuhfabrik unter dem Na­ men Adidas weiterführte, gründete sein Bruder Rudolf Dassler Puma. Mitarbeiter­ wechsel von einer Firma zur anderen waren lange Zeit ausgeschlossen. Lokale weiger­ ten sich, Mitarbeiter des Konkurrenten zu bedienen. Lange Zeit gab es im Ort keinen Sportfachhändler, der beide Marken führte.49 Verlagerung des Forums (Stufe 4) Sofern auf die Taten hin keine Beendigung des Konflikts durch einen Dritten oder eine Einigung folgt, nimmt auf der vierten Stufe die Neigung zu, die andere Seite für die Fortdauer der Auseinandersetzung verantwortlich zu machen. Das Selbstbild wird überhöht. Obwohl die handelnde Konfliktpartei durch ihr eigenes Verhalten ­Aggressionen provoziert und Unbehagen gefördert hat, sieht sie sich tendenziell eher in der Rolle des Reagierenden. Die Beteiligten betrachten die Auseinandersetzung zunehmend als eine Wahl zwischen Sieg und Niederlage. Die Neigung der Parteien, Zugeständnisse zu machen, nimmt ab, weil sie diese als Verlust betrachten und beglei­ tend ihre Risikobereitschaft zunimmt. Dieser Umstand entspricht der zuvor beschrie­ benen Verlustangst. „„ Buchwertklausel bei Bahlsen In der Auseinandersetzung zwischen den Bahlsen-Gesellschaftern hatte Altgesellschafter Werner Michael Bahlsen im Jahre 1983 z.B. im Gesellschaftsvertrag festlegen lassen, dass Komplementär Hermann Bahlsen 1989 aus der Geschäftsführung auszuscheiden habe und im Jahre 2000 unter Abfindung zum Buchwert ganz aus dem Gesellschaftsverhältnis entlassen werden sollte. Hermann Bahlsen fühlte sich nicht nur durch diese – rechtlich unwirksame – Klausel im Gesellschaftsvertrag benachteiligt. Vielmehr sah er auch viele andere Verhaltensweisen seiner Mitgesellschafter als feindlich an. So äußerte er zum Beispiel wiederholt die Überzeugung, seine Brüder würden versuchen, seinen Familienstamm mittels der Ausschüttungspolitik „auszuhungern“. Dahinter stand die Vermutung, dass im Unternehmen verbleibende Gewinne langfristig den Mitgesellschaftern Werner Michael und Lorenz Bahlsen nützen würden, da sie versuchten, Hermann Bahlsen aus dem Unternehmen zu drängen.50 Beispiel 5 42

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen ­|  Kap. 1

Die Auseinandersetzungen werden in diesem Stadium häufig in ein anderes Forum verlagert. So schalten die Konfliktbeteiligten beispielsweise Rechtsanwälte ein oder wenden sich an eine breite Öffentlichkeit. Die Angriffe nehmen einen persönlichen Charakter an. Nicht selten bezweifeln die Kontrahenten die Glaubwürdigkeit der an­ deren Seite. Die Gefahr eines Gesichtsverlustes nimmt für beide Seiten durch die di­ rekten Angriffe zu. Gesichtsverlust (Stufe 5) Eine andere Dimension gewinnt eine Auseinandersetzung, wenn ein Konfliktbeteilig­ ter den anderen tatsächlich dazu bringt, sein Gesicht zu verlieren. Wenn diese fünfte Eskalationsstufe erreicht ist, wachsen die Diskrepanzen zwischen Selbst- und Feind­ bild deutlich. Die Kontrahenten schieben einander die Schuld an der Stagnation in ihren Bemühungen um eine Einigung zu. Auf beiden Seiten erhöht sich die Frustrati­ on. Einen Rückzug halten die Betroffenen für immer weniger wahrscheinlich. Rück­ blickend bringen sie frühere Verhaltensweisen mit dem Bild in Verbindung, das sie zwischenzeitlich von ihrem Gegner entwickelt haben. Der Gefahr des Gesichtsverlusts setzte sich seinerzeit auch Linda Wachner, Chief Exe­ cutive der Warnaco Group, in einem Rechtsstreit mit dem Calvin Klein Trademark Trust aus. Warnaco stellte aufgrund eines Lizenzvertrages Calvin-Klein-Jeans her. Im Prozess wurde Wachner mit dem Vorwurf konfrontiert, sie habe dieses Lizenz­ recht verletzt, indem sie unberechtigterweise Jeans an Billiganbieter verkauft hätte. Angesichts der öffentlich erhobenen Vorwürfe urteilte David Wolfe, Kreativdirektor der Doneger Group, einer New Yorker Beratungsfirma aus der Modebranche, die Auseinandersetzung werde auch im Falle eines Obsiegens womöglich vernichtende Folgen für Frau Wachner haben: „Linda could come out of this with her reputation in shreds.“51 Drohung und Zwang (Stufe 6) Sobald die Beteiligten keinen Weg zurück mehr erkennen können, nimmt die Nei­ gung zu, die andere Seite zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. In der Dro­ hung liegt zwar noch die Hoffnung, diese nicht umsetzen zu müssen. Die bedrohte Seite sieht in der Ankündigung des Kontrahenten allerdings einen Angriff und glaubt, ebenfalls mit einer Gegendrohung antworten zu müssen. Indem beide Seiten meinen, ihrer Forderung mit Nachdruck zum Erfolg zu verhelfen, sieht der jeweils Bedrohte in dem Verhalten des anderen vor allem eine Provokation. Die damit verbundenen Nachteile stärken seine Entschlossenheit, einen anderen Weg zu gehen.52 Eine der häufigsten Drohungen ist die Ankündigung, ein Gericht anzurufen, wenn das Gegenüber sein Verhalten nicht ändert. So drohte etwa der Fernsehmoderator Jan Böhmermann Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer Klage, wenn sie nicht ihre öffentliche Bewertung seiner Satire über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zurücknehme.53 Auch wirtschaftliche Schachzüge sind häufig Gegenstand von Drohungen. So machte etwa der Hamburger Fußballmäzen Klaus-Michael Kühne 43

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

seine künftige finanzielle Unterstützung des Hamburger Sportvereins („HSV“) von einer qualifizierten Besetzung des Aufsichtsrats abhängig.54 Begrenzte Vernichtungsschläge (Stufe 7) Sofern sich auch auf der sechsten Eskalationsstufe keiner der Konfliktbeteiligten durchsetzt, kann es auf der siebten Stufe zu begrenzten Vernichtungsschlägen kom­ men. Nun fürchten die Konfliktbeteiligten um ihre eigene „Existenz“ – sei es der Job im Unternehmen oder dessen wirtschaftliches Überleben. Der anderen Seite trauen sie alles zu. Skrupel und Gewissensbisse im Hinblick auf das eigene Verhalten neh­ men ab. Verluste auf der anderen Seite bereiten Genugtuung und kompensieren den unbefriedigten Siegeswillen. So entstehen neue Spannungsherde. Außergewöhnliches Engagement lässt sich in diesem Stadium häufig insbesondere bei Gesellschafteraus­ einandersetzungen beobachten. In einem solchen Fall aus unserer Praxis beantragten verfehdete Partner binnen weniger Wochen zwölf einstweilige Verfügungen gegenei­ nander. Diese zielten unter anderem darauf ab, den anderen daran zu hindern, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, die Büroräume zu betreten oder Schreiben an Kunden zu verschicken. Zerstörung der Existenzgrundlage (Stufe 8) Schließlich streben die Konfliktbeteiligten auf der achten Stufe die Zerstörung der Existenzgrundlage des anderen an. Sofern es sich um eine Gruppe handelt, wird alles unternommen, um diese zu zersplittern und die einzelnen Mitglieder gegeneinander auszuspielen. Schädliche Auswirkungen auf sie selbst fürchten die Beteiligten solange nicht, wie sie zumindest ihre eigene Existenz als gesichert bzw. ungefährdet betrach­ ten. Eine derartige Entwicklung vollzog sich binnen relativ kurzer Zeit, nachdem der Investor Frank Lorenzo im Jahre 1986 die nordamerikanische Fluglinie Eastern Air­ lines erworben hatte. Damals wollte er vor allem Personalkosten senken. Das Ma­ nagement der Fluggesellschaft kündigte daher im Jahre 1987 an, die Kosten müssten um jährlich 120 Millionen US-Dollar reduziert werden.55 Dieses Vorhaben stieß auf heftigen Widerstand. Nach den Angaben der International Association of Machinists and Aerospace Workers (IAM) lagen die Löhne der Mechaniker bereits unter denen anderer, gewerkschaftlich organisierter Kollegen. Angesichts des den Berichten zufol­ ge rauen Managementverhaltens war eine Verständigung ungeachtet der schwierigen wirtschaftlichen Lage nicht zu erzielen. Stattdessen kam es zu langen Streiks, in deren Folge die Verluste erheblich anstiegen.56 Zerstörung der anderen Seite (Stufe 9) Die neunte und letzte Stufe ist erreicht, wenn kein Weg mehr aus dem Konflikt heraus zu führen scheint und alle Mittel aufgewendet werden, um die andere Seite zu zerstö­ ren. Ein solcher Vernichtungswille kann in diesem Stadium so weit reichen, dass ein Kontrahent den eigenen Untergang in Kauf nimmt, sofern nur die Gegenseite nicht überlebt. So endete auch der Machtkampf zwischen Lorenzo und der Eastern Air­ 44

Ursachen, Entwicklung und Folgen verstehen ­|  Kap. 1

lines-Belegschaft: Nach dreieinhalb Jahren erbitterter Auseinandersetzungen stellte die 1927 gegründete Fluglinie im Januar 1991 ihren Betrieb ein und wurde liquidiert. Lorenzo verlor sein Unternehmen und seine Macht, die Angestellten ihre Arbeitsplät­ ze.57 „„ Macbeth mit dem Rücken zur Wand William Shakespeare hat diese letzte Stufe der Eskalation in seinem Drama Macbeth besonders eindrucksvoll verarbeitet. Als sein Protagonist Macbeth realisiert, dass er ohnehin dem Untergang geweiht ist und nichts mehr zu verlieren hat, sinken auch seine letzten Hemmungen, weitere Menschen mit ins Verderben zu ziehen: „I am in blood stepped in so far that should I wade no more, returning were as tedious as go o’er“.58 Beispiel 6

Nutzen des Eskalationsmodells Ähnlich wie über die verschiedenen Konfliktkategorien lässt sich auch über die hier getroffene Einteilung in verschiedene Eskalationsstufen trefflich streiten. Ebenso we­ nig wie die fünf Konflikttypen sind die neun Eskalationsstufen in der Lebenswirklich­ keit stets präzise voneinander zu trennen. Manche Streitigkeiten dehnen sich binnen kürzester Zeit über verschiedene Stufen aus. Ebenso kommt es vor, dass verschiedene Stufen verschmelzen oder Kontrahenten einzelne Stufen überspringen. Zudem nimmt die Komplexität von Konflikten im Laufe der Zeit häufig so stark zu, dass sich die Vielzahl verschiedener Verhaltensweisen und Reaktionen durch einfache Modelle nicht mehr darstellen lässt. Die Einteilung nach verschiedenen Konfliktursachen und die Betrachtung des Verlaufs nach Eskalationsstufen erleichtern allerdings die Kon­ fliktdiagnose. Zudem gibt dieses Modell Ihnen als Entscheidungsträger im Unterneh­ men, als Berater oder Mediator einen ersten Anhaltspunkt für die Entscheidung über die geeignete Methode der Konfliktbeilegung (vgl. Kapitel 2 und 12). Wenn beispiels­ weise auf Stufe 5 das gegenseitige Vertrauen der Konfliktparteien völlig zerstört wor­ den ist, können schwächere Interventionen nicht mehr eingesetzt werden. Umgekehrt kann in frühen Eskalationsstadien ein stärkerer Eingriff viel zu kräftig wirken.59

Zusammenfassung Aus objektiver Sicht sind Ursache eines jeden Konflikts ein Anlass und ein Verhalten. Im Wirtschaftsleben kommt es zu Sachkonflikten, wenn die Beteiligten unterschiedli­ che Ziele erreichen wollen. Wenn eine Auseinandersetzung Anschauungen berührt, zu denen sich mindestens ein Betroffener bekennt, handelt es sich um einen Wertkonflikt. Reicht die Bedeutung über den Einzelfall hinaus, liegt ein Grundsatzkonflikt vor. Streiten die Parteien nicht über das Ziel, sondern über den Weg dorthin, deutet das auf einen Strategiekonflikt hin. Weder das Ziel noch den Weg betreffen Streitigkeiten, die ihre Ursache in der Beziehung zwischen Personen haben. Schließlich können

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Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

Konflikte über die Verteilung von Geld, Macht oder Risiken entstehen. Auf Auseinan­ dersetzungen haben auch innere Konflikte der Beteiligten Einfluss. Ein Anlass und ein Verhalten alleine stellen allerdings noch keinen Konflikt dar. Die­ ser liegt vielmehr erst dann vor, wenn zumindest ein Beteiligter die Situation subjektiv als eine Beeinträchtigung wahrnimmt. Angesichts der dynamischen Natur des Kon­ flikts empfinden die an einem Konflikt Beteiligten regelmäßig die Beeinträchtigung umso stärker, je länger eine Auseinandersetzung andauert. Ursächlich dafür sind ihre selektive Wahrnehmung ebenso wie verschiedene kognitive Mechanismen, aufgrund derer wir nach einer Bestätigung unserer Einstellungen suchen, unsere eigenen Mög­ lichkeiten überoptimistisch einschätzen, Verluste vermeiden wollen oder Vorschläge anderer abwerten. Infolge sich selbsterfüllender Vorhersagen und einer sich zuneh­ mend verzerrenden Wahrnehmung eskalieren Auseinandersetzungen schneller, als Betroffene es anfangs absehen und später realisieren. Bereits aufgewendete Mittel wol­ len die Parteien keinesfalls verloren geben. So werden aus verhärteten Fronten schnell Taten, auf die Drohungen und begrenzte Vernichtungsschläge folgen. Je nach Gegen­ stand der Auseinandersetzung können sie bis zur Existenzgefährdung des Einzelnen oder zur Zerstörung einer Organisation führen. Die Verhärtung der Standpunkte (Stufe 1), die Polarisierung der Debatte (Stufe 2) sowie die Umsetzung eigener Vorstellungen durch Taten (Stufe 3) erlauben in vielen Fällen noch eine einvernehmliche Regelung ohne die Unterstützung durch einen Dritten. Sobald Auseinandersetzungen jedoch in einen weiteren Kreis getragen wer­ den (Stufe 4), ein Gesichtsverlust entsteht (Stufe 5) oder Drohstrategien verfolgt wer­ den (Stufe 6), bietet sich eines der im nächsten Kapitel darzustellenden, informellen Verfahren, insbesondere die Mediation, zur Konfliktbeilegung an. Auf den folgenden Eskalationsstufen sind die Konfliktparteien dagegen häufig nicht mehr dazu fähig, einen Konflikt selbst zu lösen. In diesen Stadien werden neben der Mediation andere Methoden der Streitbeilegung in Betracht kommen.

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Kapitel 2 Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen Historisch betrachtet hat sich unser Konfliktverhalten fortentwickelt.60 Noch bevor es Waffen gab, lösten Menschen Streitigkeiten im Wege der Flucht. Jedenfalls die körper­ lich Unterlegenen beendeten eine Auseinandersetzung dadurch, dass sie sich ent­ fernten. Dann entdeckten unsere Vorfahren die Waffen – von diesem Zeitpunkt an wollten einige nicht mehr davonlaufen, sondern ihre Gegner vernichten. Wer weder fliehen noch zerstören konnte oder wollte, hatte nur noch die Möglichkeit, sich dem anderen zu unterwerfen. Einen großen Fortschritt auf dem Weg zur zivilisierten Ge­ sellschaft stellte die nächste Verhaltensstufe dar: Nach ihren Erfahrungen mit Flucht, Vernichtung und Unterwerfung erkannten die Betroffenen, dass es sinnvoll sein könnte, einen am Konflikt Unbeteiligten einzuschalten und ihm die Konfliktlösung im Wege der Delegation zu übertragen. Einen weiteren großen Sprung machte die Menschheit, als sie die Vorzüge selbstbestimmter Konfliktlösung entdeckte. Einen ersten Schritt in diese Richtung bildete die gütliche Einigung im Wege des gegenseiti­ gen Nachgebens – der Kompromiss. Dabei stand zunächst die Beilegung des Konflik­ tes als solcher, nicht so sehr die Qualität der Einigung im Vordergrund. Inhaltlich waren die häufig symmetrischen Zugeständnisse nicht unbedingt von einem gegen­ seitigen Verständnis der Bedürfnisse des Konfliktpartners getragen und berücksich­ tigten die Interessen der Parteien daher nicht vollständig. Hierzu kam es erst, als es uns – als Ergebnis eines Dialoges – möglich wurde, auch in kontroversen Situationen einen inhaltlichen Konsens zu erzielen. Während die Parteien beim Kompromiss le­ diglich darin übereinstimmen, den Konflikt zu beenden und für dieses Ziel jeweils gleichermaßen Einbußen in der Verwirklichung ihrer Interessen in Kauf nehmen, tragen die Beteiligten im Konsens das Ergebnis ohne verdeckten oder offenen inhalt­ lichen Widerspruch vollständig mit, weil es ihren jeweiligen Interessen so weit wie möglich gerecht wird. Kompromiss und Konsens unterscheiden sich damit vor allem in der Übereinstimmung der Parteien mit dem Einigungsergebnis und der Integra­ tion der gegenseitigen Interessen. Um einen Konsens oder zumindest einen Kompromiss zu erzielen, bemühen wir uns in Verhandlungen regelmäßig darum, selbst den Konflikt beizulegen. Dabei folgen die meisten von uns ihrer Intuition. Wenn direkte Gespräche nicht zum Erfolg führen, sehen wir dagegen oft nur noch eine Möglichkeit, um einen Streit zu schlichten: Wir delegieren den Konflikt an einen Dritten, der eine Entscheidung treffen und den Streit damit beenden kann. Obwohl sich das menschliche Konfliktverhalten also hö­ her entwickelt hat, zeigt sich gleichzeitig eine interessante, gegenläufige Tendenz: Je stärker eine Auseinandersetzung eskaliert, umso weiter fallen die Kontrahenten auf frühere Entwicklungsstufen des Konfliktverhaltens zurück. Wenn die Betroffenen untereinander nicht dazu in der Lage sind, einen Konsens oder zumindest einen Kompromiss zu erzielen, delegieren sie die Entscheidung an Vorgesetzte, Gerichte oder andere Unparteiische. Wenn sich ein Konflikt durch diese Vorgehensweise nicht beenden lässt, streben sie – zumindest im übertragenen Sinne – die Unterwerfung 47

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

oder Vernichtung des anderen an. So beendete der Geschäftsbereich Halbleitergeräte der damaligen STEAG Electronic Systems AG, Essen, einen Patentstreit mit den ame­ rikanischen Wettbewerbern Mattson Technology und CFM Technologies im Jahre 2000 dadurch, dass er diese im Wege der Fusion in das eigene Unternehmen integ­ rierte.61 Sofern sich der andere nicht unterwerfen lässt, besteht nur noch die Möglich­ keit der Flucht. Am Arbeitsplatz liegt diese beispielsweise in der (inneren oder tat­ sächlichen) Kündigung, im Wettbewerb im Rückzug aus einem Markt, in dem sich keine Gewinne erwirtschaften lassen, oder im Prozess im Anerkenntnis eines kläge­ rischen Anspruchs.

Konsens

Rü ckf a ll

Höherentwicklung

Kompromiss

Delegation

Unterordnung

Vernichtung

Flucht

Abbildung 1: Grundmuster der Konfliktlösung (nach Gerhard Schwarz)62 In diesem Kapitel werden Sie feststellen, dass es neben dem Bemühen, einen Konsens oder Kompromiss in direkten Verhandlungen zu erzielen, auf der einen Seite und der Delegation, Unterwerfung, Vernichtung oder Flucht auf der anderen Seite noch ande­ re, konstruktive Möglichkeiten der Streitbeilegung gibt, die häufig ungenutzt bleiben. Wenn Sie diese Methoden gezielt einsetzen, optimieren Sie die Verhandlungsführung erheblich und behalten auch noch in Situationen die Kontrolle, in denen eine Streitig­ keit normalerweise einem Dritten zur Entscheidung vorgelegt würde. Als Berater steht Ihnen ein größeres Spektrum an Verfahren zur Verfügung, das Sie in Verträgen für den Streitfall vorsehen oder, wenn dieser eintritt, auswählen können.

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Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

Intuitives Verhandeln Die meisten Menschen vertrauen in Verhandlungen ebenso wie in ihrer alltäglichen Kommunikation ihrer Intuition.63 Für viele Situationen ist dieses Vertrauen voll­ kommen berechtigt. Für die Verhandlung trifft dies jedoch nicht immer zu. Denn unser intuitiv erlerntes Verhandlungsverhalten ist vom Standpunkt der modernen Verhandlungstheorie aus betrachtet oft ineffizient. Auch wenn einige Menschen von Natur aus über ein sehr viel höheres Verhandlungsgeschick verfügen als andere: Die meisten Menschen sind ineffektive Verhandler und bleiben hinter den Möglichkeiten gemeinsamer Wertschöpfung weit zurück. So haben empirische Studien nachgewie­ sen, dass weniger als 4 % der Manager in Verhandlungen in der Lage sind, wertschöp­ fende Kooperationsgewinne (win-win agreements) zu realisieren.64 In 20 % der Fälle erzielen sie sogar (nur) beiderseits nachteilige Ergebnisse – regelrechte lose-lose agreements.65 Selbst wenn die Verhandlungspartner in den streitigen Punkten vollkommen übereinstimmen, nehmen sie das nur in der Hälfte der Fälle überhaupt wahr.66 Die Folgen sind erheblich: Reale Chancen zur Einigung werden verpasst, Möglichkeiten zur gemeinsamen Wertschöpfung verschenkt. In der Folge werden viele Konflikte häufig nur deshalb fortgesetzt und eskalieren weiter, weil die Parteien greifbare Mög­ lichkeiten der Einigung nicht erkennen und ungenutzt lassen. Die Ineffektivität unseres eigenen Verhandlungsverhaltens ist uns indes in der Regel nicht bewusst. Aufgrund eines falschen Verständnisses der Dynamik in Verhandlun­ gen und typischer Wahrnehmungsfallen, vor allem einer überoptimistischen Ein­ schätzung unserer eigenen Verhandlungsfähigkeiten, halten wir uns selbst für effekti­ ve, die anderen dagegen für ineffektive Verhandler. Im Folgenden wollen wir daher einige typische Ursachen für die Ineffektivität intuitiven Verhandelns aufdecken und Ihnen so einen Weg zur Verbesserung Ihres eigenen Verhandlungsverhaltens aufzei­ gen. Denn effektives Verhandeln ist ebenso wie andere Verhaltensweisen erlernbar.67 Die intuitiven Beschränkungen unseres eigenen Verhandlungsverhaltens sind vielfäl­ tig: Sie können darin liegen, dass wir effektives mit kompetitivem Verhandeln gleich­ setzen, uns auf die Verteidigung und Maximierung unserer geltend gemachten Posi­ tionen konzentrieren, die Alles-oder-Nichts-Alternativen suggerieren, dass wir darauf bedacht sind, den eigenen Nutzen zu maximieren, Konflikte als Nullsummenspiele verstehen, uns frühzeitig auf Lösungsmöglichkeiten festlegen oder die Sach- und Be­ ziehungsebene miteinander vermengen. In den weiteren Kapiteln dieses Buches wer­ den wir Ihnen zeigen, wie Sie diese Stolperfallen durch ein Modell interessenorien­ tierten Verhandelns im Rahmen der Mediation überwinden und Konflikte durch wertschöpfende, beiderseits interessengerechte Einigungen beilegen können. Ineffektives Konfliktverhalten Eine wesentliche Hürde auf dem Weg zu einer effektiven Beilegung von Konflikten liegt häufig darin, dass wir in einem bestimmten Konfliktverhalten gefangen sind und uns so integrative Lösungen selbst verbauen. Die Art, wie wir uns in Konfliktsituatio­ nen verhalten, wird stark durch die eigene Persönlichkeit geprägt: Sind Sie ein ehrgei­ 49

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

ziger Mensch, verfolgen Sie intuitiv eher kompetitive oder konfrontative Strategien zur Durchsetzung Ihrer Ziele. Ihre Selbstbehauptung ist stark, die Einfühlung in die Situa­ tion des anderen zumeist schwach ausgeprägt. Sie orientieren sich vor allem an den eigenen Interessen und Zielen. Die Interessen und Bedürfnisse des Verhandlungs­ partners spielen dagegen kaum eine Rolle. Es besteht die Tendenz, Unterschiede in den Positionen zu betonen sowie auf die Wahrnehmung und das Verhalten der ande­ ren Partei durch Manipulationen, Drohung oder Zwang Einfluss zu nehmen. Andere reagieren auf Konfliktsituation dadurch, dass sie nachgeben oder Konflikte vermeiden, um Auseinandersetzungen nicht austragen zu müssen. Hier ist die Selbstbehauptung schwach, das Einfühlungsvermögen dagegen stark ausgeprägt. Parteien, die zu diesem Konfliktverhalten neigen, stecken ihre eigenen Interessen und Ziele zugunsten derer ihres Konfliktpartners zurück. Die Folge ist eine Vermeidungshaltung, in der die be­ troffene Partei Interessenunterschiede aus Konfliktscheu verdrängt und eher Einbu­ ßen in der Verwirklichung der eigenen Interessen hinnimmt, als den Konflikt offen auszutragen. Besitzen Sie dagegen jedoch bereits intuitiv die Fähigkeit, eigene wie fremde Ziele in Ihrem Verhalten zu berücksichtigen, lösen Sie das zugrundeliegende Problem oder suchen zumindest einen Kompromiss. Die Organisationspsychologie hat die Variationen möglichen Konfliktverhaltens im Thomas-Kilmann-Modell syste­ matisch erfasst.68 Die folgende Abbildung verdeutlicht die Grundtendenzen intuiti­ ven Konfliktverhaltens. Je nach Persönlichkeitstyp neigen Sie dazu, bestimmte Strategien eher zu verfolgen als andere. Jede dieser Verhaltensweisen scheint Ihnen dementsprechend auch rational zu sein. Folgen Sie nur Ihrer Intuition, sind Sie sich allerdings der Möglichkeit, das eigene Vorgehen zu variieren, vielleicht nicht in vollem Umfang bewusst. Sie bleiben in dem Ihrer Persönlichkeit entsprechenden Konflikttypus gefangen. Interessenorien­ tiertes, problemlösendes Verhandeln, bei dem beide Parteien ihre jeweiligen Bedürf­ nisse verwirklichen, ohne die des anderen zu vernachlässigen, gelingt daher nur we­ nigen. Begünstigt wird dieser ineffektive Prozess durch die Fehlvorstellung, dass effektives Verhandeln darin bestünde, die eigenen Interessen kompetitiv zu Lasten des anderen Verhandlungspartners weitest möglich durchzusetzen und dass dies not­ wendig sei, um sich davor zu schützen, selbst „über den Tisch gezogen“ zu werden. Durchsetzungsstarke Parteien werden dadurch in ihrem Verhalten bestärkt, während Parteien, die eigentlich über ein eher geringes Selbstbehauptungsvermögen verfügen, zu einer eher kompetitiven Verhandlungsstrategie gedrängt werden. Das Ergebnis sind regelmäßig wenig interessengerechte und damit auch nicht dauerhafte Einigun­ gen oder sogar ein Scheitern der Einigungsbemühungen und damit eine Eskalation des Konflikts.

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Orientierung an fremden Zielen

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

Nachgeben

Problemlösung

Kompromiss

Flucht

Kompetitives Verhalten Orientierung an eigenen Zielen

Abbildung 2: Intuitives Konfliktverhalten Werden Sie sich allerdings der unterschiedlichen Verhaltensmuster in Konflikten be­ wusst, so werden Sie eine überraschende Entdeckung machen: Der angebliche Wider­ spruch zwischen starker Selbstbehauptung und schwacher Einfühlung besteht in Wirklichkeit nicht. In Verhandlungen stehen uns weitaus mehr Möglichkeiten zur Verfügung, als nachzugeben oder zu versuchen, die eigenen Forderungen ohne Rück­ sicht auf den anderen durchzusetzen. Effektives Verhandeln ist gerade nicht durch eine einseitig stark ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstbehauptung, sondern vielmehr dadurch geprägt, dass Selbstbehauptungs- und Einfühlungsvermögen in einem aus­ geglichenen Verhältnis zueinander stehen. Erst dann werden Lösungen möglich, die den Interessen und Zielen beider Parteien gleichermaßen entsprechen und so geeig­ net sind, den Konflikt dauerhaft und nachhaltig beizulegen. Konzentration auf Positionen Sobald Konflikte entstehen, beharren die Kontrahenten häufig intuitiv auf ihren Positionen. Sie sehen ihr Verhalten und das der anderen Seite in Gegensätzen und berufen sich auf das Recht als objektives Kriterium. Über die Konzentration auf ihren jeweili­ gen Standpunkt geraten die eigentlichen, hinter den eingenommenen Positionen ste­ henden Interessen der Beteiligten in den Hintergrund. Welche langwierigen Streitig­ keiten sich aus dem Beharren auf die Richtigkeit der eigenen Einschätzung ergeben können, zeigt sich besonders deutlich bei Informationstechnologie-Projekten oder Bauvorhaben. Oft enden die Auseinandersetzungen zwischen Auftraggeber und Auf­ tragnehmer erst in der letzten Instanz vor dem Bundesgerichtshof. „„ Elf Jahre bis zum BGH So hatte ein Unternehmen aus der Immobilienbranche Anfang der 1980er Jahre ein Softwarehaus mit der Anpassung eines vorhandenen Programms für die eigenen Geschäftsabläufe beauftragt. Die Arbeitsergebnisse des Auftragnehmers entsprachen ebenso wenig wie die Abrechnung den Erwartungen des Auftraggebers. 51

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements Nachdem die Arbeiten des Softwarehauses auch nach einer Fristsetzung bis zum Dezember 1982 nicht abgeschlossen waren, kündigte das Immobilienunternehmen den Vertrag fristlos mit der Begründung, die Beratungsleistungen seien mangelhaft, die Kosten überhöht und die Termine nicht eingehalten worden. Der Auftragnehmer verlangte sein Honorar. Elf Jahre vergingen, bis der Bundesgerichtshof diesen Rechtsstreit schließlich im Jahre 1993 entschieden und den Werklohnanspruch des Auftragnehmers bestätigt hatte.69 Zu diesem Zeitpunkt befand sich das zwischenzeitlich in Konkurs gefallene Unternehmen aus der Immobilienbranche bereits in der Liquidation.70 Darüber hinaus war der Prozess noch nicht beendet, da das Gericht keine abschließende Entscheidung traf, sondern den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwies. Die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen an einer Fertigstellung bzw. Nutzung der Software, an einer finanziellen Entlohnung der Leistungen und an Folgegeschäften ließen sich zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr erfüllen. Beispiel 1

Das ist umso tragischer, als sich die Interessen der Konfliktparteien trotz sich wider­ sprechender Positionen oft sehr wohl miteinander vereinbaren lassen. Die Fixierung auf die geltend gemachten Positionen verhindert, dass das im Konflikt verborgene Potential zur Realisierung von Kooperationsgewinnen ausgeschöpft werden kann. Werte werden verschenkt. Eine Beilegung des Konflikts scheitert. Basar-Ritual und ineffiziente Kommunikation Sind die Parteien in einem festgefahrenen Positionendenken gefangen, läuft die Ver­ handlung regelmäßig nach einem typischen Verhaltensmuster ab, das dem Feilschen auf einem orientalischen Basar entspricht (Basar-Ritual): Beide Parteien beginnen mit weit auseinanderliegenden, relativ extremen Eröffnungspositionen, die sich im Gang der Verhandlung schrittweise einander annähern. Nach den ungeschriebenen, intui­ tiven Regeln dieses Basar-Rituals sind beide Parteien peinlich darauf bedacht, keine größeren Zugeständnisse zu machen als die jeweils andere Seite und die jeweilige Position möglichst lange zu halten. In der Folge werden die stets einander entspre­ chenden Konzessionsschritte vom vermeintlich „letzten Angebot“ über das „definitiv letzte Angebot“ bis hin zum „endgültigen Angebot“ mit wachsender Annäherung der Parteien immer kleiner, bis sich die Beteiligten in der Mitte treffen – oder eine Eini­ gung scheitert.71 Positionen suggerieren Alles-oder-Nichts-Alternativen Ein solcher Verhandlungsprozess ist nicht nur langwierig, sondern auch in hohem Maße ineffizient. Denn eine mögliche Einigung ist stets mit einem Verlust für beide Seiten verbunden und blockiert durch die Fixierung auf Maximalpositionen die Mög­ lichkeit kreativer, beiderseits interessengerechter Lösungen. Dadurch, dass die An­ reizstruktur des Basar-Rituals unkooperatives, kompetitives und sogar manipulatives Verhalten belohnt, drohen der Konflikt weiter zu eskalieren und die Verhandlung 52

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

endgültig zu scheitern. Dabei sind Situationen selten, in denen es nur darauf an­ kommt, ob ein Vertrag wirksam oder unwirksam, eine Rechtsposition richtig oder falsch, ein Anliegen realisierbar oder unrealisierbar ist. Unter diesen Bedingungen besteht die Wahl lediglich zwischen zwei Varianten: Ein Gericht kann im Rahmen einer streitigen Auseinandersetzung nur so oder so entscheiden. Rechtlich lässt sich nur über Wirksamkeit oder Unwirksamkeit befinden. Praktisch bestehen dagegen unter Umständen verschiedene Möglichkeiten der Vertragsanpassung. Lässt sich eine Verständigung nicht binnen kurzer Zeit finden, gehen die Verhandlungspartner intu­ itiv allerdings oft ohne Not davon aus, dass es nur eine solche Alles-oder-Nichts-Al­ ternative gibt.72 Chancen der wertschöpfenden Realisierung von Kooperationsgewin­ nen bleiben so ungenutzt. Überhöhte Maximalforderungen Die Beilegung von Konflikten wird regelmäßig zudem dadurch erschwert, dass die Beteiligten intuitiv Maximalforderungen stellen. Sie wissen, dass niemand über seine als erstes geäußerte Position hinausgehen kann. Gerade erfahrene Verhandlungsfüh­ rer versuchen häufig, sich durch diese Vorgehensweise genügend Raum für Konzessi­ onen zu schaffen und rücken nur nach zähem Ringen in kleinen Schritten von ihren ursprünglichen Forderungen ab. Die Festlegung auf Maximalpositionen hat jedoch erhebliche negative Auswirkungen auf den Einigungsprozess, die wir in Kapitel 8 nä­ her in den Blick nehmen werden. Die Eingangspositionen wirken nämlich als Wahr­ nehmungsanker (anchor), der die Parteien in ihren jeweiligen Positionen fixiert: Je weiter die Forderungen auseinanderliegen, desto schwieriger wird es für die betroffe­ ne Partei, von ihrer einmal eingenommenen Position ohne Gesichtsverlust wieder abzurücken und erhebliche Zugeständnisse zu machen. Denn Konzessionen werden als Verlust wahrgenommen, und aufgrund des psychologischen Mechanismus der Verlustaversion, den wir in Kapitel 1 bereits kennengelernt haben, von den Parteien unbedingt vermieden. Diese haben sich durch ihr Verhalten damit in eine Lage ma­ növriert, aus der sie sich nicht mehr problemlos ohne fremde Hilfe befreien können. Die Verhandlung droht zu scheitern. „„ Entschädigung früherer NS-Zwangsarbeiter Wie sehr das lange Festhalten an Maximalpositionen weitergehende Interessen der Beteiligten beeinträchtigen kann, wurde im Rahmen der Verhandlungen über Entschädigungszahlungen für frühere NS-Zwangsarbeiter sichtbar.73 Deren Vertreter strebten einen möglichst hohen Betrag an, während die Repräsentanten der deutschen Wirtschaft an einer engen Begrenzung der Aufwendungen interessiert waren. Hinter der Forderung der Zwangsarbeiter stand allerdings nicht nur das materielle Interesse an einer finanziellen Entschädigung. Schließlich war allen Beteiligten klar, dass keine Summe die erduldeten Qualen auch nur annähernd hätte kompensieren können. Vielmehr wollten die im Krieg Ausgenutzten auch eine moralische Genugtuung und eine Anerkennung für das erlittene Leid erfahren. Den Vertretern der deutschen Wirtschaft lag ebenfalls daran, ein solches Zeichen zu setzen. Daher boten sie frühzeitig die Gründung einer Stiftung an, welche die Erinnerung an das geschehene Unrecht am Leben halten sollte. Diese mit dem Namen „Erinnerung, 53

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements Verantwortung und Zukunft“ bezeichnete Organisation bildete einen wichtigen Bestandteil der abschließenden Vereinbarung. In der öffentlichen Diskussion drohte diese Aufgabe allerdings in Vergessenheit zu geraten, nachdem monatelang über die Höhe der Entschädigungszahlungen gerungen worden war. Im Positionskampf waren ursprünglich von beiden Seiten berücksichtigte Interessen also so weit in den Hintergrund getreten, dass sich das gemeinsam verfolgte Ziel der öffentlichen Anerkennung nicht mehr oder nur noch teilweise erreichen ließ. Beispiel 2

Verständnis des Konflikts als Nullsummenspiel Das Denken in gegensätzlichen Positionen statt in Interessen, die sich miteinander vereinbaren lassen, hat noch eine weitere Konsequenz: den Nullsummenmythos. Häu­ fig betrachten die Konfliktparteien ihre Auseinandersetzung als ein Nullsummenspiel, bei dem jeder Gewinn eines Beteiligten spiegelbildlich einem entsprechenden Verlust des anderen gegenübersteht. Dabei erscheint jedes Zugeständnis als ein mindestens ebenso großer Nachteil wie ein Tor, das der Gegner in einem Fußballspiel erzielt. Für manche Führungskräfte in der Wirtschaft wäre der Vergleich zum sportlichen Wett­ kampf allerdings noch viel zu harmlos. So lautete die spontane Antwort eines be­ rufserfahrenen Studenten an der Harvard Business School auf die Frage, wie sich das Wirtschaftsleben in einem Satz charakterisieren lasse: „Business is war.“74 Wenn ein­ zelne Geschäftsleute bereits die ganz normale unternehmerische Tätigkeit als Krieg betrachten, überrascht es nicht, dass Kooperationsmöglichkeiten im Konfliktfall gänzlich übersehen werden. Die weit verbreitete Grundeinstellung, dass der zu vertei­ lende „Wertkuchen“ eine bestimmte Größe habe (fixed pie perception), verbunden mit dem Bestreben, davon das größte Stück für sich zu wollen, ist daher auch eine der häufigsten Ursachen für das Scheitern von Verhandlungen. Wer mit einem solchen Ansatz an Verhandlungen herangeht, hält es für ausgeschlossen, dass sich Lösungen finden lassen, welche die Interessen beider Parteien gleichermaßen berücksichtigen und so den verfügbaren „Wertkuchen“ zum Nutzen aller Beteiligten vergrößern. Zu sehr auf den eigenen Vorteil bedachte Verhandler gefährden daher kreative Koopera­ tionsmöglichkeiten und schaden sich damit letztlich selbst. „„ Unterhaching und die Frankfurter Lizenz Vor Beginn der Saison 2002/03 versagte die Deutsche Fußball Liga (DFL) dem Fußballverein Eintracht Frankfurt die Lizenz für die Zweite Bundesliga. Zur Begründung hieß es, der Klub habe die finanziellen Voraussetzungen für den Spielbetrieb nicht ordnungsgemäß nachgewiesen, da eine Garantie nicht, wie verlangt, unwiderruflich sei. Von dieser Entscheidung schien die sportlich aus der Zweiten Liga bereits abgestiegene Spielvereinigung Unterhaching zu profitieren. Ein Schiedsgericht befand allerdings kurze Zeit später, dass die Eintracht die Spielberechtigung erhalten müsste. Die eingereichten Unterlagen hätten den Anforderungen der DFL entsprochen. Noch bevor dieses Ergebnis bekannt wurde, kündigten die Vertreter der Spielvereinigung Unterhaching an, sie würden vor einem ordentlichen Gericht die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragen. Gleichzeitig wurde innerhalb der DFL 54

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

diskutiert, ob für den Fall, dass Eintracht Frankfurt die Lizenz erhalten würde, ausnahmsweise eine Saison lang 19 statt 18 Vereine in der Zweiten Liga spielen würden. Möglicherweise hätte diese Idee breitere Unterstützung gefunden. Es wäre allerdings erforderlich gewesen, dass sich Eintracht Frankfurt und die Spielvereinigung Unterhaching frühzeitig gemeinsam dafür stark gemacht und nachdrücklich an die Solidarität der Liga appelliert hätten. Stattdessen setzten die Bayern in einer – nach Ansicht von Fachleuten – aussichtslosen juristischen Auseinandersetzung alles daran, die Lizenzerteilung für die Hessen zu verhindern.75 Am Ende mussten die Unterhachinger dennoch den Weg in das Amateurlager antreten. Beispiel 3

Maximierung des eigenen Nutzens Die bisher genannten Verhaltensweisen sind letztlich Ausdruck derselben Grundein­ stellung: eines Verhandlungsverhaltens, das ausschließlich an der Maximierung des eigenen Nutzens ausgerichtet ist. Die Parteien verzögern den Fortgang der Verhand­ lung, halten wichtige Informationen zurück oder geben nur vage oder manipulative Auskünfte. So klärte der Verhandlungsführer eines Auftraggebers in einem Bauprojekt seinen Auftragnehmer nicht darüber auf, dass der als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz im Inland ausgegebene Auftraggeber tatsächlich eine Gesellschaft ungarischen Rechts mit ausschließlichem Sitz in Ungarn war. Natürlich war für ihn erkennbar, dass der Sitz der Gesellschaft für die Beurteilung der Bonität durch den Vertragspartner eine Rolle spielen könnte.76 In Kenntnis des tatsächlichen Unterneh­ menssitzes hätte der deutsche Vertragspartner den Vertrag nicht abgeschlossen. Oft täuschen Parteien in Verkaufsverhandlungen auch über ihre Nichteinigungsalter­ nativen, beispielsweise über die Existenz von Konkurrenzangeboten oder angebliche Beschränkungen ihres Verhandlungsspielraums. Einem solchen Verhalten liegt ein gravierender Irrtum zugrunde: In Verhandlungen rücksichtslos die Maximierung des eigenen Nutzens auf Kosten des Verhandlungspartners zu suchen, ist der sicherste Weg, ein schlechtes, ineffizientes und in jeder Hinsicht suboptimales Verhandlungs­ ergebnis zu erzielen und am Ende nicht nur mit wenig, sondern mit einem Scheitern der Verhandlung aus der Auseinandersetzung herauszukommen. Statt eines Gewin­ ners stehen am Ende dann zwei Verlierer. Denn wer in egoistischer Konfrontation in die Verhandlung hineingeht, verkennt, dass eine Einigung nur mit Zustimmung sei­ nes Verhandlungspartners zustande kommen wird. Wer eine Einigung will, muss da­ her auch die Interessen der anderen Seite in den Blick nehmen. Eine beiderseits inter­ essengerechte Lösung anzustreben, liegt daher im ureigensten Interesse aller Parteien. Die Verhandlung wird damit erst durch Kooperation fruchtbar und kann dann sogar einen Wertzuwachs ermöglichen. Aggressive Strategien der eigenen Nutzenmaximierung bergen darüber hinaus noch ein weiteres erhebliches Risiko: Werden manipulative Techniken wie etwa Täuschun­ gen, Drohungen oder Zwang eingesetzt, so kann dies neben dem Schaden für den 55

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

Verhandlungspartner gerade für den „Täter“ erhebliche negative Konsequenzen ha­ ben: So sind auf diese Weise zustande gekommene Vereinbarungen häufig rechtlich anfechtbar oder sogar nichtig und der „Täter“ muss gegebenenfalls neben zivilrecht­ lichen auch gravierende strafrechtliche Konsequenzen gewärtigen.77 Abgesehen von ethischen Erwägungen können solche Strategien natürlich auch den Verlust von Reputation, Geschäftsbeziehungen oder möglichen Kooperationen zur Folge haben und sich damit auch wirtschaftlich in erheblichem Maße negativ auswirken. Frühzeitige Auswahl und Bewertung von Lösungsmöglichkeiten Ein weiterer Grund für das Scheitern von Verhandlungen besteht häufig darin, dass die Beteiligten intuitiv bereits in einem Stadium über Lösungen nachdenken, in dem sie sich ihrer Interessen und Bedürfnisse und oft auch ihrer Nichteinigungsalter­ nativen noch gar nicht hinreichend bewusst sind. Darüber hinaus wählen die Ver­ handlungsführer häufig frühzeitig bestimmte Lösungen aus und bewerten diese, ­bevor eine Suche nach möglichst vielen denkbaren Lösungsoptionen überhaupt be­ gonnen, geschweige denn abgeschlossen wurde. Dadurch legen sie sich schnell auf Lösungen fest, die zwar ihren Positionen, nicht aber unbedingt ihren Interessen und denen ihres Verhandlungspartners entsprechen. Und weil sich die eingenommenen Positionen im Gegensatz zu den Interessen der Parteien regelmäßig widersprechen, wird der Konflikt durch konfrontative, positionsgeleitete „Vorschläge“ noch weiter zementiert. „„ Neuer Vertrag für Autohändler? Nach den für die Automobilindustrie bis Mai 2013 geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen78 konnte ein Händlervertrag grundsätzlich nur mit einer zweijährigen Kündigungsfrist durch den Hersteller oder Importeur beendet werden. Ausnahmsweise ist eine Kündigung mit einer einjährigen Kündigungsfrist zulässig, wenn die Restrukturierung des gesamten Vertriebsnetzes notwendig ist. Zwischen einem Automobilhersteller, der europaweit sein Händlernetz restrukturieren wollte, und dem Importeur dieser Fahrzeuge kam es zum Streit darüber, ob die Verträge mit den Händlern mit einer einjährigen oder mit einer zweijährigen Kündigungsfrist beendet werden sollten. Der Importeur berief sich darauf, dass sich eine einjährige Kündigungsfrist vor den nationalen Gerichten nicht begründen ließe. Daher sei im Falle einer Prozessniederlage mit Schadensersatzforderungen in zweistelliger Millionenhöhe zu rechnen. Der Hersteller argumentierte dagegen, dass eine Kündigung mit einer einjährigen Kündigungsfrist auch in anderen Ländern von Gerichten gebilligt worden sei. Die Standpunkte schienen unvereinbar, die Beziehung der Geschäftsführer litt. Bei einer näheren Bestandsaufnahme des Vertriebsnetzes zeigte sich, dass mehr als 90 Prozent der Händler in dem betroffenen Staat ohnehin einen neuen Vertrag angeboten bekommen sollten. Damit war – selbst für den Fall einer Prozessniederlage – das Haftungsrisiko des Importeurs deutlich niedriger als es zunächst den Anschein hatte. Zudem stellte sich heraus, dass zwei Drittel der Händler, die keinen neuen Vertrag erhalten würden, einen Werkstattvertrag angeboten bekämen. Da 56

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

weder Hersteller noch Importeur damit rechneten, dass es größere Auseinandersetzungen mit den zukünftigen Werkstattbetreibern geben würde, reduzierte sich das potentielle Risiko einer Kündigung binnen Jahresfrist noch weiter. Erst ein klärendes Gespräch konnte in diesem Fall eine Lösungsmöglichkeit erhalten, die der Importeur bereits verworfen hatte, ohne zuvor die Auswirkungen der verschiedenen Strategien vollständig zu prüfen. Beispiel 4

Vermengung von Beziehungs- und Sachebene Bei der Erörterung der Beziehungskonflikte im ersten Kapitel haben wir bereits fest­ gestellt, dass jedes Verhalten und jede Kommunikation auf einer Beziehungs- und auf einer Sachebene stattfindet. Das liegt daran, dass wir gleichzeitig mit dem Verstand und mit den Gefühlen reagieren. Psychologen unterscheiden daher auch die emotionale und die kognitive Wirkung eines Ereignisses. Da diese Effekte zeitgleich eintre­ ten, trennen wir intuitiv allerdings meistens nicht zwischen beiden Ebenen. Wie wir im ersten Kapitel im Zusammenhang mit der Attributionstheorie und dem Phänomen der reaktiven Abwertung gesehen haben, werden Vorschläge daher auch nicht aus­ schließlich nach sachlichen Kriterien beurteilt. Vielmehr bewerten wir eine Idee tat­ sächlich auch danach, wer sie geäußert hat. Ist die Beziehung zwischen den Kontra­ henten belastet, so werden Vorschläge unabhängig von ihrer inhaltlichen Qualität häufig allein deshalb abgelehnt, weil sie vom jeweiligen Kontrahenten kommen. Auch ein noch so guter Vorschlag geht damit ins Leere – die Störung auf der Beziehungs­ ebene wirkt auf der Sachebene fort. Umgekehrt kann ein Sachkonflikt auch die Bezie­ hung zwischen den Parteien belasten. Besteht zwischen den Beteiligten ein Konflikt in der Sache, kann es häufig dazu kommen, dass eine der Parteien die Auseinander­ setzung „persönlich nimmt“ und sich auch als Person angegriffen fühlt. Eine solche Vermengung von Sach- und Beziehungsebene ist gefährlich. Das Verhandlungsklima verschlechtert sich, der Konflikt droht weiter zu eskalieren, eine Einigung wird un­ wahrscheinlicher. „„ Fuld vs. Paulson Einer der Auslöser der letzten weltweiten Finanzkrise, die Pleite der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers, wird mittlerweile auch auf einen Konflikt auf der Beziehungsebene zurückgeführt: Am 14.9.2008 verweigerte der damalige US-amerikanische Finanzminister Henry Paulson staatliche Maßnahmen zur Rettung von Lehman Brothers. Paulson war vor seiner Tätigkeit als Finanzminister lange Zeit Chef der Investmentbank Goldman Sachs und somit einer der Hauptwettbewerber von Lehman Brothers gewesen. Der Vorstandsvorsitzende von Lehman Brothers, Richard Fuld, soll in seiner Zeit bei Lehman Brothers praktisch alles daran gesetzt haben, die Marktmacht von Goldman Sachs zu brechen und auch deshalb hochriskante Geschäftspraktiken geduldet und gefördert haben. Fuld und Paulson sollen sich vor dem Hintergrund jahrelanger verbitterter Rivalität seit langem in inniger Abneigung verbunden gewesen sein. Auch deshalb habe Paulson in seiner Funktion als Finanzminister Lehman Brothers anders als zuvor bzw. danach anderen 57

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements Instituten  – am 17.9.2008 wurde American International Group (AIG) gerettet – staatliche Hilfe verwehrt und so den Niedergang der Bank und damit seines früheren Rivalen besiegelt.79 Beispiel 5

Traditionelle Mechanismen der Konfliktbeilegung Was geschieht, wenn intuitive Verhandlungen nicht zu dem gewünschten Erfolg füh­ ren? Kann kein Kompromiss erreicht werden, geben die Beteiligten die Verantwor­ tung für die Konfliktbeilegung regelmäßig im Wege der Delegation an einen Dritten ab. Delegation in innerbetrieblichen Auseinandersetzungen Bei innerbetrieblichen Auseinandersetzungen wenden sich die Kontrahenten in der Regel zunächst informell an den unmittelbaren Vorgesetzten oder einen anderen ge­ eigneten Repräsentanten der nächsten Hierarchieebene. Diesem ungeschriebenen Grundsatz folgen selbst Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der höchsten Entscheidungsgremien in Unternehmen. In vielen Fällen handelt es sich dabei um Strategiekonflikte. So musste in dem bereits im ersten Kapitel erwähnten Streit zwi­ schen dem früheren Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, und dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Dieter Vogel, über die Zukunft des Schienennetzes der damalige Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig als Anteilseigner der Deutschen Bahn eine Entscheidung treffen. Vogel trat daraufhin zurück.80 Gelegentlich wird eine mit dem Unternehmen vertraute Persönlichkeit, z.B. ein Auf­ sichtsratsmitglied, gebeten, seinen Einfluss in Beziehungskonflikten auf Gesellschaf­ terebene geltend zu machen. So haben in einer Auseinandersetzung zwischen den Gesellschaftern der Bahlsen KG Mitglieder des Beirats versucht, zwischen den verfeh­ deten Familienstämmen zu vermitteln.81 Derselbe frühere Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bahn Vogel, der im Frühjahr 2001 in dieser Funktion zurücktreten musste, vermittelte ein Jahr später in einem Strategiekonflikt zwischen Mobil­ com-Gründer Gerhard Schmid und France Télécom, der schon nach kurzer Zeit von einem Beziehungskonflikt zwischen France Télécom-Chef Michel Bon und Schmid als dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Mobilcom AG begleitet wurde. Als von der Bundesregierung bestellter Unterhändler war Vogel maßgeblich an der Einigung zwischen den Kontrahenten beteiligt.82 Später wurde er zum Vorsitzenden des Auf­ sichtsrats gewählt. Schlichtung Um ein eher informelles, aber traditionsreiches Verfahren bei unternehmensinternen Konflikten handelt es sich auch, wenn Tarifpartner zur Beilegung von Arbeitskämp­ fen einen Schlichter anrufen. Die Schlichtung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schlichter einen unverbindlichen Vorschlag zur Einigung unterbreiten soll. Oft kom­ 58

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

men dabei bekannte und verdiente Politiker zum Einsatz. Im Sommer 2001 war es z.B. der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, der einen Vorschlag für die zukünftige Vergütung der Lufthansa-Piloten unterbreitete. Die Tarifvertrags­ parteien nahmen diesen umgehend an.83 Im Sommer 2007 einigten sich die Gewerk­ schaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und die Deutsche Bahn auf die beiden CDU-Politiker Heiner Geißler und Kurt Biedenkopf als Schlichter bzw. Vermittler.84 Ebenfalls Heiner Geißler fungierte als Schlichter im Streit um den Umbau des Stutt­ garter Hauptbahnhofs im Jahr 2010 („Stuttgart 21“), wobei nicht von Anfang an klar war, ob er am Ende tatsächlich einen Einigungsvorschlag („Schlichterspruch“) ma­ chen würde.85 Im Streit zwischen der Deutschen Telekom und ihren Wettbewerbern um den Ausbau des schnellen VDSL-Datennetzes in Deutschland schaltete die Tele­ kom im August 2009 überraschend die Bundesnetzagentur als Schlichter ein.86 Ob­ wohl sich das Verfahren der Schlichtung in Tarifauseinandersetzungen bewährt hat, wird es für die Beilegung von Verteilungskonflikten sonst eher wenig genutzt. Es kann sich allerdings auch in solchen Konflikten eignen, wenn die Entscheider der am Kon­ flikt beteiligten Parteien etwa eine völlig eigenverantwortliche Entscheidung ohne neutralen Impuls scheuen, sie zugleich die Entscheidung aber auch nicht an Dritte delegieren wollen. „„ Rollenwechsel: Vom Mediator zum Schlichter Einer der Autoren begleitete einen Konflikt zwischen zwei börsennotierten Unternehmen zunächst als Mediator. Im Streit stand ein behauptetes Zahlungsangebot des einen Unternehmens an das andere. Dieses Angebot hatte vermeintlich der Vorgänger eines der beiden beteiligten Vorstandsmitglieder gegenüber dem Vorstand der anderen Partei mündlich unterbreitet. Dessen Nachfolger zeigte im Verlauf der Gespräche Verständnis für die Sichtweise der Gegenseite und hielt es für naheliegend, dass sein Vorgänger das fragliche Angebot tatsächlich gemacht hatte. Allein „gerichtsfest“ bewiesen war das nicht. Vor diesem Hintergrund sah sich der Nachfolger trotz seiner eigenen Überzeugung gehindert, die Verantwortung für einen Vergleich über die fragliche Zahlung zu übernehmen. Die Lösung bestand darin, dass der Auftrag des Mediators geändert wurde: Er sollte nunmehr als Schlichter einen begründeten Einigungsvorschlag unterbreiten, der den Aufsichtsräten beider Unternehmen präsentiert werden sollte. So sollten diese in die Lage versetzt werden, den Vergleich zu genehmigen und dadurch den Vorständen die von diesen gewünschte „Rückendeckung“ zu geben. So wurde verfahren. Die Parteien einigten sich letztlich auf die Inhalte des Schlichterspruchs in einem Vergleich. Beispiel 6

Beschwerdeverfahren Fühlt sich ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber oder von anderen Arbeitnehmern im  Betrieb benachteiligt, ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträch­ tigt,  kann er auch ein formelles Verfahren wählen. Das Betriebsverfassungsgesetz (­BetrVG) sieht für diesen Zweck das sog. individuelle und/oder das sog. kollektive Beschwerdeverfahren vor (§§ 84, 85 BetrVG). Die Beschwerde kommt bei Rechts- und 59

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

bei Regelungsstreitigkeiten in Betracht (also bei anspruchsorientierten, justiziablen Auseinandersetzungen ebenso wie bei solchen über Arbeitsbedingungen).87 Die Kon­ fliktlösung wird in diesen Fällen an die Einigungsstelle oder eine betriebliche Be­ schwerdestelle delegiert. Angesichts der im ersten Kapitel dargestellten, großen Zahl von Streitigkeiten, die ihre Ursache im zwischenmenschlichen Bereich haben, müs­ sen diese Stellen Beziehungskonflikte ebenso lösen wie Sachkonflikte. Prozess vor Arbeitsgerichten Jenseits der informellen Vorgehensweisen und formellen Beschwerdeverfahren wäh­ len die Betroffenen sehr häufig den Weg zum Gericht. Insbesondere dann, wenn ein Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer eine Kündigung ausspricht, schließt sich regelmäßig das arbeitsgerichtliche Kündigungsschutzverfahren an. Auch wenn nur ein Bruchteil dieser Prozesse tatsächlich mit einem Urteil abgeschlossen wird und der Großteil der Kündigungssachen durch einen Vergleich, durch Klagerücknahme, Erle­ digung oder Verweisung an ein anderes Gericht endet, suchen die Betroffenen sich zunächst ein Forum, in dem sie den im Zusammenhang mit dem intuitiven Verhan­ deln geschilderten Positionskampf führen und ihren Abfindungspoker betreiben können.88 Auch wenn vordergründig Sachkonflikte ausgetragen werden, interessiert die Parteien in Wirklichkeit meistens nur noch die Höhe der Abfindung. Es liegt also ein klassischer Verteilungskonflikt vor. Wenn die Bedeutung einer Streitigkeit über den Einzelfall hinausreicht, ist die Arbeitsgerichtsbarkeit natürlich ebenfalls zur Ent­ scheidung von Grundsatzkonflikten berufen. Die Verhandlungen vor den Arbeitsgerichten gehen freilich häufig an den Interessen der Parteien vorbei. Regelmäßig ist allen Beteiligten klar, dass die angegriffene Kün­ digung nicht rechtmäßig war. Dennoch wird die Option einer Fortsetzung des Ar­ beitsverhältnisses nicht ernsthaft erwogen. Stattdessen kauft sich der Arbeitgeber von seinem Arbeitnehmer durch einen Vergleich frei. Abhilfe können hier Verhandlungs­ lösungen schaffen, die nicht ausschließlich an der schematischen Annahme einer Ab­ findungsvereinbarung orientiert sind, sondern sich an den tatsächlichen Interessen der Parteien orientieren und von diesen als fair empfunden werden. Selten werden die Gerichte dagegen in Streitigkeiten zwischen den Betriebspartnern angerufen. Da die außergerichtliche Beilegung von Meinungsverschiedenheiten den Betriebspartnern kraft Gesetzes ausdrücklich aufgegeben ist (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG), ist die gerichtliche Lösung in diesen Fällen tatsächlich nur die ultima ratio.89 Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen Wie in innerbetrieblichen Auseinandersetzungen stehen auch in Streitigkeiten zwi­ schen Unternehmen verschiedene Wege der Konfliktbeilegung zur Auswahl. Gelingt es den zuständigen Personen auf der Fachebene nicht, einen Konflikt beizulegen, kommen häufig Mitglieder der Geschäftsführung oder des Vorstands der betroffenen Unternehmen zusammen. Auch wenn sich beide Seiten zuvor regelmäßig intern bzw. anwaltlich beraten lassen, haben diese Gespräche zumeist einen rein kaufmännischen 60

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

Charakter: Die Beteiligten versuchen, eine Lösung jenseits rechtlicher Maßstäbe zu finden. Erst wenn diesen Bemühungen kein Erfolg beschieden ist, bedeuten die Kauf­ leute der Rechtsabteilung oder ihren Rechtsanwälten, dass sie aktiv werden sollten. Prozess vor staatlichen Gerichten Falls die Verhandlungen der Anwälte bzw. Justitiare nicht zu einer einvernehmlichen Lösung führen, bleibt aus Sicht vieler Unternehmensvertreter in Sach- oder Verteilungskonflikten nur noch der Weg zum Gericht. Auch komplexe wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten werden regelmäßig von staatlichen Gerichten entschieden, weil das Ge­ richtssystem in Deutschland nach wie vor eine hohe Akzeptanz in der Wirtschaft genießt. So machte André Leysens Gebema nv, eine Tochterfirma der Gevaert nv, seinerzeit einen Schadensersatzanspruch in Höhe von rund 160 Millionen Euro gegen die Deut­ sche Bank AG durch eine Klage vor dem Landgericht Frankfurt geltend, nachdem sich bei der Philipp Holzmann AG nach der Übernahme von 30 Prozent der Aktien durch die belgische Gesellschaft ein Milliardenloch aufgetan hatte.90 Einen Kompro­ missappell des Vorsitzenden Richters wiesen die Rechtsanwälte zurück. Für die Ent­ scheidung vor staatlichen Gerichten besonders geeignet sind auch Grundsatzkonflikte, in denen mindestens eine Partei eine Rechtsfortbildung anstrebt, weil Sachverhalte, z.B. wegen der Neuartigkeit einer Technologie oder eines Finanzinstruments, bislang noch nicht rechtlich geklärt worden sind und eine Vielzahl von Fällen betreffen: Im ersten Kapitel wurde beispielhaft bereits die Frage erwähnt, inwieweit innovative Dienstleister ihren Kunden eine automatische Online-Rechtsberatung anbieten dür­ fen. Schiedsverfahren In nationalen wie internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten wird häufig auch die Durchführung von Schiedsverfahren vereinbart. Sie bieten sich für die Beilegung von Sach- und Verteilungskonflikten an, die einer verbindlichen Entscheidung durch ei­ nen Dritten bedürfen. Die Parteien genießen bei der Einleitung und Durchführung dieser Art der Konfliktbewältigung ein hohes Maß an Autonomie. Sie können sich über den oder die Schiedsrichter ebenso wie über die Verfahrensweise und den Schiedsort verständigen. Das Schiedsverfahren findet in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und unterliegt flexiblen Verfahrensregeln. Es gibt keine Beru­ fungsinstanz. Der Schiedsspruch lässt sich aufgrund der sogenannten New York Convention nahezu weltweit durchsetzen.91 Den Weg eines Schiedsverfahrens haben z.B. die Mitglieder der Andersen Consulting Business Unit gewählt, als sie im Jahre 1997 eine Schiedsklage bei der Internationalen Handelskammer in Paris (ICC) gegen die Arthur Andersen Business Unit und die Andersen Worldwide Société Cooperative erhoben und damit die Spaltung in eine selbständige Unternehmensberatung Accen­ ture und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen einleiteten.92 Ein weiteres Beispiel ist der Konflikt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Toll-Collect-Konsortium wegen der verspäteten Einführung der Lkw-Maut, der im 61

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

Rahmen eines Schiedsverfahrens ausgetragen und im Sommer 2018 im Vergleichs­ wege beigelegt wurde.93 Schiedsgutachten Insbesondere für die Beilegung von Sach- oder Verteilungsfragen kommt auch die Beauftragung eines Sachverständigen bzw. eines Gutachters in Betracht. Es ist nicht ungewöhnlich, dass unabhängig von einer rechtlichen Auseinandersetzung Wirt­ schaftsprüfer mit der Aufklärung eines Sachverhalts beauftragt werden. Wenn die Parteien den Erkenntnissen des Gutachters mehr Gewicht verleihen wol­ len, können sie ihn auch als Schiedsgutachter beauftragen. Dieser stellt eine Sachver­ haltsfrage mit bindender Wirkung fest (vgl. auch Kapitel 8).94 Soweit die Feststellun­ gen des Schiedsgutachters nicht offensichtlich unrichtig sind, kann über diese Frage auch in einem nachfolgenden Rechtsstreit nicht mehr entschieden werden.

Alternativen zu traditionellen Mechanismen der Konfliktbeilegung erkennen Natürlich ist der Weg vor ein Gericht oder Schiedsgericht in Kontinentaleuropa in der Regel nicht mit denselben Kosten verbunden wie z.B. in den USA. Auch der Zeitauf­ wand ist weniger groß. Dennoch kann es viele Jahre dauern, bis über Streitigkeiten abschließend entschieden wird. Häufig kommt es zwar zu einem Vergleich – doch hätten die Beteiligten diesen auch sehr viel früher und kostengünstiger abschließen und noch bestehende Wertschöpfungspotentiale nutzen können. Nicht nur in dem zu Beginn des Kapitels erwähnten Beispiel aus der Softwarebranche, sondern auch in vielen anderen Fällen haben die Parteien am Ende der Auseinandersetzung ihre ei­ gentlichen Ziele verfehlt. Wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten sind aufgrund des Zeitablaufs eingeschränkt. Der Gegenwert von Waren, die im Zeitpunkt der Ent­ stehung eines Konflikts auf dem Markt noch erfolgreich hätten abgesetzt werden kön­ nen, lässt sich nur noch als Schadensposten oder gar nicht mehr geltend machen. Die Reputation ist beschädigt. Hohe direkte und indirekte Kosten sind angefallen. Diese sollen nicht vergebens aufgewendet worden sein (vgl. zu direkten wie indirekten Kos­ ten und dem sunk cost-Phänomen bereits Kapitel 1). So muss es allerdings nicht kommen. Wenn Sie das ganze Spektrum der Konfliktbei­ legung kennen und dieses frühzeitig nutzen, können Sie die frustrierenden Erfahrun­ gen vieler Unternehmen sowie überflüssige Ausgaben vermeiden und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen finden. Interessenorientiertes Verhandeln Auch ohne die Unterstützung Dritter besteht die Chance zu einer konstruktiveren Vorgehensweise. Die zuvor aufgezeigten Grenzen des intuitiven Verhandelns sind nämlich nicht unüberwindlich. Vielmehr bietet die sogenannte interessenorientierte 62

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

Verhandlungslehre ein methodisches Konzept zur Optimierung der Verhandlungs­ führung an. Dieses Modell ist in Deutschland als Harvard-Konzept bekannt gewor­ den.95 Dessen Autoren haben erkannt, dass viele Bemühungen um eine Verständi­ gung an den zuvor dargestellten intuitiven Verhaltensmustern scheitern. Elemente des Harvard-Konzepts Nach dem Harvard-Konzept soll der Schwerpunkt in Verhandlungen nicht auf den Positionen, sondern auf den Interessen der Beteiligten liegen. Entsprechend dem Rat der Autoren trennen gute Verhandlungsführer zwischen der Sach- und der Beziehungsebene. Die Parteien sind gehalten, möglichst viele Einigungsoptionen zu sam­ meln, bevor sie diese nach objektiven Kriterien bewerten. Erst wenn sich eine Eini­ gung abzeichnet, sollen die Beteiligten prüfen, ob dieses Ergebnis mindestens so gut ist wie ihre beste Alternative zu einem Vergleichsabschluss, also ihre Best Alternative to a Negotiated Agreement, oder abgekürzt: BATNA.96 Die Anwendung des Harvard-Konzepts hat sich praktisch bewährt. Sie verbessert die Verhandlungsführung erheblich. Das Modell stößt allerdings auch an Grenzen. Notwendigkeit der Offenlegung Um die Vorteile des Ansatzes zu nutzen, müssen die Verhandlungspartner sich näm­ lich gegenseitig umfassend über ihre Interessen informieren: Empirische Untersu­ chungen haben bestätigt, dass sich in zahlreichen Verhandlungen optimale Ergeb­ nisse nur erzielen lassen, wenn die Parteien ihre Präferenzen offenlegen.97 Davor schrecken sie allerdings in der Regel intuitiv zurück, weil sie befürchten, dass ihre Offenheit von der anderen Seite ausgenutzt wird. Dieser Umstand ist jedem schon aus Preisverhandlungen in Alltagsgeschäften bekannt: Weiß der Käufer um die Notwen­ digkeit eines Fahrzeugverkaufs, weil der Verkäufer beruflich im nächsten Monat ins Ausland geht, kann er den Preis drücken. Ist dem Verkäufer eines seltenen Automo­ bils bekannt, dass der Käufer dieses schon lange sucht und über keine Alternative verfügt, kann er einen höheren Preis verlangen. Der Anreiz, Informationen zu ver­ schweigen, ergibt sich aus einem Dilemma, in dem sich Parteien in Verhandlungen häufig befinden. Verhandlungsdilemma Wir haben bei der Untersuchung der intuitiven Verhaltensmuster in Verhandlungen bereits festgestellt, dass tatsächlich viel seltener, als von den Beteiligten angenommen, wirklich ein Nullsummenspiel – wie in einem sportlichen Wettkampf – vorliegt. Den­ noch konzentrieren sich die Verhandlungsführer regelmäßig auf ihren individuellen Vorteil. Insofern verhält es sich wie bei dem aus der Spieltheorie als Gefangenendilemma bekannten Entscheidungsproblem.98 Es wird in seiner Anwendung auf Verhand­ lungen auch als Verhandlungsdilemma bezeichnet.99

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Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

„„ Das Gefangenendilemma Zwei Komplizen in Gefangenschaft können ein Geständnis ablegen. Ihnen ist nicht erlaubt, miteinander zu sprechen. Sie stehen vor folgender Wahl: Wenn beide aussagen, werden auch beide wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Gesteht keiner, erhalten sie jeweils wegen Hehlerei eine Strafe von „nur“ jeweils sechs Monaten Gefängnis. Sagt einer aus, der andere aber nicht, trifft den Gestehenden als Kronzeuge keine Haftstrafe, während der andere zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt wird. Die Gefangenen werden rational jeweils überlegen, was der andere macht: Gesteht der Mithäftling, muss man für sich selbst eine fünfjährige Haftstrafe vermeiden. Schweigt der jeweils andere, will jeder die Freiheit durch die eigene Aussage erlangen. Für beide ist ein Geständnis also rational betrachtet die dominante Strategie: Wenn sich die Gefangenen nicht miteinander verständigen können, werden sie sich beide jeweils für ein Geständnis entscheiden. Der Nachteil dieser Entscheidung besteht darin, dass beide Gefangenen in diesem Fall zwei Jahre „absitzen“ müssen. Dagegen hätte der optimale Weg für sie gemeinsam darin gelegen, nicht auszusagen und nur zu einer sechsmonatigen Haftstrafe wegen Hehlerei verurteilt zu werden. Beispiel 7

kooperativ 6 Monate (gut)

B

nicht kooperativ 5 Jahre (schlecht)

kooperativ 6 Monate (gut)

0 Monate (hervorragend)

A 0 Monate (hervorragend)

2 Jahre (mittelmäßig)

nicht kooperativ 5 Jahre (schlecht)

2 Jahre (mittelmäßig)

Abbildung 3: Das Gefangenendilemma Ebenso wie im Gefangenendilemma haben auch Sie in Verhandlungen die Wahl zwi­ schen einem kooperativen und einem nicht kooperativen Verhandlungsstil. Entweder, Sie legen Informationen offen, stellen Ihre Präferenzen dar und führen den anderen nicht auf eine falsche Fährte, oder Sie geben so wenig Auskunft wie möglich, legen sich frühzeitig fest, geben irreführende Hinweise oder täuschen Ihr Gegenüber. Wenn 64

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

Sie und Ihr Verhandlungspartner kooperieren, werden Sie ein gutes Verhandlungser­ gebnis erzielen, das strukturell der sechsmonatigen Haftstrafe der Gefangenen ent­ spricht. Wenn keiner von Ihnen kooperiert, werden Sie nur mittelmäßig abschneiden. Wenn Ihr Verhandlungspartner allerdings kooperiert und Sie seine Offenheit ausnut­ zen, werden Sie sogar individuell einen hervorragenden Abschluss erreichen, welcher der Kronzeugenregelung ohne Freiheitsstrafe entspricht. Nehmen Sie an, dass nur Ihr Verhandlungspartner seine Präferenzen offen darstellt und Sie Ihre verschweigen. Sie weisen also z.B. nicht darauf hin, dass Sie Ihr Fahrzeug umgehend verkaufen müssen, weil Sie nächste Woche nach Übersee ziehen und noch Reisegeld benötigen. Der potentielle Käufer Ihres Fahrzeugs erklärt Ihnen dagegen in aller Offenheit, dass er sich in den Sportwagen verliebt hätte, den Sie verkaufen wol­ len, und schon lange ein Fahrzeug mit genau dem Silber-Metallic-Ton Ihres Fahr­ zeugs gesucht habe. Das Modell sei allerdings bei dieser Baureihe nur selten herge­ stellt worden. Er habe erst zwei andere, sehr viel ältere Fahrzeuge des gleichen Typs gesehen, die sich in einem weniger guten Zustand befunden hätten. In diesem Fall können Sie einen hohen Preis für das Fahrzeug verlangen. Sie erzielen also strukturell ein ebenso hervorragendes Ergebnis wie der Gefangene, der wegen seiner Aussage überhaupt keine Haftstrafe antreten muss, während Ihr Verhand­ lungspartner vergleichsweise ebenso schlecht abschneidet wie der Gefangene, der fünf Jahre hinter Gittern verbringen wird. Umgekehrt schließen Sie schlecht und Ihr Käu­ fer hervorragend ab, wenn Sie Ihre Umzugspläne und Ihre finanziellen Nöte offenle­ gen, während Ihr Kaufinteressent nichts über seine Begeisterung für Ihr Fahrzeug und dessen Seltenheitswert äußert. Wenn Sie sich beide bedeckt halten, erzielen Sie nach einigem Pokern über den Preis vermutlich ein mittelmäßiges Ergebnis, das strukturell der zweijährigen Haftstrafe der beiden Gefangenen entspricht. Wenn Sie sich beide rational verhalten, ziehen Sie ein hervorragendes gegenüber ei­ nem guten Verhandlungsergebnis vor. Für den Fall, dass Ihr Gegenüber nicht ko­ operiert, würden Sie immer noch lieber einen mittelmäßigen als einen schlechten ­Abschluss erreichen. Also werden Sie sich nicht kooperativ verhalten. Ihr Verhand­ lungspartner wird dieselben Überlegungen anstellen und zu derselben Einschätzung gelangen wie Sie. Für Sie beide besteht die überlegene Strategie somit darin, zur Ma­ ximierung des jeweils eigenen Nutzens bzw. zur Vermeidung der Ausbeutung durch den anderen nicht zu kooperieren, indem Sie z.B. Informationen über Ihre jeweiligen Präferenzen zurückhalten. Daher wird der Kaufinteressent Sie vermutlich ebenso we­ nig darüber informieren, dass er unbedingt Ihr Fahrzeug kaufen will, wie Sie ihm über ihre Umzugspläne und die Notwendigkeit, Ihre Reisekasse zu füllen, berichten werden. Wenn Sie beide Ihre Interessen verschweigen, erkennen Sie allerdings möglicherwei­ se eine eigentlich existierende, für Sie vorteilhafte Lösung nicht oder schließen zu ungünstigeren Konditionen als nötig ab. So kommt im Beispiel das Geschäft vielleicht nicht zustande, weil der Käufer Sie mit seiner Entscheidung noch ein wenig „zappeln“ lassen will oder Sie beim Preis zu hoch pokern. Das daraus resultierende Ergebnis fällt – wie im Fall des Geständnisses beider Gefangenen (beide müssen zweijährige 65

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

Haftstrafen verbüßen) – suboptimal aus: Sie verkaufen z.B. das Fahrzeug, von dem Sie sich trennen wollen, kurzerhand zu einem niedrigeren Preis an einen anderen Inte­ ressenten. Der potentielle Käufer findet sein Wunsch-Fahrzeug nicht. Das Verhand­ lungsdilemma besteht also darin, dass die individuell rationale Entscheidung, sich nicht kooperativ zu verhalten, zu einem für beide Seiten unerwünschten Ergebnis führt. Glücklicherweise gibt es in vielen Situationen tatsächlich auch rationale Gründe für ein kooperatives Verhalten. So berücksichtigt das Verhandlungsdilemma in seiner einfachen Form beispielsweise nicht, dass in langfristigen Geschäftsbeziehungen an­ dere Motive Vorrang haben. So sind die Verhandlungspartner häufig viel mehr daran interessiert, eine langjährige geschäftliche Partnerschaft zu erhalten, als in einem ein­ zelnen Geschäft ein paar Euro mehr „herauszuschlagen“ und dafür eine wirtschaftlich viel wertvollere Geschäftsbeziehung zu riskieren. Das Verhandlungsdilemma gibt je­ doch Aufschluss darüber, welche Umstände kooperatives Verhalten begünstigen oder behindern: Kommunikation, Informationsaustausch und Vertrauen sind wichtige Vo­ raussetzungen für die Optimierung von Verhandlungsergebnissen. Verteilungskriterien Selbst wenn sich das Verhandlungsdilemma bewältigen und die Wertschöpfung ma­ ximieren lässt, stellt sich in jeder Verhandlung irgendwann die Frage, wie der geschaf­ fene Wert verteilt werden soll. Das Harvard-Konzept empfiehlt zu diesem Zweck die Verwendung objektiver Kriterien. Tatsächlich gibt es allerdings keine objektiven, son­ dern allenfalls legitime, normative Kriterien. Wie schwierig es ist, diese zu identifizie­ ren (ausführlich dazu Kapitel 8), zeigt sich in Preisverhandlungen. Selbst für die Fest­ stellung eines Wertes, der sich im Markt bildet, stehen in der Regel verschiedene Maßstäbe zur Verfügung. So ist die Zahl der Methoden zur Bewertung von Unterneh­ men oder Immobilien kaum übersehbar. Ein neutraler Dritter, wie z.B. ein Mediator, kann die Parteien bei der Auswahl der Methode unterstützen und die Verteilungsdis­ kussion moderieren. Wegen der bereits erwähnten intuitiven Neigung, Maximalposi­ tionen zu beziehen, gleiten viele Verhandlungen im Verteilungsstadium aber wieder in einen Positionsstreit ab. Ohne Hilfestellung durch einen Dritten scheitern Eini­ gungsversuche von Parteien daher gelegentlich auch nach einer großen Annäherung an vergleichsweise kleinen Differenzen, wie z.B. der Aufteilung der Anwalts- oder Gerichtskosten. Verzerrte Wahrnehmung Das Harvard-Konzept setzt schließlich voraus, dass die Verhandlungspartner ihre Wahrnehmung erweitern bzw. korrigieren können. Das ist, wenn bereits ein Konflikt vorliegt, aufgrund der im ersten Kapitel beschriebenen kognitiven Barrieren (z.B. selektive Wahrnehmung, überoptimistische Einschätzung, reaktive Abwertung, Attri­ bution, Verlustangst) oft nicht einfach. Diese Hürden erschweren regelmäßig Infor­ mationsaustausch und Kooperation. Sie wirken sich umso stärker aus, je weiter sich ein Konflikt auf den Eskalationsstufen bereits in Richtung Abgrund bewegt hat. Aller­ 66

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

dings gibt es eine Reihe von Instrumenten, um die negativen Auswirkungen von Wahrnehmungsverzerrungen auszugleichen (ausführlich dazu in den Kapiteln 4 ff.). Mediation Auch intuitive Verhaltensweisen, das Verhandlungsdilemma, das Fehlen objektiver Kriterien und eine verzerrte Wahrnehmung schließen jedoch die konstruktive Suche nach einem Konsens oder zumindest einem Kompromiss nicht aus. Im Spektrum der Konfliktbeilegungsmethoden bietet die Mediation – zwischen direkten Verhandlun­ gen einerseits und der Delegation der Entscheidung an Richter, Schiedsrichter, ‑gut­ achter, Beschwerdestellen, Schlichter oder Vorgesetzte andererseits – ein Forum, das es den Parteien erlaubt, mit der Unterstützung durch einen Dritten zu einer selbstbe­ stimmten Einigung zu gelangen. Charakteristika In der Mediation unterstützt ein Dritter die Parteien in ihren Verhandlungen. Sie füh­ ren diese eigenverantwortlich und freiwillig. Der Mediator hat kein Entscheidungsrecht und keine Entscheidungsmacht. Seine Autorität beschränkt sich auf das Recht zur Ver­ handlungsleitung und stützt sich auf das Vertrauen, das ihm die Beteiligten entgegen­ bringen. Diese oder der Mediator können eine Mediation jederzeit abbrechen und beenden. Da der Mediator sie in ihren Verhandlungen unterstützt, folgt daraus ein weites Begriffsverständnis.100 Nach unserer Auffassung fällt jede Mitwirkung eines Dritten, die über eine rein kommunikative Unterstützung – wie z.B. in einer Modera­ tion – hinausgeht und nicht von vornherein – wie z.B. in einer Schlichtung – auf einen unverbindlichen Vorschlag ausgerichtet ist, grundsätzlich unter den Begriff der Me­ diation, wenn sie mindestens die Erörterung der Interessen, Einigungsoptionen und Nichteinigungsalternativen der Beteiligten einschließt. Funktion des Mediators In Kapitel 3 werden die verschiedenen Rollen, die ein Mediator wahrnimmt, näher erörtert. An dieser Stelle genügt es festzuhalten, dass er dafür sorgt, dass die Beteilig­ ten nicht im Austausch von Positionen verharren, sondern ihre eigentlichen Bedürf­ nisse und Interessen berücksichtigen (vgl. Kapitel 6). Die dafür nötigen Informationen bringt der Mediator in gemeinsamen Sitzungen oder in Einzelgesprächen mit Hilfe geeigneter Fragen in Erfahrung (vgl. Kapitel 5). Als Vermittler kann er so verhindern, dass die Parteien die Verhandlungsgegenstände vorzeitig eingrenzen und Lösungs­ möglichkeiten frühzeitig bewerten (vgl. Kapitel 5 und 7). Der Mediator achtet darauf, dass die eigentliche Verhandlung oder einzelne Verhandlungsrunden adäquat vorbe­ reitet und in diesen zwischen Schwierigkeiten auf der Sach- und der Beziehungsebene unterschieden wird (vgl. Kapitel 4). Seine Tätigkeit verhindert die Wahrnehmung von Interessengegensätzen als Nullsummenspiel bzw. Alles-oder-Nichts-Alternativen. Der Mediator kann schließlich den Blick der Beteiligten in die Zukunft lenken. Wenn zwei Unternehmen z.B. im Vertrieb kooperieren, aber die gewünschten Ziele nicht 67

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

erreichen, gibt es in einem frühen Stadium regelmäßig zahlreiche Ansatzpunkte, um auch in einer wenig befriedigenden wirtschaftlichen Situation zu einer Lösung zu kommen, welche Verluste minimiert und Kooperationsgewinne maximiert. Selbst nach der Beendigung eines Vertrages lassen sich immer wieder ungeahnte Lösungs­ möglichkeiten entdecken. So machte ein großer Warenhändler in einem Rechtsstreit mit einem Lieferanten ein Optionsrecht auf ein Warenlager geltend. Der Lieferant nahm die Position ein, das Optionsrecht bestehe nach der – zwischenzeitlich ausge­ sprochenen – Kündigung des Vertriebsvertrages nicht mehr. Die Auffassungen schie­ nen unvereinbar, bis in einer Mediation geklärt wurde, welchen Inhalt das Warenlager hatte. Dabei stellte sich heraus, dass beide Parteien ganz unterschiedliche Vermark­ tungsmöglichkeiten für das Inventar sahen. Erst die gemeinsame Feststellung des La­ gerbestandes eröffnete zusätzliche Lösungsmöglichkeiten und erlaubte eine Verstän­ digung. Vorteile Die Mediation hat im Vergleich mit den zuvor genannten, traditionellen Methoden der Konfliktbeilegung viele Vorteile: Die Parteien behalten die Kontrolle über den Verhandlungsprozess ebenso wie die Freiheit, das Verhandlungsergebnis nach ihren Vor­ stellungen zu gestalten, es anzunehmen oder auch abzulehnen (Primat der Freiwilligkeit hinsichtlich des Ergebnisses). Das Mediationsverfahren lässt sich vom ersten Kontakt zwischen dem Mediator und den Beteiligten bis zum eventuellen Abschluss einer Vergleichsvereinbarung schnell durchführen: Meistens genügen dafür wenige Wochen, ausnahmsweise wenige Monate. Angesichts des geringeren zeitlichen Auf­ wandes fallen auch die Kosten regelmäßig deutlich niedriger aus als in langwierigen direkten Verhandlungen oder streitigen Verfahren (vgl. Einleitung zu Teil  III). Die Beteiligten sind empirischen Untersuchungen zufolge mit dem Mediationsprozess und dessen Ergebnissen überdurchschnittlich zufrieden. Die Einigungsquote liegt re­ gelmäßig bei ca. 70–90 Prozent. „„ Erfolgsquoten in der Mediation Eine rechtsvergleichende Untersuchung aus dem Jahr 2013, die auf eine Vielzahl von empirischen Studien zurückgreift, nennt für die Mediation allgemein Erfolgsquoten zwischen 35% und 95% und speziell für die außergerichtliche Mediation in Europa Erfolgsquoten zwischen 75% und 80%.101 In Deutschland gibt es verlässliche statistische Daten nur zur gerichtsinternen Mediation, dem sogenannten Güterichterverfahren: Hier betrug die Erfolgsquote 2017 45%.102 Beispiel 8

Eignung Es gibt kaum Situationen, in denen sich die Mediation als Methode zur Konfliktbeile­ gung nicht eignet (vgl. Kapitel 12). Häufig wird behauptet, Mediation komme insbe­ sondere für Auseinandersetzungen in langfristigen Beziehungen in Betracht: Bei die­ sen sei das Potential für eine weitere Zusammenarbeit am größten. Wenn dagegen 68

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

z.B. zwischen Fremden ein Streit über die finanziellen Folgen eines Unfalls entstan­ den ist, komme nur eine juristische bzw. autoritäre Lösung in Frage. Unsere Erfah­ rung in der Mediation zeigt, dass diese Annahmen nicht zutreffen: Tatsächlich wollen sich beispielsweise auch seit langer Zeit verbundene Geschäftspartner, wenn es zu ei­ nem gravierenden Konflikt gekommen ist, ebenso voneinander trennen wie Ehepaa­ re, die sich in eine Scheidungsmediation begeben. Ihr Ziel besteht darin, im Laufe der Auseinandersetzung keinen weiteren Schaden entstehen zu lassen. Umgekehrt hat sich die Mediation als Methode auch in Situationen bewährt, in denen überhaupt keine persönliche Beziehung zwischen den Beteiligten bestand, wie z.B. in Pro­ dukthaftungsstreitigkeiten oder in kapitalmarktrechtlichen Auseinandersetzungen. So stimmte beispielsweise ein großes europäisches Orthopädieunternehmen der Er­ nennung eines Mediators zu, um über Ansprüche wegen angeblich fehlerhafter künstlicher Hüftgelenke zu verhandeln.103 Einer der Autoren hat einmal in einem Konflikt als Mediator vermittelt, der sich zwischen einem börsennotierten deutschen Industrieunternehmen und einem US-amerikanischen Hedge Fonds aus einer angeb­ lich falschen Ad Hoc-Mitteilung entwickelte. Die Mediation kann für alle fünf Konflikttypen des Wirtschaftslebens erfolgreich ge­ nutzt werden. In der Verhandlungsforschung geht man sogar vermehrt von einer wi­ derlegbaren Vermutung dafür aus, dass jeder Streit grundsätzlich für die Beilegung im Rahmen der Mediation geeignet ist („Step One: Assume Mediation“).104 So haben z.B. ein amerikanisches und ein deutsches Unternehmen in einem unveröffentlichten Fall aus unserer Praxis einen Sachkonflikt über die Beendigung eines Vertriebsvertra­ ges in einer Mediation beigelegt. In einem öffentlich bekannt gewordenen Grundsatzkonflikt verständigten sich IBM und Fujitsu mit der Hilfe von zwei Mediatoren über die Nutzung des IBM-Betriebssystems durch Fujitsu.105 Ein dreijähriger Streit zwi­ schen Tricia Cox und Julie Eisenhower, den beiden Töchtern des früheren US-Präsi­ denten Nixon, wegen der zukünftigen Nutzung und Aufsicht über die Präsidentenbi­ bliothek sowie den Einsatz finanzieller Mittel in Höhe von 20 Millionen US-Dollar konnte in einer Mediation einvernehmlich geregelt werden.106 Ebenso endeten die von der Öffentlichkeit verfolgten Tarifauseinandersetzungen in einem Verteilungskonflikt zwischen dem Museum of Modern Art in New York und dessen Mitarbei­ tern.107 Schließlich konnte ein Mediator in einem anderen, nicht publizierten Fall aus unserer Praxis die Gesellschafter eines Software-Unternehmens bei der Beilegung eines Strategiekonflikts über die Geschwindigkeit des weiteren Wachstums des Unter­ nehmens unterstützen. Deal Mediation Meistens kommt es in der Praxis erst zu einer Mediation, wenn direkte Verhandlun­ gen festgefahren oder gescheitert sind. Wir beobachten immer wieder, dass die Be­ troffenen Mediationsverfahren nicht frühzeitig genug einleiten und dadurch Lö­ sungsmöglichkeiten verspielen. Gelegentlich wäre es sogar sinnvoll, einen Mediator schon zu Vertragsverhandlungen hinzuzuziehen. Bereits in dieser Phase bestehen nämlich häufig weitreichende Interessengegensätze sowie die strategische Neigung, einander die eigenen Interessen nicht offen zu legen, an denen etwa Unternehmens­ 69

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

zusammenschlüsse scheitern können. Als Beispiel haben wir die gescheiterte Vereini­ gung von Deutscher Bank und Dresdner Bank bereits erwähnt (S. 29). Delikate The­ men wie Mehrheitsverhältnisse, Personalfragen und der Sitz einer Gesellschaft lassen sich unter Umständen mit Hilfe eines Dritten leichter behandeln. Diese Spielart der Mediation wird treffend auch als deal mediation108 bezeichnet. In vertraulich behan­ delten Einzelfällen ist sie vor Fusionen auch in Deutschland gewählt worden. Ebenso sind Integrationsprozesse nach einem Unternehmenszusammenschluss aber auch die Verhandlung von Auseinandersetzungsvereinbarungen zwischen Gesellschaftergrup­ pen ohne eines zuvor entbrannten Konflikts mediativ begleitet worden.109 „„ Deal Mediation in der Gesellschaftsfusion Einer der Autoren war als Mediator bei einem geplanten Zusammenschluss von Beratungsgesellschaften im Bereich des Patent- und Urheberrechts tätig. Die Gesellschaften unterschieden sich stark im Hinblick auf Firmenkultur und -größe. Gleichzeitig lagen die ökonomischen Vorteile der Fusion auf der Hand. Die kleinere Gesellschaft regte eine deal mediation an, um sich der jeweiligen Interessen vor der Fusion bestmöglichst zu vergewissern. In der Mediation wurden diese Interessen sehr ausführlich erörtert – alle Partner kamen zur Sprache. Insbesondere die Sorgen der kleineren Gesellschaft vor einer Marginalisierung im größeren Verbund traten deutlich zu Tage und wurden von den Partnern der größeren Gesellschaft wahrund ernstgenommen. Der schließlich vereinbarte Zusammenschluss konnte so mehr Wert schöpfen als es ohne die Mediation möglich gewesen wäre. Beispiel 9

Andere alternative Streitbeilegungsverfahren Um die in Verhandlungen zwischen den Beteiligten ohne Unterstützung Dritter auf­ tretenden Hürden aus dem Weg zu räumen, bieten sich neben der Mediation noch andere alternative Streitbeilegungsverfahren an. Ihre Einsatzmöglichkeiten und Funktionsweisen werden im Folgenden kurz dargestellt. Sie lassen sich im Einzelfall statt der Mediation wählen oder aber auch mit ihr kombinieren. Zunächst geht es um Methoden, die präventiv genutzt oder etabliert werden können, um die Entstehung oder Ausweitung eines Konflikts zu vermeiden (pre-dispute Alternative Dispute Reso­ lution bzw. ADR), anschließend um jene Verfahren, welche die Streitbeilegung da­ durch erleichtern, dass sie eine Prognose über den Ausgang eines Rechtsstreits erlau­ ben (post-dispute ADR). Pre-dispute ADR Um die Entstehung eines Konflikts zu vermeiden, kommt zunächst ganz allgemein die Moderation von Verhandlungen in Betracht. Bei größeren Projekten geht dem Beginn des Vorhabens in erweiterter Form oft ein sogenanntes partnering voraus. Für Großprojekte kann es sich darüber hinaus lohnen, von vornherein ein dispute review board als eine eigene Institution für die Beilegung von Streitigkeiten einzurichten. 70

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

„„ Systematische Konfliktvermeidung Um Gesprächen eine Struktur zu geben und Zeitverluste zu vermeiden, werden Arbeitssitzungen im Wirtschaftsleben regelmäßig moderiert. Manche Unternehmen nutzen die Moderation nicht nur für die effiziente Gestaltung interner Sitzungen, sondern auch zur Vermeidung von Konflikten, z.B. mit Geschäftspartnern. So wurde von einem der Weltmarktführer auf dem Gebiet der Verdichtungsgeräte (Maschinen für Erd‑, Asphalt‑ und Müllverdichtung), der Bomag GmbH, berichtet, dass dieser seine Kunden bereits in die Produktentwicklung einbeziehe und dabei für Planungsgespräche einen Moderator engagiere. Dessen Aufgabe bestehe darin, bei der Beratung über die Gestaltung neuer Produktreihen eine effektive Kommunikation zwischen Anbieter und Kunden zu gewährleisten. Gleichzeitig solle er die Zusammenarbeit zwischen Entwicklungs- und Produktionsteams erleichtern.110 Ein anderes Verfahren zur Konfliktvermeidung, das bereits vor dem eigentlichen Projektbeginn stattfindet, wird zunehmend in Projekt‑, Kooperations- oder Fusionsverträgen eingesetzt: In einem entspannten, geselligen Rahmen treffen die Projektbeteiligten bei einem als partnering bezeichneten Ereignis zusammen. Dadurch sollen sie sich kennenlernen, ein gemeinsames Verständnis der bevorstehenden Aufgabe erarbeiten, um später entstehende Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten leichter ausräumen zu können. Das partnering trägt dem Umstand Rechnung, dass neben der Zusammenarbeit auf der Sachebene die Beziehungsebene von Bedeutung ist.111 Darüber hinaus werden vor allem in größeren Bau- und vor allem auch Anlagebauprojekten Dritte zur Unterstützung der Konfliktbeilegung hinzugezogen. In der Regel handelt es sich um Sachverständige, die bereits vor Projektbeginn über das Vorhaben informiert werden. Die Mitglieder eines sogenannten dispute review board (DRB) können jederzeit angerufen werden, wenn es zu Auseinandersetzungen kommt. Mit der frühzeitigen Unterrichtung dieser Sachverständigen und der Möglichkeit, sie kurzfristig einschalten zu können, sollen eine zeitnahe Klärung von Sachkonflikten ermöglicht und Verzögerungen bei der Fertigstellung vermieden werden.112 Den Mitgliedern des dispute review board kann das Recht eingeräumt werden, verbindliche Anordnungen wie ein Schiedsgericht oder ‑gutachter zu treffen. Alternativ kann ihre Kompetenz auf unverbindliche Empfehlungen beschränkt werden. Beim Bau des Kanaltunnels ist z.B. ein Klärungsverfahren mit einem sogenannten adjudication board praktiziert worden.113 Auch in der deutschen Wirtschaft erfreuen sich dispute review boards (häufig auch kurz als dispute boards bezeichnet) zunehmender Beliebtheit. So betrachtet die Siemens AG dieses Verfahren in vielen Fällen als sogar gegenüber der Mediation vorzugswürdig.114 Beispiel 10

Post-dispute ADR Wenn sich die Parteien nach Konfliktentstehung zwar die abschließende Entschei­ dung vorbehalten, gleichzeitig aber die Einschätzung eines neutralen Dritten berück­ sichtigen oder sich auf der Basis des Vorschlags eines Dritten einigen wollen, kom­ 71

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

men insbesondere die Schlichtung oder schlichtungsähnliche Verfahren in Betracht. Manche Branchen haben dieses Vorgehen in der Funktion des Ombudsmannes insti­ tutionalisiert. „„ Schlichtungsverfahren Angesichts ihrer regelmäßigen Nutzung durch die Tarifpartner ist es erstaunlich, wie selten die Parteien in anderen internen oder externen Konflikten auf die Schlichtung zurückgreifen. In den USA ist dies anders: Unter den Programmen für alternative Streitbeilegung an staatlichen Gerichten befindet sich auch die early neutral evaluation. Hierbei unterstützt der Dritte die Parteien dadurch in ihren Vergleichsverhandlungen, dass er mit ihnen seine unverbindliche Einschätzung der Rechtslage diskutiert. Anders als ein Richter oder Schiedsrichter trifft der Schlichter keine verbindliche Entscheidung. Im Gegensatz zu einem Mediator unterbreitet er allerdings regelmäßig einen Vorschlag für eine Lösung. Der Übergang zu einer Mediation, die sich auf eng begrenzte Sachfragen konzentriert, zu denen der Mediator selbst Stellung bezieht (Sachbeurteilung, vgl. Kapitel 3), ist fließend.115 Eine besondere Bedeutung hat die Schlichtung seit vielen Jahren im Bereich von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Hier existieren in Deutschland seit vielen Jahren Schlichtungs- bzw. Ombudsinstitutionen, die sich mit Verbraucherbeschwerden befassen. So gibt es etwa seit 1992 einen Ombudsmann im privaten Bankgewerbe116 und seit 2001 eine ähnliche Institution in der Versicherungswirtschaft.117 Teilweise haben sich die Unternehmen, die an diesen Verfahren teilnehmen, dazu verpflichtet, Schlichtersprüche des Ombudsmanns bis zu einer bestimmten Wertgrenze anzuerkennen; in diesen Fällen ist die Schlichtung also einseitig verbindlich. Für die streitbeteiligten Verbraucher bleibt der Rechtsweg grundsätzlich offen. Viele Kunden sehen aber nach einem Schlichtungsverfahren davon ab, auch noch ein Gericht mit der Sache zu befassen. Die Verbraucherschlichtung hat durch das auf Basis europäischer Vorgaben erlassene Verbraucherstreitbeilegungsgesetz 2016 einen erheblichen Bedeutungszuwachs erhalten, wegen der faktischen Konkurrenz zur Ziviljustiz aber auch Kritik erfahren.118 Weniger etabliert ist demgegenüber das sog. mini-trial (vgl. Kapitel  9). In diesem Verfahren präsentieren die Rechtsanwälte der Parteien in komprimierter Form jeweils ihre Argumente in Anwesenheit der Entscheidungsträger. Diese können aufgrund des Vortrags ein eigenes Bild der Lage gewinnen. Ein neutraler Dritter kann anschließende Vergleichsverhandlungen moderieren. Das mini-trial bietet sich insbesondere in Sachkonflikten an, in denen die Beurteilung von Sachverhalts- und Rechtsfragen im Vordergrund steht und eine Beweisaufnahme in einer streitigen Verhandlung nicht erforderlich ist.119 Der Gedanke eines zur Erleichterung von Vergleichsverhandlungen abgekürzten Gerichtsverfahrens lässt sich auch nutzen, indem ein „Gericht“ oder „Schiedsgericht“ aus drei Personen im Rahmen einer mock litigation oder arbitration „zum Schein“ konstituiert wird. Dieses Gremium bekommt freilich keine Entscheidungsgewalt. Es wird vielmehr – wie im mini-trial – komprimierten Parteivorträgen folgen. Anschließend treffen die „Scheinrichter“ zusammen, beraten und verkünden, wie 72

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

sie entscheiden, um dadurch den Parteien eine Prognose über den Ausgang eines streitigen Verfahrens zu erleichtern. Der mini-trial erfüllt damit in gewisser Hinsicht die Funktion einer realitätsnahen Prozessrisikoanalyse.120 Beispiel 11

Collaborative Law Ein relativ neues Verfahren der Konfliktbeilegung ist mit dem Collaborative Law in den USA entstanden.121 Als „Mediation ohne Mediator“ ist es zwischen der zweipar­ teilichen, interessenorientierten Verhandlung und der drittunterstützten Mediation angesiedelt. Im Gegensatz zu einer reinen Verhandlung sind die Parteien im Rahmen des Collaborative Law-Verfahrens nicht auf sich allein gestellt, sondern werden in ih­ rer Auseinandersetzung durch Dritte unterstützt. Diese Aufgabe wird hier allerdings nicht wie in der Mediation durch einen Mediator als neutralen Vermittler, sondern durch Collaborative Law-Anwälte erfüllt. Dabei handelt es sich um „normale“ Anwäl­ te, die allerdings in Verhandlung und Mediation besonders geschult sind. Diese ste­ hen den Parteien als eigene Anwälte zur Seite, beraten sie in allen rechtlichen Fragen und vertreten deren Interessen gegenüber ihrem Verhandlungspartner. Im Gegensatz zu regulären Parteianwälten sind sie indes in besonderer Weise zu einer kooperativen, einvernehmlichen und interessenorientierten Verhandlungsführung bzw. Beilegung eines bereits entstandenen Konflikts verpflichtet. Aufgrund spezieller Collaborative Law-Verträge, die von allen Anwälten und Parteien unterzeichnet werden, verpflichten sich die Beteiligten, einen Konflikt oder etwa be­ stehende Interessensgegensätze kooperativ und ohne Beschreiten des Rechtsweges in einem problemlösungsorientierten Verhandlungsverfahren zu bewältigen und ge­ meinsam faire und beiderseits interessengerechte Lösungen zu entwickeln.122 Die Einleitung oder Androhung eines Zivilprozesses ist im Rahmen des Verfahrens aus­ geschlossen. Darüber hinaus verpflichten sich die Beteiligten zu absoluter Vertrau­ lichkeit und stellen sich gegenseitig alle notwendigen Informationen zur Verfügung. Den Collaborative Law-Anwälten ist es darüber hinaus vertraglich verboten, die Par­ teien in einem möglichen späteren Gerichtsverfahren zu vertreten, so dass ein hoher Verhaltensanreiz besteht, aktiv an einer kooperativen Verhandlungslösung mitzuwir­ ken, bzw. umgekehrt kein Anreiz besteht, diese einvernehmliche Lösung zu „torpe­ dieren“, um sodann an der anwaltlichen Vertretung in der sich womöglich anschlie­ ßenden gerichtlichen Auseinandersetzung weiter zu verdienen. Bei Bedarf und mit der Zustimmung aller Beteiligten können darüber hinaus neutrale Experten zur un­ terstützenden Klärung von Sachfragen hinzugezogen werden. Multi-step ADR Als Verantwortlicher im Unternehmen oder als Berater sollten Sie sicherstellen, dass die gewählte Vorgehensweise für die Beilegung des konkreten Konflikts tatsächlich am besten geeignet ist, indem Sie dem Motto fitting the forum to the fuss (in etwa: „das Streitforum dem Konflikt anpassen“) folgen.123 Das Wissen um die Methodenvielfalt 73

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

genügt dazu allerdings nicht. Für ein effektives Konfliktmanagement ist entschei­ dend, die geeignete Vorgehensweise so früh wie möglich auszuwählen. Dazu kommt es leider oft nicht, weil die Beteiligten zu lange darauf vertrauen, dass sie in direkten Verhandlungen eine Einigung erzielen. Wenn sie dann erkennen, dass sich eine Ver­ ständigung nicht erreichen lässt, sehen sie keine andere Chance mehr als die Dele­ gation. Daher ist es von großer Bedeutung, dass die Suche nach dem geeigneten ­Verfahren bestenfalls bereits vor der Entstehung von Konflikten (beispielsweise in Vertragsverhandlungen), spätestens aber unmittelbar nach Entstehung des Konflikts beginnt. In diesem Stadium können sich die Parteien in einer ergebnisoffenen, unver­ bindlichen Vorgehensweise noch ein Maximum an Prozess- und Ergebniskontrolle erhalten. Bei den Verfahren, die mindestens mit einem Vorschlag oder sogar mit ei­ nem verbindlichen Abschluss enden, überlassen sie die Herrschaft über das Procede­ re und den Ausgang dagegen von vornherein einem Dritten. Im Hinblick auf die Verfahrensgestaltung können Sie sich für die Wahl einer Methode oder eine Kombination mehrerer Methoden entscheiden.124 Informelle, unverbindli­ che Vorgehensweisen, wie das interessenorientierte Verhandeln, das partnering, die Moderation oder die Mediation, lassen sich mit formellen Verfahren kombinieren, die durch eine Empfehlung (wie im Falle eines Schlichters oder eines Ombudsmannes) oder eine verbindliche Entscheidung abgeschlossen werden. So besteht zum Beispiel die Möglichkeit, für den Fall des Scheiterns einer Mediation die Durchführung eines Schiedsverfahrens zu vereinbaren (med-arb) oder erst ein Schiedsverfahren und an­ schließend oder auch parallel eine Mediation durchzuführen (arb-med) (Kapi­ tel 10).125 Alternativ können die Beteiligten vor, während oder am Ende einer Media­ tion vereinbaren, Einzelfragen durch einen Sachverständigen oder – mit verbindlicher Wirkung – durch einen Schiedsgutachter oder auch Schiedsrichter klären zu lassen. „„ Einbeziehung von Sachverständigen In einer von einem der Autoren durchgeführten Mediation ging es etwa um einen Streit zwischen einem Hersteller von Speicherchips und einem Zulieferbetrieb der Automobilindustrie. Aufgrund eines Problems mit dem Chip kam es bei dem Automobilhersteller zu erheblichen Produktionsausfällen, die der Zulieferer im Wege des Regresses auf den Chip-Hersteller abwälzen wollte. Zwar erleichterte die dauernde Geschäftsbeziehung zwischen Zulieferer und Chip-Hersteller das Finden einer konsensualen Lösung. Ohne eine Klärung der Verantwortlichkeit für die Probleme mit dem Chip (Technologieschwäche? Einbaufehler? Bedienungsfehler?) wäre eine Einigung in der Mediation jedoch kaum möglich gewesen. Deswegen wurde ein Sachverständiger hinzugezogen, der in der Mediation binnen einer halben Stunde die vorliegenden Parteigutachten auf Plausibilität prüfte und die Einschätzung abgab, dass vermutlich eine Technologieschwäche vorgelegen habe. Einige Stunden später kam es zum Vergleich. In einer anderen von einem der Autoren durchgeführten Mediation stritten sich Käufer und Verkäufer eines Unternehmens über die Haftung für Schäden durch Asbest und Künstliche Mineralfasern (KMF). Sie verständigten sich darauf, dass ein gemeinsam akzeptierter Sachverständiger im Rahmen der laufenden Mediation ein unverbindliches Sachverständigengutachten über die Schäden und die Kosten ih74

Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

rer Beseitigung erstellen solle. Eine Einigung scheiterte in diesem Fall an den unterschiedlichen und nicht überbrückbaren Einschätzungen der Beteiligten zu den vertraglichen Haftungsgrundlagen. Beispiel 12

Strukturell vergleichbare, gestaffelte Vorgehensweisen hat der Gesetzgeber für be­ triebsverfassungsrechtliche Auseinandersetzungen vorgesehen (§  76 BetrVG). Das Einigungsstellenverfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat entspricht einer Abfolge aus Schlichtung und Schiedsverfahren. Zu Be­ ginn der Verhandlung nimmt der Vorsitzende nämlich die Funktion des Schlichters wahr. Wenn die paritätisch besetzte Einigungsstelle allerdings keinen Konsens her­ beiführen kann und Stimmengleichheit besteht, muss der Vorsitzende – wie ein Rich­ ter oder Schiedsrichter – eine Entscheidung treffen. Die von der Arbeitsgemeinschaft Baurecht im Deutschen Anwaltverein entwickelte Schlichtungsordnung (SOBau) sieht ebenfalls ausdrücklich ein zweistufiges Verfahren vor, in dem ein Schiedsverfahren auf eine Schlichtung folgt.126 Derartige Kombinationen verschiedener Methoden der Konfliktbeilegung werden auch als mehrstufige alternative Streitbeilegung bezeichnet (multi-step ADR). Einige amerikanische Unternehmen haben sowohl für Streitigkeiten mit und zwischen An­ gestellten wie auch für Konflikte mit Kunden spezielle Streitbeilegungsprogramme entwickelt (dispute systems design).127 In Deutschland beschränken sich derartige Pro­ gramme derzeit überwiegend noch auf den Umgang mit Kundenbeschwerden (Beschwerdemanagement).128 Doch finden auch hier umfassende und differenzierte An­ sätze zunehmend Interesse (vgl. Kapitel 13).

Praktische Bedeutung der ADR-Methoden Angesichts ihrer Eignung für die Beilegung aller im ersten Kapitel genannten Kon­ flikttypen hat die Mediation unter den Methoden zur alternativen Streitbeilegung ein besonders großes Potential. Das zeigt sich zunächst in Studien aus den USA, wo sich das Mediationsverfahren schon vor längerer Zeit etabliert hat. So hat etwa eine empi­ rische Untersuchung der geografischen Verteilung von Mediationshäufigkeit und -dichte  – der sogenannte Mediation Receptivity Index (MRI) des emeritierten Har­ vard-Professors Frank Sander – gezeigt, dass die Mediation in den Wirtschafts- und Finanzzentren sowie in den Regionen, in denen sie besonders gefördert wird (z.B. Florida, Washington D.C.), die größte Akzeptanz erfährt.129 Auch in Deutschland gibt es aussagekräftige Erhebungen zur Wirtschaftsmediation. Die von PriceWaterhouseCoopers seit 2005 in Auftrag gegebenen und zuletzt im Jahr 2015 aktualisierten Studien zum praktischen Konfliktmanagement in deutschen Un­ ternehmen kamen zu dem Ergebnis, dass die große Mehrzahl der befragten Unter­ nehmen zwar alternative Streitbeilegungsverfahren wie die Schlichtung oder die Me­ diation gegenüber dem staatlichen Gerichtsverfahren als vorteilhafter einordneten, der gerichtliche Prozess aber nach wie vor das tatsächlich meistgenutzte Verfahren zur Konfliktbewältigung darstellt. Dies überrascht, weil zwar die Qualität des deut­ 75

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

schen Gerichtssystems als solche nicht in Frage gestellt wurde, dieses jedoch als teuer und ineffizient eingestuft wird.130 Zu einem ähnlichen Befund kommt eine Studie der Wirtschaftskanzlei TaylorWessing aus dem Jahre 2009, die darüber hinaus feststellt, dass die gerichtsinterne Mediation als fester Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens von 75 % der Befragten begrüßt wird.131 Damit genießt die Wirtschaftsmediation hier zwar sicherlich noch nicht denselben Stellenwert wie in den USA. In den vergangenen Jahren haben jedoch auch die heimi­ schen Unternehmen zunehmend erkannt, dass eine einvernehmliche, wertschöpfen­ de Konfliktbeilegung auch dann noch möglich ist, wenn direkte Verhandlungen ge­ scheitert sind. So ließ sich beispielsweise kurz vor Weihnachten 2016 ein bereits rechtshängiger Streit zwischen der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz und dem Bankhaus Sal. Oppenheim um Schadensersatz in Höhe von knapp 2 Milliarden Euro durch Einschaltung eines außergerichtlichen Mediators gütlich beilegen.132 Andere Mediationsverfahren wurden z.B. in der Energie- und Informationstechnologie­ branche sowie im Handel und im Zusammenhang mit langfristigen Kooperationsver­ trägen in der Industrie erfolgreich durchgeführt. Daneben findet die Mediation ­branchenübergreifend sehr häufig in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten praktisch Anwendung. Für ein systematisches Konfliktmanagement im Bereich unternehmerischer Streitig­ keiten existiert auch in Deutschland mittlerweile die notwendige Infrastruktur: Seit 1998 unterstützt das Europäische Institut für Conflict Management e.V. (eucon)133 Un­ ternehmen bei der Gestaltung und Durchführung alternativer Streitbeilegungsver­ fahren. Zu den Förderern dieses Instituts zählten bzw. zählen z.B. die Siemens AG ebenso wie Ericsson oder Unternehmen der Versicherungsbranche und Vertreter na­ hezu aller großen Wirtschaftskanzleien. Seit dem Frühjahr 2000 existiert mit dem Munich Center for Dispute Resolution (zuvor Centrum für Verhandlungen und Mediation) an der Ludwig-Maximilians-Universität München die erste akademische Ein­ richtung, die den Austausch zwischen Wirtschaft und Forschung über Möglichkeiten der Optimierung der Konfliktbeilegung systematisch fördert. Zu den Sponsoren ge­ hörten bzw. gehören ebenfalls renommierte Adressen der deutschen Wirtschaft wie die Siemens AG und mehrere internationale Großkanzleien. Neben dem ebenfalls seit dem Jahr 2000 bestehenden Contarini-Institut für Mediation an der Fernuniversität Hagen wurde im Jahr 2003 an der Universität Heidelberg das Heidelberg Center for International Dispute Resolution als weitere Forschungseinrichtung dieser Art ins Le­ ben gerufen. Seit 2008 existiert darüber hinaus an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) ein Institut für Konfliktmanagement, das unter anderem einen Mas­ ter-Studiengang Mediation anbietet. Unter den Initiativen der Wirtschaft selbst ist insbesondere der im Jahr 2008 gegrün­ dete Round Table Mediation und Konfliktmanagement der Deutschen Wirtschaft her­ vorzuheben.

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Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen ­|  Kap. 2

„„ Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft Die SAP AG und die E.ON Kernkraft GmbH haben den „Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft“ ins Leben gerufen. Mittlerweile sind auch die Aareon AG, ABB AG, AIRBUS Operations GmbH, AREVA GmbH, Atos, AUDI AG, Bayer AG, Bombardier Transportation GmbH, B2X Care Solutions GmbH, Computacenter AG & Co. ohG, Deutsche Bahn AG, Deutsche Bank AG, Deutsche Telekom AG, Ed. Züblin AG, ERGO AG, Fraunhofer Gesellschaft, GRUNDIG Inter­media GmbH, HSG Zander GmbH, innogy SE, I. K. Hofmann GmbH, Landesbank Saar, Lufthansa Technik AG, Maritim Hotelgesellschaft mbH, Nokia Siemens Networks GmbH & Co. KG, Nordex-online, Porsche AG, Siemens AG, Sweco GmbH, Vinci Energies, ­Vivawest Wohnen GmbH und die Wirecard AG am Round Table vertreten. Innerhalb dieses Gremiums tauschen Vertreter der beteiligten Unternehmen sich über ihre jeweiligen Methoden des Konfliktmanagements aus und bilden zugleich ein Sprachrohr der deutschen Wirtschaft gegenüber der Politik sowie sonstigen Dritten zu Fragen der Mediation und des Konfliktmanagements. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet vom Institut für Konfliktmanagement der Viadrina Universität Frankfurt/Oder.134 Beispiel 13

Zusammenfassung Intuitiv beharren die an einem Konflikt Beteiligten häufig auf ihren Positionen. Sie trennen nicht zwischen ihrer Meinung über die andere Seite und dem Gegenstand der Auseinandersetzung. Die Verhandlungsmasse sehen sie regelmäßig als begrenzt an. Lösungsmöglichkeiten werden frühzeitig bewertet und als Alternativen verstanden, die wenig Spielraum lassen („Alles-oder-Nichts“). Im Vorteil des anderen schlägt sich nach dieser Sichtweise wie in einem Nullsummenspiel als Kehrseite der eigene Nach­ teil nieder. Schon um sich dagegen zu schützen, konzentrieren sich Verhandlungsfüh­ rer intuitiv überwiegend oder vollständig auf eine Maximierung des eigenen Nutzens. Um die damit verbundenen, nachteiligen Folgen (keine Einigung, suboptimale Er­ gebnisse, weitere Eskalation, hohe materielle wie immaterielle Kosten) zu vermeiden, lassen sich durch die Wahl geeigneter Methoden (z.B. durch Moderation, partnering oder den Einsatz von dispute review boards) bereits präventiv Vorkehrungen für den Konfliktfall treffen (pre-dispute ADR). Den Fallen des intuitiven Verhandelns können die Beteiligten entgehen, indem sie die Grundsätze des Harvard-Konzepts beachten. Häufig sind die Parteien jedoch nicht in der Lage, den Konflikt selbständig beizule­ gen. Hier kann die Unterstützung durch einen Mediator helfen, der auf der Grundla­ ge umfassender Informationen mit den Beteiligten an einer einvernehmlichen Kon­ fliktlösung arbeitet. Der Erfolg gibt der Mediation Recht: Sie führt in mehr als drei Vierteln aller Streitig­ keiten zu einer Verständigung und darüber hinaus inhaltlich zu beiderseits interes­ sengerechten, wertschöpfenden Ergebnissen, die so nicht durch verbindliche Drit­ tentscheidung realisierbar wären. Die Mediation ist kein starres, förmliches Verfahren, 77

Teil I ­|  Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements

sondern extrem flexibel, lässt sich zügig durchführen und erhält den Parteien ein Maximum an Verfahrens- und Ergebniskontrolle. Ist bereits ein Konflikt entstanden (post-dispute ADR), stehen neben der Mediation alternativ und ergänzend z.B. die Schlichtung (über Tarifauseinandersetzungen hin­ aus), der mini-trial oder Ombudsleute ebenso zur Verfügung wie die traditionellen alternativen Konfliktlösungsmechanismen des Schiedsverfahrens und des Schiedsgutachtens. Auch innovative Ansätze wie eine mock arbitration oder litigation sind denk­ bar. Sie können in verschiedenen Varianten als mehrstufige Hybridverfahren kombi­ niert werden (multi-step ADR). Unabhängig davon, ob Sie eine Methode wählen oder mehrere Optionen verbinden wollen, sollten Sie die von ihnen angestrebte Vorge­ hensweise stets im Hinblick auf ihre Eignung zur Beilegung des konkreten Konflikts prüfen und damit dem Leitgedanken des fitting the forum to the fuss Rechnung tragen. In den USA – aber auch zum Beispiel in Großbritannien – haben sich die Mediation und andere alternative Methoden der Konfliktbeilegung in den letzten Jahrzehnten bewährt und inzwischen fest in der „Landschaft“ der Streitbeilegung im Wirtschafts­ leben etabliert. Auch in Deutschland ist die Mediation mittlerweile „angekommen“ und aus der Rechtspraxis nicht mehr wegzudenken. In zahlreichen Bundesländern sind gerichtsverbundene Mediationsprogramme entstanden, und auch von Unter­ nehmen wird die Mediation in verstärktem Maße sowohl in internen als auch in ex­ ternen Konflikten eingesetzt. In den letzten Jahrzehnten hat sich damit das Verständnis des Umgangs mit Konflik­ ten entscheidend gewandelt. An die Stelle des antagonistischen „Kampfes um das Recht“ ist zunehmend die gemeinsame Problemlösung getreten. Es hat sich die Er­ kenntnis durchgesetzt, dass auch am Ende eines gewonnenen Prozesses meistens zwei Verlierer stehen – im Hinblick auf Zeit, Kosten, Reputation und verschenkte Werte. Der Zivilprozess ist nicht mehr der alleinige Königsweg, sondern nur noch eines von mehreren möglichen Instrumenten der Streitbeilegung. Den Parteien steht heute eine Vielzahl von Verfahren zur Behandlung von Konflikten zur Verfügung, aus denen sie das für ihren Konflikt geeignete auswählen können. Der Mediation kommt dabei in der Verhandlungsforschung wie auch in der realen Rechtspraxis eine Schlüsselrolle zu. In den folgenden Abschnitten wollen wir Ihnen nun zeigen, wie Sie die Mediation erfolgreich zur Beilegung von Konflikten einsetzen können.

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Teil II Die Methode der Mediation Im ersten Teil des Buches haben wir die Frage nach den Ursachen, der Entwicklung und den Folgen von Konflikten in der Wirtschaft untersucht und sodann eine ganze Reihe von Verfahren kennengelernt, die zur Behandlung von Wirtschaftskonflikten geeignet sind. Dabei haben wir uns einen ersten Überblick über das interessenorien­ tierte Verhandeln nach dem Harvard-Konzept und das Mediationsverfahren ver­ schafft. Im zweiten Teil geht es nun um die Methode der Wirtschaftsmediation. Dabei wollen wir Ihnen eine von mehreren möglichen Methoden vorstellen, eine Me­ diation erfolgreich durchzuführen. Denn auch wenn es bestimmte Grundsätze des Mediationsverfahrens – wie etwa den Grundsatz der Vertraulichkeit – gibt, so exis­ tiert doch nicht die eine richtige Methode der Mediation. Diese ist vielmehr flexibel und von den Zielen des Verfahrens, der Person des Mediators, den Erwartungen der Parteien und den konkreten Besonderheiten des jeweiligen Konfliktes abhängig. Da die Parteien in den Grenzen des Rechts die Art, wie sie ihren Konflikt beilegen, frei bestimmen – also von ihrer Privatautonomie Gebrauch machen – können, ist die Me­ diation auch nicht auf eine bestimmte Methode festgelegt. Vielmehr kann der Media­ tor seine Rolle und den Ablauf der Mediation unter Berücksichtigung der Vorstellun­ gen der Parteien ganz unterschiedlich ausgestalten und auch flexibel an den Gang der Verhandlung anpassen. Für unsere Darstellung haben wir ein 5‑Phasen-Modell der Mediation gewählt. Es wird nach unserer Erfahrung den Anforderungen an das Verfahren am besten gerecht und hat sich in der Ausbildung wie auch in der realen Mediationspraxis hervorragend bewährt. Danach lässt sich der Verlauf einer Wirtschaftsmediation idealtypisch in eine Vorphase (Phase 0) und fünf Phasen einteilen (vgl. Abbildung 1). Dabei handelt es sich um einen flexiblen Rahmen, nicht um eine starre Struktur.

Phase 0 Einstieg in die Mediation

Phase 1 Eröffnung der Mediation

Phase 2 Bestandsaufnahme (Themen, Sachlage, Rechtsfragen)

Phase 3 Erforschen der Interessen

Phase 4 Entwicklung von Lösungen

Phase 5

Bewerten Vereinbarung/ der Lösun- Abschluss eines gen und LösungsNichteinipaketes gungsalternativen

Abbildung 1: Phasen einer Wirtschaftsmediation

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Teil II ­|  Methode der Mediation

Phase 0: Einstieg in die Mediation Aus Sicht von Unternehmensvertretern und Rechtsanwälten, die bereits praktische Erfahrungen mit der Vorbereitung einer Mediation gesammelt haben, kann bei Aus­ einandersetzungen zwischen Unternehmen die größte Schwierigkeit zunächst darin bestehen, überhaupt erst einmal in die Mediation zu gelangen. Sofern die Parteien insoweit noch keine vertragliche Vereinbarung getroffen haben, müssen sie sich über die Durchführung des Mediationsverfahrens einigen, was eine ausreichende Infor­ mation über die Grundzüge des Verfahrens und ggf. entsprechende Überzeugungsar­ beit erfordert. Anschließend ist zu klären, ob die Parteien die Mediation mit Hilfe einer Institution oder in eigenständiger Regie durchführen wollen (vgl. Kapitel 12). Phase 1: Eröffnung der Mediation Haben sich die Parteien auf die Durchführung einer Mediation und auf Sie als Medi­ ator verständigt, werden Sie zunächst den genauen Ablauf des Verfahrens inhaltlich vorbereiten und – gemeinsam mit den Konfliktparteien – die Teilnehmer an den Ver­ handlungen auswählen. Am Tagungsort eröffnen Sie dann die eigentliche Mediati­ onsverhandlung (vgl. Kapitel 3 und 4). Die Phase 1 beginnt. Anlässlich der Eröffnung macht der Mediator üblicherweise einige kurze Eingangsbe­ merkungen, in denen er die Charakteristika der Mediation, seine Rolle und den Ablauf der Sitzung zusammenfasst. Wichtig ist dabei, dass Sie sich gemäß § 2 Abs. 2 Mediati­ onsG vergewissern, dass die Parteien die Grundsätze und den Ablauf einer Mediation verstanden haben und freiwillig an dem Verfahren teilnehmen. Hinweise für die Ge­ staltung eines solchen Eröffnungsgesprächs finden Sie im Anhang S. 377 f. Regelmäßig werden Sie darin auch Ihre eigene Unparteilichkeit und Neutralität betonen. Gibt es Umstände, die Ihre Unparteilichkeit und Neutralität beeinträchtigen könnten, müssen Sie diese gemäß § 3 Abs. 1 MediationsG offenlegen. Sie dürfen das Verfahren in diesen Fällen nur fortsetzen, wenn die Parteien damit ausdrücklich einverstanden sind und kein Fall der absoluten Tätigkeitsverbote nach § 3 Abs. 2 MediationsG vorliegt. Unter Umständen müssen Punkte aus den Vorgesprächen aufgegriffen werden, die noch klä­ rungsbedürftig geblieben sind. Dazu kann, insbesondere wenn die Gestaltung oder Verwirklichung von Rechten eine Rolle spielt, eine nähere Abstimmung über Ihre Rol­ le gehören (vgl. Kapitel 3). In diesem Fall werden Sie mit den Beteiligten erörtern, ob bzw. inwieweit Sie als Mediator zu Rechtsfragen Stellung nehmen. In diesem Zusam­ menhang sollten Sie auch darauf hinweisen, dass Sie gemäß § 4 MediationsG zur Ver­ schwiegenheit verpflichtet sind und in einem womöglich folgenden Zivilprozess nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht als Zeuge für das in der Medi­ ation Gehörte zur Verfügung stehen.135 Für Anwaltsmediatoren ergibt sich dies zusätz­ lich auch aus § 43a Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sowie § 18 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA). Falls die Parteien nach Ihrem fachlichen Hintergrund, Ihrer Ausbildung oder Ihrer Mediationserfahrung fragen, müssen Sie darauf gemäß § 3 Abs. 5 MediationsG aussagekräftig antworten. Sofern die Parteien zuvor noch keine Mediationsvereinbarung und/oder keinen Mediatorvertrag abge­ schlossen haben, sollte dies spätestens jetzt geschehen (vgl. Kapitel 12). 80

Methode der Mediation ­|  Teil II

Dem Eröffnungsgespräch kommt darüber hinaus auch in psychologischer Hinsicht eine prägende Bedeutung für das gesamte weitere Geschehen des Mediationsverfah­ rens zu. Hier können Sie auf die Parteien beruhigend einwirken, Vertrauen schaffen und den richtigen Ton angeben. Wie auch sonst im Leben, so gilt auch hier, dass der erste Eindruck der wichtigste ist. Hier stellen Sie die Weichen für den weiteren Ablauf der Verhandlung. Durch eine positive Grundeinstellung und die Art, wie Sie auf die Parteien eingehen, können Sie die Grundlagen für eine offene, vertrauensvolle und kooperative Atmosphäre zwischen den Parteien und damit auch für den Erfolg des gesamten Mediationsverfahrens legen.136 In komplexeren Konflikten findet die Eröffnung der Mediation zuweilen mit einigem Vorlauf zeitlich entkoppelt von den eigentlichen Verhandlungen statt. Das Eröff­ nungsgespräch wird dann auch dazu genutzt, den genaueren Ablauf der Mediations­ verhandlung – in diesen Fällen häufig in mehreren Terminen – zu planen und logis­ tisch vorzubereiten. Gerade in Konflikten mit vielen oder sehr großen beteiligten Unternehmen mit mehreren Hierarchiestufen und/oder bei sehr komplexen Streitfra­ gen benötigen die Beteiligten bisweilen zwischen den einzelnen Verfahrensschritten Phasen des Berichtens und Überdenkens, bevor sie die Mediation fortsetzen und schließlich abschließen können. In solchen Fällen sind die oben beschriebenen ein­ zelnen Phasen der Mediation über mehrere Termine zu erstrecken. Phase 2: Bestandsaufnahme Die zweite Phase der Mediation dient der Erörterung der Verhandlungsthemen sowie der Sach- und (ggf.) Rechtslage, über die Sie nach der Statuserhebung bereits einen Überblick gewonnen haben (vgl. Kapitel 4). Welche Themen dabei zu behandeln sind, hängt vom Konflikttyp ebenso wie von den Besonderheiten des Einzelfalls ab. Ihre Aufgabe als Mediator besteht in dieser Phase darin sicherzustellen, dass alle relevan­ ten Themen erfasst, Missverständnisse – soweit möglich – ausgeräumt und Informa­ tionslücken geschlossen werden. Dadurch geben Sie den Beteiligten später die Gele­ genheit, Wahrnehmungsunterschiede festzustellen und die eigene Sichtweise kritisch zu überprüfen (vgl. Kapitel 5). Unabhängig von verbleibenden unterschiedlichen Be­ wertungen einzelner Umstände sollten die Beteiligten am Ende dieser Phase zumin­ dest ein gemeinsames Verständnis der Konfliktursachen und der in der Mediation zu behandelnden Themen entwickelt haben. Phase 3: Erforschen der Interessen In der dritten Phase der Mediation kommt Ihnen als Mediator die Aufgabe zu, die hinter den geltend gemachten Positionen verborgenen, tatsächlichen Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten zu erforschen (vgl. Kapitel 6). In dieser Phase sollten Sie herausfinden, was den Beteiligten wirklich wichtig ist, woran ihnen mehr und woran weniger liegt. Das ist gelegentlich nicht leicht, da die Parteien intuitiv dazu neigen, Positionen zu beziehen, ohne ihre eigentlichen Interessen preiszugeben (vgl. Kapi­ tel 2). Sobald sie sich auf einen Standpunkt festgelegt haben, verlieren sie gelegentlich auch die dahinterstehenden Interessen aus dem Blick. Selbst wenn sich die Beteiligten 81

Teil II ­|  Methode der Mediation

ihrer Interessen bewusst bleiben, machen sie sich häufig wenig Gedanken darüber, in welchem Prioritätsverhältnis diese untereinander stehen. Darüber hinaus können sich die Interessen im Laufe der Zeit ändern, so dass sie sich nach einer längeren Kon­ fliktdauer möglicherweise nicht mehr mit den ursprünglichen Bedürfnissen der Par­ teien decken. Phase 4: Entwickeln und Bewerten von Lösungen In der vierten Phase beginnt der Prozess der Problemlösung (vgl. Kapitel 7). In die­ sem Abschnitt tragen Sie als Mediator gemeinsam mit den Parteien in einem Brainstorming zunächst so viele Ideen wie möglich zur Beilegung des Konflikts zusammen. Dabei sollten Sie darauf achten, dass sich die Beteiligten darum bemühen, auch ihnen selbst unrealistisch oder gar verrückt erscheinende Einfälle zu entwickeln, ohne diese zu bewerten. Die Bewertung findet in dieser Phase erst in einem zweiten Schritt statt. Nur so kann verhindert werden, dass gute Ideen durch eine vorschnelle Festlegung auf andere Lösungsvorschläge verlorengehen. Die Trennung zwischen der Sammlung und Bewertung bereitet allerdings vielen Personen große Schwierigkeiten. Denn die meisten unter uns neigen dazu, Äußerungen sofort zu beurteilen. Seien Sie daher als Mediator nicht überrascht, wenn Sie in dieser Phase zunächst auf Widerstand stoßen. Geschäftsleute und Rechtsanwälte fürchten oft, dass sie später an unbedachten Äußerungen aus einem Brainstorming festgehalten werden könnten. Um den Beteiligten diese Sorge zu nehmen, sollten Sie zu Beginn der Sammlung klar­ stellen, dass diese vollkommen unverbindlich erfolgt und keine Urheberschaft an Ide­ en besteht. Erst anschließend geht es darum, die gesammelten Ideen im Hinblick auf ihre Reali­ sierbarkeit zu prüfen. Gleichzeitig ist zu überlegen, mit welchen Lösungsmöglichkei­ ten sich der größte Wert schöpfen lässt und wie die einzelnen Optionen unter Berück­ sichtigung von Fairness-Gesichtspunkten zu beurteilen sind. Insbesondere in Sach‑, Strategie- und Grundsatzkonflikten kommt es darauf an, möglichst geeignete, legitime Bewertungskriterien zu identifizieren. Besonders schwierig ist dies in den meisten Verteilungskonflikten (vgl. Kapitel 8). Nach Abschluss der Bewertung ist zu überlegen, wie sich die identifizierten Einigungsoptionen zu den Nichteinigungsalternativen der Beteiligten verhalten (vgl. Kapitel 9). Phase 5: Abschluss des Verfahrens In der fünften und letzten Phase der Mediation geht es darum, aus den realisierbaren Einigungsoptionen ein Gesamtpaket zu schnüren, das sich umsetzen und ggf. auch rechtlich durchsetzen lässt (vgl. Kapitel 10). Sofern zusätzliche Schritte zu erledigen sind, wie z.B. die notarielle Beurkundung einer Anteilsübertragung zur Bewältigung eines Gesellschafterkonflikts, ist die weitere Vorgehensweise abzustimmen. In vielen Fällen lässt sich in dieser Phase auch ein letztes Feilschen um die Höhe von Zahlun­ gen, Zeitpunkte, Zinsen oder Steuervorteile nicht ganz vermeiden. Daran scheitert die Mediation gewöhnlich allerdings nicht mehr. Sobald sich die Beteiligten über die 82

Methode der Mediation ­|  Teil II

Eckpunkte verständigt haben, ist regelmäßig auch die Grundlage für die konkrete Umsetzung einer Vergleichslösung gelegt. Die hier dargestellte Phasenstruktur einer Wirtschaftsmediation ist, das sei erneut betont, kein Prokrustesbett und sollte es auch nicht sein. Sie ist ein Orientierungsrahmen, der dabei hilft, sich in und mit dieser Form der Konfliktbehandlung zurechtzu­ finden  – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Jede Wirtschaftsmediation hat ihre unverwechselbare Gestalt: Sie ist ein Verfahren der Beteiligten, und diese können es ganz auf ihre Wünsche und Bedürfnisse zuschneiden. Dabei zeigt die Erfahrung, dass sich auch komplexere Verfahren in einigen Tagen zu einem erfolgreichen Abschluss führen lassen. Anders als etwa in der Familienmedia­ tion wird in der Wirtschaftsmediation eher selten in mehreren Sitzungen verhandelt. Aus praktischen Gründen, insbesondere zur Sicherstellung der Anwesenheit zentra­ ler Entscheidungsträger, wird zumeist versucht, eine Konfliktlösung „in einem Zug“ herbeizuführen. Ähnlich wie bei der Verhandlung größerer Transaktionen entsteht so nicht selten eine besondere Dynamik, manchmal auch eine besondere Dramatik. Gleichwohl ist auch hier Flexibilität gefragt: Wenn die Komplexität des Konflikts oder die Interessen der Parteien es erfordern, kann das Verfahren ruhig auf mehrere Ter­ mine verteilt werden. In den folgenden Kapiteln werden Sie mehr über die Methode der Mediation erfah­ ren. Unsere Darstellung wird dem typischen Ablauf einer Mediation bei Wirtschafts­ konflikten folgen und anwendungsorientiert sein: von der Benennung eines bestimm­ ten Mediators bis hin zur Umsetzung einer Abschlussvereinbarung oder einer sonstigen Abschlussvereinbarung. Sie werden viele Techniken, Werkzeuge und Kon­ zepte kennenlernen, die zu einer effektiven Konfliktbewältigung eingesetzt werden können. Mit Beispielen aus der Mediationspraxis werden die Funktionsweise und die Relevanz der vorgestellten Methoden verdeutlicht und illustriert. Wir richten uns al­ lerdings nicht nur an potentielle Mediatoren. Die folgenden Kapitel sollten Ihnen auch die Vorbereitung und Nutzung der Mediation als unmittelbar Konfliktbeteiligter (z.B. als Unternehmer oder Mitarbeiter) sowie (juristischer) Berater erleichtern.

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Kapitel 3 Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen Bevor wir uns der Vorgehensweise des Mediators näher zuwenden, wollen wir einen kurzen Blick auf Ursprung und Zweck der Mediation richten: Worin besteht eigent­ lich die Zielsetzung der Mediation? Wie hat sie ihre praktische Bedeutung gewonnen? Und vor allem: Wie soll ein Mediator, der keine Entscheidungsgewalt besitzt, die Konfliktparteien überhaupt sinnvoll unterstützen? Welche Erwartungen haben die Beteiligten an den Mediator? Wie definiert er seine Rolle? Wie verhalten Sie sich als Mediator, wenn ein Rechtsstreit die Alternative zu einer Einigung darstellt? Müssen Sie als Mediator die Parteien über ihre Rechte und Pflichten aufklären? Dürfen Sie das überhaupt? Gilt etwas anderes, wenn die Parteien in einer Mediation durch Rechtsan­ wälte vertreten werden? Welche Rolle spielt das Recht in der Mediation? Die Beant­ wortung dieser Fragen ist Gegenstand des dritten Kapitels. Wir haben im vorherigen Kapitel gesehen, dass das Spektrum der Streitbeilegungs­ methoden größer ist als viele vermuten. Im Folgenden werden Sie feststellen, dass auch die Möglichkeiten, die ein Mediator hat, um die Konfliktparteien zu unterstüt­ zen, vielfältig sind: So können Sie sich in dieser Rolle z.B. darauf beschränken, auf­ merksam zuzuhören, Ihr Mitgefühl oder Ihre Anteilnahme zu zeigen und im Übrigen der Diskussion freien Lauf zu lassen. Vielleicht halten Sie es aber auch für besser, die Verhandlung vorab nach Themen zu strukturieren und den Ablauf zu kontrollieren. Manche Mediatoren verhandeln mit den Konfliktparteien lieber in getrennten, ande­ re vorzugsweise in gemeinsamen Gesprächen. Im Austausch mit den Beteiligten kann ein Mediator Anregungen geben oder einen eigenen Lösungsvorschlag unterbreiten. Er kann sich auf die Erörterung bestimmter Streitpunkte konzentrieren oder Hinter­ gründe erforschen.

Entwicklung und Ziele der Mediation Seit Menschen zusammenleben, werden Dritte als Vermittler tätig. Auch Sie haben in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis oder im Berufsleben sicherlich schon einmal diese Rolle eingenommen. Sie stehen damit in einer langen historischen Tra­ dition. Als ein eigenes, so bezeichnetes Verfahren hat sich die Mediation dagegen in der westlichen Welt erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts etab­ liert.137 Die mit ihrem Einsatz angestrebten Ziele unterscheiden sich allerdings in den verschiedenen Anwendungsfeldern erheblich. Die Mediationspraxis der Gegenwart hat ihre Wurzeln in zwei nahezu parallel ver­ laufenden Entwicklungen: Auf der einen Seite sind die Bemühungen um einen bes­ seren Zugang zum Recht vor allem für sozial benachteiligte Gruppen zu nennen, die im Kontext der Bürgerrechtsbewegung in den USA Mitte der 1960er Jahre zur Ein­ richtung lokaler Mediationszentren, den sogenannten Neighborhood Justice oder Community Mediation Centers, geführt haben. Auf der anderen Seite steht das Ringen 85

Teil II ­|  Methode der Mediation

um eine Reform des US-Justizsystems, das mit der von U.S.  Chief Justice Warren E. Burger 1976 einberufenen Pound Conference seinen Anfang genommen und sich in einer Fülle von Reformgesetzen und gerichtsverbundenen Mediationsprogrammen niedergeschlagen hat. Es war die legendäre Pound Conference, auf der Frank Sander seine Vision des Gerichts als eines Multi-Door Courthouse vorstellte, die in der Folge­ zeit die ADR-Bewegung nachhaltig prägen und der Mediation den Weg in die Gerich­ te bahnen sollte.138 Die Gründer der Community Mediation Centers wollten auch den weniger privilegier­ ten Gruppen der Gesellschaft einen erleichterten, von staatlichen Autoritäten unab­ hängigen Zugang zum Recht eröffnen.139 Die Mediation sollte also mehr soziale Gerechtigkeit und eine neue Kultur des Umgangs mit Konflikten schaffen.140 Insofern besteht eine interessante Parallele zum Verständnis der Kommission der Euro­päischen Union, welche die Bedeutung der Mediation in einem Grünbuch zur Außergerichtlichen Streitbeilegung aus dem Jahr 2002 und in der daraufhin ergangenen Mediations­ richtlinie ebenfalls vor allem unter dem Gesichtspunkt des Zugangs zum Recht sieht. Anders als den Protagonisten der Community Mediation geht es der Kommission aber nicht um die Unabhängigkeit der Parteien von staatlichen Autoritäten. Vielmehr be­ grüßt sie eine institutionelle Förderung auf nationaler oder internationaler Ebene.141 Zu den ersten Anwendungsfeldern der Mediation gehörte die Familienmediation. Seit den 1970er Jahren sind ihre Befürworter in den USA aktiv. Sie streben mehr Autonomie für Ehepartner an, die in der Zukunft getrennte Wege beschreiten wollen. Die Unterstützung durch einen Dritten soll diese Paare in die Lage versetzen, ihr Schick­ sal in einer einschneidenden Phase ihres Lebens (wieder) selbst in die Hand nehmen zu können. Im Rahmen dieser auf die Verwirklichung der Privatautonomie ausge­ richteten Zielsetzung wird dem Mediator häufig die Rolle eines bloßen Katalysators zugeschrieben.142 Eine im Hinblick auf die in der Vergangenheit liegenden Ereignisse noch weiterrei­ chende Zielsetzung verfolgen die Befürworter einer Verständigung zwischen Tätern und Opfern von Straftaten mit der sogenannten Victim-Offender-Mediation. Seit 1998 ist der sogenannte Täter-Opfer-Ausgleich auch in Deutschland in der Strafprozessord­ nung vorgesehen.143 Dieses ebenfalls durch einen Dritten unterstützte Verfahren soll eine Chance zur Sühne und – bei entsprechender Bereitschaft beider Seiten – Versöhnung144 jenseits des starren strafrechtlichen Sanktionssystems bieten.145 Einer wiederum anderen Zielsetzung dient die Mediation im Zusammenhang mit öffentlichen Infrastrukturvorhaben. In diesen Fällen wird eine frühzeitige Beteiligung der potentiell oder tatsächlich Betroffenen jenseits bzw. vor Beginn des förmlichen Verwaltungsverfahrens angestrebt.146 So sollte etwa eine im Zusammenhang mit dem geplanten Ausbau des Flughafens Frankfurt am Main im Jahre 1998 eingesetzte Me­ diationsgruppe den Bedarf und die Möglichkeiten der Kapazitätserweiterung des Flughafens sowie die ökonomische, ökologische und soziale Entwicklung der RheinMain Region untersuchen und Empfehlungen aussprechen. Auch die geplanten Er­ weiterungen der Flughäfen Bozen und Wien-Schwechat wurden jeweils von einer Mediation begleitet.147 86

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen ­|  Kap. 3

Andere Motive etablierten die Wirtschaftsmediation in den USA: Angesichts der Pro­ zessdauer und der immensen Kosten streitiger Auseinandersetzungen sowie der Un­ gewissheit über den Verfahrensausgang suchten amerikanische Unternehmen Mitte der 1970er Jahre eine kostengünstige, zügige und faire Methode der Konfliktbeile­ gung, die in der Regel vertraulich erfolgen sollte. Mit dieser Zielsetzung gründeten Vertreter einer Gruppe von Fortune-500-Unternehmen und großer Anwaltskanzlei­ en 1979 das auch heute noch bestehende International Institute for Conflict Prevention and Resolution (CPR) in New York.148 Die Einrichtung des CPR markiert den Beginn der systematischen Nutzung der Mediation für Streitigkeiten zwischen sowie inner­ halb von Unternehmen in den USA. Das Institut hat seitdem zahlreiche Branchen sowie Verbands- und Unternehmensvertreter bei der Durchführung von Mediations­ verfahren ebenso wie bei der Entwicklung anderer innovativer Methoden der Streit­ beilegung unterstützt. Mittlerweile hat sich in den Vereinigten Staaten ein privater Markt für Streitbeilegung entwickelt, in dem kommerzielle und gemeinnützige Orga­ nisationen ihre Dienstleistungen bei der Auswahl von Mediatoren sowie der Admi­ nistration von alternativen Streitbeilegungsverfahren und der Vertragsgestaltung an­ bieten.149 Im Vordergrund der Wirtschaftsmediation steht also die instrumentelle Verhandlungsperspektive: Die Mediation soll den Parteien als Instrument dienen, um ihre Einigungs- und eventuelle Wertschöpfungsmöglichkeiten auf möglichst effizien­ te Weise zu erforschen.150 Im Einzelfall überschneiden sich die mit der Wirtschaftsmediation angestrebten Z ­ iele mit den für andere Kontexte genannten Motiven. Bei Gesellschaftsauseinanderset­ zungen oder arbeitsrechtlichen Streitigkeiten kann es  – wie in der Familienmedia­ tion – z.B. auch darum gehen, den Betroffenen eine Gelegenheit zu geben, eine „Le­ bens(abschnitts)gemeinschaft“ selbständig aufzulösen. Auch können Situationen eintreten, in denen eine Verständigung nur zu erzielen ist, wenn zumindest einzelne Betroffene ihr Verhalten grundsätzlich ändern (vgl. die in Kapitel 1 erörterten inne­ ren Konflikte). Das gilt insbesondere für Beziehungs- und Gruppenkonflikte. In Streitigkeiten zwischen Unternehmen halten wir es allerdings in der Regel nicht für das Ziel einer Wirtschaftsmediation, eine Transformation der Persönlichkeit der Beteiligten zu bewirken.151 Sie kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die Alternative der durch sie vertretenen Unternehmen ein Rechtsstreit darstellt. Anders kann es sich in betriebsinternen Konflikten verhalten: In Fällen von Mobbing oder anderen schwer belasteten persönlichen Beziehungen lässt sich, sofern eine weitere Zusammenarbeit ermöglicht werden soll, ein Konflikt möglicherweise gar nicht anders lösen (vgl. zur Wiederherstellung von Autonomie Kapitel 6, zur Problematik einer fehlenden Medi­ ationseignung bei erheblichen Machtungleichgewichten Kapitel 12). Sieht man das Ziel der Mediation in der möglichst effizienten Erforschung eventueller Einigungs- und Wertschöpfungsmöglichkeiten, besteht die Aufgabe des Mediators als Dienstleister darin, die Beteiligten in ihren autonomen Verhandlungen so zu unter­ stützen, dass sie freiwillig und eigenverantwortlich entscheiden können, ob und ggf. wie sie einen Konflikt beilegen. Genügt aber die Erforschung von Einigungsmöglich­ keiten tatsächlich? Soll der Mediator die Parteien nicht auch zu einem Ergebnis füh­ ren? Besteht im Abschluss eines Vergleichs nicht das eigentliche Ziel einer Mediation? 87

Teil II ­|  Methode der Mediation

Nach unserer Auffassung ist eine Einigung weder stets möglich noch stets die beste Lösung. Wenn die Betroffenen aufgrund einer umfassenden Erörterung ihrer Interes­ sen, der Einigungsoptionen und der jeweils zur Verfügung stehenden Alternativen (Nichteinigungsalternativen) zu dem Ergebnis kommen, dass sie kein Übereinkom­ men erzielen sollten, hat die Mediation ebenfalls ihren Zweck erfüllt.152 Haben Sie aufgrund einer sorgfältigen Diskussion der Sachverhalts- und Rechtsfra­ gen beispielsweise den Eindruck gewonnen, dass die Erfolgsaussichten für Ihr Unter­ nehmen in einem Rechtsstreit sehr hoch sind (vgl. ausführlich zur Prozessrisikoana­ lyse Kapitel 9), kann es durchaus rational sein, diesen zu führen – und dann hoffentlich zu gewinnen. Die Mediation war deswegen nicht erfolglos  – ganz im Gegenteil. Schließlich können die Parteien nun ihre Nichteinigungsalternativen besser einschät­ zen. Nicht anders zu bewerten wäre es, wenn sich die Beziehung der Parteien verbes­ sert hat, der Streitstoff eingegrenzt worden ist, Teillösungen gefunden worden sind oder die Beteiligten zumindest ein besseres Verständnis der Konfliktpunkte gewon­ nen haben, das ihnen eine anderweitige Klärung (z.B. mit Hilfe eines Gutachters oder Schiedsgutachters) erlaubt und die Vorbereitung eines abschließenden, streitigen Verfahrens erleichtert (vgl. Kapitel 10). Aus diesen Gründen kann das Ziel einer Me­ diation nicht ausschließlich in einer Einigung liegen – auch wenn diese häufig sinn­ voll und wahrscheinlich ist. Wir bewerten also den Mediationserfolg nicht danach, ob ein Vergleich zustande kommt oder nicht. Um die Entscheidungsfreiheit der Parteien zu wahren, muss die Mediation vielmehr ergebnisoffen sein. Die Mediation ist erfolg­ reich, wenn sie die Qualität der Entscheidung der Parteien zwischen Einigung und Nichteinigung erhöht hat.

Rolle des Mediators Wir haben bereits festgestellt, dass ein Mediator keine Entscheidungsgewalt hat. Seine Aufgabe besteht alleine darin, die Parteien in ihren Verhandlungen zu unterstützen. Dennoch kann schon diese begrenzte Mitwirkung die Verhandlungsdynamik in viel­ fältiger Hinsicht positiv beeinflussen. Dies zeigt bereits die Dauer von Mediationsver­ handlungen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in einem direkten Gespräch nach zwei Stunden alle Argumente ausgetauscht worden sind, eine Mediation über denselben Gegenstand aber einen vollen Tag oder länger in Anspruch nimmt. Das ist keine ver­ gebens verbrachte Zeit: Ein guter Mediator kann die Parteien nämlich zur Entwick­ lung eines gemeinsamen Sachverhaltsverständnisses und zu einer umfassenden Wür­ digung ihrer Positionen, Interessen und Lösungsmöglichkeiten animieren, wie sie in einem direkten Gespräch zwischen den Beteiligten in der Regel nicht stattfindet. Lässt sich anschließend eine Einigung erzielen, sind die für diese Erörterung investierten Stunden im Vergleich zu einer langwierigen Auseinandersetzung kaum der Rede wert. Selbst wenn sich kein Konsens einstellt, haben die Beteiligten in der Regel zu­ mindest ein sehr viel besseres Bild des gesamten Konflikts gewonnen. Das Risiko, die eigenen Erfolgsaussichten wegen selektiver Wahrnehmung und überoptimistischer Einschätzung zu positiv einzustufen, ist dann jedenfalls verringert (vgl. Kapitel 1).

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Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen ­|  Kap. 3

Indem der Mediator den Konfliktstoff eingrenzt und sich auf bestimmte Sachfragen konzentriert oder durch Fragen nach wirtschaftlichen Motiven bislang noch nicht erörterte Einigungsoptionen auszuloten hilft, eröffnen sich erhebliche Gestaltungs­ möglichkeiten. Im Rahmen seiner Verhandlungsleitung kann der Mediator beispiels­ weise versuchen, eine Einigung durch eigene Vorschläge zu fördern. Führt er Einzel­ gespräche, kann er  – soweit für deren Inhalt nicht vollständige Vertraulichkeit vereinbart wurde – entscheiden, welche Informationen er zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Gewichtung an welche anderen Beteiligten weitergibt.153 Den Mediator trifft also ein hohes Maß an Verantwortung für die Gestaltung des Verhandlungspro­ zesses, die wir als Prozessverantwortung bezeichnen.154 Bedürfnisgerechte Rollendefinition Was aber folgt aus dieser Prozessverantwortung? Die erste Aufgabe des Mediators besteht darin, die Erwartungen der Beteiligten zu klären und mit diesen gemeinsam seine eigene Rolle zu definieren. Oftmals haben die Konfliktparteien keine Kenntnis der Mediation. Andere machen sich vor ihren ersten Kontakten mit einem Mediator keine Gedanken über dessen Rolle oder Funktion. Die Erwartungshaltungen können sich insoweit stark voneinander unterscheiden: Einige stellen sich den Mediator wie einen Schlichter vor, der die Parteien anhört und anschließend einen Vorschlag un­ terbreitet. Andere meinen, ein Mediator dürfe selbst gar keine Stellung beziehen und betrachten diesen als Moderator. Keine dieser Haltungen ist richtig oder falsch: Ein Dritter kann die Beteiligten näm­ lich sowohl dadurch unterstützen, dass er einen Vorschlag macht, als auch dadurch, dass er „nur“ deren Verhandlungen leitet. Daneben kann er den Parteien bei der Vor­ bereitung ihrer Gespräche behilflich sein, mit ihnen ihre Nichteinigungsalternativen untersuchen, ihre Interessen erforschen, die Verhandlungen strukturieren, den jewei­ ligen Sachstand zusammenfassen, für die Einhaltung von Verfahrensregeln sorgen, den Austausch (insbesondere vertraulicher) Informationen erleichtern, die Sachver­ haltsaufklärung unterstützen, seine eigene Expertise einfließen lassen, analytische Hilfestellung (z.B. durch die Verwendung von Computermodellen) leisten, Themen­ listen zusammenstellen, Vergleichsentwürfe verfassen und überarbeiten oder Verein­ barungen optimieren.155 Welche Vorgehensweise der Mediator und die Parteien wählen, steht in ihrem Ermes­ sen. Sie können die gesamte Freiheit der privatautonomen Verhandlungsführung nutzen. Vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen werden die Beteiligten ihre Er­ wartungen ebenso wie den Gegenstand der Auseinandersetzung und den von Ihnen als Mediator erwarteten Stil erörtern. Darin besteht das Aushandeln des Mediations­ verfahrens. Verhandlungen sind dynamische Prozesse. Die zu Beginn getroffenen Festlegungen sind daher nicht endgültig. Als Mediator können Sie – und sollten Sie, wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass die vereinbarte Problem- und Rollendefiniti­ on nicht weiterführt – den Prozess oder Ihre Rolle zu Beginn eines jeden Verhand­ lungsabschnitts erneut mit den Beteiligten diskutieren. Somit tritt neben die Problem­ ebene, auf der die Sachthemen verhandelt werden, und die persönliche Ebene des 89

Teil II ­|  Methode der Mediation

Verhältnisses und Verhaltens der Beteiligten zueinander stets eine für eine erfolgrei­ che Mediation besonders bedeutsame Prozessebene.156 Typische Mediationsstile Aus den verschiedenen Möglichkeiten, den Konflikt und die Rolle des Mediators zu definieren, hat der amerikanische Rechtswissenschaftler Leonard Riskin eine Matrix entwickelt, aus der sich vier idealtypische Mediationsstile ergeben.157 Ihre Bezeich­ nungen lassen sich dem in Abbildung 1 dargestellten Koordinatensystem entnehmen. Die vertikale Achse betrifft die Definition des Konflikts. Insoweit geht es darum, ob der Streitgegenstand begrenzt oder umfassend aufgefasst werden soll. Die horizontale Achse betrifft die Rolle des Mediators. Dieser kann versuchen, eine Einigung durch eigene Stellungnahmen oder Vorschläge zu fördern. Dann ist die Intensität des Ein­ griffs hoch.158 Beschränkt der Mediator sich darauf, einen konstruktiven Dialog ­zwischen den Parteien herzustellen, würde er seine Rolle eher wie ein Moderator ge­ stalten.

Umwassende Beurteilung

Umwassende Moderation

Sachbeurteilung

Sachmoderation

Begrenzt Beurteilend

Rolle des Mediators

Abbildung 1: Mediationsstile (nach Leonard Riskin)

90

Umfassend

Moderierend

Begrenzt

Konfliktdefinition

Umfassend

Beurteilend

Moderierend

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen ­|  Kap. 3

Für Ihre Rolle als Mediator ist besonders die Verortung auf der horizontalen Achse bedeutsam. Werden Sie eher einen evaluativen oder eher einen fazilitativen Mediati­ onsstil anwenden? Welcher dieser Stile harmoniert besser mit den Bedürfnissen der Parteien? Fazilitativer Mediationsstil In einer Mediation, in welcher die Parteien zwar den Konfliktstoff eingrenzen möch­ ten, aber keine eigene Beurteilung durch den neutralen Dritten wünschen, werden Sie als Mediator einen fazilitativen Mediationsstil wählen. Ihre Rolle beschränkt sich in diesem Fall darauf, den Beteiligten Fragen zur Streitmaterie zu stellen und die Ent­ wicklung sowie Bewertung von Vorschlägen zu moderieren (vgl. Kapitel 2). Richtet sich im Verlauf des Verfahrens doch einmal eine Sachfrage an Sie, werden Sie den Ball zurückspielen und darauf verweisen, dass Ihre Einschätzung nach der vorgenomme­ nen Definition Ihrer Rolle für die Lösung nicht maßgeblich sein sollte. Vor allem in Europa halten viele den fazilitativen Mediationsstil für die „reine Lehre“. „„ Was sind Ihre schlimmsten Befürchtungen? Der New Yorker Rechtsanwalt Ed Wesely, der in Vergleichsverhandlungen häufig als Mediator tätig war, konzentrierte sich auf Rechtsfragen, unterbreitete aber keine eigenen Vorschläge. Er unterscheidet sich nach seinen Worten von anderen Praktikern, wie dem als Beispiel genannten Sol Schreiber, folgendermaßen: „Sol has a recommended settlement which he tells the parties. I do not. I work with the parties and with the numbers the parties are talking about and try to drive to a consensual result.“ Er versucht, über die Art der Fragen Einigungschancen zu identifizieren: „… what I want to know is your maximum endurable unhappiness. I don’t like this. I don’t like this one a little bit, but I can live with it. That’s what I try and drive at. While it is a rare situation that I will get the first time around what that party’s maximum endurable unhappiness is, I get a pretty good feel for where it is likely to be, and on both sides.“159 Beispiel 1

Evaluativer Mediationsstil Wenn die Parteien Ihre Rolle als Mediator hingegen so definieren, dass Ihre Meinung in der Sache gefragt ist, spricht man von einem evaluativen Mediationsstil. Sollten Sie beruflich als Rechtsanwalt oder Richter tätig sein, ist Ihnen eine bewertende und be­ urteilende Vorgehensweise bestens vertraut. Sie entspricht der klassischen, juristi­ schen Arbeitsweise. Der Mediator konzentriert sich auf die Erörterung bestimmter Sach- oder Rechtsfragen, beurteilt diese und erläutert den Beteiligten sein Verständ­ nis. Ähnlich wie ein Schiedsrichter oder Schiedsgutachter identifizieren Sie die für die Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Fragen und wenden die einschlägigen Rechtsnormen an. Wichtig ist, dass Sie nicht in die Rolle eines Anwalts schlüpfen, der die Parteien zur Rechtslage berät, sondern ihre Einschätzung der Sach- und Rechtsla­ ge klar als unverbindliche Drittmeinung charakterisieren. 91

Teil II ­|  Methode der Mediation

Wenn Sie in einer Mediation eigene Bewertungen vornehmen, können Sie erheblich zur Versachlichung der Diskussion zwischen den Konfliktparteien beitragen und mit diesen etwa auch eine sorgfältige Analyse der Prozessrisiken durchführen (vgl. Kapi­ tel  9). Im Rahmen eines Streits über ein Datenverarbeitungsprojekt kann sich ein evaluativ agierender Mediator z.B. auf die Behandlung der vom Auftraggeber bean­ standeten Fehler konzentrieren und die Spezifikationen mit den Beteiligten untersu­ chen. Wenn die Nichteinigungsalternative ein Rechtsstreit ist, wird der Mediator in der Regel Voraussagen über den Ausgang des Gerichtsverfahrens treffen. Angesichts seines damaligen Hauptberufs als Chief Judge des United States Court of Appeals in Chicago, seiner Expertise im Kartellrecht und seiner eigenen Beiträge zur ökonomi­ schen Theorie des Rechts war es nicht überraschend, dass der in der ersten Instanz des Kartellrechtsstreits zwischen der Microsoft Corporation und dem US-amerika­ nischen Justizministerium als Mediator aktive Richard A. Posner die Mediation als Sachbeurteilung gestaltete. Er führte monatelang Einzelgespräche mit den Parteien, in denen er auch Prognosen über ihre jeweiligen Erfolgsaussichten anstellte.160 Der Übergang zwischen der Sachbeurteilung auf der einen und der Schlichtung auf der anderen Seite ist, wie sich an diesem Beispiel zeigt, fließend (vgl. Kapitel 2). Der Unterschied besteht zum einen in der Sicherheit, mit der die Parteien über die Prog­ nose hinaus einen eigenen, abschließenden Vorschlag des Dritten erwarten können: Die Beteiligten wissen, dass ein Schlichter regelmäßig einen solchen Vorschlag unter­ breiten wird. Bei einem Mediator rechnen sie demgegenüber nicht unbedingt mit ei­ ner formellen, abschließenden Empfehlung. Zum anderen unterscheidet sich die Me­ diation von der Schlichtung dadurch, dass sie den in der Einleitung zu diesem Teil dargestellten fünf Phasen folgt. Die Schlichtung orientiert sich in der Regel nicht an diesem Phasenmodell. Ein Schlichter geht stattdessen in der Regel von der Erörte­ rung der Positionen direkt zu seiner Bewertung und Empfehlung über. Beschränkt der Mediator seine Verhandlungsführung auf eine Sachbeurteilung, so neigen die Parteien allerdings oft dazu, diese als einen rein distributiven Prozess zu begreifen. Wir hatten im letzten Kapitel ja bereits festgestellt, dass die meisten Men­ schen Konflikte intuitiv als Nullsummenspiele betrachten. Daher ist aus ihrer Sicht ein Vorschlag des Dritten unbedingt notwendig, und sie wünschen sich selbstver­ ständlich, dass dieser zu ihren Gunsten ausfällt. Dementsprechend besteht die Gefahr, dass sie sich nur wenig von ihren Positionen lösen können und wollen. Nutzen der Typisierung der Mediationsstile Bei den soeben vorgestellten, unterschiedlichen Mediationsstilen handelt es sich le­ diglich um Typisierungen, die sich in der Praxis nicht immer so eindeutig wiederfin­ den lassen. Als Mediator werden – und sollen – Sie in der Regel keiner Stilrichtung ausschließlich folgen, sondern die Erwartungen der Parteien und die Dynamik der Verhandlungen berücksichtigen. Der Mediationsstil kann sich darüber hinaus wäh­ rend der Mediation verändern und auch in einen anderen Stil übergehen: So kann etwa die Bewertung des Mediators den Ausgangspunkt einer moderierten Diskussion der Parteien bilden. Ob ein Konflikt zu Beginn einer Mediation auf bestimmte The­ men begrenzt oder umfassend erörtert wird, ist für den weiteren Verlauf der Ver­ 92

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen ­|  Kap. 3

handlungen allerdings ebenso maßgeblich wie die Entscheidung darüber, ob ein Me­ diator als Moderator tätig wird oder selbst Stellung bezieht. Gleichzeitig kennzeichnet das Spannungsverhältnis zwischen den verschiedenen Rollen des Mediators auch das Maß an Selbstbestimmung und Privatautonomie, das den Parteien und ihren Beratern verbleibt, bzw. spiegelbildlich den Einfluss, den der Mediator nimmt.161 Als Fachleute neigen wir dazu, Probleme einzugrenzen und selbst Vorschläge zu un­ terbreiten, also in der unteren linken Ecke des Koordinatenkreuzes tätig zu werden. Mit eigenen Vorschlägen entsprechen Sie als Mediator auch häufig der Erwartungs­ haltung der Beteiligten. Viele können sich nämlich nicht vorstellen, dass ein Dritter sie sinnvoll in einer Auseinandersetzung unterstützen kann, ohne eigene Vorschläge zu machen.162 Schließlich kommen Einigungen in Schiedsverfahren, in Tarifverhand­ lungen, vor einer Einigungsstelle oder über einen Prozessvergleich vor Gericht in der Regel erst zustande, nachdem der Unparteiische eine Einschätzung geäußert oder gar einen Vorschlag unterbreitet hat. Derartige Erwartungen können also auch Ihre Rol­ lendefinition beeinflussen. Um ein für alle Beteiligten möglichst befriedigendes Ergebnis zu erzielen, ist es jedoch in den meisten Fällen sinnvoll, den Konfliktstoff sowie die jeweiligen Interessen und Lösungsmöglichkeiten umfassend zu untersuchen (vgl. Kapitel 6 und 7). Sofern die Parteien Ihnen die Vorgehensweise überlassen oder Sie Ihnen einen Vorschlag zum Verfahren unterbreiten, empfehlen wir Ihnen daher, zunächst das Gespräch zu mode­ rieren und den Konflikt gemeinsam mit den Beteiligten umfassend zu analysieren. Ihre Zielrichtung ist also zunächst die rechte obere Ecke der Matrix in Abbildung 1. Wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass die Diskussion zu weit ausufert oder die Be­ teiligten den Konflikt begrenzen oder – in der Praxis bedeutsam – Ihre Meinung er­ fahren wollen, besprechen Sie mit diesen eine Änderung Ihrer Rollen- oder der Kon­ fliktdefinition. Damit können Sie Enttäuschungen vermeiden, die daraus entstehen, dass die Parteien einen solchen Rollenwechsel von Ihnen jedenfalls in einer späteren Phase möglicherweise erwarten: So äußerte nach einer Mediation, die ohne Einigung endete, einer der Beteiligten, er hätte sich am Ende der Verhandlungen eine deutliche Stellungnahme des Mediators gewünscht – auch wenn diese seinen Standpunkt nicht gestützt hätte. Ohne die Leitung des Mediators hätte sich sein Team „alleine gefühlt“. So groß ist das Interesse an der Auffassung des Dritten in vielen Fällen allerdings nicht. In der Mehrzahl der Auseinandersetzungen genügt es, wenn Sie in einem fort­ geschrittenen Stadium von den Parteien vielleicht überbewertete Argumente kritisch hinterfragen (z.B. „Welche Beweismittel würden Sie für diese Behauptung vor Gericht anbieten? Was werden diese Zeugen aussagen? Was werden die Zeugen der G ­ egenseite bekunden? Wer trägt die Beweislast? Wie verhält es sich, wenn sich das Gericht nicht überzeugen lässt, weil Aussage gegen Aussage steht?“). „„ Am Ende ziemlich deutlich Der bekannte amerikanische Wirtschaftsmediator Richard Chernick163 versteht sich ebenfalls primär als Moderator, der Verhandlungen unter den Konfliktparteien leitet. Erst in einem späteren Mediationsstadium lässt er gegebenenfalls seine eigene Auffassung erkennen. Er beschreibt seine Vorgehensweise wie folgt: 93

Teil II ­|  Methode der Mediation „Ich verfolge im Grundsatz einen moderierenden Mediationsstil, gehe allerdings mehr in eine beurteilende Richtung, wenn es sich als nötig erweist. Ich gehe nie so weit […], dass ich den Parteien gegenüber äußern würde, wer Recht hat oder wer falsch liegt, und ihnen erklären würde, was richtig wäre oder wie ein Vergleich aussehen sollte. Aber ich werde am Ende ziemlich deutlich, wenn ich keinen Erfolg mit meinen Bemühungen habe, die Parteien zu einer Verständigung zu bewegen.“164 Beispiel 2

Sofern Ihre Vorschläge das Verfahren (Prozessebene) betreffen, sind sie als Teil Ihrer Verhandlungsleitung ohnehin unbedenklich und führen selten zu Widerspruch. Wenn es demgegenüber um die Lösung von Differenzen in der Sache (Problemebene) geht, bergen eigene Vorschläge des Mediators dagegen das Risiko in sich, dass Sie von zumindest einer Seite nicht mehr als neutral und unparteiisch betrachtet werden. Wir halten es daher für sinnvoll, eigene Vorschläge und Bewertungen auf der Problem­ ebene so lange wie möglich zurückzuhalten (vgl. Kapitel 8 und 10). Ergebnisverantwortung Wir haben zu Beginn des Kapitels bereits erwähnt, dass den Mediator in jedem Fall eine Prozessverantwortung trifft. Wie viel Verantwortung für den Ausgang eines Kon­ flikts, also wie viel Ergebnisverantwortung Sie tragen, hängt demgegenüber maßgeblich von Ihrer Rollendefinition ab. Einen Dritten, der ausschließlich als Moderator agiert, trifft grundsätzlich keine Verantwortung für das Ergebnis. Anders kann es sich verhal­ ten, wenn Sie im Rahmen einer Sachmoderation durch Ihre Fragen zumindest mittel­ bar Einfluss auf den Abschluss nehmen. Dagegen trägt ein Mediator, der im Rahmen einer Sachbeurteilung oder umfassenden Beurteilung die Standpunkte der Parteien bewertet, eigene Vorschläge unterbreitet und  – falls ein Rechtsstreit die Nichteini­ gungsalternative darstellt  – zu den Erfolgsaussichten Stellung nimmt, auch für den Ausgang der Verhandlung eine größere Verantwortung. Wenn die Beteiligten ihre Be­ urteilung berücksichtigen, haben Sie das Ergebnis sogar unmittelbar beeinflusst. Ob Sie als Mediator Ergebnisverantwortung tragen, ist insbesondere dann von Be­ deutung, wenn auch rechtliche Fragen Gegenstand einer Mediation sind. Darum geht es im nächsten Abschnitt.

Rolle des Rechts in der Mediation Jedenfalls in den Fällen, in denen die Gestaltung oder Verwirklichung von Rechten der Beteiligten in der Mediation eine Rolle spielt, lässt sich die Auseinandersetzung mit juristischen Fragen nicht vermeiden. Von Bedeutung ist das Recht in der Wirtschaftsmediation, wenn es – zumindest möglicherweise – für die Beurteilung der Aus­ einandersetzung zwischen den Parteien Anwendung findet. Davon zu unterscheiden ist das Recht der Wirtschaftsmediation. Dieses betrifft die Rahmenbedingungen, unter denen die Mediationsverhandlungen stattfinden. 94

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen ­|  Kap. 3

Recht in der Wirtschaftsmediation Das Recht kann in der Wirtschaftsmediation auf mehrfache Weise zum Tragen kom­ men. Zunächst nutzen die Parteien regelmäßig rechtliche Argumente zur Begrün­ dung ihrer Standpunkte. Die juristische Beurteilung ist auch für die Bewertung ihrer Nichteinigungsalternativen maßgeblich (vgl. Kapitel  9). Schließlich lassen sich der Rechtsordnung Einigungsoptionen entnehmen (vgl. Kapitel 7 und 8). So eröffnen z.B. Normen im Steuerrecht den Beteiligten finanzielle Ersparnisse, die Vereinbarung von Rücktrittsrechten oder Vertragsstrafen schafft Sicherheit. In gesellschaftsrechtlichen Transaktionen haben regelmäßig steuerliche Gesichtspunkte besondere Bedeutung. Bei der Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft gemäß § 1 Abs.  3 Ziffer  1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG)165 lässt sich z.B. der Anfall der Grunderwerbsteuer vermeiden, wenn der Erwerber unmittelbar oder mittelbar nicht mehr als 95 Prozent der Anteile der Gesellschaft erwirbt und die übrigen, tatbestand­ lichen Ausschlussvoraussetzungen ebenfalls nicht vorliegen. Das Recht zieht den Verständigungsmöglichkeiten der Parteien aber auch Grenzen. Sofern Einigungsoptionen sogenanntes zwingendes – also der Dispositionsfreiheit der Parteien entzogenes  – Recht verletzen, lassen sich daraus abgeleitete Positionen in einem späteren Streitfall rechtlich nicht durchsetzen. So haben die Beteiligten bei der Gestaltung langfristiger Verträge häufig ein übereinstimmendes Interesse an Preisab­ sprachen, unbegrenzten Wettbewerbsverboten und Marktaufteilungen. Solche Ver­ einbarungen sind jedoch kartellrechtswidrig. Werden sie getroffen, sind sie wegen eines Verstoßes gegen zwingendes Recht nichtig. Die Parteien können sich in einem späteren Prozess gegenüber ihrem Vertragspartner nicht auf entsprechende Vereinba­ rungen berufen. Etwas anderes gilt im Hinblick auf das sogenannte dispositive Recht. Dabei handelt es sich um gesetzliche Bestimmungen, von denen die Beteiligten im Rahmen ihrer Pri­ vatautonomie abweichen können. Dispositives Gesetzesrecht ist deswegen nicht be­ deutungslos. Vielmehr bietet es oft einen Orientierungsrahmen für die Suche nach einer fairen Lösung. Schweigt das Gesetz, können amtliche Begründungen und Erläu­ terungen dieselbe Leitbildfunktion übernehmen. Die Kommission der Europäischen Union hat z.B. Vorschriften in den sogenannten Gruppenfreistellungsverordnungen (etwa für Vertriebsverträge im Allgemeinen oder für die Automobilbranche) in dazu von ihr verfassten Leitlinien erläutert. Aus diesem Kommentar ergibt sich im Einzel­ nen, welche Regelungen gegen das Kartellverbot nach Art. 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen und welche Vereinbarun­ gen freigestellt sind.166 Die Parteien können grundsätzlich von den freigestellten, dispositiven Regeln abweichen. Im Rahmen einer Vereinbarung über die Fortsetzung eines Vertragshändler- oder Liefervertrages kann die Wirksamkeit vertraglicher Ab­ reden also dadurch gesichert werden, dass die freigestellten Klauseln gewählt und die Erläuterungen der Kommission berücksichtigt werden. Natürlich gibt es auch Wirtschaftsmediationen, in denen das Recht keine oder kaum eine Rolle spielt. Ein Beispiel dafür wäre eine unternehmensinterne Mediation, in der es um einen Generationenkonflikt, Vorbehalte gegen die Einführung neuer Techno­ 95

Teil II ­|  Methode der Mediation

logien oder die Verbesserung der Beziehung zwischen zwei Gesellschaftern geht. Das­ selbe gilt in Strategiekonflikten, in denen, wie im Steilmann-Fall (vgl. Kapitel 1), Diffe­ renzen über den richtigen Weg, um ein bestimmtes wirtschaftliches Ziel im Markt zu erreichen, im Vordergrund stehen. Ebenso verhält es sich, wenn ein Sachkonflikt etwa die Frage betrifft, wie technische Schwierigkeiten einer Anlage am besten behoben werden können. Auch ein Verteilungskonflikt, in dem zwei Kooperationspartner um die geeigneten Personen für die Besetzung der Führungspositionen in einem bislang wenig erfolgreichen Joint Venture streiten, ließe sich als Beispiel nennen. Recht der Wirtschaftsmediation Vom Recht in der Wirtschaftsmediation zu unterscheiden ist das Recht der Wirtschaftsmediation.167 Dieses umfasst Vorschriften des Gesetzgebers und privatautonome Ver­ einbarungen, welche die Rahmenbedingungen der Mediation betreffen. Gesetzliche Regelungen finden sich z.B. in den USA im sogenannten Uniform Mediation Act168, einem Modellgesetz, das von den amerikanischen Bundesstaaten in deren jeweiligen Rechtsordnungen übernommen werden kann169, und in Österreich im Zivilrechts-­ Mediations-Gesetz (ZivMediatG).170 In der Europäischen Union liegt seit 2008 mit Inkrafttreten der europäischen Mediationsrichtlinie171 ein Rechtsrahmen vor, der we­ sentliche Fragen des Verhältnisses von Mediation und Gerichtsverfahren in Europa einer einheitlichen Regelung unterwirft. Der deutsche Gesetzgeber hat die Media­ tionsrichtlinie 2012 durch das Mediationsgesetz umgesetzt. Es erfasst – über die Vor­ gaben der Richtlinie hinausgehend – auch rein innerstaatliche Fälle. Im Familienrecht ist mit dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenhei­ ten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zum 1.9.2009 erstmals eine Regelung in Kraft getreten, nach der das Familiengericht den Parteien die Teilnahme an einer In­ formationssitzung über Mediation vorschlagen und die Nichtteilnahme mit einer ne­ gativen Kostenfolge verknüpfen kann.172 Entscheidend sind innerhalb dieses Rah­ mens aber weiterhin die zwischen den Parteien getroffenen privatautonomen Absprachen, also die Mediationsvereinbarung und der Mediatorvertrag (vgl. Kapi­ tel 12). Wegen der mit ihr unter Umständen verbundenen Ergebnisverantwortung bedarf die Rolle des Mediators einer besonderen Konkretisierung, wenn Rechtsfragen in der Wirtschaftsmediation zu berücksichtigen sind. Insbesondere in den in Kapitel 1 darge­ stellten Sach‑, Grundsatz- und Verteilungskonflikten zwischen Unternehmen ist das regelmäßig der Fall. In diesen Streitigkeiten geht es nämlich häufig darum, Rechte zu gestalten oder zu verwirklichen. Der Rechtsstreit stellt in diesen Fällen zumeist eine wichtige Nichteinigungsalternative dar. Daher werden in diesen Auseinandersetzun­ gen oft Rechtsanwälte, juristische Hochschullehrer oder (ehemalige) Richter als Medi­ atoren ausgewählt. Begleiten Sie Ihren Mandanten als Parteivertreter in der Mediation, werden Sie mit ihm überlegen, wie sich seine Ziele rechtlich begründen und im Rah­ men aller in Betracht kommenden Einigungsoptionen sowie Nichteinigungsalternati­ ven am besten erreichen lassen. Sie werden Ihren Mandanten bei einem erfolgreichen Abschluss der Mediation im Hinblick auf die rechtliche Gestaltung des Ergebnisses unterstützen. Darüber hinaus können Sie das Für und Wider der Einigungsmöglich­ 96

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen ­|  Kap. 3

keiten mit Ihrem Mandanten während der Verhandlungen immer wieder neu erörtern und diesem als Berater zur Seite stehen (ausführlicher zur Rolle des Rechtsanwalts als Parteivertreter vgl. Kapitel 12). Anders verhält es sich häufig bei Streitigkeiten innerhalb von Unternehmen, insbe­ sondere bei den im ersten Kapitel dargestellten Strategie- und Beziehungskonflikten. In diesen Fällen ist eine rechtliche Durchsetzung der eigenen Auffassung regelmäßig nicht möglich. Im Übrigen ist zu unterscheiden: Sofern Sachkonflikte zwischen Be­ triebsrat und Arbeitgeber ausgetragen werden oder das Verhältnis zwischen Vorge­ setzten und Mitarbeitern oder zwei Kollegen betreffen, ist der Weg vor Gericht jeden­ falls nicht stets eine Alternative. Sobald das allerdings der Fall ist, weil z.B. ein individuelles Arbeitsverhältnis beendet oder ein Sozialplan verhandelt wird, bedarf es der juristischen Unterstützung. Im Folgenden wollen wir daher untersuchen, welche Rolle dem Mediator im Umgang mit dem Recht zukommt. In diesem Zusammen­ hang müssen wir danach unterscheiden, ob ein Rechtsanwalt oder ein Nichtjurist tä­ tig ist. Rechtliche Bewertungen und Hinweise Insbesondere dann, wenn der Mediator Jurist ist und/oder einen evaluativen Media­ tionsstil wählt, werden die Parteien die Mediation womöglich in der Erwartung be­ ginnen, von ihm im Zweifel auch rechtliche Bewertungen oder Hinweise zu erhalten. Das entspricht unserer Intuition, bei Anwesenheit neutraler Dritter diese nach ihrer Meinung zur Sache zu fragen. Für Sie als Mediator ist diese Erwartungshaltung gleich­ wohl heikel, weil sie an den Grundfesten Ihrer Neutralität rühren kann. Werden Sie die Parteien vor diesem Hintergrund darauf hinweisen, wenn das dispositive Recht eine Regelung vorsieht, die für einen Beteiligten womöglich günstiger ist? Intervenie­ ren Sie, wenn eine Partei (möglicherweise) eine Ausschlussfrist versäumt oder eine Formvorschrift übersieht? Sprechen Sie den drohenden Ablauf einer Verjährungsfrist an? Warnen Sie die Parteien, wenn diese zu einem Ergebnis gelangen, das vor einem Gericht möglicherweise keinen Bestand hätte, etwa weil es gegen zwingende Vor­ schriften des Steuerrechts, des Kartellrechts oder gar des Strafrechts verstößt? Oder greifen Sie nur ein, falls die von den Parteien erzielte Einigung offensichtlich rechts­ unwirksam ist? Für die Beantwortung dieser Fragen ist die soeben erläuterte Unter­ scheidung zwischen dem Recht der Wirtschaftsmediation und dem Recht in der Wirt­ schaftsmediation hilfreich. Hinweise zum Recht der Wirtschaftsmediation, also dem Recht des Mediationsver­ fahrens, sind für Sie als Mediator in der Regel unproblematisch. Wenn Sie den Partei­ en Wesen und Ablauf der Mediation erläutern, kommen Sie nicht umhin, auf be­ stimmte Rahmenregeln wie etwa diejenigen des Mediationsgesetzes hinzuweisen. Eine wichtige Information, die Sie den Parteien hier geben können und sollten, be­ trifft den Umstand, dass ein Vergleich nach §  779 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die streitige Rechtslage neu gestalten und damit die ursprünglich streitigen Rechte auch erlöschen lassen kann. Steuern die Parteien gegen Ende einer Mediation auf eine Einigung zu, und sind keine Anwälte anwesend, müssen Sie die Parteien ge­ 97

Teil II ­|  Methode der Mediation

mäß § 2 Abs. 6 Satz 2 MediationsG ohnehin darauf hinweisen, dass sie die sich anbah­ nende Einigung von Rechtsanwälten oder anderen externen Beratern überprüfen lassen können. Aussagen zum Recht in der Wirtschaftsmediation, also rechtliche Aussagen zur Streit­ materie selbst, sollten Sie demgegenüber mit großer Vorsicht handhaben. Für Anwäl­ te ergibt sich dies aus dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach § 43a Abs. 4 BRAO und § 3 BORA, wonach ein Anwalt nicht beide Streitparteien in der Sache beraten darf. Abstrakte rechtliche Informationen sind zulässig, aber jede Nähe einer rechtlichen Information zu den zwischen den Parteien streitigen Rechts­ fragen ist tunlichst zu vermeiden. Für Nicht-Anwälte gilt Ähnliches, denn diese dür­ fen nach § 2 Abs. 3 Nr. 4 und § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) in einer Mediation keine rechtlichen Regelungsvorschläge machen.173 Zulässig ist es demge­ genüber, wenn Sie auf ein rechtliches Problem nur hinweisen, ohne eine verbindliche Bewertung zu treffen, oder wenn Sie Ihre rechtliche Bewertung in eine Frage verpa­ cken. Jedenfalls dann, wenn Sie eigentlich einem fazilitativen Mediationsstil folgen, sind damit aber erhebliche Gefahren für Ihre Neutralität verbunden, weil die meisten Hinweise in der Sache entweder der einen oder der anderen Partei zupass kommen. Allenfalls in einem Einzelgespräch mag man dies freier handhaben. Auch dort sollten Sie sich als Mediator aber darauf beschränken, kritische Fragen zur bisherigen Rechts­ auffassung Ihres Gegenübers zu stellen, und darauf verzichten, die Schwächen in der Argumentation des abwesenden Verhandlungspartners zu thematisieren.174 Die Frage nach der Zulässigkeit und Angemessenheit rechtlicher Bewertungen und Hinweise ist letztlich auch eine Frage der Definition Ihrer Rolle als Mediator (vgl. dazu oben in diesem Kapitel). Wir empfehlen Ihnen, die dargestellten Fragen spätes­ tens im Eröffnungsgespräch ausführlich mit den Beteiligten zu erörtern und Ihre Rol­ le im sogenannten Mediatorvertrag so klar und eindeutig wie möglich zu bestimmen (vgl. Kapitel 12).175 Insbesondere wenn die Beteiligten nicht durch Rechtsanwälte be­ raten werden, müssen Sie sie bei Einleitung einer Mediation auf die Möglichkeit hin­ weisen, Rechtsanwälte oder andere Berater zum Verfahren, spätestens aber zur Über­ prüfung einer gefundenen Einigung, hinzuzuziehen oder diese zumindest vorab zu konsultieren (§ 2 Abs. 6 Satz 2 MediationsG). Sie könnten hinzufügen, dass Sie nicht dazu in der Lage sind, die Parteien über ihre Rechte und Pflichten oder die rechtliche Tragweite einer Einigung zu unterrichten bzw. am Abschluss und der Formulierung eines Vergleichs, die über eine reine Protokollierung hinausgeht, mitzuwirken (vgl. die Checklisten für das Eröffnungsgespräch in Kapitel 4 bzw. im Anhang S. 377 f.). Auf diese Weise wahren Sie Ihre Neutralität und gehen Haftungsfallen aus dem Weg.176

Akzeptanz des Mediators Von einem Mediator wird regelmäßig erwartet, dass er neutral und unparteiisch ist. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn es um die Gestaltung oder Verwirklichung von Rechten geht und ein Rechtsstreit eine Nichteinigungsalternative eines Beteiligten darstellt. Dementsprechend heißt es in § 3 Abs. 1 MediationsG: „Der Mediator hat den Parteien alle Umstände offenzulegen, die seine Unabhängigkeit und Neutralität 98

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen ­|  Kap. 3

beeinträchtigen können. Er darf bei Vorliegen solcher Umstände nur als Mediator tätig werden, wenn die Parteien dem ausdrücklich zustimmen.“ Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sind damit Eigenschaften, die auch nach dem MediationsG grundsätzlich zur aufgeklärten Disposition der Konfliktbeteiligten ste­ hen. Dass Parteien auch prima facie nicht unabhängige oder neutrale Personen als Mediatoren akzeptieren, hat sich insbesondere in internationalen politischen Ver­ handlungen gezeigt. „„ Vermittler trotz Eigeninteressen Als der frühere finnische Staatspräsident Martti Ahtisaari damit beauftragt wurde, zwischen Russland und Jugoslawien über eine Beendigung des Balkan-Krieges zu verhandeln, war er nicht von der Europäischen Union mandatiert, sondern von allen Beteiligten akzeptiert worden. Dennoch war er weder unparteiisch noch unvoreingenommen, sondern verfolgte die außenpolitische Linie der EU. Dasselbe galt für den damaligen amerikanischen Botschafter Richard Holbrooke oder den früheren russischen Ministerpräsidenten Jewgeni Primakow. Sie alle wurden von den am Konflikt Beteiligten zur Unterstützung der Verhandlungen herangezogen, ohne als neutral und unparteiisch angesehen zu werden. Vertreter von Haftpflichtversicherungen vertreten häufig die Auffassung, sie seien in Verhandlungen über Haftpflichtschäden als Mediatoren tätig. Das trifft insoweit zu, als die Versicherungen weder Schädiger noch Geschädigter sind. Dennoch sind sie selbst Partei, weil sie ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben. Die anderen Beteiligten können sie gleichwohl als Vermittler akzeptieren. Beispiel 3

Da die Mediation nichts anderes als eine Verhandlung ist, kommt es entscheidend darauf an, inwieweit die Konfliktparteien die Neutralität und Unparteilichkeit des Vermittlers erwarten. Es ist – in den Grenzen des § 2 MediationsG, der bestimmte absolute Tätigkeitsverbote statuiert – ausreichend, dass der Mediator für die Parteien akzeptabel ist, sofern er diese über die maßgeblichen Umstände, die gegen seine Neu­ tralität bzw. Unparteilichkeit sprechen könnten, aufgeklärt hat. Schließlich haben die von einem Konflikt Betroffenen in den vorgenannten Grenzen die Freiheit, sich von jeder Person unterstützen zu lassen, die sie als hilfreich ansehen. Für die Erfolgsaussichten der Mediation ist ausschlaggebend, dass die Beteiligten Sie als Mediator akzeptieren und – unter den genannten Voraussetzungen – auf Ihre Un­ abhängigkeit und Unparteilichkeit vertrauen können. Nur dann werden sie Ihrer Ver­ handlungsleitung folgen, Ihre Vorschläge zur Vorgehensweise oder zur Sache aufneh­ men und die strittigen Themen – zumindest in Einzelgesprächen – tatsächlich offen erörtern. Daher ist es unabdingbar, dass Sie gegenüber den Parteien alle Umstände, die den Eindruck erwecken könnten, Ihre Neutralität und Unabhängigkeit zu gefähr­ den, vor Ihrer Benennung als Mediator offenlegen. Hierzu verpflichtet Sie, wie bereits erwähnt, auch § 3 Abs. 1 MediationsG.

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Wie verhalten Sie sich aber, wenn Sie meinen, dass die Beteiligten ein ungerechtes Ergebnis vereinbaren? Unter welchen Voraussetzungen ist der Inhalt einer Einigung ungerecht? Wer bestimmt, ob eine Ungerechtigkeit vorliegt? Dürfen Sie sich darauf beschränken, im Falle eines ungerechten Ergebnisses einzugreifen, oder müssen Sie schon einschreiten, wenn sich jemand auf ein nach Ihrer Ansicht „lediglich“ unvor­ teilhaftes Ergebnis einlässt? Wir sind im Grundsatz der Auffassung, dass ein Mediator die Gerechtigkeitsvorstel­ lungen der Parteien nicht durch seine eigene Einschätzung ersetzen sollte. Schließlich machen die Betroffenen von ihrer Privatautonomie Gebrauch. Ein Mediator sollte die Parteien in ihren Verhandlungen unterstützen und grundsätzlich jeden eigenverantwortlich getroffenen Entschluss akzeptieren – auch wenn dieser eigenen Gerechtig­ keitsvorstellungen zuwiderläuft (vgl. Kapitel 8). Eigenverantwortlich handeln die Be­ teiligten, wenn sie ihre Entscheidungen informiert und im Bewusstsein ihrer Tragweite treffen. Sofern Sie als Mediator den Eindruck haben, dass diese Vorausset­ zungen nicht erfüllt sind, haben Sie die Möglichkeit, die Verhandlungen jederzeit ab­ zubrechen. Das gilt auch in den Grenzfällen, in denen der Vergleich offensichtlich gegen zwingendes Recht verstößt oder Sie aus moralischen Gründen ein Ergebnis nicht mittragen wollen oder können (vgl. Kapitel 11). Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Media­ tionsG sind Sie dazu berechtigt, das Verfahren selbst zu beenden. Gewinnen Sie den Eindruck, dass die Parteien einer Einigung ohne die nötige Kenntnis der Sachlage zustimmen oder deren Inhalt nicht verstehen, können Sie nach § 2 Abs. 6 Satz 2 Me­ diationsG zu einer Verfahrensbeendigung sogar verpflichtet sein. Im Laufe eines Mediationsverfahrens werden Sie immer wieder mit Situationen kon­ frontiert sein, die Sie so nicht erwartet haben und die Ihre Rolle und Ihre Akzeptanz als neutraler Vermittler in Frage stellen können. Nach unserer Erfahrung lassen sich dafür keine Patentrezepte entwickeln. Vielmehr muss der Mediator aus der Situation heraus geschickt agieren. Dabei hat es sich bewährt, sich der gebotenen Haltung als Mediator zu vergewissern und daraus passende Antworten auf spontan auftretende Herausforderungen abzuleiten. „„ Die geeignete Haltung eines Mediators Nach unserer Erfahrung lassen sich fünf Grundpfeiler der geeigneten Haltung eines Mediators beschreiben: Zurückhaltung: Die Parteien sind an Sie herangetreten, weil Sie zwar unter Ihrer Leitung, aber letztlich doch selbst eine Lösung erarbeiten möchten. Wenn eine Einigung in weite Ferne rückt, bemühen Sie sich um gute Kommunikation und klare Struktur, aber drängen Sie die Parteien nicht zu Lösungen, auf die sie sich nach dem Maßstab ihrer Interessen nicht einigen wollen. Wenn eine Nichteinigung für beide Seiten im Lichte ihrer Interessen ein gutes Ergebnis ist, haben Sie nichts falsch gemacht. Neugierde: In der Regel haben die Parteien zu Beginn einer Mediation eine Fülle von ungeprüften Annahmen übereinander getroffen. Machen Sie sich diese Annahmen nicht zu eigen, sondern fragen Sie die Beteiligten offen nach Ihren Ansichten, Be100

Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen ­|  Kap. 3

dürfnissen und Ideen. Nur so können Sie den Parteien helfen, ihre womöglich falschen eigenen Annahmen über die Historie des Konflikts, über einander und über die jeweiligen Interessen und Bedürfnisse zu überwinden und so den Boden für eine konstruktive und auf die Wertschöpfung bedachte Arbeit an Lösungen für die Zukunft zu bereiten. Geduld: Gegenseitiges Gehör und gegenseitige Einfühlung brauchen Zeit. Wenn Sie ein Forum dafür schaffen möchten, setzen Sie sich auch selbst nicht unter Zeitdruck, und lassen Sie sich und die Beteiligten nicht unter Zeitdruck setzen. Wenn der vereinbarte Zeitrahmen für die Verhandlungen nicht ausreicht, halten Sie rechtzeitig inne, und verhandeln Sie mit den Beteiligten auf der Prozessebene das weitere Vorgehen, zum Beispiel durch die Vereinbarung eines Termins zur Fortsetzung des Gesprächs. Furchtlosigkeit: Lassen Sie sich durch Überraschungen nicht aus dem Konzept bringen, sondern nehmen Sie unerwartete Schachzüge und vermeintliche Rückschläge zum Anlass, die dahinter stehenden Bedürfnisse der Parteien zu ergründen. Bleiben Sie stets offen dafür, das Verfahren und die nächsten Schritte an diese Bedürfnisse, die sich in vermeintlichen „Störungen“ Bahn brechen mögen, anzupassen. Transparenz: Vergessen Sie nicht, dass die Mediation in der Regel für beide Parteien Neuland ist. Erklären Sie daher stets, was Sie tun und warum Sie es tun. Wenn Sie in schwieriges Fahrwasser geraten, erläutern Sie in aller Ruhe, worüber Sie nachdenken und welche nächsten Schritte Sie erwägen. Ihre Besonnenheit strahlt auf die Parteien aus und dient diesen als Beleg Ihrer Verfahrenskompetenz. Beispiel 4

Abschluss der Mediationsvereinbarung und des Mediatorvertrags Sobald die Beteiligten sich mit dem Mediator über seine Rolle verständigt haben, lie­ gen die Voraussetzungen für den Abschluss eines Vertrages über das Verfahren vor. Sofern sich die Parteien bereits in einer (zweiseitigen) Mediationsvereinbarung auf die Durchführung der Mediation geeinigt hatten, werden sie mit dem Mediator nun ei­ nen eigenen, drei- oder mehrseitigen Mediatorvertrag abschließen (vgl. zu Einzelhei­ ten Kapitel 12). Die Abstimmung des Vertragsinhalts kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Zudem besteht das Risiko, dass die Parteien in Positionen zurückfallen, wenn und weil Rechtsfragen wieder in den Vordergrund treten. In Auseinandersetzungen, in denen es (zumindest) auch um die Gestaltung oder Verwirklichung von Rechten geht, ist die vertragliche Vorsorge allerdings zu wichtig, als dass sie dem Zufall überlassen werden sollte. Um die Vertraulichkeit auch für den Fall sicherzustellen, dass eine Mediation letztlich doch nicht durchgeführt wird, ihr aber ein Informationsaustausch voraus­ geht, sollte jedenfalls die Mediationsvereinbarung so früh wie möglich abgeschlossen werden.

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Teil II ­|  Methode der Mediation

Zusammenfassung Die Wirtschaftsmediation soll den Beteiligten dadurch ein faires, zügiges und kosten­ günstiges Verfahren zur Streitbeilegung bieten, dass ein neutraler Dritter sie in ihren Verhandlungen unterstützt. An dieser Zielsetzung orientiert sich auch die Rolle des Mediators. Er kann als Moderator das Gespräch leiten oder selbst Stellung beziehen, sich auf bestimmte Konfliktthemen konzentrieren oder diese umfassend erforschen. Wie der Dritte vorgeht, ist vor Verhandlungsbeginn mit den Beteiligten abzustim­ men. Dabei sollte der Mediator deren Erwartungen ebenso wie den Konflikttyp und seine eigenen Fähigkeiten berücksichtigen. Tendenziell empfiehlt sich jedenfalls zu Beginn der Mediation ein moderierender und nicht sogleich bewertender Ansatz. Auch wenn die Mediation ein interessenorientiertes Verfahren ist, spielt das Recht doch in vielen Konflikten eine Rolle. Gleichwohl sollte ein Mediator rechtliche Wer­ tungen nicht unbedacht vornehmen. Insbesondere wenn er über einen juristischen Hintergrund verfügt, kann er den Parteien das Recht des Mediationsverfahrens erläu­ tern. Er sollte aber Vorsicht dabei walten lassen, den Beteiligten in der Sache rechtli­ che Ratschläge zu geben. Haben die Parteien ihm eine evaluative Rolle zugedacht, kann er ihnen rechtliche Einigungsvorschläge unterbreiten, wenn er als Anwalt zuge­ lassen ist. Nicht-Anwälte und Mediatoren ohne evaluativen Auftrag sollten sich hier aber zurückhalten, um die Grenzen des Rechtsdienstleistungsrechts zu respektieren und ihre Neutralität nicht zu gefährden. Die Parteien erwarten in der Regel von jedem Mediator, dass er unabhängig und un­ parteilich ist. In manchen Situationen kann es – in den Grenzen des MediationsG – genügen, dass er für die Beteiligten akzeptabel ist, obwohl er bestimmte „objektive“ Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht erfüllt. Dazu muss der prospektive Mediator die Beteiligten allerdings über kritische Umstände aufgeklärt haben, so dass diese eine informierte Entscheidung treffen können, und es darf kein Fall der absoluten Tätigkeitsverbote aus §  2 MediationsG vorliegen. Der Mediator sollte in keinem Fall die Gerechtigkeitsvorstellungen der Parteien durch seine Ideale ersetzen und mit eigenen Vorschlägen sparsam umgehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien ausdrücklich eine Sachbeurteilung durch den Mediator im Rahmen der Mediation wünschen. Für die Bewältigung kritischer Situationen in einer Mediation hilft es, wenn Sie sich als Mediator auf die fünf Grundpfeiler einer geeigneten Haltung von Mediatoren be­ sinnen: Zurückhaltung, Neugierde, Geduld, Furchtlosigkeit und Transparenz. Für den anwaltlichen wie für den nichtanwaltlichen Mediator ist das Aushandeln sei­ ner Rolle vor Beginn der eigentlichen Mediation von großer Bedeutung. Diese Aufga­ bendefinition ist regelmäßig ein zentraler Teil der Vorbereitungsphase. Wie sich diese professionell gestalten lässt, ist Gegenstand des folgenden Kapitels.

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Kapitel 4 Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren Nachdem wir bislang eine funktionale Perspektive gewählt und nach der Art des Pro­ blems sowie nach der Vorgehensweise des Mediators unterschieden haben, wollen wir jetzt den Verlauf der Mediation chronologisch betrachten. Tatsächlich beginnt die­ se in der wirtschaftsrechtlichen Praxis oft schon lange, bevor die eigentliche Media­ tionsverhandlung stattfindet. Sobald Sie als Mediator mit den Parteien in Kontakt getreten sind, werden Sie Informationen sammeln, um z.B. den Anlass des Konflikts, bisher bestehende Einigungsbarrieren und die Eskalationsstufe ebenso festzustellen wie die jeweiligen Standpunkte der Kontrahenten. Mit derartigen Angaben können Sie sich in der Regel ein gutes Bild über den Sachverhalt – und eventuell die Rechtsla­ ge – machen, das es zu Beginn der eigentlichen Mediationsverhandlung zu vertiefen gilt. Diese Statuserhebung in Phase 0 und Phase 1 der Mediation sowie der Abschluss der Konfliktdiagnose sind Gegenstand dieses Kapitels. Im Folgenden wird zunächst kurz betrachtet, wie die Kontaktaufnahme verläuft, be­ vor wir uns der eigentlichen Konfliktdiagnose und inhaltlichen Vorbereitung einer Mediationsverhandlung zuwenden. Die Konfliktdiagnose kann bereits in Vorgesprä­ chen oder mittels schriftlicher Stellungnahmen stattfinden, wird aber häufig erst im direkten Austausch abgeschlossen werden. Aufgrund der gesammelten Informatio­ nen wissen Sie als Mediator, welche Art von Konflikt vorliegt und auf welcher Eskala­ tionsstufe sich dieser befindet. Darüber hinaus sind Ihnen die Personen, die an der Mediationsverhandlung teilnehmen werden, ebenso bekannt wie die mittelbar in den Konflikt Involvierten. In Kenntnis des Konfliktstatus und der Betroffenen werden Sie auch feststellen, inwieweit die Differenzen mehr auf einer sachlichen oder mehr auf einer persönlichen Ebene liegen bzw. inwieweit sie ineinander verwoben sind.

Kontaktaufnahme Aller Anfang ist schwer. In vielen Fällen besteht die größte Herausforderung für Sie als Mediator daher darin, den Übergang von Phase 0 zu Phase 1 zu bewirken. Die dafür notwendigen Aktivitäten beginnen mit der ersten Kontaktaufnahme. Häufig wendet sich eine der Parteien oder einer ihrer Vertreter unmittelbar an potentielle Mediatoren und fragt nach deren Bereitschaft und Konditionen. In Streitigkeiten ­zwischen Unternehmen ist es nicht ungewöhnlich, dass der erste Kontakt zwischen Ihnen als potentiellem Mediator und den Beteiligten über Organisationen wie die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) in Köln177 oder das Centre for Effective Dispute Resolution (CEDR)178 in London erfolgt. Das liegt daran, dass viele Streitbeilegungsklauseln in Verträgen auf die Verfahrensordnungen dieser Institutio­ nen verweisen. Wenn eine Mediation nach den Regeln einer solchen Organisation durchgeführt wird, kann sie den Parteien Vorschläge für die Auswahl eines Mediators unterbreiten (vgl. Kapitel 12). Daher besteht Ihr erster Kontakt als potentieller Me­ diator, wenn sich Ihr Name auf der Liste einer solchen Institution befindet, zu deren 103

Teil II ­|  Methode der Mediation

Repräsentanten. Sobald die Parteien sich über Ihre Auswahl als Mediator verständigt haben, wird ein Unternehmensvertreter direkt mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Wenn es z.B. in einem Sach- oder Verteilungskonflikt um rechtliche Fragen geht, sind Ihre ersten Ansprechpartner in der Regel die Rechtsanwälte oder Justitiare des Unterneh­ mens. Sie werden auch in den Fällen, in denen die Mediation ohne institutionelle Unterstützung stattfindet, die Verbindung zu Ihnen herstellen. Anders verhält es sich in unternehmensinternen Konflikten zwischen Gesellschaf­ tern, Mitgliedern der Unternehmensleitung oder eines Aufsichtsgremiums, sofern z.B. ein Beziehungs- oder Strategiekonflikt vorliegt, für deren Lösung keine Rechts­ fragen zu klären sind. In diesen Situationen nimmt in der Regel ein Angehöriger der genannten Personenkreise das Gespräch mit Ihnen als möglichem Mediator auf. Das­ selbe gilt, wenn Sie in einem internen Unternehmensprojekt, wie z.B. einer Standort­ verlagerung oder Umstrukturierung, von dem dafür Verantwortlichen oder in einer Auseinandersetzung zwischen Mitarbeitern von dem Vorgesetzten hinzugezogen werden und es nicht um die Verwirklichung oder Durchsetzung von Rechten geht. Gelegentlich erkundigen sich Unternehmensvertreter bei Ihnen erst einmal nach der Möglichkeit, eine Mediation durchzuführen, ohne dazu bereits fest entschlossen zu sein. In diesen Fällen genügt es, den Interessierten allgemeines Informationsmaterial zur Mediation zu senden oder sich zu einem unverbindlichen Informationsgespräch mit allen Parteien anzubieten. Wir empfehlen Ihnen für diese Fälle die Verwendung eines Informationsblatts oder eine persönliche Vorstellung. In manchen Situationen geht die Initiative für die Einleitung einer Mediation von einem Einzelnen aus, z.B. einem Mitglied der Rechtsabteilung, einem Gesellschafter oder einem Beirat, der im Unternehmen erst noch Überzeugungsarbeit leisten muss. Dann bietet sich eine Kurzpräsentation durch den potentiellen Mediator oder eine andere mit der Methode vertraute und erfahrene Person an. Insbesondere dann, wenn die Mediation in einem Unternehmen systematisch genutzt oder das Konfliktmanagement optimiert werden soll (vgl. Kapitel  13), kann auch die Durchführung eines Verhandlungs-Workshops empfehlenswert sein. „„ Verhandlungsworkshops in einem Kulturbetrieb Im San Francisco Symphony Orchestra war es in den 1980er und 1990er Jahren zu schweren Spannungen zwischen dem Orchester und der Verwaltung gekommen. Die kompetitiven Musiker und der Executive Director des traditionsreichen Hauses, Peter Pastreich, hatten sich in jahrelangen Streitigkeiten bereits an die scharfen Konfrontationen gewöhnt. Nach einer besonders verbitterten, von einem Streik begleiteten Auseinandersetzung im Jahre 1996 war die in der Hewlett Foundation für die Förderung der darstellenden Künste verantwortliche Mitarbeiterin Melanie Beene um die Zukunft des Orchesters besorgt. Einer ihrer Kollegen erkundigte sich bei Robert H. Mnookin danach, ob dieser sich an einem Projekt beteiligen könnte, das die Arbeitsbedingungen in dem berühmten Haus im Westen verbessert. Mnookin führte zunächst Gespräche mit den für das Management und für die Musik ver­ antwortlichen Personen. Bei dieser Gelegenheit schlug er die Gründung eines San Francisco Symphony Conflict Resolution Program vor. Die erste Stufe dieses Pro104

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren ­|  Kap. 4

gramms bestand in der Durchführung von zwei zweitägigen Verhandlungsworkshops mit den Musikern und der Verwaltung im Marin County Resort der San Fran­ cisco State University.179 Beispiel 1

Vorbereitung der Mediation und Konfliktdiagnose Sobald die Beteiligten zu Ihnen Kontakt aufgenommen und Sie als Mediator gewählt haben, stellt sich für Sie die Frage, wann Sie mit der Bestandsaufnahme beginnen wollen. Sollten Sie die Mediation inhaltlich vorbereiten, oder wäre es besser, vollkom­ men unbefangen in die Verhandlung zu gehen? Sollten Sie sich erst in der gemeinsa­ men Sitzung mit den Beteiligten (in den Phasen 1 und 2) oder vorab (in Phase 0) in­ formieren lassen? Wenn Sie sich dafür entscheiden, sich bereits vor dem Treffen kundig zu machen, an wen wenden Sie sich? Schließlich müssen Sie sich – unabhän­ gig vom Zeitpunkt – überlegen, welche Informationen Sie benötigen und welche nützlich wären und wie Sie diese einholen wollen (z.B. schriftlich oder durch vorbereiten­ de Einzelgespräche mit den Parteien). Inhaltliche Vorbereitung der Mediation? Manche Mediatoren vertreten die Auffassung, in der Regel sei es besser, vor Beginn der Verhandlungen keine Informationen einzuholen. Anderenfalls würden sie vorzei­ tig eigene Annahmen treffen und sich eine eigene Meinung bilden und so ihre Unvor­ eingenommenheit verlieren. Sie wären weniger neugierig und würden weniger Fra­ gen stellen. Damit könnte sich das kreative Potential ihrer Rolle verringern. Auch wenn sie als Mediator in diesem Fall zu Beginn der Sitzung notwendigerweise viele Verständnisfragen stellen müssten, würde die dafür aufgewandte Zeit den Verhand­ lungsprozess nicht belasten. Schließlich würde sie auch den Parteien dazu dienen, etwas über den Standpunkt der anderen Seite zu erfahren und ihre eigene Sichtweise zu überprüfen.180 Andere sind der Meinung, für jede Verhandlung sei die Vorbereitung besonders wichtig.181 Dementsprechend sollte der Mediator schon in Phase 0 Informationen sammeln. Auf diese Weise könne er sich vorab einen Überblick über die Themen und die Beteiligten verschaffen. Eine umfassende Vorbereitung erleichtere es ihm auf der Problemebene, Zusammenhänge zu erkennen und zielführende Fragen zu stellen, so­ wie auf der Prozessebene, das Verfahren passgenau zum Konflikt und zu den Beteilig­ ten zu gestalten. Darüber hinaus sei es für den Mediator viel leichter, den Respekt der Beteiligten zu finden bzw. zu erhalten, wenn er mit den Umständen vertraut ist. Nach unserer Auffassung kommt es im Hinblick auf Nutzen und Gefahren einer in­ haltlichen Mediationsvorbereitung maßgeblich auf den Konflikttyp und den Kontext an. In reinen Beziehungskonflikten, also nicht in personalisierten Sachkonflikten oder bei nebeneinander bestehenden Sach- und Beziehungskonflikten (vgl. Kapitel 1), ist die Vorbereitung weniger wichtig: In diesen Auseinandersetzungen steht regelmäßig 105

Teil II ­|  Methode der Mediation

die subjektive Wahrnehmung der Betroffenen im Vordergrund. Die Aufgabe des Me­ diators besteht darin, einen Austausch darüber zu ermöglichen oder zu erleichtern. Sie steuern die Kommunikation, stellen geeignete Fragen, hören aktiv zu, paraphra­ sieren, verbalisieren und normalisieren (vgl. Kapitel 5). Wenn die Betroffenen anwe­ send sind, benötigen Sie im Grundsatz vorab keine weiteren Informationen. Sie wer­ den allerdings immer wieder dafür Sorge tragen müssen, dass die Beteiligten nicht in die Muster des intuitiven Verhandelns zurückfallen oder die Sach- und Beziehungs­ ebene zu vermischen beginnen (vgl. Kapitel 2). Anders verhält es sich bei Sach‑, Grundsatz- bzw. Wert‑, Strategie- und Verteilungskonflikten. Sobald diese angesichts der aufgeworfenen Sachverhalts- oder Rechtsfra­ gen, technischer Schwierigkeiten oder organisatorischer Gesichtspunkte nicht mehr ohne weiteres überblickbar sind, gewährleistet nur eine sorgfältige Vorbereitung hohe Effizienz. Sie stellt sicher, dass die geeigneten Teilnehmer in der Mediationsverhand­ lung anwesend sind und etwa zusätzliche, erforderliche Informationsquellen zur Ver­ fügung stehen. So machte in einem Konflikt über ein Softwareentwicklungsprojekt z.B. ein Auftraggeber zahlreiche gravierende Mängel geltend. Diese konnten in der Mediationssitzung nur auf der Grundlage eines zuvor für die Beteiligten zugänglich gemachten Datenmodells und Pflichtenhefts zielführend erörtert werden. Über die Kenntnis des Konflikttyps hinaus sind für Sie möglicherweise Angaben hin­ sichtlich des Eskalationsgrads hilfreich. Auf einer niedrigen Eskalationsstufe können Sie den Prozess offener gestalten als bei einer bereits weiter eskalierten Auseinander­ setzung (vgl. Kapitel 1). In einem fortgeschrittenen Stadium empfiehlt sich unter Um­ ständen die Kombination der Mediation mit einem anderen Streitbeilegungsverfah­ ren (vgl. Kapitel 2 und 10). In der Praxis hat es sich z.B. als hilfreich erwiesen, für Teilfragen Schiedsgutachten in Auftrag zu geben oder Sachverständige zu einzelnen Themen zur Verhandlung hinzuzuziehen (vgl. die Praxisbeispiele in Beispiel 12 in Kapitel 2). Schließlich sind regelmäßig Informationen über frühere Vergleichsvorschläge von Interesse, um Näheres über die Einigungshürden zu erfahren, die bislang eine Verständigung verhindert haben. Ein Überblick über Konflikttyp, Eskalationsgrad und Einigungshindernisse erleichtert es Ihnen, die Teilnehmer an der Mediati­ onsverhandlung auszuwählen, die Vorgehensweise zu strukturieren und sich über die Agenda Gedanken zu machen. Letztlich haben wir es in komplexen Streitigkeiten für die eigene Gelassenheit und Konzentration in der Rolle des Mediators als förderlich empfunden, uns vorab zu­ mindest eine erste Orientierung über die Themen, mögliche Interessen der Parteien, ihre Nichteinigungsalternativen, den jeweiligen Einigungsbereich und mögliche Einigungsoptionen zu verschaffen. Wenn Sie die Parteien als Anwaltsmediator rechtlich beraten (vgl. Kapitel 3) oder eine Prozessrisikoanalyse durchführen (vgl. Kapitel 9), ist eine gründliche Vorbereitung unerlässlich. Das gilt sogar dann, wenn Sie in diesem Stadium eigentlich nur mit Hypothesen arbeiten können. Die Informationssammlung vor dem Verhandlungsbeginn dient aber nicht nur Ihnen als Mediator, sondern auch den Beteiligten. Wir haben in Auseinandersetzungen zwi­ schen Organisationen wiederholt die Erfahrung machen müssen, dass deren Vertre­ 106

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren ­|  Kap. 4

ter sich nicht gründlich genug mit der Sache befasst haben. Sofern es um juristische Fragen geht, bereiten leider auch nicht alle Rechtsanwälte eine Verhandlung gutacht­ lich vor. Sie konzentrieren sich vielmehr auf die Begründung des eigenen Stand­ punkts, ohne alle Argumente sorgfältig abzuwägen. Eine derart unzureichende Auf­ arbeitung erschwert die Erörterung des Sachverhalts ebenso wie die Diskussion der damit verbundenen Rechtsfragen: Sind die Parteien aber schon für sich nicht dazu in der Lage, die relevanten Gesichtspunkte zu gewichten und auf dieser Basis zu bewer­ ten, werden sie erst recht keine Einigung mit ihren Kontrahenten erzielen. Als Parteivertreter sollten Sie sich daher selbst intensiv vorbereiten und Ihre Mandan­ ten dabei so weit wie möglich einbeziehen.182 Sie haben schon in dieser Phase große Einflussmöglichkeiten. Der Mediator wird jede konstruktive Anregung der Rechtsan­ wälte oder anderer Berater gerne aufnehmen. Wenn Vorgespräche zwischen Ihnen und dem Mediator stattfinden, können Sie sicherstellen, dass die aus Sicht Ihres Man­ danten entscheidenden Themen in der Mediationsverhandlung diskutiert werden. Sie können die Agenda beeinflussen und dafür Sorge tragen, dass die relevanten Perso­ nen an der Verhandlung teilnehmen. In einem frühen Stadium besitzen Sie als Partei­ vertreter auch noch einen besseren Überblick als der Mediator im Hinblick auf die Frage, ob die andere Seite die für eine Konfliktbeilegung maßgeblichen Personen be­ nannt hat. Gegebenenfalls sollten Sie deren Einbeziehung anregen. Informationssammlung Wie gehen Sie am besten vor, wenn Sie als Mediator vorab Informationen einholen? Um sich einen Überblick über die Themen der Mediation zu verschaffen, eignen sich in Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen Schriftsätze, von den Beteiligten frei verfasste schriftliche Stellungnahmen bzw. sogenannte pre-mediation briefing reports oder vorbereitende Einzelgespräche. Schriftsätze Befinden sich die Parteien bereits in einem Rechtsstreit, bieten die Schriftsätze eine naheliegende und geeignete Informationsquelle. Sofern Sie zusätzliche Informatio­ nen über wirtschaftliche Gesichtspunkte benötigen, sollten Sie diese Punkte vor der Mediationsverhandlung mit den Beteiligten klären. Schriftliche Stellungnahmen Wenn die Parteien kein streitiges Verfahren eingeleitet haben oder einleiten wollen, können Sie sich von den Betroffenen oder ihren Rechtsanwälten kompakte Zusam­ menfassungen bzw. Stellungnahmen zum Streitstand geben lassen. In den meisten Fällen müssen diese nicht mehr als ca. 10 bis 15 Seiten lang sein. Wenn Unternehmen durch Rechtsanwälte vertreten sind, liegt der Umfang der Schriftsätze dennoch oft weit darüber. Wie vor Gerichtsterminen werden gerne auch noch am Vorabend der Verhandlung weitere Streitschriften eingereicht, die von Prozessschriftsätzen kaum zu unterscheiden sind. Unabhängig von ihrer Länge sollten sie die zuvor erwähnten 107

Teil II ­|  Methode der Mediation

Punkte abdecken, also jedenfalls Angaben über den bisherigen Verlauf des Konflikts und etwaige frühere Vergleichsverhandlungen ebenso einschließen wie die Darstel­ lung des Sachverhalts und, sofern erheblich, der wesentlichen Rechtsargumente. Diese Hintergrunddarstellungen dienen nicht nur der Vorbereitung des Mediators, son­ dern, wie bereits erwähnt, ebenso der Vorbereitung der Beteiligten. In einer Ausein­ andersetzung, in der Unternehmen durch Rechtsanwälte beraten werden, haben die Juristen zudem Gelegenheit, sich über wirtschaftliche Gesichtspunkte Gedanken zu machen, die vielleicht im Verlauf der Auseinandersetzung zunächst in den Hinter­ grund getreten sind. Ähnliche Erwägungen gelten für die innerbetriebliche Media­ tion, wenn sie ihrer Struktur nach derjenigen zwischen Unternehmen vergleichbar ist. Das ist z.B. dann der Fall, wenn sich größere Abteilungen in einem Unternehmen oder Gesellschaften innerhalb eines Konzerns als Kontrahenten gegenüberstehen. Sie können den Parteien auch anbieten, Ihnen ergänzend vertrauliche Stellungnahmen zu schicken. In diesem Fall bekommt die jeweils andere Seite keine Kenntnis der nur Ihnen vertraulich übermittelten Informationen. Möglicherweise werden Sie so tat­ sächlich vertrauliche Angaben über versteckte Einigungshindernisse erhalten. Wenn Sie derartiges Sonderwissen besitzen, müssen Sie allerdings darauf achten, welche Umstände Sie im späteren gemeinsamen Gespräch mit der anderen Partei berück­ sichtigen können. Ohne eine entsprechende Kennzeichnung lässt sich diese Unter­ scheidung in vielen Fällen nur schwer treffen. Nicht zuletzt für den Fall, dass ein sol­ cher vorbereitender Informationsaustausch zustande kommt, sollten die Parteien und der Mediator zum Schutz der Vertraulichkeit der einander überlassenen Dokumente zuvor jedenfalls eine entsprechende Vertraulichkeitsverpflichtung in einer Mediati­ onsvereinbarung bzw. einem Mediatorvertrag begründet haben (vgl. dazu Kapitel 12). Mediation Briefs Der Vorbereitung des Mediators und der Parteien dient auch die Verwendung soge­ nannter mediation briefs.183 Bei einem entsprechenden Dokument handelt es sich ebenfalls um eine schriftliche Stellungnahme, welche jede Partei mit ihren Beratern verfasst, und zwar auf der Grundlage einer von Ihnen als Mediator vorgegebenen Struktur. Die Anfertigung der mediation briefs soll sicherstellen, dass die Beteiligten sich nicht nur auf die Begründung ihrer jeweiligen Positionen konzentrieren, sondern bereits über ihre Interessen (vgl. Kapitel  6), in Betracht kommende Einigungsop­ tionen (vgl. Kapitel 7) sowie Nichteinigungsalternativen (vgl. Kapitel 9) nachdenken und ihre Standpunkte in einem größeren Gesamtzusammenhang sehen. Daher könn­ te der mediation brief z.B. folgende Fragen beantworten: Welche Themen sollten wir besprechen? Welche Interessen haben die Beteiligten und wie lassen sich diese ge­ wichten? Welche bereits jetzt vorhersehbaren mittel- und langfristigen Vorteile könn­ te eine Einigung den Parteien bieten, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht? Wel­ che anderen Vorteile wären denkbar? Welche Szenarien kommen in Betracht, wenn keine Einigung erfolgt? Gibt es Dritte, insbesondere Kunden, die Branche insgesamt, aber eventuell auch Mitbewerber, die aus einer Einigung Nutzen ziehen könnten? Orientiert man sich an der Struktur einer Mediation, lassen sich die relevanten Fra­ gen am besten nach den Punkten in der folgenden Checkliste ordnen.184 108

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren ­|  Kap. 4

„„ Checkliste: Mediation briefs yy yy yy yy yy yy yy yy yy yy

yy yy

Chronologie des Konflikts (bisheriger Verlauf, Standpunkte) Parteien bzw. Beteiligte (evtl. Biographie der Parteivertreter, Rolle im Konflikt) Interne Strukturen (Wer entscheidet? Wer hat welchen Einfluss?) Relevante Themen (Um welche Themen und Sachprobleme geht es?) Interessen und Werte der Parteien Perspektive nach einer Einigung (Welche mittel- oder langfristigen Vorteile hätte diese?) Nichteinigungsalternativen (Alternativen und jeweils beste Alternative zu einer Einigung) Erforschung von Einigungsoptionen (Welche Elemente könnten denkbar Teil einer Einigung sein?) Überblick über bisherige Verhandlungsthemen, Einigungsversuche und Lösungen Objektive Kriterien, die sich zur Beantwortung von Bewertungsfragen heran­ ziehen lassen könnten (Fairness, gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen, Üblichkeiten, technische Standards etc.) Trade-off-Analyse (Austauschmöglichkeiten im Hinblick auf Güter oder Dienstleistungen?) Auswirkungen auf Dritte (Welche anderen Personen oder Organisationen werden in welcher Weise von den Ergebnissen der Mediation beeinflusst?)

Beispiel 2

Unternehmensvertreter haben uns berichtet, dass sie die Vorbereitung von Media­ tionsverhandlungen mit Hilfe von mediation briefs als sehr hilfreich empfunden ha­ ben und dieselben Fragen auch nach Abschluss der Mediation wiederholt zur Vorbe­ reitung anderer Vergleichsverhandlungen nutzen konnten. Vorbereitende Einzelgespräche Insbesondere in komplexen Konflikten kann es auch sinnvoll sein, dass Sie zusätzlich zur Einholung schriftlicher Stellungnahmen vorbereitende Einzelgespräche mit den Beteiligten oder ggf. sogar Gespräche mit sachverständigen Dritten führen. Auf diese Weise bekommen Sie vorab ein noch schärferes Bild der Ausgangslage und sind so in der Lage, die wertvolle gemeinsame Zeit der Parteien „am Verhandlungstisch“ mög­ lichst effizient zu planen und zu gestalten. Ihnen wird rechtzeitig bewusst, welche Themen in welchem Umfang zu besprechen sein werden, welche Personen anwesend sein müssten und ob die Verhandlungen besser am Stück in einem Termin oder in Etappen über mehrere Termine erstreckt angesetzt werden sollten.

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Teil II ­|  Methode der Mediation

Auswertung der Informationen Auf der Grundlage der gesammelten Informationen verschaffen Sie sich einen Über­ blick über die relevanten Themen und können, sofern Sie diesen nicht bereits auf­ grund der ersten Kontakte einschätzen konnten, den Konflikttypus beurteilen. Jetzt werden Sie sich Gedanken darüber machen, wie sich in der Verhandlung etwaige Missverständnisse aufklären und Informationslücken schließen lassen. Zudem struk­ turieren Sie mit dem Ihnen nun vorliegenden Hintergrundwissen eine Agenda. Angesichts der Tatsache, dass viele Menschen stärker visuell als auditiv veranlagt sind, sollte jener Sinneskanal häufiger durch bildliche Darstellungen angesprochen wer­ den, als es in vielen Verhandlungen der Fall ist. Zur Optimierung der Verhandlungen können Sie also dadurch beitragen, dass Sie bereits vor dem Zusammentreffen mit den Parteien die technischen Möglichkeiten zur visuellen Unterstützung bedenken. Diese beginnen bei der Anfertigung einer Chronologie der Ereignisse, die Sie in der Verhandlung für alle sichtbar darstellen und ggf. mit den Teilnehmern ergänzen kön­ nen. In entsprechender Weise lassen sich mit Hilfe von Grafiken oder flow charts tech­ nisch oder rechtlich komplizierte Sachverhalte veranschaulichen. Wenn Rechtsfragen in der Mediation von Bedeutung sind, können die Weichenstellungen optisch mittels eines Entscheidungsbaums dargestellt werden, wie er für eine Prozessrisikoanalyse ge­ nutzt wird (vgl. Kapitel 9). Auswahl der Teilnehmer Eine weitere Aufgabe des Mediators besteht in der Auswahl der geeigneten Teilneh­ mer für die Mediationsverhandlung.185 Achten Sie darauf, dass in diesem Personen­ kreis die notwendige Kenntnis über den Konflikt ebenso vorhanden ist wie die Ver­ tretungs- und Entscheidungsbefugnis. Damit die verantwortlichen Personen sich ein eigenes Bild verschaffen, sollten sie selbst anwesend sein. So lassen sich auch Zweifel über die Abschlussbereitschaft ausräumen. Darüber hinaus sollte, soweit möglich, schon im Voraus bedacht werden, wer an der etwaigen Umsetzung eines Mediations­ ergebnisses beteiligt wäre. Besteht also z.B. die Möglichkeit, dass ein Kooperations­ vertrag fortgesetzt wird, so sollte der dafür zuständige Mitarbeiter an der Mediations­ sitzung teilnehmen. Seien Sie sich als Mediator auch der Möglichkeit bewusst, dass die Teilnehmer an ei­ ner Verhandlung andere Interessen haben können als diejenigen, die sie vertreten. Neben den in Kapitel 1 behandelten kognitiven Einigungshürden, die ihre Ursache in unserer Wahrnehmung haben, und den in Kapitel 2 erwähnten intuitiven bzw. strate­ gischen Verhaltensweisen stellen Interessengegensätze zwischen einem Vertreter und dem Vertretenen (principal agent-Problem) eines der größten strukturellen Hinder­ nisse für die Beilegung von Konflikten dar. Gleichzeitig kann die Auswahl des am besten geeigneten Verhandlungsführers bzw. ‑teams erheblich zu einem konstruk­ tiven Verlauf einer Sitzung beitragen und eine Einigung erst ermöglichen.186

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Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren ­|  Kap. 4

Vertretungs- und Entscheidungsbefugnis Ein Unternehmen oder eine Behörde sollte sich durch eine Person in der Mediation vertreten lassen, die schon aufgrund ihrer Funktion (z.B. vertretungsberechtigter Vorstand einer Aktiengesellschaft, Geschäftsführer einer GmbH oder Behördenlei­ ter) offensichtlich über die nötige Abschlusskompetenz verfügt. Wenn das zuständige Mitglied der Geschäftsleitung selbst nicht an den Verhandlungen teilnehmen kann, sollte jedenfalls eine vertretungsberechtigte Person an seiner Stelle erscheinen. Ob ein solcher Repräsentant über eine uneingeschränkte Vollmacht verfügt, um einen Ver­ gleich abzuschließen, lässt sich natürlich nicht ohne weiteres feststellen. Daher sollte diese Frage vor Verhandlungsbeginn geklärt werden. Von einer bestimmten Größe an bestehen in vielen Unternehmen sogenannte Gremienvorbehalte. Wenn die Beilegung eines Konflikts dementsprechend eine Entschei­ dung des Gesamtvorstands oder Aufsichtsrats erfordert, müsste theoretisch die Vor­ stands- oder Aufsichtsratssitzung mit der Mediationsverhandlung zusammenfallen. Das ist ebenso wenig realistisch wie die Anwesenheit aller Mitglieder eines Gremiums bei Gesamtvertretung oder ‑geschäftsführung. Dasselbe würde für eine GmbH gel­ ten, die mehrere Geschäftsführer bestellt hat. Deren gemeinsame Anwesenheit wird in der Praxis häufig kaum realisierbar – und für den Verhandlungsverlauf nicht unbe­ dingt nützlich – sein. Damit ein in der Mediation gefundener Konsens später vom entscheidungsbefugten Gremium auch gebilligt wird, sollte dieses eine Person mit der Verhandlungsführung (und Vertretung bezüglich eines Abschlusses) bevollmächtigen, die ihr Vertrauen ge­ nießt. Sie kann die Entscheidungsträger dann unverzüglich über den Verlauf der Me­ diationssitzung informieren und den Abschluss erläutern. „„ Über den Wert von Entscheidungsmacht In einer komplexen Mediation zwischen einem deutschen und einem italienischen Industrieunternehmen aus dem Bereich des internationalen Anlagenbaus, die von einem der Autoren durchgeführt wurde, entwickelte sich die mangelnde Entscheidungskompetenz des Verhandlungsführers einer Partei zum entscheidenden Problem. Der Mediator hatte sich im Vorfeld der Mediation in einer Telefonkonferenz zwischen den Beteiligten zwar versichert, dass die Verhandlungsführer rechtsverbindlich für ihre Gesellschaft würden handeln können. Nach der mündlichen und in den Grundzügen auch schriftlich festgehaltenen Einigung in der Mediation teilte der Verhandlungsführer der italienischen Seite drei Tage später jedoch mit, dass das Ergebnis zwar grundsätzlich Bestand haben könne, jedoch in einzelnen Punkten geändert werden müsse. Er habe zwar eine Verhandlungs‑, aber keine Abschlussvollmacht gehabt. Die andere Seite nahm dieses Verhalten zum Anlass, die Media­ tion für gescheitert zu erklären. Ein jahrelanger Rechtsstreit schloss sich an. Beispiel 3

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Teil II ­|  Methode der Mediation

Der abwesende Entscheidungsträger Der Erfolg einer Mediation hängt in hohem Maße davon ab, ob sich die verschiede­ nen Einschätzungen der Konfliktbeteiligten im Laufe der Verhandlungen in einer Weise verändern, die eine Verständigung ermöglicht. Damit sich ein solcher Wahr­ nehmungswandel vollziehen kann, bedarf es eines intensiven Gesprächs. Wenn ein Entscheider nicht selbst am Verhandlungstisch sitzt, wird er offensichtlich nicht über denselben Informationsstand verfügen wie die Teilnehmer. Daran kann die Billigung des in einer Mediation gefundenen Ergebnisses scheitern. Es ist wenig überraschend, dass die Ablehnung eines Vergleichs durch einen abwesen­ den Entscheidungsträger unter den Beteiligten große Frustration auslösen wird. Die Abwesenheit eines Verantwortlichen hilft daher nur derjenigen Partei, die eine Me­ diation lediglich zum Zweck der Ausforschung oder Verschleppung missbraucht. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich auch Spitzenführungskräfte großer Unter­ nehmen zur Teilnahme an einer Mediation bereit finden, wenn der Konflikt für das Unternehmen eine größere Bedeutung hat und der Nutzen der Anwesenheit zuvor überzeugend dargestellt worden ist. In einem Fall, in dem ein Unternehmen in der Mediation durch einen Syndikus vertreten war, bedurfte die Billigung des Vergleichs eines Vorstandsbeschlusses. Der Vorstand wurde durch seinen Justitiar laufend über den Fortgang der Verhandlung informiert und stimmte letztlich der gefundenen Ei­ nigung zu. Bis zuletzt befürchtete allerdings die durch ein Mitglied der Geschäftsfüh­ rung vertretene Gegenseite, die Einigung könnte am abwesenden Vorstand scheitern. Die dadurch entstandenen Zweifel belasteten den Verhandlungsprozess erheblich. Dazu wäre es nicht gekommen, wenn ein Vorstandsmitglied anwesend gewesen wäre. „„ Mit dem Segen des Patriarchen? In einem anderen von einem der Autoren als Mediator begleiteten Konflikt in einem großen Familienunternehmen schwebte über den Verhandlungen stets der Vorbehalt, dass der schon greise Patriarch und Vater eines der Kontrahenten jeder Lösung über die angestrebte Aufspaltung des familieneigenen Konzerns auf zwei Familienstämme seinen Segen würde erteilen müssen. Aufgrund seines Alters konnte dieser an den Verhandlungen aber nicht selbst teilnehmen. Der Sohn des Seniors versicherte jedoch, jede durch ihn verhandelte Lösung seinem Vater schlussendlich auch „verkaufen“ und dessen Zustimmung einholen zu können. Glücklicherweise gelang dies letztlich auch. Die Unsicherheit darüber belastete die Gespräche auf dem Weg dahin jedoch immer wieder. Beispiel 4

Einbeziehung der mittelbar am Konflikt Beteiligten Auch mittelbar Betroffene sollten jedenfalls dann an der Mediation teilnehmen, wenn sie Einfluss auf den Abschluss einer Vereinbarung haben oder die praktische Umset­ zung eines Vergleichs fördern oder blockieren könnten. Besondere Bedeutung kommt der Auswahl zu, sofern eine Vielzahl von Personen oder Organisationen von einer Auseinandersetzung betroffen ist. Die im ersten Kapitel bereits erwähnte Frankfurter 112

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren ­|  Kap. 4

Flughafenmediation ist dafür ein Beispiel. Die drei Mediatoren begaben sich nach ihrer Beauftragung rasch an die Arbeit. Sie schrieben die Flughafen AG ebenso wie die Luft­ hansa AG und Vertreter der Tarifparteien und Kommunen an. Sodann nahmen sie mit den Vertretern von Bürger- und Naturschutzinitiativen Kontakt auf. Diese fühlten sich zurückgesetzt. Sie gewannen den Eindruck, dass sich die Vorgehensweise der Me­ diatoren an den Bedürfnissen des Landes Hessen und des Flughafens orientiere, ihre Bedenken und Einwände jedoch nicht ernst genommen würden. Daher lehnten sie eine Teilnahme an der im Sommer 1998 begonnenen Mediation ab.187 Die sogenannte Mediationsgruppe setzte sich zusammen aus Vertretern der Kommunen, der Wirt­ schaft, der Flughafen AG (heute: Fraport), der Flugsicherung, der Luftfahrtindustrie, der Ministerien und einem Vertreter einer Initiative gegen Fluglärm. Vertreter anderer Bürger- und Naturschutzvereinigungen gehörten der Mediationsgruppe nicht an.188 Nicht immer sind die tatsächlich an einem Konflikt Beteiligten ohne weiteres erkenn­ bar. So kann ein Vergleichsschluss zwischen zwei Unternehmen beispielsweise da­ durch erschwert werden, dass die Produktionsabteilung intern andere Vorstellungen verfolgt als die Vertriebs- oder Finanzabteilung. Der verhandelnde Justitiar mag ei­ nen Sachverhalt anders einschätzen als der entscheidende Geschäftsführer. Daher sollten idealerweise diejenigen an einer Mediation teilnehmen, die auf die Entschei­ dung über eine Einigung oder deren Umsetzung Einfluss haben. Sitzen unmittelbar oder mittelbar Betroffene nicht am Verhandlungstisch, besteht die Gefahr, dass eine zwischen den Teilnehmern erzielte Verständigung im Nachhinein erheblichen An­ griffen ausgesetzt ist und keinen Bestand hat. In der Frankfurter Flughafenmediation hat die Mediationsgruppe im Februar 2000 die Notwendigkeit eines Ausbaus grundsätzlich bejaht und gleichzeitig vorgeschla­ gen, kompensierende Maßnahmen, wie ein Nachtflugverbot, zu ergreifen. Die Mit­ glieder der Mediationsgruppe hatten sich – wenn auch mit verschiedenen Einschrän­ kungen – grundsätzlich über den Ausbau verständigt. Dieses Ergebnis fand zwar bei der Landesregierung und in der breiten Öffentlichkeit durchaus positive Resonanz. Für Unternehmen und nicht im unmittelbaren Umfeld des Flughafens wohnende Bürger konnte der geplante Ausbau des Flughafens ja auch nur ein Mehr an Arbeits­ plätzen und direkten Reiseverbindungen bedeuten. Zudem würde er das zunehmen­ de wirtschaftliche Gewicht der Rhein-Main-Region unterstreichen. Die Reaktion der an der Mediation nicht beteiligten Bürger- und Naturschutzinitiativen bestand dage­ gen – ebenso wie die Reaktion der in den betroffenen Kommunen wohnenden Bür­ ger – in nachdrücklichem Protest.189 Die Kommunen hatten zwischenzeitlich sogar Sonderposten in ihren Haushalt eingestellt, um mit allen juristischen und politischen Mitteln einen Ausbau zu verhindern. Auch in Situationen mit einer geringeren Zahl von Beteiligten kann die Nichtteilnah­ me eines mittelbar Betroffenen einer Einigung entgegenstehen. So haben finanzieren­ de Banken erheblichen Einfluss auf die geschäftliche Strategie wirtschaftlich ange­ schlagener Unternehmen. Der Haftpflichtversicherer entscheidet über den Abschluss eines Vergleichs in einem Schadensfall. In entsprechenden Konstellationen empfiehlt es sich daher, Vertreter von Banken oder Versicherungen in die Verhandlungen ein­ zubeziehen. 113

Teil II ­|  Methode der Mediation

„„ Beteiligung von Versicherungsunternehmen In einer von einem der Autoren zusammen mit einem US-amerikanischen Mediator durchgeführten Co-Mediation stritten sich ein Industriekonzern und eine interna­ tionale Anwaltssozietät über einen möglichen Beratungsfehler der Kanzlei. Der Konzern hatte unter Mandatierung der Sozietät ein Unternehmen an einen Dritten verkauft und aufgrund des behaupteten Beratungsfehlers dabei einen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe erlitten. An der Mediation nahm der Berufshaftpflichtversicherer der Anwaltssozietät teil und verfolgte die Verhandlungen aufmerksam. Die Entscheidung der Anwälte, sich in einer bestimmten Höhe zu vergleichen, fiel in enger Abstimmung mit den Repräsentanten der Versicherung. Beispiel 5

Teilnahme potentieller Zeugen oder Sachverständiger Bisweilen wird sich auch die Frage stellen, ob potentielle Zeugen oder Sachverständi­ ge an der Mediation teilnehmen sollten (vgl. dazu nochmals die Praxisbeispiele in Beispiel 12 in Kapitel 2). In dieser Hinsicht stehen Sie als Parteivertreter oder Media­ tor vor der Frage, ob und in welchem Umfang solche Personen in die Vertraulich­ keitsvereinbarung einbezogen werden sollen. Das hängt vom Einzelfall ab, insbeson­ dere davon, ob bestimmte Zeugen oder Sachverständige in einem etwa nachfolgenden Gerichtsprozess als Beweismittel in Betracht kommen (sollen). So könnte der Schutz der Vertraulichkeit etwa ausdrücklich darauf beschränkt werden, dass ein bestimmter Zeuge für (bestimmte) Inhalte des Mediationsverfahrens in einem nachfolgenden Pro­ zess nicht als Zeuge benannt werden, im Übrigen aber uneingeschränkt aussagen kann. Legen Sie auf einen noch umfassenderen Schutz der Vertraulichkeit Wert, ist es möglicherweise besser, auf die Einbeziehung des potentiellen Zeugen in die Mediati­ on ganz zu verzichten.

Organisatorische Vorbereitung der Mediationsverhandlung Noch bevor Sie mit den Parteien inhaltlich „zur Sache“ kommen, wollen diese oft bereits den Ort und Zeitpunkt für die Mediationsverhandlung festlegen. Das liegt in der Regel daran, dass sie Streitigkeiten zügig beenden möchten und die Bedeutung der Vorbereitung unterschätzen. Die eigentliche Verhandlung kann sich  – je nach Fall – entweder en bloc auf eine Sitzung konzentrieren oder über mehrere Termine erstrecken. Die Blockveranstaltung lässt sich angesichts größerer Teilnehmerzahlen und gefüllter Terminkalender meistens leichter realisieren. Sie hat den Vorteil, dass in einer Verhandlung über einen längeren Zeitraum eher eine Eigendynamik entstehen kann, die tatsächlich eine Einigung erlaubt. Umgekehrt ist sie in komplexen Fällen oftmals nicht ausreichend, um den Parteien eine finale Entscheidung über eine wo­ möglich weitreichende und einschneidende Lösung des Konflikts zu erlauben. Die Parteien benötigen hier oftmals Phasen des Nachdenkens, Bewertens und der inter­ nen Absprache, welche eine Aufteilung der Mediationsverhandlung auf mehrere Ter­ mine erforderlich machen. 114

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren ­|  Kap. 4

Verhandlungsort Für die gemeinsame Verhandlung empfiehlt sich regelmäßig ein neutraler Ort. Dafür kommen z.B. die Büroräume des Mediators, aber auch die Konferenzräume eines Ho­ tels oder eines Tagungszentrums in Betracht. Darüber hinaus sollte mindestens ein Zusatzraum für den Fall zur Verfügung stehen, dass Sie ein Einzelgespräch führen oder die Parteien sich zur Beratung zurückziehen wollen. Noch besser ist es, wenn Sie zwei zusätzliche Räume für die internen Besprechungen der Parteien zur Verfügung haben. Unterschätzen Sie dabei nicht die Bedeutung der Symbolik: Im Hamburger Büro der früheren Kanzlei eines der Autoren werden die Konferenzzimmer mit Tu­ genden wie Toleranz, Gerechtigkeit oder Tradition bezeichnet. Offenbar ist diese Na­ mensgebung nicht nur Makulatur. Keine Partei war im Rahmen einer Mediationsver­ handlung jedenfalls dazu bereit, den zunächst für Einzelgespräche vorgesehenen Raum zu belegen, welcher den Namen „Großzügigkeit“ trägt. Tisch und Sitzordnung Gelegentlich haben auch andere Äußerlichkeiten Einfluss auf die Verhandlungsdyna­ mik: Manche glauben, eine rechteckige Tafel sei am besten geeignet, weil sie eher dem typischen Sitzungssaal entspricht. Andere meinen, bereits äußerlich lasse sich die Bil­ dung von Fronten vermeiden, wenn die Parteien sich an einem runden – oder zumin­ dest ovalen Tisch – gegenübersitzen. Für die Verhandlungen zwischen den polnischen Kommunisten und den Vertretern der „gesellschaftlichen Kräfte“, insbesondere der Gewerkschaft Solidarnosc, wurde im Jahre 1988 sogar eigens ein runder Tisch ange­ fertigt und in Jablonna aufgestellt. Nachdem immer wieder Streiks aufflammten, wanderte dieser zunächst in eine Lagerhalle, bis er im Februar 1989 schließlich für die Verhandlungen im Radziwill-Palais in Warschau genutzt werden konnte.190 Ungeachtet der Symbolik hängt der Erfolg einer Mediation jedoch regelmäßig nicht von der Tischform ab. Größeren Einfluss auf den Verlauf der Verhandlung kann, wie jeder von abendlichen Einladungen nur zu gut weiß, dagegen die Sitzordnung haben. Wenn Rechtsanwälte an einer Mediation teilnehmen, neigen diese manchmal dazu, ihre Mandanten „abzuschirmen“  – sofern diese nicht selbst sehr dominant sind. Überlegen Sie sich aufgrund der Umstände des Einzelfalls daher, ob Sie den oder die Unternehmensvertreter neben sich positionieren oder ob es sinnvoller ist, die Anwäl­ te bereits durch eine Seitenbemerkung direkt ansprechen zu können. Zurückhaltung ist geboten. Wenn Sie eine Sitzordnung zu detailliert vorgeben, werden die Parteien sich gegen eine zu große Einmischung wehren. „„ Zusammenrücken am Verhandlungstisch Es kommt nicht selten vor, dass sich die Sitzordnung im Laufe eines Mediationsverfahrens auch einmal ändert. Insbesondere wenn einzelne Beteiligte nur vorübergehend an den Gesprächen teilnehmen oder später zur Verhandlung hinzustoßen, müssen Sie die Sitzplätze womöglich neu arrangieren.

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Teil II ­|  Methode der Mediation Eine kuriose Szene ereignete sich in einer erbrechtlichen Auseinandersetzung, die einer der Autoren als Mediator begleitete. Die Parteien waren 84 und 94 Jahre alt und hörten im Laufe des Tages zunehmend schlechter. Das führte dazu, dass sie mit den in einem losen Dreieck angeordneten Tischen zunehmend enger aneinander heranrücken mussten. Glücklicherweise entsprach dies auch der Dynamik der ­Verhandlung, die am frühen Abend mit einem allseits befriedigenden Vergleich endete. Beispiel 6

Visualisierung Wichtig ist in jedem Fall, dass die Beteiligten den Mediator und dessen für alle Betei­ ligten angefertigten Aufzeichnungen jederzeit sehen können. Natürlich sollte auch die erforderliche Büro- und Konferenzausstattung, insbesondere zur Visualisierung, vorhanden sein: Wenn die Parteien in einem Mediationsverfahren ihre Sichtweise überprüfen und die der anderen Seite besser verstehen lernen sollen, dann müssen sich Standpunkte auch sichtbar machen lassen: Flipcharts und Pinnwände, auf denen Sie während der Verhandlung Notizen machen können, sollten daher ebenso wie ein Overhead-Projektor und/oder Beamer sowie eine Projektionswand zur Verfügung stehen. „„ Inhalt eines Materialkoffers für Mediatoren Im Online-Handel können Sie fertig bestückte Moderationskoffer kaufen. Noch besser aber ist es, sich einen solchen Koffer selbst zusammenzustellen, denn so können Sie das Material selbst wählen und Engpässe vermeiden. Wir empfehlen Ihnen folgende Mindestausstattung: yy Zehn schwarze und einige rote, grüne und blaue Flipchartstifte mit Keilspitze (schwarz für die Schrift, bunt für Hervorhebungen) yy Einige hundert rechteckige und kreisrunde Moderationskarten im Format 10 × 20 cm in hellen Farben (insbesondere zur Darstellung von Interessen und Lösungsoptionen) yy Einige hundert Klebepunkte mit einem Durchmesser von 19 mm in unterschiedlichen Farben (zur Veranschaulichung von Prioritäten) yy Kreppband und Reißnägel zum Befestigen der Flipcharts und Moderationskarten yy Ggf. Wachsmalkreiden und/oder graue Schattierungsstifte (für die plastische Gestaltung von Flipcharts) yy Ggf. selbsthaftendes Flipchartpapier als Backup Der Umgang mit diesen Materialien ist „Wissenschaft für sich“, gleichwohl möchten wir Ihnen empfehlen, sich zumindest mit einigen grundlegenden Techniken vertraut zu machen.191 Beispiel 7 116

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren ­|  Kap. 4

Achten Sie darauf, dass Skizzen, Flipcharts und Dokumente, die eine Partei vertrau­ lich mit Ihnen bearbeitet, nicht der anderen Partei zugänglich werden: Ein nur um­ geblättertes, statt abgehängtes und gesichertes Flipchart kann sonst zu peinlichen Fol­ gen führen, möglicherweise sogar zu Ihrer Haftung. Umgebung Betrifft die Mediation einen komplexen Gegenstand und ist für sie mindestens ein Tag angesetzt, hat es sich bewährt, gemeinsam eine angenehme Umgebung außerhalb der Bürowelt, zum Beispiel ein Hotel in einem nahen Erholungsgebiet, aufzusuchen. Sie reduzieren damit das Risiko unvorhergesehener Unterbrechungen und schaffen atmosphärisch einen Ausgleich zu den intensiven Gesprächen. Nicht umsonst finden politische Verhandlungen häufig in einem landschaftlich reizvollen, abgeschlossenen Umfeld statt: Heute ist es kaum mehr vorstellbar, dass Israelis und Palästinenser er­ folgreich hinter verschlossenen Türen verhandeln. Zur Zeit des sogenannten Oslo-­ Prozesses war das aber der Fall. Damals tagten die Konfliktparteien zunächst in einem Privathaus in der Nähe von Oslo und später an verschiedenen Orten wie z.B. dem Hilton Hotel in Tunis192 oder dem Konferenzzentrum des Automobilkonzerns Fiat in Turin.193 Auch die Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung im Juli 1990 fanden, nachdem sie fast zu scheitern drohten, in betont privater Atmosphäre – Kohl und Gorbatschow erschienen auf einer rustikalen Sitzgruppe aus abgesägten Baum­ stämmen in Strickjacke und Pullover – in einer Datscha Gorbatschows bei Achys im Kaukasus statt. Das Schicksal der deutschen Einheit entschied sich nicht in Moskau, sondern in einer Jagdhütte weitab vom politischen Betrieb. Physische Bedürfnisse Wie weit Sie die physischen Bedürfnisse der Beteiligten, insbesondere im Rahmen der zeitlichen Planung, berücksichtigen wollen, ist letztlich eine Frage des persönlichen Verhandlungsstils. Als Schlichter zwischen den Tarifvertragsparteien im öffentlichen Dienst schlug Hans Koschnik im Januar 2003 z.B. vor, am zweiten Verhandlungstag möglichst früh zu beginnen, da „müde Verhandlungsgegner gute Verhandlungspartner“ seien.194 Natürlich hat dieser Ansatz seinen Reiz, weil Erschöpfung tatsächlich dazu beitragen kann, verhärtete Positionen aufzulösen. Die Parteien sollten aber auch noch „am Tag danach“ zu einem erzielten Ergebnis stehen. Daher halten wir wenig davon, nur aufgrund der Auszehrung der Beteiligten zu einem Konsens zu kommen. Wir finden es im Gegenteil wichtig, in den Verhandlungen immer wieder ein „time out“ vorzusehen. Pausen zur rechten Zeit können nicht selten inhaltlich mehr bewir­ ken als ein zwanghaftes Weiterverhandeln „um jeden Preis“. Um eine gute Arbeitsatmosphäre herzustellen, kann es sich bei Auseinandersetzun­ gen mit einer größeren Zahl von Beteiligten darüber hinaus als sinnvoll erweisen, mit diesen vor Beginn der Mediationsverhandlung zu einem informellen Austausch, wie z.B. einem gemeinsamen Abendessen am Vorabend, zusammenzutreffen.

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Teil II ­|  Methode der Mediation

„„ Checkliste: Organisatorische Vorbereitung der Mediation yy Raum für gemeinsame Sitzungen, möglichst mit rundem/ovalem Tisch yy Mindestens ein zusätzlicher Raum für Einzelgespräche, besser zwei Zusatzräume yy Computer und einschlägige Software (z.B. für Grafiken, Prozessrisikoanalyse) yy Technische Ausstattung am Tagungsort: Flipcharts, Papier, Pinnwände, Beamer, Leinwand, Internet-Zugang, Drucker, Kopiergerät) yy Reise- und Hotelbuchung yy Evtl. vorheriges Zusammentreffen (z.B. am Vorabend) Hinweis: Eine ausführliche Checkliste befindet sich im Anhang dieses Buches (S. 379 f.). Beispiel 8

Eröffnung der Mediation Wenn die Vorbereitung abgeschlossen, die Rolle des Mediators und ggf. des Rechts in der Mediation geklärt sind und die Parteien sich mit dem Mediator über die vertrag­ lichen Regelungen verständigt haben, steht dem Auftakt der eigentlichen Mediations­ verhandlung nichts mehr entgegen. Sie beginnt regelmäßig mit der Einführung durch den Mediator im Rahmen eines Eröffnungsgesprächs. Dabei haben Sie Gelegenheit, für alle Beteiligten – also auch diejenigen, die an den Vorgesprächen oder der Formu­ lierung der Mediationsvereinbarung bzw. des Mediatorvertrages nicht unmittelbar beteiligt waren – Ihre Rolle, den Streitgegenstand, die Charakteristika des Mediati­ onsverfahrens, die wesentlichen Regeln (Vertraulichkeit, Möglichkeit der Beendi­ gung) und den Ablauf zusammenzufassen. Sofern diese Fragen noch nicht bereits vorab geklärt wurden, sollten spätestens in dieser Phase die Problemdefinition und die Rolle des Mediators, wie in Kapitel 3 erörtert, in Abstimmung mit den Erwartun­ gen der Parteien ausgehandelt werden. Sofern einzelne Punkte noch offengeblieben waren, lassen sie sich zu Beginn der Sitzung klären. Die Eröffnung der Mediation dient also einerseits dazu, das Ergebnis der über das Vorgehen getroffenen Vereinbarungen darzustellen und offene Fragen zu klären. Gleichzeitig gibt sie Ihnen eine Gelegenheit, den Ton zu setzen. Sie können ein Vor­ bild für das angestrebte Kommunikationsverhalten abgeben, indem Sie die Beteilig­ ten um ihr Einverständnis mit dem Ablauf der Mediation bitten, Fragen stellen, Be­ denken aufnehmen und mit den Teilnehmern im Dialog klären. Schließlich können Sie während der Eröffnung auf die Vorteile der Mediation hinweisen: Die Parteien verfügen über eine Gestaltungsfreiheit, die sie vor Gericht nicht hätten. Sie haben Kontrolle über die Verhandlungen und ihren Ausgang. Die Mediation führt in etwa ¾ aller Fälle zu einer Einigung (vgl. Kapitel 2). Sofern die Beteiligten an der Mediationsverhandlung bereits in Vorgespräche invol­ viert waren, kann das Eröffnungsgespräch knapp ausfallen. Wenn Personen an der Verhandlung teilnehmen, die nicht selbst an früheren Gesprächen beteiligt waren, 118

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren ­|  Kap. 4

sollten Sie diesen das Ergebnis erläutern. Länger als fünfzehn Minuten dürfte eine solche Einführung allerdings, wenn keine Punkte offengeblieben sind, nicht dauern. „„ Checkliste: Eröffnungsgespräch yy Rolle des Mediators: keine Entscheidungsbefugnis, Unterstützung, Mediationsstil yy Unparteilichkeit und Unabhängigkeit (ggf. Einverständnis mit Umständen, die dem entgegenstehen können, sofern nach § 2 MediationsG zulässig) yy Möglichkeit jedes Beteiligten, das Verfahren jederzeit zu beenden yy Vertraulichkeit (während der Mediation, gegenüber Dritten und im Hinblick auf ein nachfolgendes streitiges Verfahren) yy Ablauf der Mediation (vgl. Einleitung zu Teil II) yy Abschluss (in Rechtsstreitigkeiten: verbindliche Einigung möglich) yy Erfolgsaussichten (hohe Einigungsquote) yy Kommunikationsregeln (vgl. Kapitel 5) yy Fragen der Parteien? Hinweis: Eine ausführliche Checkliste befindet sich im Anhang dieses Buches (S. 377 f.). Beispiel 9

Konfliktdiagnose in der Mediationsverhandlung Während sich die organisatorische Vorbereitung der Mediationsverhandlung relativ schnell erledigen lässt, ist die eigentliche Informationssammlung und Konfliktdiag­ nose zu deren Beginn regelmäßig noch nicht abgeschlossen. Sie fortzusetzen, ist die Aufgabe des Mediators. Sobald dieser die im dritten Kapitel erörterte Rollen- und Konfliktdefinition mit den Parteien vorgenommen, seine Eröffnungsworte an die Parteien gerichtet und ggf. Fragen zum Verfahren beantwortet hat, geht es in der ers­ ten Phase der Mediationssitzung nämlich darum, ein gemeinsames Problemverständ­ nis zu entwickeln und die jeweilige, subjektive Wahrnehmung der Parteien zu ergän­ zen. Wenn Sie den Beteiligten Gelegenheit geben, ihre Sichtweise der Ereignisse darzustellen, erfolgt diese Schilderung häufig emotional. Lassen Sie diese Emotionen zu. Im folgenden fünften Kapitel werden wir erläutern, wie Sie eine dadurch mögli­ cherweise drohende Eskalation vermeiden können. Eröffnungsbemerkungen der Parteien Sobald Sie die Mediation mit dem Eröffnungsgespräch eingeleitet und insbesondere Ihre Rolle geklärt haben, sind also die Konfliktparteien an der Reihe: Nun können sie, soweit noch nicht zuvor geschehen, ihre Themen benennen und endlich der anderen Seite und dem neutralen Dritten „ihre Geschichte“ erzählen.

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Teil II ­|  Methode der Mediation

Wer darf oder muss beginnen? Die erste Frage, die sich Ihnen im Rahmen der Verhandlungsleitung stellt, betrifft die Reihenfolge, in der die Parteien ihre Sichtweise darstellen können: Wer darf (oder muss) beginnen? So wenig es die Beteiligten in der Regel abwarten können, ihre eigene Sichtweise aufzuzeigen, so sehr zieren sie sich manchmal, zuerst zu sprechen. Wenn Sie die Entscheidung darüber, wer den Anfang macht, den Parteien überlassen, kann sich darüber also eine zumeist kurze, aber dennoch nicht unbedingt notwendige Debatte ergeben. Daher empfiehlt es sich in den Fällen, in denen ein Rechtsstreit die Alternati­ ve darstellt, zuerst diejenige Seite zum Vortrag aufzufordern, die in einem Prozess die Klage erheben würde. Handelt es sich dagegen um eine betriebsinterne Mediation, in der es nicht um die Ausübung oder Verwirklichung von Rechten geht, könnte z.B. derjenige beginnen, der die Mediation angeregt hat. Letztlich geht es in dieser Phase lediglich darum, den Verhandlungsauftakt vor größeren Spiegelgefechten zu schützen. Jedes rationale Kriterium, das Sie für die Reihenfolge vorschlagen, ist daher grundsätz­ lich zur Begründung gegenüber den Parteien geeignet und ausreichend. („Warum fan­ gen Sie, Frau Müller, als diejenige, die eine Zahlung begehrt hat, nicht an?“; „Herr Schmidt, sind Sie damit einverstanden, dass Frau Müller uns zunächst den Sachverhalt darlegt? Dann kann sie aus ihrer Sicht darstellen, wie es zu dem Schaden gekommen ist, auf den die X‑AG vor Gericht ihre Ansprüche stützen würde.“) Einführung durch Rechtsanwälte oder Unternehmensvertreter? Wenn Unternehmen in einer Auseinandersetzung durch Rechtsanwälte vertreten werden, stellt sich Ihnen als Mediator zudem vielleicht die Frage, ob Sie zunächst diesen oder den Unternehmensangehörigen selbst das Wort erteilen. Es gibt inso­ weit – im Gegensatz zur gerade beschriebenen Reihenfolge von Kläger und Beklag­ tem vor Gericht – keine einheitliche Praxis. Oft führen die Rechtsanwälte in den ak­ tuellen Stand der Auseinandersetzung ein. Sie können meistens die Darstellung gut strukturieren, sind es gewohnt, in streitigen Verhandlungen aufzutreten, kennen die Erwartungshaltung zumindest der beteiligten Fachleute und verfügen über die ent­ sprechende Routine. Die Unternehmensvertreter ergänzen in diesem Fall lediglich den Vortrag ihres Rechtsanwalts, wenn sie dafür einen Bedarf sehen. Andererseits kann der Vortrag streiterprobter Rechtsanwälte polarisieren und das Augenmerk auf das Recht und die – gegebenenfalls verhärteten – Positionen lenken. Es ist deshalb auch nicht ungewöhnlich und in vielen Fällen empfehlenswert, dass ein Mitglied der Geschäftsführung, ein Projektleiter oder ein Unternehmensjurist die Einführung übernimmt. Sie können diese Entscheidung letztlich aber den Parteien überlassen. Um die eigentlich Betroffenen frühzeitig einzubeziehen, halten wir es allerdings in jedem Fall für sinnvoll, sie auch für den Fall, dass ein Rechtsanwalt in den Streitstand einführt, bereits während der Darstellung des Sachverhalts jedenfalls ergänzend zu Wort kommen zu lassen. Wenn ein Anwaltsmediator tätig wird, schätzen es klassische Prozessanwälte gele­ gentlich weniger, dass ein Kollege die Verhandlungen leitet und direkten Zugang zu ihren Mandanten hat. Übernimmt dann auch noch der Unternehmensvertreter die 120

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren ­|  Kap. 4

gesamte Einführung, mag sich der Parteivertreter ausgeschlossen vorkommen. Um diesen Effekt zu vermeiden, können Sie Ihren Kollegen bereits vorab ankündigen, dass Sie sich für die rechtliche Beurteilung an sie wenden werden. Durch einen sol­ chen Hinweis signalisieren Sie den Anwälten, dass sie auch in diesem Prozess, über den sie weniger Kontrolle haben als über direkte Vergleichsverhandlungen, ihre Funktion wahrnehmen können. Aufgabe des Mediators Ihre Aufgabe als Mediator besteht während der Eröffnungsbemerkungen der Parteien zunächst einmal darin, aktiv zuzuhören und mit Hilfe von Fragen eine möglichst ge­ naue Bestandsaufnahme durchzuführen (vgl. Kapitel 5). Um den Parteien zu signa­ lisieren, dass ihre Botschaften Sie erreicht haben, fassen Sie abschnittweise deren ­Äußerungen zusammen (vgl. Kapitel  5). Inhaltlich stellen Sie gemeinsam mit den Parteien fest, inwieweit deren Schilderung des Sachverhalts übereinstimmt. Auf diese Weise schichten Sie streitige und unstreitige Themen ab. Da die Parteien in der Regel ihre eigene Bewertung mit den tatsächlichen Gegebenheiten vermengen, arbeiten Sie in Ihren Zusammenfassungen und Nachfragen heraus, welche Differenzen tatsächlich den Sachverhalt betreffen und an welchen Punkten zwar ein Ereignis als solches, nicht aber dessen Bewertung, unstreitig ist. Als Mediator sorgen Sie auf der Prozessebene weiterhin dafür, dass es während des Vortrags einer Partei nicht zu größeren Unterbrechungen durch die andere Seite kommt. Einzelne Störungen lassen sich selten ganz vermeiden. Das liegt zum einen daran, dass sich die jeweilige Wahrnehmung des Konflikts durch die Parteien stark voneinander unterscheidet. Schon deswegen gelingt es den Beteiligten, die gerade zu­ hören müssen, nicht immer, sich mit eigenen Kommentaren („Das ist doch gar nicht wahr.“) zurückzuhalten, bis sie selbst ihre Sichtweise darstellen können. Diese Schil­ derung beginnt dann oft mit einer (provokanten) Bemerkung wie dieser: „Gut, dass wir jetzt auch einmal erzählen können, wie es wirklich war.“ Letztlich sollten Sie si­ cherstellen, dass es nicht wie in einer Talkshow zugeht, in der die Diskussionsbeiträge nur noch Schlag auf Schlag folgen. Zu Zwischenbemerkungen oder ‑rufen der Gegenseite kommt es auch deswegen, weil viele Konfliktparteien dazu neigen, das Verhalten der anderen Seite in einer werten­ den, nicht gerade wohlwollenden Art und Weise zu schildern („Wir sind während der Vertragsverhandlungen von diesen Personen betrogen worden. Sie haben uns zugesi­ chert, alle wesentlichen Informationen offenzulegen. Dass ein Tochterunternehmen in Kanada jahrelang fällige Abgaben nicht bezahlt hat, haben sie uns verschwiegen. Nun müssen wir zahlen. Aber so einfach können die den Schaden nicht auf uns ab­ wälzen …“). Durch regelmäßige Zusammenfassungen verhindern Sie, wie wir in Ka­ pitel 5 näher darstellen werden, dass es ungeachtet derartiger Negativbemerkungen zu einer Eskalation kommt. Auf die zuvor wiedergegebene Bemerkung könnten Sie etwa wie folgt reagieren: „Sie sind enttäuscht, weil Ihnen nach Ihrem Eindruck wäh­ rend der Vertragsverhandlungen nicht alle wesentlichen Informationen zur Verfü­ gung standen. Insbesondere war Ihnen nicht bekannt, dass …“. 121

Teil II ­|  Methode der Mediation

Konfliktdiagnose auf der Sachebene Das Ziel der Konfliktdiagnose auf der Sachebene sollte zunächst  – soweit sich die nötigen Informationen nicht bereits aus den vorab ausgetauschten Stellungnahmen, Schriftsätzen oder mediation briefs ergeben  – darin bestehen, die Themen zu sammeln. Die Beteiligten verständigen sich dabei zumindest über die relevanten Sachver­ haltsfragen und bestehende Differenzen. Die wesentlichen Punkte sollten, sofern sich dieses anbietet, chronologisch und thematisch geordnet sowie für alle visuell erkenn­ bar (z.B. auf Flipcharts) festgehalten werden. Auf diese Weise gehen die einmal erar­ beiteten Ergebnisse nicht verloren. Wenn sie an geeigneter Stelle sichtbar bleiben, lassen sie sich auch in späteren Verhandlungsphasen schnell wiederfinden. Wenn Rechtsfragen eine Rolle spielen, besteht das Ziel der Konfliktdiagnose auf der Sachebene ebenfalls darin, alle relevanten Argumente für die verschiedenen Positio­ nen zu sammeln und systematisch darzustellen. Gelegentlich äußern die Beteiligten Zweifel, ob eine detaillierte Erörterung von Rechtsfragen eine Einigung nicht mehr erschweren als erleichtern würde. Dahinter steht die Sorge, dass die Begründung von Rechtsstandpunkten eher polarisiert als zusammenführt. Die Diskussion der juristi­ schen Argumente ist allerdings aus verschiedenen Gründen wichtig: Zum einen be­ stimmen diese, wie wir später näher erörtern werden, die Nichteinigungsalternativen der Parteien (vgl. Kapitel  9). Schließlich hängen die Erfolgsaussichten in einem Rechtsstreit in der Regel auch von der juristischen Begründung ab. Zum anderen zeigt sich immer wieder, dass die Parteien für Konzessionen eine rational erscheinen­ de, innere Rechtfertigung benötigen. Wenn zu Beginn der Verhandlung also deutlich wird, dass auch die andere Seite über gute Argumente verfügt, lassen sich in einem fortgeschrittenen Stadium eigene Zugeständnisse intern und extern besser erklären. Untersuchung der Beziehungsebene und Behebung von Störungen So wie jedes Geschehen in einem Menschen sowohl das Denken als auch die Gefühls­ welt anspricht, betreffen auch Konflikte regelmäßig die Sachebene ebenso wie die Beziehungsebene. Gelegentlich verbirgt sich hinter Sach‑, Strategie‑, Wert- und Grund­ satz- sowie Verteilungskonflikten dementsprechend auch ein Beziehungskonflikt, dessen Klärung erst die Konfliktbeilegung erlaubt. Daher besteht eine Ihrer Aufgaben als Mediator zu Beginn der Verhandlung darin, neben den Sachfragen auch die Beziehung zwischen den Beteiligten zu klären. Während Sie sich allerdings über die tat­ sächlichen Streitpunkte durch Schriftsätze oder Stellungnahmen ein erstes Bild ver­ schaffen können, werden Sie über die Beziehung der Betroffenen Näheres erst bei einer persönlichen Begegnung in Erfahrung bringen. Nur in wenigen Fällen finden sich insoweit schon in den mediation briefs hilfreiche Ausführungen. Selbst wenn sich diesen etwas über ein gespanntes oder zerrüttetes Verhältnis entnehmen lässt, sagt die bloße Feststellung selten etwas über die Ursachen oder eventuelle Klärungsmöglich­ keiten aus. Als Mediator haben Sie somit sowohl die Sach- oder Problemebene als auch die Beziehungs- oder persönliche Ebene auf der Prozessebene durch eine sinnvolle Ge­ staltung des Verfahrens und das aufmerksame Beobachten von Störungen (deren Ur­ sache auf der persönlichen Ebene liegen mag) zu berücksichtigen. 122

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren ­|  Kap. 4

Diagnose der Beziehung Zu Beginn einer Mediation haben die Kontrahenten oft keine allzu hohe Meinung voneinander („Wir sind heute hergekommen, damit Sie endlich Ihrer Pflicht nach­ kommen, den von uns geforderten Betrag von 10 Millionen Euro zu zahlen.“ oder „Wir können nichts dafür, dass Sie so chaotisch organisiert sind.“) und versichern sich einander ihr jeweiliges Überlegenheitsgefühl („Wir haben unseren Standpunkt sorg­ fältig überprüft und wissen, dass unsere Erfolgsaussichten hoch sind.“). Herabsetzen­ de, kalte oder abweisende Äußerungen sind zum Auftakt einer Verhandlung keine Seltenheit („Ich war schon in diesem Geschäft tätig, als Sie noch nicht einmal Ihr Studium begonnen hatten.“). Aus solchen Bemerkungen können Sie für die Diagnose der Beziehung zwischen den Beteiligten auf zwei Ebenen Erkenntnisse ableiten: Zum einen stellen Sie fest, wie ei­ ner den anderen als Person bewertet („So einer bist du [in meinen Augen]!“). Zum anderen können Sie beobachten, wie die Beteiligten ihre Beziehung zueinander definieren („So stehen wir zueinander [… nicht wahr?]!“).195 Aus der Bewertung des an­ deren und der jeweiligen Beziehungsdefinition durch die Kontrahenten lassen sich zwar noch nicht unbedingt Ansätze für eine Klärung gewinnen. Diese werden Sie al­ lerdings finden, wenn es Ihnen gelingt, zusätzliche Informationen zu sammeln: Brin­ gen Sie daher in Erfahrung, wie sich die Konfliktparteien in der Vergangenheit ver­ halten haben und wie sie miteinander umgegangen sind. Gab es bestimmte Muster, also Verhaltensweisen, die wiederholt aufgetaucht sind? („So haben die immer gear­ beitet: Erst gab es große Ankündigungen, als wir aber die Ausschreibungsunterlagen einreichen mussten, fehlte die Hälfte der Dokumente.“). Wenn Sie etwas über solche Verhaltensmuster erfahren, bemühen Sie sich zweitens darum, Informationen über die jeweilige Motivation der Akteure zu sammeln (Medi­ ator: „Wie war das mit den Unterlagen für die Ausschreibung?“ Antwort: „Es ist rich­ tig, dass wir manchmal Probleme hatten, die Frist einzuhalten.“ Mediator: „Woran lag das?“ Antwort: „Unsere Geschäftspartner haben erheblichen Druck ausgeübt. Wir wollten keine Zweifel an unserer Leistungsbereitschaft aufkommen lassen.“) Binnen kürzester Zeit haben Sie auf diese Weise etwas über die Interessen der Beteiligten er­ fahren und ggf. sogar Verständnis auf der anderen Seite geweckt (vgl. Kapitel 6). Alle Erkenntnisse, die Ihnen ein besseres, strukturelles Verständnis der Beziehung zwischen den am Konflikt Beteiligten geben, können nützlich sein, um eine Klärung herbeizuführen: Wie haben sich die Kontrahenten in der Vergangenheit verhalten? Welche Motive haben sie verfolgt? Gibt es Abhängigkeiten, Minderwertigkeitsgefüh­ le, Verletzungen oder andere Belastungen der Beziehung, die eine Zusammenarbeit in der Sache erschwert oder gar verhindert haben? Können Missverständnisse, die z.B. das Motiv für eine bestimmte Verhaltensweise darstellten, aufgeklärt werden („Ich habe damals den Herrn Schmidt mit der Betreuung des neuen Kunden beauftragt, weil er sich in dieser Branche sehr gut auskennt. Ich wollte Sie damit nicht zurückset­ zen und war auch nicht über den Verlauf des Projekts ‚Dublin‘ enttäuscht.“)? Emotio­ nen wie Angst oder Enttäuschung verraten oft etwas über die Bedürfnisse und Inter­ essen der Beteiligten (vgl. Kapitel 5 und 6). 123

Teil II ­|  Methode der Mediation

Entflechtung von Sach- und Beziehungsebene Der Qualität der Kommunikation zwischen den Beteiligten können Sie auch entneh­ men, wie erheblich die Spannungen zwischen diesen sind. Der Beziehungskonflikt wirkt sich bei gravierenden Störungen auf die Sachebene aus. Beziehungs- und Sach­ ebene befinden sich im sogenannten Zustand der Verflochtenheit196, den wir im ersten Kapitel bereits kurz erwähnt haben. Dieser Zustand hat wiederum negativen Einfluss auf die Prozessebene: Das Gespräch stockt. Die Parteien empfinden sich in einer Blockade und Sackgasse. Beziehungsebene

Verflochtenheit Sachebene

Abbildung 1: Beziehungskonflikt mit Auswirkung auf Sachebene (nach Friedemann Schulz von Thun) Umgekehrt kann sich natürlich auch ein Sachkonflikt auf die Beziehung der Beteilig­ ten und damit wiederum mittelbar auf die Prozessebene auswirken. In diesem Fall handelt es sich um einen sogenannten personalisierten Sachkonflikt. Auch in dieser Konstellation befinden sich Sach- und Beziehungsebene im Zustand der Verflochten­ heit.

Beziehungsebene

Verflochtenheit Sachebene

Abbildung 2: Personalisierter Sachkonflikt (nach Friedemann Schulz von Thun) Im Stadium der Verflochtenheit lassen sich in Verhandlungen nur schwer Fortschritte erzielen. Daher ist es notwendig, Sach- und Beziehungsebene zu trennen (vgl. Kapi­ tel 2). Klären Sie zu diesem Zweck, ob der Schwerpunkt der Differenzen im tatsächli­ chen oder persönlichen Bereich liegt. In Sach- oder Verteilungskonflikten stellen Sie 124

Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren ­|  Kap. 4

im Wirtschaftsleben häufig fest, dass die Kontrahenten zwar hart miteinander umge­ hen, die Schärfe jedoch nur ihrer Interessendurchsetzung dient. Der Fortschritt in der Sache entspannt dann auch sehr schnell das Verhältnis unter den Beteiligten. Wenn die Betroffenen dagegen einander misstrauen, sich in der Vergangenheit getäuscht, hintergangen oder ungerecht behandelt gefühlt haben oder sich aktuell (zumindest auf einer Seite) noch als Bedrohung empfinden, sollten Sie zunächst die Beziehung klären. „„ Miteinander offen sprechen In einer Mediation, in der es um einen Auftrag für den Umbau eines großflächigen Anwesens in einer Großstadt ging, trafen ein Investmentbanker und seine Frau als Auftraggeber und ein Architekt als Auftragnehmer aufeinander. Der Architekt forderte einen erheblichen, noch ausstehenden Teil seines Honorars für die Umbauarbeiten. Der Auftraggeber verweigerte die Zahlung unter Berufung auf diverse, angebliche Planungsfehler des Architekten. Im Laufe des Tages stellte sich heraus, dass der zunächst wortführende Bankier über Einzelheiten des Umbaus wenig wusste. Tatsächlich hatten seine Ehefrau und der Architekt die Details besprochen. Sie war der Auffassung, der Architekt sei für die Raumplanung bestens geeignet, wollte allerdings einen Innenausstatter mit der Entwicklung eines Einrichtungskonzepts betrauen. Darüber informierte sie den Architekten zunächst nicht. Als dieser die zusätzliche Beauftragung bemerkte, war er offensichtlich schwer enttäuscht und fühlte sich in seiner Berufsehre verletzt. Ihren Änderungswünschen kam er nun, soweit überhaupt, nur unter Kritik und zögerlich nach. Ein klärendes Gespräch fand nicht statt. Alleine die Erörterung dieses Vorfalls – und damit der Beziehung der Beteiligten – wirkte befreiend. Nachdem die Auftraggeberin dem Architekten ihre große Wertschätzung für den Zuschnitt ihres Hauses und zwei andere, von ihm entworfene Bauwerke in der Stadt entgegengebracht hatte, ließen sich die behaupteten Planungsmängel sehr konstruktiv diskutieren. Die Auseinandersetzung konnte noch am selben Tag beigelegt werden. Beispiel 10

In vielen Situationen können Sachprobleme wie in dem in Beispiel 10 geschilderten Beispiel recht rasch gelöst werden, sobald sich erst einmal die Beziehung zwischen den Beteiligten von Gefühlen wie Missgunst, Neid oder Enttäuschung befreien lässt. Erklären sich negative Emotionen dagegen eher aus sachlichen Differenzen oder aus strategischen Verhaltensweisen, ist es in der Regel sinnvoll, zunächst über eine Zu­ sammenarbeit auf der Sachebene eine erste Annäherung und später eine Entflechtung von Sach- und Beziehungsebene zu erreichen. Das gilt insbesondere, wenn – wie es häufig der Fall ist – die Betroffenen in der Mediation nach langer Zeit erstmalig eine Gelegenheit haben, konstruktiv miteinander zu sprechen.

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Teil II ­|  Methode der Mediation

Zusammenfassung Für die Diagnose des Konflikts ist die Vorbereitung der Mediationsverhandlung von entscheidender Bedeutung. Sie beginnt mit der Logistik (Auswahl Tagungsort, Tisch, Sitzordnung, Hilfsmittel wie Flipchart, Beamer u. a.). Der Umfang der inhaltlichen Vorbereitung richtet sich nach dem Konflikttyp. Bei Beziehungskonflikten ist der konkrete Vorbereitungsaufwand in der Regel geringer als bei Sach‑, Grundsatz‑, Wert‑, Strategie- oder Verteilungskonflikten. Wenn Rechtsnormen von den Parteien als objektive Kriterien zur Lösung eines Sach- oder Verteilungskonflikts genutzt wer­ den, müssen Sie als Mediator darauf vorbereitet sein, selbst Stellung zu beziehen. Auch als Berater sollten Sie sich möglichst in der Weise vorbereiten, dass Sie die Ar­ gumente der Parteien gewichten und damit eine Risikoanalyse erleichtern können. Eine sorgfältige Vorbereitung, z.B. unter Verwendung von mediation briefs oder vor­ bereitenden Einzelgesprächen mit den Parteien, empfiehlt sich daher für alle Beteilig­ ten. Da die Entscheidung über eine einvernehmliche Konfliktlösung von den Ver­ handlungsteilnehmern getroffen werden muss, kommt auch deren Auswahl erhebliche Bedeutung zu. Insbesondere sollten der oder die eigentliche(n) Entscheidungsträger anwesend sein. Mittelbar Beteiligte, die sich der Umsetzung einer Einigung widerset­ zen könnten, sollten – soweit es möglich ist – ebenfalls in die Verhandlung einbezo­ gen werden. Sofern die Teilnahme potentieller Zeugen oder Sachverständiger an der Mediationsverhandlung beabsichtigt ist, sind die Folgen für ein streitiges Verfahren zu bedenken. Die wesentlichen Merkmale der Mediation, die Definition seiner Rolle und des Kon­ flikts sowie den Ablauf des Verfahrens stellt der Mediator zu Beginn der eigentlichen Mediationsverhandlung im Rahmen des Eröffnungsgesprächs dar. Die Aufklärung des Sachverhalts und die Untersuchung der Beziehung zwischen den Beteiligten zu Be­ ginn der Mediationsverhandlung schließen die Konfliktdiagnose ab. Im nächsten Ka­ pitel werden wir Emotionen als eine weitere Quelle der Erkenntnis über den Konflikt und einen wichtigen Verhandlungsfaktor näher betrachten. Darüber hinaus werden wir auf die in diesem Kapitel mehrfach erwähnten Kommunikationstechniken zu­ rückkommen, mit denen Sie als Mediator nicht nur während der Konfliktdiagnose, sondern während des gesamten Mediationsprozesses arbeiten.

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Kapitel 5 Emotionen verstehen, Kommunikation fördern und Beziehung aufbauen Zu Beginn einer Verhandlung lassen Konfliktparteien oft ihren Gefühlen freien Lauf. In diesem Moment verschaffen sie ihrem Unmut über das Verhalten der anderen Sei­ te Aufmerksamkeit. Obwohl in Publikationen und Mediationsausbildungen immer wieder betont wird, wie wichtig es ist, dass die Betroffenen erst einmal „Dampf ablas­ sen“, schätzen viele Mediatoren diese Situation überhaupt nicht. Sie fürchten vor al­ lem das Risiko einer Eskalation. Gleichzeitig sind sie der Auffassung, es wäre besser, wenn die Verhandlung so sachlich wie möglich abliefe. In der Versachlichung der Diskussion sehen sie sogar eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Wenn überhaupt, dann haben Emotionen nach ihrer Meinung lediglich im Einzelgespräch des Mediators mit einer Partei Raum. Schließlich besteht in diesem Rahmen nicht die Gefahr, dass die Verhandlung außer Kontrolle geraten könnte. Daran ist richtig, dass eine „Get-it-outof-your-system“-Mentalität sich nur bewährt, wenn sie tatsächlich negative Emotio­ nen auflöst.197 Anderenfalls reiht sich nämlich nur eine weitere, schmerzhafte Erfah­ rung an frühere, unbefriedigende Erlebnisse. Insofern trifft die oft aufgestellte Behauptung, die Parteien sollten erst einmal Dampf ablassen, nicht uneingeschränkt zu.198 Das gilt auch für die Annahme, man könnte nach einer emotionalen Phase ohne wei­ teres wieder zur sachlichen Arbeit übergehen. Tatsächlich sind Emotionen jederzeit Teil unseres Verhaltens. Neben der Problemebene und der Prozessebene ist die persönliche Ebene, die sich häufig in Emotionen äußert, die dritte der in allen Verhandlun­ gen stets parallel wirksamen drei Ebenen.199 Wir können Emotionen nicht einfach ausschalten oder auf einen bestimmten Teil  eines Gesprächs beschränken. Sie sind auch nicht nur destruktiv, sondern können ebenso sehr hilfreich sein. Wir befinden uns in jedem Moment in irgendeinem emotionalen Zustand. In diesem Kapitel wollen wir daher zunächst untersuchen, welche Bedeutung Emotionen in Auseinanderset­ zungen haben.200 Wir werden anschließend erklären, warum sie eine wichtige Infor­ mationsquelle bieten und Sie als Mediator Gefühle auch in einer Mediation zulassen sollten. Sodann wenden wir uns der Frage zu, wie Sie die Kommunikation zwischen den Beteiligten fördern können. Zu diesem Zweck stellen wir Ihnen die für die Praxis wichtigsten Kommunikationstechniken vor. Mit deren Hilfe werden Sie emotional angespannte Phasen ebenso wie andere schwierige Situationen bewältigen können, ohne dass es zu Eskalationen kommt. Schließlich werden wir darauf eingehen, wie Sie als Mediator eine vertrauensvolle Beziehung zwischen den Konfliktparteien aufbauen können, die diesen eine interessenorientierte Konfliktbeilegung ermöglicht oder die­ se erleichtert.

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Teil II ­|  Methode der Mediation

Bedeutung von Emotionen im Konflikt erkennen Auch wenn es in der Wirtschaft oft um materielle Dinge wie Geld geht, handelt nie­ mand ohne Gefühle. Diese können sogar angesichts vordergründig sachlicher Diffe­ renzen ganz erhebliche Auswirkungen auf die Beziehung zwischen den Beteiligten haben. Die Annahme, dass Gefühle nur in der Familienmediation eine Bedeutung hätten, ist daher falsch. Auch in der Wirtschaftsmediation handeln nicht anonyme Vertreter „der anderen Seite“, sondern reale Menschen mit realen Gefühlen, tief ver­ wurzelten Werten, ihren eigenen Erfahrungen und einer individuellen Persönlichkeit und nicht selten Rollenkonflikten. Parteien sind in erster Linie Menschen.201 In vielen Fällen steht die Mediation am Ende eines längeren, für beide Seiten oft schmerzhaften Konfliktes. Es wird Themen geben, die für jedenfalls einen der beiden Konfliktpart­ ner besonders wichtig sind, die mit ihrer Person, ihrer Beziehung zu der anderen Partei oder den Interessen der vertretenen Organisation verknüpft sind. „„ Das Versprechen am Sterbebett In einem von einem der Autoren geleiteten Mediationsverfahren anlässlich einer Gesellschafterauseinandersetzung stritten ein Gesellschafter und der Sohn seines früheren und mittlerweile verstorbenen Bruders und Mitgesellschafters um Abfindungs- und Gewinnansprüche, die letztlich der Witwe des Verstorbenen und somit der Mutter des die Verhandlung für sie führenden Sohns zustanden. Auf die an den Sohn gerichtete Frage des Mediators, was ihm in dieser Auseinandersetzung besonders wichtig sei, brach dieser in Tränen aus und sagte: „Dass meinem verstorbenen Vater Gerechtigkeit widerfährt und dass ich mein ihm am Sterbebett gegebenes Versprechen, für meine Mutter zu sorgen, einlösen kann.“ Beispiel 1

Oft steht viel auf dem Spiel: Es mag um das Schicksal eines Unternehmens, den Frie­ den innerhalb einer Unternehmerfamilie, die berufliche Zukunft der Parteien oder um Arbeitsplätze gehen. Emotionen sind daher – wenn auch in unterschiedlichem Maße – stets Teil der Mediation. In der Folge können sich Sach- und Beziehungskon­ flikte häufig überlagern, wie wir im ersten und vierten Kapitel bereits gesehen haben. Häufig führt das sodann zu Störungen auf der Prozessebene. Die Konsequenzen einer solchen Vermischung der Ebenen im Einzelfall sind durchaus gravierend. So erläuter­ te ein distinguierter Geschäftsmann einem der Autoren in einem Gespräch über eine Gesellschafterstreitigkeit die Situation wie folgt: „Eines würden wir Ihnen gerne vor­ ab erklären: Unser Problem besteht nicht darin, dass wir unseren Gegner nicht mö­ gen. Das wahre Problem ist: Wir hassen ihn. Wir würden ihn am liebsten hinrichten lassen.“ Negative Gefühle erreichen im Wirtschaftsleben  – glücklicherweise  – selten diese Stärke und werden – auch bei geringerer Intensität – kaum derart klar formuliert. In vielen Situationen ist nach außen vielmehr kaum erkennbar, in welchem Maße Ge­ fühle im Spiel sind. Wir wenden uns daher im Folgenden zunächst dem Ausdruck von Emotionen zu, bevor wir näher erörtern, warum wir Emotionen als Teil jedes Kon­ flikts akzeptieren müssen. Da viele Menschen ihre Emotionen stark kontrollieren, 128

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

werden wir anschließend die Notwendigkeit der Offenlegung von Gefühlen darstellen, bevor wir uns näher mit ihrer Analyse beschäftigen. Dabei wird sich zeigen, dass Emotionen als Wertindikatoren ebenso wie als Aussagen über Gerechtigkeitsvorstellungen und Gradmesser von Beziehungen für die Konfliktbeilegung auf der Sachebene von Bedeutung sind. Ausdruck und Wirkung von Emotionen erfassen Emotionen äußern sich auf verschiedene Art und Weise. Innerlich empfinden wir Gefühle wie z.B. Freude, Stolz, Enttäuschung oder Ärger. Aus den Erkenntnissen über einen Anlass und dessen subjektiver Beurteilung entsteht die Erlebnisqualität von Emotionen. Dabei kann derselbe Umstand, der von einer Person positiv aufgenom­ men wird, von einer anderen Person aufgrund unterschiedlicher persönlicher Erfah­ rungen (vgl. Kapitel 1) oder Präferenzen oder auch aufgrund einer unterschiedlichen Wahrnehmung negativ bewertet und empfunden werden. Zur Illustration sei folgen­ des einfaches Beispiel erwähnt: Als die Deutsche Börse AG vor einigen Jahren in ein neues Bürogebäude mit Großraumbüros in der Nähe von Frankfurt umzog, gab es, Äußerungen aus dem Umfeld zufolge, entgegengesetzte Reaktionen in der Beleg­ schaft. Während sich team- und kommunikationsorientierte Mitarbeiter auf neue, offene Großraumbüros freuten, waren Kollegen, welche die Ruhe und Konzentrati­ onsmöglichkeit des eigenen Zimmers immer geschätzt hatten, zunächst enttäuscht. Menschen reagieren auf Erlebnisse stets rational und emotional. Das Bewusstsein da­ für fehlt im Geschäftsleben allerdings, wenn sich die Akteure ausschließlich auf die sachliche Problemlösung konzentrieren. Gleichzeitig gibt es einzelne Bereiche der Wirtschaft, wie etwa die Werbung, die tagein tagaus sehr erfolgreich unsere Emotio­ nen ansprechen. Werber appellieren (selten) an unseren Verstand und (häufig) an unser Gefühl: Wer will schließlich nicht zu den glücklichen, attraktiven Menschen gehören, die uns das Wohlgefühl demonstrieren, das sich durch den Genuss eines Produkts oder einer Dienstleistung einstellen soll? Emotionen wirken indes nicht nur auf unsere Wahrnehmung, sondern äußern sich auf drei verschiedenen (weiteren) Ebenen: Sie beeinflussen unseren Körper, unser Denken und unser Verhalten.202 Auf der körperlichen, der physiologischen Ebene lösen Emotionen Veränderungen in der Biochemie unseres Körpers aus, die dazu führen können, dass wir uns am Konflikt beteiligen, kämpfen oder fliehen.203 Sind die Emo­ tionen von ihrer Intensität her schwach, werden wir uns dieser Veränderungen selbst häufig kaum bewusst sein: Wir erröten, beginnen vielleicht zu schwitzen oder müssen unwillkürlich lächeln. Werden die Emotionen dagegen stärker, fallen die körperlichen Reaktionen oft heftiger aus: Das Herz beginnt zu rasen, der Blutdruck erhöht sich, der Atem wird schneller, das Temperaturempfinden verändert sich, die Hände oder auch der ganze Körper können anfangen zu zittern. Wird der Körper von Emotionen über­ wältigt, kann es zur emotionalen Überflutung kommen: Rationales Denken wird durch die Dominanz von Emotionen weitgehend verdrängt.204 Die Informations­ verarbeitung des Gehirns ist gestört, kreatives Überlegen und die Fähigkeit zur ko­ operativen Problemlösung sind einschränkt.205 Die physiologischen Auswirkungen 129

Teil II ­|  Methode der Mediation

der Emotionen machen es schwer, Gefühle einfach zu unterdrücken. Der Rat, den Parteien die Möglichkeit zu geben, „Dampf abzulassen“ (“let them vent“), um „abzu­ kühlen“, hat hier seinen Ursprung. In den folgenden Abschnitten werden wir Ihnen daher Wege aufzeigen, wie Sie insbesondere negative Emotionen der Parteien analysieren, anerkennen und ihre negativen Auswirkungen effektiv begrenzen können. Emotionen wirken darüber hinaus auf kognitiver Ebene und beeinflussen unser Denken. Welche Wirkung unsere Emotionen dabei konkret entfalten, hängt davon ab, ob es sich um positive oder negative Gefühle handelt. Sind die Parteien durch negative Emotionen belastet, kreisen die Gedanken häufig um das sie auslösende Ereignis. Das Denken wird dominiert von Ängsten, Ärger oder Wut. Ein Beteiligter ist zu rationaler Analyse kaum noch in der Lage. Die Verstrickung in negative Gefühle kann sogar so weit gehen, dass die Parteien gar nicht bemerken, dass ihr Verhandlungspartner gera­ de ein wesentliches Zugeständnis gemacht hat.206 Im Zusammenspiel mit dem Me­ chanismus der reaktiven Abwertung werden Vorschläge der anderen Partei, auch wenn sie objektiv den eigenen Interessen entgegenkommen, ignoriert oder abgewer­ tet. Umgekehrt verbessern positive Emotionen die Fähigkeit der Parteien zur kreati­ ven und wertschöpfenden Problemlösung. Ohne die Angst, ausgenutzt und „über den Tisch gezogen zu werden“, wird das Denken frei und flexibel. Anstatt die Vorschläge des jeweils anderen abzulehnen, beginnen die Parteien, den Konflikt als gemeinsam zu lösendes Problem wahrzunehmen und Einigungsoptionen zu entwickeln. Für Sie als Mediator stellt sich dabei die Aufgabe, herauszufinden, ob die Gefühle Teil des zu lösenden Problems sind oder ob sie die Beilegung des Konfliktes fördern. Hierfür stehen Ihnen eine Reihe von Techniken zur Verfügung, die wir in den folgenden Ab­ schnitten näher vorstellen werden. Emotionen beeinflussen schließlich auch unser Verhalten. Steigen positive oder nega­ tive Gefühle in uns auf, zeigt sich das regelmäßig in unserer Sprache, unserer Körpersprache und unseren Handlungen. Von besonderer Bedeutung ist dabei vor allem un­ sere nonverbale Kommunikation. Sie nimmt nicht nur quantitativ einen wesentlichen Teil unserer Kommunikation ein, sondern ist auch qualitativ besonders wirkmäch­ tig.207 Der Körpersprache kann man sich kaum entziehen, und selbst Worte können sich ihr gegenüber nur schwer durchsetzen. Steht das, was wir sagen, im Widerspruch zu dem, was unsere Körpersprache vermittelt, so wird man eher dem glauben, was unsere Körpersprache über uns preisgibt als unseren Worten. Lehnen wir uns zurück, verschränken wir die Arme, oder wenden wir uns von unserem Gegenüber ab, so kann auch das noch so gut gemeinte Angebot ins Leere gehen, weil es aufgrund der sich widersprechenden Botschaften nicht glaubhaft wirkt. Um auf die Emotionen, die durch die Sprache, die Körpersprache und die Handlungen der Parteien ausgedrückt werden, angemessen reagieren zu können, müssen diese zunächst decodiert werden. Der Schluss von einem Verhalten, von nonverbaler oder sogar verbaler Kommunika­ tion auf die zugrundeliegenden Gefühle ist allerdings nicht ganz einfach und kann leicht zu Fehlinterpretationen führen. Wir werden Ihnen eine Reihe von Techniken – wie etwa das aktive Zuhören, Paraphrasieren oder Verbalisieren – vorstellen, mit de­ nen sie den Gefühlen, die im konkreten Konflikt im Spiel sind, auf die Spur kommen können. 130

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

Emotionen als Teil des Konflikts akzeptieren Wie zu allen anderen Teilen unseres Lebens gehören Emotionen auch zum Wesen jedes Konflikts:208 Streitigkeiten rufen stets Gefühle hervor, welche von den Beteilig­ ten mitunter auch nach längerer Zeit noch sehr intensiv empfunden werden.209 Schon in dem Moment, in dem wir realisieren, dass sich die von uns angestrebten Ziele nicht oder nicht so, wie wir es uns wünschen, erreichen lassen, stellen sich z.B. Ungeduld, Ärger oder Enttäuschung ein. Tendenziell verstärken sich diese Emotionen, je weiter die Parteien auf den im ersten Kapitel dargestellten Eskalationsstufen voranschreiten und je intensiver die dort geschilderten kognitiven Mechanismen die Wahrnehmung beeinflussen. Tatsächlich sind Gefühle natürlich zu komplex, um einen linearen Ent­ wicklungsverlauf zu nehmen. Angesichts des Zusammenhangs zwischen Konflikten und Gefühlen werden Sie als Mediator aber unweigerlich auf diese stoßen und Infor­ mationen über sie erhalten. Während uns im Alltagsleben die ganze Bandbreite positiver wie negativer Emotio­ nen begegnet, treffen wir im Konfliktfall selten auf Glücksgefühle. Vielmehr teilen die Parteien in der Mediationsverhandlung mindestens eine Frustration – nämlich dieje­ nige über die Existenz des Konflikts. Auch im Übrigen herrschen eher belastende Emotionen vor.210 Dazu gehört vor allem Angst, z.B. weil ein Verhandlungsführer fürchtet, von seinen Vorgesetzten, Gesellschaftern oder Aufsichtsorganen intern für einen Vergleichsabschluss kritisiert zu werden, der für das Unternehmen nicht güns­ tig genug zu sein scheint. Womöglich bereut er innerlich sein Verhalten in der Ver­ gangenheit und ahnt, dass ein Zugeständnis sachlich durchaus gerechtfertigt wäre.211 Indes fehlt ihm schlicht die Perspektive, wie er gesichtswahrend Fehler aus der Ver­ gangenheit eingestehen und Zugeständnisse für die Zukunft machen kann. Viele Konfliktparteien hegen auch Misstrauen gegenüber den Absichten und der Ehrlich­ keit der anderen Seite. Sie glauben, dass jedes Angebot die Kontrahenten begünstigt. Immer wieder tritt auch Ärger oder Empörung über ein früheres oder aktuelles Ver­ halten des Gegners oder, wie in dem eingangs erwähnten Zitat eines Gesellschafters, gar die Äußerung von Feindseligkeit auf. Verstärkend wirken nicht zuletzt auch simp­ le, sehr basale Bedürfnisse wie etwa Zeitnot, ein physisches Unwohlsein oder Hunger. Weil sich die Parteien regelmäßig scheuen, solche Bedürfnisse zu artikulieren, bre­ chen sich diese dann im Kleid von Ungeduld oder Frustration ihre Bahn. Gerade die konfliktunerfahrene Partei erlebt die Mediation vor diesem Hintergrund häufig als emotionalen Stress. Die Ursachen hierfür sind vielfältig: Die Parteien fühlen sich vielleicht durch die Forderung ihres Konfliktpartners bedroht oder persönlich angegriffen. Häufig steht viel auf dem Spiel, oder die Emotionen sind nicht nur Be­ gleiterscheinung des Konfliktes, sondern selbst Teil  des Problems. Im Rahmen der Mediation geht es daher weniger um die Frage, ob Gefühle für den Konflikt eine Rol­ le spielen, sondern vielmehr darum, dass sich die Parteien ihrer eigenen Emotionen und derer ihres Verhandlungspartners bewusst werden, ihre Wirkung auf den Kon­ flikt erkennen und lernen, effektiv mit ihnen umzugehen.

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Teil II ­|  Methode der Mediation

Offenlegung von Emotionen ermöglichen Wenn Parteien ihrem Unmut über das Verhalten der anderen Seite Ausdruck verlei­ hen, lassen sie ihren Emotionen gerne freien Lauf. Im Übrigen sprechen die Beteilig­ ten dagegen selten von sich aus über Gefühle. In der Wirtschaft herrscht die Auffas­ sung vor, solche „Gefühlsduselei“ sei irrational, negativ oder überflüssig. Man dürfe Gefühle höchstens ausdrücken, wenn sie sich rational rechtfertigen ließen – also z.B., wenn das ungerechte Verhalten der Gegenspieler dargestellt wird. Anderenfalls seien sie etwas für Kinder und Kinofilme, aus männlicher Sicht vielleicht auch noch etwas für Frauen. Manche halten die Offenlegung von Emotionen verhandlungstaktisch für eine Schwäche. Sie meinen, dass diese Offenheit ihre Verwundbarkeit zeigt. Andere sind sich ihrer Gefühle gar nicht bewusst. Das bedeutet nicht, dass sie diese verdrängt hätten. Sie sind es jedoch einfach weder privat noch gar beruflich gewohnt, über ihre Gefühle zu reflektieren oder diese gar offen darzustellen. Es fällt ihnen schwer, ihnen Ausdruck zu verleihen, da dies einen hohen Grad an sprachlicher Dif­ ferenzierung verlangt. Das zeigt sich zum Beispiel an der Verwendung doppeldeuti­ ger Begriffe („Ich habe mich nicht wohlgefühlt, als uns der Termin für die Fertigstel­ lung genannt wurde.“ – Diese Äußerung lässt nicht erkennen, ob sich der Betreffende lediglich unter Zeitdruck befand, Angst hatte, dass der Auftrag nicht zu bewältigen wäre, oder es ihm an dem Tag vielleicht sowieso körperlich nicht gut ging). Tatsächlich hat der Ausdruck von Emotionen aber auch eine befreiende Wirkung. Nur wer Gefühle preisgibt, kann sie auch verarbeiten. Wer dagegen Emotionen unter­ drückt, ist in der Mediation abgelenkt und wird sich nicht wirklich in die Haltung des anderen hineinversetzen.212 Ihre Aufgabe als Mediator besteht daher darin, wie ein Katalysator in das Reaktionsverhalten der Beteiligten einzugreifen. Zudem kann die Kenntnis der Emotionen der Parteien Ihnen das Verständnis des Konflikts erheblich erleichtern. Insbesondere um Beziehungskonflikte zu klären, ist es notwendig, dass die Betroffenen ihren Gefühlen Ausdruck verleihen. Schließlich bestimmt sich die Qualität menschlicher Beziehungen über die Emotionen, die wir füreinander empfin­ den. Diese positive Funktion von Gefühlen können Sie als Mediator gut aktivieren, indem Sie Gefühlsäußerungen der Parteien normalisieren, also ernst nehmen und als nicht ungewöhnlich darstellen (siehe dazu noch gleich). Angesichts der zuvor er­ wähnten sprachlichen Anforderungen sollten Sie sodann durch entsprechende Nach­ fragen herausfinden, was mit einer mehrdeutigen Äußerung konkret gemeint war. So erhalten Sie wichtige Hinweise über die Bedürfnisse und Interessen der Parteien. In dem oben erwähnten kleinen Beispiel könnte das z.B. Kalkulationssicherheit, Flexibi­ lität, kooperative Planung oder Ähnliches sein (vgl. zur Interessenanalyse Kapitel 6).

Emotionen als Informationsquelle verstehen Gefühle können den Parteien in einer schwierigen Phase einer Verhandlung zum Durchbruch verhelfen oder zum Scheitern führen. Bevor wir im nächsten Abschnitt auf diese Wirkung eingehen, wollen wir eine andere Funktion der Emotionen hervor­ heben: Für Sie als Mediator stellen diese eine wichtige Informationsquelle dar und 132

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

geben Ihnen Aufschluss über die Werte, Gerechtigkeitsvorstellungen, Interessen, Bedürfnisse und Beziehungen der Parteien. Ihre Bedeutung erkennen Sie auch, indem Sie im Laufe der Verhandlungen die Intensität der Emotionen verfolgen. Emotionen als Wert- und Gerechtigkeitsindikatoren nutzen Bei der Darstellung von Wert- und Grundsatzkonflikten haben wir festgestellt, dass diese schwierig zu lösen sein können, weil sie unser Selbstverständnis berühren oder eine Vielzahl von Streitigkeiten betreffen. Sie wecken daher auch in besonderer Weise Emotionen. So führt ein Gesichtsverlust wegen der damit verbundenen Bedeutung für den Betroffenen dazu, dass er auf die nächste Eskalationsstufe tritt. Umgekehrt zeigen Emotionen aber auch, wie viel uns ein Anliegen wert ist: Das eige­ ne Ansehen hat für jede Person Bedeutung. Werte sind Gefühle, die wir mit Ereignis­ sen oder Erfahrungen verbinden. Wir regen uns auf, weil eine Erwartung, die uns wichtig ist, nicht erfüllt, oder eine Vorstellung, die uns etwas bedeutet, nicht geteilt wird. Unterschiedliche Auffassungen über Gerechtigkeit sind daher oft Anlass für einen Konflikt. Neben Konflikten über verschiedene Werte kann es auch Konflikte bei Anwendung desselben Gerechtigkeitsprinzips geben. Ein früherer Gesellschafter, der seine Anteile an einem Unternehmen verkauft hat, mag sich z.B. dadurch ungerecht behandelt füh­ len, dass die Gesellschaft im Verkaufsjahr hohe, den Ertrag mindernde Rückstellun­ gen gebildet hat. Er vermutet möglicherweise, dass dadurch sein Gewinnbezugsrecht für diesen Zeitraum geschmälert werden sollte. Umgekehrt empfindet der frühere Partner bereits diesen Vorwurf als Unverschämtheit, weil er die Bilanzerstellung sei­ nem Wirtschaftsprüfer überlassen hat. Beiden dürfte es um eine gerechte, das heißt an den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen, klaren und wahren Bilanzierung orien­ tierten kaufmännischen Verhaltensweise gehen. Dem Mediator dienen Emotionen also als eine wichtige Informationsquelle über die Gerechtigkeits- und Wertvorstellungen sowie die Interessen der Parteien. Erforscht er mit den Beteiligten, wie sie ihre Werte definieren und welche Werte und Bedürfnisse hinter bestimmten Emotionen stehen, können sich daraus Anhaltspunkte für eine Lösung ergeben. Im eben genannten Beispiel dürften sie sich aus einer Besprechung der einzelnen Bilanzpositionen ableiten lassen. Nur so lässt sich feststellen, ob die gemeinsame Gerechtigkeitsvorstellung tatsächlich umgesetzt wurde. Vielen gilt der Gleichheitsgedanke als Grundprinzip der Gerechtigkeit.213 Aber auch Prinzipien der Reziprozität, Billigkeit, Tradition, Kompensation oder Fairness können jenseits rechtlicher Normen für die Beteiligten von grundlegender Bedeutung sein. Die Herausforderung für Sie als Mediator besteht darin, zunächst die jeweiligen Gerechtig­ keitsvorstellungen so klar wie möglich mit den Beteiligten herauszuarbeiten. Erst wenn sie diese artikuliert haben, können sie ein Bewusstsein für die Subjektivität dieser oft als objektiv angesehenen Prinzipien entwickeln. Diese Einsicht erlaubt auch die Prüfung, ob die Gerechtigkeitsvorstellungen der Parteien tatsächlich unvereinbar sind oder ob ein Ausgleich bzw. eine Kombination verschiedener Prinzipien in Betracht kommt. 133

Teil II ­|  Methode der Mediation

Typischerweise reagiert eine Partei auf die in Emotionen wie Ärger, Empörung oder Feindseligkeit enthaltenen Anschuldigungen mit Gegenvorwürfen, so dass die Ausei­ nandersetzung schnell eskaliert. Wie lässt sich eine solche Eskalation vermeiden? Fra­ gen Sie als Mediator nach den Normen, welche die Beteiligten als verletzt wahrneh­ men. Dann müssen die Betroffenen reflektieren, ob die Norm gut begründet und ihre Geltung allgemein anerkannt ist. Auch besondere Voraussetzungen und Nebeneffekte im Falle ihrer Durchsetzung werden sie dann eher beachten.214 Emotionen als Beziehungsindikatoren erkennen Gefühle wirken sich nicht nur auf eine Person, sondern auch auf deren Verhältnis zu anderen aus: Emotionen beeinflussen Beziehungen. Viele Konfliktursachen, die mit der Beziehung zwischen Personen in Verbindung gebracht werden, sind letztlich Beein­ trächtigungen von Gefühlen. Beziehungen leiden, wenn Personen sich ungerecht be­ handelt fühlen. Daher kann eine Klärung der jeweiligen Gerechtigkeitsvorstellungen der Beteiligten ebenso wie eine Ergänzung ihrer jeweiligen Wahrnehmung unmittel­ bar zu einer Entspannung oder Verbesserung einer belasteten Beziehung führen. Intensität von Emotionen verfolgen Die Intensität von Emotionen schwankt während der Dauer eines Konflikts ebenso wie im Verlauf einer Mediationsverhandlung. Gefühle begleiten zu jeder Zeit das Verhalten im Konflikt. Sie müssen nicht durchgängig negativ sein. So kann sich Zufrie­ denheit etwa dann einstellen, wenn ein Beteiligter sich dem eigenen Ziel zu nähern scheint oder eine befürchtete Entwicklung nicht eintritt. Schwankungen der Emotio­ nen dienen Ihnen als Mediator während einer Verhandlung auch als Indikator für die Bedeutung einzelner Themen. Sie können ein Indiz dafür sein, wo möglicherweise versteckte Einigungsbarrieren oder Schwachpunkte in der Argumentation liegen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Debatte an den Stellen hitzig wird, an denen eine Partei ihre Ziele, wesentliche Interessen oder ihre Argumentation bedroht sieht. Auch wenn Sie diese nicht überbewerten sollten, so hilft Ihnen doch die Deutung äußerlicher Anzeichen dabei, die jeweiligen Gefühle oder Stimmungen aufzunehmen. Emotionen werden, wie bereits angesprochen, von biophysiologischen Veränderun­ gen begleitet und finden ihren äußeren Ausdruck etwa in der Mimik, der Haltung, der Muskelspannung oder der Intonation der Sprache und davon ausgehend häufig in Stö­ rungen auf der Prozessebene. Menschen bringen ihre Gefühle ganz überwiegend non­ verbal zum Ausdruck. An der Körpersprache lässt sich gerade in einer Konfliktsituati­ on ablesen, ob ein Betroffener z.B. verbissen oder ärgerlich, ängstlich oder entspannt, zufrieden oder zuversichtlich ist. Versuchen Sie also, diese Signale zu lesen, ohne Sie überzuinterpretieren. Zumindest als psychologische Laien verkennen wir nämlich häufig die Bedeutung einzelner physischer Ausdrucksformen.215 Scheuen Sie sich nicht, durch geeignete Fragen festzustellen, ob ihre Beobachtung zutrifft („Ich habe den Eindruck, dass sich gegenwärtig eine gewisse Frustration ausbreitet. Teilen Sie diese Einschätzung? Was hat zuletzt dazu geführt? Was können wir tun, um zu der Energie zurückzufinden, die uns heute Morgen erhebliche Fortschritte gebracht hat?“). 134

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

„„ Verantwortung löst Emotionen aus In einer Mediation aus unserer Praxis, die ein EDV-Projekt betraf, diskutierten die Parteien sachlich über die umstrittene Qualität der fertiggestellten Software. Dagegen wurde der Ton sehr viel lauter und schärfer, als die Aufgabenaufteilung besprochen und die jeweils Verantwortlichen identifiziert wurden. Die zunehmende Intensität der Emotionen wies auf die Bedeutung des Themas hin: Da während des Projekts die Leitung mehrfach wechselte, herrschte Unklarheit. Je mehr Einzelheiten an das Tageslicht zu kommen drohten, um so mehr fürchteten die Parteivertreter in dieser Phase, für Organisations- und Planungsfehler in die Verantwortung genommen zu werden. Als dann auch noch ein Teilnehmer mit dem Abbruch der Gespräche drohte, war spätestens klar, dass dieser Themenkomplex eine besonders sorgfältige Behandlung verdiente. Beispiel 2

Selbst kurzzeitig auftretende Emotionen geben Ihnen möglicherweise Anhaltspunkte über die Beziehung der Beteiligten, deren Anliegen oder Interessen. Konflikte können nämlich ebenso aus einem kurzfristigen Impuls wie aus einer Stimmung oder Hal­ tung heraus entstehen.216 Emotionen analysieren Zu den Emotionen, mit denen Sie als Mediator am häufigsten konfrontiert werden, gehören Ärger und Empörung. Wenn eines dieser Gefühle entsteht, sind vier Komponenten der subjektiven Bewertung zu unterscheiden:217 Die Person, die sich ärgert, nimmt erstens eine Handlung als eine Verletzung einer Norm oder eines eigenen An­ spruchs wahr. Sie fühlt sich zweitens betroffen, weil diese Regel für sie von Bedeutung ist oder sie sich mit ihr identifiziert. Drittens wird ein anderer verantwortlich gemacht. Schließlich liegen einsichtige Rechtfertigungsgründe nach der subjektiven Auffassung der verärgerten Person nicht vor. Dem „Beschuldigten“ mag es dagegen schon am Bewusstsein fehlen, eine Norm oder den Anspruch eines anderen verletzt zu haben. Vielleicht fühlt er sich auch nicht verantwortlich, weil aus seiner Sicht ein anderes Ziel Vorrang hatte. Möglicherweise erhebt er auch Gegenvorwürfe. Um in einer solchen Situation eine Klärung herbeizuführen, ist es nötig, die einzelnen Komponenten der subjektiven Bewertung zu identifizieren, die das Gefühl des Ärgers hervorgerufen haben. Worin lag die verletzende Handlung? Warum hat sie die verär­ gerte Person betroffen? Wie sieht es der „Verletzer“? Wieso ist dieser nach Auffassung der verletzten Person verantwortlich? Welche Haltung nimmt er dazu ein? Wenn die Betroffenen jeweils diese Fragen beantworten, reflektieren sie ihre eigenen Emotio­ nen ebenso wie die des anderen. Die folgende Checkliste gibt Ihnen einen ersten Überblick darüber, mit welchen Fragen Sie in der Praxis Emotionen mit den Beteilig­ ten konstruktiv bearbeiten können.

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Teil II ­|  Methode der Mediation

„„ Checkliste: Konstruktive Bearbeitung von Emotionen yy Normalisieren: „Die Reaktion, die ich von Ihnen wahrnehme, ist in einer solchen Situation nicht ungewöhnlich.“ Welches Verhalten des anderen hat eine Emotion (z.B. Ärger, Empörung, Enttäuschung) ausgelöst? yy Bedürfnisse herausarbeiten: „Welche Sorge steht hinter Ihrer Äußerung?“ Wie sieht der Kontrahent den Vorfall? yy Anlass der Gefühlsäußerung ergründen: „Welches Verhalten Ihres Verhandlungspartners hat Ihre Sorge womöglich verstärkt?“ yy Nach verletzten Prinzipien und deren Begründung fragen: Welche Normen oder Prinzipien werden von der befragten Partei als verletzt wahrgenommen? yy Den Blick in die Zukunft richten: „Welche Prinzipien wären Ihnen wichtig, um die eben geäußerten Sorgen los zu sein?“ Kennt die andere Partei diese Normen und Ansprüche? yy Wirkung beim Verhandlungspartner erfragen: „Was meinen Sie, wenn Sie das hören? – Können Sie das aus seiner Rolle heraus nachvollziehen?“ Beispiel 3

Emotionen zulassen Gefühle können die Konfliktbeilegung erleichtern oder erschweren, sie können zur Eskalation oder Deeskalation beitragen, uns dazu ermutigen, zusammenzuarbeiten oder uns daran hindern. Emotionen können destruktiv oder konstruktiv, erfreulich oder niederdrückend, positiv oder negativ sein. Sie können verblenden oder die Au­ gen öffnen. In einem Konflikt empfinden die meisten Menschen negative, destruktive und schmerzhafte Emotionen. Dennoch kann gerade in den Emotionen die Energie liegen, die zur Änderung der Wahrnehmung und Konfliktbeilegung nötig ist. Ebenso wie Konflikte Angst, Wut und Hass hervorrufen, setzen sie nämlich auch positive Emotionen wie das Gefühl der Befreiung, des Stolzes, des Muts oder Mitgefühls frei. Mit Fragen Wahrnehmung offenlegen Emotionen zuzulassen bedeutet nicht, dass Sie als Mediator die Rolle eines Therapeu­ ten einnehmen sollen. Vielmehr geht es darum, die Existenz von Emotionen in Kon­ flikten und ihre zuvor dargestellte Bedeutung in konstruktiver Weise anzuerkennen. Was können Sie also konkret tun?218 Als Mediator sind Sie dazu in der Lage, die Par­ teien zur Offenlegung ihrer jeweiligen Wahrnehmung zu animieren. Damit geben Sie ihnen eine Gelegenheit zur Neubewertung des Geschehens, die auch ihre Emotionen verändern kann. Sie können die Konfliktparteien mit Hilfe der im zweiten Teil dieses Kapitels darzustellenden Kommunikationstechniken (insbesondere dem sogenann­ ten aktiven Zuhören und bestimmten Fragetechniken) bei einer Korrektur ihrer Wahrnehmung unterstützen. Schließlich begleiten Sie diesen Prozess empathisch.

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Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

Ob wir uns gut oder schlecht, angespannt oder entspannt, konzentriert oder abge­ lenkt, begeistert oder gelangweilt fühlen, hängt nicht von objektiven Kriterien, son­ dern von unserem subjektiven Empfinden ab. Dieses kann sich von Person zu Person erheblich unterscheiden. In manchen Fällen genügt es, bislang einseitige Wahrneh­ mungen offenzulegen. So verhielt es sich z.B. in einem langwährenden Streit zwi­ schen zwei Mitarbeiterinnen in der Buchhaltung eines großen Unternehmens, Blanche und Frieda genannt, die sich seit Jahren in einem Konflikt befanden.219 Auf die eigentlich naheliegende Frage des Mediators, worin die Ursache für die Auseinander­ setzung lag, antwortete Blanche, Frieda hätte vor acht Jahren eine herabsetzende Be­ merkung über ihren Ehemann gemacht, der damals gerade an Krebs verstorben sei. Angesichts der Trauer und des Schmerzes, den sie ohnehin empfunden hätte, habe sie darauf nicht reagiert. Stattdessen legte sie gegenüber Frieda ein kaltes, strafendes Ver­ halten an den Tag. Frieda war geschockt, als sie in einer Mediation den Grund für die Zurückweisung erfuhr. Sie erklärte ihrer Kollegin, dass sie nicht vom Tod ihres Ehe­ mannes wusste und sie selbstverständlich nicht verletzen wollte. Frieda entschuldigte sich für ihre unsensiblen Worte. Blanche erwiderte diese Entschuldigung und bedau­ erte, dass sie Frieda nicht angesprochen hatte, um ihr ihre Gefühle mitzuteilen. Beide Frauen erkannten, welche seelischen Schmerzen sie sich acht Jahre lang zugefügt hat­ ten, weil sie über ihre Gefühle schlicht nicht gesprochen hatten. Offenheit des Prozesses fördern Als Mediator können Sie ein Forum für eine Aussprache schaffen, welche zumindest die Einsicht herstellt, dass es möglich ist, einander zu verstehen, ohne notwendiger­ weise den Standpunkt des anderen zu teilen. Schließlich hören die Beteiligten in einer Mediation häufig nach langer Zeit erstmalig, wie die Kontrahenten den Konflikt se­ hen. Dieser Austausch kann eine bislang nicht vorhandene Offenheit herstellen – und zu überraschenden Wendungen führen. „„ Insolvenz am Horizont In einer Mediation standen sich ein Hersteller von Software für Multi-Media-Anwendungen (TV- und Filmproduktionen) und ein Unternehmen gegenüber, das die Kundenberatung und Programmwartung für diesen übernommen hatte. Der Softwarehersteller forderte angeblich zu viel bezahlte Vergütungen zurück. Die Verhandlung begann mit einer ausführlichen Erörterung des Sachverhalts und einer Darstellung der Rechtspositionen. Dabei stellte sich heraus, dass der Softwarehersteller grundsätzlich weiterhin an der Wartung und Kundenberatung durch den Geschäftspartner interessiert war, bestimmte Standardaufgaben  – auch aus Kostengründen  – aber selbst wahrnehmen wollte. Diese sollten durch ein Call-Center erledigt werden. Nach Auffassung des Softwareherstellers folgte diese Aufgabenteilung bereits aus dem Vertrag. Die Berater waren anderer Auffassung. Für beide Ansichten gab es auf die Vertragshistorie und den Wortlaut der Vertragsdokumente gestützte Argumente. Zu einem Durchbruch kam es, als der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens noch während der Erörterung der jeweiligen Aufgaben emotional bewegt erklärte, 137

Teil II ­|  Methode der Mediation dass sein Unternehmen Insolvenz anmelden müsste, wenn es die geforderten Beträge zahlen müsste. Dasselbe könnte geschehen, wenn das vertragliche Aufgabenspektrum des Unternehmens maßgeblich verkleinert würde. Es war für jeden offensichtlich, dass diese Äußerung keinem strategischen Verhalten entsprach. Daher überlegten die Beteiligten gemeinsam, welche anderen Aufgaben durch welches Unternehmen jeweils am kundenfreundlichsten und kostengünstigsten wahrgenommen werden könnten. Dabei stellte sich heraus, dass die Unterstützung von Kunden in der Implementierung der Software durch das Beratungsunternehmen ausgeweitet werden könnte. Für die verschiedenen Aufgaben wurde ein neuer Abrechnungsschlüssel festgelegt, ein Ratenzahlungsplan für einen Teil der geforderten Beträge vereinbart und der Streit im Übrigen beigelegt. Beispiel 4

Das Offenlegen von Emotionen ist für den Verfahrensablauf und das Herstellen einer kooperativen Grundeinstellung von erheblicher Bedeutung. Denn wenn wir unsere Emotionen unterdrücken oder verstecken, können wir uns mit ihnen nicht konstruk­ tiv auseinandersetzen. Sie gären in uns, stauen sich auf und explodieren möglicher­ weise schon aufgrund eines geringen Anlasses. Sind die Emotionen Teil des Sachpro­ blems, so wird eine effektive Problemlösung verhindert, solange die Parteien die den Konflikt verursachenden Gefühle nicht offenlegen. Im Umgang mit Emotionen ist Ihre Kommunikationsfähigkeit als Mediator in beson­ derer Weise gefragt. Wer mit emotional angespannten Situationen umgehen kann, ist in der Regel auch dazu in der Lage, in anderen Phasen der Verhandlung die Kommu­ nikation erfolgreich zu kontrollieren. Welche Techniken Sie für eine erfolgreiche Ge­ sprächsführung einsetzen können, ist Gegenstand des folgenden zweiten Teils dieses Kapitels.

Kommunikation verbessern In einem Gespräch mit einem Vorgesetzten oder mit einem Unparteiischen in einem streitigen Verfahren versuchen die Parteien regelmäßig, diesen davon zu überzeugen, dass sie – im wahren oder übertragenen Sinne – „im Recht“ sind. Da der Dritte eine Entscheidung trifft, wollen sie die Überlegenheit ihres Standpunktes deutlich ma­ chen. Informationen, deren Preisgabe sich auf ihre Erfolgschancen nachteilig auswir­ ken könnte, halten die Beteiligten zurück. In besonders angespannten Situationen unterscheidet sich das Maß an Aufmerksamkeit für die andere Seite nur wenig vom demonstrativen Starren auf Smartphones oder Tablet-Computer von Parlamentariern in Bundestagsdebatten bei Vorträgen des politischen Gegners. Für jedes Argument wird, während der andere noch spricht, im Geiste bereits ein Gegenargument formu­ liert. Entgegengesetzte Behauptungen und Vorwürfe prallen aufeinander. In einer Mediation lässt sich eine Verständigung allerdings nur erzielen, wenn die Parteien jeweils Verständnis füreinander entwickeln. Um dieses Ziel zu erreichen, können – und müssen – sich die Beteiligten anders verhalten als in einem streitigen Verfahren vor einem entscheidungsbefugten Dritten. Dennoch fällt ihnen ein offener 138

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

Austausch insbesondere zu Beginn der Verhandlung regelmäßig schwer. Sie besitzen kein oder nur noch wenig Vertrauen zueinander und haben in vielen Fällen lange nicht mehr miteinander gesprochen. Ihre Aufgabe als Mediator besteht darin, diese Sprachlosigkeit zu überwinden. Geschulte Mediatoren bedienen sich dabei in der Regel eines Kommunikationsstils, der als non-direktive Gesprächsführung bezeichnet wird.220 Zu den wichtigsten kom­ munikativen Instrumenten gehören dabei das aktive Zuhören, verständige Zusammenfassungen (Paraphrasieren und Verbalisieren) sowie verschiedene Fragetechniken. Als Mediator sind Sie das Kommunikationsmodell für die Parteien. Wenn Sie dieser Vorbildfunktion gerecht werden, stellen Sie zunächst eine Kommunikationsbrücke zwischen diesen her und werden  – im besten Fall  – im Laufe der Verhandlung so überflüssig wie „die Fliege an der Wand“. Gute Kommunikation beginnt beim Zuhören. Daher beginnen wir die Darstellung der folgenden Techniken auch mit der Erörterung des sogenannten aktiven Zuhörens. Anschließend werden wir uns den verschiedenen Arten der Wiedergabe des Gesagten zuwenden (Paraphrasieren, Verbalisieren sowie Normalisieren und Strukturieren), bevor wir in diesem Zusammenhang ergänzend die Möglichkeit, Kommunikations­ regeln aufzustellen, behandeln. Besondere Aufmerksamkeit verdienen abschließend verschiedene Fragetechniken  – sind doch Fragen das für die Verhandlungsführung vielleicht wichtigste Kommunikationsinstrument.221 Aktives Zuhören Wenn der frühere nordamerikanische Senator George Mitchell gefragt wird, welchen Beitrag er als Vermittler zum Friedensschluss in Nordirland geleistet hätte, verweist er regelmäßig darauf, dass er den Kontrahenten geduldig zugehört habe. Für seine Ver­ dienste in diesem Konflikt ist er mit zahlreichen Auszeichnungen, wie z.B. dem Global Citizen Award 2000, bedacht worden.222 Zumindest die Begründung für die Eh­ rungen des amerikanischen Staatsmannes ist allerdings überraschend. Jeder Mensch, der nicht taub ist, hört täglich andere Menschen reden. Was also sollte so ungewöhn­ lich an dieser Eigenschaft sein, dass eine Person dafür ausgezeichnet wird? Bei genauerer Überlegung ist der kommunikative Vorgang des Zuhörens indes durch­ aus komplex. Er lässt sich in folgende vier Stufen aufteilen: Erst die aufmerksame und unvoreingenommene Wahrnehmung erlaubt eine Interpretation einer Aussage. Als Hörender bemühen Sie sich also darum zu verstehen, was der Sprechende sagt. Eine sorgfältige Würdigung des Gesagten gestattet wiederum dessen Bewertung, auf deren Grundlage schließlich eine Antwort formuliert werden kann. Die Beantwortung lässt durch eine verständige Zusammenfassung erkennen, dass der Zuhörende die Bot­ schaft verstanden hat. Nur wenn ein Mediator genau zuhört, kann er erfahren, was die Parteien bewegt, und einen Dialog zwischen ihnen herstellen. Nur wenn diese ihre Sichtweise darstellen können, besteht die Chance, dass sie sich verstanden fühlen. Unter diesen Bedingun­ gen werden die Beteiligten möglicherweise zur Überprüfung und Änderung ihres 139

Teil II ­|  Methode der Mediation

Standpunkts bereit sein und sich darum bemühen, das Verhalten des anderen eben­ falls zu verstehen. Um tatsächlich die Äußerungen von Personen vollständig wahrnehmen, interpretie­ ren und bewerten zu können, müssen Sie aktiv zuhören. Der Begriff des aktiven Zuhörens soll den Unterschied zum passiven Schweigen zum Ausdruck bringen. Aktives Zuhören bedeutet nicht, dass Sie mit dem Inhalt der Aussage einverstanden sein müs­ sen. Wie aber können Sie Ihr Verständnis bekunden, ohne Einverständnis zum Aus­ druck zu bringen? Eine verstehende Haltung können Sie demonstrieren, indem Sie eine aufmerksame Körperhaltung einnehmen, den Sprechenden nicht unterbrechen, Ihre eigene Ansicht zurückhalten und Gesten des Verständnisses, z.B. durch gelegentliches (kein regelmä­ ßiges) Kopfnicken, die Anfertigung von Notizen, einer Visualisierung des Gesagten auf Flipcharts oder die Bitte um zusätzliche Erläuterungen („Erklären Sie mir das bitte noch näher.“) zeigen. Das aktive Zuhören wird durch ein verständiges Zusam­ menfassen, also Paraphrasieren, der Äußerungen der Beteiligten unterstützt. Wir werden dieser Technik wegen ihrer großen Bedeutung für die Kommunikation so­ gleich einen eigenen Abschnitt widmen. Zum aktiven Zuhören im weiteren Sinne zählt auch das verständnis- und informationsorientierte, die Gefühle des Betroffenen aufnehmende, Fragen, dem wir uns ebenfalls im Folgenden ausführlich zuwenden werden.223 Aktives Zuhören ist sinnvoll und erforderlich, bis deutlich wird, dass der Gesprächs­ partner sich verstanden fühlt. Sie vermeiden so Missverständnisse unter den Beteilig­ ten. Nehmen Sie als Mediator gelegentlich auch mit den nicht sprechenden Beteilig­ ten Blickkontakt auf, um diesen zu signalisieren, dass sie ebenfalls die Gelegenheit erhalten werden, sich zu äußern. Wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass ein an der augenblicklichen Erörterung Unbeteiligter ungeduldig wird, geben Sie ihm einen kurzen Hinweis, der etwa wie folgt lauten kann: „Frau Albert, bitte sehen Sie es mir nach, dass ich Sie hier kurz unterbreche. Es ist mir wichtig, Ihre Darstellung vollstän­ dig zu hören. Gleichzeitig möchte ich Sie, Herr Bertolt, wissen lassen, dass Sie nach den Ausführungen von Frau Albert genauso viel Zeit für Ihre Ausführungen haben werden“. Paraphrasieren Eines der wichtigsten Kommunikationsinstrumente des Mediators ist das regelmäßi­ ge Zusammenfassen der Äußerungen der Teilnehmer mit eigenen Worten des Medi­ ators. Es wird auch als Paraphrasieren oder Spiegeln bezeichnet.224 Dieses Zusammen­ fassen ist zunächst für Ihr eigenes Verständnis der Parteien wichtig. Gleichzeitig soll es diesen das Gefühl vermitteln, tatsächlich verstanden worden zu sein: Selbst wenn Sie als Mediator nämlich die Parteien noch so gut verstehen, genügt die bloße Bekun­ dung „Ich verstehe Sie!“ nicht unbedingt, um diesen auch den entsprechenden Ein­ druck zu verschaffen.

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Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

Aus beiden Gründen ist es daher sehr wichtig, mit eigenen Worten wiederzugeben, was der Sprechende zuvor gesagt hat. Obgleich Ihnen das wiederholte Paraphrasieren zunächst künstlich vorkommen mag, sollten Sie diese Technik als Mediator daher je­ denfalls möglichst regelmäßig gebrauchen. Sie ist für die Standortbestimmung eben­ so wichtig wie für die Moderation der Emotionen („Ich habe Sie so verstanden, Herr Albert, dass es Ihnen wichtig ist, jetzt noch einmal über die Geschäftspolitik zu spre­ chen. Stimmt das?“). Wenn Sie konsequent paraphrasieren, folgen Sie fortwährend – in Gesprächsschlei­ fen – den Äußerungen der Beteiligten. Sie strukturieren also die Verhandlung nicht selbst, indem Sie einzelne Punkte aus den Bemerkungen herausgreifen und eine eige­ ne Richtung vorgeben. Daher wird der systematische Gebrauch dieser Technik auch als looping bezeichnet: Sie folgen der Richtung, welche das Gespräch nimmt, und be­ stätigen, was Sie gerade gehört haben.225 Verbalisieren Sie brauchen sich in Ihren Paraphrasen allerdings nicht darauf zu beschränken, den Aussagen der Parteien zu folgen. Sie können auch Einfluss darauf gewinnen, wie das Gesagte beim anderen ankommt, indem Sie die Äußerungen der Beteiligten auf einer adäquaten Abstraktionsebene zusammenfassen. Diese umdeutende Zusammenfas­ sung wird auch als Verbalisieren bezeichnet.226 Reizwörter, die eine Verhandlung in eine negative Richtung führen („Wir haben die Schnauze voll. Wenn das so weiter­ geht, sollten wir das Ganze abbrechen und nach Hause gehen.“), können Sie auf diese Weise neutralisieren. Wichtig ist, dennoch den dahinter stehenden Bedeutungsgehalt zutreffend wiederzugeben („Sie sind im Moment mit dem Verlauf der Verhandlung äußerst unzufrieden und haben Zweifel, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind. Wie sollten wir nach Ihrer Vorstellung weiter verfahren?“). So kontrollieren Sie das Ge­ spräch und verhindern eine Eskalation. Diese Methode ist auch nützlich, um die Be­ teiligten zu einer Überprüfung ihrer Wahrnehmung zu veranlassen, wie wir im Zusam­ menhang mit der Erörterung dieses Themas später näher erläutern werden. Zugleich dient sie den Parteien als Beispiel dafür, wie sich negative Emotionen konstruktiv ar­ tikulieren lassen. Zunächst wollen wir uns allerdings noch zwei weiteren Techniken zuwenden, von denen Sie auch während Ihrer Zusammenfassungen Gebrauch ma­ chen können. Normalisieren Neben dem Paraphrasieren und Verbalisieren besteht eine andere, hilfreiche Kom­ munikationsstrategie im Normalisieren.227 Mit dieser Technik lassen Sie eine Bewer­ tung in Ihre Zusammenfassung einfließen oder fügen diese hinzu. Sie entspannen z.B. eine Situation durch den Hinweis darauf, dass es nicht ungewöhnlich ist, wenn in ei­ ner bestimmten Phase Emotionen auftreten oder finanzielle Differenzen verbleiben („Nach meinem Eindruck sprechen wir gerade über einen Punkt, der für Sie alle von Bedeutung ist. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in einer solchen Situation der Aus­ tausch kontrovers wird. Wie können wir die in der Diskussion entstandene Dynamik 141

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nutzen, um diese Frage zu klären?“ oder: „Sie haben sich heute bereits deutlich aufei­ nander zu bewegt. Es kommt häufig vor, dass nach mehreren Zugeständnissen aller Beteiligten vorübergehend der Eindruck entsteht, jetzt ginge es nicht weiter. Erfah­ rungsgemäß geht es dann aber doch weiter. Lassen Sie uns also überlegen, ob uns noch eine andere Kombination einfällt.“). Sie können die Entscheidungsfindung der Parteien auch erleichtern, indem Sie erläutern, dass eine derartige Konstruktion Ih­ nen schon in anderen Vereinbarungen begegnet ist und sich bewährt hat („Eine ähn­ liche Regelung haben wir zur Berücksichtigung der Verantwortung des Vertrags­ händlers für das Dispositionsrisiko in anderen Verträgen bei der Bewertung des Lagerbestandes ebenfalls getroffen.“). Strukturieren Schließlich können Sie Zusammenfassungen und Neutralisierungen dazu nutzen, die Verhandlung zu strukturieren. Das bietet sich insbesondere dann an, wenn Anhalts­ punkte für eine Anpassung der Tagesordnung oder für den Übergang zum nächsten Punkt bestehen („Haben wir jetzt alle Gesichtspunkte, die für eine frühzeitige Stillle­ gung des Werks sprechen, gesammelt? Besteht noch Ergänzungsbedarf? Wenn das nicht der Fall ist, können wir dann die Argumente sammeln, die für eine Fortsetzung des Betriebs sprechen?“). Vielleicht wollen Sie das Gespräch auch nach Themen und Unterthemen ordnen, also die Verhandlung partialisieren („Stellen die Positionierung der Abteilung im Unternehmen und die Ziele für das neue Jahr nicht eigentlich zwei Themen dar? Was halten Sie davon, wenn wir die eben besprochenen Punkte entspre­ chend aufteilen und ggf. ergänzen?“). Vereinbarung von Kommunikationsregeln Wenn die Parteien ihre Sicht des Konflikts schildern, neigen sie oft dazu, der anderen Seite Vorwürfe zu machen. Vorwürfe lösen Widerspruch und Verteidigungshaltungen aus. Diese Spirale kann schnell zum Zusammenbrechen der Kommunikation führen. Die Beteiligten greifen einander an oder streiten die Berechtigung der Sichtweise des anderen ab. Es liegt an Ihnen als Mediator, eine derartige Eskalation zu verhindern. Zusätzlich zur Nutzung der zuvor behandelten Techniken sollten Sie mit den Beteilig­ ten bereits zu Beginn der Verhandlung Kommunikationsregeln vereinbaren. Durch derartige Absprachen unterstützen Sie das aktive Zuhören. So hat es sich bewährt, beim Auftakt der Gespräche mit den Parteien zu vereinbaren, dass diese einander nicht unterbrechen. Bevor die eigentliche Verhandlung beginnt, ist das Einverständnis dafür leicht zu gewinnen. Natürlich verhindert diese Abmachung nicht, dass es später zu Unterbrechungen kommt. Wenn aber eine entsprechende Ab­ rede erst einmal getroffen ist, erleichtert sie Ihnen das Einschreiten. Sie stoßen dann auch die Betroffenen nicht vor den Kopf, wenn Sie diese unter Verweis auf die zuvor vereinbarte Regel darum bitten, einander ausreden zu lassen. Es versteht sich von selbst, dass Sie ein gutes Vorbild sein sollten. Intervenieren Sie selbst also auch nur in Ausnahmefällen. Gerade zu Beginn ihrer Darstellung sollten 142

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die Parteien sich möglichst im Zusammenhang äußern können. Jede Unterbrechung zu Beginn der Verhandlung kann sich schnell als hinderlich erweisen: Wer sich schon am Anfang eines Gespräches nicht ausreichend mitteilen kann, wird kaum das Gefühl gewinnen, dass man ihm zuhört, um ihn zu verstehen. Daher sollten Sie erst dann nachfragen, wenn die Betroffenen ihre Sichtweise im Zusammenhang darstellen konnten oder wenn zu befürchten ist, dass ansonsten wichtige Informationen miss­ verstanden werden oder verloren gehen. Wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie – z.B. in einer innerbetrieblichen Mediation – ihren Gesprächspartnern kommunikativ noch mehr Disziplin abverlangen können, vereinbaren Sie eine weitere Spielregel. Sie erfordert ein höheres Engagement der Par­ teien: Bitten Sie diese darum, zur Situationsbeschreibung nur noch sogenannte „Ich-Aussagen“ zu benutzen. An die Stelle einer Deutung des Verhaltens der anderen Person („Sie haben in unverantwortlicher Weise gehandelt.“ oder „Sie haben mich betrogen.“ oder „Sie sind nie zu erreichen.“) tritt die eigene Wahrnehmung („Ich habe Ihre Handlung damals als unverantwortlich empfunden.“ oder „Ich habe mich getäuscht gefühlt.“ oder „Ich würde gerne öfter mit Ihnen Kontakt aufnehmen.“).228 Der sachliche Inhalt einer Bemerkung wird durch eine „Ich-Aussage“ nicht verän­ dert. Sie wird vielmehr der Realität angenähert, da der Sprechende nun nicht das Verhalten des anderen bewertet, sondern dessen Wirkung auf sich selbst darstellt. Eine Aussage über diese persönliche Wirkung ist jedoch schwerer angreifbar, weil sie nicht mehr unmittelbar als Vorwurf an den anderen gerichtet ist. Eher führt sie zu Nachdenklichkeit. Wer als Verhandlungspartner erlebt, welche Betroffenheit er bei der anderen Person ausgelöst hat, ist in der Regel auch eher dazu bereit, darauf einzu­ gehen. Tatsächlich fällt vielen Personen die Umstellung ihrer sprachlichen Verhaltensmuster sehr schwer. Zudem besteht die Gefahr, dass in einer Verhandlung zwischen Ge­ schäftsleuten die Verwendung einer derartigen Kommunikationsregel für viele etwas zu spielerisch wirkt. Das gilt insbesondere, wenn mehrere Personen an der Mediation beteiligt sind und die Gesichtswahrung für die Beteiligten eine größere Rolle spielt. Wir schlagen daher vor, derartige Initiativen nur zu ergreifen, wenn ihre Umsetzung durch die angesprochenen Personen auf Akzeptanz stößt. Fragen So hilfreich die bisher beschriebenen verschiedenen Kommunikationstechniken auch sind – das wichtigste Instrument des Mediators ist seine Fähigkeit, den Konfliktpar­ teien Fragen zu stellen. Wer schon einmal bei einer Abendeinladung neben einer Per­ son gesessen hat, die keine Fragen stellt, weiß, wie wichtig diese für die Kommunika­ tion sind. Die Fragen des Mediators sind in jeder Phase der Verhandlung für deren weiteren Verlauf von zentraler Bedeutung. Als Mediator üben Sie durch Ihre Fragen erheblichen Einfluss darauf aus, was die Parteien besprechen: „Wer fragt, der führt.“ Da die Konfliktparteien viele Fragen, die Sie aufwerfen, einander nicht stellen wür­ den, können Sie gleichzeitig auch den Informationsfluss erheblich erleichtern. 143

Teil II ­|  Methode der Mediation

Welche Fragen Sie stellen, hängt ebenso vom Gegenstand der Verhandlung und der Kommunikation durch die Beteiligten wie von der Phase der Mediation ab. Um ein gemeinsames Verständnis eines komplexen Sachverhalts zu gewinnen, bedarf es ­zielführender Fragen zur Aufklärung der Situation. In Beziehungskonflikten steht da­ gegen das Nachdenken der Beteiligten über die bisherige Wahrnehmung ihres Ver­ hältnisses im Vordergrund. Ebenso wie sich die Fragen nach dem Konflikttyp unter­ scheiden, eignen sich unterschiedliche Fragen für verschiedene Phasen der Mediation. Während zu Beginn einer Verhandlung die Informationsgewinnung im Vordergrund steht, hat in einem späteren Stadium die Reflexion der Einigungsoptionen oder der verfügbaren Bewertungskriterien größere Bedeutung. Für Ihre Arbeit als Mediator sind insbesondere vier Fragetypen hilfreich.229 Sie lassen sich nach dem durch sie verfolgten Zweck in direkte, zirkuläre, strategische und reflexive Fragen einteilen. Daneben gibt es offene und geschlossene Fragen. Die zuletzt ge­ nannte Differenzierung ergibt sich aus den Möglichkeiten zur Beantwortung, die dem Betroffenen verbleiben.

Direkte Fragen

Zirkuläre Fragen

Strategische Fragen

Aufklärende Absicht

Lenkende Absicht

erhaltende Wirkung

einschränkende Wirkung

befreiende Wirkung

produktive Wirkung

Forschende Absicht

Fördernde Absicht

Reflexive Fragen

Abbildung 1: Unterscheidung von Fragetypen nach dem Zweck der Frage (Abbildung nach Karl Tomm)230

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Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

Direkte Fragen Wenn Sie konkrete Informationen sammeln wollen, um einen Sachverhalt zu ermit­ teln, eignet sich vor allem der Einsatz direkter bzw. investigativer Fragen.231 Das sind Fragen, die eine klare Zielrichtung haben, Ursachen betreffen und sich eindeutig be­ antworten lassen. Sie bieten sich damit insbesondere in einem frühen Stadium der Mediation an („Seit wann arbeiten Sie zusammen?“, „Wann haben Sie sich dazu ent­ schlossen, das Joint Venture zu gründen?“, „Haben Sie damals bereits über die Aufga­ benverteilung zwischen Ihnen gesprochen?“). Direkte Fragen sind für die Konfliktdi­ agnose unerlässlich. Gleichzeitig besteht ein Nachteil ihrer Verwendung darin, dass sich die Beteiligten auf den Status quo konzentrieren. Bestehende Auffassungen wer­ den dadurch erhalten und, da sie wenig in Zweifel gezogen werden, sogar noch gefestigt. Zirkuläre Fragen Zur Informationsgewinnung können Sie auch zirkuläre Fragen nutzen.232 Ihre Ver­ wendung geht von der Annahme aus, dass man Informationen aus dem Erkennen und Formulieren von „Unterschieden“ gewinnt und sich die Bedeutung einer Verhal­ tensweise aus ihrem Zusammenhang ergibt. Typischerweise betreffen diese Fragen hypothetische Ereignisse ebenso wie Verhaltenswirkungen. Zirkuläre Fragen eignen sich daher auch dafür, die Präferenzen, Motive und Interessen der Beteiligten zu erforschen („Was haben die Inhaber gesagt, als Sie ihnen mitteilten, dass die Verkaufs­ zahlen zurückgegangen sind?“, „Wie haben Ihre Vertragspartner reagiert, als Sie vor­ geschlagen haben, die Mindestverkaufszahlen für das kommende Geschäftsjahr anzuheben?“). Das Ziel besteht hierbei nicht in der Sammlung von Fakten. Vielmehr erfahren Sie mit diesem Fragetyp etwas über die Beziehung zwischen Personen und deren jeweilige Wahrnehmung. Mit zirkulären Fragen können Sie Unterschiede in der Wahrnehmung von Beziehungen („Welcher Ihrer Abteilungsleiter hat das beste Verhältnis zu Ihnen?“), graduelle Unterschiede („Wie sehen Sie die Chancen eines Rechtsstreits, wie sehen Sie diese in der zweiten Instanz?“), Wenn-Dann-Unterschiede („Welche Optionen haben Sie jetzt, um einen weiteren Verlust von Marktanteilen zu vermeiden? Wenn Sie darauf warten wollen, bis Sie neue Produkte vorstellen können, vergeht dann zu viel Zeit? Wenn Sie jetzt eine Marketingkampagne für die aktuellen Fahrzeuge starten, haben Sie Sorge, dass die Einführung der neuen Modelle leidet?“) oder hypothetische Unterschiede („Welche Möglichkeiten verbleiben Ihnen, wenn Sie sich heute nicht einigen können? Welche Vor- und Nachteile sind damit jeweils verbunden?“) herausarbeiten. Die Ver­ wendung zirkulärer Fragen bietet sich schließlich insbesondere an, wenn Sie den Be­ ziehungsstatus erheben oder an der Verbesserung einer Beziehung arbeiten möchten („Was könnten Sie für ihn tun, wenn er Sie tatsächlich in Zukunft in Ihrer Arbeit un­ terstützen würde?“). Wenn diese Fragen zum Ziel führen, haben sie eine befreiende Wirkung, indem sie die Parteien zwingen, sich über Dinge Gedanken zu machen, die sie vorher vielleicht noch nicht erwogen oder bedacht haben. Die Beteiligten können sich aus einer linearen Betrachtungsweise lösen. 145

Teil II ­|  Methode der Mediation

Mit Hilfe zirkulärer Fragen können Sie auch versuchen, Blockaden in der Verhand­ lung z.B. dadurch aufzulösen, dass Sie auf einer Meta-Ebene mit den Parteien kom­ munizieren („Haben Sie auch den Eindruck, dass wir uns im Moment ein wenig im Kreis bewegen? Was könnten wir tun, um wieder voranzukommen?“). Es versteht sich von selbst, dass von solchen Fragen nicht zu viel Gebrauch gemacht werden soll­ te. Strategische Fragen Größeren Einfluss auf den weiteren Verhandlungsverlauf nehmen Sie, wenn Sie strategische Fragen stellen („Warum lassen Sie diesen Vorwurf nicht fallen? Welchen Nut­ zen hat es für Sie, dieses Thema weiter zu verfolgen?“). Die Wirkung dieser Fragen ist insofern einschränkend, als Sie das Gespräch lenken und damit die Richtung beein­ flussen, die eine Verhandlung nimmt. Sie können gleichzeitig nötig sein, um proble­ matische Annahmen oder Verhaltensweisen einem Realitätstest zu unterziehen und eine konstruktive Lösung zu finden. So regen Sie als Mediator z.B. an, dass die Partei­ en über bestimmte Fragen oder Lösungsansätze nachdenken, oder erkundigen sich, wie die Beteiligten die Prozessrisiken einschätzen („Wollen wir noch einmal überle­ gen, wie Sie Ihrer Beweislast für den Fall, dass es zum Prozess käme, genügen könn­ ten?“). Seien Sie jedoch vorsichtig: Solche strategischen Fragen können bei der be­ fragten Partei schnell Misstrauen hinsichtlich Ihrer Neutralität wecken. Sie sollten daher stets abwägen, ob der Einsatz entsprechender Fragen wirklich geboten erscheint und das – für den Erfolg der Mediation sehr kritische – Risiko eines (wahrgenomme­ nen) Neutralitätsverlusts lohnt. Reflexive Fragen Schließlich können Sie reflexive Fragen233 nutzen, wenn Sie das bisherige Geschehen reflektieren möchten oder die Beteiligten zur Nachdenklichkeit animieren wollen. Nach einer Pause oder Unterbrechung könnten Sie etwa fragen: „Wenn Sie an den heutigen Vormittag zurückdenken, wie schätzen Sie den bisherigen Verlauf der Ver­ handlung ein? Wo haben wir die größten Fortschritte erzielt? Wie können wir uns der verbleibenden Themen am besten annehmen?“ Mit dieser Vorgehensweise beeinflus­ sen Sie die Verhandlungen nicht so unmittelbar wie mit strategischen Fragen. Stärker als bei zirkulären Fragen aktivieren Sie hierdurch aber die Problemlösungskompetenz der Beteiligten, indem Sie deren Aufmerksamkeit auf geeignete Themen oder Ge­ sichtspunkte lenken. Entsprechende Fragen fördern also den Verhandlungsprozess. Offene und geschlossene Fragen Eine andere Einteilung zwischen verschiedenen Fragetypen lässt sich aus den Mög­ lichkeiten ableiten, die dem Befragten zur Beantwortung verbleiben. Insoweit kann insbesondere zwischen offenen Fragen, die dem Antwortenden sehr viel Raum für eine Antwort lassen, und geschlossenen Fragen, auf die der Antwortende im Grund­ satz nur mit „ja“ oder „nein“ antworten kann, unterschieden werden. Offene Fragen 146

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

erleichtern und stärken den Informationsfluss („Wie wollen wir jetzt vorgehen?“), vermeiden Belehrungen („Welche Vorschläge haben Sie für die Lösung dieser Fra­ ge?“), drängen keine Lösungen auf („Welche Gesichtspunkte sollten wir aus Ihrer Sicht noch berücksichtigen?“) und animieren den Befragten zum Nachdenken („Wel­ che Punkte müssen wir in diesem Zusammenhang ansprechen?“). Sie beleben das Gespräch und vermitteln den Beteiligten das Gefühl, dass ihre Darstellung Bedeu­ tung hat. Offene Fragen signalisieren Interesse und Einfühlungsvermögen („Welche Möglichkeiten bestünden, um Ihrem Interesse nach einer wirtschaftlichen Handha­ bung der Abwicklung gerecht zu werden?“). Offene Fragen sind in jeder Phase der Verhandlung ein sehr wichtiges Kommunikationsinstrument, insbesondere aber, wenn es um die Erforschung der Interessen der Parteien in Phase 3 (vgl. Kapitel 6) und die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten in Phase 4 (vgl. Kapitel 7) geht. In anderen Situationen empfiehlt sich allerdings bisweilen der Einsatz geschlossener Fragen („Sind Sie damit einverstanden, dass wir jetzt beginnen?“). Auf sie kann es im wahrsten Sinne des Wortes zur Verhandlungsführung ankommen, wenn die Par­ teien vom Thema abkommen oder – in der Praxis nicht selten – einzelne Beteiligte zu weitschweifigen Ausführungen neigen („Waren Sie bei der Vertragsverhandlung am 2. ­Februar persönlich anwesend?“). Die Verwendung geschlossener Fragen ist umge­ kehrt auch hilfreich, wenn eine Person kaum am Gespräch teilnimmt und Sie versu­ chen, Informationen von ihr zu erhalten („Kennen Sie sich mit dieser Technologie aus? Können Sie einem Kunden die Funktionsweise der Geräte erklären? Wären Sie dazu in der Lage, mit anderen Technikern über die angeblichen Mängel zu spre­ chen?“). Schließlich können Sie diesen Fragetyp verwenden, wenn Sie gemeinsam mit den Beteiligten logische Gedankengänge nachvollziehen oder eine Überprüfung ihres Standpunkts anregen wollen. Geschlossene Fragen bieten sich insbesondere an, wenn es in Phase 2 um die gezielte Aufklärung bestimmter Sachverhaltsfragen oder in Phase 4 um die abschließende Bewertung von Lösungsmöglichkeiten geht. Sowohl mit offenen als auch mit geschlossenen Fragen können Sie dem Überoptimismus der Parteien entgegenwirken. Als besonders wirkungsvoll hat es sich erwiesen, die Beteiligten zu bitten, die Perspektive zu wechseln und zu erklären, welche Gründe es dafür geben könnte, dass ihr Standpunkt unzutreffend ist. Müssen Parteien die Schwäche ihrer eigenen Positionen erklären, werden ihnen mögliche Defizite unter Umständen deutlicher bewusst. Insbesondere in einem Einzelgespräch, das einer Par­ tei die Möglichkeit gibt, vertrauensvoll mit Ihnen als Mediator auch über Schwach­ punkte der eigenen Position zu reden, werden Sie dieses Vorgehen wählen (zu Einzel­ gesprächen vgl. Kapitel 6 und 9). Da die Steuerung des Informationsflusses eine Ihrer wichtigsten Aufgaben ist, werden Sie in jeder Phase der Mediation Nachfragen stellen. Sie sollten der Klärung oder Er­ gänzung dienen. Wenn sich das Bild vervollständigt, können diese zeigen, wie gut Sie die Parteien verstanden haben.

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Teil II ­|  Methode der Mediation

Wahrnehmung des Konflikts durch die Parteien feststellen und verändern Um ein gemeinsames Verständnis der Themen zu erarbeiten, genügt es nicht, die maßgeblichen Fakten zu sammeln. Die Beteiligten müssen auch die jeweilige Wahrnehmung des Konflikts durch den anderen verstehen und ihre Haltung korrigieren können. Als Mediator haben Sie mehrere Möglichkeiten, die Wahrnehmung der Par­ teien zu verändern. Für das gegenseitige Verständnis förderlich ist es, die Parteien dazu zu animieren, zwischen dem eigentlichen Ereignis, also dem Anlass, und ihrer jeweiligen Wahrnehmung des Ereignisses zu unterscheiden. Darüber hinaus können Sie als Mediator die Wahrnehmung der Parteien dadurch verändern, dass Sie die zu­ vor erläuterten Techniken des Paraphrasierens und Verbalisierens nutzen. Unterscheidung zwischen Ereignis und dessen Wahrnehmung Der Grund für negative Emotionen liegt nicht in dem Ereignis selbst, sondern in der Reaktion darauf. Um also negative Gefühle gegenüber einer Person oder einem Ereig­ nis zu verändern, muss sich folglich die Bewertung durch den Betroffenen ändern. Um eine überoptimistische Selbsteinschätzung, reaktive Abwertung, attributionelle Verzerrungen oder ähnliche kognitive Einigungshindernisse (vgl. Kapitel 2) abbauen oder wenigstens begrenzen zu können, müssen die Betroffenen ebenfalls ihre Wahr­ nehmung verändern. Sie können den Beteiligten diese Aufgabe dadurch erleichtern, dass Sie mit ihnen schon sprachlich stets genau zwischen einer Aussage und deren Wahrnehmung un­ terscheiden. Wenn die Beteiligten den Unterschied zwischen dem Ereignis und des­ sen Interpretation erkennen, ist die Grundlage für ein größeres, gegenseitiges Ver­ ständnis häufig schon gelegt. Nehmen wir folgendes, anonymisiertes Beispiel aus der Praxis: Die zwei Inhaber eines Verlags unterhalten sich über den wenig befriedigen­ den Geschäftsverlauf im zurückliegenden Jahr. Inhaber Beckmann äußert: „Wir haben uns wohl im letzten Jahr zu sehr mit neuen Projekten verzettelt.“ Sein Partner Schwarzer antwortet: „Das finde ich nicht fair. Wenn Du die Beziehungen zu den Kunden nicht vernachlässigt hättest, stünden wir heute besser da.“ Das Gespräch eskaliert. Wie kommt es zu der Eskalation? Inhaber Schwarzer, der viel Zeit mit dem Aufbau des neuen Online-Geschäfts verbracht hat, fühlt sich angegriffen. Zwar will sein Part­ ner Beckmann nur zur Diskussion stellen, ob sich der Verlag auf bestimmte Sparten konzentrieren sollte. Schwarzer bezieht seinen Hinweis allerdings sofort auf sich, da er für den Aufbau des Online-Geschäfts zuständig ist. Er fühlt sich angegriffen, weil er in der Bemerkung von Beckmann eine versteckte Kritik an dem von ihm verant­ worteten Geschäft sieht. Bevor er sich erkundigt, ob sein Eindruck zutrifft, geht er zum Angriff über. Er wirft Beckmann die Vernachlässigung der Kunden vor. Beckmann versteht diese Attacke nicht. Er hatte die Verbindung zum Aufbau des On­ line-Geschäfts gar nicht herstellen wollen, fühlt sich in die Defensive gedrängt und schlägt ebenfalls verbal zurück.

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Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

Hätte das Gespräch zwischen Beckmann und Schwarzer in einer Mediation stattge­ funden, hätte der Mediator die Bemerkung von Beckmann über die Notwendigkeit der Konzentration auf das Kerngeschäft aufnehmen können. Er hätte ihm eine auf eine Klarstellung abzielende Nachfrage stellen können, um herauszufinden, in wel­ cher Weise sich die beiden Gesellschafter mit dem Aufbau neuer Geschäftsfelder be­ schäftigt haben („Bitte helfen Sie mir, die Situation zu verstehen. Welche Projekte hatten Sie sich im vergangenen Jahr vorgenommen? Mit welchen Kundenbeziehun­ gen hingen diese zusammen?“). Auf diese Weise wären das Missverständnis und die Eskalation zu vermeiden oder schnell zu korrigieren gewesen. Das Beispiel zeigt also, wie hilfreich ein unbeteiligter, mit sprachlicher Sensibilität ausgestatteter Dritter die Kommunikation unterstützen kann. Unterscheidung zwischen Wirkung und Absicht Zu einer beschleunigten Eskalation von Konflikten trägt weiter häufig bei, dass Men­ schen eine bestimmte negative emotionale Wirkung, die Verhaltensweisen des Ver­ handlungspartners in ihnen auslösen, mit einer entsprechenden (bösen) Absicht des anderen gleichsetzen („Er will mich nur beleidigen / mir schaden / mich verletzen.“). Oftmals liegt aber selbst sehr aggressiven oder verletzenden Äußerungen gar nicht die Absicht zugrunde, dem anderen zu schaden oder ihn zu verletzen. Vielmehr sind sie häufig selbst nur der unbeholfene Ausdruck eigener negativer Gefühle wie Angst, Enttäuschung oder Verletzung. Der „Aggressor“ findet lediglich keinen konstruk­ tiven Ausdruck seiner eigenen Emotionen, hat aber oft gar keine auf den anderen ge­ richtete Absicht. Als Mediator können Sie auf diese wichtige Unterscheidung z­ wischen Wirkung und Absicht hinweisen, indem Sie den Urheber aggressiver Verhaltensweisen für die Wirkung seines Verhaltens im Gegenüber sensibilisieren und ihn zugleich mo­ tivieren, die wahren Ursachen dieses Verhaltens zu äußern („Ich habe den Eindruck, dass Ihre Äußerung Frau Maier sehr betroffen macht. Helfen Sie mir besser zu verste­ hen, was umgekehrt Ihren Ärger ausgelöst hat. Wie kam es dazu?“). Der anderen Seite können Sie zugleich spiegeln, dass die negative Wirkung, die das Verhalten des anderen in ihr auslöst, nicht zwingend mit einer entsprechenden Schädigungsabsicht des anderen verbunden ist. Prüfung der Bewertungen durch Verbalisieren Auch indem Sie die Techniken des Paraphrasierens und Verbalisierens nutzen, veran­ lassen Sie die Beteiligten zu einer Überprüfung ihrer Bewertungen. Dabei können Sie als Mediator den eigentlichen Hintergrund der Aussage verdeutlichen, indem Sie die zugrundeliegenden Empfindungen und Interessen hervorheben, ohne den Inhalt der Aussage zu verfälschen. Sie neutralisieren die Äußerung und formulieren sie positiv um. Ein Vertragshändler äußert in einer Mediation, der Hersteller habe lediglich „Schrott-Autos“ geliefert. Der Mediator kann diese Aussage wie folgt wiedergeben: „Sie waren also von der Qualität der gelieferten Produkte sehr enttäuscht. Ihnen liegt daran, hochwertige Fahrzeuge zu erhalten.“

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Teil II ­|  Methode der Mediation

Hinter der Beschwerde über die „Schrott-Autos“ standen sowohl ein Gefühl der Ent­ täuschung als auch das sachliche Interesse an einer bestimmten Produktqualität, das der Mediator in seiner Zusammenfassung wiedergegeben hat. Dabei hat er eine nega­ tive Bewertung durch eine neutrale Umschreibung des Gefühls ersetzt und das Inter­ esse positiv formuliert. Wenn ein Mediator über einen längeren Zeitraum hinweg Aussagen über den Unwert der Handlungen des anderen durch Aussagen über das jeweilige Gefühl der Beteiligten und deren Ansprüche ersetzt, können sich im Lauf der Verhandlungen die Wahrnehmungen und damit auch die Emotionen (im engeren Sinne) und Stimmungen verändern. Aggressive Impulse bleiben aus, eine konstruk­ tive Stimmung entwickelt sich, die Beteiligten können eine sachliche Haltung einneh­ men. Wir haben bereits am Anfang dieses Kapitels darauf hingewiesen, dass Gefühle aus der Bewertung der eigenen Wahrnehmung entstehen. Die Interpretation der Wahr­ nehmung erfolgt bei den meisten Menschen willkürlich. Sie kann stärker die positi­ ven oder die negativen Aspekte betonen. Je weiter ein Konflikt sich fortentwickelt, umso mehr negative Gefühle hegen die Beteiligten allerdings. Im ersten Kapitel ha­ ben wir bereits die Mechanismen beschrieben, die zu Wahrnehmungsverzerrungen führen, und den Verlauf von Eskalationen dargestellt. Indem Sie die Bemerkungen der Beteiligten in der zuvor beschriebenen Weise wiedergeben, können Sie zu einer Deeskalation beitragen. Die unterschwelligen positiven Aspekte einer Äußerung hervorzuheben, ist so lange legitim, wie sie sich tatsächlich feststellen lassen. Sobald die positiven Gesichtspunkte nur in Ihrer Wunschvorstellung vorhanden sind oder Sie versuchen, diese den Partei­ en zu suggerieren, werden die Beteiligten Ihre Zusammenfassungen als Fehldeutun­ gen angreifen. Dasselbe gilt, wenn eine positive Motivation zwar existiert, aber von Ihnen in einer Weise betont wird, die in keinem Verhältnis mehr zu der Wahrneh­ mung der Parteien steht. Auch vor Verallgemeinerungen sollten Sie sich daher hüten. Wenn Sie eine angemessene Balance bei der Wiedergabe der Äußerungen der Parteien auf einem adäquaten Abstraktionsniveau finden, so können Sie damit auch das Eini­ gungshindernis der Verlustangst reduzieren (vgl. Kapitel 2). Menschen sind nämlich eher zu Zugeständnissen bereit, wenn sie den Verhandlungsrahmen insgesamt positiv einschätzen. Dagegen beharren Personen, die eine Verhandlung negativ bewerten, eher auf ihrer Position. Wenn Sie negative Formulierungen neutral umdeuten, kön­ nen Sie so auch die Verlustangst der Beteiligten begrenzen. Fragen zur Feststellung der jeweiligen Wahrnehmung Indem Sie den Beteiligten durch Ihre Verbalisierungen deren eigene Wahrnehmun­ gen vor Augen führen, helfen Sie ihnen auch, zwischen der Sach- und der Beziehungsebene zu trennen und deren jeweilige Wirkungen auf die Prozessebene zu erkennen. Sie unterdrücken damit nicht Emotionen, sondern bringen diese mit in die Verhand­ lung ein. Sofern Sie die Parteien dabei unterstützen, Anlässe und Gefühle zu unter­ scheiden, schaffen Sie die Voraussetzung dafür, dass die Beteiligten die Ereignisse anders bewerten, ihre Haltung ändern und eine Beilegung des Konflikts möglich 150

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

wird. Für diesen Zweck sind z.B. die folgenden Fragen hilfreich:234 „Wie wichtig ist dieses Ereignis für Sie – heute und in der Zukunft? Was könnte es weniger bedeu­ tungsvoll erscheinen lassen? Wie könnte Ihnen dieser Vorfall in einer Weise helfen, die Sie bislang noch nicht erörtert haben? Wie wichtig ist es für Sie, den anderen in dieser Situation verantwortlich machen zu können? Welchen Nutzen haben Sie, wenn Sie dem anderen die Verantwortung aufbürden? Unterstellt, er würde diese tragen, welche Kosten hat dieser Zustand für Sie? Was würde Ihnen helfen, über diese Vor­ würfe hinwegzukommen? Wie ließe sich die Situation korrigieren? Was haben Sie getan, um mit der Situation zurechtzukommen? Wie fühlen Sie sich, nachdem Sie diesen Versuch unternommen haben? Was könnten Sie noch unternehmen? Warum wäre diese Initiative hilfreich?“

Einfühlungsvermögen fördern Am leichtesten fällt es den Konfliktparteien, ihre Wahrnehmung zu korrigieren, wenn es ihnen gelingt, die Sichtweise anderer zu verstehen und sich in deren Lage hineinzuversetzen. Viele sträuben sich allerdings bereits gegen den bloßen Versuch eines sol­ chen Perspektivenwechsels. Sie fürchten, dass sie damit den Eindruck vermitteln könnten, sie würden die Ansichten der anderen Partei teilen. Tatsächlich hat Einfüh­ lungsvermögen jedoch nichts mit Sympathie zu tun. Verstehen ist nicht Billigen. Es kommt alleine darauf an, eine Situation, in der sich die andere Partei befunden hat, oder ihr Verhalten in dieser Lage nachempfinden zu können. Um als Mediator emotional Verständnis zu signalisieren, gehen Sie regelmäßig mit kurzen Zusammenfassungen auf die Emotionen der Beteiligten ein. Sie gefährden Ihre Unparteilichkeit dabei nicht durch Äußerungen, die lediglich Interesse oder Ver­ ständnis bekunden. Wohldosiert dürfen Sie darin auch Anerkennung aussprechen. So können Sie zum Beispiel die gerade vortragende Partei ermuntern fortzufahren, in­ dem Sie etwa sagen: „Das interessiert mich genauer. Können Sie das noch ein wenig näher erklären?“ Formulieren Sie auch ein Lob, soweit dieses sich auf den Verhand­ lungsprozess bezieht: „Ich glaube, wir haben Fortschritte gemacht. Wir sind einer Lö­ sung nähergekommen.“ Schließlich bringen Sie Ihr Mitgefühl zum Ausdruck, indem Sie zum Beispiel sagen: „Ich kann mir vorstellen, dass Sie damals unter erheblichem Druck standen. Das kann ich nachempfinden.“ Wenn Sie in diesem Sinne Empathie zeigen, beachten Sie allerdings stets die Wirkung auf die anderen Personen und überschreiten Sie nicht die Grenze zur Sympathiebekundung. Das wäre z.B. der Fall, wenn Sie eigene Bewertungen einfließen lassen und sich auf die Seite einer Partei stellen würden: „Sie müssen damals ja unter einem vollkom­ men ungerechtfertigten Druck gestanden haben. Da hätte ich mich genauso zur Wehr gesetzt wie Sie.“ Durch ein empathisches Kommunikationsverhalten können Sie dazu beitragen, dass die Parteien sich ebenfalls darum bemühen, die andere Seite und deren Befindlichkei­ ten besser zu verstehen. Eigenes Einfühlungsvermögen zu zeigen, bedeutet jedoch nicht, die Kontrahenten zu einem entsprechenden Verhalten zu drängen. Das wäre 151

Teil II ­|  Methode der Mediation

kontraproduktiv.235 Um auch den Beteiligten die Gelegenheit zu geben, die Situation eines anderen nachzuempfinden, kann sich ein Perspektivenwechsel empfehlen (vgl. Kapitel 6).236

Vertrauen und Beziehung fördern Zu Beginn des Konflikts sind die Beteiligten meist in negativen Emotionen und Feindbildern gefangen. Die Kommunikation ist gestört, das Vertrauen gering. Um den Konflikt jedoch nachhaltig beizulegen, ein Ergebnis zu erzielen, das den Interes­ sen beider Parteien gleichermaßen gerecht wird und dazu auch noch kreativ Werte zu schaffen, bedarf es effektiver Kooperation. Ein gutes Ergebnis kann nur durch das Poolen der gemeinsamen geistigen und materiellen Ressourcen gelingen. Ein erster Schritt besteht darin, dass die Parteien ihren Konfliktpartner nicht nur als anonymen Gegner, sondern als Person kennenlernen. Jemandem, den man persön­ lich kennt, der ein Gesicht und einen Namen hat, kann man nicht mehr so leicht die dem Feindbild der „Gegenseite“ entsprechenden Eigenschaften zuschreiben. Merken die Beteiligten, dass der Vertreter des „Gegners“ ja „eigentlich ganz nett“ ist, ist ein erster Schritt hin zu einer kooperativen Beziehung getan. Eine gute Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen können Treffen in informalem Rahmen – wie etwa ein gemeinsames Mittagessen, ein kurzer Small Talk237 vor dem Beginn der Mediation oder ein Gespräch in den Pausen – bieten. Häufiger informaler Kontakt zwischen den zerstrittenen Parteien im Vorfeld der Mediation ist für den Aufbau einer funktionie­ renden Arbeitsbeziehung von großer Bedeutung. So haben empirische Studien ge­ zeigt, dass der bloße Kontakt, die Präsenz und die körperliche Nähe zueinander dazu führen, dass man sich gegenseitig zunehmend sympathischer findet.238 Dem liegt der unbewusste Mechanismus zugrunde, dass wir Dinge oder Personen, denen wir länge­ re Zeit ausgesetzt sind, mögen.239 Im Kontext bedeutender und komplexer Mediatio­ nen kann es daher auch aus diesem Grund durchaus sinnvoll sein, der eigentlichen Mediation mehrere informale Treffen und Telefonkonferenzen vorangehen zu lassen. Zum Zeitpunkt der Mediation stehen sich die Beteiligten dann nicht mehr als Fremde oder Gegner, sondern als alte Bekannte gegenüber.240 Dass man seinen Konfliktpart­ ner auf einer persönlichen Ebene als Person anerkennt, seine Emotionen versteht und seinen Argumente zuhört, heißt nicht, dass man ihm auch in der Sache zustimmt. Es ist aber die Voraussetzung, in der Sache zu einer guten, beiderseits interessengerech­ ten Einigung zu gelangen. In dem Maße, in dem es den Parteien gelingt, eine positive Beziehung zueinander aufzubauen, werden Sach- und Beziehungsebene voneinander getrennt und die Verhandlung auf der Prozessebene in kooperativere Bahnen gelenkt. Gemeinsamkeiten entdecken Das Beziehungsband zwischen den Parteien wird enger, wenn sie Gemeinsamkeiten entdecken, sich auf ein gemeinsames Ziel oder eine gemeinsame Vision verständigen oder einem gemeinsamen Problem gegenüberstehen. Wir mögen Menschen, die so sind wie wir. Dieser Grundsatz gilt auch zwischen Parteien in Verhandlungen. So 152

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

konnte in empirischen Untersuchungen nachgewiesen werden, dass eine gleiche Ein­ stellung zu einem Objekt, etwa einem Ereignis, einer Idee oder einer dritten Person, die gegenseitige Attraktion zwischen Personen verstärkt.241 Der Anlass für eine solche Gemeinsamkeit kann dabei trivial sein: die Heimatstadt, die gemeinsam besuchte Universität, ein längerer Auslandsaufenthalt im gleichen Land, die geteilte Begeiste­ rung für ein Hobby, eine Sportart oder eine Mannschaft, ein ähnlicher familiärer oder beruflicher Hintergrund, die gleiche Vorliebe für eine bestimmte Musikrichtung, ein gemeinsames Lieblingsbuch, eine bestimmte Küche. Stellen die Parteien fest, dass sie aus derselben Stadt kommen („Berlin kenne ich sehr gut. Ich habe dort lange Zeit gelebt. Aus welcher Ecke dort kommen Sie?“), einen ähnlichen familiären Hinter­ grund haben („Ich habe auch Kinder. Wie alt sind Ihre?“), dieselbe Begeisterung für den Sport („Ich bin begeisterter Bergsteiger. Kennen Sie den Tristkogel?“) oder auch denselben beruflichen Status teilen („Lässt Sie Ihr Chef auch wie bei uns bis Mitter­ nacht arbeiten?“), ist das Eis erst einmal gebrochen, und es eröffnet sich ein ganzes Feld gemeinsamer Gesprächsthemen. Eine ähnliche Wirkung hat das gegenseitige Spiegeln der Körpersprache der Parteien.242 Als Mediator können Sie diesen Prozess fördern, indem Sie den Parteien – etwa durch ein informales Treffen vor dem Beginn der Mediation – ein geeignetes Forum zum gegenseitigen Kennenlernen zur Verfü­ gung stellen und sie durch geeignete Fragen anregen, Gemeinsamkeiten zu entde­ cken. Eine ähnliche Wirkung wie das Aufdecken von Gemeinsamkeiten hat das Minimieren von Unterschieden, indem es dazu beiträgt, die negative Wahrnehmung, die eine Par­ tei im Hinblick auf ihrem Konfliktpartner hat, zu reduzieren. Dabei kann Ihrer ver­ mittelnden Tätigkeit als Mediator zentrale Bedeutung zukommen, indem Sie etwa durch Paraphrasieren die Unterschiede zwischen den Positionen verringern und stattdessen die gemeinsamen Punkte, wie etwa das gemeinsame Ziel einer schnellen, kostengünstigen und wertschöpfenden Beilegung des Konfliktes, betonen. Die Iden­ tifizierung eines gemeinsamen Zieles und einer gemeinsamen Vision kann die Hal­ tung der Parteien zueinander erheblich verbessern und sie in der miteinander geteil­ ten Herausforderung, ein gemeinsames Problem zu meistern, zusammenführen.243 Als Mediator können Sie diesen Wechsel von der kontradiktorischen zur problemlö­ senden Perspektive unterstützen, indem Sie den Parteien die Bedeutung und die Vor­ teile einer Kooperation deutlich machen, sie für das gemeinsame Ziel einer einver­ nehmlichen, wertschöpfenden Lösung des Sachproblems begeistern und den Blick von der Vergangenheit auf die Zukunft lenken. Gegenseitiges Verständnis fördern Werden am Beginn der Verhandlung die geltend gemachten Forderungen häufig noch als ungerechtfertigt oder sogar als Provokation empfunden, so kann sich diese Einstellung schnell ändern, wenn die Parteien aus ihrer jeweiligen Perspektive die Hintergründe des Sachproblems, ihre Sorgen und ihre Emotionen offenlegen. Das dif­ ferenziertere Verständnis des Sachproblems aus der Sicht des anderen Konfliktpartners führt nicht nur zu einer objektiveren Sicht auf die materiellen Fragen, sondern ver­ bessert zugleich die Beziehung zwischen den Parteien. Die jeweils andere Partei wird 153

Teil II ­|  Methode der Mediation

nicht mehr als Gegner, sondern vielmehr als Person mit Visionen, Sorgen, Ängsten und Gefühlen wahrgenommen, die nicht mehr ohne Weiteres ignoriert werden kön­ nen, sondern vielmehr als legitime Interessen wahrgenommen werden. Wenn die Parteien beginnen, darüber nachzudenken, wie sich diese Interessen mit den eigenen integrieren lassen, haben sie bereits den wesentlichen Schritt von der kontradiktori­ schen zur Perspektive des Problemlösers vollzogen. Sie können die Parteien in diesem Prozess als Mediator unterstützen, indem Sie sie zu einem offenen Austausch über ihre Emotionen, Sorgen und Interessen motivieren. Hierzu können Sie auf die ganze Bandbreite an Techniken zurückgreifen, die wir Ih­ nen in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellt haben. Die Preisgabe von Informationen über sich selbst und die eigenen Emotionen macht verwundbar, lädt aber zu reziprokem Verhalten ein und baut so Vertrauen auf.244 Das Prinzip der Reziprozität ist sehr stark und in Verhandlung von zentraler Bedeutung.245 Es wirkt in beide Rich­ tungen: Wenn wir etwas erhalten, fühlen wir uns gedrängt, diese Geste des Gebens zu erwidern, und wenn uns jemand etwas schuldet, so fühlen wir uns ihm auf besondere Weise nahe. Positive Gefühle verstärken Positive Gefühle lassen sich allerdings nicht nur durch das Herstellen von Reziprozi­ tät stärken. Ihnen steht als Mediator eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Verfü­ gung, mit deren Hilfe Sie nicht nur negative Emotionen begrenzen, sondern darüber hinaus auch positive Emotionen fördern können. So können Sie die Parteien an eine positive Zeit gemeinsamer Zusammenarbeit erinnern, durch Fragen herausarbeiten, aus welchen Gründen diese Zusammenarbeit beendet wurde (z.B. Missverständnisse) und eine positive, gemeinsame Zukunft entwerfen. Darüber hinaus können und soll­ ten Sie auch durch eine positive Grundeinstellung, vielleicht durch den Einsatz von Humor und durch eine geeignete Gesprächsführung gleich zu Beginn der Mediation, den richtigen Ton setzen und sich proaktiv um eine positive Gesprächsatmosphäre bemühen. Auf dieser Grundlage wird es den Parteien leichter fallen, den Konflikt hinter sich zu lassen, sich in ihrer Beziehung wieder neu aufeinander hin auszurich­ ten und gegenseitig Vertrauen aufzubauen. Vertrauen aufbauen Vertrauen wächst schrittweise über eine längere Zeit. Es ist wie die Reputation ein wertvolles, nicht leicht ersetzbares Gut: Es dauert lange, bis Vertrauen gewachsen ist, und es ist schnell verspielt. Vertrauen ist die freiwillige Erbringung einer riskanten Vorleistung unter Verzicht auf explizite vertragliche Sicherungs- und Kontrollmaß­ nahmen in der Erwartung, dass diese riskante Vorleistung erwidert und nicht ausge­ nützt wird.246 Vertrauen kann aus zwei Quellen erwachsen: Aus der Tatsache, dass ich eine Person sehr gut kenne, sie verstehe und daher ihr Verhalten zutreffend einschät­ zen und vorhersagen kann (wissensbasiertes Vertrauen), und aus der Tatsache, dass ich mich mit einer Person, ihren Werten und ihrer Persönlichkeit identifiziere (identifikationsbasiertes Vertrauen). Zentral für das Wachsen von Vertrauen ist damit eine 154

Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Beziehung aufbauen ­|  Kap. 5

ausreichend enge Beziehung, eine intime Kenntnis der anderen Person und eine Ge­ schichte bestätigter und damit nicht oder kaum enttäuschter Erwartungen. Um im Rahmen der Mediation Vertrauen aufzubauen, bedarf es daher eines Minimums an gegenseitigem Verständnis und gegenseitiger Wertschätzung, um dessen Vermittlung Sie sich als Mediator bemühen müssen. Im Kontext von Verhandlungen gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um das gegenseitige Vertrauen der Parteien zu fördern: Neben klaren, übereinstimmenden und sich nicht widersprechenden Aussagen, gehören dazu eine Kongruenz von Wort und Tat, kleine Zeichen des guten Willens, ein Vertrauensvorschuss, etwa indem man sich selbst in eine substantiell oder nur symbolisch unterlegene Position begibt, die andere Partei um Hilfe oder um einen Gefallen bittet, indem man etwas Persönliches preisgibt, eine echte Sorge für die Nöte und Interessen der anderen Partei unter Wah­ rung der eigenen Interessen zeigt und ein Verständnis für die Bedürfnisse und Sorgen des jeweiligen Verhandlungspartners entwickelt, auch wenn man selbst diese nicht teilt.247

Zusammenfassung Die Emotionen der Beteiligten sind im Konflikt ebenso wie in den Bemühungen um dessen Beilegung stets präsent. Sie zu verstehen, ist für die Konfliktbeilegung wichtig, weil sie über Bedürfnisse und Interessen ebenso wie über die Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen der Parteien oder die Qualität von Beziehungen Auskunft geben. Anders als man vermuten könnte, besteht die Schwierigkeit für den Mediator weniger im Schutz der Beteiligten gegen Gefühlsausbrüche als vielmehr in der Wahrnehmung und Offenlegung versteckter Emotionen. Denn über den Einsatz von Kommunika­ tionstechniken, insbesondere das Paraphrasieren und Verbalisieren, lassen sich emoti­ onale Eskalationen vermeiden. Dagegen ist es ohne die Bereitschaft der Beteiligten, sich über ihre Wahrnehmungen und Empfindungen auszutauschen, sehr viel schwie­ riger, eine Klärung der unterschiedlichen Interpretationen der Realität zu erzielen. Mit Hilfe der Techniken des aktiven Zuhörens, des verständigen Zusammenfassens (Paraphrasieren und Verbalisieren) sowie verschiedener Fragetypen können Sie als Mediator die Emotionen der Beteiligten kontrolliert ergründen und den Gang der Verhandlung steuern. Fragen lassen sich nach ihrem Zweck (direkte, zirkuläre, strategische und reflexive Fragen) sowie den Möglichkeiten der Beantwortung (offene und geschlossene Fragen) einteilen. Es ist ferner nützlich, zu Beginn der Mediation mit den Beteiligten Kommunikationsregeln zu vereinbaren: Die Beteiligten unterbrechen ein­ ander nicht. Sie sprechen über ihre eigene Wahrnehmung, ohne das Handeln der an­ deren zu bewerten. Mit der geeigneten Kommunikation veranlassen Sie als Mediator die Beteiligten in einem ersten Schritt dazu, zwischen den Ereignissen und ihrer Wahrnehmung sowie zwischen der Wirkung des Verhaltens des anderen in ihnen und den Absichten des anderen zu unterscheiden. In einem zweiten Schritt können Sie eine Prüfung der Bewertung anregen. 155

Teil II ­|  Methode der Mediation

Während das Paraphrasieren und Verbalisieren auf der sprachlichen und damit intel­ lektuellen Ebene stattfindet, bekunden Sie auf der emotionalen Ebene Ihr Einfühlungsvermögen. So fördern Sie intellektuell und emotional die Konfliktbearbeitung. In geeigneten Situationen laden Sie die Betroffenen dazu ein, sich selbst jeweils in die Perspektive des anderen zu versetzen und darzustellen, wie sie diese erlebt haben. Wenn die Wahrnehmungsunterschiede geklärt worden sind, ist die Entwicklung ei­ nes gemeinsamen Konfliktverständnisses in der Regel abgeschlossen. Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen den Parteien wird gefördert, wenn sie ermu­ tigt werden, Gemeinsamkeiten zu entdecken und durch einen Perspektivwechsel Ver­ ständnis für die Situation und die Interessen des anderen zu entwickeln. Welche Be­ deutung die Interessen der Beteiligten in einer Mediation haben und wie sich diese erforschen lassen, ist Gegenstand des nächsten Kapitels.

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Kapitel 6 Interessen erforschen und gewichten Zwei Schwestern streiten in der Küche um die letzte dort liegende Orange. „Ich bin älter als Du!“, ruft die eine. „Das interessiert mich nicht, Du hast gestern schon eine Orange gegessen!“, entgegnet die andere. „Wenn Du mir die Orange nicht lässt, dann nehme ich sie mir einfach!“, erwidert wiederum die erste, körperlich stärkere Schwes­ ter. „Das kannst Du gerne versuchen, dann erzähle ich alles der Mutter!“, erhält sie zur Antwort, und in diesem Stil geht der Austausch der Argumente weiter. Nehmen Sie einmal an, Sie sollten den Streit zwischen den beiden Schwestern schlich­ ten. Was würden Sie tun? Eine gerechte Lösung scheint darin zu liegen, die Orange in zwei Hälften zu teilen und beiden Schwestern jeweils eine Hälfte anzubieten (viel­ leicht schlagen Sie auch vor, dass eine der beiden Schwestern, die durch das Los be­ stimmt wird, teilen und die andere aussuchen soll, vgl. Kapitel 8). Unterstellen wir einmal, Sie gehen genau so vor. Die eine Schwester nimmt nun ihre Hälfte, pellt die Schale ab und isst das Fruchtfleisch. Die andere Schwester entfernt ebenfalls die Scha­ le von ihrer Hälfte, wirft das Fruchtfleisch weg und beginnt, mit der Schale einen Orangenkuchen zu backen. Wie gefällt Ihnen Ihre Lösung? Was dieses vielzitierte248 und zugegebenermaßen stilisierte Beispiel anschaulich zeigt, ist die Bedeutung von Interessen in einer Verhandlung oder Mediation: Eine Lösung, die allein einen Ausgleich zwischen den geltend gemachten Verhandlungspositionen der Beteiligten („Ich will die Orange!“) sucht, ist zumeist suboptimal. Wenn demge­ genüber die „hinter“ diesen Verhandlungspositionen „verborgenen“ Interessen er­ forscht werden, lassen sich häufig bessere Ergebnisse erzielen. Beide Schwestern hät­ ten 100 Prozent (und nicht nur 50 Prozent) dessen bekommen, worum es ihnen geht. Ähnliches gilt auch und gerade bei Konflikten im Wirtschaftsleben. Eine mit dem Orangen-Beispiel vergleichbare Struktur haben etwa Verteilungskonflikte, welche die Auseinandersetzung eines Vermögens oder einer Vermögensgesamtheit betreffen. Denken Sie beispielsweise an Gesellschafter eines Unternehmens, die jeweils „das Unternehmen“ für sich beanspruchen, oder an Miterben, welche sich um „die Erb­ schaft“ streiten. Aber auch bei Sach‑, Grundsatz‑, Strategie- oder Beziehungskonflik­ ten (vgl. Kapitel 1) führt ein Beharren auf den geltend gemachten Verhandlungsposi­ tionen oftmals zu suboptimalen Ergebnissen für alle Beteiligten. Mit dem Begriff und der Bedeutung von Interessen, mit ihrer Vielfalt, Wahrnehmung, Gewichtung und Veränderung wollen wir uns deshalb in diesem Kapitel beschäftigen. Auch wird es darum gehen, Ihre Rolle als Mediator im Rahmen des Prozesses der Interessenerforschung und ‑gewichtung näher zu bestimmen sowie die Mediations­ techniken kennenzulernen, die Sie insoweit einsetzen können. In Kapitel 7 werden wir dann erörtern, wie sich in einer Mediation aus den gewichteten Interessen der Beteiligten wertschöpfende Lösungsmöglichkeiten zur Konfliktbewältigung entwi­ ckeln lassen. 157

Teil II ­|  Methode der Mediation

Vorab sei nochmals bemerkt, dass Mediation in unterschiedlichen Formen und Stilen stattfindet (vgl. Kapitel 3).249 Als Mediator können Sie sich auf eine Analyse und Be­ arbeitung eines beschränkten Konfliktfeldes konzentrieren. Möglicherweise wün­ schen die Beteiligten aber auch eine umfassende Konfliktbewältigung. Sie müssen mit den Parteien von Fall zu Fall und gegebenenfalls von Situation zu Situation festlegen, ob Sie eher moderierend (fazilitativ) oder auch bewertend (evaluativ) vorgehen wollen und welche Art von Bewertungen zulässig sind und gewünscht werden. Schließlich kommt es vor allem darauf an, „die Basis“ der Mediation zu bestimmen: Soll es pri­ mär um eine Abschätzung der Rechtslage gehen (rights-based mediation)? Oder ste­ hen die Erforschung der Interessen der Beteiligten und die Entwicklung interessenge­ rechter Problemlösungen im Vordergrund (interest-based mediation)? Aufgrund der Bedeutung von Interessen für eine dauerhafte und allseits zufriedenstellende Kon­ fliktbewältigung wird letzteres regelmäßig der Fall sein – aber dies muss in der Medi­ ation geklärt werden.

Positionen, Interessen und Bedürfnisse Was ist ein „Interesse“? Dem eingangs geschilderten Orangen-Beispiel lassen sich Anhaltspunkte für die Bestimmung des Interessenbegriffs in Abgrenzung zu dem Be­ griff der Verhandlungsposition (kurz: Position) entnehmen. Eine Position wird fest­ gelegt durch eine Forderung: Ein Beteiligter verlangt etwas von einem anderen. Ju­ ristisch gesprochen bedeutet dies: Es wird ein Anspruch geltend gemacht. „Ich will 100.000 Euro Schadensersatz von Ihnen!“ wäre beispielsweise eine typische Position. Positionen beziehen sich auf mögliche Ergebnisse einer Verhandlung oder Mediation. Interessen sind demgegenüber Gründe oder Motive für eine bestimmte Position. So kann hinter dem Verlangen nach Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Ver­ kehrsunfall beispielsweise das Interesse des Geschädigten an Wiederherstellung sei­ ner körperlichen Integrität (Heilungskosten), an der Finanzierung seines Lebensun­ terhaltes (Verdienstausfall), an einem Ausgleich für den erlittenen Schmerz und vieles andere liegen. Verkürzt gesagt geht es bei Positionen darum, was (welches konkrete Ergebnis) man will, während bei Interessen nach dem Warum einer bestimmten For­ derung gefragt wird. „„ Typische Positionen und möglicherweise dahinter liegende Interessen: Zahlung von 100.000 Euro  Entschädigung für eigenen Aufwand, Anerkennung eigener Mühe, Liquidität, gute Nachricht für Stakeholder, ausgeglichene Bilanz usw. Zahlung eines signifikanten Schmerzensgeldes  Mitleid, Entschuldigung, Bedauern des Verhandlungspartners Veto gegen die Bestellung des CEO  Fairer Prozess, echtes Zuhören des Verhandlungspartners, Begegnung auf Augenhöhe, gemeinsames Nachdenken über gute Lösungen usw.

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Interessen erforschen und gewichten ­|  Kap. 6

Keine zukünftige Zusammenarbeit  Kooperative Grundhaltung im Umgang mit Geschäftspartnern, Win-Win in Geschäftsbeziehungen, Produktion auf technischem Spitzenniveau usw. Anspruch auf Auskunft über alle Betriebsvorgänge der letzten drei Jahre  Gegenseitiges Vertrauen, Orientierung der Unternehmensstrategie an Recht und Gesetz, Affektionsinteresse am Unternehmen usw. Kündigung war wirksam  Störungsfreie und produktive Arbeit, Betriebsfrieden wahren, Präzedenzfall vermeiden, überhöhte Abfindung vermeiden usw. Anerkennung der Erbenstellung durch den Verhandlungspartner  Partizipation am Nachlass, Anerkennung der Mühe durch jahrelange Pflege des Verstorbenen, Anerkennung des letzten Willens des Verstorbenen, Liquidität, Befriedigung der Erwartungshaltung der eigenen Familie usw. Beispiel 1

Eine wichtige Funktion sozialer oder rechtlicher Normen liegt darin, Ansprüche fest­ zulegen. Damit überführen sie regelmäßig bestimmte Interessen in bestimmte Positi­ onen. Wenn ein Konflikt „verrechtlicht“ wurde, wenn es nur noch Rechtsfragen sind, um die gestritten wird, dann geht es ausschließlich um Positionen. Die Frage nach den Interessen der Beteiligten ist ein Schritt in Richtung einer „Entrechtlichung“ der Auseinandersetzung: Warum wird eine bestimmte Forderung erhoben? Was würde ihre Erfüllung für den Anspruchsteller bedeuten? Worum geht es den Beteiligten wirklich? Die Unterscheidung zwischen Positionen und Interessen ist wichtig, weil ein be­ stimmtes Interesse in der Regel auf unterschiedliche Weise befriedigt werden und demzufolge auch in ganz unterschiedliche Positionen „münden“ kann: Das Interesse eines Unternehmensangestellten an Anerkennung seiner Arbeit mag beispielsweise durch eine Gehaltserhöhung, eine Beförderung, durch eine besondere Auszeichnung („Mitarbeiter des Monats“), durch lobende Worte des Chefs oder durch eine Urlaubs­ reise („Incentive-Reise“) befriedigt werden. Die Menge allseits vorteilhafter Lösungs­ möglichkeiten wird größer, wenn die Positionsebene verlassen wird und die Interes­ sen der Beteiligten ins Blickfeld kommen. Nun ist die Frage nach dem „Warum“ einer bestimmten Forderung natürlich mögli­ cherweise wiederholbar. Anders gewendet: „Hinter“ einem bestimmten Interesse steht eventuell ein weiteres, fundamentaleres Interesse. So ist der Wunsch, einen Orangenkuchen zu backen, eventuell vorrangig durch den Spaß am Backen motiviert, eventuell aber auch durch die „Lust auf Süßes“ oder schlicht durch Appetit, gegebe­ nenfalls auch durch eine Kombination aus allen diesen Möglichkeiten. Man kann dies zum Anlass nehmen, terminologisch zwischen Positionen, Interessen (unterschiedlicher Grade) und – auf einer noch fundamentaleren Ebene – Bedürfnissen (ebenfalls unterschiedlicher Grade) zu differenzieren. Während sich die Menschen hinsichtlich ihrer Interessen häufig stark voneinander unterscheiden, besteht regelmä­ ßig Übereinstimmung im Hinblick auf grundlegende Bedürfnisse wie z.B. physisches 159

Teil II ­|  Methode der Mediation

Wohlbefinden und soziale Wertschätzung.250 Interessen sind danach zeit‑, umstandsund persönlichkeitsabhängige Motive, die sich aus bestimmten Bedürfnissen ergeben. Es ist wichtig, die Funktion dieser Differenzierung im Auge zu behalten: Das Erfor­ schen „tiefer liegender“ Interessen bzw. Bedürfnisse hat den Sinn, das Spektrum denkbarer Lösungsmöglichkeiten zu erweitern (vgl. oben). Soweit man sinnvollerweise die Frage stellen kann, warum etwas beansprucht bzw. gewünscht wird, sollte man diese Frage in einer Mediation stellen (sich selbst – als Beteiligter – oder als Media­ tor). Sinnvoll ist diese Frage, solange „tiefer liegende“ Interessen bzw. Bedürfnisse potentiell auf unterschiedliche Art und Weise erfüllt werden können, die Konfliktlö­ sungsmöglichkeiten also erweitert werden. Weniger sinnvoll ist die Suche nach fun­ damentalen Interessen bzw. Bedürfnissen, wenn dadurch unvereinbare ideologische Differenzen (Werthaltungen) zutage gefördert werden: „[Leftist guerilla leaders] … might unite on the issue of overthrowing the rightist dictator; an agreement that attempted to reconcile their underlying interests would likeley be more difficult to achieve.“251 Im Gegensatz zu reinen Interessenkonflikten sind Wertkonflikte nur schwer im Rahmen einer Mediation beizulegen.252

Bedeutung von Interessen und Interessenerforschung Die Erforschung der Interessen der Beteiligten besitzt in einer Mediation in vielen Fällen einen zentralen Stellenwert. Nicht selten wird ein Großteil oder sogar der über­ wiegende Teil der Mediationszeit mit dieser Aufgabe verbracht. Dafür gibt es – über den bereits erwähnten Aspekt der Erweiterung des Lösungsraumes hinaus  – gute Gründe, mit denen wir uns im Folgenden näher beschäftigen.

Interessen

Nichteinigungsalternativen

Bewertung von Einigungsoptionen und Nichteinigungsalternativen

Einigungsoptionen

Subjektive Spiegelung von Einigungsoptionen, Nichteinigungsalternativen und Interessen Wahrnehmung

Abbildung 1: Viereck der Schlüsselfaktoren (© Bühring-Uhle, Eidenmüller, Nelle) 160

Interessen erforschen und gewichten ­|  Kap. 6

Abbildung 1 zeigt die Entscheidungssituation eines Beteiligten in einer Verhandlung bzw. Mediation. Wenn Sie dieser Beteiligte sind, dann bedeutet dies: Irgendwann müssen Sie sich zwischen den denkbaren Einigungsoptionen und den Ihnen zur Ver­ fügung stehenden Nichteinigungsalternativen entscheiden. Dafür brauchen Sie einen Bewertungsmaßstab. Das sind in erster Linie253 Ihre Interessen. Sie fragen sich, ob eine bestimmte Einigungsoption Ihren Interessen besser dient als eine bestimmte Nichteinigungsalternative oder vice versa. Einigungsoptionen, Nichteinigungsalternativen und Interessen sind nicht „objektiv gegeben“. Sie haben vielmehr ein gänzlich subjektives Bild dieser Faktoren, nehmen diese subjektiv wahr. Bezogen auf Ihre Interessen heißt das: Sie haben eine Vorstel­ lung davon, worum es Ihnen in einer Verhandlung bzw. Mediation geht. Diese Vor­ stellung kann aus den unterschiedlichsten Gründen verzerrt oder unrichtig sein (etwa weil Sie von einem anderen Beteiligten manipuliert wurden). Umgekehrt beeinflus­ sen Ihre Interessen auch Ihre Wahrnehmung: Sie sehen die Welt so, wie Sie sie sehen wollen (selektive Wahrnehmung, vgl. Kapitel 1). Dieses Viereck der Schlüsselfaktoren stellt, wie bereits erwähnt, die Entscheidungssi­ tuation eines Beteiligten dar. So wie Sie haben auch alle anderen Beteiligten ihre „ei­ genen“ Interessen und Nichteinigungsalternativen sowie ihre höchst subjektive Sicht der Dinge. Gemeinsam sind allen Beteiligten nur die denkbaren bzw. vorgeschlagenen Einigungsoptionen. Vor diesem Hintergrund wird eine Reihe von Gründen dafür deutlich, dass der Prozess der Interessenerforschung in jeder Mediation einen sehr hohen Stellenwert besitzt. Klärung von Bewertungsmaßstäben und Autonomiegewinnung Wer als Beteiligter in einer Mediation seine Interessen nicht kennt, kann keine in­ formierte Entscheidung über bestimmte Konfliktlösungsmöglichkeiten treffen. Denn es fehlt ihm dann der Zugriff auf den entscheidenden Bewertungsfaktor für seine Entscheidung zwischen Einigungsoptionen und Nichteinigungsalternativen. Noch schlimmer, als nicht zu wissen, was man will (im Sinne von: welches Ziel man errei­ chen möchte, welche Position man beansprucht), ist es, nicht zu wissen, was einen befriedigt bzw. glücklich macht. Auch Akteure im Wirtschaftsleben legen sich über die Vielfalt ihrer Interessen bzw. der Interessen ihrer Organisation oftmals nicht hin­ reichend Rechenschaft ab. Ein wesentlicher Zweck der Interessenerforschung in der Mediation liegt deshalb darin, den Beteiligten zu helfen, Klarheit hinsichtlich der ei­ genen Interessen als dem relevanten Bewertungsmaßstab zu gewinnen. „„ Brexit-Gespräche: Interessen nicht in Sicht Ein Lehrstück für mangelnde Interessenklärung zeigte sich in den Verhandlungen über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Die britische Seite war durch das Referendum im Juni 2016 von Beginn an auf ein zentrales Verhandlungsergebnis festgelegt, ohne dass vorher sorgfältig erwogen worden wäre, welche Bedeutung etwa die innerhalb der EU geltende Warenverkehrsfreiheit für sie hat. Auch die Bedeutung der durch die EU ermöglichten „weichen Grenze“ 161

Teil II ­|  Methode der Mediation zwischen Irland und Nordirland für die britischen Interessen wurde erst sehr spät in den Blick genommen. Gleichzeitig hatte offenbar auch die EU-Führung in der Zeit vor dem Referendum unterschätzt, dass die Bereitschaft der Unionsbürger zur fortgesetzten Verwirklichung der europäischen Idee keine Selbstverständlichkeit war. Die Folge dieser fehlenden Reflektion waren bisweilen chaotische Verhandlungen über den Brexit mit entsprechend schlechten Aussichten für gemeinsame Wertschöpfung bzw. zumindest Werterhaltung.254 Beispiel 2

Bisweilen sind das Selbstwertgefühl eines Beteiligten und seine Autonomie allerdings so beschädigt, dass er sich nicht einmal mehr als selbstbestimmten Träger eigener Interessen begreift. Man denke etwa an eine Mediation, deren Anlass massives Mob­ bing gegen einen Mitarbeiter in einem Unternehmen ist. In einer solchen Situation kann eine Klärung der Interessenlage erst erfolgen, wenn vorher das Selbstwertgefühl und die Autonomie des Betreffenden wiederhergestellt wurden. Diesem zu helfen, sich nicht über Projektionen anderer, sondern „aus sich selbst heraus“ zu bestimmen, ist das Ziel. Kann dieses Ziel nicht erreicht werden, so ist Mediation als Form der Konfliktbewältigung ein ungeeignetes Verfahren, und die Beteiligten sind in einem eher justizförmigen Prozess möglicherweise besser aufgehoben (vgl. Kapitel 12). Reflexion der eigenen Wahrnehmung Wir hatten bereits gesehen, dass unsere Interessen unsere Wahrnehmung beeinflus­ sen (wir sehen, was wir sehen wollen), und dass wir umgekehrt auch ein ganz subjek­ tives Bild davon haben, was unsere Interessen sind (wir haben eine Vorstellung davon, worum es uns geht). Interessenerforschung in einer Mediation ist nicht nur wichtig, um den Beteiligten zu helfen, sich Klarheit über ihre Bewertungsmaßstäbe zu ver­ schaffen und gegebenenfalls (in bestimmten Konfliktsituationen) ihr Selbstwertge­ fühl und ihre autonome Entscheidungsfähigkeit wiederzugewinnen. Es geht auch darum, den Effekt unserer Interessen auf unsere Wahrnehmung („Was sehe ich nicht, weil ich es nicht sehen will?“) sowie umgekehrt unsere Selbsteinschätzung kritisch zu reflektieren („Welches Bild habe ich von meinen Interessen?“). Nur so lässt sich eine informierte und aufgeklärte Entscheidung zur Konfliktbeilegung treffen. Förderung von Empathie Der dritte und vielleicht wichtigste Grund für die Bedeutung der Interessenerfor­ schung in einer Mediation liegt in der Förderung der Empathie der Beteiligten, also ihrer Fähigkeit, auch für die Interessen der anderen Beteiligten und deren Sichtweise Verständnis zu entwickeln. Bereits in Kapitel 5 hatten wir uns mit der rationalen und der emotionalen Dimension der Empathie beschäftigt. Bei der Interessenerforschung steht die zuerst genannte Dimension im Vordergrund: Gefragt ist nicht so sehr emo­ tionale Einfühlung als vielmehr rationales Verstehen. Jeder Beteiligte in einer Mediation hat seine eigenen Interessen und seine subjektive Sicht der Dinge, seine „Landkarte“, an der er sich orientiert. Die eigene Sicht der Din­ 162

Interessen erforschen und gewichten ­|  Kap. 6

ge ist jedoch nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit, ein Wirklichkeitskonstrukt. Gute Verhandler sind solche, die neben ihren eigenen Interessen immer auch diejenigen des Verhandlungspartners und dessen Wahrnehmung der Verhandlungssituation im Auge haben: Nur wer insoweit nicht „im Dunkeln tappt“, kann seinem Verhandlungs­ partner Vorschläge machen, die auch für diesen – nach seiner Interessenlage und sei­ ner Einschätzung der Verhandlungssituation  – potentiell akzeptabel sind. Ob man entsprechende Vorschläge dann auch machen will, ist eine ganz andere Frage. Das hängt von der eigenen Interessenlage ab. Interessenerforschung in einer Mediation bedeutet also keineswegs nur Erforschung der eigenen Interessen, deren Wahrnehmung und kritische Reflexion. Interessener­ forschung bedeutet auch und gerade, dass jeder Beteiligte die Interessen der jeweils anderen und deren Wahrnehmung erkennen und verstehen lernt. Es geht darum, die Begrenztheit und Relativität der eigenen Sichtweise zu verstehen und das Wirklich­ keitsbild, von dem man ausgeht, zu korrigieren und zu erweitern. Die Angst, dadurch Vorteile zu verspielen oder schlechter abzuschneiden, ist unbegründet: Sie können sehr bestimmt Ihre Interessen vertreten – also stark sein in der Dimension der Selbst­ behauptung – und gleichzeitig ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen für die Inter­ essenlage der anderen Beteiligten entwickeln. Zwischen Selbstbehauptung und Ein­ fühlungsvermögen besteht nur scheinbar ein Gegensatz. Sich gut einfühlen zu können bedeutet nicht, nachzugeben oder nachgeben zu müssen (vgl. Abbildung 2255).256 Im Gegenteil: Je besser Sie den anderen und dessen Interessen verstehen, umso leichter fällt es Ihnen zu erkennen, wie sie auf dieser Basis Ihre eigenen Interessen gemeinsam mit dem anderen verwirklichen können.

Effektives Verhandeln

Vermeiden

Nachgeben

Selbstbehauptung

Durchsetzen

Einfühlung

Abbildung 2: Selbstbehauptung und Einfühlung Als Mediator nehmen Sie in dem Prozess der Förderung der gegenseitigen Empathie eine Schlüsselrolle ein. Machen Sie deutlich, worum es geht: Die Beteiligten sollen Gelegenheit erhalten, die Interessen der jeweils anderen Seite besser zu verstehen. Dieses Verständnis kann man auch dann entwickeln, wenn man einander „nicht mag“: Empathie ist etwas anderes als Sympathie. Bereits als Sie sich den Konflikt aus 163

Teil II ­|  Methode der Mediation

der Warte aller Beteiligten haben schildern lassen, nachfragten und so ein erstes Bild der Situation erhielten, konnte die jeweils andere Seite gar nicht anders als zuzuhören und damit – vielleicht zum ersten Mal – etwas über die Interessen der Gegenseite zu erfahren. Jetzt soll dieses Verständnis weiterentwickelt und vertieft werden. „„ Eine Übung in Empathie Ein bekannter US-amerikanischer Rechtsprofessor erzählte anlässlich einer Tagung zum Verhandlungsmanagement einmal von seiner Tätigkeit als junger Rechtsanwalt in einer größeren Sozietät. Zusammen mit zwei ebenfalls jungen Kollegen wurde er eines Tages in das Büro eines der Seniorpartner gerufen. Dieser berichtete den drei Anwälten über eine rechtliche Anfrage eines neuen Mandanten, der für die Sozietät sehr wichtig werden könne. Er bat die drei deshalb, binnen 48 Stunden ein solides Gutachten zu entwerfen, das die gestellten Fragen beantwortet. Die drei jungen Anwälte begannen sogleich mit großem Einsatz, in Tag- und Nachtarbeit das Gutachten fertigzustellen. Zwei Tage später übergaben sie es ihrem Chef. Der blätterte es aufmerksam und interessiert durch, bemerkte, dass nach seinem ersten Eindruck wohl gute Arbeit geleistet worden sei, und erklärte dann: „Allerdings muss ich Euch jetzt sagen, dass unser tatsächlicher Mandant die Gegenseite ist. Ihr habt nochmals 48 Stunden, um das ‚richtige‘ Gutachten zu schreiben.“ Die drei jungen Anwälte waren naturgemäß zunächst verstört und auch verärgert. Hatten sie umsonst geschuftet? Als sie das Gutachten „umschrieben“, merkten sie jedoch, dass ihnen dies leichter fiel als erwartet: Sie hatten sich so intensiv mit den möglichen Überlegungen und Argumenten der anderen Seite  – und damit auch mit den Schwächen der eigenen Position – auseinandergesetzt, dass sie viel souveräner schreiben und den Interessen ihres Mandanten dienen konnten. Der Trick des Chefs zahlte sich aus. Beispiel 3

Entdeckung von Wertschöpfungspotentialen Die Erforschung der Interessen der Beteiligten in einer Mediation hat über die Förde­ rung der gegenseitigen Empathie hinaus schließlich den – bereits angesprochenen – Zweck, den Lösungsraum zu erweitern. Wir werden uns im nächsten Kapitel ausführ­ lich mit der Frage beschäftigen, wie sich in einer Mediation „Wert schöpfen“ lässt, wie also Einigungsoptionen entwickelt werden können, die für alle Beteiligten Vorteile bieten. Dabei wird sich zeigen, dass einerseits gemeinsame, andererseits aber auch unterschiedliche Interessen zur Wertschöpfung ausgenützt werden können (erinnert sei insoweit nochmals an das eingangs diskutierte Orangen-Beispiel). Während das gegenseitige Beharren auf unterschiedlichen Positionen regelmäßig in ein Nullsum­ menspiel führt, bei dem einem Gewinn einer Seite ein entsprechender Verlust der anderen entspricht (Win/Lose-Ergebnis), ermöglicht ein Verhandeln auf Interessen­ basis Win/Win-Ergebnisse. Positionsorientiertes Verhandeln versucht, die Vergan­ genheit zu bewältigen; interessenorientiertes Verhandeln ist darauf gerichtet, die Zu­ kunft zu gestalten – zum Vorteil aller Beteiligten. 164

Interessen erforschen und gewichten ­|  Kap. 6

Vielfalt von Interessen Die Interessen der Beteiligten in einer Mediation können außerordentlich vielfältig sein. Es gilt, diese Vielfalt zu erfassen, den bestehenden Interessenraum also mög­ lichst vollständig auszuloten. Dabei kann es für Sie als Mediator hilfreich sein, wenn Sie gedanklich zwischen verschiedenen Interessentypen unterscheiden. Häufig wird beispielsweise zwischen prozessbezogenen, persönlichen und wirtschaftlichen Inter­ essen sowie solchen Interessen differenziert, welche die (Geschäfts‑)Beziehung zwi­ schen den Beteiligten betreffen.257 Diese Differenzierung erschöpft sich allerdings in einer formellen Kategorisierung unterschiedlicher Interessen. Über materielle Interesseninhalte sagt sie nichts aus. Mit anderen Worten: Dass ein bestimmter Unternehmer wirtschaftliche Interessen hat, ist trivial. Entscheidend ist die Frage, welche Inhalte diese Interessen im Einzelfall haben (z.B. Liquiditätssicherung, Kostensenkung, Um­ satzsteigerung, geschäftlicher Ruf). Gleichwohl ist eine formelle Kategorisierung un­ terschiedlicher Interessen sinnvoll, weil sie uns hilft, in einer strukturierten Form über mögliche Interesseninhalte nachzudenken und diese zu erfragen (vgl. das unten stehende Beispiel 4). Wer die potentielle Vielfalt denkbarer Interessen der Beteiligten im Auge hat, wird sich intensiver und erfolgreicher bemühen, tatsächlich ein mög­ lichst vollständiges Bild der Interessenlage zu gewinnen. „„ Interessenvielfalt ergebnisbezogene ./. prozessbezogene kurzfristige ./. langfristige qualitative ./. quantitative ideelle ./. wirtschaftliche persönliche ./. institutionelle gemeinsame ./. unterschiedliche individuelle ./. soziale strategische ./. einzelfallbezogene gegenwärtige ./. zukünftige […] Beispiel 4

Bei Wirtschaftsmediationen hat die potentielle Interessenvielfalt im Einzelfall bereits auf die Vorbereitung der Mediation erhebliche Auswirkungen. Sind in den Konflikt beispielsweise eine oder mehrere Kapitalgesellschaften involviert, stellt sich sofort die Frage nach der Mitwirkung einer Vielzahl von Personen mit in der Regel stark diver­ gierenden Interessen (Management [altes/neues], Aufsichtsräte bzw. Beiräte, Aktio­ näre, Belegschaft, Geschäftspartner, Justitiare etc.). Befinden Sie sich in der Rolle des Mediators, dann ist es Ihre Aufgabe, im Vorfeld der geplanten Mediation und im ­Gespräch mit den unmittelbar Betroffenen den Kreis der Mediationsteilnehmer zu 165

Teil II ­|  Methode der Mediation

bestimmen: Wer kann zur Konfliktlösung etwas beitragen? Wessen Sachkunde/ Kenntnisse sind unerlässlich? Wer hat ein Interesse an einer einvernehmlichen Kon­ fliktlösung, wer gegebenenfalls nicht? Wessen Mithilfe ist für die Umsetzung eines etwaigen Ergebnisses wichtig oder sogar zwingend erforderlich? Das sind einige Fra­ gen, die Sie sich stellen sollten (zu Einzelheiten vgl. Kapitel 4 und 12).

Methoden der Interessenerforschung Angesichts der Bedeutung, welche die Phase der Interessenerforschung für den Me­ diationsprozess besitzt, stellt sich umso dringender die Frage nach den Methoden, die Ihnen als Mediator zur Verfügung stehen, um diese Phase konstruktiv zu begleiten. Wichtig ist zunächst, dass Sie allen Beteiligten ganz klar den Unterschied zwischen Interessenerforschung auf der einen Seite und der Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten auf der anderen Seite vor Augen führen. Jede Form der vorschnellen Lösungs­ orientierung ist äußerst schädlich für den Prozess der Interessenerforschung. Als Me­ diator können Sie die Notwendigkeit dieser Unterscheidung wie folgt erläutern: „Wir wollen jetzt versuchen, ein umfassendes und genaues Bild der Interessenlage zu ge­ winnen. Dazu ist es wichtig, dass Sie alle Gedanken an Lösungen und Lösungsoptio­ nen zurückstellen. Nur so besitzen Sie die Chance, Ihre eigenen Interessen und dieje­ nigen Ihres Verhandlungspartners wirklich unvoreingenommen zu benennen und sich mit diesen auseinanderzusetzen.“ Haben Sie die Beteiligten für den Unterschied zwischen Interessenerforschung und der Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten sensibilisiert, müssen Sie  – um die verschiedenen Methoden der Interessenerfor­ schung sinnvoll einsetzen zu können – im Einzelfall zunächst den Fokus der Interessen­ erforschung bestimmen. Fokus der Interessenerforschung Ein komplexer Konflikt (viele Beteiligte, viele Themen) berührt regelmäßig nicht nur äußerst vielfältige Interessen der Beteiligten. Für jeden Beteiligten können sich diese Interessen auch unterscheiden, je nachdem, welche Konfliktfelder (Themen) betrach­ tet werden. Interessenforschung lässt sich themenspezifisch, aber auch konfliktfeld­ übergreifend betreiben. Häufig wird es sich empfehlen, das erste Vorgehen zu wählen. Zwar ist es zeitaufwendiger. Im Rahmen der Bestandsaufnahme des Konflikts wurden unterschiedliche Themen jedoch bereits gesammelt und geordnet. Nur bei einer Seg­ mentierung der Konfliktfelder ist es möglich, die konfliktfeldspezifischen Interessen der Beteiligten zu erfassen und entsprechend angepasste Lösungen zu entwickeln. Zudem kommt bei einzelnen Fragen, für die eine Lösung rasch gefunden werden kann, eine Problemabschichtung in Betracht. Schließlich hat eine konfliktfeldspezifi­ sche Interessenerforschung den Vorteil, dass sie zumindest häufig konkretere Ergeb­ nisse erbringt und zu einer Entideologisierung der Auseinandersetzung beiträgt (was eine Einigung erleichtert, da weltanschauliche Differenzen erfahrungsgemäß schwer zu überbrücken sind). Gleichzeitig wird die Möglichkeit, am Ende der Mediation ein­ zelne Themen zusammenzuführen und Paketlösungen zu erarbeiten, dadurch nicht verschlossen. 166

Interessen erforschen und gewichten ­|  Kap. 6

„„ Strukturierte Interessenerforschung In einem von zweien der Autoren gemeinsam durchgeführten Mediationsverfahren ging es um Streitigkeiten zwischen einem Handelsvertreter für Verpackungsmaschinen und seinem Prinzipal. Themen der Mediation waren die Wirksamkeit der Kündigung des Vertrages durch den Vertreter, offene Provisionsansprüche, ein möglicher Ausgleichsanspruch des Vertreters sowie Schadensersatzansprüche, die von beiden Seiten wegen behaupteten vertragswidrigen Verhaltens der jeweils anderen Seite geltend gemacht wurden. Es erwies sich als hilfreich, die Interessen der Beteiligten nach Themen getrennt zu erforschen. So stellte sich schnell heraus, dass beide Parteien aus einer Vielzahl von Gründen das Vertretungsverhältnis gerne beenden wollten. Damit konnte dieser Punkt rasch erledigt und eine Gemeinsamkeit geschaffen werden, die die Behandlung der übrigen Konfliktgegenstände erleichterte. Beispiel 5

Erforschung der eigenen Interessen (Selbstbehauptung) Wenn Sie als Mediator in den Prozess der Interessenerforschung „einsteigen“, werden Sie zunächst damit beschäftigt sein, den Beteiligten zu helfen, sich über ihre eigenen Interessen Klarheit zu verschaffen. Sie werden also primär mit der Dimension der Selbstbehauptung der Konfliktbeteiligten arbeiten (vgl. nochmals Abbildung 2): Wer seine eigenen Interessen kennt und diese auch vertreten kann, wird eher in der Lage und bereit sein, in ein konstruktives Gespräch mit der anderen Seite einzutreten und sich auf deren Interessen einzulassen. Interessen erfragen und visualisieren Interessenerforschung erfordert von Ihnen als Mediator in erster Linie den Einsatz von Fragetechniken (vgl. Kapitel 5). Schlagen Sie den Beteiligten vor, dass Sie zunächst mit der einen und dann mit der anderen Seite bzw. weiteren Beteiligten versuchen wollen, die hinter den geltend gemachten Positionen liegenden Interessen zu erfor­ schen. Fragen Sie nicht nach der Vergangenheit, nach Ursachen und Verantwortlich­ keiten, sondern nach Motiven, Wünschen oder Bedürfnissen. Achten Sie auf die Zukunftsgerichtetheit Ihrer Fragen: Als Wirtschaftsmediator sind Sie in erster Linie kein Psychoanalytiker, sondern Problemlöser. In unserer Praxis hat sich bewährt, in einer ersten Runde zunächst „in die Breite“ eine Sammlung aller Interessen der befragten Partei zu erarbeiten (horizontale Fragerich­ tung, typische Frage: „Was ist Ihnen noch wichtig?“). Auf diese einleitenden Fragen antworten viele Parteien zunächst meist noch mit Positionen, die die dahinter liegen­ den Interessen allenfalls erahnen lassen. Es bietet sich daher an, sodann in einer zwei­ ten Runde, anknüpfend an diese ersten Antworten, vertiefende Fragen zu stellen, um so die tatsächlichen Interessen einer Partei zu ergründen (vertikale Fragerichtung, typische Frage: „Wenn Sie sagen, XYZ, was genau ist daran für Sie bedeutsam? Wie meinen Sie das? Wofür steht das für Sie?“). Wir nennen diese Technik auch „Bohrturm­ technik“: Mit den Antworten auf die ersten Fragen stellen die Befragten gewisserma­ 167

Teil II ­|  Methode der Mediation

ßen Bohrtürme auf und geben Ihnen so einen Überblick über das gesamte Feld ihrer Interessen. An jedem dieser Bohrtürme können Sie als Mediator sodann in der zwei­ ten Runde ansetzen und in die Tiefe nach den eigentlichen Interessen, Motiven und Bedürfnissen „bohren“. „„ Typische Positionen und Beispiele für erste Fragen nach den dahinter liegenden Interessen: Zahlung von 100.000 Euro  Was würden Sie mit dem Geld tun, wenn Sie es heute erhielten? Zahlung eines signifikanten Schmerzensgeldes  Was hieße es für Sie, dieses Geld zu erhalten? Wofür steht dieses Geld für Sie? Veto gegen die Bestellung des CEO  Was macht aus Ihrer Sicht einen guten Chef aus? Keine zukünftige Zusammenarbeit  Was ist Ihnen im Umgang mit Ihren Geschäftspartnern wichtig? Anspruch auf Auskunft über alle Betriebsvorgänge der letzten drei Jahre  Weshalb könnten Sie besser schlafen, wenn Sie diese Zahlen kennen würden? Kündigung war wirksam Woran merken Sie als Chefin, dass Ihre Mitarbeiter glücklich sind? Anerkennung der Erbenstellung durch den Verhandlungspartner  Was wäre für Sie das Besondere daran, Erbe zu sein? Beispiel 6

Lassen Sie den Beteiligten ausreichend Zeit zu antworten, verlangsamen Sie den Me­ diationsprozess. Geben Sie sich nicht mit schnell artikulierten, offensichtlichen Inte­ ressen zufrieden. Wichtige Interessen sind häufig verborgen und/oder werden – z.B. aus strategischen Erwägungen oder Angst – nur zögerlich artikuliert. Erwarten und tolerieren Sie Sekunden des Schweigens: So können Sie die Beteiligten dazu anhalten, bei einem bestimmten Thema zu bleiben und sich zu öffnen. Achten Sie auf Schlüsselwörter und andere Signale, die ein Beteiligter durch sein ver­ bales oder nonverbales Kommunikationsverhalten aussendet. Das wiederholte Ver­ wenden bestimmter Worte (z.B. „wichtig“, „substantiell“ oder „bedeutend“), Ände­ rungen im Tonfall, der Lautstärke, der Sprechgeschwindigkeit, unerwartete Pausen oder Auslassungen oder besonders betonende Gesten können ein Zeichen für eine hohe emotionale Betroffenheit bzw. einen besonders wichtigen Punkt (ein besonders starkes Interesse) sein. Einen Werkunternehmer, der wiederholt und betont den Wunsch nach einer „raschen Lösung“ artikuliert, plagen möglicherweise Liquiditäts­ probleme, oder er befürchtet Schadensersatzzahlungen an andere Kunden, deren Ter­ mine er gleichermaßen einhalten muss. Hier gilt es, die wahren Motive hinter dem geäußerten Wunsch zu ergründen. Visualisieren Sie die artikulierten Interessen, etwa unter Nutzung eines Flipcharts oder durch farbige Moderationskarten auf einer Pinwand. Letzteres bietet Ihnen 168

Interessen erforschen und gewichten ­|  Kap. 6

mehr Flexibilität, etwa dahingehend, die geäußerten Interessen zu konkretisieren und gemäß ihrer Priorisierung später auch umzuhängen. Sofern negative Interessen for­ muliert werden (etwa Vergeltung oder Insolvenz eines Konkurrenten), ist die Versu­ chung hoch, diese – ähnlich wie bei der Sammlung der Mediationsthemen – positiv „umzuformulieren“. Widerstehen Sie dieser Versuchung: Interessen sind Ausdruck der Identität der Beteiligten. Die Gefahr ist groß, dass diese sich nicht verstanden oder sogar manipuliert fühlen, wenn Sie ihre Äußerungen nur sinngemäß und nicht wörtlich notieren. So wenig Sie genannte Interessen umformulieren sollten, so sehr sollten Sie sich nicht mit ersten Antworten zufrieden geben. Nutzen Sie die in Kapitel 5 diskutierten Kom­ munikationstechniken: Hören Sie aktiv zu  – insbesondere durch Paraphrasieren („Verstehe ich Sie richtig, dass …?“) –, fassen Sie zusammen, was gesagt wurde, und fragen Sie weiter, stellen Sie insbesondere offene Fragen („Was würde Sie zufrieden stellen? Warum stört Sie …? Was bedeutet es für Sie, wenn Sie sagen, dass …?“ etc.). Helfen Sie den Beteiligten, bestimmte Interessen zu fokussieren und detailliert zu er­ gründen („Lassen Sie uns diesen Gesichtspunkt einmal vertiefen.“). Geben Sie wert­ schätzendes Feedback, wenn ein Beteiligter sein Interessenspektrum auffächert. Bei sich überlagernden oder sogar widerstreitenden Rollen eines Beteiligten ist es hilf­ reich, wenn Sie partialisieren, also rollenspezifisch nach Interessen fragen (der Unter­ nehmer als Manager, Eigentümer, Familienvater, Bruder etc. – vgl. das Beispiel des Konflikts in der Steilmann-Gruppe in Kapitel 1). Dadurch kann eine Differenzierung gelingen, ohne die eine Konfliktlösung im Einzelfall möglicherweise unerreichbar ist. Einzelgespräche führen Immer wieder wird es Situationen geben, in denen einzelne Beteiligte über ihre Interes­ sen vor den Augen der Gegenseite nicht reden wollen – überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in bestimmter Hinsicht. Bei einem deutlichen Machtgefälle zwischen den Kon­ fliktparteien oder massiven Verletzungen auf einer Seite ist die Scheu vor entsprechen­ den Gesprächen häufig besonders stark ausgeprägt. Auch strategische Erwägungen können dazu führen, dass bestimmte Interessen im Plenum nicht offenbart werden. „„ Interessenerforschung im Einzelgespräch In einem von einem der Autoren als Mediator begleiteten Mediationsverfahren anlässlich eines Konflikts zwischen einem Automobilzulieferer und dem ‑hersteller wegen Qualitätsmängeln der gelieferten Ware sowie Verzugs wurde im Verlauf der gemeinsamen Interessenerforschung eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen auf beiden Seiten ermittelt. Eines aber offenbarte der Zulieferer aus gutem Grunde nicht bzw. nur indirekt („rasche Lösung“): Er hatte akute Liquiditätsprobleme und hätte „übermorgen“ die Einleitung eines Insolvenzverfahrens beantragen müssen, wenn von Seiten des Herstellers nicht schnell gewisse Zahlungen geleistet wurden. Dieser Punkt und sein Effekt auf eine mögliche Konfliktlösung wurden in einem Einzelgespräch mit dem Mediator ausführlich erörtert. Beispiel 7 169

Teil II ­|  Methode der Mediation

Aus diesen Gründen sollten Sie gegebenenfalls erwägen, den Prozess der Interessen­ erforschung ganz oder zum Teil  im Rahmen vertraulicher Einzelgespräche mit den Beteiligten durchzuführen (vgl. Kapitel 9).258 Solche Gespräche sind nach § 2 Abs. 3 Satz 3 MediationsG grundsätzlich zulässig, wenn alle Beteiligten zustimmen. Eine vollständige Verlagerung dieses Prozesses in Einzelgespräche ist aber nur dann ange­ zeigt, wenn eine Seite vor den Augen der anderen zunächst überhaupt nicht über ihre Interessen sprechen kann oder will. Dies ist jedenfalls bei Verhandlungen zwischen Unternehmen ein seltener Fall. Ansonsten überwiegt der Vorteil einer gemeinsamen Erörterung der Interessen. Diese erlaubt den Parteien, die Interessen der jeweils ande­ ren Seite aus erster Hand zu hören, hierfür Verständnis zu entwickeln, und motiviert sie so, über Lösungen nachzudenken, welche auch diesen Interessen gerecht werden. Ergänzend können Sie in Einzelgesprächen – die Sie gegebenenfalls aus ganz anderen Gründen vorgeschlagen haben (insbesondere zur Erforschung der beiderseitigen Nichteinigungsalternativen, vgl. Kapitel 9) – die Parteien fragen, ob sie Ihnen auch zu ihrer Interessenlage noch etwas mitteilen möchten, was Sie vertraulich behandeln werden.259 Erforschung der Interessen der anderen Seite (Einfühlung) Wir hatten bereits gesehen, dass zur Interessenerforschung auch die Auseinanderset­ zung mit den Interessen der anderen Beteiligten gehört, dass es darum geht, sich in diese hineinzuversetzen, Empathie zu entwickeln. Das ist der schwierigere Teil: Er­ warten Sie als Mediator Widerstand. Zu Beginn wird die Neigung, sich näher mit „dem Gegner“ zu beschäftigen, regelmäßig gering ausgeprägt sein. Machen Sie deut­ lich, warum dies wichtig ist: „Es wird später darum gehen, Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln, zu denen alle Beteiligten auf der Grundlage ihrer jeweiligen Interessen ‚Ja‘ sagen können. Dazu ist es unerlässlich, dass alle besser verstehen, welche Interessen der Verhandlungspartner hat und wie dieser die Situation sieht.“ Fördern können Sie das wechselseitige Verständnis der Beteiligten, indem Sie diesen die Möglichkeit geben, die „Interessenliste“ der jeweils anderen Seite zu kommentie­ ren und mit dieser in ein Gespräch über deren Interessenlage einzutreten: „Sie haben jetzt gehört, welche Interessen Ihr Verhandlungspartner hat und wie er die Verhand­ lungssituation einschätzt. Welche dieser Interessen können Sie nachvollziehen, ver­ stehen? Was an der Liste überrascht Sie? Fehlt nach Ihrer Meinung ein wichtiges Inte­ resse? Was veranlasst Sie zu dieser Einschätzung?“ Geben Sie den Beteiligten ausreichend Zeit, sich in die jeweils anderen hineinzuver­ setzen und sich auf deren Gedankenwelt tatsächlich einzulassen. Eine strukturierte Möglichkeit, diesen Prozess zu vollziehen, liegt in der Durchführung einer Rollenwechselübung oder aber im Einsatz von Entscheidungsszenarien.

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Interessen erforschen und gewichten ­|  Kap. 6

„„ Rollenwechselübung260 Rollenwechselübungen gibt es in unterschiedlichen Formen. Eine vor allem zur Vorbereitung von Verhandlungen bewährte Variante, die sich auch in einer Mediation einsetzen lässt, trennt zwischen drei Phasen (der für jede Phase zu veranschlagende Zeitraum kann – in Abhängigkeit von der Komplexität der Mediation – zwischen 15 Minuten und einer Stunde liegen). Jede dieser drei Phasen spielen Sie als Mediator mit den Beteiligten in Einzelgesprächen durch. In der ersten Phase interviewen Sie als „Helfer“ einen bestimmten Beteiligten über seine Ziele, Interessen, denkbare Einigungsoptionen und mögliche Nichteinigungsalternativen. In der zweiten Phase wechselt der betreffende Beteiligte die Rolle: Er „ist“ jetzt sein Verhandlungspartner (dies können und sollten Sie durch einen Sitzwechsel unterstützen). Sie interviewen ihn über die Ziele, Interessen, denkbare Einigungsoptionen und mögliche Nichteinigungsalternativen seines Verhandlungspartners. In der dritten Phase der Übung vollziehen Sie nunmehr einen Rollenwechsel: Sie spielen den betreffenden Beteiligten und verhandeln mit diesem  – er spielt weiter seinen Verhandlungspartner  – eine mögliche Konfliktlösung. Phase 2 und Phase 3 zwingen den Beteiligten dazu, sich intensiv mit der Vorstellungswelt und dem Wahrnehmungshorizont seines Verhandlungspartners zu beschäftigen. Es verhandelt sich anders, wenn man bereits einmal in dem Stuhl des Verhandlungspartners gesessen hat und wenn man schon einmal wie dieser den eigenen Argumenten ausgesetzt war. Diese Rollenwechselübung lässt sich auf vielfache Art abwandeln. Insbesondere können Sie zusätzliche Stühle für Personen aufstellen, die zwar am Konflikt, nicht aber am Mediationsverfahren beteiligt sind. In einem gesellschaftsrechtlichen Streit könnte man etwa einen Stuhl für die Aufsichtsratsvorsitzende vorsehen, in einem erbrechtlichen Konflikt einen Platz für den verstorbenen Erblasser oder in einer kartellrechtlichen Auseinandersetzung einen Stuhl für die Chefin der Kartellbehörde. In der Regel eröffnen sich dadurch für die Mediationsparteien ganz neue Perspektiven, weil sie merken, dass die Interessen der nicht anwesenden Person doch auch für sie selbst sehr bedeutsam sind. Beispiel 8

„„ Arbeiten mit Entscheidungsszenarien261 Ein ähnlicher Effekt lässt sich durch den Einsatz von Entscheidungsszenarien erreichen. Gemeinsam mit Ihnen als Mediator versucht ein Beteiligter in einem Einzelgespräch zunächst, sich Klarheit über das gegenwärtige Entscheidungsszenario (Ist-Szenario) seines Verhandlungspartners zu verschaffen: Vor welche Entscheidung sieht sich dieser durch meinen letzten Vorschlag gestellt? Welche positiven und negativen Konsequenzen ergeben sich für ihn, wenn er diesem Vorschlag zustimmt? Anschließend erarbeiten Sie als Mediator und der betreffende Beteiligte ein Soll-Szenario: Wie müsste ein Vorschlag aussehen, dem der Partner auf der Grundlage seiner Interessen zustimmen könnte? Nicht selten wird eine solche Analyse dazu beitragen, dass ein Beteiligter die zentralen Interessen seines Verhandlungspartners besser versteht und damit auch größere Klarheit über die Parameter eines zustimmungsfähigen Einigungsvorschlages erhält. Beispiel 9 171

Teil II ­|  Methode der Mediation

Obwohl es in der Regel sinnvoll ist, mit den Beteiligten zunächst über ihre eigenen Interessen und erst anschließend über diejenigen der Gegenseite zu sprechen, werden Sie gelegentlich auch umgekehrt vorgehen. Sind erfahrene Verhandler involviert, können Sie folgendes Vorgehen in Betracht ziehen: In einem ersten Schritt bitten Sie zunächst jede Partei, sich die Interessen der jeweils anderen Seite und deren Priorisie­ rung (dazu sogleich) zu überlegen. Dazu geben Sie allen Beteiligten ausreichend Zeit. In einem zweiten Schritt werden diese Interessen dann vorgetragen und von Ihnen – etwa auf einem Flipchart oder mittels den Parteien zuvor ausgehändigten Modera­ tionskarten – visualisiert. Anschließend erhält jede Partei Gelegenheit, die Einschät­ zung ihrer Verhandlungspartner zu kommentieren und gegebenenfalls den Inhalt und die Priorisierung zu korrigieren bzw. zu ergänzen. Durch diese Spiegelung wird allen Beteiligten von vornherein die Bedeutung nahegelegt, welche die Entwicklung von Empathie innerhalb des Prozesses der Interessenerforschung besitzt. Gleichzeitig bleibt ihre Autonomie gewahrt: Sie besitzen das „Recht zur Korrektur“.

Gewichtung von Interessen Den „Interessenraum“ möglichst vollständig zu erfassen, ist wichtig. Dabei dürfen Sie als Mediator jedoch nicht stehenbleiben. Manche Interessen sind für einen Beteiligten lebensnotwendig, manche sehr wichtig, andere weniger wichtig, manche vergleichs­ weise unbedeutend. Dies herauszufinden, ist essentiell: Nicht nur gänzlich unter­ schiedliche Interessen bergen Wertschöpfungspotential (erinnert sei nochmals an das Orangen-Beispiel), sondern auch unterschiedliche Priorisierungen: Eine Seite macht im Hinblick auf einen bestimmten Punkt ein Zugeständnis, das ihr – da durch diesen Punkt ein für sie nur niedrig priorisiertes Interesse berührt wird  – leicht fällt, der anderen Seite aber – da es ein für diese Seite hoch priorisiertes Interesse anspricht – viel nützt, und erhält dafür bei einem anderen Punkt ein entsprechendes Zugeständ­ nis ihres Verhandlungspartners. Es ist Ihre Aufgabe als Mediator, den Beteiligten zu helfen, entsprechende Differenzierungen vorzunehmen.262 Was können Sie konkret tun, damit dieses Ziel erreicht wird? An erster Stelle ist inso­ weit wieder das einfachste Mittel zu nennen: Fragen Sie und fordern Sie die Beteilig­ ten auf, ihre Interessen zu priorisieren. „Was ist Ihnen besonders wichtig? Warum? Worauf könnten Sie notfalls verzichten?“ Immaterielle Interessen (z.B. Reputation) lassen sich in ihrer Gewichtung durch Fragen möglicherweise mit monetären Interes­ sen vergleichbar machen („Wieviel würden Sie in Public Relations-Maßnahmen inves­ tieren, um den durch ein Gerichtsverfahren drohenden Reputationsverlust auszuglei­ chen?“). Eine weitere Möglichkeit, Priorisierungen zwischen Interessen vorzunehmen, ist der Einsatz von Gewichtungsfaktoren. Sie können die Beteiligten beispielsweise bitten, ­jedem geltend gemachten Interesse einen Faktor zwischen 1 (kaum bedeutsam) und 5 (außerordentlich bedeutsam) zuzuordnen. Noch präzisere Ergebnisse lassen sich er­ zielen, wenn jeder Beteiligte eine fixe Punktmenge (etwa 100) erhält und diese Punkt­ menge entsprechend seiner Priorisierung der einzelnen Interessen auf diese verteilen muss. 172

Interessen erforschen und gewichten ­|  Kap. 6

„„ Punkteschema zur Interessenbewertung263 Angenommen, Ursula Müller verhandele mit Heinz Stephan über eine neue Posi­ tion als Marketingleiterin in der Stephan AG. Verhandlungsgegenstände seien Gehalt, Urlaub und Mitarbeiterzahl. Der Verhandlungsspielraum, der durch die Ausgangsforderungen abgesteckt wurde, reiche von etwa 80.000 bis 100.000 Euro Gehalt, 20 bis 30 Urlaubstage und 10 bis 20 Mitarbeiter. Als Mediator können Sie den Beteiligten helfen, die Bedeutung ihrer jeweiligen Interessen mittels eines Punkteschemas zu präzisieren. Bitten Sie Ursula und Heinz in einem ersten Schritt zunächst, sich darüber klar zu werden, wie viele von jeweils 100 Punkten sie auf ihre jeweiligen Interessen verteilen würden (z.B. bei Ursula: 60 Punkte für das Interesse an einem hohen Gehalt, 30 Punkte für möglichst viele Mitarbeiter und 10 Punkte für möglichst viele Urlaubstage). In einem zweiten Schritt geht es dann darum, innerhalb des Spektrums der denkbaren Lösungen bei einem bestimmten Thema Punkte zu verteilen. Dabei kann sich herausstellen, dass der Punktzuwachs nicht linear erfolgt, sondern abnimmt. So ist für Ursula eine Gehaltssteigerung von 80.000 auf 90.000 Euro wahrscheinlich wichtiger als eine weitere Steigerung von 90.000 auf 100.000 Euro (mit der Folge, dass Ursula von den 60 Punkten vielleicht 0 Punkte ­einem Gehalt von 80.000 Euro, 40 Punkte einem Gehalt von 90.000 Euro und 60 Punkte einem Gehalt von 100.000 Euro zuweist – natürlich sind hier weitere Abstufungen möglich). Auf der Grundlage einer entsprechend differenzierten Interessenbewertung können dann Lösungen gefunden werden, welche die möglichen Unterschiede zwischen Ursula und Heinz im Hinblick auf die relative Bedeutung ihrer jeweiligen Interessen abbilden. Beispiel 10

Ein entsprechender Ansatz erlaubt es in einem späteren Stadium der Mediation, auf der Basis der sogenannten adjusted winner strategy nicht nur maximal wertschöpfen­ de (und damit effiziente), sondern vor allem auch gerechte (faire) Lösungen zu iden­ tifizieren (vgl. ausführlich Kapitel 8). Ebenso wie bei der Erforschung der Interessen der Beteiligten werden Sie auch bei einer Interessenpriorisierung erwägen, ob Sie insoweit eher im gemeinsamen Ge­ spräch oder aber primär in Einzelgesprächen agieren wollen. Im Grundsatz gilt auch hier wieder: Halten Sie die Mediation und die Medianten so lange wie möglich „zu­ sammen“, und fragen Sie lieber in einem – gegebenenfalls aus einem anderen Grund anberaumten – Einzelgespräch nach Differenzierungen bzw. Gewichtungen, die ein Beteiligter Ihnen erst auf diesem Forum mitteilen möchte. Sofern Sie allerdings eine präzise Interessengewichtung mittels eines Punkteschemas anstreben, wird das häufig nur in Einzelgesprächen möglich sein: Kaum ein Beteiligter wird seine Karten in die­ ser Weise vor den Augen der anderen auf den Tisch legen (wollen).

Veränderung von Interessen Wenn Sie sich als Mediator „auf die Spuren“ der Interessen der Beteiligten machen und ihnen helfen, diese zu erforschen und zu priorisieren, dann entsteht im besten 173

Teil II ­|  Methode der Mediation

Fall ein höchst differenziertes Gesamtbild, mit dem Sie und alle anderen Beteiligten in der Mediation weiterarbeiten können, um interessengerechte, allseits vorteilhafte Lösungen zu entwickeln. Dabei dürfen Sie jedoch nicht vergessen, dass das so gewon­ nene Bild eine Momentaufnahme ist: Unsere Lebensbedingungen sind einem stän­ digen Wandel unterworfen, gleiches gilt für uns selbst und unsere Ziele, unsere Inte­ ressen und unser Wertesystem – pánta rhei, wie es schon Heraklit formuliert haben soll.264 Seien Sie deshalb offen für Interessenveränderungen, und ermutigen Sie die Beteilig­ ten, selbst ein Höchstmaß an Offenheit an den Tag zu legen. Nicht nur unser Interes­ sensystem kann sich ändern, auch neue Informationen können dazu führen, dass wir eine bestimmte Frage heute anders beurteilen als vorher. Insbesondere in Mediations­ verfahren, die sich über Monate oder gar Jahre erstrecken  – was bei Wirtschafts­ konflikten allerdings nur in sehr komplexen Fällen vorkommt –, müssen Sie eine er­ hebliche Sensibilität für mögliche Verschiebungen in den Interessensystemen der Beteiligten entwickeln. Interessenerforschung ist kein statischer, sondern ein dynami­ scher Prozess. „„ Bürgerdialog Flughafen Berlin Brandenburg International265 Ein dem öffentlich-rechtlichen Bereich entstammendes Beispiel für die Notwendigkeit einer hohen Sensibilität des Mediators für die (mögliche) Verschiebung von Interessensystemen der Beteiligten ist der Bürgerdialog Flughafen Berlin Brandenburg International. Er kam im Juli 1993 in Gang und erstreckte sich über drei Jahre bis zum September 1996. Hintergrund des Bürgerdialogs war die Standortsuche für einen neuen Berliner Verkehrsflughafen, der die drei bestehenden (Tegel, Tempelhof, Schönefeld) ersetzen sollte. Als Mediator und Moderator agierte die vom Land Brandenburg beauftragte Mediator GmbH mit Sitz in Oldenburg. Beteiligt waren Hunderte von Personen und Institutionen, und es gab ebenfalls Hunderte von Konfliktfeldern. Dass es bei einem Vermittlungsverfahren dieser Größenordnung, das sich über Jahre erstreckt, äußerst schwierig ist, der Komplexität Herr zu werden, liegt auf der Hand (vgl. Kapitel 11). Gleichzeitig zeigt sich auch die besondere Herausforderung, mögliche Veränderungen der Interessenlagen zu erspüren. Das Ende des Bürgerdialogs wurde eingeleitet durch einen Beschluss der Berlin Brandenburg Flughafen GmbH im Juni 1996, den Flughafen Schönefeld auszubauen. Offensichtlich hatte sich die Interessenlage der Gesellschafter der GmbH, zu denen neben dem Bund auch die Länder Berlin und Brandenburg gehören, im Zuge des Verfahrens maßgeblich verändert. Es liegt nahe anzunehmen, dass sich die Interessenlage der Betroffenen über den langen Zeitraum der anhaltenden Verschiebungen der Fertigstellung des Flughafens auch laufend weiter verändert hat und bis zum geplanten Eröffnungstermin 2020 auch weiter verändern wird. Beispiel 11

174

Interessen erforschen und gewichten ­|  Kap. 6

„„ Transrapid München Auch anhand des Scheiterns der Transrapidpläne in München lässt sich verdeutlichen, dass sich aufgrund neuer Informationen die Grundlagen für eine Interessenbildung ändern können. Der Transrapid München war ein von Ende 2000 bis März 2008 verfolgtes Projekt zum Bau einer Magnetschwebebahn-Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen dem Flughafen München und dem Münchner Hauptbahnhof. Der Transrapid galt als Prestigeprojekt der CSU-Staatsregierung. SPD, Grüne, Naturschützer und andere Kritiker lehnten das Vorhaben aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, Umwelt und Sicherheit ab. Nachdem man sich im Herbst 2007 zunächst über die Finanzierung geeinigt hatte und damit der Weg für den Transrapid grundsätzlich frei war, scheiterte das Projekt jedoch im Frühling 2008 an einer aktuellen, von 1,85 auf mehr als drei  Milliarden  Euro gestiegenen Kostenprognose. Danach verständigten sich Vertreter von Bund und Land darauf, das Projekt nicht zu realisieren. Hieran lässt sich gut erkennen, dass Veränderungen hinsichtlich der Finanzierungsmöglichkeiten die zuvor verteidigten Interessen (Verbesserung des Wirtschaftsstandortes, bessere Anbindung, Prestige) nach erfolgtem reality check verblassen lassen können: Die Interessenverwirklichung stößt an unüberwindliche Grenzen (Restriktionen).266 Beispiel 12

Zusammenfassung Die Erforschung der Interessen der Beteiligten besitzt für den Erfolg einer Mediation zumeist eine zentrale Bedeutung. Die Interessen sind der entscheidende Bewertungs­ maßstab für die von den Beteiligten zu treffenden Entscheidung zwischen Einigungsoptionen und Nichteinigungsalternativen. Durch die Erforschung der Interessen wird jeder Beteiligte dazu angeregt, sich einerseits über die eigenen Bewertungsmaßstäbe klar zu werden (Selbstbehauptung) und diese kritisch zu reflektieren, sich aber ande­ rerseits auch mit den Interessen der jeweils anderen auseinanderzusetzen (Empathie). Interessenorientiertes Verhandeln birgt im Gegensatz zu positionsorientiertem Ver­ handeln zudem das Potential für langfristig befriedigende Lösungen, die für alle Be­ teiligten Vorteile aufweisen (sogenannte Win/Win-Lösungen). Interessen können außerordentlich vielgestaltig sein, und in komplexeren Mediati­ onsverfahren sind sie dies regelmäßig auch. Als Mediator werden Sie die Interessen­ erforschung zumeist damit einleiten, dass Sie deren Fokus bestimmen (Welche Inter­ essen sind im Hinblick auf einen bestimmten Verhandlungsgegenstand relevant?). Sie werden die Interessen der Beteiligten erfragen und visualisieren, gegebenenfalls auch in Einzelgesprächen. Empathie erzeugen Sie, indem Sie jeder Seite die Möglichkeit geben, zu den artikulierten Interessen der anderen Beteiligten Stellung zu nehmen. Auch strukturierte Übungen lassen sich zu diesem Zweck einsetzen (Rollenwechsel­ übung, Entscheidungsszenarien). Nicht alle Interessen sind gleich wichtig. Neben der bloßen Interessensammlung ist deshalb die Priorisierung von Interessen eine wesentliche Aufgabe: Gerade unter­ 175

Teil II ­|  Methode der Mediation

schiedlich bedeutsame Interessen sind häufig der Schlüssel für wertschöpfende Lö­ sungen. Hilfreich für die Vornahme entsprechender Priorisierungen sind vor allem Gewichtungsfaktoren (beispielsweise Punktesysteme). Interessen sind aber nicht nur unterschiedlich wichtig, sie sind auch wandelbar. Ins­ besondere in lang andauernden Mediationsverfahren müssen ursprüngliche Ein­ schätzungen deshalb immer wieder revidiert werden: Interessenerforschung ist ein dynamischer Prozess. Diesen dynamischen Prozess mit der gebotenen Aufmerksamkeit und Gründlichkeit zu betreiben, legt die Basis für eine mögliche Konfliktlösung. Wie gehen Sie als Medi­ ator in der Mediation mit den Interessen der Beteiligten um? Was können Sie aus dem Interessenspektrum entwickeln? Das sind Fragen, die uns im nächsten Kapitel be­ schäftigen werden, dessen Gegenstand die Suche und die Bewertung von Lösungs­ möglichkeiten in einer Mediation sein wird.

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Kapitel 7 Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten Die Interessen der Konfliktparteien sind wichtige Elemente der Mediation, gewis­ sermaßen ihr wesentliches „Fundament“. Nicht immer, aber häufig stehen sie im ­Zentrum einer Mediation: Zumeist erwarten die Beteiligten vom Mediator in erster Linie nicht eine Einschätzung der Rechtslage (rights-based mediation), sondern Un­ terstützung bei der Entwicklung und Bewertung von Lösungsmöglichkeiten auf der Grundlage ihrer Interessen (interest-based mediation). Diese zu erforschen, zu sam­ meln und zu gewichten, ist dann ein erster, wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer dauerhaften, alle Beteiligten zufriedenstellenden Konfliktlösung. Das beste Fundament ist jedoch nichts wert, wenn Sie es nicht oder falsch nutzen. Interessenerforschung, ‑sammlung und ‑gewichtung sind kein Selbstzweck. Für den Erfolg einer Mediation ist letztlich von entscheidender Bedeutung, was die Beteilig­ ten – unter Anleitung des Mediators – mit und aus ihren Interessen machen: Gelingt auf diesem Fundament die Entwicklung allseits vorteilhafter (interessengerechter) Lösungen? Wie lassen sich solche Lösungen finden? Welchen Beitrag können Sie als Mediator dazu leisten? Anders als in der Phase der Statuserhebung des Konflikts und anders als in einem Gerichts- oder Schiedsverfahren ist nun von den Parteien und von Ihnen als Media­ tor in besonderem Maße eine zukunftsgerichtete Sichtweise gefordert: Was können wir ab jetzt gemeinsam tun, um unsere Probleme dauerhaft zu lösen? Nicht selten werden sich Lösungsansätze erst zeigen, wenn das Problemfeld erweitert und auch Fragen, die in einem streitigen Verfahren nicht erörtert würden, in die Betrachtung einbezogen werden. Als Mediator müssen Sie wissen, wie sich in einer Verhandlung Wert schöpfen lässt, und Sie müssen in der Lage sein, das diesbezügliche kreative Potential aller Beteilig­ ten freizusetzen. Mit diesem Kapitel wollen wir Sie dabei unterstützen. In einem ers­ ten Abschnitt geht es zunächst um Wertschöpfungsmöglichkeiten und das sogenann­ te integrative Verhandeln. Kreativitätstechniken zur Steigerung der Wertschöpfung werden in einem zweiten Abschnitt diskutiert. Hinweise zur Konkretisierung und Bewertung von Einigungsoptionen schließen das Kapitel ab.

Wertschöpfung und integratives Verhandeln Wer in eine Mediation eintritt, ist regelmäßig zunächst in einem „Nullsummenpara­ digma“ gefangen: Erhält die Gegenseite einen Vorteil, muss das zwangsläufig, so den­ ken wir, einem gleich großen Nachteil für uns selbst entsprechen (vgl. Kapitel 3). Dass es Lösungen geben könnte, die allen Beteiligten Vorteile bieten, erscheint zunächst fernliegend. Indes ist genau das die Regel: Reine Nullsummenspiele sind in der Reali­

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Teil II ­|  Methode der Mediation

tät seltener, als gemeinhin vermutet wird. In den meisten Fällen lassen sich Gestaltun­ gen finden, die einer Seite nützen, ohne der anderen zu schaden. Solche Lösungen tragen in einer Verhandlung bzw. Mediation dazu bei, Wert zu schöpfen: Der insgesamt zur Verteilung stehende „Kuchen“ wird größer. Daran haben alle Beteiligten ein gemeinsames Interesse. Abbildung 1 zeigt die Anteile zweier Per­ sonen, Albert und Billa, an dem in einer Mediation gemeinsam geschaffenen Wert, etwa dem (variablen) Gewinn eines Joint Venture. Alle Punkte auf der abgebildeten Kurve sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Position eines Beteiligten nur noch verbessern lässt, wenn gleichzeitig diejenige eines anderen Beteiligten verschlechtert wird. Solche Lösungen entsprechen einem Effizienzkriterium, das von dem italieni­ schen Ökonomen Vilfredo Pareto entwickelt wurde.267 Sie werden deswegen auch als Pareto-effizient bezeichnet, die in Abbildung 1 sichtbare Kurve als Pareto-Kurve. Das Ziel in einer Verhandlung ist klar: Es geht darum, sich nach Nordosten zu bewegen, also die Pareto-Kurve (und damit beispielsweise die Punkte X oder Y) zu erreichen. Punkt Z ist im Vergleich zu X oder Y ineffizient: Würden sich Albert und Billa für Z entscheiden, dann würden sie unnötig Werte auf dem Verhandlungstisch liegenlas­ sen. Die Position beider ließe sich – durch die Wahl von X oder Y – verbessern.

Wert für Billa

Y

Integratives Verhandeln X

Z

0

Wert für Albert

Abbildung 1: Integratives Verhandeln Wie lassen sich nun in einer Mediation praktisch allseits vorteilhafte Lösungen errei­ chen? Welches sind die Quellen für eine mögliche Wertschöpfung? Die Antwort auf diese Fragen liegt in dem Begriff des „integrativen Verhandelns“: Wertschöpfung in einer Verhandlung bzw. Mediation erfolgt dadurch, dass die Interessen der Beteiligten integriert, dass sie miteinander verzahnt werden.268 Das kann auf unterschiedliche Weise geschehen.269

178

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten ­|  Kap. 7

Gemeinsamkeiten der Beteiligten Häufig wird sich herausstellen, dass die Beteiligten trotz aller Konflikte eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten, insbesondere von gemeinsamen Interessen, verbindet: etwa der Wunsch nach Aufrechterhaltung einer bestehenden Geschäftsbeziehung (z.B. im Rahmen eines gesellschaftsrechtlichen Verhältnisses oder eines schuldrechtlichen Langzeitvertrages) oder die Möglichkeit, Kostenvorteile zu realisieren (z.B. durch steuerliche Gestaltungen oder die Vermeidung einer gerichtlichen Auseinanderset­ zung). Bedeutsam ist auch das gemeinsame Interesse, unnötige Wertverluste zu ver­ meiden: Von einem insolventen Unternehmen profitiert niemand mehr (außer dem Insolvenzverwalter). Gleiches gilt beispielsweise für ein Lager mit verdorbener Ware. Neben materiellen Interessen sind es häufig aber auch verfahrensbezogene Interes­ sen, welche die Beteiligten miteinander verbinden. So werden die Verhandlungspart­ ner in aller Regel an einer Deeskalation des Konfliktes interessiert sein und einen Gerichtsprozess möglichst vermeiden wollen. Sie haben darüber hinaus regelmäßig ein Interesse an einem fairen und transparenten Verfahren, an dem sie angemessen beteiligt sind. Ist dies gewährleistet, so werden sie mit vielen Ergebnissen in der Sache leben können, auch wenn das Resultat ihren Erwartungen nicht vollständig ent­ spricht. Unterschiede zwischen den Beteiligten Dass Gemeinsamkeiten zur Wertschöpfung und damit auch Konsensbildung ausge­ nutzt werden können, ist offensichtlich. Dass aber auch und gerade Unterschiede zwi­ schen den Beteiligten der Schlüssel für allseits vorteilhafte Gestaltungen sein können, erscheint kontraintuitiv: Die Gleichsetzung von Unterschied, Konflikt und Dissens liegt nahe. So suggestiv diese Gleichsetzung ist, so falsch wäre sie. Erinnert sei an dieser Stelle nochmals an das in Kapitel  6 diskutierte Beispiel des Streits zweier Schwestern um eine Orange. Immer dann, wenn Unterschiede in den Interessen, Res­ sourcen, Fähigkeiten oder Kosten der Beteiligten Tauschpotentiale ermöglichen, bie­ ten gerade diese Unterschiede die Chance zur Wertschöpfung. Dieser Gesichtspunkt kann in seiner Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ein guter Verhandler und erst recht ein qualifizierter Mediator werden in einer Verhandlungs- bzw. Konfliktsituation nach entsprechenden Unterschieden su­ chen, die sich zur Wertschöpfung „ausbeuten“ lassen. Mit Techniken, die zu diesem Zweck eingesetzt werden können, werden wir uns daher in diesem Kapitel noch aus­ führlich beschäftigen. Kann ich der Gegenseite etwas geben, was für diese eine zen­ trale Bedeutung besitzt, mir jedoch weniger wichtig ist? Was kann mir die Gegenseite dafür zugestehen? Wer von uns beiden verfügt über bestimmte Ressourcen (Fähigkei­ ten), die für ein gemeinsames Projekt nötig sind? Wer kann eine bestimmte Aufgabe kostengünstiger erledigen? Das sind einige Fragen, die uns helfen können, die in Un­ terschieden liegenden Wertschöpfungspotentiale zu identifizieren.

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Teil II ­|  Methode der Mediation

„„ Wertschöpfung in der Mediationspraxis Das Auffinden und Ausnutzen von Unterschieden zwischen den Konfliktparteien spielt in praktisch jedem Mediationsverfahren als Instrument zur „Kuchenvergrößerung“ eine zentrale Rolle. Zwei Beispiele aus unserer Mediationspraxis mögen diesen Punkt illustrieren: Im Zentrum eines Verfahrens standen sehr hohe Schadensersatzforderungen der Käuferin eines Bauunternehmens gegen die Verkäuferin wegen einer angeblichen vorsätzlichen Täuschung über die Unternehmensverhältnisse. Monetär betrachtet ist jede Schadensersatzzahlung ein Nullsummenspiel: Ein Euro für die Klägerin ist ein Euro weniger für die Beklagte. Indes hatte sich in der Phase der Interessenermittlung gezeigt, dass die Unternehmenskäuferin einen sehr hohen Bestand an Grundstücken und Bauprojekten und gleichzeitig einen sehr hohen Liquiditätsbedarf hatte. Auf der anderen Seite verfügte die Verkäuferin über Barmittel in einem beträchtlichen Umfang und hatte gleichzeitig ein Interesse daran, die Ergebnisauswirkungen von Schadensersatzzahlungen möglichst niedrig zu halten. Auf dieser Grundlage lag es nahe, zumindest einen Teil etwaiger „Schadensersatzzahlungen“ durch Grundstücks- und Projektgeschäfte zu erbringen: Die Klägerin verkaufte der Beklagten Grundstücke und Projekte zu einem sehr hohen, aber bilanziell noch „vertretbaren“ Preis (Aktivtausch, keine Gewinnauswirkung). Sie erhielt dadurch eine erhebliche Liquiditätszufuhr (mehr als bei einer „reinen“ Schadensersatzzahlung) und verringerte gleichzeitig ihren Grundstücks- bzw. Projektbestand. Die Beklagte demgegenüber reduzierte ihre Liquidität, ohne eine derart negative Gewinn­ auswirkung, wie sie sie bei „reinen“ Schadensersatzzahlungen zu verkraften gehabt hätte. Im Ergebnis konnten also unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Ressourcen zur Wertschöpfung ausgenutzt werden. In einem anderen Verfahren stritten sich der Mehrheitsgesellschafter einer GmbH (eine börsennotierte AG) und die drei Minderheitsgesellschafter (drei junge Computerspezialisten). Schnell hatte sich herausgestellt, dass die AG mit der GmbH ganz andere Ziele verfolgte als die drei Computerspezialisten: Erstere wollte rasch wachsen und eine strategische Marktposition besetzen, wobei sie die anderen Gesellschafter als „Handlanger“ betrachtete – letztere hatten ein Interesse an einem langsamen Wachstum („klein, aber fein“) und sahen sich nach einer vorangegangenen, langjährigen Angestelltentätigkeit nunmehr erstmalig in einer echten „Unternehmerrolle“. Diese unterschiedlichen Interessen ließen sich nicht miteinander vereinbaren bzw. zu einer Wertschöpfung ausnutzen. Vielmehr lag eine Trennung der Beteiligten nahe, und dazu kam es schließlich: Die AG verkaufte ihre Anteile an der GmbH an die drei Computerspezialisten. Nachdem man sich auf den Kaufpreis verständigt hatte, ging es allerdings um die Frage, wie dieser zu erbringen sei. Dabei halfen Unterschiede: Die drei Computerspezialisten konnten jedenfalls einen Teil durch Werkleistungen erbringen – diese nutzten der AG viel (der Einkauf am Markt wäre sehr teuer gewesen) und kosteten die drei Computerspezialisten wenig (sie kannten sich mit der Materie aus und hatten entsprechende Leistungen bereits in der Vergangenheit erbracht). Hier wurden also unterschiedliche Fähigkeiten und Kosten zur Wertschöpfung ausgenutzt. Beispiel 1 180

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten ­|  Kap. 7

Es sind aber nicht nur unterschiedliche Interessen, Ressourcen, Fähigkeiten oder Kosten, die als Grundlage für Kooperationsgewinne in Betracht kommen. Auch Unter­ schiede im Hinblick auf Prognosen (Erwartungen), Zeit- oder Risikopräferenzen bieten Raum für allseits vorteilhafte Gestaltungen. Betrachten wir Abbildung 2, und nehmen wir an, dass Albert (Manager einer AG) mit Billa (deren Mehrheitsgesellschafterin und Aufsichtsratsvorsitzende) über Alberts Gehalt verhandelt. Albert schlägt eine für ihn besonders günstige Lösung C vor (sehr hohes Gehalt), Billa demgegenüber die Lösung D (sehr niedriges Gehalt). Lösung C ist für Billa nicht akzeptabel: Sie ist schlechter als Billas beste Nichteinigungsalternative (0‑Punkt). Aus demselben Grund ist Lösung D für Albert nicht akzeptabel. Eine Einigung ist jedoch möglich, wenn Albert und Billa sich auf einen zufallsabhängigen (kontingenten) Vertrag verständigen können270: Würden sie es beispielsweise von dem Wurf einer Münze abhängig ma­ chen, ob Lösung C oder D in Kraft gesetzt werden soll (Randomisierung), so betrüge der erwartete Nutzen für beide C/2 + D/2 oder (C + D)/2 (beide Ereignisse sind gleich wahrscheinlich). Dem entspricht grafisch Punkt E.

Wert für Billa F

D

E 0

C

Wert für Albert

Abbildung 2: Wertschöpfung durch kontingente Verträge Albert und Billa können sich jedoch noch besser stellen. Sie könnten daran denken, den Aktienkurs des Unternehmens zu einem bestimmten (zukünftigen) Zeitpunkt darüber entscheiden zu lassen, welcher Vertrag gelten soll: C, wenn dieser Kurs über­ schritten, und D, wenn er unterschritten wird. Sofern Albert und Billa diametral un­ terschiedliche Erwartungen im Hinblick auf die Kursentwicklung haben, gehen beide mit einer subjektiven Wahrscheinlichkeit von 1 davon aus, dass der von ihnen jeweils bevorzugte Vertrag in Kraft gesetzt werden wird. Dem entspricht grafisch Punkt F. Die hier vorgestellte Form der Wertschöpfung durch Randomisierung und/oder Aus­ nutzen divergierender Prognosen ist keineswegs nur ein interessantes Gedankenspiel. Sämtliche Optionsmärkte beruhen auf demselben Prinzip. Ähnliches gilt für die ­bereits erwähnte Ausnutzung von unterschiedlichen Risiko- bzw. Zeitpräferenzen (Versicherungsmärkte einerseits, Kreditmärkte andererseits). Besonders groß ist das Wertschöpfungspotential, wenn entsprechende Unterschiede kumuliert auftreten. 181

Teil II ­|  Methode der Mediation

„„ Verzahnung von Interessen Auch dies sei anhand eines Beispiels aus unserer Mediationspraxis verdeutlicht. Im konkreten Fall ging es um die außergerichtliche Sanierung eines notleidenden, ­mittelständischen Bauunternehmens. Beteiligt an den  – durch den Mediator gesteuerten – Sanierungsverhandlungen waren außer dem Alleingesellschafter und ‑geschäftsführer noch zwei Banken (darunter die „Hausbank“) sowie die beiden wichtigsten Lieferanten. Die Gläubiger hatten ein zentrales Interesse daran, die operative Führung des Unternehmens in „neue Hände“ zu legen. Der Alleingesellschafter konnte sich einen Rückzug aus dem Unternehmen durchaus vorstellen, sofern dieses im Handelsverkehr weiterhin mit ihm identifiziert würde. Im Hinblick auf die entscheidende Frage nach der Neuordnung der Finanzierungsbeziehungen der Gesellschaft bestanden zwischen den Gläubigern gravierende Unterschiede: Während die Hausbank die Unternehmenszukunft relativ optimistisch einschätzte (unter anderem im Lichte geplanter Kooperationen mit Tochtergesellschaften der Bank), waren die übrigen Gläubiger sehr pessimistisch gestimmt. Auch hatten insbesondere die Lieferanten selbst mit erheblichen Liquiditätsproblemen zu kämpfen. Die schließlich gefundene Lösung bildete diese Unterschiede zwischen den Beteiligten ab: Der Alteigentümer der Gesellschaft übertrug seine Anteile für einen symbolischen Betrag auf die Hausbank, die über einen Fremdgeschäftsführer die operative Steuerung des Unternehmens übernahm. Die übrigen Gläubiger erhielten eine Barquote auf ihre Forderungen. Der Alteigentümer blieb dem Unternehmen durch einen eingerichteten Beirat verbunden, auch die Firma wurde fortgeführt. Beispiel 2

Ob es Unterschiede zwischen den Beteiligten gibt, die Spielräume für integratives Verhandeln eröffnen, hängt regelmäßig von den Themen ab, um die es in der Media­ tion geht. Je mehr Verhandlungsgegenstände es gibt, desto leichter sind allseits vor­ teilhafte Gestaltungen möglich: Mit der Zahl der Verhandlungsgegenstände steigt die Wahrscheinlichkeit wertschöpfender Tauschgeschäfte. Das Ausnutzen von Unter­ schieden durch „Paketlösungen“ setzt demzufolge bisweilen voraus, dass die Ver­ handlungsgegenstände erweitert werden. Genau darauf müssen Sie als Mediator ach­ ten: Haben die Beteiligten ein möglicherweise zu enges Verständnis davon, worum es bei ihrem Konflikt geht? Könnte es eine Einigung erleichtern, wenn auch noch über eine bestimmte andere Frage gesprochen würde? Durch die situationsgerechte Erwei­ terung der Mediationsgegenstände wird häufig eine Win/Win-Lösung möglich, die anders nie zustande gekommen wäre. Hier liegt auch ein wesentlicher Vorteil einer Mediation im Vergleich etwa zu einem Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren, bei dem die Problemsicht durch die „Verrechtlichung“ von vornherein verengt ist (und regelmäßig bleibt).

182

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten ­|  Kap. 7

„„ The Postal Service Im Jahr 2003 wurde die gerade erst bekannt gewordene US-Band „The Postal Service“ von dem amerikanischen Postunternehmen „United States Postal Services (USPS)“ wegen Markenverletzung abgemahnt.271 Unterlassungsansprüche wurden geltend gemacht. In einem streitigen (Schieds‑)Gerichtsverfahren hätte es lediglich um das Recht, den Namen zu führen, gehen können. Die Beteiligten entschlossen sich jedoch dazu, zunächst zu verhandeln und entwickelten schließlich eine WinWin-Lösung, die so nicht justiziabel gewesen wäre: „The Postal Service“ warb bei seinem jungen Publikum auf Alben und bei Konzerten mit dem USPS-Logo und trat bei einer jährlichen USPS-Veranstaltung auf. Im Gegenzug durfte die Band ihren Namen behalten und ihre Alben sogar über die USPS-Webseite vertreiben.272 Dies trug den Interessen beider Seiten Rechnung: Die Band konnte weiterhin unter ihrem inzwischen bekannten Namen auftreten und so ihre Karriere vorantreiben; das Postunternehmen erhoffte sich durch die Werbung, den Marktanteil bei einem jüngeren Kundenkreis zu erhöhen. Beispiel 3

Skaleneffekte Neben dem Ausnutzen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Be­ teiligten liegt eine dritte Möglichkeit zur Wertschöpfung in einer Verhandlung oder Mediation schließlich in der Nutzung von Größenvorteilen (Skaleneffekten). Aus der  Mikroökonomik ist bekannt, dass die durchschnittlichen Herstellkosten eines ­bestimmten Produktes sinken, je mehr Einheiten davon hergestellt werden. Ent­ sprechende Skaleneffekte lassen sich in vielfältiger Weise zur Realisierung von ­Kooperationsgewinnen ausnutzen. Ein wichtiges Beispiel sind Joint Ventures bei ­Forschungs- oder Produktionsvorhaben. Genauso wie auf Unterschiede und Ge­ meinsamkeiten zwischen den Beteiligten, müssen Sie als Mediator auch auf mögliche Größenvorteile als Quelle der Wertschöpfung achten. So hat einer der Autoren bei­ spielsweise einmal eine Mediation zwischen zwei Chemieunternehmen durchgeführt, die mit einem Streit um Details eines Produktionslizenzvertrages begann und mit der Neugründung eines Gemeinschaftsunternehmens endete, das die Entwicklung eines neuartigen Herstellungsverfahrens für Autolacke zum Ziel hatte.

Wertschöpfungspotentiale erkennen und nutzen Zu wissen, dass Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Skaleneffekte als Wertschöp­ fungsquellen in Betracht kommen, ist ein erster, wichtiger Schritt. Was können Sie als Mediator nun aber in der Mediation konkret tun, um gemeinsam mit den Beteiligten entsprechende Wertschöpfungspotentiale zu erkennen und zu nutzen? Wie helfen Sie den Konfliktparteien, allseits vorteilhafte Gestaltungen zu identifizieren? Und wie verhindern Sie, dass unnötig Werte auf dem Verhandlungstisch „liegenbleiben“?

183

Teil II ­|  Methode der Mediation

Die Bedeutung kreativen Denkens Ohne Kreativität geht es nicht – gerade in schwierigen, festgefahrenen Mediations­ situationen ist sie ein Schlüssel zur Auflösung von Denkblockaden und ein Wegwei­ ser aus Sackgassen, in die sich die Beteiligten hineinmanövriert haben. Vor allem in der Phase der Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten (Einigungsoptionen) besitzt kreatives Denken in einer Mediation deshalb eine zentrale Bedeutung. Wer in eine Mediation eintritt, ist regelmäßig zunächst nicht nur in einem „Nullsum­ menparadigma“ gefangen.273 Das eigene Denken wird zumeist auch stark von einer Art „Tunnelvision“ geprägt: Der Konflikt hat eine  – gegebenenfalls weit zurückrei­ chende  – Vorgeschichte, seine Ursachen werden in einer bestimmten Art wahrge­ nommen und interpretiert. Auch existiert eine verfestigte Vorstellung davon, wie er denn – wenn überhaupt – gelöst werden könnte (vgl. zu den kognitiven Barrieren für eine Konfliktlösung Kapitel  1). Sind Juristen involviert, verstärkt sich dieser Trend noch: Der Rechtsanwalt erklärt uns, unter welchen Voraussetzungen wir Ansprüche haben (oder uns ihnen ausgesetzt sehen), wir werden gezwungen, präzise Gründe zu finden (oder diese zu entkräften), denken rückwärtsgewandt und „in die Tiefe“ (ver­ tikal). Neue Ideen lassen sich so natürlich nur schwer finden. Kreatives Denken bedeutet in erster Linie, sich von etablierten Denkmustern zu lö­ sen, ein und dasselbe Problem aus einer ganz anderen Warte zu betrachten, nicht „in die Tiefe“, sondern „in die Breite“, „seitwärts“ oder gar „abseitig“ zu denken (la­ teral).274 Warum ist das nötig? Vielleicht geht es uns manchmal wie jemandem, der nach Wasser sucht und einen Brunnen gräbt. Wenn Sie nichts finden, graben Sie im­ mer tiefer. Anstatt immer tiefer zu graben – und damit in der Grube zu verschwinden –, ist es vielleicht sinnvoll, aus der Grube zu steigen und es an einer anderen Stelle erneut zu versuchen. „Probleme kann man nie mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“ – so hat es Albert Einstein einmal formuliert. Kreatives (laterales) Denken hilft uns häufig, auch analytisch komplex erscheinende Probleme überraschend schnell und verblüffend einfach zu lösen. Nehmen Sie einmal an, Sie hätten ein Glas Wein und ein Glas Wasser. Sie gießen einen Löffel voll Wein in das Wasserglas und rühren um. Wein und Wasser mischen sich. Dann nehmen Sie einen Löffel voll Flüssigkeit aus dem Wasserglas und gießen ihn in das Weinglas. Ist mehr Wein in dem Wasserglas als Wasser in dem Weinglas, oder verhält es sich um­ gekehrt? Ihre Intuition sagt Ihnen vielleicht, dass mehr Wein in dem Wasserglas als Wasser in dem Weinglas ist (denn: Sie haben zuerst Wein in das Wasser gegossen). Dieser Ein­ druck täuscht jedoch: Es ist genauso viel Wein in dem Wasser wie Wasser in dem Wein. Um dieses Ergebnis zu verifizieren, können Sie den Prozess betrachten und rechnen. Das ist die naheliegende, analytische Methode. Sie können aber auch lateral denken und vom Endzustand ausgehen: In beiden Gläsern ist am Ende gleich viel Flüssigkeit. Wenn ein bestimmtes Volumen Wein in dem Wasser ist, dann wurde da­ durch ein bestimmtes Volumen Wasser verdrängt – und dieses kann nur in dem Wein sein. 184

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten ­|  Kap. 7

Um sich für kreatives (laterales) Denken zu öffnen, müssen Sie eine Reihe von Dingen zulassen und fördern: 1. Angst überwinden. Es geht nicht darum, sofort stimmige oder praktikable Lösungen zu entwickeln. Vielmehr sollen neuartige Ideen generiert werden, wie man ein bestimmtes Problem gegebenenfalls auch lösen könnte  – Sie haben nichts zu verlieren. 2. Offenheit und Toleranz entwickeln. Auch wenn Sie die Ansichten, Interessen, Positionen und das Verhalten der anderen Beteiligten in einer ganz bestimmten Weise beurteilen – bewahren Sie eine offene Haltung, und gestehen Sie jedem zu, interessante, ungewöhnliche Ideen zu formulieren. Die Rolle des Mediators Im Hinblick auf die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten befinden Sie sich als Me­ diator in einer anderen Rolle als in früheren Phasen der Mediation: Es geht jetzt nicht so sehr darum, dass Sie zwischen den Konfliktparteien vermitteln, ausgleichend wir­ ken und Kommunikationsstörungen beheben. Vielmehr hängt es von Ihrem Auftre­ ten und Verhalten ab, ob ein kreativer Prozess in Gang kommt. Dieses Ziel werden Sie nur erreichen, wenn Sie die Beteiligten zu kreativem Denken motivieren, wenn Sie Vorschläge zur Prozessgestaltung machen und insofern auch Regie führen. Als au­ ßenstehender Dritter sind Sie für die Rolle eines „Kreativitätskatalysators“ prädesti­ niert: Die eingefahrenen Denkmuster, in denen die Konfliktparteien sich bewegen, sind nicht die Ihren, deren „Tunnelvision“ teilen Sie nicht. Sie verfügen über eine unbefangene Sicht auf die Dinge, über eine frische Perspektive. Das erleichtert es Ih­ nen, Ideenanregungen und Gedankenanstöße zu geben. Die Betonung liegt auf „An­ regungen“ und „Anstöße“: Mediation ist ein Verfahren der unmittelbar Betroffenen und muss es auch bleiben – sie können und sollen lediglich helfen; die Problemlösung selbst in die Hand zu nehmen, ist nicht Ihre Aufgabe. Kreativität mit System: Kreativitätstechniken Es entspricht einer verbreiteten Vorstellung, dass es kreative und weniger kreative Menschen gibt. Diese Vorstellung ist nur teilweise richtig. Natürlich ist Kreativität bis zu einem gewissen Grade talentabhängig. Aber genauso, wie man beispielsweise eine Sportart erlernen und seine diesbezüglichen Fähigkeiten ausschöpfen und erweitern kann, lässt sich auch der in uns „schlummernde“ Einfallsreichtum entdecken, entfal­ ten und steigern. Kreatives Denken kann man lernen, ja man kann es sogar – so wi­ dersprüchlich das auf den ersten Blick scheint – mit System betreiben. Es ist wichtig, dass Sie als Mediator einige Kreativitätstechniken kennen, um sie situa­ tionsgerecht vorschlagen und einsetzen zu können. Machen Sie deutlich, worin die Grundidee zur Kreativitätssteigerung liegt: Jede Art der Anschauung ist nur eine mög­ liche Betrachtungsweise; kreativ zu sein, heißt zunächst nicht, die bestmögliche Lö­ sung zu finden, sondern in einem ersten Schritt möglichst viele denkbare Lösungen zu entdecken. Folgen Sie der Maxime, die Hamlet auf die staunende Verwunderung Horatios hin ausspricht: „There are more things in heaven and earth, Horatio, than are dreamt of in your philosophy.“275 Vorurteile, eine vorschnelle Ergebnisorientierung und Entscheidungshektik beschränken die Entfaltung unseres kreativen Potentials. 185

Teil II ­|  Methode der Mediation

Ein weiteres Hindernis für kreatives Denken, mit dem Sie als Mediator rechnen müs­ sen, ist die Sorge der Beteiligten, sich festzulegen, Zugeständnisse zu machen oder in anderer Form die eigene Verhandlungsposition zu schwächen. Machen Sie deut­ lich, dass diese Befürchtung unbegründet ist: Alles, was im Rahmen der Entwick­ lung von Lösungsoptionen gesagt wird, ist zunächst vollkommen unverbindlich. Eine Idee zu äußern oder einen Vorschlag zu entwickeln, ist eine Sache – sich zu verpflich­ ten, diese Idee bzw. diesen Vorschlag zu akzeptieren oder umzusetzen, eine ganz an­ dere. Brainstorming Eine verbreitete und auch für Wirtschaftsmediationen geeignete Kreativitätstechnik ist das sogenannte Brainstorming: Es geht darum, einen „Sturm des Geistes“ zu entfa­ chen und eine möglichst umfangreiche, unverbindliche Sammlung spontaner Ideen zur Problemlösung zu entwickeln. Die 1948 vom Werbefachmann Alex F. Osborn ent­ wickelte Technik des Brainstormings geht von der Prämisse aus, dass zwei Köpfe klü­ ger sind als einer allein und dass das Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung bes­ ser ist als die Summe seiner einzelnen Teile.276 Grundregel eines jeden Brainstormings ist das Kritikverbot: Sämtliche Ideen, Vorstellungen und Lösungsmöglichkeiten wer­ den zunächst ohne jede Bewertung oder Kritik gesammelt (Phantasiephase). Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt („‘Wildness‘ is welcomed“)277: Je phanta­ sievoller, kühner und „verrückter“ die Ideen sind, umso besser. Erst nachdem alle Kreativitätspotentiale ausgeschöpft sind, werden die einzelnen Vorschläge in einem klar abzugrenzenden zweiten Schritt auf ihre Realisierbarkeit und ihren Wertschöp­ fungsbeitrag hin untersucht und bewertet (Bewertungs- und Verwirklichungsphase). Dadurch lässt sich vermeiden, dass ungewöhnliche oder verblüffende Lösungen, die bei näherer Betrachtung hohe Kooperationsgewinne versprechen, bereits im Keim erstickt oder als utopisch zurückgewiesen werden. Ziel eines Brainstormings ist es, möglichst viele Ideen zu generieren. Denn je mehr Ideen zur Verfügung stehen, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter ihnen ein Gedanke befindet, der den Durchbruch zur Beilegung des Konfliktes bringt. Die entwickelten Ideen „gehören“ der Gruppe. Kein Teilnehmer am Brainstorming kann deshalb eine Urheberschaft an den von ihm entwickelten Ideen beanspruchen. Diese Grundregel schützt nicht nur vor Kritik, sondern begünstigt auch eine Weiter­ entwicklung der gefundenen Ideen. Denn häufig gehen gute Ideen schrittweise aus bereits existierenden hervor.278 Die Teilnehmer sind daher eingeladen, die von ande­ ren vorgeschlagenen Ideen weiterzuentwickeln und miteinander zu kombinieren. Ein Brainstorming kann jeder Mediationsbeteiligte natürlich auch für sich selbst durchführen. Möglicherweise werden die Parteien daran sogar zuerst denken, weil ein gemeinsames Brainstorming mit dem Verhandlungspartner Risiken birgt: Eventu­ ell teilt man unbeabsichtigt vertrauliche Informationen mit, sagt etwas, was der ande­ re ausnutzen kann oder hält aus Furcht vor Ausbeutung Ideen zurück, die scheinbar für einen selbst ungünstig sind. Diese Risiken müssen mit den Chancen eines ge­ meinsamen Brainstormings abgewogen werden: Es schafft eine problemlösende At­ 186

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten ­|  Kap. 7

mosphäre, erhöht die Sensitivität der Beteiligten für die Interessen und Ziele der je­ weils anderen Seite und kann zur Entdeckung von Lösungen beitragen, die alle Interessen – nicht nur die eigenen – berücksichtigen. Auch werden auf diese Weise häufig Ideen entwickelt, auf die eine Seite allein, ohne den Austausch mit der anderen, nicht gekommen wäre. Unsere Erfahrung zeigt zudem, dass es die meisten Kon­ fliktbeteiligten als reizvoll empfinden, gewissermaßen unter dem Dach eines gemein­ samen Brainstormings auch einmal „verrückte“ Dinge zu sagen, um zu sehen, wie die andere Seite darauf reagiert. Dies setzt natürlich voraus, dass mit einer entsprechen­ den Äußerung keinerlei präjudizielle Wirkung verbunden ist. Wenn Sie als Mediator mit den Beteiligten ein gemeinsames Brainstorming durchfüh­ ren, dann machen Sie deutlich, worum es geht: Spontaneität zu entwickeln, Außerge­ wöhnliches, ja Irreales zu denken (ohne sich festzulegen), und vor allem: nicht zu kritisieren oder zu diskutieren. „Es gibt keine Hierarchien. Niemand kann und sollte geistiges Eigentum beanspruchen. Es ist erwünscht, Ideen von anderen Beteiligten aufzugreifen und weiterzuentwickeln.“ Machen Sie gleichzeitig die Zielrichtung deut­ lich, in die sich die Kreativität der Beteiligten entwickeln soll: „Wir haben festgestellt, dass es Ihnen, Frau A, in erster Linie um die Aussöhnung mit Ihrem Bruder, und Ih­ nen, Herr B, primär um eine zukunftsgerichtete Fortführung des elterlichen Unter­ nehmens geht. Welche Ideen kommen Ihnen beiden in den Sinn, wenn es darum geht, Ihre jeweiligen Interessen zu befriedigen?“ Nutzen Sie ein Flipchart, um alles, was gesagt wird, wortgetreu aufzuschreiben. Wenn der Prozess der Ideenentwicklung ins Stocken gerät, sagen Sie etwas Ungewöhnliches oder sogar Provozierendes. Es ist immer wieder verblüffend, welche neuen Ideen auf den Tisch kommen, wenn ein Beteiligter das Korsett der Normalität bewusst durch­ bricht. „„ Keine Angst vor Ideen! So war einer der Autoren einmal als Mediator in einer Dreieckskonstellation „Eigentümer – Mieter – Untermieter“ tätig. Der Mieter von Geschäftsräumen (Fahrradverkauf und ‑reparatur) hatte vor mehreren Jahren gegenüber den Eigentümern erhebliche Renovierungsverpflichtungen übernommen und dafür einen langfristigen Mietvertrag zu sehr günstigen Konditionen ausgehandelt. Als er den Beruf wechselte, vermietete er die Räume mit einem erheblichen Aufschlag unter. Bald zeigte sich, dass alle Beteiligten mit der Situation unzufrieden waren: Die Eigentümer hatten ein Interesse an einer langfristigen Vermietung an seriöse Mieter und wollten sich nicht mehr mit dem derzeitigen Hauptmieter über die Erfüllung der übernommenen Renovierungsverpflichtungen „herumschlagen“. Diesen wiederum plagten erhebliche Liquiditätssorgen, und er wünschte sich, möglichst ebenfalls aus dem Vertrag auszusteigen, allerdings nur gegen eine „Entschädigung“ wegen der erbrachten Leistungen. Die vermögenden Untermieter wiederum hatten ein starkes Interesse an einer sicheren Position und konnten sich im Übrigen vorstellen, den Hauptmieter „auszukaufen“. Allerdings scheuten sie eine Haftung für die Renovierungsverpflichtungen.

187

Teil II ­|  Methode der Mediation Nach der Klärung der Interessenlage wurden im Wege eines gemeinsamen Brainstormings denkbare Lösungen entwickelt. Die naheliegenden Ideen nannten die Beteiligten zuerst: Übernahme des Hauptmietvertrages durch die Untermieter ­gegen eine Abstandszahlung an den derzeitigen Hauptmieter; Aufhebung des derzeitigen Haupt- und des Untermietvertrages sowie Neuabschluss eines Hauptmietvertrages mit den derzeitigen Untermietern gegen eine entsprechende Abstandszahlung. Es gab eine Pause. Der Mediator fragte, ob ein Verkauf des gesamten Hauses in Betracht käme. Unmittelbar anschließend brachte einer der Beteiligten den Gedanken ins Spiel, dass die derzeitigen Untermieter das Haus kaufen könnten. So kam es dann schließlich auch. Darüber hinaus wurde der Hauptmietvertrag mit dem derzeitigen Hauptmieter einvernehmlich gegen eine Abstandszahlung beendet. Beispiel 4

Brainwriting Einem ähnlichen Ziel wie die Durchführung eines Brainstormings dient eine andere Kreativitätstechnik, das Brainwriting: Das Ziel besteht auch hier darin, möglichst vie­ le Ideen zur Lösung eines bestimmten Problems zu entwickeln. Anders als beim Brainstorming, bei dem alle Beteiligten dem Mediator ihre Gedanken zurufen, wird dafür aber eine strukturierte Form der schriftlichen Ideensammlung eingesetzt: Jeder Beteiligte schreibt fünf Minuten lang drei Ideen auf ein Blatt Papier (oder eine Mode­ rationskarte). Nach Ablauf der Zeit gibt jeder sein Blatt im Uhrzeigersinn weiter, und wieder haben alle Beteiligten fünf Minuten Zeit, drei weitere Ideen zu skizzieren. Das Anknüpfen an und Vertiefen bzw. Ausbauen von bereits formulierten Ideen ist er­ laubt und erwünscht. Der Vorgang wird fortgesetzt, bis jedes Blatt Papier einmal im Kreis weitergereicht wurde. Natürlich haftet der Zeitvorgabe und der Vorgabe, eine bestimmte Zahl von Ideen vorzuschlagen, etwas Formales an. Aber Kreativität sollte nicht mit Regellosigkeit verwechselt werden: Der Kreativitätsertrag lässt sich zumeist steigern, wenn man sich ein Ziel vorgibt und dann auch versucht, dieses Ziel durch klar strukturierte Abläufe zu erreichen. „„ Brainstorming & Brainwriting yy Ziel: Möglichst viele und phantasievolle Ideen in kürzester Zeit yy Expressivität: Äußern Sie alle Ideen, die Ihnen in den Sinn kommen, egal wie verwegen oder verrückt sie erscheinen yy Kritikverbot: Kommentare, Bewertungen und Kritik eigener und fremder Ideen sind verboten yy Keine Urheberschaft von Ideen: Alle Ideen „gehören“ der Gruppe, alle Teilnehmer sind eingeladen, die von anderen vorgeschlagenen Ideen weiterzuentwickeln und zu kombinieren yy Kreativität: Denken Sie lateral in Alternativen, je kühner und phantasievoller, desto besser; auch verwegene und „verrückte“ Ideen zulassen yy Prozessmoderation: Steuerung des Brainstormings durch einen Moderator 188

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten ­|  Kap. 7

yy Verfahrenstrennung: Klare Trennung vom übrigen Verhandlungsgeschehen yy Zwei-Phasen Modell: Klare Trennung der Phasen (1. Ideen finden, 2. Ergebnisse sortieren und bewerten) yy Gruppe erweitern: Gruppe um Experten, Anwälte oder weitere Dritte erweitern Beispiel 5

Mindmapping Verbreiteter noch als Brainwriting ist das sogenannte Mindmapping. Der hauptsächli­ che Zweck dieser Technik liegt – wie ihr Name schon sagt – darin, die eigenen Gedan­ ken zu organisieren, eine „Landkarte des Geistes“ zu entwerfen: Sie visualisieren Ihre Überlegungen zu einem bestimmten Problemkreis, indem Sie, von einem Hauptthe­ ma ausgehend, in einzelnen Verästelungen Neben- und Unterthemen (Gedanken) ableiten.279 Mindmaps können Sie mit „Papier und Bleistift“ erstellen. Sie können zu diesem Zweck aber auch auf eine Vielzahl von einschlägigen Software-Werkzeugen zurückgreifen.280 Abbildung 3 zeigt die Funktionsweise von Mindmapping anhand ei­ ner typischen Fragestellung aus der Unternehmenspraxis: Wie soll mit einem be­ stimmten Firmengrundstück verfahren werden? Sanierung/ Neubebauung

Instandhaltung Maschinen

Optimierung Produktion

Temporär/ permanent

Betriebliche Nutzung

Private Nutzung

Eigennutzen Nutzen für Firmen

Standortwahl

Ankauf weiterer Grundstücke

logistisch günstiger Standort

Firmenhauptsitz Technische Voraussetzungen

Grundstück nicht nutzen

Firmengrundstück

Finanzierung

Firmenexpansion

Gründung Tochtergesellschaft

Fremdnutzung

Firmenverkleinerung

Vermietung/ Verpachtung

Abschreibung an Mutter- oder Tochtergesellschaft an Konkurrenten

Rechtsformwahl

entgehender Gewinn

firmenstrategische Erwägungen

Verkauf

an sonstige Dritte

Standortverlegung

Kosten/Nutzen Umzug

Abbildung 3: Mindmapping

189

Teil II ­|  Methode der Mediation

Mindmapping ist nicht nur ein hilfreiches Instrument der Problemstrukturierung. In­ dem der sich entwickelnde Baum an allen Stellen „offen“ für Ergänzungen und Hin­ zufügungen ist, lädt diese Technik dazu ein, assoziativ und kreativ weiterzudenken und das Gedankenbild so zu verfeinern. Ähnlich wie Brainwriting können Sie als Me­ diator deshalb auch Mindmapping als Kreativitätsstimulans nutzen: Ein Beteiligter beginnt, Ideen zu einem bestimmten Hauptthema in der Form einer mindmap auf einem Blatt Papier zu skizzieren. Anschließend wird das Papier an den nächsten Be­ teiligten weitergereicht, der den Baum erweitert und ergänzt. Dieser Vorgang setzt sich fort, bis das Papier wieder seinen Ausgangspunkt erreicht (gegebenenfalls wer­ den noch weitere Runden durchgeführt, bis alle Ideen erschöpft sind). Mit einem Laptop, einem Beamer und entsprechender Software lassen sich mindmaps gemein­ sam mit den Parteien auch elektronisch entwickeln und dynamisch anpassen. 6-Hüte-Methode Insbesondere bei komplexen Fragestellungen kann es hilfreich sein, das Problem sys­ tematisch von verschiedenen Seiten (Perspektiven, Denkansätzen) anzugehen und die jeweilige Herangehensweise (den jeweiligen Denkmodus) auch durch ein be­ stimmtes Symbol zu unterstreichen. Dies leistet die von Edward de Bono entwickelte 6‑Hüte-Methode.281 Allein der Begriff klingt vielleicht ein wenig verrückt und/oder sogar albern. Die Methode ist indes lediglich unkonventionell, und kreatives Denken ist zu seiner Entfaltung auch auf ungewöhnliche Mittel angewiesen. Zudem wird die 6‑Hüte-Methode erfolgreich in und von einer Vielzahl von Unternehmen zur Steige­ rung der Kreativität in Projekten eingesetzt. Die Idee ähnelt derjenigen der Rollen­ wechselübung, die wir in Kapitel  6 kennengelernt haben: Während es dort um die Einnahme unterschiedlicher Rollen ging, sind es bei der 6‑Hüte-Methode unter­ schiedliche Denkmodi, die man – für einen begrenzten Zeitraum – übernimmt. Jeder Hut hat eine andere Farbe, und jede Farbe symbolisiert eine unterschiedliche Denk­ richtung. „„ 6-Hüte-Methode (nach Edward de Bono) Weißer Hut: Denken Sie an ein weißes Blatt Papier, das farbneutral ist und Informa­ tionen aufnehmen kann. Der weiße Hut steht für die wertfreie Sammlung und Verifizierung entscheidungsrelevanter Informationen („Um das geplante Projekt zu beurteilen, benötigen wir noch …“). Roter Hut: Denken Sie an die Farbe Rot, an Feuer und Wärme. Der rote Hut steht für Gefühle, Intuition und Instinkt („Ich habe im Hinblick auf unser Vorhaben ein ungutes Gefühl, da …“). Schwarzer Hut: Stellen Sie sich einen strengen Richter in schwarzer Robe vor. Der Träger des schwarzen Hutes ist kritisch, er sucht, benennt und begründet die negativen Aspekte eines Vorschlags oder Vorhabens („Dieses Projekt ist gefährdet, weil …“). Gelber Hut: Denken Sie an Sonnenschein. Der gelbe Hut steht für eine optimistische Grundeinstellung und das Bemühen, die positiven Aspekte eines Vorschlags oder 190

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten ­|  Kap. 7

Vorhabens zu identifizieren und seine Erfolgsaussichten zu vergrößern („Das Projekt könnte dann gelingen, wenn …“). Grüner Hut: Stellen Sie sich Vegetation und üppiges Wachstum vor. Der grüne Hut repräsentiert kreatives Denken, neue Ideen und die Suche nach zusätzlichen Alternativen („Könnten wir statt des ursprünglich angedachten Projekts nicht auch etwas ganz anderes machen?“). Blauer Hut: Denken Sie an den Himmel und an die Vogelperspektive. Der blaue Hut steht für die Kontrolle von Methoden und Verfahren. Der Träger des blauen Huts legt die Themen der Überlegungen fest, kann andere Hüte „aktivieren“, formuliert Zusammenfassungen und Schlussfolgerungen sowie Kommentare zu dem gerade benutzten Denkmodus. Beispiel 6

Die Hüte haben, wie bereits erwähnt, die Funktion von Symbolen, die die Identifika­ tion der Beteiligten mit dem jeweiligen Denkmodus erleichtern sollen: Wenn wir ge­ danklich einen bestimmten Hut aufsetzen, übernehmen wir eine bestimmte Den­ krichtung und verpflichten uns gleichzeitig, diese mit Leben zu erfüllen. Zu seiner Zeit kommt jeder zu Wort: der Faktensammler in uns, der Gefühlsbetonte, der Kriti­ ker, der Optimist und der Kreative. Welcher Hut zu welchem Zeitpunkt aufgesetzt wird, entscheidet der Träger des blau­ en Hutes, der für den Gesamtprozess verantwortlich ist. In einer Mediation ist der „geborene“ Träger des blauen Hutes der Mediator. Wenn Sie die 6‑Hüte-Methode einsetzen möchten, müssen Sie demzufolge eine Reihe von Fragen der Verfahrensge­ staltung beantworten: Wie viel Zeit steht insgesamt zur Verfügung? In welcher Rei­ henfolge sollten die unterschiedlichen Hüte (gedanklich) aufgesetzt werden? Wie soll mit den Ergebnissen der Diskussion umgegangen werden? Unsere Erfahrung zeigt, dass die 6‑Hüte-Methode auch mit einem nur sehr geringen Zeiteinsatz (30 Minuten bis eine Stunde) in verblüffender Weise dazu beitragen kann, ein gleichzeitig strukturiertes und umfassendes Bild eines bestimmten Problems zu entwerfen. Ähnlich wie beim Brainstorming empfiehlt es sich, den schwarzen Hut erst gegen Ende der Übung zu Wort kommen zu lassen, um kreative Impulse nicht bereits im Keim zu ersticken, gefolgt vielleicht vom roten Hut, um gegebenenfalls auf einer positiven, gefühlsmäßigen Note zu enden. Als Moderator und Chronist der Ereignis­ se können Sie beispielsweise alle Äußerungen auf diversen Flipcharts visualisieren, wobei Sie jeder Denkrichtung ein Flipchart zuordnen und mit der entsprechenden Hutfarbe schreiben sollten (sofern diese gut lesbar ist). Den größten Ertrag bringt die 6‑Hüte-Methode natürlich dann, wenn sie in einer (größeren) Gruppe eingesetzt wird: Mit der Zahl der Beteiligten steigt die Zahl der geäußerten Ansichten und Ideen, auch und gerade „unter dem grünen Hut“. Nichts spricht jedoch dagegen, das Verfahren auch in kleinen Gruppen oder sogar für sich selbst (allein) zu nutzen, etwa zur Vorbereitung der Mediation. Wenn Sie sich als Me­ diator in einem sehr konservativen Umfeld befinden, mag es im Einzelfall auch sinn­ voll sein, die 6‑Hüte-Methode lediglich als „Kurzmetapher“ einzusetzen: Sie schil­ 191

Teil II ­|  Methode der Mediation

dern, welche Rolle mit welchem Hut verbunden ist, und fordern die Beteiligten dann auf, die Rolle zu wechseln (etwa in dem Sinne, dass der schwarze Hut einmal abge­ setzt und gegen den grünen getauscht wird). Problem oder Problemsicht verändern Wenn der Gedankenfluss ins Stocken gerät und sich in der Mediation möglicherweise sogar ein „betretenes Schweigen“ ausbreitet, sind Sie als Mediator besonders gefor­ dert. Alle Augen richten sich fragend und erwartungsvoll auf Sie. Sie spüren den er­ höhten Stress. Was können oder sollten Sie tun? In einer solchen Situation ist es nicht immer hilfreich, eine der soeben erörterten Methoden vorzuschlagen bzw. anzuwen­ den. Insbesondere dann, wenn die Stimmung angespannt ist, mag das im Einzelfall sogar kontraproduktiv sein und/oder als unangemessen empfunden werden („Spiele­ rei“). Das zu beurteilen, erfordert von Ihnen natürlich ein gewisses Fingerspitzenge­ fühl. Unsere Erfahrung zeigt jedenfalls, dass die Experimentierbereitschaft auch und gerade von Akteuren im Wirtschaftsleben größer ist, als man vielleicht vermutet. Aber auch wenn Sie keine der bereits erörterten Kreativitätstechniken einsetzen, be­ deutet das nicht, dass Sie hilflos zusehen müssten, wie sich alle Beteiligten in einer Sackgasse „verrennen“. Die Maxime, von der Sie sich leiten lassen sollten, lautet Veränderung. Veränderung kann es auf unterschiedlichen Ebenen geben: auf der inhaltlichen Ebene (der Problemebene), aber auch auf der Ebene der Verfahrensgestaltung (der Prozessebene). Inhaltliche Veränderung bedeutet in erster Linie: Veränderung des Problems, um das es geht, oder der Problemsicht, die die Beteiligten gerade zugrunde legen. Die Mittel, die sie zu diesem Zweck einsetzen können („Kreativitätsimpulse“), sind zahlreich (vgl. Beispiel 7).282 Reformulieren Sie das Problem, teilen, vereinfachen, verallgemei­ nern oder vermischen Sie es, wecken Sie Assoziationen, suchen Sie Analogien, bli­ cken Sie nach vorn (oder zurück), nutzen Sie Erfahrungen, spekulieren oder provo­ zieren Sie, wechseln Sie das Thema, oder schaffen Sie eine tabula rasa, auf der neu begonnen werden kann. Finden Sie irgendeinen Impuls, der den objektiven oder den subjektiv wahrgenommenen Status quo des Verhandlungsgegenstandes (Problems) verändert. „„ Kreativitätsimpulse yy Problem reformulieren: Wo liegt das Problem? Haben wir das Problem verstanden? yy Problem aufsplitten: Können wir eine Teilfrage beantworten? yy Problem vereinfachen: Kann ein einfacheres, spezielleres Problem gelöst werden? yy Problem verallgemeinern: Kann man das Problem allgemeiner lösen? yy Annahmen hinterfragen: Auf welchen (eventuell zweifelhaften) Annahmen beruhen unsere bisherigen Überlegungen? yy Blick zurück: Wie machte man es früher? Wie haben wir so etwas vorher schon gelöst? 192

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten ­|  Kap. 7

yy Aus der eigenen Erfahrung lernen: Was hat sich bewährt? Können wir Komponenten bisheriger Lösungen verwenden? Welchen Fehler wollen wir nicht noch einmal machen? yy Blick nach vorn: Wie würde man es später machen? yy Imitieren: Wie machen es andere? yy Spekulieren: Was wäre, wenn …? yy Assoziationen wecken: Welche Ideen und Eindrücke gewinnen wir, wenn wir über eine verwandte Frage nachdenken? yy Analogien entwickeln: Gibt es Vorbilder für eine Problemlösung aus anderen Lebensbereichen? yy Provozieren: Unser Denken durch herausfordernde Aussagen ins Ungleichgewicht bringen. yy Vermischen: Gedanken, Lösungen mixen. yy Thema wechseln: Ein anderes Thema (Problem) zuerst bearbeiten. yy Tabula rasa: Alles vergessen, aus der Leere neu beginnen. Beispiel 7

Besonders wirkungsvoll sind häufig mentale Provokationen: willkürliche, herausfor­ dernde Aussagen, die verunsichern und unser Denken „aufrütteln“ sollen. Das kön­ nen Umkehrungen sein („Alle Arbeiter sollten dafür bezahlen, dass sie hier arbeiten dürfen.“), Übertreibungen („Jeder Ihrer Angestellten erhält 200 Tage Urlaub im Jahr.“), Zerrbilder („Der Betriebsrat legt die Dividende fest.“) oder Wunschbilder („Die Arbeit erledigt sich von alleine.“). Situationsgerecht eingesetzt, können solche Provokationen manchmal gerade durch die in ihnen liegende Komik dazu beitragen, etablierte Denkmuster zu durchbrechen bzw. eine bestimmte Problemsicht zu rela­ tivieren. Während eines Mediationsverfahrens anlässlich eines erbittert geführten Streits zwischen mehreren Gesellschaftern eines mittelständischen Unternehmens äußerte ein Beteiligter in einem Einzelgespräch mit dem Mediator, sein Partner habe sich nicht genügend für die Firma eingesetzt und sei „unfähig“. Der Mediator antwor­ tete wie folgt: „Sie haben also den Eindruck, sich einen inkompetenten, unwilligen, rückständigen und das Unternehmen ruinierenden Geschäftspartner ausgesucht zu haben, mit dem eigentlich überhaupt niemand, und erst recht kein vernünftiger Mensch, zusammenarbeiten kann“ (Übertreibungs-Provokation). Der Beteiligte be­ gann sogleich, seine Äußerung zu relativieren und „gute“ Seiten seines Partners zu entdecken. Verfahrensstruktur oder Vorgehensweise verändern Genauso, wie Sie eine Blockade möglicherweise durch eine inhaltliche Veränderung auf der Problemebene auflösen können, bringen Sie auch durch eine Veränderung der Verfahrensstruktur (Vorgehensweise auf der Prozessebene) neue Bewegung in die Me­ diation. Sie haben bis jetzt mit den Beteiligten nur gemeinsam verhandelt? Erwägen Sie die Durchführung von Einzelgesprächen (dazu Kapitel 9), oder schlagen Sie ande­ 193

Teil II ­|  Methode der Mediation

re Verhandlungskonstellationen vor (weniger Beteiligte, mehr Beteiligte). Sie haben immer in demselben Raum gearbeitet? Denken Sie über eine Variierung des Ver­ handlungsortes nach, einen Umgebungswechsel  – verhandeln und mediieren kann man auch unter freiem Himmel. Auch wenn Sie in demselben Raum bleiben: Ändern sie die räumliche Anordnung der Tische (aus einem U wird zum Beispiel ein Block, oder die Beteiligten rücken mit ihren Stühlen vor einer gemeinsam bearbeiteten Pin­ wand zusammen). Statt zu sitzen, lassen Sie die Beteiligten aufstehen und so gemein­ sam weiterarbeiten. Erwägen Sie, Ihren Verhandlungsstil zu modifizieren und dies durch nonverbale und verbale Signale deutlich zu machen (stimmliche Signale, Er­ munterungen etc.). Die Beteiligten sind müde? Schlagen Sie eine Pause vor. Schöpferische Pausen sind auch als routinemäßige Unterbrechung sinnvoll: „Wir gönnen uns jetzt zwei Stunden, um in angenehmer Atmosphäre über diese Frage nochmals ganz neu nachzudenken“. Erwägen Sie, etwas gemeinsam zu unternehmen, um dann mit neuer Energie an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Auch kleine Gedanken­ übungen oder Spiele, die zu „abseitigem“ Denken anregen (brainteasers), steigern im Einzelfall möglicherweise die Kreativität.283 Welchen Einfluss solche scheinbaren Äu­ ßerlichkeiten haben können, wissen wir aus der Politik. Die entscheidende Frage der deutschen Wiedervereinigung, die Zugehörigkeit des vereinten Deutschlands zur NATO, wurde zwischen Helmut Kohl und Michail Gorbatschow im Juli 1990 bei Spa­ ziergängen am Fluss Selemtschuk im verschlafenen Kaukasusdorf Archys geklärt.

Einigungsoptionen konkretisieren und bewerten Kreativität hilft bei der Entdeckung neuer Ideen und damit bei der effektiven Nut­ zung von Wertschöpfungspotentialen. Eine vage Idee ist jedoch etwas anderes als ein ausgearbeiteter, abstimmungsreifer Vorschlag. Nicht jede Idee lässt sich im Übrigen realisieren, und nicht jede realisierbare Idee dient den Interessen der Beteiligten gleich gut. Aus unkonturierten Ideen müssen denkbare Einigungsoptionen entwi­ ckelt, und diese müssen geordnet und bewertet werden. Ideen und Einigungsoptionen Wenn Sie als Mediator mit den Beteiligten ein Brainstorming oder eine andere Krea­ tivitätsübung durchführen, dann wird es Ihnen im besten Fall gelingen, eine Vielzahl neuer Möglichkeiten zu entdecken, Vorstellungen und Ideen zu generieren. Als Ver­ handlungsgegenstand und damit auch für die Mediation relevant sind die entspre­ chenden Möglichkeiten, Vorstellungen und Ideen letztlich jedoch nur, wenn sie so konkret formuliert werden, dass sie potentiell zur Abstimmung gestellt werden kön­ nen. Eine Einigungsoption ist ein Vorschlag, zu dem die Beteiligten „ja“ oder „nein“ sagen können. Der Weg von einer vagen Idee zu einer konkreten Einigungsoption kann sehr weit sein. Hier sind Sie als Mediator gefordert, durch gezielte Fragen den Betei­ ligten zu helfen, konkreter und umsetzungsorientiert zu denken, aus Stichworten Maßnahmen oder Projektbeschreibungen zu entwickeln: „Sie haben vorgeschlagen, dass man auch bei einer Auflösung der Gesellschaft weiter zusammenarbeiten könne. Welche Form der Zusammenarbeit stellen Sie sich vor? An welche Art von Projekten 194

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten ­|  Kap. 7

denken Sie? Wann könnte das erste Projekt stattfinden? Wer sollte daran beteiligt sein? Bis wann sollte es fertiggestellt werden?“ Helfen Sie den Beteiligten, tatsächlich Vorschläge auf den Verhandlungstisch zu bringen. Ordnen von Einigungsoptionen Bewerten lassen sich entsprechende Vorschläge erst, wenn man sie vorher geordnet hat. In einer komplexen Mediation (viele Themen, viele Beteiligte) ist nicht zu erwar­ ten, dass die zur Diskussion gestellten, denkbaren Einigungsoptionen alle auf einer Ebene liegen. Manche dieser Einigungsoptionen werden nur einzelne Themen oder Fragestellungen betreffen, andere demgegenüber möglicherweise eine Gesamtlösung ins Auge fassen. Einzelne Lösungsvorschläge werden von der Realisierung bestimm­ ter Voraussetzungen abhängig sein. Unterstützen Sie die Beteiligten dabei, die Zu­ sammenhänge zwischen vorgeschlagenen Einigungsoptionen zu sehen und diese zu ordnen. Erleichtert wird Ihnen dies durch eine intelligente Visualisierung dieser Zusammen­ hänge, etwa mit Hilfe von Flipcharts oder Moderationskarten. Letztere haben insoweit den Vorteil, dass sie sich leicht „reorganisieren“ lassen: Wenn im Zuge der Diskussion bestimmter Einigungsoptionen neue Gesichtspunkte auftauchen, ursprüngliche Zu­ sammenhänge revidiert und andere gesehen bzw. geschaffen werden, lässt sich dieser Weiterentwicklungsprozess durch eine neue Zusammenstellung der Karten leicht und übersichtlich visualisieren. Bei beschriebenen Flipcharts ist das zumeist nicht so einfach möglich. Bewerten von Einigungsoptionen Regelmäßig die schwierigste Aufgabe im Prozess der Konkretisierung und Bewertung von Einigungsoptionen ist natürlich der letzte Part: die Evaluierung von Lösungsvor­ schlägen. Bewerten kann man auf der Grundlage unterschiedlicher Kriterien. So kann man sich fragen, ob eine bestimmte Lösung gerecht bzw. fair ist. Diese Frage werden wir uns in dem nächsten Kapitel stellen. Man kann und muss sich aber auch fragen, ob ein Vorschlag erstens überhaupt realisierbar (umsetzbar) und zweitens möglichst effizient in dem Sinne ist, dass er die denkbaren Wertschöpfungspotentiale umfassend ausschöpft. Um diese Fragen zu beantworten, können Sie als Mediator unterschiedlich anspruchsvolle Methoden vorschlagen bzw. durchführen. Am einfachsten ist sicherlich die PMI-Methode: Dabei handelt es sich um eine Samm­ lung von Plus-Punkten (P), Minus-Punkten (M) sowie interessanten Punkten (I) ei­ nes bestimmen Vorschlags. Ähnlich wie beim Brainstorming kann und sollte insoweit ein zeitlich begrenzter, „kollektiver Suchvorgang“ erfolgen, wobei sich die Reihenfol­ ge Plus-Minus-Interessant bewährt hat. Gegebenenfalls lässt sich der Bewertungsvor­ gang noch verfeinern, etwa indem den einzelnen PMI-Punkten Gewichtungsfaktoren (von eins bis drei) zugeordnet werden. Die PMI-Methode hat den Vorteil, dass sie auch bei der Bewertung von Einigungsoptionen Raum für kreative Einfälle lässt. Nachteilig ist, dass dieser Bewertungsvorgang die entscheidenden Fragen nach der 195

Teil II ­|  Methode der Mediation

Realisierbarkeit und der Effizienz bestimmter Vorschläge nicht notwendig beantwor­ tet. Auch ist das Plus des einen natürlich häufig das Minus des anderen und umge­ kehrt. Aus diesen Gründen wird es häufig hilfreicher sein, wenn dem Bewertungsvorgang eine Reihe von präzise formulierten Prüffragen zugrunde gelegt wird (vgl. Beispiel 8). Diese Fragen sind im Hinblick auf jeden einzelnen Vorschlag zu stellen und sukzessi­ ve „abzuarbeiten“. So wird eine strukturierte und möglichst vollständige Evaluation der zur Diskussion stehenden Einigungsoptionen gefördert. „„ Prüffragen yy Realisierbarkeit: Lässt sich der Vorschlag umsetzen? Welche Probleme, Sachzwänge und Widerstände sind bei seiner Verwirklichung zu erwarten? Gibt es Partner oder Verbündete, die bei der Realisierung helfen können? Wie sähen die ersten Umsetzungsschritte aus (Ablaufplan)? yy Effizienz: Wie gut dient der Vorschlag den Interessen der Beteiligten? Wurden sämtliche Wertschöpfungspotentiale realisiert (Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Skaleneffekte)? Welche Folgewirkungen sind bei einer Umsetzung zu erwarten („vernetzter Zusammenhang“), und wie sind diese zu bewerten? Beispiel 8

Ob ein Vorschlag tatsächlich alle Wertschöpfungspotentiale ausnutzt oder nicht, hängt maßgeblich von den Interessen der Beteiligten und ihrer relativen Gewichtung ab. Dabei nutzen Sie als Mediator nun das in der Phase der Interessenerforschung gesammelte „Fundament“. Welche der jetzt zur Diskussion stehenden Lösungsansät­ ze befriedigen welche Interessen der Beteiligten in welchem Maße? Wie müsste ein Vorschlag noch verändert oder verfeinert werden, damit er bestimmte gewichtige In­ teressen möglichst vollständig abdeckt? Was könnte zur Befriedigung des Interesses ABC der einen Seite, was zur Befriedigung des Interesses XYZ der anderen Seite getan werden? Was wären jeweils interessengerechte Gegenleistungen? Um zu ermitteln, in welchem Maß welche Interessen von bestimmten Vorschlägen abgedeckt werden, können Sie mit Punktesystemen arbeiten: Jeder Beteiligte erhält z.B. eine bestimmte Anzahl von Punkten, die er nach seinen Präferenzen auf die (noch) in der Diskussion befindlichen Einigungsoptionen verteilen kann. Ein ande­ rer Ansatz ist der, zunächst abstrakt gemäß den eigenen Präferenzen zu ermitteln, welches Interesse aus einer fixen Punktmenge wie viele Punkte erhält (vgl. hierzu schon Kapitel 6). Sodann werden bestimmte Vorschläge daraufhin untersucht, in wel­ chem Maße sie welches Interesse befriedigen würden. So lässt sich schnell ermitteln, welchen „Punktestand“ ein Beteiligter bezogen auf seine Interessen bei Realisierung eines bestimmten Vorschlags erhalten und wie demgegenüber der „Punktestand“ des oder der anderen Beteiligten ausfallen würde. In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Software-Instrumenten entwickelt wor­ den, die auf dieser oder einer ähnlichen Basis helfen können, Effizienzpotentiale zu realisieren.284 Das Haupteinsatzfeld dieser Instrumente liegt im Bereich der online 196

Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten ­|  Kap. 7

dispute resolution, also im Rahmen einer Streitbeilegung unter Nutzung elektroni­ scher Datennetze. Aber auch offline können solche Programme zur Optionenbewer­ tung Verwendung finden. Besonders vielversprechend erscheint insbesondere das System Smartsettle (vgl. Beispiel 9). Ein anderes Werkzeug zur Optionenbewertung, das neben einer möglichst gerechten Verteilung zumindest auch eine möglichst effi­ ziente Verteilung anstrebt, werden wir im nächsten Kapitel vorstellen: die sogenannte adjusted winner strategy. „„ Smartsettle (https://smartsettle.com)285 Smartsettle hilft den Beteiligten, ihre Präferenzen bezüglich verschiedener Lösungsoptionen und ‑pakete in kardinale Nutzenpunkte zu überführen. Dabei erfährt die jeweils andere Seite nicht, welche Punkte ein Beteiligter vergibt: Auf diese Weise lassen sich strategische Barrieren abbauen. Durch die Abbildung der individuellen Präferenzstrukturen kann das System den Gesamtnutzen für jedes beliebig zusammengesetzte Lösungspaket errechnen. Dies ermöglicht es den Parteien, ohne großen Zeitaufwand beliebig viele Lösungspakete durchzuspielen und zu vergleichen. Es hilft ihnen damit, selbst bei sehr komplexen Konflikten mit vielen Konfliktgegenständen und Lösungsoptionen den Überblick zu behalten. Überdies kann das Programm auf der Basis dieser Daten selbst optimale (wertmaximierende) Lösungspakete erarbeiten und vorschlagen. Beispiel 9

Zusammenfassung Die Entwicklung und Bewertung von Lösungsmöglichkeiten stehen im Zentrum ei­ ner jeden Mediation. Bei der Entwicklung von Einigungsoptionen kommt es vor al­ lem darauf an, Wertschöpfungspotentiale (Effizienzpotentiale) zu nutzen: Was können wir tun, um zu vermeiden, dass am Ende mögliche Gewinne für alle Beteiligten auf dem Verhandlungstisch liegenbleiben? Wertschöpfung ist in Verhandlungen varian­ tenreich möglich: Nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch und gerade Unterschie­ de zwischen den Parteien lassen sich für allseits vorteilhafte Tauschgeschäfte ausnut­ zen. Darüber hinaus können Größenvorteile (Skaleneffekte) zu Effizienzgewinnen führen. Ob entsprechende Wertschöpfungspotentiale in einer Mediation realisiert werden oder nicht, hängt maßgeblich von der Kreativität der Beteiligten ab. Der Mediator ist in dieser Phase nicht so sehr als Vermittler, sondern vielmehr als motivierende Kraft, als Ideengeber sowie als Organisator und Katalysator kreativer Prozesse gefordert. Kreativität lässt sich entwickeln, und ein guter Mediator wird den Beteiligten unter Einsatz entsprechender Techniken (etwa Brainstorming, Brainwriting, Mindmapping, 6‑Hüte-Methode etc.) helfen, das in ihnen schlummernde Kreativitätspotential voll zu entfalten. Lösungsmöglichkeiten müssen aber nicht nur entwickelt, sie müssen auch konkreti­ siert, geordnet und bewertet werden. Hier sind nicht so sehr die Kreativität der Betei­ 197

Teil II ­|  Methode der Mediation

ligten, als vielmehr ihr kritischer Geist und ihre Genauigkeit gefordert. Relevant für die Bewertung von Einigungsoptionen sind zum einen ihre Realisierbarkeit und zum anderen ihre Effizienz, hier verstanden als die größtmögliche Verwirklichung der In­ teressen aller Beteiligten. Beiden Eigenschaften lässt sich mit Hilfe strukturierter Prüffragen auf die Spur kommen. Zudem stehen einschlägige Software-Werkzeuge als Bewertungsinstrumente zur Verfügung. Natürlich wird die Akzeptanz einer be­ stimmten Einigungsoption auch und gerade davon abhängen, ob sie von den Beteilig­ ten als gerecht bzw. fair angesehen wird. Dabei handelt es sich freilich um einen so wichtigen Gesichtspunkt, dass er ein eigenes Kapitel verdient hat.

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Kapitel 8 Verteilungsprozesse effizient gestalten Stellen Sie sich vor, Ihre wohlhabende Tante hätte Ihnen und Ihrer Schwester zusam­ men 1 Million Euro vererbt. Allerdings stehe die Erbeinsetzung unter einer Bedin­ gung: Sie müssen Ihrer Schwester ein beliebiges Angebot machen, wie das Geld zwi­ schen Ihnen beiden aufgeteilt werden soll (Einheit: 1 Euro). Nimmt diese das Angebot an, so gilt die von Ihnen vorgeschlagene Verteilung. Lehnt Ihre Schwester ab, geht die ganze Erbschaft an das Rote Kreuz. Welche Verteilung schlagen Sie Ihrer Schwester vor? Und wozu würden Sie – als Ihre Schwester – noch „Ja“ sagen? Aus ökonomischer Sicht scheint die Antwort auf beide Fragen denkbar einfach zu sein: Sie schlagen vor, dass Sie 999.999 Euro bekommen und bieten Ihrer Schwester 1 Euro an. Ihre Schwester wird dieses Angebot bei rationalem Verhalten offenbar an­ nehmen: 1 Euro ist besser als kein Euro. Tatsächlich hat eine Vielzahl von Experimen­ ten jedoch gezeigt, dass die Realität anders aussieht: Die Mehrzahl der Vorschlagen­ den gewährt der Gegenseite einen beachtlichen Anteil der Gesamtsumme (häufig: 1/3 oder 1/2). Wenn Minimalbeträge vorgeschlagen werden, wird das Angebot mehrheit­ lich abgelehnt.286 Die naheliegende – und zutreffende – Interpretation dieses Ergebnisses lautet: Nicht nur der eigene ökonomische Vorteil, sondern auch und gerade die (wahrgenomme­ ne) Fairness287 einer bestimmten Lösung sind entscheidend für ihre Beurteilung. Das gilt in dem soeben diskutierten Spiel ebenso wie in jeder Mediation: Eine Einigungs­ option, die ein Beteiligter als unfair empfindet, wird er in der Regel ablehnen. Selbst wenn er sie einmal – aus welchen Gründen auch immer – akzeptiert, wird er später möglicherweise nach Mitteln und Wegen suchen, das zunächst gefundene Ergebnis wieder in Frage zu stellen. Das Auffinden fairer Lösungen in einer Mediation ist aber nicht nur wichtig. Es ist häufig auch sehr schwierig. Während alle Beteiligten ein gemeinsames Interesse dar­ an haben, den zur Verteilung anstehenden „Kuchen“ so weit wie möglich zu vergrö­ ßern, sind ihre Interessen diametral entgegengesetzt, soweit es um die Aufteilung dieses „Kuchens“ geht: Jeder möchte sich natürlich ein möglichst großes „Stück“ si­ chern. Das geht anscheinend nur, indem ein anderer auf gerade dieses „Stück“ ver­ zichtet. Als Mediator sind Sie in dieser Phase der Mediation besonders gefordert. Rechnen Sie mit hoher Emotionalität aller Beteiligten und auch mit Streit: Es wird jetzt gewisser­ maßen ernst. Welche Taktiken strategischen Verhaltens werden die Konfliktparteien anwenden, um ihren persönlichen Vorteil zu maximieren? Wie können und sollten Sie diesen Taktiken begegnen? Was können Sie tun, um Verteilungsprozesse effizient zu gestalten, so dass möglichst kein Wert vernichtet wird? Welche materiellen Vertei­ lungskriterien lassen sich in die Verhandlungen einführen? Welche Verteilungsver­ fahren kommen in Betracht? Das sind die Fragen, mit denen wir uns in diesem Kapi­ 199

Teil II ­|  Methode der Mediation

tel beschäftigen wollen. In einer fairen und ressourcenschonenden Gestaltung von Verteilungsprozessen liegt eine wichtige Chance für die Mediation und eine zentrale Aufgabe eines jeden Mediators.

Wertverteilung und distributives Verhandeln Im letzten Kapitel haben wir gezeigt, worum es bei der Entwicklung von Einigungs­ optionen hauptsächlich geht: Wertschöpfungspotentiale müssen erkannt und genutzt werden, mögliche Gewinne für alle Beteiligten sollten nicht auf dem Verhandlungs­ tisch liegenbleiben. Die Zielsetzung distributiven Verhandelns ist eine andere: Nicht die Maximierung des Gesamtgewinns, sondern diejenige des eigenen Anteils hieran steht im Vordergrund. Praktisch jede reale Verhandlungssituation besitzt auch diese Dimension. Betrachten wir Abbildung 1, die in ähnlicher Form bereits in Kapitel 7 dargestellt wurde. Während Albert eine Lösung möglichst weit „östlich“ auf der Pare­ to-Kurve bevorzugt (etwa Punkt X), strebt Billa „nach Norden“ (etwa zu Punkt Y). Billa würde sogar die Lösung Z der Lösung X vorziehen, obwohl Z ineffizient ist (Wert verschenkt). Gleiches gilt umgekehrt für Albert: Er würde Z gegenüber Y prä­ ferieren.

Y

Wert für Billa

Distributives Verhandeln X

Z

0

Wert für Albert

Abbildung 1: Distributives Verhandeln Die Taktiken, die die Beteiligten einsetzen, um ihren persönlichen Vorteil zu maxi­ mieren, sind zahlreich. Manche sind harmlos, andere bergen ein erhebliches Eskala­ tionspotential und damit auch eine große Gefahr der Wertvernichtung in sich. Als Mediator müssen Sie wissen, was gerade „gespielt“ wird, und Sie müssen in bestimm­ ten Situationen auch gezielt gegensteuern bzw. bestimmte Taktiken neutralisieren.

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Verteilungsprozesse effizient gestalten ­|  Kap. 8

Veränderung der (wahrgenommenen) Nichteinigungsalternativen Erfolg in Verhandlungen hängt zu einem großen Teil davon ab, über welche Hand­ lungsmöglichkeiten wir verfügen, wenn wir uns mit der anderen Seite nicht einigen (sogenannte Nichteinigungsalternativen). Je besser die eigenen Nichteinigungsalter­ nativen im Verhältnis zu denen unseres Verhandlungspartners sind, desto besser wer­ den wir abschneiden.288 Die vielleicht wirkungsvollste Taktik distributiven Verhan­ delns hat deshalb zum Ziel, die eigenen Nichteinigungsalternativen zu verbessern und diejenigen der Gegenseite zu verschlechtern: Die an einem heraufziehenden Ta­ rifkonflikt beteiligte Gewerkschaft baut eine Streikkasse auf und mobilisiert die Pres­ se gegen etwaige Aussperrungsaktionen der Arbeitgeberseite. Im Grundsatz handelt es sich hier um ein legitimes Mittel strategischen Verhaltens, das Sie als Mediator re­ gelmäßig weder unterbinden können noch sollten. Eine Ihrer Aufgaben liegt jedoch darin, den Beteiligten ein möglichst realistisches (nicht durch Optimismus verzerrtes) Bild ihrer Nichteinigungsalternativen zu vermitteln. Denn wer seine Nichteinigungs­ alternativen überschätzt, „pokert“ zu hoch und lässt dadurch die Verhandlung mög­ licherweise scheitern. Damit werden wir uns ausführlich in Kapitel 9 beschäftigen. Ausschluss unerwünschter Einigungsoptionen durch Selbstbindung Eine aggressivere Taktik als die „Arbeit an den Nichteinigungsalternativen“ ist der Ausschluss unerwünschter Einigungsoptionen durch Selbstbindung (commitment). Es entspricht einer verbreiteten Meinung, dass es in Verhandlungs- oder Konfliktsi­ tuationen von Vorteil ist, jederzeit flexibel auf Handlungen bzw. Taktiken der Gegen­ seite reagieren zu können. Tatsächlich kann es jedoch bisweilen besser sein, über gar keine Flexibilität mehr zu verfügen.289 Wenn etwa zwei Lastwagenfahrer aufeinander zu rasen und der Ausweichende als „Hasenfuß“ das Spiel verliert, maximiert derjeni­ ge seine Gewinnchancen, der – für den anderen sichtbar – sein Steuerrad herausreißt und aus dem Fenster wirft: Jetzt kann nur noch der andere ausweichen. Solche Taktiken sind weit verbreitet: das Abschneiden von Kommunikationslinien nach Abgabe eines befristeten Angebots, Rücktrittsdrohungen für den Fall der Ableh­ nung eines bestimmten Vorschlags, Rückstellungen für Schadensersatzleistungen in einer bestimmten Höhe, Aufsichtsratsbeschlüsse, die den Umfang von Sanierungsbei­ trägen begrenzen  – immer geht es darum, durch eine (scheinbar) unwiderrufliche Selbstbindung der anderen Seite ein Verhalten aufzuzwingen, das für einen selbst op­ timal ist. „„ Er muss gehen! Aber wohin? Ein aufsehenerregendes Beispiel für Selbstbindungen auf beiden Seiten ließ sich im September 2018 in den politischen Diskussionen um den Verbleib von Hans-Georg Maaßen an der Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz beobachten. Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles legte sich frühzeitig öffentlich fest: „Herr Maaßen muss gehen, und ich sage Euch, er wird gehen!“290 Maaßen wiederum genoss die volle Rückendeckung des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und berief sich darauf: „Horst Seehofer hat mir gesagt, wenn ich falle, dann fällt er auch.“291 201

Teil II ­|  Methode der Mediation Festlegungen wie diese provozieren neue Festlegungen und führen mit hoher Wahrscheinichkeit zu einer Eskalation. In der Causa Maaßen ließ sich ein Koalitionsbruch nur noch durch einen Formelkompromiss abwenden, wonach Maaßen als Staatssekretär bzw. Sonderberater ins Bundesinnenministerium wechseln sollte (was letztlich nur deshalb nicht erfolgte, da Maaßen infolge zweifelhafter öffentlicher Äußerungen in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde). Beispiel 1

Wie gehen Sie als Mediator mit entsprechenden Taktiken um? Commitment-Strategi­ en besitzen ein erhebliches Eskalationspotential: Wenn der Verhandlungspartner die Selbstbindung seines Gegenübers nicht wahrnimmt, wenn er sie nicht ernst nimmt, wenn er irrational handelt, oder wenn die Folgen eines „trotzigen“ Verhaltens für ihn weniger schlimm sind als erwartet und er sich deshalb auf den angebotenen Schlagab­ tausch einlässt, droht eine für alle Beteiligten gefährliche Situation. Als Mediator soll­ ten Sie deshalb darauf hinwirken, dass die Beteiligten die Anwendung entsprechender Selbstbindungstaktiken unterlassen. Indem sie den Verhandlungsraum verkleinern, widersprechen sie dem Geist der Mediation und in der Regel auch der durch alle Be­ teiligten in der Mediationsvereinbarung eingegangenen Verpflichtung, den Mediati­ onsprozess durch einen von Offenheit geprägten Kommunikations- und Verhand­ lungsstil zu fördern. Selbstbindungstaktiken verringern zudem massiv die Aussichten auf eine gütliche Konfliktbeilegung. Als Hüter der Integrität des Mediationsverfah­ rens haben Sie als Mediator die Legitimation und den Auftrag, korrigierend einzu­ greifen und das Verhandlungsgeschehen wieder in konstruktivere Bahnen zu lenken. Keinesfalls dürfen Sie sich zum „Handlanger“ einer beabsichtigten Selbstbindung machen lassen (vgl. Beispiel 2). „„ Der Mediator als Bote einer Selbstbindung? Im Rahmen eines von einem der Autoren als Mediator durchgeführten Mediationsverfahrens anlässlich eines gescheiterten Unternehmenskaufs geschah Folgendes: Zu Beginn des dritten Verhandlungstages ersuchte der Vorstandsvorsitzende der Partei, von der Schadensersatz verlangt wurde, den Mediator um ein Einzelgespräch. In diesem Gespräch äußerte er sich in etwa wie folgt: „Wir erkennen an, dass es in den letzten beiden Tagen gewisse Fortschritte gegeben hat. Gleichzeitig haben wir das Gefühl, dass die Verhandlungen festgefahren sind und die Gegenseite an ihren überzogenen Forderungen festhält. Wir haben uns deshalb ein faires, letztes Vergleichsangebot überlegt, das wir der Gegenseite unterbreiten möchten. Schon unsere bisherigen Zugeständnisse gehen weit über das Limit hinaus, das wir uns ursprünglich gesetzt hatten – noch weiter können und werden wir nicht gehen. Die Details sind handschriftlich skizziert worden. Ich möchte Sie bitten, der Gegenseite diesen Umschlag zu überreichen, in dem sich unser Vergleichsangebot befindet. Wenn damit Einverständnis besteht, kommen wir zusammen; sonst ist die Mediation gescheitert.“ Der Vorstandsvorsitzende reichte dem Mediator den Umschlag. Diesen Umschlag durfte der Mediator nicht annehmen: Erstens hätte er sich damit zum Handlanger einer Seite gemacht und seine Neutralität kompromittiert. Zweitens wäre es zu ei202

Verteilungsprozesse effizient gestalten ­|  Kap. 8

ner eskalationsträchtigen, unwiderruflichen Selbstbindung gekommen. Infolgedessen erinnerte der Mediator den Vorstandsvorsitzenden daran, dass es mit seiner Rolle als Mediator nicht vereinbar wäre, wenn er das „letzte Angebot“ überbrächte. Auch wies er darauf hin, dass entsprechende Angebote die Suche nach interessengerechten Einigungsoptionen behindern und deswegen nicht unterbreitet werden sollten. Man habe für den dritten Tag vorab ein bestimmtes, sinnvolles Vorgehen vereinbart, nämlich die Fortsetzung einer begonnenen Prozessrisikoanalyse, und daran sollten sich alle Beteiligten jetzt auch halten. Die Hand mit dem Umschlag wurde zurückgezogen. Schlussendlich führte die Mediation nach Abschluss der Prozessrisikoanalyse, weiteren Einzelgesprächen und direkten Verhandlungen der führenden Unternehmensvertreter unter Moderierung des Mediators (ohne Beteiligung der Rechtsanwälte) zu einer Einigung der Konfliktparteien. Beispiel 2

Werfen von Wahrnehmungsankern Ebenfalls im Zusammenhang mit der „Manipulation von Einigungsoptionen“ stehen Versuche, die Wahrnehmung des Verhandlungspartners auf bestimmte Lösungen zu lenken  – und damit von anderen abzulenken  – oder dessen Erwartungsniveau zu beeinflussen. So wirkt das erstmalige Nennen eines bestimmten Preises (einer be­ stimmten Zahl) häufig wie ein „Anker“ für die weiteren Verhandlungen (anchoring): Auch wenn der genannte Preis objektiv keine größere Legitimation für sich beanspru­ chen kann als andere, zieht er doch die Aufmerksamkeit der Beteiligten auf sich: Man redet über diesen Preis.292 Gleichzeitig wird das Erwartungsniveau des Verhandlungs­ partners beeinflusst: Mehr als gewisse Zugeständnisse von dem festgelegten Preis­ niveau sind offenbar nicht zu erreichen. Ähnlich wie die Veränderung der Nichteinigungsalternativen ist das Arbeiten mit Wahrnehmungsankern ein grundsätzlich legitimes Mittel strategischen Verhaltens. Als Mediator werden Sie denjenigen, der entsprechende Anker wirft, einladen, Inter­ essen und/oder Kriterien vorzutragen, die „hinter“ der artikulierten Position stehen („Wenn ich Sie richtig verstanden habe, halten Sie jede Schadensersatzzahlung von weniger als 100.000 Euro für nicht angemessen. Dieser Betrag ist natürlich denkbar. Auch ein noch höherer Betrag wäre denkbar ebenso wie ein niedrigerer. Anhand wel­ cher Kriterien sollten wir beurteilen, welcher Betrag angemessen ist?“). Damit wer­ den wir uns sogleich noch ausführlicher beschäftigen. Kritisch werden Wahrnehmungsanker, wenn sie in Form eines „Friss oder Stirb“-An­ gebots in die Mediation eingeführt werden („Ich mache Ihnen jetzt ein überaus faires Angebot, über das ich nicht mehr feilsche. Wenn Sie 100.000 Euro zahlen, ist die Sa­ che aus der Welt. Mehr verlange ich nicht, weniger akzeptiere ich nicht.“). Solche Angebote werden mit der Attitüde einer unwiderruflichen Selbstbindung formuliert. Deshalb sollten Sie als Mediator auf sie auch entsprechend reagieren: Machen Sie deutlich, dass ein derartiges Verhalten in der Mediation kontraproduktiv ist und un­ terlassen werden sollte. Denn mit solchen „letzten“ Angeboten kann sich die betref­ fende Partei schnell in eine für sie ausweglose Sackgasse manövrieren: Je höher der 203

Teil II ­|  Methode der Mediation

Anker geworfen wird, und je größer die Differenz zwischen den beiden Verhand­ lungspositionen ist, umso schwieriger wird es für die Partei, die sich „weit aus dem Fenster gelehnt“ hat, von der einmal eingenommenen Position ohne Gesichtsverlust wieder abzurücken. Eine Einigung kann so erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden. Sie können die so entstandene Blockade aufbrechen, indem Sie das „Thema wechseln“ und die Aufmerksamkeit der Parteien auf die gegenseitigen Interessen und Nichteinigungsalternativen lenken (debiasing). Durch damit einhergehenden Pers­ pektivwechsel lassen sich die wahrnehmungsverzerrenden Auswirkungen des Ankers weitgehend ausgleichen.293 Oft hilft es, hierzu etwas Humor einzusetzen und so einer Partei ohne Gesichtsverlust aus der Ecke zu helfen, in die sie sich durch ihr „letztes Angebot“ gerade zu verbarrikadieren droht: „Erfahrungsgemäß ist ja das letzte Ange­ bot stets das letzte bis zum nächsten. Lassen Sie uns doch daher für einen Moment noch einmal betrachten, was Sie zuvor als Ihnen besonders wichtig in dieser Ausein­ andersetzung identifiziert haben.“ Täuschung über Interessen und/oder Nichteinigungsalternativen Nicht nur eskalationsträchtig, sondern auch unter ethischen und rechtlichen Ge­ sichtspunkten (höchst) bedenklich sind Täuschungen, etwa über Interessen oder Nichteinigungsalternativen. Über Interessen wird beispielsweise getäuscht, wenn Scheinzugeständnisse gemacht werden: Ein Verhandlungspartner gibt im Hinblick auf einen Verhandlungsgegenstand etwas auf, was ihm nur scheinbar wichtig ist, um sich damit bei einem anderen Verhandlungsgegenstand Vorteile „zu erkaufen“. Täuschun­ gen über Nichteinigungsalternativen reichen vom vergleichsweise harmlosen Bluff – während der Verhandlungen über die Fortsetzung eines Vertriebsvertrages trifft sich der Agent mit einem anderen Hersteller – bis zur krassen Lüge („Wenn wir uns nicht einigen können, werden wir noch heute mit ihrem Hauptwettbewerber abschlie­ ßen“ – dieser ist dazu jedoch definitiv nicht bereit bzw. es gibt nicht einmal entspre­ chende Verhandlungen.). Wenn Sie als Mediator den Eindruck haben, dass ein Beteiligter durch Täuschungen Sondervorteile erreichen möchte, können Sie an erster Stelle durch gezielte Fragen versuchen, Nachdenklichkeit bezüglich des eigenen Verhaltens auszulösen („Wie lan­ ge verhandeln Sie bereits mit dem Wettbewerber ihres Vertragspartners? Was macht dessen Angebot für Sie attraktiv? In welcher Hinsicht unterscheidet sich dieses Ange­ bot von den Konditionen des bestehenden Vertrags?“). Zumeist können Sie so dem Betreffenden signalisieren, dass sein Verhalten weder akzeptabel ist noch sein Ziel erreicht. In krassen Fällen werden Sie – sofern Sie sich sicher sind – das entsprechen­ de Verhalten in einem Einzelgespräch (Vermeidung eines Gesichtsverlustes) auch einmal thematisieren und auf seine Bedeutung bzw. mögliche Konsequenzen hinwei­ sen (Verletzung der Mediationsvereinbarung, mögliche Anfechtbarkeit einer etwai­ gen Abschlussvereinbarung etc.). Dabei sollten Sie durchaus mit der betroffenen Par­ tei „Klartext“ reden und ihr deutlich machen, dass sie sich mit einem derartigen Verhalten vor allem selbst schadet. Denn Täuschungen, Lügen und Manipulationen „fliegen“ in aller Regel früher oder später auf. Insoweit haben Lügen in der Tat „kurze Beine“. Abgesehen von erheblichen Reputationsschäden – bekanntlich sieht man sich 204

Verteilungsprozesse effizient gestalten ­|  Kap. 8

im Leben immer auch ein zweites Mal – gefährdet die betreffende Partei mit einer solchen Strategie vor allem das Ergebnis, das sie gerade erreichen will. Bemerkt näm­ lich die andere Seite, dass sie „über den Tisch gezogen“ worden ist, führt das nicht nur zu einer weiteren Eskalation des Konfliktes. Die getäuschte Partei wird das erschliche­ ne Ergebnis vor allem auch nicht anerkennen, sondern juristisch anfechten oder schlichtweg nicht umsetzen. Darüber hinaus hat ein derartiges Verhandlungsverhal­ ten häufig auch strafrechtliche Konsequenzen.294

Wege zur effizienten Gestaltung von Verteilungsprozessen Im letzten Abschnitt haben wir distributive Verhandlungstaktiken der Konfliktpartei­ en behandelt, mit denen Sie als Mediator rechnen müssen. Was aber können Sie selbst in dieser Rolle aktiv tun, um Verteilungsprozesse effizient zu steuern, so dass mög­ lichst kein Wert vernichtet und Eskalationsrisiken minimiert werden? Von zentraler Bedeutung ist insoweit zunächst Ihre Haltung. Keinesfalls sollten Sie den Beteiligten Ihr eigenes Wertesystem „überstülpen“. Als Mediator werden Sie vielmehr lediglich denkbare Möglichkeiten zur Bewältigung von Verteilungsproblemen ins Spiel brin­ gen (Verteilungskriterien bzw. ‑verfahren), um dann in einem diskursiven Prozess mit den Konfliktparteien den Verteilungsprozess auszuhandeln und zu gestalten – an dem Grundsatz der Eigenverantwortung der Konfliktparteien sollte nicht gerüttelt werden. Ähnlich wie in der Phase der Entwicklung denkbarer Einigungsoptionen ist auch bei der Gestaltung von Verteilungsprozessen der Einsatz von Kreativitätstech­ niken hilfreich, insbesondere in festgefahrenen Situationen: An welche Verteilungs­ kriterien bzw. ‑verfahren denken die Beteiligten gerade nicht, welche kommen gege­ benenfalls in Betracht, welche sind konsensfähig? Eine entsprechende Erweiterung des Lösungsraumes bewirkt nicht selten einen Perspektivenwechsel, der eine schwie­ rige Klippe in der Mediation zu überwinden hilft. Sich als Mediator bei der Auswahl von Verteilungskriterien bzw. ‑verfahren zurück­ zunehmen und „nur“ Anregungen im Hinblick auf die Gestaltung von Verteilungs­ prozessen zu geben sowie diese zu steuern, kann schwierig sein. Jeder Mediator wird Situationen erleben, in denen er das Gefühl hat, dass eine Seite dabei ist, sich in der Sache auf ein unvorteilhaftes und möglicherweise sogar (in den eigenen Augen) un­ gerechtes Verteilungskriterium bzw. ‑verfahren und als Folge auf ein entsprechend unvorteilhaftes Verfahrensergebnis einzulassen. Diese Spannung müssen Sie grund­ sätzlich aushalten: Mediation bringt die Konfliktparteien selbst „ans Ruder“ und gibt diesen damit ein sehr hohes Maß an Prozess- und Ergebnisverantwortung.295 Allerdings müssen Sie (nicht zuletzt infolge der entsprechenden gesetzlichen Pflicht aus § 2 Abs. 6 Satz 1 MediationsG) aufmerksam darauf achten, ob die Partei, die sich auf eine für sie eigentlich ungünstige Wertverteilung einlässt, ihre Entscheidung tat­ sächlich auf einer zutreffenden Informationsgrundlage trifft und ob sie in der Lage ist, für ihre Interessen auch in vollem Umfang selbst einzustehen. Denn eine Wertver­ teilung, die eine Seite deutlich übervorteilt, ist regelmäßig ein Indiz für Informations­ asymmetrie oder Machtungleichgewicht und damit für eine Einschränkung der tat­ sächlichen Privatautonomie der jeweiligen Partei. Eine bewusste Selbstschädigung ist 205

Teil II ­|  Methode der Mediation

irrational: Niemand wird freiwillig einer Lösung zustimmen, mit der er bewusst einen Nachteil in Kauf nimmt, ohne dass diesem ein Ausgleich gegenübersteht. Tut er dies doch, so liegt der Schluss nahe, dass die Entscheidung nicht auf hinreichender Infor­ mationsgrundlage getroffen wurde, dass die Konsequenzen des eigenen Handelns nicht in vollem Umfang reflektiert wurden, oder dass der Handelnde nur einge­ schränkt in der Lage ist, für seine Interessen effektiv einzustehen (self agency).296 Ist dies der Fall, sollten Sie – gegebenenfalls in einem Einzelgespräch – mit der betroffe­ nen Partei reden um herauszufinden, inwieweit ein Autonomiedefizit vorhanden ist. Sie können auch beiden Parteien noch einmal die Konsequenzen einer verbindlichen Einigung – nämlich eine regelmäßig nicht mehr lösbare Leistungsverpflichtung – vor Augen führen, ihnen nahelegen, sich noch einmal hinreichend über die rechtlichen und sachlichen Rahmenbedingungen zu informieren, beide Parteien über die wesent­ lichen Aspekte der Sach- und Rechtslage aufklären und mit ihnen die Möglichkeit der Beiziehung eines rechtlichen Beistands erörtern (vgl. auch hierzu die entsprechende gesetzliche Pflicht in § 2 Abs. 6 Satz 2 MediationsG).297 Dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt: Denn auf der einen Seite ist es nicht Ihre Aufgabe als Mediator, jegliche un­ vorteilhafte Wertverteilung auszugleichen und Ihre eigene Bewertung an die Stelle der privatautonomen Entscheidung der Parteien zu setzen. Auf der anderen Seite muss der Mediator als Hüter der Verfahrensintegrität und als Garant für eine Verwirklichung der Verfahrensziele, zu denen auch eine beiderseits als fair und interessenge­ recht empfundene Einigung gehört, sicherstellen, dass die Parteien ihre Einigungs­ entscheidung tatsächlich privatautonom und auf hinreichend informierter Grundlage getroffen haben. Die Neutralität und die Verfahrensverantwortung des Mediators gebieten in diesen Fällen gerade ein steuerndes Eingreifen. Lassen sich Machtun­ gleichgewichte bei absehbar grob unbilligen Ergebnissen nicht zumindest etwas aus­ gleichen, ist die Mediation nicht das geeignete Verfahren, um den Konflikt beizule­ gen. Hier sind die Parteien in einem rechtsförmlichen Verfahren besser aufgehoben. Die Mediation kann (und sollte) dann zugunsten eines gerichtlichen Entscheidungs­ verfahrens beendet werden.298 Informationsgrundlagen verbessern Eine Vielzahl von Verteilungsstreitigkeiten entsteht allein deshalb, weil die Beteiligten unterschiedliche Vorstellungen über (verteilungsrelevante) Sachverhaltsfragen ha­ ben. Wenn etwa ein Bauunternehmer der Überzeugung ist, dass das von ihm errich­ tete Bauwerk mangelfrei ausgeführt wurde, dann wird er in einem Schadensersatz­ streit mit dem Bauherrn natürlich zu keinen Zahlungen bereit sein. Nicht selten hat auch die Frage, wie bestimmte Vermögensgegenstände (z.B. Unternehmen oder Grundstücke) zu bewerten sind, in der Mediationspraxis eine zentrale Bedeutung: Man denke etwa an eine Auseinandersetzung zwischen mehreren Gesellschaftern, die über die Höhe der Abfindungszahlungen an den oder die Ausscheidenden streiten. Eine Verbesserung der Informationsgrundlagen kann dann die Einigungschancen er­ höhen.

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„„ Der London Approach Dieser Gesichtspunkt stand im Zentrum des sogenannten London Approach für die außergerichtliche Sanierung von Unternehmen. Seit den späten siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts hatte sich in London mit Unterstützung der englischen Zentralbank (Bank of England) ein Regelsystem für außergerichtliche (freie) Unternehmensreorganisationen entwickelt. Es ist juristisch nicht einklagbar und wird als London Approach bezeichnet.299 In seinem Rahmen agierte die englische Zen­ tralbank als Mediator in den Bankenverhandlungen über eine Finanzierung der ­Reorganisation und Fortführung eines notleidenden Unternehmens. Zu den wichtigsten Prinzipien des London Approach gehörte die Herstellung vollständiger Informationstransparenz: „Entscheidungen über die längerfristige Zukunft des Unternehmens werden nur auf der Grundlage zuverlässiger Informationen getroffen, die allen Bankengläubigern gleichermaßen in vollem Umfang zur Verfügung stehen.“300 Der London Approach war lange Zeit eine Erfolgsgeschichte, weil er sich in zahlreichen Unternehmensreorganisationen bewährte. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts hatte er allerdings durch die Fragmentierung der Bankenlandschaft und vor allem durch das Auftreten von Finanzinvestoren als maßgebliche Gläubiger stark an Bedeutung verloren. Inzwischen ist er Geschichte. Beispiel 3

Zur Verbesserung der Informationsgrundlagen in der Mediation gehört einerseits eine möglichst umfassende Mitteilung aller vorhandenen, entscheidungsrelevanten Informationen zwischen den Beteiligten. Dazu verpflichtet regelmäßig bereits die Mediationsvereinbarung, und Sie werden als Mediator darauf achten, dass die ent­ sprechenden Verpflichtungen auch eingehalten werden. Neben der Kommunikation vorhandener Informationen wird sich häufig aber auch die Bewertung eines bestimm­ ten Sachverhalts zur Erhöhung der Einigungswahrscheinlichkeit als hilfreich erwei­ sen. Insoweit sind unterschiedliche Wege gangbar. Unverbindliche Expertenmeinung des Mediators/eines Dritten Denkbar ist zunächst, dass die Konfliktparteien den Mediator oder aber – gegebenen­ falls auf dessen Vorschlag – einen Dritten damit beauftragen, eine unverbindliche Ex­ pertenmeinung im Hinblick auf eine bestimmte Tat- oder Rechtsfrage abzugeben (vgl. insoweit bereits Beispiel 12 in Kapitel 2). Regen Sie als Mediator eine solche Be­ wertung nicht zu früh an: „Erst moderieren, dann evaluieren“, lautet die Devise, an die Sie sich halten sollten (vgl. Kapitel 3).301 Jede Bewertung setzt Sie der Gefahr aus, zumindest einer Seite parteilich zu erscheinen. Auch legen Sie sich durch eine be­ stimmte Bewertung fest – es wird Ihnen schwerfallen, in der Mediation davon noch einmal abzuweichen, selbst wenn neue Informationen auftauchen sollten. Sie haben gewissermaßen Ihr Pulver verschossen. Beauftragen die Parteien Sie  – und nicht einen Dritten  – mit einer neutral evalua­ tion302, ergeben sich regelmäßig Kostenvorteile. Allerdings setzt ein solches Vorgehen voraus, dass Sie über eine entsprechende Expertise verfügen. Die Unverbindlichkeit 207

Teil II ­|  Methode der Mediation

der Stellungnahme des Mediators bzw. des Dritten erhält den Parteien im Übrigen ihre Entscheidungsfreiheit. Darin liegt freilich auch die Schwäche dieses Vorgehens: Es ist nicht sichergestellt, dass es nach der Expertise tatsächlich zu einer Einigung kommt. Verbindliche Expertenmeinung des Mediators/eines Dritten In der Mediationspraxis wird deshalb gelegentlich ein anderer Weg eingeschlagen: Die Beurteilung des Mediators bzw. des Dritten soll für die Beteiligten verbindlich sein. Bisweilen vergleichen sich die Beteiligten, machen jedoch den genauen Inhalt des Vergleichs von der Stellungnahme des Dritten abhängig, etwa im Hinblick auf die Bewertung eines Unternehmens oder aber im Hinblick auf die Beurteilung einer ein­ zelnen, strittigen Rechtsfrage. Aus deutscher Sicht handelt es sich bei der Drittent­ scheidung in diesen Fällen regelmäßig nicht um eine schiedsrichterliche Entschei­ dung, sondern um ein Schiedsgutachten (vgl. Kapitel  2). Denn zumeist werden die Parteien die Frage nicht endgültig der staatlichen Gerichtsbarkeit entziehen wollen. Ihnen liegt vielmehr daran, deren Kontrollkompetenz in den engen Grenzen des § 319 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu erhalten.303 Auch in der interna­ tionalen Schiedsgerichtspraxis tendiert die überwiegende Meinung dahin, entspre­ chende Expertenstellungnahmen nicht als Schiedssprüche zu qualifizieren.304 Materielle Verteilungskriterien einbringen Wenn die Hauptursache für einen schwierigen Verteilungskonflikt in der Mediation nicht in unterschiedlichen Informationsständen oder Sachverhaltseinschätzungen der Beteiligten liegt, können Sie als Mediator materielle Verteilungskriterien in die Verhandlungen einbringen oder aber bestimmte Verteilungsverfahren vorschlagen. Soweit es um materielle Verteilungskriterien geht, ist an normative Standards sowie an Fokalpunkte zu denken. Es ist zumeist leichter und mit Ihrer Neutralität auch weit­ aus besser vereinbar, auf einer Metaebene Kriterien oder Verfahren für die Lösung von Verteilungskonflikten mit den Parteien zu erarbeiten oder diese vorzuschlagen, als unmittelbar Lösungsvorschläge zu erörtern. Unsere Praxis zeigt, dass hierin häufig der Schlüssel zum Erfolg bei der Suche nach Antworten auf die anstehenden Vertei­ lungsfragen liegt. Normative Standards „Insist on using objective criteria“ lautet eine der vier zentralen Handlungsempfeh­ lungen des von Fisher, Ury und Patton entwickelten Konzepts eines prinzipiengeleite­ ten Verhandelns (sogenanntes Harvard-Konzept, vgl. Kapitel 2).305 Objektive Kriteri­ en (rechtliche oder ethische Regeln, technische Standards, Präjudizien, das Urteil eines unabhängigen Dritten) können die Beteiligten vor Druck des jeweiligen Ver­ handlungspartners schützen. Sie wirken legitimitätsstiftend und vergrößern die Chance, dass sich alle Beteiligten fair behandelt fühlen. Zudem erhöhen sie mögli­ cherweise die Akzeptanz und Stabilität eines gefundenen Ergebnisses und steigern seine Vermittelbarkeit gegenüber Dritten. 208

Verteilungsprozesse effizient gestalten ­|  Kap. 8

In den meisten realen Verhandlungssituationen gibt es jedoch wesentlich mehr „ob­ jektive“ Kriterien, als es zunächst den Anschein haben mag, und diese Kriterien las­ sen sich zur Begründung ganz unterschiedlicher Ergebnisse heranziehen. In diesem Sinne gibt es keine „Objektivität“. Wenn es beispielsweise um die Bemessung der Ab­ findungshöhe eines ausscheidenden Gesellschafters geht, nach welchem „objektiven“ Kriterium soll dann der Unternehmenswert bestimmt werden? Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren der Unternehmensbewertung (Substanzwert- oder Er­ tragswertanalyse, Discounted-Cash-Flow-Verfahren, Marktkapitalisierung etc.), und keines dieser Verfahren ist „objektiver“ als ein anderes. Man sollte deswegen besser nicht von dem Gebrauch „objektiver“ Kriterien, sondern von demjenigen normativer Kriterien oder Standards sprechen. Entsprechende Standards werden die Beteiligten regelmäßig von sich aus in die Me­ diation einführen. Freilich wird jede Seite zumeist aus taktischem Kalkül vornehm­ lich diejenigen Kriterien vortragen, welche die eigene Position stützen. Als Mediator sind Sie insoweit in unterschiedlicher Hinsicht gefordert306: Zum einen sollten Sie jeden Beteiligten dazu bringen, seine eigenen Maßstäbe (Gerechtigkeitsvorstellun­ gen) klar zu artikulieren, aber auch Verständnis für diejenigen der anderen zu entwi­ ckeln. Letzteres lässt sich durch Reformulieren erreichen: Die Vorstellungen einer Partei sollten durch die jeweils andere so reformuliert werden, dass jene sich richtig verstanden fühlt (vgl. Kapitel 5). Zum anderen geht es darum, zusätzliche Kriterien zu identifizieren. Welche anderen/weiteren Standards, an die die Beteiligten im Augen­ blick nicht denken, kommen noch in Betracht? Kreativität ist insoweit nicht weniger wichtig als beim Entwickeln von Lösungsoptionen. Daher werden Sie beispielsweise auch an ein gemeinsames Brainstorming denken, um den Fundus an Bewertungskri­ terien bzw. ‑standards anzureichern. Auf dieser Grundlage können Sie schließlich den Beteiligten die Relativität der vorgeschlagenen bzw. ermittelten Gesichtspunkte deutlich machen: Regelmäßig gibt es viele unterschiedliche, gleichermaßen legitime Kriterien bzw. Standards. Die alleinige Anwendung eines Kriteriums bzw. Standards würde alle anderen verletzen („normative Relativierung“). Möglicherweise wendet derjenige, der einen bestimmten Maßstab vorgeschlagen hat, diesen in anderen Zu­ sammenhängen gar nicht an („empirische Relativierung“). Ist das Bewusstsein für die Relativität der Bewertungsmaßstäbe geschärft, werden häufig Lösungen möglich, die ansonsten nicht hätten erreicht werden können. „„ Kreativer Umgang mit normativen Standards In dem bereits in Kapitel 7 angesprochenen Mediationsverfahren zwischen den Gesellschaftern einer GmbH stellte sich – wie so häufig – die Frage nach der Bewertung der Gesellschaft: Es ging um den Preis, zu dem die drei Computerspezialisten zum Anteilsverkauf bereit waren. Im Wege eines gemeinsamen Brainstormings wurden zunächst denkbare Verfahren der Unternehmensbewertung im konkreten Fall (insgesamt 11) aufgelistet und der Unternehmenswert auf ihrer Basis überschlägig errechnet. Nach einer längeren Erörterung über das „richtige“ Verfahren machte der Vorstandsvorsitzende der AG den folgenden Vorschlag: Die beiden Extremwerte sollten gestrichen werden (Substanzwert auf der einen Seite, anteilige Börsen­ kapitalisierung auf der anderen Seite), die übrigen Werte könne man mitteln. Die209

Teil II ­|  Methode der Mediation ser  Vorschlag fand schließlich die Zustimmung der drei Computerspezialisten  – ­vielleicht, weil „hinter“ ihm auch zwei akzeptable normative Standards stecken: 1. Es erscheint fair, solche Kriterien zu eliminieren, die eine Seite extrem begüns­ tigen. 2. Wenn man keine Anhaltspunkte dafür hat, welche von den verbleibenden Kriterien „richtig“ sind, erscheint es fair, sie alle gleich zu gewichten (was durch die Mittelwertbildung geschieht). Beispiel 4

In manchen Fällen streiten die Beteiligten nicht primär um Bewertungsmaßstäbe, sondern vor allem um deren Anwendung auf den praktischen Fall. Sie sind sich also beispielsweise darüber einig, dass einem Handelsvertreter eine (Teil‑)Provision ent­ sprechend seinem Verursachungsbeitrag für ein bestimmtes Geschäft zustehen soll, haben jedoch unterschiedliche Auffassungen über diesen Verursachungsbeitrag. In einer solchen Situation werden Sie sich als Mediator zunächst vor allem darum bemü­ hen, dass die subjektive Sichtweise jeder Partei bei der Anwendung des relevanten Maßstabs den jeweils anderen deutlich wird (vgl. Kapitel 5). Allein dadurch verbes­ sert sich zumeist die Beziehung der Beteiligten. Ferner können Sie durch geeignete Fragen (vgl. Kapitel 5) dazu beitragen, die Sachverhaltsgrundlagen zu klären. Schließ­ lich ist daran zu denken, dass Sie oder ein Dritter mit Einverständnis der Parteien eine (verbindliche) Einschätzung im Hinblick auf den relevanten Sachverhalt abgeben. Damit hatten wir uns bereits beschäftigt. Fokalpunkte Ein besonderes Gewicht erhalten normative Kriterien oder Standards, wenn sie Er­ gebnisse rechtfertigen, die gleichzeitig sogenannte Fokal- bzw. Konvergenzpunkte (focal points) sind.307 Dabei handelt es sich um Lösungen, die durch eine bestimmte Eigenschaft aus allen anderen „herausstechen“ und dadurch den Beteiligten beson­ ders auffallen. Schelling spricht plastisch vom „intrinsischen Magnetismus bestimm­ ter Lösungen“.308 Der Grund für diesen magnetischen Effekt kann beispielsweise in der Einfachheit der Lösung, ihrer mathematischen Symmetrie, ihrer „offensichtli­ chen“ Fairness (50/50-Aufteilung) oder ihrer geografischen Prominenz liegen: Sie und wir bekommen einen Preis, wenn es Ihnen gelingt, sich mit uns ohne vorherige Absprache an einem bestimmten Tag in Berlin zu treffen. Wo gehen Sie hin? Unend­ lich viele Orte und Zeitpunkte kommen in Betracht. Indes scheint „irgendetwas“ für 12:00 Uhr mittags und das Brandenburger Tor zu sprechen. Bei einer außergerichtlichen Unternehmensreorganisation richtet sich die Beteili­ gung der involvierten Banken an einem Überbrückungskredit beispielsweise häufig nach dem prozentualen Anteil ihrer ungesicherten Altengagements an dem Gesamt­ volumen der ungesicherten Altkredite. Die Höhe der Beteiligung an einem Sanierungskredit richtet sich dann nach dem vorher vergebenen Überbrückungskredit. Die Logik dieser Fokalpunkte ist eine doppelte: Die Anknüpfung an die Höhe der unge­ sicherten Altengagements bei der Vergabe eines Überbrückungskredits erscheint ­gerecht, weil diese Höhe ein Indikator für die Risiken ist, die die Banken in der Ver­ gangenheit übernommen haben. Eine entsprechende Quotenfortschreibung bei der 210

Verteilungsprozesse effizient gestalten ­|  Kap. 8

Vergabe eines Sanierungskredits liegt dann darüber hinaus auch deshalb nahe, weil man sich bereits einmal auf die Gerechtigkeit einer entsprechenden Aufteilung ver­ ständigt hat. Insbesondere in komplexen Mediationsverfahren (mehrere Themen, viele Verhand­ lungspartner) können Fokalpunkte ein wirkungsvolles Instrument sein, um Vertei­ lungskonflikte zu moderieren. Problematisch bei der Suche nach entsprechenden Lösungen ist allerdings, dass sie häufig nur auf den ersten Blick fair sind, bei näherer Betrachtung jedoch einzelne Beteiligte unangemessen begünstigen oder gar kein sachlicher Grund für sie spricht. So kann es in Sanierungskonstellationen beispiels­ weise vorkommen, dass eine an der Höhe der Altengagements orientierte Aufteilung der Quoten bezüglich eines Überbrückungs- oder Sanierungskredits deshalb unfair ist, weil einzelne der beteiligten Banken wesentlich stärker von einer fortdauernden Geschäftsbeziehung mit dem notleidenden Unternehmen profitieren als andere (z.B. in der Funktion einer Emissionsbank für Anleihen oder über Beratungsaufträge). Fo­ kalpunkte haben dann lediglich eine phony precision, wie es in der Literatur einmal treffend formuliert wurde.309 Als Mediator sind Sie deshalb  – ähnlich wie bei der Suche nach normativen Stan­ dards – doppelt gefordert: Einerseits sollten Sie mögliche Fokalpunkte finden und in die Verhandlungen einbringen; andererseits müssen Sie solche Punkte aber auch hin­ sichtlich ihrer legitimitätsstiftenden Wirkung hinterfragen: Worauf beruht der mag­ netische Effekt im konkreten Fall? Ist er Ausdruck eines überzeugenden Gerechtig­ keitskriteriums? Oder handelt es sich um eine zwar naheliegende, aber doch – gegeben den konkreten Einzelfall und seine Umstände – ungerechte Lösung? Kreativität und kritische Evaluation sind die beiden Leitlinien, von denen Sie sich als Mediator bei der Nutzung von Fokalpunkten leiten lassen sollten. Unterschiedliche Verteilungsverfahren berücksichtigen Nicht nur materielle Verteilungskriterien wie normative Standards oder Fokalpunkte können ein sinnvolles Instrument zur Bewältigung von Verteilungskonflikten sein, sondern auch die Verständigung auf ein bestimmtes Verteilungsverfahren, das von allen Konfliktparteien als fair akzeptiert wird. Gerade verfahrensbezogene Interessen der Beteiligten besitzen für die Bewertung von denkbaren Einigungsoptionen häufig eine große Bedeutung: Die empirische Forschung zeigt, dass ein Ergebnis bei wahrge­ nommener Verfahrensgerechtigkeit auch dann akzeptiert wird, wenn es ungünstiger als erwartet ausfällt.310 Denkbare Verteilungsverfahren gibt es viele. Manche sind sehr einfach und im wahrs­ ten Sinne des Wortes altbekannt. Andere sind komplizierter und wirken – zumindest auf den ersten Blick – recht technisch. Als Mediator sollten Sie mit den wichtigsten Verfahren und ihren Eigenschaften vertraut sein, um sie situationsgerecht vorschla­ gen und/oder bewerten zu können.

211

Teil II ­|  Methode der Mediation

Losverfahren (Zufallsprinzip) Ein zumindest denkbares Verteilungsverfahren ist es, das Los (den Zufall) darüber entscheiden zu lassen, welcher von mehreren Beteiligten in welcher Weise berück­ sichtigt bzw. nicht berücksichtigt wird.311 Als „Auffangverfahren“ besitzt das Losen eine nicht zu unterschätzende Attraktivität: Es kommt zu einer eindeutigen und  – wenn man sich auf dieses Verfahren verständigt hat – fairen Entscheidung. Gleichzei­ tig ist das Verfahren praktisch universell einsetzbar, insbesondere in Verteilungskon­ flikten (z.B. bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft oder einer Gesellschaft). Mehr als eine Auffanglösung sollte das Zufallsprinzip gleichwohl nicht sein: Es kann zu einer Verteilung führen, die den inhaltlichen Interessen der Beteilig­ ten überhaupt nicht oder nur unzureichend entspricht. Dagegen kann es bei der Ent­ scheidung von Verfahrensfragen („Wer fängt an?“, „Wer bekommt den größeren der zur Verfügung stehenden Rückzugsräume am Tagungsort“ etc.) häufig ein einfaches und nützliches Hilfsmittel sein. Abwechseln Den inhaltlichen Interessen der Beteiligten wird regelmäßig ein anderes Verfahren besser gerecht: das „Abwechseln“. Seine mögliche praktische Bedeutung zeigt sich insbesondere in Situationen, in denen größere Sammlungen von Gegenständen mit unklarem Wert auf mehrere Berechtigte aufgeteilt werden müssen. Man stelle sich etwa vor, Albert und Billa seien Miterben zu je 1/2 des im Wesentlichen aus einer um­ fangreichen Gemäldesammlung bestehenden Vermögens des verstorbenen Claus. Konsequentes Abwechseln würde insoweit bedeuten, dass zunächst Albert ein Gemäl­ de wählt, dann Billa, dann wieder Albert  – und so weiter bis zur Erschöpfung des Bestandes. Der Grundgedanke dieses Verfahrens liegt darin, Fairness durch Reziprozität herzu­ stellen („einmal Du, einmal ich“). Indes ist derjenige, der als erster auswählen kann, offensichtlich im Vorteil. Dieser Vorteil lässt sich durch eine Modifikation des Ver­ fahrens im Sinne eines ausgeglichenen Abwechselns kompensieren: Albert kann ein Gemälde wählen, dann Billa zwei, dann wieder Albert eines und Billa eines – und so weiter wie beim konsequenten Abwechseln (auch andere Formen ausgeglichenen Ab­ wechselns sind denkbar). Können sich Albert und Billa gleichwohl nicht darauf eini­ gen, wer zunächst auswählen darf, werden Sie als Mediator insoweit gegebenenfalls einen Losentscheid vorschlagen. Einer teilt, der andere sucht aus Ein weiteres, altbekanntes und einfaches Verteilungsverfahren mit einem ähnlichen Anwendungsfeld wie das (konsequente bzw. ausgeglichene) Abwechseln verbirgt sich hinter der Umschreibung „Einer teilt, der andere sucht aus“. Bereits Abram schlug es vor, um seinen Konflikt mit Lot beizulegen.

212

Verteilungsprozesse effizient gestalten ­|  Kap. 8

„„ Die Trennung von Abram und Lot „Und das Land konnte es nicht ertragen, dass sie beieinander wohnten; denn ihre Habe war groß … Und es war immer Zank zwischen den Hirten von Abrams Vieh und den Hirten von Lots Vieh … Da sprach Abram zu Lot: Lass doch nicht Zank sein zwischen mir und dir und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Brüder. Steht dir nicht alles Land offen? Trenne dich doch von mir! Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten, oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken. Da hob Lot seine Augen auf und besah die ganze Gegend am Jordan. Denn ehe der Herr Sodom und Gomorra vernichtete, war sie wasserreich … Da erwählte sich Lot die ganze Gegend am Jordan und zog nach Osten. Also trennte sich ein Bruder von dem anderen, so dass Abram wohnte im Lande Kanaan und Lot in den Städten am unteren Jordan …“ (Genesis 13, 6 bis 12). Beispiel 5

Anders als beim Verfahren des (konsequenten oder ausgeglichenen) Abwechselns soll Fairness hier nicht durch Reziprozität, sondern durch die freiwillige Einräumung eines Wahlrechts hergestellt werden. Möglich ist dies ohne weiteres allerdings nur, wenn der Konfliktgegenstand teilbar ist oder wenn es mehrere (in etwa gleichwertige) Kon­ fliktgegenstände gibt. Zusätzliche Schwierigkeiten für das Verfahren ergeben sich, wenn die Anteile der Konfliktparteien ungleich sind. In allen diesen „schwierigeren“ Fällen kann das Prinzip „Einer teilt, der andere sucht aus“ nur modifiziert angewen­ det werden. Hilfreich ist es insoweit, wenn sich die Verhandlungsmasse durch Geld­ zuschüsse aller Beteiligten anreichern lässt. „„ Kluge Teilung der Erbmasse Wir variieren den konstruierten Fall und nehmen an, Albert und Billa seien mit Erbquoten von 1/4 bzw. 3/4 die alleinigen Erben des Claus. Der Nachlass bestehe im Wesentlichen nur aus einem Hausgrundstück. Sein Verkehrswert liege „irgendwo“ im Bereich von 0,4 Millionen bis 0,6 Millionen Euro. Albert und Billa schießen entsprechend ihren Erbquoten 0,5 Millionen bzw. 1,5 Millionen Euro, insgesamt also 2 Millionen Euro, in die Erbmasse. Derjenige, der die Rolle des Teilenden übernimmt (dazu sogleich im Text), hat nun die Aufgabe, vier Teilmassen zu bilden (unter beliebiger Kombination des vorhandenen Grundstücks und der eingeschossenen Geldbeträge). Anschließend darf der andere sich seine Teile aussuchen (entsprechend seiner Erbquote entweder einen oder drei Teile). Beispiel 6

Gemeinhin wird die Rolle des Teilenden in einer solchen Situation als nachteilig emp­ funden: Derjenige, der wählen „darf “, scheint im Vorteil zu sein. Zwingend ist dies jedoch keineswegs. Wer die Präferenzen des anderen gut einzuschätzen vermag und – relativ zu diesem – risikofreudig ist, für den ist die Rolle des Teilenden attraktiv.312 Nehmen wir in dem soeben diskutierten Beispiel etwa an, Albert (Erbquote 1/4) wisse, dass Billa (Erbquote 3/4) das Grundstück aufgrund eines besonderen Affektionsinter­ esses 0,7 Millionen Euro wert sei. Billa dagegen denke von Albert, dass dieser einen Wert von 0,4 Millionen Euro ansetze. Tatsächlich habe Albert jedoch dasselbe Affek­ 213

Teil II ­|  Methode der Mediation

tionsinteresse wie Billa. Muss Billa teilen, wird sie das Haus plus 0,2 Millionen Euro sowie drei Teile in Höhe von jeweils 0,6 Millionen Euro bilden. Albert wählt das Haus plus 0,2 Millionen Euro und erhält damit von einer übereinstimmend angenomme­ nen Gesamtvermögensmasse von 2,7 Millionen Euro einen Betrag von 0,9 Millionen Euro, also weit mehr als 1/4 (nämlich 1/3). Darf dagegen Albert teilen, wird er Billa das Haus sowie drei Teile in Höhe von jeweils 0,6 Millionen Euro anbieten. Billa entschei­ det sich für das Haus und zwei Geldbeträge und erhält damit insgesamt 2,03 Millio­ nen Euro, also nur ganz knapp mehr als 3/4. Können sich Albert und Billa – oder an­ dere Konfliktparteien  – nicht darauf verständigen, wer die Rolle des Teilenden übernehmen darf (soll), so werden Sie als Mediator – ähnlich wie beim Verfahren des Abwechselns – insoweit gegebenenfalls einen Losentscheid vorschlagen. Adjusted-Winner-Verfahren Anders als die bisher diskutierten Verteilungsverfahren versucht das von Steven Brams und Alan Taylor entwickelte Adjusted-Winner-Verfahren sicherzustellen, dass am Ende alle Beteiligten auf der Grundlage ihrer jeweiligen Präferenzen (subjektiv) tatsächlich gleichmäßig befriedigt werden.313 Bewerkstelligen lässt sich das mithilfe eines Punkteschemas. Nehmen wir in einer weiteren Variation unseres Beispiels an, Albert und Billa seien Erben zu jeweils 1/2 eines Vermögens, das aus unterschiedlichen Gegenständen besteht: aus einem Pensionsfonds, einem Wohnhaus, einer Ferienwoh­ nung, einem Aktiendepot sowie aus sonstigen beweglichen Gegenständen (Kfz und Mobiliar). In einem ersten Schritt des Verfahrens werden Albert und Billa gebeten, entsprechend ihren Präferenzen verdeckt jeweils insgesamt 100 Punkte auf diese un­ terschiedlichen Vermögensgegenstände zu verteilen (vgl. Abbildung 2). Vermögensgegenstand

Albert

Billa

Pensionsfonds

50

40

Wohnhaus

20

30

Ferienwohnung

15

10

Aktiendepot

10

10

5

10

100

100

Sonstiges (Kfz, Mobiliar) Gesamtzahl

Abbildung 2: Punkteschema im Rahmen des Adjusted-Winner-Verfahrens In einem zweiten Schritt erhalten Albert und Billa provisorisch die Gegenstände, die sie im Vergleich zu dem jeweils anderen höher bewerten (die entsprechenden Punkt­ zahlen sind fett gedruckt). Danach verfügt Albert über 65 und Billa über 40 Punkte. In einem dritten Schritt müssen nun Korrekturen vorgenommen werden, um eine gleichmäßige Punktverteilung herzustellen. Das Aktiendepot bewerten Albert und Billa gleich hoch: Es wird Billa zugewiesen, die „aufholen“ muss und damit 50 Punkte hat. Immer noch besteht eine Diskrepanz von 15 Punkten (65 zu 50). Albert muss also noch etwas abgeben. Aber was? Er verfügt über den Pensionsfonds und die Ferien­ 214

Verteilungsprozesse effizient gestalten ­|  Kap. 8

wohnung. Nun folgt die entscheidende Überlegung: Derjenige Gegenstand, bei dem die relativen Bewertungen von Albert und Billa am wenigsten divergieren, ist der Pen­ sionsfonds. Wenn Pensionsfondsanteile übertragen werden, werden Billa durch Ein­ satz der relativ wenigsten Punkte von Albert die relativ meisten Punkte zugeteilt. Der zum Ausgleich erforderliche Punktverlust bei Albert und damit der Gesamtpunktver­ lust sind demzufolge kleiner als bei einer Übertragung (von Anteilen) der Ferienwoh­ nung. Wie viele Pensionsfondsanteile Albert zu übertragen hat, um eine zwischen Albert und Billa gleiche Punktverteilung herzustellen, lässt sich nach der Formel 65  –  50x  =  50  +  40x errechnen. Löst man diese Gleichung nach  x  auf, so ergibt sich  x  =  1/6. Das bedeutet: Albert erhält 5/6 und Billa 1/6 der Pensionsfondsanteile. ­Albert muss also 1/6 der Anteile auf Billa übertragen. Er verliert damit 8,63 Punkte (1/6 × 50 Punkte). Gleichzeitig gewinnt Billa 6 Punkte (1/6 × 40 Punkte). Damit verfü­ gen Albert und Billa am Ende jeweils über 56,6 Punkte. Das Reizvolle am Adjusted-Winner-Verfahren ist, dass es die Präferenzen der Beteilig­ ten voll zur Geltung bringt und damit tatsächlich eine möglichst effiziente Verteilung bewirkt: Würde man alle Vermögensgegenstände hypothetisch zwischen Albert und Billa gleichmäßig aufteilen, dann erhielten sie jeweils 50 Punkte und stünden damit subjektiv schlechter als bei einer Verteilung nach dem Adjusted-Winner-Modus. Das Adjusted-Winner-Verfahren führt also nicht nur zu einer subjektiv vollständig gleich­ mäßigen (und damit gerechten), sondern auch zu einer ökonomisch optimalen (effi­ zienten) Aufteilung. Für die Anwendung dieses Verfahrens ist es nicht erforderlich, dass die Beteiligten ihre Interessen (Präferenzen) in Geldwerten ausdrücken. Sie müssen aber in der Lage sein, allen Verhandlungsgegenständen entsprechend ihrer relativen Bedeutung einen kardinalen Punktwert zuzuordnen. Diese Aufgabe ist schwierig genug. Zudem darf diese Bewertung nicht davon abhängen, ob sie ihre Interessen im Hinblick auf die einzelnen Gegenstände im Ergebnis ganz, nur zum Teil oder gar nicht durchsetzen können (die Punktwerte müssen „separierbar“ sein). Im Übrigen funktioniert Ad­ justed Winner nur dann optimal, wenn der zur Herstellung einer ausgeglichenen ­Verteilung designierte Verhandlungsgegenstand (im Beispielsfall der Pensionsfonds) teilbar ist. Ist dies nicht der Fall, muss insoweit gegebenenfalls auf einen anderen Ver­ handlungsgegenstand ausgewichen werden, und das ist mit Gesamtpunktverlusten (Effizienzverlusten) verbunden.314 Als Instrument zur effizienten Bewältigung von Verteilungsstreitigkeiten besitzt das Adjusted-Winner-Verfahren einen sehr breiten Anwendungsbereich. Immer dann, wenn in einer bestimmten Konfliktsituation mehrere Verhandlungsthemen (Ver­ handlungsgegenstände) zu bearbeiten sind, kann es zum Einsatz kommen. Das aber ist gerade bei Wirtschaftskonflikten häufig der Fall: Man denke etwa an Tarifausein­ andersetzungen, an (Neu‑)Verhandlungen über Langzeitverträge, an Kooperationsund Joint Venture-Verträge etc. Zu beachten ist allerdings, dass Adjusted Winner nicht sicherstellen kann, dass alle Beteiligten aufrichtig handeln: Ähnlich wie im Rahmen des Verfahrens „Einer teilt, der andere sucht aus“ lassen sich durch eine strategisch motivierte Fehldarstellung der eigenen Präferenzen Vorteile erzielen, wenn man die Präferenzen der Gegenseite kennt. 215

Teil II ­|  Methode der Mediation

Automatisierte Verteilung durch Software-Werkzeuge Nicht alle Konfliktsituationen haben eine so komplexe Struktur, dass Sie als Mediator den Einsatz des Adjusted-Winner-Verfahrens erwägen werden. Bisweilen geht es auch in einer Wirtschaftsmediation um gänzlich eindimensionale Streitigkeiten in dem Sinne, dass etwa nur die Zahlung einer bestimmten Geldsumme (Kaufpreis, Scha­ densersatz etc.) und deren mögliche Höhe im Raume stehen. Zwar werden Sie als Mediator in solchen Situationen daran denken, den Verhandlungsraum zu erweitern, um dadurch Möglichkeiten der Wertschöpfung zu schaffen (vgl. Kapitel  7). Indes wird Ihnen dies nicht immer gelingen. Selbst wenn Sie insoweit Erfolg haben, stellt sich am Ende möglicherweise die Frage nach der Bewertung der beiderseitigen Leis­ tungen bzw. Verpflichtungen am Maßstab eines festzulegenden Preises. Zur Unterstützung dieser Preisfestlegung stehen inzwischen auch Software-Werkzeu­ ge zur Verfügung. Diese Software-Werkzeuge sind in erster Linie darauf angelegt, online genutzt zu werden. Theoretisch und praktisch können sie aber auch offline als Mediationsinstrument Verwendung finden. In der Sache handelt es sich dabei um besonders effiziente Formen eines Basars: Die Beteiligten legen ihre Forderungen bzw. Angebote (etwa im Hinblick auf eine bestimmte Schadensersatzzahlung) in mehreren Runden unabhängig voneinander fest. Wenn die mitgeteilten Werte nicht mehr als einen  – vorher festgelegten  – Prozentsatz (vom Angebot bzw. der Forde­ rung) auseinander liegen, errechnet die Software den Mittelwert als Einigung. Entsprechende Software-Werkzeuge sollten in ihrer Bedeutung als Instrument zur Lösung von Verteilungskonflikten weder unter- noch überschätzt werden. Sie können helfen, ein eindimensionales Verteilungsproblem rasch und kostengünstig zu bewäl­ tigen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Zusammenfassung In jeder Mediation spielen Verteilungsfragen eine zentrale Rolle: Während die Betei­ ligten ein gemeinsames Interesse daran haben, den zur Verteilung verfügbaren „Ku­ chen“ so weit wie möglich zu vergrößern, sind ihre Interessen im Rahmen der Vertei­ lung dieses Kuchens diametral entgegengesetzt: Jeder möchte für sich selbst das größte Stück. Die Taktiken, die zu diesem Zweck eingesetzt werden, sind zahlreich: Sie reichen von der Veränderung von Nichteinigungsalternativen über den Aus­ schluss unerwünschter Einigungsoptionen durch Selbstbindung bis hin zum Werfen von Wahrnehmungsankern und der Täuschung über Interessen und/oder Nichteini­ gungsalternativen. Als Mediator müssen Sie diese Taktiken kennen, um ihnen situati­ onsgerecht entgegenwirken zu können und Eskalationsgefahren einzudämmen. Sie können aber auch aktiv dazu beitragen, dass Verteilungsprozesse effizient, also ressourcenschonend und interessengerecht, ablaufen. Hier liegt eine häufig verkann­ te, wichtige Chance der Mediation. Bisweilen wird bereits eine Verbesserung der Informationsgrundlagen ein entscheidender Schritt zur Entschärfung eines Verteilungs­ konflikts sein. Als Mediator können Sie ferner durch das Einbringen materieller 216

Verteilungsprozesse effizient gestalten ­|  Kap. 8

Verteilungskriterien (normative Standards, Fokalpunkte) Verteilungskonflikte mode­ rieren. Schließlich steht eine Vielzahl von Verteilungsverfahren zur Verfügung, die – situationsgerecht eingesetzt – einen wesentlichen Beitrag zu einer möglichst effizien­ ten Lösung von Verteilungskonflikten leisten können. Eine besondere Beachtung verdient insoweit vor allem das sogenannte Adjusted-Winner-Verfahren. Insbesonde­ re in komplexen Mediationen (viele Themen bzw. Verhandlungsgegenstände) kann es im Einzelfall der Schlüssel zu einer subjektiv als äußerst fair empfundenen und gleich­ zeitig ökonomisch effizienten Lösung sein. Die Aufteilung eines in der Mediation erarbeiteten Kooperationsgewinns mit Hilfe eines bestimmten Verteilungsmodus konkretisiert das, was den Beteiligten schluss­ endlich als mögliche Einigungsoption gewissermaßen vor Augen steht. Sollten sie dem zustimmen? Nicht zwingend: Nicht alles, was als Einigungsoption in Betracht kommt, stellt jede Seite besser als ihre beste Nichteinigungsalternative. Nur dann, wenn es sich um eine Lösung handelt, die für alle Beteiligten dieses Kriterium erfüllt, besteht tatsächlich eine reale Chance für eine Abschlussvereinbarung. Die alternati­ ven Handlungsmöglichkeiten und deren Wahrnehmung durch die Parteien haben daher erhebliches Gewicht für das Gelingen einer Mediation. Mit den Nichteini­ gungsalternativen der Parteien und ihrer Bewertung sowie der Rolle des Mediators in diesem Zusammenhang wollen wir uns daher im nächsten Kapitel näher beschäfti­ gen.

217

Kapitel 9 Alternativen zu einer Verhandlungslösung prüfen Wenn sich die an einem Wirtschaftskonflikt Beteiligten auf eine Mediation einlassen, dann wird es ihnen in der Regel auch gelingen, den Konflikt im Wege der Mediation beizulegen: Die Erfahrung zeigt, dass etwa drei Viertel der eingeleiteten Mediations­ verfahren zu einer Einigung führen.315 Gelingt in der Mediation keine Einigung, so kann dies vor allem an guten Nichteinigungsalternativen einzelner Beteiligter liegen: Wer für den Fall der Nichteinigung Handlungsmöglichkeiten hat, die ihn besser stel­ len als die realisierbaren Einigungsoptionen, wird diese rationalerweise ablehnen. Genauso wie Einigungsoptionen werden allerdings auch Nichteinigungsalternativen subjektiv – und damit möglicherweise verzerrt – wahrgenommen. Dass ein Beteilig­ ter einen bestimmten Einigungsvorschlag ablehnt, kann auch daran liegen, dass er eine zu optimistische Vorstellung von seinen Nichteinigungsalternativen hat. Zu den Aufgaben eines Mediators gehört es deshalb, den Beteiligten ein realistisches Bild ihrer jeweiligen Nichteinigungsalternativen zu vermitteln. Ist die wichtigste Nichteini­ gungsalternative – wie bei Wirtschaftskonflikten häufig – ein Rechtsstreit, so können Sie als Mediator zu diesem Zweck vor allem sogenannte Prozessrisikoanalysen einset­ zen. Mit der Bedeutung von Nichteinigungsalternativen für die Durchführung einer Me­ diation und mit ihrer Bewertung wollen wir uns in diesem Kapitel näher beschäfti­ gen. Soweit dabei die Prozessführung als spezifische Nichteinigungsalternative und deren Bewertung untersucht werden, stehen unternehmensexterne Konflikte im Vor­ dergrund. Allgemein sind Nichteinigungsalternativen aber natürlich auch bei dem Versuch einer gütlichen Beilegung unternehmensinterner Konflikte bedeutsam.

Bedeutung von Nichteinigungsalternativen Eine Mediation hat als drittunterstützte Verhandlung genauso wie jede andere Ver­ handlung eine Struktur, die sich entscheidungstheoretisch erfassen lässt: Jeder Kon­ fliktbeteiligte steht während der Mediation irgendwann vor der Frage, ob er einem denkbaren Einigungsvorschlag – des Mediators oder der anderen Seite – zustimmen oder aber diesen ablehnen soll. Diese Entscheidung kann man nur dann verständig treffen, wenn man sich über die eigenen Nichteinigungsalternativen Rechenschaft ab­ legt: Was tue ich, wenn die Mediation scheitert? Arten von Nichteinigungsalternativen Nichteinigungsalternativen können in unterschiedliche Richtungen gehen. Ein Betei­ ligter kann dazu in der Lage sein, einem anderen gegen dessen Willen ein bestimmtes Vorgehen aufzuzwingen. In diese Kategorie gehört etwa die bereits erwähnte Mög­ lichkeit, einen Rechtsstreit anzustrengen oder fortzuführen. Bei innerbetrieblichen 219

Teil II ­|  Methode der Mediation

Konflikten zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem kann letzterer, falls es zu keiner Einigung kommt, eine verbindliche Entscheidung treffen und durchsetzen. Denkbar ist aber auch, dass ein Dritter den Verhandlungspartner ersetzt: Wer sich beispiels­ weise als Automobilhersteller im Dauerstreit mit einem Zulieferer befindet, wird des­ sen Austausch durch einen anderen Vertragspartner erwägen. Schließlich kann auch ein „Alleingang“ eine Nichteinigungsalternative sein: Das Produkt, das der Zulieferer herstellt, kann man eventuell auch selbst produzieren. Beste Nichteinigungsalternative (BATNA) und Einigungsbereich Nicht alles, was als Nichteinigungsalternative denkbar ist, ist auch realisierbar, und nicht alles, was realisierbar ist, dient den eigenen Interessen gleich gut. Für den Ent­ scheidungsprozeß eines Beteiligten relevant ist diejenige Nichteinigungsalternative, die seinen Interessen am besten dient und sich umsetzen lässt. Dafür hat sich das US-amerikanische Kürzel BATNA eingebürgert (vgl. insoweit bereits Kapitel 2).316 Es steht für: Best Alternative To a Negotiated Agreement. Ein Beteiligter wird einem An­ gebot in der Mediation rationalerweise nur zustimmen können, wenn dieses im Lich­ te seiner Interessen besser ist als seine BATNA. Für die vorgeschlagenen oder denk­ baren Einigungsoptionen bildet die jeweilige BATNA also die Messlatte. Aus der Warte eines allwissenden Beobachters gibt es für die Voraussetzungen einer rationalen Einigung damit eine einfache Formel: Nur wenn sich in der Mediation Einigungsoptionen finden lassen, die für alle Beteiligten besser sind als ihre jeweilige BATNA, ist eine Einigung zu erwarten. Lösungen, die dieses Kriterium erfüllen, lie­ gen im sogenannten Einigungsbereich. Er markiert das Spektrum der prinzipiell für jeden akzeptablen Einigungsoptionen. Sind die jeweiligen BATNAs schlecht, ist der Einigungsbereich groß, sind sie gut, ist er klein. In Abbildung 1 ist der Einigungsbereich für eine Zwei-Personen-Verhandlung einmal beispielhaft grafisch dargestellt. Nehmen wir an, A möchte sich zur Ruhe setzen und sein Unternehmen verkaufen. Er habe bereits ein Angebot eines potentiellen Käufers in Höhe von 500.000 Euro (das ist die BATNA von A). Er verhandelt nunmehr mit B, der ein vergleichbares Unternehmen von einem Dritten für 1,5 Millionen Euro er­ werben könnte (das ist die BATNA von B). Alle Kaufpreise zwischen 500.000 und 1,5 Millionen Euro sind für A und B potentiell akzeptabel, sie liegen im Einigungsbe­ reich.

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Abbildung 1: Einigungsbereich

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Alternativen zu Verhandlungslösung prüfen ­|  Kap. 9

BATNA und Verhandlungsmacht Eine gute BATNA ist gleichzeitig ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis des im Zu­ sammenhang mit Verhandlungen und Mediation häufig gebrauchten, schillernden Begriffs der (großen oder kleinen) Verhandlungsmacht. Je größer die Fähigkeit eines Beteiligten ist, ein für ihn gutes Ergebnis durchzusetzen, desto größer ist seine Ver­ handlungsmacht. Diese Fähigkeit speist sich aus unterschiedlichen Quellen: Intellek­ tuelle Fähigkeiten und finanzielle Ressourcen gehören dazu. Wer auf eine schnelle Einigung weniger angewiesen ist als der Verhandlungspartner, ist ebenfalls im Vor­ teil.317 Die größte Verhandlungsmacht aber ergibt sich aus guten Nichteinigungsalternati­ ven. Je besser die eigene BATNA ist, desto ruhiger und sicherer wird ein Beteiligter den Verhandlungs- oder Mediationsraum betreten: Ihn ohne eine Einigung wieder zu verlassen, ist für ihn kein schlechtes Ergebnis. Wer demgegenüber aufgrund einer schlechten BATNA dringend eine Einigung mit dem Verhandlungspartner benötigt, hat „schlechtere Karten“. Er kann und wird größere Zugeständnisse machen als sein Gegenüber. Nichteinigungsalternativen entwickeln und kommunizieren Nichteinigungsalternativen sind in der Regel nicht einfach gegeben. Sie müssen viel­ mehr entwickelt werden. Hat ein Beteiligter eine schlechte BATNA, wird er versu­ chen, diese zu verbessern. Verfügt er dagegen über eine gute BATNA, wird es der Gegenseite umgekehrt um deren Verschlechterung gehen. Von großer Bedeutung kann dabei die Mobilisierung der Presse sein. Ein Arbeitgeberverband, dem es in einer Tarifauseinandersetzung öffentlichkeitswirksam gelingt, einen Streik als volkswirt­ schaftlich unverantwortlich hinzustellen, verschlechtert damit die wichtigste Nichtei­ nigungsalternative der Arbeitnehmerseite. „„ Nichteinigungsalternativen in der Presse Über die Tarifauseinandersetzung zwischen der Bahn und der GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) im Jahre 2007 konnte man angesichts der von der GDL angedrohten Streiks auf der Homepage des manager magazin am 26. Juli 2007 unter dem Titel „Bahn droht mit Fahrpreiserhöhungen“ lesen: „Die Bahn setzt Suckale [Margret Suckale, damals Bahn-Personalchefin] zufolge auch weiterhin auf Verhandlungen mit dem Fahrpersonal. Scheitere eine Einigung jedoch, seien ein umfangreicher Stellenabbau und die Erhöhung der Fahrpreise kaum zu vermeiden. Die Bahn könne eine Lohnsteigerung von bis zu 4,5 Prozent anbieten, ohne Rationalisierungen und Fahrpreiserhöhungen einleiten zu müssen. Bereits für einen Abschluss von 7 Prozent mehr Entgelt habe das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) einen Abbau von 9.000 Arbeitsplätzen prognostiziert. Die GDL fordert mindestens 31 Prozent mehr Lohn sowie einen Spartentarifvertrag.“318 Beispiel 1

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Ebenso wenig wie Nichteinigungsalternativen in der Regel einfach gegeben sind, sind sie in einer Verhandlung bzw. Mediation ohne Weiteres wirksam. Wirkung auf die Gegenseite entfalten sie nur, wenn sie dieser bekannt sind. Nur dann können und werden sie deren Verhalten beeinflussen. Wer eine gute BATNA hat, sollte sie also auch kommunizieren. Geschickter als eine eskalationsträchtige Drohung („Wir wer­ den streiken, wenn ihr unserer Forderung von 5 Prozent mehr Lohn nicht zustimmt.“) ist insoweit eine passive Formulierung („Der Druck auf unsere Organisation zu strei­ ken, wird zunehmen.“).

Bewertung von Nichteinigungsalternativen Für die Verhandlung bzw. Mediation relevant sind damit letztlich nicht die tatsächli­ chen, sondern die (von der Gegenseite) wahrgenommenen Nichteinigungsalternati­ ven. Wenn die Arbeitgeberseite glaubt, dass bei einem Angebot von unter 5 Prozent gestreikt wird, dann kommt es nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer tatsächlich strei­ ken können und wollen. Viele strategische Manöver in Wirtschaftskonflikten setzen genau hier an: Es wird versucht, die Gegenseite über die Nichteinigungsalternativen, die einem selbst zur Verfügung stehen oder über die Bereitschaft, diese zu nutzen, zu täuschen. Schützen können sich die Beteiligten vor derartigen Manipulationen vor allem da­ durch, dass sie nachhaken und präzisere Informationen und unter Umständen auch Nachweise für die behaupteten Nichteinigungsalternativen verlangen. Wird die gel­ tend gemachte Verhandlungsposition etwa mit dem Hinweis auf ein angeblich besse­ res Alternativangebot eines Dritten gerechtfertigt, so ist es sinnvoll, die jeweilige Par­ tei einzuladen, den „geheimnisvollen Unbekannten“ konkret zu benennen oder dessen schriftliches Angebot vorzulegen. Ist dies nicht möglich, so verliert die be­ hauptete Nichteinigungsalternative an Überzeugungskraft und Legitimation, weil sich die darauf berufende Partei zu Recht die Frage gefallen lassen muss, warum sie die jeweiligen Informationen zu diesem Angebot, sollte es denn überhaupt existieren, nicht offenlegt. Wie wir bereits im Rahmen der Ankerstrategien und anderer mani­ pulativer Techniken gesehen haben, gehen Versuche, sich durch Täuschung gegen­ über seinem Verhandlungspartner einen Vorteil zu verschaffen, häufig „nach hinten los“. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Betrug „auffliegt“ und die getäuschte Partei das Ergebnis des Verfahrens insgesamt in Frage stellt. Daher ist es sinnvoller, aktiv an der tatsächlichen Verbesserung der eigenen Nichteinigungsalternativen zu arbeiten. Wer sich als Partei die Mühe macht und im Vorfeld des Mediationsverfah­ rens schriftliche Alternativangebote einholt, hat nicht nur eine bessere Ausgangsposi­ tion, sondern trägt auch zur Bewahrung der für die Mediation unabdingbaren Ver­ fahrensfairness bei. Mediation ist ein kooperatives Verfahren und setzt den good will und das gegenseitige Vertrauen aller Beteiligten voraus. Wer seinen Verhandlungs­ partner bewusst über wesentliche Schlüsselfaktoren täuscht, setzt sich über die Re­ geln hinweg, zu denen er sich zuvor in der Mediationsvereinbarung und im Medi­ atorvertrag verpflichtet hat. Und er verbaut sich und den übrigen Beteiligten den Weg, um zu einer konstruktiven, an der Lösung eines gemeinsamen Problems orien­ 222

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tierten und wertschöpfenden Beilegung des Konfliktes zu gelangen, die das eigentli­ che Ziel des Mediationsverfahrens ist. Überoptimismus als Einigungsbarriere Genauso wie ein Beteiligter sich über die Nichteinigungsalternativen der Gegenseite irren kann, unterliegt er möglicherweise auch im Hinblick auf die eigenen Nichteini­ gungsalternativen einer verzerrten Wahrnehmung. Diese kann sich insbesondere aus einer zu optimistischen (überoptimistischen) Einschätzung eigener Nichteinigungsal­ ternativen ergeben. Optimismus ist im Prinzip eine nützliche Lebenseinstellung, weil er uns hilft, auch kritische Situationen zu meistern. Ungerechtfertigter Optimismus (Überoptimismus) ist jedoch schädlich. Er verleitet zu leichtfertigem Verhalten und in Konfliktsituationen dazu, die eigenen Nichteinigungsalternativen zu überschätzen. Die Kognitionspsychologie hat in den letzten Jahrzehnten viele Belege für derartigen Überoptimismus erbracht (vgl. Kapitel 1).319 Fragt man die in einen Wirtschaftskon­ flikt involvierten Rechtsanwälte nach den Prozessaussichten der von ihnen vertrete­ nen Parteien, so geben sie regelmäßig Wahrscheinlichkeiten an, die sich zu mehr als 1 (= 100 Prozent) addieren. Handelt es sich um besonders ambitionierte Anwälte, liegt die Summe der mitgeteilten Wahrscheinlichkeiten zumeist bei über 1,5 (ca. 140– 160 Prozent): Jede Seite ist sehr zuversichtlich, den Prozess zu gewinnen. Auf dieser Grundlage kann man sich natürlich nicht vergleichen. Im Einzelfall verstärkt das Phänomen der Verlustaversion noch den vergleichshin­ dernden Effekt von Überoptimismus. Die meisten Menschen sind grundsätzlich risi­ koscheu. Deswegen schließen wir Versicherungen ab. Allerdings werden viele von uns gelegentlich zu Spielernaturen, wenn es darum geht, drohende Verluste zu ver­ meiden.320 Wer in einer Mediation als Anspruchsgegner die Zahlung einer (modera­ ten) Vergleichssumme als Verlust wahrnimmt, geht möglicherweise hohe Risiken ein, um diesen Verlust nicht erleiden zu müssen. Wenn der Anspruchsteller seinerseits die Vergleichssumme an einer ursprünglichen (überzogenen) Forderung misst, gilt für ihn dasselbe. Ein guter Verhandler kennt diese Mechanismen und ist in der Lage, die eigene Wahr­ nehmung kritisch zu reflektieren. Wie aber können bzw. sollten Sie sich als Mediator verhalten, wenn Sie sehen, dass sich eine überoptimistische Einschätzung der Nicht­ einigungsalternativen durch die Konfliktparteien gepaart mit Verlustaversion zu ei­ ner massiven Einigungsbarriere entwickeln? Bedeutung von Einzelgesprächen Wenig hilfreich ist es in solchen Situationen, die Beteiligten in gemeinsamen Ver­ handlungen zur Besonnenheit zu ermahnen. Kaum jemand wird vor den Augen der Gegenseite Schwächen in der eigenen (rechtlichen) Position zugeben, zumal wenn er diese vorher vehement verteidigt hat. Häufig wird der Mediator deshalb Einzelgespräche vorschlagen (vgl. Kapitel 6). Sie sind ein Forum, auf dem die Beteiligten vertrau­ 223

Teil II ­|  Methode der Mediation

ensvoll mit dem Mediator kommunizieren können. Darin kann der Schlüssel für ei­ nen Erfolg der Mediation liegen. Strategisch bedeutsame Informationen, die sie der Gegenseite niemals preisgeben würde, teilt eine Partei eventuell dem Mediator mit. Die Bereitschaft zur kritischen Überprüfung der eigenen Nichteinigungsalternativen steigt. Der Mediator erlangt eine zutreffendere Einschätzung von Einigungschancen und ‑hindernissen. In emotional stark belasteten Situationen sind Einzelgespräche zudem ein Instrument, das sich zur Deeskalation einsetzen lässt. „„ Caucus Mediation In den USA bestehen Mediationsverfahren bei Anwalts-Mediatoren in der Regel fast ausschließlich aus Einzelgesprächen. Man spricht von der sogenannten caucus ­mediation oder dem caucussing.321 Wenn sich die Parteien überhaupt zu Gesicht bekommen, dann geschieht dies nur im Rahmen eines kurzen Willkommensstate­ ments des Mediators. Anschließend ziehen sich die Parteien in getrennte Räume zurück. Der Mediator pendelt dann als Shuttle zwischen beiden Räumen hin und her, versucht gegenseitiges Verständnis zu wecken und zu Zugeständnissen zu motivieren. Er „orchestriert“ den Prozess des gegenseitigen Gebens und Nehmens. Kritiker monieren, dass die caucus mediation letztlich kaum mehr sei als eine moderierte Basarverhandlung, bei der sich die Parteien in Trippelschritten aufeinander zu bewegen und echte Wertschöpfung die Ausnahme darstellt. Befürworter verweisen vor allem darauf, dass diese Art der Mediation von den Parteien und ihren Rechtsvertretern überwiegend nachgefragt werde und daher Realismus vor Idealismus stehen solle. Unseres Erachtens ist eine pragmatische, einzelfallbezogene Herangehensweise angezeigt. Es gibt Fälle, in denen eine caucus mediation klar vorzugswürdig ist. So hat einer der Autoren jüngst einen Streit zwischen einem großen Medienunternehmen aus dem Silicon Valley und einem deutschen Mittelständler aus der Medizinbranche mediiert. Die US-Amerikaner sprachen kein Deutsch, die Deutschen nicht oder nur schlecht Englisch. Die deutsche Seite hegte zudem starke negative Gefühle gegenüber den US-Amerikanern  – sie wollten nicht mit ihnen in demselben Raum sitzen. Es wäre nicht zielführend gewesen, den Parteien eine Plenumsmediation nahezulegen. Auch im Rahmen einer caucus mediation lassen sich die fünf Phasen einer Mediation sinnvoll „durchspielen“. Beispiel 2

Erwägen Sie als Mediator die Durchführung von Einzelgesprächen, so sollten Sie sich aber auch der Gefahren bzw. Risiken dieses Instruments bewusst sein, um ihnen durch eine geeignete Verfahrensgestaltung entgegenwirken zu können.322 Hat ein Be­ teiligter den Eindruck, dass es in einem Einzelgespräch zwischen der Gegenseite und dem Mediator zu „Mauscheleien“ kommt, werden die Neutralität des Mediators und die prozedurale Integrität des Mediationsverfahrens erheblich belastet. Nicht zu un­ terschätzen ist bei komplexen Mediationen auch das Risiko, dass der Mediator verse­ hentlich seine Vertraulichkeitsverpflichtung bricht (Was wurde mir im Vertrauen gesagt?). Weiter können überlange Einzelgespräche die jeweils nicht beteiligte Partei bzw. deren Vertreter ermüden und frustrieren. Schließlich sollten Sie stets vom Ende 224

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her denken: Sobald Sie ein Einzelgespräch mit einer Partei geführt haben, provoziert das in der Regel die Durchführung eines entsprechenden Einzelgesprächs mit der anderen Partei. Bevor Sie mit Einzelgesprächen beginnen, sollten Sie sich daher kri­ tisch fragen, wann und wie sie aus diesem „Reigen“ wechselseitiger Einzelgespräche wieder herausfinden und mit den Parteien erneut im Plenum zusammen kommen wollen. Einzelgespräche sollten Sie als Mediator nur führen, nachdem Sie allen Beteiligten deren Zweck und auch mögliche Länge erläutert haben, so dass ein Maximum an Verfahrenstransparenz gewährleistet ist. Die Zulässigkeit von Einzelgesprächen sollte ausdrücklich vereinbart werden, gegebenenfalls bereits in der Mediationsvereinba­ rung und im Mediatorvertrag. Denn nach § 2 Abs. 3 Satz 3 MediationsG sind Einzel­ gespräche nur „im allseitigen Einverständnis“ zulässig. Dieses müssen Sie daher si­ cherstellen. Sinnvollerweise werden Sie die jeweils gerade nicht an einem Einzelgespräch betei­ ligte Partei anderweitig beschäftigen und ihr z.B. „Hausaufgaben“ geben. Bei einer Co-Mediation sollten Sie Einzelgespräche nicht durch beide Mediatoren parallel füh­ ren. Das wäre zwar scheinbar mit einer Zeitersparnis verbunden und hätte für die agierenden Mediatoren auch den Vorteil, dass sie nur die vertraulichen Informatio­ nen einer Seite „im Kopf behalten“ müssen. Aber der Zeitvorteil würde regelmäßig durch den notwendigen Informationsaustausch zwischen den Mediatoren wieder verspielt, und vor allem droht eine Gefährdung der Neutralität der Mediatoren („mein“ bzw. „Dein“ Mediator). Kritische Fragen des Mediators Im Rahmen eines Einzelgesprächs steht Ihnen als Mediator eine Reihe von Techniken zur Verfügung, um einem Beteiligten eine realistische Sicht auf seine Nichteinigungs­ alternativen zu vermitteln. An erster Stelle zu nennen sind insoweit einfache, kritische Fragen (zu Fragetypen und ‑techniken vgl. ausführlich Kapitel 5). Die Ursachen für Überoptimismus liegen häufig in vagen oder sogar nebulösen Vorstellungen davon, „was man alles machen könnte“, wenn die Mediation scheitert. Hier werden Sie anset­ zen und insistierend nachfragen, damit der Beteiligte sich konkreter über die Reali­ tätsnähe seiner Vorstellungen und ihren Bezug zu seinen Interessen Rechenschaft ablegt („Auf welchen Zulieferer weichen Sie aus, wenn die Zusammenarbeit mit Ih­ rem jetzigen Partner endet? Wie schnell ginge das? Gibt es schon einen Vorvertrag? Wie schätzen Sie Ihren möglichen neuen Partner im Hinblick auf Qualität und Ter­ mintreue ein? Worauf gründet sich Ihre Einschätzung?“). Auch Suggestivfragen kön­ nen insoweit ein legitimes Mittel sein, um Reflexionsprozesse auszulösen („Was ge­ fällt Ihnen nicht an einem Streik?“). Keinesfalls dürfen Sie als Mediator insoweit zu früh aufgeben: Rechnen Sie mit abblockenden Antworten, haken Sie nach, fragen Sie weiter, stellen Sie notorisch überoptimistische Konfliktparteien auf eine harte Probe. Als agent of reality ist es Ihre Aufgabe, die Annahmen der Parteien kritisch zu prüfen und so mögliche Wahrnehmungsverzerrungen auszugleichen.323

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Teil II ­|  Methode der Mediation

Nicht selten wird diese Art des kritischen Hinterfragens von der betroffenen Partei oder ihren Beratern als Parteinahme für die andere Seite wahrgenommen. Sie kann daher zu einer Gefährdung Ihrer (wahrgenommenen) Neutralität führen, was die Mediation insgesamt infrage stellen kann. Machen Sie daher deutlich, dass der Grund für Ihre Fragen nicht in einer Parteinahme für die andere Seite zu suchen ist, sondern allein dazu dient, dem zuvor beschriebenen, allgemeinen Phänomen des Überopti­ mismus’ entgegenzuwirken, der – bezogen auf die eigenen Nichteinigungsalternati­ ven – ein Hindernis auf dem Weg zu einer Einigung darstellen kann. Formulieren Sie Ihre Fragen zudem vorsichtig und nicht zu kritisch, damit diese nicht als Überzeu­ gung von der Position der Gegenseite missverstanden werden können. „„ Kritische Fragen des Mediators und (wahrgenommene) Neutralität In einem von einem der Autoren durchgeführten Mediationsverfahren zwischen einem Energiekonzern und einem Industrieunternehmen in einem Konflikt über Nutzungskonditionen einer Kraftwerksanlage führte der Mediator in der entscheidenden Phase mit den Parteien wechselnd längere Einzelgespräche. Dabei hinterfragte er vor allem kritisch die jeweiligen Nichteinigungsalternativen. Als er nach einem dieser Einzelgespräche mit der einen Partei wieder den Raum der anderen betrat, empfing ihn deren Anwalt mit den Worten: „Seien Sie gewiss, dass wir unsere rechtlichen Chancen in diesem Fall sehr gewissenhaft geprüft haben. Wir haben in den letzten Stunden den Eindruck gewonnen, dass Sie zunehmend die Position der Gegenseite einnehmen. Das können wir nicht akzeptieren. Wir wollen die Mediation daher abbrechen.“ Nachdem der Mediator die Vertreter dieser Partei einige Zeit nach den Gründen für ihren – aus seiner Sicht unberechtigten – Eindruck befragt hatte, brachte erst seine Versicherung, dass er die Gegenseite ebenso kritisch befrage und auch diese sich hierzu bereits kritisch gezeigt habe, die betroffene Partei dazu, die Mediation fortzusetzen. Kurze Zeit später einigten sich die Parteien. Beispiel 3

Dass ein Beteiligter in einem Einzelgespräch mit Ihnen vertrauensvoll und offen kommunizieren kann, bedeutet natürlich nicht, dass er dies auch tun wird: Nicht nur die Gegenseite ist möglicherweise Täuschungen und Manipulationsversuchen ausge­ setzt, sondern auch der Mediator (Vorspiegelung nicht existierender Handlungsmög­ lichkeiten oder Beschönigung derselben, unrichtige Darstellung von Äußerungen der Gegenseite etc.).324 Dieser kann zwar keine verbindliche Entscheidung treffen. Son­ dervorteile lassen sich aber unter Umständen erzielen, wenn er bei unverbindlichen Lösungsvorschlägen unter dem Eindruck entsprechender Täuschungen bzw. Mani­ pulationsversuche steht. Patentrezepte dagegen gibt es nicht. Aufmerksamkeit hilft, insbesondere im Hinblick auf die Konsistenz bestimmter Äußerungen. Auch kriti­ sches Nachfragen und  – in eklatanten und offensichtlichen Fällen  – eine deutliche Erinnerung an den Geist der Mediation, dem sich alle Beteiligten in der Mediations­ vereinbarung bzw. dem Mediatorvertrag verpflichtet haben (vgl. Kapitel 12), können wirksame Schutzschilde sein. Notfalls sollten Sie die Mediation abbrechen.

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Prozessrisikoanalysen Wenn die BATNA eines Beteiligten in der (Fort‑)Führung eines Rechtsstreits liegt, bietet sich insbesondere bei komplexen Wirtschaftskonflikten ein weiteres Instru­ ment zur realitätsnahen Beurteilung dieser Nichteinigungsalternative an: die Durch­ führung einer sogenannten Prozessrisikoanalyse.325 Dabei handelt es sich um den ­Versuch, auf entscheidungstheoretischer Grundlage zu einer möglichst präzisen Ab­ schätzung der Prozessaussichten zu gelangen. Das „Bauchgefühl“, gute oder schlechte Chancen zu haben, kann nämlich bisweilen erheblich trügen. Die Bedeutung von Prozessrisikoanalysen hat in den letzten Jahren in der Praxis der Wirtschaftsmediati­ on zugenommen. Am Ende dieses Kapitels werden wir auf ein Mediationsverfahren zu sprechen kommen, in dem sich eine solche Analyse als Schlüssel für eine allseits zufriedenstellende Einigung erwiesen hat. Erwartungswert und kumulierte Wahrscheinlichkeiten Dass die Führung eines Prozesses in einem komplexen Wirtschaftskonflikt häufig mit erheblichen Risiken verbunden ist, ist bekannt („Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“). Weniger bekannt ist – jedenfalls unter Juristen –, dass diese Risiken mit Hilfe einfacher Konzepte der Entscheidungstheorie erfasst und bewertet werden können. Entsprechende Konzepte sind überall dort einsetzbar, wo Entschei­ dungen unter Unsicherheit getroffen werden müssen (Beispiel: Beurteilung der Sinn­ haftigkeit einer Investition, etwa der Realisierung eines Joint Venture). Der Grundge­ danke des Verfahrens geht dahin, die Prozessführung als eine solche Entscheidung unter Unsicherheit zu begreifen und ihren Erwartungswert zu berechnen. Der Erwartungswert eines unsicheren Ereignisses ist das Produkt aus der Wahrschein­ lichkeit des Eintritts eines Ereignisses und dem Wert dieses Ereignisses (wenn es ein­ tritt). Betrachten wir folgende Lotterie: Sie erhalten eine 1‑Euro-Münze, sofern die Münze auf Zahl fällt. Der Erwartungswert dieser Lotterie beträgt 1/2 × 1 Euro = 50 Cent. Er repräsentiert letztlich den durchschnittlichen Gewinn, den Sie hätten, wenn Sie die­ se Lotterie sehr oft spielen würden. Wie hoch ist der Erwartungswert der Lotterie, wenn Sie die Münze nur dann erhalten, sofern sie zweimal hintereinander auf Zahl fällt? Um diese Frage zu beantworten, müssen Sie zunächst die Wahrscheinlichkeit Ihres Erfolges berechnen. Mehrere unsi­ chere Ereignisse, die kumulativ eintreten müssen, sind zu multiplizieren (kumulierte Wahrscheinlichkeiten). Die Wahrscheinlichkeit beläuft sich jetzt also auf 1/2 × 1/2 = 1/4. Demzufolge beträgt der Erwartungswert dieser Lotterie 1/4 × 1 Euro = 25 Cent. Erwartungswert einer Prozessführung Diese Konzepte können Sie nutzen, um den Erwartungswert einer Prozessführung zu berechnen. Nehmen wir einmal an, ein Automobilhersteller habe seinem Vertrags­ händler wegen angeblich rufschädigender Äußerungen (die Äußerungen sind als sol­ che unstrittig) fristlos gekündigt. Der Vertrag enthalte ein jederzeitiges Sonderkündi­ 227

Teil II ­|  Methode der Mediation

gungsrecht des Herstellers, dessen Wirksamkeit jedoch zweifelhaft sei. Der Händler erwägt eine Schadensersatzklage. Sein entgangener Gewinn betrage 90.000 Euro, sei­ ne Vertrauensaufwendungen 45.000. In der Mediation macht der Hersteller ein Ver­ gleichsangebot in Höhe von 10.000 Euro. Der Händler hält dieses Angebot für „lä­ cherlich“. Sie schlagen  – als Mediator  – eine Prozessrisikoanalyse vor, damit beide Parteien ein möglichst realistisches Bild ihrer jeweiligen Prozessaussichten gewinnen. Hersteller und Händler sind einverstanden. In einem ersten Schritt geht es darum, mit den Beteiligten gemeinsam einen soge­ nannten Entscheidungsbaum zu entwickeln. Er stellt die mit einem Prozess verbunde­ nen Unsicherheiten und ihre logische Verknüpfung grafisch dar (vgl. Abbildung 2). Am Anfang des Baums (markiert durch einen sogenannten Entscheidungsknoten) steht die Entscheidung des Händlers über die Annahme des Vergleichsangebots oder das Führen eines Prozesses. Kommt es zum Rechtsstreit, gewinnt der Händler diesen nur, wenn für die Kündigung ein wichtiger Grund erforderlich war (das Sonderkün­ digungsrecht also unwirksam ist) und dieser nicht vorlag. Beide Schaltstellen werden durch sogenannte Ereignisknoten markiert: Die Entscheidung des mit der Sache be­ fassten Gerichts ist ein unsicheres Ereignis. Wie hoch der zu leistende Schadensersatz bei einem Prozessgewinn ist, hängt davon ab, ob das Gericht das positive (entgange­ ner Gewinn) oder nur das negative Interesse (Vertrauensaufwendungen) zuspricht (dritter Ereignisknoten). Am Ende der Äste des Baums befinden sich sogenannte Endknoten, an denen die Zahlungen stehen, die der Händler in der jeweiligen Varian­ te erhält. 1/2 Vergleich

Positives

T € 10 2/3 (−)

(+)

Wichtiger Grund gegeben?

Wichtiger Grund erforderlich?

(+)

2/3

Kalkül des Händlers

Prozess

(−)

oder negatives Interesse? 1/2

1/3

1/3

Abbildung 2: Prozessrisikoanalyse mit Hilfe eines Entscheidungsbaums 228

T € 90

T € 45

T€0 T€0

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Diesen Baum sollten Sie als Mediator mit den Beteiligten in einer gemeinsamen Sit­ zung und nicht in Einzelgesprächen entwerfen: Im Hinblick auf die relevanten Fragen und ihre logische Verknüpfung müssen die Parteien übereinstimmen. Für den nun folgenden, zweiten Schritt der Prozessrisikoanalyse sollten Sie demgegenüber das Einzelgespräch suchen: Jetzt muss ermittelt werden, wie wahrscheinlich es ist, dass sich das Gericht an den Verzweigungen des Baums so oder so entscheidet. Im Hin­ blick auf die erste Weichenstellung wäre also beispielsweise die Wahrscheinlichkeit einzuschätzen, mit der eine Kündigung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für zulässig erachtet wird. Dazu müssen die einschlägige Fachliteratur, die höchst­ richterliche Rechtsprechung sowie die bisherige Entscheidungspraxis des mit der Sa­ che befassten Gerichts im Hinblick auf das vertraglich vereinbarte Sonderkündi­ gungsrecht ausgewertet werden. Die Kontrahenten werden unterschiedliche Progno­ sen äußern und zu einer kritischen Reflexion ihrer jeweiligen Einschätzung aus stra­ tegischen Gründen in der Regel nur in einem Einzelgespräch bereit sein. Zweifellos ist die Ermittlung der relevanten Wahrscheinlichkeiten der wichtigste und zugleich schwierigste Teil einer Prozessrisikoanalyse. Zum einen besteht die Gefahr, dass ein trügerisches „Bauchgefühl“ durch eine nicht weniger trügerische Scheinge­ nauigkeit ersetzt wird. Die relevanten Wahrscheinlichkeitseinschätzungen müssen so gut wie möglich begründet sein. Jeder muss sich bewusst sein, dass er an der einen oder anderen Stelle auch (deutlich) irren kann. Dabei hilft es, innerhalb von Band­ breiten mit mehreren Werten zu rechnen, um Unsicherheiten in der eigenen Ein­ schätzung der Wahrscheinlichkeiten abzubilden. Zum anderen sind Sie als Mediator als „kritischer Sparringspartner“ besonders gefordert: Sie müssen dazu in der Lage sein, rechtliche Argumente der Beteiligten zu bewerten. Sehr gute Rechtskenntnisse sind insoweit unerlässlich. Im Übrigen gilt auch hier: Rechnen Sie mit defensiven, überoptimistischen Einschätzungen, und seien Sie bohrend kritisch in ihren Fragen – niemandem ist gedient, wenn alle Beteiligten am Ende ihre ursprünglichen, realitäts­ fernen Einschätzungen nur bestätigen. Haben Sie in einem Einzelgespräch den Baum mit Wahrscheinlichkeitseinschätzun­ gen vervollständigt, können Sie in einem dritten Schritt der Prozessrisikoanalyse den Erwartungswert der Prozessführung ermitteln. Auf der Basis der in Abbildung  2 ­lediglich beispielhaft eingetragenen Werte beträgt dieser: (2/3 × 2/3 × 1/2) 90.000 Euro + (2/3 × 2/3 × 1/2) 45.000 Euro = 30.000 Euro. In einem so einfachen Fall kann man Ent­ scheidungsbäume ohne weiteres „auf der Rückseite eines Briefumschlags“ zeichnen und den Prozesserwartungswert manuell errechnen. Bei komplizierten Wirtschafts­ konflikten sind indes Entscheidungsbäume mit einer zwei- oder sogar dreistelligen Zahl von Verästelungen keine Seltenheit. In diesen Fällen ist einschlägige Software, wie sie inzwischen von mehreren Anbietern zur Verfügung gestellt wird, eine große Hilfe.326 Vollständige Kosten/Nutzen-Analyse Die Berechnung des Prozesserwartungswerts genügt noch nicht, um die Entschei­ dung über Prozessführung oder Annahme eines etwaigen Vergleichsangebots zu tref­ fen. Aus der Warte des Händlers sind ferner insbesondere der Zeitwert des Geldes, 229

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seine Risikoneigung sowie die Kosten beider Handlungsalternativen zu berücksich­ tigen.327 Nimmt der Händler das Vergleichsangebot des Herstellers an, erhält er unverzüglich 10.000 Euro. Ein Gerichtsverfahren dagegen kann mehrere Jahre dauern, insbesonde­ re wenn der Instanzenzug ausgeschöpft wird. Gewinnt der Händler, bekommt er zwar 90.000 Euro oder 45.000 Euro, aber erst in ferner Zukunft. Zwar erhält er regelmäßig auch Prozesszinsen zugesprochen. Wenn diese jedoch niedriger sind als der auf dem Markt erzielbare Zins und der entsprechende Schaden auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund ersetzt verlangt werden kann, muss der Prozesserwartungswert mit der Zinsdifferenz auf einen Gegenwartswert abgezinst werden.328 Es kommt hinzu, dass der Händler möglicherweise Risiken scheut. Eine risikoneutra­ le Person ist indifferent zwischen einem unsicheren Erwartungswert und einem si­ cheren Betrag in gleicher Höhe. Wer risikoscheu ist, zieht demgegenüber einen nied­ rigeren, sicheren Betrag einem höheren, unsicheren Erwartungswert vor. Wie bereits erwähnt, sind die meisten Menschen grundsätzlich risikoscheu. Möglicherweise wäre der Händler deshalb dazu bereit, einen Betrag weit unter 30.000 Euro zu akzeptieren. In diesem Fall müsste er keinen Prozess führen, bei dem er zwar 90.000 Euro gewin­ nen, aber auch völlig leer ausgehen kann. Wirkt bei dem Händler das bereits beschrie­ bene Phänomen der Verlustaversion, ist er eventuell aber auch risikofreudig  – das hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Der Einfluss der Risikoneigung auf die Beurtei­ lung der riskanten Nichteinigungsalternative „Prozessführung“ lässt sich mittels einer sogenannten Risikopräferenzfunktion ermitteln (vgl. Beispiel 4). „„ Risikoscheu oder risikofreudig? Risikopräferenzfunktionen bilden die (unterschiedliche) Einstellung von Menschen zu Risiken ab. Betrachten wir folgende Lotterie: Sie erwägen, X Euro in eine Biotechnologiefirma zu investieren. In einiger Zeit wird eine letztinstanzliche Entscheidung über die Gültigkeit eines für das Unternehmen wesentlichen Patents ergehen. Wenn die Entscheidung für das Unternehmen günstig ist, verdoppelt sich Ihre Investition. Wenn sie ungünstig ausfällt, verliert sie die Hälfte ihres Wertes. Beide Szenarien seien gleich wahrscheinlich. Welchen Maximalbetrag investieren Sie? Der Erwartungswert des Investments ist positiv: (X Euro × 1/2) + (–X Euro/2 × 1/2) = 1/4 X Euro. Wenn Sie risikoscheu sind, werden Sie gleichwohl maximal einen bestimmten Betrag X Euro investieren. Dieser Wert ist ein sogenannter Risikokoeffizient, der in Ihre Risikopräferenzfunktion eingeht. Auf deren Grundlage können Sie ermitteln, welchen Wert die riskante Nichteinigungsalternative „Prozessführung“ für Sie hat (auch hierfür steht einschlägige Software zur Verfügung). Beispiel 4

Schließlich sind die Kosten zu beachten, die ein Vergleichsschluss bzw. eine Prozess­ führung auslösen würde. Die Kosten eines Vergleichsschlusses sind in der Regel ein­ fach zu errechnen. Zur Ermittlung der zu erwartenden Prozesskosten können Sie den bereits für die Hauptsache angefertigten Entscheidungsbaum nutzen. Die an jedem Endknoten zu erwartenden Kosten sind dort lediglich als Minus-Position mit einzu­ 230

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rechnen. Wenn der Händler beispielsweise voll obsiegt (90.000 Euro), hat er nach deutschem Recht keine Prozesskosten zu tragen (§ 91 der Zivilprozessordnung, ZPO). Nur geschätzt werden können naturgemäß die indirekten Kosten (Beanspruchung von Managementzeit und anderer Ressourcen, Rufschädigung etc.), die mit einer jah­ relangen Prozessführung verbunden sind. Dass sie nur schwer – wenn überhaupt – zu quantifizieren sind, sollte einen nicht dazu verleiten, sie zu ignorieren: Nicht selten werden die indirekten Kosten eines Rechtsstreits dessen direkte Kosten weit überstei­ gen.329 Im Ergebnis geht der Prozesserwartungswert damit in ein komplexes Kosten/Nut­ zen-Kalkül ein, das die Basis für eine aufgeklärte Entscheidung eines Beteiligten zwi­ schen der Einigungsoption des Vergleichsschlusses auf der einen und der Führung eines Prozesses als Nichteinigungsalternative auf der anderen Seite bildet. Pendeldiplomatie des Mediators Wer als Mediator in einem Wirtschaftskonflikt mit den Beteiligten eine Prozessrisi­ koanalyse durchführt, sollte nicht erwarten, dass bereits „die erste Runde“ zu einer so starken Annäherung der Standpunkte führt, dass eine Einigung möglich ist. Die Pra­ xis zeigt, dass sich zunächst nur geringfügige Fortschritte erzielen lassen. Zumeist werden Sie als Mediator deshalb in eine Art Pendeldiplomatie eintreten: Die vorläufi­ gen Ergebnisse der Prozessrisikoanalyse werden in weiteren Einzelgesprächen im Lichte neuer Informationen und Einschätzungen kritisch überprüft und korrigiert. Schritt für Schritt können Sie so dazu beitragen, dass ein Einigungsbereich entsteht. Nutzen von Prozessrisikoanalysen Zweifellos ist die Durchführung einer Prozessrisikoanalyse mit einem gewissen Auf­ wand verbunden. Nicht nur der Mediator, sondern auch die Konfliktparteien und ihre Rechtsanwälte müssen sich mit Grundkonzepten der Entscheidungstheorie ver­ traut machen, um diese gewinnbringend einsetzen zu können. Soll die Prozessrisiko­ analyse durch Spezialsoftware unterstützt werden, ist zudem deren Anwendung zu erlernen. Zudem setzen die Erarbeitung eines vollständigen Entscheidungsbaums und eine fruchtbare Diskussion über die einzelnen Wahrscheinlichkeiten eine gründ­ liche Vorbereitung anhand von Vorabinformationen über den Konflikt und eine Sich­ tung und Bewertung der einschlägigen Rechtsquellen, Tatfragen und Beweismittel voraus. Dieser Aufwand dürfte indes mehr als aufgewogen werden durch den Nutzen, den Prozessrisikoanalysen haben. Der bereits erwähnte Vorwurf der Scheingenauigkeit ist insofern ungerecht, als er sich die Frage nach dem alternativen Vorgehen gefallen lassen muss. Kein verantwortungsvoller Unternehmer würde heute eine Investitions­ entscheidung im Millionenbereich unter Unsicherheit treffen, ohne vorher eine ­seriöse Investitionsrechnung durchgeführt zu haben, die denkbare Entwicklungssze­ narien und ihre Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt. Gleichwohl empfehlen Rechts­ anwaltssozietäten noch heute die Führung von Prozessen in dieser Größenordnung 231

Teil II ­|  Methode der Mediation

auf der Grundlage des „Bauchgefühls“, dass vermutlich „überwiegende Erfolgsaus­ sichten“ bestehen („… aber selbstverständlich gibt es Risiken, die wir nicht kontrollie­ ren können …“). Natürlich ist es richtig, dass bestimmte Risiken – insbesondere sol­ che im tatsächlichen Bereich (unbekannte Fakten)  – schwer einzuschätzen und zu beherrschen sind. Indes befreit dies nicht von der Verantwortung, überhaupt eine möglichst seriöse Risikoanalyse vorzunehmen. Prozessrisikoanalysen zwingen die Beteiligten, die Unwägbarkeiten eines Falles präzi­ se und transparent zu analysieren und auf dieser Basis miteinander über sie zu kom­ munizieren. Der wesentliche Vorteil eines solchen Vorgehens liegt darin, dass über­ optimistische Einschätzungen auf einen harten Prüfstand gestellt werden. Intuitiv tendieren nämlich viele von uns dazu, den Effekt sich kumulierender Wahrschein­ lichkeiten zu ignorieren: In dem Fall des Vertragshändlers besteht eine weit überwie­ gende Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Kündigung nur bei wichtigem Grund zu­ lässig ist. Zudem besteht eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieser nicht vorliegt (jeweils 2/3). Mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/2 erhält der Händ­ ler dann sein positives Interesse ersetzt. Dass es dazu tatsächlich kommt, ist im Ergeb­ nis jedoch hochgradig unwahrscheinlich: Die entsprechende Aussicht beträgt nicht einmal 23 Prozent (2/9). Dass Juristen (vor allem externe Rechtsanwälte) Prozessrisikoanalysen häufig skepti­ scher gegenüberstehen als die von ihnen beratenen Unternehmer bzw. Unterneh­ mensvertreter, überrascht nicht: Zum einen kann es unter Einkommensgesichts­ punkten für manche Anwälte verlockend sein, bei hohen Streitwerten einen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang „erst einmal anzufangen“. Zum anderen fällt es Juristen offensichtlich außerordentlich schwer, sich von dem Paradigma der „richti­ gen Entscheidung“ zu lösen und einen Prozess als – nur partiell kontrollierbare – Lot­ terie zu begreifen, die man entscheidungstheoretisch analysieren kann und gegebe­ nenfalls auch sollte. Für Unternehmer bzw. Unternehmensvertreter ist dies wesentlich leichter: Da sie mit entsprechenden Werkzeugen insbesondere bei Investitionsrech­ nungen tagtäglich umgehen, haben sie zu Prozessrisikoanalysen häufig einen schnel­ len und einfachen Zugang. Dadurch erlangen sie gleichzeitig ein Verständnis der ju­ ristischen Struktur ihres Falles, das ihnen die Lektüre langer Schriftsätze selten vermittelt. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt: Prozessrisikoanalysen helfen Kaufleu­ ten und Juristen, sinnvoll und detailliert miteinander über die aufgeworfenen Rechts­ fragen zu diskutieren. Dadurch verbessert sich nicht nur die Kommunikation innerhalb des eigenen Lagers. Auch diejenige zwischen den Konfliktparteien verändert sich. Prozessrisikoanalysen thematisieren die Unwägbarkeiten eines Rechtsstreits als ein gemeinsames Problem aller Beteiligten. An die Stelle einer von Positionsgerangel und Willensstärke gepräg­ ten Auseinandersetzung tritt deshalb nicht selten die gemeinsame Suche nach einer rationalen Problemlösung. Kommt es zu einer Einigung, lässt sich das Ergebnis des­ halb auch Außenstehenden gegenüber besser vertreten: Eine gründliche Prozessrisi­ koanalyse erleichtert es einem Vorstandsvorsitzenden, der Hauptversammlung eine hohe Vergleichssumme zu erklären, die die Gesellschaft bezahlt. 232

Alternativen zu Verhandlungslösung prüfen ­|  Kap. 9

Rolle der Rechtsanwälte Dass Prozessrisikoanalysen auf entscheidungstheoretischen Konzepten basieren, be­ deutet keineswegs, dass dadurch Rechtsprobleme und Rechtsanwälte in der Mediati­ on weniger wichtig sind. Das Gegenteil ist der Fall: Ohne ein gründliches Verständnis der aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich seriöse Wahrscheinlichkeitseinschätzun­ gen bezüglich der einzelnen Verzweigungen des Entscheidungsbaums nicht gewin­ nen. Hier zeigt sich, ob ein Anwalt seinen Fall wirklich verstanden hat. Es ist immer einfacher, eine allgemein und vage gehaltene Aussage über die Prozessaussichten zu machen, als Schritt für Schritt im Hinblick auf detaillierte Einzelfragen Rede und Antwort zu stehen. Gute Anwälte sind dazu in der Lage. Sie begleiten ihren Mandan­ ten in einer Prozessrisikoanalyse ebenso professionell wie im Gerichtssaal, bringen ihr spezielles Wissen ein und hinterfragen das Vorgehen und etwaige Einschätzungen des Mediators. Die Erfahrung lehrt, dass dieses Mehr an Beratungsqualität durchaus honoriert wird. „„ Prozessrisikoanalyse in der Praxis Im Jahre 2000 kam es zu einem Mediationsverfahren in einem Konflikt zwischen der AGIV AG auf der einen Seite und der Hollandsche Beton Groep nv (HBG) auf der anderen Seite.330 HBG hatte Ende 1996 die Wayss & Freytag AG (W&F), ein traditionsreiches Bauunternehmen, von der AGIV für einen Kaufpreis von 189 Millionen DM erworben. In der Folgezeit war W&F in eine erhebliche Schieflage geraten. HBG fühlte sich von AGIV getäuscht und klagte vor dem Landgericht Frankfurt unter anderem auf Rückerstattung des Kaufpreises. Der Gesamtstreitwert der anhängigen Prozesse betrug weit über 200 Millionen DM. Im Zentrum des Verfahrens um eine mögliche Kaufpreisrückerstattung standen komplizierte Rechts- und Tatfragen im Zusammenhang mit einer möglichen vorsätzlichen Täuschung der HBG durch die AGIV: Welche handelnden Personen verfügten damals über bestimmte Informationen? War das Wissen dieser Personen anderen Personen zuzurechnen? Vergleichsgespräche waren gescheitert, weil die Einschätzungen der Beteiligten im Hinblick auf ihre Prozessaussichten extrem weit auseinander lagen. Zum Erfolg der Mediation trug eine Prozessrisikoanalyse maßgeblich bei. Etwa die Hälfte der dreitägigen Mediationszeit wurde auf sie verwendet. Nachdem der komplexe Entscheidungsbaum in einem gemeinsamen Gespräch mit allen Beteiligten erarbeitet worden war, wurden in Einzelgesprächen Wahrscheinlichkeitseinschätzungen bezüglich der vielen Detailfragen ermittelt. Auf diese Weise gelang es, die Diskrepanz in den Prozesserwartungen um ca. 40 Prozent auf ca. 60 Prozent zu reduzieren. Gleichzeitig entstand eine problemlösungsorientierte und konstruktive Gesprächsatmosphäre, die für den weiteren Verlauf der Mediation äußerst förderlich war. Pendeldiplomatie des Mediators führte zu einer weiteren Annäherung der Standpunkte, bevor in einem Gespräch zwischen dem Vorstandsvorsitzenden der AGIV und einem Vorstandsmitglied von HBG unter Moderation des Mediators der Durchbruch gelang.

233

Teil II ­|  Methode der Mediation Anlässlich einer Konferenz, auf der im Jahre 2001 unter anderem über diesen Fall gesprochen wurde, lobte ein beteiligtes Vorstandsmitglied den disziplinierenden Effekt, den die Prozessrisikoanalyse gehabt habe. Ein anderes Vorstandsmitglied stellte fest, dass er in Zukunft keinen wirtschaftlich bedeutenden Prozess mehr führen würde, ohne vorher von seinen Rechtsanwälten eine Prozessrisikoanalyse erhalten zu haben: „Mach’ mir den Entscheidungsbaum!“ laute nunmehr seine Devise. Beispiel 5

Sensitivitätsanalysen Zudem sind Prozessrisikoanalysen gerade für die beteiligten Rechtsanwälte ein inter­ essantes analytisches Werkzeug, weil sich aus ihnen prozesstaktisch hilfreiche Infor­ mationen ableiten lassen. Die Wahrscheinlichkeitseinschätzungen an den einzelnen Ereignisknoten basieren nämlich auf der jeweils relevanten Fakten- und Rechtslage. Diese ist möglicherweise beeinflussbar. Auch können neue Erkenntnisse im Zeitver­ lauf zu einer neuen Einschätzung einer bestimmten Frage führen. Es ist deshalb reiz­ voll, den Erwartungswert eines Prozesses einmal in Abhängigkeit von der – sich gege­ benenfalls ändernden – Wahrscheinlichkeitseinschätzung bezüglich eines bestimmten Faktors darzustellen. Darum geht es bei sogenannten Sensitivitätsanalysen (vgl. Abbil­ dung 3). T € 90

Prozesserwartungswert

Es gibt T € 15 „zu gewinnen", wenn die Wahrscheinlichkeitseinschätzung bezüglich der Frage, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung erforderlich ist, von 2/3 auf 1 steigt.

T € 45 T € 30

0

2/3 Wahrscheinlichkeitseinschätzung bezüglich der Frage, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung erforderlich ist

Abbildung 3: Sensitivitätsanalyse

234

1

Alternativen zu Verhandlungslösung prüfen ­|  Kap. 9

Abbildung 3 zeigt beispielsweise den Prozesserwartungswert in Abhängigkeit von der Wahrscheinlichkeitseinschätzung bezüglich der Frage, ob eine Kündigung in dem be­ reits erörterten Fall nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig ist. Man sieht, dass der Prozesserwartungswert von 30.000 Euro auf 45.000 Euro steigt, wenn die­ se Wahrscheinlichkeitseinschätzung nicht 2/3 (wie ursprünglich angenommen), son­ dern 1 beträgt. Für den Händler bzw. seine anwaltlichen Vertreter lohnt es sich also, Ressourcen von bis zu 15.000 Euro in die Überzeugung des Gerichts von der Richtig­ keit der eigenen Rechtsauffassung zu investieren. Ähnliches gilt im Hinblick auf Tat­ fragen, bei denen die Beweislage unsicher (und gegebenenfalls veränderbar) ist. Mini-trial Ein weiteres Instrument, das Sie als Mediator – oder aber ein zusätzlich eingeschalte­ ter Dritter – mit Einverständnis der Parteien nutzen können, um deren Realitätssinn zu schärfen und überoptimistische Einschätzungen im Hinblick auf einen möglichen Prozessausgang zu korrigieren, liegt schließlich in der Veranstaltung eines sogenann­ ten Mini-trials bzw. in der Integration von Elementen eines solchen Mini-trials in das Mediationsverfahren (vgl. Kapitel 2).331 „Erfunden“ wurde diese Form der Konfliktbe­ handlung im Rahmen eines Patentrechtsstreits zwischen zwei US-amerikanischen Unternehmen im Jahre 1977.332 Die ihr zugrundeliegende Idee geht dahin, entschei­ dungsbefugten Unternehmensvertretern Gelegenheit zu geben, auf der Basis einer begründeten Einschätzung einer kompetenten und neutralen Partei hinsichtlich des wahrscheinlichen Prozessausgangs Vergleichsverhandlungen zu führen. Der Ein­ schätzung des Neutralen liegen regelmäßig eine extrem komprimierte Beweisaufnah­ me und gleichermaßen knappe Plädoyers der Rechtsanwälte beider Seiten zugrunde. Ähnlich wie eine Prozessrisikoanalyse dient damit auch ein Mini-trial dazu, die Par­ teien zu einer realistischeren Einschätzung ihrer jeweiligen Prozessaussichten zu be­ wegen. Allerdings ist die Eingriffsintensität des Dritten bei einem Mini-trial höher: Während er bei einer Prozessrisikoanalyse lediglich kritische Fragen zu Wahrschein­ lichkeitseinschätzungen im Hinblick auf Einzelpunkte stellt und allenfalls einmal sei­ ne Rechtsansicht bezüglich solcher Einzelpunkte artikuliert, gibt er im Rahmen eines Mini-trial eine eigene Einschätzung hinsichtlich des gesamten Prozessausganges ab. Die Integration eines Mini-trials in ein Mediationsverfahren verschiebt damit die Ge­ wichte von einer eher moderierenden Rolle des Mediators hin zu einer stark evaluie­ renden Funktion und impliziert damit gleichzeitig einen entsprechenden Autono­ mieverlust auf Seiten der Parteien. Die praktische Bedeutung von Mini-trials im Bereich internationaler Wirtschaftskon­ flikte ist gering. Bei nationalen Wirtschaftskonflikten spielen sie fast gar keine Rolle. Situationsspezifisch eingesetzt, können Mini-trials bzw. Elemente hiervon erheblich zur Fokussierung und Beschleunigung von Vergleichsverhandlungen bei stark recht­ lich geprägten Konflikten beitragen. Gleichzeitig besitzen sie auch einen beachtlichen disziplinierenden Effekt in dem Sinne, dass sich die Parteien zu einer intensiven, auch die einschlägigen Rechtsfragen einbeziehenden, Vorbereitung der Mediation genötigt sehen. 235

Teil II ­|  Methode der Mediation

Zusammenfassung Eine Einigung der Beteiligten in einer Wirtschaftsmediation ist nur zu erwarten, wenn sie für alle im Vergleich mit ihren (wahrgenommenen) besten Nichteinigungs­ alternativen (BATNAs) Vorteile verspricht. Eine gute BATNA ist die vielleicht wich­ tigste Quelle von Verhandlungsmacht: Wer auf eine Einigung mit der Gegenseite nicht angewiesen ist, ist im Vorteil. Allerdings tendieren die meisten Menschen dazu, ihre Nichteinigungsalternativen zu überschätzen. Wir sind überoptimistisch im Hin­ blick auf unsere Handlungsmöglichkeiten für den Fall einer Nichteinigung. Wenn die BATNA in einem Wirtschaftskonflikt in der Führung eines Prozesses liegt, wird der Mediator deshalb versuchen, den Beteiligten zu einer möglichst realistischen Ein­ schätzung dieser Nichteinigungsalternative zu verhelfen. Kritische Fragen in Einzel­ gesprächen sind ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Insbesondere in komplexen Fällen kann der Mediator darüber hinaus auf das Instru­ ment der Prozessrisikoanalyse zurückgreifen. Der Grundgedanke einer solchen Ana­ lyse geht dahin, die Führung eines Prozesses als Entscheidung unter Unsicherheit zu begreifen. Deren Wert lässt sich mittels eines Entscheidungsbaums auf der Grund­ lage von Wahrscheinlichkeitseinschätzungen errechnen. Prozessrisikoanalysen diszi­ plinieren: Sie zwingen zu einer kritischen Bewertung sämtlicher mit einem Prozess verbundenen Unwägbarkeiten und deren Verknüpfung. Auf diese Weise steigen die Transparenz und die Präzision in der Risikoabschätzung und damit zumeist auch die Wahrscheinlichkeit einer Einigung. Ein ähnlicher Effekt kann mit der Durchführung eines Mini-trial im Rahmen einer Mediation oder aber mit der Integration von Ele­ menten eines solchen Mini-trial in das Mediationsverfahren verbunden sein. Zeigt die Analyse der jeweiligen Nichteinigungsalternativen in der Mediation, dass es Einigungsoptionen gibt, die für alle Beteiligten besser sind als ihre jeweilige BATNA, ist eine Einigung zu erwarten. Wie diese sich schlussendlich herbeiführen und in ein stabiles Lösungspaket umsetzen lässt, wird uns im folgenden Kapitel beschäftigen.

236

Kapitel 10 Lösungspaket schnüren und umsetzen Im letzten Kapitel wurde dargestellt, wie die (wahrgenommenen) Nichteinigungsal­ ternativen der Beteiligten den Raum der denkbaren Einigungsmöglichkeiten (den sogenannten Einigungsbereich) begrenzen: Ein Erfolg der Mediation ist nur wahr­ scheinlich, wenn es Lösungen gibt, die für alle Beteiligten besser sind als ihre jeweils besten, realisierbaren Nichteinigungsalternativen (BATNAs). Zeichnen sich Eini­ gungschancen ab, wird der Mediator den Beteiligten helfen, diese zu konkretisieren und zu bewerten (vgl. Kapitel 7 und 8). Auch wenn eine Verständigung „zum Greifen nah“ ist, kommt es in dieser Phase der Mediation nicht selten zu heftigem strategi­ schen Verhandeln: Jetzt wird zwar nur noch über Bruchteile der ursprünglich disku­ tierten Summen gerungen. Professionelle Eitelkeit und die Arbeit am Ruf des harten Verhandlers spielen nun jedoch eine größere Rolle als inhaltliche Interessen – keine Seite möchte am Ende zuletzt nachgegeben haben. Ob dadurch Einigungschancen verspielt werden, hängt maßgeblich vom Geschick des Mediators ab. Er kann den Beteiligten helfen, verbleibende Einigungshindernisse zu überwinden, gegebenenfalls Einigungsvorschläge unterbreiten sowie die Konturen einer Einigung mit Hilfe des sogenannten Ein-Text-Verfahrens präzisieren (hierzu sogleich mehr). Bei Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen wird er im Ein­ zelfall auch am Abschluss eines rechtsverbindlichen Vergleichs und möglicherweise sogar an der Errichtung eines Vollstreckungstitels mitwirken.333 Gelingt in der Mediation keine Einigung, bedeutet das bei unternehmensexternen Streitigkeiten nicht zwangsläufig den „Gang zu Gericht“. Eventuell verspricht ein „zweiter Anlauf “ nach einigen Tagen oder Wochen doch noch einen Erfolg in der Sache. Ist dies nicht der Fall, können sich die Parteien eines Wirtschaftskonflikts möglicherweise zumindest auf ein anderes, nichtgerichtliches Verfahren zur Kon­ fliktbewältigung verständigen. Auch insoweit sind Vorschläge des Mediators und ge­ gebenenfalls dessen aktive Mitwirkung an einem solchen Verfahren hilfreich.

Verbleibende Einigungshindernisse überwinden Wenn eine Einigung in der Mediation in greifbarer Nähe liegt, die Verhandlungen jedoch an der einen oder anderen Stelle festgefahren sind, werden sich die Augen der Beteiligten regelmäßig fragend auf Sie als Mediator richten: Was können Sie tun, um verbleibende Einigungshindernisse zu überwinden? Welches Vorgehen angezeigt ist, hängt entscheidend von der Art des Einigungshindernisses ab. Strategische Hindernisse Streiten die Parteien in erster Linie um die Verteilung des Kooperationsgewinns, kön­ nen Sie versuchen, einen Perspektivenwechsel herbeizuführen. Die gegenwärtige Aus­ 237

Teil II ­|  Methode der Mediation

einandersetzung über einen bestimmten (marginalen) Punkt erscheint in einem an­ deren Licht, wenn das Blickfeld erweitert wird und die bestehenden Gemeinsamkeiten, bereits erreichte Zwischenergebnisse sowie zukünftige Kooperationsmöglichkeiten betont werden. In gewisser Hinsicht müssen Sie insoweit auch Motivator sein: Zeigen Sie den Beteiligten, wie viel sie bereits erreicht haben und wie viel sie noch gemein­ sam erreichen können. Bisweilen ist es ferner hilfreich, wenn Sie alle Anwesenden an die Verfahrensgestaltung erinnern können, die sie im Vorfeld vereinbart haben (vgl. Kapitel 5): Die Betei­ ligten haben sich aus gutem Grund zu einer bestimmten Vorgehensweise verpflichtet. Das vereinbarte Verfahren – etwa die Durchführung einer Prozessrisikoanalyse – ist dann der festgelegte Kurs, der eine schwierige Klippe zu überwinden hilft. Bemühen Sie sich in jedem Fall darum, eine problemorientierte, konstruktive Gesprächsat­ mosphäre aufrechtzuerhalten (bzw. diese wiederherzustellen), um zu verhindern, dass sachliche Differenzen in persönliche Vorwürfe (Abneigung) umschlagen, also Person und Verhandlungsgegenstand miteinander vermengt werden (vgl. Kapitel 2). Manche Mediatoren versuchen, strategische Einigungshindernisse auch dadurch zu überwinden, dass sie den Beteiligten in Einzelgesprächen bedingte Zugeständnisse entlocken: „Was könnten Sie der anderen Seite geben, wenn diese sich zu XYZ bereit erklären würde?“ Dieses Instrument kann durchaus effektiv sein, um letzte Hürden zu überwinden. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass die Mehrzahl der Beteiligten ein entsprechendes Vorgehen eher negativ bewertet: Es entsteht der Eindruck, in einen „Kuhhandel“ gezwungen zu werden. Die Mechanismen des intuitiven, am Modell des Basars ausgerichteten Verhandelns wollte man durch die Mediation aber gerade über­ winden. Überdies erhöht das Arbeiten mit bedingten Zugeständnissen stark den auf allen Beteiligten lastenden Einigungsdruck. Dieser Effekt ist für das Klima der Medi­ ation nicht notwendig förderlich. Strukturelle Hindernisse Wenn sich nicht so sehr strategisches Verhalten, sondern vielmehr strukturelle Fakto­ ren als Einigungshindernis erweisen, sollten Sie erwägen, die Verfahrensstruktur zu ändern (change the game). An einem komplexen Wirtschaftskonflikt ist regelmäßig eine Vielzahl von Personen beteiligt, und diese Personen haben zumeist ganz unter­ schiedliche Interessen. Typischerweise gilt dies etwa für das Management eines betrof­ fenen Unternehmens, die Mitarbeiter seiner Rechtsabteilung sowie die eingeschalte­ ten externen Rechtsanwälte. Während diese im Rahmen einer Prozessrisikoanalyse eine wichtige Funktion haben (vgl. Kapitel  9), ist ihr Beitrag beim Aushandeln der Grundstruktur einer möglichen Einigung – insbesondere im Hinblick auf die Höhe etwaiger Geldzahlungen – regelmäßig eher begrenzt. In einer festgefahrenen Situation sollten Sie daher eine Veränderung der Gesprächs­ struktur in Betracht ziehen: Vielleicht verhandeln Sie (besser) ohne Rechtsanwälte oder sogar ganz ohne Juristen, indem Sie im kleinen Kreis nur mit den Geschäftslei­ tern reden bzw. mit diesen Einzelgespräche führen. Vielleicht schlagen Sie auch vor, dass diese direkt miteinander kommunizieren. Ähnlich wie beim Abschluss eines 238

Lösungspaket schnüren und umsetzen ­|  Kap. 10

Kauf‑, Kooperations- oder Vertriebsvertrages ist es auch in einer Wirtschaftsmedia­ tion häufig ein bilaterales Gespräch der wichtigsten Entscheidungsträger, welches den endgültigen Durchbruch bewirkt. Kognitive Hindernisse Auch kognitive Hindernisse können diesen Durchbruch behindern. Von Bedeutung ist insoweit vor allem das Phänomen der sogenannten Verlustaversion, mit dem wir uns bereits beschäftigt haben (vgl. Kapitel 2, 5 und 9): Während die meisten Menschen risikoscheu sind, wenn es um mögliche Gewinne geht, werden wir zu Spielern, sind also risikofreudig, um reale oder eingebildete Verluste zu vermeiden. Versuchen Sie als Mediator daher, den Beteiligten Lösungsmöglichkeiten als Gewinn zu präsentieren (Näheres zu entsprechenden Framing-Effekten sogleich): Der Anspruchsteller könnte vor Gericht auch ganz leer ausgehen. Der Anspruchsgegner, der vielleicht etwas be­ zahlen soll, würde im Rahmen eines Rechtsstreits möglicherweise mit einem noch viel schlechteren Ergebnis konfrontiert. Erheblich entschärft wird das Problem der Ver­ lustaversion im Übrigen, wenn sich eine bestimmte Lösungsmöglichkeit aus  einer Prozessrisikoanalyse entwickelt hat (vgl. Kapitel 9). In diesem Fall ist der Bezugsrah­ men nämlich nicht mehr ein möglicher Totalgewinn bzw. Totalverlust. Vielmehr wird die betreffende Lösung im Kontext des Werkzeugs „Prozessrisikoanalyse“ gesehen und als Ergebnis eines rationalen, nachvollziehbaren Prozesses bewertet.

Einigungsvorschläge des Mediators Gewissermaßen als ultima ratio können Sie als Mediator in einer kritischen Phase der Mediation auch in Erwägung ziehen, den Beteiligten einen bestimmten Einigungs­ vorschlag zu unterbreiten. Auf den ersten Blick ist diese Vorgehensweise nicht unpro­ blematisch, steht doch im Zentrum der Mediation der Gedanke, dass die Konfliktpar­ teien selbst versuchen sollen, interessengerechte Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Dass der Mediator einen Einigungsvorschlag unterbreitet, könnte also „dem Geist der Mediation“ widersprechen. Auch setzen Sie sich als Mediator durch einen Einigungs­ vorschlag dem Risiko aus, zumindest einer Seite parteilich zu erscheinen. Zudem le­ gen Sie sich mit einem entsprechenden Vorschlag gewissermaßen fest – es wird Ihnen schwerfallen, davon in der Mediation noch einmal abzuweichen (vgl. Kapitel 8). Andererseits ist insoweit sorgfältig zwischen Einigungsvorschlägen als „Denkanstö­ ßen“ auf der einen Seite und schlichterspruchähnlichen Einigungsvorschlägen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Ein Schlichterspruch ist – sofern nichts anderes ver­ einbart wurde – für die Parteien zwar ebenfalls nicht verbindlich. Aufgrund der Au­ torität und des Ansehens des Schlichters wird er in der Mehrzahl der Fälle jedoch akzeptiert.334 Darauf ist das Schlichtungsverfahren auch ausgerichtet (vgl. Kapitel 2 und 3). Ein Mediator wird sich demgegenüber immer bemühen, die Mediation als Verhandlung der unmittelbar Betroffenen zu leiten. Das bedeutet, dass er jede Form des „Einigungsdiktats“ vermeiden und allenfalls denkbare Einigungsoptionen ins Spiel bringen wird („Wäre das eine Lösungsmöglichkeit?“ „Ich könnte mir vorstellen, 239

Teil II ­|  Methode der Mediation

dass … Was meinen Sie?“). Nicht unproblematisch sind deshalb Verfahrensgestaltun­ gen, welche die Ablehnung eines Vergleichsvorschlags des Mediators mit finanziellen Sanktionen verknüpfen (siehe Beispiel 1). „„ Michigan Mediation Der Grundgedanke der Michigan Mediation geht dahin, die Ablehnung eines Vergleichsvorschlags des Mediators für eine Partei mit Nachteilen zu verbinden, sofern diese Ablehnung – ex post betrachtet – unvernünftig bzw. unbegründet erscheint. Denkbar ist etwa eine Vereinbarung des Inhalts, dass die den Vergleichsvorschlag ablehnende Partei die außergerichtlichen Kosten der anderen Seite für den Fall übernimmt, dass erstere bei einer nachfolgenden streitigen Auseinandersetzung ein schlechteres Ergebnis als in der Mediation erzielt. Der Name Michigan Mediation rührt daher, dass ähnliche Kostensanktionen erstmalig im Rahmen eines gerichtsverbundenen Mediationsprogramms im US-Bundesstaat Michigan vorgesehen wurden.335 Rechtlich können die Beteiligten eines Mediationsverfahrens aus deutscher Sicht zwar nicht die §§ 91 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) modifizieren. Sie können aber materiellrechtliche Vereinbarungen über die Kostenerstattung treffen.336 Für ein nachfolgendes Schiedsverfahren sind sogar Vereinbarungen möglich, welche unmittelbar die schiedsrichterliche Kostenentscheidung binden (vgl. §  1057 Abs.  1 ZPO). Welche Anreizwirkung von einer Kostenübernahmevereinbarung der beschriebenen Art ausgeht, hängt natürlich von der im streitigen Verfahren sonst geltenden Kostentragungsregel ab. So ist die Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten des Gegners zu übernehmen, schmerzhafter, wenn dieser sie sonst voll tragen müsste, wie dies im US-amerikanischen Recht – anders als etwa im deutschen – grundsätzlich der Fall ist.337 Die Anreizwirkungen von Kostenübernahmevereinbarungen lassen sich demzufolge nur abschätzen, wenn klar ist, in welchem Forum eine streitige Auseinandersetzung gegebenenfalls geführt würde. Kostenübernahmevereinbarungen können ein wirkungsvolles Instrument zur Disziplinierung von Überoptimismus und strategischem Verhalten sein. Sie verändern aber auch den Charakter einer Mediation, indem der Vorschlag des Mediators ein großes Gewicht erhält. Gleichzeitig steigt der auf den Konfliktparteien lastende Einigungsdruck. Erheblich eingeschränkt wird der Nutzen dieses Mediationsinstruments im Übrigen dadurch, dass es sich vor allem für Verteilungskonflikte eignet (vgl. Kapitel 1). Bei unterschiedlichen Konfliktdimensionen ist das Einsatzpotential von Kostenübernahmevereinbarungen begrenzt. Beispiel 1

Denkbare Einigungsoptionen ins Spiel zu bringen, kann aus einer Reihe von Grün­ den für den Fortgang der Mediation nützlich oder sogar unerlässlich sein. An einer anderen Stelle hatten wir uns bereits mit dem Phänomen der sogenannten reaktiven Abwertung beschäftigt (vgl. Kapitel  1 und 5): Einigungsvorschläge der Gegenseite werden allein deshalb abgewertet, weil sie von dieser (dem „feindlichen Lager“) kom­ men („Es muss einen Grund geben, warum er mir dies ausgerechnet jetzt vorschlägt – wo liegt der Haken?“). Bisweilen hat man als Mediator in einer Mediation den Ein­ druck, dass eine überaus sinnvolle Lösung „in der Luft liegt“, diese jedoch sofort 240

Lösungspaket schnüren und umsetzen ­|  Kap. 10

energisch abgelehnt würde, wenn einer der unmittelbar Konfliktbeteiligten sie ins Spiel brächte. Darin läge eine gewisse Tragik, weil es schwierig ist, eine beschädigte Einigungsoption doch noch zu retten bzw. in einer späteren Mediationsphase zu re­ aktivieren. In einer solchen Situation kann es sinnvoll sein, wenn der Mediator gewis­ sermaßen als „Sündenbock“ in die Bresche springt und eine bestimmte Einigungsop­ tion zur Diskussion stellt. Damit sind noch weitere Vorteile verbunden: Als Mediator haben Sie es in der Hand, die Einigungsoption so zu formulieren, dass sie von den Beteiligten möglichst posi­ tiv aufgenommen wird. Objektiv betrachtet macht es keinen Unterschied, ob 50 von 100 Arbeitsplätzen verloren gehen oder aber 50 von 100 Arbeitsplätzen erhalten wer­ den können. Subjektiv ist der Bezugsrahmen (frame), in dem eine bestimmte Aussage steht bzw. in den sie gestellt wird, jedoch für ihre Wahrnehmung und Bewertung re­ levant. Die kognitionspsychologische Forschung hat eine Vielzahl von Belegen für entsprechende Framing-Effekte erbracht.338 Ein Mediator, der einen Einigungsvor­ schlag unterbreitet, kann und wird darauf achten, dass dieser von allen Beteiligten als etwas Positives (als Gewinn) wahrgenommen und interpretiert werden kann. Dafür kommt es entscheidend auf die Wahl des Referenzpunktes an: Nicht an überzogenen Ausgangsforderungen, sondern an realistischen Nichteinigungsalternativen sollte der Vorschlag gemessen werden. Der praktisch wichtigste Vorteil von Einigungsvorschlägen des Mediators dürfte dar­ in liegen, dass dadurch deren Vermittelbarkeit gegenüber Dritten gesteigert werden kann. Wer einer Haupt- oder Gesellschafterversammlung Rechenschaft schuldet, hat es leichter, wenn er auf „vernünftige Anregungen“ eines neutralen Dritten verweisen kann und nicht erklären muss, warum er sich dem „Verhandlungsdiktat“ der Gegen­ seite gebeugt hat. „„ Lösungen überzeugend vermitteln Über das Mediationsverfahren anlässlich des Konflikts zwischen der Hollandsche Beton Groep nv (HBG) und der AGIV AG (vgl. Kapitel  9) wird im Geschäftsbericht 2000 der AGIV AG (S. 58) unter der Überschrift „Ein erfahrener Mediator half“ wie folgt berichtet: „Vor diesem Hintergrund kamen beide Seiten überein, einen außenstehenden Mediator einzuschalten. Dabei wurde mit Herrn … ein Fachmann mit großer einschlägiger Erfahrung ausgewählt.“ Unter der folgenden Überschrift „Ein Schlussstrich ist gezogen“ heißt es weiter: „Nach mehrtägigen Verhandlungen im August 2000 kam es zu einem Vergleich …“. Unter anderem die Erfahrung und Neutralität („außenstehend“) des Mediators werden hier als wesentlicher Grund für die eigene Zustimmung zu der schließlich gefundenen Vergleichslösung angeführt. Beispiel 2

Verfahrensordnungen sehen häufig vor, dass der Mediator berechtigt ist, den Kon­ fliktbeteiligten mit deren Zustimmung Einigungsvorschläge zu unterbreiten.339 Si­ cher ist es wichtig, dass die Zulässigkeit dieses Vorgehens (auch rechtlich) geklärt ist. Allerdings ist zweifelhaft, ob eine ex ante vereinbarte Vertragsklausel insoweit den besten Weg darstellt. Sie signalisiert, dass Einigungsvorschläge des Mediators zu er­ 241

Teil II ­|  Methode der Mediation

warten sind. Dieses Signal widerspricht dem Ziel der Mediation, das in einer eigen­ ständigen Konfliktlösung durch die Betroffenen liegt. Gleichzeitig werden die Gren­ zen zur Schlichtung verwischt. Erforderlich und genügend ist es deshalb, wenn der Mediator sich ad hoc des Einverständnisses der Beteiligten versichert, bevor er in ei­ ner bestimmten Situation einen Einigungsvorschlag lanciert. Dabei sind auch ungewöhnliche, kreative Verfahrensgestaltungen denkbar. Wir wer­ den uns in diesem Kapitel noch mit der sogenannten High-Low Arbitration beschäfti­ gen, einer besonderen Form des Schiedsverfahrens, bei der die Parteien dem Schieds­ richter durch die Mitteilung „letzter Angebote“ die Bandbreite vorgeben, innerhalb derer dessen Entscheidung liegen muss. Ein ähnliches Vorgehen können Sie als Medi­ ator auch erwägen, wenn Sie einen Einigungsvorschlag machen wollen: Ein entspre­ chender Korridor begrenzt Ihre Vorschlagsmacht und belässt den Parteien damit mehr Autonomie als bei einer Gestaltung, die Ihnen vollkommen freie Hand bezüg­ lich eines Einigungsvorschlags gibt.

Ein-Text-Verfahren Ein wichtiges und in der Mediationspraxis bewährtes Instrument, auf das Sie bei der Entwicklung und Konkretisierung eines möglichen Einigungsvorschlags zurück­ greifen können, ist das sogenannte Ein-Text-Verfahren.340 Es hat beispielsweise im Jahr 1978 in den Camp-David-Verhandlungen zwischen Israel (repräsentiert durch ­Menachem Begin) und Ägypten (repräsentiert durch Anwar el-Sadat) eine große Rol­ le gespielt, bei denen der damalige US-amerikanische Präsident Jimmy Carter als Me­ diator agierte.341 Der Grundgedanke des Verfahrens besteht darin, dass der Mediator bei einer sich abzeichnenden Einigungsmöglichkeit einen gemeinsamen Arbeitstext anfertigt, der die Grundzüge eines Lösungsvorschlags bezüglich aller Verhandlungsthemen ent­ hält. Dieser Text wird den Beteiligten präsentiert und kann von ihnen kritisiert sowie ergänzt werden. Der Mediator setzt so einen Überarbeitungsprozess in Gang, in des­ sen Verlauf er den Arbeitstext mehrfach verändert, um der geäußerten Kritik sowie den Verbesserungsvorschlägen Rechnung zu tragen. Wenn er sich nicht mehr in der Lage sieht, potentiell konsensfähige Änderungen vorzunehmen, ist der Endpunkt des Prozesses erreicht: Jetzt müssen sich die Beteiligten entscheiden, ob sie das gemeinsa­ me Arbeitsprodukt akzeptieren können und wollen. Insbesondere in komplexen Wirtschaftsmediationen ist dieses Vorgehen bei der Ent­ wicklung eines konsensfähigen Lösungsvorschlags nützlich: 1. Das Ein-Text-Verfahren verringert die Verhandlungskosten, da ein Konsolidie­ rungsprozess in Gang gesetzt wird und eine „Papier- bzw. E‑Mail-Schlacht“ durch das Hin- und Hersenden von Entwürfen und Gegenentwürfen unterbleibt. 2. Da über alle Themen gleichzeitig entschieden wird, muss kein Beteiligter befürchten, dass sein Zugeständnis bei einem Thema nicht durch ein entsprechendes Zugeständnis ande­ rer Verhandlungsbeteiligter bei einem anderen Thema honoriert wird. Mit anderen Worten: Die von jedem zu tragenden Risiken sind geringer. 3. Die gleichzeitige Be­ 242

Lösungspaket schnüren und umsetzen ­|  Kap. 10

handlung aller Themen erleichtert Paketlösungen: Vorteilhafte Kompromisse werden möglich, weil den Beteiligten die einzelnen Themen (und entsprechende Lösungen) unterschiedlich wichtig sind (zur Ausnutzung von Unterschieden als Quelle für Wert­ schöpfung vgl. Kapitel 7). 4. Schließlich erzeugt die Arbeit an einem Text zumindest ein gewisses Gefühl der Gemeinsamkeit und stärkt die Initiative sowie das Engage­ ment der Beteiligten. Wer einmal erlebt hat, wie dramatisch sich die Verhandlungsat­ mosphäre (zum Positiven) wandeln kann, wenn die Konfliktbeteiligten – unter Anlei­ tung des Mediators – beginnen, gemeinsam an einer Problemlösung zu arbeiten, wird die zentrale Bedeutung dieses Punkts bestätigen. 5. Der kontinuierlich ergänzte Text dient jederzeit als Protokoll des Gesprächsstands und kann so in Unterbrechungen für einseitige Beratungen der Parteien und die Planung der nächsten Verfahrens­ schritte fruchtbar gemacht werden. „„ Ein-Text-Verfahren in der Praxis Ein wichtiges Anwendungsfeld für das Ein-Text-Verfahren liegt im Insolvenzrecht.342 Ein notleidendes Unternehmen kann mithilfe eines sogenannten Insolvenzplans saniert werden. Berechtigt, einen solchen Plan vorzulegen, ist gemäß §  218 Abs.  1 Satz  1 der Insolvenzordnung (InsO) unter anderem der Insolvenzverwalter. Er ist eine neutrale, von dem Schuldner und seinen Gläubigern unabhängige Person (vgl. § 56 Abs. 1 InsO) und damit kraft Amtes mediativ tätig. Regelmäßig wird der Insolvenzverwalter vor der Planvorlage umfangreiche Verhandlungen mit den verschiedenen Gläubigergruppen sowie dem Schuldner und dessen Repräsentanten führen. Inhalt und Ablauf dieser Verhandlungen sind in der Insolvenzordnung nur rudimentär geregelt (vgl. § 218 Abs. 3 InsO). Gleichwohl ist offensichtlich, dass sie für Erfolg oder Scheitern eines vorgelegten Insolvenzplans von entscheidender Bedeutung sind. Zur Annahme eines Plans ist nämlich erforderlich, dass er in jeder Gläubigergruppe eine einfache Kopf- und Summenmehrheit der Abstimmenden findet (§ 244 Abs. 1 InsO). Gruppenbildung und Planinhalt unterliegen in gewissen gesetzlichen Grenzen (§§ 219 ff. InsO) der freien Gestaltung des „Planarchitekten“. Ein geschickter Gruppenzuschnitt ist daher ein wichtiger Schlüssel für die Erfolgsaussichten eines vorgelegten Sanierungsplans. Um die ­Akzeptanz eines von ihm vorgelegten Plans zu erhöhen, wird sich der Insolvenz­ verwalter deshalb zunächst darum bemühen, die Interessen der einzelnen Insolvenzbeteiligten (Lieferanten, Banken, Fiskus, Arbeitnehmer, Eigentümer usw.) zu erforschen. Gleichgerichtete oder aber unterschiedliche Interessen sind der Schlüssel zur Realisierung von Kooperationsgewinnen (vgl. Kapitel 7), die sich dann in einer bestimmten Planstruktur (Gruppenbildung, Planinhalte) abbilden lassen. In dieser Phase des Insolvenzplanverfahrens kann der Insolvenzverwalter in nahezu alle Rollen eines Mediators „schlüpfen“: Er kann die Verhandlungen der Insolvenzbeteiligten leiten und den Verhandlungsprozess organisieren, einen Kommunikationskanal für die Beteiligten bilden sowie in Einzelgesprächen deren Interessen und Nichteinigungsalternativen ausloten und bewerten helfen. Vor allem aber bietet sich das Ein-Text-Verfahren als idealer Rahmen für die Aufstellung und Modifizierung des Plans während der Verhandlungen an: Der ursprüngliche Entwurf kommt vom Insolvenzverwalter und wird dann Schritt für Schritt ergänzt und verändert, 243

Teil II ­|  Methode der Mediation bevor er schließlich tatsächlich dem Insolvenzgericht vorgelegt und zur Abstimmung gestellt wird (gegebenenfalls können auch nach der Planvorlage noch gewisse Änderungen vorgenommen werden, vgl. § 240 InsO). Beispiel 3

Abschluss und Umsetzung einer Abschlussvereinbarung Mit der Zustimmung der Konfliktparteien zu einem bestimmten – gegebenenfalls un­ ter Einsatz des Ein-Text-Verfahrens erarbeiteten  – Lösungsvorschlag ist ein großer Schritt in Richtung einer interessengerechten, dauerhaften Konfliktbewältigung ­getan. Eine Wirtschaftsmediation, die sich über mehrere Tage erstreckt, ist für alle Beteiligten – insbesondere auch für den Mediator – mit hohem emotionalen und psy­ chischen Stress verbunden, sie ist „ein hartes Stück Arbeit“. Kommt es zu einer Einigung, fällt dieser Stress ab. Alle sind froh, „es geschafft zu haben“. Die Verständigung auf einen bestimmten Lösungsvorschlag bedeutet aber noch nicht notwendig das Ende der Mediation: Eine vorläufige Verständigung ist noch keine rechtsverbindliche Vereinbarung. Deren Abschluss ist jedenfalls bei Auseinanderset­ zungen zwischen Unternehmen in der Regel von allen Beteiligten gewollt (bei unter­ nehmensinternen Konflikten wird häufig zumindest die präzise Formulierung der erreichten Verständigung angestrebt). Möglicherweise haben diese sogar ein Interesse daran, dass die gefundene Lösung auch vollstreckbar ist oder dass ihre faktische Um­ setzung sichergestellt wird. Auch insoweit kann der Mediator gegebenenfalls unter­ stützend tätig werden. Abschlussvereinbarung Wenn alle Beteiligten die Grundstruktur eines bestimmten Lösungsvorschlags akzep­ tiert haben, scheint es nur noch ein kleiner Schritt bis zum Abschluss einer rechtsver­ bindlichen Vereinbarung, häufig in der Erscheinungsform eines Vergleichs (§ 779 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, BGB) zu sein. Bekanntlich steckt der Teufel jedoch im Detail. Die Ausarbeitung der genauen Konturen einer Abschlussvereinbarung kann viel Zeit in Anspruch nehmen: Gelegentlich werden erst jetzt bestimmte Interessen­ gegensätze deutlich, die vorher durch abstrakte Formulierungen überdeckt waren. Möglicherweise treten aber auch überraschend Missverständnisse oder bislang über­ sehene Lücken der angedachten Lösung zutage. Auf der anderen Seite bietet der Prozess der präzisen Formulierung einer Abschluss­ vereinbarung aber auch die Chance, Wertschöpfungspotentiale zu erkennen und wahrzunehmen, die bisher verborgen geblieben waren: Da die Parteien bereits eine Einigung über die wesentlichen Eckpunkte erzielt haben, können sie nunmehr ohne zusätzliche Risiken versuchen, diese Einigung zum beiderseitigen Vorteil noch zu verbessern. Der Anreiz zu strategischem Verhalten sinkt, weil man den (Minimal‑) Erfolg gewissermaßen schon „in der Tasche“ hat. Howard Raiffa spricht insoweit plas­ tisch von der Möglichkeit eines post-settlement settlement, also von einem Vergleich 244

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nach dem Vergleich.343 In gewisser Weise stellt dieses Vorgehen die Methode des Brainstormings (dazu Kapitel 7) auf den Kopf. Während beim Brainstorming erst er­ funden und dann entschieden (bewertet) wird, ist es beim post-settlement settlement umgekehrt: „decide first, invent later“ lautet hier die Devise. Sofern die Parteien bei unternehmensexternen Konflikten eine vollständige Einigung in der Mediation erzielen und deren Umsetzung in eine rechtsverbindliche Abschluss­ vereinbarung anstreben, empfiehlt es sich in der Regel, diesen Schritt – wenn mög­ lich – noch in der Mediation selbst zu gehen und nicht auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Zumeist sind am Verhandlungstisch entscheidungs- und vertretungs­ befugte Repräsentanten der Konfliktparteien anwesend. Zudem sollte die positive Grundstimmung anlässlich der erzielten Einigung dazu genutzt werden, eine rechts­ verbindliche Übereinkunft herbeizuführen. Lässt man die sich bietende Gelegenheit verstreichen, besteht die Gefahr, dass das Lösungspaket später doch wieder in Frage gestellt oder aber „aufgeschnürt“ wird und – vermeintlich letzte – kleine „Ergänzun­ gen“ bzw. Änderungen verlangt werden. Dessen ungeachtet gibt es natürlich auch Situationen, in denen eine verbindliche Ab­ schlussvereinbarung ad hoc nicht abgeschlossen werden kann oder dies zumindest nicht sinnvoll wäre. Ersteres ist beispielsweise der Fall, wenn die Vereinbarung beur­ kundungsbedürftige Vorgänge enthalten soll und der Mediator kein Notar ist. Nicht ratsam ist ein sofortiger Abschluss, sofern umfangreiche sachverständige – insbesonde­ re steuerliche – Prüfungen erforderlich werden. Da die Gefahr eines „nachträglichen Scheiterns“ der Mediation in beiden Fällen nicht zu unterschätzen ist, sollte dem mög­ lichst schon bei der Mediationsplanung Rechnung getragen werden: Soweit es sich ein­ richten lässt, sollten alle Vorkehrungen getroffen werden, um Rechtsverbindlichkeit durch anwesende Experten bereits in der Mediationssitzung gewährleisten zu können. „„ Notar im Standby Bei einem von zwei der Autoren als Co-Mediatoren durchgeführten Mediations­ verfahren anlässlich eines Streits zwischen den Gesellschaftern eines im Industrieanlagenbau tätigen Unternehmens war es denkbar, dass eine Konfliktlösung die beurkundungsbedürftige Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen von einem Gesellschafter auf einen anderen umfassen könnte (vgl. § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG). Einer der beteiligten Parteianwälte fragte daher im Vorfeld an, ob für einen bestimmten Zeitpunkt der Mediationssitzung vorsorglich ein Notar „reserviert“ werden solle. Die Mediatoren entschieden sich jedoch dagegen, um nicht dadurch bereits vor Beginn ein Signal in Richtung einer bis dato ja nur denkbaren Lösung zu setzen und sich somit inhaltlich zu positionieren. Nach zwei Tagen gelang es, in der Mediation eine Einigung herbeizuführen, die tatsächlich eine Geschäftsanteilsübertragung enthielt und im Wege eines detaillierten, aber rechtlich unwirksamen Vorvertrages festgehalten und paraphiert wurde. Dieser sollte binnen kurzer Frist nach der Mediation notariell beurkundet werden. Das indes geschah (leider) zunächst nicht – erst nach weiteren, längeren Verhandlungen der Parteien schlossen diese schlussendlich noch einen wirksamen Vergleich. Beispiel 4 245

Teil II ­|  Methode der Mediation

Welche Rolle spielen Sie als Mediator bei der Ausarbeitung einer Abschlussvereinba­ rung? In erster Linie kommt es darauf an, welche Rolle Sie nach dem Willen der das Verfahren steuernden Konfliktbeteiligten spielen sollen. Wenn ein Jurist als Mediator agiert, werden die Parteien nicht selten den Wunsch äußern, er möge sie bei der For­ mulierung der Abschlussvereinbarung unterstützen oder diese sogar übernehmen. Dies kann er jedoch nur, sofern das Rechtsdienstleistungsgesetz dem nicht entgegen­ steht. Unproblematisch ist das lediglich bei einer Mediationstätigkeit von Rechtsan­ wälten oder Notaren (vgl. Kapitel 3). Inhaltlich werden Sie als Mediator bei der Formulierung einer Abschlussvereinba­ rung vor allem darauf achten, dass rechtswirksame, klare und präzise Regelungen ge­ troffen werden, die sich praktisch auch umsetzen lassen bzw. deren Umsetzung ein­ fach nachzuprüfen ist. Realgeschäfte (Beispiel: Grundstücks- oder Anteilstausch) bieten zwar regelmäßig vielfältige Wertschöpfungspotentiale (vgl. Kapitel 7), können die Abwicklung jedoch verkomplizieren (Mängelfeststellung, Wert- bzw. Preisbe­ stimmung etc.). Offene (ungeregelte) Punkte sollten als solche beschrieben werden. Zugleich kann zur Klärung dieser noch offenen Punkte auf der Prozessebene eine Ver­ einbarung über das oder die weiteren Verfahren getroffen werden. Mögliche Um­ standsänderungen sind zu bedenken, gegebenenfalls sind insoweit weitere Schritte (Maßnahmen) zu definieren. Im Hinblick auf etwaige Streitigkeiten aus der Ab­ schlussvereinbarung wird der Mediator den Beteiligten ein geeignetes Verfahren der Konfliktbewältigung vorschlagen und dessen Vereinbarung anregen (Verhandlungs­ pflichten, Mediations- oder Schiedsklausel etc.). „„ Do it SMART In der US-amerikanischen Mediationspraxis wird als hilfreiche Leitlinie für eine gute Abschlussvereinbarung häufig das Kürzel SMART verwandt: Sie sollte specific, ­measurable, achievable, realistic und timed sein. yy Specific: Treffen Sie klare und präzise Regelungen! yy Measurable: Achten Sie auf die Nachprüfbarkeit der Erfüllung getroffener Regelungen! yy Achievable: Vereinbaren Sie nichts Unerreichbares! yy Realistic: Achten Sie auf die Umsetzbarkeit und Realitätsnähe der getroffenen ­Regelungen! yy Timed: Formulieren Sie klare Zeitpläne/Meilensteine für die Umsetzung! Beispiel 5

Vollstreckbarkeit der Abschlussvereinbarung In der weit überwiegenden Zahl aller Wirtschaftsmediationen spielt die Frage der Vollstreckbarkeit einer erreichten Abschlussvereinbarung keine Rolle: Wer freiwillig eine solche Vereinbarung abgeschlossen hat, wird seine daraus resultierenden Pflich­ ten zumeist auch erfüllen, zumal die andere Seite ohne weiteres Klage auf Erfüllung erheben und so auf einfachem Wege einen Vollstreckungstitel erlangen kann.344 Ent­ 246

Lösungspaket schnüren und umsetzen ­|  Kap. 10

hält eine Abschlussvereinbarung indes weit in die Zukunft reichende Verpflichtungen (es besteht die Möglichkeit des Wechsels von Entscheidungsträgern!), oder erscheint ihre gerichtliche Durchsetzung schwierig (etwa, weil vor einem Gericht im Ausland geklagt werden müsste), dann ist zu erwägen, ob sie nicht als Vollstreckungstitel aus­ gestaltet werden sollte. Nach deutschem Recht stehen insoweit derzeit vor allem vier Handlungsmöglichkei­ ten zur Verfügung: die Errichtung einer vollstreckbaren notariellen Urkunde, eines vollstreckbaren Anwaltsvergleichs, eines Gütestellenvergleichs sowie schließlich das Rechtsinstitut des Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut.345 Welchen dieser Voll­ streckungstitel man wählen wird, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Bei der Auswahl zu bedenken sind vor allem die Errichtungskosten, die Einfach­ heit bzw. Kompliziertheit des Errichtungsverfahrens, die eröffneten Vollstreckungs­ möglichkeiten sowie die Frage, welche Einwände dem Vollstreckungsgegner durch den Titel abgeschnitten werden. Sofern ein Notar als Mediator agiert, liegt die Errichtung einer vollstreckbaren notariellen Urkunde gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) als Titel na­ türlich nahe. Gemäß Art. 58 der Brüssel-Ia-Verordnung346 und Art. 3, 4 und 25 der Verordnung zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestritte­ ne Forderungen (EuVTVO)347 ist sie auch in anderen Ländern der Europäischen Uni­ on vollstreckbar. Gleiches gilt für Anwaltsvergleiche gemäß § 796a ZPO, die durch ei­ nen gerichtlichen oder notariellen Beschluss für vollstreckbar erklärt wurden.348 Beide Wege der Titelschaffung werden im Rahmen einer Mediation allerdings mit zusätzlichen Kosten verbunden sein. Auch kann dabei Zeit verloren gehen. Gütestel­ lenvergleiche fallen zwar ebenfalls unter Art.  58 der Brüssel-Ia-Verordnung bzw. Art. 24 EuVTVO, sofern sie vollstreckbar sind. Das ist indes nur dann der Fall, wenn sie vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gü­ testelle abgeschlossen wurden (vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), und zwar im Rahmen ihres festgelegten Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs. Nur unter dieser Vorausset­ zung werden freiwillige Mediationsverfahren erfasst.349 Praktisch weltweit vollstreckbar ist demgegenüber aufgrund der Reichweite des New Yorker UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländi­ scher Schiedssprüche vom 10.6.1958350 ein Schiedsspruch. Für ein ähnliches Über­ einkommen zur erleichterten Vollstreckung von Mediations- und Schlichtungsver­ gleichen existiert seit Sommer 2018 ein abschließender Entwurf der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL), der in absehbarer Zeit gelten­ des internationales Recht werden dürfte.351 Bis es dazu kommt, stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls auf welchem Weg sich eine Abschlussvereinbarung in einen award on agreed terms, nach deutschem Schiedsrecht also in einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut gemäß § 1053 ZPO, überführen lässt. Eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, liegt in folgendem Vorgehen352: Die Betei­ ligten verständigen sich vorläufig auf eine bestimmte Abschlussvereinbarung, bestel­ len den Mediator zum Schiedsrichter und beantragen dann, dass dieser die – nach Beginn des Schiedsverfahrens rechtsverbindlich abgeschlossene  – Vereinbarung als 247

Teil II ­|  Methode der Mediation

Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut festhält. Gangbar ist dieser Weg allerdings nur, wenn in dem kurzen Schiedsverfahren dessen unverzichtbare Verfahrensgrund­ sätze, insbesondere die Verpflichtung des Schiedsrichters zur Gewährung rechtlichen Gehörs und der Gleichbehandlung der Parteien, eingehalten werden. Der Schieds­ richter hat den Beteiligten also u. a. Gelegenheit zum Rechtsgespräch über den Ver­ gleichsinhalt zu geben. Umsetzung der Abschlussvereinbarung Von der juristischen Vollstreckbarkeit der Abschlussvereinbarung zu unterscheiden ist ihre praktische (tatsächliche) Umsetzung. Insbesondere dann, wenn es sich bei den Konfliktparteien um große Organisationen handelt, spielt diese Frage in der Mediati­ onspraxis eine wichtige Rolle. Dass eine Abschlussvereinbarung tatsächlich umge­ setzt wird, ist umso wahrscheinlicher, je stärker die Anreize für alle Beteiligten sind, auf dieses Ziel hinzuwirken. Eine entsprechende Gestaltung der Vereinbarung kann diese Anreize schaffen (oder aber gerade nicht schaffen). Daher ist die Auswahl der getroffenen Regelungen auch aus dieser Perspektive bedeutsam (Interessengerechtig­ keit der Lösung, Koppelung von Geldzahlungen an Umsetzungserfolg, Festlegung eines klaren Zeitplans, Vorhandensein der erforderlichen Ressourcen etc.). Ebenso wie die Rolle des Mediators zu Beginn der Mediation sorgfältig zu definieren ist (vgl. Kapitel 3), bedarf diese auch bei der Formulierung der Abschlussvereinba­ rung und bei der tatsächlichen Umsetzung der gefundenen Regelungen der vorheri­ gen Klärung. Soll der Mediator beispielsweise beratende, unterstützende oder über­ wachende Funktionen („Vollzugskontrolle“) übernehmen, ist dies sinnvollerweise in der Vereinbarung zu regeln. Hängt deren Struktur von sachverständigen Prüfungen ab (Bewertungen von Grundstücken, Unternehmen bzw. Unternehmensteilen etc.), so kann dem Mediator z.B. auch die Auswahl und Kontrolle des oder der Sachverstän­ digen übertragen werden. „„ Mediatoren als Vergleichsmanager In einem bedeutenden Schiedsverfahren zwischen International Business Machines, Inc. (IBM) und Fujitsu Ltd. (Fujitsu) über behauptete Urheberrechtsverletzungen bzgl. Computersoftware (vgl. insoweit bereits Kapitel 3) agierten Robert H. Mnookin und John L. Jones nicht nur als Schiedsrichter. Sie wendeten auch eine Reihe von innovativen Mediationstechniken an.353 Im Laufe des Verfahrens schlossen die Parteien einen (Teil‑)Vergleich („Washington Agreement“). Dieser sah unter anderem die Errichtung eines „Secured Facility Regime“ vor. Danach sollte jede Partei gegen angemessene Vergütung einen begrenzten Zugang zu den Programmierinforma­ tionen der jeweils anderen haben. Ein von den Schiedsrichtern überwachter „Faci­ lity Supervisor“ sollte sicherstellen, dass nur bestimmte – näher spezifizierte – Informationen erhoben würden. Beispiel 6

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Mediation ohne Einigung Die meisten, aber nicht alle Mediationen führen zu einer Einigung der Konfliktpar­ teien. Gelingt das nicht, stellen sich die Beteiligten regelmäßig zwei Fragen: Wie ist das Mediationsverfahren zu beenden? Und: Wie soll es nach der Beendigung des Me­ diationsverfahrens weitergehen? Beendigung des Mediationsverfahrens Der rechtliche Rahmen einer Mediation besteht einerseits aus einer Vereinbarung zwischen den Konfliktparteien über die Durchführung der Mediation (Mediations­ vereinbarung) und andererseits aus einer Vereinbarung zwischen diesen und dem Mediator über dessen unterstützende Tätigkeit (Mediatorvertrag, vgl. Kapitel  12). Rechtlich bedeutet eine Beendigung der Mediation damit: Mediationsvereinbarung und Mediatorvertrag werden mit Wirkung ex nunc gekündigt. Diese Kündigung be­ rührt nicht solche Pflichten der Beteiligten, die gerade bei einem Scheitern der Medi­ ation bedeutsam werden. Ob und mit welchen Fristen eine Kündigung zulässig ist, wird regelmäßig vertraglich festgelegt und ergibt sich im Übrigen auch aus § 2 Abs. 5 MediationsG. Danach kann jeder Beteiligte jederzeit das Verfahren beenden, sofern wenigstens ein erstes Treffen mit dem Mediator stattgefunden hat: Haben sich die Beteiligten darauf verständigt, eine Mediation durchzuführen, so sollte der Mediator zumindest das Verfahren sowie seine Chancen und Risiken im Einzelfall erläutern können – ist dies geschehen, so dominiert wieder der für Mediationsverfahren charakteristische Gedanke der Frei­ willigkeit. Weitere Alternativverfahren Das Ende einer Mediation bedeutet nicht, dass die Beteiligten nunmehr eine streitige, gerichtliche Auseinandersetzung führen müssen. In vielen Fällen – etwa bei inner­ betrieblichen oder konzerninternen Konflikten  – steht diese Handlungsalternative entweder gar nicht zur Verfügung oder dient den Interessen der Beteiligten nicht. Einfallsreichtum und Augenmaß des Mediators sind auch gefragt, soweit es um Hil­ festellungen im Hinblick auf weitere, denkbare Alternativverfahren zur Konfliktbeile­ gung geht. An anderer Stelle wurden bereits einige solcher Alternativverfahren vorgestellt: Die Beteiligten können einen Schlichter damit beauftragen, einen Schlichterspruch zu unterbreiten (vgl. Kapitel 2). Bei innerbetrieblichen Streitigkeiten kann ein gemeinsa­ mer Vorgesetzter die Rolle des Schlichters übernehmen. Sofern eine Einigung vor al­ lem an unüberbrückbaren Einschätzungen konfliktrelevanter Tatsachen gescheitert ist, kommt die Einholung eines Schiedsgutachtens in Betracht (vgl. Kapitel  8). Schließlich können die Beteiligten gegebenenfalls ein Mini-trial zur Abschätzung der beiderseitigen Prozessaussichten durchführen und auf dieser Grundlage eventuell ­erneute Vergleichsgespräche einleiten (vgl. Kapitel 9). Gleichermaßen theoretisch in­ 249

Teil II ­|  Methode der Mediation

teressant wie praktisch bedeutsam sind andere, hybride Alternativverfahren, die (ge­ scheiterte) Mediationsverfahren mit bestimmten Schiedsverfahren bzw. Schiedsver­ fahrenstypen kombinieren. Mediation-Arbitration Denkbar ist zum einen, dass die Konfliktparteien ein Schiedsverfahren einleiten, den ehemaligen Mediator oder einen anderen neutralen Dritten zum Schiedsrichter be­ stimmen und diesen bitten, den Streit mittels eines Schiedsspruchs zu entscheiden. Für diese Vorgehensweise hat sich die Bezeichnung Mediation-Arbitration, kurz: Med-Arb, eingebürgert.354 Bei innerbetrieblichen Streitigkeiten wird sie kaum in Be­ tracht kommen, weil arbeitsrechtliche Konflikte nur in ganz begrenztem Umfang schiedsfähig sind (vgl. § 101 Arbeitsgerichtsgesetz, ArbGG). Ob rechtlich eine Per­ sonenidentität von Mediator und Schiedsrichter nach den deutschen Schiedsver­ fahrensregeln selbst dann möglich ist, wenn während der Mediation vertrauliche ­Einzelgespräche geführt wurden, ist wegen des Gebots des rechtlichen Gehörs in Schiedsverfahrens fraglich.355 Unter der Aussicht auf eine Schiedsrichtertätigkeit des Mediators kann die Informationsfreudigkeit der Konfliktparteien allerdings erheblich leiden. Es empfiehlt sich deshalb nicht, ein Med-Arb-Verfahren für den Fall des Schei­ terns der Mediation bereits ex ante vorzusehen. Dieses sollte vielmehr – wenn über­ haupt – ad hoc vereinbart werden. Im Übrigen hat die Einleitung eines Schiedsverfah­ rens natürlich zur Folge, dass die Parteien die Konfliktlösung voll in die Hände des Schiedsrichters legen und damit – im Vergleich zu dem vorangegangenen Mediati­ onsverfahren – ihre Autonomie aufgeben. Aus diesem Grund bietet es sich insbeson­ dere für Sachkonflikte im Verteilungsstadium sowie für Verteilungskonflikte (vgl. Kapitel  1) an, nach dem Scheitern der Einigungsbemühungen ein „besonderes“ Schiedsverfahren durchzuführen. Final-Offer Arbitration Eine solche Möglichkeit ist die sogenannte Final-Offer Arbitration: Die Parteien be­ stimmen den Mediator als Schiedsrichter. Sie vereinbaren, dass beide Seiten jeweils verdeckt ihr letztes, „bestes“ Vergleichsangebot abgeben. Der Schiedsrichter erhält von den Angeboten der Parteien zunächst keine Kenntnis und formuliert seine „richtige“ Lösung. Anschließend werden alle drei Vorschläge aufgedeckt, und der Schiedsrichter hält als Schiedsspruch den Parteivorschlag fest, der näher an seiner Lösung liegt.356 „„ Final-Offer Arbitration Final-Offer Arbitration wurde beispielsweise von den Schiedsrichtern in dem bereits erwähnten Konflikt zwischen IBM und Fujitsu eingesetzt, um einzelne Streitpunkte zu entscheiden. Historisch stammt Final-Offer Arbitration aus der US-amerikanischen Baseball-Liga, wo das Verfahren in Gehaltskonflikten zwischen der Vereinsführung und hoch bezahlten Spielern zum Einsatz kam und kommt.357 Gelegentlich ist deshalb auch (etwas spöttisch) von „Baseball-Arbitration“ die Rede. Beispiel 7 250

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Die Kombination eines Mediationsverfahrens mit einer Final-Offer Arbitration wird häufig mit dem Kürzel MEDALOA (Mediation and Last-Offer Arbitration) gekenn­ zeichnet.358 Was mit diesem hybriden Verfahrenstyp erreicht werden soll, ist klar: Es geht darum, die Parteien zur Abgabe realistischer und fairer Vergleichsangebote zu motivieren. Auch ist der Autonomieverlust, der in der Entscheidungsdelegation an den Dritten liegt, in seinem Umfang beschränkt: Ein in der Mediation erreichter Ver­ handlungserfolg im Sinne einer jedenfalls teilweisen Annäherung der Standpunkte kommt in den letzten Angeboten zum Ausdruck und bleibt in diesem Sinne erhalten. Allerdings sollte der von einer Final-Offer Arbitration ausgehende „Zwang zur Ver­ nünftigkeit“ auch nicht überschätzt werden.359 Abhängig von der Einschätzung des­ sen, was der Schiedsrichter voraussichtlich tun wird (Wahrscheinlichkeitsverteilung möglicher Entscheidungen), dem voraussichtlichen Verhalten der Gegenseite und der eigenen Risikoneigung kann es rational sein, ein vergleichsweise extremes Ver­ gleichsangebot abzugeben. Final-Offer Arbitration ist ein Spiel. Trifft eine risikofreu­ dige Partei auf eine risikoscheue, wird die risikoscheue vorsichtig (moderat) bieten und die risikofreudige ambitioniert, und das regelmäßig mit Erfolg – man kann sich ein etwas ambitionierteres Gebot gewissermaßen „leisten“, wenn der Gegner ohnehin von sich aus stark zur Mitte rückt. „Final-offer arbitration should have great appeal for the daring (the risk seekers) who play against the timid (the risk avoiders).“360 High-Low Arbitration Während der designierte Schiedsrichter bei einer Final-Offer Arbitration nur zwi­ schen zwei Entscheidungsmöglichkeiten wählen kann, wird ihm bei einer High-Low Arbitration ein größerer Entscheidungsspielraum eingeräumt: Die letzten Angebote der Beteiligten begrenzen lediglich den Entscheidungsraum, innerhalb dessen die schiedsrichterliche Lösung liegen muss.361 Im Vergleich mit einer Final-Offer Arbitration ist das Risiko, das die Parteien übernehmen, geringer, weil die Zahl der zulässigen Drittentscheidungen höher ist. Andererseits entfällt der Anreiz, realistische letzte An­ gebote abzugeben. Möglicherweise kehren die Parteien sogar (weitgehend) zu ihren überzogenen Ausgangspositionen zurück. Von vornherein nicht tauglich ist eine High-Low Arbitration, wenn sich der Konflikt nicht entlang eines homogenen, linea­ ren Maßstabes entscheiden lässt. Vereinbarungen für den Fall eines Schieds- oder Gerichtsverfahrens Zur verantwortlichen Planung eines Mediationsverfahrens gehört es auch, Vorkeh­ rungen für den Fall zu treffen, dass sich am Ende eine gerichtliche oder schiedsge­ richtliche Auseinandersetzung nicht vermeiden lässt (auch die soeben besprochenen hybriden Verfahren sind ja Schiedsverfahren). Diese Vorkehrungen werden sinnvol­ lerweise in den Verträgen getroffen, die dem jeweiligen Mediationsverfahren seine unverwechselbare Gestalt geben, also in der Mediationsvereinbarung einerseits und dem Mediatorvertrag andererseits (vgl. Kapitel 3 und 12). Denkbar ist etwa eine Re­ gelung des Inhalts, dass auch nach der Beendigung der Mediation ein Schieds- oder Gerichtsverfahren nicht sofort, sondern erst nach einer bestimmten Wartezeit einge­ 251

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leitet werden kann. Eine entsprechende „Atempause“ kann im Einzelfall dazu genutzt werden, doch noch einmal einen allerletzten Einigungsversuch zu unternehmen.362 Vor allem ist dafür Sorge zu tragen, dass die Durchführung des Mediationsverfahrens sich in einem späteren Prozess nicht nachteilig für einen oder mehrere Beteiligte aus­ wirkt oder prozesstaktisch ausgenutzt werden kann. Bei nationalen Mediationsver­ fahren sind Regelungen über die Hemmung des Laufes von Verjährungsfristen nicht erforderlich, weil diese Hemmung für die Dauer der Mediation kraft Gesetzes eintritt (§ 203 des Bürgerlichen Gesetzbuchs [BGB]).363 Für internationale Mediationsverfah­ ren sind entsprechende Bestimmungen allerdings zu empfehlen.364 Wichtig ist weiterhin eine Regelung zum vertraulichen Umgang mit Informationen, die den Beteiligten im Rahmen des Mediationsverfahrens bekannt werden. Dass eine Mediationsvereinbarung diesen Punkt berücksichtigen sollte, ist leicht zu übersehen, weil die Vertraulichkeit der Mediation mit § 4 MediationsG scheinbar gesetzlich gere­ gelt ist. Allerdings verpflichtet § 4 MediationsG ausschließlich den Mediator und die zur Durchführung des Verfahrens eingebundenen Personen (z. B. Mitarbeiter des Medi­ ators, Gutachter oder IT-Dienstleister) zur Vertraulichkeit. Die Parteien selbst sind von der Vorschrift nicht erfasst. Wenn auch sie zum vertraulichen Umgang mit den in der Mediation erlangten Informationen verpflichtet sein sollen, muss dies insofern Eingang in die Mediationsvereinbarung finden.365 Unabhängig davon zu empfehlen sind jedenfalls prozessual wirkende Vortrags- und Beweismittelbeschränkungen. Sie führen nach deutschem Zivilprozessrecht dazu, dass ein abredewidriger Sachvortrag in einem nachfolgenden Zivilprozess unbeacht­ lich ist und ein abredewidriger Beweisantrag als unzulässig zurückgewiesen werden muss.366 Dies schützt die Vertraulichkeit nicht nur im Hinblick auf die Person des Mediators, sondern auch im Verhältnis der Parteien zueinander. Ob entsprechende Klauseln allerdings auch vor ausländischen Gerichten Bestand haben, hängt vom Verfahrensrecht am Prozessort (lex fori) ab und ist damit unsicher. Bei internationa­ len Mediationsverfahren sollte deswegen für den Fall des Scheiterns der Mediation die Durchführung eines Schiedsverfahrens vorgesehen werden: Von einem adäquat besetzten Schiedsgericht kann eher als von einem staatlichen Gericht erwartet wer­ den, dass es Vortrags- und Beweismittelbeschränkungen honoriert. Aber auch hier kommt es letztlich auf das jeweils anwendbare Schiedsverfahrensrecht an.

Zusammenfassung Die Endphase einer Wirtschaftsmediation ist häufig die schwierigste: Eine Einigung scheint in greifbarer Nähe zu liegen und doch wird um deren Details zwischen den Beteiligten regelmäßig erbittert und unter Anwendung aller Mittel strategischen Ver­ handelns gerungen. Auch ein ansonsten nichtdirektiv agierender Mediator wird in dieser Phase unter Umständen stärker lösungsorientiert auftreten als in den vorange­ gangenen Phasen: Verbleibende strategische, strukturelle und kognitive Einigungs­ hindernisse lassen sich unter Anwendung geeigneter Techniken beseitigen oder zu­ mindest verringern. Auch kann es sinnvoll sein, denkbare Einigungsoptionen ins 252

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Spiel zu bringen: Die Gefahr, dass sie von den Beteiligten zurückgewiesen werden, ist kleiner als bei Vorschlägen, die ein unmittelbar Konfliktbeteiligter zur Diskussion stellt. Zudem lassen sich Einigungsoptionen, die der Mediator einführt, Dritten we­ sentlich leichter „vermitteln“. Eine wichtige und bewährte Möglichkeit, in komplexen Wirtschaftsmediationen entsprechende Einigungsoptionen zu entwickeln, ist das so­ genannte Ein-Text-Verfahren. Kommt es in der Mediation zu einer Einigung, so muss diese bei Streitigkeiten zwi­ schen Unternehmen in der Regel in eine rechtsverbindliche Abschlussvereinbarung „übersetzt“ werden. Deren Regelungen sollten klar und umsetzbar sein. Diese Maxi­ me gilt auch für Abschlussvereinbarungen bei innerbetrieblichen Konflikten. Wird bei unternehmensexternen Streitigkeiten eine Vollstreckungsmöglichkeit gewünscht, so stehen eine Reihe von Instrumenten zur Erreichung dieses Ziels zur Verfügung (vollstreckbare notarielle Urkunde, Anwaltsvergleich, Gütestellenvergleich, Schieds­ spruch mit vereinbartem Wortlaut). Scheitern die Vergleichsbemühungen, muss nicht zwingend ein Gerichtsverfahren durchgeführt werden: In vielen Fällen, z.B. bei konzerninternen Konflikten, wird die­ se Handlungsoption praktisch nicht in Frage kommen. Im Übrigen gibt es eine Reihe von Alternativverfahren, an die der Mediator denken und die Parteien erinnern wird. Dazu gehören insbesondere bestimmte Schiedsverfahren bzw. Schiedsverfahrensty­ pen (Med-Arb, Final-Offer Arbitration, High-Low Arbitration). Für den Fall, dass es zu einem Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren kommt, sollte durch geeignete Rege­ lungen sichergestellt werden, dass die Vertraulichkeit der Mediation nicht ex post in Frage gestellt wird. Unsere bisherigen Überlegungen in den vergangenen Kapiteln haben sich mit dem Ablauf einer Wirtschaftsmediation beschäftigt, wie er sich in der Praxis häufig verfol­ gen lässt. In gewisser Hinsicht mag man insoweit von einer idealtypischen Wirtschaftsmediation sprechen. Nicht selten geschehen in einer Wirtschaftsmediation jedoch Dinge, die diesen „normalen“ Ablauf erschweren bzw. verkomplizieren. Welche Ge­ fahren für das Verfahren sind besonders bedeutsam? Wie kann der Mediator auf sol­ che Gefahren reagieren und den Beteiligten helfen, sie zu meistern? Mit diesen Fra­ gen wollen wir uns im nächsten Kapitel beschäftigen.

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Kapitel 11 Schwierige Situationen in Mediationsverfahren bewältigen Wir werden die Betrachtung der Methode der Mediation mit einem Blick auf einige typische Schwierigkeiten beschließen, die bei der Durchführung von Mediationsver­ fahren häufiger auftreten. Dabei wird sich dieses Kapitel nicht mehr in den bisherigen Aufbau entlang der Chronologie eines Mediationsverfahrens einfügen. Es wird viel­ mehr eine Querschnittsfunktion erfüllen: Schwierige Situationen begegnen Ihnen als Mediator in jeder Phase des Verfahrens. Die folgende Diskussion dieser Schwierigkei­ ten wird daher vertiefend auf eine Vielzahl von Fragen eingehen, die – in der einen oder anderen Form – in den vorherigen Kapiteln bereits angesprochen wurden. Wäh­ rend dort aber das Augenmerk auf den Normalverlauf eines Mediationsverfahrens gerichtet wurde, werden uns hier diejenigen Problemfälle und Komplikationen be­ schäftigen, die diesen Normalverlauf gelegentlich behindern. Von den typischen Schwierigkeiten, mit denen Sie als Mediator zu rechnen haben, sind die folgenden vier aufgrund ihrer praktischen Bedeutung besonders erwähnens­ wert: 1. Eine hohe Komplexität der Verhandlungssituation durch eine Vielzahl von Perso­ nen, Verhandlungsthemen bzw. Interessen erschwert Ihre Verhandlungsleitung. 2. Zweifel an Ihrer Neutralität gefährden zugleich den Erfolg des gesamten Verfah­ rens. 3. Machtungleichgewichte zwischen den Parteien stellen Sie vor die Frage, ob Sie diese ausgleichen dürfen oder sogar müssen. 4. Nicht selten führt die gesteigerte Emotionalität im Verlauf der Mediationsverhand­ lung zu einer Eskalation des Konflikts. Wodurch entstehen diese Schwierigkeiten im Einzelnen, und welche Strategien zu ihrer Überwindung lassen sich einsetzen? Diesen Fragen wollen wir in der Folge nachgehen.

Hohe Komplexität Die wenigsten Konflikte in der Wirtschaftspraxis bestehen aus nur einem einzigen Thema zwischen zwei Konfliktparteien. Sehr häufig haben wir es mit Situationen hö­ herer Komplexität zu tun, wie etwa der folgende Fall zeigt:

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Teil II ­|  Methode der Mediation

„„ Die Insolvenz der Kirch Media und die Fußball-Bundesliga367 Im April 2002 stand das Unternehmen Kirch Media GmbH & Co KGaA des inzwischen verstorbenen Münchener Film- und Fernsehrechte-Händlers Leo Kirch nach dem gestellten Insolvenzantrag mit dem Rücken zur Wand. Den vorläufigen Insolvenzverwalter Michael Jaffé beschäftigte insbesondere die Forderung der Deutschen Fußball Liga (DFL), eine ausstehende Rate von 100 Millionen Euro für Fernseh­ übertragungsrechte bis zum 15. April zu überweisen. Dieses Geld war offenbar nicht vorhanden. Zudem sah sich Jaffé durch gesetzliche Bestimmungen des Insolvenzrechts gehindert, die DFL vor anderen Gläubigern voll zu befriedigen. Der DFL-Präsident Werner Hackmann drängte auf die Zahlung der Rate. Er war vor allem um die kleineren Vereine besorgt, die in großem Maße wirtschaftlich von den Fernsehgeldern abhängig sind. Falls das Geld nicht fristgerecht eingehe, so Hackmann, würden die Bundesligavereine den Fernsehteams der Kirch-Sender Premiere und Sat.1 an den letzten beiden Spieltagen der Saison den Zugang zu den Fußballstadien verwehren. Die 36 Bundesligavereine selbst standen einem solchen Boykott sehr unterschiedlich gegenüber. Während die wirtschaftlich weniger starken Vereine die DFL in ihrem Ansinnen unterstützten, waren vor allem Bayern München und Bayer Leverkusen strikt gegen einen Boykott. Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge und Bayers Manager Reiner Calmund wollten die Fernsehzuschauer nicht verprellen und vor allem ihren Sponsoren nicht die werbewirksame Bühne des Fernsehens im spannenden Saison-Finale verwehren. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF waren ebenfalls betroffen: Da sie als sogenannte „Zweitverwerter“ auf die von der Kirch-Tochter Premiere produzierten Fernsehbilder angewiesen waren, hätte ein Boykott von Premiere durch die Vereine auch ARD und ZDF von bewegten Fußballbildern für deren Nachrichten- und Sportsendungen abgeschnitten. Zugleich spekulierten sie darauf, dass Kirch Media die Rate endgültig nicht zahlen würde, die Übertragungsrechte an die DFL zurückfallen und in einer Neuvergabe dann die öffentlich-rechtlichen Anstalten zum Zuge kommen würden. Eine Lösung musste schnell gefunden werden. Der nächste Spieltag stand unmittelbar bevor. Forderungen aus der Politik, notfalls mit Staatsbürgschaften auszuhelfen, waren auf erbitterten öffentlichen Widerstand gestoßen, nachdem sie als Versuch gewertet worden waren, die „Millionengehälter“ der Fußballprofis staatlich zu subventionieren. Mit einer Unterstützung durch die öffentliche Hand war daher nicht mehr zu rechnen. Beispiel 1

Worin besteht die Komplexität einer Situation wie der in Beispiel 1 geschilderten In­ solvenz der Kirch Media? Was sind ihre Ursachen? Und was lässt sich tun, um die Komplexität solcher oder vergleichbarer Konflikte in Mediationsverfahren zu redu­ zieren?

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Schwierige Situationen bewältigen ­|  Kap. 11

Viele Parteien Regelmäßig steigert zunächst eine größere Zahl von Konfliktparteien die Komplexität einer Verhandlung.368 Je mehr Parteien beteiligt sind, umso schwieriger wird es, der Verhandlung eine Struktur zu geben: Jede Partei verfolgt eigene Interessen, die sich teilweise überschneiden, teilweise entgegenstehen. Jede Partei hat das Bedürfnis nach gleichmäßiger Teilhabe sowohl am Prozess als auch an einem möglichen Ergeb­ nis.  Zwischen den Parteien bilden sich sichtbare und unsichtbare Koalitionen und Fronten.369 Eine solche Gruppenbildung führt nicht selten in inhaltlicher Hinsicht dazu, dass Verhandlungsfortschritte verlangsamt werden: Jedes Zugeständnis muss zunächst unter den Mitgliedern der jeweiligen Gruppe abgestimmt werden  – eine einmal (möglicherweise nach langwierigen internen Verhandlungen innerhalb der Gruppe) eingenommene Position wird daher oftmals noch beharrlicher verteidigt als in zweiseitigen Verhandlungen. Hinzu kommt, dass in Mehrparteienverhandlungen Zugeständnisse deshalb schwerer fallen, weil sie sich nicht gleichermaßen mit einer Erwartung der Gegenseitigkeit ver­ knüpfen lassen wie in zweiseitigen Verhandlungen. Während dort nach einem Zuge­ ständnis einer Seite mit einem entsprechenden Entgegenkommen der anderen Seite gerechnet werden kann, haben Zugeständnisse hier nicht immer einen klar zu identi­ fizierenden Adressaten und müssen stets auch hinsichtlich ihrer Wirkung auf die an­ deren Beteiligten überprüft werden. Dies gilt gleichermaßen für die eigenen wie für die von der begünstigten Partei im Gegenzug erwogenen Verhandlungsschritte. Auch die Kommunikation ist in Mehrparteienverhandlungen zusätzlich erschwert. Jedes eigene Signal muss in dem Bewußtsein ausgesendet werden, dass es unter­ schiedliche Empfänger erreicht. Umgekehrt muss jeder aus den Signalen der anderen Beteiligten diejenigen Nachrichten heraushören, die für ihn selbst von Bedeutung sind. Das Risiko von Missverständnissen und Fehlinterpretationen ist entsprechend gesteigert.370 Wenn Sie es als Mediator mit einer Vielzahl von Parteien zu tun haben, werden Sie diese möglicherweise in Gruppen unterteilen und mit Vertretern der einzelnen Grup­ pen verhandeln. Achten Sie bei der Auswahl der Vertreter darauf, dass diese für die ganze Gruppe sprechen können. Es sollte sich um Schlüsselfiguren handeln, die die Autorität besitzen, sowohl die Interessen der Gruppe nach außen zu vertreten, als auch eine gefundene Lösung intern in der Gruppe „zu verkaufen“. Erinnert sei an das bereits zuvor dargestellte Beispiel der Frankfurter Flughafenmediation. Diese scheiter­ te nicht zuletzt daran, dass nicht alle von dem Konflikt um den Flughafenausbau Be­ troffenen im Verfahren auch vertreten waren. „„ Die Insolvenz der Eurotunnel-Betreibergesellschaften Ein Verhandeln mit Vertretern ist in komplexen Mehrparteienfällen unumgänglich. Im Herbst 1995 stellten die Betreibergesellschaften des Eurotunnels, Eurotunnel P.L.C. auf englischer und Eurotunnel S. A. auf französischer Seite, die Zinszahlungen auf ihre Schulden von umgerechnet ca. 9 Milliarden Euro ein. Den insolventen Schuldnern stand eine Gläubigerfront von 225 Banken gegenüber. Der ehemalige 257

Teil II ­|  Methode der Mediation französische Justizminister Robert Badinter und der ehemalige britische Energie­ minister Lord Wakeham agierten als Mediatoren in den Verhandlungen über die Reorganisation der insolventen Betreibergesellschaften. Zunächst wurde ein Lenkungsausschuss aus 24 Banken gebildet. Die direkten Verhandlungen fanden dann schließlich nur noch mit sechs dieser Banken („Kernbanken“) statt.371 Beispiel 2

Bei der Aufteilung einer großen Zahl von Konfliktparteien in Gruppen müssen Sie ferner die wirklichen Interessen der einzelnen Parteien sorgfältig erforschen. Grup­ penbildung ist vor allem zur Bündelung gleichlaufender Interessen sinnvoll. Oft stellt sich aber heraus, dass die auf den ersten Blick eine Gruppe bildenden Parteien sehr unterschiedliche Interessen verfolgen, die eine neue Aufteilung in Untergruppen oder über scheinbare Gruppengrenzen hinweg erfordern.372 Auch können zu unterschied­ lichen Verhandlungsthemen unterschiedliche Gruppen zu bilden sein. Betrachten wir dazu noch einmal das Beispiel der Insolvenz der Kirch Media (Bei­ spiel 1). Auf den ersten Blick stellte hier die DFL GmbH als Dachorganisation den idealen Fürsprecher der 36 Bundesligavereine dar; ein Mediator wäre möglicherweise versucht gewesen, allein mit der DFL anstelle von 36 Vereinsmanagern zu verhan­ deln. Auf den zweiten Blick aber verfolgten die einzelnen Vereine sehr unterschiedli­ che Interessen, die sich wiederum nicht mit denen der DFL deckten: Die „kleinen“ Vereine waren durch die ausbleibenden Fernsehgelder in ihrer Existenz bedroht und wollten daher die Ratenzahlung notfalls per Aussperrung der Kirch-Sender aus den Stadien erzwingen. Die Spitzenvereine dagegen sahen für sich den größeren Schaden in einer Aussetzung der Fernsehübertragung und den damit verbundenen Ausfällen von Werbeeinnahmen, die bei ihnen im Verhältnis zu den Fernsehgeldern einen weit­ aus größeren Anteil ausmachen. Die DFL als unmittelbarer Vertragspartner der Kirch Media schließlich pochte auf Vertragserfüllung, möglicherweise auch deshalb, um bei einer Weigerung schnell die Übertragungsrechte zurückzuerhalten und an andere, wirtschaftlich stabilere Partner neu verkaufen zu können. Letztlich wären also min­ destens drei Gruppen zu bilden gewesen, um zumindest die wesentlichen, unter dem Dach der DFL scheinbar gebündelten, Interessen abzubilden. Der Einsatz von Vertretern für Gruppen von Parteien hat zur Folge, dass die Mehr­ zahl der Betroffenen nicht mehr unmittelbar an den Verhandlungen beteiligt ist. Die Zustimmung zu einem Ergebnis wird diesen leichter fallen, wenn sie zumindest über die Inhalte und den Prozess der Verhandlung jederzeit gut informiert sind. Umfassende Transparenz durch regelmäßige Information gegenüber den nicht Anwesenden ist daher unverzichtbar, um den „Beteiligungsverlust“ beim Einsatz von Vertretern zu kompensieren. Beim Umgang mit einer Vielzahl von verhandelnden Parteien haben Sie es in zweier­ lei Hinsicht allerdings auch einfacher als in bilateralen Verhandlungen: Da der Einzel­ ne in Mehrparteienverhandlungen weniger Einfluss auf das Ergebnis als in zweiseitig geführten Verhandlungen hat, wirkt sich erstens Misstrauen gegenüber einem Ver­ handlungspartner hier tendenziell weniger stark auf die Einigungsbereitschaft der Beteiligten aus. Zweitens ist die Neigung zu hartem distributiven Verhandeln mit un­ 258

Schwierige Situationen bewältigen ­|  Kap. 11

fairen Mitteln, zu Täuschungen oder Regelmissachtungen in aller Regel um so gerin­ ger ausgeprägt, je mehr Parteien am Tisch sitzen: Wer mit der geballten Abneigung und mit möglichen Gegenangriffen einer ganzen Gruppe von Verhandlungspartnern zu rechnen hat, scheut eher den Einsatz entsprechender aggressiver Taktiken.373 Interessen- und Themenvielfalt Nicht nur die Vielzahl von Parteien, sondern auch eine Vielzahl von Interessen und Themen steigert die Komplexität einer Verhandlung.374 Zwar haben wir bereits gese­ hen, dass Kooperationsgewinne häufig gerade in Unterschieden zwischen den Kon­ fliktparteien verborgen liegen können (vgl. Kapitel 7). Eine große Anzahl von Interes­ sen und Themen vergrößert daher die Chance, dass Sie als Mediator entsprechende Unterschiede identifizieren und – gemeinsam mit den Beteiligten – für kreative und wertschöpfende Lösungen ausnutzen können. Nichtsdestotrotz verkompliziert eine Vielzahl von Interessen und Themen zunächst den Verfahrensablauf: Mediationsver­ fahren sind wie alle Verhandlungen dynamische Prozesse. Differenzen über die Rei­ henfolge der zu behandelnden Themen, Prioritäten und Abhängigkeiten zwischen Einzelfragen sind typische Anlässe für Blockaden. Betrachten wir nochmals das eingangs dargestellte Beispiel der Insolvenz der Kirch Media. Mit welchen Themen und Interessen hätten Sie sich hier beschäftigen müs­ sen? Neben den bereits dargestellten Interessen der Kirch Media, der Fernsehsender, der Fußballvereine und der DFL spielten zusätzlich auch zahlreiche politische Inter­ essen eine Rolle: So war es beispielsweise fraglich, ob ein Einstieg des australisch-ame­ rikanischen Medienmagnaten Rupert Murdoch eine durchsetzbare Option für eine Rettung der Kirch Media gewesen wäre, oder ob nicht die Furcht vor politischer Ein­ flussnahme im deutschen Fernsehen (wie Murdoch sie auf dem britischen Zeitungs­ markt bewiesen hatte) überwogen hätte. Ebenso wenig war für unbeteiligte Dritte abzusehen, welche Auswirkungen ein (weiteres) Engagement deutscher Verlage (Ber­ telsmann, WAZ, Spiegel) bei Kirch auf die Fernsehlandschaft in Deutschland gehabt hätte. Inwieweit die Interessen der (neben anderen) kreditgebenden Bayerischen Lan­ desbank mit den politischen Zielen eines bayerischen Ministerpräsidenten und da­ maligen Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber verwoben waren, stellte einen weiteren, gleichermaßen wichtigen wie undurchsichtigen Punkt dar. Schließlich war zumindest anfangs unklar, ob sich aus der Diskussion um Staatsbürgschaften zur Sicherung der Fußballübertragungen Lösungsansätze gewinnen lassen würden oder ob diese Opti­ on angesichts der harschen öffentlichen Kritik hieran von vornherein außer Betracht gelassen werden musste. Eine einfache, erste Grundregel im Umgang mit einer solchen Vielfalt von Verhand­ lungsthemen und Interessen lautet: Bereiten Sie sich noch umfänglicher und gründli­ cher auf die Mediation vor! Nutzen Sie alle Ihnen zugänglichen Informationen aus, und bemühen Sie sich darum, weitere neue Informationen zu gewinnen. Mit wem haben Sie es zu tun? Durch welche Interessen sind die Beteiligten motiviert? Was ist  die Vorgeschichte des Konflikts? Welche nicht „am Tisch“ vertretenen Interes­ sen spielen in den Konflikt hinein? Wo bestehen Verbindungen zwischen Themen, 259

Teil II ­|  Methode der Mediation

wo gibt es Abhängigkeiten? Welche Punkte können isoliert behandelt werden? Wer könnte wem in der Verhandlung möglicherweise welches Zugeständnis machen (vgl. den in Kapitel 4 vorgestellten „Pre-Mediation Briefing Report“)? Zur Vorbereitung von Plenarverhandlungen mit allen Beteiligten solcher komplexer Verhandlungen bieten sich sodann häufig – nach Zustimmung aller Parteien hierzu – vorbereitende Einzelgespräche mit den Parteien an. Hier können Sie schon vor dem Aufeinander­ treffen wichtige Hinweise für eine sinnvolle Gestaltung der eigentlichen Mediations­ verhandlungen in Anwesenheit aller erhalten. Eine sorgfältige Vorbereitung erleichtert es Ihnen zugleich, das Mediationsverfahren zielführend zu strukturieren. Eine klare Struktur nicht nur nach den einzelnen Pha­ sen des Verfahrens, sondern auch inhaltlich nach den einzelnen Themen und The­ menkreisen, nach Reihenfolgen, nach Prioritäten und nach Interdependenzen hilft Ihnen ebenfalls bei der Aufgabe, die Komplexität zu reduzieren.375 Dies gilt uneinge­ schränkt allerdings nur dann, wenn die gewählte Struktur allen Beteiligten auch verständlich ist. Bestenfalls erarbeiten Sie diese daher gemeinsam mit den Konfliktpar­ teien. Erläutern Sie, warum Ihnen eine bestimmte Gliederung für Ihr Vorgehen sinnvoll erscheint, und seien Sie offen für abweichende Anregungen der Parteien. Oft ist es hilfreich, den Gesamtkomplex der zu behandelnden Themen in Themen­ blöcke zu schneiden, die zunächst unabhängig voneinander behandelt werden kön­ nen. Unterstützen Sie diese Abschichtung und Trennung durch begründete Vorschlä­ ge zur zeitlichen Einteilung. Wenn den Parteien klar ist, dass und wann jedes der Themen behandelt werden wird, fällt es ihnen in aller Regel leichter, sich zunächst nur auf einen Teilkomplex zu konzentrieren und nicht zwischen den Themenblöcken zu „springen“. Ob Sie dabei mit den Randthemen oder sogleich mit den wesentlichen Problempunk­ ten beginnen, hängt stark vom Einzelfall ab. Besteht grundsätzlich eine erkennbare Einigungsbereitschaft zwischen den Parteien, können Sie mit den wichtigen und „großen“ Themen beginnen. Dies hat den Vorteil, dass später Zugeständnisse bei klei­ neren Themen besser auf ihre Auswirkungen auf das sich abzeichnende Gesamtpaket hin beurteilt werden können und im Lichte einer bereits grundsätzlich gefundenen Lösung leichter fallen. Stoßen Sie bei dieser Reihenfolge auf deutlichen Widerstand, müssen Sie zunächst auf Randthemen ausweichen. Dies kann zumindest dazu führen, dass Zugeständnisse in diesem Bereich möglicherweise eine Dynamik bewirken, die Sie anschließend auch für die Hauptthemen nutzen können. Erwägen Sie ferner, ob Sie Unterverhandlungen mit einzelnen Parteien oder einzelnen Gruppen von Partei­ en führen wollen und ob hierzu der Einsatz mehrerer Mediatoren sinnvoll erscheint. In solchen Unterverhandlungen lassen sich oftmals Teillösungen erarbeiten, die schließlich zu einem Gesamtpaket zusammengefügt werden können. Erinnert sei in diesem Zusammenhang schließlich auch an die in Kapitel  4 bereits beschriebenen Mittel der Visualisierung. Der geplante Umgang mit Moderationsund Präsentationsmedien hat nicht zuletzt eine komplexitätsreduzierende Wirkung.

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Schwierige Situationen bewältigen ­|  Kap. 11

Gefährdungen der Neutralität des Mediators Im Rahmen des zwischen den Parteien und dem Mediator Vereinbarten sind die Neu­ tralität und Unabhängigkeit des Mediators Kardinalprinzipien einer Mediation (vgl. Kapitel 3). Nur wenn die Parteien davon überzeugt sind, dass Sie als Mediator das Verfahren ohne jede Parteilichkeit betreiben, werden sie Ihrer Verfahrensleitung ver­ trauen und auch Anregungen in der Sache gegenüber aufgeschlossen sein. Fragen der Neutralität spielen zumeist bereits bei der Auswahl des Mediators vor der Mediation eine entscheidende Rolle (vgl. Kapitel 12). Hier wollen wir uns vor allem mit Gefährdungen der Neutralität während eines solchen Verfahrens befassen. Diese stellen neben der Komplexität der Verhandlung eine zweite, typische Schwierigkeit für Mediationsverfahren dar.376 Neutralitätsgefährdungen können ganz unterschied­ liche Ursachen haben. Persönliche Beziehungen Insbesondere persönliche Beziehungen des Mediators zu einer der Parteien aus ver­ wandtschaftlichen, freundschaftlichen, vor allem aber aus geschäftlichen Gründen stellen seine Neutralität möglicherweise in Frage. Als Mediator sollten sie entspre­ chende Beziehungen keinesfalls verschweigen. Rechtlich sind Sie durch §  3 Abs.  1 MediationsG sogar zu einer diesbezüglichen Offenlegung verpflichtet. Die Bestim­ mungen von § 3 Abs. 2 bis 4 MediationsG verbieten Ihnen in bestimmten Fällen der Neutralitätsgefährdung sogar die Tätigkeit als Mediator. Stellen Sie daher alle Verbindungen zu beiden Parteien diesen gegenüber offen dar, selbst dann, wenn sie Ihnen erst nach Beginn des Verfahrens bewusst werden.377 Un­ terlassen Sie diese Offenheit, so setzen Sie nicht nur den Erfolg des Verfahrens, son­ dern auch Ihren Ruf als „ehrlicher Makler“ aufs Spiel. Erfährt eine der Parteien über Ihre Sonderbeziehung zu der anderen Partei aus einer dritten Quelle, so wird sie sich hintergangen fühlen und sowohl Ihnen als Mediator als auch der Mediation als Ver­ fahren zur Konfliktlösung mit Ablehnung begegnen. Haben Sie eine solche Verbin­ dung mitgeteilt, ist es Sache der Parteien, ob sie Ihnen dennoch eine unparteiische Verfahrensleitung zutrauen. Nicht jede Sonderverbindung erschüttert zwangsläufig die Neutralität eines Mediators. Entscheidend ist allein, dass die Konfliktparteien hie­ rüber in aufgeklärter Weise selbst entscheiden können.378 In der Regel wird eine so­ fortige Offenlegung entsprechender Umstände vertrauensbildend wirken. Die Ge­ fahr, das Mediationsmandat zu verlieren, ist daher eher gering und fällt insbesondere gegenüber dem drohenden Reputationsverlust kaum ins Gewicht. „„ Vereinnahmungsversuche Es kann auch einmal vorkommen, dass eine Partei subtil versucht, im Laufe des Verfahrens eine persönliche Beziehung zum Mediator aufzubauen oder durch geschicktes Spielen von Informationen seine Sympathie zu gewinnen, um bei Bedarf später strategisch auszunutzen. Als Mediator wissen Sie häufig nicht sofort, ob die agierende Partei berechnend vorgeht oder nur die Atmosphäre auflockern möchte. 261

Teil II ­|  Methode der Mediation Wichtig ist dann, dass Sie zurückhaltend reagieren und sich nicht beeinflussen lassen. In einem Mediationsverfahren, das von einem der Autoren geführt wurde, nutzte etwa eine Partei die Abwesenheit ihres Gegenübers während einer Pause dazu, den Mediator beiläufig wissen zu lassen, dass die andere Seite im Ort für bestimmte Eskapaden bekannt sei, die weite Teile der Bevölkerung als unmoralisch ansehen würden. Als Mediator dürfen Sie sich hier nicht einfangen lassen. Eine gute Reaktion besteht in diesen Fällen häufig darin, dass Sie nach der Bedeutung der entsprechenden Information für das hiesige Verfahren fragen und ggf. darum bitten, den Punkt im Plenum anzusprechen, wenn er denn relevant ist. Beispiel 3

Einseitige Kommunikation Eine weitere typische Gefährdung der Neutralität des Mediators liegt in der Natur der Kommunikationstechniken begründet, die er in der Mediation anwenden wird. Wer einer Partei aktiv zuhört, nachfragt, ihre Aussagen wiedergibt und Verständnis signa­ lisiert (vgl. Kapitel 5), beschäftigt sich zwangsläufig zugleich nicht mit der anderen Partei. Der Eindruck der übermäßigen Aufmerksamkeit für eine Seite kann ferner entstehen, wenn der Mediator Einzelgespräche mit nur einer der Parteien führt und somit die andere Partei auch räumlich alleine lässt (vgl. Kapitel 6 und 9). Umgekehrt kann auch die Partei, die sich in einem Einzelgespräch mit Ihnen als Mediator befin­ det, Ihre Neutralität deshalb in Frage stellen, weil Sie kritische Fragen zum Beispiel über die Nichteinigungsalternativen dieser Partei stellen. Auch außerhalb der gemeinsamen Mediationssitzungen kann es leicht zu ungleicher Kommunikation zwischen dem Mediator einerseits und den Konfliktparteien ande­ rerseits kommen: Terminliche oder andere organisatorische Absprachen werden in einseitiger Korrespondenz getroffen, der Mediator wird von einer der Parteien ange­ rufen, um noch „Einzelheiten“ zu erörtern, auf den Fluren oder an der Bar des Kon­ ferenzhotels werden nach der Verhandlung flüchtige Gespräche geführt. Die vorgenannten Konstellationen stellen potentielle Gefahren für die (wahrgenom­ mene) Neutralität des Mediators dar. Auch hier ist Transparenz das wirksamste Mittel zur Vermeidung von Komplikationen: Machen Sie klar, warum Sie bestimmte Frageund Gesprächstechniken anwenden, und dass beide Parteien ausreichend und gleich­ mäßig Gelegenheit zur Stellungnahme haben werden. Erläutern Sie den Zweck von Einzelgesprächen und dass Sie diese möglichst, aber nicht zwingend mit beiden Partei­ en in gleicher Zahl und Länge führen. Hinsichtlich der Kommunikation außerhalb der gemeinsamen Sitzungen ist größt­ mögliche Zurückhaltung geboten. Organisatorische Fragen können auch über ein Sekretariat ohne direkte Kommunikation mit dem Mediator oder in Telefonkonfe­ renzen mit allen Beteiligten gleichzeitig geklärt werden. Einseitige Kommunikation im Umfeld des Mediationsverfahrens sollten Sie als Mediator tunlichst vermeiden, um Zweifel an Ihrer Neutralität gar nicht erst aufkommen zu lassen. Sofern solche 262

Schwierige Situationen bewältigen ­|  Kap. 11

Kontakte unvermeidlich sind, empfiehlt es sich zumindest, die andere Partei über Anlass und Inhalt der Korrespondenz zu informieren. Diese Vorsicht gegenüber Ver­ suchen der Einflussnahme ist bis zum Abschluss der Mediation angebracht. „„ Transparenz als oberstes Gebot Nach dem erfolgreichen Abschluss eines größeren Mediationsverfahrens in einem Konflikt anlässlich eines Unternehmenskaufs sollte der im Grundsatz bereits geschlossene Vergleich vom Mediator ausgearbeitet werden. Eine der Konfliktparteien übersandte ihm hierzu weitere Informationen zu möglichen Klauselinhalten. Der Mediator versäumte es, die andere Partei hiervon in Kenntnis zu setzen. Nach der Unterzeichnung erfuhr diese von dem einseitigen „Briefing“ und drohte mit der – letztlich nicht erfolgten – Anfechtung des Vergleichs. Beispiel 4

Anstrengungen der Konfliktparteien, Sie in Ihrer Rolle als Vermittler zu manipulie­ ren (z.B. durch aufgedrängte einseitige Gespräche oder mimische Versuche zu „fra­ ternisieren“) sollten Sie als Mediator konsequent und sichtbar abwehren, um Ihre Neutralität nicht zu gefährden. Dies vermindert die Tendenz zu neuen Angriffen glei­ cher Art und unterstreicht zugleich Ihren Neutralitätsanspruch und damit Ihre Auto­ rität als neutraler Verhandlungsleiter. Einigungsvorschläge Gerade in der Schlussphase einer Wirtschaftsmediation liegt es für den Mediator oft nahe, selbst einen Anstoß zu einer möglichen Lösung zu geben oder gar einen kon­ kreten Einigungsvorschlag zu machen (vgl. Kapitel 3 und 10). Mit einer derartigen Initiative geben Sie als Mediator einen Teil Ihrer Neutralität auf. Sie sollten zu diesem Mittel daher – wenn überhaupt – erst möglichst spät greifen. Vorschläge des Medi­ ators werden möglicherweise von der einen oder anderen Partei als unausgewogen oder benachteiligend empfunden.379 Gleiches gilt, wenn Sie als Mediator sehr viel Zeit auf einen Punkt verwenden, der für eine Partei besonders unangenehm ist. Wir hat­ ten bereits in Beispiel 3 in Kapitel 9 beschrieben, wie in einer von einem der Autoren durchgeführten Mediation das kritische Hinterfragen der Nichteinigungsalternativen einer Partei in deren Augen als Parteinahme für die andere Partei empfunden und beinahe zum Anlass des Abbruchs der Verhandlungen genommen wurde. Tatsächlich besteht die größte Gefährdung Ihrer Neutralität bei diesen, auf der Sachebene ange­ siedelten Punkten. Etwaige Vorschläge sollten Sie – wenn überhaupt – eher indirekt als Fragen in das Gespräch einführen („Wie wäre es für Sie denn zum Beispiel, wenn Sie …?“). Teilen Sie in Fällen, in denen Sie durch eigene Vorschläge in die Sachdiskus­ sion eingreifen, zudem die Kriterien mit, die Sie dazu bewogen haben, einen bestimm­ ten Lösungsansatz für fair und ausgeglichen zu halten oder einen bestimmten Punkt besonders intensiv zu behandeln (vgl. Kapitel 8). Auch hilft es, noch einmal den Pro­ zess nachzuzeichnen, der zu einem bestimmten Vorschlag geführt hat. In diesem Zu­ sammenhang sei erneut auf die Bedeutung der Vorbereitung der Mediation hingewie­ sen. Eine sorgfältige Vorbereitung beinhaltet auch, sich im Vorfeld über mögliche 263

Teil II ­|  Methode der Mediation

Kriterien und Verfahren für die in der Verhandlung zu beantwortenden Verteilungs­ fragen Gedanken zu machen (vgl. Kapitel 8).

Machtungleichgewichte zwischen den Parteien Eine weitere Quelle für schwierige Situationen in Mediationsverfahren liegt in ausge­ prägten Machtungleichgewichten zwischen den Beteiligten. Ein Mediator ist nicht ent­ scheidungsbefugt. Zugleich katalysiert er den Verhandlungsprozess. Es besteht daher die Gefahr, dass die Verhandlungsförderung des Mediators zwar bestimmte Hinder­ nisse auf dem Weg zu einer Einigung einebnet, sich diese Ebene aufgrund bestehen­ der Machtungleichgewichte jedoch als „schiefe Ebene“ erweist, auf der sich Machtun­ gleichgewichte zu Lasten der schwächeren Partei bis in eine schließlich gefundene Einigung durchsetzen. Zugleich können Machtungleichgewichte eine Einigung er­ schweren, wenn die schwächere Partei sich unter Druck gesetzt fühlt und einem Vor­ schlag gerade deshalb nicht zustimmen will, weil sie ihn als Machtausübung der an­ deren Seite empfindet. Was bedeutet Macht in Verhandlungen? In Kapitel 9 haben wir dargestellt, dass die wichtigste Quelle von Verhandlungsmacht vor allem bessere Nichteinigungsalternativen sind. Wer seine Interessen auch ohne die andere Seite oder sogar gegen deren Willen durchsetzen kann, weil ihm entsprechende Alternativen zur Verfügung stehen, hat die Macht, von der anderen Seite große Zuge­ ständnisse zu fordern. Nicht immer ist derjenige der Mächtigere in diesem Sinne, der über die größeren Ressourcen verfügt und so die scheinbar stärkere Position hat:380 Ein international agierendes Softwareunternehmen ist im Kündigungsstreit gegen einen angestellten Programmierer im wahrsten Sinne des Wortes machtlos, wenn dieser für den Fall seiner Ablösung glaubhaft damit droht, die Produkte des Unternehmens mit einem zerstörerischen Computervirus zu infizieren. Ein Automobilhersteller verfügt über größere Ressourcen als seine Zulieferer. Stellt der Zulieferer aber Teile her, zu deren Produktion nur er das erforderliche Know-how besitzt, so verschafft ihm dies Macht über den Automobilhersteller. Das Machtgefälle verschiebt sich wiederum, wenn es dem Hersteller gelingt, dieses Know-how von seinem Zulieferer abzuwerben. Auch die Stellung in Hierarchien innerhalb eines Unternehmens spiegelt nicht immer die wahren Machtverhältnisse wider. So stattet beispielsweise die Kenntnis um illegale Geschäftspraktiken ihrer Vorgesetzten auch die Angestellten unterer Ebenen mit enormer Verhandlungsmacht diesen gegenüber aus. Gleiches gilt, wenn eine be­ stimmte Gruppe Angestellter für das Unternehmen eine unverzichtbare Funktion er­ füllt.

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Schwierige Situationen bewältigen ­|  Kap. 11

„„ Am längeren Hebel Im Mai 2001 streikten für drei Tage die Piloten der Lufthansa AG für Gehaltser­ höhungen von durchschnittlich 35 Prozent. Unter vereinfachenden Annahmen kostete der Streik die Lufthansa insgesamt ca. 40 Millionen Euro. Wäre er über einen Zeitraum von 90 Tagen ausgedehnt worden, hätte er das Unternehmen in die Verlustzone getrieben. Zieht man noch die für das Image der Lufthansa besonders wichtige Zuverlässigkeit mit in Betracht, wird schnell deutlich, dass hier nicht das große Unternehmen der Lufthansa, sondern ein kleiner Ausschnitt seiner Angestellten, nämlich die Piloten, am längeren Hebel saßen. Es verwundert daher nicht, dass es letztendlich zu einer Einigung kam, die den Piloten eine Erhöhung ihrer Bezüge um durchschnittlich 30 Prozent sicherte.381 Ein ebenfalls beachtliches Ergebnis brachte den Lokführern der Deutschen Bahn AG der viel beachtete Arbeitskampf ihrer Gewerkschaft GDL im Herbst 2007 und Frühjahr 2008 ein. Sie setzten letztlich durch mehrtätige Streiks im Güter- und Personenverkehr ihre Forderungen nach einem eigenständigen Tarifvertrag sowie Lohnerhöhungen von etwa 11 Prozent bei gleichzeitiger Kürzung der Arbeitszeit durch. Das Machtungleichgewicht brachte der damalige GDL-Chef Manfred Schell mit den Worten auf den Punkt: „Wir können Arbeitskämpfe länger durchhalten, als Deutschland sie vertragen kann.“382 Beispiel 5

Umgang mit Machtungleichgewichten in der Mediation Unabhängig davon, in welcher Ausprägung sich Machtungleichgewichte in einer Me­ diation zeigen, stellt sich die Frage, wie Sie als Mediator mit diesen umgehen sollten. Ausgeprägte Machtungleichgewichte werden häufig als ein Kriterium angesehen, wel­ ches von vornherein gegen die Eignung der Mediation als Konfliktlösungsverfahren sprechen soll (vgl. Kapitel 12). In der Tat kann es Situationen geben, in denen Sie als Mediator Ihre Unterstützung bei der Suche nach einer Verhandlungslösung nicht mehr mit Ihrem Neutralitätsanspruch oder Ihrem Verschwiegenheitsgebot vereinba­ ren können. In diesen Fällen werden Sie möglicherweise versucht sein, das Mediati­ onsverfahren zu beenden bzw. es gar nicht erst zu beginnen und den Parteien andere Verfahren zu empfehlen, denen der Ausgleich von Machtungleichgewichten imma­ nent ist. Zur Beendigung des Verfahrens sind Sie in diesen Fällen nach §  2 Abs.  5 Satz 2 MediationsG berechtigt. Zunächst sollten Sie aber den Einsatz derjenigen Techniken erwägen, die Ihnen auch innerhalb der Mediation die Möglichkeit bieten, die negativen Auswirkungen von Machtungleichgewichten zu begrenzen. Prozessherrschaft ausüben Als Mediator sind Sie für den Verhandlungsprozess verantwortlich (vgl. Kapitel 3). Sie haben daher nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die Aufgabe, die gemeinsam 265

Teil II ­|  Methode der Mediation

mit den Parteien für diesen Prozess aufgestellten Verfahrensregeln auch durchzuset­ zen. Häufig äußert sich Verhandlungsmacht gerade darin, dass solche Regeln miss­ achtet werden: Eine Tagesordnung wird nicht befolgt, die festgelegte Reihenfolge der Wortbeiträge wird nicht eingehalten, es wird einander unterbrochen, und es werden aggressive Taktiken der Kommunikation wie Drohungen oder Einschüchterungen eingesetzt. Wenn Sie hier als Mediator gegensteuern, indem Sie an die vereinbarten Regeln erinnern und auf deren Einhaltung achten, so verringern Sie die negativen Auswirkungen von Machtungleichgewichten, ohne zugleich in einen Widerspruch zu Ihrem Auftrag oder Ihrem Neutralitätsanspruch zu geraten. Die Ausübung Ihrer Prozessherrschaft ist daher ein wirksames Mittel auch im Umgang mit Machtungleichge­ wichten. Über Ausgleichsmöglichkeiten informieren Ein weiteres Mittel stellt die Information der Parteien über Möglichkeiten des Aus­ gleichs von Machtungleichgewichten dar. Allerdings müssen Sie als Mediator den Parteien überhaupt erst einmal bewusst machen, dass in ihrer Situation Machtun­ gleichgewichte eine Rolle spielen. Hierzu können sich wiederum Einzelgespräche an­ bieten. Im Zweifel müssen Sie die betroffene Partei im Rahmen eines solchen Einzel­ gesprächs gemäß § 2 Abs. 6 Satz 2 MediationsG darauf hinweisen, dass ihr ein externer Rechtsrat helfen kann, ihre Position richtig einzuschätzen und sich vor einer nachtei­ ligen Einigung zu schützen. Auch können Sie den Parteien nochmals verdeutlichen, dass es nicht Ihre Aufgabe ist, Schutzrechte zum Ausgleich von Machtungleichge­ wichten durchzusetzen, und dass hierfür andere Verfahren, wie etwa ein Gerichtsoder ein Schiedsverfahren, zur Verfügung stehen. Arbeiten mit den Nichteinigungsalternativen Mit ähnlichem Ziel können Sie als Mediator mit den Parteien an deren Nichteinigungsalternativen arbeiten. Wenn es zutrifft, dass Verhandlungsmacht häufig aus bes­ seren (wahrgenommenen) Nichteinigungsalternativen besteht, so lassen sich Macht­ ungleichgewichte auch dadurch ausgleichen, dass Sie gemeinsam mit jeder der Parteien den Wert und die Wahrnehmung ihrer Nichteinigungsalternativen überprü­ fen (vgl. Kapitel  9). Möglicherweise stellt sich dabei heraus, dass die vermeintlich schwächere Partei ihre Nichteinigungsalternativen zu schwach oder diejenigen des Verhandlungspartners zu stark eingeschätzt hat. Indem Sie diese Fehleinschätzung zu korrigieren helfen, verändern Sie zugleich die Verhandlungsmacht zwischen den Par­ teien. Diese Arbeit ist typische Mediationstätigkeit. Sie stellt keinen Eingriff dar, der nicht mit der grundsätzlich in der Sache zurückhaltenden Rolle des Mediators verein­ bar wäre, und steht – zumindest objektiv – nicht im Widerspruch zu Ihrer – regelmä­ ßig von den Parteien gewünschten (vgl. Kapitel 3) – Neutralität. Aber Vorsicht: Aus Sicht der Parteien kann ein solches Vorgehen Sie subjektiv indes sehr wohl als nicht mehr unparteiisch erscheinen lassen. Erinnert sei abermals an das zuvor bereits zi­ tierte Beispiel aus Kapitel 9, in dem gerade das offenbar zu kritische Hinterfragen des Mediators beinahe zum Abbruch der Mediation geführt hätte. 266

Schwierige Situationen bewältigen ­|  Kap. 11

Legitime Kriterien einbringen Die negativen Auswirkungen von Verhandlungsmacht können Sie als Mediator ferner dadurch begrenzen, dass Sie legitime Kriterien in die Verhandlung einbringen (vgl. Kapitel  8). Legitime Kriterien schützen vor Zwang und Druck und somit vor den Auswirkungen von Verhandlungsmacht, indem sie ihre Überzeugungskraft nicht aus der Sphäre einer der Verhandlungsparteien, sondern aus einer neutralen Quelle ablei­ ten. Als legitime Kriterien bieten sich zum Beispiel ethische Normen oder Üblichkei­ ten (Handelsbräuche etc.), technische Standards, Marktpreise oder ‑konditionen, aber auch rechtliche Regeln und Präjudizien an.383 Gerade bei den zuletzt genannten Kriterien ist jedoch wieder Vorsicht geboten. Das Einbringen rechtlicher Regeln und Präjudizien bringt Sie schnell in die Rolle des Rechtsberaters beider Parteien – eine Rolle, die mit derjenigen des neutralen Vermitt­ lers kaum vereinbar ist und die zusätzlich den rechtlichen Grenzen des Rechtsdienst­ leistungsgesetzes (RDG) unterliegt (vgl. Kapitel 3). Unproblematisch ist es dagegen, den Parteien die Bedeutung des Rechts und des ihnen daraus zustehenden Schutzes abstrakt zu verdeutlichen und im Übrigen auf deren Unterstützung durch ihre jewei­ ligen Rechtsberater hinzuwirken. Allerdings sind die Grenzen hier oftmals fließend. Nicht selten werden auch die Rechtsanwälte der Parteien darauf drängen, von Ihnen als Mediator Ihre Einschät­ zung zu einzelnen Rechtsfragen zu erhalten. Nehmen Sie dies zum Anlass, den Rah­ men Ihrer Beauftragung und die Grenzen dessen, was Ihnen nach den Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes gestattet ist, kritisch zu überprüfen. Vergessen Sie nicht, dass Sie bereits durch das Einbringen von Bewertungskriterien immer auch in der einen oder anderen Hinsicht selbst Stellung beziehen. Wir haben zuvor bereits gesehen, dass dies Ihre (wahrgenommene) Neutralität beeinträchtigen kann und da­ her nur als ultima ratio erfolgen sollte. Lösungsvorschläge bewerten und eigene entwickeln Der vielleicht stärkste Eingriff eines Mediators in den Verhandlungsverlauf zum Aus­ gleich von Machtungleichgewichten besteht darin, einen im Raum stehenden Lö­ sungsvorschlag zu bewerten und eigene Vorschläge zu entwickeln. Mit einem solchen Verhalten gehen Sie als Mediator über eine reine Prozesssteuerung hinaus und greifen direkt in den Verhandlungsgegenstand ein. Erfahrungsgemäß werden Konfliktpartei­ en nicht selten sogar darauf drängen, dass Sie doch jetzt auch einmal „Ihre Meinung zu der Sache“ äußern. Insbesondere dann, wenn die Parteien spüren, dass sie an die Grenzen ihrer Verhandlungsbereitschaft oder ‑fähigkeit kommen, bietet sich der ein­ geschaltete Dritte als ideales Ventil an. Auch hier ist wiederum äußerste Vorsicht geboten. Sie sollten der Versuchung, Vor­ schläge der Parteien offen zu bewerten und eigene einzubringen, längstmöglich wi­ derstehen (vgl. oben sowie Kapitel 3 und 10). Andernfalls würde der Mediation das Element der eigenständigen, privatautonomen Konfliktlösung genommen, welches sie auszeichnet und welches zu einer größeren Akzeptanz und damit Haltbarkeit der ge­ 267

Teil II ­|  Methode der Mediation

fundenen Ergebnisse führt. Auch steht wiederum Ihre (wahrgenommene) Neutralität auf dem Spiel. Wenn Sie den Eindruck gewinnen, dass sich ohne einen solchen Eingriff ein Ergebnis abzeichnet, welches vor allem Ausdruck des Machtübergewichtes einer Partei ist, und Sie eine Unterstützung dieses Ergebnisses aus rechtlichen, ethischen oder anderen Gründen ablehnen, sollten Sie darauf hinweisen und notfalls das Mediationsverfah­ ren beenden. In aller Regel wird es jedoch so weit nicht kommen. Der praktisch häu­ figere Fall ist derjenige, dass ein sich abzeichnendes Verhandlungsergebnis Ihnen le­ diglich nicht gänzlich ausgewogen und somit nur in mancher Hinsicht als unfair erscheint. Bevor Sie hier dem Verfahren Ihre Unterstützung entziehen, sollten Sie zunächst noch einmal Ihr genaues Rollenverständnis und vor allem Ihren konkreten Auftrag prüfen: Sind Sie dazu eingesetzt, die Parteien vor nachteiligen Vergleichs­ schlüssen zu bewahren, oder sollen Sie ihnen lediglich eine Hilfestellung bei der pri­ vatautonomen und eigenverantwortlichen Lösung ihres Konflikts geben?

Eskalation Die Bedeutung von Emotionen in Mediationsverfahren auch in wirtschaftlichen Konflikten haben wir bereits in Kapitel 5 dargestellt. Eine besondere Schwierigkeit für den Ablauf der Mediation stellen Emotionen nur dann dar, wenn sie zu einer unkon­ trollierten Eskalation der Verhandlungssituation führen.384 Reden die Parteien kaum noch miteinander, ergehen sie sich in Anfeindungen und (möglicherweise lauten) Beschimpfungen, wenden sie starke Selbstbindungstaktiken an (vgl. Kapitel 8), oder täuschen und drohen sie einander, so hängt der Erfolg des Mediationsverfahrens nicht zuletzt auch davon ab, dass Sie als Mediator Strategien zur Deeskalation der Si­ tuation kennen und einsetzen. Ein Schwerpunkt liegt hier in einer beruhigenden Kommunikation.385 „Let them vent“ Hilfreich ist es zunächst, Ausbrüche von Emotionen nicht zu übergehen oder gar zu unterbinden, sondern ihnen in der Mediation ein geordnetes Forum zu bieten. Dabei wäre es indes falsch, sämtliche Gefühlsausbrüche und Angriffe kommentarlos ge­ schehen zu lassen, um die dahinterstehenden Spannungen abzubauen.386 Persönliche Angriffe, Beschimpfungen oder anderes verletzendes Verhalten sollten Sie in der Me­ diation ebenso wenig dulden wie starke Selbstbindungstaktiken oder gar Drohungen. Auch hierzu hilft wiederum die Vereinbarung einer klaren Kommunikationsstruktur. In deren Rahmen können Sie den Parteien dann die Gelegenheit geben, ihre Verärge­ rung oder sonstige Emotionen gegenüber der anderen Partei äußern zu können: „Let them vent“. „„ Bis es plötzlich still wird Aus der Praxis des amerikanischen Mediators Gary Friedman ist folgende Anekdote überliefert: 268

Schwierige Situationen bewältigen ­|  Kap. 11

Die Parteien ergingen sich schon zu Beginn des Verfahrens in heftigen persönlichen Attacken, die Emotionen kochten hoch, und die Situation eskalierte zusehends. Die gegenseitigen Angriffe wechselten wie Pingpong-Bälle die Seite, und Friedman beobachtete wie ein Schiedsrichter am Netz ruhig und gelassen das Spiel. Er reagierte überhaupt nicht. Er sagte nichts, saß stumm dabei und sah den Parteien einfach nur zu. Nach einer Weile hatten diese offenbar ihr Arsenal erschöpft und schauten etwas hilflos in Richtung des Mediators. In die sich bildende Stille hinein erhob Friedman langsam die Stimme und sprach in leisem Ton: „So now, do you think this was productive?“ Hierdurch hatte er zweierlei erreicht: Indem er die Parteien zunächst einfach agieren ließ, ermöglichte er ihnen, die aufgestauten Emotionen abzubauen und somit den sich anschließenden Verhandlungsprozess hiervon freizuhalten. Mit der dann gestellten Suggestivfrage machte er ihnen zugleich klar, dass das bisherige Verhalten in der Sache nicht wirklich weiterführte. Somit wies er ihnen einen Weg zurück zur Sachebene und half ihnen gewissermaßen, einige Stufen auf der Eskalationstreppe zurückzuschreiten. Beispiel 6

Thematisieren Intuitiv neigen wir dazu, die zu Eskalationen führenden persönlichen Spannungen einfach zu übergehen, weil sie uns unangenehm sind und wir schnell „zur Sache“ kommen wollen. Wie verhält es sich aber, wenn das Problem gerade in einer eskalie­ renden persönlichen Spannung liegt, wenn sie die eigentliche „Sache“ darstellt? Auch die drohende oder die bereits eingetretene Eskalation können Sie als Mediator zum Thema der Verhandlung machen. Indem Sie den Parteien die Wirkungsweise ihres eskalationsfördernden Handelns deutlich machen, erreichen Sie einen ähnlichen Ef­ fekt wie mit der von Gary Friedman gestellten Suggestivfrage (vgl. Beispiel 6). „„ Weiter, immer weiter? Der US-amerikanische Mediator Peter Grilli pflegt vor Beginn seiner Mediationsverfahren im Gespräch mit den Konfliktparteien auf eine Landkarte in seinem Büro zu zeigen, die den Russlandfeldzug Napoleons von 1812 darstellt. Die auf der Karte eingezeichnete Truppenstärke der sogenannten „Großen Armee“ Napoleons von ursprünglich 450.000 Mann nimmt erst von West nach Ost und dann weiter auf dem Rückzug von Ost nach West kontinuierlich ab, bis schließlich an der preußischen Grenze nur noch die wenigen versprengten Einheiten verzeichnet sind, die Hunger, Kälte und Partisanenkrieg bis dorthin überlebten. Diese Darstellung kommentiert Grilli gegenüber den Konfliktparteien mit den Worten: „You are at the beginning of a long journey. You can settle here (Grilli zeigt auf den Beginn des Weges). Of course you need not settle. You can carry on litigating and settle later (er zeigt auf den weiteren Weg). Of course, even then you need not settle…“. Beispiel 7

269

Teil II ­|  Methode der Mediation

Normalisieren Für die Konfliktparteien sind Eskalationen Ausnahmesituationen, die ihnen Aufre­ gung und oftmals auch Unsicherheit bescheren. Sie als Mediator sind dagegen selbst mit stark eskalierenden, schwierigen Verhandlungssituationen vertraut. Sie stellen für Sie gewissermaßen etwas Normales dar. Wenn Sie diesen Eindruck den Parteien ver­ mitteln, hemmen Sie möglicherweise weitere Eskalationen (vgl. Kapitel 5). Betonen Sie zugleich, dass die persönliche Ebene von der Sachebene zu trennen ist (vgl. Kapi­ tel 2) und persönliche Angriffe bei aller berechtigten Emotionalität unterbleiben soll­ ten. Die persönliche Ebene neben der Sachebene zu thematisieren, hat in vielen Fällen eine sachliche Berechtigung, sie mit der Sachebene zu vermischen, ist dagegen nahe­ zu immer schädlich. Wenn Sie feststellen, dass die Animositäten zwischen den Partei­ en ein direktes Gespräch nicht mehr zulassen, helfen möglicherweise Einzelgespräche weiter. Gerade in persönlichen Dingen, in denen es erfahrungsgemäß schwerer fällt, Probleme offen anzusprechen, ermöglichen sie es, Befindlichkeiten wie Wut oder Verärgerung festzustellen und gegebenenfalls die Bereitschaft für ein Nachgeben, z.B. eine Entschuldigung, zu erwirken. Reformulieren Im Umgang mit aggressiven, eskalationssteigernden Taktiken ist es ferner häufig sinnvoll, diese aufzugreifen und in einen anderen Bezugsrahmen zu setzen.387 Eine spitz und in persönlich aggressiver Weise vorgetragene Attacke transportiert zumeist mindestens zwei Nachrichten. Zum einen wird hiermit sachliche Ablehnung geäu­ ßert. Zum anderen wird aber zugleich auch persönliche Geringschätzung artikuliert. Wenn Sie als Mediator nun allein die in der Aussage steckende sachliche Kritik auf­ greifen und reformulieren, nehmen Sie dieser Aussage die Schärfe und machen es dem Adressaten leichter, auf diese auch in sachlicher Weise zu reagieren. Zugleich zeigen Sie dem Absender, dass die persönliche Spitze ihre Wirkung verfehlt, und zwingen ihn indirekt dazu, sich ebenfalls der Sache zuzuwenden. Stellen Sie sich beispielsweise eine Verhandlungssituation vor, in der eine der Parteien folgende Formulierung wählt: „Wie können Sie nur so naiv sein zu glauben, dass die­ ser Vorschlag auch nur ansatzweise realisierbar ist?“ Anstatt nun in gleicher Schärfe diese offensichtlich aggressive Taktik zurückzuweisen und dadurch die Situation wei­ ter eskalieren zu lassen, könnten Sie als Mediator entgegnen: „Die Umsetzbarkeit denkbarer Lösungen ist tatsächlich ein wichtiger Gesichtspunkt. Vielleicht können Sie uns erläutern, was genau Sie an der Realisierbarkeit der ins Spiel gebrachten Idee zweifeln lässt?“ Reformulierungstechniken sind auch hilfreich, wenn es darum geht, aggressive Selbstbindungstaktiken (vgl. Kapitel 8) zu umgehen. Denken Sie etwa an folgende Er­ klärung einer Konfliktpartei in einer Vergleichsverhandlung: „Wir bieten Ihnen 500.000 Euro. Dies ist unser erstes und definitiv letztes Angebot. Wir gehören nicht zu denjenigen, die unrealistische Zahlen nennen und dann lange verhandeln. Sie kön­ nen das Angebot entweder annehmen oder ablehnen. Wir halten uns für eine Ant­ wort bis 17 Uhr heute Nachmittag bereit.“ Eine denkbare Reaktion wäre es, diese 270

Schwierige Situationen bewältigen ­|  Kap. 11

Selbstbindung zu ignorieren und einfach in der Sache weiter zu verhandeln. Dieses Verhalten erweckt aber möglicherweise den Eindruck, nicht gehört oder verstanden worden zu sein und provoziert weitere Selbstbindungserklärungen, durch die sich der Verhandler aus unserem Beispiel nur noch tiefer „eingräbt“. Er kann jetzt nicht mehr zurück. Wenn er von seiner Grenzmarke abweicht, entzieht er allen zukünftigen Bin­ dungserklärungen ihre Glaubhaftigkeit. Sinnvoller kann es daher sein, ihm aus dieser selbstgestellten Falle herauszuhelfen, indem Sie als Mediator das vermeintlich letzte Angebot in einen anderen Bezugsrah­ men stellen, es also reformulieren: „Das von Ihnen genannte Angebot ist eine der denkbaren Optionen, wie Sie und Ihr Gegenüber Ihren Konflikt heute lösen könnten. Sicher hat Ihr Verhandlungspartner auch seine Vorstellungen. Lassen Sie uns gemein­ sam hören, wie diese Vorstellungen aussehen. Anschließend möchte ich Sie einladen, mir und Ihrem Gegenüber zu erläutern, wie Sie genau zu der Zahl von 500.000 Euro kommen. Bestimmt gibt es Kriterien, die diese Zahl rechtfertigen? Auch mit diesen Kriterien wollen wir uns später beschäftigen.“ Dem „letzten Angebot“ nehmen Sie so seine Verankerungswirkung, indem Sie es in ein Spektrum vieler anderer denkbarer Lösungsoptionen einordnen. Zugleich führt die Aufforderung zur Bennennung der hinter einem Vorschlag stehenden Kriterien dazu, dass ein sachliches Gespräch über die zu entscheidenden Verteilungsfragen und die dafür maßgeblichen Umstände für ein späteres Stadium der Mediation angeregt wird (vgl. Kapitel 8). Verständnis signalisieren Eskalationen können Sie ferner mindern, indem Sie den Parteien zeigen, dass auch ihre Gefühlswelt verstanden und anerkannt wird. Häufig liegt die Ursache eines Kon­ flikts gerade darin, dass die Parteien sich nicht gehört fühlen. Es kann daher als Me­ diator durchaus sinnvoll sein, diesen zu signalisieren, dass Sie ihren Ärger, ihre Sor­ gen und Befürchtungen verstehen (vgl. Kapitel 5). Wichtig ist in diesem Zusammenhang allein, Verständnis nicht mit Zustimmung zu verwechseln. Letzteres würde sich mit Ihrer Neutralität als Mediator schwer vereinbaren lassen. Verständnis dagegen kön­ nen Sie durchaus für beide Seiten haben und dieses auch äußern, ohne dabei Ihre neutrale Rolle zu gefährden. Nicht selten führt dies sogar zu einem besseren Ver­ ständnis der Parteien füreinander. Ebenso wie inhaltlich das Erkennen der Interessen der anderen Konfliktpartei für die Suche nach einer insgesamt interessengerechten Konfliktlösung erforderlich ist (vgl. Kapitel  6), ist es im Umgang mit Eskalationen hilfreich, Verständnis unter den Parteien für die Sorgen oder die besondere Emotio­ nalität der jeweils anderen Seite in einer bestimmten Situation zu wecken. Gemeinsamkeiten betonen Eskalation führt häufig dazu, dass die Parteien ihre Differenzen überbetonen und den Blick für Gemeinsamkeiten verlieren. Deshalb kann es eine sinnvolle Strategie für einen Mediator darstellen, den Blick wieder auf diese Gemeinsamkeiten zu lenken: 271

Teil II ­|  Methode der Mediation

Machen Sie den Parteien deutlich, dass sie neben allen Streitpunkten auch bestimmte Interessen teilen, zum Beispiel das Interesse an einer Zusammenarbeit in der Zukunft oder auch nur an einem erfolgreichen Abschluss des Mediationsverfahrens. Stellen Sie heraus, dass die Gründe für Verärgerung oder Wut bei den meisten Menschen ähnlich sind, und rufen Sie so weiteres Verständnis für eine bestimmte Gefühlsre­ gung einer der Parteien hervor. Betonen Sie ferner bereits gefundene Teillösungen als ersten gemeinsamen Schritt hin zu einer Gesamtverständigung, und fassen sie Zwi­ schenergebnisse regelmäßig zusammen (vgl. Kapitel 5). Spannungsabbau physisch unterstützen Um angespannten, eskalierenden Situationen vorzubeugen und Spannungen abzu­ bauen, kann es schließlich sinnvoll sein, die Parteien auch in physischer Hinsicht zu entlasten. In Fällen starker Eskalation sollten Sie als Mediator erwägen, die Parteien vorübergehend voneinander zu trennen, Pausen zu machen oder Einzelgespräche zu führen.388 Manchmal benötigen die Beteiligten gerade eine solche „Auszeit“ vonein­ ander, um überhaupt wieder miteinander reden zu wollen. Wenn selbst dies nicht hilft, um die Eskalationsspirale zurückzudrehen, sollten Sie erwägen, sich mit den Konfliktparteien zu vertagen und einen anderen Termin – gegebenenfalls sogar unter Austausch der für die Parteien Verhandelnden – für die Fortsetzung der Mediation zu vereinbaren.389 Diese können die so gewonnene Zwischenzeit nutzen, noch einmal ihre Nichteinigungsalternativen zu überprüfen und sich so möglicherweise doch noch davon zu überzeugen, dass ihnen mit einer Überwindung ihrer Differenzen und einer Fortsetzung der Gespräche in weniger eskalierender Weise mehr gedient ist als mit einem endgültigen Abbruch der Verhandlungen.

Zusammenfassung Wir haben uns in diesem Kapitel mit einigen typischen schwierigen Situationen be­ fasst, die in Mediationsverfahren immer wieder auftreten. Die meisten Mediationen sind komplexer strukturiert als das klassische „Zwei Parteien – ein Streitpunkt“-Ver­ hältnis. Als Mediator können Sie Gefährdungen Ihrer Neutralität ausgesetzt sein. Machtungleichgewichte zwischen den Parteien können Sie vor schwierige Entschei­ dungen zwischen dem Drang nach Einflussnahme und den Geboten der Neutralität und Vertraulichkeit stellen. Schließlich besteht in Mediationsverfahren häufig eine Tendenz zur Eskalation, da die Parteien dieses Verfahren überhaupt erst beginnen, wenn sich ihr Konflikt bereits entwickelt hat und die zweiseitigen Verhandlungen ohne Erfolg geblieben sind. Um diese typischen Gefahren für den Erfolg des Verfahrens zu bewältigen, stehen Ihnen unterschiedliche Instrumente zur Verfügung. In komplexen Verfahren mit vie­ len Parteien werden Sie an die Bildung von Untergruppen und den Einsatz von Ver­ tretern denken. Die Vereinbarung klarer Kommunikationsregeln hilft zusätzlich, die Komplexität zu reduzieren. Stehen in der Verhandlung viele Themen und viele unter­ schiedliche Interessen an, ist die gründliche Vorbereitung ein erster Schlüssel für den 272

Schwierige Situationen bewältigen ­|  Kap. 11

Erfolg des Verfahrens. Bestenfalls schon aus dieser Vorbereitung folgt eine klare Glie­ derung für Ihr Vorgehen in der Mediation sowohl nach den Phasen des Verfahrens als auch nach den verschiedenen Themen. Gegebenenfalls schneiden Sie Themenblöcke und führen Unterverhandlungen mit nur einigen der Parteien. Techniken der Visua­ lisierung helfen bei der Vereinbarung und Durchsetzung einer klaren Struktur. Sehen Sie Ihre Neutralität durch bestehende Beziehungen zu einer der Parteien ge­ fährdet, so sollten Sie das offen zur Sprache bringen, um keine Zweifel an Ihrer Unvor­ eingenommenheit aufkommen zu lassen. Wollen Sie im Verfahren eigene Vorschläge zur Konfliktlösung einbringen, so vergewissern Sie sich zuvor des Einverständnisses der Parteien mit diesem Vorgehen, und teilen Sie zugleich die Kriterien mit, die Ihren Vorschlägen zugrunde liegen. Im Umgang mit Machtungleichgewichten hilft Ihnen zunächst die Ausübung Ihrer Herrschaft über den Verhandlungsprozess. Ferner können Sie den Parteien in der Mediation die Bedeutung von Machtungleichgewichten aufzeigen und sie zugleich daran erinnern, dass zu deren Ausgleich andere Verfahren wie Gerichts- oder Schieds­ gerichtsverfahren zur Verfügung stehen. Wenn Sie den Parteien dabei helfen, ihre Nichteinigungsalternativen kritisch zu betrachten, vermindern Sie möglicherweise das zuvor wahrgenommene Machtgefälle zwischen diesen. Um dem aggressiven Ein­ satz von Verhandlungsmacht entgegenzuwirken, können Sie als Mediator des Weite­ ren versuchen, legitime Kriterien in das Verfahren einzubringen. Diese lenken den Blick weg von reiner Machtausübung und hin zu sachlichen Maßstäben für eine Kon­ fliktlösung. Schließlich können – als ultima ratio – eingebrachte eigene Lösungsvor­ schläge des Mediators helfen, einer als übertrieben empfundenen Machtentfaltung entgegenzuwirken. Zur Deeskalation können Sie den Parteien einen Rahmen anbieten, in dem sie ihren Emotionen in geregelter und angemessener Form Ausdruck verschaffen können: Let them vent! Übergehen Sie persönliche Differenzen zwischen den Beteiligten nicht, sondern thematisieren Sie diese. Nehmen Sie den Parteien das Gefühl, sich in einer Ausnahmesituation zu befinden, indem Sie Emotionalität in der Mediation als etwas Normales darstellen. Versuchen Sie, aggressiv vorgetragenen Argumenten ihre per­ sönliche Spitze zu nehmen. Hierzu können Sie diese reformulieren und so in einen anderen Bezugsrahmen stellen. Im Umgang mit eskalierenden Situationen kann es ferner helfen, wenn Sie eigenes Verständnis für die Gefühlsregungen der Parteien si­ gnalisieren und wechselseitiges Verständnis unter diesen stimulieren. Schließlich wirkt es eskalationsmindernd, wenn Sie als Mediator bestehende bzw. im Verfahren schon erarbeitete Gemeinsamkeiten betonen.

273

Teil III Die erfolgreiche Anwendung von Mediation Im ersten Teil  unserer Darstellung zur Mediation in der Wirtschaft haben wir die Hintergründe betrachtet, vor denen sich das Verfahren der Wirtschaftsmediation ab­ spielt. Ausgehend vom Konflikt als Ursprung und Gegenstand aller Fragen der Kon­ fliktbehandlung, haben wir uns den unterschiedlichen Arten des Umgangs mit Kon­ flikten zugewandt. Dabei wurde deutlich, dass die intuitiv gewählten, klassischen Mechanismen der Konfliktbehandlung einige Unzulänglichkeiten aufweisen. Hier setzte die Betrachtung alternativer Konfliktbehandlungsmethoden im Allgemeinen und des Verfahrens der Mediation im Besonderen an. Der zweite Teil widmete sich der Methode der Mediation. Geleitet vom chronologi­ schen Ablauf eines Mediationsverfahrens haben wir dessen unterschiedliche Bestand­ teile und die dabei geltenden Besonderheiten kennengelernt: Ausgangspunkt waren die Aushandlung und Vereinbarung des Verfahrens sowie die Diagnose des Konflikts in allen seinen Facetten – hierbei spielte auch die Untersuchung der Emotionen und der Kommunikation zwischen den Beteiligten eine wichtige Rolle. Fragen der Erfor­ schung und Gewichtung ihrer Interessen, der Entwicklung und Bewertung von Lösungsmöglichkeiten, der zielführenden Gestaltung von Verteilungsprozessen bis hin zur sorgfältigen und systematischen Überprüfung von Nichteinigungsalternativen und schließlich Überlegungen zur Umsetzung einer konkret gefundenen Lösung schlossen sich an. Abgerundet wurde dieser Teil  durch Gedanken zu einigen typischen Schwierigkeiten bei der Durchführung komplexer Mediationsverfahren. Diese konzeptionelle Beschäftigung mit der Methode der Mediation bei Wirtschafts­ konflikten hat einen ausgeprägten praktischen Bezug. Die analytische Durchdrin­ gung und die systematische Darstellung des Ablaufs einer Wirtschaftsmediation dienten und dienen immer auch dazu, Ihnen als Entscheidungsträger oder Berater konkrete praktische Werkzeuge vorzustellen, mit deren Hilfe sie Ihren Umgang mit Konflikten verbessern können. In diesem dritten Teil möchten wir Ihnen abschließend einige weitere, konkrete Hil­ festellungen für den tatsächlichen Einsatz dieser Werkzeuge geben und so zu einer möglichst systematischen Umsetzung der bisher gewonnenen Einsichten beitragen. Zuvor wollen wir jedoch noch einer vorgeschalteten Frage nachgehen: Ist der Einsatz von Mediationsverfahren in der Wirtschaft unter ökonomischen Gesichtspunkten überhaupt sinnvoll? Vergleicht man die direkten Verfahrenskosten eines Mediations­ verfahrens mit denjenigen eines Schieds- oder eines Gerichtsverfahrens, so stellt man fest, dass insbesondere bei Streitwerten jenseits von 5.000 Euro das Mediationsverfah­ ren die weitaus günstigste Variante darstellt, während Schieds- und Gerichtsverfah­ ren untereinander in etwa vergleichbare, gegenüber der Mediation aber sehr viel hö­ here Kosten verursachen. Die Differenz wird zudem mit steigenden Streitwerten zunehmend größer (vgl. Abbildung 1), so dass Mediationsverfahren gerade auch in 275

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

wirtschaftlich sehr bedeutenden Konflikten erhebliche Kostenvorteile mit sich brin­ gen.390 Nun mag man einwenden, dass Mediationsverfahren, anders als Schieds- und Ge­ richtsverfahren, nicht in allen Fällen zu einer endgültigen Konfliktlösung führen. Direkte Verfahrenskosten in T € 280

Schiedsverfahren

Staatliches Gerichtsverfahren (2 Instanzen)

20

Mediation 1

Streitwert in Mio €

5

Abbildung 1: Vergleich der direkten Verfahrenskosten zwischen Mediations‑, Schiedsund staatlichem Gerichtsverfahren391 Mediationen können scheitern. In diesen Fällen sind die Kosten der gescheiterten Mediation zu den dann noch zusätzlich anfallenden Kosten eines Schieds- oder Ge­ richtsverfahrens zu addieren, so dass der Einsatz der Mediation sogar zu einer Steige­ rung der Gesamtkosten führt. Selbst unter Berücksichtigung dieses – im Prinzip zutreffenden – Einwands fällt die Kostenbilanz jedoch zugunsten der Mediation aus: Erfahrungswerte zeigen, dass Me­ diationsverfahren in mehr als zwei Drittel aller Fälle erfolgreich abgeschlossen wer­ den können.392 Dies bedeutet, dass vor der Durchführung eines Mediationsverfah­ rens die Kosten eines Schieds- oder Gerichtsverfahrens mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als einem Drittel zusätzlich zu den Mediationskosten anfallen werden. Bei der Prognose, ob sich ein Mediationsverfahren trotz der Möglichkeit seines Schei­ terns „rechnet“, ist also nur etwa ein Drittel der Kosten eines Schieds- bzw. Gerichts­ verfahrens zu den reinen Mediationskosten hinzuzurechnen. Bei dieser Rechnung erreichen die zu erwartenden Kosten jedoch nicht den Wert eines vergleichbaren 276

Erfolgreiche Anwendung von Mediation ­|  Teil III

Schieds- oder Gerichtsverfahrens, die bei unmittelbarer Wahl eines dieser Verfahren ja unvermeidbar anfallen.393 Es kommt hinzu, dass die indirekten Kosten (Managementzeit, Verlust von Geschäfts­ beziehungen, Motivationsverluste der Mitarbeiter etc.) dabei noch gar nicht berück­ sichtigt sind.394 Sie sind bei Durchführung einer Mediation regelmäßig geringer: Die­ se kann schneller als ein Gerichts- oder Schiedsverfahren durchgeführt werden. Dadurch können häufig noch die Primäransprüche der Parteien auf Leistung verhan­ delt werden. Die Parteien müssen also nicht auf Sekundäransprüche wie zum Beispiel Schadensersatz ausweichen. Zudem schont die Mediation unter Umständen die Be­ ziehung der Konfliktparteien bzw. kann sie möglicherweise sogar ausbauen helfen.395 Auch bietet die Durchführung eines Mediationsverfahrens die Gelegenheit, den Kon­ flikt zu strukturieren und die erforderlichen Unterlagen zusammenzutragen. Beides kann auch für ein etwa folgendes Gerichts- oder Schiedsverfahren genutzt werden, in dem diese Kosten sonst ohnehin angefallen wären. Die Antwort auf unsere Frage nach dem ökonomischen Sinn des Einsatzes von Me­ diation lautet also: Mediation hat mit Blick auf die Kosten einen positiven Optionswert – aus einer ökonomischen Perspektive ex ante lohnt es sich immer, sie einem Schieds- oder Gerichtsverfahren vorzuschalten.396 Es ist daher sinnvoll und nützlich, die bereits angesprochenen Aspekte der prakti­ schen Nutzung der Mediation genauer zu betrachten. Hierzu wollen wir in diesem Schlussteil zunächst aufzeigen, wie Mediation als Verfahren zur Lösung wirtschaftli­ cher Konflikte zweckmäßig eingesetzt und vorbereitet werden kann: In welchen Fäl­ len verspricht ein Mediationsverfahren Erfolg? Wie finde ich einen geeigneten Medi­ ator, und wie kann ich mich diesbezüglich mit meinem Verhandlungspartner verständigen? Welche organisatorische und fachliche Unterstützung steht bei der Pla­ nung und Durchführung eines Mediationsverfahrens zur Verfügung? Welche Rolle spielen Rechtsanwälte im Zusammenhang mit Mediationsverfahren? Auf diese Fra­ gen zu antworten, ist Aufgabe des folgenden Kapitels. Schließlich werden wir einen Blick auf den institutionalisierten Einsatz von Media­ tionsverfahren werfen. Zweck einer solchen Institutionalisierung ist in erster Linie die Überwindung strategischer Barrieren, die oftmals den Weg in ein Mediationsverfah­ ren versperren. Dabei werden wir sehen, dass eine Institutionalisierung sowohl auf externe Konflikte zwischen als auch auf interne Konflikte innerhalb von Unterneh­ men abzielen kann. Sogenannte Konfliktmanagementsysteme bieten einen geeigneten Rahmen für den Umgang mit beiden Ausprägungen wirtschaftlicher Konflikte. Nicht alles kann hier ohne weiteres aus den zumeist aus der US-amerikanischen Praxis stammenden Modellen übernommen werden. Die Unternehmenswirklichkeit in Deutschland bringt zahlreiche Besonderheiten mit sich, die beim institutionalisierten Einsatz von Mediationsverfahren zu berücksichtigen sind. Insbesondere das umfas­ sende System des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts ist hier zu nennen. Auf diese und andere, mit dem Einsatz von Konfliktmanagementsystemen verbundene Fragestellungen werden wir im Schlusskapitel 13 genauer eingehen.

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Kapitel 12 Mediation intelligent nutzen Der tatsächliche Einsatz von Mediationsverfahren in der Wirtschaft erfordert die Be­ schäftigung mit einigen wichtigen praktischen Fragestellungen. Welche Konflikte eig­ nen sich überhaupt für ein Mediationsverfahren, und zu welchem Zeitpunkt sollte das Verfahren eingeleitet werden? Wenn Sie erst nach einem mehrjährigen Prozess-­ Marathon feststellen, dass dieser Fall wohl besser bei einem Mediator aufgehoben ge­ wesen wäre, ist es zu spät: Ihre Konfliktlösung besteht in einem Vollstreckungstitel für eine der Parteien, die direkten und indirekten Kosten eines Gerichtsverfahrens sind aufgelaufen, die Zeit ist verstrichen, und die Geschäftsbeziehung mit Ihrem Verhand­ lungspartner hat Schaden genommen oder ist sogar zerstört. Zu erkennen, ob sich ein Konflikt für eine Mediation eignet, stellt aber nur den ersten Schritt der praktischen Umsetzung dar. Sind Sie selbst zur Mediation entschlossen, ist in Abstimmung mit dem Verhandlungspartner ein Mediator auszuwählen und zu verpflichten. Dabei spielt dessen Qualifikationsprofil eine entscheidende Rolle. In diesem Zusammenhang ist auch die Verpflichtung mehrerer Mediatoren als Team zu erwägen. Strategische Hindernisse bei der Verständigung auf einen bestimmten Me­ diator lassen sich durch strukturierte Auswahlverfahren überwinden. Schließlich können Sie bei der Durchführung Ihres Mediationsverfahrens die Hilfe von Organisationen und Forschungseinrichtungen sowie von Ihren Rechtsanwälten in Anspruch nehmen.

Mediationseignung von Konflikten Die Mediation wird in der Praxis bei den unterschiedlichsten wirtschaftlichen Kon­ flikten erfolgreich eingesetzt.397 „„ Ausgewählte Anwendungsgebiete der Wirtschaftsmediation Konflikte zwischen Unternehmen: yy Gesellschafts‑, handels- und erbrechtliche Konflikte (z.B. Gesellschafterauseinandersetzungen, Unternehmensnachfolgeregelungen) yy Post-M&A-Konflikte yy Gescheiterte Unternehmenskäufe yy Unternehmenssanierungen yy Neuverhandlungen bei Langzeitverträgen (z.B. Lizenz- oder Vertriebsverträge) yy Bau- und Anlagenprojekte yy Produzentenhaftung

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Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation Konflikte innerhalb von Unternehmen: yy Innerbetriebliche Konflikte mit oder zwischen Mitarbeitern yy Konflikte zwischen Abteilungen oder Geschäftsbereichen untereinander oder mit der Unternehmensleitung yy Konflikte innerhalb der Unternehmensleitung yy Konflikte zwischen konzernverbundenen Unternehmen untereinander oder mit der Konzernleitung Beispiel 1

Diese vielfältige Praxis widerlegt die Aussagen von starren Kriterienkatalogen, die be­ stimmte Voraussetzungen für die Eignung eines Konflikts für ein Mediationsverfahren zwingend vorgeben wollen. Auch unsere Praxis zeigt, dass viele Konflikte, die bei einer schematischen Prüfung anhand der üblicherweise formulierten Kriterien sicher „durchgefallen“ wären, erfolgreich im Wege der Mediation beigelegt werden konn­ ten.398 So mag intuitiv als ein wesentliches Eignungskriterium für Mediationsverfahren zum Beispiel eine langfristig angelegte Beziehung zwischen den Konfliktparteien er­ scheinen. Erst wenn die Parteien gemeinsame zukunftsgerichtete Interessen teilen – so wird häufig angenommen –, lohnt es sich, ein Mediationsverfahren zu versuchen. Tat­ sächlich werden Mediationen jedoch erfolgreich auch in solchen Konflikten durchge­ führt, in denen es nicht um die Gestaltung, sondern gerade um die geordnete Auflösung einer Geschäftsbeziehung geht. Auseinandersetzungen von Gesellschaften, Beendigun­ gen von Handelsvertretungen oder Konflikte nach Unternehmenskäufen sind typische Anwendungsbeispiele. Um einen Fall der letzten Kategorie handelte es sich etwa bei dem in Kapitel 9 näher beschriebenen Mediationsverfahren zwischen der AGIV AG und der Hollandsche Beton Groep nv (HBG) über den Verkauf der Wayss & Freytag AG. Der Streitfall (vermeintliche Täuschungshandlungen durch die Verkäuferin im Vorfeld der Transaktion) betraf allein die Vergangenheit. Ferner verbanden die beiden Kontrahenten über den konkreten Konflikt hinaus lediglich einzelne, wirtschaftlich nicht bedeutende Geschäftsbeziehungen zwischen Tochterunternehmen. Trotz dieser geringen Zukunftsgerichtetheit des Konflikts ließ er sich im Wege der Mediation letzt­ lich beilegen. Auch rein distributive Streitigkeiten zwischen anonymen Marktakteuren sind mediationsgeeignet (vgl. etwa den Abschnitt „Eignung“ in Kapitel 2). Damit ist nicht gesagt, dass es nicht bestimmte Kriterien gäbe, die einen Konflikt als besonders geeignet oder umgekehrt als besonders ungeeignet für eine Mediation er­ scheinen lassen. Solche wollen wir hier auch vorstellen. Für den Umgang mit entspre­ chenden Kriterienkatalogen gilt aber zumindest Folgendes: Erstens sind sie nicht als schematisch anzuwendende „Rechenoperation“, sondern allein als Orientierungshilfe zu verstehen. Auch Konflikte, die keinem der genannten Eignungskriterien entspre­ chen, können möglicherweise im Wege der Mediation beigelegt werden. Zweitens empfiehlt es sich, die folgenden Kriterien flexibel und mit Blick auf die Besonderhei­ ten des jeweiligen Einzelfalls zu handhaben. Es mag in einer konkreten Situation nur ein einzelner Grund für ein Mediationsverfahren sprechen. Wenn dieser Grund aber besonderes schwer wiegt, kann ein solches Verfahren selbst dann geeignet sein, wenn sämtliche andere Eignungskriterien nicht erfüllt sind. Drittens schließlich kann sich 280

Mediation intelligent nutzen ­|  Kap. 12

mit dem zeitlichen Fortschreiten eines Konflikts die Bewertung hinsichtlich seiner Eignung für ein Mediationsverfahren verändern. Es ist daher hilfreich, diese Eignung nicht nur einmal zu Beginn eines Konflikts, sondern in seinem weiteren Verlauf peri­ odisch erneut zu prüfen. Kriterien für die Eignung eines Mediationsverfahrens Die folgenden Kriterien sollen Ihnen in dem soeben ausgeführten Sinn eine Orientie­ rung bei der Frage nach der Eignung eines Konflikts für ein Mediationsverfahren bieten.399 Interessen im Vordergrund In Abgrenzung zum gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Verfahren ist Mediation in der Regel ein vorrangig interessengeleitetes Verfahren der Konfliktbehandlung. Zwar spielt das Recht auch in der Mediation häufig eine wichtige Rolle, indem es eine der denkbaren Nichteinigungsalternativen der Parteien markiert und so den Eini­ gungsbereich begrenzt. Das Verfahren der Mediation fragt jedoch zumeist nicht nur nach den Rechtsansprüchen, sondern vor allem nach den Interessen der Parteien. Daher sind Konflikte dann besonders mediationsgeeignet, wenn weniger rechtliche Positionen und mehr die dahinter liegenden und über das Rechtliche hinausgehende Interessen der Konfliktparteien im Vordergrund stehen. Dies wird indes auf die Mehrzahl der auch vor den Zivilgerichten verhandelten Verfahren zutreffen. Denn jede Partei hat ganz spezifische Interessen, die durch den Konflikt betroffen sind und die durch die abstrakte Regelung des Gesetzes regelmäßig nur unvollkommen ver­ wirklicht werden. Auch und gerade in Wirtschaftskonflikten, in denen auf den ersten Blick vermeintlich überwiegend rechtliche Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, geht es häufig um wirtschaftliche Interessen, die im Wege der Mediation einfacher miteinander in Einklang zu bringen sind, als dies in einem Zivilprozess möglich wäre. Gestaltung der Zukunft Ein typisches Interesse, welches sich nur selten in Rechtsansprüche übersetzen lässt, ist das Interesse an einer bestimmten Gestaltung der Zukunft. Hierbei geht es – anders als häufig formuliert – nicht nur um die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft. Wir haben bereits einleitend gesehen, dass eine langfristig angelegte Beziehung zwischen den Parteien kein ausschließliches, sondern lediglich ein denkbares Eignungskriteri­ um für Mediationsverfahren ist. Zwar trifft es zu, dass beispielsweise in unterneh­ mensinternen Konflikten zwischen Abteilungen, konzernverbundenen Unternehmen oder mit einzelnen Mitarbeitern gerade auch die dauerhafte Verbindung der Kon­ fliktparteien über den Tag hinaus für ein Mediationsverfahren spricht, welches die Beziehung schont und kreative Optionen für eine gemeinsame Zukunft hervorbrin­ gen kann. Gleiches gilt in externen Konflikten zwischen Unternehmen, die aufeinan­ der angewiesen sind oder die trotz Differenzen im Einzelfall ihre Zusammenarbeit im Grundsatz fortsetzen wollen. 281

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Zugleich kann aber auch das genau entgegengesetzte Interesse ebenfalls für die Durchführung einer Mediation sprechen. Nicht selten geht es den Parteien in einer Mediation gerade um eine ganz bestimmte Art der Beendigung einer geschäftlichen Beziehung. Auch dies ist ein in die Zukunft – wenn auch nicht in die gemeinsame – gerichtetes Interesse. Wenn die Parteien nach einer praktikablen, gemeinsam erarbeite­ ten und interessengeleiteten Auflösung ihrer Verbindung streben, sich zugleich aber über einzelne Abwicklungsfragen nicht verständigen können, wird eine Mediation häufig eine sinnvolle Alternative zu einem langwierigen Gerichtsverfahren darstellen. Nicht so sehr die Dauerhaftigkeit einer Beziehung, sondern vielmehr umfassender die Zukunftsorientierung einer angestrebten Konfliktlösung sollte daher als Eig­ nungskriterium für die Mediation genannt werden. Wunsch nach Vertraulichkeit Parteien wirtschaftlicher Konflikte wünschen oftmals Diskretion und Vertraulichkeit. Gerichtsverfahren finden in Deutschland aber grundsätzlich öffentlich statt. Die Ver­ traulichkeit ist dagegen ein wesentliches Charakteristikum der Mediation. Wer die Wirkung eines in der Öffentlichkeit ausgetragenen Konflikts fürchtet („schlechte Presse“, unliebsame Mitwisser vertraulicher unternehmerischer Informationen), wird daher eher den Konferenzraum des Mediators als den Verhandlungssaal des Landge­ richts ansteuern. Wunsch nach Geschwindigkeit Häufig kommt es den Parteien auch darauf an, möglichst rasch zu einer Lösung ihres Konflikts zu kommen. Auch hier haben Mediationsverfahren Vorteile: Sie lassen sich in aller Regel in einem Bruchteil der üblichen Verfahrensdauer von Gerichts- oder Schiedsverfahren beenden und befriedigen somit eher als diese das Bedürfnis nach Geschwindigkeit.400 So konnte beispielsweise die britische Mediationsinstitution „Centre for Effective Dispute Resolution“ (CEDR) die im Jahre 2016 von ihr verwal­ teten 10.000 Mediationsverfahren in wirtschaftlichen Konflikten zu zwei Dritteln an einem Tag beenden. Dabei waren Mediatoren im Schnitt 18,6 Stunden mit einem Mediationsverfahren beschäftigt.401 Gerade in Branchen wie der Bauwirtschaft, wo einzelne Konflikte nicht selten zu Be­ hinderungen des gesamten Projekts führen und sich die Beweislage praktisch täglich verändert, stellen daher Mediationsverfahren oder andere alternative Konfliktlö­ sungsverfahren mit mediativen Elementen (vgl. die Darstellung sogenannter Dispute Review Boards in Kapitel 2) eine besonders effektive Form des Konfliktmanagements dar. Erinnert sei in diesem Zusammenhang noch einmal an die mit der Beschleuni­ gung einhergehende günstigere Kostenprognose von Mediationsverfahren, die selbst bei Einbeziehung der Möglichkeit eines Scheiterns der Mediation und der dann noch zusätzlich anfallenden Kosten eines Folgeverfahrens gültig ist: Mediation hat – von Fällen mit ganz geringen Streitwerten einmal abgesehen – unter Kostengesichtspunk­ ten einen positiven Optionswert.402 282

Mediation intelligent nutzen ­|  Kap. 12

Hohe Komplexität Auch die hohe Komplexität eines Konflikts kann ein Anzeichen für die Eignung eines Mediationsverfahrens sein. In der Mediation liegt die Herrschaft über das Verfahren beim Mediator. Dessen verfahrensleitende Funktion wird um so eher benötigt, je mehr Themen, je mehr Parteien und je mehr unterschiedliche Interessen die Ver­ handlung prägen. Sollen komplexe Verhandlungen nicht an ihrer Komplexität ersti­ cken, sind eine klare Struktur und eine formelle Führung unumgänglich (vgl. Kapi­ tel  11). Dabei fällt es leichter, die Strukturierung einem neutralen Dritten zu überlassen. Jedem, der schon einmal eine von einem „Gegner“ vorgeschlagene Tages­ ordnung argwöhnisch auf strategisch motivierte Aufstellungen oder Auslassungen von Punkten durchgesehen hat, wird das sofort einleuchten.403 Es wirkt hier nicht nur hinderlich, dass die übrigen Konfliktparteien einem in der Sache Beteiligten eine in­ teressenfreie Leitung der Verhandlung nicht zutrauen. Hinzu kommt, dass selbst der gutwillige Beteiligte die Verhandlungsleitung nur halbherzig betreiben kann, wenn er zugleich auch eigene inhaltliche Interessen verfolgen muss. Die Prozessebene in die Hand eines neutralen Mittlers geben zu können, erleichtert den Parteien somit die Fokussierung auf die Problemebene. „„ Die Finanzkrise der Philipp Holzmann AG404 Im November 1999 gab der traditionsreiche Baukonzern Philipp Holzmann AG überraschend eine Überschuldung von umgerechnet etwa 1,22 Milliarden Euro bekannt. Carl-Ludwig von Boehm-Bezing leitete die zwischen den verschiedenen Gläubigerbanken geführten Verhandlungen über die Aufbringung einer Sanierungssumme von ca. 1,8 Milliarden Euro. Boehm-Bezing war zu diesem Zeitpunkt sowohl Aufsichtsratsvorsitzender der Philipp Holzmann AG als auch Vorstandsmitglied von deren Hauptkreditgeber, der Deutschen Bank AG. Die Deutsche Bank war seit 1873 mit dem Baukonzern eng verflochten. Seit 1932 wurde der Aufsichtsratsvorsitzende bei Holzmann von ihr gestellt. In den Nachkriegsjahren hielt die Deutsche Bank stets einen Anteil von 25 bis 35 Prozent an den Aktien der Gesellschaft. Das von Boehm-Bezing in die Verhandlungen eingebrachte letzte Angebot der Deutschen Bank für einen Beitrag zur Sanierung von Holzmann über ca. 750 Millionen Euro wurde von den übrigen Gläubigerbanken als zu niedrig abgelehnt. Sie sahen sich nicht in der Lage, den Fehlbetrag gemeinsam aufzubringen. Die Verhandlungen über eine freie Sanierung scheiterten. Beispiel 2

Ein neutraler Mediator dagegen hat in der Sache keine eigenen Interessen. Sein Inte­ resse besteht allein darin, dem Verhandlungsprozess eine zielführende Struktur und darin den Parteien Hilfestellungen auf dem Weg zu einer eigenständigen Lösung zu geben. Mediationsverfahren eignen sich demnach gerade bei besonders komplexen Fallgestaltungen.

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Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Hohe Emotionalität Gleiches gilt aus ähnlichen Gründen für besonders emotionsgeladene Konflikte.405 In­ tuitiv neigen wir dazu, die in wirtschaftlichen Auseinandersetzungen wirkenden Emotionen auszublenden. Dabei haben zahlreiche wirtschaftliche Konflikte ihre tie­ fere Ursache in den Emotionen der beteiligten Entscheidungsträger (vgl. Kapitel 5): Verletzte Eitelkeiten, Rachegefühle, der Wunsch nach Anerkennung, der daraus ge­ speiste Trieb, eine Niederlage „nicht auf sich sitzen lassen“ zu wollen, Machtinstinkt, Neid – diese und ähnliche emotionale Motive haben schon Karrieren gemacht und Unternehmen ruiniert. „„ „Kleinstadtjungs“ Das Wirtschaftsmagazin brand eins berichtete über den Untergang des hessischen Software-Unternehmens Trius AG:406 „Gier und Neid, Dilettantismus und Unwissenheit, Überforderung und Selbstüberschätzung haben ein Unternehmen in den Tod getrieben, das nach Einschätzung von Branchenkennern durchaus das Zeug dazu hatte, erfolgreich zu sein. Die Geschichte von Trius handelt von Kleinstadtjungs, die zu hoch hinaus wollen. Von Aktionären, die das große Geld witterten und am Ende die Geprellten sind. Von Männern, die sich in Machtkämpfe verstricken. Von Geschäftsfreunden, die vorgeblich uneigennützige Ziele verfolgen, aber vor allem sich selbst bedienen. … Für fast alle Beteiligte ist R. der Schuldige. Er sei größenwahnsinnig, heißt es, ein Selbstdarsteller. … ‚Mein Image ist dahin‘, sagt er. … Aber die Scharte lässt sich ja auswetzen. R. will ein neues Unternehmen gründen. Er wird es ihnen zeigen, all denen, die an ihm gezweifelt und sich von ihm abgewandt haben.“ Beispiel 3

In Fällen starker Emotionalisierung entgleitet uns bisweilen die Fähigkeit, den Pro­ zess der Verhandlung noch effektiv zu steuern. Wenn sich erst einmal ein Gefühl der Hoffnungs- und Sinnlosigkeit des Umgangs mit unserem Verhandlungspartner und ein entsprechender Ärger über diesen breitmachen, liegt es scheinbar fern, einen An­ stoß zu einer bewussten, gemeinsamen Wahl des weiteren Vorgehens zu geben. Gera­ de in solchen Situationen kann aber die moderierende Funktion eines Mediators hel­ fen, auf ein sachliches Gleis zurückzukehren. Der Mediator kann den Parteien als Ventil dienen, um ihren Emotionen in geordneter Weise Luft zu machen. Er wird sich ferner bemühen, die emotionale von der sachlichen Ebene des Konflikts zu trennen, damit das Fortschreiten auf der Sachebene nicht weiter durch Angriffe auf der Bezie­ hungsebene gefährdet wird. Internationalität Schließlich mag der grenzüberschreitende Charakter eines Konflikts dazu führen, dass dieser sich eher für ein Mediationsverfahren als für eine gerichtliche Auseinanderset­ zung eignet. Neben der schwierigeren Erreichbarkeit ausländischer Gerichte ist es hier vor allem die Scheu der Konfliktparteien, sich dem ausländischen materiellen 284

Mediation intelligent nutzen ­|  Kap. 12

und prozessualen Recht „auszuliefern“, welche die Suche nach anderen Formen und Foren der Konfliktbehandlung motiviert. Während vor den staatlichen Gerichten das jeweils geltende (internationale) Prozessrecht zu beachten und zu beherrschen ist und die Neutralität der Richter gegenüber ausländischen Parteien von diesen oftmals an­ gezweifelt wird, können sie das Verfahrensrecht der Mediation weitgehend vertrag­ lich selbst gestalten.407 Aus diesen Gründen erfolgten bereits im Jahre 2004 elf Prozent der vom CEDR geführten Mediationsverfahren unter Beteiligung internationaler Konfliktparteien.408 „„ Kriterien, die für die Mediationseignung von Konflikten sprechen yy yy yy yy yy yy yy

Interessen, nicht Rechtspositionen stehen im Vordergrund Zukunftsorientierte Problembewältigung wird angestrebt Ausgeprägter Wunsch nach Vertraulichkeit Hohe Relevanz einer schnellen Konfliktlösung Gesteigerte Komplexität des Konflikts Besondere Emotionalität des Konflikts Internationalität des Konflikts

Beispiel 4

Mögliche Ausschlussgründe für Mediation Mediationsverfahren sind für viele, nicht aber für alle Konflikte das geeignete Verfah­ ren. Bestimmte Konfliktsituationen schließen den Einsatz von Mediationsverfahren sogar gänzlich aus. Entgegenstehendes zwingendes Recht Ein Mediationsverfahren scheidet aus, sofern gesetzliche Bestimmungen die privat­ autonome Regelung des Streitgegenstandes nicht zulassen. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn die Parteien nicht dispositionsbefugt über die im Streit stehenden (Rechts‑)Güter sind, so dass sie hierüber auch keinen Vergleich schließen können. So sind in innerbetrieblichen Konflikten zwischen Unternehmen und ihren Mitarbei­ tern zahlreiche Arbeitnehmerschutzrechte der Dispositionsbefugnis des daraus be­ rechtigten Arbeitnehmers und somit jeder Verhandlung entzogen. Beispielsweise kann ein Arbeitnehmer nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) auf die ihm in ei­ nem Tarifvertrag eingeräumten Rechte nur insoweit verzichten, als dies im Tarifver­ trag selbst ausdrücklich vorgesehen ist. Beschränkt sich ein Konflikt auf diese unver­ zichtbaren Rechtspositionen, ist eine Mediation daher ausgeschlossen. Zwingendes Recht steht zum anderen dem Einsatz von Mediationsverfahren dann entgegen, wenn es besondere Verfahren der Konfliktlösung vorschreibt. Dies ist vor allem in öffentlich-rechtlichen Zusammenhängen der Fall. Bindet sich die Verwal­ tung im Rahmen eines Mediationsverfahrens an ein Verhandlungsergebnis, und greift sie damit zugleich in Rechte eines Dritten ein, so hat sie die Beteiligungsregeln 285

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

des gesetzlich geregelten Verwaltungsverfahrens zu beachten. Mediationsverfahren kommen hier daher gegenwärtig nur vorbereitend oder begleitend zu den gesetzli­ chen Verfahrensarten in Betracht. Öffentliches Interesse an Rechtsdurchsetzung und ‑entwicklung In Konflikten, in denen ein öffentliches Interesse an einer Rechtsdurchsetzung und ‑entwicklung besteht, eignen sich Mediationsverfahren ebenfalls weniger zur Kon­ fliktlösung. Beispielsweise gegenüber strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen oder grob verbraucherschutzwidrigen Geschäftspraktiken oder in Fällen mit wettbewerbsoder umweltrechtlichem Bezug besteht ein gesellschaftliches Bedürfnis nach einer allgemein wirkenden, öffentlichen und abschreckenden Sanktionierung anhand der für alle geltenden Gesetze. Dieses Bedürfnis können Mediationsverfahren nicht be­ friedigen.409 Der im Wege der Mediation (letztlich erfolglos) behandelte Kartell­ rechtsstreit zwischen dem US-amerikanischen Justizministerium und der Microsoft Corp. über die Verbreitung des Microsoft Computerbetriebssystems „Windows“ eig­ nete sich unter diesem Gesichtspunkt von vornherein nur bedingt für diese Form der Konfliktlösung. Wunsch nach Präzedenz- oder Öffentlichkeitswirkung Auch zur Etablierung eines Präzedenzfalles lassen sich Mediationsverfahren nicht einsetzen. In Grundsatzkonflikten (vgl. Kapitel 1 und 2), in denen eine Partei nicht nur für diesen, sondern auch für eine Vielzahl von gleichartigen Folgefällen eine Klä­ rung herbeizuführen wünscht, wird sie in aller Regel versuchen, die entscheidenden Rechtsfragen gerichtlich und damit verbindlich klären zu lassen. Eine solche Grund­ satzfrage kann beispielsweise die Auslegung von bestimmten Allgemeinen Geschäfts­ bedingungen (AGB) betreffen, die eine der Konfliktparteien in sämtlichen der von ihr abgeschlossenen Verträgen verwendet. Ähnlich verhält es sich, wenn eine der Parteien den Konflikt besonders öffentlich­ keitswirksam ausgetragen wissen möchte. Geht es gerade darum, den möglicherweise imageschädigenden Einfluss von öffentlichen Gerichtsverfahren als Druckmittel ­einzusetzen, wird eine Mediation nicht das Verfahren erster Wahl sein. Zwar ließe sich auch eine Mediation öffentlich durchführen. Zum einen ist aber hierzu die ­Zustimmung der anderen Konfliktpartei erforderlich. Zum anderen wird selbst ein öffentliches Mediationsverfahren nicht dieselbe Publikumswirkung wie ein Gerichts­ verfahren erzeugen. Typische Beispiele, in denen es einer der Parteien um Öffentlich­ keitswirkung gehen mag, sind Klagen in Produkthaftungsfällen oder zur Bekämpfung möglicherweise verbraucherschutzwidriger Praktiken. So sahen sich beispielsweise im Nachgang des Zusammenbruchs der Investmentbank Lehman Brothers im Jahre 2008/2009 zahlreiche Banken von Sammelklagen geschädigter Anleger ausgesetzt. In solchen Fällen ist es schwierig, die potentiellen Kläger zu einem Verzicht auf ihr oft­ mals einziges Druckmittel einer öffentlichen Klage und zur Durchführung eines Me­ diationsverfahrens zu bewegen. 286

Mediation intelligent nutzen ­|  Kap. 12

Bedürfnis nach einstweiliger Sicherung Mediationsverfahren sind schnell. Dennoch kann der mit ihnen verbundene Zeitauf­ wand zu Rechtsverlusten führen. Zwar droht bei der Durchführung eines Mediations­ verfahrens nicht die Verjährung der betroffenen Ansprüche: Nach § 203 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs (BGB) ist diese während des Schwebens von Verhandlungen gehemmt.410 Neben dem schlichten Zeitablauf können jedoch auch aktive, einer ge­ richtlichen Klärung vorgreifende Veränderungen des Status quo durch die Parteien oder Dritte vorgenommen werden. In solchen Fällen ist zwar ein Mediationsverfah­ ren nicht an sich ungeeignet. Es ist jedoch ratsam, von dem regelmäßig vereinbarten, vorübergehenden Ausschluss der Klagbarkeit während der Mediation Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes auszunehmen. Dann können unabhängig vom Me­ diationsverfahren beispielsweise einstweilige Verfügungen und somit vorläufige Voll­ streckungstitel zur Sicherheit erwirkt werden. „„ Mögliche Ausschlussgründe für den Einsatz von Mediation yy yy yy yy

Entgegenstehendes zwingendes Recht Überragendes öffentliches Interesse an Rechtsdurchsetzung und ‑entwicklung Wunsch nach Präzedenz- oder Öffentlichkeitswirkung Bedürfnis nach einstweiliger Sicherung

Beispiel 5

Zeitpunkt für Mediation Es bleibt die Frage zu beantworten, zu welchem Zeitpunkt in der Entwicklung eines zur Mediation geeigneten Konflikts die Initiative zu diesem Verfahren ergriffen wer­ den sollte. Unsere klare Empfehlung hierzu lautet: An die Einleitung eines Media­ tionsverfahrens sollten Sie möglichst früh denken. Dies gilt sowohl unter einem pro­ zeduralen wie auch unter einem inhaltlichen Aspekt: Haben die Konfliktparteien erst einmal Stellung bezogen, beharren sie strikt auf ihren Positionen, und besteht die Kommunikation im Wesentlichen nur noch aus feindlich vorgetragenen, wechselsei­ tigen Anschuldigungen, so wird es schwerfallen, sie überhaupt noch zu irgendeinem gemeinsamen Vorgehen zu bewegen. Haben sie sich zugleich inhaltlich in der Sache bereits festgelegt und möglicherweise sogar vollendete Tatsachen geschaffen, indem sie zum Beispiel Dritten die Fertigstellung eines zwischen den Parteien streitigen Auf­ trags übertragen haben, engt dies den Raum für Lösungsoptionen in der Mediation ein.

Auswahl des Mediators Da die Person des Mediators starken Einfluss auf die spätere Gestalt und inhaltliche Ausrichtung des Verfahrens hat, stellt dessen Bestimmung oftmals eine der entschei­ denden Hürden auf dem Weg zu einer Mediation dar. Die Parteien fürchten er­ fahrungsgemäß insbesondere, dass der Mediator voreingenommen zugunsten der 287

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

jeweils anderen Seite sein könnte (und das, obwohl der Mediator ja keine Entschei­ dungsgewalt in der Sache hat). Fragen der Auswahl eines geeigneten Mediators lassen sich grob in drei Kategorien einteilen:411 Welche Qualifikationen muss der Mediator mitbringen? Sollen mehrere Mediatoren als Team verpflichtet werden? Welche Ver­ fahren helfen den Parteien bei der Auswahl der konkreten Person(en)? Qualifikation des Mediators Die Qualifikation einer Person für den Einsatz als Mediator steht und fällt mit dem Vertrauen, das die Konfliktparteien in sie setzen. Dieses Vertrauen speist sich erfah­ rungsgemäß aus unterschiedlichen Quellen: Insbesondere in Mediationsverfahren mit wirtschaftlichem Hintergrund ist häufig die Sachkompetenz412 des Mediators ein erstes entscheidendes Auswahlkriterium. Wer den Konflikt der Parteien inhaltlich und fachlich nicht versteht, wird ihnen bei der Lösung nur schlecht behilflich sein können. Vor allem wird er von den Parteien nicht als gleichwertiger Gesprächspart­ ner akzeptiert werden. Bei der Auswahl eines Mediators sollten Sie daher darauf ach­ ten, dass er zumindest Kenntnisse in der betroffenen Sachmaterie mitbringt oder sich diese aufgrund seines fachlichen Hintergrunds schnell verschaffen kann. Hierin liegt auch ein wesentlicher Vorteil der Mediation gegenüber Gerichtsverfahren: Fallspezi­ fische Sachkompetenz wird dort allenfalls über Sachverständige hinzugezogen, auf deren Auswahl die Parteien aber nur geringen Einfluss haben. In der Mediation kön­ nen sie dagegen die Person des Mediators selbst bestimmen und so dessen Anforde­ rungsprofil genau festlegen. In diesem Zusammenhang werden gegebenenfalls auch Rechtskenntnisse eine wichtige Rolle spielen: Das Mediationsverfahren soll den Partei­ en möglicherweise auch eine realistische Einschätzung ihrer Nichteinigungsalternati­ ve „Gerichtsverfahren“ (soweit diese naheliegend ist) ermöglichen. Soll hierzu nicht ein weiterer neutraler Dritter hinzugezogen werden, kann auf einschlägige Rechts­ kenntnisse in der Person des Mediators nicht verzichtet werden. Wer als Mediator akzeptiert werden will, sollte vor allem aber die Methode der Mediation beherrschen und in der Steuerung des Mediationsprozesses geschult sein. Dafür sind sowohl eine theoretische Ausbildung in Verhandlungslehre und Mediationstech­ niken als auch praktische Erfahrung mit deren Einsatz hilfreich: Erst das Zusammen­ spiel dieser beiden Komponenten vermittelt dem Mediator die neben der Sachkom­ petenz erforderliche Prozesskompetenz. Konfliktparteien akzeptieren ferner insbesondere solche Personen als Mediator, die sie als „gleichrangig“ ansehen. Dabei wird diese Gleichrangigkeit selten allein durch die Prozess- und Sachkompetenz einer bestimmten Person vermittelt. Bedeutsam sind zusätzlich ein ähnlicher Erfahrungshorizont, ein vergleichbares berufliches oder soziales Umfeld oder schlicht die Zugehörigkeit zu derselben Altersgruppe. Auch sol­ che Kriterien tragen dazu bei, dass sich für einen bestimmten Konflikt eine Person besonders als Mediator eignet.

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„„ Der Versuch der feindlichen Übernahme von Thyssen durch Krupp413 Im Frühjahr 1997 plante der damalige Vorstandsvorsitzende der Krupp-Hoesch AG, Gerhard Cromme, eine feindliche Übernahme der Thyssen Stahl AG. Dieser bis dato größte Versuch einer feindlichen Übernahme in der deutschen Wirtschaftsgeschichte stieß auf ein erhebliches öffentliches Interesse und den erbitterten Widerstand der Belegschaft der Thyssen Stahl AG und ihres Vorstandsvorsitzenden Dieter Vogel. Zwei Tage nach Bekanntwerden der Pläne trafen sich Cromme und Vogel an einem geheimen Ort, um die Chancen einer Einigung über eine friedliche Fusion auszuloten. Diese Gespräche wurden moderiert von zwei gleichermaßen erfahrenen und daher mit den Beteiligten „auf Augenhöhe“ verhandelnden Vermittlern: einerseits dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Mercedes Benz AG und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden der Weltausstellung Expo 2000, Helmut Werner, und andererseits dem früheren Vorstandsvorsitzenden der Preussag Stahl AG und späteren Vorsitzenden des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, Kurt Stähler. Beispiel 6

Letztlich ist für die Frage der Auswahl des Mediators entscheidend, dass die Beteilig­ ten ihn ob seiner Kompetenz, Ausstrahlung, Persönlichkeit, Integrität und natürli­ chen Autorität als unparteiischen Verfahrensleiter akzeptieren. So war beispielsweise der in dem bereits angesprochenen Mediationsverfahren im Kartellrechtsstreit zwi­ schen dem US-amerikanischen Justizministerium und der Microsoft Corp. als Me­ diator tätige Bundesrichter Richard A. Posner weder ein erfahrener Diplomat noch Mediator. Als Richter und Autor zahlreicher Bücher über rechtliche, ethische und politische Fragestellungen hatte er sich jedoch einen Ruf als einer der fähigsten und einflussreichsten Bundesrichter sowie als anerkannte Kapazität auf dem Gebiet des Wettbewerbs- und Kartellrechts erarbeitet. Obwohl die Parteien sich in diesem vom Gericht angeordneten Verfahren Posner nicht als Mediator aussuchen konnten, ge­ noss er offenbar das Vertrauen beider Seiten. In internationalen Mediationsfällen sind schließlich zusätzlich auch die Sprachkenntnisse und/oder die Nationalität des Mediators von Bedeutung. Parteien unterschiedli­ cher nationaler Herkunft legen in aller Regel Wert darauf, dass der Mediator aus ei­ nem anderen Land als die Gegenpartei stammt. Das von Ihnen gewünschte Anforderungsprofil sollten Sie zu einer Art Checkliste zusammenstellen, anhand derer Sie leicht überprüfen können, in welchem Maße be­ stimmte Personen als Mediator für Ihren Konflikt in Betracht kommen. Darin lassen sich die unterschiedlichsten Fragen zu Ausbildung, Erfahrung sowie Branchen‑, Rechts- oder Sprachkenntnissen beantworten (vgl. S. 375 f.). Wenn Sie umgekehrt als Mediator tätig werden (wollen), sollten Sie damit rechnen, mit entsprechenden Fra­ gen konfrontiert zu werden und diese auch sorgfältig beantworten. Ohnehin sind Sie nach § 3 Abs. 5 MediationsG dazu verpflichtet, die Parteien auf deren Verlangen über Ihren fachlichen Hintergrund, Ihre Ausbildung und Ihre Erfahrung auf dem Gebiet der Mediation zu informieren.

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Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Zertifizierter Mediator Mit dem Erlass des Mediationsgesetzes 2012 hat der Gesetzgeber den Begriff des zertifizierten Mediators eingeführt und geschützt. Fünf Jahre später hat er ihn durch eine Rechtsverordnung ausgefüllt, die sog. Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (ZMediatAusbV). Seit dem 1. September 2017 dürfen sich diejenigen als zertifizierte Mediatoren bezeichnen, die eine entsprechende Ausbil­ dung absolviert haben und sich regelmäßig fortbilden. Eine Ausbildung zum zertifizierten Mediator muss nach den Vorgaben der Verord­ nung mindestens 120 Präsenzzeitstunden umfassen. Sie muss bestimmte, im Anhang der Verordnung näher spezifizierte Ausbildungsinhalte vermitteln und auch prakti­ sche Übungen und Rollenspiele enthalten. Die Ausbildung muss aus einer Hand kommen und einem einheitlichen Konzept folgen, d.h. die Pflichtstunden dürfen nicht durch den Besuch von Veranstaltungen verschiedener Anbieter aufaddiert wer­ den. Pflichtbestandteil der Ausbildung ist die Supervision eines praktischen Mediati­ onsfalls binnen eines Jahres nach Abschluss des Lehrgangs. Wer diese Voraussetzungen erfüllt, darf sich als zertifizierter Mediator bezeichnen. Er darf diese Bezeichung aber nur so lange führen, wie er sich kontinuierlich fortbildet. Hierfür verlangt die Zertifizierungsverordnung zunächst die Supervision von vier praktischen Mediationsfällen innerhalb der ersten zwei Jahre nach Abschluss der Me­ diationsausbildung. Darüber hinaus müssen zertifizierte Mediatoren alle vier Jahre jeweils 40 Fortbildungsstunden vorweisen.414 Diese Regelungen zur Zertifizierung haben ein vielfältiges, überwiegend kritisches Echo gefunden.415 Die Diskussion entzündet sich zunächst an dem Umstand, dass zertifizierte Mediatoren, anders als die Bezeichnung suggeriert, nicht von einer aner­ kannten Institution zertifiziert werden, sondern sich die Zertifizierung gleichsam selbst verleihen dürfen, wenn sie für sich feststellen, dass sie die erwähnten Vorausset­ zungen dafür erfüllen. Ebenfalls problematisch ist, dass die Verordnung eine Sonder­ regelung nicht nur für „Alt-Mediatoren“, sondern auch für solche Mediatoren vor­ sieht, die ihre Ausbildung im Ausland absolviert haben; für sie genügt nämlich eine 90-stündige Fernausbildung ohne Fallsupervision. Bemerkenswert ist schließlich auch, dass dem Erlass der Zertifizierungsverordnung kein Befund vorausging, dass es bei der Auswahl von Mediatoren überhaupt Probleme gab. Nichtsdestotrotz ist der zertifizierte Mediator nunmehr geltendes Recht. Ob sich die­ ses Gütesiegel am Markt durchsetzt, ist bis auf Weiteres unklar. Viel spricht dafür, dass die Reputation eines Mediators in seinem Hauptberuf oder auch spezielle Sachkennt­ nisse, die im konkreten Fall relevant sind, für die Auswahl eines Mediators auch künf­ tig wichtiger sein werden als eine vor allem an das Absitzen von Zeitstunden geknüpf­ te Zertifizierung.

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Mediationsteams/Co-Mediation Insbesondere bei komplexen Auseinandersetzungen können die Parteien ein Interes­ se daran haben, mehrere Personen als Mediatoren zu benennen. Die Beauftragung von Co-Mediatoren oder ganzer Mediationsteams bietet sich vor allem dann an, wenn sichergestellt werden soll, dass auf der Seite des Dritten ein bestimmtes technisches, wirtschaftliches oder rechtliches Fachwissen vorhanden ist, und eine einzelne Person dieses Spektrum nicht mehr abdeckt bzw. abdecken kann. Die Vorteile der Co-Mediation liegen auf der Hand: Der Einsatz mehrerer Vermittler kann diesen die Arbeitsaufteilung erleichtern. Sie können sich in ihren unterschiedli­ chen Qualifikationen ergänzen und sich in der Verhandlungsführung abwechseln. „„ Co-Mediation in der Praxis Die bereits in mehreren Kapiteln erwähnte, ursprünglich als Schiedsverfahren eingeleitete Auseinandersetzung zwischen IBM und Fujitsu über Urheberrechte an IBM-Betriebssystemen und andere Vertragsverletzungen wurde als Co-Mediation fortgesetzt. Die beiden Mediatoren Robert H. Mnookin und John L. Jones ergänzten sich optimal: Während Mnookin die Rechtsfragen behandelte und den Verhandlungsprozeß gestaltete, verfügte Jones über Erfahrungen in der Unternehmensleitung und den einschlägigen technischen Sachverstand als Ingenieur.416 Eine von einem der Autoren zusammen mit einem US-amerikanischen Mediator durchgeführte Co-Mediation betraf eine mögliche Haftung einer internationalen Anwaltssozietät gegenüber einem US-amerikanischen Unternehmen wegen eines behaupteten Beratungsfehlers (vgl. zu diesem Fall bereits Kapitel 4). Diese Haftung richtete sich nach deutschem Recht. Da der US-amerikanische Mediator zwar eine herausragende Prozesskompetenz besaß, jedoch das deutsche Recht nicht kannte, bot sich eine Co-Mediation mit einem deutschen Juristen an. In einer anderen, von einem der Autoren zusammen mit einem ehemaligen Vorstand aus der (Rück‑)Versicherungbranche durchgeführten Co-Mediation ging es um einen Streit aus einem Rückversicherungsverhältnis, der sich im Wesentlichen um die Auslegung einer bestimmten Vertragsklausel drehte. Hier wurden die Mediationskompetenz und die allgemeine juristisches Kompetenz eines Mediators mit der Branchenkenntnis des anderen kombiniert. Ein weiterer Fall aus unserer Praxis behandelte Streitigkeiten in einem großen Familienkonzern. Hier ergänzten sich ein Wirtschaftsmediator mit juristischem Hintergrund und ein auf die Beratung von Familienunternehmen und Nachfolgeregelungen spezialisierter Co-Mediator. Beispiel 7

Ein weiterer Aspekt ist nicht zu unterschätzen: Mediationsverfahren können für den Mediator großen psychischen und physischen Stress bedeuten: Auf ihn richten sich erwartungsvoll die Augen der Konfliktparteien und ihrer Anwälte. Er ist verantwort­ lich für die Steuerung des Mediationsprozesses zwischen häufig emotional engagier­ ten Beteiligten. Er hat das Verfahren laufend neu anzustoßen, wenn es ins Stocken 291

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

gerät und die Hoffnung auf eine Einigung schwindet. Zugleich muss er die inhaltli­ chen Entwicklungen der Verhandlung stets im Auge behalten und bewerten, um sich abzeichnende Einigungsoptionen zu erkennen. Nicht zuletzt hat er genau darauf zu achten, dass er in Einzelgesprächen vertraulich mitgeteilte Informationen der einen Partei nicht der anderen offenbart. Vor diesem Hintergrund kann daher gerade in komplexen Wirtschaftskonflikten die Hinzuziehung eines zweiten Mediators nützlich sein. Hierbei mag es schon ausrei­ chen, dass der eine Co-Mediator dem anderen die technischen und organisatorischen Aufgaben des Verfahrens abnimmt, während dieser selbst sich auf die inhaltlichen Fragen konzentriert. Sie sollten sich allerdings von Beginn an im Klaren darüber sein, ob Sie beide als gleichrangige Mediatoren agieren oder der eine der Assistent des an­ deren ist. Wenn Sie beide auf gleicher Augenhöhe spielen möchten, empfiehlt es sich, dies schon im Eröffnungsgespräch durch eine ungefähr gleiche Verteilung der Rede­ anteile zu demonstrieren. Andernfalls werden die Parteien denjenigen von Ihnen, der am Anfang schweigt oder nur den Stift führt, schnell in der Helferrolle sehen. Dieses Bild zu korrigieren, ist dann nur noch schwer möglich. Wenn Sie eine Gestaltung mit zwei gleichberechtigten Mediatoren wählen, werden Sie im Laufe des Verfahrens merken, dass es eine deutliche Entlastung für Sie bedeu­ tet, sich während eines möglicherweise mehrere Tage dauernden Mediationsverfah­ rens mit einem in der Sache vertrauten und erfahrenen Kollegen über den Fortgang der Verhandlungen besprechen zu können. Dieser Entlastungseffekt wird allerdings nur dann zu realisieren sein, wenn Sie erprobtermaßen gut zusammenarbeiten und untereinander harmonieren: Bestenfalls sind Mediationsteams „eingespielte“ Teams, die einander buchstäblich blind verstehen. Naturgemäß führt die Verpflichtung von mehr als einem Mediator zu einer Steige­ rung der Verfahrenskosten, die im Einzelfall gegen den zu erwartenden Zusatznutzen abzuwägen ist. In der Regel kommt es allerdings nicht dazu, dass sich das Mediato­ renhonorar verdoppelt. Denn zum einen können Co-Mediatoren die Fallvorberei­ tung und Fallnachbearbeitung teilweise untereinander aufteilen. Und zum anderen sind einige Mediatoren durchaus bereit, ihr Honorar ein Stück weit anzupassen, wenn sie zu zweit agieren können, weil die Aufgabe für sie dann eben auch weniger anstren­ gend ist. Auch wenn es insoweit an statistischen Erhebungen fehlt, spricht zudem ei­ niges dafür, dass zu zweit geführte Mediationen zügiger zum Abschluss kommen, weil die Mediatoren das Verfahren effektiver steuern können. Die zusätzliche Kosten­ last lässt sich so zumindest in Grenzen halten. Vor der Einleitung eines Mediationsverfahrens ist daher nicht nur das an den Media­ tor mit Blick auf den konkreten Konflikt zu stellende Qualifikationsprofil gründlich zu bedenken. Auch die Frage, ob, wann, in welcher Funktion und in welchem Umfang weitere neutrale Dritte als Co-Mediatoren oder in anderer Funktion hinzuzuziehen sind und welche Personen sich für diese Rolle eignen, bedarf der Planung.

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Mediation intelligent nutzen ­|  Kap. 12

Auswahlverfahren Als Konfliktpartei mögen Sie selbst genaue Vorstellungen darüber haben, wer Ihnen als Mediator geeignet erscheint. Die Herausforderung besteht jedoch regelmäßig da­ rin, gemeinsam mit Ihrem Verhandlungspartner eine diesbezügliche Verständigung zu erzielen: Möglicherweise ist die Kommunikation nicht frei von Störungen, und Vor­ schläge der Gegenseite werden als strategisch motiviert reaktiv abgewertet. Natur­ gemäß erschwert das die einvernehmliche Bestimmung eines Mediators. Nichtsdes­ totrotz ist eine Verständigung in der Auswahlfrage unumgänglich: Nur wenn alle Konfliktparteien den Mediator als neutralen, unparteiischen Verfahrensleiter akzep­ tieren, werden sie sich auf ein Mediationsverfahren unter seiner Leitung einlassen. Um nicht bereits in dieser Frühphase einer Mediation in strategischen Blockaden ste­ ckenzubleiben oder eine uninformierte Entscheidung zu treffen, können Sie Unter­ stützung von außen in Anspruch nehmen. Diese kann mehr oder weniger institutio­ nalisiert sein. So stehen Verzeichnisse zur Verfügung, aus denen sich Ausbildung und Tätigkeitsschwerpunkte einzelner Mediatoren ergeben und die als neutrale Referenz zumindest für Anregungen genutzt werden können.417 Dies allein löst jedoch das Pro­ blem einer konkreten Verständigung auf einen bestimmten Mediator noch nicht. Mittlerweile bieten aber auch in Deutschland zahlreiche Institutionen die Durch­ führung von Mediationsverfahren als professionelle Dienstleistung an (siehe S. 76). Teil dieser Dienstleistung ist regelmäßig auch die Unterstützung bei der Auswahl ei­ nes geeigneten Mediators. Die entsprechenden Institutionen führen in der Regel Lis­ ten von bei ihnen akkreditierten Mediatoren und können hieraus Vorschläge ma­ chen.418 Andere Organisationen sehen in ihren Verfahrensregeln die verbindliche Bestimmung eines Mediators durch die Organisation selbst vor, sofern die Parteien nicht zu einer Einigung finden.419 In aller Regel wird es ausreichen, wenn eine Partei der anderen aus einer solchen Lis­ te einige Personen vorschlägt und dieser zur Wahl stellt. Gelingt auch hierdurch keine Verständigung, haben sich als effektive und zugleich faire Methode der Bestimmung eines Mediators sogenannte Ranglistenverfahren erwiesen.420 Hierbei beauftragen die Konfliktparteien eine neutrale Stelle (z.B. eine mit Mediation befasste Institution, ei­ nen Gerichts- oder Kammerpräsidenten oder eine Industrie- und Handelskammer) mit der Erstellung einer Vorschlagsliste. Darauf soll eine bestimmte Anzahl von Me­ diatoren sowie deren Qualifikationsprofil aufgeführt sein. Entsprechende Wünsche der Parteien können schon bei der Erstellung der Liste berücksichtigt werden. Aus ihr kann nun jede Partei zunächst diejenigen Personen (weniger als die Hälfte) streichen, die sie als ungeeignet von der Leitung des Verfahrens ausschließen möchte. Die ver­ bliebenen Personen versieht jede Konfliktpartei sodann mit einem Ranglistenplatz entsprechend ihrer Präferenzen. Als Mediator bestimmt ist diejenige Person, die in der Summe beider Listenplazierungen die niedrigste Zahl auf sich vereinigt. Bei glei­ chen niedrigsten Werten entscheidet das Los.

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Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Organisation des Mediationsverfahrens Mediationsverfahren sind selbstgestaltete Verfahren der Konfliktlösung. Das gesetz­ liche Verfahrensrecht ist bruchstückhaft, denn auch die Umsetzung der EU-Media­ tionsrichtlinie in deutsches Recht durch das Mediationsgesetz hat lediglich einzelne Aspekte des Verfahrens geregelt und daneben weiter viel Raum für parteiautonome Vereinbarungen belassen.421 Mit dieser Verfahrensautonomie geht ein im Verhältnis zu Gerichtsverfahren gesteigerter Organisationsaufwand einher, der über die Wahl des Mediators hinausgeht. Mediationsvereinbarung und Mediatorvertrag An die Stelle eines gesetzlichen Verfahrensrechts (wie beispielsweise der Zivilprozess­ ordnung) beziehungsweise neben ein solches (wie dasjenige des Mediationsgesetzes) treten in Mediationsverfahren zwei Verträge, die dem Verfahren seinen rechtlichen Rahmen geben. Zum einen schließen die Konfliktparteien untereinander eine Mediationsvereinbarung. Hierin werden die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Parteien im Zusam­ menhang mit dem Mediationsverfahren geregelt: Auslösungsmechanismen für das Verfahren, Bestimmungen zur Auswahl des Mediators, Regelungen über die Teilneh­ mer, ein vorübergehender Klagbarkeitsausschluss, Förderungs- und Mitwirkungs­ pflichten, Kündigungsmöglichkeiten, eine Vereinbarung über die Kostentragung im Innenverhältnis der Parteien sowie die Verpflichtung zur Vertraulichkeit und entspre­ chende Beweismittelverzichte sind hier typische Regelungsgegenstände. Zum anderen schließen die Parteien mit dem Mediator einen Mediatorvertrag. Darin werden die Rechte und Pflichten zwischen dem Mediator und den Parteien verein­ bart. Hier werden die Vertraulichkeit des Mediators, seine Rolle und seine Befugnisse, seine Haftung und nicht zuletzt seine Vergütung geregelt. In ihrer rechtlichen Wirkung sind diese beiden Verträge voneinander getrennt zu ­sehen. Tatsächlich ist das Regelungsprogramm der beiden Vertragsebenen jedoch häufig in einem integrierten Dokument enthalten, welches alle Beteiligten vor der Me­ diation unterzeichnen (siehe S. 373 f.). Hierbei gibt es wiederum unterschiedliche Er­ scheinungsformen. Die entsprechenden Verträge können individuell und umfassend für den Einzelfall passend gestaltet werden. Alternativ stehen Musterverträge zur Ver­ fügung, deren Gehalt die Parteien und der Mediator durch eine einfache Verweisklau­ sel für sich und ihr Verfahren in Geltung setzen können (hierzu sogleich mehr). Zwar bedeutet die Gestaltung dieses Rechts der Mediation im Vergleich zum Gerichts­ verfahren einen gesteigerten Organisationsaufwand und somit auch eine gesteigerte Verantwortung. Damit einher geht aber zugleich eine ungleich größere Freiheit, be­ reits bei der Wahl und Gestaltung des Verfahrens privatautonome, eigene Entschei­ dungen zu treffen.422 Diese Gestaltung sollte – ob selbst entwickelt oder in Form eines Musters – zumindest die in Beispiel 8 dargestellten Fragen beantworten.423 Auch nach dem Inkrafttreten des Mediationsgesetzes sollten Sie überlegen, ob neben dem Gesetz 294

Mediation intelligent nutzen ­|  Kap. 12

zusätzliche Regelungen erforderlich oder gewünscht sind oder ob von einzelnen Be­ stimmungen dieses Gesetzes im Einzelfall durch vertragliche Regelung abgewichen werden kann und soll.424 „„ Regelungsgegenstände von Mediationsvereinbarung und Mediatorvertrag yy Wann und wodurch wird das Verfahren ausgelöst? yy Wie verhält sich dieses Verfahren zu Parallelverfahren, beispielsweise einer Klage oder einem selbständigen Beweisverfahren? yy Werden von dem Verfahren materiellrechtliche Folgen (z.B. Verjährung, Ausschlussfristen, Haftungsverschärfungen) betroffen? yy Wer soll das Verfahren als Mediator leiten bzw. wie kann diese Person bestimmt werden? yy Welche Personen sollen auf Seiten der Konfliktparteien teilnehmen? yy Welchen Inhalt soll das Verfahren haben, was verstehen die Parteien unter Mediation, oder welche andere Methode der Konfliktbeilegung soll zum Einsatz kommen?425 yy Wie lässt sich die Vertraulichkeit der Mediation gewährleisten?426 yy Wie soll das Verfahren beendet werden? yy Wer trägt die Kosten des Verfahrens? yy Wie kann die Durchsetzbarkeit einer in der Mediation gefundenen Einigung sichergestellt werden? Beispiel 8

Institutionelle und fachliche Unterstützung Wie bei der Frage nach der Auswahl des Mediators bereits angedeutet, stehen auch in Deutschland zunehmend Institutionen bereit, die mediationswillige Konfliktparteien bei der Gestaltung und Organisation ihres Mediationsverfahrens unterstützen (siehe S. 76). Auch innerhalb der Anwaltschaft finden sich mehr und mehr in Fragen der Mediationsplanung und ‑durchführung geschulte Rechtsanwälte. Neben rein kom­ merziellen Anbietern haben sich mittlerweile auch universitäre Einrichtungen etab­ liert, die als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis Schulungs- und Bera­ tungsdienste anbieten.427 Die Nutzung der Dienste solcher Institutionen hat Vor- und Nachteile zugleich. Sie bringt eine erhebliche organisatorische Entlastung mit sich: Fragen der Auswahl und Bezahlung des Mediators, des Ortes des Verfahrens sowie der anzuwendenden sons­ tigen Verfahrensregeln werden von vielen Institutionen im Rahmen ihrer Musterverfahrensordnungen beantwortet. Gerade die Verwendung solcher Regelwerke bietet den Vorteil, dass Streitigkeiten über den Verfahrensverlauf in ohnehin angespannter Atmosphäre vermieden werden können. Viele dieser Musterverfahrensordnungen sind zudem frei zugänglich, so dass sie auch ohne die sonstige (ggf. kostenpflichtige) Inanspruchnahme der entsprechenden Institution genutzt werden können. 295

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Auswahl von Musterverfahrensordnungen „„ Deutschsprachige Muster yy Mediationsordnung und Schlichtungsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) (http://www.disarb.org): Anwendbar für nationale wie internationale Streitigkeiten, die Bestellung internationaler Mediatoren oder Schlichter ist möglich. Auch kann das Verfahren im Ausland (auch in anderer Sprache) stattfinden. Die Verfahrensordnung lässt sich formlos für anwendbar erklären. Das Verfahren kann in ein Schiedsverfahren nach der Schiedsordnung der DIS übergeleitet werden. Kosten: Einleitung des Verfahrens: 250 Euro, Gebühr für die Mediator- oder Schlichterbestellung: ab 250 Euro, Mediatorhonorar mangels abweichender Vereinbarung: 300 Euro pro Stunde, Schlichterhonorar 200 Euro bis 400 Euro pro Stunde. Die DIS bietet zudem seit 2010 mit einer Konfliktmanagementordnung, einer Verfahrensordnung für Adjudikation, einer ­Gutachtenordnung und einer Schiedsgutachtenordnung weitere passgenaue Verfahrensordnungen für unterschiedliche Konfliktbeilegungsverfahren an. Insbesondere die Konfliktmanagementordnung, die seit der Neufassung der DIS-­ Schiedsgerichtsordnung 2018 in diese integriert wurde, ist dabei hervorzuheben: Ist diese vertraglich vereinbart, so steht den Parteien im Konfliktfall ein Konfliktmanager zur Verfügung, der sie bei der Auswahl und Ausgestaltung des für den konkreten Konflikt am besten geeigneten Verfahrens berät und mit ihnen hierüber einen verbindlichen Konfliktmanagementplan zu vereinbaren versucht. Die Kosten hierfür belaufen sich auf pauschal 500 Euro für die DIS und auf pauschal 2.500 Euro für den Konfliktmanager. yy Verfahrensordnung für das Mediationsverfahren des Europäischen Instituts für Conflict Management (eucon) (http://www.eucon-institut.de): Eine speziell für wirtschaftliche Konflikte konzipierte Mediationsverfahrensordnung mit einem Schwerpunkt auf einer zügigen Streitbeilegung. Enthält umfassende Bestimmungen zur Absicherung der Vertraulichkeit. Kosten: streitwertabhängige Verfahrensgebühr, bestehend aus Registrierungs- und Verfahrensgebühr zwischen 750 und 8.250 Euro, Honorar des Mediators zwischen 200 und 300 Euro.428 yy Hamburger Mediationsordnung für Wirtschaftskonflikte der Handelskammer Hamburg (https://www.hk24.de): Ähnlich der eucon-Mediationsordnung. Anwendbar sowohl für externe als auch für interne unternehmerische Konflikte. Mindestens eine der Parteien muss einer deutschen Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer angehören. Kosten: streitwert- und aufwandsabhängige Verfahrenspauschale zwischen etwa 100 und 500 Euro, Mediatorenhonorar gemäß Vereinbarung.429 yy Verfahrensordnung des Mediationszentrums der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern und des Münchener AnwaltVereins e.V. zur Beilegung kaufmännischer Streitigkeiten (https://www.ihk-muenchen.de/mediationszentrum/): Anwendbar auf Streitigkeiten, die einen Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches (HGB) in Ausübung seiner geschäftlichen Tätigkeit oder gesellschaftsrechtliche Verhältnisse einer gewerblich tätigen Gesellschaft betreffen. Wenigstens eine der Parteien muss einer deutschen Industrie- und Handels296

Mediation intelligent nutzen ­|  Kap. 12

kammer oder Handwerkskammer angehören oder von einem Rechtsanwalt vertreten sein, der Mitglied eines dem Deutschen Anwaltverein angeschlossenen Anwaltvereins ist. Kosten: Verfahrenspauschale zwischen 75 und 2.500 Euro (abhängig von Streitwert und Aufwand), Stundenhonorar des Mediators streitwertabhängig zwischen 100 und 225 Euro.430 yy Mediationsordnung der DIRO Rechtsanwaltsorganisation EWIV (https://diro.eu): praktikable, übersichtliche Verfahrensordnung, die alle wesentlichen Regelungspunkte abdeckt und sich formlos zur Anwendung bringen lässt. Die DIRO verfügt über ein Netz von ausgebildeten Wirtschaftsmediatoren, aus denen sie geeignete Personen vorschlagen kann. Kosten: streitwertabhängige Verwaltungsgebühr zwischen 200 und 1.600 Euro, streitwertabhängiges Stundenhonorar für den Mediator in unbenannter Höhe. yy Mediations-Regeln der International Chamber of Commerce (ICC) (https://­ iccwbo.org): leicht verständliche, gut handhabbare und zugleich umfassende Verfahrensordnung für die Mediation in internationalen Wirtschaftskonflikten. Der Mediator hat sich „von den Wünschen der Parteien leiten zu lassen und sie fair und unparteiisch zu behandeln“. Kosten: Verwaltungspauschale je nach Streitwert zwischen 5.000 und 30.000 US-Dollar. Die Gebühren des Mediators werden mit Blick auf seinen Aufwand und die Komplexität der Streitigkeit festgesetzt.431 yy Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) der Arbeitsgemeinschaft für privates Bau- und Architektenrecht im Deutschen AnwaltVerein (http://www.arge-baurecht.com): Verfahrensordnung speziell für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen an Bauvorhaben Beteiligten. Das Verfahren nach der SOBau umfasst drei Elemente: 1. Ein Schlichtungsverfahren, das mit einem unverbindlichen Spruch des Schlichters endet. 2. Ein isoliertes Beweisverfahren, in dem Sachverständige Gutachten zu strittigen Fragen erstellen, auf deren Grundlage der Schlichter einen verbindlichen Beschluss fällt. 3. Ein Schiedsverfahren zur verbindlichen Streitentscheidung, welches unabhängig von den beiden anderen Elementen eingeleitet werden kann. Schlichter und Schiedsrichter können personengleich sein. Kosten: Für die Schlichtung und das isolierte Beweisverfahren treffen die Beteiligten eine Honorarvereinbarung. Dem Schiedsrichter steht ein streitwertabhängiges Honorar nach den Regeln des RVG zu.

„„ Englischsprachige Muster yy European Mediation Procedure des CPR Institute for Dispute Resolution (https:// www.cpradr.org): Einfache Verfahrensordnung mit Anpassungsvorschlägen für die wichtigsten europäischen Rechtsordnungen. Zahlreiche Begleitdokumente zur eigenverantwortlichen Verfahrensorganisation. Kosten: Mediatorhonorar nach individueller Vereinbarung. yy Model Mediation Procedure des Centre for Effective Dispute Resolution (CEDR) (https://www.cedr.com): Britisches Verfahrensmuster für Mediationsverfahren ohne sachliche oder örtliche Einschränkung. Detailliert geregelte administrative Unterstützung des Verfahrens durch das CEDR, erläuternde Kommentierungen zu den einzelnen Klauseln. Kosten: Es werden drei unterschiedliche, jeweils sehr 297

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation detailliert geregelte Abrechnungsmethoden je nach den Parteiwünschen angeboten. Individuelle Vereinbarungen sind teilweise möglich. yy Commercial Mediation Procedures der American Arbitration Association (AAA) (https://www.adr.org): umfassendes Klauselwerk für Mediationsverfahren in wirtschaftlichen Konflikten unter Leitung der AAA. Zahlreiche Sonderregelwerke für bestimmte Branchen und Regionen verfügbar. Kosten: Verfahrensgebühren ab 1.550 US-Dollar, Mediatorhonorar nach Vereinbarung.432 yy Mediation Rules des World Intellectual Property Organization (WIPO) Arbitration and Mediation Center (http://www.wipo.int/amc/en/mediation/): Verfahrensordnung nicht nur für Streitigkeiten im Bereich des geistigen Eigentums. Einbindung anderer alternativer Konfliktlösungsverfahren durch den Mediator ist vorgesehen. Kosten für Streitwerte ab 250.000 US-Dollar: Verwaltungsgebühr von 0,1 Prozent des Streitwertes, maximal 10.000 US-Dollar, Mediatorhonorar nach Stunden- (300 bis 600 US-Dollar) bzw. Tagessätzen (1.500 bis 3.500 US-Dollar). Beispiel 9

Ein Nachteil der Verwendung entsprechender Muster mag darin liegen, dass die Par­ teien sich nicht mehr gleichermaßen aktiv in die Gestaltung ihres Verfahrens ein­ schalten, sondern sich allein auf das Muster verlassen. Verwenden Sie solche Muster daher in dem Bewusstsein, dass sämtliche darin enthaltenen Regeln nur Vorschläge sind, die Sie zusammen mit Ihrem Verhandlungspartner und dem Mediator nach Ih­ ren Wünschen abändern können. Zusätzlich führt die Einschaltung einer – jedenfalls kommerziellen – Institution auch zu separaten Verfahrenskosten: Nicht nur der Mediator ist zu entlohnen, auch die ihn vermittelnde und das Verfahren steuernde Organisation wird sich ihre Dienste be­ zahlen lassen. Demgegenüber sparen Sie allerdings diejenigen Kosten, die Sie für ein eigenständiges Verfahrensdesign durch Ihre Berater aufwenden würden. Die Rolle der Rechtsanwälte Auch die Rechtsanwälte der Konfliktparteien können das Mediationsverfahren fach­ lich unterstützen. Bisweilen lehnen diese die Mediation allerdings aus der Sorge ab, hierdurch Gebühren einzubüßen. Die sonst in Gerichtsprozessen zu verdienenden Honorare sind selbstverständlich Teil  des mit der Mediation verbundenen Einspa­ rungspotentials an Konflikt- und Gerichtskosten. Wer als Rechtsanwalt indes das In­ teresse seines Mandanten an Kostenersparnis und vor allem an einer schnellen, inte­ ressenorientierten und damit effizienten Konfliktlösung als ein (zumindest mittel- und langfristig) auch eigenes Interesse begreift, der wird sich der Frage zuwenden, wie er sein Dienstleistungsangebot um den Baustein der Mediationsberatung und ‑betreu­ ung ergänzen kann.433 Die vielfältigen, wichtigen Funktionen eines Rechtsanwalts in diesem Zusammenhang lassen sich in vier Kategorien einordnen.

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Mediation intelligent nutzen ­|  Kap. 12

Türöffner zum Verfahren der Mediation Traditionell sind Rechtsanwälte die ersten Ansprechpartner von Konfliktparteien, die in zweiseitigen Verhandlungen auf dem Weg zu einer Konfliktlösung nicht mehr wei­ terkommen. Damit fällt den Rechtsanwälten bereits bei der Wahl des richtigen weite­ ren Verfahrens eine Schlüsselrolle zu. Es liegt in ihrer Verantwortung, dem Mandan­ ten aus dem gesamten Spektrum denkbarer Konfliktlösungsmethoden das geeignete Verfahren zu empfehlen.434 Dieses Spektrum zu kennen und die anwaltliche Rolle in jedem der darin enthaltenen Verfahren zu beherrschen, ist Teil professioneller Rechts­ beratung. Anwaltliche Vorbereitung der Mediation Für Mediationsverfahren gilt ebenso wie für zweiseitige Verhandlungen, dass ein we­ sentlicher Schlüssel zu einem erfolgreichen Abschluss in einer engagierten und um­ fassenden Vorbereitung liegt.435 Diese richtet sich zunächst an Ihren Mandanten. Sofern Sie es nicht bereits anlässlich der gemeinsamen Entscheidung für die Mediation getan haben, klären Sie Ihren Mandanten genau darüber auf, was ihn im Mediationsverfahren erwartet. Erläutern Sie ihm den Ablauf des Verfahrens, seine Spezifika und die möglichen Ergebnisse. Stellen Sie die Verfahrensregeln (vor allem zur Vertraulichkeit) dar, und erwägen Sie gemeinsam mögliche Änderungen. Ferner ist es wichtig, den Mandanten über die Rollen aller Beteiligten zu informieren. Stellen Sie klar, dass der Mediator keine bin­ dende, abschließende Entscheidung fällen, sondern allein die Beteiligten bei ihrer gemeinsamen Suche nach einer Lösung des Konflikts unterstützen wird. Damit ein­ her geht zum einen die Freiwilligkeit (hinsichtlich der jederzeitigen Beendigung des Verfahrens und hinsichtlich eines Abschlusses), zugleich aber auch eine aktive Rolle des Mandanten, die für ihn zumindest in Gegenwart seines Rechtsanwalts möglicher­ weise ungewohnt ist. Besprechen Sie mit ihm, inwieweit er zur Ausfüllung dieser Rol­ le selbst das Gespräch führen oder wann er Ihnen das Feld überlassen soll. Schließlich sollten Sie vor allem auch Ihre eigene Rolle im Mediationsverfahren erklären (hierzu sogleich). Machen Sie deutlich, dass Sie anders als in gerichtlichen oder anderen strei­ tigen Verhandlungen tendenziell zurückhaltender agieren werden. Begründen Sie dies mit der Bedeutung einer eigenständig gefundenen Konfliktlösung, auf die ein Mediationsverfahren abzielt. Auch der Fall als solcher ist vorzubereiten. Dieser Teil der Vorbereitung gleicht im Wesentlichen der typischen Arbeit im Vorfeld von Gerichts- oder Schiedsgerichtsver­ fahren: Gründliches Aktenstudium, die Anforderung weiterer Dokumente, Überle­ gungen zum Teilnehmerkreis, zu zeitlichen Beschränkungen, zum Umfang der Ver­ handlungsbereitschaft und zu möglichen Einigungsvorschlägen gehören hierher. Speziell mit Blick auf die Mediation sollten Sie sich auch fragen, welches die zugrun­ deliegenden Interessen und Bedürfnisse Ihres Mandanten einerseits und seines Ver­ handlungspartners andererseits sind und wie Lösungsoptionen und Varianten davon aussehen können und was Ihr Mandant in der Mediation als Bausteine einer Lösung vorschlagen kann. Diese beiden Faktoren – die Interessen und denkbare Einigungs­ 299

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

optionen – werden in der Mediation die beiden wesentlichen Ansatzpunkte für die Suche nach Lösungen sein (vgl. Kapitel 6 und 7).436 Ferner zielt die anwaltliche Vor­ bereitung eines Mediationsverfahrens auf dessen organisatorischen Rahmen ab. Auch hierbei erfüllen Sie als Rechtsanwalt eine wichtige Funktion. Das Verfahrensrecht ei­ ner Mediation bleibt auch nach Inkrafttreten des Mediationsgesetzes größtenteils Vertragsrecht: Wie bereits gesehen, schließen die Konfliktparteien untereinander eine Mediationsvereinbarung ab und verpflichten gemeinsam den Mediator in einem Mediatorvertrag. Bei Gestaltung und Abschluss dieser Verträge ist Rechtsrat unerlässlich. Zuletzt können Sie als Rechtsanwalt Ihren Mandanten auch bei der Auswahl eines geeigneten Mediators unterstützen. Anwaltliche Beratung in der Mediation Auch während des Mediationsverfahrens können Rechtsanwälte eine bedeutende Funktion für ihre Mandanten und das Verfahren ausüben. Hierbei besteht die Herausforderung darin, seine eigene Rolle den einzelnen Phasen der Mediation anzupassen. Dies erfordert ein nicht geringes Maß an Flexibilität. Zu Beginn der Mediation, wenn es um die Diagnose des Konflikts und die Erforschung der Interessen der Parteien geht, sollten Sie eher eine zurückhaltende Rolle einnehmen und den Mandanten weitgehend für sich selbst sprechen lassen, sofern es nicht um Ausführungen zur Rechtslage geht. Allenfalls können Sie hier bestimmte Informatio­ nen beisteuern und gegebenenfalls Schritte des Mediators, die Ihnen risikoreich für Ihren Mandanten erscheinen, kritisch hinterfragen. In den folgenden Phasen steigt der Grad Ihrer Beteiligung: Bei der Bewertung von entwickelten Lösungsoptionen werden Sie diese auf ihre rechtliche Zulässigkeit und Umsetzbarkeit überprüfen und gegebenenfalls auch selbst entsprechende Vorschläge einbringen. Um zu entscheiden, ob eine Lösungsoption den Interessen Ihres Mandan­ ten eher dient als die Nichteinigungsalternative eines möglichen Gerichtsprozesses, sollten Sie zugleich die Chancen einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit Fort­ schreiten des Verfahrens neu überprüfen und Ihren Mandanten entsprechend informieren (vgl. Kapitel 9). Geht es abschließend darum, eine gefundene Lösung in einen rechtswirksamen und vollstreckbaren Vergleich umzusetzen (vgl. Kapitel  10), sind wieder Ihre vertragsgestaltenden Fähigkeiten gefragt. Mediationsbezogene anwaltliche Beratung nach Abschluss des Verfahrens Die Rolle des Rechtsanwalts im Zusammenhang mit einem Mediationsverfahren en­ det nicht mit dessen Abschluss. Ist das Verfahren erfolglos geblieben, gilt es, gegebe­ nenfalls weitere zweiseitige Verhandlungen zu führen. Zu deren Vorbereitung können Sie die im Mediationsverfahren erreichten Ergebnisse oder eingetretenen Verände­ rungen auswerten und verwenden, soweit diese nicht von der Vertraulichkeitsverein­ barung erfasst sind. Wurde in der Mediation eine Einigung erzielt, sind die Einhal­ tung und notfalls die Durchsetzung im Wege der Vollstreckung sicherzustellen. Auch hierbei spielen Sie als Anwalt eine für den Mandanten wichtige Rolle. 300

Mediation intelligent nutzen ­|  Kap. 12

Zusammenfassung Um Mediationsverfahren intelligent einzusetzen und vorzubereiten, sind eine Reihe von Gesichtspunkten zu berücksichtigen: Es ist erstens zu prüfen, ob sich ein be­ stimmter Konflikt für das Verfahren der Mediation eignet. Nur wer hierfür sensibili­ siert ist, kann den Anstoß zur Mediation geben. Es sind sodann zweitens Fragen der Auswahl des Mediators zu beantworten: Welches Qualifikationsprofil sollte er aufwei­ sen? Empfiehlt sich die Verpflichtung mehrerer Mediatoren als Team? Welche Ver­ fahren helfen bei der Verständigung auf eine bestimmte Person, die alle Konfliktpar­ teien als unparteiisch akzeptieren? Drittens schließlich müssen Sie sich sowohl als Konfliktpartei als auch als Mediator der Tatsache bewusst sein, dass Mediationsver­ fahren selbstorganisierte Verfahren der Konfliktbehandlung sind. Der Organisation des Verfahrens ist daher besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Zur Unterstützung kann die Hilfe von Mediationsinstitutionen oder universitären Forschungseinrich­ tungen in Anspruch genommen werden. Nicht zuletzt können auch Rechtsanwälte eine wichtige Rolle bei der Organisation und Nutzung von Mediationsverfahren spielen. Wenn sie bereit sind, ihre Funktion den Spezifika des Mediationsverfahrens anzupassen und die hierfür erforderlichen Fähigkeiten zu erwerben, werden Rechtsanwälte auch diesen Bereich der Konfliktbe­ handlung als interessante Erweiterung ihrer Tätigkeit und damit ihres Dienstleis­ tungsangebotes kennenlernen. Mediation advocacy ist ein wichtiges neues Betäti­ gungsfeld für einen im Bereich der (alternativen) Streitbeilegung tätigen Rechtsanwalt.

301

Kapitel 13 Mediationsverfahren institutionalisieren Im vorangegangenen Kapitel haben uns Fragen des Einsatzes und der Planung von Mediationsverfahren beschäftigt. Es ging dort um die Nutzung der Mediation zur Lösung einzelner, im Wirtschaftsleben auftretender Konflikte. Wie aber lässt sich die Mediation im Rahmen eines professionellen Konfliktmanagements institutionalisiert in Unternehmen einsetzen? Empirische Untersuchungen zeigen, dass der wirtschaftliche Nutzen der Mediation am größten ist, wenn diese nicht nur zufällig von Fall zu Fall, sondern als Teil  eines systematischen Managements von Konflikten erfolgt.437 Vor allem dann lassen sich direkte und indirekte Konfliktkosten – wie beanspruchte Managementzeit und Geschäftsablaufstörungen – spürbar reduzieren. Es lohnt sich, hierüber genauer nachzudenken. In einem ersten Abschnitt dieses Kapitels werden wir den Begriff des Konfliktma­ nagementsystems erläutern und die Vorteile des Einsatzes eines solchen Systems an einem Beispiel aus der Praxis illustrieren. Im zweiten Abschnitt befassen wir uns mit denjenigen Elementen eines Konfliktmanagementsystems, die in externen Konflikten zwischen Unternehmen die Mediation verstärkt zum Einsatz bringen können. Der dritte Abschnitt beleuchtet Besonderheiten beim Einsatz von Konfliktmanagement­ systemen für Konflikte innerhalb eines Unternehmens. Ausgehend von Beispielen aus der US-amerikanischen Praxis betrachten wir hier auch den arbeitsrechtlichen Rah­ men in Deutschland als Grenze und zugleich Ansatzpunkt für die Gestaltung von Konfliktmanagementsystemen. Im vierten Abschnitt geben wir praktische Hilfestel­ lungen für die erfolgreiche Entwicklung und Implementierung solcher Systeme.

Konfliktmanagementsysteme Zur institutionalisierten Anwendung von Mediationsverfahren bei wirtschaftlichen Konflikten bietet sich als integriertes Konzept der Aufbau eines sogenannten Konfliktmanagementsystems in Unternehmen an. Ein solches System besteht aus einem Satz von Regeln, denen der Umgang mit Konflikten unterworfen wird. Darin wird versucht, die bisherigen Methoden der Konfliktbehandlung zu analysieren, mögli­ cherweise auftretende Konflikte zu antizipieren und diese systematisch einem geeig­ neten Konfliktlösungsverfahren zuzuführen. Es geht um die Schaffung eines Regelge­ füges zur planvollen und differenzierten Konfliktbehandlung. Ausgangspunkt der Gestaltung eines Konfliktmanagementsystems ist ein Wandel im Konfliktverständnis: Wer auf Konflikte nur reagiert, versteht sie allein als unternehme­ risches Risiko. Wer sie dagegen als einen normalen Vorgang erkennt und das in ihnen angelegte Potential für Kreativität und Motivation berücksichtigt, versteht sie auch als unternehmerische Chance zur Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung von persönlichen und geschäftlichen Beziehungen sowie als Ausgangspunkt neuer Ideen. Zudem sind Konfliktbewältigungskosten nicht fix, sondern variabel und damit minimierbar. 303

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

In den USA arbeiten zahlreiche namhafte Unternehmen mit Konfliktmanagement­ systemen (Dispute Resolution Systems). In vielen Fällen sind derartige Systeme noch auf die Anwendung in betriebsinternen Konflikten mit bzw. zwischen Arbeitnehmern beschränkt. Denkbar ist jedoch durchaus auch die Einbeziehung von Konflikten zwi­ schen unternehmerischen Einheiten eines Konzerns oder von externen Konflikten mit Kunden und Zulieferern. Als Pionier dieser Entwicklung gilt das Technologieun­ ternehmen Motorola Inc., welches bereits im Jahr 1985 auf Initiative seines damaligen Syndikus Richard Weise den Umgang mit Konflikten zu systematisieren begann.438 Ein wesentliches Ziel des Motorola-Systems ist es, Konflikte möglichst frühzeitig bei­ zulegen. Ausgangspunkt war die Annahme, dass mit Fortschreiten eines Konflikts dessen Kosten exponentiell steigen. Diese These konnte später bestätigt werden: So wurden bei Motorola im Jahre 1993 die Kosten für typische Arbeitsrechtsstreitigkeiten erfasst. Hierzu wurde der Ablauf eines solchen Konflikts in drei Phasen unterteilt. Die erste Phase umfasste die anfänglichen Gespräche mit den Betroffenen und der Rechtsabteilung sowie die erste Kontaktauf­ nahme mit externen Rechtsanwälten und die Sichtung von Dokumenten. Bis zum Ab­ schluss dieser Phase der Konfliktbearbeitung fielen etwa jeweils 17.000 bis 20.000 US-Dollar an. Als zweite Phase wurden Zeugen- und Expertengespräche, das Zusam­ menstellen von Beweismaterial und gegebenenfalls Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes definiert. Am Ende dieser Phase hatte der Konflikt im Durchschnitt bereits Kosten von etwa 80.000 bis 110.000 US-Dollar verursacht. Der eigentliche Ge­ richtsprozess inklusive seiner unmittelbaren Vorbereitung bildete schließlich die dritte und letzte Phase. Wurde der Konflikt bis zum Abschluss dieser Phase verfolgt, führte er zu Gesamtkosten von jeweils rund 190.000 bis 250.000 US-Dollar (vgl. Abbildung 1).439

250 200

Kosten für die Behandlung eines durchschnittlichen Arbeitsrechtsstreits bei Motorola Inc. im Jahre 1993 in Tausend US-Dollar

150 100 50 0 1. Phase

2. Phase

Bearbeitung durch die Rechtsabteilung Bearbeitung durch externe Rechtsanwälte

Abbildung 1: Konfliktkosten bei Motorola Inc. 304

3. Phase

Mediationsverfahren institutionalisieren ­|  Kap. 13

Um Konflikte in einer möglichst frühen Phase beizulegen, wurde beschlossen, alter­ native Verfahren der Konfliktbeilegung wie die Mediation verstärkt zum Einsatz zu bringen. Hierzu installierte Motorola ein Konfliktmanagementsystem, und zwar in erster Linie für externe Konflikte. Danach war bei Konflikten einer bestimmten Grö­ ßenordnung von dem damit befassten Syndikus ein Bewertungsformular (screen) auszufüllen. Dieses sollte zu einer sachlichen Einschätzung zwingen, ob sich die frag­ liche Streitigkeit für ein alternatives Konfliktbeilegungsverfahren eignet. Eine Kopie des ausgefüllten Formulars war sodann an einen speziellen Koordinator des Kon­ fliktmanagementsystems weiterzuleiten, der dem betroffenen Anwalt beratend in Fragen der Verfahrenswahl zur Seite stand. Zur Kontrolle wurde vierteljährlich ein Statusbericht erstellt, der sämtliche Syndizi über alle mittels des Formulars erfassten laufenden Sachen informierte. Hierdurch wurden Syndizi, die einen Streitfall zu Be­ ginn nicht in ein alternatives Verfahren geleitet hatten, an diese Möglichkeit erinnert, und der Chefsyndikus zugleich darüber informiert, welche Verfahren nicht auf die­ sem Weg behandelt wurden. In den ersten vier Jahren nach Einführung dieses Systems im Jahre 1986 konnten die in einem bestimmten Geschäftsbereich gegen Motorola geführten Prozesse in Handelssa­ chen von 70 auf 23 jährlich reduziert werden, obwohl der Umsatz dieses Geschäftsbe­ reichs in derselben Zeit von 2,25 Milliarden auf 3,5 Milliarden US-Dollar stieg. Im Jahre 1993 wurden von siebzehn typischen Arbeitsrechtsstreitigkeiten elf in der ersten und fünf in der zweiten Phase beigelegt, so dass nur noch ein Fall zu Gericht kam. Mittlerweile sind zahlreiche Unternehmen in den USA dem Beispiel Motorolas gefolgt. So werden Konfliktmanagementsysteme (dort zumeist mit Blick auf betriebsinterne Konflikte mit Mitarbeitern) in Firmen wie Halliburton Co., Shell, General Electric oder der US-amerikanischen Post betrieben.440 Auch in Deutschland gibt es eine ganze Rei­ he von Initiativen zur Etablierung entsprechender Systeme, beispielsweise in der SAP AG, der HessenChemie, im E.ON-Konzern oder der Siemens AG (hierzu später).441

Systematisches Management externer Konflikte Ein Konfliktmanagementsystem kann zum einen Elemente umfassen, die auf den Einsatz von Mediationsverfahren bei externen Konflikten zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen, z.B. zwischen einem Hersteller und sei­ nem Zulieferer, abzielen. Zwar liegt hier die Wahl der Art der Konfliktlösung nicht allein in der Hand eines beteiligten Unternehmens. Erforderlich ist vielmehr eine Verständigung mit dem jeweiligen Konfliktpartner. Dennoch lässt sich auch insofern der Einsatz von Verfahren wie der Mediation institutionalisieren. In externen Konflikten zwischen Unternehmen scheitert der Einsatz von Mediations­ verfahren oftmals an einer sehr einfachen strategischen Barriere: Mediationsverfahren sind drittunterstützte Verhandlungen. Wer den Anstoß zu einem Mediationsverfahren gibt, sendet daher das Signal aus, verhandlungsbereit zu sein. Verhandlungsbereitschaft wiederum wird aber landläufig verbunden mit Nachgiebigkeit, vielleicht sogar mit Schwäche der eigenen Position. Ein solches Signal wollen Parteien im Konflikt regel­ 305

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

mäßig nicht aussenden. Demgemäß scheuen sie sich, ein Mediationsverfahren anzu­ regen. Zwar gibt es viele rationale Gründe, diese oder andere Formen der alternativen Streitbeilegung einem Gerichtsverfahren vorzuziehen: Vertraulichkeit, kurze Verfah­ rensdauer, geringe Verfahrenskosten sowie die Überwindung strategischer, kogniti­ ver und struktureller Einigungshindernisse. Hinzu treten die Ausschöpfung von Wertschöpfungspotentialen, Lösungspakete, in denen die Parteiinteressen umfassen­ der abgebildet sind als in den gegebenen Rechtsansprüchen, die Erhaltung von (Ge­ schäfts‑)Beziehungen sowie ggf. die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft. Um kein (vermeintliches) Signal der Schwäche auszusenden, gehen diese Aspekte aber gelegentlich unter. Dann kommt ein Mediationsverfahren allenfalls noch auf­ grund von gesetzlichen Anordnungen zur Anwendung, die jedoch im deutschen Rechtsraum erst im Aufbau und bislang wenig praxisrelevant sind. Insbesondere ma­ chen solche Vorschriften Überlegungen zum privatautonomen Konfliktmanagement nicht überflüssig. Schließlich kann dieses schon im Vorfeld verhindern, dass ein Kon­ flikt überhaupt vor die Gerichte kommt bzw. kommen soll und somit in den Anwen­ dungsbereich der betreffenden gesetzlichen Anordnungen fällt. „„ Gesetzlich angeordnete Schlichtungsverfahren in Deutschland In § 15a des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung (EGZPO) hat der Bundesgesetzgeber den Bundesländern die Möglichkeit eingeräumt, obligatorische Streit­ schlichtungsverfahren landesgesetzlich anzuordnen. Von dieser Ermächtigung ­machen die Bundesländer in unterschiedlichem Umfang Gebrauch.442 Für den ­eigentlich häufigsten Unterfall  – Bagatellfälle mit einem Gegenstandswert bis 750 Euro – ist inzwischen in keinem Bundesland mehr eine obligatorische Schlichtung vorgesehen. Ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren existiert in den meisten Ländern nur noch für Fälle aus den Bereichen von Nachbarrecht und Ehrverletzung. Die hier stattfindenden Schlichtungsverfahren werden freilich in der Regel nicht nach den Grundsätzen der Mediation durchgeführt. Sie sind oft rechtsförmig ausgestaltet und auf einen vom Schlichter vorgegebenen Schlichtungsspruch ausgerichtet. Die Vorteile einer tatsächlich privatautonomen Beilegung des Konfliktes, die Realisierung wertschöpfender Kooperationsgewinne und die Entwicklung eines beiderseits interessengerechten Ergebnisses, treten daher häufig in den Hintergrund.443 Daneben ist in § 278a Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Möglichkeit einer gerichtlichen Anregung zur Durchführung einer alternativen Konfliktlösung vorgesehen. Der für alle zivilgerichtlichen Verfahren zwingend vorgeschriebene Gütetermin kann danach durch eine vom Richter vorgeschlagene „außergerichtliche Streitschlichtung“ ersetzt werden. Die Praxis zeigt indes, dass die Richter von dieser Ermessensnorm mit ihrem weiten Tatbestandsspielraum („in geeigneten Fällen“) bislang praktisch kaum Gebrauch machen.444 Eine nennenswerte Bedeutung hat demgegenüber die sogenannte gerichtsinterne Mediation durch einen Güterichter nach § 278 Abs. 5 ZPO erlangt: Im Jahr 2017 hatte in knapp 15.000 der erledigten Zivilverfahren vor den Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten ein Güterichterverfahren stattgefunden; dies sind immerhin 1,1% aller Verfahren.445 Beispiel 1 306

Mediationsverfahren institutionalisieren ­|  Kap. 13

Um die strategisch bedingte Barriere („Signal der Schwäche“) auf dem Weg zur ver­ stärkten Nutzung von Mediationsverfahren unabhängig von gesetzlichen Anordnun­ gen bei externen Konflikten zu überwinden, bieten sich im Rahmen eines Kon­ fliktmanagementsystems die folgenden Instrumente an.446 Selbstbindungsmechanismen Stellen Sie sich vor, Sie könnten in einem Konflikt Ihrem Verhandlungspartner glaubhaft vermitteln, dass Sie nicht zufällig gerade nur in diesem, sondern in allen Konflik­ ten zunächst immer das Verfahren der Mediation zur Konfliktlösung ernsthaft erwä­ gen und bei vermeintlicher Eignung auch vorschlagen. In diesem Fall ließe sich Ihrer Initiative zur Mediation nicht mehr ein scheinbares Eingeständnis von Verhand­ lungsschwäche, sondern vielmehr ein Signal des systematischen Umgangs mit Kon­ flikten entnehmen. Die strategische Barriere zum Anstoß eines Mediationsverfahrens wäre überwunden. Wie aber kann eine solche Mitteilung mit der erforderlichen Glaubhaftigkeit kommuniziert werden? Einen denkbaren Weg stellt die vorherige Abgabe einer Selbstbindungserklärung dar. Danach erklären Sie, in allen Konflikten vorrangig die Mediation oder andere alterna­ tive Konfliktlösungsverfahren anzustreben. Auf diese Erklärung können Sie sodann in jedem Einzelfall verweisen. Sie kann beispielsweise Teil der veröffentlichten Unter­ nehmenspolitik bzw. ‑philosophie (z.B. im Internetauftritt oder in PR-Broschüren) sein. Eine Studie aus dem Jahre 2005 hat ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes alternativer Streitbeilegungsmethoden umso höher ist, je deutlicher das Be­ kenntnis dazu zum Unternehmensleitbild gehört.447 Aber auch ein nur unternehmensintern publizierter Vorstandsbeschluss zur generel­ len Unterstützung der Mediation, wie er bei dem Energieunternehmen STEAG AG im Jahre 1998 gefasst wurde, kann die bezweckte Referenzwirkung entfalten, da ex­ tern auf ihn verwiesen werden kann.448 Ähnliches gilt für das Beispiel des Bayerischen Brauerbund e.V., der – als Dachverband potentieller Konfliktparteien – die Vermitt­ lung in Konflikten zwischen seinen Mitgliedern in seiner Satzung zu seinem Ver­ einszweck gemacht hat.449 Eine noch stärkere Selbstbindungswirkung haben Verpflichtungserklärungen, die bei  einer externen, neutralen Stelle hinterlegt werden. Alle Unterzeichner einer ­solchen Erklärung bekräftigen darin die Absicht, in den zwischen ihnen auftreten­ den Konflikten vor der Einleitung gerichtlicher Schritte immer zunächst die Durch­ führung einer Mediation zu erwägen. Auch wenn hieraus noch keine Rechtspflicht folgt, erleichtert eine solche Erklärung (selbst gegenüber Parteien, die nicht zu den Unterzeichnern gehören) die Initiative zu einem Mediationsverfahren im Einzel­ fall.450

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Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

„„ Dispute Resolution Pledges In den USA haben mittlerweile ca. 4.000 Unternehmen, darunter auch amerikanische Tochterunternehmen deutscher Konzerne wie der Siemens AG oder der Volkswagen AG, beim CPR International Institute for Conflict Prevention & Resolution in New York folgende Erklärung (pledge) im sogenannten „CPR Corporate Policy Statement on Alternatives to Litigation ©“ hinterlegt:451 „We recognize that for many disputes there is a less expensive, more effective ­method of resolution than the traditional lawsuit. Alternative dispute resolution (ADR) procedures involve collaborative techniques which can often spare businesses the high costs of litigation. In recognition of the foregoing, we subscribe to the ­following statements of principle on behalf of our company and its domestic sub­ sidiaries: In the event of a business dispute between our company and another company which has made or will then make a similar statement, we are prepared to explore with that other party resolution of the dispute through negotiation or ADR techniques before pursuing full-scale litigation. If either party believes that that dispute is not suitable for ADR techniques, or if such techniques do not produce results satisfactory to the disputants, either party may proceed with litigation.“ Ebenfalls in der Absicht, die Initiative zu Mediationsverfahren zu erleichtern, haben ca. 1.500 Rechtsanwaltskanzleien das „CPR Law Firm Policy Statement on Alterna­ tives to Litigation ©“ unterzeichnet: „We recognize that for many disputes there may be methods more effective for ­resolution than traditional litigation. Alternative dispute resolution (ADR) proce­ dures – used in conjunction with litigation or independently – can significantly reduce the costs and burdens of litigation and result in solutions not available in court. In recognition of the foregoing, we subscribe to the following statements of policy on behalf of our firm: First, appropriate lawyers in our firm will be knowledgeable about ADR. Second, where appropriate, the responsible attorney will discuss with the client the availability of ADR procedures so the client can make an informed choice con­ cerning resolution of the dispute.“ Beispiel 2

Eine ähnliche Absichtserklärung haben im Frühjahr 2002 die Vertreter von 68 US-­ amerikanischen Versicherungsunternehmen mit Blick auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York, Pennsylvania und Virginia unterzeichnet. Sie ver­ einbarten, Regulierungsstreitigkeiten untereinander anlässlich der Anschläge eben­ falls vorrangig durch Verhandlungen und Mediation lösen zu wollen, ohne allerdings ihr Klagerecht einzuschränken.452 Auch in Deutschland sind vergleichbare Mechanis­ men einer multilateralen Verpflichtung denkbar. Hierzu bieten sich Unternehmen derselben Branche als Kerngruppe einer entsprechenden Erklärung an, welche dann 308

Mediationsverfahren institutionalisieren ­|  Kap. 13

auch von Zulieferfirmen und weiteren Unternehmen unterzeichnet und so in ihrem Anwendungsbereich erweitert werden kann. Mediationsklauseln Schiedsklauseln gehören im Wirtschaftsleben zur gängigen Vertragspraxis. Zuneh­ mend enthalten Vertragswerke daneben oder isoliert auch Mediationsklauseln, durch die Streitigkeiten aus der Durchführung des Vertrags einem Mediationsverfahren zu­ geführt werden. Auch hierdurch können Sie – diesmal gemeinsam mit Ihrem Ver­ handlungspartner – das strategische Problem des „ersten Schritts“ überwinden: Sie verhandeln die Mediationsklausel während der Vertragsverhandlungen und somit in friedlicher(er) Atmosphäre. Ihr Vorschlag zu einer Mediationsklausel wird in dieser Phase nicht in gleicher Weise strategisch hinterfragt wie der Vorschlag zu einem Me­ diationsverfahren nach dem Auftreten eines Konflikts. Mediationsklauseln empfehlen sich nicht nur in solchen Vertragsbeziehungen, die auf eine längere Zusammenarbeit angelegt sind, auch wenn es in diesen Konstellationen naturgemäß von besonderer Bedeutung ist, dass einzelne Konflikte nicht die Ge­ schäftsbeziehung gefährden, sondern einem effektiven, beziehungsschonenden Ver­ fahren unterworfen werden. Im Rahmen eines Konfliktmanagementsystems können Sie in Zusammenarbeit mit Ihrer Rechtsabteilung und Ihren externen Rechtsanwäl­ ten dafür vorsorgen, dass die Verwendung von Mediationsklauseln zu Ihrer gängigen Vertragspraxis wird und Sie die Nutzung entsprechender Klauseln regelmäßig gegen­ über Ihren Vertragspartnern anregen. Eine Mediationsklausel soll helfen, Konflikte zu beseitigen, nicht neue Konflikte schaffen. Deshalb gilt: Wollen Sie den Nutzen einer Mediationsklausel realisieren, sollten Sie diese sorgfältig gestalten.453 Nichts ist misslicher, als anlässlich eines später auftretenden Konflikts über die richtige Lesart der vereinbarten Konfliktlösungsklau­ sel in weitere Auseinandersetzungen zu geraten. Wohin führt uns etwa die Klausel: „Im Streitfall werden die Parteien ein Mediationsverfahren durchführen“, außer zu den Folgefragen: Wann liegt ein Streitfall vor? Was heißt „ein Mediationsverfahren“? Wer soll dieses leiten? Wo soll es stattfinden? Wer muss daran teilnehmen? Wer be­ zahlt das Verfahren? Wie wird es beendet? Bei der Formulierung entsprechender Klauseln kommen dieselben Grundsätze zur Anwendung, die wir bereits im Zusammenhang mit der Auswahl bestimmter Verfah­ rensregeln kennengelernt haben (vgl. Beispiel 8 in Kapitel 12, vgl. S. 295 ff.). Beson­ derheiten ergeben sich allerdings daraus, dass es anders als bei der dort untersuchten nachträglichen Organisation der Mediation angesichts eines entstandenen Konflikts hier um die vorsorgliche Vereinbarung eines Mediationsverfahrens geht (vgl. S. 303 ff.). Da der Konflikt zum Zeitpunkt der Vereinbarung einer solchen Klausel noch gar nicht entstanden ist, kann diese nur pauschal formuliert werden. Die in der Praxis verwendeten Klauseln verweisen denn auch zumeist sämtliche Streitigkeiten aus dem Vertrag und seiner Durchführung in ein und dasselbe Verfahren.

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Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Um den strategischen Vorteil einer vorsorglichen Verständigung nutzen und zugleich das spätere Verfahren flexibler als mit einer solchen Standardklausel dem einzelnen Konflikt anpassen zu können, ist aber auch folgendes, abgestuftes Vorgehen möglich: In Ihrer Klausel verpflichten Sie sich nicht auf die Durchführung eines bereits be­ nannten, spezifischen Verfahrens, sondern in einem ersten Schritt allein auf eine ge­ meinsame Fallanalyse und Verfahrensberatung durch einen Mediator oder eine Me­ diationsinstitution. In dieser Sitzung werden der Konflikt analysiert, gegebenenfalls noch die wesentlichen inhaltlichen und prozeduralen Interessen der Parteien ermit­ telt und auf dieser Grundlage sodann das für seine Lösung geeignet erscheinende Verfahren ausgewählt oder gestaltet. Dieses Verfahren wird sodann in einem zweiten Schritt zur Anwendung gebracht. Die Verpflichtung zur Teilnahme hieran kann  – ebenso wie bei einer einfachen Mediationsklausel – wiederum bereits in dieser qua­ lifizierten Mediationsklausel selbst enthalten sein. Abweichend hierzu kann von vornherein ein Mediationsverfahren für den Fall der Nichteinigung bezüglich des durchzuführenden Verfahrens vorgesehen werden. In einer solchen qualifizierten, abgestuften Klausel lassen sich auch bereits bestimmte Vorverständigungen über Gegenstände treffen, über die erfahrungsgemäß im Kon­ fliktfall schwieriger eine Einigung gefunden wird. Zu denken ist dabei etwa an die Bestimmung eines Mediators oder eines Auswahlmechanismus’ zu seiner Bestim­ mung samt der Festlegung des Anforderungsprofils für seine Person. Einen solchen Ansatz verfolgt die bereits erwähnte „Konfliktmanagementordnung“ der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Bei deren Vereinbarung lassen sich die Par­ teien im Konfliktfall von einem neutralen „Konfliktmanager“ über geeignete Kon­ fliktlösungsverfahren beraten und streben unter dessen Leitung die Vereinbarung ei­ nes Konfliktmanagementplans an.454 Mit dem Einsatz von Mediationsklauseln ist gegenüber dem Versuch einer Ad-hoc-Ver­ ständigung allerdings auch ein gewisses Risiko verbunden, welches hier nicht ver­ schwiegen werden soll. Dieses ist ökonomischer Natur und basiert auf der durch eine Mediationsklausel bewirkten Anreizstruktur für die Vertragsparteien: Wenn Sie wis­ sen, dass Sie im Falle eines Vertragsbruchs nicht unmittelbar die volle „Härte des Gesetzes“ trifft, sondern zunächst ein Mediationsverfahren durchgeführt wird, und wenn Sie weiter annehmen, dass in diesem Mediationsverfahren ein Ergebnis erzielt wird, welches Sie weniger hart trifft als ein Gerichtsurteil („Wir werden uns schon irgendwo in der Mitte unserer Positionen einigen.“), so verändern sich Ihre Anreize bzgl. eines Vertragsbruchs. Dieser wird potentiell „billiger“ und fällt möglicherweise preiswerter aus als der Schaden, den Sie der anderen Partei durch ihn zufügen. Das Mediationsverfahren kann dann also insgesamt zu (volkswirtschaftlichen) Effizienzverlusten führen.455 Dieser Effekt ist allerdings im Falle einer vorherigen Verständigung im Wege einer Mediationsklausel geringer als dann, wenn lediglich eine Partei (berechtigt) erwartet, dass ein Mediationsverfahren ohne eine solche Klausel durchgeführt wird: Während im letzteren Fall die Aussicht auf ein Mediationsverfahren am Vertragskalkül der Par­ teien nicht teilhat, ist sie im Falle einer Vertragsklausel gewissermaßen mit „einge­ preist“ – die Parteien können hier die durch die Klausel bewirkte Anreizstruktur in 310

Mediationsverfahren institutionalisieren ­|  Kap. 13

ihre Erwägungen mit einbeziehen. Dann aber spricht die freiwillige, beidseitige Zu­ stimmung zum Vertrag (zumindest als ein erster Anschein) dafür, dass dieser samt der Mediationsklausel effizient ist. Allerdings setzt die Einbeziehung der anreizverän­ dernden Wirkung in das Kosten‑/Nutzen-Kalkül bei der Erwägung einer Mediations­ klausel voraus, dass man um diese Wirkung weiß. Konfliktmanagementverträge In einer umfangreichen Geschäftsbeziehung mit vielen Einzelverträgen ist es mög­ licherweise sinnvoll, den Einsatz von Mediationsverfahren nicht in jedem dieser ­Verträge im Wege einer Mediationsklausel aufs Neue zu vereinbaren, sondern eine Rahmenvereinbarung bezüglich der Behandlung der in der Geschäftsbeziehung auf­ tretenden Konflikte insgesamt zu treffen. Ein solcher Konfliktmanagementvertrag kann Teil einer sonstigen, die Geschäftsbeziehung regierenden Rahmenvereinbarung sein. In dieser Gestalt ist er letztlich nichts anderes als eine erweiterte Mediations­ klausel. Er kann jedoch auch separat geschlossen werden, gewissermaßen als Grundgesetz für die Lösung von Konflikten zwischen den Beteiligten. Auch die Initiative zum Abschluss eines entsprechenden Vertrages lässt sich als Teil eines umfassenden Konfliktmanagementsystems begreifen. „„ Conflict Resolution Agreement zwischen Bombardier Transportation und Alstom Im Frühjahr 2002 schlossen die Schienenfahrzeughersteller Bombardier Transpor­ tation (eine Sparte der kanadischen Bombardier Inc.) und Alstom Transport SA aus Frankreich einen solchen Konfliktmanagementvertrag. Hierzu hieß es in einer Pressemitteilung von Bombardier Transportation vom 16.4.2002: „Bombardier Transportation and Alstom sign conflict resolution agreement Bombardier Transportation and Alstom Transport have concluded an agreement establishing a formal conflict-resolution mechanism, designed to quickly settle any disputes that might arise when they are working on joint projects. The agreement stipulates that, in all cases where such conflicts arise, the matter will be submitted to a neutral mediator. To ensure that disputes are resolved promptly, the mediator is required to present his or her recommendations within 30 days of being appointed. Assuming both parties agree with the recommendations, they will have an ­additional 30 days to negotiate and enter into a binding agreement putting the matter to rest. Only in cases where one or both parties disagree with the mediator’s recommendations – or where agreement on terms of a settlement cannot be ­reached within the prescribed 30-day time limit  – would they resort to the dispute resolution mechanisms incorporated into the contract in question. As President and COO Pierre Lortie observed, Alstom and Bombardier Transpor­ tation have cooperated and shared scope on many projects over the years. This relationship generally has been beneficial to both parties. ‚However, disputes are bound to arise from time to time and – given the rapid growth of the two com­ panies as well the increased complexity of the industry – we thought it would be a good idea to come up with a Code of Conduct that would facilitate their rapid 311

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation resolution.‘ Pierre Lortie cited a number of positive outcomes likely to stem from the agreement: yy efficient resolution of issues, leading to reduced tensions and a mature relation­ ship between the parties; yy preventing conflicts at the project level from souring relationships at other levels of the two organizations; and yy providing customers with assurance they will not be held hostage in cases of conflict, therefore reducing risks.“ Beispiel 3

Die Verwendung eines solchen oder ähnlichen Konfliktmanagementvertrags hat ver­ schiedene Vorteile: Zum einen erinnert sie die Beteiligten daran, dass Konflikte Teil der wirtschaftlichen Normalität und dementsprechend regelmäßig zu erwarten sind. Dies nimmt später tatsächlich auftauchenden Streitigkeiten ihr Überraschungs­ potential. Zum anderen führt der institutionalisierte Einsatz von bewusst gewählten und selbst gestalteten Konfliktlösungsverfahren zu einem ökonomisch sinnvolleren Umgang mit Konflikten. Wie durch die anderen, zuvor beschriebenen Formen der Institutionalisierung auch, kann durch einen Konfliktmanagementvertrag der zufälli­ ge, sporadische und oftmals holzschnittartige Umgang mit Konflikten („Verhandeln – Vergleichen? – Verklagen!“, vgl. Kapitel 2) durch ein System ersetzt werden, das jeden einzelnen Konflikt einem hierfür maßgeschneiderten Lösungsmechanismus zuführt. Neben diesem unmittelbaren Potential der Kostenminimierung bei der Konfliktbe­ handlung hat die Nutzung eines solchen Systems einen weiteren, nicht zu unterschät­ zenden Effekt: Das Wissen darum, dass auftretende Konflikte professionell behandelt werden, und das geschärfte Bewusstsein um die Kosten von Konflikten, verhindern oftmals ihre Eskalation. Die Verschlechterung bestimmter Geschäftsabläufe bis hin zum Auftauchen erster Streitigkeiten wird nicht als Beginn einer schnell eskalieren­ den Konfliktspirale, sondern als Teil  des Vorhergesehenen und Geplanten verstan­ den. Wer genau absehen kann, in welchem Verfahren der Konflikt aufgefangen wer­ den wird, agiert und reagiert gelassener. Die häufig eskalationssteigernden, intuitiven Verhaltensweisen im Konflikt werden zurückgedrängt. Anreizstrukturen für die Nutzung von Mediationsverfahren Wer Mediationsverfahren im Rahmen eines Konfliktmanagementsystems institutio­ nalisiert in externen Konflikten zum Einsatz bringen will, sollte den in seinem Unter­ nehmen an der Behandlung derartiger Konflikte beteiligten Personen und Beratern die richtigen Anreize dafür setzen. Neben der zuvor beschriebenen, strategisch moti­ vierten Scheu zur Initiative zu einem Mediationsverfahren aus Sorge vor einem Signal der Schwäche kann nämlich vor allem die in Unternehmen bestehende Anreizstruktur für bestimmte Konfliktlösungsverfahren den systematischen Einsatz der Mediation behindern.

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Mediationsverfahren institutionalisieren ­|  Kap. 13

Wichtige Anreize werden in erster Linie durch die Zuweisung der Konfliktkosten in­ nerhalb des Unternehmens gesetzt. Sofern der mit einer konfliktreichen Verhandlung befasste Manager die Zahlung einer Vergleichssumme als Minus in seinem Budget verbuchen muss, besteht für ihn der Anreiz, sich auch bei hohen Risiken gegen ein Nachgeben (auch gerichtlich) zur Wehr zu setzen. Die dadurch verursachten Kosten der Rechtsabteilung sowie die sonstigen Transaktionskosten eines Gerichtsprozesses (Managementzeit, Rechtsanwaltskosten etc.) werden dagegen häufig als Gemeinkos­ ten nicht oder nur teilweise auf die vom Manager verantwortete Kostenstelle umge­ legt. Zusätzlich wirkt hier das psychologische Phänomen der sogenannten Verlust­ aversion456 (vgl. Kapitel 1 und 9): Unsere Risikobereitschaft ist zur Vermeidung von Verlusten regelmäßig größer als zur Realisierung von Gewinnen. In unserem Beispiel wird ein Manager daher zur Vermeidung eines Minus in „seinem“ Budget in Form einer vergleichsweisen Zahlung möglicherweise selbst dann auf die Durchführung eines Prozesses drängen, wenn dieser mit enormen Risiken verbunden ist. Teil eines erfolgreichen Konfliktmanagementsystems ist es daher auch, nicht nur das Ergebnis einer bestimmten Konfliktlösung, sondern auch sämtliche auf dem Weg hierzu aufgewendeten Kosten dort zu verbuchen, wo sie ausgelöst werden. Das bringt die persönlichen Interessen des verantwortlichen Mitarbeiters mit denen des Unter­ nehmens in Einklang und setzt einen Anreiz zur Wahl des insgesamt effizientesten Lösungsverfahrens.457Auch den eingeschalteten Beratern, vorrangig den Rechtsan­ wälten, lassen sich durch eine geeignete Vertragsgestaltung die „richtigen“ (Kosten‑) Anreize zur Wahl alternativer Konfliktlösungsverfahren wie der Mediation setzen. „„ Early Case Assessment Der US-amerikanische Konzern General Electric (GE) knüpft die Bezahlung externer Rechtsanwälte in der Vorbereitung streitiger Verfahren mittlerweile an die Bedingung, dass diese binnen kurzer Frist ein sogenanntes early case assessment, also eine frühe Fallbeurteilung, abgeben. Darin sollen die Anwälte sowohl zu Chancen und Risiken des Falls Stellung nehmen als auch begründen, welche Methode der Streitbeilegung sie anraten und wieso sie  – gegegebenenfalls  – keine Mediation oder andere alternative Form der Streitbeilegung empfehlen. Ohne Erstellung dieses Dokuments wird der Anwalt nicht bezahlt.458 Beispiel 4

Systematisches Management interner Konflikte Konflikte innerhalb eines Unternehmens unterscheiden sich in vielfacher Hinsicht von solchen zwischen Unternehmen. Die Strukturen innerhalb von Unternehmen sind besonders konfliktträchtige Gebilde. Dies liegt zum einen an der Vielzahl poten­ tieller Konfliktherde: Arbeitnehmer untereinander, Arbeitnehmer und Vorgesetzte, Betriebsrat und Vorstand (Geschäftsführung), Vorstand (Geschäftsführung) und Aufsichtsrat (Beirat), Unternehmensführung und Gesellschafter, Abteilungen oder Gesellschafter untereinander, einzelne Unternehmen in einem Konzernverbund un­ tereinander oder gegenüber der Konzernleitung  – mit der Vielzahl der Beteiligten 313

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

und ihrer Beziehungen zueinander steigt unweigerlich der potentielle Konfliktstoff. Zudem haben die Betroffenen oftmals sehr gegensätzliche Interessen. Schließlich sind die Konfliktparteien in unternehmensinternen Konflikten in aller Regel weitaus stärker aufeinander angewiesen als in externen Konflikten: Sie verbindet eine ge­ meinsame Zukunft, sofern nicht die Kündigung oder sonstige Aufhebung der Verbin­ dung eine Konfliktbeendigung ermöglicht. Solche Konsequenzen stellen aber häufig nur die ultima ratio dar. Kündigungen und Neubesetzungen sind kostenintensiv, binden Managementressourcen und gefährden das Arbeitsklima. Bisweilen ist eine persönliche Trennung gar nicht möglich oder nicht erwünscht. Umstrukturierungen des Unternehmens, mit denen abteilungsoder betriebsübergreifenden, konzerninternen Konflikten begegnet werden soll, sind ebenfalls zeit- und kostenintensiv. Hinzu kommt, dass sie nicht allein wegen der Kon­ fliktanfälligkeit der bisherigen Struktur vorgenommen werden können, sondern zu­ gleich auch zahlreichen anderen wirtschaftlichen Anforderungen genügen müssen. Vor diesem Hintergrund bieten sich Verfahren, die – wie die Mediation – eine Lösung von Konflikten möglichst im Wege der (Neu‑)Gestaltung einer gemeinsamen Zu­ kunft unter Schonung der betroffenen geschäftlichen oder persönlichen Beziehung anstreben, in besonderem Maße an. Es ist daher naheliegend, beim Aufbau eines Konfliktmanagementsystems den verstärkten Einsatz der Mediation insbesondere bei unternehmensinternen Konflikten zu erwägen.459 So befassen sich die bereits ein­ gangs erwähnten Systeme in Unternehmen wie Shell („Shell Resolve“), General ­Electric („General Electric Early Dispute Resolution System“) oder in der US-ameri­ kanischen Post („U.S.  Postal Redress“) im Wesentlichen mit arbeitsplatzbezogenen Streitigkeiten. Nicht alle diese Programme beruhen seitens der Arbeitnehmer auf Freiwilligkeit. Unabhängig von der Freiwilligkeit der Teilnahme arbeiten die meisten US-amerika­ nischen Programme mit einem System abgestufter Konfliktlösungsverfahren, die ge­ staffelt nach ihrer Kostenintensität bzw. ihrer Verbindlichkeit zum Einsatz kommen. So werden häufig zunächst strukturierte Gespräche zwischen den Betroffenen ge­ führt, dann folgt ein Mediationsverfahren, und schließlich steht der Weg zu verbind­ lichen Verfahren wie der Schiedsgerichtsbarkeit offen. Gepaart mit einer frühen Ana­ lyse aufkommender Konflikte und einer Verfahrensberatung durch besonders geschulte Mitarbeiter bzw. einer speziell hierfür geschaffenen Abteilung gelingt es innerhalb solcher Systeme oft, Konflikte in einem sehr frühen Stadium beizulegen. Viele dieser Programme haben denn auch zu erstaunlich positiven Ergebnissen ge­ führt: So konnte beispielsweise das freiwillige Mediationsprogramm der US-amerika­ nischen Post „U.S. Postal Redress“ in den Jahren 2000 und 2001 jeweils über 70 Pro­ zent der dort behandelten Fälle gütlich lösen. Die Zufriedenheit der Beteiligten mit den Ergebnissen lag im Schnitt ebenfalls bei etwa 70 Prozent.460 Indes sollte man sich von den begleitenden Programmbroschüren („For the Benefit of All“) nicht blenden lassen. Nicht selten geht es den Unternehmen im Ergebnis darum, auch in internen Konflikten der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entkommen. Das in den USA praktizierte Jury-System hält für Arbeitgeber immer wieder unliebsame 314

Mediationsverfahren institutionalisieren ­|  Kap. 13

Überraschungen bereit. Die Gefahr, zu Strafschadensersatzzahlungen (punitive dam­ ages) in Millionenhöhe verurteilt zu werden, sowie das kostspielige Vorverfahren der pre-trial discovery verstärken die Suche nach anderen Foren der Konfliktlösung und letztlich auch nach einem Ausschluss des regulären Rechtswegs. So ist beispielsweise den Mitarbeitern von Halliburton nach dem dort geltenden Dispute Resolution Program der Weg zu den staatlichen Gerichten in arbeitsrechtlichen Konflikten versperrt, selbst in Streitigkeiten wie: „allegations of discrimination based on race, sex, religion, national origin, age, veteran status or disability; sexual or other kinds of harassment; wrongful discharge; worker’s compensation retaliation; defamation; infliction of emotional distress; failure to pay wages; or status, claim or membership with regard to any employee benefit plan“, wie es in den Informationsbroschüren heißt. Den Arbeit­ nehmern bleibt demnach in arbeitsrechtlichen Konflikten als letzte Instanz zur Durchsetzung ihrer Rechte nur ein Schiedsverfahren. Dieses können sie erst nach ei­ ner Zahlung von 50 US-Dollar beginnen, die übrigen Kosten übernimmt der Arbeit­ geber. Ob diese auf den ersten Blick großzügig erscheinende Kostenübernahme dem unbefangenen Urteil der von der AAA oder von JAMS gestellten Schiedsrichter dien­ lich ist, sei hier dahingestellt. Die verbindliche Vereinbarung von unternehmensinternen Streitbeilegungsmecha­ nismen unter Ausschluss des Rechtsweges, die in Deutschland freilich so auch nicht möglich wären (dazu sogleich), birgt indes auch erhebliche Gefahren. Sie kann dazu führen, dass Unternehmen ihre Arbeitnehmer gleichsam zur Aufgabe der ihnen ­zustehenden Rechte verpflichten und sie stattdessen auf ein weitgehend „weiches“, extralegales Rechtsschutzsystem verweisen. Denn mit dem Rechtsweg sind den An­ gestellten zugleich auch ihre wichtigsten Nichteinigungsalternativen und damit die stärkste Quelle ihrer Verhandlungsmacht genommen. „„ Der Fall Jones vs. KBR/Halliburton Dass ein außerrechtliches, ausschließlich privates Konfliktmanagementsystem für Streitigkeiten mit Arbeitnehmern vor dem Hintergrund des damit verbundenen drohenden Ausschlusses der ihnen verfassungsrechtlich zustehenden Rechte rechtsstaatlich hochproblematisch ist, zeigt anschaulich der Fall Jones vs. KBR/Halliburton:461 Die 20-jährige KBR/Halliburton-Angestellte Leigh Jones war im Rahmen eines Logistikvertrages mit der US-Army im Irak eingesetzt. Sie machte glaubhaft geltend, von mehreren Arbeitskollegen massiv vergewaltigt, verschleppt und drei Tage lang in einem Schiffscontainer festgehalten worden zu sein. Sie wurde schließlich von Angehörigen der US-Botschaft befreit. Nachdem Halliburton den Fall im Rahmen seines „Dispute Resolution Program“ nicht weiter verfolgte und gesammelte Beweise verschwanden, kämpfte sie vier Jahre lang um ihr Recht, vor einem ordentlichen Gericht gehört zu werden. Dies war ihr von Halliburton stets mit dem Verweis auf den mit dem Arbeitsvertrag automatisch unterzeichneten Rechtsverzicht verweigert worden. Schließlich entschied ein Bundesgericht in New Orleans im Berufungsverfahren, dass Jones’ Schadensersatzanspruch nicht von der „Schiedsvereinbarung“ umfasst war.462 Der Weg zu den Gerichten war frei. Der Jones-Fall hatte auch politische Folgen, die für die Praxis von Konfliktmanagementsystemen von erheblicher Bedeutung sind. Nachdem Jones vor dem US-Kon315

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation gress und dem Rechtsausschuss des US-Senates ausgesagt hatte, verabschiedete der Senat ein Gesetz, das die Auftragsvergabe an Unternehmen begrenzt, die in ihren Arbeitsverträgen verbindliche Schiedsvereinbarungen zur ausschließlich unternehmensinternen Beilegung von Streitigkeiten vorsehen.463 Damit wurde zum ersten Mal der Einsatz von Konfliktmanagementsystemen aufgrund der mit ihnen verbundenen Gefahren für verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte rechtlich begrenzt. Beispiel 5

Trotz dieser Exzesse vorrangig in der US-amerikanischen Praxis verbleiben gute und auch rechtlich und moralisch vertretbare Gründe für die Einführung von Konfliktma­ nagementsystemen auch für unternehmensinterne Konflikte. Die Gestaltung solcher Systeme kann allerdings auch in Deutschland natürlich nur unter Berücksichtigung der hiesigen Rechtsordnung und der hiesigen Unternehmenswirklichkeit gelingen. In erster Linie ist hierbei an das deutsche Individual- und Kollektivarbeitsrecht zu den­ ken, welches der Entwicklung und Implementierung eines Konfliktmanagements durch die Unternehmensleitung Grenzen setzt. Das dadurch geschaffene Schutzni­ veau darf in Fällen des zwingenden Rechts nicht durch privatautonome Vereinbarun­ gen unterlaufen oder gar einseitig durch die Unternehmensleitung abgewandelt wer­ den. Zugleich bieten die arbeitsrechtlichen Regelungen aber auch Ansätze für eine Strukturierung der innerbetrieblichen Konfliktlösung, die bei der Gestaltung eines Konfliktmanagementsystems genutzt werden können:464 „„ Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen und Anknüpfungspunkte für ein Konfliktmanagementsystem yy Der nach § 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in Unternehmen mit mehr als fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern zu bildende Betriebsrat fungiert als gesetzlich vorgesehener Ansprechpartner im Konflikt und als Konfliktlösungsor­ gan, vgl. §§ 84, 85 BetrVG. yy Im Rechtsweg vor den Arbeitsgerichten ist einer streitigen Verhandlung nach §  54 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) stets eine Güteverhandlung vorgeschaltet. Gemäß § 54a Abs. 1 ArbGG kann das Arbeitsgericht zudem eine außergerichtliche oder gerichtsinterne Mediation vorschlagen. yy In der Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgebern im Rahmen des Betriebsverfassungsrechts sollen nach §  74 Abs.  1 Satz  2 BetrVG Streitigkeiten mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandelt und Vorschläge für die Beilegung von Streitigkeiten gemacht werden. Maßnahmen des Arbeitskampfes sind nach § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG unzulässig. yy Im Bereich der Mitbestimmung (z.B. §§ 87 Abs. 1, 111–113 BetrVG) dienen die Einigungsstellen nach § 76 BetrVG dem Erzielen gütlicher Lösungen in Konflikten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. yy Betriebsvereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber können als Instrument der konsensualen Konfliktlösung genutzt werden. Insbesondere kann durch Betriebsvereinbarung gemäß § 86 Satz 2 BetrVG für das Beschwerdeverfahren nach den §§ 84 ff. BetrVG eine „betriebliche Beschwerdestelle“ anstatt der 316

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gesetzlich vorgesehenen Einigungsstelle eingerichtet werden. Die Ausgestaltung einer solchen Beschwerdestelle bietet einen Ansatzpunkt für ein systematisches Management von Konflikten mit Arbeitnehmern.465 yy Wie sich aus den §§ 2, 4 ArbGG ergibt, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör im arbeitsgerichtlichen Verfahren unabdingbar. Ferner kann der Arbeitnehmer nach § 4 Tarifvertragsgesetz (TVG) auf tarifvertraglich begründete Rechte nicht verzichten. Schiedsvereinbarungen schließlich sind nur für die wenigen, in § 101 Abs. 2 ArbGG genannten Berufsgruppen466 zulässig. Ein dauerhafter Klageverzicht im Rahmen eines Konfliktmanagementsystems, wie er z.B. in dem bereits erwähnten Halliburton Dispute Resolution Program enthalten ist, wäre daher in Deutschland rechtlich unwirksam.467 yy Selbst ein nur vorübergehender (dilatorischer) Klageverzicht, demzufolge der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten erst nach Durchführung eines Mediationsverfahrens offensteht, stößt jedenfalls dann an Grenzen, sofern dadurch unabdingbare Rechte des Arbeitnehmers unterlaufen werden. Das ist beispielsweise in Kündigungsstreitigkeiten der Fall, wenn ein hierfür vorgesehenes Mediationsverfahren voraussehbar nicht in der nach § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für eine Kündigungsschutzklage vorgesehenen Dreiwochenfrist abgewickelt werden kann, so dass die Durchführung der Mediation zu einem Verlust des Klagerechts des Arbeitnehmers führen würde.468 Beispiel 6

Selbst innerhalb dieser Schranken und der folglich im Vergleich zum US-amerikani­ schen Rechtsraum weniger großen Gestaltungsfreiheit lässt sich aber auch in deut­ schen Unternehmen das Potential von Konfliktmanagementsystemen für Kostensen­ kungen und Motivationssteigerungen realisieren, wie erste praktische Erfahrungen zeigen. „„ Konfliktmanagement in der SAP AG469 Bei der SAP AG gibt es seit dem Jahr 2006 einen globalen Ombudsmann für Konflikte zwischen Mitarbeitern. Wenig später begann man, die bestehenden Konfliktanlaufstellen im Unternehmen miteinander zu vernetzen. Dazu wurde zunächst ein Konfliktatlas erstellt, in dem die Vielzahl unterschiedlicher unternehmensinterner Konfliktmanagementstellen dargestellt wurde. Diese Skizze diente anschließend dazu, die gegenseitige Wahrnehmung der einzelnen Akteure zu stärken, um eine bessere Konfliktallokation zu erreichen. Gleichzeitig erschien es den Beteiligten wichtig, die Eigenständigkeiten der einzelnen Stellen zu wahren und nicht etwa das Konfliktmanagement zu zentralisieren. Ergänzend zu diesem institutionellen System schulte SAP ungefähr 150 Mitarbeiter als Konfliktnavigatoren. Diese Konfliktlotsen sind im Streitfall nicht selbst an der Problemlösung beteiligt, sondern fungieren nur als Wegweiser zu den existierenden Konfliktanlaufstellen. Weiterhin gibt es bei SAP inzwischen einen betriebsinternen Mediatorenpool mit einigen Dutzend Mediatoren, die auf ehrenamtlicher Basis bei Streitigkeiten unter Mitarbeitern vermitteln. 317

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation Eine wichtige Erkenntnis lag schließlich auch darin, dass in einem weltweit tätigen Unternehmen Konflikte in ganz unterschiedlichen Kulturen auftreten können und dies bei der Auswahl eines betriebsinternen Mediators unbedingt zu berücksichtigen ist. Ein Konfliktmanagementsystem sollte für diese kulturellen Unterschiede sensibel sein, um die Bedürfnisse der Betroffenen angemessen zu berücksichtigen. Beispiel 7

Innerbetriebliche Konflikte mit Mitarbeitern sind jedoch nur eine Ausprägung unternehmensinterner Streitigkeiten. Auch Konflikte zwischen einzelnen Unternehmens­ teilen (etwa zwischen verschiedenen Geschäftsbereichen) oder aber zwischen einzel­ nen konzernverbundenen Unternehmen zählen dazu. Solche unternehmensinternen Auseinandersetzungen sind häufig weniger persönlich und stärker materiell ausge­ prägt: Die Beteiligten kämpfen um ein bestimmtes Ergebnis für ihren Bereich. Sofern der berufliche Erfolg des jeweils Verantwortlichen im Rahmen eines Anreizsystems an die Ergebnisse seines Verantwortungsbereichs gekoppelt ist, werden entsprechen­ de Konflikte häufig besonders verbissen und oftmals ohne hinreichende Berücksich­ tigung der verursachten Konfliktkosten geführt. Zugleich lassen sich diese Konflikte in den seltensten Fällen durch ein Gericht oder Schiedsgericht beilegen, da die Kon­ fliktparteien entweder derselben juristischen Person angehören oder aber Gerichtsbzw. Schiedsgerichtsverfahren konzernintern möglichst vermieden werden sollen. Auch bietet sich nicht immer eine Konfliktlösung durch Vorgesetzte an. Sofern näm­ lich der erste gemeinsame Vorgesetzte der Beteiligten auf der Ebene des Vorstands bzw. der Geschäftsführung angesiedelt ist, ist er nicht selten zu weit vom eigentlichen Konfliktfall entfernt. Gleichzeitig erschweren die häufig stark divergierenden Darstel­ lungen des Sachverhalts durch die Beteiligten zusätzlich eine sachgerechte Entschei­ dung übergeordneter Hierarchieebenen. Vor diesem Hintergrund findet nach einem von der Rechtsabteilung der Siemens AG im Jahre 2002 speziell für diese Art von unternehmensinternen Konflikten entwickel­ ten Konfliktmanagementsystem470 zunächst eine Verhandlung zwischen den Beteilig­ ten statt, an der unter Umständen der betroffene Vorgesetzte teilnimmt. Bleibt diese Verhandlung ergebnislos, können beide Seiten die Rechtsabteilung als verantwortli­ che Stelle für das Konfliktmanagement einschalten. Diese bespricht mit den Betei­ ligten das weitere Vorgehen. Verfahren der Wahl sind zunächst Schiedsgutachten, da viele derartige Konflikte in erster Linie einen sachlich-technischen und weniger einen rechtlichen Hintergrund haben. Daneben kommen Mediationsverfahren in Betracht, die entweder intern durch die Rechtsabteilung oder durch externe Mediatoren unter administrativer Begleitung der Rechtsabteilung durchgeführt werden. Werden diese Verfahren von den Beteiligten abgelehnt, oder kommt auch hierdurch keine Einigung zustande, so erarbeitet die Rechtsabteilung in Abstimmung mit den Beteiligten eine Entscheidungsvorlage für den Vorstand bzw. die Geschäftsgebietsleitung. Darin gibt sie – ohne eigene Stellungnahme – den wesentlichen Sachverhalt und die maßgebli­ chen Argumente der Beteiligten wieder. Anhand dieser Vorlage führt sodann der Vorstand bzw. die Geschäftsgebietsleitung eine Konfliktlösung herbei.

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Mediationsverfahren institutionalisieren ­|  Kap. 13

Als ein weiteres, interessantes Beispiel sei auf das Unternehmen E.ON verwiesen. Es startete 2006 zur Beilegung konzerninterner Streitigkeiten  – sowohl zwischen als auch innerhalb der einzelnen Konzerngesellschaften – ein Projekt zur Konzernmedi­ ation. Die intern als Mediatoren ausgebildeten Mitarbeiter treten dabei gegenüber den streitenden Parteien zwar als Dritte auf, sind aber zugleich mit dem Konzern und seiner Funktionsweise vertraut. Bei der Mediatorenausbildung, dem verfahrensrecht­ lichen Rahmen wie auch der Kommunikation des Verfahrens werden die allgemeinen Mediationsregeln durch konzernspezifische modifiziert. Neben seinem Zweck der Streitbeilegung wirkt sich das Projekt nach Angaben von mit dem Projekt betrauten Mitarbeitern auch positiv auf deren Verhandlungs- und Kommunikationsverhalten aus.471 Ein solches transparentes und konsensorientiertes Konfliktmanagement hilft, auch für materielle, unternehmensinterne Konflikte effektive Lösungen zu finden, in de­ nen sich die Beteiligten mit ihren Ansichten wiederfinden und die sich nicht in einer autoritativen Entscheidung durch die Unternehmensleitung erschöpfen. Zudem dis­ zipliniert die Perspektive, dass es jedenfalls im Nichteinigungsfall zu einer solchen Entscheidung käme: Der Anreiz, zu einer einvernehmlichen Konfliktlösung zu fin­ den, steigt.

Prinzipien der erfolgreichen Gestaltung von Konfliktmanagementsystemen Die in den vorangegangenen Abschnitten diskutierten Beispiele zeigen die große Bandbreite für die Ausgestaltung von Konfliktmanagementsystemen für unterneh­ mensexterne sowie ‑interne Konflikte. Welches sind die Prinzipien, die diese Ausge­ staltung leiten sollten und über Erfolg oder Misserfolg eines entsprechenden Systems entscheiden?472 Analyse des bisherigen Konfliktverhaltens Die sinnvolle Gestaltung eines Konfliktmanagementsystems setzt eine gründliche Analyse des bisherigen Konfliktverhaltens und des Umgangs mit Konflikten voraus: Wo entstehen die meisten Konflikte? Welcher Art sind diese Konflikte (vgl. Kapi­ tel  1)? Wer ist an ihnen häufig beteiligt? Wie wird mit aufkommenden Konflikten umgegangen? Welche Verfahren werden zur Konfliktlösung eingesetzt? Wie effektiv arbeiten diese Verfahren, das heißt: Werden die Konflikte wirklich dauerhaft gelöst? Sind die Beteiligten mit den Lösungen zufrieden? Welche Kosten werden für die Bei­ legung von Konflikten aufgewendet, und welche Wirkung hat der bisherige Umgang mit Konflikten sowohl intern für die Motivation der Mitarbeiter als auch extern für die Außendarstellung des Unternehmens? Sich diese Fragen zu stellen und sie zu beantworten, erfüllt zwei Funktionen: Zum einen werden Schwachstellen des bisherigen Umgangs mit Konflikten aufgedeckt und somit die Ansatzpunkte für die Gestaltung systematischer Verbesserungen deutlich. 319

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Zum anderen wird aber auch die Messlatte für das zu schaffende Konfliktmanage­ ment gelegt. Ohne vergleichbare Ausgangsdaten kann der Erfolg eines solchen Sys­ tems nicht beurteilt werden. Schon zur Erhebung des Status quo empfiehlt es sich, die Mitarbeiter aktiv zu beteiligen. Grundsatzentscheidung der Unternehmensleitung Wird ein Konfliktmanagementsystem eingerichtet, so sollte dieser Schritt (nur) mit der vollen Unterstützung der Unternehmensführung gegangen und entsprechend kommuniziert werden. Erforderlich ist ein Signal, dass das aktive Management von Konflikten Teil  der Unternehmenspolitik und der Unternehmensphilosophie werden soll. Ein solches Signal kann beispielsweise in den veröffentlichten „obersten Grund­ sätzen“ des Unternehmens gesetzt werden. Teil der erforderlichen Unterstützung „von oben“ ist auch die Bereitstellung der nötigen finanziellen und personellen Mittel zur Umsetzung der zu entwickelnden Ideen. Beteiligung der Mitarbeiter So wichtig die Unterstützung „von oben“ auch ist, so unverzichtbar ist die Akzeptanz eines neuen Konfliktmanagementsystems „in der Breite“. Die Mitarbeiter müssen das System annehmen, soll es im Alltag auch eingesetzt werden und zu Veränderungen führen. Dafür haben sich unterschiedliche Mechanismen als erfolgreich erwiesen: Es ist zunächst hilfreich, die Mitarbeiter über die geplanten Veränderungen von Anfang an zu informieren. Nur wer versteht, zu welchem Zweck und mit welchen Mitteln der Umgang mit Konflikten verändert werden soll, wird sich daran aktiv beteiligen kön­ nen und wollen. Es empfiehlt sich daher, die Mitarbeiter in Schulungen mit den Grundfragen alternativer Konfliktlösungsmethoden vertraut zu machen. Solche Kur­ se steigern die Konfliktkompetenz jedes einzelnen und können zu einer dauerhaften Senkung der insgesamt für die Konfliktbewältigung aufgewendeten Kosten führen. Dabei kann gerade solchen Mitarbeitern, die eine entsprechende Begabung und ein entsprechendes Interesse mitbringen, eine besondere Ausbildung zu professionellen „Konfliktmanagern“ oder Mediatoren angeboten werden. Die Vertreter der Rechtsab­ teilung (vgl. das Beispiel der Siemens AG) sowie vor allem die Mitarbeiter der Perso­ nalabteilung bieten sich naturgemäß für eine solche Rolle an. Im Übrigen lassen sich Begabung für und Bereitschaft zum Einsatz alternativer Konfliktlösungsmethoden auch bei der Auswahl und Bewertung von Führungskräften berücksichtigen. Bei der Zusammensetzung des konzerneigenen Mediatorenpools legt E.ON z.B. Wert auf die Berücksichtigung bestimmter Kriterien der Mitarbeiter wie Zugehörigkeit zu Kon­ zerngesellschaft, Beruf, Hierarchie, Betriebsstandort, Alter oder Geschlecht. Neben der Information und Schulung der Mitarbeiter ist es förderlich, diese auch an der Ausgestaltung des Systems zu beteiligen. Sie sind die beste Informationsquelle, wenn es darum geht, den bisherigen Umgang mit Konflikten zu analysieren. Ferner haben sie aufgrund ihrer unmittelbaren Erfahrung oftmals viele kreative Ideen zur Konfliktlösung. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter ein neues Konfliktmanagement am ehesten akzeptieren werden, wenn sie Einfluss auf dessen konkrete Ausgestaltung 320

Mediationsverfahren institutionalisieren ­|  Kap. 13

nehmen konnten. In diesem Zusammenhang sei nochmals daran erinnert, wie wich­ tig die Einbettung eines Konfliktmanagementsystems in die bestehende Konfliktkultur des Unternehmens ist. Die gewachsenen Strukturen, sei es in Form des Betriebs­ rats, sei es in Form einzelner Mitarbeiter, die sich als Vertrauenspersonen in Konflikten hervorgetan haben, sollten durch ein Konfliktmanagementsystem nicht ersetzt, sondern vielmehr zu dessen Gestaltung eingesetzt werden. Dies betrifft auch die externen Rechtsanwälte. Auch diese sollten bei der Gestaltung des Systems betei­ ligt werden oder zumindest mit den Mechanismen des neu geschaffenen Konfliktma­ nagements vertraut gemacht werden. Bestimmung einer verantwortlichen Stelle Ferner ist zu entscheiden, welche Abteilung im Unternehmen für die Umsetzung des Konfliktmanagementsystems verantwortlich sein soll. Wichtig ist, dass die von dem System Betroffenen einen konkreten Ansprechpartner für alle Fragen der Nutzung und Weiterentwicklung haben und dass die Steuerung des Systems möglichst aus einer Hand erfolgt. Auch bei der Wahl einer verantwortlichen Stelle für das Konfliktma­ nagementsystem werden Sie vermutlich in erster Linie an die Personal- und/oder die Rechtsabteilung denken. Daneben können Sie die bereits angesprochenen, arbeits­ rechtlich vorgegebenen Institutionen einbinden. In Betracht kommen hier vor allem die Einigungsstellen nach § 76 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bzw. eine für das Beschwerdeverfahren nach den §§ 84 ff. BetrVG stattdessen durch Betriebsvereinba­ rung gemäß § 86 Satz 2 BetrVG einzurichtende „betriebliche Beschwerdestelle“, sowie möglicherweise auch der Betriebsrat (vgl. Beispiel 6). Bestimmung der anzuwendenden Verfahren Sodann müssen die Gestalter eines Konfliktmanagementsystems festlegen, welche Verfahren für welche Art von Konflikten zum Einsatz gebracht werden sollen. Wich­ tig ist hier vor allem, dass Instanzen zur frühzeitigen Erkennung und Beurteilung von Konflikten geschaffen werden. Diese Aufgabe können insbesondere die Leiter des Konfliktmanagementsystems aus der Personal- und/oder Rechtsabteilung in Zusam­ menarbeit mit den bereits beschriebenen, im Unternehmen ausgebildeten Kon­ fliktmanagern („Konfliktlotsen“) übernehmen. Es muss – bildhaft gesprochen – ein Umschlagplatz für Konflikte zur Verfügung stehen, auf dem die Parteien zu einem geeigneten Lösungsverfahren finden können. Unterstützend lassen sich hier Fallbe­ wertungsformulare ähnlich dem bereits dargestellten screen bei Motorola einsetzen. Ein ähnlicher, allgemein verwendbarer Bewertungsbogen kann über das CPR Inter­ national Institute for Conflict Prevention & Resolution bezogen werden.473 Als konkrete Verfahren kommen zunächst strukturierte Gespräche in Betracht, die insbesondere aufgrund der vorherigen Schulungen in Mediationstechniken häufig konstruktiver als vor Einrichtung des Systems verlaufen werden. Solche Gespräche können auch genutzt werden, um gemeinsam das weitere Vorgehen in einem Kon­ fliktfall zu vereinbaren. Weiter lassen sich interne Mediationsverfahren vorsehen, die von den im Unternehmen zu Konfliktmanagern oder Mediatoren ausgebildeten Mit­ 321

Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

arbeitern geleitet werden können. Soll die Erfahrung (oder auch die Neutralität) ­professioneller Konfliktmanager genutzt werden, oder handelt es sich um unterneh­ mensexterne Konflikte, sind externe Mediationsverfahren unter Leitung einer Me­ diationsinstitution in Betracht zu ziehen (vgl. Kapitel 12). Schließlich kann erwogen werden, sachliche oder rechtliche Begutachtungen strittiger Fragen durch externe Sachverständige oder Rechtsanwälte oder auch intern durch Mitarbeiter der Rechts­ abteilung einzuholen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang daran, dass die Teilnahme an den beschriebe­ nen Verfahren in betriebsinternen Konflikten für die Mitarbeiter insofern freiwillig sein muss, als dadurch weder der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten abgeschnit­ ten noch zwingende Arbeitnehmerschutzrechte unterlaufen werden dürfen. Verpflich­ tend kann ein solches System – jedenfalls sofern es den staatlichen Rechtsweg verzö­ gert oder ausschließt  – daher lediglich einseitig für das Unternehmen ausgestaltet werden. Jedoch ist auch eine in diesem Sinne asymmetrische Verpflichtung insofern gegebenenfalls sinnvoll, als sie den Arbeitnehmern des betroffenen Unternehmens signalisiert, dass dieses tatsächlich hinter dem eingeführten System steht. Somit stei­ gert diese einseitige Verpflichtung möglicherweise auch die Bereitschaft der Beleg­ schaft zur freiwilligen Teilnahme. Staffelung der Verfahrensarten Um die Kostenvorteile alternativer Konfliktlösungsverfahren zu realisieren, sollten die in das System integrierten Verfahrensschritte in der Reihenfolge ihrer Kostenin­ tensität gestaffelt werden. Diese entspricht der Reihenfolge der hier gewählten Dar­ stellung: direkte Gespräche, interne oder externe Mediationsverfahren bzw. interner oder externer Sach- oder Rechtsrat, Schieds- bzw. Gerichtsverfahren.474 Mit der Kos­ tenintensität steigt regelmäßig zugleich der Grad der Verbindlichkeit der Verfahren. Auch insofern ist die hier gewählte Reihenfolge sinnvoll, da danach zunächst die we­ niger verbindlichen Verfahren zur Anwendung kommen und so der Raum für eine selbst gefundene Lösung möglichst lange offengehalten wird. Zugleich empfiehlt es sich, die in der Reihenfolge später gestaffelten Verfahren nicht allein als „Einbahn­ straße“, sondern vielmehr als potentielle Schleife (loop back) zurück zu den vorheri­ gen Stufen zu konzipieren. So können zum Beispiel begutachtende Verfahren (Sach­ verständige, Rechtsrat) ins Stocken geratene direkte Gespräche und Verhandlungen wieder in Gang bringen. Anpassung der Anreizstrukturen Schließlich sollten im Rahmen des Konfliktmanagementsystems die bereits beschrie­ benen Kosten-Anreizstrukturen für die Nutzung alternativer Konfliktlösungsverfah­ ren dadurch gesetzt werden, dass alle Kosten der Konfliktbehandlung dort verbucht werden, wo sie verursacht wurden.

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Mediationsverfahren institutionalisieren ­|  Kap. 13

Evaluation und Weiterentwicklung Abgerundet wird ein Konfliktmanagementsystem durch Maßnahmen der Evaluation und Weiterentwicklung. In regelmäßigen Abständen durch die Mitarbeiter und die externen (Rechts‑)Berater vorgenommene Bewertungen lassen die Veränderungen erkennen, die schon bewirkt wurden, und zeigen zugleich auf, welche Verbesserun­ gen der zunächst implementierten Struktur noch möglich und sinnvoll sind. Transparenz und Förderung Wie bereits eingangs dargestellt, sollten die schließlich umgesetzten Ideen zum Kon­ fliktmanagement sodann in einer veröffentlichten Unternehmenspolitik und/oder in einem Handbuch festgehalten werden, um diese auch im Geschäftsalltag für alle Be­ teiligten sichtbar und leicht handhabbar zu machen. Gegenüber den externen Ge­ schäftspartnern sollten die einschlägigen Elemente des gewählten Konfliktmanage­ mentsystems ebenfalls deutlich gemacht und aktiv gefördert werden. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Möglichkeit der Abgabe einseitiger (bindender) Ab­ sichtserklärungen und den Abschluss von Verträgen mit Mediationsklauseln sowie von Konfliktmanagementverträgen. „„ Prinzipien der erfolgreichen Gestaltung von Konfliktmanagementsystemen yy Analyse des bisherigen Konfliktumgangs und seiner Schwachstellen yy Bewusste Entscheidung der Unternehmensführung, Anstoß zu neuer Unternehmenspolitik im Umgang mit Konflikten yy Information, Schulung und Beteiligung der Mitarbeiter auf allen Ebenen sowie der externen Berater yy Ausbildung einzelner Mitarbeiter zu „Konfliktlotsen“ und Mediatoren yy Bestimmung einer für das System verantwortlichen Stelle unter Integration bestehender Konfliktlösungssysteme (Personalabteilung, Rechtsabteilung, ggf. Betriebsrat etc.) yy Festlegung anzuwendender Verfahren für unterschiedliche Konfliktsituationen und Bestimmung entsprechender Auswahlkriterien unter Beachtung des arbeitsrechtlichen Rahmens yy Staffelung der anzuwendenden Verfahren nach Kostenintensität bzw. Verbindlichkeit yy Schleifen zurück in der Kette der Verfahrensarten yy Anpassung der Anreizstrukturen durch geeignete Konfliktkostenzuweisungen yy Evaluation und Weiterentwicklung yy Transparente Darstellung des Systems nach innen und fördernde Maßnahmen nach außen (Vertragsgestaltung etc.) Beispiel 8

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Teil III ­|  Erfolgreiche Anwendung von Mediation

Zusammenfassung Wir haben uns in diesem Schlusskapitel mit Instrumenten einer Institutionalisierung von Mediation befasst. Damit schließt sich der Kreis zum Ausgangspunkt unserer Darstellung: Konflikte sind im Wirtschaftsleben ebenso unvermeidlich wie in allen anderen Lebensbereichen. Das heißt jedoch nicht, dass der Umgang mit wirtschaftli­ chen Konflikten nicht geplant und systematisch verbessert werden könnte. Anders gewendet: Gerade weil das Auftreten von Konflikten auch in der Wirtschaft nicht vermieden werden kann, drängt sich die Frage nach einem professionellen Konfliktmanagement auf. Hierzu können Mediationsverfahren einen wesentlichen Beitrag leisten. Ihr volles Potential entfalten sie jedoch erst dann, wenn sie nicht nur sporadisch, sondern in geplanter und institutionalisierter Weise zum Einsatz kommen. Ausgehend von ei­ nem Wandel im Verständnis von Konflikten und dem Bewusstsein ihrer Kosten kann die Herausforderung einer solchen Institutionalisierung insbesondere durch den Ein­ satz umfassender Konfliktmanagementsysteme gemeistert werden. Selbstbindungs­ mechanismen und vertragliche Vereinbarungen zwischen Unternehmen sind Ele­ mente eines solchen Systems im Bereich unternehmensexterner Konflikte. Die Einrichtung von Beschwerdestellen, die Ausbildung einzelner Mitarbeiter zu Media­ toren, die Inanspruchnahme anderer, unternehmensfremder Mediatoren sowie die einseitige Verpflichtung des Unternehmens zur vorrangigen Nutzung der Mediation sind Elemente bezüglich unternehmensinterner Konflikte. Überwölbt werden sollten diese beiden Bereiche eines Konfliktmanagementsystems von einer klaren Unterstüt­ zung durch die Unternehmensleitung, einer Analyse des bisherigen und einer Aus­ wertung des zukünftigen Umgangs mit Konflikten, der Bestimmung einer für das Konfliktmanagement verantwortlichen Stelle sowie der Ausrichtung der internen Kosten-Anreizstrukturen auf die Nutzung des jeweils effizientesten Streitbeilegungs­ mechanismus.

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Die Zukunft der Wirtschaftsmediation Damit sind wir am Ende unseres Buches angekommen. In den vorangegangenen Ka­ piteln haben Sie die Methode und das Potential der Mediation kennengelernt. Dabei haben wir gesehen, dass die Mediation in Wirtschaftskonflikten sehr häufig eine at­ traktive Alternative zur Konfrontation vor einem streitentscheidenden Dritten bietet. Wie aber sieht die Zukunft der Wirtschaftsmediation aus? Schon in der ersten Aufla­ ge dieses Buches haben wir einen Ausblick gewagt und versucht, diese Frage aus der damaligen Perspektive zu beantworten. Jetzt, 15 Jahre später, haben sich viele unserer Erwartungen erfüllt oder sind sogar übertroffen worden. Die Mediation und verwandte Verfahren haben in den vergangenen Jahren eine ra­ sante Entwicklung genommen und sind nun mittlerweile auch in Deutschland neben dem Zivilprozess und Schiedsverfahren als Konfliktbeilegungsmethoden etabliert. Die Mediation findet vielerorts auch in der Ausbildung Berücksichtigung. Neben dem universitären Angebot hat sich dabei ein aktiver und vielfältiger freier Markt für Aus- und Weiterbildung im Bereich ADR etabliert, der maßgeblich von den Media­ tionsverbänden als den berufsständischen Vereinigungen der Mediatoren getragen wird. Auch in den Unternehmen wird die Mediation zunehmend für die Beilegung inner­ betrieblicher Konflikte und von Streitigkeiten zwischen Unternehmen eingesetzt. Viele, auch prominente Unternehmen haben praktische Erfahrungen mit der Nut­ zung der Mediation sammeln können und entwickeln ihre „Werkzeuge“ für die Beile­ gung von Konflikten anhand dieser Erfahrungen laufend weiter. Im „Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft“ sind eine Vielzahl namhafter deutscher Unternehmen verbunden und arbeiten gemeinsam an einer weiteren Professionalisierung des Konfliktmanagements. Einzelne Unternehmen set­ zen zur Beilegung unternehmensinterner Konflikte zunehmend auf integrierte Konfliktmanagementsysteme. Die gerichtsinternen Mediationsprogramme („Güterich­ ter“) laufen mit Erfolg und tragen ihrerseits zu einer intensiveren Wahrnehmung und stärkeren Nutzung der Mediation auch in breiteren Schichten der Bevölkerung und der Unternehmen bei. Im Kontext dieser Etablierung der Mediation als Streitbeilegungsmethode beobach­ ten wir zwei – durchaus gegenläufige – Trends: Einerseits ist eine stärkere Institutionalisierung der Mediation, getrieben vor allem durch den Gesetzgeber und durch private wie staatliche Ausbildungsanbieter festzu­ stellen. Zu nennen sind hier vor allem das 2012 in Kraft getretene deutsche Mediationsgesetz und die 2017 in Kraft getretene Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren. Wichtige Motive sind hier die Festlegung bestimmter Mindeststandards für die Qualifikation des Mediators und für die Qualität und Ver­ lässlichkeit des Verfahrens. Auf privater Ebene haben Ausbildungs- und andere In­ stitute ähnliche Standards etabliert. Diese Institutionalisierung verfolgt gewiss be­ 325

Die Zukunft der Wirtschaftsmediation

deutsame Ziele. Gleichwohl führt sie zwangsläufig zu einer kritisch zu sehenden Engführung, sei es in der Definition dessen, was Mediation sein oder nicht sein soll, sei es in der Frage, wer Mediation anbieten oder nicht anbieten können soll. Demgegenüber ist andererseits die wirtschaftliche Praxis von einer erfrischenden Un­ verkrampftheit im Umgang mit der Mediation und verwandten Verfahren und einer großen Offenheit zur gesamten Palette denkbarer Streitbeilegungsmethoden geprägt. Mehr und mehr setzt sich in Unternehmen offenbar das Bewusstsein durch, dass es nicht das geeignete Konfliktlösungsverfahren für sämtliche Konflikte in der Wirt­ schaft gibt, sondern dass unterschiedliche Konflikte auch unterschiedliche Kon­ fliktbeilegungsverfahren erfordern und dass diese Verfahrensvielfalt durch zahlreiche Anbieter am Markt auch verfügbar ist. Damit einher geht die Erkenntnis, dass Kon­ flikte in der Wirtschaft nicht die Konflikte Dritter, sondern die eigenen Konflikte sind, und dass es zu einem verantwortlichen und kosten- und risikobewussten Umgang mit diesen Konflikten gehört, auch die jeweils geeigneten Konfliktbeilegungsverfah­ ren zu wählen und auszugestalten. So entstehen neue, teils hybride Verfahren aus unterschiedlichen Elementen der „klassischen“ ADR-Verfahren, die Rolle und Funk­ tion des Mediators wird variiert, und neben der reinen Mediation werden halbver­ bindliche, begutachtende Verfahren wie zum Beispiel dispute boards zunehmend und mit Erfolg eingesetzt. Insbesondere die anwaltlichen Berater sind mehr und mehr auch als Verfahrensgestalter gefragt. Damit scheint sich allmählich der Kreis zu einem wichtigen Ausgangspunkt in der zeitgenössischen Diskussion über alternative Streitbeilegungsmechanismen zu schlie­ ßen: der wegweisenden Idee von Frank Sander eines „fitting the forum to the fuss“ – also der maßgeschneiderten Gestaltung des für den jeweiligen Konflikt geeigneten Forums. Wir begrüßen diesen offenen Ansatz, der weniger danach fragt, was Mediation ist oder nicht ist, sein darf oder nicht sein darf, sondern eher herausfinden möchte, wie ein Mediator oder auch ein sonstiger Dritter den Parteien effektiv bei der Lösung ih­ res jeweiligen Konflikts statt oder vor einer verbindlichen Drittentscheidung durch einen Richter oder Schiedsrichter helfen kann. Dieser offene Ansatz ist unseres Er­ achtens der richtige und konsequente Ausdruck der für die Mediation so wichtigen Prinzipien der Freiwilligkeit und der Privatautonomie auch auf der Verfahrensebene. Es wird spannend bleiben zu sehen, ob der Gesetzgeber und andere Akteure, welche die Mediation institutionalisieren wollen, mit dieser in der Praxis sich entwickelnden Vielfalt Schritt halten und diese nicht ohne Not einengen. Da auch sie letztlich das Ziel verfolgen, die Mediation und ihre Nutzung zu fördern, bleibt zu hoffen, dass ih­ nen dies gelingt.

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Endnoten zu den Kapiteln

  I Die Herausforderung eines professionellen Konfliktmanagements   1 Ursachen, Entwicklung und Folgen von Konflikten in der Wirtschaft verstehen 1 Heraklit, zitiert nach Orthbrandt (1985), S.  58. Vgl. hierzu auch Heraklit/Diels (1960), S. 169. 2 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 20.3.2002, S. 17. 3 So die Einschätzung von Stettes vom Institut der deutschen Wirtschaft, zitiert auf https:// www.welt.de/wirtschaft/article140493233/Wie-teuer-der-Streik-der-Lokfuehrer-wirklichwird.html. 4 Zu diesem Befund kam das Wiener Hernstein Management Institut, Frankfurter Allgemei­ ne Zeitung (F.A.Z.) v. 8.7.2002, S. 17. 5 Vgl. für einen Überblick: Raiser (2013), S. 292 ff. 6 Für Überblicke über den aktuellen Forschungsstand vgl. Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2017); Thompson (2014); Bazerman (2005); Moffitt/Bordone (2005); Menkel-Meadow/ Love/Kupfer-Schneider (2013); Arrow/Mnookin/Ross/Tversky/Wilson (1995); Breslin/Rubin (1991). 7 Bislang gibt es noch keine allgemein anerkannte Typologie der Konfliktarten, sondern nur eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze. Das Spektrum reicht von der von Aubert getroffe­ nen Unterscheidung zwischen competition (Verteilungskonflikt) und dissensus (Wertkon­ flikt) über die ähnliche Terminologie bei Thibaut und Walker (conflicts of interests und conflicts of cognition) bis zu der im Anschluss an Luhmann getroffenen Differenzierung zwischen personen‑, rollen- und normbezogenen Konflikten bei Gessner. Vgl. Gessner (1976); Thibaut (1975); Aubert (1963), S. 179. Vgl. zum Ganzen auch Raiser (2013), S. 298 ff. 8 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 7.9.2001, S. 19. Im Oktober 2002 begann die Serienfertigung des Minivan Touran nach dem 5000 × 5000-Modell, Frankfurter Allgemei­ ne Zeitung (F.A.Z.) v. 12.9.2002, S. 26. 9 Süddeutsche Zeitung (S.Z.) v. 5.11.2008, S. 22. Dies hatte zur Folge, dass die Auto 5000-Be­ schäftigten den VW-Angestellten gleichgestellt und wieder nach dem finanziell attraktive­ ren Haustarifvertrag des Konzerns bezahlt wurden. 10 Luhmann (1999), S. 101 f. 11 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind solche Bearbeitungsgebühren in der Regel unzulässig, weil der Kunde die Leistungen der Bank durch den Zins umfassend abgilt; vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2017, 70 Neue Juristische Wochenschrift (NJW), S.  2995  ff. (2017). 12 Ausführlich dazu Fries (2018), S. 161 ff. 13 Manager Magazin März 1999, S. 36 f. 14 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 21.8.2001, S. 19. 15 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 27.9.2006, S. 17. 16 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 8.3.2001, S. 17. 17 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 6.4.2000, S. 1. 18 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) v. 6.10.2002, S. 37. 19 http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/fuehrungskraefte-und-piloten-air-berlin-verzichten-­ auf-gehalt-a-1075836.html.

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Endnoten zu den Kapiteln 20 Vgl. oben En. 4. 21 Goffman (1982), S. 139 ff. Vgl. dazu auch Luhmann (1999), S. 58. 22 Böhm (2000), S. 38 f. 23 Hoffmann (1999). 24 Schwarz (2014), S. 99 ff. 25 Schulz von Thun (2013), S. 216 ff.; zur Person als Quelle sozialer Konflikte Glasl (2007), S. 38 ff. 26 Glasl (2017), S. 14 ff. definiert den Konflikt als „Interaktion zwischen Aktoren …, wobei wenigstens ein Aktor eine Differenz bzw. Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen und im Den­ ken bzw. Vorstellen und im Fühlen und im Wollen mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will eine Beeinträchtigung durch einen anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge“. 27 Vgl. Rubin/Pruitt/Kim (2004), S. 7 f.: „For us, conflict means perceived divergence of interest, or a belief that the parties’ current aspirations cannot be achieved simultaneously“ (Hervor­ hebung im Original). 28 Vgl. hierzu eingehend Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2017), S. 41 ff.; Thompson (2014), S. 5 ff. 29 Cooper/Fazio (1979); vgl. auch Rubin/Pruitt/Kim (2004), S. 106 f., 156 ff. m. w. N. zu empi­ rischen Untersuchungen. 30 Festinger (1957). 31 Einhorn/Hogarth (1978). 32 Für einen Überblick über die empirischen Untersuchungen siehe Neale/Bazerman (1991), S. 53 ff. 33 Kahnemann/Tversky (1995), S. 46 ff. 34 Tversky/Kahnemann (1974). 35 Merton (1957), S. 179 ff.; für eine empirische Untersuchung, die sich selbsterfüllende Vor­ hersagen von Lehrern gegenüber Schülern nachgewiesen hat, vgl. Rosenthal/Jacobson (1968). 36 Dipboye (1982). 37 Rubin/Pruitt/Kim (2004), S. 159 m. w. N. 38 Kahnemann/Tversky (1979); dies. (1984). 39 Arkes/Blumer (1985); Thaler (1980). 40 Zur Mediation in Streitigkeiten, die bereits in einer höheren Gerichtsinstanz anhängig sind, Ishikawa/Curtis (2016). 41 Oskamp (1965); für Beispiele weiterer empirischer Untersuchungen vgl. Ross (1995) m. w. N. 42 Ross (1995), S. 34. 43 Ross (1995), S. 35. 44 Ross (1995), S. 37. 45 Einen guten Überblick über verschiedene Ansichten zum Einfluss der Kultur auf Verhand­ lungen geben Faure/Rubin (1993); zu Kultur und Konfliktmanagement: Ross (1993); vgl. auch LeBaron (2014); Avruch (2003). 46 Carroll/Mackie (2016), S. 5 f., 99 ff. 47 Glasl (2017), S. 14, S. 235 ff. sowie ders. (2003), S. 103 ff., 112. 48 Glasl (2017), S. 241 ff. 49 Kittel (2002). 50 Böhm (2000), S. 54. 51 New York Times v. 19.1.2001, S. 19 (Business). 52 Glasl (2017), S. 279. 53 http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-09/schmaehgedicht-jan-boehmermann-­ klage-angela-merkel.

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Endnoten zu den Kapiteln 54 http://www.zeit.de/hamburg/aktuell/2017-11/07/fussball-vor-aufsichtsratswahl-hsv-disku​ tiert-kuehne-vertreter-07120003. 55 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 15.3.1989, S. 20. 56 Zur Verhandlungsdynamik und der Bedeutung der Konzessionen in diesem Fall vgl. McKersie (1991). 57 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 21.1.1991, S. 17. 58 Shakespeare (1986), Act 3, Scene 4. 59 Glasl (2003), S. 105 f.

2 Alternativen zur traditionellen Konfliktbeilegung erkennen 60 Schwarz (2014), S. 281 ff. 61 Pressemitteilung der STEAG Aktiengesellschaft v. 29.6.2000. 62 Schwarz (2014), S. 281. 63 Haft (2000), S. 20 ff. 64 Nadler/Thompson/Van Boven (2003), S. 535. Die Studie zeigt allerdings auch, dass sich die­ ser Anteil durch Lernprozesse auf 37 % erhöhen lässt. Ebenda, S. 536. 65 Hrebec/Thompson (1996), S. 406. 66 Ebenda. 67 Nadler/Thompson/Van Boven (2003); Menkel-Meadow (2001); dies. (1993). 68 Kilmann/Thomas (1977) auf der Grundlage von Blake/Mouton (1964). 69 Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 25.3.1993, 46 Neue Juristische Wochenschrift (NJW), S. 1972 (1993). 70 Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 25.3.1993, 46 Neue Juristische Wochenschrift (NJW), S. 1972 (1993). 71 Patton (2005), S. 288. 72 Vgl. hierzu Luhmann (1999), S. 58; Luhmann (1976), S. 69. 73 Die Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter wurde 2006 offiziell abgeschlossen. Ins­ gesamt wurden durch die Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ fast 4,4 Mrd. Euro verteilt, Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 13.6.2007, S. 13. 74 Die Äußerung fiel in der ersten Doppelstunde einer Veranstaltung „Game Theory“ von Prof. Adam Brandenburger an der Harvard Business School im Wintersemester 1996/97 in Anwesenheit eines der Autoren. 75 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 11.7.2002, S. 33. 76 Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 13.6.2002, 57 Wertpapier-Mitteilungen (WM) S.  34 (2003). 77 In Betracht kommt neben den Tatbeständen der Nötigung (§ 240 StGB) und ggf. Erpres­ sung (§ 253 StGB) vor allem eine Strafbarkeit wegen Betruges (§ 263 StGB), die in diesen Fällen auch häufig einschlägig sein wird, da es dem Betreffenden ja gerade darum geht, sich durch Täuschung seines Verhandlungspartners einen rechtswidrigen Vorteil zu verschaffen und sich auf dessen Kosten zu bereichern. 78 Vgl. den zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung geltenden Art. 5 (2) Nr. 2, (3) der Verord­ nung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28.6.1995 bzw. (vom 1.10.2002 bis 31.5.2013) Art. 3 (5) b) der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 v. 31.7.2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abge­ stimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor. Seit dem 1.6.2013 gilt die Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20.4.2010, die eine solche Regel nicht mehr kennt. 79 Der Spiegel 11/2009, S. 40 ff. 80 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 8.3.2001, S. 17. 81 Böhm (2000), S. 99. 82 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 25.11.2002, S. 17.

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Endnoten zu den Kapiteln 83 Süddeutsche Zeitung (S.Z.) v. 9./10.6.2001, S. 23. 84 Dabei vermieden es die Parteien selbst aus strategischen Gründen, von einer „Schlich­ tung“ zu sprechen, da die Bahn gerade keinen Tarifvertrag mit der GDL abschließen, ­sondern lediglich „Gespräche“ führen wollte, Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 11.8.2007, S. 10. 85 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 4.11.2010, S. 8. 86 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 11.8.2009, S. 15. 87 Vgl. Bürger (2014), S. 203 ff. 88 Vgl. Bürger (2014), S. 121 ff. 89 Vgl. Bürger (2014), S. 239. 90 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 24.2.2001, S. 16. 91 UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schieds­ sprüche v. 10.6.1958, abgedruckt in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann (2018), Schlussanhang VI. A. 1). 92 Bonell (2001). 93 Der Vergleich ist unter https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/K/tollcollect-­ ver​ gleich.html frei online abrufbar. 94 Statt vieler Greger/Stubbe, (2007). 95 Fisher/Ury/Patton (1991). Der in der Übersetzung verwendete Begriff „Harvard Konzept“ mag insofern etwas irreführend sein, als sich an der Harvard University Wissenschaftler verschiedener Disziplinen mit durchaus unterschiedlichen Ansätzen der Verhandlungsund Konfliktforschung widmen. Er ist allerdings auch zutreffend, weil die Autoren eben alle an der Harvard University und dem von Roger Fisher dort gegründeten Program on Negotiation tätig waren bzw. sind. 96 Der Ausdruck geht zurück auf Fisher/Ury/Patton (1991). 97 So hat die Untersuchung von Thompson (1991), S. 177 ergeben, dass Parteien, die Infor­ mationen zur Verfügung stellen und von ihrem Verhandlungspartner einfordern, ihre Urteilsgenauigkeit und ihre Fähigkeit zur Entwicklung beiderseits interessengerechter Er­ gebnisse verbessern konnten. Vgl. hierzu auch Thompson (2014), S.  114  ff.; Bazerman/ Neale (1993), S. 90 ff. 98 Rapoport (1989). 99 Eidenmüller (1997), S. 49 ff.; Lax/Sebenius (1986), S. 5 f., 29 ff. 100 Unsere Definition entspricht der Ausweitung des Begriffs Mediation in der internationa­ len Literatur zum Konfliktmanagement, die z.  T. noch weiter geht, vgl. Frenkel/Stark (2012), S.  2  ff. sowie Glasl (2003), S.  113  ff. m.  w.  N. und Goldberg/Sander/Rogers/Cole (2012), S. 121: „Mediation is negotiation carried out with the assistance of a third party“. So weist auch Riskin darauf hin, dass es aufgrund der Entwicklung der Mediation in der Praxis für eine klar begrenzte Definition des Mediationsbegriffes bereits zu spät sei. Riskin (1996), S. 13. Vgl. auch Abramson (2010), S. 94: „It is too late to justify a favored, circum­ scribed definition of mediation.“ Diesem weiten Verständnis des Begriffs Mediation folgt auch §  1 S.  1 MediationsG. Danach ist Mediation „ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und ei­ genverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben.“ § 2 Abs. 3 MediationsG stellt zu den Aufgaben des Mediators lediglich fest: „Der Mediator ist allen Parteien gleichermaßen verpflichtet. Er fördert die Kommunikation der Parteien und ge­ währleistet, dass die Parteien in angemessener und fairer Weise in die Mediation einge­ bunden sind. Er kann im allseitigen Einverständnis getrennte Gespräche mit den Parteien führen.“ Mit guten Gründen kritisch gegenüber einer ausufernden Verwendung des Me­ diationsbegriffs Greger (2015), S. 172 ff. 101 Steffek (2013), S. 530 ff. 102 https://www.mediatorenausbildung.org/justizstatistik-gueterichterstatistik-2017/.

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Endnoten zu den Kapiteln 103 Pressemeldung in der Financial Times online (https://www.ft.com) v. 3.12.2001. 104 Sander/Rozdeiczer (2006), S. 32 : „A. Step One: Assume Mediation. The combination of the theoretical examination … and the empirical data suggests that mediation is almost always a superior starting process.“ Vgl. zuletzt auch Sander (2007), S. 600: „… to con­ tinue on our current path until we reach ‘The Tipping Point’ – a point where the balance shifts to a presumption of exploring the use of mediation in particular settings unless it is shown to be contraindicated.“ 105 Mnookin (1992); Mnookin (2010), S. 139 ff. 106 Pressemeldung Associated Press v. 9.8.2002. 107 New York Times v. 10.9.2000, S. 10 (NY Region). 108 Hager/Pritchard (2000). 109 Dutt (1999) beschreibt die mediative Begleitung der Integration nach der Akquisition ei­ ner kleinen schwedischen Unternehmensberatung durch eine US-amerikanische Consul­ ting-Firma. 110 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 12.10.1998, S. 34. 111 Pinnell (1999). 112 Für einen Überblick siehe Groton (1997). 113 Lembcke (2007); Wiegand (2000), S. 201. 114 So die damalige Chief Counsel Litigation der Siemens AG, Frau Dr. Anke Sessler, in ihrem Vortrag „Außergerichtliche Streitbeilegung – Bedeutung, Vertragsgestaltung und Durchführung“ bei der Tagung „Dispute Resolution Day“ des Centrums für Verhandlungen und Mediation an der Ludwig-Maximilians-Universität München am 16.6.2010. 115 Ausführlich Siegler/Fries in Walz (2017), S. 187 ff. 116 Scherpe (2001) und für aktuelle Informationen: https://bankenverband.de. 117 Knauth (2001) und für aktuelle Informationen: https://www.versicherungsombudsmann. de. 118 Statt vieler Eidenmüller/Engel (2013); Engel (2015); Fries (2016), S. 200 ff. 119 Eidenmüller (2002b), S. 7; Duve (1999), S. 96 Fn. 91 m. w. N. 120 Vgl. hierzu eingehend Eidenmüller (2000), S. 5 ff. 121 Engel (2010) m. w. N. 122 Im Rahmen eines Collaborative-Law-Verfahrens schließen die Beteiligten miteinander un­ terschiedliche Verfahrensverträge: 1. Die Parteien untereinander eine der Mediationsver­ einbarung vergleichbare „Collaborative-Law-Vereinbarung“, 2. die Parteien mit ihren An­ wälten eine Vereinbarung, die das anwaltliche Mandat und den zuvor geschlossenen Rechtsdienstleistungsvertrag modifiziert, und 3. zwei Verfahrensleitungsverträge zwischen den Parteien und dem jeweils gegnerischen Anwalt, in denen dieser mit der Verfahrens­ leitung betraut wird. 123 Sander/Goldberg (1994). 124 Kupfer-Schneider (2000). 125 Vgl. auch Eidenmüller (2002b), S. 8 ff.; Schwarzmann in Walz (2017), S. 86 ff. 126 Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) der ARGE Baurecht, Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwalt-Verein. Siehe dazu auch Jung in Walz (2017), S. 123 ff., und generell zur alternativen Streitbeilegung im Bauwesen Lembcke (2012). 127 Ury/Brett/Goldberg (1990); weiterführend zum dispute systems design Rogers/Bordone/ Sander/McEwen (2013). 128 Stauss/Seidel (2014). 129 Prause (2008). Vgl. auch Sander (2007). Vgl. zur Mediation in den USA auch Kulms (2008), S. 403 ff. 130 Wellmann/Kraus/Kampherm (2007), S.  7, 14  ff.; Nestler/Hammes/Gläßer/Kirchhoff/Breidenbach (2005); siehe die zusammenfassende fünfte Studie von pwc in Zusammenarbeit

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Endnoten zu den Kapiteln mit der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) aus dem Jahr 2015 „Konfliktma­ nagement in der deutschen Wirtschaft – Entwicklungen eines Jahrzehnts“ unter https:// www.ikm.europa-uni.de/de/Studie_V.pdf. 131 Nach dieser Studie sind Gerichtsverfahren derzeit zwar noch der meist genutzte Weg zur Konfliktbewältigung in Streitigkeiten zwischen Unternehmen. Bevorzugt werden aber die als schneller, kostengünstiger und verlässlicher eingeschätzten außergerichtlichen Verfah­ ren, Taylor Wessing International Dispute Resolution Survey, 2009. 132 https://www.zeit.de/2016/53/clemens-vedder-madeleine-schickedanz-deutsche-bank-ver​ soehnung. 133 Früher: Gesellschaft für Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement e.V. (gwmk). 134 https://www.ikm.europa-uni.de. Vgl. auch http://www.rtmkm.de; Klowait (2008), S. 175.

II Die Methode der Mediation 135 Wagner in Eidenmüller/Wagner (2015), Kap. 7 Rn. 11 f., 43 ff. 136 Weiterführend Kolb/Porter (2015), S. 101 ff.

3 Mediationsverfahren und Rolle des Mediators festlegen 137 Galanter/Rogers (1991), S. 18 ff. 138 Vgl. zur Geschichte der ADR-Bewegung Goldberg/Sander/Rogers/Cole (2012), S.  4  ff.; ­Alfini/Press/Sternlight/Stulberg (2006), S. 2 ff.; Barrett/Barrett (2004). 139 Breidenbach (1995), S. 122 f. m. w. N. bezeichnet diesen Ansatz daher als Access to Jus­ticeProjekt. 140 Merry/Milner (1995). 141 Vgl. dazu Duve (2002); Eidenmüller (2002a); Erwägungsgrund (2) der Richtlinie 2008/52/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (ABl. EU Nr. L 136 v. 24.5.2008, S. 3). 142 Breidenbach (1995), S. 123 ff. m. w. N. bezeichnet diesen Ansatz als Individual Auton­omyProjekt. 143 Die Vorschrift des § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Strafprozessordnung (StPO) lautet wie folgt: „Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht, … (5.) sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, …“. 144 Breidenbach (1995), S. 130 ff. m. w. N. bezeichnet diesen Ansatz als Reconciliation-Projekt. 145 Schon seit 1994 findet der Täter-Opfer-Ausgleich gemäß § 46a Strafgesetzbuch (StGB) im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung: „Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft er­ strebt oder 2. in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erheb­ liche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt, so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstra­ fe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.“ Im Jugendstraf­ recht ist der Täter-Opfer-Ausgleich als Erziehungsmaßregel in § 10 Abs. 1 Nr. 7 Jugendge­ richtsgesetz (JGG) vorgesehen. 146 Breidenbach (1995), S. 132 ff. m. w. N. bezeichnet diesen Ansatz als Social Transforma­tionProjekt.

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Endnoten zu den Kapiteln 147 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 5.6.1998, S. 14; vgl. auch von Bargen (2008a), S. 208; Falk/Hagleitner-Klocker/Woschnak (2007). 148 Für nähere Informationen: https://www.cpradr.org. 149 Vgl. z.B. JAMS (https://www.jamsadr.com); American Arbitration Association (https:// www.adr.org). 150 Breidenbach (1995), S. 120 ff. m. w. N. bezeichnet diesen Ansatz auch als Service De­liveryProjekt. 151 Als Väter derjenigen, die eine Transformation der Persönlichkeit als Ziel der Mediation betrachten, gelten Baruch Bush/Folger (2005). 152 Ausführlich dazu Sander (1995). Auch nach § 1 Abs. 1 MediationsG wird in der Mediation eine Beilegung des Konflikts lediglich „angestrebt“. 153 Leiss (2006). 154 Zu den damit verbundenen Einflussmöglichkeiten Malhotra (2016), S. 60 ff. 155 Raiffa (1995), S. 143. 156 Vgl. Eidenmüller/Hacke (2017). 157 Riskin (1996), S. 19 ff. Acht Jahre nach Veröffentlichung seiner mittlerweile klassischen Matrix hat Riskin seine „Grid“ mehrmals weiterentwickelt (Old New Grid, New New Grid) und um die zeitliche Dimension ergänzt. Allgemein durchgesetzt hat sich bislang nur die klassische Riskin-Matrix. Vgl. Riskin (2003a) m. w. N. 158 Zu einer an Eingriffsmaßstab und ‑intensität orientierten Betrachtungsweise mit zahlrei­ chen Gestaltungsvorschlägen für die Vertragspraxis vgl. Hacke (2001), S. 179 ff. 159 Zitiert nach Duve (1999), S. 228 Fn. 121 und 122. 160 New York Times v. 25.3.2000, S. B 14. 161 Riskin (2003b); ders. (2005), hat zwischenzeitlich dieses Modell mit einer neuen Termino­ logie versehen und durch Abwandlungen ergänzt, die diesen Einfluss noch deutlicher zum Ausdruck bringen sollen. 162 Derartige Erwartungen an die Rolle des Mediators sind vor allem für die gerichtsverbun­ dene Mediation nachgewiesen worden. Anders als in der außergerichtlichen Mediation erwarten die Beteiligten von einem richterlichen Mediator, dass er durch Hinweise zur Rechtslage, zum Prozessrisiko oder durch eigene Lösungsvorschläge aktiv in das Verhand­ lungsgeschehen eingreift. Vgl. den Abschlussbericht bei Greger (2007), S. 100 (abrufbar im Internet unter http://www.reinhard-greger.de/dateien/gueterichter-abschlussbericht.pdf). 163 Richard Chernick ist Vice President und Managing Director der Arbitration Practice von JAMS. Er ist ein in den USA anerkannter Experte für die Beilegung von komplexen Mehr­ parteienverfahren und hat mehrere hundert Mediations- und Schiedsverfahren durchge­ führt. 164 Zitiert nach Duve (1999), S. 233 Fn. 138. 165 Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.2.1997 (BGBl. I 1997, 418, 1804), zuletzt geändert durch Artikel 18 des Gesetzes vom 18.7.2016 (BGBl. I 2016, 1679). 166 Unterzeichnet in Rom am 25.3.1957, ABl. EU Nr. C 115, S. 47 ff. Konsolidierte Fassung im Anschluss an die Änderung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007. Im Internet abrufbar unter https://­ europa.eu/european-union/law/treaties_de. 167 Eidenmüller (2001), S. 32 ff. 168 https://www.mediate.com/articles/umafinalstyled.cfm. 169 Der Uniform Mediation Act wurde bislang von 14 Bundesstaaten in innerstaatliches Recht umgesetzt, http://www.uniformlaws.org/Act.aspx?title=Mediation%20Act . 170 https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXII/I/I_00047/index.shtml. Vgl. dazu Hopf (2010); Pruckner (2003); Köper (2004).

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Endnoten zu den Kapiteln 171 Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen. Vgl. dazu Hopt (2010); Wagner (2010); Eidenmüller/Prause (2008); Wagner/Thole (2008). 172 §§ 135 Abs. 1, 150 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) v. 17.12.2008, BGBl.  I 2008, 2586. 173 Ausführlich dargestellt bei von Lewinski in Klowait/Gläßer (2018), § 2 RDG Rn. 21 ff. 174 So im Ergebnis auch Ade/Alexander (2017), S. 87 f., 124 f., 137 ff. 175 Umfassend zur Regelung von Eingriffsbefugnissen in ADR-Vereinbarungen Hacke (2001). 176 Die Folgen einer rechtlichen Beratung beider Parteien durch Anwälte, die als Vermittler auftreten, lassen sich an einem jüngeren Fall des Bundesgerichtshofs studieren: BGH, Urt.  v. 21.9.2017, Neue Juristische Wochenschrift (NJW), S.  3442 (2017). Siehe auch die Besprechung dieses Urteils unter https://www.mediatorenausbildung.org/bgh-urteil-­ haftungsfalle-fuer-mediatoren/. Weiterführend zur Haftung eines Mediators Eidenmüller in Eidenmüller/Wagner (2015), S. 171 ff.; Ade/Alexander (2017), S. 149 ff.

4 Verhandlung vorbereiten und Konflikt diagnostizieren 177 Wie viele andere klassische Schiedsorganisationen bietet auch die DIS die Administration von Mediationsverfahren an, siehe http://www.disarb.org. 178 https://www.cedr.com. 179 Mnookin/Friedman/Cutcher-Gershenfeld (2001). 180 Diese Auffassung vertritt z.B. der den Autoren persönlich bekannte Peter Grilli, der in den letzten zehn Jahren insgesamt in über 2.000 Streitigkeiten als Wirtschaftsmediator aktiv geworden ist. In der Literatur finden sich sogar noch weiterreichende Auffassungen, die unabhängig von der Vorbereitung Fachkunde nicht für nötig halten. So behauptet etwa van Winkle (2001), S. 43: „To be effective, mediators need not have specific substantive expertise. It would obviously be helpful, but an experienced and successful mediator can be very effective in a given case without extensive substantive experience.“ Mosten (1997), S.  134, vertritt für die Familienmediation folgende Ansicht: „Few would argue that the ideal mediator choice would be a family law specialist who also has many years of media­ tion process training and experience. While some lawyers/mediators fit this bill, the sad truth is that you will generally be forced to choose between mediators who are strong on the law and weaker in the process and those skilled in the mediation process but who are not educated in family law or choose not to use their family law expertise in their media­ tion“. 181 Raiffa (1995), S. 145 ff. 182 Vgl. zur anwaltlichen Beratung im Vorfeld der Mediation Hacke (2004), S. 80, 84. 183 Raiffa (1995), S. 146, spricht von pre-negotiation briefing reports, die wir in diesem Kontext als pre-mediation briefing reports bezeichnen wollen. 184 Raiffa (1995), S. 146. Vgl. zur Vorbereitung der Mediation auch Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2017), S. 99 ff.; Golann (2009), S. 49 ff.; Kessen/Troja (2016), S. 329 ff.; Abramson (2010), S.  193  ff.; Risse (2003), S.  140  ff.; Susskind/McKearnan/Thomas-Larmer (1999), S. 99 ff., 112. 185 Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2017), S.  99  ff. Vgl. hierzu auch Lax/Sebenius (2006), S. 53 ff. 186 Zum Ganzen: Mnookin/Susskind (1999). 187 Vgl. z.B. Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 17.7.1998, S. 66 („Nein zur Mediation bekräftigt“), und v. 18.7.1998, S. 55 („Grüne fordern Ausbaugegner zur Teilnahme an Me­ diation auf “).

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Endnoten zu den Kapiteln 188 Dagegen versuchte das von 2007 bis 2014 in Berlin geführte Mediationsverfahren „Zu­ kunft Landwehrkanal“, die Konfliktbetroffenen möglichst umfassend mit einzubinden. So wurden beispielsweise auch Anwohnervertreter am Verfahren beteiligt. 189 Vgl. z.B. Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) (Rhein-Main-Teil) v. 15.8.2000, S. 56 („Offenbach will gegen Nordbahn klagen“), Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) (Rhein-Main-Teil) v. 20.8.2000, S. 3 („Kelsterbach zeigt Zähne“), Frankfurter All­ gemeine Zeitung (F.A.Z.) (Rhein-Main-Teil) v. 30.8.2000, S.  62 („Naturschutzverbände klagen“). 190 Der „runde Tisch“ wurde erst zum geflügelten Wort, dann zum Modell für den gesamten Ostblock, so Ludwig in Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 6.2.1999, S. 3. 191 Für eine tiefere Beschäftigung mit dem Thema Visualisierung siehe etwa die Darstellun­ gen von Rachow/Sauer (2017) und Seibold (2012). 192 Savir (1999), S. 128 ff. 193 Savir (1999), S. 178 ff. 194 Diese Bemerkung machte Koschnik in einem Bericht der Nachrichtensendung „Tages­ schau“ vom 2.1.2003 (20.00 Uhr) in der ARD. Gegen das in Tarifvertragsverhandlun­ gen  weit verbreitete Ritual eines nächtlichen Verhandlungsmarathons entschied sich 2007/2008 Manfred Schell, Verhandlungsführer der Gewerkschaft Deutscher Lokomotiv­ führer (GDL), im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn: „Gestritten haben wir von 9 Uhr bis 22 Uhr. Dann war pünktlich Schluss. Damit jeder in der Nacht seine Position noch­ mals in Ruhe überdenken konnte.“, Rheinischer Merkur (online) v. 18.12.2008. 195 Schulz von Thun (2013), S. 180 ff. 196 Schulz von Thun (2013), S. 229 ff.

5 Emotionen verstehen, Kommunikation fördern, Vertrauen und Beziehung ­aufbauen 197 Jones/Bodtker (2001). 198 Wie wir im vorangegangenen Kapitel gesehen haben, wirken sich negative Emotionen in  erheblichem Umfang destruktiv auf das Verhandlungsergebnis aus. So führen Wut und Verärgerung zu einer geringeren Einigungsrate, Friedman/Brett/Anderson/Olekalns/ Goates/Lisko (2004), S. 373 ff. 199 Eidenmüller/Hacke (2017). 200 Zu diesem Thema grundlegend Fisher/Shapiro (2006); Johnson/Levine/Richard (2003), S. 151 ff.; Moore (2014), S. 115 ff. 201 „Negotiators are people first“: Auf diese prägnante Formel bringen Fisher/Ury/Patton (1991), S. 18 ff., die Einsicht in die Bedeutung von Emotionen in Verhandlung und Me­ diation. 202 Fisher/Shapiro (2006), S. 11 f.; vgl. auch Lazarus (1991). 203 Vgl. auch Jones/Bodtker (2001), S. 227 ff.; Adler/Rosen/Silverstein (1998), S. 165 ff. 204 S. 169 f.; Jones/Bodtker (2001), S. 228 ff. 205 Shapiro (2017), S. 3 f., 173 ff. 206 Fisher/Shapiro (2006), S. 11. 207 Vgl. hierzu Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2017), S. 123 ff. 208 Die Einteilung der folgenden Punkte geht zurück auf Jones/Bodtker (2001), S. 217, 221 ff. m. w. N. 209 Fisher/Shapiro (2006), S. 8 ff., bringen es prägnant auf den Punkt: „Stop Having Emotions? You Can‘t. … Ignore Emotions? It Won’t Work.“ 210 Darstellung nach Montada/Kals (2013), S. 177 ff. 211 Zu solchen Zwängen und Verhaltensweisen entgegen eigenen Prinzipien Bazerman/Tenbrunsel (2011), S. 38 ff.

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Endnoten zu den Kapiteln 212 Montada/Kals (2013), S. 170 f. 213 Zu Gleichheit als Gerechtigkeitsideal vgl. Montada (2000), S. 42 ff. 214 Montada/Kals (2013), S. 182 f. 215 Studien haben ergeben, dass es bei der Wahrnehmung von Emotionen zu „Übersetzungs­ problemen“ zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen kann. So konnten asiatische Probanden die Mimik westeuropäischer und amerikanischer Gesichter nicht zweifelsfrei einer der Grundemotionen wie Ärger, Angst, Freude, Trauer, Ekel oder Überraschung zuordnen, Süddeutsche Zeitung (S.Z.) v. 14.8.2009, S. 20. 216 Shapiro (2001) unterscheidet je nach Dauer vier unterschiedliche Stufen von Gefühlen (= Emotionen). Wenn ein Gefühlszustand aktuell durch eine Begebenheit ausgelöst wird, handelt es sich um einen Impuls. Die freudige Begrüßung einer vertrauten Person, die Sie lange Zeit nicht gesehen haben, oder, für manche, der Ausdruck der Freude über den Sieg ihres Vereins an einem Bundesliga-Spieltag, stellt einen Impuls dar. Hält die Freude über den Moment hinaus an, und erstreckt sie sich z.B. über die Dauer einer Unterhaltung, so ist die Freude nicht nur ein momentaner Impuls, sondern liegt als Emotion im engeren Sinne vor. Wenn Sie über einen noch längeren Zeitraum gut aufgelegt sind, weil Sie sich z.B. im Urlaub befinden und den ganzen Tag bei blauem Himmel und Sonnenschein zwi­ schen Palmen hindurch auf das türkisblaue Wasser des Indischen Ozeans schauen, so sind Sie guter Stimmung. Wenn Sie – auch an einem Tag, mit dessen Verlauf Sie eigentlich un­ zufrieden sind – es grundsätzlich begrüßen, anderen Personen zu begegnen, haben Sie – ungeachtet einer gerade weniger guten Stimmung – eine offene Haltung. 217 Ausführlich zu den vier Komponenten der subjektiven Bewertung mit weiteren Anwen­ dungsbeispielen Montada/Kals (2013), S. 180 f. 218 Konkrete Beispiele zum Umgang mit Emotionen bei Jameson/Bodtker/Jones (2006); Malhotra/Bazerman (2007), S. 257 ff. 219 Beispiel nach Cloke/Goldsmith (2000), S. 82. 220 Dieser Kommunikationsstil wurde von dem amerikanischen Psychiater und Psychothera­ peuten Carl Rogers entwickelt, vgl. Faber/Brink/Raskin (1998). 221 Vgl. zum Einsatz von Kommunikationstechniken in der Verhandlung Salacuse (2013), S. 183 ff.; Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2017), S. 122 ff. Zu Fragetechniken als Füh­ rungsinstrument siehe Marquardt (2014). 222 Ausführlich zu den Friedensverhandlungen und seiner Rolle: Mitchell (1999). 223 Vgl. zum Ganzen Benien (2003), S. 162 ff. 224 Thompson (2014), S. 60; Galliker/Weimer (2006), S. 53; Bolton (1986), S. 51 f.; Rabe/Wode (2014), S. 64 ff.; Voss/Raz (2017), Chapter 2. 225 Friedmann/Himmelstein (2005); Mnookin/Peppet/Tulumello (2000), S. 63 ff. 226 Hofmann/Rothfischer/Trossen (2008), S. 162; Adam (2011), S. 73. 227 Cloke/Goldsmith (2000), S. 74. 228 Cohn (1975), S. 124. 229 Tomm (2009). 230 Vereinfachte und modifizierte Darstellung der Abbildung von Tomm (2009), S. 192. 231 Tomm (2009), S. 179 f. 232 Tomm (2009), S. 71 ff. und 180 ff. 233 Tomm (2009), S. 183 ff. 234 Jones/Bodtker (2001), S. 217, 237 f. 235 Friedman (1993), S. 45. 236 Cloke/Goldsmith (2000), S. 125 ff. 237 Der Einfluss des Small Talk auf die Beziehung zwischen Personen ist enorm. So ist em­ pirisch nachgewiesen worden, dass schon eine kurze Unterhaltung ausreichen kann, um zwischen den Gesprächspartnern Vertrauen wachsen zu lassen. Vgl. Morris/Nadler/ Kurtz­berg/Thompson (2002), S. 95 ff.

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Endnoten zu den Kapiteln 238 Vgl. Thompson (2014), S. 140 f. m. w. N. 239 Segal (1974), S. 656 f.; Zajonc (1968), S. 21 ff. 240 Thompson (2014), S. 140 f. 241 Byrne (1971); Walton/McKersie (1965), S. 225. 242 LaFrance (1985), S. 214 ff. 243 Thompson (2014), S. 138 ff. 244 Thompson (2014), S. 144. 245 Vgl. hierzu Gouldner (1960), S. 177 f. 246 Luhmann (2000), S. 48; Ripperger (1998), S. 54 ff., 60 ff., 85 ff. 247 Moore (2014), S. 170 ff.

6 Interessen erforschen und gewichten 248 Zu Herkunft und Geschichte des Orangenbeispiels siehe https://www.mediatorenausbil​ dung.org/streit-um-die-orange-orangenbeispiel/. 249 Vgl. auch Riskin (1996), S. 17 ff., 35. 250 Vgl. Esser (2001), S. 125 ff. 251 Lax/Sebenius (1986), S. 69. 252 Aubert (1963), S. 29 f. Vgl. zum Begriff des Wert- und Grundsatzkonfliktes auch Kapitel 1. 253 „In erster Linie“ deshalb, weil es noch andere relevante Bewertungsmaßstäbe gibt: zum einen Werte, die Sie internalisiert haben (vgl. Kapitel 8), und zum anderen Grenzen (z.B. physische oder finanzielle), die Ihren Handlungsmöglichkeiten gesetzt sind. 254 Ausführlich die Beiträge in Armour/Eidenmüller (2017); Eidenmüller, Stolz und Vorurteil, https://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-stolz-und-vorurteil-1.4172131. 255 Das in Abbildung 2 dargestellte dual concern model geht ursprünglich wohl zurück auf die Unterscheidung zwischen concern for people und concern for tasks bei Blake/Mouton (1964). Weitere Nachweise bezüglich der Weiterentwicklung des Modells finden sich bei Pruitt (1993), S. 30 f. 256 Im Gegenteil: Wer Einfühlung in den Verhandlungspartner zeigt, kann daraus sogar für sich Kapital schlagen; Malhotra (2016), S. 122 ff.; Voss/Raz (2017), Chapter 3. 257 Eine etwas andere Kategorisierung von unterschiedlichen Interessen findet sich etwa bei Menkel-Meadow (2001), S. 109 f. 258 Vgl. hierzu Calkins (2006) und Eidenmüller (2016). 259 Insbesondere US-amerikanische Mediatoren verlagern demgegenüber häufig den gesam­ ten Prozess der Interessenerforschung generell in Einzelgespräche, vgl. etwa Calkins (2006); Picker (2004), S. 31. 260 Vgl. auch Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2017), S. 118 ff. 261 Eingehend hierzu Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2017), S.  116  ff. Vgl. auch Fisher/­ Kopelman/Kupfer-Schneider (1996), S. 50 ff. 262 In einem Fernsehinterview über seine Verhandlungserfahrungen und seinen Verhand­ lungsstil äußerte sich der ehemalige US-amerikanische Präsident Bill Clinton einmal wie folgt: „You do not only have to understand the interests and motives of your counterpart. You have to understand their deepest concerns, their nightmares.“ Diese Äußerung trifft den Nagel auf den Kopf: Es gibt keine dauerhafte, einvernehmliche Lösung eines Kon­ flikts, welche die deepest concerns aller Beteiligten nicht adressiert. Der lange und äußerst schwerwiegende Konflikt zwischen dem jüdischen Volk und dem Staat Israel auf der einen und dem palästinensischen Volk auf der anderen Seite bietet für diese These umfangrei­ ches Anschauungsmaterial. 263 Vgl. insoweit auch Lax/Sebenius (1986), S. 77 ff., von denen das in Beispiel 7 diskutierte Beispiel stammt.

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Endnoten zu den Kapiteln 264 Das Zitat wird Heraklit wohl fälschlicherweise zugeschrieben. Vgl. etwa Aristoteles (1922), S. 10: „Auch meint [Heraklit], dass [die Seele] das Unkörperlichste sei und in beständigem Fluss sich befinde.“ 265 Für eine ausführliche Schilderung vgl. http://www.mediatorgmbh.de. 266 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.), 28.3.2008, S. 14.

7 Lösungsmöglichkeiten entwickeln und bewerten 267 Vgl. insoweit Eidenmüller (2015), S. 48 ff. 268 Das Konzept des integrativen Verhandelns wurde – ebenso wie das im nächsten Kapitel diskutierte Konzept des distributiven Verhandelns  – entwickelt vor allem von Walton/ McKersie (1965). 269 Vgl. insoweit auch Eidenmüller (1997), S. 40 ff.; Lax/Sebenius (1986), S. 88 ff. 270 Dazu vor allem Sebenius (1984), S. 199 ff.; Raiffa (1982), S. 91 ff. 271 Zum Fall vgl. https://www.pon.harvard.edu/daily/business-negotiations/how-an-indiepop-band-used-mutual-gains-negotiation-to-keep-their-name/?cid=10. 272 The Washington Post v. 10.11.2004, S. A 25. 273 Das Phänomen des „Nullsummenmythos“ in Verhandlungssituationen konnte auch em­ pirisch nachgewiesen werden, vgl. Thompson (2011), S. 8, 79 m. w. N.; Thompson/Hastie (1990), S. 102, 116 ff. 274 Den Begriff „laterales Denken“ hat Edward de Bono geprägt, vgl. de Bono (1967). 275 Shakespeare, Hamlet, Act I, Scene V, Hamlet to Horatio. 276 Osborn hatte in seinem 1948 erstmals erschienenen Buch „Your Creative Power“ vier Grundregeln des Brainstormings entwickelt: „1) Judicial judgment is ruled out. Criticism of ideas will be withheld until the next day. 2) ‘Wildness’ is welcomed. The crazier the idea, the better; it’s easier to tone down than to think up. 3) Quantity is wanted. The more ideas we pile up, the more likelihood of winners. 4) Combination and improvement are sought. In addition to contributing ideas of our own, let’s suggest how another’s idea can be turned into a better idea; or how two or more ideas can be joined into still another idea.“ Osborn (1948), S. 269. Vgl. auch Clark (1989); Osborn (1953). 277 Osborn (1948), S. 269. 278 Osborn (1948), S. 247 ff. 279 Die Literatur zum Mindmapping ist umfangreich. Eine gute Einführung bietet Wycoff (1991). 280 Vgl. etwa https://www.mindjet.com, http://www.cognitive-tools.de oder http://freemind. sourceforge.net/wiki/index.php/Main_Page. 281 Vgl. de Bono (1999). 282 Vgl. auch Weinstein/Morton (2003), S. 854 ff.; Menkel-Meadow (2001), S. 122 f. 283 Vgl. Menkel-Meadow (2001), S. 119, 136. 284 Siehe Fatima/Kraus/Wooldridge (2015). 285 Für eine knappe Darstellung der Funktionsweise von Smartsettle vgl. auch Yunis (2002), S. 198 ff.

8 Verteilungsprozesse effizient gestalten 286 Genau gesagt liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Vorschläge abgelehnt werden, die der Ge­ genseite weniger als 1/5 gewähren, zwischen 0,4 und 0,6. Vgl. Fehr/Schmidt (2003) m.  w.  N., abrufbar unter http://web.mit.edu/14.193/www/WorldCongress-IEW-Version​ 6Oct03.pdf. 287 Zu Bedeutung und Auswahl „fairer“ Kriterien vgl. auch Richardson (2007).

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Endnoten zu den Kapiteln 288 Dabei kommt es nicht darauf an, über welche Nichteinigungsalternativen man real ver­ fügt, sondern darauf, welche Einschätzung die Gegenseite von den eigenen Nichteini­ gungsalternativen gewinnt, ausführlich dazu in Kapitel 9. 289 Grundlegend insoweit Schelling (1960), S. 22 ff. 290 https://www.welt.de/politik/deutschland/article181546240/Andrea-Nahles-Herr-Maassen-­ muss-gehen-und-ich-sage-Euch-er-wird-gehen.html. 291 https://www.welt.de/politik/deutschland/article181555878/Umstrittener-Verfassungsschutz​ chef-Merkel-hat-sich-entschieden-dass-Maassen-gehen-muss.html. 292 Zu dem Phänomen des anchoring vgl. etwa Lax/Sebenius (1986), S. 134 f. 293 Dieser debiasing effect eines Perspektivwechsels konnte durch empirische Untersuchun­ gen nachgewiesen werden. Vgl. hierzu Galinsky/Mussweiler (2001), S. 658 ff., 661 ff. 294 Da es der betreffenden Partei gerade darum geht, durch Täuschung des Verhandlungs­ partners einen Vermögensvorteil zu erlangen, steht eine Betrugsstrafbarkeit nach § 263 StGB im Raum. 295 Zu erwägen ist, ob man als Mediator verpflichtet ist, eine Partei darüber aufzuklären, wenn diese  – nach Einschätzung des Mediators  – einem Lösungsvorschlag zustimmen möchte, der sie offensichtlich schlechter stellt als ihre beste Nichteinigungsalternative. Für eine derartige Aufklärungspflicht Eidenmüller (2001), S. 38 f. 296 Vgl. hierzu eindrücklich Fox (1996). 297 Rechtliche Vertretung ist das Verfahren der Wahl, um Defizite in der self agency auszuglei­ chen. Vgl. Riskin (1985), S. 27. 298 In diesem Sinne etwa Nr. 2.3.6. der Richtlinien der Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Fa­ milien-Mediation (BAFM) und Nr. 3.2 des europäischen Verhaltenskodexes für Mediato­ ren, vgl. https://www.bafm-mediation.de/verband/organisation/richtlinien-der-bafm/und http://www.ec.europa.eu/civiljustice/adr/adr_ec_code_conduct_en.pdf. 299 Vgl. Kent (1993). Ausführlich dazu Eidenmüller (1999), S. 236 ff. 300 Vgl. Kent (1993), S. 82 (Übersetzung der Verf.). 301 Ähnlich Golann/Aaron (1997), S. 30: „Evaluate as late in the process as possible“. 302 Ausführlich zu verschiedenen Formen der nichtbindenden neutral evaluation Brown/ Marriott (2011), Rn. 16-001 ff.; Golann/Aaron (1997). 303 Zur Abgrenzung zwischen Schiedsgerichts- und Schiedsgutachtenverfahren vgl. etwa Raeschke-Kessler/Berger (2009), Rn. 451 ff.; Hacke (2001), S. 210 ff. – jeweils m. w. N. 304 Vgl. etwa Bühring-Uhle (2006), S. 315 Fn. 117 m. w. N. 305 Vgl. Fisher/Ury/Patton (1991), S. 81 ff. 306 Vgl. insoweit auch Montada (2000), S. 55 ff. 307 Pionier des Konzepts der Fokalpunkte ist Thomas Schelling, vgl. Schelling (1960), S. 57 ff., 67 ff., 111 ff. 308 Schelling (1960), S. 70. 309 McMillan (1992), S. 53. 310 Vgl. Lind/Tyler (1988). 311 Die Losentscheidung gehört zu den ältesten Verteilungsmechanismen, die in der frühen „Verhandlungsforschung“ die Funktion der verbindlichen richterlichen Entscheidung ein­ nahm. So findet sich im Anschluss an antike römische Autoren bereits bei Grotius und Pufendorf die Trias von Verhandlung („Primum est colloquium“), Vermittlung/Schieds­ spruch („Alterum est … compromissum“) und dem Los („Tertia ratio est per fortem“). Vgl. Grotius (1995), S. 395 ff.; dt. Übersetzung: Grotius/Schätzel (1950), S. 391 ff. Vgl. Pufendorf (1995), S. 563 ff.; engl. Übersetzung: Pufendorf/Oldfather/Oldfather (1995), S. 826. 312 Vgl. insoweit auch Raiffa (1982), S. 297 ff. 313 Ausführlich zu diesem Verfahren Brams/Taylor (1999), S.  69  ff.; Schneeweiß in Walz (2017), S. 250 ff.

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Endnoten zu den Kapiteln 314 Entsprechende Effizienzverluste treten auch dann auf, wenn Gegenstände verkauft wer­ den, um eine Verteilung zu ermöglichen. Dann tritt nämlich der Marktpreis an die Stelle der ggf. höheren subjektiven Bewertung durch einzelne Beteiligte.

9 Alternativen zu einer Verhandlungslösung prüfen 315 Vgl. die Auswertung bei Steffek (2013), S. 531. Nichts ableiten lässt sich aus diesen empiri­ schen Befunden allerdings für die Frage, in wie viel Prozent aller Konfliktfälle Mediation zu einem Erfolg im Sinne einer Einigung führen würde: Die Basis der vorliegenden Schät­ zungen bzw. Statistiken sind die Konfliktfälle, in denen Mediation tatsächlich durchge­ führt wird, und dazu gehört möglicherweise ein größerer Anteil „vergleichsgeneigter“ Konfliktfälle. Allerdings gibt es auch Statistiken über gerichtsverbundene Mediationspro­ gramme, die alle anhängigen Konflikte betreffen, und danach ergibt sich ein ähnliches Bild, vgl. Kapitel 2 und begleitende Endnoten (Einigungsquoten von 70–87,5 %). 316 Der Ausdruck geht zurück auf Fisher/Ury/Patton (1991), S. 100. 317 Dass Ungeduld die Position eines Verhandlungs- oder Mediationsbeteiligten schwächt, ist eine bekannte spieltheoretische Erkenntnis, vgl. etwa Rubinstein (1982). 318 Vgl. http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/a-496604.html. 319 Vgl. Kahneman/Tversky (1995), S. 46 ff. 320 Erklären lässt sich dieses Verhalten auf der Grundlage einer sogenannten Wertfunktion, die folgende Charakteristika aufweist (grundlegend Kahneman/Tversky (1979)): (1) Wert­ änderungen werden ausgehend vom Status quo bestimmt; (2) die Wertfunktion ist konkav für Gewinne und konvex für Verluste; (3) sie ist steiler für Verluste als für Gewinne. 321 Zur Vereinbarkeit einer caucus mediation mit dem deutschen Mediationsgesetz Eidenmüller (2016). 322 Vgl. insoweit auch Driehaus (2005). 323 Vgl. Calkins (2006), S. 289 ff. 324 Vgl. Myerson (1991), S. 70 ff. 325 Ausführlich zu diesem Instrument Risse/Morawietz (2017); Morawietz (2004); Eidenmüller (2000); Hoffer (1996); Aaron (1995); Victor (1985). 326 Bekannte Anbieter sind etwa Litigation Risk Analysis, Inc. (http://www.litigationrisk.com) oder TreeAge Software, Inc. (https://www.treeage.com). 327 Im Einzelfall relevant sind möglicherweise auch Risiken der Zwangsvollstreckung. Sie bleiben hier unberücksichtigt. 328 Der Gegenwartswert einer in n Jahren gezahlten Summe X, gegeben einen Zinssatz von i, beträgt X/(1+i)n. 329 Zu dem Versuch, die Konfliktkosten zu erfassen, vgl. Troja (2006). Vgl. auch die KPMGKonfliktkostenstudie: KPMG, Die Kosten von Reibungsverlusten in Industrieunterneh­ men, in Zusammenarbeit mit der Hochschule Regensburg und der Berner Fachhochschule vom 1.1.2009, abrufbar unter https://www.soziale-arbeit.bfh.ch/uploads/tx_frppublika​ tionen/KPMG_Konfliktkostenstudie_02.pdf. 330 Vgl. dazu http://www.handelsblatt.com/archiv/klagen-und-streitigkeiten-beigelegt-holland​ sche-beton-groep-und-agiv-schliessen-vergleich/2016504.html sowie den Geschäftsbe­ richt 2000 der AGIV AG, S. 57 f. 331 Ausführlich zu Mini-trials Brown/Marriott (2011), Rn.  16-038  ff.; Siegler/Fries in Walz (2017), S. 161 ff. 332 Parteien des Rechtsstreits waren Telecredit, Inc., und TRW, Inc. Eine Diskussion des Mini-­ trial in diesem Fall findet sich bei Green/Marks/Olson (1978), S. 501 ff.

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Endnoten zu den Kapiteln

10 Lösungspaket schnüren und umsetzen 333 Ein Vollstreckungstitel ist ein in einem bestimmten Verfahren errichtetes (rechtliches) Dokument, das Grundlage für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner sein kann. 334 Ausführlich zu den Unterschieden zwischen Mediation und Schlichtung Eidenmüller (2004), S. 53 f.; Prütting (2003), S. 2. 335 Für den derzeitigen Rechtszustand des Programms vgl. Michigan Court Rule 2.403, zur Kostensanktion vgl. Michigan Court Rule 2.403 (O) (abrufbar unter http://courts.mi.gov/ Courts/MichiganSupremeCourt/rules/Documents/HTML/CRs/Ch%202/Court%20Rules​ %20Book%20Ch%202-Responsive%20HTML5/index.html#rhtocid=_4&t=Court_Rules_​ Book_Ch_2%2FCourt_Rules_Chapter_2%2FCourt_Rules_Chapter_2.htm%23TOC_Sub​ chapter_2_400). Ähnliche Sanktionsmöglichkeiten bestehen in England aufgrund von 44.4(3)(a)(ii) der Civil Procedure Rules (abrufbar unter http://www.justice.gov.uk/courts/ procedure-rules/civil/rules/part-44-general-rules-about-costs#rule44.4). Danach hat das Gericht bei seiner Kostenentscheidung zu berücksichtigen, welche Anstrengungen vor oder während des Verfahrens zu einer gütlichen Streitbeilegung unternommen wurden. 336 Vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 6.3.1952, BGHZ 5, S. 251, 258. 337 Vgl. etwa Schack (2011), S. 7 ff. m. w. N. 338 Grundlegend Tversky/Kahneman (1981); siehe auch Malhotra (2016), S. 8 ff. 339 Vgl. etwa Art. 20 1. p der CIDRA Mediation Rules, http://www.cidra.org/med-rules. 340 Als sein Erfinder gilt Louis Sohn, vgl. Fisher/Ury/Patton (1991), S. xii. Eine ausführliche Beschreibung des Verfahrens findet sich bei Raiffa (1982), S. 205 ff. 341 Carter hat den Verlauf der Verhandlungen später in seinen Memoiren ausführlich geschil­ dert, vgl. Carter (1982). 342 Vgl. insoweit Eidenmüller (2014), Vor §§ 217 bis 269, Rn. 44 ff., insbes. Rn. 48 ff. Vgl. auch Rösch (2009), insbes. S. 254 ff. 343 Vgl. Raiffa (1993). 344 Eine Klage in Deutschland könnte beispielsweise im Urkundenprozess nach §§  592  ff. ZPO erfolgen. 345 Ausführlich zu Fragen der Vollstreckbarkeit eines einer Abschlussvereinbarung Eidenmüller (2002b), S. 5 f.; Eidenmüller (2001), S. 44 ff.; Hacke (2001), S. 276 ff. 346 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständig­ keit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handels­ sachen, ABl. EG v. 16.1.2001 Nr. L 12, S. 1 ff. 347 Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, ABl. EG v. 30.4.2004 Nr. L 143, S. 15 ff. 348 Für die Brüssel Ia-Verordnung sehr strittig: Für eine Anerkennung vgl. Eidenmüller (2005), S.  128; Eidenmüller (2002b), S.  5 Fn.  45 m.  w.  N.; offenlassend Hacke (2001), S. 286 ff. m. w. N. Von Art. 24 f. der EuVTVO werden sie dagegen erfasst, wenn sie durch gerichtliche Entscheidung oder in einer öffentlichen notariellen Urkunde vollstreckbar gemacht worden sind, vgl. Schlosser/Hess (2015), Art. 24 EuVTVO Rn.  3; Kropholler (2008), Art. 24 EuVTVO Rn. 2. 349 Dies wird teilweise aber auch anders gesehen, vgl. Eidenmüller (2002b), S. 5 Fn. 46 m. w. N. 350 BGBl. II 1961, 121. 351 Der abschließende Konventionsentwurf ist abrufbar unter www.uncitral.org/pdf/english/ commissionsessions/51st-session/Annex_I.pdf . Zum vorlaufenden Erstentwurf siehe ­Hacke (2015). 352 Ausführlich zu diesem Vorgehen (und den dagegen erhobenen Einwänden) Eidenmüller (2002b), S. 6; Hacke (2001), S. 289 ff. 353 Dazu ausführlich Bühring-Uhle (1991).

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Endnoten zu den Kapiteln 354 Vgl. Schwarzmann in Walz (2017), S. 74 ff.; Brown/Marriott (2011) Rn. 7–106 ff. 355 Das ist allerdings sehr umstritten, vgl. ausführlich Eidenmüller (2002b), S. 9 f. 356 Bei dieser Variante einer Final Offer Arbitration handelt es sich um das sogenannte Envelope-Verfahren. Nach deutschem Schiedsrecht ist diese Gestaltung ohne weiteres möglich: Gemäß § 1042 Abs. 3 ZPO unterliegt das schiedsrichterliche Verfahren weitgehend der Disposition der Beteiligten, und gemäß § 1051 Abs. 1 und 3 ZPO können sie dem Schieds­ gericht einen bestimmten rechtlichen Entscheidungsmaßstab vorgeben sowie dieses auch zu einer Billigkeitsentscheidung ermächtigen. Zusammengenommen wird man aus die­ sen Vorschriften die Befugnis ableiten können, dem Schiedsgericht zwei Entscheidungsal­ ternativen vorzugeben, zwischen denen es sich entscheiden muss. Ausführliche Darstel­ lung bei Walz in Walz (2017), S. 276 ff. 357 Vgl. Goldberg/Sander/Rogers/Cole (2012), S. 418 ff. 358 Vgl. Coulson (1994), der diese hybride Verfahrensart „erfunden“ hat. 359 Eine ausführliche Analyse der Anreizeffekte von Final Offer Arbitration findet sich bei Raiffa (1982), S. 109 ff. 360 Raiffa (1982), S. 118. 361 Ähnlich wie bei einer Final Offer Arbitration ist es auch bei einer High-Low Arbitration sinnvoll, dass der Schiedsrichter seine Entscheidung in Unkenntnis der von den Parteien vorgegebenen Bandbreite trifft: Dadurch wird die Chance eines wirklich vollständig un­ parteilichen Entscheidungsverhaltens maximiert. 362 Rechtstechnisch liegt in einer solchen Regelung eine Ausdehnung des in einer Media­ tionsvereinbarung regelmäßig enthaltenen, dilatorischen Klageverzichts. 363 Ausführlich dazu Eidenmüller (2003). 364 Wie ein mit der Sache befasstes ausländisches (staatliches) Gericht sie qualifizieren und ob es sie honorieren würde, ist eine andere Frage. Bei einem Schiedsgericht kann – unabhän­ gig von der Qualifikationsfrage  – erwartet werden, dass Regelungen über eine Verjäh­ rungshemmung respektiert werden. 365 Ein Muster für eine Vertraulichkeitsvereinbarung findet sich etwa bei Bülow in Walz (2017), S. 40 f. 366 Vgl. Eidenmüller (2001), S. 27 f. Umfassend Wagner (1998), S. 608 ff., insbes. S. 621 ff., 640 ff. und 683 ff. m. w. N.

11 Schwierige Situationen in Mediationsverfahren bewältigen 367 Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) v. 9.4.2002, S. 40 und v. 6.4.2002, S. 39. 368 Vgl. hierzu Menkel-Meadow/Love/Kupfer-Schneider (2013), S.  443  ff.; Moore (2014), S. 555 ff.; Hampson/Hart (1999), S. 1 ff., 23 ff.; Zartman (1994) m. w. N. 369 Vgl. Thompson (2011), S.  221; Raiffa/Richardson/Metcalfe (2002), S.  430  ff.; Schwarz (2001), S. 294 ff.; Lax/Sebenius (1991). 370 Vgl. zum ganzen Touval (1993), 355 ff. 371 Vgl. hierzu Eidenmüller (1999), S. 529 f. m. w. N. 372 Hierzu Raiffa/Richardson/Metcalfe (2002), S. 465 ff. 373 Vgl. Touval (1993), S. 359. 374 Hierzu Mnookin/Peppet/Tulumello (2000), S.  274  ff.; Susskind (1994), S.  82  ff.; Winham (1977). 375 Vgl. hierzu ausführlich Lax/Sebenius (2006), S. 99 ff. 376 Eingehend hierzu Tochtermann (2008a), S. 103 ff. 377 Vgl. Section 9 (b) des Uniform Mediation Act: „If a mediator learns any fact described in subsection (a) (1) after accepting a mediation, the mediator shall disclose it as soon as is practicable.“ Der Uniform Mediation Act ist ein von der US-amerikanischen National Conference of Commissioners on Uniform State Laws entworfenes Modellgesetz zur Ver­

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Endnoten zu den Kapiteln einheitlichung der gesetzlichen Regelung der Mediation in den USA, abrufbar unter http://www.uniformlaws.org/Act.aspx?title=Mediation%20Act; vgl. hierzu Hilber (2003); Eidenmüller (2002a). 378 In diesem Sinne auch § 3 Abs. 1 Satz 2 sowie § 3 Abs. 4 MediationsG. Auch US-amerikani­ sche Gerichte tolerieren selbst vermeintlich schwerwiegende Interessenkonflikte, solange diese vom Mediator rechtzeitig offengelegt wurden, vgl. Coben/Thompson (2006), S. 140 f. 379 Vgl. Tochtermann, (2008a), S. 70 ff.; Schwarz (2001), S. 296. 380 Eine vertiefte Analyse von Machtungleichgewichten in Verhandlungen geben Adler/­ Silverstein (2000). Vgl. auch Moore (2014), S. 520 ff.; Breidenbach (1995), S. 248 ff.; Davis/ Salem (1984). 381 Vgl. hierzu Döring (2001). 382 Zitiert nach Spiegel Online vom 7.3.2008. 383 Zur Bedeutung legitimer Kriterien für den Ausgang von Verhandlungen vgl. Richardson (2007); Fisher/Ury/Patton (1991), S. 81 ff. 384 Risse (2003), S. 239 f.; Fisher/Ury/Patton (1991), S. 31 f. 385 Siehe Stone/Patton/Heen (2009). 386 Vgl. Fisher/Shapiro (2006), S. 146 ff., 152 ff. 387 Vgl. zu der Technik des „to reframe“ Ury (1993), S. 76 ff. 388 Fisher/Shapiro (2006), S. 153; Risse (2003), S. 239. 389 Vgl. Schneeweiß (2000), S. 527.

III Die erfolgreiche Anwendung von Mediation 390 Diese Ergebnisse beruhen auf plausiblen Annahmen, verändern sich aber auch nicht we­ sentlich, wenn man diese Annahmen leicht modifiziert, vgl. hierzu Eidenmüller (2002b), S. 2; ders. (2001), S. 5 ff., 67 ff. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch Ponschab/Kracht (2016), S. 1275 ff. und Groß (2016), S. 1243 ff. Für die gerichtsverbundene Mediation in Deutschland ist eine solche Kostenersparnis auch empirisch nachgewiesen worden. So hat die Untersuchung von Spindler (2006), S. 176, gezeigt, dass 61,1 % der Parteien von einer Kostenersparnis der Mediation gegenüber der streitigen Erledigung des Konfliktes in ei­ nem Zivilprozess ausgehen. Eine regelmäßig aktualisierte Bibliographie empirischer Stu­ dien zur gerichtsverbundenen Mediation in den USA findet sich unter courtadr.org/files/ MedStudyBiblio2ndEd2.pdf. 391 Die Kosten des Zivilverfahrens wurden auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungs­ gesetzes (RVG) und des Gerichtskostengesetzes (GKG) ermittelt. Für das Schiedsverfahren wurden die gemittelten Gesamtkosten des Verfahrens mit 3 Schiedsrichtern einschließlich der Kosten der Schiedsorganisation auf der Grundlage der Kostenordnungen der DIS und der ICC sowie die entsprechenden Kosten der Parteianwälte nach dem RVG zugrundelegt. Für das Mediationsverfahren wurde von einer vertragsautonomen Mediation außerhalb eines staatlichen Gerichtsverfahrens ausgegangen und ein Mediatorenhonorar von 350 €/h sowie ein Zeitbedarf von 21 bis 30 Stunden angesetzt. Die Kosten der an der Mediation beteiligten Parteianwälte bestimmen sich nach den Regelungen des RVG (1,30 Geschäfts­ gebühr, 1,50 Einigungsgebühr und Auslagenpauschale). Vgl. zu den Kosten des Mediati­ onsverfahrens auch Ponschab/Kracht (2016) und Engel (2015). 392 Vgl. die internationale Synopse von Steffek (2013), S. 531. 393 Die angegebenen Erfolgswerte von ca. zwei Dritteln beziehen sich allerdings nur auf die­ jenigen Konflikte, in denen Mediationsverfahren versucht wurden. Es spricht eine gewisse Vermutung dafür, dass diese Fälle von vornherein eher zu einer Einigung und somit einer Lösung im Wege der Mediation geeignet waren als der Durchschnitt aller Konflikte. Sta­ tistisch lassen sich diese Werte daher nicht auf alle denkbaren Konflikte übertragen. Aus­ sagekräftig sind insoweit aber Erfolgswerte von staatlich angeordneten Mediationspro­

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Endnoten zu den Kapiteln grammen für sämtliche Konflikte. Deren Einigungsraten liegen im Mittel ca. 8 bis 10 Pro­zent unterhalb derer freiwilliger Programme, erreichen im Einzelfall aber immer noch Werte von über 70 Prozent. Vgl. z.B. Untersuchung des in North Carolina durchgeführten Pro­ gramms für gerichtsangeordnete Mediationsverfahren (Program of Court-Ordered Me­ diated Settlement Conferences, MSCs) in Zivilverfahren von Clarke/Ellen/McCormick (1995), abrufbar unter courtadr.org/files/CourtOrderedMedNC.pdf. 394 Vgl. zu diesen „Transaktionskosten“ Spindler (2006), S. 177 ff. So gaben 42,1 % der befrag­ ten Parteien an, dass als Motivation für die Teilnahme am Mediationsverfahren die Ver­ meidung der mit einem Gerichtsverfahren verbundenen Belastungen ausschlaggebend war. In der Untersuchung des bayerischen Projektes „Güterichter“ waren es sogar 55,5 %, vgl. Greger (2007), S. 51 ff. 395 Vgl. hierzu die empirischen Ergebnisse bei Greger (2007), S. 51 ff. und Spindler (2006), S. 170 ff. 396 Eidenmüller (2002b), S. 2.

12 Mediation intelligent nutzen 397 Vgl. die empirische Untersuchung unter 1.000 der größten amerikanischen Unternehmen aus dem Jahre 1998 von Linsky/Seeber (1998), S. 10. 398 Der Harvard Professor und Mediationspionier Frank Sander geht von einer grundsätzli­ chen, freilich widerlegbaren Vermutung für eine Eignung eines Konfliktes für die Media­ tion als Ziel der Bemühungen um eine Institutionalisierung des Mediationsverfahrens aus, vgl. Sander (2007), S. 600; Sander/Rozdeiczer (2006), S. 32. 399 Vgl. auch ausführlich Duve (2004). 400 Dieses Ergebnis ist auch empirisch belegt. So hat die wissenschaftliche Begleitforschung der gerichtsnahen Mediation in Niedersachsen nachgewiesen, dass sich 71,25 % der be­ fragten Parteien in der Zivilgerichtsbarkeit aus Gründen der Zeitersparnis für die Media­ tion entschieden haben, Spindler (2006), S. 173 ff. 401 Siehe die Statistik unter https://www.cedr.com/news/?item=Mediation-Market-grows-­by5-percent-The-CEDR-2016-Mediation-Audit. 402 Groß (2016), S. 1243 ff.; Eidenmüller (2002b), S. 2; Eidenmüller (2001), S. 5 ff., 67 ff. 403 Verstärkt wird dieser Effekt durch das Phänomen der reaktiven Abwertung, das wir Ihnen in Kapitel 1 näher vorgestellt haben. 404 Vgl. hierzu Der Spiegel, Hefte 50 und 52 aus dem Jahre 1999. 405 Vgl. Goldberg/Sander/Rogers/Cole (2012), S. 124, 445 f.; Eidenmüller (2004), S. 65 f. 406 4 brand eins 2002, Heft 3, S. 36, 38, 44. 407 Zu internationalen Mediationen vgl. Eidenmüller (2002b), S. 53 ff.; zu Fragen der Gestal­ tung grenzüberschreitender Konfliktlösungsmechanismen Stallard (2002) und zum inter­ nationalen Privat- und Verfahrensrecht der Wirtschaftsmediation Hutner (2005). Allge­ mein zur vertraglichen Gestaltung von Mediationsverfahren siehe Hacke (2001). 408 Siehe die Statistik unter https://www.cedr.com/articles/?item=CEDR-Solve-mediation-­ statistics-2004. 409 Vgl. hierzu Fiss (1984). 410 Vgl. hierzu auch Art. 8 Abs. 2 der Mediationsrichtlinie (Richtlinie 2008/52/EG über be­ stimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. EU Nr.  L  136 v. 24.5.2008, S. 3), der die Mitgliedstaaten zum Schutz der Mediationsparteien vor einer Verjährung ihrer streitbefangenen Ansprüche verpflichtet. 411 Ausführlich zur Auswahl des Mediators Eidenmüller (2004), S.  80  ff.; Hacke (2001), S. 147 ff. und Allen/Mohr (2000). 412 Die hier verwendete Begrifflichkeit geht zurück auf Eidenmüller (2004), S. 93 ff. 413 Vgl. hierzu die Presseberichte unter http://archiv.rhein-zeitung.de/on/97/03/21/topnews/ stahlgespraech.html sowie Süddeutsche Zeitung (S.Z.) v. 21.3.1997, S. 2.

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Endnoten zu den Kapiteln 414 Ein strukturierter Überblick über die Voraussetzungen für den zertifizierten Mediator fin­ det sich unter https://www.mediatorenausbildung.org/zertifizierter-mediator/. 415 Überblick bei Eidenmüller/Fries (2017). 416 Persönliches Gespräch eines der Autoren mit den beiden Mediatoren am 11. Februar 1997. 417 Z. B. Ewig (2002). 418 Vgl. z.B. die umfangreiche Liste der Hamburger Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte der IHK Hamburg, s. https://www.hk24.de/produktmarken/beratung-service/recht_und_ steuern/mediation/mediationsstelle-wirtschaftskonflikte/1168240. 419 So §  5 der Mediationsordnung des Europäischen Instituts für Conflict Management e.V. (eucon), abrufbar unter http://www.eucon-institut.de/mediation/mediationsordnung/. 420 So z.B. Pkt. 2 der CPR Institute for Dispute Resolution European Mediation Procedure, ab­ rufbar unter https://www.cpradr.org/resource-center/rules/international-other/mediation/​ european-mediation-procedure und Art.  4 der Commercial Arbitration and Mediation Center for the Americas (CAMCA) Mediation Rules, abrufbar unter http://www.sice.oas. org/dispute/comarb/camca/cammar1e.asp. 421 Für einen rechtsvergleichenden Überblick über die Einbindung der Mediation in Recht und Verfahren vgl. eingehend Alexander (2010) und Steffek (2010). 422 Zu Fragen der vertraglichen Gestaltung von Mediationsverfahren siehe Eidenmüller (2001) sowie Hacke (2001). 423 Hilfestellungen bei American Arbitration Association (2013); Hacke (2001), S. 89 ff.; Sander/Goldberg (1994); Wagner in Eidenmüller/Wagner (2015), S. 47 ff. 424 Dabei lässt das Mediationsgesetz leider unklar, welche Regelungen des Gesetzes zwingend und welche dispositiv sind, von welchen Vorschriften die Parteien also abweichen dürfen und von welchen nicht. Teilweise enthält das Gesetz hierzu Bestimmungen (so zu mögli­ chen Abweichungen von den Neutralitätsanforderungen an den Mediator, § 3 Abs. 4 Me­ diationsG. Zu denkbaren (und näherliegenden) Abweichungen von anderen Bestimmun­ gen (wie zum Beispiel zu den Aufgaben des Mediators in § 2) schweigt das Gesetz dagegen. 425 Insbesondere zu den Aufgaben des Mediators empfiehlt sich eine eindeutige Regelung im Mediatorvertrag („Was soll er tun? Was nicht?“). Leider schweigt das Mediationsgesetz zu der Frage, ob und ggf. inwieweit von der geplanten gesetzlichen Aufgabenbeschreibung in § 2 MediationsG abgewichen werden darf. Unseres Erachtens sind Abweichungen hiervon zulässig, da gerade die Ausgestaltung des Verfahrens Ausdruck der Parteiautonomie ist, die für das Verfahren der Mediation wesentlich ist. 426 Nach § 4 MediationsG ist der Mediator gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Nach der Begründung des Regierungsentwurfes können „die am Mediationsverfahren beteilig­ ten Parteien … die nach § 4 MediationsG zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen im allseitigen Einvernehmen von dieser Pflicht entbinden.“ (MediationsG-RegE, S. 24). Der Verzicht auf eine zwingende Verschwiegenheitsverpflichtung ist zu begrüßen, da dies eher den Prinzipien der Freiwilligkeit und Parteiautonomie entspricht, welche die Media­ tion tragen. Als Schutzzweck der Vertraulichkeitspflicht sind damit Schutzzweck allein die Interessen der Parteien an der Vertraulichkeit der Inhalte des Verfahrens, nicht dagegen die allgemeine Integrität der Mediation als (abstraktes) Verfahren oder die durch Vertrau­ lichkeit bewirkte grundsätzliche Abgeschlossenheit der Mediation gegenüber anderen Verfahren. 427 So etwa das Munich Center for Dispute Resolution (MuCDR) an der Universität Mün­ chen, http://mucdr.org. 428 Siehe §§ 10–12 der Verfahrensordnung des EUCON, http://www.eucon-institut.de/medi​ ation/mediationsordnung/. 429 Siehe § 10 der Hamburger Mediationsordnung für Wirtschaftskonflikte, abrufbar unter https://www.hk24.de/blob/hhihk24/produktmarken/beratung-service/recht_und_steuern/​ mediation/1173074/eb4d18809acf057b63d55e2041d5dee8/Mediationsordnung-data.pdf.

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Endnoten zu den Kapiteln 430 Kostenverzeichnis als Anlage 1 unter: https://www.ihk-muenchen.de/ihk/documents/ Mediation/Verfahrensordnung-des-MediationsZentrums.pdf. 431 Siehe unter https://iccwbo.org/publication/arbitration-rules-and-mediation-rules-german-­ version/. 432 Siehe unter http://info.adr.org/feeschedule/ bzw. für internationale Verfahren http://info. adr.org/internationalfeeschedule/. 433 Grundlegend zur Rolle des Rechtsanwalts in Mediationsverfahren Picker (2004), S. 51 ff.; Cooley (2002); vgl. auch Sternlight (1999). 434 Vgl. Kupfer-Schneider (2000); Kiendl (2017). 435 Vgl. Picker (2004), S. 51. 436 Siehe Picker (2004), S. 54.

13 Mediationsverfahren institutionalisieren 437 McEwen (1998). 438 Stucki (1997); Weise (1989). 439 Angaben bei Stucki (1997). 440 Vgl. auch die Zusammenstellung in CPR Institute for Dispute Resolution (2002). 441 Allerdings ist das mögliche Potential bei weitem noch nicht ausgeschöpft. So haben zwei, von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers in Auftrag gegebene empirische Studien ergeben, dass Verfahren außergerichtlicher Konfliktbeilegung zwar als  vorteilhaft wahrgenommen, jedoch in der Praxis kaum eingesetzt werden. Ursache hierfür ist eine Kombination aus lückenhaften theoretischen Kenntnissen der Verantwort­ lichen sowie mangelnde praktische Erfahrung: Kampherm/Kraus/Wellmann (2007) und Breidenbach/Gläßer/Hammes/Kirchhoff/Nestler (2005). Vgl. hierzu auch Wellmann/Kraus/ Kampherm (2008) und Gläßer/Kirchhoff (2005). 442 Aktuell bestehen Schlichtungsgesetze zur Umsetzung des § 15a EGZPO in den Bundes­ ländern Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-­ Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, vgl. http:// www.verbraucherstreitbeilegung.de/obligatorisches-schlichtungsverfahren-abgeschafft/. Ausführlich Schwarzmann in Walz (2017), S. 99 ff. 443 Trenczek (2009), 184; Knodel/Winkler (2008); Greger (2007), 130 m.  w.  N. Zum Unter­ schied zwischen Mediation und Schlichtung vgl. Prütting (2003), S. 2 f. 444 Prütting (2016), §  278 Rn.  50. Vgl. auch Hommerich/Prütting/Ebers/Lang/Traut (2006), S. 83 ff. 445 Vgl. die unter https://www.mediatorenausbildung.org/justizstatistik-gueterichterstatistik-​ 2017/ abrufbare Statistik. Weiterführend zum Güterichterverfahren Steiner in Eidenmül­ ler/Wagner (2015), S. 280 ff. 446 Eine Beschreibung verschiedener Instrumente des Konfliktmanagements findet sich in Troja/Stubbe (2008) und Schoen (2003), S. 252 ff. 447 Nestler/Hammes/Gläßer/Kirchhoff/Breidenbach (2005), S. 12. 448 Telefonische Auskunft von Kurt Nottbohm, ehemaliger Chefsyndikus der STEAG, Essen, im Oktober 2002 gegenüber einem der Autoren. 449 Satzung zu beziehen über Bayerischer Brauerbund e.V., Oskar-von-Miller-Ring 1, 80333 München: http://www.bayrisch-bier.de. 450 Vgl. Klowait/Hill (2007). 451 https://www.cpradr.org/resource-center/adr-pledges/corporate-policy-statement; vgl. hier­ zu auch Picker (2004), S. 25 f.; zur Auswertung einer Studie über die Diskrepanzen von theoretischer Bewertung und tatsächlicher Nutzung außergerichtlicher Verfahren, insbes. bei CPR-Mitgliedern: Wellmann/Kraus/Kampherm (2007).

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Endnoten zu den Kapiteln 452 Vol. 3 No. 1 Connection, Program Update for Members of the CPR Institute for Dispute Resolution (2002), S. 2. 453 Hilfestellungen geben u. a. American Arbitration Association (2013); Tochtermann (2008b); Friedrich (2007); Hacke (2001); Holland (2000) und Aibel/Friedman (1996); Bülow in Walz (2017), S. 62 f. 454 Zu beziehen unter http://www.disarb.org/de/16/regeln/dis-konfliktmanagementordnung-­ 10-kmo-id18. 455 Vgl. hierzu und zum folgenden Eidenmüller (2001), S. 7.; Shavell (1995). 456 Grundlegend Kahneman/Tversky (1979). 457 Siehe die Fallstudie bei McEwen (1998), S. 10 ff.; vgl. auch Schoen (2003), S. 202 ff. 458 Persönliches Gespräch eines der Autoren mit dem Senior Counsel Litigation der GE ­Infrastructure – Oil & Gas, Michael McIllwrath in Florenz am 10.6.2010; Halm (2008). 459 Eine praxisnahe Hilfestellung gibt etwa Susskind (2014), Chapter 6. 460 http://about.usps.com/what-we-are-doing/redress/welcome.htm. 461 Vgl. dazu https://en.wikipedia.org/wiki/Jamie_Leigh_Jones und https://www.theguardian.​ com/world/2009/oct/15/defence-contractors-rape-claim-block. 462 U.S. Court of Appeals of for the 5th Circuit, Urteil v. 15.9.2009 in der Rechtssache Jones v.  Halliburton Co., Dokumenten-Nr.  08-20380, 583 F.3d 228, 228, 232 (5th Cir. 2009), http://www.ca5.uscourts.gov/opinions%5Cpub%5C08/08-20380-CV0.wpd.pdf. Dass die Rechtslage indes unklar bleibt, zeigt das Urteil des obersten Gerichtshofes des Staates Texas. Dieser hatte in einem Rechtsstreit zwischen Halliburton Co. und einem Mitarbeiter des Unternehmens die Verbindlichkeit des Ausschlusses der staatlichen Gerichtsbarkeit zugunsten des beschriebenen Schiedsverfahrens noch für rechtens erklärt. Supreme Court of Texas, Urt. v. 30.5.2002 in der Rechtssache In re Halliburton Company, Dokumenten-­ Nr. 00-1206, 45 Tex. Sup. Ct. J. 720 (Tex. 2002), http://caselaw.findlaw.com/tx-supreme-­ court/1067347.html. 463 Department of Defense Appropriations Act, 2010, H.R. 3326 v. 21.9.2009, https://www. govtrack.us/congress/bills/111/hr3326/text. 464 Ausführlich z.B. Altmann/Fiebiger/Müller (2005), S. 244 ff.; Pilartz (2012), S. 107 ff. 465 Bürger (2014), S. 203 ff. 466 Für Rechtsstreitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis, das sich nach einem Tarifvertrag bestimmt, dessen persönlicher Geltungsbereich überwiegend Bühnenkünstler, Filmschaf­ fende, Artisten oder Kapitäne und Besatzungsmitglieder nach den §§ 2 und 3 des See­ mannsgesetzes umfasst. 467 Eidenmüller (2001), S. 14 ff. 468 Eidenmüller (2001), S. 15. 469 Briem, Spektrum der Mediation 42/2011, S. 41 ff. 470 Vortrag von Christian Stubbe, Syndikus der Siemens AG, auf Einladung des Centrum für Verhandlungen und Mediation (CVM) an der Universität Münster (jetzt: Munich Center for Dispute Resolution (MuCDR) an der Universität München) am 10.1.2003. 471 Klowait (2008). 472 Grundlegend Costantino/Merchant (1996); vgl. auch Ponschab/Dendorfer-Ditges (2016), S. 813 ff.; Goldberg/Sander/Rogers/Cole (2012), S. 483 ff.; Altmann/Fiebiger/Müller (2005), S. 227 ff.; Schoen (2003), S. 241 ff.; Hacke (2001), S. 345 ff. 473 CPR ADR Suitability Guide, abrufbar unter https://www.cpradr.org/resource-center/tool​ kits/early-case-assessment-guidelines/_res/id=Attachments/index=3/ADR_Suitability_ Screen_1.pdf. 474 Zur Kostenerfassung: Troja (2006); KPMG, Konfliktkostenstudie: Die Kosten von Rei­ bungsverlusten in Industrieunternehmen, in Zusammenarbeit mit der Hochschule Re­ gensburg und der Berner Fachhochschule vom 1.1.2009, abrufbar unter https://www. soziale-­arbeit.bfh.ch/uploads/tx_frppublikationen/KPMG_Konfliktkostenstudie_02.pdf.

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370

Muster, Checklisten, Hinweise

Beispiele für Mediationsklauseln Die folgende Klausel kann (ähnlich einer Schiedsklausel) in Verträge integriert wer­ den, um Streitigkeiten einem Mediationsverfahren zuzuführen:1 Mediation – Gerichtsverfahren / Schiedsgerichtsverfahren 1. „Die Parteien werden sich nach Treu und Glauben darum bemühen, jede Streitig­ keit, die sich aus diesem Vertrag ergibt oder im Zusammenhang mit seiner Durch­ führung entsteht, in direkten Verhandlungen unter Einbeziehung von Vertretern der Geschäftsführungsebene beizulegen. 2. Vor Beschreiten des Rechtswegs werden die Parteien auf Antrag einer Partei gegen­ über der anderen eine Mediation nach der im Zeitpunkt der Anrufung geltenden Verfahrensordnung der […] durchführen. 3. Der Rechtsweg ist erst eröffnet, wenn entweder (a) sich die Parteien nicht inner­ halb einer Frist von 60 Tagen seit Antrag einer Partei auf Durchführung einer Me­ diation gütlich geeinigt haben oder (b) beide Parteien einander schriftlich den Ver­ zicht auf die Durchführung der Mediation erklären. Für diesen Fall vereinbaren die Parteien den Gerichtsstand […]. Alternative: Für diesen Fall vereinbaren die Parteien unter Ausschluss der staatlichen Gerichts­ barkeit die Durchführung eines Schiedsverfahrens nach der im Zeitpunkt der An­ rufung geltenden Verfahrensordnung der […] durch [einen/drei] Schiedsrichter.“ 4. Verfahrensort für alle Verfahren nach dieser Bestimmung ist […]. Verfahrensspra­ che in allen Verfahren nach dieser Bestimung ist […]. Soll zunächst eine Verfahrensberatung vorgesehen werden, um einen möglichen spä­ teren Konflikt in das am besten geeignete Konfliktlösungsverfahren zu leiten, kann beispielsweise folgende Klausel verwendet werden:

1 Umfassende Klauselvorschläge bei Hacke (2001).

371

Muster, Checklisten, Hinweise

Verfahrensberatung 1. „Die Parteien werden sich nach Treu und Glauben darum bemühen, jede Streitig­ keit, die sich aus diesem Vertrag ergibt oder im Zusammenhang mit seiner Durch­ führung entsteht, in direkten Verhandlungen unter Einbeziehung von Vertretern der Geschäftsführungsebene beizulegen. 2. Vor Beschreiten des Rechtswegs werden sie eine Verfahrensberatung durch […] über das geeignete Konfliktlösungsverfahren durchführen und das empfohlene Verfahren einleiten. 3. Für den Fall, dass die Parteien innerhalb von 90 Tagen seit der Aufforderung einer Seite zur Durchführung der Beratung keine oder keine vollständige Einigung in dem empfohlenen Verfahren erzielen, steht ihnen das Recht zu, den Rechtsweg zu bestreiten. [Gerichtsstands- oder Schiedsklausel, s.o.].“

372

Beispiel einer Kombination von Mediationsvereinbarung und Mediatorvertrag Zwischen 1. […] GmbH 2. […] AG   3.  Rechtsanwälte […] ­  (Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1. und 2.) 4. […] AG   5.  Rechtsanwälte […]   (Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 4.) 6. Name des Mediators wird folgende Vereinbarung geschlossen: I. Die Beteiligten zu 1., 2. und 4. beauftragen den Beteiligten zu 6. (im Folgenden: der „Mediator“) damit, sie bei der Bewältigung wirtschaftsrechtlicher Konflikte zwischen den Beteiligten zu 1. und 4. sowie zwischen den Beteiligten zu 2. und 4. durch Mediation zu unterstützen. Die Konflikte sind Gegenstand rechtshängiger Zivilprozesse vor dem […]. II. Ziel der Mediation ist die möglichst eigenverantwortliche Konfliktbewältigung durch die Beteiligten zu 1., 2. und 4. Der Mediator besitzt keine Entscheidungs­ kompetenz. Er fördert als neutraler Vermittler die Suche nach interessengerech­ ten Einigungsmöglichkeiten. Seine Haftung ist auf Vorsatz und grobe Fahrlässig­ keit beschränkt. Der Ablauf der Mediation im Einzelnen wird von den Beteiligten zu 1., 2. und 4. und dem Mediator einvernehmlich festgelegt. III. Alle Beteiligten verpflichten sich, die Mediation durch einen von Fairness, Offen­ heit und gegenseitigem Respekt geprägten Verhandlungsstil zu fördern. Dazu ge­ hört insbesondere die Bereitschaft der Beteiligten zu 1., 2. und 4., Informationen offenzulegen, die die Einigungschancen erhöhen könnten. Alle Beteiligten verpflichten sich, den Inhalt der in der Mediation offengelegten Informationen vertraulich zu behandeln, insbesondere diese nicht in einem ge­ richtlichen oder schiedsgerichtlichen Verfahren gegen einen anderen Beteiligten zu verwenden. Davon ausgenommen sind Informationen, die ein Beteiligter au­ ßerhalb der Mediation eigenständig erlangt hat oder erlangen könnte. Der Medi­ ator verpflichtet sich darüber hinaus, Informationen, die nur ihm im Vertrauen von einem Beteiligten zugänglich gemacht wurden, entsprechend vertraulich zu behandeln. In einem gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Verfahren wird kein 373

Muster, Checklisten, Hinweise

Beteiligter einen anderen Beteiligten als Zeugen über vertrauliche Inhalte des Mediationsverfahrens benennen. IV. Die Mediation kann von den Beteiligten zu 1., 2., 4. oder 6. jederzeit durch Erklä­ rung gegenüber den übrigen Beteiligten beendet werden. V. Der Mediator wird das Ergebnis der Mediation zu Beweiszwecken schriftlich do­ kumentieren. Alle Beteiligten werden das Dokument zeichnen. Für den Fall einer (Teil-)Einigung werden die Beteiligten zu 3. und 5. etwa noch erforderliche Schritte zur rechtsverbindlichen Umsetzung des Mediationsergebnisses ergreifen. VI. Für seine Tätigkeit erhält der Mediator eine Vergütung von € […]/Stunde (Me­ diationszeit sowie Vor- und Nachbereitungszeit) zuzüglich etwaiger Reise- und Aufenthaltskosten. Die Vergütung wird zur einen Hälfte von den Beteiligten zu 1.  und 2. gesamtschuldnerisch und zur anderen Hälfte von der Beteiligten zu 4. geschuldet. Ort, den […]

374

Checkliste zum Anforderungsprofil an einen Mediator

(1) Persönliche Informationen yy Name yy Geburtsjahr yy Nationalität yy Berufsbezeichnung yy Adresse/Telefon/Fax/E-Mail/Internet (2) Sachkompetenz als Mediator yy Allgemeine berufliche Ausbildung yy Ausgeübte berufliche Tätigkeiten yy Sachlicher Schwerpunkt der Tätigkeiten yy Betriebswirtschaftliche Kenntnisse yy Branchenkenntnisse yy Technische Kenntnisse yy Juristische Kenntnisse yy Psychologische Kenntnisse yy Veröffentlichungen (3) Prozesskompetenz als Mediator yy Theoretische Ausbildung in Mediation –– Wann? –– Wo? –– Wie lange? –– Welche Inhalte/Schwerpunkte? –– Einmalig/wiederholt? –– Abschluss (Prüfung)?

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Muster, Checklisten, Hinweise

yy Praktische Erfahrungen in Mediation –– An wie vielen Verfahren mitgewirkt? –– Wie viele Verfahren davon eigenverantwortlich geleitet? –– Welche Sachmaterien? –– Streitwerte (Durchschnitt und insgesamt) yy Mediationsstil(e) yy Verhandlungssichere Sprachkenntnisse yy Ggf. spezielle Länderschwerpunkte internationaler Tätigkeit

376

Beispiel für die Eröffnungsworte des Mediators (Notizen)

(1) Begrüßung Sie haben sich grundsätzlich auf Mediation verständigt → Gemeinsamkeit, auf die wir bauen wollen und können (2) Vorstellung der Beteiligten yy Mediator: –– Name –– Beruflicher Hintergrund –– Mediationskompetenz yy Andere Beteiligte sollen sich selbst vorstellen (3) Im Folgenden: Information über Mediation yy Ziele: –– Strukturierung des Prozesses –– Abschluss der Mediationsvereinbarung (sofern noch nicht geschehen) yy Mediation = Altes Verfahren: Vermittlung durch neutralen Dritten, zumeist erfolgreich (ca. 2/3 bis 3/4 Erfolgsquote), und ich bin zuversichtlich, dass es auch für Sie erfolgreich sein wird yy Kontrolle des Prozesses: Ich – Kontrolle des Ergebnisses: Sie yy Teilnahme am Verfahren ist freiwillig yy Entscheidungssituation: Zwischen Einigungsoptionen und jeweiligen Nichtei­ nigungsalternativen auf der Basis Ihrer jeweiligen Interessen yy Kein Risiko für Sie: Sie können nur gewinnen. Wenn Sie sich nicht einigen: Nutzung der jeweiligen Nichteinigungsalternativen, Einigung nicht Selbst­ zweck, aber hier m. E. naheliegend und möglicherweise vorteilhaft für alle Be­ teiligten.

377

Muster, Checklisten, Hinweise

(4) Meine Rolle: yy Neutraler Moderator, Unterstützung bei Verhandlungsprozess, Suche nach in­ teressengerechten Einigungsoptionen, keine Rechtsberatung im engeren Sinne yy Faktoren, die Neutralität berühren könnten: Kontakte zu den Beteiligten, Vor­ befassungen? yy Verfahren: –– Eingangsstatements jeder Seite und weitere Gespräche im Plenum –– Vertrauliche Einzelgespräche → wenn Informationen öffentlich nicht mög­ lich –– Evtl. auch Einzelgespräche nur mit den Rechtsanwälten oder mit einzelnen Beteiligten –– Vertraulichkeit bzgl. aller Ereignisse im Plenum –– Vertraulichkeit dessen, was ich in Einzelgesprächen erfahre (sofern Infor­ mation als vertraulich gekennzeichnet) (5) Ihre Rolle: yy Aufgeschlossenheit, Offenheit, Mitarbeit, Zuhören yy Wollen Sie das versuchen? (6) Zeiteinsatz (inkl. Pausen) und sonstige organisatorische Details klären

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Checkliste zur Organisation eines Mediationsverfahrens

Im Folgenden sind einige logistische Aspekte für die Vorbereitung und Durchfüh­ rung eines Mediationsverfahrens zusammengestellt: (1) Ort des Verfahrens yy Welches Land, welche Stadt? yy Welche Räumlichkeiten und technische Ausstattung? –– Anzahl? –– Tische, Sitzordnung? –– Flipcharts, Pinnwände, Moderationskarten, Flipchartstifte, sonstige Visua­ lisierungshilfen? –– Overheadprojektor, Beamer, Projektionswand? –– PC(s)? –– Internetzugang? –– Fernsehgerät und Videorecorder oder sonstige Wiedergabemedien für Bildund/oder Ton? –– Telefonanlage (Telefon-/Videokonferenzen?) –– Büroservice: Drucker, Kopierer, Fax? yy Welche Verpflegung? Kulturelle bzw. religiöse Besonderheiten beachten! (2) Technische Unterstützung des Mediators yy Welche Software-Werkzeuge? (3) Teilnehmerkreis yy Wer kommt? In welcher Zahl? Vertreter (Abschlussbefugnis klären!)? Rechts­ anwälte? Sonstige Berater? yy Wer sollte noch kommen (z. B. Zeugen, Sachverständige, Dolmetscher, No­ tar)? yy Wer sollte nicht kommen?

379

Muster, Checklisten, Hinweise

(4) Dokumente yy Welche Dokumente werden benötigt? yy In welchem Umfang? (5) Verhandlungssprache (6) Zeitplan yy Wie lange soll die Verhandlung dauern? yy Wann werden welche Pausen gemacht? yy Was passiert, wenn der Zeitrahmen ohne Einigung erschöpft ist? (Zeitlichen Puffer für etwaige Vereinbarung von Folgeschritten vorsehen) (7) Tagesordnung yy Welche Themen? yy Welche Reihenfolge? yy Welche Interdependenzen?

380

Stichwortverzeichnis Hauptfundstellen sind kursiv gekennzeichnet.

Abschluss der Mediation

82 f., 101, 237 ff., 244 ff. – Abschlusskompetenz 111 – Ein-Text-Verfahren 237, 242 ff., 253a – und Rechtsberatung 97 f., 246 – Vollstreckung 246 f.; s.a. Abschluss­ vereinbarung; s.a. Vergleich Abschlussvereinbarung 221, 244 ff. – Anfechtung 56, 204, 263 – Ein-Text-Verfahren 237, 242 ff., 253 – Umsetzung der 248 – und Rechtsberatung 246 – Vollstreckbarkeit 246 f.; s.a. Abschluss der Mediation; s.a. Vergleich Absicht und Wirkung 149 Abteilungen – Konflikte zwischen 26, 108, 280, 281, 313 ff. – Zuständigkeiten 26 Ad Hoc-Mitteilung 69 adjudication board 71 adjusted winner strategy 173, 197, 214 f. Aggressionen (Emotion) 41, 150 Aggressives Verhandlungsverhalten 55, 201 ff., 259, 270 f., 272 Aggressor 149 Aktienkurs – und Verlustangst 38 aktives Zuhören 121, 139 ff., 142, 155 Akzeptanz des Mediators 98 f., 289 »Alles-oder-Nichts«-Alternativen 49, 52 f., 67; s.a. Positionen Alternative   – beste s. BATNA Alternative Dispute Resolution (ADR) – adjudication board 71 – arb-med 74, 250, 253 – dispute review board 71, 77, 282 – early neutral evaluation 72 – Final-Offer Arbitration 250 f. – Gestaltung von Verfahren der 74, 223, 239, 303 ff.

– High-Low Arbitration 251 – med-arb 74, 250, 253 – Mediation   s. dort – mini-trial 72 f., 78, 235, 249 – mock arbitration 78 – mock litigation 78 – multi-step 73 f. – partnering 70 f. – post-dispute 71 f. – pre-dispute 70 f. – Schiedsgutachten 62, 78, 106, 208, 250, 296, 318 – Schiedsverfahren 61 f., 74, 250 ff., 296; s.a. alternative Mechanismen der ­Konfliktbeilegung alternative Methoden der Konflikt­ beilegung – Erkennen von 62 ff.; s.a. Alternative Dispute Resolution anchoring 36, 53, 203 f., 222, 271 Anlagenbau 111, 245 Anlass – von Konflikten 23 ff., 33 f., 103 ff. Anreizstrukturen für die Nutzung von Mediation 35, 73, 240, 310, 312 f., 319, 322 Anwaltskosten 38, 66, 275 f., 313 Anwaltsmediator 96 ff., 102, 106, 120, 252 Anwaltsvergleich 247 Anwendungsgebiete der Wirtschaftsmediation 75 ff., 279 f. arb-med 74, 250, 253 Arbeitgeber 24, 59 f., 75, 201, 221 f., 316 Arbeitnehmer 58, 221 f., 285, 313 f. – und Unternehmer 25 Arbeitsgerichte 60, 316 Arbeitskämpfe – und Schlichtung 58 Arbeitsplätze – Verlust von 45, 128 Arbeitsrecht und Konfliktmanagement 304, 315 f.

381

Stichwortverzeichnis

arbeitsrechtliche Konflikte 250, 304, 315 f., 320 Assume Mediation 69 attributionelle Verzerrungen 36 f., 66, 148 ff. Attributionstheorie 37, 57 Ausschlussgründe für Mediation 285 ff.; s.a. Eignung von Konflikten für Mediation Auswahl – der geeigneten Konfliktbeilegungs­ methode 58 ff., 62 ff., 69 – des Mediators 103, 287 ff. Automobilindustrie 25, 56 f., 74 Autonomie – bei der Konfliktbewältigung 61, 93, 95, 161 f., 205 f., 212 – Gefährdung der 205 f., 235, 264 ff., 267, 315 – Grenzen der 95, 264 ff., 285 f., 315 – Herstellung von 161 f. – und Familienmediation 86 – und self agency 206

BATNA

63, 220 ff., 236 – und Einigungsbereich 220, 237 – und Verhandlungsmacht 221 f., 264 ff.; s.a. Nichteinigungsalternativen; s.a. Ombudsmann Bauprojekte 71, 180 – Schlichtung 75 Beamer 116, 126, 190, 379 Bedürfnisse – und Interessen 158 ff. – und Positionen 158 ff. Beendigung der Mediation 206, 249, 251 Beleidigungen 33 Berliner Flughafenmediation 174 Beschwerdemanagement 75 Beschwerdeverfahren 59 f., 316 f., 321 – zu Geschäftspartnern   s. Geschäfts­ beziehungen Bestandsaufnahme 81, 105 ff., 121, 143 ff.; s.a. Informationssammlung beste Alternative   s. BATNA betriebliche Konflikte 58 ff., 220, 250, 280, 285, 313 ff., 325 Betriebsklima 22 Betriebsrat – und Arbeitgeber 25, 75, 97, 316

382

– und Konfliktmanagement 316 Betriebsverfassungsgesetz 59 f., 75, 316 f. Beweismittel 93 Beweismittelbeschränkungen 252, 294 Bewertung 98 – durch den Mediator 92, 94, 141, 205 f., 207 f., 239 ff., 267 f. – durch die Parteianwälte 300 – Komponenten der subjektiven 135 – rechtliche 98 – von Einigungsoptionen 82, 194 ff., 195 ff., 207 f. – von Interessen 172 f. – von Konflikten (screening) 305, 321 – von Konfliktmanagementsystemen 317, 323 – von Nichteinigungsalternativen 82, 222 ff., 227 ff. – von Unternehmen 66, 206 ff. – von Wahrnehmungen 36, 57, 139, 148 ff., 155 Bewertungskriterien   s. Kriterien Bewertungsmaßstäbe 160 ff., 175; s.a. ­Interessen Beziehungen – des Mediators und Neutralität 261 f., 272 – Emotionen als Beziehungsindikator 133 – Wahrnehmung von 145; s.a. Emo­tionen Beziehungsebene – Konfliktdiagnose auf der 122 ff. – und Sachebene 30 ff., 50, 57, 63, 67, 71, 105, 124 f., 150 f., 270, 284 Beziehungskonflikte 25, 30 ff., 57, 59 f., 105, 126, 128, 132, 144, 157 Brainstorming 82, 186 ff., 197, 209 f. Brainwriting 188 f. Brexit 161 Brüssel-Ia-Verordnung 247 Bürgerdialog Flughafen Berlin ­Brandenburg International 174 Bürgerinitiativen 112 f.

Camp-David-Verhandlungen caucus   s. Einzelgespräche caucus mediation 224

242

Stichwortverzeichnis

character contest 31 Charakteristika der Mediation 67, 79 Co-Mediation 225, 291 f. Collaborative Law 73 Commitment   s. Selbstbindung Community Mediation Centers 85

D

auer – von Mediationsverfahren 68, 83, 88, 114 – von Prozessen 85 Deal Mediation 69 f. Debiasing 204; s.a. Wahrnehmung, ­Veränderung Deeskalation 136, 150, 179, 224, 268 ff. – Gemeinsamkeiten betonen 271 f. – »Let them vent« 268 – Normalisieren 141 f., 270 – Reformulieren 270 f. – Spannungsabbau physisch unterstützen 272 – Strategien der 268 ff. – Thematisieren 269 – und Einzelgespräche 224 – Verständnis signalisieren 271; s.a. ­Eskalation Deutsche Bahn AG 22 Deutsche Lufthansa AG 21 Diagnose von Konflikten 23, 45, 105 ff., 119 ff. direkte Fragen 145 dispositives Recht 95 Dispute Resolution Pledges 308 dispute resolution systems   s. Konflikt­ managementsysteme dispute review board 71, 77, 282 dispute systems design   s. Konflikt­ managementsysteme distributives Verhandeln 92, 200 ff., 258 Drohungen 43, 50, 55, 266, 268 – mit Öffentlichkeitswirkung   s. dort Druck 26

Early case assessment

313 early neutral evaluation 72 Effizienz – der Konfliktlösung 49, 85 f., 103 ff., 195 ff., 199 ff.

– des Konfliktlösungsverfahrens 85 f., 313, 324 – Ineffizienz gerichtlicher Streitbeilegung 78 – Ineffizienz intuitiven Verhandelns 49 – Pareto 178 – von Verteilungsprozessen 199 ff.; s.a. adjusted winner strategy Eignung von Konflikten für Media­tion 22 f., 25, 68 f., 73, 77 f., 265 f., 279 ff. Ein-Text-Verfahren 237, 242 ff., 253 Einfühlungsvermögen 50, 151 f., 162 ff., 170 ff. – und Selbstbehauptung 50, 163 f.; s.a. Empathie Einigungsbarrieren   s. Einigungshinder­ nisse Einigungsbereich 220, 281 Einigungshindernisse 56, 106, 108, 237 ff., 252 – Emotionen als 140 f., 268 ff. – Emotionen als Indikator für 140 f. – frühzeitige Festlegung auf Lösung als 56 – intuitives Verhandeln als 49 – kognitive 34 ff., 223, 239 – Machtungleichgewichte als 264 ff. – Nullsummenmythos als 54, 164, 184 – strategische 56, 197, 237 f., 277, 306 – strukturelle 238 f. – überwinden 122 ff., 237 ff., 277, 306 – Verhandlungsdilemma als 63 ff. – Vermischung von Person- und Sach­ ebene 57, 122 ff. – Vertreter als 110 – Wahrnehmungsverzerrungen 34 ff., 66, 150, 223 Einigungsoptionen 56, 95, 177 ff., 201 ff., 205 ff. – Ausschluss unerwünschter s. Selbst­ bindung – Bewerten von 82, 194 ff., 195 ff., 207 f., 299 f. – Brainstorming 82, 186 ff., 194 f., 209 f. – Entwickeln von 95, 164 ff., 177 ff., 205 ff., 239 ff., 299 f. – Ideen und 82, 186 ff., 194 f. – konkretisieren 194 ff. – PMI-Methode 195

383

Stichwortverzeichnis

– Sammeln von 63, 82, 186 ff. – Trennung von Entwicklung und Bewer­ tung von 82, 186 ff.; s.a. Kreativität – und Fairness 199 ff., 208 ff. – und Mediator 88 ff., 92, 94, 207 f., 239 ff., 263 f., 267 f., 273 – und Recht 95 Einigungsoptionen – Entwickeln von 231 Einigungsquoten von Mediations­ verfahren 68, 119 Einigungsstelle 60, 75, 316, 321 Einigungsstellenverfahren 75 Einigungsvorschläge des Mediators 88 ff., 92, 207 f., 239 ff., 263 f., 267 f. – und Verfahrensordnungen 241 Einsatzgebiete der Wirtschafts­mediation 280 einseitige Kommunikation 262 f. Einstieg in Mediationsverfahren 80 einstweiliger Rechtsschutz 287 Einzelgespräche 169 f., 223 ff., 262 f., 266, 270 – Deeskalation durch 224, 270 – Risiken von 224 – und Machtungleichgewichte 205 f. – und Mediatorvertrag 225 – und Neutralität des Mediators 202 f., 224, 250, 262 f. – und Nichteinigungsalternativen 147, 225 f., 229, 243 – und Verhandlungsort 115 – und Vertraulichkeit 89, 170, 224, 292 – vorbereitende 109 emotionale Intelligenz 151, 162 ff.; s.a. Empathie Emotionen 119, 127 ff., 155 f., 268 ff., 284 – als Beziehungsindikatoren 133 – als Informationsquelle 127, 132 ff. – als Wertindikatoren 129 – analysieren von 135 – Angst 37 f., 123, 131 ff., 136, 150, 168, 185 – Ärger 37, 129, 134, 271 – Empörung 131, 135 – Enttäuschung 93, 123, 129 ff., 136, 150 – Intensität von 128 ff., 134 – konstruktiv bearbeiten 136

384

– Misstrauen 21, 33, 123, 131 – Mut 136 – Neid 125, 284 – Offenlegung von 132 – Stolz 129 – und Fragen 143 ff. – und Körpersprache 129 f., 134, 153 – und Wahrnehmung 136; s.a. ­Beziehungen; s.a. Eskalation; s.a. Kommu­nikation – und wirtschaftliche Konflikte 128 ff. Empathie 50, 147, 151, 162 ff. – Förderung der 151, 162 ff. – und Entscheidungsszenarien 171 f. – und Rollenwechselübungen 170 f. – und Selbstbehauptung 50 f., 163 f. Entrechtlichung 159 Entscheidungsbaum 110, 228 f.; s.a. ­Prozessrisikoanalysen Entscheidungsbefugnis – der Teilnehmer an einer Wirtschafts­ mediation 110 ff. Entscheidungsgewalt des Mediators 67, 85, 88 ff., 94 Entscheidungsszenarien 171 f. Entscheidungsträger 111, 239, 247, 284 – der abwesende 112 erbrechtliche Konflikte 31, 157, 279 Erfolgschancen – im Falle eines Gerichtsverfahrens 35 – von Mediationsverfahren 68 Erfolgsquoten von Mediationsverfahren 68, 119 Erforschung der Interessen 81 f., 145, 147, 157 ff. Ergebnisse von Verhandlungen   s. ­Verhandlungsergebnisse Ergebnisverantwortung – der Parteien 205 f. – des Mediators 94, 96 Eröffnungsgespräch 80 f. Eröffnungsstatement des Mediators 80 f., 118 f., 126, 377 f. Eskalation 149 – durch Selbstbindung 201 ff., 270 f. – in Mediationsverfahren 268 ff. – Stufenmodell der 40 ff. – Ursache für 40 ff., 50, 133, 136 ff., 268 ff., 312

Stichwortverzeichnis

– Vermeiden 119 ff., 133, 136 ff., 141 f., 268 ff.; s.a. Deeskalation; s.a. Emotionen; s.a. Kommunikation; s.a. Konfliktverlauf; s.a. schwierige ­Situationen in Mediationsverfahren – von Konflikten 24, 40 ff., 127 ff., 201 ff., 268 ff. Europäische Mediationsrichtlinie 86, 96, 294 Europäische Union 86, 95, 247 Eurotunnel 257 f. EuVTVO 247 Evaluativer Mediationsstil 91

Fairness

34, 60, 133, 198, 199 ff., 208 ff. – des Verfahrens 87, 179, 211 ff., 222, 258 f. – objektive Fairness Standards 95, 109, 133, 208 ff. – und Verteilungsprozesse 199 ff. FamFG 96 Familiengesellschaften 19, 31 f. Familienmediation 82, 86 Familienunternehmen 112 fazilitativer Mediationsstil 91 feindliche Übernahme 21, 289 Final-Offer Arbitration 250 f. fitting the forum to the fuss 78, 326 Flexibilität – der Mediation 78, 79 Flipcharts 116, 118, 168, 172, 191 Fokalpunkte 210 f. Fragearten 121, 145 ff. – direkte 145 – geschlossene 146 f. – kritische 225 f. – offene 146 f., 169 – reflexive 146 – strategische 146 – Suggestivfragen 225, 269 – zirkuläre 145 f. Fragen 136, 143 ff., 167 ff., 225 f. – horizontale 167 – Prüffragen für die Bewertung von ­Einigungsoptionen 196 – reality check der Nichteinigungs­ alternativen durch 225 f.; s.a. Fragearten; s.a. Fragetechnik; s.a. Kommunikationstechniken

– vertikale 167 – zum Offenlegen der Interessen 167 ff. – zum Offenlegen der Wahrnehmung 136 Fragetechnik des Mediators 136 f., 89 f., 121, 143 ff., 225 f.; s.a. Kommunikationstechniken Fragetypen   s. Fragearten Framing 241 Frankfurter Flughafenmediation 86, 112 f., 257 Freiwilligkeit der Mediation 67, 87, 205, 322 Funktion des Mediators 67 f. Fusionen 26, 28 f., 48, 70, 289 – Fusionsverträge 70 – Integrationsprozesse nach 70

Gefangenendilemma

24, 63 ff., 66 Gefühle   s. Emotionen Gemeinsamkeiten entdecken 152 Genugtuung 44 Gerechtigkeit – des Ergebnisses einer Mediation 95 – Eingriff des Mediators bei ungerechtem Ergebnis 100 – Gerechtigkeitskriterien 66, 82, 208 ff., 267 – Gerechtigkeitsvorstellungen 129, 133 ff., 208 ff. – soziale 86 – Verfahrensgerechtigkeit 85, 102, 179, 211 ff., 222, 258 f.; s.a. Fairness Gerichte 61 – Kosten 22, 87, 229 f., 240, 275 f., 279, 298 – Kostenanreize 240, 312 f., 322 – Prozess vor staatlichen 61 gerichtinterne Mediation 325 gerichtsverbundene Mediation 68, 78, 86 Geschäftsbeziehungen 26, 56, 66, 277 geschlossene Fragen 146 f. Gesellschafter – Konflikte zwischen   s. Gesellschafter­ auseinandersetzungen Gesellschafterauseinandersetzungen 26, 31 f., 42, 157, 180 f. gesellschaftsrechtliche Konflikte 280 Gesetz   s. Mediationsgesetz

385

Stichwortverzeichnis

Gesichtsverlust 43, 53, 133, 204 Gesprächsführung – non-direkte 139 Gestaltung – von Verfahren zur Konfliktbeilegung 88 ff., 223, 240, 303 ff. Gremienvorbehalte 111 Grünbuch zur Außergerichtlichen Streitbeilegung 86 Grundsatzkonflikte 25, 27 f., 45, 60, 122 Gruppenfreistellungsverordnungen 95 Gruppenpsychologie   s. Psychologie Güterichter 306 Gütestellenvergleich 247

H

aftpflichtversicherer 99, 113 Harvard-Konzept 63, 66, 77, 208; s.a. ­interessenorientiertes Verhandeln High-Low Arbitration 242 Hindernisse für eine Einigung   s. ­Einigungshindernisse Höchstleistungen unter Druck 26

Ich-Aussagen

143 Ideen – zur Problemlösung 82, 186 ff. indirekte Kosten 22 f., 62, 231, 277, 279 Informationsauswertung 110 Informationsblatt 104 Informationsgrundlagen der ­Mediation 192 f. Informationssammlung 105 ff. – Einzelgespräche 109 – mediation briefs 108 f., 122 – pre-mediation briefing reports 260 – schriftliche Stellungnahmen 107 f. – Schriftsätze 107; s.a. Bestandsaufnahme Infrastrukturvorhaben 26, 86 innerbetriebliche Konflikte 58 ff., 220, 250, 280, 285, 313 ff., 325 innere Konflikte 25, 32 ff., 46 Insolvenz 29, 52, 137, 169, 179, 243, 256 – Insolvenzrecht 243 – und Insolvenzplan 243 – und Kreditgeber 38; s.a. Sanierungsverhandlungen Institutionalisierung der Wirtschafts­ mediation 70 ff., 293, 303 ff. – in den USA 87

386

– institutionelle Unterstützung 36, 295 ff. Institutionen 103, 293 – und Verfahrensordnungen 103, 295 ff. integratives Verhandeln 47, 177 ff. Interessen 88, 157 ff., 281 – Erforschung der 81 f., 145, 147, 157 ff. – Fragen nach 167 f. – Gewichtung von 81 f., 172 f. – interessenorientiertes Verhandeln 50, 62 ff. – Priorisierung von   s. Gewichtung von – Spiegelung von 172 – Täuschung über 204 f. – und Bedürfnisse 158 ff. – und Einzelgespräche 169 – und Empathie 162 ff. – und Normen 159 – und Positionen 67, 81 f., 88, 108, 157 ff. – und Sachkonflikte 25 f. – und Selbstbehauptung 167 – und Verteilungskonflikte 34 – und Wertschöpfung 164; s.a. Bewertungsmaßstäbe; s.a. Entrechtlichung – Veränderung von 157, 173 f. – Verschweigen von 65 – Vielfalt von 157, 165 – visualisieren 168 f. – von Rechtsanwälten 238 – Wahrnehmung von 157 Interessenerforschung – Fokus der 166 f. – Methoden der 166 ff.; s.a. Interessen interest-based-mediation 158, 177 interkulturelle Konflikte 39 internationale Konflikte 39 Intuition 47, 49 intuitives Verhandeln 47, 49, 64, 66, 238 Investitionsentscheidungen 27, 227, 231

J

oint Venture 178, 183, 215, 227 judgemental overconfidence   s. Über­ optimismus juristische Auseinandersetzung – als Nichteinigungsalternative 88, 92, 94, 96, 98, 120, 221, 227 ff. Justitiare 61, 76, 104, 112 f., 165

Kategorien von Konflikten   s. Konflikt­ kategorien

Stichwortverzeichnis

kognitive – Dissonanzen 35 f., 39 – Einigungshindernisse 34 ff., 223, 239 – Konsistenz 35 – Mechanismen 35 ff., 66, 150, 223 Kommunikation – Abnahme der 21, 41 – Blickkontakt 140 – einseitige 262 f. – Fördern der 127 ff. – Ich-Aussagen 143 – Kommunikationsfähigkeit des M ­ ediators 34, 138 ff. – non-verbale   s. Körpersprache – Verbessern der 138 ff., 232; s.a. ­Emotionen Kommunikationsregeln – Vereinbarung von 119, 142 f., 155 Kommunikationstechniken 139 ff. – aktives Zuhören 121, 139 ff., 139 ff., 142, 155 – looping   s. Paraphrasieren – Neutralisieren 200 – Normalisieren 141, 270 – Paraphrasieren 140 f., 148, 153, 155, 169 – Partialisieren 142, 169 – Reformulieren 209, 270 f., 273 – Spiegeln 153, 172 – Strukturieren 142 – Verbalisieren 106, 139, 141, 149 ff., 155 Komplexität von Mediationsverfahren 106, 116, 152, 211, 242 f., 255 ff., 283 – 6-Hüte Methode 190 ff. – Adjusted-Winner-Verfahren 214 ff. – best practices bei komplexen Mediatio­ nen 106, 116 f., 152, 166, 170 f., 190 ff., 195, 197, 210 f., 214 f., 225, 227 ff., 236, 242 ff. – Ein-Text Verfahren 242 ff. – Fokalpunkte 210 f. – informale Vorbereitungstreffen und ­Telefonkonferenzen 152 f. – Ordnen von Einigungsoptionen 195 – Physische Bedürfnisse 117 – Prozessrisikoanalyse 227 ff. – Rollenwechselübung 170 f. – Smartsettle 197 – Umgebung 117

– Vertraulichkeitsschutz 224 – viele Interessen 259 f. – viele Parteien 257 ff. – viele Themen 259 f. – Visualisierung 116, 195 – Vorbereitung 118 Kompromiss 47 ff. – und Interessen 47 Konflikt – als Chance 303 – als Nullsummenspiel   s. dort – Anfälligkeit für 313 – Anlässe   s. Anlass von Konflikten – arbeitsrechtliche 87, 250, 304, 315 f., 320 – betriebliche   s. innerbetriebliche – Beziehungskonflikte 14, 25, 30 ff., 57, 59 f., 105, 126, 128, 133, 157 – Delegation an Dritte 58 ff. – erbrechtliche 31, 157 – externe 24, 31, 72, 219, 245, 277, 281, 303 ff., 305 ff., 312, 322 – gesellschaftsrechtliche 280 – Grundsatzkonflikte 25, 27 f., 45, 60, 122 – handelsrechtliche 280 – innerbetriebliche 58 ff., 220, 250, 280, 285, 313 ff., 325 – innere 25, 32 ff., 46 – interkulturelle 39 – internationale 39 – interne 24, 28, 30, 313 ff. – Konfliktdiagnose 23, 45, 105 ff., 119 ff. – Konfliktkategorien 24 ff. – Konfliktkosten 21 f., 62, 68, 275 ff., 282, 294, 303 ff. – Konfliktkreis 33 – Konfliktlösung   s. dort – Konfliktmanagement   s. dort – Konfliktmanagementsysteme   s. dort – Konflikttheorie 23 ff. – Konfliktursachen   s. dort – Konfliktverlauf 23 f., 40 ff., 109 – Konfliktvermeidung 50, 71 – politische 117, 242 – post-merger- 279 – Sachkonflikte 25 ff., 31, 33 f., 106, 109, 122 ff., 126, 128, 157, 250 – Strategiekonflikte 25, 28 f., 34, 37, 45 f., 58, 69, 82, 97, 104, 106, 122, 126, 157

387

Stichwortverzeichnis

– Tarifkonflikte 58 f., 69, 72, 77, 113, 117, 201, 215, 221, 265, 285, 316 f. – Typologie von 24 ff., 33 – und Wahrnehmung 34 ff. – unternehmensinterne   s. Konflikte, ­innerbetriebliche – Verteilungskonflikte 25, 29, 34, 37 f., 60, 69, 104, 122, 199 ff. – Wertkonflikte 15, 25, 27 f., 106, 160 – Zielkonflikte   s. Sachkonflikte – zwischen Abteilungen   s. Abteilungen – zwischen Gesellschaftern 26, 31 f., 42, 157 – zwischen Unternehmen 25 ff., 60 f., 80, 103 f., 107, 237, 280, 305 ff. Konfliktbehandlungskosten   s. Verfahrenskosten Konfliktbeilegung – geeignete Methode für   s. Auswahl Konfliktdefinition 90, 93, 119 Konfliktdiagnose 23, 45, 105 ff., 119 ff. – auf der Beziehungsebene 122 ff. – auf der Sachebene 122 – und Fragen 143 ff. – und subjektive Wahrnehmung 34 ff., 106, 119 Konfliktkategorien 23 ff. Konfliktkosten 21 f., 62, 68, 275 ff., 282, 294, 303 ff.; s.a. Kosten Konfliktkreis 33 Konfliktlösung 47 ff. – effiziente 87 f., 177 ff., 195 f., 199 ff., 313 – faire 34, 60, 73, 82, 95, 109, 133, 198, 199 ff., 208 ff.; s.a. Einigungsoptionen Konfliktmanagement 62 ff., 69 ff., 75 ff., 296, 303 ff. – effektives 73 – externer Konflikte 305 ff. – interner Konflikte 313 ff. – und Arbeitsrecht 316 ff. Konfliktmanagementsysteme 277, 303 ff. – Prinzipien der Gestaltung 319 ff. – und Arbeitsrecht 316 ff. Konfliktmanagementverträge 311 f. Konfliktparteien – Gruppen bilden 243, 257 ff. – Kontaktaufnahme zum Mediator 103 ff. – mittelbar Betroffene 112 ff., 126

388

– viele 257 ff. Konflikttheorie 23 ff. Konfliktursachen 21 ff. – gemeinsames Verständnis der 81 Konfliktverhalten 47 ff. Konfliktverlauf 23 f., 40 ff., 109 Konsens 47 ff. Kontaktaufnahme zwischen Mediator und den Parteien 103 ff. Kontingenztheorie 23 Konzernunternehmen 19, 24, 108, 280, 281, 304, 313 f., 318 f. Kooperationsverträge 71, 76, 110, 215, 239 kooperativer Verhandlungsstil 60 f. Körpersprache 134, 153, 194; s.a. Emotionen Kosten – Anwaltskosten 38, 66, 275 f., 313 – der Mediation 68, 102, 230 f., 275 ff., 282, 294, 295 ff. – indirekte 22, 62, 231, 277, 279 – Konfliktkosten 21 f., 62, 68, 275 ff., 282, 294, 303 ff. – Prozesskosten 87, 229 f., 240, 275 f., 303 ff. – Rechtsanwaltskosten 38, 66, 275 f., 313 – Streikkosten 21 ff., 44, 221, 265 – versunkene 38, 62 Kostenanreize 240, 312 f., 322 Kostenvorteile durch Mediation 68, 178, 275 ff., 322 Kreativität 177 ff., 183 ff. – laterales Denken 184 ff. – Mediator und 184 ff. – und Verteilungskriterien 205 ff. Kreativitätsimpulse 192 f. – brainteasers 194 – mentale Provokationen 193 Kreativitätstechniken 184 ff. – 6-Hüte-Methode 190 ff. – Brainstorming 82, 186 ff., 194 f., 209 f. – Brainwriting 188 f. – Mindmapping 188 f. – Veränderung der Problemsicht 192 ff. – Veränderung der Verfahrensstruktur oder Vorgehensweise 194; s.a. Visualisierung

Stichwortverzeichnis

Kriterien – Auswahl durch Mediator 66, 88 ff., 92, 239 ff., 263 f. – legitime 66, 82, 208 ff., 267, 273 – objektive 51, 63, 208 – Recht als objektives 51, 208 ff.; s.a. ­Verteilungskriterien kulturelle Unterschiede 39 Kundenbeschwerden 75 Kündigung 48, 56 f., 60, 68, 227 ff., 313 ff., 317 – der Mediation 249, 294 Kündigungsschutzverfahren 60

Laterales Denken

184 ff. legitime Kriterien 66, 82, 208 ff., 267, 273 London Approach 207 looping 140 f.; s.a. Paraphrasieren loss aversion   s. Verlustangst Lösung von Konflikten   s. Konflikt­lösung Lösungsmöglichkeiten   s. Einigungs­ optionen

Macht

– in Unternehmen 30, 44, 284 – in Verhandlungen 221, 236, 264 ff., 315 Machtungleichgewichte 264 ff. Management – von Konflikten   s. Konfliktmanagement Materialkoffer 116 Maximierung von Nutzen   s. Nutzen­ maximierung med-arb 74, 250, 253 Mediation – Abschluss der 82 f., 97, 101, 237 ff., 244 ff. – als Katalysator 86, 132 – Anreizstrukturen für die Nutzung von 35, 73, 240, 310, 312 f., 319, 322 – Anwendungsgebiete 75 ff., 279 f. – Ausschlussgründe für 285 ff. – Beendigung der 206, 249, 251 – Begriff der 67 – bei Sanierungsverhandlungen 182, 207, 210 f., 279, 283 – bei Vertragsverhandlungen   s. Deal ­Mediation – Charakteristika der 67, 79

– Co- 225, 291 f. – Dauer von -verfahren 68, 83, 88, 114 – Deal Mediation 69 f. – Eignung von Konflikten für 22 f., 25, 73, 77 f., 265 f., 279 ff. – Ein-Text-Verfahren 237, 242 ff., 253 – Einigungsquoten 68, 119 – Einsatzgebiete der 279 f. – Einstieg in 80 – Einzelgespräche 169 ff., 223 ff., 262 f., 266, 270 – Erfolgschancen 68 – Erfolgsquoten 68, 119 – Eröffnung 80 f., 118 f., 377 f. – fachliche Unterstützung 295 ff. – Familienmediation 83, 86 – Flexibilität 78, 79 – Freiwilligkeit 67, 87, 205, 322 – gerichtsinterne 325 – gerichtsverbundene 68, 78, 86, 306 – Geschwindigkeit der 68, 282 – im Anlagenbau 111, 245 – im Spektrum der Konfliktbeilegungs­ methoden 67 – in der Wirtschaft s. Wirtschafts­ mediation – Informationsgrundlagen 206 ff. – Institutionalisierung s. dort – Institutionen s. dort – Kombination mit anderen Verfahren 251 – komplexe Verfahren s. Komplexität – Konfliktmanagementsysteme   s. dort – Kosten 68, 102, 230 f., 275 ff., 282, 294, 295 ff. – Kündigung 249, 294 – Mediationsklauseln 102, 309 ff. – Methode 79 ff. – nach Schiedsverfahren   s. med-arb – obligatorische 306, 309 – ohne Einigung 249 ff. – Organisation des Verfahrens 294 ff. – organisatorische Vorbereitung der 114 ff., 295 – Ort 115 – Pausen 117, 194, 272, 380 – Phasen 79 ff. – Recht der 94 ff., 294 f. – Recht in der 80, 85, 94 ff.

389

Stichwortverzeichnis

– Rolle des Rechts in der   s. Recht der und Recht in der – schwierige Situationen   s. dort – Sitzordnung 115 f., 126, 379 – Stile s. Mediationsstile – Tagesordnung 142, 266, 283, 380 – Teilnehmer 80, 106, 110 ff. – und Gerechtigkeit   s. dort – und innere Konflikte 32 ff. – und Kreativität   s. dort – und unterschiedliche Konflikttypen 69, 279 ff. – und Verjährung 252 – und Zeit 68 – Ursprung 85 ff. – Verfahrensordnungen 103 – Verfahrensregeln 90, 293, 295 – Verlauf 79 ff. – Vertraulichkeit 89, 108, 118, 170, 252, 282, 294 – Vollstreckung nach 246 f. – Vorbereitung 34, 80, 103 ff., 114 ff., 165 f., 170 f., 191 f., 259, 299 f. – Vorteile 68 – Wertschöpfung   s. dort – Zeitpunkt für 287 – Ziel 79, 85 ff. – Zukunft 325 ff. – Zukunftsgerichtetheit 167, 177, 281 f., 285 mediation briefs 108 f., 122 Mediation Receptivity Index (MRI) 75 Mediation-Arbitration s. med-arb Mediationsgesetz 96 ff., 249, 252, 261, 266, 294, 325 Mediationsinstitutionen   s. Institu­tionen Mediationsklauseln 103, 309 ff. Mediationsstil – evaluativer 91 – fazilitativer 91 – Nutzen 92 – typischer 90 Mediationsstile 90 ff., 158 – interest-based-mediation 158, 177 – rights-based-mediation 158, 177 Mediationsteams   s. Co-Mediation Mediationsvereinbarung 80, 101, 202, 251, 294 f. – Abschluss der 101

390

– Inhalt 294 f. – Muster 295 ff., 373 f. – und Einzelgespräche 225 – und Vertraulichkeit 101, 108, 252, 294; s.a. Recht der Mediation Mediationsverfahren – internationale 252 Mediator – Akzeptanz des 98 f., 289 – als Kommunikationsmodell 138 ff. – Auswahl des 103, 287 ff. – Auswahl legitimer Kriterien durch   s. Kriterien – Auswahlverfahren 293 – Autorität des   s. Entscheidungsgewalt des – bei Standortentscheidungen 104, 113, 174, 257 – Einigungsvorschläge des 88 ff., 92, 94, 207 f., 239 ff., 263 f., 267 f., 273 – Einzelgespräche   s. dort – Entscheidungsgewalt des 67, 85, 88 ff., 94 – Ergebnisverantwortung des 88 ff., 100 – Eröffnungsstatement des Mediators 80, 118 f., 126 – Fragetechnik des   s. dort und s. Fragen – Funktion des 67 f. – Haftung 117, 295 – Kommunikationsfähigkeit des 34, 139 – Kontaktaufnahme zu den Parteien 103 ff. – Kreativität   s. dort – Materialkoffer 116 – Moderator 71, 90, 102, 174, 191, 378 – Nationalität 289, 375 – Neutralität s. dort – Pendeldiplomatie 231 – Prozesskompetenz 273, 375 – Prozessverantwortung des 89, 94, 265 f. – Qualifikation 288 f. – Rechtsanwälte 96 ff., 102, 106, 120, 252 – Rolle 25, 67 f., 80, 85 ff., 88 ff., 118 f., 185 – Sachkompetenz 288 – Schlichter 59, 72, 75 – Sprachkenntnisse des 289, 376 – und Empathie 35, 151, 162 f., 170 ff., 175 – und Rechtsberatung 97 f. – und Wahrnehmung 34 ff.; s.a. Media­ tion; s.a. Wirtschaftsmediation

Stichwortverzeichnis

– Unparteilichkeit 80, 99, 119, 151, 240 – Vergleichsmanager 248 – Vergütung 275 f., 295 ff., 374 – Verhandlungsführung durch 49, 62 f., 73, 88 ff., 92, 111, 138 f. – Verschwiegenheit 80 – Vertrauen in 67 – Vertraulichkeit s. dort – Vorgespräche 103 ff. – Vorschläge des 88 ff., 92, 207 f., 239 ff., 263 f., 267 f. – zertifizierter 290 Mediatorvertrag 80, 96, 101, 108, 118, 222, 225, 249, 251, 294 f., 300 – Abschluss des 101 – Inhalt 294 f. – Muster 295 ff., 373 f. – und Einzelgespräche 225 – und Vertraulichkeit 101, 108, 252, 294; s.a. Recht der Mediation Methode der Mediation 79 ff. Methoden der Konfliktbeilegung – Auswahl 33 f., 58 ff., 58 ff., 70 ff. – Prozess vor staatlichen Gerichten 61 – Schiedsgutachten 62, 78, 106, 208, 250, 296, 318 – Schiedsverfahren   s. dort – Schlichtung 58 f., 72, 75, 92, 239 – traditionelle 58 ff. – Vorteile der Mediation 68; s.a. Alter­ native Dispute Resolution Michigan Mediation 240 mini-trial   s. Alternative Dispute Resolution Misstrauen 21, 33, 123, 131, 146, 258 Missverständnisse 21, 26, 36, 71, 81, 110, 123, 140, 154, 244, 257 Mitarbeiterbeteiligung 320 Mobbing 87, 162 Moderationskarten 172, 188, 195, 379 Moderator 71, 90, 102, 174, 191, 378 Motive für Wirtschaftsmediation 85 Muster – Mediationsvereinbarung/Mediations­ vertrag 373 f. Musterverfahrensordnungen 295 ff.

Nachfragen

147 Nationalität des Mediators 289, 375 Neighborhood Justice Centers 85

Neutralität der Collaborative-Law-­ Anwälte 73 Neutralität des Mediators 80, 94, 99, 202 f., 205 f., 208, 224, 255, 261 ff., 271, 273, 293 – Einigungsvorschläge und 263 f. – einseitige Kommunikation 262 f. – Gefährdungen der 261 ff. – Machtungleichgewichte 264 ff. – persönliche Beziehungen 261 f. New York-Konvention 61 Nichteinigungsalternativen 85 f., 95, 108, 161, 201, 219 ff., 266 – Arten von 220 – Bedeutung von 219 ff. – beste (BATNA) 63, 220 ff., 227, 236, 237 – Bewertung von 25, 34 ff., 82, 222 ff., 237 ff. – Entwickeln von 221 f. – juristische Auseinandersetzung als   s. Prozess als – kommunizieren 221 f. – Prozess als 34 ff., 88, 92, 94, 96, 98, 120, 221, 227 ff. – Täuschung über 56, 204 f., 216, 222 – und Recht 95, 122 – und Sachkonflikte 34 – und Überoptimismus 35 f., 147, 223 – und Verhandlungsmacht 221, 236, 266, 315 – und Verteilungskonflikte 34, 201 – Wahrnehmung von 34 ff., 223; s.a. ­Prozessrisikoanalysen Normalisieren 141 f., 270; s.a. Kommunikationstechniken normative Standards   s. Verteilungs­ kriterien Normen – und Interessen 159 – und Positionen 159 Notar – als Mediator 246 – notarielle Beurkundung 82, 245, 253 notarielle Urkunde 247 Nullsummenspiele 49, 54, 63, 67, 77, 92, 164, 177 f.; s.a. Spieltheorie; s.a. ­Verhandlungsdilemma Nutzenmaximierung 55, 65

391

Stichwortverzeichnis

Objektive Kriterien   s. Kriterien

obligatorische Mediation 306, 309 offene Fragen 146 f., 169 Offenlegung – von Präferenzen 63, 214 f. öffentliches Interesse an Rechtsdurch­ setzung 286 Öffentlichkeitswirkung 286 Ökonomische Theorie 23, 92 Ombudsmann 72, 74, 317 – der Banken 72 – der Versicherungswirtschaft 72 Online Dispute Resolution 196 f., 216 Optimismus   s. Überoptimismus Optionen   s. Einigungsoptionen Orange – Streit um die 157 ff., 164, 172, 179 Organisation des Mediationsverfahrens 294 ff.; s.a. Mediationsvereinbarung; s.a. ­Mediatorvertrag organisatorische Vorbereitung der ­Wirtschaftsmediation 114 ff. Ort der Mediation 115 Oslo-Prozess 117 overconfidence   s. Überoptimismus Overhead-Projektor 116

P

araphrasieren 140 f., 148, 153, 155, 169 Pareto-Effizienz 178 f., 200 Parteien   s. Konfliktparteien Partialisieren 142, 169 partnering 70 f. Pausen 117, 194, 272, 380 Pendeldiplomatie 231 Perspektivenwechsel 151 f., 205, 237 Phasen einer Wirtschaftsmediation 79 ff. Pinnwände 116, 118 Positionen – Konzentration auf 51 – typische 158 f., 168 – und »Alles-oder-Nichts«-Alternativen 49, 52 f., 67 – und Bedürfnisse 50, 56, 67, 81 f., 158 ff. – und Interessen 50, 51, 54, 67, 81 f., 108, 157 ff., 164, 281 – und Normen 159 – und Rechtsansprüche 51 post-merger-Konflikte 279 Postal Service 183

392

Präferenzen – Fragen nach 145 – Offenlegung von 63, 214 f. Präzedenzfälle 27, 286 – Präzedenzwirkung 27, 286; s.a. Grundsatzkonflikte pre-mediation briefing reports 260 principal-agent-problem 110 Privatautonomie – in der Wirtschaftsmediation 79, 86, 93, 95, 205 f., 326 Produkthaftungsstreitigkeiten 69 Prognosen – unterschiedliche als Wertschöpfungs­ quelle 181 Projektverträge 71 Prozess – als Nichteinigungsalternative 34 ff., 88, 92, 94, 96, 98, 120, 221, 227 ff. – Erwartungswert eines 227 ff. – Kosten 86, 229 f., 240, 275 f., 303 ff. – Zeitaufwand 62 Prozessdauer 86 Prozesskompetenz des Mediators 273, 375 Prozesskosten 86, 229 f., 240, 275 f., 303 ff.; s.a. Kosten Prozessrisikoanalysen 73, 88, 106, 110, 203, 227 ff., 238 – Entscheidungsbaum 110, 227 ff. – Erwartungswert eines Prozesses 227 ff. – Kosten/Nutzen-Analyse 229 f. – kumulierte Wahrscheinlichkeiten 227, 232 – Nutzen 231 f. – Pendeldiplomatie 231, 233 – Risikoneigung 230, 251 – Sensitivitätsanalysen 234 f. – Software zur 230 – und Rechtsanwälte 233 f. – und versunkene Kosten 38 – Wahrscheinlichkeitsrechnung 229; s.a. Nichteinigungsalternativen Prozessverantwortung – der Parteien 205 – des Mediators 89, 94 Psychologie 23 f., 32, 50, 127, 223 Punkteschema – zur Bewertung von Einigungs­optionen 195 ff., 214 f.

Stichwortverzeichnis

– zur Interessenbewertung 173; s.a. ­adjusted winner strategy; s.a. smartsettle

Qualifikation des Mediators Ranglistenverfahren 293

288 ff.

Rationale Akteure   s. Spieltheorie reactive devaluation   s. reaktive ­Abwertung reaktive Abwertung 39, 66, 130, 148, 240 Recht – als objektiver Maßstab 51 – der Mediation 94 ff., 294 f. – dispositives 95 – in der Mediation 80, 85, 94 ff. – kontinentales 62 – und Einigungsoptionen 95 – und Nichteinigungsalternativen 95, 122 – Zugang zum 85 – zwingendes 95, 100, 285, 287, 316, 322 Rechtsabteilung 61, 75, 76, 238 Rechtsansprüche   s. Positionen Rechtsanwälte 60, 80, 82, 85, 92, 96 ff., 233 f., 295, 298 ff. – als Mediator 96 ff., 102, 106, 120, 252 – als Parteivertreter in der Mediation 96, 107, 298 ff. – Kosten 38, 66, 275 f., 313 – nach der Mediation 300 – Rolle der in der Mediation 298 ff. – und Prozessrisikoanalysen 233 f. – Vorbereitung der Mediation durch 299 f. Rechtsdienstleistungsgesetz 98, 246 Rechtsdurchsetzung – öffentliches Interesse an 286 Rechtsfragen – in der Wirtschaftsmediation   s. Wirtschaftsmediation, Recht der und Recht in der Rechtsstreit   s. Prozess reflexive Fragen 146 Reformulieren 192, 209, 270 f., 273 Regeln – der Kommunikation   s. Kommuni­ kationsregeln

Reputation 30, 43, 56, 62, 78, 172, 204, 290 – und Verteilungskonflikte 30 rights-based mediation 158, 177 Risikoanalysen   s. Prozessrisikoanalysen Risikoneigung – und Verlustangst 37 f., 230 – unterschiedliche als Wertschöpfungs­ quelle 181 Rolle des Mediators 25, 67 f., 80, 85 ff., 88 ff., 118 f., 185 Rolle des Rechts in der Wirtschafts­ mediation   s. Recht Rollenwechselübung 170 f., 175, 190; s.a. Empathie Round Table Mediation und Konflikt­ management 77 Rufschädigung 231 runder Tisch 115

S

achbeurteilung 92 Sachebene – Konfliktdiagnose auf der 122 – und Beziehungsebene 30 ff., 50, 57 f., 63, 67, 71, 105, 124 f., 150 f., 270, 284 Sachkompetenz des Mediators 288 Sachkonflikt 96 Sachkonflikte 25 ff., 31, 33 f., 106, 109, 122 ff., 126, 128, 157, 250 Sachverhalt – Aufklärung des 34, 89, 91, 103 ff.; s.a. Bestandsaufnahme Sachverhaltsaufklärung 34, 89, 91, 103 ff. Sachverständige 62, 71, 74 f., 114, 126, 248, 322, 379 Sanierungsverhandlungen 182, 207, 210 f., 279, 282 – London Approach 207 Scheinzugeständnis 204 Schiedsgutachten 62, 78, 106, 208, 250, 296, 318; s.a. Alternative Dispute Resolution Schiedsgutachter 62, 74, 88, 91; s.a. Sachverständige Schiedsrichter 61, 67, 72, 75, 91, 208, 240, 247 f., 250 ff., 297, 326 Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut 247 Schiedsverfahren 61 f., 74, 250 ff., 295 ff.

393

Stichwortverzeichnis

– Final-Offer Arbitration 250 f. – High-Low Arbitration 251 – New York-Konvention 61 – Schiedsrichter 61, 67, 72, 75, 91, 208, 240, 247 f., 250 ff., 297, 326 – Vollstreckung von Schiedssprüchen 61, 246 f.; s.a. Alternative Dispute ­Resolution Schlichter 58 f., 72, 75 Schlichtung 72, 92, 239 – bei Arbeitskämpfen 58 f. – in Baukonflikten 75, 297 – in Tarifkonflikten 58 f., 72, 117 Schlichtungsverfahren 72, 239, 297, 306 Schlüsselfaktoren von Verhandlungen 160 f., 222 – Einigungsoptionen   s. dort – Interessen   s. dort – Nichteinigungsalternativen   s. dort – Viereck der 160 f. – Wahrnehmung   s. dort Schlüsselwörter 168 schwierige Situationen in Mediations­ verfahren 255 ff. – Eskalation 268 ff. – Komplexität 255 ff. – Machtungleichgewichte 264 ff. – Neutralitätsgefährdungen 261 ff. Screening   s. Bewertung, von Konflikten (screening); s. Mediation, Eignung von Konflikten für – 6-Hüte-Methode 190 ff. Selbstbehauptung 50, 163 f., 205 – und Empathie 50, 163 f. – und Interessen 167 Selbstbestimmung   s. Privatautonomie Selbstbild 41; s.a. Selbstkonzept Selbstbindung 201 ff., 216, 268, 270 f., 324 – Eskalation durch 201 ff., 268, 270 f. Selbstbindungserklärungen zur ­Mediation 307 ff. Selbstkonzept 32; s.a. Selbstbild selektive Wahrnehmung 35, 46, 66, 88 self-fulfilling prophecy   36, 46 Sensitivitätsanalysen 234 f. Sitzordnung 115 f., 126, 379 Skaleneffekte 183 SMART 246 smartsettle 197 Solidarnosc 115

394

Sozialplan 97 Sozialwissenschaften 23 Spektrum der Konfliktbeilegungs­ methoden 67, 85 Spiegeln 153, 172 Spieltheorie 23 f., 63 ff. – Verhandlungsdilemma 24, 63 ff., 66, 241 Sprachkenntnisse des Mediators 289, 376 Standortentscheidungen 104, 113, 174, 257 Statuserhebung   s. Bestandsaufnahme Stellvertreterkonflikt 31 Strafprozessordnung 86 Strategie – kompetitive 50, 56, 64 ff., 201 ff., 205 – kooperative 64 ff., 177 ff. – strategische Einigungshindernisse 222, 289 – strategische Fragen 146 – strategisches Verhalten 37, 110, 126, 167 f., 197, 200 ff., 222, 237, 240, 283 Strategie – kompetitive 50 Strategiekonflikte 25 ff., 28 f., 34, 38, 45 f., 58, 69, 82, 96, 97, 104, 106, 122, 126, 157 strategische Einigungshindernisse 197, 237 f., 252, 277, 306 strategische Fragen 146 Streik 21 ff., 44, 104, 115, 201, 221, 225, 265 – Streikkosten 21 ff., 44, 221, 265 Streitbeilegungsprogramme   s. Konflikt­ managementsysteme Streitbeilegungsverfahren 25, 70 ff., 77 f. Strukturieren 142, 260, 277 Stufenmodell der Eskalation 40 ff. Subjektive Wahrnehmung 34 ff., 119, 148 ff. sunk costs   s. versunkene Kosten Syndikus   s. Justitiare

T

agesordnung 142, 266, 283, 380 Taktiken   s. Verhandlungstaktiken Tarifkonflikte 58 f., 69, 72, 78, 113, 117, 201, 215, 221, 265, 285, 317

Stichwortverzeichnis

Täter-Opfer-Ausgleich 86; s.a. Victim-Offender-Mediation Täuschung 55, 204 f., 216, 222, 226, 233, 259 Teilnehmer an der Mediation 80, 106, 110 ff., 294, 299, 379 – Auswahl der 110 ff. – Entscheidungsbefugnis 110 f. – Vertretungsbefugnis 110 f. Themen der Verhandlung 81, 121 f., 142, 166 ff., 242 ff., 259 f., 283, 380 Theorie – Konflikttheorie 23 ff. Trade-off-Analyse 109 traditionelle Mechanismen der ­Konfliktbeilegung 58 ff. Transparenz 258, 263 Transrapid München 175 Typologie von Konflikten 24 ff., 33

Überoptimismus

35 f., 46, 49, 66, 88, 147, 223 UNCITRAL Model Law on International Commercial Conciliation 247 ungerechtes Ergebnis 100 Uniform Mediation Act 96 Unparteilichkeit des Mediators 80, 99, 119, 151 Unternehmen – Konflikte zwischen 25 ff., 60 f., 80, 103 f., 107, 237, 280, 305 ff. Unternehmensbewertung 66, 206 ff. unternehmensinterne Konflikte 58 ff., 220, 250, 280, 285, 313 ff., 325 Unternehmenskauf 27, 180, 202, 233, 263, 279 – und Wahrnehmung 38 Unternehmensnachfolge 29, 279 Unternehmensphilosophie 307, 320 Unternehmenspolitik 307, 320 Unternehmenszusammenschlüsse   s. ­Fusionen Ursachen von Konflikten   s. Konflikt­ ursachen

Verbalisieren

106, 141, 149 ff., 155; s.a. Kommunikationstechniken Vereinnahmungsversuche 261 f.

Verfahrensauswahl 33 f., 58 ff., 62 ff., 69 Verfahrensgestaltung 74, 88 ff., 223, 239, 303 ff. Verfahrensordnungen 103, 241, 295 ff. – Muster 295 ff.; s.a. Institutionen Verfahrensregeln der Mediation 89, 293, 295 Vergleich 60, 62, 89, 93, 231, 244 ff., 253; s.a. Abschluss der Mediation; s.a. Abschlussvereinbarung Vergleichsmanager – Mediator als 248 Vergleichsverhandlungen 72 f., 108, 235 Verhalten – und Anlass 24 Verhaltensmuster 50, 52, 63, 124 f., 143 Verhandeln 24, 49, 62 ff., 114 ff., 177 ff., 200 ff., 208, 238 – distributives 92, 200 ff., 258 – integratives 47, 177 ff. – interessenorientiertes 50, 62 ff. – intuitives 49, 63, 66, 238 – kooperativer Verhandlungsstil 60 f. – nach dem Harvard-Konzept 63, 66, 77, 208 Verhandlung – politische 84, 94 – Schlüsselfaktoren der 160 f., 222 – visuelle Unterstützung   s. Visualisierung – Vorbereitung der 34, 80, 103 ff., 114 ff., 165 f., 170 f., 191 f., 259, 299 f. Verhandlungsdilemma 24, 63 ff., 66 Verhandlungsdynamik 88, 92, 114, 260 Verhandlungsergebnisse – und Verhandlungsdilemma 66 Verhandlungsführung 49, 63, 73, 88 ff., 92, 111 – durch Fragen 143 ff. – Einfühlungsvermögen fördern 151 f. – Einigungshindernisse überwinden 237 ff. – Einigungsoptionen konkretisieren und bewerten 194 ff. – Emotionen verstehen und steuern 128 ff. – Eskalation begrenzen 268 ff. – Formen der 88 ff. – Gefährdungen der Neutralität des ­Mediators 261 ff.

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Stichwortverzeichnis

– Hohe Komplexität bewältigen 255 ff. – Interessen erforschen und gewichten 166 ff. – Kommunikation verbessern 138 ff. – Konfliktdiagnose 119 ff. – Machtungleichgewichte 264 ff. – Machtungleichgewichte ausgleichen 264 ff. – Nichteinigungsalternativen 221 f., 236, 264 ff., 315 – Nichteinigungsalternativen prüfen 219 ff. – Verteilungsprozesse effizient gestalten 199 ff. – Vertrauen und Beziehung fördern 152 ff. – Wahrnehmung feststellen und verän­ dern 148 ff. – Wertschöpfungspotentiale erkennen und nutzen 177 ff. Verhandlungsmacht 221, 236, 264 ff., 315 Verhandlungsposition   s. Position Verhandlungstaktiken – der Wertbeanspruchung 200 ff. – der Wertschöpfung 177 ff. – strategische 37, 110, 126, 167 f., 197, 200 ff., 222, 237, 240, 283 Verhandlungsthemen 81, 121 f., 142, 166 ff., 242 ff., 259 f., 283, 380 Verhandlungsvorbereitung 103 ff. Verjährung – als Regelungsgegenstand 295 – Hemmung 252 – und Mediation 252 – Verjährungsfristen 97 Verlauf – einer Wirtschaftsmediation 79 ff. – von Konflikten 23 f., 40 ff., 109 Verlustangst 37 f., 42, 53, 66, 150, 223, 230, 239, 313 Verlustaversion   s. Verlustangst Versicherungsunternehmen 114 Verständnis finden 153 f. versunkene Kosten 38, 62 Verteilungskonflikte 25, 29 f., 34, 37 f., 60, 69, 96, 106, 122, 199 ff. Verteilungskriterien 66, 205 ff. – Fokalpunkte 210 f. – materielle 208 ff.

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– normative Standards 208 ff.; s.a. ­Kriterien Verteilungsverfahren 211 ff. – Abwechseln 212 – Adjusted Winner-Verfahren 214 f. – Automatisierte Verteilung durch Soft­ ware-Werkzeuge 216 – effiziente Gestaltung von 199 ff., 205 ff. – Einer teilt, der andere sucht aus 212 f. – Losverfahren 212; s.a. Wertverteilung – und Fairness 199 ff. Vertrauen – gegenüber dem Mediator 67, 224, 288 – gegenüber dem Verhandlungspartner 46, 66, 81, 152 ff. – Selbstvertrauen 23 Vertraulichkeit der (Wirtschafts-)Mediation 89, 108, 118, 170, 252, 282, 294 – und Collaborative Law 73 – und gesetzlicher Vertraulichkeitsschutz 252 – und Mediationsvereinbarung 294 – und Mediatorvertrag 294 – Wunsch nach 282; s.a. Verschwiegenheit; s.a. Zeugnisverweigerungsrecht Vertreter und Vertretener 110 ff., 258 Vertretungsbefugnis 111 Verwaltungsverfahren 86 verzerrte Wahrnehmung 36 f., 41, 46, 66, 148 ff., 204, 219, 223 Victim-Offender-Mediation 86 – Vollstreckung von Schiedssprüchen 61, 247; s.a. Täter-Opfer-Ausgleich Viereck der Schlüsselfaktoren von ­Verhandlungen 160 f. Visualisierung 110, 116, 168 f., 189, 379 – Beamer 116, 126, 379 – Flipcharts 116, 118, 168, 172, 191 – Moderationskarten 172, 188, 195, 379 – Overhead-Projektor 116 – Pinnwände 116; s.a. Kreativitäts­ techniken – von Interessen 168 f. Vollstreckbarkeit der Abschlussverein­ barung 246 f. – Anwaltsvergleich 247 – Gütestellenvergleich 247 – notarielle Urkunde 247

Stichwortverzeichnis

– Schiedsspruch mit vereinbartem Wort­ laut 247 Vorbereitung der Mediation 34, 80, 103 ff., 114 ff., 165 f., 170 f., 191 f., 259, 299 f. – organisatorische 114 ff., 295 Vorgesetzte 24, 26, 47, 58, 67, 104, 131, 138, 249, 313, 318 Vorhersagen 36, 46 Vorschläge des Mediators 88 ff., 92, 94, 207 f., 239 ff., 263 f., 267 f., 273 Vorteile der Mediation 68 Vortragsbeschränkungen 252

W

ahrnehmung – attributionelle Verzerrungen 36 f., 66, 148 ff. – Fragen nach 150 f. – Framing 241 – in interkulturellen Konflikten 39 f. – in internationalen Konflikten 39 f. – kognitive Einigungshindernisse 34 ff., 223, 239 – Perspektivenwechsel 151 f., 205, 237 – reaktive Abwertung 38, 66, 130, 148, 240 – Reflexion der eigenen 36, 162, 200 – selektive 35, 46, 66, 88 – sich selbst erfüllende Vorhersagen 36, 46 – subjektive 34 ff., 119, 148 ff. – Überoptimismus 35 f., 46, 49, 66, 88, 147, 223 – und Emotionen 136 – Unternehmenskauf 38 – Veränderung der 36, 148 ff. – Verlustangst 37 f., 42, 53, 66, 150, 223, 230, 239, 313 – versunkene Kosten 38, 62 – Verzerrungen 36 f., 41, 46, 66, 148 ff., 204, 219, 223 – von Erfolgschancen 36 f. – von Konflikten 34 ff., 148 ff. – von Nichteinigungsalternativen 34 ff., 223 Wahrnehmungsanker   s. anchoring Wahrscheinlichkeitsrechnung 229 Wertbeanspruchung 200 ff. – distributives Verhandeln 92, 200 ff., 258

– Taktiken der 200 ff. Wertkonflikte 25, 27 f., 106, 155, 160 Wertschöpfung 49, 76, 164, 177 ff., 194 ff. – durch Gemeinsamkeiten der Konflikt­ beteiligten 179 – durch Skaleneffekte 183 – durch Unterschiede zwischen den Kon­ fliktbeteiligten 179, 259; s.a. Kreativität – und integratives Verhandeln 47, 177 ff. Wertschöpfungspotentiale 62, 164 ff., 172, 177, 183 ff., 194 ff. – erkennen und nutzen 183 ff. Win/Lose-Ergebnisse 164 Win/Win-Ergebnisse 164 Wirkung und Absicht 149 Wirtschaftsmediation – Abschluss der 82 f., 97, 101, 237 ff., 244 ff. – Anreizstrukturen für die Nutzung von 35, 73, 240, 310, 312 f., 319, 322 – Anwendungsgebiete 75 ff., 279 f. – Ausschlussgründe für 285 ff. – Beendigung der 206, 249, 251 – bei Sanierungsverhandlungen 182, 207, 210 f., 279, 283 – Eignung von Konflikten für 22 f., 25, 73, 77 f., 265 f., 279 ff. – Ein-Text-Verfahren   s. dort – Einigungsquoten von 68, 119 – Einsatzgebiete der 75 ff., 279 f. – Einstieg in das Verfahren 80 – Einzelgespräche in der   s. dort – Erfolgsquoten von   s. Mediation – Eröffnung der 80 f., 118 f., 377 f. – fachliche Unterstützung der 295 ff. – Flexibilität der 78, 79 – Freiwilligkeit 67, 87, 205, 322 – gerichtsinterne 325 – gerichtsverbundene 68, 78, 86 – Geschwindigkeit der 68, 282 – in den USA 86 f. – in Deutschland 75 ff. – Informationsgrundlagen der 206 ff. – Institutionalisierung der   s. dort – Institutionen   s. dort – Kombination mit anderen Verfahren 251 – komplexe Verfahren   s. Komplexität – Konfliktmanagementsysteme   s. dort

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Stichwortverzeichnis

– Kontaktaufnahme zu den Parteien 103 ff. – Kosten der 68, 87, 102, 230 f., 275 ff., 282, 294, 295, 298, 306, 312 f. – Kündigung der 249, 294 – Mediationsklauseln   s. dort – Methode der 79 ff. – Motive für 87 – ohne Einigung 249 ff. – Organisation des Verfahrens   s. dort – organisatorische Vorbereitung der 114 ff., 295 – Ort der 115 – Pausen 117, 194, 272, 380 – Phasen einer 79 ff. – Recht der 94 ff., 294 f. – Recht in der 80, 85, 94 ff. – Rechtsfragen in der   s. Recht in der – Rolle des Rechts in der   s. Recht der und Recht in der – schwierige Situationen   s. dort – Sitzordnung   s. dort – Stile der   s. Mediationsstile – Tagesordnung   s. dort – Teilnehmer an der 80, 106, 110 ff. – und Familienmediation 83, 86 – und Gerechtigkeit   s. dort – und Kreativität   s. dort – und Privatautonomie 79, 86, 93, 95, 205 f., 326 – und Rechtsberatung 97 f. – und Verjährung 252 – Verfahrensordnungen 241, 295 – Verfahrensregeln der 89, 293, 295 – Verlauf einer 79 ff. – Vertraulichkeit der   s. dort – Vollstreckung nach   s. Vollstreckbarkeit

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– Vorbereitung der 33 f., 80, 103 ff., 114 ff., 165 f., 170 f., 191 f., 259, 299 f. – Vorgespräche zur 80, 103, 118 f. – Wertschöpfung   s. dort – Zeitpunkt für 287 – Ziele der 79, 85 ff. – Zukunft der 325 ff. – Zukunftsgerichtetheit 68, 167, 177, 281 f., 285; s.a. Mediation; s.a. ­Mediator

Z

eitdruck 26 f. Zeitpräferenzen – unterschiedliche als Wertschöpfungs­ quelle 181 Zeitvorteile durch Mediation 68 Zertifizierter Mediator 290 Zertifizierung 290 Zeugen 114, 126 Ziele der Wirtschaftsmediation 79, 85 ff. Zielkonflikte 25; s.a. Sachkonflikte zirkuläre Fragen 145 f. Zivilprozessordnung 231, 240, 247, 294, 306 Zuhören 139 ff., 121 – aktives 121, 130, 136, 139 ff., 142, 155 – Stufen des 139 ff.; s.a. Kommunika­ tionstechniken Zukunft – der Wirtschaftsmediation 325 ff. – Gestaltung der 281 f. zwingendes Recht 95, 100, 285, 287, 316, 322 Zwischenergebnisse 238, 272 zwischenmenschliche Konflikte s. ­Beziehungskonflikt

Die Autoren Prof. Dr. Christian Duve, M.P.A. (Harvard) ist Rechtsanwalt und Unternehmer in Frankfurt am Main. Er ist seit über 20 Jahren regelmäßig als Mediator oder Schiedsrichter in wirtschaftsrechtlichen Auseinander­ setzungen tätig. Duve war von 1998 bis 2018 Rechtsanwalt und Partner einer inter­ nationalen Wirtschaftskanzlei. Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen in wirtschafts-, finanz- und sportrechtlichen Themen sowie in der Begleitung von Start Ups, insbe­ sondere aus dem public value-Sektor und der Technologie-Branche. Seit 2013 gehört er dem Vorstand des Deutschen AnwaltVereins (DAV), Berlin, an und ist Honorar­ professor an der juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Zu­ vor war er acht Jahre lang Schiedsrichter am Court of Arbitration for Sport (CAS), Lausanne. Für nähere Informationen s. www.christian-duve.de. Prof. Dr. Horst Eidenmüller, LL.M. (Cambridge) ist Inhaber eines Lehrstuhls für Handelsrecht an der University of Oxford und Profes­ sorial Fellow des St. Hugh’s College, Oxford. Er verfügt über eine langjährige Erfah­ rung als Mediator und Schiedsrichter in komplexen Wirtschaftsstreitigkeiten im Inund Ausland, mehrere davon im Milliardenbereich. Er unterrichtet Verhandeln und Mediation sowohl an Universitäten als auch in der Wirtschafts- und Rechtspraxis. Eidenmüller ist Miturheber und Ausbilder der „Münchener Ausbildung zum Wirt­ schaftsmediator“ (Eidenmüller / Hacke / Fries) sowie Miturheber und Ausbilder der „Münchener Workshops zum Verhandlungsmanagement“ (Bühring-Uhle / Eiden­ müller / Nelle). Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie im Bereich der Streitbeilegung. Eidenmüller ist u.a. ordent­ liches Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Research Associate des European Corporate Governance Institute. Er war als Gast­ professor u.a. an der Harvard Law School, der Stanford Law School, der Columbia Law School sowie der NYU tätig. St. Hugh’s College, St. Margaret’s Road, Oxford OX2 6LE, United Kingdom, https://www.law.ox.ac.uk/people/horst-eidenmüller, www. horst-eidenmueller.de. E-Mail: [email protected]. Dr. Andreas Hacke, FCIArb ist Partner im Düsseldorfer Büro der Sozietät Zwanzig Hacke Meilke & Partner. Er ist als Rechtsanwalt, Schiedsrichter, Mediator sowie als Dozent tätig. Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht vertritt und berät er Mandanten in allen Fragen des Wirtschaftsrechts sowie bei der Lösung handels- und gesellschaftsrechtlicher Kon­ flikte. Als Schiedsrichter, Wirtschaftsmediator oder Schlichter ist er regelmäßig in neutraler Funktion mit der Lösung komplexer Wirtschaftskonflikte betraut. Seit vie­ len Jahren hält er zudem Vorträge und Seminare zu Verhandlungs- und Konfliktma­ 399

Die Autoren

nagement, Wirtschaftsmediation und Schiedsgerichtsbarkeit. Er ist Lehrbeauftragter („visiting lecturer“) an der University of Oxford, Miturheber und Ausbilder der „Münchener Ausbildung zum Wirtschaftsmediator“ (Eidenmüller / Hacke / Fries) sowie Ausbilder der „Münchener Workshops zum Verhandlungsmanagement“ (Büh­ ring-Uhle / Eidenmüller / Nelle). Rechtsanwälte Zwanzig Hacke Meilke & Partner PartmbB, Goethestraße 29, 40237 Düsseldorf, www.zhmp.de. E-Mail: ahacke@zhmp. de. Dr. Martin Fries, LL.M. (Stanford) ist Privatdozent an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bürgerlichen Recht, im Zivil­ verfahrensrecht und im Anwaltsrecht, jeweils mit besonderem Augenmerk auf der Digitalisierung des Rechtswesens. Als Mediator ist Fries vor allem in wirtschafts­ rechtlichen und erbrechtlichen Fallgestaltungen tätig. Institut für Internationales Recht, Ludwig-Maximilians-Universität München, Veterinärstraße 5, 80539 Mün­ chen, ­https://www.linkedin.com/in/friesmartin/, https://twitter.com/mrtnfrs, https:// www.youtube.com/jurapodcast. E-Mail: [email protected].

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