Max Weber-Gesamtausgabe, Band I/22,5: Wirtschaft und Gesellschaft: Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß, Teilband 5: Die Stadt 316146821X, 9783161468216

Die Max Weber-Studienausgabe (MWS) will die Schriften und Reden Max Webers auf der gesicherten Textgrundlage der Max Web

406 85 29MB

German Pages 390 [417] Year 1999

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Max Weber-Gesamtausgabe, Band I/22,5: Wirtschaft und Gesellschaft: Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß, Teilband 5: Die Stadt
 316146821X, 9783161468216

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Zur Edition von „Wirtschaft und Gesellschaft“
Vorwort
Siglen, Zeichen, Abkürzungen
Einleitung
Die Stadt
Verzeichnisse und Register
Personenverzeichnis
Glossar
Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur
Personenregister
Sachregister
Seitenkonkordanzen
Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung I: Schriften und Reden
Bandfolge der Abteilung II: Briefe

Citation preview

Max Weber Gesamtausgabe Im Auftrag der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Herausgegeben von

Horst Baier, M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter, Johannes Winckelmann t Abteilung I: Schriften und Reden Band 2 2 - 5

ARTIBUS INi

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

Max Weber Wirtschaft und Gesellschaft Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß Teilband 5:

Die Stadt Herausgegeben von

Wilfried Nippel

ARTI BUS

J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen

Redaktion: Karl-Ludwig Ay - Edith Hanke Die Herausgeberarbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Freistaat Bayern, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der WernerReimers-Stiftung gefördert.

Die Deutsche

Bibliothek

-

CIP-Einheitsaufnahme

Weber, Max:

Gesamtausgabe / Max Weber. Im Auftr. der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Hrsg. von Horst Baier ... -Tübingen: Mohr Siebeck Abt. 1. Schriften und Reden. Bd. 22. Wirtschaft und Gesellschaft: die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte; Nachlaß Teilbd. 5. Die Stadt / hrsg. von Wilfried Nippel. -1999 ISBN 3-16-146821-X ISBN 3-16-146823-6

978-3-16-158140-3 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

© 1999 J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde gesetzt und gedruckt von der Druckerei Guide in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Gebr. Buhl in Ettlingen. Den Einband besorgte die Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen nach einem Entwurf von Alfred Krugmann in Stuttgart.

Inhaltsverzeichnis

Zur Edition von „Wirtschaft und Gesellschaft" Allgemeine Hinweise der Herausgeber der Max Weber-Gesamtausgabe

Vorwort Siglen, Zeichen, Abkürzungen Einleitung

VII

XXI XXIII 1

Die Stadt Editorischer Bericht I. Begriff und Kategorien der Stadt II. Die Stadt des Okzidents

45 59 100

III. Die Geschlechterstadt im Mittelalter und in der Antike

145

IV. Die Plebejerstadt

199

Personenverzeichnis

303

Glossar

311

Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur

319

Personenregister

322

Sachregister

331

Seitenkonkordanzen

375

Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe, Abteilung I: Schriften und Reden

381

Bandfolge der Abteilung II: Briefe

390

Zur Edition von „Wirtschaft und Gesellschaft" Allgemeine Hinweise der Herausgeber der Max Weber-Gesamtausgabe

Die Edition von „Wirtschaft und Gesellschaft" steht im Rahmen der Max Weber-Gesamtausgabe vor einem umfangreichen und komplexen Textbestand, dem nicht abgeschlossenen Ergebnis einer zehnjährigen Schaffensperiode Max Webers. Über den Entstehungszusammenhang, die „Werkidee" und die Anordnung der einzelnen Texte wird seit langem eine zum Teil kontroverse Debatte geführt, ohne daß für alle offenen Fragen eine eindeutige Antwort gefunden worden wäre. Von Max Weber ist keine letztgültige Disposition überliefert, und die im Nachlaß vorhandenen Texte befanden sich in einem zum Teil fragmentarischen Zustand. Die von Marianne Weber begründeten und von Johannes Winckelmann revidierten Editionen haben trotz unterschiedlicher Textanordnung eine Werkgestalt geschaffen, die die Rezeptionsgeschichte bestimmt hat. Angesichts dieser schwierigen Ausgangslage haben die Herausgeber der Max Weber-Gesamtausgabe eine Reihe von Entscheidungen treffen müssen, über die im folgenden kurz berichtet wird. Werkgeschichte Als Max Weber zum Jahresbeginn 1909 das Angebot Paul Siebecks annahm, an der Herausgabe eines neuen „Handbuch(s) der politischen Ökonomie" federführend mitzuwirken, begann er ein Projekt, das ihn bis zu seinem Tode beschäftigte. Als Koordinator des Handbuches sorgte er zusammen mit Paul Siebeck dafür, den Stoff zu gliedern, die Mitarbeiter zu gewinnen, deren Beiträge aufeinander abzustimmen und auf die Fertigstellung zu drängen. Als Autor arbeitete er über zehn Jahre an seinem eigenen Beitrag. In dem von ihm entworfenen „Stoffverteilungsplan" 1 für das „Handbuch der politischen Ökonomie" vom Mai 1910 hatte er sich verschiedene Artikel, vor allem das Kapitel „Wirtschaft und Gesellschaft", zugeordnet. Dieser Beitrag war für den III. Abschnitt des Ersten Buches vorgesehen, in dem Natur, Technik und Gesellschaft als Rahmenbedingungen der Wirt-

1 Abgedruckt als Anhang in MWG II/6: Max Weber. Briefe 1909-1910. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1994, S. 766-774, und mit handschriftlichen Zusätzen in: Winckelmann, Johannes, Max Webers hinterlassenes Hauptwerk: Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Entstehung und gedanklicher Aufbau. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1986, S. 151-155.

VIII

Zur Edition von „ Wirtschaft und Gesellschaft"

schaft dargestellt werden sollten. Für seinen Beitrag hatte Weber drei Gegenstandsbereiche ausgewählt: ,,a) Wirtschaft und Recht (1. prinzipielles Verhältnis, 2. Epochen der Entwicklung des heutigen Zustands). b) Wirtschaft und soziale Gruppen (Familien- und Gemeindeverband, Stände und Klassen, Staat). c) Wirtschaft und Kultur (Kritik des historischen Materialismus)." Dieser nach Inhalt und Umfang begrenzte Beitrag sollte bis zu den festgesetzten Ablieferungsterminen - zunächst Herbst 1911, dann Juli 1912 fertiggestellt sein. Das war die Ausgangslage für sein Projekt „Wirtschaft und Gesellschaft". Da die meisten Autoren auch den Herbst 1912 als Ablieferungstermin nicht einhielten, verschob sich der Beginn der Drucklegung schließlich auf den Sommer 1914. Zu diesem Zeitpunkt war auch der neue Titel des Handbuchs, „Grundriß der Sozialökonomik" (GdS), festgelegt. Dadurch sollte jeder Anschein einer Kontinuität des neuen Handbuchs mit dem „Handbuch der politischen Ökonomie" vermieden werden, das, von Gustav von Schönberg herausgegeben, in den Jahren 1882 bis 1896 in vier Auflagen im Verlag der H. Laupp'schen Buchhandlung von Paul Siebeck erschienen war. Dem ersten Band des GdS wurden 1914 ein „Vorwort" und eine „Einteilung des Gesamtwerkes" vorangestellt. Letztere unterscheidet sich erheblich vom „Stoffverteilungsplan" des Jahres 1910 und gibt die inzwischen eingetretenen Veränderungen in der Gliederung des Gesamtwerkes wieder. Weber hatte mehrere Beiträge, die er zunächst sich zugeordnet hatte, an andere Autoren abgegeben und konzentrierte sich auf eine wesentlich erweiterte Abhandlung in der Abteilung III „Wirtschaft und Gesellschaft" des Ersten Buches „Grundlagen der Wirtschaft". Für diesen Beitrag findet sich in der „Einteilung des Gesamtwerkes" folgende Gliederung: „1. Kategorien der gesellschaftlichen Ordnungen. Wirtschaft und Recht in ihrer prinzipiellen Beziehung. Wirtschaftliche Beziehungen der Verbände im allgemeinen. 2. Hausgemeinschaft, Oikos und Betrieb. 3. Nachbarschaftsverband, Sippe, Gemeinde. 4. Ethnische Gemeinschaftsbeziehungen. 5. Religiöse Gemeinschaften. Klassenbedingtheit der Religionen; Kulturreligionen und Wirtschaftsgesinnung. 6. Die Marktvergemeinschaftung. 7. Der politische Verband. Die Entwicklungsbedingungen des Rechts. Stände, Klassen, Parteien. Die Nation. 8. Die Herrschaft: a) Die drei Typen der legitimen Herrschaft, b) Politische und hierokratische Herrschaft, c) Die nichtlegitime Herrschaft. Typologie

Zur Edition von „ Wirtschaft und

Gesellschaft"

IX

der Städte, d) Die Entwicklung des modernen Staates, e) Die modernen politischen Parteien." 2 Diese gegenüber dem „Stoffverteilungsplan" erweiterte Konzeption hatte Max Weber dem Verleger Paul Siebeck bereits im Brief vom 30. Dezember 1913 angedeutet. Er habe, so schrieb er, „eine geschlossene soziologische Theorie und Darstellung ausgearbeitet, welche alle großen Gemeinschaftsformen zur Wirtschaft in Beziehung setzt: von der Familie und Hausgemeinschaft zum .Betrieb', zur Sippe, zur ethnischen Gemeinschaft, zur Religion (alle großen Religionen der Erde umfassend: Soziologie der Erlösungslehren und der religiösen Ethiken, - was Tröltsch gemacht hat, jetzt für alle Religionen, nur wesentlich knapper), endlich eine umfassende soziologische Staats- und Herrschafts-Lehre. Ich darf behaupten, daß es noch nichts dergleichen giebt, auch kein .Vorbild'." 3 Diese veränderte Konzeption war das Ergebnis der Schaffensperiode von Ende 1912 bis Ende 1913, insbesondere der Konstruktion der drei Typen der legitimen Herrschaft und der Studien über die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Weber wollte diese Fassung seines Beitrages bis Ende 1914 ausarbeiten und 1915 in Druck geben. Eine durchgehend ausformulierte, druckfertige Fassung lag bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges noch nicht vor, obgleich die Ausarbeitung, wie der Brief an Paul Siebeck zeigt, relativ weit gediehen war. Die nachgelassenen Schriften zeigen, daß Max Weber bei Kriegsausbruch, als er die Arbeit an diesen Manuskripten unterbrach, seine Disposition nach Inhalt und Umfang erneut wesentlich erweitert hatte. Dies gilt insbesondere für die „Rechtssoziologie", die ursprünglich nur ein Unterabschnitt des Kapitels über den politischen Verband sein sollte. Wenngleich er 1917 und 1918 in Vorträgen und Aufsätzen mehrfach Themen aus seinen Beiträgen zum Grundriß aufgriff, 4 so arbeitete Max Weber erst 1919 wieder intensiv an seinem Beitrag für den „Grundriß der Sozialökonomik". Aus den von ihm

2 Die „Einteilung des Gesamtwerkes" mit der Spezifizierung des Inhaltes von Webers Beitrag ist abgedruckt in: GdS, Abt. I. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1914, S. Xf„ sowie In: Winckelmann, Max Webers hinterlassenes Hauptwerk, S. 202 f. 3 Brief an Paul Siebeck vom 30. Dez. 1913, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 (MWG II/8). 4 So In einem Vortrag am 25. Oktober 1917 in Wien, von d e m nur ein Pressebericht überliefert ist, und in seiner Vorlesung im Sommersemester 1918 in Wien unter d e m Titel „Positive Kritik der materialistischen Geschichtsauffassung". In einer Artikelserie für die Frankfurter Zeitung, die in der Zeit von April bis Juni 1917 erschien und unter d e m Titel „Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland" 1918 gesondert veröffentlicht wurde (MWG 1/15, S. 4 3 2 - 5 9 6 ) , behandelte er Themen, die in der „Einteilung des Gesamtwerkes" 1914 unter den Stichworten „Entwicklung des modernen Staates" und „Moderne politische Parteien" angekündigt waren.

X

Zur Edition von „ Wirtschaft und Gesellschaft"

1920 zum Druck gegebenen Kapiteln läßt sich ersehen, daß er nun nicht mehr der Gliederung von 1914 folgte. 5 In den Jahren von 1910 bis 1920 hatte Weber für seinen unter dem Titel „Wirtschaft und Gesellschaft" geführten Beitrag unterschiedliche Konzeptionen vor Augen. Die erste, die er 1910 im „Stoffverteilungsplan" skizziert hatte, ersetzte er durch eine neue, die im Frühjahr 1914 ihren Niederschlag in der „Einteilung des Gesamtwerkes" fand. Diese zweite Konzeption hatte er bei Kriegsausbruch 1914 durch die umfangreichen Abhandlungen zu den Abschnitten „Religionssoziologie", „Rechtssoziologie" und „Die Stadt" erweitert. In den Jahren 1919 und 1920 setzte er abermals neu an. Drei Kapitel brachte er zum Druck, das vierte Kapitel blieb unvollendet, und über den beabsichtigten Fortgang der Darstellung gibt es nur sehr allgemeine Hinweise. Die von Marianne Weber und Johannes Winckelmann präsentierte Fassung von „Wirtschaft und Gesellschaft" enthält daher Texte aus einem langen Arbeitsprozeß, in dem sich Konzeption und Darstellungsart mehrmals änderten. Nach dem Tode Max Webers stellte sich Marianne Weber sofort tatkräftig in den Dienst des Werkes ihres Mannes. Gleichzeitig besorgte sie die Drucklegung der Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie und der Gesammelten Politischen Schriften, die schon in den Jahren 1920 und 1921 erschienen, und bemühte sich um die Weiterführung von „Wirtschaft und Gesellschaft". Der von Max Weber noch zum Druck gegebenen 1. Lieferung ließ sie in den Jahren 1921 und 1922 drei weitere Lieferungen aus nachgelassenen Manuskripten folgen. Von diesen schied sie die „Musiksoziologie", die Abhandlung „Die Stadt" und den Aufsatz „Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft" aus und ließ sie an anderer Stelle drucken. 6 Von den übrigen Manuskripten nahm sie an, daß sie, mit wenigen Ausnahmen, im Zusammenhang mit Webers Arbeit an „Wirtschaft und Gesellschaft" stünden. Die Herausgabe der nachgelassenen Schriften bot, wie sie schrieb, „naturgemäß manche Schwierigkeiten. Für den Aufbau des Ganzen lag kein Plan vor. Der ursprüngliche, auf S. X und XI, Band I des Grundrisses der Sozialökonomie 7 skizzierte gab zwar noch Anhaltspunkte, war aber in wesentlichen Punkten verlassen. Die Reihenfolge der Kapitel mußte deshalb

5 In einem Brief an Paul Siebeck vom 2. April 1914, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 (MWG II/8), schreibt Max Weber: „Ich kremple also meine Sache, sobald ich heim komme, zum 3. Male um und muß einen ganz dicken Abschnitt zufügen." 6 Die rationalen und soziologischen Grundlagen der Musik. Mit einer Einleitung von Th. Kroyer. -München: Drei Masken Verlag 1921. - Die Stadt. Eine soziologische Untersuchung, In: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 47. Band, Heft 3, 1921, S. 6 2 1 772. - Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft, in: Preußische Jahrbücher, Band 187, Heft 1, 1922, S. 1 - 1 2 . 7 Gemeint ist die „Einteilung des Gesamtwerkes" von 1914.

Zur Edition von „Wirtschaft und

Gesellschaft"

XI

von der H e r a u s g e b e r i n und ihrem Mitarbeiter e n t s c h i e d e n werden. Einige Abschnitte sind unvollendet und müssen so bleiben. Die Inhaltsangabe der Kapitel war nur für die .Rechtssoziologie' fixiert." 8 Unter Mitwirkung von Melchior Palyi veröffentlichte sie 1921 bis 1922 das Gesamtwerk, gliederte es in drei Teile, d e n e n sie eigene Titel g a b , und fügte „Die Stadt" wieder ein. Sie war der Meinung, daß damit der Intention ihres Mannes für sein Projekt „Wirtschaft und Gesellschaft" entsprochen sei. Den U n t e r s c h i e d z w i s c h e n den 1919/1920 g e s c h r i e b e n e n und den älteren Manuskripten übersah sie zwar nicht, d o c h g l a u b t e sie, daß z w i s c h e n b e i d e n eine Beziehung bestehe, die eine Z u s a m m e n f ü h r u n g der heterogenen Texte in einem Buch rechtfertige. Sie sah in d e m 1919 und 1920 neugefaßten Text der 1. Lieferung den „systematischen" und „abstrakten" Teil des Buches, d e m sich ihrer M e i n u n g nach ein „konkreter", „mehr schildernder" Teil anschloß. Im Vorwort v o m Oktober 1921 schrieb sie: „Während aber im ersten, abstrakten Teil d a s a u c h dort überall h e r a n g e z o g e n e Historische wesentlich als Mittel zur Veranschaulichung der Begriffe dient, so treten nunmehr, umgekehrt, die idealtypischen Begriffe in den Dienst der v e r s t e h e n d e n D u r c h d r i n g u n g welthistorischer Tatsachenreihen, Einrichtungen und Entwicklungen." 9 Auf dieser G r u n d e n t s c h e i d u n g basiert die seit 1922 überlieferte Werkgestalt von Max Webers „Wirtschaft und Gesellschaft". Sie liegt der Rezeptio n s g e s c h i c h t e und den Ü b e r s e t z u n g e n des Werkes in andere S p r a c h e n z u g r u n d e . A u c h J o h a n n e s Winckelmann schloß sich dieser Auffassung an. Durch Umstellungen und Hinzufügungen in den von ihm besorgten 4. und 5. A u f l a g e n von „Wirtschaft und Gesellschaft" (1956 und 1972) glaubte er, der Intention Webers noch besser als Marianne Weber entsprechen zu können. Er wollte „eine zuverlässige Rekonstruktion der d i s p o n i e r e n d e n K o m p o s i t i o n s g e d a n k e n des Autors gewinnen", „die immanente Stoffgliederung von Max Webers e i g e n e m Text herauspräparieren" und damit das O p u s m a g n u m „in einer von Max Weber b e a b s i c h t i g t e n und vorbereiteten Gestalt wieder herstellen". 1 0 Die B e m ü h u n g e n von J o h a n n e s Winckelmann, aus „Wirtschaft und Gesellschaft" ein in sich g e s c h l o s s e n e s Werk zu machen, waren von A n f a n g an umstritten und erfüllten die A n s p r ü c h e an eine historisch-kritische Edition nicht. Sie führten auch dazu, daß die verschiedenen Auflagen von „Wirtschaft und Gesellschaft" n a c h Textbestand und Textanordnung erhebliche Unterschiede aufweisen. So stehen die A b h a n d lung „Die Stadt", die Abschnitte „Die Wirtschaft und die O r d n u n g e n " , „Politische Gemeinschaften", „Nation" und „Klassen, Stände, Parteien" in der

8 Vorwort zur ersten Auflage von „Wirtschaft und Gesellschaft" vom Oktober 1921; abgedruckt auch in allen späteren Auflagen. 9 Dieses Vorwort ist In allen Auflagen von „Wirtschaft und Gesellschaft" abgedruckt. 10 Winckelmann, Max Webers hinterlassenes Hauptwerk, S.3.

XII

Zur Edition von „Wirtschaft und Gesellschaft"

Edition von Marianne Weber an anderer Stelle als in der von Johannes Winckelmann, ganz abgesehen davon, daß der von ihm neu komponierte Abschnitt „Die rationale Staatsanstalt und die modernen politischen Parteien und Parlamente (Staatssoziologie)" kein authentischer Webertext, sondern eine Textmontage ist. Schließlich hatte Marianne Weber die Abhandlung „Die rationalen und soziologischen Grundlagen der Musik" der 2. Auflage als Anhang beigefügt, was Johannes Winckelmann in der 5. Auflage wieder rückgängig machte. Auch bei den Überschriften der „Teile", der Kapitel und der Paragraphen bestehen große Abweichungen. Die Mehrzahl dieser Überschriften und Paragraphen ist nicht von Max Weber autorisiert. Sie wurden nach unterschiedlichen Gesichtspunkten von den beiden Herausgebern eingefügt. Bei den überkommenen Editionen von „Wirtschaft und Gesellschaft" handelt es sich um unterschiedliche Zusammenstellungen von heterogenen Textbeständen, die aus wenigstens drei Bearbeitungsphasen stammen. Die letzte Phase mündet in die Fassung, die Weber selbst 1920 als 1. Lieferung seines Beitrags zum „Grundriß der Sozialökonomik" zum Druck gab. Aus der zweiten Bearbeitungsphase stammen jene Texte, die er im wesentlichen in der Zeit von Ende 1912 bis Mitte 1914 für die von ihm für 1915 geplante Veröffentlichung vorbereitet hatte. Die früheste Bearbeitungsphase ist durch Texte repräsentiert, die zwischen 1909 und 1912 entstanden sind und zu denen auch der 1913 publizierte Aufsatz „Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie" 1 1 gehört. Diese frühen Texte lassen sich nur schwer identifizieren, da die Manuskripte nicht überliefert sind. Außerdem dürften sie zumeist für die für 1915 geplante Veröffentlichung überarbeitet worden sein, ohne daß dies im Detail heute noch nachgewiesen werden kann. Die Texte, die sich im Nachlaß fanden, weisen einen sehr unterschiedlichen Bearbeitungszustand auf. So wurde die Erstfassung der „Rechtssoziologie", von der ein Typoskript überliefert ist, von Weber überarbeitet, wohingegen andere Texte unvollendet und redaktionell unbearbeitet überliefert sind. In dieser Form hätte Max Weber die Masse seiner nachgelassenen Schriften wohl kaum zum Druck gegeben. Der Edition der Max Weber-Gesamtausgabe liegen die überlieferten Manuskripte und Typoskripte zum Kapitel „Die Wirtschaft und die Ordnungen" sowie zu den §§ 1 - 7 der „Rechtssoziologie" zugrunde. Letztere sind von Max Weber handschriftlich korrigiert und durch handschriftlich verfaßte Deckblätter zu den §§ 1 - 6 mit entsprechenden Überschriften und Inhaltsübersichten ergänzt worden. Ferner wurde 1996 ein sechsseitiges Manu-

11 Zuerst in: Logos. Internationale Zeltschrift für Philosophie der Kultur, Band 4, Heft 3, 1913, S. 2 5 3 - 2 9 4 ; später in: Weber, Max, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 1. Aufl. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1922, S. 4 0 3 - 4 5 0 (MWG 1/12).

Zur Edition von „ Wirtschaft und Gesellschaft"

XIII

skript z u m Kapitel „Staat und Hierokratie" aufgefunden. Insgesamt basiert die Edition der älteren, postum veröffentlichten Texte zu „Wirtschaft und Gesellschaft" zu über einem Fünftel auf einer durch Manuskripte oder Typoskripte gesicherten Textvorlage. Der Herstellungsprozeß der von Max Weber noch in den Druck g e g e b e n e n 1. Lieferung von „Wirtschaft und Gesellschaft" läßt sich anhand der überlieferten Fahnenkorrekturen Max Webers aus d e m Frühjahr 1920 dokumentieren. Editionsplan Eine historisch-kritische Edition präsentiert Texte in ihrer überlieferten Form. Die Herausgeber m a c h e n sich dies zur Maxime. Sie wollen Max Webers unvollendetes Hauptwerk nicht rekonstruieren und g e b e n daher die in der Rezeptionsgeschichte verbreitete Vorstellung von einem in sich geschlossenen Buch auf. Sie unterscheiden zunächst zwischen d e m Text, d e n Weber selbst z u m Druck gab, und den Texten, die sich in seinem Nachlaß fanden. Dementsprechend werden die nachgelassenen Texte im Band MWG I/22 mit d e n Teilbänden MWG 1/22-1 bis 2 2 - 6 und die 1919/1920 für d e n Druck vorbereiteten Texte der 1. Lieferung von „Wirtschaft und Gesellschaft" im Band MWG I/23 ediert. Dadurch wird die von Weber autorisierte Fassung letzter Hand von d e n früheren Texten deutlich a b g e h o b e n . Der unterschiedliche Entstehungszusammenhang, die veränderte Konzeption und Begrifflichkeit werden dadurch herausgehoben. A u c h die inhaltlichen Verdoppelungen bei den Darstellungen der Herrschaftstypen und der Klassen und Stände, die sich in beiden Textbeständen finden, werden erklärlich. Die Edition des Bandes MWG I/23 hat es mit einem zwar unvollständigen, aber von Weber für d e n Druck autorisierten Text zu tun, die Edition des Bandes MWG I/22 hingegen mit Texten aus verschiedenen Arbeitsgängen und von unterschiedlichen Bearbeitungsstufen, die z u m Teil fragmentarisch g e b l i e b e n sind und über deren Zuordnung Max Weber noch keine endgültige Entscheidung getroffen hatte. Im übrigen fehlt diesen Manuskripten auch ein Anfang. Die für die Fassung von 1912 vermutlich vorgesehene systematische Einleitung ist durch die separate Veröffentlichung des „Kategorienaufsatzes" aufgelöst und nicht ersetzt worden. Beide Bände tragen den durch Zusätze spezifizierten Titel „Wirtschaft und Gesellschaft", wodurch der thematische Z u s a m m e n h a n g zwischen d e n älteren und jüngeren Texten dokumentiert wird. Im folgenden wird die Gliederung der Edition kurz geschildert. Die b a n d spezifischen editorischen Fragen werden in den Einleitungen zu d e n einzelnen Bänden und Teilbänden besprochen. Die Entwicklungsgeschichte des „ H a n d b u c h ( e s ) der politischen Ökonomie", später „Grundriß der Sozialökonomik", sowie der dazu von Weber verfaßten Beiträge wird gesondert im

XIV

Zur Edition von „ Wirtschaft und Gesellschaft"

Band MWG 1/22-6 dargestellt. Dort werden auch die dafür relevanten Dokumente ediert.

MWG 1/22 Der Band MWG 1/22 umfaßt die Im Zusammenhang von „Wirtschaft und Gesellschaft" entstandenen nachgelassenen Schriften. Die in der 2. bis 4. Auflage als Anhang beigefügte Abhandlung „Die rationalen und soziologischen Grundlagen der Musik" wird im Band MWG 1/14 gesondert ediert. Angesichts des Umfangs der Texte und des editorischen Apparates - im Satz der Max Weber-Gesamtausgabe mehr als 3000 Selten - müssen Teilbände gebildet werden. Sie umfassen thematisch unterscheidbare Werkteile und tragen von den Herausgebern gewählte Bandtitel. Für den Teilband MWG I / 2 2 - 5 wurde auf die Überschrift der Erstveröffentlichung „Die Stadt" zurückgegriffen. Ihre Gliederung folgt der Disposition Webers In der „Einteilung des Gesamtwerkes" von 1914, ohne ihr in allen Teilen zu entsprechen. Durch die Publikation der nachgelassenen Texte zu „Wirtschaft und Gesellschaft" In verschiedenen, thematisch homogenen Bänden soll nicht der Eindruck erweckt werden, es handele sich um eine Sammlung von unverbundenen Texten, gewissermaßen um Darstellungen von „speziellen Soziologien". Auch wenn einige Texte den Charakter umfangreicher Monographien annahmen, so waren sie doch von Weber Im Zusammenhang seines Projekts „Wirtschaft und Gesellschaft" entworfen. Die Teilbände stehen In einem konzeptionellen Zusammenhang, den Weber schon Im Stoffverteilungsplan von 1910 skizzierte und Im Vorwort zum 1. Band des GdS 1914 formulierte. 12 Band MWG 1/22-1:

Gemeinschaften

enthält die nachgelassenen Texte zu folgenden Abschnitten aus der „Einteilung des Gesamtwerkes": Wirtschaftliche Beziehungen der Gemeinschaften im allgemeinen; Hausgemeinschaft, Oikos und Betrieb; Nachbarschaftsverband, Sippe, Gemeinde; Ethnische Gemeinschaftsbeziehungen; Marktvergemeinschaftung; politischer Verband, Stände, Klassen, Partelen; Nation.

12 Grundriß der Sozialökonomik, I. Abteilung, Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck ) 1914, S. VII.

Zur Edition von „ Wirtschaft und

Band MWG 1/22-2:

Religiöse

Gesellschaft"

XV

Gemeinschaften

enthält eine von der Disposition von 1914 n a c h U m f a n g und Inhalt verschied e n e Fassung der „Religionssoziologie". Sie wird aus der u r s p r ü n g l i c h e n A b f o l g e der G e m e i n s c h a f t s f o r m e n gelöst u n d in einem e i g e n e n Teilband ediert. Band MWG 1/22-3:

Recht

enthält die gleichfalls nach U m f a n g u n d Inhalt wesentlich erweiterte „Rechtssoziologie", die im u r s p r ü n g l i c h e n Plan nur einen A b s c h n i t t im Kapitel „Politischer Verband" darstellen sollte. Diesem B a n d wird a u c h der Text „Die Wirtschaft u n d die O r d n u n g e n " z u g e w i e s e n . Er stammt vermutlich aus der A r b e i t s p h a s e von vor 1912 u n d steht in einem e n g e n Z u s a m m e n h a n g mit d e m 1913 gesondert veröffentlichten Aufsatz „Über einige Kategorien der v e r s t e h e n d e n Soziologie". Die Edition basiert mit A u s n a h m e d e s § 8 der „Rechtssoziologie" auf d e n überlieferten Manuskripten. Band MWG 1/22-4:

Herrschaft

enthält die n a c h g e l a s s e n e n Texte z u m Kapitel „Die Herrschaft" aus der Disposition von 1914. Der dort a n g e k ü n d i g t e Abschnitt „Die nichtlegitime Herrschaft. Typologie der Städte" hat sich zu der hinterlassenen A b h a n d lung „Die Stadt" ausgeweitet und wird g e s o n d e r t in B a n d M W G I / 2 2 - 5 ediert. Zu d e n ebenfalls a n g e k ü n d i g t e n A b s c h n i t t e n über „Die Entwicklung d e s m o d e r n e n Staates" u n d „Die m o d e r n e n politischen Parteien" h a b e n sich keine Texte im Nachlaß g e f u n d e n . D i e s e m B a n d w u r d e der Text „Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft" zugeordnet, d e n Marianne W e b e r im Nachlaß vorfand, aber g e s o n d e r t in d e n Preußischen J a h r b ü chern, B a n d 187, 1922, S. 1 - 1 2 , veröffentlichte. Band MWG 1/22-5:

Die

Stadt

enthält d e n Text „Die Stadt", p o s t u m veröffentlicht in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, B a n d 47, Heft 3, 1921, S. 6 2 1 - 7 7 2 . Der im Plan v o n 1914 innerhalb d e s Kapitels „Die Herrschaft" a u s g e w i e s e n e A b s c h n i t t „Die nichtlegitime Herrschaft. Typologie der Städte" hat sich im n a c h g e l a s senen Manuskript zu einer nicht a b g e s c h l o s s e n e n , umfangreichen A b h a n d l u n g entwickelt, die a u c h angesichts der unsicheren Z u o r d n u n g innerhalb von „Wirtschaft und Gesellschaft" im letzten Teilband g e s o n d e r t veröffentlicht wird.

XVI

Zur Edition von „ Wirtschaft und

Band MWG 1/22-6:

Materialien

und

Gesellschaft"

Register

enthält eine Darstellung der E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e von Max Webers Beiträgen z u m „ H a n d b u c h der polltischen Ökonomie", später „Grundriß der Sozialökonomik", die Edition der dafür relevanten D o k u m e n t e u n d das Gesamtregister zu B a n d M W G 1/22. Titel Der Band MWG 1/22 trägt den Titel „Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft u n d die gesellschaftlichen O r d n u n g e n und Mächte. Nachlaß". Der zusätzliche Titel „Die Wirtschaft u n d die gesellschaftlichen O r d n u n g e n u n d Mächte" ist von Weber durch die Druckfassung der „Einteilung d e s Gesamtwerkes" 1914 autorisiert. Er w u r d e eingeführt, als der A b t e i l u n g „Wirtschaft und Gesellschaft" der zuvor an anderer Stelle eingeordnete Beitrag von Eugen von Philippovich, „ E n t w i c k l u n g s g a n g der wirtschafts- u n d sozialpolitischen Systeme u n d Ideale", der s c h o n 1912 fertiggestellt war, z u g e w i e sen wurde. D a d u r c h umfaßte die A b t e i l u n g „Wirtschaft u n d Gesellschaft" nunmehr zwei A b h a n d l u n g e n , so daß für Webers Beitrag ein eigener Titel erforderlich wurde. Der Titel „Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen O r d n u n g e n und Mächte" charakterisiert W e b e r s Konzeption aus d e m Jahre 1914, in deren Rahmen die n a c h g e l a s s e n e n Texte entweder entstanden sind oder überarbeitet wurden. Marlanne Weber v e r w a n d t e ihn als Überschrift für die von Ihr als I. Teil b e z e i c h n e t e Lieferung, die Max Weber noch z u m Druck g e g e b e n hat, J o h a n n e s W i n c k e l m a n n als Titel der von Ihm als II. Teil zusammengefaßten n a c h g e l a s s e n e n Schriften. S c h o n 1913 b e z e i c h nete Max Weber seinen Beitrag für „Wirtschaft und Gesellschaft" als „meine Soziologie", 1 3 und in einer Verlagsanzeige des Grundrisses der Sozialökonomik aus d e m Jahre 1914 wird der Beitrag von Ihm in der A b t e i l u n g III mit d e m Titel „Soziologie" a n g e k ü n d i g t . 1 4 Man könnte daher für den B a n d M W G I/22 a u c h den zusätzlichen Titel „Soziologie" wählen. D o c h a n g e s i c h t s der Vorbehalte, die Weber zu d i e s e m Zeitpunkt g e g e n diese B e z e i c h n u n g seines Beitrages äußerte, 1 5 haben sich die H e r a u s g e b e r für den Titel entschieden, der In der „Einteilung des G e s a m t w e r k e s " erscheint. Ist der eine zwar autoreigen, so ist der andere d u r c h den Autor formal autorisiert.

13 Brief an Paul Siebeck vom 9. Nov. 1913, VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446 (MWG II/8). 14 Verlagsanzeige im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, 39. Band, 1. Heft (Juli-Heft 1914). 15 Im Brief an Paul Siebeck vom 6. Nov. 1913, ebd. (MWG Ii/8), schreibt Weber, daß er seine „Soziologie" nie so nennen könnte.

Zur Edition von „ Wirtschaft und Gesellschaft"

XVII

MWG 1/23 Der Band MWG 1/23 enthält die 1. Lieferung des 1919/1920 neu bearbeiteten Beitrages von Max Weber für d e n „Grundriß der Sozialökonomik". Die Edition basiert auf d e n zum größten Teil von Weber handschriftlich korrigierten Druckbögen. Die ersten beiden Kapitel „Soziologische Grundbegriffe" und „Soziologische Grundkategorien des Wirtschaftens" finden in den nachgelassenen Manuskripten keine Vorfassungen. Kapitel III, „Typen der Herrschaft", stellt eine überarbeitete und auf ein Viertel des Umfangs verdichtete Neufassung der älteren Texte zum Kapitel „Die Herrschaft" dar. Der nachgelassene Text zu „Klassen, Stand und Parteien" findet nur teilweise und in neuer begrifflicher Schärfung Eingang in das unvollendete Kapitel IV der 1. Lieferung. Nach Konzeption und Darstellungsform unterscheidet sich diese Fassung grundlegend von früheren Fassungen. Sie enthält einen neuen Anfang mit einer Theorie des Handelns, sozialen Handelns und, darauf aufbauend, der sozialen Beziehungen, der gesellschaftlichen Ordnungen und der Verbände. In der Darstellungsweise ist der Text lehrbuchartig in Paragraphen gegliedert, klassifikatorisch ausdifferenziert und gerafft. Über die von Weber beabsichtigte Fortsetzung dieser Neufassung seines Beitrages gibt es nur wenige Hinweise in den gedruckten Kapiteln, so auf ein geplantes Kapitel V, das sich mit Typen der Gemeinschaften („Formen der Verbände") befassen sollte, sowie auf eine Religions-, Rechtsund Staatssoziologie. Als sicher kann gelten, daß e r ' d i e älteren Texte aus den Jahren 1910 bis 1914 nicht unverändert in die folgenden Lieferungen ü b e r n o m m e n hätte, dies zeigt die Neufassung der „Herrschaftssoziologie". Titel Der Band MWG I/23 trägt d e n Titel „Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie. Unvollendet 1 9 1 9 - 1 9 2 0 " . Damit wird er in d e n Z u s a m m e n h a n g des 1909 unter diesem Titel begonnenen Projekts gestellt und der Titelgebung im Verlagsvertrag Webers entsprochen. Zur Unterscheidung zum Band MWG I/22 wird der Zusatz „Soziologie" angefügt. Die Herausgeber b e g r ü n d e n diese Entscheidung mit den „Neuigkeiten" des Verlags J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) v o m April 1920, also noch zu Webers Lebzeiten, in denen der Beitrag Max Webers z u m „Grundriß der Sozialökonomik" wie folgt a n g e k ü n d i g t wird: „III. Abteilung: Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie". Der Ausdruck Soziologie ist darüber hinaus schon seit 1913 als ein autoreigener Begriff nachgewiesen. Horst Baier M. Rainer Lepsius Wolfgang J. M o m m s e n Wolfgang Schluchter

621

Die Stadt. Eine soziologische Untersuchung. Von

MAX WEBER. I. B e g r i f f u n d K a t e g o r i e n d e r

Stadt.

Eine »Stadt« kann man in sehr verschiedener Art zu definieren versuchen. Allen gemeinsam ist nur: daß sie jedenfalls eine (mindestens relativ) geschlossene Siedelung, eine »Ortschaft« ist, nicht eine oder mehrere einzeln liegende Behausungen. Im Gegenteil pflegen in den Städten (aber freilich nicht nur in ihnen) die Häuser besonders dicht, heute in der Regel Wand an Wand zu stehen. Die übliche Vorstellung verbindet nun mit dem Wort »Stadt« darüber hinaus rein q u a n t i t a t i v e Merkmale: sie ist eine g r o ß e Ortschaft. Das Merkmal ist nicht an sich unpräzis. Es würde, soziologisch angesehen, bedeuten: eine Ortschaft, also eine Siedelung in dicht aneinandergrenzenden Häuser, welche eine so umfangreiche zusammenhängende Ansiedelung darstellen, daß die sonst dem Nachbarverband spezifische, persönliche gegenseitige Bekanntschaft der Einwohner miteinander f e h l t . Dann wären nur ziemlich große Ortschaften Städte, und es hängt von den allgemeinen Kulturbedingungen ab, bei welcher Größe etwa dies Merkmal beginnt. Für diejenigen Ortschaften, welche in der Vergangenheit den R e c h t s Charakter von Städten hatten, traf dieses Merkmal bei weitem nicht immer zu. Und es gibt im heutigen Rußland »Dörfer«, welche, mit vielen Tausenden von Einwohnern, weit größer sind als manche alte »Städte« (z. B. im polnischen Siedlungsgebiet unseres Ostens), welche etwa nur einige Hundert zählten. Die Größe allein kann jedenfalls nicht entscheiden. A r c h i v für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik.

47. 3.

40

Faksimile der 1. Seite der Fassung A des Aufsatzes „Die Stadt"

Vorwort

Der vorliegende Band enthält Max Webers unvollendete Studie „Die Stadt", die posthum zuerst im „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik" 1921 und dann erneut als Kapitel von „Wirtschaft und Gesellschaft" 1922 publiziert worden ist. Die Edition beruht auf dem Erstdruck im „Archiv" als derjenigen Fassung, die der „letzten Hand" am nächsten ist. Der Besonderheit des außergewöhnlich „historischen" Textes, der ein erstes Resümee der von Weber zur Bestimmung der Eigenart des okzidentalen Bürgertums durchgeführten Epochen- und Kulturvergleiche bietet, wurde durch eine ausführliche Sachkommentierung Rechnung z u t r a g e n versucht. Zu danken habe ich jenen Institutionen und Personen, die die Editionsarbeiten in vielfältiger Hinsicht gefördert haben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften haben die Beschäftigung von Mitarbeitern ermöglicht. Die umfänglichen Literaturrecherchen wurden durch die von der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz und der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin eingeräumten großzügigen Ausleihbedingungen wesentlich erleichtert. Zahlreiche Kollegen aus verschiedenen Fachgebieten haben Anfragen bereitwillig beantwortet; einige haben frühere Fassungen des Editionsmanuskripts ganz oder teilweise gelesen und kommentiert. Ich möchte ihre Autorität nicht durch namentliche Nennung ungebührlich in Anspruch nehmen. An den langjährigen Editionsarbeiten haben verschiedene Mitarbeiter engagiert mitgewirkt. Meine studentischen Hilfskräfte an der Universität Bielefeld und der Humboldt-Universität zu Berlin haben unermüdlich Literatur beschafft. Recherchen für den Editorischen Bericht haben Jörg Rogge und Susanne Rademaker durchgeführt; an der Konstituierung des Textes haben Jörg Rogge, Susanne Rademaker, Andreas Kohring und Bert Koch mitgearbeitet. Für Teile des Sachapparats hat zumal Jörg Rogge Vorarbeiten geleistet. Die Einrichtung der EDV-Fassung der Druckvorlage haben Andreas Kohring und Bert Koch vorgenommen. Bert Koch hat diverse Fassungen des Editionsmanuskripts immer wieder korrigiert, die Zitate überprüft, die Druckkorrekturen gelesen und das Register angefertigt. Alle Texte der Herausgeberrede stammen von mir, so daß ich auch für alle Fehler und Unzulänglichkeiten alleine die Verantwortung trage.

XXII

Vorwort

Für stete Hilfsbereitschaft und vertrauensvolle Zusammenarbeit danke ich Dr. Karl-Ludwig Ay und Dr. Edith Hanke von der MWG-Redaktion. Die Seitenkonkordanzen hat Ingrid Pichler erstellt. Berlin, im März 1999

Wilfried Nippel

Siglen, Zeichen, Abkürzungen

t

§

o/ /o 1

2

3

A A1, A2, A3 a b c a

a b

b

Seltenwechsel Hinzufügung des Edltors gestorben Paragraph Prozent siehe Indices bel A n m e r k u n g e n des Edltors Sigle für die Erstausgabe des Textes Seitenzählung der Druckvorlage Indices für textkritische A n m e r k u n g e n Beginn und Ende von Texteingriffen

a. a. 0 . Abt.

am angeführten Ort Abteilung

Agrarverhältnisse 3 ahd.

- » W e b e r , Agrarverhältnisse althochdeutsch altenglisch Anmerkung arabisch Auflage

altengl. Anm. arab. Aufl. B.C. Bl. BSB bzw.

before Christ Blatt

ca.

circa columna(e)

col., coli. dass. ders.

Bayerische Staatsbibliothek beziehungsweise

dgl. d. h. dies. Diss.

dasselbe derselbe dergleichen das heißt dieselbe Dissertation

ebd. ed., ed.

ebenda edltion, editor, edidlt, éditlon

f., ff. fr. frz.

folgend(e) fragmenta französisch

XXIV

Siglen, Zeichen,

GdS griech. GStA

Grundriß der Sozialökonomik griechisch Geheimes Staatsarchiv

HdStW 1 ,

hebr. hg., Hg. Hinduismus

Handwörterbuch der Staatswissenschaften, hg. von Johannes Conrad [u.a.] [1. Aufl.], 6 Bände, 2 Supplementbände. Jena: Gustav Fischer 1 8 9 0 - 1 8 9 7 ; 2. Aufl., 7 Bände, 1 8 9 8 1901; 3. Aufl., 8 Bände, 1 9 0 9 - 1 9 1 1 . hebräisch herausgegeben, Herausgeber -> Weber, Hinduismus

LB., i.Br. ital.

im Breisgau italienisch

Jg.

Jahrgang

Judentum

- > Weber, Judentum

Konfuzianismus

—> Weber, Konfuzianismus

lat. MGH mhd. mlat. MWG

lateinisch

Abkürzungen

n.Chr. NI. Nr. n.s.

Monumenta Germanlae Histórica mittelhochdeutsch mittellateinisch Max Weber-Gesamtausgabe nach Christus Nachlaß Nummer nuova serla, new series

P-

pagina

RE

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, hg. von Georg Wissowa [u. a.]. - München: Druckenmüller 1893 ff. Rep. Repertorium Römische Agrargeschichte - * Weber, Römische Agrargeschlchte S. seil. sog. Soziale Gründe Sp. St.

Seite scilicet sogenannt -> Weber, Soziale Gründe Spalte Sankt

Tl.

Transliteration

u. a. übers.

und andere(n), unter anderem übersetzt

Sigleti, Zeichen,

Abkürzungen

XXV

VA v.a. v.Chr. vgl. vol.,vols.

Verlagsarchiv vor allem vor Christus vergleiche volume(n), volumes

Weber, Marianne, Lebensbild Weber, Agrarverhältnisse 1 , 2 ,

Weber, Marianne, Max Weber. Ein Lebensbild. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1926. Weber, Max, Agrarverhältnisse im Altertum, in: HdStW 1 , 2. Supplementband, 1897, S. 1-18; ders., Agrargeschichte I. Agrarverhältnisse im Altertum, in: HdStW 2 , Band 1, 1898, S. 57-85; dass., HdStW 3 , Band 1, 1909, S. 5 2 - 1 8 8 (MWG I/6). Weber, Max, Der Streit um den Charakter der altgermanischen Sozialverfassung in der deutschen Literatur des letzten Jahrzehnts, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge, Band 28, 1904, S. 4 3 3 - 4 7 0 (MWG I/6). Weber, Max, Briefe 1 9 0 6 - 1908, hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön (MWG, Abteilung II: Briefe, Band 5 ) . - T ü b i n g e n : J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1990. Weber, Max, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter. Nach südeuropäischen Quellen. - Stuttgart: Ferdinand Enke 1889 (MWG 1/1). Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. 3. Artikel: Hinduismus und Buddhismus, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 41, 1916, S. 6 1 3 - 7 4 4 ; Band 42, 1916/17, S. 3 4 5 - 4 6 1 und 6 8 7 - 8 1 4 (MWG I/20). Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreilgionen. Das antike Judentum, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 44, 1917, S. 5 2 - 1 3 8 (MWG 1/21). Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. Fortsetzung, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 44, 1918, S. 3 4 9 - 4 4 3 (MWG 1/21). Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum. Schluß, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 46, 1919, S. 541 - 6 0 4 (MWG 1/21). Weber, Max, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Vergleichende religionssoziologische Versuche. Einleitung; Konfuzianismus und Taoismus; Zwischenbetrachtung: Stufen und Richtungen der religiösen Weltablehnung, in: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Band 1. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1920, S. 2 3 7 - 5 7 3 (MWG 1/19). Weber, Max, Die „Objektivität" sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 19, 1904, S . 2 2 - 8 7 (MWG I/7). Weber, Max, Parlament und Regierung Im neugeordneten Deutschland. Zur politischen Kritik des Beamtentums und Parteiwesens (Die innere Politik, hg. von Sigmund Hellmann). - München und Leipzig: Duncker & Humblot 1918 (MWG 1/15).

3

Weber, Altgermanische Sozialverfassung Weber, Briefe 1 9 0 6 - 1 9 0 8

Weber, Handelsgesellschaften Weber, Hinduismus

Weber, Judentum I Weber, Judentum II Weber, Judentum VI Weber, Konfuzianismus

Weber, Objektivität Weber, Parlament und Regierung

XXVI

Siglen, Zeichen,

Weber, Römische Agrargeschichte

Weber, Max, Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht. - Stuttgart: Ferdinand Enke 1891 (MWG I/2). Weber, Max, Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 22, 1906, Beilage: Zur Beurteilung der gegenwärtigen politischen Entwicklung Rußlands, von S[ergius] J. Giwago und M[ax] Weber, S. 2 3 4 - 3 5 3 (MWG 1/10). Weber, Max, Die sozialen Gründe des Untergangs der antiken Kultur, in: Die Wahrheit. Halbmonatsschrift zur Vertiefung in die Fragen und Aufgaben des Menschenlebens, Band 6, 1896, S. 5 7 - 7 7 (MWG I/6). Weber, Max, Wirtschaftsgeschichte. Abriß der universalen Sozial- und Wirtschafts-Geschichte, aus den nachgelassenen Vorlesungen hg. von S i g m u n d ] Hellmann und M[elchior] Palyi. - München und Leipzig: Duncker & Humblot 1923 (MWG, Abt. III). - » W e b e r , Wirtschaftsgeschichte Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft (Grundriß der Sozialökonomik, Abteilung III). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1922 (MWG I/22 und I/23).

Weber, Rußlands Lage

Weber, Soziale Gründe

Weber, Wirtschaftsgeschichte

Wirtschaftsgeschichte WuG 1

z. B.

zum Beispiel

Abkürzungen

Einleitung

Max Webers posthum publizierte, unvollendete Abhandlung „Die Stadt" liegt in einem Bearbeitungsstand vor, der auf die Zeit zwischen Ende 1913 und Mitte 1914 datiert werden kann. Es läßt sich nicht eindeutig entscheiden, für welchen Kontext Weber die Studie geschrieben hat und wie er sie gegebenenfalls nach Fertigstellung hätte verwenden wollen. 1 Der Text bündelt eine Vielzahl von Fragen, die Weber zum Teil in seinen früheren Arbeiten erörtert, zum Teil in seinen vergleichenden religionssoziologischen Studien traktiert hat, denen er sich nach 1910 zugewandt hatte. Die hinter den wechselnden Fragestellungen und Vergleichsperspektiven stehende Leitfrage ist, warum sich trotz der Ubiquität des Phänomens Stadt nur im Okzident ein sich selbst verwaltendes städtisches Bürgertum herausgebildet habe. Es geht Weber darum, einerseits den Okzident vom Orient abzusetzen, andererseits die unterschiedlichen Ausprägungen der okzidentalen Stadtgemeinde herauszuarbeiten. Für den Okzident stehen griechisch-römische Antike und europäisches Mittelalter, für die Antike konkret die autonomen Stadtstaaten Athen, Sparta und Rom in ihrer jeweiligen Blütezeit; für das Mittelalter werden je nach Argumentationsbedarf die italienischen Städte (bei denen noch zwischen den Seestädten und den Binnenstädten zu unterscheiden ist), die Städte des kontinentalen Bereichs nördlich der Alpen oder die englischen Städte herangezogen. Für den kontrastierenden Vergleich mit dem Orient wird sowohl auf das ägyptische und vorderasiatische Altertum als auch auf China, Japan und Indien in der Gesamtheit ihrer historischen Entwicklung Bezug genommen. Weitere historische Beispiele (etwa aus Rußland, Mekka, Konstantinopel oder sogar den Städten der afrikanischen Goldküste) kommen im Einzelfall zur Hervorhebung spezieller Gesichtspunkte hinzu. Während der Vergleich zwischen den großen Kulturkreisen darauf zielt, die Einzigartigkeit der okzidentalen Stadtgemeinde und ihres politisch verfaßten Bürgertums herauszustellen, geht es bei dem innerokzidentalen Vergleich zwischen Antike und Mittelalter vornehmlich darum zu zeigen, warum trotz auffälliger Parallelitäten in den jeweiligen Verfassungsentwicklungen erst im Mittelalter wesentliche Voraussetzungen für die Entstehung des „modernen Kapitalismus" und des „modernen Staats" gelegt werden konnten. 2 1 Vgl. den Editorischen Bericht, unten, S.46ff. 2 Unten, S. 233.

2 1. Aspekte

Einleitung

der Stadtgeschichte

in früheren Arbeiten

Webers

Die „Stadt"-Studie bietet einen in dieser Form im Weberschen Werk einzigartigen universalhistorischen Entwurf, der zugleich eine Synthese aus den Ergebnissen jener komparatistischen Unternehmungen darstellt, die Weber sowohl in den der Arbeit an der „Stadt" vorausgegangenen wie in den etwa gleichzeitig damit betriebenen Studien erzielt hat. Insofern läßt sich nicht auf frühere Arbeiten verweisen, die das hier durchgeführte Untersuchungsprogramm bereits in allen Hinsichten auf Fragestellung, Methodik und Vergleichsobjekte erkennen ließen. Als Vorstudien können mit gewissen Einschränkungen Webers frühere Arbeiten zur Antike gelten, da sich in ihnen feststellen läßt, wie Weber - auch im Hinblick auf das Thema „Stadt" - seine universalhistorische Perspektive erweitert, wie er zu methodischen Klärungen gelangt, die für seine weiteren Arbeiten grundlegend werden sollten, und wie er einige Deutungsmuster entwickelt, die er dann in der „Stadt" auf zuvor nicht behandelte historische Materialien anwenden sollte. Es zeigt sich auch im vorliegenden Text, in dem die Antike zwar keineswegs im Vordergrund der Erörterungen steht, jedoch beachtlichen Raum einnimmt, in welch hohem Maße sich der „.Gelehrte' Max Weber [...] in der Beschäftigung mit dem Altertum" 3 ausgebildet hat. Ein wesentliches Thema seiner früheren Untersuchungen zur Antike war die Frage nach der Eigenart und den Entwicklungsschranken des antiken Kapitalismus gewesen, der nach Webers Einschätzung weitgehend auf der Ausnutzung politisch-militärisch vermittelter Erwerbschancen basiert hatte. Weber hatte sich dieser Fragestellung zunächst in seiner „Römischen Agrargeschichte" von 1891, dann in dem Aufsatz „Die sozialen Gründe des Untergangs der antiken Kultur" von 1896, 4 schließlich in den verschiedenen Fassungen des Artikels „Agrarverhältnisse im Altertum" für das „Handwörterbuch der Staatswissenschaften" von 1897, 1898 und (nun im Umfang einer Monographie) 1908/09 5 gewidmet. Dabei zeigte sich eine Ausweitung seines Vergleichsrahmens von der römischen Geschichte über die gesamte griechisch-römische Antike bis zur Behandlung des gesamten vorderorientalischen Altertums, wie sie in der fortschreitenden Einbeziehung des alten Ägyptens, Mesopotamiens und Israels in den immer umfänglicher werden-

3 Heuss, Alfred, Max Webers Bedeutung für die Geschichte des griechisch-römischen Altertums, in: Historische Zeitschrift, Band 201, 1965, S. 5 2 9 - 5 5 6 , hier S. 531. 4 Vgl. Deininger, Jürgen, .Die sozialen Gründe des Untergangs der antiken Kultur'. Bemerkungen zu Max Webers Vortrag von 1896, in: Alte Geschichte und Wissenschaftsgeschichte. Festschrift für Karl Christ zum 65. Geburtstag, hg. von Peter Kneissl und Volker Losemann. - Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1988, S. 9 5 - 1 1 2 . 5 Zur Datierung vgl. den Edltorischen Bericht, unten, S. 49, Anm. 21.

Einleitung

3

den Fassungen der „Agrarverhältnisse" zum Ausdruck kam. 6 Weber rezipierte dafür eine umfängliche Literatur, die sich seit dem späten 19. Jahrhundert für den Bereich der „klassischen" griechisch-römischen Welt verstärkt Themen der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte angenommen hatte und die aufgrund der zunehmenden Erschließung monumentaler Quellen für das alte Ägypten und den Alten Orient einen geradezu dramatischen Erkenntniszuwachs verzeichnete. Auch wenn Weber sich in einem erstaunlichen Ausmaß darum bemühte, eine weitverzweigte spezialisierte Literatur auszuwerten, 7 wird man dem Werk Eduard Meyers eine gewichtige Bedeutung für die Ausweitung seiner Darstellung der vorderorientalischen Kulturen zuschreiben können. 8 In diesen Studien hatte das Thema Stadt bereits eine wichtige Rolle gespielt, 9 da es Weber - ungeachtet der wechselnden thematischen Schwerpunkte seiner Arbeiten - immer darum gegangen war, ein Gesamtbild der „Kultur" zu zeichnen. So hatte er in dem Essay zum Untergang der antiken

6 Agrarverhältnisse 1 (MWG I/6) behandelt nur Griechenland und Rom; die erweiterte Fassung Agrarverhältnisse 2 (MWG I/6) bezieht Ägypten und Mesopotamien ein, spart Israel aber noch aus. 7 Vgl. die Literaturhinweise in: Agrarverhältnisse 3 , S. 1 8 2 - 1 8 8 (MWG I/6). 8 Darüber hinaus hat sich Weber in: Kritische Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 22, 1906, S. 1 4 3 - 1 7 7 (MWG I/7), ausführlich mit den (durch den „Methoden-Streit" um Karl Lamprecht provozierten) geschichtstheoretischen Äußerungen Eduard Meyers, in: Zur Theorie und Methodik der Geschichte. Geschichtsphilosophische Untersuchungen. - Halle: Max Niemeyer 1902, auseinandergesetzt. Zum vielschichtigen, von größtem wechselseitigen Respekt geprägten, Verhältnis Weber - Meyer vgl. Momigliano, Arnaldo, Max Weber and Eduard Meyer. Apropos of city and country in antiquity, in: ders., Sesto contributo alla storia degli studi classici e del mondo antico. - Roma: Edizioni di Storia e Letteratura 1980, S. 285-293; Capogrossi Colognesi, Luigi, Economie antiche e capitalismo moderno. La sfida di Max Weber. - Bari: Laterza 1990, S. 3 3 1 - 3 5 0 ; Deininger, Jürgen, Eduard Meyer und Max Weber, in: Eduard Meyer. Leben und Leistung eines Universalhistorikers, hg. von William M. Calder III und Alexander Demandt (Mnemosyne, Supplement 112). Leiden [u.a.]: E.J. Brill 1990, S. 132-158. - Die These von Tenbruck, Friedrich H., Max Weber und Eduard Meyer, in: Wolfgang J. Mommsen und Wolfgang Schwentker (Hg.), Max Weber und seine Zeitgenossen (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, Band 21). - Göttingen [u.a.]: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 3 3 7 - 3 7 9 , Webers gesamtes Spätwerk sei aus der Auseinandersetzung mit Eduard Meyer erwachsen, ist in dieser Form nicht haltbar; vgl. Nippel, Wilfried, Max Weber, Eduard Meyer und die „Kulturgeschichte", in: Was ist Gesellschaftsgeschichte? Positionen, Themen, Analysen, hg. von Manfred Hettling [u.a.] - München: C.H. Beck 1991, S. 3 2 3 - 3 3 0 ; ders., Eduard Meyer, Max Weber e le origini dello stato, in: Problemi e metodi della storiografia tedesca contemporanea, a cura di Beatrice de Gerloni. -Torino: Giulio Einaudi 1996, S. 175-193. 9 Vgl. Deininger, Jürgen, Die antike Stadt als Typus bei Max Weber, in: Festschrift Robert Werner zu seinem 65. Geburtstag, hg. von Werner Dahlheim, Wolfgang Schuller, Jürgen von Ungern-Sternberg (Xenia, Heft 22). - Konstanz: Universitätsverlag Konstanz 1989, S. 2 6 9 - 2 8 9 .

4

Einleitung

Kultur die „Kultur des Altertums" als „ihrem Wesen nach zunächst: städtische Kultur" definiert 1 0 und als „auf der Stadt als ökonomischem Untergrund" 1 1 ruhend bezeichnet. Die Entwicklung in der römischen Kaiserzeit, die insgesamt durch die Verlagerung der „Küstenkultur" ins Binnenland und einen sich immer mehr verschärfenden strukturellen Widerspruch zwischen einer zunehmend naturalwirtschaftlich orientierten Ökonomie und einem auf Geldwirtschaft angewiesenen administrativ-militärischem „Überbau" gekennzeichnet sei, habe zum Schwinden städtischer Kultur, zu ihrem „Winterschlaf" im „ländlich gewordenen Wirtschaftsleben" geführt. „Erst als auf der Grundlage der freien Arbeitsteilung und des Verkehrs die Stadt im Mittelalter wieder erstanden war, als dann der Übergang zur Volkswirtschaft die bürgerliche Freiheit vorbereitete und die Gebundenheit unter den äußern und innern Autoritäten des Feudalzeitalters sprengte, da erhob sich der alte Riese in neuer Kraft und hob auch das geistige Vermächtnis des Altertums empor an das Licht der modernen bürgerlichen Kultur". 12 In der letzten Fassung der „Agrarverhältnisse im Altertum", in der es Weber immer wieder um das wechselseitige Bedingungsverhältnis zwischen ökonomischen und politischen Strukturen gegangen war, hat er betont, daß die „antike Agrargeschichte [...] in ihrem Verlauf in die Peripetieen der antiken Stadtgeschichte so eng verflochten [war], daß sie von ihnen isoliert kaum behandelt werden könnte". 1 3 Er führte weiter aus, daß „OrganisationsStadien" festzustellen seien, „die sich, bis zu einem gewissen Maße bei allen denjenigen .antiken' Völkern, von der Seine bis zum Euphrat, welche überhaupt städtische Entwickelung gekannt haben, wiederholt zu haben scheinen". 1 4 Auf die Stufe eines auf Dörfern und Hausgemeinschaften basierenden Bauerngemeinwesens mit einer lockeren politischen Struktur, gegebenenfalls mit einem über eingeschränkte Rechte verfügenden Häuptling oder Richter an der Spitze, folgt der Zusammenschluß in einer von einer Burg, als „nähere Vorstufe der Stadt", geschützten Siedlung und die Herausbildung eines „Burgenkönigtums" mit einer ,,persönliche[n] Gefolgschaft\15 Danach gabelt sich die Entwicklung: Im Orient kann der König seine Macht ausbauen, die Grundrenten und Handelsgewinne weitgehend monopolisieren, die Bevölkerung zu fron- und abgabepflichtigen Untertanen machen und sich selbst ein Heer und eine Bürokratie aufbauen. So entsteht ein „bürokratisches Stadtkönigtum" bzw. in einer späteren Phase bei entsprechender territorialer Ausdehnung und fortschreitender Rationalisie-

10 11 12 13 14 15

Soziale Gründe, S. 59 (MWG I/6). Ebd., S. 68. Ebd., S. 77. Agrarverhältnisse 3 , S.67 (MWG I/6). Ebd., S. 68. Ebd.

Einleitung

5

rung des Herrschaftsapparates der „autoritäre Leiturgiestaat, der planmäßig die D e c k u n g der Staatsbedürfnisse d u r c h ein kunstvolles System von öffentlichen Lasten erstrebt u n d die .Untertanen' als reine Objekte behandelt". 1 6 Für die mediterrane Entwicklung ist d a g e g e n entscheidend, daß ein Kriegeradel Anteil an den Grundrenten und H a n d e l s g e w i n n e n nehmen kann, der ihm seine Eigenständigkeit g e g e n ü b e r d e m Monarchen sichert, der schließlich einer „sich selbst verwaltende[n], militärisch g e g l i e d e r t e ^ ] städtische[n] G e m e i n d e " w e i c h e n muß. 1 7 Hier kann sich schließlich aus der - mit d e m Prinzip der Selbstequipierung g e g e b e n e n - militärischen Notw e n d i g k e i t der fortschreitenden Einbeziehung der breiteren Bürgerschaft eine Entwicklung von der „Adels-", über die „Hopliten-" bis hin zur „ d e m o kratischen Bürgerpolis" e r g e b e n . 1 8 Schließlich setzt sich a u c h in den hellenistischen Reichen und im römischen Reich der bürokratisch organisierte Leiturgiestaat durch, der den Kapitalismus „erstickt". 1 9 Für die divergierende Entwicklung macht Weber primär die unterschiedlic h e n g e o g r a p h i s c h e n B e d i n g u n g e n verantwortlich, die er auf die Formel des G e g e n s a t z e s von der „Küstenkultur" der g r i e c h i s c h - r ö m i s c h e n u n d der „Stromufer- u n d Bewässerungskultur" der ä g y p t i s c h e n u n d vorderorientalis c h e n Antike zuspitzt. 2 0 Seiner Theorie liegen zwei - aus heutiger Sicht problematische - E n t s c h e i d u n g e n z u g r u n d e . Z u m einen die These, die A n l a g e von Städten sei primär aus Handelsinteressen erfolgt u n d die Kontrolle über die Fernhandelsgewinne sei e n t s c h e i d e n d für den Fortgang sozialer Differenzierung 2 1 (namentlich w e n n eine Aristokratie aufgrund dieser Ressour-

16 Ebd., S. 70. 17 Ebd., S. 69. 18 Vgl. ausführlicher Winckelmann, Johannes, Max Webers historische und soziologische Verwaltungsforschung, in: Annali della fondazione italiana per la storia amministrativa, vol. 1, 1964, S. 27-67; Deininger, Jürgen, Die politischen Strukturen des mittelmeerisch-vorderorientalischen Altertums in Max Webers Sicht, in: Schluchter, Wolfgang (Hg.), Max Webers Sicht des antiken Christentums. Interpretation und Kritik. - Frankfurt am Main: Suhrkamp 1985, S. 72-110, hier S. 81-90; Breuer, Stefan, Stromuferkultur und Küstenkultur. Geographische und ökologische Faktoren in Max Webers .ökonomischer Theorie der antiken Staatenwelt', ebd., S. 111-150; ders., Max Weber und die evolutionäre Bedeutung der Antike, in: Saeculum, Band 33, 1982, 174-192; Chon, Song-U, Max Webers Stadtkonzeption. Eine Studie zur Entwicklung des okzidentalen Bürgertums. - Göttingen: Edition Herodot 1985, S. 104-159, passim. 19 Agrarverhältnisse 3 , S. 181 (MWG I/6). 20 Ebd., S. 53 und 54. 21 Diese These hält Finley, M[oses] I., Between slavery and freedom, in: ders., Economy and Society in Ancient Greece, ed. with an Introduction by Brent D. Shaw and Richard P. Sailer. - London: Chatto & Windus 1981, S. 116-132, hier S. 130, im Hinblick auf die griechisch-römische Antike weder für beweis- noch widerlegbar.

6

Einleitung

cen die Bauernschaft in Abhängigkeit bringen konnte) 2 2 und für die Entwicklung der politischen Strukturen gewesen. Diese These hat Weber seit seiner „Römischen Agrargeschichte" stets wie ein Axiom e i n g e s e t z t 2 3 Z u m zweiten wird unterstellt, daß die Notwendigkeiten der Stromregulierung die bürokratischen Strukturen in d e n orientalischen Monarchien bedingten; 2 4 ideengeschichtlich handelt es sich um eine Variante des traditionellen Topos der „orientalischen Despotie". 2 5 Angesichts dieser Gegenüberstellung zweier Grundmuster von Kulturentwicklung hat Weber in den „Agrarverhältnissen" verschiedentlich die Gemeinsamkeit okzidentaler Strukturen in Antike und Mittelalter angesprochen, zugleich aber (sicherlich auch mit einem Seitenblick auf Eduard Meyer) 2 6 vor d e m Ziehen vorschneller Analogien gewarnt, die „oft direkt schädlich für die unbefangene Erkenntnis" seien. 2 7 Der Schlußabschnitt dieser langen A b h a n d l u n g trägt zwar d e n Titel „Grundlagen der Entwicklung in der römischen Kaiserzeit", zeichnet diese j e d o c h nur in w e n i g e n Strichen nach. Viel ausführlicher widmet sich Weber der Frage nach der „Eigenart der antiken Polis" und danach, „wie sie sich denn zur .Stadt' des Mittelalters verhält", 2 8 wobei es ihm darauf ankommt, w a r u m „das Mittelalter unsrer kapitalistischen Entwickelung längst vor d e m Auftauchen kapitalisti-

22 W e b e r distanziert sich von der g ä n g i g e n A n n a h m e , daß h e r r s c h e n d e G r u p p e n g e n e rell aus der U n t e r w e r f u n g v o n seßhaften A c k e r b a u e r n d u r c h e i n w a n d e r n d e Hirten hervorg e g a n g e n seien; Agrarverhältnisse 3 , S. 6 8 ( M W G 1/6). 2 3 R ö m i s c h e A g r a r g e s c h i c h t e , M W G 1/2, S. 2 0 2 - 2 0 4 u n d Agrarverhältnisse 3 , S. 154 ( M W G I/6) u n d öfter; J u d e n t u m I, S . 7 7 ( M W G 1/21); Deininger, Strukturen (wie o b e n , S . 5 , A n m . 18), S . 8 1 . 24 Die neuere F o r s c h u n g ist a u f g r u n d a r c h ä o l o g i s c h e r Evidenz für M e s o p o t a m i e n zu d e m Ergebnis g e k o m m e n , daß die B e w ä s s e r u n g zuerst auf lokaler E b e n e organisiert word e n ist, die damit v e r b u n d e n e n o r g a n i s a t o r i s c h e n N o t w e n d i g k e i t e n d e m n a c h nicht zwing e n d d e n A u f b a u größerer Herrschaftseinheiten forderten, aber d o c h b e g ü n s t i g t h a b e n ; vgl. Nissen, Hans J., G r u n d z ü g e einer G e s c h i c h t e der Frühzeit d e s Vorderen Orients. D a r m s t a d t : W i s s e n s c h a f t l i c h e B u c h g e s e l l s c h a f t 1983, S . 6 3 f . u n d S. 157f.; Breuer, Stromuferkultur (wie o b e n , S . 5 , A n m . 18), S. 1 1 3 - 1 2 5 ; ders., Max W e b e r s Herrschaftssoziologie (Theorie u n d Gesellschaft, B a n d 18). - Frankfurt [u.a.]: C a m p u s 1991, S. 1 0 8 - 1 1 3 ; In Ä g y p t e n ist der A u f b a u einer bürokratischen Z e n t r a l g e w a l t lange vor der Einführung der künstlichen B e w ä s s e r u n g der Felder erfolgt; vgl. Schenkel, W o l f g a n g , Die B e w ä s s e r u n g s revolution im alten Ä g y p t e n . - Mainz: Philipp von Z a b e r n 1978. 25 Dieses Modell hatte in der britischen Diskussion über Indien eine b e s o n d e r e Rolle gespielt u n d war d a n n v o n Marx a u f g e n o m m e n w o r d e n ; die ausführlichen Texte v o n Marx zu Indien s i n d j e d o c h zu W e b e r s Lebzeiten w a h r s c h e i n l i c h nicht bekannt g e w e s e n ; vgl. Nippel, Wilfried, La costruzione dell',.altro", in: I Greci. Storia, Cultura, Arte, Società, a c u r a di Salvatore Settis, voi. 1: Noi e i Greci. - Torino: Giulio Einaudi 1996, S. 1 6 5 - 1 9 6 , hier S. 192f. 26 Vgl. unten, S . 9 . 27 Agrarverhältnisse 3 , S. 54 ( M W G I/6). 28 Ebd., S. 171.

Einleitung

1

scher Organisationsformen näher stand als die Polis". 29 Als wesentliche Faktoren werden der Vorrang der Landwirtschaft in der Antike einerseits, des Gewerbes im Mittelalter andererseits, sowie die Auswirkungen auf den Charakter der typischen sozialen Konflikte (um Landbesitz im ersten, um Erwerbschancen im gewerblichen Sektor im zweiten Falle) betont. Weiter wird die Rolle der Zünfte des Mittelalters sowohl für die Organisation der gewerblichen Arbeit wie als Instrument politischer Interessenvertretung hervorgehoben; für beides habe es in der Antike kein Äquivalent gegeben. Schließlich wird die militärische Prägung der antiken Polis akzentuiert, die eine „kriegerische Beutepolitik als Sfad/politik" nahegelegt habe, während die mittelalterliche Stadt „von Anfang an, und zunehmend, .bürgerlichen' Charakters" gewesen sei, nämlich auf „friedlichen Maricterwerb zugeschnitten". 3 0 Die unterschiedlichen militärischen Möglichkeiten der autonomen Polis als „vollkommenste Militärorganisation" 3 1 des Altertums einerseits, der in größere Herrschaftsverbände eingebetteten Stadt des Mittelalters andererseits hätten den unterschiedlichen Charakter des jeweiligen Bürgertums geprägt: „Der .Bürger' ist im Mittelalter von Anfang an in weit höherem Maße ,homo oeconomicus' als der Bürger einer antiken Polis es sein will oder kann." 3 2 Weber betont jedoch wiederholt, daß diese Entgegensetzung vor allem dann gerechtfertigt sei, wenn man an die „industrielle Binnenstadt" in Frankreich, Deutschland oder England denke, während die „Seestädte" Italiens aufgrund ihrer Ausrichtung auf den Fernhandel wie ihrer militärischen Möglichkeiten mehr Analogien zum antiken Muster zeigten. 3 3 Auf die Unterschiede in der ökonomischen Entwicklung von „See-" und „Landstädten" hier in Italien - war Weber bereits in seiner Dissertation über die „Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter" zu sprechen gekommen. 3 4 Als Postulat formuliert Weber schließlich: „Eine wirklich kritische Vergleichung der Entwickelungsstadien der antiken Polis und der mittelalterlichen Stadt f...] wäre ebenso dankenswert wie fruchtbar, - natürlich nur, wenn sie als Ziel nicht, nach Art der heute modischen Konstruktionen von generellen Entwickelungsschemata, nach .Analogien' und .Parallelen' jagt, sondern gerade umgekehrt nur dann, wenn ihr Zweck die Herausarbeitung der Eigenart jeder von beiden, im Endresultat so verschiedenen, Entwickelungen [...] ist." 35

29 30 31 32 33

Ebd., S. 173. Ebd., S. 175. Ebd., S. 174. Ebd., S. 175. Ebd., S. 172, 174 und 175. 34 Weber, Handelsgesellschaften, S. 128 (MWG 1/1). 35 Agrarverhältnisse 3 , S. 188 (MWG I/6).

8

Einleitung

Webers Arbeiten zur Antike zielten nicht nur auf die Herausstellung der Charakteristika der antiken Ökonomie im Vergleich zur mittelalterlichen und m o d e r n e n . Sie dienten a u c h der m e t h o d i s c h e n Verständigung über d e n heuristischen G e b r a u c h von Idealtypen. Dies g e s c h a h namentlich in der A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit diversen Stufentheorien, wie sie seinerzeit in der historischen Nationalökonomie verbreitet waren. Insbesondere galt dies für die A b l e h n u n g von „Kulturstufen"-Theorien, die eine bei allen Völkern g e g e bene quasi gesetzmäßige Entwicklung v o m N o m a d e n t u m zum A c k e r b a u postulierten. Weber hat seine Position in der A b h a n d l u n g „Der Streit um d e n Charakter der altgermanischen Sozialverfassung in der d e u t s c h e n Literatur des letzten Jahrzehnts" 1904 grundsätzlich entwickelt; 3 6 die Verwerfung der A n n a h m e eines ursprünglichen N o m a d e n l e b e n s ohne j e d e Form d e s A c k e r b a u s war ihm in den „Agrarverhältnissen" a u c h insofern wichtig, als er die g r u n d l e g e n d e n Unterschiede z w i s c h e n Orient und Okzident auf die Bed e u t u n g der Milchviehzucht im Okzident und deren Fehlen im Orient zurückführte. 3 7 Für seine weiteren Arbeiten w u r d e vor allem die A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit d e m Konzept der „Wirtschaftsstufen" relevant, wie sie u.a. S c h ö n b e r g , 3 8 Schmoller 3 9 und B ü c h e r 4 0 entwickelt hatten, die in v e r s c h i e d e n e n Varianten eine A b f o l g e von „Hauswirtschaft" über „Stadtwirtschaft" zur „Volkswirtschaft" postuliert zu haben schienen. Namentlich Karl Büchers Modell war von führenden Althistorikern wie Eduard Meyer 4 1 und Karl Julius B e l o c h 4 2 scharf angegriffen worden, weil sie Bücher eine gesetzmäßige A b f o l g e von Stufen sowie eine Identifikation der Antike mit der Stufe der Hauswirtschaft 36 Weber, Altgermanische Sozialverfassung (MWG I/6); vgl. Nippel, Wilfried, Methodenentwicklung und Zeltbezüge Im althistorischen Werk Max Webers, In: Geschichte und Gesellschaft, Jg. 16, 1990, S. 355-374, hier S. 360-363. 37 Agrarverhältnisse 3 , S.52f. (MWG I/6). 38 Schönberg, Gustav, Zur wlrthschaftllchen Bedeutung des deutschen Zunftwesens im Mittelalter, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 9, 1867, S. 1 - 7 2 und 97-169, hier S. 14 und 164. 39 Schmoller, Gustav, Studien über die wirthschaftllche Politik Friedrichs des Großen und Preußens überhaupt von 1680 -1786, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft Im Deutschen Reich, Jg. 8, 1884, S. 1 - 6 1 , hier S. 15ff. 40 Bücher, Karl, Die Entstehung der Volkswirtschaft, In: ders., Die Entstehung der Volkswirtschaft. -Tübingen: H. Laupp 1893, S. 1 - 7 8 * ; vgl. Hoselltz, Bert F., Theories of Stages of Economic Growth, In: ders. [u.a.], Theories of Economic Growth. - Glencoe, Illinois: Free Press 1960, S. 193-238; Schefold, Bertram, Karl Bücher und der Historismus in der deutschen Nationalökonomie, In: Deutsche Geschichtswissenschaft um 1900, hg. von Notker Hammerstein. - Stuttgart: Franz Steiner 1988, S. 239-267, hier S. 251 - 2 5 9 . 41 Meyer, Eduard, Die wirtschaftliche Entwlckelung des Altertums. - Jena: Gustav Fischer 1895. 42 Beloch, [Karl] Julius, Die Grossindustrie Im Altertum, in: Zeltschrift für Socialwissenschaft, Jg. 2, 1899, S. 18-26; ders., Zur griechischen Wirtschaftsgeschichte, ebd., Jg. 5, 1902, S. 95-103 und 169-179.

Einleitung

9

unterstellten - o b zu recht o d e r nicht, kann hier d a h i n g e s t e l l t b l e i b e n . 4 3 D a g e g e n v e r f o c h t e n sie eine w e i t g e h e n d e strukturelle Gleichartigkeit v o n antiker u n d f r ü h m o d e r n e r Ö k o n o m i e . 4 4 G e g e n die Stufentheorien v o n S c h m o l ler u n d B ü c h e r w a n d t e n s i c h a u c h M e d i ä v i s t e n w i e n a m e n t l i c h G e o r g v o n Below, der eine G l e i c h s e t z u n g der Stadtwirtschaft mit d e m Mittelalter a b l e h n t e . 4 5 In d e r m e d i ä v i s t i s c h e n D i s k u s s i o n k a m n o c h d i e Kritik a n S o m b a r t h i n z u , d e r In s e i n e m „ M o d e r n e n K a p i t a l i s m u s " v o n 1 9 0 2 d i e A b g r e n z u n g z w i s c h e n der B e d a r f s d e c k u n g s w i r t s c h a f t d e s Mittelalters u n d der Erwerbswirtschaft der Neuzeit vertreten hatte.46 W i e s c h o n in s e i n e m „ O b j e k t i v l t ä t s " - A u f s a t z v o n 1 9 0 4 in b e z u g a u f d i e „Stadtwirtschaft"47 - auf d e n Below hinsichtlich der m e t h o d i s c h e n

Grund-

s a t z f r a g e w i e d e r h o l t z u s t i m m e n d v e r w i e s e n h a t - , 4 8 s o h a t W e b e r in s e i n e n

43 In seinem späteren Beitrag, Volkswirtschaftliche Entwicklungsstufen, in: GdS, Band 1, 1914, S. 1 - 1 8 , hier S. 10ff., kam Bücher der von seinen Kritikern unterstellten Position jedoch sehr nahe. 44 Meyer, Wirtschaftliche Entwickelung, S. 28: „Man sieht, wie unhaltbar das Bild ist, welches Bücher von der wirtschaftlichen Entwickelung des Altertums entworfen hat. Das siebente und sechste Jahrhundert in der griechischen Geschichte entspricht in der Entwikkelung der Neuzeit dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert n. Chr.; das fünfte dem sechzehnten"; S.46f. zur hellenistischen Zeit: „Nur darauf möchte ich noch hinweisen, daß sie im Gegensatz zu den landläufigen Anschauungen, die auch in wissenschaftlichen Kreisen weit verbreitet sind, in jeder Hinsicht nicht modern genug gedacht werden kann. Nur darf man nicht das neunzehnte Jahrhundert zum Vergleich heranziehen, sondern das siebzehnte und achtzehnte [...]". Vgl. zu den wechselseitigen Polemiken Schneider, Hellmuth, Die B ü c h e r - M e y e r Kontroverse, in: Calder / Demandt (Hg.), Eduard Meyer (wie oben, S. 3, Anm.8), S. 417-445. 45 Below, Georg von, Zur Würdigung der historischen Schule der Nationalökonomie. IV. Schmollers Stufentheorie, in: Zeitschrift für Socialwissenschaft, Jg. 7, 1904, S . 3 6 7 391; ders., Über Theorien der wirtschaftlichen Entwicklung der Völker, mit besonderer Rücksicht auf die Stadtwirthschaft des deutschen Mittelalters, in: Historische Zeitschrift, Band 86, 1901, S. 1 - 7 7 ; ders., Der Untergang der mittelalterlichen Stadtwirtschaft (über den Begriff der Territorialwirtschaft), in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge, Band 21, 1901, S. 4 4 9 - 4 7 3 und 593-631. 46 So u. a. Below, G[eorg] v[on], Die Entstehung des modernen Kapitalismus [Rezension Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus, Leipzig 1902], In: Historische Zeitschrift, Band 91, 1903, S. 432-485; Sieveking, Heinrich, Die mittelalterliche Stadt. Ein Beitrag zur Theorie der Wirtschaftsgeschichte, in: Vierteljahrschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte, Band 2, 1904, S. 177-218; ders., Die kapitalistische Entwicklung in den italienischen Städten des Mittelalters, ebd., Band 7, 1909, S . 6 4 - 9 3 ; vgl. Schorn-Schütte, Luise, Stadt und Staat. Zum Zusammenhang von Gegenwartsverständnis und historischer Erkenntnis in der Stadtgeschichtsschreibung der Jahrhundertwende, in: Die Alte Stadt, Jg. 10, 1983, S. 228-266. 47 Weber, Objektivität, S.65 (MWG I/7). 48 So schon in Below, Würdigung der historischen Schule, S. 370, Anm. 4; und erneut in ders., „Wirtschaftsstufen", in: Wörterbuch der Volkswirtschaft in zwei Bänden, hg. von Ludwig Elster, Band 2, 2., völlig umgearbeitete Aufl. - Jena: Gustav Fischer 1907, S. 1330-1332.

10

Einleitung

„Agrarverhältnissen" von 1908/09 auch die (auf Rodbertus zurückgehende) 4 9 Kategorie der „Haus-" bzw. „Oikenwirtschaft" „im Sinne einer .idealtypischen' Konstruktion einer Wirtschaftsverfassung" interpretiert, die nicht einfach mit der antiken Ökonomie in ihrer gesamten räumlichen und zeitlichen Erstreckung gleichgesetzt werden dürfe. 5 0 Weber verstand unter d e m Oikos den Typ des fürstlichen oder grundherrlichen Haushalts, der vorrangig an Bedarfsdeckung interessiert ist und diesen Bedarf durch Fronarbeiten und Naturalabgaben von Abhängigen deckt. Als universal verwendbare Kategorie kommt dies dann auch in seinen späteren Schriften, so auch in der „Stadt" vor. In der Sache distanzierte sich Weber in den „Agrarverhältnissen" eindeutig von den modernisierenden Annahmen Meyers und Belochs, hielt gleichwohl jedoch - wie auch noch in der „Stadt" zu sehen - an der Kategorie des „antiken Kapitalismus" fest, gerade um seine von politischen und militärischen Faktoren bedingte Eigenart in Abgrenzung zum modernen Kapitalismus bestimmen zu können.

2. Die Themen der „Stadt" Die allgemeine

im Kontext

der

Forschung

Stadttypologie

Weber beginnt seine Studie mit allgemeinen Erörterungen zur Kategorie der Stadt, in denen er verschiedene siedlungsgeographische, ökonomische und rechtliche Merkmale durchspielt und immer wieder die Inkongruenz dieser Kriterien betont. Für die ökonomische Definition ist entscheidend, daß es sich um eine Marktansiedlung handelt, bei der aufgrund einer bestehenden Produktionsspezialisierung die ortsansässige Bevölkerung regelmäßig einen erheblichen Teil ihres Alltagsbedarfes auf dem Markt deckt; dies grenzt die Stadt im ökonomischen Sinne sowohl von einem fürstlichen oder grundherrlichen Oikos wie von Orten mit nur periodisch stattfindenden Messen ab. Ein grundlegendes Unterscheidungsmerkmal für Städte besteht darin, welche Schichten mit ihrer Kaufkraft wesentlich die Erwerbschancen der ortsansässigen Produzenten bestimmen. In der „Konsumentenstadt" stammt die Kaufkraft entweder aus Einnahmen patrimonialer und politischer Natur, aus den Mitteln eines Fürsten („Fürstenstadt") bzw. den Gehältern und Pfründen von Beamten („Beamtenstadt"), oder aus diversen

49 Rodbertus, [Johann K.], Untersuchungen auf dem Gebiete der Nationalökonomie des klassischen Alterthums. II: Zur Geschichte der römischen Tributsteuern seit Augustus, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Band 4, 1865, S. 341-427, hier S. 345ff.; dazu Weber, Römische Agrargeschichte, MWG I/2, S.317; Agrarverhältnisse 3 , S.55 (MWG I/6). 50 Agrarverhältnisse 3 , S. 55 (MWG I/6).

Einleitung

11

Rentenquellen, Grundrenten, Kapitalerträgen oder Staatspensionen („Grundrentnerstadt", „Rentnerstadt"). Beruht dagegen die Kaufkraft für den einheimischen Markt auf den Erträgen ortsansässiger Erwerbsbetriebe, liegt entweder eine (sei es auf Industrie, sei es auf Handwerk basierende) „Gewerbestadt" vor 5 1 (In der die Unternehmer als Großkonsumenten, die Arbeiter und Handwerker als Massenkonsumenten auftreten) oder eine „Händlerstadt" bzw. „Handelsstadt" (in der die Einkünfte der Großkonsumenten auf Ihren überörtlichen Geschäftsbeziehungen beruhen). Nicht eindeutig ist, ob diese beiden der Konsumentenstadt gegenübergestellten Typen unter „Produzentenstadt" als Oberbegriff zu ziehen sind oder letzterer Begriff nur als Synonym für „Gewerbestadt" verstanden werden soll. Auf jeden Fall vermeldet Weber eine eindeutige Zuordnung einzelner Typen zu spezifischen historischen Epochen. 5 2 Dies entspricht seiner generellen Absage an Modelle von Wirtschaftsstufen. Mit der Kategorie der „Fürstenstädte" wird ein zwar historischer, jedoch epochenübergreifender Gesichtspunkt angesprochen, da in einer Vielzahl von Fällen (wenngleich nicht immer) Städte aus Ansledlungen neben einem fürstlichen Großhaushalt hervorgegangen seien und den Erwerb Ihrer ökonomischen Stadtqualität der zunehmenden Orientierung des Hofes (und der ihm verbundenen Großhaushalte von Vasallen und Beamten) an Bedarfsdeckung auf dem Markt verdankten. Weber verzichtet jedoch darauf, „eine weitere Spezialisierung und Kasuistik, wie sie eine streng ökonomische Städtetheorie zu leisten hätte, vorzuführen" und betont, „daß die empirischen Städte fast durchweg Mischtypen darstellen und daher nur nach Ihren jeweils vorwiegenden ökonomischen Komponenten klassifiziert werden können". 5 3 51 Die in Agrarverhältnisse 3 , S. 171 f. (MWG I/6), noch verwendete Kategorie der „Industriestadt" kommt hier nicht mehr vor. 52 D a g e g e n hatte Bücher die durch Handel und G e w e r b e g e p r ä g t e n mittelalterlichen Städte von d e n Städten der Griechen und Römer abgesetzt, die ein „bloßes Konsumtionszentrum" dargestellt hätten; Bücher, Karl, Großstadt-Typen aus fünf Jahrtausenden, in: ders., Die Entstehung der Volkswirtschaft, 5., stark vermehrte und verbesserte Aufl. - Tübingen: H . L a u p p 1906, S. 3 5 5 - 3 8 2 , hier S.371. Weber hat in Agrarverhältnisse 3 , S . 5 8 (MWG I/6), allerdings festgestellt, daß die antiken Städte „stets in weit höherem Maße als die mittelalterlichen Konsum-, in weit geringerem d a g e g e n Produktionszentren" gewesen seien. - In der durch den Aufsatz von Finley, M[oses] I., The Ancient City: From Fustel d e Coulanges to Max Weber a n d Beyond, in: Comparative Studies in Society a n d History, vol. 19, 1977, S. 3 0 5 - 3 2 7 , ausgelösten althistorischen Diskussion wird Weber immer wieder unterstellt, die antike Stadt mit der „Konsumentenstadt" gleichgesetzt zu haben. Ein Beispiel dafür, daß dies ohne Prüfung von Webers Texten geschieht, bietet Pieket, Henri W., Wirtschaft, in: Vittinghoff, Friedrich (Hg.), Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte in der römischen Kaiserzeit ( H a n d b u c h der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. von Wolfram Fischer [u.a.], Band 1). - Stuttgart: Klett-Cotta 1990, S . 2 5 160, hier S. 35. 53 Unten, S. 67.

12

Einleitung

Webers Versuch, eine ö k o n o m i s c h e Stadttypologie zu entwickeln, ist vor allem als eine A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit Werner Sombart zu verstehen. 5 4 Sombarts D a r l e g u n g e n im 2. Band seines „ M o d e r n e n Kapitalismus" gelten den „ A u f g a b e n einer Städtetheorie" u n d der „Genesis der kapitalistischen Stadt"; sie w e r d e n wiederholt und z u m Teil ergänzt in einem Aufsatz von 1907. 5 5 Sombart betont die Notwendigkeit, eine „ ö k o n o m i s c h e Theorie der Städtebildung" zu entwickeln, und verweist darauf, daß ö k o n o m i s c h e u n d rechtliche Definitionen auseinanderfallen können. 5 6 Sombart bezeichnet als „eigentliche Städtegründer" oder „primäre Städtebildner" Monarchen, Grundherren, Kaufmänner, die mit Fremden Handel treiben, H a n d w e r k e r und Industrielle, die g e w e r b l i c h e Produkte nach auswärts verkaufen. 5 7 Er betont die Rolle von Grund- und Staatsrentnern für die frühkapitalistische Großstadt des 18. Jahrhunderts, 5 8 stellt die mit der Entfaltung des Kapitalismus z u n e h m e n d e Tendenz heraus, daß sich die Großstadt zu einem „Konsumtionscentrum" entwickle, d a in d e n „hochkapitalistischen Großstädten" ein „industrielles Rentnertum" t o n a n g e b e n d werde, 5 9 u n d bezeichnet als einen der m o d e r n e n Städtetypen „die reine Konsumtionsstadt", wie sie im „Typus der reinen Residenzstadt, wie Potsdam, oder der Pensionopolis, wie W i e s b a d e n " erkennbar w e r d e . 6 0 W e b e r s Typologie, sein N a c h d r u c k auf der B e d e u t u n g der Herkunft der Kaufkraft der örtlichen Konsumenten, die H e r v o r h e b u n g der v e r s c h i e d e n e n Formen des Rentnertums ist sicherlich durch die A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit Sombart g e p r ä g t , 6 1 stellt j e d o c h eine e i g e n s t ä n d i g e Konzeption dar. Wäh-

54 Vgl. zum folgenden Bruhns, H[innerk], De Werner Sombart à Max Weber et Moses I.Finley. La typologie de la ville antique et la question de la ville de consommation, in: L'origine des richesses dépensées dans la ville antique (Actes du colloque organisé à Alx-en-Provence par l'U.E.R. d'Histoire, les 11 et 12 Mai 1984, présentés et réunis par Philippe Leveau). - Marseille: Jeanne Laffltte 1985, S. 255-273; Schott, Reinmar, „Die Stadt" und ihre Vorläufer. Zu den Quellen der Stadttypologie Max Webers, In: Geschichte und Gegenwart, Jg. 15, 1996, S. 141-153, hier S. 146-148; Betz, Horst K., Werner Sombart's Theory of the City, In: Backhaus, Jürgen G. (ed.), Werner Sombart (1863-1941). Social Scientlst, vol. 2: Hls Theoretical Approach Reconsldered. - Marburg: Metropolls 1996, S. 233-250. 55 Sombart, Werner, Der moderne Kapitalismus, Band 2. - Leipzig: Duncker & Humblot 1902, S. 187- 195 und S. 196-224; ders., Der Begriff der Stadt und das Wesen der Städtebildung, In: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 25, 1907, S. 1 - 9 . 56 Sombart, Kapitalismus, Band 2, S. 191 ; ders., Begriff der Stadt, S. 4. 57 Sombart, Begriff der Stadt, S. 7f. 58 Sombart, Kapitalismus, Band 2, S.201. 59 Ebd., S.221. 60 Ebd., S. 223. 61 Dafür sprechen auch Details wie die Bezeichnung von Wiesbaden als „Pensionopolis" oder die Parallele Im Hinblick auf die Tendenzen zur „Citybildung"; Sombart, Kapitalismus, Band 2, S.247f.

Einleitung

13

rend sich S o m b a r t g a n z auf die e u r o p ä i s c h e n Städte der Neuzeit k o n z e n triert, g e h t e s W e b e r o f f e n s i c h t l i c h d a r u m , e i n e f ü r alle E p o c h e n u n d K u l t u ren a n w e n d b a r e T y p o l o g i e z u e n t w i c k e l n . W e b e r w a r S o m b a r t j e d o c h i n s o f e r n g e f o l g t , als e r f ü r d i e S t a d t u n t e r s t e l l t h a t t e , d a ß s i e v o m E r t r a g n i c h t landwirtschaftlicher Arbeit lebte;62 der auf seine A b s a g e an eine weitere E r ö r t e r u n g einer „streng ö k o n o m i s c h e n S t ä d t e t h e o r i e " f o l g e n d e A b s a t z mit d e r H e r v o r h e b u n g d e r A c k e r b ü r g e r s t ä d t e in A n t i k e u n d M i t t e l a l t e r k o r r i g i e r t d i e s in g e w i s s e r W e i s e . 6 3 Für d i e w e i t e r e n A u s f ü h r u n g e n W e b e r s b l e i b e n d i e a m A n f a n g d e s T e x t e s v o r g e n o m m e n e n Typologisierungen weitgehend unerheblich; die Begriffe „Konsumentenstadt", „Produzentenstadt", „(Grund-)Rentnerstadt" u n d „Bea m t e n s t a d t " w e r d e n i m s p ä t e r e n Text n i c h t m e h r a u f g e n o m m e n . W e n n s o m i t d i e R e l e v a n z d i e s e r P a s s a g e n f ü r d e n g e s a m t e n Text n i c h t z w i n g e n d s c h e i n t , s o k a n n d o c h a u f j e d e n Fall a u s g e s c h l o s s e n

werden,

d a ß e s s i c h h i e r ( o d e r g a r b e i m g a n z e n Text) u m A u s f ü h r u n g e n z u r „ S t a d t s o z i o l o g i e " h a n d e l t , w e d e r in d e r Art, w i e s i e s e i n e r z e i t G e o r g S i m m e l b e t r i e b , 6 4 n o c h g a r in e i n e m s p ä t e r g e b r ä u c h l i c h e n S i n n e . 6 5

62 Diese „rein ökonomische" Definition hatte Weber jedoch mit Einschränkungen versehen; unten, S.60; vgl. Sombart, Kapitalismus, Band 2, S. 191: „eine Ansiedlung von Menschen, die für ihren Unterhalt auf die Erzeugnisse fremder landwirtschaftlicher Arbeit angewiesen sind". 63 Unten, S. 67. Sombart, Kapitalismus, Band 2, S. 191 f. hatte diesen Typus („Landstädte" in seiner Terminologie) aus seiner ökonomischen Definition ausgeschlossen. - Ob Weber die Kategorie „Ackerbürgerstadt" geprägt hat, läßt sich nicht verifizieren. Klar ist jedenfalls, daß Weber sie nicht bevorzugt auf das Mittelalter angewendet hat, auch wenn sich „Ackerbürgerstädtchen" in: Agrarverhältnisse 3 , S. 171 (MWG I/6), auf das Mittelalter bezieht. In: Römische Agrargeschichte, MWG I/2, S. 144, wird der Begriff „Ackerbürgerstadt" auf die italische Frühzeit appliziert, in: Konfuzianismus, MWG 1/19, S.266, spricht Weber auch von Ackerbürgerstädten in China. - Für das Vorkommen in zeitgenössischer Literatur vgl. Meyer, Eduard, Die wirtschaftliche Entwickelung des Altertums. - Jena: Gustav Fischer 1895, S. 60, Anm. 4. 64 Simmel, [Georg], Die Großstädte und das Geistesleben, in: Die Großstadt. Vorträge und Aufsätze zur Städteausstellung (Jahrbuch der Gehe-Stiftung zu Dresden, Band 9). Dresden: Zahn & Jaensch 1903, S. 185-206. Das schließt Berührungen in einzelnen Punkten mit den stärker universalhistorisch ausgerichteten Arbeiten Simmeis wie: Soziologie des Raums, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reich, Jg. 27, 1903, S. 2 5 - 7 1 , und: Über räumliche Projektion sozialer Formen, in: Zeitschrift für Socialwissenschaft, Jg. 6, 1903, S. 287-302, nicht aus; vgl. weiter unten, S. 19, Anm. 102. 65 Die von Wirth, Louis, Urbanism as a Way of Life, in: American Journal of Sociology, vol. 44, 1938/39, S. 1 - 2 4 , hier S.8, sowie von Don Martindale im Vorwort zur amerikanischen Ausgabe der „Stadt" (Weber, Max, The City, translated and ed. by Don Martindale and Gertrud Neuwlrth. - New York: Free Press 1958) gezogene Verbindungslinie zur „Urban sociology" der „Chicago-Schoo!" geht an der Sache völlig vorbei.

Einleitung

14

Die

Stadtgemeinde

N a c h B e e n d i g u n g der Diskussion um einen generellen Stadtbegriff leitet Weber zur Erörterung des „politisch-administrativen" Stadtbegriffs über. Die Stadt in d i e s e m Sinne, die über ein a b g e g r e n z t e s Stadtgebiet verfügt, wird historisch auf den Ursprung aus einer „Festungsstadt" zurückgeführt. Es handle sich um einen - im Regelfall durch eine Mauer - befestigten Ort, der sich von anderen befestigten A n s i e d l u n g e n d a d u r c h unterscheide, daß er zu einer mit einer Garnison v e r s e h e n e n herrscherlichen Burg gehörte, so daß sich ökonomischer „Marktfrieden" und militärischer „Burgfrieden" ergänzten. 6 6 Für die Entwicklung der Stadtverfassung sei überall entscheid e n d gewesen, wieweit der Herrscher sich ein M o n o p o l auf die Erträge d e s (Fern- bzw. See-) Handels h a b e sichern können oder diese nolens volens mit seinem Gefolge h a b e teilen m ü s s e n bzw. wie sich die „politisch-militärische Struktur d e s j e n i g e n H e r r s c h a f t s v e r b a n d e s [entwickelt h a b e ] , innerhalb d e s s e n die S t a d t g r ü n d u n g oder Stadtentwicklung sich vollzog". 6 7 Die Stadt, die sich durch die Kombination von Befestigung u n d Markt auszeichnet, ist für Weber ein universales Phänomen. Dies gilt j e d o c h nicht für die Stadt als „ G e m e i n d e " , für die n e b e n Befestigung und Markt ein eigenes Gericht u n d - in Grenzen - eigenes Recht, Verbandscharakter u n d partiell Autonomie u n d Autokephalie konstitutiv seien. Städte mit V e r b a n d s c h a rakter, in d e n e n eine Stadtbürgerschaft Träger ständischer Privilegien gew e s e n sei, seien das a u s z e i c h n e n d e Merkmal der okzidentalen Kultur, das sie scharf vom Orient a b h e b e . Die über die allgemeine rechtliche Definition der Stadt h i n a u s g e h e n d e n , e b e n g e n a n n t e n Kriterien finden sich in der S a c h e w e i t g e h e n d bereits in e i n s c h l ä g i g e n Darstellungen Georg von Belows. 6 8 Below hatte sich bei seinen B e m ü h u n g e n um eine Definition der „Stadt im Rechtssinne" 6 9 - wie in allen seinen A r b e i t e n 7 0 - auf die mittelalterlichen Verhältnisse in Deutschland b e z o g e n ; er hatte j e d o c h in der Frage g e s c h w a n k t , o b m a n der mittel66 Unten, S.80. 6 7 Unten, S.84. 68 Below, Georg v[on], Zur Entstehung der deutschen Stadtverfassung. Zweiter Theil, in: Historische Zeitschrift, Band 59,1888, S. 193-247, hierS. 194; ders., Das ältere deutsche Städtewesen und Bürgertum (Monographien zur Weltgeschichte, Band 6), 2. Aufl. - Bielefeld [u.a.]: Velhagen und Klasing 1905, S.4; ders., Stadtgemeinde, Landgemeinde und Gilde, in: Vierteljahrschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte, Band 7, 1909, S . 4 1 1 445, hier S. 412. 6 9 Below, Georg v[on], Die ältere deutsche Stadtverfassung, In: Deutsche Monatsschrift für das gesamte Leben der Gegenwart, Band 10, 1906, S. 313-321, hier S. 314. 7 0 Vgl. Bloch, Marc, Un temperament: Georg von Below, in: Annales d'histoire économique et sociale, Année 3, 1931, S. 553-559, hier S. 557f.; Oexle, OttoG., Ein politischer Historiker: Georg von Below (1858-1927), In: Hammerstein (Hg.), Geschichtswissenschaft (wie oben, S. 8, Anm. 40), S. 283-312, hier S. 309f.

Einleitung

15

alterlichen d e u t s c h e n Stadt „Gemeinde"-Qualität zuschreiben solle, 7 1 oder o b diese Kategorie nicht besser auf die mit vergleichsweise geringeren Selbstverwaltungsrechten ausgestatteten mittelalterlichen Dörfer bzw. modernen Städte passe. 7 2 Möglicherweise hängt dies mit seiner Deutung zus a m m e n , die L a n d g e m e i n d e h a b e in diversen Hinsichten das Muster für die Stadtverfassung a b g e g e b e n . 7 3 Weber geht es a u c h hier wieder um eine von einer konkreten historischen Konstellation ablösbare Kategorie, die eine Minimaldefinition a b g i b t , die von den italienischen Stadtstaaten des Mittelalters 7 4 u n d d e n antiken Stadtrepubliken a fortiori erfüllt wird. Problematisch wird j e d o c h die Assoziation von „ G e m e i n d e " u n d „anstaltsmäßiger Gebietskörperschaft", die das Recht auf alle Rechtsunterworfenen nach d e m Territorialprinzip anwendet. 7 5 Der Charakter als Gebietskörperschaft impliziert Grenzen der Autonomie, die durch den ü b e r g e o r d n e t e n staatlichen Verband gesetzt sind. Weber ist sich bewußt, daß der ein Spannungsverhältnis zum „Staat" Implizierende Gem e i n d e b e g r i f f 7 6 eigentlich nur auf die nicht mehr über polltische U n a b h ä n gigkeit v e r f ü g e n d e n Städte innerhalb der hellenistischen Großstaaten bzw. innerhalb des Römischen Reiches zutrifft. 7 7 A u c h insofern erscheint seine A u s s a g e problematisch, daß mit der „Durchführung des O r t s g e m e i n d e p r l n zlps" die Polis als solche (nicht etwa Ihre Untereinheiten) zu einer „anstaltsmäßigen Gebietskörperschaft" g e w o r d e n sei. 7 8 Typische

Verlaufsformen

der Verfassungsentwicklung

in frühen

Gesellschaften A u c h w e n n Weber sich von ö k o n o m i s c h e n Stufenmodellen distanziert, so rechnet er d o c h mit bestimmten t y p i s c h e n Verlaufsformen der Verfassungsentwicklung. Weber nimmt das S c h e m a der „Organisationsstufen" aus d e n 71 So Below, Georg von, Die Entstehung der deutschen Stadtgemeinde. - Düsseldorf: L. Voß 1889, S.2f. 72 So Below, Georg v[on], Zur Entstehung der deutschen Stadtverfassung. Zweiter Theil, In: Historische Zeitschrift, Band 59, 1888, S. 193-247, hier S. 194. 73 Below, Georg von, Der Ursprung der deutschen Stadtverfassung. - Düsseldorf: L. Voß 1892; ders., Stadtgemeinde, Landgemeinde und Gilde, In: Vierteljahrschrift für Socialund Wirtschaftsgeschichte, Band 7, 1909, S. 411-445. 74 Unten, S.237f. 75 Vgl. WuG1, S. 28 (MWG I/23). 76 Unten, S. 232, werden (in einem anderen Kontext) Gemeinden dadurch definiert, daß sie „kraft Delegation des Staates einen Teil von dessen Aufgaben" erfüllen. 77 Unten, S. 112; ähnlich schon Soziale Gründe, S. 68 (MWG I/6). 78 Unten, S. 217. Vgl. Webers Erörterung des „Anstalts"-Begriffs In: Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, In: Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur, Band 4, 1913, S. 253-294, hier S. 287-290 (MWG 1/12), sowie WuG1, S. 270 (MWG I/22-2).

16

Einleitung

„Agrarverhältnissen" in der „Stadt" insofern wieder auf, als er die Phänomene des B u r g k ö n i g t u m s bzw. eines Burgadels sowie des ritterlichen K a m p fes, speziell mit Streitwagen, als seit der Mitte des 2. Jahrtausends v.Chr. universale Erscheinungen „von China bis Irland" 7 9 n a c h z u w e i s e n sucht, was mitunter zu recht angestrengten Interpretationen der Befunde führt. 8 0 A u c h für die mittelalterliche Entwicklung des Okzidents sei a u s s c h l a g g e b e n d g e w e s e n , daß die Burg die militärische Beherrschung des L a n d e s ermöglicht habe, so daß e n t s c h e i d e n d g e w e s e n sei, wer über dieses Herrschaftsmittel verfügt habe. 8 1 Weber konstatiert, daß außerhalb d e s Okzidents im Regelfall keine Entw i c k l u n g zu einer S t a d t g e m e i n d e stattgefunden h a b e bzw. diese über „Ansätze" nicht h i n a u s g e k o m m e n sei. 8 2 B e g r ü n d u n g e n dafür lassen sich im vorliegenden Text nur in höchst verkürzter Form finden, sie sind j e d o c h für die wichtigsten Beispiele aus den „Agrarverhältnissen" bzw. aus d e n religionssoziologischen Studien zu entnehmen. Für das antike Ä g y p t e n u n d Mesopotamien wird erneut auf die durch die Bedürfnisse der Stromregulierung und B e w ä s s e r u n g b e d i n g t e Stärke der königlichen Bürokratie hingewiesen, 8 3 w o b e i für M e s o p o t a m i e n nicht g a n z a u s g e s c h l o s s e n wird, daß es gewisse Ansätze zu einer S t a d t g e m e i n d e b i l d u n g g e g e b e n haben könnte. 8 4 Aufmerksamkeit finden auch die kanaanitischen Städte (vor ihrer Eroberung durch die Israeliten) und die phoinikischen Seestädte, in denen ein Handelspatriziat seine Herrschaft dauerhaft bewahrt u n d nicht (jedenfalls nicht vor der hellenistischen Zeit) einer breiteren Schicht der Bürgerschaft politische Partizipation eingeräumt habe, wofür a u c h in Karthago keine Notwendigkeit b e s t a n d e n habe, d a man sich für die Expansionspolitik auf Söldner stützte. 8 5 Besonderes Interesse gilt schließlich d e n Verhältnissen im alten Israel, w o die Entwicklung zur Polis etwa d e n Stand erreicht habe, der sich für das archaische G r i e c h e n l a n d und die Frühphase der römischen Republik feststellen lasse, 8 6 zumal man auch hier das t y p i s c h e Phänomen feststellen könne, daß ein stadtsässiger, wehrhafter A d e l die Bauern in seine A b h ä n -

79 Die Formulierung findet sich in: Judentum I, S. 78 (MWG 1/21), die Sache ebenso unten, S.76f. 80 Unten, S.77 mit Anm.45, S. 79 mit Anm.53, S. 175, S. 179 mit Anm. 123 und S. 185 mit Anm. 145. 81 Unten, S. 79. 82 Unten, S. 8 4 f „ 88f., 108f. und 121. 83 Unten, S. 143f. 84 Die Bemerkungen, unten, S.84, 92f., 107f. und 222, lassen ein Schwanken in diesem Punkt erkennen, zumal wenn S.93 Analogien zur antiken Polis auch „am Euphrat" festgestellt werden. 85 Unten, S.93 und 291. 8 6 Unten, S.93f., und Judentum I, S. 76 (MWG 1/21).

17

Einleitung

g i g k e i t g e b r a c h t h a b e . 8 7 Die E n t w i c k l u n g in Israel f ü g t s i c h j e d o c h n i c h t o h n e weiteres d e m S c h e m a der W e b e r s c h e n „Organisationsstadien". Wie W e b e r s i c h im e i n z e l n e n d i e H e r a u s b i l d u n g e i n e s s t ä d t i s c h e n Patriziats innerhalb der ursprünglich stark bäuerlich g e p r ä g t e n E i d g e n o s s e n s c h a f t der vereinigten Stämme,88 den Charakter des späteren Königtums, dessen zentralistische Tendenzen

an d e n

Rechten

der traditionellen

Schranken fanden,89 die Eigenart und zeitliche Ansetzung

Honoratioren des

„Stadt-

s t a a t s " J u d a , 9 0 s c h l i e ß l i c h d i e K o n s t i t u i e r u n g d e r a u s d e m Exil z u r ü c k g e k e h r t e n j ü d i s c h e n B e v ö l k e r u n g als rein religiöser, n i c h t p o l i t i s c h e r G e m e i n d e v o r s t e l l t , 9 1 läßt s i c h a u s d e n - g e r a d e a n g e s i c h t s d e r K o m p l e x i t ä t d e r Verhältnisse -

ä u ß e r s t k n a p p e n B e m e r k u n g e n im v o r l i e g e n d e n Text d e r

„ S t a d t " s c h w e r l i c h v e r s t e h e n , o h n e d a ß m a n d i e f r ü h e r e n Ä u ß e r u n g e n in d e n „Agrarverhältnissen" u n d vor allem die u m f a n g r e i c h e n Studien z u m Judentum heranzieht.92

87 Unten, S. 94 und 223. 88 Unten, S. 107f. nur implizit angedeutet; vgl. Judentum I, S. 7 8 - 8 4 (MWG 1/21). 89 Unten, S.88. 90 Unten, S. 93. - Die Stadtstaatlichkeit sieht Weber anscheinend generell für den, nach der Teilung des Reiches Salomos im Jahre 927/26 v.Chr. entstandenen, Südstaat Juda gegeben; das sich auf eine Bürokratie stützende Königtum sei dann mit den Reformen des späten 7. Jahrhunderts v. Chr. unter die Kontrolle der Priesterschaft geraten, zu einer Zeit, als der Staat Juda mit der „Polis" Jerusalem gleichzusetzen gewesen sei; Agrarverhältnisse3, S. 93 (MWG I/6); Judentum I, S. 122 (MWG 1/21). 91 Unten, S.93 und 121; vgl. Judentum VI, 555 und 577 (MWG 1/21), und WuG1, S.259 (MWG I/22-2). 92 Allerdings bleiben auch dann noch viele offene Fragen; vgl. u.a. Caspari, Wilhelm, Die Gottesgemeinde vom Sinaj und das nachmalige Volk Israel. Auseinandersetzungen mit Max Weber (Beiträge zur Förderung christlicher Theologie, Band 27, Heft 1). - Gütersloh: C. Bertelsmann 1922; Guttmann, Julius, Max Webers Soziologie des antiken Judentums, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, Jg. 69, 1925, S. 195-223 (wieder abgedruckt in: Schluchter, Wolfgang (Hg.), Max Webers Studie über das antike Judentum. Interpretation und Kritik. - Frankfurt am Main: Suhrkamp 1981, S. 289-326); Schäfer, Christa, Stadtstaat und Eidgenossenschaft. Max Webers Analyse der vorexilischen Gesellschaft, ebd., S. 78-109; Schäfer-Lichtenberger, Christa, Stadt und Eidgenossenschaft im Alten Testament. Eine Auseinandersetzung mit Max Webers Studie „Das antike Judentum" (Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft, Beiheft 156). - Berlin [u.a.]: Walter de Gruyter 1983; Petersen, David L., Max Weber and the Sociological Study of Ancient Israel, in: Sociological Inquiry, vol.49, 1979, S. 117-149; Schottroff, Willy, Soziologie und Altes Testament, in: Verkündigung und Forschung, Jg. 19, 1974, S. 46-66, hier S. 49-56; Fahey, Tony, Max Weber's Ancient Judaism, in: American Journal of Sociology, vol. 88, 1982, S. 6 2 - 8 7 ; Kreuzer, Siegfried, Max Weber, George Mendenhall und das sogenannte Revolutionsmodell für die .Landnahme' Israels, in: Altes Testament. Forschung und Wirkung. Festschrift für Henning Graf Reventlow, hg. von Peter Mommert und Winfried Thiel. - Frankfurt am Main [u.a.]: Peter Lang 1994, S. 283-305.

18

Die ostasiatischen

Einleitung

Städte

Weber skizziert ferner, warum sich in den großen ostasiatischen Reichen Japan, Indien und China keine Stadtautonomie entwickelt habe. 9 3 Für Japan werden das Fehlen von Befestigungen und die unmittelbare Kontrolle durch Beamte der Monarchie angeführt, die nur gewisse Formen von Selbstverwaltung auf der Ebene von Stadtvierteln 9 4 bzw. Berufsverbänden zugelassen habe. 9 5 Für China und Indien wird ebenfalls betont, daß die Städte Sitze der Monarchen bzw. ihrer Behörden gewesen seien, so daß in China Selbstverwaltung am ehesten noch im Dorf stattfinden konnte. 9 6 Aber Weber begnügt sich nicht mit den Feststellungen über die Stärke der Zentralgewalten, die er im chinesischen Fall erneut auch mit d e m Zusammenhang von Stromregulierung und Bürokratisierung erklärt. 97 Indien und China werden in besonderer Weise als Gegenmodelle zur okzidentalen Stadt angesehen, da es hier religiöse Faktoren gewesen seien, die die Möglichkeit einer auf Verbrüderung basierenden Stadtgemeindebildung verhindert hätten. Und dies, obwohl sich für das indische Altertum 9 8 durchaus Beispiele einer von einem Patriziat getragenen Stadtautonomie feststellen ließen, 99 93 In den religionssoziologischen Studien werden die Unterschiede hinsichtlich der Bedeutung der Stadtkultur jeweils in den Eingangssätzen herausgestellt: „China war, In scharfem Gegensatz zu Japan, schon seit einer für uns vorhistorischen Zeit ein Land der großen ummauerten Städte"\ Konfuzianismus, MWG 1/19, S. 128; „Indien ist und war, im Gegensatz zu China, ein Land der Dörfer [...]"; Hinduismus, MWG I/20, S.49. 94 Daß eine Organisation von Stadtvierteln als solche noch keine Stadtgemeinde konstituiert, sondern unter Umständen den Ausbruch gewalttätiger Konflikte fördert, wird an den Beispielen Mekka und Konstantinopel sowie der Städte der Goldküste hervorgehoben; unten, S. 9 5 - 9 8 , 99f. und 108. Anders liegt der Fall, wenn wie Im Mittelalter (so In London und in den italienischen Städten) Stadtviertel Bestandteil der politischen Organisation der Stadt sind; unten, S. 194 und 216. 95 Unten, S. 73, 86 und 88f. 96 Unten, S. 73 und 89. - In: Konfuzianismus, MWG 1/19, S. 266, wird dies auf die Formel von der Stadt als „Mandarinensitz ohne Selbstverwaltung" und dem Dorf als „Ortschaft mit Selbstverwaltung ohne Mandarinen" zugespitzt. 97 Unten, S. 143f. - Vgl. Zingerle, Arnold, Max Weber und China. Herrschafts- und rellglonssoziologlsche Grundlagen zum Wandel der chinesischen Gesellschaft (Soziologische Schriften, Band 9). - Berlin: Duncker & Humblot 1972, S. 5 9 - 6 4 ; Elvin, Mark, Warum hat das vormoderne China keinen industriellen Kapitalismus entwickelt? Eine Auseinandersetzung mit Max Webers Ansatz, In: Schluchter, Wolfgang (Hg.), Max Webers Studie über Konfuzianismus und Taoismus. - Frankfurt am Main: Suhrkamp 1983, S. 1 1 4 - 1 3 3 , hier 5. 124 f. 98 Der von Weber unterstellte chronologische Rahmen läßt sich nicht eindeutig definieren; er reicht frühestens vom 6., wahrscheinlicher erst vom 3. Jahrhundert v. Chr., bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. Die häufige zeitliche Unbestimmtheit seiner Aussagen ist allerdings auch Folge der Eigenart der indischen Überlieferung. 99 Unten, S.93. Vgl. Hinduismus, MWG I/20, S.53: „Die Städteentwicklung näherte sich jahrhundertelang in wichtigen Punkten [...] mittelalterlichen occldentalen Erscheinungen".

Einleitung

19

u n d e s s o w o h l für I n d i e n w i e für C h i n a (in b e i d e n Fällen w o h l d i e g e s a m t e Geschichte hindurch) beachtliche faktische, w e n n g l e i c h nicht rechtlich abg e s i c h e r t e , K o m p e t e n z e n v o n G i l d e n u n d Z ü n f t e n g e g e b e n h a b e . 1 0 0 Ents c h e i d e n d sei a b e r g e w e s e n , d a ß d i e n a c h d e m e n d g ü l t i g e n S i e g

des

B r a h m a n i s m u s 1 0 1 e t a b l i e r t e K a s t e n o r d n u n g , m i t d e r rituellen A b s o n d e r u n g d e r B e r u f e v o n e i n a n d e r , j e g l i c h e T i s c h g e m e i n s c h a f t als V e r w i r k l i c h u n g v o n V e r b r ü d e r u n g d e f i n i t i v a u s g e s c h l o s s e n h a b e . 1 0 2 In d e r c h i n e s i s c h e n G e sellschaft h a b e der Ahnenkult a u c h d e n Stadtbewohner an seine Sippe und d a s Herkunftsdorf g e b u n d e n , somit d e n Z u s a m m e n s c h l u ß zu einer Stadtg e m e i n d e , w e n n nicht prinzipiell, so d o c h d e facto

ausgeschlossen.103

A u c h d i e s e B e m e r k u n g e n erschließen sich erst g a n z , w e n n m a n Webers S t u d i e n z u H i n d u i s m u s u n d B u d d h i s m u s 1 0 4 b z w . K o n f u z i a n i s m u s u n d Taoismus105 heranzieht. 100 Unten, S. 8 5 - 8 9 und 145.-Vgl. v.a. Hinduismus, MWG I/20, S. 91: „Im Zeitalter ihrer Blüte glich die Stellung der Gilden [in Indien] durchaus derjenigen in den Städten des mittelalterlichen Occidents"; ferner die Bemerkungen zu äußerlichen Parallelen zwischen chinesischen und englischen Gilden, in: Konfuzianismus, MWG 1/19, S. 151 f. Webers wichtigste Quelle für die ausführliche Darstellung der Gilden in der Chinastudie (Konfuzianismus, MWG 1/19, v.a. S. 155-158) ist Morse, Hosea B., The Gilds of China. With an Account of the Gild Merchant or Co-hong of Canton. - London: Longmans, Green 1909; dort werden die neuzeitlichen Gilden in China durchgängig mit dem mittelalterlichen englischen Pendant verglichen. 101 Von Weber wurde dies als ein Prozeß verstanden, der etwa im 6. Jahrhundert n. Chr. begann, sich aber über mehrere Jahrhunderte hinzog; Hinduismus, MWG I/20, S . 4 6 4 467; vgl. Kulke, Hermann, Orthodoxe Restauration und hinduistische Sektenreligiosität im Werk Max Webers, in: Schluchter, Wolfgang (Hg.), Max Webers Studie über Hinduismus und Buddhismus. Interpretation und Kritik. - Frankfurt am Main: Suhrkamp 1984, S. 2 9 3 332, hier S. 319ff. 102 Unten, S. 89, 109, 112, 121 und 143. Vgl. Nelson, Benjamin, On Orient and Occident in Max Weber, in: Social Research, vol. 43, 1976, S. 114-129. - Dieser Punkt ist auch von Simmel, Georg, Soziologie der Mahlzeit, in: ders., Brücke und Tür. Essays des Philosophen zur Geschichte, Religion, Kunst und Gesellschaft, hg. von Michael Landmann. Stuttgart: K.F. Koehler 1957, S. 243-250 (zuerst erschienen in: Der Zeitgeist, Beiblatt zum Berliner Tageblatt, 19.10.1910), hervorgehoben worden. Ob Weber diesen Zeitungsartikel gekannt hat, muß offenbleiben. 103 Unten, S. 110, 112, 115 und 143. 104 Namentlich zum Ausschluß der Verbrüderung durch die Kastenordnung, zur „brahmanischen Restauration" und zu den Zünften. - Die Frage, ob Weber die indische Sozialstruktur angemessen erfaßt habe bzw. einer eurozentrischen Sichtweise aufgesessen sei, kann hier nicht erörtert werden; für Kritik in diesem Sinne vgl. u. a. Rösel, Jakob, Die Hinduismusthese Max Webers. Folgen eines kolonialen Indienbildes in einem religionssoziologischen Gedankengang (Materialien zu Entwicklung und Politik, Band 22). - München [u.a.]: Weltforum Verlag 1982; Munshi, Surendra, Max Weber über Indien. Eine einführende Kritik, in: Kocka, Jürgen (Hg.), Max Weber, der Historiker (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Band 73). - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1986, S. 221 - 2 4 1 (dessen Beispiele aus dem 19. Jahrhundert jedoch Webers Argumentation schwerlich treffen können). 105 Insbesondere die diversen Ausführungen zum Ahnenkult, zu den Gilden und Zünften

20

Einleitung

Verbrüderung Die s c h o n erwähnte Kategorie der „Verbrüderung" ist g r u n d l e g e n d nicht nur für d e n Zivilisationsvergleich, sondern a u c h für die Unterschiede, die trotz aller G e m e i n s a m k e i t e n innerhalb der okzidentalen Kultur bestehen. Der Verbrüderungscharakter gilt als a u s z e i c h n e n d e s Merkmal der okzidentalen Stadtgemeinde. Nur sie gründet auf willkürlich konstituierten Verbänd e n im G e g e n s a t z zu natürlichen oder als natürlich g e d a c h t e n A b s t a m m u n g s g e m e i n s c h a f t e n . Z w i s c h e n den Mitgliedern dieser V e r b ä n d e bestehen keine Hemmnisse für alle Formen sozialen Verkehrs, einschließlich der Markttransaktionen; n e b e n connubium und commercium ist es vor allem Kommensalität, das Bestehen von Tischgemeinschaft, die symbolischer Ausweis von Verbrüderung ist. 1 0 6 In der „Stadt" unterscheidet Weber zwis c h e n Verbrüderungen, die von Verbänden verwandtschaftlicher o d e r militärischer Natur ausgehen, und solchen, bei d e n e n sich Individuen z u s a m menschließen; 1 0 7 in b e i d e n Fällen wird aber die prinzipielle rechtliche Gleichheit der beteiligten G r u p p e n oder Individuen impliziert. 1 0 8 Die höchste Intensität wird bei der von Individuen g e t r a g e n e n Verbrüderung erreicht. Historisch sieht Weber d a s Verbrüderungsprinzip d e s h a l b vor allem in der mittelalterlichen S t a d t g e m e i n d e verwirklicht, u n d zwar in der ursprünglic h e n Eidverschwörung (coniuratio), aus der die K o m m u n e hervorgeht, weiter in den S o n d e r v e r b a n d s b i l d u n g e n des popolo der italienischen K o m m u -

sowie zur Selbstverwaltung des Dorfes. Auffällig ist, daß in dieser Studie die Kategorie der Verbrüderung bzw. Ihrer Hemmung durch den Ahnenkult nicht vorkommt. - Zu Webers Bild der chinesischen Stadt, das jedoch die zahlreichen Städte, die nicht Behördensitz waren, nicht erfaßt, vgl. u. a. Franke, Herbert, Max Webers Soziologie der ostasiatischen Religionen, in: Max Weber. Gedächtnisschrift der Ludwig-Maximilians-Universität München zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages 1964, hg. von Karl Engisch, Bernhard Pfister, Johannes Wlnckelmann. - Berlin: Duncker & Humblot 1966, S. 115-130, hier S. 118124; Eberhard, Wolfram, The Structure of the Pre-Industrial Chinese City, In: ders., Settlement and Social Change In Asia. Collected Papers, Vol. 1. - Hong Kong: Universlty Press 1967, S. 4 3 - 6 4 ; Shlba, Yoshlnobu, Max Webers Beitrag zur Geschichte nicht-europälscher Gesellschaften: China, in: Kocka (Hg.), Max Weber, S. 242-256, hier S. 248ff.; zur Rolle des Dorfes Sprenkel, Sybille van der, Die politische Ordnung Chinas auf lokaler Ebene: Dörfer und Städte, In: Schluchter (Hg.), Konfuzlanlsmus (wie oben, S.18, Anm.97), S.91-113. 106 Unten, S. 109f., und WuG\ S. 247 (MWG I/22-2); Hinduismus, MWG I/20, S. 94f. 107 Unten, S. 110-112, 179f. und 217. 108 In der Rechtssoziologie von WuG1, S.415f. (MWG I/22-3), faßt Weber dagegen auch „.Status'-Kontrakte" zwischen Ungleichen wie u. a. Herr und Sklave, Patron oder Klient als „Verbrüderungsverträge" auf; vgl. Meier, Christian, Einleitung, In: ders. (Hg.), Die Okzidentale Stadt nach Max Weber. Zum Problem der Zugehörigkeit in Antike und Mittelalter (Historische Zeitschrift, Beihefte, Neue Folge, Band 17). - München: R.OIdenbourg 1994, S. 7 - 3 3 , hier S. 18.

Einleitung

21

nen und schließlich a u c h auf der Ebene kleinerer V e r b ä n d e sowohl berufsständischer wie religiöser Provenienz. W e b e r hat sich nicht d a z u geäußert, woher er die Kategorie der Verbrüderung g e w o n n e n hat, die in seinem früheren Werk n o c h keine erkennbare Rolle gespielt hatte, in der „Stadt" j e d o c h zentral wird. Die Bruderschaftsterminologie d e c k t ein breites S p e k t r u m sozialer Z u s a m m e n s c h l ü s s e ab, die in je unterschiedlicher Weise auf der christlichen Brüderlichkeitsidee gründen. Geläufig war die B e z e i c h n u n g „Verbrüderung" in erster Linie für die, der w e c h s e l s e i t i g e n Fürbitte u n d d e m Totengedächtnis d i e n e n d e n , G e b e t s V e r b r ü d e r u n g e n z w i s c h e n Klöstern im frühen Mittelalter. 1 0 9 Inhaltlich zeigt W e b e r s Kategorie eine b e a c h t l i c h e Nähe zu Gierkes Konzept der „freien Einungen" als „gewillkürte" bzw. „gekorene G e n o s s e n s c h a f t e n " in der A b g r e n z u n g zu auf A b s t a m m u n g oder Verwandtschaft basierenden Verbänd e n . 1 1 0 Gierke, der die G e n o s s e n s c h a f t e n als genuin germanisch-rechtlic h e s P h ä n o m e n ansah, hatte diesen Einungscharakter primär a m Beispiel der mittelalterlichen Gilden mit ihrer Verknüpfung religiöser und sozialer Funktionen herausgestellt; 1 1 1 er spricht in d i e s e m Kontext a u c h einmal beiläufig von „ V e r b r ü d e r u n g e n " . 1 1 2 W e b e r akzentuiert j e d o c h n o c h stärker als Gierke die kultische Dimension solcher Z u s a m m e n s c h l ü s s e u n d sieht in der

1 0 9 Wilda, Wilhelm E., Das G i l d e n w e s e n im Mittelalter. - Halle: Renger 1831, S. 31; Hartwig, 0 [ t t o ] , U n t e r s u c h u n g e n über die ersten A n f ä n g e d e s G i l d e w e s e n s , in: F o r s c h u n g e n zur D e u t s c h e n G e s c h i c h t e , B a n d 1, 1862, S. 1 3 3 - 1 6 3 , hier S. 151 f.; Ebner, A d a l b e r t , Die klösterlichen G e b e t s - V e r b r ü d e r u n g e n . Eine k i r c h e n g e s c h i c h t l i c h e Studie. - R e g e n s b u r g [u. a.]: Friedrich Pustet 1890. - In der Ethnologie b e g e g n e t „Verbrüderung" a u c h als Bez e i c h n u n g für rituell g e s c h l o s s e n e „ B l u t s b r ü d e r s c h a f t " ; vgl. Kohler, J[osef], Studien über die künstliche Verwandtschaft, in: Zeitschrift für v e r g l e i c h e n d e R e c h t s w i s s e n s c h a f t , B a n d 5, 1884, S. 4 1 5 - 4 4 0 , hier S. 4 3 4 f . 1 1 0 Gierke, Otto, Das d e u t s c h e G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t , B a n d 1: R e c h t s g e s c h i c h t e der d e u t s c h e n G e n o s s e n s c h a f t . - Berlin: W e i d m a n n 1868, S. 9 u n d 221. 111 Vgl. Dilcher, Gerhard, Zur G e s c h i c h t e und A u f g a b e d e s Begriffs G e n o s s e n s c h a f t , in: Recht, Gericht, G e n o s s e n s c h a f t u n d Policey. Studien zu G r u n d b e g r i f f e n der germanistis c h e n Rechtstheorie. S y m p o s i o n für A d a l b e r t Erler, hg. v o n G e r h a r d Dilcher u n d B e r n h a r d Diestelkamp. - Berlin: Erich S c h m i d t 1986, S. 1 1 4 - 1 2 5 ; Oexle, Otto G., Otto v o n Gierkes . R e c h t s g e s c h i c h t e der d e u t s c h e n G e n o s s e n s c h a f t ' . Ein Versuch w i s s e n s c h a f t s g e s c h i c h t licher Rekapitulation, in: H a m m e r s t e i n (Hg.), G e s c h i c h t s w i s s e n s c h a f t (wie o b e n , S . 8 , A n m . 40), S. 1 9 3 - 2 1 7 ; Blickle, Peter, Otto Gierke als Referenz? R e c h t s w i s s e n s c h a f t u n d G e s c h i c h t s w i s s e n s c h a f t auf der S u c h e n a c h d e m Alten Europa, in: Zeitschrift für Neuere R e c h t s g e s c h i c h t e , B a n d 17, 1995, S. 2 4 5 - 2 6 3 ; Hardtwig, W o l f g a n g , G e n o s s e n s c h a f t , Sekte, Verein in D e u t s c h l a n d , B a n d 1: Vom Spätmittelalter bis zur Französischen Revolution. - M ü n c h e n : C . H . B e c k 1997, S . 2 5 - 3 3 . 1 1 2 Gierke, G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t , B a n d 1, S . 2 3 7 . - Der Begriff b e g e g n e t a u c h s c h o n bei Wilda, G i l d e w e s e n , S. 307: „ V e r b r ü d e r u n g e n der H a n d w e r k e r " ; vgl. e b d . , S. 200: „Bürg e r v e r b r ü d e r u n g " , oder Hartwig, U n t e r s u c h u n g e n , S. 153 u n d 154: „ G i l d e v e r b r ü d e r u n gen".

22

Einleitung

„Verbrüderung" - ungeachtet der neuen Möglichkeiten, die erst durch das Christentum eröffnet worden seien - eine von den spezifisch mittelalterlichen Verhältnissen ablösbare Kategorie. 113 Grenzen der Verbrüderung

in der Antike

Weber hat die Verbrüderung in der Antike vor allein im Akt des „Synoikismos" verwirklicht gesehen. Diese, der Quellensprache entlehnte, Kategorie war ein geläufiger Begriff der Forschung. 114 Es geht bei dieser „Zusammensiedlung" um die Konstituierung eines politischen Entscheidungszentrums, bei der für Weber entscheidend ist, daß sich in Griechenland und Rom die wehrfähigen Geschlechter - unter Aufgabe ihrer Burgen, wie er unterstellt in der Stadt ansiedelten. 115 In der „Stadt" hebt Weber den kultischen Zusammenschluß im Sinne einer Verbrüderung hervor, die sich namentlich in der Speisegemeinschaft dieser Wehr- und Sippenverbände ausweise. 1 1 6 (Das Argument paßt in Grenzen auf die griechischen Verhältnisse, jedoch schwerlich auf Rom). 117 Die Prägung der antiken Verbrüderung durch den ursprünglichen Zusammenschluß von Geschlechtern, die mit der Exklusivität ihrer Kulte die Abgrenzung zu den Nicht-Adligen aufrecht erhalten hätten, 118 sei erst später von Seiten der „sippenlosen" Plebs aufgehoben worden. 1 1 9 Diese Argumentation folgt offensichtlich der Intention, den Kontrast zu den Phänomenen der Verbrüderung im Mittelalter herauszustellen. 120

113 Vgl. auch Sohm, Rudolph, Kirchengeschichte im Grundriß, 8., vermehrte Aufl. - Leipzig: E. Ungleich 1893, S.4, der im Hinblick auf die Parallele zwischen den heidnischen Kultgenossenschaften und den frühchristlichen Gemeinden von einer „allgemeinefn] Verbrüderung der Vereinsgenossen" spricht. 114 In: Agrarverhältnisse 3 , S. 183 (MWG I/6), beruft sich Weber auf Kuhn, Emil, Über die Entstehung der Städte der Alten. Komenverfassung und Synoikismos. - Leipzig: B.G.Teubner 1878. 115 Weber, Agrarverhältnisse 3 , S. 101, 102, 109, 123, 145, 148, 150 und 152 (MWG I/6); vgl. noch WuG1, S. 153 (MWG I/23). - Ein Zusammenschluß von Sippenverbänden liegt ebenfalls beim Synoikismos in Jerusalem nach der Rückkehr der Juden aus dem Exil vor; Agrarverhältnisse 3 , S.95 und 125 (MWG I/6), Judentum I, S.76f. und 83 (MWG 1/21), sowie unten, S. 116. 116 Unten, S. 110f„ 121 und 179f.; in: Agrarverhältnisse 3 , S. 126 (MWG I/6), wird dieser Punkt nur en passant erwähnt. 117 Vgl. Nippel, Wilfried, Max Weber zwischen Althistorie und Universalgeschichte: Synoikismos und Verbrüderung, in: Meier (Hg.), Okzidentale Stadt (wie oben, S.20, Anm. 108), S. 3 5 - 5 7 , hier S. 50-54; Martin, Jochen, Der Verlust der Stadt, ebd., S . 9 5 114, hier S. 101. 118 Vgl. WuG1, S. 236 (MWG I/22-2). 119 Unten, S. 110-112, 179f. und 216f. 120 Nippel, Max Weber zwischen Althistorie und Universalgeschichte, S. 4 2 - 4 6 und S. 49.

Einleitung

23

Für die im Mittelalter m ö g l i c h e Verbrüderung von Individuen sei nämlich e n t s c h e i d e n d gewesen, daß alle s c h o n der g e m e i n s a m e n Kirche angehört hätten (was zugleich den Ausschluß der J u d e n bedingte). 1 2 1 Einen welthistorisch folgenreichen D u r c h b r u c h , der eine positive religiöse Disposition für diese Form der Verbrüderung geschaffen habe, sieht Weber in der Herauslösung des Christentums aus den Vorschriften des j ü d i s c h e n Gesetzes, wie sie Paulus durchgesetzt habe. Symbolisiert w e r d e dies durch d e n von Paulus im Galaterbrief geschilderten Konflikt in Antiochia, bei d e m Petrus zunächst die T i s c h g e m e i n s c h a f t mit (unbeschnittenen) Heidenchristen gepflegt hatte, diese dann aber aufgrund der Vorhaltungen von Vertretern der (judenchristlichen) G e m e i n d e aus Jerusalem wieder a u f g a b . Allerdings kommt Weber in der „Stadt" darauf nur mit einem Satz zu s p r e c h e n . 1 2 2 Größte B e d e u t u n g legt er d e m „Tag von Antiochien" 1 2 3 j e d o c h in der Hinduismus-Studie bei, in der der Kontrast zur indischen Kastenordnung, die e b e n g e r a d e j e d e T i s c h g e m e i n s c h a f t über die Kastengrenzen hinweg ausg e s c h l o s s e n habe, betont wird. „Die Abstreifung aller rituellen GeburtsSchranken für die Gemeinschaft der Eucharistie, wie sie in Antiochia vor sich ging, war auch - hingesehen auf die religiösen V o r b e d i n g u n g e n - die Konzeptionsstunde des .Bürgertums' des O c c i d e n t s , w e n n a u c h d e s s e n Geburt, in d e n revolutionären .conjurationes' der mittelalterlichen Städte, erst mehr als ein Jahrtausend später erfolgte. Denn ohne Kommensalität, christlich g e s p r o c h e n : ohne g e m e i n s a m e s A b e n d m a h l , war eine Eidbrüderschaft u n d ein mittelalterliches Stadtbürgertum gar nicht m ö g l i c h . " 1 2 4 Commune

und

coniuratio

Das G e g e n s t ü c k zum antiken Synoikismos liegt in der mittelalterlichen coniuratio, durch die eine C o m m u n e konstituiert wird. Das e n t s c h e i d e n d e Moment liegt in der Verbrüderung von Individuen durch Eidverschwörung. Dies gilt a u c h für die Verbände innerhalb einer Stadt, die sich nach d e m gleichen Muster konstituieren. Die Frage nach der B e d e u t u n g von Tischgemeinschaften wird ( a b g e s e h e n v o m Hinweis auf die grundsätzliche B e d e u -

121 Unten, S. 119 und 180. 122 Unten, S. 111f. - Vgl. zur Bedeutung dieses Streits Weizsäcker, Carl, Das apostolische Zeitalter der christlichen Kirche, 3. Aufl. - Tübingen [u.a.]: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1902, S. 158-167. - Die Einzelheiten, namentlich der Zusammenhang mit den Beschlüssen des sogenannten Apostelkonzils (Apostelgeschichte 15) und der ungewisse Ausgang des konkreten Konflikts in Antiochien, interessieren Weber hier augenscheinlich nicht. 123 So die Formulierung in: Wirtschaftsgeschichte, S. 277 (MWG, Abt. III). 124 Hinduismus, MWG I/20, S. 96f.; vgl. noch WuG1, S. 247 (MWG I/22-2).

24

Einleitung

t u n g der A b e n d m a h l s g e m e i n s c h a f t ) hier j e d o c h nicht mehr konkret a u f g e nommen, o b w o h l die Geselligkeit ein konstitutives Element etwa v o n G i l d e n und Zünften darstellt. 1 2 5 Die K o m m u n e - G r ü n d u n g d u r c h coniuratio, w e c h s e l s e i t i g e promissoris c h e Eidesleistung der Bürger, sieht Weber i n s b e s o n d e r e in d e n oberitalienischen Städten seit d e m Ende d e s 10. Jahrhunderts verwirklicht, die a n g e sichts d e s faktischen Fehlens einer Zentralgewalt bzw. der vielfältigen Ü b e r k r e u z u n g e n v o n Herrschaftsrechten 1 2 6 die besten C h a n c e n dafür besaßen. In anderen Ländern, b e s o n d e r s in Deutschland, lagen die Verhältnisse anders, wie sich u.a. in d e n wiederholten Versuchen d e s Verbots städtischer S c h w u r g e m e i n s c h a f t e n d u r c h die Kaiser ausweist. Hier g a b es in vielen Fällen eine komplizierte G e m e n g e l a g e z w i s c h e n der Konzession von Rechten d u r c h d e n Stadtherrn und der Usurpation d u r c h die Bürger, w o b e i W e b e r hervorhebt, daß es in der Natur der U r k u n d e n liegt, die G e w ä h r u n g von o b e n zu dokumentieren, d e n m ö g l i c h e r w e i s e v o r a u s g e g a n g e n e n , d u r c h U s u r p a t i o n s v e r s u c h e ausgelösten, Konflikt j e d o c h zu ü b e r g e h e n . Bei „ N e u g r ü n d u n g s s t ä d t e n " 1 2 7 konnte d a s ö k o n o m i s c h e Interesse d e s Stadtherrn d e n Anstoß zur Konstituierung einer S t a d t g e m e i n d e g e b e n . 1 2 8 Insgesamt gibt es also ein breites S p e k t r u m von Möglichkeiten z w i s c h e n „originärer", d.h. auf coniuratio beruhender, und „abgeleiteter", d.h. v o m Stadtherrn konzessionierter K o m m u n e b i l d u n g . 1 2 9 (Einen - ausführlich b e h a n d e l t e n Extremfall stellen die e n g l i s c h e n Städte dar, deren Rechte sämtlich aus Konzessionen der Krone stammten, die aber später im Parlament eine Interessenvertretung auf nationaler Ebene erhielten). Die erfolgreiche K o m m u n e g r ü n d u n g durch eine E i d v e r b r ü d e r u n g stellt für W e b e r einen usurpatorischen Akt dar, d a sich die coniuratio g e g e n eine b e s t e h e n d e legitime Herrschaftsgewalt richtet. Diese E i n s c h ä t z u n g war in der Forschung d e s 19. und frühen 20. Jahrhunderts sicherlich geläufig. 1 3 0 Bei m a n c h e n Autoren v e r b a n d sich dies a u c h mit der Tendenz, in einer n a c h t r ä g l i c h e n Legitimierung d u r c h die Landesherren die eigentliche Vor-

125 Vgl. die Erwähnung der „Trinkstuben der Gilden und Zünfte" in: Hinduismus, MWG I/20, S.94; dort auch die Feststellung: „Alle Verbrüderung aller Zeiten setzte Speisegemeinschaft voraus. Nicht die wirkliche, alltäglich geübte, aber: ihre rituelle Möglichkeit". 126 Mit der Parallele in diesem Punkt begründet Weber, unten, S. 127, seine auffällig langen Ausführungen zu den Machtverhältnissen in Mekka, unten, S. 9 4 - 9 8 . 127 Unten, S. 171. 128 Unten, S. 140 und 271. 129 Unten, S. 124f. 130 So z.B. in bezug auf Deutschland und Nordfrankreich bei Joachim, Hermann, Die Gilde als Form städtischer Gemeindebildung, in: Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst, Jg. 26, 1907, S. 8 0 - 1 1 0 , hier S. 95f.

Einleitung

25

aussetzung für den Fortbestand von Bürgergemeinden zu sehen. 131 Dies wirft die Frage auf, ob Weber sich dieser Interpretation anschließt. Dagegen dürfte sprechen, daß er Italien (wo diese Form der nachträglichen Sanktionierung kaum eine Rolle spielte) als eigentliche Heimat der coniurationes bezeichnet; weiter, daß er betont, bei der Hervorhebung des usurpatorischen Charakters der Kommunegründung handle es sich um eine „formalrechtliche" Sichtweise, die den soziologischen und politischen Implikationen des Vorgangs nicht gerecht werde. 1 3 2 Allerdings gibt es auch mögliche Bezüge zu Webers Herrschaftssoziologie, die prima facie eine andere Deutung nahelegen könnten. Weber hatte nämlich in der aus dem Jahre 1914 stammenden Planung für seinen Beitrag zum „Grundriß der Sozialökonomik" auch einen Abschnitt „Die nichtlegitime Herrschaft. Typologie der Städte" vorgesehen. 1 3 3 Der vorliegende Text kann gewiß nicht als ganzes, wohl aber hinsichtlich der Ausführungen zur Kommunegründung durch „usurpatorische Verbrüderungen" 1 3 4 und der Umgestaltung der Verfassung durch die Formierung des popolo damit in Beziehung gesetzt werden. (Außerdem bezüglich der Bewertung der antiken Tyrannis und der italienischen Signorie). 135 „Nichtlegitime Herrschaft" kommt hier jedoch wörtlich nicht vor. In bezug auf die Konstituierung des popolo in den italienischen Städten - gegen die aus der ursprünglichen coniuratio hervorgegangene Honoratiorenherrschaft - spricht Weber davon, es habe sich um den ,,erste[n] ganz bewußt illegitime[n] und revolutionäre[n] politischen Verband" gehandelt. Die bewußte Illegitimität liegt hier darin, daß mit der Konstituierung einer ,,politische[n] Sondergemeinde innerhalb der Kommune, mit eigenen Beamten, eigenen Finanzen und eigener Militärverfassung [...] im eigentlichsten Wortsinn ein Staat im Staate" gegründet worden sei. 136 (Das gleiche ließe sich mutatis mutandis auch von der Eidverschwörung der römischen

131 Vgl. die Beispiele bei Schreiner, Klaus, Legitimität, Autonomie, Rationalisierung. Drei Kategorien Max Webers zur Analyse mittelalterlicher Stadtgesellschaften - wissenschaftsgeschichtlicher Ballast oder unabgegoltene Herausforderung? In: Meier (Hg.), Okzidentale Stadt (wie oben, S.20, Anm. 108), S. 161-211, hier S. 166-168, die sich aber auf Nordfrankreich und Flandern beziehen; so bei Hegel, Karl, Städte und Gilden der germanischen Völker im Mittelalter, Band 2. - Leipzig: Duncker & Humblot 1891, S.510f. 132 Unten, S. 125-127. 133 Vgl. den Editorischen Bericht, unten, S.46. 134 Unten, S. 125. 135 Die Tyrannen gelten als „spezifisch illegitime Herren", unten, S. 224; für die Signorie geht dies aus der Bemerkung hervor, sie sei durch die Entwicklung zu einem erblichen Patrimonialtürstentum „in den Kreis der legitimen Gewalten" eingetreten, unten, S. 230. 136 Unten, S.200.

26

Einleitung

Plebs und der Konstituierung ihrer Sondergemeinde sagen). 1 3 7 O b in Webers Herrschaftssoziologie ein systematischer Ort für „nichtlegitime Herrschaft" überhaupt denkbar ist, 138 kann hier ebenso auf sich beruhen bleiben wie die Frage, ob Weber bei der weiteren Entwicklung seiner Herrschaftssoziologie gegebenenfalls das demokratische Legitimationsprinzip als viertes Element aufgenommen hätte. 139 Berücksichtigt man, wie hoch Weber den Verbrüderungscharakter der originären coniuratio bewertet, und daß er den auf die ursprüngliche Kommunebildung folgenden Bewegungen zur Einschränkung oder Brechung der Honoratiorenregimes die Rationalisierung von Recht und Verwaltung zuschreibt, dann sollte man nicht annehmen, daß Weber mit seiner Betonung des formalrechtlich usurpatorischen Charakters der Kommunegründung zugleich das legitimitätsstiftende Element, das im freien Zusammenschluß der Bürger liegt, gänzlich ignoriert habe. 1 4 0 Auf politische Grundüberzeugungen Webers zurückgehende Vor-

137 Die Parallele hat Weber, unten, S. 2 0 9 - 2 1 1 , gezogen. Dem Volkstribunat fehlte „legitime Amtsgewalt", „legitimes Imperium", „legitime Strafgewalt". Die in diesem Lichte etwas Irritierende Feststellung, der p o p o / o sei die „erste" bewußt illegitime und revolutionäre B e w e g u n g gewesen, erklärt sich wohl aus der Einordnung In die Reihe der „fünf großen, für das Schicksal des Okzidents e n t s c h e i d e n d e n Revolutionen, die Italienische des 12. und 13., die niederländische des 16., die englische des 17., die amerikanische u n d französische des 18. Jahrhunderts"; Konfuzianlsmus, MWG 1/19, S. 226. Das in WuG 1 , S. 155 (MWG I/23), a n g e k ü n d i g t e Kapitel zur „Theorie der U m w ä l z u n g e n " hat Weber nicht mehr geschrieben. - Die Bewertung der K o m m u n e b e w e g u n g als Revolution findet sich wohl zuerst In Arbeiten von Augustin Thierry seit d e n 1820er Jahren; vgl. Schreiner, Klaus, „ K o m m u n e b e w e g u n g " und „Zunftrevolution". Zur Gegenwart der mittelalterlichen Stadt im historisch-politischen Denken des 19. Jahrhunderts, in: Stadtverfassung, Verfassungsstaat, Pressepolitik. Festschrift für Eberhard Naujoks z u m 65. Geburtstag, hg. von Franz Quarthai und Wilfried Setzier. - Sigmaringen: Jan Thorbecke 1980, S. 1 3 9 - 1 6 8 , hier S. 146. 138 Dies bestreitet Mommsen, Wolfgang J., Politik und politische Theorie bei Max Weber, In: Weiß, Johannes (Hg.), Max Weber heute. Erträge u n d Probleme der Forschung. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1989, S. 5 1 5 - 5 4 2 , hier S. 537. 139 Zu dieser möglichen, in die publizierten Fassungen seiner Herrschaftssoziologie so j e d o c h nicht e i n g e g a n g e n e n Erweiterung vgl. den Bericht „Ein Vortrag Max Webers über die Probleme der Staatssoziologie", in: Neue Freie Presse, Wien, Nr. 19102 v o m 26. Oktober 1917, S. 10 (MWG I / 2 2 - 4 ) ; dazu auch Schluchter, Wolfgang, Religion und Lebensführung, Band 2: Studien zu Max Webers Religions- und Herrschaftssoziologie. - Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, S.473. 140 So j e d o c h Sternberger, Dolf, Max Weber und die Demokratie, in: ders., Ich w ü n s c h t e ein Bürger zu sein. Neun Versuche über d e n Staat. - Frankfurt am Main: Suhrkamp 1967, S. 9 3 - 1 1 3 , hier S. 1 0 6 - 1 1 1 f.; Schreiner, Klaus, Die mittelalterliche Stadt in Webers Analyse und die Deutung des okzldentalen Rationallsmus. Typus, Legitimität, Kulturbedeutung, in: Kocka (Hg.), Max Weber (wie oben, S. 19, Anm. 104), S. 1 1 9 - 1 5 0 , hier S. 130 (Webers „Unfähigkeit", d e n „Wertvorstellungen hochmittelalterlicher Bürger legitimitätsstiftende Kraft zuzubilligen"); ähnlich ders., Legitimität (wie oben, S. 25, Anm. 131), S. 164f. und S. 1 7 2 - 1 7 7 ; vgl. d a g e g e n Oexle, Otto G., Kulturwissenschaftliche Reflexionen über so-

Einleitung

27

behalte dürften sich eher hinsichtlich einer nach seiner Einschätzung zu weit getriebenen „Demokratisierung" feststellen lassen, wie sie sich besonders in seinen Bewertungen der athenischen Demokratie niederschlagen. 1 4 1 Gilden, Zünfte und

Stadtverfassung

Die Dominanz der Honoratioren in den mittelalterlichen Kommunen wurde durch eine „Serie [...] neuer Revolutionen" überwunden. 1 4 2 „Deren Träger waren abermals beschworene Einigungen von Bürgern", 1 4 3 namentlich Zünfte unterschiedlicher Natur, wobei Weber insbesondere die Unterschiede zwischen der italienischen und der deutschen Entwicklung betont. Weber konnte sich für die Fragen der Entstehung und Entwicklung der mittelalterlichen Stadtgemeinden auf eine weitverzweigte historische und nationalökonomische Forschungsliteratur stützen, 144 wobei er sich im Regelfall auf die Publikationen deutscher Wissenschaftler beschränkt haben dürfte. Die fachwissenschaftliche Diskussion seiner Zeit war höchst unübersichtlich; zum einen, weil hinter vielen Fragestellungen außerwissenschaftliche, durch aktuelle Probleme bedingte, Interessen standen: an dem Verhältnis von Staat und Gemeinde (als über originäre oder nur abgeleitete Kompetenzen verfügend), 1 4 5 oder dem von Zunftzwang und Gewerbefreiheit (die angesichts des Aufbrechens der „sozialen Frage" nicht mehr uneingeschränkt als positiv bewertet werden konnte) sowie an der Prägung mittelalterlicher Institutionen durch primär germanische oder römische Rechtsfiguren (auch vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen um

ziale Gruppen in der mittelalterlichen Gesellschaft: Tönnies, Simmel, Dürkheim und Max Weber, In: Meier (Hg.), Okzidentale Stadt (wie oben, S.20, Anm. 108), S. 115-159, hier S. 142-156. 141 Dazu weiter unten, S. 35ff. 142 Unten, S. 148. 143 Unten, S. 172. 144 Vgl. aus einer Serie von Forschungsberichten von Karl Uhlirz v.a.: Neuere Literatur über deutsches Städtewesen III, in: Mittheilungen des Instituts für Oesterreichische Geschichtsforschung, Band 15, 1894, S. 488-516; dass. VI, ebd., Band 17, 1896, S . 3 1 6 342; dass. VII, ebd., Band 19,1898,173-199; dass. IX, ebd., Band 24,1903, S. 449-472. 145 Zum politischen Hintergrund im Deutschland des 19. Jahrhunderts vgl. Matzerath, Horst, Von der Stadt zur Gemeinde. Zur Entwicklung des rechtlichen Stadtbegriffs im 19. und 20. Jahrhundert, in: Archiv für Kommunalwissenschaften, Jg. 13, 1974, S. 17-46; Koch, Rainer, Staat oder Gemeinde? Zu einem politischen Zielkonflikt in der bürgerlichen Bewegung des 19. J[ahr]h[undert]s, in: Historische Zeitschrift, Band 236,1983, S. 73-96; Langewiesche, Dieter, „Staat" und „Kommune". Zum Wandel der Staatsaufgaben In Deutschland im 19. Jahrhundert, ebd., Band 248, 1989, S. 621-635.

28

Einleitung

die Kodifikation eines einheitlichen d e u t s c h e n Privatrechts).146 Z u m anderen litt d i e i n n e r f a c h l i c h e D i s k u s s i o n d a r u n t e r , d a ß s i c h A u t o r e n in unters c h i e d l i c h e m M a ß e e n t w e d e r nur auf d e u t s c h e o d e r a u c h auf a u ß e r d e u t s c h e V e r h ä l t n i s s e in je u n t e r s c h i e d l i c h e n Z e i t e n bzw. a u c h auf u n t e r s c h i e d liche Typen von Städten b e z o g e n , die divergierende Quellenbasis bei der Aufstellung generalisierter Theorien j e d o c h häufig nicht berücksichtigten. H i n z u k a m ferner, d a ß ü b e r d i e V e r w e n d u n g z e n t r a l e r K a t e g o r i e n w i e G i l d e und Zunft keine Einigkeit bestand, unmittelbare Ü b e r n a h m e n aus der Quell e n s p r a c h e u n d U m w a n d l u n g e n z u Termini e i n e r

fachwissenschaftlichen

B e g r i f f s p r a c h e s i c h z u m e i s t in e i n e m u n g e k l ä r t e n V e r h ä l t n i s n e b e n e i n a n d e r f a n d e n . 1 4 7 Die w e i t v e r b r e i t e t e N e i g u n g z u e i n e m h ö c h s t p o l e m i s c h e n Disk u s s i o n s s t i l t r u g im R e g e l f a l l e b e n f a l l s n i c h t z u e i n e r K l ä r u n g d e r P r o b l e m e bei.148 W e b e r hat s i c h teils e x p l i z i t , teils i m p l i z i t auf d e n „ K a m p f d e r . S t ä d t e t h e o rien"' b e z o g e n , a n d e m er s p e z i e l l d i e N e i g u n g z u e i n e r f o r m a l r e c h t l i c h e n

146 Vgl. schon die zeitgenössische Stellungnahme von Sander, Paul, Die geschichtliche Erforschung der stadtwirtschaftlichen Handwerksverfassung In Deutschland, in: Die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaftslehre im neunzehnten Jahrhundert. Gustav Schmoller zur siebenzigsten Wiederkehr seines Geburtstages, 24. Juni 1908, 2. Teil. Leipzig: Duncker & Humblot 1908, S. 1 - 2 0 ; aus neuerer Literatur Heit, Alfred, Die mittelalterlichen Städte als begriffliches und deflatorisches Problem, In: Die Alte Stadt, Jg. 5, 1978, S. 350-408; Fröchling, Jürgen, Georg von Below - Stadtgeschichte zwischen Wissenschaft und Ideologie, ebd., Jg. 6,1979, S. 54-85; Schreiner, Kommunebewegung (wie oben, S.26, Anm. 137); Buhr, Hermann de, Wandlungen in der Geschichtsschreibung über die mittelalterliche Stadt im 19. und 20. Jahrhundert, in: Die Bergischen, „ein Volk von zugespitzter Reflexion". Region, Schule, Mentalität, hg. von Hermann de Buhr, Heinrich Küppers, Volkmar Wittmütz. - Wuppertal: J.H. Born 1992, S. 255-277, hier S . 2 5 5 262.

147 Vgl. Oexle, Otto G., Die mittelalterliche Zunft als Forschungsproblem. Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte der Moderne, In: Blätter für deutsche Landesgeschichte, Jg. 118, 1982, S. 1 - 4 4 ; Irsigler, Franz, Zur Problematik der Gilde- und Zunftterminologie, In: Gilden und Zünfte. Kaufmännische und gewerbliche Genossenschaften im frühen und hohen Mittelalter, hg. von Berent Schwineköper (Vorträge und Forschungen, Band 29). Sigmaringen: Jan Thorbecke 1985, S. 5 3 - 7 0 ; zur Komplexität der Quellensprache auch Schmldt-Wlegand, Ruth, Die Bezeichnungen Zunft und Gilde In ihrem historischen und wortgeographischen Zusammenhang, ebd., S.31-52; dies., Gilde und Zunft. Die Bezeichnungen für Handwerksgenossenschaften im Mittelalter, in: Das Handwerk In vor- und frühgeschichtlicher Zelt, Teil 1: Historische und rechtshistorische Beiträge und Untersuchungen zur Frühgeschichte der Gilde, hg. von Herbert Jankuhn [u.a.] (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, 3. Folge, Nr. 122). - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1981, S. 355-369. 148 Vgl. nur die Replik auf Below durch Hoeniger, R[obert], Professor Georg von Below's „Detailpolemik". Ein Nachwort zu dessen Arbeiten über städtische Verfassungsgeschichte. - Berlin: Hermann Walther 1892.

Einleitung

29

B e t r a c h t u n g s w e i s e k r i t i s i e r t e . 1 4 9 D i e „ G i l d e n t h e o r i e " w a r in u n t e r s c h i e d l i c h e n A k z e n t u i e r u n g e n z u e r s t v o n W i l d a , s p ä t e r v o n N i t z s c h u n d G i e r k e vert r e t e n , 1 5 0 v o n Below, H e g e l u n d G r o s s b e k ä m p f t w o r d e n . 1 5 1 Sie b e s a g t e , g r o b g e s a g t , d a ß d i e A n f ä n g e v o n S t a d t g e m e i n d e n in G i l d e n , n a m e n t l i c h i m Z u s a m m e n s c h l u ß aller K a u f l e u t e e i n e s O r t e s in e i n e r „ G e s a m t g i l d e " , z u s e h e n s e i e n . W e b e r s a h e i n e p o l i t i s c h e F u n k t i o n v o n G i l d e n n u r in F ä l l e n g e g e b e n , in d e n e n d i e K o n s t i t u i e r u n g e i n e r S t a d t g e m e i n d e o b r i g k e i t l i c h e r Priv i l e g i e r u n g v e r d a n k t w u r d e w i e in E n g l a n d (in F r a n k r e i c h n u r i m S o n d e r f a l l v o n P a r i s ) 1 5 2 b z w . hielt in b e z u g auf D e u t s c h l a n d „ G e s a m t g i l d e n " f ü r e i n

149 Unten, S. 124f. - Dilcher, Gerhard, Rechtshistorische Aspekte des Stadtbegriffs, in: Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mittelalter. Bericht über ein Symposium in Reinhausen bei Göttingen in der Zeit vom 18. bis 24. April 1972, Teil 1, hg. von Herbert Jankuhn, Walter Schlesinger, Heiko Steuer (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, 3. Folge, Nr. 83). - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1973, S. 1 2 - 3 2 , hier S. 13, spricht von ,,monokausal-juristische[n] Stadtentstehungstheorien [...] nach dem Bild des Wirkungszusammenhangs zwischen Begriffen, des Hervorgehens einer rechtlichen Institution aus einer vorhergehenden." 150 Wilda, Gildenwesen (wie oben, S. 21, Anm. 109), ging es v. a. um den germanischheidnischen Ursprung der Gilden; er bezog sich insbesondere auf dänische Schutzgilden; Nitzsch, [Karl W.], Über die niederdeutschen Genossenschaften des 12. und 13. Jahrhunderts, in: Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Monatsberichte 1879, S. 4 - 2 8 ; ders., Über niederdeutsche Kaufgilden, in: Königlich Preussische Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Monatsberichte 1880, S. 370-403; ders., Die niederdeutsche Kaufgilde, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abtheilung, Band 13, 1892, S. 1 - 9 5 , stützte sich besonders auf westfälische und norddeutsche Quellen; vgl. Dören, Alfred, Untersuchungen zur Geschichte der Kaufmannsgilden des Mittelalters. Ein Beitrag zur Wirtschafts-, Social- und Verfassungsgeschichte der mittelalterlichen Städte (Staats- und socialwissenschaftliche Forschungen, Band 12, Heft 2). - Leipzig: Duncker & Humblot 1893, S. 130-145; für Gierkes Verteidigung der Gildentheorie ist seine Rezension von Hegel, Städte und Gilden der germanischen Völker im Mittelalter, In: Deutsche Litteraturzeitung, Jg. 13, 1892, Sp. 5 5 - 5 9 , einschlägig; vgl. schon seine Bemerkungen in: Genossenschaftsrecht, Band 1 (wie oben, S. 21, Anm. 110), S.242. - Vgl. zum Gang der Forschung: Cordt, Ernst, Die Gilden. Ursprung und Wesen (Göppinger Arbeiten zur Germanistik, Nr. 407). - Göppingen: Kümmerle 1984, S. 5 - 3 5 . 151 Gross, Charles, Gilda Mercatoria. Ein Beitrag zur Geschichte der englischen Städteverfassung. - Göttingen: Deuerlich 1883; ders., The Gild Merchant. A Contribution to British Municipal History, 2 vols. - Oxford: Clarendon Press 1890; Hegel, Städte (wie oben, S.25, Anm. 131); ders., Städte und Gilden der germanischen Völker im Mittelalter. Eine Antikritik, in: Historische Zeitschrift, Band 70, 1893, S. 4 4 2 - 4 5 9 ; Below, Georg von, Die Bedeutung der Gilden für die Entstehung der deutschen Stadtverfassung, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge, Band 3, 1892, S. 5 6 - 6 8 ; ders., Rezension von Hegel, Städte und Gilden der germanischen Völker im Mittelalter, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen, Jg. 1892, 1. Band, S. 406-423, sowie diverse weitere Stellungnahmen Belows. 152 Unten, S. 134.

30

Einleitung

spätes Phänomen von eingeschränkter regionaler Bedeutung. 1 5 3 Auch auf die Hofrechtstheorie, wie sie etwa von Nitzsch verfochten, 1 5 4 von Below und anderen kritisiert wurde, 1 5 5 spielt Weber an. Diese Theorie besagte im wesentlichen, daß die Zünfte auf die Organisation von Fronhandwerkern zurückgingen, entsprechend die Stadtverfassung in der Fronhofsverfassung ihr Vorbild habe. Weber akzeptiert, daß die Verbände von Fronhofshandwerkern eine gewisse Vorbildfunktion für die Zünfte in Gestalt freier Einungen gehabt haben könnten, verweist jedoch zugleich auf die Einflüsse, welche von religiös geprägten Bruderschaften ausgingen. 1 5 6 Er wendet sich, vor allem im Blick auf Italien, zugleich dagegen, Zünfte vorschnell mit „Handwerkerzünften" zu identifizieren. 157 Andere Konzepte zur Erklärung der Ursprünge der (deutschen) Stadtverfassungen, Sohms Hervorhebung des Marktrechts 1 5 8 oder Belows Betonung der Rolle der Landgemeinden, 1 5 9 übergeht Weber weitgehend.

153 Unten, S.200. 154 Nitzsch, K[arl] W., Ministerialität und Bürgerthum im 11. und 12. Jahrhundert. Ein Beitrag zur deutschen Städtegeschichte (Vorarbeiten zur Geschichte der staufischen Periode, Band 1). - Leipzig: B.G.Teubner 1859. In der Sache bezieht sich Nitzsch in erster Linie auf d e u t s c h e Bischofsstädte. - Vgl. weiter Arnold, Wilhelm, Das A u f k o m m e n des Handwerkerstandes im Mittelalter. - Basel: H . G e o r g 1861. 155 Below, G e o r g von, Kritik der hofrechtlichen Theorie, in: ders., Territorium und Stadt. Aufsätze zur d e u t s c h e n Verfassungs-, Verwaltungs- u n d Wirtschaftsgeschichte (Historische Bibliothek, B a n d 11). - M ü n c h e n [u.a.]: R . O I d e n b o u r g 1900, S. 3 0 3 - 3 2 0 , und vers c h i e d e n e weitere Publikationen, so wieder: ders., Handwerk u n d Hofrecht, in: Vierteljahrschrift für Sozial- u n d Wirtschaftsgeschichte, Band 12, 1914, S. 1 - 2 1 . - Zur Diskussion über den Ursprung der Zünfte vgl. auch Müller, Walther, Zur Frage des Ursprungs der mittelalterlichen Zünfte. Eine wirtschafts- u n d verfassungsgeschichtliche U n t e r s u c h u n g (Leipziger Historische A b h a n d l u n g e n , Heft 22). - Leipzig: Quelle & Meyer 1910, S. 1 - 1 8 . 156 Unten, S. 137f. 157 Unten, S. 172. 158 Sohm, Rudolph, Die Entstehung des d e u t s c h e n Städtewesens. - Leipzig: Duncker & Humblot 1890; ähnlich: Schulte, Aloys, Ueber Reichenauer S t ä d t e g r ü n d u n g e n im 10. und 11. Jahrhundert, mit einem u n g e d r u c k t e n Stadtrecht von 1100, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Neue Folge, B a n d 5, 1890, S. 1 3 7 - 1 6 9 . Kritisch zu dieser Theorie u.a.: Bernheim, Ernst, Die Entstehung des Deutschen Städtewesens. Eine Kritik der Sohm'schen Theorie, in: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, B a n d 6, 1891, S. 2 5 7 - 2 7 2 ; Rietschel, Siegfried, Markt und Stadt in ihrem rechtlichen Verhältnis. Ein Beitrag zur Geschichte der d e u t s c h e n Stadtverfassung. - Leipzig: Veit 1897; Keutgen, F r i e d r i c h ] , Untersuchungen über d e n Ursprung der d e u t s c h e n Stadtverfassung. - Leipzig: Duncker & Humblot 1895. Ders., Aemter und Zünfte. Zur Entstehung des Zunftwesens. - Jena: Gustav Fischer 1903, bietet eine eigenständige Kombination von hof- und marktrechtlichen Elementen. 159 Vgl. die Belege, oben, S. 14f.

Einleitung

31

Mit den wichtigsten Forschungspositionen war Weber sicherlich vertraut. 1 6 0 Eine andere Frage ist, wieweit er diese Diskussionen in sämtlichen A u s f ä c h e r u n g e n rezipiert hat, o b er sich m a n c h m a l mehr auf erste zeitgenössische Resümees stützte 1 6 1 bzw. auch hinsichtlich einzelner Beispiele wie der viel diskutierten Fälle von Freiburg im B r e i s g a u 1 6 2 u n d Köln 1 6 3 be-

160 Dafür sprechen auch die Literaturangaben in seinem Vorlesungsgrundriß von 1898; Weber, Max, Grundriss zu den Vorlesungen über Allgemeine („theoretische") Nationalökonomie (1898). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1990, § 11 (MWG, Abt. III). 161 In Frage kommen hier besonders einschlägige Handlexikon-Artikel wie Ehrenberg, Richard, „Gilden", in: HdStW3, Band 5, S. 11-13; Stieda, Wilhfelm], „Zunftwesen", in; HdStW3, Band 8, S. 1088-1111; Below, G[eorg] v[on], „Zünfte", in: Wörterbuch der Volkswirtschaft in zwei Bänden, hg. von Ludwig Elster, Band 2, 2., völlig umgearbeitete Aufl. Jena: Gustav Fischer 1907, S. 1425-1435; ferner Schröder, Richard, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 5., verbesserte Aufl. - Leipzig: Veit 1907, S. 632-662. 162 Das besondere Interesse der Forschung hängt vor allem mit der komplizierten Quellenlage zusammen, da der Text der Gründungsurkunde nicht unmittelbar, sondern nur durch spätere Zeugnisse überliefert ist, die hinsichtlich Datierung und Echtheit eine Reihe von Problemen aufwerten. Vgl. aus der zeitgenössischen Literatur u.a. Hegel, Karl, Das erste Stadtrecht von Freiburg im Breisgau, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, Neue Folge, Band 11, 1896, S. 277-287; Rietschel, Siegfried, Die älteren Stadtrechte von Freiburg im Breisgau, in: Vierteljahrschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte, Band 3, 1905, S. 421-441; Beyerle, Franz, Untersuchungen zur Geschichte des älteren Stadtrechts von Freiburg i. Br. und Villingen a[m] Schw[arzwald] (Deutschrechtliche Beiträge, Band 5, Heft 1). - Heidelberg: Carl Winter 1910. 163 So haben u.a. die Fragen nach der Existenz einer Allmende, der Implikationen der coniuratio von 1112, der Bedeutung der frühen Bruderschaft von 1149 (Bettziechenweber), der Rolle der Richerzeche und dem Status der auf Parochien basierenden Sondergemeinden eine Fülle von Literatur provoziert. Aus der zeitgenössischen Literatur seien hier genannt: Kelleter, Heinrich, Zur Geschichte des Kölner Stadtpfarrsystems im Mittelalter, in: Beiträge zur Geschichte vornehmlich Kölns und der Rheinlande. Zum achtzigsten Geburtstag Gustav von Mevissens dargebracht von dem Archiv der Stadt Köln. - Köln: DuMont-Schauberg 1895, S. 222-241; Kruse, Ernst, Die Kölner Richerzeche, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abtheilung, Band 9, 1888, S. 152-209; Below, Georg von, Die Kölner Richerzeche, in: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Band 1, 1889, S. 443-448; Lau, Friedrich, Entwicklung der kommunalen Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln bis zum Jahre 1396 (Preis-Schriften der Mevissen-Stiftung, Band 1). - Bonn: H. Behrendt 1898; Oppermann, Otto, Zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte von Freiburg i.B., Köln und Niedersachsen, in: Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst, Jg. 25, 1906, S. 273-327; Seeliger, Gerhard, Studien zur älteren Verfassungsgeschichte Kölns. Zwei Urkunden des Kölner Erzbischofs von 1169 (Abhandlungen der Philologisch-Historischen Klasse der Königlich] Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Band 26, Nr. 3). - Leipzig: B.G.Teubner 1909; Keussen, Hermann, Die Entwicklung der älteren Kölner Verfassung und ihre topographische Grundlage, in: Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte und Kunst, Jg. 28, 1909, S. 465-520; Philippi, Friedrich], Die Kölner Richerzeche, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Band 32, 1911, S. 87-112. - Webers Hinweis auf Beyerle, Entstehung, deutet darauf, daß er sich in erster Linie auf diese Arbeit gestützt hat.

32

Einleitung

stimmten Autoritäten folgte. Dies läßt sich aufgrund der von ihm verwendeten Materialien, die sich natürlich in einer Vielzahl von Publikationen durchaus unterschiedlicher Tendenz finden ließen, schwerlich entscheiden. Auch wenn man annehmen muß, daß er seine Beispiele im Regelfall der einschlägigen Sekundärliteratur entnommen hat, so kann doch kein Zweifel daran bestehen, daß er sie in einen originären, in dieser Form nicht durch die Spezialliteratur vorgegebenen Interpretationsrahmen eingefügt hat. Mittelalterliche

und antike

Verfassungsentwicklung

Das zuerst in den „Agrarverhältnissen" entwickelte Schema typischer Verfassungsentwicklungen hat Weber auch angelegt, um die jeweiligen Tendenzen zur Herausbildung der Geschlechterstadt und ihrer Überwindung durch die zunehmende Partizipation breiterer Schichten der Bürgerschaft in Antike und Mittelalter in Parallele zu setzen. Die Darstellung geht dabei im Regelfall von den mittelalterlichen Phänomenen aus und fragt dann nach Entsprechungen in der Antike. Der Sonderfall Venedig wird vor allem deshalb so ausführlich dargestellt, weil hier zum einen mit der Entwicklung der Dogenherrschaft in Richtung „zu einem erblichen patrimonialfürstlichen Stadtkönigtum" 1 6 4 eine sonst im Mittelalter nicht anzutreffende Parallele zu dem am Anfang der antiken Stadtstaaten stehenden, wenngleich zumeist nur aus Überresten erschließbaren, Königtum zu finden ist; und zum anderen, weil Venedig, nachdem es mit der konstitutionellen Einbindung des Dogen das Stadium der Geschlechterherrschaft erreicht hatte, nicht die sonst sowohl für Antike wie Mittelalter typische Entwicklung zur Modifizierung dieses Systems mitmachte, sondern hier das Patriziat seine Herrschaft im vollen Umfang bewahren konnte. Voraussetzung war dafür auch, daß man sich Instrumente schuf, mit denen die für andere italienischen Städte so charakteristischen Geschlechterfehden unterbunden wurden. Die innere Disziplinierung verlieh Venedig jene Stabilität, die an Sparta erinnerte. 1 6 5 Die auffälligsten Ähnlichkeiten hinsichtlich der Formen des Verfassungswandels ergeben sich, wenn für das Mittelalter das Beispiel der italienischen Städte herangezogen wird. Sie liegen zumal darin, daß die bisher von der politischen Macht ausgeschlossenen Bürger sich in Form einer Sondergemeinde organisieren, die sich eigene Magistrate gibt, die den Magistraten der Gesamtgemeinde unter Beanspruchung einer „Kassations-Kollegialität" 166 entgegengestellt werden. Der italienische Popolo mit dem Volks-

1 6 4 Unten, S. 150. 1 6 5 Unten, S. 155 und 214. 1 6 6 So WuG 1 , S. 159 (MWG I/23).

Einleitung

33

kapitan an der Spitze hat so seine Pendants in der römischen Plebs unter Führung der Volkstribunen und im spartanischen Demos mit seinen Ephoren. Sowohl im italienischen wie im römischen Fall führen die „Ständekämpfe" nicht zu einer völligen Überwindung der Macht der Geschlechter, sondern zu einer Kompromißlösung, aus der jeweils eine, aus altem Patriziat und den Führungsgruppen des „Volkes" gebildete, neue Führungsschicht hervorgeht. Ausnahmen bilden Sparta, dessen Verfassungsordnung die Vernichtung eines ursprünglichen Adels vorausgesetzt habe, und Athen, wo sich (als Folge der militärischen Bedeutung seiner Flotte) die Entwicklung zu einer Demokratie vollzog, an der alle, auch die besitzlosen, Bürger teilhatten (die damit nicht mehr den Beschränkungen ihrer politischen Rechte wie in einer Hoplitenpolis unterlagen). In beiden Fällen ist eine wesentliche Folge die Rationalisierung von Recht und Verwaltung durch Formalisierung der Gerichtsverfahren, Kodifikation des herkömmlichen und zunehmende Satzung neuen Rechts sowie die Entwicklung einer differenzierten, auf kurzen Amtszeiten und spezifischen Kompetenzzuweisungen basierenden Ämterstruktur. Parallelen ergeben sich auch insofern, als man in bestimmten inneren .Konfliktkonstellationen eine Befriedung der Verhältnisse von einem Schiedsrichter (Podestà, Aisymnet) erwartete, sie liegen auch darin, daß aus der Ständekampfsituation eine Alleinherrschaft (Signorie, Tyrannis) erwachsen konnte, wobei dies freilich in Italien mit weitaus größeren, dauerhaften Konsequenzen verbunden war. (Beim Podestat gilt dies für die Auswirkungen auf Verwaltung und Recht, die sich nach der Umwandlung der Signorien in erbliche Fürstentümer durch eine fortschreitende „Rationalisierung der Verwaltung" 1 6 7 noch verstärkten). Die Verfassungsentwicklung im nördlicheren Europa, besonders in Deutschland, zeigt bei manchen Entwicklungen jedoch auch deutliche Abweichungen, die vor allem durch die hier gegebene scharfe Grenzziehung zwischen Stadt und Land bedingt sind, 1 6 8 die zugleich impliziert, daß es in diesen Städten keinen Adel mit ritterlicher Lebensführung gegeben hat. Die grundsätzliche Vergleichbarkeit der inneren politischen Entwicklung in Antike und Mittelalter darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die schrittweise Einbeziehung breiterer Bürgerschichten in das Stadtregiment im ersten Fall aus ihrer Unentbehrlichkeit für das Hoplitenheer resultierte, während im zweiten Fall (neben der Abwehr von Übergriffen der Magnaten in Italien) die ökonomischen Interessen von Gewerbetreibenden hinter den Forderungen nach politischer Partizipation standen.

167 Unten, S.232. 168 Auf der anderen Seite konnte dadurch die Stadt nördlich der Alpen in besonderer Weise „ein Ort des Aufstiegs aus der Unfreiheit" werden, was sie nicht nur von den italienischen, sondern auch in besonders scharfem Kontrast von den Verhältnissen in Rußland absetzt; unten, S. 103f.

34

Einleitung

Manche der von Weber gezogenen Parallelen zwischen den antiken und den Italienischen Stadtrepubliken lassen sich in den Kontext einer langen Ideengeschichtlichen Tradition stellen. So war der Vergleich zwischen Venedig und Sparta seit dem Aufkommen des „mito di Venezia" in Florenz an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert als Topos etabliert; dies gilt auch für die Gleichsetzung bestimmter städtischer Magistrate mit Ephoren und Tribunen. 1 6 9 Die „Fakten" der antiken Verfassungsgeschichte konnte Weber einer Vielzahl von Handbüchern zur Geschichte und zum Staatsrecht Griechenlands und Roms entnehmen. Auf Grund seiner vergleichenden Perspektive gelingen Ihm dabei verschiedene Einsichten, die sich in der ihm zugänglichen Forschung schwerlich finden lassen, jedenfalls nicht in dieser Pointiertheit. Dies gilt etwa für die Erkenntnis, daß die spartanische Verfassungsordnung erst das Ergebnis eines Ständekampfes gewesen sein könne, der zur Eliminierung eines ursprüngliches Adels geführt habe. 1 7 0 Für die Italienische Geschichte hat sich Weber deutlicher an einzelnen Werken der deutschen Forschung orientiert. Für Venedig war dies - neben der von Ihm selbst genannten Studie von Lenel - sicherlich der 1. Band von Kretschmayrs „Geschichte", für Florenz Ist in erster Linie an die Arbeiten von Davidsohn zu denken. 1 7 1 Für die ihn speziell Interessierenden Themen Podestà und Signorie hat er, wie er selbst angibt, die einschlägigen Arbelten von Hanauer und Salzer ausgewertet. 1 7 2 Angesichts der Qualität dieser bis In die Gegenwart als Standardwerke anerkannten Arbeiten wird man gegen Webers Literaturauswahl kaum gravierende Einwände erheben kön-

169 Vgl. Nippel, Wilfried, „Klassischer Republikanismus" in der Zeit der Englischen Revolution. Zur Problematik eines Interpretationsmodells, in: Schuller, Wolfgang (Hg.), Antike in der Moderne (Xenia, Heft 15). - Konstanz: Universitätsverlag Konstanz 1985, S . 2 1 1 224, hier S.213f.; ders., Ancient and modern republicanism: ,mixed Constitution' and .ephors', in: Fontana, Biancamaria (ed.), The Invention of the modern republic. - Cambridge: Cambridge University Press 1994, S . 6 - 2 6 , hierS. 12ff. 170 Unten, S. 181, 213 und 272. - Vgl. Heuss, Max Webers Bedeutung (wie oben, S.2, Anm.3), S.550. 171 Lenel, Entstehung; Kretschmayr, Heinrich, Geschichte von Venedig, Band 1: Bis zum Tode Enrico Dandolos (Allgemeine Staatengeschichte, hg. von Karl Lamprecht, I.Abteilung: Geschichte der europäischen Staaten, Werk 35). - Gotha: Friedrich A. Perthes 1905; Davidsohn, Robert, Geschichte von Florenz, Bände 1 - 3 (in 4). - Berlin: Ernst S.Mittler 1896-1912; Davidsohn, Robert, Forschungen zur Geschichte von Florenz, 4. Teil: 13. und 14. Jahrhundert.-Berlin: Ernst S. Mittler 1908. 172 Hanauer, Berufspodestat; Salzer, Anfänge. - Für den von Weber betonten Aspekt der Bedeutung des Podestats für die Rationalisierung der Verwaltung wäre noch einschlägig gewesen Kantorowicz, Hermann U., Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Band 1: Die Praxis. Ausgewählte Strafprozessakten des dreizehnten Jahrhunderts nebst diplomatischer Einleitung. - Berlin: J. Guttentag 1907.

Einleitung

35

n e n 173 problematisch dürfte allenfalls sein, daß Weber bei der Orientierung an Salzer dessen Betonung der „demokratischen" Wurzeln der Signorie übernimmt und damit einer zu sehr formalrechtlichen Sichtweise folgt. 174

Homo politicus und homo

oeconomicus

Weber warnt ausdrücklich davor, aus den Entsprechungen hinsichtlich der Verfassungsentwicklung in Antike und Mittelalter den Fehlschluß auf „gleiche ökonomische Grundlagen" zu ziehen. 175 Der Schlußteil der Abhandlung (so, wie sie vorliegt) nimmt das am Ende der „Agrarverhältnisse" skizzierte Programm auf, die divergierende ökonomische Orientierung des antiken und des mittelalterlichen Bürgers herauszuarbeiten. Diese liege in der unterschiedlichen militärischen Kapazität und der andersartigen Zusammensetzung der Bürgerschaften begründet: Dominanz von Bauern in der Antike, die sich auch in der Art und Weise niederschlägt, in der die Unterabteilungen der Bürgerschaft konstituiert werden, ausschlaggebende Rolle von Handwerkern und Kaufleuten im Mittelalter. Stärker als in den „Agrarverhältnissen" bezieht sich Weber jetzt nicht nur auf die Wertvorstellungen der Eliten, die eine Unternehmerstellung weitgehend ausschlössen, sondern auch auf die Verhaltensmuster der breiten Masse der jeweiligen Bürgerschaft. Weil diese in der Antike an den Eroberungen - durch Landverteilungen, Beute, Sold, Getreideversorgung etc. - partizipiert, wird sie nicht auf den Weg des rationalen Wirtschaftsbetriebs verwiesen (den nur solche Gruppen wie Freigelassene und Metöken gehen, die diese Prämien auf den Bürgerstatus nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen können). Ein solcher Demos bewirkt, daß die Stadtwirtschaftspolitik sich an Konsumenten-, und nicht an Produzenteninteressen orientiert. Die mit der Zugehörigkeit zur Bürgerschaft verbundenen Gratifikationen lassen (im athenischen Fall) den Demos die Exklusivität des Bürgerrechts verteidigen, was wiederum negativ auf die Fähigkeit zu stabiler Reichsbildung zurückwirkt. Die Statusgren-

173 Anders Kudrna, Jaroslav, Kommentar zu K[laus] Schreiners Beitrag, in: Kocka(Hg.), Max Weber (wie oben, S. 19, Anm. 104), S. 151-157, dessen Kritik an Webers Konzentration auf deutsche Literatur aber nicht erkennen läßt, daß Weber damit wesentliche Erkenntnisse der internationalen zeitgenössischen Forschung zur italienischen Geschichte entgangen wären. 174 Vgl. Sestan, Ernesto, Die Anfänge der städtischen Slgnorien: ein erschöpfend behandeltes historisches Problem? In: Stoob, Heinz (Hg.), Altständisches Bürgertum, Band 1: Herrschaft und Gemeinverfassung (Wege der Forschung, Band 352). - Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1978, S. 346-379; Breuer, Stefan, Blockierte Rationalisierung. Max Weber und die italienische Stadt des Mittelalters, in: Archiv für Kulturgeschichte, Band 66, 1984, S. 47-85, hier S. 75ff. 175 Unten, S.211f.

36

Einleitung

zen gegenüber Sklaven und anderen Nichtbürgern schließen eine Organisation nach Art der Zünfte aus, die im Mittelalter die erste Organisationsform freier Arbeit bieten. (Antike Äquivalente von Handwerkerorganisationen gibt es nur in der Form von Zwangsverbänden, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden). Der Kontrast zwischen den Mitgliedern der antiken „Kriegerzunft", 1 7 6 deren Städte „den Charakter eines chronischen Kriegslagers" gezeigt hätten, 1 7 7 und für die im Prinzip „von persönlicher Freiheit der Lebensführung keine Rede" gewesen sei, 1 7 8 und den Angehörigen eines friedlichen Produzentenstandes im Mittelalter wird betont. Er wird hier zum einen dadurch erhöht, daß für die Antike wiederum die auf Expansion angelegten Stadtrepubliken als Muster herangezogen werden. Dagegen werden die in die hellenistischen Großreiche und das römische Imperium eingebundenen Städte (erneut) ausgeblendet, obwohl Weber selbst feststellt, daß in ihnen auch für die Vollbürger die Ausrichtung auf das friedliche Erwerbsleben im Vordergrund stehen mußte. 179 Zum anderen dient dem kontrastierenden Vergleichsverfahren, daß für das Mittelalter hier bevorzugt die „bürgerliche gewerbliche Binnenstadt180 nördlich der Alpen herangezogen wird, die aufgrund ihrer Einbettung in größere Herrschaftsstrukturen (anders als die italienischen Städte) nie die Chance zu einer expansiven Politik besessen hat. Weber sagt, daß „alle conjurationes und Einungen des Okzidents [...], von der frühen Antike angefangen, [...] Zusammenschlüsse der wehrhaften Schichten der Städte" gewesen seien. 1 8 1 Im Hinblick auf die strukturellen Voraussetzungen für die Entfaltung ökonomischer Rationalität erscheint es demnach so, daß die Chancen dafür um so größer werden, je stärker der Charakter als Wehrverband zurücktritt bzw. überwunden wird. Welche Perspektiven sich daraus auf die unterschiedliche ökonomische Entwicklung in

176 Unten, S.283. 177 Unten, S.284. 178 Unten, S.285. 179 Vgl. Webers Bemerkungen, unten, S. 289: Der „Untergang der Stadtfreiheit in hellenistischer und spätrömischer Zeit" bedingte die „Vernichtung der Chance, ökonomischen Verdienst auf dem Wege der kriegerischen Politik der Stadt für die Bürger zu schaffen", sowie in: Agrarverhältnisse 3 , S. 174 (MWG I/6): „Sie [die mittelalterlichen Städte] unterscheiden sich durch diesen weit spezifischer .ökonomischen' Charakter von Anfang an sehr stark von der antiken Polis der klassischen Zeit, - während die hellenistischen Städte und diejenigen der Spätantike Ihnen gerade darin näher stehen". 180 Unten, S. 274. 181 Unten, S. 145. Vgl. Konfuzianlsmus, MWG 1/19, S. 151: „politische^] Schwurverband von wehrhaften Stadtinsassen" im Okzident; Hinduismus, MWG I/20, S. 214: „Nirgends [...] wurde [in den indischen Städten] eine Verbrüderung der Stadtbürgerschaft als solche Träger der höchst entwickelten Wehrmacht nach Art der Polis in der Antike und der Stadt wenigstens des südeuropäischen Mittelalters Im Occident".

Einleitung

37

der frühen Neuzeit in Italien, Frankreich, Deutschland, d e n Niederlanden u n d g a n z b e s o n d e r s in England (wo den Städten diese Eigenschaft als W e h r v e r b a n d nie z u g e k o m m e n war) g e g e b e n e n f a l l s ableiten ließen, wird nicht weiter ausgeführt, sondern nur mit der Feststellung angedeutet, daß im Hinblick auf die „ e n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t l i c h e Sonderstellung" der mittelalterlichen Stadt „der eine, wesentlich südeuropäische, speziell italienische u n d südfranzösische [Typus], d e m Typus der antiken Polis trotz aller Unters c h i e d e d e n n o c h wesentlich näher steht als der andere, vornehmlich nordfranzösische, d e u t s c h e u n d englische [...]". 1 8 2 Deutlich wird j e d o c h , daß Weber unter d i e s e m G e s i c h t s p u n k t zu einer sehr kritischen Bewertung der athenischen Demokratie kommt, die ihre Bürger d u r c h Politik und Kriegsdienst in einem Maße in A n s p r u c h g e n o m m e n habe, wie es „bei differenzierter Kultur weder vorher noch nachher in der G e s c h i c h t e " v o r g e k o m m e n sei. 1 8 3 Gerade damit sei ihnen aber der Weg in Richtung des „befriedeten ökonomischen Erwerbs u n d eines rationalen Wirtschaftsbetriebes" versperrt g e b l i e b e n . 1 8 4 Die Verpflichtungen der wohlh a b e n d e n Bürger, öffentliche A u f g a b e n durch Liturgien zu finanzieren, h a b e e b e n s o eine s t ä n d i g e B e d r o h u n g der privaten Vermögen dargestellt, wie sie e b e n s o von den a u c h in Zivilsachen urteilenden Volksgerichten aus „hunderten von r e c h t s u n k u n d i g e n Geschworenen" a u s g e g a n g e n sei, deren „Kadijustiz" formale Rechtssicherheit (damit a u c h die Entwicklung einer formalen Rechtswissenschaft wie in Rom) 1 8 5 a u s g e s c h l o s s e n h a b e . 1 8 6 Eine kritische Sicht der athenischen Demokratie war - b e s o n d e r s im Hinblick auf Liturgien und Volksgerichte - sicherlich in der wissenschaftlichen Literatur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vorherrschend. Webers Sichtweise läßt sich darüber hinaus noch in Kontinuität zu einer älteren Tradition der E n t g e g e n s e t z u n g von Antike u n d Moderne verstehen. 1 8 7 Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts hatten schottische und französische, schließlich amerikanische Theoretiker diskutiert, daß die antiken, auf materiellen Gewinn durch Expansion a n g e l e g t e n Staaten für eine auf friedlichen Handel u n d G e w e r b e setzende Gesellschaftsordnung nicht mehr vorbildlich sein könn-

182 Unten, S.253. 183 Unten, S.285f. 184 Unten, S.288. 185 Vgl. WuG1, S. 158 (MWG I/23). 186 Unten, S.286f. - Für eine kritische Bewertung dieser Ausführungen vgl. Finley, Moses I., Max Weber und der griechische Stadtstaat, In: Kocka (Hg.), Max Weber (wie oben, S. 19, Anm. 104), S. 90-106. 187 Vgl. zum folgenden Nippel, Wilfried, Republik, Kleinstaat, Bürgergemeinde. Der antike Stadtstaat in der neuzeitlichen Theorie, in: Blickle, Peter (Hg.), Theorien kommunaler Ordnung in Europa (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien, Band 36). - München: R. Oldenbourg 1996, S. 225-247, hier S. 229ff.

38

Einleitung

ten; mitunter wurde dies auf alle antiken Republiken bezogen, zumeist in spezifischer Weise auf Sparta, das als „militärisches Kloster" bezeichnet wurde; hinzu kam die Ablehnung der unmittelbaren Demokratie und die Befürwortung einer Repräsentativverfassung. Im nachrevolutionären Frankreich wurde die Absetzung von der Antike noch verschärft, weil man die These einer unmittelbaren Verbindung zwischen dem Antikekult der Revolution und d e m Terror der Jakobinerherrschaft pflegte. In seinem bekannten Essay von 1819 („De la liberté des anciens comparée à celle des modernes") hat Benjamin Constant diese Sicht auf die Formel vom Gegensatz zwischen moderner, rechtsstaatlich geschützter, individueller Freiheit und einer antiken Freiheit gebracht, in der ein Höchstmaß an politischer Partizipation mit dem Fehlen jeglicher Schranken gegen den Eingriff des Staates in individuelle Rechte erkauft worden sei. Diese Tradition wurde unter anderem in den Werken von Fustel de Coulanges („La cité antique", 1864) und Jacob Burckhardt („Griechische Kulturgeschichte", 1898-1902) fortgesetzt. Obwohl Weber sich der Problematik von Constants Theoriebildung bewußt war, 188 scheinen manche seiner Äußerungen doch stark dieser Tradition verhaftet zu bleiben. Dies könnte nicht nur mit seiner prononcierten Vergleichsabsicht zusammenhängen, sondern auch mit seinen politischen Wertvorstellungen. In der Herrschaftssoziologie des jüngeren Teils von „Wirtschaft und Gesellschaft" hat Weber seinen Typus der „herrschaftsfremden Verbandsverwaltung", die „unmittelbare Demokratie" heißen soll, „solange die Genossenversammlung effektiv ist", mit den charakteristischen Regelungen zur „Minimisierung von Herrschaft" (kurze Amtsfristen, Abberufungsrecht, Turnusprinzip, Rechenschaftspflicht, Berichtspflicht, Sonderaufträge, Nebenberufscharakter des Amtes) konzis umrissen. Die - eigentlich auch aufgrund seiner Ausführungen in der „Stadt" naheliegende - Applizierung dieser Kategorie auf die athenische Demokratie hat er jedoch mit der apodiktischen Behauptung abgelehnt, daß in diesem Falle die Größenordnung weit überschritten gewesen sei, bis zu der ein solches System praktikabel sein könne. 1 8 9 Hier schlägt offensichtlich auch seine Überzeugung durch, daß ein Demos sich in größeren Verbänden nicht selbst verwalten könne, sondern es nur darum gehen könne, wie das Führungspersonal ausgewählt und beeinflußt werde. 1 9 0 Politische Führung geht einher mit einem „Pathos der Distanz". 1 9 1 Dies zeigt sich auch in den emphatischen 1 8 8 Weber, Objektivität, S. 79 (MWG I/7). 1 8 9 WuG 1 , S. 169f. (MWG I/23); knapper im älteren Teil von WuG 1 , S. 667 (MWG I / 2 2 - 4 ) . 1 9 0 WuG 1 , S. 667 (MWG I / 2 2 - 4 ) . - Vgl. Mommsen, Wolfgang J., Die antinomische Struktur des politischen Denkens Max Webers, in: Historische Zeitschrift, Band 233, 1981, S. 3 5 - 6 4 , hier S. 45ff. 191 Die Formulierung findet sich (in einem etwas anderem Kontext) bei Hennis, Wilhelm, Max Webers Fragestellung. Studien zur Biographie des Werks. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1987, S. 212.

Einleitung

39

Ausführungen über den würdevollen Habitus der politischen Führungsschicht in Rom, die am Schluß des vorliegenden Textes stehen, wenn auch (wegen seines unvollendeten Zustands) etwas zufällig.

3.

Die Rezeption

des Textes in der wissenschaftlichen

Kritik

Die Abhandlung „Die Stadt" nimmt in Webers Werk eine exzeptionelle Stellung ein, da sie der einzige Text ist, der die Spezifika des abendländischen Bürgertums sowohl im diachronen inner-okzidentalen Vergleich zwischen Antike und Mittelalter wie im Kontrast zu den orientalischen Kulturen - die zwar Städte, jedoch kein politisch organisiertes Stadtbürgertum gekannt haben - herausstellt. In seiner Eigenart liegt zugleich begründet, daß der Text, obwohl er ein „Hauptglied in Webers Gesamtwerk" 1 9 2 darstellt, als ganzer kaum rezipiert worden ist, da er über die begrenzten Fragestellungen diverser Disziplinen weit hinausging. Zudem bedingte die Form der Publikation, zunächst als Aufsatz, dann als Kapitel von „Wirtschaft und Gesellschaft", daß keine eingehenden Auseinandersetzungen zeitgenössischer Kritiker speziell mit diesem Text erfolgten; zeitgenössische Reaktionen auf „Wirtschaft und Gesellschaft" konzentrierten sich im Regelfall auf die Erörterung einiger grundsätzlicher Probleme des Weberschen Verständnisses von „Soziologie". 193 Im sozialwissenschaftlichen Kontext wäre noch am ehesten Interesse an Webers Typologien zu erwarten gewesen; 1 9 4 die spätere Inanspruchnahme Webers als Inspirator einer „Stadtsoziologie" beruht dagegen auf einem Mißverständnis. 195 Historiker, zumal der Antike und des Mittelalters, hätten sich grundsätzlich von dem stark historischen Charakter 192 Bendix, Reinhard, Max Weber - Das Werk. Darstellung, Analyse, Ergebnisse. - München: R. Piper 1964, S. 375, Anm. 44. - Zur Schlüsselstellung des Textes vgl. auch Nelson, Benjamin, Max Weber and the Discontents and Dilemmas of Contemporary Universally Rationalized Post-Christian Civilization, in: Max Weber und die Rationalisierung sozialen Handelns, hg. von Walter M. Sprondel und Constans Seyfarth. - Stuttgart: Ferdinand Enke 1981, S. 1 - 8 . 193 Vgl. den Überblick über diese Stellungnahmen bei Käsler, Dirk, Einführung in das Studium Max Webers. - München: C.H. Beck 1979, S. 204-207. Auch Otto Hlntze hat trotz seines sonstigen Interesses an historischen Vergleichen in seiner Rezension der 2. Aufl. von WuG, Max Webers Soziologie, In: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche, 50. Jg., 1926, S. 8 3 - 9 5 , nur kurz das Problem der Plazierung des Textes im Kontext des Gesamtwerkes erörtert. 194 Vgl. Sombart, W[erner], „Städtische Siedlung, Stadt", in: Handwörterbuch der Soziologie, hg. von Alfred Vierkandt. - Stuttgart: Ferdinand Enke 1931, S. 527-533. Aus späterer sozialwissenschaftlicher Literatur sind zu nennen: Murvar, Vatro, Some Tentatlve Modifications of Weber's Typology: Occidental versus Oriental City, In: Social Forces, vol. 44, 1966, S. 381-389; Spencer, Martin E., Hlstory and Sociology: An Analysis of Weber's The City, in: Sociology, vol. 11, 1977, S. 507-525. 195 Vgl. oben, S. 13, Anm. 65.

40

Einleitung

der Abhandlung angesprochen fühlen können, wenngleich die Art und Welse der Präsentation nicht geläufigen fachwissenschaftlichen Darstellungsformen entsprach. Unmittelbare Beachtung und Auswirkungen haben Teile von Webers Ausführungen zunächst im Bereich der Althistorie gefunden; hier spielte sicherlich mit, daß Weber sich mit seinen Arbelten zur „Römischen Agrargeschlchte" und zu den „Agrarverhältnissen Im Altertum" bei aller Distanz zur Zunft In Fachkreisen Respekt erworben hatte; 1 9 6 hinzu kam, daß die Ende des 19. Jahrhunderts Im Zusammenhang mit der „Bücher-Meyer-Kontroverse" In Gang gekommene Grundsatzdebatte über die Eigenart der antiken Ökonomie welterging. 1 9 7 Namentlich Johannes Hasebroek hat In seinen Untersuchungen zu den Organisationsformen des Handels und zur Stellung der Händler In der klassischen Polls sowie zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des archaischen Griechenlands wiederholt auf Webers Kennzeichnung des antiken Bürgers als homo politicus bzw. auf dessen Rekonstruktion der Entwicklung von der Geschlechter- über die Hopilten- zur Bürgerpolis Bezug genommen und sich dessen Konzeption (einschließlich der Ausführungen In den „Agrarverhältnissen") weitgehend zum Vorbild genommen. 1 9 8 Allerdings hat Hasebroek Innerhalb seiner Disziplin eine Minderheitenposition vertreten; 1 9 9 es setzte sich stärker eine eher modernisierende Betrachtung der antiken Wirtschaft In der Tradition Eduard Meyers durch, 2 0 0 wie sie zumal von Rostovtzeff 201 forciert wurde. Ein neues Interesse an Weber Ist dann seit den 1970er Jahren spürbar geworden, als mit 196 Zu d e n z e i t g e n ö s s i s c h e n Reaktionen auf die „ A g r a r g e s c h i c h t e " siehe die N a c h w e i s e in der Einleitung v o n J ü r g e n Deininger in M W G I/2, S. 3 7 - 4 3 ; b e a c h t e n s w e r t ist in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g a u c h E d u a r d M e y e r s respektvoller U m g a n g mit Weber, vgl. d a z u die o b e n , S. 3, A n m . 8, zitierte Literatur. 197 Vgl. Oertel, Friedrich, A n h a n g , in: Pöhlmann, Robert von, G e s c h i c h t e der sozialen Frage u n d d e s Sozialismus in der antiken Welt, B a n d 2, 3. Aufl. - M ü n c h e n : C.H. Beck 1925, S. 5 1 0 - 5 8 5 (mit z a h l r e i c h e n Hinweisen auf Weber); vgl. ferner o b e n , S . 9 , mit A n m . 44. 198 Hasebroek, J o h a n n e s , Staat u n d Handel im alten G r i e c h e n l a n d . U n t e r s u c h u n g e n zur antiken W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e . - T ü b i n g e n : J.C.B. Mohr (Paul S i e b e c k ) 1928, v. a. S. 2 9 31 ; ders., G r i e c h i s c h e Wirtschafts- u n d G e s e l l s c h a f t s g e s c h i c h t e bis zur Perserzeit. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul S i e b e c k ) 1931. 199 Für weitere A r b e i t e n zur antiken Ö k o n o m i e in der Tradition W e b e r s vgl. v. a. Mickwitz, G[unnar], E c o n o m i c Rationalism in G r a e c o - R o m a n Agriculture, in: English Historical Review, vol. 52, 1937, S. 5 7 7 - 5 8 9 ; ders., Z u m Problem der B e t r i e b s f ü h r u n g in der antiken Wirtschaft, in: Vierteljahrschrift für Sozial- u n d W i r t s c h a f t s g e s c h i c h t e , B a n d 32, 1939, S. 1 - 2 5 . 200 Vgl. Will, Édouard, Trais q u a r t s d e siècle d e r e c h e r c h e s sur l'économie g r e c q u e antique, in: Annales. É c o n o m i e s , Sociétés, Civilisations, A n n é e 9, 1954, S. 7 - 1 9 . 201 So hat Rostovtzeff, M [ i c h a e l ] , Rezension v o n Hasebroek, G r i e c h i s c h e Wirtschaftsu n d G e s e l l s c h a f t s g e s c h i c h t e , in: Zeitschrift für die g e s a m t e Staatswissenschaft, B a n d 92, 1932, S . 3 3 3 - 3 3 9 , hier S . 3 3 3 u n d 335, d e n „genialen M . W e b e r " , der B ü c h e r s Theorie

Einleitung

41

der Diskussion u m Moses Finleys Arbeiten zur antiken Ökonomie 2 0 2 auch Weber als eine e n t s c h e i d e n d e Quelle für d e s s e n Sichtweise wieder in das Blickfeld geriet. 2 0 3 In der Mediävistik stellten die ausführlichen, in ihrem Grundtenor positiven Diskussionen von Webers „Stadt", die zwei russische Autoren im Anschluß an die 1923 erfolgte Publikation einer russischen Ü b e r s e t z u n g des Textes 2 0 4 vorlegten, eine A u s n a h m e dar; 2 0 5 auf die spätere dezidiert marxistische G e s c h i c h t s w i s s e n s c h a f t blieben sie j e d o c h ohne Wirkungen. 2 0 6 In „modifiziert und für die Historiker annehmbarer gemacht" habe, als „hauptsächlich Theoretiker und Philosoph" abgetan; vgl. dagegen die respektvollen Bemerkungen zur „Römischen Agrargeschichte" in: ders. [Rostowzew], Studien zur Geschichte des römischen Kolonats (1. Beiheft zum Archiv für Papyrusforschung). - Leipzig und Berlin: B.G. Teubner 1910, S.VIf. 202 Zusammengefaßt In Finley, M[oses] I., The Ancient Economy (Sather Classlcal Lectures, vol. 43). - Berkeley [u.a.]: Universlty of California Press 1973; zu Finleys Bezug auf Weber vgl. v. a. ders., The Ancient City (wie oben, S. 11, Anm. 52), sowie ders., Stadtstaat (wie oben, S. 37, Anm. 186). 203 Bruhns, Hinnerk und Nippel, Wilfried, Max Weber, Moses I. Finley et le concept de cité antique, In: OPUS, vol. 6 - 8 , 1987-1989, S. 27-50; Nippel, Methodenentwicklung (wie oben, S. 8, Anm. 36), S. 356f.; Andreau, Jean, Présentation, In: Annales. Histoire, Sciences Sociales, Année 50,1995, S. 947-960; Descat, Raymond, L'Économie antique et la cité grecque. Un modèle en question, ebd., S. 961-989; Bruhns, Hinnerk, Max Weber, l'économie et l'histoire, in: Annales. Histoire, Sciences Sociales, Année 51,1996, S. 12591287, hier S. 1274f. 204 Im gleichen Jahr erschienen auch russische Fassungen der „Agrarverhältnisse im Altertum" und der „Wirtschaftsgeschichte"; siehe die Nachweise bei Weiß, Johannes, Das Werk Max Webers In der marxistischen Rezeption und Kritik. - Opladen: Westdeutscher Verlag 1981, S.224. 205 Siehe die Referate der Arbelten von A. Neusychin und V. Stoklickaja-Tereskovlc bei Weiß, Das Werk Max Webers, S. 129-132. 206 Das gilt auch für einige andere Reaktionen marxistischer Theoretiker. Eine ausführliche, allerdings von kruder Polemik gegen Webers Verfehlen einer materialistischen Geschichtsauffassung begleitete, Auseinandersetzung mit Webers „Stadt" durchzieht das Buch von Wlttfogel, Karl A., Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft von Ihren Anfängen bis zur Schwelle der großen Revolution. - Berlin: Malik 1924. Ebd., S. 98, akzeptiert Wlttfogel Webers Betonung der grundlegenden Unterschiede zwischen den asiatischen und abendländischen Städten, führt sie jedoch auf eine „verstohlene Anlehnung an Marx" zurück. Wittfogels weitere Arbelten zu China und zur Theorie der orientalischen Gesellschaft (siehe die Bibliographie In: Ulmen, G[ary] L., The Science of Society. Toward an Understanding of the Life and Work of Karl August Wlttfogel. - The Hague [u.a.]: Mouton 1978, S. 509-523), dürften Weber mehr verdanken, als der Autor lange einzuräumen bereit war. Den entscheidenden Anstoß durch Weber hat er später selbst festgestellt in: Wittfogel, Karl A., Die orientalische Despotie. Eine vergleichende Untersuchung totaler Macht. Köln [u.a.]: Kiepenheuer & Witsch 1964, S.28. - Kautsky, Karl, Die materialistische Geschichtsauffassung, 2. Band: Der Staat und die Entwicklung der Menschheit. - Berlin: J.H.W. Dietz 1927, S.303f., belegt seine positive Bewertung dieser Unterscheidung Webers (der damit „einen bedeutenden Beitrag zu einer materialistischen Auffassung der Geschichte [lieferte], die er freilich ablehnte"), mit einigen längeren Zitaten aus der „Stadt".

42

Einleitung

d e r z ü n f t i g e n F o r s c h u n g z u r m i t t e l a l t e r l i c h e n S t a d t g e s c h i c h t e s c h e i n t Web e r z u n ä c h s t nur v e r e i n z e l t B e a c h t u n g g e f u n d e n z u h a b e n . 2 0 7 W e n n s i c h a u c h n i c h t a u s s c h l i e ß e n läßt, d a ß s e i n e S t u d i e m e h r W i r k u n g e n g e z e i t i g t hat, als s i c h a u s d e m w e i t g e h e n d e n F e h l e n e x p l i z i t e r B e z u g n a h m e n e r k e n n e n läßt, 2 0 8 s o d ü r f t e d o c h e i n d e u t l i c h e r R e k u r s auf W e b e r s M o d e l l b i l d u n g erst seit d e n 1 9 7 0 e r J a h r e n e i n g e s e t z t h a b e n , z u m a l in A r b e i t e n , d i e s i c h mit d e n U r s p r ü n g e n d e r S t a d t k o m m u n e b e f a s s e n 2 0 9 Für d i e S p e z i a l i s t e n d e r n i c h t - o k z i d e n t a l e n K u l t u r e n gilt, d a ß sie z w a r W e bers „Fehlanzeige" hinsichtlich eines politisch verfaßten S t a d t b ü r g e r t u m s t e i l e n m o c h t e n ; 2 1 0 w i e w e i t W e b e r s g e s a m t e A n a l y s e d i e s e r K u l t u r e n (für d i e d e r K o m p l e x S t a d t u n d S t a d t b ü r g e r t u m nur e i n e n T e i l a s p e k t d a r s t e l l t ) für e i n e S i c h t w e i s e t r a g e n k a n n , d i e m e h r als e i n e N e g a t i v f o l i e d e r a b e n d l ä n d i s c h e n E n t w i c k l u n g d a r s t e l l t , b l e i b t a u c h in d e r l e b h a f t e n n e u e r e n D i s k u s sion umstritten.211

207 So bei Jecht, Horst, Studien zur gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Band 19, 1926, S. 4 8 - 8 5 , hier S. 52-55; Ennen, Edith, Die europäische Stadt des Mittelalters als Forschungsaufgabe unserer Zeit, in: Rheinische Vierteljahrsblätter, Jg. 11, 1941, S. 119-146, hier S. 121 mit Anm. 8 (angesichts des „Fehlens einer vergleichenden Betrachtung des europäischen Städtewesens im Mittelalter" stelle die „großangelegte, die ganze Welt umspannende Skizze" Webers eine Ausnahme dar); Goetz, Walter, Die Entstehung der Italienischen Kommunen im frühen Mittelalter (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Abteilung, Jg. 1944, Heft 1). - München: Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1944, S. 102 mit Anm. 1 (bei Webers These, Italien sei die Heimat der coniurationes, handle es sich um eine „irrtümliche Auffassung"); Steinbach, Franz, Stadtgemeinde und Landgemeinde. Studien zur Geschichte des Bürgertums I, in: Rheinische Vierteljahrsblätter, Jg. 13, 1948, S. 11-50, hier S. 17ff. mit S. 47, Anm. 20. 208 Dies vermutet Haase, Carl, Einleitung, in: ders. (Hg.), Die Stadt des Mittelalters. 1. Band: Begriff, Entstehung und Ausbreitung. - Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1969, S. 1 - 6 , hier S. 2. In diesen Sammelband ist ein Abdruck des 1. Kapitels der „Stadt" aufgenommen worden. 209 Ennen, Edith, Die europäische Stadt des Mittelalters. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1972, S. 120ff.; Keller, Hagen, Die Entstehung der italienischen Stadtkommunen als Problem der Sozialgeschichte, in: Frühmittelalterliche Studien, Band 10, 1976, S. 169211, v.a. S.211; ders., Einwohnergemeinde und Kommune: Probleme der italienische Stadtverfassung im 11. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift, Band 224, 1977, S . 5 6 1 579, v.a.S.577. 210 Becker, C[arl] H., Islamstudien, Band 1: Vom Werden und Wesen der islamischen Welt. - Leipzig: Quelle & Meyer 1924, S.36. - Grunebaum, Gustav E. von, Die islamische Stadt, in: Saeculum, Band 6, 1955, S. 138-153, folgt dem Weberschen Interpretationsmuster; Cahen, Claude, Zur Geschichte der städtischen Gesellschaft im islamischen Orient des Mittelalters, ebd., Band 9, 1958, S. 5 9 - 7 6 , setzt sich davon ab; beide Autoren beziehen sich jedoch nicht explizit auf Weber. 211 Vgl. die oben, S. 19, Anm. 104 und 105, zitierte Literatur. Explizite Distanzierungen von Weberfinden sich u. a. bei Eickelman, Dale F., Is There an Islamic City?The Making of a Quarter in a Morrocan Town, in: International Journal of Middle East Studles, vol. 5,1974,

Einleitung

43

W e b e r s Analyse der okzidentalen S t a d t g e m e i n d e stellt „bis zur G e g e n wart eine uneingelöste Herausforderung an die G e s c h i c h t s w i s s e n s c h a f t " 2 1 2 dar. N a c h d e m Otto Brunner 1953 den Vergleich z w i s c h e n antikem und mittelalterlichem Stadtbürgertum a u f g e n o m m e n und dabei die durch das unterschiedliche Verhältnis von Stadt und U m l a n d b e d i n g t e n Unterschiede z w i s c h e n den Epochen betont hatte, 2 1 3 zeigt sich erst in jüngster Zeit in Althistorie und Mediävistik eine z u n e h m e n d e Bereitschaft, sich dieser Herausforderung zu stellen. 2 1 4 A u c h neuere Versuche historisch orientierter Soziologen, die Eigenarten der europäischen Entwicklung im Kontext eines Zivilisationsvergleichs zu erhellen, b e l e g e n die anhaltende Inspiration, die von Webers M o d e l l b i l d u n g ausgeht. 2 1 5 Solange man sich dieser Frage stellt, die den Vergleich z w i s c h e n den Epochen und Kulturen fordert, werden W e b e r s D a r l e g u n g e n zur universalhistorischen Besonderheit des okzidentalen Bürgertums schwerlich obsolet werden.

S. 274-294; Wirth, Eugen, Die orientalische Stadt. Ein Überblick aufgrund jüngerer Forschungen zur materiellen Kultur, in: Saeculum, Band 26, 1975, S. 4 5 - 9 4 . 212 Schreiner, Die mittelalterliche Stadt (wie oben, S. 26, Anm. 140), S. 140. 213 Brunner, Otto, Stadt und Bürgertum in der europäischen Geschichte, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Jg. 4, 1953, S. 525-537. - Die russische Stadt ordnete Brunner dem orientalischen Typus Webers zu; ders., Europäisches und russisches Bürgertum, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Band 40, 1954, S. 1 27; vgl. auch Murvar, Vatro, Max Weber's Urban Typology and Russia, in: Sociological Quarterly, Band 8, 1967, S. 481-494. 214 Vgl. die Beiträge in: Kocka (Hg.), Max Weber (wie oben, S. 19, Anm. 104); Meier (Hg.), Okzidentale Stadt (wie oben, S.20, Anm. 108), sowie in: City States in Classical Antiquity and Medieval Italy. Athens and Rome, Florence and Venice, ed. by Anthony Molho, Kurt Raaflaub, Julia Emlen. - Stuttgart: Franz Steiner 1991. 215 Hall, John A., Powers & Liberties. The causes and consequences of the rise of the West. - Oxford: Basil Blackwell 1985; Mann, Michael, The Sources of Social Power, vol. 1: A history of power from the beginning to A.D. 1760. - Cambridge: Cambridge University Press 1986.

Die Stadt

Editorischer Bericht I. Zur

Entstehung

Der vorliegende Text ist nicht mehr von Max Weber veröffentlicht worden. Sein unvermittelter Abbruch spricht dafür, daß er unvollendet blieb. 1 Über die Genese der Abhandlung liegen keine gesicherten Nachrichten vor. Ein Hinweis ist in einem Brief Webers vom 21. Juni 1914 an den Historiker Georg von Below enthalten, mit dem er sich für die Zusendung von dessen Buch über den „deutschen Staat des Mittelalters" 2 bedankte: „Ich werde wohl im Winter anfangen, einen ziemlich umfangreichen Beitrag zum .Grundriß der Sozialwissenschaften' drucken zu lassen, der die Formen der politischen Verbände vergleichend und systematisch behandelt, auf die Gefahr hin, dem Anathema: .Dilettantenvergleiche' zu verfallen. Ich meine: das was der mittelalterlichen Stadt spezifisch ist, also: das was die Geschichte grade uns darbieten so//(darin sind wir absolut einig!), ist doch nur durch die Feststellung was andern Städten (antiken, chinesischen, islamischen) fehlte, zu entwickeln - und so mit Allem." 3 Dieses Selbstzeugnis belegt Webers Absicht, in absehbarer Zeit seinen Beitrag zum - wie es richtig

1 Der am Ende stehende Vergleich zwischen griechischem und römischem Adel bildet schwerlich einen sinnvollen Abschluß. Nach den voranstehenden Ausführungen zum Scheitern griechischer Großstaatsbildungen wäre zu erwarten gewesen, daß Weber seine vorher im Text (unten, S. 225f.) gegebene Ankündigung wahrgemacht hätte, den Zusammenhang zwischen der römischen Expansionspolitik und der Herausbildung der Militärmonarchie zu skizzieren. Vgl. Deininger, Jürgen, Die politischen Strukturen des mlttelmeerisch-vorderorlentallschen Altertums in Max Webers Sicht, in: Schluchter, Wolfgang (Hg.), Webers Sicht des antiken Christentums. Interpretation und Kritik. - Frankfurt am Main: Suhrkamp 1985, S. 7 2 - 1 1 0 , hier S. 107, Anm.88. 2 Below, G[eorg] von, Der deutsche Staat des Mittelalters. Ein Grundriß der deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1: Die allgemeinen Fragen. - Leipzig: Quelle & Meyer 1914. 3 GStA Berlin, Rep.92, Nl. Max Weber, Nr. 30/11, Bl. 7 8 - 7 9 (MWG II/8). - Der Brief Ist mit einigen abweichenden Lesungen abgedruckt worden In: Below, G[eorg] von, Der deutsche Staat des Mittelalters. Eine Grundlegung der deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1: Die allgemeinen Fragen, 2. Aufl. - Leipzig: Quelle & Meyer 1925, S. XXIVf., hier S. XXIV.

46

Die Stadt

heißen muß - „Grundriß der Sozialökonomik" (= GdS), 4 dessen dritte Abteilung „Wirtschaft und Gesellschaft" (= WuG) vorbehalten sein sollte, vorzulegen und in diesem Kontext auch das Thema „Stadt" in einer universalhistorischen Perspektive zu behandeln. Aus dem Brief an Below läßt sich nicht völlig eindeutig schließen, daß Weber diesen Abschnitt schon fertiggestellt hatte. Da er jedoch bereits in einem Brief an den Verlag vom 30. Dezember 1913 davon gesprochen hatte, daß er für das geplante Werk neben einer „geschlossene^] Theorie und Darstellung [...], welche die großen Gemeinschaftsformen zur Wirtschaft in Beziehung setzt", auch eine „umfassende soziologische Staats- und Herrschaftslehre" „ausgearbeitet" habe, ist es wahrscheinlich, daß zu dem zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Manuskript 5 auch Ausführungen zum Thema „Stadt" gehörten. Da Weber jedoch seinen GdS-Beitrag bis zum August 1914 wegen der Redaktionsarbeiten am Gesamtwerk und ständiger Umarbeitungen seines eigenen Textes nicht zum Druck gebracht hat, 6 läßt sich aus diesen brieflichen Äußerungen nicht entnehmen, in welcher Form der Abschnitt über die „Stadt" im Sommer 1914 vorgelegen hat. Webers Intention, den Themenkomplex „Stadt" im Kontext seines GdSBeitrags zu behandeln, wird auch aus seinem, auf den 2. Juni 1914 datierten, Plan für das Gesamtwerk deutlich, in dem er für die III. Abteilung „Wirtschaft und Gesellschaft" im Kapitel 8: „Die Herrschaft" einen Abschnitt c): „Die nichtlegitime Herrschaft. Typologie der Städte" vorgesehen hatte. 7 Hier kann - unabhängig von der Frage, ob Weber in seiner Herrschaftssoziologie später an dem Konzept der „nichtlegitimen Herrschaft" festgehalten hätte - bezweifelt werden, ob der überlieferte Text dieser Konzeption entspricht, jedenfalls dann, wenn „Typologie der Städte" unter „nichtlegitime Herrschaft" zu subsumieren ist. Webers Ausführungen zur fehlenden Legitimität von Stadtregimes betreffen nur Teile des Textes (namentlich zur Kommunegründung durch coniuratio, zu den Sonderverbandsbildungen des popolo im italienischen Mittelalter sowie zu Entsprechungen in der Antike), keinesfalls aber die Abhandlung insgesamt.

4 Dieser Titel stand seit April 1914 fest; Winckelmann, Johannes, Max Webers hinteriassenes Hauptwerk: Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Entstehung und gedanklicher Aufbau. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1986, S.39. 5 Die hier und im folgenden zitierte Korrespondenz findet sich im Verlagsarchiv J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Deponat Bayerische Staatsbibliothek München, Ana 446. Die wichtigsten, die „Stadt" betreffenden Briefpassagen sind abgedruckt bei Winckelmann, Hauptwerk. Der Text des zitierten Briefes ebd., S. 36. 6 Winckelmann, Hauptwerk, S. 3 6 - 4 1 . 7 Die Datierung ergibt sich aus dem Vorwort zur I.Abteilung des GdS (Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1914), S. VII — IX; der Werkplan Ist ebd., S. X—XIII, abgedruckt; wieder In: Winckelmann, Hauptwerk, S. 165-167 und 168-171.

Editorischer

Bericht

47

Es gibt allerdings Indizien dafür, daß Weber sich auch den v o r l i e g e n d e n Text als Teil seines großen GdS-Beitrags vorgestellt hat. 8 W e b e r hat den Text mit einer Fülle von Vor- und Rückverweisen - „wie wir sehen werden", „wie wir sahen", etc. - versehen. Die Mehrzahl der mehr als vierzig Verweise läßt s i c h ' i n n e r h a l b des v o r l i e g e n d e n Textes der „Stadt" auflösen. Es gibt j e d o c h mindestens drei Verweise, deren Auflösung a m ehesten in älteren Teilen von WuG 1 zu finden ist, 9 drei weitere stellen Zweifelsfälle dar. 1 0 Eine A n k ü n d i g u n g an anderer Stelle in WuG 1 - „die später zu b e s p r e c h e n d e Mis c h u n g von Geschlechtern und p o p o l o grasso in Italien" 1 1 - läßt sich als Verweis aus einem anderen Teil des Werkes auf die „Stadt" verstehen. Allerd i n g s bleibt zu b e d e n k e n , daß nicht eindeutig zu rekonstruieren ist, auf welchen Textbestand und in welcher A n o r d n u n g sich Weber z u m Zeitpunkt der Einfügung dieser Verweise b e z o g e n hat. A u c h deshalb ist mit der Feststellung, daß Weber allem A n s c h e i n nach bei der Niederschrift der „Stadt" von einer Einordnung in seinen G d S - B a n d ausging, noch nicht a u s g e m a c h t , ob bzw. in welcher Form er d e n Text, w e n n er einmal fertiggestellt g e w e s e n wäre, in WuG integriert hätte. Die sowohl für Teile des Vergleiches zwischen Antike und Mittelalter wie für d e n Kontrast z w i s c h e n d e m Okzident und den ostasiatischen Kulturen hervortretende religionssoziologische Ausrichtung könnte auf einen engeren Zus a m m e n h a n g mit den dafür einschlägigen Studien Webers sprechen. Es ist d e s h a l b vermutet worden, daß der Text letztlich der „Wirtschaftsethik der Weltreligionen" z u g e o r d n e t w o r d e n wäre. 1 2 Ein Anhaltspunkt dafür könnte in einer Selbstanzeige in den Verlagsmitteilungen v o m 25. O k t o b e r 1919 für den 2. B a n d der „Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie" vorliegen. Weber kündigte an, daß die Aufsätze erweitert w e r d e n sollten „durch eine kurze Darstellung der ä g y p t i s c h e n und m e s o p o t a m i s c h e n und der zarathustrischen religiösen Ethik, namentlich aber durch eine der Entstehung der sozialen Eigenart des Okzidents g e w i d m e t e n Skizze der Entwicklung des europäischen Bürgertums in der Antike und im Mittelalter". 1 3 Weni-

8 Vgl. Orihara, Hiroshi, Eine Grundlegung zur Rekonstruktion von Max Webers „Wirtschaft und Gesellschaft". Die Authentizität der Verweise im Text des „2. und 3. Teils" der I.Auflage, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 46, 1994, S. 103-121. 9 Unten, S. 123 mit Anm. 61, 180 mit Anm. 130 und 258 mit Anm. 172. 10 Unten, S. 148 mit Anm. 6, 184 mit Anm. 143 und 230 mit Anm. 108. 11 WuG1, S. 719 (MWG I/22-4). 12 Schluchter, Wolfgang, Max Webers Religionssoziologie. Eine werkgeschichtliche Rekonstruktion, in: ders. (Hg.), Max Webers Sicht des antiken Christentums. Interpretation und Kritik. - Frankfurt: Suhrkamp 1985, S.525-560, hier S.542; ders., Religion und Lebensführung, Band 2: Studien zu Max Webers Rellglons- und Herrschaftssoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, S.395, Anm. 34. 13 Abgedruckt In: Weber, Konfuzlanlsmus, MWG 1/19, S.28.

48

Die Stadt

ger als zwei W o c h e n vor der Formulierung dieses Werbetextes, der a m 24. September b e i m Verlag e i n g e g a n g e n war, 1 4 hatte Weber a m 11. Sept e m b e r in einem Brief an den Verleger von einem, für diesen B a n d noch zu s c h r e i b e n d e n Aufsatz („im Kopf fertig") über die „allgemeinen G r u n d l a g e n der o c c i d e n t a l e n Sonderentwicklung" g e s p r o c h e n . 1 5 O b diese b e i d e n Ank ü n d i g u n g e n d e n s e l b e n Aufsatz meinen und wie sich dieser letztlich zum vorliegenden Text über die „Stadt" verhalten hätte, läßt sich nicht klären. Über einen im Januar 1918 in Berlin gehaltenen Vortrag Webers über d a s „ a b e n d l ä n d i s c h e Bürgertum" ist weiteres nicht bekannt; das gleiche gilt für einen M ü n c h e n e r Vortrag zum gleichen T h e m a v o m März 1919. 1 6 Eine eindeutige w e r k g e s c h i c h t l i c h e Z u o r d n u n g des erhaltenen Textes der „Stadt" läßt sich aufgrund dieses Befundes nicht vornehmen. Der Text hätte vermutlich umgestaltet werden müssen, w e n n Weber ihn in WuG oder in die „Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie" bzw. in Teilen in b e i d e Werke hätte ü b e r n e h m e n wollen. A n g e s i c h t s des Fehlens eindeutiger Informationen über W e b e r s Arbeit speziell an d i e s e m Text kann die Eingrenzung seiner Entstehungszeit nur a u f g r u n d interner Evidenz sowie der Korrelation mit den sonstigen verfügbaren b i o - b i b l i o g r a p h i s c h e n Informationen über Webers Arbeiten erfolgen. Der Text selbst enthält keine Anhaltspunkte für Datierungen, sieht man einmal d a v o n ab, daß Weber nach der Oktoberrevolution von 1917 schwerlich noch v o m „heutigen Rußland" und nach d e m N o v e m b e r 1918 gewiß nicht mehr v o m „polnischen Siedlungsgebiet unseres Ostens" g e s p r o c h e n hätte. 1 7 Die aus Webers verwendeter Literatur, soweit rekonstruierbar, zu erschließenden Datierungshinweise können grundsätzlich nur zur Feststellung eines terminus post q u e m führen. N e b e n älterer Literatur wird eine Reihe von Arbeiten benutzt, die z w i s c h e n 1908 und 1913 erschienen sind. Von den von Weber selbst genannten Arbeiten ist Hatscheks Buch, „Englische V e r f a s s u n g s g e s c h i c h t e " , erst im Juli 1913 erschienen; 1 8 der ebenfalls zitierte Aufsatz von Strack über die Freigelassenen in der Antike lag Ende No-

14 Schmidt-Glintzer, Helwig, Editorischer Bericht, in: Weber, Konfuzianismus, MWG 1/19, S. 31-73, hier S. 45. 15 Schmidt-Glintzer, a.a.O., S.44. 16 Vgl. Weber, Max, Zur Politik im Weltkrieg. Schriften und Reden 1914-1918, hg. von Wolfgang J.Mommsen in Zusammenarbeit mit Gangolf Hübinger (MWG, Abteilung I: Schriften und Reden, Band 15).-Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1984, S.781, und Weber, Max, Zur Neuordnung Deutschlands. Schriften und Reden 1918-1920, hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Wolfgang Schwentker (MWG, Abteilung I: Schriften und Reden, Band 16). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1988, S.557f. 17 Unten, S.59. 18 Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, 80. Jg., Nr. 155 vom 8. Juli 1913.

Editorischer

Bericht

49

v e m b e r 1913 vor; 1 9 die A u s w e r t u n g einer weiteren, frühestens Ende 1913 v e r f ü g b a r e n Arbeit ist wahrscheinlich. 2 0 Damit ist nur evident, daß Weber auf j e d e n Fall im D e z e m b e r 1913 noch an d e m v o r l i e g e n d e n Text gearbeitet h a b e n muß, d a die j ü n g s t e nachweisbar v e r w e n d e t e Publikation frühestens zu d i e s e m Zeitpunkt verfügbar war. Aus d e n bisherigen Feststellungen kann man w e d e r herleiten, w a n n Weber mit der Niederschrift des Textes b e g o n n e n noch zu welcher Zeit er die seit Ende 1913 verfügbare Literatur eingearbeitet hat. Für eine B e s t i m m u n g des wahrscheinlichen Entstehungszeitraums bleibt m a n d e s h a l b auf inhaltliche Ü b e r l e g u n g e n angewiesen. D a n a c h sollte außer Zweifel stehen, daß Webers Arbeit an der „Stadt" frühestens nach der A n f a n g 1908 2 1 erfolgten Fertigstellung der letzten Fassung der „Agrarverhältnisse im Altertum" für das „ H a n d w ö r t e r b u c h der Staatswissenschaften" eingesetzt h a b e n kann. In diesem Text hatte Weber erstmals einen Vergleich z w i s c h e n Antike u n d Mittelalter skizziert und am Ende hervorgehoben: „Eine wirklich kritische Vergleichung der Entwickelungsstadien der antiken Polis u n d der mittelalterlichen Stadt [...] wäre e b e n s o dankenswert wie fruchtbar". 2 2 Für die späteren, die g r i e c h i s c h - r ö m i s c h e Antike betreffenden, A u s f ü h r u n g e n zur Stadt stellte dieser Lexikonartikel, wie sich aus einer Reihe von Parallelen erkennen läßt, zweifellos eine w i c h t i g e Grundlage dar. Der Inhalt des Textes spricht weiter dafür, daß große Teile in der vorliegend e n Form erst seit ca. 1911 entstanden sind, als Weber an d e n Studien über Konfuzianismus und Hinduismus sowie über das antike Judentum, das Christentum u n d den Islam arbeitete. Erst in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g ver-

19 Strack, Freigelassene, ist erschienen in: Historische Zeitschrift, Band 112, 1914, S. 1 28. Diese Zeitschrift erscheint in 2 Jahresbänden. Der Aufsatz von Strack ist im ersten Heft des ersten Bandes für 1914 erschienen, das bereits Ende November1913 ausgegeben wurde (laut Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, 80. Jg., Nr. 277 vom 29. November 1913, S. 13076). 20 Webers Bemerkungen zum Demos in Karthago und Tyros, unten, S. 93, setzen wahrscheinlich die Kenntnis des an der Parallelstelle in: Weber, Judentum I, S.87, Anm.31 (MWG 1/21), zitierten Aufsatzes von Slousch, Nahum, Representative Government among the Hebrews and Phoenicians, in: The Jewish Quarterly Review, n.s., vol.4, 1913/14, S. 303-310, voraus. Dieser Artikel ist Ende 1913 erschienen. 21 Der 1. Band der 3. Aufl. trägt zwar das Datum 1909, der Faszikel mit dem Beitrag Webers ist jedoch schon im April 1908 erschienen; vgl. Winterling, Aloys, Rezension MWG I/ 2, in: Gnomon, Band 61, 1989, S. 401-407, hier S. 401, Anm.2. - Weber hat den Beitrag etwa zwischen November 1907 (oder etwas früher) und Ende Januar 1908 niedergeschrieben und von Anfang Februar bis Mitte März 1908 an den Korrekturen gesessen; vgl. die Briete an Oskar Siebeck (26.12.1907); Robert Michels (9.1.1908); Marie Baum (4.2.1908); Robert Michels (4.2.1908); Oskar Siebeck (10.2.1908); Marianne Weber (14.3.1908), in: Weber, Briefe 1906-1908, MWG II/5, S.426, 429, 430, 433, 435 und 454. 22 Agrarverhältnisse 3 , S. 188 (MWG I/6). Vgl. die Einleitung, oben, S.6f.

50

Die Stadt

fügte er über das nötige Material und die a n g e m e s s e n e n Kategorien, um die Stadttypen d e s Orients und Okzidents - unter B e r ü c k s i c h t i g u n g aller konkreten historischen Unterschiede in b e i d e n Bereichen - vergleichen zu können. Eine Reihe von A u s f ü h r u n g e n in der „Stadt" lesen sich, wie o b e n in der Einleitung dargelegt, wie Kurzversionen seiner ausführlicheren Analysen in den religionssoziologischen Aufsätzen. Sie dürften d e s h a l b ein fortgeschrittenes Stadium dieser Studien voraussetzen, von d e n e n z u m i n d e s t diejenigen zu China, Indien und z u m J u d e n t u m 1913 in ersten Fassungen vorlagen. 2 3 In der aus d e m Jahre 1913 s t a m m e n d e n Einleitung zur „Wirtschaftsethik der Weltreligionen" heißt es, daß das Christentum in der „Stadt des Okzidents in ihrer Einzigartigkeit g e g e n ü b e r allen anderen Städten" und im „Bürgertum in d e m Sinne, in w e l c h e m es überhaupt nur dort in der Welt entstanden ist", seinen „ H a u p t s c h a u p l a t z " g e f u n d e n habe. 2 4 Die inhaltliche Ü b e r e i n s t i m m u n g mit wesentlichen Thesen des „Stadt"-Textes liegt auf der Hand, ohne daß sich daraus j e d o c h herleiten ließe, daß dieser Text schon (in w e l c h e m Z u s t a n d a u c h immer) vorgelegen h a b e n müsse. Es ist a u f g r u n d der bisher getroffenen Feststellungen durchaus damit zu rechnen, daß Weber a u c h im Laufe des Jahres 1914 noch an der „Stadt" (wie an seinem g e s a m t e n GdS-Beitrag) 2 5 gearbeitet hat. Wenn dies der Fall g e w e s e n sein sollte, so muß diese Arbeit spätestens mit d e m A u s b r u c h des I . W e l t k r i e g s unterbrochen w o r d e n sein. W e b e r meldete sich am 2 . A u g u s t 1914 freiwillig z u m Militärdienst und w u r d e b e i m A u f b a u der Heidelberger Reservelazarette eingesetzt. Diese A u f g a b e hat zumindest in den ersten Monaten seine g a n z e Arbeitskraft in A n s p r u c h g e n o m m e n und eine längere U n t e r b r e c h u n g seiner g e s a m t e n wissenschaftlichen Arbeit bedingt. 2 6 Seit d e m Sommer 1915 und d a n n intensiv nach der Entlassung aus d e m Militärdienst a m 30. S e p t e m b e r 1915 hat sich Weber wieder mit seinen Studien zur

23 Die Arbeit daran ist 1911 begonnen worden; die Konfuzianismus-Studie lag 1913 abgeschlossen vor und ist von Weber 1915 weitgehend unverändert in Druck gegeben worden; die Studien zum antiken Judentum und zu Indien müssen 1913 ebenfalls bereits in umfangreichen Manuskripten vorgelegen haben, auch wenn Weber sie für die Drucklegung nach der Wiederaufnahme seiner wissenschaftlichen Arbeit im Sommer 1915 in stärkerem Maße überarbeitet hat; vgl. Schluchter, Religionssoziologie, S. 535-537 und 545f.; Schmidt-Glintzer, Helwig, Editorischer Bericht, in: Weber, Konfuzianismus, MWG 1/19, S. 31-73, hier S. 34-40. 24 Weber, Konfuzianismus, MWG 1/19, S.87. Die Datierung ergibt sich aus Webers Fußnote ebd., S. 83. 25 Vgl. oben, S.46. 26 Vgl. Mommsen, Wolfgang J., Editorischer Bericht [Erfahrungsberichte über Lazarettverwaltung], in: Weber, Max, Zur Politik im Weltkrieg. Schriften und Reden 1914-1918, hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Gangolf Hübinger (MWG, Abteilung I: Schriften und Reden, Band 15). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1984, S. 23-25, hier S. 23, sowie Weber, Marianne, Lebensbild, S. 527ff.

Editorischer

Bericht

51

Wirtschaftsethik der Weltreligionen befaßt. 2 7 Denkbar wäre, daß er sich bei dieser Gelegenheit zugleich a u c h wieder der „Stadt" z u g e w e n d e t hat. Allerd i n g s finden sich für eine W i e d e r a u f n a h m e der Arbeit seit d i e s e m Zeitpunkt weder im Text selbst noch in den verfügbaren b i o - b i b l i o g r a p h i s c h e n Informationen über Webers wissenschaftliche Produktion seit dieser Zeit irgendw e l c h e Anhaltspunkte. 2 8 A u c h die Durchsicht des Briefwechsels Max Webers mit d e m Verleger und der im Archiv des Verlages J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) in T ü b i n g e n verwahrten Materialien (Druckaufträge und Arbeitst a g e b ü c h e r der Verlagsangestellten) erbrachte keinen anderen Befund. Alles in allem ergibt sich, daß wesentliche Partien, w e n n nicht das Ganze des „Stadt"-Textes erst seit ca. 1911 entstanden sein dürften. In der vorlieg e n d e n Form repräsentiert er wahrscheinlich einen B e a r b e i t u n g s s t a n d von 1914. Für spätere Zusätze oder Ü b e r a r b e i t u n g e n gibt es keine z w i n g e n d e n Hinweise; die Möglichkeit kann aber auch nicht definitiv a u s g e s c h l o s s e n werden. Die Ungewißheit über den Status des n a c h g e l a s s e n e n Textes hat a u c h die G e s c h i c h t e seiner p o s t h u m e n Publikation bestimmt. A m 30. Juni 1920 schrieb Marianne Weber an d e n Verleger Paul Siebeck, daß sie Manuskripte ihres Mannes g e f u n d e n habe, darunter: „ein großes Konvolut: Formen der Stadt". 2 9 Marianne Weber hat das Manuskript schließlich im Oktober 1920 an den Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) geschickt, weil der Redakteur des „Archivs für Sozialwissenschaft u n d Sozialpolitik", Emil Lederer, auf den A b druck in der Zeitschrift drängte. 3 0 Es hat allerdings bis zum Juli 1921 gedauert, bis der Text in Druck g i n g 3 1 und im A u g u s t 1921 unter d e m Titel „Die

27 Vgl. Weber, Marianne, Lebensbild, S.561, mit dem Hinweis, daß Weber „sich dafür schon In den letzten Monaten der Dienstzelt täglich eine Stunde herausgespart" habe. 28 Auch die Tatsache, daß Weber ausführlich auf die Herrschaftsverhältnisse im Islamischen Mekka zu sprechen kommt, k a n n - g e g e n Hungar, Kristian, Empirie und Praxis. Der Zusammenhang der Arbelten Max Webers Im Lichte neuerer Konzeptionen (Mannheimer sozialwissenschaftliche Studien, Band 6). - Meisenheim am Glan: Anton Hain 1971, S. 71 - kein Beleg für eine Spätdatierung sein, da sich Weber hierfür auf Snouck Hurgronje, Mekka, stützt, ein Werk, das bereits 1888 erschienen war. 29 VA Mohr/Slebeck, Deponat BSB München, Ana 446. 30 Marianne Weber an den Verlag am 23.10.1920: „Ich schicke heute hochversichert ein sehr wertvolles Manuskript meines Mannes an Sie adressiert ab. Prozessor] Lederer wünscht diesen in sich abgeschlossenen Aufsatz für das ,Archiv' u[nd] teilt mir mit fl] daß die Druckerei .Futter' brauche"; am 7.11.1921: „Vorigen Sommer bat mich Prozessor] Lederer um die Abhandlung ,dle Stadt' für das Archiv u[nd] ich gab sie nur her unter der Voraussetzung, daß sie auch im Grundriß an passender Stelle aufgenommen werde. Sie wurde auch schon im Sommer 1920 gesetzt, aber das Erscheinen des betreffenden] Archivhefts zögerte sich dann unerwartet lange hinaus [...]"; ebd. 31 Druckauftrag für das „Archiv", Band 47, Heft 3, vom 21.7.1921; Verlagsarchiv J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen.

52

Die Stadt

Stadt. Eine soziologische U n t e r s u c h u n g " im „Archiv", B a n d 47, Heft 3, S. 6 2 1 - 7 7 2 , erschien. Im Juni 1921 schloß Marianne Weber mit d e m Verlag einen Vertrag, in d e m ihre H e r a u s g e b e r s c h a f t b e z ü g l i c h der von Weber für den GdS verfaßten Teile abschließend geregelt w u r d e . 3 2 Z u s a m m e n mit der R ü c k s e n d u n g des Vertrages am 3. Juni 1921 ersuchte Marianne Weber den Verlag, die „Stadt" für d e n „Grundriß" noch nicht setzen zu lassen, 3 3 s o n d e r n die „für das Archiv gesetzten Bögen" an sie und Palyi zu senden, damit sie g e m e i n sam überlegen könnten, o b der Text überhaupt in den „Grundriß" passe: „Er ist an sich wundervoll, aber in etwas andrer Diktion - rein historisch, nicht systematisch - d e s h a l b muß man noch überlegen, o b er nicht aus d e m Rahmen herausfällt. Max Weber hatte allerdings in seinem Stoffverteilungsplan im ersten Grundrißband einen solchen A b s c h n i t t vorgesehen". A m 7. Juni 1921 kündigte Oskar Siebeck an, daß er dieser Bitte folgen werde. Bis in den Herbst hinein korrespondierte Marianne Weber mit d e m Verlag w e g e n der A u f n a h m e der „Stadt" in den GdS, d a sie sich über die Z u o r d n u n g nicht schlüssig war und als Alternative zu einer Plazierung im „Grundriß" (zunächst d a c h t e sie als „ N a c h t r a g " ) eine A u f n a h m e in eine künftige A u s g a b e „gesammelter Aufsätze" erwog, bevor sie d o c h den Druck im G d S verlangte. Der Verlag plädierte für die Publikation in einer A u f s a t z s a m m l u n g ; z u m einen könne m a n d a d u r c h d e n U m f a n g des GdSBeitrags reduzieren, zum anderen sei der Text erst kürzlich (d.h. im A u g u s t 1921) im „Archiv" erschienen. 3 4 D a g e g e n verwies Marianne Weber schließlich am 26. Oktober 1921 auf den Werkplan von 1914 u n d darauf, daß Max Weber „zweifellos die Stadt als höchste Form der Vergesellschaftung in d e n Grundriß aufnehmen" wollte. N a c h d e m Werner S i e b e c k im N o v e m b e r 1921 3 5 d i e s e m Plan d o c h noch zugestimmt hatte, wurde der Text unter d e m Titel „Die Stadt" z u m größten Teil - S. 5 1 3 - 5 9 6 - in der 3. Lieferung d e s GdS im Juni 1922, S. 5 9 7 - 6 0 0 in der 4. Lieferung im D e z e m b e r 1922 noch einmal veröffentlicht. Allerdings erhielt er nicht die Plazierung, die d e m W e b e r s c h e n Werkplan von 1914 e n t s p r o c h e n hätte, s o n d e r n w u r d e in d e n 2. Teil („Typen der Vergemeinschaftung u n d Vergesellschaftung") als letztes, VIII. Kapitel nach der „Rechtssoziologie" eingestellt. 3 6

3 2 Verlags-Vertrag vom 1.6.1921, Privatbesitz; vgl. auch Winckelmann, Hauptwerk (wie oben, S. 46, Anm.4), S.95. 3 3 Diese Aufforderung erging am gleichen Tag auch vorab per Telegramm an den Verlag; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. 3 4 Marianne Weber an den Verlag am 9.7., 3.8., 20.10 und 7.11.1921 - der Verlag an Marianne Weber am 16.7. und 24.10.1921; ebd. 3 5 Briefe vom 1., 10., und 15. November; ebd. 3 6 Erst in der 4. und 5. Aufl. von WuG (1956 bzw. 1972) hat Johannes Winckelmann den Text unter Berufung auf den Werkplan von 1914 als Teil der Herrschaftssoziologie von WuG präsentiert. In der 4. Aufl. in Kapitel IX als Abschnitt 8 und in der 5. Aufl. In Kapitel IX

Editorischer

II. Zur Überlieferung

Bericht

53

und Edition

Von der vorliegenden Abhandlung Webers ist kein Manuskript überliefert; es muß als verschollen gelten. Das Verhältnis der beiden überlieferten Fassungen zueinander läßt sich sowohl aufgrund der Abläufe bei der Drucklegung wie einer Überprüfung der in der zweiten Fassung vorgenommenen Veränderungen klären. Der Verbleib des Manuskripts, das Marianne Weber für den Druck im „Archiv" an den Verlag geschickt hatte, ist nicht zu rekonstruieren. Es war verlegerische Praxis, Manuskripte sofort nach ihrem Eintreffen zu setzen und dann unverzüglich zurückzusenden. 3 7 Ob dies auch hier geschehen ist, läßt sich nicht mehr ermitteln. Es ist nicht bekannt, ob Marianne Weber das Manuskript zurückerhalten und was sie gegebenenfalls damit gemacht hat. Es ist jedoch auszuschließen, daß sie es für die Drucklegung der 3. Lieferung des GdS an den Verlag zurückgeschickt hat. Am 25. März 1921 übermittelte sie Manuskriptteile für den GdS, die noch nicht gedruckt waren, an den Verlag. Beigefügt war der Sendung ein handschriftliches „genaues Verzeichnis der Kapitelfolge so, wie ich sie in Gemeinschaft mit Dr. Palyi festgestellt habe". In dieser Liste sind die einzelnen Kapitel jeweils mit einem Haken versehen worden - von wem, ist nicht klar. Beim neunzehnten und letzten Abschnitt, der „Stadt", fehlt dieses Prüfzeichen jedoch. Hier findet sich stattdessen von Marianne Webers Hand der Vermerk: „bereits bei Siebeck u[nd] im Archiv gedruckt". Nachdem der Verlag schließlich einer Publikation der „Stadt" im GdS zugestimmt hatte, schrieb Werner Siebeck am 15. November 1921 an Marianne Weber, er werde „nunmehr diesen Abschnitt sogleich für den Grundriss absetzen lassen". 38 Marianne Weber hat dem Verlag am 13. Dezember 1921 den Empfang der Druckbögen der „Stadt" für die Publikation im GdS bestätigt. Bis zum Februar 1922 39 haben Marianne Weber und Melchior Palyi an den Korrektu-

als Abschnitt 7. Die unterschiedliche Abschnittszählung ergibt sich daraus, daß Winckeimann in der 5. Aufl. den in die Aufl. von 1956 neu hineingenommenen (2.) Abschnitt „Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft" als nicht zu WuG gehörend wieder entfernt und stattdessen in: Weber, Max, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, hg. von Johannes Winckeimann, 3. Aufl. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1968, S. 4 7 5 - 4 8 8 eingeordnet hatte. 37 Hinweis Georg Siebeck 6.11.1990. 38 In den Unterlagen des Verlagsarchivs J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen, existiert ein Vermerk mit dem Datum vom 18.11.1921: „Weber, Die Stadt abgelegt, zu [...] G.d.S. umgesetzt". 3 9 Am 2.2.1922 schreibt der Verlag an Marianne Weber, daß am Tag zuvor die „restlichen Korrekturen des Abschnittes ,Die Stadt'" von Palyi eingegangen seien; VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446.

54

Die Stadt

ren der GdS-Druckfahnen gearbeitet. Angesichts des ungeklärten Schicksals des ursprünglichen Manuskripts könnte grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, daß bei dieser Gelegenheit das Original herangezogen worden wäre, um es mit den Druckbögen zu vergleichen und dann Fehler im Satz der ersten Fassung zu beheben. Der Vergleich der beiden Textfassungen zeigt jedoch, daß sich die Herausgeber in WuG 1 auf die Verbesserung von evidenten Fehlern im „Archiv"Druck bzw. auf kleinere sprachliche Eingriffe beschränkt haben: Verbesserungen von banalen Druckfehlem, von Druck- oder Lesefehlern bei Begriffen sowie Personen- und Ortsnamen, 40 kleine grammatische Korrekturen, Eingriffe in die Interpunktion, (nicht konsequent durchgehaltene) Vereinheitlichungen der Schreibweise von Begriffen wie Klientel/Clientel und Kommune/Commune bzw. der eingedeutschten oder griechischen Pluralbildung bei Demen/Demoi, Streichungen einzelner in einem Satz doppelt vorkommender Wörter, einzelne sinngemäße Ergänzungen. Hinzu kommen leichte Eingriffe in die Gliederung des Textes durch die Einfügung neuer Absätze. Für keinen dieser Eingriffe ist die Kenntnis der Weberschen Vorlage erforderlich. Für andere Eingriffe kann ausgeschlossen werden, daß auf das Manuskript zurückgegriffen wurde, da hier eine sachlich angemessene, den Herausgebern aber offensichtlich nicht vertraute Terminologie verändert wurde. 41 Verschlechterungen des Textes liegen ferner beim Wegfall oder der Veränderung einzelner sinntragender Wörter vor, 42 die gewiß auch durch neue Setzerfehler bedingt sein könnten. 43 In einem anderen Fall wurde eine inhaltlich begründbare Emendation vorgenommen, bei der jedoch ein offensichtlicher Lese- oder Druckfehler als Sachfehler behandelt wurde 4 4 40 Das betrifft: „chersonnesisch", A 628, statt richtig: „chersonesisch"; „Snouck Hargronje", A 643, statt richtig: „ Snouck Hurgronje"; „des kommunen Council", A 701 f., statt richtig: „des kommunalen Council"; „Peisistratolen", A 720, statt richtig: „Peisistratiden"; „Mazaine", A 732, statt richtig: „Mazarin"; „spartisch", A 755, statt richtig: „spartanisch"; „Livier", A 759, statt richtig: „Livius"; „Pausanius", A 763, statt richtig: „Pausanias". 41 So: „Demosverfassung" (WuG1, S. 591) gegenüber „Demenverfassung" (A 755); „das römisch-italienische Reich" (WuG1, S. 597) gegenüber „das römisch-italische Reich" (A 766); „innerhalb der hellenistischen Welt" (WuG 1 , S. 598) gegenüber „innerhalb der hellenischen Welt" (A 768). 42 Im Falle von: „gänzlich" vor „Stamm- oder doch Sippenfremden" (WuG1, S.531, gegenüber A 653) und „religiösen" vor „und magischen Bande" im gleichen Satz; „auch" vor: „auf dem italienischen Festland" (WuG1, S. 546, gegenüber A 678); „welche die Qualifikation [...] bedurften" statt richtig: „welche der Qualifikation [...] bedurften" (WuG 1 , S. 533, gegenüber A 656). 43 Wie bei: „Phratriern" (WuG 1 , S. 532) statt richtig: „Phratrien" (A 655). 44 Indem das „,Netre vires'-Prozeß" (A 730) durch „,Quo wacranto'-Prozeß" (WuG 1 , S. 576) ersetzt worden ist. Die sinnlose Buchstabenfolge „netre" konnte aber nur zustandegekommen sein, wenn Weber „Ultra vires" geschrieben hatte (vgl. zum Sachverhalt unten, S. 237, Anm. 126).

Editorischer

Bericht

55

Bei vorliegendem Manuskript (und seiner richtigen Entzifferung) hätte zumindest ein Teil der von Otto Hintze 1926 45 aufgeführten sinnentstellenden Fehler nicht übersehen werden dürfen, 4 6 ebenso wie die erst von Johannes Winckelmann in den von ihm bearbeiteten Auflagen von WuG vorgenommenen Emendationen bei Namens- bzw. Begriffsverwechselungen 4 7 - es sei denn, daß diese Fehler auf Lapsus von Weber selbst zurückzuführen sind. 4 8 Es gibt somit keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die In WuG 1 vorgenommenen Texteingriffe auf das Manuskript zurückgehen; sie sind vielmehr aller Wahrscheinlichkeit nach von den Herausgebern selbständig vorgenommen worden.

Zu dieser

Edition

Aus diesem Überlieferungsbefund folgt eindeutig, daß für die Konstituierung des Textes der Erstdruck, In: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 47, Heft 3, 1921, S. 6 2 1 - 7 7 2 (A), als der letzten Hand am nächsten stehend zugrundegelegt werden muß, und der Zweitdruck, In: Grundriß der Sozialökonomik, Abteilung III: Wirtschaft und Gesellschaft. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1922, S. 5 1 3 - 6 0 0 , nicht als Variante gelten kann; zur Orientierung wird lediglich die Paginierung von WuG 1 marginal mitgeführt. Offene Fragen ergeben sich hinsichtlich des Titels der Abhandlung, ihrer Untergliederung In Kapitel und der jeweiligen Bezeichnung dieser Kapitel. Marlanne Weber hatte In ihrem ersten Schreiben an den Verlag von einem „Konvolut: Formen der Stadt" 4 9 gesprochen. Ob dieser Titel über dem Manuskript stand oder sonst in irgendeiner Welse von Max Weber stammt, oder ob nicht vielmehr Marianne Weber damit nur den Inhalt des Textes charakterisieren wollte, Ist nicht zu klären. Die Erstfassung Im „Archiv" trug den Titel „Die Stadt. Eine soziologische Untersuchung"; beim zweiten Abdruck des Textes Ist der Untertitel wieder weggelassen worden. Auch hier läßt sich nicht entscheiden, wer für den jeweiligen Titel verantwortlich ist; außer an Marianne Weber läßt sich für die Erstfassung an den Herausgeber 45 Hintze, Otto, Max Webers Soziologie, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche, 50. Jg., 1926, S. 8 3 - 9 5 , hier S. 87f. 46 Namentlich: „Chacrudas", A 720, statt richtig: „Charondas"; „Kriminalbeamten", A 726, statt richtig: „Kommunalbeamten". 47 So: „in Holland", A 696, statt richtig: „in Hellas"; „der hellenische Synoikismos", A 655, statt richtig: „der hebräische Synoikismos"; „Caidominl", A 759, statt richtig: „Calderinl". 48 Eine Möglichkeit (nach einem freundlichen Hinweis von Guenther Roth) wäre auch, daß (für Teile) ein nach Diktat hergestelltes Typoskrlpt vorgelegen haben könnte, die Fehler somit durch Hör- bzw. Abschrelbefehler des Maschineschreibers entstanden und dann von Weber nicht mehr korrigiert worden wären. 49 Siehe oben, S.51.

56

Die Stadt

des „Archivs" denken, der d e n Untertitel für die Publikation in dieser Zeitschrift für a n g e m e s s e n gehalten haben könnte. Daß der Untertitel von Max Weber stammte, der bei der Arbeit an diesem Text noch die Einbindung in seinen GdS-Beitrag vor A u g e n hatte, wird man mit ziemlicher Sicherheit ausschließen können, ganz a b g e s e h e n davon, daß die Kategorie „soziologisch" in seinem Text keine sonderlich prominente Rolle spielt. Da es keinen von Weber autorisierten Titel gibt und der Untertitel „Eine soziologische Untersuchung" schwerlich adäquat ist, erscheint die Beibehaltung nur des Titels „Die Stadt" als die beste Lösung, zumal sie keine spezifische Interpretation suggeriert. Der Erstdruck weist eine Unterteilung des Textes In vier Kapitel auf: „I.Begriff und Kategorien der Stadt"; „II.Die Stadt des Okzidents"; „III.Die Geschlechterstadt Im Mittelalter und in der Antike"; „IV. Die Plebejerstadt". Daß die grundsätzliche Einteilung In vier Gliederungseinhelten durch Max Weber v o r g e g e b e n und - in welcher Welse auch immer - aus d e m Manuskript zu entnehmen war, scheint gut möglich. Davon zu trennen ist j e d o c h die Frage, ob Weber auch Urheber der Überschriften g e w e s e n sein könnte. Die drei ersten Formulierungen erregen keine grundsätzlichen Bedenken, höchst problematisch ist j e d o c h „Plebejerstadt" als Überschrift des vierten Kapitels, vor allem deshalb, weil in Webers Text „Plebejerstadt" nicht vorkommt und weil alle Verwendungen von „Plebs", „Plebejer", „plebejisch" sich ausschließlich auf die (römische) Antike beziehen. Diese Diskrepanz fällt vor allem im Vergleich mit Überschrift und Wortgebrauch des dritten Kapitels („Die Geschlechterstadt Im Mittelalter und der Antike") auf: die Überschrift paßt hier sehr gut auf Inhalt und Duktus der Darstellung und spiegelt auch Webers epochenübergreifende Verwendung der Kategorie „Geschlechterstadt" wider. In der GdS-Fassung Ist das vierte Kapitel geteilt und dessen zweiter Teil unter die Überschrift „Antike und mittelalterliche Demokratie" gestellt worden. Die neue Unterteilung, die Umstellung auf Paragraphenzählung sowie die neue Überschrift gehen mit größter Wahrscheinlichkeit auf die Herausgeber zurück; wenn sie von Weber selbst stammten, hätten sie im „Archlv"-Druck nicht gefehlt. Aus d i e s e m und d e n oben genannten Gründen wurde die Im Erstdruck v o r g e n o m m e n e Kapiteleinteilung beibehalten. Dies gilt, trotz der Vorbehalte, auch für die d e n einzelnen Kapiteln zugeordneten Überschriften, d a sich nicht mit Sicherheit ausschließen läßt, daß sie von Weber stammen könnten. Die In WuG 1 den einzelnen Kapitelüberschriften nachgestellten Inhaltsübersichten mußten, d a sie eindeutig nicht auf Weber zurückgehen, in dieser Edition unberücksichtigt bleiben. Sie stammen nachweislich von Melchior Palyl, wie aus einem Brief von Marianne Weber an den Verlag v o m 27.Januar 1922 hervorgeht: „Die Fahnen sämmtllcher Abschnitte der 3. u[nd] 4. Lieferung (außer der Stadt) sind 2x gelesen u[nd] noch bei Ihnen.

Editorischer

Bericht

57

Palyi hat jetzt weiter nichts als den Rest der .Stadt'. Warum er deren Revision nochmals w ü n s c h t ^ weiß ich nicht, vielleicht wegen der von ihm gemachten Kapitelüberschriften." 5 0 Hinzu kommt die eindeutige Feststellung Marianne Webers im Vorwort zum zweiten Teil von WuG 1 : „Die Inhaltsangabe der Kapitel war nur für die .Rechtssoziologie' fixiert". Entsprechend den allgemeinen Editionsregeln der MWG wurden Texteingriffe auf ein Minimum beschränkt, d.h. nur bei Textverderbnissen vorgenommen. Webers Orthographie mit ihren Eigentümlichkeiten wurde belassen; Vereinheitlichungen wechselnder Schreibweisen (wie z.B. „Kommune" und „Commune" mit uneinheitlichem Gebrauch des grammatischen Geschlechts) wurden nicht vorgenommen. Dies gilt erst recht für weitergehende sprachliche Anpassungen (so bedient sich Weber z.B. in der Regel des Gierkeschen Begriffes der „Einung"; 5 1 die zweimalige Verwendung von „Einigung" 5 2 könnte insofern ein Schreib- oder Satzfehler sein; es liegt jedoch kein, eine Emendation rechtfertigendes, Textverderbnis vor). In die Interpunktion wurde eingegriffen, sofern dies für das Verständnis des Textes erforderlich schien; Webers eigenartige Verwendung von Doppelpunkten und Gedankenstrichen (auch in ungewöhnlichen Kombinationen mit anderen Satzzeichen) wurde beibehalten. Bei der Eigenart des Textes, der sich auf eine Vielzahl von Epochen bezieht, mußten die Sacherläuterungen in vielen Fällen über Hinweise auf die zeitliche Einordnung der von Weber thematisierten Sachverhalte und über quasi lexikalische Erklärungen hinausgehen. Weber rekurriert nicht einfach auf unbestrittene historische „Fakten", sondern gibt oft pointierte Interpretationen komplexer, in der Forschung häufig höchst unterschiedlich bewerteter, historischer Vorgänge. Seine Darstellung läßt sich deshalb in sehr vielen Fällen nur angemessen nachvollziehen, wenn auf die jeweilige Forschungslage verwiesen wird, auf die er sich explizit oder implizit bezieht. Nach Möglichkeit wurde Literatur angeführt, die Weber nachweislich oder wahrscheinlich verwendet hat. Für die Ausführungen zur mittelalterlichen Geschichte, in denen Weber nicht nur selbst auf einen Teil seiner Vorlagen hinweist (wenngleich nur durch Nennung der Verfassernamen), sondern diesen (und einigen anderen, mit hoher Wahrscheinlichkeit erschließbaren) Arbeiten erkennbar folgt, ist die benutzte Literatur aufs Ganze gesehen mit größerer Sicherheit festzustellen als für andere Gegenstände. Auf (bis 1914 erschienene) Editionen mittelalterlicher Quellen wird in der Regel zusätzlich verwiesen, wenn Weber im Text allem Anschein nach auf die Quelle Bezug nimmt, auch wenn hier möglicherweise Quellenkenntnis aus zweiter Hand

50 VA Mohr/Siebeck, Deponat BSB München, Ana 446. 51 Vgl. die Einleitung, oben, S. 21. 52 Unten, S. 127 und 172.

58

Die Stadt

vorliegt. Bei den D a r l e g u n g e n zur Alten G e s c h i c h t e ist die eindeutige Identifizierung der eigentlichen Informationsbasis W e b e r s in vielen Fällen nicht möglich; zum einen, weil oft nicht zu e n t s c h e i d e n ist, o b m a n c h e s auf Vertrautheit mit den Quellen (sei es aufgrund seiner früheren U n t e r s u c h u n g e n , sei es als Bildungswissen) beruht; z u m anderen, weil bei der Fülle einschlägiger althistorischer Publikationen die gleichen Sachverhalte bzw. Bewert u n g e n aus unterschiedlichen Werken e n t n o m m e n sein können. Hinzu kommt, daß s c h o n die letzte Fassung der „Agrarverhältnisse" (einschließlich der b e i g e g e b e n e n Literaturhinweise) zeigt, daß Weber sich d u r c h a u s nicht nur auf einige Standardwerke stützte, sondern a u c h eine Reihe von Spezialuntersuchungen h e r a n g e z o g e n hat. Die S a c h a n m e r k u n g e n weisen im Regelfall die wichtigsten antiken Quellen 5 3 für einen Sachverhalt sowie diejenige Literatur nach, an der sich Weber für seine Interpretationen orientiert haben könnte, sofern sie für die Forschungspositionen e i n s c h l ä g i g sind, auf die sich Weber erkennbar bezieht. Bei A u s s a g e n zum Alten Orient, die auf ausführlichere Darstellungen W e b e r s in d e n „Agrarverhältnissen" z u r ü c k g e h e n , sowie bei B e z ü g e n auf die U n t e r s u c h u n g e n zum antiken Judentum, China und Indien wird auf e i n s c h l ä g i g e Passagen dieser Arbeiten W e b e r s verwiesen, ohne daß im Regelfall die dort nachweislich oder mutmaßlich v e r w e n d e t e (und g e g e b e n e n f a l l s in d e n e n t s p r e c h e n d e n B ä n d e n der M W G verzeichnete bzw. n a c h z u w e i s e n d e ) Literatur angeführt wird. In einer Reihe von Fällen lassen sich nämlich B e m e r k u n g e n Webers nur verstehen, w e n n seine im Regelfall viel detaillierteren Darstellungen in diesen Arbeiten - im Vergleich zu d e n e n sich m a n c h e Passagen in der „Stadt" geradezu wie Extrakte lesen - h e r a n g e z o g e n werden. O b w o h l diese religionssoziologischen Aufsätze erst seit 1915 publiziert w o r d e n sind, so ist dieses Verfahren - a u c h unter der Prämisse, daß Weber nach 1914 den Text der „Stadt" nicht mehr verändert hat - durch den w e r k g e s c h i c h t l i c h e n Zusamm e n h a n g b e g r ü n d e t , d a er erste Fassungen dieser Studien bereits 1913 erarbeitet hatte. Sämtliche Sacherläuterungen beruhen auf Literatur, die bis 1914 veröffentlicht wurde u n d somit den Forschungs- u n d Diskussionsstand w ä h r e n d der Entstehungszeit d e s Textes repräsentiert. Die Korrektur von s a c h l i c h e n Irrtümern W e b e r s erfolgte a n h a n d dieser Literatur. Hinweise darauf, wie d u r c h d e n weiteren G a n g der Forschung Auffassungen Webers bestätigt oder obsolet g e w o r d e n sind, können nicht G e g e n s t a n d dieser Edition sein.

53 Die griechischen und lateinischen Quellen werden nach den üblichen GliederungsSchemata zitiert, die In allen modernen Ausgaben und seriösen Übersetzungen angewendet werden; d.h. im Regelfall nach Buch, Kapitel, Paragraph; manchmal (z.B. bei Piaton, Aristoteles, Strabo und den „Moralla" Plutarchs) auch nach den Seltenzahlen älterer Standardeditionen, die in modernen Ausgaben fortgeführt werden. Eine Angabe des Werktitels erfolgt nur bei Autoren, von denen mehrere Werke überliefert sind.

D i e Stadt.

I. Begriff und Kategorien der Stadt. Eine „Stadt" kann man in sehr verschiedener Art zu definieren versuchen. Allen Definitionen13 gemeinsam ist nur: daß sie jedenfalls eine (mindestens relativ) geschlossene Siedelung, eine „Ortschaft" ist, nicht eine oder mehrere einzeln liegende Behausungen. Im Gegenteil pflegen in den Städten (aber freilich nicht nur in ihnen) die Häuser besonders dicht, heute in der Regel Wand an Wand zu stehen. Die übliche Vorstellung verbindet nun mit dem Wort „Stadt" darüber hinaus rein quantitative Merkmale: sie ist eine große Ortschaft. Das Merkmal ist nicht an sich unpräzis. Es würde, soziologisch angesehen, bedeuten: eine Ortschaft, also eine Siedelung in dicht aneinandergrenzenden Häusern 0 , welche eine so umfangreiche zusammenhängende Ansiedelung darstellen, daß die sonst dem Nachbarverband spezifische, persönliche gegenseitige Bekanntschaft der Einwohner miteinander fehlt. Dann wären nur ziemlich große Ortschaften Städte, und es hängt von den allgemeinen Kulturbedingungen ab, bei welcher Größe etwa dies Merkmal beginnt. Für diejenigen Ortschaften, welche in der Vergangenheit den Rechts Charakter von Städten hatten, traf dieses Merkmal bei weitem nicht immer zu. Und es gibt im heutigen Rußland „Dörfer", welche, mit vielen Tausenden von Einwohnern, weit größer sind als manche alte „Städte" (z. B. im polnischen Siedlungsgebiet unseres Ostens), welche etwa nur einige Hundert zählten. 1 Die Größe allein kann jedenfalls nicht entscheiden. | Versucht man, die Stadt rein ökonomisch zu A 622 a In A folgt: E i n e s o z i o l o g i s c h e U n t e r s u c h u n g . V o n M A X W E B E R . D e f i n i t i o n e n sinngemäß ergänzt. c A: H ä u s e r

b Fehlt in A;

1 Webers Informationsgrundlage für die bevölkerungsreichen Dörfer im Rußland seiner Zeit ist nicht festzustellen. Daß in Rußland Ortschaften existierten, die nicht als Städte galten, obwohl sie mehrere tausend Einwohner zählten, läßt sich nachweisen; vgl. Statistische und andere wissenschaftliche Mittheilungen aus Rußland, 16. Jg. - St. Petersburg: H. Schmitzdorff 1883, S. 9 - 3 0 , wo die betreffenden Orte als „Flecken oder Marktflecken" (S. 9) bezeichnet werden, wie z. B. die Orte D u b o w k a (Gouvernement Saratow) mit 12 737, Wosnessensk (Gouvernement Chersson) mit 9 4 5 8 , Sergljewskij (Gouvernement Moskau)

60

Die

Stadt

definieren, so wäre sie eine Ansiedelung, deren Insassen zum überwiegenden Teil von dem Ertrag nicht landwirtschaftlichen, sondern gewerblichen oder händlerischen Erwerbs leben. Aber es wäre nicht zweckmäßig^ alle Ortschaften dieser Art „Städte" zu nennen. Jene Art von Ansiedelungen, welche aus Sippenangehörigen mit einem einzelnen[,j faktisch erblichen Gewerbebetrieb bestehen - die „Gewerbedörfer" Asiens 2 und Rußlands3 -, wird man nicht unter den Begriff „Stadt" bringen wollen. Als weiteres Merkmal wäre das einer gewissen „Vielseitigkeit" der betriebenen Gewerbe hinzuzufügen. Aber auch dieses an sich scheint nicht geeignet, für sich allein mit 27471 Einwohnern und im Gouvernement Jekaterinosiaw: Asow mit 16791, Lugan mit 10049 und Nikopoi mit 9 7 0 6 Einwohnern. - Erhebliche polnische Bevölkerungsanteile gab es in den preußischen Provinzen Posen (60% der Gesamtbevölkerung nach der Volkszählung von 1890), Westpreußen (30%) und Schlesien (23%); die polnische Bevölkerung lebte (von der Stadt Posen abgesehen) überwiegend in geschlossenen Siedlungsgebieten auf dem Land und in kleinen Landstädten. Nach der Volkszählung von 1905 gab es in Posen 53 Städte mit weniger als 2000 Einwohnern, davon 33 mit überwiegend polnischer Bevölkerung. Unter den acht Städten, deren Einwohnerzahl unter 1000 lag, überwog in fünf der Anteil der polnischen Bevölkerung: Jaratschewo (Kreis Jarotschin) 850 Einwohner (davon 696 polnischer Abstammung), Baranow (Kreis Kempen in Posen) 877 (801), Xions (Kreis Schrimm) 898 (549), Gonsawa (Kreis Znin) 827 (718) und Rogowo (Kreis Znin) 841 (620); Gemeindelexikon für die Provinz Posen. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1905 und anderer amtlicher Quellen bearbeitet vom Königlich Preußischen Statistischen Landesamte (Gemeindelexikon für das Königreich Preußen, Heft 5). - Berlin: Verlag des Königlichen Statistischen Landesamtes 1908. 2 „Asien" dürfte sich in erster Linie auf Indien beziehen. In Indien gab es seit ältester Zeit Dörfer, in denen sämtliche Einwohner jeweils ein spezifisches Handwerk ausübten; dazu Fick, Richard, Die sociale Gliederung im nordöstlichen Indien zu Buddha's Zeit. Mit besonderer Berücksichtigung der Kastenfrage. Vornehmlich auf Grund der Jätaka dargestellt. - Kiel: C. F. Haeseler 1897, S. 1 8 0 - 1 8 2 (hinfort: Fick, Sociale Gliederung), sowie Weber, Hinduismus, MWG I/20, S. 174f. Das Phänomen begegnet aber auch in späteren Epochen der indischen Geschichte; an welche Zeit Weber hier konkret denkt, ist nicht zu entscheiden. 3 In Rußland bestanden in zahlreichen Dörfern bäuerliche Handwerksbetriebe zur Beschäftigung der Bauernfamilie außerhalb der landwirtschaftlichen Saison; dabei wurde in den einzelnen Gemeinden im Regelfall nur jeweils ein bestimmtes Handwerk betrieben; vgl. Haxthausen, August von, Studien über die innern Zustände, das Volksleben und insbesondere die ländlichen Einrichtungen Rußlands, 1. Thell. - Hannover: Hahn 1847, S. 182. In manchen Regionen stellte der bäuerliche Handwerksbetrieb („Kustar") die wichtigste Einnahmequelle dar. Im Laufe des 19. Jahrhunderts fand ein Übergang zur Produktion mit Maschinen statt. Bekannt ist besonders das Gewerbedorf Ivanovo (etwa 250km nordöstlich von Moskau), in dem das seit dem 16. Jahrhundert betriebene Textilgewerbe im 19. Jahrhundert mit der Umstellung auf Baumwollverarbeitung und -druck großen Aufschwung nahm; vgl. Tugan-Baranowsky, M[ichail], Geschichte der russischen Fabrik. Vom Verfasser revidierte deutsche Ausgabe von B[oris] Minzes (Sozialgeschichtliche Forschungen. Ergänzungshefte zur Zeitschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Heft 5/6). - Berlin: Emil Felber 1900, S. 5 8 - 6 0 und 2 6 0 - 2 6 5 .

I. Begriff und Kategorien

der Stadt

61

ein entscheidendes Merkmal zu bilden. Sie kann grundsätzlich in zweierlei Art begründet sein. Nämlich entweder 0 in dem Vorhandensein eines grundherrlichen, vor allem eines Fürstensitzes als Mittelpunkt 6 , für dessen ökonomischen oder politischen Bedarf unter Produktionsspezialisierung gewerblich gearbeitet und Güter | eingehandelt werden. Einen grundherrlichen oder fürstlichen Oikos aber mit einer noch so großen Ansiedelung fron- und abgabenpflichtiger Handwerker und Kleinhändler pflegt man nicht „Stadt" zu nennen, obwohl historisch ein sehr großer Bruchteil der wichtigsten „Städte" aus solchen Siedelungen hervorgegangen istf und die Produktion für einen Fürstenhof für sehr viele von ihnen (die „Fürstenstädte") eine höchstwichtige, oft die vorzugsweise Erwerbsquelle der Ansiedler blieb. Das weitere Merkmal, welches hinzutreten muß, damit wir von „Stadt" sprechen, ist: das Bestehen eines nicht nur gelegentlichen, sondern regelmäßigen Güteraustausches am Ort der Siedelung als eines wesentlichen Bestandteils des Erwerbs und der Bedarfsdeckung der Siedler: eines Markts. Nicht jeder „Markt" aber macht den Ort, wo er stattfindet, schon zur „Stadt". Die periodischen Messen 9 und Ferahandelsmärkte (Jahrmärkte), auf welchen sich zu festen Zeiten zureisende Händler zusammenfinden, um ihre Waren im großen oder im einzelnen untereinander oder an Konsumenten abzusetzen, hatten sehr oft in Orten ihre Stätte, welche wir „Dörfer" nennen. Wir wollen von „Stadt" im ökonomischen Sinn erst da sprechen, wo die ortsansässige Bevölkerung einen ökonomisch wesentlichen Teil ihres Alltagsbedarfs auf dem örtlichen Markt befriedigt, und zwar zu einem wesentlichen Teil durch Erzeugnisse, welche die ortsansässige und die Bevölkerung des | nächsten Umlandes für den Absatz auf dem Markt erzeugt oder sonst erworben hat. Jede Stadt im hier gebrauchten Sinn des Wortes ist „Marktort", d.h. hat einen Lokalmarkt als ökonomischen Mittelpunkt der Ansiedelung, auf welchem, infolge einer bestehenden ökonomischen Produktionsspezialisierung, auch die nicht städtische Bevölkerung ihren Bedarf an gewerblichen Erzeugnissen oder Handelsartikeln oder an beiden deckt, und auf welchem natürlich auch die Städter selbst die Spezialprodukte und den Konsumbedarf ihrer Wirtschaften gegenseitig aus- und eintauschen. Es ist ursprünglich durchaus das Normale, d In A folgt: a )

e A: M i t t e l p u n k t s

f A: ist,

g A: M e s s e n -

WUG

1

A 6 2 3

514

62

Die Stadt

daß die Stadt, wo sie überhaupt als ein vom Lande unterschiedenes Gebilde auftritt, sowohl Grundherren- oder Fürstensitz wie Marktort ist, ökonomische Mittelpunkte beider Art - Oikos und Markt nebeneinander besitzt, und es ist häufig, daß neben dem regelmäßigen Lokalmarkt Fernmärkte zureisender Händler im Ort periodisch stattfinden. Aber die Stadt (im hier gebrauchten Sinn des Worts) ist Marktansiedelung. Die Existenz des Markts beruht sehr oft auf einer Konzession und Schutzzusage des Grundherrn oder Fürsten, welcher einerseits an dem regelmäßigen Angebot fremder Handelsartikel und Gewerbeprodukte des Fernmarkts und an den Zöllen, Geleits- und anderen Schutzgeldern, Marktgebühren, Prozeßgefällen, 4 die er einbringt, ein Interesse hat, außerdem aber an der lokalen Ansiedelung von steuerfähigen Gewerbetreibenden und Händlern und, sobald an dem Markt eine Marktansiedelung entsteht, auch an den dadurch erwachsenden Grundrenten zu verdienen hoffen darf, - Chancen, welche für ihn um so größere Bedeutung haben, als es sich hier um geldwirtschaftliche, seinen Edelmetallschatz vermehrende Einnahmen handelt. Daß einer Stadt die Anlehnung, auch die räumliche, an einen Grundherren- oder Fürstensitz völlig fehlt, daß sie entweder an einem geeigneten Umschlagsplatz kraft Konzession nicht ortsansässiger Grundherren oder Fürsten oder auch kraft eigener Usurpation der Interessenten als reine Marktansiedelung entsteht, kommt vor. Entweder so, daß einem Unternehmer eine Konzession gegeben wird, einen Markt anzulegen und Siedler zu gewinnen. Dies war im mittelalterlichen, und zwar speziell im ost-, nord- und mitteleuropäischen Städtegründungsgebiet etwas besonders häufiges und kam in der ganzen Welt und Geschichte vor, wenn es auch nicht das Normale war. DaA 624 gegen konnte die Stadt auch ohne alle | Anlehnung an Fürstenhöfe oder Fürstenkonzessionen durch Zusammenschluß von fremden Eindringlingen, Seekriegsfahrern oder kaufmännischen Siedlern oder endlich auch von einheimischen Zwischenhandelsinteressenten entstehen, und dies ist an den Mittelmeerküsten im frühen Altertum und gelegentlich im frühen Mittelalter ziemlich häufig gewesen. Eine solche Stadt konnte dann reiner Marktort sein. Aber immerhin war noch häufiger: das Miteinander großer 4 Büß- und Friedensgelder, auf die Markt- und Stadtherren als Inhaber der Marktgerichtsbarkeit A n s p r u c h hatten.

5

10

15

20

25

30

35

I. Begriff und Kategorien

5

10

15

20

25

30

der Stadt

63

fürstlicher oder grundherrlicher | Patrimonialhaushaltungen einer- WuG1 515 seits und eines Marktes andererseits. Der grundherrliche oder fürstliche Hofhalt als der eine Anlehnungspunkt der Stadt konnte dann seinen Bedarf entweder vornehmlich naturalwirtschaftlich, durch Fronden oder Naturaldienste oder Naturalabgaben 5 der von ihm abhängenden ansässigen Handwerker oder Händler decken, oder er konnte auch seinerseits mehr oder minder vorwiegend durch Eintausch auf dem städtischen Markt, als dessen kaufkräftigster Kunde, sich versorgen. Je mehr das letztere geschieht, desto stärker trat die Marktbasis der Stadt in den Vordergrund, hörte die Stadt auf, ein bloßes Anhängsel, eine bloße Marktansiedelung neben dem Oikos zu sein, wurde sie also trotz der Anlehnung an die großen Haushalte eine Marktstadt. In aller Regel ist die quantitative Ausdehnung ursprünglicher Fürstenstädte und ihre ökonomische Bedeutsamkeit Hand in Hand gegangen mit einer Zunahme der Marktbedarfsdeckung des fürstlichen und der an ihn, als Höfe der Vasallen oder Großbeamten, angegliederten anderen städtischen Großhaushalte. Dem Typus der Fürstenstadt, also einer solchen, deren Einwohner in ihren Erwerbschancen vorwiegend direkt oder indirekt von der Kaufkraft des fürstlichen und der anderen Großhaushalte abhängen, stehen solche Städte nahe, in welchen die Kaufkraft anderer Großkonsumenten, also: Rentner, ausschlaggebend die Erwerbschancen der ansässigen Gewerbetreibenden und Händler bestimmt. Diese Großkonsumenten können aber sehr verschiedenen Typus haben, je nach Art und Herkunft ihrer Einnahmen. Sie können 1. Beamte sein, die ihre legalen oder illegalen Einkünfte, oder 2. Grundherren und politische Machthaber, welche ihre außerstädtischen Grundrenten oder andere, speziell politisch bedingte, Einnahmen dort verausgaben. Beide Male steht die Stadt dem 5 „Fronden" waren Dienstleistungen, die einem Leib-, G r u n d - oder L a n d e s h e r r e n geschuldet wurden. Sie umfaßten in ihrem zeitlichen U m f a n g festgelegte Arbeitsverpflichtungen auf d e m Herrenland o d e r z w e c k g e b u n d e n e L e i s t u n g e n (Pflug-, Spann-, R e p a r a tur- und Botendienste). W e b e r b e z e i c h n e t d i e s e a u c h mit d e m Begriff „Naturaldienste". „ N a t u r a l a b g a b e n " zählten ebenfalls z u d e n aus persönlicher und wirtschaftlicher A b h ä n gigkeit f o l g e n d e n Leistungen; sie konnten nicht nur landwirtschaftliche, s o n d e r n (wie im Falle der im Text angeführten, z u einer H o f g e n o s s e n s c h a f t z ä h l e n d e n H a n d w e r k e r und Händler) a u c h g e w e r b l i c h e Produkte umfassen. D a z u Brünneck, [August W.] von, „Fronden", in: HdStW 3 , B a n d 4, S. 4 8 5 - 4 8 8 ; Heckel, M a x von, „Naturalleistungen", in: HdStW 3 , B a n d 6, S. 8 9 4 - 8 9 6 .

64

Die

Stadt

Typus der Fürstenstadt sehr nahe: sie ruht auf patrimonialen und A 625 politischen Einnahmen als Basis der Kaufkraft der Großkonsumenten (Beispiel: für die Beamtenstadt: Peking, für die Grundrentnerstadt: Moskau vor Aufhebung der Leibeigenschaft). 6 Von diesen Fällen ist der scheinbar ähnliche Fall prinzipiell zu scheiden, 5 daß städtische Grundrenten, die durch monopolistische „Verkehrslage" von Stadtgrundstücken bedingt sind,7 ihre Quelle also indirekt gerade in städtischem Gewerbe und Handel haben, in der Hand einer Stadtaristokratie zusammenfließen (zu allen Zeiten, speziell auch in der Antike, von der Frühzeit bis zu Byzanz[,] und 10 ebenso im Mittelalter verbreitet). Die Stadt ist dann ökonomisch nicht Rentnerstadt, sondern, je nachdem, Händler- oder Gewerbestadt, jene Renten sindh Tribut der Erwerbenden an den Hausbesitz. Die begriffliche Scheidung dieses Falles von den nicht durch Tributpflicht des städtischen Erwerbs, sondern außerstädtisch bedingten 15 Renten kann nicht hindern, daß in der Realität beides in der Vergangenheit sehr stark ineinander überging. Oder die Großkonsumenten können Rentner sein, welche geschäftliche Einnahmen, heute vor allem Wertpapierzinsen und Dividenden oder Tantiemen dort verzehren: die Kaufkraft ruht dann hauptsächlich auf 20 geldwirtschaftlich, vornehmlich kapitalistisch bedingten Rentenquellen (Beispiel: Arnhem). 8 Oder sie ruht auf staatlichen Geldpensionen oder anderen Staatsrenten (etwa ein „Pensionopolis"

h Fehlt in A; sind sinngemäß ergänzt. 6 Peking war seit 1421 die Residenzstadt der chinesischen Kaiser. - Die Leibeigenschaft wurde in Rußland mit dem Gesetz vom 19. Februar 1861 aufgehoben. 7 Gemeint ist, daß mit städtischen Grundstücken, die für Gewerbe- und Handelsbetriebe geeignet sind oder in einer bevorzugten Wohngegend liegen, wegen der Beschränktheit des zur Verfügung stehenden Bodens durch Vermietung und Verpachtung hohe Erträge zu erzielen sind, die auf einer Quasi-Monopolstellung beruhen; vgl. Lexis, [Wilhelm], „Grundrente", in: Wörterbuch der Volkswirtschaft in zwei Bänden, hg. von Ludwig Elster, Band 1, 2., völlig umgearbeitete Aufl. - Jena: Gustav Fischer 1906, S. 1136-1141, hier S. 1139. 8 In Arnhem, der Hauptstadt der niederländischen Provinz Geldern, hatten sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche „Zuckerlords" niedergelassen, die ihr Vermögen mit Geschäften der Handelskompagnie in Niederländisch-Indien gemacht hatten. Der Zuzug von Wohlhabenden ließ wegen des Rückgangs der Einkünfte aus den Zuckerimporten nach 1870 zunächst nach, nahm dann aber aufgrund wiederholter Werbekampagnen der Stadtverwaltung (mit Hinweis auf die hohe Wohnqualität und die günstigen klimatischen Verhältnisse) bis 1910 erneut zu.

I. Begriff und Kategorien der Stadt

65

wie Wiesbaden).9 In all diesen und zahlreichen ähnlichen Fällen ist die Stadt, je nachdem, mehr oder weniger, Konsumentenstadt. Denn für die Erwerbschancen ihrer Gewerbetreibenden und Händler ist die Ansässigkeit jener, untereinander ökonomisch verschieden ge5 arteten, Großkonsumenten an Ort und Stelle ausschlaggebend. Oder gerade umgekehrt: die Stadt ist Produzentenstadt, das Anschwellen ihrer Bevölkerung und deren Kaufkraft beruht also darauf, daß - wie etwa in Essen oder Bochum 10 - Fabriken, Manufakturen oder Heimarbeitsindustrien in ihnen ansässig sind, welche aus10 wärtige Gebiete versorgen: der moderne Typus, oder daß in Form des Handwerks Gewerbe am Ort bestehen, deren Waren nach auswärts versendet werden: der asiatische, antike und mittelalterliche Typus. Die Konsumenten für den örtlichen Markt stellen teils, als Großkonsumenten, die Unternehmer - wenn sie, was nicht immer 15 der Fall, ortsansässig sind - , teils und namentlich, als Massenkonsumenten, die Arbeiter und Handwerker und, teilweise als Großkonsumenjten, die | durch sie indirekt gespeisten Händler und WuG1 516, A 626 Grundrentenbezieher. Wie diese Gewerbestadt, so stellt sich schließlich der Konsumentenstadt auch die Händlerstadt gegenüber, 11 eine

9 Beamte und Offiziere prägten die Bevölkerungsstruktur Wiesbadens, das 1806 Hauptstadt des neu gegründeten Herzogtums Nassau geworden und seit der Annexion durch Preußen 1866 Sitz eines Regierungspräsidenten war. Der Ausbau der Kuranlagen seit dem frühen 19. Jahrhundert bewirkte zudem, daß gutsituierte „Pensionäre" sich hier auf Dauer niederließen. Das Bevölkerungswachstum (von 3000 Einwohnern 1807 bzw. 26000 Einwohnern 1866 auf über 100000 im Jahre 1905) beruhte wesentlich auf der Zuwanderung, die der Ausbau als Kur- und Fremdenverkehrsort bzw. Wohnstadt für „Rentiers" mit dem entsprechenden Bedarf an Dienstleistungspersonal mit sich brachte. Durch seinen vergleichsweise hohen Anteil an alten und wohlhabenden Einwohnern unterschied sich Wiesbaden erheblich von anderen Großstädten. Die Bezeichnung als „Pensionopolls" findet sich auch bei Sombart, Werner, Der moderne Kapitalismus, Band 2: Die Theorie der kapitalistischen Entwicklung. - Leipzig: Duncker & Humblot 1902, S.223 (hinfort: Sombart, Kapitalismus); sie soll zurückgehen auf eine scherzhafte Bemerkung Kaiser Wilhelms I., der sich häufig Im Frühjahr in Wiesbaden aufhielt; Schultes, C., Physiognomie einer Welt-, Bade- und Pensionsstadt, In: Vom Fels zum Meer, 1883, Heft 8, S. 180-191, hier S. 182. 10 Die rasante Zunahme der Einwohnerzahlen beruhte auf dem Aufschwung von Stahlindustrie und Steinkohlebergbau seit dem späteren 19. Jahrhundert. Die Einwohnerzahl Bochums stieg von 8800 (1858) über 41000 (1885) auf 53000 (1895); diejenige Essens im gleichen Zeitraum von 18000 über 65000 auf 96000. Für den Anstieg auf 118000 (Bochum) bzw. 231000 (Essen) Im Jahre 1905 sind auch die seit 1895 erfolgten Erweiterungen des Stadtgebiets durch Eingemeindungen zu berücksichtigen. 11 Weber orientiert sich mit seiner Typologie an Sombart, Kapitalismus, Band 2, S. 1 9 6 224; vgl. ferner die Einleitung, oben, S. 12f.

66

Die

Stadt

Stadt also, bei welcher die Kaufkraft ihrer Großkonsumenten darauf beruht, daß sie entweder fremde Produkte am örtlichen Markt mit Gewinn detaillieren (wie die Gewandschneider im Mittelalter) oder heimische oder doch (wie bei den Häringen1 der Hansa 12 ) von heimischen Produzenten gewonnene Waren mit Gewinn nach außen absetzend oder fremde Produkte erwerben und mit oder ohne Stapelung 13 am Orte selbst nach auswärts absetzen (Zwischenhandelsstädte). Oder - und das ist natürlich sehr oft der Fall - daß sie alles dies kombinieren: die „Commenda" und „Societas maris" der Mittelmeerländer bedeuteten zum erheblichen Teil, daß ein „tractator" (reisender Kaufmann) mit dem von ortsansässigen Kapitalisten ganz oder teilweise ihm kommanditierten Kapital einheimische oder auf dem einheimischen Markt gekaufte Produkte nach den Märkten der Levante fuhr - oft genug dürfte er auch ganz in Ballast dorthin gefahren sein - , jene dort verkaufte, mit dem Erlös orientalische Waren kaufte und auf den heimischen Markt brachte, wo sie verkauft, der Erlös aber nach vereinbartem Schlüssel zwischen dem tractator und dem Kapitalisten geteilt wurde. 14 Auch die Kaufkraft und Steuerkraft der Handelsstadt beruht also jedenfalls, wie bei der Produzentenstadt, und im Gegensatz zur Konsumenteni Andere Schreibweise von Heringen

k A: absetzten

12 „Hanse" (von ahd. „hansa", bewaffnete Schar) war ursprünglich die Bezeichnung für eine Schutzgemeinschaft von Fernhändlern, die sich zu gemeinsamer Fahrt zusammenfanden. Hier meint Weber den (vom 13. bis zum 17. Jahrhundert bestehenden) Zusammenschluß von west- und norddeutschen Städten, die den Handel von Flandern bis zum Baltikum beherrschten. Seit dem 14. Jahrhundert kontrollierte die deutsche Hanse den höchst profitablen Handel mit den vor der Küste von Schonen (Südschweden, bis 1658 unter dänischer Herrschaft) von dänischen Fischern gefangenen Heringen; dazu Lindner, Theodor, Die deutsche Hanse. Ihre Geschichte und Bedeutung. Für das deutsche Volk dargestellt, 2. Aufl. - Leipzig: Ferdinand Hirt 1901, S. 120-123; Schäfer, Dietrich, Die Hanse (Monographien zur Weltgeschichte, Band 19). - Bielefeld und Leipzig: Velhagen & Klasing 1903, hier S. 42f.; ders., „Hanse", in: HdStW 3 , Band 5, S. 3 9 3 - 3 9 8 , hier S. 396. 13 In Städten, die das Stapelrecht besaßen, konnte von stadtfremden Kaufleuten verlangt werden, ihre Waren für einen bestimmten Zeltraum auf dem Markt oder auf den Schiffsanlegeplätzen zum Verkauf anzubieten; Stleda, Wilhelm, „Stapelrecht", in: HdStW 3 , Band 7, S. 8 0 8 - 8 2 4 . 14 Weber definierte die „Kommenda" als ein „dem Um- und Absatz von Gütern durch Seehandel dienendes Geschäft", bei dem „jemand die Verwertung von Waren eines andern, auf dessen Gefahr, gegen Gewinnanteil übernimmt"; Weber, Handelsgesellschaften, S. 15 und 17 (MWG 1/1). Bei der „societas maris" hingegen tragen sowohl der reisende wie der nur mit einer Einlage beteiligte Gesellschafter gemeinsam die Risiken für den gesamten Warenbestand; ebd., S. 22f. und welter S. 2 6 - 4 3 .

I. Begriff und Kategorien der Stadt

5

10

15

20

25

30

35

67

Stadt, auf ortsansässigen Erwerbsb&in&b&n. An diejenigen der Händler lehnen sich die Speditions- und Transportgewerbe 1 und die zahlreichen sekundären Groß- und Kleinerwerbschancen an. Jedoch vollziehen sich bei ihr die Erwerbsgeschäfte, welche diese Betriebe konstituieren, nur beim örtlichen Detaillieren gänzlich am örtlichen Markt, beim Fernhandel dagegen zum erheblichen oder größeren Teil auswärts. Etwas prinzipiell Ähnliches bedeutet es, wenn eine moderne Stadt (London, Paris, Berlin) Sitz der nationalen oder internationalen Geldgeber und Großbanken oder (Düsseldorf) Sitz großer Aktiengesellschaften oder Kartellzentralen ist. Überwiegende Teile der Gewinnste aus Betrieben fließen ja heute überhaupt, mehr wie je, an andere Orte als die, in denen der sie abwerfende Betrieb liegt. Und andererseits wieder werden stetig wachsende Teile von Gewinnsten von den Bezugsberechtigten nicht an dem großstädtischen Ort ihres geschäftlichen Sitzes konsumiert, sondern auswärts, teils in Villen) vororten, teils aber und noch mehr A 627 in ländlichen Villeggiaturen, internationalen Hotels usw. verzehrt. Parallel damit entstehen die nur oder doch fast nur aus Geschäftshäusern bestehenden „Citystädte" oder (und meist) Stadtbezirke. Es ist hier nicht die Absicht, eine weitere Spezialisierung und Kasuistik, wie sie eine streng ökonomische Städtetheorie zu leisten hätte, vorzuführen. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß die empirischen Städte fast durchweg Mischtypen darstellen und daher nur nach ihren jeweils vorwiegenden ökonomischen Komponenten klassifiziert werden können. Die Beziehung der Städte zur Landwirtschaft war keineswegs eindeutig. Es gab und gibt „Ackerbürgerstädte", d.h. Orte, welche als Stätten des Marktverkehrs und Sitz der typischen städtischen Gewerbe sich von dem Durchschnitt der Dörfer weit entfernen, in denen aber eine breite Schicht ansässiger Bürger ihren Bedarf an Nahrungsmitteln eigenwirtschaftlich decken und sogar auch für den Absatz produzieren. Gewiß ist das Normale, daß die Stadteinwohner, je größer die Stadt ist, um so weniger über eine irgendwie im Verhältnis zu ihrem Nahrungsbedarf stehende und ihnen zur Nahrungsmittelproduktion vorbehaltene Ackerflur, meist auch: daß sie über keine hinlängliche, ihnen vorbehaltene Weide- und Wald-

I A: Transportgewerbe-

68

Die Stadt

nutzung zu verfügen pflegen, in der Art, wie ein „Dorf" sie besitzt. Der größten deutschen Stadt des Mittelalters: Köln, fehlte z. B. auch die bei keinem normalen damaligen Dorf fehlende „Allmende" fast gänzlich und offenbar von Anfang an. 15 Allein andere deutsche und ausländische mittelalterliche Städte hatten zum mindesten be- 5 trächtliche Viehweiden und Waldungen, die ihren Bürgern als solchen zu Gebote standen. Und sehr große Ackerfluren als Zubehör des städtischen Weichbildes 16 sind, und zwar in der Vergangenheit, je mehr wir nach Süden und rückwärts in die Antike gehen, desto WuG1 517 mehr, vor (gekommen. Wenn wir heute den typischen „Städter" im 10 ganzen mit Recht als einen Menschen ansehen, der seinen eigenen Nahrungsmittelbedarf nicht auf eigenem Ackerboden deckt, so gilt für die Masse der typischen Städte (Poleis) des Altertums ursprünglich geradezu das Gegenteil. Wir werden sehen, 17 daß der antike Stadtbürger vollen Rechts, im Gegensatz zum mittelalterlichen, ur- 15 sprünglich geradezu dadurch charakterisiert war: daß er einen KleroS[,j fundus (in Israel: chelek), 18 ein volles Ackerlos, welches ihn ernährte, sein eigen nannte: der antike Vollbürger ist „Ackerbürger". | A 628 Und erst recht fand sich landwirtschaftlicher Besitz in den Hän- 20 den der Großverbandschichten m der Städte, sowohl des Mittelalters - auch hier freilich im Süden weit mehr als im Norden 1 9 - wie der

m Das Textverderbnis läßt sich nicht klären, gemeint sein könnte: Großbürgerschichten 15 Weber spielt auf die Diskussion um die Gemeindeentstehung in Köln an, in der das Vorhandensein einer Allmende in Köln umstritten war. Er folgt hier offensichtlich (wie auch an anderen Stellen) der Ansicht von Beyerle, Entstehung; vgl. die Zusammenfassung der Forschungsdiskussion ebd., S. 14-17, sowie die Einleitung, oben, S.31, Anm. 163. 16 „Weichbild" bedeutet „Ortsrecht" im Gegensatz zum im ganzen Land geltenden Recht; dies erklärt die Verwendung im Sinne von „Stadtrecht" und dann auch im Sinne von „Stadtgebiet"; Below, Georg von, Das ältere deutsche Städtewesen und Bürgertum (Monographien zur Weltgeschichte, Band 6), 2. Aufl. - Bielefeld und Leipzig: Velhagen und Klasing 1905, S.5 (hinfort: Below, Städtewesen). 17 Siehe unten, S. 263 und 265-267. 18 Weber führt nacheinander die griechische, lateinische und hebräische Bezeichnung für Landlos, Grundstück, Erbgut an. Er verweist in: Judentum I, S. 130 (MWG 1/21), darauf, daß er die Parallele zwischen dem griechischen und dem hebräischen Begriff, bei dem die Bedeutung „Beuteanteil" mitschwinge, Meyer verdanke; Meyer, Eduard, Die Israeliten und ihre Nachbarstämme. Alttestamentliche Untersuchungen. - Halle: Niemeyer 1906, S.498f. (hinfort: Meyer, Israeliten). 19 D.h. südlich bzw. nördlich der Alpen.

I. Begriff und Kategorien

der

Stadt

69

Antike. Landbesitz von gelegentlich ganz exorbitanter Größe findet sich weithin zerstreut in den mittelalterlichen oder antiken Stadtstaaten, entweder von der Stadtobrigkeit mächtiger Städte als solcher politisch oder auch grundherrlich beherrscht oder im grundherrlichen Besitz einzelner vornehmer Stadtbürger: die chersonesischen Herrschaft des Miltiades 20 oder die politischen und grundherrlichen Besitzungen mittelalterlicher Stadtadelsfamilien, wie der genuesischen Grimaldi in der Provence und über See,21 sind Beispiele dafür. Indessen diese interlokalen Besitzungen und Herrschaftsrechte einzelner Stadtbürger waren in aller Regel kein Gegenstand der städtischen Wirtschaftspolitik als solcher, obwohl ein eigentümliches Mischverhältnis überall da entsteht, wo der Sache nach jener Besitz den einzelnen von der Stadt, zu deren mächtigsten Honoratioren sie gehörten, garantiert wird, er mit indirekter Hilfe der Stadtmacht erworben und behauptet, die Stadtherrschaft an seiner ökonomischen oder politischen Nutzung beteiligt ist, - wie dies in der Vergangenheit häufig war. Die Art der Beziehung der Stadt als Träger des Gewerbes und Handels zum platten Land als Lieferanten der Nahrungsmittel bildet nun einen Teil eines Komplexes von Erscheinungen, welche man „Stadtwirtschaft" genannt und als eine besondere „Wirtschaftsstufe" der „Eigenwirtschaft" einerseits, der „Volkswirtschaft" andererseits (oder einer Mehrheit von in ähnlicher Art gebildeten Stufen) entgegengestellt hat. 22 Bei diesem Begriff sind n A: chersonnesische

2 0 In der Mitte des 6. Jahrhunderts v.Chr. unternahm Miltiades der Ältere mit athenischen Freiwilligen einen Zug auf die thraklsche Chersones (eine Halbinsel am Hellespont, heute Galllpoll) und begründete dort eine Herrschaft, die seine Familie bis 493 v.Chr. innehatte, zuletzt der jüngere Miltiades, der Sieger über die Perser bei Marathon 490 v.Chr. (Herodot 6, 34-41). 21 Die Grimaldi, nachgewiesen seit dem ersten Drittel des 12. Jahrhunderts, waren eine der einflußreichsten Familien In Genua. Sie beherrschten mit Unterbrechungen seit Ende des 13. Jahrhunderts, dauerhaft seit 1458 Monaco (seit 1612 als Fürstentum) zusammen mit weiteren Besitzungen In der provenzalischen Küstenregion (Cagne, Vllleneuve-surVence, Menton). Außerdem waren sie im 15. Jahrhundert In den genuesischen Niederlassungen auf Chios sowie In Galata (einem Stadtteil Konstantinopels) vertreten und erwarben 1547 die Insel Tabarca vor Tunis. 2 2 Weber bezieht sich auf die Wirtschaftsstufentheorien, die (mit leichten Variationen) von Schmoller, Schönberg, Bücher u. a. seit den 1880er Jahren entwickelt worden waren; vgl. die Einleitung, oben, S. 8f.

70

Die Stadt

aber wirtschaftspolitische Maßregeln mit rein wirtschaftlichen Kategorien in eins gedacht. Der Grund liegt darin, daß die bloße Tatsache des zusammengedrängten Wohnens von Händlern und Gewerbetreibenden und die regelmäßige Deckung von Alltagsbedürfnissen auf dem Markt allein den Begriff der „Stadt" nicht erschöpfen. Wo dies der Fall ist, wo also innerhalb der geschlossenen Siedelungen nur das Maß der landwirtschaftlichen Eigenbedarfsdeckung oder - was damit nicht identisch ist - der landwirtschaftlichen Produktion im Verhältnis zum nicht landwirtschaftlichen Erwerb und das Fehlen und Bestehen von Märkten Unterschiede konstituiert, da werden wir von Gewerbe- und Händlerortschaften und von | A 629 „Marktflecken" reden, aber nicht von einer „Stadt". Daß die Stadt nicht nur eine Anhäufung von Wohnstätten, sondern außerdem ein Wirtschaftsverband ist, mit eigenem Grundbesitz, Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft, unterscheidet sie ebenfalls noch nicht vom Dorf, welches das gleiche kennt, so groß der qualitative Unterschied sein kann. Endlich war es auch an sich nicht der Stadt eigentümlich, daß sie, in der Vergangenheit wenigstens, nicht nur Wirtschaftsverband, sondern auch wirtschaftsregulierender Verband war. Denn auch das Dorf kennt Flurzwang, 23 Weideregulierung, Verbot des Exports von Holz und Streu und ähnliche Wirtschaftsregulierungen: eine Wirtschaftspo//f;7c des Verbandes als solche also. Eigentümlich war nur die in den Städten der Vergangenheit vorkommende Art und vor allem: die Gegenstände dieser wirtschaftspolitischen Regulierung von Verbands wegen und der Umfang von charakteristischen Maßregeln, welche sie umschloß. Diese „Stadtwirtschaftspolitik" nun rechnete allerdings in einem erheblichen Teil ihrer Maßnahmen mit der Tatsache, daß unter den Verkehrsbedingungen der Vergangenheit die Mehrzahl aller Binnenstädte - denn von den Seestädten galt das gleiche nicht, wie die Getreidepolitik von Athen 1 WuG 518 und Rom | beweisen 24 - auf die Versorgung der Stadt durch die Landwirtschaft des unmittelbaren Umlandes angewiesen war, daß

2 3 Flurzwang besteht, w e n n die G r u n d b e s i t z e r einer G e m a r k u n g s i c h verpflichten (oder v o m G r u n d h e r r n verpflichtet werden), „auf ihrem A n b a u l a n d e einen im w e s e n t l i c h e n gleic h e n Fruchtbau mit ü b e r e i n s t i m m e n d e n Bestellungs-, A u s s a a t - und Erntefristen innezuhalten"; Meitzen, August, „Flurzwang", in: HdStW 3 , B a n d 4, S. 3 7 4 - 3 7 7 , d a s Zitat S. 374. 2 4 Es k a m jeweils auf die S i c h e r u n g der Getreideimporte aus ü b e r s e e i s c h e n G e b i e t e n an; vgl. a u c h unten, S. 256f.

I. Begriff und Kategorien der Stadt

5

10

15

20

25

71

eben dies Gebiet °den naturgemäßen 0 Absatzspielraum der Mehrzahl der städtischen Gewerbe - nicht etwa: aller - darstellte und daß der dadurch als naturgemäß gegebene lokale Austauschprozeß auf dem städtischen Markt nicht die einzige, aber eine seiner normalen Stätten fand, insbesondere für den Einkauf der Nahrungsmittel. Sie rechnete ferner damit, daß der weit überwiegende Teil der gewerblichen Produktion technisch als Handwerk, organisatorisch als spezialisierter kapitalloser oder kapitalschwacher Kleinbetrieb mit eng begrenzter Zahl der in längerer Lehrzeit geschulten Gehilfen, ökonomisch endlich entweder als Lohnwerk oder als preis werkliche Kundenproduktion verlief und daß auch der Absatz der ortsansässigen Detaillisten in hohem Maße Kundenabsatz war. 25 Die im spezifischen Sinn sogenannte „Stadtwirtschaftspolitik" 26 nun war wesentlich dadurch gekennzeichnet, daß sie im Interesse der Sicherung der Stetigkeit und Billigkeit der Massenernährung und der Stabilität der Erwerbschancen der Gewerbetreibenden und Händler diese damals in weitgehendem | Maß naturgegebenen Bedingun- A 630 gen der stadtsässigen Wirtschaft durch Wirtschaftsregulierung zu fixieren suchte p . Aber weder hat, wie wir sehen werden, 27 diese Wirtschaftsregulierung den einzigen Gegenstand und Sinn städtischer Wirtschaftspolitik gebildet, noch hat sie da, wo wir sie geschichtlich finden, zu allen Zeiten, sondern wenigstens in ihrer vollen Ausprägung nur in bestimmten Epochen: unter der politischen Zunftherrschaft, bestanden, noch endlich läßt sie sich schlechthin allgemein als Durchgangsstadium aller Städte nachweisen. In jedem Fall aber repräsentiert nicht diese Wirtschaftspofö/Ä: eine universelle Stufe der Wirtschaft. Sondern es läßt sich nur sagen: daß der städtische lokale Markt mit seinem Austausch zwischen landwirtschaftlichen und nicht landwirtschaftlichen Produzenten und ansässigen o A: der naturgemäße

p A: suchten

2 5 „Lohnwerk" bedeutet n a c h Bücher, Karl, „Gewerbe"; in: HdStW 3 , B a n d 4, S. 8 4 7 - 8 8 0 , hier S. 855 (hinfort: Bücher, Gewerbe), „ g e w e r b l i c h e Berufsarbeit, bei welcher der Rohstoff d e m Kunden, d a s W e r k z e u g d e m Arbeiter gehört", „Preiswerk" ist d a g e g e n die „gew e r b l i c h e Produktion für fremden Bedarf [...], bei welcher der Produzent z u g l e i c h Arbeiter und Eigentümer der Roh- und Hilfsstoffe ist" (ebd., S. 862). 2 6 Der Begriff findet sich u. a. bei Schmoller, Gustav, Grundriß der A l l g e m e i n e n Volkswirtschaftslehre, 1., größerer Teil. - Leipzig: D u n c k e r & Humblot 1900, S . 2 9 6 . 2 7 S i e h e unten, S. 241 - 2 4 3 und 255.

Die Stadt

72

Händlern auf der Grundlage der Kundenbeziehung und des kapitallosen spezialisierten Kleinbetriebs eine Art von tauschwirtschaftlichem Gegenbild darstellt, gegen die auf planmäßig umgelegte1' Arbeits- und Abgabenleistungen spezialisierten abhängigen Wirtschaften, in Verbindung mit dem auf Kumulation und Kooperation von Arbeit im Herrenhof ruhenden, im Inneren tauschlosen Oikos, und daß die Regulierung der Tausch- und Produktionsverhältnisse in der Stadt das Gegenbild darstellt für die Organisation der Leistungen der im Oikos vereinigten Wirtschaften. Dadurch, daß wir bei diesen Betrachtungen von einer „städtischen Wirtschaftspolitik", einem „Stadtgebiet", einer „Stadtobrigkeit" sprechen mußten, zeigt sich schon, daß der Begriff der „Stadt" noch in eine andere Reihe von Begriffen eingegliedert werden kann und muß r als in die bisher allein besprochenen ökonomischen Kategorien: in die politischen.28 Träger der städtischen Wirtschaftspolitik kann zwar auch ein Fürst sein, zu dessen politischem Herrschaftsgebiet die Stadt mit ihren Einwohnern als Objekt gehört. Dann wird Stadtwirtschafts/wfo/A:, wenn überhaupt, nur für die Stadt und ihre Einwohner, nicht von ihr getrieben. Aber das muß nicht der Fall sein. Und auch wenn es der Fall ist, muß dabei dennoch die Stadt als ein in irgendeinem Umfang autonomer Verband: eine „Gemeinde" mit besonderen politischen und Verwaltungseinrichtungen in Betracht kommen. Festzuhalten ist jedenfalls: daß man den bisher erörterten ökonoA 631 mischen von dempolitisch-administra\tiven Begriff der Stadt durchaus scheiden muß. Nur im letzteren Sinn gehört zu ihr ein besonderes Stadtgebiet. - Im politisch-administrativen Sinn kann dabei eine Ortschaft als Stadt gelten, welche diesen Namen ökonomisch nicht beanspruchen könnte. Es gab im Mittelalter im Rechtssinn „Städte", deren Insassen zu 9/10 oder mehr, jedenfalls aber zu einem weit größeren Bruchteile als sehr viele im Rechtssinn als „Dörfer" geltende Orte, nur von eigener Landwirtschaft lebten. Der Übergang von einer solchen „Ackerbürgerstadt" zur Konsumenten-, Produ-

q A: umgelegten

r A: muß,

2 8 Bei seinen Ausführungen über den politischen Charakter der Stadt stützt sich Weber in erster Linie auf Arbeiten Georg von Belows; vgl. die Einleitung, oben, S. 14f.

I. Begriff und Kategorien der Stadt

5

10

15

20

25

73

zenten- oder Handelsstadt ist natürlich völlig flüssig. Nur pflegt allerdings in jeder vom Dorf administrativ unterschiedenen und als „Stadt" behandelten Ansiedelung ein Punkt: die Art der Regelung der Grundbesitzverhält|nisse, sich von der ländlichen Grundbesitz- WuG1 519 Verfassung zu unterscheiden. 29 Bei den Städten im ökonomischen Sinne des Worts ist dies durch die besondere Art von Rentabilitätsgrundlage bedingt, welche städtischer Grundbesitz darbietet: Hausbesitz also, bei dem das sonstige Land nur Zubehör ist. Administrativ aber hängt die Sonderstellung des städtischen Grundbesitzes vor allem mit abweichenden Besteuerungsgrundsätzen, meist aber zugleich mit einem für den politisch-administrativen s Begriff der Stadt entscheidenden Merkmal zusammen, welches ganz jenseits einer rein ökonomischen Analyse steht: daß die Stadt im Sinn der Vergangenheit, der Antike wie des Mittelalters, innerhalb wie außerhalb Europas, eine besondere Art von Festung und Garnisonort war. Der Gegenwart ist dieses Merkmal der Stadt gänzlich abhanden gekommen. A b e r auch in der Vergangenheit bestand es nicht überall. In Japan z. B. in aller Regel nicht. Administrativ gesprochen kann man infolgedessen aber auch mit Rathgen bezweifeln, ob es dort überhaupt „Städte" gab. 30 In China umgekehrt war jede Stadt mit riesigen Mauergürteln umgeben. A b e r dort scheinen auch sehr viele ökonomisch rein ländliche Ortschaften, die auch administrativ nicht Stadt, d. h. (wie später zu erwähnen) 31 in China: nicht Sitz staatlicher Behörden sind, von jeher Mauern besessen zu haben. In manchen Mittelmeergebieten, z. B. Sizilien, ist ein außerhalb der

s A: politisch administrativen

29 Anders als auf dem Lande war Grundbesitz in der - korporativ verfaßten, autonomen Stadt frei veräußerlich. Über die ländliche Grundbesitzverfassung handelt Wopfner, H[ermann], „Agrargeschichte II. Agrarverhältnisse im Mittelalter", in: HdStW3, Band 1, S. 188-196 (hinfort: Wopfner, Agrarverhältnisse). Vgl. auch Webers Ausführungen zum Bodenrecht unten, S. 101. 30 Weber bezieht sich auf Rathgen, Volkswirtschaft, besonders S. 147: „Japan Ist kein Land der Städte. Weder sind volkreiche Ansiedelungen häufig, noch tragen sie in der Regel einen besonders stadtartigen Charakter". Und S. 148f.: „Was bei uns historisch die Städte in ihrer Eigenart geschaffen hat, die rechtliche Beschränkung von Handwerk und Marktverkehr auf die Stadt, hat in Japan ebenso gefehlt wie die örtliche Einschliessung durch Wall und Graben, während z. B. China geradezu ein typisches Land der ummauerten Städte ist". 31 Siehe unten, S.85f.

74

Die

Stadt

städtischen Mauern wohnender Mensch, also auch ein landsässiger Landarbeiter, so gut wie unbekannt gewesen: eine Folge von jahrhundertelanger Unsicherheit.32 In Althellas glänzte umgekehrt die Polis Sparta durch ihre Mauerlosigkeit,33 für welche aber andererA 632 seits das Merkmal: „Garnisons|ort" zu sein, in spezifischem Sinn 5 zutraf: deshalb gerade, weil sie das ständige offene Kriegslager der Spartiaten war, verschmähte sie die Mauern.34 Wenn man noch immer streitet, wie lange Athen mauerlos gewesen sei,35 so enthielt es 32 Die Bemerkung zu Sizilien läßt sich zeitlich nicht einordnen, „jahrhundertelange Unsicherheit" liefert dafür angesichts der wechselvollen Geschichte Siziliens keinen eindeutigen Anhaltspunkt. Zur Besiedlungsweise im 19. Jahrhundert, die sich in Ihrer Grundstruktur bis auf die Antike zurückführen läßt, vgl. Sartonus von Waltershausen, A[ugust], Die Sizlllanlsche Agrarverfassung und ihre Wandlungen 1780-1912. Eine sozialpolitische und weltwirtschaftliche Untersuchung. - Leipzig: A. Delchert 1913, S. 12-37. - In: Agrarverhältnisse 3 , S. 123 (MWG I/6), bezieht sich Weber mit einer ähnlichen Äußerung auf Sizilien In seiner eigenen Zelt. 33 Thukydldes 1, 10, 2 hebt den Sonderfall der Siedlung der Spartaner In Dörfern ohne befestigtes Zentrum hervor, was einem sonst bei den Griechen überwundenen Zustand entspreche; vgl. ebd. 1, 7, 1; 1, 8, 3 und 3, 94, 4; dazu Kuhn, Emil, Ueber die Entstehung der Staedte der Alten. Komenverfassung und Synolkismos. - Leipzig: B.G. Teubner 1878, S. 15-17 (hinfort: Kuhn, Städte). 34 Daß die ständige militärische Bereltschaft der Bürger die Mauern In Sparta ersetze, war ein antiker Topos; vgl. v.a. Plutarch, Lykurg 19, 4; Moralla 210 E-F und 217 E; Piaton, Nomol 778 d-e; Valerius Maximus 3, 7, exempla externa 8. Piaton, Nomoi 666e, und Isokrates 6, 81 nennen deshalb Sparta ein „Heerlager". Von Sparta als einem „Exerclerplatz" und „Standort eines schlagfertigen Heers" hat Curtius, Ernst, Griechische Geschichte, Band 1, 4. Aufl. - Berlin: Weidmann 1874, S. 182 gesprochen. In den Im 3. Jahrhundert v.Chr. durchgeführten Befestigungen Spartas hat Hermann, Karl F., Lehrbuch der griechischen Staatsalterthümer aus dem Standpunkt der Geschichte, 5. Aufl. Heldelberg: J.C.B. Mohr 1875, S.211, den Beleg dafür gesehen, daß der „kriegerische Geist von ihm [Sparta] gewichen war". 35 Wann nach der Burg die athenische Unterstadt eine Ummauerung erhielt, Ist nicht bekannt. Die Berichte bei Herodot (9, 13, 2) über die Zerstörung der Stadt durch die abziehenden Perser 479 v.Chr. und bei Thukydldes (1, 89-93) über den unmittelbar danach auf Initiative des Themlstokles mit fieberhafter Elle begonnenen Aufbau des Mauerrings um die Stadt (noch nicht die in den 450er Jahren errichteten „Langen Mauern", die die Stadt mit dem Peiraleus und mit Phaleron verbanden) werden zumeist so verstanden, daß es sich bei dem Mauerbau von 479/478 v.Chr. um eine Wiederherstellung eines früheren Mauerrings gehandelt habe. Belm Fehlen eines eindeutigen archäologischen Befunds finden sich jedoch nicht nur divergierende Annahmen über Datierung und Umfang eines vorthemlstoklelschen Mauerrings, sondern mitunter auch Zweifel daran, daß es diesen überhaupt vor den Perserkriegen gegeben habe; für diese skeptische Position vgl. v.a. Wilamowitz-Moellendorff, U[lrlch] v[on], Burg und Stadt von Kekrops bis Perikles, In: Aus Kydathen (Philologische Untersuchungen, hg. von A[dolf] Kiessling und U[lrlch] v[on] Wilamowitz-Moellendorff, Band 1). - Berlin: Weidmann 1880, S. 97-172; ders., Die sieben Thore Thebens, In: Hermes, Band 26, 1891, S. 191-242, hier S.201, Anm. 1; den Stand der Forschung Anfang des 20. Jahrhunderts gibt Judeich, Walther, Topographie von

I. Begriff und Kategorien der Stadt

75

doch in der Akropolis, wie außer Sparta wohl alle Hellenenstädte, eine Felsenburg, ganz ebenso wie die Orte Ekbatana und Persepolis königliche Burgen mit sich daran anlehnenden Ansiedelungen waren.36 Normalerweise gehört jedenfalls zur orientalischen wie zur antik-mittelländischen Stadt und ebenso zum normalen mittelalterlichen Stadtbegriff die Burg oder Mauer. Die Stadt war weder die einzige noch die älteste Festung. Im umstrittenen Grenzgebiet oder bei chronischem Kriegszustand befestigt sich jedes Dorf. So haben die Slavensiedelungen, deren nationale Form schon früh das Straßendorf gewesen zu sein scheint, offenbar unter dem Druck der ständigen Kriegsgefahr im Elbe- und Odergebiet die Form des heckenumzogenen Rundlings mit nur einem verschließbaren Eingang, durch welchen nachts das Vieh in die Mitte getrieben wurde, angenommen.37 Oder man hat jene überall in der Welt, im israelitischen Ostjordanland wie in Deutschland, verbreiteten Höhenumwallungen angelegt, in welche Waffenlose sich und das Vieh flüchteten. Die sog. „Städte" Heinrichs I. im deutschen Osten waren lediglich systematische Befestigungen dieser Art. 38 In England gehörte zu jeder Grafschaft in angelsächsischer Zeit eine „burh" (borough), nach der sie ihren Namen führte, und hafteten die Wacht- und Garnisondienste als älteste spezifisch „bürgerliche" Last an bestimmten Personen und GrundAthen ( H a n d b u c h der klassischen Altertums-Wissenschaft, Band 3, 2, 2). - München: C.H. Beck 1905, S . 5 8 und 1 1 3 - 1 1 5 (hinfort: Judeich, Topographie). 36 Ekbatana (Egbatana; heute Hamadan) war die Hauptstadt Mediens, die über eine stark befestigte Burg verfügte; Polybios 10, 27, 37f.; Herodot 1, 98, 2 - 99, 1; Meyer, Altertum, Band 1, S. 580f. Persepolis, die Sommerresidenz der persischen Herrscher, ist unter Darius I. seit ca. 518 v.Chr. erbaut und durch Alexander d e n Großen 330 v.Chr. zerstört w o r d e n (Diodor 17, 70). Über die Ruinenstätte (60 km nördlich von Schiras) lagen seit d e m 17. Jahrhundert Beschreibungen von Forschungsreisenden vor. 37 Die A n o r d n u n g von Häusern zu beiden Seiten einer Straße („Straßendorf") bzw. um einen runden Dorfplatz („Rundling") als typisch slawische Siedlungsformen erläutern Wopfner, Agrarverhältnisse (wie oben, S.73, A n m . 2 9 ) , S. 189, und Meitzen, August, „Ansiedelung", in: HdStW 3 , Band 1, S. 4 9 3 - 5 0 8 , hier S. 504f. 38 Die während der Regierungszeit von Heinrich I. ( 9 1 9 - 9 3 6 ) angesichts der K ä m p f e mit Ungarn und Slawen in Sachsen angelegten „Städte" (urbes; Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 1, 35) dienten ü b e r w i e g e n d militärischen Zwecken. Es handelte sich um Burgen, die den Bewohnern des Umlandes Zuflucht u n d Schutz garantieren sollten. Dazu u. a. Hegel, Entstehung, S. 28; Below, Georg von, „Bürger, Bürgertum", in: HdStW 3 , Band 3, S. 3 2 4 - 3 3 1 , hier S . 3 2 4 (hinfort: Below, Bürger), und Inama-Sternegg, Karl Th. von, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Band 3: Deutsche Wirtschaftsgeschichte in d e n letzten Jahrhunderten des Mittelalters, Teil 1. - Leipzig: Duncker & Humblot 1899, S. 86f. (hinfort: Inama-Sternegg, Wirtschaftsgeschichte).

76

Die Stadt

stücken.39 Falls sie nicht in normalen Zeiten ganz leer lagen, sondern Wächter oder Burgmannen als ständige Garnison gegen Lohn oder Land erhielten, führen von diesem Zustand gleitende Übergänge zur angelsächsischen burh, einer „Garnisonsstadt" im Sinne der Maitlandschen Theorie, mit „burgenses" als Einwohnern, deren Name hier wie sonst davon herrührt, daß ihre politische Rechtsstellung, ebenso wie die damit zusammenhängende rechtliche Natur ihres - also des spezifisch bürgerlichen - Grund- und Hausbesitzes durch die Pflicht der Erhaltung und Bewachung der Befestigung determiniert war.40 Historisch sind aber in aller Regel nicht palisadierte3 Dörfer oder Notbefestigungen die wichtigsten Vorläufer der Stadtfestung, sondern etwas anderes. Nämlich: die herrschaftliche Burg, eine Festung, die von einem Herrn mit den A 633 entweder | ihm, als Beamten unterstellten oder ihm persönlich als Gefolge, zugehörenden Kriegern, zusammen mit seiner und deren Familie und dem zugehörigen Gesinde, bewohnt wurde. | WuG1 520 Der militärische Burgenbau ist sehr alt, zweifellos älter als der Kriegswagen und auch als die militärische Benutzung des Pferdes. Wie der Kriegswagen überall einmal, im Altchina der klassischen Lieder,41 im Indien der Veden, 42 in Ägypten und Mesopotaa A: pallisadierte 39 Das angelsächsische „burh" bezeichnete zunächst den befestigten Ort und den Burgbezirk; größere Burgbezirke stellten die Vorform von Städten („boroughs") dar; Gneist, Rudolf, Englische Verfassungsgeschichte. - Berlin: Julius Springer 1882, S.44 (hinfort: Gneist, Verfassungsgeschichte), und Hegel, Karl, Städte und Gilden der germanischen Völker Im Mittelalter, Band 1. - Leipzig: Duncker & Humblot 1891, S.36ff. (hinfort: Hegel, Städte). 4 0 Maltland, Domesday Book, S. 185f., und ders., Townshlp, S . 3 6 - 5 2 . Mit der „Garnisonstheorie", d. h. der These von der Entstehung der meisten englischen Städte aus militärischen Befestigungen, stand Maltland Im Gegensatz zu Historikern, die die Anfänge der englischen Städte aus der Landgemeinde oder Marktansledlungen ableiteten; vgl. Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 105, der die Auffassung Maitlands als „am besten begründet" übernimmt. 41 Die Sammlung von Volksliedern (Schi-king), die zuerst von Konfuzius (551-479 v.Chr.) zusammengestellt worden sein soll, enthält v.a. Texte aus der Zeit der westlichen Chou-Dynastie (11. Jahrhundert - 771 v.Chr.). 42 Der Veda (Wissen) ist die (aus Liedern, rituellen und magischen Formeln) bestehende Sammlung der ältesten heiligen Texte der Inder, deren schriftlicher Fixierung eine lange mündliche Überlieferungsgeschichte vorausgeht; dazu Lehmann, Edv[ard], Die Inder, In: Lehrbuch der Rellglonsgeschlchte, hg. von P[lerre] D. Chantepie de la Saussaye, Band 2, 3., vollständig neu bearbeitete Aufl. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1905, S . 4 161, hier S. 8 - 1 2 (hinfort: Lehmann, Inder). Die „vedlsche Zelt" läßt sich nicht genau datieren; die Entstehung des Veda wird Im allgemeinen In die Zeit seit dem Beginn der ari-

I. Begriff und Kategorien der Stadt

77

mien, 42a in dem Kanaan, dem Israel des Deboralieds, 43 in der Zeit der homerischen Epen, bei den Etruskern und Kelten und bei den Iren 43a die Entwicklung der ritterlichen und königlichen Kriegsführung bestimmt hat, so ist auch der Burgenbau und das Burg5 fürstentum universell verbreitet gewesen. Die altägyptischen Quellen kennen die Burg und den Burgkommandanten, 44 und es darf als sicher gelten, daß die Burgen ursprünglich ebenso viele Kleinfürsten beherbergten. In Mesopotamien geht der Entwicklung der späteren Landeskönigtümer, nach den ältesten Urkunden zu 10 schließen, ein burgsässiges Fürstentum 45 voraus, wie es im westlischen Einwanderung nach der Mitte des 2. Jahrtausends v.Chr. gesetzt. Die „Helden der vedischen Zeit" charakterisiert Weber in: Hinduismus, MWG I/20, S.83f., als: „burgsässige, wagenkämpfende Kriegskönige mit Gefolgschaften homerischer Art", vgl. zur Sache Zimmer, Heinrich, Altindisches Leben. Die Cultur der vedischen Arier nach den Samhlta dargestellt. - Berlin: Weidmann 1879, S. 2 9 4 - 3 0 1 . 42a Der Streitwagen war seit Mitte des 2. Jahrtausends vor Christus in Ägypten und Vorderasien Im Gebrauch; Nuoffer, Oskar, Der Rennwagen Im Altertum, Erster Teil. (Dlss. Leipzig). - Leipzig: Hallberg und Buechting [u. a.] 1904. 43 Das der Prophetin und Richterin Debora zugeschriebene Lied (Richter 5) feiert den Sieg vereinigter Stämme gegen Slsera, den Befehlshaber der Kanaaniter, der über neunhundert Kriegswagen verfügt haben soll (Richter 4); das Ereignis gehört wahrscheinlich ins späte 12. Jahrhundert v.Chr.; Meyer, Israeliten (wie oben, S. 68, Anm. 18), S. 496. Das Deboralied gilt als älteste historische Überlieferung im Alten Testament; Meyer, Altertum, Band 1, S.354; Wellhausen, J[ullus], Prolegomenazur Geschichte Israels, 3. Aufl. - Berlin: Georg Reimer 1886, S.306; Stade, Bernhard, Geschichte des Volkes Israel, Band 1 (Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen, hg. von Wilhelm Oncken, 1. Haupta b t e i l u n g , 6. Theil). - Berlin: G. Grote 1887, S. 178. 43a Zum Wagenkampf bei Homer: Helblg, W[olfgang], Das homerische Epos aus den Denkmälern erläutert. Archäologische Untersuchungen. - Leipzig: B.G. Teubner 1884, S . 8 8 - 1 1 0 ; bei den Etruskern: Körte, G[ustav], „Etrusker", In: RE, Band 6, 1, 1907, Sp. 7 3 0 - 7 7 0 , hier Sp. 754; bei den Kelten: Polybios 2, 23, 4; bei den Iren: Sagen aus dem alten Irland, übers, von Rudolf Thurneysen. - Berlin: Wiegandt & Grieben 1901, S. XI und 3 8 - 5 2 . - Es handelt sich allerdings zum Teil um literarische Fiktionen. 4 4 Möglicherweise bezieht sich Webers pauschale Angabe u.a. auf Inschriften aus der Zeit der 6. Dynastie (ca. 2320-2150 v.Chr.); vgl. die Texte in englischer Übersetzung bei Breasted, James H., Ancient Records of Egypt. Historical Documents from the Earllest Times to the Persian Conquest, vol. 1: The First to the Seventeenth Dynastles. - Chicago: The Unlversity of Chicago Press 1906, §312 und 377 (S. 143 und 170) (hinfort: Breasted, Ancient Records); daß es Im Alten Reich den Titel eines Burgkommandanten gab, wird erwähnt bei Meyer, Altertum, Band 1 , 2 ( 2 . Aufl. 1909), S. 177. 45 Die Inschriften der alten sumerisch-akkadlschen Städte waren (in Transkription und mit deutscher Übersetzung) Weber zugänglich In: Thureau-Dangin, F[rangois], Die sumerischen und akkadlschen Königsinschriften (Vorderasiatische Bibliothek, Band 1 , 1 ) Leipzig: J.C. Hinrichs 1907. Vor der ersten Bildung eines ganz Mesopotamien umfassenden Territorialstaates durch Sargon von Akkad (Regierungszeit ca. 2300-2245 v.Chr.) gab es eine Vielzahl kleinerer, von einem städtischen Zentrum aus beherrschter Staaten. Webers These, es habe sich um „burgsässige" Fürstentümer gehandelt, läßt sich jedoch nicht verifizieren.

78

Die Stadt

chen Indien in der Zeit der Veden bestand, in Iran in der Zeit der ältesten Gathas 46 wahrscheinlich ist, während der politischen Zersplitterung in Nordindien, 47 am Ganges, offenbar universell herrschte: - der alte Kshatriya, den die Quellen als eine eigentümliche Mittelfigur zwischen König und Adeligen zeigen, ist offenbar 5 ein Burgfürst. 48 In der Zeit der Christianisierung bestand es in Rußland, 49 in Syrien in der Zeit der Thutmosedynastie 50 und in der israelitischen Bundeszeit (Abimelech), 51 und auch die altchinesische Literatur läßt es als ursprünglich sehr sicher vermuten. Die hellenischen und kleinasiatischen Seeburgen bestanden sicher- 10 lieh universell, soweit der Seeraub reichte: es muß eine Zwischenzeit besonders tiefer Befriedung gewesen sein, welche die kreti46 Gathas (Gesänge) sind die ältesten Texte des Awesta, der in der gleichnamigen altiranischen Sprache aufgezeichneten heiligen Schrift des Zoroastrismus bzw. Parsismus, die zur Zeit der Sassaniden (226-642) kodifiziert wurde. Die Gathas sollen unmittelbar auf die Verkündigung des Religionsstifters Zoroaster (Zarathustra) zurückgehen, dessen zeitliche Ansetzung jedoch höchst unsicher ist; Datierungen schwanken zwischen 1000 und 600 v.Chr. Webers Formulierung „Zeit der ältesten Gathas" dürfte sich auf den Ursprung der Tradition, d. h. die Zeit Zoroasters, beziehen. 47 Damit meint Weber, wie aus Hinduismus, MWG I/20, S. 371 f. hervorgeht, wahrscheinlich die Zeit vor der bald nach dem Indienzug Alexanders des Großen folgenden Etablierung des Maurya-Reiches (ca. 3 2 0 - 1 8 5 v.Chr.). 48 Daß die „Kschatriya" nicht einfach eine Kriegerkaste darstellten, sondern darunter die „Angehörigen der herrschenden Klasse, die den König, seine Lords und Vasallen zusammen mit dem adeligen Theil des Heeres umfaßt", zu verstehen seien, betont Fick, Sociale Gliederung (wie oben S.60, Anm. 2), S. 52. Weber spricht in: Hinduismus, MWG I/20, S. 130f. von den Kschatriya der Buddha-Zeit als einem „Stand von Stadt- und Burgadelsgeschlechtern". 4 9 Die Christianisierung Rußlands begann mit dem Kiewer Großfürsten Wladimir dem Heiligen, der sich und sein Volk anläßlich seiner Heirat mit einer byzantinischen Prinzessin taufen ließ (989/990). 50 Thutmosis ist der (gräzisierte) Name von vier Pharaonen der 18. Dynastie. Thutmosis I. (ca. 1506-1493 v.Chr. nach heutigen chronologischen Ansätzen) hatte die ägyptische Herrschaft über Syrien und Palästina begründet, Thutmosis III. (1490-1436 v.Chr.) hat 1468 v.Chr. eine Koalition zahlreicher syrischer und palästinensischer Fürsten besiegt und schließlich auch die Festung Megiddo eingenommen; Breasted, Ancient Records (wie oben, S. 77, Anm. 44), Vol. 2: The Eighteenth Dynasty, § 4 0 8 - 4 4 3 (S. 175-190); vgl. Meyer, Eduard, Geschichte des alten Aegyptens (Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen, hg. von Wilhelm Oncken, Erste Hauptabtheilung, Erster Theil). - Berlin: Grote 1887, S. 2 3 8 - 2 4 0 . 51 Abimelech (hebr.: Mein Vater ist König), Sohn des Richters Gideon aus einer Verbindung mit einer kanaanitischen Frau aus Sichern, ermordete seine siebzig Halbbrüder und errichtete in Sichern eine Alleinherrschaft, die er auch über einen Teil der (im 12.-11. Jahrhundert v.Chr. in einem lockeren Bund zusammengeschlossenen) Stämme Israels auszuüben versuchte (Richter 9). Im Bericht über die Kämpfe, die zu seinem Ende führten, werden die Burgen in Sichern und Tebez genannt (Richter 9, 4 6 - 5 3 ) .

I. Begriff und Kategorien der Stadt

5

10

15

20

79

sehen befestigungslosen Paläste 52 an Stelle der Burgen erstehen ließ. Burgen wie das im peloponnesischen Kriege wichtige Dekeleia waren einst Festungen adliger Geschlechter. 53 Nicht minder beginnt die mittelalterliche Entwicklung des politisch selbständigen Herrenstandes mit den „castelli" 54 in Italien, die Selbständigkeit der Vasallen in Nordeuropa mit ihren massenhaften Burgenbauten, deren grundlegende Wichtigkeit durch die Feststellung von Below's erläutert wird: noch in der Neuzeit hing die individuelle Landstandschaft in Deutschland daran, daß die Familie eine Burg besaß, sei es auch eine noch so dürftige Ruine einer solchen. 55 Die Ver|fügung über die Burg bedeutete eben militärische A634 Beherrschung des Landes, und es fragte sich nur: wer sie in der Hand hatte, ob der einzelne Burgherr für sich selbst, oder eine Konföderation von Rittern, oder ein Herrscher, der sich auf die Zuverlässigkeit seines darin sitzenden Lehensmannes oder Ministerialen oder Offiziers verlassen durfte. Die Festungsstadt nun, in dem ersten Stadium ihrer Entwicklung zu einem politischen Sondergebilde, war oder enthielt in sich oder lehnte sich an eine Burg, die Festung eines Königs oder adligen Herrn oder eines Verbandes von solchen, die oder der entweder selbst dort residierten oder eine Garnison von Söldnern oder Vasallen oder Dienstleuten dort hielten. Im angelsächsischen England war das Recht, ein „haw", ein befestigtes Haus, in einer „burh" zu besitzen, 52 Weber meint vermutlich die (seinerzeit durch Ausgrabungen schon bekannten) Paläste von Knossos und Phaistos aus der mittelminoischen Periode ca. 2000-ca. 1600 v.Chr. 53 Dekeleia, 20 km nördlich von Athen gelegen, galt als eine der zwölf ursprünglichen Städte Attikas (Strabo9, 1, 20 = 397C). 413 v.Chr. legten die Spartaner dort eine Festung an, von der aus sie Attika verwüsteten (Thukydides 7, 19 und 7, 27). Die Endphase des Peloponnesischen Krieges (bis 404 v.Chr.) wird deshalb als „dekelelscher Krieg" bezeichnet. Zur „Geschlechterburg" vgl. unten, S. 179 mit Anm. 123. 54 „Castelli" waren mit Türmen und Verteidigungsmauern befestigte Herrensitze. 55 Weber verweist auf Below, Rittergüter. Siehe ebd., S. 115: „Die mit Burgen versehenen, von Personen adliger Herkunft besessenen und in die Matrikel eingetragenen Rittersitze haben gewisse Vorrechte", und zwar: „Das vornehmste Recht der Rittersitze Ist die Landtagsfähigkeit". Vgl. auch ders., „Adel", in: HdStW3, Band 1, S . 4 1 - 4 8 , hier S. 43. „Landstandschaft" meint die Zugehörigkeit zum Landtag, dem Zusammenschluß lokaler Herrschaftsträger (Adel, Klerus, Städte) zu Landständen, denen das Recht und die Pflicht zukam, Ihren jeweiligen Landesherrn In allgemeinen Angelegenhelten des Landes zu raten und zu helfen und zumal über Steuererhebungen mitzubestimmen; dazu Below, Georg von, System und Bedeutung der landständischen Verfassung, in: ders., Territorium und Stadt. Aufsätze zur deutschen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte (Historische Bibliothek, Band 11).-München und Leipzig: R. Oldenbourg 1900, S. 163-282.

80

Die Stadt

ein Recht, welches durch Privileg bestimmten Grundbesitzern des Umlandes verliehen war, wie in der Antike und im mittelalterlichen Italien das Stadthaus des Adligen neben seiner ländlichen Burg stand. Dem militärischen Stadtherrn sind die Inwohner oder Anwohner der Burg, seien es alle oder bestimmte Schichten, als Bürger 5 (burgenses) zu bestimmten militärischen Leistungen, vor allem zu Bau und Reparatur der Mauern, Wachtdienst und Verteidigung, zuweilen auch noch zu anderen militärisch wichtigen Diensten (Botendienst z. B.) oder Lieferungen verpflichtet. Weil und soweit er am Wehrverbande der Stadt teilnimmt, ist in diesem letzteren Fall der 10 Bürger Mitglied seines Standes. Besonders deutlich hat dies Maitland für England herausgearbeitet: die Häuser der „burh" sind das bildet den Gegensatz gegen das D o r f - im Besitz von Leuten, denen vor allem andern die Pflicht obliegt, die Befestigung zu unterhalten. 56 Neben dem königlich oder herrschaftlich garantierten Markt- 15 frieden, der dem Markt der Stadt zukommt, steht der militärische Burgfrieden. Die befriedete Burg und der militärisch-politische13 Markt der Stadt: Exerzierplatz und Versammlungsort des Heeres und deshalb der Bürgerversammlung auf der einen Seite, und andererseits der befriedete ökonomische Markt der Stadt, stehen oft in 20 WuG1 521 plastischem Dualismus | nebeneinander. Nicht überall örtlich geschieden. So war die attische „pnyx" weit jünger als die „agora", welche ursprünglich sowohl dem ökonomischen Verkehr wie den politischen und religiösen Akten diente 0 . 57 Aber in Rom stehen seit alters A 635 comitium und campus Martius neben den d ökonomischen fora, 58 1 im 25 b

A: militärisch politische

c A: dienten

d A: der

5 6 Zu Maitlands Theorie vgl. oben, S. 76 mit Anm. 40. 5 7 Agora war ursprünglich die Bezeichnung für die Versammlung der Vollbürger (bzw. des Heeres), die dann später auf den Ort überging, an dem diese regelmäßig stattfand, und meinte zugleich den Marktplatz der Polls. Daß der polltische Versammlungsort und der Marktplatz In „altertümlichen, kleinen Städten" nicht getrennt gewesen waren, betont auch Burckhardt, Jakob, Griechische Kulturgeschichte, hg. von Jakob Oeri, Band 1. Berlin und Stuttgart: W. Spemann [1898], S. 75 (hinfort: Burckhardt, Kulturgeschichte). Die Pnyx war ein Felsen südwestlich der Akropolis von Athen, dessen flacher Abhang - vermutlich seit klelsthenlscher Zeit (Ende des 6. Jahrhunderts v.Chr.) - als Ort der Volksversammlung genutzt wurde; vgl. Judeich, Topographie (wie oben, S. 75, Anm. 35), S. 65 und 348 ff. 5 8 Das Comitium, unterhalb der nördlichen Kuppe des Capitols gelegen, war der Versammlungsplatz der ältesten Volksversammlung, der Curlatcomitlen; südlich davon lag das Forum, der eigentliche Marktplatz. Der alte „Rindermarkt" (Forum Boarium) be-

I. Begriff und Kategorien der Stadt

81

Mittelalter die Piazza del Campo in Siena (Tournierplatz und heute noch Stätte des Wettrennens der Stadtviertel) 59 auf der vorderen, neben dem Mercato auf der hinteren Seite des Munizipalpalastes, und analog in islamischen Städten die Kasbah e , 60 das befestigte Lager der Kriegerschaft, örtlich gesondert neben dem B azar, im südlichen Indien die (politische) Notablenstadt neben der ökonomischen Stadt. 61 Die Frage der Beziehung zwischen der Garnison, der politischen Festungsbürgerschaft einerseits und der ökonomischen, bürgerlich erwerbenden Bevölkerung andererseits^] ist nun eine oft höchst komplizierte, immer aber entscheidend wichtige Grundfrage der städtischen Verfassungsgeschichte. Daß, wo eine Burg ist, sich auch Handwerker für die Deckung der Bedürfnisse des Herrenhaushalts und der Kriegerschaft ansiedeln oder angesiedelt werden, daß die Konsumkraft eines kriegerischen Hofhalts und der Schutz, den er gewährt, die Händler anlockt, daß andererseits der Herr selbst ein Interesse an der Heranziehung dieser Klassen hat, weil er dann in der Lage ist, sich Geldeinnahmen zu verschaffen, entweder indem er den Handel und das Gewerbe besteuert oder indem er durch Kapitalvorschuß daran teilnimmt oder den Handel auf eigene Rechnung betreibt oder gar monopolisiert, daß er ferner von Küstenburgen aus als Schiffsbesitzer oder als Beherrscher des Hafens am gewaltsamen und friedlichen Seegewinn sich Anteil schaffen kann, ist klar. Ebenso sind seine im Ort ansässigen Gefolgen und Vasallen dazu in der Lage, wenn er es ihnen freiwillig oder, weil er auf ihre Gutwilligkeit angewiesen ist, gezwungen gestattet. In althellenischen Städten, wie in Kyrene, finden wir auf Vasen den König dem Abwägen von Waren

e A: Kasbeh fand sich am Ufer des Tiber. Der Campus Martius (Marsfeld) war eine Ebene zwischen d e m T i b e r b o g e n und der Via Flaminia, die als Versammlungsplatz für die Centuriatcomitien, die ursprüngliche Heeresversammlung, diente. Vgl. Mommsen, Römische Geschichte, Band 1, S. 108; ders., Staatsrecht, Band 3, 1, S. 3 7 8 - 3 8 0 . 59 Gemeint ist das „palio" genannte Pferderennen, das als Wettkampf der Nachb a r s c h a f t s g e m e i n d e n („contrade") im Juli und August jeden Jahres ausgetragen wird. 60 Eine an der höchsten Stelle der Stadtmauer gelegene Burg, von der aus die Stadt beherrscht w e r d e n konnte. 61 Weber bezieht sich v.a. auf die Verhältnisse in Kaviripaddinam (Kaviripatnam), der Hafenstadt der Tamilen (südlich des heutigen Pondicherry), g e g e n Ende des 1. Jahrhunderts v.Chr., wie aus seinen Ausführungen in: Hinduismus, MWG I/20, S. 162f. mit Anm. 85, ersichtlich ist.

82

Die Stadt

(Silphion) assistieren;62 in Ägypten steht am Beginn der historischen Nachrichten die Handelsflotte des unterägyptischen Pharao.63 Weit über die Erde verbreitet, namentlich, wenn auch nicht ganz ausschließlich, in Küstenorten (nicht nur: in „Städten"), wo der Zwischenhandel besonders leicht kontrolliert werden konnte, war nun der Vorgang: daß neben dem Monopol des Häuptlings oder Burgfürsten das Interesse der am Ort ansässigen Kriegergeschlechter an eigener Teilnahme am Handelsgewinn und ihre Macht, sich eine solche zu sichern, wuchs und das Monopol des Fürsten (wenn es bestanden hatte) sprengte. Geschah dies, dann pflegte überall der Fürst nur noch als primus inter pares zu gelten oder schließlich gänzlich in den A 636 gleich (berechtigten Kreis der in irgendeiner Form, sei es nur mit Kapital, im Mittelalter besonders mit Kommendakapital, am friedlichen Handel, sei es mit ihrer Person am Seeraub und Seekrieg sich beteiligenden, mit Grundbesitz ansässigen Stadtsippen eingegliedert, oft nur kurzfristig gewählt, jedenfalls in seiner Macht einschneidend be62 Kyrene (an der Großen Syrte in Nordafrika gelegen) war 632/631 v.Chr. von Griechen aus Thera (Santorin) gegründet worden. Mit seiner monarchischen Verfassung stellte Kyrene einen Ausnahmefall dar, den Weber hier als Relikt „althellenischer" Zustände viersteht. Der Export des Silphions (einer nur in der Kyrenaika vorkommenden Pflanze), aus deren Saft Gewürze und Arzneimittel gewonnen wurden, begründete den Reichtum Kyrenes. Die herrschende Dynastie der Battiaden monopolisierte den Export (Aristophanes, Plutus 925; Aristoteles, fr. 528; Meyer, Altertum, Band 2, S.469; Weber, Agrarverhältnisse3, S. 99 (MWG I/6)). Die sogenannte Arkesilaosschale zeigt einen Herrscher im Ornat - wahrscheinlich Arkesilaos II. (ca. 565-555 v.Chr.) - beim Überwachen des Abwiegens und Verladens von Silphion; Abbildungen finden sich bei Studniczka, Franz, Kyrene. Eine altgriechische Göttin. Archäologische und mythologische Untersuchungen. - Leipzig: F.A. Brockhaus 1890, S. 2; Furtwängler, A[dolf] und Reichhold, K[arl], Griechische Vasenmalerei. Auswahl hervorragender Vasenbilder, Serie 3: Text. - München: F. Bruckmann 1910, Tafel 151. 63 Älteste Aufzeichnungen in annalistischer Form finden sich auf dem (seit 1877 im Museum von Palermo aufbewahrten, deshalb sogenannten) „Palermo-Stein", die 1896 erstmals durch A. Pellegrini (Nota sopra un'iscrizione Egizia del Museo di Palermo, in: Archivio storico siciliano, n.s., anno 20, 1896, S.297-316) veröffentlicht worden waren. Diese Annalen verzeichnen, daß unter der Regierung des Pharao Snofru (Amtsantritt ca. 2840 v.Chr., nach Meyer, Eduard, Aegyptische Chronologie. - Berlin: Verlag der Königlichen] Akademie der Wissenschaften 1904, S. 178; nach heutigen chronologischen Ansätzen ca. drei Jahrhunderte später) eine Flotte von 40 Schiffen entsendet wurde, um Zedernholz aus dem Libanon nach Ägypten zu bringen; vgl. Schäfer, Heinrich, Ein Bruchstück altägyptischer Annalen. Mit Beiträgen von Ludwig Borchardt und Kurt Sethe (Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften aus dem Jahre 1902). - Berlin: Georg Reimer 1902, S. 30; Breasted, Ancient Records (wie oben, S.77, Anm. 44), vol. 1, § 146 (S. 65f.) und § 89 (S. 57); Meyer, Altertum, Band 1, 2 (2. Aufl. 1909), S. 162.

I. Begriff und Kategorien der Stadt

5

10

15

20

25

83

schränkt zu werden. Ein Vorgang, der sich ganz ebenso in den antiken Küstenstädten seit der homerischen Zeit, bei dem bekannten allmählichen Übergang zur Jahresmagistratur64[,] wie ganz ähnlich mehrfach im frühen Mittelalter vollzogen hat: so namentlich in Venedig gegenüber dem Dogentum 65 und - nur mit sehr verschiedenen Frontstellungen, je nachdem ein königlicher Graf oder Vicomte oder ein Bischof oder wer sonst Stadtherr war - auch in anderen typischen Handelsstädten. Dabei sind nun die städtischen kapitalistischen Handelsinteressenten, die Geldgeber des Handels, die spezifischen Honoratioren der Stadt in der Frühzeit der Antike wie des Mittelalters, prinzipiell von den ansässigen oder ansässig gewordenen Trägern des Handels-„Betriebs", den eigentlichen Händlern zu sondern, so oft natürlich beide Schichten ineinander übergingen. Doch greifen wir damit schon späteren Erörterungen vor. 66 Im Binnenlande können Anfangs- oder End- oder Kreuzungspunkte von Fluß- oder Karawanenstraßen (wie z.B. Babylon) 67 Standorte ähnlicher Entwicklungen werden. Eine Konkurrenz macht dem weltlichen Burg- und Stadtfürsten dabei zuweilen der Tempelpriester und priesterliche Stadtherr. Denn die Tempelbezirke weithin bekannter Götter bieten dem interethnischen[,] also politisch ungeschützten | Handel sakralen Schutz, und an sie kann WuG1 522 sich daher eine stadtartige Ansiedelung anlehnen, welche ökonomisch durch die Tempeleinnahmen ähnlich gespeist wird wie die Fürstenstadt durch die Tribute an den Fürsten. Ob und wieweit nun das Interesse des Fürsten an Geldeinnahmen durch die Erteilung von Privilegien für Gewerbetreibende und 64 Gemeint ist die Umwandlung des Königtums in eine Magistratur und die Einführung der Annuität der Magistrate, die in Athen - nach Aristoteles, Athenaion politeia 3 - über die Zwischenstufen von lebenslänglicher und zehnjähriger Amtszeit erfolgt sein soll; dazu Meyer, Altertum, Band 2, S.345ff; Schoeffer, [Valerian] von, „Archontes", in: RE, Band 2, 1, 1895, Sp. 565-599, hier Sp. 570f. Die Liste der eponymen Archonten in Athen (d. h. der Obermagistrate, nach deren Amtsjahr datiert wurde) beginnt 683/682 v.Chr. 65 Dies wird ausführlich unten, S. 148ff., erörtert. 66 Weber verweist auf seine Darlegungen unten, S. 193f. 67 Babylon war der Endpunkt eines Schiffahrtswegs von Armenien über den Euphrat (Herodot 1, 194); nach Süden gab es eine Verbindung über den Euphrat zur arabischen Küste des Persischen Golfs (Strabo 17, 3, 3 = C 766). Zu den Karawanenstraßen und speziell zu denen von Babylon nach Phönlkien und Syrien einerseits, nach Indien andererseits vgl. Heeren, A[rnold] H., Ideen über die Politik, den Verkehr und den Handel der vornehmsten Völker der alten Welt, 1. Theil: Asiatische Völker, 2. Abtheilung: Phönicler, Babylonier, Scythen, Indier. Neue Ausgabe. - Wien: Franz Härter 1817, S. 517-523.

84

Die

Stadt

Händler, welche einem vom Herrenhof unabhängigen, vom Herrn besteuerten, Erwerbe nachgingen, überwog, oder ob umgekehrt sein Interesse an der Deckung seines Bedarfs durch möglichst eigene Arbeitskräfte und an der Monopolisierung des Handels in eigener Hand stärker war[,j und welcher Art im ersten Fall jene Privilegien waren, lag im Einzelfall sehr verschieden: bei der Heranziehung Fremder durch solche Privilegien hatte der Herr ja auch auf A 637 die Interessen und | die für ihn selbst wichtige ökonomische Prästationsfähigkeit 68 der schon ansässigen, von ihm politisch oder grundherrlich Abhängigen in sehr verschiedenem Sinn und Grade Rücksicht zu nehmen. Zu allen diesen Verschiedenheiten der möglichen Entwicklung trat aber noch die sehr verschiedene politischmilitärische Struktur desjenigen Herrschaftsverbandes, innerhalb dessen die Stadtgründung oder Stadtentwicklung sich vollzog. Wir müssen die daraus folgenden Hauptgegensätze der Städteentwicklung betrachten. Nicht jede „Stadt" im ökonomischen und nicht jede, im politischadministrativem Sinn einem Sonderrecht der Einwohner unterstellte, Festung war eine „Gemeinde". Eine Stadtgemeinde im vollen Sinn des Wortes hat als Massenerscheinung vielmehr nur der Okzident gekannt. Daneben ein Teil des vorderasiatischen Orients (Syrien und Phönizien, vielleicht Mesopotamien) und dieser nur zeitweise und sonst in Ansätzen. Denn dazu gehörte, daß es sich um Siedelungen mindestens relativ stark gewerblich-händlerischen Charakters handelte, auf welche folgende Merkmale zutrafen: 1. die Befestigung - 2. der Markt - 3. eigenes Gericht und mindestens teilweise eigenes Recht - 4. Verbandscharakter und damit verbunden 5. mindestens teilweise Autonomie und Autokephalie, also auch Verwaltung durch Behörden, an deren Bestellung die Bürger als solche irgendwie beteiligt waren. 69 Solche Rechte pflegen sich in der Vergangenheit durchweg in die Form von ständischen Privilegien zu

68 Abgabe-oder Leistungsfähigkeit. 6 9 Georg von Beiow nennt an verschiedenen Stellen seines Werkes die von Weber angeführten Merkmale Markt, Befestigung, Gerichtsbarkeit, Gemeindeautonomie. So u.a. in: Städtewesen (wie oben, S. 68, Anm. 16), S. 4, und in: Stadtgemeinde, Landgemeinde und Gilde, in: Vierteljahrschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte, Band 7, 1909, S . 4 1 1 445, hier S. 412.

I. Begriff und Kategorien der Stadt

85

kleiden. 70 Ein gesonderter Bürgerstand als ihr Träger' war daher das Charakteristikum der Stadt im politischen Sinn. An diesem Maßstab in seinem vollen Umfang gemessen waren freilich auch die Städte des okzidentalen Mittelalters nur teilweise und diejenigen 5 des 18. Jahrhunderts sogar nur zum ganz geringen Teil wirklich „Stadtgemeinden". Aber diejenigen Asiens waren es, vereinzelte mögliche Ausnahmen abgerechnet, soviel heute bekannt, 71 überhaupt nicht oder nur in Ansätzen. Zwar Märkte hatten sie alle und Festungen waren sie ebenfalls. Die chinesischen großen Sitze des 10 Gewerbes und Handels waren sämtlich, die kleinen meist, befestigt, im Gegensatz zu Japan. Die ägyptischen, vorderasiatischen, indischen Sitze von Handel und Gewerbe waren es ebenfalls. Gesonderte Gerichts bezirke waren die großen Handels- und Gewerbesitze jener Länder gleichfalls nicht selten. Sitz der Behörden | der großen A 638 15 politischen Verbände waren sie in China, Ägypten, Vorderasien, Indien immer, - während9 dies der charakteristischste Typus der okzidentalen Städte des frühen Mittelalters namentlich im Norden gerade nicht war. Ein besonderes^] den Stadtbürgern als solchen eignendes^] materielles oder Prozeßrecht aber oder autonom von ih20 nen bestellte Gerichte waren den asiatischen Städten unbekannt. Sie kannten es nur insofern, als die Gilden und (in Indien) Kasten, welche tatsächlich vorzugsweise oder allein in einer Stadt ihren Sitz hatten, Träger von solchen Sonderrechtsbildungen und Sondergerichten waren. Aber dieser städtische Sitz jener Verbände war 25 rechtlich zufällig. Unbekannt oder nur in Ansätzen bekannt war ihnen die autonome Verwaltung, vor allem aber - das ist das hWichtigste - h der Verbandscharakter der Stadt und der Begriff des Stadtbürgers im Gegensatz zum Landmann. Auch dafür waren nur Ansätze vorhanden. Der chinesische Stadtinsasse gehörte rechtlich 30 seiner Sippe und durch diese seinem Heimatsdorf an, in welchem der Ahnentempel stand und zu dem er die Verbindung sorgfältig f A: Träger,

g In A folgt: gerade

h A: Wichtigste,

70 Gemeint ist die Verleihung von Privilegien wie freie Ratswahl, Steuerrecht, Marktrecht, Freizügigkeit und Befestigungsrecht an die Gemeinden. „Ständisch" verweist darauf, daß dies Sonderrechte waren, die nur den zum Rechtskreis der Stadt gehörenden Personen zukamen. 71 Weber bezieht sich auf den Forschungsstand in der Literatur, die ihm bei der Arbeit an seinen reilgionssozioiogischen Studien zur Verfügung stand. Eine entsprechende Feststellung wie hier im Text findet sich auch In: Konfuzianismus, MWG 1/19, S. 149.

86

Die Stadt

aufrechter | hielt, ebenso wie der russische, in der Stadt erwerbende, Dorfgenosse rechtlich „Bauer" blieb. Der indische Stadtinsasse außerdem: Mitglied seiner Kaste. Die Stadteinwohner waren freilich eventuell, und zwar der Regel nach, Mitglieder auch lokaler Berufsverbände, Gilden und Zünfte, spezifisch städtischen Sitzes. Sie gehörten schließlich als Mitglieder den Verwaltungsbezirken: Stadtvierteln, Straßenbezirken an, in welche die obrigkeitliche Polizei die Stadt zerlegte, und hatten innerhalb dieser bestimmte Pflichten und zuweilen auch Befugnisse. Der Stadt- oder Straßenbezirk konnte insbesondere leiturgisch im Wege der Friedensbürgschaft für die Sicherheit der Personen oder anderer polizeilicher Zwecke kollektiv haftbar gemacht werden. Aus diesem Grunde konnten sie zu Gemeinden mit gewählten Beamten oder mit erblichen Ältesten zusammengeschlossen sein: so in Japan, wo über den Straßengemeinden mit ihrer Selbstverwaltung als höchste Instanz ein oder mehrere Zivilverwaltungskörper (Machi-Bugyo)' 72 standen. Ein Stadtöürgerrecht aber im Sinne der Antike und des Mittelalters gab es nicht, und ein Korporationscharakter 73 der Stadt als solcher war unbekannt. Sie war freilich eventuell auch als Ganzes ein gesonderter Verwaltungsbezirk, so, wie dies auch im Merowinger- und Karolingerreiche der Fall war. 74 Weit entfernt aber davon k , daß A 639 etwa, | wie im mittelalterlichen und antiken Okzident, die Autonomie und die Beteiligung der Einwohner an den' Angelegenheiten

WuG1523

i A: (Mashi-Bugyo) von

k Fehlt in A; davon sinngemäß ergänzt.

I A: der Verwaltung

72 Nach Rathgen, Volkswirtschaft, S.45, bedeutet „Bugyo" Chef einer Behörde. Ein „Machi-Bugyo" war der höchste Verwaltungsbeamte einer Stadt. 73 Weber, WuG 1 , S. 439 (MWG I / 2 2 - 3 ) , definiert: „Ein rechtspersönlicher Verband kann rechtlich so konstruiert sein, daß ein fester, grundsätzlich nur entweder durch rein privatrechtliche Rechtsnachfolge oder durch Beschluß bestimmter Körperschaften zu erweiternder Kreis von M e n s c h e n als die allein berechtigten Mitglieder behandelt w e r d e n und die Verwaltung rechtlich kraft Ihres Auftrags geführt wird: Korporation." Im juristischen Verständnis meint der Begriff eine rechtsfähige Körperschaft, die Trägerin von Rechten und Pflichten ist. In diesem Sinne hatten die Gilden, Zünfte u n d Stadtgemeinden des Okzidents Korporationscharakter. Dazu auch Glerke, Otto, Das d e u t s c h e Genossenschaftsrecht, Band 3: Die Staats- und Korporationslehre des Alterthums und des Mittelalters und ihre A u f n a h m e in Deutschland. - Berlin: Weidmann 1881, S. 784ff. 74 Die Städte im Reich der Merowinger und Karolinger (486 bis 911 bzw. 987) waren weder rechtlich exemt noch verfügten sie über eine eigene Verwaltung. Sie bildeten vielmehr königliche Verwaltungsbezirke; dazu Brunner, Heinrich, G r u n d z ü g e der deutschen Rechtsgeschichte. - Leipzig: Duncker & Humblot 1901, S. 142.

I. Begriff und Kategorien der Stadt

87

der lokalen Verwaltung in der Stadt, also in einem gewerblich-kommerziell gearteten, relativ großen Ort, stärker entwickelt gewesen wäre als auf dem Lande, traf vielmehr regelmäßig das gerade Umgekehrte zu. Auf dem Dorf war z. B. in China die Konföderation der Ältesten in vielen Dingen fast allmächtig und insoweit also der Taotai75 auf die Kooperation mit ihnen faktisch angewiesen, obwohl das Recht davon nichts wußte. Die Dorfgemeinschaft Indiens76 und der russische Mir77 hatten höchst eingreifende Zuständigkeiten, die sie, der Tatsache nach, bis in die neueste Zeit, in Rußland bis zur Bureaukratisierung unter Alexander III., so gut wie völlig autonom erledigten. In der ganzen vorderasiatischen Welt waren die „Ältesten" (in Israel „sekenim"78), das heißt ursprünglich: die Sippenältesten, später: die Chefs der Honoratiorensippen, Vertreter und Verwalter der Ortschaften und des örtlichen Gerichtes. Davon war in der asiatischen Stadt, weil sie regelmäßig der Sitz der hohen Be-

75 „Taotai" (Tao-t'ai) war der Titel des Beamten an der Spitze eines Regierungsbezirks (fao), der in Präfekturen und Unterpräfekturen gegliedert war; dazu Franke, Otto, Die Verfassung und Verwaltung Chinas, in: Vierkandt, Alfrfed] [u.a.], Allgemeine Verfassungsund Verwaltungsgeschichte, 1. Hälfte (Die Kultur der Gegenwart, Teil 2, Abteilung 2, 1). Leipzig u n d Berlin: B.G. Teubner 1911, S. 8 7 - 1 1 3 , hier S. 102 (hinfort: Franke, Verfassung). 76 Der Ursprung der indischen Dorfgemeinde ist in der Forschung des 19. Jahrhunderts kontrovers diskutiert worden. Weber versteht sie (im Anschluß an Baden-Powell, B [ a d e n ] H., The Indian Village Community. - London [u.a.]: Longmans, Green 1896) als Ergebnis eines Systems kollektiver Steuerhaftung, das seit der Mogul-Zeit des 16. Jahrhunderts a u s g e b a u t worden war, und nicht als Relikt eines ursprünglichen A g r a r k o m m u n i s m u s , wie aus seinen Ausführungen in: Hinduismus, MWG I/20, S. 149ff., deutlich wird. 77 „Mir" kann bedeuten: 1. die bäuerliche Dorf- bzw. L a n d g e m e i n d e in Rußland, 2. die Gesamtheit der bäuerlichen Haushaltungsvorstände eines Dorfes, 3. eine besondere Form der Gemeindebesitzverfassung. Nach der A u f h e b u n g der Leibeigenschaft 1861 war der Mir (bis zur Revolution von 1917) als Institution mit kollektiver Steuerhaftung und regelmäßiger bzw. fallweiser Umverteilung des bäuerlichen Gemeindebesitzes gesetzlich verankert. Gesetze von 1893 (unter Zar Alexander III.) sollten den Tendenzen zur Auflösung der Dorfgemeinschaft entgegenwirken; dazu Simkhowitsch, Wladimir G., „Mir", in: HdStW 3 , Band 6, S. 7 1 4 - 7 3 0 (hinfort: Simkhowitsch, Mir); Milukow, Paul, Skizzen Russischer Kulturgeschichte. Deutsche v o m Verfasser d u r c h g e s e h e n e A u s g a b e von E. Davidson. - Leipzig: Otto W i g a n d 1898, S. 1 2 4 - 1 2 7 , und Meitzen, August, „Feldgemeinschaft", in: HdStW 3 , Band 4, S. 5 7 - 7 1 , hier S. 60f. 78 Von d e n führenden Familien gestellte „Älteste" g a b es seit der Wanderungszeit als Vertreter des gesamten Volkes; nach der L a n d n a h m e kamen auch „Älteste" hinzu, die jeweils auf lokaler Ebene administrative und richterliche Funktionen ausübten; sie verloren w ä h r e n d der Königszeit an Bedeutung, g e w a n n e n aber seit der Zeit des Exils ihre alte Stellung zurück; vgl. Seesemann, Otto, Die Ältesten im Alten Testament. - Leipzig: G. Kreysing 1895 [Diss. Leipzig],

88

Die Stadt

amten oder Fürsten des Landes war, 79 gar keine Rede; sie lag direkt unter den Augen ihrer Leibwachen. Sie war aber fürstliche Festung und wurde daher von fürstlichen Beamten (in Israel: sarim) 80 und Offizieren verwaltet, die auch die Gerichtsgewalt hatten. In Israel kann man den Dualismus der Beamten und Ältesten in der Königs- 5 zeit deutlich verfolgen. In dem bureaukratischen Königreich siegte überall der königliche Beamte. Gewiß war er nicht allmächtig. Er mußte vielmehr mit der Stimmung der Bevölkerung in einem oft erstaunlichen"1 Maß rechnen. Der chinesische Beamte vor allem war gegenüber den lokalen Verbänden: den Sippen und Berufsver- 10 bänden, wenn sie sich im Einzelfalle zusammenschlössen, regelmäßig völlig machtlos und verlor bei jeder ernstlichen gemeinsamen Gegenwehr sein Amt. Obstruktion, Boykott, Ladenschließen und Arbeitsniederlegungen der Handwerker und Kaufleute im Fall konkreter Bedrückung waren schon alltäglich und setzten der 15 Beamtenmacht Schranken. A b e r diese waren völlig unbestimmter Art. Andrerseits finden sich in China wie in Indien bestimmte Kompetenzen der Gilden oder andrer Berufsverbände oder doch die faktische Notwendigkeit für die Beamten, mit ihnen sich ins Einvernehmen zu setzen. Es kam vor, daß die Vorstände dieser Verbände 20 A 640 weitgehende Zwangsjgewalten auch gegen Dritte ausübten. Bei alledem aber handelt" es sich - normalerweise - lediglich um Befugnisse oder faktische Macht einzelner bestimmter Verbände bei einzelnen bestimmten Fragen, die ihre konkreten Gruppeninteressen berühren. Nicht aber - normalerweise - existiert irgendein gemein- 25 samer Verband mit Vertretung einer Gemeinde der Stadtbürger als solcher. Dieser Begriff fehlt eben gänzlich. Es fehlen vor allem spezifisch ständische Qualitäten der städtischen Bürger. Davon findet sich in China, Japan, Indien überhaupt nichts und nur in Vorderasien Ansätze. | 30 1 WuG 524 In Japan war die ständische Gliederung rein feudal: die Samurai (berittenen) und Kasi 0 (unberittenen Ministerialen) 0 standen den m A: erstaunlichem

n A: handelte

o A: (unberittenen) Ministerialen

7 9 Diesen Sachverhalt betont Weber speziell für die chinesische Stadt in: Konfuzianlsmus, MWG 1/19, S. 154. 8 0 Der Aufbau einer zentralen Verwaltung spiegelt sich wider In den Listen der Hofbeamten Davids (2. Samuel 8, 16-18; 20, 2 3 - 2 6 ) und Salomos (1. Könige 4); unter Salomo kamen die Vorsteher der zwölf Bezirke hinzu, in die das Land zum Zweck der Steuererhebung eingeteilt worden war.

1. Begriff und Kategorien der Stadt

89

Bauern (no) und den teilweise in Berufsverbänden zusammengeschlossenen Kaufleuten und Handwerkern gegenüber. 81 Aber der Begriff „Bürgertum" fehlte ebenso wie der Begriff der „Stadtgemeinde". In China war in der Feudalzeit 82 der Zustand der glei5 che, seit der bureaukratischen Herrschaft aber stand der examinierte Literat der verschiedenen Grade dem Illiteraten gegenüber, und daneben finden sich die mit ökonomischen Privilegien ausgestatteten Gilden der Kaufleute und Berufsverbände der Handwerker. Aber der Begriff: Stadtgemeinde und Stadtbürgertum fehlte p auch 10 dort. „Selbstverwaltung" hatten in China wie in Japan wohl die Berufsverbände, nicht aber die Städte, sehr im Gegensatz zu den Dörfern. In China war die Stadt Festung und Amtssitz der kaiserlichen Behörden, in Japan gab es „Städte" in diesem Sinn überhaupt nicht. In Indien waren die Städte Königs- oder Amtssitze der königlichen 15 Verwaltung, Festungen und Marktorte. Ebenso finden sich Gilden der Kaufleute und außerdem die in starkem Maße mit Berufsverbänden zusammenfallenden Kasten, beide mit sehr starker Autonomie, vor allem eigener Rechtssetzung und Justiz. Aber die erbliche Kastengliederung der indischen Gesellschaft mit ihrer rituellen Ab20 sonderung der Berufe gegeneinander schließt die Entstehung eines „Bürgertums" ebenso ausr wie die Entstehung einer „Stadtgemeinde". Es gab und gibt mehrere Händlerkasten und sehr viele Handwerkerkasten mit massenhaften Unterkasten. Aber weder konnte irgendeine Mehrheit von ihnen zusammengenommen dem 25 okzidentalen Bürgerstand gleichgesetzt werden, noch konnten sie sich zu etwas der mittel]alterlichen Zunftstadt Entsprechendem zu- A 641 sammenschließen, da die Kastenfremdheit jede Verbrüderung hemmte. Zwar in der Zeit der großen Erlösungsreligionen 83 finden wir, daß die Gilden, mit ihren erblichen Schreschthi s (Ältesten) an p A: fehlten

q A: gegeneinander,

r A: aus,

S A: Schreschths

81 Nach Webers Darstellung In: Hinduismus, MWG I/20, S.435, verfügten die Samurai über ein erbliches (jedoch unter bestimmten Umständen kündbares) Lehen, w ä h r e n d es sich bei den „Kasi" um „einfache Ministeriale" handelte, „die oft ein Büroamt versahen". 82 Gemeint Ist die Zeit von ca. 800 bis 221 v.Chr. In dieser Zelt g a b es eine Staatenpluralltät auf chinesischem Boden, die 221 v.Chr. durch den Einheitsstaat abgelöst wurde; Franke, Verfassung (wie oben, S. 87, Anm. 75), S. 91. 83 Gemeint ist die Zelt seit d e m 6./5. Jahrhundert v.Chr., als im nordöstlichen Indien die Erlösungsreligionen B u d d h i s m u s und Jainlsmus entstanden waren. Nach seiner Blütezelt im 3. Jahrhundert v.Chr. verlor der Indische Buddhismus allmählich an Bedeutung.

90

Die

Stadt

der Spitze, sich in vielen Städten zu einem Verband zusammenschließen, und es gibt als Rückstand von damals bis heute noch einige Städte (Ahmadabad) 184 mit einem gemeinsamen städtischen Schreschth, dem okzidentalen Bürgermeister entsprechend, an der Spitze. Ebenso gab es in der Zeit vor den großen bureaukratischen 5 Königtümern einige Städte, die politisch autonom und von einem Patriziat regiert wurden, welches sich aus den Sippen, die Elefanten zum Heer stellten, rekrutierte. 85 A b e r das ist später so gut wie völlig verschwunden. Der Sieg der rituellen Kastenfremdheit sprengte den Gildenverband, und die königliche Bureaukratie, mit den Brah- 10 manen verbündet, 86 fegte diese Ansätze, bis auf jene Reste in Nordwestindien, hinweg. In der vorderasiatisch-ägyptischen Antike sind die Städte Festungen 87 und königliche oder Amtssitze mit Marktprivilegien der Köt A: (Allahobed), vgl. Anm. 84. 84 Der im Original als Allahobed verschriebene Name der Stadt könnte als Allahabad (im Norden Indiens, im heutigen indischen Bundesstaat Uttar Pradesh) gelesen werden. Aus der Parallelstelle in: Hinduismus, MWG I/20, S. 112, geht jedoch hervor, daß A h m a d a b a d (Im heutigen Bundesstaat Gujarat) gemeint ist. 85 Sich selbst verwaltende Städte werden in griechischen Quellen über Indien genannt, die auf den Bericht des Megasthenes zurückgehen, der sich als Gesandter des Seleukidenreichs um die Wende vom 4. zum 3. Jahrhundert v.Chr. am Hof Candraguptas, des Begründers des Maurya-Reichs, aufgehalten hatte (Arrian, Indike 1 1 , 9 ; D i o d o r 2 , 39, 4); eine Notiz über eine (nicht näher identifizierte) aristokratische Verfassungsordnung, die auf einem Rat von 5000 Besitzern von Elefanten basierte, findet sich bei Strabo 1 5 , 1 , 37 = C 702. Im Anschluß an Hopkins, Edward W., The Social and Military Position of the Rullng Caste In Ancient India, as Represented by the Sanskrit Epic, in: Journal of the American Orientai Society, vol. 13, 1889, S. 5 7 - 3 7 3 , hier S. 136 mit Anm., nennt Weber in: Hinduismus, MWG I/20, 166, das Beispiel der im Nordosten Indiens (in der Nähe des heutigen Muzaffarpur) gelegenen Stadt Vaigali. Die Identifizierung mit Vaigali geht zurück auf Lassen, Christian, Indische Alterthumskunde, Band 2, Teil 1, 2., vermehrte und verbesserte Auflage. - Leipzig: L.A. Kittler 1874, S. 727. 8 6 Nach Weber, Hinduismus, MWG I/20, S. 372 und 463f., hatte der Aufbau eines starken Reglerungsapparats Im Maurya-Reich unter Agoka (Regierungszeit 268 - ca. 236 v.Chr.), in dem der Buddhismus die Legitimationsideologie darstellte, auch das „Stadtpatrlziat" (das ursprünglich der soziale Träger des Buddhismus gewesen sei) nachhaltig geschwächt. Nach d e m Verfall des Maurya-Reiches und des indogriechischen Reiches von Demetrios und Menander (ca. 1 8 3 - 1 5 0 v.Chr.), in d e m ebenfalls noch der Buddhismus gefördert wurde, kam es In den zahlreichen kleineren Nachfolgestaaten erneut zu einem Bündnis des Königtums mit den Brahmanen. Aus der Mitte dieser Herrscherhäuser stieg die Gupta-Dynastie (320 - ca. 500 n.Chr.) auf, die ein straff organisiertes Großreich gründete. 8 7 Den Festungs- und sonstigen größeren Orten in Ägypten fehlte eine administrative Sonderstellung, da das gesamte Land einheitlich nach Gauen unterteilt war; Weber, Agrarverhältnisse 3 , S. 82 (MWG I/6).

I. Begriff und Kategorien der Stadt

91

nige. 88 A b e r in der Zeit der Herrschaft der Großkönigreiche fehlt ihnen Autonomie, Gemeindeverfassung und ständisch privilegiertes Bürgertum. In Ägypten bestand im Mittleren Reich Amtsfeudalität, im Neuen Reich bureaukratische Schreiberverwaltung. 89 Die 5 „Stadtprivilegien" waren Verleihungen an die feudalen oder präbendalen Inhaber der Amtsgewalt 90 in den betreffenden Orten (wie die alten Bischofsprivilegien in Deutschland), 91 nicht aber zugunsten einer autonomen Bürgerschaft. Wenigstens bisher sind nicht einmal Ansätze eines „Stadtpatriziats" nachweisbar. In Mesopota10 mien und Syrien, vor allem Phönizien, findet sich dagegen in der Frühzeit das typische Stadtkönigtum der See- und Karawanenhandelsplätze, teils geistlichen, teils aber (und meist) weltlichen Charakters, 92 und dann die ebenso typische aufsteigende Macht

88 Gemeint sind v.a. Städte in Mesopotamien, zu deren Privilegien - nach Weber, Agrarverhältnisse 3 , S. 73 (MWG I/6) - u. a. ein besonders großzügiges Fremdenrecht zur Förderung des Handels gehörte. 89 Das „Mittlere Reich" ist die Zeit der 11. Dynastie (2. Teil) bis zur 14. Dynastie, ca. 2040-1650 v.Chr.; darauf folgen die „Zweite Zwischenzeit" der 15. bis 17. Dynastie, 1650-1551 v.Chr. und das „Neue Reich", die Zeit der 18.-20. Dynastie, 1551-1080 v.Chr. Die angegebenen exakten Datierungen entsprechen heutigen chronologischen Rekonstruktionen. Weber hat in: Agrarverhältnisse 3 , S. 8 4 - 8 6 (MWG I/6) das Mittlere Reich der 12./13. Dynastie auf die Wende vom 3. zum 2. Jahrtausend v.Chr. datiert, den Beginn des „Neuen Reichs" mit der 18. Dynastie in der Mitte des 2. Jahrtausends v.Chr. angesetzt. Er führt ebd. aus, daß im Neuen Reich eine auf dem Einsatz leibeigener Schreiber beruhende Zentralverwaltung die Verwaltung durch mit Grundherrschaften ausgestattete Gauvorsteher (Nomarchen), die sich faktisch zu einem Feudaladel entwickelt hätten, abgelöst habe. 90 Nach seiner späteren Definition in: WuG1, S. 136 (MWG I/23), versteht Weber unter Präbende die ,,individuell[e], aber nicht erbiich[e]" Vergabe von Pfründen. Den Unterschied zwischen der an ein Amt geknüpften, erwerb- und veräußerbaren „Pfründe" und dem auf einer persönlichen Beziehung beruhenden, unveräußerbaren „Lehen", das in der Entwicklung des europäischen Mittelalters faktisch, wenn auch nicht rechtlich erblich wurde, hat Weber ausführlich in WuG1, S. 727 (MWG I/22-4), erörtert. Er betont auch wiederholt den Unterschied zwischen der Herstellung von Treuebeziehungen aufgrund der Präbendalisierung im Orient und der Feudalisierung im Okzident, u.a. in: Hinduismus, MWG I/20, S. 140f. 91 Gemeint ist die von den ottonischen und salischen Kaisern vorgenommene Ausstattung von Bischöfen mit Immunitäten (Gerichtshoheit, Forst-, Zoll-, Münz- und Marktrechte), die die Grundlage bischöflicher Stadtherrschaft bildeten. 92 Die wichtigsten phönikischen Städte Tyros, Sidon, Byblos und Akko werden in den Amarna-Briefen (vgl. unten, Anm.93) erwähnt. Über die inneren Verhältnisse seit dem Ende der ägyptischen Herrschaft zu Beginn des 12. Jahrhunderts v.Chr. ist wenig bekannt. Quellen setzten erst wieder für die Zeit seit dem 10. Jahrhundert v.Chr. ein. Am besten ist man über das Königtum in Tyros durch die Königsliste bei Josephus, Contra Apionem 1, 18, 116-127, sowie die Berichte jüdischer Quellen über die Beziehungen von

92

Die

Stadt

patrizischer Geschlechter im „Stadthaus" („bitu" in den Tell-elAmarna-Tafeln) in der Zeit der Wagenkämpfe.93 Der kanaanäische Städtebund war eine Einung der wagenkämpfenden stadtsässigen Ritterschaft, welche die Bauern in Schuldknechtschaft und Clientel hält;94 wie in der Frühzeit der hellenischen Polis. Ähnlich offenbar 5 in Mesopotamien, wo der „Patrizier", d.h. der grundbesitzende, ökonomisch wehrfähige Vollbürger vom Bauern geschieden ist, A 642 Immunitäten und Freiheiten der Hauptstädte vom König verbrieft sind.95 Aber mit steigender Macht des Militärkönigtums schwand König Hieram I. (969-936 v.Chr.) zu David und Salomo unterrichtet (2. Samuel 5, 11; 1. Könige 5, 15-26; 1. Könige 9, 10-14 und 27; Josephus, Contra Apionem 1, 17, 106-115; Josephus, Antiquitates ludaicae 8, 5, 141-149). Für eine sakrale Legitimierung des Königtums in Tyros spricht Hesekiel 28, 2 und 28, 9. 93 Die Tell-el-Amarna-Tafeln sind nach dem Fundort benannt. Sie wurden 1887 in (Teil-) El-Amarna (moderner arabischer Name), der mittelägyptischen Ruinenstätte am Ort der Residenz Echnatons, gefunden. Sie enthalten auf Tontafeln in babylonisch-assyrischer Keilschrift die Korrespondenzen vorderasiatischer Könige und (von Ägypten abhängiger) Fürsten bzw. von Statthaltern des Pharaos mit den Pharaonen Amenophis III. (1402-1364 v.Chr.) und Amenophis IV. Echnaton (1364-1348 v.Chr.) und stellen damit die wichtigste Quelle für Palästina und Syrien vor der israelitischen Landnahme dar. Editionen in Transkription und mit deutscher Übersetzung von Winckler, Hugo, Die Thontafeln von Tell-elAmarna (Keilinschriftliche Bibliothek, Band 5). - Berlin: Reuther & Reichard 1896, und Knudtzon, Jorgen] A., Die El-Amarna-Tafeln (Vorderasiatische Bibliothek). - Leipzig: J.C. Hinrichs 1907-1915. Statthalter aus dem syrisch-palästinensischen Raum wendeten sich immer wieder mit Hilfeersuchen an den Pharao, da sie mit ihren Kräften die Kontrolle über die Städte nicht mehr bewahren konnten. Ein militärisch gesichertes „Stadthaus" (bitu) als Sitz einer vom Statthalter des Pharao unabhängigen Stadtregierung ist aus Tyros bekannt; Knudtzon, Nr. 89, Zeile 4 8 - 5 1 (Band 1, S.425) mit den Erläuterungen (Band 2, S. 1180); dazu die ausführlicheren Bemerkungen Webers in: Judentum I, S. 68f. (MWG 1/21). - Der Einsatz von Streitwagen in der Kriegführung war seit der Mitte des 2. Jahrtausends v.Chr. in den vorderorientalischen Kulturen gebräuchlich, vgl. auch oben, S. 77 mit Anm.42a und 43a. 94 Weber erschließt die sozialen Machtstrukturen in den kanaanltischen Städten aus den Angaben in Richter 4 - 5 über den (von den Kanaanitern mit Streitwagen ausgetragenen) Kampf mit den Israeliten (vgl. oben, S. 77 mit Anm. 43), wie aus seinen genaueren Ausführungen in: Agrarverhältnisse 3 , S. 92f. (MWG I/6) deutlich wird. 95 Gemeint sein könnte u.a., daß der neuassyrische Herrscher Sargon II. (722-704 v.Chr.) sich der Erneuerung der Privilegien (Steuerbefreiung) für Assur und Harran bzw. seiner Fürsorge für Städte wie Babylon, Sippar und Nippur rühmt; Texte in: Die Keilschrifttexte Sargons. Nach den Papierabklatschen und Originalen neu hg. von Hugo Winckler, Band 1. - Leipzig: Eduard Pfeiffer 1889, S.98, 147, 159 und öfter (hinfort: Keilschrifttexte Sargons); sowie das rechtliche Sicherheiten (Schutz vor Verschleppung und Versklavung, Schutz von Fremden) garantierende Privileg für Babylon, das dessen Bewohner bei dem Assyrerkönig Assurbanipal (669-ca. 627 v.Chr.) und dessen Mitregenten Schamaschschum-ukin in einem Brief einklagten; Text in: Winckler, Hugo, Altorientalische Forschungen, Band 6. - Leipzig: Eduard Pfeiffer 1897, S. 469-473; vgl. Weber, Agrarverhältnisse 3 , S. 73 (MWG I/6).

I. Begriff und Kategorien der Stadt

93

das auch hier. Politisch autonome Städte, ein Bürgerstand wie im Okzident finden sich in Mesopotamien | später so wenig wie städti- WuG1 525 sches Sonderrecht neben dem königlichen Gesetz. Nur die Phöniker behielten den Stadtstaat mit der Herrschaft des mit seinem 5 Kapital am Handel beteiligten grundsässigen Patriziats. Die Münzen mit der Ära der 'amu Zor, 'am a Karthechdeschoth inTyros und Karthago deuten schwerlich auf einen herrschenden „Demos", und sollte es doch der Fall sein, so aus später Zeit. 96 In Israel wurde Juda ein Stadtstaat: aber die Sekenim (Ältesten), die in der Frühzeit als 10 Häupter der patrizischen Sippen in den Städten die Verwaltung leiteten, traten unter der Königsherrschaft zurück; die Gibborim (Ritter) wurden königliche Gefolgsleute und Soldaten, und gerade in den großen Städten regierten, im Gegensatz zum Lande, die königlichen Sarim (Beamten). 97 Erst nach dem Exil taucht die „Gemein15 de" (kahal) b oder „Genossenschaft" (cheber) auf konfessioneller Grundlage als Institution auf, aber unter der Herrschaft der Priestergeschlechter.98 Immerhin finden sich hier, am Mittelmeerrande und am Euphrat, erstmalig wirkliche Analogien der antiken Polis; etwa in dem Stadiu A: cam

a A: cam

b A: (kabel)

9 6 Datierungen nach der Ära des Volkes ('m) in Karthago (punisch: Oarthadascht) bzw. Tyros (phönikisch: Sur) stammen aus hellenistischer Zeit. Einschlägig sind Inschriften (zu Karthago: Corpus Inscriptlonum Semitlcarum, pars 1, tomus 1 , 2 . - Paris: E Reipublicae Typographeo 1883, Nr. 270 (S.346), Nr. 271 (S.346f.), Nr. 290, (S.359f.) und Nr. 291 (S. 360f.); zu Tyros: ebd., Nr. 7 (S. 29-32)), nicht Münzen. - Wie aus der Parallelstelle in: Judentum I, S. 87, Anm. 31 (MWG 1/21) hervorgeht, bezieht sich Weberauf eine zeitgenössische Diskussion über vermeintliche Entsprechungen zwischen quasl-demokratischen Strukturen bei Juden und Phönlkiern, für die u. a. die ähnlichen Bezeichnungen für „Volk" bezüglich des am-haarez („Volk des Landes"), der Vollbürger Im vorexilischen Judentum, einerseits, des Demos in Tyros, Sldon und Karthago Im 3.12. Jahrhundert v.Chr. andererseits, als Indiz galten; vgl. Slousch, Nahum, Representative Government among the Hebrews and Phoeniclans, In: Jewish Quarterly Review, n.s., vol. 4, 1913/14, S. 303-310. 97 Zu den sekenim und sarim vgl. oben, S. 87 f.; daß unter den gibborim im Regelfall nicht alle Wehrfähigen, sondern nur die „ökonomisch kraft ihres ererbten Besitzes zur vollwertigen Seibstequipierung fähigen" Sippen zu verstehen sind, begründet Weber in: Judentum I, S. 71 f. (MWG 1/21). 98 Mit der von Esra und Nehemla durchgeführten Reorganisation der (Mitte des 5. Jahrhunderts v.Chr.) aus dem babylonischen Exil nach Judäa zurückgekehrten Juden war eine strikte Abgrenzung von allen Gruppen (wie den Samarltanern) verbunden, die sich nicht an das jüdische Gesetz mit seinen Ritualvorschriften und dem Verbot von Mischehen mit Nichtjuden hielten; vgl. die ausführlicheren Darlegungen Webers In: Judentum I, S. 133 (MWG 1/21) und Judentum VI, S.576f. (MWG 1/21).

94

Die Stadt

um, in welchem Rom sich zur Zeit der Rezeption der Gens Claudia" befand. Immer herrscht ein stadtsässiges Patriziat, dessen Macht auf primär im Handel erworbenen und sekundär in Grundbesitz und persönlichen Schuldsklaven und in Sklaven angelegten Geldvermögen, militärisch auf kriegerischer Ausbildung im Ritterkampf ruhte, oft untereinander in Fehde, dagegen interlokal verbreitet und verbündet, mit einem König als primus inter pares, oder mit Schofeten oder Sekenim - wie der römische Adel mit Konsuln100 - an der Spitze101 und bedroht durch die Tyrannis von charismatischen Kriegshelden, welche sich auf geworbene Leibwachen (Abimelech, Jephthah, David) stützen.102 Dies Stadium ist vor der hellenistischen Zeit nirgends, oder doch nie dauernd, überschritten. Es herrschte offenbar auch in den Städten der arabischen Küste zur Zeit Muhammeds und blieb in den islamischen Städten bestehen, wo nicht, wie in den eigentlichen Großstaaten, die Autonomie der Städte und ihr Patriziat völlig vernichtet wurde. Sehr vielfach scheint freilich unter islamischer Herrschaft der antik-orientalische 9 9 Die gens Claudia ist nach römischer Tradition unter ihrem Ahnherrn Atta Clausus aus dem Sabinerland kurz nach Gründung der Republik, um 504 v.Chr., nach Rom eingewandert und dort sogleich in den Kreis des Patriciats aufgenommen worden; Livius 2, 16, 4f.; 4, 14, 3; Dionysios von Halikarnaß, Antiquitates Romanae 5, 40, 3 - 5 ; Plutarch, Publicóla 21, 2 - 6 ; Sueton, Tiberius 1. 1 0 0 Die römische Tradition führte die Einrichtung des Consulats, des Jahresamts zweier gleichberechtigter Magistrate als Träger der höchsten Staatsgewalt einschließlich des militärischen Kommandos, auf den Anfang der Republik zurück (Livius 2, 1, 1). 101 Das Buch der Richter faßt unter schofetim sowohl militärische Führer, die Israel aus höchster Not erretteten, wie auch Richter im engeren Sinne. Weber stellt die militärische Führungsfunktion heraus. Eine ausführlichere Darlegung seiner Position, auch gegenüber den Forschungskontroversen in der alttestamentlichen Wissenschaft seiner Zeit, findet sich in: Judentum II, S. 354ff. (MWG 1/21). - Als Richter (Schofeten, Sufeten) werden auch Obermagistrate in phönikischen Städten wie Tyros (vorübergehend Mitte des 6. Jahrhunderts v.Chr.; Josephus, Contra Apionem 1, 21, 157) und namentlich in Karthago bezeichnet; auf die karthagischen Magistrate, die meistens zu zweit im Amt waren, paßt am besten die Parallele zum römischen Consulat; vgl. Livius 30, 7, 5. 102 Zu Abimelech vgl. oben, S. 78 mit Anm. 51; Jephthah hatte zunächst als Bandenführer außerhalb des Landes gelebt, wurde dann zum Kampf gegen die Ammoniter zurückgerufen und zum Richter bestellt (Richter 11). Zu den Söldnertrupps vgl. Richter 9, 4 (Abimelech); Richter 11,3 (Jephthah); 1. Samuel 22, 2; 2. Samuel 23, 8 - 3 9 und 1. Chronik 11, 1 0 - 1 2 , 40 (David). Nachdem Davids Erfolge im Kampf mit den Philistern (GoliathLegende) zur Rivalität mit König Saul geführt hatten, begab sich David als Führer eines Söldnertrupps in die Dienste eines Philisterkönigs (1. Samuel 27, 2); nach seiner Wahl zum König von Israel und Juda eroberte er Jerusalem mit seinem Söldneraufgebot (2. Samuel 5, 6f.); ein Teil der fremden Söldner („Krethi und Plethi") bildete hinfort die Leibwache Davids (2. Samuel 8, 18; 2. Samuel 15, 18; 2. Samuel 20, 7).

I. Begriff und Kategorien

der Stadt

95

Zustand fortbestanden zu haben. Es findet | sich dann ein labiles A 643 Autonomieverhältnis der Stadtgeschlechter gegenüber den fürstlichen Beamten. Der auf Teilnahme an den städtischen Erwerbschancen ruhende, meist in Grundbesitz und Sklaven angelegte Reichtum der stadtsässigen Geschlechter war dabei Träger ihrer Machtstellung, mit welcher die Fürsten und ihre Beamten auch ohne alle formalrechtliche Anerkennung hier für die Durchführbarkeit ihrer Anordnungen oft ebenso rechnen mußten 0 wie der chinesische Taotai mit der Obstruktion der Sippenältesten der Dörfer und der Kaufmannskorporationen und anderer Berufsverbände der Städte. 103 Die „Stadt" aber war dabei im allgemeinen keineswegs notwendig zu einem in irgendeinem Sinn selbständigen Verband zusammengeschlossen. Oft das Gegenteil. Nehmen wir ein Beispiel. Die arabischen Städte, etwa Mekka, zeigen noch im Mittelalter und bis an die Schwelle der Gegenwart das typische Bild einer Geschlechtersiedelung. Die Stadt Mekka war, wie Snouck Hurgronjes d anschauliche Darstellung zeigt, 104 umgeben von den „Bilad": grundherrlichem e , von Bauern, Klienten und im Schutzverhältnis stehenden Beduinen besetzten Bodenbesitz der einzelnen „Dewi" f , der von Ali abstammenden hasanidischen 9 und anderen adligen Sippen. 105 Die Bilad h lagen im Gemenge. „Dewi" war jede Sippe, von der ein Ahn einmal „Scherif" war. 106 Der Scherif seinerseits 107 gehörte seit 1200 durchweg der alidischen1 Familie Katadas' 1 0 8 an, sollte nach dem offiziellen Recht vom Statthalter C A: mußten, d A: Hargronjes g A: husianidischen h A: Bilads

e A: grundherrlichen f A: „Dewis" i A: atidischen j A: Kahasas

1 0 3 Vgl. oben, S. 88, sowie die A u s f ü h r u n g e n W e b e r s in: Konfuzianismus, M W G 1/19, S. 259, 265 und 326. 1 0 4 S n o u c k Hurgronje, Mekka, ist eine G e s c h i c h t e der Stadt v o m 7. bis z u m 19. Jahrhundert. 1 0 5 Ali ibn A b i Talib (um 6 0 0 - 2 4 . 1 . 6 6 1 ) war der vierte Kalif (seit 656). Er war der Vetter und S c h w i e g e r s o h n d e s Propheten M o h a m m e d , mit d e s s e n Tochter Fatima er verheiratet war. Sein Sohn H a s a n ( 6 2 5 - 6 6 9 ) wurde der fünfte Kalif im Jahre 661, n a c h d e m sein Vater e i n e m Attentat erlegen war. Er dankte bereits ein h a l b e s Jahr später z u g u n s t e n d e s G e g e n k a l i f e n Muawija aus der Dynastie der U m a y y a d e n ab. 1 0 6 N a c h S n o u c k Hurgronje, Mekka, S. 112, ist die B e z e i c h n u n g „Dewi" im M . J a h r h u n dert a u f g e k o m m e n . 1 0 7 G e m e i n t ist d a s aus d e m Kreis der Scherifenfamilien (die als N a c h k o m m e n M o h a m m e d s galten) bestimmte Stadthaupt von Mekka, der „Groß-Scherif". 1 0 8 K a t a d a hatte seine Herrschaft über M e k k a z w i s c h e n 1201 und 1203 begründet; S n o u c k Hurgronje, Mekka, S. 73f.

96

Die Stadt

des Khalifen (der oft ein Unfreier, unter Harun al Raschid einmal ein Berbersklave war) 109 eingesetzt werden, wurde aber tatsächlich aus der qualifizierten Familie durch Wahl der in Mekka ansässigen Häupter der Dewi k bestimmt. Deshalb und weil der Wohnsitz in Mekka Gelegenheit zur Teilnahme an der Ausbeutung der Pilger bot, wohnten die Sippenhäupter (Emire) in der Stadt. Zwischen ihnen bestanden jeweils „Verbindungen", d. h. Einverständnisse über die Wahrung des Friedens und den Teilungsschlüssel für jene Gewinnchancen. 110 Aber diese Verbindungen waren jederzeit kündbar, und ihre Aufsagung bedeutete den Beginn der Fehde außerhalb wie innerhalb der Stadt, zu welcher sie sich ihrer Sklaventruppen 1 WuG 526 bedienten. | Die jeweils Unterlegenen hatten die Stadt zu meiden, doch galt, infolge der trotzdem bestehenden Interessengemeinschaft der feindlichen Geschlechter gegenüber den Außenstehenden, die bei Strafe allgemeiner Empörung auch der eigenen AnhänA 644 ger festgehaltene Courtoisie: die Güter und | das Leben der Familien und die Klienten der Verbannten zu schonen. In der Stadt Mekka bestanden in der Neuzeit als offizielle Autoritäten: 1. nur auf dem Papier der von den Türken eingerichtete kollegiale Verwaltungsrat (Medschlis),111 - 2. als eine effektive Autorität: der türkische Gouverneur;' er vertrat jetzt die Stelle des „Schutzherrn" (früher meist: der Herrscher von Ägypten), 112 - 3. die 4 Kadis der orthodoxen Riten, stets vornehme Mekkaner, der vornehmste (schafiitische) m jahrhundertelang aus einer Familie, vom Scherif entweder ernannt oder vom Schutzherrn vorgeschlagen, 113 - 4. der Scherif, zugleich Haupt der städtischen Adelskorporation, - 5. die Zünfte, vor allem die Fremdenführer, daneben der Fleischer, Getreidelt A: Diras

I A: Gouverneur:

m A: (schofiitische)

109 Nach Snouck Hurgronje, Mekka, S. 42, ernannte Harun al Raschid (Kalif von 786 bis 809) einen „frelgelassenenen Berbersklaven" z u m Gouverneur von Mekka. 110 Webers Skizze der auf d e n A b m a c h u n g e n („Verbindungen") der führenden Familien mit d e m Großscherlf b e r u h e n d e n Besitz- u n d Machtverhältnisse stützt sich auf Snouck Hurgronje, Mekka, S. 1 1 2 - 1 1 8 . 111 Das Gremium g a b es seit 1869; Snouck Hurgronje, Mekka, S. 171 f. 112 Seit ca. 1840 residierte in Mekka ein Gouverneur der Hohen Pforte anstelle eines Repräsentanten des ägyptischen Vizekönigs; Snouck Hurgronje, Mekka, S. 1 6 1 - 1 6 3 . 113 Gemeint sind die Vertreter der vier sunnitischen Rechtsschulen. Die in Mekka vorherrschende schafiltische Schule war von Asch-Schafii ( 7 6 7 - 8 2 0 ) g e g r ü n d e t worden, der In B a g d a d und zuletzt in Ä g y p t e n gelehrt hatte.

I. Begriff und Kategorien der Stadt

97

händler und andere, - 6. die Stadtviertel mit ihren Ältesten. 114 Diese Autoritäten konkurrierten mannigfach miteinander ohne feste Kompetenzen. Eine klagende Prozeßpartei suchte 0 sich die Autorität aus, welche ihr am günstigsten und deren Macht gegenüber dem Verklagten am durchgreifendsten schien. Der Statthalter konnte die Anrufung des mit ihm in allen Sachen, wo geistliches Recht involviert war, konkurrierenden Kadi nicht hindern. Der Scherif galt dem Einheimischen als die eigentliche Autorität; auf seine Gutwilligkeit war der Gouverneur speziell bei allem, was die Beduinen und die Pilgerkarawanen anging, schlechthin angewiesen, und die Korporation des Adels war hier wie in anderen arabischen Gebieten speziell in den Städten ausschlaggebend. 115 Eine an okzidentale Verhältnisse erinnernde Entwicklung zeigt sich darin, daß im 9. Jahrhundert, beim Kampf der Tuluniden und Saffariden in Mekka, die Stellungnahme der reichsten Zünfte: der Fleischer- und der 0 Getreidehändlerzunft, ausschlaggebend wurde, 116 während noch zu Muhammeds Zeit unbedingt nur die Stellungnahme der vornehmen koreischitischen Geschlechter 117 militärisch und politisch in Ben A: sucht

o Fehlt in A; der sinngemäß ergänzt.

114 Entweder ist die Formulierung, die die „Fremdenführer" zu den „Zünften" zu zählen scheint, mißverständlich oder der Text ist verderbt. Gemeint sind wohl die Vorsteher der Fremdenkolonien, die neben denjenigen der Zünfte u n d der Stadtviertel standen, wie aus Snouck Hurgronje, Mekka, S. 187, hervorgeht: „Dann kamen die verschiedenen Zünfte mit den von ihren Mitgliedern gewählten Zunftmeistern, die Fremdenkolonien, die sofern sie etwas bedeuteten, auch ihre eigenen Häupter hatten, die Stadtviertel, deren Pöbel je ein geschlossenes Ganze unter Führung eines .Schech des Viertels' bildete; kurz die ganze Stadt zerfiel in Korporationen [...]". Unter den Zünften spielten die der Fleischer und der Getreidehändler eine herausragende Rolle; Snouck Hurgronje, Mekka, S. 46. 115 Die Konkurrenz zwischen d e n Autoritäten schildert Snouck Hurgronje, Mekka, S. 1 8 2 - 1 8 6 . 116 Die Tuluniden, benannt nach A h m a d ibn Tulun ( 8 3 5 - 8 8 4 ) , einem Offizier türkischer Herkunft, der als Gouverneur des Kalifen dessen Oberherrschaft abgeschüttelt hatte, regierten 8 6 8 - 9 0 5 in Ägypten. Yaqub as-Saffar hatte zur gleichen Zeit ( 8 6 7 - 8 9 7 ) eine ebenfalls vom Kalifat in B a g d a d u n a b h ä n g i g e Herrschaft in Sistan (im heutigen südlichen Afghanistan) errichtet; die Saffariden-Dynastie herrschte (seit Ende des 9. Jahrhunderts auch im größten Teil des Iran) bis 911. Angesichts der S c h w ä c h e des Kalifats kam es, wie Snouck Hurgronje, Mekka, S . 4 5 f . , darstellt, bei Pilgerfahrten (u.a. im Jahre 883) zu Zusammenstößen zwischen Repräsentanten der Tuluniden und der Saffariden, die jeweils den Vorrang beanspruchten. 117 Der Stamm der Koreischiten stellte die sozial und wirtschaftlich führenden Familien Mekkas. M o h a m m e d , der aus einem bedeutungslos gewordenen Z w e i g dieser Familie stammte, stieß auf ihren erbitterten Widerstand. Der Sieg des Islam bedeutete das Ende ihrer politischen Vorherrschaft.

Die Stadt

98

tracht gekommen wäre. Aber ein Zunftregiment ist nie entstanden; die aus den Gewinstanteilen der stadtsässigen Geschlechter gespeisten Sklaventruppen haben jenen wohl immer wieder die ausschlaggebende Stellung gesichert, ähnlich wie auch im Okzident im Mittelalter die faktische Macht in den italienischen Städten immer wieder in die Hände der ritterlichen Geschlechter als der p Träger der militärischen Macht zu gleiten die Tendenz hatte. Jeglicher, die Stadt zu einer korporativen Einheit zusammenschließende Verband A 645 fehlte in Mekka, und darin liegt der charakteristische Unterschied gegen die synoikisierten Poleis des Altertums sowohl wie das q „commune" schon des frühen italienischen Mittelalters. Aber im übrigen haben wir allen Anlaß/ diese arabischen Zustände - wenn man die vorigen spezifisch islamischen Züge fortläßt oder ins Christliche transponiert - als durchaus und für die Zeit vor der Entstehung des Gemeindeverbandes als so gut wie völlig typisch auch für andere, speziell die okzidentalen Seehandelsstädte anzusehen. Soweit die gesicherte Kenntnis asiatischer und orientalischer Siedelungen, welche ökonomischen Stadtcharakter trugen, reicht, war jedenfalls der normale Zustand der: daß nur die Geschlechtersippen und eventuell neben ihnen die Berufsverbände, nicht aber Stadtbürgerschaften als solche, Träger eines Verbandshandelns s sind. Natürlich sind die Übergänge auch hier flüssige. Aber gerade die allergrößten, Hunderttausende und zuweilen Millionen von Einwohnern umfassenden 1 , Siedelungszentren zeigen diese Erscheinung. Im mittelalterlichen byzantinischen Konstantinopel sind die Vertreter der Stadtviertel, die zugleich (wie noch in Siena die Pferderennen) 118 die Zirkusrennen finanzierten, die Träger der Parteiungen: 119 der Nika-Aufstand unter Justinian entstammte diep A: die

q A: d e s

r In A folgt: uns

s A: V e r b a n d h a n d e l n s

t A: u m f a s -

sende

118 Vgl. oben, S . 8 1 . 1 1 9 Weber impliziert hier, daß die „Zirkuspartelen", d. h. die professionellen Betreiber v o n Rennställen und Organisatoren der Wagenrennen samt Ihren A n h ä n g e r s c h a f t e n (die - wie auch In d e n anderen großen Städten des Römischen Reiches - nach d e n Farben ihrer Vereinsabzeichen als die „Blauen", „Grünen", „Roten" u n d „Weißen" bezeichnet wurden), mit der politisch-militärischen Organisation der Stadtviertel Konstantinopels z u s a m m e n hängen. Diese These findet sich In der zeitgenössischen Forschung bei K[urtz], E., [deutsches Resümee von:] Th. Uspenskij, Die Partelen des Zirkus und die Demen In Konstante

I. Begriff und Kategorien der Stadt

99

ser lokalen Spaltung der Stadt. 1 2 0 Auch in dem Konstantinopel des islamischen Mittelalters - also bis in das 19. Jahrhundert - finden sich neben den rein militärischen Verbänden der Janitscharen 121 und der Sipahiu 1 2 2 und den religiösen Organisationen der Ulema v 5 und der Derwische 123 nur Kaufmannsgilden und -zünfte als Vertreter bürgerlicher Interessen, aber keine Stadtvertretung. Das war schon in dem spätbyzantinischen Alexandrien insofern ähnlich, als neben den I konkurrierenden Gewalten des auf die sehr handfesten WuG1 527 u A: Sipotis

v A: Ulemas, vgl. Anm. 123.

nopel. Viz. Vremennik I (1894) 1 - 1 6 , in: Byzantinische Zeitschrift, Band 4, 1895, S.208f.; Bury, J[ohn] B., Appendix 10 in seiner Ausgabe von Gibbon, Edward, The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, vol. 4, 4. ed. - London: Methuen [1911], S. 531 f. Die Organisation der Zirkusparteien findet sich noch in mittelbyzantinischer Zeit (6.12. Jahrhundert); dazu Wllken, [Friedrich], Über die Partheyen der Rennbahn, vornehmlich im Byzantinischen Kaiserthum, in: Abhandlungen der historisch-philologischen Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1827, S. 217-243, hier S. 234 ff. 120 Der Aufstand ist benannt nach dem Zirkusaufruf, „nika" = „siege!", der zugleich zum Schlachtruf des im Hippodrom beginnenden Aufstands des Jahres 532 wurde. Nach Strafmaßnahmen des Stadtpräfekten wegen vorausgegangener Zuschauerausschreitungen forderten die dominierenden Zirkuspartelen der Blauen und Grünen, die im Regelfall heftig rivalisierten, hier gemeinsam die Freilassung von verurteilten Anhängern beider Seiten. Als dies abgelehnt wurde, kam es zu einem gewaltigen Aufstand über mehrere Tage (13. bis 18. Januar), der sich schließlich gegen den Kaiser Justlnian selbst richtete. Dessen Feldherr Beiisar schlug ihn mit seinen Truppen brutal nieder. Die Brandstiftungen der Aufrührer zerstörten große Teile der Stadt, die Niederwerfung des Aufstands durch Bellsar soll über 30000 Todesopfer gekostet haben. Eine Zusammenstellung der Quellen In Übersetzung bietet Unger, Friedrich W., Quellen der byzantinischen Kirchengeschichte, Band 1 (Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance, Band 12). - Wien: Braumüller 1878, S. 82-86; vgl. auch die Analyse der Quellen bei Bury, J[ohn] B., The Nlka Riot, in: Journal of Hellenic Studies, vol. 17, 1897, S. 92-119. Eine berühmte Schilderung der Ereignisse findet sich in Kapitel 40 von Gibbons „History of the Decline and Fall of the Roman Empire". 121 Die Janitscharen waren die Im 14. Jahrhundert gebildete Kerntruppe der osmanischen Sultane. Sie rekrutierten sich aus in den christlichen Balkanprovinzen ausgehobenen und dann islamisch erzogenen Jugendlichen, die zum lebenslangen Dienst verpflichtet wurden. Weil sich die Janitscharen zu einem eigenständigen Machtfaktor im Staate entwickelt hatten, wurde die Truppe 1826 im Zuge der Heeresreform aufgelöst. 122 „Slpahi" Ist die mit Landbesitz als Pfründen ausgestattete Reiterei im seldschukischen und osmanischen Reich; vgl. WuG1, S. 729 (MWG I/22-4). 123 Ulema oder ulama (arab.: Gelehrte; Singular: „alim") sind die Vertreter der theologischen Gelehrsamkeit und der Rechtsprechung im Islam. Derwische sind Angehörige von Orden mit strengen Lebensregeln, die seit dem 12. Jahrhundert aus der Islamischen Mystik (Sufismus) hervorgegangen sind. Ihr besonderes Kennzeichen sind die ekstatischen, mit Musik und Tanz verbundenen Riten.

100

Die Stadt

Mönche gestützten Patriarchen und des auf die kleine Garnison gestützten Statthalters offenbar nur Milizen der einzelnen Stadtviertel existierten, innerhalb derer w die Zirkusparteien der rivalisierenden „Grünen" und „Blauen" die führenden Organisationen darstellten. 124

II. Die Stadt des Okzidents. Im auffallendsten Gegensatz namentlich zu den asiatischen Zuständen stand nun die Stadt des mittelalterlichen Okzidents, und zwar ganz speziell die Stadt des Gebiets nördlich der Alpen da, wo sie in A 646 idealtypischer Reinheit entwickelt war. Sie war ein | Marktort 3 wie 10 die asiatische und orientalische Stadt, Sitz von Handel und Gewerbe 0 wie jene, Festung wie jene. Kaufmannsgilden und Handwerkerzünfte fanden sich hier wie dort, und daß diese autonome Satzungen für ihre Mitglieder schufen, war durch die ganze Welt, nur gradweise verschieden, verbreitet. Ebenso enthielt die antike 15 wie die mittelalterliche Stadt des Okzidents - in letzterer allerdings mit einigen später zu machenden Vorbehalten 1 - in sich Fronhöfe 2 und Sitze von Geschlechtern mit außerstädtischem grundherrlichen und daneben oft mit großem städtischen Bodenbesitz, der aus den Erträgnissen der Teilnahme der Geschlechter an den 0 Gewinnchan- 2035 w A: denen

a A: Marktort,

b A: Gewerbe,

c In A folgt: städtischen

124 Gemeint sind die Unruhen nach der Übernahme des Patriarchats durch Kyrlll Im Jahre 412. Der Patriarch terrorisierte die alexandrlnischen Juden und ging gegen den kaiserlichen Präfekten, der zu intervenieren versuchte, mit der Unterstützung fanatischer Mönche vor, die schließlich nur durch den Einsatz der Stadtmilizen bzw. Zirkusparteien (zu deren Benennung nach Vereinsfarben vgl. oben, S. 98, Anm. 119) aus der Stadt vertrieben werden konnten; vgl. dazu sowie zu einigen späteren Vorfällen, in die die Zirkusparteien Involviert waren, Geizer, Matthlas, Studien zur byzantinischen Verwaltung Ägyptens (Leipziger Historische Abhandlungen, Heft 13). - Leipzig: Quelle & Meyer 1909, S. 17-19. Die Zeitangabe „spätbyzantinisch" - die auf das Byzantinische Reich bezogen die Zelt des 13.-15. Jahrhunderts bezeichnet - Ist mißverständlich, da die byzantinische Herrschaft über Alexandria mit der Einnahme der Stadt durch die Araber 642 beendet wurde. 1 Siehe unten, S.230f. 2 „Fronhof" meint im eigentlichen Sinne, d. h. bezogen auf die frühmittelalterliche Grundherrschaft, den vom Grundherrn selbst bewirtschafteten Herrenhof innerhalb eines Fronhofverbandes (Vlilikation). Ihm waren Bauern zugeordnet, die Frondienste verrichten mußten.

II. Die Stadt des

5

10

15

20

25

30

Okzidents

101

cen der Stadt vergrößert wurde. Ebenso kannte die okzidentale Stadt des Mittelalters überwiegend Schutzherren und Beamte eines politischen Herrn, welche in ihren Mauern Befugnisse verschiedenen Umfangs ausübten. Ebenso wich hier, wie fast in der ganzen Welt, das Recht, welches für Hausgrundstücke galt, von dem des landwirtschaftlichen Bodens natürlich irgendwie ab. A b e r wenigstens für die mittelalterliche Stadt des Okzidents war der Unterschied des Bodenrechts ein, von Übergangserscheinungen abgesehen, kaum je fehlendes Essentiale: prinzipiell frei veräußerliches, ganz zinsfreies oder nur mit festem Zins belastetes vererbliches Bodeneigentum in der Stadt, in der mannigfachsten Weise grundherrliches oder der Dorf- oder Markgemeinde d 3 gegenüber oder nach beiden Richtungen gebundenes Bauernland draußen. Das war in Asien und in der Antike nicht in gleicher Regelmäßigkeit der Fall. Diesem immerhin nur relativen Gegensatz des Bodenrechts entsprach aber ein absoluter Gegensatz der persönlichen Rechtslage. Überall, im frühen Mittelalter, der Antike, dem vorderasiatischen und dem ferneren Osten war die Stadt eine durch Zuzug und Zusammenfluß von außen entstandene und, bei den sanitären Verhältnissen der Unterschichten, nur durch fortwährend neuen Zustrom vom Lande sich erhaltende Zusammensiedelung. Überall enthält sie daher Elemente gänzlich verschiedener ständischer Stellung. Examinierte Amtsanwärter und Mandarinen neben den als Banausen verachteten Illiteraten und den (wenigen) unreinen Berufen in Ostasien, alle Arten von Kasten in Indien, sippenmäßig organisierte Geschlechtergenossen neben landlosen Handwerkern in Vorderasien und der Antike, Freigelassene, Hörige und Sklaven neben adeligen Grundherren | und deren Hofbeamten und Dienstleuten, Mini- A 647 sterialen oder Soldkriegern, Priestern und Mönchen in der frühmittelalterlichen Stadt. Herrenhöfe aller Art konnten in der Stadt liegen oder auch das Stadtgebiet als Ganzes zur Grundherrschaft

d A: Marktgemeinde, vgl. Anm. 3. 3 Da im Text von „gebundenem Bauernland" die Rede ist, meint Weber offensichtlich „Markgemeinde" und nicht, wie im überlieferten Text, „Marktgemeinde". Er ging von der Vorstellung einer kollektiven Landnahme germanischer Bauern aus, die als „Markgenossen" ihr Land als Gemeineigentum behandelten und genossenschaftlich nutzten. Für seine auf Meitzen zurückgehende Vorstellung vgl. Weber, Altgermanische Sozialverfassung, hier speziell S. 464 (MWG I/6).

102

Die

Stadt

eines Herrn gehören, innerhalb der Stadt selbst Reparatur und Bewachung der Mauern einer Schicht von Burgmannen oder anderen durch Burglehen 4 oder andere Rechte Privilegierten anvertraut 1 WuG 528 sein. Die schärfsten ständischen Unterschiede gliederten | namentlich die Stadtinsassen der mittelländischen Antike. In geringem Maße aber auch noch die des frühen Mittelalters und ebenso Rußlands bis an die Schwelle der Gegenwart, auch noch nach der Aufhebung der Leibeigenschaft: der aus Dörfern stammende Stadtinsasse war dem Dorfe schollenpflichtig und konnte vom Mir durch Entziehung des Passes zur Rückkehr genötigt werden.5 Freilich weist die sonstige, außerstädtische, ständische Schichtung innerhalb der Stadt fast überall gewisse Modifikationen auf. In Indien so, daß die Entstehung bestimmter spezifisch städtischer Verrichtungen auch die Bildung von Kasten zur Folge haben mußte, welche also der Tatsache, wenn auch nicht dem Recht nach, den Städten spezifisch waren. In Vorderasien, der Antike, dem frühen Mittelalter und in Rußland vor der Leibeigenenbefreiung vor allem so: daß die breiten Schichten der stadtsässigen Unfreien oder Hörigen in der Stadt faktisch, wenn auch zunächst nicht rechtlich, ihrem Herrn nur einen Zins zahlten, im übrigen aber eine der Tatsache nach ökonomisch selbständige Kleinbürgerklasse darstellten bzw. diese mit den rechtlich freien Kleinbürgern gemeinsam bildeten. Der Umstand, daß die Stadt ein Markt war, mit relativ ständiger Gelegenheit durch Handel oder Handwerk Geld zu verdienen, veranlaßte eben zahlreiche Herren, ihre Sklaven und Hörigen nicht im eigenen Haus oder Betrieb als Arbeitskräfte, sondern als Rentenfonds auszunützen, sie also als Handwerker oder Kleinhändler anzulernen und dann, eventuell (so in der Antike) mit Betriebsmitteln ausgestattet, gegen Leibzins in der Stadt dem Erwerb nachgehen zu lassen. Bei öffentlichen Bauten Athens finden wir daher Sklaven und Freie in der gleichen Akkordgruppe gegen Lohn engagiert.6 Freie und unfreie, als 4 Mit dem Begriff „Burglehen" (feudum castrense) werden Nutzungsrechte an Gütern (in manchen Fällen auch an der Burg selbst) bezeichnet, mit welchen ein Stadtherr seine Burgmannen für ihre Schutz- und Wachdienste belehnte. 5 Die Aufhebung der Leibeigenschaft erfolgte 1861. Ein von der Gemeinde auszustellender Paß wurde weiterhin benötigt, um den Heimatbezirk verlassen zu können; vgl. Weber, Rußlands Lage, MWG 1/10, S. 199 mit Erläuterung, sowie Slmkhowltsch, „Mir" (wie oben, S. 87, Anm. 77), S. 725. 6 Weber bezieht sich hier auf die detaillierten Abrechnungen der Bauarbelten am Erechtheion (dem Neubau des Heiligtums der Athena und des Erechtheus auf der Akro-

II. Die Stadt des

Okzidents

103

Institoren7 des Herrn oder mit „merx peculiaris"8 faktisch ganz selbständig schaltende Kleinbürger stehen im Gewerbe und Kleinhandel der Römerzeit nebeneinander, gehören den gleichen Mysteriengemeinden an.9 Die Chance, sich frei (kaufen zu können, A steigerte die ökonomische Leistung speziell der unfreien Kleinbürger, und es ist daher kein Zufall, daß in der Antike und in Rußland gerade in den Händen von Freigelassenen sich ein großer Teil der ersten, durch rationalen Dauerbetrieb gewerblicher oder kommerzieller Art erworbenen Vermögen ansammelte. Die okzidentale Stadt war so schon in der Antike wie in Rußland10 ein Ort des Aufpolis) aus den Jahren 4 0 9 - 4 0 7 v.Chr., die zeigen, daß für die (zumeist spezialisierten) Handwerker die Löhne (nach Akkordleistung, in anderen Fällen pro Tag) ohne Unterschiede bezüglich des Status als Freie oder Sklaven gezahlt wurden. Seine hier formulierte Annahme, es habe sich um selbständig arbeitende Sklaven gehandelt, die ihren Herren nur eine feste Abgabe zahlen mußten, ist jedoch nicht zwingend. Wie Weber selbst in: Agrarverhältnisse 3 , S. 117f. (MWG I/6), festgestellt hatte, könnte der Lohn auch an die Besitzer gezahlt worden sein. Die Inschriften sind publiziert in: Corpus Inscriptionum Atticarum, vol. 1: Inscriptiones Atticae Euclidis anno vetustiores, ed. Adolphus Kirchhoff. Berlin: Georg Reimer 1873, Nr. 321 und 324, und vol. 4, 1: Supplementa, S.75 und 149; eine deutsche Übersetzung findet sich bei Huch, Gregor, Die Organisation der öffentlichen Arbeit im griechischen Altertume. - Frankenstein: Franz Huch 1903 [= 1. Teil der Diss. Leipzig 1901], 7 Ein Institor ist ein vom Eigentümer eingesetzter Verwalter eines Gewerbe- oder Handelsbetriebes, der nach römischem Recht für den Eigentümer verbindliche Geschäfte tätigen konnte. 8 Handelsware (merx), die mittels eines peculium {d.h. eines einem Gewaltunterworfenen von seinem Herrn zur Ausübung eigener Geschäftstätigkeit überlassenen Sondervermögens) erworben wurde. 9 Mysterienkulte versprachen den in ihre geheimen Riten Eingeweihten Erlösung und Heil in einer jenseitigen Welt. Solche Kulte orientalischer Provenienz (v.a. Attis-Kybele, IsisOsiris und Mithras) fanden seit der späten Republik im Römischen Reich gerade bei den Unterschichten, einschließlich der Sklaven, große Resonanz; vgl. u.a. Liebenam, Wjjlhelm], Zur Geschichte und Organisation des römischen Vereinswesens. Drei Untersuchungen. - Leipzig: B.G. Teubner 1890, v.a. S. 173 und 295f. (hinfort: Liebenam, Vereinswesen); Cumont, Franz, Die Mysterien des Mithra. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte der römischen Kaiserzeit, autorisierte deutsche Ausgabe von Georg Gehrich. - Leipzig: B.G. Teubner 1903, S . 5 1 - 6 2 ; Schweitzer, Albert, Geschichte der Paulinischen Forschung von der Reformation bis auf die Gegenwart. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1911, S. 141-184. 10 Beispiele von solchen Aufsteigern sind v.a. aus Ivanovo (vgl. oben, S.60, Anm. 3) im 18. und 19. Jahrhundert bekannt; der Ort gehörte bis 1861 zum Besitz der Grafen Scheremetjeff; vgl. Schulze-Gävernitz, Gerhart v[on], Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland. - Leipzig: Duncker & Humblot 1899, S. 24f. Da die ökonomischen Aktivitäten v.a. in den „Gewerbedörfern" stattfanden, ist Webers Aussage, „die Stadt" sei der Ort des Aufstiegs aus der Unfreiheit, für die russischen Verhältnisse problematisch; vgl. unten, Anm. 11.

104

Die

Stadt

stiegs aus der Unfreiheit in die Freiheit durch das Mittel geldwirtschaftlichen Erwerbs. Noch wesentlich stärker nun gilt das gleiche für die mittelalterliche Stadt, zumal die Binnenstadt, und zwar je länger desto mehr. Denn hier verfolgte, im Unterschied von fast allen andern uns bekannten Entwicklungen, die Bürgerschaft der Städte in aller Regel ganz bewußt eine darauf gerichtete Ständejpolitik. Bei reichlichem Erwerbsspielraum bestand in der Frühzeit dieser Städte ein gemeinsames Interesse ihrer Insassen an der Ausnutzung derselben zwecks Erweiterung der Absatz- und Erwerbschancen jedes einzelnen durch Erleichterung des Zuzugs von außen und deshalb auch ein solidarisches Interesse daran, daß nicht jeder soeben in der Stadt wohlhabend gewordene Hörige von seinem Herrn - wie es von seiten schlesischer Adeligen noch im 18., von russischen noch im 19. Jahrhundert mehrfach geschehen ist - etwa zu Hausknechts- oder Stalldiensten requiriert wurde, sei es auch nur, um so ein Loskaufsgeld von ihm zu erpressen.11 Die Stadt11 Nach dem bis 1807 in Schlesien geltenden Recht der Erbuntertänigkeit mußte derjenige Untertan, der eine Stellung außerhalb seines Heimatdorfes antreten wollte, seinem Grundherrn für die Erlaubnis ein jährliches Schutzgeld zahlen; wer auf Dauer an einen anderen Ort übersiedeln und damit aus dem Untertanenverband seines Geburtsorts ausscheiden wollte, hatte (nach einem preußischen Edikt von 1748) ein Loskaufgeld in Höhe von 10% seines Vermögens zu zahlen; mit einem Edikt von 1799 wurde die Schutzgeldzahlung nur noch für wenige Fälle zugelassen; vgl. Knapp, G[eorg] F. und Kern, A[rthur], Die ländliche Verfassung Niederschlesiens, In: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft Im Deutschen Reich, Neue Folge, 19. Jg., 1895, S. 69-93, hier S.87; Dessmann, Günter, Geschichte der schlesischen Agrarverfassung (Abhandlungen aus dem staatswissenschaftlichen Seminar zu Strassburg, Heft 19). - Strassburg: Karl J. Trübner 1904, S. 108-113 und 119-128. Lukrativ waren diese Regelungen vor allem für Grundherren in den nlederschlesischen Gebirgsregionen, wegen der relativ fortgeschrittenen wirtschaftlichen Entwicklung (Leinenindustrie), der Bevölkerungsdichte und der Häufigkeit des Ortswechsels. - Das (auf das 15. Jahrhundert zurückgehende) System der Leibeigenschaft ist In Rußland im 17. und 18. Jahrhundert welter ausgebaut worden; es gab einerseits Zehntausende von Fällen, in denen sich Leibeigene ihren Herren entzogen (und entsprechend eine Vielzahl von Erlassen, die die Flucht unterbinden sollten), andererseits die Möglichkeit, daß Leibelgene die Verpflichtung zu Arbeltsdiensten durch die Zahlung einer Geldrente (obrok) an den Herrn ablösten. Viele, so für andere Tätigkelten freigesetzte Leibelgene (zumal In den Gewerbedörfern, vgl. oben, S.60, Anm.3) haben es zu erheblichem Wohlstand gebracht. Sie konnten sich durch eine hohe Ablösesumme (die, je nach Gewerbe und Gebiet schwankend, bis zum Fünfundzwanzigfachen des jährlichen obrok betragen konnte) freikaufen. Die Initiative dazu ist oft von den Leibelgenen selbst ausgegangen. Eine tatsächliche Rückholung zu Frondiensten dürfte dagegen Im Regelfall nicht lukrativ gewesen sein. - Auf welche konkreten Beispiele des Verhaltens schlesischer bzw. russischer Adliger sich Weber hier bezieht, konnte nicht ermittelt werden.

II. Die Stadt des Okzidents

105

bürgerschaft usurpierte daher - und dies war die eine große, der Sache nach revolutionäre Neuerung der mittelalterlich-okzidentalen gegenüber allen anderen Städten - die Durchbrechung des Herrenrechts. In den mittel- und nordeuropäischen12 Städten entstand 5 der bekannte Grundsatz: „Stadtluft macht frei", 1 3 - d. h. nach einer verschieden großen, stets aber relativ kurzen Frist verlor der Herr eines Sklaven oder Hörigen das Recht, ihn als Gewaltunterworfenen in Anspruch zu nehmen.14 Der Satz ist in sehr verschiedenem Grade durchgedrungen. Sehr oft mußten sich andererseits 10 Städte zu dem Versprechen bequemen, Unfreie nicht aufzunehmen, 15 und mit Engerwerden des Nahrungsspielraums ist diese Schranke ihnen auch oft willkommen gewesen. Allein als Regel setzte jener Grundsatz sich dennoch durch. Die ständischen Unterschiede schwanden also in der Stadt, wenigstens soweit sie Verschie15 denheit von gewöhnlicher Freiheit und Unfreiheit bedeuteten. Andererseits entwickelte sich innerhalb | zahlreicher, ursprünglich auf A 649, WuG1 529 politischer Gleichstellung der Ansiedler untereinander und freier Wahl der Stadtbeamten ruhender Stadtansiedelungen im europäischen Norden vielfach eine Honoratiorenschicht: die ständische

12 Hier und im folgenden meint „nordeuropäisch" bzw. „Nordeuropa" anscheinend pauschal „nördlich der Alpen", jedenfalls nicht Nordeuropa im Sinne von Skandinavien. 13 Diese berühmte, nach Rechtssprichwort klingende Formel Ist nicht Quellensprache, sondern von der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts geprägt worden, zuerst In der Fassung „die Luft macht frei" (Gaupp, Ernst Th., Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, mit rechtsgeschichtlichen Erläuterungen, Band 1. - Breslau: Josef Max 1851, S. XXXIX); vgl. Brunner, Heinrich, Luft macht frei. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung, in: Festgabe der Berliner juristischen Fakultät für Otto Glerke zum Doktor-Jubiläum 21. August 1910, Band 1: Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Kirchenrecht, Lehenrecht. - Breslau: M. & H. Marcus 1910, S. 1 - 4 6 (hinfort: Brunner, Luft), der auf die Ableitung aus dem älteren Prinzip, „Luft macht eigen", - d. h. unterstellt den Zuwanderer dem Grund- bzw. Stadtherrn, in dessen Gebiet er sich begibt - hinweist. 14 Zur Verbreitung des Prinzips In England, Frankreich, Holland, Flandern und Deutschland vgl. Hegel, Städte (wie oben, S.76, Anm.39), Band 1, S.58f. und 159f.; Band 2, S. 250, 416, 427 und 507f.; sowie Brunner, Luft; zum Erlöschen der Herrenrechte meistens nach Jahr und Tag (mitunter auch nach kürzerer Frist) vgl. Rletschel, Siegfried, Die Städtepolitik Heinrichs des Löwen, In: Historische Zeitschrift, Band 102, 1909, S . 2 3 7 276, hier S. 267-273. 15 Verbote, Zuwanderer aufzunehmen, sind Im 13. Jahrhundert sowohl durch Reichsgesetzgebung als auch In landesherrlichen Privilegien für einzelne Städte erfolgt; Beispiele finden sich bei Gengier, Heinrich G., Deutsche Stadtrechts-Alterthümer. - Erlangen: Andreas Delchert 1882, S. 428-431; Schütze, Paul, Die Entstehung des Rechtssatzes: Stadtluft macht frei (Historische Studien, Heft 3 6 ) . - Berlin: E. Ebering 1903, S . 9 1 - 9 6 .

106

Die Stadt

Differenzierung der kraft ihrer ökonomischen Unabhängigkeit und Macht die Ämter monopolisierenden Ratsgeschlechter gegen die andern Bürger. Und ferner finden wir in zahlreichen, besonders südlichen, aber auch nördlichen reichen Städten (auch deutschen) von Anfang an - wie in der Antike - das Nebeneinander von „Reitern", Leuten, die einen Stall halten (einen „Rennstall" würden wir heute sagen, denn an die Turnierzwecke ist dabei gedacht), den „Constaffeln",16 als einem spezifischen Stadtadel und den gemeinen Bürgern, also: in ständischer Scheidung. Dem aber steht nun eine andere Entwicklung gegenüber, welche die ständische Gemeinsamkeit der Stadtbürger als solchen, galten sie nun als Adel oder Nichtadel, gegenüber dem Adel außerhalb der Stadt steigerte6. Mindestens in Nordeuropa wurde gegen Ende des Mittelalters die Adelsqualität des stadtsässigen, am Erwerb beteiligten und - was vor allem geltend gemacht wurde17 - mit den Zünften im Stadtregiment zusammensitzenden Patriziats von Seiten des ritterlichen Landadels nicht mehr anerkannt, dem Patriziat also Turnier- und Stiftsfähigkeit, Konnubium und Lehensfähigkeit abgesprochen (die letztere in Deutschland mit den nur zeitweiligen Ausnahmen der privilegierten Reichsstadtbürger).18 Von diesen beiden Tendenzen e A: steigerten

16 Als Constofeln oder Constaffler (von mlat.: comestabulus, Stallmeister) wurden u. a. in Straßburg, Hagenau und Zürich die nicht in Zünften organisierten Bürger der Oberschicht bezeichnet, die mindestens ein Pferd unterhielten, mit dem sie Botendlenste verrichten bzw. sich Im Kriegsfall an der Verteidigung der Stadt beteiligen konnten. Seit dem 15. Jahrhundert wurde der Begriff zur Kennzeichnung des Patriziats in den genannten Städten verwendet. Vgl. zu Straßburg: Schmoller, Gustav, Strassburg zur Zelt der Zunftkämpfe und die Reform seiner Verfassung und Verwaltung im XV. Jahrhundert (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Culturgeschlchte der germanischen Völker, Band 11). -Strassburg: Karl J. Trübner 1875, S. 14-17 (hinfort: Schmoller, Strassburg); zu Straßburg und Zürich: Hegel, Carl, Zur Stadtverfassung, In: Die Chroniken der oberrheinischen Städte. Straßburg, Band 2 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis Ins 16. Jahrhundert, Band 9). - Leipzig: S.HIrzel 1871, S. 951-966, hier S. 961 ff. 17 D.h. von selten des Landadels, der die Aufnahme von Handwerkern in den Rat (In Deutschland allgemein im 15. Jahrhundert, in einigen Fällen aber schon früher) zum Anlaß der Im folgenden Text skizzierten Abgrenzungstendenzen nahm. 18 Stiftsfähigkeit bedeutete die Möglichkeit, einem Domkapitel anzugehören bzw. in ein Stift aufgenommen werden zu können, dessen Plätze dem Adel vorbehalten waren. Die Anforderungen hinsichtlich der Zahl der nachzuweisenden adligen Ahnen wurden seit dem Spätmittelalter durchweg erhöht; die Kriterien unterschieden sich jedoch weiterhin von Stift zu Stift erheblich; vgl. Rauch, Karl, Stiftsmäßigkeit und Stiftsfähigkeit in ihrer be-

II. Die Stadt des

5

10

15

20

25

30

Okzidents

107

zu einer relativen ständischen Nivellierung und umgekehrt zu einer stärkeren Differenzierung in der Stadt haben im allgemeinen die letzteren das Übergewicht behalten. A m Ende des Mittelalters und bei Beginn der Neuzeit werden fast alle Städte, italienische, englisehe und französische ebenso wie deutsche, soweit sie nicht - wie in Italien - monarchische Stadtstaaten geworden waren, durch einen Ratspatriziat oder eine Bürgerkorporation beherrscht, welche nach außen exklusiv war, nach innen eine Honoratiorenherrschaft bedeutete, selbst dort, wo aus der Zeit des Zunftregiments die Pflicht für diese Honoratioren, formell einer Zunft zuzugehören, noch fortbestand. Die Abschneidung der ständischen Zusammenhänge nach außen hin zum außerstädtischen Adel wurde nur in den Stadtkorporationen Nordeuropas ziemlich rein durchgeführt, während im Süden, zumal in Italien, umgekehrt mit aufsteigender Macht | der Städ- A 650 te fast aller Adel stadtsässig wurde, wie wir dies wesentlich verstärkt auch in der Antike finden, wo die Stadt ja ursprünglich gerade als Sitz des Adels entstand. Antike und, in geringerem Maß, südeuropäisch-mittelalterliche Städte bilden hierin also gewissermaßen Übergangsstadien von der asiatischen zur nordeuropäischen Stadt. Z u diesen Unterschieden tritt nun aber als entscheidend hinzu die Qualität der antiken sowohl wie der typischen mittelalterlichen Stadt als eines anstaltsmäßig vergesellschafteten, mit besonderen und charakteristischen Organen ausgestatteten Verbandes von „Bürgern", welche in dieser ihrer Qualität einem nur ihnen zugänglichen gemeinsamen Recht unterstehen, also ständische „Rechtsgenossen" sind. Diese Eigenschaft als einer ständisch gesonderten „Polis" oder „Commune" war, soviel bekannt, in allen anderen Rechtsgebieten, außer den mittelländischen und okzidentalen, nur in den Anfängen vorhanden. A m ehesten wohl noch in Mesopotamien, Phönizien und in Palästina in der Zeit der Kämpfe der israeli-

grifflichen Abgrenzung, in: Festschrift Heinrich Brunner zum siebzigsten Geburtstag. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger 1910, S. 7 3 7 - 7 6 0 . Adlige Abstammung wurde auch für die Zulassung bei von der Ritterschaft veranstalteten Turnieren gefordert. Einzelne patrizische Familien der Reichsstädte gehörten jedoch weiterhin der Ritterschaft an bzw. verfügten über Ritterlehen; vgl. zu der Abgrenzung zwischen Patriziern und Rittern, zumal seit dem 16. Jahrhundert, Roth von Schreckenstein, C[arl] H., Das Patriziat in den deutschen Städten, besonders Reichsstädten, als Beitrag zur Geschichte der deutschen Städte und des deutschen Adels. - Tübingen: H. Laupp 1856, v.a. S. 5 0 9 - 5 5 0 .

108

Die Stadt

tischen Eidgenossen mit dem kanaanäischen Stadtadel19 und vielleicht noch in manchen Seestädten anderer Gebiete und Zeiten. So existierte in den Städten der von Cruickshank und nach ihm von Post geschilderten Fanti-Neger der Goldküste20 ein „Rat" unter dem Vorsitz eines Stadtkönigs als primus inter pares, dessen Mit- 5 glieder 1. die „Kabossiere"f 21: die Häupter der durch Reichtum und ständische Lebensführung (Gastlichkeit und Aufwand) ausgezeichneten Geschlechter, 2. die gewählten Obmänner der als militärische Verbände mit Wahl der Obmänner und mit Ältesten organisierten, gegeneinander ganz selbständigen, oft genug in Fehde miteinander 10 liegenden Stadtviertel, 3. die erblichen Polizeiamtmänner (Pynine) der Stadtviertel bildeten und in dessen Hand Gericht und VerwalW u G 5 3 0 tung lagen. Ähnliche Vorstufen | der Polis- oder Communekonstitution dürften sich in Asien und Afrika mehrfach gefunden haben. Aber von einem ständischen „Stadtbürgerrecht" verlautet 15 nichts. Dagegen war die vollentwickelte antike und mittelalterliche Stadt vor allem ein als Verbrüderung konstituierter oder so gedeuteter Verband, dem daher auch das entsprechende religiöse Symbol: ein Verbandskult der Bürger als solcher, also ein Stadtgott oder 20 Stadtheiliger, der für die Bürger als solcher da ist, nicht zu fehlen A 651 pflegt. Ein solcher fehlt zwar auch in | China nicht (oft ein apotheosierter Mandarin) 22 . Aber er behielt dort den Charakter eines Funktionsgottes im Pantheon. 23 Der Verband der Stadtgemein1

f A: „Kaboffiere", vgl. Anm. 21. 1 9 D.h. in der Zeit des Debora-Liedes, also wahrscheinlich im späten 12. Jahrhundert v.Chr.; vgl. oben, S. 77, Anm. 43. Einschlägig sind auch die späteren Darstellungen der Kämpfe der israelitischen Stämme gegen die Kanaaniter, bei denen sich die Israeliten auf die Eroberung der Gebirgsregionen konzentrierten, da die Kanaaniter mit ihren Streitwagen in den Ebenen militärisch überlegen waren; Richter 1, 19; J o s u a 17, 15ff. 2 0 Weber nimmt hier Bezug auf die Darstellung der Struktur der Städte der Fanti an der Goldküste (heute; Ghana) bei Cruickshank, Gold Coast, Band 1, S. 242-251 (= Goldküste, S. 110-115) und Post, Afrikanische Jurisprudenz, Band 1, S. 214f. 2 1 „Kaboffiere" (wie im überlieferten Text) ist offensichtlich ein Versehen. Bei Cruickshank, Gold Coast, Band 1, S. 244 heißt es „cabboceer", In der deutschen Übersetzung, Goldküste, S. 111, mit „Kabosslr" wiedergegeben. So auch bei Post, Afrikanische Jurisprudenz, Band 1, S.214. 2 2 Zu Stadtgöttern wurden oft verstorbene Mandarine erhoben, die sich zu Lebzeiten um die von ihnen verwaltete Stadt verdient gemacht hatten; Grube, Wilhelm, Religion und Kultus der Chinesen. - Leipzig: Rudolf Haupt 1910, S. 126. 2 3 Die Gesamtheit der Götter einer Religion.

11. Die Stadt des

Okzidents

109

de im Okzident als solcher hatte ferner: Besitz, über den ihre Organe verfügten. Wenn dagegen der berühmte Streit der Aliden mit der Gemeinde über die „Gärten von Fadak" - der erste ökonomische Anlaß der Abspaltung der Schia - ein Streit über Geschlechts- oder Gemeindeeigentum war, so war die „Gemeinde", in deren Namen die Vertreter der Khalifen jenen Grundbesitz in Anspruch nahmen, 24 die religiöse Gemeinschaft des Islam, nicht eine politische „Gemeinde" von Mekka, welche gar nicht existierte. Allmenden von städtischen Siedelungen mögen anderwärts ebenso existiert haben 9 wie für Dorfgemeinden. Ebenso gab es spezifisch städtische Steuerquellen der Fürsten. Aber ein Finanzwesen einer Stadtgemeinde nach Art der antiken oder mittelalterlichen Stadt ist von anderwärts nicht bekannt, höchstens Ansätze dazu mag es gegeben haben. Für die gemeinsamen Eigentümlichkeiten der mittelländischen Städte him Unterschied zu den'1 asiatischen war zunächst und vor allem das Fehlen der magisch-animistischen Kasten- und Sippengebundenheit der freien Stadtinsassen mit ihren Tabuierungen grundlegend. In China war es die exogame und endophratrische Sippe, 25 in Indien seit dem Siege der Patrimonialkönige und Brahmanen 26 überdies noch die endogame und tabuistisch exklusive Kaste, 27 welche jeglichen Zusammentritt zu einer auf allgemeiner sakraler und bürgerlicher Rechtsgleichheit, Konnubium, Tischgemeinschaft, Solidarität nach außen, ruhenden Stadtbürgervergesellschaftung hinderten, in Indien infolge des tabuistischen g A: haben,

h A: zum Unterschied der

24 „Schia" bedeutete ursprünglich „Partei", wurde dann aber fast ausschließlich zur Kennzeichnung der Aliden, der Familie des Schwiegersohns des Propheten M o h a m m e d und vierten Kalifen Ali ibn A b i Talib, und ihrer Anhänger verwendet (die allein N a c h k o m men Alis als rechtmäßige Nachfolger des Propheten anerkannten). Die Aliden erhoben A n s p r u c h auf die „Gärten von Fadak" in Mekka, die sie als Familienbesitz ansahen, während ihre Gegner darauf bestanden, daß der Prophet sie nur als Oberhaupt der religiösen G e m e i n d e verwaltet habe; Snouck Hurgronje, Mekka, S. 3 2 - 3 4 . 25 Gemeint sein dürfte, daß für die Mitglieder der eine Kultgenossenschaft b i l d e n d e n chinesischen Sippen (so ist wohl das ungewöhnliche „endophratisch" zu verstehen) ein Heiratsverbot untereinander bestand. 26 Zur zeitlichen und sachlichen Einordnung vgl. oben, S. 90 mit Anm. 86. 27 Weber definiert Kasten in: Hinduismus, nach d e m Bestehen von Endogamieregeln, d . h . Heirat der Kastenmitglieder nur untereinander (MWG 1/20, S.91), und von Tabuschranken, die die Tischgemeinschaft zwischen A n g e h ö r i g e n verschiedener Kasten ausschließen (MWG I/20, S . 9 4 f . und 1 0 2 - 1 0 5 ) .

110

Die Stadt

Kastenabschlusses noch weit stärker als in China, - wie denn, auch infolgedessen, Indien eine, rechtlich angesehen, zu 90 % landsässige Bevölkerung gegenüber der immerhin weit größeren Bedeutung der Städte in China aufwies. Die Insassen einer indischen Stadt haben als solche gar keine Möglichkeit gemeinsamer Kultmahle, die chinesischen infolge ihrer Sippenorganisation und der alles überwiegenden Bedeutung des Ahnenkults keinen Anlaß dazu. Soweit, daß auch die private Speisegemeinschaft ganz ausgeschlossen ist, gehen allerdings nur tabuistisch gebundene Völker wie die Inder und (in weitbegrenztem Umfang) die Juden. Bei den Indern wirkt schon jeder Blick eines Kastenfremden in die Küche verunreiniA 652 gend. Aber noch | in der Antike waren die sakralen Handlungen der Sippe für Nichtsippengenossen ebenso schlechthin unzugänglich wie der chinesische Ahnenkult. Demgegenüber war schon für die antike Polis nach der Überlieferung eine Komponente des (realen oder fiktiven) Akts der „Zusammenhausung" (Synoikismos) der Ersatz der für die Kultmahle der eingemeindeten Verbände dienenden Einzelprytaneen durch das ursprünglich für jede Polis unentbehrliche Prytaneion der Stadt, 28 des Symbols der Tischgemeinschaft der Stadtbürgersippen als Folge von deren Verbrüderung. 29 Freilich lag der antiken Polis offiziell zunächst die Gliederung in Sippen und ihnen übergeordneten^] rein personalen und oft (mindestens der Fiktion nach) auf Abstammungsgemeinschaft ruhenden, je einen nach außen wiederum streng exklusiven Kultverband

28 In einer Reihe von Fällen ist ein Synoikismos tatsächlich mit der Übersiedlung der Bevölkerung in ein neues städtisches Zentrum v e r b u n d e n gewesen, so u.a. bei d e n von Weber In: Agrarverhältnisse 3 , S. 123 (MWG I/6) genannten Beispielen von Mantlnela (6. oder 5. Jahrhundert v.Chr.), Rhodos (408/407 v.Chr.), Megalopolis (368/367 v.Chr.), Kos (366/365 v.Chr.) sowie - mit Einschränkungen - Elis (um 470 v.Chr.). Die hier Im Text a n g e s p r o c h e n e Überlieferung (Thukydides 2, 15; Plutarch, Theseus 24) bezieht sich auf d e n nicht mit Umsiedlung v e r b u n d e n e n attischen Synoikismos unter d e m legendären König Theseus: die neue staatliche Einheit zeigt sich darin, daß an die Stelle der jeweiligen prytaneia (Amtshäuser) der ursprünglichen (zwölf) Einzelstädte nun das eine prytaneion der neu konstituierten Polis getreten ist; vgl. Kuhn, Städte (wie oben, S.74, A n m . 3 3 ) , S. 1 6 1 - 1 6 4 . 29 Historisch einschlägig ist das g e m e i n s a m e Mahl der Magistrate bzw. der Ratsherren, später auch unter Einbeziehung besonderer Ehrengäste der Polls; vgl. Schöll, R[udolf], Die Speisung im Prytaneion zu Athen, in: Hermes, B a n d 6, 1872, S. 14—54; für Webers n a c h d r ü c k l i c h e n Hinwels auf den symbolischen Zusammenschluß der führenden Familien gibt die Tradition über eine solche tägliche, prytaneion genannte, Zusammenkunft im alten Eleusis (Plutarch, Moralia 667 D) einen gewissen Anhaltspunkt.

5

10

15

20

II. Die Stadt des

5

10

15

2o

Okzidents

111

bildenden^] Gemeinschaften zugrunde. Die antiken Städte waren in der, praktisch keineswegs bedeutungslosen, Anschauung ihrer Zugehörigen zunächst gewillkürte Vergesellschaftungen und Konföderationen von Personenverbänden teils primär sippenhaften, teils, wie wahrscheinlich die Phratrien, primär militärischen Charakters, die dann in den späteren Einteilungen der Städte nach verwaltungstechnischen Gesichtspunkten schematisiert wurden. Daher waren die Städte der Antike sakral exklusiv nicht nur nach außen, sondern auch nach innen, gegen jeden, der keiner der konföderierten Sippen zugehörte: den Plebejer; und eben | deshalb blieben sie eben immer- WuG1 531 hin doch auch in sich selbst in zunächst weitgehend exklusive Kultverbände gegliedert. In diesem Charakter als adliger Sippenkonföderation nun' glichen den antiken Städten noch ziemlich weitgehend auch die südeuropäischen Städte im frühen Mittelalter, vor allem Seestädte, aber nicht nur solche. Innerhalb ihrer Mauern hatte jede adlige Sippe ihre eigene Festung für sich oder auch gemeinsam mit andern, in welchem Fall deren Benutzung (wie in Siena) 30 eingehend geregelt war, die Geschlechterfehden wüteten in der Stadt mindestens ebenso heftig wie draußen, und manche der ältesten Stadteinteilungen (z. B. in „alberghi") 31 waren vermutlich solche in feudale Machtbezirke. Dagegen fehlte - und dies war höchst wichtig - hier jeder noch in der Antike vorhandene Rest von sakraler Exklusivität der Sippen gegeneinander und nach außen: eine Folge des historisch denkwürdigen, von Paulus im Galaterbrief mit i A: nun, 3 0 Genossenschaften verwandter und befreundeter Familien zur gemeinsamen Nutzung von Wehrturmen gab es im 12. und 13. Jahrhundert außer in Siena in zahlreichen anderen Städten, u.a. in Florenz, Bologna und Lucca; vgl. Davidsohn, Robert, Forschungen zur älteren Geschichte von Florenz. - Berlin: Ernst S.Mittler 1896, S. 121-123; Santini, Pfietro], Società delle Torri in Firenze, in: Archivio storico italiano, tomo 20, 1887, S. 2 5 - 5 8 und 178-204. Warum Weber hier speziell die - bei Richter, Luise M., Siena (Berühmte Kunststätten, Nr. 9). - Leipzig und Berlin: E.A. Seemann 1901, S.12, und Chl^dowski, Casimir, Siena, Band 1. - Berlin: Bruno Cassirer 1905, S. 66f., kurz erwähnten - Turmgenossenschaften in Siena hervorhebt, muß offenbleiben. In den einschlägigen Statutensammlungen von Siena (z. B. II Constituto del Comune di Siena volgarizzato nel MCCCIXMCCCX. - Siena 1903; Zdekauer, Lodovico, Il Constituto del Comune di Siena dell' anno 1262. - Milano: Arnaldo Forni 1897) finden sich zwar Regelungen, die die Wehrtürme bzw. Turmgenossenschaften betreffen, jedoch nicht unmittelbar die von Weber angesprochenen Modalitäten der gemeinsamen Nutzung. 31 In dieser Bezeichnung für die befestigten Wohnquartiere der Adligen und ihrer Dienerschaften klingt noch die ältere Bedeutung im Sinne von „Heerlager" an.

112

Die Stadt

Recht in den Vordergrund gerückten Vorgangs in Antiochien, wo A 653 Petrus mit den unbeschnittenen Brüdern | (rituelle) Speisegemeinschaft pflegte. 32 Diese rituelle Exklusivität hatte sich schon in den antiken Städten bis zu völligem Schwinden abgeschwächt. Die sippenlose Plebs setzte die rituelle Gleichstellung im Prinzip 5 durch. In den mittelalterlichen, zumal in den mittel- und nordeuropäischen Städten bestand diese Abschwächung von Anfang an, und verloren die Sippen sehr bald alle Bedeutung als Konstituenzien der Stadt. Diese wurde eine Konföderation der einzelnen Bürger (Hausväter), so daß auch die Einbezogenheit des Stadtbürgers in 10 außerstädtische Gemeinschaften hier praktisch jede Bedeutung gegenüber der Stadtgemeinde einbüßte. Schon die antike Polis wurde so in der Vorstellung ihrer Bürger zunehmend eine anstaltsmäßige „Gemeinde". Endgültig entstand der „Gemeinde"-Begriff in der Antike im Gegensatz zum „Staat" allerdings erst durch ihre Ein- 15 gliederung in den hellenistischen oder römischen Großstaat, welche ihr auf der anderen Seite die politische Selbständigkeit nahm. Die mittelalterliche Stadt dagegen war ein „commune" von Anfang ihres Bestehens an, einerlei, wieweit man sich dabei den Rechtsbegriff der „Korporation" als solchen sofort zum klaren Bewußtsein 20 brachte. Im Okzident fehlten eben die Tabuschranken des indischäquatorialen Gebiets und die totemistischen, ahnenkultischen und kastenmäßigen magischen Klammern der Sippenverbände, welche in Asien die Verbrüderung zu einer einheitlichen Körperschaft 25 hemmten. Der konsequente Totemismus und die kasuistische Durchführung der Sippenexogamie sind gerade dort und sicherlich als ziemlich späte Produkte entstanden, wo es zu großen politischmilitärischen und vor allem städtischen Verbandsbildungen nie 32 Paulus polemisiert (Galater 2, 11 ff.) heftig gegen Petrus, weil dieser bei seinem Aufenthalt in der Gemeinde In Antiochia seine zunächst mit unbeschnittenen Heidenchristen praktizierte Tischgemeinschaft unter dem Eindruck von Forderungen, die jüdischen Reinheitsgebote müßten für Judenchristen weiterhin gelten, wieder aufgegeben hatte. Weber legt hier den Nachdruck auf die mit der erstmaligen Durchbrechung der jüdischen Tabus erzielte welthistorische Weichenstellung (vgl. in diesem Sinne Bousset, Wilhelm, Der Brief an die Galater, In: Weiß, Johannes (Hg.), Die Schriften des Neuen Testaments neu übersetzt und für die Gegenwart erklärt, Band 2: Die Briefe. Die johannelschen Schriften, 2., verbesserte und vermehrte Aufl. - Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1908, S. 30); ausführlicher hat Weber diesen Gesichtspunkt In: Hinduismus, MWG I/20, S.96f., sowie WuG 1 , S. 247f. (MWG I / 2 2 - 2 ) , dargelegt; vgl. auch die Einleitung, oben, S.23.

II. Die Stadt des

Okzidents

113

kam. Die antiken Religionen kennen höchstens Spuren davon, sei es nun als „Reste" oder auch als verkümmerte „Ansätze".33 Die Gründe dafür lassen sich, soweit sie nicht intern religiös waren, nur unbestimmt vermuten. Das überseeische Reislaufen und Seeräuberleben der Frühzeit, die militärischen Aventiuren und massenhaften binnenländischen und überseeischen Kolonialgründungen, welche unvermeidlich intime Dauerverbände zwischen gänzlich Stamm- oder doch Sippenfremden stifteten, sprengten offenbar ebenso unvermeidlich die Festigkeit jener sippenexklusiven[,] religiösen und magischen[,j Bande. Und mochte man sie auch in der Antike überall, der Tradition gemäß, künstlich durch Einteilung der neugegründeten Ge|meinden in gentilicische Verbände und A Phratrien wieder herstellen, - nicht der Gentilverband, sondern der Militärverband der Polis war jetzt doch die grundlegende Einheit. Die jahrhundertelangen Wanderungen erobernder Kriegsverbände der Germanen vor und in der Völkerwanderungszeit, ihr Reislaufen und ihre Aventiurenzüge unter selbstgewählten Führern waren ebensoviele Hemmungen gegen das Aufkommen tabuistischer und totemistischer Bindungen. Mochte man auch bei ihnen die Siedelung, wie überliefert wird,34 tunlichst nach realen oder fiktiven 33 Die kollektive Form des Totemismus, bei der ein Stamm oder Clan eine Tier- oder Pflanzenart verehrt (von der er seinen Ursprung herleitet), geht im Regelfall einher mit einem Heiratsverbot für die Mitglieder der Totem-Gruppe untereinander, d. h. mit Exogamie. Diese Regel ist von McLennan, J[ohn] F., The Worship of Animais and Plants, In: Fortnightly Review, n.s., vol. 6, 1869, S. 407-427 und 562-582 sowie ebd., vol. 7, 1870, S. 194-216, festgestellt worden. In der Forschung des späteren 19. Jahrhunderts gab es eine ausgedehnte Diskussion darüber, ob das an rezenten Stämmen, zumal In Nordamerika und Australien, beobachtete Phänomen als eine universale Stufe der Entwicklung von Religion und Gesellschaft zu gelten habe, von der sich entsprechende Spuren auch in der Überlieferung weiter fortgeschrittener historischer Gesellschaften erhalten hätten. Entsprechende Annahmen sind für die antiken Araber und Juden (Robertson Smith, W[llliam], Animal Worship and Animal Tribes among the Arabs and in the Old Testament, in: Journal of Philology, vol. 9, 1880, S. 75-100; ders., Die Religion der Semiten. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1899, v.a. S. 96-101) sowie für die Griechen (Reinach, Salomon, Cultes, Mythes et Religions, 2. éd., revue et corrigée, tome 1. - Paris: Ernest Leroux 1908, S. 9 - 2 9 ) vorgebracht worden. Die Gegenposition Ist zumal von Frazer, J[ames] G., Totemism and Exogamy. A Treatise on Certain Early Forms of Superstition and Society, 4 vols. - London: Macmlllan 1910 (hinfort: Frazer, Totemism), vertreten worden. Frazer bestritt, daß sich Totemismus in Europa und im größten Teil Asiens verifizieren lasse; die große Ausnahme in Asien stelle Indien dar; ebd., vol. 2, S. 218-353 und vol. 4, S. 12-14; vgl. Reuterskiöld, Edgar, Der Totemismus, in: Archiv für Religionswissenschaft, Band 15, 1912, S. 1 - 2 3 , sowie Weber, WuG1, S. 201 f. (MWG 1/22-1 ) und 247 (MWG I/22-2). 34 Caesar, De bello Gallico 6, 22, 2.

114

Die Stadt

Sippen vornehmen, - der Ding- und Militärverband der Hundertschaft, 35 die Hufenverfassung36 als Grundlage der Lastenumlegung, später die Beziehung zum Fürsten: Gefolgschaft und Vasallentum blieben das Entscheidende, nicht irgendwelche, vielleicht gerade infolge jener Umstände niemals zur Entwicklung gelangten, magi- 5 WuG1 532 sehen Bande der Sippe. Und das Christentum, | welches nun die Religion dieser in allen ihren Traditionen tief erschütterten Völker wurde und wohl gerade infolge der Schwäche oder des Fehlens der magischen und tabuistischen Schranken bei ihnen dazu werden konnte, entwertete und zerbrach alle solche Sippenbande in ihrer 10 religiösen Bedeutsamkeit endgültig. Die oft recht bedeutende Rolle, welche die kirchliche Gemeinde bei der verwaltungstechnischen Einrichtung der mittelalterlichen Städte gespielt hat, ist nur eines von vielen Symptomen für das starke Mitspielen dieser, die Sippenbande auflösenden und dadurch für die Bildung der mittelalter- 15 liehen Stadt grundlegend wichtigen Eigenschaften der christlichen Religion. Der Islam hat die Landsmannschaften der arabischen Stämme und die Sippenbande, wie die ganze Geschichte der inneren Konflikte des älteren Khalifats zeigt, nicht wirklich überwunden, weil er zunächst eine Religion eines erobernden, nach Stäm- 20 men und Sippen gegliederten Heeres blieb.37

35 In der zeitgenössischen rechtshistorischen Lehre galt die .Hundertschaft' unter Berufung auf Tacitus, Germania 6 und 12, als uraltes Gliederungsprinzip der Germanen für Gerichtsversammlungen und Heeresaufgebote, das sich auch In späteren germanischen, zumal fränkischen, angelsächsischen und skandinavischen Institutionen wiederzufinden schien. Es bestand allerdings keine Einigkeit darüber, ob die Hundertschaft einen territorialen Verband von 100 Hufen umfaßte oder ob damit das Aufgebot von entweder genau 100 oder einer unbestimmten, größeren Zahl von Heermannen, für deren Siedlungsraum dann ,Hufe' als Bezeichnung eingeführt wurde, gemeint war; vgl. Schwerin, Claudius von, Die altgermanische Hundertschaft (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Heft 90). - Breslau: M. & H. Marcus 1907, S. 3-53. Für Weber ist die Hundertschaft das Einteilungsprinzip für „eine Siedlungsgemeinschaft von Kriegern" (vgl. unten, S. 188). 36 Nach der Theorie von Meltzen, August, Sledelung und Agrarwesen der Westgermanen und Ostgermanen, der Kelten, Römer, Finnen und Slawen, Band 1. - Berlin: Wilhelm Hertz 1895, S.33-173; ders., „Hufe", In: HdStW3, Band 5, S. 488-498, ist die germanische Hufenverfassung ein System, bei dem alle vollberechtigten Mitglieder der Dorfgemeinschaft über gleiche Nutzungsrechte bzw. gleichen Besitz an Ackerland, Hofstätten, Gartenland und Allmende verfügen. 37 Gemeint ist die Frühphase des Islam bis zum Ende des in Damaskus ansässigen Kalifats der Umayyaden (661-750), dessen Niedergang auf die Konflikte Innerhalb der

II. Die Stadt des

Okzidents

115

Machen wir uns die praktischen Unterschiede nochmals ganz klar. Die Stadt war zwar überall in der Welt in starkem Maß Zusammensiedelung von bisher Ortsfremden. Der chinesische wie der mesopotamische und ägyptische und gelegentlich sogar noch 5 der hellenistische Kriegsfürst legt die Stadt an und verlegt sie wieder, siedelt nicht nur darin an, wer sich ihm freiwillig bietet, sondern raubt nach Bedarf und Möglichkeit das Menschenmaterial zusammen. Am stärksten in Mesopotamien, wo die Zwangssiedler zunächst den Kanal zu graben haben, der | die Entstehung der Stadt in A 655 10 der Wüste ermöglicht. Weil er dabei mit seinem Amtsapparat und seiner Beamtenverwaltung ihr absoluter Herr bleibt, entsteht entweder gar kein Gemeind^verband oder nur dürftige Ansätze eines solchen. Die Zusammengesiedelten bleiben oft konnubial getrennte Sonderstämme. Oder, wo dies nicht der Fall ist, bleiben die 15 Zuzügler Mitglieder ihrer bisherigen Orts- und Sippenverbände. Nicht nur der chinesische Stadtinsasse gehörte normalerweise zu seiner ländlichen Heimatsgemeinde, sondern auch breite Schichten der nicht hellenischen Bevölkerung des hellenistischen Orients, wie ja noch die neutestamentliche Legende die Geburt des Nazareners 20 in Bethlehem damit motiviert, daß die Sippe des Vaters dort, in der deutschen Übersetzung des Heliand gesprochen: ihr „Hantgemal" 38 gehabt habe, also - meint die Legende - auch dort zu schätzen k gewesen sei.39 Die Lage des in die russischen Städte zu-

k A: schützen

arabischen Stämme, die zugleich die Heeresabteilungen bildeten, und die Probleme mit der Integration der v o m Heer ausgeschlossenen Nicht-Araber zurückzuführen ist; dazu Wellhausen, J[ulius], Das arabische Reich und sein Sturz. - Berlin: Georg Reimer 1902. 38 „Heliand" ist der aus d e m 19. Jahrhundert s t a m m e n d e Titel für ein um 830/840 im Auftrag Kaiser Ludwigs des Frommen entstandenes altsächsisches Bibelepos. Der unbekannte Verfasser stellte entsprechend den Wertvorstellungen des neubekehrten sächsischen Adels Christus in Analogie zu einem germanischen König (mit den Jüngern als adliger Gefolgschaft) dar. Heyne, Moritz (Hg.), Heliand nebst d e n Bruchstücken der altsächsischen Genesis (Bibliothek der ältesten deutschen Literatur-Denkmäler, Band 2: Altniederdeutsche Denkmäler, Teil 1), 4. Aufl. - Paderborn: Ferdinand Schöningh 1905. „Hantgemal" (von altsächsisch „hand-mahal", ebd., S. 10, Zeile 346) bezeichnet die Hausmarke, im (von Weber hier, wie schon Agrarverhältnisse 3 , S. 109 (MWG I/6), verwendeten) übertragenen Sinne dasjenige Gut einer Adelssippe, das sich im g e m e i n s a m e n Eigentum aller S i p p e n g e n o s s e n befindet, deren Adelsqualität sich davon herleitet. 39 Der Lukas 2, 1 - 7 , unterstellte Census Ist so sicherlich unhistorisch.

116

Die Stadt

wandernden Bauern war bis vor kurzem 40 keine andere: sie behielten ihr Recht auf Land sowohl wie ihre Pflicht, auf Verlangen der Dorfgemeinde dort an den Lasten teilzunehmen, in ihrem Heimatort. Es entstand also kein Stadtbürgerrecht, sondern nur ein Lastenund Privilegienverband der jeweils Stadtsässigen. Auf Sippenverbänden ruhte auch der hebräische1 Synoikismos: Die Rekonstitution der Polis Jerusalem durch Esra und Nehemia läßt die Überlieferung sippschaftsweise, und zwar durch Zusammensiedelung von Delegationen jeder politisch vollberechtigten landsässigen Sippe erfolgen. 41 Nur die sippenlose und politisch rechtlose Plebs wird nach Ortsangehörigkeit gegliedert. 42 Auch in der antiken Polis war zwar der Einzelne Bürger, aber ursprünglich immerhin nur als Glied seiner Sippe. Jeder hellenische und römische Synoikismos und jede kolonisatorische Eroberung verlief in der Frühantike mindestens der Fiktion nach ähnlich wie die Neukonstituierung von Jerusalem, und selbst die Demokratie konnte an dem Schema der Zusammensetzung der Bürgerschaft durch Sippen (gentes), aus diesen zusammengesetzten Phratrien und durch diese gebildeten Phylen, lauter rein personalen kultischen Verbänden also, zunächst nicht rütteln, sondern diese tatsächlich vom gesippten Adel beherrschten Verbände nur durch indirekte Mittel politisch

I A: hellenische 40 Gemeint sind die Verhältnisse vor der Agrarreform Stolypins 1906-1911, mit der das Ausscheiden aus dem Verband der Bauerngemeinde möglich wurde. 41 Nach der Eroberung des neubabylonischen Reiches durch die Perser erhielten die nach Babyionien verschleppten Juden die Erlaubnis zur Rückkehr in ihre Heimat (538 v.Chr.), die jedoch nur langsam in Gang kam. Eine politische Reorganisation in Jerusalem begann mit dem (vom persischen König autorisierten) Gesetzeslehrer Esra (wahrscheinlich ab 458 v.Chr.; es gibt allerdings auch spätere Datierungen, die sein Wirken nach Nehemia bzw. für das frühe 4. Jahrhundert v.Chr. ansetzen) und dann mit dem als persischer Statthalter eingesetzten Nehemia (ab 445 v.Chr.). Man betrieb den Wiederaufbau der Stadtmauer, wobei den einzelnen Familienverbänden jeweils die Arbeit an einem Abschnitt übertragen wurde (Nehemia 3, 1-32). Unter Nehemia wurde die Einwohnerzahl der Stadt erhöht, indem neben den führenden Familien zehn Prozent der Landbevölkerung in Jerusalem angesiedelt wurden (Nehemia 11, 1). 42 Die Liste der aus dem Exil Heimgekehrten (Esra 2 bzw. Nehemia 7, 5 - 7 2 ) führt neben den Geschlechterverbänden jeweils auch die Ortsverbände auf. Daß es sich um eine (auf vorexilische Verhältnisse zurückgehende) Differenzierung zwischen Grundbesitzern einerseits und von den politischen Rechten ausgeschlossenen Besitzlosen andererseits handelt, betont Meyer, Eduard, Die Entstehung des Judenthums. Eine historische Untersuchung. - Halle: Max Niemeyer 1896, S. 152f. (hinfort: Meyer, Entstehung).

II. Die Stadt des

5

10

15

20

Okzidents

117

unschädlich zu machen suchen. Einen Kultmittelpunkt seiner Sippe (Zeüg 'EQxeiog)™ mußte in Athen nachweisen können, wer amtsfähig für die legitimen Ämter sein wollte. 43 Daß Städte | durch Zu- A 656 sammensiedelung Einheimischer mit Stammfremden entstehen, wußte auch die römische Legende sehr gut; 44 sie werden dann durch rituale Akte zu einer religiösen Gemeinde mit einem eigenen Gemeindeherd und einem Gott als Gemeindeheiligen auf der Burg verbrüdert, aber dabei in gentes, curiae (= Phratrien), tribus (= Phylen) gegliedert. Diese für jede antike Stadt ursprünglich selbstverständliche | Zusammensetzung wurde sehr früh - wie WuG1 533 schon die runden Zahlen der Verbände (aus 3, 30 oder 12 gebildet) 45 zeigen - rein künstlich zum Zweck der Lastenumlegung hergestellt. Immerhin blieb die Zugehörigkeit Kennzeichen des zur Teilnahme am Kult und allen denjenigen Ämtern, welche der Qualifikation zum Verkehr mit den Göttern, in Rom der „auspicia", 46 bedurften, berechtigten Vollbürgers. Sie war eben rituell unentbehrlich. Denn ein legitimer Verband mußte auf der rituellen Grundlage der überlieferten, rituell gerichteten Verbandsformen: Sippe, Wehrverband (Phratrie), politischer Stammesverband (Phyle) beruhen oder dies doch fingieren. - Das war nun bei den mittelalterlichen Stadtgründungen namentlich des Nordens durchaus anders. Der Bürger trat wenigstens bei Neuschöpfungen als Einzelner in die m

A: EQxaiog)

43 Bewerber um ein Amt mußten u. a. nachweisen, daß sie über eine Kultstätte des Zeus Herkeios, des Schutzgottes des Hauses, verfügten. Diese Regel - deren Bedeutung sich nicht eindeutig klären läßt - ist überliefert durch Aristoteles, Athenalon politeia 55, 3. 44 Gemeint sind die Traditionen über den Zusammenschluß von flüchtigen Trojanern und Ureinwohnern (die dann g e m e i n s a m die Latiner bildeten) zur G r ü n d u n g von Lavlnlum (Livius 1, 1 - 2 ) u n d Rom (Sallust, De conluratlone Catlllnae 6, 1 - 3 ) bzw. über die Gründ u n g Roms mit Albanern, Latinern, Hirten sowie Flüchtlingen unterschiedlichster Herkunft (Livius 1, 6, 3 und 1, 8, 5f.; Plutarch, Romulus 9, 3). 45 Die römische Bürgerschaft soll ursprünglich In drei gentlllzische Tribus und diese In je zehn Curlen gegliedert g e w e s e n sein; Mommsen, Staatsrecht, Band 3, 1, S. 8 9 - 1 1 2 ; für Athen wurde eine Einteilung In vier Phylen mit je drei Phratrien, von denen jede w i e d e r u m aus 30 Geschlechtern (und jedes Geschlecht aus dreißig Männern) z u s a m m e n g e s e t z t gewesen sein soll, a n g e n o m m e n ; Aristoteles, Athenaion politeia, Fragment 2 (= 385 Rose); zur Dreiteilung der vier Phylen ebd. 8, 3 und 21, 3. 46 In Rom durften wichtige Staatshandlungen nur v o r g e n o m m e n werden, n a c h d e m die Magistrate zuvor durch B e o b a c h t u n g des Vogelflugs (auspicium) die Z u s t i m m u n g der Götter eingeholt hatten.

118

Die Stadt

Bürgerschaft ein. Als Einzelner schwur er den Bürgereid. Die persönliche Zugehörigkeit zum örtlichen Verband der Stadt, und nicht die Sippe oder der Stamm, garantierte ihm seine persönliche Rechtsstellung als Bürger. Die Stadtgründung schloß auch hier oft nicht nur ursprünglich orts-[,j sondern eventuell auch stammfremde Händler mit ein. Jedenfalls bei Neugründungen kraft Privilegs für Zuwanderer. - In geringerem Maß natürlich bei der Umwandlung alter Ansiedelungen in Stadtgemeinden. Dann natürlich traten z. B. nicht etwa die in Köln erwähnten, aus dem ganzen Umkreis des Okzidents von Rom bis Polen stammenden Kaufleute47 in die dortige städtische Schwurgemeinschaft ein, deren Gründung vielmehr gerade von den einheimischen besitzenden Schichten ausging.48 Aber auch solche Einbürgerungen ganz Fremder kamen vor. Eine prinzipielle, den asiatischen Gastvolksverhältnissen entsprechende Sonderstellung innerhalb der mittelalterlichen Städte nahmen hier höchst charakteristischerweise nur die Juden ein. Denn obwohl z. B. in oberrheinischen Urkunden der Bischof hervorhebt, daß er „um des größeren Glanzes der Stadt willen" Juden herbeigerufen A 657 habe,49 und obwohl die Juden in den Kölner Schreinsurkunden | als Grundbesitzer im Gemenge mit Christen auftraten,50 hinderte

47 Eine Zusammenstellung der Herkunftsorte der in Köln ansässigen Kaufleute gibt Keussen, Hermann, Die Entwicklung der älteren Kölner Verfassung und ihre t o p o g r a p h i sche Grundlage, In: Westdeutsche Zeitschrift für G e s c h i c h t e und Kunst, Jg. 28, 1909, S. 4 6 5 - 5 2 0 , hier S.476, der In diesem Z u s a m m e n h a n g auch anführt, daß In der Bürgerliste von St. Martin aus d e m 12. Jahrhundert ein Pole und mehrere Römer n a c h g e w i e s e n sind. Keussens A n g a b e n werden von Beyerle, Entstehung, S. 37, ü b e r n o m m e n . 48 Zur Kölner „conjuratio" vgl. unten, S. 125. 49 Gemeint ist Bischof Rüdiger von Speyer, der im Jahre 1084 Juden, die sich In seiner Stadt niederlassen wollten, mit bestimmten Rechten ausstattete. Das Zitat stützt sich auf den bei Hegel, Entstehung, S. 113, Anm. 2, w i e d e r g e g e b e n e n Satz aus der U r k u n d e von 1084: „ C u m ex Spirensi villa urbem facerem, putavi milies amplificare honorem loci nostri, si et Judeos colligerem". Die Urkunde ist ediert In: U r k u n d e n b u c h zur G e s c h i c h t e der Bischöfe zu Speyer, hg. von Franz X. Remling, Band 1: Ältere Urkunden. - Mainz: Kirchheim & Schott 1852, Nr. 57 (S. 57f.) (hinfort: U r k u n d e n b u c h Speyer); der Text findet sich auch In: Regesten zur Geschichte der Juden im fränkischen und d e u t s c h e n Reiche bis z u m Jahre 1273, bearbeitet unter Mitwirkung von Albert Dresdner u n d L u d w i g Lewinski von Julius Aronlus. - Berlin: Leonhard Slmlon 1902, Nr. 168 (S. 6 9 - 7 1 ) . 50 Schreinsurkunden sind die nach ihrer Verwahrung in d e m Schrein der jeweiligen Kirche benannten Beurkundungen von Liegenschaftsgeschäften. Nach den aus d e m 12. Jahrhundert überlieferten Kölner Verzeichnissen wohnte die ü b e r w i e g e n d e Mehrzahl aller eindeutig als J u d e n zu identifizierenden Personen Im Judenviertel, das z u m Gebiet der Laurenzpfarre gehörte; für andere Pfarrbezirke sind nur w e n i g e Juden bezeugt; Kol-

II. Die Stadt des

Okzidents

119

schon der dem Okzident fremde rituelle Ausschluß der konnubialen und die tatsächliche Behinderung der Tischgemeinschaft der Juden mit Nichtjuden, vor allem aber: das Fehlen der Abendmahlsgemeinschaft, die Verbrüderung. Auch die mittelalterliche Stadt war ein Kultverband. Die Stadtkirche, der Stadtheilige, die Teilnahme der Bürger am Abendmahl, die offiziellen kirchlichen Feiern der Stadt verstanden sich von selbst. Aber das Christentum hatte der Sippe jegliche rituelle Bedeutung genommen. Die Christengemeinde war ihrem innersten Wesen nach ein konfessioneller Verband der gläubigen Einzelnen, nicht ein ritueller Verband von Sippen. Daher blieben die Juden von Anfang an außerhalb des Bürgerverbands. Wenn so auch die Stadt des Mittelalters des kultischen Bandes bedurfte und zu ihren Konstituierungen oft (vielleicht: immer) kirchliche Parochien gehörten, so war sie dennoch, wie die antike Stadt auch, eine weltliche Gründung. Nicht als kirchliche Verbände wirkten die Parochien mit und nicht durch ihre kirchlichen Vertreter, sondern neben der rein weltlichen städtischen Schöffenbank waren es die Laienvorstände der kirchlichen Parochialgemeinden und eventuell die Gilden der Kaufleute, welche auf Seiten der Bürger die /omia/rechtlich entscheidenden Akte vornahmen". Kirchengemeindliche Vollwertigkeit statt der, wie in der Antike, rituell vollwertigen Sippe war Voraussetzung der Qualifikation zum Bürger. Der Unterschied gegen asiatische Verhältnisse war im Anfang der Entwicklung noch kein grundsätzlicher. Der dem Ortsheiligen des Mittelalters entsprechende Lokalgott und die rituelle Gemeinschaft der Vollbürger war als unumgänglicher Bestandteil jeder Stadt den vorderasiatischen Städten der Antike bekannt. Aber die

n A: vornehmen

ner Schreinsurkunden d e s zwölften Jahrhunderts. Quellen zur Rechts- und Wirths c h a f t s g e s c h i c h t e der Stadt Köln, hg. von Robert Hoenlger, 3 B ä n d e (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische G e s c h i c h t s k u n d e , Band 1). - Bonn: Eduard Weber 1 8 8 4 1894; vgl. Hegel, Entstehung, S. 115. Während die j ü d i s c h e n Grundbesitzer zunächst gemeinsam mit d e n christlichen In den Schreinskarten verzeichnet waren, w u r d e seit der Mitte des 12. Jahrhunderts eine K e n n z e i c h n u n g d e s j ü d i s c h e n Besitzes eingeführt und schließlich ein eigenes J u d e n s c h r e i n s b u c h angelegt; vgl. Lau, Friedrich, Entwicklung der k o m m u n a l e n Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln bis z u m Jahre 1396 (Prels-Schriften der Mevissen-Stlftung, Band 1). - Bonn: H. Behrendt 1898, S. 177f. (hinfort: Lau, Entwicklung).

120

Die Stadt

Verpflanzungspolitik der Menschen erobernden Großkönige51 hat das offenbar durchbrochen und die Stadt zu einem reinen Verwaltungsbezirk gemacht, in welchem alle Insassen ohne Unterschied der Stammes- und rituellen Zusammengehörigkeit die gleichen Lebenschancen hatten. Dies geht aus den Schicksalen der ins Exil ver- 5 schleppten Juden hervor: nur die staatlichen Ämter, welche Schriftbildung und offenbar auch rituelle Qualifikation erforderten, scheinen ihnen verschlossen gewesen zu sein.52 „Gemeindebeamte" | 1 WuG 534 gab es in den Städten offenbar nicht. Die einzelnen Fremdstämmigen hatten, wie die exilierten Juden, ihre Ältesten und Priester, wa- 10 A 658 ren also | „Gaststämme". In Israel vor dem Exil standen die

51 Die Umsiedlung unterworfener Bevölkerungsgruppen ist als Mittel der Herrschaftssicherung v.a. von den neuassyrischen Königen Tiglatpileser III. (744-727 v.Chr.) und Sargon II. ( 7 2 2 - 7 0 4 v.Chr.) praktiziert worden. So hat Sargon nach der Zerstörung Samarias, der Hauptstadt des jüdischen Nordstaats (Israel) 722 v.Chr., die Deportation von Teilen der Bevölkerung nach Mesopotamien und Medien (bei gleichzeitiger Ansiedlung babylonischer und syrischer Bevölkerungsgruppen in Samarien) verfügt (2. Könige 17; Keilschrifttexte Sargons (wie oben, S. 92, Anm. 95), S. 5 und 101). Nachdem der neubabylonische König Nebukadnezar II. (605-562 v.Chr.) 605 v.Chr. auch das Südreich (Juda) unter seine Herrschaft gebracht hatte, wurden, v.a. nach der Einnahme bzw. Zerstörung Jerusalems 597 und 587 (oder 586) v.Chr., die Führungsschicht sowie der Großteil der Bevölkerung in das „babylonische Exil" verschleppt (2. Könige 2 4 - 2 5 ; Jeremia 52, 28-30). 52 Wie sich diese Feststellung Webers jedoch zu den Geschichten Im Buch Daniel verhält, muß offenbleiben. Danach erhielten Daniel und seine drei Gefährten am Hofe Nebukadnezars eine Ausbildung In chaldäischer (babylonischer) Sprache und Schrift, wurden trotz ihrer Weigerung, die (für Juden) unreinen Speisen von der Hoftafel zu essen, weiter gefördert, in den Hofdienst und schließlich sogar in hohe Ämter übernommen (Daniel 1 und 2, 48f.). - Die meisten der nach Babylonien deportierten Juden lebten in Ortschaften, in denen sie Häuser bauen und Gärten anlegen konnten (Jeremia 29, 4 - 7 ; Hesekiel 3, 15); ein Teil von ihnen hat es anscheinend In der Zelt des Exils zu beachtlichem Wohlstand gebracht (Esra 1, 6; 2, 68f.; Nehemia 7, 70f.); vgl. auch Klamroth, Erich, Die jüdischen Exulanten in Babylonien (Beiträge zur Wissenschaft vom Alten Testament, Heft 10). - Leipzig: J.C. Hinrichs 1912, S. 4 1 - 4 5 . Auf den Wohlstand von in Babylonien angesiedelten Juden deutet, daß sie offensichtlich zu den Geschäftspartnern eines Bankund Handelshauses in Nippur zählten, dessen Archiv allerdings erst aus der Zelt der persischen Herrschaft im 5. Jahrhundert v.Chr. stammt; zugänglich in den Editionen von: Hilprecht, H[ermann] V., Clay, A[lbert] T., Business Documents of Murashü Sons of Nippur. Dated in the Reign of Artaxerxes I. ( 4 6 4 - 4 2 4 B.C.) (The Babylonian Expedition of the University of Pennsylvania, Series A: Cuneiform Texts, vol. 9). - Philadelphia: Department of Archaeology and Palaeontology of the University of Pennsylvania 1898, und Clay, Albert T., Business Documents of Muraschü Sons of Nippur. Dated in the Reign of Darius II. ( 4 2 4 - 4 0 4 B.C.) (The Babylonian Expedition of the University of Pennsylvania, Series A: Cuneiform Texts, vol. 10). - Philadelphia: Department of Archaeology and Palaeontology of the University of Pennsylvania 1904. Vgl. Weber, Judentum VI, S.566f. (MWG 1/21).

II. Die Stadt des

Okzidents

121

Metöken (gerim) außerhalb der rituellen Gemeinschaft (sie waren ursprünglich unbeschnitten) und zu ihnen gehörten fast alle Handwerker. 53 Sie waren also Gaststämme wie in Indien. In Indien war die rituelle Verbrüderung der Stadtinsassen durch das Kastentabu ausgeschlossen. In China gehörte zu jeder Stadt ein Stadtgott (oft ein kultisch verehrter früherer Mandarin der Stadt). Bei allen asiatischen, auch den vorderasiatischen, Städten fehlte aber die Gemeinde oder war nur in Ansätzen vorhanden und stets nur als Verband von Sippen, der über die Stadt hinausreicht. Die konfessionelle Gemeinde der Juden aber nach dem Exil war rein theokratisch regiert. Die Stadt des Okzidents, in speziellem Sinn aber die mittelalterliche, mit der wir uns vorerst allein befassen wollen, war nicht nur ökonomisch Sitz des Handels und Gewerbes, politisch (normalerweise) Festung und eventuell Garnisonort, administrativ ein Gerichtsbezirk, und im übrigen eine schwurgemeinschaftliche Verbrüderung. In der Antike galt als ihr Symbol °das gemeinsame Mahl 0 der Prytanen p . 54 Im Mittelalter war sie ein beschworenes „commune" und galt als „Korporation" im Rechtssinne. Zwar galt dies nicht sofort. Noch 1313 konnten - worauf Hatschek hinweist - englische Städte keine „franchise" erwerben, weil sie, modern gesprochen, keine „Rechtspersönlichkeit" hatten, und erst unter Eduard I. erscheinen Städte als Korporationen. 55 Die Bürgerschaften der ento A: die gemeinsame Wahl, vgl. Anm. 54.

p A: Prytaneen

53 Gerim sind nach alttestamentlichem Recht diejenigen Fremden, die ein dauerndes Wohnrecht genießen und im Vergleich zu anderen Ausländern privilegiert sind, j e d o c h von der G e m e i n d e der Vollbürger ausgeschlossen bleiben; Bertholet, Alfred, Die Stellung der Israeliten und der J u d e n zu den Fremden. - Freiburg i.B. und Leipzig: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1896, S. 1 f. Die Parallele zu den griechischen Metoiken hebt Meyer, Entstehung (wie oben, S. 116, Anm. 42), S. 2 2 7 - 2 3 1 , hervor. Weber hat seine (problematische) These, bei d e n gerim habe es sich um Verbände (mit ritueller Sonderstellung) von Handwerkern und Kaufleuten gehandelt, eingehend in: J u d e n t u m I, S. 8 3 - 9 4 (MWG 1/21), dargelegt. 54 Vgl. zur Textverbesserung unten, S. 179, und Weber, Hinduismus, MWG I/20, S. 94, wo jeweils v o m „ g e m e i n s a m e n Mahl" der Prytanen die Rede ist, sowie zur Sache oben, S. 110, Anm. 29. 55 Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 113, stellt den Z u s a m m e n h a n g zwischen der Möglichkeit des Erwerbs von „franchise" (Stadtfreiheiten und -Privilegien, wie z. B. Marktund Gerichtsrechte) durch eine Stadt und der Entwicklung eines Korporationsbegriffs heraus. Ebd., S. 269, führt er nach Präzedenzien aus d e n Zeiten Edwards I. ( 1 2 7 2 - 1 3 0 7 ) und Edwards II. ( 1 3 0 7 - 1 3 2 7 ) einen Beleg aus d e m 19. Regierungsjahr Edwards III. ( 1 3 2 7 1377) für die deutliche Anerkennung des Korporationscharakters von Städten an. Webers Formulierung ist d e s h a l b auf Edward III., nicht auf Edward I. zu beziehen.

122

Die Stadt

stehenden Städte wurden überall, nicht nur in England, rechtlich von der politischen Gewalt, den Stadtherren, zunächst als eine Art von passivem leiturgischen Zweckverband behandelt, dessen durch Anteil am städtischen Grundbesitz qualifizierte Glieder spezifische Lasten und Pflichten und spezifische Privilegien genossen: Marktmonopole und Stapelrechte, Gewerbeprivilegien und Gewerbebannrechte, Anteilnahme am Stadtgericht, militärische und steuerliche Sonderstellung. Und überdies stellte sich der ökonomisch wichtigste Teil all dieser Privilegien dabei formalrechtlich zunächst meist gar nicht als ein Erwerb eines Verbandes der Bürgerschaft, sondern als ein solcher des politischen oder grundherrlichen Stadtherrn ein. Er, nicht der Bürger, erwirbt formell jene wichtigen Rechte, die tatsächlich den Bürgern direkt ökonomisch - ihm, dem Stadtherrn, aber indirekt finanziell, durch Abgaben der Bürger - zugute A 659 kommen. Denn sie sind z. B. in Deutschland | in den ältesten Fällen Privilegien des Königs an einen Bischof,56 auf Grund deren dieser nun seinerseits seine stadtsässigen Untertanen als privilegiert behandeln durfte und behandelte. Zuweilen - so im angelsächsischen England - galt die Zulassung zur Ansiedelung am Markt als ein exklusives Privileg der benachbarten Grundherrn für ihre und nur ihre Hörigen, deren Erwerb sie ihrerseits besteuerten. 57 Das Stadtgericht war entweder Königsgerichtq oder herrschaftliches Gericht, die Schöffen und andere Funktionäre nicht Repräsentanten der Bürger, sondern, auch wo die Bürger sie wählten, Beamte des Herrn, das Stadtrecht für diese Funktionäre des Herrn maßgebendes Statut des letzteren. Die „universitas civium", von der überall sehr bald geredet wird,58 war also zunächst heteronom und heterokephal, teilsr sowohl anderen politischen als (häufig) grundherrlichen Verbänden eingegliedert. Allein dies blieb nicht so. Die Stadt wurde eine, wenn auch in verschiedenem Maße, autonome q A: Königgericht

r A: teils,

56 Vgl. zum sachlichen und zeitlichen Zusammenhang oben, S. 91, Anm. 91. 57 Daraufweist Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 106, hin. 58 Die Kategorie universitas civium wird seit dem 12. Jahrhundert in Deutschland häufig in Urkunden verwendet, bezeichnet aber zunächst nur die Gesamtheit der Bürger im Gegensatz zu Einzelpersonen und impliziert noch nicht die Anerkennung einer Stadtgemeinde als Körperschaft im rechtlichen Sinne; vgl. Gierke, Otto, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Band 2: Geschichte des deutschen Körperschaftsbegriffs. - Berlin: Weidmann 1873, S. 591 - 5 9 8 .

II. Die Stadt des

5

10

15

20

25

Okzidents

123

und autokephale anstaltsmäßige Vergesellschaftung, 59 eine aktive „Gebietskörperschaft", die städtischen Beamten gänzlich oder teilweise Organe dieser Anstalt. Für jene Entwicklung der mittelalterlichen Städte war nun aber allerdings wichtig, daß von Anfang an die privilegierte Stellung der Bürger als ein Recht auch des Einzelnen unter ihnen im Verkehr mit Dritten galt. Dies war eine Konsequenz nicht nur der dem Mittelalter ebenso wie der Antike ursprünglich eigenen personalrechtlichen Auffassung der Unterstellung unter ein gemeinsames „objektives" Recht als eines „subjektiven" Rechts, einer ständischen Qualität also der Betroffenen, sondern speziell im Mittelalter - wie namentlich Beyerle mit Recht hervorhebt 60 - s eine Konsequenz s der in der germanischen Gerichtsverfassung noch nicht abgestorbenen Auffassung jedes Rechts- WuG1 535 genossen als eines „Dinggenossen" [,] und das heißt eben: als eines aktiven Teilhabers an der Dinggemeinde, in welcher er' das dem Bürger zukommende objektive Recht als Urteiler im Gericht selbst mitschafft - eine Institution, von der und deren Folgen für die Rechtsbildung wir früher gesprochen haben. 61 Dies Recht fehlte den Gerichtseingesessenen in dem weitaus größten Teil der Städte der ganzen Welt. Nur in Israel finden sich Spuren davon. 62 Wir werden bald sehen, 63 wodurch diese Sonderstellung bedingt war. Entscheidend war für die Entwicklung der mittelalterlichen Stadt zum Verband aber, daß die Bürger in einer Zeit, als ihre ökonomischen Interessen zur anstaltsmäßigen Ver |gesellschaftung drängten, einer- A 660 seits daran nicht durch magische oder religiöse Schranken gehindert

s Fehlt in A; eine Konsequenz sinngemäß ergänzt. gänzt.

t Fehlt in A; er sinngemäß er-

59 Unter einer „anstaltsmäßigen Vergesellschaftung" versteht Weber, WuG1, S.615 (MWG 1/22-1), einen autonomen politischen Gebietsverband, der am Ende des Prozesses der „Monopolisierung der legitimen Gewaltsamkeit" steht. Einem solchen Verband waren die Verbandsmitglieder und die Personen, die sich nur zeitweise auf seinem Herrschaftsgebiet aufhielten, zwangsunterworfen. 60 Gemeint Ist Beyerle, Entstehung, S.8, 18 und öfter. 61 Der Verweis läßt sich innerhalb des vorliegenden Textes nicht auflösen; in der Sache zielt er vermutlich auf die Ausführungen zur Dinggenossenschaft, wie sie In WuG1, S. 409-411 (MWG I/22-3), vorliegen. 62 So bei der Mitwirkung des Volkes neben den Ältesten und den königlichen Beamten beim Prozeß gegen den Propheten Jeremia (Jeremia 26). Vgl. dazu Weber, Judentum II, S. 357 (MWG 1/21). 63 Dieser Verweis geht nicht auf.

124

Die Stadt

waren, und daß andererseits auch keine rationale Verwaltung eines politischen Verbandes über ihnen stand. Denn wo auch nur einer von diesen Umständen vorlag, wie in Asien, da haben selbst sehr starke gemeinsame ökonomische Interessen die Stadtinsassen nicht zu mehr als nur transitorischem Zusammenschluß befähigt. Die Entstehung des autonomen und autokephalen 3 Stadtverbandes aber im Mittelalter mit seinem verwaltenden Rat und einem b „Konsul" oder „Major" 0 oder „Bürgermeister" an der Spitze ist ein Vorgang, der sich von aller nicht nur asiatischen, sondern auch antiken Stadtentwicklung wesenhaft unterscheidet. In der Polis war, wie später noch zu erörtern, 64 die spezifisch städtische Verfassung zunächst, und zwar am meisten da, wo die Polis ihre charakteristischsten Züge entfaltete, eine Umbildung der Gewalt einerseits des Stadtkönigs, andererseits der Sippenältesten zu einer Honoratiorenherrschaft der voll wehrhaften „Geschlechter". Gerade in denjenigen mittelalterlichen Städten dagegen, welche den spezifischen Typus der Zeit repräsentierten, war dies durchaus anders. Man muß freilich bei der Analyse des Vorgangs die formalrechtlich und die soziologisch und politisch entscheidenden Vorgänge auseinanderhalten, was bei dem Kampf der „Städtetheorien" nicht immer geschehen ist. 65 Formalrechtlich wurde die Korporation der Bürger als solche und ihre Behörden durch (wirkliche oder fiktive) Privilegien der politischen und eventuell auch der grundherrlichen Gewalten „legitim" konstituiert. Diesem formalrechtlichen Schema entsprach der faktische Hergang allerdings teilweise. Aber oft und zwar gerade in den wichtigsten Fällen handelte es sich um etwas ganz anderes: eine, formalrechtlich angesehen, revolutionäre Usurpation. Freilich nicht überall. Man kann zwischen originärer und abgeleiteter Entstehung des mittelalterlichen Stadtverbandes unterscheiden. Bei originärer Entstehung war der Bürgerverband das Ergebnis einer politischen Vergesellschaftung der Bürger trotz der

a In A folgt: mittelalterlichen

b A: ihrem

c A: „ M a j e r "

6 4 Siehe unten, S. 188f. 6 5 Weber spielt auf zeitgenössische Auseinandersetzungen über Entstehungsursachen und rechtliche Grundlagen der mittelalterlichen Städte an. Vgl. dazu die Einleitung (mit bibliographischen Nachwelsen), oben, S. 27ff.

II. Die Stadt des Okzidents

125

und gegen die „legitimen" Gewalten, richtiger: einer ganzen Serie von solchen Vorgängen. Die formalrechtlich entscheidende Bestätigung dieses Zustandes durch die legitimen Gewalten trat dann später - übrigens nicht einmal immer - hinzu. Abgeleitet entstand der Bürgerverband durch eine vertragsmäßige oder oktroyierte Satzung eines mehr oder minder weiten oder begrenzten Rechtes | der A 661 Autonomie und Autokephalie seitens des Stadtgründers oder seiner Nachfolger, besonders häufig bei der Neugründung von Städten zugunsten der Neusiedler und deren Rechtsnachfolger. Die originäre Usurpierung durch einen akuten Vergesellschaftungsakt, eine Eidverbrüderung (Conjuratio), der Bürger war namentlich in den großen und alten Städten, wie etwa Genua 66 und Köln[,j das Primäre. Im ganzen war eine Kombination von Hergängen der einen und der anderen Art die Regel. Die urkundlichen Quellen der Stadtgeschichte aber, welche naturgemäß die legitime Kontinuität stärker erscheinen lassen als sie war, erwähnen diese usurpatorischen Verbrüderungen regelmäßig gar nicht; es ist jedenfalls Zufall, wenn ihr Hergang urkundlich überliefert wird, so daß die abgeleitete Entstehung den wirklichen Tatsachen gegenüber wenigstens in schon bestehenden Städten sicherlich zu häufig erscheint. Von der Kölner „conjuratio" von 1112 spricht eine einzige lakonische Notiz. 67 Rein formal mögen etwa in Köln die Schöffenbank der Altstadt und die Parochialvertretungen, 68 namentlich die der Martinsvorstadt als WuG1 536 der Neusiedelung der „mercatores", bei beurkundeten Akten ausschließlich in Aktion getreten sein, weil sie eben anerkannt „legitime" Gewalten waren. Und die Gegner, die Stadtherren, pflegten bei den Auseinandersetzungen natürlich ebenfalls formale Legitimitätsfragen, etwa (in Köln): daß Schöffen vorhanden seien, die den

66 In G e n u a ist der erste Z u s a m m e n s c h l u ß der Bürger für 1099 belegt; Hegel, Karl, Ges c h i c h t e der S t ä d t e v e r f a s s u n g v o n Italien seit der Zeit der r ö m i s c h e n Herrschaft bis z u m A u s g a n g d e s 12. J a h r h u n d e r t s , B a n d 2. - Leipzig: B.G. Teubner 1847, S. 178 (hinfort: Hegel, G e s c h i c h t e ) . 67 G e m e i n t ist der Eintrag In d e n Annales Colonienses maximi z u m Jahr 1112: „Coniuratio Coloniae facta est pro übertäte." Der Text ist ediert in: M G H , S c r l p t o r u m t o m u s 17, ed. G e o r g i u s H. Pertz. - Hannover: Hahn 1861, S. 749; d a z u Hegel, Städte (wie o b e n , S. 76, A n m . 39), B a n d 2, S. 326, u n d Beyerle, Entstehung, S. 54ff. 68 N a c h Beyerle, Entstehung, S. 13, u n d Hegel, Städte, B a n d 2, S. 326, w a r e n die Einw o h n e r Kölns zu d i e s e m Zeitpunkt n a c h d e m Territorialprinzip in s i e b e n Teilgemeinden eingeteilt, die d e c k u n g s g l e i c h mit d e n Kirchspielen (Parochlen) waren.

126

Die Stadt

Eid nicht geleistet haben, 69 und ähnliches vorzuschieben. Denn in dergleichen äußerten sich ja die usurpatorischen Neuerungen formal. Aber die gegen die Stadtautonomie gerichteten Erlasse der staufischen d Kaiser sprechen eine andere Sprache: sie verbieten nicht nur diese und jene formalrechtlichen Einzelerscheinungen, sondern eben: die „conjurationes". 70 Und es spricht hinlänglich für die Art der bei jenen Umwälzungen faktisch treibenden Gewalten, daß in Köln noch weit später die Richerzeche (Gilde der Reichen) vom Legitimitätsstandpunkt aus ein rein privater Klub besonders wohlhabender Bürger - nicht etwa nur, wie selbstverständlich, die Mitgliedschaft in diesem Klub, sondern: das davon rechtlich ganz unabhängige Bürgerrecht zu erteilen sich mit Erfolg die Kompetenz zuschreiben durfte. Auch die Mehrzahl der größeren französischen Städte sind in einer im Prinzip ähnlichen Art durch eidliche Bürgerverbrüderungen zu ihrer Stadtverfassung gelangt. 71 | d A: stauffischen 69 Es geht um die Beschwerde des Kölner Erzbischofs Konrad von Hochstaden im Jahr 1258. Dieser beklagte sich, daß die Stadt nicht mehr ausschließlich von Schöffen regiert wurde, die dem Bischof Treue geschworen hatten (scabini iurati), sondern daß die Bürger einen Rat gewählt hatten, dessen Mitglieder diesen Eid nicht geleistet hatten. Diese Ratsherren werden allerdings nicht als „Schöffen" bezeichnet, wie dies Weber hier tut; vgl. Hegel, Städte, Band 2, S.336f., der auch die Passage aus der einschlägigen Quelle dem Text des Schiedsspruchs, in: Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, hg. von Leonard Ennen und Gottfried Eckertz, Band 2. - Köln: Du Mont-Schauberg 1863, Nr. 384 (S.380400), hier Artikel 43 auf S. 385 - wiedergibt. 70 Das Verbot von coniurationes findet sich in der „Constitutio Pacis" Friedrichs I. von 1158 (MGH, Legum Sectio 4: Constitutlones et acta publica imperatorum et regum, tomus 1, ed. Ludewicus Weiland. - Hannover: Hahn 1893, Nr. 176, S. 245-247, § 6); In einer Trier betreffenden Urkunde des gleichen Kaisers aus dem Jahre 1161 (Urkundenbuch zur Geschichte der, jetzt die Preusslschen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelrheinischen Territorien, hg. von Heinrich Beyer, Band 1: Von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1169. - Coblenz: J. Hölscher 1860, Nr. 627, S. 687-689); in der „Sententia contra communiones civium" Heinrichs (VII.) von 1231; Text In: MGH, Legum Sectio 4: Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, tomus 2, ed. Ludewicus Weiland. Hannover: Hahn 1896, Nr. 299, S. 413f.); in der Sache auch im „Edictum contra communia civium et societates artificum" Kaiser Friedrichs II. von 1232 (ebd., Nr. 156, S. 191-194) sowie wiederum explizit In dessen Untersagung der Gründung eines Stadtrats in Worms aus dem gleichen Jahr (Urkundenbuch der Stadt Worms, hg. durch Heinrich Boos, Band 1: 627-1300. -Berlin: Weidmann 1886, Nr. 155, S. 116f. (hinfort: Urkundenbuch Worms)). 71 Weber stützt sich wahrscheinlich auf Holtzmann, Robert, Französische Verfassungsgeschichte von der Mitte des neunten Jahrhunderts bis zur Revolution (Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte, hg. von G[eorg] von Below und Friedrich] Meinecke, Abteilung 3: Verfassung, Recht, Wirtschaft). - München und Berlin: R. Oldenbourg 1910, S. 170-172 (hinfort: Holtzmann, Verfassungsgeschichte).

II. Die Stadt des Okzidents

5

10

15

20

25

127

Die eigentliche Heimat der conjurationes war aber offenbar Itali- A 662 en. Hier wurde die Stadtverfassung in der weit überwiegenden Mehrzahl aller Fälle originär durch conjuratio ins Leben gerufen. Und hier kann man daher auch - trotz aller Dunkelheit der Quellen - am ehesten den soziologischen Sinn der Stadteinung ermitteln. Ihre allgemeine Voraussetzung war die dem Okzident charakteristische teils feudale, teils präbendale Appropriation der Herrschaftsgewalten. Man hat sich die Zustände in den Städten vor der conjuratio zwar im einzelnen untereinander sehr verschieden, im ganzen aber als ziemlich ähnlich der eigentümlichen Anarchie der Stadt Mekka zu denken, welche eben deshalb oben etwas näher geschildert wurde. 72 Massenhafte Herrschaftsansprüche stehen, einander kreuzend, nebeneinander. Bischofsgewalten mit grundherrlichem und politischem Inhalt, viskontile und andere appropriierte politische Amtsgewalten, teils auf Privileg),] teils auf Usurpation beruhend, große stadtsässige Lehensträger oder freigewordene Ministerialen des Königs oder der Bischöfe (capitanei) e , landsässige oder stadtsässige Untervasallen (valvassores)f der capitanei 9 , 73 allodialer Geschlechterbesitz 74 verschiedensten Ursprunges, massenhafte Burgenbesitzer in eigenem und fremdem Namen, als privilegierte Stände mit starker Klientel von hörigen und freien Schutzbefohlenen, berufliche Einigungen der stadtsässigen Erwerbsklassen, hofrechtliche, lehenrechtliche, landrechtliche, kirchliche Gerichtsgewalten stehen h nebeneinander. Zeitweilige Verträge ganz entsprechend den „Verbindungen" der mekkanischen Geschlechter 75 - unterbrachen die Fehden der wehrhaften Interessenten innerhalb und außerhalb der städtischen Mauern. Der offizielle

e A: (capitani) mäß ergänzt.

f A: (valvasalles)

g A: capitani

h Fehlt in A; stehen sinnge-

7 2 Siehe oben, S.95ff. 7 3 Valvassor ist wohl abgeleitet von vassus vassorum, „Vasall von Vasallen". In den italienischen Quellen des 11. Jahrhunderts werden innerhalb der Ritterschaft die valvassores majores oder capitanei von den valvassores minores oder einfach valvassores unterschieden. Webers Annahme einer ursprünglichen Unterordnung der valvassores unter die capitanei geht zurück auf Hegel, Geschichte (wie oben, S. 125, Anm. 66), Band 2, S. 144. 7 4 Allodialer Besitz steht nicht unter einem Obereigentum. 7 5 Dazu Webers Ausführungen oben, S. 96

128

Die Stadt

legitime Stadtherr war entweder ein kaiserlicher Lehensmann oder, und meist[,] der Bischof, und dieser letztere hatte vermöge der Kombination weltlicher und geistlicher Machtmittel am meisten Chance, eine wirksame Herrschaftsgewalt durchzusetzen. Zu einem konkreten Zweck und meist auf Zeit oder bis auf weiteres, also kündbar, wurde nun auch jene conjuratio geschlossen, welche als „Compagna' communis" (oder unter einem ähnlichen Namen) den politischen Verband der späteren „Stadt" vorbereitet. 76 Zunächst finden sich noch gelegentlich deren mehrere innerhalb der gleichen Mauern; aber dauernde Bedeutung erlangen allerdings nur der eidliche Verband der „ganzen" Gemeinde, das heißt: aller derjenigen GeA 663 walten, welche in dem betreffenden Augenblick | militärische Macht innerhalb der Mauern innehatten oder beanspruchten und in der Lage waren, sie zu behaupten. In Genua wurde dieser Verband zunächst von 4 zu 4 Jahren erneuert. 77 Gegen wen er sich richtete^] war sehr verschieden. In Mailand schlössen ihn 980 die wehrhaften Stadtinsassen gegen den Bischof, 78 in Genua scheint anfangs der Bischof mit den viskontilen Familien, welchen die weltlichen HerWuG1 537 renrechte (später als reine Zinsan|Sprüche fortbestehend) appropriiert waren, ihm angehört zu haben, 79 während die spätere Compagna k communis allerdings hier wie anderwärts sich unter anderem auch gegen die Machtansprüche des Bischofs und der

i A: „Compagne

k A: Compagne

76 Die „compagna communis" in Genua war eine durch Eid beschworene, seit 1099 perio d i s c h erneuerte Verbindung der Stadtbürger zum gegenseitigen Schutz ihrer Rechte; sie umfaßte zunächst die den Fernhandel t r a g e n d e n Gruppen, dann aber bald wohl die gesamte waffenfähige Bürgerschaft und usurpierte schließlich die Militär-, Gerichts- u n d Finanzhoheit; vgl. Heyck, Eduard, Genua und seine Marine im Zeitalter der Kreuzzüge. Beiträge zur Verfassungs- und zur Kriegs-Geschichte. - Innsbruck: Wagner 1886, S. 21 - 3 3 ; Sieveking, Heinrich, Genueser Finanzwesen mit besonderer Berücksichtigung der Casa Di S.Giorgio, Band 1: Genueser Finanzwesen v o m 12. bis 14.Jahrhundert (Volkswirtschaftliche A b h a n d l u n g e n der Badischen Hochschulen, Band 1, Heft 3). - Freiburg i.B. [u. a.]: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1898, S. 1 4 - 2 1 (hinfort: Sieveking, Finanzwesen). Weber definiert sie an anderer Stelle (Konfuzianismus, MWG 1/19, S. 149, und Wirtschaftsgeschichte, S. 205 (MWG, Abt. III)), als Militärverband. 77 Nach Hegel, Geschichte, Band 2, S. 178f., g e s c h a h dies von 1102 bis 1122 alle vier Jahre. 78 Darüber handelt Hegel, Geschichte, Band 2, S . 9 9 f . 79 Diese Vermutung findet sich bei Sieveking, Finanzwesen (wie oben, Anm. 76), S. 1 0 14.

II. Die Stadt des

Okzidents

129

Visconti 80 richtete. Das positive Ziel der Eidverbrüderung aber war zunächst die Verbindung der ortsangesessenen Grundbesitzer zu Schutz und Trutz, zu friedlicher Streitschlichtung untereinander 1 und zur Sicherung einer den Interessen der Stadtinsassen entsprechenden Rechtspflege, ferner aber die Monopolisierung der ökonomischen Chancen, welche die Stadt ihren Insassen darbot: nur der Eidgenosse wurde zur Teilnahme am Handel der Stadtbürger^ in Genua™ z. B. zur Teilnahme an der Kapitalanlage in Form der Kommenda im Überseehandel, zugelassen;81 sodann die Fixierung der Pflichten gegen den Stadtherrn: feste Pauschalsummen oder hohe Zinsen statt willkürlicher Besteuerung; und endlich die militärischen Organisationen zum Zweck der Erweiterung des politischen und ökonomischen Machtgebiets der Kommune nach außen. Kaum sind die Konjurationen entstanden, so beginnen demgemäß auch schon die Kriege der Kommunen gegeneinander, die zu Anfang des 11. Jahrhunderts bereits eine chronische Erscheinung sind. 82 Nach innen erzwang die Eidverbrüderung den Beitritt der Masse der Bürgerschaft; die stadtsässigen, adligen und Patrizierfamilien, welche die Verbrüderung stifteten, nahmen dann die Gesamtheit der durch Grundbesitz qualifizierten Einwohner in Eid; wer ihn nicht leistete, mußte weichen. Irgendeine formale Änderung der bisherigen Amtsorganisation trat zunächst keineswegs immer ein. Bischof oder weltlicher Stadtherr behielten sehr oft ihre Stellung an der Spitze des Stadtbezirks, und verwalteten ihn nach wie vor durch ihre Ministerialen; nur das Vorhandensein der Bürgerversammlung ließ die große Umwälzung fühlbar werden. Aber das blieb nicht so. In den letzten Jahrzehnten des 11. Jahrhun-

I A: untereinander,

m

A: Genua,

8 0 Der Titel vicecomites für die Stellvertreter von G r a f e n wurde bei Familien, die d i e s e Funktion wie e r b l i c h e L e h e n wahrnahmen, z u m Familiennamen, so bei d e n Visconti in M a i l a n d und Pisa; Hegel, G e s c h i c h t e , B a n d 2, S. 185f. 8 1 N a c h Weber, H a n d e l s g e s e l l s c h a f t e n , S. 25, Anm. 1 ( M W G 1/1), waren die A n g e h ö r i g e n der G e n u e s e r „ C o m p a g n a c o m m u n i s " eidlich verpflichtet, s o l c h e G e s c h ä f t e nur mit Mitgliedern der Vereinigung e i n z u g e h e n . 8 2 D a z u gehörten die K ä m p f e z w i s c h e n Mailand und Lodi bzw. z w i s c h e n P i s a und L u c c a ; Hegel, G e s c h i c h t e , B a n d 2, S. 134.

130

Die

Stadt

A 664 derts traten überall die „consules" auf, 83 jährlich ge|wählt, offiziell durch die Gesamtheit der Bürger, oder durch ein von ihnen gewähltes, in Wahrheit wohl immer das Wahlrecht usurpierendes Honoratiorengremium, dessen Zusammensetzung nur durch Akklamation bestätigt wurde, als Wahlmännerkolleg, stets mehrere, oft ein Dutzend und mehr. Die Konsuln, besoldete und mit Sportelrechten ausgestattete Beamte, rissen in Vollendung der revolutionären Usurpation, die ganze oder den Hauptteil der Gerichtsbarkeit und den Oberbefehl im Kriege an sich und verwalteten alle Angelegenheiten der Kommune. Hervorgegangen scheinen sie in der ersten Zeit meist oder doch sehr oft aus den vornehmen richterlichen Beamten der bischöflichen oder herrschaftlichen Kurie; nur daß jetzt durch die eidverbrüderte Bürgerschaft oder deren Vertretung die Wahl an die Stelle der Ernennung durch den Stadtherrn trat. Sie streng kontrollierend stand ihnen zur Seite ein Kollegium von „Sapientes", oft die „Credenza" 84 genannt, gebildet teils aus den alten Schöffen, teils aus Honoratioren, welche die Konsuln selbst oder ein11 Wahlkollegium dazu bestimmten; der Sache nach waren es einfach die Häupter der militärisch und ökonomisch mächtigsten Familien, welche unter sich diese Stellungen verteilten. Die erste Bildung der Schwurverbrüderung wahrte noch die ständische Scheidung der verschiedenen Kategorien von capitanei 0 (Hauptvasallen), Untervasallen, Ministerialen, Burgherren (castellani) und cives meliores, 85 d. h. der ökonomisch Wehrfähigen; die Ämter und der Rat wurden unter sie proportional verteilt. Aber sehr bald schon trat der im Effekt gegen den Lehensverband als solchen sich wendende Charakter der Bewegung beherrschend hervor. Die

n A: im

o A: capitani

8 3 Seit den 1080er Jahren sind in Lucca und Pisa, seit den 1090er Jahren in Asti und Mailand, seit Anfang des 12. Jahrhunderts in einer weiteren Zahl von Städten consules, d.h. ein Magistratskollegium, nachweisbar; vgl. Mayer, Ernst, Italienische Verfassungsgeschichte von der Gothenzeit bis zur Zunftherrschaft, Band 2. - Leipzig: A. Deichert 1909, S. 537-543 (hinfort: Mayer, Verfassungsgeschichte). 8 4 „Sapientes" bedeutet die „weisesten und (rechts-)gelehrten Leute". Indem sie auf die „credenza" = „credentia", d. h. das Geheimnis oder Vertrauen der Consuln, vereidigt werden, bilden sie deren Rat; Hegel, Geschichte (wie oben, S. 125, Anm.66), Band 2, S. 212 ff. 8 5 Wörtlich: die „besseren Bürger". Bezeichnung für die Mitglieder der wohlhabendsten und vornehmsten Familien der Städte.

II. Die Stadt des

Okzidents

131

Konsuln durften keine Lehen von einem Herrn nehmen, sich nicht als Vasallen kommendieren. Und eine der ersten, gewaltsam oder durch erzwungene oder erkaufte Privilegien der Kaiser und Bischöfe pdurchgesetzten, politischen Errungenschaften^ war die Schlei5 fung der kaiserlichen, bischöflichen und stadtherrlichen Burgen innerhalb der Stadt, ihre Verlegung vor die Stadtmauer (so besonders in Privilegien der salischen Kaiser) und die Durchsetzung des Grundsatzes, daß innerhalb eines bestimmten Bezirks um die Stadt Burgen nicht gebaut werden und daß der Kaiser und andere Stadt10 herren ein Recht, in der Stadt sich einzuquartieren, nicht besitzen sollten.86 Die rechtliche | Errungenschaft aber war die Schaffung WuG1 538 einer besonderen städtischen Prozedur, unter Ausschaltung der irrationalen Beweis (mittel, namentlich des Zweikampfes (so in zahl- A 665 reichen Privilegien des 11. Jahrhunderts) 87 - das gleiche also, womit 15 das englische und französische Königtum den Interessen der Bürger entgegenkam - ferner das Verbot, Stadtbürger vor außerstädtische Gerichte zu ziehen^] und die Kodifikation eines besonderen rationalen Rechtes für die Stadtbürger, welches das Gericht der Konsuln anzuwenden hatte q . So war aus dem zunächst von Fall zu 20 Fall oder kurzfristig geschlossenen, rein personalen Eidverband ein dauernder politischer Verband geworden, dessen Zugehörige Rechtsgenossen eines besonderen ständischen Rechtes der Stadtbürger waren. Dies Recht aber bedeutete formal eine Austilgung des alten Personalitätsprinzips des Rechts, material aber eine

p A: durchgesetzte politische E r r u n g e n s c h a f t

q A: hatten

86 Den Verzicht auf die Anlage einer Pfalz und auf Einquartierung hat Heinrich IV. 1081 der Stadt Lucca garantiert; vgl. Pawinski, Adolf, Zur Entstehungsgeschichte des Consulats In den Comunen Nord- und Mittel-Italiens. XI. - XII. Jahrhundert. - Göttingen: Dieterich 1867 [Diss. Göttingen], S. 29 (hinfort: Pawinski, Entstehungsgeschichte); Meyer von Knonau, Gerold, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V., 3. Band: 1077 (Schluß) bis 1084 (Jahrbücher der Deutschen Geschichte). - Leipzig: Duncker & Humblot 1900, S.394 und 398. - Cremona und Mantua konnten 1114 bzw. 1116 aufgrund von Privilegien Heinrichs V. die Pfalzen innerhalb Ihres Stadtgebietes zerstören; vgl. Hegel, Geschichte, Band 2, S. 136; Handloike, Max, Die lombardischen Städte unter der Herrschaft der Bischöfe und die Entstehung der Communen. - Berlin: W. Weber 1883, S.23f. - Die kaiserliche Burg In Bologna wurde Anfang des 12. Jahrhunderts geschleift; vgl. Hessel, Alfred, Geschichte der Stadt Bologna von 1116 bis 1280 (Historische Studien, Heft 76). - Berlin: Emil Ebering 1910, S.52f. 8 7 So in den Privilegien Heinrichs IV. für Lucca und Pisa 1081; vgl. Pawinski, Entstehungsgeschichte, S.30.

132

Die

Stadt

Sprengung der Lehensverbände und des ständischen Patrimonialismus. Zwar noch nicht zugunsten des eigentlichen gebietskörperschaftlichen „Anstaltsprinzipes". Das Bürgerrecht war ein ständisches Recht r der bürgerlichen Schwurgemeindegenossen. Ihm s unterstand man kraft Zugehörigkeit zum Stande der Stadt- 5 bürger oder der von ihnen abhängigen Hintersassen. Noch im 16. Jahrhundert war da, wo die Herrschaft der adligen Geschlechter in den Städten aufrecht stand, in den meisten niederländischen Gemeinden z.B., die Vertretung in den Provinzial- und Generalständen keine Vertretung der Stadt als solcher, sondern eine solche 10 des stadtsässigen Adels; das tritt darin hervor, daß neben der Vertretung dieser Geschlechter sehr häufig noch eine Vertretung der Zünfte oder anderer nicht adliger ständischer Schichten aus1 der gleichen Stadt sich fand, welche gesondert stimmte und mit der Vertretung der Geschlechter ihrer Stadt keineswegs zu einer gemeinsa- 15 men Stadtrepräsentation vereinigt war. In Italien fehlte diese spezielle Erscheinung. Aber im Prinzip war die Lage oft ähnlich. Der stadtsässige Adel sollte zwar, normalerweise wenigstens, aus dem Lehensverband gelöst sein (was aber keineswegs immer wirklich der Fall war), hatte aber neben seinen Stadthäusern Burgen und 20 grundherrliche Besitzungen auswärts, war also neben seiner Teilhaberschaft am Kommunalverband noch als Herr oder Genosse in andere politische Verbände eingegliedert. In der ersten Zeit der italienischen Kommunen lag das Stadtregiment faktisch durchaus in den Händen ritterlich lebender Geschlechter, ganz einerlei ob for- 25 mal die Vergesellschaftung ein anderes vorsah und ob gelegentlich A 666 auch tatsächlich die nicht adligen Bürger einen vorübergehenden Anteil am Regiment durchsetzten. Die militärische Bedeutung des ritterlichen Adels überwog. Im Norden, speziell in Deutschland spielten in noch stärkerem Maß als im Süden die alten Schöffen- 30 geschlechter 88 eine entscheidende Rolle, behielten oft zunächst die Verwaltung der Stadt auch formell oder doch in ungeschiedener Personalunion in der Hand. Und je nach der Machtlage erzwangen

r In A folgt: der Mitglieder

s A: Ihnen

t A: und

8 8 Dies sind Familien, aus denen sich die Mitglieder des städtischen Gerichts rekrutierten. Die Schöffen (scabini) hatten die Aufgabe, unter dem Vorsitz des Richters (Schultheiß oder Vogt) Urteile zu fällen.

II. Die Stadt des

5

10

15

20

25

30

133

Okzidents

auch die bisherigen Träger der stadtherrlichen, namentlich der bischöflichen, Verwaltung 3 einen Anteil: die Ministerialen. Besonders da, wo die Usurpation gegenüber dem Stadtherrn nicht unbedingt durchdrang - und das war meist der Fall - setzte dieser, also meist der Bischof, eine Teilnahme für Ministerialen am städtischen 0 Rat durch. In großen Städten wie Köln und Magdeburg hatte der Bischof seine Verwaltung ganz oder teilweise durch freie bürgerliche Schöffen geführt, welche nun aus beeideten Beamten des Bischofs beeidigte Vertreter der Kommunen zu werden die Tendenz zeigten, immer aber dabei die Repräsentanten der conjuratio sich beigesellten oder mit ihnen sich in die Verwaltung teilten. Neben die vom Grafen ernannten Schöffen der flandrischen, brabanter und der niederländischen Städte begannen im 13. Jahrhundert Ratsmänner oder Geschworene (j urati - schon der Name 0 zeigt die usurpatorische Entstehung aus einer conjuratio an) oder „Bürgermeister" aus der Bürgerschaft für die Zwecke der Verwaltung zu treten, meist in gesonderten Kollegien, zuweilen mit ihnen zusammentretend. Sie waren Vertreter der zur Einung verbundenen Bürger, in Holland noch später als Korporation der „Vroedschap" fortbestehend. 89 Überall hat man sich die Verhältnisse in der ersten Zeit als sehr schwankend und gerade die entscheiden)den Punkte der fakti- WuG1 539 sehen Machtverteilung sehr wenig formal geregelt vorzustellen. Die persönlichen Beziehungen und Einflüsse und die Personalunion mannigfacher Funktionen taten das Entscheidende; eine formelle Sonderung einer „Stadtverwaltung" in unserem heutigen Sinn, eigene Bureaus und Rathäuser, fehlte d . Wie in Italien durchweg die Bürgerschaft sich im Dom versammelte, die leitenden Komitees oder auch Bürger aber vermutlich zunächst in Privathäusern und in Klublokalen, so war es auch in Köln e 90 . Namentlich das letztere scheint sicher. In der Zeit der Usurpation war offenbar in Köln das

a A: Verwaltung, vgl. Anm. 90.

b A: ständischen

c A: Namen

d A: fehlten

e A: Rom,

8 9 Nach Hegel, Städte (wie oben, S.76, Anm. 39), Band 2, S. 267-271, monopolisierte die „vroedschap", der Zusammenschluß der mächtigsten Familien (der „Weisen"), in den holländischen Städten Im 14. und 15. Jahrhundert die politischen Rechte der Bürgerschaft. 9 0 Weber bezieht sich, wie aus dem folgenden hervorgeht, nicht auf Rom, wie es im überlieferten Text heißt, sondern auf Köln.

134

Die Stadt

„Haus der Reichen" (domus divitum) mit dem „Haus der Bürger" A 667 (domus civium)f[,j also dem | Sitz der Verwaltung^] ebenso in „Lokalunion", wie, nach Beyerles sicher richtiger Darlegung,91 die Führer des Klubs der Richerzeche mit den Inhabern der Schöffenstühle und anderer maßgebender Ämter in einer weitgehenden Personalunion gewesen und geblieben sein müssen. Ein stadtsässiges Rittertum von der Bedeutung des italienischen gab es hier nicht. In England und Frankreich spielten die Kaufmannsgilden die führende Rolle. In Paris waren die Vorstände der Wassergilde auch formal als Vertreter der Bürgerschaft anerkannt.92 Die Entstehung der Stadtgemeinden ist aber auch in Frankreich bei den meisten großen und alten Städten durchaus 9 in der 9 Regel wohl durch Usurpation seitens der Verbände der Bürger, der Kaufleute und stadtsässigen Rentner entweder mit den stadtsässigen Rittern - so im Süden oder mit den confraternitates und Zünften der Handwerker - so im Norden des Landes - vor sich gegangen.93

f A: civiam)

g A: die

91 Weber rekurriert auf Beyerle, Entstehung, S. 63 (Lokalunion von domus civium und domus divitum) und S. 64 (weitgehende Personalunion zwischen Richerzeche und Schöffen). 92 Die Mitglieder der Wassergilde heißen in den Quellen mercatores aquae bzw. „marchands de l'eau". Es handelt sich um den Zusammenschluß der Händler, die über das Schiffahrtsprivileg auf der Seine und das Handelsmonopol in der Stadt verfügten. Zu ihrer Stellung als Stadtregierung vgl. (aus der von Weber wahrscheinlich benutzten Literatur) Hegel, Städte (wie oben, S.76, Anm.39), Band 2, S. 8 6 - 1 0 9 ; Goldschmidt, L[evin], Handbuch des Handelsrechts, 1. Band: Geschichtlich-literarische Einleitung und die Grundlehren, 1. Abtheilung: Universalgeschichte des Handelsrechts, 1. Lieferung, 3. Aufl. - Stuttgart: Ferdinand Enke 1891, S.217 und 221; Holtzmann, Verfassungsgeschichte (wie oben, S. 126, Anm.71), S. 171 und 284. Vgl. außerdem Gallion, Wilhelm, Der Ursprung der Zünfte in Paris. - Diss. Freiburg im Breisgau 1910, S. 1 9 - 2 5 (in erweiterter Fassung erschienen als Heft 24 der Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte, hg. von Georg von Below [u. a.] - Berlin und Leipzig: Walther Rothschild 1910). 93 Weberfolgt Holtzmann, Verfassungsgeschichte, S. 171: „Diese Zünfte und Gilden [wie die Pariser Wassergilde und die Kaufmannsgilde von Lyon] verteidigten In erster Linie das Interesse Ihres Standes, das aber häufig genug mit demjenigen der Stadt zusammenfiel. Ihre Mitwirkung zeigt sich namentlich bei den kommunalen Kämpfen des Nordens. Doch sind die Vereinigungen dieser zumeist hörigen Kreise keineswegs die einzigen, die bei der Entstehung der Städte mitgewirkt haben. Im Süden und Osten Frankreichs spielten vielmehr eine ähnliche Rolle die Verbände, welche die Bürgerlichen sowohl wie die kleinen Adligen untereinander geschlossen hatten".

II. Die Stadt des Okzidents

5

10

15

20

25

135

Ohne mit der „conjuratio" identisch zu sein, haben bei der Entstehung dieseh doch, speziell im Norden, in andern Einungen, eine bedeutende Rolle gespielt. Die Schwurbrüderschaften des germanischen Nordens weisen, entsprechend der noch geringem Entwicklung des Rittertums^] ganz besonders archaische Züge auf, die den südeuropäischen Ländern im ganzen fehlten. Die Schwurbrüderschaften konnten für den Zweck der politischen Vergesellschaftung und Usurpation von Macht gegenüber den Stadtherrn neu geschaffen werden. Aber es konnte die Bewegung auch an die im Norden und in England massenhaft entstandenen Schutzgilden anknüpfen. 94 Diese waren keineswegs primär zum Zweck der Einflußnahme auf politische Verhältnisse geschaffen worden. Sie ersetzten vielmehr ihren Mitgliedern zunächst das, was ihnen in der frühmittelalterlichen Stadt besonders häufig abging: den Anhalt an einer Sippe und deren Garantie. Wie diese dem Versippten, so gewährten sie ihm Hilfe bei persönlicher Verletzung oder Bedrohung und oft auch in ökonomischer Not, schlössen Streit und Fehde zwischen den Verbrüderten aus, und machten deren friedliche Schlichtung zu ihrer Aufgabe, übernahmen für den Genossen die Wehrgeldpflicht (in einem englischen Fall) 95 und sorgten für seine Geselligkeitsbedürfnisse durch Pflege der noch aus heidnischer Zeit stammenden periodischen Gelage (ursprünglich Kultakte), ferner für sein Begräbnis unter Beteiligung der Brüderschaft, garantierten sein Seelenheil durch gute Werke, verschafften ihm auf gemeinsame Kosten Ablässe | und die Gunst mächtiger Heiliger und A 668 suchten im übrigen natürlich gegebenenfalls gemeinsame, auch ökonomische, Interessen zu vertreten. Während die nordfranzösischen Stadteinungen vorwiegend als beschworene Friedenseinunh Zu ergänzen wäre: Verbrüderungen 94 Die Gilden in England, Dänemark, Schweden, Norwegen, der Normandie und Nordfrankreich, Flandern und Brabant, Holland und Zeeland sowie (Nordwest-)Deutschland behandelt ausführlich Hegel, Städte (wie oben, S. 76, Anm. 39), 95 Wergeid (so die üblichere Schreibweise) Ist die vom Täter oder seinen Verwandten zu zahlende Entschädigungs- bzw. Bußsumme an die Angehörigen bzw. den Leibherrn eines getöteten Mannes. Zum Eintreten von Gilden in die Wergeidpflicht im Recht der angelsächsischen Zeit vgl. Hegel, Städte, Band 1, S. 20-24, sowie S. 32f. zu der entsprechenden Regelung im Statut der Cambridger Gilde aus dem 11.Jahrhundert, auf die auch Ehrenberg, Richard, „Gilden", in: HdStW3, Band 5, S. 11-13, hier S. 12 (hinfort: Ehrenberg, Gilden), verweist. Webers Feststellung: „in einem englischen Fall" bezieht sich vermutlich hierauf.

136

Die Stadt

gen ohne die sonstigen Gildenattribute ins Leben traten, 96 hatten die englischen und nordischen Stadteinungen regelmäßig Gildecharakter. In England war die Handelsgilde mit dem Monopol des Kleinverkaufs innerhalb der Stadt die typische Form der Stadteinung. Die deutschen Händlergilden waren der Mehrzahl nach 5 spezialisiert nach Branchen (so die meist mächtige Gewandschneidergilde, die Krämergilde u. a.). Von da aus ist dann die Gilde als Organisationsform auf den Fernhandel übertragen worden, eine Funktion, die uns hier nichts angeht. Die Städte sind nicht, wie man vielfach geglaubt hat, „aus den Gil- 10 den entstanden", sondern - in aller Regel - umgekehrt die Gilden in den Städten. Die Gilden haben ferner auch nur zum kleinen Teil (namentlich im Norden, speziell in England, als „summa1 convivia") die Herrschaft in den Städten erlangt; 97 die Regel war vielmehr, daß zu1 WuG 540 nächst die mit den Gilden keineswegs identischen „Ge| schlechter" 15 in den Städten die Herrschaft an sich zogen. Denn die Gilden waren auch nicht mit der conjuratio, der Stadteinung, identisch. Die Gilden waren endlich niemals die einzigen Arten von Einung in den Städten. Neben ihnen standen einerseits die in ihrer beruflichen Zusammensetzung uneinheitlichen religiösen Einungen, and- 20 rerseits aber rein ökonomische, beruflich gegliederte Einungen: Zünfte. Die religiöse Einungsbewegung, die Schaffung von „confraternitates", ging das ganze Mittelalter hindurch neben den politischen, den gildenmäßigen und den berufsständischen Einungen her und kreuzte sich mit ihnen in mannigfachster Art. Sie spielten na- 25 mentlich bei den Handwerkern eine bedeutende, mit der Zeit wechi A: „ s u m m a e

96 Weber adaptiert vermutlich das Ergebnis von Hegels Untersuchung über die Kommune in Nordfrankreich; vgl. Hegel, Städte, Band 2, S. 2 3 - 7 6 , hier vor allem S.40: „Diese aus religiösem Bedürfnisse hervorgegangene Friedenseinigung [seil, die Kommune von Amiens 1021] hat nichts mit dem Begriff einer Gilde zu schaffen". 97 Webers Stellungnahme gegen die „Gildentheorie" folgt anscheinend Ehrenberg, Gilden, S. 12: „Alle diese späteren Gilden sind In Städten entstanden. Dagegen ist die von Wilda aufgestellte, von Glerke, Nitzsch und anderen aus- und umgebildete sog. ,Gildetheorie' für die Entstehung der Stadtgemeinden, wonach letztere aus Gilden hervorgegangen sein sollen, durch die neuesten Forschungen von Hegel, Groß und von Below beseitigt worden". Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Gilde im Altnordischen ist Opfer oder Trinkgelage (lat. convivium); Hegel, Städte, Band 1, S. 149. „Sehr alte herrschende Gilden (summa convivia)" führt Ehrenberg, Gilden, S. 12, für Schleswig und Canterbury an.

II. Die Stadt des

137

Okzidents

selnde Rolle. Daß zufällig die älteste urkundlich nachweisbarek eigentliche fraternitas von Handwerkern1 in Deutschland: die der Bettziechenweber in Köln (1180),98 jünger ist als die entsprechende gewerbliche Einung, beweist an sich zwar nicht, daß zeitlich die be5 rufliche Einung, richtiger: der spezifisch berufliche Zweck der Einung, überall der frühere und ursprüngliche gewesen sei. Allerdings scheint dies aber bei den gewerblichen Zünften die Regel gewesen zu sein, und dies erklärt sich vermutlich daraus, daß die Einungen der freien Handwerker^ | wenigstens außerhalb Italiens, A 669 10 ihr erstes Vorbild an der grundherrschaftlichen Einteilung der abgabepflichtigen Handwerker in Abteilungen mitm Meistern" an der Spitze" fanden. Aber in andern Fällen bildete wohl auch die fraternitas den Ausgangspunkt der späteren beruflichen Einung. Wie noch in der letzten Generation die Entstehung jüdischer 15 Arbeitergewerkschaften in Rußland mit dem Ankauf des dringendsten Bedarfsartikels für einen religiös vollwertigen Juden: einer Thorarolle, zu beginnen pflegte 0 , 100 so pflegten auch zahlreiche, der k A: nachweisbar ten

I A: Handwerkern,

m A: nur

n A: Meister

O A: pfleg-

98 Die Brüderschaft der Bettziechen(=Bettüberzüge)-Weber ist schon für 1149 urkundlich nachgewiesen; dazu Hegel, Entstehung, S. 120. Edition der Urkunde in: Loesch, Heinrich von, Die Kölner Zunfturkunden. Nebst anderen Kölner Gewerbeurkunden bis zum Jahre 1500, Band 1: Allgemeiner Teil (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, Band 22). - Bonn: Eduard Weber 1907, Nr. 10 (S. 25f.); Übersetzung In: Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, hg. von Leonard Ennen und Gottfried Eckertz, Band 1. - Köln: DuMont-Schauberg 1860, S.329f. - Webers Datierung auf 1180 beruht anscheinend auf einer Verwechslung mit dem ersten urkundlichen Nachweis der Richerzeche (Hegel, Entstehung, S. 122; Beyerle, Entstehung, S. 62-65). 99 Weber nimmt hier - möglicherweise Im Anschluß an Keutgen, Ffriedrich], Aemter und Zünfte. Zur Entstehung des Zunftwesens. - Jena: Gustav Fischer 1 9 0 3 - eine vermittelnde Position gegenüber Kontroversen in der zeitgenössischen Forschung ein. Die Annahme der Verfechter der „hofrechtlichen Theorie", die Zünfte seien hervorgegangen aus Verbänden unfreier Fronhofshandwerker, die einem Meister unterstanden hätten, ist v.a. von Below bekämpft worden, der eine Entstehung der Zünfte aus freien Einungen freier Handwerker vertreten hat; vgl. den Überblick über die Forschungsdiskussion bei Stleda, Wilh[elm], „Zunftwesen", in: HdStW3, Band 8, S. 1088-1111, hier S. 1089-1093. 100 Weber stützt sich vermutlich auf die Arbeit von Rablnowitsch, Sara, Die Organisationen des jüdischen Proletariats In Russland (Volkswirtschaftliche Abhandlungen der Badischen Hochschulen, Band 7, 2. Ergänzungsband). - Karlsruhe: G. Braun 1903, die über die Bedeutung der Thorarolle bei den Zusammenschlüssen der Handwerker und Arbeiter schreibt: „Ebenso wurde es jedem mehr oder weniger wohlhabenden Juden zur Gewlssenspfllcht gemacht, auf seine Kosten seine eigene Thorarolle der Gemeindesynagoge zu stiften; eine Pflicht, welche bis in die Gegenwart hinein von allergrösster Bedeutung für

138

Die Stadt

Sache nach berufliche Verbände gesellige und religiöse Interessen an die Spitze zu stellen oder doch, wenn sie ausgesprochene Berufseinungen waren, religiöse Anerkennung zu suchen, wie dies auch die meisten Gilden und überhaupt alle Einungen im Laufe des Mittelalters in der Regel getan haben. Das war keineswegs nur ein Schleier für massive materielle Interessen. Daß z.B. die ältesten Konflikte der späteren Gesellenverbände nicht über Arbeitsbedingungen, sondern über religiöse Etikettenfragen (Rangfolge bei Prozessionen und ähnliches)101 entstanden, zeigt vielmehr, wie stark religiös bedingt auch damals die soziale Bewertung des sippenlosen Bürgers war. Nur tritt gerade dabei sofort auch das, worauf es hier ankommt, der ungeheure Gegensatz gegen jeden tabuistischen kastenartigen Abschluß hervor, welcher die Verbrüderung zu einer Gemeinde ausgeschlossen hätte. Im ganzen standen diese religiösen und geselligen Bruderschaften, einerlei ob sie im Einzelfall die älteren oder die jüngeren waren, oft nur in faktisch annähernder Personalunion mit den offiziellen Berufsverbänden - Kaufmannsgilden und Handwerkerzünften -, von denen späterhin noch die Rede sein muß.102 Diese ihrerseits wieder waren weder, wie man wohl geglaubt hat,103 immer Abspaltungen aus einer ursprünglich einheitlichen Bürgergilde - das kam vor, aber andrerseits waren z.B. Handwerkereinungen zum Teil wesentlich älter als die ältesten con-

die Entstehung der jüdischen Handwerkerorganisationen und Brüderschaften ist" (S.9); ferner S. 63f.: „Ein besonders krasser Fall der Willkür der Meister innerhalb der Chewra [= Zunft] veranlasste im Jahre 1897 die endglltige Absonderung der Gesellen von der gemeinsamen Chewra. Sie gründeten alsdann eine eigene Organisation ganz und gar nach dem Muster der alten. Es ist dieselbe Anschaffung einer Thorarolle, mit der die Chewra ihre Tätigkeit beginnt". 101 In Colmar haben 1495 die Bäckergesellen unter Protest die Stadt verlassen, well sie Ihren angestammten Platz In der Fronleichnamsprozession - unmittelbar hinter dem Allerheiligsten - mit anderen Gesellenverbänden teilen sollten; der daraus folgende Konflikt zwischen den Bäckergesellen und dem Rat der Stadt wurde vor verschiedenen Instanzen ausgetragen und führte zu einem zehn Jahre andauernden Streik der Colmarer Bäckergesellen. Der Fall wird geschildert bei Schanz, Georg, Zur Geschichte der deutschen Gesellen-Verbände. Mit 55 bisher unveröffentlichten Documenten aus der Zeit des 14.17. Jahrhunderts. - Leipzig: Duncker & Humblot 1877, S. 78-89. 102 Siehe unten, S. 199f. 103 Weber spielt hier erneut auf die Diskussion um die Gildentheorie an. Mit seiner ablehnenden Argumentation liegt er auf einer Linie mit Below, Georg von, Die Bedeutung der Gilden für die Entstehung der deutschen Stadtverfassung, In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge, Band 3, 1892, S. 56-68, hier S. 65ff.

II. Die Stadt des

Okzidents

139

jurationes. Noch waren sie umgekehrt ihre Vorläufer - denn sie finden sich in der ganzen Welt, auch wo nie eine Bürgergemeinde entstanden ist. Sondern alle diese Einungen wirkten in der Regel wesentlich indirekt: durch jene Erleichterung des Zusammenschlusses 5 der Bürger, welche aus der Gewöhnung an die Wahrnehmung gemeinsamer Interessen durch freie Einungen überhaupt entstehen mußte: durch Beispiel und Personalunion der führenden Stellung in den Händen der in der Leitung solcher Schwurverbände erfahrenen und durch sie sozial einflußreichen Persönlichkeiten. | In jedem Fall A 670 10 war es an sich das Natürliche, und der weitere Verlauf bestätigt es, daß auch im Norden überall die reichen, an der Selbständigkeit der Verkehrspolitik interessierten Bürger es waren, welche außer den adligen Geschlechtern an der Schaffung der conjuratio aktiv partizipierten, das Geld hergaben, die Bewegung in Gang hielten und die 15 mit den Geschlechtern gemeinsam die Masse der übrigen in Eid und Pflicht nahmen; eben davon war offenbar das Recht der Bürgerrechts!Verleihung durch die Richerzeche ein Rest. 104 Wo wuG 1 541 überhaupt außer den Geschlechtern auch Verbände von erwerbenden Bürgern an der Bewegung beteiligt waren, kamen dafür von 20 allen Einungen allerdings meist nur die Gilden der Kaufleute für die Stadteinung in Betracht. Noch unter Eduard II. wurde in England von den damals gegen die Kaufmannschaft aufsässigen Kleinbürgern geklagt: daß die „potentes" Gehorsamseide von den ärmeren Bürgern, speziell auch den Zünften, verlangten13 und kraft die25 ser usurpierten Macht Steuern auferlegten.105 Ähnlich hat sich der Vorgang sicher bei den meisten originär-usurpatorischen Stadtverbrüderungen abgespielt. Nachdem nun die sukzessiven Usurpap A: verlangen 104 Das Privileg der Kölner Richerzeche, das Bürgerrecht verleihen zu dürfen, erwähnt Beyerle, Entstehung, S. 64. Belegt ist dies allerdings erst durch eine Urkunde aus dem Jahre 1372, als ihr diese Funktion wieder entzogen wurde; vgl. Lau, Entwicklung (wie oben, S. 119, Anm.50), S.87, sowie zu den Forschungskontroversen über die Genese dieses Rechts Below, Georg von, Die Kölner Richerzeche, in: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Band 1, 1889, S. 443-448. 105 „Potentes" sind die einflußreichen und mächtigen Mitglieder der Bürgergemeinde. Bei Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 267, wird eine Klage der Bürger von Gloucester über eigenmächtige Steuererhebung durch die „potentes" aus der Zelt Eduards I. (nicht Eduards II., wie es bei Weber heißt) angeführt; weitere Belege bei Colby, Charles W., The Growth of Oligarchy in English Towns, in: English Historical Review, vol. 5, 1890, S . 6 3 3 653, hier S.644f.

140

Die Stadt

tionen in einigen großen Städten Erfolg gehabt hatten, beeilten sich aus „Konkurrenzrücksichten" diejenigen politischen Grundherren, welche neue Städte gründeten oder bestehenden neue Stadtprivilegien verliehen, einen allerdings sehr verschieden großen Teil jener Errungenschaften ihren Bürgern freiwillig und ohne erst die 5 Entstehung einer formalen Einung abzuwarten, zuzusichern, so daß die Erfolge der Einungen die Tendenz hatten, sich universell zu verbreiten. Dies wurde namentlich dadurch befördert, daß die Siedlungsunternehmer oder auch die Siedlungsreflektanten, wo immer sie, durch Vermögensbesitz und soziales Ansehen, dem Stadt- 10 gründer gegenüber das nötige Gewicht dazu hatten, sich die Gewährung eines bestimmten Stadtrechtes, z.B. die Freiburger das Kölner, zahlreiche süddeutsche Bürgerschaften das Freiburger, östliche Städte das Magdeburger^] in Bausch und Bogen kompetieren ließen und nun bei Streitigkeiten die Stadt, deren Recht gewährt 15 worden war, als kompetent für die Auslegung des letzteren angerufen wurde. 106 Auf je wohlhabendere Siedler der Stadtgründer reflektierte, desto erheblichere Konzessionen mußte er machen. Die 24 conjuratores q fori in Freiburg z.B., denen Berthold von ZähA 671 ringen die Erhaltung der Freiheiten der Bürger der | neuen Stadt 20 angelobt, spielen hier etwa die Rolle der „Richerzeche" in Köln, sind persönlich weitgehend privilegiert und haben als „consules" der Gemeinde zuerst das Stadtregiment in der Hand. 107

q A: conjuratio 106 Nach der Freiburger Stiftungsurkunde von 1120 (vgl. die nächste Anm.) ließen sich die Bürger die Anwendung des allgemeinen Kaufmannsrechts zugestehen („kompetieren"), wobei im Zweifelsfall die Anlehnung an Kölner Recht erfolgen sollte; vgl. Keutgen, Ffriedrich], Untersuchungen über den Ursprung der deutschen Stadtverfassung. - Leipzig: Duncker & Humblot 1895, S. 215f. - Wenn bei einer Stadtgründung das Recht einer bestimmten Stadt übernommen worden war, erbaten die Gerichte der „Tochterstädte" in Zweifelsfällen Gutachten und gegebenenfalls auch Urteile von den Gerichten der „Mutterstadt"; der Bedarf ergab sich im Falle des (über Brandenburg und Kursachsen bis nach Schlesien, Böhmen und Polen verbreiteten) Magdeburger Rechts auch daraus, daß dieses nicht aufgezeichnet war. 107 Zur Gründung eines Marktortes {forum) auf seinem Eigengut Freiburg im Breisgau rief der Herzog von Zähringen angesehene Kaufleute zusammen. In der von beiden Seiten beschworenen Vereinbarung (coniuratio) wurden den als conjuratores fori bezeichneten 24 Gründern Grundstücke zugewiesen, Privilegien wie die Befreiung von Zöllen und Steuern zugestanden und zugleich festgelegt, daß sie als Ratsherren (consules) fungieren sollten; vgl. Hegel, Entstehung, S.38f. und 174. Die Edition der Stiftungsurkunde fin-

II. Die Stadt des Okzidents

141

Zu den durch Verleihung bei der Gründung und Privilegierung der Städte durch Fürsten und Grundherrn verbreiteten Errungenschaften aber gehört vor allem überall: daß die Bürgerschaft als eine „Gemeinde" mit eigenem Verwaltungsorgan, in Deutschland dem 5 „Rat"[,j an der Spitze konstituiert wurde. Der „Rat" vor allem gilt in Deutschland als ein notwendiges Freiheitsrecht der Stadt, und die Bürger beanspruchten, ihn autonom zu besetzen. Zwar ist dies keineswegs kampflos durchgesetzt worden. Noch Friedrich II. hat 1232 alle Räte und Bürgermeister, die ohne Konsens der Bischöfe von 10 den Bürgern eingesetzt waren, verboten,108 und der Bischof von Worms setzte für sich und seinen Stellvertreter den Vorsitz im Rat und das Ernennungsrecht der Ratsmitglieder durch.109 In Straßburg war die Ministerialenverwaltung des Bischofs Ende des 12. Jahrhunderts durch einen aus Ratsmännern der Bürger und

det sich bei Keutgen, Friedrich], Urkunden zur Städtischen Verfassungsgeschichte (Below, G[eorg] von und Keutgen, Friedrich], Ausgewählte Urkunden zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Band 1). - Berlin: Emil Felber 1899, S. 117f. (hinfort: Keutgen, Urkunden). Aufgrund einer komplizierten Überlieferungslage finden sich in der zeitgenössischen Literatur unterschiedliche Rekonstruktionen des Gründungsdatums bzw. divergierende Identifizierungen des Stadtgründers; vgl. nur Hegel, Entstehung, S . 3 8 - 4 0 ; ders., Geschichte (wie oben, S. 125, Anm.66), Band 2, S. 407-409; Heyck, Eduard, Geschichte der Herzoge von Zähringen. - Freiburg i.B.: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1891, S. 583-589, die sich für eine Gründung durch Konrad von Zähringen im Jahre 1120 entscheiden. Andere Annahmen beziehen sich auf Berthold II. (gestorben 1111) bzw. Berthold III. (gestorben 1122), den Bruder Konrads. Weber legt sich nur auf „Berthold" fest; die Analogie zur Richerzeche übernimmt er wohl von Gothein, Eberhard, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden Landschaften, Band 1: Städte- und Gewerbegeschichte. - Straßburg: Karl J. Trübner 1892, S.92f. (hinfort: Gothein, Wirtschaftsgeschichte), der seinerseits von einer Gründung durch Berthold III. um 1110 spricht. 108 Kaiser Friedrich II. verfügte 1232 mit dem „Edictum contra communia civium et societates artificum" (zur Edition der Urkunde vgl. oben, S. 126, Anm. 70), daß die Bürger der Bischofsstädte nur mit Zustimmung ihres bischöflichen Stadtherrn einen Rat einsetzen und wählen durften; Heusler, Andreas, Verfassungsgeschichte der Stadt Basel im Mittelalter. - Basel: Bahnmaier (C. Detloff) 1860, S. 168ff. (hinfort: Heusler, Verfassungsgeschichte), und Hegel, Entstehung, S. 177. 109 Dies setzte 1233 der Wormser Bischof Heinrich (aus dem Geschlecht der Grafen von Saarbrücken) durch, der zuvor zusammen mit anderen Bischöfen und Fürsten das Edikt Friedrichs II. (vgl. vorherige Anm.) erwirkt hatte; Hegel, Entstehung, S.177f. Die Urkunde ist ediert in: Urkundenbuch Worms (wie oben, S. 126, Anm. 70), Band 1, Nr. 163, S. 122 f.

142

Die Stadt

5 Ministerialen zusammengesetzten Rat ersetzt,110 und in Basel setzte der Bischof durch, daß der, wie Hegel annimmt, vom Kaiser selbst zugelassene Rat der Bürger vom Kaiser wieder verboten wurde.111 In zahlreichen süddeutschen Städten aber blieb der herrschaftlich ernannte oder doch herrschaftlich bestätigte Schultheiß 112 lange Zeit der eigentliche Chef der Stadt, und die Bürgerschaft konnte dieser Kontrolle nur ledig werden, indem sie das Amt käuflich erwarb. Allein fast überall finden wir dort, daß neben dem Schultheiß in den Urkunden der Stadt zunehmend der „Bürgermeister" hervortritt und schließlich meist den Vorrang gewinnt. Er aber war dort im Gegensatz zum Schultheiß in aller Regel ein Vertreter der Bürgereinung, also ein ursprünglich usurpatorisch entstandener und nicht ein ursprünglich herrschaftlicher Beamter. Freilich aber war, entsprechend der andersartigen sozialen Zusammensetzung sehr vieler deutscher Städte, dieser im 14. Jahrhundert aufsteigende „Bürgermeister" oft schon nicht mehr ein Vertreter der „Geschlechter", also den „consules" Italiens entsprechend, - diesen entsprachen vielmehr die rscabini non juratir,113 die consules und ähnli1 WuG 542 che Vertreter der Frühzeit in den großen Städten | - sondern vielr A: scalini nonjuratis, vgl. Anm. 113. 110 Weber folgt Hegel, Entstehung, S. 178. Dieser verweist darauf, daß aus den Namen der Unterzeichner eines Beschlusses der Straßburger Bürgerschaft aus der Zelt des Bischofs Konrad von Hüneburg (1190-1202) geschlossen werden kann, daß es sich bei fünf der insgesamt zwölf Ratsmitglieder um Ministeriale handelte; Urkundenbuch der Stadt Strassburg, Band 1: Urkunden und Stadtrechte bis zum Jahr 1266, bearbeitet von Wilhelm Wlegand (Urkunden und Akten der Stadt Strassburg, 1. Abtheilung). - Strassburg: Karl J. Trübner 1879, Nr. 144 (S. 119). 111 Friedrich II. hat dies 1218 auf Ersuchen des Basler Bischofs Heinrich von Thun verfügt, der sich darüber beschwert hatte, daß der Rat ohne seine Zustimmung etabliert worden sei. Die Feststellung, daß der König (Friedrich II. wurde erst 1220 zum Kaiser gekrönt) damit ein Privileg widerrief, das er selbst den Baslern eingeräumt hatte, hat Hegel, Entstehung, S. 181 f., aus dem Text der Urkunde (Urkundenbuch der Stadt Basel, Band 1, bearbeitet durch Rudolf Wackernagel und Rudolf Thommen. - Basel: C. Detloff 1890, Nr. 92, S. 6 1 - 6 3 ) erschlossen. 112 Ein vom Stadtherrn eingesetzter Amtsträger, der den Vorsitz im Stadtgericht innehat und die stadtherrlichen Rechte wahrnimmt. 113 Weber bezieht sich vermutlich auf den Kölner Konflikt von 1258 und meint die von der Bürgerschaft gewählten Ratsherren. In der einschlägigen Urkunde (oben, S. 126, Anm. 69) werden die Schöffen, die auf den Erzbischof vereidigt waren (scabini iurati), den Ratsherren als einem Gremium von non iurati gegenübergestellt. Da Weber oben, S. 125f., von „Schöffen [...], die den Eid nicht geleistet haben", spricht, wollte er hier augenscheinlich scabini non jurati schreiben.

II. Die Stadt des

Okzidents

143

mehr ein Vertrauensmann der Berufseinung, gehörte also hier einem späteren Entwicklungsstadium an. | Die aktive Mitgliedschaft s im Bürgerverband s war zunächst über- A 672 all an städtischen Grundbesitz geknüpft, der erblich und veräußer5 lieh, fronfrei, zinsfrei oder nur mit festem Zins belastet, dagegen für städtische Zwecke schoßpflichtig 114 - diese Pflicht wurde in Deutschland geradezu Merkmal des bürgerlichen Grundbesitzes besessen wurde. Später traten andere schoßpflichtige Vermögensstücke, vor allem Geld oder Geldstoffbesitz daneben. Ursprünglich 10 war überall der nicht mit jener Art von Grundbesitz angesessene Stadtinsasse nur Schutzgenosse der Stadt, mochte im übrigen seine ständische Stellung sein welche immer. Die Berechtigung zur Teilnahme an den städtischen Ämtern und am Rat hat Wandlungen durchgemacht. Und zwar in verschiedenem Sinne. Wir wenden uns 1 s dem nunmehr zu. 115 Es erübrigt vorher nur noch, vorläufig ganz allgemein, die Frage zu stellen: worauf denn nun es letztlich beruhte, daß im Gegensatz zu Asien die Städteentwicklung im Mittelmeerbecken und dann in Europa einsetzte. Darauf ist insofern bereits eine Antwort gege20 ben, 116 als die1 Entstehung einer Stadtverbrüderung, einer städtischen Gemeinde also, durch die magische Verklammerung der Sippen und, in Indien, der Kasten gehemmt war. Die Sippen waren in China Träger der entscheidend wichtigen religiösen Angelegenheiten: des Ahnenkults, und deshalb unzerbrechlich; die Kasten in Indi25 en aber waren Träger spezifischer Lebensführung, an deren Innehaltung das Heil bei der Wiedergeburt hing und die daher gegeneinander rituell exklusiv waren. Aber wenn dies Hindernis in Indien in der Tat absolut war, so die Sippengebundenheit in China und vollends in Vorderasien doch nur relativ. Und in der Tat tritt gerade für 30 diese Gebiete etwas ganz anderes hinzu: der Unterschied der Mi'toärverfassung, vor allem: ihrer u ökonomisch-soziologischen Unterlagen. Die Notwendigkeit der Stromregulierung und Bewässerungspolitik hatte in Vorderasien (einschließlich Ägyptens) und (in S A: des Bürgerverbandes

t In A folgt: Hemmung der

u A: ihre

1 1 4 „Schoß" ist die im mittelniederdeutschen S p r a c h r a u m übliche B e z e i c h n u n g für (Vermögens-)Steuer; „schoßpflichtig" bedeutet d e m n a c h steuerpflichtig. 1 1 5 Der Verweis geht auf die Darlegungen des nächsten Kapitels, unten, S. 145ff. 1 1 6 Gemeint sind die Ausführungen zu Asien, oben, S . 8 5 f f .

144

Die Stadt

nicht ganz so starkem, aber doch entscheidendem Maß) auch in China eine königliche Bureaukratie entstehen lassen 117 - zunächst reine Baubureaukratie, von der aus dann aber die Bureaukratisierung der gesamten Verwaltung sich durchsetzte welche den König befähigte, mit Hilfe des Personals und der Einnahmen, die sie ihm verschafften, die Heeresverwaltung in eigene, A 673 bureaukratische Bewirtschaftung zu nehmen: | der „Offizier" und der „Soldat", die ausgehobene, aus Magazinen ausgerüstete und verpflegte Armee wurde hier die Grundlage der militärischen Macht. Die Trennung des Soldaten von den Kriegsmitteln und die militärische Wehrlosigkeit der Untertanen war die Folge. Auf diesem Boden konnte keine politische, der Königsmacht gegenüber v selbständige Bürgergemeinde erwachsen. Denn der Bürger war der Nichtmilitär. Ganz anders im Okzident. Hier erhielt sich, bis in die Zeit der römischen Kaiser, das Prinzip der Selbstequipierung der Heere, mochten sie nun bäuerlicher Heerbann, Ritterheer oder Bürgermilizen sein. Das aber bedeutete die militärische Eigenständigkeit des einzelnen Heerfolgepflichtigen. In einem Heer mit Selbstequipierung gilt der - schon in Chlodwigs Stellung zu seinem Heerbann 1 1 8 sich äußernde - Grundsatz: daß der Herr sehr weitgehend auf den guten Willen der Heeresteilnehmer angewiesen ist, auf deren Obödienz seine politische Macht ganz und gar beruht. Er ist jedem einzelnen von ihnen, auch kleinen Gruppen gegenüber,

v A: gegenüber, 117 Seine Annahme, daß schon in frühester Zeit in Mesopotamien und Ägypten die Erfordernisse der Stromregulierung den Aufbau einer bürokratischen Organisation zur Folge hatten, hat Weber in: Agrarverhältnisse 3 , S. 73 und 81 (MWG I/6), dargelegt. Zur Parallele in China vgl. seine Bemerkungen in: Konfuzianismus, MWG 1/19, S. 185f. 118 Hier bezieht sich Weber vermutlich auf eine von Gregor von Tours (2, 27) überlieferte Episode aus der Geschichte des Frankenkönigs Chlodwig I. (481-511), der nach dem Sieg über Syagrius, den letzten Repräsentanten Roms, im Jahre 486 nicht frei über die Kriegsbeute verfügen konnte, sondern die Mitspracherechte seiner Gefolgsleute beachten mußte. Der Text findet sich in: MGH, Scriptorum Rerum Merovingicarum tomus 1: Gregorii Turonensis Opera, pars 1: Historia Francorum, ed. W[ilhelm] Arndt et Br[uno] Krusch. - Hannover: Hahn 1885, S.88f.; deutsche Übersetzung: Zehn Bücher Fränkischer Geschichte von Bischof Gregorius von Tours, übersetzt von Wilhelm von Giesebrecht, Band 1, 4., vollkommen neubearbeitete Aufl. von Slegmund Hellmann (Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, 2. Gesamtausgabe, Band 8). - Leipzig: Dyk 1911, S. 100-103.

5

10

15

20

III. Die Geschlechterstadt

5

10

15

20

im Mittelalter und in der Antike

145

der Mächtigere. A b e r allen oder größeren Verbänden einer Vielzahl von ihnen gegenüber, wenn solche entstehen, ist er machtlos. Es fehlt dem Herren dann der bureaukratische, ihm blind gehorchende, weil ganz von ihm abhängige Zwangsapparat, um ohne Einvernehmen mit den militärisch und ökonomisch eigenständigen Honoratioren, aus deren Reihen er ja seine eigenen Verwaltungsorgane: seine Würdenträger und Lokalbeamten rekrutieren muß, seinen Willen durchzusetzen, sobald die in Anspruch genommenen Schichten sich zusammenschließen. Solche Verbände aber bildeten sich stets, sobald der Herr mit neuen ökonomischen Forderungen, Forderungen von GeWzahlungen zumal, an | die eigenständig wehrhaf- WuG 1 543 ten Heerfolgepflichtigen herantrat. Die Entstehung der „Stände" im Okzident, und nur hier, erklärt sich daraus. Ebenso aber die Entstehung der korporativen und der autonomen Stadtgemeinden. Die Finanzmacht der Stadtinsassen nötigte den Herren, sich im Bedarfsfall an sie zu wenden und mit ihnen zu paktieren. A b e r Finanzmacht hatten auch die Gilden in China und Indien und die „Geldleute" Babylons. 119 Das legte dem König, um sie nicht zu verscheuchen, auch dort gewisse Rücksichten auf. A b e r es befähigte die Stadtinsassen, und waren sie noch so reich, nicht, sich zusammenzuschließen und militärisch dem Stadtherren Widerpart zu halten. Alle conjurationes und Einungen des Okzidents aber, von der frühen | Antike angefangen, waren Zusammenschlüsse der wehrhaften A674 Schichten der Städte. Das war das positiv Entscheidende.

III. Die Geschlechterstadt im Mittelalter und in der Antike. Da an der conjuratio in aller Regel alle Grundbesitzer der Stadt, nicht nur die führenden Honoratioren beteiligt waren, so galt offiziell meist die Bürgerversammlung, in Italien „parlamentum" ge-

119 Gemeint sind vermutlich die sowohl (Natural-)Abgaben für den Herrscher eintreibenden als auch eigene Handelsaktivitäten verfolgenden „Bankiers" im Reich Hammurabls (1728-1686 v.Chr.); vgl. Weber, Agrarverhältnisse 3 , S.79 (MWG I/6), sowie Thurnwald, Richard, Staat und Wirtschaft in Babylon zu Hammurabis Zeit, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge, Band 26, 1903, S. 644-675.

146

Die Stadt

nannt, als das höchste und souveräne Organ der Kommune.1 Daran ist formal oft festgehalten worden. Faktisch haben gerade in der ersten Zeit naturgemäß meist die Honoratioren gänzlich das Heft in der Hand gehabt. Sehr bald war oder wurde die Qualifikation zur Teilnahme an Ämtern und Rat auch formell einer begrenzten Zahl von „Geschlechtern" vorbehalten. Nicht selten galten sie von Anfang an als allein ratsfähig, ohne daß dies besonders festgelegt worden wäre. Wo dies anfangs nicht der Fall war, entwickelte es sich, wie namentlich in England deutlich zu beobachten ist, ganz naturgemäß daraus, daß, der bekannten Regel entsprechend, nur die ökonomisch Abkömmlichen an den Bürgerversammlungen regelmäßig teilnahmen und, vor allem, sich über den Gang der Geschäfte näher besprachen.2 Denn überall wurde zunächst die Mitwirkung bei den Verwaltungsgeschäften der Stadt als eine Last empfunden, welche nur erfüllt wurde, soweit eine öffentliche Pflicht dazu bestand. Im frühen Mittelalter hatte der Bürger zu den drei ordentlichen „Dingen" des Jahres zu erscheinen.3 Von den ungebotenen Dingen blieb fort, wer nicht direkt politisch interessiert war. Vor allem die Leitung der Geschäfte fiel ganz naturgemäß den durch Besitz und nicht zu vergessen - durch auf dem Besitz beruhende ökonomische Wehrfähigkeit und eigene militärische Macht Angesehenen zu. Da-

1 Zur Verwendung von parlamentum (im Sinne von „Besprechung", worauf Weber gleich unten im Text anspielt) als Bezeichnung für die Bürgerversammlung in Genua und anderen Städten Italiens vgl. Hegel, Geschichte (wie oben, S. 125, Anm.66), Band 2, S. 217. 2 Es muß offenbleiben, ob der Verweis auf die „bekannte Regel" eine Anspielung auf zeitgenössische Literatur impliziert oder nicht vielmehr auf evidente Sachverhalte verweist, wie sie Weber später, in: WuG 1 , S. 170 (MWG I/23), in seinen Ausführungen zu den „Honoratioren" festgestellt hat. Es heißt dort, deren Fähigkeit, „fürdie Politik leben zu können, ohne von Ihr leben zu müssen", setze ein bestimmtes Maß der .„Abkömmlichkeit' aus den eignen privaten Geschäften" voraus und „jede unmittelbare Demokratie" neige dazu, „zur .Honoratiorenverwaltung' überzugehen". Warum sich die Entwicklung zur Dominanz der Honoratioren in den Bürgerversammlungen gerade in England zeigen soll, Ist nicht ersichtlich. Nach dem Kontext wäre eher ein Bezug auf Italien oder Deutschland zu erwarten; vgl. den Hinweis auf die norddeutschen Städte in WuG 1 , S. 171 (MWG I/23). Ein Textverderbnis kann insofern nicht ausgeschlossen werden. 3 Beim frühmittelalterlichen „Ding" (ahd.: Zeitpunkt der Volksversammlung) versammelten sich die Rechtsgenossen unter dem Vorsitz eines Richters. Man unterschied zwischen „echten", „ungebotenen" Dingen, die zu feststehenden Terminen stattfanden (seit der Gerichtsreform Karls des Großen nur noch dreimal jährlich), und „gebotenen" Dingen, nach Bedarf einberufenen Gerichtsversammlungen. Zum „echten" Ding hatten alle Freien zu erscheinen, zum „gebotenen" Ding nur die Schöffen.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter und in der Antike

147

her hat, wie die späteren Nachrichten über den Verlauf der italienischen parlamenta beweisen,4 diese Massenversammlung nur ganz ausnahmsweise etwas anderes bedeutet als ein Publikum, welches durch Akklamation die Vorschläge der Honoratioren genehmigte oder auch dagegen tumultierte, nie aber, soviel für dieses Frühstadium bekannt, die Wahlen oder die Maßregeln der Stadtverwaltung wirklich dauernd entscheidend bestimmte. Die ökonomisch von den Honoratioren Abhängigen bildeten oft die | Mehrheit. Dem A 675 entspricht es, daß später der Aufstieg des außerhalb der Honoratioren stehenden „popolo" zur Macht überall amit der3 Verdrängung der allgemeinen tumultuarischen Bürgerversammlungen13 zugunsten einer durch Repräsentanten oder durch einen allmählich fest umschriebenen Kreis von qualifizierten Bürgern gebildeten engeren Versammlung parallel ging, ebenso wie andererseits wieder der Beginn der Tyrannis und der Sturz des Popolo durch die Einberufung der alten Parlamente, vor denen noch Savonarola die Florentiner warnte, bezeichnet wurde.5 | Der Tatsache, wenn auch oft nicht dem formalen Rechte nach, WuG1 544 entstand0 jedenfalls die Stadt als ein von einem verschieden weiten a A: durch die

b A: Bürgerversammlungen,

c A: entstand,

4 Vgl. die Bemerkungen bei Hegel, Geschichte (wie oben, S.125, Anm.66), Band 2, S. 249, daß die „ungeordnete Volksversammlung" in der Regel nur dazu diente, „große Staatsreformen oder gewaltsame Maßregeln aller Art im Sinne einer herrschenden Partei durchzusetzen"; vgl. noch unten, S. 228 mit Anm. 105, zur üblichen Legitimierung einer Signorie durch die Volksversammlung. 5 Im Juli 1495 agitierte der Dominikaner Girolamo Savonarola erfolgreich für die Abschaffung der Institution der „Parlamenta", die wiederholt in der florentinlschen Geschichte als leicht manipulierbares Instrument eingesetzt worden waren, um Regimewechsel herbeizuführen, so 1434 bei der faktischen Machtergreifung Coslmo de Medlcis. Savonarola befürchtete deshalb, daß auf dem gleichen Weg die 1494 nach dem Sturz der Medicl eingeführte republikanische Verfassung wieder aufgehoben werden könnte. Vgl. Villah, Pasquale, Geschichte Girolamo Savonarola's und seiner Zeit. Nach neuen Quellen dargestellt, unter Mitwirkung des Verfassers aus dem Italienischen übers, von Moritz 8erduschek, Band 1. - Leipzig: F.A. Brockhaus 1868, S. 220-222; Ranke, Leopold, von, Savonarola und die florentinische Republik gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, In: ders., Sämmtliche Werke, Band 40/41: Historisch-biographische Studien. - Leipzig: Duncker & Humblot 1877, S. 181-357, hier S.245f. Die Predigt vom 28. Juli 1495 ist in moderner Edition zugänglich in: Savonarola, Girolamo, Prediche sopra i Salmi, vol. 2, a cura di Vincenzo Romano (Edizione nazionale delle Opere dl Girolamo Savonarola). Roma: Belardetti 1974, S. 152-181. Neuere deutsche Übersetzung in: Savonarola, [Girolamo], Predigten und Schriften, hg. von Mario Ferrara. - Salzburg: Otto Müller 1957, S. 166-169.

148

Die Stadt

Kreise von Honoratioren, von deren Eigenart später zu reden ist,6 geleiteter ständischer Verband oder wurde bald dazu. Entweder nun entwickelte sich diese faktische Honoratiorenherrschaft zu einer fest geregelten rechtlichen Monopolisierung der Stadtherrschaft durch die Honoratioren, oder umgekehrt: deren Herr- 5 schaft wurde durch eine Serie weiter folgender neuer Revolutionen geschwächt oder ganz beseitigt. Jene Honoratioren, welche die Stadtverwaltung monopolisierten, pflegt man als „die Geschlechter", die Periode ihres verwaltenden Einflusses als die der „Geschlechterherrschaft" zu bezeichnen. Diese „Geschlechter" waren 10 in ihrem Charakter nichts Einheitliches. Gemeinsam war ihnen allen: daß ihre soziale Machtstellung auf Grundbesitz und auf einem nicht dem eigenen Gewerbebetrieb entstammenden Einkommen ruhte. A b e r im übrigen konnten sie ziemlich verschiedenen Charakter haben. Im Mittelalter nun war ein Merkmal der äußeren Lebens- 15 führung in spezifischem Maße ständebildend: die ritterliche Lebensführung. Sie gab die Turnierfähigkeit, die Lehensfähigkeit d und alle Attribute ständischer Gleichordnung mit dem außerstädtischen Ritterstand überhaupt. Mindestens für Italien, aber in der Mehrzahl aller Fälle auch im Norden rechnete man nur diejenigen Schichten 20 in den Städten zu den „Geschlechtern", welchen dies Merkmal eignete. Sofern nicht etwas anderes im Einzelfall gesagt ist, wollen wir daher - bei Anerkennung der Flüssigkeit der Übergänge - auch im nachstehenden a potiori stets an dies Merkmal denken, wenn von den „Geschlechtern" die Rede ist. Die Geschlechterherrschaft hat 25 in einigen extremen Fällen zu einer spezifischen Stadtadelsentwicklung geführt, insbesondere da, wo nach antiker A r t ÜberA 676 seepolitik von | Handelsstädten die Entwicklung bestimmte. Das klassische Beispiel dafür ist Venedig. e Die Entwicklung Venedigs war zunächst bestimmt durch die 30 Fortsetzung jener mit steigendem leiturgischen Charakter der spätrömischen und byzantinischen Staatswirtschaft steigenden Lokalisierung auch der Heeresrekrutierung, welche seit der Zeit Hadrians

d A: Lehensfähigkeit,

e - e (S. 162) Petitdruck in A.

6 Falls sich der Verweis nicht auf die gleich folgenden Ausführungen bezieht, geht er Im vorliegenden Text nicht auf, auch wenn die „Honoratioren" hier - ebenso wie an zahlreichen Stellen in WuG 1 - des öfteren noch erwähnt werden.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter

und in der

Antike

149

im Gange war.7 Die Soldaten der lokalen Garnisonen wurden zunehmend der örtlichen Bevölkerung entnommen, praktisch: von den Possessoren aus ihren Kolonen gestellt.8 Unter dem Dux standen als Kommandanten des Numerus die Tribunen.9 Auch ihre Gestellung war formell eine leiturgische Last, faktisch aber zugleich ein Recht der örtlichen Possessorengeschlechter, denen sie entnommen wurden, und wie überall wurde diese Würde faktisch in bestimmten Geschlechtern erblich, während der Dux bis in das 8. Jahrhundert von Byzanz aus ernannt wurde. Diese tribunizischen Geschlechter: Kriegsadel also, waren der Kern der ältesten Stadtgeschlechter.10 Mit dem Schrumpfen der Geldwirtschaft und der zunehmenden Militarisierung des byzantinischen Reiches trat die Gewalt des tribunizischen Adels gänzlich an die Stelle der römischen Kurien und Defensoren.11 Die erste Revolution, welche in Venedig zum Beginn der Stadtbildung führte, richtete sich wie in ganz Italien im Jahre 726 gegen die damalige bilderstürmerische Regierung und ihre Beamten und trug als dauernde Errungenschaft

7 Seit der Zeit Hadrians (römischer Kaiser 117-138) rekrutierten die Legionen ihre Mannschaften aus den Provinzen, in denen sie stationiert waren. Hinzu kam die steigende Bedeutung der numen genannten Provinziaimiiizen; vgl. Mommsen, Theodor, Die Conscriptionsordnung der römischen Kaiserzeit, sowie: Die römischen Provinziaimiiizen, in: ders., Gesammelte Schriften, Band 6 (= Historische Schriften, Band 3). - Berlin: Weidmann 1910, S. 2 0 - 1 1 7 und 145-155; ferner für eine kurze Zusammenfassung des Sachverhalts Kornemann, Ernst, Die römische Kaiserzeit, in: Gercke, Alfred und Norden, Eduard (Hg.), Einleitung in die Altertumswissenschaft, Band 3. - Leipzig und Berlin: B.G. Teubner 1912, S. 205-296, hier S. 217. 8 D.h., aus den Hintersassen (coloni) der Großgrundbesitzer (possessores). 9 Dux bezeichnet den Provinzkommandeur, numerus die aus der einheimischen Bevölkerung ausgehobene Truppeneinheit, die von einem tribunus numeri befehligt wurde. 10 Weber folgt bei seiner Darstellung des Aufstiegs der ortsansässigen Geschlechter auf Kosten der von Byzanz entsandten Provinzkommandeure wahrscheinlich Kretschmayr, Heinrich, Geschichte von Venedig, Band 1: Bis zum Tode Enrico Dándolos (Allgemeine Staatengeschichte, hg. von Karl Lamprecht, 1. Abteilung: Geschichte der europäischen Staaten, Werk 35). - Gotha: Friedrich A. Perthes 1905, S. 3 9 - 4 2 (hinfort: Kretschmayr, Venedig); vgl. ferner Lenel, Entstehung, S. 114f.; Hegel, Geschichte (wie oben, S. 125, Anm. 66), Band 2, S. 251 f. Hartmann, L[udo] M., Die wirtschaftlichen Anfänge Venedigs, in: Vierteljahrschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte, Band 2, 1904, S. 434-442. 11 D.h. anstelle der Stadträte (Kurien) und der (von der kaiserlichen Regierung eingesetzten) obersten Zivilbeamten der Städte (defensores plebis). Zu Fortbestand und schließlich Niedergang dieser Institutionen im Italien unter byzantinischer Herrschaft vgl. Hegel, Geschichte, Band 1, S. 126-138; Hartmann, Ludo M., Untersuchungen zur Geschichte der byzantinischen Verwaltung in Italien (540-750). - Leipzig: Hirzel 1889, S. 4 5 - 4 7 .

150

Die Stadt

die Wahl des Dux durch tribunizischen Adel und Klerus ein. 12 Alsbald aber begann ein drei Jahrhunderte dauerndes Ringen des Dogen, der seine Stellung zu einem erblichen patrimonialfürstlichen Stadtkönigtum zu entwickeln suchte, mit seinen Gegnern: dem Adel und dem Patriarchen, welcher seinerseits gegen die „eigenkirchlichen" Tendenzen des Dogen interessiert war. 13 Gestützt wurde der Doge von den Kaiserhöfen des Ostens und Westens. 14 Die Annahme des Sohnes zum Mitregenten, in welche, ganz nach der antiken Tradition, sich die Erblichkeit zu kleiden suchte, wurde von Byzanz begünstigt. Die Mitgift der deutschen Kaisertochter Waldrada 15 verschaffte dem letzten Candianen 16 noch einmal die Mittel, die fremdländische Gefolgschaft und vor allem: die Leibgarde, auf welche seit 811 die Dogenherrschaft gestützt wurde, zu vermehren. 17 Der durchaus stadtkönigliche patrimoniale Charakter der Dogenherrschaft jener Zeit tritt plastisch in allen Einzelzügen hervor: der Doge war Großgrundherr und Großhändler, er monopolisierte (auch aus politischen Gründen) die Briefpost zwischen Orient und Okzident, die über Venedig ging, ebenso seit 960 den Skla-

12 Im Jahr 726 erließ der byzantinische Kaiser Leon III. (717-741) ein Gesetz, mit dem die Anbetung und Verehrung der Bilder Christi und der Heiligen verboten wurde. Dagegen erhob sich in Italien unter der Führung von Papst Gregor II. heftiger Widerstand, der in Venedig zur Wahl eines einheimischen Dux führte; Kretschmayr, Venedig, S. 45f. 13 Die Dogen setzten die Bischöfe auf venezianischem Gebiet ein und konnten darüber in Konflikt mit dem Patriarchen von Grado geraten; zu einem entsprechenden Streit (um 876/877) vgl. Kretschmayr, Venedig, S. 99. 14 D.h. von den byzantinischen Kaisern einerseits, den fränkischen und ottonischen Kaisern andererseits. 15 Waldrada von Tuszien war eine Nichte (nicht Tochter) des deutschen Kaisers Otto I.; Kretschmayr, Venedig, S. 113. 16 Gemeint ist Pletro Candiano (Petrus Candianus) IV. (Doge 959-976). Er heiratete Waldrada 968 oder 969, nachdem er sich von seiner ersten Frau getrennt und sie gezwungen hatte, in ein Kloster einzutreten. 976 fiel er einer Adelsverschwörung zum Opfer. Vitalls, einer seiner Brüder, bekleidete vom September 978 bis November 979 das Amt des Dogen; er war der letzte aus dem Haus der Candianen in diesem Amt; Kretschmayr, Venedig, S. 113-119. 17 Kretschmayr, Venedig, S. 114, betont, daß es Pietro Candiano IV. mit Hilfe der finanziellen Mittel seiner Frau gelang, eine verläßliche Leibgarde aufzubauen. 811 wurde der Regierungssitz Venetiens auf die Inselgruppe des Rialto verlegt. Mit Agnellus Parteciacus (811 -827) beginnt die kontinuierliche Reihe venezianischer Dogen. Es konnte nicht ermittelt werden, warum Weber einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen diesem Datum und der Rolle von Leibgarden der Dogen herstellt. Auf eine kroatische Leibgarde hat sich der Doge Petrus Trandenicus (836-864) gestützt; Kretschmayr, Venedig, S. 93.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter und in der Antike

151

venhandel anläßlich der kirchlichen Zensuren gegen diesen.18 Er setzte Patriarchen, Äbte, Priester trotz kirchlicher Proteste ein und ab. Er war Gerichtsherr, freilich innerhalb der Schranken des dinggenossenschaftlichen Prinzips,19 welches unter fränkischem Einfluß auch hier durchdrang,20 ernannte den Richter und hob strittige Urteile auf. | Die Verwaltung führte er teils durch Hausbeamte und WuG1 545 Vasallen, teils unter Zuhilfenahme der Kirche. Das letztere besonders innerhalb der auswärtigen Ansiedlungen der Venezianer. Nicht nur durch Mitregentenernennung, sondern in einem Falle auch testamentarisch verfügte er über die Herrschaft wie über sein Hausvermögen, welches vom öffentlichen Gut nicht geschieden war.21 Er stellte im wesentlichen aus eigenen Mitteln die Flottenrüstung und hielt Soldtruppen und verfügte über die Fronleistungen der Handwerker an das Palatium,22 die er zuweilen willkürlich steigerte. Eine solche Steigerung, letzten Endes bedingt offenbar durch steigende

18 Das von Pietro Candiano IV. aufgrund kirchlicher Monlta 960 durchgesetzte Verbot betraf nur privaten Sklavenhandel; es verschaffte damit dem Dogat das Monopol auf den Sklavenhandel; gleichzeitig wurde die private Briefbeförderung vom Westen nach Byzanz durch ein staatliches Postmonopol ersetzt; Kretschmayr, Venedig, S. 110f. 19 Das „dinggenossenschaftliche Prinzip" Im Sinne einer „Gewaltenteilung" zwischen denjenigen, die das Urteil fällen, und der Gesamtheit der Gemeinde hat Weber ausführlicher in: WuG1, S. 410 (MWG I/22-3), erläutert: „Wir wollen den Zustand [...], daß die Gemeinde der Rechtsgenossen an der Rechtsfindung zwar beteiligt ist, die Gemeinde aber die Rechtsfindung nicht souverän beherrscht, sondern nur den Urteilsvorschlag der charismatischen oder amtlichen Träger des Rechtswissens akzeptieren oder verwerfen, also auch, zumal durch besondere Mittel, wie die Urtelisschelte, beeinflussen kann - die ,dlnggenossenschaftliche' Rechtsfindung nennen." Zur Rolle von Doge, Adel und Volk bei der Rechtsprechung in Venedig vgl. Lenel, Walter, Die Epochen der älteren venezianischen Geschichte, in: Historische Zeltschrift, Band 104, 1910, S. 237-277, hier S. 245f. (hinfort: Lenel, Epochen). 20 Nach der Eroberung des Langobardenreichs erstreckte sich die fränkische Herrschaft bis nach Istrien und Venetien. Nachdem sich Venetien zwischenzeitlich (805-807) fränkischer Hoheit unterstellt hatte und Pippin, der fränkische Unterkönig in Italien, 811 einen Angriff auf Venetien unternommen hatte, erkannte Karl der Große im Vertrag von Aachen (812) die byzantinische Oberhoheit über Venetien an. Einen fränkischen Einfluß auf die Rechtsentwicklung in Venedig hat Roberti, Melchlorre, Le magistrature giudlzlarie veneziane e I loro capltolarl fino al 1300, vol. 1. - Padova: Tipografia edltrice del semlnarlo 1906, S. 41 -44, angenommen; vgl. dagegen Lenel, Epochen, S.245, Anm. 1. 21 Pietro Orseolo II. (991-1009) hatte ein weitgehend unbeschränktes Dogentum praktiziert und nacheinander seine Söhne zu Mitregenten erhoben; in seinem Testament „bestellte er den Staat Venedig wie sein Haus; er wies aus seinen Reichtümern dem ihm .untertänigen venezianischen Volke' die Zinsen eines unantastbaren Kapitals von 1250 Pfunden für Zwecke des Gemeinwesens zu [...]"; Kretschmayr, Venedig, S. 127. 22 Der Dogenpalast.

152

Die

Stadt

Bedürfnisse der Außenpolitik, gab 1032 den äußeren Anlaß zu einer siegreichen Revolte, und diese bot der niemals verstummten Adelsopposition die Mittel, die Macht des Dogen zunehmend zu brechen.23 Wie überall unter den Verhältnissen der militärischen | A 677 Selbstequipierung, war der Doge allen einzelnen andern Geschlechtern (oder auch Gruppen von ihnen) weit überlegen, nicht aber demf Verband aller. Und ein solcher entschied, damals wie heute, sobald der Doge mit finanziellen Ansprüchen an die Geschlechter herantrat. Unter zunächst ziemlich demokratischen Rechtsformen begann nunmehr die Herrschaft der auf dem Rialto ansässigen Stadtadelsgeschlechter.24 Der Anfang, das „erste Grundgesetz der Republik", wie man es wohl genannt hat, 25 war das Verbot der Mitregentenernennung, welches der Erblichkeit vorbeugte (wie in Rom). 26 Alles andere besorgten dann die Wahlkapitulationen, durch welche der Doge - nach einer „ständestaatlichen" Zwischenperiode, welche Rechte und Lasten zwischen ihm und dem Kommune ähnlich verteilte, wie anderwärts zwischen Landesherrn und Landschaft - formell zu einem streng kontrollierten, von hemmendem Zeremoniell umgebenen, besoldeten Beamten, sozial also zu einem primus inter pares der Adelskorporation herabgedrückt wurde. Man hat mit Recht beobachtet (Lenel),27 daß die Machtstellung des Dogen, wie sie durch seine Außenbeziehungen gestützt worden war, auch von der auswärtigen Politik her eingeschränkt wurde, auf deren Führung der Rat der Sapientes (1141 nachgewie-

f A: im 23 Gemeint ist der Sturz Pietro Barbolanos, wahrscheinlich im Jahre 1031. Kretschmayr, Venedig, S. 148, schreibt dazu: „Wir vernehmen nur, dass er vielen nicht gefallen, den Handwerkern unbillige Fronverpflichtungen für das Palatium anbefohlen habe [...]". 24 Nachdem im Jahre 811 der Regierungssitz Venedigs auf den Rialto (rivus altus) verlegt worden war, siedelten sich dort die alten Familien an. Rivus altus (tiefer Kanal oder auch hohes Ufer) war ursprünglich die Bezeichnung für die Inselgruppe rechts und links des Kanals; Kretschmayr, Venedig, S.84f. 25 Weber bezieht sich wohl auf Kretschmayr, Venedig, S. 148, der die Verordnung vom Sommer 1032, daß der gewählte Doge keinen Mitregenten mehr ernennen (und damit den Nachfolger bestimmen) dürfe, als das „erste Staatsgrundgesetz der Republik" bezeichnet. Ob die von Kretschmayr selbst verwendeten Anführungszeichen allein der Hervorhebung dienen oder auf ein Zitat seinerseits deuten, muß offenbleiben. 26 Zum Vergleich mit dem Übergang vom Königtum zur Republik In Rom siehe unten, S. 189. 27 Gemeint ist Lenel, Entstehung, S. 1 2 4 - 1 2 8 .

5

10

15

20

III. Die Geschlechterstadt im Mittelalter und in der Antike

153

sen) 28 die Hand legte. Schärfer als bisher darf aber hervorgehoben werden, daß es hier ebenso wie anderwärts vor allem die Finanzbedürfnisse der kriegerischen Kolonial- und Handelspolitik waren, welche die Heranziehung des Patriziats zur Verwaltung unumgänglich machten, ebenso wie später auf dem Festland die Finanzbedürfnisse der geldwirtschaftlich geführten fürstlichen Kriege die steigende Macht der Stände begründeten. Das Chrysobullon 29 des Kaisers Alexios bedeutete das Ende der griechischen Handelsherrschaft und die Entstehung des Handelsmonopols der Venezianer im Osten gegen Übernahme des Seeschutzes und häufiger Gewährung von Finanzhilfe für das Ostreich. 30 Ein etwa steigender Teil des staatlichen, kirchlichen und privaten Vermögens der Venetianer wurde im griechischen Reiche rententragend im Handel, in Ergasterien aller Art, in Staatspachten und auch in Bodenbesitz angelegt. Die zu ihrem Schutz entfaltete Kriegsmacht Venedigs führte zur Teilnahme an dem Eroberungskrieg der Lateiner und zur 9 Gewinnung der berühmten „Drei Achtel" (quarta pars et dimidia) des lateinischen Reiches. 31 Nach den Ordnungen Dándolos wurde aller Kolonialerwerb rechtlich sorgsam als zugunsten des Kommune und seiner Beamten, nicht aber des Dogen^ gemacht11 behandelt, dessen Ohnmacht damit besiegelt war. 32 Staatsg A: nach

h A: gemacht,

28 Die erste urkundliche Erwähnung von sapientes 1141 führt Lenel, Entstehung, S. 124, an. Die förmliche Bezeichnung dieses Adelsgremiums als Rat begegnet erst seit 1187; Lenel, ebd., S. 129-133. 2 9 Ein Privileg byzantinischer Kaiser, benannt nach dem goldenen kreisrunden Siegel. 3 0 Das Privileg (des Kaisers Alexlos Komnenos von 1082) gewährte den Venezianern Zoll- und Abgabenfreiheit im Byzantinischen Reich und unterstellte die dort tätigen venezianischen Händler der Gerichtsbarkeit des Dogen; Kretschmayr, Venedig, S. 163. 31 Nach der Eroberung von Konstantinopel 1204 durch ein Kreuzfahrerheer, das von Venedig massiv unterstützt worden war, erhielt Venedig bei der Aufteilung der Einflußsphären im byzantinischen Reich und der Einrichtung eines lateinischen Kaisertums in Konstantinopel (1204-1261) durch den Vertrag vom März 1204 drei Achtel des Landes zugesprochen; der Titel des Dogen wurde um die Formel „quartae et dimidiae partís totius Romaniae imperii dominator" erweitert; Kretschmayr, Venedig, S. 318f. und 339. 32 Es handelt sich um die Wahlkapitulation (promissiones), die der Doge Enrico Dándolo vor seiner Wahl 1192 beschwören mußte. Darin wurde u. a. festgelegt, daß der Doge ohne die Zustimmung des Großen Rates nicht über Staatsbesitz, unter den auch die Kolonien fielen, verfügen durfte; Kretschmayr, Venedig, S.340f.; vgl. auch Schmeidler, Bernhard, Der dux und das comune Venetiarum von 1141-1229. Beiträge zur Verfassungsgeschichte Venedigs vornehmlich im 12. Jahrhundert (Historische Studien, Heft 35). Berlin: E. Ebering 1902, S. 7 8 - 8 7 (hinfort: Schmeidler, Dux).

154

Die Stadt

schulden und dauernde Geldausgaben des Kommune waren die selbstverständliche Begleiterscheinung dieser Außenpolitik. Diese Finanzbedürfnisse konnten wiederum nur durch Mittel des Patriziats gedeckt werden, das hieß aber: desjenigen Teils des alten tribunizischen, zweifellos durch neuen Adel verstärkten, Grundher- 5 renstandes, welcher durch seine Stadtsässigkeit befähigt war, in der typischen Art: durch Hergabe von Kommenda- und anderem Erwerbs-Kapital am Handel und an den anderen Gelegenheiten ertragbringender Vermögensanlage teilzunehmen.33 In seinen Händen konzentrierte sich geldwirtschaftliche Vermögensbildung und 10 politische Macht. Daher entstand parallel mit der Depossedierung des Dogen auch die Monopolisierung aller politischen Macht durch die vom Patriziat beherrschte Stadt Venedig im Gegensatz zu dem politisch zunehmend entrechteten Lande. Die Placita des Dogen waren' nominell bis in das 12. Jahrhundert aus dem ganzen Dukat 15 von den (ursprünglich: tribunizischen) Honoratioren beschickt worden.34 Aber mit der Entstehung des 1143 zuerst urkundlich erscheinenden „commune Venetiarum" hörte das tatsächlich auf, und der Rat und die von den Cives gewählten Sapientes, denen der Doge den Eid leistete, scheinen seitdem durchaus dem auf dem Rialto 20 ansässigen Großgrundbesitz, welcher an überseeischer Kapital-) A 678 Verwertung ökonomisch interessiert war, angehört zu haben. 35 Die fast überall in den Geschlechterstädten bestehende Scheidung eines „großen", beschließenden, und eines „kleinen", verwaltenden, Rates der Honoratioren findet sich 1187.36 Die faktische Ausschaltung 25 i A:

war

3 3 Die Formen des Seedarlehensgeschäfts in Venedig erläutert Kretschmayr, Venedig, S. 351 f. 3 4 Nachweislich seit dem Ende des 9. Jahrhunderts trat im Dogenpalast das publicum placitum zu Zwecken der Verwaltung und Rechtsprechung zusammen. Dieser vom Dogen einberufenen und geleiteten Versammlung gehörten Vertreter der Geistlichkeit, der weltlichen Obrigkeit und des Volkes aus dem gesamten venezianischen Herrschaftsgebiet an; Kretschmayr, Venedig, S. 191-197. 3 5 Nach Kretschmayr, Venedig, S.328, umfaßte das seit 1143 bezeugte „Comune Veneciarum" nur die auf dem Rialto ansässigen „alten ratsfähigen Geschlechter" aus dem „kaufmännischen und grundbesitzenden Patriziat" und „keineswegs die gesamte einheimische Bewohnerschaft auch nur von Rialto und noch weniger des Dogates". 3 6 Zur Differenzierung in Venedig zwischen dem Kleinen Rat (consilium minus) mit 6 Mitgliedern und dem Großen Rat (consilium maius) seit dem späten 12. Jahrhundert vgl. Lenel, Entstehung, S. 131-133, und Kretschmayr, Venedig, S.330f.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter

und in der Antike

155

der Bürgerversammlung aller Grundbesitzer, deren Akklamation offiziell bis in das 14. Jahrhundert fortbestand, die Nominierung des Dogen durch ein aus den Nobiles gebildetes enges Wahlmännerkollegium und die tatsächliche Beschränkung der Auslese der Be|amten auf die als ratsfähig geltenden Familien bis zur formellen WuG1 546 Schließung ihrer Liste (1297-1315 durchgeführt: das später sogen [annte] Goldene Buch) waren nur Fortsetzungen dieser in ihren Einzelheiten hier nicht interessierenden Entwicklung.37 Die gewaltige ökonomische Übermacht der an den überseeischen politischen und Erwerbschancen beteiligten Geschlechter erleichterte diesen Prozeß der Monopolisierung der Macht in ihren Händen. Verfassungs- und Verwaltungstechnik Venedigs sind berühmt wegen der Durchführung einer patrimonialstaatlichen Tyrannis des Stadtadels über ein weites Land- und Seegebiet bei strengster gegenseitiger Kontrolle der Adelsfamilien untereinander. Ihre Disziplin wurde nicht erschüttert, weil sie, wie die Spartiaten,38 die gesamten Machtmittel zusammenhielten unter so strenger Wahrung des Amtsgeheimnisses wie nirgends sonst. Diese Möglichkeit war zunächst bedingt durch die jedem Mitglied des an gewaltigen Monopolgewinnen interessierten Verbandes täglich vor Augen liegende Solidarität der Interessen nach außen und innen, welche die Einfügung des einzelnen in die Kollektivtyrannis erzwang. Technisch durchgeführt aber wurde sie: 1. durch die konkurrierende Gewaltenteilung mittelst konkurrierender Amtsgewalten in den Zentralbehörden; die verschiedenen Kollegien der SpezialVerwaltung, fast alle zugleich mit gerichtlichen und Verwaltungsbefugnissen versehen, konkurrierten in der Kompetenz weitgehend miteinander; 2. durch die arbeitsteilige Gewaltenteilung zwischen den stets dem Adel entnommenen Beamten im Herrschaftsgebiete: gerichtliche, militärische und Finanzverwaltung waren stets in den Händen ver-

3 7 Die Abschließung des Großen Rats begann mit einem Gesetz von 1297. Sie wurde in der Folgezeit weiter fortgeführt und endgültig 1315 mit der Aufstellung einer exklusiven Liste der ratsfähigen Familien (seit 1506 das „goldene Buch" genannt) vollzogen. Weber folgt offensichtlich Zwiedineck-Südenhorst, Hans v[on], Venedig als Weltmacht und Weltstadt (Monographien zur Weltgeschichte, Band 8), 2. Aufl. - Bielefeld und Leipzig: Velhagen & Klaslng 1906, S. 47. 3 8 Der Vergleich Venedig - Sparta war seit der Renaissance topisch. Die Parallelisierung bezüglich der inneren Disziplinierung findet sich u. a. bei Meyer, Altertum, Band 2, S. 563. Weber nimmt den Vergleich unten, S. 214, wieder auf.

156

Die Stadt

schiedener Beamter; - 3. durch die Kurzfristigkeit aller Ämter und ein missatisches Kontrollsystem;39 - 4. seit dem 14. Jahrhundert durch den politischen Inquisitionshof des „Rates der Zehn": einer Untersuchungskommission ursprünglich für einen einzelnen Verschwörungsfall, die aber zu einer ständigen Behörde für politische Delikte wurde und schließlich das gesamte politische und persönliche Verhalten der Nobili überwachte,40 nicht selten Beschlüsse des großen Rates kassierte, kurz eine Art von tribunizischer Gewalt41 in Händen hatte, deren Handhabung in einem schleunigen und geheimen Verfahren ihre Autorität an die erste Stelle in der Gemeinde rückte. Als furchtbar galt sie nur dem Adel, dagegen war sie die bei weitem populärste Behörde bei den von der politischen Macht ausgeschlossenen Untertanen, für welche sie das einzige, aber sehr wirksame Mittel erfolgreicher Beschwerde gegen die adligen Beamten darbot, weit wirksamer als der römische Repetundenprozeß.42 Mit dieser, einen besonders reinen und extremen Fall der geschlechterstädtischen Entwicklung bildenden Monopolisierung aller Gewalt über das große, zunehmend auch auf dem italienischen

39 Gemeint ist die Überwachung nachgeordneter Amtsträger durch (reisende) Beauftragte der Zentrale; Weber hat die Kategorie in WuG 1 , S. 704 (MWG I/22-4), mit Bezug auf die karolingischen Königsboten (missi dominici) und die umherreisenden englischen Richter erläutert. 40 Der „Rat der Zehn" war angesichts einer Verschwörung im Jahre 1310 als Untersuchungskommission eingesetzt worden, entwickelte sich dann aber zu einer ständigen Überwachungsbehörde; vgl. Leo, Heinrich, Geschichte der italienischen Staaten, 3. Theil; Vom Jahre 1268 bis 1492 (Geschichte der europäischen Staaten, hg. von A[rnold] H. Heeren und Friedrich] A. Ukert). - Hamburg: Friedrich Perthes 1829, S.66f.; Hopf, Karl, Der Rath der Zehn und die Staatsinquisition, In: Historisches Taschenbuch, hg. von Friedrich von Raumer, 4. Folge, 6. Jahrgang. - Leipzig: F.A. Brockhaus 1865, S. 1 - 1 5 1 , hier S. 58ff.; zur Entwicklung seiner Vollmachten vgl. ferner Ranke, Leopold von, Zur Venezianischen Geschichte (Sämmtliche Werke, Band 42). - Leipzig: Duncker & Humblot 1878, S.45ff. (hinfort: Ranke, Geschichte). 41 Zu Webers Vorstellung von der trlbunizischen Gewalt in Rom siehe unten, S. 2 0 9 - 2 1 2 . 42 Seit 149 v.Chr. gab es gesetzliche Regelungen, aufgrund derer Magistrate (nach Ablauf ihrer Amtszelt) bzw. Senatoren In Fällen von erpresserischer Ausbeutung de pecuniis repetundis, d. h. wegen zurückzufordernder Gelder, vor einem ständigen Gerichtshof verklagt werden konnten (auch von den Betroffenen, selbst wenn sie keine römischen Bürger waren). An den Mißständen in der Provlnzialverwaltung hat dies in republikanischer Zelt Insgesamt wenig geändert, da der Ausgang dieser Verfahren zumeist von innenpolitischen Gesichtspunkten bzw. Kräfteverhältnissen abhing. Im Prlncipat fielen Repetundenprozesse in die Gerichtsbarkeit des Senats.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter

und in der Antike

157

Festland sich ausdehnende und militärisch zunehmend durch Söldner behauptete Machtgebiet' zugunsten des Kommune und innerhalb seiner k zugunsten des Patriziats ging nun von Anfang an eine andere Erscheinung parallel. Die steigenden Ausgaben der Ge5 meinde, welche die Abhängigkeit von dem Geldgeberpatriziat begründeten, entstanden außer durch Truppensold, Flotten- und Kriegsmaterialersatz auch durch eine tiefgreifende Änderung der Verwaltung. Ein dem Okzident eigentümlicher Helfer war nämlich dem Patriziat in seinen Kämpfen gegen den Dogen in der | erstar- A 679 10 kenden kirchlichen Bureaukratie entstanden. Die Schwächung der Dogengewalt ging nicht zufällig gleichzeitig mit der Trennung von Staat und Kirche infolge des Investiturstreites vor sich,43 wie ja die italienischen Städte durchweg von diesem Zerbrechen einer der bisher festesten^] aus dem Eigenkirchenrecht 44 stammenden 15 Stützen' der patrimonialen und feudalen Gewalten Vorteile zogen. Die Ausschaltung der noch bis in das 12. Jahrhundert durch Pachtung der Verwaltung der auswärtigen Kolonien direkt den weltlichen Machtapparat ersetzenden und ersparenden Kirchen und Klöster aus der Verwaltung, 45 wie sie die Folge ihrer Loslösung von der 20 politischen Gewalt sein mußte, nötigte zur Schaffung eines besoldeten Laienbeamtentums zunächst für die auswärtigen Kolonien. Auch diese Entwicklung fand in Dandolos Zeit 46 ihren vorläufigen Abschluß. Das System der kurzfristigen Ämter, bedingt einerseits durch politische Rücksichten, aber auch durch den Wunsch, die 25 Ämter im Turnus möglichst vielen zufallen zu lassen, die Beschränkung auf den Kreis der adligen Familien, die unbureaukratische, streng kollegiale Verwaltung der regierenden Hauptstadt selbst,

j A: Machtbereich

k A: ihrer

I A: Stütze

4 3 Seine weitgehenden Rechte bei der Wahl der Bischöfe und Äbte verlor der Doge Im späten 12. Jahrhundert; vgl. Kretschmayr, Venedig, S.338f.; Schmeldler, Dux (wie oben, S. 153, Anm. 32), S. 67-69. 4 4 Nach dem Eigenkirchenrecht des Frühmittelalters behielt ein Grundherr nicht nur das Eigentum und die Nutzungsrechte an Besitz und Leuten der auf seinem Boden errichteten Kirche, sondern konnte auch die Geistlichen bestellen. 4 5 Venezianische Kolonien im östlichen Mittelmeerraum (u. a. in Tyros und Akko) wurden bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts nicht von Magistraten aus der Mutterstadt, sondern durch die Kirche verwaltet; Kretschmayr, Venedig, S. 365-368; Schmeldler, Dux, S. 4 0 53. 4 6 Gemeint Ist die Reglerungszelt von Enrico Dandolo, Doge 1192-1205.

158

Die Stadt

dies alles waren Schranken der Entwicklung eines rein berufsmäßigen Beamtentums, wie sie aus ihrem Charakter als Honoratiorenherrschaft folgen mußten. In dieser Hinsicht verlief die Entwicklung in den übrigen italienischen Kommunen schon zur Zeit der Geschlechterherrschaft wesentlich anders. In Venedig gelang die dauernde Monopolisierung und Abschließung der Stadtadelszunft nach außen: die Aufnahme neuer Familien unter die zur Teilnahme am großen Rat Berechtigten erfolgte nur auf Beschluß der Adelskorporation auf Grund politischer Verdienste und hörte später ganz auf. Und ferner gelang im Zusammenhang damit die gänzliche Unterdrückung aller Fehden zwischen den Mitgliedern des Stadtadels, welche sich durch die WuG1 547 ständige gemeinsame Gefährdetheit von selbst verboten. In | den anderen Kommunen war in der Zeit der Geschlechterherrschaft davon keine Rede: die Orientierung an der überseeischen Monopolstellung war nirgends so eindeutig und als Grundlage der ganzen Existenz des Adels so für jeden einzelnen eindringlich wie in Venedig in der entscheidenden Zeit. Die Folge der überall sonst wütenden Kämpfe innerhalb des Stadtpatriziats aber war, daß eine gewisse Rücksichtnahme auf die übrigen Honoratiorenschichten sich dem Adel auch in der Zeit ungebrochener Herrschaft auferlegte. Und ferner schlössen die Geschlechterfehden und das tiefe Mißtrauen der großen Sippen gegeneinander auch die Schaffung einer rationalen Verwaltung nach Art der venetianischen aus. Fast überall standen Jahrhunderte hindurch mehrere mit Bodenbesitz und Klientelanhang besonders begüterte Familien einander gegenüber, von denen jede[,j mit zahlreichen anderen minder Begüterten verbündet^] die anderen und deren Verbündete von den Ämtern und Erwerbschancen der Stadtverwaltung ausschließen und wenn möglich ganz zu vertreiben suchte. Ähnlich wie in Mekka 47 war fast ständig ein Teil des Adels für amtsunfähig erklärt, verbannt, im Gegensatz zu der arabischen Courtoisie m oft auch geächtet und seine Güter unter Sequester, 48 bis ein Umschwung der politischen Lage

m A: Courteoisie

4 7 S i e h e oben, S . 9 6 . 4 8 D a s heißt, unter t r e u h ä n d e r i s c h e Verwaltung gestellt.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter und in der

Antike

159

den Herrschenden das gleiche Schicksal brachte. 49 Interlokale Interessengemeinschaften ergaben sich von selbst. Die Parteibildung der Guelfen und Ghibellinen war allerdings zum Teil reichspolitisch und sozial bedingt: die Ghibellinen waren in der großen Mehrzahl der Fälle die alten Kronvasallenfamilien oder wurden von ihnen geführt. Zum anderen und dauernden Teile aber waren sie durch Interessengegensätze zwischen konkurrierenden Städten und vor allem innerhalb dieser zwischen den interlokal organisierten Adelsparteien geschaffen. 50 Diese Organisationen, vor allem die der guelfischen Partei, waren feste Verbände mit Statuten und Kriegsmatrikeln, welche für den Fall des Aufgebots den | Ritterschaften A 680 der einzelnen Städte die Stellung bestimmter Kontingente auferlegten, 51 ganz wie etwa die deutschen Römerzugsmatrikeln. 52 Allein wenn in militärischer Hinsicht die Leistung der trainierten Ritterschaft entscheidend war, so konnten doch für die Finanzierung der Kämpfe schon in der Geschlechterzeit die nicht ritterlichen Bürger nicht entbehrt werden. Ihre Interessen an einer rationalen Rechts-

49 Besonders gilt dies für die Verhältnisse im Florenz des 13. Jahrhunderts; die klassische Darstellung ist Machiavellls „Florentinisohe Geschichte"; grundlegend für die moderne Forschung Ist Davidsohn, Robert, Geschichte von Florenz, 4 Bände (In 3). - Berlin: Ernst S. Mittler 1896-1912, hier Band 2, 1 (hinfort: Davidsohn, Florenz). 50 Die Italienischen Anhänger der staufischen Kaiser nannten sich Ghibellinen. Der Name ist hergeleitet von der - Im Zentrum der staufischen Stammgüter in Schwaben gelegenen - Burg Waiblingen. Den Ghibellinen standen als Vertreter der Städtefreiheit bzw. Anhänger des Papsttums die Guelfen gegenüber, benannt nach den Weifen als Gegenspieler der Staufer. Die Bezeichnungen kamen vermutlich um 1215 In Florenz auf, zu einer Zelt, in der die Macht der Weifen (nach dem Scheltern des Italienzugs Ottos IV., der sich 1209 zum Kaiser hatte krönen lassen, bzw. nach der Erhebung des Staufers Friedrichs II., des Königs von Sizilien, zum deutschen König 1212) definitiv gebrochen war. Seit den 1240er Jahren bestimmten die Konflikte zwischen Guelfen und Ghibellinen das politische Leben In zahlreichen nord- und mittelitalienischen Kommunen; dabei spielte für die Auseinandersetzungen innerhalb der jeweiligen Führungsschichten schon bald die ursprüngliche Parteinahme für Staufer oder Weifen bzw. Kaiser und Papst nur noch eine geringe Rolle; vgl. Davidsohn, Robert, Forschungen zur Geschichte von Florenz, 4. Teil: 13. und 14. Jahrhundert. - Berlin: Ernst S. Mittler 1908, S. 29-67. 51 Ein Beispiel für solche Abmachungen sind die Vereinbarungen über ein gemeinsames Aufgebot der Guelfenstädte gegen den Italienzug Ludwigs des Bayern 1327; vgl. Davidsohn, Florenz (wie oben, Anm.49), Band 3, S. 800, und die Dokumente bei Ficker, Julius (Hg.), Urkunden zur Geschichte des Roemerzuges Kaiser Ludwig des Baiern und der italienischen Verhaeltnisse seiner Zelt. - Innsbruck: Wagner 1865, S. 31 ff. 52 Für die Romzüge der deutschen Könige wurden von Fall zu Fall Listen über die von den Fürsten, Grafen und Städten zu stellenden Truppen bzw. zu erbringenden Geldleistungen aufgestellt.

160

Die Stadt

pflege auf der einen Seite und die Eifersucht der Adelsparteien gegeneinander auf der andern schufen nun die Italien und einigen angrenzenden Gebieten eigentümliche Entwicklung eines sozusagen im Umherziehen fungierenden vornehmen Berufsbeamtentums: des Podestats, der die anfängliche Verwaltung durch die dem Ortsadel entnommenen, formell gewählten, faktisch durch wenige Familien monopolisierten und umstrittenen „Consules" ersetzte. Gerade die Zeit der schweren Kämpfe der Kommunen mit den staufischen Kaisern, 53 welche die Notwendigkeit inneren Zusammenschlusses und finanzieller Anspannung besonders steigerte, sah das Entstehen dieser Institution. Die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts war ihre Blütezeit. Der Podesta war weit überwiegend ein aus einer fremden Gemeinde berufener, kurzfristig mit der höchsten Gerichtsgewalt bekleideter, vornehmlich fest und infolgedessen im Vergleich mit den Consules hoch besoldeter Wahlbeamter, ganz überwiegend ein Adeliger, aber mit Vorliebe ein solcher mit juristischer Universitätsbildung. Seine Wahl lag entweder in den Händen der Räte oder, wie in Italien für alle Wahlen typisch, eines eigens dafür bestimmten Honoratiorenausschusses. Über die Berufung wurde oft mit seiner Heimatgemeinde, welche sie zu genehmigen hatte, zuweilen auch direkt um Bezeichnung der Person ersucht wurde, verhandelt. Die Gewährung war ein politisch freundlicher, die Absage ein unfreundlicher Akt. Zuweilen fand geradezu ein Podestaaustausch statt. Die Berufenen selbst verlangten nicht selten die Stellung von Geiseln für gute Behandlung, feilschten um Bedingungen wie ein moderner Professor, lehnten bei nicht verlokkenden Angeboten ab. Der Berufene hatte ein rittermäßiges Gefolge und vor allem seine Hilfskräfte, nicht nur das Subalternpersonal, sondern oft auch Rechtsgelehrte, Beigeordnete und Vertreter, oft einen ganzen Stab, selbst zu bestreiten und mitzubringen. Seine wesentliche Aufgabe war, gemäß dem Zweck der Berufung, die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, vor allem des Friedens in der Stadt, daneben oft das Militärkommando, immer aber: die Rechtspflege. Alles unter der Kontrolle des Rates. Auf die Ge53 Gemeint sind v.a. Friedrichs I. K ä m p f e mit Crema und Mailand ( 1 1 6 0 - 1 1 6 2 ) und mit d e m L o m b a r d e n b u n d (seit 1167, erst 1183 mit d e m Friedensschluß von Piacenza und Konstanz beigelegt) sowie der Krieg Friedrichs II. g e g e n die feindlichen Lombardenstädte ( 1 2 3 6 - 1 2 3 8 ) .

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter und in der

Antike

161

setzgebung war sein Einfluß überall ziemlich beschränkt. Nicht nur die Person des Podesta wurde in aller Regel grundsätzlich gewechselt, sondern anscheinend absichtsvoll auch der Bezugsort. Auf der andern Seite legten die entsendenden Kommunen, wie es scheint, Wert darauf, ihre Bürger in möglichst vielen Stellungen auswärts amtieren zu sehen, - wie Hanauer mit Recht vermutet, 54 teils aus politischen Gründen, teils auch aus ökonomischen: die in der Fremde hohe Bezahlung bildete eine wertvolle Pfründenchance des einheimischen Adels. Die wichtigsten Seiten des Instituts lagen in folgenden Richtungen: einmal in der Entstehung dieses vornehmen Berufsbeamtentums überhaupt. 55 Hanauer weist für das 4. Jahrzehnt | des 13. Jahrhunderts allein für 16 von 60 Städten 70 Personen WuG1 548 nach, die 2,20 die ein halbes Dutzend und mehr Podestate bekleidet hatten, und die Ausfüllung eines Lebens mit solchen war nicht selten. In den hundert Jahren seiner Hauptblüte rechnet er in den etwa 60 Kommunen 5400 zu besetzende Podestate. 56 Und andererseits gab es Adelsfamilien, welche stets erneut Kandidaten dafür stellten. Dazu trat aber noch die bedeutende Zahl der notwendigen rechtsgebildeten Hilfskräfte. Zu dieser Einschulung eines Teils des Adels für die Verwertbarkeit in einer streng sachlichen, von der öffentlichen Meinung | des Amtsortes naturgemäß besonders scharf kon- A 681 trollierten Verwaltung trat aber das zweite wichtige Moment. Damit die Rechtspflege durch die fremdbürtigen Podesta möglich sei, mußte das anzuwendende Recht kodifiziert, rational gestaltet und interlokal ausgeglichen sein. Wie anderwärts die Interessen der Fürsten und Beamten an deren interlokaler Verwertbarkeit, so trug also hier dies Institut zur rationalen Kodifikation des Rechtes und speziell zur Ausbreitung des römischen Rechtes bei. Der Podesta in seiner typischen Gestaltung war eine in der Hauptsache auf die Mittelmeergebiete beschränkte Erscheinung. Einzelne Parallelen finden sich auch im Norden. So in Regensburg (1334) die Ausschließung der Einheimischen vom Bürgermeisteramt und die Berufung eines auswärtigen Ritters, welchem dann 100

5 4 W e b e r referiert Hanauer, Berufspodestat, S. 3 9 6 - 3 9 9 und 412. 5 5 Hanauer, Berufspodestat, S. 395, weist j e d o c h darauf hin, daß man nicht von e i n e m B e r u f s b e a m t e n t u m im m o d e r n e n Sinne s p r e c h e n könne und daß a u c h die Berufsmäßigkeit kein generelles P h ä n o m e n g e w e s e n sei. 5 6 Hanauer, Berufspodestat, S. 426, errechnete die Z a h l e n für die J a h r e 1190 bis 1280.

162

Die Stadt

Jahre lang lauter auswärtige Bürgermeister im Amt folgten: eine Epoche relativ weitgehender innerer Ruhe der vorher durch Geschlechterfehden und Kämpfe mit vertriebenen Adligen zerrissenen Stadt.57 e Wenn in Venedig die Stadtadelsbildung aus einer ausgeprägten 5 Honoratiorenherrschaft ohne wesentlichen Bruch hervorwuchs und in den übrigen italienischen Kommunen die Geschlechterherrschaft an der Spitze der Entwicklung stand, so vollzog sich die Entwicklung eines geschlossenen Stadtpatriziats im Norden teilweise auf abweichender Basis und auch aus ziemlich entgegengesetzten 10 Motiven. Ein in typischer Art extremer Fall ist die Entwicklung der englischen Stadtoligarchie. Maßgebend für die Art der Entwicklung der Stadtverfassung war hier die Macht des Königtums. Diese stand zwar gegenüber den Städten keineswegs von Anfang an so fest wie später. Nicht einmal nach der normannischen Eroberung. Wilhelm 15 der Eroberer hat nach der Schlacht bei Hastings58 den Versuch einer gewaltsamen Eroberung von London nicht durchgeführt, sondern, wissend, daß der Besitz dieser Stadt seit langem über die Kro-

e (S. 1 4 8 ) - e Petitdruck in A. 57 Mitglieder der Familie Auer hatten seit Mitte des 13. Jahrhunderts wiederholt das Bürgermeisteramt für längere Zeit bekleidet. Befürchtungen, daß die Auer dieses Amt für sich monopolisieren wollten, führten seit den 1320er Jahren zu heftigen Auseinandersetzungen Innerhalb des Stadtpatriziats, die 1334 in den Sturz des Bürgermeisters Friedrich Auer und die Flucht der Auer und ihrer Gefolgsleute aus der Stadt mündeten; vgl. Arnold, Wilhelm, Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte. Im Anschluß an die Verfassungsgeschichte der Stadt Worms, Band 2. - Gotha: Friedrich A. Perthes 1854, S. 396-399 (hinfort: Arnold, Verfassungsgeschichte). Danach beschloß der Rat, daß innerhalb der nächsten zehn Jahre kein Einheimischer In Regensburg Bürgermeister werden dürfe; Regensburger Urkundenbuch, Band 1: Urkunden der Stadt bis zum Jahre 1350 (Monumenta Boica, Band 53). - München: Parcus 1912, S. 410. Zu der mit der Einsetzung auswärtiger Ritter gegebenen Parallele zum Podestat vgl. Langoth, J[ohann], Skizze einer Entwicklungsgeschichte der freistädtischen Verfassung Regensburgs Im Mittelalter, 1. Hälfte: Von Carl dem Großen bis zur Vertreibung der Auer und der Einsetzung fremder Bürgermeister (Programm Gymnasium Regensburg 1866, Beilage). - Stadtamhof: Mayr 1866, S. 13. Das Statut aus dem Jahr 1334 wurde Immer wieder verlängert; bis 1429 bekleideten Ritter aus bayerischen Adelsgeschlechtern das Bürgermeisteramt; Gumpelzhalmer, Christian G., Regensburg's Geschichte, Sagen und Merkwürdigkeiten von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten, in einem Abriß aus den besten Chroniken, Geschichtsbüchern, und Urkunden-Sammlungen, 1. Abtheilung: Vom Ursprünge Regensburgs bis 1486. - Regensburg: Fridrich Pustet 1830, S. 429 (hinfort: Gumpelzhaimer, Regensburg's Geschichte). 58 Am 14. Oktober 1066 besiegte er den angelsächsischen König Harold II.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter und in der Antike

163

ne Englands entschied, durch Vertrag die Huldigung der Bürger erlangt. Denn obwohl in der Stadt unter den Angelsachsen der Bischof und der vom König ernannte „Portreeve" die legitimen Autoritäten waren, an welche sich denn auch die Charter des Eroberers 5 wendet,59 wog die Stimme des Londoner Patriziats bei fast jeder angelsächsischen Königswahl entscheidend mit. Die Auffassung der Bürger ging sogar dahin, daß die englische Königswürde ohne ihre freie Zustimmung nicht die Herrschaft über ihre Stadt in sich schließe, und noch in der Zeit Stephans gaben sie in der Tat den Aus10 schlag.60 Aber schon der Eroberer hatte nach der Huldigung sich seinen Tower in London gebaut. Die Stadt blieb seitdem ebenso wie andere Städte dem König im Prinzip nach dessen Ermessen schatzungspflichtig. | Die militärische Bedeutung der Städte sank in der Normannen- A 682 15 zeit infolge der Vereinheitlichung des Reiches, des Aufhörens der Bedrohung von außen her und des Aufstiegs der großen landgesessenen Barone. Die Feudalherren bauten jetzt ihre befestigten Schlösser außerhalb der Städte. Damit begann hier die, wie wir später sehen werden,61 für den außeritalienischen Okzident charakte20 ristische Scheidung der feudalen Militärgewalten vom Bürgertum. Ganz im Gegensatz zu den italienischen Städten haben die englischen damals die Herrschaft über das platte Land, welche sie vorher oft in Gestalt ausgedehnter Stadtmarken besessen zu haben scheinen, so gut wie ganz eingebüßt. Sie wurden wesentlich ökonomisch

59 Der von Wilhelm d e m Eroberer nach seinem Regierungsantritt ausgestellte Freiheitsbrief nennt als Adressaten den Bischof, den „portreeve" (Stadtvorsteher) und alle „burghers" von London; Text in: Stubbs, William (Hg.), Select Charters a n d Other lllustratlons of English Constltutlonal Hlstory from the Earliest Times to the Reign of Edward the First, 4. ed. - Oxford: Clarendon Press 1881, S . 8 2 f . (hinfort: Stubbs, Charters); vgl. auch Hegel, Städte (wie oben, S. 76, Anm. 39), B a n d 1, S. 59, und Gneist, Rudolf, Die Stadtverwaltung der City von London (Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge, hg. von Rud[olph] Virchow und Fr[anz] v[on] Holtzendorff, 2. Serie, Heft 25). - Berlin: C.G. Lüderitz 1867, S. 8 (hinfort: Gneist, Stadtverwaltung). 60 Gemeint Ist Stephan von Blols (König von 1135 bis 1154), der sich mit der Unterstütz u n g der Bürger von London, der Bischöfe und einiger Barone g e g e n die von Heinrich I. eingesetzte Thronerbin Mathilde durchsetzte und den Thron usurpierte. Auf die Beteilig u n g der Londoner Bürgerschaft an der Königsproklamation weist Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 198, hin - allerdings mit einer anderen zeitlichen Einordnung, w e n n er betont, daß dieser A n s p r u c h „schon seit der Zelt Stephans" mit Erfolg vorgebracht worden sei. 61 Siehe unten, S. 2 3 4 f „ 270f. und 274f.

164

Die Stadt

orientierte Körperschaften. Hier wie überall begannen die Barone ihrerseits Städte zu gründen, unter Gewährung von Privilegien höchst verschiedenen Umfangs. Nirgends aber hören wir von gewaltsamen Kämpfen der Stadtbürgerschaft gegen den König oder andere Stadtherren. Nichts von Usurpationen, durch welche die 5 Burg des Königs oder anderer Stadtherren gewaltsam gebrochen WuG1 549 oder jener", wie in Italien, genötigt worden | wäre, sie aus der Stadt zu verlegen.62 Nichts davon, daß im Kampf gegen ihn ein Bürgerheer geschaffen, gewaltsam eine eigene Gerichtsbarkeit von gewählten Beamten an Stelle der ernannten königlichen Richter und 10 ein eigenes kodifiziertes Recht ins Leben gerufen worden wäre. Gewiß sind kraft königlicher Verleihung auch in England besondere Stadtgerichte entstanden, welche das Privileg hatten, dem Stadtbürger ein rationales Prozeßverfahren ohne Zweikampf zu gewähren und welche andererseits für sich die Neuerungen der Königs- 15 prozesse, namentlich die Jury, ablehnten. 63 Aber die Rechtsschöpfung selbst blieb ausschließlich in den Händen des Königs und der königlichen Gerichte. Die gerichtliche Sonderstellung der Stadt gewährte ihr der König, um sie gegenüber der Macht des Feudaladels auf seiner Seite zu haben: insofern profitierten auch sie von 20 den typischen Kämpfen innerhalb des Feudalismus. Wichtiger aber als diese gerichtlichen Privilegien war die - und dies zeigt die überragende Stellung des Königs - fiskalische Verwaltungsautonomie der Städte, welche sie allmählich zu gewinnen wußten. Vom Standpunkt der Könige aus war die Stadt bis auf die Tudorzeit64 vor allem 25 Besteuerungsobjekt. Die Bürgerprivilegien: die „gratia emendi et

n Fehlt in A; jener sinngemäß ergänzt. 62 Vgl. oben, S. 131 mit Anm. 86. 6 3 Die Einsetzung von Juries aus lokalen Grundbesitzern bei Zivil- und Strafprozessen erfolgte im Zusammenhang mit der Ausdehnung der - von Reiserichtern und Sherlffs repräsentierten- königlichen Gerichtsbarkeit unter Heinrich II. (1154-1189). Im Strafprozeß besaß aber der Beschuldigte in bestimmten Fällen weiterhin die Möglichkeit, zwischen der Entscheidung durch Jury-Spruch oder durch Gottesurteil bzw. Zweikampf zu wählen; vgl. Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 16f. und 123-126. Die Städte konnten sich in ihren Freiheitsurkunden das Recht auf eigene Gerichte bestätigen lassen. Bei der Ausübung dieser Gerichtsbarkeit stand ihnen dann frei, sowohl vom Jury-Verfahren abzusehen als auch den Zweikampf als Mittel der Entscheidungsfindung aufzuheben; vgl. Hatschek, ebd., S. 108. 64 Bis zum Regierungsantritt von König Heinrich VII. im Jahre 1485.

III. Die Geschlechterstadt

5

10

15

20

im Mittelalter und in der

Antike

165

vendendi" 65 und die Verkehrsmonopole hatten als Korrelat die spezifische | bürgerliche Steuerpflicht. Die Steuern aber wurden ver- A 683 pachtet, und die vermögendsten königlichen Beamten waren neben den reichen Bürgern naturgemäß die wichtigsten Pachtreflektanten. Zunehmend gelang es den Bürgern, ihre Konkurrenten aus dem Felde zu schlagen und von dem König die eigene Einhebung der Steuern gegen Pauschalsummen zu erpachten („firma burgi"), 66 durch Sonderzahlungen und Geschenke sich weitere Privilegien, vor allem die eigene Wahl des Sheriffs, 67 zu sichern. Trotz der, wie wir sehen werden, 68 ausgeprägt seigneurialen Interessenten, welche wir vielfach in der Stadtbürgerschaft finden, waren doch rein ökonomische und finanzwirtschaftliche Interessen für die Stadtkonstitution ausschlaggebend. Die conjuratio der kontinentalen Stadtbürger findet sich freilich auch in englischen Städten. A b e r sie nahm hier ganz typisch die Form der Bildung einer monopolistischen Gilde an. Nicht überall. In London z. B. fehlte sie. A b e r in zahlreichen anderen Städten wurde die Gilde als Garantin der fiskalischen Leistungen der Stadt 0 die entscheidende Einung in der Stadt. Oft erteilte sie, ganz wie die Richerzeche in Köln, das Bürgerrecht. 69 In Mediatstädten war meist sie es, welche eine eigene Gerichtsbarkeit über ihre Genossen, aber als Gildegenossen, nicht als

o A: Stadt, 6 5 Die gratia emendi et vendendi (das Recht zu kaufen und zu verkaufen) ermöglichte den Bürgern, selbständig Märkte abzuhalten. 66 Der Begriff ist abgeleitet von der in den Rechtsbüchern als „feefarm" oder „feodlfirma" bezeichneten Pachtung der Gefälle auf ewige Zeiten; vgl. Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 109f.; Hegel, Städte (wie oben, S.76, Anm.39), Band 1, S.60. 6 7 Der Sheriff war schon vor der Eroberung Englands durch die Normannen 1066 königlicher Amtsträger, dessen Hauptaufgabe in der Leitung und Kontrolle der Grafschaftsgerichte bestand. Im 12. Jahrhundert entwickelte sich das Sherlffsamt zum wichtigsten Bindeglied zwischen der Krone und den Grafschaften bzw. Städten. Durch Privileg Heinrichs I. erhielten die Bürger von London ca. 1130 das Recht zur Wahl des Sheriffs; vgl. Hegel, Städte, Band 1, S. 5 9 - 6 1 ; Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 110, sowie den Text der Urkunde bei Stubbs, Charters (wie oben, S. 163, Anm. 59), S. 107-109. 68 Siehe unten, S. 191-195. 6 9 Als Beispiele für eine „eigentümliche Verschmelzung von Gilderecht und Bürgerrecht" nennt Hegel, Städte, Band 1, S . 8 7 - 1 0 0 (das Zitat S.87), Leicester, Preston und Worcester. Zu den im folgenden von Weber gemachten Einschränkungen zur Rolle der Gilden in den Stadtverfassungen vgl. Gross, Charles, Gilda Mercatoria. Ein Beitrag zur Geschichte der englischen Städteverfassung.-Göttingen: Deuerlich 1883 (hinfort: Gross, Gilda Mercatoria).

166

Die Stadt

Stadtbürger, erlangte.70 Fast überall war sie faktisch, wenn auch nicht rechtlich, der die Stadt regierende Verband. Denn Bürger war nach wie vor, wer die dem König geschuldeten Bürgerlasten (Schutz-, Wach- und Gerichtsdienst- und Schatzungspflicht) mit den Bürgern teilte. Keineswegs nur Ortsansässige waren Bürger. Im Gegenteil gehörte in aller Regel gerade die benachbarte Grundbesitzerschaft, die gentry, dem Bürgerverband an. Speziell die Londoner Gemeinde hatte im 12. Jahrhundert fast alle großen Adligen,13 Bischöfe und Beamten des Landes zu Mitgliedern, weil alle in London, am Sitz des Königs und der Behörden, mit Stadthäusern ansässig waren: eine sowohl als Parallele wie, noch mehr, durch die hier höchst plastische Abweichung von den Verhältnissen der römischen Republik charakteristische Erscheinung. Wer nicht imstande war, an den Lasten der Steuergarantie der Bürgerschaft teilzunehmen, sondern die königlichen Steuern von Fall zu Fall zahlte, also insbesondere die Unvermögenden, schloß sich damit aus dem Kreise der Aktivbürger aus. Alle Privilegien der Stadt beruhten auf königlicher und grundherrlicher Verleihung, die freilich eigenmächtig interpreA 684 tiert wurde. Das war | zwar in Italien ebenfalls sehr oft der Fall. Aber die Entwicklung verlief in England gegenüber der italienischen darin gänzlich heterogen: daß die Städte zu privilegierten Korporationen innerhalb des Ständestaats wurden - nachdem nämlich der Korporationsbegriff vom englischen Recht überhaupt rezipiert worden war71 - , deren Organe bestimmte einzelne Rechte, abgeleitet aus Erwerb kraft besonderen Rechtstitels, in Händen hatten, genau so wie andere einzelne Rechte einzelnen Baronen oder HandelsWuG1 550 korporationen durch Privileg appropriiert waren. | Von einer privi-

p A: adligen 70 Mediatstädte gehen auf Gründungen durch große Grundherrn zurück, sie waren somit nicht unmittelbar der Krone unterstellt. Die Anlage von Mediatstädten diente in England u. a. der Binnenkolonisation und der Grenzsicherung gegen Wales; Gneist, Verfassungsgeschichte (wie oben, S.76, Anm.39), S. 124f., und Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 113-115. Zur Rolle der Gilden in den Mediatstädten vgl. Gross, Gilda Mercatoria, S. 79f. 71 Die Entwicklung der englischen Korporationstheorie schildert Hatschek, Julius, Englisches Staatsrecht mit Berücksichtigung der für Schottland und Irland geltenden Sonderheiten, 1. Band: Die Verfassung; 2. Band: Die Verwaltung (Handbuch des Oeffentlichen Rechts der Gegenwart in Monographien, Band 4, 2, 4, 1 und 2). - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1905/06, hier Band 1, S. 4 1 - 6 6 (hinfort: Hatschek, Staatsrecht).

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter und in der Antike

167

legierten „Company" zu einer Gilde und zur Stadtkorporation war der Übergang flüssig.72 Die ständische Sonderrechtsstellung der Bürger setzte sich also aus Privilegienbündeln zusammen, die sie innerhalb des ständischen, halb feudalen, halb patrimonialen Reichsverbandes erworben hatten. Nicht aber flössen sie aus der Zugehörigkeit zu einem mit politischer Herrschaft q vergesellschafteten, nach außen selbständigen Verbände. 73 In großen Zügen verlief also die Entwicklung so: daß die Städte zunächst von den Königen mit leiturgischen Pflichten, nur: anderen als denen der Dörfer, belastete Zwangsverbände waren, dann in den massenhaften^ ökonomisch r und ständisch s privilegierten Neugründungen der Könige und Grundherren prinzipielle Gleichheit der Rechte aller auf Grund spezieller Privilegien mit Stadtgrundbesitz ansässigen Bürger mit einer begrenzten Autonomie herrschte, und daß weiterhin die zunächst privaten Gilden als Garanten der Finanzleistungen zugelassen und durch königliche Privilegien anerkannt und schließlich die Stadt mit Korporationsrecht beliehen wurde. Eine Kommune im kontinentalen Sinne war London. Hier hatte Heinrich I. die eigene Wahl des Sheriffs zugestanden, 74 und hier findet sich seit Ende des 12. Jahrhunderts, von König Johann anerkannt, die Kommune als Bürgerverband, 75 unter dem, ebenso wie der Sheriff, gewählten Mayor und den „Skivini" (Schöffen): diese letzteren seit Anfang des 13. Jahrhunderts' mit einer gleich großen Zahl von gewählten

q Zu ergänzen wäre: t A: Jahrhunderts,

ausgestatteten,

r A: ökonomischen

s A:

ständischen

7 2 Die „companies" haben sich aus den Gilden heraus entwickelt; Ende des M.Jahrhunderts war ihnen in London vorübergehend anstelle der Stadtbezirke die Wahl des Gemeinderats übertragen worden; Hegel, Städte (wie oben, S. 76, Anm. 39), Band 1, S. 78f. 7 3 Webers Argumentation folgt Hatschek, Staatsrecht, Band 1, S. 35-37, der die englische Pflichtgenossenschaft von der deutschen freien Genossenschaft abhebt. Das Charakteristische der englischen Genossenschaften war, daß sie vom Staat auferlegte Pflichten (Steuern, Verteidigung) zu erfüllen hatten, ohne Satzungsautonomie oder das Recht auf Erhebung eigener Steuern zu erlangen. Sie konnten sich zwar Sonderrechte vom König erkaufen, doch machte sie dies noch nicht zu einem „nach außen selbständigen Verbände" im Sinne der deutschen Genossenschaftstheorie. 7 4 Zum Privileg von ca. 1130 vgl. oben, S. 165 mit Anm. 67. 7 5 Die Bürger von London schlössen sich 1191 zu einem eidlich beschworenen Bund zusammen, der von dem Regenten Johann (noch nicht: „König Johann"), dem Bruder des (sich auf dem Kreuzzug befindenden) Königs Richard (Löwenherz), anerkannt wurde; Hegel, Städte, Band 1, S.73.

168

Die Stadt

Councillors zum Rat vereinigt. 76 Die Pachtung des Sheriffsamts für Middlesex durch die Kommune begründete deren Herrschaft über die Umlandbezirke. 77 Seit dem 14. Jahrhundert führt der Bürgermeister von London den Titel Lord. 7 8 Die Masse der übrigen Städte aber waren oder richtiger wurden nach zeitweisen Ansätzen zu poli- 5 tischer Gemeindebildung einfache Zwangsverbände mit bestimmA 685 ten spezifischen Privilegien | und fest geregelten korporativen Autonomierechten. Die Entwicklung der Zunftverfassung wird erst später zu erörtern sein, 79 schon hier aber kann festgestellt werden: 3 an dem Grundcharakter der Stellung der Städte änderte auch sie 10 nichts. Der König war es, der den Streit zwischen zünftiger und honoratiorenmäßiger Stadtverfassung schlichtete. Ihm blieben die Städte pflichtig, die Schätzung zu gewähren, bis die ständische Entwicklung im Parlament kollektive Garantien gegen willkürliche Besteuerung schuf, welche keine einzelne Stadt und auch nicht die 15 Städte gemeinsam aus eigener Kraft zu erringen vermocht hatten. Das aktive Stadtbürgerrecht aber blieb ein erbliches, durch Einkaufen in bestimmte Verbände erwerbbares Recht von Korporationsmitgliedern. Der Unterschied gegen die Entwicklung auf dem Kontinent war, obwohl teilweise nur graduell, dennoch infolge des engli- 20 a A: w e r d e n ; 7 6 A m E n d e - n i c h t a m A n f a n g - d e s 13. J a h r h u n d e r t s , n ä m l i c h w ä h r e n d d e r R e g i e r u n g v o n E d w a r d I. ( 1 2 7 2 - 1 3 0 7 ) , b e g e g n e t in d e n Q u e l l e n e r s t m a l s ein j ä h r l i c h g e w ä h l t e r G e m e i n d e r a t . D i e s e r Rat s t a n d a b e r n e b e n d e n a n d e r e n v o n W e b e r a n g e f ü h r t e n Institution e n . N i c h t d i e „Skivini" ( S c h ö f f e n ) , s o n d e r n d i e A l d e r m e n , d. h. d i e V o r s t e h e r d e r 2 4 S t a d t b e z i r k e ( w a r d s ) , b i l d e t e n n e b e n d e m M a y o r u n d d e m Rat d a s dritte O r g a n d e r B ü r g e r s c h a f t . D a z u H e g e l , S t ä d t e , B a n d 1, S. 75 u n d 78. 7 7 Mit d e m Privileg H e i n r i c h s I. für L o n d o n a u s d e r Zelt u m 1 1 3 0 (vgl. o b e n , S. 165, A n m . 6 7 ) war der Stadt zugleich g e g e n die Zahlung von 300 Pfund jährlich das S h e r i f f s a m t für d i e G r a f s c h a f t M i d d l e s e x v e r p a c h t e t w o r d e n ; H e g e l , S t ä d t e , B a n d 1, S. 59; G n e i s t , V e r f a s s u n g s g e s c h i c h t e ( w i e o b e n , S. 76, A n m . 39), S. 124. 7 8 G e m e i n t ist „ L o r d M a y o r " . Es ist n i c h t e i n d e u t i g b e l e g t , seit w a n n d a s S t a d t o b e r h a u p t v o n L o n d o n d i e s e n Ehrentitel f ü h r t e . Die In älterer Literatur v e r t r e t e n e A n n a h m e , d i e s g e h e auf ein Privileg a u s d e m J a h r e 1 3 5 4 z u r ü c k , d a s d e r City of L o n d o n g e s t a t t e t e , d e m M a y o r ein g o l d e n e s Z e p t e r a u c h in G e g e n w a r t d e s K ö n i g s v o r a n t r a g e n z u l a s s e n , w i r d als h ö c h s t u n w a h r s c h e i n l i c h v e r w o r f e n v o n S h a r p e , R e g i n a l d R., L o n d o n a n d t h e K i n g d o m . A history d e r i v e d m a i n l y f r o m t h e a r c h i v e s at G u i l d h a l l in t h e c u s t o d y of t h e C o r p o r a t i o n of t h e City of L o n d o n , vol. 1. - L o n d o n : L o n g m a n s , G r e e n 1894, S. 1 9 6 f . (hinfort: S h a r p e , L o n d o n ) . G e s i c h e r t ist d i e V e r w e n d u n g d e s Titels erst für d i e Zelt n a c h 1540; v g l . G o m m e , G e o r g e L., T h e G o v e r n a n c e of L o n d o n . S t u d i e s o n t h e p l a c e o c c u p i e d b y L o n d o n in E n g l i s h institutions. - L o n d o n : T. Fisher U n w l n 1907, S. 164, A n m . 1. 7 9 S i e h e unten, S. 1 9 4 f . , zur L o n d o n e r Z u n f t v e r f a s s u n g .

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter

und in der

Antike

169

sehen Korporationsrechtes von großer prinzipieller Bedeutung: der gebietskörperschaftliche Gemeindebegriii entstand in England nicht. Der Grund dieser Sonderentwicklung lag in der niemals gebrochenen und nach der Thronbesteigung der Tudors immer weiter steigenden Macht der königlichen Verwaltung, 80 auf der die politische Einheit des Landes und die Einheit der Rechtsbildung beruhte. Die königliche Verwaltung war zwar ständisch scharf kontrolliert und stets angewiesen auf die Mitwirkung der Honoratioren. Aber eben dies hatte die Folge, daß die ökonomischen und politischen Interessenten 0 sich nicht an c der einzelnen geschlossenen Stadtgemeinde, sondern durchaus an der Zentralverwaltung orientierten, von dort her ökonomische Gewinnchancen und soziale Vorteile, Monopolgarantien und Abhilfe gegen Verletzung der eigenen Privilegien erwarteten. Die Könige, finanziell und für die Führung der Verwaltung ganz von den privilegierten Schichten abhängig, fürchteten diese. Aber ihre politischen Mittel orientierten sich ebenfalls an der zentralen Parlamentsherrschaft. Sie suchten ganz wesentlich nur im Interesse ihrer Parlamentswahlpolitik die Stadtverfassung und die personale Zusammensetzung der städtischen Räte zu beeinflussen, stützten daher die Honoratiorenoligarchie. Die Stadthonoratioren ihrerseits hatten von der Zentralverwaltung und nur von ihr die Garantie ihrer Monopolstellung gegenüber den nicht privilegierten Schichten zu gewärtigen. In Ermangelung eines eigenen | bureaukratischen Apparats waren die Könige gerade | wegen des Zentralismus auf die Mitwirkung der Honoratioren angewiesen. Es ist in England vorwiegend der negative Grund: die - trotz ihrer relativ hohen rein technischen Entwicklung - Unfähigkeit der feudalen Verwaltung, eine wirklich dauernde Beherrschung des Landes ohne stete Stütze der ökonomisch mächtigen Honoratioren zu behaupten, welche die Macht der Bürger mehr d begründete® als deren eigene militärische Kraft. Denn die eigene Militärmacht der großen Mehrzahl der englischen Städte war im Mittelalter relativ

b A: Interessen e A: begründeten,

c In A folgt: Interessen

d Fehlt in A; m e h r sinngemäß ergänzt,

8 0 Den Ausbau der englischen Zentralverwaltung seit 1485 behandelt Verfassungsgeschichte, S. 407ff.

Hatschek,

WuG 1 551, A 6 8 6

170

Die Stadt

unbedeutend gewesen. Die Finanzmacht der Stadtbürger war um so größer. Aber sie kam innerhalb des ständischen Zusammenschlusses der „Commons" kollektiv im Parlament, als Stand der privilegierten Stadtinteressenten zur Geltung, 81 und um dieses drehte sich daher jedes über die Ausnutzung der wirtschaftlichen Vorteile des 5 lokalen Monopols hinausreichende Interesse. Hier zuerst findet sich also ein interlokaler, nationalerf Bürger stand. Die steigende Macht des Bürgertums innerhalb der königlichen Friedensrichterverwaltung 82 und im Parlament, also seine Macht im ständischen Honoratiorenstaat hinderte das Entstehen einer starken politischen 10 Selbständigkeitsbewegung der einzelnen Kommunen als solcher: nicht die lokalen, sondern die ¿nierlokalen Interessen wurden Grundlage der politischen Einigung des Bürgertums - und begünstigte auch den bürgerlich-kaufmännischen Charakter der englischen Stadtoligarchie. Die Städte Englands zeigen daher bis etwa in 15 das 13. Jahrhundert eine der deutschen ähnliche Entwicklung. Von da an aber findet sich ihre zunehmende Einmündung in eine Herrschaft der „Gentry", welche niemals wieder gebrochen worden ist, im Gegensatz zu der mindestens relativen Demokratie der kontinentalen Städte. Die Ämter, vor allem das des Alderman, 83 ur- 20 sprünglich auf jährlicher Wahl beruhend, wurden zum erheblichen Teil lebenslänglich und sehr häufig faktisch durch Kooptation oder durch Patronage benachbarter Grundherren besetzt. Die Verwaltung der Könige aber stützte aus den angegebenen Gründen diese Entwicklung, ähnlich wie die antike römische Verwaltung die Olig- 25 archie der Grundaristokratie in den abhängigen Städten stützte. Wiederum anders als in England einerseits, in Italien andrerseits lagen die Bedingungen der Entwicklung auf dem nordeuropäischen A 687 Kontinent. Hier hatte die Entwicklung des | Patriziats zwar teilweise f A: nationaler, 81 Mit „ C o m m o n s " wurden die Vertreter der Grafschaften, Cities (Bischofsstädte) und Boroughs (Stadtgemeinden) im englischen Parlament bezeichnet; die Vereinigung der Grafschaftsritter mit den Bürgern bei gleichzeitiger A b g r e n z u n g von den Baronen (Lords) fand 1 3 4 0 - 1 3 4 3 statt. Seit 1451 nannte man diesen Zusammenschluß „House of Commons". 82 Weber behandelt die Rolle der englischen Friedensrichter, die eine Vielzahl judikativer und administrativer Funktionen ausüben, als spezifische Art von Honoratiorenverwaltung ausführlich In WuG 1 , S. 7 1 5 - 7 1 9 (MWG i / 2 2 - 4 ) . 83 Städtischer Magistrat, in der City of London Vorsteher eines Stadtviertels; vgl. oben, S. 168 mit A n m . 7 6 .

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter

und in der

Antike

171

an die schon bei der Entstehung des Bürgerverbandes bestehenden ständischen und ökonomischen Unterschiede angeknüpft. Auch bei Neugründungsstädten war dies der Fall. Die 24 conjuratores fori in Freiburg waren von Anfang an in Steuersachen privilegiert und zu 5 consules berufen. 84 Aber in den meisten Neugründungsstädten, auch vielen der von Natur zur Plutokratie der Kaufleute neigenden Seestädte des Nordens, ist die formelle Abgrenzung der Ratsfähigkeit erst allmählich erfolgt, meist in der typischen Art, daß das sehr häufige Vorschlagsrecht des einmal amtierenden Rates oder 10 die faktische Gewöhnung daran, die Ansicht der amtierenden Räte über ihre Nachfolger zu befolgen oder einfach deren soziales Gewicht bei der Ratswahl in Verbindung mit dem sachlichen Bedürfnis: geschäftserfahrene Männer im Rate zu behalten, zur faktischen Ergänzung des Rates durch Kooptation führte und damit die Rats15 kollegien einem festen Kreis privilegierter Familien auslieferte. Es ist erinnerlich, wie leicht selbst unter modernen Verhältnissen sich ähnliches ereignen kann: die Ergänzung des Hamburger Senates befand sich trotz des Wahlrechts der Bürgerschaft in der letzten Zeit gelegentlich auf dem Wege zu einer ähnlichen Entwicklung. 85 20 Die Einzelheiten können hier nicht verfolgt werden. Überall jedenfalls machten sich jene Tendenzen geltend, und nur das Maß, in welchem sie auch formell rechtlich sich ausprägten, war verschieden. Die Geschlechter, welche die Ratsfähigkeit monopolisierten, konnten diese überall solange leicht behaupten, als ein starker In25 teressengegensatz gegen die ausgeschlossenen Bürger nicht bestand. Sobald dagegen Konflikte mit den In|teressen der Außenstehenden entstanden oder deren durch Reichtum und Bildung wach8 4 Vgl. oben, S. 140 mit Anm. 107. 8 5 Mit der Hamburger Verfassung von 1860, die in der revidierten Fassung von 1880 bis 1921 in Kraft blieb, war zwar die Wahl der Senatoren durch die Bürgerschaft (das Stadtparlament) anstelle der Selbstergänzung des Senats eingeführt worden, doch übten die auf Lebenszeit gewählten Senatoren weiterhin einen maßgeblichen Einfluß auf die Ergänzung ihres Gremiums aus. Im Falle einer Wahl wurde ein Ausschuß aus je vier Vertrauensleuten des Senats und der Bürgerschaft eingesetzt. Diese Kommission stellte eine Liste mit vier Kandidaten auf; zur Nomination waren jeweils mindestens fünf Stimmen erforderlich. Die Viererliste wurde dem Senat vorgelegt, der wiederum zwei Namen strich. Über die verbliebenen zwei Kandidaten für den Senatorensitz stimmte dann die Bürgerschaft ab. Die Regelung findet sich in Artikel 9 der Verfassung von 1880; Text in: Deutsche Staatsgrundgesetze In diplomatisch genauem Abdrucke, hg. von Karl Binding, Heft 10: Verfassungs-Urkunden für die freien und Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg. Leipzig: Wilhelm Engelmann 1897, S. 7 - 9 .

WuG 1 552

172

Die

Stadt

sendes Selbstgefühl und ihre Abkömmlichkeit für Verwaltungsgeschäfte so stark stiegen, daß sie den Ausschluß von der Macht ideell nicht mehr ertrugen, lag die Möglichkeit neuer Revolutionen nahe. Deren Träger waren abermals beschworene Einigungen von Bürgern. Hinter diesen aber standen oder mit ihnen direkt identisch waren: die Zünfte. Dabei hat man sich zunächst zu hüten, den Ausdruck „Zunft" vornehmlich oder gar ausschließlich mit „Handwerkerzunft" zu identifizieren. Keineswegs ist die Bewegung gegen die Geschlechter in der ersten Zeit in erster Linie eine solche der Handwerkerschaft. Erst im weiteren Verlauf der Entwicklung traA 688 ten, wie | zu erörtern sein wird, 86 die Handwerker in der Bewegung selbständig hervor, in der ersten Zeit waren sie fast überall geführt von den nicht handwerkerlichen Zünften. Der höchst verschiedene Erfolg der Zunftrevolutionen konnte, wie wir sehen werden, 87 im äußersten Fall dazu führen, daß der Rat aus den Zünften allein zusammengesetzt und die Vollbürgerqualität ausschließlich an Zunftmitgliedschaft gebunden wurde. Erst dieser Aufstieg der Zünfte bedeutete (in der Regel) praktisch die Erringung der Herrschaft oder doch einer Teilnahme an der Herrschaft von seiten „bürgerlicher" Klassen im ökonomischen Sinne des Wortes. Wo die Zunftherrschaft in irgendeinem Umfang durchgedrungen ist, fiel die Zeit, in welcher dies geschah, regelmäßig mit der Epoche der höchsten Machtentfaltung der Stadt nach außen und ihrer größten politischen Selbständigkeit nach innen zusammen. Es fällt nun die Ähnlichkeit dieser „demokratischen" Entwicklung mit dem Schicksal der antiken Städte ins Auge, deren meiste eine ähnliche Epoche des Emporwachsens als Adelsstädte, beginnend etwa mit dem 7. Jahrhundert v. Chr., und des raschen Aufstiegs zur politischen und ökonomischen Macht, verbunden mit der Entwicklung der Demokratie oder doch der 9 Tendenz dazu, durchlebt haben. Diese Ähnlichkeiten sind vorhanden, obwohl die antike Polis auf der Grundlage einer durchaus anderen Vergangenheit entstand. Wir haben zunächst die antike Geschlechterstadt mit der mittelalterlichen zu vergleichen. g A: die 86 Siehe unten, S. 205-208 und 262. 8 7 Siehe unten, S. 194 und 199-206.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter

und in der

Antike

173

Die mykenische Kultur im griechischen Mutterland setzte, mindestens in Tiryns und Mykene selbst, ein patrimoniales Fronkönigtum orientalischen Charakters, wenn auch weit kleinerer Dimensionen, voraus. Ohne Anspannung der Fronarbeit der Untertanen sind diese bis in die klassische Zeit beispiellosen Bauten nicht denkbar.88 An den Rändern des damaligen hellenischen Kulturkreises nach dem Orient zu (Kypros) scheint sogar eine Verwaltung bestanden zu haben, welche ein eigenes Schriftsystem ganz nach ägyptischer Art zu Rechnungen und Listenführung verwendete, also eine patrimonial-bureaukratische Magazinverwaltung gewesen sein muß,89 - während später die Verwaltung noch der klassischen Zeit in Athen beinahe ganz mündlich und schriftlos war. Spurlos ist nun später, wie jenes Schriftsystem, so auch diese Fronkultur verschwunden. Die Ilias90 kennt | im Schiffskatalog Erbkönige, welche A über größere Gebiete herrschen, deren jedes mehrere, zuweilen zahlreiche später als Städte bekannte Orte umfaßt,91 die wohl sämtlich als Burgen gedacht sind und von denen ein Herrscher wie Aga8 8 Als „mykenische" Kultur wird die Periode der späten Bronzezeit auf dem griechischen Festland (ca. 1600-1200 v.Chr.) bezeichnet. Ihr Kennzeichen sind die großen Burg- und Palastanlagen in Mykene und Tiryns (in der Argolis, im Nordwesten der Peloponnes), deren Ausgrabung durch Schliemann und Dörpfeld 1876 bzw. 1884/85 begann. Den Einsatz von Fronarbeit durch ein quasi-orientalisches Königtum betonen Meyer, Altertum, Band 2, S. 167; Busolt, Georg, Griechische Geschichte bis zur Schlacht bei Chaeroneia (Handbücher der Alten Geschichte, 2. Serie, 1. Abteilung), 4 Bände (in 3), 2. Aufl. - Gotha: Friedrich A. Perthes 1893-1904, hier Band 1, S.6 (hinfort: Busolt, Geschichte), sowie Pöhlmann, Robert, Aus dem hellenischen Mittelalter, in: ders., Aus Altertum und Gegenwart. Gesammelte Abhandlungen. - München: C.H. Beck 1895, S. 149-194, hier S. 168-174 (hinfort: Pöhlmann, Mittelalter). 89 Seit den 1870er Jahren war eine auf cyprischen Monumenten und Münzlegenden gefundene Silbenschrift entziffert, deren - nicht zu dem griechischen Lautbestand passendes - System auf orientalischen Ursprung deutete. Webers Hinweis auf die Bedürfnisse einer bürokratischen Palastverwaltung paßt jedoch viel besser auf die seit 1900 in den Überresten des Palastes von Knossos auf Kreta gefundenen Tontäfelchen in den sogenannten Linearschriften A und B. Eine erste umfassende Darstellung gab der Ausgräber: Evans, Arthur J., Scripta Minoa. The written documents of Minoan Crete with special reference to the archives of Knossos, vol. 1: The Hieroglyphic and Primitive Linear Classes. - Oxford: Clarendon Press 1909. (Die Entzifferung, bisher nur von Linear B, ist nach weiteren Funden erst 1953 gelungen). 90 Die homerische Ilias gestaltet einen Ausschnitt von wenigen Tagen aus der Schlußphase der zehnjährigen Belagerung von Troja (llion) durch die Achaier (Griechen); im Mittelpunkt steht der Streit zwischen Agamemnon und Achill. 91 Der Einschub Ilias 2, 484ff. zählt die Anführer der diversen griechischen Kontingente auf. Daß es sich bei den Herkunftsorten noch nicht um Poleis gehandelt habe, ist schon in der Antike (Strabo 8, 3, 2 = C 337) festgestellt worden.

174

Die Stadt

memnon dem Achilleus einige zu Lehen zu geben bereit ist. 92 Neben dem König standen in Troja die vom Kriegsdienst durch Alter befreiten Greise aus adligen Häusern als Berater. Als Kriegskönig gilt dort Hektor, während Priamos selbst zu Vertragsschlüssen herbeigeholt werden muß. 93 Ein Schriftstück, vielleicht aber nur in Symbolen, wird nur ein einziges Mal erwähnt. 94 Sonst schließen alle Verhältnisse eine Fronverwaltung und ein Patrimonialkönigtum völlig aus. Das Königtum ist gentilcharismatisch. Aber auch dem stadtfremden Aeneas kann die Hoffnung zugeschrieben werden, wenn er den Achilleus töte, das Amt des Priamos zu erhalten. 95 Denn das Königtum gilt als amtsartige „Würde", nicht als Besitz. Der König ist Heerführer und am Gericht gemeinsam mit den Adligen beteiligt, Vertreter den Göttern und Menschen gegenüber, mit Königsland 96 ausgestattet, hat aber, namentlich in der Odyssee, 97 WuG1 553 eine wesentlich nur | häuptlingsartige, auf persönlichem Einfluß, nicht auf geregelter Autorität beruhende Gewalt; auch die Kriegsfahrt, fast stets eine Seefahrt, hat für die adligen Geschlechter mehr den Charakter gefolgschaftlicher Aventiure als eines Aufgebots: Die Genossen des Odysseus heißen ebenso Hetairoi wie die spätere mazedonische Königsgefolgschaft. 98 Die langjährige Abwesenheit des Königs gilt keineswegs als Quelle ernster Unzuträglichkeiten; in Ithaka 99 ist ein König inzwischen gar nicht vorhanden. Sein Haus hat Odysseus dem Mentor 100 befohlen, der mit der Königswürde nichts zu schaffen hat. Das Heer ist ein Ritterheer, Einzelkämpfe

92 llias 9, 149. 93 llias 3, 250ff. 94 llias 6, 169. 95 Aeneas, dem Führer der Dardaner auf Seiten der Trojaner, wurden Ambitionen auf die trojanische Königswürde unterstellt; llias 20, 176ff., vgl. llias 20, 307f. 96 Die Vorstellung war, daß das Krongut von der ursprünglichen Verteilung des Landes durch Los ausgenommen worden war; es hieß deshalb nicht kleros, sondern temenos (llias 6, 194 und öfter). 97 Die homerische Odyssee schildert die zehnjährigen Irrfahrten und die Heimkehr des Odysseus nach dem Ende des trojanischen Krieges. 98 Im makedonischen Königreich wurde die Bezeichnung „Hetairoi" (Gefährten) für die den König ständig (auch im Kampf) begleitenden Aristokraten zumal unter Alexander dem Großen zu einem offiziellen, die Zugehörigkeit zum Hof bezeichnenden Titel. 99 Ithaka ist eine der ionischen Inseln vor der Westküste Griechenlands; in der Odyssee die Heimat des Odysseus, in die dieser nach zwanzigjähriger Abwesenheit zurückkehrt. 100 Mentor heißt der gleichaltrige Freund des Odysseus, dem dieser die Aufsicht über sein Haus übertrug; Odyssee 2, 224ff.

5

10

15

20

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter und in der Antike

175

entscheiden die Schlacht. Das Fußvolk tritt ganz zurück. In einigen Teilen der homerischen Gedichte tritt der städtische politische Markt hervor: wenn Ismaros „Polis" heißt, so könnte das „Burg" bedeuten;11 aber es ist jedenfalls die Burg nicht eines einzelnen, son5 dern der Kikonen. 101 Auf dem Schilde des Achilleus aber sitzen die Ältesten - der durch Besitz und Wehrhaftigkeit' hervorragenden Honoratiorensippen - auf dem Markt und sprechen Recht; das Volk begleitet als Gerichtsumstand die Parteireden mit Beifall. 102 Die Beschwerde des Telemachos wird auf dem Markt Gegenstand einer 10 vom Herold geregelten Diskussion unter den wehrhaften Honoratioren. 103 Die Adligen einschließlich der Könige sind dabei, | wie die A 690 Umstände ergeben, Grundherren und Schiffsbesitzer, welche zu Wagen in den Kampf ziehen. Aber nur wer in der Polis ansässig ist, hat Anteil an der Gewalt. Daß König Laertes sich auf sein Landgut 15 zurückgezogen hat, bedeutet, daß er im Altenteil sitzt. 104 Wie bei den Germanen schließen sich die Söhne der Honoratiorengeschlechter als Gefolgschaft (Hetairoi) den Aventiuren eines Helden - in der Odyssee: des Königssohns 105 - an. Der Adel schreibt sich bei den Phäaken das Recht zu, das Volk zu den Kosten von 20 Gastgeschenken heranzuziehen. 106 Daß alle Landbewohner als Hintersassen oder Knechte der stadtsässigen Adligen angesehen würden, ist nirgends gesagt, obwohl freie Bauern nie erwähnt werden. Die Behandlung der Figur des Thersites beweist jedenfalls, daß auch der gemeine - d. h. der nicht zu Wagen in den Kampf zie25 hende - Heerespflichtige es gelegentlich wagt, gegen die Herren zu h A: bedeuten:

i A: Wehrhofmacht

101 O d y s s e e 9, 39ff. Ismaros, die polis der Kikonen, eines thrakischen Stammes, wurde von O d y s s e u s auf seiner Heimfahrt zerstört. 102 Der von d e m Gott Hephaistos gefertigte, reich verzierte Schild des Achills zeigte auch eine Gerichtsszene; llias 18, 496ff. 103 Telemachos, Sohn des Odysseus, beschwert sich über die Freier seiner Mutter Penelope, die d e n Besitz der vermeintlichen Witwe verprassen; Odyssee 2, 1 - 2 5 7 . 104 O d y s s e e 24, 205ff. Laertes ist der Vater des Odysseus. 105 N a c h d e m Telemachos' Appell an die Volksversammlung (vgl. oben, Anm. 103) ergebnislos geblieben war, brach er auf der Suche nach Unterstützung g e m e i n s a m mit seinen Gefährten zu einer Reise auf die Peloponnes auf; O d y s s e e 2, 401 ff. 106 Den G e s c h e n k e n der „Könige" an Odysseus (Odyssee 8, 386ff.) folgt eine U m l a g e auf das Volk (Odyssee 13, 14); Weber, Agrarverhältnisse 3 , S . 9 8 (MWG I/6); Meyer, Altertum, Band 2, S. 319; ders., „Finanzen II. Geschichte der Finanzen. Griechische Finanzen", in: HdStW 2 , Band 3, S. 9 3 6 - 9 4 9 , hier S. 937 (hinfort: Meyer, Finanzen).

176

Die Stadt

reden; nur gilt das als Frechheit. 107 Auch der König aber tut Hausarbeiten, zimmert sein Bett, gräbt den Garten. 108 Seine Kriegsgefährten sitzen selbst am Ruder. Die gekauften Sklaven andererseits dürfen hoffen, zu einem „kleros" zu gelangen: der später in Rom so scharfe Unterschied zwischen den Kaufsklaven und den mit 5 Land beliehenen Klienten gilt also noch nicht. 109 Die Beziehungen sind patriarchal, Eigenwirtschaft deckt allen normalen Bedarf. Die eigenen Schiffe dienen dem Seeraub, der Handel ist Passivhandel, dessen aktive Träger damals noch die Phöniker sind. Zweierlei wichtige Erscheinungen sind außer dem „Markt" und der Stadt- 10 sässigkeit des Adels vorhanden: einmal der später das ganze Leben beherrschende „Agon": er entstand naturgemäß aus dem ritterlichen Ehrbegriff und der militärischen Schulung der Jugend auf den Übungsplätzen. Äußerlich organisiert findet er sich vor allem beim Totenkult der Kriegshelden (Patroklos). 110 Er beherrscht schon da- 15 mals die Lebensführung des Adels. Dann: die bei aller Deisidämonie 111 gänzlich ungebundene Beziehung zu den Göttern, deren dichterische Behandlung Piaton später so peinlich anmutet. 112 Diese Respektlosigkeit der Heldengesellschaft konnte nur im Gefolge von Wanderungen, namentlich Überseewanderungen, in Ge- 20 bieten entstehen, in welchen sie nicht mit alten Tempeln und an Gräbern zu leben hatten. Während die Adelsreiterei der historischen Geschlechterpolis den homerischen Gedichten fehlt, scheint auffallenderweise der später disziplinierte, in Reih und Glied A 691 gebannte, Hoplitenkampf erwähnt zu sein: 113 ein Beweis, | wie 25

107 Thersites will sich mit der Kritik an der Habgier des Agamemnon zum Sprecher des Volkes machen, wird jedoch unter dem Beifall des Heeres von Odysseus mit dem Zepter gezüchtigt; llias 2, 211-269. 108 So Odysseus; Odyssee 15, 320ff.; 23, 189ff. und 18, 365ff.; vgl. Pöhlmann, Mittelalter (wie oben, S. 173, Anm.88), S. 191. 109 Gemeint Ist der „Sauhirt" Eumaios, der von der Zuweisung eines Landloses (kleros) durch den Herrn spricht; Odyssee 14, 63; Weber, Agrarverhältnisse 3 , S. 98 und 99 (MWG I/6), Anm. 2. - Zu den Zuteilungen von Land an die Klienten In Rom vgl. unten, S. 278. 110 Zu Ehren des gefallenen Patroklos, des Freundes Achills, wurde eine große Totenfeier mit Wettkämpfen veranstaltet; lllas 23. 111 Grlech.: Furcht vor den Göttern. 112 V.a. Piaton, Pollteia 363d, 364d, 377d, 378d, 381 d, 383 a - c , 3 9 0 b - c und Nomoi 906d-e. 113 Schlachtreihen (phalagges, stiches) werden an zahlreichen Stellen der llias (z. B. 2, 558; 4, 90; 4, 281; 5, 591; 6, 6; 11, 90) erwähnt.

III. Die Geschlechterstadt im Mittelalter und in der Antike

5

10

15

20

25

III

stark verschiedene Zeiten in den Dichtungen ihre Spuren hinterließen. Die historische Zeit kennt, bis zur Entwicklung der Tyrannis, außerhalb Spartas und weniger anderer Beispiele (Kyrene) das gentilcharismatische Königtum nur in Resten oder in der Erinnerung (dies in vielen Städten von Hellas und in Etrurien, Latium und Rom), und zwar stets als Königtum über eine einzelne Polis, auch damals gentilcharismatisch, mit sakralen Befugnissen, aber im übrigen, mit Ausnahme | von Sparta und der römischen Überlieferung, WuG1 554 nur mit Ehren Vorrechten gegenüber dem zuweilen ebenfalls als „Könige" bezeichneten Adel ausgestattet. Das Beispiel Kyrenes zeigt, daß der König die Quelle seiner Macht: seinen Hort, auch hier dem Zwischenhandel, sei es durch Eigenhandel, sei es durch entgeltliche Kontrolle und Schutz, verdankte. 114 Vermutlich hat der Ritterkampf mit seiner militärischen Selbständigkeit der, eigene Wagen und Gefolgschaften haltenden und eigene Schiffe besitzenden, Adelsgeschlechter das Monopol des Königs gebrochen, nachdem auch die großen orientalischen Reiche, mit denen sie in Beziehungen standen, sowohl die ägyptische wie die hethitische Macht, 1 1 5 zerfallen und andere große Königsherrschaften, wie das Lyderreich, 116 noch nicht entstanden, der Monopolhandel und der Fronstaat der orientalischen Könige also, dem die mykenische Kultur im kleinen entsprach, zusammengebrochen waren. Dieser Zusammenbruch der ökonomischen Grundlage der Königsmacht hat vermutlich auch die sog. dorische Wanderung ermöglicht. 117 Es begannen nunmehr die Wanderungen der seekriegerischen Ritterschaft nach der kleinasiatischen Küste, auf welcher Homer helleni-

114 Vgl. oben, S.81f. mit A n m . 6 2 . 115 Das Hethiterreich hatte sich im 2. Jahrtausend v.Chr. von seinem Kerngebiet Anatolien bis nach Mesopotamien und Syrien ausgedehnt; nach einem militärischen Konflikt mit d e n Ä g y p t e r n kam es 1270 v.Chr. zu einer A b g r e n z u n g der Interessensphären in Syrien. Das Hethiterreich zerfiel g e g e n Ende des 13. Jahrhunderts v.Chr. Der N i e d e r g a n g der ägyptischen Macht trat im 12. Jahrhundert v.Chr. ein, als man sich nur mit großen Mühen g e g e n den Ansturm der „Seevölker" verteidigen konnte. 116 Die Expansion des Lyderreiches, auch auf die griechisch besiedelten Teile des westlichen Kleinasiens, b e g a n n unter König G y g e s (ca. 685 - ca. 652 v.Chr.). 1 1 7 Als „dorische Wanderung" wird das Eindringen von Stämmen aus d e m albanischdalmatinischen Raum bezeichnet, die sich vor allem auf der Peloponnes niederließen. Nach der zu Webers Zeit vorherrschenden Meinung - vgl. Meyer, Altertum, Band 2, S. 2 6 3 - 2 6 5 - setzte dies d e n N i e d e r g a n g der mykenischen Kultur voraus.

178

Die Stadt

sehe Ansiedlungen noch nicht kennt und an welcher damals starke politische Verbände nicht existierten. Und es begann zugleich damit der Aktivhandel der Hellenen. Die beginnende historische Kunde zeigt uns die typische Geschlechterstadt der Antike. Sie war durchweg Küstenstadt: bis in die 5 Zeit Alexanders und der Samniterkriege 118 gab es keine Polis weiter als eine Tagereise vom Meer. Außerhalb des Bereiches der Polis gab es nur das Wohnen in Dörfern (xomai) mit labilen politischen Verbindungen von „Stämmen" ( s ' d v T ] ) . 1 1 9 Eine Polis, die aus eigenem Antrieb oder von Feinden aufgelöst wird, wird in Dörfer 10 „dioikisiert". 120 Als reale oder fiktive Grundlage der Stadt galt daA 692 gegen der Vorgang des „Synoikismos": | die auf Geheiß des Königs oder nach Vereinbarung vollzogene „Zusammensiedlung" der Geschlechter in oder an eine befestigte Burg. Ein solcher Vorgang war auch im Mittelalter nicht ganz unbekannt: so in dem von Gothein 15 geschilderten Synoikismos von Aquila und etwa bei der Gründung von Alessandria. 121 Aber sein wesentlicher Gehalt war in der Antike spezifischer ausgeprägt als im Mittelalter. Nicht unbedingt wesentlich daran war die dauernde reale Zusammensiedlung: wie die mittelalterlichen Geschlechter, so blieben auch die antiken zum Teil 20

118 Alexander der Große war 3 3 6 - 3 2 3 v.Chr. makedonischer König. Roms Kriege (nach der Tradition: vier) mit den Samniten des Hochapennin fallen In das späte 4. und frühe 3. Jahrhundert v.Chr. 119 In: Agrarverhältnisse 3 , S. 123 (MWG I/6), führt Weber das Beispiel der Aitoler an (Thukydides 3, 94, 4). 120 Bekannte Beispiele für das in den Quellen so bezeichnete „Auseinandersiedeln" (dioikizein), die auch Weber, Agrarverhältnisse 3 , S.171 (MWG I/6), erwähnt, sind Mantineia und Patrai (beide auf der Peloponnes gelegen). Sparta erzwang 385 v.Chr. die Aufgabe der Stadt Mantineia und die Rücksiedlung der Bevölkerung auf die Dörfer; Xenophon, Hellenika 5, 2, 6; Polybios 4, 27, 6. Patrai soll nach einer Niederlage gegen die Gallier 279 v.Chr. weitgehend von den Einwohnern verlassen worden sein; Pausanias 7, 18,6. 121 Gothein, Culturentwicklung, S. 162-242, behandelt ausführlich die Gründung von Aquila (In den Abruzzen) unter Friedrich II. im 13. Jahrhundert; S. 164 verweist er auf die Parallele - in der Sache wie Im Begriff (incasamento) - zum antiken Synoikismos. Derselbe Vergleich findet sich, bezogen auf die Gründung der (nach Papst Alexander III., dem Gegenspieler Kaiser Friedrichs I. benannten) Stadt Alessandria durch den lombardischen Städtebund 1168, bei Gothein, Wirtschaftsgeschichte (wie oben, S. 141, Anm. 107), S.63 und auch bei Burckhardt, Kulturgeschichte (wie oben, S. 80, Anm.57), Band 1, S.71.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter

und in der

Antike

179

(so in Elis) 122 auf ihren Landburgen sitzen oder besaßen wenigstens - und das war die Regel - Landhäuser neben ihrem städtischen Sitz. So war Dekeleia eine Geschlechterburg; nach Geschlechterburgen hießen viele attische Dörfer und war ein Teil der römischen Tribus benannt. 123 Das Gebiet von Teos war in „Türme" geteilt. 124 Der Schwerpunkt der Macht des Adels freilich lag trotzdem in der Stadt. Die politischen und ökonomischen Herren des Landes: Grundherren, Geldgeber des Handels und Gläubiger der Bauern, waren „Astoi", 125 stadtsässige Geschlechter, und der faktische Einsiedelungsprozeß des Landadels in die Städte schritt immer weiter fort. In klassischer Zeit waren die Geschlechterburgen draußen gebrochen. Die Nekropolen der Geschlechter lagen von jeher in den Städten. Das Wesentliche aber an der Konstituierung der Polis war nach der Anschauung die Verbrüderung der Geschlechter zu einer kultischen Gemeinschaft: der Ersatz der Prytaneen der einzelnen Geschlechter durch das gemeinsame Prytaneion der Stadt, in welchem die Prytanen ihre gemeinsamen Mahle abhielten. 126 Sie bedeutete in der Antike nicht nur, wie im Mittelalter, daß die conjuratio der Bürger, wo sie zur commune wird, auch einen Stadt-

122 Elis wurde als Hauptort der gleichnamigen Küstenlandschaft in der nordwestlichen Peloponnes erst 471 v.Chr. gegründet; Diodor 11, 54, 1; Strabo 8, 3, 2 (= C 336). Die Vorliebe des Adels für ein Leben auf den Landgütern erwähnt noch Polybios 4, 73, 5ff. Den Synoikismos von Elis hat Weber mehrfach In: Agrarverhältnisse 3 , S. 108, 112 und 123 (MWG I/6), angeführt. 123 Zu Dekeleia vgl. unten, S. 181, ferner Weber, Agrarverhältnisse 3 , S. 109 (MWG I/6); zur Namensgebung für athenische Demen nach Adelsfamilien Aristoteles, Athenaion politeia 21, 5; zur Benennung der 16 (bzw. 17) älteren Landtribus in Rom nach den dort ansässigen Geschlechtern (die Weber schon In: Agrarverhältnisse 3 , S. 145, 150 und 152 (MWG I/6), anführt), vgl. Mommsen, Staatsrecht, Band 3, 1, S. 166ff. Der (vom Quellenbefund nicht unmittelbar gedeckte) Schluß auf die Burgen folgt aus Webers spezifischer Grundannahme über die Stadtentstehung; vgl. die Einleitung, oben, S. 16. 124 Teos ist eine Hafenstadt im westlichen Kleinasien. Zur Einteilung nach „Türmen" vgl. Busolt, Georg, Staats- und Rechtsaltertümer, in: ders.; Bauer, Adolf und Müller, Iwan, Die griechischen Staats-, Kriegs- und Privataltertümer (Handbuch der klassischen AltertumsWissenschaft, Band 4, 1). - Nördlingen: C.H. Beck 1887, S. 3 - 2 2 2 , hier S.24 (hinfort: Busolt, Staats- und Rechtsaltertümer), der eine Parallele zu den attischen Demen zieht, sowie Meyer, Altertum, Band 2, S. 307 und 311, der von „Adelsburgen" spricht. 125 Von Weber wird die Bezeichnung „astoi" (griech.: Städter, Bürger) - wie schon in: Agrarverhältnisse 3 , S. 106, 109 und 153 (MWG I/6) - speziell für den stadtsässigen Adel verwendet. Er bezieht sich hier wohl auf Solon, fr. 3, 6 (Diehl); vgl. Busolt, Staats- und Rechtsaltertümer, S. 105; Meyer, Altertum, Band 2, S. 642, Anm. 1. 126 Vgl. zur Hervorhebung dieses Punktes in der Überlieferung oben, S.110 mit Anm. 29.

180

Die Stadt

heiligen annimmt. Sondern sie bedeutete wesentlich mehr: die Entstehung einer neuen lokalen Speise- und Kultgemeinschaft. Es fehlte die gemeinsame Kirche, innerhalb derer k im Mittelalter alle einzelnen schon standen. Es gab zwar von jeher interlokal verehrte Götter neben den lokalen Gottheiten. Aber als festeste und für den Alltag wichtigste Form des Kults stand der im Mittelalter fehlende, nach außen überall exklusive Kult des einzelnen Geschlechts der Verbrüderung im Wege. Denn diese Kulte waren ganz ebenso streng auf die Zugehörigen beschränkt wie etwa in Indien. Nur daß die magische Tabuschranke fehlt, ermöglichte die Verbrüderung. Aber | WuG1 555, A 693 unverbrüchlich galt: daß von niemand sonst | als vom Geschlechtsgenossen die vom Geschlecht verehrten Geister Opfer annahmen. Und ebenso für alle anderen Verbände. Unter diesen, durch den Kultverband der Polis religiös verbrüderten Verbänden nun traten in der Frühzeit, aber bis tief in weit spätere Epochen hinein fortbestehend, die Phylen und Phratrien hervor, denen jeder angehören mußtej,] um Mitglied der Stadt zu sein. Von den Phratrien ist sicher anzunehmen, daß sie in die Vorzeit der Polis zurückreichen. 127 Sie waren später wesentlich Kultverbände, hatten aber daneben, z. B. in Athen, die Kontrolle der Wehrhaftigkeit der Kinder und ihrer daraus folgenden Erbfähigkeit. 128 Sie müssen also ursprünglich Wehrverbände gewesen sein, 129 entsprechend dem uns schon bekannten „Männerhaus", 130 dessen Name (Andreion) sich in den dorischen

k A: deren 127 Vgl. Ilias 9, 63 zur Bedeutung der Zugehörigkeit zu einer Phratrie (Bruderschaft) und dazu Meyer, Altertum, Band 2, S. 87f. 128 Die Phratrien entschieden über die Legitimität neugeborener Kinder und mit der endgültigen Aufnahme der jungen Männer in eine Phratrie auch über deren Bürgerrecht bzw. Wehrpflicht. 129 Anhaltspunkt in der Überlieferung ist die Gliederung des Heeres der Achaier vor Troja nach Phylen und Phratrien (Ilias 2, 362f.). Die nach seinem Verständnis originäre Funktion der Phratrie als militärischer Verband hatte Weber schon in: Agrarverhältnisse 3 , S. 68, 97, 104 und 108 (MWG I/6), nachdrücklich hervorgehoben. 130 Der Rückverweis läßt sich innerhalb des vorliegenden Textes nicht auflösen; vgl. den Editorischen Bericht, oben, S.47. Weber hat sich (auch unter Verweis auf Schurtz, Heinrich, Altersklassen und Männerbünde. Eine Darstellung der Grundformen der Gesellschaft. - Berlin: Georg Reimer 1902) an zahlreichen Stellen des älteren Teils von WuG 1 (S. 200, 205, 616 (MWG 1/22-1), 415, 427 (MWG I/22-3) und 777 (MWG I / 2 2 - 4 ) ) sowie in: Hinduismus, MWG I/20, S. 128f., auf das Männerhaus als einer nicht nur in der Antike, sondern auch in rezenten, „primitiven" Gesellschaften anzutreffenden Institution bezogen.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter und in der Antike

181

Kriegerstaaten 131 und auch in Rom (curia = coviria) 132 für die Unterabteilungen der zur Polis verbrüderten Wehrgemeinde erhalten hat. Die Tischgemeinschaften1 (syssitia) der Spartiaten, die Loslösung der wehrhaften Männer aus der Familie für die Dauer der vollen Wehrpflicht und die gemeinsame Kriegeraskese der Knaben 133 gehörten"1 dort ganz dem allgemeinen Typus der Erziehung in den urwüchsigen Kriegerverbänden der Jungmannschaft an. Außerhalb einiger dorischer Verbände ist indessen dieser radikale militaristische Halbkommunismus der Wehrverbände in historischer Zeit nirgends entwickelt, und in Sparta selbst hat sich die spätere Schroffheit seiner Durchführung erst auf dem Boden der militärischen Expansion des spartanischen Demos, nach Vernichtung des Adels, im Interesse der Erhaltung der Disziplin und der ständischen Gleichheit aller Krieger entfaltet. In den normalen Phratrien anderer Städte waren dagegen die adligen Geschlechter (yevr|, olxoi) die allein im Besitz der Herrschaft befindlichen Honoratioren (wie die Demotionidenakten für das alte, in Dekeleia burgsässige Geschlecht ergeben) 134 : so wurden z.B. noch nach der Ordnung des

I A: Tischgemeinschaft

m A: gehörte

1 3 1 Als Prototypen „dorischer Kriegerstaaten" gelten Sparta sowie die Städte auf Kreta. Die Bezeichnung des Männerhauses auf Kreta als andreion ist belegt durch Athenaios 143b sowie einen Volksbeschluß aus Gortyn (Kohler, Josef und Ziebarth, Erich, Das Stadtrecht von Gortyn und seine Beziehungen zum g e m e i n g r i e c h i s c h e n Rechte. - Göttingen: Vandenhoeck & Rupprecht 1912, S. 37f., Nr. 7); mit d e m Plural andreia w u r d e n die Gemeinschaftsmahle bezeichnet, die ein Äquivalent zu d e n spartanischen Speisegenossenschaften darstellten (Aristoteles, Politik 1272a 2; Plutarch, Lykurg 12, 1); vgl. Meyer, Altertum, Band 2, S . 3 2 0 f . 1 3 2 Zu dieser - nicht unumstrittenen - Ableitung von curia vgl. Schwegler, A[lbert], Römische Geschichte, Band 1: Römische Geschichte im Zeitalter der Könige, 1. Abtheilung. Tübingen: H. L a u p p 1853, S.496, A n m . 8 ; Herzog, Ernst, Geschichte und System der römischen Staatsverfassung, Band 1: Königszeit und Republik. - Leipzig: B.G. Teubner 1884, S. 96 mit Anm. 3; Kübler, [Bernhard], „Curia (3)", in: RE, Band 4, 2, 1901, Sp. 1 8 1 5 1821, hier Sp. 1815. 1 3 3 Den Tischgenossenschaften (syssitia, phiditia) gehörten jeweils durchschnittlich 15 Spartiaten an (Plutarch, Lykurg 12, 1); erwachsene Männer wohnten wahrscheinlich bis zum 30. Lebensjahr in Zeltgemeinschaften von Kriegern (ebd. 15, 4; 25, 1); die staatliche (Wehr-)Erziehung der Knaben in ständig z u s a m m e n l e b e n d e n G r u p p e n b e g a n n mit d e m 8. Lebensjahr (ebd. 16,4). 1 3 4 Die „Demotionidenakten" sind die inschriftlich überlieferten Beschlüsse (aus d e m Jahr 396/395 v.Chr.) der attischen Phratrie der Demotionidai, die ihren kultischen Mittelpunkt in Dekeleia hatte; vgl. die Wiedergabe des Inhalts bei Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von, Aristoteles und Athen, Band 2. - Berlin: Weidmann 1893, S. 2 5 9 - 2 7 9 . Bei den

182

Die Stadt

Drakon die „zehn Besten", d.h. die durch Besitz Mächtigsten aus der Phratrie zur Vornahme der Blutsühne bestimmt.135 Die Phratrien werden in der späteren Stadtverfassung als Unterabteilungen der Phylen (in Rom: der alten drei personalen „Tribus")136 behandelt, in welche die normale hellenische Stadt zerfiel. Der Name Phyle ist technisch mit der Polis verbunden; für den nicht städtisch organisierten „Stamm" ist Ethnos, nicht Phyle, der A 694 Ausdruck. In historischer Zeit sind die Phylen überall | künstliche, für die Zwecke des Turnus in den öffentlichen Leistungen, bei Abstimmung und Ämterbesetzung, für die Heeresgliederung, die Verteilung von Erträgen des Staatsgutes, der Beute, des eroberten Landes (so bei der Aufteilung von Rhodos) 137 gebildete Abteilungen der Polis, natürlich dabei normalerweise Kultverbände[,] wie alle, auch die rein rational gebildeten, Abteilungen der Frühzeit es überall waren.138 Künstlich gebildet waren auch die typischen drei Phylen der Dorer, wie schon der Name der dritten Phyle: „Pamphyler", ganz entsprechend der römischen Tradition über die Tribus der „Luceres", zeigt. 139 Ursprünglich mögen die Phylen oft aus dem

hiermit geregelten Verfahren zur Aufnahme in die Phratrie kam dem „Haus der Dekeieier" eine besondere Funktion zu. Weber folgt (wie in: Agrarverhältnisse 3 , S. 115 (MWG I/6)) derjenigen Richtung der Forschung, die dies als Bezug auf ein „Geschlecht der Dekeieier" verstand; vgl. Schoeffer, [Valerian] von, „Demotionidai", in: RE, Band 5, 1, 1903, Sp. 194-202, besonders Sp. 199. 135 Den Phratriegenossen fiel diese Aufgabe allerdings nur dann zu, wenn es keine Verwandten des Getöteten mehr gab. Drakons Gesetz zum Blutrecht (um 624 v.Chr.) ist 409/ 408 v.Chr. in Athen inschriftlich aufgezeichnet worden; Meyer, Altertum, Band 2, S. 315. 136 Vgl. oben, S. 117 mit Anm. 45. 137 In Rhodos entsprach die Aufteilung in drei Städte der Gliederung nach den drei dorischen Phylen (llias 2, 655 und 668); vgl. Meyer, Altertum, Band 2, S. 255, 277 und 294, sowie Szanto, Emil, Die griechischen Phylen (Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Classe, Band 144, 1901, Nr. 5) - Wien: Carl Gerold's Sohn 1902, S. 9 - 1 2 (hinfort: Szanto, Phylen). 138 Webers Deutung der Phylen als rational konstituierte Verbände (und nicht als Relikte einer „Stammesorganisation") folgt vor allem Meyer, Altertum, Band 2, S.88f. und 3 1 0 314; ders., Zur Rechtfertigung des zweiten Bandes meiner Geschichte des Alterthums, in: ders., Forschungen zur Alten Geschichte, Band 2: Zur Geschichte des fünften Jahrhunderts v.Chr. - Halle: Niemeyer 1899, S. 512-548, hier S. 529. 139 Der Name der dritten dorischen Phyle (nach Hylleis und Dymanes), Pamphyloi, ist von Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von, Staat und Gesellschaft der Griechen, in: ders. und Niese, B[enedictus], Staat und Gesellschaft der Griechen und Römer (Die Kultur der Gegenwart, Teil 2, Abteilung 4, 1). - Berlin und Leipzig: B.G. Teubner 1910, S. 1 - 2 0 7 , hier S. 46 (hinfort: Wilamowitz, Staat), als „Allerweltsvolk" gedeutet worden. Hinsichtlich der römischen Luceres bezieht sich Weber auf diejenige Version, die den (etruskischen) Na-

III. Die Geschlechterstadt im Mittelalter und in der Antike

5

10

15

20

183

Kompromiß einer schon ansässigen mit einer erobernd eindringenden neuen Kriegerschicht entstanden sein: daher vermutlich die beiden spartanischen Königsgeschlechter ungleichen Ranges, entsprechend der römischen Tradition von einem ursprünglichen Doppelkönigtum. 140 In jedem Fall waren in historischer Zeit die Phylen nicht lokale, sondern reine Personalverbände, meist mit gentilcharismatisch erblichen, später mit gewählten, Vorständen: „Phylenkönigen", an der Spitze. Den Phylen und Phratrien, Tribus und Kurien, gehörten als Aktiv- und Passivbürger alle an der Wehrmacht der Polis Beteiligten an. Aktivbürger, d. h. beteiligt an den Ämtern der Stadt, war aber nur das adlige Geschlecht. Die Bezeichnung für den Stadtbürger ist daher gelegentlich direkt identisch mit der Bedeutung „Geschlechtsgenosse". 141 Die Zurechnung zu den adligen Geschlechtern hatte sich ursprünglich zweifellos hier wie sonst an die gentilcharismatische Gaufürsten würde geknüpft, mit Aufkommen des Wagenkampfes und Burgenbaus aber offenbar an den Burgenbesitz. In der Polis unter dem Königtum wird die Entstehung von Neuadel ursprünglich ebenso leicht vonstatten gegangen sein wie im frühen Mittelalter der Aufstieg der ritterlich Leben|den WuG1 556 in den Kreis der Lehenbesitzer. Aber in historischer Zeit steht fest: Nur ein Mitglied der Geschlechter (Patricius, Eupatride) konnte als Priester oder Beamter gültig mit den Göttern der Polis durch Opfer oder Befragung der Vorzeichen (auspicia) verkehren. Aber das Ge-

men dieser Tribus nicht auf einen Stammvater, Lucumo (so Varro, De lingua Latina 5, 55), sondern auf lucus = Hain zurückführen und einen Zusammenhang mit dem von Romulus zur Anziehung von Fremden eingerichteten Asylort herstellen will; Plutarch, Romulus 20, 1.

140 Für den Ursprung des eigenartigen Doppelkönigtums in Sparta, bei dem das Königshaus der Agiaden einen Ehrenvorrang gegenüber dem der Eurypontiden besaß (Herodot 6, 51), gibt es keine verläßlichen Anhaltspunkte. Die antike Überlieferung führt es auf eine Zwillingsgeburt im Königshaus der Frühzeit zurück (Herodot 6, 52). Weber folgt hier anscheinend der Annahme, das Doppelkönigtum gehe auf die spätere Eingliederung der vordorischen Gemeinde Amyklai in den spartanischen Staatsverband zurück; vgl. Schoeffer, [Valerian] von, „Basileus (1)", in: RE, Band 3, 1, 1897, Sp. 5 6 - 8 2 , hierSp. 6 3 . Nach Beendigung des durch den „Raub der Sabinerinnen" ausgelösten Krieges übten in Rom Romulus und der Sabinerkönig Titus Tatius eine Doppelherrschaft aus (Cicero, De republica 2, 13; Dionysios von Halikarnaß, Antiquitates Romanae 2, 46, 2); die Namen zweier der drei alten Tribus, Titie(nse)s und Ramnes, werden in der römischen Tradition auf Titus Tatius bzw. Romulus zurückgeführt (Varro, De lingua Latina 5, 55). 141 Zu Webers Verständnis der Bezeichnung astoi (Bürger) vgl. oben, S. 179 mit Anm. 125.

184

Die Stadt

schlecht selbst hatte, seinem vorstädtischen Ursprung entsprechend, regelmäßig eigene, von denen der Polis abweichende Götter, und eigene, am Stammsitz lokalisierte Kulte. Andererseits gab es zwar neben den gentilcharismatisch von bestimmten Geschlechtern A 695 monopolisierten Priesterschaften | auch ein beamtetes Priestertum. 5 Aber es gab kein allgemeines priesterliches Monopol des Verkehrs mit den Göttern wie fast überall in Asien: der Stadtbeamte hat dazu die Befugnis. Und ebenso gab es, außer für einige wenige große interlokale Heiligtümer wie Delphoi, keine von der Polis unabhängige Priesterschaft. Die Priester wurden von der Polis bestellt, und 10 auch über die delphischen Priestertümer verfügte nicht eine selbständig organisierte Hierokratie, sondern anfangs eine benachbarte Polis, nach deren Zerstörung im heiligen Kriege mehrere benachbarte^] zu einer Amphiktyonie zusammengeschlossene^] Gemeinden, welche eine sehr fühlbare Kontrolle ausübten. 142 Die politische 15 und ökonomische Machtstellung großer Tempel: - sie waren Grundherren, Besitzer von Ergasterien, Darlehengeber an Private und vor allem an Staaten, deren Kriegsschatz sie im Depot hatten, überhaupt Depositenkassen - "änderte daran nichts," daß, wie wir schon früher sahen, 143 auch im hellenischen Mutterlande und vollends in 20 den Kolonien die Polis faktisch Herr über das Göttervermögen und die Priesterpfründen blieb oder vielmehr: immer mehr wurde. Das Endresultat war in Hellas die Versteigerung der Priesterstellen als

n A: änderten daran nichts: 142 Das Apollonheiligtum und die Orakelstätte in Delphi unterstanden zunächst der phokischen Stadt Krisa. Eine Eidgenossenschaft (Amphiktyonie) verschiedener nord- und mittelgriechischer Stämme gewann um 590 v.Chr. durch den „Heiligen Krieg", der mit der Zerstörung Krisas endete, die Kontrolle über das Heiligtum, das fortan von ihnen gemeinsam verwaltet wurde; vgl. Weber, Agrarverhältnisse3, S. 111 (MWG I/6), sowie Bürgel, Heinrich, Die pylaeisch-delphische Amphiktyonie. - München: Theodor Ackermann 1877 und Meyer, Altertum, Band 2, S. 667-670; Busolt, Staats- und Rechtsaltertümer (wie oben, S. 179, Anm. 124), S. 58-61. 143 Der Rückverweis geht Innerhalb des vorliegenden Textes nicht auf. Die politische Kontrolle über die Priesterschaften und Tempel In der Polls hat Weber - Im Kontrast zu den theokratischen Strukturen des Orients - ausführlich In: Agrarverhältnisse3, v.a. S. 110f. (MWG I/6), behandelt. Zu dem hier angesprochenen Sachverhalt paßt partiell auch die Bemerkung in WuG\ S.443 (MWG I/22-3): „Dem antiken Recht, welchem die Tempelgüter seit der Säkularisation des Kults durch die Polls rechtlich als deren Besitz galten, war ein kirchlicher Anstaltsbesitz ganz fremd".

III. Die Geschlechterstadt

5

10

15

20

im Mittelalter und in der Antike

185

Form ihrer Besetzung. 144 Offenbar ist die Kriegsadelsherrschaft für diese von der Demokratie vollendete Entwicklung entscheidend gewesen. Die Priestertümer, das heilige Recht und die magischen Normen aller Art waren seitdem Machtmittel in der Hand des Adels. Der Adel einer Polis war nicht unbedingt geschlossen, die Rezeption einzelner in die Stadt übersiedelnder Burgherrn nebst ihren Klienten (gens Claudia) 145 und Pairs-Schübe wie der der gentes minores in Rom, 1 4 6 kamen hier ebenso wie in Venedig vor, in der Frühzeit vermutlich häufiger als später. Der A d e l war auch keine rein lokale, örtlich begrenzte Gemeinschaft. Attische Adlige wie Miltiades hatten noch in der klassischen Zeit große auswärtige Herrschaften inne, 147 und überall bestanden, ganz wie im Mittelalter, gerade innerhalb dieser Schichten interlokale Beziehungen. Ökonomisch war der Besitz des Adels naturgemäß vornehmlich grundherrlich. Die Leistungen von Sklaven, Hörigen, Klienten - wir werden von diesen Kategorien später zu sprechen haben 148 - bildeten die Basis der Bedarfsdeckung. Auch nach Schwinden der alten Hörigkeit und Klientel blieben die Vermögen insofern bloß Immobiliarvermögen und landwirtschaftlich. Ganz wie diejenigen auch des babylonischen Patriziates: die Aufteilung des | Vermögens A 696

144 Der Verkauf von Priesterstellen ist vor allem aus hellenistischer Zelt aus Poleis auf den Ionischen Inseln und an der kleinasiatischen Küste bezeugt; vgl. Stengel, Paul, Die griechischen Kultusaltertümer (Handbuch der klassischen Altertums-Wissenschaft, Band 5, 3), 2., vermehrte und verbesserte Aufl. - München: C.H. Beck 1898, S. 42 (hinfort: Stengel, Kultusaltertümer); Bischoff, E[rnst] F., Kauf und Verkauf von Priesterthümern bei den Griechen, in: Rheinisches Museum, Neue Folge, Band 54, 1899, S . 9 - 1 8 ; Otto, Walter, Kauf und Verkauf von Priestertümern bei den Griechen, in: Hermes, Band 44, 1909, S. 594-599 (mit der Annahme, die Praxis gehe auf eine „altgriechische Sitte" zurück, S.597f.). 145 Zur Aufnahme der Gens Claudia vgl. oben, S. 94 mit Anm. 99, und unten, S. 278 mit Anm. 219. Weber schließt (wie aus Agrarverhältnisse 3 , S. 148 (MWG I/6), hervorgeht) aus der Tatsache, daß der Herkunftsort Regillum topographisch nicht weiter identifizierbar ist, daß es sich bei dieser polis (so Dionyslos von Halikarnaß, Antiqultates Romanae 5, 40, 3; Applan, Basilika 12) um eine Burg gehandelt habe. 146 Nach römischer Tradition hat der König Tarquinlus Priscus die Zahl der Senatoren erhöht, so daß neben Senatoren aus älteren Geschlechtern (gentes maiores) solche aus jüngeren (gentes minores) standen (Cicero, De republica 2, 35; Livlus 1, 35, 6), die jedoch ebenfalls als patrlcisch galten (Cicero, Ad famlliares 9, 21, 2), was Webers Bild des PairsSchubs erklärt; vgl. Mommsen, Staatsrecht, Band 3, 1, S.30f. und öfter; Kübler, [Bernhard], „Gens", in: RE, Band 7, 1, 1910, Sp. 1176-1198, hierSp. 1192f. 147 Zur Herrschaft des Miltiades auf der Chersones vgl. oben, S.69 mit Anm. 20. 148 Siehe unten, S. 275-279.

Die Stadt

186

des Generationen lang0 in den Urkunden am meisten hervortretenden babylonischen Handelshauses (Egibi) dort zeigt Stadt- und Landgrundstücke, Sklaven und Vieh als Hauptvermögensbestand. 149 Dennoch aber war in Hellas p ebenso wie in Babylon und im Mittelalter die Quelle der ökonomischen Macht des typi- 5 sehen Stadtadelsq die direkte oder indirekte Beteiligung am Handel und der Reederei, welche noch in der Spätzeit als standesgemäß galt und erst in Rom für die Senatoren gänzlich verboten wurde. 150 Um dieser Gewinnchancen willen wurde hier wie im Orient und im Mittelalter die Stadtsässigkeit gesucht. Das daraus akkumulierte 10 Vermögen wurde zur Bewucherung der an der politischen Macht nicht beteiligten landsässigen Bauern verwandt. Massenhafte Schuldknechtschaft und Akkumulation gerade des besten, Rente tragenden Bodens (der „Jteöia" in Attika) im Gegensatz zu den Berghängen (dem Sitz der „Diakrier"), welche, als rentelos, überall 15 von Bauern besetzt waren, findet in den Händen der „Astoi" statt. 151 Die grundherrliche Macht des Stadtadels entstammt also in starkem Maß städtischen Gewinnchancen. Die verschuldeten Bauern wurden als Teilbauern der Herren oder auch direkt in Fronarbeit verwendet, neben den alten primär aus Grund- und Leib- 20 WuG1 557 herrschaft stammenden eigentlichen Hörigen. | Allmählich beginnt die Kaufsklaverei Bedeutung zu gewinnen. Nirgends freilich, auch nicht im Rom des Patrizierstaates sind die freien Bauern verschwunden, so wenig wie im Mittelalter, wahrscheinlich sogar noch o A: lang,

p A: Holland

q In A folgt: aber

149 Das Geld-, Handels- und Pachtgeschäfte vielfältiger Art treibende Haus der Egibi nahm im 6. und 5. Jahrhundert v.Chr. eine führende Stellung ein; vgl. Merkel, Johannes, „Banken III. 1.: Die Banken im Altertum", in: HdStW 3 , Band 2, S. 3 5 3 - 3 6 0 , hier S.353f. Zu den Vermögensverhältnissen vgl. die Urkunden bei Kohler, J[osef] und Peiser, F[elix] E., Aus dem Babylonischen Rechtsleben, Band 4. - Leipzig: Eduard Pfeiffer 1898, S. 21 - 4 1 . 150 Eine lex Claudia von ca. 218 v.Chr. verbot Senatoren und Senatorensöhnen den Besitz von Seeschiffen, die mehr als die Eigenproduktion transportleren konnten; Llvius 21, 63, 3f. 151 Pedia kann sowohl „Ebenen" wie „Ackerflächen" bedeuten. Mit dem Singular pedion wird in Attika die zentrale Ebene bezeichnet, in der auch die Stadt Athen liegt, Diakria wird das Bergland im Nordosten Attikas genannt. Die Unterscheidung zwischen den (begüterten) Bewohnern der Ebene (pediakoi) und denjenigen des Berglandes (diakrioi) geht auf die Überlieferung über die Parteiungen in Athen am Vorabend der Machtergreifung des Peisistratos zurück (Herodot 1, 59, 3; Aristoteles, Athenaion politeia 13, 4f.; Aristoteles, Politik 1305a 23f.); zu den astoi im Sinne von „Stadtadel" vgl. oben, S. 179 mit Anm. 125.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter und in der

Antike

187

weniger. Speziell die Tradition über die römischen Ständekämpfe zeigt, daß nicht eine universelle Grundherrlichkeit, sondern ganz andere[,j mit einer solchen nicht vereinbare^] Gegensätze ihnen zugrunde lagen. 152 Wer nicht der stadtsässigen^ versippten und militärisch trainierten Kriegerschaft angehörte, also vor allem der freie Landsasse: Agroikos, Perioikos, Plebejus war durch seinen Ausschluß von aller politischen Macht, vor allem auch von der aktiven Teilnahme an der nicht durch feste Regeln gebundenen Rechtspflege, ferner r durch die hieraus folgende Notwendigkeit, um Recht zu erhalten^,] Geschenke zu geben oder ein Klientelverhältnis zu einem Adligen einzugehen^] und durch die Härte des Schuldrechts dem stadtsässigen Herren ökonomisch ausgeliefert. Dagegen war die faktische interlokale Freizügigkeit, einschließlich der Möglichkeit sich anzukaufen, für die Bauern der Geschlechterstadt offenbar, sehr im Gegensatz zur | späteren Hoplitenstadt und erst recht A 697 zur radikalen Demokratie, relativ groß, wie das Beispiel der Familie Hesiods beweist. 153 Die stadtsässigen freien Handwerker und die nicht adligen eigentlichen Händler andrerseits werden sich in ähnlicher Lage befunden haben, wie die „Muntmannen" des Mittelalters. In Rom scheint der König, solange er etwas bedeutete, eine klientelartige Schutzherrschaft über sie gehabt zu haben, wie der Stadtherr des frühen Mittelalters auch. Gelegentlich finden sich Spuren leiturgischer Organisationen der Handwerker: die römischen mili-

r Fehlt in A; ferner sinngemäß ergänzt. 152 Als Ständekämpfe werden die Auseinandersetzungen zwischen Patriclat und Plebs bezeichnet, als deren Beginn der Auszug der Plebs aus der Stadt 494 v.Chr. und als deren Ende die ebenfalls auf einen Auszug folgende Anerkennung der Gültigkeit der plebejischen Volksbeschlüsse im Jahre 287 v.Chr. - vgl. unten, S. 211 mit Anm. 43 - gilt. In diesen Konflikten ging es um Fragen der Schuldenregulierung, des Schuldrechts und der Ansledlung auf neu erobertem Territorium, aber auch um die grundsätzliche polltische und rechtliche Gleichstellung der Plebejer mit den Patriclern. Mit der Feststeilung, daß die Landbevölkerung nicht ursprünglich einer „universellen Grundherrlichkeit" Untertan gewesen sei, wendet sich Weber (wie In: Altgermanische Sozialverfassung, S.469, und Agrarverhältnisse3, S. 141-143 (MWG I/6)) gegen die entsprechende These von Neumann, Karl J., Die Grundherrschaft der Römischen Republik, die Bauernbefreiung und die Entstehung der Servianischen Verfassung. Rede zur Feier des Geburtstages S[elne]r Majestät des Kaisers am 27. Januar 1900. - Strassburg: J.H. Heitz 1900. 153 Der Vater des Heslod (um 700 v.Chr.), ein Seemann aus dem alolischen Kyme (an der nordwestlichen Küste Kleinasiens), konnte Landbesitz in Askra In Bolotien erwerben und sich dort als Bauer niederlassen; Hesiod, Erga 632ff.

188

Die Stadt

tärischen Handwerkerzenturien 154 haben vielleicht diesen Ursprung. Ob die Handwerker, wie regelmäßig in Asien und auch im vorexilischen Israel, als Gaststämme organisiert waren, entzieht sich unsrer Kenntnis: 155 von ritueller Absonderung nach Art der indischen Kasten fehlt jedenfalls jede Spur. Spezifisch im Gegensatz zum Mittelalter war also in der Gliederung der Geschlechterstadt zunächst rein äußerlich die stereotypierte Zahl der Phylen, Phratrien, Geschlechter. 156 Daß sie primär militärische und sakrale Abteilungen bildeten, spricht sich darin aus. Diese Einteilungen erklären sich daraus: daß die antike Stadt primär eine Siedlungsgemeinschaft von Kriegern ist, in ähnlichem Sinn wie sich etwa die „Hundertschaft" der Germanen daraus erklärt. 157 Eben diese Grundlagen der antiken Stadt sind es, welche die Unterschiede der Struktur der Geschlechterstädte gegenüber den mittelalterlichen erklären, wie wir sehen werden. 158 Daneben natürlich die Verschiedenheiten der Umweltbedingungen, unter denen sie entstanden: innerhalb großer patrimonialer Kontinentalreiche und im Gegensatz gegen deren politische Gewalten im Mittelalter, an der Seeküste in der Nachbarschaft von Bauern und Barbaren im Altertum, - aus Stadtkönigtümern hier, im Gegensatz gegen feudale oder bischöfliche Stadtherren dort. Trotz dieser Unterschiede aber traten, wo immer die politischen Bedingungen ähnliche waren, auch formal die Ähnlichkeiten des Hergangs deutlich hervor. Wir sahen, 159 wie das venezianische Stadtfürstentum, wel-

154 Die Handwerker w u r d e n bei einem Feldzug zur Betreuung der Gerätschaften dienstverpflichtet. In den römischen Centuriatcomitien (der nach Maßgabe der ö k o n o m i s c h e n und militärischen Leistungsfähigkeit gegliederten Volksversammlung) g a b es zwei gesonderte Handwerkercenturien, die über ein (in Relation zu ihrem Vermögensstatus) privilegiertes Stimmrecht verfügten; Cicero, De republica 2, 39; Livius 1, 43, 3; Dionysios von Halikarnaß, Antiquitates Romanae 4, 17, 3. 155 Zu Webers Deutung der Stellung der gerinn in Israel vgl. oben, S. 120f. mit Anm. 53, zu indischen Handwerkern in der Stellung eines „Paria-Volkes" Weber, Hinduismus, MWG I/20, S. 6 2 - 6 4 . Entsprechende, unbeweisbare, Vermutungen über Herkunft der römischen Handwerker aus anderen Völkern (Sabiner, Etrusker, Griechen) sind gelegentlich in der Forschung des 19. Jahrhunderts geäußert worden; vgl. Kornemann, [Ernst], „Collegium", in: RE, Band 4 , 1 , 1 9 0 0 , S p . 3 8 0 - 4 8 0 , hier S p . 3 9 1 (hinfort: Kornemann, Collegium). 156 Vgl. oben, S. 117 mit Anm. 45. 157 Zu dieser Erklärung der g e r m a n i s c h e n Hundertschaft vgl. oben, S. 114 mit Anm. 35. 158 Siehe unten, S . 2 8 3 f . 159 Siehe oben, S. 1 5 0 - 1 5 2 .

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter

und in der

Antike

189

ches zeitweise zu eigentlichen Dynastien und zum Patrimonialismus gehört hatte, formal durch das Verbot der Ernennung von Mitregenten und schließlich durch die Verwandlung des Dogen in einen Vorsteher der Adelskorporation, also in ein bloßes Amt, verwandelt wurde. Dem entsprach äußerlich im Altertum die Entwicklung vom Stadtkönigtum zur Jahresmagistratur. Wenn man | an die A 698 Rolle denkt, welche der Interrex in Rom spielte, 160 vor allem aber an jene Reste einstiger Nachfolger- s und Kollegenernennung, welche die Ernennung des Diktators 161 durch den Konsul, die Kandidatenzulassung und die Kreation des neuen Beamten durch den alten als Vorbedingung gültiger Einsetzung darstellen1, an die Beschränkung der römischen Gemeinde ursprünglich auf Gewährung der Akklamation, dann auf die Wahl nur zwischen den vom Magistrat vorgeschlagenen oder (später) zugelassenen Kandidaten, so tritt die ursprüngliche, von Mommsen 162 stark betonte Bedeutung der Mitregentenernennung auch hier deutlich hervor. Der Übergang des hellenischen Stadtkönigtums zur Jahresmagistratur unter Kontrolle des Adels freilich | weicht formal wesentlich stärker WuG1 558 als der römische Hergang von der venezianischen Entwicklung ab, und andererseits zeigt die Entstehung der außervenezianischen Stadtverfassung im Mittelalter sehr bedeutende Abweichungen vom venezianischen Typus. Die entwickelte Adelsherrschaft setzte überall an Stelle des homerischen Rates der nicht mehr wehrhaften Alten den Rat der Honoratiorengeschlechter. Entweder direkt einen Rat der Ges A: Nachfolger

t A: spielt

u A: Abweichung

160 Ein interrex wurde in der römischen Republik bestellt, wenn durch den Ausfall beider Consuln die von ihnen vorzunehmenden Wahlen der Nachfolger im Amt nicht zustandegekommen waren. Der interrex wurde aus dem Kreise der patriclschen Senatoren bestellt; nach fünf Tagen ernannte er einen Nachfolger; diese Prozedur wurde solange wiederholt, bis ein interrex die Wahlen durchführen konnte. Dem lag die Vorstellung zugrunde, daß bei einer Vakanz des Oberamtes die „Ausplclen zu den Vätern (d. h. den Patrlciern) zurückkehren". Die Bezeichnung „Zwischenkönig" verweist auf die Herkunft der Institution aus der Königszelt. Nach der Theorie Mommsens (unten, Anm. 162) trat beim Ableben des Königs regelmäßig ein Interregnum ein, so daß das Recht zur Ernennung des Nachfolgers in jedem Fall nicht beim König selbst, sondern bei einem interrex \ag. 161 In einer militärischen Notlage konnte ein dictator als alleiniger, unumschränkter Befehlshaber für die Dauer von maximal sechs Monaten eingesetzt werden; die Bestellung wurde (ohne Wahl) durch einen Consul vorgenommen. 162 Mommsen, Römische Geschichte, Band 1, S.76 und 250f.; ders., Staatsrecht, Band 1, S. 212-221, und Band 3, 1, S.346f.

190

Die

Stadt

schlechtshäupter: so den patrizischen Senat der römischen Frühzeit, den spartanischen Rat der „yeQor/oi", d. h. der Leute, denen Ehrengaben (ihrer Klienten) zukamen, 163 den alten attischen Prytanenrat, der von den Geschlechtern nach „Naukrarien" 164 gewählt wurde: das Mittelalter kennt den entsprechenden Zustand ebenfalls, nur nicht in dieser, durch die sakrale Bedeutung des Geschlechts bedingten konsequenten Schematisierung. Oder den Rat der gewesenen Beamten, wie den späteren attischen Areiopag und den römischen Senat der historischen Zeit - Erscheinungen, für welche das Mittelalter nur sehr bescheidene Parallelen in Gestalt der Zuziehung der gewesenen Bürgermeister und Räte zu den Ratssitzungen kennt: der militärische und auch sakrale Charakter der Magistratur 3 in der Antike verlieh ihrer Bekleidung eine wesentlich nachhaltigere Bedeutung als die Ämter der mittelalterlichen Stadt es vermochten. Der Sache nach waren es hier wie dort stets wenige miteinander rivalisierende Geschlechter, - zuweilen aber, wie in Korinth unter den Bakchiaden, 165 ein einziges, - welche die Gewalt in Händen hatten und in den Ämtern abwechselten. Ganz wie im Mittelalter und in allen Honoratiorenherrschaften überhaupt zeichnete sich die Geschlechterpolis durch die sehr kleine Zahl ihrer A 699 Amtsträger aus. Wo, der Sache | nach, die Adelsherrschaft dauernd bestand, wie in Rom, blieb es dauernd dabei. Die einmal entstandene Geschlechterherrschaft weist auch sonst im Mittelalter und Altertum ähnliche Züge auf: Geschlechterfehden, Verbannung und gewaltsame Wiederkehr hier wie dort, Kriege der stadtsässigen Ritterschaften der Städte gegeneinander a A: Magistration 1 6 3 Weber folgt hier anscheinend Wilamowitz, Staat (wie oben, S. 182, Anm. 139), S. 84, der die Bezeichnung gerontes für die Mitglieder des spartanischen Rats der Alten auf gerochoi \m Sinne von „Empfängern von Ehrengaben" zurückführt. 1 6 4 Die Naukrarien (wörtlich etwa „Schiffbesorgschaften") waren Untereinheiten der attischen Bürgerschaft (12 für jede der vier „alten" Phylen), die für das Aufbringen von Umlagen und namentlich die Gestellung von Schiffen verantwortlich waren (Aristoteles, Athenaion politeia 8, 3). Nach Herodot 5, 71 nahmen um 630 v.Chr. die Prytanen der Naukrarien (gemeint ist vermutlich ein geschäftsführender Ausschuß aus den Vorstehern der Naukrarien) eine führende Stellung ein. 1 6 5 Die Bakchiaden waren ein korinthisches Adelsgeschlecht, das nach der Ermordung des letzten Königs aus diesem Hause fast ein Jahrhundert lang ( 7 4 8 - 6 5 7 v.Chr.) gemeinsam die Herrschaft über Korinth ausübte, wobei im jährlichen Wechsel jeweils ein Mitglied des Familienverbands zum Staatsoberhaupt gewählt wurde.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter

und in der

Antike

191

(im Altertum z. B. der b „lelantische Krieg") 0 1 6 6 ebenfalls. Vor allem galt hier wie dort: Das platte Land ist rechtlos. Die Städte der Antike wie des Mittelalters brachten, wo sie konnten, andere Städte in ihre Klientel: die Periökenstädte und später die durch Harmosten 167 regierten Orte der Spartiaten 0 , die zahlreichen Untertanengemeinden Athens und Roms finden ihre Parallele in der venezianischen Terra ferma 168 und den von Florenz, Genua und anderen Städten unterworfenen, durch Beamte 0 verwalteten Städten. Was ferner die ökonomische Struktur der Geschlechter selbst anlangt, so waren sie, wie wir sehen, im Altertum wie im Mittelalter vor allem: Rentner. In der Antike wie im Mittelalter entschied die vornehme, ritterliche Lebensführung über die Zugehörigkeit zu den Geschlechtern, nicht die Abstammung allein. Die mittelalterlichen Geschlechter umschlossen ehemalige Ministerialenfamilien und, namentlich in Italien, auch freie Vasallen und Ritter ganz ebenso wie solche freie Grundbesitzer, welche, zu Vermögen gekommen, zur ritterlichen Lebensweise übergegangen waren. In Deutschland wie in Italien hatte ein Teil der Geschlechter ihre Burgen außerhalb der Stadt, auf die sie sich bei den Kämpfen mit den Zünften zurückzogen und von denen aus sie oft lange Zeit hindurch die Städte, aus denen sie vertrieben worden waren, befehdeten. Das Geschlecht der Auer in Regensburg war in Deutschland wohl das bekannteste Beispiel dafür. 169 Diese ritterlich lebenden, im Lehens- oder Ministerialenverband stehenden Schichten waren die eigentlichen b A: „lelantische" Krieg)

c A: Spartiaden

d A: Beamten

166 Chalkis und Eretria (auf Euboia) führten, jeweils von einer Vielzahl von Verbündeten unterstützt (Thukydides 1,15, 3), im späten 8. oder im 7. Jahrhundert v.Chr. eine große militärische Auseinandersetzung um den Besitz der zwischen ihnen gelegenen fruchtbaren Ebene (Lelantion pedion). Es war ein Kampf zwischen Ritterschaften, bei dem der Gebrauch von Wurfwaffen aufgrund eines Abkommens ausgeschlossen gewesen sein soll; Strabo 10, 1, 12-13 (= C 448f.); Meyer, Altertum, Band 2, S.539f.; Busolt, Geschichte (wie oben, S. 173, Anm. 88), Band 1, S. 457. 167 Die Befehlshaber spartanischer Garnisonen in Perioikenstädten und seit dem Peloponnesischen Krieg auch in unterworfenen Städten außerhalb des spartanischen Staatsgebiets. 168 Die venezianischen Besitzungen auf dem Festland. 169 Die Auer hatten sich nach ihrer Vertreibung 1334 (vgl. oben, S. 162 mit Anm. 57) auf verschiedene Burgen (u.a. Stauf und Velburg) zurückgezogen; die Konflikte mit Regensburg hielten bis 1343 an; Gumpelzhalmer, Regensburg's Geschichte (wie oben S. 162, Anm. 57), S. 339-354, passlm; Arnold, Verfassungsgeschichte, Band 2 (wie oben, S. 162, Anm. 57), S.399.

192

Die Stadt

„Magnaten" und „Nobili" im Sinne der italienischen Terminologie. Diejenigen Rittergeschlechter, welchen der eigene Burgenbesitz fehlte, waren es naturgemäß vorzugsweise, welche später, bei Eroberung des Stadtregiments durch die Zünfte, genötigt waren, in der Stadt zu bleiben, sich dem neuen Regiment zu fügen und ihm ihre Kriegsdienste gegen die Magnaten zur Verfügung zu stellen. Der weitere Entwicklungsprozeß konnte nach zwei Richtungen A 700 führen. Entweder dahin, daß Familien nicht ritter|licher Abkunft WuG1 559 sich durch Ankauf von ritterlichem Besitz, | oft von Burgen, und Verlegung ihres Wohnsitzes aus der Stadt in den Adel einführten, teils dahin, daß Adelsfamilien in der Stadt von der Gelegenheitsbeteiligung am Handel mit Kapital zum eignen kaufmännischen Erwerb übergingen, also ihre Rentnerqualität aufgaben. Beides kommt vor. Im ganzen aber überwog die erste der beiden Tendenzen, weil sie die Linie des sozialen Aufstieges für das Geschlecht bedeutete. Bei Neugründungen von Städten durch politische und Grundherren kommt es im Mittelalter vor, daß gar keine ritterlichen Geschlechter in den Neusiedlungen sich finden, so daß sie wie wir noch sehen werden 170 - geradezu ausgeschlossen wurden: dies vor allerg,] nachdem der Kampf der Zünfte gegen die Geschlechter begonnen hatte. Je mehr nach Osten und Norden, desto häufiger tritt, auf ökonomischem „Neuland", diese Erscheinung auf. In Schweden sind die fremdbürtigen deutschen Kaufleute an der Gründung und dem Regiment der Städte mitbeteiligt. 171 Ebenso in Nowgorod 172 und sehr oft im Osten. Hier ist „Patriziat" und Kaufmannschaft wirklich, wenigstens in den Anfängen der Stadt, identisch. Wir werden die große Bedeutung dessen später erörtern. 173 Aber in den alten Städten ist es anders. Die Tendenz zur Entwicklung des Rentnertums aber, als der eigentlich vornehmen, 170 Siehe unten, S.275. 171 Dies gilt v.a. für Stockholm und Wisby im 13. Jahrhundert; vgl. Hegel, Städte (wie oben, S. 76, Anm. 39), Band 1, S. 2 6 3 - 3 2 6 . 172 In N o w g o r o d bestand (bis 1494) eine Niederlassung („Kontor") der Hanse. Die deutschen Kaufleute verwalteten ihr Quartier („Peterhof") autonom. Die Stadt selbst verfügte über eine für russische Verhältnisse ungewöhnliche Selbstverwaltung; vgl. Winckler, Arthur, Die d e u t s c h e Hansa In Rußland. - Berlin: R. L. Prager 1886, S. 7 - 2 4 . Webers Annahme einer Beteiligung der deutschen Kaufleute am Stadtregiment ist j e d o c h unzutreffend; o b sie gegebenenfalls auf Vermutungen in älterer Literatur zurückgeht, konnte nicht ermittelt werden. 173 Siehe unten, S.238.

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter

und in der

Antike

193

die patrizischen Klubs führenden Schicht, war überall im Gange. Im Altertum findet sich ein eigentlich kaufmännischer Charakter des Patriziats ebenfalls namentlich auf Kolonialboden: etwa in Städten wie Epidamnos e . 174 Die ökonomische Qualität des Patriziats war also flüssig, und nur der Schwerpunkt, zu dem hin sie gravitierte, kann festgestellt werden. Dieser aber ist: Rentnertum. Scharf zu betonen ist stets erneut: daß die Stadtsässigkeit der Geschlechter ihren ökonomischen Grund in den städtischen Erwerbschancen hatte, daß also in jedem Falle diese die Quelle waren, aus deren Ausnutzung die ökonomische Machtstellung der städtischen Geschlechter hervorging. Weder der antike Eupatride und Patrizier noch der mittelalterliche Patrizier war ein Kaufmann, auch kein Großkaufmann, wenn man den modernen Begriff eines ein Kontor leitenden Unternehmers zugrunde legt. Gewiß war er nicht selten an Unternehmungen beteiligt, aber dann als Schiffsbesitzer oder als Kommendatorf 175 oder Kommanditist, Darleiher auf Seegefahr, der die eigentliche Arbeit: die Seereise, die Abwicklung der Unternehmungen, anderen überläßt und | selbst nur an Risiko und Gewinn beteiligt, A unter Umständen vielleicht als Gelegenheitshändler auch an der geistigen Leitung des Unternehmens mitwirkt. Alle wichtigen Geschäftsformen der Frühantike ebenso wie des frühen Mittelalters, vor allem die Kommenda und das Seedarlehen[,] sind auf die Existenz solcher Geldgeber zugeschnitten, welche ihren Besitz in lauter konkreten Einzelunternehmungen, deren jede gesondert abgerechnet wird, und zwar zur Verteilung des Risikos 9 meist in zahlreichen^] anlegten. Damit ist natürlich nicht geleugnet, daß zwischen dem Patriziat und dem eigentlichen persönlichen Handelsbetriebe alle denkbaren Übergänge sichh finden. Der reisende Händler, welcher vom Kapitalisten Kommendageid zu Gelegenheitsunternehmungen erhielt, konnte sich in einen Chef eines großen

e A: E p i d e m n o s

f A: Kommendatar, vgl. Anm. 175.

g A: Risiko

h A: sind

174 Epidamnos (in der Römerzeit: Dyrrhachium, heute: Durazzo bzw. albanisch Dürres) in Südillyrien war eine prosperierende Hafen- und Handelsstadt. Die Handelsaktivitäten seiner Führungsschicht wurden von einem besonderen Beamten ( p o l e t e s ) geleitet; Plutarch, Moralia 297F. 175 Gemeint sein muß die Rolle als Darlehensgeber (commendator in der Terminologie des mittelalterlichen Seedarlehensgeschäfts), nicht als Darlehensnehmer (commendatarius).

194

Die Stadt

Hauses verwandeln, welches mit Kommanditkapital arbeitete und auswärtige Faktoren für sich arbeiten ließ;1 Geldwechsel und Bankgeschäfte, aber auch Reederei- und Großhandelsbetrieb konnten leicht für Rechnung eines persönlich ritterlich lebenden Patriziers betrieben werden, und auch der Übergang zwischen einem, sein jeweils brachliegendes Vermögen durch Kommendaanlage verwertenden und einem kontinuierlich als Unternehmer tätigen Kapitalbesitzer war naturgemäß flüssig. Dies ist gewiß ein sehr wichtiges und charakteristisches Entwicklungsmoment. Aber es ist erst Entwicklungsprodukt. Besonders oft erst in der Zeit der Zunftherrschaft, wo auch die Geschlechter, wollten sie an der Stadtverwaltung teilnehmen, sich in die Zünfte einschreiben lassen mußten und wo andererseits auch der nicht mehr als Unternehmer tätige Bürger in der Zunft blieb, trat diese Verwischung ein. Der Name scioperati für die großen Händlerzünfte in Italien bezeugt dies. 176 Vor allem war es typisch für die großen englischen Städte, namentlich London. Der Kampf der in den Zünften organisierten bürgerlichen ErwerbsWuG 1 560 stände um die | Herrschaft über die Stadt äußerte sich hier in dem Gegensatz der Wahlen der Gemeindevertretung und der Beamten durch die lokalen Stadtviertel (wards) und deren Repräsentanten, bei denen die Machtstellung der grundgesessenen Geschlechter meist überwog, oder durch die Zünfte (liveries). Die zunehmende Macht der letzteren äußerte sich in der zunehmenden Abhängigkeit aller Stadtbürgerrechte von der Zugehörigkeit zu einem Berufsverbande. Schon Edward II. stellte dies für London als Grundsatz auf, 177 und die bis 1351 herrschende Wahl des kommunalen1 | A 702 Council nach Stadtvierteln wurde zwar noch mehrfach (1383) gewaltsam wieder eingeführt, machte aber 1463 endgültig der Wahl nach Zünften Platz. 178 Innerhalb der Zünfte aber, denen nun jeder i A: ließ,

k In A folgt: trieben

I A: kommunen

176 „Scioperati" (ital.: Müßiggänger) ist die Bezeichnung für die von Ihren Handelsprofiten und Grundrenten lebenden Großhändler. 177 Der Erwerb des Londoner Bürgerrechts wurde an die Mitgliedschaft In einer der Zünfte geknüpft; Brentano, Lujo, Zur Geschichte der englischen Gewerkvereine (Die Arbeitergilden der Gegenwart, Band 1). - Leipzig: Duncker & Humblot 1871, S. 33 (hinfort: Brentano, Gewerkvereine). 178 Nach Hegel, Städte (wie oben, S.76, Anm.39), Band 1, S.79, und Brentano, Gewerkvereine, S.33, wurde der Stadtrat seit 1376 nicht mehr von den 24 Stadtvierteln (wards) gewählt, sondern von den Zünften. Die Wahl nach Stadtvierteln wurde 1384 (nicht

III. Die Geschlechterstadt

im Mittelalter und in der Antike

195

Bürger anzugehören hatte - auch König Edward III. wurde Mitglied der linen armourers (in heutiger Sprache: merchant tailors)179 - , war die Bedeutung der wirklich aktiven Händler und Gewerbetreibenden immer weiter zurückgetreten zugunsten der Rentner. Die Zunftmitgliedschaft wurde zwar der Theorie nach durch Lehrzeit und Aufnahme, der Tatsache nach aber durch Erbschaft und Einkauf erworben,180 und die Beziehung der Zünfte zu ihrem nominellen Betriebe schrumpfte mit wenigen Ausnahmen (z.B. der Goldschmiede)181 auf Rudimente zusammen.Teils klafften innerhalb der Zünfte ökonomische und soziale Gegensätze, teils und meist waren sie ein reiner Wahlverband von Gentlemen für die Besetzung der Gemeindeämter. Überall wurden also die Typen in der Realität untereinander immer wieder flüssig. Aber dies gilt für alle soziologischen Erscheinungen und darf die Feststellung des vorwiegend Typischen nicht hindern. Der typische Patrizier jedenfalls war dem Schwerpunkt nach kein Berufsunternehmer, sondern ein Rentner und Gelegenheitsunternehmer in der Antike ebenso wie im Mittelalter. Der Ausdruck „ehrsame Müßiggänger" findet sich in den Statuten oberrheinischer Städte als die offizielle Bezeichnung der Mitglieder

1383) wieder eingeführt. Bei der Wahl z u m Mayor 1384 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der beiden Kandidaten; vgl. Sharpe, London (wie oben, S. 168, Anm. 78), S. 227f. Aus d e m Jahr 1463 ist kein Gesetz nachweisbar, das die Wahl des Londoner Stadtrates durch die Zünfte erlaubte. Die Kompetenzen der Zünfte wurden 1468 aber insofern ausgeweitet, als ihnen von König Edward IV. das Recht verliehen wurde, g e m e i n s a m mit d e m Stadtrat d e n Mayor und die Sheriffs zu wählen; Hegel, Städte, Band 1, S.79. 1 7 9 Edward III. w u r d e Mitglied bei den Tuchhändlern bzw. Schneidermeistern, um das öffentliche A n s e h e n der Korporation zu heben und um ein Vorbild für Adel, Klerus und hochgestellte Bürger zu geben, sich ebenfalls in eine Zunft einschreiben zu lassen; vgl. Herbert, William, The History of the Twelve Great Livery C o m p a n i e s of London, vol. 1. London: William Herbert 1834, S.29; Brentano, Gewerkvereine, S. 44f. 1 8 0 In London war die Aufnahme in eine (siebenjährige) Lehre und nach deren Abschluß in die Zunft mit relativ geringen Gebühren verbunden; es g a b aber auch die Möglichkeit des unmittelbaren Einkaufs g e g e n eine höhere Summe. Seit d e m 14. Jahrhundert w u r d e die A u f n a h m e in ein Lehrverhältnis z u n e h m e n d restriktiv g e h a n d h a b t ; d a g e g e n erbten Söhne die Zunftmitgliedschaft des Vaters; Brentano, Gewerkvereine, S . 5 1 und 59f.; Gneist, Stadtverwaltung (wie oben, S. 163, Anm. 59), S. 1 7 - 2 0 . 1 8 1 Bei den G o l d s c h m i e d e n übte der Vorstand eine gewerbepolizeiliche Ü b e r w a c h u n g aus, w ä h r e n d diese bei den meisten anderen Zünften faktisch nicht mehr stattfand; vgl. Gneist, Stadtverwaltung, S. 18f.

196

Die Stadt

der Herrenstuben im Gegensatz zu den Zünften. 182 Zu den Zünften und nicht zu den Geschlechtern gehörten in Florenz die großen Händler der arte di Calimala183 und die Bankiers. Für die Antike versteht sich der Ausschluß des Unternehmertums aus den Geschlechtern erst recht von selbst. Nicht etwa, daß z. B. die 5 römische Senatorenschaft keine „Kapitalisten" in sich geschlossen hätte, darin lag der Gegensatz ganz und gar nicht. Als „Kapitalisten" im Sinne von Geldgebern haben sowohl der frühantike, insbesondere der römische, alte Patriziat den Bauern gegenüber, wie die späteren senatorischen Geschlechter den politischen Untertanen 10 gegenüber sich, wie wir sehen werden,184 in größtem Umfang betätigt. Nur die Unternehmerstellung verbot eine mitunter rechtlich fixierte Standesetikette,185 mochte darin die Elastizität auch verschieden sein, den wirklich als vornehm"1 geltenden Geschlechtern in den Städten der ganzen Antike und des ganzen Mittelalters. Die | 15 A 703 Art der Vermögensanlage des typischen Patriziats war freilich sehr verschieden je nach den Objekten, wie wir später noch näher sehen werden.186 Aber die Scheidung selbst war die nämliche. Wer die Linie zwischen den beiden Formen des ökonomischen Verhaltens: Vermögensanlage und Kapitalgewinn allzu fühlbar überschritt, Un- 20 ternehmer wurde, der wurde damit im Altertum ein Banause, im

m A: vornehmlich

182 „Müßiggang", d.h. standesgemäße Lebensführung, die die Tätigkeit in einem Gewerbe oder Handwerk ausschloß, wurde als Voraussetzung für die Mitgliedschaft In der Vereinigung der patrizischen Geschlechter („Herrenstube", „Trinkstube" nach dem Versammlungsort außerhalb des Rathauses) u. a. in Basel verlangt; Heusler, Verfassungsgeschichte (wie oben, S. 141, Anm. 108), S.255f.; Glerke, Otto, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Band 1: Rechtsgeschichte der deutschen Genossenschaft. - Berlin: Weidmann 1868, S. 342f. „Müßiggänger" als Bezeichnung für das Stadtpatriziat ist ferner u. a. für Rottweil (seit dem Ende des 14. Jahrhunderts) bezeugt; Urkundenbuch der Stadt Rottwell, Band 1, bearbeitet von Heinrich Günter (Württembergische Geschichtsquellen, Band 3). - Stuttgart: W. Kohlhammer 1896, Nr. 461, S. 184-187, hier S. 186, Z. 30. 183 „Arte di Calimala" (ital.: Zunft des schlechten Weges). Die Zunft der Tuchgroßhändler wurde nach der engen Gasse genannt, In der sie Ihre Geschäftssitze hatten; Davidsohn, Florenz (wie oben, S. 159, Anm. 49), Band 1, S. 670. 184 Siehe unten, S. 222, 263f. und 276f. 185 Vgl. oben, S.186, Anm. 150 zum Verbot bestimmter Handelsaktivitäten für römische Senatoren. 186 Siehe unten, S.253ff.

III. Die Geschlechterstadt im Mittelalter und in der Antike

5

10

15

20

197

Mittelalter ein Mann, der nicht von Rittersart war. Weil die alten ritterlichen Geschlechter mit Zunftbürgern, das hieß aber: Unternehmern, auf der Ratsbank zusammensaßen, versagte ihnen im späteren Mittelalter der ritterliche Landadel die Ebenbürtigkeit. Nicht etwa die „Erwerbsgier" als psychologisches Motiv war, wenn man auf die Praxis sieht, verpönt: der römische Amtsadel und die mittelalterlichen Geschlechter der großen Seestädte waren im Durchschnitt von der „auri sacra fames" 1 8 7 gewiß so besessen wie irgendeine Klasse in der Geschichte. Sondern die rationale, betriebsmäßige^,] in diesem speziellen Sinne „bürgerliche" Form der Erwerbstätigkeit: die systematische Erwerbsarbeit. Wenn man die Florentiner Ordinamenti della giustizia, durch welche die Geschlechterherrschaft gebrochen werden sollte, befragt: welches Merkmal denn für die Zugehörigkeit einer Familie zu den | Nobili entscheidet, die sie politisch entrechtete11, so lautet die Antwort: diejenigen Familien, denen Ritter angehörten, Familien also von der typisch ritterlichen Lebensführung. 188 Und die Art der Lebensführung war es auch, welche in der Antike °für Gewerbetreibende die Ausschließung von Kandidaturen für ein A m t 0 nach sich zog. 189 Die Konsequenz der Florentiner ordinamenti war nach Machiavelli, daß der Adlige, welcher in der Stadt bleiben wollte, sich in seiner Le-

n A: entrechteten treibende

o A: die Ausschließung von Kandidaten vom Amt für Gewerbe-

1 8 7 „Der verfluchte Hunger n a c h Gold" (Vergil, Aenels 3, 57). 1 8 8 Die „ O r d n u n g e n der Gerechtigkeit" von 1293 bzw. 1295 machten die Zünfte zum Träger der politischen O r d n u n g von Florenz; sie waren gleichzeitig g e g e n die „Magnaten" gerichtet, die einem b e s o n d e r e n Strafrecht unterstellt und von der Übernahme öffentlicher Ämter a u s g e s c h l o s s e n wurden. Zur Definition dieser rechtlich diskriminierten Familien schreibt Davidsohn, Florenz, Band 2, 2, S. 473: „Man fand, um sie v o m Volk zu scheiden, kein anderes Kennzeichen als d a s der Ritterwürde". Vgl. noch Hegel, C[arl], Die Ordnungen der Gerechtigkeit In der florentinischen Republik. Universitätsprogramm. - Erlangen: Eduard Besold 1867, besonders S. 5 (hinfort: Hegel, Ordnungen). Der Text der Gesetze findet sich bei: Bonalni, Francesco, Gli ordinamenti dl Giustizia del C o m u n e e p o p o l o di Firenze compilati nel 1293, in: Archivio storico Italiano, n.s., tomo 1 , 1 8 5 5 , S. 1 - 9 3 (hinfort: Bonalni, Gli ordinamenti), sowie in: Salvemini, Gaetano, Magnati e popolani In Firenze dal 1280 al 1295. - Firenze: G. C a r n e s e c c h i 1899, S. 3 8 4 - 4 3 2 (hinfort: Salvemini, Magnati). 1 8 9 So in Theben, wo Handwerker von öffentlichen Ämtern a u s g e s c h l o s s e n waren; Aristoteles, Politik 1278a 25f.; 1321a 28f. - Mommsen, Staatsrecht, B a n d 1, S. 497, postuliert eine e n t s p r e c h e n d e Regel a u c h für Rom.

WuG1561

198

Die Stadt

bensführung den bürgerlichen Gepflogenheiten anpassen mußte. 190 Dies waren also die primären, wie man sieht: „ständischen", Merkmale des Patriziats. Zu ihnen trat nun freilich das der charismatischen Adelsbildung überall typische politische Merkmal: Abstammung aus einer Familie, in welcher Ämter und Würden be- 5 stimmter Art einmal bekleidet worden waren und welche eben deshalb als amtsfähig galten. Das galt ebenso für die scherifischen Geschlechter in Mekka, für die römische Nobilität wie für die tribunizischen Geschlechter Venedigs. Die Abschließung war verschieden elastisch, in Venedig weniger als in Rom, wo der homo 10 novus vom Amt nicht formell ausgeschlossen war. Aber bei FeststelA 704 lung der Ratsfähigkeit und | Amtsfähigkeit als solcher wurde eine Familie überall darauf geprüft: ob ein Mitglied früher einmal im Rat gesessen oder ein ratsfähiges Amt bekleidet hatte oder, wie in den Florentiner Ordinamenti, ein Ritter unter die Vorfahren zählt. Das 15 Prinzip der ständischen Geschlossenheit steigerte sich im allgemeinen mit zunehmender Bevölkerung und zunehmender Bedeutung der monopolisierten Ämter. Mit manchen Bemerkungen des letzten Abschnittes hatten wir wiederum vorgegriffen in eine Zeit, in welcher der alte gentil- 20 charismatische Adel seine rechtliche Sonderstellung in der Stadt ganz oder teilweise schon eingebüßt und mit dem Demos der griechischen, der Plebs der römischen, dem Popolo der italienischen, den Liveries der englischen, den Zünften der deutschen Entwicklung die Macht teilen und sich ihm folglich ständisch hatte gleich- 25 ordnen müssen. Diesen Vorgang haben wir jetzt zu betrachten.

190 Machiavelli schreibt dies am Anfang des 3. Buches seiner Geschichte von Florenz; Übersetzung in: Machiavelli, Niccolo, Die Florentinische Geschichte in acht Büchern, aus dem Italienischen übersetzt von Joh[ann] Ziegler (Niccolo Machiavelli's Sämmtllche Werke, Band 4). - Karlsruhe: Ch. Th. Groos 1834, S. 115; der Text (in einer modernen Ausgabe) findet sich u.a. in: Machiavelli, Niccolò, Opere, vol. 2: Istorie fiorentine e altre opere storiche e politiche, a cura di Alessandro Montevecchl. - Torino: Unione TipograficoEditrice Torinese 1986, S. 413.

IV. Die

Plebejerstadt

199

IV. Die Plebejerstadt. 3 Die Art, wie die Herrschaft der Geschlechter gebrochen wurde, zeigt äußerlich betrachtet13 starke Parallelen zwischen Mittelalter 5 und Antike, namentlich wenn wir für das Mittelalter die großen und speziell die italienischen Städte zugrundelegen, deren Entwicklung ja ebenso wie die der antiken Städte wesentlich eigengesetzlich, d. h. ohne die Einmischung au/terstädtischer Gewalten, verlief. In den italienischen Städten nun war die entscheidende nächste Etappe 10 der Entwicklung nach der Entstehung des Podestats die Entstehung des Popolo. Im ökonomischen Sinn setzte sich der Popolo ebenso wie die deutschen Zünfte aus sehr verschiedenen Elementen zusammen, vor allem aus Unternehmern einerseits, Handwerkern andrerseits. Führend im Kampf gegen die ritterlichen Geschlechter 15 waren zunächst durchaus die ersteren. Sie waren es, welche die Eidverbrüderung der Zünfte gegen die Geschlechter schufen und finanzierten, während allerdings die gewerblichen Zünfte die nötigen Massen für den Kampf stellten. Der Schwurverband der Zünfte nun stellte sehr oft einen einzelnen Mann an die Spitze der Be|wegung, WuG1 562 20 um die Errungenschaften des Kampfes gegen die Geschlechter zu sichern. So wurde Zürich nach Vertreibung der widerspenstigen | Geschlechter aus der Stadt 13351 von dem Ritter Rudolph Brun re- A 705 giert, mit einem zu gleichen Teilen aus den in der Stadt verbliebenen Rittern und Constaffeln, den Unternehmerzünften der Kaufleute, 25 Tuchhändler, Salzhändler, Goldschmiede einerseits und kleingewerblichen Zünften anderseits gebildeten Rat[,j und widerstand so der Belagerung des Reichsheeres. 2 Die Schwureinung der Zunfta Die Herkunft dieser Überschrift ist zweifelhaft, vgl. den Editorischen Bericht, oben, S. 56. b A: betrachtet, 1 Tatsächlich im Jahre 1336. 2 Im Jahre 1336 gelang dem Ritter Rudolph Brun mit Unterstützung eines Teils der (1291/ 92 von den Fernhandelskaufleuten entmachteten) ritterbürtigen Geschlechter und der Zünfte ein Umsturz der Verfassung. (Vgl. zur Definition von „Constaffeln" oben, S. 106 mit Anm. 16). Ein Teil der zuvor regierenden Geschlechter wurde verbannt, die Ratsverfassung neu geordnet und Brun als Bürgermeister und Stadthauptmann auf Lebenszeit eingesetzt. Er konnte diese, auf breite Zustimmung gestützte Herrschaft tatsächlich bis zu seinem Tode (1360) bewahren. Zürich behauptete sich gegen Attacken der Exulanten, aber auch (seit 1351) gegen mehrere Angriffe des Herzogs Albrecht II. von Österreich, an denen sich 1354 auch Kaiser Karl IV. mit einem Reichsheer beteiligte; vgl. Dändliker, Karl, Geschichte der Stadt und des Kantons Zürich, Band 1: Vorgeschichte der Stadt und der Landschaft bis 1400. - Zürich: Schulthess 1908, S. 126-159.

200

Die

Stadt

bürgerschaft war in Deutschland meist nur vorübergehend eine Sondereinung. Die Umgestaltung der Stadtverfassung entweder durch Aufnahme von Zunftvertretern in den Rat oder durch völliges Aufgehen der Bürgerschaft mit Einschluß der Geschlechter in die Zünfte beendete ihr Bestehen. Als eine dauernde Organisation blieb die Verbrüderung nur in einigen Städten Niederdeutschlands und des baltischen Gebietes als Gesamtgilde bestehen. Ihr gegenüber den Berufsverbänden sekundärer Charakter geht aus der Zusammensetzung ihres Vorstandes durch die Gildemeister der Einzelverbände hervor. Ohne Zustimmung der Gilden durfte in Münster im 15. Jahrhundert niemand gefangen gesetzt werden: die Gesamtgilden fungierten also als ein Schutzverband gegen die Rechtspflege des Rates, dem in Verwaltungssachen Vertreter der Gilden entweder dauernd oder für wichtige Angelegenheiten beigesellt wurden, ohne deren Zuziehung nichts verfügt werden sollte.3 Weit mächtigere Dimensionen nahm der Schutzverband der Bürgerschaft gegen die Geschlechter in Italien an. Der italienische Popolo war nicht nur ein ökonomischer, sondern ein politischer Begriff: eine politische Sondergemeinde innerhalb der Kommune, mit eigenen Beamten, eigenen Finanzen und eigener Militärverfassung: im eigentlichsten Wortsinn ein Staat im Staate, der erste ganz bewußt illegitime und revolutionäre politische Verband. Der Grund der Erscheinung lag in der in Italien infolge der stärkeren Entwicklung der ökonomischen und politischen Machtmittel des Stadtadels viel stärkeren Ansiedelung ritterlich lebender Geschlechter in den Städten selbst, von deren Folgen wir noch öfter zu reden haben werden. 4 Der Verband des Popolo, der ihnen entgegentrat, beruhte auf der Verbrüderung von Berufsverbänden (arti oder paratici 5 ), und die dadurch gebildete Sondergemeinde führte

3 Weber bezieht sich zur Rolle der Gilden in Münster wohl auf Nitzsch, Karl W., Die niederdeutsche Kaufgilde, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abtheilung, Band 13, 1892, S. 1 - 9 5 , hier S. 49ff. (S.51 zu den Regelungen bei Verhaftungen), sowie Hegel, Städte (wie oben, S. 76, Anm. 39), Band 2, S. 377-382; vgl. ebd., S.380, zu einem Konflikt aus dem Jahre 1412, der zeigt, wie die Gilden die von Weber angesprochene Schutzfunktion wahrnahmen, wenngleich sie ihnen de jure wohl nicht zustand. 4 Siehe unten, S. 2 0 2 - 2 0 4 und 207. 5 Die Bezeichnung „paratici", Teilnehmer an einer Parade, bezieht sich auf die Umzüge der Zünfte.

IV. Die

Plebejerstadt

201

offiziell in den ersten Fällen ihrer Entstehung (Mailand 1198, Lucca 1203, Lodi 1206, Pavia 1208, Siena 1210, Verona 1227, Bologna 1228) den Namen societas, credenza, mercadanza, com|munanza oder ein- A 706 fach popolo.6 Der höchste Beamte der Sondergemeinde hieß in Ita5 lien meist Ccapitaneus populic, wurde kurzfristig, meist jährlich gewählt und besoldet, sehr oft nach dem Muster des Podesta7 der Gemeinde von auswärts her berufen und hatte dann seinen Beamtenstab mit sich zu bringen. Der Popolo stellte ihm eine meist entweder nach Stadtquartieren oder nach Zünften ausgehobene Miliz. Er reio sidierte oft wie der Podesta der Gemeinde in einem besonderen Volkshause mit Turm, einer Festung des Popolo. Ihm zur Seite standen als besondere Organe, namentlich für die Finanzverwaltung, die Vertreter (anziani oder priori) der Zünfte^ nach Stadtquartieren kurzfristig gewählt. Sie beanspruchten das Recht, die Popolanen vor 15 Gericht zu schützen, Beschlüsse der Kommunalbehörden zu beanstanden, Anträge an sie zu richten, oft einen direkten Anteil an der Gesetzgebung. Vor allem aber wirkten sie bei Beschlüssen des Popolo selbst mit. Dieser hatte, bis er zu voller Entwicklung gelangte, seine eigenen Statuten und seine eigene Steuerordnung. Zuwei20 len erreichte er, daß Beschlüsse des Kommune nur Geltung haben sollten, wenn auch der Popolo ihnen zugestimmt hatte, so daß neue Gesetze des Kommune in beiden Statuten zu vermerken waren. Für seine eigenen Beschlüsse erzwang er[,j wo immer möglich, Aufnahme in die kommunalen Statuten, in einzelnen Fällen aber erreichte 25 er, daß die Beschlüsse des Popolo allen anderen, also auch den kommunalen Statuten vorgehen sollten (abrogent statutis ómnibus et Semper ultima intelligantur in Brescia).8 Neben die Gerichtsbarkeit des Podesta trat diejenige der Mercanzia oder der Domus mercatorum, welche insbesondere alle Markt- und Gewerbesachen an c A: capitanens popoli 6 Die Daten zur Konstituierung des popolo in den genannten Städten und die jeweiligen Bezeichnungen des Sonderverbands finden sich bei Salzer, Anfänge, S.90, A n m . 7 , der allerdings die „ B e g r ü n d u n g zweier societates" in Lucca auf 1198 datiert. 7 Vgl. oben, S. 160f. 8 Der Satz beginnt: „Item quod statuta populi, et reformationes consciliorum populi abrogent[...]". Der Text des nicht näher datierbaren Statuts aus d e m 13. Jahrhundert findet sich in: Statuti bresciani del secolo XIII, ed. F. Odorici, in: Historiae Patriae Monumenta, tomus 16: Leges municipales, tomus 2. - Turin: B o c c a 1876, coli. 1584, 9 5 - 2 8 0 , hier col. 1584, 98, 1.

202

Die Stadt

sich zog, also ein Sonder |gericht für Angelegenheiten der Kaufleute und Gewerbetreibenden darstellte.9 Darüber hinaus gewann sie nicht selten universelle Bedeutung für die Popolanen. Der Podesta von Pisa mußte im 14. Jahrhundert schwören, daß er und seine Richter sich niemals in Streitigkeiten zwischen Popolanen einmischen würden d , und zuweilen gewann der Capitan eine allgemeine konkurrierende Gerichtsbarkeit neben dem Podesta, ja in einzelnen Fällen wurde er Kassationsinstanz gegen dessen Urteile.10 Sehr oft erhielt er das Recht^ an den Sitzungen der Kommunalbehörde kontrollierend teilzunehmen und sie zu sistieren, zuweilen die Befugnis, die Bürgerschaft des Kommune zusammenzuberufen, die A 707 Beschlüsse des Rats auszuführen, wenn der Podesta es unterließ, das Recht der Verhängung und Lösung des Bannes und die Kontrolle und Mitverwaltung der kommunalen Finanzen, vor allem der Güter der Verbannten. Dem offiziellen Range nach stand er hinter dem Podesta zurück, aber er war in Fällen wie dem zuletzt genannten ein Beamter der Kommune geworden, capitaneus populi et communis,11 römisch gesprochen ein collega minor, sachlich meist der Mächtigere von beiden. Er verfügte oft auch über die Truppenmacht der Kommune, zumal je mehr diese aus Soldtruppen bestand e , für welche die Mittel nur durch die Steuerleistung der reichen Popolanen aufgebracht werden konnten.

WuG1563

d A: würde

e A: bestanden

9 „Mercanzia" hieß der Zusammenschluß der vornehmsten Kaufleute z. B. In Florenz und Brescia; in Verona nannte sich die Vereinigung domus mercatorum. Die Mitglieder dieser Kaufmannsgesellschaften gaben sich Statuten, die u.a. das Haftungsrecht und die Organisation von Handelsgesellschaften regelten; vgl. Weber, Handelsgesellschaften, S. 73ff., 84 und 89 (MWG 1/1). Über die Mercanzia in Florenz mit ihren Zuständigkeiten in der Handelsgerichtsbarkeit handelt Dören, Alfred, Studien aus der Florentiner Wirtschaftsgeschichte, Band 2: Das Florentiner Zunftwesen vom vierzehnten bis zum sechzehnten Jahrhundert. - Stuttgart und Berlin: J.G. Cotta Nachfolger 1908, S. 7 4 5 - 7 5 1 (hinfort: Dören, Zunftwesen), über die entsprechenden Kompetenzen der Kaufmannschaft in Bologna Schelb, Wilhelm, Staatsverwaltung und Selbstverwaltung. Staatliche Rechtspflege u. Sondergerichtsbarkeit im Stadtstaat Bologna unter der ausgebildeten Demokratie. Karlsruhe: G. Braun 1910 [Diss. Freiburg i.B.], S. 6 4 - 7 0 . 10 Weber folgt hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses zwischen Volkscapitan und „Podesta" Salzer, Anfänge, S. 1 4 8 - 1 5 7 ; zum Amtseid des „Podestà" in Pisa Anfang des 14. Jahrhunderts vgl. ebd., S. 149. 11 Der Titel „capitaneus communis et populi' ist für Parma bzw. Siena belegt; vgl. Salzer, Anfänge, S. 157 und 159.

IV. Die Plebejerstadt

203

Bei vollem Erfolg des Popolo war alsoj,] rein formal betrachtet, der A d e l völlig negativ privilegiert. Die Amter der Kommune waren den Popolanen zugänglich, die Ämter des Popolo dem A d e l nicht. Die Popolanen waren bei Kränkungen durch die Nobili prozessual privilegiert, der Capitan und die Anzianen kontrollierten die Verwaltung der Kommune, während der Popolo unkontrolliert blieb. Die Beschlüsse des Popolo allein betrafen' zuweilen die Gesamtheit der Bürger. In vielen Fällen war der A d e l ausdrücklich von der Teilnahme an der Verwaltung des Kommune zeitweise oder dauernd ausgeschlossen. Die bekanntesten von ihnen sind die schon erwähnten ordinamenti della giustizia des Giano della 9 Bella von 1293.12 Neben denh Capitan, der hier Anführer der Bürgerwehr der Zünfte war, stellte man hier als außerordentlichen^] rein politischen Beamten den auf sehr kurze Frist gewählten gonfaloniere della giustizia' mit einer speziellen, jederzeit aufgebotsbereiten ausgelosten Volksmiliz von 1000 Mann, eigens für den Zweck des Schutzes der Popolanen, der Betreibung und Vollstreckung von Prozessen gegen Adlige und der Kontrolle der Innehaltung der ordinamenti.13 Die politische Justiz mit offiziellem Spionagesystem und Begünstigung anonymer Anklagen, beschleunigter Inquisitionsprozedur gegen Magnaten und sehr vereinfachtem Beweis (durch „Notorietät") 1 4 war das demokratische Gegenstück des venezianischen Prozesses vor dem Rat der Zehn. In sachlicher Hinsicht war der Ausschluß aller ritterlich lebenden Familien von den Ämtern, ihre Ver-

f A: bekannten

g A: delle

h A: dem

i A: guistizia

12 Vgl. oben, S. 197 mit Anm, 188. Giano della Bella war der Führer des Volkes, der diese Gesetzgebung in Florenz durchsetzte. 13 Ein „gonfaloniere della giustizia" (Bannerträger der Gerechtigkeit) war in Florenz erstmals 1289 eingesetzt worden; mit der Verfassungsordnung von 1293 wurde daraus ein offizielles Amt; die Amtsdauer betrug zwei Monate; vgl. Dören, Zunftwesen (wie oben, S. 202, Anm. 9), S. 5 3 f „ und Davidsohn, Florenz, (wie oben, S. 159, Anm. 49), Band 2, 2, 5. 478f., sowie Schalk, Karl, Sociale Momente in der Verfassungsgeschichte der florentinischen Republik, in: Mittheilungen des Instituts für oesterreichische Geschichtsforschung, 6. Ergänzungsband. - Innsbruck: Wagner 1901, S. 293-319, hier S. 302-305. 14 Angebliche Übergriffe von Magnaten auf Popolanen konnten in Florenz allein aufgrund der Aussagen zweier Zeugen verfolgt werden, die nur die publica fama, das „öffentliche Gerücht" über den Vorfall, bezeugen mußten; Paragraph 6 des Gesetzes bei Bonaini, Gli ordinamenti (wie oben, S. 197, Anm. 188), S. 55, bzw. Salvemini, Magnati (wie oben, S. 197, Anm. 188), S.397; vgl. Hegel, Ordnungen (wie oben, S. 197, Anm. 188), S. 4f.; Davidsohn, Florenz, Band 2, 2, S. 478.

204

Die Stadt

pflichtung zur Wohlverhaltensbürgschaft, die Haftung des ganzen Geschlechts für jedes Mitglied, besondere Strafgesetze gegen politische Vergehen der Magnaten, speziell für Beleidigung der Ehre eiA 708 nes Popolanen, das Verbot des Erwerbs | von unbeweglichem Gut, an welches ein Popolane angrenzte, ohne dessen Zustimmung, wohl 5 amk einschneidensten. Die Garantie der Herrschaft des Popolo übernahm interlokal die Parte Guelfa, deren Parteistatut als Teil der Stadtstatuten behandelt wurde.15 Niemand, der nicht bei der Partei eingeschrieben war, durfte in ein A m t gewählt werden. Über die Machtmittel der Partei wurde schon gesprochen.16 Schon diese 10 Garantie durch eine wesentlich auf ritterliche Streitkräfte gestützte Parteiorganisation läßt vermuten, daß auch durch die Ordinamenti die soziale und ökonomische Macht der Geschlechter nicht wirklich beseitigt wurde. In der Tat: schon ein Jahrzehnt nach dem Erlaß dieser von zahlreichen toskanischen Städten übernommenen Florenti- 15 ner Klassengesetze standen die Geschlechterfehden wieder in Blüte,17 und dauernd blieben kleine plutokratische Gruppen im Besitz der Macht. Selbst die Ämter des Popolo wurden fast immer mit Adligen besetzt, denn Adelsgeschlechter konnten unter die Popolanen ausdrücklich aufgenommen werden. Der wirkliche Verzicht 20 auf ritterliche Lebensführung war nur teilweise effektiv. Im wesentlichen hatte man nur politische Obödienz zu garantieren und sich in WuG1 564 eine | Zunft einschreiben zu lassen. Der soziale Effekt war wesentlich eine gewisse Verschmelzung der stadtsässigen Geschlechter mit dem „popolo grasso", den Schichten mit Universitätsbildung oder 25 Kapitalbesitz: denn jene 7 oberen Zünfte, 18 welche die Richter, Notare, Wechsler, Händler in fremden Tuchen, Händler in Florentiner

k A: die 15 Zur Übernahme offizieller Regierungsfunktionen in Florenz nach 1267 durch die Guelfen, die seit 1274/75 regelmäßig einen „capitano" aus einer anderen Stadt beriefen, vgl. Davidsohn, Florenz (wie oben, S. 159, Anm.49), Band 2, 1, S. 618; Band 2, 2, S. 1 1 7 120 und 178; das älteste erhaltene Statut der Florentiner Guelfen aus dem Jahre 1335 ist ediert von Bonalni, Francesco], Statuto della Parte Guelfa dl Firenze compilato nel MCCCXXXV, in: Giornale Storico degli Archivi Toscani, voi. 1, 1857, S. 1 - 4 1 . 16 Siehe oben, S. 159. 17 So kam es In Florenz im Anschluß an die Maifeier des Jahres 1300 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Adelsfamilien samt ihren Anhängerschaften; vgl. Davidsohn, Florenz, Band 3, S. 100-104. 18 Das sind die „arti maggiori".

IV. Die

Plebejerstadt

205

Wolltuchen, Seidenhändler, Ärzte, Spezereihändler, Pelzhändler umfaßten, führten jenen Namen. Aus diesen oberen Zünften, in welche die Adligen eintraten, mußten ursprünglich alle Beamte der Stadt gewählt werden. Erst mehrere weitere Revolten beteiligten 5 schließlich 14 arti minori des Popolo minuto, d. h. der gewerblichen Kleinunternehmer, formell an der Gewalt.19 Nicht diesen 14 Zünften angehörige Handwerkerschichten haben nur ganz vorübergehend, nach der Revolte der Ciompi (1378)[,j Anteil am Regiment und überhaupt eine selbständige zünftige Organisation errungen.20 10 Nur in wenigen Orten und zeitweise ist den Kleinbürgern, wie in Perugia 1378,21 gelungen durchzusetzen: daß außer den Nobili auch der Popolo grasso rechtlich von der Beteiligung am Priorenrat ausgeschlossen blieb. Es ist charakteristisch, daß diese unteren besitzlosen Schichten des gewerblichen Bürgertums sich bei ihrem Angriff 15 auf die Herrschaft des Popolo grasso regel| mäßig der Unterstüt- A 709 zung der Nobili erfreuten, ganz ebenso wie später die Tyrannis mit Hilfe der Massen begründet wurde und wie vielfach schon im 13. Jahrhundert der Adel und diese Unterschichten gegen den Ansturm des Bürgertums zusammengestanden hatten. Ob und wie 20 stark dies der Fall war, hing von ökonomischen Momenten ab. Die Interessengegensätze der kleinen Handwerker konnten bei entwikkeltem Verlagssystem sehr schroff mit denen der Unternehmerzünfte kollidieren. In Perugia z. B. schritt die Entwicklung des Verlages so schnell voran, daß 1437 ein Einzelunternehmer neben 28 25 filatori auch 176 filatrici in Nahrung setzte, wie Graf Broglio d'Ajano nachweist.22 Die Lage der verlegten Kleinhandwerker war oft prekär und unstet. Auswärtige Arbeiter und tageweise Miete fin-

19 Im Jahr 1343 erhielten In Florenz die „arti minori" einen in der Verfassung festgelegten Anteil an den wichtigen politischen Ämtern der Stadt; Dören, Zunftwesen, S. 757. 20 Als „Ciompi" werden die Arbeiter der Wolltuchindustrie bezeichnet, die über keine politischen Rechte verfügten, da sie keiner der 21 Zünfte angehörten. Während des Aufstands vom Juni bis August 1378 schlössen sie sich zu drei neuen Zünften zusammen und erreichten vorübergehend ihre Beteiligung an der Stadtregierung; vgl. Dören, Zunftwesen, S. 231-236. 21 Der Beleg findet sich bei Broglio d'Ajano, Lotte sociali, S. 347. 22 Die Zahlen der Spinner und Spinnerinnen finden sich bei Broglio d'Ajano, Lotte sociali, S. 344. - Beim Verlagssystem beschäftigt ein Unternehmer Arbeiter in deren Wohnung, gibt ihnen das Rohmaterial für die Produktion und übernimmt den Verkauf. „Verlag" bedeutet „Vorlage", „Vorschuß" des Rohmaterials bzw. des Verkaufspreises; vgl. Bücher, Gewerbe (wie oben, S. 71, Anm. 25), S. 867.

206

Die Stadt

den sich, und die Unternehmerzünfte suchten die Verlagsbedingungen ihrerseits ebenso einseitig zu reglementieren wie die Zünfte der verlegten Handwerker (so die cimatori in Perugia) 23 die Lohnunterbietung verboten. Ganz naturgemäß erwarteten diese Schichten von der Regierung der Oberzünfte nichts. Aber zur politischen Herrschaft sind sie auf die Dauer nirgends gelangt. Die proletarische Schicht der wandernden Handwerksburschen vollends liegt überall ganz außerhalb jeder Beziehung zur Stadtverwaltung. Erst mit der Beteiligung der unteren Zünfte kam überhaupt ein wenigstens relativ demokratisches Element in die Räte der Städte hinein. Ihr faktischer Einfluß blieb trotzdem normalerweise gering. Die allen italienischen Kommunen gemeinsame Gepflogenheit^] für die Wahlen der Beamten besondere Komitees zu bilden, sollte die politische Verantwortung derj,] in der modernen europäischen Demokratie unverantwortlichen und oft anonymen^] Wahlleiter garantieren1 und die Demagogie unterbinden. 24 Sie ermöglichte eine planmäßige Auslese und einheitliche Zusammenfassung der jeweilig amtierenden Räte und Beamten, konnte aber normalerweise nur auf einen Kompromiß der sozial einflußreichen Familien hinauslaufen und vor allem die finanziell ausschlaggebenden Schichten nicht ignorieren. Nur in Zeiten der Konkurrenz verschiedener gleich mächtiger Familien um die Macht oder religiöser Erregungen hat die „öffentliche Meinung" positiven Einfluß auf die Zusammensetzung der Behörden gehabt. Den Medici ist die Beherrschung der

I Fehlt in A; garantieren sinngemäß ergänzt.

23 Zu d e n Regeln der Zunft der Tuchscherer („cimatori") vgl. Broglio d'Ajano, Lotte soclali, S. 340. 24 Die Wahlen In d e n Italienischen K o m m u n e n wurden von Wahlmännern in komplizierten, oft mehrstufigen Verfahren durchgeführt, die zur Auswahl der jeweils besten Kandidaten ohne Rücksicht auf verwandtschaftliche, soziale und politische Bindungen führen sollten; die Wahlmänner w u r d e n im Regelfall durch Eid auf diesen Grundsatz verpflichtet. Eine unmittelbare Willensbildung in der Bürgerschaft selbst und ein darauf zielender „Wahlkampf" waren damit ausgeschlossen. Webers in der vorliegenden Form schwer verständliche B e m e r k u n g zielt offenbar auf den damit g e g e b e n e n Unterschied zu unmittelbaren, demokratischen Wahlen (bei denen jedoch die Unverantwortllchkeit der Wahlleiter in der Natur der Sache liegt, so daß das Argument in gewisser Hinsicht eher auf d e n Wähler b e z o g e n w e r d e n könnte).

IV. Die

Plebejerstadt

207

Stadt ohne alle eigene amtliche Stellung lediglich durch Einfluß und systematische Wahlbeeinflussung gelungen. 25 | Die Erfolge des Popolo wurden nicht ohne heftige und oft blutige A 710 und dauernde Kämpfe erreicht. Der Adel wich aus der Stadt und befehdete sie von seinen Burgen aus. Die Bürgerheere brachen die Burgen, und die Gesetzgebung der Städte sprengte die traditionelle grundherrliche Verfassung des Landes zuweilen durch planmäßige Bauernbefreiung. Die nötigen Machtmittel zur Niederwerfung des Adels aber gewann der Popolo durch die anerkannten Organisationen der Zünfte. Die Zünfte waren von Seiten des Kommune von Anfang an für Verwaltungszwecke benutzt | worden. Man hatte die WuG1 565 Gewerbetreibenden teils für den Festungswachtdienst, zunehmend aber auch für den Felddienst zu Fuß nach Zünften aufgeboten. Finanziell war mit dem Fortschritt der Kriegstechnik vor allem die Hilfe der Unternehmerzünfte zunehmend unentbehrlich geworden. Einen intellektuellen und verwaltungstechnischen Rückhalt aber gaben die Juristen, vor allem die Notare, vielfach auch die Richter und die ihnen nahestehenden fachgelehrten Berufe der Ärzte und Apotheker. Diese in den Kommunen regelmäßig zünftig organisierten intellektuellen Schichten gehörten überall führend zum popolo und spielten eine ähnliche Rolle wie in Frankreich innerhalb des tiers état m 26 die Advokaten und andere Juristen; die ersten Volkscapitane waren regelmäßig vorher Vorsteher einer Zunft oder eines Verbandes von solchen gewesen. Die Mercadanza namentlich, ein zunächst unpolitischer Verband der Handels- und Gewerbetreibenden (denn mercatores bezeichnete auch hier, wie E[rnst] Salzer mit Recht betont hat, 27 alle städtischen Gewerbetreibenden und Händler)^] war die normale Vorstufe der politischen Organisation des Popolo, ihr Vorsteher, der Podesta mercatorum, oft der erste Volkscapitan. Die ganze Entwicklung des Popolo aber bewegte sich

m A: etat

2 5 Von 1434 bis zu ihrer Vertreibung 1494 bestimmten die Häupter der Medici (v.a. Cosimo der Alte und Lorenzo der Prächtige) die Politik von Florenz, ohne selber ein Amt zu bekleiden. Ihre Kontrolle über die Besetzung der Ämter wurde durch Wahlverfahren begünstigt, bei denen die faktische Entscheidung bei einem Wahlmännergremium lag. 2 6 Der dritte Stand der Generalstände. 2 7 Salzer, Anfänge, S. 87, Anm. 1, und S. 97 mit Anm. 23.

208

Die Stadt

zunächst in der Richtung eines organisierten Schutzes der Interessen der Popolanen vor den Gerichten und kommunalen Körperschaften und Behörden. Ausgangspunkt der Bewegung war regelmäßig die oft sehr weitgehende faktische Rechtsverweigerung gegenüber Nichtadligen. Nicht nur in Deutschland (wie für Straßburg 5 überliefert) war es häufig, daß Lieferanten und Handwerker statt der geforderten Zahlung mit Prügeln bedacht wurden und dann kein Recht fanden. 28 Noch mehr aber wirkten anscheinend die persönlichen Beschimpfungen und Bedrohungen von Popolanen durch den militärisch überlegenen Adel, welche überall immer erneut 10 A 711 noch ein Jahr|hundert nach der Bildung des Sonderverbandes wiederkehren. Das soziale Standesgefühl der Ritterschaft und das naturgemäße Ressentiment des Bürgertums stießen aufeinander. Die Entwicklung des Volkscapitanats knüpfte daher an eine Art von tribunizischem" Hilfs- und Kontrollrecht gegenüber den Kommu- 15 nalbehörden an, entwickelte sich von hier aus zur Kassationsinstanz und schließlich zu einer koordinierten universellen Amtsgewalt. Begünstigt wurde der Aufstieg des Popolo durch die Geschlechterfehden, welche eine Schädigung ökonomischer Interessen der Bürger und oft den ersten Anlaß des Eingreifens ihrer Beamten bedeu- 20 teten. Dazu trat der Ehrgeiz einzelner Adliger^] mit Hilfe des Popolo zu einer Tyrannis zu gelangen. Überall lebte der Adel in steter Besorgnis vor solchen Gelüsten. Überall aber gab die Gespaltenheit des Adels dem Popolo die Möglichkeit^] militärische Machtmittel eines Teiles der Ritterschaft in seine Dienste zu stellen. - 25 Rein militärisch angesehen, war es die sich verbreitende Bedeutung der Infanterie, welche gegenüber der Ritterkavallerie hier erstmalig ihre Schatten vorauswarf. 29 In Verbindung mit den Anfängen rationaler militärischer Technik: in den Florentiner Heeren des 14. Jahr-

n A: tribunizisches

2 8 Diesen Sachverhalt referiert Schmoller, Strassburg (wie oben, S. 106, Anm. 16), S. 20, gestützt auf die Straßburger Chronik des Fritsche Closener zum Jahr 1332, ediert in: Die Chroniken der oberrheinischen Städte. Straßburg, Band 1 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Band 8). - Leipzig: S. Hirzel 1870, hier S. 123. 2 9 Vgl. für die Entwicklung einer effizienten Infanterie in den lombardischen Städten unten, S. 289 mit Anm. 254.

IV. Die

Plebejerstadt

209

hunderts finden sich erstmalig die „Bombarden", die Vorläufer der modernen Artillerie, erwähnt.30 Äußerlich sehr ähnlich war nun in der Antike die Entwicklung des Demos und der Plebs. Vor allem in Rom, wo ganz entsprechend 5 der Sondergemeinde des Popolo die Sondergemeinde der Plebs mit ihren Beamten entstand. Die Tribunen waren ursprünglich gewählte Vorsteher der nichtadligen Bürgerschaft der vier Stadtbezirke, die Ädilen, wie E[duard] Meyer annehmen möchte, Verwalter des kultgenossenschaftlichen Heiligtums und zugleich Schatzhauses 10 der nicht adeligen Bürgerschaft und im Zusammenhang damit Schatzmeister der Plebs.31 Die Plebs selbst konstituierte sich als eine Schwurverbrüderung, welche jeden niederzuschlagen gelobte, der ihren Tribunen bei der Wahrnehmung der Interessen der Plebejer in den Weg treten würde: dies bedeutete es, wenn der Tribun als 15 sacro sanctus bezeichnet wurde im Gegensatz zu den legitimen Beamten der römischen Gemeinde,32 ganz ebenso wie dem italienischen Volkscapitan normalerweise das dei gratia fehlte, welches die Beamten mit legitimer Gewalt, die Consules, ihrem Namen noch beizusetzen pflegten. | 20 Ebenso fehlte dem Tribunen die legitime Amtsgewalt und deren WuG1 566 Merkmal: der Verkehr mit den Göttern der Gemeinde, die | Auspicia, ebenso das wichtigste Attribut des legitimen Imperium: A712 die legitime Strafgewalt, an deren Stelle er als Haupt der Plebs die Macht besaß, bei handfester Tat gegen jedermann, der ihn in seinen 25 Amtshandlungen behinderte, eine Art von Lynchjustiz ohne Verfahren und Urteil durch Festnahme und Herabstürzen vom Tar-

30 Die erste urkundliche Erwähnung weist Davidsohn, Florenz (wie oben, S. 159, Anm. 49), Band 3, S. 758f., für das Jahr 1326 nach. 31 Meyer, Plebs 2 , S. 101 f. (= Plebs 3 , S. 1052f.). Die Identifizierung der Ädilen als „Tempelherren" des Ceres-Heiligtums der Plebs auf d e m Aventin entspricht g ä n g i g e n Fors c h u n g s m e i n u n g e n ; von der c o m m u n i s opinio der Forschung weicht j e d o c h erheblich die A n n a h m e ab, daß die Volkstribune ursprünglich die Vorsteher der vier städtischen Tribus gewesen seien. Meyer hatte diese These entwickelt In: Der Ursprung des Tribunats und die G e m e i n d e der vier Tribus, In: Hermes, Band 30, 1895, S. 1 - 2 4 . 32 Livius 3, 55, 7. - Weber folgt In der Sache M o m m s e n , Staatsrecht, Band 2, 1, S. 286f., der den Unterschied zwischen der auf „Selbsthülfe" der Plebs g r ü n d e n d e n trlbunizischen Gewalt u n d der legitimen Amtsgewalt der Magistrate betont.

210

Die Stadt

pejischen Felsen zu vollziehen.33 Wie beim Capitan und den Anzianen0, so entwickelte sich auch bei ihm seine spätere Amtsgewalt aus dem Recht^ bei Amtshandlungen^1 der Magistrate für Plebejer einzutreten und die Handlung zu inhibieren.34 Dieses Interzessionsrecht, das allgemeine negative Attribut der römischen Beamten gegen jede gleiche oder niedrigere Amtsgewalt^ war seine primäre Befugnis. Ganz wie beim Capitan entwickelte sich seine Macht von hier aus zu einer allgemeinen Kassationsinstanz und damit zur faktisch höchsten Gewalt innerhalb des städtischen Friedensbezirkes. Im Felde hatte der Tribun nichts zu sagen, hier herrschte das Kommando des Feldherrn unbeschränkt. Diese Beschränkung auf die Stadt im Gegensatz zu den alten Amtsgewalten ist für den spezifisch bürgerlichen Ursprung des Tribunen charakteristisch. Kraft dieser Kassationsgewalt allein haben die Tribunen alle politischen Errungenschaften der Plebs durchgesetzt:35 das Provokationsrecht gegen Kriminalurteile,36 die Milderung des Schuldrechts,37 die Rechtsprechung an den Markttagen im Interesse des Landvolks,38 die gleichmäßige Beteiligung an den Ämtern, 39 o A: Ancianen

p A: Amtsverhandlungen

33 Das saxum Tarpeium ist ein Fels am Südosthang des Capltols; der Sturz von diesem Felsen war eine Form tribunizischer Selbstjustiz (Llvius 6, 20, 12); von ,,regullrte[r] Lynchjustiz" der Volkstribune spricht M o m m s e n , Theodor, Die patriclschen und die plebejischen Sonderrechte in d e n Bürger- und Rathsversammlungen, In: ders., Römische Forschungen, Band 1. - Berlin: W e i d m a n n 1864, S. 1 2 9 - 2 8 4 , hier S. 179. 34 Der Vergleich zwischen d e n Anzianen des „Popolo" und d e m römischen Volkstribunat findet sich bei Salzer, Anfänge, S. 148. 35 Die Im f o l g e n d e n Text aufgezählten Forderungen der Plebs wurden zumeist In Beschlüssen der von d e n Tribunen einberufenen plebejischen Volksversammlungen niedergelegt; für die Durchsetzung dieser Pleblscite (bzw. Ihre Bestätigung durch förmliche Gesetze) war entscheidend, daß die Tribüne d e n Magistraten des Gesamtstaates mit der Verhinderung Ihrer A m t s h a n d l u n g e n drohen konnten. 36 Das Recht, g e g e n die Bestrafung durch einen Magistrat an die Volksversammlung appellleren zu können; der Überlieferung nach durch Gesetze von 509, 449 (beide sicherlich unhistorisch) und 300 v.Chr. (lex Valeria, Livlus 10, 9, 3 - 6 ) anerkannt. 37 Namentlich durch die Einschränkung der Personalexekution, d. h. das Verbot der Tötung, des Verkaufs und der Fesselung des säumigen Schuldners, durch die lex Poetelia Papiria von 326 v.Chr.; Livius 8, 28. 38 Wahrscheinlich w u r d e dies gleichzeitig mit der weiter unten Im Text g e n a n n t e n lex Hortensia von 287 v.Chr. geregelt (Macrobius, Saturnalia 1, 16, 30); vgl. Weber, Agrarverhältnisse 3 , S. 154 (MWG I/6), mit Bezug auf Meyer, Plebs 2 , S. 105 (= Plebs 3 , S. 1056). 39 Durch eine lex Licinia Sextia 376 bzw. 367 v.Chr. geregelt, die Plebejer grundsätzlich zum Consulat zuließ; Livlus 6, 35, 4f. und 6, 42, 9 - 1 2 .

IV. Die

5

10

15

20

25

Plebejerstadt

211

zuletzt auch an den Priesterämtern 40 und am Rat 41 und schließlich auch die in italienischen Kommunen gelegentlich erreichte, 42 in Rom durch die letzte Sezession der Plebs durchgesetzte Bestimmung des hortensischen Plebiszites: daß die Beschlüsse der Plebs die ganze Gemeinde binden sollten, 43 im Resultat also die gleiche formale Zurücksetzung der Geschlechter wie im mittelalterlichen Italien. Nach diesem Austrag der älteren Ständekämpfe tritt die politische Bedeutung des Tribunats weit zurück. Ebenso wie der Capitan wurde jetzt der Tribun ein Beamter der Gemeinde, einrangiert sogar in die sich entwickelnde Ämterlaufbahn, nur gewählt von den Plebejern allein, deren historische Scheidung vom Patriziat praktisch fast bedeutungslos wurde und der Entwicklung des Amtsund Vermögensadels (Nobilität und Ritter) Platz machte. In den nun entstehenden Klassenkämpfen traten die alten politischen Befugnisse erst seit der Gracchenzeit 44 noch einmal mächtig hervor als Mittel im Dienst der politischen Reformer und der ökonomi| sehen A 713 Klassenbewegung der dem Amtsadel feindlichen, politisch deklassierten Bürgerschaft. Dies Wiederaufleben führte dazu, daß schließlich die tribunizische Gewalt neben dem militärischen Kommando das lebenslängliche amtliche Attribut des Prinzeps wurde. 45 Diese immerhin frappanten Ähnlichkeiten der mittelalterlichen italienischen mit der altrömischen Entwicklung finden sich trotz politisch, sozial und ökonomisch grundstürzender Unterschiede, von denen bald zu reden sein wird. 46 Es stehen eben nicht beliebig viele verschiedene verfassungstechnische q Formen für die Regulierung von q A: verfügungstechnische 40 Mit der lex Ogulnia von 300 v.Chr. festgelegt; Livius 10, 6, 6 und 10, 9, 2. 41 D.h. im Senat, geregelt durch die lex Ovinia von vor 312 v.Chr. über die Autstellung der Senatsliste durch die Censoren; Festus, p. 246 Müller = p. 290 Lindsay. 42 Dies gilt namentlich für Brescia; vgl. oben, S. 201. 43 Dies wurde der Plebs nach ihrem (der Tradition nach: dritten) Auszug aus der Stadt durch das Gesetz des Dictators Hortensius im Jahre 287 v.Chr. konzediert; Plinius, Naturalis historla 16, 37; Gaius, Institutlones 1, 3. 44 Tiberius Gracchus war Volkstribun 133 v.Chr., Galus Gracchus 123-122 v.Chr. 45 Die von der Institution Volkstribunat abgelöste tribunicia potestasund das militärische imperium machten seit 23 v.Chr. die wichtigsten formalen Kompetenzen des Prlnceps aus; die Herrscher datierten offiziell nach den Amtsjahren Ihrer trlbunlzischen Gewalt. Den Zusammenhang zwischen der Reaktivierung des Volkstribunats durch die Gracchen und der Übernahme der tribunizlschen Gewalt durch die Kaiser seit Augustus hat Mommsen, Staatsrecht, Band 2, 2, S. 874, herausgestellt. 46 Siehe unten, S. 253ff.

212

Die Stadt

Ständekompromissen innerhalb einer Stadt zur Verfügung, und Gleichheiten der politischen Verfassungsformr dürfen daher nicht als gleiche Überbauten über gleiche ökonomische Grundlagen gedeutet werden, sondern haben ihre Eigengesetzlichkeit. Wir fragen nun noch: ob diese römische Entwicklung innerhalb der Antike selbst gar keine Parallele habe. Eine politische Sonderverbandsbildung wie die Plebs und der italienische Popolo findet sich sonst, soviel bekannt, in der Antike nicht. Wohl aber Erscheinungen innerlich verwandten Charakters. Schon im Altertum (Cicero) hat man die spartiatischen Ephoren als eine solche Parallelerscheinung angesprochen. 47 Dies will freilich richtig verstanden werden. Die Ephoren (Aufseher) waren, im Gegensatz zu den legitimen Königen, Jahresbeamte, und zwar wurden siej,] wie die Tribunen, durch die 5 lokalen Phylen der Spartiaten, nicht durch die gentilizischen 3 Phylen gewählt. 48 Sie beriefen die Bürgerversammlung, hatten in Zivilsachen und (vielleicht nicht unbeschränkt) in Kriminalsachen die Gerichtsbarkeit, forderten selbst die Könige vor ihren WuG1567 Stuhl, zwangen | Beamte zur Rechenschaftsablage und suspendierten sie, hatten die Verwaltung in der Hand und besaßen zusammen mit dem gewählten Rat der Gerusia 49 innerhalb der spartanischen r A: Verfügungsform 47 Cicero, De republica 2, 58; De legibus 3, 16. 48 Die Verfassung des klassischen Sparta kannte nur die fünf nach dem Ortsprinzip konstituierten (auch als Dörfer bezeichneten) Phylen; man nimmt aber an, daß es früher in Sparta - wie bei den anderen Dorern (vgl. oben, S. 182 mit Anm. 139) - eine Einteilung in die drei als Abstammungsgemeinschaften geltenden Phylen gegeben hat; vgl. Gilbert, Gustav, Handbuch der griechischen Staatsalterthümer, Band 1: Der Staat der Lakedaimonier und der Athener. - Leipzig: B.G. Teubner 1881, S. 42f. (hinfort: Gilbert, Staatsalterthümer); Busolt, Geschichte, Band 1 (wie oben, S. 173, Anm. 88), S. 530-533. Die Fünfzahl der Ephoren wird von der Forschung In Zusammenhang mit der Einteilung in die fünf lokalen Phylen gebracht; vgl. u.a. Gilbert, a. a. 0 . , S. 15, Anm. 3; Busolt, a. a. 0 . , S. 560, Anm. 1; Szanto, [Emil], „Ephorol", in: RE, Band 5, 2, 1905, Sp. 2860-2864, hier Sp. 2862. Man findet auch die Annahme, daß die Ephoren ursprünglich wahrscheinlich die Vorsteher der Phylen gewesen seien; so Neumann, Karl J., Die Entstehung des spartiatischen Staates in der lykurgischen Verfassung, In; Historische Zeitschrift, Band 96, 1906, S. 1 - 8 0 , hier S.43f. Webers Aussage, die Ephoren seien von den Phylen gewählt worden, trifft jedoch auf die historische Zeit nicht zu; es wählte die Volksversammlung, die in sich (anders als die römischen Volksversammlungen) nicht nach den Unterabteilungen der Bürgerschaft gegliedert war. Zu den Kompetenzen der Ephoren vgl. Szanto, a.a.O., Sp. 2862 ff. 49 Die Gerusia bestand aus 28 Mitgliedern, die auf Lebenszelt aus dem Kreis der über 60 Jahre alten Bürger gewählt wurden, sowie den beiden Königen.

IV. Die

5

10

15

20

Plebejerstadt

213

Gebiete faktisch die höchste politische Gewalt. Im Stadtgebiet waren die Könige auf Ehrenvorrechte und rein persönlichen Einfluß beschränkt, während im Kriege umgekehrt in ihren Händen die volle, in Sparta sehr strenge Disziplinargewalt ruhte. Wohl erst der Spätzeit gehört es an, daß Ephoren die Könige auch in den Krieg begleiteten. 50 Nicht gegen die Qualität der Ephoren als einer tribunizischen Gewalt spricht, daß sie ursprünglich, angeblich noch nach dem ersten messenischen Kriege, vielleicht einmal von den Königen bestellt worden waren. 51 Denn es ist sehr wohl möglich, daß dies | ursprünglich auch für die Tribusvorsteher galt. 52 Und A714 ebenso auch nicht die allerdings gewichtigere Tatsache: daß die den Tribunen charakteristische und ihnen mit den mittelalterlichen Volkscapitanen gemeinsame Interzessionsfunktion bei den Ephoren fehlt. Denn nicht nur ist überliefert, daß sie dem Sinn ihrer Stellung nach ursprünglich die Bürger gegen die Könige zu schützen hatten. 53 Sondern das spätere Fehlen dieser Funktion erklärt sich aus dem unbedingten Siege des spartanischen Demos über seine Gegner und daraus, daß er selbst sich in eine das ganze Land beherrschende, ursprünglich plebejische, später tatsächlich oligarchische Herrscherklasse verwandelt hatte. Ein Adel war in Sparta in historischer Zeit unbekannt. So bedingungslos die Polis ihre Herrenstellung über die Heloten, denen jährlich feierlich „der Krieg erklärt" wurde, 54 um ihre Entrechtung religiös zu motivieren, und

50 Bezeugt ist dies seit der Zeit der Perserkriege (Herodot 9, 76, 3), als Regelfall wird es im Z u s a m m e n h a n g mit der spartanischen Intervention in Athen 403 v.Chr. erwähnt (Xenophon, Hellenika 2, 4, 36). 51 Ein Teil der antiken Überlieferung schrieb die Einrichtung des Ephorats nicht bereits d e m Gesetzgeber Lykurg zu, sondern erst d e m König T h e o p o m p Im Kontext des Ersten Messenischen Kriegs (nach traditioneller Chronologie 7 4 3 - 7 2 4 v.Chr.); Piaton, Nomoi 692a; Aristoteles, Politik 1313a 26ff.; Plutarch, Kleomenes 10, 2f.; Cicero, De legibus 3, 16.

52 Eine Einsetzung der Tribusvorsteher durch den König Servlus Tulllus gibt Dionysios von Halikarnaß, Antiquitates Romanae 4, 14, 1 f., an; zur Ableitung des Volkstrlbunats von den Tribusvorstehern vgl. oben, S. 209 mit Anm. 31. 53 Cicero, De república 2, 58 und De legibus 3, 16, vergleicht In diesem Sinne die Stellung von Volkstribunen und Ephoren g e g e n ü b e r Consuln bzw. Königen. 54 Die Ephoren erklärten jeweils bei ihrem Amtsantritt d e n Heloten (der als Staatssklaven gehaltenen, unterworfenen Bevölkerung Lakonlens und Messeniens) d e n Krieg und stellten damit die Tötung von Heloten straffrei; Plutarch, Lykurg 28, 4.

214

Die Stadt

ebenso ihre politische Monopolstellung gegen die außerhalb des Wehrverbandes stehenden Periöken wahrte, so unbedingt herrschte nach innen, prinzipiell wenigstens, unter den Vollbürgern die soziale Gleichheit, beides gleichmäßig durch das an Venedig erinnernde Spionagesystem (krypteia)55 aufrechterhalten. Die Lakedämonier zuerst hatten nach der Tradition56 die gesonderte adlige Lebensführung in der Tracht beseitigt, die also vorher bestanden hat. Daß dies und die strenge Einschränkung der Königsgewalt Folge eines Kampfes und Kompromisses gewesen war, scheinen die gegenseitig ausgetauschten Eide der Könige und Ephoren, eine Art periodisch erneuerten Verfassungsvertrages, überzeugend zu beweisen.57 Bedenken erregt nur: daß die Ephoren anscheinend einzelne religiöse Funktionen versahen. Aber sie waren eben noch mehr als die Tribunen legitime Gemeindebeamte geworden. Die entscheidenden Züge der spartanischen Polis machen viel zu sehr den Eindruck einer rationalen Schöpfung, um als Reste uralter Institutionen zu gelten. In den übrigen hellenischen Gemeinden findet sich eine Parallele nicht. Überall dagegen finden wir eine demokratische Bewegung der nichtadligen Bürger gegen die Geschlechter und in einem der Zahl nach überwiegenden Bruchteile zeitweilige und dauernde Beseitigung der Geschlechterherrschaft. Wie im Mittelalter bedeutete diese weder die Gleichstellung aller Bürger in bezug auf Amts-, Ratsfähigkeit und Stimmrecht noch auch nur die Aufnahme aller

5 5 Junge Spartiaten wurden als Einzelkämpfer zu Streifzügen ausgeschickt; tagsüber hatten sie sich zu verbergen (daher der etwa als „geheime Jagd" wiederzugebende Begriff krypteia), nachts sollten sie Heloten töten; Piaton, Nomol 633b; Plutarch, Lykurg 28, 1 - 3 . Die krypteia diente demnach der Terrorisierung der Heloten und als Teil des militärischen Ausbildungsprogramms gewiß auch der sozialen Gleichheit unter den Spartiaten. Da hier jedoch kein „Spionagesystem" zur Überwachung der Bürger vorliegt, leuchtet Webers Vergleich mit Venedig, d. h. mit der Rolle des Rats der Zehn (vgl. oben, S. 156 mit Anm. 40), nur sehr bedingt ein. 5 6 Thukydides 1,6, 3f.; vgl. Meyer, Altertum, Band 2, S.561. 5 7 Nach Xenophon, Respublica Lacedaemoniorum 15, 7, tauschten die Könige und die Ephoren monatlich Eide aus: die einen schworen, sich an die Gesetze zu halten, die anderen, das Königtum unangetastet zu lassen. Zur Deutung als Vertragsverhältnis zwischen den Königen und dem (von den Ephoren repräsentierten) Volk vgl. Niese, Benediktus, Zur Verfassungsgeschichte Lakedämons, in: Historische Zeltschrift, Band 62,1889, S. 5 8 - 8 4 , hier S. 6 8 - 7 3 ; Stern, E[rnst] von, Zur Entstehung und ursprünglichen Bedeutung des Ephorats in Sparta (Berliner Studien für classische Philologie und Archaeologie, Band 15, Heft 1). - Berlin: Calvary 1894, S. 38f.

IV. Die

Plebejerstadt

215

persönlich freien und siedlungsberechtigten Familien in den Bürgerverband. Dem Bürgerverband gehörten, im Ge| gensatz zu A715 Rom, die Freigelassenen überhaupt nicht an. Die Gleichstellung der Bürger aber war durch Abstufung des Stimmrechts und der Amtsfähigkeit, anfänglich nach Grundrenten und Wehrfähigkeit, später nach Vermögen, durchbrochen. Diese Abstufung ist auch in Athen rechtlich niemals ganz beseitigt worden, 58 ebensowenig wie die besitzlosen Schichten in den mittelalterlichen Städten irgendwo dauernd zu gleichem Recht mit dem Mittelstand gelangten. Das Stimmrecht in der Volksversammlung wurde entweder allen den Demoi angeschlossenen, in den Wehrverband einer Phratrie eingeschriebenen Grundbesitzern - dies war das erste Stadium der „Demokratie" - oder auch den Besitzern anderer Vermögensobjekte gegeben. Entscheidend war zunächst die Fähigkeit zur infanteristischen Selbstausrüstung für das Hoplitenheer, mit dessen Aufstieg diese Umwälzung verknüpft war. Wir werden bald sehen, 59 daß die bloße Abstufung des Stimmrechts keineswegs das wichtigste Mittel war[,j diesen Effekt zu erreichen. Wie | im Mittelalter WuG1 568 konnte die formale Zusammensetzung der Bürgerversammlung geordnet sein wie sie wollte und ihre formale Kompetenz noch so ausgiebig bemessen sein, ohne daß doch die soziale Machtstellung der Besitzenden dadurch endgültig vernichtet worden wäre. In ihren Ergebnissen führte die Bewegung des Demos im Verlauf der Entwicklung zu untereinander verschiedenartiger Gestaltung. Der nächste und in manchen Fällen dauernde Erfolg war die Entstehung einer Demokratie äußerlich ähnlicher Art, wie sie auch in zahlreichen italienischen Kommunen auftrat. Die vermögendste Schicht der nichtadligen Bürger, nach irgendeinem Zensus eingeschätzt, im wesentlichen Besitzer von Geld und Sklaven, Ergasterien, Schiffen, Handels- und Leihkapitalien, gewann Anteil an Rat und Ämtern neben den wesentlich auf Grundbesitz gestützten Geschlechtern. Die Masse der Kleingewerbetreibenden, Kleinhändler und Minderbesitzer überhaupt blieb dann von den Ämtern rechtlich oder infolge ihrer Unabkömmlichkeit faktisch ausgeschlossen, oder die Demokratisierung ging weiter und legte im Er-

5 8 Vgl. unten, S . 2 1 6 mit A n m . 6 1 . 5 9 S i e h e unten, S . 2 2 3 f .

216

Die Stadt

gebnis grade diesen letztgenannten Schichten die Macht in die Hände. Damit dies geschehen konnte, mußten aber Mittel gefunden werden, die ökonomische Unabkömmlichkeit dieser Schichten zu beheben, wie dies in Gestalt von Tagegeldern geschah,60 und der Ämterzensus mußte herabgesetzt werden. Dies und die faktische 5 A 716 Nichtbeachtung der Klassenabstufung des Demos war aber nur der erst im 4. Jahrhundert erreichte Endzustand der attischen Demokratie.61 Er trat erst ein, als die militärische Bedeutung des Hoplitenheeres fortgefallen war. Die wirklich wichtige Folge des ganzen oder teilweisen Sieges der 10 Nichtadligen für die Struktur des politischen Verbandes und seiner Verwaltung beruhte in der ganzen Antike in Folgendem: 1. bedeutete sie die zunehmende Durchführung des /Instatocharakters des politischen Verbandes. Einmal in Gestalt der Durchführung des Ortsgemeindeprinzips. Wie im Mittelalter für die Masse der Stadt- 15 bürger schon unter der Geschlechterherrschaft die Einteilung in örtliche Stadtbezirke gegolten hatte und der Popolo seine Beamten wenigstens teilweise nach Stadtvierteln wählte, so hatte auch die antike Geschlechterstadt für die nichtadligen Plebejer, vor allem für die Fronen und Lastenverteilung, örtliche Bezirke gekannt. In Rom, 20 neben den 3 altenj,] persönlichen^] aus Sippen und Kurien zusammengesetzten Tribus,62 4 ebenso genannte rein lokale städtische Bezirke, denen mit dem Siege der Plebs die Landtribus zur Seite traten, 63 in Sparta neben den alten 3 persönlichen Phylen die 4, später

6 0 Diäten für die Ratsherren und die G e s c h w o r e n e n sowie A u f w a n d s e n t s c h ä d i g u n g e n für einen Teil der Magistrate sind in der zweiten Hälfte d e s 5. J a h r h u n d e r t s v.Chr. in A t h e n eingeführt worden. 6 1 Die Regel, daß für die Ü b e r n a h m e einer Magistratur ein bestimmter M i n d e s t z e n s u s V o r a u s s e t z u n g war, w u r d e zwar nicht a u f g e h o b e n , im 4. Jahrhundert v.Chr. j e d o c h d e facto ignoriert; Aristoteles, A t h e n a i o n politeia 7, 4. 6 2 Vgl. zur u r s p r ü n g l i c h e n Einteilung der r ö m i s c h e n B ü r g e r s c h a f t oben, S. 117 mit A n m . 45. 6 3 Die Einteilung der r ö m i s c h e n Bürgerschaft in vier Stadtbezirke ist a n g e b l i c h d u r c h K ö n i g Servius Tullius erfolgt; Livius 1, 43, 13; Dionysios von Halikarnaß, Antiquitates R o m a n a e 4, 14, 1 - 2 ; d a z u M o m m s e n , Staatsrecht, B a n d 3, 1, S. 161 ff. Die Einrichtung der ersten 17 (bzw. 16) ländlichen, n a c h G e s c h l e c h t e r n benannten Tribus wird v o n der Tradition (Livius 2, 21, 7) in d a s Jahr 495 v.Chr. gesetzt, ist jedenfalls im Laufe d e s 5. Jahr-

IV. Die

Plebejerstadt

217

5 lokalen Phylen.64 Im Bereich der eigentlichen Demokratie aber war der Sieg der Demokratie identisch mit dem Übergang zum „Demos", dem örtlichen Bezirk, als Unterabteilung des ganzen Gebietes und Grundlage aller Rechte und Pflichten in der Polis.65 Wir 5 werden die praktische Bedeutung dieser Wandlung bald zu betrachten haben. 66 Ihre Folge aber war die Behandlung der Polis nicht mehr als einer Verbrüderung von Wehr- und Geschlechterverbänden, sondern als einer anstaltsmäßigen Gebietskörperschaft. Anstaltsmäßig wurde sie ferner auch durch die Änderung der Auf10 fassung von der Natur des Rechts. Das Recht wurde Anstaltsrecht für die Bürger und Insassen des Stadtgebiets als solches - mit welchen Rückständen, sahen wir früher 67 - und es wurde zugleich zunehmend rational gesatztes Recht. An Stelle der irrationalen charismatischen Judikatur trat das Gesetz. Parallel mit der Beseiti15 gung der Geschlechterherrschaft begann die Gesetzgebung. Zunächst hatte sie noch die Form charismatischer Satzung durch Aisymneten. Dann aber erwuchs die ständige, schließlich dauernd im Fluß befindliche Schaffung neuen Rechts durch die Ekklesia und die rein weltliche, an Gesetze oder, in Rom, an magistratische 20 Instruktionen 68 gebundene Rechtspflege. In Athen wurde schließ- A 717 lieh alljährlich die Frage an das Volk gerichtet: ob die bestehenden Gesetze erhalten oder geändert werden sollten.69 So sehr verstand s A: solcher hunderts v.Chr. erfolgt; die endgültige Zahl von 31 ländlichen neben den vier städtischen Tribus wurde bis 241 v.Chr. erreicht; Mommsen, Staatsrecht, Band 3, 1, S. 171-173. Die „mit dem Siege der Plebs" in den Ständekämpfen einhergehende Einrichtung der ländlichen Tribus bzw. die Erhöhung der Tribuszahlen bedeutete eine Verstärkung des politischen Gewichts der Bauern. 6 4 Es werden zwar fünf Phylen auf lokaler Basis für Sparta angenommen (vgl. oben, S.212 mit Anm.48), sicher sind jedoch nur die Namen von vier Phylen überliefert; vgl. Hermann, Karl F., Lehrbuch der griechischen Staatsaltertümer, 6. Aufl., hg. von Viktor Thumser. - Freiburg i.B.: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1889, S.164f. (hinfort: Hermann/ Thumser, Staatsaltertümer); Kuhn, Städte (wie oben, S.74, Anm. 33), S. 15f. 6 5 Eine Gleichsetzung der durch Kleisthenes (508/507 v.Chr.) erfolgten Neuaufteilung der Bürgerschaft in Phylen und Demen mit der Einrichtung der Demokratie nehmen Herodot 5, 69, 2; 6, 131, 1 und Aristoteles, Athenaion politeia 21, 4 - 2 2 , 1,vor. 66 Siehe unten, S. 265-268. 6 7 Siehe oben, S. 111f. und 123. 68 Gemeint ist die Rechtsfortbildung durch die Praetoren, die die Prozeßformeln festlegten, aufgrund derer im Zivilprozeß ein unabhängiger Richter zu entscheiden hatte. 6 9 Die im 4. Jahrhundert v.Chr. geltende Regel ist überliefert bei Demosthenes 24, 20.

218

WuG 1 569

Die Stadt

es sich jetzt von selbst, daß das geltende Recht etwas künstlich zu schaffendes sei und sein müsse und auf der Zustimmung derjenigen beruhe, für die es gelten solle. In der klassischen Demokratie freilich, z. B. in Athen im 5. und 4. Jahrhundert, war diese Auffassung | noch nicht unbedingt herrschend. Nicht jeder Beschluß s (psephisma) des Demos war ein Gesetz (nomos), auch dann nicht, wenn er generelle Regeln aufstellte. Es gab gesetzwidrige Beschlüsse des Demos, und diese waren dann vor dem Geschworenengericht (heliaia) durch jeden Bürger anfechtbar. 70 Ein Gesetz ging (wenigstens damals) nicht aus Beschlüssen des Demos hervor. Sondern auf 10 Grund des Gesetzesantrags eines Bürgers wurde vor einem besonderen Geschworenenkollegium (den Nomotheten) in der Form eines Rechtsstreites darüber verhandelt: ob das alte oder das neu vorgeschlagene Recht zu gelten habe; ein eigenartiger Rest der alten Auffassung vom Wesen des Rechts, welcher erst spät schwand. 71 15 Den ersten entscheidenden Schritt aber zu der Auffassung des Rechts als einer rationalen Schöpfung bedeutete in Athen die Abschaffung der religiösen und adligen Kassationsinstanz: des Areiopag, durch das Gesetz des Ephialtes. 72

70 Vgl. zu dieser Klage gegen den gesetzwidrigen Volksbeschluß (graphe paranomon) Gilbert, Staatsalterthümer, Band 1 (wie oben, S. 212, Anm. 48), S. 283-285; wann das Verfahren eingeführt wurde, ist unsicher; terminus ante quem ist 415 v.Chr. (Andokides 1, 17). Die Bezeichnung heliaia war zu dieser Zeit nicht mehr üblich. 71 Das spezielle Gesetzgebungsverfahren ist aus Demosthenes 24, 20-23 und 24, 33 bekannt; das dort zitierte Gesetz gibt die im 4. Jahrhundert v.Chr. geltenden Regeln wieder. Bei der Verhandlung vor den aus der Gesamtzahl der Geschworenen ausgelosten, vermutlich mindestens 501 „Gesetzgebern" (Nomotheten) standen dem Antragsteller auf eine Gesetzesänderung fünf von der Volksversammlung gewählte Fürsprecher für das bestehende Gesetz gegenüber. Die Nomotheten entschieden definitiv, ob das bestehende Gesetz erhalten blieb oder der Änderungsvorschlag angenommen wurde. In der älteren Forschung wurde mitunter das Verfahren mit den Reformen des Ephialtes 462/461 v.Chr. in Verbindung gebracht (vgl. z.B. Grote, George, Geschichte Griechenlands, Band 3, nach der zweiten Aufl. aus dem Englischen übertragen von R. R. Meißner. - Leipzig: Dyk 1853, S. 288-290 (hinfort: Grote, Geschichte); Meyer, Altertum, Band 3, S.575f.), während die spätere communis opinio von der Einrichtung nach 403/402 v.Chr. ausgeht. 72 Der Areiopag, vermutlich der alte Adelsrat, der zugleich die Funktion des Blutgerichts wahrnahm, bestand (spätestens wohl seit Solon) aus den ehemaligen Archonten, die Mitglieder auf Lebenszeit waren. Als „Hüter der Verfassung" (Aristoteles, Athenaion politeia 8, 4) konnte er aufgrund seiner formalen Kontrollrechte gegenüber den Magistraten und der Autorität seiner Mitglieder die Politik stark beeinflussen. Die Reform des Ephialtes 462/461 v.Chr. nahm dem Areiopag alle politischen Kontrollmöglichkeiten und reduzierte ihn auf seine Funktion als Gerichtshof; Aristoteles, Athenaion politeia 25, 2; Plutarch, Kimon 15, 1 - 2 .

IV. Die

Plebejerstadt

219

2. Die Entwicklung zur Demokratie führte eine Umgestaltung der Verwaltung herbei. An Stelle der kraft Gentil- oder Amtscharisma herrschenden Honoratioren traten kurzfristig gewählte oder erloste verantwortliche und zuweilen absetzbare Funktionäre 5 des Demos oder auch unmittelbar Abteilungen dieses letzteren selbst. Jene Funktionäre waren Beamte, aber nicht im modernen Sinne des Wortes. Sie bezogen lediglich mäßige Aufwandsentschädigungen oder wie die erlosten Geschworenen Tagegelder.73 Dies, die Kurzfristigkeit des Amts, und das sehr häufige Verbot der Wieder10 wähl schloß die Entstehung des Berufscharakters im Sinne des modernen Beamtentums aus. Es fehlten Ämterlaufbahn und Standesehre. Die Erledigung der Geschäfte erfolgte als Gelegenheitsamt. Sie nahm bei der Mehrzahl der Beamten nicht die volle Arbeitskraft in Anspruch, und die Einnahmen waren auch für Unbemittelte nur 15 ein, für diese allerdings begehrenswerter, Nebenerwerb. Die großen politischen Amtsstellungen freilich, vor allem die militärischen, nahmen die Arbeitskraft voll in Anspruch, konnten aber eben | des- A 718 halb auch nur von Vermögenden versehen werden, und für die Finanzbeamten war in Athen statt unsrer Amtskautionen ein hoher 20 Zensus vorgesehen.74 Diese Stellungen aber waren der Sache nach Ehrenämter. Der eigentliche Leiter der Politik, den die voll durchgeführte Demokratie schuf: der Demagoge, war formal im perikleischen Athen regelmäßig der leitende Militärbeamte.75 Aber seine wirkliche Machtstellung beruhte nicht auf Gesetz oder Amt, 25 sondern durchaus auf persönlichem Einfluß und Vertrauen des Demos. Sie war also nicht nur nicht legitim, sondern nicht einmal legal, obwohl die ganze Verfassung der Demokratie auf sein Vorhandensein ebenso zugeschnitten war wie etwa die moderne Verfassung Englands auf die Existenz des gleichfalls nicht kraft gesetzlicher

7 3 Vgl. oben, S. 216 mit Anm. 60. 7 4 Die „Schatzmeister der Athena" mußten der höchsten Zensusklasse angehören; im späten 4. Jahrhundert v.Chr. stellte dies in der Praxis jedoch keine entscheidende Hürde mehr dar; Aristoteles, Athenaion politeia 47, 1. 7 5 Es gab zehn formal gleichberechtigte Strategen, aus denen einzelne wie Perikles aufgrund besonderer Aufträge und namentlich des Vertrauens des Demos (wie Weber gleich im Text hervorhebt) herausragten und somit die Rolle eines demagogos („Führer des Volkes") übernahmen; allerdings hat man in der Forschung, zumal des 19. Jahrhunderts (u. a. Meyer, Altertum, Band 3, S. 347), verschiedentlich angenommen, daß es einen auch formal herausgehobenen Oberstrategen gegeben habe.

220

Die

Stadt

Kompetenz regierenden Kabinetts.76 Dem ebenfalls nie gesetzlich festgelegten Mißtrauensvotum des englischen Parlaments entsprach in anderen Formen die Anklage gegen die Demagogen wegen Mißleitung des Demos. 77 Der durch das Los zusammengesetzte Rat wurde jetzt ebenfalls ein einfacher geschäftsführender Aus- 5 schuß des Demos, 78 verlor die Gerichtsbarkeit, hatte dagegen die Vorberatung der Volksbeschlüsse (durch Probuleuma)79 und die Finanzkontrolle in der Hand. 76 Vgl. die Ausführung bei Meyer, Altertum, Band 3, S. 579, „dass die attische Demokratie thatsächlich auf eine Institution zugeschnitten Ist, von der die geschriebene Verfassung nichts weiss: auf die Leitung des Staats durch den vom Vertrauen des Volks auf unbegrenzte Zeit an seine Spitze berufenen Demagogen"; dessen Funktion wird ebd., S. 580, mit der eines Premierministers verglichen; ebenso bei Grote, Geschichte (wie oben, S.218, Anm. 71), Band 3, S. 286. - Das britische Kabinett, ursprünglich ein Ausschuß des Prlvy Council (vgl. unten, S. 237, Anm. 128), hat sich seit Anfang des 18. Jahrhunderts zum eigentlichen Regierungsorgan entwickelt. Das Prinzip der Kabinettsregierung blieb jedoch umstritten; noch im 19. Jahrhundert ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß es für das Kabinett keine gesetzliche Grundlage gebe; vgl. Fischel, Eduard, Die Verfassung Englands. - Berlin: Ferdinand Schneider 1862, S. 1 4 1 - 1 4 4 (hinfort: Fischel, Verfassung); Gneist, Verfassungsgeschichte (wie oben, S. 76, Anm. 39), S. 691 f.; Low, Sidney, Die Regierung Englands. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1908, S. 27; Jeillnek, Georg, Die Entwickelung des Ministeriums In der konstitutionellen Monarchie, in: ders., Ausgewählte Schriften und Reden, Band 2. - Berlin: Haerlng 1911, S . 8 9 139, hier S. 120f.; sowie Hatschek, Staatsrecht (wie oben, S. 166, Anm. 71), Band 2, S.29 („das Kabinett ist koilegialische Behörde, die der Rechtsordnung unbekannt Ist") und S.86f.; ders., Verfassungsgeschichte, S. 452. 77 Diese Anklagemöglichkeit Ist durch Demosthenes 20, 135 und Aristoteles, Athenaion politeia 43, 5, überliefert, doch gibt es über die praktische Anwendung - abgesehen von dem frühen Fall der ähnlich begründeten Verurteilung des Mlltlades 489 v.Chr. (Herodot 6, 1 3 6 ) - w e n i g Informationen. Die relativ häufigen Strafverfahren gegen Politiker (und Generale) wurden auf die Vorwürfe des Umsturzversuchs, des Landesverrats oder der polltischen Bestechlichkeit gegründet. Daneben bedienten sich Angriffe auf führende Politiker im 4. Jahrhundert v.Chr. v.a. des Instruments der graphe paranomon (vgl. oben, S.218, Anm. 70). Merkwürdigerweise erwähnt Weber hier nicht das für die Politik des 5. Jahrhunderts v.Chr. so wichtige Verfahren des Ostrakismos. - Das Institut der Ministeranklage ist In England im 18. Jahrhundert obsolet geworden; an seine Stelle trat das parlamentarische Mißtrauensvotum, das de facto zum Sturz einer Regierung führte; vgl. Fischel, Verfassung, S. 485f.; Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 660. 78 Der Rat der 500 ist von Klelsthenes eingerichtet worden; die Bestellung durch Los (aus den über 30 Jahre alten Männern) Ist vermutlich später, jedoch noch in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v.Chr. eingeführt worden. Die Bezeichnung als „geschäftsführender Ausschuß" des Volkes begegnet wiederholt In der Literatur; vgl. nur Gilbert, Gustav, Beiträge zur Innern Geschichte Athens Im Zeitalter des Peioponnesischen Krieges. Leipzig: B.G. Teubner, 1877, S.80; Meyer, Altertum, Band 3, S.574. 79 Beschlüsse der Volksversammlung konnten nur aufgrund einer Beschlußvorlage (probouleuma; „Vorberatung") des Rates der 500 gefaßt werden; Aristoteles, Athenaion politeia 45, 4.

IV. Die

Plebejerstadt

221

In den mittelalterlichen Städten hatte die Durchführung der Herrschaft des Popolo ähnliche Konsequenzen. Massenhafte Redaktionen von Stadtrechten, Kodifikation des bürgerlichen und Prozeßrechtes, eine wahre Überflutung mit Statuten aller Art auf der einen Seite, auf der anderen eine ebenso große Überflutung mit Beamten, von denen man selbst in kleineren Städten Deutschlands zuweilen 4 - 5 Dutzend Kategorien zählte. Und zwar neben dem Kanzlei- und Büttelpersonal auf der einen und den Bürgermeistern auf der anderen Seite eine ganze Schar spezialisierter Funktionäre, welche lediglich gelegenheitsamtlich tätig wurden und für welche die Amtseinkünfte, dem Schwerpunkt nach Sportein, nur einen begehrenswerten Nebenerwerb bildeten. Den antiken wie den mittelalterlichen Städten, wenigstens den Großstädten, gemeinsam war ferner die Erscheinung, daß zahlreiche Angelegenheiten, welche heute in gewählten Repräsentantenverl Sammlungen behandelt zu werden WuG1 570 pflegen, durch gewählte oder erloste Spezialkollegien erledigt wurden. So in der hellenischen Antike die Gesetzgebung, daneben aber auch andere politische Geschäfte, in Athen z. B. die Eidesleistung bei Bundesverträgen und die Verteilung der Bundesgenossen- A719 tribute.80 Im Mittelalter sehr oft die Wahl sowohl von Beamten, und zwar gerade der wichtigsten, ebenso aber zuweilen die Zusammensetzung der wichtigsten beschließenden Kollegien. Dies ist eine Art von Ersatz für das moderne Repräsentativsystem, welches, in moderner Form, damals nicht existierte. „Repräsentanten" gab es, dem überkommenen ständischen und Privilegiencharakter aller politischen Rechte entsprechend, nur als Vertreter von Verbandseinheiten, in der antiken Demokratie von kultisch oder staatlich, eventuell bundesstaatlich, zusammengeschlossenen Gemeinschaften, im Mittelalter von Zünften und anderen Korporationen. Nur Sonderrechte von Verbänden wurden „vertreten", nicht aber: eine

80 Es ist nicht klar, an w e l c h e s Kollegium für Vertragsabschlüsse Weber denkt. Verträge w u r d e n In Athen im Regelfall vom Rat und den Strategen beschworen; hinzu konnten weitere Magistrate kommen, m a n c h m a l auch Bürger ohne Amt, so daß die Zusammensetzung der mit der Eidesleistung Beauftragten von Fall zu Fall wechseln konnte. - Mit d e m zweiten Beispiel ist wohl das durch Los bestellte Gremium der A p o d e k t a i gemeint, das für die Verteilung der Staatseinnahmen, vermutlich einschließlich der Tribute, auf verschiedene Kassen zuständig war; vgl. Böckh, August, Die Staatshaushaltung der Athener, 3. Aufl., hg. und mit A n m e r k u n g e n begleitet von Max Frankel, Band 1. - Berlin: G e o r g Reimer 1886, S. 1 9 3 - 1 9 5 (hinfort: Böckh, Staatshaushaltung).

222

Die Stadt

wechselnde „Wählerschaft" eines Bezirks, wie im modernen Parlament 1 . Den antiken wie den mittelalterlichen Städten gemeinsam ist endlich auch das Auftreten der Stadttyrannis oder doch der Versuche zur Errichtung einer solchen. Zwar war sie in beiden Fällen eine lokal beschränkte Erscheinung. Im hellenischen Mutterland ergriff sie im 7. und 6. Jahrhundert nacheinander eine Reihe von großen Städten, darunter Athen, hat aber nur wenige Generationen bestanden. 81 Die Stadtfreiheit ging hier im allgemeinen erst durch Unterwerfung von Seiten überlegener Militärmächte zugrunde. Dagegen war ihre Verbreitung im Kolonialgebiet: in Kleinasien, vor allem aber in Sizilien, dauerhafter und teilweise die definitive Form des Stadtstaates bis zu dessen Untergang. Die Tyrannis war überall Produkt des Ständekampfes. Vereinzelt, so in Syrakus, scheinen die vom Demos bedrängten Geschlechter einem Tyrannen zur Herrschaft verholfen zu haben. 8 2 Im ganzen aber waren es Teile des Mittelstandes und der von den Geschlechtern Bewucherten", auf die er sich stützte, und seine Gegner die Geschlechter, die er verbannte, deren Güter er konfiszierte und die seinen Sturz betrieben. Der typische antike Klassengegensatz: die stadtsässigen wehrhaften Patrizier als Geldgeber, die Bauern als Schuldner, wie er bei den Israeliten und in Mesopotamien ganz ebenso bestand wie in der griechischen und italischen Welt, kam darin zur Geltung. In Babylon ist das platte 3 Land fast ganz in den Besitz der Patrizier gelangt, deren Kolonen die Bauern geworden waren. 83 In Israel war die Schuldknechtschaft

t A: Proletariat

u A: bewuchteren

a A: gelobte

81 So die Tyrannis der Kypseliden in Korinth (627-585 v.Chr., nach anderer Datierung ca. 620 - ca. 550 v.Chr.), der Orthagoriden in Sikyon (ca. 600-510 v.Chr.), der Peisistratiden in Athen (561-510 v.Chr., mit Unterbrechungen). 82 Gelon ergriff 485 v.Chr. die Macht in Syrakus mit Hilfe der zuvor aus der Stadt vertriebenen Grundherren; Herodot 7, 155, 2. 83 Die zeitliche Einordnung dieser Feststellung ist unklar. Zur Existenz privater Grundhörigkeit in altbabylonischer Zeit (neben den Pacht- und Dienstverhältnissen aus der Vergabe von Land durch den Palast) hat sich Weber unterschiedlich geäußert (vgl. Agrarverhältnisse3, S.76f. (MWG I/6), mit Judentum I, S. 121 f. (MWG 1/21)); der von ihm angeführte Sachverhalt läßt jedoch auch an die Verhältnisse im neubabylonischen Reich des 7.-6. Jahrhunderts v.Chr. denken, wo sich - aufgrund der zuvor jahrhundertelang bestehenden Schwäche der Zentralgewalt - privater Großgrundbesitz größeren Stils findet.

IV. Die

Plebejerstadt

223

Gegenstand der Regelung im „Bundesbuch".84 Alle Usurpatoren von Abimelech bis Judas Makkabäus85 stützten sich auf flüchtige | Schuldknechte, die Verheißung des Deuteronomium geht dahin: A daß Israel „Jedermann leihen", d.h. daß die Bürger Jerusalems Schuldherrn und Patrizier, die andern eben ihre Schuldknechte und Bauern sein werden.86 Ähnlich lagen die Klassengegensätze in Hellas und Rom. Die einmal anb der Macht befindliche Tyrannis hat in der Regel die kleinen Bauern, eine mit ihnen politisch verbündete Koterie87 des Adels und Teile der städtischen Mittelklassen für sich gehabt. In der Regel stützte sie sich auf Leibwachen, deren Bewilligung für den Volksführer0 durch die Bürgerschaft hier (z. B. bei Peisistratos)d 88 ebenso wie beim Volkscapitan des Mittelalters meist der erste Schritt war, und Söldner. In sachlicher Hinsicht betrieb sie sehr oft eine ähnliche ständische Ausgleichspolitik wie die des „Aisymneten" (Charondase, Solon).89 Zwischen der Neuordnung des Staats und Rechtes durch diese und der Erhebung eines b A: in

c In A folgt: die

d A: Peisistrates)

e A: (Chacrudas

84 Das Bundesbuch ist die Rechtssammlung Exodus (2. Mose) 20, 22 - 23, 19; Rechtsfolgen der Schuldversklavung sind ebd. 21, 2-11 geregelt; vgl. welter Deuteronomium (5. Mose) 15, 12-17. 85 Einen Beleg für Schuldknechte in der Gefolgschaft des Judas Makkabäus sieht Weber In 1. Makkabäer 3, 9; vgl. Judentum I, S. 84 und 88 (MWG 1/21). 86 Weber bezieht sich auf Deuteronomium (5. Mose) 15, 6: „Wenn der Herr, dein Gott, dich segnet, wie er es dir zugesagt hat, dann kannst du vielen Völkern gegen Pfand leihen, du selbst aber brauchst nichts zu verpfänden; du wirst über viele Völker Gewalt haben, über dich aber werden sie keine Gewalt haben". - Diese Stelle gilt zusammen mit Deuteronomium 23, 21 und 28, 12 als Beleg dafür, daß die Vergabe zinspflichtiger Darlehen nur an Fremde, nicht jedoch Israeliten erlaubt ist (so auch Weber in: Agrarverhältnisse3, S. 94 (MWG I/6)). Weber nimmt an, daß diese Teile des Deuteronomiums auch wenn sie nicht zum 621 v.Chr. angeblich Im Tempel aufgefundenen und dann von König Josia als verbindlich deklarierten „Gesetzbuch" gehört haben sollten - jedenfalls aus der Zeit der assyrischen Vorherrschaft stammen, „als das Reich Juda in Wahrheit schon nahezu mit der Polis Jerusalem nebst den von ihr polltisch abhängigen Kleinstädten und Dörfern identisch war"; Judentum I, S. 122 (MWG 1/21). 87 Frz.: geschlossene Gesellschaft, Grüppchen, Klüngel. 88 Eine von der Volksversammlung bewilligte Leibwache ermöglichte Peisistratos um 560 v.Chr., die Macht in Athen zu ergreifen; Herodot 1, 59, 5f.; Aristoteles, Athenaion politeia 14, 1. 89 Charondas aus Katane (heute: Catania) war Gesetzgeber in griechischen Kolonien auf Sizilien und In Süditalien, vermutlich in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v.Chr.; Solon war 594 v.Chr. in Athen mit einer Neuordnung betraut, die v.a. die Verschuldung der Bauern als Ursache der sozialen Spannungen beseitigen sollte.

224

Die Stadt

Tyrannen bestand augenscheinlich oft eine Alternative. Die soziale und ökonomische Politik sowohl der einen wie der anderen sucht, wenigstens im Mutterlande, den Verkauf von Bauernland an den stadtsässigen A d e l und die Zuwanderung der Bauern in die Stadt zu verhindern, hie und da den Sklavenankauf, den Luxus, den Zwi- 5 schenhandel, die Getreideausfuhr zu beschränken, alles Maßregeln, welche wesentlich eine kleinbürgerliche, „stadtwirtschaftliche" Politik bedeuteten entsprechend der „Stadtwirtschaftspolitik" der mittelalterlichen Städte, von der wir noch zu sprechen haben werden. 90 | 10 1 WuG 571 Überall fühlten sich die Tyrannen und galten sie als spezifisch illegitime Herren. Dies unterschied ihre ganze Stellung, die religiöse wie die politische, vom alten Stadtkönigtum. Regelmäßig waren sie Beförderer neuer emotionaler Kulte, so namentlich des Dionysoskults, im Gegensatz zu den ritualistischen Kulten des Adels. 91 In al- 15 ler Regel suchten sie die äußeren Formen einer kommunalen Verfassung, also den Anspruch der Legalität, zu wahren. Regelmäßig hinterließ ihr Regiment bei seinem Sturze die Geschlechter geschwächt und daher genötigt, die nur durch Mithilfe der Nichtadligen mögliche Vertreibung des Tyrannen durch weitgehende 20 Konzessionen an den Demos zu erkaufen. Die kleisthenische Mittelstandsdemokratie schloß sich an die Vertreibung der Peisistratidenf an. 92 Stellenweise hat freilich auch eine Kaufmannsplutokratie die Tyrannen abgelöst. Im Effekt wirkte diese Tyrannis, welche durch ökonomische Klassengegensätze begünstigt war, we- 25 A 721 nigstens im | Mutterland im Sinne des timokratischen oder demokratischen Ständeausgleichs, dessen Vorläufer sie häufig war. Die gelungenen oder mißlungenen Versuche der Errichtung einer

f A: Peisistratolen

90 Siehe unten, S. 241-244. 91 Die Dionysoskulte, zu denen die Aufführung von Dithyramben (Chorlyrik) gehörte, sind von den Tyrannen Klelsthenes in Sikyon (Herodot 5, 67) und Periander in Korinth (Herodot 1, 23) gefördert worden; Peislstratos hat in Athen das Fest der Großen Dionysien zu einer Kultveranstaltung der Polls ausgebaut, bei der - erstmals vermutlich 534 v.Chr. Tragödien aufgeführt wurden; vgl. Kern, [Otto], „Dionysos (2)", in: RE, Band 5, 1, 1903, Sp. 1010-1046, hier Sp. 1021-1023. 92 Die Vertreibung der Peisistratiden erfolgte 510 v.Chr; die Verfassungsreform des Kleisthenes wahrscheinlich 508/507 v.Chr.

IV. Die Plebejerstadt

225

Tyrannis in der hellenischen Spätzeit dagegen wuchsen aus der Eroberungspolitik des Demos heraus. Sie hingen mit dessen später zu besprechenden 93 militärischen Interessen zusammen. Siegreiche Heerführer wie Alkibiades und Lysandros erstrebten sie. 94 Im hellenischen Mutterland blieben diese Versuche bis in die hellenistische Zeit erfolglos und zerfielen auch die militärischen Reichsbildungen des Demos aus später zu erörternden Gründen. 95 In Sizilien dagegen wurde sowohl die alte expansive Seepolitik im tyrrhenischen Meer wie später die nationale Verteidigung gegen Karthago von Tyrannen geführt, welche^ auf Soldheere neben den Bürgeraufgeboten gestützt, mit äußerst rücksichtslosen Maßregeln orientalischen Gepräges: massenhaften Zwangseinbürgerungen von Söldnern und Umsiedlungen unterworfener Bürgerschaften^] eine interlokale Militärmonarchie schufen. 96 Rom endlich, wo in altrepublikanischer Zeit die Anläufe zur Tyrannis gescheitert waren, 97

93 Siehe unten, S. 264, 268 und 287f. 94 Alkibiades, der Initiator der athenischen Sizilien-Expedition 415 v.Chr., wurde des Strebens nach der Tyrannis verdächtigt; Thukydides 6, 15, 4. Das gleiche galt für den spartanischen Feldherrn Lysander, der nach dem Sieg über Athen 404 v.Chr. in den unter spartanische Kontrolle geratenen Städten eine eigenmächtige Herrschaft ausübte und die Einführung einer Wahlmonarchie in Sparta angestrebt haben soll; Plutarch, Lysander 21, 1 und 24; Xenophon, Hellenika3, 5, 13; Diodor 14, 13,1ff.; vgl. Vischer, Wilhelm, Alkibiades und Lysandros, in: ders., Kleine Schriften, Band 1: Historische Schriften, hg. von Heinrich Geizer. - Leipzig: S.Hirzel 1877, S. 8 7 - 1 5 2 , hier S. 146-151; sowie Burckhardt, Kulturgeschichte (wie oben, S.80, Anm.57), Band 1, S. 129f. 95 Siehe unten, S.290. 96 Gelon errichtete nach seiner Machtübernahme in Syrakus (485 v.Chr.) ein großes Reich im östlichen Sizilien und wehrte 480 v.Chr. die Karthager ab. Sein Nachfolger Hieron dehnte seine Macht bis auf Unteritalien aus und legte nach seinem Sieg über die Etrusker in einer Seeschlacht vor Kyme (lat. Cumae) 474/473 v.Chr. eine Kolonie auf Aenaria (heute: Ischia) an. Dionysios I. (Regierungszeit 4 0 6 - 3 6 7 v.Chr.) brachte den umfassenden karthagischen Angriff auf Sizilien (409-405 v.Chr.) zum Erliegen und beherrschte nach weiteren Kämpfen zur „Befreiung der Sikelioten" von der karthagischen Herrschaft den größten Teil Siziliens (sowie schließlich Gebiete in Süditalien und an der Adria). Die wichtigsten Belege für die Umsiedlungen und Zwangseinbürgerungen finden sich bei Herodot 7, 156; Thukydides 6, 5, 3; Diodor 11, 72, 3; Polyainos, Strategemata 1, 27, 3 (Gelon); Diodor 11, 49, 1 f. und 11, 67, 7 (Hieron); Diodor 14, 7, 4f.; 14, 15, 3; 14, 58, 2; 14, 78, 2 und 14, 96, 4 (Dionysios); vgl. auch Burckhardt, Kulturgeschichte, Band 1, S. 193-197. 97 Entsprechende Versuche werden Spurius Casslus (486/485 v.Chr.), Spurius Maelius (439 v.Chr.) und Marcus Manlius Capitolinus (384 v.Chr.) zugeschrieben; vgl. Mommsen, Theodor, Sp. Cassius, M. Manlius, Sp. Maelius, die drei Demagogen der älteren republikanischen Zeit, in: ders., Römische Forschungen, Band 2. - Berlin: Weidmann 1879, S. 153— 220.

226

Die

Stadt

verfiel im Gefolge der Eroberungspolitik aus sozialen und politischen Gründen der Militärmonarchie von innen heraus, wovon ebenfalls gesondert zu sprechen sein wird.98 Im Mittelalter blieb die Stadttyrannis wesentlich, wenn auch nicht ganz, auf Italien beschränkt. Die italienische Signorie, auf welche Eduard 9 Meyer als Parallele der antiken Tyrannis hinweist," hat mit dieser das gemein: daß sie überwiegend in der Hand einer begüterten Familie und im Gegensatz gegen die eigenen Standesgenossen entstand, daß sie ferner, als erste politische Macht in Westeuropa, eine rationale Verwaltung mit (zunehmend) ernannten Beamten durchführte, und daß sie dabei doch meist gewisse Formen der übernommenen kommunalen Verfassung aufrechterhielt. Aber im übrigen treten hier wichtige Unterschiede zutage. Namentlich insofern, als sich zwar das direkte Herauswachsen einer Signorie aus dem Ständekampf häufig findet, oft aber auch die Signorie erst am Ende der Entwicklung nach dem Siege des Popolo und zuweilen erst erhebliche Zeit nachher entstand. Ferner darin, daß sie meist aus den legalen Ämtern des Popolo heraus sich entwickelte, während in der hellenischen Antike gerade die Stadttyrannis nur eine der Zwischenerscheinungen zwischen der Geschlechterherrschaft und A 722 der Timokratie oder Demokratie darstellte. Die | formale Entwicklung der Signorien vollzog sich verschieden, wie namentlich E[rnst] Salzer gut dargelegt hat. 100 Eine ganze Reihe von Signorien entstand ganz direkt als Produkt der Revolten des Popolo aus den neuen Popolanenämtern. Der Volkscapitan oder der Podesta der Merkadanza oder auch der Podesta der Kommune wurden vom Popolo auf zunehmend längere Amtsfristen oder auch auf Lebenszeit gewählt. Solche langfristigen höchsten Beamten finden sich schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Piacenza, Parma, Lodi, Mailand. In der letztgenannten Stadt wurde die Herrschaft der

g A: E m s t

9 8 Dieser Hinweis geht im vorliegenden Text nicht auf; vgl. den Editorischen Bericht, oben, S. 45 mit Anm. 1. 9 9 Weber bezieht sich wahrscheinlich auf die Bemerkung zur griechischen Tyrannis bei Meyer, Altertum, Band 2, S. 613: „Die griechische Entwickelung in dieser Epoche hat ihre Parallele in der italienischen seit dem 13. Jahrhundert". 1 0 0 Salzer, Anfänge, S.27ff.

IV. Die Plebejerstadt

5

10

15

20

25

227

Visconti 101 ebenso wie die der Scaliger in Verona 102 und der Este in Mantua 103 schon Ende des 13. Jahrhunderts faktisch erblich. Neben der Entwicklung zur Lebenslänglichkeit und der zuerst faktischen, später rechtlichen, Erblichkeit ging die Erweiterung der Macht-] befugnisse des höchsten Beamten her. Von einer arbiträren^] rein WuG1 572 politischen Strafgewalt aus entwickelte sie sich zur Generalvollmacht (arbitrium generale)^ konkurrierend mit dem Rat und der Gemeinde beliebige Verfügungen zu treffen, schließlich zum Dominium mit dem Recht[,j die Stadt libero arbitrio zu regieren, die Ämter zu besetzen und Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen. 104 Die Maßregel hatte zwei verschiedene, freilich der Sache nach oft identische politische Quellen. Einmal die Parteiherrschaft als solche. Vor allem die stetige Bedrohung des ganzen politischen und damit indirekt des ökonomischen, namentlich auch des Bodenbesitzstandes durch die unterlegene Partei. Speziell die kriegsgewohnten Geschlechter und die Angst vor Verschwörungen nötigten zur Einsetzung unumschränkter Parteihäupter. Dann die auswärtigen Kriege, die Bedrohung mit Unterwerfung durch Nachbarkommunen oder andere Gewalthaber. Wo dies der wesentliche Grund war, war meist die Schaffung eines außerordentlichen Militärkommandos: der Kriegscapitanat, übertragen entweder einem fremden Fürsten oder einem Condottiere, die Quelle der Signorie[,j und nicht die Parteiführerstellung des Volkscapitans. Dabei konnte die Ergebung der Stadt in das Dominium eines Fürsten zum Zweck des Schutzes gegen äußere Bedrohung in einer Art erfolgen, welche die Befugnisse des Dominus sehr eng begrenzte. In-

1 0 1 De facto seit 1277; nach Salzer, Anfänge, S. 1 1 6 - 1 2 0 , ist j e d o c h fraglich, o b die in jenem Jahr erfolgte Wahl von Otto Visconti schon auf Lebenszeit galt. Die Visconti herrschten bis 1477 über Mailand. 1 0 2 Ein Mitglied der Familie della Scala ist 1259 erstmals zum Podestà in Verona gewählt worden; 1277 w u r d e Alberto della Scala Volkscapitan auf Lebenszeit; die Herrschaft blieb nach seinem Tod (1301) in der Familie erblich (bis 1388); Salzer, Anfänge, S. 121 ff. 1 0 3 Nach Salzer, Anfänge, S. 33 und 252, war das Amt des Podestà in Mantua seit 1212/ 13 und in M o d e n a seit 1292/93 in der Familie Este (die zeitweise auch noch in Ferrara herrschte) erblich. Da Weber v o m „Ende des 13. Jahrhunderts" spricht, Ist im Text möglicherweise „ M o d e n a " statt „Mantua" zu lesen. 1 0 4 Laut Salzer, Anfänge, S. 7 6 - 8 0 und 171, bezieht sich diese Ermächtigung des Podestà, nach e i g e n e m Ermessen zu entscheiden, in erster Linie auf seine Rechtsprec h u n g in Strafsachen. Eine entsprechende Vollmacht w u r d e in Bologna bald nach 1252, in M o d e n a und Padua 1266 erteilt.

228

Die Stadt

nerhalb der Stadt waren es die[,j von der aktiven Beteiligung an der Verwaltung faktisch ausgeschlossenen^ breiten unteren Schichten der Gewerbetreibenden, welche der Gewalthaber am leichtesten A 723 für sich zu gewinnen pflegte, teils | weil für sie der Wechsel keinen Verlust bedeutete und die Entstehung eines Herrenhofes ökonomische Vorteile versprach, teils infolge der emotionalen Zugänglichkeit der Massen für persönliche Machtentfaltung. In aller Regel haben daher die Aspiranten auf die Signorie die Parlamente als Instanz für die Gewaltübertragung benutzt. 105 Aber je nach den Umständen haben gelegentlich auch die Geschlechter oder die Kaufmannschaft, bedroht durch politische oder ökonomische Gegner, zu dem Mittel der Signorie gegriffen, welches zunächst nirgends als die dauernde Errichtung einer Monarchie angesehen wurde. Städte wie Genua haben wiederholt mächtigen Monarchen, in deren Dominium sie sich begaben, sehr beengende Bedingungen, vor allem: begrenzte Wehrmacht, fest begrenzte Geldzahlungen auferlegt und sie gelegentlich ihrer Stellung entsetzt. Gegenüber auswärtigen Monarchen, z. B. dem König von Frankreich von Seiten Genuas, gelang dies.106 Allein gegenüber einem in der Stadt einmal ansässig gemachten Signore gelang es schwer. Und vor allem kann man beobachten, daß sowohl die Kraft wie auch die Neigung zum Widerstand bei den Bürgern im Lauf der Zeit abnahm. Die Signoren stützten sich auf Soldheere und zunehmend auch auf Verbindungen mit den legitimen Autoritäten. Nach der gewaltsamen Unterwerfung von Florenz mit Hilfe spanischer Truppen107 war die erbliche Signorie 105 Einschlägige Beispiele aus dem 13. und 14. Jahrhundert führt Salzer, Anfänge, S . 2 2 4 f „ an. 106 Webers allgemein gehaltene Bemerkungen zu den Beziehungen zwischen Genua und Frankreich lassen sich zeitlich nicht eindeutig einordnen. Das Eingehen nur begrenzter militärischer Verpflichtungen zeigt z. B. der 1269 mit Karl von Anjou, König von Neapel und Sizilien (und Bruder des französischen Königs Ludwig IX.), abgeschlossene Beistandsvertrag, mit dem sich Genua u.a. zur Stellung von zehn Galeeren für jährlich drei Monate verpflichtete; vgl. Caro, Georg, Genua und die Mächte am Mittelmeer 1257-1311. Ein Beitrag zur Geschichte des XIII. Jahrhunderts, Band 1. - Halle: Max Niemeyer 1895, S. 2 2 7 - 2 3 0 . Zur Abschüttelung französischer Herrschaft kam es Anfang des 15. Jahrhunderts. Genua hatte 1396 gegen das Vormachtstreben Mailands unter Giangaleazzo Visconti ( 1 3 5 1 - 1 4 0 2 , seit 1385 an der Macht, 1395 Herzog von Mailand) Schutz bei Frankreich gesucht; im Namen des französischen Königs Karl VI. hatte 1401 der Marschall Boucicaut in Genua das Regiment übernommen, wurde dann aber 1409 durch einen Aufstand vertrieben. 107 Im Jahr 1530 eroberten die Medici Florenz, aus dem sie 1527 vertrieben worden waren, mit der Unterstützung von Kaiser Karl V. zurück.

IV. Die

5

10

15

20

25

30

35

Plebejerstadt

229

außer in Venedig und Genua in Italien die definitiv durch kaiserliche und päpstliche Anerkennung legitimierte Staatsform. Jener abnehmende Widerstand der Bürgerschaft aber erklärt sich zunächst aus einer Reihe von Einzelumständen: der Hofstaat des Signore schuf beim Adel und Bürgertum wie überall so auch hier mit steigender Dauer zunehmende Schichten von Interessenten, soziale und ökonomische, an seinem Fortbestande. Die steigende Sublimierung der Bedürfnisse und die abnehmende ökonomische Expansion bei steigender Empfindlichkeit der ökonomischen Interessen der bürgerlichen Oberschichten gegen Störungen des befriedeten Verkehrs, ferner das allgemein11 mit zunehmender Konkurrenz und wachsender ökonomischer und sozialer Stabilität abnehmende Interesse der Gewerbetreibenden an politischer Aspiration und ihre dadurch erklärliche Zuwendung zu reinen Erwerbszwecken oder friedlichem Rentengenuß und die allgemeine Politik der Fürsten, welche beide Entwicklungen im eigenen Vorteil förderten, führten zu einem rapiden Nachlassen des Interesses am politischen | Schick- A 724 sal der Stadt. Überall konnten sowohl die großen Monarchien, wie etwa das französische Königtum, wie die Signoren der einzelnen Städte auf das Interesse der Unterschichten an Befriedung der Stadt und an Regelung des Erwerbs im Sinne kleinbürgerlicher | Nahrungspolitik rechnen. Die französischen Städte sind von den WuG1 573 Königen mit Hilfe dieser Interessen der Kleinbürger unterworfen worden, und in Italien haben ähnliche Tendenzen die Signorie gestützt. Wichtiger als alles aber war ein wesentlich politisches Moment: die Befriedung der Bürgerschaft durch ihre ökonomische Inanspruchnahme und Entwöhnung vom Waffendienst und die planmäßige Entwaffnung von Seiten des Fürsten. Zwar war diese nicht immer von Anfang an ein Bestandteil der Politik der Fürsten, manche von ihnen haben im Gegenteil gerade erst rationale Rekrutierungssysteme geschaffen. A b e r entsprechend dem allgemeinen Typus patrimonieller Heeresbildung waren diese oder wurden sie bald zu einer Aushebung der Unbemittelten und also dem republikanischen Bürgerheere wesensfremd. Vor allem aber hatte der Übergang zum Soldheer und zur kapitalistischen Deckung des Militärbedarfes durch Unternehmer' (Condottieri)[,] bedingt durch

h A: allgemeine

i A: Unternehmer,

230

Die Stadt

steigende Unabkömmlichkeit der Bürger und steigende Notwendigkeit der berufsmäßigen Schulung für den Waffendienst^] den Fürsten weitgehend vorgearbeitet^ Schon in den Zeiten des Bestandes der freien Kommunen hatte dies der Befriedung und Entwaffnung der Bürger stark vorgearbeitet. Dazu trat dann die per- 5 sönliche und politische Verbindung der Fürsten mit den großen Dynastien, deren Macht gegenüber der1 Bürgeraufstand aussichtslos wurde. Es waren also in letzter Instanz die uns in ihrer allgemeinen Bedeutung bekannten Umstände: 108 zunehmende ökonomische Unabkömmlichkeit der Erwerbenden, zunehmende militäri- 10 sehe Disqualifikation der gebildeten Schichten des Bürgertums und zunehmende Rationalisierung der Militärtechnik in der Richtung des Berufsheeres, welche in Verbindung mit der Entwicklung ökonomisch oder sozial höfisch interessierter Adels-, Rentner- und Pfründnerstände der Signorie die Chancen gaben^ zu einem erbli- 15 chen patrimonialen Fürstentum sich auszuwachsen. Wurde sie dies, so trat sie damit in den Kreis der legitimen Gewalten ein. Die Politik der Signorien zeigt nun vor allem in einem Punkte, der hier allein interessiert, eine ihnen mit den antiken Tyrannen gemeinsame Tendenz: in der Sprengung der politischen und öko-| 20 A 725 nomischen Monopolstellung der Stadt gegenüber dem platten Lande. Die Landbevölkerung war es sehr oft, mit deren Hilfe - wie in der Antike - der Gewalthaber die Übertragung der Herrschaft erzwang (so 1328 in Pavia). 109 Die freie Stadtbürgerschaft hatte nach dem Sieg über die Geschlechter sehr oft im eigenen und politischen 25 Interesse die Grundherrschaft gesprengt, die Bauern befreit und die freie Bewegung des Bodens zum kaufkräftigsten Reflektanten gefördert. Der Erwerb massenhaften Grundbesitzes aus den Händen der Feudalherren durch die Bürger und z. B. der Ersatz der Fron-

k A: vorbereitet

I A: dem

108 Wenn diese Bemerkung als Querverweis Webers aufzufassen ist, läßt sie sich im vorliegenden Text nicht auflösen; sie könnte bezogen werden auf Ausführungen in WuG1, v.a. S. 665, 687 und 729 (MWG I/22-4). 109 Gemeint sein muß Padua (nicht Pavia); dort fand 1328 die Herrschaftsübertragung unter Akklamationen durch die Bevölkerung statt; vgl. Cittadella, Giovanni, Storia della Dominazione Carrarese in Padova, vol. 1. - Padova: Tipi del seminario 1842, S. 117-125.

TV. Die

Plebejerstadt

231

hofsverfassung durch die Mezzadria in Toscana110 - ein auf das Nebeneinander eines vorwiegend stadtsässigen, mit dem Lande nur durch Villeggiaturen verknüpften Herren und seiner landsässigen Teilpächter zugeschnittenes Institut - vollzog sich im Gefolge der Herrschaft des Popolo grasso. Von jeglicher Teilnahme an der politischen Gewalt aber war die Landbewohnerschaft ausgeschlossen, auch soweit sie aus freibäuerlichen Eigentümern bestand. Wie die Mezzadria privatwirtschaftlich, so war die Stadtpolitik dem Lande gegenüber organisatorisch auf städtische Konsumenteninteressen und nach dem Siege der Zünfte auf städtische Produzenteninteressen zugeschnitten. Die Fürstenpolitik hat dies keineswegs sofort und überhaupt nicht überall geändert. Die berühmte physiokratische Politik des Großherzogsm Leopold von Toscana im 18. Jahrhundert war beeinflußt durch bestimmte naturrechtliche Anschauungen und nicht in erster Linie agrarische Interessenpolitik.111 Allein in jedem Fall war die im ganzen auf Interessenausgleich und Vermeidung von schroffen Kollisionen hingewiesene Politik der Fürsten jedenfalls nicht mehr die Politik einer das Land lediglich als Mittel zum Zweck benutzenden Stadtbürgerschaft. Die Herrschaft der Stadtfürsten war mehrfach und schließlich überwiegend Herrschaft über mehrere Städte. Keineswegs aber war dabei die Regel, daß aus diesen bisher selbständigen Stadtterritorien nun ein im modernen Sinne einheitlicher staatlicher Ver- WuG1

m A: großen Herzogs 110 Unter „mezzadria" (ital.: Teilpacht oder Teilbau) versteht man ein Rechtsverhältnis, bei dem der Verpächter eines landwirtschaftlichen Betriebes oder Grundstücks am Rohertrag, den der Pächter erwirtschaftete, einen festen Anteil hatte. In Italien war der Teilbau seit der Mitte des 13. Jahrhunderts am stärksten in der Toskana, in Umbrien, den Marken und der Emiiia verbreitet; vgl. Steinbrück, K[arl], „Teilbau und Teilpacht", in: HdStW3, Band 7, S. 1146-1150, hier S. 1146f. 111 Die Mitte des 18. Jahrhunderts in Frankreich entwickelte physiokratische Lehre forderte, daß das Wirtschaftsleben frei nach der in ihm angelegten „natürlichen Ordnung" ablaufen sollte, und sah in der Landwirtschaft die eigentliche Quelle des Nationalreichtums. Zu der umfassenden Reformpolitik Leopolds I. von Toskana (Regierungszeit 1765-1792) gehörte eine Agrarreform, die eine Verbesserung der Lage der Pächter mit sich bringen sollte, sowie die Freigabe des Getreidehandels; vgl. Reumont, Alfred von, Geschichte Toscana's seit dem Ende des florentinischen Freistaats, 2. Theil: Haus Lothringen-Habsburg, J[ahre] 1737-1859 (Geschichte der europäischen Staaten, hg. von A[rnold] H. Heeren, Friedrich] A. Ukert und W[ilhelm] v[on] Giesebrecht). - Gotha: Friedrich A. Perthes 1877, S. 116-148.

232

Die

Stadt

band geschaffen worden wäre. Im Gegenteil haben die verschiedenen zur Herrschaft eines Herren zusammengeschlossenen Städte nicht selten nach wie vor durch Gesandte miteinander zu verkehren das Recht und auch den Anlaß gehabt. Ihre Verfassung wurde keineswegs regelmäßig vereinheitlicht. Sie wurden" nicht zu Gemein- 5 A 726 den, welche kraft Delegation des Staates einen | Teil von dessen Aufgaben erfüllten. Diese Entwicklung hat sich vielmehr erst allmählich und parallel mit der gleichartigen Umgestaltung der großen modernen Patrimonialstaaten vollzogen. Ständische Vertretungen, wie sie namentlich das sizilianische Reich schon im Mittelal- 10 ter, 112 aber auch andere alte patrimoniale Monarchien kannten, fehlten den aus Stadtterritorien entstandenen Herrschaftsgebilden meist gänzlich. Die wesentlichen organisatorischen Neuerungen waren vielmehr: 1. Das Auftreten der herrschaftlichen, auf unbestimmte Zeit angestellten Beamten neben den kurzfristig gewähl- 15 ten Kommunalbeamten 0 ; 2. die Entwicklung kollegialer Zentralbehörden vor allem für Finanz- und Militärzwecke. Dies war allerdings ein wichtiger Schritt auf dem Wege der Rationalisierung der Verwaltung. Technisch besonders rational konnte die stadtfürstliche Verwaltung deshalb gestaltet werden, weil viele Kommunen in ih- 20 rem eigenen finanziellen und militärischen Interesse statistische Grundlagen dafür in einem sonst nicht üblichen Grade geschaffen hatten und weil die Kunst der Buch- und Aktenführung von den Bankhäusern der Städte technisch entwickelt p worden war p . 113 Im übrigen wirkte bei der unzweifelhaften Rationalisierung der Ver- 25 waltung wohl mehr das Beispiel Venedigs auf der einen Seite, q des sizilianischen Reiches*7 auf der anderen Seite^j und zwar wohl mehr durch Anregung als durch Übernahme. Der Kreislauf der italienischen Städte von Bestandteilen patrimonialer oder feudaler Verbände durch eine Zeit revolutionär er- 30 n A: wurde

o A: Kriminalbeamten

p A: waren

q A: das sizilianische Reich

112 Im Jahr 1232 erhielten die sizilianischen Städte von Friedrich II. das Privileg, an Hoftagen des Königs teilzunehmen. Insbesondere kam ihnen das Recht zu, bei Verhandlungen über die Höhe ihrer Steuerbelastungen mltzuberaten und mitzuentscheiden; Mayer, Verfassungsgeschichte (wie oben, S. 130, Anm. 83), Band 1, S. 321 f. 113 Die In den italienischen Bank- und Handelshäusern entwickelte doppelte Buchführung soll bereits 1348 bzw. 1432 In den Rechnungsbüchern der Städte Genua und Florenz angewendet worden sein; vgl. Adler, A., „Buchführung", In: HdStW3, Band 3, S. 244-260, hier S. 248.

IV. Die

5

10

15

20

25

30

Plebejerstadt

233

rungener Selbständigkeif und eigenständiger Honoratiorenherrschaft, dann der Zunftherrschaft hindurch zur Signorie und schließlich zu Bestandteilen relativ rationaler patrimonialer Verbände hat in dieser A r t kein volles Gegenbild im übrigen Okzident. Vor allem fehlt ein solches für die Signorie, die nur in ihrem Vorstadium, dem Volkskapitanat, in einigen der machtvollsten Bürgermeister nördlich der Alpen Parallelen hat. Dagegen war die kreisläufige Entwicklung in einem Punkt allerdings universell: die Städte waren in der Karolingerzeit nichts oder fast nichts als Verwaltungsbezirke 114 mit gewissen Eigentümlichkeiten der ständischen Struktur, und sie näherten sich im modernen patrimonialen Staat dieser Lage wiederum stark an und zeichneten sich nur durch korporative Sonderrechte aus. In der Zwischenzeit aber waren sie in irgendeinem Grade überall „Kommunen" mit politischen Eigenrechten und au|to- A 727 nomer Wirtschaftspolitik. Ähnlich verlief nun auch die Entwicklung in der Antike. Und doch ist weder der moderne Kapitalismus noch der moderne Staat auf dem Boden der antiken Städte gewachsen, während die mittelalterliche Stadtentwicklung für beide zwar keineswegs die allein ausschlaggebende Vorstufe und gar nicht ihr Träger war, aber als ein höchst entscheidender Faktor ihrer Entstehung allerdings nicht wegzudenken ist. Trotz aller äußerlichen Ähnlichkeiten der Entwicklung müssen danach doch auch tiefgreifende Unterschiede festzustellen sein. Diesen müssen wir uns nun zuwenden. Wir werden am ehesten die Chance haben sie zu erkennen, wenn wir die beiderseitigen Städtetypen in ihren charakteristischsten Formen einander gegenüberstellen. 115 Dazu müssen wir uns aber zunächst klar machen, daß auch innerhalb der mittelalterlichen Städte sehr starke, von uns vorerst nur in einigen Punkten beobachtete Strukturunterschiede obwalten. Zunächst aber verdeutlichen wir uns noch einmal die Gesamtlage der mittelalterlichen Städte zu jener Zeit ihrer höchsten Selbständigkeit, welche uns hoffen läßt, ihre spezifischen Züge am vollsten entwickelt zu finden.

r A: Selbständigkeits-

114 Vgl. oben, S.86. 115 Siehe unten, S.253ff.

234

Die Stadt

Während der Höhezeit der Stadtautonomie bewegten sich die Errungenschaften der Städte s in außerordentlicher Vielgestaltigkeit in folgenden Richtungen: | WuG 1 575 1. Politische Selbständigkeit und, teilweise, um sich greifende Außenpolitik, derart, daß das Stadtregiment dauernd eigenes Mili- s tär hielt, Bündnisse schloß, große Kriege führte, große Landgebiete und unter Umständen andere Städte in voller Unterwerfung hielt, überseeische Kolonien erwarb. Dies ist, was überseeische Kolonien anlangt, dauernd nur zwei italienischen Seestädten, 116 was die Gewinnung großer Territorien und internationaler politischer Bedeu- 10 tung anlangt, einigen Kommunen im nördlichen und mittleren Italien und in der Schweiz zeitweise gelungen, in weit geringerem Maß den flandrischen und einem Teil der norddeutschen Hansestädte und wenigen anderen. Dagegen die süditalienischen und sizilianischen, nach kurzem Intermezzo die spanischen, nach längerem die 15 französischen, von Anfang an die englischen Städte und die deutschen, mit Ausnahme namentlich der erwähnten nordischen 117 und flandrischen Städte und einiger schweizerischen und süddeutschen, nur während des kurzen Intermezzos der Städtebünde auch eines A 728 größeren Teils | der westdeutschen, 118 kannten ein über die unmit- 20 telbare ländliche Umgebung und einige Kleinstädte hinausreichendes politisches Herrschaftsgebiet im allgemeinen nicht. Sehr viele von ihnen haben zwar dauernd Stadtsoldaten gehalten (so noch spät in Frankreich), oder sie haben - und das war die Regel - eine auf der Wehrpflicht der Stadtinsassen ruhende Bürgermiliz gehabt, 25 welche ihre Mauern verteidigte, und zeitweilig die Kraft besaß, im Bunde mit anderen Städten den Landfrieden durchzusetzen, Räuberburgen zu brechen und in inneren Fehden des Landes Partei zu ergreifen. A b e r eine internationale Politik, wie die italienischen und die Hansestädte, haben sie dauernd nirgends zu treiben ver- 30 sucht. Sie haben meist, je nachdem zu den ständischen Vertretungen

s In A folgt: untereinander 116 Genua und Venedig. 117 Gemeint sind wohl die kurz zuvor im Text angeführten norddeutschen Hansestädte. 118 Von den verschiedenen Zusammenschlüssen des 13. und 14. Jahrhunderts umfaßten namentlich die Rheinischen Städtebünde von 1254-1257 und 1381 - 1 3 8 9 eine größere Zahl westdeutscher Städte.

TV. Die Plebejerstadt

5

10

15

20

25

235

des Reichs oder zu denen des Territorialgebiets Vertreter geschickt und dann nicht selten, infolge ihrer finanziellen Potenz, auch bei formal untergeordneter Stellung, die maßgebende Stimme darin gewonnen: Das größte Beispiel dafür sind die englischen Commons, die freilich nicht sowohl eine Vertretung von Stadtcommunen 1 , als von ständischen Körperschaften darstellten. 3119 A b e r viele Bürgerschaften haben auch ein solches Recht nie ausgeübt (die rechtshistorischen Einzelheiten würden hier zu weit führen). Der moderne patrimonialbureaukratische Staat des Kontinents aber hat dann den meisten von ihnen jede eigenpolitische Betätigung und auch die Wehrhaftigkeit, außer zu Polizeizwecken, überall genommen. Nur wo er, wie in Deutschland, lediglich in Partikulargebilden sich entwickelte, mußte er einen Teil von ihnen als politische Sonderbildung neben sich bestehen lassen. Einen besonderen Gang ist die Entwicklung noch in England gegangen, weil hier die Patrimonialbureaukratie nicht entstand. Die einzelnen Städte hatten hier innerhalb der straffen Organisation der Zentralverwaltung niemals eigene politische Ambitionen gehabt, da sie ja geschlossen im Parlament auftraten. Sie hatten Handelskartelle geschlossen, aber nicht politische Städtebünde, wie auf dem Kontinent. Sie waren Korporationen einer privilegierten Honoratiorenschicht, und ihre Gutwilligkeit war finanziell unentbehrlich. In der Tudorzeit 120 hatte das Königtum ihre Privilegien zu vernichten gesucht, aber der Zusammenbruch der Stuarts 121 machte dem ein Ende. Sie blieben von da an Korporationen mit dem Recht der Parlamentswahl, und sowohl das „Kingdom of Influence" 1 2 2 wie die Adelssektionen benutzten politisch die zum Teil lächerlich | kleinen und leicht zu gewinnenden A 729

t A: Stadtcommonen a Textverderbnis nicht aufgeklärt; möglicherweise ist das nicht zu streichen, vgl. Anm. 119. 119 Zum Charakter der englischen Commons als Vertretung der Städte und zugleich ständischer Korporation vgl. die ausführlicheren Bemerkungen Webers oben, S. 170. 120 Die Tudors regierten von 1485 bis 1603. 121 Mit dem englischen Bürgerkrieg 1642-1649. 122 Als „influence of the crown" wird üblicherweise das System der Sicherung von Mehrheiten für die Regierung der Krone durch Ämter- und Wahlkreispatronage bezeichnet, das vor allem durch den „Premierminister" (First Lord of the Treasury) Robert Walpole (17211742) entwickelt worden war. Webers Formulierung „kingdom of influence" ist als Zitat nicht nachgewiesen.

236

Die Stadt

Wahlgremien, welche viele von ihnen darstellten, um ihnen gefügige Parlamentsmehrheiten zu erzielen.123 2. Autonome Rechtssatzung der Stadt als solcher und innerhalb ihrer wieder der Gilden und Zünfte. In vollem Umfang haben dies Recht die politisch selbständigen italienischen, zeitweise die spanischen und englischen, ein beträchtlicher Teil der französischen und der deutschen Städte ausgeübt, ohne daß immer eine ausdrückliche Verbriefung dieses Rechts bestanden hätte. Für städtischen Grundbesitz, Marktverkehr und Handel wenden die mit Stadtbürgern als Schöffen besetzten Stadtgerichte ein gleichmäßiges, durch Gewohnheit oder autonome Satzung, Nachahmung, Übernahme oder WuG1 576 Verleihung nach fremdem Muster bei der Gründung | entstehendes, allen Stadtbürgern gemeinsames spezifisches Recht an. Sie schalteten im Prozeßverfahren zunehmend die irrationalen und magischen Beweismittel: Zweikampf, Ordal 124 und Sippeneid zugunsten einer rationalen Beweiserhebung aus, eine Entwicklung, die man sich übrigens nicht allzu geradlinig vorstellen darf: gelegentlich bedeutete die Festhaltung der prozessualen Sonderstellung der Stadtgerichte auch eine Konservierung älterer Prozeduren gegenüber den rationalen Neuerungen der Königsgerichte - so in England (Fehlen der Jury) 125 - und des mittelalterlichen gegenüber dem Vordringen des römischen Rechts: so vielfach auf dem Kontinent, wo die kapitalistisch verwertbaren Rechtsinstitute gerade den Stadtrechten, als der Stätte der Autonomie der Interessenten, entstammten, und nicht dem römischen (oder deutschen) Landrecht. Das Stadtregiment suchte seinerseits nach Möglichkeit darauf zu halten, daß die Gilden und Innungen ohne seine Zustimmung überhaupt keine Satzungen oder doch nur solche, welche sich auf das ein für allemal ihnen zugewiesene Gebiet beschränkten, erließen. Sowohl der Umfang der städtischen Autonomie war bei allen Städten, die mit einem politischen oder grundherrlichen Stadtherrn zu rechnen hat123 Erst die große Wahlrechtsreform von 1832 brachte den Wegfall der Wahlkreise mit nur noch w e n i g e n Wählern („rotten boroughs"), die von einzelnen Aristokraten bzw. Fraktionen der Aristokratie kontrolliert wurden. 124 „Ordal" (altengl.: das Ausgeteilte), mlat. ordalium: Gottesurteil. Gottesurteile als prozessuale Beweismittel sind zuerst In England abgeschafft worden, n a c h d e m das Laterankonzil von 1215 die Mitwirkung von Priestern verboten hatte. 125 Z u m Recht der Städte, vom Jury-Verfahren abzusehen, vgl. oben, S. 164 mit Anm.63.

IV. Die

Plebejerstadt

237

ten, also bei allen außer den italienischen13, labil und eine0 Machtfrage, wie ebenso die Verteilung der Satzungsgewalt zwischen Rat und Zünften. Der entstehende patrimonialbureaukratische Staat hat ihnen dann diese Autonomie überall zunehmend beschnitten. In England haben die Tudors zuerst systematisch den Grundsatz vertreten, daß die Städte ebenso wie die Zünfte korporativ organisierte | Staatsanstalten für bestimmte Zwecke seien mit Rechten, welche A 730 sachlich nicht über die im Privileg bezeichneten Schranken hinausgingen, und mit einer Satzungsgewalt, welche nur die als Bürger Beteiligten binde. Jeder Verstoß gegen diese Schranken wurde zum Anlaß genommen, im d „Ultra vires"-Prozeßd die Charten kassieren zu lassen (so für London noch unter Jakob II.).126 Die Stadt galt dieser Auffassung nach, wie wir sahen,127 im Prinzip überhaupt nicht als „Gebietskörperschaft", sondern als ein privilegierter ständischer Verband, in dessen Verwaltung sich das Privy Council128 fortwährend kontrollierend einmischte. In Frankreich ist den Städten im Lauf des 16. Jahrhunderts die Gerichtsbarkeit außer für Polizeisachen ganz genommen und für alle finanziell wichtigen Akte die Genehmigung der Staatsbehörde verlangt worden e . 129 In Zentraleuropa wurde die Stadtautonomie der Territorialstädte in aller Regel gänzlich vernichtet. 3. Autokephalie. Also: ausschließlich eigene Gerichts- und Verwaltungsbehörden. Nur ein Teil der Städte, vor allem die italieni-

b A: italischen c Fehlt in A; eine sinngemäß ergänzt. Prozeß e Fehlt In A; worden sinngemäß ergänzt.

d A: „Netre vires"-

126 Gemeint ist der „Quo warranto"-Prozeß (zur Überprüfung des Rechtstitels), der gegen diejenigen eingeleitet werden konnte, die jenseits ihrer Kompetenz („ultra vires") hoheitliche Funktionen wahrnahmen. Nach englischem Rechtsverständnis durften Korporationen nur die ihnen ausdrücklich von der Krone zugestandenen Befugnisse ausüben; Insofern konnten auch Städte einem „Quo-warranto"-Verfahren unterworfen werden, das gegebenenfalls zur Aberkennung ihres Korporationsstatus führte; vgl. Hatschek, Staatsrecht (wie oben, S. 166, Anm.71), Band 1, S.54 und 61; Band 2, S. 629-633; zum Vorgehen Jakobs II. gegen London 1683 ders., Verfassungsgeschichte, S.490. 127 Siehe oben, S. 166ff. 128 Der Geheime Staatsrat, dem die höchsten Minister angehörten, beriet den König bei der Ausübung derjenigen Hoheitsrechte, die nicht der Zustimmung des Parlaments bedurfte. 129 Durch vier königliche Ordonnanzen aus den Jahren 1561-1580; vgl. Holtzmann, Verfassungsgeschichte (wie oben, S. 126, Anm. 71), S. 495-496.

238

Die Stadt

sehen, haben dies voll durchgesetzt, die außeritalienischen vielfach nur für niedere Gerichtsbarkeit und auf die Dauer meist mit dem Vorbehalt der Appellation an die königlichen oder höchsten Landesgerichte. In der Gerichtsbarkeit war da, wo die aus den Bürgern genommenen Schöffen das Urteil fanden, die Persönlichkeit des Gerichtsherrn ursprünglich nur von vorwiegend fiskalischem Interesse, und deshalb hat sich die Stadt die formelle Gerichtsherrlichkeit zuweilen gar nicht anzueignen oder durch Kauf an sich zu bringen veranlaßt geglaubt. Für sie war aber das wichtigste: daß die Stadt ein eigener Gerichtsbezirk war mit Schöffen aus ihrer Mitte. Dies wurde mindestens für die niedere Gerichtsbarkeit, teilweise für die höhere schon sehr früh durchgesetzt. Eigene Schöffenwahl oder Kooptation ohne Einmischung des Herrn erlangten die Bürger zum erheblichen Teil. Wichtig war ferner die Erlangung des Privilegs, daß ein Bürger nur vor dem Gericht der Stadt Rede stand. Die Art der Entwicklung der eigenen städtischen Verwaltungsbehörde, des Rats, kann hier unmöglich verfolgt werden. Daß ein solcher, mit weitgehenden Verwaltungsbefugnissen ausgestattet, bestand, war auf der Höhe des Mittelalters Kennzeichen jeder Stadtgemeinde in West- und Nordeuropa. Die Art seiner Zusammensetzung variierte unendlich und hing namentlich ab von der Machtlage zwischen dem A 731 Patriziat der „Geschlechter", also den | Grundrenten- und Geldbesitzern, Geldgebern und Gelegenheitshändlern, ferner den bürgerlichen, oft zünftigen Kaufleuten, je nachdem mehr Fernhändlern oder (in ihrer Masse) mehr Großdetaillisten und Verlegern ge-| WuG1 577 werblicher Produkte, und den wirklich rein gewerblichen Zünften. Andererseits bestimmte sich das Maß, in welchem der politische oder Grundherr an der Ernennung des Rats beteiligt, die Stadt also partiell heterokephal blieb, nach der ökonomischen Machtlage zwischen Bürgern und Stadtherren. Zunächst nach dessen Geldbedarf, der den Auskauf seiner Rechte ermöglichte. Umgekehrt also auch durch die Finanzkraft der Städte. Aber der Geldbedarf fdes Stadtherrnf und der Geldmarkt der Stadt allein entscheiden nicht, wenn 9 der Stadtherr 9 politische Machtmittel besaß. In Frankreich hatte das unter Philipp August mit den Städten verbündete Königtum (teilweise auch andere Stadtherren) schon im 13. Jahrhundert durch

f A: der Stadtkasse

g A: die Stadtkasse

IV. Die

Plebejerstadt

239

stark steigenden Geldbedarf1 ,,pariage"130[,] Anteil an der Besetzung der Verwaltungsstellen, Kontrollrecht über die Verwaltung des Magistrats, namentlich die den König interessierende Finanzverwaltung, Bestätigungsrecht der gewählten Konsuln, bis zum 15. Jahrhundert Vorsitz des königlichen Prévôts131 in der Bürgerversammlung erlangt. Im ludovicianischen Zeitalter vollends werden die Städte in der Ämterbesetzung vollständig von den königlichen „Intendanten" beherrscht,132 und die Finanznot des Staats führte dazu, die Stadtämter ebenso wie die Staatsämter durch Verkauf zu besetzen. Der vormals patrimonialbureaukratische Staat verwandelte die Verwaltungsbehörden der Stadt in privilegierte Korporationsvertretungen mit ständischen Privilegien, aber Zuständigkeit nur im Umkreis ihrer korporativen Interessen, jedoch ohne Bedeutung für staatliche Verwaltungszwecke. Der englische Staat, der den Städtekorporationen, da sie Parlamentswahlkörper waren, die Autokephalie lassen mußte, schritt, als er diejenigen Aufgaben, welche unsere heutigen Kommunalverbände133 zu erfüllen haben, durch lokale Verbände lösen lassen wollte, rücksichtslos über die Stadt weg und machte entweder die einzelne Parochie, der nicht nur die privilegierten Korporationsmitglieder, sondern alle h Zu ergänzen wäre: der Städte, vgl. Anm. 130.

1 3 0 Dieser Satz wird nur verständlich, w e n n hier „städtischer Geldbedarf" gemeint Ist. Der französische Sonderfall liegt darin begründet, daß zunächst die Städte sich der Gewalt der feudalen Stadtherren w e i t g e h e n d entzogen hatten, sich d a n n aber zu ihrem Schutz in der Zelt Philipps II. August an das Königtum anlehnten. In dieser Konstellation waren es die Städte, die d e n Finanzbedarf hatten und die deshalb als Gegenleistung für den v o m König erbrachten Schutz bzw. von ihm gewährte finanzielle Unterstützung Teilungsverträge, „Pariages", abschlössen, die d e m König einen fest umrissenen Einfluß auf die Besetzung der städtischen Ämter, zumal der Finanzverwaltung garantierten; vgl. die Ausführungen bei Holtzmann, Verfassungsgeschichte (wie oben, S. 126, Anm. 71), S. 191 und 2 8 0 - 2 8 3 , auf die wahrscheinlich Webers Bemerkungen zurückgehen. 1 3 1 Das Amt des „Prévôt" als Vertreter des Königs In der Lokalverwaltung w u r d e durch Pacht vergeben, bis man im späteren 15. Jahrhundert den Ämterkauf einführte; Holtzmann, Verfassungsgeschichte, S. 202f. und 359. 1 3 2 Die Entsendung von königlichen Kontrollbeamten („Intendanten") in die Provinzen, die zuvor nur von Fall zu Fall stattgefunden hatte, wurde seit der Zeit Ludwigs XIV. ( 1 6 4 3 1715) zu einer ständigen Einrichtung; Holtzmann, Verfassungsgeschichte, S. 3 9 6 - 3 9 8 . 1 3 3 In Preußen (und anderen deutschen Ländern) stellten Im späten 19. Jahrhundert die Landkreise nicht nur die untersten staatlichen Verwaltungsbezirke dar, sondern waren zugleich Organe der Selbstverwaltung, die A u f g a b e n wie Schulwesen, Armen- und G e s u n d heitspflege auf überörtlicher G r u n d l a g e wahrnahmen.

240

Die

Stadt

qualifizierten Einwohner angehörten, oder andere neugeschaffene Verbände zu deren Trägern.134 Meist aber hat der Patrimonialbureaukratismus die Magistrate ganz einfach in eine landesherrliche Behörde neben anderen verwandelt. | A 732 4. Steuergewalt über die Bürger, Zins- und Steuerfreiheit dersel- 5 ben nach außen. Das erste wurde sehr verschieden weitgehend, unter verschieden wirksamer' oder auch ganz wegfallender Erhaltung des Kontrollrechts durch den Stadtherrn, durchgesetzt. In England haben die Städte wirkliche Steuerautonomie nie besessen, sondern für alle neuen Steuern stets des Konsenses des Königs bedurft. Zins- 10 und Steuerfreiheit nach außen wurde ebenfalls nur stellenweise vollständig erreicht. Von den politisch nicht autonomen Städten nämlich nur da, wo sie die Steuerpflicht pachteten und dann den Stadtherrn durch einmalige oder, häufiger, durch regelmäßige Pauschalzahlungen abfanden und die königlichen Steuern in eigne 15 Regie nehmen konnten (firmak burgi in England). 135 Am vollständigsten gelang die Durchsetzung der Lastenfreiheit nach außen überall für die persönlichen, aus gerichts- oder leibherrlichen Verhältnissen der Bürger stammenden Pflichtigkeiten. - Der normale patrimonialbureaukratische Staat schied nach seinem Siege Stadt 20 und Land zwar rein steuertechnisch: er suchte Produktion und Konsum gleichmäßig durch seine spezifische Städtesteuer, die Akzise, zu treffen. Die eigene Steuergewalt aber nahm er den Städten praktisch so gut wie ganz. In England bedeutete die korporative Besteuerung der Städte wenig, da die neuen Verwaltungsaufgaben an- 25 dern Gemeinschaften zufielen. In Frankreich eignete sich der König seit Mazarin' die Hälfte der städtischen Oktroism an, nachdem alle i A: wirksamer,

k A: (Firma

I A: Mazaine

m A: Oktroy

1 3 4 Der zeitliche Bezug dieser Bemerkungen läßt sich nicht eindeutig feststellen. Gemeint sein könnte die Reform der Kommunalverfassung unter den Tudors, durch die den „parishes" (Kirchspielen) die Aufgaben der Armenpflege und vielfältige Ordnungsfunktionen übertragen wurden; dazu Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 472-476; Gneist, Verfassungsgeschichte (wie oben, S. 76, Anm. 39), S. 517ff. Oder Weber denkt an die Neuordnung der englischen Lokalverwaltung durch verschiedene Gesetze Im Laufe des 19. Jahrhunderts. Sie wurde dadurch einerseits auf der Grundlage von „civil parishes" (die mit den Kirchengemeinden nicht identisch waren), andererseits auf der von diversen Zusammenschlüssen solcher „parishes" zu größeren Kommunalverbänden, zumal für Zwecke der Armen- und Gesundheitspflege, organisiert; vgl. Hatschek, Staatsrecht (wie oben, S. 166, Anm. 71), Band 2, S. 410-428. 1 3 5 Vgl. oben, S. 165 mit Anm. 66.

IV. Die

Plebejerstadt

241

städtischen Finanzoperationen und die Selbstbesteuerung schon vorher unter Staatskontrolle gestellt waren.136 In Mitteleuropa wurden die städtischen Behörden auch in dieser Hinsicht oft fast reine staatliche Steuerhebestellen. 5 5. Marktrecht, autonome Handels- und Gewerbepolizei und monopolistische Banngewalten. Der Markt gehört zu jeder mittelalterlichen Stadt, und die Marktaufsicht hat der Rat überall in sehr starkem Maße den Stadtherren abgenommen. Die polizeiliche Aufsicht über Handel und Gewerbe lag später, je nach den Macht|ver- WuG1 578 10 hältnissen, mehr in den Händen der städtischen Behörden oder mehr in denen der Berufsinnungen, unter weitgehender Ausschaltung des Stadtherrn. Vermöge der gewerblichen Polizei wird die Qualitätskontrolle der Waren geübt: teils im Interesse des guten Rufs, also der Exportinteressen des Gewerbes, teils in dem der städ15 tischen Konsumenten, wesentlich im Interesse der letzteren die Preiskontrolle; ferner die Erhaltung | der kleinbürgerlichen Nah- A 733 rungen, also: die Beschränkung der Lehrlings- und Gesellenzahl, unter Umständen auch der Meisterzahl und, mit Engerwerden des Nahrungsspielraums, die Monopolisierung der Meisterstellen für 20 die Einheimischen, speziell die Meistersöhne, gesteigert; andererseits wird, sofern die Zünfte selbst die Polizei in ihre Hand brachten, durch Verbote des Verlags und Kontrolle der Kapitalleihe, Regulierung und Organisation des Rohstoffbezugs und zuweilen der Absatzart, der Entstehung kapitalistischer Abhängigkeiten von Au25 ßenstehenden und Großbetrieben entgegengearbeitet. Vor allem aber erstrebte die Stadt den Ausschluß des ihrer Herrschaft unterworfenen flachen Landes von der gewerblichen Konkurrenz, suchte also den ländlichen Gewerbebetrieb zu unterdrücken und den Bauern im städtischen Produzenteninteresse zum Einkauf seines Be30 darfs in der Stadt zu zwingen und im städtischen Konsumenteninteresse den Verkauf ihrer Produkte auf dem Markt der Stadt und nur dort aufzuzwingen, ebenso im Interesse der Konsumenten und gelegentlich der gewerblichen Rohstoffverbraucher den „Vorkauf" von Waren außerhalb des Marktes zu hindern, im Interesse der eig35 nen Händler endlich Umschlags- und Zwischenhandelsmonopol

136 Diese Aufteilung der „Oktrois" (Stadtzölle) wurde durch Verordnungen der Jahre 1647 und 1653 festgelegt; vgl. Hoitzmann, Verfassungsgeschichte, S.496.

242

Die Stadt

durchzusetzen, andererseits Privilegien im freien Handel auswärts zu gewinnen. 137 Diese Kernpunkte der sog. „Stadtwirtschaftspolitik", 138 durch ungezählte Kompromißmöglichkeiten kollidierender Interessen variiert, finden sich in den Grundzügen fast überall wieder. Die jeweilige Richtung der Politik wird dabei außer durch die innerstädtische Machtlage der Interessenten durch den jeweiligen Erwerbsspielraum der Stadt bedingt. Seine Erweiterung in der ersten Periode der Besiedelung brachte eine auf Erweiterung des Markts, seine Verengung nach Ende des Mittelalters eine auf Monopolisierung gerichtete Tendenz mit sich. Im übrigen hat jede einzelne Stadt ihre eigenen, mit den Konkurrenten kollidierenden Interessen, und speziell unter den Fernhandelsstädten des Südens herrscht Kampf auf Leben und Tod. Der patrimonialbureaukratische Staat nun dachte nach Unterwerfung der Städte durchaus nicht an ein grundsätzliches Brechen mit dieser „Stadtwirtschaftspolitik". Ganz im Gegenteil. Die ökonomische Blüte der Städte und ihrer Gewerbe und die Erhaltung der Volkszahl durch Erhaltung der Nahrungen lag ihm im Interesse A 734 seiner Finanzen ganz ebenso am Herzen, wie | andrerseits die Stimulierung des Außenhandels im Sinn einer merkantilistischen Handelspolitik, deren Maßregeln er, mindestens zum Teil der städtischen Fernhandelspolitik absehen konnte. E r suchte die kollidierenden Interessen der in seinem Verband vereinigten Städte und Gruppen auszugleichen, insbesondere den Nahrungsstandpunkt mit kapitalfreundlicher Politik zu vereinigen. An die überkommene Wirtschaftspolitik rührte er bis fast an den Vorabend der französischen Revolution nur da, wo die lokalen Monopole und Privilegien der Bürger der von ihm selbst inaugurierten, zunehmend kapitalistisch orientierten Privilegien- und Monopolpolitik im Wege standen: Schon dies freilich konnte im Einzelfall zu einer sehr drastischen Durchbrechung der ökonomischen Bürgerprivilegien führen, aber es bedeutete doch nur in lokalen Ausnahmefällen ein prinzipi-

137 Bei der Darstellung der Stadt-Umlandbeziehungen stützt sich Weberauf Below, Georg von, Der Untergang der mittelalterlichen Stadtwirtschaft (über den Begriff der Territorialwirtschaft), in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 3. Folge, Band 21, 1901, S. 449-473 und 593-631 (hinfort: Below, Untergang). 138 Below, Untergang, S.593, nennt das Vorkaufsverbot „die Grundlage der gesamten Stadtwirtschaftspolitik".

IV. Die

Plebejerstadt

243

elles Verlassen der überkommenen Bahn. Die Autonomie der Wirtschaftsregulierung durch die Stadt aber ging verloren, und das konnte indirekt freilich erhebliche Bedeutung gewinnen. Aber das Entscheidende lag doch in der an sich bestehenden Unmöglichkeit für die Städte, militärisch-politische Machtmittel nach Maß und Art der patrimonialbureaukratischen Fürsten in den Dienst ihrer Interessen zu stellen. Sie konnten im übrigen auch nur ausnahmsweise den Versuch machen, in der Art, wie die Fürsten es taten, als Verbände an den kraft der Politik des Patrimonialismus sich neu auftuenden Erwerbschancen teilzunehmen. | Das konnte der Natur WuG1 579 der Sache nach nur der Einzelne, vor allem der sozial privilegierte Einzelne, und speziell an den typischen^] monopolistisch privilegierten^] inländischen und überseeischen Unternehmungen des Patrimonialismus sind in England wie in Frankreich neben den Königen selbst (verhältnismäßig) viele grundherrliche oder dem Großbeamtentum angehörige, (verhältnismäßig) wenige bürgerliche Elemente beteiligt gewesen. Gelegentlich haben zwar auch so manche Städte, wie z. B. Frankfurt, in zuweilen umfassender Art, sich auf Stadtrechnung an spekulativen auswärtigen Unternehmungen beteiligt.139 Meist aber zu ihrem Schaden, da ein einziger Mißerfolg sie nachhaltiger" als ein großes politisches Gebilde treffen mußte. Der ökonomische Niedergang zahlreicher Städte, namentlich in der Zeit seit dem 16. Jahrhundert, ist - da er sich eben damals auch in England vollzog - nur teilweise durch Verschiebung der Handelsstraßen, und auch nur teilweise durch das Ent| stehen von großen A 7 3 5 Hausindustrien, die auf außerstädtischer0 Arbeitskraft ruhten, di-

n A: nachhaltiger,

O A: außenständischer

1 3 9 G e m e i n t sein wird ein V o r g a n g aus der Mitte d e s 16. Jahrhunderts. Der Rat der Stadt Frankfurt (am Main) hatte 1554 mit g e l i e h e n e m Kapital große Anteile an einem Kupferbergwerk in E i s l e b e n in der Grafschaft M a n s f e l d gekauft, d a man sich aus d e m florierend e n K u p f e r h a n d e l mit S p a n i e n (das Kupfer zur A u s g a b e von M ü n z e n in s e i n e n amerikanis c h e n Kolonien benötigte) hohe Erträge versprach; d a s E n g a g e m e n t e n d e t e n a c h e i n i g e n J a h r e n mit einem finanziellen Fiasko, d a die Frankfurter über die finanziellen Verbindlichkeiten der G e s e l l s c h a f t g e t ä u s c h t worden waren; vgl. Dietz, A l e x a n d e r ] , Der Frankfurter Rat als Kupferspekulant, in; Frankfurter Nachrichten, Nr. 90, 1. April 1906, S . 5 - 7 ; ders., Frankfurter H a n d e l s g e s c h i c h t e , B a n d 1. - Frankfurt: H e r m a n n Minjon 1910, S. 2 9 4 - 3 0 5 ; Bothe, Friedrich, G e s c h i c h t e der Stadt Frankfurt a m Main ( G e s c h i c h t e der Stadt Frankfurt a m Main in Wort und Bild, B a n d 1). - Frankfurt: Moritz Diesterweg 1913, S. 341 f.

244

Die Stadt

rekt begründet. Zum größten Teil vielmehr durch andere allgemeine Bedingungen: vor allem dadurch, daß die traditionellen, in die Stadtwirtschaft eingegliederten Unternehmungsformen jetzt nicht mehr diejenigen waren, welche die ganz großen Gewinste abwarfen, und daß, wie einst die feudale Kriegstechnik, so jetzt sowohl die politisch orientierten, wie die händlerischen und gewerblichen kapitalistischen Unternehmungen, auch wo sie formal stadtsässig waren, doch nicht mehr in einer städtischen Wirtschaftspolitik ihre Stütze fanden p und nicht mehr von einem lokal, an den einzelnen Bürgerverband, gebundenen Unternehmertum getragen werden konnten. Die neuen kapitalistischen Unternehmungen siedelten sich in den für sie geeigneten neuen Standorten an. Und der Unternehmer rief für seine Interessen jetzt nach anderen Helfern - soweit er solche überhaupt brauchte - als einer lokalen Bürgergemeinschaft. Ebenso wie in England die Dissenters, welche in der kapitalistischen Entwicklung eine so wichtige Rolle spielten, infolge der Test-Akte nicht zur herrschenden Stadtkorporation gehörten, 140 entstanden die großen modernen Handels- und Gewerbestädte Englands gänzlich außerhalb der Bezirke, und damit auch der lokalen Monopolgewalten, der alten privilegierten Korporationen und zeigten daher in ihrer juristischen Struktur vielfach ein ganz archaistisches Gepräge: die alten Grundherrengerichte: q court baron"? und court r leet bestanden in Liverpool und Manchester bis zur modernen Reform, nur war der Grundherr als Gerichtsherr ausgekauft 8 . 141 p A: finden

q A: conel farm

r A: conel

s A: umgetauft

1 4 0 „Dissenters" ( A n d e r s d e n k e n d e ) waren die nicht zur anglikanischen Staatskirche gehörenden Protestanten. A u f g r u n d der „Corporation Act" von 1661 konnte nur noch in ein kommunales Amt gewählt werden, wer das A b e n d m a h l nach anglikanischem Ritus einnahm; ein g e g e n Katholiken gerichtetes, gemeinhin (nicht offiziell) als „Test Act" bezeichnetes Gesetz von 1673 dehnte diese Verpflichtung auf alle Inhaber ziviler und militärischer Ämter des Königreichs aus. Weber folgt hinsichtlich des Ausschlusses der „Dissenters" aus der Kommunalpolitik wohl Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 699, der b e i d e Gesetze als „Test Acts" bezeichnet. 141 Statt „court farm" ist hier offensichtlich „court baron" zu lesen. Dieses gutsherrliche Patrimonialgerlcht war e b e n s o wie das Immunitätsgericht („court leet") seit d e m Spätmittelalter weitgehend bedeutungslos geworden; beide Institutionen lebten nur Insofern weiter, als im 16. und 17. Jahrhundert diese Gerichtsbarkeiten vielfach von Städten erworben und mit Steuer- und Polizeigewalt ausgestattet wurden. Die G e m e i n d e n nutzten diese Möglichkeit bis zur g r u n d l e g e n d e n Reform der Kommunalverfassung durch d e n „Municipal Corporatlons Act" von 1835. In Manchester bestanden court baron u n d court leet sogar noch bis 1846, d a es erst zu diesem Zeltpunkt Stadt Im Rechtssinne wurde; vgl. Hatschek, Verfassungsgeschichte, S. 700.

IV. Die Plebejerstadt

5

10

15

20

25

245

6. Aus der spezifischen politischen und ökonomischen Eigenart der mittelalterlichen Städte folgte auch ihr Verhalten zu den nichtstadtbürgerlichen Schichten. Dies zeigt nun bei den einzelnen Städten allerdings ein sehr verschiedenes Gesicht. Gemeinsam ist allen zunächst der wirtschaftsorganisatorische Gegensatz gegen die spezifisch außerstädtischen politischen, ständischen und grundherrlichen Strukturformen: Markt gegen Oikos. Diesen Gegensatz darf man sich freilich nicht einfach als einen ökonomischen „Kampf" zwischen politischen oder Grund-Herren und Stadt denken. Ein solcher bestand natürlich überall da, wo die Stadt im Interesse ihrer Machterweiterung politisch oder grundherrlich abhängige Leute, die der Herr festhalten wollte, in ihre Mauern oder vollends, ohne daß sie in die | Stadt zogen, als Außenbürger in den Bürgerverband A 736 aufnahm. Das letztere ist wenigstens den nordischen Städten nach kurzer Zwischenzeit durch Fürstenverbände und Verbote der Könige unmöglich gemacht worden. 142 Die ökonomische Entwicklung der Städte rein als solche ist aber nirgends prinzipiell bekämpft worden, sondern die politische Selbständigkeit. Ebenso wo sonst spezielle ökonomische Interessen der Herren in Kollision gerieten mit den verkehrspolitischen Interessen und Monopoltendenzen der Städte, was oft der Fall war. Und natürlich betrachteten die Interessenten des feudalen Wehrverbandes, die Könige an der Spitze, die Entwicklung autonomer Festungen im Bereich ihrer politischen Interessensphäre mit dem allergrößten Mißtrauen. Die deutschen Könige haben von diesem | Mißtrauen mit ganz kurzen Unterbre- WuG1 580 chungen niemals gelassen. Dagegen sind die französischen und englischen zeitweise stark städtefreundlich gewesen aus politischen, durch den Gegensatz der Könige gegen ihre Barone bedingten 142 Ein Verbot der Aufnahme von „Pfahlbürgern", die das Bürgerrecht besaßen, jedoch nicht in der Stadt wohnten, ist erhalten in der „Constitutio in favorem principum" Heinrichs VII. bzw. Friedrichs II. von 1231 und 1232 (MGH, Legum Sectio 4: Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, tomus 2, ed. Ludewicus Weiland. - Hannover: Hahn 1896, Nr. 304, S. 4 1 8 - 4 2 0 und Nr. 171, S. 2 1 1 - 2 1 3 , jeweils § 10), Im Mainzer Reichslandfrieden von 1235 (ebd., Nr. 196, S. 2 4 1 - 2 4 7 , § 13) und in Reichsgesetzen in den beiden folgenden Jahrhunderten mehrfach erneuert worden. Auch der Rheinische Bund hat 1254/55 dieses Verbot übernommen (ebd., Nr. 428 II, S. 5 8 1 - 5 8 3 , § 14; Nr. 428 III, S . 5 8 3 f „ § 2); vgl. Zeumer, Karl, Studien zu den Reichsgesetzen des XIII. Jahrhunderts, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abtheilung, Band 23, 1902, S. 6 1 - 1 1 2 , hier S. 8 7 - 1 0 1 ; Schmidt, Max G., Die Pfalbürger, in: Zeitschrift für Kulturgeschichte, Band 9, 1905, S. 2 4 1 - 3 2 1 .

Die Stadt

246

Gründen und außerdem wegen der finanziellen Bedeutung der Städte. Ebenso ist die auflösende Tendenz, welche die Marktwirtschaft der Stadt als solche auf den grundherrlichen und indirekt auch auf den feudalen Verband ausüben konnte und den sie mit sehr verschiedenem Erfolge tatsächlich ausgeübt hat, keineswegs 5 notwendig in Form eines „Kampfs" der Städte gegen andere Interessenten verlaufen. Im Gegenteil herrschte auf weite Wegstrecken3 eine starke Interessengemeinschaft. Den politischen sowohl wie den b Grundherrn waren Geldeinnahmen, die sie von ihren Hintersassen erheben konnten, äußerst erwünscht. Die Stadt erst gab aber 10 diesen letzteren einen Lokalmarkt für ihre Produkte und damit die Möglichkeit[,j Geld statt Frohnden oder Naturalabgaben zu zahlen; ebenso gab sie den Herren die Möglichkeit, ihre Naturaleinnahmen, statt sie in natura zu verzehren, je nachdem auf dem Lokalmarkt[,j oder durch den zunehmend kapitalkräftigen Handel auswärts, zu 15 Geld machen zu lassen. Von diesen Möglichkeiten machten die politischen wie die Grundherren energisch Gebrauch, entweder indem sie den Bauern Geldrenten abverlangten oder indem sie deren durch den Markt gewecktes Eigeninteresse an erhöhter Produktion durch Schaffung vergrößerter Wirtschaftseinheiten, welche einen 20 größeren Anteil am Naturalertrag als Rente abgeben konnten, ausnutzten und diesen Mehrertrag ihrer Naturairenten ihrerseits verA 737 silberten. Und daneben konnte der politische und Grundherr, | je mehr sich der lokale und interlokale Verkehr entwickelte, desto mehr Geldeinnahmen aus den verschiedensten Arten von Tributen 25 von eben diesem Verkehr suchen, wie dies im deutschen Westen schon im Mittelalter geschehen ist. Die Stadtgründung war daher nebst ihren Konsequenzen vom Gesichtspunkt ihrer Gründer aus ein geschäftliches Unternehmen zur Erlangung von Geldeinnahmechancen. Aus diesem ökonomischen Eigeninteresse heraus erfolg- 30 ten noch in der Zeit der Judenverfolgungen im Osten, speziell in Polen, seitens des Adels die mannigfachen Gründungen von „Städten", oft Fehlgründungen, deren oft nur nach Hunderten zählende Einwohnerschaft zuweilen noch im 19. Jahrhundert zu 90 % aus Ju-

a A: Wegsstrecken

b A: dem

IV. Die

247

Plebejerstadt

den bestand.143 Diese spezifisch mittelalterlich-nordeuropäische Art der Städtegründung ist also faktisch ein Erwerbs„geschäft" wie wir sehen werden,144 im schärfsten Gegensatz gegen die militärische Festungsstadtgründung, welche die antike Polis darstellt. Die Umwandlung fast aller persönlichen und dinglichen Ansprüche des Grund- und Gerichtsherrn in Rentenforderungen und die daraus sich ergebende, teils rechtliche, teils immerhin weitgehende faktische ökonomische Freiheit der Bauern - die überall da ausblieb0, wo die Entwicklung der Städte schwach war - entstand als Folge davon, daß die politischen und grundherrlichen Einnahmen im Gebiet intensiver Städteentwicklung zunehmend mehrd aus Marktabsatz der Bauernprodukte oder der Bauernabgaben und im übrigen jedenfalls aus anderen verkehrswirtschaftlichen Quellen gespeist werden konnten und auch wurdene als aus der Ausnutzung der Frohnpflicht der Abhängigen oder in der Art der alten oikenwirtschaftlichen Umlegung des Haushaltsbedarfs auf sie, und daß der Herr, und ebenso, wenn auch im geringeren Maß, die Abhängigen, zunehmende Teile des Bedarfs geldwirtschaftlich deckten. Im übrigen war sie sehr wesentlich durch den Auskauf des landsässigen C A: verblieb

d Fehlt in A; mehr sinngemäß ergänzt.

e A: wurden,

143 Die große Zuwanderung von Juden nach Polen setzte im 14. Jahrhundert nach den Judenverfolgungen in Deutschland und anderen europäischen Ländern (vor allem im Zusammenhang mit der Pestwelle von 1347-1352) ein und fiel in Polen mit den dort betriebenen Städtegründungen zusammen. In den folgenden Jahrhunderten genossen die Juden in Polen - trotz periodisch wiederkehrender Verfolgungen aufgrund von Spannungen mit dem städtischen Bürgertum - ungewöhnliche Entfaltungsmöglichkeiten. Der polnische Adel förderte die Juden, setzte sie als Verwalter bzw. Pächter von Grundherrschaften sowie als Schankwirte ein und siedelte sie in den von ihm gegründeten kleinen Städten an; auch bei der Erschließung der östlichen Landesteile nach dem Zusammenschluß mit Litauen (1569) stützte sich der Adel v.a. auf Juden. Die Spannungen mit den Bauern entluden sich besonders in den Pogromen im Zusammenhang mit dem Kosakenaufstand von 1648/49. Im Kongreßpolen des 19. Jahrhunderts (mit dem in ganz Europa höchsten Anteil von Juden an der Gesamtbevölkerung) lebte trotz zunehmender Konzentration in den größeren Städten weiterhin ein beachtlicher Teil der Juden in kleinen Landstädten; vgl. Wengierow, Leo, Die Juden im Königreich Polen. Ein Beitrag zur Kenntnis der sozialen und volkswirtschaftlichen Verhältnisse der Juden im Königreich Polen, in: Jüdische Statistik, hg. vom „Verein für jüdische Statistik" unter der Redaktion von Alfred Nossig. - Berlin: Jüdischer Verlag 1903, S. 293-310, hier S. 296-300. Worauf Webers Aussage beruht, in manchen Kleinstädten hätten Juden 90% der Einwohner ausgemacht, muß offenbleiben. 144 Siehe unten, S.271.

248

Die Stadt

Adels durch die Stadtbürger bedingt, welche nun zu einer rationellen Bewirtschaftung des Landbesitzes übergingen. Dieser Prozeß fand jedoch seine Schranke da, wo der Lehensverband zum Besitz adliger Güter die Lehensfähigkeit verlangte und diese, wie nördlich der Alpen fast überall, dem Stadtpatriziat fehlte. Aber jedenfalls bestand lediglich auf Grund der „Geldwirtschaft" als solcher keine ökonomische Interessenkollision zwischen politischen oder Grundherren und Städten, sondern sogar Interessengemeinschaft. Eine A 738 rein ökonomische | Kollision entstand erst da, wo Grundherren zur Erhöhung ihrer Einnahmen zu einer erwerbswirtschaftlichen geWuG1 581 werblichen Eigenproduktion überzugehen suchten, was | freilich nur da möglich war, wo geeignete Arbeitskräfte dazu zur Verfügung standen. Wo dies der Fall war, ist der Kampf der Städte gegen diese gewerbliche Produktion der Grundherren auch entbrannt und hat sich gerade in der Neuzeit, noch innerhalb des Verbandes des patrimonialbureaukratischen Staats, oft sehr intensiv entwickelt. Im Mittelalter dagegen ist davon noch kaum die Rede, und eine faktische Auflösung des alten grundherrlichen Verbandes und der Gebundenheit der Bauern ist oft durchaus kampflos mit Vordringen der Geldwirtschaft als dem Resultat erfolgt. So in England. Anderwärts haben die Städte allerdings direkt und bewußt diese Entwicklung gefördert. So, wie wir sahen, 145 im Machtgebiet von Florenz. Der patrimonialbureaukratische Staat suchte die Interessengegensätze von Adel und Städten auszugleichen, legte dabei aber, weil er den Adel für seine Dienste, als Offiziere und Beamten, brauchen wollte, die Unzulässigkeit des Erwerbs adliger Güter durch Nichtadlige, also auch die Bürger, fest. Im Mittelalter waren stärker als die weltlichen in diesem Punkt die geistlichen, namentlich die klösterlichen, Grundherrschaften in der Lage, in Konflikt mit der Stadt zu geraten. Neben den Juden war die Geistlichkeit ja überhaupt, zumal seit der Trennung von Staat und Kirche im Investiturstreit, der spezifische Fremdkörper in der Stadt. Ihr Besitz nahm als geistliches Gut weitgehende Lastenfreiheit und Immunität, also Ausschluß jeder Amtshandlung, auch

145 Siehe oben, S.230f.

IV. Die

5

10

15

20

Plebejerstadt

249

der Stadtbehörden, in Anspruch. Sie selbst entzogen sich als Stand den militärischen und sonstigen persönlichen Pflichten der Bürger. Dabei aber schwoll jener lastenfreie Besitz, und dadurch wiederum die Zahl der der vollen Stadtgewalt entzogenen Personen, durch fortgesetzte Stiftungen frommer Bürger an'. Die Klöster ferner hatten in ihren Laienbrüdern Arbeitskräfte, welche keine Familie zu versorgen hatten, also alle außerklösterliche Konkurrenz schlagen konnten, wenn sie, wie dies vielfach geschah, zum eigengewerblichen Betrieb verwendet wurden. Massenhaft hatten sich ferner Klöster und Stifter, ganz wie die Vakuf 9 im mittelalterlichen Islam, 146 in den Besitz gerade der geldwirtschaftlichen Dauerrentenquellen des Mittelalters: Markthallen, Verkaufsstätten aller Art, | Fleischscharren, 147 Mühlen und dgl. gesetzt, die nun nicht nur der A 739 Besteuerung, sondern auch der Wirtschaftspolitik der Stadt sich entzogen, oft überdies Monopole in Anspruch nahmen. Selbst militärisch konnte die Immunität der ummauerten Klausuren bedenklich werden. Und das geistliche Gericht mit seiner Gebundenheit an die Wucherverbote bedrohte überall das bürgerliche Geschäft. 148 Gegen die Anhäufung von Bodenbesitz in der toten Hand 1 4 9 suchte sich die Bürgerschaft durch Verbote ebenso zu sichern, wie Fürsten und Adel durch die Amortisationsgesetze. 150 Auf der anderen Seite aber bedeuteten die kirchlichen Feste, vor allem der Besitz von

f Fehlt in A; an sinngemäß ergänzt.

g A: Vakufs

146 Es handelt sich um Stiftungen zugunsten einer M o s c h e e oder zu anderen frommen Zwecken, die häufig dazu dienten,Vermögen der Besteuerung zu entziehen und gleichzeitig einer Familie ein Renteneinkommen zu sichern; vgl. Becker, C[arl] H., Zur Kulturgeschichte Nordsyriens Im Zeltalter der Mamluken, in: Der Islam, B a n d 1, 1910, S. 9 3 - 1 0 0 . 147 Im Mittelalter die Bezeichnung für die Verkaufsstände der Metzger. 148 Das kirchliche Wucherverbot beruhte auf Deuteronomium (5. Mose) 23, 1 9 - 2 0 und Lukas 6, 3 4 - 3 5 und deren A u s l e g u n g durch die Kirchenväter. 149 „Tote Hand" (lat.: manus mortua) ist die Bezeichnung für kirchliche Institutionen (Stiftungen, Klöster), die ihre Liegenschaften nicht verkaufen dürfen. Einmal In den Besitz der „toten Hand" gelangter Boden war d e m freien Verkehr entzogen. 150 Mit diesen Gesetzen wurde seit d e m 13. Jahrhundert der Ü b e r g a n g von Immobilien an die Einrichtungen der „toten Hand" entweder verboten oder an die Einwilligung des Stadtrates bzw. des Landesherrn g e b u n d e n ; vgl. Kahl, [Wilhelm], „Amortisationsgesetze", in: HdStW 3 , Band 1, S. 4 3 1 - 4 3 9 , hier S. 431 f.; Werminghoff, Albert, Geschichte der Kirchenverfassung Deutschlands Im Mittelalter, Band 1. - Hannover und Leipzig: Hahn 1905, S. 281 f. (hinfort: Werminghoff, Kirchenverfassung).

250

Die Stadt

Wallfahrtsorten mit Ablässen^ für einen Teil der städtischen Gewerbe starke Verdienstchancen, und die Stifter, soweit sie Bürgerlichen zugänglich waren, auch Versorgungsstellen. Die Beziehung zwischen Geistlichkeit und Klöstern einerseits, der Bürgerschaft andererseits, waren daher auch zu Ende des Mittelalters trotz aller Kollisionen151 keineswegs so durchweg unfreundliche, daß etwa dies Moment allein zu einer „ökonomischen Erklärung" der Reformation ausreichen würde.152 Die kirchlichen und klösterlichen Anstalten waren der Sache nach nicht so unantastbar für die Stadtgemeinde wie nach dem kanonischen Recht. Es ist zutreffend darauf hingewiesen worden, daß speziell in Deutschland die Stifter und Klöster, nachdem seit dem Investiturstreit die Königsmacht zunehmend zurückging, damit ihres interessiertesten Schirmherren gegen die Laiengewalt verlustig gingen und daß die von ihnen abgeworfene Vogteigewalt in indirekter Form sehr leicht wieder erstehen konnte, wenn sie sich ökonomisch stark engagierten.153 In vielen 1 5 1 Vgl. Below, Bürger (wie oben, S. 75, Anm. 38), S. 327: „Ein weiterer Streitpunkt [zwischen Bürgertum und Klerus] ist die A u s ü b u n g bürgerlicher G e w e r b e in d e n Immunitäten, welche die d a d u r c h beeinträchtigten Bürger zu verhindern suchten. Diese Frage spielt eine große Rolle im Reformationszeitalter; soweit die Reformation mit wirtschaftlichen Verhältnissen z u s a m m e n h ä n g t , kommt jene nicht in letzter Linie in Betracht". 1 5 2 Zu den Vertretern der Ansicht, daß hauptsächlich die schlechte wirtschaftliche und soziale Lage von vielen Städtern und Bauern für d e n A u s b r u c h der Reformation verantwortlich gewesen sei, zählten u.a. Lamprecht, Karl, Deutsche Geschichte, Band 5 , 1 . — Berlin: R. Gaertner 1894, und Kautsky, Karl, Die Vorläufer des Neueren Sozialismus, B a n d 1 , 1 : Von Plato bis zu d e n Wiedertäufern (Die Geschichte des Sozialismus in Einzeldarstellungen, hg. von E[duard] Bernstein [u.a.], Band 1, 1). - S t u t t g a r t : J.H.W. Dietz 1895. Eine ähnliche Auffassung wurde j e d o c h auch von katholischen Autoren vertreten, die in d e n sozialen S p a n n u n g e n die B e d i n g u n g e n dafür sehen wollten, daß die Kritik an den kirchlichen Mißständen diese weitreichenden Folgen zeitigen konnte; vgl. nur Grisar, Hartmann, Luther, B a n d 1: Luthers Werden. G r u n d l e g u n g der Spaltung bis 1530. - Freiburg im Breisgau: Herder 1911, S . 4 0 f . 1 5 3 Es konnte nicht eindeutig ermittelt werden, auf welchen Autor Weber hier anspielt. Daß die im Spätmittelalter von den Städten durchgesetzten Kontrollen über die Klöster inhaltlich (aber nicht rechtlich) an die alten Rechte von Kirchenvögten anknüpften, betont Werminghoff, Kirchenverfassung, S. 299f. Die kirchliche R e f o r m b e w e g u n g des Hochmittelalters hatte d a n a c h gestrebt, die bestehenden Vogteiverhältnisse abzuwerfen bzw. bei N e u g r ü n d u n g e n (namentlich von Zisterzienserklöstern) die Vogtei überhaupt zu vermeiden und somit nur noch d e n König (Kaiser) als Schutzherrn zu haben; vgl. Hirsch, Hans, Die Klosterimmunität seit d e m Investiturstreit. Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte des d e u t s c h e n Reiches und der d e u t s c h e n Kirche. - Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger 1913. Ebd., S. 151, findet sich die Feststellung, für die Zisterzienserklöster lasse sich „schärfer noch als für die Reformklöster des Investiturstreits aussprechen, daß den Klöstern der Herr, den sie im Eigenkirchenherrn, im Vogt und im Reich

IV. Die Plebejerstadt

5

10

15

20

25

251

Fällen hatte der städtische Rat es verstanden, sie faktisch unter eine der alten Vogtei ganz ähnliche Vormundschaft zu stellen, indem er ihnen für ihre Geschäftsführung unter den verschiedensten Vorwänden und Namen Pfleger und Anwälte aufdrängte, welche dann die Verwaltung den bürgerlichen Interessen entsprechend führten. 154 - Die ständische Stellung des Klerus innerhalb des Bürgerverbandes war | sehr verschieden. Zum Teil stand er rechtlich ein- WuG1 582 fach ganz außerhalb der Stadtkorporation, aber auch wo dies nicht der Fall war, bildete er mit seinen unaustilgbaren ständischen Privilegien eine unbequeme und unassimilierbare Fremdmacht. Die Reformation machte diesem Zustand innerhalb ihres Bereichs ein Ende, aber den Städten, welche nun sehr bald dem patri|monial- A 7 4 0 bureaukratischen Staat unterworfen wurden, kam dies nicht mehr zugute. In diesem letzteren Punkt war die Entwicklung in der Antike gänzlich anders verlaufen. Je weiter zurück, desto mehr ähnelt die ökonomische Stellung der Tempel in der Antike derjenigen der Kirchen und namentlich der Klöster im früheren Mittelalter, wie sie besonders in denh venezianischen Kolonien' zutage trat. 155 Aber die Entwicklung verlief hier nicht wie im Mittelalter in der Richtung einer zunehmenden Trennung von Staat und Kirche und steigenden Selbständigkeit des kirchlichen Herrschaftsgebiets, sondern gerade umgekehrt. Die Stadtadelsgeschlechter bemächtigten sich der Priestertümer als einer Sportel- und Machtquelle k , und die Demokratie verstaatlichte sie vollends und machte sie zu Pfründen, welche meist versteigert wurden, 156 vernichtete den politischen Einfluß h A: der

i A: Kolonie

k A: Marktquelle

abgeschüttelt zu haben glaubten, Im Territorium wieder erstanden ist". Webers Formulierung zeigt Anklänge an den Wortlaut bei Hirsch, ist jedoch in der Sache mit dessen Aussage nicht deckungsgleich, da es bei Hirsch um die Kontrolle der Klöster durch die Territorialherren, bei Weber um die durch die städtischen Behörden geht. 154 Ein bekanntes Beispiel ist die seit Anfang des 14. Jahrhunderts In Goslar vom Rat der Stadt eingesetzte Kommission von procuratores für das Frauenkloster Neuwerk; vgl. Schiller, E[rich], Bürgerschaft und Geistlichkeit in Goslar (1290-1365). Ein Beitrag zur Geschichte des Verhältnisses von Stadt und Kirche Im späten Mittelalter (Kirchenrechtliche Abhandlungen, Heft 77). - Stuttgart: Ferdinand Enke 1912, S. 108ff. 155 Dies gilt v.a. für die venezianischen Kolonien des 12. Jahrhunderts In den Kreuzfahrerstaaten (u. a. Akko und Tyros); vgl. oben, S. 157, Anm. 45. 156 Dies trifft wohl erst für die hellenistische Zelt zu; vgl. oben, S. 185, Anm. 144.

252

Die Stadt

der Priester und nahm die ökonomische Verwaltung in die Hand der Gemeinde. Die großen Tempel des Apollon in Delphoi oder der Athena in Athen waren Schatzhäuser des hellenistischen Staates, Depositenkassen von Sklaven, und ein Teil von ihnen blieben große Grundbesitzer.157 Aber eine ökonomische Konkurrenz mit bürger- 5 liehen Gewerben kam innerhalb der antiken Städte nicht in Frage. Eine Säkularisation des Sakralguts hat es nicht gegeben und konnte es nicht geben. Aber der Sache, wenn auch nicht der Form nach, war in den antiken Städten die „Verweltlichung" des einst in den Tempeln konzentrierten Gewerbes ungleich radikaler durchgeführt als 10 im Mittelalter. Das Fehlen der Klöster und der selbständigen Orga-

157 Zu Beginn des Peloponnesischen Krieges schlugen die Korinther vor, der Peloponnesische Bund solle die Finanzierung einer Flotte u. a. durch eine Anleihe bei den Tempelschätzen In Olympia und Delphi sichern (Thukydldes 1, 121, 3; 1, 143, 1). Der Plan Ist vermutlich nicht verwirklicht worden; rechtlich wäre dies auch nicht ohne weiteres möglich gewesen, da für den Tempel in Delphi die Amphiktyonie zuständig war (vgl, oben, S. 184, Anm. 142). In Athen konnte man dagegen über die eigenen Tempelkassen verfügen. In der Zelt des Seebunds war (neben einem Zehntel der Kriegsbeute) jeweils ein Sechzigstel der Tribute der Seebundstaaten an den Schatz der Athena abgeführt worden. In Kriegszeiten nahm man - prinzipiell zurückzahlbare - Anleihen bei den Tempelkassen auf. Grundsätzlich blieb Polls- und Tempelvermögen getrennt, aber die Entscheidung über die Verwendung der Tempelschätze lag allein bei den politischen Instanzen, die auch gegebenenfalls den Zinssatz auf ein Minimum reduzierten bzw. die Rückzahlungen aussetzten; Kirchhoff, A[dolf], Zur Geschichte des Athenischen Staatsschatzes Im fünften Jahrhundert. - Berlin: F. Dümmler 1876, v.a. S. 43 und 4 6 - 4 9 ; Billeter, Gustav, Geschichte des Zinsfusses im griechisch-römischen Altertum bis auf Justinlan. - Leipzig; B.G. Teubner 1898, S. 42f.; Meyer, Finanzen (wie oben, S. 175, Anm. 106), S. 943f. - Eine wichtige Rolle als Kreditgeber sowohl an Staaten wie an Privatleute spielte Im 4 . - 2 . Jahrhundert v.Chr. die Kasse des Apollon-Heiligtums auf Delos (bis 314 v.Chr. unter athenischer Kontrolle), deren Einkünfte u.a. aus der Verpachtung großer Liegenschaften stammten; vgl. Schoeffer, [Valerian] von, „Delos", in: RE, Band 4, 2, 1901, Sp. 2459-2502, hier Sp. 2479f. und 2491 f.; Ziebarth, Erich, Beiträge zum griechischen Recht, 2.: Juristisches aus griechischen Inschriften, In: Zeitschrift für vergleichende Rechtwissenschaft, Band 19, 1906, S. 269-312, hier S. 270-298. - Sklaven konnten in Tempeln In Delphi und andernorts ihre Ersparnisse an einem gesicherten Ort Im Hinblick auf einen späteren Freikauf hinterlegen, bei dem sie von Ihrem Herrn pro forma an die Gottheit verkauft wurden und dieser aus der Tempelkasse (faktisch aus dem Depositum des Sklaven) bezahlt wurde. Die Praxis ist durch Inschriften aus hellenistischer Zeit bezeugt; vgl. Büchsenschütz, [Albert] B., Besitz und Erwerb im griechischen Alterthume. - Halle: Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses 1869, S. 174-176; Stengel, Kultusaltertümer (wie oben, S. 185, Anm. 144), S. 33; Calderinl, Manomissione, S. 102-104; Deissmann, Adolf, Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-römischen Welt. - Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Slebeck) 1908, S. 232-238. - Vgl. zur Funktion der Tempelschätze auch die ausführlichen Bemerkungen Webers, in: Agrarverhältnisse 3 , S. 110f. (MWG I/6).

IV. Die

Plebejerstadt

253

nisation der Kirche als eines interlokalen Verbandes überhaupt war der wesentliche Grund dafür. - Die Konflikte des Stadtbürgertums mit den grundherrlichen Gewalten waren der Antike ebenso bekannt wie dem Mittelalter und der beginnenden Neuzeit. Die antike 5 Stadt hat ihre Bauernpolitik und ihre den Feudalismus sprengende Agrarpolitik gehabt. Die Dimensionen dieser Politik sind aber so viel größer und ihre Bedeutung innerhalb der Stadtentwicklung dabei so heterogen gegenüber dem Mittelalter, daß hier der Unterschied deutlich hervortritt. Er muß im allgemeinen Zusammenhang 10 erörtert werden. Die wesentlich ökonomischen Gegensätze der Stadtbürger zu den nicht bürgerlichen Schichten und ihren ökonomischen Lebensformen waren nicht das, was der mittelalterlichen Stadt ihre entwicklungsgeschichtliche Sonderstellung zuwies. Vielmehr | war da- A 741 15 für die Gesamtstellung der Stadt innerhalb der mittelalterlichen politischen und ständischen Verbände das Entscheidende. Hier am stärksten scheidet sich die typische mittelalterliche Stadt nicht nur' von der antiken Stadt, sondern auch innerhalb ihrer selbst in zwei durch flüssige Übergänge verbundene, in ihren reinsten Ausprägun20 gen aber sehr verschiedene Typen, von denen der eine, wesentlich südeuropäische, speziell italienische und südfranzösische, dem | Ty- WuG1 583 pus der antiken Polis trotz aller Unterschiede dennoch wesentlich näher steht als der andere, vornehmlich nordfranzösische, deutsche und englische, der trotz aller Unterschiede untereinander" 1 in dieser 25 Hinsicht gleichartig war. Wir müssen uns nunmehr noch einmal einer Vergleichung des mittelalterlichen mit dem n antiken Stadttypus und zweckmäßigerweise mit anderen Stadttypen überhaupt 0 zuwenden, um die treibenden Ursachen der Verschiedenheit zusammenhängend zu überblicken. 30 Der ritterliche Patriziat der südeuropäischen Städte besaß ganz ebenso persönliche auswärtige Burgen und Landbesitzungen, wie etwa im Altertum dies schon mehrfach an dem Beispiel des Miltiades erörtert wurde. 158 Die Besitzungen und Burgen der

I In A folgt: stark haupt,

m A: n e b e n e i n a n d e r

1 5 8 Vgl. oben, S. 69 und 185.

n In A folgt: n u n m e h r

o A: über-

254

Die Stadt

Grimaldi finden sich weit die Küste der Provence entlang. 159 Nach Norden zu wurden derartige Verhältnisse wesentlich seltener, und die typische mittel- und nordeuropäische Stadt der späteren Zeit kennt sie nicht. Andererseits: Von einem Demos, der[,] wie der attische, durch rein politische Macht bedingte städtische Gratifikation und Rentenverteilung erwartete, weiß die mittelalterliche Stadt ebenfalls so gut wie gar nichts, obwohl es ganz wie für die athenischen Bürger Verteilung des Ertrages der laurischen p Minen, 160 so für mittelalterliche und selbst moderne Gemeinden direkte Verteilungen von ökonomischen Erträgnissen des Gemeindebesitzes gegeben hat. Sehr scharf ist der Gegensatz der untersten ständischen Schicht: die antike Stadt kennt als Hauptgefahr der ökonomischen Differenzierung, die deshalb von allen Parteien gleichmäßig, nur mit verschiedenen Mitteln zu bekämpfen gesucht wurde, die Entstehung einer Klasse von Vollbürgern, Nachkommen vollbürgerlicher Familien, welche, ökonomisch ruiniert, verschuldet, besitzlos, nicht mehr imstande, sich selbst für das Heer auszurüsten, von einem Umsturz oder einer Tyrannis die Neuverteilung des Grundbesitzes oder eiA 742 nen Schulderlaß oder | Versorgung aus öffentlichen Mitteln: Getreidespenden, unentgeltlichen Besuch von Festen, Schauspielen und Zirkuskämpfen, oder direkte Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zur Ermöglichung des Festbesuches verlangten. Derartige Schichten waren dem Mittelalter zwar nicht unbekannt. Sie fanden sich auch in der Neuzeit auf dem Boden der amerikanischen SüdStaaten, wo der besitzlose „arme weiße Dreck" (poor white trash) der Sklavenhalterplutokratie gegenüberstand. Im Mittelalter waren die durch Schulden deklassierten Schichten des AdelS[,j z. B. in Ve-

p A: laugischen

159 Vgl. oben, S.69 mit Anm.21. 160 Die Silberminen im Gebiet von Laureion im südlichen Attika befanden sich überwiegend im Besitz des Staates, der sie an Unternehmer verpachtete. Nach Herodot 7, 144, 1 und Plutarch, Themistokles 4, 1, bedeutete der von Themistokles 483/482 v.Chr. durchgesetzte Beschluß, die Einkünfte aus den laurischen Minen für den Aufbau einer Flotte zu verwenden, die Abkehr von der Praxis, das Geld an die einzelnen Bürger auszuschütten; vgl. auch Meyer, Finanzen (wie oben, S. 175, Anm. 106), S. 939.

5

10

15

20

25

IV. Die

Plebejerstadt

255

nedig161[,] ebenso ein Gegenstand der Sorge q wie in Rom in der Zeit Catilinas. Aber im ganzen spielt dieser Tatbestand eine geringe Rolle. Vor allem in den demokratischen Städten. Er war jedenfalls nicht der typische Ausgangspunkt von Klassenkämpfen^] wie dies im Altertum durchaus der Fall war. Denn in der Antike spielten sich in der Frühzeit die Klassenkämpfe zwischen den stadtsässigen Geschlechtern als Gläubigern und den Bauern als Schuldnern und depossedierten Schuldknechten ab. Der „civis proletarius", der „Nachfahre" - eines Vollbürgers nämlich 162 - war der typische Deklassierte. In der Spätzeit waren es verschuldete Junker wie Catilina, welche den besitzenden Schichten gegenüberstanden und zu Führern der radikalen revolutionären Partei wurden. 163 Die Interessen der negativ privilegierten Schichten der antiken Polis sind wesentlich Schuldner-Interessen. Und daneben: Konsumenten-Interessen. Dagegen schwinden auf dem Boden der Antike innerhalb der Stadtwirtschaftspolitik jene Interessen zunehmend, welche im Mittelalter den Angelpunkt der demokratischen Stadtpolitik ausmachten: die geweröepolitischen. Jene zünftlerische „Nahrungspolitik" stadtwirtschaftlichen Charakters, welche die Frühzeit des Aufstieges der Demokratie auch in der Antike zeigte, trat mit der weiteren Entwicklung immer stärker zurück. Wenigstens ihre produzentenpolitische Seite. Die voll entwickelte Demokratie der helq A: Sorge, 1 6 1 Es ist unklar, auf welche Zeit Weber sich bezieht. Von Adligen, die der Unterstützung von privater und kirchlicher Seite bedurften, ist schon im 12. Jahrhundert die Rede; vgl. Kretschmayr, Venedig (wie oben, S. 149, Anm. 10), S. 373; die A u f g a b e des im H . J a h r hundert eingerichteten Rats der Zehn bestand u. a. in der Verhinderung von (Adels-)Vers c h w ö r u n g e n (vgl. oben, S. 156); daß verarmte Adlige als Gefahr für die öffentliche Sicherheit e m p f u n d e n wurden, ist z . B . für das späte 15.Jahrhundert bezeugt; vgl. Burckhardt, Jacob, Die Cultur der Renaissance in Italien, Band 1, 4., d u r c h g e s e h e n e Aufl. - Leipzig: E. A. Seemann 1885, S. 65f. 1 6 2 In d e n römischen Quellen wird der proletarius als Bürger definiert, der d e n Mindestzensus für den Waffendienst nicht erreichte und somit d e m Staat nur durch die Z e u g u n g von N a c h k o m m e n (pro/es) dienen konnte: Cicero, De republlca 2, 40; Gelllus, Noctes Atticae 16, 10. Für Webers von der communis opinio a b w e i c h e n d e s Verständnis vgl. Römische Agrargeschichte, MWG I/2, S. 159f. mit Erläuterungen, sowie Agrarverhältnisse 3 , S. 152 (MWG I/6). 1 6 3 Catilinas Aufstand 63 v.Chr. b e g a n n mit einer Verschwörung verschuldeter Aristokraten und wurde dann vor allem von entwurzelten Bauern unterstützt; vgl. M o m m s e n , Römische Geschichte, Band 3, S. 175ff. Die Rede von den „Junkern" erinnert an d e n typischen S p r a c h g e b r a u c h M o m m s e n s in diesem Werk.

256

Die Stadt

lenischen Städte, ebenso aber auch die voll entwickelte Honoratiorenherrschaft in Rom kennt vielmehr, soweit die städtische Bevölkerung in Betracht kommt, neben Handelsinteressen fast nur noch Konsumenteninteressen. Die Getreideausfuhrverbote, welche WuG1 584 | der antiken mit der mittelalterlichen und merkantilistischen Poli- 5 tik gemeinsam waren, reichten in der Antike nicht aus. Direkte öffentliche Fürsorge für Getreidezufuhr beherrschte die WirtschaftsA 743 politik. Getreidespenden befreundeter | Fürsten geben in Athen einen Hauptanlaß zur Revision der Bürgerregister behufs Ausschluß Unberechtigter.164 Und Mißernten im pontischen Getreidegebiet 10 zwingen Athen zum Erlaß des Tributs an die Bundesgenossen;165 so sehr beherrschte der Brotpreis die Leistungsfähigkeit. Direkte Getreideankäufe der Polis finden sich auch im hellenischen Gebiet.

164 Die Verteilung einer ägyptischen Getreidespende unter die athenische Bürgerschaft im Jahre 445/444 v.Chr. soll mit der Revision der Bürgerlisten und dem Ausschluß einiger tausend Unberechtigter verbunden gewesen sein; Plutarch, Perikles 37, 4; Philochoros, fr. 90 Müller = 328, fr. 119 Jacoby; vgl. Beloch, Julius, Die Bevölkerung der griechisch-römischen Welt. - Leipzig: Duncker & Humblot 1886, S. 7 5 - 8 1 (hinfort: Beloch, Bevölkerung); Busolt, Geschichte (wie oben, S. 173, Anm.88), Band 3, 1, S. 500-502. Auch spätere Getreideverteilungen kamen allein Bürgern zugute (Aristophanes, Vespae 715-718; dazu Böckh, Staatshaushaltung (wie oben, S.221, Anm.80), S. 113f.; Beloch, Julius, Griechische Geschichte, Band 1: Bis auf die sophistische Bewegung und den Peloponnesischen Krieg. - Strassburg: Karl J. Trübner 1893, S.467); im 4. Jahrhundert v.Chr. erhielt Athen verschiedentlich Getreidespenden von fremden Herrschern; vgl. Böckh, a. a. O., S. 112f. Generelle Überprüfungen der Bürgerlisten aus solchen Anlässen sind jedoch nicht bezeugt. 165 In: Agrarverhältnisse 3 , S. 117 (MWG I/6), hatte Weber noch von „einer Mißernte", nicht „Mißernten" gesprochen. Seine Feststellung beruht auf in dieser Form nicht haltbaren Spekulationen in der zeitgenössischen Literatur. Sie geht offensichtlich zurück auf Ausführungen bei Wilamowitz-Moellendorff, U[lrich] v[on], Von des attischen reiches herrlichkeit, in: Aus Kydathen (Philologische Untersuchungen, hg. von A[dolf] Kiessling und Ullrich] v[on] Wilamowitz-Moellendorff, Band 1). - Berlin: Weidmann 1880, S. 1 - 9 6 , hier S. 17f., zur Bedeutung der Schwarzmeerregion für die Getreideversorgung Athens und seiner Verbündeten: „eine misernte in den nördlichen gegenden zwang das reich sofort, die matricularbeiträge mehreren Städten vorläufig zu stunden" (S. 18). Wilamowitz hatte dies aus Hinweisen bei Köhler, Ulrich, Urkunden und Untersuchungen zur Geschichte des delisch-attischen Bundes. - Berlin: F. Dümmler 1870, geschlossen. Köhler hatte in einer bei Thukydides 1, 112, 4 für das Frühjahr 449 v.Chr. verzeichneten Hungersnot (//'mos) die Ursache für die von ihm aus den athenischen „Tributlisten" (den inschriftlichen Aufzeichnungen der Beitragszahlungen der Seebundstaaten) für 449 v.Chr. erschlossenen Zahlungsausfälle von Städten in der Hellespont-Region sehen wollen (ebd., S.20 und 130); Thukydides bezieht sich jedoch dem Kontext nach auf eine Versorgungskrise bei der athenischen Flotte, die damals die Stadt Kition auf Zypern belagerte, und nicht auf eine allgemeine „Theuerung", wie Köhler meint.

IV. Die

Plebejerstadt

257

Aber in riesigstem Maßstab entstand die Benutzung der Provinzen zu Getreidesteuern für die Getreidespenden ran die r Stadtbürgerschaft in der Spätzeit der römischen Republik. 166 Der spezifisch mittelalterliche Notleidende war ein armer Handwerker, also ein gewerblicher Arbeitsloser, der spezifisch antike Proletarier ein politisch Deklassierter, weil grundbesitzlos gewordener früherer Grundbesitzer. Auch die Antike hat die Beschäftigungslosigkeit von Handwerkern als Problem gekannt. Das spezifische Mittel dagegen waren große Staatsbauten, wie sie Perikles ausführen ließ. 167 Schon die massenhafte Sklavenarbeit im Gewerbe verschob aber dessen Lage. Gewiß hat es auch im Mittelalter in einem Teil der Städte dauernd Sklaven gegeben. Einerseits bestand in den mittelländischen Seestädten sogar bis gegen Ende des Mittelalters eigentlicher Sklavenhandel. Andererseits hatte s der gerade entgegengesetzte, kontinentalste 5 Typus: eine Stadt wie Moskau vor der Leibeigenenbefreiung, 168 durchaus das Gepräge einer großen Stadt des Orients, etwa der diokletianischen Zeit: 169 Renten von Land- und Menschenbesitzern und Amtseinkünfte wurden darin verzehrt. Aber in den typischen mittelalterlichen Städten des Okzidents spielte ökonomisch die Sklavenarbeit je länger je mehr eine ganz geringe, schließlich gar keine Rolle mehr. Nirgends hätten machtvolle Zünfte das Entstehen einer Handwerkerschicht von Leibzins an ihre Herren zahlenden Sklaven als Konkurrenten des freien Gewerbes zugelassen. Gerade umgekehrt in der Antike. Jede Vermögensakkumulation bedeutete dort: Anhäufung von Sklavenbesitz. Jeder Krieg bedeutete massenhaft 1 Beutesklaven und Über-

r A: der hafte

s A: den gerade entgegengesetzten,

kontinentalsten

t A: massen-

1 6 6 Die staatliche Verteilung von Getreide zu einem garantierten bzw. subventionierten Preis an die in Rom ansässigen Bürger begann 123 v.Chr. mit einem Gesetz des Gaius Gracchus; durch ein Gesetz des Ciodius wurden 58 v.Chr. kostenlose Verteilungen eingeführt. Das Getreide wurde v.a. aus Sizilien und Africa (der Provinz auf dem ehemaligen Staatsgebiet von Karthago) importiert. 1 6 7 Die Deutung der Tempelbauten auf der Akropolis als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geht auf Plutarch, Perikles 12, 1 - 5 , zurück. 168 D.h. vor 1861. 1 6 9 Gemeint sein könnte - neben Konstantinopel und Antiochia- Nikomedia in Bithynien, das Diokletian (römischer Kaiser 284-305) zu seiner Residenz erhoben hatte.

258

Die Stadt

füllung des Sklavenmarktes. Diese Sklaven wurden zum Teil konsumtiv, zur persönlichen Bedienung der Besitzer, verwendet. Im Altertum gehörte der Sklavenbesitz zu den Erfordernissen jeder vollbürgerlichen Lebenshaltung. Der Vollhoplit konnte in Zeiten chronischen Kriegszustandes den Sklaven als Arbeitskraft so wenig entbehren wie der Ritter des Mittelalters die Bauern. Wer ohne jeden A 744 Sklaven leben mußte, | war unter allen Umständen ein Proletarier (im Sinn der Antike). 170 Die vornehmen Häuser des Römeradels kannten konsumtive Verwendung von Sklaven in Masse zur persönlichen Bedienung, welche in einer sehr weitgetriebenen Funktionsteilung die Geschäfte des großen Haushaltes besorgten und produktiv wenigstens beträchtliche Teile des Bedarfs oikenwirtschaftlich deckten. Nahrung und Kleidung der Sklaven wurde allerdings zum erheblichen Teile geldwirtschaftlich beschafft. In der athenischen Wirtschaft galt als Norm der voll geldwirtschaftliche Haushalt, der erst recht im hellenistischen Osten herrschte. Aber noch von Perikles wurde speziell betont, 171 daß er, um der Popularität bei den Handwerkern willen, seinen Bedarf möglichst durch Kauf auf dem Markt und nicht eigenwirtschaftlich deckte. Andererseits lag ein immerhin beträchtlicher Teil auch der 3 gewerblichen Produktion in den Städten in den Händen von selbständig erwerbenden Sklaven. Von den Ergasterien ist schon früher die Rede gewesen, 172 und ihnen treten die unfreien Einzelhandwerker und Kleinhändler zur Seite. Es ist selbstverständlich, daß das Nebeneinanderarbeiten von Sklaven und freien Bürgern, wie es sich in den gemischten Akkordgruppen bei den Arbeiten am Erechtheion findet, 173 sozial auf die Arbeit als solche drückte und daß die Sklavenkonkurrenz auch ökonomisch sich fühlbar machen mußte. Die größte Expansion der Sklavenausnutzung fiel aber im hellenischen Gebiet gerade in die Blütezeiten der Demokratie. | a In A folgt: städtischen

170 Vgl. oben, S. 255 mit Anm. 162. 171 Plutarch, Perikles 16, 4. 172 Im vorliegenden Text aber nur en passant oben, S. 184 und 215; gegebenenfalls könnte sich der Rückverweis auf die Bemerkungen in: WuG 1 , S. 214f. (MWG 1/22-1), beziehen. Ausführlich hatte Weber die mit Sklaven betriebenen Werkstätten in: Agrarverhältnisse 3 , v.a. S. 61 und 118f. (MWG I/6), behandelt. 173 Vgl. oben, S. 102f. mit Anm. 6.

IV. Die

Plebejerstadt

259

Dieses Nebeneinander von Sklavenarbeit und freier Arbeit hat WuG1 585 nun offenbar in der Antike auch jede Möglichkeit einer Entwicklung von Zünften in der Entstehung geknickt. In der Frühzeit der Polis waren vermutlich - wenn auch nicht sicher nachweislich - in Ansätzen gewerbliche Verbände vorhanden. Allem Anschein nach aber als organisierte Verbände militärisch wichtiger alter Kriegshandwerker - wie die Centuria fabrum b in Rom, 174 die „Demiurgen" im Athen der Ständekämpfe. 175 Diese Ansätze politischer Organisation aber schwanden gerade unter der Demokratie spurlos, und das konnte nach der damaligen sozialen Struktur des Gewerbes nicht anders sein. Der antike Kleinbürger konnte wohl mit den Sklaven zusammen einer Mystengemeinde (wie in Hellas) oder einem „Collegium" (wie später in Rom) angehören, 176 aber nicht einem Verband, der, wie die Zunft des Mittelalters, politische Rechte in Anspruch nahm. Das Mittelalter kennt den Popolo im Gegensatz A 745 zu den Geschlechtern als zünftig organisiert. Gerade in der klassischen Zeit der Antike, unter der Herrschaft des Demos fehlt dagegen (im Gegensatz zu älteren Ansätzen) jede Spur von Zünften. Nicht nach Zünften, sondern nach Demoi oder nach Tribus, also nach örtlichen und zwar (formal) vorwiegend ländlichen Bezirken war die „demokratische" Stadt eingeteilt. Das war ihr Merkmal. Davon weiß nun wiederum das Mittelalter gar nichts. Die Einteilung des StadtiVmerai in Stadtquartiere war natürlich dem Altertum und Mittelalter gemeinsam mit den orientalischen und ostasiatischen Städten. Indessen die ausschließliche Begründung einer polib A: f a b r a m

1 7 4 Vgl. oben, S. 187f. mit Anm. 154. 1 7 5 Nach Aristoteles, Athenaion politela 13, 2, soll 581 v.Chr. zur Beilegung innerer Konflikte ein Gremium von zehn Archonten gewählt w o r d e n sein, das sich aus fünf A d l i g e n (Eupatriden), drei Bauern und zwei Demiurgen - hier wohl als Handwerker zu verstehen zusammengesetzt habe. 1 7 6 Zu d e n (bis In die römische Kaiserzeit fortbestehenden) Eleusinischen und einigen anderen griechischen Mysterienkulten, In die auch Sklaven eingeweiht werden konnten, vgl. Rohde, Erwin, Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen, B a n d 1, 2. Aufl. - Freiburg i.Br. [u.a.]: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1898, S . 2 7 8 - 3 0 0 ; Stengel, Kultusaltertümer (wie oben, S. 185, Anm. 144), S. 1 5 2 - 1 6 9 ; zu den späteren Mysterieng e m e i n d e n vgl. oben, S. 103, Anm. 9, und zu den römischen Kollegien im Sinne von Berufs-, Kult- und Begräbnisvereinen, denen neben Freien und Freigelassenen auch Sklaven angehören konnten, Liebenam, Vereinswesen (wie oben, S. 103, A n m . 9 ) , S. 161 ff.; Kornemann, Collegium (wie oben, S. 188, Anm. 155).

260

Die Stadt

tischen Organisation auf lokale Gemeinschaften und vor allem deren Erstreckung auf das gesamte zum politischen Bereich der Stadt gehörige platte Land, so daß hier formell geradezu das Dorf die Unterabteilung der Stadt wurde, fehlte dem Mittelalter und fehlte auch allen anderen Städten anderer Gebiete. Die Demoieinteilung fiel (im wesentlichen) mit den Dorfmarken (historischen oder ad hoc geschaffenen) zusammen. Die Demoi waren mit Allmenden und lokalen Ortsobrigkeiten ausgestattet. Dies als Grundlage der Stadiverfassung steht einzigartig in der Geschichte da und kennzeichnet für sich allein schon die Sonderstellung gerade der demokratischen Polis des Altertums, welche gar nicht stark genug betont werden kann. Dagegen gewerbliche Verbände als Konstituentien einer Stadt finden sich in der Antike nur in der Frühzeit und dann nur neben anderen ständischen Körperschaften. Sie galt für Wahlzwecke: so in Rom die Centurie der fabri c neben den Centurien der equites im alten Klassenheer 177 und möglicherweise, aber gänzlich unsicher, die Demiurgen eines nachsolonischen d Ständekompromisses in Athen. 178 Dies Vorkommen konnte dem Ursprung nach sowohl auf freie Einungen zurückgehen - wie dies sicherlich für das in der politischen Verfassung mit berücksichtigte, sehr alte Collegium mercatorum mit dem Berufsgott Mercurius in Rom galt 179 oder es konnte auch in leiturgisch, für Heereszwecke, gebildeten Verbänden seine letzte Quelle haben: die antike Stadt beruhte ja in ihrer Bedarfsdeckung ursprünglich auf den Frohnden der Bürger. Einzelne gildenartige Erscheinungen finden sich. Der Kultverband der Tänzer des Apollon in Milet z. B. mit seiner ganz offiziellen,

c A: tabri

d A: vorsolonischen, vgl. Anm. 178.

177 Die für die wichtigsten Entscheidungen (v.a. über Krieg und Frieden und für die Wahl der höchsten Magistrate, ursprünglich auch für alle Gesetzesbeschlüsse) zuständigen Centurlatcomitien gehen auf die Gliederung des Heeres zurück. Die Bürger werden nach ihrem Vermögen in die Abstimmungskörperschaften der 18 Reitercenturien (equites) und 175 Centurien Fußvolk (diese wiederum gegliedert in 5 Vermögensklassen) eingeteilt. Zu den centuriae fabrum vgl. oben, S. 187f. mit Anm. 154. 178 Es handelt sich nicht um einen „vorsolonischen" Kompromiß (wie ursprünglich im Text). Der Vorgang fällt in das Jahr 581 v.Chr., d. h. in die Zeit nach Solons Reform (594 v.Chr.). Weber stützt sich, wie aus Agrarverhältnisse 3 , S. 106 und 109 (MWG I/6), erkennbar, nicht auf abweichende chronologische Ansätze. 179 Eine öffentliche Funktion erhielt die Vereinigung der Kaufleute mit der Weihung eines Merkur-Tempels im Jahre 495 v.Chr.; Livius 2, 21, 7 und 2, 27, 5.

IV. Die

Plebejerstadt

261

durch Eponymie des Jahres nach dem Verbandsvorstande dokumentierten Herrschafts (Stellung180 (unbekannten spezielleren In- A 746 halts) in der Stadt findet seine Parallele am ehesten in den Gilden des mittelalterlichen Nordens einerseits, den Zünften der magischen Tänzer bei amerikanischen Stämmen und der Magier (Brahmanen) in Indien, der Leviten in Israel andererseits.181 Man wird aber nicht an einen Gaststamm von Berufsekstatikern denken. Er ist in historischer Zeit vielmehr wohl als ein Klub der zur Teilnahme an der Apollon-Prozession qualifizierten Honoratioren anzusehen, entspricht also am ehesten der Kölner Richerzeche, nur mit der dem Altertum im Gegensatz zum Mittelalter typischen Identifikation einer kultischen Sondergemeinschaft mit der herrschenden politischen Bürgerzunft. Wenn in der Späizeit der Antike andererseits in Lydien wieder Kollegien von Gewerbetreibenden mit erblichen Vorstehern sich finden, welche die Stelle von Phylen einzunehmen scheinen,182 so ist dies sicher aus alten gewerblichen | Gaststämmen W u G 1 5 8 6 e A: Verbandsvorstand, 180 Gemeint ist der Kultverband der molpoi (Tänzer), deren Vorsteher in Milet seit Ende des 6 . J a h r h u n d e r t s v.Chr. (und bezeugt bis ins frühe I . J a h r h u n d e r t n.Chr.) die „eponymen" Magistrate darstellten, nach denen die Jahre benannt wurden. Die anfangs des 20. Jahrhunderts g e f u n d e n e Inschrift des Kultgesetzes der molpoi ist zuerst veröffentlicht und erörtert w o r d e n von Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von, Satzungen einer milesischen Sängergilde, in: Sitzungsberichte der Königlich Preussischen A k a d e m i e der Wissenschaften 1904, S. 6 1 9 - 6 4 0 ; vgl. auch dessen B e m e r k u n g in: Staat (wie oben, S. 182, Anm. 139), S. 77. 181 Mit d e n „Zünften der magischen Tänzer" sind vermutlich die bei einer Vielzahl von nordamerikanischen Völkerschaften beobachteten „Geheimgesellschaften" von Tänzern und Schauspielern gemeint, die Ähnlichkeiten zu Totemgruppen aufweisen, anders als diese j e d o c h auf freiwilliger Assoziation, nicht auf Verwandtschaftsbindungen beruhen; vgl. Webster, Hutton, Primitive Secret Societies. A Study in Early Politics a n d Religion. New York: Macmillan 1908, v.a. S. 1 7 8 - 1 9 0 ; Frazer, Totemism, vol. 3 (wie oben, S. 113, Anm. 33), S. 4 5 7 - 5 5 0 . - Die Bezeichnung der Brahmanen als Magier dürfte sich auf die von ihnen durchgeführten Zauber- und Beschwörungspraktiken beziehen. - Die Leviten galten ursprünglich als Priester, wurden j e d o c h nach der Reform des Tempelkults unter König Josia (um 621 v.Chr.) zu Tempeldienern degradiert. 182 Weber bezieht sich auf kaiserzeitliche Inschriften aus Kleinasien, v.a. Philadelphia; Waltzing, J[ean-]P[ierre], Étude historique sur les corporations professionnelles c h e z les Romains. Depuis les origines jusqu'à la chute de l'Empire d ' O c c i d e n t , tome 3: Recueil des Inscriptions g r e c q u e s et latines relatives aux Corporations des Romains. - Louvain: Peeters 1899, S . 5 1 f.; vgl. auch Szanto, Phylen (wie oben, S. 182, Anm. 137), S . 6 5 f . ; Ziebarth, Erich, Das griechische Vereinswesen (Preisschriften gekrönt und hg. von der Fürstlich Jablonowski'schen Gesellschaft zu Leipzig, B a n d 34). - Leipzig: S.Hirzel 1896, S. 1 0 7 - 1 0 9 ; Büchsenschütz, Besitz (wie oben, S.252, Anm. 157), S.332. Die Belege deuten auf einen Z u s a m m e n h a n g zwischen Kollegien und Phylen, stützen j e d o c h nicht eindeutig Webers Feststellung über „erbliche Vorsteher".

262

Die

Stadt

hervorgegangen, repräsentiert also einen der okzidentalen Entwicklung gerade entgegengesetzten, an indische Verhältnisse erinnernden Zustand. Im Okzident war eine Einteilung von Gewerbetreibenden nach Berufen erst wieder in den sowohl spätrömischen wie frühmittelalterlichen „Officia" und „Artificia" der grundherr- 5 liehen Handwerke vorhanden. 183 Später, im Übergang zum Mittelalter, finden sich für städtische Handwerke, welche für den Markt produzierten, aber von einem Herrn persönlich abhängig, also abgabepflichtig waren, Verbände, welche, soviel ersichtlich, nur der Abgabenerhebung gedient zu haben scheinen, vielleicht aber ur- 10 sprünglich vom Herren gebildete leiturgische Verbände waren. Neben diesen aber, die später verschwinden, und vielleicht ebenso alt wie sie, finden sich dann jene Einungen freier Handwerker mit monopolistischen Zwecken, welche in der Bewegung des Bürgertums gegen die Geschlechter die entscheidende Rolle spielten. In der 15 Antike findet sich dagegen in der klassischen Demokratie nichts von alledem. Leiturgische Zünfte, welche vielleicht in der Frühzeit der Stadtentwicklung existiert haben könnten, obwohl sie außer in jenen militärischen und Abstimmungs-Verbänden Roms nicht einmal in Spuren sicher nachzuweisen sindf, finden sich erst im 20 leiturgischen Staat der späten antiken Monarchie wieder. 184 Die freien Einungen aber haben gerade in der Zeit der klassischen Demokratie zwar alle möglichen anderen Gebiete umfaßt, aber, soviel A 747 ersichtlich, nirgends Zwn/icharakter besessen oder an (gestrebt. Sie gehen uns hier daher nichts an. Hätten sie irgendwo ökonomischen 25 Zunftcharakter erlangen wollen, so hätten sie eben, da die unfreien Handwerker nun einmal massenhaft existierten, ebenso wie die mittelalterliche Stadt, zwischen freien und unfreien Mitgliedern keinen Unterschied machen dürfen. Dann aber mußten sie auf politische Bedeutung verzichten, und das hätte für sie gewichtige Nachteile 30

f A: ist 183 Die Bezeichnungen officia für die Abteilungen der ländlichen Arbeiter bzw. artificia für die Handwerkergruppen finden sich sowohl in römischen wie in frühmittelalterlichen Quellen; Weber, Römische Agrargeschichte, MWG I/2, S. 348; Bücher, Gewerbe (wie oben, S.71, Anm.25), S.852. 184 In der Spätantike wurden die Handwerker in Zwangsverbänden zusammengefaßt, die gegenüber dem Staat für die Erfüllung öffentlicher Dienstleistungen hafteten; vgl. Kornemann, Coliegium (wie oben, S. 188, Anm. 155), Sp. 464-477.

IV. Die

5

10

15

20

25

30

Plebejerstadt

263

ökonomischer Art, die wir bald kennenlernen werden, 185 zur Folge gehabt. Die antike Demokratie war eine „Bürgerzunft" der freien Bürger und dadurch, wie wir sehen werden, 186 in ihrem ganzen politischen Verhalten determiniert. Die freien Zünfte oder die ihnen ähnlichen Einungen beginnen sich daher, soviel bisher bekannt, genau in derjenigen Zeit erstmalig zu bilden, als es mit der politischen Rolle der antiken Polis definitiv zu Ende war. Die Idee aber, die unfreien oder die freien nicht vollbürgerlichen (freigelassenen, metökischen) gewerblichen Arbeiter zu unterdrücken, zu verjagen oder wirksam zu begrenzen, konnte für die Demokratie der Antike offenbar als undurchführbar 9 gar nicht mehr in Betracht kommen. Ansätze, die sich dafür in charakteristischer Art in der Zeit der Ständekämpfe, speziell der Gesetzgeber und Tyrannen finden, schwinden später völlig^ und zwar gerade nach dem Siege der Demokratie. Das Maß der Heranziehung von Sklaven privater Herren neben freien Bürgern und Metöken bei Staatsbauten und Staatslieferungen gerade in der Zeit der absoluten Herrschaft des Demos zeigt ganz offenbar: daß sie dafür eben einfach nicht entbehrt werden konnten, wohl auch: daß ihre Herren den Profit davon nicht entbehren wollten und die Macht hatten, ihren Ausschluß zu hindern. Sonst hätte man sie sicherlich wenigstens dazu nicht mit herangezogen. Das freie, vollbürgerliche Gewerbe reichte also für die großen Staatsbedarfszwecke gar nicht aus. Hier zeigt sich die grundverschiedene Struktur gerade der voll entwickelten antiken Stadt wie der voll entwickelten mittelalterlichen in der Zeit der Herrschaft des Demos dort, des Popolo hier. In der von Hoplitenheeren beherrschten, frühdemokratischen antiken Stadt spielte der stadtsässige[,j nicht auf einem Kleros angesessene, ökonomisch wehrfähige Handwerker politisch keine Rolle. Im Mittelalter führte das stadtsässige bürgerliche Großunternehmertum (popolo grasso) und: die kleinkapitalistischen Handwerker (popolo minuto). Diese Schichten aber - das zeigt der politische Tatbestand - | hatten inner- A 748 halb der antiken Bürgerschaft keine (maßgebende) Macht. Wie der antike Kapitalismus politisch orientiert war: an Staatslieferungen,

g A: undurchführbar, 185 Siehe unten, S.264. 186 Siehe unten, S.281ff.

264

WuG1587

Die Stadt

staatlichen Bauten und Rüstungen, Staatskredit (in Rom als politischer Faktor schon in den punischen Kriegen),187 staatlicher Expansion und Beute an Sklaven, | Land, Tributpflichten und Privilegien für Erwerb und Beleihung von Grund und Boden, Handel und Lieferungen in den Untertanenstädten, so war es auch die antike Demokratie: Die Bauern, so lange sie der Kern der Hoplitenheere blieben, waren am kriegerischen Landerwerb zu Ansiedlungszwecken interessiert. Das stadtsässige Kleinbürgertum aber: an direkten und indirekten Renten aus der Tasche der abhängigen Gemeinden: den Staatsbauten, Theater- und Heliasten-Geldern,188 Getreide- und anderen Verteilungen, die aus der Tasche der Untertanen vom Staat dargeboten wurden. Eine Zunftpolitik nach mittelalterlicher Art hätte das vorwiegend aus ländlichen Grundbesitzern bestehende Hoplitenheer in der Zeit seines Sieges in den kleisthenischen und (in Rom) dezemviralen11 Ständekompromissen189 schon von seinen Konsumenteninteressen an billiger Versorgung aus sicher nie aufkommen lassen. Und der spätere, von spezifisch stadtsässigen Interessenten beeinflußte^] hellenische souveräne Demos hatte offensichtlich kein Interesse mehr daran, und übrigens wohl auch keine Möglichkeit dazu. Die politischen Ziele und Mittel der Demokratie in der Antike waren eben grundstürzend andere als diejenigen des

h A: dezemvirialen 1 8 7 Im Ersten Punischen Krieg wurde nach d e m Verlust der römischen Flotte bei Drepana (249 v.Chr.) der Neuaufbau einer Seestreitmacht durch eine Anleihe bei wohlhab e n d e n Bürgern finanziert (Polybios 1, 59, 6). Während des Zweiten Punischen Krieges ü b e r n a h m e n 215 v.Chr. Gesellschaften von Staatspächtern die Vorfinanzierung der Ausrüstung der Truppen auf d e m s p a n i s c h e n Kriegsschauplatz (Llvlus 23, 4 8 - 4 9 ) und 214 v.Chr. ebenso die Finanzierung öffentlicher Bauten und Spiele (Llvius 24, 18, 10f.). 1 8 8 An Festtagen erhielten die Bürger „Theater-Gelder" (theorikä), ursprünglich wohl als Eintrittsgeld für d e n B e s u c h der Schauspiele, später u n a b h ä n g i g d a v o n a u c h an anderen Festtagen. Die Einführung dieser Verteilungen wird in der heutigen Forschung überwieg e n d g e g e n Mitte des 4. J a h r h u n d e r t s v.Chr. angesetzt und nicht mehr In der Zelt d e s Penkies (wie z. B. Meyer, Altertum, Band 3, S. 573). Unstrittig ist d a g e g e n die Einrichtung der Diätenzahlungen für die Geschworenen (Hellasten nach der älteren Terminologie) in perikleischer Zeit. 1 8 9 Nach der Vertreibung der Peisistratiden (510 v.Chr.) konnte Klelsthenes seine Verfassungsreform 508/507 v.Chr. erst durchsetzen, n a c h d e m der Widerstand großer Teile der (von spartanischen Truppen unterstützten) Aristokratie g e b r o c h e n w o r d e n war. Die von einer Zehnmänner-Kommission d u r c h g e f ü h r t e römische Gesetzeskodifikation von 451/ 450 v.Chr. zeigt d a g e g e n einen eindeutigen Kompromiß-Charakter, d a In einigen Punkten Forderungen der Plebs erfüllt, in anderen Vorrechte der Patricler f e s t g e s c h r i e b e n wurden.

IV. Die

Plebejerstadt

265

mittelalterlichen Bürgertums. Das äußert sich in der schon mehrfach berührten Verschiedenheit der Gliederung der Städte. Wenn im Mittelalter die Geschlechter nicht geradezu verschwinden, sondern in die Zünfte als die nunmehrigen Konstituentien der1 Bürgerschaft einzutreten genötigt wurden, so bedeutete dies: daß sie innerhalb dieser durch den Mittelstand majorisiert werden konnten, also formal einen Teil ihres Einflusses einbüßten. Oft genug sind freilich umgekehrt die Zünfte dadurch nach Art der Londoner Liveries ihrerseits auf die Bahn, plutokratische Rentnerkorporationen zu werden, getrieben worden. Immer aber bedeutete der Vorgang die Steigerung der Machtstellung einer /nnerstädtischen, an Handel und Gewerbe direkt beteiligten oder interessierten, in diesem modernen Sinn: bürgerlichen Schicht. Wenn dagegen in der Antike an die Stelle oder neben die alten personalen Geschlechterverbände, Phylen und Phratrien die Einteilung des Stadtgebietes | in Demoi A 749 oder Tribus trat k und diese Körperschaften und ihre Repräsentanten nun allein die politische Gewalt in Händen hatten, so bedeutete das zweierlei: Zunächst die Zersprengung des Einflusses der Geschlechter. Denn deren Besitz warj,] seiner Entstehung durch Beleihung und Schuldverfall entsprechend^] zum sehr großen Teile Streubesitz und kam nun nirgends mehr mit voller Wucht, sondern nur in den einzelnen Demen mit seinen einzelnen Partikeln zur Wirkung. Dort, im einzelnen Demos, war er jetzt zu registrieren und zu versteuern, und das bedeutete wesentlich mehr im Sinne der Herabsetzung der politischen Macht des großen Besitzes als heute etwa eine Eingemeindung der ostdeutschen Gutsbezirke in die Landgemeinden bedeuten würde. 190 Ferner und vor allem aber bedeutete die Zerschlagung des ganzen Stadtgebietes in Demoi: die Besetzung aller Rats- und Beamtenstellen mit Repräsentanten dieser, wie es in i A: in die

k A: erfolgte

190 Zu den administrativen Funktionen der Demen gehörte die Führung der Bürgerliste, aufgrund derer auch die Einberufung zum Kriegsdienst erfolgte, sowie (jedenfalls bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts v.Chr.) die Mitwirkung bei der Erhebung der Kriegssteuer (eisphora); vgl. Weber, Agrarverhältnisse3, S. 115 (MWG I/6), sowie Schoeffer, [Valerlan] von, „Demarchoi", In: RE, Band 4, 2, 1901, Sp. 2706-2712, hier Sp. 2709f.; ders., „Demoi", in: RE, Band 5, 1, 1903, Sp. 1-131, hier Sp. 27f. - Die Gutsbezirke blieben in Preußen bis 1927 als eigenständige, aus den Landgemeinden ausgegliederte, Verwaltungseinheiten bestehen.

266

Die

Stadt

Hellas geschah,191 oder doch die Gliederung der Komitien (Tributkomitien) nach Tribus (31 ländliche, 4 städtische), wie sie in Rom durchgeführt wurde.192 Wenigstens der ursprünglichen Absicht nach sollte das die ausschlaggebende Stellung nicht stadtsässiger, sondern /andsässiger Schichten und ihre Herrschaft über die Stadt 5 bedeuten. Also nicht ein politisches Aufsteigen des städtischen erwerbenden Bürgertums, wie im popolo, sondern gerade umgekehrt den politischen Aufstieg der Bauern. Im Mittelalter, heißt das, war von Anfang an das Gewerbe, in der Antike aber, in der kleisthenischen Zeit, die .Bauernschaft Träger der „Demokratie". Der 10 Tatsache nach und wenigstens einigermaßen dauernd trat dies allerdings nur in Rom ein. In Athen war nämlich die Zugehörigkeit zu einem Demos, dem man einmal angehörte, eine dauernde erbliche Qualität, welche unabhängig war vom Wohnsitz, Grundbesitz und Beruf, ebenso wie die Phratrie und die Sippe angeboren waren. Die 15 Familie eines Paianiers z. B., wie des Demosthenes, blieb durch alle Jahrhunderte diesem Demos rechtlich zugehörig, wurde in ihm zu den Lasten herangezogen und zum Amt erlost, ganz einerlei ob er 1 WuG 588 durch Wohnsitz oder Grundbesitz noch die aller|mindesten Beziehungen dorthin hatte. 193 Damit wurde aber natürlich den Demen, 20 sobald einige Generationen der Zuwanderung nach Athen über sie hingegangen waren, der Charakter lokaler bäuerlicher Verbände genommen. Alle möglichen stadtsässigen Gewerbetreibenden zählA 750 ten jetzt als Glieder ländlicher Demoi. Die Demoi waren also in Wahrheit jetzt rein persönliche Gliederungen der Bürgerschaft, wie 25 die Phylen es auch waren. Tatsächlich waren damit die in Athen am Ort der Ekklesia jeweils anwesenden Bürger nicht nur durch die Tatsache dieser Anwesenheit bevorzugt, sondern sie bildeten mit 191 In Athen war das Losverfahren für die Bestellung des Rates so eingerichtet, daß auf jede der zehn Phylen 50 Mitglieder entfielen; die Aufteilung auf die einzelnen Demen erfolgte proportional zur Bürgerzahl; das Verfahren der Verteilung auf Phylen und Demen galt auch für eine Reihe weiterer Ämter; Aristoteles, Athenaion politeia 62, 1. 192 Vgl. oben, S.216, Anm.63. 193 Die Vermögensverhältnisse der dem Demos Paiania (im westlichen Attika) zugehörenden Familie des Demosthenes (Aischines 2, 150 und 3, 171; Plutarch, Moralia 844A und 850F) sind aufgrund der Prozesse bekannt, die Demosthenes nach Erreichen der Volljährigkeit gegen seine Vormünder führte, denen er die Veruntreuung des von seinem Vater ererbten Besitzes vorwarf; vgl. Schaefer, Arnold, Demosthenes und seine Zeit, Band 1, 2., revidierte Aufl. - Leipzig: B.G. Teubner 1885, S. 261 -302. Zur Heranziehung dieses Vermögens für Steuerzwecke siehe v.a. Demosthenes 21,157; 27, 7 - 1 2 ; 28, 4 und 29, 59.

IV. Die

Plebejerstadt

267

steigendem Wachstum der Stadt zunehmend auch die Mehrheit in den formal ländlichen Demen. Anders in Rom. Für die 4 alten städtischen Tribus scheint zwar einmal ein ähnliches Prinzip gegolten zu haben. Aber jede der späteren ländlichen Tribus umfaßte nur denjenigen, welcher in ihr jeweilig mit Grundbesitz angesessen war. Mit Aufgabe dieses Grundbesitzes und anderweitigem Neuankauf wechselte man die Tribus, die claudische Gens z. B. gehörte der nach ihr benannten Tribuskörperschaft später gar nicht mehr an. 194 Die Folge davon war, daß zwar ebenfalls, und bei dem ungeheuer ausgedehnten Gebiet noch mehr als in Athen, die jeweils bei den Comitien anwesenden, also die stadtsässigen Tribulen begünstigt waren. Aber: zum Unterschiede von Athen nur diejenigen, welche ländliche Grundbesitzer waren und welche Bodenbesitz solchen Umfangs in Händen hatten, daß sie die eigene Anwesenheit in der Stadt mit der Bewirtschaftung dieses Besitzes durch fremde Kräfte vereinigen konnten: Grundrentner also. Große und kleine ländliche Grundrentner beherrschen demnach seit dem Siege der Plebs die Comitien Roms. Die Übermacht der stadtsässigen Grundadelsfamilien in Rom einerseits, des städtischen Demos' in Athen andererseits, hat diesen Unterschied aufrechterhalten. Die Plebs in Rom war kein Popolo, keine Vereinigung von Zünften der Handel- und Gewerbetreibenden, sondern dem Schwerpunkt nach der Stand der ländlichen panhopliefähigen 195 Grundbesitzer, von denen in aller Regel die stadtsässigen allein die Politik beherrschten. Die Plebejer waren anfänglich nicht etwa Kleinbauern in modernem Sinne und noch weniger eine im mittelalterlichen Sinne bäuerliche Klasse, um die es sich handelte. Sondern die ökonomisch voll wehrhafte Grundbesitzerschicht des platten Landes, in sozialer Hinsicht zwar keine „gentry", wohl aber eine „yeomanry", 196 mit einem nach dem Ausmaß des Bodenbesitzes und der Lebenshaltung in der Zeit des Aufstieges der Plebs mittelständischen Charakter: eine Ackerbürgerschicht also. Mit steigender Expansion stieg der Einfluß der I A: Demagogos

1 9 4 Vgl. die B e l e g e bei Münzer, [Friedrich], „Claudius", in: RE, B a n d 3, 2, 1899, S p . 2 6 6 2 - 2 6 6 7 , hier S p . 2 6 6 4 (hinfort: Münzer, Claudius). 1 9 5 D.h., in der Lage, eine volle Hoplitenrüstung a u s e i g e n e n Mitteln z u beschaffen. 1 9 6 Die freie e n g l i s c h e B a u e r n s c h a f t .

268

Die Stadt

stadtsässigen Bodennutznehmer. Dagegen war die gesamte BevölA 751 kerung städtischen gewerblichen | Charakters in den vier Stadttribus zusammengefaßt, also: einflußlos. Daran hat der römische Amtsadel stets festgehalten, und auch die gracchischen Reformer sind weit davon entfernt gewesen, das ändern und eine „Demokra- 5 tie" hellenischer Art einführen zu wollen. Dieser ackerbürgerliche Charakter des römischen Heeres ermöglichte die Festhaltung der Herrschaft durch die großen stadtsässigen Senatorenfamilien. Im Gegensatz zur hellenischen Demokratie, welche den geschäftsführenden Rat durch das Los bestellte und den Areiopag, der im we- 10 sentlichen aus den gewesenen Beamten zusammengesetzt war und dem Senat entsprach, als Kassationsinstanz vernichtete, 197 blieb (in Rom) der Senat die leitende Behörde der Stadt, und es ist nie der Versuch gemacht worden, daran etwas zu ändern. Das Kommando der Truppen hat in der großen Expansionszeit stets in den Händen 15 von Offizieren aus Stadtadelsfamilien gelegen. Die gracchische Reformpartei der späten republikanischen Zeit aber wollte, wie alle spezifischm antiken Sozialreformer, vor allem die Wehrkraft des politischen Verbandes herstellen, die Deklassierung und Proletarisierung der ländlichen Besitzer, ihren Auskauf durch den großen Be- 20 sitz hemmen, ihre Zahl stärken, um dadurch das sich selbst equipierende Bürgerheer aufrechtzuerhalten. 198 Auch sie also war primär eine ländliche Partei, so sehr auchn die Gracchen, um überhaupt etwas durchzusetzen, genötigt waren, die an Staatspachten und Staatslieferungen interessierte0, durch ihre Beteiligung am Er- 25 WuG1 589 werb von den Ämtern ausgeschlossene Kapitalistenschicht: die Ritter, 199 zur Unterstützung gegen den Amtsadel heranzuziehen.

m A: spezifischen

n Fehlt in A; auch sinngemäß ergänzt.

o A: interessierten

197 Durch die Reform des Ephialtes 462/461 v.Chr.; vgl. oben, S. 218, Anm. 72. 198 Das Motiv des Tiberius Gracchus, mit seiner Agrarreform zugleich die Rekrutierungsbasis der Armee zu sichern, wird schon in den Quellen hervorgehoben; Plutarch, Tiberius Gracchus 8 - 9 ; Appian, Bella civilia 1 , 9 - 1 1 . 199 Die ursprüngliche Bezeichnung für die Reiter im Gegensatz zum Fußvolk ging in der späteren Republik auf die sehr wohlhabenden Bürger über, die den hohen Ritterzensus erreichten. Aus dieser Gruppe ragten diejenigen heraus, die im großen Stil Geld- und Handelsgeschäfte, Staatspachten und -lieferungen (vgl. oben, S.264, Anm. 187) betrieben. Die Differenzierung zwischen Senatoren und Rittern hatte Ende des 3. Jahrhunderts

IV. Die

Plebejerstadt

269

Die perikleische Bautenpolitik wird wohl mit Recht als zugleich auch der Beschäftigung der Handwerker dienend aufgefaßt. 200 Da die Bauten aus den Tributen der Bundesgenossen bestritten wurden, waren diese die Quelle jener Verdienstchancen.201 Aber, wie 5 die inschriftlich feststehende Mitarbeit der Metöken und Sklaven zeigt,202 kam sie keineswegs nur den vollbürgerlichen Handwerkern zugute. Der eigentliche „Arbeitslosenverdienst" der Unterschichten war vielmehr in der perikleischen Zeit: Matrosenlohn und Beute, vor allem: Seekriegsbeute. Gerade der Demos war deshalb so 10 leicht für den Krieg zu gewinnen. Diese deklassierten Bürger waren ökonomisch abkömmlich und hatten nichts zu verlieren. Dagegen ist eine eigentlich gewerbliche Produzentenpolitik der ganzen antiken demokrati | sehen Entwicklung als ausschlaggebendes Element A752 unbekannt geblieben. 15 Wenn so die antike Stadtpolitik in erster Linie städtische Konsumenteninteressen verfolgt, so gilt dies gewiß auch für die mittelalterliche Stadt. Aber die Drastik der Maßregeln war in der Antike weit größer, offenbar weil es unmöglich schien, für eine Stadt wie Athen oder p Rom die Getreideversorgung lediglich dem privaten 20 Handel zu überlassen. Dagegen finden sich auch in der Antike gelegentlich Maßregeln zur Begünstigung besonders wichtiger Exportproduktionen. Aber durchaus nicht vornehmlich gewerblicher Produktionszweige. Und nirgends wurde die Politik einer antiken Stadt durch diese Produzenteninteressen beherrscht. Für ihre Richtung 25 maßgebend waren vielmehr zunächst in den alten Seestädten diejenigen der q grundherrlichen und ritterlichen^] am Seehandel und Seeraub interessierten, dorther ihren Reichtum erwerbenden stadtp A: und

q Fehlt in A; der sinngemäß ergänzt.

v.Chr. mit dem Verbot für Senatoren begonnen, größere Handelsgeschäfte zu betreiben (vgl. oben, S. 186, Anm. 150) bzw. sich an Staatspachten und -lieferungen zu beteiligen; sie wurde unter Gaius Gracchus endgültig vollzogen, als den Rittern die Geschworenenfunktion bei Repetundenprozessen gegen römische Statthalter (vgl. oben, S.156 mit Anm. 42) sowie die Steuerpacht in der neuen Provinz Asia übertragen wurde. 200 Vgl. oben, S. 257 mit Anm. 167. 201 Die Mitglieder des Delisch-Attischen Seebundes erbrachten ihre Beiträge zumeist in Form von Geldzahlungen. Penkies vertrat den Standpunkt, daß die Athener über diese Gelder frei verfügen könnten, solange sie mit ihrer Flotte die gesamten Verteidigungslasten übernähmen; Plutarch, Perikles 12, 3. 202 Weber bezieht sich offensichtlich auf die Erechtheion-Inschriften, die allerdings aus nachperikleischer Zeit stammen (vgl. oben, S. 102 mit Anm. 6).

270

Die

Stadt

sässigen Patrizier, welche überall, dann aber, in der Frühdemokratie, diejenigen der landsässigen hoplitfähigen Besitzer, welche in dieser Art nur in der mittelländischen Antike vorkommen. Schließlich aber die Interessen von Geld- und Sklavenbesitzern einerseits, städtischen Kleinbürgerschichten andererseits, welche beide, nur in verschiedener Art, an Staatsbedarf und Beute als Groß- und Kleinunternehmer, Rentner, Krieger und Matrosen interessiert sind. Hierin verhielten sich nun die mittelalterlichen Stadtdemokratien grundsätzlich anders. Die Gründe des Unterschiedes waren bereits mit der Stadtgründung vorhanden und äußerten schon damals ihre Wirkung. Sie liegen in geographischen und militärischen, kulturgeschichtlich bedingten, Umständen. Die antiken mittelländischen Städte fanden bei ihrer Entstehung eine awßerstädtische politische Militärgewalt von Bedeutung und vor allem: von technisch hochstehender Art, sich überhaupt nicht gegenüber. Sie selbst waren vielmehr die Träger der höchst entwickelten militärischen Technik. Zunächst in den Geschlechterstädten der ritterlichen Phalange, dann aber, und vor allem, des disziplinierten Hoplitenkampfes. Wo in dieser militärischen Hinsicht im Mittelalter Ähnlichkeiten bestanden, wie bei den frühmittelalterlichen, südeuropäischen Seestädten, und den italienischen Stadtadelsrepubliken, zeigt auch die A 753 Entwicklung relativ weitgehende Ähnlichkeiten mit der Antike. | In einem frühmittelalterlichen südeuropäischen Stadtstaat war die aristokratische Gliederung schon durch den aristokratischen Charakter der Militärtechnik bedingt. Gerade die Seestädte und nächst ihnen die (relativ) armen Binnenstädte mit großen, politisch unterworfenen und von dem stadtsässigen Rentnerpatriziat beherrschten Gebieten (wie Bern) r 203 sind hier am wenigsten zu Demokratien geworden. Dagegen die gewerblichen Binnenstädte und vor allem die Städte des nördlichen kontinentalen Europa sahen sich im Mittelalter gegenüber der Militär- und Ämterorganisation der Könige und ihrer über die breiten Binnenflächen des Kontinents ausgebreiteten, ritterlichen burgsässigen Vasallen. Sie beruhten in einem gror A: Bern),

2 0 3 Bern beherrschte die umliegende Landschaft (das Berner Oberland) und dehnte im 15. Jahrhundert seine Herrschaft auf einen Teil des Aargaus und im 16. Jahrhundert auf das Waadtland aus.

IV. Die

5

10

15

20

25

30

35

Plebejerstadt

271

ßen, nach Norden und nach dem Binnenland zu immer mehr überwiegenden Bruchteile von ihrer Gründung an auf Konzessionen der politischen und grundherrlichen, dem feudalen Militär- und Amtsverband eingegliederten Gewalthaber. Ihre Konstituierung als „Stadt" erfolgte | je länger je mehr nicht im politischen und militäri- WuG1 590 sehen Interesse eines grundsässigen Wehrverbandes, sondern vor allem aus ökonomischen Motiven des Gründers: weil der Gewalthaber Zoll- und ähnliche Verkehrseinnahmen und Steuern für sich davon erwartete. Sie war für ihn in erster Linie ein ökonomisches Geschäft, nicht eine militärische Maßregel, oder jedenfalls trat diese militärische Seite, wo sie vorhanden gewesen war, zunehmend zurück. Z u einer verschieden umfangreichen Autonomie der Stadt, wie sie dem okzidentalen Mittelalter spezifisch ist, führte die Entwicklung nur deshalb und nur so weit, weil und als die außerstädtischen Gewalthaber - das war das einzige durchgehend Entscheidende - noch nicht über denjenigen geschulten Apparat von Beamten verfügten, um das Bedürfnis nach Verwaltung städtischer Angelegenheiten auch nur so weit befriedigen zu können, als es ihr eigenes Interesse an der ökonomischen Entwicklung der Stadt verlangte. Die frühmittelalterliche fürstliche Verwaltung und Rechtsprechung besaß der Natur der Sache und der Stellung ihrer Träger nach nicht diejenige Fachkunde, Stetigkeit und rational geschulte Sachlichkeit, um die ihren eigenen, sie hinlänglich in Anspruch nehmenden Interessen und ihren ständischen Gewohnheiten ganz fernliegenden Angelegenheiten der städtischen Handels- und Gewerbeinteressenten von sich aus zu ordnen und zu leiten. Das Interesse der Gewalthaber aber ging zunächst lediglich auf Geld | einnähme. Gelang es den Bürgern, dies Interesse zu befriedi- A 754 gen, so sprach die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die außerstädtischen Gewalthaber sich jeder Einmischung in die Angelegenheiten der Bürger, welche ja die Anziehungskraft der eigenen städtischen Gründung in Konkurrenz mit denen anderer Gewalthaber und also ihre Einnahmen schädigen konnte, enthalten würden. Ihre Machtkonkurrenz untereinander, namentlich aber die Machtkonkurrenz der Zentralgewalt mit den großen Vasallen und der hierokratischen Gewalt der Kirche, kam den Städten zu Hilfe, zumal innerhalb dieser Konkurrenz das Bündnis mit der Geldmacht der Bürger Vorteile versprechen konnte. Je einheitlicher daher ein politischer Verband organisiert war, desto weniger entfaltete sich

272

Die Stadt

die politische Autonomie der Städte. Denn mit dem äußersten Mißtrauen haben ohne Ausnahme alle feudalen Gewalten, von den Königen angefangen, deren Entwicklung beobachtet. Nur der Mangel eines bureaukratischen Amtsapparates und der Geldbedarf nötigte die französischen Könige seit Philipp August und die englischen seit Eduard II. sich auf die Städte ebenso zu stützen, wie die deutschen Könige sich auf die Bischöfe und das Kirchengut zu stützen versuchten. Nach dem Investiturstreit, welcher den deutschen Königen diese Stütze entzog, finden sich kurze Anläufe der salischen Könige, auch ihrerseits die Städte zu begünstigen.204 Sobald aber die politischen und finanziellen Machtmittel der königlichen oder territorialen Patrimonialgewalten den geeigneten Amtsapparat zu schaffen gestatteten, haben sie die Autonomie der Städte alsbald wieder zu vernichten gesucht. Das historische Intermezzo der Städteautonomie war also in der mittelalterlichen Städteentwicklung durch gänzlich andere Umstände bedingt als in der Antike. Die spezifisch antike Stadt, ihre herrschenden Schichten, ihr Kapitalismus, die Interessen ihrer Demokratie sind alle, und zwar je mehr das spezifisch Antike hervortritt, desto mehr, primär politisch und militärisch orientiert. Der Sturz der Geschlechter und der Übergang zur Demokratie war bedingt durch die Änderung der Militärtechnik. Das sich selbst equipierende disziplinierte Hoplitenheer war es, welches den Kampf gegen den Adel trug, ihn militärisch und darauf auch politisch ausschaltete. Seine Erfolge gingen sehr verschieden weit, teilweise bis zur völligen Vernichtung des Adels, wie in Sparta,205 teilweise zu formaler Beseitigung der Ständeschranken, Befriedigung des VerA 755 langens nach rationaller und leicht zugänglicher Justiz, persönlichem Rechtsschutz, Beseitigung der Härten des Schuldrechts, während die faktische Stellung des Adels in anderer Form erhalten blieb: so in Rom. Teilweise zur Eingemeindung des Adels in die Demen und timokratischer Leitung des Staates: so im kleistheWuG1 591 nischen Athen. Meist findet sich, so | lange die landsässige Hoplit-

204 Einschlägig sind die Privilegien Heinrichs IV. 1074 für Worms ( U r k u n d e n b u c h Worms (wie oben, S. 126, A n m . 7 0 ) , Band 1, Nr. 56, S. 4 7 - 4 9 ) ; Heinrichs V. 1111 für Speyer ( U r k u n d e n b u c h Speyer (wie oben, S. 118, A n m . 4 9 ) , Nr. 80 ( S . 8 8 f . ) ) und 1114 für Worms ( U r k u n d e n b u c h Worms, Band 1, Nr. 62, S. 53f.). 205 Vgl. oben, S. 181 und 213.

IV. Die

Plebejerstadt

273

schaft ausschlaggebend war, die Erhaltung autoritärer Institutionen des Geschlechterstaates. Sehr verschieden intensiv war auch der Grad der Militarisierung der Institutionen. Die spartanische8 Hoplitschaft hat das gesamte den Kriegern gehörige Land und die darauf sitzenden Unfreien als gemeinsamen Besitz behandelt und jedem wehrhaft gemachten Krieger den Anspruch auf eine Landrente gegeben. In keiner anderen Polis ist man so weit gegangen. Weit verbreitet scheint freilich, im Gegensatz zu der nur mit Erbanwartschaften der Sippen belasteten, im übrigen aber freien Veräußerlichkeit des Bodens, die in Resten noch später erhaltene Beschränkung der Veräußerung der Kriegerlose1:206 des ererbten Landes der Mitglieder der Bürgerzunft also, gewesen zu sein. Aber auch diese hat schwerlich überall bestanden und ist später überall beseitigt worden. In Sparta war die Bodenakkumulation zwar nicht in den Händen der Spartiaten, wohl aber in denen der Frauen zulässig und hat die ökonomische Basis der ursprünglich wohl 8000 Vollbürger umfassenden Kriegerschaft der „Homoioi" so verändert, daß schließlich nur wenige Hunderte die militärische Vollausbildung und den Beitrag zu den Syssitien erschwingen konnten, an welchen das Vollbürgerrecht hing.207 In Athen hat umgekehrt die Durchführung der Verkehrsfreiheit in Verbindung mit der Demenverfassung die Parzellierung, welche der zunehmenden Gartenkultur entsprach, gefördert. In Rom hat wiederum umgekehrt die Verkehrsfreiheit, welche im wesentlichen seit der Zwölftafelzeit 3 s A: spartische

t A: Kriegslose

a A: zwölf Tafelzeit

206 Zur Veräußerlichkeit des Bodens vgl. die ausführliche Darstellung Webers in: Agrarverhältnisse 3 , S. 1 1 2 - 1 1 5 (MWG I/6). Da Weber dort für Athen im 5. Jahrhundert v.Chr. das Fehlen „gentller Retraktrechte" (S.112) bzw. eines „Subsidlarerbrechts der Sippe" bei gleichzeitigem „Vorzug der Söhne Im Erbrecht" (S. 113) betont, ist möglicherweise Im Text „Söhne" statt „Sippen" zu lesen, sofern sich Weber hier auf Athen in klassischer Zeit bezieht. Zur Einschränkung der Verfügungsrechte über den kleros durch Veräußerungsverbote (Aristoteles, Politik 1319a 10f.) und das Erbtochterrecht vgl. Weber, J u d e n t u m I, S . 1 3 0 f . (MWG 1/21). 207 Bei Herodot 7, 234, 2 w e r d e n 8000 „Gleiche" (so die Selbstbezeichnung der Spartiaten) für die Zeit der Perserkriege genannt; die antike Tradition kennt als ursprüngliche Zahl auch 9000 (Plutarch, Lykurg 8, 3) bzw. 10000 Spartiaten (Aristoteles, Politik 1270a 37); einen R ü c k g a n g auf weniger als 1000, für die Speisegenossenschaften (Syssitien) qualifizierte Vollbürger infolge der Vermögenskonzentration in d e n H ä n d e n von Frauen gibt Aristoteles, Politik 1270a 31, an; Mitte des 3. Jahrhunderts v.Chr. soll die Zahl auf gut 100 gesunken sein (Plutarch, Agls 5, 3).

274

Die Stadt

bestand, 208 zu ganz abweichenden Ergebnissen geführt, weil dabei die Dorfverfassung gesprengt wurde. 209 In Hellas ist die Hoplitendemokratie überall da geschwunden, wo der Schwerpunkt der militärischen Machtstellung sich auf die Seemacht verschob (in Athen endgültig seit der Niederlage von Koroneia). 210 Seitdem wurde so- 5 wohl die straffe Militärausbildung vernachlässigt wie die Reste der alten autoritären Institutionen beseitigt, und nunmehr beherrschte der stadtsässige Demos die Politik und die Institutionen der Stadt. Von derartigen rein militärisch bedingten Peripetien weiß die A 756 mittel | alterliche Stadt nichts. Der Sieg des Popolo beruhte in erster 10 Linie auf ökonomischen Gründen. Und die spezifisch13 mittelalterliche Stadt: die bürgerliche gewerbliche Binnenstadt, war überhaupt primär ökonomisch orientiert. Die feudalen Gewalten sind im Mittelalter nicht primär Stadtkönige und Stadtadel gewesen. Sie hatten nicht, wie der Adel der Antike, ein Interesse daran, spezifische mili- 15 tärtechnische Mittel, welche nur die Stadt als solche ihnen geboten hätte, in ihren Dienst zu stellen. Denn die Städte des Mittelalters waren, außer den Seestädten mit ihren Kriegsflotten, nicht als solche Träger derartig spezifisch militärischer Machtmittel. Im Gegenteil, während in der Antike die Hoplitenheere und ihre Einschu- 20 lung, also militärische Interessen, immer mehr in den Mittelpunkt der Stadtorganisation traten, begannen die meisten Bürgerprivilegien des Mittelalters mit der Beschränkung der Bürgerwehr-

b A: spezifische 2 0 8 Weber hat seine These, die Verkehrsfreiheit für Grund und Boden sei eine Folge des Zwölftafelgesetzes von 451/450 v.Chr. gewesen, zuerst in: Römische Agrargeschichte, MWG I/2, S. 201 - 2 0 6 , entwickelt; vgl. auch Agrarverhältnisse 3 , S. 155 (MWG I/6). 2 0 9 Weber (vgl. Römische Agrargeschichte, MWG I/2, S . 1 4 1 - 1 4 4 und 2 1 2 - 2 1 4 ; Agrarverhältnisse 3 , S. 143f. (MWG I/6)) geht zwar in A b w e i c h u n g von anderen Auffassungen von einer ursprünglichen italischen Dorfstruktur mit genossenschaftlichen Organisationsformen aus, nimmt aber an, daß diese durch die Landzuweisungen im Z u g e der römischen Expansion zerschlagen wurde. 2 1 0 Ein athenisches Hoplitenkorps unter Tolmides erlitt 447 v.Chr. eine schwere Niederlage g e g e n die Boiotier (Thukydides 1, 113; Plutarch, Perikles 18, 2). Athen verlor damit seine Vormachtstellung in Mittelgriechenland, konnte aber die f o l g e n d e n Abfallversuche von Verbündeten unterbinden und seinen S e e b u n d konsolidieren. In der Folgezeit und namentlich im Peloponnesischen Krieg ( 4 3 1 - 4 0 4 v.Chr.) setzte Athen unter der Führung des Perikles ganz auf die Überlegenheit seiner Flotte. Daß diese Schlacht bei Koroneia in Boiotien einen W e n d e p u n k t in der athenischen Politik bedeutet habe, betont Grote, Geschichte (wie oben, S.218, Anm. 71), B a n d 3, S.271.

IV. Die

Plebejerstadt

275

pflicht auf den Garnisondienst. Die Stadtbürger waren dort ökonomisch zunehmend an friedlichem Erwerb durch Handel und Gewerbe interessiert^] und zwar die unteren Schichten der Stadtbürgerschaft am allermeisten, wie namentlich der Gegensatz der Politik des Popolo minuto gegen die oberen Stände 0 in Italien zeigt. Die politische Situation des mittelalterlichen Stadtbürgers wies ihn auf den Weg, ein homo oeconomicus zu sein, während in der Antike sich die Polis während der Zeit ihrer Blüte ihren Charakter als des militärtechnisch höchststehenden Wehrverbands bewahrte: Der antike Bürger war homo politicus. In den nordeuropäischen Städten wurden, wie wir sahen, 211 die Ministerialen und Ritter als solche oft direkt aus der Stadt ausgeschlossen. Die nichtritterlichen Grundbesitzer aber spielten entweder als bloße Stadtuntertanen oder passive Schutzgenossen, zuweilen als zünftig organisierte, aber politisch und sozial nicht ins Gewicht fallende Gärtner und Rebleute eine ganz geringe, man kann sagen: selten eine überhaupt ins Gewicht fallende, Rolle für die Stadtpolitik. Das platte Land war in aller Regel für die mittelalterliche Stadtpolitik lediglich Objekt der Stadtwirtschaftspolitik und wurde es immer mehr. Nirgends hat die spezifisch mittelalterliche Stadt auf | den Gedanken verfallen können, WuG1 592 sich in den Dienst einer kolonisatorischen Expansion zu stellen. Damit sind wir bei dem sehr wichtigen Punkt der ständischen Verhältnisse der Städte des Altertums im Vergleich mit den mitteil alter liehen Städten angelangt. Die antike Polis kannte, auch ab- A 757 gesehen von den schon besprochenen Sklaven, 212 ständische Schichten, welche dem Mittelalter teils nur in seiner Frühzeit, teils gar nicht, teils nur außerhalb der Stadt bekannt waren. Dahin rechnen: 1. die Hörigen, 2. die Schuldverknechteten, 3. die Klienten, 4. die Freigelassenen. Davon gehören die drei ersten Gruppen in aller Regel nur der Zeit vor der Hoplitendemokratie an und finden sich später nur in Resten von sinkender Bedeutung. Die Freigelassenen dagegen spielten gerade in der Spätzeit eine steigende Rolle. 1. Die patrimoniale Hörigkeit findet sich innerhalb des Bereichs der antiken Polis in historischer Zeit wesentlich in Eroberungsc A: Städte 211 Siehe oben, S. 105-107 und 191f. 212 Siehe oben, S.257.

276

Die Stadt

gebieten. In der feudalen Frühzeit der Stadtentwicklung aber muß sie sehr weit verbreitet gewesen sein. Ihre in der ganzen Welt in gewissen Grundzügen ähnliche, in allen Einzelheiten sehr verschiedene Stellung unterscheidet sich nicht prinzipiell von derjenigen der Hörigen des Mittelalters. Überall wurde der Hörige vornehmlich 5 ökonomisch ausgenutzt. Am vollständigsten erhalten blieb die Hörigkeit auf hellenischem Gebiet gerade da, wo die Stadtorganisationen nicht durchgeführt wurden, so namentlich in Thessalien d und Städten, welche so straffe Kriegerorganisationen waren, daß hier der Hörige als Staatshöriger und nicht als Besitz des einzelnen 10 Herrn galt. 213 Außerhalb dieser Gebiete hat die Zeit der Hoplitenherrschaft sie fast überall verschwinden lassen. Sie lebte wieder auf in hellenistischer Zeit in den e Gebieten des Orients, welche damals der Städteorganisation unterworfen wurden. 214 Große Landgebiete wurden, unter Erhaltung ihrer' Stammesverfassung, den einzelnen 15 Städten zugeteilt, deren Bürger eine hellenische (oder hellenisierte) Garnison im Interesse der Teilkönige bildeten. Aber diese zunächst rein politische Hörigkeit der nichthellenischen Landbevölkerung (efrvT]) hatte einen wesentlich anderen Charakter als die patrimoniale Abhängigkeit der Epoche der Frühzeit 9 und gehört nicht 20 mehr in die Darstellung der autonomen Städte hinein. 2. Die Schuldknechte haben als Arbeitskräfte eine sehr bedeutende Rolle gespielt. Sie waren ökonomisch deklassierte Bürger. Ihre Lage war das spezifisch soziale Problem der alten Ständekämpfe zwischen stadtsässigem Patriziat und landsässigen Hop- 25 liten. In den Gesetzgebungen der Hellenen, in den 12 Tafeln, in den A 758 Schuldhaftgesetzen, in der Politik der Tyrannen ist das Interesse dieser deklassierten landsässigen Bauernschichten durch manche d A: Italien, vgl. Anm. 213. wesen war

e In A folgt: Orientalen

f A: ihre

g In A folgt: ge-

213 Da Weber sich ausdrücklich auf die griechischen Verhältnisse bezieht, muß im T e x t der entsprechend emendiert wurde - Thessalien (nicht „Italien" wie im überlieferten Text) gemeint sein. Mit der spartanischen Helotie (vgl. oben, S. 213 mit Anm. 54) vergleichbare Hörigkeitsverhältnisse gab es im griechischen Raum v.a. in Thessalien, in Argos und auf Kreta; vgl. Weber, Agrarverhältnisse 3 , S. 103, 105 und 122 (MWG I/6), sowie Guiraud, Paul, La propriété foncière en Grèce jusqu'à la conquête romaine. - Paris: Hachette 1890, S. 407ff.; Burckhardt, Kulturgeschichte (wie oben, S. 80, Anm. 57), Band 1, S. 149-151; Hermann/Thumser, Staatsaltertümer (wie oben, S. 217, Anm. 64), S. 121-128 und 143f. 214 Gemeint sind die Städtegründungen der Seleukiden, vor allem an der syrischen Küste und im Innern Kleinasiens im späten 4. und 3. Jahrhundert v.Chr.

IV. Die

Plebejerstadt

277

Kompromisse erledigt worden. Die Erledigung erfolgte in sehr verschiedenem Sinne. Die Schuldknechte waren keine Hörigen, sondern freie Grundbesitzer, welche mit Familie und Land hzu dauernder^ Versklavung oder privater1 Schuldhaft verurteilt k worden waren^ oder zur Vermeidung der Exekution sich freiwillig in solche begeben hatten. Sie wurden ökonomisch nutzbar gemacht, besonders häufig als Pächter ihres vom Schuldherrn erhaltenen Landes. Ihre Gefährlichkeit zeigt sich darin, daß das 12 Tafel-Gesetz gebot, den verurteilten Schuldner außer Landes zu verkaufen. 215 3. Die Klienten sind zu scheiden sowohl von Schuldknechten wie von Hörigen. 216 Sie sind einerseits nicht wie die letzteren mißachtete Unterworfene. Im Gegenteil bildeten sie die Gefolgschaft des Herrn, und ihre Beziehung zu diesem war eine Treuebeziehung, die eine gerichtliche Klage zwischen Herrn und Klient als religiös unstatthaft erscheinen ließ. 217 Ihr Gegensatz gegen die Schuldknechte zeigt sich darin, daß zum Unterschied von diesen eine ökonomische Ausnutzung der Klientelbeziehung durch den Herrn als unanständig galt. Sie waren persönliches und politisches, nicht aber ökonomisches Machtmittel des Herrn. Sie standen zum Herrn in einem durch die fides, über deren Innehaltung kein Richter, sondern ein Sittenkodex wachte, und deren Verletzung von seiten eines Beteiligten in Rom sakrale Folgen hatte' (die Verletzung der fides infamiert)[,j geregelten Verhältnis. 218 | Sie stammen aus der Zeit des WuG1 593 Ritterkampfs und der Adelsherrschaft und waren ursprünglich die persönlich mit dem Herrn in den Krieg ziehenden, zu Geschenken h A: in dauernde I A: hatte,

i A: in private

k Fehlt in A; worden waren sinngemäß ergänzt.

215 Lex duodecim tabularum 3, 5. 216 Locus classicus für die Absetzung der römischen Klientel von Formen der Hörigkeit ist Dionysios von Halikarnaß, Antiquitates Romanae 2, 9, 2f. Vgl. die Ausführungen zur Klientel bei Weber, Agrarverhältnisse 3 , S. 146-150 (MWG I/6), sowie die ebd., S. 187, angeführten Arbeiten von Voigt, M[oritz], Ueber die Clientel und Libertinität, in: Berichte über die Verhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-Historische Classe, Band 30, 1878, 147-219 (hinfort: Voigt, Clientel), und Premerstein, A[nton] v[on], „clientes", in: RE, Band 4, 1, 1900, Sp. 23-55 (hinfort: Premerstein, clientes). 217 Dionysios von Halikarnaß, Antiquitates Romanae 2, 10, 3. 218 Fides (Treu und Glauben, Pflicht zum Worthalten) galt als Grundlage des Verhältnisses zwischen Patron und Klient. Verletzte ein Patron seine Schutzverpflichtungen, sollte er verflucht und geächtet sein; Lex duodecim tabularum 8, 21; Gellius, Noctes Atticae 20, 1, 40.

278

Die Stadt

und Unterstützung in Notfällen und vielleicht auch zu gelegentlicher Arbeitshilfe verpflichteten, vom Herrn mit Landloosen ausgestatteten und vor Gericht vertretenen Ministerialen, wie die Sprache des Mittelalters sie bezeichnen würde, nicht aber seine Knechte. Nur waren sie nicht wie die späteren Ministerialen Leute von 5 Rittersart und Ritterrang, sondern kleine Leute mit kleinen bäuerlichen Landlosen, eine Schicht plebejischer Kriegsleheninhaber.219 Der Klient war also ein am Bodenbesitz und lokalen Gemeinschaften und deshalb am Wehrverband nicht Beteiligter, der sich voll (in Rom durch die applicatio)220 in ein Schutzverhältnis zu einem 10 Geschlechtshaupt (pater) oder auch zum König begeben hat und daraufhin von diesem Rüstung und Land zugeteilt (technisch in | A 759 Rom adtribuere)m 221 erhält. Meist hat er diese Beziehung von den Vorfahren ererbt. Dies ist die alte Bedeutung der Klientel. Und ganz wie im Mittelalter in der Zeit der Adelsherrschaft die Munt- 15 mannen entstanden, so hat auch in der Antike der gleiche Zustand massenhaft freie Kleinbauern veranlaßt, sich[,j schon um der Gerichtsvertretung durch Adlige willen, in Klientelbeziehungen zu begeben. Dies ist in Rom wohl die Quelle der späteren freieren Formen der Klientel gewesen. Die alte Klientel dagegen gab wenig- 20 stens in Rom den Klienten ganz in die Hand des Herrn. Noch 134 v. Chr. bot Scipio seine Klienten als Feldherr auf.222 In der Bürgerkriegszeit sind in dieser Hinsicht die Kolonen (Kleinpächter) der großen Grundbesitzer an ihre Stelle getreten. 223 m

A: adtribuer)

219 Dies gilt namentlich für die Traditionen über die Aufnahme der Claudier In Rom (oben, S.94 mit Anm.99), bei der zugleich deren (angeblich 5000) Klienten Land zugewiesen wurde (Dionysios von Halikarnaß, Antiquitates Romanae 5, 40, 3 - 5 ; Llvius 2, 16, 4f.; Sueton, Tiberius 1, 2) und über den von der gens Fabia im Jahre 477 v.Chr. mit Ihren (4000) Klienten unternommenen privaten Feldzug (Dionyslos Hallkarnaß, Antiquitates Romanae 9,15, 3). 220 Applicatio im Sinne eines Gesuchs um Aufnahme in ein Schutzverhältnis findet sich bei Cicero, Deoratore 1, 177; vgl. Voigt, Clientel, S. 151-153. 221 Der Terminus findet sich bei Festus, p. 247 Müller = p. 289 Lindsay; vgl. Voigt, Clientel, S. 164; Mommsen, Staatsrecht, Band 3, 1, S.83. 222 Neben anderen Freiwilligen, die Scipio Aemilianus als Consul für den Krieg gegen Numantia (in Spanien) mobilisierte; Appian, Hispaniensis 84, 365; Premerstein, clientes (wie oben, S. 277, Anm. 216), Sp. 37. 223 So hat Lucius Domltius Ahenobarbus im Bürgerkrieg mit Caesar 49 v.Chr. zur Besetzung Massllias (heute: Marseille) Schiffe mit seinen Sklaven, Freigelassenen und Kolonen bemannt; Caesar, De bello civil! 1, 34, 2f. und 1, 56, 3.

IV. Die

Plebejerstadt

279

Der Klient war in Rom in der Heeresversammlung stimmberechtigt und nach der Tradition (Livius)" 224 eine wichtige Stütze der Geschlechter. Eine rechtliche Aufhebung der Klientel ist wahrscheinlich niemals erfolgt. Aber der Sieg der Hoplitentechnik beseitigte ihre alte militärische Bedeutung auch dort, und in späterer Zeit ist das Institut nur erhalten als eine Einrichtung, welche dem Herrn sozialen Einfluß sicherte. Die hellenische Demokratie dagegen hat das Institut völlig vernichtet. Die Stadt des Mittelalters kennt innerhalb ihres Verbandes ein solches Institut überhaupt nur in der Form der Muntwaltschaft eines Vollbürgers über einen Nichtvollbürger, der sich in seinen Schutz begibt. Diese Gerichtsklientel verfiel mit der Geschlechterherrschaft. 4. Endlich umfaßte die Stadt der Antike die Freigelassenen. Ihre Zahl und Rolle war sehr bedeutend. Sie wurden ökonomisch ausgenutzt. Nach dem von italienischen Forschern sorgsam geprüften Inschriftenmaterial war etwa die Hälfte der Freigelassenen weiblichen Geschlechts. 225 In diesem Falle dürfte die Freilassung meist dem Zwecke einer gültigen Eheschließung gedient haben und also durch Loskauf des Eheanwärters bewirkt sein. Im übrigen finden sich inschriftlich besonders viele Freigelassenen, welche Haussklaven waren und also ihre Freilassung persönlicher Gunst verdankten. 226 Ob für die Gesamtheit diese Zahlen nicht sehr täuschen, ist doch äußerst fraglich, da naturgemäß gerade für diese Kategorie die Chance der inschriftlichen Erwähnung besonders

n A: ( L i v i e r )

2 2 4 Livius 2, 35, 4; 2, 56, 3; 2, 64, 2; 3, 14, 4 u n d 3, 16, 5. 2 2 5 Vgl. Calderini, M a n o m i s s i o n e , S. 200, der - bei starken S c h w a n k u n g e n v o n Ort zu Ort - im G e s a m t e r g e b n i s eine etwas größere Zahl v o n w e i b l i c h e n Freigelassenen ermittelt hatte. W e b e r s Formulierung legt nahe, daß er n o c h an a n d e r e Autoren g e d a c h t h a b e n könnte; in der w i s s e n s c h a f t l i c h e n Literatur seiner Zeit lassen sich j e d o c h keine weiteren italienischen A r b e i t e n ermitteln, die für d e n v o n ihm a n g e f ü h r t e n Sachverhalt e i n s c h l ä g i g wären. Dies gilt a u c h für d a s ( u n g e a c h t e t seines Titels die g e s a m t e Antike b e h a n d e l n d e ) b e k a n n t e Werk v o n Ciccotti, Ettore, II tramonto della schiavitù nel m o n d o antico. - Bari: B o c c a 1899 = Der U n t e r g a n g der Sklaverei im Altertum, D e u t s c h v o n O d a O l b e r g . - Berlin: B u c h h a n d l u n g Vorwärts 1910. 2 2 6 W e b e r stützt sich hier v e r m u t l i c h ebenfalls auf die E r g e b n i s s e v o n Calderini, M a n o m i s s i o n e , S. 201 ff.

280

Die Stadt

groß war. Es ist dagegen recht plausibel, wenn wir mit Calderini 0 die Zahl der Freilassungen aus dieser Schicht in Zeiten des politischA 760 ökonomischen Niedergangs an | schwellen und in wirtschaftlich günstigen Zeiten abschwellen sehen: 227 die Einschränkung der Gewinnchancen veranlaßte die Herren, den Haushalt einzuschränken 5 und zugleich das Risiko der schlechten Zeit auf den Sklaven, der sich ja nun selbst erhalten und seine Pflichtigkeiten an den Herrn bestreiten mußte, abzuwälzen. Die Agrarschriftsteller erwähnen Freilassung als Prämie für gute Wirtschaftsdienste. 228 Der Herr wird ferner oft einen Haussklaven, statt ihn als Sklaven auszunut- 10 zen, freigelassen haben, weil er, worauf Strack hinweist, 229 so der gerichtlichen, wenn auch begrenzten, Haftung für ihn ledig wurde. A b e r andere Absichten 13 dürften eine mindestens so große Rolle spielen. Der Sklave, dem sein Herr selbständigen Gewerbebetrieb gegen Abgaben gestattete, hatte ja die größten Chancen, Spargelder 15 für den Loskauf aufzuspeichern, wie dies auch bei den russischen Leibeigenen der Fall war. 230 Jedenfalls aber spielten für den Herrn | WuG1 594 die Dienste und Abgaben, zu denen der Freigelassene sich verpflichtete, die entscheidende Rolle. Der Freigelassene blieb in einer völlig patrimonialen, erst nach Generationen aufhörenden Bezie- 20 hung zur Herrenfamilie. Er schuldete dem Herrn nicht nur die versprochenen, oft schweren Dienste und Abgaben, sondern auch seine Erbschaft unterlag, wie bei den Unfreien des Mittelalters, einem weitgehenden Zugriff des Herrn. Und daneben war er durch Pietätspflicht zu den verschiedensten persönlichen Obedienzen ver- 25 bunden, welche die soziale Geltung und direkt die politische Macht des Herrn erhöhten. Die Folge war, daß die durchgeführte Demo-

O A: Caldomini

p A: Schichten

227 Calderini, Manomissione, S. 201 f. 228 Eine mögliche Freilassung gehört nicht zu den Anreizen, die von den römischen Agrarschriftstellern (v.a. Cato, Varro, Columella) empfohlen werden, abgesehen von der Belohnung der Sklavin, die mehr als drei Söhne aufgezogen hatte (Columella, De re rustica 1, 8, 19; vgl. Weber, Römische Agrargeschichte, MWG I/2, S.316). Für den von Weber angesprochenen Sachverhalt wäre allenfalls auf die Erwähnung von Freigelassenen, die sich durch besondere Züchtungserfolge hervorgetan hatten, bei Plinius, Naturalis historia 14, 49; 15, 50 und 17, 122, zu verweisen. 229 Strack, Freigelassene, S. 26. 230 Vgl. oben, S. 104 mit Anm. 11.

IV. Die

Plebejerstadt

281

kratie[,j z. B. in Athen, die Freigelassenen vom Bürgerrecht völlig ausschloß und zu den Metöken zählte. In Rom, wo die Machtstellung des Amtsadels nie gebrochen wurde, zählten sie dagegen zu den Bürgern, nur setzte die Plebs durch, daß sie auf die vier städti5 sehen Tribus beschränkt blieben, und darin gab ihr der Amtsadel nach, aus Furcht^ sonst den Boden für eine Tyrannis bereiten zu helfen. Als Versuch, eine solche zu begründen, galt das Unternehmen des Zensors Appius Claudius, die Freigelassenen im Stimmrecht den Bürgern durch Verteilung auf alle Tribus gleichzustel10 len.231 Diese charakteristische Auffassung darf man freilich nicht mit Eduard Meyer als den Versuch der Schaffung einer „perikleischen" Demagogie auffassen.232 Denn die perikleische Herrscherstellung beruhte nicht auf Freigelassenen, welche hier ja gerade durch die Demokratie von allen Bürgerrechten ausgeschlossen is waren, sondern gerade umgekehrt auf | den Interessen der Voll- A761 bürgerzunft an der politischen Expansion der Stadt. Die antiken Freigelassenen waren dagegen in ihrer Masse eine Schicht von friedlichen Erwerbsmenschen, von qhomines oeconomicF, welche in einem ganz spezifischen Grade, in einem weit höheren Maße als 20 durchschnittlich irgendein Vollbürger einer antiken Demokratie, dem Erwerbsbürgertum des Mittelalters und der Neuzeit nahestanden. Darum also, ob mit ihrer Hilfe ein Volkskapitanat in Rom entstehen sollte, hätte es sich gehandelt, und die Zurückweisung des Versuchs des Appius Claudius bedeutete: daß nach wie vor das q A: hominus oeconomici 231 Appius Claudius Caecus hat als Censor im Jahre 312 v.Chr. grundbesitzlose Bürger, unter ihnen auch Freigelassene, auf alle Tribus verteilt; dies wurde von den Censoren des Jahres 304 v.Chr. wieder rückgängig gemacht, indem die Einschreibung nur in die vier städtischen Tribus vorgenommen wurde: Livius 9, 46, 11-15; Valerius Maximus 2, 2, 9; Diodor 20, 36, 4. Die Quellen gehen vom Widerstand der Nobilität gegen den eigensinnigen, des Strebens nach der Tyrannis verdächtigten (Livius 9, 34,16) Appius Claudius aus und unterscheiden beim Volk zwischen dem Pöbel, der begeistert ist, und dem integren Populus (Livius 9, 46, 13). Daraus hatte Niebuhr, B[arthold] G., Römische Geschichte, neue Ausgabe von M[eyer] Isler, Band 3. - Berlin: S. Calvary 1874, S.263, geschlossen, daß die Plebs insgesamt kein Interesse an der Verbesserung des Stimmrechts der Freigelassenen gehabt habe. Weber vertritt eine ähnliche Auffassung, wie auch aus seinen Bemerkungen in: Agrarverhältnisse 3 , S. 154 (MWG I/6), deutlich wird. 2 3 2 Meyer, Plebs 2 , S. 105 (= Plebs 3 , S. 1056) sieht in der Stimmrechtsverbesserung für Freigelassene bzw. grundbesitzlose Plebejer den Versuch des Appius Claudius Caecus, für sich „die Stellung eines leitenden Demagogen nach Art des Perikles zu gewinnen".

282

Die

Stadt

Bauernheer und der städtische Amtsadel, das erstere normalerweise vom letzteren beherrscht, die ausschlaggebenden Faktoren bleiben sollten. Machen wir uns die spezifische Stellung der Freigelassenen, dieser in gewissem Sinne modernsten, einer „Bourgeoisie" nächststehenden, Schicht der Antike noch etwas deutlicher. Nirgends haben die Freigelassenen die Zulassung zu Ämtern und Priestertümern, nirgends das völlige Connubium, nirgends - obwohl sie in Notfällen aufgeboten wurden - die Teilnahme an den militärischen Exerzitien (dem Gymnasion) und an der Rechtspflege durchgesetzt, in Rom konnten sie nicht Ritter werden, und fast überall war ihre prozessuale Stellung irgendwie ungünstiger als die der Freien. Ihre rechtliche Sonderstellung hatte ökonomisch für sie die Bedeutung: daß nicht nur die Teilnahme an den vom Staat gewährten oder sonst politisch bedingten Emolumenten des Bürgers,233 sondern vor allem auch der Grunderwerb und mithin auch der Hypothekenbesitz ihnen verschlossen war.234 Die Grundrente blieb also charakteristischerweise das spezifische Monopol der Vollbürger gerade in der Demokratie. In Rom, wo sie Bürger zweiter Klasse waren,235 bedeutete der Ausschluß von der Ritterwürde: daß ihnen die großen Steuerpachten und die Staatslieferungsgeschäfte, welche dieser Stand dort monopolisierte, verschlossen waren (wenigstens als Eigenunternehmen). Den Rittern standen sie also als eine Art von plebejischer Bourgeoisie gegenüber. Beides aber bedeutete praktisch: daß diese Schicht sich von dem spezifisch antiken[,] politisch orientierten Kapitalismus weitgehend ausgeschlossen und also auf die Bahn eines relativ modernen bürgerlichen Erwerbs hingewiesen sah. Sie sind denn auch die wichtigsten Träger jener Erwerbsformen, welche am meisten modernen Charakter zeigen, und entsprechen unserem kleinkapitalistischen, unter UmstänA 762 den aber zu bedeutendem Reichtum aufsteigenden, Mittelstand bei weitem am ehesten, in entschiedenem Gegensatz zu dem typi2 3 3 Zu diesen politisch vermittelten (Neben-) Einkünften zählen u. a. Soldzahlungen bzw. Beuteanteile für Soldaten, Gewinnchancen für Magistrate (in den Provinzen) oder Einkünfte aus Staatspachtgeschäften, von denen in Rom Freigelassene ausgeschlossen waren, obwohl sie - anders als in Griechenland - als Bürger galten. 2 3 4 In Rom ist Grundbesitzerwerb für Freigelassene jedoch (seit der mittleren Republik) möglich gewesen; Mommsen, Staatsrecht, Band 3, 1, S. 431 f. 2 3 5 Die Formulierung findet sich bei Mommsen, Staatsrecht, Band 3, 1, S. 444, und Strack, Freigelassene, S. 13.

IV. Die Plebejerstadt

283

sehen Demos der Vollbürger in der hellenischen Stadt, der die politisch bedingten Renten-. Staatsrenten, Tagegelder, Hypothekarrenten, Landrenten monopolisiert. | Die Arbeitsschulung der Skia- WuG1 595 verei, verbunden mit der dem Sklaven winkenden Prämie des Frei5 kaufs[,j war ein starker Sporn für den Erwerbswillen der Unfreien in der Antike, ganz wie in der Neuzeit in Rußland. Der antike Demos war im Gegensatz dazu kriegerisch und politisch interessiert. Als eine Schicht ökonomischer Interessenten waren die Freigelassenen die gegebene Kultgemeinde des Augustus als des Bringers des Frie10 dens. Die von ihm gestiftete Augustalenwürde ersetzte etwa unseren Hoflieferantentitel. 236 Das Mittelalter kennt die Freigelassenen als einen besonderen Stand nur in der vorstädtischen Frühzeit. Innerhalb der Städte wurde die Schicht der Leibeigenen, deren Erbschaft dem Herrn ganz 15 oder teilweise verfiel, durch den Satz: Stadtluft macht frei, 237 und außerdem durch die städtischen Privilegien der Kaiser, welche den Zugriff der Herren auf die Erbschaft von Stadtbürgern verboten, schon in der ersten Zeit der städtischen Entwicklung beschränkt und fiel mit der Zunftherrschaft völlig dahin. Während in der Anti20 ke eine Zunftorganisation, welche vollbürgerliche, freigelassene und unfreie Handwerker umschlossen hätte, als politische Grundlage der Stadt als eines Militärverbandes völlig ausgeschlossen gewesen wäre, geht die mittelalterliche Zunftverfassung gerade umgekehrt von der Ignorierung der außerstädtischen ständischen Unter25 schiede aus. Die antike Polis war, können wir resümieren, seit der Schaffung der Hoplitendisziplin eine Kriegerzunft. Wo immer eine Stadt aktive Politik zu Lande treiben wollte, mußte sie in größerem oder geringerem Umfang dem Beispiel der Spartiaten folgen: trainierte 30 Hoplitenheere aus Bürgern zu schaffen. Auch Argos und Theben haben in der Zeit ihrer Expansion Kontingente von Kriegervirtuosen, in Theben noch durch die Bande der persönlichen Kame-

2 3 6 Augustales (bezeugt seit 12 v.Chr.) besorgten in den Bürgerstädten außerhalb Roms den Kaiserkult. Die Funktion wurde vor allem von Freigelassenen wahrgenommen, die damit eine Ehrenstellung erreichen konnten, die einen „Ersatz" für die ihnen verwehrte Mitgliedschaft in Amts- und Ratsgremien darstellte; vgl. Mommsen, Staatsrecht, Band 3, 1, S. 452-457, der S. 454 meint, daß dabei „nichts reell war als die Kosten und der Pomp". 2 3 7 Vgl. oben, S. 105 mit Anm. 13.

284

Die Stadt

radschaft verknüpft, geschaffen. 238 Städte, welche keine solche Truppe besaßen, sondern nur ihre Bürgerhopliten, wie Athen und die meisten anderen, waren zu Lande auf die Defensive angewiesen. Überall aber waren nach dem Sturz der Geschlechter die Bürgerhopliten die ausschlaggebende Klasse der Vollbürger. Weder im 5 A 763 Mittelalter noch irgendwo | sonst findet diese Schicht eine Analogie. Auch die nicht spartanischen hellenischen Städte hatten den Charakter eines chronischen Kriegslagers in irgendeinem Grade ausgeprägt. In der ersten Zeit der Hoplitenpolis hatten daher die Städte zunehmend den Abschluß gegen außen im Gegensatz zu der weit- 10 gehenden Freizügigkeit der hesiodischen Zeit 2 3 9 entwickelt, und es bestand sehr vielfach die Beschränkung der Veräußerlichkeit des Kriegerloses r . 240 Diese Einrichtung verfiel aber in den meisten Städten schon früh und wurde ganz überflüssig, als teils geworbene Söldner, teils, in den Seestädten, der Flottendienst in den Vorder- 15 grund traten. A b e r auch damals blieb der Kriegsdienst letztlich maßgebend für die politische Herrschaft in der Stadt, und diese behielt den Charakter einer militaristischen Zunft bei. Nach außen war es grade die radikale Demokratie in Athen, welche die angesichts der beschränkten Bürgerzahl nahezu phantastische, Ägypten 20 und Sizilien umspannende Expansionspolitik stützte. 241 Nach innen

r A: Kriegsloses 238 Argos verbündete sich 421 v.Chr. mit einigen peioponnesischen Staaten gegen Sparta und stellte eine ständige Elitetruppe der „Tausend" auf, die auf Staatskosten unterhalten wurde; Dlodor 12, 75, 7; Thukydides 5, 67, 2. In Theben wurde nach der Befreiung von spartanischer Herrschaft 379 v.Chr. die sogenannte „heilige Schar" aus 300 Kriegern gebildet; Ihre Durchschlagskraft (die zur Begründung einer Hegemonie Thebens nach dem Sieg über die Spartaner bei Leuktra 371 v.Chr. beitrug) wird auf die homoerotischen Bindungen zwischen den Kämpfern zurückgeführt; Plutarch, Pelopldas 18; Athenalos 561F; 602A; Polyalnos, Strategemata 2, 5, 1. 239 Um 700 v.Chr.; vgl. oben, S. 187 mit Anm. 153. 240 Weber legt (wie auch seine Darlegungen in: Agrarverhältnisse 3 , S. 103 (MWG I/6), zeigen) den Nachdruck darauf, daß die Regelungen zur Erhaltung der Kriegerlose (Veräußerungsverbot, Unteilbarkeit des Erbguts, Pflicht zur Verheiratung von Erbtöchtern mit agnatischen Verwandten) nur für die Zeit der voll entwickelten Hoplitenpolis charakteristisch sind. 241 Ein athenisches Flottenaufgebot, das 456-454 v.Chr. den ägyptischen Aufstand gegen die persische Herrschaft unterstützte, wurde vernichtet; Athens Angriff auf Sizilien (415-413 v.Chr.) endete mit einer katastrophalen Niederlage. Vgl. zu den Bürgerzahlen (ca. 30-40000 erwachsene Männer) und den Verlusten im Peioponnesischen Krieg Beloch, Bevölkerung (wie oben, S. 256, Anm. 164), S. 59 - 7 5 .

IV. Die

Plebejerstadt

285

war die Polis als ein militaristischer Verband absolut souverän. Die Bürgerschaft schaltete in jeder Hinsicht nach Belieben mit dem einzelnen. Schlechte Wirtschaft, speziell Vergeudung des ererbten Kriegerloses (der s bona paterna avitaques der römischen Entmündigungsformel),242 Ehebruch, schlechte Erziehung des Sohnes, schlechte Behandlung der Eltern, Asebie, Hybris:243 - jedes Verhalten überhaupt, welches die militärische und bürgerliche Zucht und Ordnung gefährdete oder die Götter zum Nachteil der Polis erzürnen konnte - wurde trotz der berühmten Versicherung des Perikles in der thukydideischen1 Leichenrede: daß in Athen jeder leben könne^] wie er wolle,244 hart gestraft und führte in Rom zum Einschreiten des Zensors. Prinzipiell also war von persönlicher Freiheit der Lebensführung keine Rede und[,j soweit sie faktisch bestand, war sie, wie in Athen, erkauft durch die geringere Schlagkraft der Bürgermiliz. Auch ökonomisch verfügte die hellenische Stadt unbedingt über das Vermögen der einzelnen: im Fall der Verschuldung verpfändete sie noch in hellenistischer | Zeit auch Privatbesitz und WuG1 596 Person ihres Bürgers an den Gläubiger.245 Der Bürger blieb in erster Linie Soldat. Neben Quellwasser, Markt, Amtsgebäude und Theater gehört nach Pausanias3 zu einer Stadt das Gymnasion.246 Es fehlte nirgends. Auf Markt und Gymnasion verbringt der Bürger den Hauptteil seiner Zeit. Seine persönliche Inanspruchnahme durch Ekklesia, Geschwore|nendienst, Ratsdienst und Amtsdienst A 7 6 4

s A: bona patrita vitaquae, vgl. Anm. 242.

t A: thukydeischen

a A: Pausanius

2 4 2 Bona paterna avitaque ist die Bezeichnung für das ererbte Vermögen in der alten Formel, mit der der Praetor eine Beschränkung der Geschäftsfähigkeit zur Verhinderung einer Vermögensverschleuderung anordnen konnte (Pauli sententiae 3, 4a, 7). 2 4 3 Asebie: Leugnung der Götter; Hybris: Übermut, Selbstüberhebung, vor allem gegenüber den Göttern; im Strafrecht die tätliche Beleidigung. 2 4 4 Thukydides 2, 37, 2. 2 4 5 So hat die Stadt Arkesine (auf der Kykladeninsel Amorgos) im 2. Jahrhundert v.Chr. einem auswärtigen Gläubiger für den Fall ihrer Zahlungsunfähigkeit ein Pfändungsrecht nicht nur gegenüber den Staatsgütern, sondern auch dem Privatbesitz ihrer Bürger und Metoiken eingeräumt; Wachsmuth, Curt, Oeffentlicher Credit in der hellenischen Welt während der Diadochenzeit, in: Rheinisches Museum, Band 40, 1885, S. 283-303, hier S.287ff.; Szanto, Emil, Anleihen griechischer Staaten, in: Wiener Studien, Band 7, 1885, S. 232-252, hier S. 233f. 2 4 6 Pausanias 10, 4, 1; dazu Burckhardt, Kulturgeschichte (wie oben, S.80, Anm. 57), Band 1, S.75.

286

Die Stadt

im Turnus, vor allem aber durch Feldzüge: jahrzehntelang Sommer für Sommer^ war in Athen gerade in der klassischen Zeit eine solche, wie sie bei differenzierter Kultur weder vorher noch nachher in der Geschichte erhört ist. 247 Auf alle irgend erheblichen Bürgervermögen legte die Polis der Demokratie die Hand. Die Leiturgie 5 der Trierarchie:b Ausrüstung und Beschaffung des Kommandos von Kriegsschiffen, die Hierarchie: Herrichtung der großen Feste und Aufführungen, die Zwangsanleihen im Notfall, das attische Institut der Antidosis, überlieferte alle bürgerliche Vermögensbildung der Labilität. 248 Die absolut willkürliche Kadijustiz der Volksgerichte 10 (Zivilprozesse vor hunderten von rechtsunkundigen Geschworenen) 249 gefährdete die formale Rechtssicherheit so stark, daß eher b A: Triearchie:

247 Vgl. die Formulierung bei Wilamowltz, Staat (wie oben, S. 182, Anm. 139), S. 108: für die athenischen Bürger habe sich „eine Belastung durch öffentlichen Dienst" ergeben, „die schwerlich irgendwo ihresgleichen gehabt" habe. 2 4 8 Zu den im Text genannten „L(e)iturgien" (Dienstleistungen), der Übernahme und Finanzierung öffentlicher Funktionen durch Bürger (in bestimmten Fällen auch Metoiken), wurden nur jeweils die Besitzer der vergleichsweise größten Vermögen herangezogen. Die Trierarchie, die die höchsten Belastungen mit sich brachte, betraf nur einige hundert Bürger der ingesamt ca. 1200 Liturgiepflichtigen. Wer sich im Vergleich zu einem anderen ungerecht belastet fühlte, konnte den angeblich vermögenderen Bürger zur Übernahme der Liturgie oder anderenfalls zum Vermögenstausch (antidosis) auffordern; gegebenenfalls wurde durch ein Gericht entschieden, wer die Liturgie zu übernehmen hatte; vgl. Böckh, Staatshaushaltung (wie oben, S. 221, Anm. 80), S. 533-545 und 628-683; Busolt, Staats- und Rechtsaltertümer (wie oben, S. 179, Anm. 124), S. 193f. - Webers Bezeichnung „Hierarchie" für die Liturgie zur Finanzierung öffentlicher Feste beruht auf einem Irrtum. (Der Begriff ist in diesem Sinne auch nicht für andere Poleis belegt; die hierarchai in boiotischen Städten sind Verwalter von Tempelschätzen, vgl. Swoboda, Heinrich, Griechische Schatzverwaltung, in: Wiener Studien, Jg. 10,1888, S. 278-307, hier S. 301.). Die wichtigste Liturgie dieser Art war die „Choregie" für das Engagement und die Ausstattung der Chöre bei den Theateraufführungen. Als „Zwangsanleihe" läßt sich mit Einschränkungen das athenische System der proeisphora verstehen, bei dem seit dem 4. Jahrhundert v.Chr. die 300 reichsten Bürger einen Vorschuß auf die außerordentliche Vermögenssteuer (eisphora) zu erbringen hatten, den sie dann von den übrigen Steuerpflichtigen (wahrscheinlich insgesamt ca. 6000 von ca. 30000 Bürgern) wieder eintreiben konnten; vgl. Böckh, a.a.O., S.688f. und 609-623. In Notsituationen appellierte man an Bürger (und Fremde) mit großem Vermögen, durch freiwillige Geld- oder Sachleistungen (epidoseis) Getreideankauf oder Rüstungsmaßnahmen zu finanzieren; vgl. Böckh, a. a. O., S. 111 und 685f.; Boerner, [Adolf], „epidosis", in: RE, Band 6, 1, 1907, Sp. 60. 249 Geschworener konnte in der athenischen Demokratie des 5. und 4. Jahrhunderts v.Chr. jeder über dreißig Jahre alte, unbescholtene Bürger werden. Durch Losverfahren wurde jährlich eine Liste von 6000 Geschworenen aufgestellt. Aus der Zahl derjenigen dieser Gruppe, die sich an einem Gerichtstag meldeten, wurden wiederum durch Los die

IV. Die

Plebejerstadt

287

die Fortexistenz von Vermögen wundernimmt 0 als die sehr starken Peripetien bei jedem politischen Mißerfolg. Dieser wirkte um so vernichtender, als einer der wichtigsten Vermögensbestandteile: die Sklaven, dann durch massenhaftes Entlaufen zusammenzuschrumpfen pflegten. 250 Andererseits bedurfte die Demokratie für die Pachtung ihrer Lieferungen, Bauten, Abgaben der Kapitalisten. Eine rein nationale Kapitalistenklasse wie in Rom in Gestalt des Ritterstandes war aber d in Hellas nicht entwickelt. Die meisten Städte suchten vielmehr gerade umgekehrt durch Zulassung und Heranziehung gerade auch auswärtiger Reflektanten die Konkurrenz dieser zu steigern, und die einzelnen Stadtgebiete waren zu klein, um hinlängliche Gewinnchancen zu bieten. Besitz von Land, in meist mäßigem Ausmaß Besitz von Sklaven, welche Zins an den Herrn zahlten oder als Arbeiter vermietet wurden (Nikias), 251 daneben Schiffsbesitz und Kapitalbeteiligung am Handel waren die typischen Vermögensanlagen der Bürger. Dazu trat für die herrschenden Städte die Anlage in auswärtigen Hypotheken und Bodenbesitz. Diese war nur möglich, wenn das lokale Bodenbesitzmonopol der beherrschten Bürgerzünfte gebrochen war. Staatlicher Landerwerb, der dann an Athener verpachtet oder an attische Kleruchen 252 gegeben wurde^ und Zulassung der Athener zum Bo-

c A: wundernimmt,

d A: also

Geschworenenbänke für Straf- wie Zivilprozesse besetzt. Privatklagen wurden Im Regelfall vor Kollegien aus 201 oder 401 Geschworenen verhandelt. Sie entschieden allein aufgrund des Vortrags der Prozeßparteien (die sich nicht juristisch vertreten lassen konnten) und erhielten vor ihrem unmittelbar anschließenden Votum keinerlei rechtliche Instruktion. - Weber verwendet den Begriff „Kadijustiz" hier im Sinne einer ausschließlich an materialen Gerechtigkeitsprinzipien orientierten, formale Rechtssicherheit mißachtenden Rechtsprechung; vgl. WuG1, S. 662f. (MWG I/22-4), mit dem Bezug auf Schmidt, Richard, Die deutsche Zivilprozeßreform und Ihr Verhältnis zu den ausländischen Gesetzgebungen, in: Zeitschrift für Politik, Band 1, 1908, S. 245-275, hier S. 266. 250 Gemeint ist die Massenflucht von (angeblich 20000) Sklaven nach der Besetzung Dekeleias durch die Spartaner 413 v.Chr.; Thukydides 7, 27, 5. 251 Nikias (vor 469-413 v.Chr.) galt als einer der reichsten Männer seiner Zeit. Er vermietete 1000 Sklaven für die Arbeit in den attischen Silberbergwerken in Laureion; Xenophon, De vectigalibus 4, 14; Plutarch, Nikias 4, 2. 252 Athenische „Kolonisten", die Mitglieder des attischen Bürgerverbandes blieben; im späteren 5. Jahrhundert v.Chr. erfolgte v.a. die Ansiedlung in Poleis des Seebundes, wenn ein Aufstand gegen die athenische Herrschaft unterdrückt und Land konfisziert worden war.

288

Die

Stadt

denbesitz in den Untertanenstädten waren daher wesentliche Zwecke der Seeherrschaft. Der Grund- und Menschenbesitz spielte also in der ökonomischen Lage der Bürger auch in der Demokratie durchaus die ausschlaggebende Rolle. Der Krieg, der alle diese BeA 765 sitzverhältnisse umstürzen konnte, | war chronisch und steigerte sich im Gegensatz gegen die ritterliche Kriegsführung der Geschlechterzeit zu außerordentlicher Rücksichtslosigkeit. Fast jede siegreiche Schlacht brachte die massenhafte Abschlachtung der Gefangenen, jede Eroberung einer Stadt Tötung oder Sklaverei der ganzen Einwohnerschaft. Jeder Sieg entsprechend plötzliche Steigerung der Sklavenzufuhr. Ein solcher Demos konnte unmöglich primär in der Richtung des befriedeten ökonomischen Erwerbs und eines rationalen Wirtschaftsbetriebes orientiert sein. Darin verhielt sich das mittelalterliche Stadtbürgertum schon der ersten Entwicklungsperiode ganz erheblich anders. Die nächstverwandten Erscheinungen finden sich im Mittelalter wesentlich in den Seestädten Venedig und namentlich Genua, deren Reichtum an ihrer überseeischen Kolonialmacht hing. Dabei handelte es sich aber dem Schwerpunkt nach um Plantagen- oder grundherrlichen Besitz einerseits, Handelsprivilegien und gewerbliche Siedlungen andererseits, nicht aber um Kleruchien oder um Kriegssold oder um Dotierung der Masse der Bürger aus Tributen wie im Altertum. Die mittelalterliche gewerbliche Binnenstadt vollends steht dem antiken Typus ganz fern. Zwar war nach dem Siege des Popolo das Unternehmertum der oberen Zünfte oft außerordentlich kriegerisch gesinnt. Die Beseitigung lästiger Konkurrenten, Beherrschung oder Zollfreiheit der Straßen, Handelsmonopole und Stapelrechte spieW u G 1 5 9 7 len dabei vorwaltend die entscheidende | Rolle. Allerdings kennt auch die mittelalterliche Stadt starke Umwälzungen des Grundbesitzstandes sowohl als Folge auswärtiger Siege, wie einer Umwälzung der Parteiherrschaft in der Stadt. Besonders in Italien: der Grundbesitz der jeweils besiegten oder feindlichen Partei gibt der herrschenden Partei Gelegenheit zu Pachtungen von Land von der staatlichen Zwangsverwaltung oder zu direkt käuflichem Erwerb, und jede Niederwerfung einer fremden Gemeinde vermehrt auch das unterworfene Landgebiet und damit die Möglichkeit des Bodenerwerbs für die siegreiche Bürgerschaft. Aber der Radikalismus dieser Besitzveränderungen ist nicht zu vergleichen mit den ungeheuren Besitzumwälzungen, welche noch in der Spätzeit der

IV. Die

Plebejerstadt

289

antiken Städte jede Revolution und jeder siegreiche auswärtige oder Bürgerkrieg mit sich brachte. Und vor allem steht nicht der Grundbesitz im Vordergrunde des ökonomischen Interesses bei A766 der Expansion. Die mittelalterliche Stadt war unter der Herrschaft 5 der Zünfte ein ganz außerordentlich viel stärker in der Richtung des Erwerbs durch rationale Wirtschaft orientiertes Gebilde als irgendeine Stadt des Altertums, solange die Epoche der unabhängigen Polis dauerte. Erst der Untergang der Stadtfreiheit in hellenistischer und spätrömischer Zeit änderte dies durch die Vernichtung 10 der Chance[,j ökonomischen Verdienst auf dem Wege der kriegerischen Politik der Stadt für die Bürger zu schaffen. Gewiß: auch im Mittelalter waren einzelne Städte, so namentlich Florenz, in dessen Armee zuerst die Artillerie auftaucht, Träger des Fortschritts der Kriegstechnik zu Lande. 253 Und schon das Bürgeraufgebot der 15 Lombarden gegen Friedrich I. bedeutete eine militärtechnisch erhebliche Schöpfung.254 Aber die Ritterheere blieben doch den Stadtheeren im ganzen mindestens ebenbürtig, im Durchschnitt namentlich in Niederungen weit überlegen. Den Stadtbürgern konnte militärische Stärke zwar als Stütze, aber in Binnenlanden nicht als 20 Grundlage ihres ökonomischen Erwerbs dienen. e Dieser war e dadurch, daß der Sitz der höchsten Militärs' nicht in den Städten lag, auf den Weg rationaler Wirtschaftsmittel hingewiesen. Vier große Machtschöpfungen sind von der antiken Polis als solcher unternommen worden: das sizilianische Reich des Dionysios, e Zu erwarten wäre: Diese waren

f Zu erwarten wäre: Militärmacht

2 5 3 Vgl. oben, S.208f. 2 5 4 Zu den Kämpfen Kaiser Friedrichs I. (Barbarossa) mit dem Bund der lombardischen Städte zwischen 1167 und 1177 vgl. Giesebrecht, Wilhelm von, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Band 5: Die Zeit Kaiser Friedrichs des Rothbarts, 2. Abtheilung: Friedrichs I. Kämpfe gegen Alexander III., den Lombardenbund und Heinrich den Löwen. Leipzig: Duncker & Humblot 1888, S. 564ff. In den Aufgeboten der Lombarden kämpften die in Handel und Handwerk tätigen Bürger gemeinsam mit den Rittern, wie Otto von Freising in seinen Gesta Frederici 2, 14 hervorgehoben hat; moderne Ausgabe mit Text und Übersetzung: Otto von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs oder richtiger Chronica, übers, von Adolf Schmidt, hg. von Franz-Josef Schmale (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, hg. von Rudolf Buchner, Band 17). - Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965, S. 308f. Damit wurde eine schlagkräftige Infanterie geschaffen, die im Kampf mit den herkömmlichen Reitertruppen ihre Leistungsfähigkeit erwies; vgl. Dieterich, Julius R., Die Taktik in den Lombardenkriegen der Staufer. - Diss. Marburg 1890, S. 7 - 1 4 .

290

Die Stadt

der attische Bund, das karthagische und das römisch-italische Reich. Den peloponnesischen und den boiotischen 9 Bund dürfen wir beiseite lassen, weil ihre Großmachtstellung ephemer h war. 255 Jede jener vier Schöpfungen ruhte auf einer anderen Basis. Die Großmacht des Dionysios war eine auf Söldner und nur daneben 5 auf das Bürgerheer gestützte reine Militärmonarchie, 256 die für uns als untypisch kein spezifisches Interesse bietet. Der attische Bund 2 5 7 war eine Schöpfung der Demokratie, also einer Bürgerzunft. Dies mußte notwendig zu einer ganz exklusiven Bürgerrechtspolitik 258 führen und bedingte andererseits die völlige Unter- 10 Ordnung der verbündeten demokratischen Bürgerzünfte unter die Bürgerzunft der herrschenden Stadt. D a die Höhe der Tribute nicht fest vereinbart, sondern einseitig in Athen festgestellt wurde, wenn auch nicht vom Demos selbst, sondern von einer kontradiktorisch verhandelnden Kommission, welche der Demos wählte, 259 und da 15 alle Prozesse der Bundesgenossen nach Athen gezogen wurden, 260

g A: beiotischen

h A: ephemär

255 Das (relativ lockere) Militärbündnis zwischen Sparta und einer Reihe von Staaten auf der Peloponnes bestand seit dem 6. Jahrhundert v.Chr. Weber bezieht sich hier anscheinend auf die Zeit der Großmachtstellung Spartas nach dem Sieg im Peloponnesischen Krieg 404 v.Chr., als Sparta auch in die Autonomie seiner Verbündeten eingriff; auf die Niederlage Spartas gegen Theben 371 v.Chr. folgte die Auflösung des Bundes. - Boiotien hat unter Führung Thebens zwischen 371 und 362 v.Chr. eine Vormachtrolle In Griechenland ausgeübt; zur Verfassung des Boiotischen Bundes vgl. unten, S. 292. 256 Vgl. oben, S. 225, Anm. 96. 257 Der sogenannte deiisch-attlsche Seebund war 478/477 v.Chr. (auf der Basis bilateraler, unkündbarer Verträge zwischen Athen und einer Vielzahl von Küstenstädten und Inseln der Ägäis) zur weiteren Bekämpfung der Perser begründet worden, entwickelte sich jedoch rasch zu einem Instrument athenischer Großmachtpolitik. 258 Dies zeigt sich v.a. in dem Bürgerrechtsgesetz von 451/450 v.Chr, nach dem das Bürgerrecht durch Geburt nur erworben wurde, wenn beide Elterntelle Athener waren, und daran, daß die Verleihung des Bürgerrechts im Einzelfall einen (an das hohe Quorum von 6000 geknüpften) Beschluß der Volksversammlung voraussetzte. 259 Die Einschätzung der von den Verbündeten zu erbringenden Leistung wurde von einem Gremium athenischer Beamten (taktai) vorgenommen, die Veranlagung dann von Rat und Volksversammlung beschlossen; dagegen konnten die Bündner bei der Volksversammlung Einspruch einlegen und schließlich gegebenenfalls ihre Interessen In einer Verhandlung vor einem Geschworenengericht vertreten; vgl. Bannier, Wilhelm, Die Tributeinnahmeordnung des attischen Staates, in: Rheinisches Museum, Neue Folge, Band 54, 1899, S. 544-554. 260 Es Ist höchst fraglich, ob dies so uneingeschränkt zutrifft; die apodiktische Behauptung geht jedoch auf (Pseudo-)Xenophon, Respublica Atheniensium 1,16, zurück.

IV. Die Plebejerstadt

5

10

15

20

25

291

so | war die dortige kleine Bürgerzunft unumschränkte Herrin des A 767 weiten Reiches, nachdem mit wenigen Ausnahmen die Herstellung eigener Schiffe und Kontingente der Untertanen durch Geldzahlungen ersetzt und damit der gesamte Matrosendienst der herrsehenden Bürgerschaft zugewiesen war. 261 Eine einzige endgültige Vernichtung der Flotte dieses Demos mußte daher dieser Herrschaft ein Ende bereiten. 262 Die Großmachtstellung der Stadt Karthago, beherrscht streng plutokratisch von großen Geschlechtern, welche Handels- und Seekriegsgewinn1 in typischer antiker Art mit großem Grundbesitz, der hier aber kapitalistisch mit Sklaven bewirtschafteter Plantagenbesitz war, verbanden, ruhte auf Söldnerheeren. (In Verbindung mit der Expansionspolitik ging die Stadt erst zur Münzprägung über.) 263 Die Beziehung der Heerführer, deren Heer an ihnen persönlich, ihren Erfolgen und Schicksalen mit seinen Beutechancen hing, zu den Patrizierfamilien der Stadt konnte niemals die Spannung verlieren, welche bis auf Wal| lenstein her- WuG1 598 ab jedem auf eigener Werbung ruhenden Heerführertum gegenüber seinem Auftraggeber eigen gewesen ist. Dieses nie ruhende Mißtrauen schwächte die militärischen Operationen, so daß die Überlegenheit der Taktik des Berufsheeres der Söldner gegenüber den italischen Bürgeraufgeboten nicht dauernd behauptet werden konnte, sobald auch dort an die Spitze ein einzelner Dauerfeldherr gestellt wurde und die militärische Leistungsfähigkeit der Korporale und Soldaten dem Soldheere ebenbürtig geworden war. 264 Dem Mißtrauen der karthagischen Plutokratie und spartanischen

i A: Seekrieggewinn

261 Thukydides 1, 99, 3; zu Beginn des Peloponnesischen Krieges stellten von den athenischen Verbündeten nur noch Chios, Lesbos und Kerkyra eigene Flottenkontingente; Thukydides 2, 9, 5. 262 Weber denkt wohl an die Niederlage in der Seeschlacht bei Aigospotamoi 405 v.Chr., die den Zusammenbruch Athens im Peloponnesischen Krieg zur Folge hatte. 263 Seit 409 v.Chr. zur Bezahlung der Söldnerheere auf Sizilien; Meyer, Eduard, „Münzwesen II. Orientalisches und griechisches Münzwesen", in: HdStW2, Band 5, S. 906-914, hier S. 912. 264 Gemeint ist wohl in erster Linie die Schlußphase (211-202 v.Chr.) des Zweiten Punischen Krieges, als Scipio Africanus die Karthager zunächst in Spanien und dann in Nordafrika besiegte. Auf karthagischer Seite hatten sich wiederholt Differenzen zwischen den Behörden in der Heimat und dem Feldherrn Hannibal gezeigt, der u.a. seine Rückberufung aus Italien 203 v.Chr. heftig kritisiert hatte; Livius 30, 20,1 - 4 .

292

Die

Stadt

Ephoren gegen die siegreichen Feldherren entspricht durchaus das Verhalten des attischen Demos und die von ihm entwickelte Institution des Ostrakismos.265 Die Abneigung der herrschenden Schicht dagegen: im Falle der Entstehung einer Militärmonarchie die Knechtschaft der unterworfenen auswärtigen Völker teilen zu müs- 5 sen, lähmte die Expansionskraft. Allen antiken Hoplitenschaften gemeinsam ist ferner die durch mächtige^] ökonomisch nutzbare^] politische Monopolinteressen gestützte Abneigung, die eigene politische Sondervergemeinschaftung der vollberechtigten Bürger durch Öffnung der Schranken des Bürgerrechts zu erweitern und in 10 einem einzigen Bürgerrecht eines aus zahlreichen Einzelgemeinden bestehenden Reiches aufgehen zu lassen. Alle auf dem Wege zu einem interstädtischen Bürgerrecht liegenden VergemeinschaftungsA 768 formen haben jene | Grundtendenz niemals ganz verschwinden lassen. Denn alles, was der Bürger als Recht, als Grundlage seines Pre- 15 stiges und ideellen Bürgerstolzes ebenso wie als ökonomische Chance genoß, hing an seiner Zugehörigkeit zur militärischen Bürgerzunft, und die strenge Exklusivität der Kultgemeinschaften gegeneinander bildetek ein weiteres Moment der Hemmung einer einheitsstaatlichen Bildung. Ganz unüberwindlich waren alle jene 20 Momente nicht, wie das Gebilde des boiotischen' Bundesstaates beweist, der ein gemeinsames boiotischesm Bürgerrecht, gemeinsame Beamte, eine durch Repräsentanten der einzelnen Bürgerschaften beschickte beschließende Versammlung, gemeinsame Münze und gemeinsames Heer neben einer Gemeindeautonomie der einzelnen 25 Städte kannte.266 Aber er steht in dieser Hinsicht innerhalb der hellenischen Welt nahezu isoliert da. Der peloponnesische Bund bek A: bildeten

I A: beiotischen

m A: beiotisches

2 6 5 Durch das „Scherbengericht" (d. h. das Aufschreiben des Namens auf Tonscherben, ostraka) konnte jeweils eine Person durch eine Volksabstimmung (die allerdings das hohe Quorum von 6000 voraussetzte) ohne Verlust der bürgerlichen Ehre und des Eigentums auf zehn Jahre verbannt werden. Die athenische Volksversammlung entschied jährlich einmal, ob solch eine Abstimmung durchgeführt werden sollte. Das Verfahren ist anfangs des 5. Jahrhunderts v.Chr. eingeführt worden, die letzte Verbannung auf diesem Weg erfolgte ca. 417 v.Chr. 2 6 6 Vgl. zur Verfassung des Boiotischen Bundes Meyer, Eduard, Theopomps Hellenika. Mit einer Beilage über die Rede an die Larisaeer und die Verfassung Thessaliens. - Halle: Max Niemeyer 1909, S. 92-102. Die bundesstaatliche Organisation ist 447 v.Chr. eingeführt worden.

IV. Die

Plebejerstadt

293

deutete nichts ähnliches, und alle anderen Bundesverhältnisse lagen nach der grade entgegengesetzten Richtung. Es waren durchaus besondere soziale Bedingungen, welche die römische Gemeinde dazu gebracht haben, in dieser Hinsicht eine vom antiken Typus sehr 5 stark abweichende Politik zu treiben. In Rom war in ungleich stärkerem Maß als in irgendeiner antiken Polis eine Honoratiorenschicht stark feudalen Gepräges Träger der Herrschaft geblieben und nach nur zeitweiliger Erschütterung stets erneut geworden. Dies tritt auch in den Institutionen deutlich zuta10 ge. Der Sieg der Plebs hatte eine Demeneinteilung im hellenischen Sinne nicht gebracht, sondern der Form nach eine Herrschaft der in den Tribus sitzenden Bauern, der Sache nach aber die Herrschaft der stadtsässigen ländlichen Grundrentner, die allein ständig an dem politischen Leben der Stadt teilnahmen. Sie allein waren öko15 nomisch „abkömmlich", also amtsfähig, und der Senat alsn Repräsentation der großen Beamten Träger der Amtsadelsbildung. Dazu tritt nun die außerordentlich starke Bedeutung feudaler und halbfeudaler Abhängigkeitsverhältnisse. In Rom hat die Klientel als Institution, wenn auch ihres alten militärischen Charakters zuneh20 mend entkleidet, bis in die spätesten Zeiten ihre Rolle gespielt. Wir sahen ferner, 267 daß die Freigelassenen der Sache nach geradezu unter einer Art von sklavenartiger Gerichtshörigkeit standen: Caesar ließ einen seiner Freigelassenen hinrichten, ohne daß dagegen Widerspruch entstanden wäre.268 Der | römische Amtsadel wurde je A 769 25 länger je mehr eine Schicht, welche nach dem Umfang ihres Grundbesitzes nur in den frühhellenischen, als „Tyrannen" verschrienen Figuren eines interlokalen Adels von der Art des Miltiades269 eine schwache Analogie fand. Die Zeit des älteren Cato rechnete noch mit Gütern mäßigen Umfanges,270 immerhin weit größeren als etwa n A: oder 267 Gemeint sind wohl die B e m e r k u n g e n oben, S. 280 (patrimoniale Beziehungen zur Herrenfamilie) und S. 282 (prozeßrechtliche Sonderstellung der Freigelassenen). 268 Sueton, Divus Julius 48, führt die Hinrichtung eines Freigelassenen Caesars w e g e n Ehebruchs mit der Frau eines römischen Ritters (der sich selbst gar nicht beschwert hatte) als Beleg für die Disziplin an, auf die Caesar In seinem Hause achtete. 269 Miltiades der Jüngere w u r d e ca. 493 v.Chr. In Athen w e g e n seiner „Tyrannls auf der [thrakischen] Chersones" angeklagt, j e d o c h freigesprochen ( H e r o d o t 6 , 104, 2). 270 Cato, De agricultura 1 0 - 1 1 , zur Einrichtung eines Ölguts von 240 (= ca. 60 Hektar) bzw. eines Weinguts von 100 iugera (= ca. 25 Hektar).

294

1

WuG 599

Die Stadt

dem Erbbesitz des Alkibiades 271 oder der von Xenophon als normal vorausgesetzten Landgüter. 272 Aber die einzelnen | Adelsfamilien kumulierten unzweifelhaft schon damals Massen solchen Besitzes und waren überdies direkt an den für standesgemäß und, durch Vermittlung ihrer Freigelassenen und Sklaven, auch an den für unstandesgemäß geltenden Geschäften aller Art durch die ganze Welt hin beteiligt. Kein hellenischer Adel konnte sich entfernt mit dem ökonomischen und sozialen Niveau der römischen Geschlechter der späteren Republik messen. Auf den wachsenden Grundbesitzungen des römischen Adels wuchs die Zahl der Parzellenpächter (coloni), welche vom Herrn mit Inventar ausgerüstet und in der Wirtschaftsführung kontrolliert, nach jeder Krise immer tiefer verschuldet, faktisch erblich auf ihren Stellen blieben und vollständig von dem Herrn abhängig, in den Bürgerkriegen von den Parteiführern 273 °(ebenso wie 0 von den Feldherren noch im numantinischen Kriege die Klienten) 274 zur Kriegshilfe aufgeboten wurden. Aber nicht nur massenhafte Einzelpersonen standen im Klientelverhältnis. Der siegreiche Feldherr nahm verbündete Städte und Länder in persönlichen Schutz, und diese Patronage blieb in seinem Geschlecht: so hatten die Claudier Sparta und Pergamon, 275 andere Familien andere Städte in Klientel, empfingen ihre Gesandten und vertraten im Senat deren Wünsche. Nirgends in der Welt ist eine derartige politische Patronage in den Händen einzelner, formell rein privater Familien vereinigt gewesen. Längst vor aller MonarO A: ebenso (wie 271 Nach Piaton, Alkibiades 1, 123c, weniger als 300 plethra (= ca. 30 Hektar). 272 Bei Xenophon, Oeconomicus (einer Anleitung für einen Gutsbesitzer), findet man keine genauen Angaben über die Größe der Grundstücke; daß von vergleichsweise bescheidenen Größenverhältnissen ausgegangen wird, erschließt Weber aus dem allgemeinen Tenor der Schrift; vgl. Agrarverhältnisse3, S. 121 (MWG I/6). 273 Vgl. oben, S. 278 mit Anm. 223. 274 Vgl. oben, S. 278 mit Anm. 222. 275 Die Patronate der Claudier über Sparta und Pergamon sind für die Zelt seit der Mitte des I.Jahrhunderts v.Chr. bezeugt; zu Sparta: Sueton, Tiberius 6, 2; zu Pergamon die Inschrift in: Die Inschriften von Pergamon. Unter Mitwirkung von Ernst Fabrlclus und Carl Schuchhardt hg. von Max Fränkel, Band 1: Bis zum Ende der Königszeit (Königliche Museen zu Berlin. Altertümer von Pergamon, Band 8, 1). - Berlin: W. Spemann 1890, Nr. 409, S. 286; Münzer, Claudius (wie oben, S. 267, Anm. 194), Sp. 2667.

IV. Die

Plebejerstadt

295

chie existierten private Herrschergewalten, wie sie sonst nur Monarchen besitzen. Diese auf Klientelbeziehungen aller Art ruhende Macht des Amtsadels hat die Demokratie nicht zu durchbrechen vermocht. An einer Eingemeindung der Geschlechter in die Demen und die Erhebung dieser Verbände zu Konstituentien des politischen Verbandes zum Zweck der Zerbrechung der Macht der Geschlechterverbände nach attischer Art ist in Rom gar nicht gedacht worden. Ebensowenig ist jemals versucht worden, so wie es | die attische Demokratie A 770 nach der Vernichtung des Areiopags tat, einen erlosten Ausschuß des Demos als Verwaltungsbehörde und p frei aus der ganzen Bürgerschaft erloste Geschworene als Gerichtsbehörde zu konstituieren. 276 In Rom behielt die jenem Areiopag am meisten entsprechende Vertretung des Amtsadels, der Senat, als ständige Körperschaft gegenüber den wechselnden Wahlbeamten die Verwaltungskontrolle in der Hand, und selbst die siegreiche Militärmonarchie hat zunächst nicht denVersuch gemacht, diese Geschlechter auf die Seite zu schieben, sondern sie nur entwaffnet und auf die Verwaltung befriedeter Provinzen beschränkt.277 Die patrimoniale Konstruktion der herrschenden Schicht äußerte sich auch in der Art der Führung der Amtsgeschäfte. Ursprünglich wurde das Bureaupersonal wohl überall von den Beamten selbst gestellt. Innerhalb der Friedensverwaltung wurde die Bestellung des subalternen Personals allerdings später seiner Verfügung weitgehend entzogen, aber den Feldherrn unterstützten sicherlich seine Klienten und Freigelassenen, daneben auchq die freie Gefolgschaft persönlicher und politischer Freunde aus verbündeten Geschlechtern in der Ausübung seines Amtes. Denn im Felddienst war die Übertragung der Amtswahrnehmung an Beauftragte weitgehend gestattet. Auch der Prinzeps der ersten Zeit der Militärmonarchie führte seine Verwaltung unbeschadet der später zunehmenden Einschränkung zu einem immerhin so großen Teile mit Hilfe seiner p In A folgt: durch

q A: aber

276 Vgl. oben, S . 2 1 8 f . 277 Die Aufteilung zwischen d e n v o m Princeps (bzw. dessen Beauftragten) und d e n von senatorischen Statthaltern verwalteten Provinzen geht auf die 27 v.Chr. zwischen A u g u stus und d e m Senat getroffene Regelung zurück. Nennenswerte Truppenkontingente waren im Regelfall nur in d e n kaiserlichen Provinzen stationiert.

296

Die

Stadt

Freigelassenen, daß diese Schicht gerade damals unter der Herrschaft der von jeher klientelreichen Claudier den Höhepunkt ihrer Macht erreichte und ein claudischer Kaiser dem Senat drohen konnte, auch formell die Gesamtverwaltung ganz in die Hand dieser seiner persönlichen Untertanen zu legen. 278 Und ganz wie bei den 5 spätrepublikanischen Adelsgeschlechtern lag auch beim Prinzeps einer der wichtigsten Schwerpunkte seiner ökonomischen Macht in den namentlich unter Nero gewaltig vermehrten Grundherrschaften 279 und in solchen Gebietsteilen, die, wie namentlich Ä g y p ten, wenn auch nicht, wie man behauptet hat, rechtlich, so doch fak- 10 tisch wie eine A r t persönlicher Patrimonialherrschaft verwaltet wurden. 280 Diese so bis in späte Zeiten nachwirkende Bedeutung | WuG1 600 des patrimonialen und feudalen Einschlags der römischen Republik und ihrer Honoratiorenverwaltung ist in ihrer Eigenart in einer nie A 771 völlig unterbrochenen Tradition von altersher, | wenn auch ur- 15 sprünglich naturgemäß in kleinerem Kreise, vorhanden gewesen

278 Nach Sueton, Nero 37, 3, hat Nero gedroht, die Heere und Provinzen Rittern und Freigelassenen anzuvertrauen. Tatsächlich g i n g j e d o c h unter Neros Herrschaft ( 5 4 - 6 8 ) die Dominanz kaiserlicher Freigelassener in der Hofverwaltung, wie sie unter Claudius (41 - 5 4 ) b e s t a n d e n hatte, zu Ende. 279 A u s g e d e h n t e kaiserliche Ländereien g a b es vor allem In der Provinz Afrlca, nachd e m Nero dort die reichsten Grundbesitzer enteignet und „halb Afrlca" (Pllnlus, Naturalis historia 18, 35) an sich g e b r a c h t hatte; d a z u Schulten, Adolf, Die römischen Grundherrschaften. Eine agrarhistorlsche Untersuchung. - Weimar: Emil Felber 1896, S. 119f. 280 Ä g y p t e n w u r d e n a c h d e m Sieg über Antonius und Kleopatra von Octavian (Augustus) seit 30 v.Chr. unter Ausschluß des Senats durch einen Präfekten verwaltet. Der Princeps trat die Rechtsnachfolge der Ptolemäer an, die über große Krongüter verfügt hatten. Die Einkünfte daraus sowie aus Steuern und Zöllen flössen jetzt In die kaiserliche Kasse, d e n fiscus; vgl. Klingmüller, F[rltz], Die Idee d e s Staatseigentums am römischen Provinzialboden, In: Phllologus, Band 69, 1910, S. 7 1 - 1 1 3 , hier S. 9 2 - 9 8 . Daß Ä g y p t e n wie ein Hausgut bzw. Familienbesitz des Kaisers behandelt worden sei, haben u. a. Kuhn, Emil, Die städtische u n d bürgerliche Verfassung des Römischen Reiches bis auf die Zeiten Justlnians, 2. Theil. - Leipzig: B.G. Teubner 1865, S. 80f. u n d Marquardt, Joachim, Römische Staatsverwaltung, Band 1 ( H a n d b u c h der römischen Alterthümer v o n J o a c h i m Marquardt und Theodor Mommsen, Band 4, 1), 2. Aufl. - Leipzig: S.HIrzel 1881, S . 4 4 1 , unter Berufung auf Tacltus, Hlstorlae 1 , 1 1 , 1 , und Philo, In F l a c c u m 1, 19,158, ausgeführt. In der Forschung war umstritten, o b mit der Etablierung der römischen Herrschaft das Land In d a s Eigentum des Kaisers oder d e s römischen Staates ü b e r g e g a n g e n war bzw. ob der Kaiser über d e n fiscus als sein Privateigentum verfügen konnte. Während M o m m sen, Staatsrecht, Band 2, 2, S.749, Anm. 1, S. 859 und 9 9 8 - 1 0 0 5 , von Privateigentum d e s Kaisers g e s p r o c h e n hat, hat Hirschfeld, Otto, Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten bis auf Dlocletlan, 2., neubearbeitete Aufl. - Berlin: Weidmann 1905, S. 6 - 1 3 , d e n öffentlichrechtlichen Charakter dieses Vermögens hervorgehoben.

IV. Die

Plebejerstadt

297

und war die Quelle sehr wichtiger Unterschiede gegenüber dem Hellenentum. Schon die äußere Lebensführung wies charakteristische Unterschiede auf. In Hellas begann in der Zeit des Wagenkampfes der adlige Mann sich auf dem Ringplatz zu tummeln, wie wir sahen.281 Der Agonr, das Produkt des individuellen Ritterkampfes und der Verklärung des ritterlichen Kriegsheldentums[,] war Quelle der entscheidendsten Züge der hellenischen Erziehung. Gegenüber dem Turnier des Mittelalters war, so sehr Wagen und Pferde im Vordergrund standen, doch der wichtige Unterschied von Anfang an vorhanden: daß bestimmte offizielle Feste ein für allemal nur in dieser Form des Agon begangen wurden. Und mit dem Vordringen der Hoplitentechnik verbreitete sich nur der Kreis des Agon. Alles, was auf dem Gymnasion geübt wurde: Speerkampf, Ringen, Faustkampf, vor allem Wettlauf, nahm diese Form an und wurde dadurch „gesellschaftsfähig". Die rituellen Gesänge zu Ehren der Götter wurden durch musische Agone ergänzt. Zwar glänzte der vornehme Mann dabei durch die Qualität seines Besitzes: Pferde und Wagen, die er für sich laufen ließ. Aber der Form nach mußten die plebejischen Agone als ebenbürtig anerkannt werden. Der Agon wurde organisiert mit Preisen, Schiedsrichtern, Kampfregeln und durchdrang das gesamte Leben. Nächst dem Heldengesang wurde er das wichtigste nationale Band des Hellenentums im Gegensatz zu allen Barbaren. 282 Schon das älteste Auftauchen der Hellenen auf Bildwerken scheint nun als ihnen spezifisch die Nacktheit, das Fehlen aller Bekleidung außer den Waffen^ zu erweisen.283 Von Sparta, der Stätte des höchsten militärischen Trainings aus, verbreitete sie sich über die hellenische Welt, und auch der Lendenschurz fiel fort. Keine Gemeinschaft der Erde hat eine Institution wie diese zu einer solchen alle Interessen und die ganze Kunstübung und Konversation

r Hier und im ganzen Absatz immer: Agön

281 Siehe oben, S. 176. 2 8 2 Daß hierin ein Grundzug griechischer Kultur liege, hat v.a. Burckhardt, Kulturgeschichte (wie oben, S.80, Anm.57), Band 4, Abschnitt: Der agonale und koloniale Mensch, hervorgehoben. 2 8 3 Entsprechende Darstellungen gibt es seit dem 6. Jahrhundert v.Chr.; vgl. Jüthner, [Julius], „Gymnastik", in: RE, Band 7, 2, 1912, Sp. 2030-2085, hier Sp. 2073-2077.

298

Die Stadt

bis zu den platonischen Dialogkämpfen beherrschenden Bedeutung entwickelt. Bis in die Spätzeit s unter byzantinischer s Herrschaft sind die Zirkusparteien die Form, in welche sich Spaltungen der Massen kleiden, und die Träger von Revolutionen in Konstantinopel und Alexandrien. 284 Den Italikern blieb diese Bedeutung der 5 Institution, wenigstens diejenige A r t ihrer Entwicklung, welche sie in der klassischen hellenischen Zeit genommen hat, fremd. In A 772 Etrurien herrschte | der Stadtadel der Lukumonen 285 über verachtete Plebejer und ließ bezahlte Athleten 2 8 6 vor sich auftreten. Und auch in Rom lehnte der herrschende A d e l ein solches Sich-gemein- 10 machen mit und vor der Menge ab. Niemals hat sein Prestigegefühl einen solchen Verlust von Distanz und Würde ertragen, wie sie ihm diese nackten Turnfeste der „Graeculi" 2 8 7 bedeuteten, 288 ebensowenig wie den kultischen Singtanz, die dionysische Orgiastik 289 oder die abalienatio mentis 290 der Ekstase. Es trat im römischen 15 politischen Leben die Bedeutung der Rede und des Verkehrs auf der Agora' und in der Ekklesia ebenso weit zurück, wie der Wettkampf auf dem Gymnasion, der gänzlich fehlte. Reden wurden erst später und dann wesentlich im Senat gehalten und hatten demgemäß einen ganz anderen Charakter als die politische Redekunst des 20 attischen Demagogen. Tradition und Erfahrung der Alten, der s A: der byzantinischen

t A: Agorä

284 „Spätzeit" ist hier als „Spätzeit der Griechen" zu verstehen. Weber bezieht sich auf bekannte Vorfälle aus dem 5. und 6. Jahrhundert; vgl. oben, S. 98-100 mit Anm. 119, 120 und 124. 285 Lucumones war usprünglich die Bezeichnung für die etruskischen Könige; die Annahme, daß nach dem Sturz des Königtums damit die Häupter der Aristokratie bezeichnet wurden, geht zurück auf Müller, Karl 0., Die Etrusker. Vier Bücher, neu bearbeitet von Wilhelm Deecke, Band 1. - Stuttgart: Albert Heitz 1877, S. 337-342. 286 Aus den Darstellungen von Wettkämpfen auf den Grabgemälden ist in der zeitgenössischen Forschung (vgl. Webers Hinweis in: Agrarverhältnisse3, S. 110 (MWG I/6)) geschlossen worden, daß es sich um Berufsathleten gehandelt habe; Körte, G[ustav], „Etrusker", in: RE, Band 6, 1, 1907, Sp. 730-770, hier Sp. 769. 287 Abwertende lateinische Bezeichnung für die Griechen, „Griechlein". 288 Die Ablehnung der (mit Päderastie assoziierten) Nacktheit in den Gymnasien ist v.a. belegt bei Cicero, Tusculanae disputationes 4, 70, mit dem dort wiedergegebenen Ennius-Zitat; Cicero, De republica4, 4; Plutarch, Moralia 274D; Tacitus, Annales 14, 20, 4. 289 Weber denkt, wie aus den Bemerkungen in WuG\ S.318 (MWG I/22-2), erkennbar ist, v.a. an die Unterdrückung der Bacchus-Kultgenossenschaften durch den Senat 186 v.Chr. 290 Entäußerung des Geistes in der religiösen Verzückung.

IV. Die Plebejerstadt

299

gewesenen Beamten vor allem, bestimmte die Politik. Das Alter und nicht die Jugend war maßgebend für den Ton des Verkehrs und die Art des Würdegefühls. Rationale Erwägung, nicht aber die durch Reden angeregte Beutelust des Demos oder die emotionale 5 Erregung der Jungmannschaft gab in der Politik den Ausschlag. Rom blieb unter der Leitung der Erfahrung, Erwägung und der feudalen Macht der Honoratiorenschicht.

Verzeichnisse und Register

Personenverzeichnis

Dieses Verzeichnis berücksichtigt nur Personen, die im Text Webers selbst Erwähnung finden. Mythische Personen, wie z. B. Homers Helden, werden im Glossar aufgeführt.

Abimelech (hebr.: Mein Vater ist König). Herrschergestalt des Alten Testaments. Sohn des Richters Gideon und einer Nebenfrau aus Sichern; herrschte drei Jahre als „König" im kanaanitischen Sichern und versuchte, seine Herrschaft auch auf Teile der Israeliten auszudehnen. Alexander der Große ( 3 5 6 - 3 2 3 v.Chr.). Makedonischer König (seit 336 v.Chr.). Bei seiner Eroberung des persischen Großreiches (seit 334 v.Chr.) stieß er 327/326 v.Chr. bis nach Indien vor. Alexander III. Alexandrowitsch (10.3.1845-1.11.1894). Kaiser von Rußland (seit 1881). Kehrte nach den Reformansätzen unter seinem Vater Alexander II. Nikolajewitsch zu einer autokratischen Regierungsweise zurück. Alexlos I. Komnenos ( 1 0 4 8 - 1 1 1 8 ) . Kaiser von Byzanz (seit 1081). Schloß 1081/82 ein Bündnis mit Venedig gegen den Angriff des Normannenherzogs Robert Guiskard auf Konstantinopel. Ali ibn Abi Talib (um 6 0 0 - 6 6 1 ) . Vierter Kalif (seit 656). Vetter und Schwiegersohn -> Muhammeds. Konflikte mit innenpolitischen Gegnern führten zu seiner Ermordung. Auf diese Auseinandersetzungen folgte die Abspaltung der Schiiten als „Partei Alls", die allein seine Nachkommen als rechtmäßige Nachfolger des Propheten anerkennt. Alkibiades (um 4 5 0 - 4 0 4 v.Chr.). Athenischer Politiker und Feldherr. Neffe des - » Perikles. Initiator des athenischen Angriffs auf Sizilien (415 v.Chr.). Als Befehlshaber der nach Sizilien entsandten Flotte abberufen, darauf ins Exil geflohen. 408/407 v.Chr. wieder athenischer Stratege, danach erneut im Exil. 404 v.Chr. im persischen Machtbereich in Kleinasien ermordet. Applus Claudius-*

Appius

ClaudiusCaecus.

Augustus (ursprünglich Gaius Octavius) (63 v.Chr. - 14 n.Chr.). Adoptivsohn -> Caesars. Begründete 27 v.Chr. die spezifische Form des römischen Kaisertums (Principat), bei der eine republikanische Fassade gewahrt wurde. Der Senat verlieh ihm den Ehrennamen Augustus, „der Erhabene". Below, Georg Anton Hugo von (19.1.1858-20.10.1927). Deutscher Historiker. Professorin Königsberg (1889), Münster (1891), Marburg (1897), Tübingen (1901) und Freiburg im Breisgau (1905); zahlreiche Publikationen zur Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und zu Methodenproblemen der Geschichtswissenschaft. Zu Max Weber bestanden gute kollegiale Beziehungen.

304

Personenverzeichnis

Berthold II. von Zähringen (um 1050-12.4.1111). Herzog von Kärnten und Schwaben. Baute die Burg Zähringen im Breisgau und betrieb eine intensive Siedlungspolitik, v.a. in der Schwarzwaldregion. Berthold III. von Zähringen (nach 1080-1122/33). Herzog. In seine Regierungszeit fällt wahrscheinlich die Gründung von Freiburg im Breisgau. Beyerle, Konrad (14.9.1872-26.4.1933). Deutscher Rechtshistoriker. Professor in Breslau (1902), Göttingen (1906) und München (1918). Hauptarbeitsgebiete waren die Verfassungs- und Rechtsgeschichte des Bodenseeraums, Kölns und Bayerns. Als Mitglied der Nationalversammlung war er 1919/20 maßgeblich an der Ausgestaltung des Grundrechte-Teils der Weimarer Reichsverfassung beteiligt. Broglio d'Ajano, Conte Romolo (26.6.1867-26.4.1924). Verfasser einer Dissertation zur venezianischen Seidenindustrie (München 1893) sowie des von Weber zitierten Aufsatzes zu Perugia. Später Privatdozent für Politische Ökonomie in Rom. Brun, Rudolph (um 1300/10-17.9.1360). Ritter in Zürich aus stadtbürgerlichem Niederadel. Stürzte im Bunde mit den Handwerkern 1336 den Rat, führte die Zunftverfassung ein und wurde zum Stadtoberhaupt auf Lebenszeit bestellt. Gaius Julius Caesar ( 1 0 0 - 4 4 v.Chr.). Römischer Politiker und Feldherr. Faktischer Alleinherrscher 4 8 - 4 4 v.Chr. Calderini, Aristide (18.10. 1883-15.9.1968). Italienischer Althistoriker und Papyrologe. Seit 1925 Professor an der Katholischen Universität in Mailand. Verfasser des von Weber zitierten Buches zur griechischen Freilassungspraxis (1908). Lucius Sergius Catilina (ca. 1 0 8 - 6 2 v.Chr.). Römischer Patricier. Praetor (68 v.Chr.), Statthalter in Africa ( 6 7 - 6 6 v.Chr.). Führer eines Umsturzversuchs verschuldeter Aristokraten und entwurzelter Kleinbauern (63 v.Chr.). Marcus Porcius Cato Censorius ( 2 3 4 - 1 4 9 v.Chr.). Der Ältere Cato. Römischer Politiker und Schriftsteller. Cónsul (195 v.Chr.), Censor (184 v.Chr.). Berühmt als strenger Verfechter altrömischer Tugenden. Mit seiner Schrift „De agricultura" zugleich der älteste römische Agrarschriftsteller. Charondas. Aus Katane (heute: Catania) auf Sizilien stammend. Berühmt als Gesetzgeber für griechische Poleis auf Sizilien und in Süditalien, wahrscheinlich in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts v.Chr. Chlodwig I. (um 466/67-27.11.511). Fränkischer König aus dem Hause der Merowinger (seit 481). Konsolidierte das Frankenreich durch Siege über den letzten römischen Statthalter in Gallien, die Burgunder und die Westgoten. Marcus Tullius Cicero ( 1 0 6 - 4 3 v.Chr.). Römischer Politiker und Schriftsteller. Als Cónsul (63 v.Chr.) schlug er den Aufstand -> Catilinas nieder. In seinen staatstheoretischen Werken („De república" und „De legibus") übertrug er Konzeptionen der griechischen politischen Theorie auf die römischen Verfassungsverhältnisse.

Personenverzeichnis

305

Appius Claudius Caecus. Römischer Politiker. Censor (312 v.Chr.), Consul (307 und 296 v.Chr.), Dictator (Datum ungewiß, zwischen 2 9 2 - 2 8 5 v.Chr.). Cruickshank, Brodie (7-17.11.1854). Englischer Schriftsteller. Verfasser des von Weber zitierten Erfahrungsberichts über einen langjährigen Aufenthalt an der Goldküste. Dandolo, Enrico (um 1110-14.6.1205). Doge von Venedig (seit 1192). Eroberte im 4. Kreuzzug ( 1 2 0 2 - 1 2 0 4 ) Konstantinopel und begründete das venezianische Imperium im östlichen Mittelmeerraum. David. König von Juda und Israel (um 1 0 0 0 - um 960 v.Chr.). Vereinigte die beiden Reiche Israel und Juda, d . h . die nördlichen und südlichen Stämme der Israeliten, in Personalunion. Deila Bella, Giano (um 1 2 4 0 - k u r z nach 1311). Als Führer des Florentiner Popolo maßgeblich an der Durchsetzung der Gesetze gegen die Magnaten 1293 beteiligt. Lebte seit 1295 im französischen Exil. Demosthenes ( 3 8 4 - 3 2 2 v.Chr.). Athenischer Politiker. Berühmtester Redner der Antike. Verfechter eines gemeingriechischen Kampfes gegen Philipp von Makedonien („Philippische Reden"). Dionysios I. (um 4 3 0 - 3 6 7 v.Chr.). Tyrann von Syrakus (seit 406/405 v.Chr.). Kämpfte gegen die Karthager und beherrschte schließlich einen großen Teil Siziliens sowie Gebiete in Süditalien. Drakon. Athenischer Gesetzgeber. Regelte um 624 v.Chr. das Blutrecht neu. Eduard (Edward) I. (17./18.6.1239-7.7.1307). Englischer König (seit 1272). Reformierte das angelsächsische Gewohnheitsrecht. Seine Einberufung der Vertreter von Städten und Grafschaften in Parlamente wurde maßgeblich für die Entwicklung dieser Institution. Eduard (Edward) II. (25.4.1284-21.9.1327). Englischer König (seit 1307). Sohn - » Eduards I. Seine Mißerfolge (u. a. der Verlust Schottlands) führten zu schweren Konflikten mit dem Adel. 1327 wurde er zur Abdankung zugunsten seines S o h n e s - » E d u a r d III. gezwungen und kurz darauf ermordet. Eduard (Edward) III. 13.11.1312-21.6.1377). Englischer König (seit 1327, bis 1330 unter Vormundschaft). Sohn - » Eduards II. Sein Anspruch auf die französische Krone löste den „Hundertjährigen Krieg" aus, dessen Auswirkungen wachsende Zugeständnisse an die Parlamente bedingten. Ephialtes. Athenischer Politiker. Initiator des „Sturzes" des Areiopags (462/461 v.Chr.). Wurde im Anschluß an diese, für die weitere Entwicklung der Demokratie grundlegende, Verfassungsreform ermordet. Esra. Bedeutendster Gesetzeslehrer des nachexilischen Judentums. Nach der Tradition in dem nach ihm benannten Buch des Alten Testamentes kam Esra mit einem Heimkehrerzug aus Babylonien nach Jerusalem (wahrscheinlich 458 v.Chr.) und legte dort aufgrund einer Legitimation durch den persischen König autoritativ das jüdische Gesetz aus.

306

Personenverzeichnis

Friedrich I. „Barbarossa" (1122-10.6.1190). Deutscher König und Kaiser (seit 1152/ 1155). Herzog von Schwaben (seit 1147). Die mit seinen Italienzügen (1158, 1163 und 1 1 6 6 - 1 1 6 8 ) betriebene Wiederherstellung der Reichshohelt In Oberitalien führte zu schweren Kämpfen mit den lombardischen Städten. Friedrich II. (26.12.1194-13.12.1250). Deutscher König und Kaiser (seit 1212/1220). König von Sizilien (seit 1198). Während es ihm In Sizilien gelang, einen zentralistischen Beamtenstaat zu schaffen, war er in Deutschland gezwungen, den geistlichen und weltlichen Fürsten 1220 und 1232 weitgehende landesherrliche Rechte einzuräumen. Gothein, Eberhard (29.10. 1853-13.11.1923). Deutscher Nationalökonom und Kulturhistoriker. Professor für Nationalökonomie In Karlsruhe (1884), Bonn (1890) und Heldelberg (1904). Verfasser von Arbelten zur Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Süditaliens, des Schwarzwalds und des Rheinlands. In Heidelberg gehörte er zum engeren Bekanntenkreis Max Webers. Galus Sempronius Gracchus ( 1 5 3 - 1 2 1 v.Chr.). Römischer Volkstribun (123 und 122 v.Chr.). Nahm die Reformpolitik seines Bruders Tlberius Gracchus wieder auf und setzte dabei u. a. auf die Ritter als Gegengewicht zum Senat. Sein Versuch (121 v.Chr.), zusammen mit seinen Anhängern die Aufhebung seiner Reformgesetze zu verhindern, wurde vom Senat niedergeschlagen. Tiberlus Sempronius Gracchus ( 1 6 2 - 1 3 3 v.Chr.). Römischer Volkstribun (133 v.Chr.). Die Durchsetzung eines Ackergesetzes, das die Ansledlung depossedlerter Kleinbauern ermöglichen sollte, brachte Ihn in Konflikt mit dem Senat. Als er seine (verfassungsrechtlich umstrittene) Wiederwahl zum Volkstribun durchsetzen wollte, wurde er von einer Gruppe Senatoren erschlagen. Hadrian {76-138). Römischer Kaiser (seit 117). Verfolgte eine Politik der Konsolidierung der Reichsgrenzen, u. a. durch ein neues Rekrutierungssystem für das Heer und durch die Anlage von Grenzwällen. Hanauer, Gerson ( 1 8 7 4 - 1 9 1 3 ) . Verfasser des von Weber zitierten Aufsatzes über das Berufspodestat (1902), der auf seine Tübinger Dissertation zurückgeht. Später Gymnasialprofessor in Karlsruhe. Harun al Raschid (766-24.3.809). Kalif (seit 786). Sein Bild in der Nachwelt wurde durch die Darstellung seiner Gerechtigkeitsliebe in „Tausendundeine Nacht" geprägt. Hatschek, Julius Karl (21.8. 1872-12.6.1926). Deutscher Staatsrechtler. Professor In Posen (1905) und Göttingen (1909). Verfasser grundlegender Werke zur englischen Verfassungsgeschichte und zum englischen Verwaltungsrecht. Hegel, Karl von (7.6. 1813-5.12.1901). Deutscher Historiker. Sohn des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Professor In Rostock (1841 bzw. 1848) und Erlangen (1856). Autor mehrerer Werke zur Verfassungsgeschichte der mittelalterlichen europäischen Städte. 1891 In den Adelsstand erhoben. Heinrich I. (um 875-2.7.936). Deutscher König (seit 919). Herzog von Sachsen (seit 912). Wegen des von Ihm betriebenen Baus von Burgen in Sachsen galt er im populären Geschichtsbild des 19. Jahrhunderts als „Städtegründer".

Personenverzeichnis

307

Heinrich I. „Beauclerc" (1068-1.12.1135). König von England (seit 1100). Jüngster Sohn -> Wilhelm des Eroberers. Verstärkte den Einfluß der königlichen Zentralgewalt auf die Grafschaften. Hesiod(um 700 v.Chr.). Griechischer Dichter aus Boiotien. Schrieb u. a. das Epos „Werke und Tage", das Einblick in die bäuerliche Welt seiner Zeit bietet. Homer (ca. 8. Jahrhundert v.Chr.). Nach der Tradition der Verfasser der „llias" und der „Odyssee". Jakob II. (14.10.1633-16.9.1701). König von England ( 1 6 8 5 - 1 6 8 8 ) . Zweiter Sohn des 1649 hingerichteten Königs Karl I. Seine Rekatholisierungspolitik führte zur Absetzung durch das Parlament in der „Glorious Revolution". Jephthah. moniter.

Alttestamentliche Richtergestalt. Heerführer Israels im Kampf gegen die Am-

Johann I. „ohne Land" (24.12.1167-19.10.1216). König von England (seit 1199). Jüngster Sohn Heinrichs II. Er hatte zuvor die Regierungsgeschäfte für seinen Bruder, König Richard Löwenherz, während dessen Teilnahme am Kreuzzug und anschließender Gefangenschaft ( 1 1 9 0 - 9 4 ) geführt. Judas Makkabäus ( f 160 v.Chr.). Führer der jüdischen Erhebung (seit 166 v.Chr.) gegen den Seleukidenherrscher Antiochos IV. Epiphanes. Im Kampf gefallen. Der von seinen Brüdern fortgesetzte Aufstand führte zur Wiederherstellung eines eigenständigen jüdischen Staates ( 1 4 2 - 6 3 v.Chr.). Justinian (482-11.11.565). Römischer Kaiser (seit 527). Der Konsolidierung des von ihm wiederhergestellten Imperium Romanum diente u.a. die Kodifizierung des römischen Rechts. Der von den Zirkusparteien in Konstantinopel ausgehende „Nika-Aufstand" des Jahres 532, der sich zu einer ernsthaften Bedrohung seiner Stellung auswuchs, wurde niedergeschlagen. Katada (1145/46-1221). Großscherif von Mekka (seit 1201/1203). Kleisthenes (6. Jahrhundert v.Chr.). Athenischer Politiker aus alter Adelsfamilie. Wahrscheinlich 525/524 v.Chr., noch während der Herrschaft der Peisistratiden, Archon. Legte mit der von ihm durchgesetzten, auf einer Neugliederung der Bürgerschaft basierenden Verfassungsreform von 508/507 v.Chr. die Grundlagen für die Entwicklung der athenischen Demokratie. Lenel, Walter (3.8. 1868-29.4.1937). Deutscher Historiker. 1 8 9 3 - 1 9 1 8 Privatgelehrter in Straßburg; danach in Heidelberg; 1932 Honorarprofessor ebendort; verlor die Lehrbefugnis im August 1933 aus „rassischen Gründen". Arbeiten zur italienischen Stadtgeschichte des Mittelalters, vor allem zu Venedig. Leopold von Toskana (5.5.1747-1.3.1792). Kaiser, Erzherzog von Österreich, König von Böhmen und Ungarn (seit 1790, als Leopold II.). 1 7 6 5 - 1 7 9 0 als Leopold I. Großherzog von Toskana. Leitete dort Verwaltungs- und Wirtschaftsreformen ein.

308

Personenverzeichnis

Titus Livius{59 v . C h r . - 1 7 n.Chr.). Römischer Historiker. Schrieb eine römische G e s c h i c h te in 142 Büchern, die die Zeit von 753 bis 9 v.Chr. behandelte. Erhalten sind B u c h 1 - 1 0 ( 7 5 3 - 2 9 3 v.Chr.) u n d 21 - 4 5 ( 2 1 8 - 1 6 7 v.Chr.). Lysandros ( t 395 v.Chr.). Spartanischer Politiker und Feldherr. Als Flottenbefehlshaber (seit 408 v.Chr.) z w a n g er 404 v.Chr. Athen zur Kapitulation im Peloponnesischen Krieg. Die Poleis im spartanischen M a c h t b e r e i c h kontrollierte er über seine Anhänger. Bis zu seinem Tode war er w e g e n seiner die herkömmliche Verfassungsordnung b e d r o h e n d e n A m b i t i o n e n in M a c h t k ä m p f e in Sparta verwickelt. Machiavelli, Niccolò ( 3 . 5 . 1 4 6 9 - 3 . 6 . 1 5 2 7 ) . Italienischer Politiker und Staatstheoretiker. Von 1498 bis zur Restauration der M e d i c i 1512 im Dienst der Florentinischen Republik. Wichtigste Werke: „II Principe" (1513), „Discorsi s o p r a la prima d e c a di Tito Livio" ( 1 5 1 3 17), „Istorie Fiorentine" ( 1 5 2 0 - 2 5 ) . Maitland, Frederic William (28.5. 1 8 5 0 - 1 9 . 1 2 . 1 9 0 6 ) . Englischer Rechtshistoriker. Professor in C a m b r i d g e (seit 1888). Veröffentlichte g r u n d l e g e n d e Untersuchungen u n d Quelleneditionen zur G e s c h i c h t e des mittelalterlichen e n g l i s c h e n Rechts. Mazarin, Jules (eigentlich Giulio Mazarini) ( 1 4 . 7 . 1 6 0 2 - 9 . 3 . 1 6 6 1 ) . Französischer Politiker italienischer Herkunft. Zunächst in päpstlichen Diensten, 1634 Nuntius in Paris, 1640 Eintritt in den französischen Staatsdienst unter Richelieu (und Erhebung zum Kardinal). Von 1642 bis zu seinem Tod als Nachfolger Richelieus leitender Minister. Meyer, Eduard (25.1. 1 8 5 5 - 3 1 . 8 . 1 9 3 0 ) . Deutscher Althistoriker. Professor in Breslau (1885), Halle (1889) und Berlin (1902). Seine Arbeiten galten der G e s c h i c h t e der g e s a m ten mlttelmeerisch-vorderasiatischen Antike. Das Hauptwerk, die „ G e s c h i c h t e d e s Altertums", ist in 5 B ä n d e n zuerst 1 8 8 4 - 1 9 0 2 erschienen. Auf Meyers Stellungnahme im „Methodenstreit" der Historiker hat Max Weber mit seinen „Kritischen Studien auf d e m Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik" 1906 geantwortet. Webers Studien zum Altertum haben erheblich von den Arbeiten Meyers profitiert. Im Weltkrieg f a n d e n sich Meyer (als Verfechter einer rigorosen Siegfriedenspolitik) und Weber in unterschiedlichen politischpublizistischen Lagern. Miltiades der Ältere. Athenischer Aristokrat. B e g r ü n d e t e um die Mitte des 6. J a h r h u n d e r t v.Chr. eine e i g e n s t ä n d i g e Herrschaft auf der thrakischen Chersones. Miltiades der J ü n g e r e (ca. 5 5 0 - 4 8 9 v.Chr.). Athenischer Aristokrat. Übte zeitweise ( w i e - > Miltiades der Ältere) eine eigenständige Herrschaft auf der thrakischen Chersones aus. 490 v.Chr. Sieger Ober die Perser bei Marathon. Mommsen, Theodor ( 3 0 . 1 1 . 1 8 1 7 - 1 . 1 1 . 1 9 0 3 ) . Deutscher Jurist und Altertumswissenschaftler. Professor in Leipzig (1848), Zürich (1852), Breslau (1854) und Berlin (1858 an der Preußischen Akademie, seit 1861 a u c h an der Universität). M o m m s e n war die alles ü b e r r a g e n d e Forschergestalt auf d e m Gebiet der römischen Geschichte. Seine „Römische G e s c h i c h t e " (erstmals 1 8 5 2 - 5 4 erschienen) war ein sensationeller Publikumserfolg, d a s „Römische Staatsrecht" (1871 - 1 8 8 8 ) sein o p u s m a g n u m . Zu d e n wichtigsten wissenschaftsorganisatorischen Leistungen M o m m s e n s zählt die von ihm b e g r ü n d e t e umfassend e S a m m l u n g der lateinischen Inschriften (Corpus Inscriptionum Latinarum, seit 1863). M o m m s e n (der als liberaler A b g e o r d n e t e r verschiedentlich M a n d a t e im Preußischen A b g e o r d n e t e n h a u s w a h r g e n o m m e n hatte, zuletzt 1881 - 1 8 8 4 a u c h im Reichstag) verkehrte

Personenverzeichnis

309

im Elternhaus Webers; sein Sohn Karl war mit Max Weber befreundet, sein Sohn Ernst heiratete 1896 Max Webers Schwester Clara. Bei der Doktordisputation Max Webers 1889 kritisierte Mommsen Webers Thesen zur römischen Agrargeschichte, bezeichnete ihn jedoch gleichzeitig öffentlich als seinen intellektuellen Nachfolger. Muhammed(um

570-8.6.632). Begründer des Islam.

Nehemia. Reformpolitiker des nachexilischen Judentums. Wahrscheinlich in Babylonien aufgewachsen. 445 v.Chr. ging er als persischer Beauftragter nach Jerusalem und betrieb die politische Reorganisation der jüdischen Bevölkerung. Nero ( 3 7 - 6 8 ) . Römischer Kaiser (seit 54). Niklas (vor 4 6 9 - 4 1 3 v.Chr.). Athenischer Politiker und Feldherr. Befehlshaber des athenischen Expeditionscorps, das auf Sizilien 413 v.Chr. vernichtend geschlagen wurde. Einer der reichsten Männer seiner Zeit. Paulus (ca. 10-ca. 62/64). Apostel. Aus einer streng jüdischen Familie in Tarsos (Kilikien) stammend, jedoch das römische Bürgerrecht besitzend. Nach seiner Bekehrung in Damaskus machte er mit seinen Missionsreisen im östlichen Mittelmeerraum (seit ca. 45) und der Durchsetzung des Prinzips, daß Heiden- wie Judenchristen nicht mehr an die jüdischen Ritualgesetze gebunden sein sollten, das Christentum zu einer universalistischen Religion. Pausanias. Griechischer Schriftsteller des 2. Jahrhunderts n.Chr. Verfasser einer Beschreibung Griechenlands. Peisistratos (um 6 0 0 - 5 2 8 / 5 2 7 v.Chr.). Tyrann in Athen (erstmals um 560 v.Chr., endgültig von ca. 546 v.Chr. bis zu seinem Tode). Perikles (um 4 9 0 - 4 2 9 v.Chr.). Athenischer Politiker. Seit der Mitwirkung an der Reformpolitik des —> Ephialtes Verfechter einer auf die Flottenmacht gestützten Hegemonialpolitik und einer weiteren Stärkung der politischen Beteiligung der Bürgerschaft im Inneren. Seit ca. 450 v.Chr. spielte Perikles mehr und mehr eine unangefochtene Führungsrolle in der athenischen Politik. Das von ihm initiierte Bauprogramm auf der Akropolis symbolisierte die politische Stärke und kulturelle Blüte Athens. Petrus. Apostel. Der Jünger Jesu besaß in der christlichen Urgemeinde großes Ansehen und versuchte verschiedentlich, in den Streitigkeiten zwischen juden- und heidenchristlichen Gruppen zu vermitteln. Während der Christenverfolgung in Rom unter Nero im Jahre 64 soll er den Märtyrertod gefunden haben. Philipp II. August (21.8.1165-14.7.1223). König von Frankreich (seit 1180). Stärkte die Zentralgewalt, begünstigte die freiheitliche Entwicklung der Städte und des Bürgertums (als Verbündete gegen den Adel) und begründete die Großmachtstellung Frankreichs. Piaton (428/427-348/347 v.Chr.). Griechischer Philosoph. Post, Albert Hermann (8.10. 1839-25.8.1895). Deutscher Jurist. Landgerichtsrat in Bremen. Verfasser zahlreicher Werke zur Rechtsvergleichung und ethnologischen Jurisprudenz.

310

Personenverzeichnis

Rathgen, Karl Friedrich Theodor (19.12. 1856-6.11.1921). Deutscher Nationalökonom. Nach der Promotion in Straßburg Professor in Tokio ( 1 8 8 2 - 1 8 9 0 ) . Nach Habilitation in Berlin (1892) Professor in Marburg (1895) und Heidelberg (1900). Direktor des Instituts für Nationalökonomie und Kolonialpolitik in Hamburg (seit 1907). In seinen Schriften beschäftigte er sich vorwiegend mit Geschichte und Wirtschaft Japans. Salzer, Ernst Jakob (18.2. 1 8 7 6 - 1 . 11.1915). Verfasser der von Weber zitierten Arbeit zur Signorie, mit der er 1899 in Berlin promoviert hatte. Später Archivrat am Königlich Preußischen Geheimen Staatsarchiv zu Berlin. Savonarola, Girolamo (21.9.1452-23.5.1498). Dominikaner. Seit 1482 hauptsächlich in Florenz als Bußprediger wirkend. Nach dem Sturz der Medici 1494 engagierte er sich für eine populäre Verfassungsordnung. Wegen seiner Angriffe auf den päpstlichen Hof wurde er schließlich als Häretiker und Schismatiker gehenkt und verbrannt. Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus Minor (um 1 8 5 - 1 2 9 v.Chr.). Römischer Politiker und Feldherr. Consul (147 und 134 v.Chr.). Beendete mit der Zerstörung Karthagos (146 v.Chr.) den Dritten Punischen Krieg. Als Oberbefehlshaber in Spanien nahm er nach langer Belagerung Numantia ein (134/133 v.Chr.). Snouck Hurgronje, Christiaan (8.2. 1857-26.6.1936). Niederländischer Arabist. Promotion 1880 in Leiden. Die Ergebnisse eines einjährigen Forschungsaufenthalts in Dschidda und Mekka 1884/85 legte er in dem zweibändigen Werk über Mekka nieder, das Weber ausgewertet hat. Seit 1889 als Forscher und Regierungsberater in Niederländisch-Indien tätig, schließlich Professor für Arabisch in Leiden (seit 1906). Solon (ca. 640 - ca. 560 v.Chr.). Athenischer Politiker. Als Archon mit besonderen Vollmachten (594/593 v.Chr.) Urheber einer umfassenden Gesetzesreform. Stephan vonBlois(um 1095-25.10.1154). Englischer König (seit 1135). Enkel -> Wilhelm des Eroberers. War nach seiner umstrittenen Wahl (gegen die von Heinrich I. designierte Thronerbin Mathilde) fast ständig in Konflikte mit den mächtigen Baronen verwickelt. Strack, Max Leberecht (9.9. 1 8 6 7 - 1 . 11.1914). Deutscher Althistoriker. Professor in Gießen (1904 bzw. 1907) und Kiel (1912). Hauptarbeitsgebiete waren die Geschichte der Ptolemäer und die Numismatik. Waldrada von Tuszien. Nichte des deutschen Kaisers Otto I. Wurde 968 oder 969 Frau des venezianischen Dogen Pietro Candiano IV. Wallenstein (Waldstein), Albrecht Wenzel Eusebius von (24.9.1583-25.2.1634). Kaiserlicher Heerführer im Dreißigjährigen Krieg, aus böhmischem Adel stammend. Weil er 1634 seine Offiziere auf sich persönlich verpflichtete, wurde er abgesetzt und von kaisertreuen Offizieren ermordet. Wilhelm I. „der Eroberer" (um 1027-9.9.1087). Englischer König (seit 1066). Herzog der Normandie (seit 1035). Xenophon (ca. 430/25 - um 354 v.Chr.). Griechischer Söldnerführer und Autor, aus Athen stammend. U.a. Verfasser eines Werkes zur Land- und Hauswirtschaft („Oikonomikos").

Glossar

Dieses Verzeichnis berücksichtigt Begriffe, Gottheiten und mythische Gestalten, die Weber in seinem Text erwähnt.

Achilleus. Gestalt der llias; größter Held des griechischen Heeres vorTroja. Ackerbürger. Stadtbürger, die in der Gemarkung ihrer Stadt Landwirtschaft betreiben, entweder als ausschließliche Erwerbstätigkeit oder neben einem Gewerbe. Aeneas. Gestalt der llias; präsumtiver Nachfolger des —* Priamos. Agamemnon. Gestalt der llias; Führer des griechischen Heeres vor Troja. Agon. Sportlicher bzw. musischer Wettkampf der Griechen. Agora. Markt- bzw. Versammlungsplatz in der —» Polis. Aisymneten. Mit außerordentlichen (Gesetzgebungs-)Vollmachten zur Behebung sozialer Spannungen betraute „Schiedsrichter" in der —» Polis der archaischen Zeit. Allmende. Das von einer Dorf- bzw. Stadtgemeinde gemeinschaftlich genutzte Land. Anzianen, anziani{ital., essen des —» Popolo.

Älteste). Speziell ein Kollegium zur Vertretung der Inter-

Apollon. Griechischer Gott der Weissagung, Musik, Medizin; eines der wichtigsten Apollon-Heiligtümer ist das von Delphi (mit der Orakelstätte). Arelopag. Nach seinem Sitz auf dem Areshügel benanntes athenisches Gericht bzw. Ratsgremium. Athena. Griechische Göttin des Krieges, Schutzherrin der Künste und des Handwerks; Stadtgöttin Athens. Auspicia. Götterzeichen, die - v.a. durch Beobachtung des Vogelflugs - in Rom vor Staatsakten eingeholt werden.

312

Glossar

Autokephalie, autokephal. Unabhängigkeit, die durch ein eigenes Oberhaupt symbolisiert wird. Der für orthodoxe Nationalkirchen gängige Begriff wird von Weber in einem generalisierten Sinne für sich selbst regierende Stadtgemeinden verwendet. Aventiure (mhd., Abenteuer). Der Schlüsselbegriff des mittelalterlichen Heldenepos, den Weber auch auf die Verhältnisse der homerischen Zeit überträgt. Brahmanen. Die indische Priesterkaste. Capitan, capitaneus populi —» Volkscapitan. Capitanei. Aus dem langobardischen Lehnsrecht stammende Bezeichnung für den unter den Grafen stehenden Lehnsadel in Oberitalien, der nach der Gründung von Kommunen die Führungsschicht der Städte bildet. Centurie (lat.: centuria). In Rom die (auf die ursprüngliche Heeresorganisation zurückgehende) Abstimmungseinheit derjenigen —> Comitien, die nach Vermögensklassen gegliedert sind. Coloni—» Kolonen. Comitien (lat.: comitia). Die (nach —> Tribus bzw. —> Centurien gegliederten) römischen Volksversammlungen. Commenda —> Kommenda. Commune (mlat.: comune)

Kommune.

Condottiere (ital.: condottiero). Söldnerführer in den italienischen Kriegen des 14. und 15. Jahrhunderts, der sich mit auf eigene Rechnung angeworbenen Soldaten bei Städten und Fürsten verdingt. Confraternitas —* Fraternitas. Conjuratio. Die Eidverschwörung von Stadtbewohnern gegen einen Stadtherrn als Gründungsakt einer —» Kommune. Connubium—» Konnubium. Consules, Konsuln. (1) Die Obermagistrate der römischen Republik; (2) Bezeichnung für Mitglieder von Rats- und Magistratsgremien in Stadtgemeinden des Mittelalters.

Glossar

Curia, curiaen

313

Kurien.

Demoi, Demen. Plural von —» Demos (2). Demos. (1) Die Gesamtheit der Bürgerschaft einer —» Polis, besonders auch im Sinne von „die große Masse", „das gemeine Volk" verwendet. (2) Die Ortsgemeinde als Unterabteilung der athenischen Bürgerschaft. Ding. Die germanische Volks- und Gerichtsversammlung, zu der sich alle Freien eines Gerichtsbezirks zu festgelegten Terminen versammeln. Doge. In Venedig das auf Lebenszeit gewählte Staatsoberhaupt. Ekklesia. Volksversammlung der —» Polls. Ephoren. Die fünf obersten Jahresbeamten in Sparta. Ergasterien. Arbeitshäuser, mit Sklaven betriebene Werkstätten. Eupatride. Angehöriger des alten Adels In Athen. Fraternitas. Bruderschaft, Verbrüderung. Fronen, Fro(h)nden. Im Mittelalter Dienstleistungen, die einem Herrn erbracht werden müssen; von Weber universalhistorisch verwendet. Gens. Geschlechter-, Sippenverband in Rom. Gentry. Der aus der Ritterschaft und den städtischen Oberschichten gebildete niedere Adel in England. Geschlechtern

Patrizier.

Gilden. Im Mittelalter genossenschaftliche Vereinigungen zum wechselseitigen Schutz, für religiöse und gewerbliche Zwecke und zur Pflege der Geselligkeit; von Weber wird die Bezeichnung auch auf Äquivalente in anderen Gesellschaften angewendet. Grundrenten. Einnahmen, die aus der Vergabe von Nutzungsrechten an ländlichen oder städtischen Liegenschaften bezogen werden. Gymnasion (griech.). Stätte für sportliche Übungen und geistige Ausbildung; seit dem 4. Jahrhundert v.Chr. als Komplex mit diversen Sportanlagen und Gebäuden typisch für Städte mit griechischer Kultur in der gesamten mittelmeerisch-vorderorientalischen Welt.

314

Glossar

Hektor. Gestalt der llias; Sohn des —» Priamos; tapferster Held der Trojaner. heterokephal.

Unter Oberherrschaft stehend; Gegenbegriff zu —» autokephal.

Hopliten. Die mit schwerer Panzerung in geschlossenen Reihen kämpfenden, sich selbst ausrüstenden (griechischen) Fußsoldaten. Investiturstreit. Konflikt um das Recht der Einsetzung von Bischöfen und Äbten, speziell derjenige zwischen Kaiser und Papst im späten 11. und frühen 12. Jahrhundert. Jury. Die Geschworenen im angelsächsischen Prozeß. Kadi. Richter, der auf der Grundlage des islamischen Religionsgesetzes urteilt. Kaste. Abgeschlossene Gesellschaftsschicht; speziell in Indien, wo es eine Hierarchie von Geburtskasten mit strikten Abgrenzungen untereinander gibt. Khalif. Titel der Nachfolger Mohammeds als Oberhaupt der Muslime. Klientel. In Rom das (als Ganzes nicht rechtlich geregelte) Gefolgschafts- und Schutzverhältnis zwischen einem sozial abhängigen Klienten und einem mächtigeren Patron; der Begriff wird von Weber auch auf Äquivalente in anderen Gesellschaften angewendet. Klienten—>

Klientel.

Kolonen (lat.: coloni). Römische Kleinpächter, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Großgrundbesitzern stehen; die Bezeichnung wird von Weber auch universalhistorisch angewendet. KomitienComitien. Kommenda. Im Mittelalter in Italien entwickelte Vertragsform, bei der ein Geldgeber einen (über See) reisenden Kaufmann mit Kapital ausstattet und ihn am Gewinn beteiligt. Kommune.

Die Bürgergemeinde in den Städten des Mittelalters.

Konnubium {lat.: con(n)ubium). Ehegemeinschaft; Möglichkeit des Eingehens einer rechtlich vollgültigen Ehe. Konsuln—*

Consules.

Glossar

315

Kurien {lat.: curiae). (1) Die ältesten Untergliederungen des römischen Volkes. (2) Die Stadträte in Städten des Römischen Reiches. Laertes. Gestalt der Odyssee; Vater des —» Odysseus. Leiturgie (griech.: leitourgia, Dienst). Die Verpflichtung von Bürgern zur Übernahme bzw. Finanzierung öffentlicher Aufgaben. Liveries. Die Londoner Zünfte. Magnaten. Die „ritterlich lebenden" Adligen im italienischen Mittelalter (auch Nobili genannt). Mandarine. Europäische Bezeichnung für die examinierten Staatsbeamten, die in China (bis 1911/12) die politische und soziale Führungsschicht bilden. Mentor. Gestalt der Odyssee; Freund des —»• Odysseus, dem dieser während seines Zugs nach Troja die Sorge für sein Haus anvertraut. Metöken (griech.: metoikoi, „Mitbewohner"). In Athen die niedergelassenen Fremden mit gesichertem Rechtsstatus, jedoch ohne Bürgerrecht. Ministeriale. Im Mittelalter persönlich unfreie Dienstleute geistlicher und weltlicher Fürsten, die am Hof, in Verwaltung und Militärdienst herausgehobene, mit hohem sozialen Ansehen verbundene Funktionen ausüben; aus ihnen geht später der niedere Adel hervor. Weber hat den Begriff sinngemäß auch auf vergleichbare Amtsträger in anderen Gesellschaften angewendet. Mir. Die russische Dorfgemeinde. Muntmannen. Im Mittelalter Personen, die sich unter den (Rechts-)Schutz (ahd.: munt) eines Herrn begeben und dafür militärische und finanzielle Dienstleistungen erbringen. Nobili—*• Magnaten. Nobilität. Der Amtsadel der römischen Republik, der sich aus —» Patriziat (1) und plebejischer Elite zusammensetzt. Odysseus. In der llias einer der Helden des Trojanischen Kriegs; die Abenteuer auf seinen Irrfahrten bis zur Rückkehr nach Ithaka werden in der Odyssee geschildert.

316

Glossar

Oikos (griech., Haus, Haushalt). Von Weber als Begriff für den auf Bedarfsdekkung (durch abhängige Arbeitskräfte) orientierten Großhaushalt eines Herrschers oder Grundherrn verwendet. Parochien.

Kirchliche Amtsbezirke.

Patrizier, Patriziat. (1) Im Rom der ursprüngliche Adel. (2) Ein die soziale Herrschaft ausübender und politische Führung beanspruchender (stadtsässiger) Adel in verschiedenen Gesellschaften; in den Städten des Mittelalters die ratsfähigen Familien. Patroklos. tötet.

Gestalt der llias; Freund des —» Achilleus; wird von —> Hektar ge-

Periöken (griech: perioikoi, „Umwohner"). Die freie, aber gegenüber den —» Spartiaten politisch minderberechtigte Bevölkerung Lakoniens und Messeniens, die in untertänigen Gemeinden mit beschränkter Selbstverwaltung und Verpflichtung zur Heerfolge angesiedelt ist. Phratrie (griech.: phratria, Bruderschaft). Unterabteilung der —» Phyle; ursprünglich wohl ein Rechtshilfe- und (wie Weber hervorhebt) Wehrverband; in Athen in klassischer Zeit die Gruppe, die über die Zugehörigkeit zur Bürgerschaft entscheidet. Phyle. Auf (fiktiver) Abstammungsgemeinschaft beruhende Unterabteilung der Bürgerschaften der —» Polis; in Athen in klassischer Zeit ratiohal konstruierte, für die Heeresorganisation und die Bestellung der Magistrate und Ratsherren eingerichtete Untergliederung der Bürgerschaft. Plebs, Plebejer. In Rom ursprünglich alle Bürger, die nicht zu den —> Patriziern (1) zählen; später vor allem das „gemeine Volk". Podestà, Podestat (ital.: podestà). In nord- und mittelitalienischen Städten (seit Mitte des 12. Jahrhunderts) gewählter, höchster Amtsträger für Verwaltung, Rechtsprechung und Heerwesen, der zumeist von auswärts geholt wird. Polis, Poleis (PL). Ursprünglich die Bezeichnung für Burg, dann die für den griechischen Stadtstaat, der städtisches Zentrum und Umland in einer politischen Einheit umfaßt. Popolanen, Popolo. Das nicht zu den —» Magnaten zählende „Volk" der italienischen Städte, das sich politisch organisiert. Popolo grasso (ital., „fettes Volk"). Das vermögende Bürgertum der italienischen Städte.

Glossar

317

Popo/o minuto (ital., „kleines Volk"). Die bürgerlichen Mittel- und Unterschichten der italienischen Städte. präbendal. Präbende bezeichnet eigentlich die kirchliche Pfründe; präbendal bezieht sich bei Weber auf die Vergabe individueller Pfründen jeder Art, die im Gegensatz zu Lehen nicht vererbbar sind. Priamos. In der llias König von Troja. Prytaneion.

Amts- bzw. Ratsgebäude in der —» Polis.

Prytanen (griech.: prytaneis, Vorsteher). Allgemeine Bezeichnung für Magistrate; in Athen seit dem 5. Jahrhundert v.Chr. terminus technicus für das jeweilige Zehntel der Ratsmitglieder, das im Turnus die Geschäftsführung wahrnimmt. Reislaufen (von mhd.: reis, Kriegszug). Der aus der frühneuzeitlichen Schweiz stammende Begriff für Söldnerdienst bei fremden Mächten wird von Weber auf die Frühzeit der Antike übertragen. Rentner. Bezieher von Einkünften aus Besitzrechten oder Kapitalanlagen. Richerzeche. „Bruderschaft der Reichen"; vom späten 12. Jahrhundert bis 1391 bestehende Genossenschaft des Kölner Patriziats, die weitgehend die Funktion einer Stadtregierung ausübte. Schöffen. Ursprünglich die Urteilsfinder im —» Ding; in den mittelalterlichen Städten die Mitglieder eines Richterkollegiums, das anfangs häufig zugleich als Rat fungiert. Sheriff. In England der Vertreter des Königs in einer Grafschaft. Signore (ital., Stadtherr) —» Signohe. Signorie. In italienischen Städten zumeist aus dem —» Podestat hervorgehende dauerhafte (und vererbbare) Herrschaft eines Einzelnen. Spartiaten.

Die Vollbürger Spartas.

Sportein. Gebühren, die einem Amtsträger als Teil seiner Amtseinkünfte zufallen. Synoikismos(griech., „Zusammensiedlung"). Vereinigung bisher selbständiger Orte zu einer Stadt, sei es durch tatsächliche Umsiedlung, sei es durch Zentralisierung der politischen Instanzen.

318 Telemachos.

Glossar

Gestalt der Odyssee; Sohn des —» Odysseus.

Thersites. Gestalt der lllas; gilt als häßlichster Mann im griechischen Heer vor Troja; wird wegen einer verbalen Attacke auf —» Agamemnon in der Heeresversammlung von - > Odysseus gezüchtigt. Timokratisch. Das Prinzip der Abstufung von Bürgerrechten nach Maßgabe des Vermögensstatus. Tribunat->

Tribunen (1).

Tribunen. (1) In Rom die zum Schutz der - » Plebejer wirkenden Magistrate (ursprünglich die Vorsteher der Sondergemeinde der Plebs), die mit ihrer tribunizischen Gewalt die Amtshandlungen der ordentlichen Magistrate unterbinden können. (2) In der spätrömisch-byzantinischen Heeresorganisation die Befehlshaber provinzialer Heeresaufgebote; in Venedig geht aus ihnen der älteste, von Weber so genannte, „tribunizische" Adel hervor. Tribus. Die nach dem Territorialprinzip eingerichteten (schließlich 35) Unterabteilungen der römischen Bürgerschaft. Vasallen. Im Frühmittelalter Freie, die sich in den Schutz eines mächtigen Herrn begeben und dafür zu Gehorsam und Dienstleistungen verpflichtet sind; für die spätere Zeit auch weitgehend synonyme Bezeichnung für Lehnsmannen. Villeggiatur (ital.: villeggiatura, Sommerfrische). Landhaus, bei Weber speziell als Ort des Konsums von Kapitalgewinnen. Vogte!. Von Weber im Sinne von „Kirchenvogtei" verwendet; im Mittelalter der Schutz und die Vertretung geistlicher Personen und Einrichtungen in weltlichen Angelegenheiten, die zugleich mit der Ausübung von Herrschaftsrechten über die dem Schutz Anvertrauten verbunden ist. Volkscapitan (mlat.: capitaneus populi, ital.: capitano del popolo). Der Repräsentant des Popolo in der italienischen Commune. Zeug ' E Q X E I O S (Tl.: Zeus Herkeios). Griechischer Schutzgott des Hauses. Zünfte. Im Mittelalter die Vereinigungen der in einer Stadt dasselbe Handwerk oder Gewerbe betreibenden Personen, die später auch den Anspruch der in ihnen organisierten Bürger auf Mitwirkung in den Ratsgremien durchsetzen; von Weber wird die Bezeichnung auch auf Äquivalente in anderen Gesellschaften angewendet.

Verzeichnis der von Max Weber zitierten Literatur

Weber hat im Text keine bibliographischen Angaben gemacht, sondern auf benutzte Werke lediglich durch Nennung des Verfassernamens hingewiesen. Die folgende Liste enthält nur die Werke, die sich eindeutig oder mit höchster Wahrscheinlichkeit identifizieren lassen. In Klammern stehen die vom Editor benutzten Kurztitel.

Below, Georg von, Zur Entstehung der Rittergüter, in: ders., Territorium und Stadt. Aufsätze zur deutschen Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte (Historische Bibliothek, Band 11). - München und Leipzig: R. Oldenbourg 1900, S. 9 5 - 1 6 2 . (Below, Rittergüter) Beyerle, Konrad, Die Entstehung der Stadtgemeinde Köln, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Band 31, 1910, S. 1 - 6 7 . (Beyerle, Entstehung) Broglio d'Ajano, Romolo, Lotte sociali a Perugia nel secolo XIV°, in: Vierteljahrschrift für Social- und Wirtschaftsgeschichte, Band 8, 1910, S. 3 3 7 - 3 4 9 . (Broglio d'Ajano, Lotte sociali) Calderini, Aristide, La manomissione e la condizione dei liberti in Grecia. - Milano: Ulrico Hoepli 1908. (Calderini, Manomissione) Cruickshank, Brodie, Eighteen Years on the Gold Coast of Africa. Including an account of the native tribes, and their intercourse with Europeans, 2 vols. London: Hurst & Blackett 1853. (Cruickshank, Gold Coast) - , Ein achtzehnjähriger Aufenthalt auf der Goldküste Afrika's. - Leipzig: Dyk [1855]. (Cruickshank, Goldküste) Gothein, Eberhard, Die Culturentwicklung Süd-Italiens in Einzel-Darstellungen. - Breslau: Wilhelm Koebner 1886. (Gothein, Culturentwicklung) Hanauer, G[erson], Das Berufspodestat im dreizehnten Jahrhundert, in: Mittheilungen des Instituts für Oesterreichische Geschichtsforschung, Band 23, 1902, S. 3 7 7 - 4 2 6 . (Hanauer, Berufspodestat) Hatschek, Julius, Englische Verfassungsgeschichte bis zum Regierungsantritt der Königin Victoria (Handbuch der mittelalterlichen und neueren Geschichte, hg. von Gfeorg] von Below und Friedrich] Meinecke, Abteilung III: Verfassung,

320

Verzeichnis der von Max Weber zitierten

Literatur

Recht, Wirtschaft). - München und Berlin: R. Oldenbourg 1913. (Hatschek, fassungsgeschichte)

Ver-

Hegel, Karl, Die Entstehung des Deutschen Städtewesens. - Leipzig: S. Hirzel 1898. (Hegel, Entstehung) Lenel, Walter, Die Entstehung der Vorherrschaft Venedigs an der Adria. Mit Beiträgen zur Verfassungsgeschichte. - Strassburg: Karl J. Trübner 1897. (Lenel, Entstehung) Maitland, Frederic W., Domesday Book and Beyond. Three Essays in the Early History of England. - Cambridge: Cambridge University Press 1897. (Maitland, Domesday Book) - , Township and Borough. The Ford Lectures 1897. With an Appendix of Notes relating to the History of Cambridge. - Cambridge: Cambridge University Press 1898. (Maitland, Township) Meyer, Eduard, Geschichte des Alterthums, 5 Bände. - Stuttgart und Berlin: J.G. Cotta 1 8 8 4 - 1 9 0 2 . (Meyer, Altertum) - , „Plebs", in: HdStW 2 , Band 6. - Jena: Gustav Fischer 1901, S. 9 8 - 1 0 6 . (Meyer, Plebs2) - , dass., in: HdStW 3 , Band 6. - Jena: Gustav Fischer 1910, S. 1 0 4 9 - 1 0 5 7 . (Meyer, Plebs3) Mommsen, Theodor, Römische Geschichte, Band 1 - 3 (9. Aufl.) und Band 5 (5. Aufl.). - Berlin: Weidmann 1 9 0 2 - 1 9 0 4 . (Mommsen, Römische Geschichte) - , Römisches Staatsrecht, 3 Bände (in 5) (Marquardt, Joachim und Mommsen, Theodor, Handbuch der Römischen Alterthümer, Band 1 - 3 ) , 3. Aufl. - Leipzig: S. Hirzel 1887/88. (Mommsen, Staatsrecht) Post, Albert H., Afrikanische Jurisprudenz. Ethnologisch-juristische Beiträge zur Kenntniss der einheimischen Rechte Afrikas, 2 Bände (in 1). - Oldenburg und Leipzig: Schulze 1887. (Post, Afrikanische Jurisprudenz) Rathgen, Karl, Japans Volkswirtschaft und Staatshaushalt (Staats- und socialwissenschaftliche Forschungen, Band 10, Heft 4). - Leipzig: Duncker & Humblot 1891. (Rathgen, Volkswirtschaft)

Verzeichnis der von Max Weber zitierten

Literatur

321

Salzer, Ernst, Lieber die Anfänge der Signorie in Oberitalien. Ein Beitrag zur italienischen Verfassungsgeschichte (Historische Studien, Heft 14). - Berlin: E. Ebering 1900. (Salzer, Anfänge) Snouck Hurgronje, C[hristiaan], Mekka, Band 1: Die Stadt und ihre Herren. Den Haag: Martinus Nijhoff 1888. (Snouck Hurgronje, Mekka) Strack, Max L., Die Freigelassenen in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft der Alten, in: Historische Zeitschrift, Band 112, 1914, S. 1 - 2 8 . (Strack, Freigelassene)

Personenregister

Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede. Familienverbände, Dynastien, mythische, rein legendäre und literarische Figuren sowie Götter stehen im Sachregister. Max Weber wird nur im Zusammenhang mit seinen Schriften angeführt. Römische Namen sind nach den allgemein gebräuchlichen Kurzformen, in anderen Fällen nach dem Gentilnomen eingeordnet.

Abimelech 7 8 , 9 4 , 2 2 3 , 3 0 3 Agoka 90 Adler, A. 232 Agnellus Parteciacus 150 A h m a d ibn Tulun 97 Aischines 266 A l b e r t o della Scala 227 Albrecht II. von Österreich 199 A l e x a n d e r der G r o ß e 75, 78,174,178,303 Alexander III. (Papst) 178 A l e x a n d e r III. Alexandrowitsch ( Z a r ) 87, 303 Alexios I. K o m n e n o s 153,303 Ali ibn A b i Talib 95,109,303 Alkibiades 225,294,303 A m e n o p h i s III. 92 A m e n o p h i s IV. E c h n a t o n 92 A n d o k i d e s 218 A n d r e a u , Jean 41 A n t o n i u s (Marcus Antonius) 296 Appian 185,268,278 Aristophanes 82,256 Aristoteles 82f., 117,179,181,186,190, 197,213,216-220,223,259,266,273 Arkesilaos II. 82 A r n d t , Wilhelm 144 Arnold, Wilhelm 30,162,191 Aronius, Julius 118 Arrian 90 Asch-Schafii 96 Assurbanipal 92 A t h e n a i o s 181,284 Auer, Friedrich 162 Augustus 211,283,295fi, 303 Backhaus, Jürgen G. 12 Baden-Powell, B a d e n H . 87

Bannier, Wilhelm 290 B a r b o l a n o - * Pietro B a r b o l a n o Bauer, A d o l f ; 79 B a u m , Marie 49 Becker, Carl H . 42,249 Beiisar 99 Beloch, Julius 8,10,256,284 Below, G e o r g von 9,14f.,28-31,45f., 68, 75,79,84,126,134,136-139,141,242, 250,303 Bendix, R e i n h a r d 39 Berduschek, Moritz 147 Bernheim, Ernst 30 Bernstein, E d u a r d 250 Berthold II. von Zähringen 140,141,304 Berthold III. von Z ä h r i n g e n 140,141,304 Bertholet, A l f r e d 121 Betz, H o r s t K. 12 Beyer, Heinrich 126 Beyerle, Franz 31 Beyerle, Konrad 31,68,118,123,125,134, 137,139,304 Billeter, Gustav 252 Binding, Karl 171 Bischoff, Ernst F. 185 Blickle, P e t e r 21,37 Bloch, M a r c 14 Böckh, August 221,256,286 B o e r n e r , Adolf 286 Bonaini, Francesco 197,203f. Boos, Heinrich 126 Borchardt, Ludwig 82 Bothe, Friedrich 243 Boucicaut, Jean 228 Bousset, Wilhelm 112 Breasted, James H . 77/, 82 Brentano, L u j o 194f.

Personenregister Breuer, Stefan 5f., 35 Broglio d'Ajano, Conte Romolo 205,206, 304 Bruhns, Hinnerk 12,41 Brun, Rudolph 199,504 Brünneck, August W. von 63 Brunner, Heinrich 86,105 Brunner, Otto 43 Bücher, Karl 8f., 11,40,69,71,205,262 Buchner, Rudolf 289 Büchsenschütz, Albert B. 252,261 Buhr, Hermann de 28 Burckhardt, Jakob 38,80,178,225,255, 276,285,297 Bürgel, Heinrich 184 Bury, John 99 Busolt, Georg 173,179,184,191,212,256, 286 Caesar (Gaius Iulius Caesar) 113,278, 293,304 Calder III, William M. 3,9 Calderini, Aristide 55,252,279,280,304 Candiano —» Pietro Candiano; Vitalis Candiano Candragupta 90 Capogrossi Colognesi, Luigi 3 Caro, Georg 228 Caspari, Wilhelm 17 Cassius (Spurius Cassius) 225 Catilina (Lucius Sergius Catilina) 255,304 Cato (Marcus Porcius Cato Censorius) 280,293,304 Chantepie de la Saussaye, Pierre D. 76 Charondas 223,304 Chl^dowski, Casimir 111 Chlodwig 1.144,304 Chon, Song-U 5 Ciccotti, Ettore 279 Cicero (Marcus Tullius Cicero) 183,185, 188,212,213,255,278,298,304 Cittadella, Giovanni 230 Claudius (römischer Kaiser) 296 Claudius Caecus (Appius Claudius Caecus) 281,305 Clausus (Atta Clausus) 94 Clay, Albert T.120 Clodius (Publius Clodius Pulcher) 257 Colby, Charles 139 Columella (Lucius Iunius Moderatus Columella) 280

323

Constant, Benjamin 38 Cordt, Ernst 29 Cosimo de Medici (der Alte) 147,207 Cruickshank, Brodie 108,305 Cumont, Franz 103 Curtius, Ernst 74 Dahlheim, Werner 3 Dändliker, Karl 199 Dándolo —> Enrico Dándolo Daniel 120 Darius I. 75 David 88,92,94,305 Davidsohn, Robert 34,111,159,196f., 203f., 209 Davidson, E. 87 Debora 77,108 Deecke, Wilhelm 298 Deininger, Jürgen 2f, 5f, 40,45 Deissmann, Adolf 252 della Bella —> Giano della Bella della Scala —> Alberto della Scala Demandt, Alexander 3,9 Demetrios (indogriechischer Herrscher) 90 Demosthenes 217f., 220,266,305 Descat, Raymond 41 Dessmann, Günter 104 Diestelkamp, Bernhard 21 Dieterich, Julius R. 289 Dietz, Alexander 243 Dilcher, Gerhard 21,29 Diodor 75,90,179,225,281,284 Diokletian 257 Dionysios I. (Herrscher von Syrakus) 225, im.,305 Dionysios von Halikarnaß 94,183,185, 188,213,216,277f. Domitius Ahenobarbus (Lucius Domitius Ahenobarbus) 278 Doren, Alfred 29,202f., 205 Dörpfeld, Wilhelm 173 Drakon 182,305 Dresdner, Albert 118 Eberhard, Wolfram 20 Ebner, Adalbert 21 Echnaton —» Amenophis IV. Eckertz, Gottfried 126,137 Eduard (Edward) 1.121,139,168,305

324

Personenregister

Eduard (Edward) II. 121,139,194,272, 305 Eduard (Edward) III. 121,195,305 Edward IV. 195 Ehrenberg, Richard 31,135f. Eickelman, Dale E 42 Elster, Ludwig 9,31,64 Elvin, Mark 18 Emlen, Julia 43 Engisch, Karl 20 Ennen, Edith 42 Ennen, Leonard 126,137 Ennius (Quintus Ennius) 298 Enrico Dandolo 153,157,305 Ephialtes 218,268,305 Esra 93,116,120,305 Evans, Arthur J. 173 Fabricius, Ernst 294 Fahey, Tony 17 Fatima 95 Ferrara, Mario 147 Festus 211,278 Fick, Richard 60,78 Ficker, Julius 159 Finley, Moses 1.5,11,37,41 Fischel, Eduard 220 Fischer, Wolfram 11 Fontana, Biancamaria 34 Franke, Herbert 20 Franke, Otto 87,89 Fränkel, Ma x221,294 Frazer, James G. 113,261 Friedrich I. „Barbarossa" 126,160,178, 289,306 Friedrich II. (deutscher Kaiser) 126,141, 142,159f., 178,232,245,306 Fritsche Closener 208 Fröchling, Jürgen 28 Furtwängler, Adolf 82 Fustel de Coulanges, Numa Denis 38 Gaius (römischer Jurist) 211 Gallion, Wilhelm 134 Gaupp, Ernst Th. 105 Gehrich, Georg 103 Gellius (Aulus Gellius) 255,277 Gelon 222,225 Geizer, Heinrich 225 Gelzer, Matthias 100 Gengier, Heinrich G. 105

Gercke, Alfred 149 Giangaleazzo Visconti 228 Giano della Bella 203,305 Gibbon, Edward 99 Gideon 78 Gierke, Otto 21,29,57,86,122,136,196 Giesebrecht, Wilhelm von 144,231,289 Gilbert, Gustav 212,218,220 Gneist, Rudolf 76,163,166,168,195,220, 240 Goetz, Walter 42 Goldschmidt, Levin 134 Gomme, George L. 168 Gothein, Eberhard 141,178,306 Gracchen 211,268 - Gaius Gracchus (Gaius Sempronius Gracchus) 211,257,269,306 - Tiberius Gracchus (Tiberius Sempronius Gracchus) 211,268,306 Gregor II. (Papst) 150 Gregor von Tours 144 Grisar, Hartmann 250 Gross, Charles 29,136,165f. Grote, George 218,220,274 Grube, Wilhelm 108 Grunebaum, Gustav E. von 42 Guiraud, Paul 276 Gumpelzhaimer, Christian G. 162,191 Günter, Heinrich 196 Guttmann, Julius 17 Gyges 177 Haase, Carl 42 Hadrian 148,149,306 Hall, John A. 43 Hammerstein, Notker 8,14,21 Hammurabi 145 Hanauer, Gerson 34,161,306 Handloike, Max 131 Hannibal 291 Hardtwig, Wolfgang 21 Harold II. 162 Hartmann, Ludo M. 149 Hartwig, Otto 21 Harun al Raschid 96,306 Hasan (Kalif) 95 Hasebroek, Johannes 40 Hatschek, Julius Karl 48,76,121,122, 139,163-167,169,220,237,240,244, 306 Haxthausen, August von 60

Personenregister Heckel, Max von 63 Heeren, Arnold H. 83,156,231 Hegel, Carl —> Hegel, Karl von Hegel, Karl von 25,29,31,75f., 105f., 118f., 125-131,133-137,140f., 142, 146f., 163,165,167f, 192,194f.,197,200, 203,306 Heinrich (Wormser Bischof) 141 Heinrich I. (deutscher König) 75,306 Heinrich I. „Beauclerc" (englischer König) 163,165,167,168,307 Heinrich II. (englischer König) 164 Heinrich IV. (deutscher Kaiser) 131,272 Heinrich V. (deutscher Kaiser) 131,272 Heinrich VII. (deutscher König) 126,245 Heinrich VII. (englischer König) 164 Heinrich von Thun (Basler Bischof) 142 Heit, Alfred 28 Heibig, Wolfgang 77 Hellmann, Siegmund 144 Hennis, Wilhelm 38 Herbert, William 195 Hermann, Karl F. 74,217,276 Herodot 69,74f., 83,183,186,190,213, 217,220,222-225,254,273,293 Herzog, Ernst 181 Hesekiel 92,120 Hesiod 187,284,307 Hessel, Alfred 131 Hettling, Manfred 3 Heusler, Andreas 141,196 Heuss, Alfred 2,34 Heyck, Eduard 128,141 Heyne, Moritz 115 Hieram 1.92 Hieron 1.225 Hilprecht, Hermann V. 120 Hintze, Otto 39,55 Hirsch, Hans 250f. Hirschfeld, Otto 296 Hoeniger, Robert 28,119 Holtzendorff, Franz von 163 Holtzmann, Robert 126,134,237,239, 241 Homer 77,83,173f., 175-177,307 Hopf, Karl 156 Hopkins, Edward W. 90 Hortensius (Quintus Hortensius) 211 Hoselitz, Bert F. 8 Hübinger, Gangolf 48,50 Huch, Gregor 103

325

Hungar, Kristian 51 Inama-Sternegg, Karl Th. von 75 Irsigler, Franz 28 Isler, Meyer 281 Isokrates 74 Jakob II. 237,307 Jankuhn, Herbert 28f. Jecht, Horst 42 Jellinek, Georg 220 Jephthah 94,307 Jeremia 120,123 Jesus Christus 115 Joachim, Hermann 24 Johann I. „ohne Land" 167,307 Josephus 91f., 94 Josia 223,261 Judas Makkabäus 223,307 Judeich, Walther 74f., 80 Justinian 98,99,307 Jüthner, Julius 297 Kahl, Wilhelm 249 Kantorowicz, Hermann U. 34 Karl der Große 146,151 Karl IV. (deutscher Kaiser) 199 Karl V. (deutscher Kaiser) 228 Karl VI. (französischer König) 228 Karl von Anjou 228 Käsler, Dirk 39 Katada 95,307 Kautsky, Karl 41,250 Keller, Hagen 42 Kelleter, Heinrich 31 Kern, Arthur 104 Kern, Otto 224 Keussen, Hermann 31,118 Keutgen, Friedrich 30,137,140f. Kiessling, Adolf 74,256 Kirchhoff, Adolf 103,252 Klamroth, Erich 120 Kleisthenes (athenischer Staatsmann) 80, 217,220,224,264,266,272,307 Kleisthenes (Tyrann in Sikyon) 224 Kleopatra 296 Klingmüller, Fritz 296 Knapp, Georg F. 104 Kneissl, Peter 2 Knudtzon, J0rgen A. 92 Koch, Rainer 27

326

Personenregister

Kocka, Jürgen 19f., 26,35,37,43 Kohler, Josef 27,181,186 Köhler, Ulrich 256 Konfuzius 76 Konrad von Hochstaden 126 Konrad von Hüneburg 142 Konrad von Zähringen 141 Kornemann, Ernst 149,188,259,262 Körte, Gustav 77,298 Kretschmayr, Heinrich 34,149-154,157, 255 Kreuzer, Siegfried 17 Krusch, Bruno 144 Kruse, Ernst 31 Kübler, Bernhard 181,185 Kudrna, Jaroslav 35 Kuhn, Emil 22,74,110,217,296 Kulke, Hermann 19 Küppers, Heinrich 28 Kurtz, E. 98 Kyrill (Patriarch von Konstantinopel) 100 Lamprecht, Karl 3,34,149,250 Landmann, Michael 19 Lange wiesche, Dieter 27 Langoth, Johann 162 Lassen, Christian 90 Lau, Friedrich 31,119,139 Lederer, Emil 51 Lehmann, Edvard 76 Lenel, Walter 34,149,151,152,153f„ 307 Leo, Heinrich 156 Leon III. 150 Leopold von Toskana 231,307 Leveau, Philippe 12 Lewinski, Ludwig 118 Lexis, Wilhelm 64 Liebenam, Wilhelm 103,259 Lindner, Theodor 66 Livius (Titus Livius) 94,117,185f., 188, 209-211,216,260,264,278,279,281, 291,308 Loesch, Heinrich von 137 Lorenzo de Medici (der Prächtige) 207 Losemann, Volker 2 Low, Sidney 220 Lucumo 183 Ludwig der Bayer 159 Ludwig der Fromme 115 Ludwig IX. 228 Ludwig XIV. 239

Lukas (Evangelist) 115,249 Lykurg 213 Lysandros225,308 Machiavelli, Niccolò 159,197,198,308 Macrobius 210 Maelius (Spurius Maelius) 225 Maitland, Frederic William 76,80,308 Manlius Capitolinus (Marcus Manlius Capitolinus) 225 Mann, Michael 43 Marquardt, Joachim 296 Martin, Jochen 22 Martindale, Don 13 Marx, Karl 6,41 Mathilde (englische Prinzessin) 163 Matzerath, Horst 27 Mayer, Ernst 130,232 Mazarin, Jules 240,308 McLennan, John 113 Medici —» Cosimo de Medici; Lorenzo de Medici Megasthenes 90 Meier, Christian 20,22,25,27,43 Meinecke, Friedrich 126 Meißner, R. R .218 Meitzen, August 70,75,87,101,114 Menander (indogriechischer Herrscher) 90 Merkel, Johannes 186 Meyer, Eduard 3,6,8-10,13,40,68,75, 77f., 82f., 116,121,155,173,175,177, 179-182,184,191,209,210,214, 218-220,226,252,254,264,281,291f., 308 Meyer von Knonau, Gerold 131 Michels, Robert 49 Mickwitz, Gunnar 40 Miltiades der Ältere 69,185,253,308 Miltiades der Jüngere 69,220,293,308 Milukow, Paul 87 Minzès, Boris 60 Mohammed —» Muhammed Molho, Anthony 43 Momigliano, Arnaldo 3 Mommert, Peter 17 Mommsen, Theodor 81,117,149,179,185, 189,197,209-211,216,225,255,278, 282f., 296,308f. Mommsen, Wolfgang 13,26,38,48,50 Montevecchi, Alessandro 198

Personenregister Morse, Hosea B. 19 Muawija 95 Muhammed 94,95,97,109,309 Müller, Iwan 179 Müller, Karl 0.298 Müller, Walther 30 Munshi, Surendra 19 Münzer, Friedrich 267,294 Murvar, Vatro 39,43 Nebukadnezar II. 120 Nehemia93,116,120,309 Nelson, Benjamin 19,39 Nero 296,309 Neumann, Karl J. 187,212 Neusychin, A. 41 Neuwirth, Gertrud 13 Niebuhr, Barthold G. 281 Niese, Benediktus 182,214 Nikias 287,309 Nippel, Wilfried 3,6,8,22,34,37,41 Nissen, Hans J. 6 Nitzsch, Karl W. 29f., 136,200 Norden, Eduard 149 Nossig, Alfred 247 Nuoffer, Oskar 77 Odorici, F. 201 Oeri, Jakob 80 Oertel, Friedrich 40 Oexle, Otto G. 14,21,26,28 Olberg, Oda 279 Oncken, Wilhelm 77f. Oppermann, Otto 31 Orihara, Hiroshi 47 Orseolo —» Pietro Orseolo Otto von Freising 289 Otto Visconti 227 Otto, Walter 185 Otto 1.150 Otto IV. 159 Palyi, Melchior 52ß, 56f. Parteciacus —> Agnellus Parteciacus Paulus (Apostel) 23,111,112,309 Paulus (römischer Jurist) 285 Pausanias 178,285,309 Pawinski, Adolf 131 Peiser, Felix E. 186 Peisistratos 186,223,224,309 Pellegrini, Astorre 82

327

Periander 224 Perikles 219,257f., 264,268f., 274,281,285, 309 Pertz, Georg H. 125 Petersen, David L. 17 Petrus (Apostel) 23,112,309 Petrus Trandenicus 150 Pfister, Bernhard 20 Philipp II. August 238,239,272,309 Philippi, Friedrich 31 Philo (von Alexandria) 296 Philochoros 256 Pietro Barbolano 152 Pietro Candiano (Petrus Candianus) IV. 150f. Pietro Orseolo II. 151 Pippin (fränkischer Unterkönig in Italien) 151 Piaton 74,176,213f., 284,294,309 Pieket, Henri W.7i Plinius (Gaius Plinius Secundus, der Ältere) 211,280,296 Plutarch 74,94,110,117,181,183,193, 213f., 218,225,254,256-258,266,268f., 273f., 284,287,298 Pöhlmann, Robert 40,173,176 Polyainos 225,284 Polybios 75,77,178/.,264 Post, Albert Hermann 108,509 Premerstein, Anton 277f. Quarthai, Franz 26 Raaflaub, Kurt 43 Rabinowitsch, Sara 137 Ranke, Leopold von 147,156 Rathgen, Karl 73,86,310 Rauch, Karl 106 Raumer, Friedrich von 156 Reichhold, Karl 82 Reinach, Salomon 113 Remling, Franz X. 118 Reumont, Alfred von 231 Reuterskiöld, Edgar 113 Reventlow, Henning Graf 17 Richard (Löwenherz) 167 Richter, Luise 111 Rietschel, Siegfried 30f., 105 Roberti, Melchiorre 151 Robertson Smith, William 113 Rodbertus, Johann K. 10

328

Personenregister

R o h d e , Erwin 259 R o m a n o , Vincenzo 147 R o m u l u s 183 Rösel, Jakob 19 Rostovzeff, Michael 40 R o t h von Schreckenstein, Carl H . 107 R o t h , G u e n t h e r 55 Rüdiger von Speyer (Bischof) 118 Salier, Richard P. 5 Sallust (Gaius Sallustius Crispus) 117 Salomo 17,88,92 Salvemini, G a e t a n o 197,203 Salzer, E r n s t 34f., 201f., 201,210,226,227f., 310 Sander, Paul 28 Santini, Pietro 111 Sargon II. 92,120 Sargon von A k k a d 77 Sartorius von Waltershausen, August 74 Saul 94 Savonarola, G i r o l a m o 147,310 Schaefer, A r n o l d 266 Schäfer, Dietrich 66 Schäfer, Heinrich 82 Schäfer(-Lichtenberger), Christa 17 Schalk, Karl 203 Schamasch-schum-ukin 92 Schanz, G e o r g 138 Schefold, B e r t r a m 8 Schelb, Wilhelm 202 Schenkel, Wolfgang 6 Schiller, Erich 251 Schlesinger, Walter 29 Schliemann, Heinrich 173 Schluchter, Wolfgang 5,17-20,26,45,47, 50 Schmale, Franz-Josef 289 Schmeidler, B e r n h a r d 153,157 Schmidt, Adolf 259 Schmidt, M a x G. 245 Schmidt, Richard 287 Schmidt-Glintzer, Helwig 48,50 Schmidt-Wiegand, R u t h 28 Schmoller, Gustav 8f., 69,71,106,208 Schneider, H e l m u t h 9 Schoeffer, Valerian von 83,182f., 252,265 Schöll, Rudolf 110 Schönberg, Gustav 8,69 Schorn-Schütte, Luise 9 Schott, R e i n m a r 12

Schottroff, Willy 17 Schreiner, Klaus 25ß, 28,43 Schröder, Richard 31 Schuchhardt, Carl 294 Schuller, Wolfgang 3,34 Schulte, Aloys 30 Schulten, Adolf 296 Schuhes, C. 65 Schulze-Gävernitz, G e r h a r t von 103 Schurtz, Heinrich 180 Schütze, Paul 105 Schwegler, Albert 181 Schweitzer, A l b e r t 103 Schwentker, Wolfgang 3,48 Schwerin, Claudius von 114 Schwineköper, B e r e n t 28 Scipio Aemilianus (Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus Minor) 278,310 Scipio A f r i c a n u s (Publius Cornelius Scipio Africanus) 291 Seeliger, G e r h a r d 31 Seesemann, O t t o 87 Servius Tullius 213,216 Sestan, E r n e s t o 35 Sethe, Kurt 82 Settis, Salvatore 6 Setzier, Wilfried 26 Seyfarth, Constans 39 Sharpe, Reginald R . 168,195 Shaw, Brent D. 5 Shiba, Yoshinobu 20 Siebeck, G e o r g 53 Siebeck, O s k a r 49,52 Siebeck, Paul 51 Siebeck, Werner 52f. Sieveking, Heinrich 9,128 Simkhowitsch, Wladimir G. 87,102 Simmel, G e o r g 13,19 Sisera 77 Slousch, N a h u m 49, 93 Snofru 82 Snouck H u r g r o n j e , Christiaan 109,310 Sohm, R u d o l p h 2 2 , 3 0 Solon 179,218,223,260,310 Sombart, Werner 9,12f., 39,65 Spencer, Martin E. 39 Sprenkel, Sybille van der 20 Sprondel, Walter M .39 Stade, B e r n h a r d 77

51,95,96f.,

Personenregister Steinbach, Franz 42 Steinbrück, Karl 231 Stengel, Paul 185,252,259 Stephan von Blois 163,310 Stern, Ernst von 214 Sternberger, Dolf 26 Steuer, Heiko 29 Stieda, Wilhelm 31,66,137 Stoklickaja-Tereäkoviö, V. 41 Stolypin, Peter 116 Stoob, Heinz 35 Strabo 79,83,90,173,179,191 Strack, Max Leberecht 48f., 280,282,310 Stubbs, William 163,165 Studniczka, Franz 82 Sueton (Gaius Suetonius Tranquillus) 94, 278,293/., 296 Swoboda, Heinrich 286 Syagrius 144 Szanto, Emil 182,212,261,285 Tacitus (Cornelius Tacitus) 114,296,298 Tarquinius Priscus 185 Tenbruck, Friedrich H. 3 Themistokles 74,254 Theopomp 213 Theseus110 Thiel, Winfried 17 Thierry, Augustin 26 Thommen, Rudolf 142 Thukydides 74,79,110,178,191,214,225, 252,256,274,284,285,291 Thumser, Viktor 217,276 Thureau-Dangin, François 77 Thurneysen, Rudolf 77 Thurnwald, Richard 145 Thutmosis I. 78 Thutmosis III. 78 Tiglatpileser III. 120 Titus Tatius 183 Tolmides 274 Trandenicus —> Petrus Trandenicus Tugan-Baranowsky, Michail 60 Uhlirz, Karl 27 Ukert, Friedrich A. 156,231 Ulmen, Gary L. 41 Unger, Friedrich W. 99 Ungern-Sternberg, Jürgen von 3 Uspenskij,Th. 98

329

Valerius Maximus 74,281 Varrò (Marcus Terentius Varrò) 183,280 Vergil (Publius Vergilius Maro) 197 Vierkandt, Alfred 39,87 Villari, Pasquale 147 Virchow, Rudolph 163 Vischer, Wilhelm 225 Visconti —» Giangaleazzo Visconti; Otto Visconti Vitalis Candiano 150 Vittinghoff, Friedrich 11 Voigt, Moritz 277f. Wachsmuth, Curt 285 Wackernagel, Rudolf 142 Waldrada von Tuszien 150,310 Wallenstein, Albrecht von 291,310 Walpole, Robert 235 Waltzing, Jean-Pierre 261 Weber, Marianne 49-53,55-57 Weber, Max - , Agrarverhältnisse im Altertum 1 (1897) 2/. - , Agrarverhältnisse im Altertum 2 (1898) 2f- , Agrarverhältnisse im Altertum 3 (1909) 2-8,10f., 13,16f., 22,32,35f., 40f., 49,58, 74,82,9092,103,110,115,144f.,175f., 178-180,182,184f., 187,210,222/., 252, 255f., 258,260,265,273f., 276f., 281,284, 294,298 - , Das antike Judentum (1917/19) 6,16f„ 22,49f., 68,92 - 94,120f., 123,222f.,273 - , Zur Geschichte der Handelsgesellschaften (1889) 7,66,129,202 - , Grundriß zu den Vorlesungen über Allgemeine („theoretische") Nationalökonomie (1898) 31 - , Hinduismus und Buddhismus (1916/17) 18-20,23f.,36,49,60,77f., 81,87,8991,109,112,121,180,188 - , Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie (1913) 15 - , Konfuzianismus und Taoismus (1915/ 20) 13,18f., 26,36,47,49f., 85,88,95, 128,144 - , Kritische Studien auf dem Gebiet der kulturwissenschaftlichen Logik (1906) 3 - , Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland (1906) 102

330

Personenregister

- , Die „Objektivität" sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis (1904) 9,38 - , Die römische Agrargeschichte (1891) 2, 6,10,13,40f., 255,262,274,280 - , Soziale Gründe des Untergangs der antiken Kultur (1896) 2 - 4,15 - , Der Streit um den Charakter der altgermanischen Sozialverfassung (1904) 8,101,187 - , Wirtschaftsgeschichte (1923) 23,41, 128 - , WuG 46- 48,54-57,148 - , WuG / Gemeinschaften 113,180,258 - , WuG / Religion 15,17,20,22f., 112f., 298 - W u G / Recht 20,86,123,151,180,184 - , WuG / Herrschaft 26,38,47,91,99,156, 170,180,230,287 - , WuG /1. Lieferung 15,22, 26,32,37f., 91,146 Webster, Hutton 261 Weiland, Ludwig 126,245 Weiß, Johannes (Theologe) 112 Weiß, Johannes (Soziologe) 26,41 Weizsäcker, Carl 23 Wellhausen, Julius 77,115 Wengierow, Leo 247 Werminghoff, Albert 249f. Widukind von Corvey 75 Wiegand, Wilhelm 142

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von 74, 181f., 190,256,261,286 Wilda, Wilhelm E. 21,29,136 Wilhelm I. (deutscher Kaiser) 65 Wilhelm I. „der Eroberer" 1621,320 Wilken, Friedrich 99 Will, Edouard 40 Winckelmann, Johannes 5,20,46,52f. Winckler, Arthur 192 Winckler, Hugo 92 Winterling, Aloys 49 Wirth, Eugen 43 Wirth, Louis 13 Wittfogel, Karl A. 41 Wittmütz, Volkmar 28 Wladimir der Heilige 78 Wopfner, Hermann 73, 75 Xenophon 178,213f., 225,287,294,310 - (Pseudo-) Xenophon 290 Yaqub as-Saffar 97 Zarathustra (Zoroaster) 47, 78 Zdekauer, Lodovico 111 Zeumer, Karl 245 Ziebarth, Erich 181,252,261 Ziegler, Johann 198 Zimmer, Heinrich 77 Zingerle, Arnold 18 Zwiedineck-Südenhorst, Hans von 155

Sachregister

Gerade gesetzte Zahlen verweisen auf Webers Text, kursiv gesetzte Zahlen auf die Herausgeberrede. Das Register erfaßt Begriffe sowie Sach- und geographische Angaben, Familienverbände, Dynastien, mythische, rein legendäre und literarische Figuren sowie Gottheiten.

Aachen 151 Aargau 270 Abendland, abendländisch —» Okzident Abendmahl, Abendmahlsgemeinschaft 23f., 119,244 Abgaben 122,280,287 —>auch: Naturalabgaben Abgabenerhebung 262 Abgabenfreiheit 153 Abgabenleistungen 72 Abgabenpflicht, abgabenpflichtig 4,61, 137,262 Abkömmlichkeit, abkömmlich 146,172, 269,293 Ablaß 135,250 Abruzzen 178 Absatz 61,66,67 —> auch: Marktabsatz Absatzart 241 Absatzchancen 104 Absatzspielraum 71 Abschließung (des Adels) 155,158,198 Absonderung, rituelle 19,89,188 Abstammung 2/, 191,198 Abstammungsgemeinschaft 20,110,212 Abstimmung 182,292 Abstimmungs-Verbände 262 Äbte 151,157 Achaieri7J, 180 Achill, Achilleus 173,174f., 176,311 Ackerbürger, Ackerbürgerschicht, ackerbürgerlich 68,267f., 311 Ackerbürgerstadt 13,67,72 Ackerflur 67f. Ackerboden 68 Ackerlos 68

—» auch: Kleros; Landloos Adel 198,248 - antiker 107,185,223,274 - englischer 195 - griechischer 116,175-177,179,185,189, 224,272,293f. - italienischer 132,158,161,192,203-205, 207f.,229f. - mekkanischer 96f. - mittelalterlicher 33,79,106,115,192, 195,248f., 278 - niederländischer 132 - polnischer 246,247 - römischer 16,94,258,272,277,294,296, 298 - sächsischer 115 - spartanischer33f., 181,213,272 - venezianischer 149t, 151,152,154-156, 158,189,254 —> auch: Amts-; Burg-; Feudal-; Kriegs-; Land-; Neu-; Ortsadel; Patriziat; Stadt-; Vermögensadel Adelige, Adlige 111,134,255,259 - indische 78 - russische 104 - schlesische 104 —» auch: Magnaten; Nobiles Adelsbildung, charismatische 198 —» auch: Stadtadelsbildung Adelsfamilien 155,161,179,192,204,294 —» auch: Grund-; Stadtadelsfamilien Adelsgeschlechter 162, III, 190,204,296 auch: Burg-; Stadtadelsgeschlechter Adelsherrschaft 189f.,277f. Adelskorporation 96,152,158,189 Adelsopposition (Venedig) 152

332

Sachregister

Adelsparteien 159f. Adelsqualität 106,115 Adelsreiterei 176 Adelsrepubliken —> Stadtadelsrepubliken Adelsstädte 172 Adelsstände 230 Ädilen 209 Adria 225 Advokaten 207 Aenaria (Ischia) 225 Aeneas 174,311 Afghanistan 97 Afrika, Africa, afrikanisch 1,108,257,296 - Nordafrika 82,291 Ägäis 290 Agamemnon 173t, 176,311 Agiaden 183 Agon 176,297,311 Agora 80,298,311 Agrarpolitik 253 Agrarschriftsteller 280 agroikos 187 Ägypten, (alt)ägyptisch l-3,5f.,16,76f., 78,82,85,901,92,96,97,115,143,144, 173,177,256,284,296 Ahmadabad 90 Ahnenkult, ahnenkultisch 19f„ 110,112, 143 Ahnentempel 85 Aigospotamoi 291 Aisymnet 33,217,223,311 Aitoler 178 Akkad, akkadisch 77 Akklamation 130,147,155,189,250 Akko (phönikische Stadt) 91,157,251 Akkordgruppe 102,258 Akkumulation 186 —» auch: Boden-; Vermögensakkumulation Akropolis 75,80,102f.,257 Aktenführung 232 Aktiengesellschaften 67 Aktivbürger 166,183 Aktivhandel 178 Akzise 240 Albaner (Einwohner von Alba Longa) 117 Albanien, albanisch 177,193 alberghi 111 Alderman 168,170 Alessandria 178

Alexandrien, alexandrinisch 99,100,298 Aliden 95,109 Allahabad 90 Allmende 31,68,109,114,260,311 Allod, allodial 127 Alltagsbedarf, Alltagsbedürfnisse 10,61, 70 Alpen/, 33,36,68,100,105,233,248 Altenteil 175 1-4,7,9,18,62,68,98,188-191, Altertum 193,196,212,253,255,258-261,275, 288f. —» auch: Antike Älteste 86-89,93,97,108,120,123,175 —» auch: Gerusia; Rat der Alten; Sippenälteste Althellas -» Hellas Amarna-Tafeln —»Tell-el-Amarna-Tafeln Amerika, amerikanisch —> Stämme, amerikanische; Südstaaten Amiens 136 Ammoniter 94 Amorgos 285 Amortisationsgesetze 249 Amphiktyonie (delphische) 184,252 Amt, Ämter 88,134,162,174,189f., 219, 295 - Ausschluß von 158,203,215,268 - kurzfristige 156f., 219 - legale 226 - legitime 117 - Monopolisierung von 106,198 - ratsfähige 198 - staatliche 120 - städtische 143,183 - Teilnahme an 117,146,210,215 - Verteilung von 130 - Zugang, Zulassung zu 198,203,282 —> auch: Ehrenämter; Erblichkeit; Gelegenheits-; Gemeindeämter; Lebenslänglichkeit; Popolanen-; Priesterämter; Sheriffsamt; Staats-; Stadtämter Ämterbesetzung 170,182,204,227,239 - im Tbrnus 38,157,182,285t - durch Wahl 204 —» auch: Los; Losverfahren Ämterlaufbahn 211,219 Ämterorganisation 270 Ämterzensus 216 Amtmänner —> Polizeiamtmänner

Sachregister Amtsadel, römischer 197,211,268,281f., 293,295 —» auch: Nobilität (Rom) Amtsanwärter 101 Amtsapparat 115,272 Amtscharisma 219 Amtsdienst 285 Amtseid (des Podestà) 202 Amtseinkünfte 221,257 Amtsfähigkeit, amts(un)fähig 117,158, 198,214t, 293 Amtsfeudalität 91 Amtsfristen 38,226 —> auch: Ämter, kurzfristige Amtsgebäude 285 Amtsgeheimnis 155 Amtsgeschäfte 295 Amtsgewalt 91,127,155,208-210 Amtshandlungen 209f., 248 Amtskautionen 219 Amtsorganisation 129,270 Amtsort 161 Amtssitz 89f. Amtsstellungen 219 Amtsträger 142,156,165,190 Amtsverband 271 Amtsverhandlungen 210 Amtswahrnehmung 295 Amyklai 183 Anarchie 127 andreion 180,181 Angelsachsen, angelsächsisch 75f., 79,114, 122,135,162,163 —» auch: England Anleihen 252,264 —» auch: Zwangsanleihen Annuität 83 Ansiedelung, Ansiedler 59-62,73,75,83, 105,118,122,200 —> auch: Siedelung Ansiedlungszwecke 264 Anstalt, anstaltsmäßig 15,107,112,123, 217,250 —> auch: Staatsanstalten Anstaltsbesitz 184 Anstaltscharakter 216 Anstaltsprinzip 132 Anstaltsrecht 217 antidosis 286 Antike l f „ 5-8,13,22,32f„35f.,39,64, 68f., 73,74,80,83,86,90,101-103,106t,

333

110-113,119,121,123,145, i 7 3 , 1 7 8 t , 180,190f., 195-197,199,209,212,216, 221,226,230,233,251,253,255-265, 269f., 272,274f., 278t, 282t - Spätantike 36,262 —» auch: Altertum Antiochia, Antiochien 23,112,257 Anwälte 251 Anzianen, anziani 201,203,210,311 apodektai 221 Apollon 252,260,311 Apollonheiligtum 184,252 Apollon-Prozession 261 Apotheker 207 Apparat, bürokratischer 169,271 —> auch: Amts-; Macht-; Zwangsapparat applicatio 278 Appropriation (der Herrschaftsgewalten) 127 Aquila 178 Araber, arabisch 83,941,97f., 100,113, 114,115,158 Arbeit, freie 36,259 Arbeiter 11,65,71,137,205,262,263,287 —»auch: Landarbeiter Arbeitergewerkschaften 137 Arbeitsbedingungen 138 Arbeitshilfe 278 Arbeitskraft, Arbeitskräfte 84,102,219, 243,248t, 258,276 Arbeitsleistungen 72 Arbeitslosenverdienst 269 Arbeitsloser 257 Arbeitsniederlegungen 88 Arbeitsschulung 283 Archonten 83,218,259 Areiopag 190,218,268,295,311 Argolis 173 Arier, arisch 76f. Aristokratie, Aristokraten, aristokratisch 5,90,174,236,255,264,210,298 —»auch: Grund-; Stadtaristokratie Argos 276,283,254 Arkesine 285 Armee 144,289 —»auch: Heer Armenien 83 Arnhem 64 arte di Calimala 196 arti 200,204,205 —» auch: Zünfte

334

Sachregister

artificia 262 Artillerie 209,289 Ärzte 205,207 Asebie 285 Asia (römische Provinz) 269 Asien, asiatisch 41,60,65,85,87,98,100f., 107-109,112,113,118£, 121,124,143, 184,188 - Ostasien, ostasiatisch 18,101,259 - Vorderasien, vorderasiatisch 1,77,84f., 87f., 90,92,101f., 119,121 —> auch: Kleinasien Askese —» Kriegeraskese Askra 187 Asow (Gouvernement Jekaterinoslaw) 60 Assur 92 Assyrer, assyrisch 92,223 - neuassyrisch 92,120 Asti 130 astoi 179,183,186 Athen, athenisch 1,27,33,35,37f., 69,70, 74,79/, 83,102,117,173,179,180,182, 186,191,213,215,216,217 -219,221f., 223-225,252,254,256,258-260,266f., 269,272-274,281,284-287,290, 291-293 —> auch: Attika Athena 102,219,252,311 Athleten 298 Attika, attisch 79,80,110,179,181,185f., 190,216,220,254,266,286f., 290,292, 295,298 Attis-Kybele 103 Auer (Familie in Regensburg) 162,191 Aufwandsentschädigungen 216,219 Augustalenwürde 283 Auspicia, Auspicien 117,183,189,209,311 Ausrüstung 264,286 —» auch: Selbstausrüstung Außenbürger 245 Außenhandel 242 Außenpolitik 152,154,234 Austausch, Austauschprozeß (Markt) 71 —> auch: Güteraustausch Australien 113 Autokephalie, autokephal 14,84,123125,237,239,372 Autonomie, autonom 1, 7,14f., 72, 75,8487,89-91,93-95,100,122,123,124f., 141,145,167f., 192,233,236f., 240£, 243, 245,271f., 276,290

—> auch: Gemeinde-; Satzungs-; Stadt-; Steuer-; Verwaltungsautonomie Autonomierechte 168 Autorität, Autoritäten, autoritär 96f., 156, 163,174,228,273f. Aventin 209 Aventiure, Aventiurenzüge 113,174f., 312 Awesta 78 Babylon, Babylonien, babylonisch 83,92f., 116,120,145,185f.,222 Bacchus-Kultgenossenschaften 298 Bagdad 96f. Bakchiaden 190 Balkanprovinzen (des osmanischen Reiches) 99 Baltikum, baltisch 66,200 Banause 101,196 Bankgeschäfte 194 Bankhaus 120,232 —» auch: Großbanken Bankier 145,196 Bann 202 —> auch: Verbannte Banngewalten 241 Baranow (Provinz Posen) 60 Barbaren 188,297 Barone (englische) 163f., 166,170,245 Basel 142,196 Battiaden 82 Baubureaukratie 144 Bauern, Bauernschaft, bäuerlich 6,16,35, lOOf., 231,241,246-248,250,267,278 - babylonische 222 - griechische 175,179,186f.,222 - 224, 264,266f.,270f. - israelitische 222f. - japanische 89 - kanaanäische 92 - mekkanische 95 - mesopotamische 92,222 - polnische 247 - römische 186,196,216,222,255,267, 276f., 293 —» auch: Kleinbauern; Landmann; Teilbauern Bauernabgaben 247 Bauernbefreiung 207,230 Bauerngemeinwesen 4 Bauernheer 282 Bauernland 101,224

Sachregister Bauernpolitik 253 Bauernprodukte 247 Bauernschichten 276 Bauten (öffentliche) 102,173,264,269, 287 Bautenpolitik 268 Bazar 81 Beamte lOf., 18,25,65,95,122t, 130,133, 142,795,221,232,248,290 - asiatische 87f. - chinesische 88 - englische 165f., 194 - griechische 219,265,292 - italienische 200-203,205f., 208t, 216, 226 - japanische 86 - mesopotamische 115 - römische 189,209-211,293,295 - spartanische 212 - venezianische 149,153,155t, 158 —» auch: Finanz-; Gemeinde-; Haus-; Hof-; Jahres-; Kommunal-; Lokal-; Militär-; Stadt-; Wahlbeamte Beamtenmacht 88 Beamtenstab 201 Beamtenstadt 10,13,64 Beamtenstellen 265 Beamtentum 158,219 —> auch: Berufs-; Groß-; Laienbeamtentum Beamten Verwaltung 115 Bedarf (ökonomischer) 9-11,61,63,67, 176,185,241,247,258 —> auch: Alltags-; Geld-; Haushalts-; Konsum-; Militär-; Nahrungs(mittel)-; Staatsbedarf Bedarfsdeckung 61,84,185,260 —» auch: Eigenbedarfs-; Marktbedarfsdeckung Beduinen 95,97 Befestigung, befestigungslos 14,18,74, 75f.,79f.,84 Befestigungsrecht 85 Begräbnis 135 Behörden 18,73,84f., 89,124,156,166, 206,208,240f. —» auch: Gerichts-; Kommunal-; Staats-; Stadt-; Verwaltungs-; Zentralbehörden Behördensitz 20 Beleihung 264f. Berlin 67

335

Bern 270 Beruf, Berufe 89,207,266 Berufsbeamtentum, berufsmäßiges Beamtentum 158,160f. Berufseinung 138,143 Berufsekstatiker 261 Berufsgott 260 Berufsheer 230,291 Berufsinnung 241 Berufsstand, berufsständisch 21,136 Berufsunternehmer 195 Berufsverbände 18,86,88f., 95,98,138, 194,200 Beschäftigung (von Handwerkern) 268 Beschäftigungslosigkeit 257 Beschneidung, unbeschnitten 23,112,121 Besiedelung 242 auch: Siedelung Besitz, Besitzer, Besitzungen 68f., 80,109, 133,146,162,174f., 182,184t, 192t, 215, 222,248f., 253,258,265,267t, 270,273, 276,287t, 294,297 —> auch: Boden-; Burgen-; Erb-; Geld-; Gemeinde-; Geschlechter-; Großgrund-; Grund-; Haus-; Hypotheken-; Kapital-; Land-; Lehen-; Menschen-; Minder-; Plantagen-; Privat-; Schiffs-; Sklaven-; Stadtgrund-; Streu-; Vermögensbesitz(er) Besitzumwälzungen 288 Besitzverhältnisse 288 Bestätigungsrecht 239 Besteuerung, Besteuerungsobjekt 129, 164,168,240,249 —> auch: Selbstbesteuerung Besteuerungsgrundsätze 73 Bethlehem 115 Betrieb, Betriebe 67,83,102t, 195,249 —»auch: Erwerbs-; Gewerbe-; Groß-; Großhandels-; Handels-; Klein-; Wirtschaftsbetrieb Betriebsmittel 102 Bettziechenweber 31,137 Beute, Beuteanteil 35,68,182,264,269f., 282 —> auch: Kriegs-; Seekriegsbeute Beutechancen 291 Beutelust 299 Beutepolitik 7 Beutesklaven 257 Bewässerung, Bewässerungskultur 5f., 16

336

Sachregister

Bewässerungspolitik 143 Beweiserhebung, rationale 236 Beweismittel 131,236 Bewirtschaftung 144,248,267,291 Bewucherung, bewuchert 186,222 Bilad 95 Bildersturm, bilderstürmerisch 149 Bildung, gebildet 171,230 —» auch: Schrift-; Universitätsbildung Binnenland, binnenländisch 4,83,113, 271,289 Binnenstadt 1,7,36,70,104,270,274,288 Bischof, Bischöfe, bischöflich 83,91,118, 127-131,133,141f., 163,166,188,272 Bischofsgewalten 127 Bischofsprivilegien 91 Bischofsstädte 30,141,170 Bithynien 257 bitu 92 Blutsühne 182 Bochum 65 Bodenakkumulation 273 Bodenbesitz 95,153,158,249,267,278, 287f. - städtischer 100 - in der toten Hand 249 Bodenbesitzmonopol 287 Bodeneigentum 101 Bodenerwerb 288 Bodennutznehmer 268 Bodenrecht 73,101 Böhmen 140 Boioter, Boiotien, boiotisch 187,274,286, 290 Boiotischer Bund 290,292 Bologna 111,131,201,202,227 Bombarden 209 borough 75, 76,170 —» auch: burh; rotten boroughs Botendienst 63,80,106 Bourgeoisie 282 Brabant 133,135 Brahmanen, Brahmanismus 19,90,109, 261,312 Brandenburg 140 Brescia 201,202,211 Briefpost 150 Brotpreis 256 Brüder, unbeschnittene 112 —» auch: Heidenchristen Brüderlichkeitsidee 21

Bruderschaft, Brüderschaft 30ß, 135,137, 138,180 —> auch: Schwurbrüderschaften; Verbrüderung Buchführung 232 Buddha-Zeit 78 Buddhismus 89f. Bund, attischer 290 —> auch: Bundesgenossen; Seebund Bundesbuch (des Alten Testaments) 223 Bundesgenossen, Bundesgenossentribute (Athen) 221,256,269,290 Bundesstaat, bundesstaatlich 221,292 Bundesverträge (Athen) 221 Bundeszeit (des Alten Testaments) 78 Bureaukratie —»Bürokratie Bureaukratisierung —» Bürokratisierung Burg 4,14,16,22,74,75 -77,78,79 - 81, 102,117,131f., 164,173,175,178,179, 185,191f., 207,253 —»auch: Akropolis; Felsen-; Geschlechter-; Küsten-; Land-; Räuber-; Seeburg(en) Burgadel 16 Burgadelsgeschlechter 78 Burgenbau 76f., 79,183 Burgenbesitz 183,192 Burgenbesitzer 127 Burgenkönigtum 4,16 burgenses 76,80 Bürger, bürgerlich 67,81,84,88,99,107109,112,144,179,2421,248f., 253,265, 282 - (Antike) 7,33,36f., 74,116,156,183, 210,212,213-215,217f., 221,223,251f., 254,255,256f., 258,260,263,264,266, 265,269,275f., 281 -283,285-289,292 - (Mittelalter) 7,24,26,32,68,75f., 80, 106,117-119,122-126,130-134, 138-143,146f., 159,161,163,165-167, 169,170-172,194f., 1971,203,208,221, 228-230,237f., 240,249-251,263,271, 274 —> auch: Acker-; Aktiv-; Außenbürger; cives; Einbürgerung; Klein-; Passiv-; Pfahl-; Reichsstadt-; Stadt-; Voll-; Zunftbürger Bürgeraufgebot 225,289,291 Bürgeraufstand 230 Bürgereid 118 Bürgereinung 142 Bürgergemeinde 25,139,144

Sachregister Bürgergemeinschaft 244 Bürgergilde 138 Bürgerheer 164,207,229,268,290 Bürgerhopliten 284 Bürgerkorporation 107 Bürgerkrieg 289,294 Bürgerkriegszeit (römische) 278,279 Bürgerlasten 166 Bürgermeister 90,124,133,141f., 161f., 168,190,199,221,233 Bürgermiliz 144,234,285 —» auch: Bürgerwehr Bürgerpolis 5,40 Bürgerprivilegien 164,242,274 Bürgerrecht 35,126,132,139,165,180, 194,245,281,290,292 —» auch: Vollbürgerrecht Bürgerrechtspolitik 290 Bürgerrechtsverleihung 139 Bürgerregister 256 Bürgerschaft 32,35,91,235 - (Antike) 5,16,116,117,190,209,211, 212,216f., 223,225,256,263,266,285, 288,291f., 295 - (Hamburger Stadtparlament) 171 - (Mittelalter) 104,118,121f., 128,129f., 1331,140-142,163,166,168,200,202, 206,229,249f., 265 —» auch: Festungs-; Stadt-; Zunftbürgerschaft Bürgerstand 85,89,93,170 Bürgerstolz 292 Bürgertum 1,7,23,39,43,47f., 89,91,163, 170,205,208,229f., 247,250,262,265f. —> auch: Erwerbs-; Klein-; Stadtbürgertum Bürgerverband 119,124f., 143,166f., 171, 215,244f.,251,287 Bürgerverbrüderung 21,126 Bürgervermögen 286 Bürgerversammlung 80,129,145-147, 155,212,215,239 Bürgerwehr, Bürgerwehrpflicht 203,274f. —»auch: Bürgermiliz Bürgerzunft 261,263,273,287,290-292 —> auch: Vollbürgerzunft Burgfrieden 14,80 Burgfürst 78,82f. Burgfürstentum 77 Burgherr 79,130,185 Burgkommandant 77 Burglehen 102

337

Burgmannen 76,102 burh 75f., 79f. —>auch: borough Bürokratie 4-6,16f., 88-91,144f., 157, 169,775,272 —» auch: Bau-; Patrimonialbureaukratie Bürokratisierung 18,87,144 Büttelpersonal 221 Byblos 91 Byzanz, byzantinisch 64,78,98f., 100, 148-150,757,753,298 —> auch: Konstantinopel Cagne 69 Cambridge 735 campus Martius 80,81 Candianen 150 Canterbury 136 Capitan —»Volkscapitan —» auch: Kriegscapitanat capitanei (Vasallen) 127,130,372 capitaneus populi Volkscapitan CapitolS0,270 castellani 130 castelli 79 Censor —> Zensor Census —» Zensus centuria fabrum —» Handwerkerzenturien Centuriatcomitien —» Comitien Centurie 260,312 Ceres-Heiligtum 209 Chalkis 191 Chancen —» Absatz-; Beute-; Erwerbs-; Geldeinnahme-; Gewinn-; Großerwerbs-; Kleinerwerbs-; Lebens-; Pfründen-;Verdienstchance(n) Charisma, charismatisch 94,757,198,217 —> auch: Amts-; Gentilcharisma Charter 163,237 cheber 93 chelek 68 Chersones, chersonesisch 69,185,293 Chersson (russisches Gouvernement) 59 Chewra 138 China, chinesisch 7,73,16,18-20,41,64, 73,76,78,85,87-89,95,108-110,115, 121,143-145 - Altchina, altchinesisch 76,78 Chios 69,291 Choregie 286 Chorlyrik 224

338

Sachregister

Chou-Dynastie 76 Christen, Christentum 22f., 114,118f. —* auch: Heiden-; Judenchristen Christengemeinde 119 Christianisierung (Rußlands) 78 Chrysobullon 153 cimatori 206 Ciompi 205 Citystädte 67 cives (Bürger von Venedig) 154 cives meliores 130 Claudier —» gens Claudia Clientel Klientel collegium 259 - mercatorum 260 —> auch: Kollegien (von Gewerbetreibenden) Colmar 138 coloni —» Kolonen Comitien, Komitien 266f., 312 - Centuriatcomitien 81,188,260 - Curiatcomitien 80 - Tributkomitien 266 comitium (Versammlungsplatz) 80 Commenda —> Kommenda Commons 170,235 communanza 201 Commune —» Kommune Communekonstitution 108 compagna communis 128,129 company 167 Condottiere 227,229,312 confraternitas 134,136 —» auch: fraternitas coniuratio, Conjuratio, Konjuration 20, 23-26,31,36,42,118,1251,129,133, 135f., 138f., 140,145,165,179,312 —» auch: Eidverbrüderung; Eidverschwörung; Schwurbrüderschaften; Schwureinung; Schwurgemeinschaft; Schwurverband; Schwurverbrüderung conjuratores fori (in Freiburg) 140,171 connubium —> Konnubium Constaffeln 106,199 consul, Konsul - (Mittelalter) 124,130f., 140,142,160, 171,239,572 - (Rom) 94,189,209,213,278,312 Consulat 94,210 Council, Councillors 168,194 court baron 244

court leet 244 coviria 181 credenza 130,201 Crema 160 Cremona 131 curiae —» Kurien Curiatcomitien —» Comitien Damaskus 114 Dänemark, dänisch 29,66,135 Dardaner 174 Darlehengeber, Darleiher 184,193 Dauerrentenquellen 249 Dauerverbände 113 Deboralied 77,108 Defensoren 149 Deisidämonie 176 Dekeleia79,179,181,287 Deklassierung, deklassiert 211,254f., 257, 268f., 276 Delos 252 Delphi, Delphoi 184,252 Demagoge 219f., 281,298 Demagogie 206,281 Demen, Demoi 179,215,217,2591, 265-267,272,295,313 Demeneinteilung, Demoieinteilung 260, 293 Demenverfassung 273 Demiurgen 259f. Demoi —> Demen Demoieinteilung —» Demeneinteilung Demokratie, demokratisch 5,26f., 33,35, 37f., 116,146,152,170,172,185,187, 203,206,214-219,220,221,224,226, 251,255,258-260,262-264,266, 268-270,272,279-282,284,286-288, 290,295 —» auch: Hopliten-; Mittelstands-; Stadtdemokratie(n) Demos 33,35,38,93,181,198,209,213, 215-220,222,224£, 254,259,263-267, 269,274,283,288,290-292,295,299, 313 Demotionidenakten 181 Depositenkassen 184,252 Depossedierung, depossediert 154,255 Derwische 99 Detaillisten, detaillieren 66f., 71 —» auch: Großdetaillisten 238 Deuteronomium 223,249

Sachregister Deutschland, deutsch 7,15,24,27-30,33, 37,66,68,75,79,91,105,106f., 122,132, 135,136f., 141 -143,146,150,159,167, 170,191f., 198-200,208,221,234-236, 239,245f., 247,250,253,272 - Niederdeutschland 200 - norddeutsch 29,66,146,234 - ostdeutsch 265 - süddeutsch 140,142,234 - westdeutsch 234 Dewi 95f. Diakrier 186 Dienstleute 79,101 —» auch: Ministerialen Diktator (römischer) 189 Ding 146,313 Dinggemeinde 123 Dinggenossen, Dinggenossenschaft 123, 151 Dingverband 114 Dionysoskult 224 Dissenters 244 Disziplin, diszipliniert 155,176,181,270, 272 —> auch: Hoplitendisziplin Disziplinargewalt 213 Dividenden 64 Doge, Dogenherrschaft, Dogentum 32,83, 150,151,152-155,157,189,313 Domkapitel 106 domus civium 134 domus divitum 134 domus mercatorum 201,202 Doppelkönigtum (Sparta) 183 Dorer, dorisch 177,180-182,183,212 Dorf 4,15,18,20,59,60,61,67f., 70,72f., 74,75f., 80,87,89,95,102,167,178f„ 212, 223,260 —»auch: Gewerbe-; Heimat-; Straßendorf Dorfgemeinde 87,101,109,116 Dorfgemeinschaft 87,114 Dorfgenosse 86 Dorfmarken 260 Dorfverfassung 274 Drepana 264 Dubowka (Gouvernement Saratow) 59 Dukat (Venedig) 154 Düsseldorf 67 Dux 149f. Dynastien 189,230

339

Edelmetallschatz 62 Egibi (babylonisches Handelshaus) 186 Ehe —»Konnubium Eheanwärter 279 Ehebruch 285,293 Eheschließung 279 Ehrbegriff, ritterlicher 176 Ehre 204 —> auch: Standesehre Ehrenämter 219 Ehrengaben 190 Ehrenvorrechte 177,213 Eid, Eidesleistung 24,125f., 128,129,139, 142,154,167,206,214,221 —> auch: Amts-; Bürger-; Gehorsams-; Sippeneid Eidbrüderschaft 23 Eidgenosse 108,129 Eidgenossenschaft 17,184 Eidverband, eidlicher Verband 128,131 Eidverbrüderung 24,125,129f„ 199 Eidverschwörung 20,23,25 Eigenbedarfsdeckung 70 Eigenhandel 177 Eigenkirchenrecht, eigenkirchlich 150, 157 Eigenpolitik, eigenpolitisch 235 Eigenproduktion 186,248 Eigenrechte, politische 233 Eigenunternehmen 282 Eigenwirtschaft, eigenwirtschaftlich 67, 69,176,258 Einbürgerung 118 —»auch: Zwangseinbürgerung Eingemeindung 265,272,295 Einheitsstaat, einheitsstaatlich 89,292 Einquartierung 131 Einung, Einigung 21,27,30,36,57,92,127, 133,135 -140,145,165,170,172,260, 262f. —» auch: Berufs-; Bürger-; Friedens-; Handwerker-; Schwur-; Sonder-; Stadteinung Einwohner, Einwohnerschaft 59,63,72, 76,84,86,98,129,240,246,288 Einzelgemeinden 292 Einzelhandwerker 258 Einzelkämpfe, Einzelkämpfer 174,214 Einzelunternehmer, Einzelunternehmungen 193,205 Einzelverbände 200

340

Sachregister

Eisleben 243 eisphora 265,286 Ekbatana (Hamadan) 75 Ekklesia (Volksversammlung) 217,266, 285,298,313 Ekstase, ekstatisch 99,298 —> auch: Berufsekstatiker Elbegebiet 75 Elefanten 90 Eleusis, eleusinisch 110,259 Elis 110,179 Emilia 231 Emire 96 Emolumente 282 Endogamie, endogam 109 England, englisch 1,7,19,24,26,29,37,75, 76,191,105,107,121f., 131,134-136, 139,146,256,162-166,167,168-170, 194,198,219f., 234 - 237,239f., 243 - 245, 248,253,267,272 —»auch: Angelsachsen Entmündigungsformel (römische) 285 Entrechtung, entrechtet 154,197,213 Entwaffnung, entwaffnet 229f., 295 Ephoren 33f„ 212-214,292,313 Epidamnos (Dyrrhachium) 193 epidosis 286 Eponymie, eponym 83,261 equites —» Ritter (Rom) Erbanwartschaften 273 Erbbesitz 294 Erbfähigkeit 180 Erbkönige (bei Homer) 173 Erblichkeit (von Ämtern) 150,152,227 Erbschaft 195,280,283 Erbtöchter, Erbtochterrecht 273,284 Erbuntertänigkeit (Schlesien) 104 Erechtheion 102,258,269 Erechtheus 102 Eretria 191 Ergasterien 153,184,215,258,313 Erlösungsreligionen 89 Ernennungsrecht (der Ratsmitglieder) 141 Eroberung, erobern, erobert 35,113f., 116, 120,162,182f., 192,288 Eroberungsgebiete 275f. Eroberungskrieg 153 Eroberungspolitik 225f. Erwerb (ökonomischer) 37, 61,64,70,84, 102,104,106,192,204,268,275,282, 288f.

—» auch: Boden-; Grund-; Kolonial-; Land-; Nebenerwerb Erwerbsarbeit 197 Erwerbsbetrieb 11,67 Erwerbsbürgertum 281 Erwerbschancen 2,7,10,63,65,71,95, 104,155,158,193,243 —» auch: Groß-; Kleinerwerbschancen Erwerbsformen 282 Erwerbsgeschäfte 67 Erwerbsgier 197 Erwerbs-Kapital 154 Erwerbsklassen 127 Erwerbsleben 36,60 Erwerbsmenschen 281 Erwerbsquelle 61 Erwerbsspielraum 104,242 Erwerbsstände 194 Erwerbstätigkeit 197 Erwerbswille 283 Erwerbswirtschaft, erwerbswirtschaftlich 9,248 Erwerbszwecke 229 Erzeugnisse 61 Erziehung 181,285,297 Essen 65 Este (Dynastie) 227 Ethnos, eOvri 178,182,276 Etrurien, Etrusker, etruskisch 77,177,182, 188,225,298 Euboia 191 Eumaios 176 Eupatride 183,193,259,313 Euphrat 4,16,83,93 Europa, europäisch 1,13,33,43,73,91, 105,113,143,206,247,270 - Mitteleuropa, mitteleuropäisch 62,241 - Nordeuropa, nordeuropäisch 79, 105-107,112,170,238,247,254,275 - südeuropäisch 36f., 107,111,135,253, 270 - Westeuropa 226 - Zentraleuropa 237 —> auch: Kontinent Eurypontiden 183 Exekution (Schuldvollstreckung) 210,277 Exercierplatz, Exerzierplatz 74,80 Exerzitien, militärische 282 Exil (der Juden) 17,93,120f. Exogamie, exogam 109 —> auch: Sippenexogamie

Sachregister Expansion (politisch-militärische), Expansionspolitik 16,36f., 45,181,264, 261t, 275,281,283f., 289,291f. Export 70 Exportinteressen 241 Exportproduktion 269 Fabrik 65 Familie, Familien 76,79,95f., 128,155,158, 160,181,187,192,197f., 206,215,249, 254,266,277,294 - adelige 129,157 - begüterte 158,226 - mächtige 130,206 - privilegierte 171 - ritterlich lebende 203 - stadtsässige 267f. —» auch: Adels-; Grundadels-; Herren-; Kronvasallen-; Ministerialen-; Patrizier-; Senatoren-; Stadtadelsfamilien Fanti 108 Faustkampf 297 Fehde 94,96,108,127,135,158,234 Feiern, kirchliche 119 —> auch: Feste, kirchliche Felddienst 207,295 Feldherr 210,278,292,294f. Feldzug 188,278,286 —» auch: Krieg Felsenburg 75 Fernhandel, Fernhändler 7,14,66,67,128, 136,299,238 Fernhandelsgewinne 5 Fernhandelsmarkt, Fernmarkt 61f. Fernhandelspolitik 242 Fernhandelsstädte 242 Ferrara 227 Feste - Athen 254,286 - Griechenland 297 - kirchliche 249 —» auch: Turnfeste Festland 153,157 Festung 73,75f., 78,79,84f., 88-90,100, 111,121,201,245 Festungsbürgerschaft 81 Festungsstadt 14,79,247 Festungswachtdienst 207 Feudaladel 91,164 Feudalherren 163,230 Feudalismus 164,253

341

Feudalität, feudal 88,91,111,127,157,163, 167,169,188,232,239,244-246,271£, 274,276,293,296,299 —» auch: Amtsfeudalität Feudalzeit (China) 89 Feudalzeitalter 4 feudum castrense 102 fides 277 filatori, filatrici 205 Finanzbeamte 219 Finanzbedürfnisse 153f. Finanzen, Finanzwesen 25,109,200,202, 242 Finanzkontrolle 220 Finanzkraft 238 Finanzleistungen 167 Finanzmacht 145,170 Finanznot 239 Finanzoperationen 241 Finanzverwaltung 155,201,239 Finanzwirtschaft, finanzwirtschaftlich 165 Finanzzwecke 232 firma burgi 165,240 fiscus 296 Flandern, flandrisch 25,66,105,133,135, 234 Fleischer 96f. Fleischscharren 249 Florenz, Florentiner, florentinisch 34,111, 147,159,191,196-198,202/, 204,205, 207,208,228,232,248,289 Flotte 33,82,157,252,254,256,264,269, 274,284,291 —> auch: Kriegsschiffe Flottendienst 284 Flottenrüstung 151 Flurzwang 70 Flußstraßen 83 fora 80 formalrechtlich 25f., 28,35,95,119,122, 124-126 - * auch: Recht, formales Forum Boarium 80 franchise 121 Frankenreich, fränkisch 114,150,151 Frankfurt (am Main) 243 Frankreich,französisch 7,26,29,37f.,105, 107,126,131,134,207,2281,231,234, 236-238,239,240,242f., 245,272 - nordfranzösisch 24f., 37,135,136,253 - südfranzösisch 37,253

342

Sachregister

französische Revolution 38,242 fraternitas 137,313 —> auch: confraternitas Frauen (in Sparta) 273 Freiburg (im Breisgau) 31,140,171 Freie, frei 102,282f. Freigelassene 35,101,103,215,259,263, 275,279-283,293-296 Freiheit, Freiheiten 4,36,38,92,104f., 140, 247,285 Freiheitsrecht 141 Freikauf 103,252,283 —»auch: Loskauf Freizügigkeit 85,187,284 Fremde 12,84,91f., 118,121,183,223,286 Fremdenführer (Mekka) 96,97 Fremdmacht 251 Friedensbezirk 210 Friedensbürgschaft 86 Friedenseinung 135f. Friedensrichterverwaltung 170 Friedensverwaltung 295 Frohnden, Fronden, Fronen, Fronleistungen 63,151,216,246,260,313 Frohnpflicht, fronpflichtig, Fronverpflichtung 4,152,247 Fronarbeit, Frondienst 10,100,104,173, 186 fronfrei (Grundbesitz) 143 Fronhof 100 Fronhofshandwerker 30,137 Fronhofsverfassung 30,230f. Fronkönigtum 173 Fronkultur 173 Fronleistungen —> Frohnden Fronstaat 177 Fronverwaltung 174 Frühmittelalter —» Mittelalter fundus 68 Funktionäre 122,219,221 Funktionsgott 108 Fürst, fürstlich 10,61-63,72,78,82f., 88, 92,95,109,114,141,153,159,161,227, 229-231,243,249,256,271 - Kleinfürst 77 —» auch: Burg-; Kriegsfürst; patrimonialfürstlich; Stadtfürst Fürstenhof 61f. Fürstenkonzession 62 Fürstenpolitik 231 Fürstensitz 61f.

Fürstenstadt 10f., 61,63f., 83 Fürstentum 33,69,11,230 —» auch: Burg-; Patrimonial-; Stadtfürstentum Fürstenverbände 245 Fürstenwürde —» Gaufürstenwürde Fußvolk 115,260,268 Galata (Stadtteil von Konstantinopel) 69 Galaterbrief 23,111 Gallier 178 Ganges 78 Garnison 14,76,79,81,100,149,191,276 Garnisondienst 75,275 Garnisonort, Garnisonsort 73f., 121 Garnisonsstadt 76 Gärten von Fadak (Mekka) 109 Gartenkultur 273 Gärtner 275 Gastgeschenke 175 Gastlichkeit 108 Gaststamm 120f., 188,261 Gastvolksverhältnis 118 Gathas 78 Gaufürstenwürde 183 Gebets-Verbrüderungen 21 Gebietskörperschaft, gebietskörperschaftlich 15,123,132,169,217,237 Gefangene 288 Gefolge, Gefolgschaft, Gefolgsleute 4,14, 76,77,81,93,114,115,144,150,160,162, 174t, 177,225,277,295 Gehorsamseid 139 Geiseln 160 Geistliche, Geistlichkeit, geistlich 91,97, 128,248-250 Gelage 135 Geld, Gelder 102,139,143,215,246 —> auch: Geleits-; Heliasten-; Kommenda-; Loskaufs-; Schutz-; Spar-; Tage-; Theater-; Wehrgeld(er) Geldausgaben 154 Geldbedarf 238t, 272 Geldbesitzer 238,270 Geldeinnahmen, Geldeinnahmechancen 81,83,246,271 Geldern (niederländische Provinz) 64 Geldgeber 67,83,179,193,196,222,238 Geldgeberpatriziat 157 Geldleute (Babylon) 145 Geldmacht 271

Sachregister Geldmarkt 238 Geldrenten, Geldpensionen 64,104,246 Geldvermögen 94 Geldwechsel 194 Geldwirtschaft, geldwirtschaftlich 4,62, 64,104,149,153f., 247-249,258 Geldzahlungen 145,228,291 Gelegenheitsamt, gelegenheitsamtlich 219,221 Gelegenheitsbeteiligung 192 Gelegenheitshändler 193,238 Gelegenheitsunternehmer, Gelegenheitsunternehmung 193,195 Geleitsgelder 62 Gemeinde 5,14f., 17,22f., 27,60,84,85,86, 88,93,102,109,112f., 121,128,132,138, 140f., 151,156f., 160,166,184,189,201, 209,211,214,227,232,244,252,254,264, 288,292f. - anstaltsmäßige 112 - kirchliche 114 - konfessionelle 93,121 - politische 72,109,200 - religiöse 18,117 - städtische 143 —> auch: Bürger-; Christen-; Ding-; Dorfgemeinde; Eingemeindung; Einzelgemeinden; Heimat-; Kirchen-; Kult-; Land-; Mark-; Mystengemeinde; Ortsgemeindeprinzip; Parochial-; Sonder-; Stadt-; Straßen-; Untertanen-; Wehrgemeinde Gemeindeämter 195 Gemeindeautonomie 84,292 Gemeindebeamte 120,214 Gemeindebegriff 15,169 Gemeindebesitz 87, 254 Gemeindebildung, Gemeindeentstehung 24,68,168 Gemeindeeigentum 109 Gemeindeheilige 117 Gemeindeherd 117 Gemeindeverband 98,115 Gemeindeverfassung 91 Gemeindevertretung 194 Gemeinschaft, Gemeinschaften 111,240, 297 - außerstädtische 112 - kultische 179,221,261 - lokale 185,260,278 - religiöse 109

343

- rituelle 119,121 - staatliche 221 —> auch: Abendmahls-; Abstammungs-; Bürger-; Dorf-; Haus-; Interessen-; Kult-; Schwur-; Siedlungs-; Sonder-; Speise-;Tischgemeinschaft; Vergemeinschaftung YEVT] 181 Generalstände 132,207 Genossen, Genossenschaften 21,93,135, 165 —> auch: Ding-; Dorf-; Eid-; Geschlechter-; Geschlechts-; Gildegenossen; Kultgenossenschaft; Nichtsippengenossen; Pflichtgenossenschaft; Phratriegenossen; Rechts-; Schutz-; Schwurgemeindegenossen; Speisegenossenschaft; Standesgenossen Genossenversammlung 38 gens 116f., 185,313 - Claudia (Claudier) 94,185,267,278, 294,296 - Fabia 278 Gentilcharisma, gentilcharismatisch 174, 177,183f., 198,219 Gentilverband 113 gentry 166,170,261,313 Genua, Genueser, genuesisch 69,125, 128f., 146,191,228f., 232,234,288 Gericht 14,84f., 87,108,122f., 131,132, 140,164,174,201,208,238,249,278, 286 —» auch: court baron; court leet; Grundherren-; Geschworenen-; Königs-; Landes-; Sonder-; Stadt-; Volksgericht(e) Gerichtsbarkeit 84,130,153,156,164f„ 201f., 212,220,237f., 244 Gerichtsbehörde 237,295 Gerichtsbezirk 85,121,238 Gerichtsdienstpflicht 166 Gerichtseingesessene 123 Gerichtsgewalt 88,127,160 Gerichtsherr, Gerichtsherrlichkeit, gerichtsherrlich 151,238,240,244,247 Gerichtshörigkeit 293 Gerichtsklientel 279 Gerichtsumstand 175 Gerichtsverfassung 123 Gerichtsvertretung 278 gerim 121,188

344

Sachregister

Germanen, germanisch 12,27,29,101, 113,114f., 123,135,175,188 Geronten 190 Y£gö)Xoi 190 Gerusia 212 Gesamtgilde 29,200 Gesamtverwaltung 296 Gesandte 232,294 Geschäftsformen 193 Geschäftsführung 251 Geschäftshäuser 67 Geschenke 165,175,187,277 Geschlechter 22,33,79,92,95 -98,100, 108,117,124,127,132,136,139,142,146, 148f., 152,154,155,171f., 174,178f., 181, 183f., 185,188,190-194,196 - 200,204, 211,214f., 216,222,224,227f., 230,238, 255,259,262,265,272,279,284,291, 294f. - adelige 79,132,139,174,181,183 - patrizische 92 - ritterliche, ritterlich lebende 98,132, 192,197,199f. - senatorische 196 - städtische 193 - stadtsässige 95,98,179,204,255 - tribunizische 149,198 - wehrhafte 124 —» auch: Adels-; Honoratioren-, Königs-; Kriegergeschlechter; Patrizier; Possessoren-; Priester-; Rats-; Ritter-; Schöffen-; Stadt-; Stadtadelsgeschlechter Geschlechterbesitz 127 Geschlechterburg 79,179 Geschlechterfehde 32,111,158,162,190, 204,208 Geschlechtergenossen 101 Geschlechterherrschaft 32,148,158,162, 190,197,214,2161,226,279 Geschlechterpolis 40,176,190 Geschlechtersiedelung 95 Geschlechtersippen 98 Geschlechterstaat 273 Geschlechterstadt 32,56,145,154,156, 172,178,187f., 216,270 Geschlechterverbände 116,217,265,295 Geschlechterzeit 159,288 Geschlechtseigentum 109 Geschlechtsgenosse 180,183 Geschlechtshaupt 189f., 278

Geschworene 37,133,216,218,219,264, 286,287,295 Geschworenendienst 85 Geschworenengericht 218,290 Geschworenenkollegium 218 Gesellen 241 Gesellenverbände 138 Geselligkeit 24,135 Gesellschaft —» Vergesellschaftung —» auch: Heldengesellschaft Gesellschaften —» Aktien-; Handelsgesellschaften gesellschaftsfähig 297 Gesetz, Gesetze, gesetzlich 93,152,201, 217-220 —> auch: Amortisations-; Klassen-; Schuldhaft-; Strafgesetze; Zwölftafelgesetz Gesetz, jüdisches 23,93 Gesetzeskraft 227 Gesetzgeber, Gesetzgebung 160f., 201, 207,217,221,263,276 Gesinde 76 Getreideankäufe 256,286 Getreideausfuhr, Getreideausfuhrverbote 224,256 Getreidehändler, Getreidehändlerzunft 96f. Getreidepolitik 70 Getreidespenden 254,256f. Getreidesteuern 257 Getreideversorgung 35,256,269 Getreideverteilungen 256,264 Getreidezufuhr 256 Gewalt, Gewalten 124,126,128,149,156, 174f., 190,205,210 - außerstädtische 199 - feudale 157,272,274 - grundherrliche 124,253 - hierokratische 271 - konkurrierende 99 - legitime 125,209,230 - patrimoniale 157 - politische 122,124,157,188,213,227, 231,265,270 - tribunizische 156,211,213 —> auch: Amts-; Bann-; Bischofs-; Disziplinar-; Gerichts-; Herrschafts-; Herrscher-; Kassations-; Königs-; Laien-; Militär-; Monopol-; Patrimonial-; Polizei-; Satzungs-; Stadt-;

Sachregister Steuer-; Straf-; Vogtei-; Zentral-; Zwangsgewalt Gewaltenteilung 151,155 Gewalthaber 227£, 230,271 Gewaltübertragung 228 Gewaltunterworfene 105 Gewandschneider, Gewandschneidergilde 66,136 Gewerbe 7,11,37,60,64f., 67,69,71,81, 85,100,103,104,121,196,241,250,252, 257,259,263,265f., 275 —» auch: Speditions-; Transportgewerbe Gewerbebannrechte 122 Gewerbebetrieb 60,64,103,148,241,280 Gewerbedorf 60,103f. Gewerbeinteressenten 271 Gewerbeortschaften 70 gewerbepolitische Interessen 255 Gewerbepolizei, gewerbepolizeilich 195, 241 Gewerbeprivilegien 122 Gewerbeprodukte 62 Gewerbesachen 201 Gewerbesitze 85 Gewerbestadt 11,64f., 244 Gewerbetreibende 33,62t, 65,70f., 83, 195,197,202,207,228f., 261f., 266f. —» auch: Kleingewerbetreibende Gewerkschaften —» Arbeitergewerkschaften Gewinn, Gewin(n)ste 37,66f., 193,244 Gewinnchancen 96,100f., 169,186,280, 282,287 Gewinstanteile 98 Ghana —> Goldküste Ghibellinen 159 gibborim 93 Gilde 19,21,24,27-29,85f., 88f., 119,126, 134f., 136,138f., 145,165,166,167,200, 236,260£, 313 —» auch: Bürger-; Gesamt-; Gewandschneider-; Handels-; Händler-; Kaufmanns-; Krämer-; Schutz-; Wassergilde Gildegenossen 165 Gildemeister 200 Gildenattribute 136 Gildentheorie 29,136,138 Gildenverband 90 Gilderecht 165 Gildeverbrüderungen 21

345

Gläubiger 179,255,285 Gleichordnung, ständische 148 Gloucester 139 Goldenes Buch (Venedig) 155 Goldküste (Ghana) 1,18,108 Goldschmiede 195,199 gonfaloniere della giustizia 203 Gonsawa (Provinz Posen) 60 Gortyn 181 Goslar 251 Gott, Götter, Gottheiten 83,108,117,174, 176,180,183f., 209,252,285,297 —»auch: Berufs-; Funktions-; Lokal-; Stadtgott Göttervermögen 184 Gottesurteil 164,236 Gracchen, Gracchenzeit 211,268 Grado 150 Graf 83,129,132,159 —> auch: Vicomte Grafschaft 75,165,170 graphe paranomon 218,220 Gratifikation 35,254 Gremium —»Honoratiorengremium; Kollegien; Wahl-; Wahlmännergremium Grenzgebiet 75 Grimaldi 69,254 Großbanken 67 Großbeamte, Großbeamtentum 63,243 Großbetriebe 241 Großdetaillisten 238 Großerwerbschancen 67 Großgrundbesitz, Großgrundbesitzer 149, 154,222 Großhandelsbetrieb 194 Großhandelsschichten 68 Großhändler 150,194 Großhaushalt 11,63 Großkönige, Großkönigreiche 91,120 Großkonsumenten 11,63-66 Großmacht, Großmachtstellung 290f. Großstaat 15,45,94,112 Großstadt, großstädtisch 12,65,67,221 Großunternehmer 270 Großunternehmertum 263 Grundadelsfamilien 267 Grundaristokratie 170 Grundbesitz, Grundbesitzungen 70,73,76, 82,94f., 109,122,129,143,148,215,230, 236,254,266f., 288f., 291,293f. —> auch: Groß-; Stadtgrundbesitz

346

Sachregister

Grundbesitzer 70,80,116,118,119,129, 145,155,164,191,215,252,257,264,267, 275,277f., 296 Grundbesitzerschaft 166 Grundbesitzerschicht 267 Grundbesitzstand 288 Grundbesitzverfassung 73 Grundbesitzverhältnisse 73 Grunderwerb 282 Grundherr, Grundherrlichkeit, grundherrlich 10,12,61 - 6 3 , 6 9 , 7 0 , 8 4 , 9 5 , lOlf., 104,122,124,127,132,140f., 150, 157,166f., 1 7 0 , 1 7 5 , 1 7 9 , 1 8 4 - 1 8 7 , 1 9 2 , 207,222,236,238,243-248,253,262, 269,271,288 Grundherrengerichte 254 Grundherrensitz 62 Grundherrenstand 154 Grundherrschaft, grundherrschaftlich 91, 100,101,137,186,230,247,248,296 Grundrente 4f., 11,62-64,194,215,282,

313

Grundrentenbesitzer, Grundrentenbezieher 65,238 Grundrentner 267,293 Grundrentnerstadt 11,64 Grundstücke 68,75f., 140,231 —»auch: Haus-; Land-; Stadtgrundstücke Gruppeninteressen 88 Guelfen, Parte Guelfa 159,204 Gujarat (indischer Bundesstaat) 90 Gupta-Dynastie 90 Güter (Waren) 61 Güter (Besitztümer) 96,158,202,222,248, 293 —»auch: Landgut Güteraustausch 61 Gutsbezirke 265 Gymnasion 282,285,2971,313 —> auch: Übungsplätze Hafen 81 Hagenau 106 Halbkommunismus 181 Hamburg 171 Handel 11 f., 37,40,64,69,81-85,92,94, 102,129,153f., 176,179,186,192,236, 241f., 246,264f., 269,275,287 —> auch: Aktiv-; Außen-; Eigen-; Fern-; Klein-; Monopol-; Passiv-; See-; Sklaven-; Übersee-; Zwischenhandel

Handelsartikel 61f. Handelsbetriebe 64,83,103,193 —»auch: Großhandelsbetriebe Handelsflotte 82 Handelsgerichtsbarkeit 202 Handelsgesellschaften 202 Handelsgewinn 4f., 82,291 Handelsgilde 136 Handelshaus 120,186,232 Handelsherrschaft 153 Handelsinteressen, Handelsinteressenten 5,83,256,271 Handelskapitalien 215 Handelskartelle 235 Handelskorporationen 166 Handelsmonopol 134,153,288 —» auch: Zwischenhandelsmonopol Handelspatriziat 16 Handelsplätze —» Fern-; See-; Karawanen-; Zwischenhandelsplätze Handelspolitik 153,242 Handelspolizei 241 Handelsprivilegien 288 Handelssitz 85,100,121 Handelsstadt 11,66,73,83,148,193,244 —» auch: Fern-; See-; Zwischenhandelsstädte Handelsstraßen 243 Handelstreibende, Handeltreibende 207, 267 Händler 40,61-63,65,67,70-72,83f., 118,134,153,187,193,195f., 204,207, 241 —* auch: Gelegenheits-; Getreide-; Groß-; Klein-; Pelz-; Salz-; Seiden-; Spezerei-; Hichhändler Händlergilde 136 Händlerkasten 89 Händlerortschaften 70 Händlerstadt 11,64f. Händlerzunft 194 Handwerk 11,60,65,71,73,102,196,262,

289

Handwerker llf., 21,35,61,63,65,81,88f., 101f., 103,106,121,134,136f., 151,152, 172,187f., 197,199,2051,208,2571,259, 2621,2681,283 —> auch: Einzel-; Fronhofs-; Klein-; Kriegshandwerker Handwerkereinungen 138 Handwerkerkasten 89

Sachregister Handwerkerschicht 205,257 Handwerkerzenturien, centuria fabrum 188,259t Handwerkerzunft 30,100,138,172 Handwerksburschen 206 Handwerksverfassung 28 Hansa, Hanse 66,192 Hansestädte 234 Hantgemal 115 Harmosten 191 Harran 92 Hastings 162 Häuptling 4, 82,174 Hauptstadt 92,157 Haus 79,102,117,174,194 Hausarbeiten 176 Hausbeamte 151 Hausbesitz 64,73,76 Hausgemeinschaft 4 Hausgrundstücke 101 Haushalt, Haushaltsbedarf 10,63,247, 258,280 —» auch: Groß-; Herrenhaushalt; Hofhalt; Patrimonialhaushaltung Hausindustrien 243 Hausknechtsdienste 104 Haussklaven —» Sklaven Hausväter 112 Hausvermögen 151 Hauswirtschaft 8,10 haw 79 Heer 4,80,90,114,144,174,208,254,260, 268,291f. —> auch: Armee; Bauern-; Berufs-; Bürger-; Hopliten-; Klassen-; Kreuzfahrer-; Reichs-; Ritter-; Sold-; Stadtheer Heerbann 144 Heeresbildung 229 Heeresgliederung 182 Heerespflichtige, Heerfolgepflichtige 144t,175 Heeresrekrutierung 148 Heeresteilnehmer 144 Heeresversammlung 81,279 Heeresverwaltung 144 Heerführer, Heerführertum 174,225,291 Heilige 135,150 - * auch: Gemeinde-; Orts-; Stadtheilige heiliger Krieg 184 Heiligtum 102,184,209 —» auch: Apollon-; Ceresheiligtum

347

Heimarbeitsindustrien 65 Heimatdorf, Heimatsdorf 85,104 Heimatgemeinde, Heimatsgemeinde 115, 160 Heimatort 116 Hektor 174,314 Helden 175 —»auch: Kriegshelden Heldengesang 297 Heldengesellschaft 176 heliaia 218 Heliand (Bibelepos) 115 Heliasten-Gelder 264 Hellas, hellenisch 78,92,115f., 173,177t, 184,186,189,214,221 -223,225t, 255t, 258t, 264,266,268,274,276,279, 283-285,287,292-294,297 - Althellas, althellenisch 74,81,82 Hellenenstädte 75 hellenistisch 5,9,15f.,36,93,94,112,115, 185,225,251,252,258,276,285,289 Hellespont 69,256 Heloten, Helotie 213,214,276 Hephaistos 175 Herold 175 Herrenfamilie 280 Herrenhaushalt 81 Herrenhof 72,84,100,101,228 Herrenrechte 105,128 Herrenstand 79 Herrenstellung 213 Herrenstube 196 Herrschaft, herrschaftliche, 76,80,91, 122,130,142,151,158,163,172,181,194, 222,230-232,241,266,291,293 - bureaukratische 89 - des Demos 259,263 - der Gentry 170 - der Geschlechter 132,136,199 - der Gilden 136 - der Grundrentner 293 - der Honoratioren 148 - der Kommune 168 - nichtlegitime 25f.,46 - des Patriziats 32,93 - politische 167,206,284 - des Popolo 204t, 221,231 - der Priestergeschlechter 93 - der Stadtadelsgeschlechter 152 - der Stadtfürsten 231 - der Zünfte 289

348

Sachregister

—» auch: Adels-; Dogen-; Geschlechter-; Grund-; Handels-; Honoratioren-; Hopliten-; Königs-; Kriegsadels-; Leib-; Parlaments-; Partei-; Patrimonial-; See-; Stadt-; Zunftherrschaft Herrschaften 185 Herrschaftsansprüche 127 Herrschaftsgebiet 72,155,234,251 Herrschaftsgebilde 232 Herrschaftsgewalt, Herrschaftsgewalten 24,127f. Herrschaftsrechte 24,69 Herrschaftsstellung 261 Herrschaftsverband 7,14, 84 Herrschergewalten 294 Herrscherklasse 213 Herrscherstellung 281 Hetairoi 174f. Heterokephalie, heterokephal 122,238, 314 heteronom 122 Hethiterreich, hethitisch 177 Hierokratie, hierokratisch 184,271 Hintersassen 132,149,175,246 Hochmittelalter —» Mittelalter Hofbeamte 88,101 Hofhalt 63,81 Hoflieferantentitel 283 Hofrecht, hofrechtlich - hofrechtliche Gerichtsgewalten 127 - hofrechtliche Theorie, Hofrechtstheorie 30,137 Hofstaat 229 Höhenumwallungen 75 Holland, holländisch 105,133,135 —> auch: Niederlande Holz 70 - Zedernholz 82 homo novus 198 homo oeconomicus 7,35,275,281 homo politicus 35,40,275 Homoioi 273 —»auch: Spartiaten Honoratioren 17,26/, 69,83,107,130, 145-148,154,169,175,181,219,261 Honoratiorenausschuß 160 Honoratiorengeschlechter 175,189 Honoratiorengremium 130 Honoratiorenherrschaft 25,107,124,148, 158,162,190,233,256 Honoratiorenoligarchie 169

Honoratiorenschicht 105,158,235,293, 299 Honoratiorensippen 87,175 Honoratiorenstaat 170 Honoratiorenverwaltung 146,170,296 Hoplit, Vollhoplit 258,276,314 —> auch: Bürgerhopliten Hoplitendemokratie 274f. Hoplitendisziplin 283 Hoplitenheer 33,215f., 263f., 272,274,283 Hoplitenherrschaft 276 Hoplitenkampf 176,270 Hoplitenpolis 5,33,40,284 Hoplitenschaften, Hoplitschaft 272f., 292 Hoplitenstadt 187 Hoplitentechnik 279,297 Hoplitfähigkeit, hoplitfähig - hoplitfähige Besitzer 270 Hörige, hörig, Hörigkeit 101f., 104f., 122, 121,134,185f., 275-277 Hotels 67 Hufenverfassung 114 Huldigung 163 Hundertschaft (bei den Germanen) 114, 188 Hybris 285 Hypothekarrenten 283 Hypotheken, Hypothekenbesitz 282,287 Idealtypus, idealtypisch 8,10,100 Ilias 173,174-176,180,182 Illegitimität, illegitim 25,200,224 —> auch: nichtlegitime Herrschaft Illiteraten 89,101 Immobiliarvermögen 185 Immunitäten 91,92,248f., 250 Indien, Inder, indisch 1,6,18f., 23,36,60, 76,78,81,83,85,87-89,90,101f., 109f., 112,113,121,143,145,180,188,261f. - Nordindien 78 - Nordwestindien 90 Industrie, industriell 11f. Industriestadt, industrielle Binnenstadt 7, 11 Infanterie, infanteristisch 208,215,289 Innungen 236 —» auch: Berufsinnung Inquisitionshof 156 Inquisitionsprozedur 203 Insassen 60,72,104,110,120,129,217 —> auch: Stadtinsassen

Sachregister Institor 103 Intendanten (in Frankreich) 239 Interesse, Interessen 62,71,81-84,104, 129,135,139,155,159,161,169-171, 181,208-210,229,239,241 -246,255, 264,270- 272,274,276,281,290,297 - bürgerliche 99,131,251 - finanzielle 232 - finanzwirtschaftliche 165 - fiskalische 238 - gesellige 138 - materielle 138 - militärische 232,271,274 - ökonomische 27,33,123f., 135,165,208, 229,245f., 248,289 - politische 169,230,245,271,292 - religiöse 138 —» auch: Export-; Gruppen-; Handels-; Konsumenten-; Monopol-; Produzenten-; Schuldnerinteressen Interessenausgleich 231 Interessengegensätze, Interessenkollision 159,171,205,248 Interessengemeinschaft 96,159,246,248 Interessenpolitik 231 Interessensphäre 245 Interessenten 62,127,165,229,236,242, 245f., 264,283 —> auch: Gewerbe-; Handels-; Stadt-; Zwischenhandelsinteressenten interrex 189 Interzessionsfunktion, Interzessionsrecht 210,213 Investiturstreit 157,248,250,272,314 Iran 78,97 - Medien 75,120 —> auch: Perser Irland, Iren 16,11 Isis-Osiris 103 Islam, islamisch 81,94,97,98f., 109,114, 249 Ismaros 175 Israel, Israeliten, israelitisch 2f.,16f., 68, III, 811,92,93,94,107f., 120,123,188, 222f., 261 Istrien 151 Italien, italienisch 1,7,15,18,20,25-27, 30,32 -37,42,19t, 107,127,132-134, 137,142,145,146,147-149,150f., 156-158,159,160,162-164,166,170, 191f., 194,198-201,206,209,211f., 215,

349

226,229,231,232,234,236-238,253, 210,215,276,288,291 - mittelitalienisch 159 - oberitalienisch 24 - Süditalien, süditalienisch 223,225,234 - Unteritalien 225 Italiker, italisch 13,222,274,291,298 Ithaka 174 Ivanovo 60,103 Jahresbeamte 212 Jahresmagistratur 83,189 Jahrmärkte 61 Jainismus 89 Janitscharen 99 Japan 1,18,73,85f., 88f. Jaratschewo (Provinz Posen) 60 Jarotschin (Provinz Posen) 60 Jekaterinoslaw (russisches Gouvernement) 60 Jerusalem 17,22f.,94,116,720,223 Jordanland —» Ostjordanland Juda (Königreich) 17,93,94,120 Juden,jüdisch 17,22f.,93,100,110,112f., 116,118-121,137,246-248 Judenchristen 23,112 Judenverfolgung 246,247 Judikatur 217 —> auch: Rechtsprechung Jugend 176,299 Jungmannschaft 181,299 Junker 255 Juristen 207 Jury 164,236,314 Justiz 89,203,272 Kabinett (England) 220 Kabossir 108 Kadi 96f. Kadijustiz 37,286,287 kahal 93 Kaiser - byzantinische 150,153 - chinesische 64,89 - fränkische 150 - ottonische 91,150 - römische 144,211,296 - salische 91,131 - staufische 24,126,142,159,160 Kaiserzeit, römische 4,6,259 Kalif —» Khalif

350

Sachregister

Kalifat —> Khalif Kameradschaft 283f. Kanaan, kanaanäisch, Kanaaniter, kanaanitisch 16,11,78,92,108 Kandidaten, Kandidaturen (für Ämter) 161,189,197 Kanzleipersonal 221 Kapital 66,82,93,192,243 —» auch: Erwerbs-; Kommandit-; Kommendakapital Kapitalanlage 129 Kapitalbesitz, Kapitalbesitzer 194,204 Kapitalbeteiligung 287 Kapitalerträge 11 Kapitalgewinn 196 Kapitalismus, kapitalistisch lf.,5f.,9f., 12, 64,83,229,233,236,239,241f., 244,263, 272,282,291 - kleinkapitalistisch 263,282 Kapitalisten 66,193,196,287 Kapitalistenklasse, Kapitalistenschicht 268,287 kapitalkräftig 246 Kapitalleihe 241 kapitallos 71f. kapitalschwach 71 Kapitalverwertung 154 Kapitalvorschuß 81 Karawanenhandelsplätze 91 Karawanenstraßen 83 Karolingerreich, Karolingerzeit 86,233 Kartellzentralen 67 Karthago, karthagisch 16,93,94,225,257, 290f. Kasbah 81 Kasi 88,89 Kassationsgewalt 210 Kassationsinstanz 202,208,210,218,268 Kassations-Kollegialität 32 Kaste 85f., 89,101f., 109,143,188,314 - Unterkasten 89 —» auch: Händler-; Handwerker-; Kriegerkaste Kastenabschluß, kastenartiger Abschluß 110,138 Kastenfremde, Kastenfremdheit 89f., 110 Kastengebundenheit 109 Kastengliederung 89 Kastengrenzen 23 Kastenordnung 19,23 Kastentabu 121

Katane (Catania) 223 Kategorien, wirtschaftliche 70 Kaufkraft, kaufkräftig 10-12,63-66,230 Kaufleute 29,35,66,88f„ 118f., 121,134, 139,140,171,192,199,202,238,260 Kaufmann, kaufmännisch 12,62,66,154, 192f. Kaufmannschaft 139,192,202,228 Kaufmannsgilde 99f., 134,138 Kaufmannskorporation 95 Kaufmannsplutokratie 224 Kaufmannsrecht 140 Kaufmannszünfte 99 Kaufsklaven —> Sklaven Kaviripaddinam (indische Hafenstadt) 81 Kelten 77 Kempen (Provinz Posen) 60 Kerkyra 291 Khalif, Kalif, Khalifat, Kalifat 95,96,97, 109,114,314 Kikonen 175 Kingdom of Influence 235 Kirche, kirchlich 23,114,119,127,151, 153,157,180,184,248-251,253,255, 271 - anglikanische 244 Kirchengemeinden 240 Kirchengut 272 Kirchspiel 125,240 —> auch: Parochien Kition (antike Stadt auf Zypern) 256 Klasse 78,81,117,172,197,254,267,284 —» auch: Erwerbs-; Herrscher-; Kapitalisten-; Kleinbürger-; Mittelklasse Klassenabstufung 216 Klassenbewegung 211 Klassengegensatz 222-224 Klassengesetze, Florentiner 204 Klassenheer (Rom) 260 Klassenkämpfe 211,255 Kleinasien, kleinasiatisch 78,111,179,185, 187,222,261,276 Kleinbauern 267,278 Kleinbetrieb 71f. Kleinbürger, kleinbürgerlich 102f., 139, 205,224,229,241,259 Kleinbürgerklasse 102 Kleinbürgerschicht 270 Kleinbürgertum 264 Kleinerwerbschancen 67 Kleingewerbetreibende 215

Sachregister Kleinhandel 103 Kleinhändler 61,102,215,258 Kleinhandwerker 205 Kleinpächter 278 Kleinstädte 223,234,247 Kleinunternehmer 205,270 kleros 68,174,176,263,273 —» auch: Kriegerlose, Landloos Kleruchen, Kleruchien 287f. Klerus 79,150,195,250,251 —»auch: Geistliche Klient 20,95f., 176,185,190,275,277-279, 294f. Klientel, Clientel 92,127,185,191,277, 2781,2931,1Z4 Klientelanhang 158 Klientelbeziehung 277f., 295 Klientelverhältnis 187,294 Kloster, klösterlich 21,38,157,248-252 Klub 126,134,193,261 Klublokale 133 Knechte 175,278 —> auch: Hausknechtsdienste; Schuldknechte Knossos 79,173 Kodifikation, kodifiziert 28,33,131,161, 164,221 Kollegialität —» Kassations-Kollegialität Kollegenernennung 189 Kollegien, Kollegium, kollegial 96,130, 133,155,157,221,232 - (von Gewerbetreibenden) 261 —»auch: Geschworenen-; Ratskollegium; Spezialkollegien; Wahl-; Wahlmännerkollegium Kollektivtyrannis 155 Köln 31,68,118,125f., 133,137,139,140, 142,165 Kolonen, coloni 149,222,278,279,294, 314 Kolonialboden 193 Kolonialerwerb 153 Kolonialgebiet 222 Kolonialgründungen 113 Kolonialmacht 288 Kolonialpolitik 153 Kolonien - genuesische 234 - griechische 184,223 - venezianische 153,157,234,251 xü>(j,ca 178

351

Komitien —»Comitien Kommanditist 193 Kommanditkapital 194 Kommenda 66,129,193,314 Kommendaanlage 194 Kommendageid, Kommendakapital 82, 154,193 Kommendator 193 Kommensalität 20,23 Kommunalbeamte 232 Kommunalbehörde 201f., 208 Kommunalverband 132,239,240 Kommunalverfassung 240,244 Kommune, Commune 20ß, 23,25,27,98, 107f., 112,121,129f., 132f., 136,146, 152-154,157f., 159,160-162,167f., 170, 179,200-203,206f., 211,215,226,230, 232-234,314 —> auch: Nachbarkommunen; Stadtcommunen Kommunebildung, Kommunegründung, Kommunekonstitution 24-26 Kommunismus —»Halbkommunismus Konföderation (von Personen und Personengruppen) 79,87, U l f . —»auch: Sippenkonföderation König, Könige, Königtum, königlich 4, 16f., 32,75,77-81,83,88-94,127,1441, 177,183,245,270,272,278 - deutsche 122,245,250,272 - englische 131,162-170,195,235,240, 243,245,272 - französische 131,2281,238-240,243, 245,272 - hellenische 173-178,276 - Rom 177,187,278 - Sparta 177,183,2121 —> auch: Burgen-; Doppelkönigtum; Erbkönige; Fronkönigtum; Großkönige; Kriegskönig; Landeskönigtümer; Militärkönigtum; Patrimonialkönig; Stadtkönig Königsgefolgschaft (im antiken Makedonien) 174 Königsgericht 122,236 Königsgewalt 214 Königsgeschlechter 188 Königsherrschaft, Königszeit (Israel) 88, 93 Königsherrschaften 177 Königsland (Homer) 174

352

Sachregister

Königsmacht 144,162,177,250 Königsprozesse (England) 164 Königssitze 89 Königswahl (England) 163 Königswürde (England) 163 Königszeit (Israel) 88 Konjuration —> coniuratio Konnubium, konnubial 20,106,109,115, 119,282,314 Konstantinopel 1,18,69,98f., 153,257,298 —» auch: Byzanz Konstanz 160 Konstitution —» Commune-; Polis-; Stadtkonstitution Konsul —> consul Konsum, Konsumenten 61,65,240f. —> auch: Groß-; Massenkonsumenten Konsumbedarf 61 Konsumenteninteresse 231,241,255f., 264, 269 Konsumentenstadt 10f., 13,65 - 67,72f. Konsumkraft 81 Kontinent, kontinental (Europa) 1,165, 167f., 170,235f., 257,270 Kontinentalreiche 188 Kontor 192,193 Kooptation 170f.,238 Koreischiten, koreischitisch 97 Korinth, Korinther 190,222,224,252 Koroneia 274 Körperschaft 86,112,122,164,208,235, 260,265,295 Korporale 291 Korporation 86,97,112,121,124,133,166, 195,221,235,237,244 —» auch: Adels-; Bürger-; Handels-; Kaufmanns-; Rentner-; Stadtkorporation Korporationsbegriff 121,166 Korporationscharakter 86,121 Korporationsmitglieder 168,239 Korporationsrecht 167,169 Korporationsvertretungen 239 Kos 110 Koterie 223 Krämergilde 136 Kredit —> Staatskredit Kreta, kretisch 78f., 173,181,276 Kreuzfahrerheer 153 Kreuzfahrerstaaten 251

Krieg 1291,153,190,213,227,234,257, 269,277,288 —» auch: Eroberungskrieg; Feldzug; Seekrieg Krieger, Kriegerschaft 77,81,181,187f.,273 —»auch: Söldner Kriegeraskese 181 Kriegergeschlechter 82 Kriegerkaste 78 Kriegerlose 273,284f. —> auch: kleros Kriegerorganisationen 276 Kriegerschicht 183 Kriegerstaaten 181 Kriegerverbände 181 Kriegervirtuosen 283 Kriegerzunft 36,283 Kriegsadel, Kriegeradel, Kriegsadelsherrschaft 5, 149,185 Kriegsbeute 144,252 Kriegscapitanat 227 Kriegsdienst 37,174,192,265,284 Kriegsfahrt 174 Kriegsflotte 274 Kriegsfürst 115 Kriegsgefährten 176 Kriegshandwerker 259 Kriegshelden, Kriegsheldentum 94,176, 297 Kriegskönig 77,174 Kriegslager 36,74,284 Kriegsleheninhaber 278 Kriegsmacht 153 Kriegsmaterialersatz 157 Kriegsmatrikel 159 Kriegsmittel 144 Kriegsschatz 184 Kriegsschiffe 286 Kriegssold 288 Kriegstechnik 207,244,289 Kriegsverbände 113 Kriegswagen —»Wagen Kriegszustand, chronischer 75,258 Kriminalsachen 212 Kriminalurteile 210 Krisa (phokische Stadt) 184 Krongut 174 Krön vasallenfamilien 159 krypteia 214 Kshatriya 78

Sachregister Kult, kultisch 21f., 103f., 116f., 119,121, 179f., 181,184,221,224,261,298 —> auch: Ahnen-; Toten-; Verbandskult Kultakte 135 Kultgemeinde 283 Kultgemeinschaft 180,292 —> auch: Gemeinschaften, kultische Kultgenossenschaften 22,109, 209 Kultmahle 110 Kultur, Kulturkreis 1,3f., 13f., 20,37,39, 42f., 173,286 —» auch: Bewässerungs-; Fron-; Garten-; Küstenkultur Kulturbedingungen 59 Kulturentwicklung, Kulturstufen 6,8 Kultverband 110f., 119,180,182,260,261 Kunde 63 Kundenabsatz 71 Kundenbeziehung 72 Kundenproduktion 71 Kurie (Zentralbehörde) 130 Kurien, curiae 117,149,181,183,216,315 Kursachsen —> Sachsen Küste —» Seeküste Küstenburgen 81 Küstenkultur 4f. Küstenort 82 Küstenstadt 83,178,290 Kyme (Stadt in Kleinasien) 187 Kyme (Cumae, Stadt in Kampanien) 225 Kypros, Zypern 173,256 Kypseliden 222 Kyrenaika 82 Kyrene 81,52,177 Laértes 175,315 Laienbeamtentum 157 Laienbrüder 249 Laiengewalt 250 Laien vorstände 119 Lakedämonier —> Spartiaten Lakonien 213 Landadel 106,179,197 Landarbeiter 74 Landbesitz, Landbesitzer, Landbesitzungen 69,248,253,257 Landbevölkerung 116,187,230,276 Landbewohner, Landbewohnerschaft 175, 231 Landburgen 179 Landerwerb 264,287

353

Landesgerichte 238 Landesherr, landesherrlich 24,63, 79,105, 152,240,249 Landeskönigtümer 77 Landfrieden 234 Landgebiete 155,234,276,288 Landgemeinde 15,30,76,87,265 Landgrundstücke 186 Landgut 175,294 Landhaus 179 Landloos, Landlos 68,176,278 Landmann 85 Landrecht, landrechtlich 127,236 Landrente 273,283 Landsasse, landsässig 74,110,116,127, 231,186f„ 247,266,270,272,276 Landschaft (Stände) 152 Landsmannschaften 114 Landstädte 7,13,60,247 Landstandschaft 79 Landtribus 179,216 Landverteilungen 35 Landvolk (römisches) 210 Landwirtschaft, landwirtschaftlich 60,67f., 70-72,101,185 Landzuweisungen 274 Langobardenreich 151 Lastenfreiheit 240,248 Lastenumlegung 114,117 Lastenverband 116 Lastenverteilung 216 Lateiner, lateinisches Reich (in Konstantinopel) 153 Laterankonzil 236 Latium, Latiner 117,177 Laureion, laurisch 254,287 Laurenzpfarre (in Köln) 118 Lavinium 117 Lebenschancen 120 Lebensformen 253 Lebensführung, Lebenshaltung, Lebensweise 36,143,176,196,197f., 214,267, 285,297 - ritterliche 33,148,191,197,204 - ständische 108 - vollbürgerliche 258 Lebenslänglichkeit, lebenslänglich (Ämter) 170,211,227 Legalität, legal 63,219,224,226 legitim - Ämter 117

354 -

Sachregister

Amtsgewalt 26,209 Autoritäten 163,228 Beamte, Gemeindebeamte 209,214 Gewalt, Herrschaftsgewalt 24f., 124f., 209,230 - Gewaltsamkeit 123 - Imperium 26,209 - König 212 - Stadtherr 128 - Strafgewalt 26,209 - Verband 117 —> auch: illegitim; nichtlegitim legitimierte Staatsform 229 Legitimität, Legitimitätsfragen, Legitimitätsstandpunkt 125f., 180 Lehen 89,91,129,131,174 —> auch: Burglehen Lehenbesitzer 183 —> auch: Kriegsleheninhaber Lehenrecht - lehenrechtliche Gerichtsgewalten 127 Lehensfähigkeit 106,148,248 Lehensmann 79,128 Lehensträger 127 Lehensverband 130,132,191,248 Lehrlinge 241 Lehrzeit 71,195 Leibeigene 91,104,280,283 Leibeigenenbefreiung 102,257 Leibeigenschaft 64,87,102,104 Leibherr, Leibherrschaft, leibherrlich 135, 186,240 Leibwache, Leibgarde 88,94,150,223 Leibzins 102,257 Leicester 165 Leihkapitalien 215 Leiturgie, leiturgisch 37,86,122,148f., 167, 187,260,262,286,375 Leiturgiestaat 5 lelantischer Krieg 191 Lendenschurz 297 Lesbos 291 Leuktra 284 Levante 66 Leviten 261 lex Claudia (218 v.Chr.) 186 lex duodecim tabularum —» Zwölftafelgesetz lex Hortensia (287 v.Chr.) 210 lex Licinia Sextia (376 bzw. 367 v.Chr.) 210

lex Ogulnia (300 v.Chr.) 211 lex Ovinia (vor 312 v.Chr.) 211 lex Poetelia Papiria (326 v.Chr.) 210 lex Valeria (um 300 v.Chr.) 210 Libanon 82 Lieferanten 69,208 Lieferungen 80,264,287 auch: Staatslieferungen Liegenschaften 249,252 Liegenschaftsgeschäfte 118 Linearschriften 173 linen armourers 195 Listenführung 173 Litauen 247 Literat (in China) 89 liveries 194,198,265,315 Liverpool 244 Lodi 129,201,226 Lohn 76,102,103 Lohnunterbietung 206 Lohn werk 71 Lokalbeamte 145 Lokalgott 119 Lokalmarkt 61f., 246 Lombarden, lombardisch 131,160,178, 208,289 London 18,67,162£, 165-168,170,194, 195,237,265 Lord Mayor (Bürgermeister von London) 168 Los (zur Ämterbesetzung in Athen) 220, 221,268 Loskauf, Loskaufgeld 104,279f. —> auch: Freikauf Losverfahren (zur Ämterbesetzung) 266, 286 Lucca 111,129-131,201 Luceres (römische Tribus) 182 Lugan (Gouvernement Jekaterinoslaw) 60 Lukumonen 298 Luxus 224 Lyderreich 177 Lydien 261 Lynchjustiz 209,210 Lyon 134 Machi-Bugyo 86 Macht 4,33,82,88,91f., 94,97f., 107,135, 147,1521,155,162,164,169f., 172,177, 179,194,198,204,206,208,210,216,227, 230,263,295f., 299

Sachregister -

grundherrliche 186 militärische 98,128,144,146 ökonomische 106,172,186,204,296 politische 32,144,154,156,172,186f., 226.254.265.280 - soziale 204 - usurpierte 139 —» auch: Beamten-; Finanz-; Fremd-; Geld-; Groß-; Kolonial-; Königs-; Kriegs-; Militär-; Stadt-; Truppen-; Wehrmacht Machtanspruch 128 Machtapparat 157 Machtbefugnisse 227 Machtbezirke 111 Machtentfaltung 172,228 Machterweiterung 245 Machtfrage 237 Machtgebiet 129,157,248 Machthaber 63 Machtkonkurrenz 271 Machtlage 132,238,242 Machtlosigkeit, machtlos 88,145 Machtmittel 128,155,185,200,204,207f., 238,243,272,274,277 Machtquelle 251 Machtschöpfungen 289 Machtstellung 95,148,152,184,193f., 215, 219.265.274.281 Machtverhältnisse 24,241 Machtverteilung 133 Magazine 144 Magazinverwaltung 173 Magdeburg 133,140 Magier 261 magisch 76,112-114,124,143,180,185, 236,261 magisch-animistisch 109 Magistrat 32,34,157,170,189,210,239 - athenischer 83,110,216,218,221 - karthagischer 94 - milesischer 261 - römischer 94,117,156,209f., 217,239f., 260,282 Magistratur 83,190,216 —> auch: Jahresmagistratur Magnaten 33,192,197,203,315 —» auch: Nobili Mahl (der Prytanen) 110,121,179 Mailand 128,129f., 160,201,226,227f. Mainzer Reichslandfrieden (1235) 245

355

Makedonen —»Mazedonen Manchester 244 Mandarin 18,101,108,121,575 Männerhaus 180,181 Mansfeld 243 Mantineia 110,178 Mantua 131,227 Manufakturen 65 Marathon 69 Markgemeinde 101 Markt 10f.,14,61-63,65-67,70£, 80,84f„ 102,122,175f., 241f., 245f., 251,258,262, 285 —* auch: Fernhandelsmarkt; Jahrmärkte; Geld-; Lokal-; Sklavenmarkt Marktabsatz 247 Marktansiedelung, Marktansiedlung 10, 621,76 Marktaufsicht 241 Marktbasis 63 Marktbedarfsdeckung 63 Marktflecken 59,70 Marktfrieden 14,80 Marktgebühren 62 Markthallen 249 Marktmonopole 122 Marktort 61f., 89,100 Marktprivilegien 90 Marktrecht 30,85,91,121,241 Marktsachen 201 Marktstadt 63 Markttage 210 Markttransaktionen 20 Marktverkehr 67, 73,236 Marktwirtschaft 246 Marsfeld —> campus martius Martinsvorstadt (Köln) 125 Massenernährung 71 —» auch: Nahrungs(mittel)bedarf Massenkonsumenten 11,65 Massenversammlung 147 Massilia (Marseille) 278 Matrikel 79 Matrosen 270 Matrosendienst 291 Matrosenlohn 269 Mauer 14,73-75,80,101f., 111,127f., 234, 245 —» auch: Befestigung; Stadtmauer Mauergürtel 73 Mauerlosigkeit 74

356

Sachregister

Maurya-Reich 78,90 Mazedonen, mazedonisch, makedonisch IIA, 178 Mediatstädte 165,166 Medici 147,206,207,228 Medien —»Iran Medschlis 96 Megalopolis 110 Megiddo (Stadt im antiken Palästina) 78 Mehrertrag 246 Meister, Meistersöhne, Meisterstellen 137, 138,241 Mekka, Mekkaner, mekkanisch 1,18,24, 95 -98,109,127,158,198 Menschenbesitz, Menschenbesitzer 257, 288 Menschenmaterial 115 Menton 69 Mentor 174,315 mercadanza, Merkadanza 201,207,226 Mercanzia 201 Mercato 81 mercatores 125,134,207 merchant tailors 195 Mercurius 260 merkantilistisch 242,256 Merowingerreich 86 merx peculiaris 103 Mesopotamien, mesopotamisch 2f., 6,16, 161,84,91-93,107,115,120,144,177, 222 Messen 10,61 Messenien, messenisch 213 Messenischer Krieg, erster 213 Metöken, Metoiken 35,121,263,269,281, 285f., 315 mezzadria 231 Middlesex (englische Grafschaft) 168 Milet 260,261 Militär 234,284 Militärausbildung 274 Militärbeamte 219 Militärbedarf 229 Militärgewalt 163,270 Militarisierung 149,270 Militärkommando 160,227 Militärkönigtum 92 Militärmacht, Militärmächte 169,222 —» auch: Macht, militärische Militärmonarchie 225f., 290,292,295 Militärorganisation 7,129,270

Militärtechnik, militärtechnisch 230,270, 272,274f., 289 Militärverband 113f., 128, III, 283 Militärverfassung 25,143,200 Militärzwecke 232 Miliz 100,201 —> auch: Bürger-; Volksmiliz Minderbesitzer 215 Minister 237 Ministeranklage 220 Ministerialen 79,88,89,101,127,129f., 133,142,275,278,315 Ministerialenfamilien 191 Ministerialenverband 191 Ministerialenverwaltung 141 Mir 87,102,315 Misch typen 11,61 Mißtrauensvotum 220 Mithras 103 Mitregent, Mitregentenernennung 150152,189 Mittelalter 1,4,6f., 9,13,15,21 -23,32f., 36,39f., 62,64,66,68,72f., 81 -83,85f„ 91,95,98f., 101f., 106f., 111,119,121, 123f., 136,138,145f., 148,169,178-180, 183,185-193,195-197,199,214 -216, 221,223,226,232,238,242,246, 248-255,257-263,265f., 270f., 274-276,278-282,284,288f., 297 - Frühmittelalter, frühmittelalterlich 100, 101,135,746,757,262,2701 - Hochmittelalter 26,250 - Spätmittelalter 106,244,250 Mitteleuropa —» Europa Mittelklassen 223 Mittelmeer - Mittelmeerbecken 143 - Mittelmeergebiete 73,161 - Mittelmeerküsten 62 - Mittelmeerländer 66 - Mittelmeerrand 93 Mittelstand, mittelständisch 215,222,265, 267,282 Mittelstandsdemokratie 224 Modena 227 Mogul-Zeit 87 molpoi 261 Monaco 69 Monarch, Monarchie, monarchisch 5f., 12, 18,107,228f., 232,262,294 —> auch: Königtum; Militärmonarchie

Sachregister Mönche lOOf. Monopol, monopolistisch 14,64,82,136, 151,165,170,177,184,241-243,262, 282 —» auch: Handels-; Markt-; Umschlags-; Verkehrs-; Zwischenhandelsmonopol Monopolgarantien 169 Monopolgewalten 244 Monopolgewinne 155 Monopolhandel 177 Monopolinteressen 292 Monopolpolitik 242 Monopolstellung 158,169,214,230 Monopoltendenzen 245 Moskau 59/, 64,257 Mühlen 249 Münster 200 Muntmannen 187,278,315 Muntwaltschaft 279 Münzen, Münzprägung 93,291f. Müßiggang, Müßiggänger 194,195,196 Mykene, mykenisch 173,177 Mystengemeinde, Mysteriengemeinde 103,259 Nachbarkommunen 227 Nachbarverband 59 Nachfolgerernennung 189 Nacktheit (der Griechen) 297 Nahrungen 241f. Nahrungs(mittel)bedarf 67f. —»auch: Massenernährung Nahrungsmittelproduktion 67 Nahrungspolitik 229,255 Nahrungsspielraum 105,241 Nahrungsstandpunkt 242 Nassau (Herzogtum) 65 national 67,75,170,225,287,297 Naturalabgaben 10,63,145,246 Naturaldienste 63 Naturaleinnahmen 246 Naturalertrag 246 Naturairenten 246 Naturalwirtschaft, naturalwirtschaftlich 4, 231 Naturrecht, naturrechtlich 231 Naukrarien 190 Neapel 228 Nebenerwerb 219,221 Nekropolen 179 Neuadel 183

357

Neugründungsstädte 24,171 Neusiedelung, Neusiedler, Neusiedlungen 125,192 —>auch: Siedelung Neuverteilung (des Grundbesitzes) 254 Neuwerk (Frauenkloster in Goslar) 251 Neuzeit, neuzeitlich 9,13,37,79,96,107, 248,253f. nichtlegitim, nicht legitim25f., 219 Nichtsippengenossen 110 Niederlande, niederländisch 26,37,64, 132f. —> auch: Holland Niederländisch-Indien 64 Nika-Aufstand 98 Nikomedia 257 Nikopol (Gouvernement Jekaterinoslaw) 60 Nippur 92,120 Nobili, Nobiles (Venedig) 155f. - (Italien) 192,197,203,205 —» auch: Magnaten Nobilität (Rom) 198,211,281,315 —» auch: Amtsadel, römischer Nomadenleben 8 Nomarchen 91 nomos 218 Nomotheten 218 Nordafrika —» Afrika Nordeuropa —» Europa Nordindien —»Indien Nordwestindien —> Indien Normandie 135 Normannen, normannisch 162,165 Normannenzeit 163 Norwegen 135 Notablenstadt 81 Notare 204,207 Notorietät 203 Nowgorod 192 Numantia, numantinisch 278,294 Oberschichten 106,229 Oberzünfte 206 Obmänner 108 Obrigkeit, obrigkeitlich 29,86,154 —> auch: Orts-; Stadtobrigkeiten obrok 104 Odergebiet 75 Odyssee 174f., 176 Odysseus 174,175f., 315

358

Sachregister

Officia 262 Offiziere 65,79,88,144,248,268 Oikenwirtschaft, oikenwirtschaftlich 10, 247,258 Oikos, olxoi 6,10,61-63,72,181,245,316 Okzident, okzidental, abendländisch 1,6, 8,14,16,18,20,26,36,39,41-43,84-86, 89f., 91,93,97f., 100f., 103,105,107,109, 112,118f., 121,127,144f„ 150,157,163, 233,257,262,271 Oligarchie, oligarchisch 170,213 —> auch: Honoratioren-; Stadtoligarchie Olympia 252 Ordal 236 Ordinamenti della giustizia 197f., 203f. Organisation 72,100,159,200,235,241 - kirchliche 253 - leiturgische 187 - militärische 129 - politische 207,259f. - religiöse 99 - zünftige 205,207 —» auch: Amts-; Krieger-; Militär-; Partei-; Sippen-; Stadt-; Wirtschafts-; Zunftorganisation Organisationsform 7,36,40,136,274 Organisationsstadien, Organisationsstufen 4,15,17 Orgiastik, dionysische 298 Orient, orientalisch 1,3f., 6,8,14,39,41, 43,66,75,84,91,98,100,103,115,150, 173, III, 184,186,225,257,259,276 Orthagoriden 222 Ortsadel 160 Ortsangehörigkeit 116 Ortsansässige, ortsansässig, ortsangesessen 10f., 61f., 65 -67,71,129,149, 166 Ortschaft 59f.,72f., 87 Ortsfremde, ortsfremd 115,118 Ortsgemeindeprinzip 15,216 Ortsheilige 119 Ortsobrigkeiten 260 Ortsverbände 115 Osmanen, osmanisch 99 Ostasien —» Asien Ostjordanland 75 Ostrakismos 220,292 Ostreich (byzantinisches Kaiserreich) 153 Pacht, Pachtung 287

- von Ämtern 168 - von Land 287f. - von Steuern, Steuerpflichten 165,240 - der Verwaltung 157 —» auch: Staats-; Steuerpachten Pächter 277 —> auch: Kleinpächter; Kolonen; Parzellen-; Teilpächter Pachtreflektanten 165 Padua 227,230 Paianier (Angehöriger des attischen Demos Paiania) 266 Pairs-Schübe 185 Paläste, kretische 78f. Palästina, palästinensisch 87,92,107 Palatium (Dogenpalast in Venedig) 151, 152 Palermo 82 palio 81 —> auch: Pferderennen (Siena) Pamphyler 182 panhopliefähig 267 Papst, päpstlich 229 parätici 200 pariage 239 Paria-Volk 188 Paris 29,67,134 parishes 240 Parlament 222 - (England) 24,168,170,220,235,237 - (Italien) 147,228 —> auch: parlamentum Parlamentsherrschaft (England) 169 Parlamentsmehrheiten (England) 236 Parlamentswahl (England) 235 Parlamentswahlkörper (England) 239 Parlamentswahlpolitik (England) 169 parlamentum (Volksversammlung in italienischen Städten) 145,146,147 Parma 202,226 Parochialvertretungen 125 Parochien, Parochialgemeinden 31,119, 125,239,316 Parsismus 78 Parte Guelfa —> Guelfen Parteien, Parteibildung, Parteiungen 98, 159,204,227,254f.,268 —» auch: Adels-; Zirkusparteien Parteiführer, Parteiführerstellung 227, 294 Parteihäupter 227

Sachregister Parteiherrschaft 227,288 Parteiorganisation 204 Parteireden 175 Parteistatut 204 Partikulargebilde 235 Parzellenpächter 294 Parzellierung 273 Paß (Dokument) 102 Passivbürger 183 Passivhandel 176 Patrai 178 Patriarch (kirchlicher) 100,150f. patriarchal 176 patricius 183 —> auch: Patrizier Patrimonialbureaukratie, Patrimonialbureaukratismus, patrimonialbureaukratisch 173,235,237,239f., 242f., 248,251 Patrimonialfürstentum, patrimoniales Fürstentum 25,230 patrimonialfürstliches Stadtkönigtum 32, 150 Patrimonialgewalten 272 Patrimonialhaushaltung 63 Patrimonialherrschaft 296 Patrimonialismus 132,189,243 Patrimonialkönig, Patrimonialkönigtum 109,174 Patrimonialstaaten, patrimonialstaatlich 155,232 Patrizier, Patriziat, patrizisch 33,90,9294,106,107,157,170£, 193-198,238, 253,316 - (Athen) 222,269,276 - (Babylon) 185,222 - (Indien) 18,90 - (Israel) 17,223 - (Kanaan) 92 - (Karthago) 93 - (London)163 - (Mesopotamien) 92 - (Nowgorod) 192 - (Rom) 94,185,187,189,190,196,211, 264 - (Venedig) 32,154 —» auch: Geldgeberpatriziat; Geschlechter; Rats-; Rentner-; Stadtpatriziat Patrizierfamilien 129,291 Patrizierstaat (Rom) 186 Patroklos 176,316

359

Patronage 170,294 Pauschalsummen, Pauschalzahlungen 129, 165,240 Pavia 201,230 neöia 186 pediakoi 186 Peiraieus 74 Peisistratiden 222,224,264 Peking 64 Peloponnes, peloponnesisch 173,175, 177-179,284,290 Peloponnesischer Bund 252,290,292 Peloponnesischer Krieg 79,191,252,274, 284,290f. Pelzhändler 205 Penelope 175 Pensionopolis 12,64,65 Pergamon 294 Periöken, Perioikos 187,214,316 Periökenstädte 191 Persepolis 75 Perser, persisch 69,74f„ 116,120,284, 290 -» auch: Iran Perserkriege 74,213,273 Persischer Golf 83 Personalitätsprinzip (des Rechts) 131 Personalrecht, personalrechtlich 123 Personalunion 132-134,138f. Personalverbände 183 Personen verbände 111 Perugia 205f. Peterhof (Quartier der deutschen Kaufleute in Nowgorod) 192 Pfahlbürger 245 Pfalz (Königsburg) 131 Pfarrbezirke 118 Pferde 76,106,297 Pferderennen (Siena) 81,98 —»auch: palio Pflichtgenossenschaft 167 Pfründe 10,91, 99,251 —> auch: Priesterpfründen Pfründenchance 161 Pfründnerstände 230 Phäaken 175 Phalange 270 Phaleron 74 Pharao 78,82,92 phiditia 181 Philadelphia (in Kleinasien) 261

360

Sachregister

Philister 94 Phöniker, Phönikien, Phönizien, phönikisch 83,84,91,93,94,107,176 Phratrie 111,113,116f., 180-183,188,215, 265t,316 Phratriegenossen 182,188,215,265 Phyle 116f., 180,182f., 188,190,212,217, 261,2651,316 Phylenkönige 183 Piacenza 160,226 Piazza del Campo (Siena) 81 Pietätspflicht 280 Pilger (Mekka) 96 Pilgerkarawanen 97 Pisa 129-131,202 Plantagenbesitz 288,291 Plebejer 111,187,216,267,278,297,316 - etrurische 298 - römische 187,209-211,281,282 - spartanische 213 Plebejerstadt 199 Plebs 112,116,316 - römische 22,26,33,187,198,209-212, 216,204,267,281,293 Plutokratie, plutokratisch 171,204,265, 291 —> auch: Kaufmanns-; Sklavenhalterplutokratie pnyx 80 Podesta, Podestat 33f., 160f., 162,199, 201f., 207,226,227,316 Podesta mercatorum 207 Polen, polnisch 59,60,118,140,247,266 poletes (Magistrat in Epidamnos) 193 Polis, Poleis 7,15-17,40,68,98,107,113, 116,124,175,177-185,213,217,256, 259,274f., 285f., 289,316 - antike 6f.,36f.,44,93,110,112,116,172, 247,253,255,263,275,283,289,293 - demokratische 260 - hellenische 91 - spartanische 74,214 —> auch: Bürger-; Geschlechter-; Hoplitenpolis Poliskonstitution 108 Politik 219,224,229-231,242f„ 253,267, 269,274-276,283,289,293,299 - auswärtige 152 - internationale 234 - kapitalfreundliche 242 - merkantilistische 242,256

- ökonomische 224 - physiokratische 231 - soziale 224 - ständische 223 —> auch: Agrar-; Außen-; Bauern-; Bauten-; Beute-; Bewässerungs-; Bürgerrechts-; Eigen-; Eroberungs-; Expansions-; Fernhandels-; Fürsten-; Getreide-; Gewerbe-; Handels-; Interessen-; Kolonial-; Monopol-; Nahrungs-; Parlamentswahl-; Privilegien-; Produzenten-; Reichs-; See-; Stadt-; Stadtwirtschafts-; Stände-; Übersee-; Verkehrs-; Verpflanzungs-; Wirtschafts-; Zunftpolitik Polizei 86,241 —> auch: Handels-; Gewerbepolizei Polizeiamtmänner 108 Polizeigewalt 244 Polizeisachen 237 Polizeizwecke 235 Pondicherry (indische Stadt) 81 Pontos, pontisch 256 Popolanen 201 -204,208,316 Popolanenämter 226 popolo 20,25f., 32,147,198-201,203-209, 210,212,216,221,226,231,259,263, 266f., 274f., 288,316 popolo grasso 204f., 231,263,316 popolo minuto 205,263,275,317 portreeve 163 Posen 60 Possessoren, Possessorengeschlechter 149 Potsdam 12 Post Briefpost Postmonopol 151 Präbende, präbendal 91,121,317 Prästationsfähigkeit 84 Praetor 217,285 Preiskontrolle 241 Preiswerk, preiswerklich 71 Prestige 292 Prestigegefühl 298 Preston 165 Preußen, preußisch 60,65,104,239,265 - Westpreußen 60 Prévôt 239 Priamos 174,377 Priester 83,101,120,151,183f., 236,252, 261

Priesterämter 211

Sachregister Priestergeschlechter 93 Priesterpfründen 184 Priesterschaft 17,184 Priesterstellen 184 Priestertum 184f., 251,282 Prinzeps, Princeps (Rom) 211,295f. Priorenrat, priori 201,205 Privatbesitz 285 Privathäuser 133 Privatwirtschaft, privatwirtschaftlich 231 Privilegien 83f., 92,122,124,131,164-169, 221,235,242,264,283 - gerichtliche 164 - königliche 167 - ökonomische 89 - ständische 14,84,239,251 —» auch: Bischofs-; Bürger-; Gewerbe-; Handels-; Markt-; Stadtprivilegien Privilegienbündel 167 Privilegienpolitik 272 Privilegien verband 116 Privilegierte, privilegiert 91,102,122f., 127,140,166f., 170f., 203,235,237,239, 243f., 256 Privilegierung 29,141 Privy Council 220,237 Probuleuma 220 Produktion, produktiv 61,240,246,258 - gewerbliche 71,248,258,269 - landwirtschaftliche 70 —» auch: Eigen-; Export-; Kunden-; Nahrungsmittelproduktion Produktionsspezialisierung 10, 61 Produktionsverhältnisse 72 Produktionszentren 11 Produktionszweige 269 Produzenteninteresse 35,231,241,269 Produzentenpolitik, produzentenpolitisch 255,269 Produzentenstadt 11,13,65f., 72f. Professor 160 Proletarier, proletarisch 206,257f. Proletarisierung 268 proletarius (Rom) 255 Provence 69,254 Provinzialstände 132 Provokationsrecht 210 Prozeßgefälle 62 Prozessionen 138 Prozeßpartei 97,287 Prozeßrecht 85,221

361

Prozeßverfahren 164,236 Prytaneion, Prytaneen 110,119,317 Prytanen, Prytanenrat 121,179,190,317 psephisma 218 —»auch: Volksbeschluß Ptolemäer 296 Punische Kriege 264,291 Pynine 108 Qualitätskontrolle (der Waren) 241 Ramnes (römische Tribus) 183 Rat 90,108,211f., 215 - athenischer 190,215,220,221,265,266, 268,290 —> auch: Areiopag - mittelalterlicher 106,124,126,130,133, 138,141-143,146,152,153,154,160, 162,168,171f., 198,200,202,227,237f., 241,243,251 —> auch: Priorenrat Rat, Großer (Venedig) 153-155,156,158 Rat, Kleiner (Venedig) 154 Rat der Alten 189 Rat der Zehn (Venedig) 156,203,214,255 Rathaus 196 rational 35,37,103,124,131,158f., 161, 164,182,197,208,214,217f., 226,229, 232f.,236,271f.,288f.,299 Rationalisierung 5,26,33f., 230,232 Rationalität (ökonomische) 36 Ratsbank 197 Ratsdienst (Athen) 285 Ratsfähigkeit, ratsfähig 146,154,155,171, 198,214 Ratsgeschlechter 106 Ratskollegien 171 Ratsmänner 133,141 Ratsmitglieder 141,142 Ratspatriziat 107 Ratssitzungen 190 Ratsstellen 265 Ratswahl 85,171 Raub —» Seeraub Räuberburg 234 Rebleute 275 Rechenschaftsablage 212 Rechnung 81,173,194 Rechnungsbücher 232 Recht, Rechte, rechtlich 84-87,95,101f., 105,107,110,116,122f., 125f., 131,139f.,

362

Sachregister

148f„ 152f., 166f., 171,175,187,196,198, 201f., 205,210,215,217f., 222,227,232, 235-238,247,251,266,279,282,292, 296 - bürgerliches 221 - englisches 79f., 122,166 - erwerbbares 168 - formales 131,147 —> auch: formalrechtlich - geistliches 97 - heiliges 185 - kanonisches 250 - kodifiziertes 164 - objektives 123 - politisches 221,233,259 - rational gesatztes 217 - rationales 131,159-161 - römisches 161,236 - ständisches 131f. - subjektives 123 —» auch: Anstalts-; Autonomie-; Bestätigungs-; Boden-; Bürger-; Ehrenvor-; Eigen-; Eigenkirchen-; Ernennungs-; Freiheits-; Gewerbebann-; Gilde-; Herren-; Herrschafts-; Hof-; Interzessions-; Kontroll-; Korporations-; Land-; Markt-; Natur-; Personal-; Provokations-; Prozeß-; Schuld-; Selbstverwaltungs-; Sonder-; Sportel-; Stadt-; Stadtbürger-; Stapel-; Stimm-; Vollbürger-; Vorschlags-; Wahlrecht(e) Rechtsbildung 123,169 Rechtscharakter von Städten 59 Rechtsformen 152 Rechtsgelehrte 160 Rechtsgenossen 107,123,131,146,151 Rechtsgleichheit 109 Rechtsinstitute 236 Rechtskodifikation —» Kodifikation Rechtsnachfolger 125 Rechtspersönlichkeit 86,121 Rechtspflege 129,187,200,217,282 - rationale 159-161 Rechtsprechung 99,151,154,175,210,227, 211,287 —> auch: Judikatur Rechtssatzung, Rechtssetzung 89,236 Rechtsschöpfung 164 Rechtsschulen (Islam) 96 Rechtsschutz 272 Rechtssicherheit 37,286,287

Rechtsstellung 76 - als Bürger 118 Rechtsstreit 218 Rechtstitel 166 Rechtsverweigerung 208 Redekunst, politische 298 Reederei 186,194 Reformation 250f. Reformklöster 250 Regensburg 161,162,191 Regillum 185 Regiment (Regierung) 132,192,205,224, 228 —» auch: Stadt-; Zunftregiment Reichsbildung 35 - militärische 225 Reichsheer (Heiliges Römisches Reich) 199 Reichspolitik, reichspolitisch 159 Reichsstadtbürger 106 Reichsverband 167 Reislaufen 113,317 Rekrutierung 90,145 —»auch: Heeresrekrutierung Rekrutierungsbasis 268 Rekrutierungssystem 229 Religion, religiös 18,21,23,30,80,99,108, 113f., 123,136-138,143,180,206,213f., 218,224,226 —> auch: Erlösungsreligionen; Gemeinde, religiöse; Gemeinschaft, religiöse Renten 64,186,246,257,264,283 —» auch: Geld-; Grund-; Hypothekar-; Land-; Natural-; Staatsrente(n) Rentenfonds 102 Rentenforderungen 247 Rentengenuß 229 Rentenquellen 11,64 —»auch: Dauerrentenquellen rententragend 153 Rentenverteilung 254 Rentner, Rentnertum, Rentier 12,63f., 65, 134,191-193,195,270,577 —> auch: Grund-; Staatsrentner Rentnerkorporationen 265 Rentnerpatriziat 270 Rentnerqualität 192 Rentnerstadt 11,13,64 Rentnerstände 230 Repetundenprozeß 156,269 Repräsentantenversammlung 221

Sachregister Repräsentation 293 —» auch: Stadtrepräsentation; Stadtvertretung Repräsentativsystem 221 Repräsentativverfassung 38 Revolution, revolutionär 23,25-27,105, 124,130,148f., 172,200,232,242,255, 289,298 —» auch: Zunftrevolution Rheinische Städtebünde 234 Rheinischer Bund 245 Rhodos 110,182 Rialto 150,152,154 Richerzeche 31,126,134,137,139f., 141, 165,261,317 Richter 4, 77,94,146,151,156,164,202, 204,227,277 —» auch: Schofeten; sekenim Rindermarkt —> Forum Boarium Ringen (Sport) 297 Ritter 79,107,162,191,197f., 199,258,275, 289 - (Israel) 93 - (Rom), equites 211,260,268,269,282, 296 Rittergeschlechter 192 Ritterheer 144,174,289 Ritterkampf 94,177,277,297 Ritterkavallerie 208 Ritterrang 278 Rittersart 197,278 Ritterschaft 107,127,159,177,190,191, 208 - stadtsässige 92 Ritterstand 148,287 Rittertum 135 - stadtsässiges 134 Ritterwürde - (Florenz) 197 - (Rom) 282 rituell 19, 23,89f., 112,117,119-121,143, 188,297 Rogowo (Provinz Posen) 60 Rohstoff, Rohstoffbezug, Rohstoffverbraucher 71,241 Rom, Römer, römisch 7-6,11,15f.,22,25, 27,33f., 36f., 39,70,80,94,98,103,112, 114,116-118,725,133,144,149,152, 156,161,166,170,1761,178,179,181183,185-187,188,189-191,196-198, 202,209-212,215-217,223,225,236,

363

255-257,259f., 262,264,266-269,272f., 274,277-279,280,281f„283,285,287, 290,293-296,298f. Römerzeit 103,193 Römerzugsmatrikel 159 rotten boroughs 236 Rottweil 196 Rücksiedlung 178 Rundling 75 Rußland, russisch 1,33,41,43,59f., 64,78, 86f., 102-104,115,137,792,280,283 Rüstung 264,278 —> auch: Aus-; Flotten-; Selbstausrüstung Rüstungsmaßnahmen 286 Sabiner, Sabinerinnen 183,188 Sabinerkönig 183 Sabinerland 94 Sachsen, sächsisch 75,775 - altsächsisch 775 - Kursachsen 140 Saffariden 97 Sakralgut 252 Säkularisation 184,252 Salzhändler 199 Samaria, Samarien, Samaritaner 93,120 Samniterkriege 178 Samurai 88,89 Sapientes 130,152,153,154 Saratow (russisches Gouvernement) 59 sarim 88,93 Sassaniden 78 Satzung, Satzungen 33,236 - autonome 100 - charismatische 217 - oktroyierte 125 Satzungsautonomie 167 Satzungsgewalt 237 saxum Tarpeium —> Tarpejischer Felsen scabini 126,132,142 Scaliger 227 Schar, heilige 284 Schatzhaus 209,252 Schatzmeister der Athena 219 Schätzung 168 Schatzungspflicht, schatzungspflichtig 163, 166 Schauspiel (Athen) 254,264 Schech 97 Scherbengericht —> Ostrakismos Scheremetjeff 103

364

Sachregister

Scherif, Scherifenfamilien 95-97,198 Schia 109 Schichten 10,32,67,80,83,102,115,145, 148,185,204,206,216,229,263,278, 280-284,293,296 - besitzende 118,215,255 - besitzlose 205,215 - bürgerliche 229,265 - deklassierte 254,276 - führende 193 - gebildete 230 - herrschende 272,292,295 - intellektuelle 207 - landsässige 266 - negativ privilegierte 255 - nichtstadtbürgerliche 245,253 - privilegierte 169 - proletarische 206 - ritterlich lebende 191 - ständische 132,254,275 - untere 205,228,275 - wehrhafte 36,145 —> auch: Ackerbürger-; Bauern-; Großhandels-; Grundbesitzer-; Handwerker-; Honoratioren-; Kapitalisten-; Kleinbürger-; Krieger-; Ober-; Unterschicht(en) Schichtung, ständische 102 Schiedsrichter (Sport) 297 Schiffe 1761,215,279,291 —> auch: Flotte; Kriegsschiffe Schiffahrtsprivileg 134 Schiffsbesitz, Schiffsbesitzer 81,175,193, 287 Schiffskatalog (der Ilias) 173 Schiras 75 Schirmherren 250 Schlesien, schlesisch 60,104,140 Schleswig 136 Schlösser 163 Schofeten, Sufeten 94 Schöffen 122,125,126,130,132,133,134, 142,146,167,168,236,238,317 —> auch: scabini Schöffenbank 119,125 Schöffengeschlechter 132 Schöffenstühle 134 Schöffenwahl 238 Schollenpflicht, scholienpflichtig 102 Schonen (Provinz in Südschweden) 66 Schoß, schoßpflichtig 143 Schreiberverwaltung 91

Schreinsurkunden (Köln) 118 Schreschth 89f. Schriftbildung 120 Schriftstück 174 Schriftsystem 173 —» auch: Linearschriften; Silbenschrift Schrimm (Provinz Posen) 60 Schulden, Schuldner 210,222,254f., 277 —> auch: Staatsschulden; Verschuldung Schuldenregulierung, Schulderlaß, Schuldverfall 187,254,265 Schuldhaft, Schuldhaftgesetze 276f. Schuldherr 223,277 Schuldknecht, Schuldknechtschaft, Schuldverknechtete 92,186,222f., 255, 275-277 Schuldner-Interessen 255 Schuldrecht 187,210,272 Schuldsklaven, Schuldversklavung 94,223 Schultheiß 132,142 Schutzbefohlene 127 Schutzgeld 62,104 Schutzgenosse 143,275 Schutzgilden 29,135 Schutzherrschaft 187 Schutzverband 200 Schutzverhältnis 95,278 Schwaben 159 Schwarzmeerregion 256 Schweden 135,192 Schweiz, schweizerisch 234 Schwurbrüderschaften 135 —> auch: coniuratio Schwureinung 199 —* auch: coniuratio Schwurgemeindegenossen 132 Schwurgemeinschaft, schwurgemeinschaftlich 24,118,121 —> auch: coniuratio Schwurverband 36,139,199 —» auch: coniuratio Schwurverbrüderung 130,209 —> auch: coniuratio scioperati 194 Seebund, delisch-attischer 252,256,269, 274,287,290 —» auch: Bund, attischer Seeburg 78 Seedarlehen, Seedarlehensgeschäft 154, 193 Seegebiet 155

Sachregister Seehandel 14,66,269 Seehandelsplätze 91 Seehandelsstädte 98 Seeherrschaft 288 Seekrieg, seekriegerisch 82,177 Seekriegsbeute, Seekriegsgewinn 269,291 Seekriegsfahrer 62 Seeküste 188 Seelenheil 135 Seemacht 274 Seepolitik 225 Seeraub, Seeräuberleben 78,82,113,176, 269 Seereise 193 Seeschutz 153 Seestädte 1,7,16,70,108,111,171,197, 234,257,269f., 274,284,288 Seidenhändler 205 seigneurial 165 Seine 4 sekenim 87,93f. Selbstausrüstung, Selbstequipierung 5,93, 144,152,215 —> auch: panhopliefähig Selbstbesteuerung 241 Selbstverwaltung 18,20,86,89,192,239 Selbstverwaltungsrechte 15 Seldschuken, seldschukisch 99 Seleukiden, Seleukidenreich 90,276 Senat, Senatoren - (Hamburg) 171 - (Rom) 256,185f., 189,190,196,272,268, 269,293-296,298 Senatorenfamilien (Rom) 268 Senatorenschaft (Rom) 196 Sequester 158 Sergijewskij (Gouvernement Moskau) 59 Sezession (der römischen Plebs) 211 Sheriff, Sheriffsamt 164,165,167f., 195, 317 Sichern 78 Sidon 91,93 Siedelung, Siedler 59,61f., 70,84,98,109, 113,140 —» auch: Ansiedelung; Besiedelung; Marktansiedlung; Neusiedelung; Stadtansiedelungen; Zwangssiedler Siedelungszentren 98 Siedlungsgemeinschaft 114,188 Siedlungsreflektanten 140 Siedlungsunternehmer 140

365

Siena 81,98,111,201,202 Signore, Signorie 25,33-35,147,226-230, 233,317 Sikelioten 225 Sikyon 222,224 Silbenschrift 173 Silphion 82 Sipahi 99 Sippar 92 Sippen 85,88,90,95,101,109-119,121, 135,143,158,216,266,273 - adelige 95,111 - patrizische 93 —» auch: Geschlechter-; Honoratioren-; Stadtbürger-; Stadtsippen Sippenälteste 87,95,124 Sippenangehörige 60 Sippenbande 114 Sippeneid 236 sippenexklusiv 113 Sippenexogamie 112 Sippenfremde 113 Sippengebundenheit 109,143 Sippenhäupter 96 Sippenkonföderation 111,116 sippenlos 22,112,116,138 Sippenorganisation 110 Sippenverband 22,112,115f. Sistan 97 Sittenkodex 277 Sizilien, sizilianisch 73,74,159,222,223, 225,228,232,234,257,284,289,291 Skandinavien, skandinavisch 105,114 Skivini 167,168 Sklave, Sklavin 20,36,94f., lOlf., 103,105, 176,185f., 215,252,257-259,263f., 269, 215,279,280,283,287,291 - Haussklaven 279f. - Kaufsklaven 176 —» auch: Beute-; Schuldsklaven Sklavenankauf 224 Sklavenarbeit 257,259 Sklavenausnutzung 258 Sklavenbesitz, Sklavenbesitzer 257f., 270 Sklavenhalterplutokratie 254 Sklavenhandel 150f., 257 Sklavenkonkurrenz 285 Sklavenmarkt 258 Sklaventruppen 96,98 Sklavenzufuhr 288 Sklaverei 283,288

366

Sachregister

- Kaufsklaverei 186 Slavensiedelungen 75 Societas 201 societas maris 66 Soldaten 93,144,149,282,285,291 —» auch: Krieger; Söldner; Stadtsoldaten Soldheer, Söldnerheer, Soldtruppen 151, 202,225,228f., 291 Söldner, Soldkrieger 16,79,101,175,223, 225,284,290f. Solidarität, solidarisch 104,109,155 Sondereinung 200 Sondergemeinde 25fi, 31f., 200f., 209 Sondergemeinschaft 261 Sondergericht 85,202 Sonderrechte 84,85,93,167,210,221, 233 Sonderrechtsbildungen 85 Sonderrechtsstellung 167 Sonderstämme 115 Sonderverband, Sonderverbandsbildung 20,201,208,212 Sondervergemeinschaftung 292 Sonderzahlungen 165 souverän 146,264,285 Soziologie, soziologisch 25,39,59,124, 127,143,195 —> auch: Stadtsoziologie Spanien, spanisch 228,234,243,236,264, 278,291 Spargelder 280 Sparta, Spartaner, spartanisch 1,32 -34, 38,74f., 79,111,178,181,183,190,191, 212-214,217,225,264,212,276,284, 287,290,291,294,297 Spartiaten, spartiatisch 74,115,181,191, 212,214,213,283,317 - Lakedämonier 214 Spätantike —» Antike Spätmittelalter —> Mittelalter Speditionsgewerbe 67 Speerkampf 297 Speisegemeinschaft, Speisegenossenschaft 22,24,110,112,180,181,273 —» auch: syssitia; Tischgemeinschaft Speyer 118,272 Spezereihändler 205 Spezialkollegien 221 SpezialVerwaltung 155 Spionagesystem 203,214

Sportein, Sportelquelle, Sportelrechte 130, 221,251,5/7 Staat, staatlich 15,25,27,37f., 64,73,112, 120,153,157,184,200,221,223,231f., 239,241,248,252,264,272,282,287f. - leiturgischer 262 - moderner 1,233,235 - patrimonialbureaukratischer 235,237, 239f.,242,248,251 - patrimonialer 233 —» auch: Bundes-; Einheits-; Fron-; Geschlechter-; Groß-; Hof-; Honoratioren*; Kreuzfahrer-; Krieger-; Leiturgie-; Patrimonial-; Patrizier-; Stadt-; Ständestaat Staatsämter 239 —» auch: Ämter, staatliche Staatsanstalten 237 Staatsbauten 257,263f. Staatsbedarf, Staatsbedarfszwecke, Staatsbedürfnisse 5,263,270 Staatsbehörde 237 Staatsform 229 Staatsgut 182,285 Staatshöriger 276 Staatskontrolle 241 Staatskredit 264 Staatslieferungen, Staatslieferungsgeschäfte 263,268,269,282 —> auch: Lieferungen Staatspachten, Staatspächter, Staatspachtgeschäfte 153,264,268,269,282 Staatsrenten, Staatsrentner, Staatspensionen 11f., 64,283 Staatsschulden 153f. Staatswirtschaft 148 Stadt —»Ackerbürgerstadt; Adelsstädte; Beamten-; Binnenstadt; Bischofs-; Citystädte; Festungs-; Fürsten-; Geschlechter-; Gewerbe-; Groß-; Grundrentner-; Handels-; Händlerstadt; Hansestädte; Hauptstadt; Hellenenstädte; Hopliten-; Industriestadt; Kleinstädte; Konsumenten-; Küstenstadt; Landstädte; Marktstadt; Mediat-; Neugründungsstädte;Notablenstadt; Periökenstädte; Plebejer-; Produzenten-; Rentnerstadt; Seehandels-; See-; Territorial-; Untertanenstädte; Zunftstadt; Zwischenhandelsstädte

Sachregister Stadtadel 106,108,155,158,186,200,274, 298 Stadtadelsbildung 162 Stadtadelsentwicklung 148 Stadtadelsfamilien 69,268 Stadtadelsgeschlechter 78,152,251 Stadtadelsrepubliken 270 Stadtadelszunft 158 Stadtämter 239 Stadtansiedelungen 105 Stadtaristokratie 64 Stadtautonomie 18,126,234,237,272 Stadtbeamte 105,184 Stadtbegriff 14,27,75 Stadtbehörden 249 Stadtbezirk 67,86,129,167f., 209,216 Stadtbildung, Städtebildung 12,149 Stadtbürger 68,85,88,106,112,128,129, 131f„ 164-166,170,183,216,236,248, 253,275,283,289 Stadtbürgerrecht 86,108,116,168,194 Stadtbürgerschaft 14,36,98,104f., 164f., 230f., 257,275 Stadtbürgersippen 110 Stadtbürgertum 23,39,42f., 89,253,288 Stadtbürgervergesellschaftung 109 Stadtcharakter 98 Stadtcommunen 235 Stadtdemokratien 270 Städteautonomie —» Stadtautonomie Städtebund 92,178,234f. Städteentwicklung —» Stadtentwicklung Städtegründung —» Stadtgründung Städtegründungsgebiet 62 Stadteinteilungen 111 Stadteinung 127,135f., 139 Stadteinwohner 67,86 Stadtentstehungstheorien 29 Stadtentwicklung, Städteentwicklung 14, 18,84,124,143,233,247,253,262,272, 276 Städteorganisation —» Stadtorganisation Städtesteuer Akzise Städtetheorie 11-13,28,67,124 Städtetypen —» Stadttypen Stadtfestung 83,231 Stadtfreiheit 36,121,222,289 Stadtfürsten, Stadtfürstentum 83,188, 231 f. Stadtgebiet 14,65,68,72,101,131,213, 217,256,287

367

Stadtgemeinde 1,14,16,18-20,24,27,29, 43,84f., 86,89,108f., 112,118,122,134, 136,145,169,770,238,250 Stadtgericht 122,142,164,236 Stadtgeschlechter 95,149 Stadtgewalt 249 Stadtgott 108,121 Stadtgrundbesitz 167 Stadtgründer, Städtegründer 12,125,140, 141 Stadtgrundstücke 64,186 Stadtgründung, Städtegründung 14,84, 117f., 140,246f., 270,276 Stadthaus (bitu) 92 Stadthaus 80,132,166 Stadtheer 289 Stadtheilige 108,119,179f. Stadtherr, stadtherrlich 24,62,80,83,102, 105,122,125,128-131,133,135,141f., 145,164,187f., 236,238,239,240f. Stadtherrschaft 69,91,148 Stadthonoratioren 69 Stadtinsassen 36,85,102,109,115,121, 124,128f., 143,145,234 —> auch: Insassen Stadtinteressenten 170 Stadtkirche 119 Stadtkönig, Stadtkönigtum 4,32,91,108, 124,150,188f., 224,274 Stadtkonstitution 165 Stadtkorporation, Städtekorporation 107, 167,239,244,251 Stadtmacht 69 Stadtmarken 163 Stadtmauer 81,116,131 —> auch: Befestigung; Mauer Stadtobrigkeit 69,72 Stadtoligarchie 162,170 Stadtorganisation, Städteorganisation 176, 274,276 Stadtpatriziat 90,91,158,162,196,248 Stadtpolitik 7,231,255,269,275 Stadtprivilegien 91,140 Stadtquartiere 201,259 Stadtrechnung 243 Stadtrecht 30,68,122,140,221,236 Stadtregiment 33,106,132,140,192,234, 236 Stadtrepräsentation 132 Stadtsässigkeit, stadtsässig 71,92,94f„ 98, 102,106f., 116,122,127,129,132,134,

368

Sachregister

154,175f., 179,186f., 190,193,204,222, 224,231,244,255,263f., 266-270,274, 276,293 Stadtsippen 82 Stadtsoldaten 234 Stadtsoziologie 13,39 Stadtstaat 1,15,17,32,69,93,107,222,270 Stadtstatuten 204 Stadtterritorien 231f. Stadttribus 268 Stadttypen, Städtetypen 12,233,253 Stadttyrannis 222,226 -» auch: Tyrann Stadtuntertanen 275 Stadtverband 124 Stadtverbrüderung 139,143 Stadtverfassung 14f., 27,30,126f., 162,165, 168f., 182,189,200,260 Stadtvertretung 99 Stadtverwaltung 64,133,147f., 158,194, 206 Stadtviertel 18,97f., 81,86,97f., 100,108, 170,194,216 Stadtwirtschaft, stadtwirtschaftlich 8f., 69, 224,244,255 Stadtwirtschaftspolitik 35,70-72,224, 242,255,257 Stalldienste 104 Stamm, Stämme 118,178,182 - amerikanische 261 - arabische 114 —> auch: Ethnos; Gaststamm; Sonderstämme Stammesverband 117 Stammesverfassung 276 Stammeszusammengehörigkeit 120 Stammfremde 113,117f. Stammsitz 184 Stand, Stände, ständisch 14,80,88,101f., 106-108,123,130-132,143,148,167171,181,198,221,223,232-235,243, 245,251,253f., 260,271,275,282f. - Entstehung der 145 - geistlicher 249 - Macht der 153 - obere 275 - Privilegien der 84,239,251 - privilegierte 91,127,167,170,237,251 - Unterschiede des 102,105f., 171,283 —» auch: Adels-; Berufsstände; Bürger-; Erwerbsstand; Generalstände;

Grundbesitz-; Grundherren-; Herren-; Mittelstand; Pfründner-; Provinzial-; Rentnerstände; Ritterstand ständebildend 148 Ständekampf 33f., 187,211,216,224,226, 259,263,276 Ständekompromiß, Ständeausgleich 212, 224,260,264 Ständepolitik 104 Ständeschranken 272 Standesehre 219 Standesetikette 196 Standesgefühl 208 standesgemäß 186,196,294 Standesgenossen 226 Ständestaat, ständestaatlich 152,166 Stapelrecht 66,122,288 Stapelung 66 Statuten 122,159,195,201,202,221 —> auch: Ordinamenti della giustizia; Stadtstatuten Stauf (Burg in der Oberpfalz) 191 Staufer, staufisch 126,159,160 Steuer, steuerlich 122,139,165f., 240f.,271 —» auch: Akzise; Besteuerung; eisphora; Getreidesteuern; Schoß Steuerautonomie 240 Steuerfreiheit 240 Steuergarantie 166 Steuergewalt 240 Steuerhebestellen 241 Steuerkraft 66 Steuerleistung 202 Steuerordnung 201 Steuerpachten, Steuerverpachtung 165, 269,282 Steuerpflicht 143,165,240,286 Steuerquellen 109 Steuersachen 171 Stifter 249f. Stiftsfähigkeit 106 Stiftungen 249 Stimmrecht 188,214f., 279,281 Stockholm 192 Strafgesetze 204 Strafgewalt 26,209,227 Straßburg 106,141,142,208 Straßen 288 —» auch: Fluß-; Karawanenstraßen Straßenbezirk 86 Straßendorf 75

Sachregister Straßengemeinden 86 Streitwagen —» Wagen Streubesitz 265 Stromregulierung 6,16,18,143,144 Stromuferkultur 5 Stuarts 235 Subalternpersonal 160,295 Südeuropa —» Europa Süditalien —> Italien Südstaaten, amerikanische 254 Sufeten —» Schofeten Sultane, osmanische 99 sumerisch 77 sunnitisch 96 Synoikismos 22f., 98,110,116,178,179, 317 Syrakus 222,225 Syrien, syrisch 78,83,84,91,92,177 Syrte, Große 82 syssitia, Syssitien 181,273 —> auch: Speisegemeinschaft Tabarca (Insel vor Tunis) 69 Tabuierung, Tabuschranke 109f., 112,114, 138,180 —» auch: Kastentabu Tagegelder 216,219,283 Tantiemen 64 Taotai 87,95 Tarpejischer Felsen 209f. Tauschwirtschaft, tauschwirtschaftlich 72 Tebez 78 Teilbau, Teilbauern 186,231 Teilpächter 231 Telemachos 175,5/5 Tell-el-Amarna-Tafeln 92 temenos 174 Tempel 176,184,223,251,252 —> auch: Ahnentempel Tempelbezirke 83 Tempeleinnahmen 83 Tempelpriester 83 Tempelschatz 252,286 Teos 179 Terra ferma (Venedig) 191 Territorialgebiet 235 Territorialstädte 237 Test-Akte 244 Theater 285,286 Theater-Gelder 264 Theben 197,283,248,290

369

Thera (Santorin) 82 Thersites 175,176,318 Thessalien 276 Thorarolle 137,138 thrakisch 69,175 Thutmosedynastie 78 Tiber 81 tiers état 207 Timokratie, timokratisch 224,226,272, 318 Tiryns 173 Tischgemeinschaft 19f.,23,1091,112,119, 181 —» auch: Speisegemeinschaft Titienses (römische Tribus) 183 Toscana, Toskana, toskanisch 204,231 Totemgruppen 261 Totemismus, totemistisch 112f. Totenkult 176 Tower (London) 163 tractator 66 Training, militärisches 297 Transportgewerbe 67 Trennung von Staat und Kirche 157,248, 251 Treuebeziehung 91,211 Tribulen 267 Tribun, Tribunat, tribunizisch - (Rom), Volkstribun, Volkstribunat 26, 33f., 156,208-214,318 - (spätantiker Militärbefehlshaber) 149 - (Venedig) 149t, 154,198,318 Tribus 117,179,182t, 209,216,259, 265-267,281,293,318 —> auch: Land-; Stadttribus Tribusvorsteher 213 Tribute 64,83,221,246,252,256,269,288, 290 Tributkomitien —» Comitien Tributpflichten 264 Trier 126 Trierarchie 286 Trinkgelage 136 Troja, Trojaner, trojanisch 117,173,174, 180 Truppenmacht 202 Truppensold 157 Tuchhändler 195,199,204t Tuchscherer —> cimatori Tudors, Tudorzeit 164,169,255,237,240 Tuluniden 97

370

Sachregister

Tunis 69 Türken 96 Türme, Wehrtürme 79,111,179 Turnfeste (der Griechen) 298 Turnier 107,297 Turnierfähigkeit 106,148 Turnierzwecke 106 Turnus, Turnusprinzip 38,157,182,286 Typus,Typen 63-65,67,85,124,181,189, 195,229,253,257,288,293 —» auch: Idealtypus; Misch-; Stadttypen Tyrann, Tyrannis 25,33,94,147,155,177, 205,208,222-226,230,254,263,276, 281,293 —> auch: Kollektivtyrannis Tyros 91f., 93,94,157,251 Tyrrhenisches Meer 225 Überseehandel 129 Überseepolitik 148 Überseewanderungen —»Wanderung Übungsplätze 176 —» auch: Gymnasion Ulema 99 Ultra-vires-Prozeß 237 Umayyaden 95,114 Umbrien 231 Umschlagsmonopol 241 Umschlagsplatz 62 Umsiedlung 110,120,225 Unabkömmlichkeit 215f., 230 Unfreie, Unfreiheit 33,96,102-105,137, 258,262f., 273,280,283 Ungarn 75 universitas civium 122 Universitätsbildung 160,204 Unternehmer 11,62,65,193f., 196f., 199, 205 - 207,229,244,254,288 —> auch: Berufs-; Einzel-; Gelegenheits-; Groß-; Klein-; Siedlungsunternehmer Unternehmerstellung 35,196 Unternehmertum 196,244,288 —»auch: Großunternehmertum Unternehmerzünfte 199,205-207 Unternehmungsformen 244 Unterschichten 101,103,205,229,269 —» auch: Schichten, untere Untertanen, untertänig 4f., 122,144,151, 156,173,196,291,296 —» auch: Erbuntertänigkeit; Stadtuntertanen

Untertanengemeinden 191 Untertanenstädte 264, 288 Untertanenverband 104 Urkunden, urkundlich 24,11,118,125, 137,142,154,186 Usurpation, Usurpierung 24-26,62,105, 124-127,130,133-135,139f., 142,164 Usurpator 223 Vaigali (Stadt im alten Indien) 90 Vakuf 249 valvassores 127 Vasallen, Vasallentum 11,63, 78,79,81, 114,127,131,151,191,270f., 318 - Hauptvasallen 130 - Untervasallen 127,130 —» auch: Kronvasallenfamilien Veden, vedisch 76,77,78 Velburg (Burg in der Oberpfalz) 191 Venedig, Venezianer, venezianisch 32,34, 83,148-158,162,185,188f., 191,198, 203,214,229,232,234,251,254f., 288 Veräußerlichkeit, Veräußerung, veräußerlich 73,101,143,273,284 Verband, Verbände 70,79,85,88,90,98, 107 f., 110,113,115,117f„ 121-123,128, 134f., 139,145,152,155,159,166,168, 180f., 200,207,221,240,242f., 248,259, 262,279,285,295 - autonomer 72 - bäuerlicher 266 - feudaler 232,246,271 - gewerblicher 259f. - grundherrlicher 122,248 - interlokaler 252 - kirchlicher 119 - konfessioneller 119 - kultischer 116 - legitimer 117 - leiturgischer 122,260,262 - lokaler 88,239,266 - militärischer 99,108 - patrimonialer 232f. - politischer 25,124,128,131f., 178,200, 216,253,268,271 - religiös verbrüdeter 180 - ritueller 119 - selbständiger 95,167 - staatlicher 15,231f. - ständischer 148,237,253

Sachregister —» auch: Abstimmungs; Amts-; Berufs-; Bürger-; Dauer-; Ding-; Eid-; Einzel-; Fürsten-; Gemeinde-; Gentil-; Geschlechter-; Gesellen-; Gilden-; Herrschafts-; Kommunal-; Krieger-; Kriegs-; Kult-; Lasten-; Lehens-; Militär-; Ministerialen-; Nachbarverband; Ortsverbände; Personal-; Personen-; Privilegien-; Reichs-; Schutz-; Schwur-; Sippen-; Sonder-; Stadt-; Stammes-; Wahl-; Wehr-; Wirtschafts-; Zwangs-; Zweckverband Verbandsbildung 112 Verbandscharakter 14,84f. Verbandseinheiten 221 Verbandsformen 117 Verbandshandeln 98 Verbandskult 108 Verbandsverwaltung, herrschaftsfremde 38 Verbandsvorstand 261 Verbannte, Verbannung, verbannt 96,158, 190,198,202,222,292 Verbrüderung 18-25,36,89,108,110,112, 117,119,121,125,129,135,138,179181,200,217 —» auch: Bürger-; Eid-; Gebets-; Gilde-; Schwur-; Stadtverbrüderung Verbrüderungscharakter 20,26 Verbrüderungsprinzip 20 Verdienstchancen 250,269 Verfassung 25, 219,232 - grundherrliche 207 - kommunale 224 - moderne 219 - politische 260 - städtische 124 —» auch: Demen-; Dorf-; Fronhofs-; Gemeinde-; Gerichts-; Grundbesitz-; Handwerks-; Hufen-; Kommunal-; Militär-; Repräsentativ-; Stadt-; Stammes-; Zunftverfassung Verfassungsform 212 Verfassungsgeschichte 34,81 Verfassungstechnik, verfassungstechnisch 155,211 Verfassungsvertrag 214 Vergemeinschaftung —» Sondervergemeinschaftung Vergemeinschaftungsformen 292

371

Vergesellschaftung, vergesellschaftet 107, 111,123f., 132,135,167 —» auch: Stadtbürgervergesellschaftung Vergesellschaftungsakt 125 Verkehr 4,20 - auf der Agora 298 - befriedeter 229 - mit den Göttern 184 Verkehrsbedingungen 70 Verkehrseinnahmen 271 Verkehrsfreiheit 273,274 Verkehrslage 64 Verkehrsmonopole 165 Verkehrspolitik, verkehrspolitisch 139, 245 Verkehrswirtschaft, verkehrswirtschaftlich 247 Verlag 205t, 241 Verleger 238 Vermögen 37,64,103,104,153,185t, 191, 194,215,249,260,285,287,296 —> auch: Bürger-; Geld-; Götter-; Haus-; Immobiliarvermögen Vermögensadel 211 Vermögensakkumulation 257 Vermögensanlage 154,196,287 Vermögensbestand, Vermögensbestandteile 186,287 Vermögensbesitz 140 Vermögensbildung 154,286 Vermögensobjekte 215 Vermögensstücke 143 Verona 201,202,227 Verordnungen 227 Verpflanzungspolitik 120 Versammlung 147,292 —» auch: Bürger-; Heeres-; Massen-; Repräsentanten-; Volksversammlung Versammlungsort, Versammlungsplatz 80, 81,196 Verschuldung 186,223,254t, 285,294 Verschwörung, Verschwörungsfall 156, 221,255 —»auch: Eidverschwörung Versklavung 92,277 Vertrauensmann 143 Vertretung 88,130,132,232,234t, 295 —» auch: Gemeinde-; Gerichts-; Korporations-; Parochial-; Stadtvertretung

372

Sachregister

Verwaltung 26,33f., 84-86,93,108, 132-134,144,151,153,155,157,160t, 169f., 173,202t, 207,212,216,218,228, 232,237,239,251,271,295 - bürokratische 91 - feudale 169 - kollegiale 96,157 - königliche 89,169f. - ökonomische 252 - patrimonialbürokratische 173 - rationale 124,158,226 —» auch: Beamten-; Finanz-; Friedens-; Friedensrichter-; Fron-, Gesamt-; Heeres-; Honoratioren-; Magazin-; Ministerialen-; Schreiber-; Selbst-; Spezial-; Stadt-; Verbands-; Zentral-; Zivil-; Zwangsverwaltung Verwaltungsaufgaben 240 Verwaltungsautonomie 164 Verwaltungsbefugnisse 155,238 Verwaltungsbehörde 237-239,295 Verwaltungsbezirk 86,120,233,239 Verwaltungseinrichtung 72 Verwaltungsgeschäfte 146,172 Verwaltungskontrolle 295 Verwaltungsorgan 141,145 Verwaltungsrat (Mekka) 96 Verwaltungssachen 200 Verwaltungsstellen 239 Verwaltungstechnik, verwaltungstechnisch 111,114, 155,207,211 Verwaltungszwecke 207,239 Verweltlichung 252 Via Flaminia 81 Vicomte, Visconti, viskontil 83,127,129 Vieh 75,186 Viehweiden 68 Villeggiaturen 67,231,318 Villeneuve-sur-Vence 69 Villenvororte 67 Villikation 100 Visconti (Amt) —» Vicomte Visconti (Dynastie) 129,227 Vogtei, Vogteigewalt 250f.,318 Völkerwanderungszeit 113 —» auch: Wanderung Volksabstimmung 292 Volksbeschluß (Athen) 187,218,220 Volkscapitan, Capitan, capitaneus populi, Volkscapitanat, Volkskapitanat

201-203,207-211,213,223,227,233, 236f., 281,318 Volksgericht 37,286 Volkshaus 201 Volksmiliz 203 Volkstribun, Volkstribunat —» Tribun (Rom) Volksversammlung 80,146f., 175,188,210, 212,215,218,220,223,290,292 —> auch: Ekklesia; parlamentum Volkswirtschaft 4,8,69 Vollbürger, vollbürgerlich 36,68,80,92, 93,117,119,121,214,254f., 258,263, 269,273,279,281-284 Vollbürgerqualität 172 Vollbürgerrecht 273 Vollbürgerzunft 281 Vollhoplit Hoplit Vorderasien —> Asien Vorkauf, Vorkaufsverbot 241,242 Vormundschaft 251 Vorrechte —> Ehren Vorrechte; Privilegien Vorschlagsrecht 171 vroedschap 133 Waadtland 270 Wachdienst, Wachtdienst 75,80,102,166 —> auch: Festungswachtdienst Waffen 297 —> auch: Entwaffnung Waffendienst 229f., 255 Wagen, Wagenkampf, Kriegswagen, Streitwagen 16,76,77,92,108,175,177, 183 297 Wahl, Wahlen 96,105,108,121,130,147, 150,160,165,167,170,189,194,206,219, 221,260 —» auch: Königs-; Parlaments-; Rats-; Schöffenwahl Wahlbeamte 160,295 Wahlbeeinflussung 207 Wahlgremien 236 Wahlkapitulationen 152,153 Wahlkollegium 130 Wahlleiter 206 Wahlmänner, Wahlmännerkolleg, Wahlmännerkollegium 130,155,206/ Wahlrecht 130,171 Wahlverband 195 Waiblingen 159 Waldnutzung 67f.

Sachregister Waldungen 68 Wales 166 Wall —» Höhenumwallungen Wallfahrtsorte 250 Wanderung, Wanderungen 113,176f. - dorische 177 - Überseewanderungen 176 wards 168,194 Waren 61,651,81,241 Wassergilde 134 Wechsler 204 Wehrfähigkeit, wehrfähig 22,92,93,130, 146,215,263 Wehrgeldpflicht 135 Wehrgemeinde 181 Wehrhaftigkeit, wehrhaft 16,36,124,127f., 145,175,180f., 189,222,235,267,273 Wehrkraft 268 Wehrmacht 36,183,228 Wehrpflicht 181,234 —> auch: Bürgerwehrpflicht Wehrtürme —> Türme Wehrverband 22,36f., 80,117,180f., 214f., 217,245,271,275,278 Weichbild 68 Weidenutzung 67 Weideregulierung 70 Weifen 159 Wergeid -» Wehrgeldpflicht Werkstätten —> Ergasterien Wertpapierzinsen 64 Westeuropa —» Europa Westpreußen —» Preußen Wettkampf 81,176,298 Wettlauf 297 Wettrennen 81 Wiesbaden 12,65 Wirtschaft, wirtschaftlich 61,70,72,170, 280,285 - athenische 258 - rationale 289 - stadtsässige 71 —» auch: Bewirtschaftung; Eigen-; Erwerbs-; Finanz-; Geld-; Haus-; Land-; Markt-; Natural-; Oiken-; Staats-; Stadt; Tausch; Verkehrs-; Volkswirtschaft Wirtschaftsbetrieb 35,37,288 Wirtschaftseinheiten 246 Wirtschaftsführung 294 Wirtschaftsleben 4

373

Wirtschaftsmittel 289 Wirtschaftsorganisation, wirtschaftsorganisatorisch 245 Wirtschaftspolitik 69-72,233,242,244, 249,256 —» auch: Stadtwirtschaftspolitik Wirtschaftsregulierung 70f., 243 Wirtschaftsstufe 8,11,69,71 Wirtschaftsverband 70 Wirtschafts Verfassung 10 Wisby 192 Wohlverhaltensbürgschaft 204 Wohnsitz 96,192,266 Worcester 165 Worms 126,141,272 Wosnessensk (Gouvernement Chersson) 59 Wucher —» Bewucherung Wucherverbot 249 Würde, Würden 149,174,198,298 —» auch: Augustalen ; Gaufürsten-; Königs-; Ritterwürde Würdegefühl 299 Würdenträger 145 Xions (Provinz Posen) 60 yeomanry 267 Zeeland 135 Zensor, Censor 211,281,285 Zensus, Census 115,215,219 - Mindestzensus 216,255 - Ritterzensus 268 —» auch: Ämterzensus Zensusklasse 219 Zentralbehörden 155,232 —» auch: Kurie Zentraleuropa —»Europa Zentralgewalt 271 Zentralverwaltung - (Ägypten) 91 - (England) 169,235 Zeus, Zeug 'EQxevog 117,318 Zins, Zinsen, Zinssatz 101f., 129,143,151, 287 —> auch: Leibzins; Wertpapierzinsen Zinsansprüche 128 Zinsfreiheit, zinsfrei 101,143,240 zinspflichtig 223 Zirkuskämpfe 254

374

Sachregister

Zirkusparteien 98f., 100,298 Zirkusrennen 98 Zisterzienserklöster 250 Zivilprozeß 217,286,287 Zivilsachen 37,212 Zivilverwaltungskörper 86 Znin (Provinz Posen) 60 Zölle 62 Zolleinnahmen 271 Zollfreiheit 153,288 Zunft, Zünfte 7,19,24,27f.,30,36, 40,42, 86,96f., 106f., 132,134,136f., 138,139, 172,191f., 194-196,297,198-201,203207,221,231,236-238,241,257,259, 261 -263,265,267,284,288t, 318 —» auch: Bürger-; Getreidehändler-; Händler-; Handwerker-; Kriegerzunft; Oberzünfte; Stadtadels-; Unternehmer-; Vollbürgerzunft Zunftbürger, Zunftbürgerschaft 197,199f. Zunftcharakter 262 Zunftherrschaft 71,172,194,233,283 Zunftmitgliedschaft 172,195 Zunftorganisation 205,207,283 Zunftpolitik 264

Zunftregiment 98,107 Zunftrevolution 172 Zunftstadt 89 Zunftverfassung 168,283 Zunftvertreter 200 Zunftzwang 27 Zürich 106,199 Zuwanderer, Zuwanderung, Zuzug, Zuzügler 101,115f., 118,224,266 Zwangsanleihen 286 Zwangsapparat 145 Zwangseinbürgerung 225 Zwangsgewalt 88 Zwangssiedler 115 Zwangsverband 36,167f., 262 Zwangsverwaltung 288 Zweckverband 122 Zweikampf 131,164,236 Zwischenhandel 82,177,224 Zwischenhandelsinteressenten 62 Zwischenhandelsmonopol 241 Zwischenhandelsstädte 66 Zwölftafelgesetz, 12 Tafeln 274,276f. Zwölftafelzeit 273 Zypern —» Kypros

Seitenkonkordanzen Die Seitenkonkordanzen beziehen sich auf die bisher gebräuchlichen Voreditionen des in diesem Band edierten Textes. Es handelt sich um: AfSSp

Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 47, Heft 3, 1921, S. 6 2 1 - 7 7 2 .

WuG 1

Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft (Grundriß der Sozialökonomik, Abteilung III), 1. Auflage. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922.

WuG 2 /WuG 3 Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft (Grundriß der Sozialökonomik, Abteilung III), 2. vermehrte Auflage. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1925; 3., unveränderte Auflage 1947. WuG 4

Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. Mit einem Anhang: Die rationalen und soziologischen Grundlagen der Musik, hg. von Johannes Winckelmann, 4. Auflage. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1956.

WuG 5

Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, hg. von Johannes Winckelmann, 5., revidierte Auflage. - Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1976.

Die Paginierung des Textzeugen, der der Edition zugrundeliegt, sowie die Paginierung von WuG 1 wurden auch dem edierten Text marginal beigefügt.

MWG I/22-5 WuG 5 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76

727 727 727/728 728 728/729 729 729/730 730 730 730/731 731 731/732 732 732 732/733 733 733 733/734

WuG 4

WuG 3 ' 2

WuG 1

AfSSp

735 735 735/736 736 736/737 737 737/738 738 738 738/739 739 739/740 740 740 740/741 741 741 741/742

514 514 514/515 515 515/516 516 516/517 517 517 517/518 518 518/519 519 519 519/520 520 520 520/521

513 513 513/514 514 514/515 515 515/516 516 516 516/517 517 517/518 518 518 518/519 519 519 519/520

621/622 622 622/623 623/624 624 624/625 625/626 626 626/627 627/628 628 628/629 629/630 630/631 631 631/632 632 632/633

376

Seitenkonkordanzen

MWG 1/22-5

WuG 5

WuG 4

WuG32

WuG 1

AfSSp

77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125

734 734 734 734/735 735 735 735/736 736 736 736/737 737 737/738 738 738 738 738 738/739 739 739 739/740 740 740 740/741 741 741 741/742 742 742 742/743 743 743 743/744 744 744 744/745 745 745 745/746 746 746 746/747 747 747 747/748 748 748 749 749 749/750

742 742 742 742/743 743 743 743/744 744 744 744/745 745 745/746 746 746 746 746 746/747 747 747 747/748 748 748 748/749 749 749 749/750 750 750 750/751 751 751 751/752 752 752 752/753 753 753 753/754 754 754 754/755 755 755 755/756 756 756 757 757 757/758

521 521 521 521/522 522 522 522/523 523 523 523/524 524 524/525 525 525 525 525 525/526 526 526 526/527 527 527 527/528 528 528 528/529 529 529 529/530 530 530 530/531 531 531 531/532 532 532 532/533 733 733 533/534 534 534 534/535 535 535 536 536 536/537

520 520 520 520/521 521 521 521/522 522 522 522/523 523 523/524 524 524 524 524 524/525 525 525 525/526 526 526 526/527 527 527 527/528 528 528 528/529 529 529 529/530 530 530 530/531 531 531 531/532 732 732 532/533 533 533 533/534 534 534 535 535 535/536

633 633 633/634 634/635 635 635/636 636 636/637 637/638 638/639 639 639/640 640/641 641 641 641/642 642 642 642/643 643/644 644 644/645 645 645/646 646/647 647 647/648 648 648/649 649 649/650 650/651 651 651/652 652 652/653 653/654 654 654/655 655 655/656 656/657 657 657/658 658 658/659 659/660 660 660/661

377

Seitenkonkordanzen MWG 1/22-5

WuG 5

WuG 4

WüG 3 ' 2

WuG 1

AfSSp

126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174

750 750 750/751 751 751 751/752 752 752/753 753 753 753/754 754 754 754/755 755 755 755/756 756 756 756/757 757 757/758 758 758 758 758/759 759 759 759 759/760 760 760 760/761 761 761 761/762 762 762 762/763 763 763/764 764 764 764/765 765 765/766 766 766 766/767

758 758 758/759 759 759 759/760 760 760/761 761 761 761/762 762 762 762/763 763 763 763/764 764 764 764/765 765 765/766 766 766 766 766/767 767 767 767 767/768 768 768 768/769 769 769 769/770 770 770 770/771 771 771/772 772 772 772/773 773 773/774 774 774 774/775

537 537 537/538 538 538 538/539 539 539/540 540 540 540/541 541 541 541/542 542 542 542/543 543 543 543/544 544 544/545 545 545 545 545/546 546 546 546 546/547 547 547 547/548 548 548 548/549 549 549 549/550 550 550/551 551 551 551/552 552 552/553 553 553 553/554

536 536 536/537 537 537 537/538 538 538/539 539 539 539/540 540 540 540/541 541 541 541/542 542 542 542/543 543 543/544 544 544 544 544/545 545 545 545 545/546 546 546 546/547 547 547 547/548 548 548 548/549 549 549/550 550 550 550/551 551 551/552 552 552 552/553

661 662 662/663 663 663/664 664/665 665/666 666 666/667 667/668 668 668/669 669 669/670 670/671 671 671 671/672 672/673 673/674 674 674/675 675/676 676 676 676 676/677 677 677/678 678 678 678/679 679 679/680 680 680/681 681 681/682 682 682/683 683/684 684 684/685 685/886 686/687 687 687/688 688/689 689

378

Seitenkonkordanzen

MWG 1/22-5

WuG 5

WuG 4

WuG3'2

WuG 1

AfSSp

175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223

767 767 767/768 768 768 768/769 769 769 769/770 770 770 770/771 771 771 771/772 772 772 772/773 773 774/774 774 774 774/775 775 775/776 776 776 776/777 777 777/778 778 778 778/779 779 779/780 780 780 780/781 781 781 781/782 782 782 782/783 783 783 783/784 784 784

775 775 775/776 776 776 776/777 777 777 777/778 778 778 778/779 779 779 779/780 780 780 780/781 781 781/782 782 782 782/783 783 783/784 784 784 784/785 785 785/786 786 786 786/787 787 787/788 788 788 788/789 789 789 789/790 790 790 790/791 791 791 791/792 792 792

554 554 554/555 555 555 555/556 556 556 556/557 557 557 557/558 558 558 558/559 559 559 559/560 560 560/561 561 561 561/562 562 562/563 563 563 563/564 564 564/565 565 565 565/566 566 566/567 567 567 567/568 568 568 568/569 569 569 569/570 570 570 570/571 571 571

553 553 553/554 554 554 554/555 555 555 555/556 556 556 556/557 557 557 557/558 558 558 558/559 559 559/560 560 560 560/561 561 651/562 562 562 562/563 563 563/564 564 564 564/565 565 565/566 566 566 566/567 567 567 567/568 568 568 568/569 569 569 569/570 570 570

689/690 690/691 691 691/692 692 692/693 693 693/694 694 694/695 695/696 696 696/697 697 697/698 698/699 699 699/700 700/701 701/702 702 702/703 703 703/704 704/705 705 705/706 706/707 707 707/708 708/709 709 709/710 710/711 711/712 712 712/713 713 713/714 714 714/715 715/716 716/717 717 717/718 718 718/719 719 719/720

379

Seitenkonkordanzen MWG 1/22-5

WuG 5

WuG 4

WuG 3 ' 2

WuG 1

AfSSp

224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270 271 272

784/785 785 785 785/786 786 786/787 787 787/788 788 788 788/789 789 789/790 790 790/791 791 791 791/792 792 792/793 793 793/794 794 794 794/795 795 795 795/796 796 796/797 797 797 797/798 798 798 799 799 799/800 800 800 800/801 801 801/802 802 802/803 803 803 803/804 804/805

792/793 793 793 793/794 794 794/795 795 795/796 796 796 796/797 797 797/798 798 798/799 799 799 799/800 800 800/801 801 801/802 802 802 802/803 803 803 803/804 804 804/805 805 805 805/806 806 806 807 807 807/808 808 808 808/809 809 809/810 810 810/811 811 811 811/812 812/813

571/572 572 572 572/573 573 573/574 574 574/575 575 575 575/576 576 576/577 577 577/578 578 578 578/579 579 579/580 580 580/581 581 581 581/582 582 582 582/583 583 583/584 584 584 584/585 585 585 586 586 586/587 587 587 587/588 588 588/589 589 589/590 590 590 590/591 591/592

570/571 571 571 571/572 572 572/573 573 573/574 574 574 574/575 575 575/576 576 576/577 577 577 577/578 578 578/579 579 579/580 580 580 580/581 581 581 581/582 582 582/583 583 583 583/584 584 584 585 585 585/586 586 586 586/587 587 587/588 588 588/589 589 589 589/590 590/591

720/721 721 721/722 722 722/723 723/724 724/725 725 725/726 726/727 727/728 728/729 729 729/730 730/731 731 731/732 732/733 733/734 734/735 735 735/736 736/737 727 737/738 738/739 739 739/740 740 740/741 741/742 742 742/743 743 743/744 744/745 745 745/746 746/747 747/748 748 748/749 749/750 750 750/751 751/752 752/753 753/754 754/755

380

Seitenkonkordanzen

MWG 1/22-5

WuG 5

WuG 4

WuG 3 ' 2

WuG 1

AfSSp

273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299

805 805 805/806 806 806/807 807 807 807/808 808 808 808/809 809 809/810 810 810 810/811 811 811 811/812 812 812 812/813 813 813/814 814 814 814

813 813 813/814 814 814/815 815 815 815/816 816 816 816/817 817 817/818 818 818 818/819 819 819 819/820 820 820 820/821 821 821/822 822 822 822

592 592 592/593 593 593/594 594 594 594/595 595 595 595/596 596 596/597 597 597 597/598 598 598 598/599 599 599 599/600 600 600/601 601 601 601

591 591 591/592 591 592/593 593 593 593/594 594 594 594/595 595 595/596 596 596 596/597 597 597 597/598 598 598 598/599 599 599/600 600 600 600

755 755/756 756/757 757/758 758 758/759 759 759/760 760/761 761/762 762 762/763 763/764 764 764 764/765 765/766 766 766/767 767/768 768/769 769 770 770/771 771 771/772 772

Aufbau und Editionsregeln der Max Weber-Gesamtausgabe Abteilung I: Schriften und Reden

1. Aufbau

der

Gesamtausgabe

In der Max Weber-Gesamtausgabe werden die veröffentlichten und die nachgelassenen Texte Max Webers mit Ausnahme seiner Exzerpte, Marginalien, Anstreichungen oder redaktionellen Eingriffe in die Texte anderer wiedergegeben. Berichte anderer über Webers Reden, Diskussionsbeiträge und Vorlesungen werden nur dann wiedergegeben, wenn ein autoreigener Zeuge nicht überliefert ist. Liegen mehrere Fassungen eines Textes vor, so werden alle mitgeteilt. Editionen der Texte Webers, die er nicht selbst zum Druck g e g e b e n hat, werden nur dann berücksichtigt, wenn d e m betreffenden Herausgeber Manuskripte vorlagen, die uns nicht mehr überliefert sind. J e d e m Band ist eine Konkordanz mit den bisher gebräuchlichen A u s g a b e n beigegeben.Die Max Weber-Gesamtausgabe gliedert sich in drei Abteilungen: Abteilung I: Schriften und Reden Abteilung II: Briefe Abteilung III: Vorlesungen

2. Aufbau

der Abteilung

I: Schriften

und

Reden

Die Abteilung I umfaßt Max Webers veröffentlichte und nachgelassene Schriften und Reden, unter Einschluß seiner Diskussionsbeiträge und Stellungnahmen. Ebenso werden Paralipomena, Entwürfe und andere Vorarbeiten mitgeteilt. Einzelne Äußerungen sind uns nur durch Zeitungsberichte, Sitzungsprotokolle, Kongreßprotokolle und ähnliches überliefert. Solche Ersatzzeugen werden dann in die A u s g a b e aufgenommen, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der betreffenden Rede oder Stellungnahme Webers entstanden. Außerd e m sind Texte wiedergegeben, die er zusammen mit anderen Personen verfaßte oder unterzeichnete. Für die Verteilung der Texte auf die Bände werden zwei Kriterien verwendet: der Sachzusammenhang und die Chronologie. Dadurch werden thematisch und zeitlich nahestehende Texte zu Bänden vereinigt und die Schwerpunkte des Werkes in ihrer zeitlichen Folge und ihrem Nebeneinander sichtbar gemacht. Jeder Bandtitel enthält deshalb eine thematische und eine zeitliche Angabe. Für die thematische A n g a b e wird entweder ein Titel von Weber verwendet oder, wo dies w e g e n der Vielfalt der Texte nicht möglich ist, ein seinem Wortgebrauch nahestehender Titel neu gebildet. J e d e m Bandtitel ist ferner eine Zeitangabe

382

MWG Abteilung I • Aufbau und

Editionsregeln

zugeordnet. Dabei bezieht sich die erste Jahreszahl auf das Datum der Veröffentlichung des ersten, die zweite auf das Datum der Veröffentlichung des letzten in den Band aufgenommenen Textes. Bei Texten aus dem Nachlaß ist das Entstehungsjahr maßgebend. Dies gilt sowohl für Texte, die uns im Original vorliegen, als auch für solche, von denen wir nur noch eine Edition aus dem Nachlaß besitzen, weil das Original inzwischen verloren ist. Wo das Datum der Entstehung auch nicht annähernd ermittelt werden kann, wird der Text am Ende des Bandes eingeordnet, dem er thematisch nahesteht. Bände mit einem oder mehreren nachgelassenen Texten tragen als zweite Jahreszahl 1920, Webers Todesjahr, wenn wir Hinweise haben, daß er an diesen Texten bis zu seinem Tode arbeitete. Für die Bandfolge ist das Chronologieprinzip maßgebend. Über die Stellung eines Bandes in der Bandfolge entscheidet das Datum des ersten darin abgedruckten Textes. Abweichend davon sind die „Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie" und das Textkonvolut „Wirtschaft und Gesellschaft" an das Ende der Abteilung gestellt. Dies ergibt sich aus der besonderen Überlieferungslage. Die Abteilung I hat folgenden Aufbau: Band

1: Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter Schriften 1 8 8 9 - 1 8 9 4

Band

2:

Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht. 1891 Hg. von Jürgen Deininger; 1986 (Studienausgabe 1988)

Band

3:

Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland. 1892 Hg. von Martin Riesebrodt; 2 Halbbände, 1984

Band

4:

Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik Schriften und Reden 1 8 9 2 - 1 8 9 9 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Rita Aldenhoff; 2 Halbbände, 1993

Band

5:

Börsenwesen Schriften und Reden 1 8 9 3 - 1 8 9 8

Band

6: Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Altertums Schriften 1893-1909

Band

7: Zur Logik und Methodologie der Kultur- und Sozialwissenschaften Schriften 1900-1907

Band

8: Wirtschaft, Staat und Sozialpolitik Schriften und Reden 1 9 0 0 - 1 9 1 2 Hg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Peter Kurth und Birgitt Morgenbrod; 1998

MWG Abteilung Band

9:

I -Aufbau

und

Editionsregeln

Asketischer Protestantismus und Kapitalismus Schriften u n d Reden 1 9 0 4 - 1 9 1 1

B a n d 10:

Zur Russischen Revolution von 1905 Schriften u n d Reden 1 9 0 5 - 1 9 1 2 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Dittmar Dahlmann; 1989 (Studienausgabe 1996)

B a n d 11:

Zur Psychophysik der industriellen Arbeit Schriften u n d Reden 1 9 0 8 - 1 9 1 2 Hg. von Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Sabine Frommer; 1995 (Studienausgabe 1998)

B a n d 12:

Verstehende Soziologie u n d Werturteilsfreiheit Schriften und Reden 1 9 0 8 - 1 9 2 0

B a n d 13:

H o c h s c h u l w e s e n u n d Wissenschaftspolitik Schriften u n d Reden 1 9 0 8 - 1 9 2 0

B a n d 14:

Rationale u n d soziale G r u n d l a g e n der Musik Nachlaß 1921

B a n d 15:

Zur Politik im Weltkrieg Schriften u n d Reden 1 9 1 4 - 1 9 1 8 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Gangolf Hübinger; 1984 (Studienausgabe 1988)

B a n d 16:

Zur N e u o r d n u n g Deutschlands Schriften u n d Reden 1 9 1 8 - 1 9 2 0 Hg. von Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Wolfgang Schwentker; 1988 (Studienausgabe 1991)

B a n d 17:

Wissenschaft als Beruf 1917/1919 - Politik als Beruf 1919 Hg. von Wolfgang J. Mommsen und Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Birgitt Morgenbrod; 1992 (Studienausgabe 1994)

B a n d 18:

Die protestantische Ethik u n d der Geist des Kapitalismus/ Die protestantischen Sekten u n d der Geist d e s Kapitalismus Schriften 1 9 0 4 - 1 9 2 0

B a n d 19:

Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Konfuzianismus u n d Taoismus Schriften 1 9 1 5 - 1 9 2 0 Hg. von Helwig Schmidt-Glintzer in Zusammenarbeit mit Petra Kolonko; 1989 (Studienausgabe 1991)

384

MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln

B a n d 20:

Die W i r t s c h a f t s e t h i k d e r Weltreligionen. H i n d u i s m u s u n d B u d d h i s mus 1916-1920 Hg. von Helwig Schmidt-Gllntzer In Zusammenarbeit mit Karl-Heinz Golzio; 1996 (Studienausgabe 1998)

B a n d 21:

Die W i r t s c h a f t s e t h i k der Weltreligionen. D a s antike J u d e n t u m Schriften u n d R e d e n 1 9 1 7 - 1 9 2 0

B a n d 22:

Wirtschaft u n d G e s e l l s c h a f t . Die W i r t s c h a f t u n d d i e g e s e l l s c h a f t lichen O r d n u n g e n u n d M ä c h t e . Nachlaß 2 2 - 1: G e m e i n s c h a f t e n 2 2 - 2: Religiöse G e m e i n s c h a f t e n 2 2 - 3: Recht 2 2 - 4: H e r r s c h a f t 2 2 - 5: Die Stadt Hg. von Wilfried Nippel; 1999 2 2 - 6: Materlallen u n d Register

B a n d 23:

Wirtschaft u n d G e s e l l s c h a f t . S o z i o l o g i e Unvollendet 1 9 1 9 - 1 9 2 0

3. Aufbau

der

Bände

J e d e r B a n d enthält eine Einleitung d e s H e r a u s g e b e r s , die historisch-kritisch b e a r b e i t e t e n Texte W e b e r s , d e n e n jeweils ein Editorischer Bericht v o r a n g e s t e l l t ist, V e r z e i c h n i s s e u n d Register. I n n e r h a l b der B ä n d e s i n d d i e E d i e r t e n Texte c h r o n o l o g i s c h g e o r d n e t . Bei v o n W e b e r v e r ö f f e n t l i c h t e n Texten ist d a s D a t u m der V e r ö f f e n t l i c h u n g , bei n a c h g e l a s s e n e n Texten d a s D a t u m der E n t s t e h u n g m a ß g e b e n d . Ä u ß e r u n g e n W e b e r s , ü b e r die wir nur E r s a t z z e u g e n besitzen, w e r d e n im z w e i t e n Teil eines B a n d e s z u s a m m e n g e f a ß t u n d n a c h d e m D a t u m der Ä u ß e r u n g w i e d e r u m c h r o n o l o g i s c h a n g e ordnet. Einzelnen B ä n d e n sind A n h ä n g e b e i g e g e b e n . Darin f i n d e n sich z u n ä c h s t Texte, d i e W e b e r mit a n d e r e n P e r s o n e n z u s a m m e n verfaßte o d e r u n t e r z e i c h n e t e , g e g e b e n e n f a l l s H i n w e i s e auf verlorene Texte s o w i e auf D o k u m e n t e .

4.

Bandeinleitung

Die Einleitung d e s H e r a u s g e b e r s informiert über d i e A n o r d n u n g , d i e t h e m a t i s c h e n S c h w e r p u n k t e u n d über d e n w i s s e n s c h a f t s g e s c h i c h t l i c h e n u n d zeitges c h i c h t l i c h e n H i n t e r g r u n d der Texte. Enthält ein B a n d m e h r e r e Texte, g e h t d i e Einleitung a u ß e r d e m auf d e r e n Z u s a m m e n h a n g ein. Die R e z e p t i o n s - u n d Wir-

MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln

385

kungsgeschichte sowie die Geschichte von Nacheditionen dagegen bleiben in der Regel außer Betracht. Die Einleitung berichtet ferner über bandspezifische Editionsfragen, z. B. über sprachliche Eigentümlichkeiten Webers und deren editorische Behandlung. Alle textspezifischen Informationen geben die Editorischen Berichte.

5. Editorische

Berichte

Jedem Text ist ein Editorischer Bericht vorangestellt, der über dessen Entstehung, Entwicklung und Überlieferung sowie über editorische Entscheidungen informiert. Er ist in die Abschnitte „Zur Entstehung" und „Zur Überlieferung und Edition" gegliedert.

5.1 „Zur

Entstehung"

Dieser Abschnitt skizziert die historisch-politischen, wissenschaftlichen und biographischen Zusammenhänge, in denen ein Text steht. Er stellt ferner seine Entstehung und Entwicklung dar. Sofern mehrere Fassungen eines Textes vorliegen, wird deren Verhältnis zueinander beschrieben.

5.2 „Zur Überlieferung

und

Edition"

Dieser Abschnitt informiert über Textbefund und Überlieferungslage. Liegen mehrere Fassungen eines Textes vor, wird dargelegt, welche der Fassungen Edierter Text und welche Variante ist. Ferner werden alle weiteren editorischen Entscheidungen begründet. Dazu gehört unter anderem auch die Behandlung textspezifischer Eigentümlichkeiten.

6. Texte Bearbeitung und Präsentation der Texte folgen der historisch-kritischen Methode. Dies geschieht mit Hilfe von drei Apparaten: dem Korrekturen- und dem Variantenapparat, die zum textkritischen Apparat zusammengefaßt sind, und dem Erläuterungsapparat.

6.1 Textkritischer

Apparat

Der textkritische Apparat hat in erster Linie zwei Aufgaben: Aufweis der Textentwicklung und Nachweis der Texteingriffe.

386 6.1.1

MWG Abteilung I • Aufbau und

Editionsregeln

Textentwicklung

Liegt ein Text in mehreren autorisierten Fassungen vor, ist eine Fassung zum Edierten Text bestimmt. Dies ist in der Regel die Fassung letzter Hand. Jede zur Variante bestimmte Fassung wird im textkritischen Apparat mitgeteilt, in der Regel mit Hilfe eines negativen Apparats. Wo es die Sachlage erfordert, insbesondere bei umfangreichen Varianten, ist der positive Apparat oder die synoptische Darstellung gewählt. Die früheste oder einzige Fassung eines Textes trägt die Sigle A. Spätere Fassungen sind in chronologischer Folge mit B, C usw. bezeichnet. 6.1.2

Texteingriffe

Texteingriffe sind auf ein Minimum beschränkt. Sie werden bei Textverderbnissen vorgenommen. Als verderbt gelten Textstellen, die den Sinnzusammenhang zerstören. Der Eingriff wird dadurch nachgewiesen, daß die verderbte Stelle im textkritischen Apparat mitgeteilt wird. Läßt sich eine unklare Stelle nicht eindeutig als verderbt erkennen, so wird sie unverändert gelassen. Je nach Sachlage bietet der Apparat dann Lesarten in Voreditionen oder andere Verständnishilfen an. Nicht als Textverderbnis gelten Spracheigentümlichkeiten, einschließlich regelwidriger, aber nicht sinnentstellender grammatischer Konstruktionen, nicht mehr gebräuchlicher Lautstand, veraltete Orthographie und Interpunktion. In folgenden Fällen werden Texteingriffe ohne Nachweis im textkritischen Apparat vorgenommen: a) Bei der Gestaltung von Überschriften, Zwischentiteln, anderen Gliederungsmerkmalen (z.B. Paragraphen) sowie Hervorhebungen: Sie werden typographisch vereinheitlicht. b) Bei Umlauten: Sie werden - soweit sie Folge der zu Webers Zeit üblichen Drucktechnik sind - der heutigen Schreibweise angeglichen (Ä statt Ae). Die Schreibweise ss für ß wird zu ß vereinheitlicht. c) Bei Abkürzungen: Sie werden, sofern sie schwer verständlich und heute nicht mehr üblich sind, in eckigen Klammern ausgeschrieben. d) Bei offensichtlichen Druckfehlern: Sie werden korrigiert (z.B. „Erleicherung", „aucht"). e) Bei Interpunktionsfehlern: Sie werden bei der Reihung von Hauptsätzen, Aufzählungen, Relativsätzen und „daß"-Sätzen korrigiert. In allen anderen Fällen werden eingefügte Satzzeichen durch eckige Klammern kenntlich gemacht. f) Bei der Numerierung von Anmerkungen: Sie werden text- oder kapitelweise durchgezählt. Entsteht dadurch eine Abweichung gegenüber Webers Zählung, so wird dies im Editorischen Bericht vermerkt. g) Bei der Einfügung von Titeln und Zwischenüberschriften: Sie werden in eckige Klammern gesetzt und im Editorischen Bericht begründet

MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln 6.2

387

Erläuterungsapparat

Der Erläuterungsapparat dient dem Nachweis, der Ergänzung oder der Korrektur der Zitate und der Literaturangaben sowie der Sacherläuterung. 6.2.1

Zitate

Webers Zitate werden überprüft. Sind sie indirekt, unvollständig oder fehlerhaft, gibt der Apparat den richtigen Wortlaut wieder. Hat Weber ein Zitat nicht belegt, wird es im Apparat nachgewiesen. Ist uns der Nachweis nicht möglich, so lautet die Anmerkung: „Als Zitat nicht nachgewiesen". 6.2.2

Literaturangaben

Webers Literaturangaben werden überprüft. Sind sie nicht eindeutig oder fehlerhaft, werden sie ergänzt oder berichtigt, wenn möglich, unter Verwendung der von Weber benutzten Ausgabe. Es wird dafür ein Kurztitel verwendet. Die vollständigen bibliographischen Angaben finden sich im Verzeichnis der von Weber zitierten Literatur. Verweist Weber ohne nähere Angaben auf Literatur, so ist sie, wenn möglich, im Apparat nachgewiesen. Literaturangaben des Herausgebers werden beim ersten Auftreten vollständig aufgeführt, bei Wiederholungen wird ein Kurztitel verwendet. 6.2.3

Sacherläuterung

Erläutert werden Ereignisse und Begriffe, deren Kenntnis für das Verständnis des Textes unerläßlich erscheint. Informationen über Personen finden sich im Personenverzeichnis am Ende des Bandes. Erfordert eine Textstelle darüber hinausgehende Informationen über eine Person, so bietet sie der Apparat. Sachliche Fehler Webers werden im Apparat berichtigt. Für Wörter aus fremden Schriftsystemen verwendet der Editor in seinen Erläuterungen die Transliteration nach den heute gültigen Richtlinien.

6.3

Präsentation

Um die Benutzung der Ausgabe zu erleichtern, erscheinen Webers Text und die dazugehörigen Apparate in der Regel auf derselben Seite. Edierter Text und Varianten sind gleichwertig. Die Varianten werden so präsentiert, daß der Leser die Textentwicklung erkennen kann. Kleine lateinische Buchstaben verbinden den Edierten Text mit dem textkritischen Apparat. Sie stehen hinter dem Varianten oder emendierten Wort. Bezieht sich die textkritische Anmerkung auf mehr als ein Wort, so markiert ein gerade gesetzter Index den Anfang und ein kursiv gesetzter Index das Ende der fraglichen Wortfolge ( a mit Amerika 3 ). Die Ersatzzeugen von Webers Äußerungen, auf die wir zurückgreifen müssen, stimmen nicht immer überein. In solchen Fällen sind sie alle ohne Wertung aufeinanderfolgend oder synoptisch wiedergegeben.

388

MWG Abteilung I • Aufbau und Editionsregeln

Z e i t u n g s b e r i c h t e enthalten in der Regel e i n e n r e d a k t i o n e l l e n V o r s p a n n , Z w i s c h e n t e x t e o d e r N a c h b e m e r k u n g e n ; Sitzungs- u n d K o n g r e ß p r o t o k o l l e g e b e n a u c h B e i t r ä g e a n d e r e r R e d n e r wieder. W e n n d i e s e Texte in u n m i t t e l b a r e m s a c h lichen Z u s a m m e n h a n g mit W e b e r s Ä u ß e r u n g e n stehen, w e r d e n sie e n t w e d e r in F o r m eines Regests, w ö r t l i c h in kleinerer D r u c k t y p e o d e r im t e x t k r i t i s c h e n A p p a rat mitgeteilt. Die historisch-kritisch b e a r b e i t e t e n Texte W e b e r s u n d die E r l ä u t e r u n g e n d e s H e r a u s g e b e r s sind d u r c h a r a b i s c h e Ziffern o h n e K l a m m e r n m i t e i n a n d e r v e r b u n den. U m d i e H e r a u s g e b e r r e d e v o n W e b e r s Text a b z u h e b e n , ist sie in a n d e r e r Schriftt y p e gesetzt.

7. Verzeichnisse

und

Register

D e m B a n d sind f o l g e n d e V e r z e i c h n i s s e u n d Register b e i g e f ü g t : 1. Ein Inhaltsverzeichnis. 2. Ein Verzeichnis der Siglen, Z e i c h e n u n d A b k ü r z u n g e n . 3. Ein Literaturverzeichnis: Es enthält d i e v o n W e b e r zitierte Literatur v o l l s t ä n d i g b i b l i o g r a p h i s c h erfaßt. Auf d e n Titel folgt in K l a m m e r n der v o m Editor in seinen E r l ä u t e r u n g e n g e b r a u c h t e Kurztitel. 4. Ein P e r s o n e n v e r z e i c h n i s : A u f g e n o m m e n sind alle Personen, die W e b e r erw ä h n t , mit A u s n a h m e a l l g e m e i n b e k a n n t e r (z. B. B i s m a r c k , W i l h e l m II.) u n d in L i t e r a t u r a n g a b e n g e n a n n t e r Personen. Es liefert die w i c h t i g s t e n L e b e n s d a ten, g i b t die b e r u f l i c h e o d e r p o l i t i s c h e Stellung an u n d führt g g f . d i e v e r w a n d t s c h a f t l i c h e n o d e r p e r s ö n l i c h e n B e z i e h u n g e n z u W e b e r auf. D a s P e r s o n e n v e r z e i c h n i s hat d e n Z w e c k , d e n E r l ä u t e r u n g s a p p a r a t z u entlasten. 5. Ein P e r s o n e n r e g i s t e r : Es v e r z e i c h n e t s ä m t l i c h e v o n W e b e r u n d v o m Editor e r w ä h n t e n P e r s o n e n einschließlich der A u t o r e n der v o n W e b e r u n d v o m Editor zitierten Literatur. 6. Ein S a c h r e g i s t e r : Es enthält alle w i c h t i g e n Begriffe u n d S a c h b e z e i c h n u n g e n . Ist ein Begriff für e i n e n Text t h e m a t i s c h , w e r d e n nur zentrale Stellen u n d b e s o n d e r e B e d e u t u n g e n v e r z e i c h n e t . Es v e r z e i c h n e t ferner alle g e o g r a p h i s c h e n N a m e n , mit A u s n a h m e der V e r l a g s o r t e in L i t e r a t u r a n g a b e n u n d der A r c h i v o r t e . Es w e r d e n d i e N a m e n benutzt, die im d e u t s c h e n S p r a c h r a u m vor 1920 ü b l i c h w a r e n o d e r a m t l i c h g e b r a u c h t w u r d e n . K a n n ein Ort nicht als b e k a n n t v o r a u s g e s e t z t w e r d e n , w i r d zur E r l ä u t e r u n g die V e r w a l t u n g s e i n h e i t n a c h d e m G e b i e t s s t a n d v o n 1920 ( z . B . Kreis, R e g i e r u n g s b e z i r k ) u n d g g f . a u c h der heute a m t l i c h e N a m e b e i g e f ü g t . P e r s o n e n - u n d S a c h r e g i s t e r e r f a s s e n W e b e r s Texte u n d d i e H e r a u s g e b e r r e d e . G e r a d e g e s e t z t e Z a h l e n v e r w e i s e n auf W e b e r s Text, kursiv g e s e t z t e Z a h l e n auf die H e r a u s g e b e r r e d e .

MWG Abteilung l -Aufbau und

Editionsregeln

389

Einem Band können weitere Verzeichnisse, wie z.B. Glossare, Konkordanzen, Maß- und Gewichtstabelien sowie Karten beigefügt sein.

8. Indices und

Zeichen

Folgende Indices werden verwendet: 2 a) Arabische Ziffern mit runder Schlußklammer \ 3> ...) kennzeichnen Webers eigene Anmerkungen. b) Arabische Ziffern ohne Klammern ( 1 , 2 , 3 ...) und in von a) abweichender Schrift markieren die Erläuterungen des Editors. c) Kleine lateinische Buchstaben ( a , b , 0 ...) kennzeichnen eine textkritische Anmerkung.

Folgende Zeichen werden verwendet: d) Das Zeichen | gibt die Stelle des Seitenwechsels nach der ursprünglichen Paginierung einer Textfassung wieder. e) Das Zeichen [ ] markiert Hinzufügungen zum Text durch den Editor.

Bandfolge der Abteilung II: Briefe

Band Band Band Band Band

1: 2: 3: 4: 5:

Jugendbriefe bis 1886 Briefe 1887-1894 Briefe 1895-1900 Briefe 1901-1905 Briefe 1906-1908 Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 1990

Band 6: Briefe 1909-1910 Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 1994

Band 7: Briefe 1911-1912 Hg. von M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Birgit Rudhard und Manfred Schön; 2 Halbbände, 1998

Band 8: Briefe 1913-1914 Band 9; Briefe 1915-1917 Band 10: Briefe 1918-1920 In Band 10 werden als Nachträge auch solche Briefe aufgenommen, die nach Erscheinen der einschlägigen Bände noch aufgefunden werden oder die nicht datierbar sind.