Maximalschutz im internationalen und europäischen Urheberrecht [1 ed.] 9783737008006, 9783847108009

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Maximalschutz im internationalen und europäischen Urheberrecht [1 ed.]
 9783737008006, 9783847108009

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Schriften zum deutschen und internationalen Persönlichkeits- und Immaterialgüterrecht

Band 43

Herausgegeben von Professor Dr. Haimo Schack, Kiel, Direktor des Instituts für Europäisches und Internationales Privat- und Verfahrensrecht

Jan Hendrik Schmidt

Maximalschutz im internationalen und europäischen Urheberrecht

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-6398 ISBN 978-3-7370-0800-6 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung der Studienstiftung ius vivum.  2018, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

meiner Familie

Inhaltsübersicht

A. Problemaufriss B. Begriffliche Vorüberlegungen C. Gang der Darstellung

Einleitung

19 19 22 28

Teil 1: Maximalschutz im internationalen Urheberrecht

31

Kapitel 1: Das System internationaler Konventionen im Urheberrecht

33 34 34

Kapitel 2: Die »klassischen« multilateralen Verträge

37 37 48 49 61 62

Kapitel 3: Der Marrakesch-Vertrag

65 65 72 76 80 81

Kapitel 4: Bi- und plurilaterale Verträge

83 84 85 94 96

A. Die Berner Übereinkunft als historischer Ausgangspunkt B. Die weitere Entwicklung

A. B. C. D. E.

A. B. C. D. E.

A. B. C. D.

Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ) Welturheberrechtsabkommen (WUA) Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPs) WIPO Copyright Treaty (WCT) Zwischenergebnis

Vorgeschichte Verhältnis zu anderen Staatsverträgen Regelungsgehalt Die Ratifizierung und Umsetzung Zwischenergebnis

Außenhandelspolitik der USA Außenhandels- und Assoziierungspolitik der EU Die weltweite Verdichtung von TRIPs-Plus-Mindeststandards Zwischenergebnis

Fazit des 1. Teils: Erforderlichkeit internationaler Maximalschutzgrenzen 97

8

Inhaltsübersicht

Teil 2: Maximalschutz im europäischen Urheberrecht

101

Kapitel 5: Methodischer Rahmen

103 103 126 129 137

A. B. C. D.

Reichweite europäischer Richtliniengesetzgebung Rechtsfortbildung auf europäischer Ebene Primärrechtliche Vorgaben innerhalb des Umsetzungsspielraums Zusammenfassung: Methodischer Rahmen europäischer Maximalschutzgrenzen

Kapitel 6: Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

A. B. C. D.

Werkbegriff Verwertungsrechte Schranken Zwischenfazit: Das Konventionsrecht in der Rechtsprechung des EUGH

Zusammenfassung

139 139 158 208 228 231

Inhalt

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Begriffliche Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Innerstaatliches Recht und übergeordnete Vorgaben . . II. Eine Frage der Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Differenzierungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzvoraussetzungen und Schutzinhalt . . . . . . . 2. Interner und externer Maximalschutz . . . . . . . . . 3. Abstrakter und konkreter Maximalschutz . . . . . . . 4. Maximalschutz auf verschiedenen rechtlichen Ebenen IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

19 19 22 22 22 23 23 24 25 26 27 28

Kapitel 1: Das System internationaler Konventionen im Urheberrecht . . A. Die Berner Übereinkunft als historischer Ausgangspunkt . . . . . . B. Die weitere Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 34 34

Kapitel 2: Die »klassischen« multilateralen Verträge . . . . . . . . . A. Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ) . . . . . . . . . . . . . . I. Inländerbehandlungsgrundsatz und Mindestrechte . . . . . II. Umfassende Geltung des Mindestschutzprinzips . . . . . . . 1. Die Reichweite von Art. 19 RBÜ . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit von Maximalschutz und fremdenrechtlicher Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

37 37 38 39 39

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40

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. . . . . . . . . . . .

Teil 1: Maximalschutz im internationalen Urheberrecht

. . . . .

10

B. C.

D. E.

Inhalt

a) Durchbrechung des Inländerbehandlungsgrundsatzes . . b) Mittelbare Angleichung des innerstaatlichen Rechts . . . c) Durchbrechung der fremdenrechtlichen Konzeption . . . 3. Differenzierung zwischen Maximalschutz und begrenztem Mindestschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Diskutierte Fälle eines Maximalschutzes in der RBÜ . . . . . . 1. Tagesneuigkeiten und vermischte Nachrichten, Art. 2 VIII RBÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Schranken, Art. 10, 10bis RBÜ . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beschränkung des Mindestschutzniveaus der RBÜ . . . . b) Die Zitatschranke des Art. 10 I RBÜ . . . . . . . . . . . . 3. Besondere Bestimmungen für Filmwerke, Art. 14bis II lit. b RBÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Dreistufentest, Art. 9 II RBÜ . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welturheberrechtsabkommen (WUA) . . . . . . . . . . . . . . . . . Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schutzobergrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Geltung des Mindestschutzprinzips . . . . . . 2. »Zuwiderlaufen« höherer Schutzstandards, Art. 1 I S. 2 TRIPs a) Bedeutungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die spezifisch urheberrechtlichen Vorschriften des Teil II TRIPs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Negative Umschreibung des Werkbegriffs, Art. 9 II TRIPs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Ausschluss von Daten und Materialien, Art. 10 II S. 2 TRIPs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Dreistufentest, Art. 13 TRIPs . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsdurchsetzung, Art. 41ff. TRIPs . . . . . . . . . . . aa) Anspruch auf Benachrichtigung und Information, Art. 42 S. 2 TRIPs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entschädigung des Beklagten, Art. 48 TRIPs . . . . . . . cc) Einstweilige Maßnahmen, Art. 50 TRIPs . . . . . . . . . dd) Rechte des Antragsgegners bei Grenzmaßnahmen, Art. 51ff. TRIPs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . WIPO Copyright Treaty (WCT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 41 42 42 43 43 43 44 45 46 47 48 48 49 49 50 50 52 52 54 55 56 56 57 58 59 59 60 60 61 62

Inhalt

11

Kapitel 3: Der Marrakesch-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Interessenkollision im internationalen Urheberrecht . . . . . . II. Die Diskussion urheberrechtlicher Schranken im Rahmen der WIPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begrenzung der Diskussion auf die Blindenschranke . . . . . . B. Verhältnis zu anderen Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vereinbarkeit mit dem Mindestschutzprinzip der RBÜ . . . . . II. Vereinbarkeit mit dem Inländerbehandlungsgrundsatz der RBÜ III. Vereinbarkeit mit dem Dreistufentest . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schranke zugunsten barrierefreier Formate, Art. 4 MVT . . . . II. Grenzüberschreitender Austausch, Art. 5 und 6 MVT . . . . . . III. Materiell-rechtlicher Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Ratifizierung und Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65 65 66

Kapitel 4: Bi- und plurilaterale Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Außenhandelspolitik der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Außenhandels- und Assoziierungspolitik der EU . . . . . . . . . . I. Kompetenzgrundlagen und Vertragstypen . . . . . . . . . . . II. Einzelne Abkommen der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten 2. Freihandelsabkommen mit Südkorea . . . . . . . . . . . . . 3. Assoziierungsabkommen mit den Staaten Zentralamerikas . 4. Handelsabkommen mit Kolumbien und Peru . . . . . . . . 5. Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Kanada und den USA, CETA und TTIP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die weltweite Verdichtung von TRIPs-Plus-Mindeststandards . . . D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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83 84 85 86 88 88 90 91 91

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92 93 94 96

Fazit des 1. Teils: Erforderlichkeit internationaler Maximalschutzgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

68 70 72 73 74 75 76 76 76 78 79 80 81

Teil 2: Maximalschutz im europäischen Urheberrecht Kapitel 5: Methodischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Reichweite europäischer Richtliniengesetzgebung . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 103 104

12

Inhalt

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105 107 107 108 109 110 111 111 112 113 114

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Kapitel 6: Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Werkbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die speziellen Werkbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Erfasste Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erfasste Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Harmonisierungsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mindestharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fakultative Harmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konkretisierungstiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Methodische Einordnung der Konkretisierung . . . . . . . a) Differenzierung der deutschen Methodenlehre . . . . . b) Übertragbarkeit auf europäische Ebene . . . . . . . . . 2. Konkretisierung von Richtliniengesetzgebung als Kompetenzproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ermittlung der Konkretisierungskompetenz und -tiefe . . . a) Kompetenz der Mitgliedstaaten als dogmatischer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schranken der Zuweisungsmöglichkeit . . . . . . . . . c) Auslegungsgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bedeutung für den Verlauf von Maximalschutzgrenzen . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsfortbildung auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . I. Die Befugnis des EUGH zur Rechtsfortbildung . . . . . . . . . II. Lückenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Externe Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interne Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Lückenfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Primärrechtliche Vorgaben innerhalb des Umsetzungsspielraums . I. Vorgaben der Grundfreiheiten, insbesondere Art. 34 AEUV . . II. Kartellrechtliche Schranken, Art. 101, 102 AEUV . . . . . . . III. Vorgaben des europäischen Grundrechtsschutzes . . . . . . . 1. Anwendungsbereich der Grundrechtecharta . . . . . . . . . 2. Maximalschutz durch europäische Grundrechte . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung: Methodischer Rahmen europäischer Maximalschutzgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

Inhalt

1. Schutz von Datenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff der Datenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schöpfungshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz von Fotografien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutz von Computerprogrammen . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff des Computerprogramms . . . . . . . . . . . . b) Schöpfungshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einheitlicher europäischer Werkbegriff . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung des EUGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) EUGH – Infopaq I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EUGH – BSA/Kulturministerium . . . . . . . . . . . . . c) EUGH – Football Association Premier League und Murphy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) EUGH – SAS Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Methodische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Normativer Anknüpfungspunkt des EUGH . . . . . . . b) Fehlende Aussagekraft der RBÜ . . . . . . . . . . . . . c) Einordnung zwischen Konkretisierung und Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Konkretisierungstiefe des Werkbegriffs der InfoSoc-RL 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verwertungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Recht der öffentlichen Wiedergabe, Art. 3 InfoSoc-RL . . . . . 1. Methodischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Harmonisierungsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkretisierungstiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgestaltung durch den EUGH . . . . . . . . . . . . . . . a) Wiedergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wiedergabe als zielgerichtete Werknutzung . . . . . . . bb) Kein bloßes Bereitstellen von Wiedergabeeinrichtungen cc) Keine enge Beschränkung auf Übertragungs- und Weiterleitungsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) »unbestimmte Zahl potentieller Adressaten« . . . . . .

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140 141 142 143 144 145 145 147 148 148 148 149 149 150

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166 166 167

14

Inhalt

bb) c) aa) bb) (1) (2)

»recht viele Personen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusätzliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifisches technisches Verfahren . . . . . . . . . . . . Erreichen eines »neuen Publikums« . . . . . . . . . . . . Normative Herleitung, EUGH – SGAE/Rafael . . . . . . . Aufwertung zum Ausschlusskriterium, EUGH – Svensson und BestWater . . . . . . . . . . . . . (3) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kenntnis oder Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit einer Vorveröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) EUGH – GS Media . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutzbegrenzende Folgen für das deutsche Recht der öffentlichen Wiedergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unbenannte Verwertungsrechte nach § 15 II UrhG . . . . b) Öffentlichkeitsbegriff des § 15 III UrhG . . . . . . . . . . c) Neues Publikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verbreitungsrecht, Art. 4 InfoSoc-RL . . . . . . . . . . . . . . . 1. EUGH – Peek & Cloppenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Methodischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Harmonisierungsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konkretisierungstiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Ausgestaltung durch den EUGH . . . . . . . . . . . . a) Notwendigkeit einer Eigentumsübertragung . . . . . . . b) Wiederausdehnung des Verbreitungsrechts . . . . . . . . aa) EUGH – Donner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) EUGH – Dimensione Direct Sales . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erschöpfungsgrundsatz in Art. 4 II InfoSoc-RL . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutzbegrenzende Auswirkungen auf das deutsche Verbreitungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Reichweite des § 17 I UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzlücke für Bauwerke und Werke der angewandten Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutzbeschränkung für Präsenznutzungen . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

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Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237

5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorübergehende Vervielfältigungen – die zwingende Schranke der InfoSoc-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die fakultativen Schranken der InfoSoc-RL . . . . . . . . . . . 1. Methodischer Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verständnis des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechungslinien des EUGH . . . . . . . . . . . . aa) Kohärenzgebot und Harmonisierungszweck . . . . . . bb) Zweckentsprechende Auslegung . . . . . . . . . . . . . cc) Allgemeine Grundsätze und die Grundrechtecharta . . c) Einordnung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abschließende Regelung des Anwendungsbereichs . . . bb) Harmonisierungsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konkretisierungstiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Bedeutung der europäischen Grundrechte . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Exemplarische Untersuchung der Parodieschranke, Art. 5 II lit. k InfoSoc-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) EUGH – Deckmyn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage . . . . . . . III. Die Schranken-Schranke des Art. 5 InfoSoc-RL – Der Dreistufentest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zwischenfazit: Das Konventionsrecht in der Rechtsprechung des EUGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnte ich bis Juni 2017 berücksichtigen. Besonders danken möchte ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Haimo Schack. Die ereignisreiche und spannende Zeit an seinem Lehrstuhl werde ich stets in bester Erinnerung bewahren. Ich danke ihm sowie dem Zweitgutachter Prof. Dr. Joachim Jickeli zudem für die außerordentlich schnelle Erstellung der Gutachten. Bedanken möchte ich mich auch bei der Studienstiftung ius vivum für den großzügigen Druckkostenzuschuss. Für sorgsames Korrekturlesen und stets erfrischend kontroverse »Kaffeerunden« danke ich meinen Freunden Nico Einfeldt und Max Dregelies. Mein herzlichster Dank gilt Kaja Thurner, die sich ebenfalls auf eine gnadenlose Fehlersuche begab und mich auch in schweren Phasen stets unterstützte. Kiel, im August 2017 Jan Hendrik Schmidt

Einleitung

Der urheberrechtliche Schutz geistiger Schöpfungen ist nur in einem internationalen Kontext sinnvoll denk- und regelbar. Dieser Befund ist nicht neu – Immaterialgüter haben sich noch nie an Staatsgrenzen gehalten und müssen deswegen international geschützt werden.1 Die Ursprünge des internationalen Urheberrechts reichen bis in das frühe 19. Jahrhundert zurück,2 die erste Fassung der Berner Übereinkunft stammt aus dem Jahr 1886.3 Die Zahl urheberrechtlicher Staatsverträge hat seitdem stetig zugenommen. Die Harmonisierungsanstrengungen der Europäischen Union sind demgegenüber jüngeren Datums; ihre rechtsvereinheitlichende Wirkung ist dafür umso stärker. Seit 1991 wurden zehn Richtlinien verabschiedet, die von den nationalen Urheberrechtsordnungen der Mitgliedstaaten umgesetzt werden müsse.4 Folge dieser Entwicklung ist, dass der nationale Gesetzgeber im Urheberrecht häufig nur noch internationale oder europäische Vorgaben verwirklicht.5 Wertende »Rechtsschöpfung« und die technische »Rechtsetzung« fallen regelmäßig auseinander.

A.

Problemaufriss

Gleichzeitig fällt auf, dass das internationale wie das europäische Urheberrecht in der Regel aus der Perspektive der Urheber gedacht und geregelt wird. Die RBÜ dient ebenso wie der WCT und das WUA ausdrücklich dem Schutz der Rechte 1 2 3 4 5

Schack UrhR, Rn. 905ff. Dölemeyer UFITA 123 (1993), 53ff. RGBl. 1887, S. 493; in Kraft seit dem 5. 12. 1887; vgl. auch Schack JZ 1986, 824ff. Siehe unten S. 101ff. und Fn. 543ff. Ginsburg GRUR Int. 2000, 97, 98ff.; Schack ZGE 2009, 275ff.; Loschelder/Dörre FS Pfennig, S. 75ff.

20

Einleitung

der Urheber.6 Die großen urheberrechtlichen Konventionen sind daher von »Mindestrechten« der Urheber geprägt.7 Schranken werden demgegenüber nur sehr rudimentär geregelt.8 Ähnlich deutlich betont die InfoSoc-RL9 als bisher wichtigste Querschnittsrichtlinie des europäischen Urheberrechts die Bedeutung eines hohen urheberrechtlichen Schutzniveaus10 und verlangt »eine rigorose und wirksame Regelung zum Schutz der Urheberrechte«.11 Auf europäischer Ebene sind die meisten Schranken im Gegensatz zu den Verwertungsrechten fakultativ ausgestaltet.12 Angesichts dieses Prinzips der Mindestrechte scheint der Gedanke, den Urheberschutz durch einen Maximalschutz zu begrenzen, auf internationaler wie auf europäischer Ebene eher ungewohnt und bisher nur von untergeordneter Bedeutung zu sein. Eine ausgewogene Urheberrechtsordnung muss allerdings die unterschiedlichsten Interessen in Einklang bringen.13 Verbraucher verlangen kulturelle Teilhabe zu bezahlbaren Preisen.14 An den Einnahmen aus dem Urheberrecht wiederum müssen auch die Kulturverwerter als Vermittler zwischen schöpferischer Tätigkeit und der Nachfrage des Marktes angemessen beteiligt werden.15 Schließlich knüpfen viele Urheber an die Werke anderer an, möchten auf ihnen aufbauen, sie bearbeiten, zitieren oder auch parodieren.16 Es ist die stets aktuelle Aufgabe urheberrechtlicher Gesetzgebung, diese Interessen unter Berücksichtigung der sich wandelnden technischen Rahmenbedingungen17 so auszubalancieren, dass ein lebendiges und vielfältiges kulturelles Leben gewährleistet

6 Vgl. etwa die Präambel und Art. 1 der RBÜ, die Präambel des WCT sowie Art. I WUA. 7 MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 42; HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 3; FN-Nordemann-Schiffel vor §§ 120ff. Rn. 6; Schack UrhR, Rn. 962, 970, 1006; siehe auch unten S. 37ff. 8 Vgl. etwa Art. 10, 10bis RBÜ; siehe auch v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 5.1.48ff.; Sterling-Grossly Rn. 10.01ff.; Poeppel Neuordnung, S. 107ff. Zu den Schranken der RBÜ unten S. 43ff. 9 RL 2001/29/EG, vgl. Fn. 548. 10 Erwgr. 4, 9 InfoSoc-RL. 11 Erwgr. 11, 22 InfoSoc-RL. 12 Vgl. etwa den Katalog fakultativer Schranken in Art. 5 II, III gegenüber den zwingend vorgegebenen Verwertungsrechten in Art. 2, 3 und 4 InfoSoc-RL. 13 Schack UrhR, Rn. 9ff.; ders. FS Wandtke, S. 9ff.; Rehbinder/Peukert UrhR, Rn. 102ff.; Schweikart Interessenlage, passim; Groß Kulturelle Vielfalt, S. 59ff.; Davies Copyright and Public Interest, passim; Grünberger in: ders./Leible Kollision von UrhR und Nutzerverhalten, S. 1ff.; speziell zur Rechtfertigung der zeitlichen Begrenzung Raue Nachahmungsfreiheit, S. 22f. 14 Schack UrhR, Rn. 15ff. 15 Banck Kontrahierungszwang, S. 19ff. 16 SL-Loewenheim § 24 Rn. 1f.; Schack UrhR, Rn. 274ff., 545ff. 17 Ohly DJT-Gutachten F 2014; Abedinpour Digitale Gesellschaft, passim; vgl. auch schon Schack JZ 1998, 753ff.

Problemaufriss

21

wird.18 Vor dieser Herausforderung stehen mittlerweile gerade auch die Akteure des internationalen und insbesondere des europäischen Urheberrechts. Auf internationaler Ebene reicht die Diskussion um eine Berücksichtigung von Allgemeininteressen weit zurück.19 Gleichwohl finden sich Initiativen und Debattenbeiträge zu einer internationalen Begrenzung des Schutzniveaus eher selten.20 Die Diskussion um »Maximalschutzgrenzen« und ihre Stellung im internationalen Urheberrecht hat erst rund um das mühsam ausgehandelte, mittlerweile aber erfolgreich abgeschlossene Marrakesch-Übereinkommen zugunsten Blinder und Sehbehinderter vom 27. 6. 2013 Auftrieb bekommen. Es führt erstmals eine zwingende Schranke in das internationale Urheberrecht ein.21 Durch dieses neue Element stellen sich neue Herausforderungen für dessen Grundprinzipien. Die vorliegende Arbeit will die klassischen Staatsverträge auf bestehende Maximalschutzgrenzen untersuchen und die Vereinbarkeit von internationalen Schutzobergrenzen mit den gewachsenen Prinzipien des Konventionsrechts prüfen. Das europäische Urheberrecht reicht mittlerweile weit über bloße Mindestvorgaben hinaus. Dies ist nicht verwunderlich, denn Ziel ist die Harmonisierung des Binnenmarktes. Der angestrebte Abbau von Handelshemmnissen verlangt nach einem einheitlichen urheberrechtlichen Schutzniveau und kann sich nicht damit begnügen, einen Mindestschutz vorzugeben.22 Erforderlich ist vielmehr auch eine einheitliche Festlegung der Grenzen des urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsbereichs.23 Dennoch hat erst die ausgreifende Rechtsprechung des EUGH24 dazu geführt, dass mittlerweile über maximalschützende Vorgaben des europäischen Rechts diskutiert wird.25 Hierfür soll im Folgenden ein methodischer Rahmen erarbeitet werden, anhand dessen sich das bestehende europäische Urheberrecht auf Maximalschutzgrenzen untersuchen lässt. Auf 18 Schack UrhR, Rn. 9ff.; ders. FS Wadle, S. 1005, 1016ff.; Hilty in: Ohly/Klippel Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit, S. 107; Elster UFITA 4 (1931), 215ff. 19 Hoffmann GRUR 1928, 897ff.; ders. Die Berner Übereinkunft, S. 21ff.; Baum GRUR 1928, 684ff.; vgl. auch Rehbinder FS 100 Jahre BÜ, S. 357, 356ff. sowie unten Fn. 120. 20 Vgl. etwa MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 47; ders. Entwicklungsmöglichkeiten, S. 160; Dreyfuss University of Chicago Law Review 71 (2004), 21ff.; Kur W.I.P.O.J 2009, 27ff.; Grosse RuseKhan Trade, Law and Development 1:56 (2009), 56ff.; ders./Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359ff. 21 Trimble IIC 2014, 768ff.; Schack UrhR, Rn. 1008b; Hilty/Köklü/Kur/Drexl/v. Lewinski GRUR Int. 2015, 704ff.; ausführlich unten S. 65ff. 22 Vgl. schon Schack ZEuP 2000, 799, 815. 23 Schack FS 50 Jahre UrhG, 277, 281ff.; vgl. auch ders. ZGE 2009, 275, 280. 24 Griffiths in: Stamatoudi/Torremans EU Copyright Law, Rn. 20.01ff.; Berger ZUM 2012, 353ff.; Xalabarder IIC 2016, 635ff. 25 BGH GRUR 2009, 840, Tz. 19 – Le Corbusier-Möbel II; WaBu-Heerma § 17 Rn. 10; Berger ZUM 2012, 353, 356; Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627, 628f.; Grünberger ZUM 2015, 273, 275; Walter GRUR Int. 2016, 900; vgl. auch schon Knies Rechte der Tonträgerhersteller, S. 92.

22

Einleitung

Grundlage dieser Methodik sollen dann einige Kernbereiche des harmonisierten Urheberrechts, namentlich der Werkbegriff, das Recht der öffentlichen Wiedergabe, das Verbreitungsrecht und die Schranken, geprüft werden.

B.

Begriffliche Vorüberlegungen

Der Begriff »Maximalschutz« ist weniger geläufig als sein Gegenstück, der »Mindestschutz«.

I.

Innerstaatliches Recht und übergeordnete Vorgaben

Zunächst setzen die Begriffe Mindest- und Maximalschutz die Existenz zweier Regelungssysteme voraus. Ihr Sinngehalt ist darauf ausgerichtet, die Ober- und Untergrenzen eines Gestaltungsspielraumes zu definieren. Ein Gestaltungsspielraum kann aber nur gewährt werden, wenn andere Akteure existieren, die von ihm Gebrauch machen können. Im Folgenden werden Schutzobergrenzen ermittelt und untersucht, die sich aus den internationalen und europäischen Regelungen für die Gestaltung der nationalen Urheberrechtsordnungen ergeben. Die übergeordneten Regelungssysteme sind daher das internationale Konventionsrecht und das Unionsrecht. Adressaten ihrer Vorgaben sind der nationalen Gesetzgeber, die Rechtsprechung und gegebenenfalls auch die Verwaltungsorgane der Vertrags- bzw. Mitgliedstaaten. Als nationale Rechtsordnung soll für diese Arbeit die Perspektive des deutschen Urheberrechts zugrunde gelegt werden.

II.

Eine Frage der Perspektive

Die Unterscheidung von Mindest- und Maximalschutz richtet sich nach dem gewählten Blickwinkel. Ob eine bestimmte normative Grenzziehung eine Schutzobergrenze bildet oder ein Schutzminimum garantiert, hängt davon ab, aus wessen Perspektive man sie betrachtet. Im Urheberrecht mit seinen vielfältigen Interessenlagen wird dies besonders deutlich: Wenn etwa der Schutzbereich eines Verwertungsrechtes ausgedehnt wird, erweitert eine solche Norm die Befugnisse des Urhebers. Ist sie international oder europarechtlich vorgeschrieben, so handelt es sich aus der Sicht des Urhebers um einen Mindestschutz. Umgekehrt bedeutet die gleiche Regelung für Dritte eine Begrenzung ihrer Möglichkeiten, ein bestimmtes Werk zu nutzen. Die gleiche Norm stellt sich somit aus der Nutzerperspektive als Maximalschutz

Begriffliche Vorüberlegungen

23

dar. Gleiches gilt für den Bereich der Schranken: Sie umschreiben den Schutzumfang des Urheberrechts negativ,26 ihre internationale oder europäische Festlegung begrenzt die Befugnisse des Urhebers. Es handelt sich also um die Normierung eines Maximalschutzes, der sich allerdings wiederum aus dem Blickwinkel der Nutzer als Mindestschutz darstellt. Üblicherweise wird das Urheberrecht aus der Sicht der Urheber normiert,27 dieser traditionelle Blickwinkel soll deshalb im Folgenden beibehalten werden. Unter Maximalschutz sind somit alle durch europäisches oder internationales Recht gesetzten Grenzen zu verstehen, die die Rechte der Urheber einschränken und den nationalen Gesetzgebern die Gewährung eines weitergehenden urheberrechtlichen Schutzes versagen.28

III.

Differenzierungsmöglichkeiten

Versteht man den Begriff des »Maximalschutzes« auf diese Weise weit und ordnet alle rechtlichen Vorgaben, die einem urheberrechtlichen Schutz entgegenstehen können, als maximalschützend ein, so bleibt Raum, um zwischen verschiedenen Arten eines Maximalschutzes zu differenzieren. Derartige Unterscheidungen sind nicht zwingend und erst recht nicht verbindlich, sie verdeutlichen aber die Bandbreite der Thematik. 1.

Schutzvoraussetzungen und Schutzinhalt

Zunächst lässt sich danach differenzieren, ob eine zwingende europäische oder internationale Vorgabe die Schutzvoraussetzungen oder den Schutzinhalt des Urheberrechts betrifft. Anforderungen an die Schutzvoraussetzungen begrenzen nicht im eigentlichen Sinne den urheberrechtlichen Schutz, sondern beschreiben die rechtlichen Voraussetzungen seiner Entstehung. Maximalschützend wirken in diesem Kontext deshalb Bedingungen, die eine Gestaltung mindestens erfüllen muss, um als »Werk« urheberrechtlich geschützt zu werden. Sollte sich etwa aus dem europäischen Recht das Erfordernis einer Mindestschöpfungshöhe ergeben, würden hierdurch die Anforderungen an die Schutzfähigkeit erhöht. Die Mitgliedstaaten dürften dann unterhalb dieses Standards keinen urheberrechtli26 Schack UrhR, Rn. 512; Stieper Schranken, S. 129ff.; siehe auch unten S. 43ff. (Schranken der RBÜ) und S. 208ff. (Schranken des europäischen Urheberrechts). 27 Vgl. etwa Art. 1 RBÜ »zum Schutz der Rechte der Urheber«, Art. 1 I InfoSoc-RL »der rechtliche Schutz des Urheberrechts«, § 1 UrhG »Die Urheber … genießen für ihre Werke Schutz«. 28 So auch Drexl Entwicklungsmöglichkeiten, S. 160.

24

Einleitung

chen Schutz mehr gewähren. Staaten wie Großbritannien wären dann gehalten, ihre sehr niedrigen Schutzschwellen anzuheben,29 und könnten nicht mehr in der bisherigen Breite Urheberschutz gewähren.30 Der Schutzinhalt des Urheberrechts ist von einem Maximalschutz betroffen, wenn entweder bereits die positive Normierung des Ausschließlichkeitsrechts begrenzt wird oder Schrankenregelungen den Inhalt des Urheberrechts negativ beschreiben. So könnte zum Beispiel das Verbreitungsrecht nach Art. 4 I InfoSoc-RL auf Vorgänge beschränkt sein, die zu einer Eigentumsübertragung führen,31 und Art. 10 I RBÜ legt fest, dass Zitate aus einem rechtmäßig veröffentlichten Werk zulässig sind.32 In beiden Fällen scheint der Inhalt des Urheberrechts durch eine europäische bzw. internationale Vorgabe begrenzt zu werden, so dass ein Maximalschutz in Betracht kommt.

2.

Interner und externer Maximalschutz

Die Einteilung in »internen« und »externen« Maximalschutz unterscheidet danach, ob eine schutzbegrenzende Regelung aus dem internen System des internationalen oder europäischen Urheberrechts oder aber einem externen Regelungsgebiet stammt.33 So stellen neben den speziell zum Urheberrecht ergangenen Richtlinien auch die europäischen Grundfreiheiten und das europäische Kartellrecht Anforderungen an das Urheberrecht.34 Externe Vorgaben können sich ferner aus der internationalen Gewährleistung von Rechten ergeben, die einem ausgedehnten Urheberschutz entgegenstehen. So schützt etwa Art. 10 EMRK35 die Meinungsfreiheit unter Einschluss der Presse-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit.36 Diese ist mit dem Schutz des geistigen Eigentums durch Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK37 abzuwägen. Der EGMR war hiermit bereits befasst und hat die Meinungsfreiheit nur im wirt29 Zum britischen Standard »labour, skill or judgement« vgl. Bently/Sherman Intellectual Property Law, S. 96f. 30 Siehe auch unten S. 139ff. 31 Vgl. EUGH Rs. C-456/06, EU:C:2008:232 = GRUR 2008, 604 – Peek & Cloppenburg; hierzu ausführlich unten S. 186ff. 32 Hierzu unten S. 45f. 33 Sterling-Grossly Rn. 10.03; Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 378. 34 Hierzu unten S. 130f., 131f. 35 Europäische Menschenrechtskonvention vom 4. 11. 1950, BGBl. 1952 II, 685, für die BR Deutschland in Kraft seit dem 7. 8. 1952. 36 Meyer-Ladewig/Nettesheim/v. Raumer-Daiber Art. 10 EMRK Rn. 19–21; Oppermann/Classen/Nettesheim Europarecht, § 17 Rn. 57. 37 Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 2002 II, 1072.

Begriffliche Vorüberlegungen

25

schaftlichen Bereich zurücktreten lassen.38 Wäre eine politische Meinungsäußerung zu beurteilen gewesen, hätte er wohl den urheberrechtlichen Schutz zugunsten der Meinungsfreiheit eingeschränkt.39 3.

Abstrakter und konkreter Maximalschutz

Das Bespiel der EMRK zeigt zudem, dass sich auch zwischen abstrakten und konkreten Vorgaben differenzieren lässt.40 Die Anforderungen des Art. 10 EMRK an das Urheberrecht sind nur abstrakt und geben nicht konkret vor, in welcher Weise die Meinungs- und Pressefreiheit zu berücksichtigen ist. Zumindest im Bereich kommerzieller Äußerungen hat der EGMR einen weiten Ermessensspielraum der Konventionsstaaten angenommen.41 Abstrakt sind zum Beispiel auch die Anforderungen in Art. 15 UN-Sozialpakt,42 der für jeden Mensch das Recht verlangt, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben. Hier sind zwar mehrere Schranken des Urheberrechts angelegt,43 aber keinesfalls bereits konkret vorgegeben. Gleiches gilt für die UN-Behindertenrechtskonvention (CRPD).44 Sie will den gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen fördern und schützen,45 verlangt deshalb aber noch nicht konkret, eine Blindenschranke einzuführen. Sehr konkret sind demgegenüber die Anforderungen der Schutzdauer-RL,46 die eine 70-jährige Schutzfrist post mortem auctoris einführt47 und auch Auskunft über deren Berechnung gibt.48 So detailliert sind nur wenige andere Re38 EGMR GRUR Int. 2013, 859, Tz. 39 – Ashby Donald; hierzu Hoeren MMR 2013, 797; Nieland K& R 2013, 285ff.; vgl. auch EGMR GRUR Int. 2013, 476 – The Pirate Bay ; allgemein zur Rechtsprechung des EGMR zum Recht des Geistigen Eigentums Helfer Harvard Int. Law Journal 49 (2008), S. 1ff.; ders. in: Torremans IP-Law and Human Rights, S. 27ff. 39 Nieland K& R 2013, 285, 287; Mann AfP 2015, 295, 300. 40 Wilkinson in: Perry Global Governance, 107, 109ff. 41 EGMR GRUR Int. 2013, 859, Tz. 39 – Ashby Donald. 42 Internationaler Pakt vom 19. 12. 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, BGBl. 1973 II, 1569, für die BR Deutschland in Kraft seit dem 23. 11. 1973. 43 Vgl. insbesondere § 46 (Sammlungen für Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch), § 52a (Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung) und § 53 UrhG (Vervielfältigung zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch). 44 Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. 12. 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Convention on the Rights of Persons with Disabilities), BGBl. 2008 II, 1419, für Deutschland in Kraft seit dem 21. 12. 2008. 45 Vgl. Art. 1 I CRPD. 46 RL 2011/77/EU, unten Fn. 546. 47 Art. 1 I Schutzdauer-RL. 48 Art. 1 II–VI, Art. 2 Schutzdauer-RL; Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 8.1.3ff.; Flechsig-Bisle Erstreckung, S. 66ff.

26

Einleitung

gelungen des internationalen oder europäischen Urheberrechts ausgestaltet. Im europäischen Recht können abstrakte Vorgaben aber durch die Rechtsprechung des EUGH konkretisiert werden.49 4.

Maximalschutz auf verschiedenen rechtlichen Ebenen

Schließlich lässt sich nach der betroffenen rechtlichen Ebene differenzieren. Ob ein urheberrechtlicher Schutz praktisch durchsetzbar ist, ergibt sich erst aus einem Zusammenspiel von Internationalem Zivilverfahrensrecht,50 Internationalem Privatrecht,51 dem Fremdenrecht des Forumstaates und des Schutzlandes,52 dem Prozessrecht der lex fori und schließlich dem anwendbaren materiellen Recht. Nach Feststellung der internationalen Zuständigkeit ist zunächst das Fremdenrecht der lex fori zu prüfen. Es entscheidet darüber, ob einem Ausländer überhaupt Urheberrechtsschutz gewährt wird.53 Da ausländische Urheber traditionell benachteiligt werden,54 liegt die Kernaufgabe des urheberrechtlichen Konventionsrechts darin, derartige fremdenrechtliche Schranken abzubauen. Mittlerweile ist dies durch den fast weltweit geltenden RBÜ-Grundsatz der Inländerbehandlung weitestgehend geschehen.55 Über das Kollisionsrecht des Forumstaates ist sodann das anwendbare materielle Recht zu ermitteln. Praktisch ist dies in der Regel das Recht des Schutzlandes.56 Gleichzeitig ist zu prüfen, welches Mindestschutzniveau des internationalen Konventionsrechts Anwendung findet. RBÜ-Verbandsstaaten etwa sind verpflichtet, den Mindestschutz der Übereinkunft unabhängig von dem jeweils anwendbaren materiellen Recht zu gewähren, vgl. Art. 5 I RBÜ a.E. Auf die Rechte der RBÜ kann sich ein Verbandsurheber in einem anderen Verbandsstaat daher unmittelbar iure conventionis berufen. Nur wenn über das Kollisionsrecht des Forumstaates ein noch günstigeres materielles Recht zur Anwendung gelangt, sind Verbandsurheber über den Inländerbehandlungs49 Zur methodischen Problematik siehe unten S. 111ff. 50 WaBu-v. Welser vor § 120ff. Rn. 26ff.; Schack IZVR, Rn. 343, 347; ders. MMR 2000, 135ff.; Kubis Int. Zuständigkeit, S. 189ff.; Banholzer Int. Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen, S. 24ff.; Berger GRUR Int. 2005, 465ff. 51 Dreier/Schulze vor § 120 Rn. 26ff.; Schack UrhR, Rn. 1009ff.; ders. Anknüpfung, passim; ders. FS Kropholler, S. 651ff.; ders. MMR 2000, 59ff.; Oppermann Anknüpfung int. Urheberrechtsverletzungen, S. 43ff. 52 Das deutsche Fremdenrecht ist in §§ 120ff. UrhG geregelt. Zur doppelten Prüfung des Fremdenrechts (Forumstaat und Schutzland) vgl. Schack UrhR, Rn. 908, 1049f.; a. A. insoweit WaBu-v. Welser vor § 120ff. Rn. 2. 53 Schack UrhR, Rn. 907f. 54 Schack UrhR, Rn. 909ff. und sogleich S. 33f. 55 Ausführlich sogleich S. 34ff. 56 Dreier/Schulze vor § 120 Rn. 26ff.; kritisch Schack UrhR, Rn. 1044ff.

Begriffliche Vorüberlegungen

27

grundsatz des Art. 5 I RBÜ nach diesem höheren Schutzstandard geschützt. Dabei sind wiederum auch die fremdenrechtlichen Schranken der lex loci protectionis zu berücksichtigen.57 Steht damit der materiell zu gewährende Urheberrechtsschutz fest, dann hängt der Erfolg vor Gericht noch vom Prozessrecht der lex fori ab. Gerichte wenden grundsätzlich das inländische Verfahrensrecht an.58 Faktisch hängt das urheberrechtliche Schutzniveau damit wesentlich von der Möglichkeit ab, bestehende Ansprüche mit Erfolg prozessual durchsetzen zu können.59 Im praktischen Ergebnis kann es auf jeder der genannten rechtlichen Ebenen zu einer Schutzbegrenzung kommen. Reduziert man allerdings den Begriff des Maximalschutzes entsprechend seinem Gegenpart, dem Mindestschutz, auf inhaltlich schutzbegrenzende Vorgaben, dann scheiden das Recht der internationalen Zuständigkeit und das Kollisionsrecht aus. Zwar kann der Kläger bei einer Urheberrechtsverletzung häufig »forum shopping«60 betreiben und durch die Wahl des für ihn günstigsten Gerichtsstandes die unter Umständen prozessentscheidende Weiche für die weitere kollisions- und materiell-rechtliche Beurteilung stellen.61 Doch entscheidet weder die internationale Zuständigkeit noch das Kollisionsrecht darüber, welches urheberrechtliche Schutzniveau ein Staat selbst inhaltlich gewährt. Entscheidend hierfür sind allein das materielle Urheberrecht, das Fremdenrecht, das je nach Fallgestaltung als Schranke der lex fori oder Bestandteil des anwendbaren materiellen Rechts zu berücksichtigen ist, und mittelbar das Zivilprozessrecht. Die Betrachtung wird deshalb im Folgenden auf diese Rechtsmaterien begrenzt.

IV.

Ergebnis

Unter den Begriff des »Maximalschutzes« fallen somit Schutzobergrenzen, die von einem übergeordneten Regelungssystem festgelegt werden. Die Differenzierung zwischen Mindest- und Maximalschutz ist aus der Perspektive des Urhebers vorzunehmen. Gegenstand der Untersuchung sind somit Vorgaben des internationalen oder europäischen Rechts, die einer nationalen Erhöhung des Urheberschutzniveaus entgegenstehen. Derartige Anforderungen lassen sich verschiedenen Kategorien zuordnen. Die Bandbreite reicht von den abstrakten 57 Schack UrhR, Rn. 908 mit Beispielen in Rn. 1049f. 58 »Forum regit processum«, vgl. BGH WM 1977, 793, 794; NJW 1985, 552, 553; kritisch Schack IZVR, Rn. 45ff. 59 WaBu-Kefferpütz vor §§ 97ff. Rn. 3ff. mwN; Schack UrhR, Rn. 810ff. 60 Schack UrhR, Rn. 816; ders. IZVR, Rn. 250ff. sowie zum »fliegenden Gerichtsstand« Rn. 343. 61 Schack IZVR, Rn. 253ff.; Kurtz Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz, S. 63f.

28

Einleitung

externen Vorgaben der EMRK und der UN-Menschenrechtskonvention über die ebenfalls externen, aber sehr konkreten Anforderungen des EU-Kartellrechts bis zu der konkreten Regelung der urheberrechtlichen Schutzfrist durch die EUSchutzdauer-RL. Neben dem materiellen Recht können das Fremdenrecht und das Prozessrecht der lex fori von einem Maximalschutz betroffen sein.

C.

Gang der Darstellung

Da der Begriff »Maximalschutz« somit sehr weit reicht, ist eine Eingrenzung des Themas nötig. Externe Vorgaben, die nicht speziell das Urheberrecht regeln, sondern sich auf dieses nur mittelbar auswirken, werden hier nicht detaillierter behandelt.62 Insbesondere die Anforderungen der internationalen und europäischen Verbürgungen der Menschenrechte können hier nicht näher untersucht werden.63 Vielmehr werden nur Vorgaben geprüft, die spezifisch das Urheberrecht regeln. Im ersten Teil ist deshalb auf die multilateralen Konventionen unter dem Dach der WIPO und der WTO sowie im Überblick auf die ergänzenden bilateralen Verträge einzugehen. Zu Beginn gibt Kapitel 1 einen Überblick über das System des Konventionsrechts. Die Wertungen des internationalen Urheberrechts lassen sich später nur vor diesem Hintergrund verdeutlichen. Kapitel 2 widmet sich den »klassischen« urheberrechtlichen Staatsverträgen RBÜ, WUA, TRIPs und WCT. Deren Schutzprinzipien werden nur in der gebotenen Kürze dargestellt. Der Schwerpunkt wird darauf gelegt, das Konventionsrecht auf Maximalschutzgrenzen zu untersuchen. Im Anschluss ist auf das Übereinkommen von Marrakesch einzugehen. Kapitel 3 beleuchtet neben der rechtspolitisch interessanten Vorgeschichte des Vertrages insbesondere das Verhältnis der ersten zwingenden Schranke des internationalen Urheberrechts zu den restlichen Staatsverträgen. Von der großen Anzahl bilateraler Abkommen können in Kapitel 4 nur einige wenige exemplarisch betrachtet werden. Von größerer Bedeutung ist die allgemeine Tendenz der bilateralen Handelspolitik. Insgesamt wird der Blick darauf gerichtet sein, inwieweit sich ein Maximalschutz in das bestehende Schutzsystem des internationalen Urheberrechts ein-

62 Eine Ausnahme bildet insoweit das EU-Kartellrecht, siehe unten S. 131ff. 63 Hierzu Sterling-Gibson Rn. 2.11; Helfer Harvard Int. Law Journal 49 (2008), S. 1ff.; ders. in: Torremans IP-Law and Human Rights, S. 27ff.; ders./Austin Human Rights and Intellectual Property, S. 171ff.; Geiger Human Rights and Intellectual Property, passim.

Gang der Darstellung

29

gliedern lässt. Abschließend werden die Vor- und Nachteile eines internationalen Maximalschutzes aufgezeigt. Der zweite Teil ist dem europäischen Urheberrecht gewidmet. In Kapitel 5 wird zunächst der methodische Rahmen erarbeitet. Abgesehen von wenigen primärrechtlichen Vorgaben ist das europäische Urheberrecht im Kern Richtlinienrecht.64 In der Sache geht es daher um die Ermittlung der Reichweite von Richtlinien nach Art. 288 III AEUV. Insbesondere gilt es ist zu klären, welche Spielräume sie den Mitgliedstaaten belassen. Maximalschutzgrenzen bezeichnen im europäischen Kontext die Trennlinie zwischen den Vorgaben einer Richtlinie und dem Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten zugunsten eines höheren Schutzniveaus. Die Methodik für eine präzise Bestimmung dieser Trennlinie ist für das Thema dieser Arbeit deshalb von zentraler Bedeutung. Dieser methodische Rahmen soll in Kapitel 6 erprobt werden. Da die verbindliche Auslegung von Richtlinien dem EUGH obliegt,65 lag es nahe, für eine exemplarische Betrachtung Bereiche auszuwählen, die bereits in nennenswertem Umfang Gegenstand der Rechtsprechung des EUGH gewesen sind. Dies sind vor allem der Werkbegriff, das Recht der öffentlichen Wiedergabe, das Verbreitungsrecht und die Schranken des Urheberrechts. Die beispielhafte Untersuchung orientiert sich primär an dem allgemeinen Urheberrechtschutz der InfoSoc-RL. Spezialbereiche des Urheberrechts, wie der Schutz von Computerprogrammen und Datenbanken, werden dagegen weniger detailliert behandelt.

64 Siehe unten S. 101ff. und Fn. 543–552. 65 Vgl. Art. 19 I S. 2 EUV und Art. 267 AEUV, hierzu GHN-Mayer Art. 19 EUV Rn. 1ff.; Groh Auslegungsbefugnis des EuGH, passim.

Teil 1: Maximalschutz im internationalen Urheberrecht Das internationale Urheberrecht weist eine lange Historie auf und dient Zielsetzungen, die mit nationalen Reformbemühungen oder den europäischen Harmonisierungsbestrebungen nicht vergleichbar sind. Hieraus folgt ein spezielles Wertungsgefüge, das auch für die Untersuchung auf Maximalschutzgrenzen wesentlich ist. Vorangestellt werden soll deshalb ein Blick auf die historische Entwicklung des internationalen Urheberrechts.

Kapitel 1: Das System internationaler Konventionen im Urheberrecht

Die Ursprünge des Urheberrechts liegen im Privilegienwesen der frühen Neuzeit.66 Privilegien wurden als befristete Gewerbe-Monopole erteilt, deren Geltung auf das Territorium des gewährenden Staates begrenzt war.67 An diesem Territorialitätsprinzip wird trotz einer heute auch natur- und persönlichkeitsrechtlichen Herleitung des Urheberrechts68 nach wie vor festgehalten.69 Der Schutz ausländischer Werke im Inland lag lange Zeit nicht im Interesse der jeweiligen Landesherren.70 Traditionell stellten nationale Gesetzgeber deshalb die Interessen inländischer Werkverwerter an einem freien Büchernachdruck über das Schutzbedürfnis ausländischer Urheber.71 Dieser territorial begrenzte Urheberrechtsschutz wurde der Intensivierung des internationalen kulturellen und wirtschaftlichen Austausches seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr gerecht.72 Mit der Zunahme des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs wurde es notwendig, das territorial begrenzte Urheberrecht auch international zu schützen. Die fremdenrechtliche Diskriminierung ausländischer Urheber durch das Territorialitätsprinzip73 behielten die meisten Staaten dennoch bei.74 Hierfür gibt es gute Gründe, denn nur durch fremdenrechtliche Schranken lässt 66 Schack UrhR, Rn. 105ff.; Ulmer Urheber- und Verlagsrecht, § 9. 67 Schack UrhR, Rn. 911; Wadle Geistiges Eigentum, S. 99ff.; Bongers Strategien, S. 28ff. 68 Pütter Der Buchnachdruck nach ächten Grundsätzen des Rechts, passim; Schack UrhR, Rn. 112 mwN; ders. FS Wadle, S. 1005, 1013; Peifer Individualität, S. 76f.; Oberndörfer Philosophische Grundlagen, S. 108ff. 69 BGHZ 126, 252, 256 – Folgerecht mit Auslandsbezug; SL-Katzenberger/Metzger vor §§ 120ff. Rn. 109; MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 9 mwN; zur Kritik vgl. Schack UrhR, Rn. 910ff.; ders. Anknüpfung, S. 23ff. 70 Niemann Konkurrierende Vertragsordnungen, S. 28ff. 71 HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 1; WaBu-v. Welser vor §§ 120ff. Rn. 1; Schack UrhR, Rn. 909. 72 Schack JZ 1986, 824, 825; ders. FS 50 Jahre UrhG, S. 277, 278f.; Ulmer Urheber- und Verlagsrecht, § 14. 73 Schack UrhR, Rn. 915. 74 Lediglich die Schweiz hat mit dem URG von 1992 fremdenrechtliche Beschränkungen nahezu vollständig abgeschafft, eine Ausnahme bildet nur Art. 35 IV URG für die Vergütungsansprüche ausübender Künstler.

34

Das System internationaler Konventionen im Urheberrecht

sich eine Verhandlungsposition erzeugen, auf deren Grundlage sich mit anderen Staaten über einen internationalen Schutz des Urheberrechts verhandeln lässt.75

A.

Die Berner Übereinkunft als historischer Ausgangspunkt

Die erste und bis heute bedeutendste internationale Konvention, die dem Schutz von Urhebern im Ausland dient, ist die Berner Übereinkunft vom 9. 9. 1886.76 Heute gehören der zuletzt 1971 in Paris revidierten RBÜ77 173 Staaten an.78 Die beiden tragenden Säulen der RBÜ sind der Grundsatz der Inländerbehandlung und die flankierende Gewährung von Mindestrechten: Verbandsurheber sollen in anderen Verbandsstaaten nicht mehr diskriminiert werden und zudem einen gewissen Mindestschutz genießen. Der große Erfolg der Übereinkunft dürfte auch der Grund für das zumindest vorläufige Ende ihrer Weiterentwicklung sein. Die Revision eines Staatsvertrages mit 173 Mitgliedern, bei der die unterschiedlichsten urheberrechtlichen Systeme und Interessen auszugleichen wären, erscheint aufgrund der erforderlichen Einstimmigkeit79 kaum möglich.80 Deshalb hat die WIPO, die seit 1967 die Verwaltungsaufgaben des Berner Verbandes wahrnimmt,81 auch seit 1971 keine weitere Revision mehr versucht.

B.

Die weitere Entwicklung

Schwachpunkt der RBÜ blieb lange Zeit das Fehlen bedeutender Staaten wie der USA, der UdSSR und der VR China. Um diese wenigstens auf einem niedrigeren Niveau in ein internationales Schutzsystem einzugliedern, wurde auf Betreiben der UNESCO 1952 das Welturheberrechtsabkommen (WUA) ausgehandelt.82 Da aber gemäß Art. XVII WUA die RBÜ für ihre Verbandsmitglieder Vorrang hat 75 Fremdenrechtliche Benachteiligungen im Urheberrecht sind deshalb auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, vgl. BVerfGE 81, 208, 223ff. – Bob Dylan. 76 RGBl. 1887, 493; näher Schack JZ 1986, 824ff.; HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 18ff. 77 BGBl. 1973 II, 1071, für die BR Deutschland in Kraft seit dem 10. 10. 1974, BGBl. 1974 II, 1075. 78 Der aktuelle Stand ist abrufbar unter www.wipo.int/treaties/en/ip/berne/ (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 79 Art. 27 III RBÜ. 80 Kemper in: Ehlers/Wolffgang/Pünder Rechtsfragen, S. 123, 124; Schack UrhR, Rn. 1005; Bongers Strategien, S. 68f.; Metzger JZ 2010, 929, 931. 81 Vgl. Art. 1 und 22–26 RBÜ sowie das Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum vom 14. 7. 1967, BGBl. 1970 II, 293, für die BR Deutschland in Kraft seit dem 19. 9. 1970, BGBl. 1970 II, 1070. 82 Die zuletzt in Paris 1971 revidierte Fassung, BGBl. 1973 II, 1111, ist für die BR Deutschland seit dem 10. 7. 1974 in Kraft, BGBl. 1974 II, 1309.

Die RBÜ und die weitere Entwicklung

35

und mittlerweile die allermeisten Vertragsstaaten des WUA auch der RBÜ beigetreten sind, hat das WUA seine Bedeutung heute weitgehend eingebüßt.83 Gleiches gilt auch für das Übereinkommen von Montevideo.84 Nach der Pariser Revision von 1971 geriet das internationale Urheberrecht aufgrund der technischen Entwicklung und der immer größeren Bedeutung urheberrechtsintensiver Wirtschaftszweige zunehmend unter Reformdruck. Insbesondere fehlten effiziente Streitbeilegungsmechanismen und internationale Regelungen zur Rechtsdurchsetzung.85 Da eine Reform der RBÜ aus den genannten Gründen keinen Erfolg versprach, wurde das Urheberrecht auf Betreiben der Industriestaaten seit 1986 auch im Rahmen der Uruguay-Runde des GATT thematisiert.86 Das Recht des geistigen Eigentums, das ursprünglich bewusst aus dem Kontext der Handelspolitik ausgeklammert worden war, sollte nun mit ihr verknüpft werden.87 Diese Vorgehensweise versprach eine gesteigerte Dynamik: Die mit der Mitgliedschaft in der WTO verbundenen Handelsvorteile sollten nur noch in Kombination mit der Erhöhung des immaterialgüterrechtlichen Schutzniveaus zu erlangen sein.88 Die Entwicklungsländer, die selbst kein gesteigertes Interesse an hohen Schutzstandards hatten, traten deshalb dafür ein, das Recht des geistigen Eigentums ausschließlich im Rahmen der WIPO und nicht zusätzlich durch das GATT zu regeln.89 Durchsetzen konnten sie sich mit diesem Ansatz kaum. Das TRIPs-Abkommen,90 das 1994 zusammen mit der Errichtung der WTO abgeschlossen wurde, soll zwar lediglich die »handelsbezogenen Aspekte« des geistigen Eigentums behandeln. Da die allermeisten Bereiche namentlich des Urheberrechts aber auch handelsrelevant sind, ist es durch diesen Kompromiss kaum zu einer wirklichen Einschränkung gekommen.91 Lediglich das Urheberpersönlichkeitsrecht, das bei näherer Betrachtung allerdings auch handelsrelevant ist,92 wurde auf Betreiben der USA in 83 MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 34; Schack UrhR, Rn. 967. 84 RGBl. 1927 II, S. 95; hierzu HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 42; Schack UrhR, Rn. 983. 85 HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 66. Ausführlich zur Vorgeschichte des TRIPs-Abkommens Gervais TRIPs, Rn. 1.01ff.; Haas Das TRIPS-Abkommen, S. 29ff. 86 Haas Das TRIPS-Abkommen, S. 29ff.; Uchtenhagen ZUM 1990, 433ff.; Clift in: Correa Research Handbook, S. 3ff. 87 Niemann Konkurrierende Vertragsordnungen, S. 28ff.; Clift in: Correa Research Handbook, S. 3, 5. 88 SL-Katzenberger/Metzger vor §§ 120ff. Rn. 15; HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 66; ausführlich dies. International Copyright Law and Policy, Rn. 9.01ff. 89 Haedicke Urheberrecht und die Handelspolitik der USA, S. 134; Elfring Geistiges Eigentum in der Welthandelsordnung, S. 53ff. mwN; Lowenfeld Int. Economic Law, S. 106. 90 Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, BGBl. 1994 II, 1625, für Deutschland in Kraft seit dem 1. 1. 1995, BGBl. 1994 II, 1438; für die EU vgl. ABl. EG 1994 L 336, S. 1ff. 91 HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 67; Busche/Stoll/Wiebe-Stoll TRIPs, Einl. 1 Rn. 31. 92 Schack UrhR, Rn. 998.

36

Das System internationaler Konventionen im Urheberrecht

Art. 9 I S. 2 TRIPs von dessen Anwendungsbereich ausgenommen.93 Insgesamt konnten sich die Industrieländer bei den TRIPs-Verhandlungen weitestgehend durchsetzen.94 Im Urheberrecht verfolgt TRIPs den sog. »Bern-Plus«-Ansatz. Art. 9 I S. 1 TRIPs inkorporiert die RBÜ und ergänzt diese in den Art. 10–13. Diese Vorgehensweise wertet vor allem die RBÜ auf. Zum einen ist sie als »mittelbarer Bestandteil« des WTO-Systems von deren Mitgliedern zwingend einzuhalten und unterliegt dem Streitbeilegungsverfahren der WTO.95 Zum anderen ist die EG 1995 neben ihren Mitgliedstaaten selbst der WTO beigetreten, wodurch TRIPs und damit auch die RBÜ Teil des Unionsrechts geworden sind. Beide Staatsverträge unterliegen daher für die Mitgliedstaaten der EU auch der Auslegungskompetenz des EUGH.96 Als Reaktion auf den Abschluss des TRIPs-Abkommens hat auch die WIPO ihre Reformbemühungen intensiviert. Angesichts der geringen Chancen, eine einstimmige Revision der RBÜ herbeizuführen,97 griff man auf das Instrument von die RBÜ ergänzenden Sonderabkommen iSv Art. 20 RBÜ zurück. Das wichtigste ist der 1996 unterzeichnete WIPO Copyright Treaty (WCT),98 dem mittlerweile 94 Staaten beigetreten sind.99 Für die verwandten Schutzrechte kommen der WIPO Performances and Phonograms Treaty (WPPT)100 von 1996 und der Beijing Treaty on Audiovisual Performances (WAPT)101 von 2012 hinzu. Zentral für das vorliegende Thema ist das WIPO-Marrakesch Übereinkommen vom 27. 6. 2013, das zugunsten von blinden und sehbehinderten Personen erstmals eine zwingende Schranke vorsieht.102 Zunehmend unübersichtlicher wird das System der urheberrechtlichen Staatsverträge durch ergänzende biund plurilaterale Staatsverträge, die in den letzten Jahren in den USA wie der EU vermehrt in Mode gekommen sind.103

93 Haedicke Urheberrecht und die Handelspolitik der USA, S. 154. 94 Pacon GRUR Int. 1995, 875ff.; Dreier GRUR Int. 1996, 205, 209; Schack UrhR, Rn. 1001; Bannerman Access to Knowledge, S. 148. 95 Art. 64 I TRIPs; Schack UrhR, Rn. 1002; Geller GRUR Int. 1995, 935, 944; zum bislang einzigen durch die EU angestoßenen Verfahren vgl. Ginsburg RIDA 187 (2001), 3ff. 96 Drexl GRUR Int. 1994, 783, 787; Kreibich Das TRIPs-Abkommen in der Gemeinschaftsordnung, S. 100ff., 137. 97 HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 18; dies. GRUR Int. 1997, 667ff. 98 BGBl. 2003 II, 755, für Deutschland in Kraft seit dem 14. 3. 2010, BGBl. 2011 II, 856; für die EU in Kraft seit dem 16. 3. 2000, ABl. EU 2000 L 89, S. 6f. 99 Der aktuelle Stand ist abrufbar unter http://www.wipo.int/treaties/en/ip/wct/ (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 100 BGBl. 2003 II, 770, für Deutschland in Kraft seit dem 14. 3. 2010, BGBl. 2011 II, 860. 101 Hierzu v. Lewinski GRUR Int. 2013, 12ff. 102 Siehe unten S. 65ff. 103 Siehe unten S. 83ff.

Kapitel 2: Die »klassischen« multilateralen Verträge

Im Folgenden werden die angesprochenen klassischen multilateralen Konventionen (RBÜ, WUA, TRIPs und WCT) darauf untersucht, ob sich in ihnen bereits Elemente eines Maximalschutzes finden.

A.

Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ)

Ziel der RBÜ ist es, die Rechte der Urheber an ihren Werken zu schützen.104 Art. 2 I RBÜ präzisiert, dass »alle Erzeugnisse auf dem Gebiet der Literatur, Wissenschaft und Kunst ohne Rücksicht auf die Art und Form des Ausdrucks« von der Übereinkunft erfasst werden. Der Werkbegriff der RBÜ ist damit offen.105 Nicht für nötig erachtet wurde die Klarstellung, dass nur geistige Schöpfungen »Werke« im Sinne der RBÜ darstellen.106 Die RBÜ geht aber vom Erfordernis einer persönlichen geistigen Schöpfung aus,107 ohne allerdings eine bestimmte Schöpfungshöhe festzuschreiben.108 In persönlicher Hinsicht können sich gemäß Art. 3 I lit.a, II alle Urheber auf die RBÜ berufen, die die Staatsangehörigkeit eines Verbandsstaates besitzen oder dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Gleichfalls geschützt sind die Urheber von Werken, die zuerst in einem Verbandsland veröffentlicht worden sind, Art. 3 I lit.b RBÜ.109 Die tragenden Säulen des durch die RBÜ gewährten Schutzes sind der Grundsatz der Inländerbehandlung und die Gewährung von Mindestrechten.

104 Art. 1 RBÜ; HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 22; Schack UrhR, Rn. 951ff. 105 Schack UrhR, Rn. 952. 106 Bappert/Wagner Art. 2 Rn. 2; NVH-Meyer Art. 2 RBÜ Rn. 1; Dreier/Hugenholtz Concise, S. 15; Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 7.02ff. 107 Schack UrhR, Rn. 953; König Der Werkbegriff in Europa, S. 12; Mezger Schutzschwelle, S. 18. 108 HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 22. 109 Ausführlich auch zum Begriff der Veröffentlichung Schack UrhR, Rn. 955ff.

38 I.

Die »klassischen« multilateralen Verträge

Inländerbehandlungsgrundsatz und Mindestrechte

Gemäß Art. 5 I RBÜ genießen Urheber für die nach der Übereinkunft schutzfähigen Werke in allen Verbandsländern mit Ausnahme des Ursprungslandes des Werkes die Rechte, die die einschlägigen Gesetze den inländischen Urhebern gegenwärtig gewähren oder in Zukunft gewähren werden. Eine materiellrechtliche Aussage wird hierdurch nicht getroffen.110 Der Grundsatz der Inländerbehandlung enthält ein fremdenrechtliches Schutzgebot im Sinne formeller Gegenseitigkeit: Die Verbandsstaaten garantieren sich gegenseitig, dass sie den Staatsangehörigen aller Verbandsstaaten denjenigen urheberrechtlichen Schutz zukommen lassen, den sie auch ihren eigenen Staatsangehörigen gewähren.111 Da durch die fremdenrechtliche Gleichbehandlung allein noch kein bestimmter Schutzstandard gewährleistet wird, sichert die RBÜ den tatsächlichen Schutz der Urheber durch die Festlegung von Mindestrechten ab, Art. 5 I RBÜ a.E.112 Der hierdurch gewährte materielle Schutzstandard wurde seit 1886 kontinuierlich durch die Gewährung weiterer Rechte erhöht.113 Die Mindestrechte der RBÜ sind ebenfalls rein fremdenrechtlich konzipiert: Ein verbandsangehöriger ausländischer Urheber kann sich in einem Verbandsland direkt auf sie berufen,114 im Ursprungsland des Werkes beanspruchen sie dagegen keine Geltung, Art. 5 I, III S. 1 RBÜ. Um eine rechtspolitisch unerwünschte Inländerdiskriminierung zu vermeiden, heben die Verbandsstaaten ihr innerstaatliches Schutzniveau allerdings in der Regel zumindest auf das Niveau der RBÜ an, so dass diese eine mittelbare Harmonisierungswirkung entfaltet.115 Grundsätzlich bleibt es jedoch bei lediglich formeller Gegensei110 Schack UrhR, Rn. 959; strittig ist, ob der Grundsatz der Inländerbehandlung auch eine kollisionsrechtliche Aussage trifft. Die h. M. nimmt dies an: BGHZ 118, 394, 397 – ALF; MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 68ff.; Metzger IPRax 2006, 242, 244; für ein Verständnis als rein fremdenrechtliches Gleichbehandlungsgebot dagegen: Schack Anknüpfung, S. 28ff.; ders. UrhR, Rn. 1015; Peinze Int. UrhR in Deutschland und England, S. 125ff.; van Eechoud Choice of Law, S. 108. 111 Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 6.93ff.; v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 12.47ff.; Schack UrhR, Rn. 959. 112 Hierzu zählen das Urheberpersönlichkeitsrecht (Art. 6bis), das Übersetzungsrecht (Art. 8), das Vervielfältigungsrecht (Art. 9), das Aufführungs-, Sende- und Vortragsrecht (Art. 11, 11bis, 11ter), das Bearbeitungsrecht (Art. 12, 14) sowie die einheitliche Mindestschutzfrist von 50 Jahren p.m.a., Art. 7 RBÜ; vgl. auch Buck Geistiges Eigentum und Völkerrecht, S. 53ff. 113 Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 3.01ff.; v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 4.05ff.; Wilkinson in: Perry Global Governance, S. 107, 112. 114 BGHZ 11, 135, 138 – Schallplatten-Lautsprecherübertragung; OGH GRUR Int. 1995, 729, 730; Schack UrhR, Rn. 963. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied der RBÜ gegenüber dem TRIPs-Abkommen, für welches die unmittelbare Anwendbarkeit umstritten ist, vgl. MüKoDrexl IntImmGR, Rn. 63. 115 MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 43; Schack UrhR, Rn. 963.

Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ)

39

tigkeit. Materielle Gegenseitigkeit sieht die RBÜ nur ausnahmsweise vor. So wird etwa in Art. 7 VIII RBÜ die Dauer des Urheberschutzes auf die im Ursprungsland geltende Schutzfirst kupiert, und auch das Folgerecht wird in Art. 14ter II RBÜ nur bei Verbürgung materieller Gegenseitigkeit gewährt.

II.

Umfassende Geltung des Mindestschutzprinzips

Ausgangspunkt für eine Untersuchung des RBÜ-Schutzsystems auf Maximalschutzgrenzen ist Art. 19 RBÜ. Er legt das Mindestschutzprinzip fest, sein Hintergrund und seine Reichweite bedürfen aber einer kurzen Erörterung (unten 1.). Dabei stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit ein Maximalschutz im System der RBÜ überhaupt möglich ist (unten 2.). Im Ergebnis ist zwischen einem Maximalschutz und einer Begrenzung des gewährten Mindestschutzes zu differenzieren (unten 3.). 1.

Die Reichweite von Art. 19 RBÜ

Art. 19 RBÜ spricht entscheidend dagegen, die RBÜ auch als Ausdruck eines internationalen Maximalschutzes zu verstehen: »Die Bestimmungen der Übereinkunft hindern nicht daran, die Anwendung von weitergehenden Bestimmungen zu beanspruchen, die durch die Gesetzgebung eines Verbandslandes etwa erlassen werden.« Die Vorschrift wurde im Zuge der Berliner Revisionskonferenz 1908 in die RBÜ aufgenommen, um klarzustellen, dass die Übereinkunft einem weitergehenden nationalen Schutz nicht entgegensteht.116 In der Fassung von Rom 1928 wurde Art. 19 RBÜ zu einer der am kontroversesten diskutierten Vorschriften der RBÜ.117 Den Anstoß hatte ein Antrag der österreichischen Delegation auf der Revisionskonferenz in Rom 1928 gegeben. Der österreichische Delegierte war ausführlich auf die den Schranken der RBÜ zugrundeliegenden Interessen der Allgemeinheit eingegangen und hatte angeregt, diese durch einen verbindlichen Maximalschutz zu berücksichtigen.118 Auch wenn dieser Antrag in Rom nicht diskutiert wurde,119 gab er doch Anlass für eine Diskussion in der Literatur. Insbesondere Hoffmann und Baum sprachen sich immer wieder noch vor 1933 dafür aus, die RBÜ auch als Schutzinstrument von Allgemeininteressen zu verstehen und deshalb bestimmte Vorschriften, na116 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 5.94. 117 NVH-Meyer Art. 19 RBÜ Rn. 1. 118 Actes de la Conf8rence r8unie / Rome du 7 mai au 2 juin 1928, S. 273; Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 6.110. 119 Hoffmann GRUR 1928, 897; Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 6.110.

40

Die »klassischen« multilateralen Verträge

mentlich die Schranken der RBÜ, als Maximalschutzgrenzen auszulegen.120 Dem wurde bereits in der zeitgenössischen Literatur entgegengetreten: Einerseits passe die Vereinbarung von Maximalschutzgrenzen nicht in das System eines zwischen Staaten vereinbarten Staatsvertrages, andererseits beträfen die als Maximalschutz diskutierten Vorschriften lediglich den Anwendungsbereich der RBÜ und würden die Verbandsstaaten nicht an der Gewährung eines weiterreichenden Schutzes hindern.121 Angesichts des klaren Wortlauts der Pariser Fassung122 von Art. 19 RBÜ und des historischen Hintergrundes der Übereinkunft123 ist dieser Einschätzung im Ergebnis weiterhin zuzustimmen. Art. 19 RBÜ verdeutlicht zweierlei: Zum einen zeigt er, dass die RBÜ in Bezug auf reine Inlandssachverhalte keine Anforderungen an die materiellen Urhebergesetze der Verbandsstaaten stellt.124 Zum anderen stellt die eindeutige Wortwahl klar, dass die RBÜ auch auf fremdenrechtlicher Ebene grundsätzlich keinen Maximalschutz begründen soll, sondern dem Mindestschutzprinzip folgt.125 Ausnahmen von diesen Grundsatz sind deswegen zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, bedürften aber vor dem Hintergrund der klaren Aussage von Art. 19 RBÜ eines ebenso klaren Wortlauts.126

2.

Vereinbarkeit von Maximalschutz und fremdenrechtlicher Konzeption

Davon unabhängig stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Maximalschutzgrenzen im Schutzsystem der RBÜ überhaupt denkbar sind. Die Übereinkunft baut auf die Kombination von Inländerbehandlung und fremdenrechtlichen Mindestrechten. Diese gelten aber nur für ausländische Urheber, die dem Verbandsschutz unterfallen. Inländische Urheber können sich dagegen nicht auf die 120 Hoffmann GRUR 1928, 897ff.; ders. UFITA 1 (1928), 123, 171; ders. Die Berner Übereinkunft, S. 21ff.; Baum GRUR 1928, 684ff.; ders. UFITA 3 (1930), 400, 421ff.; ders. GRUR Int. 1963, 351, 362ff.; vgl. auch Bappert/Wagner § 19 Rn. 5; NVH-Meyer Art. 5 RBÜ Rn. 4. 121 Ladas The international protection of literary and artistic property, Vol. 1, S. 192ff. 122 Die Fassungen von Berlin (1908) und Rom (1928) waren teilweise missverständlich formuliert; vgl.NVH-Meyer Art. 19 RBÜ Rn. 2. 123 Die RBÜ dient primär dem internationalen Schutz der Urheber, vgl. Präambel der RBÜ und oben S. 33ff.; auch Drexl Entwicklungsmöglichkeiten, S. 161; Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 363; ausführlich Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 2.01ff. und speziell zum Mindestschutzprinzip Rn. 6.80. ff. 124 Vgl. Art. 5 I, III S. 1 RBÜ und oben S. 38. 125 Masouy8 Kommentar zur RBÜ, Art. 19; NVH-Meyer Art. 5 RBÜ Rn. 4; v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 5.94; Dreier/Hugenholtz Concise, S. 79; differenzierend in Bezug auf Art. 2 VIII; 10 II RBÜ: Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 6.111; vgl. hierzu sogleich S. 43ff. 126 So schon Ladas The international protection of literary and artistic property, S. 194ff.; NVH-Meyer Art. 5 RBÜ Rn. 4; Drexl Entwicklungsmöglichkeiten, S. 164.

Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ)

41

von der RBÜ gewährten Mindestrechte berufen, Art. 5 III S. 1 RBÜ. Zu einer Rechtsangleichung auf innerstaatlicher Ebene führt diese Vorgehensweise nur, weil sich eine »reversed diskrimination« inländischer Urheber politisch kaum rechtfertigen lässt.127 Dieses System funktioniert aber nur in eine Richtung und lässt eine Kombination von Mindest- und Maximalschutz nicht ohne Weiteres zu: Würde die RBÜ eine zwingende Schutzobergrenze festlegen, entspräche es zunächst ihrer Konzeption, diese ebenfalls als fremdenrechtlich zu qualifizieren. Für den Schutz im Ursprungland würde gemäß Art. 5 III S. 1 RBÜ auch ein Maximalschutz nicht greifen, die Verbandsstaaten wären lediglich verpflichtet, ausländischen Urhebern keinen weitergehenden Schutz zu gewähren. Bei einer solchen Vorgehensweise fehlt aber nicht nur der innenpolitische Anreiz für die Verbandsstaaten, die fragliche Maximalschutzgrenze auch für Inlandssachverhalte in das materielle nationale Recht zu überführen. Vielmehr kollidiert eine fremdenrechtliche Begründung von Maximalschutzgrenzen auch mit dem zweiten tragenden Prinzip der RBÜ, dem Grundsatz der Inländerbehandlung. Staaten mit einem urheberrechtlichen Schutzniveau, das über dasjenige der RBÜ hinausgeht, stünden vor einem Dilemma: Einerseits dürften sie für Verbandsurheber ein gewisses Schutzniveau nicht überschreiten, andererseits wäre es ihnen aufgrund von Art. 5 I RBÜ nicht erlaubt, verbandsangehörige Urheber gegenüber inländischen zu diskriminieren.128 Dieses Spannungsverhältnis lässt sich auf dreierlei Weise auflösen: a) Durchbrechung des Inländerbehandlungsgrundsatzes Einerseits könnte man die fremdenrechtliche Maximalschutzgrenze als Ausnahme vom Grundsatz der Inländerbehandlung verstehen. Verbandsurheber wären dann durch die fragliche fremdenrechtliche Schutzobergrenze daran gehindert, sich auf eine im Vergleich zur RBÜ günstigere nationale Regelung zu berufen. Dadurch würden sie allerdings gegenüber inländischen Urhebern schlechter gestellt. Eine rein fremdenrechtliche Maximalschutzgrenze unter Durchbrechung des Inländerbehandlungsgrundsatzes widerspricht daher dem Zweck der Übereinkunft, die Urheber zu schützen. Dass eine solche Diskriminierung von Verbandsurhebern durch die RBÜ intendiert ist, erscheint ausgeschlossen. b) Mittelbare Angleichung des innerstaatlichen Rechts Andererseits könnten die Verbandsstaaten durch die Hintertür des Inländerbehandlungsgrundsatzes zu einer Absenkung des innerstaatlichen Schutzni127 Schack UrhR, Rn. 963; Metzger JZ 2010, 929, 930f. 128 Ähnlich schon Drexl Entwicklungsmöglichkeiten, S. 161.

42

Die »klassischen« multilateralen Verträge

veaus verpflichtet werden. Wenn Verbandsurheber einen bestimmten urheberrechtlichen Schutz nicht erhalten dürfen, gleichzeitig aber wie inländische Urheber zu behandeln sind, bleibt nur eine Absenkung des innerstaatlichen Schutzniveaus. Ein solcher Ansatz würde faktisch zu einer Angleichung des innerstaatlichen Rechts führen. c) Durchbrechung der fremdenrechtlichen Konzeption Konsequenter wäre es deshalb, für einen Maximalschutz die fremdenrechtliche Konzeption der RBÜ aufzugeben. Will man den Inländerbehandlungsgrundsatz unversehrt lassen und auch keine mittelbare Angleichung des innerstaatlichen Rechts bewirken, ist dies die einzig sinnvolle Auslegungsalternative. Eine echte Begrenzung des urheberrechtlichen Schutzniveaus durch einen Maximalschutz ist deshalb mit dem Schutzsystem der RBÜ nur dann vereinbar, wenn er sich auch auf das materielle innerstaatliche Recht beziehen würde. Eine derartige Zielrichtung lässt sich der fremdenrechtlich konzipierten RBÜ129 allerdings nicht ohne Weiteres unterstellen. Zudem stünde sie im Widerspruch zu Art. 5 III S. 1 RBÜ.

3.

Differenzierung zwischen Maximalschutz und begrenztem Mindestschutz

Die dargestellten Brüche, die ein Maximalschutz im System der RBÜ verursacht, lassen sich vermeiden, wenn man zwischen einem Maximalschutz und der Begrenzung des gewährten Mindestschutzes differenziert. Auch die RBÜ enthält Vorschriften, wie etwa die Schranken der Art. 10, 10bis RBÜ,130 die schutzbegrenzend formuliert sind. Diese sind aber nicht als zwingende Grenze zu verstehen, die die RBÜ den nationalen Urheberrechtsordnungen setzt. Vielmehr können derartige Regelungen auch der internen negativen Beschreibung des gewährten Mindestschutzniveaus dienen. Ein solches Verständnis kollidiert weder mit Art. 19 RBÜ noch mit der fremdenrechtlichen Konzeption der Übereinkunft. Es ist deshalb im Zweifel für schutzbegrenzend formulierte Normen auf diejenige Auslegungsmöglichkeit zurückzugreifen, die sich am zwanglosesten in das System der RBÜ einfügt: Als Begrenzungen des gewährten Mindestschutzes dienen insbesondere die Schranken der RBÜ einer genauen Festlegung des gewährten mindestrechtlichen Schutzniveaus, ohne das in den Verbandsstaaten tatsächlich eingeräumte Schutzniveau zu begrenzen.131 129 Vgl. oben S. 38. 130 Hierzu ausführlich S. 43ff. 131 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 5.154; NVH-Meyer Art. 9 RBÜ Rn. 1; zu den Schranken sogleich S. 43ff.

Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ)

III.

43

Diskutierte Fälle eines Maximalschutzes in der RBÜ

Unter dieser Prämisse und zur Verdeutlichung der eben dargestellten Differenzierung sollen diejenigen Vorschriften der RBÜ, die aufgrund ihrer zwingenden Formulierung132 als Maximalschutzgrenzen diskutiert wurden, kurz erörtert werden. 1.

Tagesneuigkeiten und vermischte Nachrichten, Art. 2 VIII RBÜ

Die erste Norm der RBÜ, die eine Deutung als echte Maximalschutzgrenze zuließe, ist Art. 2 VIII RBÜ, der Tagesneuigkeiten oder vermischte Nachrichten vom Schutz der Übereinkunft ausschließt. Teilweise wird die Norm in dem Sinne als bindend ausgelegt, dass es den Verbandsstaaten verwehrt sein soll, einen entsprechenden Schutz in ihren nationalen Urheberrechtsgesetzen vorzusehen.133 Für eine solche Auslegung, die im Fall der RBÜ nur die singuläre Ausnahme von der Regel sein könnte,134 geben aber weder der Wortlaut noch die entsprechenden Materialien der Revisionskonferenzen hinreichende Anhaltspunkte. Insbesondere gilt dies für die auf der Stockholmer Revisionskonferenz geführte Diskussion über eine Streichung der Norm.135 Auch Art. 2 VIII RBÜ ist deshalb als Begrenzung des gewährten Mindestschutzes und nicht als Maximalschutz auszulegen: Die Verbandsstaaten sind nicht verpflichtet, für Verbandsurheber einen Schutz für Tagesneuigkeiten und vermischte Nachrichten vorzusehen, sie werden daran durch Art. 2 VIII RBÜ aber innerstaatlich nicht gehindert.136 2.

Die Schranken, Art. 10, 10bis RBÜ

Um den urheberrechtlichen Schutz zu begrenzen, ist es auch international üblich, Schrankenbestimmungen einzuziehen.137 Die RBÜ, die primär auf die Sicherstellung des internationalen Schutzes der Urheber abzielt, sah in ihrer ur132 Nicht für einen Maximalschutz in Betracht kommen alle Vorschriften, die fakultativ formuliert sind, etwa Art. 2bis I, II; Art. 10 II, III und Art. 10bis I, II RBÜ. 133 Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 6.110f.; Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 378f.; Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 8.14 nehmen insoweit auch eine Ausnahme vom Grundsatz der Inländerbehandlung an. 134 Siehe oben S. 39f. 135 Report on the Work of Main Committee I, Records of the Intellectual Property Conference at Stockholm June 11 to July 14, 1967, Genf 1967, S. 1155f.; Blomqvist Primer, S. 87. 136 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 5.83; Blomqvist Primer, S. 87. 137 Ein Überblick über »zwingende« Schranken für das gesamte internationale Immaterialgüterrecht auf dem Stand von 2008 findet sich bei Hugenholtz/Okediji Conceiving an International Instrument on Limitations and Exceptions to Copyright, Appendix B.

44

Die »klassischen« multilateralen Verträge

sprünglichen Fassung nur zwei vereinzelte Schranken vor.138 Mittlerweile ist sie aber diejenige internationale Konvention mit den ausdifferenziertesten Schrankenregelungen.139 a) Beschränkung des Mindestschutzniveaus der RBÜ Dennoch lassen sich die Schranken der RBÜ nicht als »Mindestschranken« mit Auswirkung auf das innerstaatliche Recht der Verbandsstaaten verstehen. Art. 19 RBÜ bezieht sich nur auf die durch die RBÜ gewährten Mindestrechte der Verbandsurheber und lässt nicht den Schluss zu, dass es den Verbandsstaaten durch »Mindestschranken« verwehrt wäre, einen Schutz zu gewähren, der über die Schranken der Übereinkunft hinausgeht.140 Gegen ein solches Verständnis der Schranken der RBÜ sprechen im Wesentlichen zwei Gesichtspunkte: Zunächst würde eine Auslegung der Schranken als zwingende Vorgaben für die nationalen Urheberrechtsgesetze voraussetzen, dass die RBÜ neben dem Schutz der Urheber auch dem Schutz von Allgemeininteressen dient, was angesichts ihres historischen Hintergrundes aber nicht der Fall ist.141 Zudem offenbaren sich hier die Schwierigkeiten, die ein fremdenrechtlich konzipierter Staatsvertrag mit der Begrenzung des urheberrechtlichen Schutzes hat, sehr deutlich: Auf fremdenrechtlicher Ebene kann die RBÜ nur Rechte begrenzen, die sie selbst gewährt, was im Ergebnis zu einer Schlechterstellung der Verbandsurheber gegenüber inländischen Urhebern führen kann142 und sich damit in Widerspruch zum Grundsatz der Inländerbehandlung setzt.143 Bei einer materiell-rechtlichen Auslegung würden die Schranken zwar die Wirkung erfüllen, die ihnen im Interesse der Allgemeinheit zugedacht sein soll;144 allerdings scheitert ein solcher Ansatz an Art. 5 III S. 1 RBÜ.145 Es verbleibt daher nur ein Verständnis als Begrenzung des gewährten Mindestschutzes.146 Für die meisten

138 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 5.148. 139 Blomqvist Primer, S. 158; geregelt sind die Zitierfreiheit, Art. 10 I RBÜ, Nutzungen zur Veranschaulichung des Unterrichts, Art. 10 II RBÜ, sowie Nutzungen zur Information über Tagesereignisse, Art. 10bis, 2bis II RBÜ; vgl. auch Rehbinder FS 100 Jahre BÜ, S. 356ff.; allgemein Goldstein/Hugenholtz International Copyright, S. 359ff. 140 Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 6.110. 141 Zur entsprechenden historischen Diskussion bereits oben S. 39f. und dort insbesondere Fn. 120 und 123. 142 Drexl Entwicklungsmöglichkeiten, S. 161. 143 Siehe oben S. 40ff. 144 Hoffmann GRUR 1928, 897ff.; ders. Die Berner Übereinkunft, S. 21ff.; Baum UFITA 3 (1930), 400, 421ff. 145 Siehe oben S. 41f. 146 Siehe oben S. 39f.

Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ)

45

Schranken der RBÜ, wie etwa Art. 10bis RBÜ, kommt ein Maximalschutz aufgrund ihrer fakultativen Ausgestaltung ohnehin nicht in Betracht.147 b) Die Zitatschranke des Art. 10 I RBÜ Anlass zur Diskussion hat aber die Zitatschranke des Art. 10 I RBÜ gegeben. Insbesondere bezüglich der Brüsseler Fassung von 1948 wurde vertreten, dass es sich hierbei um eine echte materielle Begrenzung im Interesse der allgemeinen Betätigungsfreiheit handele.148 Der Wortlaut von Art. 10 RBÜ in der damaligen Fassung schien insoweit tatsächlich eindeutig.149 Die Brüsseler Fassung ist zwar seit der Revisionskonferenz von Stockholm 1967 überholt,150 Art. 10 I RBÜ gibt aber auch heute noch Anlass für eine genauere Betrachtung. Folgt man nämlich der bisherigen Argumentation, dann wäre auch Art. 10 I RBÜ als Begrenzung des durch die RBÜ gewährten mindestrechtlichen Schutzes auszulegen.151 Eine solche Auslegung ließe aber zunächst unbeachtet, dass Art. 10 I RBÜ als einzige Schrankenregelung der RBÜ zwingend formuliert und nicht unter den Vorbehalt einer anderweitigen Regelung durch die Verbandsstaaten gestellt ist. Mit Verweis auf diesen vermeintlich klaren Wortlaut wird Art. 10 I RBÜ deshalb auch als Fall eines Maximalschutzes in der RBÜ genannt.152 Dieser Schluss ist jedoch nicht zwingend: Die Unterschiede im Wortlaut der RBÜ lassen sich auch durch eine Differenzierung zwischen einer »angeordneten« und einer »zugelassenen« Beschränkung des gewährten Mindestschutzes erklären.153 Eine angeordnete Beschränkung begrenzt den gewährten Mindestschutz unabhängig von einer Entscheidung der Verbandsstaaten. Eine abweichende Regelung auf nationaler Ebene bleibt nach Maßgabe des Art. 19 RBÜ möglich. Eine zugelassene Beschränkung liegt dagegen vor, wenn das Recht unter Vorbehalt einer Schrankenregelung durch den nationalen Gesetzgeber durch die RBÜ vollumfänglich als Mindestrecht gewährt wird.154 Diese Differenzierung bedeutet für die angeordnete Beschränkung des 147 Vgl. auch Art. 10 II RBÜ: »Der Gesetzgebung der Verbandsstaaten … bleibt vorbehalten …«; hierzu v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 5.82. 148 Bappert/Wagner § 10 Rn. 3; Windisch Gewerblicher Rechtschutz und UrhR im zwischenstaatlichen Bereich, S. 27ff.; ähnlich schon Hoffmann Berner Übereinkunft, S. 21; NVHMeyer Art. 5 RBÜ Rn. 4; vgl. auch Blomqvist Primer, S. 159. 149 »It shall be permissable in all the countries of the Union to make short quotations from newspaper articles and periodicals,…«; NVH-Meyer Art. 5 RBÜ Rn. 4. 150 Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 13.41. 151 Siehe oben S. 42f. 152 Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 6.110f.; Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 380; v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 5.82 lässt die Frage offen. 153 NVH-Meyer Art. 10 RBÜ Rn. 3 und Art. 9 RBÜ Rn. 1. 154 NVH-Meyer Art. 9 RBÜ Rn. 1.

46

Die »klassischen« multilateralen Verträge

Art. 10 I RBÜ, dass sich ein Verbandsurheber nur über den Inländerbehandlungsgrundsatz des Art. 5 I RBÜ auf eine für ihn günstigere Regelung der Zitierfreiheit berufen kann. Im Falle einer nicht umgesetzten zugelassenen Beschränkung, etwa Art. 10 II RBÜ, können sich Verbandsurheber dagegen auch auf ein entsprechend weitreichendes Mindestrecht der RBÜ berufen.155 Zwar wird in diesen Fällen derselbe Schutz in der Regel auch über Art. 5 I RBÜ zu erlangen sein, die Differenzierung zwischen »angeordneten« und »zugelassenen« Beschränkungen wird dadurch jedoch nicht überflüssig. Denn einerseits gilt der Grundsatz der Inländerbehandlung nicht uneingeschränkt.156 Andererseits lässt sich die Unterscheidung auch wertungsmäßig erklären: Im Falle des Art. 10 I will die RBÜ ihren mindestrechtlichen Verbandsschutz nicht von sich aus auf das Feld der Zitierfreiheit erstrecken. Sie akzeptiert ein weniger meinungsfreundlich ausgestaltetes Urheberrechtsregime nur über Art. 5 I RBÜ.157 Demgegenüber ist etwa eine Bildungsschranke (vgl. Art. 10 II RBÜ) grundrechtlich betrachtet weniger zwingend erforderlich,158 weshalb sich die RBÜ hier neutral verhält und die Entscheidung über die Einführung einer Bildungsschranke den Verbandsstaaten überlässt. Die zwingende Formulierung des Art. 10 I RBÜ gebietet daher keine Auslegung der Norm als Maximalschutzgrenze. Es ist deshalb davon auszugehen, dass auch die Zitierfreiheit nicht aus dem System der RBÜ ausbricht, sondern sich darauf beschränkt, die durch die RBÜ gewährten Mindestrechte auf fremdenrechtlicher Ebene einzugrenzen. Ein materiell- oder fremdenrechtlicher Maximalschutz lässt sich aus Art. 10 I RBÜ nicht herauslesen.159 3.

Besondere Bestimmungen für Filmwerke, Art. 14bis II lit. b RBÜ

Ein Sonderfall eines eventuellen Maximalschutzes ist Art. 14bis II lit. b RBÜ. Danach können sich die Beteiligten einer Filmproduktion, sofern sie nach dem nationalen Recht als Urheber angesehen werden160 und keine gegenteilige Ver155 NVH-Meyer Art. 9 RBÜ Rn. 1. 156 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 5.40. 157 International ist die Meinungsfreiheit verbürgt in Art. 11 GRCh, Art. 19 der UN-Menschenrechtscharta und Art. 10 EMRK; zum starken Bezug zwischen Meinungs- und Zitierfreiheit vgl. Stieper Schranken, S. 47ff. und SL-Spindler § 51 Rn. 8. 158 Auch eine Bildungsschranke weist einen grundrechtlichen Bezug auf, vgl. Art. 15 UN-Sozialpakt (oben Fn. 42) ihre Einführung ist aber weniger stark geboten und hängt mehr von gesellschaftspolitischen Entscheidungen ab; vgl. zum Stand der Diskussion Schack ZUM 2016, 266ff. 159 So auch NVH-Meyer Art. 10 RBÜ Rn. 3 und Art. 9 RBÜ Rn. 1; Drexl Entwicklungsmöglichkeiten, S. 162; Fiscor The Law of Copyright and the Internet, Rn. 5.11f.; Blomqvist The Consistency of Mandatory Exceptions, S. 8f.; ders. Primer, S. 160. 160 Die Bestimmung der Urheberschaft bleibt den Verbandsstaaten überlassen, vgl. Art. 14bis II lit. a RBÜ.

Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ)

47

einbarung vorliegt, der Verwertung ihrer Beiträge nicht widersetzen, wenn sie sich zu deren Erbringung verpflichtet haben. Anders als bei den Schranken geht es hier weniger um eine Berücksichtigung kollidierender Allgemein- oder Individualinteressen, vielmehr soll dem Hersteller von Filmwerken der Beweis der Rechtsinhaberschaft erleichtert werden.161 Die RBÜ reagiert hier auf die sehr uneinheitlichen nationalen Regelungen der Urheberschaft an Filmwerken.162 Die Vorschrift enthält eine widerlegbare Legitimationsvermutung zugunsten der Hersteller von Filmwerken und wird deshalb hinsichtlich ihres Regelungsgehaltes auch als prozessuales Mindestrecht der Filmhersteller bezeichnet.163 Umgekehrt schwächt eine solche Vermutungswirkung die prozessuale Position der Filmurheber und wirkt daher in Verbandsstaaten, die die Urheberschaft nach dem Schöpferprinzip bestimmen, faktisch rechtsbegrenzend.164 Eine genaue Einordnung in die Kategorien Mindest- und Maximalschutz fällt bei Art. 14bis II lit. b RBÜ allerdings schwer, weil die RBÜ bei Filmwerken die hierfür notwendige Perspektive aufgibt. Während sie sonst »dem Urheber«165 Mindestrechte garantiert, sucht sie für die Bestimmung der Rechtsinhaberschaft an Filmwerken letztlich einen Kompromiss zwischen Copyright-System und Schöpferprinzip.166 Als Beispiel für einen Maximalschutz in der RBÜ ist Art. 14bis II lit. b RBÜ deshalb nicht geeignet.167

4.

Der Dreistufentest, Art. 9 II RBÜ

Der in Art. 9 II RBÜ normierte Dreistufentest lässt sich als Schranken-Schranke168 ebenfalls nicht als Ausdruck eines Maximalschutzes verstehen. Hier wird nicht der Spielraum für eine Gewährung weitergehender Rechte begrenzt, sondern die Möglichkeit einer Beschränkung des Urheberrechts unter Vorbehalt gestellt.169 161 Drexl Entwicklungsmöglichkeiten, S. 163. 162 Drexl Entwicklungsmöglichkeiten, S. 163; v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 5.87. 163 NVH-Meyer Art. 14/14bis RBÜ Rn. 10; Masouy8 FS Roeber, S. 351. 164 Dies gilt nicht für die in der Praxis wichtigsten Fälle: Für die Urheber der Drehbücher, der Dialoge und der musikalischen Werke sowie für den Hauptregisseur ist Art. 14bis II lit. b nicht anwendbar, vgl. Art. 14bis III S. 1 RBÜ. 165 Aufgrund ihres historischen Ursprungs in Kontinentaleuropa tendiert die RBÜ zum Schöpferprinzip, trifft selbst aber keine explizite Aussage, vgl. oben Fn. 106. 166 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 5.87ff. 167 So im Ergebnis auch NVH-Meyer Art. 14/14bis RBÜ Rn. 10; Drexl Entwicklungsmöglichkeiten, S. 163. 168 Ausführlich Senftleben Three-Step Test, S. 43ff.; ders. GRUR Int. 2004, 200ff.; Bengeser Dreistufentest, S. 8ff. 169 Drexl Entwicklungsmöglichkeiten, S. 160.

48 IV.

Die »klassischen« multilateralen Verträge

Zwischenergebnis

Der klare Wortlaut des Art. 19 RBÜ und die aufgezeigten Brüche, die Maximalschutzgrenzen in einem fremdenrechtlich konzipierten Staatsvertrag auslösen, sprechen grundsätzlich dagegen, Vorschriften der RBÜ als zwingende Schutzobergrenzen zu interpretieren. In diese Richtung weist bereits der in Art. 1 RBÜ festgelegte Schutzzweck. Denn Normen, die aus Sicht der Urheber Maximalschutzgrenzen darstellen, sollen in der Regel einen Mindestschutz für bestimmte, dem Urheberrecht entgegenstehende Allgemein- oder Individualinteressen gewähren. Mittlerweile herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass die RBÜ derartige Interessen nicht schützt. Schutzbegrenzend formulierte Normen der RBÜ sind deshalb nicht als fremdenrechtlicher oder gar materiell-rechtlicher Maximalschutz, sondern lediglich als Begrenzung des von der RBÜ gewährten Mindestschutzes auszulegen.170 Durch diesen werden Verbandsurheber nicht daran gehindert, sich über den Inländerbehandlungsgrundsatz des Art. 5 I RBÜ auf eine günstigere nationale Regelung zu berufen.

B.

Welturheberrechtsabkommen (WUA)

Das WUA,171 das insbesondere für die USA und die Sowjetunion172 eine Alternative zu dem höheren Schutzniveau der RBÜ bieten sollte,173 setzt zum Schutz ausländischer Urheber primär auf den Inländerbehandlungsgrundsatz, dem nur rudimentäre Mindestrechte zur Seite gestellt werden.174 Letztere bleiben deutlich hinter dem Schutzniveau der RBÜ zurück.175 Nach Art. IVbis Abs. 1 S. 1 WUA sind allgemein die »grundlegenden Rechte zu gewähren, die die wirtschaftlichen Interessen des Urhebers schützen.« Auf eine Norm, die vergleichbar mit Art. 19 RBÜ das Mindestschutzprinzip ausdrücklich festschreibt, hat das WUA verzichtet. Der Mindestschutz-Charakter der gewährten Rechte geht aber deutlich aus den gewählten Formulierungen hervor.176 Da auch der historische 170 171 172 173

So auch Fiscor The Law of Copyright and the Internet, Rn. 5.11f. Siehe oben Fn. 82. Vgl. Grossenbacher WUA im Hinblick auf den Beitritt der Sowjetunion, S. 114ff. Stewart International Copyright, Rn. 6.01. Im Verhältnis zweier Verbandsmitglieder der RBÜ tritt das WUA zurück, Art. XVII WUA, weshalb das WUA heute kaum noch von Bedeutung ist, siehe oben S. 34ff. 174 Umstritten ist, ob das WUA überhaupt einzelne Rechte der Urheber begründet oder nur völkerrechtliche Umsetzungsverpflichtungen enthält. Für Letzteres: NVH-Meyer Art. I UUC Rn. 1; FN-Nordemann-Schiffel vor §§ 120ff. Rn. 26; a. A. Ulmer GRUR Int. 1960 57, 62. 175 Schack UrhR, Rn. 970. 176 Vgl. etwa Art. II Abs. 1 S. 2: »…sowie den durch dieses Abkommen gewährten Schutz«; Art. IVAbs. 2 lit. a: »…mindestens die Lebenszeit des Urhebers und 25 Jahre nach seinem

Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPs)

49

Hintergrund des WUA als »Auffang-Konvention« für Staaten mit einem niedrigeren Urheberschutzniveau klar für die alleinige Verankerung des Mindestschutzprinzips spricht, scheidet ein Maximalschutz für das WUA aus.

C.

Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPs)

Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums177 ist integraler Bestandteil des am 15. 4. 1994 geschlossenen Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO).178 Die Aufnahme der Rechte des geistigen Eigentums in das System der WTO beruhte neben der fehlenden Dynamik der WIPO179 auch darauf, dass effiziente Streitbeilegungsmechanismen und Vorschriften zur Rechtsdurchsetzung vermisst wurden.180

I.

Schutzprinzipien

Das TRIPs-Übereinkommen baut wie die RBÜ auf die Kombination von Inländerbehandlung und Mindestrechten.181 Art. 3 I TRIPs übernimmt neben dem Grundsatz der Inländerbehandlung auch dessen Einschränkungen aus der RBÜ. Insbesondere der Schutzfristenvergleich der RBÜ ist somit auch im TRIPsÜbereinkommen weiterhin zulässig.182 Hinsichtlich der den Urhebern gewährten Rechte verfolgt TRIPs den so genannten »Bern-plus-Ansatz«, vgl. Art. 9 I S. 1 TRIPs.183 Neu im System des internationalen Urheberrechts ist dagegen das in Art. 4 TRIPs normierte Prinzip der Meistbegünstigung. Dieses seit Langem tragende Prinzip des Welthandelsrechts soll eine Diskriminierung zwischen ausländischen Schutzberechtigten untereinander unterbinden.184 Neben dem

177 178 179 180 181 182 183 184

Tod.«; Art. IVbis Abs. 2 S. 1: »Jeder Staat kann in seiner innerstaatlichen Gesetzgebung … Ausnahmen vorsehen.« (Hervorhebungen vom Verfasser). Siehe oben Fn. 90. BGBl. 1994 II, 1443 und das deutsche Zustimmungsgesetz in BGBl. 1994 II, 1438. Siehe oben S. 33ff. HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 66; vgl. unten S. 57ff. SL-Katzenberger/Metzger vor §§ 120ff. Rn. 19; Duggal TRIPs und Int. UrhR, S. 65f.; zum mindestrechtlichen Charakter der durch TRIPs gewährten Rechte sogleich S. 50ff. Schack UrhR, Rn. 997; HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 69. Siehe oben S. 35f. Busche/Stoll/Wiebe-Lüers TRIPs, Art. 4 Rn. 1; SL-Katzenberger/Metzger vor § 120 Rn. 20; Kramer RIW 1989, 473ff.

50

Die »klassischen« multilateralen Verträge

Inländerbehandlungsgrundsatz gilt damit für alle WTO-Mitglieder ein zweites Diskriminierungsverbot.185 Hintergrund ist die Befürchtung, dass durch bilaterale Abkommen unterschiedliche Schutzniveaus entstehen könnten.186 Um die Vorschriften der RBÜ zur materiellen Gegenseitigkeit nicht zu unterlaufen, regelt Art. 4 S. 2 TRIPs Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip. Insbesondere die durch die RBÜ gewährten Rechte sind von der Verpflichtung zur Meistbegünstigung ausgenommen, vgl. Art. 4 S. 2 lit. b TRIPs.187 Umstritten ist, ob die Vorschriften des TRIPs unmittelbar anwendbar sind.188 Der EUGH hat sich entsprechend seiner Rechtsprechung zum GATT189 ebenso wie das WTO-Panel190 gegen die unmittelbare Geltung des WTO-Rechts und damit auch des TRIPs-Übereinkommens entschieden.191 Für einen durch TRIPs begründeten Maximalschutz hätte dies zur Folge, dass dieser nicht unmittelbar gerichtlich geltend gemacht werden könnte, sondern im Wege eines WTOStreitbeilegungsverfahrens gegen das säumige WTO-Mitglied durchgesetzt werden müsste.

II.

Schutzobergrenzen

Zentral für die hier verfolgte Fragestellung ist Art. 1 I S. 2 TRIPs, der grundsätzlich das Mindestschutzprinzip festlegt. Ebenso wie Art. 19 RBÜ ist die Norm zunächst genauer zu untersuchen. Das gefundene Ergebnis ist sodann auf die urheberrechtlichen Vorschriften in Teil II TRIPs und auf die für das Urheberrecht ebenfalls relevanten Vorschriften zur Rechtsdurchsetzung in Teil III TRIPs anzuwenden.

1.

Grundsätzliche Geltung des Mindestschutzprinzips

»Die Mitglieder dürfen in ihr Recht einen umfassenderen Schutz als den durch dieses Übereinkommen geforderten aufnehmen, vorausgesetzt, dieser Schutz läuft diesem Übereinkommen nicht zuwider, sie sind dazu aber nicht verpflichtet«. Der Wortlaut von Art. 1 I S. 2 TRIPs, der für sich genommen klar den 185 MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 43. 186 MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 54; Gervais TRIPs, Art. 1 Rn. 2.73. 187 HdU-v. Lewinski § 57 Rn. 70; Busche/Stoll/Wiebe-Lüers TRIPs, Art. 4 Rn. 16ff.; Schack UrhR, Rn. 997. 188 Ausführlich Duggal TRIPs und Int. UrhR, S. 90ff.; ders. IPRax 2002, 101ff.; Flemisch Umfang der Berechtigung und Verpflichtung aus völkerrechtlichen Verträgen, S. 78ff. 189 EUGH Rs. C-21/72, EU:C:1972:115 = DÖV 1973, 411 – International Fruit Company. 190 Bericht des WTO-Panels, WTO-Doc. WT/DS152/R vom 22. 12. 1999, Rn. 7.72. 191 EUGH Rs. C-149/96, EU:C:1999:574 = EuZW 2000, 276 – Portugal/Rat.

Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPs)

51

Mindestschutzgedanken zum Ausdruck bringt,192 ist in zweierlei Hinsicht beachtenswert. Zum einen wird das Mindestschutzprinzip durch den Zusatz, dass ein weitergehender Schutz dem TRIPs-Übereinkommen nicht zuwiderlaufen darf, unter einen Vorbehalt gestellt. Zum anderen haben sich frühere Entwürfe, die eindeutig »minimum obligations« festgelegt hatten, ebenso wenig durchsetzen können, wie der an die Wortwahl der WIPO-Verträge angelehnte negativ formulierte Entwurf der EG und der Vereinigten Staaten.193 Das Mindestschutzprinzip gilt für TRIPs somit nicht uneingeschränkt. Insbesondere ist zu klären, wann ein höheres Urheberschutzniveau dem TRIPs-Übereinkommen »zuwiderläuft.«194 Neben Art. 1 I S. 2 TRIPs sprechen noch andere Gesichtspunkte für die alleinige Geltung des Mindestschutzprinzips in TRIPs: Zum einen inkorporiert Art. 9 I S. 1 TRIPs zumindest für das Urheberrecht Art. 19 RBÜ und damit auch den Grundsatz der Mindestrechte.195 Allerdings dürfte Art. 1 I S. 2 TRIPs in Bezug auf die Reichweite des Mindestschutzprinzips in TRIPs als lex specialis einzustufen sein. Zu nennen ist ferner Art. 2 II TRIPs, der für den Fall einer Kollision mit anderen Konventionen sicherstellt, dass diese nicht durch den teilweise niedrigeren Schutzstandard von TRIPs beeinträchtigt werden.196 Auch diese Kollisionsregel ist letztlich eine Absicherung des Mindestschutzprinzips: Das TRIPs-Übereinkommen zielt in keinem Fall auf eine Begrenzung des Mindestschutzniveaus, das durch eine andere Konvention gewährt wird. Schließlich sind auch die Mindestrechte des TRIPs fremdenrechtlicher Natur und stellen keine Anforderungen an die für Inländer geltenden materiellen Urheberrechtsordnungen der Mitgliedstaaten.197 Dies ergibt sich deutlich aus Art. 1 III S. 1 TRIPs: Die unterzeichnenden Staaten gewähren »den Angehörigen der anderen Mitglieder« die in der Übereinkunft festgelegte Behandlung.198 192 Busche/Stoll/Wiebe-Lüers TRIPs, Art. 1 Rn. 14ff.; Cottier in: Macrory u. a. The WTO, S. 1061; Correa TRIPs, S. 24ff.; v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 10.37; Gervais TRIPs, Art. 1 Rn. 2.24; Matsushita/Schoenbaum/Mavrodis/Hahn The WTO, S. 661; Borges Barbosa in: Correa Research Handbook, S. 52, 67ff. 193 »nothing shall prevent Parties from…« vgl. Gervais TRIPs, Art. 1 Rn. 2.24. 194 Dazu sogleich S. 52ff. 195 Siehe oben S. 39ff. 196 Busche/Stoll/Wiebe-Brand TRIPs, Art. 2 Rn. 113ff. Diese Konfliktlösung war nicht alternativlos; es wäre auch möglich gewesen, bereits existierende Rechte zu beschränken, vgl. Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 362; Pauwelyn AJIL 95 (2001), 535, 540ff. 197 Busche/Stoll/Wiebe-Lüers TRIPs, Art. 1 Rn. 14ff., 34ff.; v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 10.37; Rehbinder/Staehelin UFITA 127 (1995), 5, 15; Staehelin Das TRIPs-Abkommen, S. 53; Schmidt-Pfitzner Das TRIPS-Übereinkommen, S. 36. 198 »Angehörige der anderen Mitglieder« sind dabei allerdings nicht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, sondern gemäß Art. 1 III S. 2 TRIPs diejenigen natürlichen oder juristischen Personen, welche die Schutzvoraussetzungen der jeweiligen speziellen WIPO-

52

Die »klassischen« multilateralen Verträge

Dagegen werden durch TRIPs keine Pflichten der WTO-Mitglieder gegenüber ihren eigenen Staatsangehörigen begründet, das Übereinkommen steht einer Inländerdiskriminierung also nicht entgegen.199 In Kombination mit dem Inländerbehandlungsgrundsatz in Art. 3 TRIPs entstehen hier folglich die gleichen Schwierigkeiten wie bei der RBÜ.200 Ein Maximalschutz würde deshalb nicht nur eine Ausnahme iSv Art. 1 I S. 2 darstellen,201 sondern müsste unter Durchbrechung des Art. 1 III S. 1 TRIPs auch Anforderungen an reine Inlandssachverhalte stellen.

2.

»Zuwiderlaufen« höherer Schutzstandards, Art. 1 I S. 2 TRIPs

Im Gegensatz zur RBÜ bietet TRIPs immerhin einen normativen Anknüpfungspunkt für eine maximalschützende Wirkung. Eingeschränkt wird das in Art. 1 I S. 2 TRIPs normierte Mindestschutzprinzip durch den Zusatz, dass der weitergehende Schutz des nationalen Rechts dem Übereinkommen nicht zuwiderlaufen darf. Eine solche Einschränkung des Mindestschutzprinzips hatte es im internationalen Urheberrecht bislang nicht gegeben. Sie zeigt, ebenso wie die Einleitung der Präambel, dass der Schutz des geistigen Eigentums nicht lediglich als Voraussetzung, sondern auch als potentielles Hemmnis für ein funktionierendes Welthandelssystem gesehen wurde.202 Hier zeigt sich ein Charakteristikum des TRIPs-Übereinkommens. Während die RBÜ ausschließlich auf den internationalen Schutz der Urheber abzielt, strebt TRIPs den Abbau von »Verzerrungen und Behinderungen des internationalen Handels« an und will deshalb nur einen »angemessenen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums« fördern und sicherstellen.203 Ob es angesichts dessen passend ist, das TRIPs-Übereinkommen als lediglich partiell dem Mindestschutzprinzip folgend einzustufen,204 ist im Folgenden genauer zu untersuchen. a) Bedeutungsgehalt Es ist daher zu klären, wann die Gewährung eines über TRIPs hinausgehenden Urheberschutzes dem Übereinkommen iSv Art. 1 I S. 2 TRIPs »zuwiderläuft«. Sprachlich verlangt ein »Zuwiderlaufen« nach einer zwingenden Norm. Eine

199 200 201 202 203 204

Staatsverträge erfüllen. Den urheberrechtlichen Schutz nach TRIPs erhalten somit alle Verbandsurheber im Sinne von Art. 3 und 4 RBÜ. Busche/Stoll/Wiebe-Lüers TRIPs, Art. 1 Rn. 34ff.; v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 10.37ff.; Schmidt-Pfitzner Das TRIPS-Übereinkommen, S. 36. Siehe oben S. 40ff. Gervais TRIPS, Art. 1 Rn. 2.25. Busche/Stoll/Wiebe-Lüers TRIPs, Art. 1 Rn. 21. Vgl. die Präambel des TRIPs-Übereinkommens; Busche/Stoll/Wiebe-Lüers TRIPs, Art. 1 Rn. 21; Correa TRIPs, S. 1ff. Pires de Carvalho TRIPs, Art. 1 Fn. 165.

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Norm, die offen formuliert ist und den WTO-Mitgliedern ausdrücklich Flexibilität einräumt, kann durch die Gewährung zusätzlicher Rechte nicht unterlaufen werden.205 Dies grenzt den Kreis der in Frage kommenden Vorschriften bereits ein.206 Den Mindestrechten kann ein höheres Schutzniveau grundsätzlich nicht entgegenstehen, da sie einen weiterreichenden Schutz gerade zulassen sollen. Zwingend sind dagegen Art. 3 I und 4 TRIPs. Ein Zuwiderlaufen iSv Art. 1 I S. 2 TRIPs liegt deshalb vor, wenn ein weitergehender Schutz derart gewährt wird, dass gegen den Grundsatz der Inländerbehandlung oder das Meistbegünstigungsprinzip verstoßen wird.207 Der Blick in die englische Fassung von Art. 1 I TRIPs208 zeigt allerdings, dass nicht nur ein Verstoß gegen die tragenden »principles«209 unzulässig ist, sondern dass ein weitergehender Schutz nicht im Widerspruch zu den »provisions« der Übereinkunft stehen darf.210 Ein Verstoß gegen Art. 1 I S. 2 TRIPs liegt deshalb auch dann vor, wenn durch die Gewährung eines höheren Schutzniveaus andere Mindestrechte des Übereinkommens unterlaufen werden.211 Zweifelhaft ist aber, ob ein Zuwiderlaufen auch dann angenommen werden kann, wenn ein erweiterter Schutz nicht mit konkreten Bestimmungen des TRIPs, sondern lediglich mit den von ihm angestrebten Zielen kollidiert. Ausweislich der Präambel und Art. 7 und 8 strebt TRIPs den Abbau von Handelsbeschränkungen an. Es wurde aber auch »in Erkenntnis« entwicklungspolitischer Ziele und der Allgemeindienlichkeit der Rechte des geistigen Eigentums geschlossen.212 Hierauf bezugnehmend ließe sich argumentieren, dass etwa die Einführung einer längeren Schutzfrist wegen der damit verbundenen handelsbeschränkenden Wirkung dem TRIPs-Übereinkommen

205 Die durch TRIPs belassene Flexibilität selbst kann nicht durch Art. 1 I S. 2 TRIPs geschützt sein. Eine solche Argumentation wäre zirkelschlüssig, vgl. Grosse Ruse-Khan Trade, Law and Development 1:56 (2009), 56, 67ff. 206 Cottier in: Macrory u. a. The WTO, S. 1061. 207 Correa TRIPs, S. 25; Pires de Carvalho TRIPS, Art. 1 Rn. 1.4; Borges Barbosa in: Correa Research Handbook, S. 52, 74. 208 »Members shall give effect to the provisions of this Agreement. Members may, but shall not be obliged to, implement in their law more extensive protection than is required by this Agreement, provided that such protection does not contravene the provisions of this Agreement.« (Hervorhebung vom Verfasser). 209 Pires de Carvalho TRIPS, Art. 1 Rn. 1.5. 210 Vgl. Gervais TRIPS, Art. 1 Rn. 2.13. Die deutsche Fassung verzichtet auf die Übernahme des entsprechenden deutschen Begriffs »Vorschrift«. 211 Busche/Stoll/Wiebe-Lüers TRIPs, Art. 1 Rn. 22. Vgl. auch den Bericht des WTO-Panels, WTO-Doc. WT/DS170/R Rn. 6.94 zum Verhältnis von Art. 33 und Art. 62 II TRIPs; hierzu Busche/Stoll/Wiebe-Lüers TRIPs, Art. 62 Rn. 5f. 212 Cottier in: Macrory u. a. The WTO, S. 1061f.; ausführlich Haas Das TRIPS-Abkommen, S. 107ff.; Netanel VJIL 37 (1997), 441, 463 sieht hier eine Anknüpfungsmöglichkeit für einen »maximalist approach«.

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zuwiderläuft.213 Zwar sind die Ziele und Zwecke nach Art. 31 I WVRK214 bei der Auslegung eines Staatsvertrages mit zu berücksichtigen. Folge einer solchen Auslegung des Art. 1 I S. 2 TRIPs wäre allerdings, dass jedes Überschreiten der TRIPs-Mindeststandards unter dem volkswirtschaftlich nicht eindeutig zu beurteilenden Vorbehalt einer eventuellen handelsbeschränkenden Wirkung stünde.215 Eine Konkretisierung der anderen Zielsetzungen wäre kaum zuverlässiger. Zudem ist nicht anzunehmen, dass die Mitglieder der WTO sich einer derart weitreichenden Kontrolle durch den Rat für TRIPs (vgl. Art. 71) unterwerfen wollten, der für eine entsprechende Beurteilung zuständig wäre.216 Das gilt insbesondere für die Industriestaaten, deren immaterialgüterrechtliches Schutzniveau zum Teil deutlich über dasjenige des TRIPs hinausgeht. Für die kontinentaleuropäischen WTO-Mitglieder würde eine rein ökonomische Kontrolle des urheberrechtlichen Schutzniveaus überdies in einem unauflöslichen Gegensatz zur persönlichkeitsrechtlichen Begründung des Urheberrechts geraten.217 Schließlich legt auch der englische Wortlaut von Art. 1 I S. 2 TRIPs eine Bezugnahme auf den in der Präambel geäußerten Wunsch, Verzerrungen und Behinderungen im internationalen Handel abzubauen, nicht nahe.218 Die Zielsetzungen des Übereinkommens lassen sich dementsprechend nicht über Art. 1 I S. 2 TRIPs zu Maximalschutzgrenzen aufwerten. Art. 1 I S. 2 TRIPs lässt sich daher »nur« die für das internationale Urheberrecht bemerkenswerte Aussage entnehmen, dass sich das TRIPs-Übereinkommen nicht vollumfänglich als Instrument eines internationalen Mindestschutzes versteht. Ein »Zuwiderlaufen« iSv Art. 1 I S. 2 TRIPs kann aber nur angenommen werden, wenn höhere nationale Standards gegen konkrete Vorschriften des TRIPs-Übereinkommens verstoßen. Diesbezüglich sind im Folgenden die für das Urheberrecht relevanten Vorschriften der Teile II und III TRIPs zu untersuchen. b) Die spezifisch urheberrechtlichen Vorschriften des Teil II TRIPs Kern der urheberrechtlichen Vorschriften des TRIPs ist Art. 9 I, der die WTOMitglieder unter Ausnahme des Urheberpersönlichkeitsrechts in Art. 6bis RBÜ zur Befolgung der Art. 1 bis 21 RBÜ verpflichtet. Bereits dieser »Bern-Plus-Ansatz« 213 Cottier in: Macrory u. a. The WTO, S. 1061. 214 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. 5. 1969, BGBl. 1985 II, 927. 215 Gervais TRIPS, Art. 1 Rn. 2.25 sieht im Fall einer eindeutig handelsbeschränkenden Wirkung eines TRIPs-Plus-Standards noch am ehesten einen möglichen Anwendungsfall. 216 Im Ergebnis deshalb ebenfalls skeptisch Grosse Ruse-Khan Trade, Law and Development 1:56 (2009), 56, 68f. Allgemein zur Auslegung des TRIPs Haas Das TRIPS-Abkommen, S. 58ff. 217 Siehe oben Fn. 68. 218 »provisions« in Art. 1 I S. 2 gegenüber »desiring« in der Präambel von TRIPs.

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setzt der Möglichkeit Grenzen, TRIPs-Vorschriften als Ausdruck eines Maximalschutzes zu verstehen. Das TRIPs-Übereinkommen verfolgt das Ziel, die RBÜ in das Welthandelssystem zu integrieren und diese zu ergänzen.219 Keinesfalls sollen Widersprüche zum Schutzsystem der RBÜ entstehen. Deshalb kann TRIPs keinen Maximalschutz begründen, durch den die Mindestrechte der RBÜ unterlaufen würden.220 Schon vor diesem Hintergrund liegt es nicht nahe, die wenigen Rechte, die TRIPs über die RBÜ hinaus gewährt (vgl. Art. 10, 11, 12 und 14 TRIPs) im Sinne eines Maximalschutzes auszulegen. Zudem müsste ein weitergehender Schutz gemäß Art. 1 I S. 2 TRIPs einem ebenfalls geschützten Interesse zuwiderlaufen. Das Übereinkommen bietet in Teil II nur in drei Normen einen Wortlaut, der entsprechende Überlegungen zulässt: aa) Negative Umschreibung des Werkbegriffs, Art. 9 II TRIPs Gemäß Art. 9 II TRIPs erstreckt sich der urheberrechtliche Schutz nicht auf Ideen, Verfahren, Arbeitsweisen oder mathematische Konzepte. Geschützt sind nur die Ausdrucksformen eines Werkes. Die Vorschrift geht auf einen japanischen Vorschlag zurück.221 Indem sie die Ideenfreiheit schützt, dient sie einem sehr wesentlichen Allgemeininteresse an der Begrenzung des urheberrechtlichen Schutzes.222 Fraglich ist hier, ob es sich um einen echten Maximalschutz oder lediglich um eine Begrenzung des durch TRIPs gewährten Mindestschutzes handelt.223 Im letzteren Fall hätte Art. 9 II TRIPs bloß eine klarstellende Funktion, da schon der Werkbegriff der RBÜ, auf den Art. 9 I TRIPs Bezug nimmt, nur Werke als konkrete Gestaltungen erfasst.224 Der Wortlaut225 und dessen ausführliche Diskussion226 weisen aber darauf hin, dass mehr als nur eine reine Klarstellung gewollt war. Zudem zielt TRIPs nicht allein auf den Schutz der Rechteinhaber ab227 und bietet mit Art. 1 I S. 2 TRIPs auch einen normativen Anknüpfungspunkt für eine Schutzbegrenzung. Wegen der großen Bedeutung 219 Busche/Stoll/Wiebe-Lüers TRIPs, Art. 9 Rn. 1ff. 220 Siehe oben S. 37ff. 221 Ursprünglich sollten Programmiersprachen und Algorithmen von dem für Computerprogramme vorgesehenen Schutz ausgenommen werden. Später wurde die Norm aus diesem Zusammenhang gelöst und in der heutigen allgemeinen Form gefasst; vgl. Gervais TRIPS, Art. 9 Rn. 2.140. 222 Correa TRIPs, S. 120; Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 379. 223 Siehe oben S. 42f. 224 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 5.69. 225 »Der urheberrechtliche Schutz erstreckt sich auf Ausdrucksformen und nicht auf Ideen…« Vgl. demgegenüber »Der Schutz dieser Übereinkunft besteht nicht…« in Art. 9 VIII RBÜ (Hervorhebung vom Verfasser). 226 Zu den verschiedenen Entwürfen Gervais TRIPS, Art. 9 Rn. 2.140. 227 Siehe oben S. 53.

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der Ideenfreiheit228 ist Art. 9 II TRIPs deshalb als Maximalschutzgrenze auszulegen. Die WTO-Mitglieder werden verpflichtet, ihren Werkbegriff entsprechend zu präzisieren und gegebenenfalls einzuschränken.229 Aufgrund von Art. 3 I muss Art. 9 II TRIPs dann zwar eine Ausnahme von der fremdenrechtlichen Konzeption des Übereinkommens bilden und materiell-rechtliche Anforderungen an das innerstaatliche Recht stellen.230 Allerdings sind die Vorgaben des Art. 9 II TRIPs wenig detailliert, weshalb die hier festgelegte Maximalschutzgrenze vergleichsweise abstrakt bleibt.231 Daher bleibt die genaue Grenzziehung zwischen Ideen und schutzfähigen Werken letztlich doch dem materiellen Recht der WTO-Mitglieder überlassen.232 bb) Der Ausschluss von Daten und Materialien, Art. 10 II S. 2 TRIPs Daten und Materialien werden als solche gemäß Art. 10 II S. 2 TRIPs233 nicht von dem durch Art. 10 II S. 1 gewährten Schutz für Datenbankwerke erfasst. Hier ist die gleiche Abgrenzung erforderlich wie bei Art. 9 II TRIPs: Es muss zwischen einem Maximalschutz und der Begrenzung des gewährten Mindestschutzes unterschieden werden.234 Im letzteren Fall hätte Art. 10 II S. 1 TRIPs nur klarstellende Funktion, da sich die Beschränkung auf Datenbankwerke bereits aus dem in Art. 10 II S. 1 TRIPs festgelegten Erfordernis einer geistigen Schöpfung ergibt.235 Dennoch entspricht dieses Verständnis eher der Funktion der Vorschrift. Es ist bei der Regelung des Schutzes von Datenbankwerken üblich236 und auch sinnvoll klarzustellen, dass ein Schutz der einzelnen Elemente nicht Gegenstand der Regelung ist. Eine über diese Klarstellung hinausgehende maximalschützende Funktion wird man Art. 10 II S. 1 TRIPs aber nicht unterstellen können. cc) Dreistufentest, Art. 13 TRIPs Schließlich klingen die Interessen, die einer Ausdehnung des Urheberschutzes entgegenlaufen können, noch in Art. 13 TRIPs an.237 Dieser stellt nationale 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237

Allgemein Schack UrhR, Rn. 194. Busche/Stoll/Wiebe-Brand/Füller/Langeloh TRIPs, Art. 9 Rn. 101. Siehe oben S. 51 und ausführlich S. 40ff. Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 379. Correa TRIPs, S. 122. Der Wortlaut der englischen Fassung ist hier eindeutiger als die deutsche Übersetzung: … »Such protection, which shall not extend to the data or material itself« (Hervorhebung vom Verfasser). Siehe oben S. 42f. und S. 44f. Busche/Stoll/Wiebe-Klopmeier TRIPs, Art. 10 Rn. 34ff.; Gervais TRIPS, Rn. 2.155; a. A. Correa TRIPs, S. 126. Vgl. auch Art. 3 II Datenbank-RL (unten Fn. 547) sowie § 4 I S. 1 UrhG. Ausführlich Bengeser Dreistufentest, S. 24ff.

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Schrankenregelungen unter den Vorbehalt des »Dreistufentests«. Als »Schranken-Schranke« bewirkt Art. 13 TRIPs aber gerade keinen Maximalschutzes, sondern begrenzt im Dienste des Mindestschutzes mögliche nationale Schrankenregelungen.238 c) Rechtsdurchsetzung, Art. 41ff. TRIPs Zu den Gründen für die Aufnahme der TRIPs-Verhandlungen gehörte auch die weltweite Zunahme der Produktpiraterie.239 Deren Bekämpfung lässt sich ebenso wie ein effektiver Schutz des geistigen Eigentums nicht allein durch eine Angleichung des fremdenrechtlichen Schutzniveaus erreichen. Erforderlich war vielmehr die parallele Bereitstellung wirksamer Mittel zur Rechtsdurchsetzung.240 Entsprechend spiegelt sich die Bedeutung der Verfahrensvorschriften des TRIPs nicht nur in lit.c der Präambel wieder, sondern es wurde mit Teil III TRIPs auch der bis dahin ausführlichste Text über die Durchsetzung von Immaterialgüterrechten auf internationaler Ebene geschaffen.241 Ein Hauptproblem bei der internationalen Angleichung von Regelungen zur Rechtsdurchsetzung besteht darin, dass diese praktisch schwer umsetzbar sind. Während sich ein materieller Schutz als »Gesetz in den Büchern«242 auf dem Papier relativ einfach realisieren lässt, erfordert das Bereitstellen wirksamer Rechtsverfolgungsmöglichkeiten und Verfahrensregeln infrastrukturelle und sozioökonomische Voraussetzungen, die insbesondere Entwicklungsländer nicht immer erfüllen.243 Angestrebt wurde deshalb eine »pragmatische Lösung mit möglichst wenig dogmatischem Ballast.«244 Wegen der großen Heterogenität der Mitgliedstaaten war TRIPs von Beginn an darauf ausgelegt, nur einen »Mindestkernbestand« verfahrensrechtlicher Regeln festzulegen.245 Das folgt auch aus Art. 1 I S. 2 TRIPs, der als allgemeine Bestimmung ebenfalls für Teil III TRIPs gilt. Grundsätzlich handelt es sich deshalb bei den von TRIPs gewährten prozessualen Rechten ebenfalls um Mindestrechte.246 238 Siehe bereits oben S. 47. 239 Busche/Stoll/Wiebe-Vander/Steigüber TRIPs, Art. 41 Rn. 1; Faupel GRUR Int. 1990, 255ff.; Dreier GRUR Int. 1996, 205, 208. 240 Dreier GRUR Int. 1996, 205, 208. 241 Busche/Stoll/Wiebe-Vander/Steigüber TRIPs, Art. 41 Rn. 21; Goldstein/Hugenholtz International Copyright, S. 395ff.; auf europäischer Ebene umgesetzt durch die Richtlinie 2004/ 48/EG vom 29. 4. 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. EU 2004 L 195, S. 16. 242 Dreier GRUR Int. 1996, 205, 208. 243 Dreier GRUR Int. 1996, 205, 208; Busche/Stoll/Wiebe-Vander/Steigüber TRIPs, Art. 41 Rn. 5. 244 Mündliche Mitteilung des bei den Verhandlungen für die EG zuständigen Beamten vom November 1994, zitiert nach Dreier GRUR Int. 1996, 205, 209 Fn. 39. 245 Dreier GRUR Int. 1996, 205, 208. 246 Busche/Stoll/Wiebe-Vander/Steigüber TRIPs, Art. 41 Rn. 5; Correa TRIPs, S. 409.

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Ein echter Maximalschutz im Sinne einer materiell-rechtlichen Begrenzung des immaterialgüterrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts entsteht durch Vorgaben zur Rechtsdurchsetzung nicht. Allerdings hängt der tatsächliche Wert eines Urheberrechts wesentlich von den prozessualen Rahmenbedingungen seiner Durchsetzung ab. Werden dem Kläger prozessuale Pflichten auferlegt oder dem Beklagten Rechte gewährt, wirkt sich beides unter dem Gesichtspunkt der Rechtsdurchsetzung maximalschützend aus. TRIPs Teil III beginnt mit Art. 41, der allgemeine Pflichten für die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums normiert. Abstrakt klingt eine schutzbegrenzende Funktion hier bereits an:247 Die Verfahren sind gemäß Art. 41 I S. 2 TRIPs so anzuwenden, dass die »Errichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.« Zudem sollen sie fair und gerecht ausgestaltet sein, Art. 41 II S. 1 TRIPs. Als konkrete Schutzobergrenzen kommen aber nur Regelungen in Betracht, durch welche das Übereinkommen die Abwägung der Interessen des klagenden Rechtsinhabers und des Beklagten bereits selbst abschließend vornimmt.248 aa) Anspruch auf Benachrichtigung und Information, Art. 42 S. 2 TRIPs Art. 42 S. 2 TRIPs begründet mit dem Anspruch der beklagten Partei auf rechtzeitige schriftliche Benachrichtigung ein erstes prozessuales Mindestrecht der Beklagtenseite. Die Benachrichtigung muss genügend Einzelheiten sowie die Grundlage des geltend gemachten Anspruchs enthalten. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass die beklagte Partei die Informationen erhält, die für ihre Verteidigung erforderlich sind. Sie dient der effektiven Verteidigung und ist dementsprechend auszulegen. Dabei ist allerdings auch dem Beschleunigungsgrundsatz des Art. 41 II S. 3 TRIPs Rechnung zu tragen.249 Es handelt sich um eine rechtsstaatlich selbstverständliche Regelung,250 die sich einer unangemessen klägerfreundlich ausgestalteten Rechtsdurchsetzung entgegenstellt und in diesem Sinne prozessual rechtsbegrenzend wirkt.

247 Cottier in: Macrory u. a. The WTO, S. 1061; Correa TRIPs, S. 24; Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 381. 248 Busche/Stoll/Wiebe-Lüers TRIPs, Art. 1 Rn. 23; Pires de Carvalho TRIPs, Art. 1 Fn. 165; vgl. auch Gervais TRIPS, Rn. 2.510, 2.512. Nicht eingegangen wird im Folgenden auf Regelungen, die sowohl Kläger als auch Beklagten betreffen, vgl. etwa Art. 42 S. 3–5 (Prozessvertretung und persönliches Erscheinen, rechtliches Gehör und Schutz vertraulicher Informationen) sowie Art. 43 TRIPs (Beweisvorlagepflicht und Beweisvereitlung). 249 Busche/Stoll/Wiebe-Vander/Steigüber TRIPs, Art. 42 Rn. 4. 250 Vgl. auch Schack ZZP 129 (2016), 393, 395, 402.

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bb) Entschädigung des Beklagten, Art. 48 TRIPs Art. 48 TRIPs regelt einen Anspruch des Beklagten, der missbräuchlich wegen einer Immaterialgüterrechtsverletzung in Anspruch genommenen wurde. Ersatzfähig sind die Schäden, die aus dem eingeleiteten Verfahren entstanden sind, sowie die allgemeinen Verfahrenskosten, Art. 48 I S. 2 TRIPs. Das dadurch begründete Prozessrisiko ist angemessen, es wirkt sich aber auch negativ auf die prozessrechtliche Stellung der Rechteinhaber aus. Für eine obligatorische Rechtsbegrenzung im Sinne eines Maximalschutzes müsste Art. 48 TRIPs allerdings zwingend gemeint sein. Insoweit ist die Formulierung in Art. 48 TRIPs »Die Gerichte sind befugt anzuordnen« auslegungsbedürftig.251 Sinnvoll kann diese Wortwahl nur so verstanden werden, dass den Gerichten die betreffende Befugnis zwingend einzuräumen ist.252 Art. 48 TRIPs wirkt deshalb prozessual maximalschützend – allerdings auf einem niedrigen Niveau. Inhaltlich gilt auch für Art. 48, dass Art. 1 I S. 3 TRIPs den Mitgliedstaaten grundsätzlich die Wahl der Umsetzungsmethode überlässt.253 cc) Einstweilige Maßnahmen, Art. 50 TRIPs Der großen Bedeutung des einstweiligen Rechtsschutzes im gesamten Immaterialgüterrecht entsprechend,254 enthält Art. 50 TRIPs detaillierte Regelungen, die den für das ordentliche Verfahren geltenden Art. 44 TRIPs ergänzen.255 Im Sinne eines »checks and balances« werden hierbei nicht nur die Interessen des Antragstellers, sondern auch diejenigen des Antragsgegners berücksichtigt, vgl. Art. 50 III, IV, VI und VII TRIPs.256 Hier finden sich einige Vorschriften, die für die Wahrung der Interessen und Rechte des Antragsgegners im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes typisch und notwendig sind. So sind die Gerichte nach Art. 50 III TRIPs befugt, sich alle vernünftigerweise verfügbaren Beweise für die behauptete Rechtsverletzung vorlegen zu lassen. Art. 50 IV TRIPs gewährt dem Antragsgegner ein Recht auf Information und Überprüfung. Nach Art. 50 VI TRIPs werden einstweilige Maßnahmen auf Antrag aufgehoben, wenn 251 Englische Fassung: »The judicial authorities shall have the authority«; vgl. Gervais TRIPs, Art. 48 Rn. 2.565ff. 252 Bericht des WTO-Panels, WTO-Doc. WT/DS79/R vom 24. 8. 1998, Rn. 766, zu einem Rechtsstreit der EG und anderer Mitgliedstaaten mit Indien über die Konformität des indischen Rechts mit Art. 70 IX TRIPs; Gervais TRIPs, Art. 48 Rn. 2.572 a.E., Art. 43 Rn. 2.529; Busche/Stoll/Wiebe-Vander/Steigüber TRIPs, Art. 48 Fn. 1, Art. 43 Rn. 3. 253 Im Fall von Art. 48 TRIPs bedürfen beispielsweise der Begriff des »missbräuchlichen Durchsetzungsverfahrens« und der Umfang der Entschädigung einer weiteren Konkretisierung, hierzu Busche/Stoll/Wiebe-Vander/Steigüber TRIPs, Art. 48 Rn. 5, 7. 254 Schack UrhR, Rn. 797; Grosheide GRUR Int. 2000, 310, 311, 313. 255 Dreier GRUR Int. 1996, 205, 210; Busche/Stoll/Wiebe-Vander/Steigüber TRIPs, Art. 50 Rn. 1. 256 Busche/Stoll/Wiebe-Vander/Steigüber TRIPs, Art. 50 Rn. 1.

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Die »klassischen« multilateralen Verträge

das Hauptsacheverfahren nicht fristgemäß eingeleitet wird und Art. 50 VII TRIPs gewährt bei Aufhebung oder Außerkraftsetzung einer einstweiligen Maßnahme dem Antragsgegner einen angemessenen Ersatzanspruch für durch die Maßnahme entstandene Schäden. Schließlich lässt sich aus Art. 50 II TRIPs mit Blick auf die wesentliche Bedeutung des rechtlichen Gehörs257 und den Grundsatz des fairen Verfahrens258 der Gegenschluss ziehen, dass eine Anhörung des Antragsgegners im Regelfall vor Erlass einer einstweiligen Maßnahme erforderlich ist.259 Für alle diese Rechte des Antragsgegners gilt, dass sie die Schnelligkeit und Wirksamkeit von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes aus der Sicht des Antragstellers begrenzen und in diesem Sinne Schutzobergrenzen darstellen. dd) Rechte des Antragsgegners bei Grenzmaßnahmen, Art. 51ff. TRIPs Weitere Beispiele für prozessuale Mindestrechte der Gegenseite finden sich in Art. 52, 55 und 56 TRIPs. Sie regeln die Rechte des Antragsgegners bei einer Aussetzung der Warenfreigabe durch die Zollbehörden. Art. 52 TRIPs verpflichtet Rechteinhaber, welche die Einfuhr von unerlaubt hergestellten urheberrechtlich geschützten Waren unterbinden lassen wollen, den zuständigen Behörden ausreichende Beweise vorzulegen. Art. 55 TRIPs sieht einen Anspruch des Antragsgegners auf Freigabe der Waren vor, wenn es nicht innerhalb von 10 Arbeitstagen nach Aussetzung einer Warenfreigabe zur Einleitung eines Verfahrens gekommen ist.260 Art. 56 TRIPs schließlich gewährt dem Importeur und dem Eigentümer einen Entschädigungsanspruch für eine auf Antrag erfolgte unrechtmäßige Zurückhaltung seiner Waren.

3.

Zwischenergebnis

TRIPs dient primär, aber nicht ausschließlich dem Schutz der Rechteinhaber. Ein überzogenes immaterialgüterrechtliches Schutzniveau wurde vielmehr auch als potentielles Handelshemmnis erkannt und auch Allgemeininteressen finden in TRIPs Erwähnung.261 Art. 1 I S. 2 TRIPs legt grundsätzlich die Geltung des Mindestschutzprinzips fest, bietet zugleich aber einen normativen Anknüpfungspunkt für einen Maximalschutz.262 Trotzdem setzt TRIPs, abgesehen von 257 Vgl. Art. 6 I S. 1 EMRK sowie Schack ZZP 129 (2016), 393, 395ff. 258 Vgl. Art. 41 II S. 1 TRIPs. 259 Selzer Der Schutz vor Markenpiraterie, S. 88; Busche/Stoll/Wiebe-Vander/Steigüber TRIPs, Art. 50 Rn. 13. 260 Busche/Stoll/Wiebe-Vander/Steigüber TRIPs, Art. 55 Rn. 2. 261 Siehe oben S. 53f. Zum Reformbedarf vgl. Grosse Ruse-Khan in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 167ff. 262 Siehe oben S. 52ff.

WIPO Copyright Treaty (WCT)

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der abstrakten Vorgabe des Art. 9 II für den materiellen Schutzstandard, keine substanziellen Maximalschutzgrenzen fest.263 Demgegenüber werden die prozessualen Möglichkeiten der Rechteinhaber durch vielfältige Gegenrechte und Abwehrmöglichkeiten der Gegenseite deutlicher beschränkt.264 Mittelbar wirken diese prozessualen Vorgaben maximalschützend.

D.

WIPO Copyright Treaty (WCT)

Trotz des durch die Uruguay-Runde des GATT gewählten »Bern-Plus-Ansatzes« stellte der Abschluss des TRIPs-Übereinkommens die »Vormachtstellung« der WIPO für den internationalen Schutz von Immaterialgüterrechten in Frage.265 Die WIPO befand sich im Zugzwang und reagierte 1996 durch die Schaffung von WCT und WPPT.266 Der WCT ist gemäß Art. 1 I ein Sonderabkommen iSv Art. 20 RBÜ und darf als solches keinen geringeren Schutz als die RBÜ vorsehen.267 Diese Festlegung beschränkt ebenso wie der auch für den WCT gewählte »Bern-Plus-Ansatz« die Möglichkeit, den WCT im Sinne eines Maximalschutzes zu interpretieren. Denn das Mindestschutzprinzip, das den Verbandsstaaten der RBÜ die Gewährung eines höheren urheberrechtlichen Schutzniveaus erlaubt, ist eines der tragenden Prinzipien der RBÜ.268 Eine staatsvertraglich vereinbarte Beschränkung dieser Freiheit verstößt zwar nicht per se gegen die RBÜ.269 Anderenfalls würde sie aufgrund ihrer fast weltweiten Ausdehnung das Mindestschutzprinzip faktisch zementieren.270 Allerdings spricht im Fall des WCT schon die uneingeschränkte Bezugnahme auf Art. 20 RBÜ für eine Übernahme des Mindestschutzprinzips der RBÜ. Nach Art. 1 IV WCT sind die Vertragsstaaten außerdem verpflichtet, den Art. 1–20 RBÜ nachzukommen. Art. 19 RBÜ und das dort verankerte Mindestschutzprinzip271 gelten deshalb auch für den WCT.272 Für den vom WCT zusätzlich gewährten Schutz finden über Art. 3 WCT die 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272

Siehe oben S. 54ff.; so auch Cottier in: Macrory u. a. The WTO, S. 1062. Siehe oben S. 57ff. Duggal IPRax 2002, 101, 102. v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 17.01ff.; Fiscor The Law of Copyright and the Internet, Rn. C1.10; Schack UrhR, Rn. 1006; v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 17.30. Siehe oben S. 39ff. und Fn. 125. So aber Eichelberger ZGE 2011, 403, 407f., der davon ausgeht, dass der WCT durch die Normierung eines Maximalschutzes die Grenzen seiner Ermächtigungsgrundlage verließe. Die diesbezügliche Auslegung des Art. 20 RBÜ ist insbesondere für den Marrakesch-Vertrag relevant, da dieser erstmals auf internationaler Ebene zwingende Schrankenregelungen vorsieht, siehe unten S. 73ff. Siehe oben S. 39ff. Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 7.1.17.

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Die »klassischen« multilateralen Verträge

Art. 2–6 RBÜ Anwendung. Auf Art. 19 RBÜ wird an dieser Stelle nicht erneut verwiesen. Ein Gegenschluss lässt sich hieraus aber nicht ziehen. Eine mögliche Begrenzung urheberrechtlicher Befugnisse ist während der diplomatischen Konferenzen zum WCT nicht diskutiert worden. Vielmehr bestand Einigkeit darüber, die tragenden Prinzipien der RBÜ auch auf den neuen WIPO-Staatsvertrag zu erstrecken, zur Diskussion stand nur die Art und Weise der Bezugnahme.273 Art. 10 WCT begnügt sich daher für die urheberrechtlichen Schranken mit der Regelung des Dreistufentests.274 Zudem gelten über Art. 3 WCTauch Art. 5 I, III RBÜ. Ein Maximalschutz müsste deshalb auch im Fall des WCT mit dessen fremdenrechtlicher Konzeption brechen, da er anderenfalls mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung kollidieren würde.275 Im Ergebnis kann der WCT deshalb nicht als Instrument eines Maximalschutzes auf internationaler Ebene verstanden werden.276

E.

Zwischenergebnis

Die bis 1996 abgeschlossenen klassischen urheberrechtlichen Staatsverträge (RBÜ, WUA, TRIPs, WCT) sind durch das Mindestschutzprinzip geprägt und zielen durchweg nicht auf die Festlegung materieller Schutzobergrenzen ab. Für die RBÜ und den WCT ergibt sich dieses Ergebnis aus Art. 19 RBÜ.277 Zudem ließe sich ein Maximalschutz schlecht in das Schutzsystem der RBÜ und des WCT integrieren.278 Auch die zwingend formulierte Zitatschranke des Art. 10 I RBÜ bildet keine Ausnahme.279 Für TRIPs ergibt sich das Mindestschutzprinzip im Wesentlichen aus Art. 1 I S. 2 TRIPs, es wird jedoch im Gegensatz zur RBÜ unter den Vorbehalt gestellt, dass ein höheres Schutzniveau dem Übereinkommen nicht zuwiderlaufen darf.280 Hier zeigt sich, dass TRIPs anders als die RBÜ nicht primär auf den internationalen Schutz der Urheber abzielt, sondern als Teil des WTO-Rechts Handelsschranken abbauen soll.281 In den urheberrechtlichen Bestimmungen des Teils II 273 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 17.30 und Fn. 60; Reinbothe/ v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 7.3.9ff. 274 Fiscor The Law of Copyright and the Internet, Rn. C10.02. 275 Siehe ausführlich oben S. 39ff. 276 Gleiches gilt auch für den WPPT, vgl. dort die vereinbarte Erklärung zu Art. 1 sowie v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 17.48ff. 277 Siehe oben S. 39ff. und S. 61f. 278 Siehe oben S. 40ff. und S. 61f. 279 Siehe oben S. 45ff. 280 Siehe oben S. 52ff. 281 Siehe oben S. 53f.

Zwischenergebnis

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setzt TRIPs dieses Potential für schutzbegrenzende Regelungen nicht um,282 es finden sich aber in Teil III Vorschriften zum Schutz des Prozessgegners, die aus Sicht der Rechteinhaber schutzbegrenzend wirken und daher als prozessualer Maximalschutz betrachtet werden können.283

282 Siehe oben S. 54ff. 283 Siehe oben S. 57ff.

Kapitel 3: Der Marrakesch-Vertrag

Ein Novum im System der internationalen Urheberrechtsverträge ist die Schranke zugunsten blinder und sehbehinderter Personen, die im Vertrag von Marrakesch (MVT) vom 27. 6. 2013 zwingend vorgegeben wird.284 Dem Vertrag sind langwierige Verhandlungen vorausgegangen. Diese sind insbesondere im Hinblick auf künftige internationale Schranken rechtspolitisch interessant (unten A). Anschließend wird untersucht, wie sich der MVT zu anderen Staatsverträgen verhält. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob die neu eingeführte zwingende Schranke mit dem Konventionsrecht vereinbar ist (unten B). Nur ein kurzer Blick wird auf die inhaltliche Ausgestaltung der Schranke in Art. 4–6 MVT und die aktuellen europäischen Umsetzungsbemühungen geworfen (unten C und D).

A.

Vorgeschichte

Nach Abschluss des WCT und des WPPT im Dezember 1996 war die WIPO wesentlich damit beschäftigt, auf Anfrage der Mitgliedstaaten Unterstützung bei der Umsetzung der Staatsverträge zu leisten.285 Die Weiterentwicklung des internationalen Urheberrechts schien dagegen seit 1996 in eine Sackgasse geraten zu sein.286 So scheiterte 2000 ein im Rahmen der WIPO verhandelter Vertrag über den Schutz audiovisueller Darbietungen, der eine Schutzlücke des WPPT287 hätte schließen sollen.288 Gleiches gilt für die Bemühungen um einen interna284 Marrakesh Treaty to Facilitate Access to Published Works for Persons Who Are Blind, Visually Impaired or Otherwise Print Disabled, abrufbar unter : http://www.wipo.int/trea ties/en/ip/marrakesh/ (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 285 Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.1. 286 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 26.01ff.; Metzger JZ 2010, 929, 931. 287 Audiovisuelle Darbietungen werden durch den WPPT nicht erfasst, Art. 2 lit. b WPPT. 288 v. Lewinski GRUR Int. 2001, 529ff.; der internationale Schutz von audiovisuellen Darbietungen konnte erst 12 Jahre später durch den erfolgreichen Abschluss des »Beijing Treaty on Audiovisual Performances« (WAPT) gewährleistet werden, siehe oben S. 37ff. und v. Lewinski GRUR Int. 2013, 12ff.

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Der Marrakesch-Vertrag

tionalen Schutz von Folklore289 und den Versuch, einen Staatsvertrag zugunsten von Sendeunternehmen auszuhandeln.290 Ebenso ohne Ergebnis blieb die Diskussion um einen internationalen sui-generis-Schutz für Datenbanken.291 Auch die Doha-Runde der WTO ist bisher zu keinem erfolgreichen Abschluss gekommen.292 Die Gründe für diese stockende Entwicklung liegen in den stark divergierenden Interessen, die auf internationaler Ebene immer schwieriger ausgeglichen werden können.

I.

Interessenkollision im internationalen Urheberrecht

Die Geschichte des internationalen Urheberrechts war bis 1996 primär eine Geschichte der Ausdehnung des urheberrechtlichen Schutzes. Über die Fortschrittlichkeit dieser Entwicklung war man sich auch lange einig. Seit Abschluss der großen urheberrechtlichen Staatsverträge Ende 1996 ist dieser Konsens allerdings zunehmend verloren gegangen.293 Kritik an der einseitigen Fokussierung des internationalen Urheberrechts auf die Interessen der Rechteinhaber kam im Wesentlichen von zwei Seiten. Zum einen setzte zuerst in den USA eine Bewegung der Nutzer ein, die sich für einen freien Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken oder zumindest für eine weitergehende Berücksichtigung von Nutzerinteressen stark machte.294 Eine steigende Anzahl von NGOs mit teilweise prominentem und finanzstarkem Hintergrund295 begann auch bei der WIPO mit Lobbyarbeit zugunsten der Nutzer urheberrechtlicher Werke.296 Zum anderen liegt eine Begrenzung urheberrechtlicher Schutzstandards auch im Interesse der Entwicklungs- und Schwellenländer, die von einem hohen urheberrechtlichen Schutzniveau ungleich weniger profitieren als die Industrie289 Die Diskussion hierum dauert im Rahmen des »WIPO Intergovernmental Committee on Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and Folklore« weiterhin an, vgl. http://www.wipo.int/tk/en/igc/ (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 290 Die diesbezüglich 2007 in Genf abgehaltene Konferenz wurde abgebrochen; vgl. Hillig GRUR Int. 2007, 122ff. und Flechsig GRUR Int. 2011, 813ff. 291 Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 13.0.1ff. 292 GHN-Weiß Art. 207 AEUV Rn. 228ff. mwN. 293 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 26.01; Gervais IIC 2016, 135. 294 v. Lewinski J. Cop. Soc. USA 50 (2003), 581, 597ff.; dies. RIDA 225 (2010), 53, 55ff.; vgl. zur Creative Commons Foundation: Lessig Free Culture, S. 282ff. 295 So wird beispielsweise das 1995 gegründete »Consumer Project on Technology«, das sich für einen freien Zugang zu Wissen einsetzt, von der Rockefeller Foundation, der Ford Foundation sowie der MacArthur Foundation finanziert, vgl. http://www.cptech.org/about. html (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 296 v. Lewinski RIDA 225 (2010), 53, 57; vgl. etwa das Grundsatzprogramm der Piratenpartei Deutschland vom 10. 9. 2006 unter 4.1, abrufbar unter http://wiki.piratenpartei.de/Partei programm (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017).

Vorgeschichte

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staaten und eher an einer freien Verwertbarkeit geschützter Werke interessiert sind.297 Schon bei der Umsetzung der TRIPs-Anforderungen298 stellten viele Staaten fest, dass das herzustellende urheberrechtliche Schutzniveau gemessen am eigenen Entwicklungsstand sehr hoch war und nicht primär den eigenen Interessen diente.299 Auch wurde offenbar, dass viele Entwicklungsländer sich aufgrund mangelnder Expertise nicht aktiv an den komplexen TRIPs-Verhandlungen hatten beteiligen können und sich der Tragweite des Übereinkommens erst später bewusst wurden.300 Auch wenn es den Entwicklungsländern bei den Verhandlungen zum WCT und WPPT besser gelungen war, sich Gehör zu verschaffen,301 spiegelten auch die WIPO-Verträge im Wesentlichen die Interessen der Industrieländer wider.302 In der Folge änderten insbesondere Schwellenländer wie Brasilien, Indien und Ägypten deshalb ihre Strategie und artikulierten ihre Interessen auf internationaler Ebene deutlicher. Schutzausbauende Vorhaben, wie der Schutz von Sendeunternehmen303 und audiovisueller Darbietungen, wurden verzögert.304 Stattdessen formierte man sich in informellen Gruppen wie den »Friends of Development« und später der »Development Agenda Group« und stellte die alleinige Ausrichtung der WIPO auf den Schutz des geistigen Eigentums305 in Frage. Um die Legitimität und Glaubwürdigkeit der WIPO zu bewahren, müsse die WIPO vielmehr auch Allgemeininteressen berücksichtigen und aktiv an der Erreichung entwicklungspolitischer Zielsetzungen arbeiten.306 2007 gelang es schließlich, die WIPO Development Agenda offiziell zu verabschieden.307 Zudem wurde ein »Committee on Development and Intellectual Property« (CDIP) eingerichtet, dass an der Umsetzung der vereinbarten Ziele arbeiten soll.308 Die 45 Empfehlungen der Development 297 Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.2. 298 Bei den Verhandlungen zu TRIPs hatten sich die Industriestaaten im Wesentlichen durchsetzen können, siehe oben S. 34ff. und Fn. 94. 299 Pacon GRUR Int. 1995, 875ff.; v. Lewinski RIDA 225 (2010), 53, 59; Bannerman Access to Knowledge, S. 148ff.; Chidini in: ders. u. a. TRIPS and Developing Countries, S. 132ff. 300 Deere Implementation Game, S. 52, 54, 56; dies. in: Correa Research Handbook, S. 22, 26ff.; Bannerman Access to Knowledge, S. 148ff. 301 Samuelson VJIL 37 (1997), 369, 414. 302 Bannerman Access to Knowledge, S. 150ff. 303 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 19.07; Ogawa Protection of Broadcasters’ Rights, S. 92ff. 304 v. Lewinski RIDA 225 (2010), 53, 61. 305 Vgl. Art. 4 des Stockholmer Übereinkommens zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum vom 14. 7. 1967, oben Fn. 81. 306 Vgl. etwa den Beitrag der brasilianischen Delegation in der 31. Sitzung der WIPO-Generalversammlung, WIPO doc: WO/GA/31/15, Tz. 148ff. 307 WIPO doc PCDA/4/3 PROV.2; vgl. auch May Resurgence and the Development Agenda, S. 76ff.; Bannerman Access to Knowledge, S. 28ff. und 150ff.; de Beer Implementing, passim. 308 http://www.wipo.int/policy/en/cdip/ (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017).

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Der Marrakesch-Vertrag

Agenda stellen zwar einen Kompromiss dar,309 die Interessen der Entwicklungsländer sind hier aber deutlicher als bisher berücksichtigt worden. Anliegen wie der Schutz von Folklore und traditionellem Wissen und die Thematik zwingender urheberrechtlicher Schranken werden seitdem im Rahmen der WIPO verstärkt diskutiert.

II.

Die Diskussion urheberrechtlicher Schranken im Rahmen der WIPO

Bereits im Kontext der Implementierung von WCT und WPPT hatte die WIPO speziell zum Thema Schranken Workshops310 angeboten und entsprechende Studien311 bereitgestellt. Ab 2004 wurde im Rahmen des Standing Committee on Copyright and Related Rights (SCCR)312 vermehrt vorgeschlagen, die Thematik aus dem Kontext der Umsetzung von WCT und WPPT zu lösen und urheberrechtliche Schranken unter einem grundsätzlicheren Ansatz zu diskutieren. Den Anfang machte 2004 Chile anlässlich der 12. Sitzung des SCCR. Ziel des eingebrachten Antrags, der teilweise auf die Einflussnahme bestimmter NGOs zurückgeführt wird,313 war eine Übereinkunft über zwingende Mindestschranken zu Bildungszwecken und zugunsten von Bibliotheken und behinderten Menschen.314 In der 12. Sitzung des SCCR unterfütterte die chilenische Delegation ihren Vorschlag: Die internationale Gemeinschaft habe durch die jüngsten Übereinkommen das Recht der Urheber und der urheberrechtlichen Industrien zur Verwertung ihrer Werke in der digitalen Welt anerkannt. Die modernen Technologien böten jedoch auch neue Chancen, der Allgemeinheit und insbesondere den schutzbedürftigsten Teilen der Gesellschaft einen besseren Zugang zu Bildung, Kultur und Wissen zu verschaffen. Da entsprechende Regelungen international fehlten, sei es schwierig, zugunsten dieser öffentlichen Interessen die Initiative zu ergreifen. Der Thematik internationaler Schrankenregelungen sei daher im Rahmen des SCCR eine größere Bedeutung beizumessen. Ziel müsse es sein, einen Konsens über internationale Mindestschranken zu erreichen.315 309 Bannerman Access to Knowledge, S. 152. 310 WIPO docs: WCT-WPPT/IMP1, WCT-WPPT/IMP2 und WCT-WPPT/IMP3. 311 Sirinelli Exeptions and Limits to Copyright and Neighbouring Rights, WIPO doc WCTWPPT/IMP1 of 3. 12. 1999; Ricketson WIPO Study on Limitations and Exceptions of Copyright and Related Rights in the Digital Environment, WIPO doc SCCR/9/7 of 5. 4. 2003. 312 Das SCCR wurde 1999 als ständige Arbeitsgruppe zum Urheberrecht und den verwandten Schutzrechten eingerichtet, vgl. http://www.wipo.int/policy/en/sccr/ (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 313 v. Lewinski RIDA 225 (2010), 53, 63ff.; dies. in: Stamatoudi, New Developments, S. 123, 125. 314 WIPO doc SCCR/12/3. 315 Protokoll der 12. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/12/4, Tz. 11.

Vorgeschichte

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Dieser Vorschlag Chiles wurde unterschiedlich aufgenommen. Während ihn mehrere Delegationen aus Entwicklungs- und Schwellenländern316 sowie die UNESCO und die World Blind Union (WBU)317 unterstützten,318 waren die Interessenvertreter der Rechteinhaber weniger überzeugt. Die Delegation der International Publisher Association (IPA)319 etwa wies darauf hin, dass die angeführten öffentlichen Interessen in vielen Mitgliedstaaten durch eine Kooperation der Verleger mit Bildungseinrichtungen, Bibliotheken und Behindertenorganisationen gewahrt würden. Wie die wenig erfolgreichen Versuche der EU zur Harmonisierung der urheberrechtlichen Schranken zeigten, sei deren Angleichung selbst innerhalb eines ökonomisch, kulturell und historisch relativ homogenen Raumes wie der EU eine sehr komplexe Angelegenheit. Auf internationaler Ebene könne hier kaum ein Erfolg erreicht werden. Es sei daher sinnvoller, sich auf einen Austausch entsprechender Informationen zu beschränken.320 Die Delegation der USA beließ es im Wesentlichen bei Ausführungen zur eigenen nationalen Schrankengesetzgebung,321 während die Vertreter der EU sich insbesondere für eine Schranke zugunsten blinder und sehbehinderter Personen aussprachen.322 Die Thematik der urheberrechtlichen Schranken wurde erst wieder verstärkt behandelt, nachdem 2007 der WIPO-Rundfunkvertrag gescheitert war. In einem gemeinsamen Vorschlag brachten Brasilien, Chile, Nicaragua und Uruguay die Diskussion um internationale Schranken auf die Tagesordnung der 16. Sitzung des SCCR.323 Basierend auf Studien, die im Vorfeld von der WIPO in Auftrag gegebenen worden waren, sollten die bestehenden internationalen und nationalen Schranken verglichen und so ein internationaler Minimalkonsens herausgearbeitet werden. Im Anschluss sollte die Absicht, zwingende internationale Mindestschranken zu schaffen, durch die WIPO-Generalversammlung förmlich anerkannt werden.324 Die Reaktionen auf diesen Vorstoß waren geteilt. Während die meisten Schwellen- und Entwicklungsländer den Vorstoß befürworteten und 316 Indien, Argentinien, Paraguay, Syrien, Uruguay, Iran, Brasilien, Ägypten, Costa Rica, Algerien, die Dominikanische Republik, Senegal, Bangladesch, vgl. Protokoll der 12. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/12/4, Tz. 12–24. 317 http://www.worldblindunion.org (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 318 Protokoll der 12. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/12/4, Tz. 29, 30. 319 https://www.internationalpublishers.org/ (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 320 Protokoll der 12. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/12/4, Tz. 31. An der Diskussion konnten sich in der 12. Sitzung des SCCR nicht mehr alle Delegationen beteiligen, weshalb das Thema auf einen erneuten, detaillierteren Antrag Chiles auch auf der 13. Sitzung des SCCR diskutiert wurde, vgl. Protokoll der 13. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/13/6, Tz. 17–54. 321 Protokoll der 13. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/13/6, Tz. 36. 322 Protokoll der 13. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/13/6, Tz. 44. 323 WIPO doc SCCR/16/2. 324 WIPO doc SCCR/16/2, S. 2f.

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Der Marrakesch-Vertrag

die Bedeutung einer internationalen Harmonisierung der urheberrechtlichen Schranken betonten,325 zeigten sich die Industrieländer weniger interessiert.326 Historisch habe sich der Ansatz der RBÜ bewährt, die Schrankengesetzgebung auf nationaler Ebene zu belassen. Es sei nicht ersichtlich, dass die nationalen Gesetzgeber Schwierigkeiten hätten, die einschlägigen Interessen von sich aus zu berücksichtigen. Würde der durch die RBÜ belassene Spielraum begrenzt, könne dies auch zu einer Beschränkung des Schutzes der verschiedenen öffentlichen Interessen führen. Es sei daher zweifelhaft, ob das SCCR der Schrankenproblematik gegenwärtig die höchste Priorität einräumen solle.327 Entsprechend den jeweils vertretenen Interessen geteilt waren auch die Ansichten der beteiligten NGOs.328 Während etwa die UNESCO und der TransAtlantic Consumer Dialogue (TACD)329 sich für eine intensivere Behandlung der Schrankenthematik durch die WIPO aussprachen,330 wiesen Organisationen wie die Independent Film and Television Alliance (IFTA)331 im Wesentlichen auf die Gefahren einer Aushöhlung des urheberrechtlichen Schutzniveaus gerade in der digitalen Welt und auf die mit einer internationalen Harmonisierung der Schranken verbundenen praktischen Schwierigkeiten hin.332 Insgesamt machte die Diskussion im Rahmen des SCCR zu den urheberrechtlichen Schranken deutlich, dass eine umfassende Weiterverfolgung der Thematik eine langwierige Angelegenheit mit unsicherem Ausgang sein würde.333

III.

Begrenzung der Diskussion auf die Blindenschranke

Bei dieser Ausgangslage unternahm die WBU den Versuch, die Schrankenproblematik zunächst auf einen kleinen Ausschnitt zu begrenzen, und brachte auf der 18. Sitzung des SCCR in Abstimmung mit Brasilen, Ecuador und Paraguay einen Entwurf für ein Abkommen zur Schaffung einer zwingenden Schranke 325 Protokoll der 16. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/16/3: vgl. etwa die Stellungnahmen Russlands, Tz. 64, des Senegal, Tz. 66, Chinas, Tz. 67, Ägyptens, Tz. 68, Ghanas, Tz. 73, Nigerias, Tz. 76, Indonesiens, Tz. 77, Kolumbiens, Tz. 78 und Kenias, Tz. 79. 326 Protokoll der 16. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/16/3, vgl. beispielsweise die Stellungnahmen der USA, Tz. 74, Japans, Tz. 75, der Schweiz, Tz. 81, Norwegens, Tz. 82 oder Sloweniens als Vertreter der EU, Tz. 83. 327 Protokoll der 16. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/16/3, Tz. 74. 328 Protokoll der 16. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/16/3, Tz. 87ff. 329 http://tacd.org/about-tacd (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 330 Protokoll der 16. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/16/3, Tz. 87, 89. 331 http://www.ifta-online.org/what-ifta (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 332 Protokoll der 16. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/16/3, Tz. 88. 333 Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.4.

Vorgeschichte

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zugunsten blinder und sehbehinderter Personen ein.334 Hintergrund war der signifikante Mangel an barrierefrei zugänglicher Literatur, der blinden und sehbehinderten Menschen weltweit den Zugang zu diesem Teil des kulturellen Lebens erschwert. Nach Schätzungen von Blindenorganisationen stehen den weltweit etwa 285 Millionen blinden und sehbehinderten Menschen in den Industriestaaten lediglich 5 % und in den Entwicklungsländern nur etwa 1 % der existierenden Literatur in einem barrierefreiem Format zur Verfügung.335 Um diese Bücherarmut zu lindern, sollte jedenfalls das Urheberrecht kein Hindernis für die kulturelle Teilhabe sehbehinderter Menschen mehr darstellen. Diese Begrenzung auf einen kleinen, wirtschaftlich eher unbedeutenden Kreis Betroffener, deren Recht auf kulturelle Teilhabe vernünftigerweise kaum bestritten werden kann, war geschickt gewählt336 und sollte letztendlich zum Erfolg führen. Der von der WBU verfasste Entwurf war Gegenstand kontroverser Diskussionen.337 Mehrere Interessenverbände der Rechteinhaber,338 auch solcher, die durch die geplante Blindenschranke nicht direkt betroffen waren, sahen in dieser einen unerwünschten Präzedenzfall. Sie fürchteten, dass in der Folge weitere verbindliche urheberrechtliche Schranken Eingang in das internationale Urheberrecht finden könnten.339 Hingewiesen wurde auch auf die Gefahr, dass durch die Festlegung einer Blindenschranke die privatwirtschaftlichen Anreize zur Schaffung eines entsprechenden Angebotes reduziert würden.340 Dass die Marktkräfte die Bücherarmut von Blinden und Sehbehinderten bis dato nicht behoben hatten, blieb in diesem Kontext gerne unberücksichtigt.341 334 WIPO doc. SCCR/18/5. Zu den vorhergegangenen Bemühungen der WBU vgl. Conway in: Calboli/Ragavan Diversity, S. 35, 41f. 335 Presseerklärung der World Blind Union vom 27. 6. 2013, abrufbar unter : http ://www. worldblindunion.org/English/news/Pages/WBU-Statement-on-Marrakesh-Treaty.aspx (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 336 Schack UFITA 2015 III, 873, 875; v. Lewinski vermutet deshalb auch hier Hintergrundaktivitäten einzelner NGOs, zumal die WBU ihre Beteiligung an parallel laufenden Verhandlungen zwischen Verlegern und Blindenorganisationen seit 2010 vermehrt aussetzte, vgl. Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.4; dies. RIDA 225 (2010), 53, 65ff. und dies. in: Stamatoudi, New Developments, S. 123, 125. 337 Kritisch v. Lewinski RIDA 225 (2010), 53, 91ff. ausführlich Conway in: Calboli/Ragavan Diversity, S. 35, 43ff. 338 Harpur/Suzor UNSW Law Journal Vol. 36 (2013), 745, 761ff. mwN; Ermert Harte Kämpfe um Ausnahmeregelungen für Blinde, iRIGHTS info vom 11. 6. 2013; Fruchterman Poisoning the Treaty for the Blind, The Huffington Post 7. 7. 2013. 339 Vgl. z. B. den Brief des Brüsseler Arbeitgeberverbandes BUSINESSEUROPE an den EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, veröffentlicht von der Aktivistenorganisation »Knowledge Ecology International«, abrufbar unter http://keionline.org/sites/default/files/ BusinessEurope_v_Blind_2013-00525-E.pdf (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 340 Vgl. etwa den Kommentar von Allan Adler, Association of American Publishers Inc. vom 4. 12. 2009, abrufbar unter : http://www.copyright.gov/docs/sccr/comments/2009/reply-2/ 19-allan-adler.pdf (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 341 Kritisch und mwN Harpur/Suzor UNSW Law Journal 36 (2013), 745, 761ff.

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Der Marrakesch-Vertrag

Die USA342 und die EU343 präferierten dennoch nicht zwingende Instrumente.344 In mehreren informellen Treffen vor der 22. Sitzung des SCCR wurde aus den verschiedenen Vorschlägen eine gemeinsame Diskussionsgrundlage erarbeitet.345 Die intransparente Aushandlung des Dokumentes stieß jedoch auf Kritik.346 In den folgenden Sitzungen des SCCR blieb die Blindenschranke deshalb ein bestimmendes Thema.347 Obwohl teilweise Fortschritte erzielt wurden, war das erreichte Verhandlungsergebnis, auf dessen Grundlage für Juni 2013 die Konferenz von Marrakesch angesetzt wurde,348 keine vollständig solide Basis.349 Trotz weiterer Vorarbeiten des SCCR350 im Vorfeld war deshalb keinesfalls sicher, dass die Konferenz in Marrakesch erfolgreich abgeschlossen werden würde.351 Dass dennoch Einigkeit über einen Vertragstext erzielt werden konnte, wurde aus diesem Grund und auch angesichts des Widerstandes im Vorfeld als »Wunder von Marrakesch« bezeichnet.352 Kritisch festzustellen bleibt aber, dass auch während der Marrakesch-Konferenz wesentliche Inhalte des Übereinkommens in informellen Treffen unter Ausschluss vieler Mitglieder und NGOs verhandelt wurden. Das eigentliche Zustandekommen des Vertrages ist deshalb über die offiziellen Protokolle nur schwer nachvollziehbar.353

B.

Verhältnis zu anderen Staatsverträgen

Der Marrakesch-Vertrag ist bemüht, sich in das existierende System des internationalen Urheberrechtsschutzes einzupassen. Ausweislich Art. 1 MVT sollen die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus anderen Verträgen durch das Übereinkommen nicht beeinträchtigt werden. Art. 11 MVT sieht zudem vor, 342 WIPO doc SCCR/20/10; zur Rolle der USA bei den Verhandlungen zum Marrakesch-Vertrag Fitzpatrick BC Int. & Comp. L. Rev. Vol. 37 (2014), 139ff. 343 WIPO doc SCCR/20/12. 344 Hierzu: Kaminski/Yanisky-Ravid U. Pitt. L. Rev. 75 (2014), 256ff. 345 WIPO doc SCCR/22/15. 346 Protokoll der 22. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/22/18, Tz. 328, 363. 347 Protokoll der 23. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/23/10, Tz. 15ff.; Protokoll der 24. Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/24/12 Prov., Tz. 18ff. 348 WIPO doc WO/GA/42/3 vom 13. 5. 2013, Tz. 58f. 349 Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.8. Ausführlich zur Vorgeschichte des MVT: v. Lewinski RIDA 225 (2010), 53ff.; Williams PJIL 33 (2012), 1035ff.; Li IIC 2014, 740, 750ff. 350 Protokoll der außerordentlichen Sitzung des SCCR, WIPO doc SCCR/SS/GE/13/3. 351 Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.8. 352 Ficsor Commentary to the Marrakesh Treaty, S. 7. 353 Ficsor Commentary to the Marrakesh Treaty, S. 8 Tz. 22; Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.9.

Verhältnis zu anderen Staatsverträgen

73

dass die Vertragsparteien bei seiner Anwendung alle Rechte und Pflichten gemäß der RBÜ, dem TRIPs-Übereinkommen und dem WCT wahrnehmen können. Ob sich eine zwingende Maximalschutzgrenze derart zwanglos mit den existierenden internationalen Konventionen in Einklang bringen lässt, erscheint allerdings in mehrfacher Hinsicht fraglich.

I.

Vereinbarkeit mit dem Mindestschutzprinzip der RBÜ

Zu den durch Art. 1 MVT abgesicherten Rechten und Pflichten aus anderen Staatsverträgen gehört auch Art. 19 RBÜ, der für die RBÜ das Mindestschutzprinzip festschreibt. Es ist den Verbandsstaaten daher nach der RBÜ erlaubt, ein höheres Schutzniveau zu gewähren.354 Diese Möglichkeit wird durch den Abschluss eines Staatsvertrages, der zwingende Schrankenregelungen enthält, notwendigerweise begrenzt. Mit Verweis auf Art. 19 RBÜ wurden zwingende Schranken auf internationaler Ebene deshalb teilweise grundsätzlich als unzulässig eingestuft.355 Diese Einschätzung trifft nicht zu. Voraussetzung für eine solche »Sperrwirkung« des Art. 19 RBÜ wäre, dass dieser über die Regelungen der RBÜ hinausgehend die Freiheit der RBÜ-Verbandsstaaten, sich für eine Erhöhung des urheberrechtlichen Schutzniveaus zu entscheiden, umfassend gewährleisten soll. Richtigerweise dient Art. 19 RBÜ aber allein der Klarstellung, dass das Mindestschutzniveau der Übereinkunft nicht als Maximalschutz fehlinterpretiert wird.356 Diese Aussage betrifft weder die Möglichkeit einer Schrankenregelung auf nationaler Ebene noch die Freiheit der Verbandsstaaten, sich international zu koordinieren und sich vertraglich auf den Erlass einer bestimmten Schranke zu verständigen. Art. 19 RBÜ gewährt nicht das Recht auf ein erhöhtes Schutzniveau, sondern ermöglicht ein solches lediglich.357 Die zwingende Blindenschranke des MVTverstößt deshalb nicht gegen Art. 19 RBÜ. Fraglich ist aber die Vereinbarkeit mit Art. 20 RBÜ. Anders als der WCT358 erklärt sich der Marrakesch-Vertrag nicht selbst zu einem Sonderabkommen im Sinne von Art. 20 RBÜ. Im Verhältnis zwischen den Mitgliedern der RBÜ ist er aber als solches einzuordnen.359 Damit ist der MVT eigentlich darauf beschränkt, den Urhebern weitergehende Rechte zu gewähren oder jedenfalls der RBÜ nicht 354 Ausführlich oben S. 39ff. 355 ALAI Report 2010; Ficsor Commentary to the Marrakesh Treaty, S. 63 sieht hier einen möglichen Grund für einen Vorbehalt nach Art. 20 WVRK. 356 Siehe oben S. 39f.; wie hier Blomqvist Primer, S. 29. 357 In diese Richtung auch Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.31f. 358 Art. 1 I WCT, siehe auch oben S. 61f. 359 Blomqvist Primer, S. 28.

74

Der Marrakesch-Vertrag

zuwiderzulaufen.360 Art. 20 RBÜ wird deshalb auch als Barriere gegen ein Absenken des urheberrechtlichen Schutzniveaus bezeichnet.361 In Bezug auf zwingende internationale Schrankenvereinbarungen ist die Vorschrift dennoch einschränkend auslegen. Wären Sonderabkommen zwischen RBÜ-Verbandsmitgliedern tatsächlich auf die Gewährung zusätzlicher Rechte beschränkt, dann würde Art. 20 RBÜ das Mindestschutzprinzip faktisch für das gesamte internationale Urheberrecht verbindlich festschreiben. Aufgrund der nahezu weltweiten Geltung der RBÜ wäre jede internationale Vereinbarung von Maximalschutzgrenzen als Folge von Art. 20 RBÜ ausgeschlossen. Eine solch weitreichende Beschränkung der Souveränität der RBÜ-Verbandsstaaten kann Art. 20 RBÜ jedoch nicht unterstellt werden. Zweck der Vorschrift ist vielmehr das Zurückdrängen des unübersichtlich gewordenen Geflechts bilateraler Staatsverträge und die Absicherung des durch die RBÜ gewährleisteten Mindestschutzniveaus.362 Nur dieses soll durch Sonderabkommen zwischen einzelnen Verbandsstaaten nicht unterlaufen werden können. Methodisch lässt sich dieses Ergebnis absichern, indem man entscheidend auf die zweite Alternative des Art. 20 S. 1 RBÜ abstellt. Der RBÜ »zuwider« läuft nicht jede staatsvertragliche Beschränkung des urheberrechtlichen Schutzes, sondern nur Beschränkungen, durch die das urheberrechtliche Schutzniveau hinter den Mindeststandard der Übereinkunft zurückfallen würde. Die Möglichkeit einer Vereinbarung von Maximalschutzstandards in dem Bereich jenseits der RBÜ-Mindestrechte ist von Art. 20 RBÜ dagegen nicht betroffen.

II.

Vereinbarkeit mit dem Inländerbehandlungsgrundsatz der RBÜ

Daneben droht zumindest im Verhältnis der RBÜ-Verbandsstaaten über die Konformitätsklausel des Art. 1 MVT auch ein Konflikt mit dem Inländerbehandlungsgrundsatz der RBÜ. Qualifiziert man nämlich die Schranken des Marrakesch-Vertrags wie alle anderen Regelungen des Konventionsrechts als fremdenrechtlich,363 so kommt es bei einer nationalen Begrenzung der Blindenschranke auf ausländische Werke zur Kollision mit Art. 5 I RBÜ.364 Die Regelung rein innerstaatlicher Fälle bliebe dann nicht mehr den einzelnen Ver360 Blomqvist Primer, S. 28; ALAI Report 2010; vgl. auch Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.32, die die Frage offen lässt. 361 Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 6.130ff. 362 Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 6.126ff. 363 Kritisch Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.47, dies. RIDA 225 (2010), 53, 79f. 364 Über Art. 3 WCTund Art. 9 I TRIPs käme es gleichzeitig auch zu einer Unvereinbarkeit mit TRIPs und dem WCT.

Verhältnis zu anderen Staatsverträgen

75

bandsstaaten überlassen.365 Zwar stünde es ihnen nach dem Marrakesch-Vertrag frei, für inländische Werke keine Blindenschranke vorzusehen, die mit dieser Differenzierung verbundene Diskriminierung von Verbandsurhebern würde aber einen Verstoß gegen die RBÜ darstellen.366 Wenn Art. 1 MVT deshalb die Vereinbarkeit einer international zwingenden Blindenschranke mit dem restlichen System des Konventionsrechts sicherstellen soll, darf diese nicht einseitig ausländische Urheber diskriminieren. Dieser Konflikt lässt sich nur durch ein materiell-rechtliches Verständnis des Marrakesch-Vertrags vermeiden.367 Die Blindenschranke des MVT ist deshalb auch für reine Inlandssachverhalte in das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten zu übernehmen. Ein solcher Ansatz entspricht zwar nicht der RBÜ, die gemäß Art. 5 I den Schutz im Ursprungsland unberührt lässt,368 und bricht zudem mit der fremdenrechtlichen Konzeption des Konventionsrechts.369 Gegenüber der Alternative, den Inländerbehandlungsgrundsatz partiell einzuschränken,370 ist dieses Ergebnis aber vorzugswürdig. Ein Verstoß gegen Art. 1 MVT bzw. Art. 20 RBÜ liegt hierin nicht, da die RBÜ den fremdenrechtlichen Ansatz nur für die eigenen Regelungen, nicht aber für das gesamte internationale Urheberrecht festschreibt.

III.

Vereinbarkeit mit dem Dreistufentest

Schließlich müssen die Schranken des Marrakesch-Vertrags auch dem im internationalen Urheberrecht allgegenwärtigen Dreistufentest genügen.371 Dies gilt insbesondere für die nationalen Ausgestaltungen.372 Eine echte Hürde hat der MVT hier allerdings nicht zu nehmen. Die Blindenschranke als solche ist unbestreitbar ein Sonderfall, durch den weder die normale Auswertung urheberrechtlich geschützter Werke noch die Interessen der Urheber unzumutbar verletzt werden.373

365 366 367 368 369 370 371

Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.47. Siehe ausführlich oben S. 39ff.; ebenso Ginsburg Mandatory Exceptions to Copyright. Das ist auch aus anderen Gründen geboten, vgl. sogleich S. 79ff. Ginsburg Mandatory Exceptions to Copyright. Siehe oben S. 38f. (RBÜ), S. 49f. (TRIPs), S. 61f. (WCT) sowie S. 62f. Siehe oben S. 41. Art. 11 MVT verweist dafür ausdrücklich auf Art. 9 II RBÜ, Art. 13 TRIPs und Art. 10 WCT. 372 Ficsor Commentary to the Marrakesh Treaty, S. 50; Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.97. 373 Ausführlich Vezzeso IIC 2014, 796ff.

76 IV.

Der Marrakesch-Vertrag

Zwischenergebnis

Festzustellen ist, dass sich eine zwingende Blindenschranke in das existierende internationale Schutzkonzept einfügen lässt. Insbesondere erheben Art. 19 und 20 RBÜ nicht den Anspruch, das Mindestschutzprinzip der RBÜ über deren Regelungen hinaus für das gesamte internationale Urheberrecht und alle zukünftigen Regelungen festzuschreiben. Erforderlich ist aber eine materiellrechtliche Ausgestaltung, da ein fremdenrechtliches Verständnis der Schranke mit dem Inländerbehandlungsgrundsatz der RBÜ kollidieren würde.374

C.

Regelungsgehalt

Nach der Klarstellung des Verhältnisses zu anderen Staatsverträgen definieren Art. 2 und 3 MVT zunächst die wesentlichen Begriffe: Erfasst werden alle Werke der Literatur und Kunst iSv Art. 2 I RBÜ. Die Begriffe »Werkexemplare in zugänglicher Form« und »begünstigte Personen« werden erfreulich weit gefasst. »Autorisierte Stellen« werden von einer entsprechenden Anerkennung durch die einzelnen Staaten abhängig gemacht und dürfen keinen Erwerbszweck verfolgen. Als schwierig könnte sich die Umsetzung von Art. 2 I lit. c MVT erweisen: Der Marrakesch-Vertrag macht hier zwar insbesondere hinsichtlich der Selbstkontrolle der autorisierten Stellen detaillierte Zielvorgaben, regelt aber das Verfahren selbst nicht. Die umsetzenden Vertragsstaaten sind deshalb aufgerufen, praktikable und wirksame Regelungen für die Selbstkontrolle der autorisierten Stellen zu finden.375 Kern des Übereinkommens sind die eigentliche Schranke in Art. 4 und die Regelungen in Art. 5 und 6 MVT zum grenzüberschreitenden Austausch von Werkexemplaren in zugänglicher Form.

I.

Schranke zugunsten barrierefreier Formate, Art. 4 MVT

Art. 4 I lit. a MVT verpflichtet die Vertragsparteien, in ihrer nationalen Gesetzgebung zum Urheberrecht Beschränkungen oder Ausnahmen bezüglich des Vervielfältigungs-, Verbreitungs- und des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung vorzusehen. Eine ergänzende Erstreckung der Blindenschranke auf 374 Dieses Ergebnis entspricht demjenigen für zwingende Schranken der RBÜ, vgl. oben S. 43ff. und S. 48. 375 Vgl. mit entsprechenden Vorschlägen Hilty/Köklü/Kur/Drexl/v. Lewinski GRUR Int. 2015, 704, 708.

Regelungsgehalt

77

das Aufführungs- und Vorführungsrecht liegt im Ermessen der Vertragsparteien. Nicht vom Anwendungsbereich der Schranke erfasst ist das Recht zur Anfertigung von Übersetzungen.376 Konkrete Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung der zu schaffenden Schranke macht der Marrakesch-Vertrag nicht. Die Vertragsstaaten verpflichten sich lediglich dazu, die erforderlichen Maßnahmen in Übereinstimmung mit der Methodik ihres jeweiligen Rechtssystems vorzunehmen, vgl. Art. 10 I, II MVT. Die detaillierten Bestimmungen des Art. 4 II MVT sind als Regelungsvorschlag gedacht und müssen in dieser Form nicht auf nationaler Ebene umgesetzt werden.377 Nach eigenem Ermessen können die Vertragsstaaten die zwingende Schranke des Art. 4 I lit. a MVT zudem in zweierlei Hinsicht reduzieren: Zum einen können sie die Schranke auf Werke begrenzen, die für die Begünstigten nicht zu angemessenen Bedingungen in einer zugänglichen Form auf dem Markt erhältlich sind, Art. 4 IV MVT. Hintergrund ist, dass bereits funktionierende Märkte nicht durch eine zwangsweise Einführung der Blindenschranke gestört und den Rechteinhabern zumindest die Chance eingeräumt werden soll, die Nachfrage nach Werken in barrierefreien Formaten selbst zu bedienen.378 Dieser Ansatz ist nachvollziehbar, dürfte bei der praktischen Umsetzung aber zu Schwierigkeiten führen. Der Begriff »angemessene Bedingungen« hat mangels einer einheitlichen Auslegungsinstanz eine bleibende Rechtsunsicherheit zur Folge. Um die faktische Wirksamkeit der Blindenschranke zu gewährleisten, müssen die Prüfpflichten, die mit der Sichtung der auf dem Markt existierenden Angebote einhergehen, für die Begünstigten der Schranke praktikabel ausgestaltet werden. Sinnvoll wäre es etwa, eine gesetzliche Vermutung zu verankern, wonach nur für diejenigen Werke, die in einer zu diesem Zweck einzurichtenden zentralen Datenbank erfasst sind, ein Angebot auf dem Markt besteht.379 Sollte man sich auf europäischer Ebene doch noch dafür entscheiden, den Vorbehalt des Art. 4 IV MVTumzusetzen,380 ist jedenfalls eine Regelung zu wählen, die die Begünstigten der Blindenschranke nicht mit den damit verbundenen Unsicherheiten belastet. Zum anderen können die Vertragsstaaten für die durch Art. 4 I lit. a MVT 376 Agreed statement concerning Article 4 III MVT. 377 Trimble IIC 2014, 768, 776; Conway in: Calboli/Ragavan Diversity, S. 35, 51. Staaten, deren Recht die unmittelbare Geltung von Staatsverträgen vorsieht, können die erforderliche Detaildichte ebenfalls durch ergänzende Regelungen erreichen. Ein grundsätzliches Argument gegen eine Regelbarkeit zwingender materiell-rechtlicher Schranken auf internationaler Ebene liegt hierin nicht; a. A. v. Lewinski RIDA 225 (2010), 53, 85. 378 Hilty/Köklü/Kur/Drexl/v. Lewinski GRUR Int. 2015, 704, 706. 379 Hilty/Köklü/Kur/Drexl/v. Lewinski GRUR Int. 2015, 704, 707. 380 Die Kommission hat dies in ihrem Richtlinienentwurf zur Umsetzung des MarrakeschÜbereinkommens bisher nicht getan, siehe unten S. 80f.

78

Der Marrakesch-Vertrag

privilegierten Handlungen eine Vergütungspflicht einführen, Art. 4 VI MVT. Wie eine solche Vergütungspflicht auszugestalten ist, lässt der Vertrag offen.

II.

Grenzüberschreitender Austausch, Art. 5 und 6 MVT

Art. 5 und 6 MVT stellen durch ihre Bezugnahme auf grenzüberschreitende Sachverhalte ein Novum dar, weil das internationale Urheberrecht bisher aufgrund des Territorialitätsprinzips auf die Regelung rein innerstaatlicher Vorgänge – nämlich den Schutz ausländischer Urheber im Inland – fokussiert war.381 Die Bestimmungen wurden in das Übereinkommen aufgenommen, um zu verhindern, dass durch eine mehrfache Anfertigung barrierefreier Formate unnötige Kosten entstehen, die durch eine Erleichterung des grenzüberschreitenden Austausches bereits verfügbarer Werke vermieden werden könnten.382 Insbesondere die weniger gut ausgestatteten Blindenbibliotheken der Entwicklungsländer hatten deshalb ein gesteigertes Interessen an einem freien Zugang zu den bereits vorhandenen barrierefreien Formaten.383 Auch dieser Ansatz war neben der zwingenden Blindenschranke des Art. 4 I lit. a MVT ein wesentlicher Grund dafür, dass der Marrakesch-Vertrag als Staatsvertrag gefasst wurde und nicht eine bloße Empfehlung der WIPO geblieben ist.384 Nach Art. 5 I MVT dürfen barrierefreie Werkexemplare, die aufgrund einer Schranke oder kraft Gesetzes385 zulässig erstellt worden sind,386 auch in einem anderen Vertragsstaat verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht werden. Aus dem Wortlaut des Art. 5 I MVT387 geht hervor, dass dieser nur für grenzüberschreitende Verbreitungen und Zugänglichmachungen zwischen Vertragsstaaten gilt. Die Wirkungen des Art. 5 gehen deshalb nicht wesentlich über Art. 4 MVT hinaus. Die Umsetzungspflicht der Vertragsstaaten bezüglich der Ein- und Ausfuhr barrierefreier Formate kann sich aufgrund des Territorialitätsprinzips 381 Fiscor Commentary to the Marrakesh Treaty, S. 10, 28; Trimble IIC 2014, 768, 771; Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.62. 382 Fiscor Commentary to the Marrakesh Treaty, S. 28; Trimble IIC 2014, 768, 778, vgl. auch Absatz 7 der Präambel des Abkommens. 383 Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.17. 384 Fiscor Commentary to the Marrakesh Treaty, S. 5. 385 Die Formulierung »pursuant to operation of law« scheint sich auf Fälle zu beziehen, in denen ein urheberrechtlicher Schutz gesetzlich ausgeschlossen ist, vgl. etwa Art. 2 IV, 2bis I RBÜ; hierzu Fiscor Commentary to the Marrakesh Treaty, S. 29. 386 Auf lizensierte Herstellungsvorgänge ist Art. 5 MVT dagegen nicht anwendbar ; vgl. Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.63. 387 »…may be distributed or made available … in another Contracting Party«.

Regelungsgehalt

79

immer nur auf Verwertungshandlungen im Inland beziehen. Die maßgeblichen Verwertungsvorgänge müssen somit in den Staaten stattfinden, aus denen exportiert werden soll.388 Da Art. 5 MVT aber nur den grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Vertragsstaaten regelt, muss die Verbreitung und Zugänglichmachung von barrierefreien Werkexemplaren auch in dem exportierenden Staat bereits aufgrund von Art. 4 I lit. a MVT freigestellt sein. Der eigentliche Gewinn des Art. 5 MVT besteht deshalb darin, dass eine unterschiedliche inhaltliche Ausgestaltung des weit formulierten Art. 4 I MVT nivelliert wird. Ist ein barrierefreies Werkexemplar in einem Vertragsstaat des Marrakesch-Übereinkommens zulässig hergestellt worden, dann darf es auch exportiert werden. Der Import wird über die spiegelbildliche Regelung des Art. 6 MVT freigestellt.389

III.

Materiell-rechtlicher Ansatz

Wegen des sonst drohenden Konflikts mit dem Inländerbehandlungsgrundsatz der großen internationalen Konventionen,390 können die Schrankenregelungen des Marrakesch-Vertrags nur materiell-rechtlich zu verstehen sein.391 Hierfür spricht auch der Regelungszweck des Übereinkommens. Während die klassischen Konventionen auf den gegenseitigen Schutz fremder Urheber abzielen und sich deshalb mit einem fremdenrechtlichen Ansatz begnügen konnten,392 muss eine zwingende Schranke zugunsten blinder und sehbehinderter Personen weiter gehen. Der hier zugrundliegenden menschenrechtlichen Motivation393 wäre nur sehr unvollkommen gedient, wenn sich die Blindenschranke allein auf fremde Werke bezöge. Eine derartige Differenzierung ist im Marrakesch-Vertrag nicht angelegt und auch nicht durch Art. 1 MVT geboten.394 Das »klassische« Konventionsrecht bewegt sich zwar durchgängig auf fremdenrechtlicher Ebene.395 Allerdings zwingt dies nicht dazu, auch die zukünftige Ausgestaltung des internationalen Urheberrechts ausschließlich auf dieser Ebene vorzuneh388 Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.62. 389 Einen entsprechenden Mechanismus scheint die Europäische Kommission auch für die Harmonisierung der urheberrechtlichen Schranken zu erwägen, vgl. Stieper GRUR 2015, 1145, 1150. 390 Siehe oben S. 74. 391 Zweifelnd Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.25, 18.0.33, 18.0.47. 392 Siehe oben S. 38f. (RBÜ), S. 48f. (WUA), S. 49f. (TRIPs), S. 61f. (WCT). 393 Vgl. schon Absatz 1 der Präambel und hierzu Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.26ff. 394 Siehe oben S. 72ff. 395 Siehe oben S. 38 und S. 50f.

80

Der Marrakesch-Vertrag

men.396 Die Vorgaben der Art. 4–6 MVT haben somit einen materiell-rechtlichen Gehalt und verpflichten die Vertragsstaaten, entsprechende Schranken für fremde wie für inländische Werke vorzusehen.397

D.

Die Ratifizierung und Umsetzung

Um in Kraft zu treten, musste der Marrakesch-Vertrag durch mindestens 20 der 79 Unterzeichnerstaaten ratifiziert werden, vgl. Art. 18 MVT. Nach etwas mehr als drei Jahren ist das Übereinkommen mit der Ratifikation durch Kanada seit dem 30. 9. 2016 in Kraft.398 Doch fehlt es nach wie vor an einer Ratifikation durch die EU und ihre Mitgliedstaaten. Hintergrund ist eine Kontroverse über die Kompetenzverteilung zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten.399 Unter anderem die deutsche Bundesregierung hatte sich im Rat der Europäischen Union auf den Standpunkt gestellt, dass der EU eine entsprechende Kompetenz fehle. Die Kommission hat daraufhin ein Gutachten des EUGH angefordert, der dem Generalanwalt folgend400 zugunsten einer alleinigen Zuständigkeit der Union entschieden hat.401 Die Kommission hat den Ausgang dieses Verfahrens allerdings nicht abgewartet und die einzuführende Blindenschranke in ihrem zweiten Urheberrechtspaket vom 14. 9. 2016 in einem entsprechenden Verordnungsentwurf402 und einem Richtlinienentwurf403 berücksichtigt. Während der Entwurf der Richtlinie in Art. 3 die eigentliche Blindenschranke entsprechend Art. 4 MVT regelt, finden sich die Vorschriften zum grenzüberschreitenden Austausch in Art. 3 und 4 des Verordnungsentwurfs. Grund für diese Aufteilung ist, dass die Regelungen zur Ein- und Ausfuhr den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik betreffen und daher gemäß Art. 207 II AEUV durch Verordnung zu regeln sind.404 Die Wahl der Richtlinie für die eigentliche Blindenschranke steht dagegen im Einklang mit den bisherigen Harmonisierungsmaßnahmen der Union auf dem Gebiet des Urheberrechts.405 Der Richtlinienentwurf macht 396 In diese Richtung allerdings Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.33, 18.0.47, die aber mit Recht anmerkt, dass auch internationale fremdenrechtliche Vorgaben in der Regel für Inlandssachverhalte übernommen werden. 397 Wie hier MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 49; Kur WIPO-Journal 2009, 27, 31. 398 Mittlerweile liegt die Zahl der Unterzeichnungen bei 27, vgl. http://www.wipo.int/treaties/ en/ShowResults.jsp?lang=en& treaty_id=843 (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 399 Hierzu Ramalho EJRR 2015, 629ff. 400 GA Wahl Schlussanträge v. 8. 9. 2016, Gutachten 3/15, EU:C:2016:657. 401 EUGH Gutachten 3/15, ECLI:EU:C:2017:114 = GRUR Int. 2017, 438. 402 COM/2016/0595 final – 2016/0279 (COD). 403 COM/2016/0596 final – 2016/0278 (COD). 404 Vgl. Begründung des Verordnungsentwurfes unter 2. 405 Vgl. Begründung des Richtlinienentwurfs unter 2.; siehe auch unten S. 101ff. und Fn. 543– 552.

Zwischenergebnis

81

von den Möglichkeiten des Art. 4 IV und V MVT keinen Gebrauch. Die geplante Blindenschranke wird weder unter den Vorbehalt einer Verfügbarkeit zu angemessenen Bedingungen gestellt noch ist eine Vergütungspflicht vorgesehen. Der Entwurf geht in diesen Punkten noch über das Marrakesch-Übereinkommen hinaus und untersagt den Mitgliedstaaten aufgrund der »besonderen Art« der Schranke sowie zur Wahrung der Rechtssicherheit die Einführung entsprechender Vorbehalte.406 Die durch den MVT begründete internationale Maximalschutzgrenze wird hier nicht nur auf europäischer Ebene wiedergegeben, sondern verschärft. Es ist zu hoffen, dass es im weiteren Gesetzgebungsverfahren in diesem Punkt bei dem Vorschlag der Kommission bleibt.

E.

Zwischenergebnis

Für das bisher einseitig auf den Mindestschutz der Rechteinhaber ausgerichtete internationale Urheberrecht bedeutet der Marrakesch-Vertrag einen Paradigmenwechsel. Erstmals wurde auf internationaler Ebene ein besonderes Interesse an der freien Verwertbarkeit urheberrechtlich geschützter Werke nicht nur wie bisher durch die Normierung einer fakultativen Begrenzung der gewährten Mindestrechte, sondern durch eine zwingende Maximalschutzschranke berücksichtigt.407 Die Reduzierung des ursprünglich umfassenderen Vorhabens408 auf die politisch und ethisch kaum angreifbare Blindenschranke war sicherlich mit ausschlaggebend für den erfolgreichen Abschluss des Vertrages. Der politische Erfolgsdruck und die divergierenden Ausgangspunkte der Beteiligten haben allerdings zu einem im Detail recht komplexen Regelungswerk geführt.409 Überdies besteht trotz der Regelungen zum grenzüberschreitenden Austausch barrierefreier Formate410 die Gefahr, dass die Vertragsstaaten das Übereinkommen unterschiedlich umsetzen und auslegen. Nicht ohne Grund waren unilaterale Abschlusserklärungen bei Unterzeichnung des Vertrages nicht er-

406 Vgl. Erwgr. 11 des Richtlinienentwurfs. Das EU-Parlament hat sich in diesem Punkt für die Möglichkeit von Ausgleichsregelungen ausgesprochen, vgl. Erwgr. 14 des Standpunktes P8_TC1-COD(2016)0279 vom 6. 7. 2017. 407 Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.24; ausführlich zur historischen Einordnung Wilkinson in: Perry Global Governance, 107, 109ff.; Zemer/Gaon Journal of Int. Prop. Law & Practice 10 (2015), 836, 838. 408 Siehe oben S. 68ff. 409 v. Lewinski in: Stamatoudi New Developments, S. 123, 126; Blomqvist Primer, S. 29. Zumindest gilt diese Feststellung für die fakultativen Umsetzungsvorschläge, vgl. etwa Art. 4 II, 5 II, III MVT. 410 Siehe oben S. 78f.

82

Der Marrakesch-Vertrag

laubt.411 In dieses Bild passt auch, dass nationale Vorbehalte412 und eine Kündigung des Vertrages413 möglich sind. Einer umfassenderen kulturellen Beteiligung blinder und sehbehinderter Menschen stehen immer noch rechtliche und vor allem praktische Hindernisse im Wege. Häufig fehlen die für eine Umwandlung erforderlichen Dateiformate,414 und auch die Kosten sind nach wie vor häufig unwirtschaftlich.415 Ob der Marrakesch-Vertrag den großen Aufwand rechtfertigt416 und die Situation für blinde und sehbehinderte Menschen spürbar verbessern wird, bleibt abzuwarten. Allerdings ist das Abkommen auch »nur« ein urheberrechtlicher Staatsvertrag, der nicht den Anspruch haben kann, die kulturelle Beteiligung blinder und sehbehinderter Menschen umfassend zu gewährleisten. In jedem Fall ist er aber wegen seiner Signalwirkung ein Schritt in die richtige Richtung. So hat etwa Israel, das selbst nicht unterzeichnet hat, den Marrakesch-Vertrag dennoch zum Anlass genommen, das eigene Urheberrecht an die Anforderungen des Vertrages anzupassen.417

411 412 413 414 415 416

v. Lewinski in: Stamatoudi New Developments, S. 123, 127. Vgl. Art. 20 IV WVRK. Vgl. Art. 20 MVT. Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 18.0.18ff. v. Lewinski in: Stamatoudi New Developments, S. 123, 128. Skeptisch v. Lewinski RIDA 225 (2010), 53, 85f.; optimistischer Fitzpatrick BC Int. & Comp. L. Rev. Vol. 37 (2014), 139, 172; Conway in: Calboli/Ragavan Diversity, S. 35, 57. 417 Zemer/Gaon Journal of IP Law & Practice 10 (2015), 836, 837.

Kapitel 4: Bi- und plurilaterale Verträge

Bilaterale Abkommen haben im Urheberrecht eine lange Tradition.418 Nach wie vor ist eine große Anzahl solcher bilateraler Verträge in Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland hat insbesondere in den 1960er Jahren eine Reihe von bilateralen Verträgen mit urheberrechtlichem Inhalt abgeschlossen.419 In aller Regel gewähren sie ein mindestrechtliches Schutzniveau, das unter demjenigen der multilateralen Konventionen liegt. Deshalb haben die meisten bilateralen Staatsverträge älteren Datums heute ihre Bedeutung verloren.420 Die WTO hat mittlerweile 164 Mitglieder421 und der RBÜ gehören 173 Staaten an.422 Damit werden die allermeisten zwischenstaatlichen Beziehungen heute von den multilateralen urheberrechtlichen Konventionen erfasst. Gleiches gilt für die gewerblichen Schutzrechte.423 Die Bedeutung bilateraler Abkommen beschränkte sich daher lange Zeit nur noch auf Spezialbereiche des Immaterialgüterrechts, wie beispielsweise den Schutz geografischer Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen.424 Begünstigt durch die Flaute der großen Konventionen nach dem Abschluss 418 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 2.03ff.; Goldstein/Hugenholtz International Copyright, S. 31ff.; Dölemeyer UFITA 123 (1993), 53ff.; Schack FS 50 Jahre UrhG, S. 277, 278f. Als wichtiger Kulturexporteur hat vor allem Frankreich eine Vorreiterrolle eingenommen, vgl. Bongers Strategien, S. 49ff. 419 FN-Nordemann-Schiffel vor §§ 120ff. Rn. 53; Schack UrhR, Rn. 985; Übersicht Mestmäcker/Schulze III Anhang B 17ff. 420 Schack UrhR, Rn. 985; Duggal IPRax 2002, 101, 102. Eine Ausnahme war lange Zeit das deutsch-amerikanische Urheberrechtsabkommen vom 15. 1. 1892, RGBl. S. 473, vgl. hierzu MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 109 und FN-Nordemann-Schiffel vor §§ 120ff. Rn. 56; Schack ZUM 1986, 69ff. 421 https://www.wto.org/members (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 422 http://www.wipo.int/treaties/en/ip/berne/ (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 423 Die PVÜ zählt mittlerweile 177 Mitglieder, vgl. http://www.wipo.int/treaties/en/ip/paris/ (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 424 Vgl. beispielsweise das deutsch-französische Abkommen vom 8. 3. 1960 über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geografischen Bezeichnungen, BGBl. 1961 II, 22; vgl. auch MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 110.

84

Bi- und plurilaterale Verträge

von TRIPs, WCT und WPPT Mitte der 1990er Jahre,425 haben urheber- bzw. allgemein immaterialgüterrechtliche Bestimmungen in bi- und plurilateralen Abkommen allerdings eine Renaissance erfahren. Insbesondere Freihandelsabkommen (FTA)426 sind nach 1996 in großer Zahl abgeschlossen worden,427 sie bestimmen seit Längerem den Großteil des Welthandels.428 Diese Entwicklung beruht auf einem Wandel der außenhandelspolitischen Konzepte der großen Industrienationen in den Jahren nach 1996.

A.

Außenhandelspolitik der USA

Als weltweit größter Hersteller und Exporteur urheberrechtlich schutzfähiger Produkte429 haben die USA traditionell ein besonders starkes Interesse an hohen internationalen Schutzstandards. Da sie bei den TRIPs-Verhandlungen einige Zugeständnisse machen mussten,430 versuchten sie in der Folgezeit, ihre eigenen Vorstellungen zumindest in der Form von bilateralen Freihandelsabkommen umzusetzen.431 Dabei zeichnen sich die Freihandelsabkommen der USA durch einen umfassenden Ansatz und eine klare Konzeption aus.432 Ausgangspunkt sind die Anforderungen des TRIPs-Übereinkommens, denen weitere immaterialgüterrechtliche Verpflichtungen hinzugefügt werden, die sich bewusst an der US-amerikanischen Konzeption der jeweiligen Schutzrechte orientieren.433 Die internationale Durchsetzung des eigenen Modells eines immaterialgüterrecht425 Siehe oben S. 66f. Bilaterale Abkommen sind in aller Regel einfacher abzuschließen als multilaterale Konventionen; vgl. Damro in: Bartels/Ortino Regional Trade Agreements and the WTO Legal System, S. 23, 38f. 426 Eine Übersicht der WTO findet sich unter http://rtais.wto.org/UI/PublicAllRTAList.aspx (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 427 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Cottier/Trinberg vor Art. 206–207 AEUV, Rn. 13; Herrmann/Weiß/Ohler Rn. 605; Hilf/Oeter-Boysen WTO Recht, § 31 Rn. 15; Grosse Ruse-Khan Protection of Intellectual Property, Rn. 5.01. 428 Damro in: Bartels/Ortino Regional Trade Agreements and the WTO Legal System, S. 23, 25ff. 429 Haedicke Urheberrecht und die Handelspolitik der USA, S. 2, 166; vgl. auch die jährliche Studie Copyright Industries in the U.S. Economy der IIPA, abrufbar unter http://www. iipawebsite.com/ (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 430 Haedicke Urheberrecht und die Handelspolitik der USA, S. 166, 212; Mercurio in: Bartels/ Ortino, Regional Trade Agreements and the WTO Legal System, S. 215. 431 Handler/Mercurio in: Lester u. a. Bilateral and Regional Trade Agreements, S. 324, 326; MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 112; eine Übersicht der bestehenden Freihandelsabkommen der USA ist abrufbar unter https://ustr.gov/trade-agreements/free-trade-agreements (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 432 MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 114. 433 MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 114; Roffe in: Derxl/Grosse Ruse-Khan/Nadde-Phlix EU Bilateral Trade Agreements, S. 17, 20; Roffe/Spennemann/von Braun in: Correa Research Handbook, S. 266, 275f.

Außenhandels- und Assoziierungspolitik der EU

85

lichen Schutzsystems ist erklärtes Ziel der US-Außenhandelspolitik.434 Umgekehrt haben die Handelspartner der USA ein Interesse an dem freieren Zugang zu den US-amerikanischen Märkten. Insbesondere die Entwicklungsländer, die häufig kein eigenes Interesse an hohen immaterialgüterrechtlichen Schutzstandards haben, lassen sich in der Regel von realpolitischen Gesichtspunkten leiten und vermeiden einen Handelskonflikt mit den USA.435 Wie schon im Fall von TRIPs kommt es deshalb häufig zu einem »quid pro quo« zwischen Handelsvorteilen und einer Anhebung des urheberrechtlichen Schutzniveaus.436 Das Schutzniveau, das die USA auf diese Weise international verbreiten, liegt über demjenigen der multilateralen Konventionen. So wird etwa die urheberrechtliche Schutzfrist über den internationalen Standard von 50 Jahren437 auf 70 Jahre p.m.a. erhöht, und auch die Regelungen zum rechtlichen Schutz vor der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen gehen über diejenigen in Art. 11 WCT hinaus.438 Eine Einführung von Maximalschutzgrenzen ist von dieser Politik der USA also nicht zu erwarten. So bringt etwa Art. 18.5 des kürzlich unterzeichneten TPP439 deutlich das Mindestschutzprinzip zum Ausdruck. Allerdings haben die USA sich kürzlich aus TPP zurückgezogen und wollen stattdessen künftig verstärkt auf eine bilaterale Handelspolitik setzen.440

B.

Außenhandels- und Assoziierungspolitik der EU

Die EU verfügt nicht erst seit dem Vertrag von Lissabon über umfangreiche Kompetenzen zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge441 und hat hiervon in zahlreichen Fällen Gebrauch gemacht.442 Nach der Zielrichtung der verschie434 Vgl. Sec. 2102 (a) (4) (A) (i) (II) US Trade Promotion Authority Act. 435 Haedicke Urheberrecht und die Handelspolitik der USA, S. 199; kritisch v. Lewinski FS Dietz, S. 583ff. 436 Roffe/Spennemann/v. Braun in: Correa Research Handbook, S. 266, 275. 437 Vgl. Art. 7 I RBÜ und Art. 9 I, 12 TRIPs. 438 Handler/Mercurio in: Lester u. a. Bilateral and Regional Trade Agreements, S. 324, 325 mit Nachweisen zu einzelnen Abkommen. 439 Trans-Pacific Partnership, abrufbar unter http://www.tpp.mfat.govt.nz/text (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2014). 440 Presidential Memorandum Regarding Withdrawal of the United States from the TransPacific Partnership Negotiations and Agreement vom 23. 1. 2017, abrufbar unter https:// www.whitehouse.gov/the-press-office/2017/01/23/presidential-memorandum-regardingwithdrawal-united-states-trans-pacific (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 441 Ausgangspunkt ist das AETR-Urteil des EUGH von 1971, Rs. 22/70, EU:C:1971:32 = DVBl 1972, 264 – AETR; kodifiziert in Art. 216ff. AEUV; vgl. GHN-Vöneky/Beylage-Haarmann Art. 216 AEUV Rn. 1 ff.; Schack ZGE 2009, 275, 285. 442 Der aktuelle Stand findet sich unter : http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-re gions/agreements/ (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017).

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Bi- und plurilaterale Verträge

denen Abkommen kann grob zwischen Entwicklungsabkommen, Assoziierungsabkommen im Rahmen der europäischen Nachbarschaftspolitik und handelspolitisch motivierten Verträgen differenziert werden. Urheberrechtliche Bestimmungen finden sich in allen drei Vertragstypen.

I.

Kompetenzgrundlagen und Vertragstypen

Seit dem Vertrag von Lissabon ist die gemeinsame Handelspolitik der EU ausdrücklich als ausschließliche Zuständigkeit der Union geregelt, Art. 3 I lit. e AEUV. Zu diesem Zweck ist die EU zum Abschluss internationaler Verträge befugt, Art. 3 II, 207, 216 AEUV.443 Hiervon umfasst sind auch die »Handelsaspekte des geistigen Eigentums« Art. 207 I AEUV. Die Formulierung ist an TRIPs orientiert, lässt aber ebenso wie dieses offen, nach welchen Kriterien sich die Handelsrelevanz einzelner immaterialgüterrechtlicher Regelungsbereiche richtet.444 Von dieser Kompetenz hat die EU lange Zeit in bilateralen Abkommen, was immaterialgüterrechtliche Regelungsbereiche angeht, nur im geringen Umfang Gebrauch gemacht. Die entsprechenden Bestimmungen älterer Abkommen verpflichten in der Regel lediglich zum Beitritt zu den jeweiligen multilateralen Übereinkommen und allgemein zur Gewährung eines angemessenen Schutzniveaus.445 Es war nicht beabsichtigt, die großen internationalen Konventionen durch umfangreiche bilaterale Regelungen zu ergänzen oder zu unterlaufen. Diese Zurückhaltung hat die EU mittlerweile aufgegeben. Vielmehr hat sie sich der Zielsetzung der USA angenähert und will bei der Aushandlung von Freihandelsabkommen dafür sorgen, »dass die Klauseln zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums so weit möglich das in der EU garantierte Schutzniveau gewährleisten.«446 Ganz ähnlich wie die USA ihrer Vorstellung verbreitet die EU den acquis communautaire des Urheberrechts mittlerweile über das Vehikel von Handelsverträgen weltweit.447 Die von der EU abgeschlossenen Freihandelsabkommen jüngeren Datums verpflichten nicht mehr 443 Häufig handelt es sich gerade bei umfassenden Abkommen dennoch um gemischte Abkommen, die auch der Zustimmung der Mitgliedstaaten bedürfen; ausführlich Krenzler/ Herrmann in: dies. 10. Einleitung zum EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, Rn. 11ff. und Weiß in: Bungenberg/Herrmann Gemeinsame Handelspolitik, S. 35–51; im Folgenden wird diesbezüglich sprachlich nicht differenziert. 444 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Cottier/Trinberg Art. 207 AEUV Rn. 40ff.; GHN-Weiß Art. 207 AEUV Rn. 35ff. 445 Vgl. etwa Art. 168–170 des Assoziierungsabkommens mit Chile, ABl. EG 2002 L 352, S. 3ff. 446 Mitteilung der Kommission vom 24. 5. 2011, KOM (2011) 287 endg., S. 25; vgl. allg. Dorninger/Schernthanner/Schrott/Stowasser/Tasch-Ronner in: Gnan/Kronberger, S. 57ff. 447 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Cottier/Trinberg vor Art. 206 AEUV Rn. 13.

Außenhandels- und Assoziierungspolitik der EU

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nur zur Einhaltung von TRIPs oder des »höchsten internationalen Schutzniveaus«, sondern gehen über dieses noch hinaus.448 Dabei sollen die immaterialgüterrechtlichen Bestimmungen immerhin auch den Entwicklungsstand der jeweiligen Drittländer berücksichtigen.449 Ein solcher entwicklungspolitischer Ansatz wäre insbesondere von Entwicklungsabkommen nach Art. 209 II AEUV zu erwarten, die jedoch auf die klassische Entwicklungszusammenarbeit beschränkt sind.450 Abkommen mit einem umfangreicheren Regelungsbereich, der detailliertere immaterialgüterrechtliche Bestimmungen eher erwarten lässt, sind dagegen als Assoziierungsabkommen iSv Art. 217 AEUV einzustufen. »Assoziierung« bedeutet in diesem Zusammenhang eine Annäherung an den europäischen Integrationsprozess, ohne zwangsläufig eine konkrete Beitrittsperspektive zu schaffen.451 Zu unterscheiden ist dabei zwischen Freihandels-, Beitritts- und Entwicklungsassoziierung.452 Assoziierungsabkommen mit Beitrittsperspektive bestehen aktuell insbesondere mit der Türkei453 und den westlichen Balkanstaaten.454 Da die Beitrittsassoziierung letztlich auf eine vollständige Übernahme des acquis communautaire durch die Beitrittskandidaten zielt, gilt hier hinsichtlich eines urheberrechtlichen Maximalschutzes, dass die im europäischen Urheberrecht existierenden Schutzobergrenzen letztlich auch von den Beitrittskandidaten übernommen werden müssen. Ausführliche inhaltliche Regelungen zum Urheberrecht erübrigen sich damit und sind in den fraglichen Abkommen folglich auch nicht enthalten.455 Umfangreicher fallen dagegen die urheberrechtlichen Vorschriften der Abkommen mit der Ukraine,456 Georgien,457 der Republik

448 449 450 451 452 453

454 455 456 457

Roffe in: Derxl/Grosse Ruse-Khan/Nadde-Phlix EU Bilateral Trade Agreements, S. 17, 21. Mitteilung der Kommission vom 24. 5. 2011, KOM(2011) 287 endg., S. 25. Vgl. von der Groeben/Schwarze/Hatje-Zimmermann Art. 209 AEUV Rn. 7. von der Groeben/Schwarze/Hatje-Bungenberg Art. 217 AEUV Rn. 1ff. Die Terminologie ist jedoch aus politischen Gründen uneinheitlich, vgl. GHN-Vöneky/Beylage-Haarmann Art. 217 Rn. 6. GHN-Vöneky/Beylage-Haarmann Art. 217 Rn. 70ff. von der Groeben/Schwarze/Hatje-Bungenberg Art. 217 AEUV Rn. 106ff.; Böllmann, ZEuS 2003, 643ff. Die immaterialgüterrechtlichen Verpflichtungen der Türkei gehen sogar noch über den unionsrechtlichen Regelungsbestand hinaus, vgl. MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 117 mwN. Ausführlich Priebe EuR 2008, 301ff. Vgl. etwa Art. 75 III des Assoziierungsabkommens mit Serbien; ABl. EU 2013 L 278, S. 16ff. Ausführlich zu urheberrechtlichen Vorschriften in Beitritts-Assoziierungsabkommen v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 12.47ff. Vgl. Art. 161–192 des Abkommens; ABl. EU 2014 L 168, S. 3ff. Vgl. Art. 153–164 des Abkommens; ABl. EU 2014 L 261, S. 4ff.

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Bi- und plurilaterale Verträge

Moldau458 und Kasachstan459 aus, für die aktuell keine Beitrittsperspektiven bestehen. Anders ist dies bei entwicklungspolitisch motivierten Assoziierungsabkommen, welche die EU etwa mit den Maghreb-Staaten,460 mit Südafrika461 und den Staaten Zentralamerikas462 abgeschlossen hat. Diese enthalten mehr oder weniger ausführliche Abschnitte zum Urheberrecht und den verwandten Schutzrechten.463

II.

Einzelne Abkommen der EU

Insgesamt hat sich über die Jahre ein kaum noch überschaubares Geflecht von Staatsverträgen gebildet.464 Hier kann deshalb nur auf einige Bespiele eingegangen werden: 1.

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten

Eine Sonderstellung innerhalb der Handelsabkommen der EU haben die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) der EU mit den sog. AKP-Staaten,465 die als ehemalige Kolonien traditionell eine besondere Stellung in der Entwicklungspolitik der EU einnehmen.466 Die entwicklungspolitische Zusammenarbeit der EU mit den AKP-Staaten basierte lange Zeit auf den Lom8-Abkommen. Neben klassischer Entwicklungshilfe sahen diese einen einseitigen Verzicht auf Reziprozität beim weitgehend zollfreien Zugang der Waren aus AKP-Staaten zum Binnenmarkt der EU vor.467 Diese Vorgehensweise kollidierte jedoch mit der Meistbegünstigungsklausel in Art. I:1 GATT, ohne durch die Vorschriften 458 Vgl. Art. 280–291 des Abkommens; ABl. EU 2014 L 260, S. 4ff. 459 Vgl. Art. 65–76 des Abkommens; BGBl. 2017 II, 201. 460 Europa-Mittelmeerabkommen EG-Tunesien, ABl. EG 1998 L 97, S. 2ff.; Europa-MittelmeerAbkommen EG-Marokko, ABl. EG 2000 L 70, S. 2ff.; Europa-Mittelmeer-Abkommen EGAlgerien, ABl. EG 2005 L 265, S. 2ff. 461 Assoziierungsabkommen EU-Südafrika, ABl. EG 1999 L 311, S. 3ff.; hierzu ausführlich Volz Das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Südafrika, S. 9ff. 462 Vgl. unten S. 91. 463 Vgl. etwa Art. 46 des Assoziierungsabkommens mit Südafrika und Anhang 7 des Abkommens mit Tunesien einerseits und Art. 233–237 des Abkommens mit den zentralamerikanischen Staaten andererseits; zu letzterem sogleich S. 91. 464 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Cottier/Trinberg vor Art. 206–207 AEUV Rn. 12; MüKoDrexl IntImmGR, Rn. 116. 465 Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks. 466 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Zimmermann Art. 208 AEUV Rn. 1ff. 467 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Zimmermann Art. 208 AEUV Rn. 5.

Außenhandels- und Assoziierungspolitik der EU

89

des GATT zum Handel mit Entwicklungsländern oder als Freihandelszone eindeutig gerechtfertigt zu sein.468 Ziel des auf die Lom8-Abkommen folgenden Cotonou-Abkommens469 war deshalb der Abschluss von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA), mit denen die Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten auf eine WTO-konforme Grundlage gestellt werden sollte.470 Als erstes WPA dieser Art ist seit 2008 das Abkommen mit den karibischen Staaten in Kraft.471 Auf dieses soll sich die vorliegende Untersuchung exemplarisch beschränken. Die Vorschriften des EU-CARIFORUM-WPA zum Urheberrecht sind überschaubar. Art. 143 des Abkommens belässt es bei einer Verweisung auf den WCT und WPPT und einer relativ allgemein gehaltenen Klausel zur kollektiven Rechteverwaltung. Es finden sich hier weder urheberrechtliche TRIPs-PlusStandards noch Klauseln mit schutzbegrenzender Wirkung. Ausführlicher sind die Vorschriften zur Rechtsdurchsetzung in Art. 151–163. Regelungen zum Schutz des Beklagten sind hier im Unterschied zu TRIPs allerdings kaum vorgesehen. Es findet sich kein Entschädigungsanspruch des zu Unrecht Beklagten, und auch die Vorschriften zum einstweiligen Rechtsschutz in Art. 156 sind einseitig auf die Interessen der Rechteinhaber fokussiert.472 Allenfalls die Vorschriften über die Prozesskosten in Art. 161 und Art. 159, der die Möglichkeit bietet, einem schuldlos handelnden Verletzer lediglich eine Ersatzmaßnahme aufzuerlegen, sind wegen ihrer mittelbar schutzbegrenzenden Wirkung erwähnenswert. Für das Urheberrecht nicht primär relevant, aber unter dem Gesichtspunkt eines Maximalschutzes interessant, ist schließlich Art. 142 II des Abkommens. Hier verpflichten sich die EU und die CARIFORUM-Staaten gegenseitig zur kartellrechtlichen Kontrolle von Lizenzpraktiken, die sich negativ auf den internationalen Technologietransfer auswirken. Während die WTO-Mitglieder nach TRIPs lediglich berechtigt sind, den eigenen Markt durch die Anwendung ihres Kartellrechts zu schützen,473 wird hier eine Verpflichtung zur kartellrechtlichen Kontrolle im Interesse des Vertragspartners begründet. Die EU muss daher auch Verträge kontrollieren, die sich nur in den CARIFORUM-Staaten nachteilig auswirken.474 Da die Mehrzahl der betroffenen Verträge einen Technologietransfer von der EU in die CARIFORUM-Staaten zum Gegenstand haben 468 Ausführlich hierzu Zimmermann EuZW 2009, 1ff. Vgl. auch das diesbezüglich von Indien angestrengte WTO-Dispute Settlement Verfahren DS246, WT/DS246/AB/R (07/04/2004). 469 ABl. EG 2000 L 317, S. 3. 470 GHN-Weiß Art. 207 AEUV Rn. 251; Friesen ZEuS 2009, 419, 424ff. 471 EU-CARIFORUM-WPA, ABl. EU L 289 S. 3ff. Der aktuelle Stand zu den Verhandlungen mit den übrigen AKP-Staaten ist abrufbar unter : http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2009/ september/tradoc_144912.pdf (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 472 Vgl. dagegen Art. 48, 50 TRIPs und oben S. 57ff. 473 Vgl. Art. 8 II, 40 TRIPs. 474 Drexl in: ders./Grosse Ruse-Khan/Nadde-Phlix EU Bilateral Trade Agreements, S. 265, 281.

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Bi- und plurilaterale Verträge

dürften, kann der Regelung auch ein entwicklungspolitischer Ansatz unterstellt werden.475 Aus immaterialgüterrechtlicher Sicht allerdings wirkt Art. 142 II des EU-CARIFORUM-WPA mittelbar schutzbegrenzend und lässt sich daher als Maximalschutzverpflichtung deuten.476 2.

Freihandelsabkommen mit Südkorea

Auch das Freihandelsabkommen der EU mit Südkorea vom 1. 7. 2011,477 das als Modell für weitere Abkommen mit asiatischen Ländern dienen soll,478 enthält in Art. 10.5–10.14 urheberrechtliche Bestimmungen. Beschränkungen und Ausnahmen werden zwar angesprochen, doch sieht Art. 10.11 lediglich den Dreistufentest vor, der als Schranken-Schranke nicht als Maximalschutz zu qualifizieren ist.479 Die übrigen Vorschriften des Abkommens zum Urheberrecht wirken ebenfalls nicht schutzbegrenzend. Stattdessen sieht Art. 10.6 eine Schutzfrist von 70 Jahren p.m.a. vor und geht damit über die von der RBÜ bzw. TRIPs verlangte Frist von 50 Jahren p.m.a. hinaus.480 Immerhin findet sich auch hier eine Verpflichtung zur kartellrechtlichen Kontrolle von Lizenzverträgen im Bereich des Technologietransfers, vgl. Art. 10.3. Ausführlich geregelt ist die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in Art. 10.41– 10.53. Einige wenige Vorschriften begründen ähnlich wie im EU-CARIFORUM-WPA prozessuale Mindestrechte der Rechtsgegenseite und wirken deshalb aus Sicht der Rechteinhaber prozessual rechtsbegrenzend, vgl. etwa Art. 10.49 und 10.51. Die Vorschriften reichen aber ebenfalls nicht an die von Teil III TRIPs heran.481 Von diesen prozessualen Aspekten abgesehen kann das Freihandelsabkommen der EU mit Südkorea nicht als Instrument eines Maximalschutzes auf internationaler Ebene eingestuft werden.

475 MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 50. 476 MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 50. 477 ABl. EU 2011 L 127, S. 6. Ausführlich zu den wirtschaftlichen Hintergründen von der Groeben/Schwarze/Hatje-Cottier/Trinberg Vor Art. 206–207 AEUV Rn. 14; vgl. auch Daiber EuR 2015, 542ff. 478 Drexl in: ders./Grosse Ruse-Khan/Nadde-Phlix EU Bilateral Trade Agreements, S. 265, 266 mwN. 479 Siehe oben S. 47. 480 Siehe oben Fn. 437. 481 Siehe oben S. 57ff.

Außenhandels- und Assoziierungspolitik der EU

3.

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Assoziierungsabkommen mit den Staaten Zentralamerikas

Das Abkommen der EU mit den Staaten Zentralamerikas482 ist ein Assoziierungsabkommen mit starkem freihandelspolitischem Einschlag.483 Auf das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte entfallen die Art. 233–237; die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums wird in Art. 260–273 geregelt. Kern der urheberrechtlichen Regelungen ist die Verweisung auf das Konventionsrecht in Art. 233. Art. 234 erweitert die urheberrechtliche Schutzfrist auch im Verhältnis zu den Staaten Zentralamerikas auf 70 Jahre p.m.a. Als schutzbegrenzend lassen sich allenfalls die Regelung zu den Prozesskosten in Art. 268 und die Beschränkung der Providerhaftung in Art. 272 verstehen. Art. 231 II zur kartellrechtlichen Kontrolle von Technologietransfervereinbarungen entspricht weitgehend der Regelung des EU-CARIFORUM-WPA.484 4.

Handelsabkommen mit Kolumbien und Peru

Auch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kolumbien und Peru andererseits485 enthält in Art. 215–223 Vorschriften zum Urheberrecht. Im Unterschied zum Freihandelsabkommen mit Südkorea486 soll das Abkommen der EU mit Kolumbien und Peru auch einen Ausgleich zwischen den Rechten der Rechteinhaber und dem öffentlichen Interesse bewirken, vgl. Art. 195 lit. b und 196 III. Obwohl die Ziele Bildung und Kultur genannt werden, bleibt diese Absichtserklärung ein reiner Programmsatz: Allgemeinanliegen finden in den Vorschriften des Abkommens zum Urheberrecht keine Berücksichtigung. Stattdessen wird auch hier die Schutzfrist auf 70 Jahre p.m.a erhöht, Art. 218. Ein Beispiel für die internationale Verbreitung der kontinentaleuropäischen Urheberrechtstradition durch bilaterale Handelspolitik ist das der RBÜ nachgebildete Urheberpersönlichkeitsrecht in Art. 216.487 Schließlich wird auch der prozessuale Schutz der Rechtsgegenseite in den Vorschriften zur Rechtsdurchsetzung nur vereinzelt berücksichtigt, vgl. allenfalls die Regelungen zu Ersatzmaßnahmen und 482 Umfasst sind die Staaten Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama, ABl. EU 2012 L 346, S. 3ff. 483 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Bungenberg Art. 217 AEUV Rn. 139ff. 484 Vgl. oben S. 89. 485 ABl. EU L 354 vom 21. 12. 2012, S. 3ff. Ausführlich zu den wirtschaftlichen Hintergründen von der Groeben/Schwarze/Hatje-Cottier/Trinberg vor Art. 206 AEUV Rn. 14. 486 Vgl. dort Art. 10.1. 487 Vgl. dagegen Art. 9 I 2 TRIPs und oben S. 35f. Zwar sind Kolumbien und Peru auch Verbandsmitglieder der RBÜ und damit an Art. 6bis RBÜ gebunden, anders als die RBÜ verfügt das Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru aber über detaillierte Regelungen zur Streitbeilegung, vgl. Art. 298ff. Zur Streitschlichtung im Rahmen der WIPO vgl. Niemann Konkurrierende Vertragsordnungen, S. 242ff.

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Bi- und plurilaterale Verträge

Prozesskosten in Art. 243 und 245. Rechtsbegrenzend wirkt dagegen die Privilegierung der Anbieter von Vermittlungsdienstleistungen in Art. 251. Hiervon abgesehen, ist aber auch das Freihandelskommen der EU mit Kolumbien und Peru kein Beispiel für einen internationalen Maximalschutz.

5.

Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Kanada und den USA, CETA und TTIP

Gegenstand kontroverser Diskussionen sind die transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Während ersteres aufgrund der aktuellen politischen Entwicklung gescheitert sein dürfte,488 wurde CETA am 30. 10. 2016 unterzeichnet und befindet sich seitdem im Ratifikationsprozess.489 Am 15. 2. 2017 hat das Europäische Parlament CETA zugestimmt.490 Der genaue Wortlaut beider Abkommen war während der Verhandlungen lange Zeit mit unterschiedlichem Erfolg unter Verschluss gehalten worden, der Text des CETA-Abkommens liegt aber mittlerweile vollständig vor.491 Das Urheberrecht betreffen die Art. 20.7–20.12, Vorschriften zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums finden sich in Art. 20.32–20.42. Das Urheberrecht nimmt damit in dem 1600 Seiten starken Vertragswerk nur einen bescheidenen Platz ein. Ursprünglich waren viele der urheberrechtlichen Regelungen identisch mit Klauseln des 2012 gescheiterten ACTA-Abkommens.492 Die Endfassung von CETA weist jedoch weniger Überschneidungen auf, die zudem teilweise auf völker- und europarechtliche Vorgaben zurückzuführen sind.493 Insgesamt sind die urheberrechtlichen Vorschriften in CETA im Vergleich zu ACTA deutlich entschärft worden.494 Dennoch geht CETA in Teilen geringfügig über die Vorgaben der internationalen Konventionen hinaus. So erstreckt Art. 20.9 III den rechtlichen Schutz technischer Schutzmaßnahmen auch auf vorbereitende Maßnahmen, die 488 Vgl. oben Fn. 440. 489 Zum Vertragsschlussverfahren Bäumler EuR 2016, 607ff. 490 Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. 2. 2017 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens (CETA) zwischen Kanada einerseits und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten andererseits (10975/2016 – C8–0438/2016–2016/0205(NLE)) (Zustimmung). 491 ABl. EU 2017 L 11, S. 23; zu TTIP vgl. Aggarwal/Evenett in: Gnan/Kronberger, S. 191ff.; Felbermayr in: Gnan/Kronberger, S. 153ff. 492 Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) wurde nach starken Protesten am 4. 7. 2012 vom Europäischen Parlament abgelehnt; hierzu Stieper GRUR Int. 2011, 124ff.; Matthews/Zˇikovsk# IIC 2013, 626ff. Eine ausführliche Gegenüberstellung von ACTA und CETA auf dem Stand von 2012 findet sich bei Geist ACTA Lives, http://www.michaelgeist.ca/ 2012/07/ceta-acta-column/, (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). 493 Lahmann Urheberrechte in CETA, S. 4ff. 494 Lahmann Urheberrechte in CETA, S. 17ff.

Außenhandels- und Assoziierungspolitik der EU

93

Art. 11 WCT zumindest nicht ausdrücklich erfasst.495 Als einzige strafrechtliche Norm sieht CETA in Art. 20.12 das Verbot des Mitschnitts von Filmwerken vor, das allerdings fakultativ ausgestaltet ist. Aus Sicht der Rechteinhaber schutzbegrenzend wirkt wiederum die Haftungsprivilegierung für Provider in Art. 20.11, die im Vergleich zu ACTA deutlich providerfreundlicher ausfällt.496 Insgesamt ist aber auch CETA kein Abkommen, das die Interessen der Nutzer oder der Allgemeinheit berücksichtigt und im Sinne eines Maximalschutzes international schutzbegrenzend wirkt.

III.

Ergebnis

Zur Außenhandels- und Assoziierungspolitik der EU ist folgendes Ergebnis festzuhalten: Urheberrechtliche Bestimmungen finden sich gleichermaßen in Handelsund Assoziierungsabkommen der EU. Die Grenzen insbesondere zwischen einem ambitionierten Freihandelsabkommen und einem weniger umfangreichen Assoziierungsabkommen sind fließend. Die urheberrechtlichen Kapitel der untersuchten Abkommen weisen unabhängig vom jeweiligen Vertragstyp eine ähnliche Struktur auf.497 Die EU scheint einen größeren Einfluss auf die Vertragsgestaltung zu haben als ihre jeweiligen Vertragspartner. In den Abkommen jüngeren Datums erfahren die Immaterialgüterrechte eine ausführlichere Behandlung,498 während sich ältere Assoziierungsabkommen mit einer Verweisung auf die jeweiligen internationalen Konventionen begnügen.499 Die EU nutzt ihren weltweiten wirtschaftspolitischen Einfluss allerdings bisher nicht zur Regelung internationaler Maximalschutzstandards. Schutzbegrenzende Regelungen finden sich auch in den jüngeren Abkommen der EU nur sehr vereinzelt. Geregelt werden dagegen TRIPs-Plus-Standards,500 wie etwa die 495 Fiscor The Law of Copyright and the Internet, Rn. C11.12 will schon die Vorgaben des Art. 11 WCT aufgrund teleologischer Erwägungen auf vorbereitende Maßnahmen erstrecken. 496 Lahmann Urheberrechte in CETA, S. 6ff. 497 So unterscheiden sich das Freihandelsabkommen mit Südkorea, das Assoziierungsabkommen mit den Staaten Zentralamerikas und das Handelsabeinkommen mit Peru und Kolumbien hinsichtlich ihrer urheberrechtlichen Regelungen nicht grundlegend, vgl. oben S. 88ff. 498 Vgl. etwa die Regelungen der Abkommen mit Südkorea (2011), den Staaten Zentralamerikas (2012), Kolumbien und Peru (2012) und Kanada (2016), oben S. 88ff. 499 Vgl. etwa die Regelungen der Abkommen mit Tunesien (1998) und Südafrika (1999), oben Fn. 460, 461. 500 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Cottier/Trinberg Art. 207 AEUV Rn. 47.

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Bi- und plurilaterale Verträge

siebzigjährige postmortale Schutzfrist501 für urheberrechtlich geschützte Werke oder der erweiterte rechtliche Schutz technischer Schutzmaßnahmen.502 Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind schließlich auch die ausführlichen Kapitel zur Rechtsdurchsetzung einseitig auf die Interessen der Rechteinhaber ausgerichtet.

C.

Die weltweite Verdichtung von TRIPs-Plus-Mindeststandards

Dieser außenhandelspolitische Ansatz der EU fügt sich in eine weltweite Entwicklung ein, die in steigender Anzahl Freihandelsabkommen mit immaterialgüterrechtlichen TRIPs-Plus-Standards hervorbringt.503 Diese Entwicklung beruht nicht allein auf der aktiven Politik der USA und der Europäischen Union. Auch Japan, das anders als die europäischen Industrienationen nicht Teil eines größeren Integrationsraumes ist, betreibt eine stark freihandelsmotivierte Außenhandelspolitik und vereinbart zunehmend TRIPs-Plus-Standards.504 Zusätzlich angetrieben durch die Interessen der Exportindustrie, entsteht so ein Wettlauf um die höchsten Schutzstandards und um die internationale Durchsetzung der eigenen Schutzkonzepte.505 Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Eine große Anzahl von Freihandelsabkommen befindet sich noch in der Verhandlungsphase.506 Problematisch hieran ist aus urheberrechtlicher Sicht weniger die Unangemessenheit des auf diese Weise verbreiteten Schutzniveaus. Mit ACTA, das allerdings im Wesentlichen nur das in den USA und der EU bereits geltende Schutzniveau widerspiegelte,507 wurden in dieser Hinsicht die schlimmsten 501 Vgl. Art. 10.6 des Abkommens mit Südkorea, oben S. 90; Art. 234 des Abkommens mit den zentralamerikanischen Staaten, oben S. 91; und Art. 218 des Abkommens mit Peru und Kolumbien, oben S. 91f. 502 Vgl. Art. 20.9 III CETA, oben S. 92f. 503 Handler/Mercurio in: Lester u. a. Bilateral and Regional Trade Agreements, S. 325; Roffe/ Spennemann/von Braun in: Correa Research Handbook, S. 266, 273f. 504 MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 120; der aktuelle Stand ist abrufbar unter http://www.mofa. go.jp/policy/economy/fta/ (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017). Eher zurückhaltend noch die urheberrechtlichen Regelungen in Kap. 10 des Abkommens mit Singapur (2007), ausführlicher dagegen Kap. 16 des späteren Abkommens mit Australien (2014), beide abrufbar aaO. 505 MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 110. Exemplarisch ist das von den USA angestrengte WTOStreitbeilegungsverfahren gegen die ursprüngliche EWG-Verordnung zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, WTO_Doc. WT/DS174/R; hierzu Raith Int’l Trade L. & Reg. 2009, 119, 121. 506 Zum jeweils aktuellen Stand der Verhandlungen vgl. oben Fn. 431 (USA), 442 (EU) und 504 (Japan). Die USA scheinen aktuell rein bilaterale Verhandlungen zu bevorzugen, vgl. oben Fn. 440. 507 Dreier/Schulze Einl. Rn. 46a; ausführlich zu den verbliebenen Unstimmigkeiten. Metzger

Die weltweite Verdichtung von TRIPs-Plus-Mindeststandards

95

Auswüchse verhindert. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass durch die schiere Anzahl der Freihandelsabkommen und das wirtschaftliche Übergewicht der Industriestaaten auf bilateraler Ebene neue Standards gesetzt werden, die sich, sobald eine entsprechende Verbreitung gegeben ist, auch auf konventionsrechtlicher Ebene durchsetzen könnten.508 Dieser Effekt wird durch das WTO-Recht noch verstärkt. Art. XXIV:5 GATT, der Freihandelsabkommen von der sonst geltenden GATT-Meistbegünstigungsverpflichtung ausnimmt,509 befreit nicht von der Meistbegünstigung durch Art. 4 TRIPs.510 TRIPs-Plus-Standards sind daher nach Maßgabe von Art. 4 TRIPs den Staatsangehörigen aller TRIPs-Vertragsstaaten zu gewähren. Auf diese Weise entfalten Freihandelsabkommen, die hinsichtlich des urheberrechtlichen Schutzniveaus über das geltende Konventionsrecht hinausgehen, eine multilateralisierende Wirkung.511 Zudem können die bestehenden Verträge als Referenzdokumente bei der Aushandlung künftiger Übereinkommen dienen, wodurch die bestehenden hohen Schutzstandards weiter verfestigt werden.512 Diese Spirale ständiger Schutzerhöhungen wird verstärkt, wenn schutzerhöhende Maßnahmen, die zunächst als handelsfördernde nationale Gesetzgebung beschlossen werden, in unmittelbarer Folge zu einem Ziel der Außenhandelspolitik erklärt werden und Eingang in die Verhandlung von Freihandelsabkommen finden.513 Der durch TRIPs belassene politische Spielraum der einzelnen Staaten verringert sich durch TRIPs-Plus-Standards auf diese Weise immer mehr. Gleichzeitig werden dadurch die Möglichkeiten für Reformen des Urheberrechts im Interesse der Allgemeinheit stetig weiter eingeschränkt.514

508 509 510 511 512 513 514

u. a. JIPITEC 2011, 65ff. sowie die Erwiderung der Kommission in JIPITEC 2011, 171ff.; Stieper GRUR Int. 2011, 124ff. Mavroidis GATT, S. 225ff.; Handler/Mercurio in: Lester u. a. Bilateral and Regional Trade Agreements, S. 324, 327. Hierzu Herrmann/Weiß/Ohler Rn. 617; Hilf/Oeter-Boysen WTO Recht, § 31 Rn. 28ff. Cottier in: Macrory u. a. The WTO, S. 1069; Busche/Stoll/Wiebe-Lüers TRIPs, Art. 4 Rn. 16ff.; Handler/Mercurio in: Lester u. a. Bilateral and Regional Trade Agreements, S. 324. MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 112; Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 365. Diese Gefahr drohte insbesondere durch ACTA, vgl. Stieper GRUR Int. 2011, 124, 131; Dreier/Schulze Einl. Rn. 46a. Ausführlich Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 366 und dort Fn. 30. Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 364; Handler/ Mercurio in: Lester u. a. Bilateral and Regional Trade Agreements, S. 324, 327; bzgl. der Auswirkungen von CETA auf die urheberrechtlichen Reformbemühungen der EU vgl. Lahmann Urheberrechte in CETA, S. 21f.

96

D.

Bi- und plurilaterale Verträge

Zwischenergebnis

Urheberrechtliche Regelungen finden sich in den Freihandelsabkommen der jüngeren Generation in steigender Anzahl. Die Industriestaaten befinden sich international nach wie vor in der stärkeren Verhandlungsposition und nutzen diese überwiegend zur Vereinbarung von TRIPs-Plus-Standards.515 Schutzbegrenzende Vorschriften werden nur ausnahmsweise vorgesehen, etwa in einigen prozessualen Vorschriften oder mittelbar durch kartellrechtliche Verpflichtungen.516 Soweit sich Regelungen zu den urheberrechtlichen Schranken finden, beschränken sie sich auf den konventionsrechtlich bereits gefestigten Dreistufentest.517 Es ist allerdings auch fraglich, ob bilaterale Abkommen überhaupt geeignet sind, um Maximalschutzgrenzen festzulegen. Bilaterale Verträge können das Schutzniveau der multilateralen Konventionen nicht unterschreiten, sofern einer der beteiligten Staaten konventionsrechtlichen Verpflichtungen unterliegt.518 Davon abgesehen würde ein solcher Versuch nur eine begrenzte Signalwirkung entfalten. Politisch zielführend wäre er nur, wenn sich die großen Industrienationen beteiligen würden. Da diese wiederum ebenfalls untereinander wirtschaftlich konkurrieren,519 werden sie sich nicht gegeneinander ausspielen lassen und sich an Maximalschutzinitiativen, wenn überhaupt, nur gemeinsam beteiligen. In diesem Fall wäre der Weg für verpflichtende Schutzobergrenzen aber auch auf multilateralen Ebene frei.520 Bi- und plurilaterale Abkommen sind deshalb kein Instrument, von dem eine wirksame Begrenzung des internationalen urheberrechtlichen Schutzniveaus zu erwarten ist.

515 Roffe/Spennemann/von Braun in: Correa Research Handbook, S. 266, 308f.; Grosse RuseKhan IIC 2013, 873, 873; Roffe in: Derxl/Grosse Ruse-Khan/Nadde-Phlix EU Bilateral Trade Agreements, S. 17, 18f.; Handler/Mercurio in: Lester u. a. Bilateral and Regional Trade Agreements, S. 324, 325. 516 Siehe oben S. 89f. 517 Siehe oben S. 90f. 518 Vgl. Art. 20 RBÜ und Art. 9 I S. 1 TRIPs. 519 Vgl. schon v. Lewinski FS Kreile, S. 389ff. 520 Zum Widerstand der Industrieländer gegen zwingende internationale Schrankenregelungen siehe oben S. 65f.

Fazit des 1. Teils: Erforderlichkeit internationaler Maximalschutzgrenzen

Statt einer Zusammenfassung der Ergebnisse zum internationalen Urheberrecht521 soll an dieser Stelle abschließend erörtert werden, ob weitere internationale Maximalschutzgrenzen erforderlich sind. Hierfür werden ihre Vor- und Nachteile gegenübergestellt. Wünschenswert erscheint eine internationale Begrenzung des Urheberrechtsschutzes im Wesentlichen aufgrund der Interessen, die durch einen Maximalschutz geschützt werden können.522 Schranken, die der Beteiligung von Menschen mit Behinderung am kulturellen Leben dienen oder allgemeinen den Zugang zu Bildung fördern sollen, sind menschenrechtlich begründet.523 Es lässt sich kaum überzeugend argumentieren, dass sich derartig wichtige Interessen dem Urheberrecht vollständig unterordnen müssten. Dennoch bezweifeln die Kritiker einer Einführung zwingender Schranken die Erforderlichkeit internationaler Maximalschutzgrenzen. Die Berücksichtigung von Nutzer- und Allgemeininteressen sei auf internationaler Ebene nicht so dringend wie der Schutz der Urheber. Während einzelne Staaten keinen Grund hätten, fremde Urheber von sich aus zu schützen und sich deshalb gegenseitig vertraglich binden müssten, würden sie die Schranken des Urheberrechts bereits im eigenen Interesse regeln. Internationaler Vorgaben bedürfe es deshalb diesbezüglich nicht.524 Historisch betrachtet ist diese Kritik berechtigt. Nationalstaaten neigen dazu, den Verwertungsinteressen der eigenen Bürger gegenüber dem Schutz fremder Werke den Vorrang einzuräumen. Während Schrankenregelungen innenpolitisch eingefordert werden, lässt sich der Schutz ausländischer Urheber tatsächlich nur staatsvertraglich verwirklichen.525 Im historischen Kontext eines 521 Sie erfolgt am Ende dieser Arbeit, unten S. 231f. 522 Grosse Ruse-Khan Trade, Law and Development 1:56 (2009), 56, 73ff. 523 Vgl. etwa die UN-Behindertenrechtskonvention (CRPD), oben Fn. 44 sowie Art. 15 UNSozialpakt (oben Fn. 42). 524 v. Lewinski RIDA 225 (2010), 53, 75ff.; vgl. auch oben S. 68ff. mwN. 525 Siehe oben S. 33ff.

98

Fazit des 1. Teils

zersplitterten und nicht aufeinander abgestimmten Urheberrechtsschutzes war es deshalb sinnvoll, dass die internationalen Staatsverträge den Fokus auf die Inländerbehandlung und die Mindestrechten der Urheber legten.526 Gleiches gilt für den schrittweisen Ausbau des Schutzniveaus, der meist in Reaktion auf neu entstandene Verwertungsmöglichkeiten erfolgte.527 Mittlerweile bleibt das internationale Konventionsrecht aber kaum mehr hinter dem Standard vieler nationaler Rechtsordnungen zurück, sondern es führt zu einer schleichenden Ausdehnung des urheberrechtlichen Schutzes.528 Es erreicht damit zunehmend ein Niveau, auf dem es sich nicht mehr auf die Regelung von Mindestrechten der Urheber zurückziehen und die Berücksichtigung von Nutzerinteressen den Nationalstaaten überlassen kann. Dieser stetigen Ausdehnung des Schutzniveaus kann nur durch eine Festlegung verbindlicher Schutzobergrenzen auf multilateraler Ebene wirksam begegnet werden, da einzelne Staaten, insbesondere die Entwicklungsländer, anderenfalls dem internationalen und innenpolitischen529 Druck des Freihandels und der Lobbyverbände kaum werden standhalten können.530 Zwingende urheberrechtliche Schranken auf internationaler Ebene sind deshalb ein Instrument, mit dem sich ein wirtschaftspolitisch motivierter Überbietungswettbewerb zwischen den Staaten gezielt unterbinden lässt. Eine Regelung der Schutzobergrenzen ist mittlerweile auch aus Gründen der Rechtsklarheit wünschenswert. Das Geflecht der internationalen Staatsverträge ist gerade für Entwicklungsländer nur schwer zu durchdringen und umzusetzen. Hier wäre eine über den Dreistufentest hinausgehende klarere Regelung der Zulässigkeit von Schranken hilfreich,531 zumal der Dreistufentest vom WTOPanel in der Regel im Interesse der Rechteinhaber interpretiert wird.532 Schließlich haben internationale Maximalschutzgrenzen in Zeiten, in denen der Rechtfertigungsdruck533 auf das Urheberrecht zunimmt, eine starke Signalwirkung. Es kann der Sache des Urheberrechts nicht schaden, wenn sich neben der zum Teil berechtigten Kritik an Vorhaben wie ACTA534 auch auf den

526 Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 363; Kur WIPO-Journal 2009, 27. 527 v. Lewinski RIDA 225 (2010), 53, 57; namentlich gilt dies etwa für den WCT, vgl. Fiscor The Law of Copyright and the Internet, Rn. C-Pr.08 und C8.01ff. 528 MüKo-Drexl IntImmGR, Rn. 49; v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 26.01; insbesondere gilt dies für bilaterale Verträge, siehe oben S. 83ff. mwN. 529 Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 366. 530 Kur WIPO-Journal 2009, 27, 32. 531 Grosse Ruse-Khan/Kur in: Kur/Levin IP in a Fair World Trade System, S. 359, 367. 532 Kur in: dies./Levin, S. 208, 222ff. 533 Schack FS Wandtke, S. 9; siehe auch oben S. 66ff. mwN. 534 Hierzu Stieper GRUR Int. 2011, 124ff.

Fazit des 1. Teils

99

erfolgreichen Abschluss eines menschenrechtlich motivierten Staatsvertrages wie den Marrakesch-Vertrag der WIPO verweisen lässt. Internationale Maximalschutzgrenzen sind somit ein sinnvolles und mittlerweile notwendiges Instrument, um berechtigte Nutzer- und Allgemeininteressen auf internationaler Ebene zu wahren. Dennoch ist aus zwei Gründen ein behutsames Vorgehen geboten: Zum einen müssen Maximalschutzgrenzen sich zwangsläufig auch an das innerstaatliche Recht richten.535 Sie greifen damit potentiell tiefer in die im nationalen Recht gefundenen gesellschaftlichen Kompromisse zwischen Urheberschutz und Allgemeininteresse ein als das bisher übliche fremdenrechtliche Konventionsrecht. Zum anderen verengt die Kombination von Mindest- und Maximalschutz auf internationaler Ebene generell den Gestaltungsspielraum der Nationalstaaten. Gesellschaftliche Wertentscheidungen sind allerdings auch im Urheberrecht weltweit verschieden.536 Eine umfassende materiell-rechtliche Angleichung ist nur für die EU,537 nicht aber weltweit erforderlich. Tatsächlich geboten sind nur Einschränkungen im Interesse der Menschenrechte, insbesondere also zum Schutz der Meinungsfreiheit, zur Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderung und zur Förderung des freien Zugangs zu Bildung. Gerade die WIPO, die als Unterorganisation der UN538 den Millennium-Entwicklungszielen der Vereinten Nationen verpflichtet ist,539 ist berufen, in dieser Richtung weiterhin tätig zu bleiben. Dieser Zielsetzung entspricht es, dass die WIPO gegenwärtig an Schranken arbeitet, die Bibliotheken und Archive sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen für Menschen mit Behinderung begünstigen sollen.540 Dieser Ansatz ist zu begrüßen. Mit der Berücksichtigung menschrechtlich gebotener Einschränkungen lässt sich neben dem grenzüberschreitenden Schutz der Urheber für das Konventionsrecht eine 535 Siehe oben S. 40ff., S. 79f. 536 Vgl. Möhring/Schulze/Ulmer/Zweigert Quellen des Urheberrechts, Band 1–6; Stewart International Copyright and Neighbouring Rights, Part 2; DeVoss/Rife Cultures, passim; Ganea/Heath/Saito¯ Japanese Copyright Law, passim; Xun Yu Schadensersatzanspruch, passim (VR China); Nal Probleme des türkischen Urheberrechts, passim; Davies Copyright and Public Interest, 4–001ff.; Kleinemenke Fair Use, passim (Schranken); Mezger Schutzschwelle, S. 163ff. (Werke der angewandten Kunst); weitere Nachweise bei Schack UrhR, Rn. 166ff. 537 Schack ZGE 2009, 275, 281; ders. FS 50 Jahre UrhG, S. 277ff. 538 Vgl. das Übereinkommen zwischen der UN und der WIPO vom 17. 12. 1974, abrufbar unter http://www.wipo.int/treaties/en/text.jsp?file_id=305623#fstar (zuletzt abgerufen am 28. 4. 2017); hierzu Nord Rechtsnachfolge, S. 80ff. 539 May Resurgence and the Development Agenda, S. 4; Bannerman Access to Knowledge, S. 29. 540 Vgl. zur 33. Sitzung des SCCR vom 14.–18. 11. 2016 WIPO docs: SCCR/33/1 PROV; SCCR/ 33/4; SCCR/33/6; SCCR/33/7 PROV; vgl. auch Wilkinson in: Perry Global Governance, S. 107, 121ff.; Bannerman Access to Knowledge, S. 53ff.

100

Fazit des 1. Teils

zweite Zielsetzung etablieren. Im Gegensatz zum europäischen Recht muss das internationale Urheberrecht über diesen Ansatz aber nicht hinausgehen. Eine weltweite Rechtsvereinheitlichung ist nicht anzustreben.

Teil 2: Maximalschutz im europäischen Urheberrecht Im Folgenden wird das bestehende europäische Urheberrecht auf Maximalschutzgrenzen untersucht. Der acquis communautaire im Urheberrecht ist im Kern Richtlinienrecht. Zu einer Urheberrechtsverordnung hat sich der europäische Gesetzgeber noch nicht durchringen können, obwohl mit Art. 118 AEUV mittlerweile eine entsprechende Kompetenzgrundlage zur Verfügung steht.541 Im Wesentlichen auf Grundlage der Binnenmarktkompetenz (Art. 114 AEUV) erlassen, gelten gegenwärtig zehn Richtlinien, die Anforderungen an die nationalen Urheberrechtsordnungen stellen.542 Ganz oder teilweise europäisch harmonisiert sind der Rechtsschutz von Computerprogrammen,543 das Vermiet- und Verleihrecht,544 der Satellitenrundfunk und die Kabelweitersendung,545 die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte,546 der rechtliche Schutz von Datenbanken,547 zahlreiche Aspekte des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, insbesondere die Verwertungsrechte und Schranken,548 das Folgerecht,549

541 GHN-Stieper Art. 118 AEUV Rn. 5ff.; Schack ZGE 2009, 275ff.; ders. FS 50 Jahre UrhG, S. 277, 280ff.; Lucas-Schloetter in: Stamatoudi/Torremans EU Copyright Law, Rn. 1.19ff. 542 GHN-Stieper Art. 118 AEUV Rn. 5ff.; Schack UrhR, Rn. 139; ders. ZGE 2009, 275ff.; ausführlich Ramalho Competence in EU Copyright, S. 9ff. 543 RL 91/250/EWG vom 14. 5. 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABl. EG 1991 L 122, S. 42, seit 23. 4. 2009 gültig in der neu kodifizierten Fassung RL 2009/24/EG, ABl. EU 2009 L 111, S. 16 (Software-RL). 544 RL 92/100/EWG vom 19. 11. 1992 zum Vermiet- und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des Geistigen Eigentums, ABl. EG 1992 L 346, S. 61, seit 12. 12. 2006 gültig in der neu kodifizierten Fassung RL 2006/115/EG, ABl. EU 2006 L 376, S. 28, (Vermiet-RL). 545 RL 93/83/EWG vom 27. 9. 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweitersendung, ABl. EG 1993 L 248, S. 15. 546 RL 93/98/EWG vom 29. 10. 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte, ABl. EG 1993 L 290, S. 9, seit 12. 12. 2006 gültig in der kodifizierten Fassung RL 2006/116/EG. ABl. EU 2006 L 372, S. 12, in Bezug auf ausübende Künstler und Tonträgerhersteller abgeändert durch RL 2011/77/EU vom 27. 9. 2011. 547 RL 96/9/EG vom 11. 3. 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken, ABl. EG 1996 L 77, S. 20. 548 RL 2001/29/EG vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte der Informationsgesellschaft, ABl. EG 2001 L 167, S. 10 (InfoSoc-RL).

102 die Rechtsdurchsetzung,550 die Nutzung verwaister Werke551 sowie die kollektive Rechtewahrnehmung.552 Die europäische Richtliniengesetzgebung fordert den Rechtsanwender durch die zweistufige Regelungsstruktur von Richtlinienvorgaben und nationalem Umsetzungsakt rechtstechnisch und methodisch heraus. Vorab ist daher zu untersuchen, nach welcher Methodik sich europäische Maximalschutzvorgaben ermitteln lassen (Kapitel 5). Der so erarbeitete methodische Rahmen soll dann exemplarisch auf einige wichtige Bereiche des europäischen Urheberrechts angewandt werden (Kapitel 6).

549 RL 2001/84/EG vom 27. 9. 2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerkes, ABl. EG 2001 L 272, S. 32. 550 RL 2004/48/EG vom 29. 4. 2004 zur Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums, ABl. EU 2004 L 195, S. 16. 551 RL 2012/28/EU vom 25. 10. 2012 über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke, ABl. EU 2012 L 299, S. 5. 552 RL 2014/26/EU vom 26. 2. 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt, ABl. EU 2014 L 84, S. 72.

Kapitel 5: Methodischer Rahmen

Gegenstand der weiteren Untersuchung ist die europäische Richtlinie. Maximalschutzgrenzen können sich naturgemäß nur aus zwingenden Vorgaben ergeben. Es bedarf daher zunächst einer präzisen Festlegung der Reichweite europäischer Richtliniengesetzgebung (unten A.). Jenseits dieser Vorgaben können zwingende europäische Schutzobergrenzen nur durch Rechtsfortbildung des EUGH (unten B.) oder übergeordnete Vorgaben des Unionsrechts im bestehenden Umsetzungsspielraum entstehen (unten C.). Dabei gilt es zu beachten, dass das Unionsrecht als autonome Rechtsordnung553 nach einer eigenständigen Methodenlehre verlangt.554

A.

Reichweite europäischer Richtliniengesetzgebung

Europäische Richtlinien sind nach Art. 288 III AEUV für die Mitgliedstaaten »hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich«, überlassen »jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.« Letztere ist dem »effet utile«- Grundsatz verpflichtet.555 Die Wahlfreiheit betrifft allerdings nur die rechtstechnischen Instrumente der Richtlinienumsetzung.556 Der Umfang und die inhaltlichen Grenzen der Harmonisierungswirkung einer Richtlinie ergeben sich aus anderen Gesichtspunkten: Zunächst folgt aus dem kompetenzrechtlichen Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und dem Subsidiaritätsgrundsatz,557 dass Richtlinien, wie an553 Martens Methodenlehre, S. 131ff. 554 Riesenhuber in: ders. Europäische Methodenlehre, S. 1ff. 555 EUGH Rs. C-48/75, EU:C:1976:57 = NJW 1976, 2065, Tz. 69/73 – Royer; Calliess/Ruffert Art. 288 AEUV Rn. 26; kritisch GHN-Nettesheim Art. 288 AEUV Rn. 112. 556 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Geismann Art. 288 AEUV Rn. 44; Peiner EU-Richtlinien, S. 2; Mittwoch Vollharmonisierung, S. 16f. 557 Vgl. Art. 5 I–III EUV.

104

Methodischer Rahmen

dere Rechtsnormen auch, nur einen begrenzten Anwendungsbereich haben.558 Dieser bestimmt die »Küstenlinien« der »unionsrechtlichen Regelungsinsel«.559 Maßnahmen der europäischen Rechtsangleichung sind in der Regel auf einen Ausschnitt eines umfassenderen Regelungskomplexes begrenzt.560Außerhalb ihres Anwendungsbereichs treffen sie keine normative Aussage und entfalten auch keine Harmonisierungswirkung.561 Es ist daher zunächst auf die Ermittlung des Anwendungsbereichs einzugehen (unten I). Von diesen Spielräumen jenseits des Anwendungsbereichs sind die Spielräume zu unterscheiden, die auch im Gegenstandsbereich einer Richtlinie verbleiben können.562 Letztere ergeben sich aus den Besonderheiten der Richtlinie als Rechtsvereinheitlichungsinstrument. Der Unionsgesetzgeber kann zwischen verschiedenen Harmonisierungsintensitäten wählen, von einer Mindestharmonisierung bis hin zu einer Vollharmonisierung. Entsprechend unterschiedlich groß sind die Umsetzungsspielräume der nationalen Gesetzgeber (unten II). Schließlich ist es bei einer Harmonisierung durch Richtlinien nicht notwendig, die Vorgaben vollständig bis ins letzte Detail zu konkretisieren. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann die Harmonisierungswirkung einer Richtlinie begrenzt sein (unten III).

I.

Anwendungsbereich

Der Anwendungsbereich von Richtlinien ist in sachlicher, persönlicher und gegebenenfalls auch räumlicher Hinsicht begrenzt.563 Jenseits ausdrücklicher Regelungen564 kann die Bestimmung des Anwendungsbereichs methodische Schwierigkeiten bereiten: Aufgrund der zweistufigen Regelungsstruktur europäischer Richtlinien 558 Riehm in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 90; inhaltsgleich wird auch der Begriff »Gegenstandsbereich« verwendet, vgl. Wagner Mindestharmonisierung, S. 42ff.; ebenso Jäger Überschießende Richtlinienumsetzung, S. 31. Schaub ZEuP 2003, 562, 573 differenziert zwischen »Anwendungsbereich« und »Regelungsbereich«. 559 Rittner JZ 1995, 849, 851; Riehm JZ 2006, 1035, 1037. 560 Wagner Mindestharmonisierung, S. 43f.; Bron Rechtsangleichung, S. 99; Gsell/Schellhase JZ 2009, 20, 22. 561 EUGH Rs. C-361/89, EU:C:1991:118 = ZfRV 1992, 57, Tz. 22 – Di Pinto; BGH NJW 2012, 2571, 2573, Tz. 24; Mittwoch Vollharmonisierung, S. 24; Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 134; Riehm in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 90; ders. JZ 2006, 1035, 1037. 562 Riehm in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 86ff. differenziert zwischen Spielräumen extra und intra muros. 563 Bron Rechtsangleichung, S. 99f.; Habersack/Mayer in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 301f. 564 Siehe etwa Art. 1 InfoSoc-RL, oben Fn. 548.

Reichweite europäischer Richtliniengesetzgebung

105

lässt sich der Anwendungsbereich nicht mit dem Tatbestand einer Richtlinie gleichsetzen.565 Denn anders als eine nationale Rechtsnorm entfaltet eine Richtlinie keine direkte Wirkung gegenüber Privaten, sondern sie richtet lediglich einen Umsetzungsbefehl an die Mitgliedstaaten. Die inhaltlichen »Rechtsfolgen« gehören daher zum Regelungsgehalt einer Richtlinie und lassen sich nicht im herkömmlichen Sinne von ihrem Tatbestand trennen.566 Überzeugender ist deshalb ein Rückgriff auf das »Ziel« einer Richtlinie iSv Art 288 III AEUV.567 Richtlinien verpflichten die Mitgliedstaaten dazu, einen bestimmten Rechtszustand herzustellen.568 Sie verlangen mit anderen Worten für bestimmte Sachverhalte den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen.569 Diese Sachverhalt-Rechtsfolge-Relation ist das eigentliche Ziel einer Richtlinie. Sie lässt sich auch für die Bestimmung ihres Anwendungsbereichs fruchtbar machen:570 Umfasst ist erstens die Menge derjenigen Lebenssachverhalte, die von mindestens einer – positiven oder negativen – Regelungsaussage der Richtlinie erfasst werden. Zweitens ist zu ermitteln, welchen Bereich der denkbaren Rechtsfolgen eine Richtlinie für die ermittelten Sachverhaltskonstellationen regelt.571

1.

Erfasste Sachverhalte

Im Anwendungsbereich einer Richtlinienregelung liegen somit alle Sachverhalte, für die eine Richtlinie den Eintritt einer bestimmten Rechtsfolge verlangt oder verbietet.572 Soweit eine Richtlinie die von ihr geregelten Sachverhalte und Rechtsfolgen positiv oder negativ explizit festlegt, ist die Bestimmung des Anwendungsbereichs weitgehend unproblematisch.573 Allerdings können be565 Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 139; a. A. Brandner Die überschießende Umsetzung von Richtlinien, S. 11ff. 566 Riehm JZ 2006, 1035, 1038; Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 139. 567 Riehm in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 88. Treffender wäre die Übersetzung »Ergebnis«, vgl. schon H.P. Ipsen FS Ophüls, S. 72f.; Franzen Privatrechtsangleichung, S. 245; Oppermann/Classen/Nettesheim Europarecht, § 9 Rn. 90. 568 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Geismann Art. 288 AEUV Rn. 41; GHN-Nettesheim Art. 288 AEUV Rn. 112. 569 Riehm JZ 2006, 1035, 1038; Herresthal ZGS 2007, 48, 51; Gsell/Schellhase JZ 2009, 20, 22. 570 Riehm in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 88; Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 139ff.; Wendehorst in: Jud/Wendehorst Umsetzungskonzepte, S. 162 sowie in ZEuP 2011, 263, 268 differenziert inhaltlich ähnlich zwischen dem »sachlichen« und dem »inhaltlichen« Harmonisierungsbereich. 571 So auch Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 140f. und 145f. 572 Riehm JZ 2006, 1035, 1038f.; Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 139; Herresthal ZGS 2007, 48, 51; Gsell/Schellhase JZ 2009, 20, 22. 573 So zählt etwa Art. 1 III Handelsvertreter-RL 86/653/EWG, explizit auf, wer Handelsvertreter im Sinne der Richtlinie ist und wer nicht.

106

Methodischer Rahmen

stimmte Sachverhalte, auch wenn sie nicht genannt werden, geregelt sein. Sie unterliegen dann einer negativen Regelungsvorgabe und dürfen mit den erfassten Rechtsfolgen nicht verknüpft werden.574 Exemplarisch hierfür war die Frage, ob sich der Anwendungsbereich der vollharmonisierenden575 Produkthaftungsrichtlinie auf die Beschädigung privat genutzter Sachen beschränkt oder auch gewerblich genutzte Gegenstände erfasst. Bei einem weiten Anwendungsbereich hätten die Fälle einer Beschädigung gewerblich genutzter Gegenstände eine negative Regelung erfahren; den nationalen Gesetzgebern wäre es verwehrt gewesen, eine entsprechend weitreichende verschuldensunabhängige Produkthaftung vorzusehen.576 Der EUGH entschied anders und nahm nur einen begrenzten Anwendungsbereich an. Es stand den Mitgliedstaaten deshalb frei, in überschießender Umsetzung eine Produkthaftung auch für den gewerblichen Bereich vorzusehen.577 Ein Beispiel aus dem Urheberrecht bietet die Aufzählung der Rechteinhaber in Art. 3 I Vermiet-RL.578 Diese versteht der EUGH als abschließend, weshalb das Vermiet- und Verleihrecht dem Filmhersteller, nicht aber auch einem Videogramm-Produzenten, gewährt werden darf.579 Der EUGH geht demnach von einem weiten Anwendungsbereich und einer negativen Regelungsaussage des Art. 3 I Vermiet-RL aus.580 Methodisch erfolgt die Abgrenzung zwischen nicht erfassten Sachverhalten und negativen Regelungsvorgaben durch autonome Auslegung581 der einzelnen Richtlinienregelung. Insbesondere das Telos einer Norm sowie die angestrebte Harmonisierungsintensität lassen häufig Rückschlüsse auf den Geltungsbereich einer Regelung zu.582 574 Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 141; Wendehorst in: Jud/Wendehorst Umsetzungskonzepte, S. 164, spricht von einem »Teilausschluss«. Zu negativen Regelungen in Abgrenzung zu rechtsfreien Räumen vgl. allgemein Engisch Einführung, S. 241f. 575 EUGH Rs. C-154/00, EU:C:2002:254 = EWS 2002, 280, Tz. 10, 13 – Kommission/Griechenland; EUGH Rs. C-52/00, EU:C:2002:252 = EWS 2002, 277, Tz. 14 – Kommission/ Frankreich. 576 Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 142. 577 EUGH Rs. C-285/08, EU:C:2009:351 = NJW 2010, 1514, Tz. 24ff. – Monteurs Leroy Somer/ Dalkia France; hierzu kritisch Kupferberg GPR 2010, 78, 80; Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 142; ausführlich Schaub ZEuP 2003, 562, 574ff. 578 Siehe oben Fn. 544. 579 EUGH Rs. C-61/05, EU:C:2006:467 = GRUR 2006, 935 – Kommission/Portugal, noch zu Art. 2 I aF, RL 92/100/EWG. Die »black list« der UGP-RL 2005/29/EG hat der EUGH ebenfalls als abschließend eingeordnet; EUGH Rs. C-261/07, EU:C:2009:244 = GRUR 2009, 599, Tz. 56ff. – VTB-VAB/Total. 580 v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 178. 581 Hierzu Martens Methodenlehre, S. 329ff.; Riesenhuber in: ders. Europäische Methodenlehre, § 10. 582 Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 141f.; Ahmling Analogiebildung, S. 180f. Zur Harmonisierungsintensität sogleich S. 108ff.

Reichweite europäischer Richtliniengesetzgebung

2.

107

Erfasste Rechtsfolgen

Eine Richtlinie kann auch hinsichtlich der Rechtsfolgenseite einen begrenzten Anwendungsbereich haben. Teilweise werden bestimmte Rechtsfolgen explizit vom Anwendungsbereich ausgenommen.583 Ähnlich wie im Falle negativer Regelungsvorgaben auf Sachverhaltsseite ist es denkbar, dass eine Richtlinie die Rechtsfolgenseite abschließend regelt. Die nicht erwähnten Rechtsfolgen sind dann vom Anwendungsbereich erfasst, dürfen für den harmonisierten Sachverhalt jedoch nicht vorgesehen werden.584 Eine Beschränkung der erfassbaren Rechtsfolgen ergibt sich in jedem Fall aus der unionsrechtlichen Kompetenzordnung: Rechtsfolgen, für deren Anordnung keine unionsrechtliche Kompetenzgrundlage vorhanden ist, können vom Anwendungsbereich einer Richtlinie nicht erfasst sein.585 Davon abgesehen sind die von einer Richtlinie erfassten Rechtsfolgen ebenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Teilweise wird diesbezüglich im Bereich der Binnenmarktharmonisierung unter Hinweis auf den »effet utile« eine Vermutung für die vollständige Erfassung aller denkbaren Rechtsfolgen angenommen.586 Dem ist in dieser Pauschalität nicht zuzustimmen. Richtig ist nur, dass im Zweifel alle Rechtsfolgen negativ erfasst sind, die geeignet sind, die praktische Wirksamkeit einer vollharmonisierenden Richtlinie zu unterlaufen. Im Übrigen hat der Unionsgesetzgeber im Richtlinientext und den Erwägungsgründen ausreichend Gelegenheit, negative Regelungsvorgaben ausdrücklich vorzusehen und sollte dies im Interesse der Rechtsklarheit auch tun.587 3.

Zwischenergebnis

Der Anwendungsbereich einzelner Regelungskomplexe einer Richtlinie ergibt sich aus dem Zusammenspiel der erfassten Sachverhalte und Rechtsfolgen. In beiden Fällen ist eine Begrenzung des Anwendungsbereichs streng von einer negativen Regelungsvorgabe zu unterscheiden. Dafür ist eine Auslegung der einzelnen Regelung unter besonderer Berücksichtigung ihres Zwecks nötig. Aus diesem Verständnis folgt, dass der Anwendungsbereich unter Umständen für einzelne Vorschriften oder Regelungskomplexe getrennt bestimmt werden muss.588 583 Vgl. etwa Art. 3 II UGP-RL. 584 Riehm JZ 2006, 1035, 1038f.; Gsell/Schellhase JZ 2009, 20, 25. 585 Für strafrechtliche Sanktionen EUGH Rs. C-203/80, EU:C:1981:261 = NJW 1982, 504, Tz. 27 – Casati; instruktiv zur Kompetenzordnung der EU Calliess/Ruffert Art. 5 EUV Rn. 1ff. 586 Riehm JZ 2006, 1035, 1039; ders. in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 94. 587 So auch BGH NJW 2012, 2571, 2573, Tz. 24; Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 147. 588 Riehm in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 94; Wendehorst in: Jud/Wendehorst

108 II.

Methodischer Rahmen

Harmonisierungsintensität

Streng von der Ermittlung des Anwendungsbereichs einer Richtlinie zu trennen, ist die angestrebte Harmonisierungsintensität.589 Während der Anwendungsbereich die Grenzen der rechtlichen Wirkung einer Richtlinie aufzeigt, gibt die Harmonisierungsintensität darüber Auskunft, ob und inwieweit eine Richtlinie innerhalb ihres Anwendungsbereichs Abweichungen auf nationaler Ebene zulässt.590 Zumindest im Bereich der Binnenmarktharmonisierung nach Art. 114 AEUV sind die derart eröffneten Umsetzungsmöglichkeiten, anders als die Gestaltungsfreiheit jenseits des Anwendungsbereichs, derivativer Natur :591 Der Unionsgesetzgeber nimmt seine Kompetenz in der Weise wahr, dass er den Mitgliedstaaten für die Umsetzung der Richtlinie einen Spielraum zurückgewährt.592 Dieser ist wiederum nicht einheitlich für eine gesamte Richtlinie zu bestimmen, sondern kann für einzelne Regelungen unterschiedlich groß sein.593 In der Ausgestaltung der Harmonisierungsintensität ist der Unionsgesetzgeber sehr flexibel. Mit der Mindest- und der Vollharmonisierung haben sich zwei grundsätzliche Harmonisierungskonzepte herausgebildet, die allerdings fließend ineinander übergehen (unten 1. und 2.).594 Ein Sonderfall ist das Konzept der fakultativen Harmonisierung (unten 3.).

589 590 591

592 593 594

Umsetzungskonzepte, S. 163. Sofern der Anwendungsbereich einer Richtlinie durch unbestimmte Rechtsbegriffe definiert wird, überschneidet sich die Problematik mit der Konkretisierungstiefe ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe, hierzu sogleich S. 111ff. GHN-Tietje Art. 114 AEUV, Rn. 38ff. In jüngeren Richtlinien finden sich die entsprechenden Erwägungen teilweise unter der Bezeichnung »Harmonisierungsgrad«, vgl. etwa Art. 4 RL 2011/83/EU (Verbraucherrechte-RL). Wagner Mindestharmonisierung, S. 42; Buchmann Umsetzung, S. 40; Bron Rechtsangleichung, S. 101; Mittwoch Vollharmonisierung, S. 23; W.-H. Roth in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 18; Riehm JZ 2006, 1035, 1037; Gsell/Schellhase JZ 2009, 20, 21f. Andere Kompetenzgrundlagen sind bereits primärrechtlich auf eine Mindestharmonisierung beschränkt, vgl. etwa Art. 153 IV, Art. 157 IV (beide Sozialpolitik) und Art. 193 S. 1 AEUV (Umweltschutz); ausführlich W.-H. Roth in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 20ff. Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 157. EUGH Rs. C-11/92, EU:C:1993:262 = EuZW 1993, 642, Tz. 12, 14 – Gallagher ; Streinz-Leible/Schroeder Art. 114 AEUV Rn. 26; Lutter FS Everling I, S. 765, 770. Zur weiteren Ausdifferenzierung der verschiedenen Harmonisierungskonzepte vgl. von der Groeben/Schwarze/Hatje-Classen Art. 114 AEUV Rn. 16ff.; Streinz-Leible/Schroeder Art. 114 AEUV Rn. 25ff.; Mittwoch Vollharmonisierung, S. 25ff.; Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 30ff., 157ff.

Reichweite europäischer Richtliniengesetzgebung

1.

109

Mindestharmonisierung

Der Beginn der Harmonisierungsbemühungen auf europäischer Ebene durch die EWG ist durch das Konzept der Mindestharmonisierung gekennzeichnet.595 Mindestharmonisierende Richtlinien zeichnen sich durch vergleichsweise weitreichende Umsetzungsspielräume aus. Der europäische Gesetzgeber schreibt nur einen verbindlichen Mindeststandard vor, der den nationalen Gesetzgebern die Freiheit lässt, im Vergleich zur Richtlinie strengere Vorschriften einzuführen oder beizubehalten.596 Um diese Freiräume zu nutzen, muss die Schutzrichtung einer Richtlinie genau bestimmt werden, da sie die Perspektive für die Ermittlung des vorgegebenen Mindestschutzniveaus vorgibt.597 Maßgeblich ist, ob entsprechende Öffnungsklauseln vorhanden sind,598 und vor allem der Zweck der betreffenden Richtlinienregelung.599 Beispiele für überwiegend mindestharmonisierende Richtlinien im Urheberrecht sind die Satelliten- und Kabel-RL,600 die Vermiet- und Verleih-RL601 sowie Teile der Datenbank-RL602 und der Folgerechts-RL.603 Die Spielräume der nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung einer mindestharmonisierenden Richtlinie führen dazu, dass ein Maximalschutz durch eine mindestharmonisierende Richtlinie nur begründet werden kann, wenn die Festlegung einer Schutzobergrenze dem Schutzzweck der Richtlinienregelung entspricht. Nur dann verstößt eine Erhöhung des Schutzniveaus gegen die durch die Richtlinie vorgegebenen Mindeststandards. Denkbar wären solche Schutzobergrenzen durch Mindestharmonisierung vor allem im Bereich der Schranken des Urheberrechts, da ihnen zumeist ein Interesse zugrunde liegt, das nach einer Begrenzung des Urheberrechts verlangt. Der Umfang des Urheberrechts wird 595 EUGH Rs. C-361/89, EU:C:1991:118 = ZfRV 1992, 57, Tz. 21 – Di Pinto; Streinz-Leible/ Schroeder Art. 114 AEUV Rn. 32; Reich ZEuP 2010, 7, 9. 596 von der Groeben/Schwarze/Hatje-Classen Art. 114 AEUV Rn. 17; Streinz-Leible/Schroeder Art. 114 AEUV Rn. 29; Wagner Mindestharmonisierung, S. 53f.; Jäger Überschießende Richtlinienumsetzung, S. 45. 597 W.-H. Roth in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 19. 598 Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 39 mwN. 599 EUGH Rs. C-376/90, EU:C:1992:457 = DVBl 1995, 460, Tz. 18ff. – Kommission/Belgien. 600 Vgl. Art. 6 und Erwgr. 26 sowie EUGH Rs. C-403/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 185 – FAPL und Murphy ; EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 30 – SGAE/Rafael; Seville in: Arnull/Chalmers European Union Law, S. 691, 702. 601 Siehe etwa Art. 2 II S. 2 (weitere Personen neben dem Hauptregisseur als Miturheber); Art. 6 (Ausnahmen vom ausschließlichen öffentlichen Verleihrecht); Art. 3 V, VI (Abtretungsvermutung), Art. 5 IV (verwertunsgesellschaftspflichtig), vgl. auch Nr. 41 der Begründung des Richtlinienvorschlags, abgedruckt in UFITA 129 (1995), 162, 187. 602 Siehe etwa Art. 9 (Ausnahmen vom Recht sui generis). 603 Art. 1 III, IV S. 2 (Einschränkungsmöglichkeit für Weiterveräußerungen in den ersten drei Jahren/ergänzende Passivlegitimation); Art. 6 II (Wahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften).

110

Methodischer Rahmen

durch die Einführung von Schranken »negativ« definiert.604 Eine »Mindestschranke« würde deshalb auch bei einer Mindestharmonisierung eine urheberrechtliche Schutzobergrenze begründen.605

2.

Vollharmonisierung

Da Mindestvorgaben grundsätzlich zu einem geringeren Angleichungseffekt führen und damit im Spannungsverhältnis zur angestrebten Vollendung des Binnenmarktes stehen, wählt der Unionsgesetzgeber bei Richtlinien jüngeren Datums vermehrt eine höhere Harmonisierungsintensität.606 Auch der EUGH tendiert zu einer Abkehr vom Prinzip der Mindestharmonisierung.607 Den höchsten Harmonisierungsgrad bezeichnet man als Vollharmonisierung. Eine vollharmonisierende Richtlinie gibt innerhalb ihres Anwendungsbereichs ein Regelungsergebnis vor, von dem die Mitgliedstaaten weder im Sinne eines niedrigeren noch eines höheren Schutzniveaus abweichen dürfen. Es werden nicht nur Mindest-, sondern zugleich Höchststandards festgelegt.608 Dass solch weitreichende Vorgaben bei der Binnenmarktharmonisierung kompetenzrechtlich zulässig sind, folgt u.a aus den Verfahren des Art. 114 IV–IX AEUV.609 Der vollharmonisierende Charakter einer Richtlinie ergibt sich bei einigen Richtlinien bereits aus ihrem Wortlaut. So folgt aus einer zwingenden Vorgabe in der Regel, dass den Mitgliedstaaten keine Abweichungsmöglichkeiten verbleiben.610 Fehlt eine ausdrückliche Aussage über die angestrebte Harmonisierungsintensität, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob und in welchen Teilen eine Richtlinie vollharmonisierend ist.611 Insbesondere eine abschließende Interessenabwägung auf unionsrechtlicher Ebene legt eine hohe Harmonisierungsintensität nahe. Daneben lässt sich auch die Binnenmarktzielsetzung einer Richtlinie als Argument für eine Vollharmonisierung fruchtbar machen, da der 604 Schack UrhR, Rn. 512; Stieper Schranken, S. 5ff. 605 Ausführlich zu den Schranken unten S. 208ff. 606 Ahmling Analogiebildung, S. 178; Micklitz in: Howells/Schulze Modernising and Harmonising Consumer Contract Law, S. 62ff.; Grigoleit AcP 210 (2010), 354, 408; Reich ZEuP 2010, 7ff.; Riehm EuZW 2010, 560, 567. 607 EUGH Rs. C-154/00, EU:C:2002:254 = EWS 2002, 280 – Kommission/Griechenland; EUGH Rs. C-52/00, EU:C:2002:252 = EWS 2002, 277 – Kommission/Frankreich; hierzu Reich ZEuP 2010, 7, 10ff. 608 Streinz-Leible/Schroeder Art. 114 AEUV Rn. 26; Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 42; Mittwoch Vollharmonisierung, S. 29; Roder Methodik des EuGH, S. 288; Bleckmann RIW 1987, 929, 932f.; Arnold RIW 2009, 679, 680. 609 Roder Methodik des EuGH, S. 288; W.-H. Roth in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 22. 610 Vgl. etwa Erwgr. 13 UGP-RL: »Das durch diese Richtlinie eingeführte einzige, gemeinsame generelle Verbot…« (Hervorhebung vom Verfasser). 611 Mittwoch Vollharmonisierung, S. 31.

Reichweite europäischer Richtliniengesetzgebung

111

Abbau von Handelshemmnissen in der Regel ein einheitlicheres Schutzniveau verlangt als andere Zielsetzungen.612 Da bei einer Vollharmonisierung die europaweite Angleichung des fraglichen Regelungsbereichs selbst das unionsrechtlich verfolgte Regelungsziel ist,613 kann ein Maximalschutz hier als mittelbare Folge entstehen. Denn die angestrebte Einheitlichkeit erfordert eine abschließende Fixierung des Schutzniveaus, so dass vollharmonisierende Regelungen mindest- und zugleich maximalschützend wirken. So legt etwa die Schutzdauer-RL die urheberrechtliche Schutzfrist sowohl als Schutzober- als auch als Schutzuntergrenze fest.614 Auf eine schutzbegrenzende Zielrichtung kommt es anders als in Fällen der Mindestharmonisierung nicht an. 3.

Fakultative Harmonisierung

Das Konzept der fakultativen bzw. optionalen Harmonisierung615 räumt den Mitgliedstaaten ein Entschließungsermessen ein. Die nationalen Gesetzgeber können sich für oder gegen die Einführung einer richtlinienrechtlichen Regelung entscheiden. Entscheiden sie sich dafür, dann stellt sich erneut die Frage der Abweichungsmöglichkeit zugunsten einer strengeren Regelung. Denkbar sind eine fakultative Mindest- und eine fakultative Vollharmonisierung. Erstere dürfte indes kaum einen Harmonisierungseffekt haben. Im europäischen Urheberrecht finden sich fakultative Bestimmungen insbesondere im Bereich der Schranken.616 Für den Schrankenkatalog in Art. 5 II, III InfoSoc-RL ist deshalb auf das Konzept der fakultativen Harmonisierung zurückzukommen.617

III.

Konkretisierungstiefe

Schließlich ist die Reichweite der Harmonisierungswirkung einer Richtlinie auch in vertikaler Hinsicht begrenzt. Richtlinien treffen – wie andere Rechtsnormen auch – abstrakte Aussagen, die einer weiteren Präzisierung bedürfen. In besonderem Maße gilt dies für Generalklauseln618 und unbestimmte Rechtsbe612 Furrer Sperrwirkung, S. 72; Franzen Privatrechtsvereinheitlichung, S. 108ff.; Roder Methodik des EuGH, S. 294; vgl. für die InfoSoc-RL ausführlich unten S. 160ff. und S. 191ff. 613 Remien in: Schulze/u. a. Europarecht, S. 593ff.; Oppermann/Classen/Nettesheim Europarecht, § 32 Rn. 8ff. 614 Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 8.0.3. 615 Zur uneinheitlichen Terminologie vgl. Calliess/Ruffert-Korte Art. 114 AEUV, Rn. 29ff.; Mittwoch Vollharmonisierung, S. 27 mwN. 616 Vgl. etwa Art. 10 Vermiet-RL; Art. 6 II Datenbank-RL; Art. 5 II, III InfoSoc-RL. 617 Siehe unten S. 211ff. 618 Weber AcP 192 (1992), 516, 522ff.; Röthel Normkonkretisierung, S. 29ff. mwN.

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Methodischer Rahmen

griffe,619 wie »Schaden«, »Verschulden«, »Treu und Glauben« oder »eigene geistige Schöpfung«620, die für eine Anwendung auf den Einzelfall weiter ausdifferenziert werden müssen. Derartige normative Wertbegriffe621 finden sich auch in den Richtlinien zum Urheberrecht. Begriffe wie »Werk«,622 »Verbreitungsrecht«623 oder »Recht der öffentlichen Wiedergabe«624 stellen zwar keine unbestimmten Rechtsbegriffe im klassischen Sinne dar. Löst man sie allerdings von nationalen Vorverständnissen, so bleibt nur noch ein spärlicher Bedeutungsgehalt. Die tatsächlichen Vorgaben ergeben sich erst aus einer präzisen inhaltlichen Definition.625 Dabei können ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe entweder an der abstrakten »Oberfläche« verbleiben oder eine so »tiefe« Detaildichte erreichen, dass ihre Bedeutung sich vollständig aus dem Unionsrecht ergibt. Für das Thema Maximalschutz ist die genaue Feststellung der auf europäischer Ebene erreichten Konkretisierungstiefe daher von zentraler Bedeutung. Die methodischen Probleme, die mit einer Präzisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln zusammenhängen, werden üblicherweise unter den Begriff der »Normkonkretisierung«626 gefasst. Diese soll zunächst methodisch eingeordnet werden (unten 1.). Das Ergebnis ist sodann auf die Konkretisierung von Richtliniengesetzgebung zu übertragen (unten 2.). Schließlich bedürfen die Grundsätze, nach denen die Konkretisierungstiefe europäischer Vorgaben im Einzelfall zu ermitteln ist, einer genaueren Betrachtung (unten 3.).

1.

Methodische Einordnung der Konkretisierung

Die deutsche Methodenlehre unterscheidet zwischen »Anwendung«, »Auslegung« und »Rechtsfortbildung«. Zwischen diesen Nachbarbegriffen soll die »Normkonkretisierung« zunächst eingeordnet werden. Ob diese Differenzie619 Geläufig ist diesbezüglich die Differenzierung zwischen »Begriffskern« und »Begriffshof« nach Heck AcP 112 (1914), 173, wobei sich unbestimmte Rechtsbegriffe durch einen ungewöhnlich großen und diffusen Begriffshof auszeichnen, vgl. Jesch AöR 82 (1957), 163, 177. 620 Zur Einordnung als unbestimmter Rechtsbegriff vgl. BGH GRUR 1961, 635, 637 – Stahlrohrstuhl; A. Nordemann FS Bornkamm, S. 895, 896. 621 In Abgrenzung zu »deskriptiven Erfahrungsbegriffen«, vgl. Kramer Methodenlehre, S. 68ff.; Rüthers/Fischer/Birk Rechtstheorie, Rn. 176ff. 622 Insbesondere Art. 2–4 InfoSoc-RL. 623 Art. 4 InfoSoc-RL. 624 Art. 3 InfoSoc-RL. 625 Roder Methodik des EuGH, S. 91ff. 626 Grundlegend Engisch Die Idee der Konkretisierung, passim; ausführlich zum gesamten Themenkomplex Röthel Normkonkretisierung, passim.

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rung auf die europäische Ebene übertragen werden kann, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen. a) Differenzierung der deutschen Methodenlehre Gesetzgeber können aus unterschiedlichen Gründen auf eine offene Rechtsetzung zurückgreifen. Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe bilden einerseits ein adäquates Regelungskonzept, wenn präzisere Vorgaben auf der abstrakten Ebene des Gesetzes nicht möglich sind627 oder das gesetzte Recht flexibel und anpassungsfähig bleiben soll, um auf zukünftige Entwicklungen reagieren zu können.628 Wertungsoffene Rechtsetzung kann sich aber auch als »gesetzgeberischer Formelkompromiss«629 entpuppen, durch den ein ungelöster politischer Konflikt überdeckt wird.630 In beiden Fällen bleibt der so geschaffene Gesetzestext zunächst eine »Leerformel«.631 Der Gesetzesanwender kann sich nicht auf die Verwirklichung der Wertentscheidungen des Gesetzes zurückziehen, sondern ist aufgerufen, eigenständig weitergehende Wertungen vorzunehmen. Von der bloßen Anwendung einer deskriptiven Norm,632 die ebenfalls auf den Einzelfall »konkretisiert« werden muss,633 unterscheidet sich die Normkonkretisierung deshalb durch die ihr innewohnende Delegation normsetzender Aufgaben.634 Schwieriger ist die methodische Einordnung zwischen »Auslegung« und »Rechtsfortbildung«. Auslegung im klassischen Sinne ist nach Savigny die »Rekonstruktion des dem Gesetz innewohnenden Gedankens«.635 Auslegung ist demnach gesetzesakzessorische Rechtserkenntnis. Die Konkretisierung offener Rechtssätze geht über diesen Ansatz hinaus.636 Während klassische Auslegung lediglich auf das

627 Kelsen Reine Rechtslehre, S. 348; Bydlinski Juristische Methodenlehre, S. 501ff. 628 Canaris Lücken, S. 26ff.; Rüthers/Fischer/Birk Rechtstheorie, Rn. 836; Weber AcP 192 (1992), 516, 555ff. 629 Ellscheid in: Hassemer u. a. Einführung, S. 143, 144. 630 Wolff Verteilung, S. 59. 631 Rüthers/Fischer/Birk Rechtstheorie, Rn. 836. 632 Siehe oben Fn. 621. 633 Röthel Normkonkretisierung, S. 14ff.; Buchmann Umsetzung, S. 112f. differenziert in diesem Zusammenhang zwischen »echter« und »auslegender« Normkonkretisierung. 634 Heck Grundriß, § 4, Nr. 1; Canaris Lücken, S. 26ff.; Müller/Christensen Juristische Methodik I, Rn. 274, 467; Reimer Juristische Methodenlehre, Rn. 476; Rüthers/Fischer/Birk Rechtsheorie, Rn. 836ff.; vgl. auch Hager Rechtsmethoden, Rn. 78ff. 635 Savigny System des heutigen römischen Rechts I, S. 213; ders. Juristische Methodenlehre, S. 19. 636 Ipsen Richterrecht und Verfassung, S. 73; Müller/Christensen Juristische Methodik I, Rn. 274.

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Methodischer Rahmen

»Erkennen des Erkannten« abzielt, dient die Normkonkretisierung der »Synthese, Produktion, rechtsgestaltende Neubildung« von Recht.637 Die Grenze der Auslegung bildet nach herkömmlichem Verständnis der noch mögliche Wortsinn.638 Ist dieser überschritten, beginnt nach deutscher Methodik die Rechtsfortbildung:639 Der Rechtsanwender wird ändernd oder ergänzend tätig, um eine Lücke der gesetzlichen Regelung zu schließen.640 Zwar tragen wertungsoffene Rechtssätze immer auch »Züge der Unvollständigkeit«.641 Durch den gesetzgeberischen Auftrag zur Normbildung ist der Rechtsanwender aber spezifischeren Vorgaben642 unterworfen, als beim Schließen einer planwidrigen Gesetzeslücke durch Rechtsfortbildung.643 Mit den Mitteln der Rechtsfortbildung ist die Normkonkretisierung methodisch nicht zu bewältigen,644 sondern sie weist stärkere Parallelen zur Auslegung auf.645 Die Konkretisierung offener Rechtssätze bewegt sich somit zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung. Sie dient weder der Gesetzeserkenntnis noch der Lückenfüllung, sondern ist delegierte Detail-Rechtsbildung.646 b) Übertragbarkeit auf europäische Ebene Differenzierungen nationaler Methodenlehren können nicht unbesehen auf die europäische Ebene übertragen werden.647 Häufig stellen sich die inhaltlich benannten Problemstellungen aber genauso im europäischen Recht.648 Ausgangspunkt einer europäischen Methodenlehre der Rechtserkenntnis ist 637 Göldner Verfassungsprinzip und Privatrechtsnorm, S. 100f. 638 BVerfG NJW 2011, 3020, 3021; Larenz/Canaris Methodenlehre, S. 143; Bydlinski Juristische Methodenlehre, S. 467ff.; Klatt Wortlautgrenze, S. 19ff.; Neuner contra legem, S. 90ff.; kritisch Reimer Methodenlehre, Rn. 310, 553. 639 Mayer-Hayoz Der Richter als Gesetzgeber, S. 8; Hassold 2. FS Larenz, S. 211, 218ff.; Zippelius 2. FS Larenz, S. 739, 743f.; zur Rechtsfortbildung auf europäischer Ebene siehe S. 126ff. 640 BVerfGE 34, 269, 287; Larenz/Canaris Methodenlehre, S. 187ff.; Reimer Methodenlehre, Rn. 548. 641 Riesenhuber System und Prinzipien, S. 74; Röthel Normkonkretisierung, S. 125; differenzierend dagegen Canaris Lücken, S. 26. 642 BVerfGE 128, 226, 248 – Fraport, zur »mittelbaren Drittwirkung« von Grundrechten; ausführlich Röthel Normkonkretisierung, S. 86ff.; für das Urheberrecht Stieper Schranken, S. 45ff. 643 Röthel Normkonkretisierung, S. 59ff. sowie 130. 644 Röthel aaO, S. 127ff. 645 Röthel aaO, S. 130ff. 646 Röthel aaO, S. 14ff.; M. Schmidt Konkretisierung von Generalklauseln, S. 33; Hager Rechtsmethoden, Rn. 78ff. 647 Henninger Europäisches Privatrecht und Methode, S. 323ff.; Dobler in: Roth/Hilpold Der EuGH und die Mitgliedstaaten, S. 509, 514ff. 648 Vgl. Schwartze in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 4 Rn. 22ff.; Dobler in: Roth/ Hilpold Der EuGH und die Mitgliedstaaten, S. 509, 513.

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Art. 19 I S. 2 EUV, der den EUGH mit der Wahrung des Rechts649 und der Auslegung und Anwendung der Verträge beauftragt. Wenn hier in der deutschen Fassung der Begriff »Auslegung« verwendet wird, ist weder zwingend der Savigny’sche Auslegungskanon650 noch die »interpr8tation« der französischen Rechtstradition gemeint.651 Vielmehr deutet schon die Aufgabe des EUGH zur »Wahrung des Rechts« auf ein weites Begriffsverständnis hin.652 Der Begriff der »Auslegung« selbst ist autonom, insbesondere unter Berücksichtigung der Funktion des Vorabentscheidungsverfahrens, auszulegen.653 Sein Zweck ist es, die Einhaltung und Einheit des Unionsrechts sicherzustellen.654 Der Gerichtshof selbst unterscheidet nicht zwischen Auslegung, Rechtsfortbildung oder gar Konkretisierung.655 Er sieht sich zu jeder abstrakten Verdeutlichung von »Sinn« und »Tragweite« des Unionsrechts berufen656 und hat mit diesem weiten Verständnis Recht: Das Unionsrecht wäre kaum einheitlich, wenn dem EUGH gerade die Präzisierung wertoffener Rechtsetzung grundsätzlich entzogen wäre. Regelmäßig sind unbestimmte Rechtsbegriffe deshalb als »autonome Begriff des Unionsrechts« einzuordnen.657 Die Auslegungskompetenz des EUGH nach Art. 19 S. 2 EUV und Art. 267 AEUV muss daher zwingend auch die Befugnis zur Normkonkretisierung658 und zur Rechtsfortbildung659 umfassen. 649 Der Begriff »Recht« ist in einem umfassenden Sinne zu verstehen und erfasst auch Sekundärrechtsakte; vgl. GHN-Mayer Art. 19 EUV Rn. 23ff.; von der Groeben/Schwarze/ Hatje-Gaitanides Art. 19 EUV Rn. 16. 650 Siehe oben Fn. 635. 651 Walter Rechtsfortbildung, S. 55ff.; Schroeder FS Roth, S. 735, 739; Pötters/Christensen JZ 2011, 387, 388ff.; Roth RabelsZ 75 (2011), 787, 828ff.; ausführlich Martens Methodenlehre, S. 367ff. 652 GHN-Mayer Art. 19 EUV Rn. 23ff. 653 Groh Auslegungsbefugnis des EuGH, S. 40ff.; Röthel Normkonkretisierung, S. 330; dies in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 10. 654 EUGH Rs. C-166/73, EU:C:1974:3, Tz. 5 – Rheinmühlen Düsseldorf; EUGH Rs. C-107/76, EU:C:1977:89 = GRUR Int. 1977, 302, Tz. 5 – Hoffmann-La Roche; EUGH Rs. C-61/79, EU:C:1980:100, Tz. 16 – Denkavit Italiana; von der Groeben/Schwarze/Hatje-Gaitanides Art. 267 AEUV Rn. 7ff.; GHN-Karpenstein Art. 267 AEUV Rn. 1ff.; Everling Das Vorabentscheidungsverfahren, S. 15ff. 655 Neuner in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 12 Rn. 2; Henninger Europäisches Privatrecht und Methode, S. 297ff.; Vogenauer ZEuP 2005, 234, 248; Höpfner/Rüthers AcP 209 (2009), 1, 5. 656 EUGH Rs.C-166/73, EU:C:1974:3, Tz. 2 – Rheinmühlen Düsseldorf. 657 Vgl. etwa EUGH Rs. C-201/13, EU:C:2014:2132 = GRUR 2014, 972, Tz. 14ff. – Deckmyn. 658 GHN-Mayer Art. 19 EUV Rn. 30ff.; Heiderhoff Grundstrukturen, S. 120ff.; ausführlich mwN Röthel Normkonkretisierung, S. 328ff.; dies in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 10. Zu einer unzulässigen Anwendung von Richtlinienrecht kann es dabei nicht kommen; so aber Franzen Privatrechtsangleichung, S. 538ff.; Heinrichs NJW 1996, 2190, 2196; wie hier Heiderhoff Grundstrukturen, S. 127ff.; Ahmling Analogiebildung, S. 173f. 659 Hierzu sogleich S. 126ff.

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Methodischer Rahmen

Auch wenn die dargestellte Differenzierung der deutschen Methodenlehre im Unionsrecht nicht angelegt ist, erscheint sie doch sinnvoll. Zwar dürfen terminologische Unterscheidungen keine Grenzen suggerieren, denen es unter Wertungsgesichtspunkten an Trennschärfe fehlt. Dies ist bei der Einteilung richterlicher Tätigkeit in »Auslegung« »Konkretisierung« und »Rechtsfortbildung« trotz bestehender Parallelen660 aber auch auf europäischer Ebene nicht der Fall. Denn die begriffliche Unterscheidung verdeutlicht die jeweiligen methodischen Anforderungen.661 Während diese bei einer einfachen Auslegung eines deskriptiven Gesetzeswortlauts nicht besonders ausfallen, ist bei der Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln als übertragener Rechtsbildung662 besonderes Augenmerk auf die Reichweite der gesetzlichen Delegation zu legen.663 Erst wenn eine solche fehlt, ist nach tendenziell strengeren Maßstäben an die rechtsfortbildende Ausfüllung einer Gesetzeslücke zu denken.664 Insbesondere dürfen an einfache Konkretisierungsaufgaben des EUGH nicht die insoweit strengeren Anforderungen der Rechtsfortbildung gestellt werden.665 Für die weitere Untersuchung soll daher die methodische Differenzierung zwischen »Auslegung«, »Konkretisierung« und »Rechtsfortbildung« beibehalten werden.

2.

Konkretisierung von Richtliniengesetzgebung als Kompetenzproblem

Bei nationalen Normen nehmen die Rechtsprechungsorgane der Mitgliedstaaten die erforderlichen Konkretisierungsaufgaben wahr.666 Bei europäischen Richtlinien ist die Problematik vielschichtiger. In dem durch Richtlinien begründeten europäischen Mehrebenensystem sind neben dem Unionsgesetzgeber und der Unionsjudikative auch die Legislativen und Judikativen der Mitgliedstaaten 660 Insbesondere unterscheiden sich Konkretisierung und Rechtsfortbildung nicht grundlegend, vielmehr sind beide Ausformungen richterlicher Rechtsbildung: Ahmling Analogiebildung, S. 188; vgl. auch Larenz/Canaris Methodenlehre, S. 187; Schroeder FS Roth, S. 739. 661 Martens Methodenlehre, S. 503ff.; Röthel Normkonkretisierung, S. 309ff. Anweiler Auslegungsmethoden, S. 60f., 188; M. Schmidt Konkretisierung von Generalklauseln, S. 30; Riesenhuber System und Prinzipien, S. 74ff.; vgl. auch ders. (Hrsg.) Europäische Methodenlehre: § 10 Die Auslegung, § 11 Die Konkretisierung von Generalklauseln, § 12 Die Rechtsfortbildung. 662 Siehe oben Fn. 634 und 646 sowie Röthel Normkonkretisierung, S. 49ff. 663 Siehe sogleich S. 117ff. 664 Siehe sogleich S. 126ff. 665 In diese Richtung Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 153 »rechtsfortbildende Konkretisierung«; wie hier auch Ahmling Analogiebildung, S. 191. 666 BVerfGE 12, 151ff.; Ipsen Richterrecht und Verfassung, S. 63ff. Im öffentlichen Recht sind regelmäßig auch Behörden mit Konkretisierungsaufgaben betraut, vgl. Reimer Methodenlehre, Rn. 478 mwN.

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potentielle Konkretisierungsakteure.667 Anders als im nationalen Recht ist die Verteilung der Konkretisierungskompetenz auf europäischer Ebene damit nicht bloß eine Frage horizontaler Gewaltenteilung, sondern zuerst eine Frage der vertikalen Funktionsabgrenzung zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten.668 Die Konkretisierungstiefe einer Richtlinie stellt daher eine eigenständige Harmonisierungsgrenze dar.669 Die Konkretisierungskompetenz des EUGH ist nicht selbstverständlich,670 da die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen oder Generalklauseln sich auch als »offen gelassene Rechtsetzung« verstehen lässt, die auf mitgliedstaatlicher Ebene detaillierter auszufüllen ist.671 Andererseits ist der EUGH gemäß Art. 19 I S. 2 EUV iVm Art. 344 AEUV allein für die Auslegung des Unionsrechts zuständig, ihm steht das Auslegungsmonopol zu, das durch die Vorlagepflicht der nationalen Gerichte in Art. 267 AEUV abgesichert wird.672

3.

Ermittlung der Konkretisierungskompetenz und -tiefe

Zu untersuchen ist, nach welchen Grundsätzen die dargestellte Kompetenzabgrenzung vorzunehmen ist. Häufig wird die Kompetenz zur Konkretisierung offener Rechtssätze stets und umfassend beim EUGH verortet, da nur so der angestrebte Rechtsangleichungserfolg gewährleistet werden könne.673 Auch der EUGH geht davon aus, dass »die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und der Gleichheitssatz« es erfordern, dass die Begriffe des Gemeinschaftsrechts, die für die Ermittlung »ihres Sinnes und ihrer Tragweite« nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweisen, in der Regel in der gesamten Gemeinschaft au667 W.-H. Roth FS Drobnig, S. 135, 140; Röthel Normkonkretisierung, S. 312. 668 Röthel Normkonkretisierung, S. 310; W.-H. Roth FS Drobnig, S. 135, 140ff.; v. Ungern-Sternberg GRUR 2012, 224, 227 Fn. 7. 669 Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 161. 670 W.-H. Roth FS Drobnig, S. 135, 140ff.; Röthel Normkonkretisierung, S. 312, 332; M. Schmidt Konkretisierung von Generalklauseln, S. 35. Dies klingt regelmäßig auch in der Rechtsprechung des EUGH an, vgl. EUGH Rs. C-271/10, EU:C:2011:442 = GRUR 2011, 913, Tz. 35 – VEWA; EUGH Rs. C-462/09, EU:C:2011:397 = GRUR 2011, 909, Tz. 23 – Stichting/ Opus; EUGH Rs. C-145/10, EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 101 – Painer. 671 Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 119; M. Schmidt Konkretisierung von Generalklauseln, S. 43; Röthel in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 5; Pfeiffer FS Thode, S. 618. 672 GHN-Mayer Art. 19 EUV Rn. 48. 673 Anweiler Auslegungsmethoden, S. 60f.; Grundmann Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 253f.; Riesenhuber System und Prinzipien, S. 78; Röthel Normkonkretisierung, S. 353 mwN; Basedow FS Brandner, 651, 675, 680; Remien ZEuP 1994, 34, 58; ders. RabelsZ 66 (2002), 503, 517ff.; Brandner MDR 1997, 312, 315; Tonner JZ 1996, 533, 539; Leible RIW 2001, 422, 426.

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Methodischer Rahmen

tonom und einheitlich auszulegen sind.674 Dabei differenziert der EUGH ebenfalls zwischen der Definition »allgemeiner Kriterien« und deren Anwendung.675 Kompetenzielle Probleme sieht er im Zusammenhang mit der Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln nicht.676 Dieses Ergebnis ist allerdings umstritten.677 Ausgangspunkt muss richtigerweise die Konkretisierungsprärogative des Unionsgesetzgebers sein. Nimmt dieser einen Kompetenztitel des AEUV wahr, so kann er auch die Konkretisierungstiefe wählen und entscheiden, durch wen eine weitergehende Ausgestaltung vorgenommen werden soll.678 Bei genauerer Betrachtung stellen sich daher zwei Fragen: Erstens ist zu klären, wer im Ausgangspunkt für Konkretisierungsfragen zuständig ist, wenn der europäische Gesetzgeber von seiner Prärogative keinen Gebrauch gemacht hat (unten a). Die Antwort hierauf ist wesentlich, da sie darüber entscheidet, welches Zuweisungsergebnis einer Begründung bedarf und wie im Falle eines non liquet vorzugehen ist.679 Nach einem kurzen Blick auf die Beschränkungen der Zuweisungsmöglichkeit an den EUGH (unten b), ist zweitens auf die Auslegungsgesichtspunkte einzugehen, nach denen sich die Konkretisierungskompetenz und -tiefe im Einzelfall ermitteln lässt (unten c).

a) Kompetenz der Mitgliedstaaten als dogmatischer Ausgangspunkt Dogmatisch betrachtet ist es überzeugender, die Konkretisierungskompetenz im Ausgangspunkt bei den Mitgliedstaaten zu verorten. Herangezogen werden hierfür u. a. das Subsidiaritätsprinzip,680 strukturelle Defizite des Vorabent674 EUGH Rs. C-240/98 bis C-244/98, EU:C:2000:346 = NJW 2000, 2571, Tz. 24 – Oc8ano; EUGH Rs. C-357/98, EU:C:2000:604 = Slg. 2000, I-9265, Tz. 26 – Yiadom; EUGH Rs. C-245/ 00, EU:C:2003:68 = GRUR 2003, 325, Tz. 23 – SENA; EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 31 – SGAE/Rafael; EUGH Rs. C-5/08, EU:C:2009:465 = GRUR 2009, 1041, Tz. 27 – Infopaq I. 675 EUGH Rs. C-237/02, EU:C:2004:209 = NJW 2004, 1647, Tz. 22f. – Freiburger Kommunalbauten. 676 Röthel in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 21. 677 Ausführlich Wolff Verteilung, passim; Röthel Normkonkretisierung, S. 353ff.; dies. in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 11; M. Schmidt Konkretisierung von Generalklauseln, S. 35ff.; Schillig Konkretisierungskompetenz, S. 206ff.; W.-H. Roth FS Drobnig, S. 135ff.; Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 133ff. 678 W.-H. Roth FS Drobnig, S. 135ff.; Röthel Normkonkretisierung, S. 56ff.; Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 141. 679 Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 131. 680 Wolff Verteilung, S. 204ff.; W.-H. Roth FS Drobnig, S. 135, 143ff.; Nassall JZ 1995, 689, 691. Allerdings begrenzt das Subsidiaritätsprinzip zwar unter Umständen die Reichweite einer Konkretisierung auf europäischer Ebene (vgl. unten S. 121) es ist aber nicht per se ein Argument für die grundsätzliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten; ebenso Röthel Normkonkretisierung, S. 359f.

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scheidungsverfahrens681 und das Fehlen der erforderlichen materiellen Maßstäbe im Unionsrecht.682 Die rechtlich zwingenden Schlüsse lassen sich jedoch aus der vertikalen Gewaltenteilung der EU und der Rechtsnatur der Richtlinie als punktuelle Sachverhalts-Ergebnis-Relation ziehen. Richtlinien sind nach Art. 288 III AEUV nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich.683 Sie definieren einen Rechtszustand, der von den Mitgliedstaaten herzustellen und beizubehalten ist.684 Aus der rahmenartigen Konstruktion der Richtlinie685 ergeben sich im Gegensatz zu einer Verordnung Umsetzungsspielräume.686 Diese sind charakteristisch für eine Richtlinie und können auch vertikaler Natur sein.687 Da die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln als »offengelassene Rechtsetzung« zu qualifizieren ist,688 liegt es zunächst in der Natur der Richtlinie, dass die entstehenden Spielräume den Mitgliedstaaten zufallen.689 Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Unterschiede von Richtlinien und Verordnungen in der Unionsgesetzgebung zunehmend verblassen.690 Zwar lässt sich in der Tat eine Entwicklung hin zu immer regelungsintensiveren Richtlinien feststellen.691 Diese Rechtsetzungspraxis ändert aber nichts an der grundsätzlichen Konzeption von Richtlinien nach Art. 288 III AEUV. Eine regelungsdetaillierte Vorgehensweise des Richtliniengesetzgebers lässt sich für die Ermittlung der Konkretisierungskompetenz im Einzelfall fruchtbar machen,692 über deren prinzipiellen Verbleib vermag sie aber keine Aussage zu treffen. 681 Franzen Privatrechtsangleichung, S. 538ff.; hierzu bereits oben S. 117ff. 682 Heinrichs NJW 1996, 2190, 2196; H. Roth JZ 1999, 529, 535f., beide in Bezug auf die Klausel-Richtlinie. Auch dieses Argument überzeugt nicht vollständig, da sich das europäische Privatrecht zunehmend verdichtet und vielfältig bereits die Prinzipien und Leitbilder bereitstellt, die für eine Konkretisierung erforderlich sind; vgl. etwa v. Bar/Clive u. a. (Hrsg.) Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law ; hierzu SchmidtKessel (Hrsg.) Der Gemeinsame Referenzrahmen, passim. 683 Siehe schon oben S. 103f. und S. 104f. 684 GHN-Nettesheim Art. 288 AEUV Rn. 112. 685 Calliess/Ruffert Art. 288 AEUV Rn. 25. 686 Streinz-Schroeder Art. 288 AEUV Rn. 86ff.; ausführlich Riehm in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 83ff. 687 Wolff Verteilung, S. 36ff.; Lippstreu Rechtsangleichung, S. 163. 688 Siehe oben S. 116f. 689 So auch W.-H. Roth FS Drobnig, S. 135, 141; Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 133; Canaris EuZW 1994, 417; Wolff Verteilung, S. 185 nimmt eine »primärrechtliche Vermutung zugunsten einer weitergehenden Konkretisierungszuständigkeit der Mitgliedstaaten« an. Kritisch Schmid Instrumentalisierung, S. 765. 690 Röthel Normkonkretisierung, S. 355f.; Schmid Instrumentalisierung, S. 765 sieht nur noch »auf dem Papier stehende dogmatische Unterschiede«. 691 Calliess/Ruffert Art. 288 AEUV Rn. 25; GHN-Nettesheim Art. 288 AEUV Rn. 113; Oppermann/Classen/Nettesheim Europarecht, § 9 Rn. 85; Perner EU-Richtlinie, S. 2. 692 Dazu sogleich S. 121ff.

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Dieses Ergebnis entspricht auch dem Prinzip der geteilten Zuständigkeit: Im Bereich der Art. 2 II, 4 AEUV, in den auch die Harmonisierung des Urheberrechts fällt,693 entsteht eine Sperrwirkung nur bei Ausübung der Kompetenz durch die Union.694 Im Unterschied zur reinen Auslegung bewegt sich die Konkretisierung jenseits der ausdrücklichen gesetzlichen Vorgaben.695 Wendet man die Grundsätze der Art. 2 II, 4 AEUV entsprechend an, führt dies für diejenigen Fälle, in denen der Unionsgesetzgeber von seiner Prärogative keinen Gebrauch gemacht hat, zum Verbleib der Konkretisierungsbefugnis bei den Mitgliedstaaten.696 Fruchtbar machen lassen sich auch die Vorschriften des AEUV zur delegierten Rechtsetzung in Art. 290 und 291. Danach kann die Befugnis, »nicht wesentliche Vorschriften« zu ändern oder zu ergänzen, durch Rechtsakt auf die Kommission übertragen werden.697 Diese Einschränkung dient letztlich der Absicherung des Demokratieprinzips auf europäischer Ebene.698 Der EUGH hatte einen derartigen Wesentlichkeitsgrundsatz bereits früher für zweistufige Harmonisierungsrechtsakte entwickelt. Danach muss der Unionsgesetzgeber, wenn er die weitere Ausformung eines Basisrechtsakts der Kommission überlassen will, deren Befugnisse »genau bestimmen und eingrenzen«.699 Entsprechend lässt sich auch im Fall des EUGH argumentieren, dass dieser »wesentliche« Regelungsinhalte nur dann konkretisieren darf, wenn ihm diese Aufgabe durch den Unionsgesetzgeber zugewiesen ist.700 Aus den dargestellten primärrechtlichen Gesichtspunkten ergibt sich eine grundsätzliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für Konkretisierungsaufgaben, die nicht auf europäischer Ebene erfolgt sind oder erkennbar dem EUGH überlassen wurden: Jenseits der unionsrechtlichen Vorgaben beginnt der Um-

693 Siehe oben S. 101, sowie EUGH Rs. C-274/11, EU:C:2013:240 = GRUR 2013, 708 – Spanien und Italien/Rat sowie von der Groeben/Schwarze/Hatje-Gaster Art. 118 AEUV Rn. 12ff.; GHN-Stieper Art. 118 AEUV Rn. 28. 694 Calliess/Ruffert Art. 2 AEUV Rn. 13ff.; GHN-Nettesheim Art. 2 AEUV Rn. 23ff.; Oppermann/Classen/Nettesheim Europarecht, § 11 Rn. 15. 695 Siehe oben S. 112f. 696 In diese Richtung auch Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 133. 697 Bueren EuZW 2012, 167ff. Insgesamt ist das Unionsrecht ungeschriebenen Aufgabenzuweisungen gegenüber zurückhaltend, vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim Europarecht, § 11 Rn. 41; Röthel in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 7. 698 Möllers/v. Achenbach EuR 2011, 39, 47ff. 699 EUGH Rs. C-417/93, EU:C:1995:127 = Slg. 1995, I-1185, Tz. 30ff. – Parlament/Rat; EUGH Rs. C-66/04, EU:C:2005:743 = JZ 2006, 358, Tz. 41, 49 – Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat; vgl. hierzu weitergehend Rieckhoff Vorbehalt des Gesetzes im Europarecht, S. 177ff.; zur Wesentlichkeitstheorie auf europäischer Ebene: Röder Der Gesetzesvorbehalt, S. 154ff. 700 Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 136.

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setzungsspielraum der Mitgliedstaaten.701 Unter Umständen kann die Feststellung dieser Spielräume deshalb das zutreffende Ergebnis der Auslegung iSv Art. 19 S. 2 EUV und Art. 267 AEUV sein.702 Damit ist der Ausgangspunkt für die weitere Betrachtung gefunden,703 eine präzise Zuordnung der Konkretisierungskompetenz ist dagegen nur im Einzelfall möglich.704 b) Schranken der Zuweisungsmöglichkeit Da es sich bei der Zuweisung der Konkretisierungskompetenz um delegierte Rechtsetzung handelt, ist der Unionsgesetzgeber hierbei den üblichen Schranken der Kompetenzausübung705 – namentlich den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit706 – unterworfen.707 Von daher kann aus kompetenzrechtlichen Gründen eine beschränkte Regelungsdichte anzunehmen sein.708 In diesem Fall kann der EUGH nicht zur Konkretisierung berufen sein.709 Im Bereich des Urheberrechts stellt der Subsidiaritätsgrundsatz wegen der hohen Binnenmarktrelevanz allerdings kein ernsthaftes Hindernis für eine unionsweite Rechtsetzung dar.710 c) Auslegungsgesichtspunkte Die Konkretisierungstiefe einer Richtlinie ist durch autonome Auslegung festzustellen.711 Dabei ist die Verwendung eines offenen Rechtsbegriffs in einer

701 Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 132; vgl. zudem oben Fn. 689. 702 Vgl. etwa EUGH Rs. C-145/10, EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 103 – Painer, zum Begriff der öffentlichen Sicherheit iSv Art. 5 III lit. e InfoSoc-RL. 703 Die Diskussion um die Verteilung der Konkretisierungskompetenz geht in diesem Punkt gelegentlich aneinander vorbei, wenn teilweise der dogmatische Ausgangspunkt ermittelt werden soll, vgl. Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 132ff. und teilweise eine Delegation der Konkretisierungskompetenz bereits vorausgesetzt wird, vgl. Röthel Normkonkretisierung, S. 356f. 704 Röthel Normkonkretisierung, S. 364f.; dies. in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 12ff.; Roder Methodik des EuGH, S. 277ff.; Martens Methodenlehre, S. 516, 518; Pfeiffer FS Thode, S. 618. 705 Streinz Europarecht, Rn. 172; Oppermann/Classen/Nettesheim Europarecht, § 11 Rn. 23ff. 706 Art. 5 III, IVAEUV. 707 Röthel in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 8 versteht konkretisierungsbedürftige und damit weniger regelungsintensive Rechtsetzung umgekehrt auch als Ausdruck des Subsidiaritätsgrundsatzes. Dies gilt allerdings nur, wenn die Konkretisierung auch subsidiär, d. h. auf mitgliedstaatlicher Ebene erfolgt. 708 W.-H. Roth FS Drobnig, S. 135, 145; Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 139, nimmt in diesem Fall eine integrationsindizierte Begrenzung der Regelungsdichte an. 709 Wolff Verteilung, S. 174ff.; Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 132. 710 GHN-Stieper Art. 118 AEUV Rn. 28; Schack ZGE 2009, 275, 283; Peifer ZUM 2006, 1, 4f.; differenzierend Fischer Perspektiven, S. 82, 103. 711 Röthel Normkonkretisierung, S. 376ff.; Schillig Konkretisierungskompetenz, S. 206ff.;

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Richtlinie allein noch nicht aussagekräftig. Eindeutig ist die Kompetenzzuweisung nur bei einer ausdrücklichen Verweisung. Solche finden sich insbesondere dann, wenn eine weitere Ausdifferenzierung auf mitgliedstaatlicher Ebene erfolgen soll.712 Umgekehrt spricht es für eine Zuweisung an den EUGH, wenn der Unionsgesetzgeber selbst einen Begriff teilweise definiert,713 seine Bedeutung durch eine exemplarische Aufzählung umschreibt714 oder Auslegungshinweise in den Erwägungsgründen verankert.715 Gleiches gilt bei parallelen Begriffsverwendungen716 in Richtlinien und Verordnungen,717 bei einem starken primärrechtlichen Bezug718 und bei unbestimmten Rechtsbegriffen, die den Anwendungsbereich einer Richtlinie festlegen sollen.719 Fehlt eines der genannten Auslegungsindizien, so lässt sich hieraus allerdings noch kein Umkehrschluss ziehen.720 Entscheidend ist in diesen Fällen vielmehr die Rechtsangleichungsintention des Unionsgesetzgebers.721 Gerade bei vollharmonisierenden Richtlinien mit Binnenmarktzielsetzung spricht das ange-

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Wolff Verteilung, S. 61; Lippstreu Rechtsvereinheitlichung, S. 170; Roder Methodik des EuGH, S. 268; Remien RabelsZ 66 (2002), 503, 522; Gsell/Schellhase JZ 2009, 20, 24. Vgl. etwa Art. 2 II der Richtlinie 2002/74/EG für die Begriffe »Arbeitnehmer«, »Arbeitgeber«, »Arbeitsentgelt«, »erworbenes Recht« und »Anwartschaftsrecht«; ebenso Erwgr. 14 der Fernabsatz-RL 97/7/EG für die Rechtsfolgen eines Widerrufs. Vgl. etwa Art. 6 I ProdHaft-RL; die hier vorgenommene Definition des Fehlerbegriffs bleibt zwar selbst ausfüllungsbedürftig, allerdings weist die Teildefinition darauf hin, dass eine unionsweit einheitliche Begriffsbestimmung beabsichtigt ist; vgl. Schillig Konkretisierungskompetenz, S. 230; Roder Methodik des EuGH, S. 277f.; kritisch hierzu Franzen Privatrechtsangleichung, S. 494ff. Vgl. etwa Art. 1 III, 3 II, 4 II, III der Handelsvertreterrichtlinie, RL 86/653/EWG, hierzu Schillig Konkretisierungskompetenz, S. 109ff., 230. Vgl. etwa Erwgr. 23 der InfoSoc-RL zum Recht der öffentlichen Wiedergabe. So etwa EUGH Rs. C-251/95, EU:C:1997:528 = GRUR 1998, 387, Tz. 13 – SABEL; zum Begriff der Verwechslungsgefahr in Art. 4 I lit. b und 5 I lit. b Markenrichtlinie aF, RL 89/ 104/EWG, mit Hinweis auf Art. 8 I lit. b und Art. 9 I lit. b Gemeinschaftsmarkenverordnung aF, VO 40/94/EG. W.-H. Roth FS Drobnig, S. 135, 146f.; Wolff Verteilung, S. 130; a. A. Schillig Konkretisierungskompetenz, S. 232ff. W.-H. Roth FS Drobnig, S. 135, 147. W.-H. Roth FS Drobnig, S. 135, 146, 148; differenzierend Wolff Verteilung, S. 84ff.; a. A. Schillig Konkretisierungskompetenz, S. 227ff., der nur eine Indizwirkung annimmt; einschränkend auch Röthel Normkonkretisierung, S. 367f. Allerdings ist zu beachten, dass der Anwendungsbereich einer Richtlinie nicht notwendigerweise konkret ausformuliert werden muss, sondern auch bis zu einem gewissen Grad auch abstrakt und damit weitreichender ausgestaltet sein kann. Gegen Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 140f., der eine ausdrückliche Zuweisung verlangt. In diese Richtung ebenfalls noch EUGH Rs. C-245/00, EU:C:2003:68 = GRUR 2003, 325, Tz. 34 – SENA; kritisch deshalb Heinemann JZ 2003, 678, 679; anders EUGH Rs. C-127/04, EU:C:2006:93 = NJW 2006, 825, Tz. 23ff. – O’Byrne. Wolff Verteilung, S. 135ff.; Schillig Konkretisierungskompetenz, S. 235ff.; Riesenhuber System und Prinzipien, S. 79; Röthel in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 12; Gsell/Schellhase JZ 2009, 20, 24.

Reichweite europäischer Richtliniengesetzgebung

123

strebte Ziel eines hohen Harmonisierungsgrades dafür,722 dass der Unionsgesetzgeber diesen nicht durch die Gefahr einer uneinheitlichen Ausgestaltung im Detail unterlaufen will.723 Unbestimmte Rechtsbegriffe sind hier regelmäßig als funktionelle Spielräume gedacht, die die europäische Gesetzgebung der europäischen Rechtsanwendung lässt.724 Aus einer hohen Harmonisierungsintensität725 lassen sich daher wesentliche Rückschlüsse auf die Konkretisierungstiefe der eingesetzten ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffe ziehen.726 Dies ist nicht verwunderlich, da die inhaltliche Präzisierung unbestimmter Rechtsbegriffe idR auch Auswirkungen auf das gewährleistete Schutzniveau haben wird. Ein vollständiger Gleichlauf ist allerdings nicht erforderlich.727 In die gleiche Richtung weist die zunehmende Praxis, die Konkretisierungskompetenz ausdrücklichen den Mitgliedstaaten zuzuweisen, sofern dies beabsichtigt ist.728 Auch wenn man solche Zuweisungen für deklaratorisch hält729 steht es dem Unionsgesetzgeber frei, durch die punktuelle Klarstellung der Konkretisierungskompetenz der Mitgliedstaaten im Übrigen eine Vermutung zugunsten einer Zuweisung an den EUGH zu begründen. Doch darf die Annahme einer solchen Vermutung nicht dazu verleiten, aus der bloßen Erwähnung eines ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffs auf eine diesbezügliche Konkretisierungskompetenz des EUGH zu schließen. Ohne einen feststellbaren entsprechenden Harmonisierungswillen des Unionsgesetzgebers ist der EUGH nicht zur Konkretisierung eines ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffes berufen.730

4.

Bedeutung für den Verlauf von Maximalschutzgrenzen

Die Konkretisierungstiefe einer Richtlinienregelung ist für das »Ob« eines Maximalschutzes nicht maßgeblich. Auch unbestimmte Rechtsbegriffe haben 722 Siehe oben S. 110f. 723 Röthel Normkonkretisierung, S. 369; Buchmann Umsetzung, S. 114; Schillig Konkretisierungskompetenz, S. 244. Für mindestharmonisierende Richtlinien lässt sich vergleichbar mit der Notwendigkeit einer einheitlichen Bestimmung der unionsweiten Schutzuntergrenze argumentieren; vgl. Roder Methodik des EuGH, S. 292; W.-H. Roth FS Drobnig, S. 135, 152. 724 Britz EuGRZ 2015, 275, 279. 725 Siehe oben S. 108ff. 726 Wagner Mindestharmonisierung, S. 45ff.; Kieninger RabelsZ 73 (2009), 793, 801ff.; Gsell/ Schellhase JZ 2009, 20, 23f.; Möllers ZEuP 2008, 480, 501ff. 727 Röthel in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 11 Rn. 12; Roder Methodik des EuGH, S. 290; a. A. Kieninger RabelsZ 73 (2009), 793, 801. 728 Siehe oben Fn. 712. 729 Herresthal in: Gsell/Herresthal Vollharmonisierung, S. 142. 730 Zur diesbezüglichen Problematik eines »einheitlichen europäischen Werkbegriffs« siehe unten S. 148ff.

124

Methodischer Rahmen

immer einen gewissen Grundbedeutungsgehalt731 der im Anwendungsbereich einer Richtlinie bei entsprechender Harmonisierungsintensität schutzbegrenzend wirken kann. Dennoch spielen sich die letztlich entscheidenden Abgrenzungsprobleme im Bereich der Konkretisierungstiefe ab. So hängt etwa die Wirkung der zwingenden Schranke zugunsten vorübergehender Vervielfältigungen u. a. wesentlich davon ab, wann eine Nutzung rechtmäßig iSv Art. 5 I lit. a InfoSoc-RL ist.732 Auch die Verwertungsrechte in Art. 2–4 InfoSoc-RL hängen von der Bedeutung der Begriffe »Vervielfältigung«, »öffentliche Wiedergabe« und »Verbreitung« ab. Beschränkten sich diese Vorgaben lediglich auf die »Begriffshöfe«733 der genannten Begriffe, würden sie trotzdem eine maximalschützende Wirkung entfalten; diese bliebe aber abstrakt – und damit weitgehend wirkungslos. Die inhaltlichen Maßgaben einer schutzbegrenzenden Richtlinienregelung ergeben sich demnach aus der Konkretisierungstiefe und der Verteilung der Konkretisierungskompetenz zwischen dem EUGH und den Mitgliedstaaten. Dabei wird die Konkretisierungstiefe einer Richtlinienregelung aus gesetzestechnischen Gründen in der Regel weiter reichen als die in der Richtlinie verankerten ausdrücklichen Vorgaben. Die konkrete Gestalt maximalschützender Vorgaben ergibt sich deshalb häufig erst aus der Rechtsprechung des EUGH.

5.

Zwischenergebnis

Die Harmonisierungswirkung einer Richtlinie ist auch in vertikaler Hinsicht unter Umständen begrenzt. Die Konkretisierung ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe muss nicht zwangsläufig vollständig auf europäischer Ebene durch den EUGH erfolgen, sondern kann auch im Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten verbleiben.734 Eine allgemeine Zuweisung der Konkretisierungskompetenz für unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln in Richtlinien ist nicht möglich. Dogmatisch lässt sich eine grundsätzliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten begründen.735 Da der Unionsgesetzgeber allerdings in der Wahl der Konkretisierungstiefe zumindest im Bereich des Urheberrechts frei ist,736 kommt es letztlich doch auf die Auslegung des einzelnen Harmonisierungsrechtsaktes an.737 Maßgeblicher Auslegungsgesichtspunkt ist hierbei die Harmonisie731 732 733 734 735 736 737

Siehe oben S. 111f. Siehe unten S. 209f. Siehe oben Fn. 619. Siehe oben S. 116f. Siehe oben S. 118f. Siehe oben S. 117f. und S. 121f. Siehe oben S. 121f.

Reichweite europäischer Richtliniengesetzgebung

125

rungsintention des Unionsgesetzgebers. Deshalb ist der Rückschluss von einer hohen Harmonisierungsintensität auf eine weitreichende Konkretisierungstiefe zulässig, aber nicht zwingend.738

IV.

Zusammenfassung

Die Spielräume, die den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Richtlinien nach Art. 288 III AEUV verbleiben, ergeben sich aus dem Anwendungsbereich, der Harmonisierungsintensität und der Konkretisierungstiefe einer Richtlinie. Für potentielle Maximalschutzgrenzen ergeben sich daraus folgende Schlüsse: Zunächst muss sich der Anwendungsbereich einer Richtlinie auf diejenigen Sachverhalte oder Rechtsfolgen erstrecken, für die ein Maximalschutz in Betracht kommt. Erstreckt sich der Harmonisierungsanspruch einer unionsrechtlichen Regelung schon nicht auf die potentielle Schutzobergrenze, scheidet ein Maximalschutz aus.739 Relevant ist hier vor allem die Abgrenzung zwischen einem begrenzten Anwendungsbereich und einer negativen Regelungsvorgabe.740 Auch der Aspekt unterschiedlicher Harmonisierungsintensitäten ist für potentielle Maximalschutzgrenzen von wesentlicher Bedeutung: Mindestharmonisierende Vorgaben können nur dann einen Maximalschutz begründen, wenn die Festlegung einer Schutzobergrenze dem Schutzzweck der betreffenden Richtlinienregelung entspricht. In Betracht kommen hierfür im Wesentlichen nur die urheberrechtlichen Schranken. Bei allen Regelungen durch Richtlinien, die die Schutzvoraussetzungen oder den Umfang des Urheberrechts positiv festlegen, kommt ein Maximalschutz durch Mindestharmonisierung dagegen nicht in Frage.741 Anders im Fall einer Vollharmonisierung: Eine vollharmonisierende Richtlinie gibt nicht nur vor, welche Regelungen in einem bestimmten Bereich mindestens vorhanden sein müssen, sondern sie verlangt darüber hinaus, dass der entsprechende Bereich allein nach den europäischen Vorgaben geregelt wird. Mittelbare Folge vollharmonisierender Vorgaben kann deshalb ein Maximalschutz sein, ohne dass hierfür eine schutzbegrenzende Zielrichtung im eigentlichen Sinne notwendig wäre.742 Von wesentlicher Bedeutung ist schließlich auch die Konkretisierungstiefe 738 Siehe oben S. 122f. 739 Siehe oben S. 104ff. 740 Siehe oben S. 105 sowie zur entsprechenden Problematik im Rahmen des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts unten S. 188ff. und S. 200ff. 741 Siehe oben S. 109f. und speziell zu den Schranken unten S. 208ff. 742 Siehe oben S. 110ff.

126

Methodischer Rahmen

unbestimmter Rechtsbegriffe. Da nationale Vorverständnisse nicht auf die Ebene des Unionsrechts übertragen werden können, bedürfen die meisten urheberrechtlichen Begriffe einer weiteren Präzisierung. Gerade bei vollharmonisierenden Regelungen mit einer hohen Binnenmarktrelevanz handelt es sich regelmäßig um autonome Begriffe des Unionsrechts, für deren Konkretisierung der EUGH zuständig ist.743 Der konkrete »Verlauf« europäischer Maximalschutzgrenzen ergibt sich deshalb in der Regel aus der Rechtsprechung des EUGH.744

B.

Rechtsfortbildung auf europäischer Ebene

Unionsrechtliche Vorgaben sind nicht zwangsläufig auf die Reichweite der einschlägigen Richtlinien im engen Sinne begrenzt. Auch auf europäischer Ebene ist Rechtsfortbildung denkbar.745 Rechtsfortbildende Rechtsprechung des EUGH kommt daher als weitere Quelle von Maximalschutzgrenzen in Betracht. Problematisch ist hier die Fortbildung von Richtlinien.

I.

Die Befugnis des EUGH zur Rechtsfortbildung

Die Kompetenz des EUGH zur Auslegung des Unionsrechts umfasst auch den Auftrag zur Rechtsfortbildung.746 Begründen lässt sich diese Befugnis des EUGH mit der in Art. 19 I EUV verankerten Pflicht zur Wahrung des Rechts,747 mit dem Rechtsverweigerungsverbot748 und dem dynamischen Charakter des Unionsrechts.749 Dieser Ausgangspunkt ist mittlerweile weitgehend unstreitig750 und vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.751

743 Zum dogmatischen Ausgangspunkt siehe oben S. 118ff. und zu den maßgeblichen Auslegungsgesichtspunkten S. 121f. 744 Siehe oben S. 123f. 745 Hiervon zu unterscheiden ist die nationale Rechtsfortbildung im europäischen Bezugsrahmen, vgl. Herresthal Rechtsfortbildung, S. 3ff. 746 EUGH Rs. C-165/84, EU:C:1985:507 = Slg. 1985, 3997, Tz. 14ff. – Krohn. 747 Neuner in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 12, Rn. 8; Everling JZ 2000, 217, 221; Höpfner/Rüthers AcP 209 (2009), 1, 18; W.-H. Roth RabelsZ 75 (2011), 787, 821ff. 748 EUGH Rs. C-7/56, EU:C:1957:7 = Slg. 1957, 85 – Algera u. a., unter III.; Walter Rechtsfortbildung, S. 141f. 749 Metzger extra legem, S. 400f.; Martens Methodenlehre, S. 510. 750 Anlass zur Diskussion bot zuletzt EUGH Rs. C-144/04, EU:C:2005:709 = NJW 2005, 3695 – Mangold; hierzu BVerfGE 126, 286ff. – Honeywell; kritisch Gerken/u. a. »Mangold« als ausbrechender Rechtsakt, passim; dagegen Schroeder FS Roth, S. 742ff. 751 BVerGE 75, 223, 242ff. – Kloppenburg. Allerdings verlangt das BVerfG, dass die Rechts-

Rechtsfortbildung auf europäischer Ebene

II.

127

Lückenbegriff

Für eine Rechtsfortbildung muss auch im Unionsrecht752 eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegen.753 Es lassen sich externe und interne Lücken unterscheiden.754 1.

Externe Lücken

Extern sind Lücken, deren Schließung entweder nicht im Kompetenzbereich der Union läge oder zu einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs eines Harmonisierungsrechtsaktes führen würde.755 Im Urheberrecht sind kompetenzrechtliche Grenzen nicht zu erwarten, vgl. Art. 114, 118 AEUV.756 Eine Beschränkung der Rechtsfortbildungskompetenz des EUGH auf den Anwendungsbereich einer Richtlinie ist ebenfalls nicht zwingend.757 Da eine Ausweitung des Anwendungsbereichs jedoch in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingreift,758 ist der EUGH diesbezüglich eher zurückhaltend.759 2.

Interne Lücken

Intern sind demgegenüber Lücken innerhalb des Regelungssystems eines Sekundärrechtsaktes.760 Speziell bei Richtlinien ist es schwer, planwidrige Lücken zu ermitteln, da Richtlinien ihrem Wesen nach unvollständig bleiben können.761 Lassen sie Lücken, werden diese durch nationale Regelungen aufgefüllt oder das

752 753 754 755 756 757 758 759 760 761

fortbildung des EUGH »methodisch gebunden« sein müsse, vgl. BVerfGE 126, 286, Tz. 62 – Honeywell. Walter Rechtsfortbildung, S. 76; Ahmling Analogiebildung, S. 147ff.; Kritisch zur Anwendbarkeit des Lückenbegriffs auf europäischer Ebene Grosche Rechtsfortbildung, S. 113; Metzger extra legem, S. 399ff. Nach deutscher Methodenlehre hängt hieran die Unterscheidung zwischen einer zulässigen Rechtsfortbildung praeter legem und einer unzulässigen Rechtsfindung contra legem, vgl. Metzger extra legem, S. 183ff.; Neuner contra legem, passim. Ahmling Analogiebildung, S. 158; Neuner in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 12 Rn. 28ff.; Fleischer RabelsZ 75 (2011), 700, 714; a. A. Metzger extra legem, S. 397ff. Ahmling Analogiebildung, S. 158; Lippstreu Rechtsangleichung, S. 205. Die Kompetenz der Union zur Harmonisierung des Urheberrechts ist umfassend und auch nicht nennenswert durch Art. 5 III, IV EUV eingeschränkt, oben S. 101 und Fn. 710. Heß Umsetzung, S. 134; Ahmling Analogiebildung, S. 190; a. A. Lippstreu Rechtsangleichung, S. 205; Grigoleit AcP 210 (2010), 354, 392. Siehe oben S. 104f. EUGH Rs. C-117/76, EU:C:1977:160 = EuGRZ 1977, 494 – Ruckdeschel; EUGH Rs. C-28/76, EU:C:1976:155 = Slg. 1976, 1639 – Milac, beide in Bezug auf Verordnungen; vgl. Ahmling Analogiebildung, S. 188f. Lippstreu Rechtsangleichung, S. 205; Neuner in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 12 Rn. 30; Grigoleit AcP 210 (2010), 354, 392. Ahmling Analogiebildung, S. 148; Grigoleit AcP 210 (2010), 354, 391.

128

Methodischer Rahmen

Recht der Mitgliedstaaten wird in diesem Bereich aufrechterhalten. Anders als im nationalen Recht, dem ein vollständiger Regelungsansatz unterstellt wird,762 lässt sich daher von der Notwendigkeit einer Regelung kein Rückschluss auf das Vorliegen einer planwidrigen Lücke ziehen.763 Die Ermittlung einer Lücke muss deshalb systemimmanent anhand der jeweiligen Richtlinie erfolgen. Maßgeblich ist die Perspektive des Unionsgesetzgebers.764 Nur wenn und soweit er tatsächlich ein hinreichend vollständiges System einführen wollte, kommt eine Lücke auf unionsrechtlicher Ebene in Betracht. Andernfalls liegt der Schluss nahe, dass der betreffende Regelungsbereich nicht harmonisiert, sondern den Mitgliedstaaten überlassen werden sollte.765 Die Grenzziehung im Einzelfall erfolgt durch Auslegung der betreffenden Richtlinie. Dabei kann anders als nach deutscher Methodenlehre wegen der zahlreichen offiziellen Sprachfassungen766 nicht entscheidend auf eine Wortsinngrenze abgestellt werden.767 Letztlich maßgeblich ist deshalb wiederum das Telos.768 Aufgrund ihres umfassenderen Regelungsanspruchs zielen vollharmonisierende Richtlinien häufiger auf die Schaffung eines vollständigen Regelungssystems ab. Interne Lücken werden sich hier deshalb häufiger finden als bei mindestharmonisierenden Richtlinien.769 Die Maßstäbe sind hier vergleichbar mit den Gesichtspunkten, nach denen die Konkretisierungstiefe ermittelt wird.770 Zu diesem Verständnis passt die Rechtsprechung des EUGH. Dieser nimmt eine Lücke an, wenn das Fehlen einer Regelung »mit einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts unvereinbar ist«,771 und lässt sich dabei wesentlich vom Gleichheitssatz leiten.772 Er stellt hiermit bereits auf die ver-

762 763 764 765 766 767 768 769 770 771 772

Vogenauer ZEuP 2005, 234, 254. Larenz/Canaris Methodenlehre, S. 192. Neuner in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 12 Rn. 30. Walter Rechtsfortbildung, S. 73. Zu den verschiedenen Möglichkeiten einer Berücksichtigung Ahmling Analogiebildung, S. 150ff.; Müller/Christensen Juristische Methodik II, Rn. 628ff. Martens Methodenlehre, S. 503f.; Roder Methodik des EuGH, S. 322f.; Ahmling Analogiebildung, S. 149ff.; S.M. Grundmann Auslegung des Gemeinschaftsrechts, S. 217ff.; a. A. Klatt Wortlautgrenze, S. 26. Schroeder FS Roth, S. 740; Walter Rechtsfortbildung, S. 26; Höpfner/Rüthers AcP 209 (2009), 1, 5. Einen weiten Lückenbegriff im Anschluss an das anglo-amerikanische Rechtsverständnis nimmt Martens Methodenlehre, S. 506 an. Ahmling Analogiebildung, S. 192f.; Franzen Privatrechtsangleichung, S. 608; Cornels Schranken, S. 50. Siehe oben S. 121. EUGH Rs. C-165/84, EU:C:1985:507 = Slg. 1985, 3997, Tz. 23 – Krohn. EUGH Rs. C-313/02, EU:C:2004:607 = DVBl 2004, 1473, Tz. 56 – Wippel; EUGH Rs. C-402/ 07, EU:C:2009:716 = NJW 2010, 43, Tz. 48 – Sturgeon; EUGH Rs. C-550/07 P, EU:C:2010:512 = NJW 2010, 3557, Tz. 54 mwN – Akzo Nobel; hierzu Dobler in: Roth/ Hilpold Der EuGH und die Mitgliedstaaten, S. 509, 518ff.

Primärrechtliche Vorgaben innerhalb des Umsetzungsspielraums

129

gleichbare Interessenlage als Maßstab für die Lückenfüllung ab.773 Doch ist diese Vorgehensweise auch für die Lückenfeststellung geeignet, da dem Unionsgesetzgeber der Anspruch unterstellt werden darf, EU-Recht in Übereinstimmung mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Unionsrechts erlassen zu wollen.

III.

Lückenfüllung

Methodisch lässt sich die Lückenfüllung auch im europäischen Recht mit den bekannten Mitteln, insbesondere der Analogie sowie der teleologischen Extension bewerkstelligen.774 Die erforderlichen Maßstäbe ergeben sich aus dem Gleichheitssatz und dem Primärrecht.775 Schranken sind dem EUGH bei der analogen Anwendung von strafähnlichen776 oder belastenden777 Normen sowie bei unausfüllbaren Lücken gesetzt. Letztere nimmt der Gerichtshof an, wenn für die Schließung einer Lücke reine Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen wären oder mehrere primärrechtskonforme Regelungsalternativen bestehen.778

C.

Primärrechtliche Vorgaben innerhalb des Umsetzungsspielraums

Jenseits der Vorgaben europäischer Richtlinien sind die Mitgliedstaaten an das Primärrecht der Europäischen Verträge gebunden. Primärrechtliche Vorgaben, die aus urheberrechtlicher Sicht schutzbegrenzend wirken können, sind die Grundfreiheiten, insbesondere die Warenverkehrsfreiheit (unten I) sowie das EU-Kartellrecht der Art. 101 und 102 AEUV (unten II). Fraglich ist zudem, welche Vorgaben aus dem europäischen Grundrechtsschutz abgeleitet werden können (unten III).

773 Ahmling Analogiebildung, S. 161; Cornels Schranken, S. 50; kritisch zum Verschwimmen der Grenze zwischen Lückenfeststellung und Lückenfüllung Grosche Rechtsfortbildung, S. 108. 774 Cornels Schranken, S. 51ff.; speziell zur Analogie vgl. Ahmling Analogiebildung, S. 147ff. 775 Neuner in: Riesenhuber Europäische Methodenlehre, § 12 Rn. 31ff. 776 Hierzu Ahmling Analogiebildung, S. 167f. 777 EUGH Rs. C-201/10, EU:C:2011:282 = HFR 2011, 707, Tz. 52 – Ze Fu Fleischhandel; vgl. auch Anweiler Auslegungsmethoden, S. 402f. 778 EUGHRs. C-454/98, EU:C:2000:469 = DVBl 2001, 54, Tz. 48f. – Schmeink & Cofreth und Strobel; EUGH Rs. C-310/98, EU:C:2000:154 = HFR 2000, 457, Tz. 32 – Met-Trans und Sagpol; Dänzer-Vanotti FS Everling I, S. 221.

130 I.

Methodischer Rahmen

Vorgaben der Grundfreiheiten, insbesondere Art. 34 AEUV

Ziel der Union ist u. a. die Schaffung eines Binnenmarktes, »in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital« gewährleistet ist, vgl. Art. 3 III EUV und Art. 26 II AEUV. Dessen ungeachtet spaltet das Territorialitätsprinzip den europäischen Urheberrechtsschutz nach wie vor in einzelne national gewährte Urheberrechte auf. Werden diese unterschiedlich ausgestaltet, so entsteht ein Spannungsverhältnis zum Grundsatz des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs im Binnenmarkt (Art. 34, 56 AEUV), das im Fall des Art. 34 einer Rechtfertigung nach Art. 36 AEUV bedarf.779 Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit können danach »zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums« erforderlich sein. Der EUGH versuchte für die erforderliche Konkretisierung zunächst eine Differenzierung zwischen Bestand und Ausübung eines Schutzrechts.780 Während der Bestand durch Art. 34 AEUV unberührt bleiben sollte,781 wurde die Ausübung eines Schutzrechts unter den Vorbehalt der Warenverkehrsfreiheit gestellt. Diese Unterscheidung blieb unscharf. In der Sache geht es um die Bestimmung des spezifischen Schutzgegenstandes eines Immaterialgüterrechts.782 Dieser lässt sich nicht allgemein bestimmen, sondern hängt von der jeweiligen Urheberrechtsordnung und den betroffenen Verwertungsarten ab.783 Eindeutig nicht gerechtfertigt ist eine territoriale Limitierung des Erschöpfungsgrundsatzes. Derartigen Möglichkeiten zur Marktabschottung hat der EUGH mit dem Grundsatz der unionsweiten Erschöpfung schon früh einen Riegel vorgeschoben.784 Gleiches gilt mittlerweile für die territoriale Aufspaltung eines Satellitenfernsehangebotes mittels Decodiervorrichtungen; ein solches

779 GHN-Leible/T. Streinz Art. 36 AEUV Rn. 32; HdU-Loewenheim § 55 Rn. 1; Schack UrhR, Rn. 145; ders. FS 50 Jahre UrhG, S. 277; Streinz in: Riesenhuber Systembildung, S. 11, 15ff.; Ubertazzi in: Stamatoudi/Torremans EU Copyright Law, Rn. 3.01ff.; Eichelberger ZGE 2011, 403, 426; vgl. zur Anwendbarkeit von Art. 36 AEUVauf das Urheberrecht auch EUGH Rs. C-55/80, EU:C:1981:10 = NJW 1981, 1143, Tz. 12 – Musik-Vertrieb Membran GmbH/ GEMA. 780 EUGH Rs. C-78/70, EU:C:1971:59 = NJW 1971, 1533, Tz. 11 – Polydor; vgl. auch EUGH Rs. C-5/11, EU:C:2012:370 = GRUR 2012, 817, Tz. 31ff. – Donner. 781 Schranken setzen dann aber immer noch das Diskriminierungsverbot und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, vgl. Streinz in: Riesenhuber Systembildung, S. 11, 18f. 782 EUGH Rs. C-15/74, EU:C:1974:114 = Slg. 1974, 1147, Tz. 9 – Centrafarm; GHN-Leible/ T. Streinz Art. 36 AEUV Rn. 35; HdU-Loewenheim § 55 Rn. 3; Schack UrhR, Rn. 147. Mit zunehmender Rechtsangleichung ergibt sich der »spezifische Gegenstand« verstärkt aus dem Unionsrecht selbst, vgl. GHN-Stieper Art. 118 AEUV Rn. 5f.; ders. ZGE 2011, 227, 239f. 783 GHN-Leible/T. Streinz Art. 36 AEUV Rn. 35. 784 EUGH Rs. C-78/70, EU:C:1971:59 = NJW 1971, 1533 – Polydor ; mittlerweile vorgegeben durch Art. 4 II InfoSoc-RL, siehe unten S. 197f.

Primärrechtliche Vorgaben innerhalb des Umsetzungsspielraums

131

Vorgehen verstößt gegen Art. 56 AEUV.785 Diese Rechtsprechung wirkt aus Sicht der Urheber rechtsbegrenzend und zeigt, dass auch die Grundfreiheiten des Primärrechts eine maximalschützende Wirkung entfalten können.

II.

Kartellrechtliche Schranken, Art. 101, 102 AEUV

Einschränkungen hinsichtlich der Ausübung von Immaterialgüterrechten ergeben sich auch aus den kartellrechtlichen Vorschriften der Art. 101 und 102 AEUV. Die legitime Nutzung eines urheberrechtlichen Monopols allein kann nicht missbräuchlich sein.786 Der EUGH hat aber über die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle schon tief in den urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsbereich eingegriffen und zum Beispiel die Geltendmachung eines nach britischem Recht bestehenden Urheberrechts an Programminformationen, für die eine Lizenzvergabe verweigert worden war, als missbräuchlich iSv (heute) Art. 102 II AEUV eingestuft.787 Ähnlich hat er im Fall einer urheberrechtlich geschützten Datenbank entschieden, die zu einem De-facto-Standard bei der Erstellung von Marktberichten für die Pharmaindustrie geworden war.788 Der Sache nach handelt es sich um Anwendungsfälle der »essential-facilities«Doktrin.789 Daneben darf insbesondere die Vergabe urheberrechtlicher Lizenzen nicht gegen Art. 101 AEUV verstoßen.790 Das europäische Kartellrecht stellt jedoch, anders als Art. 34 AEUV, keine Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung des Urheberrechts durch die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, sondern kontrolliert nur dessen Nutzung auf dem Markt.791

785 EUGH Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 76ff. – FAPL und Murphy. Die räumlich begrenzte Lizenzvergabe des Vorführungs-, Aufführungs- und Senderechts ist dagegen zulässig, vgl. EUGH Rs. C-62/79, EU:C:1980:84 = GRUR Int. 1980, 602, Tz. 13ff. – Le Boucher I; hierzu Grützmacher ZGE 2013, 46, 62ff.; allgemein zur Dienstleistungsfreiheit HdU-Loewenheim § 55 Rn. 9; Brauneck GRUR Int. 2015, 889, 891ff. 786 Schack UrhR, Rn. 150; ausführlich Heutz Spannungsverhältnis, S. 69ff. 787 EUGH Rs. C-241/91 P, EU:C:1995:98 = GRUR Int. 1995, 490 – Magill TV Guide. Das eigentliche Problem liegt hier allerdings in der sehr großzügigen Gewährung des urheberrechtlichen Schutzes durch das britische Urheberrecht; kritisch deshalb Schack UrhR, Rn. 149. 788 EUGH Rs. C-418/01, EU:C:2004:257 = GRUR 2004, 524 – IMS Health; vgl. auch EUG Rs. T-201/04, EU:T:2007:289 = Slg. 2007, II-3601, Tz. 283ff. – Microsoft/Kommission; WaBu-v. Welser vor § 120 Rn. 45ff. 789 Schack UrhR, Rn. 149; Emmerich Kartellrecht, § 10 Rn. 60 mwN; Heutz Spannungsverhältnis, S. 155ff.; Firth in: Stamatoudi/Torremans EU Copyright Law, Rn. 4.01ff. 790 Für Art. 101 AEUV etwa EUGH Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 134ff. – FAPL und Murphy ; WaBu-v. Welser vor § 120 Rn. 49ff. 791 Streinz in: Riesenhuber Systembildung, S. 11, 23ff.

132 III.

Methodischer Rahmen

Vorgaben des europäischen Grundrechtsschutzes

Neben den Vorgaben der Grundfreiheiten und des Kartellrechts kommen auch solche der Unionsgrundrechte in Betracht. Eine schutzbegrenzende Funktion von Grundrechten ist bei näherer Betrachtung sogar wahrscheinlich. Denn Maximalschutzgrenzen entstehen nicht zufällig, sondern sind in der Regel das Ergebnis eines Abwägungsprozesses zwischen dem Urheberrecht und gegenläufigen Interessen, die oft durch entsprechende Grundrechte geschützt sind.792 Der Grundrechtsschutz in der Europäischen Union beruht auf drei Säulen: Art. 6 I EUV inkorporiert die Grundrechtecharta,793 die damit Bestandteil des Primärrechts geworden ist.794 Durch Art. 6 II EUV verpflichtet sich die EU, der EMRK beizutreten,795 und schließlich ist die Union gemäß Art. 6 III EUV weiterhin den allgemeinen Rechtsgrundsätzen verpflichtet, die sich aus der gemeinsamen Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten ergeben.796 Zu Spannungen sollte es durch diese dreifache Gewährleistung nicht kommen. Die Grundrechtecharta kodifiziert im Wesentlichen die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts797 und ist zudem gemäß Art. 52 III GRCh in Einklang mit der EMRK auszulegen. Solange die EU selbst der EMRK noch nicht beigetreten ist, können europäische Rechtsakte nicht vor dem EGMR angegriffen werden. Im Fall von EU-Richtlinien gilt dies jedoch nicht für die nationalen Umsetzungsakte,798 so dass es hier zu einer doppelten Kontrolle durch EUGH und EGMR kommen kann.799

792 Vgl. zu den Vorgaben des Grundgesetzes Schack UrhR, Rn. 84ff., und speziell für die urheberrechtlichen Schranken Stieper Schranken, S. 42ff. 793 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. EU 2007 C 303, S. 1. 794 Calliess/Ruffert-Kingreen Art. 6 EUV Rn. 12; Oppermann/Classen/Nettesheim Europarecht, § 17 Rn. 7; Huber NJW 2011, 2385. 795 Zum Stand des Beitrittsprozesses GHN-Schorkopf Art. 6 EUV Rn. 38ff. Ursprünglich hatte der EUGH einen Beitritt wegen der insoweit fehlenden Zuständigkeit der Union abgelehnt, EUGH Gutachten 2/94, EU:C:1996:140 = EuGRZ 1996, 197. Daher war die Schaffung der Kompetenzgrundlage des Art. 6 II S. 1 EUV notwendig geworden; hierzu Obwexer EuR 2012, S. 115, 116ff. Trotzdem ablehnend EUGH Gutachten 2/13, EU:C:2014:2454 = JZ 2015, 773; hierzu Breuer EuR 2015, 330ff.; Grabenwarter/Pabel EMRK, Rn. 16 mwN. 796 Der Sache nach wird hier der durch den EUGH entwickelte unionale Grundrechtsschutz neben der Kodifikation der GRCh aufrechterhalten; vgl. GHN-Schorkopf Art. 6 EUV Rn. 50ff. Grundlegend EUGH Rs. C-29/69, EU:C:1969:57 = EuR 1970, 39, Tz. 7 – Stauder. 797 Meyer-Borowsky Art. 53 GRCh Rn. 16. 798 EGMR NJW 2006, 197, Tz. 152f. – Bosphorus/Irland. 799 Raue GRUR Int. 2012, 402, 407.

Primärrechtliche Vorgaben innerhalb des Umsetzungsspielraums

1.

133

Anwendungsbereich der Grundrechtecharta

Schwierigkeiten kann die Abgrenzung der Anwendungsbereiche nationaler und europäischer Grundrechte bereiten. Sie ist aber wesentlich, um mögliche schutzbegrenzende Anforderungen des europäischen Grundrechtsschutzes zu ermitteln.800 Ausgangspunkt ist Art. 51 GRCh: Danach sind die Mitgliedstaaten »ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union« durch die Grundrechtecharta gebunden. Die Norm ist Ausdruck des ursprünglichen Ziels der Grundrechtecharta, die europäische Hoheitsgewalt einem umfassenden Grundrechtsschutz zu unterstellen und wird häufig als Aufforderung zur Selbstbeschränkung an den EUGH gelesen.801 Gleichzeitig wird eine einheitliche Grundrechtskontrolle mitgliedstaatlicher Maßnahmen gewährleistet, die als exekutiver Vollzug oder legislative Umsetzung der Sache nach Unionsrecht darstellen. Dessen effektive Verwirklichung soll nicht durch variierende nationale Grundrechtsstandards gefährdet werden.802 Der EUGH sah die Mitgliedstaaten ursprünglich immer dann an europäische Grundrechte gebunden, wenn diese »im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts« handelten oder eine »gemeinschaftsrechtlich geregelte Situation« betroffen war.803 Diese »weite Suchformel«804 behielt er auch nach Einführung des Art. 51 GRCh zunächst bei.805 Zuletzt finden sich auch weniger weitreichende Formulierungen,806 eine einheitliche Linie hat sich bisher allerdings noch nicht abgezeichnet.807 Das BVerfG ist in diesem Punkt strenger. Es akzeptiert die grundrechtliche Kontrolle durch den EUGH, solange dieser einen dem Grundgesetz vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet.808 Der Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte dürfe aber nicht durch jeden »sachlichen Bezug einer Regelung 800 Siehe oben S. 104ff. für die entsprechende Problematik bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs von Richtlinienregelungen. 801 Meyer-Borowsky Art. 51 GRCh Rn. 16, 23f.; Huber NJW 2011, 2385, 2387 mwN zur Entstehungsgeschichte; a. A. Jarras Charta Art. 51 GRCh Rn. 18 und Grabenwarter EuGRZ 2004, 563, 564. 802 EUGH Rs. C-198/13, EU:C:2014:2055 = EuZW 2014, 795, Tz. 47 – Hern#ndez; Britz EuGRZ 2015, 275, 276. 803 EUGH Rs. C-260/89, EU:C:1991:254 = EuZW 1991, 507, Tz. 42 – ERT. 804 Scheuing EuR 2005, 162, 163. 805 EUGH Rs. C-617/10, EU:C:2013:105 = EuGRZ 2013, 124, Tz. 24 - 27 – Fransson; hierzu Jarras Charta Art. 51 GRCh Rn. 9; EUGH Rs. C-390/12, EU:C:2014:281 = EuZW 2014, 597, Tz. 31ff. – Pfleger. 806 »Benachbarte« Sachbereiche sollen nicht ausreichen, vgl. EUGH Rs. C-206/13, EU:C:2014:126 = NVwZ 2014, 575, Tz. 24 – Siragusa; EUGH Rs. C-198/13, EU:C:2014:2055 = EuZW 2014, 795, Tz. 34 – Hern#ndez. 807 Britz EuGRZ 2015, 275, 277 mwN in Fn. 2 zur Rechtsprechung des EUGH. 808 BVerfGE 73, 339, 387 – Solange II; BVerfGE 118, 79, 95ff. – Treibhausgasemissionen.

134

Methodischer Rahmen

zum bloß abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrechts oder rein tatsächliche Auswirkungen auf dieses« ausgelöst werden.809 Das Grundgesetz trete nur bei zwingenden Vorgaben des Unionsrechts zurück.810 Diese Ansätze des EUGH und des BVerfG sind nicht vollständig deckungsgleich.811 Potentielle Konflikte lassen sich auch nur eingeschränkt über das Günstigkeitsprinzip des Art. 53 GRCh lösen. Dieses bietet keine Lösung, soweit ein Interessenausgleich zwischen den Grundrechtspositionen mehrerer Bürger herzustellen ist. Eine extensive Auslegung des grundrechtlichen Schutzes der Urheber geht zwangsläufig zu Lasten der Nutzer und umgekehrt.812 Eine abschließende Diskussion der Abgrenzungsschwierigkeiten kann hier nicht vorgenommen werden, es lässt sich aber folgender Zwischenstand festhalten: Legt man das Gebot der effektiven Umsetzung des Unionsrechts als Telos des Art. 51 I GRCh zugrunde, so ist nationales Recht jedenfalls immer dann an europäischen Grundrechten zu messen, wenn es zwingende Anforderungen des Unionsrechts umsetzt. Soweit den Mitgliedstaaten Umsetzungsspielräume verbleiben, wäre demnach eine Kontrolle anhand der Grundrechtecharta nicht mehr notwendig,813 gerade in diesem Punkt scheinen sich aber die Ansichten des EUGH und des BVerfG noch zu unterscheiden.814 Außerhalb des unionsrechtlich determinierten Bereichs ist die Grundrechtecharta lediglich bei der Auslegung der Grundfreiheiten heranzuziehen.815 2.

Maximalschutz durch europäische Grundrechte

Aus der Grundrechtecharta sind für das Urheberrecht insbesondere folgende Grundrechte relevant: Die Eigentumsfreiheit in Art. 17 GRCh (unter ausdrücklicher Nennung der Rechte des geistigen Eigentums), die Meinungs- und Pressefreiheit in Art. 11, die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit in Art. 13 sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Art. 7 GRCh. Die entsprechenden Vorschriften der EMRK, die über Art. 52 III GRCh auch für den unionalen Grund809 810 811 812 813

BVerfGE 133, 277, 316 – Antiterrordatei, gegen EUGH – Fransson, aaO. BVerfGE 118, 79, 95ff. – Treibhausgasemissionen; BVerfGE 129, 78, 88ff. – Cassina. Britz EuGRZ 2015, 275. Raue GRUR Int. 2012, 402, 407. In diese Richtung auch EUGH Rs. C-188/10, EU:C:2010:363 = EuGRZ 2010, 452, Tz. 54f. – Melki und Abdeli; BVerfG aaO (oben Fn. 810); Britz EuGRZ 2015, 275, 278. 814 Jotzo Datenschutz in der Cloud, S. 34; Cornels Schranken, S. 29. Teilweise wird vertreten, dass nationale und europäische Grundrechte in diesem Bereich parallel anwendbar sein können; vgl. zu dieser »Kumulationsthese« EUGH Rs. C-617/10, EU:C:2013:105 = EuGRZ 2013, 124, Tz. 29 – Fransson; Calliess/Ruffert-Kingreen Art. 51 GRCh Rn. 10; ders. JZ 2013, 801, 803; kritisch Britz EuGRZ 2015, 280; zu verschiedenen Lösungsansätzen Bäcker EuR 2015, 389, 391; vgl. auch Raue GRUR Int. 2012, 402, 409. 815 Britz EuGRZ 2015, 275, 277; dort kann die GRCh auch als Schranken-Schranke fungieren, vgl. Calliess/Ruffert-Kingreen Art. 51 GRCh Rn. 16ff.

Primärrechtliche Vorgaben innerhalb des Umsetzungsspielraums

135

rechtsschutz maßgeblich sind, finden sich in Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK816 (Schutz des Eigentums), Art. 10 (Meinungsfreiheit unter Einschluss der Presse-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit817) sowie in Art. 8 EMRK (Achtung des Privat- und Familienlebens). Gerade die zuletzt genannten Grundrechtsverbürgungen schützen Interessen, die einer Überdehnung des urheberrechtlichen Schutzes entgegenstehen. Dem Unionsgesetzgeber sind hierdurch bei der weiteren Ausgestaltung des urheberrechtlichen acquis Grenzen gesetzt. Der EUGH muss den europäischen Grundrechtsschutz im Wege der grundrechtskonformen Auslegung des bestehenden Richtlinienrechts berücksichtigen. Abstrakt wirken die Anforderungen der europäischen Grundrechte an die Ausgestaltung und Auslegung des Urheberrechts deshalb maximalschützend.818 Die konkreten Vorgaben ergeben sich wiederum erst durch die inhaltliche Auslegung der GRCh durch den EUGH. Fraglich ist, ob es auch in den Bereichen des Urheberrechts, die nicht – oder nicht zwingend – durch Richtlinien harmonisiert sind, durch den europäischen Grundrechtsschutz zu zusätzlichen Schutzobergrenzen kommen kann. Möglich wäre dies, wenn man den Anwendungsbereich europäischer Grundrechte mit dem EUGH sehr weit zieht.819 Überspitzt ließe sich angesichts der fast flächendeckenden elf Richtlinien820 gar das gesamte Urheberrecht als »gemeinschaftsrechtlich geregelte Situation«821 einstufen. Entsprechend ließe sich für Teilbereiche wie die Verwertungsrechte oder die Schranken argumentieren.822 Die europäischen Grundrechte würden dann weit über die konkreten Vorgaben des Richtlinienrechts hinaus eine unter Umständen auch maximalschützende Wirkung entfalten. Wenn man dagegen die Abgrenzung der Anwendungsbereiche europäischer und nationaler Grundrechte danach vornimmt, ob das zu kontrollierende nationale Recht zwingende Vorgaben des Unionsrechts umsetzt,823 entstehen keine weitergehenden Vorgaben. Für die Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte auf die mitgliedstaatlichen Urheberrechtsordnungen lässt sich dann auf die An816 BGBl. 2002 II, 1072. Zum Schutz des Geistigen Eigentums durch die EMRK vgl. auch EGMR GRUR Int. 2013, 859 – Ashby Donald und oben S. 24f. 817 Meyer-Ladewig/Nettesheim/v. Raumer-Daiber Art. 10 EMRK Rn. 19ff.; Oppermann/Classen/Nettesheim Europarecht, § 17 Rn. 57. 818 Vgl. auch Geiger in: Derclaye Research Handbook, S. 27ff.; Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 4.0.13. 819 Siehe oben Fn. 805. 820 Siehe oben S. 101f. und Fn. 543ff. 821 EUGH Rs. C-260/89, EU:C:1991:254 = EuZW 1991, 507, Tz. 42 – ERT. 822 Insbesondere für die fakultativen Schranken in Art. 5 II, III InfoSoc-RL könnte ein ausgedehnter europäischer Grundrechtsschutz weitreichende Folgen haben, hierzu unten S. 221f. 823 Siehe oben Fn. 813.

136

Methodischer Rahmen

forderungen für die Umsetzung der europäischen Richtliniengesetzgebung Bezug nehmen.824 Die dort dargestellte Grenzziehung zwischen Umsetzungsverpflichtung und Gestaltungsspielräumen der Mitgliedstaaten hat bei einem engen Verständnis von Art. 51 GRCh unmittelbare Auswirkungen auf das Eingreifen der europäischen Grundrechte.825 Diese würden nur für die Kontrolle zwingender Vorgaben des Richtlinienrechts eingreifen und könnten darüber hinaus keine schutzbegrenzende Wirkung entfalten. Die maximalschützende Wirkung des europäischen Grundrechtsschutzes auf die Urheberrechtsordnungen der Mitgliedstaaten hängt deshalb wesentlich von der Klärung des Anwendungsbereichs der europäischen Grundrechte ab. Für die Auslegung von Art. 51 I GRCh ist der EUGH zuständig. Dieser hat sich bisher mit der Anwendung der europäischen Grundrechte auf das Urheberrecht zurückhaltend gezeigt.826

IV.

Zwischenergebnis

Innerhalb der Spielräume, die europäischen Richtlinien den Mitgliedstaaten belassen, ergeben sich zusätzliche unionsrechtliche Vorgaben aus dem europäischen Primärrecht und dort insbesondere aus der Warenverkehrsfreiheit. Das europäische Kartellrecht begrenzt dagegen nur den »Gebrauch« bestehender Urheberrechte.827 Das Eingreifen der EU-Grundrechtecharta hängt von deren Anwendungsbereich ab. Maximalschützend wirken die europäischen Grundrechte jedenfalls über die grundrechtskonforme Auslegung bestehender Vorgaben des Richtlinienrechts. Legt man mit dem EUGH einen weiten Anwendungsbereich zugrunde,828 könnten die europäischen Grundrechte eine viel weiter reichende Wirkung entfalten.829 Wie sich der EUGH hierzu positioniert, bleibt abzuwarten.

824 Siehe oben S. 103ff. 825 Britz EuGRZ 2015, 275, 279. 826 Vgl. etwa EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 45 – GS Media; EUGH Rs. C-201/13, EU:C:2014:2132 = GRUR 2014, 972, Tz. 25 – Deckmyn; hierzu unten S. 223ff. 827 Siehe oben S. 131ff. 828 Siehe oben S. 133 und insbesondere Fn. 805. 829 Siehe oben S. 134f.

Zusammenfassung

D.

137

Zusammenfassung: Methodischer Rahmen europäischer Maximalschutzgrenzen

Maximalschutzgrenzen des Unionsrechts bewegen sich methodisch in folgendem Rahmen: Maßgeblich sind in erster Linie die Vorgaben der bestehenden urheberrechtlichen Richtlinien, deren Umfang sich aus einer Ermittlung des Anwendungsbereichs, der Harmonisierungsintensität und der Konkretisierungstiefe der jeweiligen Richtlinienregelung ergibt.830 Hinzu kommt die rechtsfortbildende Rechtsprechung des EUGH. Hierbei ist streng zwischen einer Regelungslücke und einem fehlenden Harmonisierungswillen des Unionsgesetzgebers zu unterscheiden.831 Zwingende Vorgaben, die jenseits der Vorgaben des Richtlinienrechts eine maximalschützende Wirkung entfalten können, können sich zudem aus dem europäischen Primärrecht ergeben.832

830 Siehe oben S. 103ff. 831 Siehe oben S. 126ff. 832 Siehe oben S. 132ff.

Kapitel 6: Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

Der acquis communautaire im Urheberrecht hat trotz verbleibender Lücken mittlerweile einen beachtlichen Umfang erreicht.833 Eine vollständige Untersuchung aller vorhandenen Regelungen anhand der in Kapitel 5 erarbeiteten Methodik ist daher nicht möglich. Exemplarisch sollen stattdessen der Werkbegriff, das Verbreitungsrecht, das Recht der öffentlichen Wiedergabe sowie die Schranken der InfoSoc-RL behandelt werden.

A.

Werkbegriff

Der Werkbegriff ist das Tor zum Urheberrecht.834 Er ist für das Urheberrecht ebenso zentral wie schwer zu fassen.835 Da der Werkbegriff erst die Voraussetzungen eines urheberrechtlichen Schutzes bestimmt, kann ein Maximalschutz hier nicht im Sinne einer Beschränkung des Ausschließlichkeitsbereichs ansetzen. Schutzobergrenzen im Rahmen des Werkbegriffs entstehen vielmehr durch die Vorgabe von Mindestvoraussetzungen, die für die Erlangung eines urheberrechtlichen Schutzes erfüllt sein müssen.836 Für das deutsche Urheberrecht, das an die erforderliche Schöpfungshöhe im europäischen Vergleich traditionell eher höhere Anforderungen stellt,837 ist ein Maximalschutz durch europäisches Recht nicht wahrscheinlich. Die Anforderungen sind europaweit aber uneinheitlich geregelt.838 Das britische Urheberrecht etwa verlangt lediglich

833 834 835 836 837

Siehe oben S. 101f. Erdmann FS Loschelder, S. 61. Schack UrhR, Rn. 180ff. Siehe oben S. 23. Allerdings hat sich auch im deutschen Urheberrecht die »kleine Münze« durchgesetzt; vgl. RGZ 81, 120, 123 – Kochrezepte; BGHZ 116, 136, 144 – Leitsätze; Schack UrhR, Rn. 292ff. (kritisch); Loewenheim GRUR 1987, 761ff. 838 Roder Methodik des EuGH, S. 361ff.

140

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

»labour, skill or judgement«,839 es reicht Originalität in dem Sinne, dass das Werk keine bloße Kopie eines anderen ist.840 Im Primärrecht der EU finden sich auch nach dem Vertrag von Lissabon keine Vorgaben für den urheberrechtlichen Werkbegriff. Vielmehr betrifft die Ausgestaltung des Werkbegriffs den »Bestand« der nationalen Urheberrechte, so dass eine eventuelle Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt ist.841 Auf sekundärrechtlicher Ebene ist dagegen seit 1991 punktuell für Computerprogramme, Datenbanken und Fotografien eine Harmonisierung erfolgt.842 Diese speziellen Werkbegriffe und die zu ihnen ergangene Rechtsprechung des EUGH sind der Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung (unten I). Soweit sich Maximalschutzvorgaben ergeben, wird auf diese hingewiesen. Schwerpunkt der Betrachtung ist jedoch die Rechtsprechung des EUGH zum »einheitlichen europäischen Werkbegriff«, da ein solcher praktisch von wesentlich größerer Bedeutung wäre (unten II).

I.

Die speziellen Werkbegriffe

Vorgaben für die speziellen Werkbegriffe finden sich in Art. 1 und 3 Datenbanken-RL, für Fotografien in Art. 6 Schutzdauer-RL sowie in Art. 1 Software-RL. 1.

Schutz von Datenbanken

Die Datenbank-RL regelt neben dem Schutz von Datenbankwerken (Art. 3 bis 6) in Art. 7ff. auch den sui generis Schutz einfacher Datenbanken, die keine »eigene geistige Schöpfung« darstellen, sondern lediglich unter erheblichem Investitionsaufwand erstellt wurden.843 Voraussetzung ist in beiden Fällen das Vorliegen einer »Datenbank«.844

839 Landbroke (Football) Ltd v William Hill (Football) Ltd [1964] 1 W.L.R. 273, 277ff. 840 University of London Press v University Tutorial [1916] 2 Ch. 601, 610; vgl. auch Bently/ Sherman Intellectual Property Law, S. 96f. 841 Dreier/Schulze § 2 Rn. 22; König Der Werkbegriff in Europa, S. 11; Riesenhuber in: ders. Systembildung, S. 115; Röttinger UFITA 2001 I, 9, 45; siehe auch oben S. 132. 842 König Der Werkbegriff in Europa, S. 15ff.; Mezger Schutzschwelle, S. 101f.; Bisges ZUM 2015, 357, 358. 843 Schack UrhR, Rn. 743 mwN. 844 Dreier/Hugenholtz Concise, S. 390; Leistner Rechtsschutz von Datenbanken, S. 45ff.

Werkbegriff

141

a) Begriff der Datenbank Nach Art. 1 I schützt die Richtlinie Datenbanken in »jeglicher Form«. Art. 1 II präzisiert den Begriff der »Datenbank« als eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit elektronischen Mitteln oder auf andere Weise zugänglich sind. Dieser Datenbankbegriff dient überwiegend der Abgrenzung von Datenbanken gegenüber benachbarten Werkarten, ohne dabei urheberrechtliche Schutzmöglichkeiten zu begrenzen. So sind physische Gegenstände keine Daten oder Elemente,845 und die einzelnen Bestandteile von Sprach-, Musik- oder Filmwerken weisen weder die erforderliche Unabhängigkeit auf846 noch sind sie einzeln zugänglich.847 Schutzbegrenzend könnte allein das Erfordernis einer systematischen Anordnung der Daten wirken. Diese zusätzliche Voraussetzung dient der Abgrenzung von Datenbanken zu bloßen »Datenhaufen«,848 für welche ein urheberoder leistungsrechtlicher Schutz tatsächlich nicht angemessen erscheint. Für den EUGH ist entscheidend, dass eine Datenbank im Sinne der Richtlinie »durch ein Mittel gekennzeichnet ist, mit dessen Hilfe sich in ihr jeder ihrer Bestandteile auffinden lässt.«849 Insbesondere für den sui generis Schutz einfacher Datenbanken ohne schöpferischen Gehalt ließe sich hier ein qualitatives Kriterium verorten, mit dem ein »Ausufern« des Schutzrechtes vermieden werden könnte. Unionsrechtlich ist ein solcher Maximalschutz gleichwohl nicht vorgegeben. Ein solcher könnte durch das Erfordernis einer systematischen Anordnung nur 845 Dreier/Hugenholtz Concise, S. 390; FN-Czychowski § 4 Rn. 29. 846 EUGH Rs. C-444/02, EU:C:2004:697 = GRUR 2005, 254, Tz. 28 – Fixtures-Fußballspielpläne II; EUGH Rs. C-604/10, EU:C:2012:115 = GRUR 2012, 386, Tz. 26 – Football Dataco; FN-Czychowski § 4 Rn. 24; Leistner Rechtsschutz von Datenbanken, S. 46ff.; ders. GRUR Int. 1999, 819, 820f.; Haberstumpf GRUR 2003, 14, 18; Beutler, UFITA 133 (1997), 5, 25f. Geografische Daten, die von einem Dritten aus einer topografischen Landkarte herausgelöst werden, um eine andere Landkarte herzustellen, weisen dagegen einen hinreichenden Informationswert auf; vgl. EUGH Rs. C-490/14, EU:C:2015:735 = GRUR 2015, 1187– Verlag Esterbauer ; hierzu Leistner GRUR 2016, 42ff. 847 EUGH Rs. C-444/02, EU:C:2004:697 = GRUR 2005, 254, Tz. 31f. – Fixtures-Fußballspielpläne II; Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 9.1.25; FN-Czychowski § 4 Rn. 35; Dreier/Schulze § 4 Rn. 18. 848 FN-Czychowski § 4 Rn. 35; Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 9.1.23; Dreier/ Schulze § 4 Rn. 17; Leistner Rechtsschutz von Datenbanken, S. 54; Flechsig ZUM 1997, 577, 580. 849 EUGH Rs. C-444/02, EU:C:2004:697 = GRUR 2005, 254, Tz. 31, 32 – Fixtures-Fußballspielpläne II. Hohe Anforderungen sind von dieser Rechtsprechung aber nicht zu erwarten, FN-Czychowski § 4 Rn. 35; Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 9.1.23; Leistner Rechtsschutz von Datenbanken, S. 54; a. A. Grützmacher Schutz von Datenbanken, S. 172. Erwgr. 21 zeigt zudem, dass es auf die systematische oder methodische physikalische Abspeicherung der Elemente nicht ankommt.

142

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

entstehen, wenn sich unsortierte »Datenhaufen« auch im Anwendungsbereich der Richtlinie befänden und von einer negativen Regelungsvorgabe erfasst wären. Allerdings legt Art. 1 II Datenbank-RL gerade den »Geltungsbereich« der Richtlinie fest. Der Wortlaut und die systematische Stellung der Norm sprechen hier deutlich für eine Regelung des Gegenstandsbereichs. Unsortierte »Datenhaufen« sind deshalb von den Regelungen der Datenbank-RL nicht betroffen. Sie sind vom Anwendungsbereich der Datenbank-RL nicht erfasst und können somit auch nicht Gegenstand eines Maximalschutzes sein.850 Wenn deutsche Gerichte wegen fehlender systematischer oder methodischer Anordnung einen urheberrechtlichen Schutz versagen,851 tun sie das deshalb nicht wegen zwingender unionsrechtlicher Vorgaben, sondern aufgrund der Umsetzungsentscheidung des deutschen Gesetzgebers. Dieser hat das Erfordernis einer systematischen oder methodischen Anordnung übernommen und zu einer echten Schutzvoraussetzung aufgewertet, vgl. § 4 II, 87a I UrhG. b) Schöpfungshöhe Einen schöpferischen Gehalt müssen nur Datenbankwerke aufweisen.852 Diese sind nach Art. 3 Datenbank-RL urheberrechtlich geschützt, wenn sie »aufgrund der Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigene geistige Schöpfung« ihres Urhebers darstellen. Bei der Bestimmung, ob sie für diesen Schutz in Betracht kommen, sind keine anderen Kriterien anzuwenden.« Diese Formulierung der Schutzvoraussetzungen wurde bewusst aus der Software-RL übernommen. Man ging davon aus, dass der Schöpfungsprozess bei Computerprogrammen und Datenbanken ähnlich ist und Software einen wesentlichen Teil des Datenbankmanagements darstellt.853 Der auftretende Konflikt zwischen dem britisch-irischen Copyright-System und der kontinental-europäischen Rechtstradition wurde durch die Einführung des Leistungsschutzrechts für Datenbankhersteller in Art. 7 Datenbank-RL gekittet.854 Daraus ließe sich zwar systematisch ein Argument für erhöhte Anforderungen an die Gestaltungshöhe von Datenbankwerken ableiten.855 Allerdings spricht gegen eine solche Argumentation die einheitliche Verwendung des Begriffs »eigene geistige Schöpfung« in der Software-RL, der Schutzdauer-RL und der Datenbank-RL.856 850 Zur Bedeutung des Anwendungsbereichs siehe oben S. 104ff. 851 OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 217, 219 – CT-Klassenbibliothek; OLG München MMR 2007, 525, 526 – Subito. 852 EUGH Rs. C-444/02, EU:C:2004:697 = GRUR 2005, 254, Tz. 26 – Fixtures-Fußballspielpläne II. 853 Dreier GRUR Int. 1992, 739, 741; Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 9.3.7; Grützmacher Schutz von Datenbanken, S. 203; Kreutzer Modell, S. 243ff. 854 Loewenheim GRUR Int. 1997, 285, 287; vgl. auch Klauer Europäisierung, S. 335f. 855 Leistner Rechtsschutz von Datenbanken, S. 70. 856 Leistner Rechtsschutz von Datenbanken, S. 70; a. A. Kappes, ZEuP 1997, 654, 668.

Werkbegriff

143

Der EUGH hat in der Entscheidung Football Dataco zur Schutzfähigkeit von Fußballspielplänen857 auf das Kriterium der Originalität verwiesen. Dieses sei erfüllt, wenn der »Urheber über die Auswahl oder Anordnung der in ihr enthaltenen Daten seine schöpferischen Fähigkeiten in eigenständiger Weise zum Ausdruck bringt, wenn er freie kreative Entscheidungen trifft und ihr damit seine persönliche Note verleiht.«858 Keine Originalität liege dagegen vor, wenn die »Erstellung der Datenbank durch technische Erwägungen, Regeln oder Zwänge« bestimmt werde, die »für künstlerische Freiheit keinen Raum lassen.«859 Nicht ausreichend sei ferner »ein bedeutender Arbeitsaufwand und bedeutende Sachkenntnis des Urhebers.«860 Damit hat der EUGH dem britisch-irischen skill and labour – Standard eine Absage erteilt.861 Besondere Anforderungen an die zu erreichende Schöpfungshöhe stellt der EUGH allerdings nicht. Es reicht somit, wenn ein ausreichender Gestaltungsspielraum vorliegt, einfache Individualität.862 Insbesondere lassen sich gesteigerte Anforderungen auch nicht aus der Verwendung des Begriffs der »persönlichen Note« herleiten.863 Der EUGH verwendet diesen Begriff wohl nur, weil er auf seine Rechtsprechung zu Art. 6 Schutzdauer-RL Bezug nimmt,864 knüpft an ihn aber keine besonderen Anforderungen.865 c) Zwischenergebnis Aufgrund des insoweit beschränkten Anwendungsbereichs der Datenbank-RL stellt das Erfordernis einer »systematischen oder methodischen Anordnung« in Art. 1 II Datenbank-RL keinen Maximalschutz dar. Für Datenbankwerke hat der EUGH den Begriff »eigenen geistigen Schöpfung« auf dem Niveau einfacher Individualität konkretisiert. Damit besteht eine Mindestvoraussetzung, die

857 858 859 860 861

862 863 864 865

EUGH Rs. C-604/10, EU:C:2012:115 = GRUR 2012, 386 – Football Dataco. EUGH aaO, Tz. 38 – Football Dataco. EUGH aaO, Tz. 39 – Football Dataco. EUGH aaO, Tz. 42 – Football Dataco. Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 9.3.9; Rosati Originality, S. 162ff.; Handig GRUR Int. 2012, 973, 977. Vgl. den Schlussantrag von GA Mengozzi vom 15. 12. 2011, Rs. C604/10, EU:C:2011:848, Tz. 37 – Football Dataco: »eigene geistige Schöpfung« … lässt keinen Raum für Zweifel und übernimmt eine typische Formulierung aus der kontinentalen Tradition des Urheberrechts.« Vgl. auch Leistner ZGE 2013, 4, 34; Handig GRUR Int. 2012, 973, 976; Peifer AfP 2015, 6, 7; Derclaye E.I.P.R. 2010, 247, 248f.; Bently/Sherman Intellectual Property Law, S. 102ff. EUGH Rs. C-604/10, EU:C:2012:115 = GRUR 2012, 386, Tz. 38, 39 – Football Dataco; Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 9.3.8ff.; SL-Leistner § 4 Rn. 34ff.; Dreier/ Schulze § 4 Rn. 14, 19; FN-Czychowski § 4 Rn. 31; Rosati Originality, S. 162ff. EUGH aaO, Tz. 38 – Football Dataco. EUGH Rs. C-145/10, EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 92 – Painer. Nordemann FS Bornkamm, S. 896, 901.

144

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

Datenbanken ohne schöpferischen Bestandteil von einem urheberrechtlichen Schutz ausschließt und somit maximalschützend wirkt.

2.

Schutz von Fotografien

Anders als die Definition des Werkbegriffs bei Datenbanken und Computerprogrammen erfolgte die Regelung des Werkbegriffs für Fotografien nicht aufgrund von wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten, sondern sie diente der Harmonisierung der Schutzdauer, die ohne eine Vereinheitlichung der Schutzvoraussetzungen hier nicht möglich erschien.866 Nach Art. 6 der Schutzdauer-RL867 sind Fotografien urheberrechtlich geschützt, »wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind.« Zur Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind wiederum »keine anderen Kriterien anzuwenden.« Auch für Fotografien kommt es also primär auf eine »eigene geistige Schöpfung« an, doch wird anders als bei Datenbanken und Computerprogrammen ergänzend der Begriff »individuelles Werk« verwendet. Bezugnehmend auf die RBÜ legt Erwgr. 16 zudem fest,868 dass ein fotografisches Werk »individuell« ist, wenn es eine »eigene geistige Schöpfung des Urhebers darstellt, in der seine Persönlichkeit zum Ausdruck kommt.« Aus dieser Anspielung auf die Persönlichkeit des Autors, der im Vergleich zur Software-RL und Datenbank-RL abweichenden Zwecksetzung der Schutzdauer-RL und der Möglichkeit eines Leistungsschutzrechts für einfache Lichtbilder wird teilweise gefolgert, dass an die Urheberschutzfähigkeit von Fotografien erhöhte Anforderungen gestellt werden müssen.869 Der EUGH ist diesen Weg nicht gegangen und legt den Begriff der »eigenen geistigen Schöpfung« richtlinienübergreifend einheitlich aus.870 Insbesondere an dem Erfordernis einer »persönlichen Note«, das der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Schutzfähigkeit einer Portraitfotografie erwähnt,871 ließen sich terminologisch zwar erhöhte Anforderungen im Sinne einer Prägung durch 866 Ellins Copyright Law, S. 260; Vall8s The requirement of originality, S. 124f.; König Der Werkbegriff in Europa, S. 19; Dietz GRUR Int. 1995, 670, 677. 867 Siehe oben Fn. 546. 868 Allerdings geht diese Verweisung ins Leere, da die RBÜ den Werkbegriff nicht definiert, sondern lediglich von einer »persönlichen geistigen Schöpfung« ausgeht; vgl. Mezger Schutzschwelle, S. 18, 101; Schack UrhR, Rn. 954. 869 Karnell European Originality, S. 203; van Eechoud u. a., Harmonizing European Copyright Law, S. 41; Dietz GRUR Int. 1995, 670, 677; Riesenhuber Der Schutzgegenstand und das Werk, S. 132; a. A. Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 8.6.11 und 16.0.6; Leistner Entwicklungsperspektiven, S. 11 und Fn. 23; Schricker IIC 1995, 41, 45. 870 SL-Loewenheim, § 2 Rn. 60; Handig GRUR Int. 2012, 9, 11; ders. GRUR Int. 2012, 973, 975. 871 EUGH Rs. C-145/10, EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 88f., 92 – Painer.

Werkbegriff

145

die Persönlichkeit des Fotografen festmachen.872 Doch knüpft der EUGH an diesen Begriff keine weitergehenden Anforderungen und lässt im Ergebnis ein nach deutschem Verständnis sehr geringes Maß an Individualität ausreichen.873 Vermutlich beruht die Bezugnahme auf die Persönlichkeit des Urhebers deshalb lediglich auf deren Erwähnung in Erwgr. 16 der Schutzdauer-RL.874 Hierfür spricht auch, dass der EUGH in der Painer-Entscheidung auf seine Ausführungen zur Schutzfähigkeit nach der InfoSoc-RL verweist, für welche er ebenfalls das Vorliegen einer einfachen geistigen Schöpfung hatte ausreichen lassen.875 Auch für Lichtbildwerke gilt somit der Mindeststandard einer »eigenen geistigen Schöpfung«, der insoweit schutzbegrenzend wirkt.876 3.

Schutz von Computerprogrammen

Nach Art. 1 III Software-RL877 sind Computerprogramme urheberrechtlich geschützt, »wenn sie individuelle Werke in dem Sinn darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind.« Aus Art. 1 I und II Software-RL und der Rechtsprechung des EUGH ergeben sich weitere Anforderungen an den Schutzgegenstand »Computerprogramm«. Dabei ist zu differenzieren, ob es sich um Begrenzungen des Anwendungsbereichs der Software-RL oder um negative Regelungsvorgaben innerhalb eines weiter gesteckten Geltungsbereichs handelt.878 a) Begriff des Computerprogramms Aufgrund der rasch fortschreitenden technischen Entwicklung wurde bei Erlass der Richtlinie ebenso wie bei ihrer Neukodifikation bewusst auf eine präzisere Definition des Begriffs »Computerprogramme« verzichtet.879 Nach Art. 1 I S. 2 Software-RL umfasst der Begriff des Computerprogramms auch das vorbereitende Entwurfsmaterial. Der Schutz erstreckt sich gemäß Art. 1 II auf alle 872 Obergfell GRUR 2014, 621, 625f. 873 A. Nordemann FS Bornkamm, S. 895, 901. 874 Hier böte sich aber auch ein normativer Anknüpfungspunkt für eine Anhebung der erforderlichen Schöpfungshöhe, vgl. Schack FS Wandtke, S. 9, 18. 875 EUGH Rs. C-145/10, EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 87, 89 – Painer ; zum Werkbegriff der InfoSoc-RL siehe unten S. 148ff. 876 Dreier/Hugenholtz-Angelopoulos Concise, S. 363f.; a. A. Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 8.6.9, der unter Hinweis auf die Software-RL einen reduzierten Standard annimmt. 877 Siehe oben Fn. 543. 878 Zu dieser Differenzierung siehe oben S. 105f. 879 Walter Europäisches Urheberrecht, Art. 1 Software-RL Rn. 19; Walter/v. Lewinski-Blocher/ Walter European Copyright Law, Rn. 5.1.25; Dreier/Hugenholtz-Bently/Yin-Harn Concise, S. 243f.

146

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

»Ausdrucksformen«, nicht aber auf »Ideen und Grundsätze, die der Logik, den Algorithmen und den Programmsprachen zugrunde liegen.«880 Ausdrucksformen eines Computerprogramms sind dem EUGH zufolge der Quellcode und der Objektcode,881 nicht aber die Benutzeroberfläche, da diese nur der Benutzung eines Computerprogramms dient und keine Steuerungsfunktion erfüllt.882 Nicht erfasst sind auch die reine Funktionalität eines Programms, die Programmiersprache und das Dateiformat, weshalb das reine Beobachten und Analysieren eines fremden Computerprogramms ohne Dekompilierung883 keine Urheberrechtsverletzung darstellt.884 Einen möglichen Schutz durch die InfoSoc-RL ließ der EUGH für die Benutzeroberfläche, die Programmiersprache und das Dateiformat unberührt.885 Er versteht seine einschränkende Rechtsprechung zum Begriff des »Computerprogramms« somit nicht als schutzbegrenzende negative Regelungsvorgabe, sondern als Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Software-RL und InfoSoc-RL. Eine schutzbegrenzende Wirkung im Anwendungsbereich der Software-RL lässt sich deshalb nur an den Schutz der Ideenfreiheit in Art. 1 II S. 2 knüpfen. Die Vorgabe bleibt zwar zunächst wie schon Art. 9 II TRIPs abstrakt,886 ist als Teil der Definition des Schutzgegenstandes der Software-RL aber durch den EUGH zu konkretisieren.887 Dieser hat die Ideenfreiheit entsprechend herangezogen, um einen urheberrechtlichen Schutz der Funktionalität eines Computerprogramms abzulehnen.888 Die schutzausschließende Wirkung ist zwar gering und urheberrechtlich selbstverständlich,889 dennoch begründet Art. 1 II S. 2 Software-RL insoweit einen Maximalschutz. 880 Gleiches gilt gemäß Erwgr. 11 für die Logik, Algorithmen und die Programmsprache. 881 Im Gegensatz zu dem für Menschen lesbaren Quellcode ist der Objektcode bereits ganz oder teilweise in Maschinensprache, d. h. Binärcode, übertragen worden. 882 EUGH Rs. C-393/09, EU:C:2010:816 = GRUR 2011, 220, Tz. 36ff. – BSA/Kulturministerium; Marly GRUR 2011, 204, 207; ders. GRUR 2012, 773, 777; Heinze JIPITEC 2011, 97, 99; Fiedler EuZW 2012, 588f. Der Ansatz des EUGH ähnelt in dieser Hinsicht der Mustervorschrift der WIPO (GRUR 1979, 306ff.). 883 Unter »dekompilieren« versteht man den Vorgang des Rückübersetzens von Maschinencode in menschenlesbaren Programmcode; vgl. EUGH Rs. C-404/10, EU:C:2012:259 = GRUR 2012, 814, Tz. 44 – SAS Institute. 884 EUGH aaO, Tz. 39 – SAS Institute. Eine bewusste Anlehnung an den Quellcode ist dagegen keine Nachahmung der Funktionalität, sondern eine Bearbeitung des urheberschutzfähigen Quellcodes; vgl. Stögmüller K& R 2012, 415. 885 EUGH Rs. C-393/09, EU:C:2010:816 = GRUR 2011, 220, Tz. 44 – BSA/Kulturministerium; EUGH Rs. C-404/10, EU:C:2012:259 = GRUR 2012, 814, Tz. 45 – SAS Institute. 886 Siehe oben S. 55. 887 Siehe oben S. 121ff. Auf die Differenzierung zwischen Mindest- und Vollharmonisierung kommt es hier nicht an, da Art. 1 II S. 2 Software-RL einem schutzbegrenzenden Zweck dient, siehe oben S. 109f. 888 EUGH aaO, Tz. 39 – SAS Institute. 889 Schack UrhR, Rn. 194.

Werkbegriff

147

b) Schöpfungshöhe Art. 1 III Software-RL schützt Computerprogramme nur, wenn diese individuelle Werke im Sinne einer »eigenen geistigen Schöpfung« sind. Für die Bestimmung ihrer Schutzfähigkeit sind »keine anderen Kriterien anzuwenden.«890 Damit ist klargestellt, dass das Vorliegen einer »eigenen geistigen Schöpfung« sowohl die Mindest- als auch die Maximalanforderungen vorgibt, die an ein urheberschutzfähiges Computerprogramm zu stellen sind.891 Die endgültige Formulierung ist ein Kompromiss zwischen der britisch-irischen und der kontinental-europäischen Rechtstradition.892 Damit haben sich weder der frühere Ansatz des BGH, der für die Gewährung eines urheberrechtlichen Schutzes für Computerprogramme ein »erhebliches« Überragen des handwerklichen Könnens eines Durchschnittsprogrammierers verlangt hatte893, noch das britische Verständnis von »labour, skill or judgement«894 durchsetzen können.895 Der EUGH hat sich zum Maß der erforderlichen Originalität im Hinblick auf die Software-RL bisher nicht geäußert. Es ist aber davon auszugehen, dass er das Kriterium der »eigenen geistigen Schöpfung«, das sich genauso in der Datenbank-RL und der Schutzdauer-RL findet,896 einheitlich auslegen wird.897 Dort hat er die erforderliche Schöpfungshöhe auf dem Niveau einfacher Individualität im Sinne einer »eigenen geistigen Schöpfung« festgelegt. Mindestanforderung und damit gleichzeitig Schutzobergrenze ist für Computerprogramme somit, dass irgendeine schöpferische Tätigkeit bei der Ausfüllung eines Gestaltungsspielraumes vorhanden ist. Eine besondere Schöpfungshöhe muss dagegen nicht erreicht werden.898 Triviale Programme, denen es an jedweder schöpferischen Geistestätigkeit fehlt, dürfen jedoch nicht als Computerprogramm im Sinne der Software-RL geschützt werden.899 Während diese Vorgaben für das deutsche 890 Entsprechend stellt Erwgr. 8 der Software-RL klar, dass ästhetische Vorzüge eines Computerprogramms bei der Beurteilung des Urheberrechtsschutzes keine Rolle spielen. 891 Dreier/Hugenholtz-Bently/Yin-Harn Concise, S. 246. 892 Walter/v. Lewinski-Blocher/Walter European Copyright Law, Rn. 5.1.16f. 893 BGHZ 94, 276, 287 – Inkasso-Programm; BGHZ 112, 264, 271 – Betriebssystem. Nach Einführung der Software-RL hat auch der BGH die abgesenkte Schutzschwelle anerkannt, BGHZ 123, 208, 211 – Buchhaltungsprogramm. 894 Siehe oben Fn. 839 und 840. 895 Walter/v. Lewinski-Blocher/Walter European Copyright Law, Rn. 5.1.17; Rosati Originality, S. 65; Bing in: Derclaye Research Handbook, S. 401, 407f. Eine weitgehende Übereinstimmung mit dem britischen Schutzstandard nimmt dagegen Marly Urheberrechtsschutz, S. 119f. an. 896 Vgl. Art. 3 Datenbank-RL und Art. 6 Schutzdauer-RL. 897 Dreier/Schulze § 69a Rn. 26; Dreier/Hugenholtz-Bently/Yin-Harn Concise, S. 246; vgl. auch Mezger Schutzschwelle, S. 101f.; a. A. van Eechoud u. a. Harmonizing European Copyright Law, S. 41.; und Schack ZEuP 2000, 799, 808f. 898 Dreier/Schulze, § 69a Rn. 26; FN-Czychowski § 69a Rn. 16; Walter/v. Lewinski-Blocher/ Walter European Copyright Law, Rn. 5.1.16. 899 Walter/v. Lewinski-Blocher/Walter European Copyright Law, Rn. 5.1.16.

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Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

Recht zu einer Absenkung der Schutzschwelle geführt haben,900 begründen sie für Mitgliedstaaten wie Großbritannien und Irland eine zusätzliche Mindestvoraussetzung und wirken daher maximalschützend.901 c) Zwischenergebnis Im Anwendungsbereich der Software-RL gilt, neben dem Schutz der Ideenfreiheit durch Art. 1 II S. 2, für den Werkbegriff das Erfordernis einer Mindestschöpfungshöhe auf dem Niveau einfacher Individualität. In beiden Fällen begründet die Software-RL einen Maximalschutz.

4.

Zusammenfassung

Der EUGH hat die erforderliche Schöpfungshöhe für Datenbankwerke und Fotografien auf dem Niveau einfacher Individualität konkretisiert. An das Kriterium einer »persönlichen Note« knüpft er keine weitergehenden Anforderungen,902 doch hat sich das britische Verständnis von »labour, skill or judgement« ebenfalls nicht durchgesetzt. Für Computerprogramme ist eine entsprechende Rechtsprechung zu erwarten. Neben der Schöpfungshöhe begründet nur der Schutz der Ideenfreiheit in Art. 1 II S. 2 Software-RL,903 nicht dagegen das Erfordernis einer systematischen oder methodischen Anordnung in Art. 1 II Datenbank-RL, einen Maximalschutz.904

II.

Einheitlicher europäischer Werkbegriff

Neben den dargestellten Anforderungen, die das europäische Richtlinienrecht speziell an Computerprogramme, Datenbankwerke und Fotografien stellt, bleibt die Frage, ob der Werkbegriff auch werkartübergreifend bereits harmonisiert ist. Die einzigen bisher ergangenen Querschnittsrichtlinien, die Schutzdauer-RL und die InfoSoc-RL, enthalten keine Regelungen eines allgemeinen europäischen Werkbegriffs. Dennoch hat z. B. der österreichische OGH die Schutzschwelle bereits aufgrund der drei Richtlinien zu den speziellen Werkbegriffen 900 Dreier/Schulze § 69a Rn. 26; a. A. Ohly DJT-Gutachten F 2014, S. 29. 901 So geht etwa die EU-Kommission davon aus, dass durch die Einführung der Software-RL u. a. in Großbritannien die Schutzschwelle erhöht werden musste, vgl. Bericht der Kommission vom 10. 4. 2000, KOM (2000) 0199 endg., S. 10. Vgl. für Datenbankwerke auch die Übergangsvorschrift des Art. 14 II Datenbank-RL sowie Roder Methodik des EuGH, S. 364f., 368. 902 Siehe oben S. 142, 144. 903 Siehe oben S. 146. 904 Siehe oben S. 141.

Werkbegriff

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generell abgesenkt.905 Auch in Deutschland wird seit einiger Zeit darüber diskutiert, ob für den allgemeinen Werkbegriff europäische Anforderungen gelten.906 Da diese Diskussion wesentlich durch den EUGH angestoßen wurde, soll zunächst dessen Rechtsprechung dargestellt werden (unten 1.) und danach methodisch auf Maximalschutzgrenzen und deren Reichweite überprüft werden (unten 2.). 1.

Rechtsprechung des EUGH

Der EUGH hat sich seit 2009 mehrmals in rascher Folge zu seinem Verständnis eines Werkes im Sinne der InfoSoc-RL geäußert.907 a) EUGH – Infopaq I Die erste und bis heute bedeutendste Entscheidung des EUGH zur Frage eines einheitlichen europäischen Werkbegriffs erging in der Sache »Infopaq I«.908 Der dänische Højesteret hatte dem EUGH die Frage vorgelegt, ob die Speicherung und das anschließende Ausdrucken eines Textauszuges aus einem Zeitungsartikel, der aus einem Suchwort sowie den fünf vorangehenden und den fünf nachfolgenden Wörtern besteht, als geschützte Vervielfältigungshandlung iSv Art. 2 InfoSoc-RL anzusehen ist. Der EUGH stellte zunächst fest, dass Schutzobjekt des Vervielfältigungsrechts in Art. 2 InfoSoc-RL ein »Werk« ist.909 Um dieses näher zu definieren, greift der EUGH zunächst im Wege der völkerrechtskonformen Auslegung auf die RBÜ zurück und stellt fest, dass diese eine geistige Schöpfung voraussetzt.910 Auch nach Art. 1 III Software-RL, Art. 3 I Datenbank-RL und Art. 6 Schutzdauer-RL seien Werke »wie«911 Computerprogramme, Datenbanken und Fotografien nur urheberrechtlich geschützt, wenn sie eigene geistige Schöpfungen ihrer Urheber darstellen.912 Da die InfoSoc-RL auf demselben Grundsatz beruhe,913 könne

905 OGH Urt. vom 17. 12. 2002, 4 Ob 274/02a = MuR 2003, 162 – Felsritzbild; Walter Österreichisches UrhR, Rn. 131. 906 Ausführlich Rosati Originality, passim; A. Nordemann FS Bornkamm, S. 895ff.; Handig IIC 2009, 665–685; ders. GRUR Int. 2012, 973ff.; Leistner ZGE 2013, 4ff. Schon früh für ein einheitliches Verständnis OLG Nürnberg GRUR-RR 2001, 225, 227. 907 Ausführlich Rosati Originality, S. 97ff.; Leistner ZGE 2013, 5 - 30; vgl. auch Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 127ff. 908 EUGH Rs. C-5/08, EU:C:2009:465 = GRUR 2009, 1041 – Infopaq I. 909 EUGH aaO, Tz. 33 – Infopaq I; kritisch van Eechoud JIPITEC 2012, 60, Rn. 104ff. 910 EUGH aaO, Tz. 34 – Infopaq I. 911 »such as« in der englischen Fassung des Urteils. Diese Formulierung ist vermutlich nicht zufällig gewählt worden, vgl. Schulze GRUR 2009, 1019, 1020; Bisges ZUM 2015, 357, 359. 912 EUGH aaO, Tz. 35 – Infopaq I. 913 EUGH aaO, Tz. 36 – Infopaq I, bezugnehmend auf die Erwgr. 4, 9–11 und 20. Kritisch zu

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Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

deren Art. 2 nur auf Schutzobjekte angewandt werden, bei denen es sich ebenfalls um eigene geistige Schöpfungen handele.914 Dieser Grundsatz gelte auch für Werkteile.915 Den Begriff der »eigenen geistigen Schöpfung« präzisiert der EUGH etwas später in Bezug auf einen Zeitungsartikel allgemeingültig dahingehend, dass der Urheber durch die Auswahl, Anordnung und Kombination von Wörtern seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck bringen könne.916 Ob dies der Fall ist, sollen allerdings die nationalen Gerichte prüfen.917 Vielfach wird deshalb angenommen, dass sich der EUGH in der Infopaq I-Entscheidung nicht konkretisierend zu den europäischen Anforderungen an den Werkbegriff geäußert habe, sondern für die Prüfung, ob ein schutzfähiges Werk vorliegt, auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten verwiesen habe.918 b) EUGH – BSA/Kulturministerium In den folgenden Urteilen wurde jedoch zunehmend deutlich, dass der EUGH die Urheberschutzfähigkeit eines Werkes nicht den nationalen Rechtsordnungen überlassen wollte. Vielmehr will er einheitliche europäische Anforderungen an den allgemeinen Werkbegriff stellen. So sah er sich im Fall »BSA/Kulturministerium« nicht daran gehindert, dem vorlegenden tschechischen Gericht, das eigentlich nur hatte wissen wollen, ob Benutzeroberflächen vom Schutz der Software-RL umfasst sind,919 umfassende Hinweise für eine Prüfung der Schutzfähigkeit als Werk nach der InfoSoc-RL mit auf den Weg zu geben. Insbesondere müssten die nationalen Gerichte »die Anordnung oder spezifische Konfiguration aller Komponenten berücksichtigen«.920 Allerdings findet sich erneut der Hinweis auf die Prüfungskompetenz der nationalen Gerichte.921 c) EUGH – Football Association Premier League und Murphy Die Schutzfähigkeit von Fußballspielen beurteilte der EUGH ebenfalls anhand der in der Infopaq I-Entscheidung aufgestellten Kriterien. Allerdings fehle bei Sportereignissen ein Spielraum für die Entfaltung künstlerischer Freiheit, so

914 915 916 917 918 919 920 921

dieser starken Betonung der Erwgr. gegenüber dem Richtlinientext v. Lewinski GRUR Int. 2014, 1098, 1099. EUGH aaO, Tz. 37 – Infopaq I. EUGH aaO, Tz. 38 – Infopaq I. EUGH aaO, Tz. 45 – Infopaq I; kritisch zu dieser Formulierung Vousden WIPO-Journal 2010, 197, 203. EUGH aaO, Tz. 48 – Infopaq I. Schulze GRUR 2009, 1019, 1021; Erdmann FS Loschelder S. 61, 66; v. Ungern-Sternberg GRUR 2010, 273; van Eechoud JIPITEC 2012, 60, Rn. 97ff.; Schack JZ 2014, 207. EUGH Rs. C-393/09, EU:C:2010:816 = GRUR 2011, 220, Tz. 28ff. – BSA/Kulturministerium. EUGH aaO, Tz. 48 – BSA/Kulturministerium. Kritisch auch zu dieser Formulierung Vousden JIPLP 6 (2011), 728, 733. EUGH aaO, Tz. 47ff. – BSA/Kulturministerium.

Werkbegriff

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dass sie nicht als eigene geistige Schöpfungen angesehen werden könnten.922 Ein Schutz nach »der Urheberrechtsrichtlinie« komme daher nicht in Betracht.923 Der Hinweis auf die Infopaq I-Entscheidung zeigt, dass hiermit nur die InfoSoc-RL gemeint sein kann. Von einer Prüfungskompetenz der nationalen Gerichte ist keine Rede mehr. Vielmehr weist der EUGH auf die Möglichkeit hin, auf nationaler Ebene ein speziell auf Sportereignisse zugeschnittenes Schutzrecht einzuführen.924 Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass er hinsichtlich der Urheberschutzfähigkeit keine Spielräume der Mitgliedstaaten sieht. d) EUGH – SAS Institute Gegenstand des Verfahrens SAS Institute/World Programming Ltd. war neben der nachgebildeten Funktionalität eines Computerprogramms925 auch die Frage, ob durch die Nachbildung das Benutzerhandbuch als Schriftwerk iSv Art. 2 a InfoSoc-RL vervielfältigt worden war. Der EUGH hatte damit erneut Gelegenheit, sich zum Werkbegriff der InfoSoc-RL zu äußern, und verwies wieder auf die Infopaq I-Entscheidung. Diese präzisierte er für die Schutzfähigkeit eines Benutzerhandbuchs dahingehend, dass der Urheber durch die Auswahl, Anordnung und Kombination der einzelnen Elemente »seinen schöpferischen Geist in origineller Weise« zum Ausdruck bringe.926 e) Zwischenergebnis Diese Rechtsprechung macht deutlich, dass der EUGH den Werkbegriff bereits durch die InfoSoc-RL als umfassend horizontal harmonisiert betrachtet und sich entsprechend zu dessen Konkretisierung berufen sieht.927 Diese nimmt er – für alle Werkarten einheitlich928 – vor, indem er die erforderliche Schöpfungshöhe auf dem mittleren Niveau einer einfachen geistigen Schöpfung festlegt.929 Von einem Urheberschutz ausgeschlossen sind mangels eines Gestaltungsspielraums rein technische oder funktionale Gestaltungen sowie 922 EUGH Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 96ff. – FAPL und Murphy. 923 EUGH aaO, Tz. 98 – FAPL und Murphy. 924 EUGH aaO, Tz. 100 – FAPL und Murphy. 925 Siehe oben Fn. 884. 926 EUGH Rs. C-404/10, EU:C:2012:259 = GRUR 2012, 814, Tz. 63ff. – SAS Institute. 927 FN-A. Nordemann § 2 Rn. 7a; ders. FS Bornkamm, S. 895, 898; Kriesel Einheitlicher europäischer Werkbegriff, S. 126, 161; Roder Methodik des EuGH, S. 370; Handig GRUR Int. 2012, 973; Leistner ZGE 2013, 4; ders. GRUR 2014, 1145; Ohly DJT-Gutachten F 2014, S. 31f.; ders. GRUR 2014, 1145, 1146; Steinbeck EuZW 2014, 329, 330; Bisges ZUM 2015, 357, 359; ebenso die britische Lesart: SAS Institute Inc. v World Programming Ltd Court of Appeal – [2013] EWCA Civ 1482 = GRUR Int. 2014, 289, Tz. 29ff. 928 Leistner ZGE 2013, 4, 8. 929 Metzger GRUR 2012, 118, 121; Berger ZUM 2012, 353, 354f., van Eechoud JIPITEC 2012, 60, Rn. 69; Handig GRUR Int. 2012, 973, 974; Leistner GRUR 2014, 1145, 1146.

152

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

solche, die lediglich auf einem bedeutenden Arbeitsaufwand oder vertiefter Sachkenntnis beruhen.930 Entgegen anderweitiger Befürchtungen hat sich der anglo-amerikanische Standard auf europäischer Ebene nicht durchsetzen können.931 Der EUGH beschränkt sich nicht darauf, Konturen vorzuzeichnen. Er gibt vielmehr konkrete Leitlinien für die Prüfung der Schutzfähigkeit eines Werkes vor und weist auf Gestaltungsspielräume oder Anknüpfungspunkte für kreative Gestaltungen hin.932 Die Verweise des EUGH auf die Beurteilung durch die nationalen Gerichte wird man deshalb als Hinweise auf die tatrichterlichen Beurteilungsspielräume innerhalb der vom EUGH vorgegebenen Leitlinien verstehen müssen. Dass die nationalen Gerichte befugt seien, nationale Maßstäbe anzulegen, will der EUGH nicht zum Ausdruck bringen.933 Zumindest in der Rechtsprechung des EUGH besteht somit hinsichtlich der erforderlichen Schöpfungshöhe934 ein einheitlicher europäischer Werkbegriff, den der EUGH schon weitreichend konkretisiert hat.935

2.

Methodische Bewertung

Die methodische Herleitung dieser Rechtsprechung findet sich in der Infopaq I-Entscheidung.936 Sie stützt sich auf zwei Grundannahmen: Erstens setzt das Vervielfältigungsrecht in Art. 2 InfoSoc-RL ein Werk als Schutzgegenstand voraus.937 Zweitens beruht die InfoSoc-RL gemäß Erwgr. 20 auf den Bestimmungen und Grundsätzen der vorangegangenen Richtlinien.938 Durch die erste Annahme rechtfertigt der EUGH seine weiteren Ausführungen zum Werkbegriff. Aus der zweiten zieht er zusammen mit der Bezugnahme auf die RBÜ939 die erforderlichen inhaltlichen Maßstäbe. 930 Leistner GRUR 2014, 1145, 1146. 931 Lucas-Schloetter in: Stamatoudi/Torremans EU Copyright Law, Rn. 1.15; Handig GRUR Int. 2012, 973, 976f.; Dreier/Leistner GRUR 2013, 881, 883; Peifer AfP 2015, 6, 7; vgl. auch Barudi Autor und Werk, S. 58f. und oben Fn. 861. 932 EUGH Rs. C-5/08, EU:C:2009:465 = GRUR 2009, 1041, Tz. 44f. – Infopaq I; EUGH Rs. C393/09, EU:C:2010:816 = GRUR 2011, 220, Tz. 48ff. – BSA/Kulturministerium; EUGH Rs. C-145/10, EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 90–93 – Painer ; ausführlich Leistner ZGE 2013, 4, 10ff. 933 Leistner ZGE 2013, 4, 15, 18; ders. GRUR 2014, 1145, 1146; a. A. BGHZ 199, 52, Tz. 27–32 – Geburtstagszug; v. Ungern Sternberg GRUR 2010, 273. 934 Hinsichtlich der übrigen Elemente des Werkbegriffs weist die Rechtsprechung des EUGH noch Lücken auf; vgl. Leistner ZGE 2013, 4, 25ff. 935 Metzger GRUR 2012, 118, 121f.; Berger ZUM 2012, 353, 354f.; van Eechoud JIPITEC 2012, 60, Rn. 69; Handig GRUR Int. 2012, 973, 974f.; Leistner ZGE 2013, 4, 7; Peifer AfP 2015, 6, 7. 936 Siehe oben S. 149f. 937 EUGH Rs. C-5/08, EU:C:2009:465 = GRUR 2009, 1041, Tz. 33 – Infopaq I. 938 EUGH aaO, Tz. 36 – Infopaq I. 939 EUGH aaO, Tz. 34 – Infopaq I.

Werkbegriff

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a) Normativer Anknüpfungspunkt des EUGH Der EUGH knüpft seine Rechtsprechung damit konsequent an die Verwertungsrechte der InfoSoc-RL. Eine andere Wahl bleibt ihm auch nicht. Denn die Anwendungsbereiche der Datenbank-RL und der Software-RL sind auf Datenbanken und Computerprogramme beschränkt.940 Die Schutzdauer-RL ist zwar eine Querschnittsrichtlinie,941 eine Regelung des Werkbegriffs findet sich aber lediglich in Art. 6 Schutzdauer-RL, dessen Anwendungsbereich auf Lichtbildwerke beschränkt ist.942 b) Fehlende Aussagekraft der RBÜ Die Bezugnahme des EUGH auf die RBÜ in Infopaq I943 überzeugt dagegen nicht. Zwar dient die InfoSoc-RL gemäß Erwgr. 15 auch der Umsetzung des WCT, der Art. 2–21 RBÜ inkorporiert.944 Doch enthält die RBÜ keine verbindliche Regelung des Werkbegriffs.945 Allenfalls die Definition des Sammelwerkes in Art. 2 V RBÜ lässt darauf schließen, dass die Übereinkunft von einer »persönlichen geistigen Schöpfung« ausgeht.946 Zudem legen sowohl die RBÜ als auch der WCT lediglich Mindestrechte fest. Die RBÜ verlangt von ihren Verbandsstaaten keine Verankerung einer bestimmten Mindestschöpfungshöhe in den innerstaatlichen Urheberrechtsordnungen. Sie legt in Art. 2 lediglich den Bezugspunkt des gewährten fremdenrechtlichen Mindestschutzes fest.947 Ein Schluss auf eine zwingende Mindestschöpfungshöhe, die eine maximalschützende Wirkung hätte, lässt sich daraus auch im Wege der völkerrechtskonformen Auslegung nicht ableiten.948 c) Einordnung zwischen Konkretisierung und Rechtsfortbildung Die Rechtsprechung des EUGH zum allgemeinen europäischen Werkbegriff lässt sich methodisch nur schwer eindeutig einordnen. Einerseits ähnelt der Rückschluss von den speziellen Regelungen auf den allgemeinen Werkbegriff der InfoSoc-RL nach deutschem Methodenverständnis einer Gesamtanalogie.949 Für 940 Kritisch deshalb Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 16.0.7; Schulze GRUR 2009, 1019, 1020. 941 Dreier/Hugenholtz-Angelopoulos Concise, S. 390; Schack UrhR, Rn. 154. 942 Siehe oben S. 144f.; Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 8.6.9; van Eechoud JIPITEC 2012, 60, Rn. 9 ff. 943 EUGH Rs. C-5/08, EU:C:2009:465 = GRUR 2009, 1041, Tz. 34 – Infopaq I. 944 Vgl. Art. 1 IV WCT und oben S. 61. 945 Schack FS Wandtke, S. 9, 18. 946 Schack UrhR, Rn. 954; König Der Werkbegriff in Europa, S. 12; Mezger Schutzschwelle, S. 18. 947 Ricketson/Ginsburg Berne and Beyond, Rn. 8.01ff. 948 Ebenso Vousden WIPO-Journal 2010, 197, 199ff.; van Eechoud JIPITEC 2012, 60, Rn. 104ff. 949 Metzger GRUR 2012, 118, 121, 126; a. A. Peifer AfP 2015, 6, 7, Fn. 11; v. Ungern-Sternberg

154

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

eine Rechtsfortbildung wäre aber eine entsprechende Regelungslücke der InfoSoc-RL nachzuweisen. Diese müsste darauf abzielen, ein abgeschlossenes Regelungssystem zu schaffen, das aus der Perspektive des Unionsgesetzgebers auch die Regelung des allgemeinen Werkbegriffs hätte umfassen sollen.950 Die InfoSoc-RL dient allerdings ausweislich ihres Titels nur der Harmonisierung »bestimmter Aspekte des Urheberrechts« und zielt schon deshalb nicht auf ein abgeschlossenes Regelungssystem ab.951 Dass eine so zentrale Regelung wie der urheberrechtliche Werkbegriff schlicht versehentlich fehlt, ist nicht anzunehmen.952 Der Rückgriff auf das Lückenkriterium ist zudem nicht passend. Denn dem EUGH ist in seiner ersten Annahme zuzustimmen: Verwertungsrechte setzen die Existenz eines urheberrechtlich geschützten Werkes voraus. Der InfoSoc-RL muss deshalb denknotwendig irgendeine Vorstellung dessen, was ein urheberrechtlich geschütztes Werk sein soll, zugrunde liegen – und sei es nur die Summe der nationalen Vorverständnisse.953 Die Ausführungen des EUGH zum Werkbegriff der InfoSoc-RL sind daher passender als Konkretisierungsleistung einzuordnen.954 d) Konkretisierungstiefe des Werkbegriffs der InfoSoc-RL Damit stellt sich die Frage, welche Konkretisierungstiefe955 die InfoSoc-RL bezogen auf den ihr zugrunde liegenden Werkbegriff erreicht. Entscheidend hierfür ist die Regelungsintention des europäischen Gesetzgebers.956 Die Konzeption der Richtlinie selbst weist nicht auf eine tiefgreifende Harmonisierung hin. Anders als bei den speziellen Werkbegriffen findet sich keine ausdrückliche Regelung, obwohl der Unionsgesetzgeber das Konzept, dem Werkbegriff eine eigene Norm zu widmen, offensichtlich kannte.957 Aus der Verwendung des Begriffes »Werk« in Art. 2–4 InfoSoc-RL lässt sich allein kein Schluss ziehen. Sie ist schlicht sprachlich notwendig. Verwertungsrechte lassen sich nicht regeln, ohne im Gesetzes- bzw. Richtlinientext auf ein zu schützendes

950 951 952 953 954 955 956 957

GRUR 2010, 273 kritisiert allerdings zu Recht, dass der Schluss vom Inhalt spezieller Vorschriften auf einen allgemein gültigen Rechtsgrundsatz nicht »lege artis« sei; vgl. auch Geiger in: Stamatoudi, New Developments, S. 436, 441: »creator of EU law«. Siehe oben S. 127f. Abschließend harmonisierte Teilbereiche sind deshalb nicht ausgeschlossen, vgl. zu den Schranken der InfoSoc-RL unten S. 217. Auch der Lückenbegriff des EUGH wäre vorliegend nicht erfüllt. Denn das Fehlen eines allgemeinen europäischen Werkbegriffes ist nicht »mit einem allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts unvereinbar«, siehe oben Fn. 771. In diese Richtung Erdmann FS Loschelder S. 61, 66: »kleinste gemeinsame Nenner«. Vgl. auch Leistner ZGE 2013, 4, 10; ders. FS Bornkamm, S. 859, 860; ders. JZ 2014, 846, 848. Siehe oben S. 111ff. Siehe oben S. 121f.; vgl. auch Leistner ZGE 2013, 4, 7 Fn. 9. Vgl. Art. 3 Datenbanken-RL, Art. 6 Schutzdauer-RL sowie Art. 1 Software-RL.

Werkbegriff

155

Werk Bezug zu nehmen.958 Schließlich spricht in der bisherigen EU-Richtliniengesetzgebung nichts dafür, dass in den fraglichen Gesetzgebungsprozessen zu irgendeinem Zeitpunkt eine werkartübergreifende Harmonisierung der Schutzvoraussetzungen diskutiert wurde.959 Ein systematisches Argument lässt sich aus Art. 17 S. 2 Geschmacksmuster-RL960 ziehen. Danach steht es den Mitgliedstaaten frei, einen den Designschutz ergänzenden urheberrechtlichen Schutz »einschließlich der erforderlichen Gestaltungshöhe« selbst festzulegen.961 Diese Entscheidung zugunsten einer Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten ist auch nicht durch die InfoSoc-RL überholt.962 Denn gemäß Art. 9 InfoSoc-RL bleiben Rechtsvorschriften u. a. im Bereich der Musterrechte durch die InfoSoc-RL unberührt.963 Zumindest für Werke der angewandten Kunst ist es daher Aufgabe der Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen des Urheberschutzes eigenständig zu bestimmen.964 Ob sich der EUGH dieser Argumentation anschließen würde, ist offen. Seine Rechtsprechung zum Verhältnis des Art. 17 S. 2 Geschmacksmuster-RL zur Schutzdauer-RL deutet allerdings darauf hin, dass der gewährleistete Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten nur diejenigen Bereiche betreffen soll, die noch nicht europäisch harmonisiert sind.965 Für die Schutzdauer-RL, die fünf Jahre vor Erlass der Geschmacksmuster-RL ergangen ist,966 ist eine solche Argumentation schlüssig, nicht aber für die später erlassene InfoSoc-RL, die ihr Verhältnis zur Geschmacksmuster-RL zudem in Art. 9 ausdrücklich klarstellt.967 Für eine weitreichende Konkretisierungstiefe spricht allenfalls der vollharmonisierende Charakter der Verwertungsrechte968 der InfoSoc-RL. Hier setzt die Argumentation der meisten Befürworter eines einheitlichen europäischen

958 So auch van Eechoud JIPITEC 2012, 60, Rn. 19. 959 van Eechoud JIPITEC 2012, 60, Rn. 9 ff., 98ff.; ähnlich Schack FS Wandtke, S. 9, 13. 960 RL 98/71/EG vom 13. 10. 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen, ABl. EG 1998 L 289, S. 28. 961 Zum politischen Hintergrund vgl. Bently E.I.P.R. 2012, 654, 660; Vgl. zudem Art. 96 II Gemeinschaftsgeschmacksmuster-VO (VO (EG) 6/2002). 962 So aber Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 139. 963 Bently E.I.P.R. 2012, 654, 660ff.; dies übersieht Barudi UFITA 2014 I, 49, 64. 964 BGHZ 199, 52, Tz. 32 – Geburtstagszug; mit insoweit zustimmender Anmerkung Schack JZ 2014, 207; OLG Frankfurt a.M. Urt. v. 08. 06. 2010, Az. 11 U 52/09, Tz. 68 – Weinkaraffe; Mezger Schutzschwelle, S. 109f.; Loschelder/Dörre FS Pfennig, S. 75, 79; Leistner EuZW 2016, 166, 167; a. A. Rauer/Ettig WRP 2014, 135, 139; Obergfell GRUR 2014, 621, 626. 965 EUGH Rs. C-168/09, EU:C:2011:29 = GRUR 2011, 216, Tz. 39 – Flos; vgl. auch Leistner ZGE 2013, 4, 35f. 966 Siehe oben Fn. 546 und 960. 967 Bently E.I.P.R. 2012, 654, 664; Leistner ZGE 2013, 4, 38f. erwartet dennoch eine Erstreckung der »Flos-Rechtsprechung« auf die InfoSoc-RL. 968 Ausführlich hierzu unten S. 160ff. und S. 191ff.

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Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

Werkbegriffs an:969 »Ein Verweis auf den jeweiligen nationalen Werkbegriff hätte der Harmonisierung des Vervielfältigungsrechts den Boden entzogen.«970 Rechtlich ist diese Schlussfolgerung allerdings nicht zwingend. Denn auch ohne einen einheitlichen europäischen Werkbegriff entfaltet die InfoSoc-RL eine wesentliche Harmonisierungswirkung. Soweit die Harmonisierung der Verwertungsrechte reicht, ist es für die Akteure des Handelsverkehrs im Binnenmarkt nicht mehr notwendig, die Reichweite des urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts in den nationalen Urheberrechtsordnungen zu überprüfen. Wenn eine Prüfung der Schutzfähigkeit eines Werkes erforderlich bleibt, ist dies unter Binnenmarktgesichtspunkten bedauerlich und wohlmöglich ein Versäumnis des Unionsgesetzgebers.971 Ein zwingendes Argument für eine Harmonisierung des Werkbegriffs bereits de lege lata liegt hier aber nicht.972 Bei einem alleinigen Abstellen auf den angestrebten Harmonisierungserfolg drohen vielmehr die Grenzen zwischen der Auslegung des bestehenden Richtlinienrechts und rein rechtspolitischen Erwägungen zu verschwimmen.973 Methodisch lässt sich eine Harmonisierung des allgemeinen Werkbegriffs durch die InfoSoc-RL deshalb nicht herleiten.974 Insbesondere unterliegt das Werkverständnis der InfoSoc-RL nicht der Konkretisierung durch den EUGH, sondern verweist nach dem derzeitigen legislativen Harmonisierungsstand nach wie vor auf die Werkbegriffe der jeweiligen Mitgliedstaaten.975

3.

Ergebnis

Ausgehend von den Verwertungsrechten der InfoSoc-RL lässt der EUGH mittlerweile keinen Zweifel daran aufkommen, dass er von einer Harmonisierung des allgemeinen Werkbegriffs durch die InfoSoc-RL ausgeht.976 Die Methodik, 969 Berger ZUM 2012, 353, 354; Metzger GRUR 2012, 118, 121; Leistner ZGE 2013, 4, 8; ders. FS Bornkamm, S. 859, 862. 970 Metzger GRUR 2012, 118, 121. 971 van Eechoud JIPITEC 2012, 60, Rn. 103, 121. 972 So auch Schulze GRUR 2009, 1019, 1021. 973 Vgl. auch Leistner GRUR 2017, 755, 756 »rechtspolitisch gestützter Zirkelschluss« in Bezug auf die judikative Neuregelung der Störerhaftung anhand von Art. 3 InfoSoc-RL durch EUGH Rs. C-610/15, EU:C:2017:456 = GRUR 2017, 790 – The Pirate Bay. 974 A. A. Metzger GRUR 2012, 118, 121: »methodisch kaum angreifbar«; vgl. auch Leistner ZGE 2013, 4, 43: »methodisch hinnehmbar«. 975 So auch BGHZ 199, 52, Tz. 27ff. – Geburtstagszug; OLG Frankfurt a.M. Urt. vom 8. 6. 2010, 11 U 52/09, Tz. 68 – Weinkaraffe; v. Ungern-Sternberg GRUR 2012, 224, 227, Fn. 7; Roder Methodik des EuGH, S. 421; Riesenhuber Der Schutzgegenstand und das Werk, S. 125f.; Schack FS Wandtke, S. 9, 13f.; ders. ZGE 2009, 275, 277f.; ders. JZ 2014, 207; Loschelder/ Dörre FS Pfennig, S. 75, 79; Erdmann FS Loschelder, S. 61, 64f.; Schulze GRUR 2009, 1019, 1021; Eichelberger WRP 2014, 794, 795. 976 Siehe oben S. 149f.

Werkbegriff

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derer er sich zur Begründung dieses Ergebnisses bedient, ist letztlich jedoch nicht überzeugend. Richtig ist nur die Wahl der InfoSoc-RL als Ausgangspunkt, denn sie setzt zwangsläufig einen Werkbegriff voraus. Anders ließen sich weder Verwertungsrechte noch Schranken regeln. Insoweit ist die InfoSoc-RL auch nicht lückenhaft.977 Der weitergehende Schluss, dass der Werkbegriff deshalb auch auf europäischer Ebene konkretisiert werden müsse, überzeugt dagegen nicht. Die InfoSoc-RL bietet keinerlei Anhaltspunkte für ein solches Verständnis.978 So bleibt der EUGH an diesem entscheidenden Punkt auch jede weitere Begründung schuldig. Die InfoSoc-RL enthält deshalb keine Harmonisierung des allgemeinen Werkbegriffs. Folglich setzt das europäische Urheberrecht auch keine allgemeine Mindestschöpfungshöhe fest, so dass unter diesem Gesichtspunkt auch kein Maximalschutz entsteht. Allerdings geht der Trend de lege ferenda eindeutig zu einem einheitlichen europäischen Werkbegriff.979 Unter Binnenmarktgesichtspunkten wäre eine Harmonisierung des allgemeinen Werkbegriffs auch wünschenswert.980 Der BGH981 und der österreichische OGH982 haben ihre Rechtsprechung bereits pragmatisch an die zu erwartende Entwicklung des europäischen Rechts angepasst.983 Gefordert ist dennoch der Unionsgesetzgeber, dem der EUGH diese Aufgabe nicht abnehmen kann.

III.

Zusammenfassung

Schutzbegrenzende Vorgaben des europäischen Rechts finden sich zum Werkbegriff nur bei den harmonisierten speziellen Werkarten. Für Datenbankwerke, Fotografien und Computerprogramme gilt eine einheitliche Schutzuntergrenze auf dem Niveau einfacher schöpferischer Tätigkeit. Besondere Anforderungen an den Persönlichkeitsbezug stellt der EUGH nicht, obwohl ihm die fraglichen Richtlinien hierfür eine Handhabe böten.984 Dennoch ist das Verständnis des EUGH der kontinentaleuropäischen Rechtstradition sehr viel näher als dem 977 978 979 980 981

Siehe oben S. 153f. Siehe oben S. 154ff. Erdmann FS Loschelder, 61, 64; Loewenheim GRUR Int. 2004, 765, 766. Schulze GRUR 2009, 1019, 1021; Schack FS 50 Jahre UrhG, 277, 281. BGH GRUR 2011, 134ff. – Perlentaucher ; BGHZ 199, 52ff. – Geburtstagszug; vgl. auch Leistner ZGE 2013, 4, 34; ders. EuZW 2016, 166, 167. 982 OGH Urt. v. 17. 12. 2002, Az. 4 Ob 274/02a = MuR 2003, 162 – Felsritzbild; hierzu Walter Österreichisches UrhR, Rn. 131. 983 Leistner JZ 2014, 846, 848; Hoeren MMR 2014, 337, 338. 984 Siehe oben S. 142, S. 144, S. 147.

158

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

britischen Recht,985 für das die bestehende Mindestschöpfungshöhe spürbar maximalschützend wirkt. Eine allgemeine Harmonisierung des Werkbegriffs hat jedoch bisher nicht stattgefunden.986 Von Datenbankwerke, Fotografien und Computerprogrammen abgesehen, gibt das europäische Recht keine Mindestschöpfungshöhe vor. Die Mitgliedstaaten können in diesem Bereich de lege lata niedrigere Standards ansetzen und den Urheberschutz auf diese Weise ausdehnen.987

B.

Verwertungsrechte

Verwertungsrechte bilden die Grundlage der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit urheberrechtlich geschützter Werke.988 Entsprechend sind die Verwertungsrechte mittlerweile in weiten Teilen europäisch harmonisiert.989 Zentral sind die Art. 2 bis 4 InfoSoc-RL, die den Urhebern das Vervielfältigungsrecht, das Recht der öffentlichen Wiedergabe und das Verbreitungsrecht gewährleisten. Geregelt ist zudem das Vermiet- und Verleihrecht,990 das Recht der Satellitensendung991 sowie das Kabelweitersenderecht.992 Für Computerprogramme und Datenbanken bestehen eigenständige Regelungen.993 In den harmonisierten Bereichen sind die Verwertungsrechte des deutschen UrhG richtlinienkonform auszulegen.994 Maximalschutzgrenzen entstehen im Bereich der Verwertungsrechte durch eine europarechtlich vorgegebene Beschränkung des urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts.995 Wenn etwa der EUGH für das Recht der öffentlichen Wiedergabe verlangt, dass durch die Wiedergabehandlung des Verwerters ein »neues Publikum« erreicht werden muss, verengt er damit die Summe derjenigen Werknutzungen, die in den Verbotsbereich des Rechts der öffentlichen

985 986 987 988 989 990 991 992 993

Siehe oben S. 142f., S. 144 und Fn. 861. Siehe oben S. 144ff. A. A. allerdings der EUGH, vgl. oben S. 149ff. Dreier/Schulze § 15 Rn. 1; FN-Dustmann § 15 Rn. 1; Schack UrhR, Rn. 409ff. Tabellarische Übersicht bei Pila/Torremans European Intellectual Property Law, S. 312f. Art. 1 Vermiet-RL, siehe oben Fn. 544. Art. 2 Satelliten und Kabel-RL, siehe oben Fn. 545. Art. 8 Satelliten und Kabel-RL. Vgl. Art. 4 Software-RL (Vervielfältigung, Übersetzung, Bearbeitung und Verbreitung) und Art. 5 Datenbank-RL (Vervielfältigung, Übersetzung, Bearbeitung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe). 994 Dreier/Schulze § 15 Rn. 24; FN-Dustmann § 15 Rn. 15. 995 Siehe schon oben S. 23f.

Recht der öffentlichen Wiedergabe

159

Wiedergabe nach Art. 3 InfoSoc-RL fallen.996 Gleiches gilt für das Erfordernis einer Eigentumsübertragung beim Verbreitungsrecht des Art. 4 InfoSoc-RL.997 Eine umfassende Erörterung aller unionsrechtlichen Vorgaben zu den Verwertungsrechten kann hier nicht vorgenommen werden. Stattdessen sollen exemplarisch das Recht der öffentlichen Wiedergabe nach Art. 3 InfoSoc-RL (unten I) und das Verbreitungsrecht nach Art. 4 InfoSoc-RL (unten II) betrachtet werden, da zu diesen Verwertungsrechten mittlerweile umfangreiche Rechtsprechung des EUGH ergangen ist.

I.

Recht der öffentlichen Wiedergabe, Art. 3 InfoSoc-RL

Nach Art. 3 InfoSoc-RL gewähren die Mitgliedstaaten »den Urhebern das ausschließliche Recht«, »die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung ihrer Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.« Die Formulierung entspricht fast wörtlich Art. 8 WCT. Dies überrascht nicht, da die EU das Recht der öffentlichen Wiedergabe im WCT maßgeblich mitgestaltet hat998 und die InfoSocRL auch dessen Umsetzung dient.999

1.

Methodischer Rahmen

Für die Untersuchung auf Maximalschutzgrenzen ist zunächst für Art. 3 I InfoSoc-RL der methodische Rahmen in Hinblick auf dessen Anwendungsbereich, Harmonisierungsintensität und Konkretisierungstiefe zu klären.1000 a) Anwendungsbereich Bezüglich des Anwendungsbereichs des unionsrechtlichen Rechts der öffentlichen Wiedergabe legt Erwgr. 23 InfoSoc-RL fest, dass das Recht der öffentlichen Wiedergabe zwar weit zu verstehen ist, aber nur »jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung 996 EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 24 – Svensson; ausführlich unten S. 172ff. 997 EUGH Rs. C-456/06, EU:C:2008:232 = GRUR 2008, 604, Tz. 33 – Peek & Cloppenburg; ausführlich unten S. 187ff. 998 v. Lewinski/Walter European Copyright, Rn. 11.3.23; Reinbothe/v. Lewinski WIPO Treaties, Art. 8 WCT Rn. 7.8.4ff., 7.8.27ff.; Koof Senderecht, S. 94; v. Lewinski CR 1997, 438; Paparseniou GRUR Int. 2016, 225, 227. 999 Vgl. Erwgr. 15 InfoSoc-RL. 1000 In der Vorgehensweise ähnlich Leistner GRUR 2014, 1145, 1150.

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Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

nimmt, nicht anwesend ist.« Diese Beschränkung auf Wiedergaben, die ein Distanzelement aufweisen, geht auf Art. 8 WCT zurück.1001 Der sachliche Anwendungsbereich von Art. 3 InfoSoc-RL ist mit den Worten des EUGH auf »jede Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren« begrenzt.1002 Öffentliche Aufführungen und Darbietungen vor einem anwesenden Publikum, in Zuge derer es zu einem unmittelbaren Kontakt zwischen Aufführenden und der Öffentlichkeit kommt, werden von der InfoSoc-RL nicht erfasst.1003 Das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht des § 19 UrhG liegt demnach außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 3 InfoSoc-RL und wird daher auch nicht durch europäische Vorgaben beschränkt. Erfasst sind dagegen das Senderecht nach § 20 UrhG und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG.1004 Für die Zweitverwertungsrechte der §§ 21 und 22 UrhG ist Erwgr. 23 InfoSoc-RL nicht eindeutig. Der »Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt«, könnte auch der Ort sein, an dem sich das Wiedergabegerät befindet.1005 Da der EUGH aber einen »körperlichen Kontakt« verlangt und damit für die Bestimmung des Wiedergabeortes auf den Ort der Aufführung abstellt,1006 fallen auch §§ 21 und 22 UrhG in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Rechts der öffentlichen Wiedergabe.1007 b) Harmonisierungsintensität Weitere Voraussetzung für eine schutzbegrenzende Wirkung des Art. 3 InfoSoc-RL ist dessen vollharmonisierender Charakter.1008 Bliebe den Mitgliedstaaten ein Spielraum zugunsten eines höheren Schutzniveaus, käme ein Maximalschutz nicht in Betracht. Die Harmonisierungsintensität der Verwertungsrechte der InfoSoc-RL ist allerdings umstritten. Teilweise wurde aus der eindeutig zwingend formulierten Schranke des 1001 v. Lewinski International Copyright Law and Policy, Rn. 17.108; Roder Methodik des EuGH, S. 19; Ullrich ZUM 2008, 112, 116. 1002 EUGH Rs. C-403/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 200ff. – FAPL und Murphy. 1003 EUGH aaO, Tz. 202 – FAPL und Murphy ; EUGH Rs. C-283/10, EU:C:2011:772 = GRUR Int. 2012, 150, Tz. 30ff. – Circul Globus Bucuresti; vgl. auch EUGH Rs. C-527/15, EU:C:2017:300 = GRUR Int. 2017, 527, Tz. 35. – Filmspeler. 1004 Zur Möglichkeit weiterer unbenannter Nutzungsrechte nach § 15 II UrhG siehe unten S. 182f. 1005 Roder Methodik des EuGH, S. 21. 1006 EUGH Rs. C-403/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 200ff. – FAPL und Murphy. 1007 Dreier/Schulze § 21 Rn. 4, § 22 Rn. 4; Roder Methodik des EuGH, S. 21; a. A. Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627, 632 unter Hinweis auf EUGH Rs. C-283/10, EU:C:2011:772 = GRUR Int. 2012, 150, Tz. 30ff. – Circul Globus Bucuresti, allerdings verweist der EUGH auch hier auf FAPL und Murphy. 1008 Siehe oben S. 108f.

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Art. 5 I InfoSoc-RL der Gegenschluss gezogen, dass alle Vorschriften der Richtlinie, die nicht vergleichbar formuliert sind, lediglich einen Mindeststandard setzten.1009 Überzeugend ist diese Argumentation nicht. Zunächst ist es durchaus möglich, dass verschiedene Regelungskomplexe oder Vorschriften einer Richtlinie hinsichtlich ihrer Harmonisierungsintensität unterschiedlich ausgestaltet sind.1010 Aus der Harmonisierungsintensität der urheberrechtlichen Schranken kann daher nur bedingt auf diejenige der Verwertungsrechte geschlossen werden. Die in der Tat sehr deutliche Formulierung des Art. 5 I InfoSoc-RL lässt sich vielmehr bereits mit der Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung zu den fakultativen Schranken des Art. 5 II und III InfoSocRL erklären. Der EUGH jedenfalls geht von einer hohen Harmonisierungsintensität aus. In der Svensson-Entscheidung stellte er klar, dass Art. 3 I InfoSoc-RL nicht so verstanden werden könne, dass ein Mitgliedstaat einen weitergehenden Schutz der Inhaber des Urheberrechts vorsehen darf, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmungen hinausgehen.1011 Zur Begründung verweist er auf die Erwägungsgründe 1, 6 und 7 der InfoSoc-RL und die sich hieraus ergebende Binnenmarktzielsetzung.1012 Dieser Einschätzung haben sich der BGH1013 und die Literatur1014 zu Recht angeschlossen. Die Harmonisierung der Verwertungsrechte war ein Hauptanliegen der InfoSoc-RL.1015 Für das Recht der öffentlichen Wiedergabe gilt im verstärkten Maße, dass für den Abbau von Verzerrungen im Binnenmarkt1016 wenig gewonnen wäre, wenn gerade das in seiner wirtschaftlichen Bedeutung immer relevanter werdende Recht der öffentlichen Wiedergabe lediglich mindestharmonisiert wäre. Den Mitgliedstaaten ist es deshalb durch Art. 3 InfoSoc-RL verwehrt, einen über den Umfang des unionsrechtlichen Rechts der öffentlichen Wiedergabe hinausgehenden Schutz vorzusehen. 1009 Reinbothe in: Riesenhuber, Angemessenheit im Urheberrecht, S. 156, Fn. 48; Riesenhuber ZUM 2012, 433, 441; letztlich aber doch für eine diesbezügliche Vorlage: ders. LMK 2013, 349342; missverständlich Sammer Der Öffentlichkeitsbegriff im Urheberrecht, S. 155, der den Öffentlichkeitsbegriff der InfoSoc-RL lediglich als Mindeststandard zu verstehen scheint; vgl. auch WaBu-Heerma § 17 Rn. 8. 1010 Siehe oben S. 108f. 1011 EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 37, 41 – Svensson. 1012 EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 40 – Svensson. 1013 BGH GRUR 2013, 818, Tz. 12. 1014 Dreier/Schulze § 15 Rn. 29; Metzger GRUR 2012, 118, 122f.; Raue GRUR Int. 2012, 402, 405; v. Ungern-Sternberg GRUR 2013, 248, 251; ders. GRUR 2012, 1198, 1204; Lucas-Schloetter ZGE 2013, 84, 101; Schmidt-Wudy EuZW 2014, 268; Höfinger ZUM 2014, 293, 295; Leistner GRUR 2014, 1145, 1149; ders. ZUM 2016, 580, 581. 1015 Vgl. Erwgr. 21–29 InfoSoc-RL; Richtlinien sind für eine solch weitgehende Harmonisierung auch nicht ungeeignet; siehe oben S. 110, a. A. Berger ZUM 2012, 353, 356. 1016 Vgl. Erwgr. 1 InfoSoc-RL.

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c) Konkretisierungstiefe Der Begriff der »öffentlichen Wiedergabe« ist ein ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriff.1017 Es bleibt somit die Ermittlung der Konkretisierungstiefe von Art. 3 I InfoSoc-RL. Hier gelten die gleichen Erwägungen, die zur Annahme einer hohen Harmonisierungsintensität geführt haben: Die angestrebte Harmonisierung des Binnenmarktes erfordert eine einheitliche Begriffsbestimmung auf europäischer Ebene. Ginge man wegen des Fehlens einer genaueren Definition der »öffentlichen Wiedergabe« davon aus, dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe in Art. 3 InfoSoc-RL inhaltlich nicht harmonisiert sei,1018 so würde sich der erreichte Harmonisierungserfolg darauf beschränken, dass die Mitgliedstaaten überhaupt ein Recht der öffentlichen Wiedergabe gewähren müssten. Handelshemmnisse würden dadurch aber nur minimal abgebaut. Die umfangreiche Behandlung in den Erwgr. lässt eine umfassendere Regelungsintention des Unionsgesetzgebers erkennen.1019 Es ist deshalb nicht Aufgabe der Mitgliedstaaten, den Begriff der »öffentlichen Wiedergabe« zu definieren,1020 vielmehr handelt es sich bei den in Art. 3 I InfoSoc-RL verwendeten ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffen um autonome Begriffe des Unionsrechts.1021 Entsprechend hat der EUGH in einer Vielzahl von Entscheidungen das Recht der öffentlichen Wiedergabe nach Art. 3 InfoSoc-RL inhaltlich näher ausgestaltet. d) Zwischenergebnis Methodisch erfüllt Art. 3 InfoSoc-RL in seinem Anwendungsbereich somit die Voraussetzungen für die Vorgabe europäischer Maximalschutzgrenzen.1022 Deren konkreter Verlauf hängt von der Ausgestaltung durch den EUGH ab. 2.

Ausgestaltung durch den EUGH

Neben Art. 3 InfoSoc-RL sieht auch Art. 8 II Vermiet-RL für die verwandten Schutzrechte ein »Recht der öffentlichen Wiedergabe« vor, und auch in Art. 2 Satelliten und Kabel-RL1023 findet sich der Begriff der »öffentlichen Wiedergabe«. Dies erschwert die Untersuchung des Art. 3 InfoSoc-RL. Der 1017 1018 1019 1020

Roder Methodik des EuGH, S. 88; dies. GRUR Int. 2016, 999. In diese Richtung aber Dietrich MMR 2014, 262. Vgl. Erwgr. 23–27. EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 31 – SGAE/Rafael; EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 29 – GS Media; ebenso LG Köln GRUR 2015, 885, 887. 1021 BGHZ 206, 365, Tz. 42ff. – Ramses; Sammer Der Öffentlichkeitsbegriff im Urheberrecht, S. 154; Roder Methodik des EuGH, S. 445; v. Ungern-Sternberg GRUR 2012, 1198, 1204; Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627. 1022 So auch Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627, 628f. 1023 Siehe oben Fn. 545.

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EUGH geht grundsätzlich davon aus, dass im Interesse der »Einheit und Kohärenz der Unionsrechtsordnung« die in den urheberrechtlichen Richtlinien verwendeten Begriffe gleich auszulegen sind.1024 Seine Rechtsprechung zu Art. 3 InfoSoc-RL und Art. 8 II Vermiet-RL ist diesbezüglich allerdings uneinheitlich. Teilweise hat der Gerichtshof ein paralleles Begriffsverständnis explizit abgelehnt,1025 da Art. 8 II Vermiet-RL im Gegensatz zu Art. 3 InfoSoc-RL kein vorbeugendes Recht sei, sondern Entschädigungscharakter habe.1026 Die damit verbundene gespaltene Auslegung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe ist mit Recht kritisiert worden1027 und wird mittlerweile auch vom EUGH nicht mehr vertreten.1028 Die zu Art. 8 II Vermiet-RL ergangene Rechtsprechung ist deshalb auch für die Auslegung von Art. 3 InfoSoc-RL heranzuziehen. Die bisherigen Ausführungen des EUGH zum Recht der öffentlichen Wiedergabe haben zwar noch nicht alle offenen Fragen beantwortet, doch ist der Konkretisierungsumfang so hoch,1029 dass sich mittlerweile deutliche Konturen abzeichnen. Ursprünglich hat der EUGH in einer Art Gesamtschau auf »mehrere Kriterien« abgestellt, die »unselbstständig und miteinander verflochten« seien.1030 Obwohl diese Gesamtbetrachtung zuletzt erneut angeklungen ist,1031 hat sich trotz gewisser terminologischer Unstimmigkeiten1032 mittlerweile ein dreigliedriger Begriff1033 der öffentlichen Wiedergabe herausgebildet:

1024 EUGH Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 188 – FAPL und Murphy ; EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 31 – SGAE/Rafael; Grünberger/Podszun GPR 2015, 11, 14. 1025 EUGH Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 74 – SCF; EUGH Rs. C-351/12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 35 – OSA. 1026 EUGH aaO, Tz. 74ff. – SCF. 1027 Leister GRUR 2014, 1145, 1152f.; Holtz ZUM 2015, 546, Fn. 7, 8 und 17; für eine einheitliche Auslegung auch GA Trstenjak Schlussanträge vom 29. 6. 2011, Rs. C-162/10, EU:C:2011:432, Tz. 94ff.; Gerlach FS Wandtke, S. 233, 235f.; Lucas-Schloetter ZGE 2013, 84, 95f. 1028 EUGH Rs. C-117/15, EU:C:2016:379 = GRUR 2016, 684, Tz. 28ff. – Reha Training; EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 33 – GS Media; ausführlich Grünberger GRUR 2016, 977ff. 1029 Leistner GRUR 2014, 1145, 1151. 1030 EUGH Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 79 – SCF; EUGH Rs. C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 30 – PPL; vgl. auch Dreier/Schulze § 15 Rn. 29; v. Ungern-Sternberg GRUR 2012, 576f.; Leistner GRUR 2014, 1145, 1150. 1031 EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 34 – GS Media; vgl. diesbezüglich zur Prüfungsstruktur : Leistner ZUM 2016, 980, 981; Ohly GRUR 2016, 1155, 1156, Rn. 3 und 7. 1032 So verneint der EUGH etwa in Svensson im Ergebnis eine »Handlung der öffentlichen Wiedergabe«, obwohl er zuvor eine »Handlung der Wiedergabe« geprüft und bejaht hatte, vgl. EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 20 und 32 – Svensson. 1033 Vgl. etwa EUGH Rs. C-351/12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 25, 27 und 31 – OSA; EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 17, 21 und 24 – Svensson. Auch

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Erforderlich sind eine Handlung der Wiedergabe (unten a) sowie deren Öffentlichkeit (unten b).1034 Hinzu kommt die Verwendung eines spezifischen technischen Verfahrens oder als alternative Voraussetzung, dass ein neues Publikum erreicht wird. Für Verlinkungen auf ein rechtswidrig zugängliches Werk hat der EUGH kürzlich ergänzend auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Linksetzers abgestellt. Diese noch relativ jungen Kriterien lassen sich nur schwer als Bestandteil der Prüfungspunkte »Wiedergabe« und »Öffentlichkeit« begreifen und werden vom EUGH auch nicht als solche verstanden.1035 So erfolgt eine frei zugängliche Verlinkung im Internet zweifellos öffentlich1036 und wird vom EUGH trotzdem nicht als »öffentliche Wiedergabe« eingeordnet, da kein »neues Publikum« erreicht wird.1037 Die zuletzt genannten Kriterien sind daher ergänzend zu prüfen (unten c). a) Wiedergabe Wegen des anzustrebenden hohen Schutzniveaus stellt der EUGH geringe Anforderungen an die Wiedergabehandlung.1038 Erfasst wird jede »Übertragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren«.1039 aa) Wiedergabe als zielgerichtete Werknutzung Zu dieser noch sehr offenen Definition kommt hinzu, dass es sich bei der öffentlichen Wiedergabe dem EUGH zufolge um eine bewusste Dienstleistung handeln muss. Dem Nutzer fällt damit die zentrale Rolle zu.1040 Er muss in voller

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der BGH scheint dreistufig zu prüfen: BGH GRUR 2016, 171, Tz. 22, 24 und 26 – Die Realität II; BGHZ 206, 365, Tz. 44ff. – Ramses. EUGH Rs. C-607/11, EU:C:2013:147 = GRUR 2013, 500, Tz. 21, 31 – ITV Broadcasting; EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 16 – Svensson; EUGH Rs. C325/14, EU:C:2015:764 = GRUR 2016, 60, Tz. 15 – SBS/SABAM; BGH GRUR 2016, 171, Tz. 21 – Die Realität II; Grünberger/Podszun GPR 2015, 11, 14; Jan Nordemann GRUR 2016, 245, 246. Vgl. EUGH Rs. C-351/12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 31 – OSA; EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 24 – Svensson; EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 32, 34 – GS Media. EUGH aaO, Tz. 23 – Svensson; siehe unten S. 173ff. EUGH aaO, Tz. 24 - 32 – Svensson. Teilweise ist die Einordnung des Kriteriums »neues Publikum« aber auch unscharf: vgl. EUGH Rs. C-325/14, EU:C:2015:764 = GRUR 2016, 60, Tz. 27ff. – SBS/SABAM. EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 36 – SGAE/Rafael; Grünberger ZUM 2015, 273, 276; Roder GRUR Int. 2016, 999, 1000. EUGH Rs. C-325/14, EU:C:2015:764 = GRUR 2016, 60, Tz. 16 – SBS/SABAM; EUGH Rs. C-351/12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 25 – OSA; EUGH Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 193 – FAPL und Murphy. Dreier/Schulze § 15 Rn. 29; v. Ungern-Sternberg GRUR 2012, 1198, 1199f.; Leistner GRUR 2014, 1145, 1150; Roder Methodik des EuGH, S. 22.

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Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig werden und Dritten gezielt einen Zugang zum geschützten Werk verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden sonst nicht hätten.1041 Dabei reicht es aus, dass Dritte eine Nutzungsmöglichkeit erhalten; ob sie diese tatsächlich nutzen, ist nicht entscheidend.1042 Gleichzeitig verlangt der EUGH, dass das Publikum aufnahmebereit ist und nicht bloß zufällig erreicht wird.1043 Hier besteht ein gewisser Widerspruch.1044 Nach diesen Anforderungen war für das Ausstrahlen von Rundfunksendungen in einer Gastwirtschaft mitentscheidend, dass die Inhaberin der Gastwirtschaft die im Rundfunk gesendeten Werke »absichtlich« über einen Fernsehbildschirm und Lautsprecher für die sich in der Gastwirtschaft aufhaltenden Kunden übertrug.1045 Ähnlich stellte der EUGH bei einer Zugänglichmachung von Fernseh- und Hörfunkübertragungen in einer Kureinrichtung darauf ab, dass der Betreiber »willentlich« ein Signal über Fernseh- und Radioempfänger in den Zimmern der Patienten verbreite,1046 und berücksichtigte dabei, dass der Hotelier seinen Gästen »in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens« Zugang zu den geschützten Werken ermögliche.1047 Der EUGH meint hiermit allerdings nur die Kenntnis des Kausalzusammenhangs zwischen der eigenen Handlung und dem Werkgenuss Dritter.1048 Das Wissen von der Rechtswidrigkeit der eigenen Quelle, etwa im Fall einer Verlinkung, wird vom EUGH nicht als Voraussetzung der Wiedergabehandlung geprüft.1049 bb) Kein bloßes Bereitstellen von Wiedergabeeinrichtungen Von Art. 3 InfoSoc-RL nicht erfasst ist das bloße Bereitstellen von Wiedergabeeinrichtungen, das nach Erwgr. 27 InfoSoc-RL nicht als Wiedergabe gilt. Stellt ein Hotelier dagegen Tonträger zusammen mit entsprechenden Abspielgeräten 1041 EUGH Rs. C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 31, 37, 40 – PPL; EUGH Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 82, 91, 94 – SCF; EUGH Rs. C-117/15, EU:C:2016:379 = GRUR 2016, 684, Tz. 48 – Reha Training; EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 35 – GS Media. 1042 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 42 – SGAE/Rafael; EUGH Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 193 – FAPL und Murphy ; EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 19 – Svensson; EUGH Rs. C351/12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 26 – OSA. 1043 EUGH Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 91 – SCF; EUGH Rs.C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 37 – PPL. 1044 Lucas-Schloetter ZGE 2013, 84, 93; GA Trstenjak Schlussanträge vom 29. 6. 2011, EU:C:2011:432, Tz. 139 – SCF. Wesentliche Bedeutung hat das Merkmal der Aufnahmebereitschaft früher aber nicht erlangt. 1045 EUGH Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 195f. – FAPL und Murphy. 1046 EUGH Rs. C-351/12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 26 – OSA. 1047 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 42 – SGAE/Rafael. 1048 Leistner ZUM 2016, 980, 982; Ohly GRUR 2016, 1155, 1156. 1049 Siehe unten S. 178ff.

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bereit, ist dies nach dem EUGH als öffentliche Wiedergabe zu qualifizieren.1050 Gleiches gilt für einen Medienabspieler, der über eine vorinstallierte Software zu Streaming-Angeboten weiterleitet.1051 Allerdings fällt die Grenzziehung dieser Rechtsprechung zu Erwgr. 27 InfoSoc-RL schwer.1052 cc) Keine enge Beschränkung auf Übertragungs- und Weiterleitungsvorgänge Ebenso hat sich der EUGH gegen eine Beschränkung auf reine Übertragungsund Weiterleitungsvorgänge ausgesprochen.1053 Sein insoweit sehr weites Verständnis der Wiedergabehandlung zeigt sich insbesondere bei Verlinkungen im Internet. Der BGH hatte hier für das Setzen eines Deep-Links1054 die Ansicht vertreten, dass diese lediglich auf ein bereits zugängliches Werk verweisen und deshalb per se nicht als eigenständige Nutzungshandlung einzuordnen sei.1055 Eine solche klare Lösung dient der Kommunikationsfreiheit im Internet. Auch die Kommission und Generalanwalt Wathelet vertreten weiterhin diese Ansicht.1056 Der EUGH jedoch ist bisher bei seiner Meinung geblieben und versucht die für den Erhalt der Kommunikationsfähigkeit des Internets gebotenen Einschränkungen1057 an anderer Stelle vorzunehmen.1058 b) Öffentlichkeit Eine derartige Wiedergabe muss auch gegenüber einer Öffentlichkeit erfolgen. Vorab zu klären ist, wer als Empfängerkreis einer Wiedergabe überhaupt als »Öffentlichkeit« in Betracht gezogen werden kann. Der EUGH stellt hierfür auf die autonome Stellung der Empfänger ab. Nur wenn diese gegenüber dem Wiedergebenden selbstständig agieren, werden sie in die Beurteilung der Öffentlichkeit miteinbezogen. Bei der Direkteinspeisung eines Sendesignals, das erst im Zuge einer Weiterleitung durch zwischengeschaltete Vertriebshändler 1050 EUGH Rs. C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 62 – PPL. Wer nur Fernsehgeräte bereitstellt, nimmt demgegenüber noch keine Wiedergabehandlung vor; vgl. BGH GRUR 2016, 697, Tz. 24ff. – Königshof; kritisch v. Ungern-Sternberg GRUR 2017, 217, 221f. 1051 EUGH Rs. C-527/15, EU:C:2017:300 = GRUR Int. 2017, 527, Tz. 38ff. – Filmspeler. 1052 Kritisch deshalb Lucas-Schloetter ZGE 2013, 84, 98f. 1053 EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 19f. – Svensson; vgl. schon EUGH Rs.C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 62–67 – PPL, hierzu Lucas-Schloetter ZGE 2013, 84, 97. 1054 Deep-Links verweisen nicht auf die Homepage des fremden Anbieters, sondern auf eine dahinter, tiefer liegende Seite, vgl. Schack MMR 2001, 9, 13. 1055 BGHZ 156, 1, 14f. – Paperboy. 1056 GA Wathelet Schlussanträge vom 7. 4. 2016, Rs. C-160/15, EU:C:2016:221, Tz. 25, 51ff. – GS Media; vgl. auch Ohly GRUR 2016, 1155, 1156. 1057 EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 45 – GS Media. 1058 Siehe unten S. 178ff.

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beim Endkunden ankommen konnte, kam es deshalb entscheidend auf die autonome Stellung der Zwischenstation im Verhältnis zum Sendeunternehmen an. Für die tatsächliche Beurteilung verwies der EUGH zurück. Bei einer autonomen Stellung sollten die Kunden der Vertriebshändler für die weitere Beurteilung aber außer Betracht bleiben.1059 Inhaltlich geht der EUGH heute in ständiger Rechtsprechung von der Öffentlichkeit einer Wiedergabe aus, wenn diese sich an eine »unbestimmte Zahl potentieller Adressaten« (unten aa) und »recht viele Personen« (unten bb) richtet.1060 aa) »unbestimmte Zahl potentieller Adressaten« Um eine »unbestimmte Zahl potentieller Adressaten handelt es sich, wenn die Wiedergabe für »Personen allgemein«1061 erfolgt, also nicht auf »besondere Personen«1062 beschränkt ist, die einer »privaten Gruppe« angehören.1063 Auf die tatsächliche Anzahl der Personen, die ein Werk wahrnehmen, kommt es nicht an.1064 Der Öffentlichkeitsbezug einer Wiedergabe fehlt, wenn sie gegenüber einem »individuell bestimmten« Personenkreis erfolgt.1065 Für die Abgrenzung zwischen öffentlicher und privater Wiedergabe nicht entscheidend ist, ob die Wiedergabe in einem »privaten oder familiären Kreis« empfangen wird.1066 Der EUGH nutzt dieses Kriterium nicht zur Bestimmung der Öffentlichkeit einer Wiedergabe, sondern zieht es im Kontext des »neuen Publikums« als Auslegungshilfe heran, um die Reichweite einer Erlaubnis durch den Urheber zu bestimmen.1067 Vielmehr sei es unerheblich, ob der Ort, an dem 1059 EUGH Rs. C-325/14, EU:C:2015:764 = GRUR 2016, 60, Tz. 32ff. – SBS/SABAM. 1060 EUGH Rs. C-607/11, EU:C:2013:147 = GRUR 2013, 500, Tz. 32 – ITV Broadcasting; EUGH Rs. C-351/12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 27 – OSA; EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 21 – Svensson; EUGH Rs. C-117/15, EU:C:2016:379 = GRUR 2016, 684, Tz. 41 – Reha Training. 1061 Den Terminus »Personen allgemein« zieht der EUGH aus einem WIPO-Glossar von 1980, auf den auch die Kommission in ihrem Grünbuch Urheberrecht vom 19. 7. 1995, KOM (95) 382 endg., S. 53 verweist; vgl. auch Roder Methodik des EuGH, S. 28. 1062 Die Verwendung des Begriffs »besondere Personen« dürfte auf einer ungeschickte Übersetzung der deutschen Fassung des EUGH-Urteils SCF beruhen, vgl. EUGH Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 85 – SCF; die englische Fassung verwendet »specific individuals«, passender wäre deshalb »bestimmte Personen«, vgl. Frentz/Masch ZUM 2016, 169, 170. 1063 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 37 – SGAE/Rafael; EUGH Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 85 – SCF; EUGH Rs. C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 34 – PPL. 1064 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 37 – SGAE/Rafael; EUGH Rs. C-607/11, EU:C:2013:147 = GRUR 2013, 500, Tz. 33 – ITV Broadcasting. 1065 EUGH Rs. C-325/14, EU:C:2015:764 = GRUR 2016, 60; Tz. 21ff. – SBS/SABAM. 1066 A. A. Roder Methodik des EuGH, S. 28; Handig ZUM 2013, 273, 274. 1067 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 41f. – SGAE/Rafael; EUGH

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eine Wiedergabe konsumiert wird, als privat oder öffentlich einzustufen sei, da die InfoSoc-RL auf die Wiedergabehandlung abstelle und bei einer anderen Beurteilung das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung leerliefe.1068 Die Rechtsprechung des EUGH dazu, welche Personengruppen als »Personen allgemein« anzusehen sind, ist uneinheitlich.1069 Als unbestimmte Zahl potentieller Adressaten hat der EUGH die Gäste eines Hotels,1070 die Besucher einer Gastwirtschaft1071 und die Patienten einer Kureinrichtung1072 eingeordnet. Demgegenüber soll es sich bei den Patienten eines Zahnarztes um eine Gesamtheit von Personen handeln, die nicht als »Personen allgemein« einzuordnen seien.1073 Für diese schwer nachvollziehbare Differenzierung ist der EUGH vielfach kritisiert worden.1074 Konsequent war deshalb die Vorlage des LG Köln, das über eine Wiedergabe gegenüber den Patienten eines Rehabilitationszentrums zu entscheiden hatte und angesichts der uneinheitlichen Rechtsprechung des EUGH nicht von einem act claire ausging.1075 Der EUGH hat eine öffentliche Wiedergabe bejaht, hat dabei entgegen der Intention des LG Köln1076 jedoch keine Kriterien genannt, wie zwischen einem Rehabilitationszentrum und einer Zahnarztpraxis zu differenzieren wäre.1077 Wann genau eine »unbestimmte Anzahl potentieller Adressaten« vorliegt, ist somit weiterhin nicht abschließend geklärt. Auch das Kriterium als solches wirft Fragen auf. Denn die Individualisierbarkeit eines Personenkreises hängt wesentlich von dem gewählten Kriterium ab und ist auch bei sehr großen Gruppen

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Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 193 – FAPL und Murphy, EUGH Rs. C-151/15, EU:C:2015:468 = MR Int. 2015, 108, Tz. 22 – Douros Bar ; hierzu unten S. 172ff. EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 50ff. – SGAE/Rafael. Vgl. Ernst MDR 2016, 1177, 1180f. EUGH aaO, Tz. 37ff. – SGAE/Rafael. EUGH Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 183ff. – FAPL und Murphy. EUGH Rs. C-351/12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 27ff. – OSA. EUGH Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 95 – SCF. Vgl. etwa Riesenhuber ZUM 2012, 433, 442f.; Westkamp EuZW 2012, 698, 699; LucasSchloetter ZGE 2013, 84, 89f.; Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627, 632f. LG Köln GRUR 2015, 885 – Rehabilitationszentrum. Weniger vorlagefreudig hinsichtlich der Einordnung von Zahnarztpatienten war dagegen BGH GRUR 2016, 278, Tz. 46 – Hintergrundmusik in Zahnarztpraxen. Keinen Vorlagebedarf sah der BGH auch bei einer Kabelweitersendung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit 343 Wohneinheiten, deren Bewohner er als abgrenzbaren Personenkreis betrachtete, BGHZ 206, 365, Tz. 63 – Ramses. Vgl. auch LG Leipzig, Urt. vom 24. 3. 2016–05 O 3478/13 sowie LG Potsdam, Urt. vom 7. 4. 2016–2 O 436/14, die diese Rechtsprechung des BGH nicht auf eine durch einen Verein betriebene Gemeinschaftsantenne übertragen wollen; dazu Frentz/Masch ZUM 2016, 556; Rößner K& R 2016, 50, 51. LG Köln GRUR 2015, 885, 888 – Rehabilitationszentrum. EUGH Rs. C-117/15, EU:C:2016:379 = GRUR 2016, 684, Tz. 42, 57 – Reha Training.

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noch möglich. So sind beispielsweise die mit einem Dekoder ausgestatteten Kunden eines Pay-TV-Senders anhand des Kundenregisters des Anbieters ebenfalls bei Sendung eines Programms »individualisiert«.1078 Gleichwohl wird man die Kunden von »Sky« oder »Canal+« zweifellos als Öffentlichkeit einordnen müssen. Für die weitere Entwicklung des Öffentlichkeitsbegriffs der InfoSoc-RL ist zu klären, ob nicht ab einer gewissen Größe des angesprochenen Personenkreises unabhängig von dessen Abgrenzbarkeit oder Individualisierbarkeit stets eine Öffentlichkeit angenommen werden muss.1079 Sinnvoll wäre auch eine verstärkte Betonung des Merkmals einer »privaten Gruppe«,1080 das in der Rechtsprechung des EUGH eher ein Schattendasein führt,1081 aber für die vom Öffentlichkeitsbegriff zu bewältigende Abgrenzungsproblematik sehr viel besser geeignet wäre. bb) »recht viele Personen« Als weiteres Merkmal einer »öffentlichen« Wiedergabe verlangt der EUGH eine »ziemlich große Zahl von Personen«1082 bzw. zuletzt »recht viele Personen«.1083 Nach dem EUGH beinhaltet »der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle«, weshalb eine »allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen« nicht ausreichen könne.1084 Eine Bezifferung dieser »Mindestschwelle« ist bisher allerdings nicht erfolgt.1085 Ob eine Wiedergabe »recht viele Personen« erreicht, ergibt sich aus der kumulativen Wirkung einer Wiedergabe: Entscheidend ist nicht nur, wie viele Personen nebeneinander gleichzeitig Zugang zu einem bestimmten Werk erhalten, sondern ebenso, wie vielen der Zugang nacheinander ermöglicht wird.1086 Auch hier ist die Recht1078 Vgl. EUGH Rs. C-607/11, EU:C:2013:147 = GRUR 2013, 500 – ITV Broadcasting. In diesem Fall waren die Nutzer des Live-Streams registriert und damit individualisiert, vgl. Frentz/Masch ZUM 2016, 556, 557. 1079 Jan Nordemann GRUR 2016, 245, 247. 1080 So auch Riesenhuber ZUM 2012, 433, 442. 1081 EUGH Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 85 – SCF; EUGH Rs. C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 34 – PPL. 1082 EUGH Rs. C-351/12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 27 – OSA; EUGH Rs. C-607/11, EU:C:2013:147 = GRUR 2013, 500, Tz. 33 – ITV Broadcasting; EUGH Rs. C-325/14, EU:C:2015:764 = GRUR 2016, 60, Tz. 21 – SBS/SABAM. 1083 EUGH Rs. C-117/15, EU:C:2016:379 = GRUR 2016, 684, Tz. 41 – Reha Training; EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 36 – GS Media. 1084 EUGH Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 86 – SCF. 1085 Zuletzt diesbezüglich EUGH Rs. C-117/15, EU:C:2016:379 = GRUR 2016, 684, Tz. 43 – Reha Training. 1086 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 38f. – SGAE/Rafael; EUGH Rs. C-607/11, EU:C:2013:147 = GRUR 2013, 500, Tz. 33 – ITV Broadcasting; EUGH Rs. C-351/ 12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 28 – OSA.

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sprechung des EUGH nicht immer konsistent. So geht er davon aus, dass der Kreis der Personen, die in einer Zahnarztpraxis anwesend sind, im Allgemeinen sehr begrenzt ist,1087 während er die Anzahl der Gäste eines Hotels1088 und einer Kureinrichtung1089 als ausreichend groß eingeschätzt hat. Angesichts der Existenz großer Zahnarztpraxen und kleiner Pensionen ist diese Beurteilung weder zwingend noch verallgemeinerungsfähig.1090 Allerdings ist der EUGH auch nicht zur Entscheidung der ihm vorgelegten Einzelfälle berufen, weshalb seine diesbezüglichen Ausführungen eher als Ergänzung der ausgeurteilten rechtlichen Leitlinien zu verstehen sind.1091 c) Zusätzliche Voraussetzungen Zu den derart konkretisierten Tatbestandsmerkmalen »Wiedergabe« und »Öffentlichkeit« gesellen sich für Art. 3 I InfoSoc-RL zwei weitere Rechtsprechungslinien des EUGH, die sich in sein zweistufiges Prüfungsschema nicht einfügen lassen1092 und deshalb ergänzend zu prüfen sind.1093 Einerseits verlangt der EUGH für öffentliche Wiedergaben, die nicht bereits in Form eines spezifischen technischen Verfahrens erfolgen (unten aa), alternativ,1094 dass ein »neues Publikums« erreicht wird (unten bb). Für Zweitwiedergaben, die auf einer rechtswidrigen Quelle beruhen, stellt der Gerichtshof seit Kurzem wesentlich auf die Kenntnis des Nutzers ab, die er vermutet, wenn Erwerbszwecke verfolgt werde (unten cc). aa) Spezifisches technisches Verfahren Der EUGH entnimmt Art. 3 InfoSoc-RL die Zielsetzung, bei einer mehrfachen Nutzung1095 »jede Sendung oder Weiterverbreitung eines Werkes, die nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt«, einzeln unter den Vorbehalt 1087 EUGH Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 96 – SCF. 1088 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 38 – SGAE/Rafael; EUGH Rs. C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 42 – PPL. 1089 EUGH Rs. C-351/12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 29 – OSA. 1090 Lucas-Schloetter ZGE 2013, 84, 92; kritisch auch Gerlach FS Wandtke, S. 233, 237. 1091 Roder GRUR Int. 2016, 999, 1000. 1092 Auch das Vorgehen des EUGH ist hier unscharf, vgl. etwa für das Kriterium des »spezifischen technischen Verfahrens« EUGH Rs. C-607/11, EU:C:2013:147 = GRUR 2013, 500, Tz. 24 – ITV Broadcasting; EUGH Rs. C-117/15, EU:C:2016:379 = GRUR 2016, 684, Tz. 39ff. – Reha Training (Wiedergabehandlung); EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 24 – Svensson (eigener Prüfungspunkt); Völtz CR 2014, 721, 722. 1093 So auch Leistner ZUM 2016, 980, 981 und GRUR 2017, 755, 757; um den Erhalt der Zweistufigkeit bemüht sind Jan Nordemann GRUR 2016, 245, 247 und Ohly GRUR 2016, 1155f. 1094 So auch Lucas-Schloetter ZGE 2013, 84, 101; Völtz CR 2014, 721, 722. 1095 EUGH Rs. C-607/11, EU:C:2013:147 = GRUR 2013, 500, Tz. 24 – ITV Broadcasting.

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einer Einwilligung des Urhebers zu stellen.1096 Dies folge aus Erwgr. 23 und Art. 3 III InfoSoc-RL, der eine Erschöpfung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe ausschließt.1097 Ergänzend zieht er auch Art. 2 und 8 der Satelliten und Kabel-RL heran, die für eine kabelgebundene Weiterleitung eine neue Erlaubnis des Rechteinhabers verlangen.1098 Der EUGH fasst den Begriff des »neuen technischen Verfahrens« eher weit.1099 Ein Echtzeit-Streaming1100 soll gegenüber einer terrestrischen Sendung ein neues spezifisches technisches Verfahren sein.1101 Verschiedene Wiedergabeformen innerhalb des Internets stellen allerdings keine unterschiedlichen technischen Verfahren dar. Dies gilt auch für »Linking« und »Framing«.1102 So hat der BGH seine Vorlage »Breitbandkabel«1103 zurückgenommen, da eine Weiterleitung per Kabel gegenüber einer ursprünglichen Wiedergabe per Funk nach den Kriterien des EUGH zweifellos als neues technisches Verfahren einzustufen ist.1104 Nicht als »spezifisches technisches Verfahren« einzustufen sind dagegen technische Mittel, die den Empfang gewährleisten oder verbessern.1105 Fraglich ist, ob auch schon die Frequenzumwandlung, die mit der Verteilung eines durch eine Gemeinschaftsantenne empfangenen Sendesignals einhergeht, ein eigenes technisches Verfahren ist.1106 Hier zeigt sich, wie schwierig es ist, den Einsatz eines neuen technischen Verfahrens von der Gewährleistung oder Verbesserung des Empfangs abzugrenzen.1107 Auch hier besteht weiterer Konkretisierungsbedarf. Allerdings kommt es auf diese Differenzierung letztlich nicht an, wenn alternativ ein »neuen Publikums« erreicht wird.

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EUGH aaO, Tz. 23–25 – ITV Broadcasting. EUGH aaO, Tz. 23f. – ITV Broadcasting. EUGH aaO, Tz. 25 – ITV Broadcasting. Leistner GRUR 2014, 1145, 1152. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist hier nicht eröffnet, da das Werk den Nutzern nicht zu Zeiten ihrer Wahl zum Abruf bereitsteht, vgl. Schack GRUR 2007, 639, 641; Büscher/Müller GRUR 2009, 558. EUGH aaO, Tz. 26 – ITV Broadcasting. EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 24 – Svensson; EUGH Rs. C-348/13, EU:C:2014:2315 = GRUR 2014, 1196, Tz. 15 – BestWater, kritisch hierzu Höfinger ZUM 2014, 293, 294; näher sogleich S. 173ff. BGH GRUR 2012, 1136f. – Breitbandkabel; EUGH Rs. C-416/12, EU:C:2013:328 – Wikom. Leistner GRUR 2014, 1145, 1152. EUGH Rs. C-431/09 und C-432/09, EU:C:2011:648 = GRUR Int. 2011, 1058, Tz. 74, 79 – Airfield und Canal Digitaal; EUGH Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 194 – FAPL und Murphy ; EUGH Rs. C-607/11, EU:C:2013:147 = GRUR 2013, 500, Tz. 27f. – ITV Broadcasting. Bejahend BGHZ 206, 365, Tz. 54ff. – Ramses; a. A. OLG München GRUR 2015, 371, Tz. 46 – Gemeinschaftsantenne; Pießkalla ZUM 2016, 171, 173. Roder Methodik des EuGH, S. 30.

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bb) Erreichen eines »neuen Publikums« Liegt kein neues technisches Verfahren vor, ist eine öffentliche Wiedergabe deshalb noch nicht zwangsläufig ausgeschlossen. Vielmehr prüft der EUGH in einem zweiten Schritt, ob durch die Wiedergabe ein »neues Publikum« erreicht wurde.1108 Die Prüfung des EUGH erfolgt hier also erneut zweistufig.1109 (1) Normative Herleitung, EUGH – SGAE/Rafael Das Kriterium eines »neuen Publikums« ist weder im Wortlaut des Art. 3 InfoSoc-RL noch in den Erwägungsgründen angelegt. Der EUGH hat es aber bereits früh im Wege der völkerrechtskonformen Auslegung aus Art. 11bis I Nr. 2 RBÜ hergeleitet.1110 Danach sind die Verbandsstaaten verpflichtet, Urhebern das ausschließliche Recht der öffentlichen Wiedergabe ihrer durch Rundfunk gesendeten Werke mit oder ohne Draht zu gewähren, wenn diese Wiedergabe von einem anderen als dem ursprünglichen Sendeunternehmen vorgenommen wird. Der EUGH schließt hieraus, dass im Fall einer solchen Weiterverbreitung durch eine andere Sendeanstalt die Verbreitung für ein »neues, d. h. anderes Publikum als das der ursprünglichen Wiedergabe des Werkes« erfolge.1111 Der Gerichtshof untermauert diese Interpretation des Art. 11bis I Nr. 2 RBÜ mit dem WIPO-Leitfaden zur RBÜ,1112 der als unverbindliche Auslegungshilfe herangezogen werde könne. Ihm sei zu entnehmen, dass der Urheber, der eine Erlaubnis für die Übertragung seines Werkes durch Rundfunk erteile, hierbei nur die unmittelbare Zuhörerschaft erfassen wolle, die die Sendung allein oder im privaten bzw. familiären Kreis empfange. Jede Erweiterung dieses Empfängerkreises – d. h. jede Wiedergabe gegenüber einem neuen Publikum – bedürfe einer gesonderten Erlaubnis des Urhe1108 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 40, 42 – SGAE/Rafael; EUGH Rs. C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 49 – PPL; EUGH Rs. C-351/12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 31 – OSA; EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 24 – Svensson; Bei der kumulativen Prüfung in EUGH Rs. C-138/16, EU:C:2017:218, Tz. 26f. – AKM dürfte es sich um eine Ausnahme handeln. 1109 Roder GRUR Int. 2016, 999, 1002; Kraft EuZW 2013, 427, 428; Fricke/Gerecke AfP 2017, 25; Pila/Torremans European Intellectual Property Law, S. 318. Das alternative Verhältnis der beiden Merkmale übersieht Dietrich MMR 2014, 262. Letztlich kann die Prüfung, ob ein »neues technisches Verfahren« angewandt wurde, auch als unwiderlegliche Vermutung für das Erreichen eines »neuen Publikums« betrachtet werden; vgl. Völtz CR 2014, 721, 722; ähnlich Grünberger ZUM 2016, 905, 909. 1110 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 40 – SGAE/Rafael. Für Art. 2 Satelliten und Kabel-RL zieht der EUGH zudem ein Argument aus deren Erwgr. 17, vgl. EUGH Rs. C-431/09 und C-432/09, EU:C:2011:648 = GRUR Int. 2011, 1058, Tz. 73 – Airfield und Canal Digitaal; Völtz CR 2014, 721, 723. 1111 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 40 – SGAE/Rafael. 1112 Gemeint ist nicht der aktuelle Leitfaden von Fiscor aus dem Jahr 2003, sondern derjenige von Boytha von 1980, auf den auch das Grünbuch der Kommission verweist, vgl. KOM (95) 382 endg., S. 53; Roder Methodik des EuGH, S. 28, 32f.

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bers.1113 In der Funktion als eines von mehreren Kriterien einer umfassenden Gesamtbetrachtung1114 hat der EUGH das Erreichen eines neuen Publikums lange Zeit in ständiger Rechtsprechung genutzt, um das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe zusätzlich zu untermauern.1115 (2) Aufwertung zum Ausschlusskriterium, EUGH – Svensson und BestWater Diese Rechtsprechungspraxis hat sich mit den Entscheidungen Svensson1116 und BestWater1117 grundlegend geändert. In beiden Fällen zieht der EUGH das »neue Publikum« nicht mehr als unterstützendes Argument heran, sondern er verwehrt umgekehrt den Schutz des Art. 3 I InfoSoc-RL, weil durch die jeweils fraglichen Wiedergaben kein »neues Publikum« erreicht werde.1118 Auslöser der neuen Rechtsprechungslinie des EUGH war ein schwedisches Vorabentscheidungsersuchen. Die klagenden schwedischen Journalisten hatten von ihnen verfasste Presseartikel frei zugänglich auf der Internetseite einer Göteborger Zeitung veröffentlicht. Das beklagte Unternehmen Retriever Sverige stellte für seine Kunden nach deren Bedarf Linklisten zusammen, die u. a. auf Artikel der Kläger verwiesen hatten. Der EUGH sah hierin keinen Fall einer öffentlichen Wiedergabe iSv Art. 3 I InfoSoc-RL, da beide Wiedergaben durch dasselbe technische Verfahren – nämlich das Internet – erfolgten und durch die Verlinkung ebenfalls kein »neues Publikum« erreicht werde.1119 Die verlinkten Inhalte seien ohne jede Beschränkung im Internet frei zugänglich gewesen.1120 Durch die Verlinkung werde daher kein neues Publikum erreicht, das die Inhaber der Urheberrechte nicht schon hätten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten.1121 Der Sache nach ergänzt der EUGH das rein technische Kriterium der »Verwendung eines neuen technischen Verfahrens« durch ein wertungsoffeneres wirtschaftliches Kriterium.1122 Parallel zur schwedischen Vorlage hatte auch der BGH dem EUGH einen Internetsachverhalt zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser betraf allerdings 1113 EUGH aaO, Tz. 41 – SGAE/Rafael. 1114 Siehe oben S. 162f. 1115 EUGH aaO, Tz. 42 – SGAE/Rafael; EUGH Rs. C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 51 – PPL; EUGH Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 199 – FAPL und Murphy ; EUGH Rs. C-351/12, EU:C:2014:110 = GRUR 2014, 473, Tz. 32 – OSA. 1116 EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360 – Svensson. 1117 EUGH Rs. C-348/13, EU:C:2014:2315 = GRUR 2014, 1196 – BestWater. 1118 EUGH aaO, Tz. 28 – Svensson; EUGH aaO, Tz. 19 – BestWater. 1119 EUGH aaO, Tz. 24ff. – Svensson; in tatsächlicher Hinsicht hierzu kritisch: Eichelberger FS Ahrens, S. 181, 185f. 1120 EUGH aaO, Tz. 26 – Svensson. 1121 EUGH aaO, Tz. 27 – Svensson; kritisch zu dieser Vermutung: Höfinger ZUM 2014, 293, 294. 1122 Grünberger ZUM 2015, 273, 276f.

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nicht eine einfache Verlinkung, sondern die beklagten Handelsvertreter hatten einen bei YouTube frei zugänglichen Werbefilm eines Konkurrenten im Wege des »Framings« auf ihrer eigenen Webseite so eingebunden, dass für den Nutzer nicht mehr ohne Weiteres erkennbar war, dass das fragliche Video nicht von den Beklagten stammte.1123 Unter den Begriff »Framing« fallen allgemein Gestaltungen von Internetseiten, bei denen Inhalte, die von einer fremden Internetseite stammen und physisch auch auf einem fremden Server gespeichert sind, in die eigene Ausgangseite »eingebettet« werden.1124 Je nach Gestaltung ist es nicht immer erkennbar, ob es sich um einen fremden oder eigenen Inhalt handelt oder nicht. Den verschiedenen Formen einer Einbettung ist gemeinsam, dass technisch immer nur eine Übermittlung durch den Ursprungsserver stattfindet.1125 Der BGH tendierte in seinem Vorlagebeschluss dazu, das Framing als unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe iSv § 15 II UrhG bzw. Art. 3 InfoSoc-RL einzuordnen.1126 Denn anders als bei einer einfachen Verlinkung erleichtere derjenige, der fremde Inhalte im Wege des Framings einbinde, nicht lediglich den Zugang zum Werk auf der ursprünglichen Internetseite, sondern er mache sich durch das Framing den fremden Inhalt zu eigen und erspare sich so das Bereithalten des Werkes, wofür er die Zustimmung des Urhebers benötigt hätte.1127 Bereits in Svensson hatte der EUGH allerdings über die Vorlagefrage hinausgehend ein Verlinken auch dann für zulässig erklärt, wenn das verlinkte Werk in einer Art und Weise erscheine, die den Eindruck vermittelt, dass es sich auf der Ausgangseite befindet, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Seite entstammt.1128 Nachdem der BGH trotz einer entsprechenden Anfrage aus Lu1123 BGH GRUR 2013, 818 – Die Realität. 1124 Schack MMR 2001, 9, 16f.; Ullrich ZUM 2010, 853ff.; Conrad CR 2013, 305, 307. Hier liegt auch der technische Reiz dieser Vorgehensweise, da für die einbezogenen Inhalte keine eigenen Serverkapazitäten bereitgestellt werden müssen. Insbesondere fremde Videos werden auf diese Weise heute in großen Mengen in Blogs und sozialen Netzwerken eingebunden. Allein bei Facebook wird täglich von YouTube eingebundenes Videomaterial in einer Gesamtlänge von über 500 Jahren betrachtet, vgl. Slowioczek DSRI-Tagungsband 2014, S. 253. 1125 Conrad CR 2013, 305, 307; Schapiro/Jenssen ZUM 2013, 665. Entsprechend ist das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19a UrhG in derartigen Fällen nicht verletzt; BGH GRUR 2013, 818, Tz. 9 – Die Realität; Grünberger ZUM 2015, 273, 278. 1126 BGH GRUR 2013, 818, Tz. 26f. – Die Realität; kritisch Schapiro/Jenssen ZUM 2013, 665; zustimmend dagegen Ott MMR 2013, 599, 600. Zur uneinheitlichen Beurteilung des Framings durch die deutsche Instanzenrechtsprechung Jahn/Palzer K& R 2015, 1, Fn. 4, 6 mwN. 1127 BGH GRUR 2013, 818, Tz. 26 – Die Realität. Zur Rechtsfigur des »Sich-zu-eigen-machens« vgl. BGH GRUR 2010, 616, Tz. 22ff. – marions-kochbuch.de. 1128 EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 29 – Svensson. Der EUGH zielte hier vermutlich bereits auf das Framing, vgl. Eichelberger FS Ahrens, S. 181, 186; Höfinger ZUM 2014, 293; Jahn/Palzer K& R 2015, 1, 3.

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xemburg sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalten hatte,1129 stellte der EUGH – aus seiner Position folgerichtig1130 – fest, dass es auch bei der Verwendung der Framing-Technik darauf ankomme, ob durch die öffentliche Wiedergabe ein »neues Publikum« erreicht werde.1131 (3) Bewertung Diese Rechtsprechung des EUGH kann in ihrer methodischen Herleitung nicht überzeugen. Seit der Entscheidung SGAE/Rafael1132 hat sich der EUGH nicht erneut um eine Begründung des Kriteriums »neues Publikum« bemüht.1133 Spätestens seit der Aufwertung des »neuen Publikums« zu einem schutzbegrenzenden Kriterium wäre eine solche aber dringend erforderlich gewesen. Denn der Rückgriff auf Art. 11bis I Nr. 2 RBÜ trägt das Verständnis des EUGH nicht. Fraglich ist schon, ob sich der RBÜ das Kriterium eines »neuen Publikums« überhaupt entnehmen lässt. Der Wortlaut gibt diesbezüglich keine Auskunft und auch die Entstehungsgeschichte des Art. 11bis I Nr. 2 RBÜ legt diesen Schluss nicht nahe. Das Berner Büro und die belgische Regierung hatten auf der Brüsseler Revisionskonferenz 1948 bezüglich Art. 11bis I Nr. 2 RBÜ beantragt, dass die Urheber sich »jeder Nutzbarmachung des gesendeten Werkes, die es einem weiteren als dem ursprünglichen Hörerkreis zugänglich gemacht hätte, widersetzen können« sollten. Dieser Antrag wurde in Brüssel seinerzeit abgelehnt. Stattdessen einigte man sich darauf, lediglich auf die Übertragung durch ein anderes Sendeunternehmen abzustellen.1134 Dieser Hintergrund spricht dagegen, dem Art. 11bis I Nr. 2 RBÜ gerade ein Kriterium wie die Erreichung eines »neuen Publikums« zu entnehmen.1135 Zudem hat der EUGH erneut nicht berücksichtigt, dass die RBÜ lediglich fremdenrechtliche Mindestrechte gewährt. Die RBÜ will keinen Einfluss auf das 1129 BGH GRUR 2016, 171, Tz. 5 – Die Realität II. 1130 Grünberger ZUM 2015, 273, 279. 1131 EUGH Rs. C-348/13, EU:C:2014:2315 = GRUR 2014, 1196, Tz. 19 – BestWater. Für die Folgeentscheidung des BGH kam es deshalb entscheidend darauf an, ob der eingebettete Werbefilm mit Zustimmung der Klägerin auf YouTube zugänglich gemacht worden war. Der BGH verwies diesbezüglich an das OLG München zurück, das die Klage schlussendlich abwies; BGH GRUR 2016, 171, Tz. 31ff. – Die Realität II und OLG München GRUR 2016, 1300 – Die Realität III. 1132 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225 – SGAE/Rafael, siehe oben S. 172f. 1133 Vgl. schon EUGH Rs. C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 49 – PPL. Kritisch insoweit auch: Eichelberger FS Ahrens, S. 181, 185; Dietrich MMR 2014, 262; Leistner GRUR 2014, 1145, 1153f.; ders. ZUM 2016, 580, 581ff. 1134 Baum GRUR 1949, 1, 19; Paparseniou GRUR Int. 2016, 225, 226. 1135 Vgl. Walter GRUR Int. 1974, 119, 121; Reimer GRUR Int. 1979, 86, 93; Ulmer GRUR 1980, 582, 585; Völtz CR 2014, 721, 724.

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materielle Urheberrecht der Verbandsstaaten nehmen1136 und zielt erst recht nicht darauf ab, den auf nationaler Ebene gewährten Urheberschutz zu begrenzen.1137 Gleiches gilt für Bemühungen einiger Verbandsmitglieder, ihr nationales Urheberrecht auf materiell-rechtlicher Ebene zu harmonisieren. Da die InfoSoc-RL auch der Umsetzung des WCT dient1138 und dieser sich als Ergänzung zur RBÜ versteht,1139 ist es zulässig, letztere für eine völkerrechtskonforme Auslegung ergänzend heranzuziehen. Die RBÜ steht der Rechtsprechung des EUGH deshalb nicht entgegen.1140 Sie lässt sich für die Begründung eines zusätzlichen schutzbegrenzenden Merkmals aber nicht heranziehen, da ihr ein derartiger Maximalschutz selbst fremd ist.1141 Inhaltlich überrascht die Rechtsprechung des EUGH vor dem Hintergrund, dass der EUGH die Verwertungsrechte üblicherweise funktionsbezogen auslegt.1142 Maßgeblich ist in der Regel das von der InfoSoc-RL angestrebte Ziel, dem Urheber ein hohes Schutzniveau und eine angemessene1143 Vergütung für die Nutzung seines Werkes zu sichern.1144 Kritisch angemerkt wurde insbesondere, dass der EUGH mit dem Erfordernis eines »neuen Publikums« das Recht der öffentlichen Wiedergabe faktisch zu einem »Erstveröffentlichungsrecht« herabstufe.1145 Damit befinde er sich aber auf Kollisionskurs zu Art. 3 III InfoSoc-RL, wonach das Recht der öffentlichen Wiedergabe gerade nicht der Erschöpfung unterliegt.1146 Abgeschwächt wird dieser Einwand allerdings, wenn man berücksichtigt, dass es im Internet möglich ist, den eigenen Content nur eingeschränkt zugänglich zu machen.1147 So 1136 1137 1138 1139 1140 1141 1142 1143 1144 1145

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Siehe oben S. 38f. Siehe oben S. 37ff. Vgl. Erwgr. 15 InfoSoc-RL. Vgl. Art. 1 WCT sowie oben S. 61f. und speziell für das Recht der öffentlichen Wiedergabe Art. 8 WCT. v. Ungern-Sternberg GRUR 2012, 576, 577 Fn. 23; Völtz CR 2014, 721, 726. Siehe oben S. 37ff. und S. 48. Jahn/Palzer K& R 2015, 1, 3. Allerdings ist eine angemessene Vergütung nicht zwingend die höchst mögliche, vgl. Jahn/ Palzer K& R 2015, 1, 3. Vgl. Erwgr. 4, 9 und 10 InfoSoc-RL. Wiebe NJW 2016, 813. Ähnlich mit Blick auf das nicht harmonisierte Urhebervertragsrecht Schulze ZUM 2015, 106, 108f. Allerdings lässt dieser Einwand unberücksichtigt, dass das Urhebervertragsrecht erst an den bestehenden Umfang des Urheberrechts anknüpft, um dessen unionsrechtskonforme Bestimmung es vorliegend zunächst geht. Haberstumpf GRUR 2016, 763, 767f. sieht zudem logische Widersprüche in der Argumentation des EUGH. Schack UrhR, Rn. 460; Völtz CR 2014, 721, 723; a. A. Grünberger ZUM 2015, 273, 278, der die Vorgaben des Art. 3 III InfoSoc-RL gewahrt sieht, da der EUGH durch seine »funktionsbezogene Auslegung« bereits die Nutzungshandlung vom Tatbestand ausscheide. Grünberger ZUM 2015, 273, 279f.; Spindler GRUR 2016, 157, 160; in diese Richtung auch BGH GRUR 2016, 171, Tz. 35 – Die Realität II.

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können etwa Verlinkungen oder Einbettungen eigener Inhalte technisch leicht unterbunden werden.1148 Bei YouTube oder MyVideo ist dies durch einen einfachen Mausklick möglich.1149 Vor diesem Hintergrund erscheint auch die vielfach kritisierte1150 Gleichstellung von Linking und verdecktem Framing weniger einschneidend.1151 Derartige Maßnahmen dürfte auch der EUGH berücksichtigen. So hat er bereits einschränkend festgehalten, dass Linking und Framing dann nicht zulässig sind, wenn durch die Weiterleitung oder das Einbetten eine Maßnahme zur Beschränkung des Nutzerkreises umgangen wird.1152 Schwerwiegendere Folgen hätte die Rechtsprechung des EUGH aber für die Kommunikationsfreiheit im Internet haben können, für die das Verlinken auf fremde Inhalte zentral ist.1153 Wird der verlinkte Inhalt durch den Berechtigten unbeschränkt öffentlich zugänglich gemacht, so wird der Linksetzer noch durch die Vermutung des EUGH geschützt, dass der Rechteinhaber dann auch bereits an sämtliche Internetnutzer gedacht hat, so dass durch eine Verlinkung kein neues Publikum mehr erreicht werden kann.1154 Solange sie keine beschränkenden Maßnahmen umgehen, können Linksetzer darauf vertrauen, keine urheberrechtlich geschützte Verwertungshandlung vorzunehmen. Zu einem anderen Ergebnis führen die Kriterien des EUGH aber, wenn auf rechtswidrig zugänglich gemachte Werke verlinkt wird. Der EUGH bestimmt den Begriff des »neuen Publikums« aus Sicht des Rechteinhabers.1155 Demnach wäre es folgerichtig, bei einer Verlinkung auf rechtswidrig veröffentlichte Werke die Erreichung eines neuen Publikums und damit eine urheberrechtliche Verwertungshandlung anzunehmen, da in diesen Fällen keine Zustimmung vorliegt.1156 Damit allerdings läge das Risiko einer Fehleinschätzung über die 1148 Conrad CR 2013, 305, 307; Hendel ZUM 2014, 102, 110. 1149 Conrad CR 2013, 305, 308. Derartige spezifische Möglichkeiten übersieht die Kritik von Haberstumpf GRUR 2016, 763, 769. 1150 Leistner GRUR 2014, 1145, 1153f.; ders. ZUM 2016, 980, 981; Ohly DJT-Gutachten F 2014, S. 61; Eichelberger FS Ahrens, S. 181, 186ff.; vgl. auch schon Schack MMR 2001, 9, 16f.; a. A. Grünberger ZUM 2016, 905, 910ff.; Haberstumpf GRUR 2016, 763. 1151 Dieser Problematik kann auch durch das Urheberpersönlichkeitsrecht und das Lauterkeitsrecht Rechnung getragen werden; vgl. Jahn/Palzer K& R 2015, 1, 3; Fuchs/Farkas ZUM 2015, 110, 111 und 119ff.; kritisch zu diesen Rechtschutzmöglichkeiten Leistner ZUM 2016, 980, 981f. 1152 EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 31 – Svensson; vgl. auch EUGH Rs. C-348/13, EU:C:2014:2315 = GRUR 2014, 1196, Tz. 18 – BestWater. Nicht gemeint sein kann hier die nationale Rechtslage oder der lediglich unterstellte Wille des Berechtigten; so aber Schulze ZUM 2015, 106, 109f. 1153 Spindler GRUR 2016, 157, 158; Hofmann K& R 2016, 706; Schack UrhR, Rn. 460. 1154 EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 26 – Svensson. 1155 EUGH aaO, Tz. 24 – Svensson: »Publikum, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen«. So auch das Verständnis des BGH GRUR 2016, 171, Tz. 34 – Die Realität II; vgl. auch Ohly GRUR 2016, 1155, 1156; Haberstumpf GRUR 2016, 763, 766. 1156 Grünberger ZUM 2015, 273, 280.

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Rechtmäßigkeit einer öffentlichen Zugänglichmachung bei demjenigen, der einen Link setzt. Da dieser aber in der Regel keine Gelegenheit hat, urheberrechtliche Lizenzketten zu überprüfen, hätte eine konsequente Anwendung der Rechtsprechung des EUGH zu einem erheblichen »Chilling Effect«1157 führen können.1158 cc) Kenntnis oder Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit einer Vorveröffentlichung Erforderlich war daher eine einschränkende Konkretisierung für die Bezugnahmen auf rechtswidrige Vorveröffentlichungen, die der EUGH jüngst in GS Media1159 pragmatisch1160 vorgenommen hat. (1) EUGH – GS Media Ausgangspunkt war ein niederländisches Vorabentscheidungsverfahren. Die beklagte Webseitenbetreiberin hatte an prominenter Stelle mehrfach und trotz Abmahnung auf Fotos eines Fernsehstarlets verlinkt, die ohne Zustimmung des Fotografen bei einem US-amerikanischen und einem australischen Sharehoster frei abrufbar waren, obwohl ihre Veröffentlichung erst für eine spätere Ausgabe des Playboy geplant war. Der EUGH befand sich hier in einem Dilemma. Eine folgerichtige Anwendung seiner Rechtsprechung zum Erreichen eines neuen Publikums hätte – wie er selbst erkannte1161 – die durch Art. 11 GRCh geschützte Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet tangiert. Ein objektiv-absoluter Maßstab für die Bestimmung des »neuen Publikums«, wie ihn Generalanwalt Wathelet vorgeschlagen hatte,1162 hätte dagegen selbst bei einer rechtswidrig erfolgten Vorveröffentlichung zu einer faktischen Erschöpfung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe geführt.1163 Der EUGH begrenzt deshalb seine Svensson-Rechtsprechung auf die Fälle einer rechtmäßigen Vorveröffentlichung1164 und greift stattdessen auf das schon früher von ihm propagierte System verschiedener »unselbstständiger und mit1157 Leistner ZUM 2016, 980, 981. 1158 Jahn/Palzer K& R 2015, 1, 4; Grünberger ZUM 2015, 273, 280ff.; Solmecke MMR 2015, 48; Fuchs/Farkas ZUM 2015, 110; Spindler GRUR 2016, 157, 158; Ohly GRUR 2016, 1155, 1156; Galetzka K& R 2016, 150, 152; Jan Nordemann GRUR 2016, 245, 247 verlangt lediglich einen großzügigen Sorgfaltsmaßstab. 1159 EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152 – GS Media. 1160 Leistner ZUM 2016, 980, 981. 1161 EUGH aaO, Tz. 45f. – GS Media. 1162 GA Wathelet Schlussanträge vom 4. 7. 2016, Rs. C-160/15, EU:C:2016:221, Tz. 65ff. – GS Media. 1163 Ohly GRUR 2016, 1155, 1156. 1164 EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 41–43 – GS Media.

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einander verflochtener Kriterien« zurück.1165 Dabei erinnert er sich insbesondere an die zentrale Rolle des Werknutzers, dessen Kenntnis sich allerdings bisher nicht auf die Rechtswidrigkeit einer Quelle bezog,1166 und an den Erwerbszweck einer Wiedergabe.1167 Letzteres Merkmal hatte der Gerichtshof allerdings selbst nicht als zwingend eingestuft.1168 Unter Bezugnahme auf die tangierten Grundrechte1169 kombiniert der EUGH in GS Media beide Kriterien: Wenn der Linksetzer wisse, »dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft«, so sei »die Bereitstellung dieses Links als eine »öffentliche Wiedergabe« iSv Art. 3 I InfoSoc-RL zu betrachten.«1170 Die Kenntnis will der EUGH widerleglich vermuten, wenn das Setzen des Links mit Gewinnerzielungsabsicht erfolge, da in diesem Fall erwartet werden könne, dass der Linksetzer die erforderlichen Nachprüfungen vornehme.1171 Diese Vorgaben sollen jedoch nur gelten, wenn das verlinkte Werk nicht an anderer Stelle mit Zustimmung des Rechteinhabers im Internet frei zugänglich ist, da in diesem Fall auch durch die Verlinkung auf die rechtswidrige Quelle kein neues Publikum erreicht werde.1172 (2) Bewertung In dogmatischer Hinsicht überzeugen diese Ausführungen des EUGH nicht. Die erneute Aufweichung der Prüfungsstruktur zugunsten eines beweglichen Systems mehrerer unabhängiger Kriterien hat zwar im Sinne eines »more economic 1165 EUGH aaO, Tz. 34f. – GS Media; zur früheren Rechtsprechung vgl. EUGH Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 79 – SCF; EUGH Rs. C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 30 – PPL; zuletzt auch EUGH Rs. C-527/15, EU:C:2017:300 = GRUR Int. 2017, 527, Tz. 30 – Filmspeler. 1166 Siehe oben S. 164; kritisch deshalb auch Leistner ZUM 2016, 980, 982. 1167 EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 47ff. – GS Media; zur früheren Rechtsprechung vgl. EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 44 – SGAE/Rafael; EUGH Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 204 – FAPL und Murphy. 1168 EUGH Rs. C-117/15, EU:C:2016:379 = GRUR 2016, 684, Tz. 49 – Reha Training; EUGH Rs. C-607/11, EU:C:2013:147 = GRUR 2013, 500, Tz. 42 – ITV Broadcasting; vgl. aber auch aaO Tz. 43: »nicht unerheblich«; Grünberger ZUM 2015, 273, 276; Ohly GRUR 2016, 1155, 1156; kritisch bereits Riesenhuber ZUM 2012, 433, 443; Lucas-Schloetter ZGE 2013, 84, 93ff.; Gerlach FS Wandtke S. 233, 234ff.; Welp NJW 2014, 751, 752. 1169 EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 31, 45 – GS Media; vgl. hierzu auch Grünberger ZUM 2016, 905, 906; Leistner ZUM 2016, 980, 982 und allgemein ders./Roder ZfPW 2016, 129, 147ff. 1170 EUGH aaO, Tz. 49 – GS Media. Dabei reicht auch die abstrakte Kenntnis, dass auch der Zugang zu rechtswidrigen Quellen ermöglicht wird, vgl. EUGH Rs. C-527/15, EU:C:2017: 300 = GRUR Int. 2017, 527, Tz. 50. – Filmspeler ; EUGH Rs. C-610/15, EU:C:2017:456 = GRUR 2017, 790, Tz. 36 – The Pirate Bay. 1171 EUGH aaO, Tz. 51 – GS Media. 1172 EUGH aaO, Tz. 52 – GS Media.

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approach« den Vorteil größerer Anpassungsfähigkeit.1173 Der Preis hierfür ist aber ein erhöhtes Maß an Rechtsunsicherheit.1174 Zudem ist das Kriterium der Verfolgung von Erwerbszwecken nie argumentativ hergeleitet worden.1175 Angesichts seiner jetzt prominenten Stellung wäre dies aber erforderlich gewesen, da Art. 3 InfoSoc-RL hier ebenfalls keinen normativen Anknüpfungspunkt liefert. Schließlich lässt sich auch die Verlagerung der Vorsatzprüfung in den Tatbestand der Verwertungshandlung nur schwer in die bestehende urheberrechtliche Systematik einpassen. Erschwert wird insbesondere die sachgerechte Differenzierung zwischen der verschuldensunabhängigen Haftung auf Unterlassen und Schadensersatzansprüchen, die eine schuldhafte Urheberrechtsverletzung voraussetzen.1176 Die Auswirkungen der EUGH-Rechtsprechung auf die Störerhaftung1177 bleiben daher abzuwarten.1178 In der Sache wirkt das Urteil gegenüber der bisherigen Rechtsprechung schutzerweiternd. Für Privatpersonen, die ohne Gewinnerzielungsabsicht handeln, läuft das Konzept des EUGH auf ein »notice and take down« – Verfahren hinaus, das Ähnlichkeiten mit der Haftungsprivilegierung der Host-Provider in § 10 TMG bzw. Art. 14 E-Commerce-RL1179 hat und dort zu einer angemessenen Lösung führt.1180 Hinsichtlich des Haftungsmaßstabs lässt sich bis zu detaillierteren Vorgaben des EUGH eine Anleihe bei § 53 I S. 1 UrhG machen, dessen Zielsetzung derjenigen der EUGH-Rechtsprechung1181 ähnelt.1182 Für alle Verlinkungen, die nicht eindeutig als privat eingeordnet werden können, sind die Auswirkungen dagegen noch weitgehend unsicher. Der EUGH 1173 Leistner ZUM 2016, 980, 982. 1174 In diese Richtung auch Ohly GRUR 2016, 1155, 1156f. 1175 Seit EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 44 – SGAE/Rafael, wo das Merkmal allerdings nicht entscheidungserheblich war, begnügt sich der Gerichtshof mit einem Hinweis auf sein jeweils vorangegangenes Urteil, vgl. EUGH Rs. C-403/08 und C-429/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 204 – FAPL und Murphy ; EUGH Rs. C135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 88 – SCF; EUGH Rs. C-162/10, EU:C:2012:141 = GRUR 2012, 597, Tz. 36 – PPL; zuletzt EUGH Rs. C-117/15, EU:C:2016:379 = GRUR 2016, 684, Tz. 49 – Reha Training. 1176 Volkmann CR 2017, 36, 39; Schack FS Reuter, S. 1167ff. 1177 Schack UrhR, Rn. 767. 1178 Volkmann CR 2017, 36, 39; Fricke/Gerecke AfP 2017, 25, 27 gehen von einer Vereinbarkeit aus; vgl. hierzu EUGH Rs. C-610/15, EU:C:2017:456 = GRUR 2017, 790 – The Pirate Bay ; Leistner GRUR 2017, 755ff. 1179 RL 2000/31/EG vom 8. 6. 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (»Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr«), ABl. EG 2000 L 178, S. 1; Ohly GRUR 2016, 1155, 1157; Volkmann CR 2017, 36, 40. 1180 Ebenso Leistner ZUM 2016, 980, 981: »angemessen liberal«. 1181 EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 47 – GS Media. 1182 Ohly GRUR 2016, 1155, 1157; Volkmann CR 2017, 36, 40; ebenso bereits Grünberger ZUM 2015, 273, 281; Spindler GRUR 2016, 157, 159, die ebenfalls für einen großzügigen Haftungsmaßstab plädieren; kritisch Leistner ZUM 2016, 980, 981 und ZUM 2016, 580, 582f.

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hat weder konkretisiert, wann nach seiner Ansicht ein Link mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt,1183 noch besteht Klarheit über den Umfang der dann erforderlichen Nachforschungspflichten.1184 Das LG Hamburg etwa hat das Merkmal der »Erwerbszwecke« weit verstanden und im Fall einer Webseite, die auch kommerziellen Zwecken diente, eine mittelbare Gewinnerzielungsabsicht genügen lassen.1185 Eine solche Auslegung der GS Media-Entscheidung ist aber weder zwingend1186 noch wünschenswert.1187 Für eine weitere Konkretisierung ist zu berücksichtigen, dass auch Unternehmen häufig nicht besser als Privatpersonen in der Lage sind, die Rechtmäßigkeit einer fremden öffentlichen Zugänglichmachung einzuschätzen.1188 d) Zwischenergebnis Zusammengefasst hat das Recht der öffentlichen Wiedergabe nach Art. 3 I InfoSoc-RL durch die Rechtsprechung des EUGH folgende Gestaltung erfahren: Erforderlich sind in jedem Fall eine Wiedergabehandlung, die sich als eine bewusste Werknutzung darstellten muss.1189 Weiterhin muss die Wiedergabe öffentlich erfolgen. Dies ist der Fall, wenn die Wiedergabe an eine unbestimmte Anzahl potentieller Adressaten und »recht viele Personen« gerichtet ist. Für die erste Voraussetzung hat der EUGH zuletzt auf die Individualisierbarkeit des angesprochenen Personenkreises abgestellt. Diese Vorgehensweise lässt jedoch noch Fragen offen.1190 Das Erfordernis »recht vieler Personen« soll eine Mindestschwelle beinhalten, die jedoch bisher immer erreicht wurde.1191 Neben dem Vorliegen einer Wiedergabehandlung und deren Öffentlichkeit verlangt der EUGH alternativ die Verwendung eines neuen spezifischen tech1183 Erfasst sind etwa auch die Ergebnislisten von Suchmaschinenbetreibern, vgl. Volkmann CR 2017, 36, 41; allerdings steht die GS Media-Rechtsprechung in diesen Fällen in einem Spannungsverhältnis zu Art. 14 E-Commerce-RL, Ohly GRUR 2016, 1155, 1157; ebenso Spindler GRUR 2016, 157, 159. 1184 Ohly GRUR 2016, 1155, 1157; Leistner ZUM 2016, 980, 983; Fricke/Gerecke AfP 2017, 25, 26; v. Ungern-Sternberg GRUR 2017, 217, 221; Hofmann K& R 2016, 706, 707; vgl. auch Volkmann CR 2017, 36, 41ff. zu einzelnen Fallgestaltungen. 1185 LG Hamburg, Urt. v. 18. 11. 2016, Az. 310 O 402/16 = AfP 2017, 78–82, das von einer Verletzung des § 19a UrhG ausgeht. Nach deutscher Dogmatik passender wäre die Annahme eines unbenannten Rechts der öffentlichen Wiedergabe nach § 15 II S. 1 UrhG; vgl. auch BGH GRUR 2013, 818, Tz. 26f. – Die Realität. 1186 Naheliegender wäre tatsächlich ein Abstellen auf den konkreten Link, vgl. EUGH Rs. C-160/15, EU:C:2016:644 = GRUR 2016, 1152, Tz. 51 – GS Media: »wenn Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt werden«. 1187 Ebenfalls kritisch Fricke/Gerecke AfP 2017, 25, 26. 1188 Ohly GRUR 2016, 1155, 1157; Leistner ZUM 2016, 980, 981 schlägt Prüfpflichten nur für das Einbetten fremder Inhalte vor. 1189 Siehe oben S. 164ff. 1190 Siehe oben S. 167ff. 1191 Siehe oben S. 169f.

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Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

nischen Verfahrens oder die Erreichung eines neuen Publikums. Den Begriff des technischen Verfahrens versteht er weit; Schwierigkeiten bereitet allerdings die Abgrenzung zu Maßnahmen, die lediglich den Empfang einer Erstsendung verbessern sollen.1192 Ob eine Wiedergabe ein neues Publikum erreicht, bestimmt sich aus der Sicht des Rechteinhabers, der somit durch den Einsatz von beschränkenden Maßnahmen die Möglichkeit hat, das Zielpublikum einer Wiedergabe genauer einzugrenzen.1193 Insbesondere für Internetsachverhalte erscheint dieses Vorgehen interessengerecht. Allerdings kann die methodische Herleitung des schutzbegrenzenden Merkmals der Erreichung eines neuen Publikums aus der mindestschützenden RBÜ nicht überzeugen.1194 Ergänzend stellt der EUGH in Fällen einer rechtswidrigen Vorveröffentlichung auf die Kenntnis des Nutzers ab, die er vermuten will, wenn Erwerbszwecke verfolgt werden.1195 Wesentliche Merkmale dieser nicht widerspruchsfreien Rechtsprechungslinie bedürfen noch einer weiteren Konkretisierung durch den EUGH.1196

3.

Schutzbegrenzende Folgen für das deutsche Recht der öffentlichen Wiedergabe

Im Folgenden soll untersucht werden, welche schutzbegrenzenden Vorgaben sich aus dieser Rechtsprechung des EUGH für das deutsche Urheberrecht ergeben. Allgemein ist diesbezüglich festzuhalten, dass das deutsche Recht innerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 3 InfoSoc-RL dessen Vorgaben in der durch den EUGH konkretisierten Gestalt exakt abzubilden hat.1197 Betroffen sind die §§ 19a–22 UrhG,1198 für die die dargestellten Vorgaben zwingend umzusetzen sind. Soweit diese schutzbegrenzend wirken, bestehen demnach europäische Maximalschutzgrenzen. a) Unbenannte Verwertungsrechte nach § 15 II UrhG Das deutsche UrhG sieht kein einheitliches umfassendes Recht der öffentlichen Wiedergabe vor, sondern kombiniert mehrere einzelne Rechte in §§ 19–22 UrhG mit dem Auffangtatbestand des § 15 II 1 UrhG, der auch noch unbenannte zu-

1192 Siehe oben S. 170ff. 1193 Siehe oben S. 172ff. Anhängig ist gegenwärtig eine Vorlage, mit der der BGH die Bedeutung einer vorherigen Zwischenspeicherung für Art. 3 I InfoSoc-RL klären lassen will, BGH GRUR 2017, 514 – Cordoba. 1194 Siehe oben S. 175ff. 1195 Siehe oben S. 178ff. 1196 Siehe oben S. 181. 1197 Leistner GRUR 2014, 1145, 1149f. 1198 Siehe oben S. 159f.

Recht der öffentlichen Wiedergabe

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künftige Nutzungsarten erfasst.1199 Teilweise wurde befürchtet, dass diese Anpassungsfähigkeit durch die europäische Überformung, der es an einer entsprechenden Generalklausel fehle, verloren gehen könnte. Für die Reaktion auf zukünftige technische Entwicklungen müsse den nationalen Urheberrechtsordnungen deshalb ein Spielraum verbleiben.1200 Diese Sorge ist unbegründet. Denn das Recht der öffentlichen Wiedergabe ist in Art. 3 I InfoSoc-RL bereits generalklauselartig ausgestaltet und erfasst in seinem Anwendungsbereich1201 alle denkbaren Formen einer öffentlichen Wiedergabe.1202 Insoweit macht es jedenfalls im Bereich des Urheberrechts1203 keinen Unterschied, ob die Vorgaben der InfoSoc-RL durch ein einheitliches Recht der öffentlichen Wiedergabe1204 oder wie im deutschen Recht durch eine Kombination einzelner Rechte mit einem Auffangtatbestand umgesetzt werden.1205 Eine schutzbegrenzende Wirkung der europäischen Vorgaben im Hinblick auf unbenannte Nutzungsarten besteht daher grundsätzlich nicht. b) Öffentlichkeitsbegriff des § 15 III UrhG Betroffen ist ferner der Öffentlichkeitsbegriff, der im harmonisierten Bereich europarechtskonform auszulegen ist.1206 Das deutsche Urheberrecht differenzierte ähnlich wie andere europäische Urheberrechtsordnungen1207 bisher wesentlich danach, ob eine »persönliche Beziehung untereinander verbundener

1199 BGH GRUR 2013, 818, Tz. 11 – Die Realität; Dreier/Schulze § 15 Rn. 14; ders. ZUM 2015, 106, 108; Schack UrhR, Rn. 341; ders. GRUR 2007, 640ff. 1200 Schulze ZUM 2015, 106, 108. 1201 Siehe Erwgr. 23 InfoSoc-RL und oben S. 159f. 1202 v. Lewinski/Walter European Copyright, Rn. 11.3.19; Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627, 629. 1203 Für die Leistungsschutzrechte, für die Art. 3 II InfoSoc-RL lediglich das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung vorsieht, ist dagegen eine Begriffsbestimmung auf europäischer Ebene erforderlich; vgl. EUGH Rs. C-279/13, EU:C:2015:199 = GRUR 2015, 477, Tz. 28ff. – C More Entertainment. 1204 Ohly DJT-Gutachten F 2014, S. 60 fordert eine Zusammenlegung der §§ 15 II, 19–22 UrhG zu einem einheitlichen Recht der öffentlichen Wiedergabe; zustimmend Leistner ZUM 2016, 580, 581. In diese Richtung auch Lucas-Schloetter ZGE 2013, 84, 98 sowie Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627, 629. 1205 v. Lewinski/Walter European Copyright, Rn. 11.3.27;Roder Methodik des EuGH, S. 435f. Nationale Spielräume bestehen hier insoweit nur in terminologischer Hinsicht, vgl. Dreier/ Schulze § 15 Rn. 30. 1206 BGHZ 206, 365, Tz. 41, 45 – Ramses; Roder Methodik des EuGH, S. 432, 445; Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627, 632; vgl. auch oben S. 160 mwN. Missverständlich in dieser Hinsicht Sammer Der Öffentlichkeitsbegriff im Urheberrecht, S. 155, der von einem Mindeststandard auszugehen scheint. 1207 Vgl. Art. L. 122–5 franz. CPI (»familiärer Kreis«) bzw. Art. 20 I S. 2 span. UrhG (»häuslicher Bereich«); Lucas-Schloetter ZGE 2013, 84, 89 Fn. 30.

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Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

Personen« vorliegt, vgl. § 15 III S. 2 UrhG.1208 Fehlte eine solche, konnte auch schon bei zwei Personen von einer Öffentlichkeit ausgegangen werden.1209 Obwohl der deutsche Gesetzgeber bei Umsetzung der InfoSoc-RL keinen Anpassungsbedarf gesehen hatte,1210 ist der unionsrechtliche Öffentlichkeitsbegriff vom EUGH eher enger ausgestaltet worden. Zwar hat der Gerichtshof eine Mindestschwelle bisher nicht bestimmt, dennoch wird die Schwelle von »recht vielen Personen« bei zwei Rezipienten noch nicht überschritten sein.1211 Auf das Merkmal einer persönlichen Beziehung kann im harmonisierten Bereich ebenfalls nicht mehr entscheidend abgestellt werden.1212 Die Art der Verbindung einzelner Mitglieder einer Gruppe hat in der Rechtsprechung des EUGH bisher keine Bedeutung erlangt.1213 Der Begriff der »privaten Gruppe« ist schon seinem Wortsinn nach weiter1214 und wurde durch den EUGH bisher nicht als begrenzendes Merkmal ausgeformt.1215 Insbesondere hat die Frage, ob eine Wiedergabe in einem »privaten oder familiären Kreis« erfolgt, für den unionsrechtlichen Öffentlichkeitsbegriff keine Bedeutung erlangt.1216 Aus der Perspektive des deutschen Urheberrechts reduziert und erweitert der weitgehende Wegfall des Abgrenzungskriteriums der persönlichen Verbundenheit den Ausschließlichkeitsbereich des Urheberrechts gleichermaßen. So wäre etwa nach deutschem Recht die Wiedergabe gegenüber den Patienten einer Zahnarztpraxis sehr wohl GEMA-pflichtig gewesen.1217 Andererseits ist es nicht sicher, ob der EUGH eine Hochzeit mit 600 Gästen noch als nichtöffentlich einstufen würde.1218 In dieser Hinsicht ist der eher quantitativ ausgerichtete Öffentlichkeitsbegriff des EUGH tendenziell weiter. c) Neues Publikum Zu einer wesentlichen Beschränkung des § 15 II UrhG führt auch das vom EUGH eingeführte Kriterium des »neuen Publikums«. Wenn ein solches nicht 1208 BGH GRUR 1975, 33, 34 – Alters-Wohnheim; BGH GRUR 1984, 734, 735 – Vollzugsanstalt; Dreier/Schulze § 15 Rn. 43; Schack UrhR, Rn. 443. 1209 Schack UrhR, Rn. 443; vgl. auch BGH GRUR 1996, 875, 876 – Zweibettzimmer (persönliche Verbundenheit im Ergebnis bejaht). 1210 Das Merkmal der persönlichen Verbundenheit sollte »genügend Flexibilität« bieten, vgl. BT-Drucks. 15/38, S. 17. 1211 Roder Methodik des EuGH, S. 432. 1212 Roder GRUR Int. 2016, 999, 1001; v. Ungern-Sternberg GRUR 2017, 217, 220; a. A. Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627, 633. 1213 Roder Methodik des EuGH, S. 433. 1214 BGHZ 206, 365, Tz. 65 – Ramses; a. A. Frentz/Masch ZUM 2016, 169ff. 1215 Riesenhuber ZUM 2012, 433, 442. 1216 Siehe oben S. 167. 1217 Anders der EUGH, vgl. Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 95 – SCF; Schack UrhR, Rn. 444. 1218 So aber AG Bochum GRUR-RR 2009, 166 – Türkische Hochzeit.

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erreicht wird, kann der Urheber unkörperliche Nutzungshandlungen im Anwendungsbereich von Art. 3 InfoSoc-RL nicht mehr untersagen. Zwar ist der deutsche historische Gesetzgeber 1965 davon ausgegangen, dass das zusätzliche Kriterium einer »neuen Öffentlichkeit« gegen Art. 11bis I Nr. 2 RBÜ verstoßen würde.1219 Diese Zielrichtung ist jedoch durch das Bestreben, das UrhG an die Erfordernisse der InfoSoc-RL anzupassen,1220 überholt.1221 Auch im deutschen Recht ist deshalb seit Svensson1222 zu prüfen, ob durch die fragliche Distanzwiedergabe ein »neues Publikum« erreicht wird.1223 Gegenüber der Paperboy-Rechtsprechung des BGH, der für Verlinkungen einen Urheberschutz grundsätzlich ausgeschlossen hatte,1224 sind die europäischen Vorgaben sogar schutzerweiternd.1225 Grundsätzlich allerdings verengt die Svensson-Rechtsprechung des EUGH den urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsbereich durch die Einführung eines zuvor nicht existenten zusätzlichen Tatbestandsmerkmals.1226 Betroffen sind insbesondere Internetsachverhalte. Der EUGH interpretiert hier aus einer objektivierten Sicht der Rechteinhaber die beabsichtigte Reichweite einer Veröffentlichung im Internet.1227 Es liegt damit fortan an den Rechteinhabern, nach außen deutlich erkennbar zu machen, wenn sie mit der uneingeschränkten Verlinkung ihrer Inhalte oder mit bestimmten Wiedergabeformen nicht einverstanden sind. Tun sie dies nicht, führt die Rechtsprechung des EUGH faktisch zu einer Erschöpfung ihres Rechts der öffentlichen Wiedergabe. Das vom EUGH vorgegebene Merkmal der »Erreichung eines neuen Publikums begründet deshalb eine Maximalschutzgrenze.

4.

Zusammenfassung

Methodisch erfüllt Art. 3 I InfoSoc-RL die Voraussetzung für eine maximalschützende Wirkung. Innerhalb ihres auf Distanzwiedergaben beschränkten Anwendungsbereichs wirken die Vorgaben vollharmonisierend und sind auf europäischer Ebene zu konkretisieren.1228 Aus der umfangreichen Rechtsprechung des EUGH zum Recht der öffentli1219 1220 1221 1222 1223 1224 1225 1226 1227

BT-Drucks. IV 270, S. 50. BT-Drucks. 15/38 Fn.1 sowie S. 14. Vgl. auch Völtz CR 2014, 721, 726, der dies offen lässt. Siehe oben S. 173ff. Vgl. nur BGH GRUR 2016, 171, Tz. 26 – Die Realität II. BGHZ 156, 1, 14f. – Paperboy. Grünberger ZUM 2016, 905, 908. Siehe auch oben S. 23 und S. 159ff. EUGH Rs. C-466/12, EU:C:2014:76 = GRUR 2014, 360, Tz. 31 – Svensson; EUGH Rs. C348/13, EU:C:2014:2315 = GRUR 2014, 1196, Tz. 18 – BestWater ; siehe auch oben S. 176f. 1228 Siehe oben S. 159ff.

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chen Wiedergabe, das richtlinienübergreifend einheitlich auszulegen ist, hat sich mittlerweile ein unionsrechtliches Konzept herausgebildet. Erforderlich sind danach stets eine Handlung der Wiedergabe im Sinne einer bewussten Dienstleistung1229 sowie deren Öffentlichkeit. Letztere liegt vor, wenn eine Wiedergabe auf eine »unbestimmte« Anzahl und »recht viele Personen« abzielt.1230 Hinzukommen alternativ das Erfordernis der Verwendung eines neuen technischen Verfahrens oder das Erreichen eines neuen Publikums1231 sowie gegebenenfalls die Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Vorveröffentlichung, die der EUGH bei einer gewerblichen Wiedergabe vermutet.1232 Aufgrund des vollharmonisierenden Charakters von Art. 3 I InfoSoc-RL wirken diese Vorgaben vollständig maximalschützend. Spürbar ist dies aus der Perspektive des deutschen Rechts insbesondere im Fall des zusätzlichen Merkmals des neuen Publikums und bei der »Verschiebung« des Öffentlichkeitsbegriffs.1233

II.

Verbreitungsrecht, Art. 4 InfoSoc-RL

Das urheberrechtliche Verbreitungsrecht ist auf Unionsebene speziell für Computerprogramme und Datenbanken in Art. 4 lit. c Software-RL und Art. 5 lit. c Datenbank-RL sowie allgemein in Art. 4 I InfoSoc-RL geregelt.1234 Hier soll die letztgenannte Vorschrift auf eine schutzbegrenzende Wirkung untersucht werden. Die Diskussion um das Verbreitungsrecht der InfoSoc-RL beruht wesentlich auf der Peek & Cloppenburg-Entscheidung des EUGH.1235 Der Gerichtshof scheint hier auf den ersten Blick die Reichweite des Verbreitungsrechts wesentlich eingeschränkt zu haben, so dass der BGH in seiner Folgeentscheidung Le-Corbusier-Möbel II explizit von einem »Maximalschutz« ausging.1236 Das Urteil des EUGH soll daher den Ausgangspunkt der Untersuchung bilden (unten 1.). Es veranschaulicht die Bedeutung der methodischen Unterscheidung zwischen Anwendungsbereich, Harmonisierungsintensität und Konkretisierungstiefe einer Richtlinienregelung (unten 2.). Danach ist auf die weitere

1229 1230 1231 1232 1233 1234 1235 1236

Siehe oben S. 164ff. Siehe oben S. 166ff. Siehe oben S. 170 und S. 172ff. Siehe oben S. 178ff. Siehe oben S. 183f. und S. 184f. Für die Leistungsschutzrechte findet sich eine Regelung in Art. 9 I Vermiet-RL. EUGH Rs. C-456/06, EU:C:2008:232 = GRUR 2008, 604 – Peek & Cloppenburg. BGH GRUR 2009, 840, Tz. 19 – Le Corbusier-Möbel II.

Verbreitungsrecht

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Ausgestaltung des Art. 4 I InfoSoc-RL durch den EUGH (unten 3.) und auf die schutzbegrenzenden Folgen für das deutsche Recht (unten 4.) einzugehen. 1.

EUGH – Peek & Cloppenburg

Die Entscheidung Peek & Cloppenburg erging auf eine Vorlage des BGH.1237 Die Cassina S.p.A., eine lizensierte italienische Herstellerin von Le-Corbusier-Möbeln und die Peek & Cloppenburg KG stritten über das Auf- und Ausstellen von gefälschten Le-Corbusier-Möbeln, die Peek & Cloppenburg aus Italien importiert hatte.1238 Fraglich war, ob eine Verbreitung iSv Art. 4 I InfoSoc-RL auch bei einer bloßen Gebrauchsüberlassung in einer Ruhezone bzw. einem Zurschaustellen im Schaufenster gegeben ist.1239 Der BGH wollte diese Frage entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung1240 und angesichts des durch die InfoSoc-RL angestrebten hohen Schutzniveaus zumindest für das Aufstellen in den Ruhezonen bejahen.1241 Aus Luxemburg kam überraschend eine andere Antwort: Eine Verbreitung »in sonstiger Weise« iSv Art. 4 I InfoSoc-RL liege nur vor, wenn die fragliche Handlung mit einer Übertragung des Eigentums verbunden sei.1242 Der EUGH stützte diese Einschränkung des Verbreitungsrechts wesentlich auf die völkerrechtskonforme Auslegung der InfoSoc-RL im Lichte des Art. 6 WCT, der das Verbreitungsrecht auf Fälle der Eigentumsübertragung begrenzt.1243 Diese Argumentation ist ebenso wie der Vergleich mit dem Erschöpfungsgrundsatz des Art. 4 II InfoSoc-RL1244 mit Recht einhellig kritisiert worden.1245 Als Sonderab-

1237 BGH GRUR 2007, 50 – Le Corbusier-Möbel I; LG Frankfurt a.M. Urt. vom 24. 10. 2002–2/3 O 249/02; OLG Frankfurt a.M. Urt. vom 11. 11. 2003 – AZ: 11 U 55/02. 1238 Ausführlich zur Problematik des Imports gefälschter Designermöbel Stieper ZGE 2011, 227ff.; vgl. auch Schack KuR, Rn. 510ff. Nachweise zum italienischen Recht bei Stieper aaO, S. 241, Eichelberger ZGE 2011, 403, 404 Fn. 2. Zum Schutzlandprinzip vgl. Schack UrhR, Rn. 1044ff.; Dreier/Schulze vor § 120 Rn. 30ff. 1239 BGH GRUR 2007, 50, Tz. 15ff. – Le Corbusier-Möbel I. 1240 BGH GRUR 1972, 141 – Konzertveranstalter ; BGH GRUR 1986, 736 – Schallplattenvermietung. 1241 BGH GRUR 2007, 50, Tz. 17ff. – Le Corbusier-Möbel I. Zweifel hatte er dagegen hinsichtlich der Verwendung als Schaufensterdekoration, aaO Tz. 20; Dreier/Schulze § 17 Rn. 15; vgl. auch LG Köln GRUR-RR 2009, 47, 48 – Italienische CaffH-Bars. 1242 EUGH Rs. C-456/06, EU:C:2008:232 = GRUR 2008, 604, Tz. 36 – Peek & Cloppenburg. 1243 EUGH aaO, Tz. 31–35 – Peek & Cloppenburg; ebenso bereits GA Sharpston Schlussanträge vom 17. 4. 2008, Rs. C-456/06, EU:C:2008:21 = GRUR 2008, 604, Tz. 30ff. – Peek & Cloppenburg. 1244 EUGH aaO, Tz. 35 – Peek & Cloppenburg. 1245 WaBu-Heerma § 17 Rn. 6; Dreier/Schulze § 17 Rn. 4a; ders. GRUR 2009, 812, 814; Schack UrhR, Rn. 427; v. Welser GRUR Int. 2008, 596, 597; Walter MR 2008, 202; ders. GRUR Int. 2016, 900, 902; Goldmann/Möller GRUR 2009, 551, 553f.; v. Lewinski FS Loewenheim,

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kommen zur RBÜ gewährt der WCT lediglich fremdenrechtliche Mindestrechte. Er zielt weder auf eine Begrenzung des urheberrechtlichen Schutzniveaus ab, noch stellt er direkte Ansprüche an die Ausgestaltung des innerstaatlichen Rechts.1246 Auch wenn der WCT bei der Interpretation der InfoSoc-RL hinzugezogen werden kann,1247 lässt sich aus dem WCT deshalb kein Maximalschutz herleiten.1248 Es ist bedenklich, dass der EUGH eine mindestschützende internationale Regelung heranzieht, um auf europäischer Ebene einen Maximalschutz zu etablieren, der dem Unionsgesetzgeber bei Erlass der InfoSoc-RL gar nicht vorgegeben war.1249 Unabhängig von dieser verunglückten Interpretation des WCT ist das Urteil des EUGH aber in die Betrachtung einzubeziehen.1250 Dies gilt insbesondere für die Untersuchung der unionsrechtlichen Vorgaben auf Maximalschutzstandards.

2.

Methodischer Rahmen

Maßgeblich ist wiederum die methodische Differenzierung zwischen dem Anwendungsbereich, der Harmonisierungsintensität und der Konkretisierungstiefe von Art. 4 I InfoSoc-RL.1251 Die Entscheidung des EUGH für ein enges Verständnis des Verbreitungsrechts lässt sich nämlich sowohl auf den gegenständlichen Anwendungsbereich als auch auf die inhaltliche Konkretisierung beziehen. Entsprechend unterschiedlich sind die Folgen für die tatsächliche Reichweite der unionsrechtlichen Vorgaben. a) Anwendungsbereich Vorab ist der Anwendungsbereich des Verbreitungsrechts der InfoSoc-RL zu klären. So können etwa reine Gebrauchsüberlassungen, über deren Zulässigkeit in Peek & Cloppenburg gestritten worden war, nur dann durch Art. 4 I InfoSoc-RL im Sinne eines Maximalschutzes vom urheberrechtlichen Schutz aus-

1246 1247 1248 1249 1250

1251

S. 175, 177f.; Stieper ZGE 2011, 227, 233; Eichelberger ZGE 2011, 403, 406f.; Leistner EuZW 2016, 166, 169. Siehe oben S. 61f.; BGH GRUR 2014, 264, Tz. 40 – UsedSoft II; v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 177f.; v. Welser GRUR Int. 2008, 596, 597. Vgl. Erwgr. 15 InfoSoc-RL. Vgl. schon oben S. 61 und für das Recht der öffentlichen Wiedergabe S. 207f. v. Welser GRUR Int. 2008, 596, 597; v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 177f.; Schulze GRUR 2009, 812, 814; Stieper ZGE 2011, 227, 233. v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 178; Eichelberger ZGE 2011, 403, 415; missverständlich Dreier/Schulze § 17 Rn. 4a; klarer ders. GRUR 2009, 812, 814. Jedenfalls darf man die Rechtsprechung des EUGH nicht wegen ihrer fehlenden Überzeugungskraft ignorieren; so aber wohl Dietrich UFITA 2011 II, 478, 487f. Siehe oben S. 103ff.

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geschlossen sein, wenn sie vom Anwendungsbereich der Vorschrift überhaupt erfasst werden.1252 Art. 4 I InfoSoc-RL selbst gibt keine Auskunft über seine gegenständliche Reichweite. Ein internationaler Vergleich zeigt im Wesentlichen zwei Regelungsansätze. Das Verbreitungsrecht lässt sich – so die spanische1253 und die deutsche Lösung in § 17 I UrhG – inklusive möglicher Formen der Besitzüberlassung regeln.1254 Alternativ lassen sich das Verbreitungsrecht und das Vermiet- und Verleihrecht getrennt als verschiedene Verwertungsrechte normieren.1255 Eine solche exklusive Lösung hat man im WCT gewählt.1256 Der EUGH hat in Peek & Cloppenburg nicht zu erkennen gegeben, welchem Ansatz er folgt. Die parallele Existenz der Vermiet- und Verleih-RL1257 lässt aber darauf schließen, dass das unionsrechtliche Verbreitungsrecht, anders als § 17 UrhG, das Vermiet- und Verleihrecht nicht umfasst.1258 Dafür spricht auch, dass die InfoSoc-RL der Umsetzung des WCT dient und dabei dessen exklusive Lösung übernommen haben könnte.1259 Auch der EUGH interpretiert Art. 4 InfoSoc-RL wesentlich im Lichte des WCT. Dies legt die Vermutung nahe, dass der Gerichtshof ebenfalls von einem exklusiven Verständnis des Verbreitungsrechts ausgeht.1260 In diesem Fall hätten nicht nur der EUGH und der BGH, der ersichtlich von der deutschen inklusiven Lösung ausgeht,1261 aneinander vorbei argumentiert.1262 Die Aussage des EUGH in Peek & Cloppenburg würde sich dann darauf beschränken, die Anwendungsbereiche des 1252 So auch v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 179; Eichelberger ZGE 2011, 403, 416f.; vgl. allgemein oben S. 104ff. 1253 Dietz FS Bercovitz, S. 385, 386f. 1254 Vgl. nur die Begründung des RegE zur Anpassung des § 17 UrhG an die Vorgaben der Vermiet-RL, BT-Drucks. 13/115, S. 12 sowie unten S. 200ff. Auch dem Verbreitungsrecht in Art. 4 lit. c Software-RL und Art. 5 lit. c Datenbank-RL liegt ein inklusives Verständnis zugrunde; vgl. Dietz FS Bercovitz, S. 385, 392; v. Lewinski/Walter-Blocher/Walter European Copyright, Rn. 5.4.31, 9.5.12; Dreier/Hugenholtz-Bechtold/Hugenholtz Concise, S. 447, 397. 1255 Manche Urheberrechtordnungen, wie die französische oder belgische, kamen lange Zeit ohne ein selbstständiges Verbreitungsrecht aus; vgl. Schack UrhR, Rn. 424; Eichelberger ZGE 2011, 403, 413. 1256 Vgl. Art. 6 und 7 WCT; Eichelberger ZGE 2011, 403, 413; Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 7.6.22; Walter MR 2008, 202; ders. GRUR Int. 2016, 900, 901f. 1257 Siehe oben Fn. 544. 1258 Dietz FS Bercovitz, S. 385, 386; Schulze GRUR 2009, 812, 813. 1259 Vgl. Erwgr. 15 InfoSoc. Allerdings ist im Vergleich zum WCT das einschränkende Merkmal »sonstige Eigentumsübertragung« weggefallen und die Alternative »in beliebiger Form« hinzugekommen; WaBu-Heerma § 17 Rn. 7; v. Lewinski/Walter-European Copyright, Rn. 11.4.6; v. Welser GRUR Int. 2008, 596, 597; Goldmann/Möller GRUR 2009, 551, 554. 1260 Schulze GRUR 2009, 812, 813. 1261 BGH GRUR 2007, 50, Tz. 16 – Le Corbusier-Möbel I. 1262 Schulze GRUR 2009, 812, 813.

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Verbreitungsrechts und des Vermiet- und Verleihrechts auf unionsrechtlicher Ebene in der Weise voneinander abzugrenzen, dass Vorgänge, die mit keiner Eigentumsübertragung verbunden sind, nicht in den Anwendungsbereich des Verbreitungsrechts der InfoSoc-RL fallen. Für die Auswirkungen der EUGHRechtsprechung auf das deutsche Verbreitungsrecht hätte dies erhebliche Folgen.1263 Schutzdefizite entstünden durch eine solche enge Auslegung von Art. 4 I InfoSoc-RL nicht zwingend. Die Vermiet-RL, die von der jüngeren InfoSoc-RL nicht beeinträchtigt werden soll,1264 würde einen engen Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Verbreitungsrechts weitgehend auffangen. Art. 2 I lit. a Vermiet-RL definiert »Vermietung« als »die zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung zu unmittelbarem oder mittelbarem wirtschaftlichen oder kommerziellen Nutzen.« Vorübergehende Gebrauchsüberlassungen, die wie im Fall Peek & Cloppenburg die Kundenzufriedenheit fördern und damit mittelbar Erwerbszwecken dienen,1265 ließen sich hier durchaus einordnen.1266 Wermutstropfen einer solchen Lösung ist allenfalls die Schutzlücke, die auf unionsrechtlicher Ebene für Bauwerke und Werke der angewandten Kunst entsteht, da diese gemäß Art. 3 II nicht unter die Vermiet-RL fallen.1267 Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die Peek & Cloppenburg-Entscheidung anders lesen: Der EUGH bezeichnet die Verbreitung iSv Art. 4 I InfoSocRL als »eine Form der Verbreitung« und hält zudem fest, dass das angestrebte hohe Schutzniveau »nur in dem vom Gemeinschaftsgesetzgeber geschaffenen Rahmen verwirklicht« und nicht judikativ erweitert werden könne.1268 Möglicherweise geht der EUGH also selbst davon aus, dass es neben der in Art. 4 I InfoSoc-RL geregelten noch andere Formen der »Verbreitung« gibt, die nicht im Anwendungsbereich von Art. 4 InfoSoc-RL liegen.1269 Dennoch sind die entsprechenden Passagen des Peek & Cloppenburg-Urteils nicht eindeutig. Legt man die dargestellte Lesart zugrunde, ist es verwunderlich, dass ein Hinweis des EUGH auf die dann in Betracht zu ziehenden Vermiet-RL

1263 1264 1265 1266

Siehe unten S. 200ff. Vgl. Art. 1 II lit. b InfoSoc-RL. Vgl. v. Lewinski/Walter European Copyright, Rn. 6.1.24; WaBu-Heerma § 17 Rn. 41. Walter MR 2008, 202, 203; ders. MR 2008, 246, 247; kritischer hierzu mit Blick auf Erwgr. 10 Vermiet-RL, der den Anwendungsbereich der RL für Präsenznutzungen einschränkt: v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 185ff.; dazu unten S. 205f. 1267 Schack UrhR, Rn. 427. Letztlich entscheiden hierüber allerdings eine diesbezügliche Auslegung der Vermiet-RL und die gewählte nationale Umsetzung, siehe unten S. 200f. 1268 EUGH Rs. C-456/06, EU:C:2008:232 = GRUR 2008, 604, Tz. 33, 38 – Peek & Cloppenburg (Hervorhebung vom Verfasser); vgl. auch v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 180; Eichelberger ZGE 2011, 403, 417. 1269 v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 180f.

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fehlt.1270 Allerdings hatte der BGH auch nicht nach der unionsrechtlichen Bewertung bloßer Gebrauchsüberlassungen, sondern nur danach gefragt, ob diese von Art. 4 I InfoSoc-RL erfasst werden.1271 Es ist deshalb bedauerlich, dass der BGH die Klage im Ausgangsfall abgewiesen hat,1272 ohne von seinem Vorlagerecht erneut und in Hinblick auf die Vermiet-RL Gebrauch zu machen.1273 Für die weitere Prüfung soll davon ausgegangen werden, dass Art. 4 I InfoSoc-RL in seinem Anwendungsbereich auf »Eigentumsübertragungen« beschränkt ist. Dabei handelt es sich um eine Prämisse, über die nur der EUGH verbindlich entscheiden kann. Sicher ist allerdings, dass eine Abgrenzung des Verbreitungsrechts der InfoSoc-RL zum Anwendungsbereich der Vermiet-RL notwendig ist. Aus den genannten Gründen sollte diese am besten über das Merkmal der »Eigentumsübertragung« vorgenommen werden.1274 Auf diese Weise lassen sich sowohl Überschneidungen als auch Schutzlücken weitestgehend vermeiden. b) Harmonisierungsintensität Damit stellt sich weitergehend die Frage der Harmonisierungsintensität von Art. 4 I InfoSoc-RL. Der BGH ging in seiner Folgeentscheidung zu Peek & Cloppenburg davon aus, dass es den Mitgliedstaaten verwehrt sei, für das Verbreitungsrecht ein weiterreichendes Schutzniveau zu begründen oder aufrechtzuerhalten. Art. 4 I InfoSoc-RL fixiere nicht lediglich einen Mindest-, sondern einen Maximalschutz.1275 Zur Begründung beruft der BGH sich auf die Zielsetzung der InfoSoc-RL, das Urheberrecht im Interesse der Rechtssicherheit und eines funktionierenden Binnenmarktes zu harmonisieren und ein uneinheitliches Vorgehen der Mitgliedstaaten zu vermeiden.1276 Das BVerfG hat diese Rechtsprechung gebilligt.1277

1270 v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 180f.; Eichelberger ZGE 2011, 403, 416f.; missverständlich HK-UrhR-Dreyer § 17 Rn. 16. 1271 BGH GRUR 2007, 50 – Le Corbusier-Möbel I; Schulze GRUR 2009, 812, 813; Goldmann/ Möller GRUR 2009, 551, 554f. 1272 BGH GRUR 2009, 840 – Le Corbusier-Möbel II. 1273 Dreier/Schulze § 17 Rn. 4a; ders. GRUR 2009, 812, 814; Dietrich UFITA 2011 II, 478, 485f. Allgemein zur Möglichkeit erneuter Vorlagen Leistner FS Bornkamm, S. 859, 871ff. Möglicherweise hat sich der BGH durch Art. 3 II Vermiet-RL an einer entsprechenden Vorlage gehindert gesehen, vgl. hierzu unten S. 203ff. 1274 Ähnlich v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 180ff.; Walter MR 2008, 202, 203; ders. GRUR Int. 2016, 900, 902f.; Eichelberger ZGE 2011, 403, 419f.; letzterer allerdings in sich widersprüchlich, da er zuvor (aaO. S. 413) für ein weites Verständnis des Art. 4 I InfoSoc-RL plädiert hat. 1275 BGH GRUR 2009, 840, Tz. 19 – Le Corbusier-Möbel II. 1276 BGH aaO, Tz. 19 – Le Corbusier-Möbel II; zustimmend FN-Dustmann § 17 Rn. 16; HKDreyer § 17 Rn. 13; SL-Loewenheim § 17 Rn. 17; ders. LMK 2009, 291790. Dem ange-

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In Teilen der Literatur ist die knappe Argumentation des BGH dagegen auf Kritik gestoßen.1278 Bereits in Reaktion auf das Peek & Cloppenburg-Urteil des EUGH wurde die Ansicht vertreten, dass dessen Vorgaben keinen Maximalschutz begründen könnten, da das Verbreitungsrecht der InfoSoc-RL seinerseits nur einen Mindeststandard festlege.1279 Zur Frage eines höheren nationalen Schutzniveaus habe sich der EUGH nicht geäußert.1280 Gegen einen vollharmonisierenden und damit gegebenenfalls auch schutzbegrenzenden Charakter von Art. 4 I InfoSoc-RL spreche zudem die Entstehungsgeschichte der Richtlinie. Da keine Debatte über eine schutzbegrenzende Wirkung des Verbreitungsrechts der InfoSoc-RL bzw. der gesamten Richtlinie stattgefunden habe, könne diese nicht als vollharmonisierend eingestuft werden.1281 Diese Einwände sind nur teilweise berechtigt. Die Erwägungen des BGH sind in der Sache zutreffend, begründen aber lediglich den vollharmonisierenden Charakter des Art. 4 I InfoSoc-RL, nicht jedoch das Bestehen einer Maximalschutzgrenze. Die geäußerte Kritik ist deshalb insoweit berechtigt, als sie darauf abzielt, dass es nicht der Zielsetzung von Art. 4 I InfoSoc-RL entspreche, einen zwingenden Maximalschutz hinsichtlich bloßer Gebrauchsüberlassungen zu begründen. Dieser Einwand betrifft den potentiell begrenzten Anwendungsbereich von Art. 4 I InfoSoc, mit dem sich der BGH tatsächlich nicht befasst hat.1282 Soweit dagegen die Ansicht vertreten wird, dass Art. 4 I InfoSoc-RL grundsätzlich lediglich einen Mindeststandard begründe,1283 ist dem zu widersprechen. Insbesondere der Einwand, dass der Unionsgesetzgeber bei Erlass der InfoSoc-RL nicht schutzbegrenzend habe tätig werden wollen, lässt sich entkräften: Das Fehlen einer solchen Diskussion kann gerade darauf beruhen, dass man angesichts des Ineinandergreifens der Schutzbereiche der InfoSoc-RL und der Vermiet-RL1284 und des angestrebten hohen Schutzniveaus schlicht davon ausging, dass es durch die neue Richtlinie nicht zu einer wesentlichen Be-

1277 1278 1279 1280 1281 1282 1283

1284

schlossen hat sich auch der österreichische OGH GRUR Int. 2016, 842 – Le CorbusierFauteuil; hierzu Walter GRUR Int. 2016, 900, 905ff. BVerfGE 129, 78, Tz. 92–94 – Cassina, für das Parallelverfahren BGH ZUM-RD 2009, 531 – Zigarren-Lounge. Dreier/Schulze § 17 Rn. 4a; ders. GRUR 2009, 812, 813f. v. Welser GRUR Int. 2008, 596, 597. WaBu-Heerma § 17 Rn. 9. Eichelberger ZGE 2011, 403, 418f.; Zum Verhalten der Mitgliedstaaten auch v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 183. Stieper ZGE 2011, 227, 235; Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627, 628. WaBu-Heerma § 17 Rn. 8; Goldmann/Möller GRUR 2009, 551, 556f.; Eichelberger ZGE 2011, 403, 419; ders. ZUM 2012, 954, 958; Berger ZUM 2012, 353, 356; ebenso v. Welser GRUR Int. 2008, 596, 597f., dessen Rückgriff auf Art. 14 GG im harmonisierten Bereich nicht überzeugt, vgl. oben S. 132 sowie unter Hinweis auf die abschließende Regelung der Schranken in Art. 5 InfoSoc-RL auch LG Köln ZUM 2008, 707, 709; vgl. bzgl. Art. 3 InfoSoc-RL schon oben S. 160f. und Fn. 1009. Siehe oben S. 188ff.

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schränkung nationaler Schutzstandards kommen könne. Selbst wenn eine andere Abgrenzung der Anwendungsbereiche beabsichtigt gewesen seine sollte, kann hinsichtlich des Verbreitungsrechts unterstellt werden, dass 2001 niemand damit gerechnet hat, dass der EUGH sieben Jahre später die Mindestrechte des WCT fehlinterpretieren und zur Begründung einer signifikanten Maximalschutzgrenze im Unionsrecht heranziehen würde. Richtigerweise gelten für das Verbreitungsrecht die gleichen Erwägungen, die bereits für die Einstufung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe als vollharmonisierend ausschlaggebend waren.1285 Die Handhabung des Verbreitungsrechts hat erhebliche Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Austausch urheberschutzfähiger Güter. Diese hohe Relevanz für den Binnenmarkt verlangt nach einer Einstufung als vollharmonisierend.1286 Der BGH sieht sich deshalb zu Recht durch Art. 4 I InfoSoc-RL vollumfänglich gebunden.1287 Er hat lediglich übersehen, dass diese Bindung möglichweise einen begrenzten Anwendungsbereich hat.1288 c) Konkretisierungstiefe Aus den gleichen Erwägungen ergibt sich eine weitreichende Konkretisierungstiefe des Art. 4 I InfoSoc-RL.1289 Eine erfolgreiche Binnenmarktharmonisierung lässt sich auch beim Verbreitungsrecht nur über eine unionsweit einheitliche Begriffsbestimmung erreichen.1290 d) Zwischenergebnis Methodisch erfüllt Art. 4 I InfoSoc-RL somit die Voraussetzungen für die Vorgabe europäischer Maximalschutzgrenzen.1291 Die Annahme eines auf »Eigentumsübertragungen« beschränkten Anwendungsbereichs ist allerdings bisher nicht verbindlich geklärt, wird für die vorliegende Untersuchung aber voraus1285 Siehe oben S. 160f. 1286 FN-Dustmann § 17 Rn. 16; HK-Dreyer § 17 Rn. 13; SL-Loewenheim § 17 Rn. 17; ders. LMK 2009, 291790; Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627, 628f.; Walter GRUR Int. 2016, 900, 903. Auch die Stimmen in der Literatur, die davon ausgehen, dass die InfoSoc-RL grundsätzlich dem Konzept der Mindestharmonisierung folgt, machen deshalb eine Ausnahme für das Verbreitungsrecht; vgl. Reinbothe in: Riesenhuber, Angemessenheit im Urheberrecht, S. 156 Fn. 48; Riesenhuber ZUM 2012, 433, 441; Eichelberger ZGE 2011, 403, 420f. gibt einem hohen Schutzniveau den Vorzug. 1287 BGH GRUR 2009, 840ff., Tz. 19 – Le Corbusier-Möbel II; gegen Dreier/Schulze § 17 Rn. 4a, der dem BGH vorwirft, hinsichtlich Art. 6 WCT den Fehler des EUGH zu wiederholen. Richtigerweise ist für den BGH aber allein Art. 4 I InfoSoc-RL und nicht Art. 6 WCT entscheidend. 1288 Zu den Folgen für § 17 I UrhG unten S. 200ff. 1289 Siehe oben S. 160f. 1290 Vgl. etwa EUGH Rs. C-5/11, EU:C:2012:370 = GRUR 2012, 817, Tz. 25 – Donner. 1291 So auch Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627, 628f.

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gesetzt. Der konkrete Verlauf der maximalschützenden Vorgaben des unionsrechtlichen Verbreitungsrechts hängt dann davon ab, wie sich der EUGH inhaltlich positioniert: 3.

Weitere Ausgestaltung durch den EUGH

Neben dem bereits angesprochenen Erfordernis einer Eigentumsübertragung (unten a) hat der EUGH in zwei weiteren Urteilen den Ausschließlichkeitsbereich von Art. 4 I InfoSoc-RL mittlerweile wieder ausgedehnt (unten b). Einzugehen ist schließlich an dieser Stelle auf den Erschöpfungsgrundsatz des Art. 4 II InfoSoc-RL, der die Reichweite des Verbreitungsrechts unmittelbar einschränkt (unten c). a) Notwendigkeit einer Eigentumsübertragung Zunächst ergibt sich aus der Peek & Cloppenburg-Rechtsprechung eine unionsrechtliche Begrenzung des Verbreitungsrechts auf Vorgänge einer Eigentumsübertragung.1292 Aus unionsrechtlicher Perspektive gilt dies unabhängig davon, ob durch diese Einschränkung zugleich der Anwendungsbereich von Art. 4 InfoSoc-RL umschrieben wird oder ob es sich um eine Konkretisierung innerhalb eines weiter gezogenen Geltungsbereichs handelt.1293 Offen blieb nach Peek & Cloppenburg allerdings der genaue Bedeutungsgehalt des Erfordernisses einer »Eigentumsübertragung«. Insoweit wäre es möglich gewesen, entweder auf den rechtlichen Vorgang des Eigentumsübergangs1294 oder auf die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt abzustellen. Unklar war zudem die rechtliche Einordnung von Handlungen, die sich im Vorfeld einer »Eigentumsübertragung« abspielen und sie nicht zwangsläufig herbeiführen. Insbesondere hinsichtlich der urheberrechtlichen Behandlung unverbindlicher Werbung bestanden noch Unsicherheiten.1295 b) Wiederausdehnung des Verbreitungsrechts Mittlerweile hat der EUGH Gelegenheit gehabt, beide Fragen zu beantworten und hat sich erfreulicherweise in beiden Fällen für eine Ausdehnung des urheberrechtlichen Schutzes entschieden.

1292 Siehe oben S. 187f. und zur berechtigten Kritik in Fn. 1245. 1293 Siehe oben S. 188. Unterschiede ergeben sich bei den Auswirkungen auf die mitgliedstaatliche Rechtslage, siehe unten S. 200ff. 1294 In diesem Fall würde schon die Bestimmung des anwendbaren Rechts schwerfallen; vgl. HK-Dreyer § 17 Rn. 17, 22; Eichelberger ZUM 2012, 954, 958 mwN. 1295 Czychowski NJW 2016, 2302, 2303.

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aa) EUGH – Donner Die Vorlage im Fall Donner1296 bot dem EUGH Gelegenheit, sich dazu zu äußern, welche Bedeutung die Übertragung der Verfügungsgewalt für das Verbreitungsrecht hat. In dem strafrechtlichen Ausgangsfall war das damalige Schutzdefizit für Werke der angewandten Kunst in Italien ausgenutzt worden.1297 Ein italienischer Hersteller hatte u. a. Kunden in Deutschland gefälschte Bauhaus-Möbel angeboten. Um eine Verbreitungshandlung in Deutschland zu vermeiden, sollte die Eigentumsübertragung laut den AGB des Herstellers explizit bereits im schutzrechtsfreien Italien stattfinden. Wenn die interessierten Kunden die gekauften Möbel nicht selbst abholen wollten und auch selbst keine Spedition zur Abholung benennen konnten, was die Regel gewesen sein dürfte,1298 wurden sie durch die italienische Verkäuferin direkt an eine Spedition verwiesen. Diese organisierte den Transport nach Deutschland und zog bei Anlieferung den Kaufpreis und die Transportkosten ein.1299 Diesem »Übereignungsmodell« hatte der BGH durch die Einordnung der Werbung als Verbreitungshandlung iSv § 17 I UrhG bereits einen Riegel vorgeschoben.1300 Allerdings schien das Geschäftsmodell durch die Fokussierung des EUGH auf das Erfordernis einer Eigentumsübertragung in Peek & Cloppenburg zunächst wieder gestützt worden zu sein.1301 Das LG München II wertete die Vorgehensweise des Spediteurs dennoch als Beihilfe zur gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke, §§ 106, 108a UrhG, § 27 StGB.1302 Der BGH bestätigte diese Ansicht und stellte darauf ab, dass das Verschaffen der tatsächlichen Verfügungsgewalt an einen Dritten außerhalb der internen Betriebssphäre des Herstellers notwendige Voraussetzung einer Verbreitung sei.1303 Dieses Erfordernis, das sich »zweifelsfrei« aus der Peek & Cloppenburg-Entscheidung des EUGH ergebe,1304 sei bei der Übergabe an den Spediteur in Italien noch nicht erfüllt. Dieser handele nicht eigenständig,1305 sondern sei in den Geschäftsablauf des Herstellers eingebunden, weshalb letzterer die tatsächliche Verfügungsgewalt 1296 1297 1298 1299 1300 1301 1302 1303 1304 1305

EUGH Rs. C-5/11, EU:C:2012:370 = GRUR 2012, 817 – Donner. Vgl. oben Fn. 1238. Möller GRUR 2011, 397, 399. BGH GRUR 2011, 227 – Italienische Bauhausmöbel. BGHZ 171, 151 – Wagenfeld-Leuchte; Stieper ZGE 2011, 227ff.; Schulze GRUR Prax 2016, 187. Goldmann/Möller GRUR 2009, 551; Möller GRUR 2011, 397, 399; Czychowski NJW 2016, 2302, 2303. LG München II Urt. vom 12. 10. 2009, W5 KLs 63 Js 40456/06. BGH GRUR 2011, 227, Tz. 22f. – Italienische Bauhausmöbel. BGH aaO, Tz. 23 – Italienische Bauhausmöbel. Der BGH aaO, Tz. 24, stellt wesentlich auf das wirtschaftliche Risiko ab, das bei der Händlerin verbleibe, da diese der Spedition bei Nichtzahlung des Kunden den Kaufpreis und Frachtlohn erstatte; vgl. auch Stieper ZGE 2011, 227, 238.

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erst bei Übergabe der Ware an den Kunden in Deutschland aufgegeben habe.1306 Entsprechend legte der BGH auch nur in Bezug auf Art. 34 AEUV vor.1307 Der EUGH hat diese Sichtweise des BGH im Ergebnis bestätig und sah auch keinen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit:1308 Eine Verbreitung an die Öffentlichkeit iSv Art. 4 I InfoSoc-RL zeichne sich »durch eine Reihe von Handlungen« aus, »die zumindest vom Abschluss eines Kaufvertrages bis zu dessen Erfüllung durch die Lieferung an ein Mitglied der Öffentlichkeit reichen.«1309 Diese Handlungen könnten auch in verschiedenen Mitgliedstaaten stattfinden.1310 bb) EUGH – Dimensione Direct Sales Da es im Fall Donner im Ergebnis zu einer Eigentumsübertragung gekommen war und sich das Verfahren auch nicht gegen den Hersteller richtete, blieb zunächst unklar, ob nicht auch die Werbung des Herstellers in Deutschland aus unionsrechtlicher Sicht bereits als urheberrechtlich relevant einzustufen gewesen wäre.1311 Mehr Klarheit brachte diesbezüglich die Entscheidung des EUGH in Dimensione Direct Sales.1312 Hier hatte die italienische Beklagte, ohne über entsprechende Nutzungsrechte zu verfügen, in verschiedenen Medien u. a. in Deutschland mit dem Verkauf von Möbeln in Italien geworben, die nach Entwürfen von Marcel Breuer und Mies van der Rohe angefertigt worden waren. Wie die Vorinstanzen1313 war auch der BGH geneigt, die Werbung der Beklagten als »Anbieten« iSv § 17 I UrhG zu werten.1314 Durch die Peek & Cloppenburg-Entscheidung sah er sich hieran aber gehindert und legte dem EUGH vor. Dieser blieb zwar eine wirklich tragfähige Begründung schuldig,1315 in erfreulicher 1306 BGH GRUR 2011, 227, Tz. 24 – Italienische Bauhausmöbel. 1307 BGH aaO, Tz. 27ff. – Italienische Bauhausmöbel; die Einschätzung als »zweifelsfrei« mag etwas vorschnell gewesen sein. Jedenfalls ging der EUGH von einer auch auf die InfoSoc-RL bezogenen Vorlagefrage aus, vgl. EUGH Rs. C-5/11, EU:C:2012:370 = GRUR 2012, 817, Tz. 22 – Donner; vgl. auch Möller GRUR 2011, 397, 400. 1308 EUGH aaO, Tz. 26ff., 31ff. – Donner. 1309 EUGH aaO, Tz. 26 – Donner ; so auch schon GA Jääskinen, Schlussanträge v. 29. 3. 2012, Rs. C-5/11, EU:C:2012:195, Tz. 52 – Donner. Zur Argumentation des EUGH vgl. Sobotta EuZW 2012, 665f.; vgl. auch das Folgeurteil des BGH GRUR 2013, 62 – Italienische Bauhausmöbel II. 1310 EUGH aaO, Tz. 27 – Donner ; ebenso EUGH Rs. C-98/13, EU:C:2014:55 = GRUR 2014, 283 – Blomqvist. 1311 Dreier/Schulze § 17 Rn. 4a; Czychowski NJW 2016, 2302, 2303. 1312 EUGH Rs. C-516/13, EU:C:2015:315 = GRUR 2015, 665 – Dimensione Direct Sales. 1313 LG Hamburg GRUR-RR 2009, 211; OLG Hamburg Urt. vom 27. 4. 2011, Az. 5 U 26/09 = BeckRS 2013, 16539. 1314 BGH GRUR 2013, 1137, Tz. 16 – Marcel-Breuer-Möbel I; vgl. auch das ausgesetzte Parallelverfahren BGH ZUM-RD 2013, 633 – Wagenfeld-Leuchten I. 1315 Stieper EuZW 2014, 472, 473.

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Deutlichkeit erstreckt er aber das Verbreitungsrecht des Art. 4 I InfoSoc-RL auch auf reine Werbemaßnahmen.1316 cc) Zwischenergebnis Die Kette von Handlungen, durch die in das Verbreitungsrecht der InfoSoc-RL eingegriffen wird, erstreckt sich somit von einer »zu nichts verpflichtenden Werbung« über »die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes«1317 bis zur »Erfüllung durch die Lieferung an ein Mitglied der Öffentlichkeit.«1318 Damit sind Umgehungsmöglichkeiten zwar nicht vollständig ausgeschlossen.1319 Ein allzu enges Verständnis des Verbreitungsrechts, das nach der Peek & Cloppenburg-Entscheidung des EUGH zu befürchten war, ist aber vom Tisch.1320 c) Erschöpfungsgrundsatz in Art. 4 II InfoSoc-RL Wie im deutschen Recht1321 ist auch im Unionsrecht das Verbreitungsrecht durch den Erschöpfungsgrundsatz eingeschränkt. Nach Art. 4 II InfoSoc-RL erschöpft es sich in der Gemeinschaft »in Bezug auf das Original oder auf Vervielfältigungsstücke eines Werks nur, wenn der Erstverkauf dieses Gegenstands oder eine andere erstmalige Eigentumsübertragung in der Gemeinschaft durch den Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung erfolgt.« Der Erschöpfungsgrundsatz wirkt damit funktional wie eine Schranke.1322 Die Regelung normiert die auf Art. 34 AEUV gestützte Rechtsprechung des EUGH1323 zur unionsweiten Erschöpfung,1324 die der deutsche Gesetzgeber schon vor Erlass der InfoSoc-RL umgesetzt hatte.1325 Bereits der Wortlaut von Art. 4 II InfoSoc-RL macht deutlich, dass die Erschöpfung nur durch körperliche Verwertungsvorgänge ausgelöst wird.1326 Die unkörperliche Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke unterliegt da1316 EUGH Rs. C-516/13, EU:C:2015:315 = GRUR 2015, 665, Tz. 28f. – Dimensione Direct Sales. 1317 EUGH aaO, Tz. 28 – Dimensione Direct Sales. 1318 EUGH Rs. C-5/11, EU:C:2012:370 = GRUR 2012, 817, Tz. 26 – Donner. 1319 Möller GRUR 2011, 397, 400 weist etwa auf die Möglichkeit hin, ein Italien-Wochenende mit dem unverbindlichen Besuch einer »Möbelmesse« zu kombinieren. 1320 Stieper EuZW 2014, 472, 473 spricht von der Bereinigung des durch »Peek& Cloppenburg« angerichteten Flurschadens. Vgl. auch BGH GRUR 2016, 490 – Marcel-Breuer-Möbel II; BGH GRUR 2016, 487 – Wagenfeld-Leuchte II; Schulze GRUR Prax 2016, 187, 189. 1321 Vgl. §§ 17 II, 69c Nr. 3 S. 2 UrhG. 1322 Stieper Schranken, S. 135ff.; Schack UrhR, Rn. 429. 1323 Siehe oben S. 130. 1324 v. Lewinski/Walter-Walter/Riede European Copyright, Rn. 11.4.16; Dreier/HugenholtzBechtold Concise, S. 448f.; Metzger GRUR 2012, 118, 120. 1325 BT-Drucks. 13/115, S. 4, 12; vgl. auch SL-Loewenheim § 17 Rn. 37; Schack UrhR, Rn. 146, 443. 1326 Vgl. Erwgr. 29 InfoSoc-RL.

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Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

gegen keiner Erschöpfung. Dies entspricht der europäischen Urheberrechtstradition und ist auch international üblich,1327 war aber für Online-Übermittlungen nicht unumstritten.1328 Die Begrenzung auf körperliche Werkexemplare ist fragwürdig geworden, nachdem der EUGH den Erschöpfungsgrundsatz in Art. 4 II Software-RL auf den Online-Vertrieb von Software-Lizenzen ausgedehnt hat.1329 Vorwiegend auf funktionale Argumente gestützt wurde in der Folge vertreten, dass allgemein digitale Verwertungsvorgänge, wie etwa der Online-Vertrieb von Filmen, Musik oder E-Books, zu einer Erschöpfung führen müssten.1330 Ließen Teile der UsedSoft-Entscheidung noch die Vermutung zu, dass der EUGH einer entsprechenden Ausdehnung seiner Rechtsprechung nicht grundsätzlich abgeneigt gegenüberstehen würde,1331 scheint eine solche Erweiterung des Anwendungsbereichs von Art. 4 II InfoSoc-RL mittlerweile nicht mehr wahrscheinlich. Denn zuletzt hat der Gerichthof für den Transfer eines Posters auf Leinwand entscheidend auf Erwgr. 28 InfoSoc-RL abgestellt.1332 Dort ist von der »Verbreitung eines in einem Gegenstand verkörperten Werkes« die Rede. Auch der Rückgriff auf den WCT, der eine Erschöpfung ebenfalls lediglich bei einer körperlichen Verbreitung eintreten lässt,1333 weist in diese Richtung.1334 Die Zurückhaltung des EUGH ist zu begrüßen. Zwar lassen sich wertungs1327 Schack UrhR, Rn. 429 mwN; zum WCT vgl. Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 7.6.27f. 1328 Koehler Erschöpfungsgrundsatz im Online-Bereich, S. 72; Oswald Erschöpfung durch Online-Vertrieb, S. 49ff., 88; Berger GRUR 2002, 198ff.; Hoeren CR 2006, 573ff.; Schack GRUR 2007, 639, 643f. mwN. 1329 EUGH Rs. C-128/11, EU:C:2012:407 = GRUR 2012, 904 – UsedSoft; hierzu Stieper ZUM 2012, 668ff.; Ohly JZ 2013, 42ff. 1330 Kulpe Erschöpfungsgrundsatz nach Europäischen Urheberrecht, S. 168; WaBu-Heerma § 17 Rn. 27ff.; Hartmann GRUR Int. 2012, 980, 987f.; Terhaag/ Telle K& R 2013, 549, 551ff.; Peifer AfP 2013, 89, 91; Hoeren/Jakopp MMR 2014, 646ff.; Marly/Wirz EuZW 2017, 16ff.; in diese Richtung auch Grützmacher ZGE 2013, 46, 80ff. Dagegen OLG Hamburg MMR 2015, 740ff.; OLG Hamm GRUR 2014, 853ff.; OLG Stuttgart GRUR-RR 2012, 243ff.; Dreier/Schulze § 17 Rn. 30; ders. NJW 2014, 721, 724; Schack UrhR, Rn. 463a; Bäcker/ Höfinger ZUM 2013, 623, 635ff.; Hauck NJW 2014, 3616, 3617f.; vgl. auch de la Darantaye/ Kuschel ZGE 2016, 195ff. mwN zu beiden Ansichten. 1331 EUGH Rs. C-128/11, EU:C:2012:407 = GRUR 2012, 904, Tz. 60 – UsedSoft; vgl. auch Grützmacher ZGE 2013, 46, 82; Leistner EuZW 2016, 166, 169. 1332 EUGH Rs. C-419/13, EU:C:2015:27 = GRUR 2015, 256, Tz. 34 - 37 – Allposters International; vgl. auch Schack KuR, Rn. 265. 1333 Reinbothe/v. Lewinski The WIPO Treaties, Rn. 7.6.27f. 1334 EUGH Rs. C-419/13, EU:C:2015:27 = GRUR 2015, 256, Tz. 39 – Allposters International; vgl. auch v. Ungern-Sternberg GRUR 2015, 205, 207; Struwe CR 2015, 182, 183; Hansen GRUR Prax 2015, 62. Zuletzt hat der EUGH in Rs. C-174/15, EU:C:2016:856 = GRUR 2016, 1266 – Vereniging Openbare Bibliotheken eine Gelegenheit zur weiteren Klarstellung ausgelassen, vgl. aaO Tz. 55ff.; hierzu Stieper GRUR 2016, 1270ff.; Rauer/Vonau GRUR Prax 2016, 517f.; Marly/Wirz EuZW 2017, 16ff.

Verbreitungsrecht

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mäßig zwischen Online-Vertrieb und herkömmlichen Geschäftsmodellen gewisse Parallelen erkennen.1335 Allerdings wäre eine digitale Erschöpfung nur schwer mit Art. 3 III InfoSoc-RL in Einklang zu bringen, der für das Recht der öffentlichen Wiedergabe eine Erschöpfung ausschließt. Zudem würde in praktischer Hinsicht die Rechtsdurchsetzung unangemessen erschwert, da sich bei digitalen Werkstücken Original und Vervielfältigung kaum zuverlässig voneinander abgrenzen lassen.1336 Für Art. 4 II InfoSoc-RL gelten hinsichtlich des methodischen Rahmens die Erwägungen zu Absatz 1 entsprechend. Eine Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Fälle einer »Eigentumsübertragung« erscheint auch hier sinnvoll, da Art. 4 II InfoSoc-RL auf diese Weise mit Art. 1 II Vermiet-RL harmoniert, der für das Vermiet- und Verleihrecht eine Erschöpfung ausschließt.1337 Zudem ist der Erschöpfungsgrundsatz vollharmonisierend ausgestaltet.1338 Die Mitgliedstaaten sind deshalb verpflichtet, ihr Verbreitungsrecht entsprechend den Vorgaben von Art. 4 II InfoSoc-RL einzuschränken. Die damit begründete Maximalschutzgrenze ist allerdings auf die EWR-weite Erschöpfung begrenzt. Einer weltweiten Erschöpfung hat der EUGH eine klare Absage erteilt.1339 d) Zwischenergebnis Zur Ausgestaltung des Verbreitungsrechts von Art. 4 I InfoSoc-RL durch den EUGH lässt sich damit Folgendes festhalten: Die Reichweite des Verbreitungsrechts ist nicht auf »Eigentumsübertragungen« im engen Sinne begrenzt. Die Kette von Handlungen, durch die in das Verbreitungsrecht der InfoSoc-RL eingegriffen wird, reicht vielmehr von einer »zu nichts verpflichtenden Werbung« über »die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes«1340 bis zur »Erfüllung durch die Lieferung an ein Mitglied der Öffentlichkeit«.1341 Diese Rechtsprechung des EUGH stützt die hier vertretene Abgrenzung des unionsrechtlichen Verbreitungsrechts gegenüber dem Vermiet- und Verleihrecht, da sie für wesentliche Nutzungsvorgänge, die sich 1335 WaBu-Heerma § 17 Rn. 27–30; Peifer AfP 2013, 89, 91; sowie soeben Fn. 1330. 1336 Becker UFITA 2015 III, 687, 697f.; Schack GRUR 2007, 638, 644; a. A. unter Hinweis auf Möglichkeiten wie Echtheitszertifikate, digitale Signaturen und Beweislastregelungen, Marly EuZW 2012, 654, 657; Ohly JZ 2013, 42, 44. 1337 Ebenso Walter MR 2008, 246, 247. 1338 EUGH Rs. C-479/04, EU:C:2006:549 = GRUR Int. 2007, 237, Tz. 24 – Laserdisken; EUGH Rs. C-419/13, EU:C:2015:27 = GRUR 2015, 256, Tz. 30 – Allposters International. 1339 EUGH Rs. C-479/04, EU:C:2006:549 = GRUR Int. 2007, 237 – Laserdisken; Ubertazzi in: Stamatoudi/Torremans EU Copyright Law, Rn. 3.15ff. Diese Begrenzung ist allerdings Ausdruck des durch Art. 4 InfoSoc-RL gewährten Mindestschutzes und zeigt, dass eine Vollharmonisierung immer sowohl mindest-, als auch maximalschützend wirkt, vgl. schon oben S. 110f. 1340 EUGH Rs. C-516/13, EU:C:2015:315 = GRUR 2015, 665, Tz. 28 – Dimensione Direct Sales. 1341 EUGH Rs. C-5/11, EU:C:2012:370 = GRUR 2012, 817, Tz. 26 – Donner.

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Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

nicht unter die Vermiet-RL fassen lassen, den urheberrechtlichen Schutz durch Art. 4 I InfoSoc-RL sicherstellt. Art. 4 II InfoSoc-RL, der für das Verbreitungsrecht eine unionsweite Erschöpfung vorsieht, ist auf die Verbreitung in körperlicher Form beschränkt. Eine Erstreckung auf den Online-Vertrieb anderer Werke als Computerprogramme ist aktuell nicht zu erwarten.1342 4.

Schutzbegrenzende Auswirkungen auf das deutsche Verbreitungsrecht

Im Folgenden ist auf die schutzbegrenzenden Auswirkungen dieser Vorgaben auf das deutsche Urheberrecht einzugehen. Da die methodischen Voraussetzungen eines Maximalschutzes erfüllt sind,1343 kann diesbezüglich wie schon für Art. 3 InfoSoc-RL1344 festgestellt werden, dass das nationale Verbreitungsrecht des § 17 UrhG innerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 4 InfoSoc-RL exakt dessen Vorgaben zu entsprechen hat und daher auch schutzbegrenzende Merkmale abbilden muss. Insbesondere zu untersuchen sind die Auswirkungen der Peek & Cloppenburg-Rechtsprechung des EUGH auf die Reichweite von § 17 I UrhG (unten a) und die sich daraus ergebenden Folgen für Bauwerke und Werke der angewandten Kunst einerseits (unten b) und reine Präsenznutzungen andererseits (unten c). a) Reichweite des § 17 I UrhG Auf den ersten Blick scheint die Einengung des unionsrechtlichen Verbreitungsrechts durch den EUGH das Verbreitungsrecht des § 17 I UrhG erheblich einzuschränken. Immerhin wirkt Art. 4 I InfoSoc-RL vollharmonisierend,1345 so dass auch die nationalen Verbreitungsrechte unionsrechtskonform auf Eigentumsübertragungen in einem – mittlerweile immerhin weit verstandenen Sinne1346 – zu begrenzen sein könnten. Ein »Inverkehrbringen« iSv § 17 UrhG läge dann nur noch vor, wenn das Original oder Vervielfältigungsstücke aus der internen Betriebssphäre durch Überlassung des Eigentums der Öffentlichkeit zugeführt würden. Ein »Anbieten« könnte entsprechend nur noch bei einem Angebot auf Eigentumsübertragung angenommen werden. In diesem Sinne hat der BGH in Reaktion auf EUGH Peek & Cloppenburg geurteilt1347 und ist bei diesem Verständnis geblieben.1348 1342 1343 1344 1345 1346 1347

Siehe oben S. 197ff. Siehe oben S. 188ff. Siehe oben S. 182. Siehe oben S. 188f. Siehe oben S. 194ff. BGH GRUR 2009, 840, Tz. 18ff. – Le Corbusier-Möbel II; vgl. auch das Parallelurteil BGH ZUM-RD 2009, 531, Tz. 13ff. – Zigarren-Lounge.

Verbreitungsrecht

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Eine solche Lesart setzt allerdings unbesehen voraus, dass die Anwendungsbereiche von Art. 4 I InfoSoc-RL und § 17 I UrhG aufgrund der gleichen Benennung auch inhaltlich übereinstimmen und Art. 4 I InfoSoc-RL sämtliche Formen der Verbreitung erfasst.1349 Bei näherer Betrachtung liegt dies allerdings nicht nahe. Für Art. 4 I InfoSoc-RL erscheint es vorzugswürdig, die Peek & CloppenburgRechtsprechung des EUGH als Abgrenzung des Anwendungsbereichs der InfoSoc-RL gegenüber der Vermiet-RL einzuordnen.1350 § 17 I UrhG liegt demgegenüber ein weiteres Verständnis zugrunde. Der deutsche Gesetzgeber ist bei der Anpassung des UrhG an die Vermiet-RL unter Hinweis auf die damalige Rechtsprechung des BGH davon ausgegangen, dass § 17 I UrhG bereits die unionsrechtlichen Anforderungen erfüllt und hat kein selbstständiges Vermietrecht geregelt.1351 Diese Vorgehensweise ist unionsrechtlich zulässig. Der nationale Gesetzgeber ist hinsichtlich der Art und Weise der Umsetzung einer Richtlinienvorgabe frei,1352 kann also auch die Vorgaben zweier Richtlinien in einer Norm gemeinsam regeln. Alternativ ließe sich daran denken, das nationale Verbreitungsrecht unionsrechtskonform auf den Anwendungsbereich des Art. 4 I InfoSoc-RL zu reduzieren und das Vermietrecht als unbenanntes Verwertungsrecht über § 15 I UrhG zu erfassen.1353 Letztlich ist dies eine Frage des dogmatischen Geschmacks, da auch eine Einordnung bei § 17 I UrhG zu keiner Erschöpfung des Vermietrechts führt, vgl. § 17 II a.E. UrhG.1354 Die Lösung über § 17 I UrhG entspricht allerdings der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers.1355 Das deutsche »Verbreitungsrecht« umfasst daher auch das unionsrechtliche Vermietrecht und ist somit europarechtskonform gespalten entsprechend der jeweils einschlägigen Richtlinie auszulegen.1356 1348 BGH GRUR 2011, 227, Tz. 22 – Italienische Bauhausmöbel; BGH GRUR 2013, 1137, Tz. 10, 13 – Marcel-Breuer-Möbel I; BGH GRUR 2014, 549, Tz. 18 – Meilensteine der Psychologie; zustimmend FN-Dustmann § 17 Rn. 16, 19; HK-Dreyer § 17 Rn. 13, 16; SL-Loewenheim § 17 Rn. 17; ders. LMK 2009, 291790; Czychowski/Nordemann NJW 2010, 735, 737. Wohl versehentlich erfolgte der Rückgriff auf die alte Rechtsprechung in BGH GRUR 2009, 942, Tz. 28 – Motezuma. 1349 Eichelberger ZGE 2011, 403, 416. 1350 Siehe oben S. 188ff. 1351 BT-Drucks. 13/115, S. 12 unter Bezugnahme auf BGH GRUR 1986, 736 – Schallplattenvermietung. Für das Verleihrecht hat der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit des Art. 6 Vermiet-RL Gebrauch gemacht und statt eines Ausschließlichkeitsrechts in § 27 UrhG lediglich einen Vergütungsanspruch normiert, vgl. BT-Drucks. 13/115, S. 13f.; WaBu-Heerma § 27 Rn. 9; Schack UrhR, Rn. 504ff. 1352 Vgl. Art. 288 III AEUV und oben S. 103. 1353 Für diese Lösung HdU-Loewenheim § 20 Rn. 23; Berger ZUM 2012, 353, 356. 1354 Vgl. die entsprechende Vorgabe des Art. 1 II Vermiet-RL. 1355 BT-Drucks. 13/115, S. 12; ebenso Dietrich UFITA 2011 II, 478, 488. 1356 HK-UrhR-Dreyer § 17 Rn. 5, 13; WaBu-Heerma § 17 Rn. 5, 38; Stieper ZGE 2011, 227, 235; Eichelberger ZGE 2011, 403, 412; Haberstumpf GRUR Int. 2013, 627, 629.

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Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

Geht man von diesem weiter gefassten Anwendungsbereich des § 17 I UrhG aus, hätte dieser trotz EUGH Peek & Cloppenburg unter Umständen in seiner bisherigen Gestalt beibehalten werden können. Vorbehaltlich einer Vorlage an den EUGH hinsichtlich der Reichweite der Vermiet-RL ist nach hier vertretener Ansicht folgende Lösung sinnvoll: Nachdem mittlerweile deutlich geworden ist, dass der EUGH unter Art. 4 I InfoSoc-RL eine Kette von Handlungen fasst, die auf eine Eigentumsübertragung gerichtet sind,1357 ist § 17 I UrhG in diesem Umfang als Umsetzung von Art. 4 InfoSoc-RL an dessen Vorgaben zu messen. Insoweit lässt sich von einem »InfoSoc-Anteil« des deutschen Verbreitungsrechts sprechen, der aber im Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Verbreitungsrechts1358 Gebrauchsüberlassungen nicht erfasst. Für diese ist vielmehr derjenige »Anteil« des § 17 I UrhG einschlägig, der Art. 3 I lit. a Vermiet-RL umsetzt.1359 Da der Vermietbegriff des Unionsrechts, der auch für das deutsche Recht maßgeblich ist,1360 weit ausgestaltet ist, lassen sich hierunter die meisten Fälle befristeter Besitzüberlassungen einordnen.1361 Folge der engen Auslegung des Verbreitungsrechts durch den EUGH ist deshalb nur eine Verschiebung der »Schutzbereiche« des § 17 I UrhG zugunsten des Vermietrechts.1362 Die enge Auslegung des unionsrechtlichen Verbreitungsrechts durch den EUGH führt deshalb nach hier vertretener Ansicht nicht zu einer Maximalschutzgrenze, durch die Besitz- und Gebrauchsüberlassungen allgemein von einem urheberrechtlichen Schutz ausgeschlossen wären.1363 Zweifel bestanden vorübergehend für das Verbreiten durch öffentliches Anbieten, das sich nicht über das Vermiet- und Verleihrecht auffangen ließ.1364 Mittlerweile hat der EUGH diese Schutzlücke allerdings über Art. 4 I InfoSoc-RL geschlossen. »Angebote zum Erwerb« oder »gezielte Werbung« sind deshalb über den »InfoSoc-Anteil« des deutschen Verbreitungsrechts dem Urheber vorbehalten.1365

1357 Siehe oben S. 194ff. 1358 Siehe oben S. 188ff. 1359 Büscher/Dittmer/Schiwy-Haberstumpf Kap. 10, § 17 Rn. 5, 18; WaBu-Heerma § 17 Rn. 8; Stieper ZGE 2011, 227, 235. 1360 SL-Loewenheim § 17 Rn. 61; HK-UrhR-Dreyer § 17 Rn. 76; WaBu-Heerma § 17 Rn. 38. 1361 Siehe oben S. 189f. 1362 Ähnlich Walter MR 2008, 246, 247; v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 180ff. 1363 Dreier/Schulze § 17 Rn. 4a; WaBu-Heerma § 17 Rn. 8; v. Welser GRUR Int. 2008, 596, 597f.; Goldmann/Möller GRUR 2009, 551, 553f.; Berger ZUM 2012, 353, 356; Stieper ZGE 2011, 227, 235; Eichelberger ZGE 2011, 403, 422ff.; wohl auch Dietrich UFITA 2011 II, 478, 488. 1364 WaBu-Heerma § 17 Rn. 5. 1365 EUGH Rs. C-516/13, EU:C:2015:315 = GRUR 2015, 665, Tz. 28f. – Dimensione Direct Sales; hierzu soeben S. 196f.

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b) Schutzlücke für Bauwerke und Werke der angewandten Kunst Damit bleibt die Frage, wie Bauwerke und Werke der angewandten Kunst zu behandeln sind. Die Urheber dieser Werkarten scheinen die Leidtragenden zu sein, wenn sich die »Schutzbereiche« des § 17 I UrhG zugunsten des Vermiet- und Verleihrechts verschieben. Denn das Vermieten von Originalen oder Vervielfältigungsstücken dieser beiden Werkarten gilt gemäß § 17 III S. 2 lit. a UrhG nicht als Vermietung. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bei Bauwerken und Werken der angewandten Kunst der Gebrauchswert des Sachobjekts im Vordergrund steht.1366 Da die erstmalige Besitzüberlassung als »Inverkehrbringen« nach bisheriger Rechtslage dem Verbreitungsrecht des § 17 I UrhG unterfiel,1367 machte diese Ausnahme nur für die Erschöpfung einen Unterschied. Bauwerke und Werke der angewandten Kunst profitierten nicht von der Ausnahmeregelung des § 17 II a.E. UrhG, so dass sich für sie auch das Vermietrecht erschöpfte.1368 Designer und Architekten konnten so das Inverkehrbringen ihrer Werke, nicht aber eine anschließende Überlassung an Dritte steuern.1369 Wenn nun der »InfoSoc-Anteil« des deutschen Verbreitungsrechts durch die Vorgaben des EUGH auf »Eigentumsübertragungen« in einem weiten Sinne beschränkt ist, droht eine Schutzlücke.1370 Denn nach dem Wortlaut des § 17 III S. 2 lit. a UrhG lässt sich diese Einschränkung für Bauwerke und Werke der angewandten Kunst nicht ohne Weiteres durch eine Anwendung des Vermietrechts auffangen. Deutlich wird dies im Ausgangsfall:1371 Die Inhaberin der Rechte an den streitgegenständlichen Le-Corbusier-Möbeln hätte sich gegen einen Import und eine anschließende Weiterveräußerung durch einen Zwischenhändler wegen der damit einhergehenden Verletzung des Verbreitungsrechts zweifellos wehren können. Nur weil Peek & Cloppenburg sich den Zwischenhändler erspart hatte, ging die Klägerin im Ergebnis leer aus, da es nun an einer »Eigentumsübertragung« im Schutzland fehlte.1372 Ebenso besteht die Gefahr, dass das urheberrechtliche Verbreitungsrecht über den ausgedehnten Einsatz von »Leasingmodellen« faktisch ausgehebelt wird.1373 Unionsrechtlich ist dieses Ergebnis nicht vorgegeben. Nach Art. 3 II Ver1366 1367 1368 1369 1370

BT-Drucks. 13/115, S. 12; Jacobs GRUR 1998, 246, 250. Siehe oben Fn. 1240. OLG Köln GRUR-RR 2007, 1, 2; HK-UrhR-Dreyer § 17 Rn. 77; WaBu-Heerma § 17 Rn. 5. FN-Nordemann § 17 Rn. 41; Schack UrhR, Rn. 437; Jacobs GRUR 1998, 246, 250. HK-UrhR-Dreyer § 17 Rn. 16; FN-Dustmann § 17 Rn. 16, 41; Schack UrhR, Rn. 427; Schulze GRUR 2009, 812, 815; Stieper ZGE 2011, 227, 235; Goldmann/Möller GRUR 2009, 551, 557. 1371 Siehe oben S. 187f. 1372 BGH GRUR 2009, 840 – Le Corbusier-Möbel II; Schulze GRUR 2009, 812, 815. 1373 Deutlich Goldmann/Möller GRUR 2009, 551, 557: »Warum ein teures Original kaufen, wenn man den Nachbau viel günstiger leasen kann?«.

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miet-RL fallen Bauwerke und Werke der angewandten Kunst nicht unter diese Richtlinie.1374 Schon der Wortlaut zeigt deutlich, dass hier der Anwendungsbereich der Richtlinie beschränkt wird.1375 Eine maximalschützende Vorgabe, die eine Gewährung des Vermiet- und Verleihrechts für die genannten Werkarten ausschließen würde, wird damit nicht getroffen.1376 In Bezug auf Bauwerke dürfte diese Regelung Ausdruck der insoweit begrenzten Binnenmarktrelevanz sein.1377 Es bleibt deshalb den Mitgliedstaaten vorbehalten, für die zeitlich befristete Gebrauchs- oder Besitzüberlassung von Bauwerken und Werken der angewandten Kunst ein Vermiet- und Verleihrecht vorzusehen. Gleiches gilt für dessen Erschöpfung, für die Art. 1 II Vermiet-RL ebenfalls nicht einschlägig ist. Der deutsche Gesetzgeber kann daher vorsehen, dass die vorübergehende Besitzüberlassung der genannten Werkarten nur zulässig ist, wenn das Original oder Vervielfältigungsstück zuvor rechtmäßig in der Verkehr gebracht worden ist.1378 Das Ausmaß der fraglichen Nutzungen, für das der Ausgangsrechtsstreit »Le Corbusier Möbel« ein anschauliches Bespiel liefert,1379 verlangt eine Schließung der aktuell bestehenden Schutzlücken.1380 Der deutsche Gesetzgeber muss hierfür nicht tätig werden. Legt man nämlich einen auf »Eigentumsübertragungen« beschränkten Anwendungsbereich von Art. 4 I InfoSoc-RL zugrunde und berücksichtigt zudem Art. 3 II Vermiet-RL, bewegt sich die Gebrauchsüberlassung von Bauwerken und Werken der angewandten Kunst außerhalb des richtlinienrechtlich harmonisierten Bereichs. Da § 17 I UrhG insoweit nicht richtlinienkonform auszulegen ist, hätte es bei der alten Rechtslage bleiben können. Allenfalls wäre über eine teleologische Reduktion von § 17 III S. 2 lit. a UrhG sicherzustellen gewesen, dass dieser entsprechend seiner eigentlichen Intention nicht auch das erstmalige Inverkehrbringen durch eine bloße Gebrauchsüberlassung erfasst.1381 Nach einer diesbezüglichen zweiten Vorlage 1374 In der englischen Fassung: »shall not cover«, vgl. v. Lewinski/Walter European Copyright, Vor Rn. 6.2.1. 1375 Hiervon ist auch der deutsche Gesetzgeber ausgegangen, vgl. BT-Drucks. 13/115, S. 12; v. Lewinski/Walter European Copyright, Rn. 6.2.29; vgl. auch Dreier/Hugenholtz-Krikke Concise, S. 288; Walter GRUR Int. 2016, 900, 903. 1376 WaBu-Heerma § 17 Rn. 8; v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 186; Walter MR 2008, 246f.; Schulze GRUR 2009, 812, 815; Stieper ZGE 2011, 227, 235; a. A. HK-Dreyer § 17 Rn. 13. 1377 v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 186. 1378 Schulze GRUR 2009, 812, 815; Stieper ZGE 2011, 227, 235. 1379 Siehe oben S. 187f. sowie Schulze GRUR 2009, 812, 815. 1380 Schack UrhR, Rn. 427; Goldmann/Möller GRUR 2009, 551, 557; Stieper ZGE 2011, 227, 236 unter Hinweis auf das angestrebte hohe Schutzniveau der InfoSoc-RL und der Durchsetzungs-RL. 1381 Dies wäre auch erforderlich, wenn man erstmalige Gebrauchsüberlassungen über ein Innominatrecht nach § 15 I UrhG erfassen würde, da § 17 III S. 2 lit. a UrhG zwingend ist, vgl. oben Fn. 1353 und FN-Dustmann § 17 Rn. 41.

Verbreitungsrecht

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an den EUGH hätte der BGH daher unter Umständen nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung abweichen müssen. Wenn gegenwärtig über ein Schutzdefizit für Werke der angewandten Kunst diskutiert wird,1382 beruht dieses nicht allein auf der Peek & Cloppenburg-Rechtsprechung des EUGH, sondern kann auch erst durch die nicht weiter hinterfragte Anwendung auf das deutsche Verbreitungsrecht suggeriert worden sein. Klarheit bringen kann in dieser Hinsicht nur eine Entscheidung des EUGH zum Anwendungsbereich der Vermiet-RL.1383 Nach hier vertretener Auffassung entsteht durch die unionsrechtliche Harmonisierung aber kein Maximalschutz, der die Mitgliedstaaten daran hindern würde, das urheberrechtliche Verbotsrecht auf die erstmalige Besitzüberlassung von Bauwerken oder Werken der angewandten Kunst zu erstrecken. c) Schutzbeschränkung für Präsenznutzungen Schließlich könnten sich für die Behandlung von Präsenznutzungen Besonderheiten aus Erwgr. 10 der Vermiet-RL ergeben.1384 Demnach ist es der »Klarheit halber wünschenswert«, von »Vermietung« und »Verleihen« im Sinne der Richtlinie u. a. die »Überlassung zur Einsichtnahme an Ort und Stelle auszuschließen.« Hieraus ließe sich etwa für Präsenznutzungen in Bibliotheken oder für das Aufstellen von Möbeln in Zigarren-Lounges oder den Ruhezonen eines Kaufhauses1385 ein Maximalschutz herleiten.1386 Soweit es sich um ein unrechtmäßiges »Inverkehrbringen« durch Gebrauchsüberlassung handelt, wäre auch der Ausschließlichkeitsbereich des § 17 I UrhG in seiner ursprünglichen Reichweite betroffen.1387 Präsenznutzungen ließen sich dann nicht über das Vermietrecht bzw. den »Vermietrechts-Anteil« des § 17 I UrhG auffangen.1388 Entscheidend ist auch hier, ob Erwgr. 10 lediglich den Anwendungsbereich der Vermiet-RL betrifft oder innerhalb eines weiter gefassten Geltungsbereichs eine negative Regelungsaussage trifft. Nur im letzteren Fall kommt ein Maximalschutz in Betracht.1389 Gegen eine schutzbegrenzende Intention spricht aber der bespielhafte Charakter der Aufzählung in Erwgr. 10 Vermiet-RL, der sich 1382 Siehe oben Fn. 1370. 1383 Dreier/Schulze § 17 Rn. 4a; Stieper ZGE 2011, 227, 235f. 1384 Dieser nimmt zwar nicht am Umsetzungsbefehl einer Richtlinie teil, ist aber bei ihrer Auslegung maßgeblich zu berücksichtigen; Vgl. BT-Drucks. 13/115, S. 13; WaBu-Heerma § 17 Rn. 43 sowie allgemein: Riesenhuber in: ders. Europäische Methodenlehre, § 10 Rn. 35ff. 1385 v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 185. 1386 Deutlich in diese Richtung WaBu-Heerma § 17 Rn. 43, der die Frage mangels einer entsprechenden Öffnungsklausel nicht den nationalen Gesetzgebern überlassen will. 1387 Siehe oben Fn. 1240. 1388 Siehe oben S. 200. 1389 Siehe allgemein oben S. 104ff.

206

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

kein gemeinsamer Grundgedanke entnehmen lässt,1390 und die Entstehungsgeschichte der Vermiet-RL. Hinter dem Erwgr. 10 Vermiet-RL standen keine Überlegungen, die einen Maximalschutz untermauern würden, sondern die Vorbehalte einiger Mitgliedstaaten gegen die Einführung eines Vermiet- und Verleihrechts für Präsenznutzungen.1391 Es sollte lediglich sichergestellt werden, dass sich das unionsrechtliche Vermiet- und Verleihrecht nicht zwingend auf die fraglichen Nutzungen erstreckt. Andere Staaten sollten jedoch nicht daran gehindert werden, entsprechende weitergehende Rechte einzuführen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Erwgr. 10 der Vermiet-RL lediglich den Anwendungsbereich der Richtlinie begrenzt, nicht aber eine zwingende Schutzobergrenze vorgibt.1392 Die genannten Nutzungen werden ausgeklammert, aber nicht ausgeschlossen. Wenn deshalb insbesondere in Bezug auf die Präsensnutzung in Bibliotheken über die Reichweite des Vermiet- und Verleihrechts gestritten wird,1393 ist diese Diskussion frei von zwingenden europäischen Vorgaben. Allerdings hat der deutsche Gesetzgeber deutlich zu erkennen gegeben, dass er eine Erstreckung des Vermietrechts auf Präsenznutzungen nicht für sinnvoll erachtet.1394 d) Zwischenergebnis Die dargestellte Differenzierung zwischen dem Anwendungsbereich von Art. 4 I InfoSoc-RL und der Vermiet-RL führt dazu, dass die maximalschützenden Auswirkungen des Unionsrechts auf das Verbreitungsrecht des § 17 UrhG unklar sind und von einer Vorlage an den EUGH abhängen. Zu klären wäre insbesondere die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Verbreitungsrechts der InfoSoc-RL und des Vermiet- und Verleihrechts der Vermiet-RL. Entgegen der Rechtsprechung des BGH sollten aber insbesondere Gebrauchsüberlassungen weiterhin über § 17 I UrhG in seiner Ausprägung als Umsetzungsakt der Vermiet-RL erfasst werden.1395 Dies gilt aus unionsrechtlicher Sicht erst recht für Bauwerke und Werke der angewandten Kunst sowie für 1390 So auch die Begründung des RegE zur Neufassung des § 17 UrhG, vgl. BT-Drucks. 13/115, S. 13. 1391 Reinbothe/v. Lewinski The EC Directive on Rental and Lending Rights, S. 37f.; v. Lewinski FS Loewenheim, S. 175, 185. 1392 LG München I GRUR-RR 2003, 301, 303; Reinbothe/v. Lewinski The EC Directive on Rental and Lending Rights, S. 37f.; Dreier/Hugenholtz-Krikke Concise, S. 283; v. Lewinski/Walter European Copyright, Rn. 5.4.31; dies. FS Loewenheim, S. 175, 185; Walter MR 2008, 202, 203f.; ders. MR 2008, 246; ders GRUR Int. 2016, 900, 903. 1393 SL-Loewenheim § 17 Rn. 65 und § 27 Rn. 17 mwN; WaBu-Heerma § 17 Rn. 43 mwN; Schack UrhR, Rn. 508. 1394 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zur Neufassung von § 17 UrhG und die entsprechende Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/115, S. 24. Zu den Folgewirkungen auf § 27 II UrhG vgl. Schack UrhR, Rn. 508. 1395 Siehe oben S. 200ff.

Verbreitungsrecht

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Präsenznutzungen, die nicht vom Anwendungsbereich der Vermiet-RL erfasst werden.1396 Entsprechend zeitigen die unionsrechtlichen Vorgaben in dieser Hinsicht für das deutsche Verbreitungsrecht keine maximalschützenden Folgen. 5.

Zusammenfassung

Art. 4 InfoSoc-RL erfüllt die methodischen Voraussetzungen für einen Maximalschutz. Offen und durch Vorlage an den EUGH zu klären ist allein die Abgrenzung seines Anwendungsbereichs gegenüber Art. 2 I lit. a Vermiet-RL. Nach hier vertretener Ansicht bezieht sich die Rechtsprechung des EUGH, nach der sich das Verbreitungsrecht lediglich auf »Eigentumsübertragungen« erstreckt, allein auf diese Abgrenzung. Der Rückgriff des EUGH auf den WCT ist zwar unglücklich, da dieser lediglich einen Mindestschutz begründet,1397 dennoch lässt sich die Aussage des EUGH sinnvoll als Abgrenzungskriterium gegenüber der Vermiet-RL werten.1398 Die weitere Ausgestaltung des Verbreitungsrechts durch den EUGH passt in dieses Konzept. Art. 4 I InfoSoc-RL schützt danach eine Kette von Handlungen, die von einer »zu nichts verpflichtenden Werbung« über die »die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes« bis zur »Erfüllung durch die Lieferung an ein Mitglied der Öffentlichkeit« reicht.1399 Begrenzt wird das Verbreitungsrecht durch Art. 4 II InfoSoc-RL, der eine unionsweite Erschöpfung vorgibt, aber auf körperliche Verwertungsvorgänge beschränkt ist.1400 Da Art. 4 InfoSoc-RL vollharmonisierend ist, wirken diese Vorgaben auch maximalschützend. Für die deutsche Rechtslage ergeben sich gleichwohl nach hier vertretener Auffassung nicht zwangsläufig schutzbegrenzenden Folgen. Bei der Anwendung von § 17 I UrhG ist lediglich sorgfältig zu differenzieren, ob dieser in seiner Funktion als Umsetzung von Art. 4 I InfoSoc-RL oder aber von Art. 2 I lit. a Vermiet-RL betroffen ist.1401 Insbesondere sind Bauwerke und Werke der angewandten Kunst nicht von einem Maximalschutz betroffen, da sie vom Anwendungsbereich der Vermiet-RL ausgenommen sind.1402 Gleiches gilt für reine Präsenznutzungen.1403

1396 1397 1398 1399 1400 1401 1402 1403

Siehe oben S. 203ff. und S. 205f. Siehe oben S. 187f. Siehe oben S. 188ff. Siehe oben S. 194ff. Siehe oben S. 197f. Siehe oben S. 200ff. Siehe oben S. 203ff. Siehe oben S. 205f.

208

C.

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

Schranken

Schranken sind das »klassische« Instrument zur Berücksichtigung von Allgemein- und Individualinteressen, die einer unangemessenen Ausdehnung des Urheberschutzniveaus entgegenstehen.1404 Sie sind nicht etwa Ausnahmen von einem eigentlich umfassenderen Recht, sondern sie bestimmen unmittelbar den Schutzumfang des Urheberrechts.1405 Inhalt und Schranken des Urheberrechts sind deshalb zwei Seiten derselben Medaille.1406 Maximalschutzgrenzen entstehen im Bereich der Schranken deshalb durch europäische Vorgaben, die einen bestimmten Mindestumfang der jeweiligen Schranke zwingend vorschreiben. Die Mitgliedstaaten der EU sind in diesem Fall daran gehindert, ein höheres Schutzniveau vorzusehen. Mindestschranken stellen deshalb für das Urheberrecht einen Maximalschutz dar. Maximalvorgaben hinsichtlich des Inhalts von Schrankenbestimmungen sind demgegenüber aus urheberrechtlicher Sicht Ausdruck eines Mindestschutzes.1407 Die meisten urheberrechtlichen Richtlinien, die Rechte gewähren, enthalten auch Regelungen zu den »Ausnahmen und Beschränkungen« der »zustimmungsbedürftigen Handlungen«.1408 Für Computerprogramme sind Art. 5 und 6 Software-RL einschlägig.1409 Die dortigen Vorgaben sind zwingend1410 und damit insoweit auch maximalschützend, ihr abschließender Charakter ist aber umstritten.1411 Für Datenbankwerke finden sich Schranken in Art. 6 Datenbank-RL. Das Recht auf freien Zugang des rechtmäßigen Benutzers in Absatz 1 ist zwingend ausgestaltet, die Ausnahmen in Absatz 2 sind optional, aber abschließend.1412 Fakultativ sind weiterhin die Schranken in Art. 10 Vermiet-RL hinsichtlich des Schutzes der ausübenden Künstler, Tonträgerhersteller, Sendeun1404 Stieper Schranken, S. 7ff. mwN; Schack UrhR, Rn. 540ff.; Reschke Auslegung der Schranken, S. 17ff. 1405 Dreier GRUR Int. 2015, 648, 651. 1406 Schack UrhR, Rn. 512; ders. FS Schricker, S. 511; Stieper Schranken, S. 129ff. 1407 Siehe oben S. 23. 1408 Die Formulierung verdeutlicht, dass Schranken auch auf europäischer Ebene den Inhalt des Urheberrechts negativ festlegen, vgl. Stieper Schranken, S. 148. 1409 Umgesetzt in §§ 69d, 69e UrhG. 1410 Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 5.5.6; Dreier/Hugenholtz-Bently/YinHarn Concise, S. 257f.; Cook EU Intellectual Property Law, Rn. 3.136ff.; Poeppel Neuordnung, S. 483; Stieper Schranken, S. 148f. 1411 WaBu-Grützmacher § 69a Rn. 74 mwN; Dreier/Schulze § 44a Rn. 2 mwN; Poeppel Neuordnung, S. 487f. Ausführlich zum rechtlichen Charakter der deutschen Umsetzung Stieper Schranken, S. 109, 208ff. 1412 Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 9.6.21; Dreier/Hugenholtz Concise, S. 400; Cook EU Intellectual Property Law, Rn. 3.143ff.; Kleinemenke Fair Use, S. 427 mwN. Zum restriktiv zu handhabenden Auffangtatbestand des Art. 6 II lit. d Datenbank-RL vgl. Gaster Rechtsschutz von Datenbanken, Rn. 405ff.

Schranken

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ternehmen und Filmhersteller.1413 Zwingend ist wiederum die zeitliche Schranke1414 in Art. 1 Schutzdauer-RL,1415 der die urheberrechtliche Schutzfrist auf 70 Jahre p.m.a. festlegt und auf diese Weise mindest- und zugleich maximalschützend wirkt.1416 Werkartübergreifend harmonisierend wirken nur die Schranken in Art. 5 InfoSoc-RL. Auf sie soll der Blick im Folgenden gerichtet werden. Art. 5 InfoSoc-RL listet in den Absätzen 1–3 einen Katalog von 20 Schranken auf.1417 Davon ist jedoch nur die Schranke für vorübergehende Vervielfältigungen in Art. 5 I InfoSoc-RL zwingend ausgestaltet (unten I.). Alle übrigen Schranken sind ausdrücklich fakultativ geregelt. Die Mitgliedstaaten dürfen frei entscheiden, ob sie die genannten Ausnahmen oder Beschränkungen einführen oder nicht. Obwohl der fakultative Charakter einen Maximalschutz nicht nahelegt, erfordern gerade die Schranken in Art. 5 II, III InfoSoc-RL eine genauere Untersuchung (unten II.). Nur eines abschließenden Blickes bedarf schließlich der Dreistufentest des Art. 5 V InfoSoc-RL (unten III.).

I.

Vorübergehende Vervielfältigungen – die zwingende Schranke der InfoSoc-RL

Art. 5 I InfoSoc-RL nimmt als Ausgleich für das weit gefasste europäische Vervielfältigungsrecht unter bestimmten Voraussetzungen vorübergehende Vervielfältigungshandlungen vom Verbotsrecht des Urhebers aus und stellt so die Technologieneutralität der schlichten Werknutzung sicher. Vervielfältigungen, die lediglich wegen des technischen Fortschritts notwendig geworden sind, aber keine intensivere Werknutzung darstellen, soll der Urheber nicht untersagen dürfen.1418 Zulässig sind »flüchtige oder begleitende« Vervielfältigungen, wenn sie »integraler Teil« eines technischen Verfahrens sind, »keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung« haben und im Zuge einer bloßen Durchleitung (lit. a) oder einer rechtmäßigen Nutzung (lit. b) vorgenommen werden. Wie in den meisten anderen Mitgliedstaaten hat auch der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben des Art. 5 I InfoSoc-RL in § 44a UrhG beinahe wörtlich 1413 1414 1415 1416 1417

Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 6.10.1; Kleinemenke Fair Use, S. 426. Schack UrhR, Rn. 514ff. Siehe oben Fn. 546. Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 8.0.3. Zählt man die Generalklausel des Art. 5 III lit. o InfoSoc-RL als eigene Schranke, dann sind es 21 Schrankentatbestände, vgl. Dreier/Schulze vor § 44a Rn. 5. 1418 Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 11.5.15; Dreier/Schulze § 44a Rn. 1; Stieper ZGE 2012, 443, 445; Eichelberger K& R 2012, 393, 395; Wagner GRUR 2016, 874, 877; vgl. auch Schack UrhR, Rn. 412, 420.

210

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

übernommen.1419 Diese Vorgehensweise war sinnvoll, denn Art. 5 I InfoSoc-RL lässt den Mitgliedstaaten kaum einen Umsetzungsspielraum. Die Schranke ist nicht nur zwingend vorgegeben, sondern lässt durch ihre detaillierte Ausgestaltung eine abschließende Interessenabwägung des europäischen Gesetzgebers erkennen. Sie ist deshalb als vollharmonisierend einzustufen, auf europäischer Ebene zu konkretisieren1420 und wirkt folglich maximalschützend. Es ist deshalb nicht zulässig, die Schranke für vorübergehende Vervielfältigungen gegenüber den europäischen Vorgaben enger auszugestalten und den Urhebern ein weiter reichendes Vervielfältigungsrecht zu gewähren. Inhaltlich ist die Auslegung durch den EUGH maßgeblich. In dessen Rechtsprechung zu Art. 5 I InfoSoc-RL zeichnet sich mittlerweile ein kohärentes System ab.1421 Dabei hat sich der EUGH von dem vermeintlichen Gebot1422 einer engen Auslegung urheberrechtlicher Schranken1423 gelöst und lässt sich zusätzlich vom Grundsatz der »praktischen Wirksamkeit« und der Notwendigkeit eines »angemessenen Rechts- und Interessenausgleichs« leiten.1424 Es überrascht daher nicht, dass der Gerichtshof die Privilegierung des Art. 5 I InfoSoc-RL aus Nutzersicht vergleichsweise robust ausgestaltet hat.1425 Eine umfassende Darstellung1426 ist hier entbehrlich. Exemplarisch soll aber die Haltung des EUGH zum Merkmal der »rechtmäßigen Nutzung« in Art. 5 I lit. b InfoSoc-RL hervorgehoben werden. Neben Nutzungen, die durch die Einwilligung des Urhebers oder andere Schranken1427 gedeckt sind, betrachtet der EUGH auch solche Nutzungen als rechtmäßig, die von den Verwertungsrechten des Urhebers überhaupt nicht erfasst werden.1428 Dies gilt

1419 Janssens in: Derclaye Research Handbook, S. 317, 330; Einzelnachweise bei Walter/v. Lewinski European Copyright Law, S. 1100ff. 1420 FN-Dustmann § 44a Rn. 3; Roder Methodik des EuGH, S. 449; vgl. allgemein oben S. 108ff. und S. 111ff. 1421 Stieper ZGE 2012, 443, 446. 1422 Ausführlich und kritisch Stieper Schranken, S. 65ff.; Raue FS Nordemann, S. 326ff. 1423 In diese Richtung noch EUGH Rs. C-5/08, EU:C:2009:465 = GRUR 2009, 1041, Tz. 56f. – Infopaq I; EUGHRs. C-302/10, EU:C:2012:16 = GRUR Int. 2012, 336, Tz. 27 – Infopaq II; vgl. für Art. 5 II lit. b auch EUGH Rs. C-277/10, EU:C:2012:65 = GRUR 2012, 489, Tz. 101 – Luksan. 1424 EUGH Rs. C-403/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 163ff. – FAPL und Murphy ; EUGH Rs. C-145/10, EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 132ff. – Painer. 1425 Stieper ZGE 2012, 443, 445. 1426 Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 11.5.12ff.; Dreier/Hugenholtz-Bechtold Concise, S. 456ff.; Poeppel Neuordnung, S. 441ff., 463ff.; Dreier/Schulze § 44a Rn. 4ff. 1427 Dreier/Schulze § 44a Rn. 8; HK-Dreyer § 44a Rn. 12ff. mwN; Poeppel Neuordnung, S. 443, a. A. KG GRUR-RR 2004, 228, 231; Busch GRUR 2011, 496, 502; ähnlich WaBu-v. Welser § 44a Rn. 20; vgl. hierzu wiederum Stieper MMR 2012, 12, 15; ders. AfP 2010, 217, 220; Eichelberger K& R 2012, 393, 396. 1428 EUGH Rs. C-403/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 171 – FAPL und Murphy ; vgl.

Schranken

211

ausdrücklich für den privaten Werkgenuss durch »bloßen Empfang einer Sendung«, da die »Erfassung ihres Signals und ihre visuelle Darstellung im privaten Kreis« keine »durch die Regelungen der Union« oder nationale Vorschriften beschränkte Handlung darstelle.1429 Diese Wertung lässt sich ohne Schwierigkeiten auf das Streaming urheberschutzfähiger Werke übertragen.1430 Fraglich und auch vom EUGH bisher nicht ausdrücklich entschieden1431 ist dagegen das Streamen eines rechtswidrigen Uploads, insbesondere wenn dieser wie im Fall von »kinox.to« offensichtlich ohne Zustimmung der Rechteinhaber bereitgestellt wird.1432 Bedenkt man, dass der EUGH zentral auf die Handlung des Nutzers abstellt, der sich auf die Schranke in Art. 5 I InfoSoc-RL beruft, scheint die Rechtswidrigkeit der vorgelagerten Handlungen Dritter außer Betracht bleiben zu sollen.1433 Da es für den reinen Werkgenuss nicht auf die Rechtmäßigkeit des herangezogenen Werkexemplars ankommt, würde eine solche Auslegung dem Schutzzweck der Schranke entsprechen.1434 Sollte der EUGH sich dem anschließen, würde dies zu einer inhaltlichen Erweiterung der maximalschützenden Vorgaben von Art. 5 I InfoSoc-RL führen.

II.

Die fakultativen Schranken der InfoSoc-RL

Die Schrankenkataloge in Art. 5 II, III InfoSoc-RL scheinen mit ihren 19 Ausnahmetatbeständen und der Generalklausel des Art. 5 III lit. o InfoSoc-RL nach dem Motto »Schranken aller Länder vereinigt euch«1435 zusammengestellt worden zu sein. Angesichts der mühevollen Entstehungsgeschichte1436 der An-

1429

1430 1431

1432 1433 1434 1435 1436

auch Erwgr. 33 InfoSoc-RL sowie Leistner JZ 2011, 1140, 1145f.; Stieper MMR 2011, 825, 827. EUGH aaO, Tz. 171 – FAPL und Murphy. In diesem Fall war die Vorlagefrage insoweit aber hypothetisch, da es um den Empfang und anschließende Wiedergabe durch eine Gastwirtin ging; vgl. Leistner JZ 2011, 1140, 1145 sowie zum Recht der öffentlichen Wiedergabe oben S. 162ff. Stieper MMR 2012, 12, 15; Wagner GRUR 2016, 874, 878. Zuletzt offen gelassen von EUGH Rs. C-314/12, EU:C:2014:192 = GRUR 2014, 468 – UPC Telekabel Wien; EUGH Rs. C-360/13, EU:C:2014:1195 = GRUR 2014, 654 – Public Relations Consultants Association; hierzu Solmecke MMR 2014, 544; Niemann/Otto K& R 2014, 511, 512. Dreier/Schulze § 44a Rn. 8. AG Potsdam ZUM-RD 2014, 587; FN-Dustmann § 44a Rn. 18; Dreier/Schulze § 44a Rn. 8 mwN; Stieper MMR 2012, 12, 15; a. A. Leistner JZ 2011, 1140, 1145f.; Roder Methodik des EuGH, S. 453. Eichelberger K& R 2012, 393, 396; Wagner GRUR 2016, 874, 878; a. A. Radmann ZUM 2010, 387, 391; Busch GRUR 2011, 496, 502. Schack AfP 2003, 1, 4. Hoeren MMR 2000, 515, 521; Bayreuther ZUM 2001, 828, 829; Schippan ZUM 2001, 116ff.

212

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

sammlung dürfte diese Einschätzung zutreffen.1437 Art. 5 InfoSoc-RL untergliedert die fakultativen Schranken nach dem jeweils betroffenen Verwertungsrecht. Während die Schranken des Absatzes 2 das Vervielfältigungsrecht betreffen, gelten die Schranken des Absatzes 3 auch für das Recht der öffentlichen Wiedergabe. Nach Absatz 4 können die Mitgliedstaaten Schrankenregelungen, die sie für das Vervielfältigungsrecht vorgesehen haben, für das Verbreitungsrecht übernehmen. Auf die inhaltlichen Vorgaben der einzelnen Schrankentatbestände kann hier nicht ausführlich eingegangen werden. Stattdessen sollen die fakultativen Schranken insgesamt in methodischer Hinsicht1438 auf die Möglichkeit eines Maximalschutzes untersucht werden (unten 1.). Nur exemplarisch soll daneben auf die inhaltlich schutzbegrenzende Wirkung der Parodie-Schranke des Art. 5 III lit. k InfoSoc-RL eingegangen werden (unten 2.). 1.

Methodischer Rahmen

Methodisch ist ein Maximalschutz im eigentlichen Sinne1439 durch fakultative Schrankenbestimmungen nicht möglich. Vorgaben, deren Einführung ausdrücklich in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt ist, können auf europäischer Ebene keine zwingenden Schutzobergrenzen begründen.1440 Allerdings sind die Schrankenkataloge in Art. 5 II, III InfoSoc-RL abschließend1441 und enthalten alle Schrankentatbestände von gegenwärtiger gesellschaftlicher und rechtspolitischer Relevanz. Neue Schranken werden zumindest über die Generalklausel in Art. 5 III lit. o InfoSoc-RL erfasst. Die Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten im Bereich der Schrankengesetzgebung ist deshalb trotz der fakultativen Ausgestaltung unter zwei Gesichtspunkten nicht unerheblich eingeschränkt: Aus dem abschließenden Charakter der Schrankenkataloge folgt erstens, dass die Mitgliedstaaten jede ihrer Maßnahmen im Bereich der urheberrechtlichen Schranken an den Vorgaben der InfoSoc-RL messen lassen müssen. Berücksichtigt man berechtigte gesellschaftliche Erwartungen1442 und grundrechtliche Vorgaben,1443 so ist die Einführungsfreiheit in vielen Fällen faktisch begrenzt. 1437 Dreier/Schulze vor § 44a Rn. 5; Stieper ZGE 2012, 443f. Kritisch zu den Auswirkungen auf den Harmonisierungserfolg Schack ZGE 2009, 275, 278; Guibault JIPITEC 2010, 55ff. 1438 Zum methodischen Rahmen siehe oben S. 103ff. 1439 Siehe oben S. 22ff. 1440 Siehe oben S. 109f. und S. 125f. 1441 Vgl. Erwgr. 32 InfoSoc-RL: »erschöpfend aufgeführt«. 1442 Etwa hinsichtlich der Regelung einer Privatkopieschranke, vgl. Art. 5 II lit. b InfoSoc-RL. 1443 Dies gilt insbesondere für die Schranken in Art. 5 III lit. c (Berichterstattung über Tagesereignisse), lit. d (Zitatfreiheit) und lit. k (Parodie) InfoSoc-RL, welche die Meinungs-

Schranken

213

Die von der Richtlinie vorgegebene inhaltliche Reichweite der fakultativen Schranken ist dann kaum weniger wichtig, als sie es bei einer zwingenden Ausgestaltung wäre. Insbesondere hat der Richtliniengesetzgeber eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe verwendet, die Anknüpfungspunkte für eine harmonisierende Rechtsprechung des EUGH bieten.1444 Ausgehend von den nicht vollständig deckungsgleichen Standpunkten des BGH und des EUGH (unten a und b), sind die Vorgaben in Art. 5 II, III InfoSoc-RL deshalb in den oben entwickelten methodischen Rahmen1445 einzuordnen (unten c). Zweitens weisen einige der fraglichen Schranken einen so starken Grundrechtsbezug auf, dass ihre Einführung zumindest durch die nationalen Verfassungen der Mitgliedstaaten geboten sein dürfte.1446 Da sich Schrankenregelungen aber zwangsläufig im unionsrechtlich harmonisierten Bereich bewegen, wirft dieser Befund die Frage nach der Bedeutung der Grundrechtecharta auf (unten d). a) Verständnis des BGH Der BGH hat den Vorgaben von Art. 5 II, III InfoSoc-RL verglichen mit seiner Rechtsprechung zu den Verwertungsrechten lange Zeit keine wesentliche Bedeutung zuerkannt.1447 Ausnahmen und Beschränkungen dürften zwar nicht über das hinausgehen, was nach den einzelnen Bestimmungen des Art. 5 II, III InfoSoc-RL zulässig ist, »angesichts der fakultativen Ausgestaltung der Bestimmungen und angesichts der Möglichkeit, eine Beschränkung statt einer Ausnahme einzuführen,« sei »eine hinter dem Zulässigen zurückbleibende Maßnahme hingegen richtlinienkonform«.1448 Mit diesem Erst-recht-Schluss legt der BGH die Schranken der InfoSoc-RL mindestharmonisierend aus und wählt hierfür ausschließlich die Perspektive des urheberrechtlichen Schutzes.1449 Die fakultativen Schranken der InfoSoc-RL geben nach diesem Verständnis einen Rahmen vor, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten frei über eine Beschränkung des Urheberrechts entscheiden können. Erst jenseits dieses Rahmens beginnt der Schutzbereich, der den Urhebern

1444 1445 1446 1447 1448

1449

und Pressefreiheit schützen; ausführlich Poeppel Neuordnung, S. 131ff.; Stieper Schranken S. 42ff. Grünberger ZUM 2015, 273, 285; ders./Podszun GPR 2015, 11, 18. Siehe oben S. 103ff. Vgl. soeben Fn. 1443. Vgl. nur die auf Art. 101 I S. 2 GG gestützte erfolgreiche Verfassungsbeschwerde BVerfG GRUR 2010, 999 – Drucker und Plotter. BGH ZUM-RD 2014, 11, Tz. 42 – Gesamtvertrag Hochschul-Intranet; BGH GRUR 2014, 549, Tz. 61 – Meilensteine der Psychologie; jeweils unter Berufung auf GA Sharpston Schlussanträge vom 24. 1. 2013, verb. Rs. C-457/11, C-458/11, C-459/11 und C-460/11, EU:C:2013:34 – VG Wort. Vgl. zur Perspektive einer Mindestharmonisierung oben S. 109f.

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im Sinne eines Mindestschutzes vorbehalten sein soll. Von einem ähnlichen Verständnis scheint auch das BVerfG auszugehen, wenn es eine Vorlage an den EUGH für entbehrlich hält, solange eine Verwertungshandlung schon nach deutschem Recht als zustimmungsbedürftig einzuschätzen ist.1450 Dieser Standpunkt der deutschen Obergerichte ist nach der in den letzten Jahren vermehrt auch zu den Schranken der InfoSoc-RL ergangenen Rechtsprechung des EUGH so nicht mehr haltbar,1451 was allerdings auch der BGH erkannt zu haben scheint.1452 b) Rechtsprechungslinien des EUGH Vorlagen nach Art. 267 AEUV zur Auslegung der in Art. 5 II, III InfoSoc-RL aufgeführten Schranken haben den EUGH erst in letzter Zeit vermehrt erreicht. Dies mag an der offenen Formulierung vieler Schrankentatbestände und an Beharrungstendenzen der nationalen Gerichte liegen.1453 In den letzten Jahren haben die Vorlagen aber zugenommen,1454 so dass sich mittlerweile Rechtsprechungslinien des EUGH erkennen lassen. aa) Kohärenzgebot und Harmonisierungszweck Zentraler Anknüpfungspunkt für den Zugriff auf die inhaltliche Ausgestaltung der Schrankentatbestände ist für den EUGH Erwgr. 32 der InfoSoc-RL. Danach sollen die Mitgliedstaaten die »Ausnahmen und Beschränkungen in kohärenter Weise anwenden«, was »bei der zukünftigen Überprüfung der Umsetzungsvorschriften besonders berücksichtigt« werden soll. In Kombination mit dem angestrebten Ziel, die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes sicherzustellen, greift der EUGH so auf die ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffe des Art. 5 II, III InfoSoc-RL zu und konkretisiert ihre Vorgaben für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten. So geschehen für die Begriffe »mit eigenen Mitteln« in Art. 5 II lit. d InfoSoc RL1455 und »Parodie« in Sinne von Art. 5 III lit. k InfoSoc-RL.1456 In ähnlicher Weise hat der EUGH festgestellt, dass es für ein Zitat iSv Art. 5 III lit. d InfoSoc-RL nicht auf die Schutzfähigkeit des zitierenden »Werkes« ankommt1457 und dass Privatkopien nach Art. 5 III lit. b 1450 BVerfG GRUR 2010, 999, Tz. 59 – Drucker und Plotter ; Stieper ZGE 2012, 443, 448. 1451 Kritisch Grünberger ZUM 2015, 273, 285; ders./Podszun GPR 2015, 11, 18. 1452 Vgl. nur die vollständige Übernahme der EUGH-Rechtsprechung zur Parodie, BGH GRUR 2016, 1157, Tz. 28, 34 – auf fett getrimmt; hierzu sogleich unten S. 222ff.; BGH Urt. v. 27. 04. 2017, I ZR 247/15, Tz. 26 – AIDA Kussmund. 1453 Stieper ZGE 2012, 443, 447. 1454 Griffiths in: Stamatoudi/Torremans EU Copyright Law, Rn. 20.31ff. 1455 EUGH Rs. C-510/10, EU:C:2012:244 = GRUR 2012, 810, Tz. 35 – TV2 Danmark. 1456 EUGH Rs. C-201/13, EU:C:2014:2132 = GRUR 2014, 972, Tz. 16 – Deckmyn; vgl. hierzu sogleich S. 222ff. 1457 EUGH Rs. C-145/10, EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 130 – Painer.

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InfoSoc-RL nur auf Grundlage einer rechtmäßigen Quelle angefertigt werden dürfen.1458 Allerdings beschränkt sich der EUGH auf die Konkretisierung der vorhandenen Vorgaben und verweist im Übrigen auf die Ermessensspielräume der Mitgliedstaaten.1459 So fehlten ihm etwa für den Begriff der »öffentlichen Sicherheit« in Art. 5 III lit. e InfoSoc-RL »hinreichend genaue Kriterien«.1460 Von seinem Ansatzpunkt aus ist das konsequent, da eine andere Auslegung das Gebot der kohärenten Anwendung wohl überstrapazieren würde. Insbesondere auf der Rechtsfolgenseite der Schranken, die mit »Ausnahmen und Beschränkungen« denkbar abstrakt umschrieben ist, ist der Gerichtshof bisher noch nicht konkretisierend tätig geworden.1461 Der EUGH hat sich mit dieser Vorgehensweise ein flexibles Instrument geschaffen, mit dem er die Freiheiten der Mitgliedstaaten im Ergebnis darauf beschränkt, sich für oder gegen die Einführung eines Schrankentatbestandes zu entscheiden. Dagegen versagt er ihnen die Kompetenz zur inhaltlichen Ausgestaltung. Insbesondere können die Mitgliedstaaten die Reichweite der Schrankentatbestände nicht durch zusätzliche Tatbestandsmerkmale beschränken.1462 Die Entscheidung darüber, »welche Sachverhalte im Einzelnen von der Privilegierung erfasst werden«, liegt nach dieser Rechtsprechung beim EUGH.1463 bb) Zweckentsprechende Auslegung Zur ständigen Rechtsprechung des EUGH im Bereich der Schranken gehört mittlerweile der Grundsatz der immer noch engen,1464 aber zweckentsprechenden Auslegung.1465 Anknüpfungspunkt dieser Rechtsprechung ist Erwgr. 31

1458 EUGH Rs. C-435/12, EU:C:2014:254 = GRUR 2014, 546, Tz. 34ff. – ACI Adam. 1459 EUGH Rs. C-145/10, EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 100ff. – Painer; EUGH Rs. C-462/09, EU:C:2011:397 = GRUR 2011, 909, Tz. 23 – Stichting de Thuiskopie; EUGH Rs. C-521/11, EU:C:2013:515 = GRUR 2013, 1025, Tz. 20ff. – Amazon.com. 1460 EUGH aaO, Tz. 103 – Painer. 1461 EUGH Rs. C-457/11, EU:C:2013:426 = GRUR 2013, 812, Tz. 33ff. – VG Wort. 1462 v. Ungern-Sternberg GRUR 2014, 209, 213. 1463 Stieper ZGE 2012, 443, 448; Grünberger ZUM 2015, 273, 285; ders./Podszun GPR 2015, 11, 18; Dreier GRUR Int. 2015, 648, 649. Ähnlich verhält sich der EUGH zum fakultativen Schutz bekannter Marken in Art. 5 II Marken-RL (RL 2008/95/EG), vgl. EUGH Rs. C-408/ 01, EU:C:2003:582 = GRUR 2004, 58, Tz. 20 – Adidas/Fitnessworld;EUGH Rs. C-65/12, EU:C:2014:49 = GRUR 2014, 280, Tz. 34 – De Vries/Red Bull; kritisch Ströbele/Hacker § 14 Rn. 295. 1464 EUGH Rs. C-5/08, EU:C:2009:465 = GRUR 2009, 1041, Tz. 56f. – Infopaq I; EUGH Rs. C-302/10, EU:C:2012:16 = GRUR Int. 2012, 336, Tz. 27 – Infopaq II; EUGH Rs. C-277/ 10, EU:C:2012:65 = GRUR 2012, 489, Tz. 101 – Luksan; EUGH Rs. C-435/12, EU:C:2014:254 = GRUR 2014, 546, Tz. 22 – ACI Adam; kritisch Stieper ZGE 2012, 443, 444f.; Metzger in: Leistner Europäische Perspektiven, S. 101, 110ff. 1465 EUGH Rs. C-403/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 163ff. – FAPL und Murphy ; EUGH Rs. C-145/10, EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 132ff. – Painer; EUGH

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InfoSoc-RL, wonach sich der Grad der Harmonisierung der Schranken nach »ihrer Wirkung auf die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes« bestimmt und gleichzeitig ein angemessener Interessenausgleich zwischen den Rechteinhabern und Nutzern hergestellt werden soll.1466 Der EUGH wählt damit den interpretatorischen Ansatz, der den Binnenmarkt fördert und untermauert zugleich seinen Anspruch auf die inhaltliche Ausgestaltung der Vorgaben der unionsrechtlichen Schranken.1467 cc) Allgemeine Grundsätze und die Grundrechtecharta Schließlich hat der EUGH festgestellt, dass den Umsetzungsspielräumen durch die allgemeinen Grundsätze – namentlichen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit – Grenzen gesetzt sind.1468 Dies folgt aus den stets zu beachtenden primärrechtlichen Vorgaben.1469 Hinzugekommen ist zuletzt die Einbeziehung der Grundrechtecharta in die Auslegung der Schranken. Der EUGH war hier lange Zeit zurückhaltend.1470 Die Parodie-Schranke des Art. 5 III lit. k InfoSoc-RL hat er indes im Lichte der europäischen Grundrechte ausgelegt.1471 Dabei hat er sich zwar auf allgemeine Hinweise beschränkt, auf mögliche Folgewirkungen, die sich aus der Anwendung der Unionsgrundrechte auf den fakultativen Schrankenkatalog der InfoSoc-RL ergeben könnten, wird aber noch einzugehen sein.1472 c) Einordnung und Bewertung Die Ansichten des BGH und des EUGH zur inhaltlichen Reichweite der unionsrechtlichen Schrankenkataloge sind demnach nicht vollständig deckungsgleich. Der BGH geht von einer Mindestharmonisierung aus, die der Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten lediglich einen äußeren Rahmen vorgibt und ein höheres Urheberschutzniveau zulässt. Der EUGH hingegen füllt die vorhandenen inhaltlichen Vorgaben über das Instrument der kohärenten und zweckentsprechenden Interpretation, das er aus den Erwägungsgründen 31 und 32 InfoSoc-RL zieht, inhaltlich aus und erlaubt den Mitgliedstaaten keine Ab-

1466 1467 1468 1469 1470 1471 1472

Rs. C-201/13, EU:C:2014:2132 = GRUR 2014, 972, Tz. 19ff. – Deckmyn; EUGH Rs. C-117/ 13, EU:C:2014:2196 = GRUR 2014, 1078, Tz. 31 – TU Darmstadt. EUGH Rs. C-403/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 163 – FAPL und Murphy ; EUGH Rs. C-201/13, EU:C:2014:2132 = GRUR 2014, 972, Tz. 23 – Deckmyn. Grünberger ZUM 2015, 273, 287. EUGH Rs. C-145/10, EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 104ff. – Painer. Siehe oben S. 129ff. Stieper ZGE 2012, 443, 450. EUGH Rs. C-201/13, EU:C:2014:2132 = GRUR 2014, 972, Tz. 27, 30f. – Deckmyn; vgl. hierzu sogleich S. 222ff. Siehe hierzu unten S. 221f.

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weichung zugunsten eines ausgedehnteren urheberrechtlichen Schutzes.1473 Letzteren bleibt danach nur noch die Entscheidung, ob sie eine entsprechende Schranke einführen.1474 Am ehesten erfassen lässt sich dieses Verständnis als fakultative Vollharmonisierung mit hoher Konkretisierungstiefe. aa) Abschließende Regelung des Anwendungsbereichs Aus der abschließenden Aufzählung der zulässigen urheberrechtlichen Schranken in Art. 5 InfoSoc-RL folgt zugleich ein umfassender Anwendungsbereich. Spätestens über die Auffangklausel des Art. 5 III lit. o erfasst die InfoSoc-RL alle denkbaren Sachverhalte und Rechtsfolgen urheberrechtlicher Schranken. Zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem Anwendungsbereich unionsrechtlicher Vorgaben und Gestaltungsspielräumen der Mitgliedstaaten kann es deshalb, anders als im Bereich der Verwertungsrechte, nicht kommen.1475 Notwendig könnte allenfalls eine Abgrenzung der Anwendungsbereiche einzelner Schranken untereinander werden, Gestaltungsspielräume der Mitgliedstaaten ergeben sich unter diesem Gesichtspunkt aber nicht. bb) Harmonisierungsintensität Die Harmonisierungsintensität entscheidet darüber, ob eine Richtlinienregelung innerhalb ihres Anwendungsbereichs Abweichungen zugunsten eines höheren Schutzniveaus zulässt. Die Einstufung zwischen mindest- und vollharmonisierend erfolgt wesentlich nach dem Zweck einer Richtlinienregelung. Entscheidend ist, ob bereits auf unionsrechtlicher Ebene eine abschließende Interessenabwägung stattgefunden hat.1476 Wenn der BGH davon ausgeht, dass »eine hinter dem Zulässigen zurückbleibende Maßnahme« richtlinienkonform sei,1477 betont er – ohne dies deutlich auszusprechen – das durch die InfoSoc-RL angestrebte Ziel eines hohen Urheberschutzniveaus.1478 Legt man diese Sicht zugrunde, könnte sich die InfoSoc-RL tatsächlich damit begnügen, einen Maximalrahmen für die Begrenzung des Urheberrechts durch Schranken vorzusehen.1479 Aus urheberrechtlicher Perspektive wären die Schranken dann als mindestharmonisierend einzustufen.1480 1473 Siehe oben S. 213 bzw. S. 214ff. 1474 Dreier GRUR Int. 2015, 648, 649. 1475 Vgl. allgemein zur Bedeutung des Anwendungsbereichs einzelner Richtlinienregelungen oben S. 104ff. und speziell zu Art. 4 InfoSoc-RL oben S. 188ff. 1476 Siehe oben S. 108ff. 1477 BGH ZUM-RD 2014, 11, Tz. 42 – Gesamtvertrag Hochschul-Intranet; vgl. schon oben S. 213. 1478 Vgl. Erwgr. 4, 9 InfoSoc-RL. 1479 Poeppel Neuordnung, S. 125. 1480 So auch Walter/v. Lewinski European Copyright Law, Rn. 11.5.9; Stieper ZGE 2012, 443, 448; Walter MR 2012, 81, 83; vgl. auch Roder Methodik des EuGH, S. 472.

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Hierfür spricht, dass die Auflistung der Schranken »den unterschiedlichen Rechtstraditionen in den Mitgliedstaaten Rechnung« tragen soll.1481 Eine geringe Harmonisierungsintensität lässt allerdings die Möglichkeit außer Betracht, dass die Schranken der InfoSoc-RL nicht nur der Gewährleistung eines urheberrechtlichen Mindestschutzniveaus dienen, sondern zugleich bestimmte Allgemein- oder Individualinteressen schützen sollen. Dies ist sogar die eigentliche Aufgabe urheberrechtlicher Schranken.1482 In diese Richtung weist Erwgr. 31, wonach ein angemessener Rechts- und Interessenausgleich zwischen Rechtsinhabern und Nutzern hergestellt werden muss. Dieser Ansatz scheint auf eine abschließende Abwägung der betroffenen Interessen und damit auf einen vollharmonisierenden Charakter hinzudeuten.1483 Dennoch ist dem BGH zuzustimmen, wenn er den fakultativen Charakter der Schranken des Art. 5 II, III InfoSoc-RL hervorhebt.1484 Hätte der Unionsgesetzgeber eine abschließende Interessenabwägung vornehmen wollen, hätte er zumindest die Schranken mit starkem Grundrechtsbezug nicht optional regeln dürfen. Wer etwa den Interessenausgleich zwischen dem Urheberrecht und der Meinungsfreiheit abschließend vornehmen will, muss sowohl das Zitatrecht1485 als auch eine Parodieschranke zwingend vorsehen.1486 Eine entsprechende Wertung kann Art. 11 und 13 GRCh bzw. Art. 10 EMRK unterstellt werden.1487 Unter diesem Gesichtspunkt spricht die fakultative Ausgestaltung gegen das Bestehen einer abschließenden Interessenabwägung auf europäischer Ebene und zugleich dafür, dass den Mitgliedstaaten bei den fakultativen Schranken Abweichungsmöglichkeiten zugunsten eines höheren Schutzniveaus verbleiben. Der BGH lässt allerdings den dritten Zweck des Art. 5 InfoSoc-RL unberücksichtigt. Neben dem allgemein von der InfoSoc-RL angestrebten Ziel eines hohen Urheberschutzniveaus und dem Interessenausgleich zwischen Rechteinhabern und Nutzern dienen die Schrankenregelungen auch wesentlich der 1481 Vgl. Erwgr. 32 InfoSoc-RL. 1482 Dreier GRUR Int. 2015, 648, 650ff.; ausführlich Stieper Schranken, S. 5ff. 1483 Vgl. auch den Hinweis auf die freie Meinungsäußerung und das Gemeinwohl in Erwgr. 3 InfoSoc-RL, auf den auch der EUGH verweist, EUGH Rs. C-201/13, EU:C:2014: 2132 = GRUR 2014, 972, Tz. 25 – Deckmyn; allgemein zur Vollharmonisierung siehe oben S. 110ff. 1484 BGH ZUM-RD 2014, 11, Tz. 42 – Gesamtvertrag Hochschul-Intranet; BGH GRUR 2014, 549, Tz. 61 – Meilensteine der Psychologie. 1485 Dies gilt jedenfalls für Art. 5 I S. 1 GG, vgl. Schack FS Wadle, S. 1005, 1019 (»hochgradig grundrechtsrelevant«); Stieper Schranken, S. 48; vgl. auch EUGH Rs. C-145/10, EU:C: 2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 134f. – Painer. 1486 Vgl. zur Bedeutung der Parodie für die Meinungsfreiheit BGHZ 154, 260, 269 – Gies-Adler ; Schack UrhR, Rn. 279; ders. KuR, Rn. 361; Stieper Schranken, S. 52. Zur Einordnung zwischen Meinungs- und Kunstfreiheit vgl. BVerfGE 75, 369, 377. 1487 Vgl. auch Art. 6 EUV sowie zum europäischen Grundrechtsschutz oben S. 132ff. und zur Tragweite der Grundrechtecharta im Bereich der Schranken unten S. 221.

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Herstellung des Binnenmarktes. Diese Zielsetzung hat der Unionsgesetzgeber in den Erwägungsgründen 31 und 32 InfoSoc-RL deutlich verankert. Wenn sich der »Grad der Harmonisierung« nach der »Wirkung auf die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes« bestimmt1488 und die Anwendung der Schranken in »kohärenter Weise« erfolgen soll,1489 spricht dies gegen die freie Gestaltung der Schutzniveaus innerhalb eines gesteckten Rahmens.1490 Wenn der EUGH zunehmend aktiv auf die inhaltliche Harmonisierung der Schranken hinwirkt und dabei das Schutzniveau einheitlich festlegt,1491 kann er sich deshalb zu Recht auf die Erwägungsgründe 31 und 32 InfoSoc-RL und die Binnenmarktrelevanz der urheberrechtlichen Schranken stützen. Als negative Umschreibung des urheberrechtlichen Schutzbereiches ist eine uneinheitliche Handhabung der Schranken ebenso ungünstig für den gemeinsamen Binnenmarkt1492 wie die fehlende Harmonisierung des allgemeinen Werkbegriffs.1493 Schließlich ist eine Auslegung, nach der die Schranken des Art. 5 II, III InfoSoc-RL im Fall ihrer Umsetzung vollharmonisierend wirken und keine Abweichungen zugunsten eines höheren Urheberschutzniveaus zulassen, zukunftsorientiert und bereitet eine künftige umfassendere Harmonisierung der Schrankentatbestände bereits vor.1494 cc) Konkretisierungstiefe Aus diesem Befund folgt ebenso wenig wie aus der Rechtsprechung des EUGH, dass den Mitgliedstaaten inhaltlich überhaupt keine Umsetzungsspielräume verbleiben.1495 Es ist zwischen der grundsätzlichen Abweichungskompetenz der Mitgliedstaaten zugunsten eines höheren Schutzniveaus und der Konkretisierungstiefe der einzelnen Vorgaben zu differenzieren.1496 Hierbei ist zwischen den 1488 Vgl. Erwgr. 31 InfoSoc-RL a.E. 1489 Vgl. Erwgr. 32 InfoSoc-RL. 1490 So auch Dreier/Schulze Vor § 44a Rn. 5; v. Ungern-Sternberg GRUR 2014, 209, 213; Grünberger ZUM 2015, 273, 285ff.; ders./Podszun GPR 2015, 11, 18; Schack ZUM 2016, 266, 272; Raue GRUR Int. 2012, 402, 405. Vgl. auch Art. 5 Nr. 2 der RL-Begründung der Kommission, COM(97) 628 final, S. 28: »Member States will be free to choose to keep or introduce these exceptions at their national level. If they so choose, they must then meet the conditions spelled out in the directive.« 1491 Siehe oben S. 214f. 1492 Deutlich in Bezug auf die Harmonisierung der Schranken: Hilty GRUR 2005, 819: »im Grunde kläglich gescheitert«; vgl. auch Schack FS Schricker, S. 511, 512. 1493 Insoweit besteht hier ein Unterschied gegenüber der judikativen Harmonisierung des allgemeinen Werkbegriffs, für den es keine ausreichenden normativen Anhaltspunkte gibt, vgl. oben S. 154ff. 1494 Vgl. Mitteilung der Kommission vom 6. 5. 2015, Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa, KOM(2015) 192 endg. S. 8f. Auch Stieper GRUR 2015, 1145, 1149f., fordert eine unionsweite Vereinheitlichung der Schranken; ebenso bereits Peifer GRUR 2009, 22, 24. 1495 Vgl. insbesondere Fn. 1459. 1496 Siehe oben S. 111ff.

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einzelnen Schranken sowie den dort verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffen zu unterscheiden. Zuständig ist der EUGH. Denn die urheberrechtlichen Schranken sind vollständig und gleichermaßen binnenmarktrelevant1497 und unterliegen deshalb der Konkretisierung auf europäischer Ebene. Streiten kann man sich somit lediglich über den Detailgrad der europäischen Vorgaben im Einzelfall, nicht aber über die Kompetenz des EUGH, diese letztverbindlich festzulegen.1498 Die Schrankentatbestände in Art. 5 II, III InfoSoc-RL lassen sich diesbezüglich grob danach einteilen, ob die vorhandenen Vorgaben bereits den Detailgrad eines vollständigen Schrankentatbestandes erreichen oder ob es sich um bloße Prototypen handelt, die nur den abstrakten Zweck einer Schranke nennen.1499 Insbesondere den Schranken in Absatz 2 lit. a, b und d sowie in Absatz 3 lit. a bis d und f InfoSoc-RL lässt sich demnach eine eher weitreichende Konkretisierungstiefe unterstellen.1500 Gleiches gilt für das schrankenübergreifende Merkmal eines »gerechten Ausgleichs«, dem der Unionsgesetzgeber in den Erwägungsgründen besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat1501 und zu dem der EUGH bereits mehrfach Stellung bezogen hat.1502 Ähnlich geht der EUGH vor, wenn er eine weitergehende Konkretisierung nur bei entsprechenden Anhaltspunkten im Richtlinientext vornimmt.1503 Diese Vorgehensweise des EUGH überzeugt und entspricht den oben festgestellten Kriterien.1504 Letztlich können derartige Einteilungen aber immer nur erste Anhaltspunkte bieten. Ausschlaggebend ist letztlich, ob eine inhaltliche Ausgestaltung binnenmarktrelevant ist. Ist dies der Fall, ist grundsätzlich von einer weitreichenden Konkretisierungstiefe auszugehen.1505 Auch für den EUGH dürften im Zweifel die Auswirkungen auf den Binnenmarkt das ausschlaggebende Kriterium sein. So hat er unter Berufung auf seine Rechtsprechung zu 1497 A. A. Fischer Perspektiven, S. 370ff.; kritisch hierzu Schack UFITA 2015 I, 246, 249; wie hier auch Stieper GRUR 2015, 1145, 1149. 1498 Siehe oben S. 121ff. 1499 Roder Methodik des EuGH, S. 466; Hugenholtz/Senftleben Fair Use, S. 2; Rosati JIPLP Vol. 9 (2014), 585, 592. Hierzu passt auch die Entstehungsgeschichte des Schrankenkatalogs, dem viele Regelungen erst spät im Gesetzgebungsverfahren durch den Rat hinzugefügt wurden; vgl. Schippan ZUM 2001, 116ff. 1500 Vgl. auch Roder Methodik des EuGH, S. 466ff.; Rosati JIPLP 9 (2014), 585, 592f. mit jeweils leicht abweichenden Ergebnissen. 1501 Vgl. Erwgr. 35, 36, 38 InfoSoc-RL. 1502 EUGH Rs. C-467/08, EU:C:2010:620 = GRUR 2011, 50 – Padawan; EUGH Rs. C-435/12, EU:C:2014:254 = GRUR 2014, 546 – ACI Adam; EUGH Rs. C-463/12, EU:C:2015:144 = GRUR 2015, 478 – Copydan; EUGH Rs. C-572/13, EU:C:2015:750 = GRUR 2016, 55 – Reprobel. 1503 Siehe oben Fn. 1459. 1504 Siehe oben S. 121. 1505 Siehe oben S. 122.

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Erwgr. 32 auch zum unionsrechtlichen Begriff der Parodie Stellung bezogen,1506 obwohl die InfoSoc-RL zu dessen inhaltlicher Ausgestaltung keine weiteren Hinweise liefert. d) Die Bedeutung der europäischen Grundrechte Die Schranken der InfoSoc-RL verkörpern vielfältige grundrechtliche Wertungen.1507 Für die Auslegung sind die Grundrechte der GRCh heranzuziehen. Dies ist unstreitig, solange zwingende unionsrechtliche Vorgaben zu bestimmen sind.1508 Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Anwendbarkeit des unionsrechtlichen Grundrechtsschutzes sind das BVerfG und des EUGH unterschiedlicher Ansicht.1509 Betrachtet man mit dem EUGH die Grundrechtecharta immer dann als maßgeblich, wenn sich nationale Regelungen »im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts« bewegen oder eine »gemeinschaftsrechtlich geregelte Situation« betroffen ist,1510 so könnte dies für die fakultativen Schrankenkataloge in Art. 5 II, III InfoSoc-RL potentiell weitreichende Folgen haben. Deutlich wird dies insbesondere bei denjenigen fakultativen Schranken, die der Umsetzung zentraler Freiheitsgrundrechte dienen. Die urheberrechtlichen Schranken dürften wegen Art. 5 InfoSoc-RL zweifellos eine »gemeinschaftsrechtlich geregelte Situation« darstellen. Demnach wären nach der Rechtsprechung des EUGH nicht die nationalen Gewährleistungen der Meinungsfreiheit, sondern Art. 11 GRCh anwendbar. Zu dessen Anforderungen an das Urheberrecht hat sich der EUGH, soweit ersichtlich, bisher nicht geäußert. Es darf allerdings unterstellt werden, dass Art. 11 GRCh ähnlich wie Art. 5 I GG zwingend die Einführung einer Zitatschranke verlangt, da diese für eine effektive Umsetzung der Kommunikationsgrundrechte im Urheberrecht unerlässlich ist.1511 Demnach müsste der EUGH bei konsequenter Anwendung seiner Rechtsprechung feststellen, dass ein nationales Schrankenregime, das auf die Regelung einer Zitatschranke verzichtet, gegen Art. 11 GRCh verstößt. Weil der Gerichtshof bei der Interpretation der primärrechtlich verankerten Grundrechtecharta auch keine Rücksicht auf sekundärrechtliche Regelungen 1506 EUGH Rs. C-201/13, EU:C:2014:2132 = GRUR 2014, 972, Tz. 16 – Deckmyn; hierzu sogleich S. 223ff. 1507 Guibault u. a. Implementation Study, S. 65f. 1508 EUGH Rs. C-201/13, EU:C:2014:2132 = GRUR 2014, 972, Tz. 25 – Deckmyn. 1509 Siehe oben S. 133ff. 1510 EUGH Rs. C-260/89, EU:C:1991:254 = EuZW 1991, 507, Tz. 42 – ERT; EUGH Rs. C-617/10, EU:C:2013:105 = EuGRZ 2013, 124, Tz. 24–27 – Fransson; hierzu Jarras Charta Art. 51 GRCh Rn. 9; EUGH Rs. C-390/12, EU:C:2014:281 = EuZW 2014, 597, Tz. 31ff. – Pfleger. 1511 Vgl. Schack FS Wadle, S. 1005, 1019 (»hochgradig grundrechtsrelevant«); Stieper Schranken, S. 48.

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wie Art. 5 III lit. d InfoSoc-RL nehmen dürfte, wäre dessen fakultative Ausgestaltung primärrechtlich »overruled«. Solange es nicht zu einer Schwächung des materiellen Grundrechtsschutzes kommt, ist gegen dieses Ergebnis grundsätzlich nichts einzuwenden. Es verdeutlicht aber die methodischen Schwierigkeiten, auf die sich der EUGH mit seinem weitreichenden Verständnis des Anwendungsbereichs der Grundrechtecharta einlassen muss. Überdies wird dem Unionsgesetzgeber in grundrechtssensiblen Bereichen das Instrument einer fakultativen Harmonisierung genommen. Eine Entscheidung des EUGH zu dieser Problematik ist aber unwahrscheinlich. Denn einerseits müsste es hierfür zu einer gravierenden Fehlentwicklung einer nationalen Urheberrechtsordnung kommen, und andererseits ist die endgültige Haltung des EUGH zum Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte noch nicht vollständig ausgemacht.1512 e) Zwischenergebnis Damit lässt sich festhalten: Aus einem begrenzten Anwendungsbereich einzelner unionsrechtlicher Schranken ergibt sich für die Mitgliedstaaten kein Gestaltungsspielraum.1513 Die Ansicht des EUGH, der im Fall der Umsetzung einzelner Schranken keine Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten zugunsten eines höheren urheberrechtlichen Schutzniveaus sieht,1514 ist methodisch gut vertretbar.1515 Umsetzungsspielräume können sich aber unter dem Gesichtspunkt der Konkretisierungstiefe ergeben. Diese ist von Schranke zu Schranke unterschiedlich und wird auch vom EUGH differenziert gehandhabt.1516 Lässt man den fakultativen Charakter der Schranken in Art. 5 II, III InfoSoc-RL außer Betracht und berücksichtig grundrechtliche Vorgaben und gesellschaftliche Erwartungen, haben auch die Schrankenkataloge der InfoSoc-RL das Potential, zumindest faktisch maximalschützend zu wirken.1517 2.

Exemplarische Untersuchung der Parodieschranke, Art. 5 II lit. k InfoSoc-RL

Die meisten Urteile des EUGH zu Art. 5 II, III InfoSoc-RL sind in Bezug auf die Schranken des Art. 5 II lit. a und b (Reprografie und Privatkopie) und insbesondere zum Problemkreis des »gerechten Ausgleichs« ergangen.1518 Exempla1512 1513 1514 1515 1516 1517 1518

Siehe oben S. 133ff. Siehe oben S. 217. Siehe oben S. 214ff. Siehe oben S. 217ff. Siehe oben S. 219 sowie die Nachweise in Fn. 1459. Siehe auch oben S. 212ff. EUGH Rs. C-467/08, EU:C:2010:620 = GRUR 2011, 50 – Padawan; EUGH Rs. C-462/09,

Schranken

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risch lässt sich die Reichweite der Schrankenharmonisierung aber besser am Beispiel der Parodie-Schranke des Art. 5 III lit. k InfoSoc-RL verdeutlichen. a) EUGH – Deckmyn Gelegenheit zur Ausgestaltung des unionsrechtlichen Parodiebegriffes hatte der EUGH durch eine belgische Vorlage. Die Erben Willy Vandersteens, des Urhebers der in Belgien sehr bekannten Comic-Serie »Suske en Wiske«, hatten sich gegen die Umgestaltung und anschließende Verbreitung eines der Titelblätter durch ein Mitglied der als rechtspopulistisch und separatistisch eingestuften flämischen Partei »Vlaams Belang« zur Wehr gesetzt. Statt der unpolitischen Hauptfigur des Comics, die als »De Wile Weldoener«1519 auf einem Markplatz Geld an verschiedene Personen verteilte, ließ in dem streitgegenständlichen Kalender nun der Bürgermeister der Stadt Gent Münzen auf eine Ansammlung von verschleierten und schwarzen Menschen herabregnen.1520 Mit Blick auf Art. 5 III lit. k InfoSoc-RL wollte der Hof van beroep te Brussel erfragen, ob es sich bei der Parodie um einen eigenständigen Begriff des Unionsrechts handelt und wie dieser gegebenenfalls auszulegen ist. Der EUGH nahm ein autonomes Begriffsverständnis an1521 und hat der InfoSoc-RL einen sehr weit verstandenen Parodiebegriff zugrunde gelegt.1522 Die wesentlichen Merkmale einer Parodie bestünden nach »dem gewöhnlichen Sprachgebrauch«1523 darin, an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber auch Unterschiede aufzuweisen und in einem Ausdruck von Humor oder Verspottung.1524 Andere Merkmale seien der Richtlinie nicht zu entnehmen. Insbesondere soll es nicht auf einen »eigenen ursprünglichen Charakters« oder auf eine Befassung mit dem parodierten Werk selbst ankommen.1525 Ein engeres Verständnis der Parodie scheint dem EUGH zufolge mit Blick auf die praktische Wirksamkeit des Regelungsziels, zu dem die freie Meinungsäußerung und das

1519 1520 1521 1522 1523 1524 1525

EU:C:2011:397 = GRUR 2011, 909 – Stichting de Thuiskopie; EUGH Rs. C-277/10, EU:C:2012:65 = GRUR 2012, 489 – Luksan; EUGH Rs. C-457/11, EU:C:2013:426 = GRUR 2013, 812 – VG Wort; EUGH Rs. C-521/11, EU:C:2013:515 = GRUR 2013, 1025 – Amazon.com; EUGH Rs. C-435/12, EU:C:2014:254 = GRUR 2014, 546 – ACI Adam; EUGH Rs. C-463/12, EU:C:2015:144 = GRUR 2015, 478 – Copydan; EUGH Rs. C-572/13, EU:C:2015:750 = GRUR 2016, 55– Reprobel; vgl. auch Stieper EuZW 2013, 699ff.; Koch/ Druschel GRUR 2015 957ff.; Schack JZ 2016, 693ff.; Riesenhuber EuZW 2016, 16ff.; Hildebrand ZUM 2017, 16ff. »Der wilde Wohltäter«. EUGH Rs. C-201/13, EU:C:2014:2132 = GRUR 2014, 972 – Deckmyn. EUGH aaO, Tz. 14ff. – Deckmyn. Peifer jurisPR-WettbR 2/2015 Anm. 1 unter C. Hierzu kritisch Riesenhuber LMK 2014, 363019; Peifer jurisPR-WettbR 2/2015 Anm. 1 unter C.; Haedicke GRUR Int. 2015, 664, 667f. EUGH aaO, Tz. 20 – Deckmyn. EUGH aaO, Tz. 21 – Deckmyn.

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Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

Gemeinwohl gehören, auch nicht angebracht zu sein.1526 Da ein Rückgriff auf den »gewöhnlichen Sprachgebrauch« die abzuwägenden Interessen allerdings nicht offenzulegen vermag, knüpft der EUGH an das angestrebte Ziel eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen Rechteinhabern und Nutzern1527 eine ergänzende offene Interessenabwägung.1528 Diese soll durch die nationalen Gerichte im Einzelfall vorgenommen werden. Für den vorgelegten Fall weist der Gerichtshof auf die besondere Bedeutung des in Art. 21 GRCh verankerten Diskriminierungsverbots hin.1529 Eine abstrakte Gewichtung, die als Maßstab für die nationalen Gerichte hilfreich gewesen wäre, nimmt er dagegen nicht vor.1530 b) Bewertung Dieser Ansatz des EUGH kann in methodischer Hinsicht nicht überzeugen und darf inhaltlich nicht missverstanden werden. Zum einen ist die Einstufung der Parodie als autonomer Begriff des Unionsrechts zwar methodisch vertretbar,1531 die Begründung des Gerichtshofs ist in diesem Punkt aber sehr überschaubar.1532 Der EUGH lässt es ausreichen, dass Art. 5 III lit. k InfoSoc-RL nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist.1533 Damit verfehlt er den Kern der eigentlichen Abgrenzungsproblematik. Es wäre darzulegen gewesen, warum sich aus der Harmonisierungsintention der InfoSoc-RL gerade auch das Erfordernis einer unionsweit einheitlichen Bestimmung des Begriffs der Parodie ergibt.1534 Mit Blick auf die Erwägungsgründe 31 und 32 InfoSoc-RL hätte sich dies durchaus begründen lassen.1535 Auf der anderen Seite enthält die InfoSoc-RL keine weiteren Hinweise für eine inhaltliche Ausgestaltung des Parodiebegriffs. Insoweit passt das Urteil nicht in die bisherige Vorgehensweise des EUGH, im Bereich der Schranken auf Ermessenspielräume der Mitgliedstaaten zu verweisen, wenn es an unionsrechtlichen Kriterien fehlt.1536 Dass diese Thematik nicht ernsthaft erörtert wurde, ist ver1526 1527 1528 1529 1530 1531 1532

1533 1534 1535 1536

EUGH aaO, Tz. 23ff. – Deckmyn. Vgl. Erwgr. 31 InfoSoc-RL. EUGH aaO, Tz. 25ff. – Deckmyn. EUGH aaO, Tz. 29f. – Deckmyn. Mit Blick auf eine kohärente Anwendung der Schranken hierzu kritisch: Lauber-Rönsberg ZUM 2015, 658, 665; Rosati GRUR Int. 2015, 102, 103; vgl. auch dies. CMLRev 52 (2015), 511ff. Siehe oben S. 219f. Kritisch auch Riesenhuber LMK 2014, 363019; Peifer jurisPR-WettbR 2/2015 Anm. 1 unter C: »Wenn sich diese dürftige Methodik durchsetzt, wird der Harmonisierungszug noch höhere Geschwindigkeit aufnehmen.«; a. A. Rosati GRUR Int. 2015, 102: »not really problematic«; vgl. auch dies. CMLRev 52 (2015), 511ff. EUGH Rs. C-201/13, EU:C:2014:2132 = GRUR 2014, 972, Tz. 14 – Deckmyn. Siehe oben S. 116ff. Siehe allgemein oben S. 219. Siehe oben S. 214ff. und insbesondere die Nachweise in Fn. 1459.

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wunderlich, da die belgische Vorlage ausdrücklich erfragt hatte, ob die Parodie ein eigenständiger Begriff des Unionsrechts sei. Zudem ist es inkonsequent, die Parodie einerseits als autonomen Begriff des Unionsrechts einzuordnen und dennoch für die inhaltliche Konkretisierung wesentlich auf eine Interessenabwägung im Einzelfall abzustellen. Wenn die Luxemburger Richter sich außer Stande gesehen haben sollten, aus dem Unionsrecht konkretere Vorgaben zu entwickeln, wäre es sinnvoller und unter Gewaltenteilungsaspekten naheliegender gewesen, den entstehenden Gestaltungsspielraum zunächst den nationalen Gesetzgebern zu belassen und ihn nicht den nationalen Gerichten zuzuordnen. Stattdessen birgt die jetzt vorgegebene freischwebende judikative Interessenabwägung die Gefahr, austarierte gesetzliche Schrankensysteme zu unterlaufen.1537 Inhaltlich ist bezüglich der genannten Interessenabwägung festzuhalten, dass der Inhalt einer Meinung, die über das Mittel der Parodie kundgetan wird, für deren urheberrechtliche Einordnung keine Rolle spielen darf.1538 Richtigerweise kann allenfalls das subjektive Reputationsinteresse des Urhebers, keinesfalls aber die »politische Korrektheit« einer Meinung für die Einordnung als Parodie maßgeblich sein. Anders darf man auch den EUGH nicht verstehen.1539 Das Reputationsinteresse des Urhebers betrifft allerdings im Kern den urheberpersönlichkeitsrechtlich gebotenen Entstellungsschutz, zu dem der EUGH sich nicht detaillierter äußern konnte, da das Urheberpersönlichkeitsrecht sekundärrechtlich nicht harmonisiert ist.1540 c) Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage Nach der bisherigen deutschen Rechtslage hätte dem Unterlassungsbegehren der Kläger in Deckmyn stattgegeben werden müssen. Das UrhG schützt Parodien zwar nicht durch eine eigene Schranke,1541 ein1537 Kritisch zu ergänzenden Interessenabwägungen im Bereich der urheberrechtlichen Schranken bereits Schack UrhR, Rn. 537; ders. FS Schricker, S. 511ff.; Poeppel Neuordnung, S. 49; Stieper Schranken, S. 64ff. 1538 Vgl. aber GAVillaljn Schlussanträge v. 22. 5. 2014, EU:C:2014:458, Tz. 85 – Deckmyn: »Trotzdem können Abwandlungen des ursprünglichen Werkes, die … eine Aussage verbreiten, die zu den tiefsten Überzeugungen der Gesellschaft in Widerspruch steht, … nicht als Parodie zugelassen werden.«. kritisch zur Einbeziehung des Meinungsinhaltes auch Riesenhuber LMK 2014, 363019; Unseld EuZW 2014, 914, 915; v. Becker GRUR 2015, 336, 339; Haedicke GRUR Int. 2015, 668, 668f. 1539 Lauber-Rönsberg ZUM 2015, 658, 663f. mwN zur Parallelproblematik in § 14 UrhG. 1540 Erwgr. 19 InfoSoc-RL; vgl. auch GAVillaljn Schlussanträge vom 22. 5. 2014, EU:C:2014: 458, Tz. 28 – Deckmyn; Peifer jurisPR-WettbR 2/2015 Anm. 1 unter C; Haedicke GRUR Int. 2015, 668f. 1541 Die wäre allerdings vorzugswürdig, vgl. Schack FS Schricker, S. 511, 520; ders. KuR, Rn. 361 mit Nachweisen entsprechender Schranken in anderen Urheberrechtsordnungen; rechtsvergleichend Mauch Parodien, S. 31ff.

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Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

schlägig ist aber nach ständiger Rechtsprechung § 24 UrhG. Als freie Benutzung wird nur eine eigene schöpferische Tätigkeit privilegiert, weshalb durch die Benutzung des fremden Werkes ein selbstständig schutzfähiges Werk entstanden sein muss, hinter dem die schöpferischen Züge des vorbestehenden Werkes »verblassen«.1542 Da ein »Verblassen« im eigentlichen Sinne bei einer Parodie gerade nicht angenommen werden kann, werden Parodien nach gefestigter deutscher Rechtspraxis dann als freie Benutzung eingeordnet, wenn sie sich mit dem parodierten Werk selbst oder zumindest dem symbolisierten thematischen Umfeld1543 antithematisch auseinandersetzen und so einen inneren Abstand zum Ursprungswerk halten.1544 Eine ergänzende allgemeine Interessenabwägung fand im deutschen Recht bisher nicht statt.1545 Im Ausgangsfall hatten die Beklagten den fraglichen Comic lediglich als Medium für die Verbreitung ihrer politischen Vorstellungen genutzt, ohne sich mit dem Werk selbst in irgendeiner Weise auseinanderzusetzen. Eine solche reine Verfremdung1546 wäre nach § 24 UrhG nicht als Parodie privilegiert worden.1547 Ob diese deutsche Rechtspraxis nach der EUGH-Entscheidung »Deckmyn« noch beibehalten werden kann,1548 ist fragwürdig. Soweit durch die Anwendung des § 24 UrhG Parodien zustimmungsfrei gestellt werden, handelt es sich funktional um eine Umsetzung bzw. Aufrechterhaltung der Parodie-Schranke des Art. 5 III lit. k InfoSoc-RL.1549 Damit ist die deutsche Rechtsprechung zur freien Benutzung in diesen Fällen an den europäischen Parodiebegriff gebunden,1550 ohne dass das deutsche Recht hiervon zugunsten einer urheberrechtsfreundlicheren Regelung abweichen könnte.1551 1542 BGHZ 141, 267, 280 – Laras Tochter ; BGHZ 175, 135, Tz. 27 – TV-Total; WaBu-Bullinger § 24 Rn. 2; Schack UrhR, Rn. 274; Ulmer Urheber- und Verlagsrecht, S. 275; Mauch Parodien, S. 40ff.; vgl. auch Stieper AfP 2015, 301, 302ff. 1543 BGHZ 154, 260, 269 – Gies-Adler. 1544 BGH GRUR 1971, 588, 589f. – Disney-Parodie; BGH GRUR 1994, 191, 193ff. – AsterixPersiflage; BGH GRUR 2000, 703, 704ff. – Mattscheibe; vgl. auch BGH GRUR 2016, 1157, Tz. 19 – auf fett getrimmt; Dreier/Schulze § 24 Rn. 25; Schack UrhR, Rn. 278ff. mwN. 1545 BGHZ 154, 260, 265ff.; Schack UrhR, Rn. 537; ausführlich ders. FS Schricker, S. 511ff. 1546 BGH GRUR 1994, 191, 196ff. – Asterix-Persiflage; SL-Loewenheim § 24 Rn. 29; Schack UrhR, Rn. 280. 1547 Haedicke GRUR Int. 2015, 668, 667; vgl. auch OLG München ZUM 2003, 571, 574 – Verliebt auf Mallorca; OLG Frankfurt a.M. ZUM 1996, 97, 99 – Stilelemente von Ren8 Magritte auf Kondomverpackung; LG Berlin GRUR 1974, 231, 232 – Von Kopf bis Fuß. 1548 Dreier/Schulze § 24 Rn. 25a; Slopek GRUR Prax. 2014, 442. 1549 Die Verankerung der Parodie in § 24 UrhG anstelle der Schaffung einer eigenen Schranke ist als »Mittel« der Umsetzung mit Art. 288 III AEUV vereinbar ; vgl. v. Ungern-Sternberg GRUR 2015, 205, 210. 1550 Unseld EuZW 2014, 914, 915; Lauber-Rönsberg ZUM 2015, 658, 665f.; Specht/Koppermann ZUM 2016, 19, 23; missverständlich Slopek GRUR Prax 2014, 442. 1551 Soeben S. 216ff.

Schranken

227

Folgerichtig hat der BGH in Reaktion auf das Urteil des EUGH für die Parodie sowohl das Erfordernis einer eigenständigen geistigen Schöpfung als auch seine Rechtsprechung zur antithematischen Auseinandersetzung ausdrücklich aufgegeben.1552 Letztere lässt er allerdings zusammen mit einem möglichen Entstellungsschutz1553 in die nun unionsrechtlich vorgegebene Interessenabwägung einfließen.1554 Inhaltlich ist dieser Ansatz zu begrüßen, da er weiterhin den nötigen Spielraum bietet, um das reine Ausnutzen der Bekanntheit eines fremden Werkes, das für die freie Meinungsäußerung nicht erforderlich ist, urheberrechtlich zu sanktionieren.1555 In dieser Hinsicht ist die deutsche Rechtslage durch die europäischen Vorgaben flexibler – allerdings auch unsicherer1556– geworden. Die unionsrechtlich gebotene Aufgabe eines eigenständigen schöpferischen Gehalts als Voraussetzung einer Parodie erweitert dagegen deren Anwendungsbereich zulasten des urheberrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts1557 und verdeutlicht, dass auch die fakultativen unionsrechtlichen Schranken faktisch einen Maximalschutz begründen können.

III.

Die Schranken-Schranke des Art. 5 InfoSoc-RL – Der Dreistufentest

Zentral für die Anwendung der unionsrechtlichen Schranken in den Mitgliedstaaten ist schließlich der Dreistufentest des Art. 5 V InfoSoc-RL.1558 Unter dem Aspekt eines Maximalschutzes ist hierauf aber nicht detaillierter einzugehen, da die Regelung funktional eine Schranken-Schranke darstellt und damit Ausdruck eines Mindestschutzes ist.1559

1552 BGH GRUR 2016, 1157, Tz. 28, 34 – auf fett getrimmt. 1553 Ausführlich Specht/Koppermann ZUM 2016, 19ff. Überholt ist nach EUGH-Deckmyn auch die Annahme, dass eine zulässige Parodie keine Entstellung iSv § 14 UrhG darstellen könne; vgl. Specht/Koppermann aaO, 19, 24; Lotte ZUM 2016, 991, 992 mwN. 1554 BGH GRUR 2016, 1157, Tz. 38ff. – auf fett getrimmt; vgl. auch v. Becker GRUR 2015, 336, 339. 1555 A. A. Lauber-Rönsberg ZUM 2015, 658, 666 unter Hinweis auf EUGH Rs. C-201/13, EU:C:2014:2132 = GRUR 2014, 972, Tz. 21 – Deckmyn. 1556 Haedicke GRUR Int. 2015, 668, 669. 1557 Peifer jurisPR-WettbR 2/2015 Anm. 1 unter D; Specht/Koppermann ZUM 2016, 19, 23: »Voraussetzungen einer zulässigen Parodie wesentlich herabgesetzt«. 1558 Schack UrhR, Rn. 535 mwN; ausführlich Bengeser Dreistufentest, S. 44ff. 1559 Vgl. bzgl. Art. 9 II RBÜ und Art. 13 TRIPs oben S. 47 bzw. S. 56.

228 IV.

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

Ergebnis

Die urheberrechtlichen Schranken des Unionsrechts begründen überwiegend keinen Maximalschutz im eigentlichen Sinne. Abgesehen von einigen Regelungen der speziellen Richtlinien1560 ist nur die Schranke für vorübergehende Vervielfältigungen in Art. 5 I InfoSoc-RL zwingend ausgestaltet.1561 Die fakultativen Schranken des Art. 5 II, III InfoSoc-RL wirken nach der methodisch gut vertretbaren Rechtsprechung des EUGH1562 im Fall ihrer Umsetzung jedoch ebenfalls vollharmonisierend und können eine erhebliche Konkretisierungstiefe erreichen. In Kombination mit grundrechtlichen Vorgaben und gesellschaftlichen Erwartungen kann so ein faktischer Maximalschutz entstehen,1563 den die exemplarische Untersuchung der Parodie-Schranke in Art. 5 III lit. k InfoSoc-RL verdeutlicht hat.1564

D.

Zwischenfazit: Das Konventionsrecht in der Rechtsprechung des EUGH

Zum Schluss ist für das europäische Urheberrecht noch auf einen regelungsübergreifenden Befund hinzuweisen. Der EUGH ist in ständiger Rechtsprechung darum bemüht, das europäische Urheberrecht »nach Möglichkeit im Lichte des Völkerrechts« auszulegen.1565 Dieser Ansatzpunkt ist richtig,1566 da gerade die InfoSoc-RL der Umsetzung des Konventionsrechts dient1567 und die EU mittlerweile selbst Mitglied vieler internationaler Staatsverträge ist.1568 Allerdings 1560 Siehe oben S. 208. 1561 Siehe oben S. 209ff.; In ihrem Richtlinienentwurf vom 14. 9. 2016, COM(2016) 593 final, hat die Kommission in Art. 3–5 weitere zwingende Schranken vorgesehen. Privilegiert werden sollen das Text- und Data-Mining, grenzübergreifende digitale Nutzungen im Unterricht und der Schutz des kulturellen Erbes; hierzu Raue GRUR 2017, 11ff. 1562 Siehe oben S. 214ff. 1563 Siehe oben S. 212ff. 1564 Siehe oben S. 222ff. 1565 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 35 – SGAE/Rafael; EUGH Rs. C-403/08, EU:C:2011:631 = GRUR 2012, 156, Tz. 189 – FAPL und Murphy ; EUGH Rs. C-135/10, EU:C:2012:140 = GRUR 2012, 593, Tz. 51 – SCF; EUGH Rs. C-456/06, EU: C: 2008:232 = GRUR 2008, 604, Tz. 30 – Peek & Cloppenburg; EUGH Rs. C-5/11, EU: C: 2012:370 = GRUR 2012, 817, Tz. 23 – Donner ; EUGH Rs. C-145/10, EU: C: 2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 126 – Painer ; EUGH Rs. C-516/13, EU:C:2015:315 = GRUR 2015, 665, Tz. 23 – Dimensione Direct Sales. 1566 Ausführlich zur Methodik der völkerrechtskonformen Auslegung: Roder Methodik des EuGH, S. 158ff. 1567 Vgl. Erwgr. 15 InfoSoc-RL. 1568 Siehe oben S. 85ff. sowie Fn. 90 (TRIPs) und 98 (WCT).

Zwischenfazit: Das Konventionsrecht in der Rechtsprechung des EUGH

229

zieht der Gerichtshof internationale Quellen und Materialien regelmäßig auch heran, um eine Interpretation des europäischen Urheberrechts zu stützen, die im Ergebnis zu einer Schutzbegrenzung führt. Deutlich geworden ist dies insbesondere bei den Verwertungsrechten. So beruht beim Recht der öffentlichen Wiedergabe das schutzbegrenzende Kriterium des »neuen Publikums«, das der EUGH in Art. 3 I InfoSoc-RL hineininterpretiert hat, wesentlich auf dem Fehlverständnis des EUGH von Art. 11bis I Nr. 2 RBÜ.1569 Für die Reduzierung des Art. 4 I InfoSoc-RL auf »Eigentumsübertragungen« musste Art. 6 WCT herhalten.1570 Ähnliche Argumentationsmuster lassen sich in der Rechtsprechung des EUGH zum vermeintlichen europäischen Werkbegriff und den urheberrechtlichen Schranken finden. Die angebliche Mindestschöpfungshöhe für einen Schutz durch die InfoSoc-RL etwa beruht u. a. auf der Einbeziehung der RBÜ in die Auslegung der InfoSoc-RL.1571 In Bezug auf Art. 5 InfoSoc-RL erfolgt ein Rückgriff seltener, da die internationalen Konventionen Schranken nur spärlich regeln.1572 Allerdings hat der EUGH zum Beispiel auch die Zitatschranke in Art. 5 III lit. d InfoSoc-RL bereits im Lichte von Art. 10 I RBÜ ausgelegt.1573 Bei seiner völkerrechtskonformen Auslegung des EU-Rechts übergeht der Gerichtshof mit zum Teil schwerwiegenden Folgen grundlegende Prinzipien des Konventionsrechts. Die Mindestrechte der internationalen Staatsverträge lassen sich nicht zugleich als Maximalschutz interpretieren und stellen auch keine Anforderungen an die innerstaatliche Rechtsanwendung. Zum Schutz vor fremdenrechtlichen Diskriminierungen begründen sie vielmehr lediglich fremdenrechtliche Mindestrechte.1574 Das internationale Urheberrecht ist deshalb ganz überwiegend1575 nicht geeignet, eine schutzbegrenzende Interpretation des innereuropäischen Rechts zu tragen. Der EUGH verkennt mit seiner Vorgehensweise systematisch Gestaltungsspielräume des Unionsgesetzgebers, die diesem durch das Konventionsrecht aber unstreitig zugunsten eines höheren urheberrechtlichen Schutzniveaus belassen werden. Er überträgt damit Wer1569 EUGH Rs. C-306/05, EU:C:2006:764 = GRUR 2007, 225, Tz. 40 – SGAE/Rafael; siehe oben S. 172ff. 1570 EUGH Rs. C-456/06, EU:C:2008:232 = GRUR 2008, 604, Tz. 31ff. – Peek & Cloppenburg; siehe oben S. 187f. 1571 EUGH Rs. C-5/08, EU:C:2009:465 = GRUR 2009, 1041, Tz. 34 – Infopaq I; siehe oben S. 149ff. 1572 Zur RBÜ siehe oben S. 43ff. 1573 EUGH Rs. C-145/10, EU:C:2011:798 = GRUR 2012, 166, Tz. 126 – Painer. Allerdings untermauert der EUGH hier nur die bereits in Art. 5 III lit. d InfoSoc-RL angelegte Beschränkung des Zitatrechts auf Quellen, die der Öffentlichkeit bereits zugänglich gemacht sind. 1574 Siehe oben S. 37ff. (RBÜ), S. 48f. (WUA), S. 49ff. (TRIPs) und S. 61f. (WCT). 1575 Eine Ausnahme ist der ausdrücklich als maximalschützend konzipierte Vertrag von Marrakesch zugunsten blinder und sehbehinderter Menschen, vgl. hierzu oben S. 65ff.

230

Maximalschutz in einzelnen Bereichen des europäischen Urheberrechts

tungen in das innereuropäische Recht, die ursprünglich für einen weltweiten fremdenrechtlichen Mindestschutz getroffen worden sind und für das interne Schutzniveau eines Staatenverbundes von Industriestaaten überhaupt nicht passen müssen. Über die insoweit verfehlte Rechtsprechung des EUGH werden sie für die Mitgliedstaaten der EU dennoch zu maximalschützenden Vorgaben des europäischen Urheberrechts.1576 Trotz der insbesondere gegen die Rechtsprechung zum Verbreitungsrecht in Art. 4 I InfoSoc-RL vorgebrachten Kritik1577 hat der EUGH den mindestrechtlichen Charakter des Konventionsrechts bisher nicht in seine völkerrechtskonforme Auslegung einfließen lassen. Seine Rechtsprechung ist deshalb in Bezug auf die Unterscheidung von Mindest- und Maximalschutz weiterhin kritisch zu begleiten.1578

1576 Siehe insbesondere oben S. 187f., S. 191ff. sowie deutlich BGH GRUR 2009, 840, Tz. 20 – Le Corbusier-Möbel II. 1577 Siehe oben S. 187ff. und die Nachweise in Fn. 1245. 1578 Wie hier auch Vousden WIPO-Journal 2010, 197, 199ff.; ders. JIPLP 6 (2011), 728, 732, 736; van Eechoud JIPITEC 2012, 60, Rn. 104ff.; Leistner FS Bornkamm, S. 859, 863.

Zusammenfassung

Die Arbeit hat das internationale und das europäische Urheberrecht auf Maximalschutzgrenzen untersucht. Beide Regelungssysteme folgen unterschiedlichen Zielsetzungen und Wertungen. Das internationale Urheberrecht beruht wesentlich auf den klassischen internationalen Staatsverträgen unter dem Dach der WIPO, der UNESCO und der WTO.1579 Ihr Schutz wird im Kern durch den Inländerbehandlungsgrundsatz und der Normierung fremdenrechtlicher Mindestrechte getragen. Diese Kombination schützt die Urheber vor den Folgen der internationalen Zersplitterung des Urheberrechts, die durch das Territorialitätsprinzip verursacht wird.1580 Eine maximalschützende Funktion erfüllt das Konventionsrecht dagegen ganz überwiegend nicht. RBÜ, WUA und WCT sind durchgängig vom Mindestschutzprinzip geprägt.1581 Die Untersuchung der RBÜ hat zudem gezeigt, dass sich ein Maximalschutz schon wegen des Inländerbehandlungsgrundsatzes nicht in fremdenrechtlich konzipierte Konventionen einfügen lässt. Es ist nicht möglich, nur für fremde Urheber einen Maximalschutz festzulegen und gleichzeitig eine Diskriminierung ausländischer Urheber durch einen fremdenrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu unterbinden.1582 Für die RBÜ war deshalb im Zweifel von einer Begrenzung des gewährten Mindestschutzes und nicht von einem Maximalschutz auszugehen.1583 Dieses Ergebnis konnte insbesondere für Art. 2 VIII und 10 I RBÜ bestätigt werden.1584 Von den großen urheberrechtlichen Konventionen bietet allein TRIPs Ansatzpunkte für einen Maximalschutz. Art. 1 I S. 2 TRIPs legt zwar ebenfalls das Mindestschutzprinzip fest, gleichzeitig darf ein weitergehender Schutz dem 1579 Siehe oben S. 33ff. 1580 Siehe allgemein oben S. 33ff. sowie S. 37ff. (RBÜ), S. 48f. (WUA), S. 49ff. (TRIPs), S. 61f. (WCT). 1581 Siehe S. 39ff. (RBÜ), S. 48 (WUA) und S. 61 (WCT). 1582 Siehe oben S. 40ff. 1583 Siehe oben S. 42f. 1584 Siehe oben S. 43ff. und S. 45f.

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Zusammenfassung

Übereikommen aber nicht »zuwider« laufen.1585 Durch die allgemeinen Zielsetzungen des TRIPs-Übereinkommens lässt sich diese Einschränkung zwar nicht aufladen,1586 sie verdeutlicht aber, dass TRIPs im Gegensatz zum übrigen Konventionsrecht nicht allein dem Schutz der Urheber dient, sondern als Bestandteil des WTO-Rechts Handelshemmnisse abbauen soll. Für das Urheberrecht in Teil II findet sich ein Maximalschutz dennoch nur in Art. 9 II TRIPs, der die Ideenfreiheit schützt, dabei aber lediglich abstrakte1587 Vorgaben macht.1588 In Teil III, der die Rechtsdurchsetzung regelt, finden sich dagegen mehrere Vorschriften, die dem klagenden Urheber Pflichten auferlegen oder Rechte der Beklagtenseite vorsehen. Auf prozessualer Ebene1589 ergibt sich hieraus ein Maximalschutz.1590 Vor diesem Hintergrund stellt der WIPO-Marrakesch-Vertrag einen Paradigmenwechsel dar.1591 Erstmals wurde mit einem Staatsvertrag im internationalen Urheberrecht eine zwingende Schranke geregelt. Obwohl sich die Berechtigung der eingeführten Blindenschranke politisch kaum bestreiten lässt, sind dem Übereinkommen langwierige Verhandlungen vorausgegangen. Der erfolgreiche Abschluss des Vertrages konnte nur gegen erhebliche Widerstände im Vorfeld erreicht werden.1592 Am Beispiel der Blindenschranke ließ sich verdeutlichen, dass ein Maximalschutz mit den wesentlichen Prinzipien des Konventionsrechts vereinbar ist. Erforderlich ist allerdings ein materiell-rechtliches Verständnis, da ein fremdenrechtlicher Maximalschutz mit dem Inländerbehandlungsgrundsatz der RBÜ unvereinbar ist.1593 Deshalb muss der Marrakesch-Vertrag auch Anforderungen an innerstaatliche Regelungen stellen, um sich zwanglos in das bestehende Schutzsystem einzufügen. Insbesondere besteht kein Widerspruch zu Art. 19 RBÜ.1594 Inhaltlich sind gerade die detaillierteren Vorschriften des Vertrages nur exemplarisch.1595 Die Gefahr einer unterschiedlichen Umsetzung wird aber durch die Regelungen zum grenzüberschreitenden Austausch barrierefreier Formate eingefangen.1596 Zu den vielen anderen bi- und plurilaterale Verträgen ließ sich feststellen, dass die gegenwärtige Entwicklung des Welthandelsrechts darauf hinausläuft, 1585 1586 1587 1588 1589 1590 1591 1592 1593 1594 1595 1596

Siehe oben S. 50ff. Siehe oben S. 52f. Siehe allgemein oben S. 25f. Siehe oben S. 54f. Siehe allgemein oben S. 26f. Siehe oben S. 57ff. Siehe oben S. 65ff. Siehe oben S. 65ff. Siehe oben S. 74f. Siehe oben S. 72ff. Siehe oben S. 76ff. Siehe oben S. 78ff.

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durch bilaterale Verträge TRIPs-Plus-Standards zu etablieren.1597 Jedenfalls in den USA und der EU ist die Verbreitung des eigenen Schutzsystems erklärtes Ziel der Außenhandelspolitik.1598 Abgesehen von einigen mittelbar schutzbegrenzend wirkenden Ausnahmen enthalten die untersuchten Abkommen der EU keinen Maximalschutz.1599 Dies wird sich auch zukünftig nicht ändern, da bilaterale Abkommen kein passendes Instrument sind, um international verbindliche Schutzobergrenzen festzulegen.1600 Abschließend konnte dargelegt werden, dass Maximalschutzgrenzen mittlerweile erforderlich geworden sind, um auf internationaler Ebene ein Gegengewicht gegen den stetigen Ausbau des Urheberschutzniveaus zu schaffen. Die weltweit variierenden gesellschaftlichen Kompromisse zwischen Urheberschutz und Allgemeininteresse müssen dabei nicht unnötig überformt werden. Weitere internationale Maximalschutzgrenzen sollten sich deshalb auf menschenrechtlich gebotene Themenbereiche konzentrieren. Namentlich sind dies die Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderung, der freie Zugang zu Bildung und die urheberrechtliche Berücksichtigung der Meinungsfreiheit.1601 Für die Untersuchung des europäischen Urheberrechts auf Maximalschutzgrenzen wurde zunächst der methodische Rahmen entwickelt und in einem zweiten Schritt exemplarisch für den Werkbegriff, das Recht der öffentlichen Wiedergabe, das Verbreitungsrecht und die Schranken erprobt. Europäisches Urheberrecht ist im Kern Richtlinienrecht. Zentral war deshalb zunächst die Bestimmung der Reichweite europäischer Richtlinien nach Art. 288 III AEUV. Diese ergibt sich aus dem Zusammenspiel des Anwendungsbereichs, der Harmonisierungsintensität und der Konkretisierungstiefe der einzelnen Vorgaben.1602 Der Anwendungsbereich einer Richtlinienregelung ergibt sich aus der erfassten Sachverhalt-Ergebnis-Relation. Für die Ermittlung von Maximalschutzgrenzen war insbesondere zwischen der Festlegung des Anwendungsbereichs und negativen Regelungsvorgaben innerhalb eines weiter gefassten Anwendungsbereichs zu differenzieren.1603 Bei der Harmonisierungsintensität ist insbesondere zwischen Mindest- und Vollharmonisierung zu unterscheiden. Während erstere ein Abweichen der mitgliedstaatlichen Umsetzung zugunsten eines höheren Schutzniveaus zulässt, gewährt eine vollharmonisierende Regelung keine derartigen Spielräume. An1597 1598 1599 1600 1601 1602 1603

Siehe oben S. 83ff. und S. 94f. Siehe oben S. 84f. und S. 85ff. Siehe oben S. 88ff. Siehe oben S. 96. Siehe oben S. 97ff. Siehe oben S. 103ff. Siehe oben S. 104ff.

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ders als bei einer Mindestharmonisierung können vollharmonisierende Vorgaben deshalb auch dann einen Maximalschutz begründen, wenn dieser nicht dem eigentlichen Regelungszweck entspricht.1604 Entscheidend ist schließlich auch die Konkretisierungstiefe einzelner Regelungen.1605 Da nationale Vorverständnisse außer Betracht zu bleiben haben, müssen unbestimmte Rechtsbegriffe einer Richtlinie in der Regel noch detaillierter ausgestaltet werden. Dogmatisch betrachtet sind hierfür im Ausgangspunkt die Mitgliedstaaten zuständig.1606 Gerade bei binnenmarktrelevanten Vorgaben ergibt eine Auslegung der Regelungsintention des Unionsgesetzgebers aber in der Regel, dass eine autonome Begriffsbestimmung auf europäischer Ebene erfolgen soll. Der konkrete Verlauf einer Maximalschutzgrenze des europäischen Rechts ergibt sich deshalb im Detail regelmäßig erst aus der Rechtsprechung des EUGH.1607 Neben den Vorgaben des Richtlinienrechts können sich Maximalschutzgrenzen damit auch aus einer Rechtsfortbildung auf europäischer Ebene1608 und aus dem Primärrecht ergeben.1609 Schutzbegrenzend wirken insbesondere die Warenverkehrs- und die Dienstleistungsfreiheit sowie das europäische Kartellrecht.1610 Die Relevanz des europäischen Grundrechtsschutzes hängt wesentlich vom Anwendungsbereich der Grundrechtecharta ab. Zu einem Maximalschutz, der über das bestehende Richtlinienrecht hinausgeht, kann es durch sie nur kommen, wenn der EUGH diesbezüglich bei seinem weiten Verständnis bleibt und die Grundrechtecharta auch auf nicht zwingende Richtlinienvorgaben anwendet. Anderenfalls ist die Charta lediglich bei der Auslegung der bestehenden Schutzobergrenzen des Richtlinienrechts zu berücksichtigen.1611 Die Bedeutung dieses methodischen Rahmens hat sich bei der exemplarischen Anwendung bestätigt. Insbesondere die Differenzierung zwischen Anwendungsbereich, Harmonisierungsintensität und Konkretisierungstiefe war geeignet, den präzisen Verlauf europäischer Schutzobergrenzen offenzulegen.1612 In Bezug auf den Werkbegriff konnte gezeigt werden, dass die Vorgaben der InfoSoc-RL nicht die Konkretisierungstiefe erreichen, von welcher der EUGH auszugehen scheint. Eine detaillierte Harmonisierung des allgemeinen Werk1604 1605 1606 1607 1608 1609 1610 1611 1612

Siehe oben S. 108ff. Siehe oben S. 111ff. Siehe oben S. 118ff. Siehe oben S. 121ff. Siehe oben S. 126ff. Siehe oben S. 129ff. Siehe oben S. 130f., S. 131f. Siehe oben S. 134f. Siehe oben S. 139ff.

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begriffs konnte de lege lata nicht festgestellt werden. Anders als die speziellen Regelungen für Datenbanken, Computerprogramme und Lichtbildwerke1613 gibt die InfoSoc-RL keine allgemeine Mindestschöpfungshöhe und damit auch keinen Maximalschutz vor.1614 Der Anwendungsbereich des in Art. 3 InfoSoc-RL geregelte Rechts der öffentlichen Wiedergabe ist auf Distanzwiedergaben beschränkt.1615 Es ist wegen seiner Binnenmarktrelevanz aber als vollharmonisierend1616 einzustufen und zudem auf europäischer Ebene zu konkretisieren.1617 Die methodischen Voraussetzungen für einen Maximalschutz liegen damit vor. Spürbar ist er aus deutscher Perspektive insbesondere durch die Rechtsprechung des EUGH zum Öffentlichkeitsbegriff1618 und durch das methodisch nicht überzeugend hergeleitete Kriterium des »neuen Publikums«.1619 Für das ebenfalls vollharmonisierende1620 Verbreitungsrecht in Art. 4 InfoSoc-RL kam es entscheidend auf dessen Anwendungsbereich an. Hier lässt sich die Rechtsprechung des EUGH zum Erfordernis einer Eigentumsübertragung in einem weit verstanden Sinne1621 am sinnvollsten als Abgrenzungskriterium gegenüber der Vermiet- und Verleih-RL einordnen.1622 Setzt man dies voraus, entfaltet Art. 4 InfoSoc-RL für das deutsche Recht keine schutzbegrenzende Wirkung.1623 Entgegen der eigentlichen Intention von Schrankenregelung bewirken diese auf europäischer Ebene nur ausnahmsweise einen Maximalschutz. In der InfoSoc-RL ist einzig Art. 5 I zwingend ausgestaltet.1624 Die Schranken in Art. 5 II, III InfoSoc-RL sind dagegen fakultativ und begründen daher keine maximalschützende Wirkung im eigentlichen Sinne.1625 Allerdings gestaltet der EUGH über die Instrumentarien der kohärenten Anwendung und der zweckentsprechenden Auslegung auch die fakultativen Schranken der InfoSoc-RL mittlerweile detailliert aus.1626 Berücksichtigt man zudem grundrechtliche Vorgaben, die sich zumindest nach dem Verständnis des EUGH auch aus der Grundrechtecharta ergeben, folgt aus den fakultativen Schranken des 1613 1614 1615 1616 1617 1618 1619 1620 1621 1622 1623 1624 1625 1626

Siehe oben S. 140ff. Siehe oben S. 148ff. Siehe oben S. 159ff. Siehe oben S. 160f. Siehe oben S. 162f. Siehe oben S. 166ff. und S. 183f. Siehe oben S. 172ff. und S. 184f. Siehe oben S. 191ff. Siehe oben S. 187ff. und S. 194ff. Siehe oben S. 159ff. Siehe oben S. 200ff. Siehe oben S. 209f. Siehe oben S. 211ff. Siehe oben S. 214ff.

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Art. 5 II, III InfoSoc-RL faktisch ebenfalls eine maximalschutz-ähnliche Wirkung.1627 Die exemplarische Untersuchung der Parodie-Schranke in Art. 5 III lit. k InfoSoc-RL hat diesen Befund bestätigt.1628 Kritikwürdig bleibt die völkerrechtskonforme Auslegung des EUGH. Der Gerichtshof differenziert nicht hinreichend zwischen Mindest- und Maximalschutz und zieht so aus dem fremdenrechtlichen Konventionsrecht maximalschützende Folgerungen, die dort nicht vorgegeben und in keiner Weise beabsichtigt sind.1629

1627 Siehe oben S. 221f. 1628 Siehe oben S. 222ff. 1629 Siehe oben S. 228ff.

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Weitere Bände dieser Reihe Band 42: Lukas Mezger Die Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst nach deutschem und europäischem Recht

Band 38: Bastian Selck Entschädigungsansprüche und andere Sanktionen vor Vollrechtserwerb im Gewerblichen Rechtsschutz

2017. 237 Seiten, gebunden € 40,– D ISBN 978-3-8471-0696-8

2014. 146 Seiten, gebunden € 30,– D ISBN 978-3-8471-0318-9

Band 41: Dominik König Das einfache, unentgeltliche Nutzungsrecht für jedermann

Band 37: Constanze Thönebe Kunstwerke in der Ausstellungsund Verkaufswerbung und in Museumskatalogen

2016. 333 Seiten, gebunden € 50,– D ISBN 978-3-8471-0610-4

Band 40: Antonia Kutscher Der digitale Nachlass 2015. 193 Seiten, gebunden € 35,– D ISBN 978-3-8471-0436-0

Band 39: Jann Hendrik Cornels Die Schranken des Designrechts 2015. 162 Seiten, gebunden € 35,– D ISBN 978-3-8471-0435-3

2014. 458 Seiten, gebunden € 65,– D ISBN 978-3-8471-0225-0

Band 36: Dominik Sebastian Stier Die Unterbrechung urheberrechtlicher Lizenzketten 2014. 219 Seiten, gebunden € 40,– D ISBN 978-3-8471-0195-6

Band 35: Lena Vitols Der Zwangslizenzeinwand gegen Unterlassungsansprüche des Immaterialgüterrechts 2013. 145 Seiten, gebunden € 35,–D ISBN 978-3-8471-0103-1

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