Matthias Bergius (1536-1592): Antike Dichtungstradition im konfessionellen Zeitalter 9783666252952, 9783525252956, 9783647252957

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Matthias Bergius (1536-1592): Antike Dichtungstradition im konfessionellen Zeitalter
 9783666252952, 9783525252956, 9783647252957

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Hypomnemata Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben

Herausgegeben von Albrecht Dihle, Siegmar Döpp, Dorothea Frede, Hans-Joachim Gehrke, Günther Patzig, Christoph Riedweg, Gisela Striker Band 186

Vandenhoeck & Ruprecht

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Diane Deufert

Matthias Bergius (1536–1592) Antike Dichtungstradition im konfessionellen Zeitalter

Vandenhoeck & Ruprecht

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Verantwortlicher Herausgeber: Siegmar Döpp

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-25295-6 ISBN 978-3-647-25295-7 (E-Book) Hypomnemata ISSN 0085-1671 Umschlagabbildung aus: Apin, S. I.: Vitae professorum philosophiae qui a condita academia Altorfina ad hunc usque diem claruerunt […], Nürnberg 1728, nach Seite 62. © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Oakville, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Druck und Bindung: Ò Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Meinen Eltern

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Inhalt

Vorwort ................................................................................................... 1

9

Matthias Bergius – ein vergessener protestantischer Dichter des 16. Jahrhunderts ..........................................................................

11

2

Eine biographische Skizze ...............................................................

18

3

Das dichterische Werk ......................................................................

43

3.1

Vorbemerkung........................................................................

43

3.2

Episierende Dichtung ............................................................. 3.2.1 Bibelepik ....................................................................... 3.2.2 Hagiographische Epik ................................................... 3.2.3 Historische Epik ............................................................

44 45 47 55

3.3 3.4

Dramatisierende Dichtung ..................................................... Religiöse (Schul-)Dichtung....................................................

71 75

3.5 3.6

Protreptische Schulreden........................................................ 83 Gelegenheitsdichtung............................................................. 86 3.6.1 Hochzeitsgedichte ......................................................... 87 3.6.2 Trauer- und Trostgedichte............................................. 105 3.6.3 Reisegeleit- und Willkommensgedichte ....................... 116

4

Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius ................................... 123 4.1 4.2

4.3 4.4

Vorbemerkung........................................................................ Der historische Rahmen ......................................................... 4.2.1 Julius’ Weg zur Herrschaft ........................................... 4.2.2 Die Stellung der Stadt Braunschweig im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel ......................................... 4.2.3 Julius’ erste Regierungsmaßnahmen bis zum Einzug in Braunschweig ............................................... Aufbau und Inhalt ..................................................................

123 123 123 127 131 136

In der Nachfolge Claudians: Funktionale und formale Überlegungen zur Gattung ..................................................... 144

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8

Inhalt

4.5

4.6

4.7

Die panegyrische Tendenz: Bild und Gegenbild des idealen Herrschers im konfessionellen Zeitalter ................................ 4.5.1 Das Herrscherideal im konfessionellen Zeitalter .......... 4.5.2 Das Herrscherideal des Panegyricum Carmen: Die erste Rede der Patria............................................... 4.5.3 Julius’ Voraussetzungen zum idealen Herrscher .......... 4.5.4 Julius als idealer Herrscher ........................................... 4.5.5 Das Gegenbild zum idealen Herrscher: Die antikatholische Polemik ......................................... Untersuchungen zur poetischen Technik ............................... 4.6.1 Vorbemerkung .............................................................. 4.6.2 Verstechnik und ausgewählte Beobachtungen zur Stilistik .................................................................... 4.6.3 Der Umgang mit den literarischen Vorlagen ................

158 159 161 163 172 186 192 192 192 207

Text und Übersetzung des Panegyricum Carmen ................. 279 4.7.1 Vorbemerkungen........................................................... 279 4.7.2 Panegyricum Carmen – Das Panegyrische Gedicht ..... 286

5

Ergebnisse ......................................................................................... 394

6

Anhänge ............................................................................................ 399 6.1 Matthias Bergius’ Autobiographie......................................... 399 6.2 6.3

7

Literaturverzeichnis .......................................................................... 7.1 Abkürzungen .......................................................................... 7.1.1 Archive und Bibliotheken ............................................. 7.1.2 Zeitschriften, Nachschlagewerke und Ausgaben .......... 7.1.3 Neulateinische Texte..................................................... 7.2 Texte neulateinischer Autoren und Anthologien ................... 7.3 7.4

8

Verzeichnis der Werke von Matthias Bergius ....................... 403 Genealogie der Welfen........................................................... 420 423 423 423 424 424 425

Textdatenbanken auf CD-ROM und im Internet ................... 426 Forschungsliteratur................................................................. 426

Register ............................................................................................. 436 8.1 Stellen..................................................................................... 436 8.2

Namen und Sachen................................................................. 442

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Vorwort

Das vorliegende Buch ist die erweiterte Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 2005/2006 von der Philosophischen Fakultät der GeorgAugust-Universität Göttingen angenommen wurde. Gegenüber der eingereichten Arbeit nimmt die Druckfassung nun das Gesamtwerk von Matthias Bergius in den Blick. Sie berücksichtigt die bis Anfang 2010 erschienene Literatur. Mein Dank gilt vor allem meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Siegmar Döpp, der meinen Werdegang von Studienbeginn an begleitete, meinen Umgang mit Texten prägte und der in mir den Entdeckerdrang auf dem Gebiet des Neulateinischen weckte. Sein zuverlässiger Rat und sein ihm eigener Humor ermunterten mich auch in schwierigen Zeiten zum Durchhalten. Auch danke ich ihm sowie den weiteren Herausgebern der »Hypomnemata« herzlich für die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe. Herrn Professor Dr. Thomas Haye gebührt mein Dank für die Erstellung des Zweitgutachtens. Herr Dr. Rolf Heine hat mit der mir bereits aus dem Studium vertrauten Genauigkeit große Teile der Arbeit gelesen und verbessert. Zudem verschaffte er meiner Arbeit auch durch ausgiebige Radtouren frischen Wind. Dafür sei ihm herzlich gedankt. Unterstützung erfuhr ich zudem von vielerlei Seite: Zunächst danke ich den Archiven und Bibliotheken, die mir die Drucke und Handschriften in angenehmer Atmosphäre zugänglich machten. Zu erwähnen sind hier vor allem die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek in Göttingen, die Herzog August Bibliothek und das Niedersächsische Staatsarchiv in Wolfenbüttel, die Stadtbibliothek und das Stadtarchiv in Braunschweig, das Niedersächsische Hauptstaatsarchiv in Hannover, die Bayerische Staatsbibliothek in München sowie die Universitätsbibliothek in Leipzig. Herr Professor Dr. Peter Aufgebauer hat sich der kritischen Lektüre des lokalhistorischen Kapitels angenommen. Susanne Gatzemeier beseitigte durch geduldiges und mühevolles Korrekturlesen der gesamten Arbeit die bis zuletzt stehen gebliebenen Fehler. In allen Computerfragen konnte ich mich auf die Hilfe meines Bruders Martin Wolff verlassen. Ihnen allen danke ich sehr herzlich. Die Studienstiftung des deutschen Volkes ermöglichte mir durch ein großzügiges Promotionsstipendium das ungestörte Arbeiten an der Disserta-

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10 tion. Für die hervorragende und unkomplizierte Betreuung während der Drucklegung danke ich Frau Dr. Ulrike Blech vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht. Besonders dankbar bin ich meinem Mann Marcus Deufert, der mir in allen Phasen der Dissertation mit kundigem Rat und liebevoller Zuneigung zur Seite stand. Schließlich danke ich sehr herzlich meinen Eltern für die stete Unterstützung. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Leipzig, im Juni 2010

Diane Deufert

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1 Matthias Bergius – ein vergessener protestantischer Dichter des 16. Jahrhunderts

Matthias Bergius’ Biographie und seine literarische Tätigkeit gleichen denen vieler Humanisten im 16. Jahrhundert in Deutschland, das von den Unruhen des konfessionellen Zeitalters geprägt war:1 Viele Jahre lang übte Bergius in seiner Heimatstadt Braunschweig das Amt des Rektors an der Katharinenschule aus und veröffentlichte in dieser Funktion neben einer lateinischen Grammatik, einer Ausgabe des Terenz und religiösen Gedichten, die hauptsächlich für seine Schüler bestimmt waren, zahlreiche Gelegenheitsgedichte.2 In Braunschweig galten Bergius’ dichterische Ambitionen insbesondere dem Wolfenbütteler Fürstenhof: Im Namen des Katharineums beehrte er den neugekrönten Welfen Julius, Herzog von Braunschweig-Lüneburg, bei seinem Einzug in Braunschweig 1569 mit einem Lobgedicht, dem Panegyricum Carmen; des Weiteren verfasste er für Julius ein allegorisches ————— 1 Konfessionelles Zeitalter als Epochenbegriff umfasst etwa den Zeitraum zwischen dem Augsburger Religionsfrieden (1555) und dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648); Konfessionelles Zeitalter oder auch Zeitalter der Konfessionalisierung hat zu Recht den früheren Epochenbegriff Zeitalter der Gegenreformation abgelöst und sich vor allem in der historischen Forschung durchgesetzt, vgl. dazu Ehrenpreis / Lotz-Heumann, 71ff. Die Bezeichnung Konfessionelles Zeitalter wurde in dieser Arbeit insbesondere für das 16. Jahrhundert gewählt, da dieser Zeitraum von jenen religiösen Auseinandersetzungen lebt, welche die Epoche als ganze, aber auch das Leben und Werk von Matthias Bergius maßgeblich geprägt haben. Zu den konkurrierenden Epochenbegriffen Reformation, Humanismus, Späthumanismus und dem mehrere Epochen überspannenden Begriff Frühe Neuzeit vgl. Müller, J.-D.: Reformation, in: RLW 3 (2003), 241-246; Ehrenpreis / LotzHeumann, 17ff. (Reformation als Epochengrenze zwischen Mittelalter und Neuzeit); Jaumann, H.: Humanismus2, in: RLW 2 (2000), 95-100; Hammerstein, N. / Walther, G. (Hgg.): Späthumanismus. Studien über das Ende einer kulturhistorischen Epoche, Göttingen 2000, 9-18; Jaumann, H.: Frühe Neuzeit, in: RLW 1 (1997), 632-636; Bremer, K.: Religionsstreitigkeiten. Volkssprachliche Kontroversen zwischen altgläubigen und evangelischen Theologen im 16. Jahrhundert, Tübingen 2005, 9ff. 2 Die enge Verbindung zwischen Schule/Universität und Literaturbetrieb sowie die hiermit verbundene hohe Bedeutung der Gelegenheitsdichtung zeigt der knappe Überblick über die lateinische Literatur deutscher Humanisten im 16. Jahrhundert von Walther Ludwig: Die neuzeitliche lateinische Literatur seit der Renaissance, in: F. Graf (Hg.), Einleitung in die lateinische Philologie, Stuttgart 1997, 323-356, hier 336-338. Vgl. zudem Ludwig, Latein im Leben, 12ff.; Kühlmann, W. / Wiegand, H.: Neulateinische Literatur, in: V. Meid (Hg.), Literaturlexikon. Begriffe, Realien, Methoden, Bd. 14, München 1993, 151-158; Roloff, H.-G.: Neulateinische Literatur, in: Propyläen. Geschichte der Literatur. Bd. 3: Renaissance und Barock 1400-1700, Berlin 1984, 196-230, hier 201; Ellinger / Ristow, 634.

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Matthias Bergius

Festspiel anlässlich der Gründung der Universität Helmstedt im Jahre 1576. Mit anderen Braunschweiger Humanisten wie Bernhard Orestes, Martin Baremius, Andreas Moller und Pankraz Krüger pflegte Bergius freundschaftliche Beziehungen.3 Sein Leben erfuhr eine einschneidende Wendung, als Bergius aus theologischer Überzeugung, wegen seiner Sympathie für den Calvinismus, die Konkordienformel ablehnte, zu deren Anerkennung er als Lehrer verpflichtet war. Daraufhin musste er auf Betreiben des lutherischen Theologen und Mitverfassers der Formel Martin Chemnitz das Rektorat aufgeben und Braunschweig 1582 verlassen.4 Eine neue Tätigkeit als Ethikprofessor fand Bergius an der Hohen Schule von Altdorf, die ihm, wie auch vielen anderen Vertriebenen, eine neue Heimat bot.5 Bergius nahm regen Anteil am Altdorfer Universitätsleben und bedachte seine Kollegen mit zahlreichen Gelegenheitsgedichten. Außerdem gab Bergius in Altdorf die Nikomachische Ethik des Aristoteles zweisprachig (griech./lat.) heraus und arbeitete an theologischen Schriften, vor allem an Auslegungen umstrittener Bibelstellen. In Altdorf führte Bergius eine reiche Korrespondenz mit Joachim Camerarius d. J. und stand in Kontakt mit bedeutenden zeitgenössischen Gelehrten wie Nicodemus Frischlin, David Chytraeus, Obertus Giphanius oder Johannes Posthius. Dank seinem vielfältigen literarischen, philologischen und theologischen Werk genoss Bergius nicht nur bei seinen Zeitgenossen hohes Ansehen; bis in das 18. Jahrhundert hinein stößt er auf Lob und Anerkennung. Sein Neffe Conrad Rittershausen bemühte sich um die Edition der hinterlassenen Schriften; der Gelehrte Caspar Schoppe würdigte 1597 sein Werk und pries ihn als unicum pietatis et eruditionis singularis specimen.6 Bergius’ Verdienste um die Akademie in Altdorf werden im 17. und 18. Jahrhundert in den universitätsgeschichtlichen Darstellungen von Omeis, Apin und Will hervorgehoben.7 ————— 3 Die lateinische Dichtung im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg ist bisher noch nicht systematisch bibliographisch erfasst und literaturwissenschaftlich erschlossen. Diesem Ziel widmet sich das von Thomas Haye an der Universität Göttingen geleitete Projekt »Lateinisches Welfenland – Eine literaturgeschichtliche Kartographie zur lateinischen Dichtung in den braunschweigischen Fürstentümern des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit (ca. 1250-1650)«; vgl. dazu Haye, Th.: Lateinisches Welfenland. Eine literaturgeschichtliche Topographie zur gelehrten Dichtung in den welfischen Fürstentümern des 16. Jahrhunderts, in: NdsJb 77 (2005), 151-166. 4 Zu anderen aus Braunschweig vertriebenen Calvinisten vgl. unten, 32 Anm. 83. 5 Zur Universität Altdorf als Zufluchtstätte von Gelehrten, die aus religiösen Gründen ihre bisherigen Ämter verloren haben, vgl. unten, 33 mit Anm. 90. 6 [...] einmaliges Vorbild für Frömmigkeit und einzigartige Bildung; vgl. Caspar Schoppe, Suspectarum Lectionum libri quinque [...], Nürnberg 1597, dort im vierten Buch die Epistula 1: Inlustri viro Petro Fabro J. C., 239-242, hier 241. Zu Schoppe vgl. unten, 41 mit Anm. 138. 7 Vgl. Omeis, 105; Apin, 64, 66f.; Will / Nopitsch, Bd. 1, 92.

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Ein vergessener protestantischer Dichter des 16. Jahrhunderts

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Doch seit dem 19. Jahrhundert geriet Bergius zunehmend in Vergessenheit; heute ist er nahezu völlig unbekannt. Eine moderne Biographie fehlt; keines seiner Werke ist bislang eingehend behandelt worden. Erwähnt wird sein Name lediglich am Rande in philologischen Arbeiten (insbesondere zur Horazrezeption)8 sowie in Überblicksarbeiten zur neulateinischen Literatur in Deutschland,9 zur Braunschweiger Stadt-, Kirchen- und Schulgeschichte,10 zur Geschichte der Universität Helmstedt11 und zur Geschichte der Hohen Schule in Altdorf.12 Bezeichnend dabei ist, dass in allen neueren Arbeiten, wenn nicht die lateinische Namensform Bergius verwendet wird, sein deutscher Name falsch, nämlich als Matthias Berg, angegeben ist: In Wahrheit lautet sein deutscher Name Matthias Bergen, wie aus einer Reihe von Frühdrucken und den Wittenberger Matrikeln eindeutig hervorgeht.13 Die hier vorgelegte Untersuchung hat das Ziel, den heute nahezu vergessenen Gelehrten Matthias Bergius wieder bekannt zu machen und ihn dabei insbesondere als neulateinischen Autor zu würdigen, der antiker Dichtungstradition stark verhaftet ist und das Potential dieser Tradition nutzt, um die großen Vorgänge und Ereignisse seiner Epoche literarisch zu bearbeiten. Seine Biographie, aber auch sein literarisches Werk sind in vielem repräsentativ für seine Zeit: In den Turbulenzen des konfessionellen Zeitalters ————— 8 Vgl. zur Horazrezeption Harrington, xlvi sq.; Schäfer, Deutscher Horaz, bes. 54f., 58f., 63; Lefèvre, E.: Horaz: Dichter im augusteischen Rom, München 1993, 17. – Ein Interpretament von Bergius zu Prudentius hat jüngst Christian Gnilka kurz gewürdigt, vgl. Gnilka, Ch.: Falsae pietatis imago. Quellenstudien zu einer Szenenfolge der Psychomachie des Prudentius, in: Ders., Philologische Streifzüge durch die römische Dichtung, Basel 2007, 353-380, hier 357 Anm. 14. Dieses und weitere Interpretamente des Bergius zu Prudentius sind in der Prudentiusausgabe von J. Weitz (Hanau 1613) mitgeteilt. – Zu Bergius als Herausgeber des Terenz vgl. Baldwin, T. W.: William Shakspere’s Small Latine & Lesse Greeke, Volume One, Urbana 1944, 352 und Herrick, M. T.: Comic Theory in the sixteenth Century, Urbana 1964, 7. 9 Vgl. Ellinger, Bd. 2, 273-275; Stammler, 158f.; Ellinger / Ristow, 627; Rupprich, 303. 10 Vgl. Spiess, Bd. 1, 121, 111; Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 970; dens., Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 500-503; Jünke, 301-303; Beste, 30, 58; Dürre, 65; Koldewey, Bd. 1, LXIX; dens., Bd. 2, 117, 622; Biegel, 19; Elster, 15. 11 Vgl. Ch. Römer, 17 Nr. 32; 38 Nr. 101; Lietzmann, H.: Herzog Heinrich Julius zu Braunschweig und Lüneburg (1564-1613). Persönlichkeit und Wirken für Kaiser und Reich, Braunschweig 1993, 10; Haase, 17ff. 12 Grundlegend ist die ausführliche Darstellung von Wolfgang Mährle, bes. 302f. und 319325; vgl. außerdem Kunstmann, H.: Die Nürnberger Universität Altdorf und Böhmen. Beiträge zur Erforschung der Ostbeziehungen deutscher Universitäten, Köln 1963, 26-28 (in der Biographie Rittershausens); Recktenwald, H. C.: Aufstieg und Niedergang der Universität Altdorf, in: Ders., 11-50, hier 34; Liermann, H.: Juristen in Altdorf, in: Recktenwald, 61-76, hier 66f. (in der Lebensbeschreibung von Bergius’ Neffen Conrad Rittershausen). 13 Der Fehler ist vermutlich auf den einflussreichen Lexikonartikel von Jöcher, Bd. 1, 990f. zurückzuführen, wo sich meines Wissens die falsche Namensform zum ersten Mal findet. Zu Verfasserangaben wie Autore (bzw. scriptum a) Matthia Bergen vgl. Werkverzeichnis Nr. 1-3; in seinen späteren Schriften hat Bergius konsequent die latinisierte Namensform Bergius gewählt. In Wittenberg ist der Braunschweiger im Jahre 1555 unter dem Namen »Bergen« eingeschrieben, vgl. Foerstemann, 311.

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Matthias Bergius

ergreift Bergius nachdrücklich Partei für den reformierten Glauben; für sein Bekenntnis zum Calvinismus war er bereit, eine seit vielen Jahren ausgeübte Berufstätigkeit aufzugeben. Sein literarisches Schaffen spiegelt den Glaubensstreit der Epoche wider und ist eng mit seinen beiden Aufgaben als Rektor und Professor verknüpft. So hinterlässt er ein Werk, das in hohem Maße anlass- und zeitgebunden ist. Daneben ist das Werk freilich auch hochgelehrt und poetisch ambitioniert: Bergius versucht sich fast in der gesamten Breite der antiken poetischen Gattungen. Dabei zeigt er sich wie die meisten Humanisten im 16. Jahrhundert stark beeinflusst von Melanchthon und dessen Schülern bzw. Freunden.14 Der Kanon der von Bergius rezipierten und imitierten lateinischen Dichter ist demnach groß; von besonderer Bedeutung sind in der Antike neben den traditionellen Hauptvorbildern Horaz und Vergil für die lyrische und epische Dichtung vor allem Statius und Claudian. Alle diese Dichter genießen in den Poetiken des Humanismus höchstes Ansehen; für die neuzeitliche Dichtung schreiben dieselben Poetiken eine Ausrichtung an genau diesen für die besten empfundenen antiken Dichtern vor, die sich in der Imitation dieser Vorbilder niederzuschlagen habe.15 Bergius folgt diesem Gebot; darüber hinaus imitiert er aber auch in seiner Zeit anerkannte neulateinische Dichter wie Georg Sabinus, Petrus Lotichius Secundus, Georg Fabricius oder George Buchanan, was nochmals seinen Anspruch unterstreicht, bei aller Zeitverhaftung im Inhaltlichen seine Dichtung sprachlich, strukturell und formal so zu gestalten, dass sie von dauerhaftem Wert ist. Im Anschluss an diese Einleitung soll daher zunächst der Lebensweg des Humanisten nachgezeichnet werden. Hierzu wurde als wichtigste Quelle Matthias Bergius’ postum veröffentlichte Autobiographie ausgewertet, die als Anhang 1 in dieser Arbeit wiederabgedruckt ist. Wichtige Quellen waren des Weiteren ältere biographische Abrisse sowie vor allem autobiographische Aussagen in Bergius’ Werken selbst. In diesem Zusammenhang erwies es sich als lohnend, in dem Kapitel zur Biographie mit einer gewissen Ausführlichkeit auch auf seine Prosa-Schriften, insbesondere seine Ausgaben, einzugehen. Zum einen haben die weiteren Kapitel der Arbeit nur die Dichtungen zum Gegenstand, zum anderen stehen gerade die Prosaschriften in engem Zusammenhang mit Bergius’ Lehrtätigkeit und sind ————— 14 Melanchthon und andere des »Wittenberger Dichterkreises« (vgl. Ellinger, Bd. 2, 65-149; Rupprich, 285ff.) lernte Bergius bereits als Student in Wittenberg kennen, vgl. hierzu Kathe, H.: Die Wittenberger Philosophische Fakultät 1502-1817, Köln 2002, 455ff. (Verzeichnis der Professuren an der philosophischen Fakultät mit chronologischen Listen ihrer Inhaber 1502-1817). Zum Einfluss Melanchthons auf die Dichter des 16. Jahrhunderts vgl. zuletzt Fuchs; Scheible. Zur von Melanchthon postulierten Verbindung von Bildung und Frömmigkeit vgl. unten, 43f. 15 Vgl. dazu unten, 212ff.

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Ein vergessener protestantischer Dichter des 16. Jahrhunderts

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somit für das Verständnis seiner Pädagogik und seiner Lehrmethoden von großer Wichtigkeit. Das folgende Kapitel versucht, einen Überblick über Matthias Bergius’ dichterisches Werk zu verschaffen:16 Seine Gedichte werden dabei nach formalen und funktionalen Gesichtspunkten literarischen (zumeist antiken) Gattungen zugewiesen und innerhalb der jeweiligen Gattungstradition erschlossen. Neben der Analyse der Struktur und der Wiedergabe des Inhalts werden die Gedichte auch literarhistorisch eingeordnet; darüber hinaus werden wichtige antike Vorbilder bestimmt, ohne dass hier Vollständigkeit auch nur ansatzweise angestrebt werden konnte: Eine systematische Analyse der literarischen Vorlagen wäre für jedes Gedicht einzeln zu leisten. Das umfangreichste Kapitel dieser Arbeit ist dann der systematischen Interpretation eines einzelnen Gedichts von Matthias Bergius gewidmet: seinem 1569 verfassten Panegyricum Carmen auf Herzog Julius von Braunschweig-Lüneburg; der Anlass für dieses Gedicht war Julius’ Einzug in Braunschweig nach seinem Regierungsantritt. Es handelt sich um Bergius’ umfangreichstes Gedicht, welches in dieser Arbeit in den Vordergrund zu stellen sich aus mehreren Gründen lohnt: Inhaltlich hat es mit dem Regierungsantritt des Herzogs Julius ein herausragendes Ereignis der niedersächsischen Landesgeschichte zum Thema, für welches das Gedicht eine zeitgenössische Quelle darstellt.17 Des Weiteren enthält das Gedicht in seiner Mitte eine vollständige Genealogie des Welfenhauses von den legendären sächsischen Ursprüngen bis hin zu Julius’ Vater Heinrich dem Jüngeren. Dem Quellenwert dieser Genealogie verdankt das Gedicht seinen vollständigen Wiederabdruck in Philipp Julius Rehtmeyers Braunschweig-Lüneburgischer Chronik von 1722.18 Außerdem spielt in diesem Gedicht, welches der Protestant Bergius zum Lob auf den in seinem Fürstentum die Reformation durchsetzenden Julius geschrieben hat, der die Epoche prägende konfessionelle Streit eine noch hervorgehobenere Rolle als in Bergius’ übrigen Gedichten. Schließlich hatte nie zuvor ein Gedicht von Bergius einen politisch so bedeutenden Adressaten wie das Panegyricum Carmen

————— 16 Ein chronologisch geordnetes Verzeichnis von Bergius’ Werken, welches seine Dichtungen und Prosaschriften umfasst und bei dem ich mich um Vollständigkeit bemüht habe, findet sich als Anhang 2 der Arbeit. 17 Als Quelle für den Herrscher Julius nennt das Gedicht Georg Septimus Andreas von Praun, Bibliotheca Brunsvico-Luneburgensis scriptores rerum Brunsvico-Luneburgensium iusto materiarum ordine dispositos exhibens, Wolfenbüttel 1744, 71 Nr. 278. 18 Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 970-991; zu Rehtmeyers Urteil zu dem Gedicht vgl. unten, 136. Die Welfengenealogie, so wie Bergius sie vorlegt, ist als Anhang 3 in tabellarischer Form zusammengefasst.

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Matthias Bergius

mit Herzog Julius,19 den Bergius dementsprechend mit einem literarisch besonders anspruchsvoll gestalteten Werk beehrt: Das Panegyricum Carmen vereinigt funktionale Elemente aus den Gattungen der Panegyrik, des Adventus und des Fürstenspiegels mit formalen Elementen der Epik, wie wir dies aus der Antike vor allem aus den zeitgeschichtlichen Dichtungen Claudians kennen. Dieser ist freilich nur einer der zahlreichen antiken Vorbilddichter, die Bergius in diesem Gedicht in großem Umfang imitiert. Daher kann an ihm besonders eindrucksvoll verdeutlicht werden, wie Bergius einen aktuellen Stoff seiner Zeitgeschichte literarisch mit jenen Mitteln zu gestalten wusste, welche ihm die antike Dichtungstradition zur Hand gab. Die herausragende Bedeutung des Panegyricum Carmen innerhalb des Gesamtwerkes rechtfertigt also dessen eingehende Interpretation im zweiten Hauptteil dieser Arbeit. Hierzu ist es zuerst erforderlich, den historischen Rahmen aufzuzeigen, in dem das Gedicht steht. Nach zwei kürzeren Kapiteln über Aufbau und Inhalt des Gedichtes sowie Überlegungen zu dessen Gattungszugehörigkeit ist ein größeres Kapitel der Tendenz des Panegyricum Carmen gewidmet. In diesem Gedicht sind Lob und Paränese des Herrschers aufs engste miteinander verknüpft; sie richten sich vor allem auf die Leistungen des Julius als Reformator, als Landesfürst und als Förderer der Künste. Das Herrscherlob ist dabei durchgehend verbunden mit einer polemischen Verunglimpfung des Katholizismus, so dass das Gedicht auch die Tendenz einer religiösen Streitschrift hat. Ein letztes Kapitel beschäftigt sich schließlich mit der poetischen Technik des Gedichts. Neben einer Analyse der Verstechnik und ausgewählten Beobachtungen zur Stilistik steht hier vor allem Bergius’ Imitationstechnik, der Umgang mit seinen literarischen Vorlagen, im Vordergrund. Bergius nutzt seine Vorlagen für metrische Versatzstücke und formelhafte Wendungen, des Weiteren bei der Gestaltung gattungstypischer Motive und zur Vermittlung christlicher Inhalte. Exemplarisch wird dann das Ineinandergreifen dieser so unterschiedlich motivierten Formen von Imitationen an einer Szene vor Augen geführt, welche in der neulateinischen Dichtung eine große Tradition hat und geprägt ist von der antiken panegyrischen Epik, insbesondere von Claudian: Im Mittelpunkt dieser Szene, in der die Nymphen der Oker für Julius als Geschenk einen Teppich weben, steht die Genealogie des welfischen Herrscherhauses, welche auf dem Teppich abgebildet ist. Es wird zu zeigen sein, wie Bergius in dieser Szene seine antiken und neulateinischen Vorbilder miteinander verschmolzen hat. ————— 19 Einige Jahre später (1576) widmet Bergius Julius erneut ein Gedicht anlässlich der Gründung der Universität Helmstedt; doch weder Anlass noch Inhalt dieses Gedichts sind in ihrer Bedeutung mit der des Panegyricum Carmen zu vergleichen. Zu diesem Gedicht vgl. unten, 71.

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Ein vergessener protestantischer Dichter des 16. Jahrhunderts

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Den Schluss der Arbeit bildet die Edition des Panegyricum Carmen, der ein kritischer und ein Similienapparat beigegeben ist. Die Ausgabe begleitet eine deutsche Übersetzung mit kurzem Sachkommentar.

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2 Eine biographische Skizze

Wichtigste Quelle für das Leben des Matthias Bergius ist seine undatierte, in lateinischer Prosa verfasste autobiographische Skizze, welche 1728 in der »Fortgesetzte[n] Sammlung von Alten und Neuen Theologischen Sachen« herausgegeben wurde.1 Der Bericht reicht bis kurz vor Bergius’ Tod und wird dann von dessen Neffen Conrad Rittershausen zu Ende geführt.2 Der anonyme Herausgeber, der Bergius’ Autobiographie und die Fortsetzung von Rittershausen unter dem Titel Brevis Biographia M. Matthiae Bergii druckte,3 umrahmte den Text mit eigenen Fußnoten, in denen er mehrere kurze (zumeist von Bergius selbst verfasste) Gedichte zur Ergänzung der autobiographischen Angaben zitierte. Bergius schreibt seine Autobiographie in der Ich-Form. Seine knappe Erzählung folgt streng der Chronologie der Ereignisse und orientiert sich an wichtigen Daten seines Lebens, die genau vermerkt werden. Neben den üblichen Angaben zu Geburt, Ausbildung, beruflichem und persönlichem Werdegang4 hebt Bergius insbesondere seine häufigen Krankheiten hervor, ————— 1 Fortgesetzte Sammlung von Alten und Neuen Theologischen Sachen, [...], in beliebigem Beytrag ertheilet von einigen Dienern des Göttlichen Wortes (Nachfolgetitel der Unschuldigen Nachrichten von Alten und Neuen Theologischen Sachen), Leipzig 1728, 337-346. Bergius’ Autobiographie ist unten als Anhang 1 abgedruckt. 2 Zu Rittershausen vgl. unten, 39ff. 3 Nach Angaben des Herausgebers hatte Bergius seine Autobiographie in sein persönliches Exemplar des Calendarium Historicum von Paul Eber (1511-1569) geschrieben (Erstdruck Basel / Wittenberg 1550). Dieser Kalender, der Platz ließ für Eintragungen des späteren Besitzers, war das protestantische Gegenstück zum katholischen Heiligenkalender: In diesem wurden alle Heiligen-, Papstnamen und Legenden zugunsten nennenswerter Ereignisse aus der Bibel und der deutschen Geschichte weggelassen; zahlreiche Gelehrte sind namentlich aufgeführt. Zu dem im 16. Jahrhundert populären Calendarium Historicum (das von Ebers Söhnen auch ins Deutsche übertragen wurde), vgl. Kühne, H.: Das Calendarium Historicum des Paul Eber, in: Marginalien 40 (1970), 54-65 und Jung, M. H.: Evangelisches Historien- und Heiligengedenken bei Melanchthon und seinen Schülern. Zum Sitz im Leben und zur Geschichte der protestantischen Namenkalender, in: U. Sträter (Hg.), Melanchthonbild und Melanchthonrezeption in der Lutherischen Orthodoxie und im Pietismus, Wittenberg 1999, 49-80. 4 Zur Autobiographie im 16. Jahrhundert vgl. zuletzt Enenkel, K. A. E.: Die Erfindung des Menschen. Die Autobiographik des frühneuzeitlichen Humanismus von Petrarca bis Lipsius, Berlin 2008; außerdem Döpp, S.: Ioannes Fabricius Montanus. Die beiden lateinischen Autobiographien, Stuttgart 1998 (Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissenschaftlichen Klasse, Jg. 1998, Nr. 8), dort S. 10 Anm. 26 mit weiterer Literatur.

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Eine biographische Skizze

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die er sehr genau, einmal auch auf Deutsch, bestimmt.5 Zwei Schlüsselereignissen in seinem Leben verleiht Bergius besonderes Gewicht, allerdings in ganz unterschiedlicher Weise: In großer Breite spricht Bergius von dem ihm 1572 angebotenen Ruf auf das Rektorat des Martineums, der angesehensten Schule in Braunschweig, welchen er schließlich ablehnte.6 Dagegen ist das wahrscheinlich schlimmste Ereignis in seinem Leben, die von Martin Chemnitz veranlasste Entlassung aus dem Amt des Rektors des Katharineums im Jahr 1582, in der Autobiographie lediglich in Form eines lapidaren Kommentars angedeutet.7 Bergius nennt in seiner Autobiographie nur auffallend wenige Zeitgenossen beim Namen, noch nicht einmal seine Ehefrau und den gemeinsamen Sohn. Genannt werden aus der Jugendzeit Joachim Degener, bei dem Bergius als Famulus vier unerfreuliche Jahre in Hamburg zubrachte,8 und Antonius Niger, dem Bergius zu hohem Dank verpflichtet ist, vermutlich weil er ihn auf sein Studium vorbereitet hat.9 Weiterhin erwähnt Bergius namentlich seine Ärzte sowie – unter den Initialen M. K. – Martin Chemnitz (i.e. Martinus Kemnitius) als seinen Gegenspieler im Streit über die Konkordienformel.10 Im gleichen Jahr, in dem Bergius’ Autobiographie veröffentlicht wurde (1728), ist eine recht ausführliche Gesamtdarstellung seines Lebens von Sigismund Iacob Apin erschienen.11 Diese in lateinischer Sprache abgefasste Vita enthält auch eine Abbildung von Matthias Bergius.12 Auf der Beschreibung von Apin baut die Würdigung Bergius’ von Georg Litzel auf.13 Bergius ist weiterhin in zahlreichen Gelehrtenlexika vertreten: Die materialreichste Darstellung gibt Georg Andreas Will in seinem »Nürnbergischen Gelehrten-Lexicon«.14

————— 5 Zur Bedeutung dieser Krankheiten vgl. unten, 20 Anm. 15. 6 Vgl. hierzu unten, 26f. 7 Der Satz aus der Autobiographie ist unten, 32 zitiert. 8 Zu Degener vgl. unten, 21 mit Anm. 21. 9 Zu Niger vgl. unten, 21 mit Anm. 23. 10 Zu dieser Auseinandersetzung vgl. unten, 27ff. 11 Apin, 63-68, 343. 12 Bei der Abbildung, die unten, 42 abgedruckt ist, handelt es sich um eine Radierung von W. P. Kilian; vgl. hierzu den Katalog der graphischen Porträts in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel: 1500-1850. Reihe A, Die Porträtsammlung der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, bearb. von P. Mortzfeld, Bd. 2: Abbildungen, München 1987, 104; Bd. 29: Biographische und bibliographische Beschreibungen mit Künstlerregister, München 1996, 177. 13 Litzel, G.: Historia Poetarum Graecorum Germaniae [...], Frankfurt 1730, 125f. 14 Will / Nopitsch, Bd. 1, 91-94; Bd. 5, 80f.; vgl. weiterhin Hendreich, R.: Bergius (Matthias), in: Zedler, Bd. 3, 1271; Jöcher, Bd. 1, 990f. (wiederabgedruckt in: Eckard, 22); Pökel, 20; Moreri, 223; Hoefer (Hg.): Nouvelle Biographie Générale depuis les temps les plus reculés jusqu’ a nos jours [...], Bd. 5, Paris 1855, 484. Sämtliche Lexikonartikel fußen letztlich auf der Vita des Apin.

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Matthias Bergius wurde am 25. Dezember 1536 in Braunschweig geboren.15 Er wuchs dort mit seinem älteren Bruder Nicolaus16 und seinen drei Schwestern Elisabeth, Judith und Margarethe bei seinen Eltern Conrad Bergius und Anna Bergius (geb. Bergmann) auf. Der Vater Conrad Bergius, geboren 1470 in Braunschweig, hatte an der Artistenfakultät in Wittenberg studiert und wurde dort zum Magister promoviert.17 Unter Heinrich d. Jüngeren musste er wegen seiner Sympathie für den Protestantismus Braunschweig verlassen. Er war zunächst Prädikant im Stift Ramelslo. Später kehrte er nach Braunschweig zurück und war Pastor an St. Aegidien (15431546) und am St. Blasiusstift (1546-1548). Als der seit 1543 evangelische Dom St. Blasii im Jahre 1548 auf Befehl des Herzogs Heinrich d. J. geschlossen wurde,18 nahm Bergius sein Amt an der Aegidienkirche wieder auf. Gestorben ist er 1550.19 Matthias Bergius lässt in dem von ihm verfassten Grabepigramm auf Conrad seinen Vater folgendermaßen zu Wort kommen (Conradus Bergius loquitur): Me puerum, Musae et pietatis amore calentem, Iungebat monachis vana superstitio. Primus at e multis vitam hanc meliore remuto, Et te, dum licuit, Magne Luthere, sequor. Hinc doceo Christum per dura, per ardua multa, Ramslovii primum, post modo Brunopoli. In terris et pauperiem et mala multa ferebam, Sed levia in Christo haec cuncta fuere mihi.

————— 15 Wie der Herausgeber von Bergius’ Autobiographie mitteilt, hat Bergius zu seinem Geburtsdatum im Calendarium Historicum (vgl. Anm. 3) angemerkt, dass seine Mutter behauptete, er wäre 1537 geboren und somit ein Jahr jünger. Den Irrtum seiner Mutter beweisen nach Bergius’ Meinung seine klimakterischen Krankheiten, die ihn vom Jahre 1543 an alle sieben Jahre befallen haben und die er ausführlich in seiner Biographie beschreibt, vgl. Bergius’ Autobiographie, 337; Will / Nopitsch, Bd. 5, 80f. 16 Nicolaus (auch Nicodem(i)us) Bergius studierte seit 1546 in Wittenberg (vgl. Foerstemann, 238). Im Anschluss daran war er Pastor an St. Aegidien und dann am Dom St. Blasii in Braunschweig. Nach seinem Rektorat am Aegidianum (und nicht am Katharineum, wie Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 172 behauptet) wurde er Pastor in Fallersleben und in Lüpzen. Später war er als Superintendent in Burgdorf bei Celle tätig. Gestorben ist er vor 1586 (da in diesem Jahr die Gedichtsammlung Tumuli Propinquorum von seinem Neffen Conrad Rittershausen in Altdorf erschien, die ein Grapepigramm auf Nicolaus enthält). Zu N. Bergius vgl. Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 172; Apin, 64 d); Dürre, 71. 17 In den Wittenberger Matrikeln (Foerstemann) ist er allerdings nicht zu finden. 18 Der Dom blieb bis 1553 geschlossen. Heinrich musste in Verhandlungen mit der Stadt auf die Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes verzichten. Zum geschichtlichen Hintergrund vgl. unten, 130. 19 Zu Conrad Bergius vgl. Stadtarchiv Braunschweig: H VIII A 272; Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 170-172, 183; Apin, 64 c); Spiess, Bd. 1, 49; Bd. 2, 639; Die Pastoren der Braunschweigischen evangelisch-lutherischen Landeskirche seit Einführung der Reformation, bearbeitet von Fr.-W. Freist unter Verwendung des von G. Seebaß gesammelten Materials, hrsg. vom Landeskirchenamt Wolfenbüttel, Bd. 2, 1974, 22 Nr. 282; zuletzt Jürgens, 21.

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Demum aevi lustris ter quinque unoque peractis, Supremum clausit grata senecta diem.20

Der Tod des Vaters brachte die Familie Bergius in große finanzielle Schwierigkeiten. Der 14-jährige Matthias Bergius wurde daher von seiner Mutter nach Hamburg geschickt, wo er vier Jahre lang im Dienst von Joachim Degener stand.21 Bergius musste dort seinen Lebensunterhalt verdienen und profitierte wohl nur wenig von Degeners sprachlicher und theologischer Kompetenz; jedenfalls empfand Bergius diese Zeit als äußerst mühevoll und beschwerlich.22 1554 kehrte er nach Braunschweig zurück und lebte ein Jahr bei dem Gelehrten Antonius Niger, bei dem Bergius wahrscheinlich seine Latein- und Griechischkenntnisse vertiefte.23 Am 12. Mai 1555 nahm er sein Studium an der philosophischen Fakultät in Wittenberg auf. Aus den Matrikeln geht hervor, dass Bergius keine Studiengebühren zahlen musste;24 außerdem erfahren wir aus einem Brief Philipp Melanchthons an Martin Chemnitz, dass Bergius für das Jahr 1556 ein Ratssti————— 20 Conrad Bergius spricht: Mich band als Jungen, der ich vor Liebe zu den musischen Künsten und der Frömmigkeit glühte, leerer Aberglaube an die Mönche. Als erster aber von vielen tauschte ich dieses Leben gegen ein besseres ein und folgte dir, großer Luther, solange es mir vergönnt war. Von da an lehrte ich von Christus durch viele harte und schwierige Zeiten hindurch, zuerst in Ramelslo, später dann in Braunschweig. Auf Erden ertrug ich Armut und viel Schlechtes, aber dies alles war für mich leicht in Christus. Schließlich schloss nach Vollendung eines 80-jährigen Lebens ein angenehmes Greisenalter den letzten Tag ab. Das Epigramm ist abgedruckt in Bergius’ Autobiographie, 338 (Anm.) und zusammen mit einem weiteren Epitaphium Bergius’ in der Sammlung Tumuli propinquorum (vgl. oben, Anm. 16), in der auch Rittershausen seines Großvaters Conrad Bergius in zwei Gedichten gedachte. 21 Der Hamburger Magister Joachim Degener (auch Tegener) war zunächst Rektor an der evangelischen Schule in Hildesheim. Im Jahre 1549 kehrte er nach Hamburg zurück und wurde Prediger an der Marien-Magdalenen-Kirche; nach weiteren Kirchenämtern war er von 1580 bis zu seinem Tod 1585 Pastor der Peterskirche. Im Manuskript hinterließ er zahlreiche theologische Schriften. Zu Degeners Leben vgl. Moller, J.: Cimbria Literata, Bd. 1, Kopenhagen 1744, 134; Jöcher, Bd. 2, 65; Schröder, H.: Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart, Bd. 2, Hamburg 1854, 23f. und zuletzt Haye, Th.: Humanismus in Holstein: Bernhard Vagets Gedicht auf das Gymnasium zu Bordesholm, in: Ders. (Hg.), Humanismus im Norden. Frühneuzeitliche Rezeption antiker Kultur und Literatur an Nord- und Ostsee, Amsterdam 2000, 63-104, hier 66. 22 Vgl. Bergius’ Autobiographie, 338. 23 Antonius Niger (auch Nigrinus, Melas oder Mela), um 1500 in Breslau geboren, studierte in Erfurt und war von 1525-1528 Schulrektor in Breslau, wo er als einer der ersten nach den Grundsätzen Luthers unterrichtete. Nach einem Medizinstudium in Wien wurde er um 1532 Professor in Marburg, wo er neben Physik auch die griechische Sprache unterrichtete. 1536 erhielt er in Padua die medizinische Doktorwürde und kam als Stadtarzt nach Braunschweig. Dort unterrichtete er weiterhin Griechisch im sogenannten »Pädagogium«, das er zusammen mit Nikolaus Medler gegründet hatte. Er starb 1555 in Braunschweig. Veröffentlicht hat er philologische (darunter eine griech. Grammatik), theologische und medizinische Schriften. Zu Nigers Leben und wissenschaftlichem Werk vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 524f. (M. Fimpel); ADB 23 (1886), 695 (G. Bauch); Jöcher, Bd. 3, 944 und Erg.-Bd. 5, 724f. 24 Vgl. Foerstemann, 311.

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pendium der Stadt Braunschweig erhalten hat.25 Eine schwere Krankheit zwang ihn jedoch, 1557 sein Studium zu unterbrechen und nach Braunschweig zurückzukehren. Immerhin hatte ihm Melanchthon mit dem Schreiben an Chemnitz eine Empfehlung an den Rat und Christoph von Steinberg26 mit auf den Weg gegeben;27 im folgenden Jahr übernahm er das Amt des Konrektors an einer Schule in Halberstadt. Nach fünfjähriger Lehrtätigkeit gelang es ihm schließlich doch, sein Studium 1563 in Wittenberg abzuschließen: Noch im selben Jahr wurde er dort zum Magister Artium promoviert. Apin würdigt den Erfolg von Bergius’ Studien und preist ihn als Vir in litteratura Orientali exercitatissimus et Theologicis quoque studiis valde imbutus [...] in variis Academiis exactam Theologiae et linguarum Hebraicae, Graecae et latinae notitiam sibi comparavit, ita, ut Graece et Latine loqui, scribere et elegantissimos versus componere optime calleret.28

Ein Jahr später quälten Bergius erneut (seine, wie Bergius selbst glaubt, in einem festen Rhythmus von sieben Jahren wiederkehrenden29) Fieberanfälle. Nach seiner Genesung wurde er 1564 Schulrektor in Wernigerode. 1566 folgte er dem Ruf in seine Heimatstadt Braunschweig, wo er am Katharineum das Rektorat übernahm, das er bis zu seiner Entlassung im Jahre 1582 innehatte.30 Bergius war am Katharineum wegen seiner freundlichen Art beliebt. Sein Unterricht wurde als nützlich und leicht verständlich empfunden. 31 Seine pädagogischen Fähigkeiten lobt auch Gebhard Theodor Meier, der ————— 25 Vgl. Bindseil, H. E.: Philippi Melanchthonis epistolae, iudicia, consilia, testimonia aliorumque ad eum epistolae quae in Corpore Reformatorum desiderantur, Halle 1874, 415f. Nr. 429; dazu Scheible, H. (Hg.): Melanchthons Briefwechsel. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe, Bd. 8 (Regesten), Stuttgart 1995, 85 Nr. 8261; Gößner, A.: Die Studenten an der Universität Wittenberg. Studien zur Kulturgeschichte des studentischen Alltags und zum Stipendienwesen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Leipzig 2003, 83f. 26 Zu diesem vgl. unten, 52. 27 Zum Brief vgl. Anm. 25. 28 ...einen in orientalischer Literatur äußerst geschulten Mann, der auch mit theologischen Studien sehr vertraut ist [...]. Er hat an verschiedenen Universitäten [i.e. Wittenberg und Altdorf] eine solch genaue Kenntnis der Theologie sowie der hebräischen, griechischen und lateinischen Sprache erworben, dass er sich sehr gut darauf verstand, griechisch und lateinisch zu sprechen, zu schreiben und sehr elegante Verse zu dichten; vgl. Apin, 64. 29 Vgl. dazu oben, Anm. 15. 30 Die ehemalige Lateinschule, die 1745 zum Gymnasium erhoben wurde, existiert heute in Braunschweig unter dem Namen »Martino-Katharineum (MK)«. Urkundlich ist sie als älteste städtische Höhere Schule belegt: Im Jahre 1415 wies Papst Johannes XXIII. den Kirchen St. Martini und St. Katharinen die Schulen Martineum und Katharineum zu. Im Jahre 1866 wurden die beiden Schulhäuser zusammengelegt und bis 1928 als humanistisches Gymnasium geführt, vgl. Marohn, A.: Martino-Katharineum (MK), in: Camerer, 154. 31 Vgl. Apin, 65.

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über das Leben von Johannes Barter (1557-1617), eines Schülers Matthias Bergius’, berichtet.32 Ein zentrales Anliegen des Lehrers Matthias Bergius bestand darin, dass seine Schüler die lateinische und griechische Sprache sicher beherrschten:33 Um deren Sprachkompetenz zu verbessern, gab Bergius im Jahre 1569 eine lateinische Grammatik heraus, die von Wolfgang Kirchner in Magdeburg gedruckt wurde.34 Ein Exemplar dieses sehr seltenen Druckes – Ende des 19. Jahrhunderts war es Friedrich Koldewey nicht mehr möglich, Bergius’ Grammatik nachzuweisen35 – befindet sich in der Braunschweiger Stadtbibliothek. Dass die Grammatik nur im Braunschweiger Raum zu finden ist, liegt zum einen daran, dass Bergius sie eigens für seine Schüler verfasst und somit an seinen Unterricht und die Klassensituation an der Katharinenschule angepasst hat, zum anderen daran, dass er keine neue, eigenständige Grammatik schrieb, sondern ein kurzes grammatisches Compendium aus bereits veröffentlichten Grammatiken zusammenstellte – beides geht bereits aus dem Titel hervor: Grammaticus libellus [...] pueris scholae Catharinianae Brunsvicensis collectus. Bergius’ Werk hängt von der lateinischen Grammatik Philipp Melanchthons ab, die seit 1525 in zahlreichen Editionen erschienen ist und den lateinischen Sprachunterricht im 16. Jahrhundert maßgeblich geprägt hat;36 in den Braunschweiger Schulordnungen ist Melanchthons Grammatik (in Auszügen und Bearbeitungen) für jede Klassenstufe vorgeschrieben.37

————— 32 Vgl. Meier, G. Th.: Monumenta Julia [...], Helmstedt 1680, Ordo Juridicus. Memoriae Iurisconsultorum Helmstadiensium [...], Nr. 16: Johannes Barter, 115-119, hier 116. 33 Zum Unterricht im 16. Jahrhundert vgl. Koldewey; Dürre, 30ff. und Holzhausen, J.: Der Unterricht in den städtischen Lateinschulen im 15. und 16. Jahrhundert, in: Biegel, 29-39; vgl. auch Paulsen, 326-387 und Haase, C.: Die Lateinschule in Niedersachsen von der Reformation bis zur napoleonischen Zeit, in: NdsJb 51 (1979), 137-184. 34 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 49. 35 Vgl. Koldewey, Fr.: Über die Schulbücher, welche bis 1651 im Gymnasium zu Wolfenbüttel in Gebrauch waren, in: Jahrbücher für Philologie und Pädagogik (Zweite Abteilung) 22 (1876), 35-50, hier 41 (im Lehrplan der Schule in Wolfenbüttel von 1605 ist die Grammatik als syntaxis figurata zitiert, vgl. Koldewey, Bd. 2, 117). Bei den Gelehrten des 18. Jahrhunderts ist die Grammatik noch regelmäßig erwähnt: vgl. Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 502; Apin, 67; Zedler, Bd. 3, 1271; Jöcher, Bd. 1, 991; Will / Nopitsch, Bd. 1, 92. 36 Zu Melanchthons Grammatik, zumal ihrer Einordnung in die Tradition lateinischer Schulgrammatiken vgl. Jensen, Lateinische Grammatik Melanchthons; dens., Latin Grammar of Melanchthon; Ising, E.: Die Herausbildung der Grammatik der Volkssprachen in Mittel- und Osteuropa. Studien über den Einfluß der lateinischen Elementargrammatik des Aelius Donatus De octo partibus orationis ars minor, Berlin 1972, 52-125. 37 Vgl. z.B. die Schulordnung des Herzogs Julius (1569), in : Koldewey, Bd. 2, 31-40. Neben Melanchthons Grammatik wurden in Braunschweig insbesondere die des Donat und Thomas Linacer benutzt, vgl. z.B. Koldewey, Bd. 1, 127 und Bd. 2, 31.

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Bergius’ Grammatik beginnt wie die Melanchthons38 mit einer Bestimmung des Begriffs »Grammatik« und der Aufzählung der grammatikalischen Teilgebiete Orthographia, Prosodia, Etymologia und Syntaxis, wobei im Folgenden fast ausschließlich die letztgenannten Gebiete abgehandelt werden. Im ersten Teil (Etymologia) wird die Formenlehre in der Nachfolge von Donat nach den partes orationis (Nomen, Pronomen, Verbum, Adverbium, Participium, Coniunctio, Praepositio und Interiectio) behandelt.39 Der zweite Teil ist der Syntax gewidmet. Wie Melanchthon gliedert Bergius auch diesen Teil nach den acht Wortarten, schickt aber im Gegensatz zu diesem kurze Bemerkungen über die Kongruenz voraus.40 In beiden Grammatiken werden zu den gegebenen Regeln Beispiele angeführt, die fast ausschließlich antiken Autoren entnommen sind.41 Bergius’ Grammatik besitzt als Anhänge kurze Abhandlungen über Periodenbildung und Interpunktion (De periodis et distinctionibus) sowie über die Wortstellung (De ordine verborum in oratione). Sie schließt mit einer Übersicht über die Zahlwörter.42 Ziel seiner Grammatik ist es, so schreibt Bergius im Widmungsvorwort an seine Schüler Wilhelm und Dietmar Kislebius, die mühsame und von den Schülern ungeliebte Phase des Spracherwerbs zu verkürzen und die Schüler möglichst schnell zur Lektüre zu befähigen – diese Intention verfolgte auch die Grammatik Melanchthons.43 Der grammatische Stoff muss somit gestrafft und auf die Bedürfnisse der Schüler in den einzelnen Klassen abgestimmt werden, so dass eine Progression des Lernens erreicht wird. Bergius, der drei Klassenstufen unterscheidet,44 hat seine Grammatik für die Schüler der zweiten Klasse verfasst; diese haben in der untersten Klasse bereits durch ein anderes Compendium Grammatikkenntnisse erworben. Bei der Verkürzung seiner Grammatik konnte Bergius ebenso wie bei der Einkleidung des Stoffes in Frage und Antwort auf ältere Bearbeitungen des Melanchthonschen Werkes zurückgreifen: Auffallende Ähnlichkeiten zeigt Bergius’ Grammatik mit der von Lucas Lossius, der als erster 1544 Melan————— 38 Ich beziehe mich auf folgenden Druck: Grammatica Philippi Melanchthonis Latina, iam denuo recognita et plerisque in locis locupletata, et autoris voluntate edita. Accesserunt et annotationes recentes, de consilio Ioachimi Camerarii, utiles futurae tam magistris quam discipulis, Leipzig 1550. 39 Zum Aufbau von Melanchthons Grammatik vgl. Hartfelder, 261-269 und Kößling, 76-78. 40 Getrennte Abschnitte über die Kongruenz (und Kasuslehre) besaßen die meisten italienischen lateinischen Grammatiken, vgl. dazu Jensen, Lateinische Grammatik Melanchthons, 94. 41 Bei Bergius finden sich außerdem vereinzelt Psalmen. 42 Der von mir angesehene Melanchthondruck enthält neben den Abhandlungen De periodis und De distinctionibus auch einen Teil zur Prosodie. 43 Vgl. Kößling, 80 und Jensen, Latin Grammar of Melanchthon, 517. 44 Die Braunschweiger Schulordnung von 1569 (Koldewey, Bd. 2) sieht fünf Klassen vor.

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chthons Grammatik die Form des Dialogs gab.45 Ergänzt wird Bergius’ Grammatik noch durch tabellarische Übersichten etwa zu Pronomina und Zahlen. Genauso wichtig wie die sprachliche Bildung war Bergius die Unterweisung der Schüler im evangelischen Glauben: Für die religiöse Bildung standen in den Schulordnungen des 16. Jahrhunderts an erster Stelle die Sprüche Salomos und Jesus Sirachs.46 Der Gebrauch der traditionsreichen Sprüche aus der alttestamentlichen Weisheitsliteratur ist durch die Vorliebe der Humanisten für moralphilosophische Sentenzen begründet. Die Beliebtheit des Buches Jesus Sirach im Luthertum des 16. und 17. Jahrhunderts geht nicht nur aus den zahlreichen Ausgaben der Sirachübersetzung Luthers, aus Textausgaben und Auslegungen hervor, sondern vor allem aus der Verwendung für fortlaufende Predigten und katechetische Unterweisungen.47 Matthias Bergius liegt also mit seiner 1579 in lateinischer Sprache herausgegebenen Schulausgabe Ecclesiasticus seu sapientia Iesu Siracidae ganz im Trend seiner Zeit.48 Im Vorwort seiner Ausgabe, das er an die Schüler Braunschweigs und an andere Schüler der Weisheit richtet, fordert er die Jugendlichen, aber auch Erwachsene auf, Jesus Sirach als Tugendlehrer anzuerkennen, um von ihm Lebens- und Verhaltensregeln zu lernen. Gerade in diesen Zeiten bedürfe man solch eines Lehrers. Nachdrücklich trägt er seinen Schülern auf, dieses Buch selbstständig und ganz gewissenhaft durchzuarbeiten. Ein Jahr später (1580) gibt er den Liber Ecclesiasticus erneut heraus, diesmal in einer zweisprachigen, griechisch-lateinischen, Ausgabe.49 Die Neuauflage begründet er in seinem Vorwort an die Ratsherren und Senatoren Gothas: Damit seine Schüler besser Griechisch lernen, habe er parallel zum lateinischen den griechischen Text gesetzt. Dieser sei (ebenso wie der lateinische) aus dem Vergleich der besten Ausgaben entstanden. Den Text habe er im Anhang mit (zum Teil eigenen) Anmerkungen versehen. Hierbei handle es sich um Erläuterungen zu schwierigen Stellen sowie Übersetzungsvarianten zum Text in griechischer Sprache. ————— 45 Folgende Edition habe ich eingesehen: Grammatica Philippi Melanthonis, ad usum puerorum in breves interrogationes contracta, per Lucam Lossium Luneburgensem. Etiam denuo diligenter ab eodem recognita. Cum praefatione Philip. Melan. Wittenberg 1550 (Halle, ULB, Sign.: Pon Vg 4047). Zu Kurzfassungen von Melanchthons Grammatik vgl. Hartfelder, 275f.; Jensen, Lateinische Grammatik Melanchthons, 97-99. 46 Vgl. Hahn, 38. Ebenfalls war die Behandlung der Sonntagsevangelien obligatorisch. Bergius legte sie, verbunden mit seiner Lehrtätigkeit, mehreren Werken zugrunde. Zu diesen vgl. unten, 76ff. und 79ff. 47 Vgl. hierzu Koch, E.: Die »Himlische Philosophia des heiligen Geistes«. Zur Bedeutung alttestamentlicher Spruchweisheit im Luthertum des 16. und 17. Jahrhunderts, in: ThLZ 115 (1990), H. 10, 705-719; Marböck, J.: Sirach / Sirachbuch, in: TRE 31 (2000), 307-317; Gilbert, M. (Ü.: K. Hoheisel): Jesus Sirach, in: RAC 17 (1996), 878-906. 48 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 51. 49 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 52.

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Einen guten Einblick in Matthias Bergius’ Lehrmethode gibt auch das Nachwort zu seiner 1574 publizierten Terenzausgabe, in dem er nicht nur ein gründliches Studium des Textes einschließlich der Metrik forderte, sondern seine Schüler motivierte, die terenzischen Charaktere auf ihre eigene Lebenswelt zu übertragen und einzelne Szenen auf ihren Schüleralltag umzudeuten und nachzuspielen.50 Dramatische Aufführungen des Terenz waren seit der humanistischen Schulreform ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts.51 Sie dienten vor allem dazu, die lateinische Umgangssprache einzuüben und die Schüler an öffentliche Auftritte zu gewöhnen. Zugleich aber leisteten die Komödien des Terenz (im Gegensatz zu denen des Plautus, die vielfach als zu anstößig empfunden und daher in den Schulen vernachlässigt wurden) auch einen Beitrag zur moralischen Erziehung, seine Stücke wurden sogar christianisiert.52 Die Hochschätzung des Terenz und die Empfehlung, diesen von den Schülern spielerisch umsetzen zu lassen, teilt Bergius also mit vielen humanistischen Lehrern, beispielsweise mit Philipp Melanchthon: Ebenso wie Bergius verwies dieser nicht nur auf den sprachlichen Nutzen, den die Schüler aus der Lektüre und dem Spiel des Terenz ziehen sollten, sondern auch auf den moralischen Nutzen im Rahmen einer christlichen Erziehung.53 Im Jahre 1572 erhielt Bergius das ehrenvolle Angebot, die Leitung des höher angesehenen Martineums zu übernehmen;54 nach langen Verhandlungen gelang es dem Katharineum, ihn durch eine Gehaltserhöhung und wei-

————— 50 Vgl. hierzu Bergius, Terenz (zum genauen Titel siehe Werkverzeichnis Nr. 50), Nachwort, 385-405. Zu den Zielen des Terenzunterrichts und zur Didaktik vgl. dort 398-405 und unten, 37. Auch später hat sich Bergius noch einmal mit Terenz beschäftigt: Sein in Leipzig 1579 gedrucktes Werk: castigatio et applicatio comoediarum Terentii, cum notatione varietatis lectionis (vgl. Werkverzeichnis Nr. 57) ist heute jedoch nicht mehr auffindbar, es wird von Apin, 343 unter Bergius’ Schriften aufgeführt. 51 Zur Aufführungspraxis der Terenzkomödien in der Schule vgl. Francke, O.: Terenz und die lateinische Schulcomoedie in Deutschland, Weimar 1877; Reinhardstoettner, 23ff.; Creizenach, W.: Geschichte des neueren Dramas, Bd. 2: Renaissance und Reformation, Teil 1, Halle 1918, 83ff.; Kindermann, H.: Theatergeschichte Europas, Bd. 2: Das Theater der Renaissance, Salzburg 1959, 243ff. 52 So z.B. Cornelius Schonaeus (1540-1611) mit seinem Terentius Christianus seu comoediae sacrae tribus partibus distinctae [...], 1592 ; vgl. hierzu Reinhardstoettner, 26-28; Parente, J. A.: Religious Drama and the Humanist Tradition. Christian Theater in Germany and in the Netherlands 1500-1680, Leiden 1987, 9-60; zuletzt Deufert, 366. 53 Vgl. Melanchthons Terenzvorrede aus dem Jahr 1516 (CR 19, 681-696) und seine praefatio zu Joachim Camerarius’ Terenzausgabe von 1545 (CR 5, 567-573), dazu zuletzt Fuchs, 81ff. 54 Im 16. Jahrhundert sind in Braunschweig drei städtische Lateinschulen von Bedeutung: Größtes Ansehen genoss das Martineum, ihm folgte das Katharineum; an letzter Stelle stand das Aegidianum. Einen knappen Überblick über das Schulwesen in Braunschweig gibt Spiess, Bd. 2, 670-680; ausführliche Darstellung bei Dürre und Koldewey, Bd. 1, XLVI-LXXXIX.

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tere finanzielle Versprechen (u.a. die Zusicherung einer Rente für seine Frau im Falle seines Todes) als Rektor zu halten.55 Bergius’ erfolgreiches Rektorat wurde jedoch bald durch einen persönlichen Trauerfall überschattet: Im Jahre 1574 starb sein siebenjähriger Sohn Martin, der aus der im Januar 1567 geschlossenen Ehe mit Esther Hildebrand56 hervorgegangen war. Zum Ausdruck seiner Trauer hat Bergius 1574 eine kleine Sammlung von Kondolenzbriefen, Elegien und Grabepigrammen herausgegeben.57 Neben einer Elegie (41 elegische Distichen) und einem Epitaphium (je 4 Hexameter und iambische Dimeter im Wechsel), die Bergius selbst auf seinen verstorbenen Sohn verfasste, befinden sich in dieser Sammlung auch ein Kondolenzbrief von Pankraz Krüger (16 elegische Distichen)58 und ein Begräbnisgedicht von Andreas Moller (26 elegische Distichen).59 Weitere Gedichte auf Martin Bergius (sowie auf Matthias Bergius’ Verwandte60) hat Bergius’ Neffe Conrad Rittershausen in seinem Werk Tumuli propinquorum61 veröffentlicht. Ein entscheidender Wendepunkt in Bergius’ Leben trat ein, als im Jahre 1578 die Braunschweiger Geistlichen und Lehrer verpflichtet wurden, die sogenannte Konkordienformel, das Bekenntnis zum lutherischen Glauben, anzuerkennen.62 In seiner Eigenschaft als Rektor musste Bergius sie unter————— 55 Vgl. hierzu Bergius’ Autobiographie, 339f. 56 Ihr Vater war der Senator D. Johannes Hildebrand, an den Bergius mit einem kleinen (fünf Distichen umfassenden) Gedicht erinnert, abgedruckt in Bergius’ Autobiographie, 339. 57 Matthiae Bergii Brunswicensis Lachrymae. Piis Manibus Carissimorum Praestitae, Wolfenbüttel 1574 (vgl. Werkverzeichnis Nr. 15). 58 Diesen Brief beantwortete Bergius ausführlich in 115 elegischen Distichen. Pankraz Krüger (1546-1614) war von 1572-1575 Rektor an der Braunschweiger Aegidienschule. 1575 erhielt er die Professur der Poesie und lateinischen Sprache in Helmstedt und ehrte Herzog Julius (ebenso wie auch Bergius) anlässlich der Neugründung der Universität 1576 mit einem Gedicht (zu diesen Gedichten vgl. unten, 71ff.). 1580 wurde er Rektor in Lübeck, 1589 in Goldberg. Im Jahre 1594 schließlich folgte er einem Ruf an die Universität Frankfurt a. O. Zu diesem vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 419f. (S. Ahrens); Ahrens, 137; ADB 17 (1883), 235. 59 Der Magister Andreas Moller war bis 1597 Pastor an der Brüdernkirche in Braunschweig. Zu diesem vgl. Jöcher, Bd. 4, 1946; Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 4, 166-168. Ein Jahr zuvor hatte ein Epigramm von Bergius die Titelseite von Andreas Mollers Gedicht über das Martyrium der sieben Brüder und ihrer Mutter (2 Makkabäer 7) geziert, vgl. Werkverzeichnis Nr. 40. 60 Zu dem in dieser Sammlung von Matthias Bergius enthaltenen Gedicht auf seinen Onkel Meinhard Bergmann vgl. unten, 115. 61 Vgl. oben, Anm. 16. 62 Die Konkordienformel ist die Bekenntnisformel der lutherischen Kirche, die 1555 auf der Grundlage des Augsburger Bekenntnisses entwickelt wurde, um innerlutherische Streitigkeiten zu beseitigen. Wesentlichen Anteil an ihrer Abfassung hatte der Theologe Jakob Andreae. Sie wurde 1580 im Konkordienbuch veröffentlicht, welches als Sammlung lutherischer Bekenntnissschriften neben der Konkordienformel die drei altkirchlichen Glaubensbekenntnisse, das Augsburger Bekenntnis mit Melanchthons Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, Melanchthons Tractatus de potestate et primatu papae sowie Luthers »Kleinen« und »Großen Katechismus« enthielt. Zur

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schreiben.63 Mit seiner wachsenden Hinwendung zum Calvinismus fiel es Bergius in den folgenden Jahren jedoch zunehmend schwerer, die Unterzeichnung der Konkordienformel mit seinem Gewissen zu vereinbaren. Korrespondenzen vor allem mit dem Theologen Marcus Mening in Bremen mehrten seine Zweifel:64 Bereits im März 1579 hatte sich Bergius mit einem Schreiben an den Calvinisten Theodor Beza in Genf gewandt,65 in dem er seine Unzufriedenheit vermutlich wegen der Unterzeichnung der Konkordienformel geäußert hatte.66 Seinem Schreiben hatte er eigene Abhandlun————— Konkordienformel vgl. die ausführliche Darstellung von Mager, Konkordienformel sowie Koch, E.: Konkordienbuch und Konkordienformel, in: TRE 19 (1990), 472-483. 63 Die Konkordienformel wurde 1580 mit den Unterschriften aller Lehrerkollegen gedruckt, vgl. Stadtarchiv Braunschweig: B I 14:15, 373. 64 Marcus Mening, in Mäthlitz bei Magdeburg geboren, hat zu Melanchthons Lebzeiten in Wittenberg Theologie, Jurisprudenz und Medizin studiert. 1571 übernahm er das Amt des Superintendenten in Bremen, das er bis zu seinem Tode 1584 innehatte. Mening hatte als MelanchthonAnhänger 1577 die Konkordienformel abgelehnt. Vgl. zu Mening Rotermund, H. W.: Lexikon aller Gelehrten, die seit der Reformation in Bremen gelebt haben [...], Bd. 1, Bremen 1818, 43; Moltmann, J.: Christoph Pezel (1539-1604) und der Calvinismus in Bremen, Bremen 1958, 25ff.; I. Dingel, 352ff. 65 Theodor Beza (1519-1605), im burgundischen Vézelay geboren, war zunächst Griechischprofessor und Rektor an der Akademie Lausanne und dann neben Calvin erster Rektor an der 1559 gegründeten Akademie in Genf. Von 1560-1563 wirkte er in seinem Heimatland als führender Theologe des französischen Protestantismus. 1563 kehrte er nach Genf zurück und trat Calvins Nachfolge als Moderator des Genfer Pastorenkollegiums an. Nach dem Tode Calvins, von dem Beza die erste Biographie verfasste, war Beza als Kirchenführer und akademischer Lehrer der einflussreichste Religionsdiplomat und Theologe des internationalen Calvinismus. Zu Beza vgl. Jaumann, 97; Kaufmann, Th.: Reformatoren, Göttingen 1998, 106f.; TRE 5 (1980), 765-774 (J. Raitt); zum Calvinismus vgl. Faber, E.-M.: Johannes Calvin. Theologe und Prediger des Lebens aus Heilsgewissheit, in: M. H. Jung / P. Walter (Hgg.), Theologen des 16. Jahrhunderts. Humanismus – Reformation – Katholische Erneuerung. Eine Einführung, Darmstadt 2002, 227-243; Spijker, W. van’t (Übers.: H. Stoevesandt): Calvin: Biographie und Theologie, Göttingen 2001 und zuletzt Greef, W. de (Übers.: R. Laubert): Johannes Calvin. Eine Einführung in sein Leben und seine Schriften, Neukirchen-Vluyn 2009. 66 Der Brief ist abgedruckt in: Dufour, A. (Hg.): Correspondance de Théodore de Bèze, Genf 2004, 295-302 (Der Brief vom 30. März enthält keine Jahresangabe, ist jedoch durch den Antwortbrief Bezas vom 22. August 1579 auf eben dieses Jahr zu datieren). Dass Bergius schon im März 1579 an die Widerrufung seiner Unterschrift dachte, deutet bereits das Zitat an, mit dem er seinen Brief beginnt (S. 296): Ξυνὴ γὰρ χρειὼ ξυνοὶ δέ τε μῦθοι ἔασι (Apoll. Rhod. 3, 173: Jason ermahnt seine Gefährten: Denn es ist ein gemeinsamer Wunsch; und gemeinsam ist auch die Beratung). Bei Apollonios heißt es weiter (174f.): […] ὁ δε σῖγα νόον βουλήν τ᾿ ἀπερύκων / ἴστω καὶ νόστου τόνδε στόλον οἶος ἀπούρας (Wer aber schweigt und Meinung und Rat zurückhält, der soll wissen, dass er allein diesen Zug an seiner Heimkehr hindert). Bergius erklärt mit Bezug auf das Zitat: Equidem cum optare hoc mecum tacitus subinde soleo, tum audeo jam aliquid hujus modi et huc pertinens, si inusitatum inter plerosque nostro saeculo, at certe non mox etiam improbum, aut a christiana simplicitate alienum. (Ich freilich pflege dies zum einen schweigsam zu wünschen, besonders aber wage ich bereits, hierauf abzielend, etwas Derartiges, wenn es auch in unserer Zeit bei den meisten unüblich, aber sicher bald auch nicht mehr schändlich oder christlicher Aufrichtigkeit entgegen ist.).

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gen de differentia Novi et Veteris Testamenti67 sowie de locis novi testamenti beigelegt. Was Bergius’ erste Schrift betrifft, so lobt Beza in seinem Antwortbrief im August 1579 Calvins theologische Grundsätze zu dieser Fragestellung, muss jedoch zugeben, dass ihm Bergius’ Haltung nicht ganz klar ist. Er fordert ihn deshalb auf, seine Position noch einmal deutlicher zu formulieren. Überzeugt ist Beza jedoch von Bergius’ theologischen Fähigkeiten: Er bedankt sich in seinem Brief für dessen Animadversiones de locis N. T., die er selbst in seinen zukünftigen Arbeiten berücksichtigen werde.68 Eindeutiger auf Bergius’ Auseinandersetzung mit der Konkordienformel lässt sich der Briefwechsel beziehen, den Bergius mit Marcus Mening vom März bis August 1580 führte.69 Anfang des Jahres 1580 hatte Bergius seinem langjährigen Freund Mening mitgeteilt, dass er beabsichtige, seine Unterschrift unter die Konkordienformel zu widerrufen. Bergius legte diesem Brief eine Schrift bei, in der er seine Abweichungen vom Bekenntnis der Konkordienformel begründete. Mening lobte Bergius’ Haltung und unterstützte seine Absicht mit allem Nachdruck: Sie sei die theologisch richtige Entscheidung. Er mahnte ihn, an seinem Entschluss entschieden festzuhalten und seine Meinung nicht mehr zu ändern, selbst wenn er auf eine angenehme Lebensführung verzichten müsste, aus der Braunschweiger Kirche ausgeschlossen oder sogar hingerichtet werden sollte. Im Vertrauen auf Gott sei dies alles zu ertragen.70 Bergius lehnte daraufhin im selben Jahr (1580) öffentlich die Formel ab und reichte im Geistlichen Ministerium eine Protestschrift ein: Protestatio de subscriptione libri qui vocatur Formula Concordiae.71 Es handelt sich hierbei um eben jene Schrift, die er wenige Monate zuvor Mening nach Bremen geschickt hatte.72 In ihr setzte er sich besonders mit dem Abendmahl, der Prädestinationslehre und christologischen Fragestellungen auseinander.73 ————— 67 Der Tractatus ist Teil von Bergius’ Protestschrift gegen die Konkordienformel. Zu dieser vgl. unten, Anm. 73. 68 Der Brief ist abgedruckt bei Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, Beilage Nr. 100, 347f. Behandelt ist er von Jünke, 302. 69 Der Briefwechsel ist abgedruckt bei Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, Beilagen Nr. 101, 349-351 und Nr. 103f., 354-359; dazu vgl. Jünke, 301-303. 70 Vgl. Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, Beilage Nr. 101, 349f.; Jünke, 302. 71 Die Protestatio ist handschriftlich erhalten, vgl. Werkverzeichnis Nr. 66. 72 Vgl. die Erzählung von Martin Chemnitz (zu diesem vgl. Anm. 74) aus dem Jahre 1581, in der er die Vorgänge von Bergius’ Einreichung der Protestschrift bis zu dessen Widerrufung beschreibt: D. Martini Chemnitii Historica Narratio, was sich begeben bey uns zu Braunschweig wegen des Concordien-Wercks, und was sich vor Irrung über Zuversicht zugetragen, Ao. 1581, in: Fortgesetzte Sammlung von Alten und Neuen Theologischen Sachen, 1728 (vgl. oben, Anm. 1), 216-226, hier 219. 73 Die Protestschrift ist in folgende Kapitel gegliedert: - De praedestinatione et libero arbitrio

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Das Ministerium zog ihn daraufhin zur Verantwortung und verlangte die Widerrufung seiner Thesen. Nach langen Unterredungen mit Chemnitz,74 der in seiner Funktion als Superintendent die Oberaufsicht über das Schulwesen hatte, fügte sich Bergius den Forderungen und schwor vor den Ratsherren und öffentlich vor der Gemeinde in der Brüdernkirche dem Calvinismus ab. Zusätzlich reichte er am 8. August 1580 seinen Widerruf schriftlich ein.75 Kurz darauf bekannte sich Bergius in einem Brief vom 14. August auch gegenüber Marcus Mening zur Konkordienformel und kündigte ihm die Freundschaft: profiteor et profitebor, omnium illorum, quae subscriptionis retractandae gratia â me scripta sunt, me serio et ex animo pudere et poenitere. Deoque gratias ago et agam, quoad vixero, quod per media ea, quibus utitur in hâc vita ad ecclesiam colligendam et regendam, eò me deduxit, ut et agnoverim lapsum meum, et ad saniorem mentem atque consilia meliora me receperim. Renuncio igitur et tuae, et omnium Sacramentariorum amicitiae: contraque ratifico et confirmo subscriptionem meam libro saepius nominato adjunctam.76

————— - De duarum naturarum in Christo consideratione (Modus loquendi de proprietatibus) - De articulis fidei ascendit ad coelos: sedet ad dexteram Dei Patris omnipotentis - De coena Domini (Corollarium disputationis de coena Domini) - De discrimine veteris et novi Testamenti - Textus Sacri interpretatio. Vgl. dazu auch Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 500f.; Apin, 65; Spiess, Bd. 1, 121. 74 Martin Chemnitz, 1522 in Treuenbrietzen (Brandenburg) geboren, wurde 1550 Bibliothekar in Königsberg. Auf Veranlassung von Philipp Melanchthon wurde er nach Wittenberg berufen, wo er mehrere Jahre in Melanchthons Hause lebte. Auf dessen und Johannes Bugenhagens (zu diesem vgl. unten, 129) Empfehlungsschreiben kam er 1554 als Koadjutor nach Braunschweig. Dort wurde er 1567 Superintendent. In seinen theologischen Ansichten entfernte sich Chemnitz in Braunschweig immer mehr von der vermittelnden Haltung seines früheren Lehrers Melanchthon und vertrat die Orthodoxie der Altlutheraner. Chemnitz starb 1586, sein Grab mit einem Epitaphium befindet sich in der Kirche St. Martini in Braunschweig. Zu seinem Leben und Werk vgl. Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 223-536, darin Abdruck einer 1570 begonnenen Autobiographie, die bis 1555 reicht (277-296); Jünke; Killy, Bd. 2, 410f. (I. Mager); Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 140f. (I. Mager); TRE 7 (1981), 714-721 (Th. Mahlmann); Spiess, Bd. 1, 118ff. Zu Chemnitzens Braunschweiger Zeit vgl. auch unten, 130ff.; zu seinem Werk Examen Concili Tridentini vgl. unten, 65. 75 Vgl. Chemnitz, Historica Narratio, 224f.; Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 501f.; Spiess, Bd. 1, 121. Bergius’ Widerruf ist abgedruckt bei Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, Beilage Nr. 102, 351-353. 76 Ich bekenne und werde bekennen, dass ich mich für alles, was ich um der Widerrufung der Unterschrift willen verfasst habe, ernstlich schäme und es aufrichtig bereue. Ich danke Gott und werde ihm danken, solange ich lebe, dass er mich durch die Mittel, die er gebraucht in diesem Leben, um die Kirche zu einen und zu lenken, dahin geführt hat, dass ich meinen Fehler erkannt und mich auf eine bessere Gesinnung und ein richtigeres Denken besonnen habe. Ich kündige also deine Freundschaft sowie die aller Glaubensgenossen auf: Und im Gegenzug bestätige und bekräftige ich meine Unterschrift, die ich unter das mehrfach genannte Buch gesetzt habe; vgl. Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, Beilage Nr. 103, 354.

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Er begründete seinen Meinungswechsel damit, dass er sich in der ganzen Zeit nicht mit denen besprochen hätte, mit denen ihn der Herr in dieser Kirche verbunden hat und die er als höhere Väter anerkennen muss.77 Bergius spricht hier wohl in erster Linie von Martin Chemnitz, der, wie Chemnitz selbst sagt, stets freundlich mit Bergius umgegangen war und ihn mit einleuchtenden Argumenten dazu bewogen hatte, seinen Standpunkt zu ändern.78 Mening antwortete auf Bergius’ Bekenntnis zur Konkordienformel mit harten Vorwürfen und beklagte, dass Bergius zweimal gegen denselben Stein geschlagen sei.79 Er macht hier Gebrauch von einem bekannten antiken Sprichwort,80 welches in diesem Zusammenhang jedoch zusätzlich eine Anspielung an Chemnitz enthalten dürfte, dessen Namensstamm »Stein« bedeutet.81 Mening äußerte am Ende seines Briefes, dass er dennoch Hoffnung habe, dass Bergius seine Meinung wieder ändern werde. Ähnliches schien auch Chemnitz befürchtet zu haben, als er 1581 eine akademische Disputation mit Bergius veranstaltete, was zwischen Superintendent und Lehrern nicht üblich war.82 Diese vorbeugende Maßnahme zeigte jedoch wenig Wirkung: Im Jahre 1582 stellte sich heraus, dass sich Bergius weiterhin zu den calvinistischen Lehren bekannte und diese auch in seinem Unterricht vermittelte. Diesmal zeigte Bergius keine Einsicht und Reue. Chemnitz leitete daher den sogenannten Lehrprozess ein, bei dem Bergius vor dem Rat im Neustadtrathaus erscheinen musste. Ihm wurde sein Rektorat entzogen und mitgeteilt, dass er selbst innerhalb von acht Tagen, seine ————— 77 [...] cum neminique communicaveram eorum, cum quibus in hisce ecclesiis Dominus me conjunxit, et quos superiores adeòque Patres agnoscere debeo, vgl. Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, Beilage Nr. 103, 354. 78 Vgl. Chemnitz, Historica Narratio, 219ff.; Jünke, 302. 79 [...] tristem tuam atque deplorandam fortem, quod nimirum ad eundem lapidem horribiliter bis impingens [...] cognovi. (Dein trauriges und bejammernswertes Schicksal, dass du, kein Wunder!, an denselben Stein auf grausame Weise zweimal gestoßen bist [...], habe ich erkannt. Vgl. Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, Beilage Nr. 104, 356. 80 Vgl. Otto, 186 zu lapis 6), dort sind u.a. zitiert: Cic. fam. 10, 20, 2: Culpa enim illa, bis ad eundem vulgari reprehensa proverbio est; Auson. ep. 5 (p. 197, 18f. Green): tu ut tua culpa ad eundem lapidem bis offenderes. 81 Vgl. Chemnitius, G.: Eine Theorie zur Entstehung des Namens ›Chemnitz‹, in: Jünke, 253258. Eine Anspielung an den Namen Chemnitz vermutete bereits Jünke, 302, der jedoch den sprichwörtlichen Charakter der Wendung nicht vermerkt hat. Die Stelle spielt zudem vermutlich auf Vulg. psalm. iuxta LXX 90, 12 in manibus portabunt (sc. angeli) te (sc. Dominum) ne forte offendas ad lapidem pedem tuum an, den im Neuen Testament zweimal (Mt. 4, 6; Lk. 4, 12) der Teufel bei der Versuchung Jesu zitiert. 82 Bergius wies in seiner unter dem Vorsitz des Chemnitz gehaltenen Disputatio de reliquiis peccati originalis post baptismum in renatis jeglichen Verdacht calvinistischer Einflüsse von sich. Einige Thesen der Disputatio sind erhalten, vgl. Werkverzeichnis Nr. 61, zur Disputation vgl. auch Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 502; Jünke, 302; Apin, 66; Will / Nopitsch, Bd. 1, 92.

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Frau innerhalb von vier Monaten die Stadt zu verlassen habe.83 Über Bergius’ Entlassung findet sich eine Notiz im Ratsbuch der Stadt Braunschweig: Causa M. Matthiae Bergii Rectoris Cathariniani. Ab Anno Christi. 1580. usque ad Mensem januar. A. C. 82.84 Bergius selbst geht in seiner Autobiographie auf seine Entlassung lediglich mit einem lakonischen Kommentar ein: Anno [...] 1582. 4. Jan. octava Innocentium Brunsviga expulsus sum a Balthico Papa M. K. Iniuriam agnoscenti ignoscat hanc Deus.85 Dass sich seine Haltung gegenüber Chemnitz, den er wenige Jahre zuvor in einem Brief an Mening noch als »höheren Vater« anerkannt hatte, grundlegend geändert hat, bringt das folgende Distichon zum Ausdruck, das Bergius verfasste, während über ihn verhandelt wurde: Vivere malo equidem contemtus, pauper et exul, Quam cum Kemnitio sceptra tenere Papa.86

Bergius fügte sich den Anordnungen und verließ Braunschweig.87 Am 19. Mai 1582 kam Bergius nach Altdorf, wo er einen Ruf an die Akademie88 annahm und später (1585) die Professur für Ethik erhielt. Die ————— 83 Vgl. Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 502; Apin, 66; Spiess, Bd. 1, 121. In Braunschweig wiederholte sich Bergius’ Schicksal im Jahre 1593, als Hermann Hubert, Rektor am Aegidianum, wegen seines calvinistischen Glaubens Braunschweig verlassen musste, vgl. zu diesem Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 4, 130f.; Dürre, 72; auch Hermann Nicephorus, Rektor des Martineums in Braunschweig, wurde wegen öffentlichen calvinistischen Disputationen 1603 seines Amtes enthoben, vgl. Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 4, 212ff.; Dürre, 55. 84 Stadtarchiv Braunschweig H III 7:6, 98, wieder abgedruckt in: Biegel, 19. 85 Am 4. Jan. 1582, acht Tage nach unschuldigen Kinder, wurde ich aus Braunschweig von dem Balthischen Papst Martin Chemnitz vertrieben. Gott möge ihm, wenn er dieses Unrecht erkennt, verzeihen, vgl. Bergius’ Autobiographie, 341; an dieser Stelle ist auch eine Beschreibung über Bergius’ Exil von Balthasar Rittershausen, dem Vater von Bergius’ Neffen Conrad, aufgeführt. 86 Lieber will ich verachtet, arm und als Verbannter leben als unter dem Papst Chemnitz den Schulstab führen, vgl. Bergius’ Autobiographie, 341; Jöcher, Bd. 1, 991. Den öffentlichen Beschluss kommentierte Bergius mit diesem Distichon: Moeror abi, mens laeta redi, Deus omnia cernit: / Hic illum, qui me iam premit, inveniet. (Trauer, geh weg, fröhlicher Sinn, komm zurück! Gott sieht alles: Er wird jenen finden, der mich jetzt demütigt), vgl. Bergius’ Autobiographie, 341, wo noch ein Schmähepigramm auf Jakob Andreae, den Verfasser der Konkordienformel, wiedergegeben ist. 87 Mit dem Konkordienstreit, der die wohl schwerstwiegende Zäsur in seinem Leben markierte, wird sich Bergius sein ganzes weiteres Leben auseinandersetzen: In einem aus Altdorf an Chemnitz geschickten Brief (datiert 1. Mai [vermutlich 1582 oder später], vgl. Werkverzeichnis Nr. 62) nimmt Bergius noch einmal ausführlich Bezug auf die Ereignisse in den vorangegangenen Jahren und rechtfertigt seinen religiösen Standpunkt. Auch in dem Propempticon für Georg Queccius am 3. Juli 1586 geht er auf dieses Ereignis ein (vgl. dazu unten, 118). 88 Die Hohe Schule in Altdorf, die in den Quellen zumeist Academia Norica, Academia Norimbergensium oder Academia Altdorfiana genannt wird, wurde im Jahre 1575 gegründet. In ihrer Anfangszeit war sie ein akademisches Gymnasium (Gymnasium illustre), d.h. eine Bildungsinstitution, an der Unterricht sowohl in mehreren Lateinschulklassen als auch in akademischen Vorlesungen angeboten wurde. Bei dem Schultyp des akademischen Gymnasiums handelt es sich um eine institutionelle Neuschöpfung der humanistischen Bildungsreform des 16. Jahrhunderts.

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Reichsstadt Nürnberg hatte im Gegensatz zu Braunschweig die Konkordienformel abgelehnt, dabei freilich lange Zeit eine abwartende Haltung eingenommen und nicht eindeutig Partei ergriffen. Hieraus resultierte das Nebeneinander einer Vielzahl von konfessionellen Richtungen in der Stadt. Die politisch dominierende konfessionelle Gruppe waren die Philippisten, die Anhänger Melanchthons, die sich schließlich mit ihrer Ablehnung der Konkordienformel durchsetzen konnten.89 Eng verknüpft mit der Kirchenpolitik war in Nürnberg in den letzten zwei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts die Bildungspolitik: Alle ordentlichen Professoren, die zwischen 1580 und 1598 nach Altdorf berufen wurden und deren konfessionelle Einstellung bekannt ist, waren Philippisten oder Calvinisten. Wie Bergius hatten diese wegen ihrer Ablehnung der Konkordienformel ihre bisherigen Stellen in anderen Städten aufgeben müssen und in Altdorf Zuflucht gesucht.90 Für Bergius’ Altdorfer Zeit ist Wolfgang Mährles Arbeit zur Academia Norica aufschlussreich. Auf sie wird im Folgenden wiederholt verwiesen. Bergius gehörte der 1580/81 neugebildeten philosophischen Fakultät an. Da die philosophische Fakultät personell lange Zeit sehr schlecht ausgestattet war – es gab bis 1597 nie mehr als drei Lehrstühle, obwohl in den Richtlinien von 1582 sieben vorgesehen waren – wurden regelmäßig die Professoren der anderen Fakultäten (Theologie, Rechtswissenschaften und Medizin) mit der Durchführung von philosophischen Lehrveranstaltungen beauftragt. Zudem unterrichteten einige Philosophieprofessoren mehrere Fächer.91 Bergius erhielt in seiner Altdorfer Zeit Lehraufträge für den Latein-, Griechisch- und Geschichtsunterricht; vor allem aber unterrichtete er Rhetorik und Ethik.92 Im Mai 1582 direkt nach seiner Berufung wurde Bergius mit der Übernahme historischer Vorlesungen beauftragt, da es keinen eigenen Lehrstuhl für Geschichte gab. Bergius sollte wöchentlich je zwei Stunden Schriften des Xenophon und des Historikers Justin kommentieren.93 Über die Umset————— Seit 1580 besaß die Altdorfer Hochschule die Graduierungsrechte für die philosophische Fakultät und wurde so nach dem Straßburger Gymnasium zur zweiten teilprivilegierten Hochschule (Semiuniversitas) im Reich. Im Jahre 1623 wurde sie zur Universität erhoben, allerdings noch ohne das Promotionsrecht für Theologie, das sie erst 1696 erhielt. Die Altdorfer Universität existierte bis ins Jahr 1809. Zur Geschichte der Altdorfer Hochschule vgl. Mährle, 6-16. 89 Vgl. Schornbaum, K.: Nürnberg im Geistesleben des 16. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte der Konkordienformel, in: MVGN 40 (1949), 1-96; I. Dingel, 207-213; Mährle, 35-38. 90 Vgl. hierzu Mährle, 213. Mährle nennt neben Bergius (in Klammern Berufungsdatum): Nicolaus Taurellus (1580), Edo Hildericus von Varel (1581), Hugo Donellus (1588) und Petrus Wesenbeck (1592). Zu den Personen und Daten vgl. auch Steinmeyer. 91 Vgl. Mährle, 211. 92 Vgl. Mährle, 288f., 302f. Der Griechischunterricht litt an mangelnder Akzeptanz. In einer Befragung Matthias Bergius’ vom 20.-21.5.1583 (vgl. Mährle, 249) klagte er über die geringe Motivation der Schüler und ihr unerlaubtes Fernbleiben vom Unterricht. 93 Vgl. Mährle, 302.

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zung dieser Richtlinien ist wenig bekannt. Jedoch ist ein Brief von Bergius an Joachim Camerarius d. J. vom Jan. 1583 erhalten,94 aus dem hervorgeht, dass Bergius in dieser Zeit Xenophons Kyrupädie mit textkritischem Interesse studierte.95 Ansonsten geben allein die Ankündigungen der beiden erhaltenen Vorlesungsverzeichnisse der Jahre 1586 und 1589 Hinweise auf den historischen Unterricht an der Hohen Schule in Altdorf; historische Schriften hat Bergius nicht hinterlassen.96 Im Frühjahr 1583 wurde die Einrichtung eines eigenen Lehrstuhls für Geschichte erwogen, so dass Bergius dann künftig Lehrveranstaltungen im Fach Logik zum aristotelischen Organon geben sollte. Er lehnte dies jedoch entschieden ab, da er sich dieser Aufgabe nicht gewachsen fühlte.97 Besonders Obertus Giphanius98 unterstützte Bergius und setzte sich für eine Logikprofessur statt der Geschichtsprofessur ein, da Bergius, so argumentierte er, weiterhin den Geschichtsund Rhetorikunterricht übernehmen könne. Die Logikprofessur wurde schließlich genehmigt und mit Theophil Mader besetzt.99 Nur zwei Jahre später (1585) überredete Giphanius Bergius, mit dem er eng befreundet ————— 94 Der Nürnberger Joachim Camerarius (1534-1598) ist der Sohn des bekannteren Leipziger Philologen gleichen Namens (vgl. zu diesem unten, 112). Camerarius d. J. studierte in Wittenberg und Leipzig Medizin und wurde 1564 Stadtarzt in Nürnberg. Ab 1592 war er Dekan des neugegründeten »Collegium Medicinum« in Nürnberg, vgl. Will / Nopitsch, Bd. 1, 173-176 und Bd. 5, 145f.; Killy, Bd. 2, 341 (W.-D. Müller-Jahncke). Bergius stand mit Camerarius in engem Kontakt (vgl. die Briefkorrespondenz, Werkverzeichnis Nr. 64, 65). Als Arzt betreute er Bergius bis zu seinem Tode, vgl. Bergius’ Autobiographie, 343. 95 Der Brief Bergius’ an Camerarius ist abgedruckt in: Crenius, Thomas: Animadversionum Philologicarum et Historicarum Pars IX, Amsterdam 1701, 5-7; vgl. Werkverzeichnis Nr. 55. Bergius’ Beschäftigung mit Xenophon im Jahr 1583 lässt sich auch an einem hexametrischen Brief nachweisen, der einer Xenophonausgabe desselben Jahres vorangestellt und an seine Schüler in Altdorf gerichtet ist (vgl. Werkverzeichnis Nr. 23): In diesem lobt er Xenophon als Autor und empfiehlt den Studenten, ihn zu lesen. Des Weiteren betont er den Nutzen für die Schüler, aus dem Griechischen ins Lateinische zu übersetzen. Zu diesem Aspekt vgl. oben, 25 und unten, 36f. 96 Allein für das Jahr 1589 lässt sich sagen, ob die angekündigten den tatsächlich gehaltenen Vorlesungen entsprachen; denn das Vorlesungsverzeichnis enthält neben der Liste der vorgesehenen Lektüretexte auch ein Verzeichnis über die tatsächlich gehaltenen Vorlesungen. Hieraus geht hervor, dass Bergius an vier Tagen in der Woche eine Vorlesung über die philippischen Reden Ciceros hielt. Angekündigt war jedoch Aristoteles’ Rhetorik, vgl. Mährle, 288. 97 Zu den Plänen, Bergius mit der Vorlesung über das Organon zu beauftragen, vgl. Mährle, 274, 303. 98 Der gebürtige Niederländer Obertus Giphanius (Hubert van Giffen: 1534-1604) studierte Jurisprudenz und war im Jahr 1567 in Orléans zum Doktor der Rechte promoviert worden. Von 1572-1583 hatte er an der Hohen Schule in Straßburg die Logik-, Ethik- und InstitutionenProfessur inne. In Altdorf hielt er von 1583-1590 vor allem ethische und juristische Lehrveranstaltungen ab. Zudem war Giphanius bei den Scholarchen ein geschätzter Berater. 1590 übernahm er einen juristischen Lehrstuhl in Ingolstadt. Wegen zahlreicher Konflikte ging er 1599 nach Prag, wo er als kaiserlicher Rat seine letzten Lebensjahre verbrachte. Zu Giphanius’ Leben und wissenschaftlichem Werk vgl. Mährle, bes. 152f., 317ff., 428ff. 99 Vgl. Mährle, 274. Zu Mader vgl. unten, 35.

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war,100 seine Nachfolge als Ethikprofessor anzutreten, obwohl Bergius kurz zuvor noch entschieden abgelehnt hatte, moralphilosophische Lehrveranstaltungen abzuhalten. Bergius’ neues Amt als Ethikprofessor sorgte wegen seiner früheren strikten Ablehnung für Aufsehen in der Professorenschaft: Die Lehre der aristotelischen Philosophie – diese stand im Mittelpunkt des Ethikunterrichts – traute man Bergius nicht zu.101 Dennoch hat Bergius in Altdorf von 1585 bis zu seinem Tod im August 1592 Ethik unterrichtet, hierbei vor allem Aristoteles’ Nikomachische Ethik behandelt, daneben auch Ciceros De officiis sowie Philipp Melanchthons Moralphilosophie.102 Zu seinen weiteren Lehraufgaben gehörten Vorlesungen über die Politik des Aristoteles, wie aus den Verzeichnissen von 1586 und 1589 hervorgeht103 und wie bereits sein Titel Professor Ethicae sive potius Politicae besagt.104 Zudem erwähnte Bergius selbst, dass in Altdorf Vorlesungen über Aristoteles’ Politik gefordert wurden.105 Im Zentrum seiner Lehrveranstaltungen stand jedoch die Nikomachische Ethik,106 welche Bergius 1591 in einer kommentierten und zweisprachigen, griechisch-lateinischen, Ausgabe herausgab.107 Auf sein Studium dieser Schrift des Aristoteles weist zudem ein undatierter Brief Bergius’ an seinen Altdorfer Kollegen Theophil Mader hin, in dem Bergius bei der Interpretation einer schwierigen Stelle in Aristoteles’ Nikomachischer Ethik Mader um seine Meinung bat.108 Wie aus dem Brief hervorgeht, hatte Bergius auch Obertus Giphanius zu Rate gezo-

————— 100 Vgl. auch unten, 101ff. Bergius’ Hochzeitsgedicht für Giphanius. 101 Vgl. StadtAN, D 16 753/3, 29.12.1586 (Aussage des Juristen Johann Busenreut, zitiert nach Mährle, 319): »[...] und er herr M. B. in classibus mehr nutz, dann in publicis lectionibus schaffen möcht, weil er sich selbst anfangs erklert, das er in Aristotelica philosophia nit versiert, deßwegen sich ettliche verwundert, das er sich Ethica lectione unterstanden.« 102 Vgl. Mährle, 316f.; Denzer, 309. 103 Vgl. Mährle, 329. 104 Vgl. Denzer, 300. 105 Vgl. die Praefatio (an Georg Volkamer) zu Bergius’ Ausgabe der Aristotelischen Nikomachischen Ethik (1. Aufl. 1591, zum genauen Titel siehe Werkverzeichnis Nr. 53), 7. 106 Vgl. Mährle, 319, 329. 107 Die Ausgabe ist in vier Auflagen erschienen, vgl. Werkverzeichnis Nr. 53 und Lohr, Ch. H.: Latin Aristotle Commentaries, Bd. 2: Renaissance Authors, Florenz 1988, 40. Die zuletzt aufgeführte, 1660 von Samuel Rachelius herausgegebene Ausgabe, enthält ebenfalls Bergius’ überarbeitete Fassung der lateinischen Übersetzung von Lambinus. Rachelius fügt dem Text des Weiteren neben einer ausführlichen Einleitung, einer Gliederung des Textes und Überschriften auch sämtliche Parallelen aus Aristoteles’ Magna Moralia, der Ethica Eudemia, der Politica und Rhetorica hinzu. Zu dieser Ausgabe vgl. S. 146-149 ebd. und Petersen, 181f. 108 Der Brief ist abgedruckt in: Goldast, M.: Philologicarum Epistolarum centuria una diversorum a renatis litteris doctißimorum virorum [...], Frankfurt 1610, Brief 78, 319-321. Zu Maders Leben und Werk vgl. Mährle, 152f. und 274f.

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gen, der bereits in seiner Straßburger Zeit an einem Kommentar zur Aristotelischen Ethik gearbeitet hatte.109 Bergius hebt in dem Vorwort seiner Aristotelesausgabe die Bedeutung des Aristoteles für den Ethikunterricht hervor und geht ausführlich auf Probleme der Übersetzungstechnik ein:110 Er unterscheidet zwischen theoretischer und praktischer Philosophie, die dem unmittelbaren Nutzen im menschlichen Leben dient. Als Begründer der höher bewerteten praktischen Philosophie lobt er Sokrates, der mit seiner dialektischen Gesprächsführung den Menschen zur richtigen Lebensweise erzogen habe.111 Die Leistung des Aristoteles sieht Bergius darin, dass er Sokrates’ und Platons Lehren systematisiert und an den Stellen korrigiert hat, die nicht ausschließlich am usus vitae humanae ausgerichtet waren.112 Bergius’ hohe Anerkennung für den praktischen Nutzen der aristotelischen Ethik und überhaupt sein Interesse an dessen Schriften haben ihre Wurzeln in der protestantischen Philosophie des Reformationszeitalters, die in Abgrenzung von der katholischen Scholastik die Bereiche des Glaubens und des Wissens voneinander trennte, wodurch die weltliche Autorität des Aristoteles neu belebt wurde. So wurde das Studium des Aristoteles zu einem zentralen Anliegen des Ethikunterrichts an den protestantischen Universitäten.113 Dabei kam wegen mangelnder Griechischkenntnisse lateinischen Aristoteles-Übersetzungen große Bedeutung zu.114 Bergius erörterte daher im Vorwort zu seiner Aristotelesausgabe ausführlich verschiedene Übersetzungstechniken. Er vertrat den Standpunkt, dass eine Übersetzung weder eine freie Paraphrase noch eine ————— 109 Der Kommentar wurde erst nach seinem Tod gedruckt (1608). Zu Giphanius’ Ethik vgl. Mährle, 317ff. und Petersen, 170f. 110 Vgl. Bergius, Aristoteles, Praefatio, 3-15; zur Interpretation von Bergius’ Vorwort vgl. auch Mährle, 320ff. 111 Vgl. Bergius, Aristoteles, Praefatio, 3-6. Seine Würdigung der Leistung des Sokrates zitiert fast wörtlich die von Cicero, Tusc. 5, 10 (Praefatio, 6: primus suo saeculo ille philosophiam tanquam devocavit è coelo, et in urbibus collocavit, inque domos introduxit, et coegit de vita et moribus rebusque bonis et malis quaerere (Jener holte als erster seines Zeitalters die Philosophie gleich wie vom Himmel herab und bürgerte sie in den Städten ein und führte sie in die Häuser ein. Er zwang sie, dem Leben, der Moral, dem Guten und Bösen nachzuspüren)). Zu dem von den Humanisten oft zitierten Dictum Ciceros vgl. Buck, A.: Die Ethik im humanistischen Studienprogramm, in: Rüegg / Wuttke, 31-44, hier 42f. und dens.: Humanismus: seine europäische Entwicklung in Dokumenten und Darstellungen, Freiburg (Breisgau) 1987, 169f. 112 Vgl. Bergius, Aristoteles, Praefatio, 7. 113 Vgl. Denzer, 297ff.; Petersen, 166-186; Müller, G.: Die Aristoteles-Rezeption im deutschen Protestantismus, in: A. Buck (Hg.), Die Rezeption der Antike. Zum Problem der Kontinuität zwischen Mittelalter und Renaissance, Hamburg 1981, 55-69. 114 Im 16. Jahrhundert entstand eine Fülle von lateinischen Übersetzungen der Nikomachischen Ethik. Matthias Bergius konnte für seine Ausgabe auf neun komplette und vier unvollständige Übersetzungen zurückgreifen, die fast alle aus dem 16. Jahrhundert stammten, vgl. Bergius, Aristoteles, Praefatio, 8f.; Schmitt, Ch. B.: Aristotle’s Ethics in the Sixteenth Century: Some Preliminary Considerations, in: Rüegg / Wuttke, 87-112, hier 102.

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um den Preis eines barbarischen Lateins erkaufte, sklavisch treue Wiedergabe sein dürfe; sein Ideal einer Übersetzung liege in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen: Sie sollte sprachlich elegant sein und zudem den Sinn des aristotelischen Textes klar erfassen und vollständig wiedergeben.115 Deshalb legte er seiner Übersetzung nicht die des Joachim Camerarius d. Ä. zugrunde, die er zwar für sprachlich sehr gelungen, jedoch im Sachlichen nicht immer für angemessen hielt. Er stützte sich vielmehr auf die weiter verbreitete Übersetzung des Dionysius Lambinus. Diese hat Bergius nach eigener Aussage an vielen Stellen verbessert, indem er Ergänzungen einfügte, diese aber durch Zeichen sichtbar machte.116 In einer textgetreuen Übersetzung sah Bergius die Voraussetzung für eine fundierte Interpretation der griechischen Autoren im Unterricht. Die Schüler konnten durch vergleichendes Lesen eine dem Autor angemessene Interpretation entwickeln. Für solch ein exaktes Textverständnis hatte sich Bergius bereits im Nachwort seiner Terenzausgabe ausgesprochen: Mihi verò is interpres Terentij praecipuè placeat, qui primum textum auctoris interpretatur, vim sermonis aperit, explicat, inculcat, et operam dat, ut nihil in eo inexcussum praetermittatur [...].117 Bergius’ eng am Text orientierte Interpretationsweise, die auch sein Freund Obertus Giphanius vertrat, stand in Altdorf im Gegensatz zu der ramistischen Lehrmethode, deren Ziel es war, »Lehrgegenstände in stark schematisierter [...] Weise zu vermitteln«,118 und die 1582 verboten wurde. Trotzdem wurde sie weiterhin vielfach an der Altdorfer Hochschule praktiziert. Besonders Obertus Giphanius war ein entschiedener Gegner der Ramisten; in seiner Kritik wurde er stets von Bergius unterstützt.119 In seiner Vertrauensstellung als Berater legte Giphanius den Scholarchen nahe, die ramistische Lehre endgültig zu verbieten. Als er 1584 versuchte, die Studenten, die nach ramistischer Lehrmethode unterrichtet wurden, von den ————— 115 Vgl. Bergius, Aristoteles, Praefatio, 8-10. 116 Vgl. Bergius, Aristoteles, Praefatio, 11f. Einen Teil des neunten und das zehnte Buch des aristotelischen Textes, von denen ihm keine Übersetzungen des Lambinus vorlagen, hat Bergius selbst übersetzt, vgl. Praefatio, 13. 117 Mir aber dürfte der Terenzausleger besonders gefallen, der zuvörderst den Text des Autors darlegt, die Kraft der Sprache erschließt, erklärt, mit Zusätzen bereichert und sich Mühe gibt, dass nichts in dieser ununtersucht übergangen wird, vgl. Bergius, Terenz, Nachwort, 402; Mährle, 321. Zur Terenzausgabe vgl. auch oben, 26. 118 Mährle, 72. Zur ramistischen Lehrmethode in Altdorf vgl. Mährle, 195ff., zum Verbot siehe ebd., 213ff. Zu dem französischen Philosophen Petrus Ramus (Pierre de la Ramée, 1515-1572), welcher der ramistischen Lehrmethode den Namen gab, vgl. Jaumann, 541-543; Totok, W.: Handbuch der Philosophie, Bd. 3: Renaissance, Frankfurt a. M. 1980, 418-421. 119 Bei den Konflikten im Professorenkolleg stand Bergius uneingeschränkt hinter Obertus Giphanius, vgl. Mährle, 153. Bergius’ enge Freundschaft zu Giphanius zeigte sich auch darin, dass Bergius bei Giphanius’ Weggang aus Altdorf 1590 ebenfalls mit der Niederlegung seines Lehrauftrags drohte. Diese Drohung hat Bergius jedoch nie wahrgemacht, vgl. Mährle, 322.

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Prüfungen auszuschließen, gab es heftige Proteste: Die Studenten boykottierten im Mai 1584 den Unterricht nichtramistischer Professoren, vor allem die Lehrveranstaltungen des Matthias Bergius.120 Als dieser im August desselben Jahres von den Studenten »ausgerauscht und gepolttert« wurde, sorgten die Scholarchen für entsprechende Schutzmaßnahmen.121 Es gelang ihnen jedoch nicht, die ramistische Methode vollkommen aus dem Altdorfer Lehrbetrieb zu beseitigen. Im Jahre 1586 war Matthias Bergius Dekan,122 zwei Jahre später wurde er zum Rektor der Altdorfer Hochschule gewählt.123 Nach Abschaffung des ständigen Rektorats 1581 wechselte das Rektorat jährlich zwischen den vier Fakultäten. Zu den Aufgaben des Rektors zählten die allgemeine Aufsicht über die Schuldisziplin und die Überwachung des Lehr- und Prüfungsbetriebs. Daneben hatte er diverse Verwaltungsaufgaben zu erfüllen.124 Im Jahre 1591 erkrankte Bergius schwer.125 Er starb am 22. August 1592 und wurde in Altdorf begraben.126 Eine Beschreibung der Monumente und Epitaphien in der Kirche St. Lorenz zu Altdorf enthält die Grabaufschrift mit dem von Bergius selbst verfassten Grabepigramm:127 D.O.M.S. BERGIUS HIC SITUS EST VOCEMQUE IN PULVERE CHRISTI EXPECTAT VIVUM QUI SIBI RESTITUET SUMMA BONI VIVO CHRISTO SE CREDERE VULTUMQUE ILLIUS AETERNUM CERNERE FUNCTUS AVET: M. MATTHIAS BERGIUS BRUNSW. IN ALTDORF. NORIMB. ACAD. ETHICES PROFESSOR HOC EPITAPHIUM SIBI IPSE FECIT ESTHER IOHAN. HILTEBRANDI IC. F. VIDUA MOEST. CONR. RITTERSHUSIUS IC. ET COHAEREDES MARITO AVUNCULO ET PATRUO B. M. HOC MONUM. POS. OBIIT D. XXII. AUGUSTI

————— 120 Vgl. Mährle, 214. 121 Vgl. Mährle, 314, 321. 122 In dieser Funktion verlieh er am 30. Juni 1586 die philosophische Magisterwürde an Georg Volkardus, Georg Queccius und Johannes Engelhard Wernla, wie aus folgendem Druck hervorgeht: Carmina gratulatoria, in honorem trium eruditione et virtute praestantium virorum, Georgii Volkardi, Georgii Queccii, et Iohannis Engelharti Wernla: Scripta ab amicis. Cum eis supremum in Philosophia gradum conferret spectabilis D. Decanus, Matthias Bergius Brunsvicensis, in Altorfina Noricorum Academia, prid. Kal. Julii. a. C. 1586 (kein Nachweis im VD 16; benutztes Exemplar: Gießen, UB II 61.8793/6 (HeBIS Retro: E 12 760 (63)). 123 Vgl. Bergius’ Autobiographie, 342; Will / Nopitsch, Bd. 1, 92; Recktenwald, H. C.: Aufstieg und Niedergang der Universität Altdorf, in: Ders., 34. 124 Zum jährlich wechselnden Rektorat vgl. Mährle, 132, 136; zu den Aufgaben siehe 138f. 125 Hier endet Bergius’ selbstverfasste Biographie, 342f. 126 Über die letzte Lebenszeit hat sein Neffe Conrad Rittershausen berichtet, vgl. oben, 18. 127 Vgl. Staatsarchiv Nürnberg: Reichsstadt Nürnberg, Handschriften, Nr. 315, fol. 363r; die Grabschrift ist abgedruckt bei Omeis, 174; Baier, J. J.: Wahrhaffte und Gründliche Beschreibung der Nürnbergischen Universität-Stadt Altdorff [...], Altdorf 1714, 107f.; Apin, 67; Moreri, 223.

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AN. CHRISTI MDXCII. CUM VIXISSET ANNOS LVI MARITUS SINE QUERELA ANN. XXV. MENS. VII.128

Fünf Tage vor seinem Tod hatte Bergius ein Testament verfasst, in dem er das Vermögen seiner Frau vermachte mit dem Zusatz, dass nach ihrem Tod die Hälfte des Vermögens ohne ein weiteres Testament an andere von Bergius bestimmte Erben gehen solle. Seine Bibliothek und seine Schriften überließ er seinem Neffen Conrad Rittershausen, dem er sich in großer Zuneigung verbunden fühlte. Rittershausen war der Sohn von Bergius’ Schwester Margarethe und wurde 1560 in Braunschweig geboren. Bergius erteilte ihm im Katharineum Latein- und Griechischunterricht, ehe Rittershausen 1580 zum Studium (vor allem) der Jurisprudenz nach Helmstedt ging. Im Jahre 1584 folgte Rittershausen Bergius nach Altdorf, wo er insbesondere bei dem Juristen Obertus Giphanius seine Studien fortsetzte und 1591 zum Professor der Institutionen berufen wurde. Bergius hinterließ ihm testamentarisch eine großzügige Geldsumme für die Reise nach Basel, wo Rittershausen die Doktorwürde erhielt. Als Gegenleistung verlangte Bergius, dass sich sein Neffe um seine Frau Esther kümmere.129 1598 wurde Rittershausen an der Akademie in Altdorf die Professur der Pandekten verliehen; zugleich wurde er Rechtskonsulent der Reichsstadt Nürnberg. Er starb 1613 und wurde neben Matthias Bergius in Altdorf begraben.130 ————— 128 Dem besten und größten Gott geweiht: Bergius ist hier begraben und wartet in seinem Staub auf die Stimme Christi, dass er ihn auferstehen lässt. Als höchstes Gut begehrt er als Verstorbener, sich dem lebendigen Christus anzuvertrauen und dessen Angesicht auf ewig zu schauen: Der Braunschweiger Magister Matthias Bergius, in Altdorf bei Nürnberg Ethikprofessor, hat für sich selbst dieses Epitaphium gedichtet. Seine trauernde Witwe Esther, Tochter des Rechtsgelehrten Johannes Hildebrand, der Rechtsgelehrte Conrad Rittershausen und Miterben haben ihrem Ehemann, Onkel und Vater, der dies wahrlich verdient hat, dieses Grabmal errichtet. Er starb am 22. August im Jahre 1592 mit 56 Jahren als Ehemann (25 Jahre und sieben Monate verheiratet) ohne Klagen. 129 Vgl. Bergius’ Autobiographie, 343f. 130 Als Jurist sowie als klassischer Philologe hatte Rittershausen sich großes Ansehen erworben. Er stand mit den führenden Humanisten seiner Zeit, wie z.B. Joseph Justus Scaliger, Justus Lipsius oder Caspar Schoppe, in Kontakt und wurde von ihnen geschätzt. Seine zahlreichen Schriften wurden größtenteils erst postum von seinen Söhnen Georg und Nikolaus publiziert. Zu Rittershausens Leben und wissenschaftlichem Werk vgl. die von seinem Sohn Georg verfasste Biographie, die den Werken des Salvianus vorangestellt ist (Salviani Massilensis opera [..], 2. Aufl., Nürnberg 1623); sie ist wieder abgedruckt in Witten, H.: Memoriae jurisconsultorum nostri seculi clarissimorum [...], Frankfurt 1676, 11-24 und Zeidler, C. S.: Vitae Professorum Iuris, qui in Academia Altdorffina [...] vixerunt [...], Nürnberg 1770, 150-226; vgl. zudem Will / Nopitsch, Bd. 3, 349-363, Bd. 7, 273-286; Rittershausen, C.: Vom fränkischen Gelehrtengeschlecht der Rittershausen, in: Genealogica, Heraldica, Juridica. Reichsstadt Nürnberg, Altdorf und Hersbruck, Nürnberg 1954, 98-109; Kunstmann, H.: Die Nürnberger Universität Altdorf und Böhmen [...], Köln 1963; Merzbacher, Fr.: Konrad Rittershausen, in: Fränkische Lebensbilder 7 (1977), 109122; Mährle, bes. 451ff.; Jaumann, 562f.; Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 590f. (W. Lent).

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Rittershausen würdigte Bergius in einer 1588 verfassten, sehr persönlichen Widmungsvorrede, die er dem Kommentar zu den Halieutika im zweiten Teil seiner Oppianausgabe voranstellte.131 Da sich die Arbeiten an dieser Ausgabe in die Länge gezogen haben – sie wurde erst 1597 veröffentlicht – und Bergius inzwischen verstorben war, hat dieser Widmungsbrief den Charakter eines Nachrufs:132 Rittershausen sah Bergius, der ihn in seinem Haus in Altdorf aufgenommen hatte, als zweiten Vater an und schätzte ihn als Lehrer. Er lobte Bergius’ Bescheidenheit, die Kraft und Schärfe seines Urteils und seine Verdienste um die Altdorfer Akademie. Conrad Rittershausen nimmt nicht nur im Chor der Nachrufe auf Matthias Bergius eine der gewichtigsten Stimmen ein; ihm verdanken wir auch durch seine eigene Briefkorrespondenz, aber insbesondere durch Briefe, die er aus dem ihm anvertrauten Nachlass von Bergius aufbewahrt hat, einen Einblick in Matthias Bergius’ Privat- und Gelehrtenleben.133 Als einzige Schrift aus dem Nachlass Bergius’ hat Rittershausen 1597 David, Auslegungen einzelner Szenen aus Davids Leben in Prosa und Dichtung, veröffentlicht.134 Bergius’ übrige Schriften aus dem Nachlass stellte Rittershausen in seinem Anhang zur Autobiographie Bergius’ zusammen; es handelt sich überwiegend um theologische Streitschriften und um exegetische Schriften zum Alten und Neuen Testament, des Weiteren um Schriften über die Auseinandersetzung mit Martin Chemnitz um die Konkordienformel in Braunschweig sowie um eine Rede auf Gelehrte in Braunschweig seit der Reformation.135 Rittershausen lobte diese Schriften in einem an den Leser gerichteten Brief (datiert auf Okt. 1595), der 1596 (und später) in der von ihm neu aufgelegten Aristotelesausgabe Bergius’ im Anschluss an dessen Praefatio abgedruckt ist. Er kündigte dort an, die genannten Werke Berg————— 131 Vgl. Werkverzeichnis Nr. 46, 158f. 132 Rittershausen verfasste wegen Bergius’ Tod eine weitere Widmungsrede an Joachim und Philipp Camerarius (1.9.1595), die im Anschluss an den Widmungsbrief an Bergius gedruckt ist. 133 In der Bayerischen Staatsbibliothek in München ist unter der Signatur »Rittershauseniana« der Briefwechsel von Conrad und seinem Vater Balthasar Rittershausen aufbewahrt, in dem sich auch Briefe an Bergius befinden, beispielsweise von seiner Schwester Margarethe (auf deutsch, 1584) oder von Balthasar Rittershausen (März 1592, wenige Monate vor Bergius’ Tod). Die Uffenbach-Wolfsche Briefsammlung (Supellex epistolica) der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg enthält eine zweibändige Briefsammlung des Conrad Rittershausen (Sup. ep. 46 und 47). In dieser finden sich zwei Briefe an Bergius von Lambert Ludolf Helm (Pithopoeus): 10. Aug. 1590 (Sup. ep. 46, 249) und 1590 (Sup. ep. 46, 250). 134 Vgl. Werkverzeichnis Nr. 35 und unten, 81f. Im Nürnbergischen Gelehrten-Lexicon (Will / Nopitsch, Bd. 1, 93) ist dieses Werk umschrieben als Historia Davidis regis, quam partim prosa, partim ligata oratione composuit. 135 Die Schriften sind zum Teil erhalten, vgl. oben, 29 und 31 Anm. 82; zu den verlorenen vgl. unten Werkverzeichnis Nr. 69-73. Zu Rittershausens Beschreibung der Werke vgl. Bergius’ Autobiographie, 345f. Die Schriften sind auch bei Will / Nopitsch, Bd. 1, 93f. verzeichnet.

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ius’ bald veröffentlichen zu wollen.136 Rittershausen konnte jedoch seinen Plan, weitere Schriften herauszugeben, nicht verwirklichen. Gerade die theologischen Schriften scheinen aber als Manuskript im Umlauf gewesen zu sein und werden gelegentlich erwähnt;137 am positivsten beurteilte diese aliquot de religione libri Caspar Schoppe, der von ihnen sagte si edantur, plurimos hac aetate Theologorum errores correctum iri.138 Schoppes Hochschätzung des Theologen Bergius teilt schließlich auch Rittershausens Sohn Georg, der aber auch für den Philologen und Dichter anerkennende Worte findet und sich von der Veröffentlichung der bisher ungedruckten Schriften eine Steigerung von Bergius’ Ruhm verspricht: Matthias Bergius, vir linguae Hebreae, Graecae et Latinae peritissimus. Theologus et Poëta non vulgaris, quod ipsius scripta jam dudum edita loquuntur, famamque augebunt deinceps, σὺν Θεοῦ παλάμῃ, edenda.139

————— 136 Vgl. Bergius, Aristoteles (1596), nach 16. 137 Vgl. Crenius, Thomas: Animadversionum Philologicarum et Historicarum Pars XVI [...], Leiden 1708, 324; Conrad Rittershausen: Brief an C. Girschner (Okt. 1600), in: Strobelius, G. Th.: Conradi, Georgii et Nicolai Rittershusiorum, patris et filiorum, et variorum ad eos datae Epistolae, quas ex Autographis ed., Nürnberg 1769, 124-126, hier 125; in einem weiteren Brief an Girschner vom 9. April 1605 erwähnt Rittershausen auch eine Elegie, die Bergius an Kaspar Peucer, den Schwiegersohn Melanchthons, geschrieben hat, vgl. Strobelius, 133f., hier 133. 138 Gäbe man sie heraus, so würden sie viele Irrtümer der Theologen in dieser Zeit berichtigen, vgl. Schoppe, C.: Suspectarum Lectionum libri quinque [...], Nürnberg 1597, dort im vierten Buch die Epistula I. Inlustri viro Petro Fabro J. C., 239-242, hier 241. Der bedeutende Philologe, Pädagoge und Politiker Caspar Schoppe (1576-1649) kam 1594 nach Altdorf, wo er die Bekanntschaft mit C. Rittershausen machte. Über diesen gelangte er vermutlich an Bergius’ Manuskripte. Zu Schoppe vgl. Herkammer, H. u.a. (Hgg.): Deutsches Literatur-Lexikon: biographisch-bibliographisches Handbuch, Bd. 16 (1996), 188-191 (R. Müller), zuletzt Jaumann, H. (Hg.): Kaspar Schoppe (1576-1649). Philologe im Dienste der Gegenreformation. Beiträge zur Gelehrtenkultur des europäischen Späthumanismus, Frankfurt a. M. 1998 und dens., 592. 139 Matthias Bergius, ein äußerst kundiger Mann der hebräischen, griechischen und lateinischen Sprache; ein nicht gewöhnlicher Theologe und Dichter, was seine eigenen Schriften, die bereits herausgegeben worden sind, bekunden; und seinen Ruhm werden dann die Schriften vergrößern, die mit Gottes Hilfe noch herausgegeben werden müssen, vgl. Rittershausens Vita, in: Witten, 15 und Zeidler, 157 (vgl. Anm. 130).

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Abbildung: Matthias Bergius (aus: Apin, nach 62)

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3 Das dichterische Werk

3.1 Vorbemerkung Matthias Bergius’ dichterisches Werk lässt sich nach form- und funktionsgeschichtlichen Erwägungen grob fünf Gruppen zuordnen, die sich auf verschiedene Lebensabschnitte verteilen. Sein Frühwerk, welches sich in auffallender Weise auf das Jahr 1564 – kurz nach seiner Promotion zum Magister in Wittenberg – konzentriert, ist insbesondere von episierender Dichtung bestimmt. Mit seiner Lehrtätigkeit (sowohl als Schulrektor in Braunschweig als auch als Professor in Altdorf) eng verbunden sind das dramatisierende Festspiel zur Gründung der Universität Helmstedt sowie seine religiösen Schuldichtungen und protreptischen Schulreden. Schließlich nehmen weit verbreitete Formen von Gelegenheitsdichtung wie Hochzeits-, Geleit- und Trauergedichte einen breiten Raum in seinem Schaffen ein:1 Gedichte auf Freunde, Kollegen und bedeutende Zeitgenossen begleiten seinen gesamten Lebensweg.2 Geprägt ist Bergius’ literarisches Schaffen durch sein Studium in Wittenberg und den Einfluss von Melanchthon und dessen Schülern. So spiegeln sich in seinem Werk die Ziele und Grundsätze wider, welche Melanchthon zeit seines Lebens postulierte und die sich durch das von Johann Sturm geprägte Konzept der »sapiens atque eloquens pietas«3 erfassen lassen: Die Offenbarung Gottes und die Lehre Christi sind nur demjenigen zugänglich, der sich die klassischen Sprachen gründlich angeeignet hat; dementsprechend fordert Melanchthon neben der Beschäftigung mit christlichen Inhalten auch das Studium der artes, die dann ihrerseits in den Dienst des Glaubens gestellt werden können. Gott mit den Mitteln antiker Dichtkunst, selbst unter Rückgriff auf Stoffe der heidnischen Mythologie, wie ————— 1 Im Folgenden werden die im Werkverzeichnis aufgeführten kleineren Beiträge von Matthias Bergius (vgl. Nr. 36-48), die sich in den Werken von Zeitgenossen befinden, nicht eigens behandelt. Auf sie wird jedoch bei der Darstellung von Bergius’ Werk im Spiegel seines Lebens gelegentlich Bezug genommen: So werden z.B. manche kürzere Epitaphien bei den Hochzeitsgedichten kurz mitbehandelt; die Gliederung nach Gattungen wird also gelegentlich durch thematische Ergänzungen durchbrochen. 2 Einen Abriss der Gattungen der neulateinischen Literatur Deutschlands im 16. Jahrhundert geben Ellinger / Ristow, 633ff. 3 Vgl. Schindling, A.: Humanistische Hochschule und freie Reichsstadt. Gymnasium und Akademie in Strassburg 1538-1621, Wiesbaden 1977, 31ff.

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z.B. Hercules, zu preisen, ist daher keineswegs anstößig, sondern vielmehr erwünscht.4 Daraus erklärt sich auch die Beliebtheit sogenannter Carmina Sacra, in denen religiöse Stoffe mit den Mitteln paganer Dichtkunst dargestellt werden.5 Thematische Gemeinsamkeit sämtlicher Gedichte Bergius’ sind das Lob Gottes und die Aufforderung des Lesers zu einer religiösen Lebensführung auf der Grundlage des protestantischen Glaubens. Zugleich zeigt sich in seinen Gedichten aber auch die humanistische Gelehrsamkeit, die sich in imitatio und aemulatio der antiken Vorbilder niederschlägt, zu der er auch seine Schüler befähigen will.6 Geradezu programmatisch formuliert Bergius diesen doppelten Anspruch, zum christlichen Glauben und gelehrter Dichtkunst zu erziehen, in der praefatio seiner Carmina Evangelica.7 Wie wichtig ihm dieses Anliegen ist, tritt auch aus den Widmungen seiner Gedichte klar hervor: Sämtliche Adressaten sind Protestanten, die Bergius meist für ihren religiösen Eifer und ihre Förderung der Dichtung und Wissenschaft rühmt.8

3.2 Episierende Dichtung In die Gruppe der episierenden Dichtung fallen Werke, die in formaler Hinsicht dem antiken Epos ähnlich sind: Es handelt sich um poetische Erzählungen von einem durchschnittlichen Umfang von ca. 500 katalektischen daktylischen Hexametern. Wie das antike Epos weisen sie eine geschlossene Handlung auf; sie enthalten des Weiteren z.B. Gleichnisse oder Ekphraseis und sind gekennzeichnet durch einen hohen Anteil direkter Reden.9 Gliedern lässt sich Bergius’ episierende Dichtung in die Untergruppen Bibelepik, hagiographische Epik und Historische Epik. Die formale Ähnlichkeit zum antiken Epos darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Bergius im Umgang mit den meist bekannten Stoffen seiner Gedichte nicht in erster Linie um das epische Erzählen geht, sondern um die christliche Ausdeutung des Erzählten: Alle Gedichte dienen ————— 4 Vgl. dazu Ludwig, Musenkult und Gottesdienst, 268-270; Jung, M. H.: Frömmigkeit und Bildung. Melanchthon als religiöser Erzieher seiner Studenten, in: G. Frank / S. Lalla (Hgg.), Fragmenta Melanchthoniana. Zur Geistesgeschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Bd. 1, Heidelberg 2003, 135-146; Kühlmann, Humanistische Lyrik, 909f. und dens., Poeten und Puritaner, bes. 59f. und 62f.; Huber-Rebenich, 293 und zuletzt Fuchs, 32f., 65f. 5 Zu den Carmina Sacra vgl. unten, 75ff. 6 Zu Bergius’ Umgang mit den literarischen Vorlagen vgl. unten, 215ff. 7 Vgl. unten, 78. 8 Vgl. z.B. das Gedicht über den Heiligen Georg, 49, oder das allegorische Festspiel zur Gründung der Universität Helmstedt, 71. 9 Zu den formalen Gattungskriterien des Epos vgl. unten, 154ff.

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dem Zeugnis und der Rechtfertigung des protestantischen Glaubens. Die Widmungsempfänger werden demnach neben der Förderung der Dichtung besonders für ihren Einsatz für die vera religio gelobt. Auch werden in den Gedichten neben oder statt der Musen der Heilige Geist, Christus oder Gott als Inspirationsquelle angerufen. Seine Absicht, die Leser zur protestantischen Lebensführung zu erziehen, macht Bergius dadurch deutlich, dass er die eigentliche Erzählung stets durch didaktisch moralisierende Auslegungen rahmt. Die Schwerpunktsetzung verändert sich dabei entsprechend der Themenvorgabe: Bei den genuin christlichen Themen, der biblischen Erzählung von Jesu Taufe, der Legende vom Heiligen Christophorus oder der Erzählung über das Konzil von Nicäa (im Vergleich mit dem von Trient), geben zu dieser Zeit zwischen Katholiken und Protestanten viel diskutierte theologische Streitfragen den Anlass zur Beschäftigung. Die historischen Gedichte über Lucretia und die Verteidigung der Stadt Lüneburg müssen hingegen erst »christianisiert« werden: So wird Lucretias Vergewaltiger Sextus Tarquinius durch Gott bestraft, weil er nicht vom Heiligen Geist beseelt war, und die Bürgerschar, welche die Stadt Lüneburg vor den Feinden bewahrte, wird bei Bergius zur Engelsschar. 3.2.1 Bibelepik In Wittenberg verfasste Matthias Bergius Anfang des Jahres 156410 auf der Grundlage der biblischen Erzählung von der Taufe Jesu (Mt 3,1-1711) eine Dichtung in Hexametern mit dem Titel Iesu Christi Baptismus [...].12 Bergius’ Dichtung reflektiert zu seiner Zeit kontrovers diskutierte theologische

————— 10 Das Gedicht ist anlässlich des jährlich wiederkehrenden Fests der Taufe Jesu verfasst (Sonntag nach Epiphanias), wie aus den Versen 73-75 hervorgeht: Et cum iam tempus revoluto venerit anno, / Quo veteri ritu populus te Christe professus / Haec celebrat (Und da schon die Zeit gekommen ist, nachdem ein Jahr vergangen ist, in der das Volk sich nach altem Brauch zu dir, Christus, bekennt und dies feiert, [...]). 11 Das Matthäusevangelium als Hauptquelle bezeugt ein Wiederabdruck des Gedichts in Bergius’ neun Jahre später entstandenen Carmina Evangelica zum Sonntag nach Epiphanias (vgl. dort E3: Baptismus Christi Matth. 3; vgl. dort auch ein weiteres Gedicht Bergius’ zum selben Thema). Dass Bergius seiner Dichtung die Darstellung des Matthäus (und nicht die der anderen drei Evangelisten: Mk 1, 2-11; Lk 3, 1-22; Joh 1, 32-34) zugrundegelegt hat, ist zudem daraus ersichtlich, dass Matthäus als einziger wie Bergius ein Gespräch zwischen Jesus und Johannes dem Täufer wiedergibt. Bergius folgt also in diesem Punkt Iuvencus, der in seinem Epos Evangelia die Lebensgeschichte Jesu ebenfalls im Wesentlichen nach Matthäus darstellt, vgl. dazu Döpp, Bibelepik, 30. 12 Zum vollständigen Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 4.

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Grundsatzfragen, insbesondere – was durch die Thematik der Taufe bedingt ist – die Trinitätslehre.13 Die Nacherzählung des als bekannt vorausgesetzten Bibelstoffes nimmt bei Bergius einen relativ geringen Raum ein; weit wichtiger ist ihm die Auslegung des Geschehens, die mit protreptischen Elementen durchzogen und in geradezu hymnischem Ton vorgeführt ist. Diese Technik ist charakteristisch für die Bibelepik der Spätantike, in deren Tradition sich Bergius mit seinem Gedicht stellt.14 Gewidmet ist dieses 328 Hexameter umfassende Gedicht Sigismund, dem Erzbischof von Magdeburg und Schwager von Herzog Julius.15 In dem aus 33 elegischen Distichen bestehenden Widmungsbrief lobt Bergius Sigismunds Einsatz für die evangelische Kirche. Mit breit ausgemalter Bescheidenheitstopik bittet er Sigismund, seine kleine Dichtung gütig anzunehmen. Bergius’ Gedicht über die Taufe Jesu besteht aus drei Teilen und ist in der Form einer Ringkomposition gestaltet: Die in etwa gleichlangen Abschnitte Einleitung (1-80) und Schluss (240-328), in deren Zentrum jeweils das Wirken des dreifaltigen Gottes steht, bilden den Rahmen für die Erzählung von der Taufe Jesu (81-239). In der Einleitung fordert der Dichter nachdrücklich dazu auf, mit aller Kraft danach zu streben, Gottes Wesen und seinen Willen zu erkennen. Den Weg dorthin öffne Gott durch sein Wort; in diesem allein offenbare er sein Wesen. Dass Gott sich in drei Personen zeige, soll die Taufe Jesu exemplarisch verdeutlichen. Die Erzählung beginnt mit einer kurzen Ekphrasis der Gegend um den Jordan (81-86). Im Folgenden wird Johannes der Täufer beschrieben (vom Dichter nur iuvenis oder vates genannt), der die Menschen durch die Taufe im Jordan von ihren Sünden befreit (87-100). Der dreißigjährige Jesus, der den Menschen noch unbekannt ist, aber von Johannes bereits als Erlöser angekündigt wurde, tritt an Johannes heran (101-126) und fordert ihn auf, ihn zu taufen (127-134). Johannes erkennt in ihm Gottes Sohn; aus Ehrfurcht und Bescheidenheit lehnt er es jedoch ab, Jesus zu berühren (135143). Vielmehr hält er es in seiner Lobrede auf Jesus für angemessener, dass Jesus ihn taufe (144-165). Jesus ermutigt und überzeugt ihn in einer ausführlichen Rede, dass er im Auftrag seines Vaters handle, um die Welt ————— 13 Wenige Wochen zuvor (am 4. Dezember 1563) war das Konzil von Trient zu Ende gegangen. Zum Konzil vgl. unten, 65. 14 Zur Bibelepik vgl. zuletzt den Überblick von Siegmar Döpp, Bibelepik, hier bes. 31. 15 Sig(is)mund (1538-1566), Sohn von Joachim II. von Brandenburg, ist der Bruder von Herzog Julius’ Frau Hedwig, vgl. unten, 127. Als Erzbischof von Magdeburg (seit 1554) setzte er sich für die Verbreitung der evangelischen Lehre ein und bereitete die Einführung der Reformation in seinem Lande erfolgreich vor. Diese konnte er jedoch wegen seines frühen Todes nicht mehr miterleben. Zu Sigmund vgl. ADB 34 (1892), 294-297 (Janicke).

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von Unheil zu befreien. In gleicher Weise sei Johannes von Gott beauftragt, ihm, Christus, den Weg zu bereiten. Johannes müsse ihn taufen, da er dadurch erst die göttliche Lebenskraft erhielte (168-204). Johannes erfüllt nun seine Aufgabe und vollzieht an Jesus den Taufritus. Daraufhin öffnet sich der Himmel, und der Heilige Geist kommt in Gestalt einer Taube auf Jesus herab (205-226). Gott selbst ergreift das Wort und proklamiert Jesus als seinen Sohn, von dem viele Wohltaten ausgehen werden (227-234). Auch der Jordan freut sich und tritt über seine Ufer (235-239). Nach dieser Erzählung fordert der Dichter seine Leser auf, Jesus nachzufolgen; denn dieser sei durch den Besitz des Heiligen Geistes mit Gott verbunden und führe so zum Heil (240-252). Mit einem Hymnus auf die Trinität Gottes beendet der Dichter sein Werk (253-328): Nach der Anrufung des Vaters (253-257), dessen Allmacht der Dichter besonders betont, des Sohnes (258-264), der als Stimme und Wort Gottes, als Begründer vom Reich Gottes auf Erden und als Erlöser gepriesen wird, sowie des Heiligen Geistes (265-269), der diese verbindet, folgen die Bitten an Gott um Erleuchtung, Gnade und ewiges Heil. Die letzte Bitte gilt Sigismund: Er solle auch weiterhin Gottes Schiff lenken und sicher in den Hafen bringen. Ihm solle ewiger Ruhm nachfolgen (270-328). 3.2.2 Hagiographische Epik Zu dieser Gruppe gehören Bergius’ Gedichte über den Heiligen Christophorus und den Heiligen Georg. Die Legenden des Heiligen Georg und des Heiligen Christophorus erfreuten sich im 16. Jahrhundert insbesondere in der darstellenden Kunst großer Beliebtheit.16 Unter dem Gesichtspunkt der militia Christi stand die seit dem 15. Jahrhundert weit verbreitete Identifikation von Herrschern mit dem Heiligen Georg: So ließ sich beispielsweise Kaiser Maximilian I. mehrmals als Hl. Georg abbilden.17 Christophorus hingegen wurde durch den Volksglauben, dass der Anblick eines Christophorus-Bildes vor einem jähen und unerwarteten Tod schütze, zu dem im späten Mittelalter am häufigsten dargestellten Heiligen (bes. in monumentalen Wandbildern an Kir————— 16 Vgl. Werner, F.: Christophorus, in: Lexikon der christlichen Ikonographie 5 (1973), 496508; Braunfels, S.: Georg, in: ebd. 6 (1974), 365-390; Detzel, H.: Christliche Ikonographie. Ein Handbuch zum Verständnis der christlichen Kunst, Bd. 2: Die bildlichen Darstellungen der Heiligen, Freiburg im Breisgau 1896, 250-257 (Christophorus), 368-381 (Georg); Schwarz, M.: Der heilige Georg – Miles Christi und Drachentöter. Wandlungen seines literarischen Bildes in Deutschland von den Anfängen bis in die Neuzeit, Köln 1972. 17 Vgl. zu diesem und weiteren Beispielen Braunfels (s.o.), 385f. und dies.: Sankt Georg. Legende. Verehrung. Symbol, München 1976, 117ff.

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chenaußenwänden, in Kircheninnenräumen sowie an Stadttoren und Burgen). Der Humanist Erasmus von Rotterdam verspottete in seinem »Lob der Torheit« (1511) diesen Aberglauben18 und legte somit die Grundlage für die Kritik der Reformatoren am Heiligenkult: Luther lehnte die Anbetung der Christophorus-Bilder entschieden ab und bezeichnete die Legende dieses Heiligen als eine »der größten Gedichte und Lügen«.19 Dennoch schätzte er die Christophoruslegende wegen ihres symbolischen Werts: Wiederholt hat er dessen im Bild festgehaltene Taten als Vorbild für sich und für alle Christen bezeichnet.20 Da Luther – wie die Protestanten überhaupt – die Heiligenverehrung ablehnte,21 deutete er die Darstellung des Christophorus allegorisch als Sinnbild für das Alleinseligmachende eines Glaubens, der auf Christus und das Wort Gottes vertraut.22 In seinen Gedichten über den Heiligen Georg und Heiligen Christophorus folgt Bergius der allegorischen Deutung seiner Zeit; die ChristophorusAllegorese hatte vor ihm beispielsweise Johannes Stigel (1515-1562) nach einem Prosaentwurf Melanchthons poetisch umgesetzt.23 ————— 18 Vgl. Erasmus, Μωρίας ἐγκώμιον, Stulticiae laus, Basel 1515, K1 (mit den Randzeichnungen von Hans Holbein d. Jüngeren in Faksimile und mit einer Einführung hg. von H. A. Schmidt, Basel 1931); zur Illustration zu dieser Stelle vgl. W. Hofmann, 130f.: »Anbetung eines Christophorus-Bildes« (1515). 19 Vgl. Adventspostille von 1522 (WA 10, I/2, 83, 4f.: »Christoffel [...] wilchs on tzweyffell der grösten geticht und lugen eyne ist«; dazu Rogge, Ch.: Luther und die Kirchenbilder seiner Zeit, Leipzig 1912 (= Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, 29. Jg., Nr. 108), 17. 20 Vgl. WA 32, 32, 23ff.: »der die selbige Legend oder Fabel gemacht hat, ist on zweifel ein feiner vernunfftiger man gewesen, der hat solch bild dem einfeltigen volck wollen fur malen, das sie hetten ein Exempel und ebenbild eins Christlichen lebens [...] Denn ein Christ ist wie ein grosser Rise, hat grosse starcke bein und arm, wie man den Christoffel malet«; WA 34/II, 524, 710 (Luther vergleicht sich selbst mit Christophorus): Sicut pingitur Christophorus in medio mari, cui dominus dat arborem, ut se sustentet. Sic ergo ferre non possem, ad papam deficerem, nisi dominus daret mihi consilium (Wie Christophorus mitten im Meer gemalt wird, dem Gott einen Baumstamm gibt, damit er Halt findet, so könnte ich also nicht tragen und würde zum Papst überlaufen, wenn Gott mir nicht Rat erteilte). 21 Vgl. hierzu Köpf, U.: Protestantismus und Heiligenverehrung, in: P. Dinzelbacher / D. R. Bauer (Hgg.), Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart, Ostfildern 1990, 320-344. 22 Mit dieser Umdeutung sind die zahlreichen Darstellungen des Heiligen bei den reformatorisch gesinnten Künstlern (insbesondere von Dürer und seinen Schülern) zu erklären, vgl. W. Hofmann, 252; Zu Christophorus-Bildern in der Reformationszeit vgl. zudem Stahl, E. K.: Die Legende vom Heil. Riesen Christophorus in der Graphik des 15. und 16. Jahrhunderts, München 1920, I (Textband) 3ff., 114ff.; Zschelletzschky, H.: Die »drei gottlosen Maler von Nürnberg«. Sebald Beham, Barthel Beham und Georg Pencz. Historische Grundlagen und ikonologische Probleme ihrer Graphik zur Reformations- und Bauernkriegszeit, Leipzig 1975, 200-205; Stirm, M.: Die Bilderfrage in der Reformation, Gütersloh 1977 (= Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 45), 77f. Zu den Einzelheiten der allegorischen Auslegung Luthers vgl. unten Anm. 34. 23 Der Prosaentwurf ist ediert bei Clemen, 25f. Zu dem Entwurf und Stigels Gedicht vgl. Rhein, St.: Johannes Stigel (1515-1562). Dichtung im Umkreis Melanchthons, in: Scheible, 31-49, hier 42f. Melanchthon hat auch selbst seine Ausführungen in Verse gebracht, vgl. CR 10, 549 Nr.

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3.2.2.1 Gedicht über den Heiligen Georg (1564) Das in Wittenberg 1564 gedruckte Gedicht über den Heiligen Georg (De Divo Georgio Poemation24) widmete Bergius Johann Albrecht, dem Herzog von Mecklenburg.25 Die Widmungselegie, die aus 69 elegischen Distichen besteht, beginnt mit einer poetisch ausgeschmückten Bescheidenheitsbekundung des Dichters (1-14) und einem Beglaubigungstopos (15-34). Im Anschluss daran lobt Bergius Johann Albrecht zum einen für seine Bemühungen um die »wahre Religion«, zum anderen für die Förderung von Kunst und Dichtung (35-38). Nach Art eines Fürstenspiegels verknüpft er dieses Lob mit der Mahnung, dass es auch die Aufgabe des Fürsten sei, die Dichtung zu fördern. Er beklagt, dass sich zu seiner Zeit nur sehr wenige Fürsten um die Dichtung kümmern und sich mit dieser beschäftigen – im Gegensatz zu früheren Zeiten, für die Bergius als vorbildliche Beispiele u.a. Alexander anführt, der Homer gelesen hat (39-56). Die Vernachlässigung der Dichtung illustriert Bergius zudem mit folgender Erzählung, die er allegorisch ausdeutet: Hercules tritt bei seinem Vorhaben, die Äpfel aus den Gärten der Hesperiden zurück in seine Heimat zu bringen, der personifizierte Tadel (Momos) in den Weg und rät ihm, nicht so große Mühen auf solche Nichtigkeiten zu verwenden, sondern den Ruhm aus anderer Quelle zu schöpfen. Hercules beschimpft ihn jedoch und lässt sich nicht von seiner Tat abbringen (57-84). Bergius dankt Hercules für seinen Einsatz, für den ihn die Musen rühmen, und bedauert erneut, dass sich heute keiner um die Äpfel, d.h. die Dichtung, kümmere, sondern Missgunst die Dichtung bekämpfe (85-94). Er bittet Gott, diesem Zustand abzuhelfen (95-100). Das folgende Preislied auf die Dichtung verbindet Bergius mit dem Fürstenlob Johann Albrechts, der sich sowohl um die Dichtung als auch um die von der Dichtung profitierende Religion sorge (101-124). Mit der Bitte, das Werk seiner kleinen Muse zu lesen, und dem Wunsch für ein langes Leben beschließt Bergius seine Widmung (125-138). Das 749 Hexameter umfassende Gedicht beginnt mit der Ankündigung des Themas: Das Gedicht werde von einem heiligen Ritter handeln, der für ————— 133; dazu Clemen, 26f.; Fuchs, 100, 136. Clemen, 140, nennt auch ein weiteres Gedicht über Christophorus von Melchior Acontius (1515-1569) sowie ein Gedicht von Georg Aemilius (15171569) über den Heiligen Georg. 24 Vielleicht hat Bergius das Gedicht zum Festtag des Heiligen Georg am 23. April verfasst, vgl. Pollems, K.: Georg, in: LexMA 4 (1989), 1273f. Zum vollständigen Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 6. 25 Johann Albrecht (1525-1576) bemühte sich in seiner Regierungszeit vor allem um eine Einigung im konfessionellen Streit, den er 1549 mit der Einführung der Reformation in Mecklenburg zugunsten des Protestantismus entscheiden konnte. Daneben trat er als Förderer von Kunst und Wissenschaft hervor und verfasste auch selbst einzelne religiöse Abhandlungen in lateinischer Sprache. Zu Johann Albrecht vgl. ADB 14 (1881), 239-243 (L. Schultz).

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eine königliche Jungfrau den libyschen Drachen besiegt haben soll. Der Dichter rechtfertigt seine Auswahl damit, dass die Legende allegorisch zu deuten sei (1-5). Als inspirierende Muse für seine Dichtung ruft er nun den Heiligen Geist an (6-21); der Dichter fordert dann Johann Albrecht auf, dessen virtus und pietas er hervorhebt, ihn als Zuhörer und Begleiter durch die libyschen Gefilde zu begleiten. Er bittet ihn (unter Verwendung poetischer Bescheidenheitstopik), seine kleine Dichtung nicht zu verachten (2255). Mit der Beschreibung Libyens setzt die Erzählung ein (56-59). Hier hat der Sage nach ein gewaltiger, todbringender Drache in einem furchtbaren Sumpf gelebt (60-67).26 Im folgenden Exkurs hebt der Dichter neben Hercules Apoll und Perseus als berühmte Drachentöter hervor (68-76). Die Erzählung wird mit der Beschreibung des Drachens und dessen verderbenbringenden Wütens fortgesetzt: Der Drache tötete die Menschen mit seinem Atem, sobald er an die Stadtmauern herankam. Um den Drachen in seiner Gier von der Stadt fernzuhalten, warfen die Bürger ihm täglich zwei Schafe zum Fraß vor. Als aber die Schafe fast alle vom Drachen verzehrt waren, sahen sich die Einwohner gezwungen, ihm gemeinsam mit einem Schaf einen Menschen zu opfern (77-107). Eines Tages wurde die einzige Tochter des Königs vom Drachen verschleppt. Georg, der zufällig durch die libysche Wüste ritt, hörte Schreie und sah die wunderschöne Jungfrau in den Fängen des Drachen. Georg trat an sie heran und beruhigte sie mit der Aufforderung, auf Gott zu vertrauen. Er selbst rüstete sich zum Kampf und besiegte schließlich den Drachen. Unter der Bewunderung des Volkes, das ihn als Retter pries, zog er mit dem Mädchen in die Stadt ein (107-168). Der Dichter setzt nun Georgs Lebensgeschichte fort: Da er sich offen zu Christus bekannte, wurde er vom Kaiser Maximinus (†313) verfolgt. In Fesseln wurde er aufgefordert, das Bekenntnis zu Christus zu widerrufen und sich wieder zu den heidnischen Gottheiten zu bekennen (169-182). Georg aber blieb Christus und seinem Glauben treu; dies verdeutlicht der ————— 26 Georgs Leben und Martyrium ist nur durch die Legende überliefert; die Drachenkampfepisode mit der Errettung der Prinzessin ist erst seit dem 12. Jahrhundert in der literarischen und ikonographischen Überlieferung nachweisbar. Die einflussreichste Version der Legendenfassung findet sich in der zwischen 1263 und 1273 verfassten Legendensammlung mit dem Titel Legenda Aurea des Jacobus de Voragine. Die lateinische Poesie des Mittelalters lehnte sich zumeist eng an dessen Erzählung an, der Drachenkampf findet hier allerdings nur gelegentlich kurze Erwähnung. Diejenigen Hymnen, die ihn erwähnen, gehören alle dem 15. oder 16. Jahrhundert an. Dies bestätigt auch Bergius’ Erzählung, die, soweit sie die Legende wiedergibt (Bergius beschränkt sich auf den Drachenkampf und Georgs Tod), auch die Legenda Aurea zum Vorbild hat. Zur Überlieferung der Georgslegende vgl. Aufhauser, Joh. B.: Das Drachenwunder des Heiligen Georg in der griechischen und lateinischen Überlieferung, Leipzig 1911, bes. 195ff. (zur Legenda Aurea) und 230f. (Das Drachenwunder in der lat. Poesie des Mittelalters).

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Dichter durch ein ausführliches, in indirekter Rede wiedergegebenes Glaubensbekenntnis Georgs (183-227). Maximinus drohte ihm daraufhin wutentbrannt mit dem Tod und ließ ihn foltern, doch Georg bekannte sich unbeirrt zu Christus und war bereit, dafür zu sterben (228-253). Gott ertrug es nicht, dass Georg eine solche Grausamkeit widerfahren sollte, und schickte ein Gefäß vom Himmel, in dem Georg unter der harten Folter unversehrt blieb. Die Rachsucht des Römers war jedoch so groß, dass Georg schließlich durch das Schwert den Tod fand (254-269). Hier endet die Legende vom Heiligen Georg. Der Dichter gibt im Folgenden eine allegorische Deutung der Geschichte, indem er in dem Heiligen Georg das Idealbild eines Fürsten sieht: Hierbei geht er zunächst aus von der Bedeutung des Namens »Georg« (gr. γεωργός = Bauer):27 Der Bauer kultiviere die Felder und die sie bewohnenden Menschen. Außerdem sei er friedliebend, setze sich für Gerechtigkeit ein, sorge sich um das Allgemeinwohl und um die richtige Verehrung Christi (270-313). In einem zweiten Schritt deutet der Dichter Georgs heldenhaften Einsatz für die Jungfrau im Kampf gegen den Drachen um in den Kampf des Fürsten für die »wahre Religion«. Die Jungfrau ist hierbei Allegorie für die pietas (wie der Dichter ausdrücklich hervorhebt: Pietas illa inclyta virgo est, 371), der Drache steht symbolisch für das Heidentum und den Antichristen. Die Aufgabe des Fürsten soll es nun sein, so fordert der Dichter eindringlich, dafür zu sorgen, dass man sich zu Gott bekenne und dass er richtig verehrt werde. Da die heidnische Gegenmacht aber sehr grausame Methoden wähle, der Drache also nicht Schafs-, sondern Menschenblut begehre, müsse der Fürst sein Leben standhaft dem Glauben widmen, um ein wahrer Georg zu sein (314-395). Im Folgenden hebt der Dichter noch einmal hervor, wie vorbildlich und unbeirrbar Georg der Gefahr wie ein Fels in der Brandung standgehalten habe und sein Leben für die Jungfrau, die »wahre Religion«, aufs Spiel gesetzt und unter Folter schließlich geopfert habe (396-429). Gott bereite zum Erstaunen der Menschen, so fährt er fort, den von ihm Geliebten ein besonders hartes Schicksal. Der Mensch solle sich aber davor hüten, nach dem verborgenen Willen Gottes zu fragen. Als Beispiel für ein solches Leiden führt der Dichter nun Gottes Sohn an. In der Hoffnung auf eine Belohnung und ein erfülltes Leben nach dem Tod seien solch harte Qualen jedoch zu ertragen (430-463). So rette Gott wie durch ein Wunder seine Schützlinge, die ihm standhaft dienen, aus ausweglosen Situationen. Der Dichter gibt nun mehrere Beispiele für eine solch wunderbare Fügung Gottes: Neben der Rettung Georgs, der wie ein Seemann stromaufwärts gegen die Flut ankämpfte, nennt er biblische Gestalten, ————— 27 Neben Drachenwunder und Martyrium enthält die Legenda Aurea auch eine Etymologie des Namens Georg, vgl. Aufhauser (s.o.), 202.

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wie z.B. David, der Goliath besiegte, und historische Personen, wie z.B. die Kaiser Konstantin oder Karl den Großen (464-528). Im folgenden Musenanruf fordert der Dichter die Musen auf, solche Helden mit einem siegreichen Lied und immer blühenden Blumen zu ehren. Solch ein Held, so fährt der Dichter fort, sei auch Johann Albrecht, er sei ein wahrer Georg, unter dem ein besseres Zeitalter kommen werde (529546). Im Folgenden werden dessen Leistungen als Herrscher breit gewürdigt: Johann Albrecht kümmere sich um die Bestellung seines Landes, die Religion und die Künste; er sei ein erfolgreicher Feldherr, gegenüber den Untertanen gerecht, friedensliebend, charakterfest und großzügig; das Land gedeihe unter seiner Regierung (546-667). In dem sich anschließenden Gebet bittet der Dichter, den Fürsten zu schützen und der Welt weitere solcher Fürsten zu gewähren. Hiervon verspricht er sich ein neues Goldenes Zeitalter (668-680). In einer letzten langen Apostrophe fordert er den Fürsten auf, an seinem Kurs festzuhalten und die richtige Gottesverehrung zu bewahren (681-735). In den Schlussversen schließlich bittet er den Fürsten, sein bescheidenes Gedicht gnädig anzunehmen (736-749). 3.2.2.2 Gedicht über den Heiligen Christophorus (1564) Eine weitere Heiligenlegende setzte Bergius im Jahr 1564 poetisch um mit seinem Gedicht auf den Heiligen Christophorus.28 Dieses widmete er Christoph von Steinberg.29 In dem 37 elegische Distichen umfassenden Widmungsbrief vergleicht Bergius Steinberg mit dem Sagenhelden Perseus, der für seine heroischen Taten und für seinen Museneinsatz gelobt und dafür von den Musen mit ewigem Ruhm belohnt worden ist (1-40). Im Folgenden begründet Bergius seine Widmung: Das Gedicht auf den Heiligen Christophorus passe zu Steinberg nicht allein wegen des gemeinsamen Namens, sondern auch wegen der gemeinsamen Tugenden. Zudem möchte sich ————— 28 Vgl. zum Titel Werkverzeichnis Nr. 8. Christophorus’ historische Existenz gilt als gesichert. Sein Festtag im Römischen Kalender ist der 25. Juli, vgl. Szövérffy, J.: Christophorus, in: LexMA 2 (1983), 1938-1940. 29 Der Adlige Christoph von Steinberg (†1570) setzte sich besonders für die Verbreitung des Protestantismus ein. Bereits im Jahr 1530 nahm er eindeutig für die protestantische Seite Partei und beteiligte sich später an den Kriegszügen des Schmalkaldischen Bundes. Neben seinem religiösen Eifer schätzten seine Zeitgenossen an ihm besonders seine Freigebigkeit (so auch Bergius). Im Alter diente er Herzog Julius in Wolfenbüttel als Berater; dieser erwies ihm höchste Ehre durch die Begleitung des Leichenzuges in die Braunschweiger Martinikirche. Dort befindet sich Steinbergs Grab mit einem Epitaph (1571 gefertigt). Zu Steinberg vgl. zuletzt Slawski, R. (Hg.): 800 Jahre St. Martini: Katalog zu Kunst und Geschichte, Braunschweig 1998, 18 (J. Ricker).

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Bergius mit seinem Gedicht für die Hilfe bedanken, die Steinberg Bergius und seiner Familie hat zukommen lassen (41-74).30 Das sich anschließende Gedicht, welches aus 538 Hexametern besteht, ähnelt im Aufbau dem oben betrachteten Gedicht auf den Heiligen Georg, es unterscheidet sich jedoch von diesem in seiner Intention: Während Bergius im ersten Gedicht den Hl. Georg als Allegorie eines idealen Fürsten, in diesem Falle des Fürsten Johann Albrecht deutete, sein Gedicht also ein mit panegyrischen Elementen durchzogener Fürstenspiegel war,31 geht es Bergius im Gedicht auf den Hl. Christophorus um die genaue allegorische Auslegung des in den Kirchen dargestellten Bildes von Christophorus und um die sich daraus ergebenden Konsequenzen für das Leben der Menschen. Der Stil ist daher der eines theologischen Lehrgedichts. Am Anfang des Gedichts steht die Ankündigung des Inhalts: Der Dichter will nicht über die schlangenfüßigen Giganten reden, die sich gegen die Götter auflehnten, sondern über den Riesen Christophorus, den die Bilder der christlichen Kirchen feiern, wie er Christus als Jungen auf seinen Schultern durch die Fluten trug (1-11). Als Inspiration für sein Vorhaben ruft der Dichter den Heiligen Geist an (12-16). Unterstützung erbittet er auch von Ch. von Steinberg, dessen Herkunft, Tugend und Frömmigkeit er lobt. Als Förderer der Musen solle er nicht das Gedicht verachten, sondern es unterstützen (17-31). In der folgenden propositio beschreibt der Dichter seine weitere Vorgehensweise: Zunächst soll beschrieben werden, wie Christophorus auf dem Bild in den Kirchen dargestellt wird; in einem zweiten Schritt soll dieses Bild in seinen Einzelheiten allegorisch gedeutet werden (32-41). In einer an den Leser gerichteten Rede lehnt er entschieden die Heiligenverehrung der Katholiken ab, gegen die er mit derben Tiervergleichen polemisiert. Obwohl der von diesen propagierte Aberglaube in heutiger Zeit weitgehend beseitigt sei, fordert der Dichter die wahrhaft Frommen auf, sich vor einer solchen Gottlosigkeit zu hüten. Man solle nicht Steine und Baumstämme anbeten, sondern allein Gott verehren (42-78).32 Diese Warnung vor der katholischen Heiligenverehrung wiederholt er in der folgenden Ansprache an Chr. von Steinberg und kündigt an, Christophorus mit wahrer Vernunft zu besingen (79-91). Die Tatsache, dass das Bild des Christophorus am Eingang der Kirchen hänge, bezeuge, so fährt der Dichter fort, dass Christophorus ein wahrhaft Gelehrter sei, der sich bedingungslos ————— 30 Bergius wurde vermutlich auf die Empfehlung Melanchthons hin von Steinberg unterstützt. Zu Melanchthons Brief vgl. oben, 21f. 31 Bergius konnte deshalb viele Passagen aus diesem Gedicht in sein späteres Panegyricum Carmen auf Herzog Julius übernehmen, vgl. dazu unten, 218. 32 Zur Anbetung der Christophorusbilder vgl. oben, 47f. Die katholische Heiligen- und Bilderverehrung war einer der letzten verhandelten Punkte auf dem Konzil von Trient (Dez. 1563), vgl. Schatz, 209.

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für Christus einsetzt. Der Dichter mahnt nun alle, die das Bild betrachten, daran zu denken, dass jeder, der sich um Christus sorgt, ein zweiter Christophorus werden könne (92-108). Hier setzt die Bildbeschreibung ein: Der Riese Christophorus wird mit langem struppigen Haar und mit einem Wollmantel bekleidet dargestellt. Seine Bewegung und den Glanz von Schwert und Keule vergleicht der Dichter mit dem Stern Orion (109-121). Auf seinen Schultern trägt er einen wunderschönen Knaben, den er durch die Fluten geleiten soll. Der Junge erweist sich jedoch als so schwer, dass Christophorus fast unter der Last zusammenbricht (122-131). Zudem schicken die Meergötter zahlreiche Ungeheuer, die Christophorus’ Gang durch die Fluten behindern (132-144). Christophorus geht jedoch mit Hilfe eines Baumstammes, auf den er sich stützt, unbeirrbar seinen Weg und bleibt standhaft wie ein Fels in der Brandung (145-157). An seinem Gürtel trägt er einen Rucksack, der gefüllt ist mit bescheidenen Speisen (158-161). Fern am Ufer ist ein kleines Haus in der Dunkelheit hinter Dornensträuchern zu erkennen; vor dem Haus am Strand steht ein alter Mann, der auf einen Stock gestützt den auf dem Meer Herumirrenden mit einer Fackel den richtigen Weg weist, so dass sie sicher den Hafen erreichen (162-172).33 Der Dichter kündigt nun die Deutung dieses auf den Wänden der Kirchen dargestellten Bildes an und bittet Christus um Unterstützung (173179). Als Gesamtaussage, so beginnt er nun die Auslegung, zeige das Bild einen Menschen, der sich zu Christus bekennt und diesen durch die Fluten der Welt und durch die Reiche des Teufels geleitet. Dabei verlasse ihn nicht seine Kraft und er rücke nicht davon ab, Christus zu dienen (180-196). Diese Kraft schöpfe er jedoch nicht nur aus sich selbst, sondern er bekomme göttliche Unterstützung (197-202). Im Folgenden werden nun die einzelnen Bestandteile des Bildes allegorisch ausgelegt. Dass mit dem Jungen Christus gemeint sein müsse, ergebe sich schon allein daraus, dass in der menschlichen Vorstellung Christus stets mit einem Jungen assoziiert werde. Denn in der Gestalt des Kindes komme die Menschwerdung Christi besonders gut zum Ausdruck; außerdem spiegeln sich alle positiven Eigenschaften, die man mit Christus verbindet, am ehesten im Kind wider: Ein Kind ist allen gegenüber aufgeschlossen, freundlich und lieb, es begeht keine Sünden und ist nachsichtig (203-253). Der Dichter fordert nun die Menschen auf, Christi Ruf zu folgen und zu ihm zu kommen. Diesen werde dann nach ihrem Tod die ewige Liebe Gottes zuteil. Wer aber Christus nicht folgt, ————— 33 Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts sind Bilder des flussdurchschreitenden Christusträgers, wie sie Bergius beschreibt, verbreitet; diese waren jedoch nur Namensillustrationen. Die Christusträgerlegende tritt erst im 13. Jahrhundert in der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine auf, vgl. oben, Anm. 26.

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werde schwere Strafen erleiden und nach dem Tod in die Hölle gestoßen (254-301). In einem nächsten Schritt erklärt der Dichter die überdimensionale Größe des Christophorus: Er werde deshalb als Riese dargestellt, damit er sich aufgrund seiner Größe zutraue, den Jungen zu tragen. Dies gebe ihm auch Kraft, die unterschätzte Last standhaft durch die Fluten zu schleppen (302-313). Die schrecklichen Meerungeheuer, so fährt der Dichter fort, seien ein Bild für den Teufel, der in grausamem Hass die Götter verfolgt (314-344). Christophorus aber können solche Gefahren nichts anhaben dank seines Baumstammes, auf den er sich stütze und dem er vertraue. Dieser Baumstamm ist eine Allegorie für Gottes Wort (345-366). Als nächstes legt der Dichter die im Rucksack befindlichen Speisen als Zeichen von Gottes Fürsorge aus, was er durch alttestamentliche Beispiele verdeutlicht. Es schließt sich die Aufforderung an, mit wenig zufrieden zu sein und die irdischen Güter gering zu schätzen (367-418). Seine allegorische Auslegung beschließt der Dichter mit der Deutung des alten Mannes, der mit der Fackel den richtigen Weg ausleuchtet: Der Mann stehe für die frühchristlichen Propheten, die mit dem Wort Jesu – die Fackel ist also Allegorie für das Neue Testament – den Menschen im irrenden Zeitalter den Weg zu Gott und somit den Zugang zum Himmel weisen (419-470).34 Im Anschluss an die Auslegung des Bildes fordert der Dichter den Leser eindringlich auf, Christus nachzufolgen. Da die irdischen Schätze vergänglich sind, gebe es keinen größeren Schatz. Wer Christus trägt, werde selbst getragen und beschützt, wie ein Schaf von seinem Hirten (471-512). Mit einem Dankgebet an Christus (513-531) und der Bitte an Gott, die Menschen zu Trägern Christi durch die stürmischen Fluten der Welt zu machen (532-538), beendet der Dichter sein Werk. 3.2.3 Historische Epik Zur Gruppe episierender Gedichte historischen Inhalts gehören Bergius’ Erzählung über die Verteidigung der Stadt Lüneburg, seine Erzählung über den Tod der Römerin Lucretia und die Erzählung über das Konzil von Nicäa.

————— 34 Bergius folgt in seiner allegorischen Auslegung der Deutung Luthers und Melanchthons, vgl. zu Luther: WA: Tischreden, Bd. 6, Nr. 6990, dazu Preuß, H.: Martin Luther. Der Künstler, Gütersloh 1931, 272; zu Melanchthon vgl. Clemen, 25f.

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3.2.3.1 Erzählung über die Verteidigung der Stadt Lüneburg (1564) Im Jahre 1564 wurde Bergius’ Erzählung über die Verteidigung der Stadt Lüneburg in Wittenberg gedruckt. Wie bereits aus dem Titel des Gedichts hervorgeht, konnte Lüneburg am 21. Okt. 1371 (Bergius nennt das Jahr 1372) einen Angriff der Feinde durch göttliche Hilfe abwehren.35 Da Bergius die Vorgeschichte dieses Angriffs in seinem Gedicht nur andeutet, sei der geschichtliche Hintergrund kurz umrissen: Im Jahre 1369 erlosch mit dem Tode des letzten Welfenherzogs Wilhelm die Linie des Alten Hauses Lüneburg. Ihm war es zu Lebzeiten nicht gelungen, die Erbfolge zu regeln: Zunächst hatte Wilhelm im Jahre 1354 den Sohn seiner Tochter, den Askanier Albrecht von Sachsen-Wittenberg, als seinen Nachfolger auserkoren. Kaiser Karl IV. (reg. 1346-1378) unterstützte diese Wahl. Um die Herrschaft aber in Welfenhand zu belassen, verheiratete Wilhelm im folgenden Jahr seine andere Tochter mit Herzog Ludwig von Braunschweig-Lüneburg. Da jedoch der aus dieser Ehe erhoffte Nachwuchs ausblieb, setzte Wilhelm (gegen den Willen des Kaisers) Ludwig als seinen Nachfolger ein. Herzog Ludwig starb allerdings vor Wilhelm im Jahr 1367 und übertrug seine Ansprüche auf seinen Bruder Magnus II. (mit dem Beinamen Torquatus). Die Stadt Lüneburg hatte noch unter Herzog Wilhelm, dem sie ihre politische Freiheit und Selbstständigkeit zu verdanken hatte, Magnus Torquatus (reg. 1369-1373) als künftigem Landesherrn gehuldigt. Der Kaiser forderte hingegen im Jahre 1370 aus wirtschaftlichen Gründen von den Bürgern die Anerkennung Albrechts von SachsenWittenberg. Lüneburg leistete dem Gebot Folge; den Bürgern ging es jedoch nicht darum, sich dem Kaiser gehorsam zu erweisen, sondern vielmehr erhofften sie sich, ihre Freiheitsprivilegien wiederzuerlangen, die ihnen Herzog Magnus gleich zu Beginn seiner Herrschaft gewaltsam entzogen hatte. Die askanischen Herzöge von Sachsen-Wittenberg zeigten sich erkenntlich, indem sie Lüneburg die gewünschten Privilegien zusagten und den Bürgern die Erlaubnis gaben, die welfische Burg vor ihren Stadtmauern, die Veste auf dem Kalkberg, niederzureißen (2. Febr. 1371). In der sogenannten »Ursula-Nacht« (vom 20. zum 21. Okt. 1371 – benannt nach der Tagesheiligen) scheiterte der Versuch des welfischen Herzogs Magnus II., durch einen nächtlichen Überfall Lüneburg zurückzugewinnen.36 ————— 35 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 5. 36 Die Welfen haben mit Lüneburg, das bis 1520 selbstständig blieb und somit keinem Herzog unterstand, ihre Hauptstadt verloren und begannen infolgedessen im 15. Jahrhundert mit dem Ausbau Celles zur Residenz. Zum Lüneburger Erbfolgekrieg vgl. Schubert, E. (Hg.): Geschichte Niedersachsens Bd. 2, 1: Politik, Verfassung, Wirtschaft vom 9. bis zum ausgehenden 15. Jahrhundert, Hannover 1997, 755ff.; Patze, H.: Die welfischen Territorien im 14. Jahrhundert, in:

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Bergius stellt seinem 774 Hexameter umfassenden Gedicht einen Brief an die Ratsherren und den Senat von Lüneburg voran. In dieser ProsaPraefatio (A2-A4) bringt Bergius zum Ausdruck, dass fromme Städte in erster Linie von Gott bewahrt werden, damit die wahre Gottesverehrung erhalten bleibe und Jesus eine Herberge unter den Menschen habe, um den richtigen Glauben zu verkünden. So beschütze und verteidige auch der Erzengel Michael die Städte gegen den Teufel, der stets versuche, Jesu Herbergen zu zerstören. Dafür, dass Gott immer seine Kirche in den gläubigen Städten verteidigt habe, lassen sich, so Bergius, zahlreiche Beispiele aus der Bibel und aus früheren Zeiten anführen. Er sei davon überzeugt, dass auch die Stadt Lüneburg durch die Lenkung Gottes vor dem Angriff der Feinde bewahrt wurde. Inhaltlich rechtfertigt Bergius sein Gedicht zum einen damit, dass er die Wohltätigkeit Gottes zeigen wolle, zum anderen damit, dass die Stadt Lüneburg Dank für ihre wahre Frömmigkeit verdient habe und Lob für ihre kluge Haltung, die sie in dieser Auseinandersetzung an den Tag legte. Aus diesen Gründen sei das Gedicht veröffentlicht und der Stadt gewidmet. Mit der Bitte um gütige Aufnahme und einem Abschiedswunsch schließt Bergius seinen Brief. Ein Exemplar dieses Gedichts, das zu den im Zweiten Weltkrieg zerstörten Beständen der Bayerischen Staatsbibliothek gehörte, enthielt eine handschriftliche Widmung an Hieronymus Henning.37 Der Dichter beginnt sein Werk mit der Bitte, nun größere Musen in Anspruch nehmen zu dürfen, da er den lange verborgenen Triumph Lüneburgs besingen will. Dies habe vor ihm noch keiner getan (1-13). In den folgenden Versen erbittet er sich Unterstützung (14-26), und zwar von Apoll (1416), von Gott (16-22) und der Geschichtsmuse Clio (23-26). In dem sich anschließenden Musenanruf (26-41) überlegt der Dichter, wo er mit seiner Darstellung des schrecklichen Streits beginnen solle. Nach Andeutung der wichtigsten Punkte des Krieges, in dem er besonders die von den Bürgern gestürzte Welfenburg hervorhebt, bricht er diese Überlegungen mit einer praeteritio-Formel ab und setzt den Inhalt seines Gedichts fest: In diesem soll im Mittelpunkt der nächtliche Angriff des Herzogs auf die Stadt stehen und wie Gott die Stadt vor den siegessicheren Feinden geschützt hat. Mit ————— Ders. (Hg.), Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, Bd. 2, 2., unveränd. Aufl., Sigmaringen 1986, 7-99, hier 59ff.; speziell zur Ursula-Nacht vgl. Will. 37 Dies geht hervor aus dem von Karl Schottenloher zusammengestellten »Verzeichnis von handschriftlichen Widmungen aus am 9. März 1943 zerstörten neulateinischen Druckschriften der Bayer. Staatsbibliothek« im Anhang seiner Arbeit: Die Widmungsvorrede im Buch des 16. Jahrhunderts, Münster 1953, 239. Hieronymus Henni(n)g(es), in Lüneburg geboren, war Schüler von Lucas Lossius. Er wurde zum Magister der Philosophie promoviert und war seit 1563 Erzdiakon an der St. Johanniskirche in Lüneburg. Er starb im Jahre 1597. Sein besonderes Interesse galt der Genealogie; sein fünfbändiges Hauptwerk Theatrum genealogicum [...] erschien postum 1598 in Magdeburg. Zu Henning vgl. ADB 11 (1880), 778 (Krause); Jöcher, Bd. 2, 1492.

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einer Bescheidenheitsformel bricht er hier ab und beginnt die Erzählung (41-54). Kurz, oft nur in Andeutungen beschreibt der Dichter die Ereignisse, die dem nächtlichen Angriff des Herzogs auf die Stadt vorausgingen: Das Volk litt unter der grausamen Herrschaft des Herzogs und sah daher die Befehle des Kaisers, , als willkommene Hilfe an, sich von Herzog Magnus zu befreien. Dieser ist voller Hass wegen der Zerstörung der welfischen Burg und will Lüneburg im Krieg zurückgewinnen. Seinen Zorn verdeutlichen die personifizierten schlechten Affekte, die sich Tag und Nacht bei ihm einnisten (55-89).38 Schließlich rüsten er und seine Anhänger zum Krieg und schleichen sich bei Nacht in die Stadt (90-104).39 Es folgt eine Beschreibung der Nacht (105-111).40 Magnus und seine Gefolgschaft nähern sich unter dem Schutz der Nacht auf geheimen Pfaden der Stadt und positionieren sich an einer leicht zu überwindenden Mauer, die den Zugang zur Stadt eröffnet. Bei dieser ersten Unternehmung ist das Glück auf ihrer Seite, wie der Dichter abschließend bemerkt (112129).41 Die Nacht neigt sich ihrem Ende zu, und der Tag nähert sich. Die Wächter verstecken sich, nachdem alle Zugänge erforscht und die Mauer bestiegen ist; der treuste Wächter schläft bedenkenlos ein; das Schicksal der Angreifer wird an dieser Stelle bereits vom Dichter angekündigt: 141f.: pesti devota futurae / Et ferro peritura cohors42 (130-142). Dem Gerücht nach, so berichtet der Dichter, seien die Manen aufgeschreckt worden, so dass Cerberus bellte und die lachenden Furien sich auf das künftige Blutbad freuten (143-149).43 Die Angreifer stürmen nun noch bei Nacht die Stadt und überraschen die Bürger im Schlaf. In dem losbrechenden Gefecht, in dessen Anfangsphase sich auf Bürgerseite die Ratsherren Visculius und ————— 38 Die Darstellung dieser allegorischen Figuren folgt Claud. Rufin. 1, 30ff. 39 Die Geschehnisse der Nacht sind oft dargestellt worden; Wilhelm Reinecke hat die wichtigsten Überlieferungen zusammengestellt in: Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, hg. durch die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 36: Lüneburg, Stuttgart 1931. Zu den zeitgenössischen Darstellungen zählen die Chronik des Ratsnotars Nikolaus Floreke und das »Lied von Keppensen«. Wichtige spätere (bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts entstandene) Schilderungen der Nacht bieten die Chroniken von Hermann Korner, Georg Hammenstede und Jakob Schomaker sowie das Chronicon Luneburgicum in den von Leibniz herausgegebenen Scriptores rerum Brunsvicensium, Bd. 3, Hannover 1711, 172-202. Einen Überblick der Quellen gibt Droste, H.: Schreiben über Lüneburg. Wandel von Funktion und Gebrauchssituation der Lüneburger Historiographie (1350 bis 1639), Hannover 2000; vgl. auch Will, 8f. 40 Die unheilvolle Nacht ist nach Stat. Theb. 5, 197ff. gestaltet. 41 Aspirat primo fortuna labori kommentiert der Dichter in Vers 129 mit den Worten Vergils (Aen. 2, 385). 42 Erneut greift Bergius bei diesem Dichterkommentar auf Vergil zurück (Aen. 1, 712; vgl. zudem Stat. Theb. 2, 524 und Claud. carm. min. 53, 53). Zur Kommentierung des Geschehens durch den Dichter vgl. auch unten im Panegyricum Carmen, 276ff. 43 Vgl. dazu Stat. Theb. 4, 213.

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Garlopius44 als besonders mutige Kämpfer auszeichnen, fühlen sich die Angreifer bereits als Sieger (150-185). Der Dichter ermuntert in der folgenden Ansprache die Bürger zum tapferen Kampf, indem er ihnen die Schlacht bei den Thermopylen, in der eine kleine Griechenschar dem riesigen Perserheer widerstanden hat, vor Augen stellt (186-200). Zudem prophezeit er den Bürgern, dass Lüneburg unversehrt bleibe und die Bürger, die ihr Leben für die Stadt gegeben haben, durch die Musen ewige Ehre erhalten werden (201-210). Nun rast Fama durch die Stadt und berichtet vom Angriff der Feinde.45 Die Bürger eilen unter Lärm und Stöhnen zu den Waffen und kämpfen für die Freiheit ihres Vaterlandes (211-220). Ulrich von Weißenburg, der die Bürger in der Kriegsführung berät und zudem sehr redegewandt ist,46 unternimmt in der Zwischenzeit den Versuch, den Feind mit gütigen Worten zu versöhnen (221-236). In seiner rhetorisch ausgefeilten Rede fordert er die Feinde eindrücklich auf, die Waffen niederzulegen, da sie bereits die Macht an sich gerissen hätten und die Stadt bezwungen sei. Sie sollten Frauen und Kinder, Kirchen und Häuser verschonen, denn die Stadt werde besser gütige Sieger ertragen als durch Mord und Drohungen verhasste. Durch rhetorische Fragen appelliert er an die Milde der Feinde. Sie sollen aufhören, die Stadt völlig zugrunde zu richten; durch Milde und Güte werden sie das behalten, was ihnen durch den Sieg zugefallen sei. Mit der wiederholten Mahnung, die Waffen niederzulegen, beendet Ulrich seine Rede (237-262).47 Der Dichter entlarvt im Folgenden die Rede Ulrichs als Trugrede: Klug und vorsichtig wie ein Seemann, der auf offenem Meer von Winden angegriffen wurde,48 gehe er mit dem Feind um und erwirke durch seine trügerische Rede den Bürgern Aufschub. Diese kommen in der Zwischenzeit in der Stadt zusammen, rüsten sich und suchen geeignete Orte zum Kampf. Sie umzingeln den Feind in dichter Schlachtreihe (263-311). Bei den Feinden zeigt die Rede Ulrichs die gewünschte Wirkung. Sie glauben ihm, legen die Waffen nieder und fühlen sich ihrer Beute sicher. Im Weinkeller feiern sie ihren Sieg (312-346). Der Dichter kommentiert das Verhalten der nichtsahnenden Feinde, verurteilt dies in einer Anrede an die Angreifer und prophezeit ihnen ein schlimmes Ende (339-357).49 Das bewaffnete Volk, das in seinem Krieg von Gott geführt ————— 44 Der Ratsherr Nikolaus (Claus) Garlop und der Bürgermeister Heyne Viskule zählen zu den ersten Gefallenen der Stadt, vgl. Will, 14. 45 Die Verse 211ff. imitieren Vergils Darstellung der Fama (Aen. 4, 666). 46 Zu den Aktionen des Söldnerführers der Stadt, dem adligen Stadthauptmann Ulrich von Weißenburg, vgl. Will, 14ff. 47 Die Schlussworte (261f.) sind wörtlich der Venulusrede in Verg. Aen. 11, 292f. entnommen. 48 Der Vergleich ist nach dem Vorbild Claudians (4. cons. Hon. 419ff.) gestaltet. 49 Zu Vers 348 vgl. Verg. Aen. 2, 402, zu 353 Claud. Rufin. 3, 243.

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wird, kommt heimlich zusammen und raubt die Waffen des Feindes. Kampfbereit erwarten sie den Feind (358-387). In einer Rede ermutigt Ulrich die Bürger und fordert sie auf, das Vaterland im gerechten Krieg zu verteidigen. Nun sei jener Tag gekommen, der größten Ruhm verspreche. Der Sieg sei ihnen sicher, da die Feinde betrunken seien. Diese sollen sündigen und ihr Vorhaben bereuen (387-424). Nach dieser Rede tritt Ulrich an die Feinde heran, die bereits Schätze tragen, steht unerschrocken mitten in der Stadt und wartet auf Magnus, den Führer der Feinde (424-433). Der Dichter begründet mit den folgenden Versen den Wechsel des Kriegsglücks: Die Götter wollten es anders; Nemesis sei beleidigt worden und wende daher das Rad und täusche die Jubelnden (434-436).50 Ulrich wendet sich erneut in einer Rede an die Feinde und erklärt, dass es darum gehe, die Rechte der Bürger zu schützen. Diese würden lieber ihr Leben dem Vaterland opfern als in Knechtschaft leben (437-446). Die Feinde sehen sich nun getäuscht, drohen Ulrich in einer Rede, stürzen sich zornig auf diesen und ermorden ihn (447-467). Der Dichter würdigt darauf die Verdienste des Bürgerführers Ulrich (468-481). Nach dessen Tod flammt das Kriegswüten wieder auf. Die Bürger stehen wie eine Mauer gegen den Feind und verteidigen ihre Stadt wie die Bienen ihren Honig. Das Schicksal hat sich gewendet: Nun haben die Bürger durch die Fügung Gottes die Oberhand; die Zahl der Feinde schwindet; schwach und müde fürchten sie nun um ihr Leben und bereuen ihr Vorhaben (482-539). Verzweifelt suchen sie nach einem Fluchtweg (540-545). Mit der Aufforderung, auch die restlichen Feinde zu vertreiben, wendet sich ein Bürger an die Stadtbevölkerung (546-563), und selbst Frauen beteiligen sich am Kriegsgeschehen und werfen Ziegel von den Dächern (564-574). Die Feinde werden alle an einen Ort in der Mitte der Stadt getrieben, den sogenannten Sandplatz.51 Einem Gerücht zufolge haben die Feinde dort eine Frauenschar gesehen, die mit glänzenden Waffen, Gold und Strahlen eine dichte Kampfreihe bildete und sie in die Flucht trieb. Die geheimnisvolle Schar, so erklärt der Dichter, war die Engelswache, die im Dienst Gottes die Frommen schützte (575-599).52 In einer Anrufung Christi mahnt er, dass all diejenigen von den Engeln verteidigt werden, die Christus ehren und gütig aufnehmen. Der Teufel jedoch bekämpfe diese; deshalb sei Hilfe nötig, die Gott mit den Engeln gewährt. Gott gibt, dass die Bürger in friedlichem Bündnis zusammenwachsen und sein heiliges Wort propagieren, durch das er ihnen Recht verleiht und den Weg zum ————— 50 Vgl. die Vorbildstelle Claud. Get. 631f. 51 Zum Geschehen auf dem Sandplatz vgl. Will, 14ff. 52 Bergius deutet die Formationen der Bürger in Engelsscharen um; der Bericht, dass Gott Engel zur Rettung der Stadt geschickt hat, findet sich im Chronicon Luneburgicum (Leibniz (s. Anm. 39), 185; vgl. auch Reinecke (s. Anm. 39), 30 Anm. 1); zu den Entscheidungskämpfen vgl. Will, 17ff.

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Himmel zeigt (600-625). Der Dichter beschreibt nun das Kriegsende: Die Feinde fliehen und ringen um ihr Leben (626-630), ein Bürger fordert die Niederlegung der Waffen (631-638), schließlich werden die Feinde gefesselt und in den Kerker geworfen (638-647). Das Volk ist nun erlöst vom Feind. Es schließt sich eine Siegesfeier an; zum Gedenken an die Rettung wird ein Feiertag eingerichtet. Ein alter frommer Priester spricht ein Dankgebet, und das Volk lobt und preist den Herrn (648-697). Der Dichter dankt nun Christus für den Sieg Lüneburgs und verheißt der Stadt unter dem göttlichen Schutz ewigen Ruhm. Er preist die Stadt Lüneburg für ihre pietas, durch die sie der nun reformierten Kirche treu ist, und fordert sie auf, die »wahre Religion« immer zu pflegen (698-735). Mit einem Lobpreis des dreifaltigen Gottes und der Bitte, Lüneburg und alle frommen Städte zu unterstützen, beendet der Dichter sein Werk (736-774).53 3.2.3.2 Erzählung über den Tod der Römerin Lucretia (1564) Im Jahre 1564 verfasste Matthias Bergius ein hexametrisches Gedicht über die insbesondere aus der Erzählung des Historikers Titus Livius (1, 57-60) bekannte Römerin Lucretia.54 Die Darstellung des Livius legt Bergius der Handlung seines Gedichts zugrunde. Des Weiteren lässt er die Fassung Ovids (fast. 2, 721-852) in sein Werk einfließen: Wie dieser weitet Bergius die Szene aus, die Lucretia beim Spinnen zeigt und die Livius nur knapp umrissen hatte; neben dieser inhaltlichen Parallele lassen wörtliche Übernahmen Ovid als zweite Vorlage transparent werden.55 Wie bei Livius ist auch bei Bergius die Erzählung eingebettet in den Bericht der Vertreibung der Könige aus Rom. Lucretia ist für Bergius die tugendhafte Matrone, die nach ihrer Vergewaltigung Selbstmord begeht. Die Bestrafung des Täters Sextus Tarquinius stellt Bergius als abschreckendes Beispiel für die Rache Gottes dar, die sogar ein ganzes Geschlecht vernichten könne. Er mahnt daher mit seiner Erzählung zu aufrichtiger Verehrung Gottes und des Heiligen Geistes, der den Menschen einen von frevelhaften Gelüsten freien Sinn einhauche.56 ————— 53 Die Gebetseinleitung imitiert Paul. Nol. carm. 6, 1. 54 Vgl. Werkverzeichnis Nr. 9. Zur Rezeption der Lucretia-Handlung vgl. Galinsky, H.: Der Lucretia-Stoff in der Weltliteratur, Breslau 1932; Ogilvie, R. M.: A Commentary on Livy, Books 1-5, Oxford 1965, 218-232; Donaldson, I.: The Rapes of Lucretia. A Myth and its Transformations, Oxford 1982; Münzer: Lucretia, in: RE, 26. Halbbd., Stuttgart 1927, 1692-1695. 55 Vgl. V. 74 (Ov. fast. 2, 721); 77 (Ov. 724); 87 (Ov. 727); 113f. (Ov. 734); 130 (Ov. 738); 155 (Ov. 745); 160 (Ov. 750); 167f. (Ov. 753f.); 178 (Ov. 759); 190 (Ov. 762); 508 (Ov. 841); 548 (Ov. 837). 56 Dieser Gedanke, dass außereheliche Liebe und Ehebruch von Gott hart bestraft werden, kehrt in Bergius’ Hochzeitsgedichten als kennzeichnendes Merkmal wieder, vgl. unten, 89.

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Gewidmet ist dieses 671 Hexameter umfassende Gedicht Heinrich von Asseburg.57 In der 33 elegische Distichen umfassenden Widmungselegie bestimmt Bergius als die vorrangige Aufgabe des Adels die Unterstützung der Musen. Als Vorbild führt er Hercules an, der mit seiner (aus einem Ölbaum auf dem Helikon geschnittenen) Keule die Musen verteidigte und dafür von diesen besungen wurde (1-28). Bergius lobt Heinrich von Asseburg wegen seiner virtus und nobilitas, die denen des Hercules gleichen, sowie für seine sich daraus ergebende pietas. Von Apoll unterrichtet liebe er die Musen und werde an Ruhm seine Vorfahren noch übertreffen (29-48). Mit der Ankündigung des Inhalts seines Gedichts und der bescheidenen Bitte um Unterstützung und gütige Annahme seines Werks schließt Bergius seinen Widmungsbrief (49-66). Das Gedicht beginnt mit der Angabe des Themas: Die schlimme Tat des Sextus Tarquinius, der Selbstmord der matrona und die sich daraus ergebenden Folgen sollen behandelt werden (1-6). Nach Bescheidenheitsbekundung (7-17) und Musenanruf (18-27) fordert Bergius Heinrich von Asseburg, dessen Gerechtigkeitssinn, Frömmigkeit und Tugend er noch einmal hervorhebt, auf, mit ihm das Gedicht durchzugehen und ihn zu unterstützen (28-47). Mit der Charakterisierung von Tarquinius Superbus, dem letzten König der Römer, leitet der Dichter seine Erzählung ein: Dieser strebte nach einer immer weiteren Ausdehnung seines Reiches und hatte die Weltherrschaft der Römer schon vor Augen.58 Durch seine Kriegserfolge wurde er jedoch hochmütig und schließlich von den Göttern gestürzt. Solange er an der Macht war, herrschten Gewalt und Schrecken (48-72). Mit der Belagerung der Rutulerstadt Ardea beginnt nun nach antikem Vorbild die Lucretia-Handlung. Da die Rutuler keinen Krieg wagen und sich hinter ihren Mauern verschanzt halten, vergnügen sich die Römer in ihrem Standlager mit Spielen und Gelagen (73-85). Angetrunken hält Sextus Tarquinius, der Sohn des Königs, eine Rede, in der er sich fragt, ob die Frauen ihren Männern, die wegen des Krieges schon lange in der Ferne festgehalten werden, auch treu seien. Er vermisse seine Frau und würde sie gern sehen (86-105). Daraufhin entbrennt ein Wettstreit unter den Männern, ————— 57 Heinrich von Asseburg (1532-1573) bekannte sich, sobald er mündig wurde, gegen den Willen seiner Mutter zur lutherischen Lehre. In Ampfurt, das in seinem Besitz war, unterstützte er Pfarrer, die durch ihr Bekenntnis zum Protestantismus vertrieben worden waren: so berief er dort z.B. Timotheus Kirchner 1563 zum ev. Pfarrer. An den Höfen von Braunschweig und Dresden hat Heinrich großes Ansehen genossen: Beim Einzug des Herzogs Julius 1569 war er mit sechs Pferden zugegen (vgl. Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 963). Zu Heinrich vgl. Trippenbach, M.: Asseburger Familiengeschichte. Nachrichten über das Geschlecht WolfenbüttelAsseburg und seine Besitzungen, Hannover 1915, 183-187; Wiehle, M.: Börde-Persönlichkeiten: Biographisches Lexikon der Magdeburger Börde, Oschersleben 2001, 17. 58 Vers 53 = Verg. Aen. 1, 282.

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jeder lobt seine Frau in den höchsten Tönen (106-111). Da erhebt sich Collatinus und sagt, dass seine Frau Lucretia alle anderen übertreffe. Er fordert die Übrigen auf, sich selbst davon zu überzeugen und mit ihm nach Hause zu reiten (112-122). Von der Idee begeistert, machen sie sich auf den Weg und gelangen zunächst nach Rom zum Königspalast, wo sie die Schwiegertöchter des Königs ausgelassen feiern sehen (123-142). Von dort reiten sie weiter nach Collatia. Dort bemerken sie Lucretia, wie sie in der Nacht noch unter ihren Dienerinnen mit Wollarbeiten beschäftigt ist (143152). In einer Rede spornt Lucretia ihre Mägde zu schneller Arbeit an; sie will ihrem Mann, der in der Ferne Krieg führt, ein Kleid zuschicken. Klagend ruft sie das schreckliche Ardea an, das die Männer so lange festhält. Sie habe Angst um ihren Mann, da er leichtsinnig und unvorsichtig sei, und hoffe, dass er unversehrt zurückkehre (153-172). Da tritt Collatinus mit seiner Schar an sie heran; gemeinsam feiern sie voller Freude bis tief in die Nacht die unverhoffte Rückkehr (173-189). Sextus Tarquinius ergreift die Begierde, Lucretia zu besitzen. Ihre Schönheit und ihre Keuschheit beeindrucken ihn gleichermaßen (190-196). Während alle schlafen, überlegt er, wie er seine Begierde nach Lucretia stillen könne (197-218). Allecto, aus dem Styx heraufgeschickt, tritt dem Überlegenden zur Seite und haucht ihm Schlangengift ein.59 Durch die Furie erregt, verliert Sextus Tarquinius nun jegliche Hemmung (219-232). Die Raserei raubt ihm den Sinn, breitet sich in seinem Körper aus und rät ihm zum Verbrechen. Der Dichter verdeutlicht diesen Vorgang durch einen Vergleich mit dem Ausbreiten eines durch einen Funken auf trockenem Feld gezündeten Feuers durch den Wind (233-246). Früh morgens reiten die Männer zurück ins Lager. Collatinus und Lucretia verabschieden sich, und der Dichter bemerkt, dass die Trennung ihnen schwer fiel, gerade als ob sie ihr zukünftiges Schicksal kannten (247-260). Zurück im Lager beschließt Sextus Tarquinius, ohne das Wissen der Gefährten wieder nach Collatia zu reiten und in das Schlafgemach der Lucretia mit Gewalt oder List einzudringen (261-277). Er eilt also nach Collatia, wo ihn Lucretia freundlich aufnimmt (278-286). In der Nacht wartet Sextus gierig und von Allecto in seiner Raserei angestachelt auf den richtigen Zeitpunkt, um seine Wünsche zu erfüllen (287-301). Als ihm alles sicher scheint, nimmt er sein Schwert und geht in Lucretias Schlafzimmer; er gesteht ihr seine Liebe, verspricht ihr Geschenke und bittet sie, ihn nicht zurückzuweisen (302-314). Zunächst ist Lucretia entsetzt und weiß nichts zu erwidern. Dann appelliert sie an Sextus’ Anstand und weist seinen Wunsch zurück (315-321). Dieser droht ihr nun mit dem Tod, ohne dass sie nachgibt (322-333). Er fügt deshalb zur Todesangst noch die Furcht vor der ————— 59 Zu Allectos Auftritt vgl. Verg. Aen. 7, 341ff.

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Schande hinzu; wenn sie tot sei, werde er einen Sklaven ermordet neben sie legen, damit es heiße, sie sei mitten im Ehebruch getötet worden (334-346). Der Dichter fasst nun Lucretias Stimmung zusammen: sie würde lieber sterben als ihm zu willfahren; die Angst vor der drohenden Schande ist jedoch größer, so dass sie in Sorge um ihren Ruf schließlich nachgibt (347357). Sextus Tarquinius jubelt als Sieger und befriedigt seine Begierde. Der Dichter vergleicht ihn mit dem Adler des Jupiter, der einen Hasen fängt (358-366),60 nennt ihn daraufhin Übeltäter und droht ihm mit dem Tag des Jüngsten Gerichts, an dem er für seine Tat bestraft werde (367-379). Sextus reitet ins Lager zurück und lässt die trauernde und weinende Lucretia zurück. Diese überlegt, wie sie sich rächen könne, ruft in einer Rede Nemesis an und verlangt Strafe (380-401). Dann lässt sie ihren Vater und Ehemann kommen. Letzterer trifft in Begleitung des Brutus ein. Auf die Frage nach dem Grund ihrer Trauer (402-420) hält Lucretia eine Klagerede:61 In verzweifelten Fragen bringt sie zum Ausdruck, dass sie jetzt, wo ihre Scham ausgelöscht ist, nichts mehr am Leben halte; sie erzählt ihrem Mann, wie Sextus Tarquinius das Ehelager ohne ihre Schuld befleckt habe und erklärt, dass nur ihr Körper befleckt sei und nicht der Geist. In ihrem Wunsch, dass Sextus dafür büßen solle, appelliert sie an die Tugend und Stärke der Männer, die Tat zu rächen (421-459). Nach diesen Worten steht Lucretias Entschluss zu sterben fest. Ihr Vater und ihr Mann Collatinus versuchen sie zu trösten, sprechen sie von jeder Schuld frei und sichern ihr zu, dass Sextus seine Strafe erhalten werde (460-473). Lucretia aber sucht den Tod, damit sich nicht später eine Ehebrecherin auf ihr Beispiel berufe, fordert ihren Ehemann zur Rache auf und stößt sich den heimlich hervorgeholten Dolch in die Brust (474-494). Von den entsetzten Männern fängt sich als erster Brutus, von dem der Dichter bemerkt, dass er bisher seine Klugheit versteckt habe: Er nimmt den Dolch aus der Wunde und verspricht Lucretia, dass er den Mord rächen, Sextus Tarquinius und seine Frau aus Rom vertreiben und deren ganzes Geschlecht vernichten werde (495-521). Lucretias Ehemann und ihr Vater wundern sich über die Entschlossenheit des Brutus. Lucretia hebt noch einmal den Kopf und nickt Brutus lobend zu (522-533). Im Anschluss daran wird die Leiche auf das Forum getragen, wo das Volk seine Trauer und sein Entsetzen kundtut. Brutus erklärt den Männern die Tat, und der Ehemann ruft zu den Waffen. Brutus hetzt das Volk auf, indem er ihm die schlimmen Taten des Königs und das Schicksal der Lucretia in Erinnerung ruft (534-565). In einer Rede fordert er nachdrücklich zum ————— 60 Bergius übernimmt diesen Vergleich aus Ovids motivgleicher Geschichte von Procne und Philomela (met. 6, 516-518). Hier gilt der Vergleich dem Vergewaltiger Tereus. 61 Wörtliche Anklänge lassen hier Vergils Dido hervortreten (vgl. z.B. Verg. Aen. 4, 322 zu V. 432; 4, 552 zu V. 435).

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Krieg gegen die Königsfamilie auf (566-568) – mit Erfolg: die aufgestachelten Bürger versprechen ihre Kriegsbereitschaft und machen Brutus zu ihrem Führer (569-577). Mit einem zweifachen Vergleich, zum einen mit der Gewalt der Winde und zum anderen mit der Kraft eines Wildbaches im Frühling, verdeutlicht der Dichter die Entschlossenheit der Bürger (578597). Schließlich spricht das Volk dem König die Herrschaft ab und beschließt seine Verbannung: Tullia, die Frau des Königs, flieht aus der Stadt, und Sextus flüchtet nach Gabii, wo er schließlich getötet wird (598-637). Am Ende gibt der Dichter eine Bewertung der Geschichte: Gott habe sich gerächt und die Könige vertrieben (638-643). Er schließt mit der Mahnung an alle, die wie Sextus von Luxus und rasender Begierde regiert werden, daran zu denken, dass Gott jedes Vergehen bestrafe und seine Strafe oft auf das ganze Geschlecht ausdehne. Der Dichter fordert sie auf, Gott zu fürchten und den Heiligen Geist richtig zu verehren; denn dieser werde die Gemüter von rasender Begierde reinigen und ihnen Enthaltsamkeit einhauchen (644-671). 3.2.3.3 Erzählung über das Konzil von Nicäa (um 1566) Matthias Bergius’ Narratio de Synodo Nicena ist dem ersten Teil von Martin Chemnitzens Hauptwerk Examen concilii Tridentini vorangestellt, der im Jahre 1566 erschien.62 Zu diesem Werk veranlasst sah sich Chemnitz durch den portugiesischen Jesuiten Diego de Paiva d’ Andrade, der 1564 in zwei Schriften gegen Chemnitz aufgetreten war, um die Beschlüsse des Konzils von Trient (1545-1563) und die Lehren der Jesuiten zu verteidigen. Chemnitz legte daraufhin in den insgesamt vier Teilen seines Werkes, an denen er bis 1573 arbeitete, die Schriftwidrigkeit der römischen Lehre dar und beanspruchte den Beweis, dass nicht die protestantische, sondern die römische Kirche von dem alten katholischen Glauben abgefallen sei.63 Dies war auch Matthias Bergius’ Anliegen: Er stellt in seinem Gedicht das Konzil von Trient dem von Nicäa (325) gegenüber, um den Katholiken das Schicksal des Arius als warnendes Beispiel vor Augen zu stellen. Die narratio ist das einzige Werk Bergius’, zu dem es eine deutsche Übersetzung gibt; sie wurde 1576 von Georg Nigrinus in vierhebigen Paarreimen verfasst.64 ————— 62 Zum vollständigen Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 11. 63 Zu Diego de Paiva d’ Andrade vgl. BBKL 1 (1990), 164f. Zum Konzil von Trient vgl. Schatz, 165-214; Ganzer, K.: Trient 3) Konzil, in: LThK 10 (2001), 225-232; Bäumer, R. (Hg.): Concilium Tridentinum, Darmstadt 1979. 64 Zu dem hessischen lutherischen Theologen Georg Nigrinus (eigtl. Schwartz, 1530-1602) vgl. NDB 19 (1999), 255f. (Th. Mahlmann); ADB 23 (1886), 695-698 (A. Link).

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Zum besseren Verständnis seien ein paar kurze Bemerkungen über die wichtigsten Beschlüsse des Konzils von Nicäa und seine Folgen und über den sogenannten »Arianischen Streit« vorausgeschickt, soweit Bergius in seinem Gedicht hierauf Bezug nimmt: Im Jahre 325 berief Kaiser Konstantin der Große zur Wahrung der religiösen Einheit im Reich eine Synode nach Nicäa in Bithynien ein. Hierzu veranlasst sah er sich durch die theologische Auseinandersetzung zwischen dem alexandrinischen Bischof Alexander und seinem Presbyter Arius: Ihr Streit über die Wesensgleichheit von Gott und seinem Sohn hatte inzwischen den ganzen Osten erfasst und einander unversöhnlich gegenüberstehende Parteiungen hervorgerufen. Zuvor war in Antiochien Anfang 325 eine Synode zusammengetreten, die Arius, der die wahre Gottheit Christi leugnete, bis zum Zusammentritt des bevorstehenden Reichskonzils aus der Kirche verbannte. Auf dem von Juni bis Juli 325 dauernden Konzil von Nicäa wurde neben kirchenrechtlich bedeutsamen Kanones und einem für das Reich einheitlichen Osterfesttermin ein Glaubensbekenntnis (das sog. Nicaenum) verabschiedet, in dem die Wesensgleichheit zwischen Gott und seinem Sohn durch die Formel ὁμοούσιος τῷ πατρί (scil. ὁ υἱός) festgeschrieben ist. Nur zwei Bischöfe verweigerten ihre Zustimmung und wurden zusammen mit Arius aus der Kirche verbannt. Dass der Arianische Streit damit nicht geschlichtet war, zeigt die weitere Entwicklung: Konstantin begnadigte Arius und ließ ihn zurückkehren. Athanasius, der die Nachfolge Alexanders als Bischof von Alexandrien antrat (328), lehnte die Aufnahme des Arius in Alexandrien ab und brachte Konstantin schließlich dazu, sich 332 endgültig von Arius abzuwenden und die Vernichtung seiner Schriften anzuordnen. Arius starb im Jahre 335.65 Der Dichter beginnt sein Werk mit der erleichterten Feststellung, dass das Konzil von Trient nun endlich abgeschlossen sei, und wünscht sich jene Zeiten zurück, als der katholische Aberglaube noch nicht herrschte (1-14). Er vergleicht das Konzil von Trient im Folgenden mit früheren Konzilien und kommt zu dem Schluss, dass es weder mit dem Apostelkonzil in Jerusalem66 (15-21) noch mit der Nicäischen Synode zu vergleichen sei. Diese hatte Konstantin ewigen Ruhm eingebracht, da er Arius verfolgte und be————— 65 Zum Konzil von Nicäa und zum Arianismus vgl. Schatz, 27-44; Brennecke, H. C.: Nicäa I, in: TRE 24 (1994), 429-441; Stead, G. Ch. (Ü: K. Hoheisel): Homousios (ὁμοούσιος), in: RAC 16 (1994), 364-433; Ritter, A. M.: Arianismus, in: TRE 3 (1978), 692-719. 66 Das Apostelkonzil (ca. 48/49) bezeichnet das Treffen in Jerusalem, das sowohl im autobiographischen Bericht des Paulus (Gal 2) als auch in dem Bericht des Lukas (Apg 15) dargestellt wird. An diesem nahmen neben Paulus Petrus, Jacobus und, nach Gal 2, 9, Johannes teil. Erörtert wurden auf diesem Konzil die Anerkennung der Heidenmission des Paulus und die notwendigen Bedingungen für die Aufnahme der Heiden in die christlichen Gemeinden. Vgl. hierzu Vouga, F.: Urchristentum, in: TRE 34 (2002), 411-436, hier 425ff.; Andresen, C. / Ritter, A. M.: Geschichte des Christentums I/1. Altertum, Stuttgart 1993, 1ff.

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strafte, welcher die Gottheit Christi geleugnet hatte (22-32). Diese Synode soll im Mittelpunkt seines Werkes stehen, so kündigt der Dichter nun an; die Erwähnung des Konzils von Trient solle dem Leser dagegen deutlich machen, so fährt er fort, dass es der Nicäischen Synode ebenso entgegengesetzt sei wie Nemesis der Laverna, Penelope der Lais oder Diana der Venus (33-43). Nach topischer Bescheidenheitsbekundung (44-46) bittet der Dichter nun Gott um Unterstützung für sein Vorhaben, das ruhmvolle Vorgehen Konstantins und die Bestrafung des gottlosen Arius darzustellen (47-57). In einer Ansprache wendet er sich an die Katholiken und warnt sie, dass Gottlosigkeit bestraft werde. Indem er Arius als abschreckendes Beispiel anführt, fordert er sie auf, ihren Sinn zu ändern, um dem Tod zu entkommen (58-72). Der Dichter beginnt seine Erzählung mit Lob und Anerkennung der Taten Konstantins: Er habe sich als erster im Reich zu Christus bekannt, den Aberglauben beseitigt und die Menschen bekehrt (73-79). Für seinen Glauben habe er zahlreiche Kriege gegen die Heiden geführt (80-94). Der Teufel, so fährt der Dichter fort, aus diesem Grunde neidisch und rachsüchtig geworden (95-101), stachelte nun den listigen und betrügerischen Arius an und hauchte ihm Schlangengift ein (102-106). Arius tarnte seine Irrlehre und scharte, nachdem er aus Alexandrien vertrieben wurde, in fernen Gegenden neue Anhänger um sich (107-117). Alexander, Bischof von Alexandrien, deckte jedoch Arius’ Betrug auf, eröffnete Konstantin, dass dieser die Gottheit Christi leugne, und bat ihn um Hilfe (118-128). Konstantin ließ daraufhin Arius und seine Gefährten zu sich kommen. Arius gelang es jedoch, den Kaiser für sich einzunehmen; durch seine Teufelskunst, die ihn aus schwarz weiß machen ließ, verbarg er seinen Betrug und erlangte so die Gunst des Kaisers. Dieser entließ daher Arius und seine Gefährten mit der eindringlichen Aufforderung, friedlich und einträchtig miteinander umzugehen (129-158). Die Worte des Kaisers trafen jedoch ins Leere. Der Ehrgeiz stachelte Arius erneut an, wieder suchte er mit seinen Irrlehren neue Anhänger (159-164). Konstantin erkannte, dass sich der Streit zuspitzte, und hatte Angst, dass Zwietracht das neu gewonnene Christentum zerstören könne. Er rief infolgedessen ein Konzil ein (165-174). Aus dem ganzen Reich ließ er gelehrte Christen zusammenkommen (174-185). Es trafen sich Menschen aus aller Welt von unterschiedlicher Herkunft und Sprache und von verschiedenem Aussehen und Alter; gemeinsam war allen, dass sie gelehrt, spracherfahren und in der Kenntnis der Heiligen Schrift ausgewiesen waren (186-200). Ort des Konzils war Nicäa in Bithynien (einst eine Stadt, heute nur noch Sand und Trümmer, wie der Dichter bemerkt). Viele der Teilnehmer waren vorher im Kampf für die »wahre Religion« von den Katholiken gequält worden (201-213). Konstantin trat nun ohne Waffen und Gefolge, ohne jegliche Pracht freundlich an die Teilnehmer heran und

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setzte sich auf seinen Thron (214-225). Er teilte den Bischöfen den Grund für die Einberufung des Konzils mit und stellte Überlegungen an, wie das Christentum zu beschützen und Einigkeit im Reich zu erzielen sei (226237). Nach diesen vom Dichter in indirekter Rede wiedergegebenen Äußerungen Konstantins lässt er den Kaiser nun in einer ausführlichen Rede selbst zu Wort kommen (238-286): Sein größtes Anliegen sei, so Konstantin, dass man sich einig in den Lehren sei, damit die Menschen christlich leben und die Kirche gedeihen könne. Er selbst habe gegen den Satan für das Christentum gekämpft und sein Leben für den Glauben aufs Spiel gesetzt (238-253). Konstantin fordert nun, da man über Arius und seine falschen Lehren verhandle, die Bischöfe auf, gegen den Satan zu kämpfen, damit dieser nicht das Heilige Wort verdunkle; schließlich habe sie der höchste Hirte als Schafhirten eingesetzt, um seine Herde auf eine gesunde Weide zu führen. Sie hätten die Bibel, so fährt Konstantin fort, in der sich Gott offenbare und seine Lehre verkünde. Die Lehre bleibe zu allen Zeiten gleich, sie sei eine unveränderliche Richtlinie. Niemand, so warnt er, dürfe von der Heiligen Schrift abweichen; es müsse jeder bekämpft werden, der sich Gottes Wort widersetze. Mit dem Wunsch, dass er alle Teilnehmer am liebsten einig und in ewiger Weisheit verbunden sehe, beendet der Kaiser seine Rede (254-286). Konstantin nahm die ganze Zeit am Konzil teil, hörte die Meinung eines jeden an und forderte sie auf, die Wahrheit zu sagen (287-295). Nur den Papst hinderte er daran, dass er in seinem Wahnsinn und seiner Gottlosigkeit die Lehren zerschlage. Dieser, so schreibt der Dichter, konkurriere mit Gott und erhebe sich über die Könige; er sei hochmütig und verschaffe sich Macht durch Lügen, List und öffentliche Abgötterei (296-319). Konstantin, dem nicht gerechte Beharrlichkeit und Strenge fehlte, verurteilte schließlich diejenigen, die nicht die richtige Lehre verbreiteten, und schickte sie ins Exil (320-326). Die Übrigen beschlossen eine Glaubensformel, die festsetzte, dass Christus Mensch und Gott sei (327-331). Nachdem diese Einigung erzielt war, traten alle Bischöfe ihren Heimweg an. Der Kaiser mahnte sie noch einmal zum Frieden und forderte sie auf, die wahre Lehre zu verbreiten und jeden auf seinem Weg zu unterstützen; wie ein Arzt, der nicht allen die gleiche und keineswegs nur bittere Medizin verabreicht, sondern auch Zucker, Honig und Wein beimischt, so müsse auch derjenige lehren, der zu Christus bekehren will (332-354). Konstantin forderte weiterhin, dass alle für ihn beten sollten, da er so viele Kriege und so viel Unheil abwehren müsse; Gott solle ihm helfen und ihn lenken, dass er alle Gewalt und List niederdrücke (355-361). Der Dichter beschreibt nun Konstantins Freigebigkeit: Er gab allen Geschenke mit auf den Weg und Geld, um die Kirchen wiederaufzubauen, welche die Gottlosigkeit zerstört hatte (361-368). Es schließt sich eine an Konstantin gerichtete laudatio an:

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Wegen seiner herausragenden Taten stehe ihm ewiger Ruhm zu; er verschone die Untertanen und greife die Feinde an. Die größten Ehren fallen ihm zu, weil er das Reich Christi auf Erden ausgedehnt und das göttliche Wort bewahrt habe. Er habe zahlreiche Völker besiegt und das Reich wieder aufgebaut, das wie ein Schiff zerbrochen war. Gott habe nicht vergessen, dass Konstantin sein Wort verbreitet hat, und gewährte ihm eine dreißigjährige Herrschaft, die dann an seine Kinder überging; die Feinde Christi jedoch wurden zugrunde gerichtet (369-405). Als Konstantin alt und krank wurde, rief er Arius aus seinem Exil zurück (406-416). Arius kam nach Byzanz und fand Unterstützung bei seinen Anhängern. Der Bischof von Konstantinopel (Athanasius) wollte Arius jedoch nicht aufnehmen und verhielt sich wie ein Schafhirte, wenn er den Wolf nahen sieht: Er schreit den Wolf an, hetzt die Hunde auf ihn und vertreibt ihn (417-432). Arius’ Anhänger verwiesen aber hartnäckig darauf, dass Arius auf Befehl des Kaisers geschickt wurde, und forderten, dass er der Kirche vorstehen dürfe (433-439). Der Bischof wehrte sich und wandte sich an Gott um Hilfe. Er betete die ganze Nacht hindurch, dass Gott das Volk von dieser Seuche befreie oder ihn, den Bischof, zu sich nehme; denn am Morgen wollte Arius sich öffentlich dem Volk präsentieren (440-454). Gott ertrug diesen Zustand nicht; und als Arius früh morgens mit großer Schar sich zeigte, ereignete sich ein plötzliches Unheil: Arius wurde von fürchterlichen Bauchschmerzen geplagt und von einem gewaltigen Schrecken befallen. Eine todbringende Kraft marterte seine schlimme Seele, und seine Eingeweide wurden der Hölle vorgeworfen (455-476). Nach dieser Erzählung wendet sich der Dichter an die Gesinnungsgenossen des Arius und fordert sie auf umzukehren; denn Gott räche alles, auch wenn sein Zorn mit langsamen Schritten komme (477-488). Nun richtet sich der Dichter speziell an Diego de Paiva d’ Andrade,67 der Chemnitz mit frecher Zunge angegriffen hatte, und mahnt ihn, seinen Aberglauben abzulegen. Als warnendes Beispiel nennt er ihm neben Arius auch Latomus68 und Hofmeister,69 die alle durch ihren »falschen Glauben« den Tod gefun————— 67 Zu diesem vgl. oben, 65. 68 Der Katholik Jacobus Latomus (Jacques Masson), 1475 in Cambron (Belgien) geboren, war Professor der Theologie in Löwen und arbeitete dort auch als theologischer Sachverständiger der Inquisitionsbehörde. Besonders hervorzuheben ist seine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Luther. Zu Latomus und seinen Schriften vgl. Vercruysse, J. E.: Jacobus Latomus (ca. 1475-1544), in: E. Iserloh (Hg.), Katholische Theologen der Reformationszeit, Bd. 2, Münster 1985, 7-26; TRE 20 (1990), 495-499 (P. Fabisch / E. Iserloh). 69 Johannes Hof(f)meister, 1509 oder Anfang 1510 in Oberndorf am Neckar geboren, gehörte dem Augustinerorden an und zählt zu den einflussreichsten katholischen Theologen des 16. Jahrhunderts. In zahlreichen Schriften trat er gegen Luther auf. Zu Hoffmeisters Leben und Werk vgl. Bäumer, R.: Johannes Hoffmeister OESA (1509/10-1547), in: E. Iserloh (Hg.), Katholische Theologen der Reformationszeit, Bd. 4, Münster 1987, 43-57.

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den haben (489-512).70 Er bekräftigt seine Warnung durch die Beschreibung des Jüngsten Gerichts (513-521). Der Dichter wendet sich nun mahnend an die Einwohner Italiens, wo der Papst als dreileibiger Geryon herrscht, der seine Macht auf Europa, Asien und Afrika ausdehnen will. Doch sei dieses Ungeheuer bereits von dem deutschen Hercules Martin Luther, den der Dichter lobend hervorhebt (522-534), besiegt worden.71 Mit dem Versprechen, dass auch die Katholiken, wenn sie den wahren Glauben wünschen, von ihrem Rasen befreit werden, beendet der Dichter sein Werk (535-542). Das Gedicht zeigt deutlich die enge Verbundenheit, die zwischen Bergius und Chemnitz vor dem Konkordienstreit bestanden hat.72 Ähnliches gilt auch für ein handschriftlich erhaltenes Epigramm Bergius’ auf Chemnitz, das er womöglich als würdigende Inschrift zu einem Chemnitzporträt verfasste und das vielleicht in dieselbe Zeit gehört wie die narratio:73 Martino Chemnitio Doctori Theologo Cujusnam haec forma est? Ejus, qui plurima solus Munera habet, quae vel singula nobilitent Kemnicius, seclique sui, decus atque futuri Provisor: si sunt secla futura tamen Mente gravis, vultu facilis, facundus, acutus, Totus inexpleto plenus amore Dei Congrua, si cuperes tanto dare praemia Mystae Brunsviga in precium nec satis ipsa fores.74

————— 70 Im 16. Jahrhundert war es sowohl von katholischer als auch von protestantischer Seite üblich, die grausamsten Geschichten über den Tod der Gegner zu verbreiten. Vgl. hierzu Paulus, N.: Luthers Lebensende, Freiburg im Breisgau 1898 (Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes, hg. von L. Pastor, 1. Bd., 1. Heft), bes. 5-20 (»Wie man protestantischerseits die katholischen Vorkämpfer sterben ließ«), darin zu Latomus’ Tod 8f., zu Hofmeisters Tod 10); vgl. zudem Vercruysse (s.o.), 10 mit Anm. 14. 71 Bergius spielt hier auf das 1522 entstandene Bild Hans Holbeins des Jüngeren an, das den Titel »Luther als Hercules Germanicus« trägt. In der Unterschrift des Bildes in elegischen Distichen wird der Papst als triplex Geryon bezeichnet. Zu diesem Bild vgl. W. Hofmann, 158. Der Vergleich mit einem dreileibigen oder -köpfigen Ungeheuer als infernalische Umkehrung der Hl. Dreifaltigkeit ist in der polemischen Auseinandersetzung der Konfessionen im 16. Jahrhundert geradezu topisch; zumeist bezieht sich dieser Vergleich auf den Papst, vgl. z.B. den um 1550 entstandenen Holzschnitt von Matthias Gerung »Dreifacher Götzendienst«. Zu diesem und weiteren Darstellungen sowie literarischen Beispielen siehe W. Hofmann, 142f. 72 Zum Konkordienstreit vgl. oben, 27. 73 Die Porträts von Martin Chemnitz sind zusammengestellt im Katalog der graphischen Porträts in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. 1500-1850. Reihe A: Die Porträtsammlung, bearb. von P. Mortzfeld, Bd. 4: Abbildungen, München u.a. 1987, 314-319; Bd. 30: Biographische und bibliographische Beschreibungen mit Künstlerregister, München 1997, 119-121. 74 Dem Theologen Martin Chemnitz: Wem denn gehört diese schöne Erscheinung? Dem, der als einziger sehr viele Gaben hat, deren jede einzelne ihn bereits berühmt machte – Chemnitz, Zierde seines Zeitalters und Planer der Zukunft, wenn es noch zukünftige Zeitalter geben wird; er

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3.3 Dramatisierende Dichtung Das allegorische Festspiel für Herzog Julius anlässlich der Gründung der Universität Helmstedt (1576) Handschriftlich erhalten ist ein allegorisches Festspiel, das Bergius anlässlich der Gründung der Universität Helmstedt für Herzog Julius verfasste.75 Der Titel lautet: Chorus Musicus, honori illustrissimi Principis ac Domini Domini Iulii Ducis Brunsvicensis et Luneburgensis, privilegia et statuta Academiae Iuliae promulgantis: scriptus a Matthia Bergio.76 Die Eröffnung der Universität war auf den 15. Oktober 1576 festgelegt worden, den Geburtstag von Julius’ zwölfjährigem Sohn Heinrich Julius, welchem das Rektorat der neuen Universität übertragen wurde. Eine Aufführung von Bergius’ Gedicht während der dreitägigen Eröffnungsfeierlichkeiten lässt sich aus den Quellen nicht nachweisen,77 obgleich Christof Römer behauptet, Bergius’ Festspiel sei beim Festmahl am ersten Tag gespielt worden.78 In allen Quellen erwähnt ist allerdings die Aufführung eines anderen allegorischen Festspiels in lateinischer Sprache, das Pankraz Krüger, der erste Professor für Grammatik und Poesie an der Universität Helmstedt, 79 gedichtet hat:80 In diesem treten Religio, Iusticia, Apollo und die neun Musen auf;81 ————— ist charakterfest, hat eine freundliche Ausstrahlung, ist redegewandt, geistreich, ganz erfüllt von der unersättlichen Liebe zu Gott. Braunschweig, wenn du dem so großen Mysten gebührenden Lohn geben wolltest, so wärst du selbst als Preis nicht hinreichend. Vgl. Die neueren Handschriften der Gruppe Extravagantes Teil 3 220.1 Extrav.-317 Extrav. Beschrieben von Wolf-Dieter Otte, Frankfurt a. M. 1993: 220.3 Extrav. 56r, S. 2 43r: Gedichte und Epitaphe verschiedener Verfasser auf Theologen und Gelehrte des 15.-16. Jhs. Ende 16. Jh. Aus einem Einband entnommen. 75 Zu Herzog Julius und der Universität Helmstedt, die bis zum Jahre 1810 existierte, vgl. Maaser. 76 Vgl. NHStA Hannover, Sign.: Calenberger Briefarchiv (Cal. Br.) 21, Nr. 3742, 206-226; Werkverzeichnis Nr. 59. 77 In den drei zeitgenössischen Quellen, welche die Feier beschreiben, wird Bergius nicht erwähnt: vgl. Historica narratio de introductione universitatis Juliae, Helmstedt 1579; Historica narratio de inauguratione academiae Juliae, Helmstedt 1713 (handschriftlich in: Actorum academiae liber I, NStA Wolfenbüttel, Sign. 37 Alt 1098); Algermann, Fr.: Leben des Herzogs Julius zu Braunschweig und Lüneburg, hrsg. von Fr. K. von Strombeck, in: Feier des Gedächtnisses der vormahligen Hochschule Julia Carolina zu Helmstedt, Helmstedt 1822, 193ff. Der Ablauf der Feier ist zusammengefasst von Baumgart, Gründung Universität Helmstedt, 137ff., eine ausführliche Darstellung findet sich bei Füssel, 134ff.; vgl. zuletzt Maaser, 55-57. 78 Vgl. Ch. Römer, 38 Nr. 101 (mit fehlerhafter Angabe der Signatur des Gedichts), vgl. auch 17, Nr. 32. Die Angaben von Römer übernimmt Lietzmann, H.: Herzog Heinrich Julius zu Braunschweig und Lüneburg (1564-1613). Persönlichkeit und Wirken für Kaiser und Reich, Braunschweig 1993, 10. 79 Zu diesem vgl. auch oben, 27 mit Anm. 58. 80 Der Titel lautet: Religio, Iusticia, et Musae Iuliae cum Apolline ad illustrissimum Principem et Dominum D. Iulium, Ducem Brunovic: et Luneburg. cum Academiam Iuliam immortale nominis sui monimentum Helmestati consecraret, et Caesareis D. Maximiliani II. Privilegijs muniret, Idib.

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sie preisen Herzog Julius als Stifter der Universität und besingen das Welfenhaus.82 In ähnlicher Weise wie Krüger hat auch Bergius sein Festspiel konzipiert:83 In diesem spricht zunächst Apoll eine Art Prolog; danach treten die septem artes liberales sowie die Historia und Poetica auf, die jeweils mit einer der neun Musen gleichgesetzt werden.84 Durch diese neun Rednerinnen ist die Artistenfakultät repräsentiert. Auf sie folgen die personifizierten anderen Fakultäten, nämlich Medicina, der die Göttin Diana zugeordnet ist, Iusticia (= Themis) sowie Religio. An die einzelnen Reden der Vertreterinnen der verschiedenen Fächer und Fakultäten in (metrisch nicht immer klassischer Norm entsprechenden) iambischen Trimetern schließt sich als

————— Octobris, Anno Christi 1576. Missae à Pancratio Crugerio Finsterwaltensi. Wolfenbüttel o. J., auch enthalten in: Historica narratio de introductione universitatis Juliae (s.o.). 81 Religio, Iusticia und Apollo reden in Hexametern (102, 28, 100); die neun Musen in überwiegend horazischen Versmaßen: Calliope (39 zweite Archilochische Strophen), Clio (18 zweite Asklepiadeische Strophen), Thalia (14 Hipponactea), Euterpe (12 Alkäische Strophen), Erato (54 vierte Asklepiadeische Strophen), Polymnia (16 dritte Asklepiadeische Strophen); Melpomene (38 iamb. Trimeter und Dimeter im Wechsel), Terpsichore (16 Strophen, bestehend aus drei iamb. Dimetern und einem katalekt. iamb. Dimeter), Urania (24 große Sapphische Strophen). 82 Zum Gedicht und seiner Aufführungspraxis vgl. Koldewey, Fr.: Geschichte der klassischen Philologie auf der Universität Helmstedt, Braunschweig 1895, 26ff.; Baumgart, Gründung Universität Helmstedt, 138; Ch. Römer, 38 Nr. 102 und Henze, I.: Der Lehrstuhl für Poesie an der Universität Helmstedt bis zum Tode Heinrich Meiboms d. Ält. († 1625). Eine Untersuchung zur Rezeption antiker Dichtung im lutherischen Späthumanismus, Hildesheim 1990, 106f. 83 Die bei Bergius und Krüger vorliegende literarische Form hat in der antiken Dichtung ihre Parallele im Ludus Septem Sapientum des Ausonius, wo ebenfalls nach dem Prolog mit den sieben Weisen nacheinander Personen einzeln auftreten, die sich vorstellen und nach ihren Reden die Bühne wieder verlassen, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Ähnlichkeiten finden sich auch bei Martianus Capella (De nuptiis Philologiae et Mercurii): Hier treten die Sieben Freien Künste (Buch 3-9) und auch die Musen (Buch 2, 118-126) in unterschiedlichen Versmaßen auf. Aufgegriffen hat diese literarische Form im 16. Jahrhundert Conrad Celtis in seiner Rhapsodia (aufgeführt 1504), einem höfischen Festspiel zur Erinnerung an den Sieg, den Maximilian I. 1504 über die Böhmen im Pfälzischen Erbfolgekrieg errang. Wie bei Bergius und Krüger ist bereits bei Celtis die Herrscherpanegyrik den Musen in den Mund gelegt; zu Celtis’ Rhapsodia vgl. Müller, J.-D.: Maximilian und die Hybridisierung frühneuzeitlicher Hofkultur. Zum Ludus Dianae und der Rhapsodia des Konrad Celtis, in: S. Hartmann / F. Löser (Hgg.), Kaiser Maximilian I. (1459-1519) und die Hofkultur seiner Zeit, Wiesbaden 2009, 3-21; Worstbrock, 375-427 (J. Robert), hier 411414. Diese Art des Lobpreises, dass die Musen einzeln (jeweils in einem anderen Versmaß) singen, findet sich beispielsweise in den Hochzeitsgedichten für Freunde und Schüler Melanchthons (vgl. dazu Ludwig, Musenkult und Gottesdienst, 274-276) und ist in Gratulationsgedichten des 16. und 17. Jahrhunderts allgemein sehr beliebt, vgl. Klecker, E.: Neulateinische Literatur an der Universität Wien. Ein Forschungsdesiderat, in: Ch. Gastgeber / E. Klecker (Hgg.), Neulatein an der Universität Wien: Ein literarischer Streifzug. Franz Römer zum 65. Geburtstag gewidmet, Wien 2008, 11-88, hier 46. 84 Dass die Musen synonymisch für die artes stehen, findet sich in Dichtungen von Melanchthon und dessen Freunden, vgl. dazu Ludwig, Musenkult und Gottesdienst, 270.

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Epilog ein gemeinsames Chorlied in sapphischen Strophen an.85 Der Inhalt des Festspiels sei nun kurz überblickt: Das Gedicht beginnt mit dem Auftritt Apolls. Dieser fordert die Musenschar auf, die in den schlimmen Zeiten zuvor aus dem Land vertrieben worden war, ihre Klagen und den Kummer zu vergessen. Die Zeit des Exils sei nun vorbei, sie müssten sich nicht mehr nach dem Parnass oder Helikon sehnen. Unter Julius, der das Land mit Wohltaten beschenkt, herrschten wieder gute Zeiten. Apoll bittet die Musen nun, einzeln aufzutreten und Julius auch weiterhin für ihre Kunst zu begeistern (1-61). Den Anfang macht Polymneia, die mit der Grammatik gleichgesetzt wird. Sie erzählt von der Hochzeit des Kadmus (mit Harmonia), bei der alle Götter und auch die neun Musen zugegen waren. Polymneia preist daraufhin Kadmus dafür, dass er den Musen einen Platz am Parnass und Helikon zugewiesen habe86 (62-76) – jetzt hat Julius als ein zweiter Kadmus die Literatur für die Menschen entdeckt. Die Muse bedankt sich bei Julius und bittet, dass er sie so in Ehren halte wie sie ihn (77-112). Es folgt die mit der Dialektik identifizierte Euterpe: In ihrer Selbstvorstellung erklärt sie es zu ihrer Aufgabe, das Falsche vom Wahren zu scheiden, und verwehrt sich entschieden, für sophistische Gedankenspiele in Anspruch genommen zu werden (113-142). Im zweiten Teil ihrer Rede erinnert sie Julius, wie wichtig ihre Kunst für den Fürsten sei, und fordert ihn auf, an seinem Kurs festzuhalten (143-154). Die mit der Rhetorik gleichgesetzte Melpomene erzählt, wie sie ihre griechische Heimat verlassen und nach Deutschland gelangt sei. Sie bedankt sich bei Julius für die ihr gewährte Gastfreundschaft (155-173). Hierauf preist sie ihre Vorzüge, insbesondere ihre Fähigkeit, das Volk zu belehren und zu gesetzestreuen Bürgern zu erziehen. Für diese Vorzüge bittet sie den Herzog auch in Zukunft um seine Gunst (174-206). Als nächstes bittet dann die Muse Erato, welche mit der Musik gleichgesetzt ist, Julius möge sie ebenso geneigt aufnehmen wie ihre Schwestern zuvor, und verweist dann auf ihre Vorzüge: Sie reinigt von Affekten, spendet Trost, begleitet den Gottesdienst und leitet die Chöre auf Erden. Sie sei in der Lage, Herzen aus Stein zu Tränen zu rühren und wilde Gemüter zu beruhigen. Daher soll sich der Herzog auch in Zukunft mit ihr zieren (207241). ————— 85 Hans Haase, 17ff. ordnet (meiner Erachtung ohne zwingende Gründe) Bergius’ Chorus musicus eine Notenpartitur mit deutschem Text zu, die vor Bergius’ Gedicht in der Hannoveraner Akte (vgl. oben, Anm. 76) handschriftlich erhalten ist. 86 Die Erzählung, dass die Musen zu der Hochzeit des Kadmus und der Harmonia kamen und ein Lied sangen, geht auf Theognis 15-18 zurück und war in Hochzeitsgedichten des Melanchthonkreises sehr beliebt, vgl. dazu Ludwig, Musenkult und Gottesdienst, 272f.

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Die als nächste auftretende Terpsichore, gleichgesetzt mit der Arithmetik, beginnt ihre Rede mit einem Preis ihrer Fähigkeiten, welche im öffentlichen wie im privaten Leben unentbehrlich sind. Sie dankt dem Fürsten und wünscht ihm ewigen Ruhm (242-268). Es folgt Thalia, die Geometrie. Sie vergleicht die Wohltat, die sie den Menschen bringt, mit dem goldenen Regen, der einst bei der Geburt der Minerva auf Rhodos niedergegangen sei;87 wo sie sei, gebe es keine Barbarei (269-288). Hierauf preist sie Julius glücklich wegen der Früchte, die die in seinem Land beheimateten Künste bringen, und vergleicht seine Wohltaten mit denen des Prometheus (289-309). Als nächstes tritt die Muse Klio, die Geschichte, auf. Sie preist sich als Wahrerin der vergangenen Taten, die das Vergessen verhindert und dadurch, dass sie vorbildliche Taten der Vergangenheit festhält, den Menschen zu ruhmvollem und tugendhaftem Handeln anspornt. Auch Julius verspricht sie ewigen Ruhm und bittet ihn um gastliche Aufnahme (310335). Die nächste Rede hält Kalliope, die mit der Poetik gleichgesetzt wird. Sie brüstet sich damit, dass sie Unsterblichkeit verleihe. Zudem bilde sie die Menschen von ihrer Jugend an, vertreibe schlechte Sitten und erschließe die Quellen der elegantia; sie sorge für öffentliches und privates Glück (336364). Als letzte Muse tritt Urania, die Astronomie, auf. Auch sie verspricht, wie ihre Schwester Kalliope, die Menschen in höhere Gefilde zu führen, nämlich zur geistigen Schau der Sterne, der Himmelserscheinungen und des ganzen von Gott geschaffenen Kosmos. Sie verheißt Julius wegen seines Einsatzes weltweiten Ruhm (365-398). Mit dem Auftritt der Diana folgen die weiteren Fakultäten. Als Schwester des Phoebus vertritt sie die Medizin und beansprucht ihren Platz im Theater neben den Vertreterinnen der artes wegen der Wohltaten, die ihre Heilkunst den Menschen bringt. Am Ende ihres Auftritts preist sie Julius durch einen Vergleich mit Jason: Julius’ Argo sei mit göttlichen Waren angefüllt, ihr drohen keine Symplegaden oder anderes Unheil (399-450). Die Jurisprudenz (Iusticia) vertritt Themis. Sie macht deutlich, dass ein Fürst Gesetze zum Regieren des Staates brauche (451-478). In einer Apostrophe an die Iura und die Bonae Leges preist sie diese, ohne die das Leben ungeordnet und sittenlos wäre (479-486). Themis richtet sich nun an den Fürsten, mit dem vermutlich Heinrich Julius in seiner Funktion als Rektor der neu gegründeten Universität angesprochen ist: Er solle seine ————— 87 Zu dem Motiv des Goldregens vgl. auch Panegyricum Carmen, Vv. 1183ff., dazu unten, 232.

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Vorfahren nachahmen, insbesondere Lothar88 und Julius, die als Befreier des Rechts gefeiert werden. Aus der Schule des Rechts gingen treue und weise Berater hervor, die das Staatsschiff sicher in den Hafen lenken. Sie, die Iusticia, werde ihren Fürsten stets beschützen (487-506). Zum Höhepunkt des Gedichts tritt als letzte Rednerin Religio auf, die Vertreterin der theologischen Fakultät. Staubkörner seien leichter zu zählen, so beginnt sie ihre Rede, als die Wohltaten, die Gott gewähre. Die Künste ihrer Schwestern seien zwar wichtig für das private und öffentliche Leben, doch über allem stehe Gott, dessen Vertreterin auf Erden sie sei. Ohne sie wäre das menschliche Leben mit seinen irdischen Schätzen wertlos (506536). Mit Recht, so fährt sie fort, beschließe sie die musische Schar, da sie die Menschen lehre, das irdische Leben auf die Verehrung Gottes auszurichten, um ewiges Leben zu erlangen (538-561). Zum Schluss ihrer Rede lobt sie Julius für seinen Einsatz für die Religion und fordert ihn auf, auch in Zukunft seinen Bürgern den zum Heil führenden Weg zu weisen (562579). Es folgt als Epilog das gemeinsame Chorlied, das 19 Sapphische Strophen umfasst. In diesem preist der Chor Gott als obersten Wohltäter und Lenker seiner Argo, die jedem Sturm und Angriff des Satans standhält (Str. 1-10).89 Julius setzt sich für dieses Schiff mit aller Kraft als Ruderknecht ein, nicht um des eigenen Ruhmes willen, sondern allein, um Gott zu dienen (11-14). Gott als Wächter und Lenker seines Schiffes zu danken, müsse Inhalt seines Liedes sein, meint der Chor. In einer Apostrophe an Julius bittet er schließlich, dass Gott Julius’ Sinn für das Allgemeinwohl unterstütze. Das Lied endet mit einem Gebet zu Gott, in dem sich der Chor Muße für die Studien und weitere Annehmlichkeiten für ein glückliches Leben wünscht (15-19).

3.4 Religiöse (Schul-)Dichtung Zunehmend an Bedeutung gewann in der neulateinischen Literatur des 16. Jahrhunderts die geistliche Dichtung. Zu diesen sogenannten Carmina Sacra (oder Sacra Poemata) gehörten alle Dichtungen mit religiösem Inhalt, so z.B. christliche Hymnen, Oden, Gebete oder Versifizierungen von Teilen der Bibel, insbesondere der Psalmen.90 ————— 88 Vgl. zu diesem Panegyricum Carmen, Vv. 654-660, dazu unten, 273. 89 Zur Gleichsetzung der Kirche mit der Argo vgl. Fuchs, 191 (zu Melanchthons Gebet für die Argonauten auf dem Weg zum Wormser Reichstag 1540 (CR 19, 562f. Nr. 169)). 90 Vgl. Ludwig, Musenkult und Gottesdienst; Huber-Rebenich; Kühlmann, Poeten und Puritaner; Fuchs, 91ff.

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In Deutschland ging der Impuls für diese Gattung in erster Linie von Philipp Melanchthon und dem um ihn zentrierten Wittenberger Dichterkreis aus, von denen sich insbesondere Johann Maior (1502-1574), Johannes Stigel (1515-1562), Adam Siber (1515-1583) und Georg Fabricius (15161571) als Verfasser von Carmina Sacra hervortaten. Siber und Fabricius waren wie Bergius Schulrektoren und hatten beim Verfassen ihrer Werke stets auch ihre Schüler als Adressaten im Blick: Siber war Rektor in Grimma, Fabricius leitete die Fürstenschule St. Afra zu Meißen. Gerade Fabricius’ Poemata sacra beeinflussten Bergius’ Carmina Evangelica, die (wie seine Meditationes über die Sonntagsevangelien und seine Meditationes über Szenen aus dem Leben Davids sowie seine Gedichtsammlung) ausdrücklich für den Gebrauch in der Schule verfasst sind. Ihr enger Zuschnitt auf die Schule rechtfertigt es, diese Gedichte als eine eigene Gruppe zu behandeln und sie von anderer, an einen weiteren Leserkreis gerichteter religiöser Dichtung, wie etwa den hagiographischen Gedichten, abzusondern. Diese sind bereits oben nach formalen Gattungskriterien als episierende Dichtung behandelt worden.91 3.4.1 Carmina Evangelica (1573) In seiner Braunschweiger Zeit als Rektor des Katharineums schrieb Bergius im Jahre 1573 seine umfangreichste und in der Forschung am meisten berücksichtigte religiöse Dichtung:92 die zwei Bücher umfassenden Carmina Evangelica.93 Die Gedichte des ersten Buches behandeln das Leben Christi, jedoch nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern in Entsprechung zu den Evangelienlesungen der Sonntage des Kirchenjahres. Die Gedichte des zweiten Buches korrespondieren mit den Kirchenfesten und sind den Aposteln und anderen Gestalten des Neuen Testaments gewidmet. Formal steht Bergius in der Nachfolge des Horaz: Er verwendet Horazische Oden- und Epodenmaße, daneben aber auch andere Versarten, z.B. den Hexameter. Horazens weltliche Oden werden von Bergius in christliche Oden umgedichtet. Dabei schließt sich Bergius wie Georg Fabricius in seinen Poemata sacra,94 unter dessen Einfluss Bergius’ Werk steht, an die metrische Form und die Dichtersprache der Horazischen Ode an, gestaltet aber den Inhalt ————— 91 Vgl. oben, 47ff. 92 Vgl. hierzu unten, 79. 93 Vgl. zum vollständigen Titel Werkverzeichnis Nr. 14. 94 Vgl. Georg Fabricius, Poematum sacrorum libri XV, Basel 1560; dazu Schäfer, Deutscher Horaz, 39ff. und Ludwig, W.: Christliche Dichtung des 16. Jahrhunderts – Die Poemata sacra des Georg Fabricius, Göttingen 2001. Zu Fabricius vgl. auch unten, 111.

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neu mit christlichen Themen.95 So wird z.B. aus Horazens Staatsschiff (carm. 1, 14) bei Bergius nach Mt 8 das Schiff Christi (Buch I (D4-D5): Navis Christi96 – Bergius verwendet wie Horaz als Versmaß die dritte Asklepiadeische Strophe: Das Gedicht beginnt mit der Seligpreisung des Schiffes, das den Herrn tragen darf. In Anschluss an Horaz und an den biblischen Bericht folgt die Schilderung des Sturmes, der das Schiff bedrängt und den Bergius als Test für das Vertrauen des Schiffs und der Jünger auf Jesus deutet.97 Bergius eröffnet seine Carmina Evangelica mit einem Gebet an Christus, Prooemium ad Christum, welches sich eng an Horazens carmen 1, 1 anlehnt. Zudem lässt er das Einleitungsgedicht des Johannes Fabricius Montanus (1527-1566) einfließen, der seine Gedichtsammlung Poemata ebenfalls mit einer Umformung der ersten Horazode begonnen hatte.98 Im Gegensatz zu Fabricius Montanus beendet Bergius sein Prooem nicht mit einem kollektiven Bekenntnis zum Christentum, sondern mit einer erneuten Anrufung an Gott, in der Bergius selbst als Person in der Funktion des Lehrers hervortritt: Me cum prae tenero feceris agmini Ductorem, illud ut moribus optimis Et docta arte simul sedulus excolam, Nil vitae huic equidem praefero, quamlibet Abiectae atque humili. Tu modo da, pater, Ut noster pueris sit labor utilis, Gratos utque tibi pergat ad exitus.99

————— 95 Diese Technik, die schon Horaz im Verhältnis zu seinen griechischen Vorbildern geltend gemacht hatte (vgl. epist. 1, 19, 24f.), empfahl Adam Siber dem christlichen Dichter (Poematum sacrorum pars prima, Basel 1556, 446): Abijce non numeros, magni nec verba Maronis, / Sed res: proque armis sacra, DEUMque cane. (Verzichte nicht auf die Verskunst und Worte des großen Vergil, sondern auf dessen Themen: statt von Waffen singe von Heiligem und von Gott); vgl. hierzu Schäfer, Deutscher Horaz, 58f. 96 Das Gedicht ist auch gesondert abgedruckt in: Ellinger, G. (Hg.): Deutsche Lyriker des sechzehnten Jahrhunderts, Berlin 1893, 81. In den Carmina Evangelica folgt auf dieses Gedicht zum selben Thema eine Umformung in Hexametern. 97 Vgl. hierzu und zu weiteren Umdichtungen Ellinger, Bd. 2, 273-275, hier 274; Stammler, 158f. Die enge Anlehnung an Horaz verspottet Harrington, xlvi sq.: »Matthias Bergius, being familiar with Horace’s ode on the ship of state, writes one on the boat which carried the Master over the troubled waters of Gennesaret; and as you read, [...] you almost rub your eyes expecting to see the bard of Venusia before you reciting his own verses.« 98 Vgl. Johannes Fabricius Montanus, Poemata, Zürich 1556, 3f.: Ad Christum Iesum, dazu Schäfer, Deutscher Horaz, 63. 99 Wenn du mich zum Führer für die zarte Schar machst, damit ich jene mit dem besten Glauben und zugleich mit gelehrter Kunst eifrig ausbilden kann, werde ich diesem Leben gewiss nichts vorziehen, mag es auch elend und dürftig sein. Gib du nur, Vater, dass meine Mühe den Kindern nützlich sei und dass sie dir zu angenehmem Ertrag führe! Vgl. hierzu Schäfer, Deutscher Horaz, 63; Ellinger, Bd. 2, 273.

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Auch an anderer Stelle der Carmina Evangelica tritt Bergius als Lehrer hervor: Er benutzt z.B. die Erzählung vom zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2, 41-52), um die Notwendigkeit des Lehrerberufes einzuschärfen.100 Mit seiner Dichtung verfolgt Bergius demnach ein doppeltes pädagogisches Ziel: Die Schüler sollen durch sie mit den mores optimi und der docta ars vertraut gemacht werden, also mit dem christlichen Glauben und der gelehrten Dichtkunst. Mit diesem doppelten Anspruch, den er an programmatischer Stelle am Ende seines Einleitungsgedichtes formuliert, greift Bergius in verkürzter Form einen Kerngedanken der Prosa-Praefatio, des Widmungsbriefs an die Ratsherren und den Senat Braunschweigs, wieder auf. In dieser Praefatio hatte sich Bergius in eine Tradition lutheranisch geprägter Lehrer gestellt (besonders herausgehoben wird sein kurz zuvor verstorbener Freund und Kollege Bernhard Orestes, der von 1566-1572 Rektor am Martineum war)101 und ausführlich den zweifachen Nutzen seiner Dichtung begründet, welche die Schüler zum einen durch die horazischen Versformen zur Liebe und zum Studium der Dichtkunst führen und zum anderen durch die inhaltliche Umformung zum christlichen Glauben erziehen soll.102 Die Darstellung religiöser Inhalte in lyrischer Form rechtfertigt Bergius wie zuvor schon G. Fabricius,103 indem er sich auf den biblischen Sänger David beruft und auf den seit den spätantiken Kirchenvätern immer wieder geäußerten Gedanken, dass auch heidnische Kulturgüter (wie z.B. die horazische Lyrik) zum Lobe Gottes genutzt werden dürfen: Neque hic metuo reprehensionem eorum, qui dicent, Quid pietas aut Christianismus a modis Horatianis aut omnino a poëtica adiumenti sumere potest ? Quibus hoc unum respondere satis erat: Ut Musicam pietas nequaquam aspernetur, sed potius magnifaciat et amet: Ita et poëticen eam ad laudem DEI ea amplificandam atque exornandam adhibere posse.104

————— 100 Vgl. Carmina Evangelica (C8-D): Tyrocinium Christi pueri duodecim annorum. Dominica I. post Epiphaniae; Ellinger, Bd. 2, 273. 101 Bergius gibt einen ausführlichen Abriss der Braunschweiger Kirchengeschichte seit der Reformation: Von Luther über Bugenhagen, Win(c)kel, Görlitz, Medler, Mörlin und Chemnitz gelangt er schließlich zu Orestes, der die doppelte Aufgabe als Lehrer und christlicher Erzieher vorbildlich erfüllt hat, vgl. Praefatio, Bl. 4-10. Orestes wurde während seiner Tätigkeit als Schulrektor im Jahre 1568 zusammen mit seinem Studienfreund Martin Chemnitz in Rostock promoviert. Bergius verfasste für seinen Freund ein Hochzeitsgedicht und Epitaph, vgl. unten, 97f. Zu Orestes vgl. Dürre, 55; Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 306; Jöcher, Erg.-Bd. 5, 1163. 102 Vgl. Bergius’ Praefatio der Carmina Evangelica, Bl. 10. 103 Vgl. G. Fabricius, Poemata sacra, Praefatio 13. 104 Ich fürchte auch nicht den Tadel derer, die da sagen werden: »Wie können Frömmigkeit oder Christentum bei Horazischen Versen oder überhaupt bei der Dichtkunst Unterstützung finden?« Es würde genügen, ihnen dies eine zu antworten: Wie der Glaube die Musik keineswegs verachtet, sondern vielmehr schätzt und liebt, so kann auch die Dichtkunst benutzt werden, um das

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Bergius’ Carmina Evangelica waren im 16. Jahrhundert sehr verbreitet und sind auch heute noch in zahlreichen Bibliotheken vorhanden. Gedichte aus diesem Werk wurden auch gesondert gedruckt.105 Von seinen Zeitgenossen wurden sie geschätzt: Johannes Posthius fand sie so gelungen, dass er sie seinen Sohn auswendig lernen ließ.106 Bergius’ in der Praefatio zusammengestellte Abriss der Braunschweiger Reformatoren galt bis ins 19. Jahrhundert als Quelle für die Kirchenhistoriker.107 Im 20. Jahrhundert wurden die Carmina Evangelica gelegentlich in Literaturgeschichten zitiert;108 behandelt wurden sie jedoch bisher lediglich von Georg Ellinger, dessen Interpretationen freilich stark von persönlichen Empfindungen geprägt sind,109 und von Eckhart Schäfer, der Bergius’ Gedichte (in Abhängigkeit von Fabricius’ Werk) unter dem Aspekt der Horazrezeption betrachtet.110 Eine eingehende Analyse und Interpretation der Carmina Evangelica in ihrer Gesamtheit steht also noch aus und wäre durchaus lohnend. 3.4.2 Meditationes ex Evangeliis Dominicalibus (1580) Im Jahre 1580 veröffentlichte Bergius in Braunschweig seine in Prosa geschriebenen Meditationes; es handelt sich hierbei um Gedanken zu den Evangelienlesungen ausgewählter Sonntage des Kirchenjahres.111 Sie sind, ————— Lob Gottes zu erhöhen und auszuschmücken. (Carmina Evangelica, Praefatio, Bl. 11), vgl. dazu Schäfer, Deutscher Horaz, 54, dem auch die Übersetzung entnommen ist. Zu dem Nutzungs- bzw. χρῆσις-Gedanken bei den spätantiken Kirchenvätern sind jetzt grundlegend die Arbeiten von Christian Gnilka (ΧΡΗΣΙΣ, Interpretation frühchristlicher Literatur). 105 Vgl. das Gedicht Navis Christi aus Carmina Evangelica (D4-D5) in der Gedichtsammlung von Ellinger, dazu oben, 77, und den Sonderdruck Meditatio passionis Domini nostri Jhesu Christi octo elegiis proposita, Wolfenbüttel 1572 (1573) aus Carmina Evangelica G3-H6. Vgl. auch Werkverzeichnis Nr. 14. 106 Dies geht aus Briefen Posthius’ an Conrad Rittershausen hervor, in denen er ihn wiederholt grüßen lässt und sich für die seinem Sohn Erasmus gesandten Carmina Evangelica von Bergius bedankt, die ihm, wie er schreibt, so gut gefallen haben, dass er sie seinen Sohn auswendig lernen lassen wolle, vgl. Karrer, K.: Johannes Posthius (1537-1597). Verzeichnis der Briefe und Werke mit Regesten und Posthius-Biographie, Wiesbaden 1993, Briefverzeichnis Nr. 208, 215, 261. 107 Bergius’ Werk zitieren (Anonym), Duodenarius Sacer complectens Elogia eorum, qui post repurgatam in Ecclesia Brunsvicensi doctrinam Ecclesiae isti per CXX. et plures annos, primo loco praefuerunt, Magdeburg 1654: Der Verfasser lobt Bergius als Kenner der Braunschweiger Reformationsgeschichte und übernimmt daher für seine Darstellung der zwölf Superintendenten seit 1528 die entsprechenden Abschnitte aus Bergius’ Praefatio der Carmina Evangelica; vgl. dazu oben, Anm. 101; Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 170, 269, 306; Beste, 30, 58. 108 Vgl. Rupprich, 303; Stammler, 158f. 109 Vgl. Ellinger, Bd. 2, 273-275. 110 Vgl. Schäfer, Deutscher Horaz, bes. 54f., 58f., 63. 111 Bergius behandelt die Evangelien zum Osterfest und die zu den darauffolgenden drei Sonntagen.

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wie aus dem Titelblatt hervorgeht,112 für die Schüler des Katharineums gedacht als Übungshilfe zum Verfassen von Versen. Auf die Meditationes folgen Inhaltsangaben der Evangelien zu einigen Sonntagen,113 die gelegentlich in Versen gestaltet sind.114 Als zusätzliche Hilfe sind am Ende des Werkes kurze Inhaltsangaben aller Sonntagsevangelien (in chronologischer Abfolge des Kirchenjahres) in jeweils einem griechischen und einem lateinischen elegischen Distichon angefügt. Bergius widmete dieses Werk seinen Schülern Anton von Streithorst, 115 Ludolph von Gittelde,116 Heinrich Ernestus von Elding und Adrian von Steinberg. In der Praefatio erläutert Bergius den Zweck seiner Meditationes: Die Schüler sollten diese in lateinische Verse umformen. Anschließend rechtfertigt Bergius seinen pädagogischen Ansatz, lateinische Kompositionsübungen anhand von christlichen Themen durchzuführen: Diese seien wegen ihrer seelenreinigenden Wirkung für die Jugend weitaus besser geeignet als heidnische Themen. Hierbei beruft er sich zunächst auf Erasmus von Rotterdam, der in seinem Werk Paraclesis117 bei der Erziehung der Kinder dem Studium der Evangelien oberste Priorität eingeräumt hat, und schließlich auf die Bibel selbst. Der Kerngedanke der Praefatio ist in dem anschließenden, in 14 alkäischen Strophen verfassten Gedicht Unum est necessarium praeque hoc mundana omnia contemnenda118 erneut zum Ausdruck gebracht: Das meditari über Gottes Wort allein garantiert dem Menschen Glück. Bergius’ im ausgehenden 16. Jahrhundert entstandene Meditationes stehen im Zusammenhang einer zu seiner Zeit bereits verbreiteten Meditationsliteratur, die dann im 17. Jahrhundert in den Meditationes Sacrae des Johann Gerhard (1606/7) ihren Höhepunkt erreichte.119 Vielen protestanti————— 112 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 21. 113 Bergius’ Zusammenfassungen der Sonntagsevangelien schließen chronologisch an die in den Meditationes behandelten Sonntage an. 114 Einige dieser Dichtungen sind in einer späteren handschriftlichen Gedichtsammlung überliefert, die hauptsächlich Gedichte von Matthias Bergius enthält; zu dieser vgl. unten, 82. 115 Zu Anton v. d. Streithorst (1562/63-1625) vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 681f. (S. Brüdermann); ADB 36 (1893), 569-572 (P. Zimmermann). 116 Zu Ludolph von Gittelde vgl. Rotermund, Bd. 2, 690. 117 Paraclesis, id est, Adhortatio ad sanctissimum ac saluberrimum Christianae philosophiae studium, ut videlicet evangelicis ac apostolocis literis legendis, si non sola, saltem prima cura tribuator, Basel 1519. 118 Eines ist notwendig, und für dieses muss alles Irdische verachtet werden. 119 Gerhards Werk ist das bekannteste und erfolgreichste protestantische Meditationsbuch: Über 220 Auflagen in 16 Sprachen sind veröffentlicht worden, vgl. hierzu Johann Gerhard, Meditationes Sacrae. Kritisch hrsg., kommentiert und mit einem Nachwort versehen von J. A. Steiger, Stuttgart 2000 (Teilbd. 1: lateinisch, Teilbd. 2: deutsch), 658f. Zur Gattung der Meditation vgl. auch Erdei, K.: Auf dem Wege zu sich selbst: Die Meditation im 16. Jahrhundert. Eine funktionsanalytische Gattungsbeschreibung, Wiesbaden 1990.

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schen Autoren war daran gelegen, den »meditativen Charakter« ihrer Schriften bereits durch die Verwendung des Wortes meditatio im Titel zu signalisieren.120 Dass Bergius (ebenso wie viele andere Autoren) die Sonntagsevangelien als Inhalt seiner Werke wählte, kam dem damaligen Lehrplan entgegen: Seit den vierziger Jahren gab es kaum noch eine Schulordnung, die nicht ausdrücklich die Behandlung der Sonntagsevangelien verlangte (im Allgemeinen in lateinischer Sprache).121 3.4.3 David, Virtutis Exercitatissimae probatum Deo spectaculum (1597) Bei diesem Band handelt es sich um die zweite Auflage eines 1575 in Antwerpen erschienenen Druckes, in welchem Benedictus Arias Montanus122 48 Stiche mit Szenen aus dem Leben Davids zusammengestellt und mit jeweils aus zwei elegischen Distichen bestehenden Tetrasticha versehen hat. Zu einzelnen Szenen verfasste Bergius für seinen Lateinunterricht (in Braunschweig und Altdorf) Prosaauslegungen im Umfang von ca. einer Seite, denen er dann eine Umformung in ca. 20 elegischen Distichen hinzugab. In der 1597 von Conrad Rittershausen besorgten Neuausgabe des Bandes123 folgen auf den Stich und das Tetrastichon Bergius’ Explicatio in Prosa (die Rittershausen selbst auch Meditatio nennt) und das specimen carminis eiusdem argumenti a M. Bergio discipulis propositum. In der Praefatio beschreibt Rittershausen Anlass und Zweck von Bergius’ Meditationes, die er bereits in seinem eigenen Schulunterricht bei Bergius kennen gelernt hat: Die Prosaerläuterungen sollen die Lehre herausarbeiten, welche der Schüler aus dem Leben Davids zu ziehen habe. Die Versumsetzungen sollen dem Schüler bei seinen eigenen Verskompositionen als Muster dienen, gleichzeitig aber auch dessen Freude am Bibelstudium erhöhen.124 Als Anhang folgen drei weitere Versmeditationen über Bibelstellen. Die Anerkennung, welche Bergius’ Meditationes bei seinen Schülern fanden, kommt nicht allein in Rittershausens Praefatio zum Ausdruck, sondern auch in einem an den Anfang des Druckes gestellten Epigramm von Ru————— 120 Vgl. dazu Steiger (s.o.), 660f. 121 Vgl. die Schulordnung aus der Kirchenordnung des Herzogs Julius 1569, 25-78, hier 65, in: Koldewey, Bd. 2; vgl. auch Hahn, 41. 122 Zu dem spanischen Theologen Benedictus Arias Montanus (1527-1598) vgl. Jaumann, 43f.; OER 1 (1996), 72 (W. S. Maltby); Hänsel, S.: Der spanische Humanist Benito Arias Montano (1527-1598) und die Kunst, Münster 1991, 4-11. 123 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 35. 124 Dahinter steht die Ansicht, dass durch den Wohlklang der Verse der Inhalt besser aufgenommen werde. Durch das Versifizieren von Bibelinhalten soll also der Glaube gestärkt und vertieft werden, vgl. dazu Döpp, Bibelepik, 32.

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dolph Goclenius,125 der Bergius als seinen (wohl im übertragenen Sinn gemeinten) Lehrer rühmt und welcher die aus dem Nachlass gedruckten Meditationes als Bergius’ posthuma proles und als Vermächtnis für die Nachwelt würdigt, in denen Bergius’ Leben und Geist gespiegelt seien. 3.4.4 Gedichtsammlung (nach 1586) In Anschluss an einen Gedichtband von 1583, in dem zu Übungszwecken für die Schüler Epigramme Melanchthons zusammengestellt sind,126 findet sich eine handschriftliche, vermutlich auf Bergius selbst zurückgehende Sammlung von Gedichten. Es handelt sich vorwiegend um Oden aus Bergius’ eigener Feder; die jüngste ist auf 1586 datiert. Daneben sind in diese Sammlung Gedichte u.a. von Julius Caesar Scaliger, Joachim Camerarius und Georg Fladung aufgenommen. Bergius’ Oden sind Gedichte theologischen Inhalts. Neben einem Hymnus auf den Propheten Jesaja und Gebeten und Gedichten auf der Grundlage biblischer Stoffe finden sich in dieser Sammlung Gedichte, die oft in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Schulunterricht stehen oder auf den Schulalltag Bezug nehmen; so sind mehrere Gedichte aus Bergius’ Meditationes in dieser Sammlung abgeschrieben.127 Ein Gedicht, die ODA De fide, imitans Horatinam Odam 3. lib: 4, gibt sich ausdrücklich als Horazimitation zu erkennen; von dieser Ode des Horaz gibt es in der neulateinischen Literatur zahlreiche Nachahmungen, weil sie dem christlichen Selbstverständnis der Epoche besonders entsprochen hat.128 Bisweilen behandelt Bergius in dieser Sammlung einen einzigen Stoff in Oden unterschiedlichen Versmaßes. Solche Gedichte dienten zweifelsohne in erster Linie dem Schulunterricht: Sie sollen die sprachlichen und metrischen Unterschiede zwischen verschiedenen Versmaßen deutlich machen und somit die Kompetenz der Schüler, selbst zu dichten, fördern.

————— 125 Rudolph Goclenius (eigtl. Göckel) d. Ä., 1547 in Korbach geboren, studierte in Marburg und Wittenberg, wo er 1571 zum Magister promoviert wurde. 1574 wurde er als Rektor an die Lateinschule seiner Heimatstadt berufen. Landgraf Wilhelm von Hessen, den Goclenius mit einem Gedicht willkommen hieß, setzte ihn 1575 als Leiter des Pädagogiums in Kassel ein. 1581 wurde er zum Professor der Physik an der Marburger Universität ernannt, 1589 übernahm er die Professur der Logik und bald auch die der Mathematik; seit 1603 hatte er die Professur der Logik und zugleich die der Ethik inne. Er starb 1628. Zu Goclenius’ Leben und seinem wissenschaftlichem Werk vgl. Jaumann, 306f.; ADB 9 (1879), 308-312 (Freudenthal); Jöcher, Bd. 2, 170, 1031. 126 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 61. 127 Vgl. auch oben, Anm. 114. 128 Vgl. Schäfer, Deutscher Horaz, 60.

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Protreptische Schulreden

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3.5 Protreptische Schulreden Sowohl die Schule als auch die Universität nutzten die Dichtung als wirksames Erziehungsmittel. Dies zeigt sich in den zahlreichen versifizierten Schul- und Universitätsreden, die von didaktischen Elementen durchzogen sind. 3.5.1 (Admonitio de messe studiorum:) Ad juventutem pietatis eruditae studiosam admonitio (1575) Als Rektor des Katharineums in Braunschweig dichtete Bergius im Jahre 1575 eine an seine Schüler gerichtete, elf griechische elegische Distichen umfassende Ermahnung zum eifrigen Studium in Gottesfurcht. In diesem Gedicht überträgt er den Vorgang der Ernte auf die Situation in der Schule. Dabei setzt er die Erntearbeiter, welche die reifen Früchte des Sommers ernten, mit seinen Schülern gleich, die er auffordert, die reiche Frucht ihres Geistes zu ernten. Zu Beginn seines Gedichts beklagt sich der Dichter über den Mangel an tüchtigen Erntearbeitern, die sich, obwohl die göttlichen Geschenke im Überfluss vorhanden sind, nur um Nichtigkeiten kümmern und nicht um das, was allein die lebensspendende Freude gewährt (1-10). Im zweiten Teil seines Gedichts fordert der Dichter daher seine Schüler auf, jetzt die Frucht (des Geistes) zu ernten, da nicht immer Sommer ist und der folgende Winter diese hinwegnimmt.129 Die Schüler sollen die Gelegenheit nutzen, die erlauchten Gaben der heiligen Verständigkeit und der Musen zu erwerben; diese werden den Schüler zu unendlicher Ernte führen (11-18). Vor allem aber solle er beten, so schließt der Dichter sein Werk, damit wir alle, die wir Samen in die Herzen einpflanzen und von schlimmer Hilflosigkeit aufgerieben werden, die Prüfungen Gottes ertragen, bis wir die nie endenden Freuden in unsäglicher Fülle erhalten werden (19-22). Bergius’ Gedicht ist dem Carmen Heroicum de Messe130 von Georg Fladung, dem Konrektor des Katharineums,131 vorangestellt, der sein 473 Hexameter umfassendes Werk – wie aus dem Titel hervorgeht – den Schülern des Katharineums am 16. Juli 1575 vorgetragen hat. In seinem Loblied auf die Ernte, in dem er zu Beginn (10-14) Bergius für seine Verdienste seiner nunmehr zehnjährigen Tätigkeit am Katharineum rühmt, mahnt er die Schüler mit der im Marcusevangelium geschilderten »Speisung der ————— 129 Bergius bezieht sich hier auf das auf dem Titelblatt abgedruckte Motto: οὐκ αἰεὶ θέρος ἐσσεῖται· ποιεῖσθε καλιάς (Hesiod erg. 503). 130 Zum vollständigen Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 17. 131 Zu Georg Fladung vgl. Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 4, 20.183; Dürre, 66.

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Viertausend« (Mk 8, 1-10), die göttlichen Gaben der reichen Ernte zu schätzen und sie nicht ungenutzt vorbeiziehen zu lassen. 3.5.2 Strena (zu Beginn des Jahres 1584)132 Bei diesem Gedicht, welches 342 lateinische Hexameter umfasst, handelt es sich um eine Neujahrsansprache (zum Jahr 1584), die Bergius an die Studentenschaft der Universität Altdorf richtet. In dem vorangestellten Brief an den Rektor Nicolaus von Osterog133 in 16 elegischen Distichen lobt er dessen Tugenden, vor allem seine pietas, und hofft, dass sein Gedicht diese auch bei den Studenten hervorrufe. Im Prooem des Gedichtes (1-26) fordert Bergius die Studenten zu einem gemeinsamen Rückblick auf das vergangene und zu einer Vorschau auf das kommende Jahr auf. Im ersten Hauptteil (27-268) blickt Bergius in Dankbarkeit auf die Segnungen und Erfolge des vorangegangenen Jahres zurück, für die er Gottes Güte verantwortlich macht. Gottes gütiges Wirken zu erkennen, sei Pflicht menschlicher pietas. Im zweiten Teil (269-342) fasst Bergius das neue Jahr ins Auge. Dieses verspreche ähnliche Erfolge, wenn die menschliche Einstellung die richtige sei. Er fordert nun die Studierenden auf, gottesfürchtig zu sein und gewissenhaft zu lernen. Er wendet sich dabei den einzelnen Fakultäten zu und verspricht ihnen Glück als Folge des eifrigen Studiums. 3.5.3 ΝΟΥΘΕΤΙΚΟΝde Cura Disciplinae Scholasticae Suscipienda (1585) Bergius’ in Altdorf verfasste Ermahnung zur Sorge um die Schuldisziplin ist der Rede De Virtutis studio & causis vorangestellt, die Eberhard Schelius in einer Schule in Salzwedel gehalten hat.134 Im Zentrum dieses ————— 132 Zum vollständigen Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 25. 133 Der Pole Nicolaus Graf Osterog, der als adeliger Rektor der Academia Norica in erster Linie als Aushängeschild dienen sollte, sorgte im Studienjahr 1583/84 für Aufregung an der Hohen Schule: Er stellte die weitgehende Kontrolle der Hochschule durch die Scholarchen und die Verfassungsordnung der Akademie in Frage. Die Scholarchen ordneten für das Jahr 1584 das endgültige Verbot der ramistischen Lehrmethode an. Der Graf widersetzte sich dieser Anordnung und solidarisierte sich mit einflussreichen Studenten, die für die Wiederzulassung der ramistischen Lehrmethode kämpften. Die Lehrveranstaltungen von Matthias Bergius, der Gegner des Ramismus war, wurden im Mai 1584 von diesen Studenten boykottiert (vgl. oben, 38). Bergius hatte daher zu Osterog sicherlich ein gespanntes Verhältnis. Ob dies zum Jahreswechsel auch schon so war, ist fraglich; es würde jedoch erklären, weshalb das Gedicht nur im Allgemeinen verweilt und wenig engagiert geschrieben ist. Zu Osterog vgl. Mährle, 174ff. 134 Zum vollständigen Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 26.

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Protreptische Schulreden

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Gedichts steht eine lange Rede der Schule selbst, die sich über den gegenwärtigen Bildungsstand beklagt. Zu Beginn seines 91 elegische Distichen umfassenden Werkes erklärt der Dichter, dass die Fähigkeiten eines Menschen auf zwei Grundlagen beruhen: Zum einen spiele die angeborene Begabung eine Rolle, zum anderen das durch die Schule erworbene Wissen. Beides müsse man zu schätzen wissen (1-16). Im Folgenden gibt er die Klagen wieder, die ein alter Mann und die Jugend, welche die Sitten ihrer Vorfahren noch hochhält, über die Einstellung der meisten Jugendlichen äußern: Nur wenige seien dankbar für die erworbenen Fähigkeiten, und nur wenige zeigten sich, wenn sie auf dem Höhepunkt ihrer Bildung stehen, ihrer Amme, nämlich der Schule, für ihre Ausbildung erkenntlich. Die meisten Jugendlichen hielten nur das für nützlich, was materiellen Gewinn verspreche. Gelehrte und Lehrer, denen Respekt gebühren sollte, achteten sie gering (17-32). Die Jugend verweile nicht bei den Geschenken der Weisheit, sondern lasse sich nur von Leidenschaft und Begierde leiten; diese Einstellung treibe sie in den Ruin (33-52). Seine Aufforderung richtet sich weiter an den Staat, der eine solche Verwahrlosung der Bildung nicht hinnehmen dürfe, sondern für bessere Bildungsvoraussetzungen zu sorgen habe (53-60). Im Folgenden lässt der Dichter die Schule selbst klagen, dass sie nicht länger stumm diesen Zustand hinnehmen könne, sondern sich lieber einen neuen Platz suchen und die ganze Zierde mit sich nehmen werde (61-66): Sie werde durch die Unkenntnis der Menschen gequält, die sich nur um Nichtigkeiten kümmern und sich nicht dankbar gegenüber Gott und ihr, der Schule, zeigen, woher alles Fromme, Heilige und Maßvolle komme. Wie der Frühling eine blühende Vegetation hervorbringe, sorge die Schule für das Entstehen von Tugend, Charakter und pietas (67-82). Die Schule bringe Theologen, Staatsmänner und gelehrte Bürger hervor. Doch weder die Armen kümmern sich um die Studien, da sie diesen Weg für zu schwierig halten, noch die Reichen, da sie keinen Nutzen darin sehen. Die Schule richtet sich nun gegen die Lehrer, die alles lieber als pietas vermitteln; zudem herrsche keine Disziplin (83-144). Die (rhetorischen) Fragen der Schule, ob die Menschen sich selbst zugrunde richten oder gegen Gott Krieg führen wollten, verneine zwar der größte Teil von ihnen, aber keiner handle entsprechend. Erst wenn sich das Handeln der Menschen ändere, werde die alte Ehrfurcht vor der Schule zurückkehren (145-160). Am Ende ihrer Rede fordert die Schule nun dazu auf, sich um die wahre Weisheit und um Gottesfurcht zu bemühen (161-172). Der Dichter fügt noch die Aufmunterung hinzu, nicht zu zögern, die Menschen anzustacheln und zu ermahnen, mit großen Schritten zum Besseren zu gelangen. Mit dem Verweis auf das folgende hervorragende Werk von Schelius beendet der Dichter sein Werk (173-182).

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3.6 Gelegenheitsdichtung Das Gelegenheitsgedicht ist im engeren Sinne definiert als ein »auf herausgehobene Gelegenheiten (casus) des menschlichen Lebens [...] von öffentlicher Relevanz bezogenes, adressatenorientiertes« Gedicht.135 Besonders breiten Raum in Bergius’ literarischem Werk nehmen die antiken Gattungen der Epithalamien und Epicedien ein, die in dieser Gruppe vorgestellt werden sollen. Des Weiteren werden zu den Gelegenheitsgedichten die Gedichte gezählt, die zum Antritt einer Reise (Propemptica) oder als Willkommensgruß bei der Rückkehr von einer Reise verfasst sind. Außerdem schrieb Bergius ein Glückwunschgedicht zur Erlangung des Magistergrades und ein Xenium. Da diese beiden Gelegenheitsgedichte außerhalb der sonst von Bergius gewählten Gattungen stehen, sollen sie an dieser Stelle kurz gewürdigt werden:136 Mit 5 lateinischen elegischen Distichen und 51 griechischen Hexametern gratuliert Matthias Bergius Johannes Fladung (1555-1623) zur erlangten Magisterwürde.137 Johannes Fladung, dessen Bruder Georg der Stellvertreter von Bergius am Katharineum war,138 wurde am 25.4.1577 an der 1576 neu gegründeten Universität Helmstedt als einer der ersten Studenten zum Magister promoviert.139 Unter den 11 Magisterkandidaten, die in einer Rangordnung aufgestellt wurden, hatte Fladung den ersten Platz inne.140 Diese Stellung hebt Bergius in den lateinischen Versen besonders hervor. In den sich anschließenden griechischen Hexametern lobt Bergius Fladung dafür, dass er alles dafür getan habe, zur Musenkunst zu gelangen, die höher zu bewerten sei als kostbare Güter wie Wasser und Gold, welche Pindar in seiner ersten Olympischen Ode rühmt. Es habe sich gelohnt, Fladung zu unterrichten, denn man habe auf fruchtbaren Boden gesät (1-25). Bergius fordert Fladung nun auf, sich über die Magisterwürde als höchsten Schatz ————— 135 Vgl. Segebrecht, W.: Gelegenheitsgedicht, in: RLW 1 (1997), 688-691, hier 688 und dens.: Das Gelegenheitsgedicht. Ein Beitrag zur Geschichte und Poetik der deutschen Lyrik, Stuttgart 1977. Vgl. allgemein auch Adam, W.: Poetische und kritische Wälder: Untersuchung zu Geschichte und Formen des Schreibens »bei Gelegenheit«, Heidelberg 1988. 136 Zu den Titeln der Gedichte vgl. Werkverzeichnis Nr. 18 und Nr. 30. 137 Der aus Gotha stammende Johannes Fladung studierte in Jena, Leipzig und Wittenberg, ehe er 1576 sein Studium an der neu gegründeten Universität in Helmstedt aufnahm. Nach seiner Promotion zum Magister unterrichtete er 1579 selbst in der Philosophischen Fakultät. 1580 immatrikulierte er sich als Theologiestudent in Heidelberg, wo er ein Jahr später bereits als Professor lehrte. 1583 wurde er dort nach Einführung des reformierten Glaubens wieder entlassen. Nachdem er in Heidelberg als Prediger angestellt war, lebte er als Prediger in Vippach bei Weimar und als Pastor in Saalfeld und Orlamünde. Zu J. Fladung vgl. Ahrens, 78. 138 Zu Georg Fladung vgl. oben, 83. 139 Zu Bergius’ allegorischem Festspiel anlässlich der Gründung vgl. oben, 71. 140 Die Kandidaten wurden nach den Kriterien ›sozialer Status‹, ›akademisches Alter‹ und ›examinierte Fähigkeiten‹ aufgereiht, deren Gewichtung sich wandelte, vgl. Füssel, 166ff.

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zu freuen, denn materieller Reichtum sei nichts wert. Dem Lobpreis des Dichters und der Musen werde sich Gott anschließen, wenn Fladung diesem diene (26-51). Jeweils 18 lateinische elegische Distichen richtet Bergius im Jahre 1586 in einem Xenium aus Altdorf nach Braunschweig an Barthold Reiche141 und Otto von Hoym:142 Der gebildete und fromme Barthold Reiche sei beliebt und ein guter Ratgeber. Er verhalte sich beispielhaft und fungiere als Vorbild für andere. Da das Leben vergänglich sei, so urteilt der Dichter, sei das Streben nach Wahrheit und Redlichkeit besonders lobenswert. An Otto von Hoym rühmt Bergius zunächst die Bescheidenheit, die er sich trotz seiner adligen Herkunft und seines Vermögens bewahrt habe. Er zeichne sich durch seine Gelehrsamkeit aus und sei ein von Gott eingesetzter Richter und Ratgeber, der den Staat bessern soll. Seine Arbeit verrichte er stets aufmerksam und mit großem Eifer.

3.6.1 Hochzeitsgedichte (Epithalamien) Bergius’ Hochzeitsgedichte, die er meist Epithalamium oder Votum Nuptiale nennt, stehen inhaltlich und formal in der antiken Tradition des Epithalamiums:143 In der römischen Antike verfasste beispielsweise Catull zwei Hochzeitsgedichte in glykoneischen bzw. hexametrischen Strophen ————— 141 Der aus Holzminden stammende Barthold Reiche (auch Reich: um 1520-1589) war nach seinem Studium in Leipzig, das er mit dem Magister Artium abschloss, zunächst als Dekan, Vizekanzler, Schatzmeister und Professor tätig. Aus finanziellen Gründen ging er 1546 in Höxter kurzzeitig in den Schuldienst, bis ihm Heinrich der Jüngere durch ein Stipendium ein Studium der Jurisprudenz in Bologna ermöglichte, wo er promoviert wurde. Nach seiner Rückkehr aus Italien trat er 1558 als Rat in die Dienste des Herzogs, 1566 wurde er Dechant des Stiftes St. Blasius in Braunschweig. Nach dem Tod Heinrichs d. J. übernahm Herzog Julius Reiche als Rat, dessen Aufgabe es nun war, die Einführung der Reformation im Fürstentum vorzubereiten und durchzuführen. Zwischen Herzog Julius und Reiche traten Spannungen auf, so dass Julius Reiches Vertrag nicht verlängerte. Trotzdem wurde Reiche mit Sonderaufträgen bedacht; so war er auch an der Planung zur Gründung der Universität Helmstedt beteiligt. Zu Reiche vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 576f. (C. Lippelt); Reiche, W.: Barthold Reich J.U.D. Ein Kämpfer für Recht und Reformation, in: BsJb 53 (1972), 82-110. 142 Otto von Hoym war Kammerrat des Herzogs Julius und nach dessen Tod im Jahre 1589 Vizekanzler und Hofrat des Herzogs Heinrich Julius. Otto von Hoym starb 1604, vgl. Rotermund, Bd. 2, 422. 143 Einen Überblick über die Gattung des Epithalamiums gibt Korenjak, M.: Johannes Leucht, Epithalamium heroicum: ein lateinisches Hochzeitsgedicht für Erzherzog Ferdinand II. und Anna Caterina Gonzaga, Innsbruck 2002, 13ff.; vgl. auch dens., Austriaci Illustrißima lumina Regni. Ein Epithalamium für Erzherzog Ferdinand II. von Tirol und Anna Caterina Gonzaga, in: B. Czapla / R. G. Czapla / R. Seidel (Hgg.), Lateinische Lyrik der Frühen Neuzeit. Poetische Kleinformen und ihre Funktionen zwischen Renaissance und Aufklärung, Tübingen 2003, 181-215, hier 181ff. Zur Terminologie des Epithalamiums vgl. Horstmann, 14ff.

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(61, 62); strophisch gegliedert ist auch seine hexametrische Beschreibung der Hochzeit von Peleus und Thetis (64, 323-381). Statius’ Gedicht in Hexametern für Stella und Violentilla gibt diese strophische Struktur auf und trägt zur Episierung der Gattung bei (silv. 1, 2). Besonders beliebt ist das Epithalamium in der Spätantike:144 Claudian verfasste ein hexametrisches Hochzeitsgedicht für Honorius und Maria mit praefatio und anschließender fescennina iocatio (9-24), außerdem ein Epithalamium für Palladius und Celerina (carm. min. 25). Unter den christlichen Dichtern der Spätantike, die Hochzeitsgedichte verfassten, sind Dracontius (Romul. 6, 7), Paulinus von Nola (carm. 25), Sidonius Apollinaris (carm. 10-11, 14-15), Ennodius (carm. 1, 4) und Venantius Fortunatus (carm. 6, 1) hervorzuheben. Bergius greift formal wie inhaltlich auf die literarische Tradition zurück. Neben dem Hexameter verwendet er das elegische Distichon sowie die Alkäische und Sapphische Strophe. Sprachlich orientiert er sich oftmals an Statius und Claudian. Auch macht Bergius – wie schon protestantische Dichter vor ihm145 – von den vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, welche das spätantike Epithalamium gewährt, Gebrauch: Pagane und christliche Elemente greifen hier ineinander. So finden sich in seinen Gedichten die traditionellen Hochzeitselemente wie das Lob von Braut und Bräutigam (welches in den protestantischen Epithalamien stets mit dem Preis der Frömmigkeit verbunden ist146), die Aufforderung zum Vollzug der Ehe und zur Zeugung von Kindern, Wünsche für ein einträchtiges und glückliches Leben147 sowie der Vergleich der ehelichen Verbindung mit Weinrebe und Ulme.148 Mythologische Gottheiten treten auf, insbesondere Venus und Amor im Dialog;149 sie verlieren aber im Verlauf von Bergius’ dichterischer Entwicklung zunehmend an Bedeutung und werden sogar verflucht.150 Ebenso wird Juno ihre Rolle als göttliche pronuba abgesprochen;151 an ihre Stelle tritt Christus: Ihm kommt jedoch nicht die Rolle des göttlichen Brautführers zu oder des die Ehe schließenden Priesters, sondern er ist Garant und Segensspender der christlichen Ehe. Seine Funktion als Segensspender wird exemplifiziert mit der Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kanaa (Joh 2, 1-12); mit dieser Aufgabe tritt Christus als ————— 144 Vgl. dazu zuletzt Horstmann. 145 Vgl. z.B. Fuchs, 121ff.; Seidel; Ludwig, Eine protestantische Ehelehre. 146 Vgl. Ludwig, Eine protestantische Ehelehre, 235 Anm. 52. 147 Vgl. dazu Horstmann, 61f., 73, 136; Jermann, 15, 63ff., 67ff., 73ff. 148 Vgl. das Hochzeitsgedicht für Coler, 94; Jermann, 70; Seidel, 295. 149 Zur traditionellen Venus-Amor-Szene vgl. Horstmann, 80, 125; Jermann, 29. 150 Vgl. das Hochzeitsgedicht für Coler, 94; vgl. auch Fuchs, 123 zu Melanchthons Gedichten, wo Ähnliches zu beobachten ist. 151 Vgl. das Hochzeitsgedicht für Schuz, 96.

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pronubus im Carmen 25 (151f.) des Paulinus von Nola in Erscheinung.152 Zudem vergleicht Bergius (wie Luther und Melanchthon im Rückgriff auf Eph 5, 22-33153) die Beziehung zwischen Mann und Frau in der christlichen Ehe mit der Verbindung zwischen Christus und der Kirche, die Bergius als vorbildliche eheliche Verbindung glorifiziert, weil sie rein und keusch sei; Ehebruch und außereheliche Liebe werden von Gott schwer bestraft.154 Besonderes Gewicht kommt in Bergius’ Gedichten (wie in den neulateinischen Hochzeitsgedichten überhaupt) einem Motiv zu, welches ebenfalls auf das Carmen 25 des Paulinus von Nola zurückgeht, nämlich Gottes Schöpfung des Menschen: Mit Gottes Erschaffung Evas aus Adams Rippe (Gen 2, 21-23) wird Gott als Urheber der Ehe gepriesen und die Heiligkeit der Ehe herausgestellt.155 3.6.1.1 Hochzeitsgedicht für Christoph von Hoym und Elisabeth von Werthern (1563)156 In Wittenberg verfasste Bergius 1563 ein Hochzeitsgedicht für Christoph von Hoym (1534-1604)157 und Elisabeth von Werthern (1547-1605). Dem 587 Hexameter langen Gedicht vorangestellt ist ein Prosa-Brief (64 Zeilen) an Christoph von Hoym (datiert am 2. Mai). In diesem betont Bergius unter Berufung auf Theokrit, dass es die Aufgabe der Dichter sei, die Götter und den Ruhm von tüchtigen Männern zu preisen.158 Dieser Ausspruch, so fährt er fort, beziehe sich nicht nur auf die Dichter, sondern Gott verlange von allen Menschen eine angemessene Verehrung. Da Bergius selbst in der Nachbarschaft der Familie Hoym gewohnt habe, seien ihm viele gute Eigenschaften und herausragende Leistungen der Familienmitglieder zu Ohren gekommen. Auch über die Familie von Werthern habe er nur Gutes ————— 152 Zum Christus pronubus bei Paulinus von Nola vgl. Horstmann, 175f.; bei Bergius vgl. das Hochzeitsgedicht für Coler, 92 und Chytraeus, 99; zum Motiv der Hochzeit zu Kanaa vgl. auch Jermann, 173. 153 Zur Bedeutung von Eph 5, 22-33 bei Luther und Melanchthon vgl. Rhein, 291-293. 154 Vgl. das Hochzeitsgedicht für Coler, 93f.; Ludwig, Eine protestantische Ehelehre, 215ff.; Fuchs, 121; Reicke, B.: Ehe/Eherecht/Ehescheidung IV. Neues Testament, in: TRE 9 (1982), 318325, hier 324; Horstmann, 179ff. 155 Vgl. das Hochzeitsgedicht für Coler, 92ff. und Chytraeus, 99; Horstmann, 152f.; Jermann, 20, 55ff. 156 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 1. 157 Der Adelige Christoph von Hoym, dessen Familiensitz Hoym bei Quedlinburg liegt, war Präsident des Fürstentums Anhalt. Im Jahre 1576 erwarb er in Thüringen die Herrschaft Droyßig bei Weißenfels. Er stiftete die sächsische Linie des Geschlechts. Zu diesem vgl. NDB 9 (1972), 670 (St. Skalweit). 158 Vgl. Theoc. 16, 1f.: Αἰεὶ τοῦτο Διὸς κούραις μέλει, αἰὲν ἀοιδοῖς, / ὐμνεῖν ἀθανάτους, ὑμνεῖν ἀγαθῶν κλέα ἀνδρῶν.

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gehört. Es scheine ihm daher richtig, dem Ausspruch Theokrits zu folgen und beide Familien im folgenden Gedicht zu preisen. Nach der topischen Bescheidenheits- und Wahrheitsbekundung schließt Bergius seinen Brief mit der Bitte, sein Gedicht gütig anzunehmen. Das Gedicht beginnt mit der Ankündigung, dass die Musen jetzt ein kleines Hochzeitsgedicht bereiten werden; der Dichter bittet Apoll um Unterstützung und fordert Kalliope auf, die Verlobten mit immerblühenden Blumen zu schmücken und ihn zu inspirieren. Sie solle mitüberlegen, welche Gründe zur Eheschließung geführt haben (1-30). Es folgt die Beschreibung eines locus amoenus, des Wohnorts der Venus (31-42). Ihr nähert sich ihr Sohn Amor159 und prahlt vor seiner Mutter mit seinen Schießkünsten: Er habe mit einem Sieg eine doppelte Beute davongetragen. Amor führt im Folgenden allerdings nur aus, dass Christoph von Hoym seinen Bogen kennen gelernt habe (43-57). Daran anschließend lässt Amor einen Triumphgesang auf die Unbezwingbarkeit seiner Allmacht erklingen (58-75); diesem folgt die Beschreibung von Christophs Verhalten, nachdem er von dem Liebespfeil getroffen wurde: Er habe Feuer gefangen, sich aber anfangs gegen die Liebe gesträubt. Schließlich habe er nachgegeben und wünsche sich nun eine Ehefrau (76-94). Mit der Bitte an Venus, der Ehe zuzustimmen und sie zu vollenden, beendet Amor seine Rede (9599). Venus ist gerührt und verspricht in ihrer Antwortrede die Erfüllung der Wünsche ihres Sohnes (100-111). Auf einem Wagen machen sie sich auf den Weg in die Heimat der künftigen Eheleute und treffen auf Merkur (112121), den Venus auffordert, sie zu begleiten (122-127). Sie begegnen zahlreichen Nymphen, die den Hochzeitsgesang anstimmen (128-144). Der Dichter beschreibt nun die herankommenden Verlobten: Aus Wegeleben kommt der von allen bewunderte Bräutigam Christoph zu Pferde, umgeben von einer Reiterschar, die er besonders an Geistesstärke, Frömmigkeit und Treue übertreffe (149-178). Aus anderer Richtung kommt auf einem Wagen mit Gefolge Elisabeth, deren unvergleichliche Schönheit der Dichter hervorhebt (179-190). Die beiden Züge vereinigen sich und begeben sich begleitet von einem Feuerwerk zum Haus, in dem das Hochzeitsmahl bereitet wird (191-224). Während des Essens stimmt Kalliope, die von ihren Schwestern umgeben ist, das Festlied an (225-237): Nach einer Apostrophe an den Abend, der schnell kommen solle, fordert Kalliope Christoph auf, schon in das Schlafgemach zu gehen (238-247). Sie wendet sich nun an die Gäste, die von weit her gekommen sind und die Familien und Tugenden der Eheleute nicht so gut kennen. In aller Kürze werde sie ihnen nun einen Überblick über die Familien geben (248-257). Nach der Erwähnung von Karl dem Großen als Vorkämpfer der Religion hebt Kalliope den Bischof ————— 159 Die Beschreibung Amors folgt Stat. silv. 1, 2, 61ff.

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Johann von Hoym hervor, der zur Zeit von Kaiser Sigismund (1368-1437) sich für die Kirche Christi einsetzte (258-288). Es folgen die Würdigungen von Christophs Großvater Gebhard (289-307) und seinem Vater Heinrich (307-322), die schließlich in einen Lobpreis des Bräutigams münden: Neben seiner Zuverlässigkeit und Charakterstärke betont Kalliope besonders sein Interesse an den Musenkünsten: Er sei gebildet, habe mehrere Jahre in Frankreich verbracht, ohne überheblich und verschwenderisch zu werden (323-359). Im Anschluss daran lobt der Dichter die Schönheit, den scharfen Verstand und den Charakter der Braut Elisabeth (360-370) und geht über zu einer Ekphrasis ihrer bedeutenden Vorfahren, dem Adelsgeschlecht von Werthern-Beichlingen (371-478). Kalliope fordert ihre Schwestern nun auf, Christoph, den Maecenas seiner Heimat, zu ehren: Dieser sei redegewandt und kenne sich in der lateinischen, griechischen und deutschen Geschichte aus. Als Zögling der Musen wisse er, dass der Staat durch die von den Musen erbrachten Fähigkeiten blühe. Christoph widme sich daher sowohl den Musen als auch dem Staat (478-511). Im Folgenden geht die Muse, indem sie Christoph anspricht, zum Preis der Elisabeth über: Nicht nur die Vorzüge Elisabeths finden bei Christoph Gefallen, sondern auch ihre illustre Verwandtschaft (512-531). Elisabeth leiste ihm stets Beistand (532-538); insbesondere wird ihre Treue ihm gegenüber durch die Aufzählung gleichgesinnter Frauen wie Penelope, Alkestis, Euadne oder Laodamia hervorgehoben (539-560).160 Die Muse wünscht, dass Gott den beiden ein einträchtiges, glückliches und langes Leben gewähre und sie mit Kindern segne (561578). Mit der Bemerkung, dass der Liebe weckende Gürtel der Venus und Hymen da seien, bricht die Muse ihren Gesang ab (579-584). Der Dichter beschließt sein Werk mit einem Hinweis auf die Hochzeitsnacht (584587).161

————— 160 Zu den Versen 541-548 vgl. Claud. carm. min. 30, 149ff.; zu 553-558 vgl. Stat. silv. 1, 2, 38ff. 161 Zu Vers 581 vgl. Stat. silv. 1, 2, 5.

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3.6.1.2 Hochzeitsgedicht für Johannes Colerus und Agnes Reincken (ca. 1563) Bei dem 552 Hexameter umfassenden Epithalamium für Johannes Colerus und seine Braut Agnes fehlt die Angabe des Druckortes und Erscheinungsjahres.162 Es handelt sich vielleicht um Bergius’ ambitioniertestes Hochzeitsgedicht: Ehe er unmittelbar auf das Brautpaar eingeht (318-552), erzählt er ausführlich die bei Adam und Eva beginnende Geschichte der Ehe. Diese ist eine unter Gottes Schutz stehende Verbindung. Für den Missbrauch der Ehe sowie für ihre göttliche Unterstützung gibt der Dichter im Verlauf der biblischen Geschichte zahlreiche Beispiele (1-317). Im Prooem des Gedichts (1-26) wendet sich der Dichter in einer Apostrophe an Sol, der die ganze Welt seit Beginn der Schöpfung zum Strahlen bringt: Er leuchtete, als Gott nach Schaffung von Himmel und Erde den Menschen aus Erde, Wasser und Luft formte, ihm eine unsterbliche und vollkommene Seele eingab und ihm befahl, über alle übrigen Lebewesen zu herrschen. Feuer versprühte Sol auch, als Gott Adam eine Frau hinzugesellte, die mit diesem in ewiger und ehrenvoller Ehe verbunden sein sollte. Der Dichter wünscht sich nun, dass Sol auch seinen Glanz verbreite, wenn er die Schöpfungsgeschichte mit einem nicht gewöhnlichen Gedicht verfolge und während er über einen Hymnus für die ehrbaren Brautleute nachdenke und seine Muse zur Hochzeit singe. Die Erzählung setzt nach kurzer Erwähnung des Paradieses163 mit der Beschreibung Adams ein, der sich als einziger Mensch unter den Tieren einsam fühlt (27-37). Gott tröstet ihn mit den Worten, dass er eine Gefährtin zur Seite erhalte und nicht länger allein sein werde. Als Adam dies gutheißt, fällt er sofort in einen tiefen Schlaf. Gott entnimmt ihm nun eine Rippe und formt daraus eine Frau von einzigartiger Schönheit. Diese verbindet Jesus, das lebendige Abbild seines ewigen Vaters, mit Adam (38-71).164 Um Christus scharen sich nun die himmlischen Fürsten und die ganzen unsterblichen Himmelsbewohner und geben ihrer Freude Ausdruck: Sie applaudieren mit den Flügeln, singen und spielen die Kithara und preisen ihn als ————— 162 Das Gedicht ist vermutlich um 1563 in Wittenberg entstanden, da nur in den Wittenberger Drucken aus dem Jahre 1563 wie in diesem Gedicht Bergius’ deutscher Name »Bergen« erscheint. Johannes Colerus ist in den Wittenberger Matrikeln im Jahre 1557 verzeichnet, vgl. Foerstemann, 338. Zum Titel des Gedichts vgl. Werkverzeichnis Nr. 3. 163 Zu den Versen 27f. vgl. Ov. met. 1, 107f. 164 Christus, in der Rolle des Brautführers (Er wird in Vers 71 paranymphus genannt), fungiert bei der »Schöpfung« der Ehe bereits als Mittler zwischen Gott und Mensch. Die Ehe als Typologie für die Vereinigung Christi mit seiner Kirche ist bereits angedeutet, vgl. dazu Rhein, 292.

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König. Für Adam singen sie ein Hochzeitslied und wünschen ihm eine glückliche Ehe. Gott selbst hört die Lieder im Himmel und sieht sein Gefolge mit bemalten Flügeln die Luft durchqueren (72-93). Die ganze Natur schließt sich dieser Freude an: Berge erheben sich, neue Wälder wachsen, es wehen günstige Winde und die Flüsse führen reines Wasser. Die Vegetation gedeiht üppig, und die Vögel singen, unter ihnen auch Procne, die das Verbrechen des feindlichen Tyrannen beklagt. Die personifizierte Sapientia schreitet fröhlich durch den Garten und knüpft einen Kranz aus Blüten vom Baum des Lebens; sogar die Mutter Natur selbst bewundert ihren Schöpfer (94-134). Mit der Bemerkung, dass Adam und Eva in diesem Paradies glücklich gewesen wären, wenn sie Gott Gehorsam geleistet hätten, weist der Dichter auf den Sündenfall hin, den er im Folgenden beschreibt (135-146): Die Schlange verführt Eva und diese ihren Mann, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Mit dieser Tat haben sie Gottes Verbot missachtet und müssen nun auf die himmlischen Freuden, das ewige Leben und Gott als Vater verzichten. Stattdessen kündigen sich Dunkelheit, Unheil und Strafen auch für ihre Nachkommenschaft an. Der Wille, so erklärt der Dichter, der vorher der Diener des Geistes gewesen war, gehorcht diesem nun nicht mehr, sondern strebt nach dem Verbotenen, verwirrt die Vernunft und sorgt dafür, dass das Menschengeschlecht seinem Untergang entgegensieht; nicht anders als das Schiff, das ohne Steuermann zum Spielball des Windes wird (147-183). Der Dichter beschreibt nun ausführlich die Folgen der menschlichen Sünde: Adam und Eva werden aus dem Paradies vertrieben und müssen sich ihre Nahrung durch schwere Arbeit erkämpfen. Die Natur, die eben noch prächtig war, verwandelt sich in ihr Gegenteil: Sonne und Mond scheinen nicht mehr, die Flüsse sind traurig, und die vormals begrünten Ufer haben ihren Schmuck verloren: Alle beklagen den Fall des Menschen. Gott selbst ist zornig und hätte das Menschengeschlecht fast zugrunde gerichtet (184-216). Als Gott aber die Menschen vom Himmel aus betrachtet, hat er Mitleid und verspricht ihnen einen Heilsbringer, der ihnen zurückbringt, was sie verloren haben (217-228). Dieser wurde, als die Zeit gekommen war, von einer unberührten Jungfrau geboren, die niemals Hochzeit gefeiert hatte. Dennoch wollte Gott, dass sie eine Ehe eingehe, und zwar mit einem reifen Mann (229-236). Durch Christi Menschwerdung wurde der Ehe wieder ihre Ehre zurückgegeben, so fährt der Dichter fort. Als Beispiel dafür, dass die Ehe wieder unter göttlichem Schutz stehe, nennt er die Hochzeit zu Kanaa, bei der Jesus Wasser in Wein verwandelte. Allegorisch deutet er das Verhältnis von Christus zur Kirche als eheliche Verbindung. Da es sich seit Adam und Eva gehöre, die Ehe als Geschenk Gottes in Ehren zu halten,

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verdeutlicht der Dichter im Folgenden mit biblischen Beispielen die Strafen, die bei Missachtung dieser ehrenvollen Gabe (der Dichter wendet sich in einer Apostrophe an Pudor) drohen – er nennt z.B. die Sintflut, die nur Noah überlebte, oder die Vernichtung von Sodom (237-301).165 Der Dichter fordert nun diejenigen, die rasende Begierde zur Hurerei und zum Ehebruch treibe, auf, aus den genannten Beispielen zu lernen und den pudor zu bewahren. Sie sollten sicher sein, dass Gott ihre Vergehen nicht ungestraft lässt.166 Mit der Verwünschung der hässlichen Venus und ihres hitzigen Sohnes geht der Dichter zum eigentlichen Hochzeitsgedicht über (302-317). Der Dichter spricht nun Johannes Colerus an, der sich nicht durch den dreisten Amor und seine zudringliche Mutter hat verleiten lassen; ihn riefen die pietas und die Bestimmung Gottes anderswohin: Gott schickte ihn in die Ehe mit einem in jeder Hinsicht ausgezeichneten Mädchen. Als Gott sah, dass Colerus einsam sein Dasein fristete, wählte er für ihn aus Tausenden eine aus, die nur Colerus’ Pfeile treffen konnten: Diese werde ihn zeit seines Lebens begleiten und unterstützen, wie eine Ulme den Weinstock. 167 Dass diese ihm allein in treuer Liebe ergeben sei, haben nicht Venus oder Amor bewirkt, sondern Gott sowie Colerus’ Charakter selbst, seine Treue, sein Intellekt und seine musischen Fähigkeiten (318-350). Der Dichter beschreibt nun ausführlich Colerus’ Studium der Jurisprudenz in Deutschland, Frankreich und Italien (Bologna) und seine hervorragenden Fähigkeiten und Verdienste als Jurist, die ihn auf eine Stufe stellen mit so bedeutenden römischen Juristen wie Scaevola, Sabinus, Labeo, Caius, Pomponius, Paulus oder (Titius) Aristo (351-397). Nach dem erneuten Hinweis, dass das Liebesverlangen nicht von Venus herrühre, sondern von der pietas, kommt der Dichter schließlich auf die Braut Agnes zu sprechen, deren kostbarste Mitgift ihre pietas sei. Zudem sei ihre Schönheit mit Rechtschaffenheit und Ehrbarkeit verbunden; denn Schönheit allein bringe nur Unheil und Verbrechen, wie aus dem Beispiel der Helena und Medea zu sehen sei (398-429). Auch habe sie es wegen ihrer eigenen Qualitäten nicht nötig, sich mit ihren hervorragenden Vorfahren zu brüsten, obgleich sie solche habe: Im Folgenden geht der Dichter ————— 165 Für die Unterstützung der Ehe durch Christus bei der Hochzeit zu Kanaa und auch für die biblischen Beispiele als Bestrafung außerehelicher Geschlechtsbeziehungen gibt es Parallelen bei Melanchthon (und seinen Schülern und Freunden), vgl. dazu Ludwig, Eine protestantische Ehelehre, 222ff. 166 Zur ehelichen Treue aufzurufen und vor der Bestrafung der ungezügelten Leidenschaft zu warnen, war auch Bergius’ Anliegen bei seiner Erzählung von der Vergewaltigung der Lucretia, vgl. oben 61 und 65. 167 Bergius greift bei der Formulierung dieses Vergleiches (337-339) auf Stat. silv. 5, 1, 48f. zurück.

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ausführlicher auf ihren Vater Philipp Reincken und auf ihren Großvater Martin ein (430-486). Anschließend wendet er sich der Verwandtschaft ihrer Mutter zu: Hier hebt er besonders den Vater von Agnes’ Mutter, Sebastian Müller, hervor und erwähnt, dass Agnes’ Mutter bei deren Geburt gestorben sei. Er preist sie aber glücklich, solch eine Tochter hervorgebracht zu haben (487-524). Der Dichter wünscht dem Ehepaar nun einen reichen Kindersegen. Mit der Bitte, sein bescheidenes Gedicht anzunehmen, und dem Wunsch für ein langes Leben beendet er sein Werk (525-552). 3.6.1.3 Hochzeitsgedicht für Thomas Schuz und Margarethe Praetorius aus Mansfeld (29. Okt. 1564) In Eisleben ließ Matthias Bergius im Jahre 1564 sein 312 Hexameter umfassendes Hochzeitsgedicht für Thomas Schuz, Ratsherr von Wernigerode, und seine Frau Margarethe drucken.168 Seinem Gedicht ist eine Elegie von Zacharias Praetorius,169 dem Bruder der Braut, angebunden. Im Prooemium (1-24), in dem sich der Dichter an die Musen wendet, deutet dieser ein schlimmes Ereignis in der Vergangenheit an, das er jetzt überwunden wissen will: Wie aus dem Folgenden hervorgeht, spielt der Dichter auf den Tod der ersten Gattin des Bräutigams an. Er fordert daher die Musen auf, ihn nun bei seinem fröhlichen Hochzeitsgedicht zu unterstützen. Der Tag der Hochzeit ist da:170 Der Dichter bittet Sol, Blumen für das Brautpaar auszuschütten und die Natur üppig gedeihen zu lassen.171 Nach kurzer Erwähnung der Herkunft des Brautpaars wünscht sich der Dichter die Unterstützung der Musen, um die Gründe für die neue Ehe darzulegen. Mittlerweile seien schon zwei Jahre seit dem Tod der ersten Gattin des Bräutigams vergangen (25-49). Im Folgenden wird Amor ausführlich charakterisiert (50-61): Wie der Dichter betont, handele es sich bei diesem nicht um denjenigen Amor, der schlechte Leidenschaft und verbotenes Feuer entzündet, sondern um den, der alles mit seinem göttlichen Licht erhellt, begünstigt und für ehrenhafte Verbindungen sorgt: Amor also, so fährt der Dichter fort, hat Thomas für Margarethe entflammt (62-66), deren Schönheit, musische Interessen und Einsatz für die »wahre Religion« hervorgehoben werden (67-80). Diese hat sich Thomas zur Ehefrau erwählt (81-83). In seiner folgenden Rede (83-93) ————— 168 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 10. 169 Zu diesem vgl. unten, 109. 170 Vgl. zu diesem Vers (25) Stat. silv. 1, 2, 24. 171 Bergius imitiert in dieser Apostrophe sowohl Vergil (Aen. 4, 607) als auch Claudian (Prob. Olybr. 3).

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entschließt sich Thomas nach monologisierenden Gewissensfragen, die Zeit der Trauer um seine verstorbene Gattin zu beenden, und fasst neuen Lebensmut. An Gott richtet er sich mit der Bitte, ihm eine lange und glückliche Ehe zu gewähren. Der Dichter schätzt Thomas glücklich, da ihm durch Gottes Wirken eine neue Eheschließung ermöglicht wurde. Mit aller Entschiedenheit richtet er sich aber gegen die Anhänger der früher verbreiteten Epikureischen Lehre, die Gott als Urheber aller Dinge ablehnen. Für diese führt er Demokrit als Beispiel an. Nun herrsche zum Glück ein besseres Zeitalter, so der Dichter, in dem man im Vertrauen auf die Bibel Gott als Stifter der Ehe anerkenne (94-127). Im Folgenden legt der Dichter den Bund der Ehe allegorisch aus: Er setzt die Verbundenheit und Einheit der Ehe mit dem einträchtigen Leben im Paradies sowie mit der Einheit der Engelsschar gleich (128-140). Den Ehemann, der sich um seine Frau sorgt, vergleicht der Dichter mit Christus, dem die Kirche am Herzen liege und für die er sich aufopfere (141-163). Mit der erneuten Polemik gegen die Epikureer und in ehrfürchtigem Staunen über Gottes Wirken bricht er hier ab und kehrt zur Hochzeitserzählung zurück (164-170). Inzwischen hat sich das Volk auf den Wegen versammelt, es jubelt dem Paar zu und bewundert es (171-175). Ein Bürger tritt aus der Menge hervor und preist die Braut, die ihm wie Pudicitia mit ihrem Gefolge zu kommen scheint.172 Mit dem Vergleich antiker Helden, die für ihre angebetete Frau kämpfen und Gefahren auf sich nehmen, wie z.B. Pelops im Wagenrennen für Hippodameia oder Hippomenes im Wettlauf für Atalante, verdeutlicht der Dichter Margarethes Wert, für die es sich in gleicher Weise lohnt zu kämpfen (176-203).173 Nach dieser Rede schließt sich dem Lob der Braut ein weiterer Bürger an und hebt in seiner Rede die Vorzüge des Bräutigams Thomas hervor, der sich besonders durch seine Klugheit, seine Sorge für das öffentliche Wohl und durch seine Bescheidenheit auszeichne (204-222). Seine Braut solle sich freuen, so fordert er diese auf, ihn zum Ehemann zu bekommen; sie solle Juno und den anderen Gottheiten, die nur der leere Aberglaube für Götter halten konnte, abschwören und Gott allein preisen (223-229). Während solche Stimmen aus dem Volk vernommen werden und Trompeten und Hörner erklingen, schließt der Bräutigam unter göttlichem Beistand am Altar die Ehe. Die Braut wird nun von Gleichaltrigen zum festlich geschmückten Haus ihres Ehemannes geleitet,174 wo sich Jungen und Mädchen versammeln, tanzen und den Hochzeitsgesang anstimmen ————— 172 Die personifizierte Pudicitia tritt in Hochzeitsgedichten z.B. bei Dracontius (Romul. 6, 64 und 7, 43) auf. 173 Bergius kombiniert bei diesem Vergleich Claud. carm. min. 30, 166ff. und Stat. silv. 1, 2, 38ff. 174 Die Verse 239-241 sind wörtlich aus Claud. carm. min. 29, 28-30 übernommen.

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(230-250).175 In der Schlussrede des Gedichts necken und scherzen die Verwandten zunächst mit dem Bräutigam (254-274) und wenden sich dann der Braut zu. Sie beklagen (in Analogie zum zur Sichel werdenden Mond), dass Margarethes Anwesenheit in der Mädchenschar nun auch abnehmen werde. Ihre Gefährtinnen werden aber nicht aufhören, zu werben, ihrer gewohnten Arbeit nachzugehen und sie reichlich mit Kränzen und Geweben zu ehren (275-300). Nach der Aufforderung zum Liebesvollzug, der sie zur Mutter einer vorzüglichen Nachkommenschaft machen soll, beenden sie ihre Rede mit guten Wünschen für die Ehe und mit dem formelhaften Hochzeitsgesang (301-312).176 3.6.1.4 Hochzeitsgedicht für Bernhard Orestes und Fortuna Esicke (1569) Bergius’ Carmina Evangelica beigefügt ist ein undatiertes Hochzeitsgedicht177 für seinen Schulkollegen Bernhard Orestes178 und dessen zukünftige Frau Fortuna, Tochter des Bremer Ratsherren Johannes Esicke. Das 285 Hexameter umfassende Gedicht ist in seiner ersten Hälfte (1-70) strukturell und sprachlich nach dem Vorbild von Statius’ Hochzeitsgedicht auf Stella und Violentilla (silv. 1, 2) gestaltet: Es beginnt mit anaphorisch gereihten asyndetischen Fragen, woher denn der Beifall in der Stadt ertöne, für wen die zarten Lüfte wehen, der Himmel lache oder für wen die vornehmste Schar zusammenkomme (1-7). Im Folgenden wird der Festzug beschrieben: Vom Helikon kommen Apoll, Gratia und die Musen; es folgen der Hochzeitsgott Hymen, Venus und Amor (8-27). Der Dichter wendet sich darauf an Bernhard und erklärt, dass alle gekommen seien, um seine Hochzeit zu feiern. Nun sei der erwünschte Tag da, und Bernhard könne sich glücklich schätzen, dass er eine mit allen Vorzügen ausgestattete Frau zur Ehe bekomme (28-54). Der Dichter fordert die Muse Thalia auf, die Ursache für diese Eheschließung zu nennen, und erzählt sie dann selbst (5566): Venus besuchte die Göttin Sophia in ihren Gärten, die sich dort ausschließlich geistigen Freuden widmet und die Ehe verschmäht (66-91). Venus bat diese in einer ausführlichen Rede (91-152), die geistige Ausbildung ihres Schützlings (gemeint ist Orestes) nun ruhen zu lassen und ihn für die Ehe freizugeben; denn die Ehe sei etwas Natürliches und Gott ange————— 175 Der Hochzeitsgesang, der am Ende des Gedichts wiederholt wird, ist der Catulls (62, 5 u.ö.). 176 Zu den Versen 303-307 vgl. Claud. carm. min. 25, 130ff. 177 Die Hochzeit fand am 20. Juni 1569 statt, vgl. Dürre, 55. Der Titel des Gedichts lautet: Epithalamium scriptum Bernardo Oresti et Fortunae filiae D. Iohannis Esichij Consulis Bremensis. 178 Zu Orestes vgl. oben, 78.

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nehm. Sophia stimmte schließlich zu und vertraute ihren Schüler Venus an (153-167). Daraufhin beauftragte Venus ihren Sohn Amor, Orestes und die schon längst für ihn vorgesehene Frau mit Liebespfeilen füreinander zu entflammen (168-174). Amor gehorchte seiner Mutter und verletzte im Frühling Bernhard Orestes und Fortuna mit den Wunden der Liebe. Wenig später kam es zur Hochzeit (175-195). Es folgt das Lied des gemischten Chores, der vor dem Ehegemach singt. Der Chor preist beide Ehepartner glücklich: Ihre Ehe sei gottgewollt, beide seien sich treu ergeben und in Eintracht verbunden, aus ihrem Liebesverlangen erwachse eine reiche Nachkommenschaft (196-265). Die einzelnen Strophen enden mit den Refrainversen: Foelix coniugio castae bone Sponse puellae: / Foelix coniugio casti bona Sponsa mariti, die bisweilen leicht variiert werden. In den Schlussversen (266-285), die wohl eher der Dichter als der Chor sprechen dürfte, präsentiert der Sprecher, der kein Geld hat für kostbare Geschenke, sein Gedicht als bescheidene Hochzeitsgabe für Bernhard. Er wünscht ihm eine lange, glückliche und kinderreiche Ehe.179 3.6.1.5 Hochzeitsgedicht für David Chytraeus und Margarethe Pagel (1572) In seinen 1573 erschienenen Carmina Evangelica hat Bergius vor dem oben beschriebenen Hochzeitsgedicht für Bernhard Orestes ein weiteres als Anhang veröffentlicht, ein undatiertes Votum Nuptiale für David Chytraeus.180 Wie aus dem Titel hervorgeht, hat dieser zum zweiten Mal geheiratet.181 ————— 179 Diese war ihm jedoch nicht vergönnt: Orestes starb 1572. Bergius dichtete seinem verstorbenen Freund ein Epitaphium, das er in seine Sammlung Lachrymae (vgl. Werkverzeichnis Nr. 15) aufnahm. In dem 9 elegische Distichen umfassenden Gedicht vergleicht der Dichter Orestes mit einer Blume, die vergänglicher als gewöhnliche Grasblumen sei. Orestes stand noch im Frühling seines Lebens; und wie Blumen die Wege zieren, so ragte er durch seine seltene Gabe in den Gärten der Musen hervor, reich an Verstand, Sprache und Charakter. Eine Grabaufschrift reiche nicht aus, um Bernhards Tugend, seine pietas, sein eifriges und hartnäckiges Streben nach der Wahrheit und seine Sorge um die Schule festzuhalten. Der Dichter richtet seine Schlussverse nun an den Leser dieser Grabschrift: Da das Leben eine vergängliche Blume sei, solle er lernen, um diese Blume besorgt zu sein. Außerdem solle er sie Gott widmen, um dann die sterbliche gegen eine ewig blühende Blume eintauschen zu können. 180 David Chytraeus (Kochhafe, 1530-1600) studierte in Tübingen und Wittenberg, wo er seit 1548 unterrichtete. Im Jahre 1551 wurde er an das Pädagogium in Rostock berufen. Dort erwarb er 1561 den theologischen Doktorgrad und wurde 1563 Rektor der Universität. Zu seinem Leben und wissenschaftlichen Werk vgl. Killy, Bd. 2, 429f. (H. Wiegand); Czaika, O.: David Chytraeus und die Universität Rostock in ihren Beziehungen zum schwedischen Reich, Helsinki 2002; Glaser, K.-H. / Stuth, St. (Hgg.): David Chytraeus (1530-1600). Norddeutscher Humanismus in Europa. Beiträge zum Wirken der Kraichgauer Gelehrten, Ubstadt / Weiher 2000; Glaser, K.-H. / Lietz, H. / Rhein, St. (Hgg.): David und Nathan Chytraeus. Humanismus im konfessionellen Zeitalter, Ub-

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Das aus 143 Hexametern bestehende Gedicht, das fast durchgängig (1125) als Apostrophe an Jesus Christus gestaltet ist, beginnt mit dem Lobpreis Gottes als des Stifters der Ehe: Dieser gewährte Adam und Eva paradiesische Zustände, die sich jedoch nach der Verführung durch die Schlange ins Gegenteil verkehrten – mit Recht, wie der Dichter bemerkt, denn die Menschen haben Gottes Befehle missachtet (1-44). Dennoch seien Überreste der großen Gaben Gottes geblieben: So könne Christus jegliches Verderben und Unheil, welches die Menschen (in der Ehe) bedrohe, in Heil umwandeln, wenn diese, obwohl sie nichts außer Gefahr und Mühsal sehen, auf ihn vertrauen und ihn ehren (45-72). Ein frommer Ehemann führe dann mit seiner Frau unter Christus eine glückliche Ehe. Selbst wenn Sorgen oder auch Todesfälle auftreten, so fährt der Dichter fort, gebe es jemanden, der mit göttlicher Macht die Menschen gegen solche Schicksalsschläge stärkt und ihnen Hoffnung gibt: Amor setze dann mit wahrem Eifer und mit wahrer pietas seine Waffen ein (73-88).182 Christus unterstütze stets den Bund der Ehe, wie aus seinen Taten und Worten hervorgehe: So hat er z.B. bei der Hochzeit zu Kanaa Wasser in Wein verwandelt (89-100). Es schließt sich ein Gebet an Christus an: Dieser möge Chytraeus eine glückliche und lange Ehe gewähren und sein Leben frei von feindlichen Einflüssen halten. Der Dichter bittet Christus, Chytraeus dauerhaftes Glück bis zur Aufnahme ins Paradies zu gewähren (101-125). Im Schlussteil seines Werkes (126-143) tritt Bergius als Dichter in Erscheinung: In einer Apostrophe an Chytraeus, dem er sich freundschaftlich verbunden fühlt und den er verehrt, lobt er dessen zukünftige Frau und verabschiedet sich mit vielen guten Wünschen für deren gemeinsames Leben. ————— stadt / Weiher 1993. Zu seinem Wirken bei der Gründung der Universität Helmstedt vgl. Baumgart, David Chyträus. Zur Gründung vgl. auch oben, 71ff. 181 Votum Nuptiale D. Davidi Chytraeo iterum matrimonium contrahenti scriptum. Seine zweite Ehe schloss Chytraeus im Jahre 1572 mit Margarethe Pagel, vgl. Wolf, E.: Chytraeus, in: NDB 3 (1957), 254. Matthias Bergius hatte bereits zum Tod von Chytraeus’ gleichnamiger ersten Frau, Tochter des Rostocker Senators Laurentius Smedes, mit der er von 1553 bis 1571 verheiratet war, vier Epitaphien in elegischen Distichen verfasst (vgl. Werkverzeichnis Nr. 38); das individuellste Gedicht ließ er zehn Jahre später noch einmal nachdrucken (vgl. Werkverzeichnis Nr. 41): In diesem fünf elegische Distichen umfassenden Gedicht wird die verstorbene Margarethe mit der biblischen Rahel verglichen und somit ihr Mann David mit Jakob (die Verbindung ist schon durch den Namen David nahegelegt: der Prophet und Sänger David ist Nachkomme des Jakob). Das tertium comparationis zwischen Margarethe und Rahel sieht der Dichter neben dem Gemüt und der pietas darin, dass beide bei der Geburt eines Kindes gestorben sind; Rahel war 16 Jahre, Margarethe 18 Jahre verheiratet (1-8). Sein kurzes Gedicht schließt der Dichter mit der Mahnung, nicht nach dem Grund des kurzen Lebens beider Frauen zu fragen; denn ihr Leben sei nach Gottes Wille verlaufen (9-10). 182 Bergius spielt vermutlich auf den Tod von Chytraeus’ erster Frau an.

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3.6.1.6 Hochzeitsgedicht für Justus von Walthausen und Lucia Pawel (1579) Zur Hochzeit von Justus von Walthausen und Lucia Pawel183 verfasste Bergius im Jahre 1579 eine Paraphrase des Psalms 127 [128] in 16 Alkäischen Strophen.184 Dieser Psalm besagt, dass demjenigen, der in Gottesfurcht lebt und sich von Gott den Weg weisen lässt, Gottes Segen zugesprochen wird. Dieser Segen führt zu einem erfüllten Leben, zu beruflichem und familiärem Glück. Dabei ist das Lebensglück des einzelnen eng verbunden mit dem Glück Jerusalems, mit dem Heil und Wohlergehen des Volkes, in dem Gott gegenwärtig ist. Das Verständnis des Psalms als Ehe- und Hochzeitslied ist im 16. Jahrhundert üblich.185 Seiner Psalmparaphrase schickt Bergius 7 lateinische elegische Distichen voraus, in denen er den Bräutigam Justus für seine pietas, virtus und seine sittsame Ehefrau lobt und ihm Kinder wünscht. Sprachlich weisen Bergius’ Verse zahlreiche Berührungen mit denen des Nikolaus Reusner (15451602) auf, welche dieser für den Pfalzgrafen Karl verfasst hat.186 In seiner Psalmparaphrase übernimmt Bergius die inhaltliche Aussage des Psalms 127 der Vulgata, er erweitert und verdeutlicht die Vorlage je————— 183 Der aus Hameln stammende Justus von Walthausen war Kanzler in den Diensten Herzogs Erichs des Jüngeren von Calenberg-Göttingen. Zuvor hatte er sich unter Herzogin Elisabeth maßgeblich an der Durchführung der Reformation in Calenberg beteiligt. Die zweite Ehe schloss er am 5. Juli 1579 mit Lucia Pawel, die aus einer bedeutenden Braunschweiger Familie stammte (vgl. unten, 106). Zu J. von Walthausen und L. Pawel vgl. Die Inschriften der Stadt Hameln, gesammelt und bearbeitet von Ch. Wulf, Wiesbaden 1989, 51f.; Die Inschriften der Stadt Hannover, gesammelt und bearbeitet von S. Wehking, Wiesbaden 1993, 174f. 184 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 19. 185 Vgl. z.B. die Übersetzung des Psalms in griechische Hexameter von Matthaeus Roslerus Lucanus in der Sammlung der Carmina et Epistolae de coniugio ad D. Davidem Chytraeum aus dem Jahr 1562, dazu Ludwig, Eine protestantische Ehelehre, 214; Jeremias, Ch.: Psalmen in der geistlichen Dichtung. Auslegung und Verständnis von Psalm 128 und 47 in Nachdichtungen aus fünf Jahrhunderten, in: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 38 (1999), 40-64, hier 45-48; Kartschoke, E. (Hg.): Repertorium deutschsprachiger Ehelehren der frühen Neuzeit, Bd. 1, Berlin 1996; Margraf, E.: Die Hochzeitspredigt der Frühen Neuzeit, München 2007, 524ff. 186 Bergius (Verse 1-8): Dos prima est homini Pietas, dos altera Virtus: / Tertia nupta pudens: quarta decens soboles. / Caetera mantissae sapiens in parte locabit, / Quae solet in summis vulgus habere bonis. / Nec tibi prima deest dos IVSTE, nec altera: jamque / Tertia divino munere & ipsa datur. / Quarta favente Deo veniat quoque tempore justo: / Ut tua sint muneris gaudia plena suis. Reusner (Verse 3-12): Prima hominis dos est Pietas: dos altera virtus: / Tertia nupta pudens, nec sine prole tamen. / Cetera sunt quaedam veluti mantissa bonorum: / Quamvis vulgus iners haec bona summa putet. / At tibi nec pietas dos prima, nec altera virtus / CAROLE, doctrina sed comitata, deest: / Tertia dos restat tibi nupta paranda pudica: / Munere divino quae tibi sola datur. / Illa, favente Deo, dabitur quoque tempore iusto: / Ut tua sint muneris gaudia plena suis, vgl. Operum Nicolai Reusneri Leorini Silesii Iurisc. et Consiliarii Saxonici pars tertia continens epigrammatum libros XXIV […], Jena 1593 (Ad Carolum Com. Palatinum Rheni).

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doch durch Beispiele und sprachliche Bilder. Wörtliche Übernahmen aus der Vulgata lassen sich nicht nachweisen. 3.6.1.7 Hochzeitsgedicht für Hubert van Giffen und Justine Oelhafen (Oktober 1583) Im Jahre 1583 verfasste Matthias Bergius für seinen Freund und Kollegen an der Academia Norica, den Juristen Giphanius (Giffen),187 und seine Braut Justine Oelhafen ein Hochzeitsgedicht, bestehend aus 34 lateinischen Sapphischen Strophen und 70 griechischen Hexametern.188 Der Dichter beginnt mit der Aufforderung an die Leier, ein Lied zu spielen und dem Freund zu seinen öffentlichen und privaten Verdiensten zu gratulieren. Giphanius, der in diesem Jahr nach Altdorf gekommen ist, kümmere sich um die Musen, sei gelehrt und in ganz Europa bekannt (Str. 1-4). Bald heirate dieser, so fährt er fort, eine unter den Nürnbergerinnen herausragende Frau. Ein Gedicht sei also angebracht für den Bräutigam, den seine ganze Nachkommenschaft kennen wird, und für die Braut, die eine tadellose Herkunft aufweist (Str. 5-9). Für diese beiden seien die guten Wünsche bestimmt, so der Dichter, welche die pietas und die Verehrung Gottes sowie die althergebrachten Sitten vorschreiben; Wünsche, wie sie einst das Volk in Bethlehem Boas sang, als er Rut in die Ehe führte. Justine Oelhafen möge so in Giphanius’ Ehebett eintreten, wie einst die Tochter des Laban in das Jakobs: Von dort werde bald ein auf Jahrhunderte an Tugend und Glanz reiches Geschlecht entstehen (Str. 10-15).189 Gott möge nun bewirken, so die Bitte des Dichters, dass seine Wünsche in Erfüllung gehen: Das Ehepaar solle sich stets treu sein. Gott sei es auch, der den Menschen ermöglicht, die himmlischen Sitze zu bewohnen (Str. 1519). Der Dichter fordert nun erneut die Musen auf, zu singen und dem Brautpaar zu gratulieren: Im alten Rom brachten drei Kinder dem Vater Rechte, die nun auch Giphanius zustehen, da er bereits zahlreiche Kinder für Themis erzogen habe (Str. 20-25). Seine Wünsche seien nun vorgebracht, so der Dichter. Gott möge Schutz gewähren, die öffentlichen Dinge glücklich vorantreiben und den Senat bewahren. Er solle Sicherheit vermitteln, ruhige Zeit für die Studien und einen dauerhaften Sitz für die Musen spenden. Eine neue Gunst möge er auf Erden verbreiten, dass den Völkern, die nach Wahrem lechzen, ein glückli————— 187 Zu Giphanius vgl. oben, 34ff.; zur Hochzeit mit Justine Oelhafen (Okt. 1583) vgl. Mährle, 152. 188 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 24. 189 Zu dem biblischen Vergleich siehe unten, 105.

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ches Leben erwachse. Gott solle als Wächter fungieren und seine Ruderknechte so befehligen, dass sie das Schiff unterstützen, und zwar nicht, um eigenen Ruhm zu erwerben, sondern um Gottes Ruhm zu verbreiten (Str. 26-34). An das lateinische schließt sich das griechische Epithalamion für Giphanius an. In diesem wendet sich der Dichter zu Beginn gegen einen aufgeblasenen Sophisten, der diejenigen, welche die Weisheit lieben, ermahnte, sich von der Ehe und den daraus entstehenden Mühen fernzuhalten. Ebenso polemisiert der Dichter gegen das Zölibat der katholischen Priester. Mit ihrer falschen Behauptung, dass die Ehefrau ein Hindernis sei für denjenigen, der nach ἀρετήstrebt, frevelten sie gegen Gott, den Schöpfer der Ehe (1-14). In seinen Augen, so fährt der Dichter fort, sei derjenige ein wahrhaft Weiser, der die beiden möglichen Verlaufsformen des menschlichen Lebens erkennt und den geraden Weg zu gehen empfiehlt. Die eine Möglichkeit, sein Leben zu bestreiten, sei es, sich ganz den geistigen Genüssen zu widmen und danach zu streben, diese Liebe auch anderen nahe zu bringen und so »geistige« Kinder zu zeugen (15-30). Die andere Möglichkeit zu leben bestehe darin, im Wissen um die eigene Sterblichkeit sich eifrig darum zu bemühen, den eigenen Ruhm durch unaufhörliche Geschlechterfolgen ins Unendliche fortzusetzen und damit ein unsterbliches Geschlecht zu schaffen (30-36). Gott unterstütze beide Lebensweisen; und wie zwei Brüder in gleichem Maße Ansehen und Ehre genießen, gebühre sowohl dem einen Ruhm, der »Kinder der Weisheit« zeuge, als auch dem anderen, der das von Aphrodite geschaffene Brautgemach vorziehe. Höchster Ruhm aber komme jenem zu, der beidem nachstrebt und mit Weisheit Kinder zeuge (37-47). So ging Giphanius eine zweifache Ehe ein: Die eine liege ihm schon seit langem am Herzen, weshalb er der göttlichen Weisheit durch Liebeszauber verbunden sei; die andere sei neugeschaffen und bewahre ihn für kommende Geschlechter, indem sie ihm eine Ehefrau zuführe. Der Dichter bestärkt Giphanius in dieser zweiten Ehe und mahnt, sich nicht von den törichten Sophisten beirren zu lassen, die vorschreiben, die Ehe zu meiden (48-60). Der Dichter wünscht Giphanius nun, dass diese Hochzeit (wie auch jene »geistige Ehe«) die Quelle von viel Gutem sei. Aus ihr solle ein mit seltener Weisheit ausgestattetes Geschlecht erwachsen, das nach Art des Vaters einen berühmten Namen trägt und sich in gleicher Weise wie er verdient macht (61-68). Zum Schluss seines Gedichts fordert der Dichter diejenigen zur Freude auf, denen die zweifache Ehe am Herzen liege, und verdammt die Unsinn redenden Kritiker (69-70).

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3.6.1.8 Hochzeitsgedicht für Martin Baremius190 und Anna Petraeus (13. Juni 1586) Das kurze, 18 elegische Distichen umfassende Gedicht ist in der Sammlung Schediasmata nuptialia191 enthalten, deren weitere Verfasser Conrad Rittershausen und Johannes Röerhandus sind.192 Der Dichter spielt mit dem Namen der Braut, den er von gr. πέτρα (Fels) ableitet: Der Ehemann Martin wird jedoch, so ist sich der Dichter sicher, seine »steinharte« Frau milde stimmen (1-28). Mit dem Lob und guten Wünschen für Baremius’ Studium und für seine Ehe (29-36) beendet er sein Hochzeitsgedicht. Dem lateinischen Gedicht vorangestellt ist ein griechisches, aus 15 iambischen Trimetern bestehendes Gedicht mit der Überschrift Ἀντευριπίδειον αὐτοσχεδιασθένAntieuripideisches aus dem Stegreif):In diesem kehrt der Dichter die Hauptaussage eines berühmten Euripidesfragments (frg. 1059 Kannicht), dass es kein größeres Übel als eine Frau gebe, in ihr Gegenteil um und verwendet sie zu einer Polemik gegen den Autor selbst: Kraft, Wasser, Feuer, Gesundheit und vieles anderes seien zwar gut zu gebrauchen, jedoch sei nichts so nützlich wie die Anwesenheit einer gleichgesinnten Frau (1-9). Wer dagegen die Schöpfung Gottes verhöhne und die Ehe hasse, der sei der größte Urheber von Übeln, den Menschen feindlich und frevle gegen Gott (9-15).

————— 190 Martin Baremius war Konrektor am Martineum, seit 1590 Rektor. 1595 wurde er von M. Chemnitz wegen Vernachlässigung der Schulzucht und seines anstößigen Lebenswandels aus seinem Amt entlassen. Er starb als Prediger in Goslar. Zu diesem vgl. Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 4, 354 und 152f.; Dürre, 55 und 58; Elster, 20. 191 Zum vollständigen Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 28. 192 Zu Rittershausen vgl. oben, 39. Der Braunschweiger J. Rö(e)rhand (-dt, -dus) studierte seit 1589 in Jena und erwarb dort 1591 den Doktor der Jurisprudenz. Im Anschluss daran war er Syndikus in Braunschweig. Zu diesem vgl. Die Matrikel der Universität Jena, Bd. 1: 1548-1652, bearbeitet von G. Mentz in Verbindung mit R. Jauernig, Jena 1944, 265; Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 4, 284, 308, 375, 378.

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3.6.1.9 Hochzeitsgedicht für Johannes Hagius und Catharina Hanhofer (1587) Im Jahre 1587 dichtete Matthias Bergius in Altdorf für Johannes Hagius193 und seine Braut ein Hochzeitsgebet, in dem der Ausspruch Salomos: Fallax gratia, vana est pulcritudo: Mulier timens Dominum, laudabitur194 im Mittelpunkt stehen soll. Das Versmaß ist die Alkäische Strophe. Der Dichter beginnt sein Werk mit der Frage an Hagius, warum gerade er das Hochzeitsgedicht verfassen solle – das Gedicht gibt sich also als Auftragsgedicht zu erkennen –, obwohl dies doch Melissus195 und Posthius196 besser könnten. Da er nun aber um diesen Gefallen gebeten worden sei, werde er sich um ein schlichtes Gedicht bemühen (Str. 1-3). Wer auch immer glaube, so hebt der Dichter an, dass er, wenn er eine schöne und reiche Frau in die Ehe führte, den Himmel auf Erden habe, der täusche sich. Eine solche nach außen hin vollkommene Frau berge oft Unheil in sich, und die anfangs gezeigte Treue sei dann nur von kurzer Dauer. Diese Warnung verdeutlicht der Dichter durch mehrere Bilder und wünscht, von einer solchen Frau verschont zu bleiben (Str. 4-10). Wen Gott schütze, so fährt er fort, von dem solle ein derartiges Unheil abgehalten werden; diesem solle eine gottesfürchtige Frau gegeben werden, die beherrscht, treu ————— 193 Johannes Hagius (Hagen) war ein enger Freund von Petrus Lotichius Secundus. Über sein Leben ist wenig bekannt: Beide studierten gemeinsam in Marburg, in Wittenberg und Padua. Mitte der achtziger Jahre lebte Hagius als praktizierender Arzt in Neumarkt bei Nürnberg. Hagius schrieb 1586 die maßgebliche Lotichius-Biographie (Abdruck in P. L. S., Poemata omnia [...] recensuit notis et praefatione instruxit Petrus Burmannus Secundus, Tom. II, Amsterdam 1754, 66138, dazu Weiss, J. M.: The Rhetoric of Friendship. Joannes Hagius’s ›Life of P. L. S.‹, in: Colloquia Germanica 17 (1984), 220-234). Lotichius widmete Hagius mehrere Dichtungen (Elegie 1, 7; 2, 3; carm. 1, 2; 2, 17; 3, 22 und 23). Zu Hagius vgl. Kühlmann, Humanistische Lyrik, 1204 und Schroeter, A.: Beiträge zur Geschichte der neulateinischen Poesie Deutschlands und Hollands, Berlin 1909, 36-128 (zu Petrus Lotichius). 194 Spr 31, 30 (und nicht, wie bei Bergius angegeben, 13). Der Vulgatatext lautet: Sin fallax gratia et vana est pulchritudo mulier timens Dominum ipsa laudabitur (Wenn nun aber Anmut trügerisch und Schönheit vergänglich ist, verdient allein eine gottesfürchtige Frau Lob); vgl. 31, 10-31: Das Lob der tüchtigen Frau; zum Titel des Gedichts vgl. Werkverzeichnis Nr. 28. 195 Paul Schede Melissus (1539-1602), gebürtiger Franke, wurde 1586 Bibliothekar der Palatina in Heidelberg. Seine – erstmals in Deutschland auch an Pindar geschulte – Lyrik erschien in den Sammlungen Schediasmata (1574 und 1586) und in der bedeutenden Sammlung religiöser Lyrik, den Meletematum piorum libri VIII (1595). Wie Bergius war Schede Melissus Calvinist. Zu seinem Leben und weiteren Werken vgl. Kühlmann, Humanistische Lyrik, 1395ff. 196 Johannes Posthius (1537-1597), in der Pfalz geboren, Schüler von Petrus Lotichius Secundus, ging nach seiner Tätigkeit als Arzt in den Niederlanden und in Würzburg 1585 wohl aus konfessionellen Gründen zurück nach Heidelberg und wurde Leibarzt des calvinistischen Pfalzgrafen Johann Casimir. Dort intensivierte er die freundschaftlichen Kontakte mit Paul Melissus Schede. Zu seinen Hauptwerken zählen die zuerst 1580 erschienenen Parerga poetica. Zu Bergius’ persönlichen Kontakten mit Posthius vgl. oben, 79. Zu Posthius’ Leben und Werk vgl. Kühlmann, Humanistische Lyrik, 1365ff.

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und gehorsam sei (Str. 11-16). Eine solche Frau habe sich Hagius, an den sich der Dichter in den Strophen 17-19 direkt wendet, lange gewünscht und nun gefunden. Er wünscht ihm mit Catharina ein langes Leben in gegenseitiger Liebe. Der Dichter kündigt nun an, für Hagius diejenigen Wünsche zu singen, die einst ein Bürger jenem Mann (gemeint ist Boas) in Bethlehem gesungen habe, als er die Ehe mit Rut einging (Str. 20):197 Gott möge ihm eine Frau wie Labans Töchter198 zur Ehe geben. Die Ehe sei mit reicher Nachkommenschaft gesegnet (Str. 21-23).199 Das tertium comparationis zwischen Rut und Catharina sowie zwischen Boas und Joh. Hagius sieht der Dichter offensichtlich (gemäß seinem Leitspruch Spr 31, 30, welchen er dem Gedicht voranstellt) in der Gottesfurcht und Gottverbundenheit: Wie Boas (vgl. Rut 1, 16) hat auch Joh. Hagius eine durch Gottesfurcht ausgezeichnete Frau geheiratet. Die aus der Ehe zwischen Rut und Boas hervorgehende Nachkommenschaft schließt David und letztlich auch Christus ein (vgl. Rut 4, 18-22; 1 Chr 2, 5-15; Mt 1): Ähnliche Gottverbundenheit scheint der Dichter auch der Familie des Hagius zu wünschen. 3.6.2 Trauer- und Trostgedichte (Epicedien) Die wichtigsten Formen der Trauerdichtung sind das Epitaphium und das Epicedium. Beim Epitaphium handelt es sich um die eigentliche (tatsächliche oder fingierte) Grabaufschrift; das Epicedium dagegen ist ein Gelegenheitsgedicht, das – zumindest fiktiv – während der Bestattung oder der Exequien für den Verstorbenen vorgetragen wird. Das Epicedium weist zumeist einen dreigliedrigen Aufbau auf, der die Teile laudatio (Lob des Verstorbenen), lamentatio (Klage über den Verlust) und consolatio (Trost) umfasst. Das Versmaß ist gewöhnlich das elegische Distichon oder der Hexameter; daneben verwendet Bergius auch die epodische Verbindung von Hexameter und iambischem Dimeter. ————— 197 Vorausgesetzt ist die »Verhandlung im Tor« (Buch Rut 4, 1-12); die Rede des Volkes in der biblischen Vorlage (4, 11f.) wandelt Bergius in den drei Schlussstrophen (21-23) in die lyrische Rede eines Bürgers um. 198 Laban ist der Bruder Rebekkas, der Frau Isaaks (Gen 24, 29). Seine Töchter Lea und Rahel sind die Frauen Jakobs, des Sohns von Rebekka und Isaak (Gen 29-31). Alle sind Ahnen des Stammes Israels und somit Vorfahren von David und Jesus. 199 Vgl. Rut 4, 11f. in der Einheitsübersetzung: »Da antwortete das Volk im Tor samt den Ältesten: Wir sind Zeugen. Der Herr mache die Frau, die in dein Haus kommt, wie Rahel und Lea, die zwei, die das Haus Israel aufgebaut haben. Komm zu Reichtum in Efrata und zu Ansehen in Betlehem! Dein Haus gleiche dem Haus des Perez, den Tamar dem Juda geboren hat, durch die Nachkommenschaft, die der Herr dir aus dieser jungen Frau geben möge«.

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Das neulateinische Epicedium schließt an das antike Epicedium an; die wichtigsten Bezugstexte sind Horaz carm. 1, 24, Properz 3, 18 und 4, 11, Ovid am. 3, 19 sowie Statius silv. 2, 1; 2, 6; 3, 3; 5, 1; 5, 3; 5, 5.200 Neu hinzu kommt in der Epicediendichtung des Späthumanismus die Vorstellung von der Nichtigkeit allen irdischen Daseins, also das Motiv der vanitas, das dann später in der Lyrik des Barocks so bedeutsam sein wird.201 3.6.2.1 Epicedium für Gerke Pawel (1563) Das für den Braunschweiger Gerke Pawel202 verfasste Epicedium ist eines der ersten Werke von Matthias Bergius.203 Es wurde 1563 in Wittenberg gedruckt und umfasst 255 Hexameter. Der Aufbau lässt sich folgendermaßen beschreiben: Der Dichter lässt sein Gedicht mit einem Musenanruf beginnen, in dem er die Musen bittet, ein Trauerlied anzustimmen (1-6).204 Er selbst beklagt, dass Pawel vor seiner Zeit gestorben ist (7-14), und fordert auch die personifizierte Patria zur Klage und Trauer auf (15-18). Der Dichter hebt erneut den frühen Tod Gerke Pawels trauernd hervor, der den musischen Künsten ————— 200 Zum Epicedium vgl. Wiegand, H.: Epicedium, in: RLW 1 (1997), 455-457; Eybl, F.: Epicedium, in: HWRh 2 (1994), 1250f.; Esteve-Forriol, J.: Die Trauer- und Trostgedichte in der römischen Literatur untersucht nach ihrer Topik und ihrem Motivschatz, München 1962. Zum humanistischen Epicedium vgl. zudem Krummacher, H.-H.: Das Barocke Epicedium. Rhetorische Tradition und deutsche Gelegenheitsdichtung im 17. Jahrhundert, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 18 (1974), 89-147; Muzell, H.: Rezeption antiker Muster im neulateinischen Trauerlied. Das Epicedium des Fridericus Muzelius auf Ludwig von Brand, in: Anregung 41 (1995), 103-115; Ludwig, W.: Des Martin Opitz Epicedium auf Erzherzog Karl von Österreich, in: Ders., Miscella Neolatina, Bd. 3, 395-412; dens., Epikedien; Segebrecht; Gräßer, I.: Die Epicedien-Dichtung des Helius Eobanus Hessus: lyrische Totenklage zur Zeit des Humanismus und der Reformation, Frankfurt a. M. 1994. Die Arbeit von E. Springer (Studien zur humanistischen Epicediendichtung, Diss. Wien 1955) war mir nicht zugänglich, zu dieser vgl. Ludwig, Epikedien, 237 Anm. 12. 201 Vgl. hierzu Conrady, 277ff. 202 Gerke Pawel (Gerhard Paul) ist im Jahre 1513 in Braunschweig geboren. In Leipzig (1529), Wittenberg (1531) und Bologna (1534) studierte er Jurisprudenz. Mit dem Tode seines gleichnamigen Vaters (zu diesem vgl. unten, Anm. 207) teilte sich im Jahre 1554 die bedeutende Patrizierfamilie in eine Halberstädter Linie, die sein Bruder Conrad begründete, und eine Braunschweiger Linie, deren Stammvater er selbst wurde. Gerke Pawel war als Kämmerer und Ratsherr der Braunschweiger Altstadt tätig. Er starb 1563. Zu diesem vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 552f. (E. Eschebach); Böcher, O.: Die Pawels, eine Braunschweiger Patrizierfamilie von den Anfängen bis zur Gegenwart, in: BsJb 62 (1981), 21-38, bes. 25; Schmidt, J. A. H.: Die St. Martinskirche in Braunschweig; ein Beitrag zu ihrer Geschichte und Beschreibung, wie auch zu der Braunschweigischen Geschlechtshistorie, Braunschweig 1846, 107, 199. 203 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 2. 204 Vgl. zu diesem Beginn Stat. silv. 5, 3, 1.

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zu Ruhm verhalf und in der Öffentlichkeit brillierte (19-25),205 und befiehlt den Musen, die weißen Binden und den Lorbeerkranz gegen Taxuszweige und einen Zypressenkranz einzutauschen (26-34). Pawel sei von den Musen erzogen worden und habe die Musen gefördert; die Aufgabe der Musen sei es nun, so fährt der Dichter fort, hier an der Oker206 Pawel für seine Verdienste zu ehren; solche Ehrungen verlange nicht nur die Patria, welche die Leistungen Pawels kennt; auch bei den auswärtigen Völkern müsse sein Ruhm blühen (35-61). Im Folgenden beschreibt der Dichter Pawels Leben (62-148): Seine patrizische Herkunft (62-64) wird hervorgehoben, und es werden die Verdienste seines gleichnamigen Vaters gerühmt, dessen Tätigkeit als Staatsmann in einem ausführlichen Vergleich mit der eines Steuermanns zur Geltung kommt (65-93).207 Im Anschluss an das Lob des Vaters werden Pawels wichtigste Lebensstationen nachgezeichnet: Bei seiner Geburt wurde er von Apoll zum Dichter geweiht.208 Nach einer musischen Ausbildung in seiner Jugend widmete er sich zusammen mit seinem Bruder dem Studium in Deventer (Niederlande), Wittenberg, Leipzig und Italien. Als Senatsmitglied und Schatzmeister in Braunschweig erwarb er sich hohe Anerkennung, war niemals hochmütig und zeigte sich stets standhaft (94-148). Mit 45 Jahren schließlich starb er an einem Geschwür (149-162). Nach seinem Tod, so fährt der Dichter fort, nahm Gott Pawels Seele zu sich (163-168) und teilte ihm ein glückliches Leben im Elysium zu,209 in dem der Dichter ihn willkommen heißt (169-189). Nun wird der Trauer in Braunschweig Ausdruck verliehen: Die Stadt und die Oker trauern und ehren den Toten; es trauern die Kurie und der Senat, seine Frau, seine Kinder und sein Bruder. Es klagen die Musen, und auch M. Chemnitz und J. Mörlin,210 die Pawel im Glauben nahe standen, beklagen seinen Tod (190-225). Der trauernde Dichter schließlich bringt dem Verstorbenen Totenopfer dar, verheißt ihm ewigen Ruhm und beendet sein Gedicht mit Abschiedswünschen für den Toten (226-255). ————— 205 Auffallend in diesen ersten Versen ist die refrainartige Wiederholung der Verse und Versteile, die den frühen Tod beklagen: Ah iacet, ante diem fato properante peremtus (7), Ah iacet ante diem fato properante Gerardus, / Ah iacet ante diem (19f.), Ereptum ante diem te funere mersit acerbo? / Ah quantum fato decus est properante peremtum (24f.). 206 Zur personifizierten Oker, einem Fluss in Braunschweig, vgl. unten, 247ff. 207 Gerke Pawel sen. (1469-1554) ist der bis zu seiner Zeit bedeutendste seines Geschlechts: 1528 vollzog er den Übertritt zur Lehre Martin Luthers; er war siebenmal Erster Bürgermeister in Braunschweig. Im Jahre 1495 wurde er gefangengenommen, musste 1513 nach Hildesheim fliehen und legte 1541 alle Ämter nieder. Sein Epitaph, gestiftet von seinen beiden Söhnen Conrad und Gerke, befindet sich in der Kirche St. Martini in Braunschweig. Zu Gerke Pawel sen. vgl. Böcher (s.o.), 24; Schmidt (s.o.), 104-108. Der Vergleich ist nach Claud. 4. cons. Hon. 419-427 gestaltet. 208 Diese Szene (96-104) imitiert Stat. silv. 5, 3, 121ff. 209 Zu den Versen 169f. vgl. Stat. silv. 2, 1, 221f., zu 171f. Stat. silv. 5, 3, 286f. 210 Zu Chemnitz vgl. oben, 19ff. und unten, 130ff.; zu Mörlin vgl. unten, 130f.

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3.6.2.2 Carmen Funebre für Tobias Dibben (28. Mai 1564) In Wittenberg ließ 1564 Matthias Bergius ein 126 Hexameter umfassendes Gedicht zu Ehren von Tobias Dibben drucken, der – wie aus dem Titel zu entnehmen ist – als junger Mann am 28. Mai 1564 auf der Heimreise nach Wittenberg an einer Krankheit verstorben ist.211 Zu Beginn seines Gedichts bittet der Dichter die Muse Kalliope, ihn bei seinem Totenopfer zu unterstützen (1-3). Im Folgenden klagt er in einer Apostrophe an Tobias, dass das Schicksal ihn, auf dem noch so viele Hoffnungen ruhten, so jung hat sterben lassen (4-24). Erneut hebt der Dichter zu seinem Trauergesang an; er fordert die Nymphen und die Heimat Sachsen auf, mit ihm den Toten zu ehren (25-39). Die alte Landesmutter wird angerufen, sich das graue Haar zu raufen, die Wangen zu zerfleischen und mit Zypressenzweigen in der Hand den Verstorbenen zu beweinen, der seine Heimat doch beschützen wollte (40-51). Der Dichter macht nun deutlich, dass keiner, ob jung oder alt, seinem Schicksal entrinnen könne. Wie ein Schnitter im Sommer die blühenden Gräser mit der Sense zu Fall bringt, so rafft der Tod den Menschen hinweg, auch wenn er in der Blüte seines Lebens steht (52-65). Die Stunde des Todes ist jedem unverrückbar festgesetzt; jedoch sei sie im Vertrauen auf Gott leichter zu ertragen. Die traurigen Eltern sollen sich also, so fordert der Dichter sie auf, mit der pietas ihres Sohnes trösten, der durch seinen Einsatz für die wahre Frömmigkeit nun im Himmel Wohnung bezieht (65-99): Dort gibt es nicht Krankheit oder Tod, dort herrschen Friede und Freude; der Heilige Geist schließlich soll jede Traurigkeit wegblasen (100-115). Der Dichter verabschiedet sich jetzt von Tobias, wünscht seinem Grab ewigen Frühling und beendet sein Gedicht (116-126). Seinem Gedicht lässt Bergius ein Epitaphium für denselben folgen, das neun elegische Distichen umfasst: In diesem lobt der Dichter die Fähigkeiten und den Charakter von Tobias, dem Sohn des Matthaeus Dibben, und beschreibt den Werdegang des früh Verstorbenen: Er sei Schüler des Fabricius212 gewesen, habe dann in Leipzig und danach in Wittenberg die Ausbildung genossen und besuche jetzt die himmlische Schule.

————— 211 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 7. 212 Zu Georg Fabricius vgl. unten, 111.

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3.6.2.3 Trostgedicht für Zacharias Praetorius anlässlich des Todes von Johannes Rhodius (1569) Veröffentlicht ist das in Bergius’ Braunschweiger Zeit entstandene Trostgedicht für Zacharias Praetorius213 als Anhang zu den von Konrad Porta214 herausgegebenen Reden über das Leben von Johannes Rhodius, Pastor an St. Nicolai in Eisleben, und Andreas Theobaldus, Erzdiakon an der dortigen St. Andreas-Kirche.215 Höhepunkt des 255 Hexameter umfassenden Gedichts ist die Erzählung vom Hirten Amyntas, der über den Tod seines Gefährten klagt und von einem Knabenchor getröstet wird.216 Das Gedicht beginnt mit der Trauer des Dichters und dem Lob des Verstorbenen Johannes Rhodius: Dieser zeichnete sich besonders aus durch seine pietas und virtus, durch seine Gelehrtheit und musischen Fähigkeiten sowie durch seine Milde und freundliche Ausstrahlung (1-27). Wegen seiner Liebe zur »wahren Religion« war er den Katholiken verhasst, gegen die der Dichter im Folgenden seine Polemik richtet. Eisleben, die Heimat Luthers, und das Mansfeldische Land können sich glücklich schätzen, einen solchen Mann gehabt zu haben, bemerkt der Dichter abschließend (28-45). Es folgt die Klage über den Tod des Rhodius: Er war der treuste Gelehrte Eislebens, liebte die Frömmigkeit und gab ein verehrenswürdiges Beispiel für ein frommes Leben ab (46-62). Der Dichter beklagt nun die Unsicherheit und Strapazen des menschlichen Schicksals, kommt aber zu dem Schluss, dass das Schicksal keinen Einfluss auf das menschliche Leben habe und nur ein erfundener und wertloser Begriff sei: Gott allein habe die Fäden in der Hand und lenke alles; so habe er auch Rhodius zu sich genommen (63-101). Dennoch sei es beklagenswert, wenn Gott eine so herausragende Persönlichkeit aus dem Leben reiße. Alle trauern um den Ver————— 213 Zacharias Praetorius (Breiter), 1535 in Mansfeld geboren, studierte seit 1553 in Wittenberg u.a. bei Melanchthon, der ihn als lateinischen Dichter sehr schätzte. Im Jahre 1556 wurde er zum Dichter gekrönt. 1559 folgte er einem Ruf an die Andreaskirche in Eisleben, wo er, unterbrochen von einem mehrjährigen Österreich-Aufenthalt, bis zu seinem Tode 1575 tätig war. Zu Praetorius’ Leben und seinen Schriften vgl. Wotschke, Th.: Zacharias Prätorius. Ein Latinist des 16. Jahrhunderts, in: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde 60 (1927), 38-69; vgl. auch oben, 95. 214 Konrad Porta (1541-1585) war Schulmeister in Rostock, Eisleben und seiner Heimatstadt Osterwieck. 1569 wurde er Kaplan an St. Nicolai in Eisleben, 1575 bis zu seinem Tod 1585 war er Pastor an der Peter- und Paul-Kirche ebendort. Zu Portas Leben und seinen Schriften vgl. ADB 26 (1888), 445 (H. Holstein); Jöcher, Bd. 3, 1709. 215 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 13. 216 Die Verbindung von Ekloge und Epicedium ist im Humanismus beliebt, vgl. dazu Grant, W. L.: Literature and the Pastoral, Chapel Hill 1965, 306ff. Sie liegt wegen des lateinischen Worts pastor (Hirte) besonders dann nahe, wenn es sich bei dem Verstorbenen um einen Geistlichen handelt, vgl. Segebrecht, 126ff. zum Epicedium von Jakob Gräter auf Johannes Brenz.

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lust des Rhodius: Seine Freunde, die Städte Mansfeld und Eisleben mit ihrer gesamten Gemeinde; auch die Musen und die Jugend beklagen seinen Tod. Der Dichter sieht den Tod des Rhodius als schlimmes Vorzeichen für das Wiedererstarken des Papsttums (101-136) und preist im Folgenden diejenigen glücklich, die im Hafen der Heiligen angekommen seien und dort ewigen Frieden genießen. Auch Rhodius sei dorthin gekommen und könne nun im himmlischen Paradies Gottes Angesicht sehen und das seines Sohnes Jesus Christus, der, dem Vater ebenbürtig, die Menschen zum Himmel führe (137-161). Der Dichter wendet sich nun an Zacharias und wünscht ihm, dass seine Sorgen weichen und wieder Frieden bei ihm einkehre. Um seinen Schmerz zu lindern, erzählt er ihm folgende Geschichte (162-167): Der Hirte Amyntas trauerte über den Tod seines Gefährten und macht Gott wegen des verstorbenen Freundes Vorwürfe. Während des Begräbnisses sah er unter einer dicht belaubten Eiche eine fröhliche Knabenschar, die einen Chor bildete und ein Lied sang (168-186): In diesem preist der Chor im wiederkehrenden Refrain217 denjenigen glücklich, dessen Leben ohne Qual zu Ende gegangen sei. Denn wie der Baum im Herbst seine Gestalt ändere und seine Blätter verliere, werde der Mensch alt und verliere seinen Glanz. Die Menschen haben keinen Einfluss auf ihre Todeszeit; Gott werde ihnen aber wegen der Verdienste seines Sohnes himmlisches Glück gewähren. Wie die Blätter wieder erstehen, so werden auch die Menschen einen neuen Frühling in einer besseren Welt erleben, und Christus werde ihre Körper aus Staub wieder zum Leben erwecken. Der Chor fordert nun, Gott zu vertrauen, die irdischen Sorgen zu ertragen und bis zur Aufnahme ins Paradies Gott mit Bitten und Gelübden anzurufen (187-240). Als Amyntas diese Worte des Chores gehört hatte, ging er befreit von Sorge weg, überließ sich und alles dem Urteil Gottes und bemühte sich um die geforderten Pflichten (241-244). Der Dichter fordert nun Zacharias Praetorius auf, nach dem Beispiel des Hirten Amyntas den Plan des allmächtigen Gottes mit versöhntem Herzen zu billigen (245-255).

————— 217 Felix cui vitae spacium sine labe peractum est (194, 201, 206, 212, 219, 227, 240).

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3.6.2.4 Epitaphium für Georg Fabricius (†1571) Das für Georg Fabricius218 verfasste Epitaphium in 15 elegischen Distichen ist eines der kunstvollsten Epitaphien von Matthias Bergius und gehört zu dessen 1574 herausgegebener Sammlung Lachrymae. Piis Manibus Carissimorum Praestitae.219 Wer als Ausbilder der Jugend mit trockenen Augen Fabricius’ Begräbnis gelassen hinnehme, so beginnt der Dichter in einer Apostrophe an Fabricius, oder aus anderen Büchern als aus denen des Fabricius lerne, den halte er für musenfeindlich; solchen Menschen fehlen pietas, virtus, charis und alle anderen guten Eigenschaften (1-6). Der Dichter lobt im Folgenden Fabricius als verehrenswürdiges Gestirn des Jahrhunderts, dem keiner gleichkomme. Dieser habe das Bild seiner pietas in seiner eigenen Dichtung ausgedrückt, in der sich auch sein Charakter und der Weg, der zu den wahren Gütern führe, zeige. Kein Apelles hätte dies besser zeichnen können (714).220 Mit seinen Schriften habe er zahlreiche Jüngere zu Gelehrten erzogen, die ihn wie einen Vater ehrten. Diese werden nun um Fabricius weinen (15-18). Dennoch werde derjenige, der Fabricius’ Schriften ernsthaft und gewissenhaft liest – Schriften, die keines Zedernholzes und keines Bimssteines bedürfen und die ein scharf witternder Leser an allen Stellen gutheißen müsse, – seinen Tod nicht für einen großen Verlust halten; vielmehr werde er sagen, dass Gott diesen Dichter nicht länger einem Zeitalter habe aussetzen wollen, das von barbarischer Nichtigkeit geprägt sei: Er habe diesen von der undankbaren Erde weggenommen und ihn in der Schule des Himmels angesiedelt (19-26). Der Dichter nimmt nun Abschied von Fabricius, der jetzt mit dem höchsten Lehrer verbunden ist, und verspricht ihm, solange das von den Frommen erstrebte Licht ihn begleite, seiner zu gedenken (27-32). ————— 218 Zu Georg Fabricius (eigtl. Goldschmidt 1516-1571), der von 1546 bis zu seinem Tod Rektor der Fürstenschule St. Afra zu Meißen war, vgl. Kühlmann, Humanistische Lyrik, 1311ff.; Ludwig, W.: Georg Fabricius – der zweite Rektor der Fürstenschule St. Afra in Meißen, in: Ders., Miscella Neolatina, Bd. 2, 268-292 (Erstveröffentlichung in: Sichtweisen. Festschrift anlässlich der Neugründung des Landesgymnasiums Sankt Afra zu Meißen, hrsg. vom Sächsischen Landesgymnasium Sankt Afra, Redaktion: D. Thürnau, Meißen 2001, 196-219); Killy, Bd. 3, 354 (H. Wiegand); vgl. auch oben, 76ff. 219 Zu dieser Sammlung (vgl. Werkverzeichnis Nr. 15) gehören neben den bereits erwähnten (vgl. oben, 27) noch Trauergedichte auf Bernhard Orestes (vgl. oben, Anm. 179), Hermann von Vechteld, Joachim Camerarius (vgl. unten, 112), Joachim Westphal (vgl. unten, Anm. 223) sowie ein handschriftlich ergänztes Epitaphium für Melchior Krüger. Das Gedicht für Fabricius ist folgendermaßen überschrieben: GEORGII FABRICII CHEMNI- / censis, viri clarissimi, & omnium bonorum / memoria sempiterna dignissimi / Epitaphium. 220 Zu dem Gedanken, dass die Schriften eines Gelehrten ein besseres Bild von ihm geben als ein ihn porträtierender Maler vgl. Ludwig, W.: Das bessere Bildnis des Gelehrten, in: Ders., Miscella Neolatina, Bd. 2, 183-228 (Erstveröffentlichung: Philologus 142 (1998), 123-161).

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3.6.2.5 Deploratio über den Tod von Joachim Camerarius (†1574) Das aus acht elegischen Distichen bestehende Trauergedicht auf Joachim Camerarius,221 ebenfalls Teil der Bergiusschen Sammlung Lachrymae,222 beginnt mit der Klage über den Todesstag des der lateinischen und griechischen Sprache mächtigen Camerarius. Dieser sei das Licht der Weisheit, der Begründer der wahren Studien und der Vater der Musen gewesen. Der Dichter erachtet ihn als Erasmus (1469-1536), Budé (1468-1540) und Melanchthon (1497-1560) ebenbürtig, wenn nicht sogar bedeutender als diese (1-8). Was Deutschland an lateinischen und griechischen Kenntnissen besitze, habe es Camerarius’ Studien zu verdanken. Wie viele schöne Blumen auf dem Acker blühen, fährt der Dichter fort, so viele Schriften existieren von ihm, die es würdig sind, gelesen und immer wieder zur Hand genommen zu werden, und zwar von all denen, die an dieser Gelehrsamkeit und Kostbarkeit ihre Freude haben (9-14). Mit der Frage, weshalb wir wertlosen Menschen den Tod beklagen, wenn die neidische Parze selbst den bedeutendsten Menschen das Leben nicht gönne, beendet der Dichter seine Trauerrede (15f.).

————— 221 Joachim Camerarius (eigtl. Kammermeister 1500-1574) war wohl der bedeutendste deutsche Humanist des 16. Jahrhunderts: Nach dem Studium in Leipzig und Erfurt ging er nach Wittenberg, wo er sich eng an Melanchthon anschloss. Auf dessen Empfehlung wurde er 1526 als leitender Lehrer für Latein und Griechisch an das neu gegründete Aegidiengymnasium in Nürnberg berufen. 1535 ging Camerarius an die Universität Tübingen, 1541 schließlich folgte er einem Ruf nach Leipzig. Camerarius gilt als eigentlicher Begründer des Studiums der griechischen Literatur in Deutschland. Neben zahlreichen griechischen und lateinischen Textausgaben und Übersetzungen verfasste er auch pädagogische, theologische, politische und historische Werke. Zu Camerarius vgl. Killy, Bd. 2, 337-341 (L. Mundt); Kößling, R. / Wartenberg, G. (Hgg.): Joachim Camerarius, Tübingen 2003. 222 Der Titel lautet: DEPLORATIO MORTIS / IOACHIMI CAMERA- / RII, SVMMI VIRI. Das Gedicht ist zudem handschriftlich erhalten in einem Brief von Bergius an Joachim Camerarius d. J. (München, BSB, Sign.: Clm 10362, Nr. 275).

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3.6.2.6 Epitaphium für Joachim Westphal (1575) Das von Matthias Bergius anlässlich des Todes von Joachim Westphal (1574)223 verfasste Gedicht ist zusammen mit weiteren von Freunden Westphals geschriebenen Epitaphien dem Epicedium von Johannes Freder224 und der Rede über Westphals Leben und Tod von Jodocus Methodius225 angebunden. Das Werk erschien im Jahre 1575 in Rostock.226 In dem aus 32 Versen (Hexameter und iambischer Dimeter im Wechsel) bestehenden Gedicht beklagt der Dichter die Kürze des Lebens. Er beschreibt das Leben als Kreis, der allzu schnell umschritten ist; selbst wenn das Leben tausend Jahre lang wäre, verflöge es so schnell wie ein Traum. Der Dichter bedauert nun diejenigen, die in ihrem Denken der Erde verhaftet sind, und preist die Menschen glücklich, deren Sinn auf Gott gerichtet ist. Für diese nämlich sei Gott ihr Lebensinhalt; er schenke ihnen das ewige Leben (1-18). Im zweiten Teil seines Gedichts, der als Apostrophe an die Stadt Hamburg gestaltet ist, erklärt der Dichter, dass Hamburgs Pastor Westphal den Kreis des irdischen Lebens vollendet habe und sich nun dem eigentlichen Leben widme. Westphal zeichne sich nicht durch seine Herkunft aus, sondern durch seine gute Anlage, durch sein Streben nach Wahrheit, durch seine Liebe zur Religion und durch seine Standhaftigkeit in schwierigen Situationen. Dieser habe glücklich die Erde gegen den Himmel eingetauscht ————— 223 Joachim Westphal, ein bedeutender lutherischer Theologe des 16. Jahrhunderts, wurde 1510 oder 1511 in Hamburg geboren. Zum Studium der Theologie ging er nach Wittenberg. Dort trat er in Kontakt mit Bugenhagen, Luther und Melanchthon. 1532 wurde er als Lehrer an das Johanneum in Hamburg berufen; zwei Jahre später ging er jedoch wieder nach Wittenberg, von wo er zu einer Studienreise durch Deutschland aufbrach. Zurück in Wittenberg hielt er Vorlesungen u.a. über Justin, Plautus und Ovid. Im Jahre 1540 übernahm er das Pastorat zu St. Catharinen in Hamburg. 1571 wurde er zum Superintendenten der Stadt Hamburg gewählt. Westphal war in mehrere theologische Streitigkeiten seiner Zeit verwickelt. Er starb im Jahre 1574. Zu seinem Leben und seinen Schriften vgl. OER 4 (1996), 268 (D. Visser); ADB 42 (1897), 198-201; Jöcher, Bd. 4, 1914-1918. 224 Johannes Freder d. J. (1544-1604), in Hamburg geboren, studierte in Rostock, wo er im Haus von David Chytraeus lebte, dessen älteste Tochter er heiratete. Im Jahre 1587 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert und übernahm 1592 in Rostock die Professur der Theologie und das Amt des Superintendenten. Das Epicedium für J. Westphal, das er auf Wunsch seines Schwiegervaters Chytraeus verfasste, zählt zu seinen bekanntesten lateinischen Gedichten. Zu Freder vgl. ADB 7 (1878), 3331f. (Bertheau). 225 Jodocus Methodius (Corthum), Magister Artium, war Diakon an der St. Jacobs-Kirche in seiner Heimatstadt Hamburg. Neben der genannten Rede auf Westphal gab er auch dessen christliche Gebete auf die Evangelien und Episteln der Sonntage und Festtage mit einer Vorrede heraus. Methodius starb 1580. Zu diesem vgl. Jöcher, Bd. 1, 2121. 226 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 16. Das Gedicht ist ebenfalls abgedruckt in Bergius’ ein Jahr zuvor erschienener Sammlung Lachrymae (vgl. Werkverzeichnis Nr. 15): VENERANDI VIRI ET FIDELIS- / SIMI ECCLESIAE DOCTORIS / Ioächimi VVestphali / Epitaphium.

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Das dichterische Werk

(19-28). Der Dichter beendet sein Werk mit dem Wunsch für Hamburg, dass die Stadt auch in Zukunft einen Westphal ebenbürtigen Superintendenten bekommen werde (29-32). 3.6.2.7 Epicedium für den Dänen Bassius Ericus (Altdorf 1582) Das von Bergius in seinem ersten Jahr in Altdorf verfasste Grabgedicht für Bassius Ericus227 ist in einer Sammlung mit weiteren Epicedien für diesen veröffentlicht.228 Sein 20 elegische Distichen umfassendes Werk beginnt der Dichter mit der Klage, dass das Leben ein Meer von Qualen sei; überall lauern Hinterhalt und Tod. Man müsse blind sein, wenn man angesichts so vieler Übel dies nicht sehe. Unglücklich aber sei derjenige, der zwar dieses Unheil erkennt, aber nichts dagegen tut (1-8). Die richtige Weise, solchem Leid entgegenzutreten, sei es, so erklärt der Dichter, sich bei den immer wiederkehrenden Todesfällen des Lebens die Wunden Christi zu vergegenwärtigen und das leichte und glückliche Joch zu tragen, das dieser auferlegt und unter dem keiner zugrunde geht; weiterhin sei es nötig, rechtzeitig durch Gottes Wort zu lernen, was fromm, heilig und angemessen sei, und dies auch in seinem Charakter zu verwirklichen (9-16). Als vorbildliches Beispiel führt der Dichter nun den verstorbenen Ericus an, der, durch seinen guten Charakter ausgezeichnet, stets die Befehle der pietas befolgt habe. Solchen Menschen schade weder ein frühzeitiger noch ein später Tod; der frühe Tod habe sogar Vorteile (17-22). Wie der Dichter nun berichtet, ist Ericus ermordet worden. Der Tod habe ihm aber nicht geschadet, sondern er genieße jetzt sein Leben im Paradies. Der Mörder werde jedoch für seine Tat bald büßen, so prophezeit ihm der Dichter (2334). In den Schlussversen seines Gedichts fordert er die Teilnehmer der Beerdigung auf, sich um ihr Leben zu kümmern, d.h. ihr irdisches Dasein Gott zu widmen, um es dann gegen ein Leben nach dem Tode eintauschen zu können. Diese Mahnung formuliert er im letzten Distichon abschließend als prägnante Sentenz: Christo vive, tibi moritor: Sic vivere, vera est / Vita: Secus quicquid vivitur, est obitus229 (35-40). Im Anschluss formuliert Bergius denselben Gedanken, den er in seinem lateinischen Gedicht entwickelte, in 23 griechischen elegischen Distichen. ————— 227 Der Däne Bassius Ericus (Erik Basse aus Schonen), 1578 in Wittenberg, 1579 in Tübingen immatrikuliert, war in seinem Todesjahr 1582 in Altdorf eingeschrieben, vgl. Steinmeyer, Bd. 1, 174. 228 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 22. 229 Lebe für Christus, stirb für dich: So zu leben, das ist das wahre Leben: Ein Leben, das davon abweicht, ist der Tod (39f.).

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3.6.2.8 Epicedium für Meinhard Bergmann Dieses undatierte, 11 elegische Distichen umfassende Gedicht auf seinen Onkel (mütterlicherseits) Meinhard Bergmann veröffentlichte Bergius in der 1586 erschienenen Sammlung Tumuli Propinquorum seines Neffen Conrad Rittershausen.230 Bergius lässt (wie schon zuvor im Grabgedicht auf seinen Vater Conrad231) den Onkel selbst sein Leben schildern:232 Christus habe bewirkt, dass er, der auf dem Land als Sohn eines Bauern erzogen worden ist, auf dem Land für sein Lob eintrete. Zu der Zeit, als Luther die Ungeheuer des Papstes mit dem Wort und unter dem Schutz Gottes angegriffen habe, sei er ein junger Mann gewesen. Eifrig habe er trotz widriger Umstände sein Studium ununterbrochen vorangetrieben in der Hoffnung auf ein Ende (1-8). Nun sei das ersehnte Ende da: Jetzt rufe er selbst mit seiner Stimme und mit seinem Leben sehr viele zur besten Einsicht. Keine Sorge sei ihm vorrangiger oder wichtiger gewesen als die, Christi Ställen immer neue Schafe zuzuführen. Mit frommem Beispiel und angeborener Schlichtheit sei er immer diesen Worten und einem unschuldigen Leben gefolgt, bis ihn Gott, der höchste Herrscher, unter seine Himmelsbewohner aufgenommen habe (9-14). Die Todesursache lässt der Dichter Bergmann folgendermaßen schildern: Als ein furchtbares Unwetter tobte, habe eines seiner Schafe, das im Sterben lag, ihn zu sich gerufen. Während er sich also durch den Wald dorthin kämpfte, stürzte ein Baum durch einen plötzlichen Blitzschlag auf ihn und verwundete ihn tödlich (15-20). Zum Schluss seiner eigenen Lebensschilderung resümiert er: Ein frommer Mensch erleide nichts Schlimmes im Tod, auf welche Weise er auch immer das Leben verlassen habe (21f.).

————— 230 Vgl. Werkverzeichnis Nr. 27. 231 Vgl. hierzu oben, 20f. 232 Bergius steht hier in der Tradition des Properz, der in 4, 11 die Verstorbene Cornelia selbst ihr Leben schildern lässt, vgl. dazu Conrady, 287.

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3.6.3 Reisegeleit- und Willkommensgedichte Aus Freundschaften, die besonders an den Universitäten geknüpft wurden, gehen die Gedichte hervor, die bei Antritt (Propemptica) 233 oder der Rückkehr von einer Reise für den befreundeten Kollegen, Kommilitonen oder Schüler gedichtet wurden. Während Bergius seine beiden Begrüßungsgedichte in elegischen Distichen verfasste, variierte er das Versmaß seiner drei Geleitgedichte: Er dichtete im elegischen Distichon, Hexameter und Asclepiadeum quartum. Auffallend ist, dass Bergius in seinen Propemptica den Verlauf der Reise und des Lebens danach vom religiösen Eifer abhängig macht: Wer sich in den Dienst Gottes stelle, habe nichts zu befürchten und könne glücklich sein Leben führen. Verbunden ist diese Forderung mit der Abwertung derjenigen, die diesem Vorhaben im Wege stehen. Dabei verweist Bergius in diesen Gedichten auf seinen eigenen Lebensweg als positives Beispiel: Er habe sich im Vertrauen auf Gott nicht vom rechten Weg abbringen lassen, so dass er es infolge seiner Widerrufung der Unterzeichnung der Konkordienformel in Kauf genommen habe, seine Heimat Braunschweig verlassen zu müssen. 3.6.3.1 Mnemosynon Lambertus Calenius’, der von einer Auslandsreise nach Hause zurückgekehrt ist (1577) In Braunschweig verfasste Matthias Bergius für den Lüneburger Lambertus Calenius234 ein Mnemosynon seiner Studienreise. Das 32 elegische Distichen umfassende Gedicht ist datiert auf den 6. Nov. 1577 und ist abge-

————— 233 Zum neulateinischen Propempticon vgl. Harsting, P.: Latin valedictory poems of the 16th century, in: M. Skafte Jensen (Hg.), A History of Nordic Neo-Latin Literature, Odense 1995, 203218; Viiding, K.: Zum Formenbestand der neulateinischen Propemptikadichtung, in: Rh. Schnur (Hg.), Acta Conventus Neo-Latini Bonnensis (proceedings of the Twelfth International Congress of Neo-Latin Studies, Bonn, 3-9 August, 2003), Tempe /Arizona 2006, 871-880; Ludwig, W.: Das Studium der holsteinischen Prinzen in Straßburg (1583/84) und Nikolaus Reusners Abschiedsgedichte, in: Ders., Miscella Neolatina, Bd. 2, 293-332 (Erstveröffentlichung in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 119 (1994), 111-147). 234 Der Lüneburger Lambert Calenius (1546-1591) studierte seit 1567 in Wittenberg. 1569 wurde er Konrektor in Salzwedel und kam 1571 nach Rostock, wo er zunächst Lehrer an der Marienschule war. 1574 wurde er zum Magister promoviert und studierte von 1576 bis 1578 an renommierten deutschen Universitäten (u.a. Tübingen). 1581 wurde er Diakon an der Marienkirche in Rostock und starb dort 1591. Zu diesem vgl. Rotermund, Bd. 1, LXXVIII (Nachtrag); Krey, J. B.: Andenken an die Rostockschen Gelehrten aus den drei letzten Jahrhunderten, Rostock 1816, 21; vgl. auch Ludwig, W.: Hellas in Deutschland. Darstellungen der Gräzistik im deutschsprachigen Raum aus dem 16. und 17. Jahrhundert, Hamburg 1998, 75.

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druckt in Calenius’ 1580 erschienener Oratio de sole iustitiae, filio Dei, servatore nostro Iesu Christo.235 Das größte Verdienst sei es, so beginnt der Dichter, Gott zu dienen und diesen Dienst den übrigen Tätigkeiten und Pflichten voranzustellen. Diese Frömmigkeit werde später belohnt werden. Der Dichter preist diejenigen glücklich, denen die Verehrung Gottes vor allem anderen am Herzen liege (1-6). Zu diesen zählt er auch Lambertus, den er in einer Apostrophe rühmt, dass er von Kindheit an fortwährend Christus gelobt habe. Obwohl Lambertus noch viele andere hervorzuhebende Eigenschaften besitze, will sich der Dichter wegen der Kürze des Gedichts auf dessen auf der Reise gezeigte Tugend beschränken (7-18). Im Folgenden beschreibt der Dichter nun Lambertus’ Reiseroute: Sein Weg führte ihn durch das gesamte deutschsprachige Gebiet (19-26). Veranlasst zu dieser Reise sei er durch sein Verlangen, Gelehrte zu treffen und sich mit diesen auszutauschen. So sei sein Verstand im Umgang mit diesen so erleuchtet und geschärft worden, wie Eisen durch das Reiben mit einem anderen Stück Eisen gewetzt und zum Glänzen gebracht wird (27-32). Lambertus ließ sich auf seinem Weg durch nichts beirren: Er folgte stets seinem Leitspruch: Me Legis Capiat Lectio Sacra Tuae.236 Mit dieser Einstellung, so erklärt der Dichter, kommen Lambertus Weisheit und jegliche Annehmlichkeiten zu (33-44). Alle, die Lambertus kennen, so macht der Dichter in erneuter Ansprache an ihn deutlich, heißen ihn willkommen und preisen ihn dafür, dass er sein Leben dem Lob Christi widme und dafür sorge, dass die für Christus gegründeten Reiche gedeihen. Hieraus erwachse ihm ewiger Ruhm (45-58). Zum Schluss fordert ihn der Dichter auf, stets die Befehle Gottes zu befolgen, zu seinen Diensten zu sein und, wohin auch immer Gott ihn führe, ihn, Bergius, nicht zu vergessen (59-64).

————— 235 Zum vollständigen Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 20. 236 Mich möge ergreifen die heilige Lektüre deines Gesetzes.

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3.6.3.2 Propempticon für Georg Queccius237 bei der Abreise aus Nürnberg nach Sachsen (3. Juli 1586) Bergius’ Gedicht für seinen ehemaligen Schüler und Kollegen an der Academia Norica ist zusammen mit den Beiträgen von Conrad Rittershausen und Henricus Risius238 in den Carmina propemptica für Georg Queccius veröffentlicht.239 In dem aus 20 elegischen Distichen bestehenden Werk vergleicht der Dichter Queccius mit Odysseus, der auf seinen Fahrten viel gelernt hat (18). Auch Queccius’ Reise werde ihm großen Gewinn bringen durch den Umgang mit tugendhaften Menschen und durch die Erkenntnis neuer Dinge. Dieser Gewinn, den der Dichter mit Integritas, veri studium, officiumque, fidesque (10) umschreibt, werde ihm ganz sicher zufallen, wenn er danach suche (9-22). Im Folgenden erklärt der Dichter, dass nur der ein glückliches Leben führen könne – egal ob auf Reisen oder zu Hause – , der sein Leben Gott widme. Wer sein Leben im Einklang mit Gott führe, werde selbst im Alter und bei Krankheit glücklich sein. Hüten solle man sich jedoch, so fährt er fort, vor schlechten Taten, da sie infolge des schlechten Gewissens einem glücklichen Leben im Wege stünden (23-34). Der Dichter nimmt sich nun selbst als Beispiel und betont, dass er seine Heimat mit gutem Gewissen verlassen habe und es ihm auch jetzt gut gehe. Mit den folgenden Versen, die besonders an Martin Chemnitz gerichtet sind, rechtfertigt er noch einmal sein Vorgehen im Jahre 1580, als er seine Unterschrift unter die Konkordienformel widerrief und deshalb verbannt wurde: Ignoscat Dominus, quibus ipsi aspergere labem / Non meritam studium dirus amorque fuit.240 Mit den Worten Ista satis. Christus scit caetera (39) bricht er ab und schließt sein Gedicht mit der Bitte an Christus, die Menschen zu seinem Lob zu führen (39f.).

————— 237 Georg Queccius (1561-1628) hatte an der Academia Norica bei Matthias Bergius sowie Henricus Risius und Georg Glacian studiert. Bereits 1584 hatte er vorübergehend in den Gymnasialklassen unterrichtet; in den Jahren 1587-1596 war er dann als Lehrer der dritten Gymnasialklasse tätig. 1596 erhielt Queccius in Altdorf die Professur für Griechisch und Ethik und wurde so Amtsnachfolger seines Lehrers Matthias Bergius. Diese Stelle bekleidete er bis zu seinem Tod im Jahre 1628. Seine hinterlassenen Schriften sind ausschließlich Abhandlungen zur Ethik und akademische Reden. Zu Queccius’ Leben und wissenschaftlichem Werk vgl. Mährle, 265, 323-325. 238 Risius war seit 1579 Professor für griechische Philologie an der Academia Norica, vgl. Mährle, 263f. 239 Zum vollständigen Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 29. 240 Gott möge denen verzeihen, die den Eifer und die grausame Leidenschaft besaßen, ihm selbst den nicht verdienten Fall zuzufügen. Eine ähnliche Formulierung gebrauchte Bergius in seiner Autobiographie zum Jahre 1582, vgl. oben, 32.

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3.6.3.3 Brief an Nicodemus Frischlin (6. Mai 1587) Matthias Bergius’ 81 Hexameter umfassender Brief an Nicodemus Frischlin, seinen – wie er schreibt – Altdorfer Gast, ist in Frischlins 1588 erschienenem Werk Celetismus Grammaticus, einer Streitschrift gegen Martin Crusius, abgedruckt.241 Der Dichter bittet Frischlin zu Beginn seines Briefes mit ausgeschmückter Bescheidenheitstopik, sein kleines Gedicht als Geschenk anzunehmen (1-15). Er hofft, dass Frischlin, der schon oft Schiffbruch erlitten hat, sein Leben nun unter guten Vorzeichen führen könne. Allzu sehr sei er von den Brüdern des Aeolus mit feindlichen Stürmen heimgesucht worden. Unter Frischlins Feinden hebt der Dichter besonders Crusius heraus, gegen den er heftig polemisiert (16-27). Im Folgenden ermutigt er dann Frischlin, der ehrenhafte Studien im Sinn habe und nach dem Allgemeinwohl strebe, dorthin zu folgen, wohin ihn sein Schicksal führe; denn er stehe unter dem Schutz Gottes. Wenn er nach Bayern, nach Österreich zum Kaiser, der ihm wohlgesonnen sei, oder nach Prag gehe, solle er an ihn denken und sich für die gemeinsame Schule einsetzen. Die Nachwelt werde seine Verdienste belohnen ebenso wie Gott, der diejenigen ehre, denen Recht und Frömmigkeit am Herzen liegen (28-50). Der Dichter fordert Frischlin erneut auf, seinen Weg zu gehen; nicht solle er von schrecklichen Winden behindert werden, sondern es solle Frühling mit dem leichten Zephyr herrschen, bis er sein Ziel erreicht habe; denn schon sehr lange werde er von der grausamen

————— 241 Zum vollständigen Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 32. Der gebürtige Württemberger Nicodemus Frischlin (1547-1590) erhielt 1568 in Tübingen die Professur für Poetik und Geschichte. Mit seinem Lehrer, dem Gräzisten Martin Crusius (1526-1607), kam es zu erbitterten Auseinandersetzungen, als Frischlin 1584 in seiner Grammatik die zuvor von Crusius verfasste Grammatik scharf kritisierte. Frischlin erwarb sich die Gunst des Stuttgarter Hofs und die des Kaisers Maximilian II., der ihn 1576 zum Poeta laureatus krönte und zum kaiserlichen Pfalzgrafen ernannte. Frischlin verließ Tübingen, ging zunächst nach Prag, dann nach Wittenberg und wurde 1588 Rektor des Martineums in Braunschweig. Da er sich jedoch dort in konfessionelle Streitigkeiten einmischte, musste er bereits ein Jahr später die Stadt verlassen. Nach privaten Auseinandersetzungen mit dem Herzog ließ dieser ihn in Mainz verhaften. Bei einem nächtlichen Fluchtversuch stürzte er zu Tode. Zu Frischlins Leben und Werk vgl. Killy, Bd. 4, 39-43 (A. Elschenbroich / R. Seidel); Kühlmann, W.: Nicodemus Frischlin (1547-1590). Der unbequeme Dichter, in: P. G. Schmidt (Hg.), Humanismus im deutschen Südwesten. Biographische Profile, 2. veränd. Aufl., Stuttgart 2000, 265-288; Holtz, S. / Mertens, D. (Hgg.): Nicodemus Frischlin (15471590). Poetische und prosaische Praxis unter den Bedingungen des konfessionellen Zeitalters, Stuttgart / Bad Cannstatt 1999; Schade, R. E.: Philipp Nicodemus Frischlin, in: St. Füssel (Hg.), Deutsche Dichter der frühen Neuzeit (1450-1600): ihr Leben und Werk, Berlin 1993, 613-625. Zur Auseinandersetzung mit Crusius vgl. Strauß, D. Fr.: Leben und Schriften des Dichters und Philologen Nicodemus Frischlin. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 1856, bes. 373ff.

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Schar der Aeolus-Brüder belästigt (51-58). Solche Gegner habe auch er selbst einst in Braunschweig kennen gelernt, so fährt der Dichter fort, und ruft als Zeugen den im Harz gelegenen Brocken an und die Oker, den im Harz entspringenden und durch Braunschweig fließenden Fluss. Die Feinde sollen nur wüten und sich schrecklich und gewalttätig aufführen: Gott sehe alles und werde sie bestrafen. Frischlins Tugend werden niemals die pietas und die Liebe zur Gerechtigkeit fehlen; den Feinden aber werden die Scham und die üble Nachrede den Sinn rauben und ihren Hochmut zähmen (5875).242 Mit guten Wünschen für Frischlins Zukunft und in der Erwartung, ihn bald wieder zu sehen, schließt der Dichter seinen Brief (76-81). 3.6.3.4 Begrüßungsgedicht für Edowardus Zouchaeus bei der Rückkehr aus Konstantinopel nach Altdorf (6. Aug. 1590) Bergius’ 40 elegische Distichen umfassendes Gedicht für den englischen Baron Edowardus Zouchaeus243 ist zusammen mit einem weiteren, an diesen gerichteten Gedicht von Conrad Rittershausen veröffentlicht.244 Der Dichter bringt zu Beginn in einer Ansprache an Edowardus seine Freude über dessen Rückkehr zum Ausdruck und die Erleichterung aller, die Tränen bei seiner Abfahrt vergossen und sich Gedanken über die Gefahren, die ihn auf einer solchen Reise erwarteten, gemacht haben. Denn Edowardus sei auf seiner Reise durch die thrakischen, türkischen und byzantinischen Gebiete gekommen, von wo aus ein barbarisches Geschlecht den ganzen Erdkreis terrorisiere: Dieses habe die Nachbarn ausgeraubt, Asien bedroht und stehe nun fast vor der eigenen Tür, während Deutschland in Bürgerkriege verwickelt sei, bemerkt der Dichter (1-22).245

————— 242 Bergius greift an dieser Stelle auf zwei Verse seines Panegyricum Carmen zurück, mit denen er dort Psalm 131 umsetzt: At pudor et turpes pingens infamia vultus / Hostibus eripiet mentem, fastusque domabit (1264f.), vgl. dazu unten, 246. 243 Der englische Baron Edowardus Zouchaeus (Edward la Zouche, 11. Baron Zouche of Harringworth), ca. 1556-1625, war 1587 in Heidelberg immatrikuliert. Zum Jahr 1589 ist er in den Matrikeln der Universität Altdorf verzeichnet. Zu diesem vgl. DNB 60 (2004), 1008-1010 (L. A. Knafla); Steinmeyer, Bd. 2, 644. 244 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 33. 245 Die Türken wurden seit dem Fall Konstantinopels (1453) und nach ihrem Eindringen in Südosteuropa (Schlacht bei Mohacz 1526, erste Türkenbelagerung Wiens 1529) als eine beständige Gefahr für das christliche Europa empfunden. Nach antikem Vorbild bezeichneten die humanistischen Autoren fremde Völker meist als »Barbaren«. Zum Türkenbild in der lateinischen Literatur des 16. Jahrhunderts vgl. Guthmüller, B. / Kühlmann, W. (Hgg.): Europa und die Türken in der Renaissance, Tübingen 2000.

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Edowardus, so fährt der Dichter in seiner Ansprache an ihn fort, habe sich trotz der Gefahren in diese Gebiete begeben, und alles Grausame sei – Christus sei Dank – vor dem Glanz seines Geistes und seiner heiteren Ausstrahlung gewichen. So sei er wohlbehalten zurückgekommen und könne sich jetzt mit großer Freude an die überstandenen Mühen erinnern und seine Erlebnisse Adligen oder Freunden berichten (23-40). Edowardus müsse sich jedoch gar nicht mit seinen heldenhaften Reiseberichten brüsten, wie diejenigen, die sonst nichts zu bieten haben, sondern er könne sich auf seine Tugend, Redlichkeit und seine hervorragenden Tätigkeiten berufen: Er widme seine Zeit den Studien und Büchern und beschäftige sich eifrig mit der Geschichte. Europa und insbesondere Deutschland könnten sich glücklich schätzen, wenn sie mehr solche Männer wie Edowardus hätten, der die »wahre pietas« liebt und sich mit seinen Sitten weit vom gemeinen Volk abhebt (41-62). Der Dichter wünscht nun Edowardus, dass Gott, der all diese Gaben zuteilt, sie ihm möglichst lang bewahre, damit er seinem Vaterland einmal nützlich sein könne. Dieses werde von der tapferen Elisabeth246 regiert, vor der die italienischen Kinäden Angst haben müssen. Ein Lob auf Edowardus’ Vaterland England lassen die Zeit und seine kleine Muse leider nicht zu, so erklärt der Dichter, der sein Gedicht mit Abschiedswünschen für Edowardus beschließt (63-80). 3.6.3.5 Propempticon für Johann Burkhard Stadtmann bei der Abreise von Altdorf nach Tübingen (1592) Im Jahre 1592 verfassten Lehrer der Academia Norica für ihren Schüler Johann Burkhard Stadtmann, der als Jurastudent von Altdorf nach Tübingen wechselte, Propemptica. Matthias Bergius beteiligte sich an der Sammlung mit einem Gedicht, das 56 Verse im Asclepiadeum quartum umfasst.247 Bergius wünscht Stadtmann zunächst eine glückliche Reise nach Tübingen und drückt seine enge Verbundenheit zu ihm aus: Er lobt seinen Charakter, seinen klaren Verstand und seine Frömmigkeit – Eigenschaften, welche seine Altdorfer Lehrer zwei Jahre lang ausgebildet und an ihm zu schätzen wussten (1-15).248

————— 246 Elisabeth I. regierte England von 1558 bis zu ihrem Tod im Jahre 1603. 247 Zum Titel vgl. Werkverzeichnis Nr. 34. 248 Johann Burkhard Stadtmann ist in den Altdorfer Matrikeln unter dem Jahr 1590 verzeichnet, vgl. Steinmeyer, Bd.1, 42.

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Das dichterische Werk

Im Folgenden fordert Bergius Stadtmann auf, seinen Weg nach Tübingen zu gehen und dort die hohen Erwartungen, die man in ihn setzt, zu erfüllen (16-28). Bergius stellt ihm großen Ruhm durch Studienleistungen in Aussicht (29-38). Er wünscht ihm eine gute Reise, da er zu denen gehöre, die Gott und Christus auf rechte Weise verehren, und hofft, dass der Heilige Medardus249 den unfrommen Katholiken schlechtes Wetter schicke (39-56).

————— 249 Medardus (ca. 470-560) war Mitte des 6. Jahrhunderts Bischof von Vermandois, dann von Noyon und später von Tournai. Schon bald nach seinem Tod entstand ein Heiligenkult. Medardus gilt als Wetterheiliger der Bauern, vgl. BBKL 5 (1993), 1150 (A. Müßigbrod).

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4 Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

4.1 Vorbemerkung In dem vorangegangenen Kapitel über Matthias Bergius’ dichterisches Werk ist sein Panegyricum Carmen auf Herzog Julius von BraunschweigLüneburg, dessen Bedeutung innerhalb des Gesamtwerks bereits in der Einleitung umrissen wurde,1 unberücksichtigt geblieben. Der Interpretation dieses Gedichts ist das folgende Kapitel gewidmet. Verfasst hat Bergius das Panegyricum Carmen im Namen der Braunschweiger Katharinenschule in seiner Funktion als Rektor; entstanden ist es im Jahre 1569 anlässlich des Einzugs des neuen Landesfürsten Julius in Braunschweig. Da das Gedicht ein konkretes Ereignis der Zeitgeschichte zum Thema hat, sei im Folgenden zunächst der historische Rahmen umrissen, in den das Gedicht einzuordnen ist.

4.2 Der historische Rahmen 4.2.1 Julius’ Weg zur Herrschaft2 Julius wurde am 28. Juni 1528 als jüngster von drei Söhnen Heinrichs des Jüngeren, des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg und Fürsten von Braunschweig-Wolfenbüttel, in Wolfenbüttel geboren. Nach einer schweren Fußverletzung, die er sich in früher Kindheit zugezogen hatte, konnte er sich nur mit Mühe auf dem Pferd halten und war für den Kriegsdienst und eine höfisch-ritterliche Ausbildung nicht geeignet.3 Sein Vater bestimmte ihn daher für die geistliche Laufbahn. Nach dem frühen Tod seiner Mutter ————— 1 Vgl. oben, 15ff. 2 Zu diesem Lebensabschnitt ist zuletzt die Darstellung von Friedrich Wagnitz erschienen, daneben sind wichtig: Mohrmann, Vater-Sohn-Konflikt; Mager, Konkordienformel, 21ff.; Graefe, 13-16; Mager, Einführung der Reformation; Kraschewski, Wirtschaftspolitik, 22ff.; ders., Julius; Reller, Auseinandersetzung; ders., Kirchenverfassung, 13ff.; Merkel; Heinemann, 397ff.; Bodemann; Havemann, 378ff. 3 Vgl. die Angaben des zeitgenössischen Biographen Algermann, F.: Leben, Wandel und tödtlicher Abgang weiland des Durchlauchtigen Hochgebornen Fürsten und Herrn, Herrn Juliussen, Herzogen zu Braunschweig und Lüneburg, hochlöblichen, christmilden Gedächtnisses (1598), hrsg. von Fr. K. von Strombeck, Helmstedt 1823, 6.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Marie (1541) und der Vertreibung seines Vaters aus dem Fürstentum durch die Truppen des Schmalkaldischen Bundes (1542) fand Julius Zuflucht im Hoflager des Franz von Lauenburg und bei seiner Patentante Elisabeth in Pattensen. Diese führte 1542 in ihrem Territorium Calenberg-Göttingen als Vormund ihres noch unmündigen Sohns Erich II. (1546-1584) die Reformation ein.4 Nach dem kurzen Aufenthalt bei seiner Patentante übernahm Julius im selben Jahr eine Domherrenstelle in Köln. Eine Bildungsreise führte ihn 1549 nach Frankreich, wo er in Bourges und Paris Französisch und Latein lernte; in beiden Sprachen kam er jedoch nicht über Elementarkenntnisse hinaus. Zum Jurastudium schickte ihn sein Vater 1550 an die katholische Universität in Löwen, von wo er im Jahre 1553 zur Beerdigung seiner beiden älteren Brüder, die in der Schlacht von Sievershausen gefallen waren, nach Wolfenbüttel zurückkehrte.5 In der Folgezeit (1553-1558) kam es zu erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Julius und seinem Vater. Heinrich lehnte nach dem Tod seiner beiden ältesten Söhne den nun an die erste Stelle der Nachfolge rückenden Julius als Erben ab.6 Der Grund für diese Entscheidung lag nicht so sehr in Julius’ Kriegsuntüchtigkeit, durch die Heinrich sein Fürstentum gefährdet sah; in weit höherem Maße missfiel ihm der Ungehorsam seines Sohnes, hinter dem er eine Neigung zum Protestantismus vermutete7 – jener Konfession also, gegen die sich Heinrich in seinem von ihm seit 1514 katholisch regierten Fürstentum mit aller Macht zur Wehr setzte: Nur mit Mühe hatte er nach der gewonnenen Schlacht bei Mühlberg (1547) das während seiner Abwesenheit von Reformationsströmungen beeinflusste Fürstentum mit Ausnahme der Stadt Braunschweig wieder rekatholisiert.8 Sein Einsatz für die alte Kirche erfolgte dabei weniger aus religiösen Gründen als vielmehr aus politischer Berechnung: Sein Widerstand gegen reformatorische Bestrebungen war maßgeblich von seiner Bindung an den Kai————— 4 Vgl. Mager, Konkordienformel, 19. 5 Zu Julius’ Studien vgl. Bodemann, 194ff.; Reller, Auseinandersetzung, 92f.; Merkel, 23f. 6 In seinem Testament vom 23. März 1552 hatte Heinrich seinen zweitgeborenen Sohn Philipp Magnus zu seinem Nachfolger bestimmt, vgl. dazu Mohrmann, Vater-Sohn-Konflikt, 91. 7 Wann Julius seine Glaubensüberzeugung änderte und sich zu den lutherischen Lehren bekannte, ist unklar. Merkel, 24f. und Reller (Kirchenverfassung, 18 Anm. 9; Auseinandersetzung, 92f. mit Anm. 7) messen der Studienzeit den größten Einfluss zu (Julius’ Begleiter Heinrich Stappensen war dem Protestantismus zugeneigt). Dagegen nehmen Kraschewski (Julius, 24f.; Wirtschaftspolitik, 33f.), Mohrmann, Vater-Sohn-Konflikt, 66 Anm. 10 und Wagnitz, 13 an, dass Julius erst nach seinem Studium in der darauffolgenden Zeit am Hof in Wolfenbüttel zum Lutheraner wurde. Mit Sicherheit kam Julius während seines Aufenthalts bei Elisabeth von Calenberg mit der Reformation in Berührung, vgl. Wagnitz, 10; Mager, Einführung der Reformation, 25; dies., Konkordienformel, 21; Reller, Kirchenverfassung, 18 Anm. 9. 8 Vgl. Mager, Konkordienformel, 20. Zur Sonderstellung von Braunschweig im Fürstentum vgl. unten, 127ff.

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ser bestimmt.9 Mit dieser Loyalität hielt Heinrich fest an der Tradition des Welfenhauses, das seit dem Sturz Heinrichs des Löwen Konflikte mit dem Reichsoberhaupt vermied. Des Weiteren war Heinrich nach dem Ausgang der Hildesheimer Stiftsfehde (1519-1523) geradezu gezwungen, seine Politik auf Karl V. auszurichten.10 Schließlich wird sein Widerstand gegen den Protestantismus verständlich durch die sich wandelnde Religionspolitik der Fürsten im 16. Jahrhundert: Seit dem Augsburger Religionsfrieden (1555) waren die Landesuntertanen gezwungen, sich zu dem Glauben ihres Landesherrn zu bekennen, so dass die Glaubenseinheit in den Fürstentümern verbunden war mit konfessionellen Gegensätzen im Reich. Die Rücksicht auf das Staatsinteresse und das Streben nach Erhaltung des Friedens bestimmten von nun an maßgeblich die Religionspolitik der Fürsten.11 Daher suchte auch Heinrich in seinem Fürstentum den Katholizismus als die eine, für alle verbindliche Religion zu wahren und bekämpfte aus Furcht vor Revolution und Aufstand entschieden das Aufkommen jeglicher reformatorischer Bestrebungen.12 Unmittelbar nach dem Begräbnis seiner älteren Brüder wurde Julius von seinem Vater gezwungen, ein Religionsversprechen abzulegen, welches ihn an den Papst, den Kaiser und die Reichsstände band. Julius musste sich verpflichten, das Augsburger Interim von 1548 anzuerkennen, und bekam ————— 9 In diesem Zusammenhang oft zitiert wird die pointierte Feststellung von F. Koldewey: Heinz von Wolfenbüttel. Ein Zeitbild aus dem Jahrhundert der Reformation, Halle 1883, 3: »Hätte auf dem Reichstage zu Worms der Kaiser sich für den Bruder Martinus erklärt, so hätte wohl kein Fürst früher als Heinrich die Meßpfaffen aus seinem Lande verjagt«. Ähnlich auch Mohrmann, Vater-Sohn-Konflikt, 70; Graefe, 14; Aschoff, H.-G.: Herzog Heinrich der Jüngere und Herzogin Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg, in: JbGnKg 82 (1984), 53-75, hier 56; Petri, 124f., 129f.; Reller, Kirchenverfassung, 14; Havemann, 220f.; Heinemann, 334. Dagegen vermutet Täubrich, 195, dass Heinrich nicht nur aus politischen Gründen, sondern auch aus echter religiöser Überzeugung am Katholizismus festhielt. 10 Zu der Hildesheimer Stiftsfehde kam es, als Bischof Johann von Hildesheim, der die Herrschaft über die Stiftslande an den Adel verloren hatte, versuchte, diese durch Einlösung von Pfandschaften wieder zurückzuerlangen. Heinrich d. J. verband sich mit dem bedrohten Adel, unterlag jedoch zunächst dem Bischof. Ihm gelang es, das Blatt zu wenden, als er in dem König von Frankreich, der für die bevorstehende Kaiserwahl (1519) Anhänger in Deutschland suchte, einen Verbündeten des Bischofs erkannte. Heinrich agierte daher entschieden auf der habsburgischen Gegenseite, verhalf Karl V. zum Sieg und erhielt zum Dank die volle Unterstützung des Kaisers. Heinrich konnte somit die Fehde für sich entscheiden, die ihm zwar den größten territorialen Zuwachs in seiner ganzen Regierungszeit einbrachte, zugleich aber eine weitgehende politische Isolierung in Norddeutschland zur Folge hatte. Daher blieb er auch künftig auf die Gunst des Kaisers angewiesen, vgl. Mohrmann, Vater-Sohn-Konflikt, 81; Mörke, 54. Einen Überblick über die Hildesheimer Stiftsfehde geben Heuvel / Boetticher, 35-39; Täubrich, 40-76 und Spiess, Bd. 1, 44-47. 11 Hinter dieser Politik stehen zahlreiche staatsphilosophische Schriften, die eine geradezu topische Lehre von der Staatsklugheit, der Gefahr von Parteibildungen und ihrer Begegnung entfalten. Vgl. hierzu Scheuner, bes. 372 mit Anm. 27, 375. 12 Vgl. Mohrmann, Vater-Sohn-Konflikt, 68, 79, 91; Petri, 134.

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zudem von seinem Vater eine schriftlich abgefasste Verhaltensordnung auferlegt.13 Heinrich bemühte sich nun, seinem Sohn eine geistliche Laufbahn aufzuzwingen, und setzte ihn gewaltsam in das Amt des Bischofs von Minden ein, das Julius jedoch nur kurze Zeit wahrnahm.14 Als Julius Ostern 1554 aus Gewissensgründen die Teilnahme an der jährlichen Familienfahrt nach Gandersheim zur Messe und Beichte verweigerte, war Heinrich fest entschlossen, seinen ungehorsamen Sohn von Erbschaft und Regierung auszuschließen: Im Alter von 67 Jahren heiratete er daher zum zweiten Mal und sicherte dem aus dieser Verbindung stammenden Nachwuchs das alleinige Erbrecht zu, während Julius mit einer kleinen Leibrente abgefunden werden sollte. Die 1556 eingegangene Ehe mit Sophia, der Tochter des Königs Sigismund von Polen, blieb jedoch kinderlos.15 Schließlich scheiterte Heinrich auch mit seinem Versuch, seinen unehelichen Sohn Eitel Heinrich von Kirchberg, der aus seinem Verhältnis mit der Hofdame Eva von Trott stammte, für die Nachfolge zu gewinnen. Dieser lehnte die Herzogswürde ab, die ihm nicht standesgemäß erschien.16 Im Jahr 1558 kam es trotz mehrerer von Julius unternommener Versöhnungsversuche17 zum endgültigen Bruch zwischen Vater und Sohn. Als Julius sich weigerte, an der österlichen Abendmahlsfeier in altkirchlicher Form teilzunehmen, floh er vor dem Zorn seines Vaters, der auf der Festung Steinbrück (heute im Kreis Hildesheim gelegen) bereits ein Gewölbe als Gefängnis für ihn herrichten ließ,18 zu seinem Schwager Markgraf Johann von Brandenburg nach Küstrin.19 Dort durfte Julius an den Regierungsgeschäften seines Schwagers teilhaben und erwarb sich jene Kenntnisse im Verwaltungswesen, die seine

————— 13 Vgl. Reller, Auseinandersetzung, 93f.; dens., Kirchenverfassung, 18; Wagnitz, 12f. 14 Heinrich hatte den Bischof Franz von Minden gewaltsam gezwungen, Julius das Bistum zu übergeben, das dieser jedoch bald an seinen Onkel Georg abtrat, vgl. Havemann, 379 Anm. 3; Merkel, 25. 15 Zu Julius’ Verhalten und der Ehe Heinrichs vgl. Reller, Auseinandersetzung, 96-98; dens., Kirchenverfassung, 19; Wagnitz, 16ff., 22; Mager, Einführung der Reformation, 25; Merkel, 25f. 16 Vgl. Bodemann, 205. 17 Vgl. Wagnitz, 17f., 20. 18 Heinrich hatte Julius bereits zuvor mehrere Male einsperren lassen, vgl. Reller, Auseinandersetzung, 96f., 101, 102f.; Wagnitz, 19. Auch mit seinem Bruder Wilhelm war Heinrich in früherer Zeit gewaltsam verfahren: Seit dem Jahre 1523 hielt er ihn zwölf Jahre in Gefangenschaft, da er den Widerstand des Bruders gegen den geplanten Primogeniturvertrag befürchtete, der die alleinige Erbfolge des Erstgeborenen vorsah. Er ließ ihn erst wieder frei, als die Erbfolgeregelung vertraglich festgelegt war, vgl. Matthes, D.: Der braunschweigische Primogeniturvertrag von 1535 und die Gefangenschaft Herzog Wilhelms, in: BsJb 47 (1966), 5-51; Täubrich, 187-190. 19 Schon seit längerer Zeit stand Julius mit Johann von Brandenburg in Briefkontakt und hatte ihm seine verzweifelte Lage mitgeteilt. Ein ähnlich offenes Verhältnis hatte Julius zu seinem Vetter Herzog Christoph von Württemberg, mit dem er seit dem Frühjahr 1556 einen geheimen Briefwechsel führte, vgl. Reller, Auseinandersetzung, 99-103; Wagnitz, 19.

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spätere Herrschaft auszeichnen sollten.20 Außerdem verlobte er sich in Küstrin mit Hedwig, der Tochter Joachims II. von Brandenburg, die er 1560 in Berlin heiratete. Dieser protestantischen Ehe hatte Julius’ Vater nur widerwillig zugestimmt. Das Verhältnis zum Vater, der mittlerweile schwer erkrankt war, blieb weiterhin schwierig. Zu einer Annäherung kam es erst, als Heinrich seinen 1564 geborenen Enkel Heinrich Julius besuchte.21 Eine vollständige Aussöhnung mit dem Vater, der am 11. Juni 1568 starb, unterblieb jedoch:22 So trat Julius die Nachfolge als Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel letztlich gegen den Willen seines Vaters an, der mit seinen Maßnahmen, einen anderen Nachfolger auf den Thron zu heben, gescheitert war. 4.2.2 Die Stellung der Stadt Braunschweig im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel Seit dem Erb- und Teilungsvertrag von 1495 gliederte sich das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg in vier selbstständige welfische Fürstentümer: Lüneburg, Grubenhagen, Calenberg-Göttingen und Braunschweig-Wolfenbüttel.23 Eine verfassungsrechtliche Sonderstellung nahmen die Reichsstädte ein: Sie gehörten keinem Fürstentum an und waren somit nicht ihrem Landesfürsten, sondern nur dem Kaiser zum Gehorsam verpflichtet. Obwohl die Stadt Braunschweig niemals den rechtlichen Status einer Reichsstadt erhalten hatte,24 gelangte sie als größte Hansestadt im 15. Jahrhundert durch Handel und Gewerbe zu wirtschaftlicher Blüte. Die endgültige Verlegung der Residenz des Landesfürsten um 1432 nach Wolfenbüttel bedeutete ————— 20 Neben der Reformierung seines Fürstentums (siehe unten, 131ff.) und der Gründung der Landesuniversität Helmstedt 1576 (vgl. dazu oben, 71ff.) zählen die Stärkung der Wirtschaft und die Neuordnung des Verwaltungswesens zu den herausragenden Leistungen seiner Regierung. Eine Gesamtwürdigung von Julius’ Leben bieten Kraschewskis Beitrag in den Niedersächsischen Lebensbildern (1976) sowie der Sammelband von Graefe (1989); zur Wirtschaftspolitik vgl. Kraschewski, Wirtschaftspolitik und zuletzt dens.: Wirtschaft und Gesellschaft vor dem Dreißigjährigen Krieg, in: Jarck, Braunschweiger Landesgeschichte, 483-512. 21 Vgl. Reller, Auseinandersetzung, 105; Kraschewski, Julius, 26. 22 Julius bemühte sich offenbar, zu seinem sterbenskranken Vater zu gelangen, wurde aber nicht vorgelassen, vgl. Reller, Auseinandersetzung, 105f.; Wagnitz, 34; Mohrmann, Vater-SohnKonflikt, 67. 23 Vgl. Heuvel / Boetticher, 60. 24 Braunschweigs Bemühungen, freie Reichsstadt zu werden, scheiterten endgültig 1521 auf dem Wormser Reichstag, vgl. Hassebrauk, Heinrich der Jüngere, 1-5, 12; Spiess, Bd. 1, 28f.; Reichsstadt in Niedersachsen war allein Goslar; andere größere Städte wie Lüneburg, Hannover oder Göttingen hatten einen ähnlichen Status wie Braunschweig, vgl. Krumwiede, 111.

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dabei einen wichtigen Schritt zur Unabhängigkeit der finanzstarken Stadt.25 So blieb Braunschweig bis 1671 Gemeinbesitz der vier welfischen Territorien und war von seinem Landesfürsten weitgehend unabhängig. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts waren die Städte als Orte des Handels und des überregionalen Austausches der Nährboden für die Verbreitung reformatorischen Gedankenguts. Zudem befanden sich die Bürger der autonomen (Reichs-)Städte in der besonderen Situation, dass sie sich unabhängig von dem Bekenntnis ihres Landesfürsten für oder gegen die reformatorische Lehre entscheiden konnten.26 Im Zuge der reformatorischen Bewegungen geriet die Stadt Braunschweig zunehmend in Konflikt mit ihrem Landesfürsten Heinrich dem Jüngeren.27 Dieser setzte 1521 das Wormser Edikt, welches die Reichsacht über Luther verhängte, in seinem Herrschaftsbereich in Kraft.28 Zur gleichen Zeit verbreiteten von Wittenberg beeinflusste Theologen, wie insbesondere Gottschalk Kruse,29 reformatorische Gedanken in Braunschweig, welche zunächst vor allem bei den niederen Geistlichen Anklang fanden und in der Folgezeit öffentlich gepredigt wurden.30 Dagegen stießen sie auf ————— 25 Vgl. Schorn-Schütte, L.: Evangelische Geistlichkeit in der Frühneuzeit, Gütersloh 1996, 78; Garzmann, M. R. W.: Bürgerliche Freiheit und erstarkende Landesherrschaft im 16. und 17. Jahrhundert am Beispiel Braunschweigs, in: J. Bohmbach (Hg.), Fernhandel und Stadtentwicklung im Nord- und Ostseeraum in der hansischen Spätzeit (1550-1630), Stade 1995, 106-129; Grüter, 242f. 26 Einen Überblick über die Forschung zum Thema »Stadt und Reformation« geben Stefan Ehrenpreis und Ute Lotz-Heumann: Reformation und konfessionelles Zeitalter, Darmstadt 2002, 29-39 und 125 (Literatur). 27 Zur Reformation in Braunschweig vgl. Jürgens (2003): überarbeitete und ergänzte Version seines Aufsatzes »Die Reformation in der Stadt Braunschweig von den Anfängen bis zur Annahme der Kirchenordnung«, in: Kuhr, 25-70; Jürgens, K.: Phasen der Reformation in der Braunschweiger Landeskirche, in: Das Reformationsjahr 1542 im Lande Braunschweig, hrsg. vom Landeskirchenamt Wolfenbüttel 1993, 18-25; Mörke; Bräuer, S.: Der Beginn der Reformation in Braunschweig. Historiographische Tradition und Quellenbefund, in: BsJb 75 (1994), 85-116; Kronenberg, K.: Die Reformation im Lande Braunschweig, in: Vier Jahrhunderte lutherische Landeskirche in Braunschweig, hrsg. vom Landeskirchenamt Wolfenbüttel, Braunschweig 1968, 8-32; Brüdermann, S.: Das Zeitalter der Glaubensspaltung (1495-1634), in: Jarck, Braunschweiger Landesgeschichte, 441-482; Krumwiede, 123ff.; Spiess, Bd. 1, 48ff.; Täubrich, 77-82, 128-131; Hassebrauk, Heinrich der Jüngere, 10ff. 28 Abgedruckt bei Lentz, C. G. H.: Braunschweigs Kirchenreformation im sechzehnten Jahrhunderte, Wolfenbüttel 1828, 61-63. 29 Gottschalk Kruse (ca. 1499-1540) studierte in Wittenberg und war Mönch von St. Aegidien. Zu seiner Tätigkeit als Reformator in Braunschweig vgl. Lange, B.: D. Gottschalk Kruse in seiner Bedeutung für die Reformation in der Stadt Braunschweig und im Fürstentum Lüneburg, in: JbGnKg 56 (1958), 97-149; Zimmermann, G.: Der Mönch Gottschalk Kruse, Initiator der reformatorischen Bewegung in Braunschweig, in: Kuhr, 19-24; Jürgens, 14ff. 30 In den Jahren 1525 und 1526 wurden einige Prädikanten in Braunschweig angestellt, die sich trotz ihrer evangelisch ausgerichteten Predigten in ihrer Position behaupten konnten. Der wichtigste unter ihnen war Heinrich Lampe (1503-1583); vgl. zu diesem Hessenmüller, C.: Heinrich Lampe, der erste evangelische Prediger in der Stadt Braunschweig. Ein auf Quellenstudium

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den Widerstand des höheren Klerus und zunächst auch auf den des Rates der Stadt Braunschweig.31 Der höhere Klerus schloss sich zu einem katholischen Bündnis, der sogenannten Union, zusammen und verteidigte im Einvernehmen mit dem Rat und Herzog Heinrich den alten Glauben.32 Der Braunschweiger Rat geriet jedoch zunehmend in Bedrängnis: Immer entschiedener forderten die Bürger die Reformierung des Kirchenwesens, während auf der anderen Seite der Herzog massiven Druck ausübte, am Katholizismus festzuhalten. Obwohl der Rat stets den Herzog unterstützt hatte, waren ihm jetzt der innere Frieden und die Einigung mit den Bürgern wichtiger, deren Forderungen er schließlich nachgab: Der Jurist Autor Sander (1500-1540) erreichte 1527 in Verhandlungen mit dem Rat die Zulassung der evangelischen Predigt und der deutschen Sprache in den Braunschweiger Kirchen. Zur Leitung der entstehenden evangelischen Kirche wurde der in Wittenberg ausgebildete Halberstädter Prädikant Heinrich Winkel (1493-1551) berufen.33 Dieser konnte sich jedoch nicht recht behaupten, und so kam es gelegen, dass der Rat im Frühjahr 1528 nach einer früheren Absage doch noch den Wittenberger Stadtpfarrer Bugenhagen (1485-1558) für die Reformation in Braunschweig gewinnen konnte.34 Zu Bugenhagens herausragenden Leistungen während seines kurzen Aufenthaltes in Braunschweig gehörte die Ausarbeitung einer Kirchenordnung für die Stadt.35 Während Braunschweig sich mit dem Eintreffen Bugenhagens gänzlich dem Luthertum öffnete, blieb Heinrich weiterhin katholisch und sorgte dafür, dass das übrige Fürstentum am alten Glauben festhielt. Diese Konfessionsverschiedenheit in Stadt und Territorium hatte erhebliche politische Folgen: Bugenhagen übertrug dem Rat mit dem ersten Superintendenten Martin Görlitz (Amtszeit: 1528-1542)36 und seinem Koadjutor Heinrich Winkel (Amtszeit: 1528-1551) das städtische Kirchenregiment. ————— beruhender Beitrag zur Reformationsgeschichte der Stadt Braunschweig, Braunschweig 1852, außerdem Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 425f. (K. Jürgens); Jürgens, 27-35. 31 So musste Kruse auf Druck des Rates und einflussreicher Braunschweiger Bürger 1523 das Kloster St. Aegidien verlassen und ging nach Celle; hierzu vgl. Lange (s.o.), 104-110; Jürgens, 1820. 32 Vgl. Spiess, Bd. 1, 51-56. 33 Vgl. Jürgens, 35ff.; Spiess, Bd. 1, 56-58; Krumwiede, 123. 34 Zu Bugenhagen vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 121f. (M. R. W. Garzmann); Jürgens, 61ff.; Jünke, W. A.: Bugenhagens Einwirken auf die Festigung der Reformation in Braunschweig (1528-32), in: Die Geschichte der Reformation in der Stadt Braunschweig, hrsg. vom Landeskirchenamt Wolfenbüttel, Braunschweig 2003, 83-109; Leder, H.-G.: Johannes Bugenhagen Pomeranus – vom Reformer zum Reformator: Studien zur Biographie, hrsg. von V. Gummelt, Frankfurt a. M. 2002, bes. 215-253 (Bugenhagen in Braunschweig). 35 Die in niederdeutscher Sprache verfasste Kirchenordnung ist eine der ersten in Deutschland veröffentlichten Kirchenordnungen. Sie ist abgedruckt bei Sehling, 348-455. 36 Zu Görlitz vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 268f. (J. Diestelmann); Spiess, Bd. 1, 61, 63, 80f.; Bd. 2, 632, 638.

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Daraufhin verfügte der Rat eigenmächtig über Klöster und Pfarrstellen und setzte somit das Patronatsrecht des Herzogs außer Kraft, dessen Zustimmung zu den Einstellungen bisher eingeholt werden musste und dem allein die Stifte St. Blasius und St. Cyriacus sowie das Kloster St. Aegidien unterstanden. So war Heinrichs Rechtsbesitz angetastet, zudem wurde seine fürstliche Autorität in Frage gestellt.37 Die Auseinandersetzung zwischen Stadt und Herzog kam zu ihrem Höhepunkt, als sich Braunschweig zu seinem Schutz dem Schmalkaldischen Bund der evangelischen Fürsten und Städte anschloss.38 Dieser kam Braunschweig 1542 bei einem Angriff Heinrichs zu Hilfe, vertrieb diesen aus seinem Fürstentum BraunschweigWolfenbüttel und veranlasste dort die Reformierung. Heinrich gelang es jedoch, nachdem er die Schmalkaldener (1547) und den mit Braunschweig verbündeten Markgrafen Albrecht Alkibiades bei Sievershausen (1553) besiegt hatte, die Reformation rückgängig zu machen und sein Fürstentum wieder an den Katholizismus zu binden. Vor Übergriffen des wiedererstarkten Herzogs sicherte sich die Stadt Braunschweig durch einen im Oktober 1553 abgeschlossenen Vertrag. Dieser garantierte ihren Bürgern unter anderem freie Religionsausübung bei Beachtung der herzoglichen Patronatsrechte. Außerdem verzichtete Heinrich auf die Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes im Dom St. Blasii; als Gegenleistung verlangte er von der Stadt Steuerzahlungen sowie Vertreter im Landtag.39 Von dieser Zeit an beruhte das Verhältnis zwischen der Stadt und Herzog Heinrich wieder auf gegenseitigem Einvernehmen nach dem Rechtssprichwort »Getreuer Herr – getreuer Knecht«.40 Die Braunschweiger Kirche blieb unter der Leitung der Superintendenten Nikolaus Medler (Amtszeit: 1545-1551) und Joachim Mörlin (Amtszeit: 1553-1567) weiterhin streng lutherisch.41 Als Koadjutor wurde 1554 der Melanchthonschüler Martin Chemnitz42 nach Braunschweig berufen. Die Verdienste von Mörlin und Chemnitz sind die Beilegung des Bremer Abendmahlsstreites 1560/61, die sogenannten Lüneburger Artikel von 1561, welche die Abfassung des evangelischen Bekenntnisbuches (Corpus ————— 37 Vgl. Mohrmann, Braunschweig, 64; Hassebrauk, Heinrich der Jüngere, 15ff. 38 Zum Schmalkaldischen Bund vgl. TRE 30 (1999), 221-228 (G. Haug-Moritz / G. Schmidt); Spiess, Bd. 1, 65ff.; Mohrmann, Braunschweig, 64f. 39 Der Vertrag ist abgedruckt bei Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 924929; vgl. zudem Spiess, Bd. 1, 100ff.; Hassebrauk, Heinrich der Jüngere, 54ff.; Mager, Konkordienformel, 26. 40 Vgl. Grüter, 243. 41 Zu Medler (1502-1551) vgl. BBKL 5 (1993), 1151-1153 (I. Mager); zu Mörlin (1514-1571) vgl. zuletzt Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 500f. (J. Diestelmann); Diestelmann, J.: Joachim Mörlin. Luthers Kaplan – »Papst der Lutheraner«. Ein Zeit- und Lebensbild aus dem 16. Jahrhundert, Neuendettelsau 2003; OER 3 (1996), 94f. (S. Looß); Spiess, Bd. 1, 112-116. 42 Zu Chemnitz vgl. oben, bes. 30ff.

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Doctrinae) vorbereiteten, sowie das Bekenntnisbuch der Stadt Braunschweig selbst (1563/64), das bis zum Ende der Stadtfreiheit (1671) von allen Geistlichen unterschrieben werden musste.43 Als im Jahre 1567 Mörlin nach Preußen zurückkehrte, trat Martin Chemnitz als führender Theologe seiner Zeit an dessen Stelle und übernahm in Braunschweig das Amt des Superintendenten (1567-1584).44 4.2.3 Julius’ erste Regierungsmaßnahmen bis zum Einzug in Braunschweig Nach dem Tod Heinrichs des Jüngeren (11. Juni 1568) trat zunächst gemäß Heinrichs Verfügung Markgraf Johann von Brandenburg die Regierung an, bis Julius vier Wochen später offiziell die Herrschaft übernahm.45 Gleich von Anfang an kümmerte sich Herzog Julius um die Reformierung von Verwaltung und Wirtschaft sowie um die Neustrukturierung des Bildungswesens, die schließlich im Jahre 1576 zur Gründung der Universität Helmstedt führte.46 Sein Hauptanliegen war jedoch die Durchsetzung der Reformation im gesamten47 Fürstentum, das zu dieser Zeit als einziges nördlich der Mainlinie noch katholisch war. Bereits die Beerdigung, die sich Heinrich »nach Christlichem Catholischen gebrauche« gewünscht hatte,48 verlief evangelisch. Schon vor seinem Regierungsantritt hatte sich Julius Gedanken über die Neuordnung seines Landes gemacht und hierzu ein Gutachten von Joachim Münsinger von Frundeck49 angefordert. Das Gutachten gliedert sich in zwei Teile, deren erster die Religionsfrage behandelt und überschrieben ist mit »Bedencken die Enderung der Religion betreffend und wie es mit stifften und Clostern solle gehalten werden«. Der zweite Teil enthält Überlegungen ————— 43 Vgl. hierzu Spiess, Bd. 1, 113ff.; TRE 7 (1981), 714-721 (Th. Mahlmann), hier 715. Zum Corpus Doctrinae vgl. Mager, I.: Das Corpus Doctrinae der Stadt Braunschweig im Gefüge der übrigen niedersächsischen Lehrschriftsammlungen, in: Kuhr, 111-122. 44 Vgl. Mager, Konkordienformel, 27f. 45 Vgl. Wagnitz, 34. 46 Vgl. dazu oben, 71ff. 47 Die Stadt Braunschweig war bereits seit 40 Jahren evangelisch, vgl. oben, 129. 48 So der Testamentszusatz von 1562, zitiert nach Mager, Einführung der Reformation, 25f. 49 Münsinger (1514-1588) stammte aus Württemberg und war Kanzler in BraunschweigWolfenbüttel. Dieses Amt hatte er bereits seit 1556 unter Julius’ streng katholischem Vater Heinrich d. J. ausgeübt, vgl. Schumann; Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 516f. (H.-D. Lange). Zu Münsingers Konfessionswechsel stellte Schumann (146-161) fest: »Mynsinger scheint zu jenen Repräsentanten der politischen Führungsschichten seiner Zeit gehört zu haben, die die Religionsfrage als eine primär politische Angelegenheit betrachtet haben, ansonsten sich jedoch einem eher überkonfessionell orientierten christlich-humanistischen Ideal verpflichtet gefühlt haben« (147), vgl. hierzu Ludwig, W.: Joachim Münsinger von Frundeck im Album amicorum des David Ulrich, in: Ders., Miscella Neolatina, Bd. 2, 337-348, hier 344.

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über die innere Verwaltung des Fürstentums sowie die Beziehungen zum Reich. 50 Julius berücksichtigte die Vorschläge dieses Gutachtens, welches einem Regierungsprogramm gleichkam, vielfach in seinen politischen Entscheidungen. So ließ er zwei Theologen zur Durchführung der Kirchenreformation und Ausarbeitung einer Kirchenordnung nach Wolfenbüttel kommen, und zwar Jakob Andreae, Probst zu Tübingen, Theologieprofessor und Kanzler an der dortigen Universität, und Martin Chemnitz, Superintendent in Braunschweig.51 Bereits am 1. August veröffentlichte Herzog Julius ein Mandat, das die katholische Messe verbot und die Annahme des Augsburger Bekenntnisses forderte.52 Im Herbst 1568 fand eine Generalkirchenvisitation statt, die u.a. von Andreae, Chemnitz und Münsinger durchgeführt wurde. Sie waren angewiesen, eine genaue Aufstellung über den Zustand aller Kirchen einzureichen. Die Ergebnisse dieser Visitation wurden im November dem Herzog vorgelegt.53 Die Kirchenordnung, mit deren Ausarbeitung Andreae und Chemnitz sofort nach ihrer Ankunft in Wolfenbüttel begonnen hatten, erschien Anfang des Jahres 1569.54 In ihrem kirchenrechtlichen Teil folgt sie der Württemberger Kirchenordnung (1559), in ihrem liturgischen Teil ist sie abhängig von der Lüneburger Kirchenordnung (1564). Sie besteht aus dem Vorwort des Landesherrn Julius, dem Corpus Doctrinae mit einer Einführung von Chemnitz, der Agende sowie der Kirchenverfassung. Als Anlage zur Kirchenordnung erschien ebenfalls 1569 die Klosterordnung Jakob Andreaes.55 ————— 50 Das Gutachten ist erhalten und abgedruckt bei Schumann, 253-260, vgl. dazu ebd. 151; siehe auch Reller, Kirchenverfassung, 115. 51 Andreae traf am 13. Sept. 1568 in Wolfenbüttel mit einer Instruktion seines Landesherrn Herzog Christoph von Württemberg vom 31. Aug. ein (Original erhalten, vgl. Mager, Konkordienformel, 33), Chemnitz am 24. Aug. nach der Aufforderung des Herzogs vom 28. Juli 1568, vgl. Rehtmeyer, Historiae Ecclesiasticae, Bd. 3, 325, Beilagen, 151 (Nr. 4, 5); Reller, Kirchenverfassung, 116. Zu Andreae (1528-1590) vgl. Killy, Bd. 1, 148-151 (Th. Mahlmann); Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 43f. (J. Wiesner); OER 1 (1996), 36-38 (R. Kolb); Mahlmann, Th.: Jakob Andreä im Lichte neuerer Forschung, in: Lutherische Theologie und Kirche 14 (1990), 139-153; zu Chemnitz siehe oben, 30ff. 52 Vgl. Reller, Kirchenverfassung, 117. 53 Die Visitationsberichte geben ein ungünstiges Bild von der geistlichen Versorgung der Gemeinden und dem Bildungsstand der Pastoren: Von 250 Pfarreien waren nur 26 zufriedenstellend besetzt, vgl. Spanuth, Fr.: Quellen zur Durchführung der Reformation im BraunschweigWolfenbüttelschen Lande 1551 bis 1568, in: ZGnKg 42 (1937), 241-288 (hierin 265-288 das Examensprotokoll von 1568); Krumwiede, 139; Einzelheiten über den Verlauf der Visitation bei Reller, Kirchenverfassung, 118-122. 54 Vgl. Reller, Kirchenverfassung, 127; Die Kirchenordnung ist vollständig abgedruckt bei Sehling, 83ff. 55 Vgl. Krumwiede, 139f.; dens.: Zur Entstehung des landesherrlichen Kirchenregiments in Kursachsen und Braunschweig-Wolfenbüttel, Göttingen 1967, 199ff.

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In der Vorrede zur Kirchenordnung formuliert Julius seinen religionspolitischen Standpunkt in diplomatisch verbrämter Form: Es solle dem Volk nicht ein neuer Glaube aufgezwungen werden, sondern »die alte, warhaftige catholische christliche religion« von Missbrauch gereinigt und wiederhergestellt werden.56 Julius’ Anspruch auf die Wiederherstellung der »wahrhaftigen Religion« wird auch von seinem Kanzler Münsinger bestätigt, der im Vorwort seines Julius zugeeigneten Werkes Responsorum Juris sive Consiliorum Decades (1573) hervorhebt, dass seit Julius’ Regierungsantritt wieder die wahre Religion herrsche und es Julius’ weitere Aufgabe sei, diese zu bewahren, da sie für die Regierung die nötige Grundlage bilde. Das Gewicht, das Münsinger der Religion als Fundament der Herrschaft beimisst, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Julius als pragmatischem Landesfürsten religiöser Eifer fern lag. Eine Kirchenreform erschien ihm erforderlich, um sein Fürstentum den umliegenden Ländern anzugleichen. Zudem war unter dem neuen Kaiser Maximilian II. (1564-1578) eine gemäßigte Reformation möglich, ohne dass die traditionell enge Bindung des welfischen Fürstentums an den katholischen Kaiserhof dadurch Schaden nahm. Dass die Reformation in erster Linie aus politischem Interesse durchgeführt wurde und nicht aus tiefempfundener religiöser Überzeugung, geht auch daraus hervor, dass Julius seine Söhne für katholische Ämter vorsah, was bei orthodoxen Lutheranern auf heftigen Widerstand stieß.57 Julius’ Religionspolitik entspricht somit der Regierungsführung vieler Fürsten des ausgehenden 16. Jahrhunderts, welche zwar die Religion als Fundament der Herrschaft ausgeben, ihr Handeln jedoch nach machtpolitischem Kalkül und nicht nach theologischen Überzeugungen ausrichten.58 Nach dem Erscheinen der Kirchenordnung kam zu Beginn des Jahres 1569 die Frage auf, wann und in welcher Form die Stadt Braunschweig dem neuen Herrscher Julius ihre Huldigung erweisen sollte.59 Trotz des relativ guten Verhältnisses zwischen der Stadt und Herzog Julius und der Verträge von 1553 und 1561 gab es immer noch offene Streitfragen. Der Stadtrat erklärte, nicht vor Klärung dieser Unstimmigkeiten dem neuen Landesherren huldigen zu wollen, da er erst nach Bestätigung seiner Privilegien zur Huldigung verpflichtet sei: Dies gehe aus Rechtsgutachten hervor, die der Rat hatte erstellen lassen. Julius, dem nicht an Streit gelegen war, nahm im ————— 56 Sehling, 84. Mit dieser Formulierung erfüllt Julius zumindest dem Wortlaut nach seine dem Vater gegebene Zusicherung, beim alten Glauben zu bleiben, vgl. Sehling, 84 Anm. 5. 57 Vgl. Ziegler, W.: Braunschweig-Lüneburg, Hildesheim, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500-1650, Bd. 3: Der Nordwesten, hrsg. von A. Schindling und W. Ziegler, Münster 1991, 8-43, hier 31. 58 Vgl. Scheuner, 363, 365; Schumann, 153, 64. 59 Vgl. zur Huldigung im Folgenden Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 959ff.; Spiess, Bd. 1, 107f.; Hassebrauk, Herzog Julius, 42ff.

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Februar 1569 die Klagepunkte der Stadt entgegen und stellte im März und Juni seine Gegenforderungen auf. Nachdem man sich geeinigt hatte, schickte Julius am 8. August eine Gesandtschaft zum Rat, die mit diesem einen Vertrag entwerfen sollte. Im Altstadtrathaus legte der Rat am 9. August die gebräuchliche Forma juramenti homagii vor, nach der man auch diesmal verfahren sollte.60 Am folgenden Tag schließlich wurde der Huldigungsvertrag von 1569 unterzeichnet, der die Privilegien der Stadt bestätigte.61 Nach Abschluss des Vertrages stand der Huldigung von Seiten des Rates und der Bürger nichts mehr im Wege. Der Huldigungstermin war bereits bei den Verhandlungen auf den 3./4. Oktober festgelegt worden.62 Die Huldigungsfeier, die jedem welfischen Fürsten bei Regierungsantritt in der Stadt Braunschweig zuteil wurde, lief nach einem festen Protokoll ab:63 Am frühen Nachmittag des 3. Oktober zog Herzog Julius feierlich mit Pauken und Trompeten durch das Steintor in Braunschweig ein, wobei ihm zu Ehren zahlreiche Geschütze auf den Wällen abgefeuert wurden.64 Er saß auf einem weißen Ross, umgeben von seinem Gefolge, das aus 600 Männern zu Pferde bestand. Darunter waren mehrere niedersächsische Grafen sowie der Kurfürst von Brandenburg und der Herzog von Jülich. Die Bürger hatten sich nach Ständen getrennt in Waffen aufgestellt und bildeten Spalier. Mit sich brachte Julius 26 aus der Stadt Vertriebene, die der Fürst nach altem Brauch bei seinem Einzuge wieder mit in die Stadt führen durfte. Auf den Zug des Herzogs folgte wenig später der seines vierjährigen Sohnes Heinrich Julius. Ihn begleiteten unter anderem Sophie, die Witwe Heinrichs des Jüngeren, und Julius’ Gemahlin Hedwig in einem Prunkwagen. Der folgende Tag, der für die Erbhuldigung vorgesehen war, begann mit einem Gottesdienst in der Brüdernkirche, in dem Superintendent Martin ————— 60 Zur Huldigungsformel vgl. Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 961 und Sack, 63ff. 61 Der Vertrag ist abgedruckt bei Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 9911000. Zum Inhalt vgl. Spiess, Bd. 1, 108-110. Die Huldebriefe sind wiedergegeben bei Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 1000-1002 und bei Hänselmann, L. (Hg.): Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, Bd. 1: Statute und Rechtebriefe 1227-1671, Braunschweig 1873, 381384. 62 Vgl. zum Folgenden Spiess, Bd. 1, 110f.; ausführlich Rehtmeyer, BraunschweigLüneburgische Chronica, 962ff.; Sack, 69ff.; Hassebrauk, Herzog Julius, 47f. 63 Vgl. Ohm, 67-70. In gleicher Weise wurde zuvor schon Heinrich d. J. 1555 gehuldigt und später z.B. Friedrich Ulrich (1616) und Rudolf August (1671); vgl. zu diesen Feiern Spiess, Bd. 1, 102f., 177f., 225f. sowie Ohm, 69 zu Friedrich Ulrich und H. J. Querfurth (Die Unterwerfung der Stadt Braunschweig im Jahre 1671. Das Ende der Braunschweiger Stadtfreiheit, Braunschweig 1953, 243-245) zu Rudolf August. 64 Zum Einzug des Julius vgl. besonders den Bericht des Zeitzeugen Joachim Brandis d. J.: Buhlers, M. (Hg.): Joachim Brandis’ des Jüngeren Diarium ergänzt aus Tilo Brandis’ Annalen. 1528-1609, Hildesheim 1902, 111ff.

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Chemnitz die Festpredigt hielt. Im Anschluss daran fand im Altstadtrathaus der Huldigungsakt statt, bei dem zunächst der Rat vor dem Herzog den Huldigungseid ablegte und ein Geschenk überreichte. Danach begaben sich der Herzog zusammen mit seinem Kanzler Münsinger und Dietrich von der Leine, dem regierenden Bürgermeister, hinaus auf die Ratslaube, von der dieser die auf dem Altstadtmarkt versammelten Bürger den Eid schwören ließ. Nach mehreren Festtagen in Braunschweig traten Herzog Julius und sein Gefolge am 8. Okt. den Heimweg nach Wolfenbüttel an.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

4.3 Aufbau und Inhalt Matthias Bergius’ Panegyricum Carmen, das 1273 katalektische daktylische Hexameter umfasst, schildert in nahezu chronologischer Abfolge die Ereignisse von Herzog Julius’ Regierungsantritt nach dem Tod seines Vaters Heinrich im Sommer 1568 bis zu seinem Einzug in die Stadt Braunschweig und seiner Huldigung im Oktober 1569. Im Mittelpunkt des dichterischen Preises auf Julius stehen seine Bemühungen um die Festigung der evangelischen Kirche, die er als Garantin der vera religio, der »wahren Religion« (vgl. 91f.) rechtfertigt und rühmt. Hiermit verbunden sind scharfe Polemik und Kritik an der katholischen Kirche und dem römischen Papsttum. Dabei behandelt das Gedicht, wie bereits Rehtmeyer in seiner Braunschweig-Lüneburgischen Chronik von 1722 festgestellt hat, »nicht allein den damaligen Zustand der Stadt und Kirchen, sondern auch die Historie der Herzöge zu Braunschweig«:1 In der Tat nimmt das Lob der Vorfahren des Julius mehr als ein Drittel des Gedichtes ein. Vom Prooemium (1-62) und der Sphragis (1205-1273) gerahmt, entfaltet sich der Inhalt des Gedichts in drei Hauptteilen: Der erste Teil enthält die Überlegungen und ersten Regierungsmaßnahmen des Julius in Wolfenbüttel nach dem Tod seines Vaters Heinrich des Jüngeren (63-343). Der zweite Hauptteil beschreibt die der Huldigung des Julius unmittelbar vorausgehenden Vorbereitungen und Ereignisse und schließt eine 420 Verse umfassende Ekphrasis eines Teppichs ein, auf dem Julius’ Vorfahren abgebildet sind (344-907). Der Einzug des Herzogs und seine Huldigung in Braunschweig bilden den Abschluss der Handlung im dritten Abschnitt (908-1204). Der Gedankengang des Gedichts sei nun kurz umrissen: Das Prooemium, das inhaltlich in zwei Teile zerfällt (1-42, 43-62), beginnt mit einem Sonnenvergleich: Der Sonnengott Phoebus, an den sich der Dichter in einer Apostrophe wendet, wird mit dem Herrscher verglichen: Wie Phoebus bei bedecktem Himmel nicht in Erscheinung treten kann, sein Licht aber, sobald sich der Himmel aufheitert, umso heller strahlt und allgemeine Freude hervorruft (1-15), so kann auch der Herrscher, wenn ihn ein widriges Schicksal daran hindert, seinen Glanz zunächst nicht entfalten. Mit der Unterstützung Gottes aber könne sein vorher verborgenes Licht Kostbarkeiten, wie Frömmigkeit, musische Künste, Weisheit und Tugend, hervorbringen (16-23). Im Folgenden wird der Herrscher mit dem ersehnten Fürsten Julius gleichgesetzt, der jetzt direkt angesprochen wird: Vierzig ————— 1 Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 970.

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Jahre lang hat ein hartes Schicksal seine virtus verborgen gehalten. Jetzt jedoch sei der von Dunkelheit befreite Tag gekommen, an dem er von seinem Vater die Regierung übernommen habe (24-42). Im zweiten Teil des Prooemiums wünscht sich der Dichter Inspiration durch die Musen, um der schwierigen Aufgabe, Julius mit einem Gedicht unsterblichen Ruhm zu verleihen, gerecht werden zu können (43-55). Mit einer topischen Bescheidenheitsbekundung beendet er seine Einleitung (5662). An das Prooemium schließt sich die Schilderung der von Julius getroffenen ersten Regierungsmaßnahmen in Wolfenbüttel an. Nach der Beerdigung seines Vaters Heinrich des Jüngeren macht sich Julius zunächst Gedanken über die Grundlagen seiner Herrschaft (63-87).2 Dabei überlegt er vor allem, wie er die »wahre Religion« (also die protestantische Kirche) stärken und den katholischen Glauben verdrängen könne (88-97), und erinnert sich an die Klagen, die einst die Patria ihm gegenüber geäußert hatte, sowie an die Versprechen und die Hoffnung, die er ihr damals gemacht hatte (98-100). In einer Rückwendung wird nun das Gespräch zwischen der Patria und Julius wiedergegeben (101-206): Die hochbetagte Patria bittet Julius in einer pathetischen Rede um Hilfe, da das Land vom Katholizismus und dem römischen Papsttum verseucht sei (109-176). Der erste Teil der Rede (109148) enthält die Klagen der Patria: Die meisten Bürger bekennen sich nicht zur »wahren Religion«, so dass Gott verachtet, Sitten und Recht vernachlässigt und schwere Verbrechen begangen würden (109-124). Aus Sorge um die Menschen und den Zustand im eigenen Lande wünscht sich die Patria, aus ihrer Haut zu schlüpfen und als Landesflüchtige ihr Leben selbst in unwirtlichsten Gegenden zu fristen (125-135). Weiterhin klagt sie, dass sich keiner bemühe, diesem Zustand ein Ende zu machen und den Übeln abzuhelfen (136-148). Im zweiten Teil ihrer Rede (149-176) wendet sich die Patria an Julius: An seine Regierung knüpft sie die Hoffnung auf ein besseres Zeitalter. In einem erneuten Anruf fleht die Patria Julius an, der Kirche Christi ein Fundament zu schaffen und die verderbenbringende ————— 2 Die Handlung setzt mit postquam ein (63) – einer Konjunktion, wie sie für den Beginn eines epischen Buches charakteristisch ist (vgl. Verg. Aen. 3, 1; Lucan. 6, 1; Stat. Theb. 11, 1; Sil. 3, 1). Nach der langen Ekphrasis des Teppichs wird Bergius in Vers 884 die Erzählung von der eigentlichen Handlung des Panegyricum Carmen erneut mit postquam aufnehmen. Ansonsten leitet Bergius neue Handlungsblöcke seines Gedichts mit interea (900, 949) oder einer epischen Zeitperiphrase (915) ein und stellt sich damit in die Nachfolge Claudians, der beispielsweise den narrativen Teil seines Panegyricus auf das dritte Konsulat des Honorius mit interea beginnt (63) oder im Bellum Gildonicum durch eine Periphrase der Nacht Götter- und Menschenhandlung trennt (213f.), vgl. hierzu Schindler, Claudians Panegyriken, 27.

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Religion des Papstes zu vernichten (149-164). Mit Ruhmversprechen beendet sie ihre Rede (165-176). Julius versucht nun, die Patria mit seiner Antwortrede zu besänftigen (177-206): Sie solle sich nicht fürchten; er selbst sei in gleicher Weise wie sie über die gegenwärtige Lage des Landes besorgt, könne dem Übel jedoch noch nicht abhelfen. Gott selbst müsse den Weg ebnen (179-194). Sobald aber die Herrschaft des Vaters an ihn übergehe, so verspricht Julius, werde er sich als erstes um die Verbreitung der Religion Christi kümmern. Julius beendet seine Rede mit der Bitte an die Patria, ihr Leid zu ertragen und Gott zu vertrauen (201-206). Hier endet die Rückwendung. Das Volk trägt dem neuen Herrscher Julius nun seine Wünsche vor und fordert seine alten Versprechen ein. Dieser gelobt in einem Gebet unter Berufung auf die Psalmen, Gott zu dienen, und bittet Gott um Beistand und Unterstützung bei seinen Taten (207-233). Dann entschließt er sich, Berater an den Hof kommen zu lassen (234-244) und fordert sie in einer Rede auf, zu einer Herrschaft in Frieden beizutragen; das vorrangige Bestreben aller müsse die Sorge um die Religion sein (245-263). Im Anschluss an Julius’ Rede ergreift Münsinger,3 ein besonders ausgezeichneter Berater, das Wort (264-325). Er hebt hervor, dass Julius mit den Anfängen seiner Herrschaft, in denen er sich vornehmlich um Religion und Frömmigkeit kümmere, den Grundstein seiner künftigen Regierung gelegt habe. Die Religion bilde nämlich das Fundament für das Gute und Rechte; von ihr hänge das weitere Wohlergehen entscheidend ab.4 Julius solle seinen Vorfahren, Konstantin und Karl dem Großen, die für ihren Glauben gekämpft haben, nacheifern, ohne sich von den Drohungen des Papstes abschrecken zu lassen. Gott werde seine Schritte sicher lenken, ihn beschützen und zu großem Lohn führen. Die übrigen Berater schließen sich Münsingers Worten an. Daraufhin holt Julius als theologische Berater Jakob Andreae aus Württemberg und Martin Chemnitz aus Braunschweig an den Hof in Wolfenbüttel. Beide machen sich mit vollem Eifer daran, die protestantische Lehre in den Kirchen des Landes zu verbreiten (326-343).5 Der zweite Hauptteil des Gedichts umfasst die Vorbereitungen, die in Braunschweig für die Huldigung des Herzogs getroffen werden: Die Taten des Julius lösen allgemeine Freude aus, bei den Nachbarvölkern ebenso wie bei den Einwohnern, die über den neuen Herrscher jubeln. Selbst die Musen preisen Julius (344-354): Die Muse Kalliope fordert in einer Rede (355————— 3 Zu Joachim Münsinger von Frundeck vgl. oben, 131. 4 Zur Wichtigkeit dieses Gedankens vgl. oben, 133. 5 Zu Jakob Andreae und Martin Chemnitz vgl. oben, 132.

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385) ihre Schwestern auf, Julius wegen seiner Frömmigkeit und heroischen Kraft mit ewigem Gesang zu rühmen. Kränze sollen für Julius, der als Maecenas bezeichnet wird, geknüpft werden, da er ein besseres Zeitalter bringen werde, in dem Barbarei und Gottlosigkeit nichts mehr auszurichten vermögen. Der anschließende Gesang der Musen bringt, so der Dichter, einen derart herrlichen Klang hervor, dass er nicht in der Lage sei, ihm mit seiner menschlichen Stimme Ausdruck zu verleihen (386-389). Mit dem Auftreten des Flussgottes Oker leitet der Dichter eine neue großangelegte Szene ein, in deren Mitte die umfangreiche Ekphrasis eines Teppichs steht, auf dem Julius’ Vorfahren zu sehen sind (390-899). Der Flussgott, der in seiner Höhle von Nymphen umringt ist, klagt angesichts der katholischen Herrschaft über das harte Los seines Landes (390408). In solche Gedanken versunken, hört er plötzlich lauten Beifall und Lobpreisungen (409-416). Fama fliegt herbei und nennt ihm den Grund der Freude: Julius hat die Herrschaft angetreten. Sie fordert die Nymphen und den Okergott auf, diesen Anlass würdig zu feiern (417-425). Nach der Rede der Fama rühmt der Okergott den von ihm lang ersehnten Herrscher Julius und fordert seine Flussnymphen auf, zu Ehren des Julius einen Teppich zu weben, auf dem der neue Fürst der Reihe nach seine Vorfahren betrachten könne (426-456). Die Nymphen machen sich ans Werk und weben aus Musselin, Gold, Leinen und Wolle einen bunten Teppich (457-461). Es folgt die Beschreibung des Teppichs, die nicht nur durch ihre Länge besonderes Gewicht erhält, sondern auch durch ihre hervorgehobene Stellung in der Mitte des Gedichts (462-880). Wie der Okergott befohlen hatte, sind zunächst die sächsischen Herrscher dargestellt. Den Anfang macht Sighard, der nach den Angaben des Dichters zur Zeit Mohammeds lebte (462-472).6 Die Vorfahren des Julius erscheinen in einer chronologisch fast lückenlosen Reihe, die über die Sachsenkönige (462-533), die Familien der Brunonen, Ottonen und Liudolfinger (534-647) sowie die Herrscherhäuser Northeim (647-654) und Süpplingenburg (654-669) schließlich zu den Welfen gelangt und bis in die Gegenwart des Julius reicht (661-880). Unter den Sachsenführern wird besonders Widukind wegen seines Kampfeseifers hervorgehoben, der erbitterte Kämpfe gegen den Kaiser führte, schließlich besiegt und zum Christentum bekehrt wurde (492-526). Mit dem Sachsenherzog Bruno (536) wird der Blick allmählich auf die Braunschweiger Herrscher gelenkt. Aus der Familie der Welfen, den unmittelbaren Vorfahren des Julius, wird am ausführlichsten Heinrich der Löwe gewürdigt (670-718). Besonders betont werden seine Tapferkeit und sein Bestreben, Städte zu gründen ————— 6 Zu den in der Ekphrasis genannten Fürsten vgl. unten, Anhang 3.

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und sein Reich zu erweitern. Sein Siegesruhm trieb ihn vom Rhein bis zur Ostsee, er gelangte nach Italien und sogar ins Heilige Land. Als es Verschwörungen gegen den in seiner Macht arglosen Heinrich den Löwen gab, war dieser gezwungen, nach Dänemark und England zu fliehen. Nach drei Jahren schließlich kehrte er zurück und versuchte, seine alte Macht wiederherzustellen. Den Platz am äußersten Rand des Teppichs nimmt Heinrich der Jüngere, der Vater des Julius, ein (874-880). In der Reihe seiner herausragenden Vorfahren verdiene er, der aus seinen Ländern vertrieben wurde und nach der Rückkehr die Herrschaft wieder übernahm, nach Meinung des Dichters einen würdigen Platz.7 Mit einer Abbruchsformel beendet der Dichter die Beschreibung des Teppichs (881-883) und führt nun die Rahmenhandlung rasch zu Ende: Der Okergott verlässt seine Höhle und folgt seinem eigenen Lauf bis nach Wolfenbüttel zum Haus des Julius. In einer Rede bittet er diesen, den Teppich als Geschenk anzunehmen. Mit der Prophezeiung, dass sich bald eine Schwanenfamilie an seinen Ufern erheben werde, um ihn auf andere Weise zu preisen, beendet der Okergott seine Rede und zieht sich in seine Flusshöhle zurück (883-899). In einem kurzen Nachtrag erwähnt der Dichter die Reisen, die Julius im Zeitraum der genannten Huldigungsvorbereitungen unternommen hat, um Bündnisse zu schließen und seine Herrschaft zu festigen (900-907). Im dritten Hauptteil schildert der Dichter den Tag von Julius’ Einzug in Braunschweig und der Huldigungsfeier in der Stadt aus seiner eigenen Sicht als Zuschauer im Volk. Auffällig ist an dieser Stelle der Wandel der Erzählperspektive: In den ersten beiden Hauptteilen war die Sicht des Erzählers eine auktoriale gewesen, der allwissend so verschiedene Vorgänge wie die Regierungsmaßnahmen des Julius, den Jubelgesang der Musen und das Geschehen in der Grotte des Okergottes schildern konnte. Im letzten Drittel des Gedichts verfügt der Erzähler jedoch lediglich über eine aktoriale (oder personale) Sicht: Der Erzähler ist jetzt am Handlungsgeschehen, den Vorgängen des Einzugstages, unmittelbar beteiligt und schildert den Verlauf der Dinge aus der Perspektive, die er als am Geschehen Beteiligter, gewissermaßen als actor, hat.8 ————— 7 Zu Heinrich dem Jüngeren vgl. ausführlich oben, 123ff. 8 Die hier vorgenommene Unterscheidung zwischen auktorialem und aktorialem Erzählen erfolgt im Anschluss an Winkler, J. J.: Auctor & Actor. A narratological reading of Apuleius’s Golden Ass, Berkeley 1985. Die begrifflich stärker verfeinerten Unterscheidungen zur Stellung des Erzählers zum Geschehen, wie sie M. Martinez und M. Scheffel (Einführung in die Erzähltheorie, München 1999, 80ff.) vornehmen, bringen für die Analyse der Erzählhaltung im Panegyricum Carmen keinen Gewinn.

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Zunächst gibt der Dichter die eigene Stimmung am Tag des Einzugs wieder (908-975):9 In einer Apostrophe wendet er sich an Braunschweig (908-910) und bittet darauf in einem Musenanruf (911-914) angesichts des festlichen Rahmens um mehr Glanz für seine Verse. Am Morgen dieses herrlichen Oktobertages fragt der Dichter Apoll, was das strahlend schöne Wetter zu bedeuten habe. Apoll antwortet vorwurfsvoll, er sei nicht dafür zuständig, klare Sachverhalte zu erläutern. Denn alle wüssten, dass Julius als Herrscher komme, mit dem ein neues Zeitalter anbreche (915-948). Inzwischen hört der Dichter Hörner- und Trompetenspiel, Beifall und Lärm und das Geräusch von Geschossen. Scharen strömen zusammen, und der Dichter fragt sich, ob Julius nun komme. Nachdem ihm dies ein Mann aus dem Volk bestätigt hat, richtet er ein Gebet an Gott mit der Bitte, dass Julius unter Gottes Vorsehung für das Gemeinwohl arbeiten und Gott angemessen verehren soll (949-975). Im Folgenden schildert der Dichter den Einzug des Julius und seines Gefolges (976-1038). Nach einer Reiterschar zieht Julius selbst zusammen mit ausgewählten Fürsten durch die Tore ein. Das Volk ist nach Ständen geordnet auf beiden Seiten des Weges zugegen und jubelt in unbeschreiblichem Ausmaße. Dann erhebt sich ein Mann aus dem Volk und hält eine Rede (1039-1078): Diese beginnt mit einem μακαρισμόςauf die Patria, die nun den lange ersehnten, ruhmreichen Fürsten aufgenommen habe. Anschließend hebt er die Begleiterinnen des Julius hervor: wünschenswerte Zustände, die als allegorische Figuren auftreten. Unter ihnen ragen besonders die goldene Pax und die allen voranschreitende (vera) Religio heraus. Julius selbst wird als bescheiden gekleideter, volksnaher Herrscher beschrieben. Mit dem an Julius gerichteten Wunsch, er möge Frieden, Gerechtigkeit und die Liebe zu wahrer Frömmigkeit bringen, beendet der Bürger seine Rede. Seine Wünsche wiederholen weitere Bürger, und das gesamte Volk bekennt sich zu seinem neuen Herrscher (1079-1083). Vor dem Altstadtrathaus tritt nun die Patria auf; sie ist in ein neues Gewand gehüllt und begegnet Julius mit freundlicherer Miene als bei ihrer ersten Rede (1084-1094a). In ihrer Rede (1094b-1177) fordert sie die Parzen auf, Goldene Zeitalter zu spinnen, wie die Orakel sie unter der Herrschaft des Julius voraussagen. Ehrungen sollen von den Bürgern vollzogen werden, da Julius in aufrichtiger Frömmigkeit Frieden bringen werde. Er werde nicht die Verträge brechen,10 denn er kenne nur Gerechtigkeit und Frömmigkeit und werde von Gott gelenkt. Daher fordert die Patria die Bürger auf, ihn zu ehren und mit Geschenken an sich zu binden (1094-1139). Im zweiten Teil ihrer Rede spricht die Patria Julius an und bittet ihn, die ————— 9 Zum Einzug am 3. Oktober 1569 vgl. oben, 134f. 10 Zu dem am 10. August zwischen Julius und der Stadt geschlossenen Vertrag vgl. oben, 134.

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Geschenke anzunehmen und dem Volk, das ihn liebt und verehrt, mit den gleichen Gefühlen zu begegnen. Mit der Bitte an Julius, weiterhin für die Festigung der Kirche und für Frieden zu sorgen, beendet die Patria ihre Rede (1140-1177) und zieht sich in ihr Gemach zurück (1178-1182). Im Anschluss an die Rede der Patria fordert der Dichter die Bürger Braunschweigs (1183-1195) und die Musen (1196-1204) auf, den Tag der Huldigung alljährlich als Festtag zu begehen. Den Schluss des Gedichts bildet eine Sphragis: Der Dichter stellt sich als Rektor des Katharineums vor und kündigt im Namen seiner Schule ein Gebet für Julius, ein Lied nach Art des David, an (1205-1217).11 Dieses Gebet, in das Reden von Julius und Gott eingelegt sind, enthält als Kernaussagen die Versicherung des Julius, sich um die »wahre Religion« und die protestantische Kirche zu kümmern, sowie Gottes Verheißung eines ewig währenden Thrones für Julius und seine Nachkommen (1218-1267). Mit dem Wunsch und der Aufforderung an Julius, sein bescheidenes Lob nicht zu verachten, beendet der Dichter sein Gedicht. Um sein mangelndes Können zu entschuldigen, verweist er auf seine derzeitige Tätigkeit als Rektor, während der seine Muse ungeübt geblieben sei (1268-1273). Schematisch lassen sich die Struktur und der Gedankengang des Panegyricum Carmen schließlich folgendermaßen skizzieren:

————— 11 Dem Gebet liegt Psalm iuxta LXX 131 der Vulgata zugrunde; die schwierige Stelle wird unten, 238ff. ausführlich gedeutet.

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Aufbau und Inhalt Verse 1-62 63-343 63-87 88-100

101-176 177-206 207-233 234-263 264-325 326-343 344-907 344-354 355-389 390-425

426-461

462-880 881-899 900-907 908-1204 908-975 908-910 911-914 915-948 949-975 976-1038 1039-1204 1039-1078 1079-1083 1084-1182 1183-1204 1205-1273

Inhalt Prooemium Erste Überlegungen und Regierungsmaßnahmen des Julius nach dem Tod seines Vaters Heinrich d. J. Begräbnis des Vaters, Julius‘ Regierungsantritt Überlegungen des Julius: Sorge um die wahre Religion, Erinnerung an die Klagen der Patria Auftritt und Rede der Patria (Beginn der Rückwende) Antwortrede des Julius (Ende der Rückwende) Wünsche und Forderungen des Volkes Julius ruft Berater an den Hof, Rede des Julius Rede des Münsinger Zusammenkunft der beiden von Julius angeforderten auswärtigen Berater (Andreae, Chemnitz) Ereignisse vor der Huldigung Landesweiter Jubel für Julius Rede der Kalliope an die übrigen Musen Auftritt des Okergottes, Rede der Fama: Bericht von Julius’ Regierungsantritt, Aufforderung an Musen und Oker zur Huldigung Rede des Okergottes: Aufforderung an die Nymphen, einen Teppich als Geschenk für Julius zu weben, Vorbereitung der Nymphen Teppichekphrasis Rede des Okergottes: Bitte an Julius, das Geschenk gütig anzunehmen Reisen und Bündnisse des Julius Tag des Einzugs und der Huldigung Stimmung am Tag des Einzugs Anrede Braunschweigs Musenanruf Gespräch zwischen Dichter und Apoll Freudige Erwartung des Dichters und des Volkes Einzug des Julius Huldigung Rede eines Bürgers Das gesamte Volk bekennt sich zu Julius Auftritt und Rede der Patria Aufforderung des Dichters an Bürger und Musen, den Huldigungstag alljährlich zu feiern Sphragis: Schlussgebet des Dichters zu Gott

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

4.4 In der Nachfolge Claudians: Funktionale und formale Überlegungen zur Gattung Einen Hinweis auf die Gattungszugehörigkeit des Gedichts gibt bereits sein Titel: Mit der Bezeichnung Panegyricum Carmen ordnet Matthias Bergius sein Gedicht einerseits der Panegyrik, andererseits der Epik zu.1 Beide Gattungen haben seit der Antike eine lange Tradition. Im Folgenden soll das Gedicht zunächst funktionsgeschichtlich in die Tradition der Panegyrik eingeordnet werden; dabei ist auch auf den spezifischen Anlass des Gedichts einzugehen, nämlich den Adventus, der Raum gewährt für Reden mit panegyrischem und paränetischem Charakter. Im Anschluss daran soll das Panegyricum Carmen formal in die Tradition epischer Dichtung mit panegyrischer Tendenz eingeordnet werden, wie sie im Lateinischen insbesondere Claudian geprägt hat. Der Begriff »Panegyrik« (πανηγυρικός sc. λόγος) bezeichnet seinem eigentlichen Wortsinn nach eine Rede, die vor einer Festversammlung (πανήγυρις) gehalten wurde. Als in der klassischen Zeit Griechenlands Isokrates zum ersten Mal einer seiner Reden (or. 4) den Titel πανηγυρικόςgab, verwendete er das Adjektiv genau in diesem Sinne.2 Die uns geläufige Bedeutung von πανηγυρικός als einer Lobrede, für die im Griechischen die Bezeichnung ἐγκώμιον, im Lateinischen zunächst laus bzw. laudatio üblich war, geht auf den Sprachgebrauch der römischen Spätantike zurück, in der sich der Begriff panegyricus von seiner allgemeinen Bedeutung »Rede vor einer Festversammlung« auf das Herrscherlob verengte. Die Spezifizierung des Begriffs ist im Verlauf der Kaiserzeit erfolgt, in der das Lob des Herrschers das hauptsächliche Thema der Festrede geworden war. In der christlichen lateinischen Literatur werden dann die Ausdrücke laus, panegyricus und enkomium nahezu bedeutungsgleich verwendet.3 In der antiken Rhetorik konstituiert die Lobrede gemeinsam mit der Tadelrede das γένος ἐπιδεικτικόνbzw. das genus demonstrativum.4 Die enge ————— 1 Die Römer gebrauchten als Gattungsbezeichnung lieber das lateinische Wort carmen als das griechische epos, vgl. dazu die Belege bei Kirsch, 12; Fromm, H.: Epos, in: RLW 1 (1997), 480484, hier 480. 2 Vgl. zuletzt Mause, Panegyrik, 495; Drux, R.: Panegyricus, in: RLW 3 (2003), 5-8, hier 5; J. Dingel, 240; noch immer wichtig Ziegler. 3 Vgl. Ziegler, 570; J. Dingel, 242; Payr, 332f. 4 Vgl. z.B. Arist. rhet. 1, 3, 3 (1358b): ἐπιδεικτικοῦ δὲ τὸ μὲν ἔπαινος τὸ δὲ ψόγος; Rhet. Her. 1,2: Demonstrativum est quod tribuitur in alicuius certae personae laudem aut vituperationem und Quint. inst. 3, 4, 12: unum genus, quo laus ac vituperatio continetur, [...] est appellatum a parte

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Verbindung von Lob und Tadel und somit der Gattungen Panegyrik und Invektive tritt hier deutlich hervor. Speziell zum Herrscherlob hat sich in der antiken rhetorischen Theorie insbesondere der griechische Rhetor Menander im dritten nachchristlichen Jahrhundert geäußert. In dem Traktat περὶ ἐπιδεικτικῶνgibt er Vorschriften für den Aufbau des Panegyricus, den er als βασιλικὸς λόγοςbezeichnet und als ἐγκώμιον βασιλέως definiert.5 Auf der Grundlage Menanders formulierte auch Julius Caesar Scaliger 1561 seine Anweisungen zum Herrscherlob.6 Im Rhetorikunterricht (vornehmlich an den protestantischen Schulen) wurden im 16. Jahrhundert jedoch in erster Linie die Progymnasmata des Aphthonios aus dem 4./5. Jahrhundert in lateinischer Übersetzung benutzt.7 Die Frage, ob und in welchem Umfang Bergius mit den theoretischen Schriften des Altertums zum Herrscherlob vertraut war, als er sein Panegyricum Carmen verfasste, lässt sich nicht mit Gewissheit beantworten. In jedem Fall aber hat er von der reichen literarischen Motivik Gebrauch gemacht, welche die panegyrische Rede, in Prosa und Dichtung, entwickelt hat.8 Lobreden auf Herrscher sind seit der Kaiserzeit in der griechischen wie in der lateinischen Literatur in großem Umfang erhalten; besonders reich blühte die Panegyrik in der Spätantike, in der heidnische ebenso wie später auch christliche Kaiser in Lobreden gepriesen wurden.9 In der lateinischen ————— meliore laudativum: idem alii demonstrativum vocant. Quintilian behandelt das genus demonstrativum in inst. 3, 7. Zur Theorie (und Praxis) der epideiktischen Rede vgl. Burgess, T. C.: Epideictic Literature, in: The University of Chicago, Studies in Classical Philology 3 (1902), 89-261; Buchheit, V.: Untersuchungen zur Theorie des Genos Epideiktikon von Gorgias bis Aristoteles, München 1960; Martin, J.: Antike Rhetorik. Technik und Methode, München 1974, 177-210; Russell / Wilson, xi-xxxiv; Russell, D.A.: The Panegyrists and Their Teachers, in: Whitby, 17-50; Zinsmaier, Th.: Epideiktik zwischen Affirmation und Artistik. Die antike Theorie der feiernden Rede im historischen Aufriß, in: Kopperschmidt / Schanze, 375-397. 5 Russell / Wilson, 368, 3. Zu Menander und seinen Redeanweisungen vgl. Mause, Darstellung des Kaisers, 20ff.; Russell / Wilson, xxxiv-xl; Straub, 153-159. 6 Vgl. Iulius Caesar Scaliger, Poetices libri septem 3, 108. Zur Menander – Rhetor – Rezeption in der Renaissance, u.a. auch bei Scaliger, vgl. Harsting, P.: The Golden Method of Menander Rhetor. The Translations and the Reception of the περὶ ἐπιδεικτικῶνin the Italian Renaissance, in: Analecta Romana Instituti Danici 20 (1992), 139-157 (mit weiterführender Literatur). 7 Die in Deutschland am weitesten verbreitete lateinische Übersetzung stammt von Rudolph Agricola (1444-1485). Beliebtheit errangen Aphthonios’ Progymnasmata vor allem dadurch, dass die 14 gegebenen Definitionen rhetorischer Grundbegriffe jeweils durch einen Mustertext erläutert wurden. Die laudatio ist in der Sammlung die achte, die vituperatio die neunte Übung. Zu Aphthonios vgl. Kraus, M.: Aphthonios, in: O. Schütze (Hg.), Metzler Lexikon antiker Autoren, Stuttgart 1997, 60f.; zur Nachwirkung Hinz, M.: Panegyrik, in: DNP 15/2 (2002), 49-55, hier 5052. 8 Vgl. dazu unten, 158ff. 9 Die aus der Antike überlieferten griechischen und lateinischen Lobreden und -gedichte sind in einer tabellarischen Übersicht (mit Angabe von Autor und Adressat sowie Ort, Zeit und Anlass) erfasst bei Portmann, W.: Geschichte in der spätantiken Panegyrik, Frankfurt a. M. 1988, 319ff.; vgl. auch Lehnen, 351ff. und zusammenfassend Mause, Panegyrik, 498f.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Literatur ist unter dem Titel Panegyrici latini eine spätantike Mustersammlung von 12 Lobreden überliefert, die von dem Panegyricus des Plinius auf Trajan (aus dem Jahre 100) eröffnet wird. Es folgen drei weitere umfangreiche Preisreden (die des Pacatus auf Kaiser Theodosius (389), die des Mamertinus auf Julian (362) und die des Nazarius auf Konstantin (321)) sowie acht kürzere Panegyrici aus dem dritten bzw. vierten Jahrhundert. Außerhalb dieses Corpus sind erhalten die Lobreden des Ausonius auf Gratian (379), des Flavius Merobaudes auf Aëtius (437) und des Ennodius auf Theoderich (507) sowie Bruchstücke von Panegyriken des Symmachus (4. Jh.) und Cassiodor (6. Jh.).10 Eine Schlüsselstellung für die lateinische Verspanegyrik nimmt der Dichter Claudian aus dem späten vierten Jahrhundert ein,11 der in Anschluss an heute verlorene griechische Vorbilder (historische) Epik und Herrscherlob verband.12 Mit seinen hexametrischen Gedichten ehrte er den Kaiser Honorius, aber auch Personen aus dem Umkreis des Kaiserhofes, wie Stilicho, Manlius Theodorus und die Brüder Olybrius und Probinus, anlässlich ihres Konsulates. Seinem Vorbild folgten im fünften Jahrhundert Apollinaris Sidonius (auf Avitus, Maioran und Anthemius) und Merobaudes (446 auf Aëtius), im sechsten Jahrhundert Priscianus (512 auf Anastasius) und Corippus (auf Justinus, bald nach 565).13 Im Christentum beschränkte sich die Panegyrik nicht allein auf Kaiser und andere hochgestellte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens; in panegyrischen Predigten wurden die Techniken des Herrscherlobes auch auf Märtyrer und Heilige angewendet.14 Über das Mittelalter15 setzte sich die panegyrische Tradition nahtlos bis in die frühe Neuzeit fort, so dass sie auch im 16. Jahrhundert einen breiten Raum einnimmt: Besonders zahlreich vertreten sind Panegyriken auf die habsburgischen Kaiser, insbesondere auf Maximilian I., II. und Karl V.;16 darüber hinaus werden auch andere Wür————— 10 Vgl. hierzu MacCormack, Latin Prose Panegyrics und MacCormack, tradition and discontinuity; Zelzer, 544. 11 Zu Claudian als (Struktur- und Sprach-)Vorbild für die Dichter des 16. Jahrhunderts, insbesondere für Matthias Bergius, vgl. unten, 211. 12 Vgl. hierzu Döpp, Zeitgeschichte, 21. 13 Vgl. Ziegler, 571ff.; Zelzer, 545. Einen kurzen Überblick über die lateinische Prosa- und Verspanegyrik gibt auch Born. Die spätantike Verspanegyrik untersuchte zuletzt Schindler, Per Carmina laudes. 14 Vgl. hierzu Payr, 338-343. 15 Vgl. hierzu Bittner und Georgi. 16 Die lateinische panegyrische Dichtung auf die Habsburger ist Gegenstand des seit 1995 von Franz Römer und Elisabeth Klecker geleiteten Forschungsprojektes am Institut für Klassische Philologie der Universität Wien, vgl. http://kphil.ned.univie.ac.at/ (Poetische Habsburg-Panegyrik): vgl. z.B. Römer, F. / Klecker, E.: Poetische Habsburg-Panegyrik in lateinischer Sprache. Bestände der Österreichischen Nationalbibliothek als Grundlage eines Forschungsprojekts, in: biblos 43/3-4 (1994), 183-198; Klecker, E.: ›Nachleben antiker Mythologie in der Renaissance‹

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denträger zu jeder beliebigen Gelegenheit mit Lobreden und -gedichten bedacht. Als richtungsweisende Beispiele für das 16. Jahrhundert seien der Prosa-Panegyricus des Erasmus von Rotterdam auf Philipp den Schönen (1504) und Ulrich Huttens Vers-Panegyricus auf Albrecht von Brandenburg (1515) genannt.17 Panegyrische Reden und Gedichte wurden zu einer Vielzahl von Anlässen gehalten und abgefasst. Zum Anlass von Matthias Bergius’ Panegyricum Carmen auf Herzog Julius gibt erneut der Titel des Gedichts Aufschluss: In illustrissimum principem [...] Brunsvigam ingredientem: Durch das Partizip ingredientem ordnet Bergius seinen Panegyricus in die seit der Antike bestehende Tradition der Adventus-Literatur ein.18 Adventus bedeutet »ein von verschiedenen Ritualen bestimmtes und getragenes Zeremoniell, welches sich beim Empfang des Kaisers oder einer anderen hochgestellten Person mit festlichen Elementen entfaltete«.19 Die Impulse zur Gestaltung dieses Zeremoniells stammen aus hellenistischer Zeit, in der man die Epiphanie einer Gottheit, ihre Ankunft am Kultort, gefeiert hat. Zur politischen und sakralen Überhöhung des Regenten wurde dieses Zeremoniell in den hellenistischen Herrscherkult aufgenommen und ————— und ›Poetische Habsburg-Panegyrik in lateinischer Sprache‹. Zwei Wiener Forschungsprojekte zur schöpferischen Antike-Rezeption in der frühen Neuzeit, in: Wolfenbütteler Renaissance-Mitteilungen 21/3 (1997), 142-145; Römer, F.: Poetische Habsburg-Panegyrik in lateinischer Sprache vom 15. bis ins 18. Jahrhundert, in: Ders (Hg.), 1000 Jahre Österreich – Wege zu einer österreichischen Identität, Wien 1997, 91-99; ders. (2002); vgl. zudem z.B. Amann-Bubenik; Füssel, St.: Riccardus Bartholinus Perusinus, Humanistische Panegyrik am Hofe Kaiser Maximilians I., Baden-Baden 1987; dens.: Dichtung und Politik um 1500. Das Haus Österreich in Selbstdarstellung, Volkslied und panegyrischen Carmina, in: H. Zeman (Hg.), Die österreichische Literatur (1050-1750), Bd. 2, Graz 1986, 803-831; Müller, J.-D.: Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I., München 1982; dens. (1981), 133-140. 17 Ad illustrissimum principem Philippum Archiducem Austriae, Ducem Burgundiae et caetera de triumphali profectione Hispanica ac festivissimo illius in patriam reditu gratulatorius Panegyricus Desyderii Erasmi Roterodami Canonici ordinis divi Aurelii Augustini (Herding, O. (Hg.): Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami IV 1, Amsterdam 1974, 26-93); In exceptionem Moguntinam reverendissimi in Christo Patris illustrissimi Principis ac Domini Domini Alberti Moguntinensis et Magdepurgensis Ecclesiarum Archiepiscopi [...] Panegyricus Ulrichi de Hutten equitis Germani (Böcking, E. (Hg.): Ulrich von Hutten, Opera, Leipzig 1862, Bd. 3, 353-400). Eine synthetische Untersuchung über die Panegyrik im 16. Jahrhundert fehlt; und auch die erforderlichen Vorarbeiten, vor allem die systematische Erfassung des Textmaterials, sind erst noch zu leisten. 18 Seit Sueton und Tacitus wird das Verb ingredi zur Bezeichnung des Herrschereinzuges verwendet, vgl. hierzu Lehnen, 55f. (mit zahlreichen Belegen) und Dufraigne, 8-10, der zeigt, dass sich im Laufe des 3. und 4. Jahrhunderts ein festes Vokabular zur Bezeichnung der Herrscherankunft herausgebildet hat. Zur Begrifflichkeit des Mittelalters vgl. Schenk, 50. Dieser rechtfertigt den in der Forschung weit verbreiteten Fachterminus »Adventus« (47-59): Seine Analyse nichtliterarischer lateinischer Quellen des Mittelalters zeigt, dass der Begriff adventus häufiger belegt ist als introitus und ingressus (50). 19 Lehnen, 53.

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fand von dort Eingang in den römischen Kaiserkult.20 Der Ablauf des Adventuszeremoniells, der in der römischen Kaiserzeit formalisiert wurde, hat sich im Laufe der Zeit nur wenig geändert;21 er lässt sich grob in fünf Teile gliedern: Vorbereitungen, Occursus (Einholung des Herrschers durch die Stadtbevölkerung), Introitus (Einzug des Herrschers in die Stadt), Handlungen in der Stadt und Abschluss.22 Seit dem Spätmittelalter zogen auch die Territorialfürsten feierlich in ihre Landesstädte ein. Besondere Bedeutung kam dem Adventuszeremoniell hier im Rahmen der Huldigung des Fürsten zu, welche die Stadt an zuvor ausgehandelte Bedingungen knüpfte: Die aufwendigen Empfangs- und Einzugsfeierlichkeiten waren Ausdruck einer Rechtsauffassung, die auf der Wechselbeziehung zwischen den Bürgern der Stadt und dem Herrscher beruhte: Die Stadtbewohner empfingen den Herrscher und unterwarfen sich ihm nur, wenn dieser ihnen im Gegenzug ihre Freiheiten und Privilegien garantierte.23 In dieser Weise ist auch der Einzug des Julius in die Stadt Braunschweig verlaufen.24 Der Einzug des Herrschers ist wegen seiner großen historischen und politischen Bedeutung auch in der Kunst und Literatur der Kaiserzeit ein wichtiges Motiv. In der bildenden Kunst finden sich Adventus-Szenen zum Beispiel auf Triumphsäulen- und bögen (z.B. auf der Trajanssäule und dem Konstantinbogen), aber auch auf Münzen;25 in der kaiserzeitlichen und insbesondere in der spätantiken Literatur ist die Adventus-Thematik in zahlreichen Werken verschiedener Gattungen verarbeitet worden.26 Dabei wurde die Adventus-Darstellung in der Spätantike, ebenso wie das Zeremoniell selbst, zunehmend rhetorisiert und formelhaft. In der Historiographie, dem eigentlichen Ort der Darstellung des Kaisereinzuges, ist das Sujet exemplarisch entfaltet in Ammians ausführlicher Darstellung des Rombesuchs von Constantius II. im Jahre 357 (16, 10, 1-17).27 Des Weiteren fin————— 20 Vgl. Kölzer, Th.: Adventus regis, in: LexMA 1 (1980), 170f.; Lehnen, 11. 21 Vgl. Niederstätter, 491. 22 Vgl. Lehnen, 105; vgl. auch Schenk, 238ff., der eine etwas detailliertere Einteilung in sechs Phasen vornimmt. 23 Vgl. Holenstein, 441ff.; Niederstätter, 492; Tenfelde, K.: Adventus. Zur historischen Ikonologie des Festzugs, in: Historische Zeitschrift 235 (1982), 45-84, hier 55; Dotzauer, bes. 263. Veränderungen, Variationen und Anpassungen an die jeweilige aktuelle politische Situation erfuhr das Zeremoniell besonders beim Adventus von geistlichen Landesherren, vgl. dazu Johanek / Lampen, X. 24 Vgl. hierzu den oben, 134f. geschilderten Adventus und die Huldigung des Julius. 25 Vgl. hierzu die Abbildungen bei MacCormack, Art and Ceremony, und Dufraigne sowie Lehnen. 26 Einen detaillierten Überblick über die lateinische Adventus-Literatur des 3. und 4. Jahrhunderts gibt Dufraigne, 149ff. 27 Zum Adventus in der Geschichtsschreibung vgl. Dufraigne, 181-200 und Lehnen, 27ff. Speziell zur Ammianstelle vgl. noch MacCormack, Art and Ceremony, 39ff.; Klein, R.: Der

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den sich Adventus-Schilderungen vielfach in der panegyrischen Literatur, da für den Panegyristen der Jubel, mit dem das Volk den Herrscher beim Einzug empfangen hat, ein wichtiges Motiv seines Herrscherlobes ist: So kommt Plinius der Jüngere in seinem Panegyricus auf Trajans umjubelten Einzug in Rom (im Jahre 99) zu sprechen (22f.).28 Mehrfach schildert auch Claudian in seinen Panegyriken auf die Konsulate des Honorius dessen Adventus;29 in der neulateinischen Literatur ist dann der Adventus Gegenstand einer poetischen Schilderung beispielsweise in den Elegien des Helius Eobanus Hessus über den Besuch Martin Luthers in Erfurt (1521),30 in Georg Sabinus’ Elegie über die Ankunft Kaiser Karls V. in Augsburg anlässlich des Reichstags von 153031 oder in Wilhelm Alards Panegyricus aus dem Jahre 1598 auf den dänischen König Christian IV., der die Stadt Krempe besuchte.32 Der Adventus ist nun nicht allein ein künstlerisches und literarisches Motiv; er ist vielmehr auch ein Geschehen, das selbst den Anlass zum Vortrag eines literarischen Werkes bot: Das Adventus-Zeremoniell schloss nämlich auch den Vortrag einer Festrede bzw. eines Festgedichts mit ein, so dass sich im Rahmen des Zeremoniells Rednern und Dichtern die Möglichkeit zum Herrscherlob darbot.33 Daher sind aus der Spätantike mehrere Panegyriken erhalten, welche sich in aller Deutlichkeit als Teil des Zere-

————— Rombesuch des Kaisers Constantius II. im Jahre 357, in: Ders., Roma versa per aevum. Ausgewählte Schriften zur heidnischen und christlichen Spätantike, Hildesheim 1999, 50-71 (ursprünglich Athenaeum 57 (1979), 98-115); Straub, 175-204. 28 Vgl. hierzu Dufraigne, 47ff. 29 Vgl. 3. cons. Hon. (rezitiert Anfang Jan. 396 in Mailand), 121-141; 4. cons. Hon. (rezitiert Anfang Jan. 398 in Mailand) 565-610; 6. cons. Hon. (rezitiert Anfang Jan. 404 in Rom), 331(494)639, vgl. Döpp, Zeitgeschichte, zu den jeweiligen Konsulaten, bes. 78 mit Anm. 4; zu den Adventus-Schilderungen bei Claudian vgl. Dufraigne, 212-221. 30 Helius Eobanus Hessus, In evangelici Doctoris Martini Lutheri laudem defensionemque elegiae IV, vgl. besonders Elegie I (De eius in urbem Erphurdiam ingressu, in: Kühlmann, Humanistische Lyrik, 248-253 mit 1102-1105) und Elegie II (De ingressu Lutheri in urbem Erphurdiam). 31 Georg Sabinus, Ad Eobanum Hessum de adventu Caroli V. Caesaris. Elegia II, in: Kühlmann, Humanistische Lyrik, 504-513 mit 1246-1255. 32 Panegyrikon Serenissimi Potentissimique Principis ac Domini, Domini Christiani IIII., Regis Danorum, Vandalorum Gothorumque, Ducis Slesvvici, Holsatiae, Stormariae et Dithmarsiae, Comitis in Oldenborch et Delmenhorst, Prosapiam Regiam eiusdemque solennem in urbem Cremparum ingressum, brevibus includens versibus, debitae submissionis et gratitudinis ergo scriptum, in: Haye, 164-201 mit 237-243. 33 Zu Panegyriken im Rahmen des Adventus vgl. Lehnen, 145-147; Mause, Darstellung des Kaisers, 30-36. Nazarius charakterisiert eine solche Rede in seinem Panegyricus auf Konstantin und seine Söhne (321) folgendermaßen: Dicendus in Urbem ingressus est imperatoris, et in exprimendo senatus populique Romani maximo gaudio ingrata, nisi et ipsa lascivit, oratio (Paneg. 4 (10) 30, 4), zur Stelle vgl. Mause, Darstellung des Kaisers, 31 Anm. 7; Lehnen, 145 Anm. 275.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

moniells zu erkennen geben:34 Beim Adventus des Theodosius I. in Rom (389) hielt der gallische Panegyrist Pacatus eine lateinische Festrede;35 der Redner Libanios begrüßte Kaiser Julian bei dessen Ankunft in seiner Heimatstadt Antiochia (362) mit einer griechischen Rede.36 Da solche Reden zumeist kunstvoll ausgearbeitet waren und der Vortrag viel Zeit in Anspruch nahm, wurden sie wahrscheinlich nicht schon bei der ersten Begrüßung des Kaisers vor den Stadttoren gehalten, sondern erst später im weiteren Verlauf des Zeremoniells.37 Um die Ehre, in Anwesenheit des Kaisers reden zu dürfen, bewarben sich im Vorfeld des Adventus bedeutende Rhetoren.38 Theoretische Anweisungen für die Rede beim Adventus des Herrschers gibt zum einen die vermutlich dem dritten nachchristlichen Jahrhundert angehörende, im Corpus der Schriften des Dionysios von Halicarnass mitüberlieferte anonyme Ars Rhetorica in dem Abschnitt Μέθοδος προσφωνηματικῶν und zum anderen Menander Rhetor im Kapitel ἐπιβατήριος λόγοςseines Traktats περὶ ἐπιδεικτικῶν.39 Eine Reihe von Vorschriften, die Menander gibt, sind in Bergius’ Gedicht verwirklicht.40 Die Festrede wurde als Bestandteil des Adventus-Zeremoniells über die Jahrhunderte beibehalten, so dass auch im 16. Jahrhundert beim Adventus des Herrschers die Handlungen in der Stadt – insbesondere im Rahmen der Huldigung des Landesfürsten – dem Vortrag einer Lobrede oder eines pan————— 34 Inwieweit sich die heute überlieferten panegyrischen Reden anlässlich eines Adventus mit den tatsächlich gehaltenen decken, ist eine Frage, die hier offen bleiben kann. Vgl. Mause, Darstellung des Kaisers, 41f. und (über die Dichtung hinaus von grundsätzlicher Wichtigkeit) Gnilka, Ch.: Züge der Mündlichkeit in spätlateinischer Dichtung, in: Ders., Prudentiana II, Leipzig 2001, 201-221 (Erstveröffentlichung in: Vogt-Spira, G. (Hg.): Strukturen der Mündlichkeit in der römischen Literatur, Tübingen 1990, 237-255). 35 Paneg. 2 (12), vgl. dazu Lehnen, 145; Matthews, J.: Western Aristocracies and Imperial Court A. D. 364-425, Oxford 1975, 228. 36 Lib. or. 13, vgl. dazu Lehnen, 146. 37 Libanios schreibt in einem Brief an Celsus (Lib epist. 736, 2), dass ihn der Kaiser erst zum Ende des Adventuszeremoniells in Antiochia zu einem Vortrag aufgefordert habe, vgl. Lehnen, 146f. 38 Vgl. Straub, 148; Lehnen, 146. 39 Menander Rhetor 377, 31 - 388, 15 (Russell / Wilson, 94-114) und Pseudo-Dionysios von Halicarnass, Ars Rhetorica V (Dionysii Halicarnasei quae exstant, Vol. VI, ed. H. Usener / L. Radermacher, Stuttgart 1965, 272-277), dazu Dufraigne, 151f.; MacCormack, tradition and diskontinuity, 44 und dies., Latin Prose Panegyrics, 158. 40 Für das Prooemium empfiehlt Menander einen Sonnenvergleich (378, 9-14 Russell / Wilson, 94; vgl. bei Bergius 1-42). Das Lob des einziehenden Herrschers soll nicht auf Kosten seines Vorgängers, sondern lediglich im Kontrast zur vorherigen schlechteren Situation ausführlich gestaltet werden (378, 16 - 379, 2, bes. 378, 17-21; vgl. bei Bergius 63-206). Zum Lob des Herrschers rät Menander eine eingehende Darstellung der Vorfahren, falls der Herrscher sich noch nicht durch eigene Taten ausgezeichnet hat (379, 2-13, bes. 379, 5f. und 10; vgl. bei Bergius 207343 und 344-907, bes. 462-880 (Ekphrasis des Teppichs)). Der eigentliche Einzug des Herrschers soll nach Menander den ἐπιβατήριος λόγος beschließen (381, 6-22; bei Bergius bildet der Einzug den dritten und letzten Hauptteil des Gedichts).

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egyrischen Gedichtes auf den Herrscher Platz boten.41 Seit dem frühen Humanismus wurde das Herrscherlob oft rhetorisch geschulten Lehrern überlassen, die ihr Werk dem Herrscher vortrugen bzw. als Druck überreichten.42 Diese Aufgabe fiel bei dem Einzug des Julius in Braunschweig im Jahre 1569 Matthias Bergius zu, der im Namen des Katharineums sein Panegyricum Carmen verfasste.43 Ein Vortrag des Gedichtes ist in den Protokollen der Huldigung nicht festgehalten;44 vermutlich hat Bergius daher sein Gedicht nicht vorgetragen, sondern Herzog Julius bei seinem Einzug lediglich in gedruckter Form überreicht.45 Noch genauer spezifizieren lässt sich Bergius’ Panegyricum Carmen als ein Adventus-Gedicht, das zur Huldigung des Herrschers anlässlich seines Regierungsantritts verfasst ist. Diese Einordnung ist nicht aus dem Titel ersichtlich, ergibt sich aber aus der historischen Situation: Julius’ Adventus in die Stadt Braunschweig am 3. Oktober 1569 ist der erste Besuch seit seiner Regierungsübernahme im Sommer des Vorjahres.46 Zum Anlass des Adventus tritt somit der Regierungsantritt als besonderer Anlass für das panegyrische Gedicht hinzu. Bei den welfischen Fürsten sind lateinische Huldigungsgedichte bislang nur für Herzog August (1579-1666) systematisch erfasst.47 An weiteren vergleichbaren neulateinischen Gedichten, die den Adventus des Herrschers zum Anlass haben und zudem in Verbindung zu dessen Regierungsübernahme stehen, sind beispielsweise die Glückwunschgedichte für Karl V. aus dem Jahr 1530 zu nennen: Die Ankunft Karls in Frankfurt a. M. wird von Jacob Micyllus gefeiert;48 Eobanus Hessus verfasste die Gratulatoria Acclamatio der Stadt Nürnberg ————— 41 Vgl. Lehnen, 145ff.; Schenk, 403 unterscheidet im Adventuszeremoniell drei Arten von Reden: 1) Einladungs-, Begrüßungs- und Schenkungsreden, 2) Fest- oder Prunkreden (Herrscherlob) und 3) Begrüßungspredigten. Zum Herrscherlob vgl. dort 125, 426ff. 42 Vgl. Dotzauer, 265; Holenstein, 453f. und zuletzt Ludwig, Latein im Leben, 12f. 43 Ebenso verfasste Ennius Ziegenmayer als Rektor des Katharineums ein Huldigungsgedicht zum Regierungsantritt Herzog Augusts von Braunschweig-Lüneburg im Jahre 1636. Zum Titel vgl. Hueck, M.: Gelegenheitsgedichte auf Herzog August von Braunschweig-Lüneburg und seine Familie (1579-1666). Ein bibliographisches Verzeichnis der Drucke und Handschriften in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Wolfenbüttel 1982, 64. 44 Vgl. Stadtarchiv Braunschweig: B III 1: 52e (»Vortzeichnus allerleige Geschichte, Tagesatzunge, Handlunge, Vortrege und Acta der Huldigung 1568-1571«). 45 Vgl. Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 970 und Spiess, Bd. 1, 111. 46 Zum historischen Hintergrund vgl. oben, 131ff. 47 Vgl. Hueck (s.o.), 64 zur Erb- und Landeshuldigung; vgl. zudem dies.: Die Unterwerfung der Stadt Braunschweig im Jahr 1671 im Spiegel von Huldigungsgedichten auf Herzog Rudolf August von Braunschweig-Wolfenbüttel, in: D. Frost / G. Knoll (Hgg.), Gelegenheitsdichtung, Bremen 1977, 131-140. Zum (deutschsprachigen) Huldigungsgedicht im 17. und 18. Jahrhundert vgl. auch Braungart, G.: Hofberedsamkeit. Studien zur Praxis höfisch-politischer Rede im deutschen Territorialabsolutismus, Tübingen 1988, 113ff. 48 In adventum Caroli V. Imp. Aug. P. P. urbis Francofurtanae ad Moenum sitae gratulatio, in: Iacobi Micylli Argentoratensis Sylvarum libri quinque [...], Frankfurt / M. 1564, 101-109.

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bei der Ankunft des Kaisers in Deutschland,49 und das panegyrische Kleinepos De adventu Caroli V. imperatoris in Italiam von Antonio Sebastiano Minturno steht in Zusammenhang mit der Kaiserkrönung Karls V. in Bologna.50 Ebenso wird Maximilian II. nach seinem Regierungsantritt (1564) in Deutschland mit Gedichten bedacht, so z.B. von Johann Maior bei seinem Einzug in Dresden51 oder von Hieronymus Osius bei Maximilians Ankunft in Meißen.52 Es wurden jedoch nicht nur der Kaiser und die Landesfürsten mit einem panegyrischen Gedicht empfangen, sondern auch die Würdenträger der Kirche: Hermann v. d. Busche z.B. verfasste sein Gedicht Hypanticon im Jahre 1520 zum Einzug des neugewählten Bischofs von Speyer, des Pfalzgrafen Georg, in seine Residenzstadt.53 Aus dem Regierungsantritt als Anlass für das Panegyricum Carmen erklärt sich, dass in Bergius’ Gedicht schließlich wichtige Züge eines Fürstenspiegels hervortreten. Das Lob soll den neuen Herrscher dazu verpflichten, sich so zu verhalten, wie es ihm durch das Lob vorgegeben wird. Der Begriff des Fürstenspiegels, der »eine literarische Gattung didaktischer Art [bezeichnet], der es um das rechte Verhalten und Regieren von Monarchen, um eine Sinngebung der staatlichen Ordnung und des Herrscheramts geht«, ist nicht vor dem Ende des 12. Jahrhunderts belegt.54 Panegyrische Schriften, welche die paränetische Intention eines Fürstenspiegels haben, gibt es jedoch bereits im Altertum: In der lateinischen Literatur enthält z.B. Senecas an den jungen Kaiser Nero gerichtete Schrift De clementia deutliche Züge eines Fürstenspiegels.55 Eine Äußerung des jüngeren Plinius in ————— 49 Divo et invicto imperatori Caesari Carolo. V. Augusto, Germaniam ingredienti urbis Norimbergae Gratulatoria Acclamatio, in: Helius Eobanus Hessus, Dichtungen. Lateinisch und Deutsch, hrsg. und übersetzt von H. Vredeveld, Bd. 3: Dichtungen der Jahre 1528-1537, Bern 1990, 76-89. 50 De adventu Caroli V. imperatoris in Italiam, in: Antonii Sebastiani Minturni Poemata [...], Venedig 1564, 5-35. 51 Ad Divum Maximilianum, imperatorem designatum, Dresdam ingredientem. Carmen Iohannis Maioris Ioachimi, D., Wittenberg 1564. 52 Carmen scriptum loco Panegyrici de adventu inclyti, pii, et augusti Principis et Herois Maximiliani, regis Romanorum, Bohemorum, ac Hungarum, etc. in Misniam. A Hieronymo Osio Turingo. P. L., Wittenberg 1564. 53 Hermanni Buschii Pasiphili Hypanticon, illustrissimo Principi, et clementissimo Antistiti Spirési, Georgio Comiti Palatino Rheni, super solenni suo in Spirá urbem introitu, dicatum, Basel 1520. 54 Vgl. Singer, Fürstenspiegel (1983), 707. Zum Fürstenspiegel vgl. für die Antike Schulte, J. M.: Speculum regis: Studien zur Fürstenspiegel-Literatur in der griechisch-römischen Antike, Münster 2001; für das Mittelalter Berges, W.: Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, Stuttgart 1938 (Nachdruck 1952) und für die Neuzeit Singer, Fürstenspiegel; Mühleisen und Mühleisen, H.-O. / Stammen, Th. (Hgg.): Politische Tugendlehre und Regierungskunst. Studien zum Fürstenspiegel der frühen Neuzeit, Tübingen 1990. 55 Hier findet sich im ersten Satz des Prooemiums die für die Herkunft des Namens Fürstenspiegel verantwortliche Spiegel-Metapher: Scribere de clementia, Nero Caesar, institui, ut

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seinem Panegyricus auf Kaiser Trajan zeigt, dass das Lob vorbildlicher Herrschaft auch als Mahnung an schlechte Kaiser aufgefasst werden kann: [...] ut [...] sub titulo gratiarum agendarum boni principes quae facerent recognoscerent, mali quae facere deberent.56 In einem Brief weist derselbe Plinius ausdrücklich auf die paränetische Funktion der Panegyrik hin: [...] primum ut imperatori nostro uirtutes suae ueris laudibus commendarentur, deinde ut futuri principes non quasi a magistro sed tamen sub exemplo praemonerentur, qua potissimum uia possent ad eandem gloriam niti. Nam praecipere qualis esse debeat princeps, pulchrum quidem sed onerosum ac prope superbum est; laudare uero optimum principem ac per hoc posteris uelut e specula lumen quod sequantur ostendere, idem utilitatis habet adrogantiae nihil. 57

Auch bei Claudian wird die enge Verknüpfung von Panegyrik und Fürstenspiegel im Panegyricus auf das vierte Konsulat des Honorius deutlich: Theodosius unterweist seinen Sohn Honorius in der Kunst des rechten Herrschens und macht ihm die Verantwortung klar, die der Herrscher auch als Person für das Wohl des Volkes hat: Componitur orbis / Regis ad exemplum, nec sic inflectere sensus / Humanos edicta valent quam vita regentis. / Mobile mutatur semper cum principe vulgus.58 Ebenso haben die bereits oben genannten Panegyriken des 16. Jahrhunderts, der Panegyricus des Erasmus auf Philipp den Schönen und der Huttens auf Albrecht von Brandenburg, pädagogischen, fürstenspiegelartigen Charakter: Erasmus betont in einem Begleitbrief an seinen Freund Jean Desmarez (Paludanus), dass Panegyrik keineswegs nur der Schmeichelei diene, sondern auch eine paränetische, den Fürsten zum Guten gemahnende Funktion habe,59 und stützt sich zur Begründung auf die paränetische Lobpraxis antiker Autoritäten wie die des Isokrates, Plinius und des Apostels Paulus. In der Vorrede zu seinem Panegyricus gibt Hutten eine mit Erasmus gedanklich übereinstimmende Funktionsbestimmung panegyrischer Rede, hebt dabei aber ————— quodam modo speculi vice fungerer et te tibi ostenderem perventurum ad voluptatem maximam omnium. Vgl. dazu Mühleisen, 12. 56 Plin. paneg. 4, 1. Vgl. dazu und den folgenden Stellen Döpp, Zeitgeschichte, 18f. 57 Plin. epist. 3, 18, 2f., dazu Schmidt, Politik und Dichtung, 9f. Zu Senecas und Plinius’ Panegyriken zum Regierungsantritt vgl. auch Morton Braund, 53-76, bes. 65-68 und 71-74. 58 Claud. 4. cons. Hon. 203-352, Zitat 299-302. Vgl. dazu Döpp, Zeitgeschichte, 18f.; Born, 27. Zum paränetischen Aspekt von Panegyrik vgl. auch Verweyen, 35ff. 59 Principio qui panegyricos nil aliud quam assentationes esse putant, prorsum ignorare videntur quo consilio, cui rei, genus hoc scripti sit a prudentissimis viris repertum; nempe in hoc ut obiecta virtutis imagine improbi principes emendarentur, probi proficerent, rudes instituerentur, admonerentur errantes, extimularentur oscitantes, denique ipsi apud sese pudescerent deplorati. Vgl. Allen, P. S. (Hg.): Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami, Bd. 1, Oxford 1906, Nr. 180, 398-403, Zitat Z. 39-44 (399); dazu Herding (vgl. Anm. 17), 3-6; Düchting, R.: Panegyrik, in: LexMA 6 (1993), 1654; Verweyen, 37; Hambsch, B.: Herrscherlob, in: HWRh 3 (1996), 13771392, hier 1383.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

zusätzlich hervor, wie sehr von Herrscherpanegyriken gerade die Literaten und der Literaturbetrieb profitieren.60 Bergius hat nun freilich Julius bei seinem Einzug nicht mit einer Prosarede begrüßt, sondern seinem Lob die Form eines Carmen, das heißt eines epischen Gedichts, gegeben. Demzufolge weist das Panegyricum Carmen die wesentlichen formalen Kennzeichen auf, welche seit jeher mit dem Epos verbunden sind: Die stichische Verwendung des Hexameters, die hohe Dichte von Gleichnissen und direkten Reden,61 die Integration einer ausführlichen Ekphrasis, die Gestaltung typisch epischer Kampf- und Todesszenen sowie schließlich eine von den lateinischen Epikern geprägte Dichtersprache. Durchmustert man die epische Dichtung der Antike, so weist Bergius’ Panegyricum Carmen mit keinen anderen Gedichten so große Übereinstimmungen auf wie mit den panegyrischen Epen Claudians, Bergius’ wichtigstem antiken Vorbild.62 Bergius’ große Nähe zu Claudian erklärt sich aus der gemeinsamen Thematik: Beide behandeln Stoffe der Zeitgeschichte, beide sind panegyrisch ausgerichtet; das für Bergius zentrale Motiv des Adventus spielt auch in den Konsulatspanegyriken Claudians eine bedeutende Rolle. Gegenüber der früheren lateinischen Epik hat Claudian eine Reihe von Neuerungen in seine panegyrische Epik eingeführt, welche von der Forschung gerade in jüngerer Zeit deutlich hervorgehoben worden sind;63 des Weiteren weisen Claudians episch gestaltete Panegyriken eine Reihe von Abweichungen von der Theorie des Herrscherlobs auf. Die wesentlichen dieser Claudianschen Neuerungen lassen sich auch in Bergius’ Panegyricum Carmen nachweisen. ————— 60 quibus nos magnis passim nominibus applaudimus, Maecenates nonnumquam vel Augustos vocantes, non quod ullae hoc aliquando illorum virtutes mereantur [...] verum spe quadam ad pristinae bonitatis emulationem excitandi. ubi non penitus nostra nos fefellit opinio: aliquos iam enim coegimus pudore sui benefacere nobis, qui si nihil aliud, hoc iam acceperunt, quod favere literis, id sit principe dignum. Vgl. Müller, 133f. (Böcking, vgl. Anm. 17), Bd. 1, 200, 36); Schäfer, Ulrich von Hutten, 73. 61 Der Redeanteil liegt in Bergius’ Panegyricum Carmen bei 38% (ohne die rund 400 Verse umfassende, redefreie Ekphrasis bei 56%). Im Vergleich zu den lateinischen Epikern tendiert Bergius in dieser Hinsicht zu Claudian (Claudian: 41%; Verg. Aen.: 38%; Statius: 37%; Lucan: 32%). Diese Tendenz zeigt sich auch bei der Durchschnittslänge einer Rede: Bergius: 28 Verse; Claudian: 24; Lucan: 21; Statius: 14; Vergil: 11; vgl. dazu Pollmann, 104; Cameron, 266. 62 Unter dem Oberbegriff »Panegyrisches Epos« fasse ich die gesamte zeitgeschichtliche Großdichtung Claudians in Hexametern; zur Berechtigung dieses Begriffs vgl. H. Hofmann, 133f., daneben auch Schmidt, Politik und Dichtung, 21f.; Döpp, Zeitgeschichte, 247f.; Pollmann, 100 und zuletzt Schindler, Per Carmina laudes, 2. 63 Vgl. zuletzt Schindler, Per Carmina laudes, 167ff.; dies., Claudians Panegyriken; Pollmann; Kirsch; H. Hofmann; Döpp, Zeitgeschichte; Schmidt, Politik und Dichtung.

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Ein erster großer Unterschied zwischen Claudian und seinen epischen Vorgängern besteht darin, dass der konventionelle Götterapparat bei Claudian stark an Bedeutung verliert und stattdessen Lokalgottheiten, personifizierte Flüsse, Städte oder Länder in den Vordergrund treten. Claudian reduziert die olympischen Götter im Wesentlichen auf ihre traditionelle Funktion: So symbolisieren etwa Mars und Bellona den Krieg, Diana die Jagd.64 Dagegen sind die Lokalgottheiten von zentraler Bedeutung: Es handelt sich um personifizierte Allegorien, welche die Stimme des Volkes eines bestimmten Landstriches repräsentieren. Diese Gottheiten wenden sich direkt, dankend oder bittend, an den Herrscher; sie sind keine mächtigen Schutzgottheiten, sondern vielmehr ihrerseits auf Schutz durch den Herrscher angewiesen.65 Bei Bergius sind aus dem antiken Götterapparat lediglich Apoll und die Musen am Geschehen beteiligt, beide in ihrer Funktion als Inspirationsquelle des Dichters; Apoll fungiert zudem noch als Sonnengott. Handlungsträger im Panegyricum Carmen sind dagegen die in Braunschweig ansässigen Lokalgottheiten: Zum einen vertritt die Patria ihre Bürger in zwei, für das Gedicht programmatischen Reden, in denen sie Julius um Hilfe anfleht und als neuen Herrscher preist; zum anderen übernimmt der Flussgott Oker eine wichtige Funktion, da durch ihn in einer groß angelegten Einzelszene in der Mitte des Gedichts das Lob des Julius durch die Würdigung seiner Vorfahren vorbereitet wird. Ein weiterer innovativer Zug der panegyrischen Epik Claudians besteht in der Personalisierung des Erzählers und der Subjektivierung des Erzählens: Der Erzähler ist nicht länger der allwissende, von den Musen inspirierte vates, der über den Dingen steht. Vielmehr dringt bei Claudian »der Erzähler in die Handlung ein und durchdringt sie«;66 er löst das traditionelle epische Handlungskontinuum auf zugunsten selbst gesetzter Schwerpunkte und einzelner isolierter Szenen. In ihnen erhebt er seine persönliche Stimme, um die Erzählung subjektiver zu gestalten, verleiht seiner emotionalen Anteilnahme Ausdruck durch kommentierende und reflektierende Bemerkungen: Aus dem objektiv-allwissenden Berichterstatter der traditionellen Epik ist ein interpres, ein subjektiv auswählender und emotional beteiligter Vermittler des Handlungsgeschehens, geworden.67 Subjektivierung und Per————— 64 Vgl. dazu Schmidt, Politik und Dichtung, 27. 65 Bei Claudian treten in dieser Funktion z.B. Roma auf (Gild. 28-127; Prob. Olybr. 73-173, Eutrop. 1, 371-513, Stil. 2, 223-407, 6. cons. Hon. 361-425), Africa (Gild. 127-207), Aurora (Eutrop. 2, 527-602), die Länder des Westreichs (Stil. 2, 223-268) oder Flussgötter wie z.B. Tiberinus und Eridanus (zu diesen vgl. unten, 251ff.), hierzu ausführlich Döpp, Zeitgeschichte, 36ff., 49, 133ff.; daneben Cameron, 254f.; Schmidt, Politik und Dichtung, 26f.; Kirsch, 163, 167, 177; Schindler, Claudians Panegyriken, 25 und dies., Per Carmina laudes, 170. 66 H. Hofmann, 118. 67 Vgl. hierzu H. Hofmann, 118ff.; der Begriff interpres dort 119.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

sonalisierung kennzeichnen auch die Erzählweise von Bergius’ Panegyricum Carmen: Anders als Claudian macht der Erzähler bei Bergius zwar ausgiebig Gebrauch von Musenanrufen,68 aber die Musen sind ihm dabei keine Inspirationsquelle im Stofflichen, sondern werden lediglich um Beistand bei der poetischen Gestaltung des dem Erzähler bekannten Stoffs gebeten. Die persönliche Beteiligung des Erzählers am Handlungsgeschehen wird im Panegyricum Carmen ganz besonders im letzten Drittel des Gedichtes deutlich, der Darstellung von Julius’ Einzug in Braunschweig: Dieser ist aus einer aktorialen Perspektive dargestellt; der Erzähler unterscheidet sich in seinem Wissenstand in nichts von den übrigen Braunschweiger Bürgern, die den Einzug des Herrschers begeistert verfolgen.69 Eine weitere wichtige Besonderheit der panegyrischen Epik Claudians, die seine Gedichte von der Prosapanegyrik unterscheidet, besteht darin, dass Claudian sein Herrscherlob nicht, wie es die durch Menander Rhetor greifbare rhetorische Theorie vorschrieb, nach Rubriken aufgezogen hat, seine Gedichte also nicht systematisch, sondern, entsprechend der epischen Tradition, chronologisch strukturiert sind: Der Gang der Handlung gibt die Disposition seiner Gedichte vor, nicht die Palette der Tugenden des Herrschers.70 Bergius verfährt in exakt der gleichen Weise: Sein Panegyricum Carmen ist streng nach dem chronologischen Ablauf der Ereignisse strukturiert: Es beginnt nach dem Prooemium mit Julius’ Regierungsantritt, seinen Überlegungen und den ersten Maßnahmen im Amt; die daran anschließende große Szene mit dem Okergott steht stellvertretend für die Reaktion des Volkes auf die ersten Amtsmaßnahmen und bereitet die letzte große Szene vor, nämlich die Jubelszene in Braunschweig anlässlich des Einzugs des Herzogs in die Stadt.71 Die Herrschertugenden des Julius, vor allem seine pietas, kommen in all diesen Szenen zur Geltung, sie haben aber auf die Gliederung und den Aufbau des Gedichts keinen Einfluss. Schließlich übernimmt Bergius eine letzte Neuerung Claudians gegenüber der herkömmlichen Theorie des Panegyricus: Diese registrierte zwar die enge Verwandtschaft zwischen Lob- und Schmährede, ohne dass sie freilich eine Verbindung dieser beiden Redegattungen innerhalb einer Rede vorsah.72 In der panegyrischen Praxis begegnet die Mischung von Lob und Tadel bereits in Plinius’ Panegyricus auf Trajan, in welchem das Lob des ————— 68 Zur geringen Bedeutung der Musenanrufe in Claudians panegyrischer Epik vgl. H. Hofmann, 120-123. 69 Vgl. hierzu oben, 140. 70 Vgl. hierzu Döpp, Zeitgeschichte, 53ff. und 247f.; des Weiteren Taegert, 48-51 und zuletzt Döpp, Claudian-Cento, 240. Siehe dazu auch unten, 169. 71 Vgl. dazu oben, 138ff. 72 Zur engen Verwandtschaft von Lob- und Schmährede vgl. oben, 144f.

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Trajan einhergeht mit der Verurteilung des Domitian;73 besonders charakteristisch ist diese Mischung freilich für die panegyrische Epik Claudians: Seine Invektiven gegen Rufin und Eutrop leben von ihrer markanten »Kombination von Enkomion und Invective«.74 Auch für Bergius’ Panegyricum Carmen ist die Mischung von Lob- und Schmährede im höchsten Maße charakteristisch: Das Lob für Julius erstrahlt vor dem Hintergrund der Düsternis, welche unter der vorausgegangenen Regierung herrschte; der als vera religio gepriesene Protestantismus hat in dem als Aberglaube geschmähten Katholizismus sein Gegenbild. Wie für Claudian so gehören auch für Bergius Enkomion und Invektive aufs engste zusammen.75

————— 73 Vgl. dazu Morton Braund, 64f. mit zahlreichen Stellen. 74 So Döpp, Claudian-Cento, 241, der auch hervorgehoben hat, dass die antike Theorie eine solche Mischung nicht vorgesehen hat. 75 Bergius’ Verbindung von Lob und Schmähung wird unten im Tendenzkapitel ausführlich zu behandeln sein, vgl. insbesondere 186ff.

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Das Paneygricum Carmen auf Herzog Julius

4.5 Die panegyrische Tendenz: Bild und Gegenbild des idealen Herrschers im konfessionellen Zeitalter Die Analyse der Struktur und der Gedankenführung des Gedichts hat bereits deutlich gemacht, dass das Lob des neuen Herrschers Julius vor allem zwei Aspekte in den Vordergrund rückt: Seine Verdienste um den protestantischen Glauben und um das öffentliche Wohlergehen. Beide Aspekte sind eng miteinander verknüpft: Die politischen Leistungen sind Folge seines rechten Glaubens und seines religiösen Engagements. Das folgende Kapitel versucht nun zu zeigen, dass im Panegyricum Carmen in der zentralen Figur des Julius das Idealbild eines Herrschers angelegt ist, wie es für das konfessionelle Zeitalter unter dem Einfluss der Reformation charakteristisch ist. Dieses Idealbild, welches insbesondere den zeitgeschichtlichen Fürstenspiegeln zu entnehmen ist, gilt es zunächst kurz zu umreißen. Danach soll gezeigt werden, dass Bergius’ Panegyricum Carmen das Herrscherideal der reformatorischen Fürstenspiegel zugrunde liegt, deren Einfluss auf panegyrische Dichtung des 16. Jahrhunderts auch bei anderen Autoren nachgewiesen werden kann: So findet sich beispielsweise bei Georg Sabinus am Ende seines Hochzeitsgedichts aus dem Jahre 1543 auf den polnischen König Sigismund Augustus und auf Elisabeth, die Tochter des Kaisers von Österreich, ein zusammenhängender poetischer Fürstenspiegel, der sich inhaltlich exakt mit den zeitgenössischen Prosafassungen deckt.1 Durch wörtliche Zitate ist gesichert, dass Bergius dieses Hochzeitsgedicht des Sabinus aus direkter Lektüre kannte und somit mit den Forderungen der reformatorischen Fürstenspiegel zumindest mittelbar vertraut war.2 Neben den Fürstenspiegeln wirkt auf Bergius’ literarische Ausgestaltung seines Bildes vom idealen Herrscher als ergänzende Komponente die Tradition der antiken Panegyrik mit all ihren topischen Elementen ein.3 Die Zeichnung eines solchen Idealbildes des Herrschers dient dabei, wie meist in der Panegyrik, nicht ausschließlich dem Herrscherlob, sondern hat zugleich stets eine paränetische Funktion.4 Beide Tendenzen des Panegyricum Carmen, Lob und Paränese, erfahren eine zusätzliche Verstärkung dadurch, dass das Ideal des protestantischen Herrschers kontrastiert wird mit dem ————— 1 Vgl. De nuptiis incliti Regis Poloniae Sigismundi Augusti, et Elissae Caesaris Ferdinandi filiae, in: G. Sabinus, Poemata 1563, 237-256. Zum Fürstenspiegel siehe dort die Verse 498-538. 2 Zu Bergius’ Rezeption des Gedichts vgl. unten, bes. 249ff. 3 Zum Idealbild des Herrschers in der antiken Panegyrik vgl. Mause, Darstellung des Kaisers; Storch; Burdeau; Straub; Born; Mesk. 4 Vgl. dazu oben, 152ff.

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Gegenbild der katholischen Machthaber, die einem lasterhaften und irrwitzigen Aberglauben anhängen und als Tyrannen ihr Volk ins Verderben stürzen. 4.5.1 Das Herrscherideal im konfessionellen Zeitalter Wichtigstes Anliegen der reformatorischen Fürstenspiegel, die seit den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts besonders in Norddeutschland und der Pfalz von Pfarrern und Hofpredigern verfasst wurden, ist die Religion: Der neue Glaube, die »wahre Lehre« soll gefestigt werden.5 Die Sorge um den protestantischen Glauben ist die oberste Pflicht und Aufgabe des Fürsten in seinem Amt: »Abgotterey und alle falsche gotsdienste solt du abthun [...] unde die rechtschaffne gotsdienste hanthaben lassen«, so schreibt es die Herzogin Elisabeth von Braunschweig im Jahre 1545 ihrem Sohn Erich vor.6 Die rechte Religion dürfe notfalls auch gewaltsam durchgesetzt werden, betont Rieger in seinem Fürstenspiegel: »[...] und ein rechts guts werck ist des Christlichen Regiments das ein Fürst seine unterthan mit gewalt vom irrthumb ohn Tyrannischen mutwillen zwinge zur warheyt«.7 Da der reformierte Fürst als Staatsoberhaupt auch das Regiment über die Kirchen führt, ist die Sorge um die Religion zu einer wichtigen politischen Aufgabe geworden. So hält es Johann Willing 1570 in seinem Unterricht was der Fürsten Stand sey für richtig, »daß Christliche Herren reine Lehr handhaben und Abgötterey abschaffen unnd nicht allein für ihre Person für der Abgötterey sich hüten sonder auch die in ihrem gebiet nicht dulden es stehe darauff was es sey«.8 Auch in den Testamenten protestantischer Fürsten des 16. Jahrhunderts, denen ein ganz ähnliches Herrscherideal wie den Fürstenspiegeln zu entnehmen ist,9 spiegelt sich diese Sorge wider: Der Nachfolger wird ————— 5 Ein früher und zugleich charakteristischer Vertreter dieser Fürstenspiegel ist Urban Rieger, der 1535 sein Enchiridion oder Handtbüchlin eines Christlichen Fürstens verfasste, das Georg Spalatin 1538 ins Lateinische übertrug. Zu Riegers Fürstenspiegel vgl. Singer, Fürstenspiegel, 287-311, zu Spalatins Übersetzung siehe dort 311-315. Zu weiteren Vertretern der Tradition des reformatorischen Fürstenspiegels, die bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts reicht, vgl. Singer, Fürstenspiegel, 38ff. und dens., Fürstenspiegel (1983), 709. 6 Vgl. Tschackert, P.: Herzogin Elisabeth von Münden (gest. 1558), geborene Markgräfin von Brandenburg, die erste Schriftstellerin aus dem Hause Brandenburg und aus dem braunschweigischen Hause, ihr Lebensgang und ihre Werke, Berlin 1899, 22-44, hier 27, dazu Singer, Fürstenspiegel, 43. 7 Urban Rieger, Enchiridion oder Handtbüchlin eines Christlichen Fürstens, in: Ders., Deutsche Bücher und Schrifften, Nürnberg 1562, 74-89, hier 83. Vgl. dazu Singer, Fürstenspiegel, 43 und 74ff. 8 J. Willing, Unterricht was der Fürsten Stand sey [...], Heidelberg 1570 (korrigiert durch Johan von Münster, Frankfurt a. M. 1617), 21. 9 Vgl. dazu Hartung, 94-111.

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ermahnt, nicht nur persönlich dem Protestantismus treu zu bleiben, sondern diesen Glauben auch in seinem Land zu bewahren.10 Ein weiteres zentrales Anliegen der reformatorischen Fürstenspiegel ist es, den Fürsten über das Wesen seines Amtes zu unterrichten und ihn auf seine Herrscherpflichten vorzubereiten: Betont wird in Weiterführung des mittelalterlichen Amtsgedankens, dass Gott als oberste Gewalt regiert und den Fürsten als seinen Diener in dessen Amt einsetzt. Der Fürst ist als Streiter Gottes dafür zuständig, dessen Ordnung auf Erden zu erhalten; er ist »zu Gut und Schutz der Frommen und zu Rach und Straf den Bösen in diesem Leben« bestellt.11 Der Gerechtigkeit kommt daher eine wichtige Rolle im Aufgabenfeld des Herrschers zu.12 Da der Fürst des Weiteren nicht eigenmächtig die Macht ergriffen hat, sondern ordnungsgemäß von Gott in sein Amt berufen ist, kann er sich auch zum Trost in schwieriger Lage auf Gottes Hilfe und Schutz verlassen.13 Doch nicht nur wird dem Fürsten die Hilfe Gottes versprochen, sondern er wird auch vor Gottes Zorn und seinem Gericht gegen die Stolzen und Bösen gewarnt.14 Bei der Belehrung des Fürsten über Gottesfurcht und Gottvertrauen hat das Wort Gottes die höchste Autorität: Die Kernstellen hierzu finden sich im Alten Testament, insbesondere in den Psalmen. Dadurch, dass die Fürstenspiegel die Psalmen mit ihrer direkten Gottesrede wörtlich wiedergeben, suggerieren sie ein unmittelbares Gespräch Gottes mit dem Herrscher.15 Die Hauptforderungen der reformatorischen Fürstenspiegel – die Sorge um den protestantischen Glauben und die auf dieser Glaubensgrundlage vom Herrscher vollzogene Ordnung des bürgerlichen Lebens – sind in aller Kürze zusammengestellt in dem Fürstenspiegel von Rorer (1566), der von den Herrschern verlangt, »das sie reine Lehre und ein friedsam bestendig ————— 10 Vgl. Hartung, 99. 11 Willing, 30. Zu diesem Gedanken in den fürstlichen Testamenten vgl. Hartung, 103. Sabinus formuliert in seinem »Fürstenspiegel« am Ende des Hochzeitsgedichts auf König Sigismund dieses Anliegen in lateinischen Hexametern folgendermaßen: Namque Deus celsa reges in sede locavit, / Ac tantis opibus, tantis et honoribus ipsos, / Auxit: iusticiae quo sint legumque ministri, / Attenti et caveant, ne turpi cedat honestum: / Neve relaxentur scelerato frena furori. / Clemens esse bonis debes, et sontibus atrox (Sabin. nupt. Sigism. 504-509). 12 Die Gerechtigkeit wird nicht als Tugend beschrieben, sondern ist Gegenstand der Pflichten des Herrschers; ebenso versteht sich der reformatorische Fürstenspiegel nicht als Tugendkatalog, sondern als Glaubenspredigt, vgl. Singer, Fürstenspiegel, 292ff. 13 Trost und Glaubensstärkung sind in den reformatorischen Fürstenspiegeln angesichts der Kriege (hier sind vor allem die Türkengefahr und der Bauernkrieg von Bedeutung) und der religiösen Auseinandersetzungen ein wichtiges Motiv, vgl. hierzu Singer, Fürstenspiegel, 38f. 14 Vgl. Singer, Fürstenspiegel, 40ff., 297. 15 Unter den Psalmen sind vor allem durch Luthers Auslegungen Ps 82, der von den Herrscherpflichten handelt, und Ps 101, den Luther als »Davids Regentenspiegel« begreift, von Bedeutung. Weiterhin spielen die Königspsalmen (Ps 2, 72, 110) eine Rolle; vgl. dazu Singer, Fürstenspiegel, 42 und dens., Fürstenspiegel (1983), 710.

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Regiment auff die Nachkommen erhalten«;16 und auch Johann Willing bringt sein Staatsideal in folgende prägnante Formel: »Was kan doch in diesem leben schöners gedacht werden dann ein Land, darinn rechte Lehr und friedliche Policey ist«.17 Diese Forderungen decken sich mit den Anweisungen, die Joachim Münsinger in seinem Gutachten dem Herrscher Julius zu seinem Regierungsantritt gegeben hat: Der erste Teil seines Gutachtens ist mit »Bedencken die Enderung der Religion betreffend und wie es mit stifften und Clostern solle gehalten werden« überschrieben, der zweite mit »Etliche gemeine Erinnerung der policey halben«.18 4.5.2 Das Herrscherideal des Panegyricum Carmen: Die erste Rede der Patria Die eben skizzierten Forderungen, welche die Fürstenspiegel an den Herrscher stellen, werden im Panegyricum Carmen auch an Julius gestellt. Das wichtigste Anliegen, die protestantische Religion durchzusetzen, trägt insbesondere die Patria an den neuen Fürsten Julius heran. Ihre Rede erhält besondere Bedeutung zum einen dadurch, dass sie die erste Rede überhaupt im Gedicht ist und daher den Rang einer Programmrede hat; zum anderen erzielt sie ihre Wirkung dadurch, dass der Dichter eine Figur von höchster Autorität auftreten lässt: die Landesmutter Patria,19 die aufgrund ihres hohen Alters (vgl. 109, 181) an die in der lateinischen Dichtung topische Gestalt Roma senescens erinnert.20 Die Bedeutung der Patria zeigt sich auch darin, dass der Dichter ihr als einziger Figur des Panegyricum Carmen zwei ————— 16 Th. Rorer, Fürsten Spiegel. Christliche und notwendige vermanung An alle Evangelische Chur und Fürsten Stedt und Stende der Augspurgischen Confession Was die furnemlich in ihrem Regiment teglich betrachten und volbringen sollen, 1566, hier zitiert nach Singer, Fürstenspiegel, 44. 17 Willing, hier zitiert nach Singer, Fürstenspiegel, 44, dort auch zur Bedeutung des Begriffs »Policey« im 16. Jahrhundert. 18 Vgl. Schumann, 253-260, dazu ebd. 149-151 und oben, 131f. 19 Die Patria wird in der Rede Münsingers eigens hervorgehoben (293ff.): Dieser rühmt die Heimat des Julius für ihren Reichtum an Gütern, ihren landwirtschaftlichen und industriellen Ertrag, für ihre Vielfalt der Städte und Handwerkskunst, und natürlich für ihre tapferen Männer. Auch ein Bürger preist seine Heimat glücklich, die durch Kriegskunst und große Helden berühmt ist (1043f.). Zur Patria als Autoritätsfigur in der antiken Dichtung vgl. oben, 155. 20 Zur Tradition der greisen Göttin Roma vgl. Döpp, Zeitgeschichte, 133 Anm. 2. Dass Bergius bei seiner Gestaltung der Patria insbesondere die allegorischen Personifikationen Claudians im Blick hatte, zeigt sich auch im Sprachlichen: Die Patria selbst spricht in den Versen 109-111 mit den Worten Auroras (vgl. Claud. Eutrop. 2, 593f.); sie wird andererseits in den Versen 180f. mit den Worten beschwichtigt, die bei Claudian der Roma gelten (vgl. Rufin. 2, 52f.). Zur Bedeutung der Lokalgottheiten bei Bergius und Claudian vgl. auch oben, 155.

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Reden zuteilt, die antithetisch aufeinander bezogen sind und die Handlung des Gedichts rahmen.21 Die erste an Julius gerichtete Rede der Patria (109-176), die in einer Rückwendung wiedergegeben wird und somit zeitlich vor Julius’ Regierungsantritt gehalten ist, gliedert sich in zwei fast gleich lange Teile: Der erste Abschnitt enthält die Klagen der Patria über ihren erbärmlichen Zustand, den der Katholizismus, die »falsche Religion«, verursacht hat (109148),22 der zweite die Aufforderung an Julius, diesem Übel abzuhelfen, und die ihm hierfür in Aussicht gestellten Belohnungen (149-176). In diesem zweiten Teil grenzt die Patria Julius deutlich von seinen Zeitgenossen ab und fordert ihn eindringlich auf zu bewirken, dass die protestantische Kirche unter seiner Regierung ein Fundament erhalte, dass Gott vom Volk angemessen verehrt und dass die katholische Kirche zurückgedrängt werde: 153 154 155 156 157

fac ut auspice te sit His etiam CHRISTI fundata Ecclesia terris: Fac tuus ut superos recte noscat́que colat́que Incola: fac procul hinc Corybantum insana fugentur Agmina […].

Die Patria hofft inständig, dass Julius als Herrscher dank seiner pietas die »wahre Religion« wiederherstellt, damit sich der Ruhm Christi, befreit von der katholischen Kirche, unversehrt erheben kann: 160 161 162

At́que ita uel tandem cultus sanctißima ueros Restituat pietas: tandem sua gloria CHRISTO Integra in his terris surgat […].

So ist der Patria als Autoritätsfigur die wichtigste Forderung in den Mund gelegt, welche die zeitgenössischen Fürstenspiegel an den Herrscher erheben, nämlich der Einsatz für den Protestantismus. Der Dichter hat des Weiteren dafür gesorgt, dass die (an den jungen Julius gerichtete) Rede nicht auf taube Ohren stößt: Von Anfang an gestaltet der Dichter die Figur des künftigen bzw. neuen Herrschers so, dass in ihm die Voraussetzungen für eine ideale Herrschaft erfüllt sind.

————— 21 Zu dem Bezug der beiden Reden aufeinander vgl. unten, 176. 22 Zur Polemik gegen den Katholizismus vgl. unten, 186ff.

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4.5.3 Julius’ Voraussetzungen zum idealen Herrscher 4.5.3.1 Julius’ Sorge um die wahre Religion Schon lange Zeit vor seinem Amtsantritt, nämlich in dem programmatischen Gespräch mit der Patria (179-206), weiß der junge Julius, dass die Sorge um die vera religio23 die entscheidende Aufgabe eines Landesherrn ist: Wie die Patria führt auch er selbst das Elend des Landes auf die gegenwärtige katholische Religion zurück (182-184) und sichert der Patria zu, dass er es als künftiger Herrscher als seine Hauptaufgabe ansieht, das Land zu reformieren: 197 198 199 200

haud ego quicquam Anteferam his curis, ut eant liberrima regno Incrementa Dei, et portae tibi Christe patescant Hic etiam, Stygius tibi quas obsepserat hostis.

Bei der Darstellung des Regierungsantritts (77-100) stellt der Dichter dann die Überlegungen und Sorgen in den Vordergrund, die den neuen Herrscher Julius Tag und Nacht beschäftigen (89, 98).24 In diesem Zusammenhang erinnert sich Julius an sein früheres Gespräch mit der Patria; Julius erkennt, dass alles Wohlergehen aus der wahren Religion, dem Protestantismus, hervorgeht. Der neue Herrscher verfolgt somit von Anfang an ein klar gestecktes Ziel: die evangelische Kirche in Braunschweig-Wolfenbüttel zu festigen und die bislang vorherrschende katholische Kirche zu bekämpfen: 91 92 93 94 95 96 97

Et, quia relligione omnem pendere salutem E uera rerum humanarum agnoscit, et illam Hactenus heu miseré terris his omnibus esse Curatam saepe ante dolens aduerterat, unum hoc In primis spectare, superstitionis ut omnis Antiquae impietas cedat, ueróque potenti Det fraus pulsa locum.

————— 23 Augustinus als Vertreter des frühen Christentums führt den Begriff religio auf religare zurück und deutet den Begriff als »Streben zu dem einen Gott« (retract. 1, 12, 9). Die auf die Inhalte des christlichen Glaubens zielende religio vera grenzt er von der religio falsa, der kultischen Götterverehrung des heidnischen Polytheismus, ab, vgl. Gerwing, M.: Religio, in: LexMA 7 (1995), 690; Wagner, F.: Religion II, in: TRE 28 (1997), 523-525. 24 Bergius greift an dieser Stelle einen Topos der antiken Panegyrik auf, die gern darauf hinweist, dass der Herrscher sich Tag und Nacht um das Wohl seines Volkes sorgt: noctes omnes diesque perpeti sollicitudine pro omnium salute transigere (Paneg. 10 (2) 3, 4); Paneg. 3 (11) 13, 3. Zu diesem Topos vgl. Mause, Darstellung des Kaisers, 121. Die Herrschersorgen sind auch in den reformatorischen Fürstenspiegeln stets präsent: »Wiewohl nun einem Fürsten in der regierung gewißlich vil kommer / sorg / angst unnd not zustehet« (Rieger, 80), dazu Singer, Fürstenspiegel, 309.

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Dasselbe Regierungsziel setzt sich Julius erneut in seiner ersten Rede als Machthaber vor seinen Beratern: [...] stat prima meorum / Relligioni uni Christóque dicare laborum (259f.). 4.5.3.2 Julius’ Amtsverständnis Mit dem Hauptziel seiner neuen Herrschaft, die protestantische Konfession in seinem Land zu propagieren, erfüllt Julius eine wesentliche Voraussetzung zum idealen Herrscher. Mit ihr verbunden ist eine weitere Voraussetzung, welche einen wirkungsvollen Einsatz für die vera religio überhaupt erst möglich macht: das rechte, auf der Bibel begründete religiöse Amtsverständnis, welches ebenfalls die Fürstenspiegel vermitteln.25 In ihnen ist das Verhältnis zwischen Gott und dem Herrscher als ein Bündnis gedeutet: Auf der einen Seite betrachtet sich der Herrscher als ein Diener Gottes; Gott hat ihn eingesetzt, um durch seine Person die Geschicke auf Erden zu lenken. Als Herrscher von Gottes Gnaden und Stellvertreter Gottes sorgt er in seinem Land für Gerechtigkeit, indem er Gottes Wort aufs strengste befolgt.26 Der Herrscher weiß, dass ihm Gottes Zorn und ewige Strafe drohen, wenn er dessen Gebote nicht befolgt.27 Auf der anderen Seite darf sich der gottesfürchtige Fürst auf die Unterstützung Gottes verlassen,

————— 25 Urban Rieger zieht ausschließlich die Bibel, besonders das Alte Testament und die Apostelbriefe, zur Fürstenbelehrung heran, vgl. den Titel: Handtbüchlin [...] Allein auß Gottes wort [...] gezogen, dazu Singer, Fürstenspiegel, 288ff. 26 In der Herrscheridee vom Gottesgnadentum verbinden sich antike und christliche Vorstellungen; die Bibel hat dieses Herrscherbild stark geprägt, vgl. z.B. Röm 13, 1: »Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt« oder Spr 8, 15f.: »Durch mich regieren die Könige / und entscheiden die Machthaber, wie es Recht ist; durch mich versehen die Herrscher ihr Amt, / die Vornehmen und alle Verwalter des Rechts«, vgl. dazu Fears, J. R. (Übers. G. Rexin): Gottesgnadentum (Gottkönigtum), in: RAC 11 (1981), 1103-1159; Enßlin, 53ff.; ferner Bittner, 27 und 29. Rieger verwendet den ersten Teil seines Fürstenspiegels darauf, den Fürsten über sein Amt zu unterrichten: »Ein Christlicher Herr sol für allen dingen / seinen Herrn und Gott Jesum Christum / den rechten und öbersten Lehenherren / von dem aller gewalt her kompt / demütiglich erkennen / sich / sein fürstenthumb unnd was er hat / mit willigem vertrawen / in die hand Gottes befelhen« (Rieger, 75; vgl. auch Willing, 21, der diesen Passus wörtlich von Rieger übernimmt). Diese Forderung macht deutlich, dass Gott der eigentliche Herrscher und der Fürst (in Fortführung des mittelalterlichen Amtsgedanken) der Diener Gottes ist, denn Gott »selbs Regiert noch / unnd allweg / und wil / wie billich / gefürcht sein / als der rechte Oberste Lehenherr« (Rieger, 78; diese Stelle hat wörtlich übernommen L. Werner, Fürstlicher Trostspiegel [...], Frankfurt a. M. 1562, G3), vgl. dazu Singer, Fürstenspiegel, 293. 27 In seinem Enchiridion erinnert Rieger den Fürsten stets an die Endlichkeit seiner Herrschaft und an das Gericht Gottes, vor dem er sich verantworten müsse. Er zitiert daher zahlreiche Bibelstellen, die der Weisung unmittelbar die Warnung vor Gottes Zorn folgen lassen, vgl. z.B. 77 (Jer 21, 12) und 76, 78 (Ps 2, 12), dazu Singer, Fürstenspiegel, 297.

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Gott gibt ihm Sicherheit und Schutz. Aus dieser Gewissheit zieht der Fürst Zuversicht und Trost.28 Genau ein solches Amtsverständnis hat auch Julius: Er drängt nicht zur Macht, sondern wartet, bis Gott ihn in sein Amt beruft. Dass er eine durch göttlichen Willen legitimierte Herrschaft anstrebt, hat er bereits selbst in seinem Gespräch mit der Patria deutlich zum Ausdruck gebracht (179-206). Darin hat er die Patria ermutigt, den schlimmen Zustand unter katholischer Regierung zu ertragen, solange bis Gott ihn in sein Amt beruft – erst dann könne er ihr helfen: 195 196 197 198

Si verò hos fasces et quos grandaeuus honores Obtinet, obtineat́que diu pater, et mihi tandem Indulgere uolet summus pater, haud ego quicquam Anteferam his curis [...].29

Dazu passt, dass die Herrschaft des Julius an vielen Stellen des Gedichts als gottgewollt und gottgegeben charakterisiert wird:30 Gleich im Prooemium hebt der Dichter Julius’ Herrschaft als Gnade Gottes hervor, in dem er in einem Sonnenvergleich deutlich macht, dass nur Gott dem Herrscher den Weg ebnen kann (vgl. 20-23). Eben diesen Gedanken formuliert Julius auch selbst im Gespräch mit der Patria (vgl. 189-194). Die Bündnisbedingungen, die Julius als von Gott eingesetzter Herrscher gegenüber Gott erfüllen muss, werden ihm bei seinem Regierungsantritt deutlich vor Augen gestellt: Der Dichter lässt nämlich Julius sich selbst an programmatische, in den Fürstenspiegeln immer wieder zitierte Psalmen erinnern: 214 215 216 217

Nunc et Psalmographi sententia dia Prophetae Succurrit, quam sit coniunctio pulcra, Deóque Res grata aeterno, si se cum plebe pius Rex Congreget ad laudes Domini: et quae caetera plectro

————— 28 Wie dem Fürsten in seinem Amt Trost widerfahren kann, stellt Rieger ausführlich im zweiten Teil seines Fürstenspiegels dar (vgl. 79-89): Dadurch, dass der Fürst »ordenlich darzu beruffen ist« (Rieger, 79), kann er sich auf die Hilfe Gottes gegen Feinde verlassen: »Wer sich nun wider die Oberkeyt setzt / der widerstrebt Gottes ordnung / Die aber dawider streben / die werden uber sich ein urtheyl empfahen« (Rieger, 80 - Röm 13, 2), vgl. dazu Singer, Fürstenspiegel, 298ff. Vgl. auch Werner, A2: »Das ist ein krefftiger herrlicher Trost aller Christlichen ordenlicher weiß beruffener Fürsten und Regenten in allen ihren sorgen und widerwertigkeyten wenn sie wissen daß sie sich ins Regiment nicht freuenlich eingedrungen haben sondern ordenlich darzu Vocirt und Beruffen sind«. 29 Zu Vers 198-200 vgl. oben, 163. 30 Vgl. z.B. die folgenden Stellen: (Akklamation des Volkes:) His terris superûm donatus munere princeps / IVLIVS (350f.); (Okergott:) diuino Marte [...] / Barbariem elides (439f.); (Gebet des Dichters:) Qui facis ut foelix iusto sub principe uiuat / Subditus [...] / Da pater, ut laeto Dux omine IVLIVS, et te / Auspice quas adijt rerum moderetur habenas (970ff.); (Patria:) summíque parentis / Imperijs regitur (1135f.).

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Barbitos aurato Dauidica personat: Eia Vos quibus est sceptrum, quibus est permissa potestas In populum suprema, Deo seruite, Deíque Oscula adhuc miti mox mitia figite nato. Tempus erit cum non mitis, non iam amplius irae Parcus ad aeternas pandet flammantia poenas Tartara: at haec in uos ne saeuiat ira uidete. Tollite ferratas reges, age tollite portas Magnus ut hic uestris succedat sedibus hospes, Coelestis dux militiae, famulantia colla Cui subdit partem rerum natura per omnem.

Die beiden Stellen enthalten die Aufforderung an die Herrschenden, Gott zu loben und ihm zu dienen. In den Versen 215-217 ist dies recht allgemein und positiv ausgedrückt: Gott begrüßt es, wenn ihm das versammelte Volk zusammen mit dem König huldigt. Julius dürfte sich zum einen erinnert haben an Psalm iuxta hebr. 101, 22f., wo es heißt: ut narretur in Sion nomen Domini / et laudatio eius in Hierusalem (23) cum congregati fuerint populi simul / et regna ut serviant Domino; zum anderen an Psalm iuxta hebr. 146, 1, in dem Gott als Retter Israels, als Wiedererbauer des zerstörten Jerusalems gepriesen wird: Laudate Dominum quoniam bonum est canticum Dei nostri / quoniam decorum est pulchra laudatio. Des Weiteren dürfte auch Psalm iuxta hebr. 46, 10: principes populorum congregati sunt populus Dei Abraham eine Rolle gespielt haben; Bergius wird diesen Psalm wenige Jahre später zum Lobe von Martin Chemnitz in der Praefatio seiner Carmina Evangelica zitieren.31 An der zweiten Stelle (218-226) ist die Aufforderung, Gott zu dienen, direkt und energisch. Hier wird die Weisung mit der Androhung von Strafen für diejenigen Könige verbunden, die Gott nicht treu und ergeben dienen. Die Verehrung soll auch Gottes Sohn miteinschließen, der als Messias angekündigt wird. Ihm sollen die Herrscher die Eisentore öffnen, um dem Zorn Gottes zu entgehen.32 Julius’ »Gedächtniszitate« aus den Psalmen sind in dieser Form nicht an einer bestimmten Stelle überliefert, vielmehr hat ihn der Dichter verschiedene Psalmen kontaminieren lassen. Ausschlaggebend sind vor allem die folgenden Stellen: Ps iuxta LXX 2, 10-13: et nunc reges intellegite / erudimini qui iudicatis terram / (11) servite Domino in timore et exultate ei in tremore (12) adprehendite disciplinam / nequando irascatur Dominus et pereatis de via iusta (13) cum exarserit in brevi ira eius / beati omnes qui confidunt in eo

————— 31 Zu den Carmina Evangelica vgl. oben, 76ff. 32 Zum Öffnen der Tore für Christus vgl. im Panegyricum Carmen auch 198-200; zur Gottes Vernichtung der Feinde 1264-1266.

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Ps iuxta LXX 23, 7 = 23, 9: adtollite portas principes vestras / et elevamini portae aeternales / et introibit rex gloriae ;33 vgl. auch Ps iuxta LXX 106, 16: quia contrivit portas aereas / et vectes ferreos confregit.

Die Kombination dieser beiden Psalmen (2 und 23 [24]34) ist in den reformatorischen Fürstenspiegeln gängig.35 Für das Verständnis der inhaltlich aus Psalm 2 entnommenen Verse (218-224) ist es erforderlich zu wissen, in welchem Zusammenhang diese in Psalm 2 stehen.36 Dieser trägt zwar keine Überschrift, wird aber in Apg 4, 25 David zugewiesen (vgl. Vers 218) und gehört in die Gruppe der Königspsalmen. Er rechtfertigt in vier Strophen die Einsetzung des Königs in Jerusalem durch Gott. In der ersten Strophe (1-3) wird ein Aufstand beschrieben, den benachbarte Könige und Würdenträger gegen Gott und den von ihm gesalbten König erheben und nach dessen Motiv gefragt wird. Das Ziel der Aufständischen, die Tyrannei des gesalbten Königs zu beseitigen, wird als direkte Rede der Herrscher wiedergegeben. Die nächste Strophe (4-6) enthält die Vorstellung des gesalbten Königs darüber, wie Gott auf diesen Aufstand reagieren wird; er erwartet Gottes Spott und Zorn gegen die Aufständischen. Diese Erwartung basiert auf Gottes Zusage (in direkter Rede in Vers 6), dass die Einrichtung und die Bestimmung des Davidischen Königtums in Jerusalem auch für die Zukunft Gültigkeit haben sollen. In der dritten Strophe (7-9) rechtfertigt der König seine Herrschaft, indem er die Einsetzungsworte Gottes zitiert. In der letzten Strophe (10-12) folgt dann die Warnung und Aufforderung an die aufständischen Fürsten, sich der Herrschaft Gottes und seines Königs zu unterwerfen, um dem Zorn Gottes zu entgehen.37 Indem Julius den Schluss dieses Psalms zitiert, wird deutlich, dass er den Psalm auf sich selbst bezieht. Die Mahnung des Psalms ist in seiner Erinnerung an die Herrscher gerichtet, denen die Macht überlassen ist, d.h. die einen von Gott gegebenen Anspruch auf die Herrschaft haben. Julius fühlt sich unmittelbar angesprochen. Er identifiziert sich einerseits mit dem gesalbten König selbst (Vos quibus est sceptrum, quibus est permissa potestas ————— 33 Ps 23 beschreibt Gottes Einzug als König und siegreichen Kriegsmann in Stadt und Tempel anlässlich der Einweihung des Jerusalemer Heiligtums, vgl. dazu Weber, 129-131. Der Dichter bezieht den Einzug auf den kommenden Messias. 34 Die Zahl in Klammern gibt (hier und im Folgenden) die Zählung nach der hebräischen Tradition an, der auch die deutsche Einheitsübersetzung folgt. 35 Vgl. z.B. Chr. Vischer, Bericht Aus Gottes Wort und verstendiger Leute Büchern Wie man junge Fürsten und Herrn dermassen aufferziehen sol das sie hie nutzliche Gefess und heilsame Regenten und dort in jenem Leben Himels Fürsten werden mögen. [...] , d6 und Rorer, B6. 36 Zu Ps 2 vgl. Weber, 52-55; Seybold, K.: Die Psalmen, Tübingen 1996, 30-33; Doeker, 6382. 37 Die Identifikation des Sprechers in Ps 2 ist schwierig, für die Mahnung (10-12) und die Einleitung (1-2) ist es sinnvoll, den Psalmisten als Erzähler anzunehmen, vgl. dazu Doeker, 66 Anm. 11.

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219), weiß aber auf der anderen Seite auch um seine Pflicht, die ihm der Psalm mit seiner Mahnung an die Ungehorsamen auferlegt – nämlich seine Pflicht, Gott und seinem Sohn38 aufrichtig zu dienen. Julius macht an dieser Stelle sein Amtsverständnis deutlich: Es handelt sich um einen Bund zwischen ihm und Gott. Julius ist bereit, Gott bedingungslos zu folgen, solange dieser seine Herrschaft stützt und trägt: 230 231 232 233

Sequor quocuńque sequendum est Gloria quò tua me, quò me tua sancta uocat uox Rerum summe parens. Tu fac modò, ritè capessam Tantum opus, imperijsque tuis suscepta secundes.

In einem solchen zwischen Gott und dem Herrscher geschlossenen Bündnis sieht auch Münsinger, Jurist und engster Berater des Julius, in seiner programmatischen Rede die Grundlage einer glücklichen, dem ganzen Land Wohlergehen versprechenden Herrschaft:39 301 302 303 304

His etenim auspicijs felix at́que utilis orbi Incipitur princeps, Deus ipse ante omnia quando Consulitur, quid́ que is poscat spectatur: Ab illo Rerum summa salus dependet principio.

Dementsprechend nachdrücklich mahnt Münsinger den jungen Herrscher, an den getroffenen Grundsätzen festzuhalten; dank ihnen werde Gott seiner Herrschaft Dauer und Sicherheit verleihen: 318 319 322 323 324 325

At tu Perge sacer quò te uocat impetus [...]. Te tamen ille Deus, cuius tibi gloria cordi est Defensum dabit, et magna inter praemia ducet. Hic tibi certa reget media uestigia nocte, Luce reget media: nemo duce labitur illo.40

————— 38 Mit der Aufforderung in 220f., Gottes Sohn zu küssen (Deíque / Oscula adhuc miti mox mitia figite nato), zeigt Bergius, dass er die zeitgenössische Auseinandersetzung um das Verständnis des Psalms 2, 12 kennt: Hieronymus hatte in seinem Psalmenkommentar darauf hingewiesen, dass der hebräische Urtext neben der geläufigen Vulgata-Übersetzung adprehendite disciplinam auch mit osculamini filium wiedergegeben werden kann. Diese Auslegung verbreitete im 16. Jahrhundert Luther; sie findet sich dann u.a. in den Psalmenbearbeitungen von Eobanus Hessus, bei Johannes Stigel oder Georg Fabricius. Vgl. dazu Ludwig, Christliche Dichtung, 325f. In Bergius’ 1573 veröffentlichten Carmina Evangelica (vgl. oben, 76ff.) findet sich ein langes hexametrisches Gedicht, in welchem eben dieser Psalm ausgelegt wird: De Dicto Psalmi II. Osculamini filium, ne quando irascatur Dominus (B3-C1). Dass Ps 2 messianisch gedeutet und bedeutsam für das Verständnis von Jesus als Messias und Gottes Sohn wurde, zeigt sich auch daran, dass er von allen Psalmen im Neuen Testament am häufigsten zitiert wird, vgl. dazu Weber, 54. 39 Münsingers Rede (269-325) mit ihrem rational argumentierenden Duktus hat der Dichter gewiss als Gegenstück zur emotionalen Rede der Patria angelegt. 40 Der Gedanke, dass Gott Halt gibt und man unter seinem Geleit nicht ins Wanken gerät, ist in den Psalmen geläufig: Ps 15, 8 [16, 8]; 16, 5 [17, 5]: sustenta gressus meos in callibus tuis / et non labentur

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4.5.3.3 Julius’ Herrschertugenden Wie es Menander in seinem βασιλικὸς λόγοςvorschreibt, sollen den Taten des Herrschers bestimmte Tugenden zugrunde gelegt werden. Im Krieg sind vor allem die Tapferkeit (ἀνδρεία und Einsicht (φρόνησις zu loben, im Frieden Besonnenheit (σωφροσύνη, Gerechtigkeit (δικαιοσύνη und ebenfalls Einsicht (φρόνησις.41 Im Zentrum der Charakterisierung des Herrschers sollen also die vier Kardinaltugenden (lat. iustitia, fortitudo, prudentia, temperantia) stehen.42 Die Praxis zeigt, dass die Panegyriker diesen Anweisungen nur so weit folgen, wie sie in ihr Bild vom idealen Herrscher und das ihrer Zeit passen: Die Tugenden werden also entsprechend der Situation ihrer Lobrede oder ihres Lobgedichtes und entsprechend der individuellen Persönlichkeit des Herrschers hervorgehoben oder übergangen.43 So beschränkt auch Bergius die Bemerkungen zu Julius’ Tugenden weder auf eine bestimmte Stelle im Gedicht,44 noch geht er systematisch auf alle klassischen Kardinaltugenden ein. Vielmehr sind Julius’ Tugenden, wie im Folgenden gezeigt werden soll, auf seine Person und seine Aufgabe als Herrscher im Dienste der Reformation abgestimmt; dabei orientiert sich Bergius freilich an den antiken Kardinal- und Schildtugenden (virtus, clementia, iustitia, pietas),45 deutet sie aber christlich um und gewichtet sie nach ihrem Nutzen für die Durchsetzung der »wahren Religion«. Einer Eigenschaft, der als Voraussetzung, die vera religio zu verwirklichen, zentrale Bedeutung zukommt, ist die pietas.46 Als die Kardinaltugend des Julius überragt sie alle anderen Tugenden:47 Die Muse Kalliope nennt ————— vestigia mea; 20, 8 [21, 8]; 36, 24 [37, 24]; 36, 31 [37, 31]; 54, 23 [55, 23]; 65, 9 [66, 9]; 93, 18 [94, 18]; 111, 6 [112, 6]. 41 Vgl. Russell /Wilson, 373, 5 - 376, 23, vgl. auch die Forderungen für den ἐπιβατήριος λόγος: 379, 13 - 380, 9. 42 Zur Bedeutung der Kardinaltugenden für das Herrscherlob in der Theorie der römischen Rhetorik vgl. Georgi, 18f., 29 (zur christlichen Umdeutung der Tugenden durch Alcuin); Bittner, 24. 43 Vgl. hierzu Mause, Darstellung des Kaisers, 219 mit zahlreichen Beispielen, z.B. Plin. paneg. 2, 6f.; 3, 4; Claud. Stil. 1, 24-35; 6. cons. Hon. 584-586; Stil. 2, 100ff. 44 Dies ist damit zu erklären, dass Bergius sein Panegyricum Carmen wie Claudian chronologisch und nicht nach Rubriken anlegt, vgl. dazu oben, 156. 45 Zu diesen Eigenschaften des antiken Herrschers vgl. Charlesworth, M. P.: Die Tugenden eines römischen Herrschers: Propaganda und die Schaffung von Glaubwürdigkeit, in: H. Kloft (Hg.), Ideologie und Herrschaft in der Antike, Darmstadt 1979, 361-387. 46 Zum Begriff der pietas, der religiösen Frömmigkeit, im 16. Jahrhundert vgl. Römmelt, St. W.: Panegyrik und Pietas im Zeitalter der Konfessionalisierung, in: J. Oswald / R. Haub (Hgg.), Jesuitica, München 2001, 331ff. mit zahlreicher Literatur (354 Anm. 126). 47 Zur Darstellung der pietas als bedeutendster Tugend des protestantischen Herrschers vgl. in der Dichtung Greiff, 133ff. Auch in den reformatorischen Fürstenspiegeln wird die pietas als wichtigste Tugend des Fürsten angesehen: »Gottes furcht ist der ware rechte Schmuck eines Regiments oder auch der Regenten [...] Die höchste tugend eines Fürsten ist Gott kennen«

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Das Paneygricum Carmen auf Herzog Julius

Julius’ Frömmigkeit an erster Stelle, als sie ihren Schwestern die Gründe darlegt, weshalb sie Julius ehren sollen (367): Illius hoc pietas et uis Heroa meretur. Münsinger rühmt in seiner programmatischen Rede den Anfang von Julius’ Herrschaft als erfolgversprechend, da Julius sich vor allem durch seine pietas auszeichne, die er unmittelbar mit der (vera) religio verknüpft; Religion und Frömmigkeit sind für ihn die wichtigsten Güter im Leben:48 270 271 272 273

simul his documenta futuri Imperij specimeńque ingens ostendis ab orsis, Dum tibi Relligio Pietaśque ante omnia cordi est: Relligio Pietaśque omni bona maxima uita.

Sie ist – so hofft die Patria in ihrer ersten Rede an Julius – diejenige Tugend, die dazu führen wird, dass der katholische Irrglaube überwunden werden und echte Gottesverehrung wieder einziehen kann: At́que ita uel tandem cultus sanctißima ueros / Restituat pietas (160f.). Dass pietas ausschließlich dem Protestantismus zugeordnet ist und der Sicherung dieser Konfession dient, zeigt sich auch daran, dass ihr Gegenteil, die impietas, mehrfach als das Hauptcharakteristicum des Katholizismus erscheint (vgl. 96, 121, 381). Die pietas besitzt also die absolute Priorität unter den Herrschertugenden und wird als Leittugend des Julius gepriesen, unter die sich die übrigen Tugenden einreihen. Untrennbar verknüpft mit der pietas des Julius und seiner Amtseinsetzung durch Gott ist die Kardinaltugend iustitia: Als Stellvertreter Gottes kann der Fürst auf Erden überhaupt nur dann gerecht regieren, wenn er strikt Gottes Gebote befolgt und als Diener Gottes diese auch auf Erden durchsetzt. Der ideale Herrscher ist daher pius und iustus zugleich;49 und dementsprechend kann sich die Patria in ihrer zweiten Rede unter Julius’ ————— (Vischer, d6). Ihre Vorrangstellung unter den Tugenden des Herrschers behält die pietas auch im 17. Jahrhundert: »Vnter denen Tugenden des Gemüts oder der Sitten ist die Gottesfurcht / Gottseeligkeit oder christliche Frömmigkeit / das Fundament vnd Begrieff der andern alle«, so das Urteil von V. L. von Seckendorff (Teutscher Fürsten-Stat [...] 1656, 60, zitiert nach Heldt, 203). Siegmund von Birken schlägt in seiner Teutsche[n] Rede-bind und Dicht-Kunst (1679, 243) für die Ausarbeitung des Lobes vor: »Nach diesem preiset man ihren Wandel im Weg der Tugenden / und vörderst die Königin unter denselben / die Gottesfurcht [...] durch deren antrieb sie Gott geehret und geliebet« (zitiert nach Heldt, 202). 48 Dies will auch Georg Sabinus dem König Sigismund in einer Art Fürstenspiegel am Ende seines Hochzeitsgedichts vermitteln, vgl. nupt. Sigism. 498-501: Nulla quidem virtus est Principe dignior, ardens / Quam pietatis amor: quocirca ante omnia curam / Relligionis agas, et propagare memento / Hunc, sacra quo gaudet Christi respublica, cultum. 49 Diese Forderung stellen auch die reformatorischen Fürstenspiegel an den Herrscher: »Er sol Gott fürchten in allem seinem thun / und lassen [...] Denn die heylig Schrifft / fodert von der Oberkeyt / das sie gericht und gerechtigkeyt auff Erden halte« (Rieger, 75). Zur Verbindung von pietas und iustitia vgl. auch Dtn 17, 19 und Ps 2, 10.

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Herrschaft nur Gutes für ihr Land versprechen, weil sie ihren Herzog als gerecht und gottesfürchtig einschätzt: Dum Ducis egregij praeter iustuḿque piuḿque / Nil prorsum admittit pectus (1134f.). Zudem verkündet der Dichter in seinem Schlussgebet, dass Julius als Priester Gottes nur Rechtes und Heiliges verkünden werde (vgl. 1237). In Übereinstimmung mit der antiken Tradition wird an Julius des Weiteren seine virtus hervorgehoben.50 Durch diese wird er in die bedeutende Abfolge seiner Vorfahren eingereiht, wie Münsinger in seiner Rede ausdrückt (311): Hos uirtus tua digna sequi, hos imitabere semper; auch Kalliope preist Julius für seine virtus, mit denen er seine Altersgenossen übertreffe und den Rang der Vorfahren erreiche (371f., vgl. auch 357-362): Sic illius ingens / Praelucet paribus uirtus, aequat́que priores. Bereits im Prooemium hatte der Dichter Julius’ virtus und seinen beständigen und festen Willen in den Vordergrund gestellt als Eigenschaften, in denen er den Vorfahren gleichkommt (vgl. 22, 25-28).51 Julius zeichnet sich weiterhin auch durch die Kardinaltugenden prudentia und temperantia aus. Seine geistigen Fähigkeiten werden immer wieder hervorgehoben, vgl. z.B. 22, 40, 71, 269, 359.52 Gelobt wird seine kluge, vorausschauende Erkenntnis (77-80, vgl. auch 229): Mox praestans animi princeps, sua postmodo posci / Auxilia haud ignarus [...] / [...] / [...] Neque enim ignorabat [...]. Seine kluge und bescheidene Art bewirkt auch, dass er kompetente und erfahrene Helfer zu Rate zieht. Diese Berater, die sich schon unter der Regierung von Julius’ Vater Heinrich bewährt haben und unter denen der Kanzler Münsinger eine herausragende Stelle einnimmt, lässt Julius zusammenkommen und bittet sie um Unterstützung (246-263).53 Insbesondere sein Auftreten beim Einzug in die Stadt Braun————— 50 Auch Sabinus fordert in seinem »Fürstenspiegel« König Sigismund auf, die Tugend hochzuschätzen: Nilque prius virtute putes: haec regna tuetur (nupt. Sigism. 527). 51 Julius’ Entschlossenheit und sein starker Wille, den er in seiner Rede bewiesen hat, finden auch bei seinen Beratern einschließlich Münsinger Bewunderung (264f.): extemplo cunctis laudanda uideri / Principis egregij praeclare ostensa uoluntas. Mit unermüdlichem Eifer kommt Julius den an ihn gestellten Regierungsforderungen nach, vgl. 89f.; 97f. 52 Vermutlich werden diese als Gegengewicht zu den wegen seiner Behinderung fehlenden kriegerischen Fähigkeiten betont. 53 Die Hinzuziehung von ausgewählten Männern, die dem Herrscher bei der Regierung helfen, ist ein Merkmal des Herrscherideals seit der Spätantike, durch das sich der Herrscher Anerkennung und ein starkes Fundament seiner Herrschaft sichert, vgl. Bittner, 23. In den reformatorischen Fürstenspiegeln wird ausdrücklich auf die Hilfe von Ratgebern verwiesen: »Ein Fürst und Herr kan nicht alles für sein Person ersehen noch bedencken. Darumb muß er Räth und trewe Leut haben damit die Aempter Land und Leut bestelt unnd versorget werden unnd sol auch trewen Räthen folgen unnd nicht auff seinem eignen Kopff stehen« (Willing, 23). Desgleichen fordert Sabinus König Sigismund auf, die Hilfe von Ratgebern in Anspruch zu nehmen: Ardua magnarum si quando negocia rerum / Sunt tractanda, viris prudentibus utere: ne quid / Inconsultus agas (nupt. Sigism. 511-513).

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schweig lässt auf eine maßvolle Regierung hoffen: Dort zeigt er sein sanftes Gesicht, dem der Friede auf die Stirn geschrieben steht (994f.): Mitiáque ora heros placidaḿque gerentia pacem / IVLIVS ostendit; er erscheint ohne seidenes Prachtgewand und purpurfarbenen Mantel (1065ff.).54 4.5.4 Julius als idealer Herrscher Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, fordert die Heimat von ihrem neuen Herrscher Julius zuvörderst die Durchsetzung der Reformation; für diese Aufgabe besitzt er die nötigen Voraussetzungen und hat erste erfolgreiche Schritte vollzogen.55 Entsprechend lässt der Dichter das Volk mit Freude und Jubel auf die Regierungsanfänge des Julius reagieren und wird dabei nicht müde, den Jubel immer wieder in unterschiedlichen Szenen und aus unterschiedlichen Perspektiven zu artikulieren: Es freuen sich ganz Sachsen und Umgebung über den neuen Herrscher (344ff.);56 selbst die Musen stimmen in das Lob auf Julius ein: In ihrer Rede freut sich Kalliope über die glücklichen Anfänge von Julius’ Herrschaft und fordert ihre Schwestern auf, den neuen Herzog dementsprechend zu preisen (vgl. 352ff.). Fama fordert die Flussnymphen auf, Julius zu Ehren reichlich Lilien und Veilchen zu schenken, dem Okergott befiehlt sie, nur reines Wasser in seinem Fluss zu führen (vgl. 418ff.). Dieser lässt sich dann auch, als er mit seinen Flussnymphen den lauttönenden Beifall des Volkes hört, zu einer Jubelrede hinreißen, in der er sich unter Julius’ Herrschaft glücklicher als den Po und den Ebro-Strom wähnt (vgl. 446ff.). Besonders aber rühmt das eigene Volk Julius für die Einführung der Reformation und wünscht, Julius möge ebenso lang leben wie Nestor oder die Sibylle (vgl. 346ff. und 1205ff.).57 Am Tag von Julius’ Einzug sind der Beifall und Jubel der Bürger ————— 54 Zur civilitas des Herrschers vgl. z.B. Claud. Stil. 2, 149-160 und Claud. 6. cons. Hon. 5864, 303-320a, dazu Döpp, Zeitgeschichte, 117 und Mause, Darstellung des Kaisers, 54. 55 Julius hat Jakob Andreae und Martin Chemnitz mit der Durchsetzung der Reformation und insbesondere mit der Ausarbeitung einer Kirchenordnung beauftragt, vgl. die Verse 328ff. und siehe oben, 132. 56 Die Freude über den Herrscher (ausgedrückt durch die Begriffe gaudium, laetitia oder exsultatio) gehört in den Adventusdarstellungen der spätantiken Panegyrici Latini zu den festen Topoi der Beschreibung eines Herrscherempfangs (vgl. Paneg. 11 (3) 10, 5 und 11, 4; 8 (5) 19, 12; 2 (12) 37, 2-3), vgl. Lehnen, 45. Zum Jubel beim Adventus des Herrschers in der poetischen Beschreibung vgl. z.B. Claud. 3. cons. Hon. 121ff.; in der neulateinischen Dichtung vgl. Sabinus, nupt. Sigism. 473f.: Tanta tuus cunctis aduentus gaudia rebus, / Ut montana fremant laetis iuga plausibus, affert. 57 Dem Herrscher ewiges Leben zu wünschen, ist antiker Topos, auf den auch Menander Rhetor den Panegyriker hinweist (377, 28f.), dazu Mause, Darstellung des Kaisers, 224f.: in Verbindung mit Nestor vgl. z.B. Stat. silv. 4, 2, 57-59; Stat. silv. 4, 3, 145-152; Plin. paneg. 28, 6, in neulateinischen Gedichten z.B. Wilhelm Alard, Panegyrikon Serenissimi Potentissimique

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so laut, dass der Dichter meint, Salmoneus, der die Blitze des Zeus imitierte, werde von den Erzbrücken gewälzt (vgl. 949ff.). Als Julius selbst kommt, übertreffen Freude und hymnische Verehrung des Volkes sämtliche Vergleiche, die der Dichter anstellt, um das Ausmaß des Beifalls zu beschreiben (vgl. 1015ff.). Auch die Landesmutter Patria fasst die Freuden des Volkes in ihrer zweiten Rede mit einem Vergleich zusammen: Julius wird als neuer Herzog vom Volk so sehnlich herbeigewünscht wie Wind von den Seeleuten oder der Frühling von den Bauern (vgl. 1147-1152). Sie hält es für angemessen, dass zu Julius’ Ehren Weihrauch verbrannt wird und die Natur nur noch Friedensolivenzweige und Lorbeer sowie Rosen, Lilien und Veilchen hervorbringe (vgl. 1108-1112). Die übermäßige Freude des Volkes liegt darin begründet, dass es mit Julius’ Regierung und der durch ihn bewirkten Reformation den Anbruch eines neuen Goldenen Zeitalters erwartet. Julius wird als Erlöser gepriesen und gottähnlich verehrt. Diese beiden Aspekte – Julius’ Herrschaft als neues Goldenes Zeitalter und seine göttlichen Züge – sollen im Folgenden näher betrachtet werden. 4.5.4.1 Julius’ Herrschaft als Goldenes Zeitalter Die Erwartung, dass mit Julius’ Herrschaft ein besseres Zeitalter anbricht, wird in der ersten Hälfte des Gedichts immer wieder von verschiedener Seite vorbereitet: Bereits im Prooemium bezeichnet der Dichter Julius als spes optatißima (25), und die Patria macht Julius vor seiner Regierung in ihrer ersten Rede deutlich, dass seine Hilfe von ihren Einwohnern in Gebeten erfleht werde und man sich von ihm die Rückkehr in ein besseres Zeitalter verspreche.58 Auch Kalliope und die Musen, die Julius freudig erwarten, des Weiteren der Okergott und das Volk wünschen sich glücklichere Zeiten (vgl. 358, 375=384: melioŕque refloreat aetas, 406-408, 962ff., 1043). Sie alle sehen nach Julius’ Regierungsantritt ihre Wünsche erfüllt. Als autoritative Stimme des Volkes fasst die Patria in ihrer zweiten Rede den Zustand in ihrem Land nach Julius’ Regierungsanfängen zusammen und spricht dann als erste und einzige Person im Gedicht explizit von einem Goldenen Zeitalter: Hatte sie sich in ihrer ersten Rede, unter schlechten Bedingungen lebend, von Julius bessere Zeiten gewünscht, so hat sie nun, bei ihrem erneuten Auftritt, keinen Zweifel mehr, dass mit Julius ein neues ————— Principis ac Domini, Domini Christiani IIII., Regis Danorum [...] in urbem Cremparum ingressum [...], in: Haye [vgl. oben, 149 Anm. 32], Vers 450f. 58 At tu, cuius opem uotis uocat incola crebris / Iamdudum, et sub quo tandem reditura putamus / Siquá fata sinant prisci meliora metalli / Saecula [...] (149ff.).

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Goldenes Zeitalter begonnen hat.59 Sie fordert die Parzen daher auf, die neue Zeit einzuleiten: 1094 1095 1096 1097 1098 1099 1100 1101 1102 1103 1104 1105

Hoc ô hoc pergite ritu Concordes stabili fatorum numine Parcae. Pergite conuersis noua ducere saecula fusis Concordes stabili fatorum numine Parcae. Nam quis adhuc dubitet, priscis quin aemula saeclis Tempora procedant mundo, cum IVLIVS ille IVLIVS haud ullo magnorum indignus auorum, IVLIVS haud dubijs cui Vatum oracula signis Aurea compositis praedicunt saecula bellis, Veri sacra Dei et cultus per auita probatos Regna pij egregio studij complexus amore Dulcia pacatis etiam dabit ocia terris.

Die Voraussetzung für ein solches Goldenes Zeitalter, die Änderung der Religion, hatte im Mittelpunkt der ersten Rede der Patria gestanden und war mit energischen Forderungen an Julius verbunden. Auch in ihrer zweiten Rede nennt sie Julius’ Einsatz für die vera religio als eine Handlung, die dem Goldenen Zeitalter vorausgehen muss; im Vergleich zu ihrer früheren Stimmung sieht sie aber diese Bedingung inzwischen als erfüllt oder kurz vor dem Abschluss stehend an: So kann Julius jetzt ihrem Land Frieden und Ruhe bringen (1103-1105). Als ein ebenso entscheidendes und mit dem Frieden eng verbundenes Kennzeichen des Goldenen Zeitalters erachtet die Patria Gerechtigkeit, wie der Fortgang ihrer Rede beweist: Anhand des Gegenbildes der früheren katholischen Machthaber60 hebt sie Julius als gerechten Herrscher hervor. Sie rühmt gegenüber dem Volk seine maßvolle und gerechte Regierung, welche die Untertanen nicht unterdrückt, ihnen ihr Glück nicht missgönnt und für wahre Frömmigkeit sorgt, ganz im Gegensatz zur vorherigen Tyrannenherrschaft:

————— 59 Den Herrscher als Begründer eines Goldenen Zeitalters zu feiern, ist in der antiken panegyrischen Literatur topisch, vgl. z.B. Paneg. 9 (4) 18, 1 und 18, 5; Paneg. 4 (10) 38, 1; Verg. ecl. 4; Verg. Aen. 6, 792-795; Claud. Stil. 2, 449-466, Claud. Rufin 1, 372-387, dazu Mause, Darstellung des Kaisers, 222; Sauter, 19ff. Zur Tradition des aurea-aetas-Topos in der Antike vgl. Kubusch (dazu Rez. R. Häußler, in: Gnomon 69 (1997), 211-225); Gatz; Reynen, 415-433. Zum Topos in der neulateinischen Literatur vgl. Grant, W. L.: A classical theme in neo-latin, in: Latomus 16 (1957), 690-706. Vgl. z.B. Hessus, Divo et invicto imperatori Caesari Carolo V. (vgl. oben, 152 Anm. 49), 256; Micyllus, silv. 2 (In adventum Caroli V.), 144 (der Hessus imitiert), 173-176. 60 Vgl. hierzu eingehend unten, 186ff.

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Non uos ille premit, non uestris inuidet ille Fortunis: nec relligio contraria litem Posthac offensasùe feret: sed candida mentes Hinc at́que hinc pietas uinclo deuinciet arcto. Nec quicquam posthac turbator Spiritus ille Efficiet, qui summa imis, qui sacra profanis Faśque nefaśque una gaudet miscere ruina.

Nachdem die Patria Julius’ Regierungsanfänge als Beginn eines Goldenen Zeitalters gepriesen hat, verpflichtet sie ihn für die Zukunft auf eben diese gerechte Herrschaft: Das Volk liebe und verehre ihn; er solle es in gleicher Weise lieben, seinen Willen respektieren und wie ein Vater für das Volk sorgen.61 Er solle es nicht zu erneuten Bauernaufständen kommen lassen:62 1161 1162 1163 1164 1165

Sit tibi gratus amor populi, sit grata uoluntas: Ińque uicem tibi quod praestant praestato, bonuḿque Indue mente patrem, ne rursus quaeso querantur Agricolae exustaśque domos, abstractáque coràm Armenta, et saeuo spoliatas milite uillas.

Die Patria führt Julius noch einmal vor Augen, was auch in Zukunft seine Aufgaben sind: Er solle weiterhin für die Verbreitung der wahren Religion sorgen. Eindrücklich warnt sie ihn vor Krieg: Ihr Volk brauche nichts vorrangiger als Frieden:63 1168 1169 1170 1171

Illis pace opus est: sed et indiga caetera pacis. Pace nihil melius, pax publica iura tuetur, Pax sceptra amplificat, pax priuata omnia: pacem Natura ipsa homini commendat, et arduus aether.

————— 61 Seine Regierung soll also nach der für das 16. Jahrhundert typischen Struktur: »Getreuer Herr – getreuer Knecht« ablaufen, vgl. Grüter, 243. In ihrer ersten Rede hatte die Patria Julius den Ehrentitel pater patriae (167) in Aussicht gestellt, wenn die von ihm verlangten Pflichten vollbracht seien; vom Dichter wird Julius als Vater des Volkes gerühmt (989). Auch an anderen Stellen des Gedichts wird Julius als Herrscher gepriesen, der sich um sein Volk sorgt und es beschützt, vgl. 269f. (Münsinger); 432 (Okergott). Die Charakterisierung des Herrschers als Vater, der das Volk beschützt, ist in der Panegyrik üblich, vgl. Plin. paneg. 2, 3; 4, 2; 21, 4; Stat. silv. 4, 1, 17; Stat. silv. 4, 2, 151; Claud. Stil. 3, 51; Claud. 4. cons. Hon. 294ff. Zum Vatervergleich vgl. Mause, Darstellung des Kaisers, 228 und Stevenson, T. R.: The Ideal Benefactor and the Father Analogy in Greek and Roman Thought, in: CQ N.S. 42 (1992), 421-436; ferner Berlinger, 77-80. 62 Bergius lässt die Patria mit den Bauern sympathisieren. Zur Wertung des Bauernkriegs im 16. Jahrhundert vgl. Schäfer, E.: Der deutsche Bauernkrieg in der neulateinischen Literatur, in: Daphnis 9 (1980), 1-31. 63 Frieden als wichtiges Kennzeichen des Goldenen Zeitalters postuliert die Patria mit den Worten des Micyllus, der sich bei der Ankunft Kaiser Karls V. in Frankfurt folgendermaßen an den Kaiser wendet (silv. 2 (In adventum Caroli V.) 85-90): Pace opus est Caesar, pax publica iura tuetur, / Cumque pia castam relligione fidem. / Pacis amans Deus est, pacem mandavit habendam / Qui regit aethereae conditor arcis opus. / Non illa melius quicquam videt arduus aether, / Non illa quidquam dulcius orbis habet.

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Das Paneygricum Carmen auf Herzog Julius

Die Patria ist sich jedoch sicher, so verkündet sie zum Abschluss ihrer Rede, dass Julius als Garant des Goldenen Zeitalters, in dem Ströme von Honig und Nektar fließen (vgl. 1173f.),64 fungieren wird: Denn aus seinem sanften und guten Blick sowie seiner gelassenen Erscheinung könne man auf seine gerechte Friedensherrschaft in ihrem Land schließen.65 Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, ist die zweite Rede der Patria als Gegenstück zur ersten komponiert.66 Nachdem die Patria im ersten Teil ihrer ersten Rede (109-148) über den erbärmlichen Zustand in ihrem Fürstentum geklagt hatte, ist sie nun im ersten Teil ihrer zweiten Rede glücklich über die neuen Verhältnisse (1094-1139). Hatte die Patria mit At tu (149) im zweiten Teil ihrer ersten Rede von Julius gefordert, den schlimmen Zustand der Gegenwart zu ändern (149-176), verlangt sie im zweiten Teil ihrer zweiten Rede, der ebenfalls mit At tu (1140) eingeleitet wird, von Julius, den Zustand des Goldenen Zeitalters zu erhalten.67 Die Patria spricht als einzige Figur im Gedicht direkt vom Goldenen Zeitalter. Auffällig freilich ist, dass die Voraussetzungen und die Kennzeichen des Goldenen Zeitalters, so wie sie in der zweiten Rede der Patria bestimmt sind, bereits zuvor mehrfach von verschiedenen Personen in ganz ähnlicher Form im Gedicht genannt waren: Voraussetzung für das neue (von der Patria als golden bezeichnete) Zeitalter ist die Reformation durch den Landesfürsten; mit der neuen Religion einher geht eine Herrschaft, die gekennzeichnet ist von Frieden, Gerechtigkeit, Wohlstand und kulturellen Gütern. Diese Merkmale der Herrschaft werden nun von den einzelnen Sprechern in einer Sprache charakterisiert, in die beständig die Versatzstücke antiker und neulateinischer Goldzeitalter-Schilderungen einfließen. Hierdurch ist gewährleistet, dass bereits an diesen Stellen die Vorstellung einer neuen Goldenen Zeit unter Julius vorbereitet ist, welche am Ende dann die Patria explizit machen wird. Die wichtigsten dieser Stellen seien nun betrachtet: ————— 64 Der Patria ist an dieser Stelle ein Vers aus Ovids Goldzeitalter-Schilderung in den Mund gelegt, die Bergius über Fabricius rezipiert hat, vgl. Bergius (1173f.) Ah tantum uitato nefas. sic flumina mellis / Per praepingue solum, sic flumina nectaris ibunt; Fabric. Itin. 1 (Carm. Stigel.), p. 52 Hoc vitate nefas, et vobis flumina lactis / Inter agros pingues, et flumina nectaris ibunt und Ov. met. 1, 111 flumina [...] iam flumina nectaris ibant. 65 Vgl. 1175ff.: Sed facies certè: naḿque hoc placiduśque bonuśque / Promittit uultus: hoc et tuus ille quietus / Quem uideo paßim praefert loquituŕque paratus. Das Gesicht und insbesondere die Augen sind für die Panegyriker zum Ausdruck der Eigenschaften und Tugenden des Herrschers von zentralem Interesse. So lassen sich nach den Worten des Sidonius in den Augen und im Antlitz des Maiorian vor allem seine Milde und Gnade ablesen (Sidon. carm. 5, 596-599), vgl. Mause, Darstellung des Kaisers, 158. Dazu passt das Verhalten der Bürger, die beim Einzug des Julius auf dessen Blick fixiert sind (vgl. 1013f.). 66 Vgl. oben, 162. 67 Zu den Entsprechungen der beiden Reden bis hin zur Kleidung der Patria vgl. unten, 182f.

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Julius selbst verleiht in seiner Rede gegenüber seinen Beratern dem Glauben Ausdruck, dass ein besseres Zeitalter in entscheidendem Maße vom rechten Glauben im Land abhängt: 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260

O nostrae fidißima turba saluti, Nostroruḿque simul, quo res ea summa loco sit, Ex qua promanant auctu bona publica magno, Vnde est, ut uitijs, ima ab radice recisis, Tollatur morum labes, terraśque reuisat Pax, paciśque comes opulentia, et illa uerenda Fraudibus et sceleri furtiśque inimica uirago, Obscurum est nulli, nec nostrae ea uocis eget res. Et quia, quid ratio nostri hac in parte requirat Officij scimus, morbo medicina paranda est. Vt́que adeo reliquis, quae nostri nouimus esse Muneris, ut populi tranquilla in pace regantur Et placidum iustis agitent sub legibus aeuum, Non dubium patefiat iter stat prima meorum Relligioni uni Christóque dicare laborum.68

Julius versteht seine Rolle als die eines Arztes, der seinem Volk die richtige Medizin gegen die Krankheit des Katholizismus verabreichen muss.69 Von der Beseitigung dieses Übels verspricht er sich die Rückkehr von pax, opulentia und der Gerechtigkeit, die er als eine uerenda / Fraudibus et sceleri furtisque inimica uirago (251f.) umschreibt.70 Eben durch die Rückkehr dieser Idealzustände und Tugenden auf die Erde wird auch sonst der Beginn eines neuen Goldenen Zeitalters charakterisiert.71 Ganz ähnliche Gedanken führt auch Münsinger in seiner Rede Julius vor Augen: Er leitet aus der Reformation sämtliche wünschenswerte Zustände ————— 68 Sein Ziel, das Volk in Frieden zu regieren, trägt Julius mit den Worten Vergils vor: In den Versen 257f. sind die in Verbindung mit dem Goldenen Zeitalter stehenden Verse Aen. 8, 325: placida populos in pace regebat und georg. 4, 154: agitant sub legibus aevum kombiniert. Zu dieser Technik vgl. unten, 222f. In den Versen 249f. bezieht sich Bergius auf Claudians erstes Buch der Invektive gegen Rufin, wo sich Allecto über die Macht der Gerechtigkeit im Goldenen Zeitalter unter Theodosius beklagt (51ff.): en aurea nascitur aetas, / en proles antiqua redit [...] pro dolor! ipsa mihi liquidas delapsa per auras / Iustitia insultat vitiisque a stirpe recisis. Bergius greift grundsätzlich gerne dort auf Claudian zurück, wo er die Goldene Zeit unter Julius mit der Schreckensherrschaft des Katholizismus, wo er Panegyrik mit Polemik verknüpft, vgl. oben, 156f. 69 Der Vergleich des Herrschers mit einem Arzt ist seit der Spätantike panegyrischer Topos, vgl. Bittner, 23. In neulateinischer Dichtung findet er sich beispielsweise bei Micyllus, In adventum Caroli V., 47-70. 70 Mit dieser Antonomasie für die Gerechtigkeit bezieht sich Bergius auf Verg. ecl. 4, 6, wo beschrieben wird, dass als Zeichen des Goldenen Zeitalters die virgo zurückkehrt; dass Vergil die Gerechtigkeit meint, geht aus Verg. georg. 2, 473f. hervor: Hier hatte die iustitia in Folge schlechter Zeiten die Erde verlassen. Vergil übernimmt die als Jungfrau umschriebene Gerechtigkeit von Arat 133-136, der sich an Hesiod, erg. 200 und 256 anlehnt, vgl. dazu Kubusch, 89. 71 Zur Rückkehr der Tugenden vgl. unten, 179.

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des Staates ab; aus der richtigen Religion gedeihen den Menschen gute Sitten, Frieden, Gerechtigkeit, Wohlstand und Glück:72 Relligio Pietaśque omni bona maxima uita. Vnde quod humanis ueré est laudabile rebus Pullulat, et magnos meßis fert optima fructus. Prima premit uitium, et primis suffocat in herbis, Prima boni rectíque simul fundamina ponit Relligio, his scatebris mores, hoc fonte, probati Promanant, magnos hinc fas deducere riuos. Hinc pax uera uenit: uitae hinc pulcerrima toti Commoditas, ingens hinc efflorescit opum uis. Illa modum uerae monstrat́que aperit́que salutis.

273 274 275 276 277 278 279 280 281 282

Schließlich preist auch ein einfacher Bürger den einziehenden Julius als einen Herrscher, von dem er sich den protestantischen Glauben und als politische Zustände Frieden und Gerechtigkeit verspricht:73 1073 1074 1075

Sic uenias: pacem qua nil meliusùe, priusùe est Rebus in humanis, paciśque exinde parentem Iustitiam et uerae ducens pietatis amorem.

Wie oben gezeigt wurde, sind die wichtigsten Kennzeichen von Julius’ Herrschaft Frieden und Gerechtigkeit. Ein weiterer Aspekt seiner Herrschaft, der bisher noch nicht zur Sprache gekommen ist, ist die Förderung der Kultur: Julius wird im Gedicht auch als ein Mäzen der Kunst und Dichtung gefeiert:74 So finden im Prooemium unter den angenehmen Zuständen, die der neue Herrscher mit sich bringt, gleich nach der pietas die Musenkünste Erwähnung. Auch die Muse Kalliope weiß, dass unter Julius sowohl die Tugenden als auch die vernachlässigten Künste wieder blühen und ein kulturloses Zeitalter vorüber ist: 375 376 377

Crescite uirtutes, melioŕque refloreat aetas: Crescite neglectae fatis melioribus artes: Mecoenas optatus adest, certuśque merenti

————— 72 Zu Religion und Frömmigkeit als derjenigen Grundlage, aus der sich alle anderen Tugenden und Annehmlichkeiten entwickeln, vgl. z.B. A. Stobaeus‘ Panegyricus Augur Apollo V. 62ff., in: M. Berggren, Andreas Stobaeus, Two Panegyrics in Verse (edited, with introduction, translation and commentary), Uppsala 1994, 66 mit 124 (Kommentar). 73 Zum Herrscher als Friedensbringer in der Panegyrik vgl. Rohr, 44; Sauter, 17ff.; Berlinger, 42-67. 74 Vgl. zu diesem Topos Rohr, 47. In neulateinischer Dichtung vgl. zu diesem Lob W. Alard, Panegyrikon (vgl. oben, 149 Anm. 32), 238-240: Quin et permultum tibi turba novena sororum / Debet, dum gratam Musae te vindice sedem / Hospitiumque sibi gelida tenuere sub Ursa; Sabinus fordert am Ende seines Hochzeitsgedichts vom Fürsten: Nam largis opibus debent a rege foveri, / Quae sacra virtutis servant cunabula Musae (nupt. Sigism. 536f.).

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Stat fauor, assequitur meritos industria fructus. Nil iam barbaries, balba stribligine tantum Terribilis poterit: [...].75

378 379 380

Dass mit Julius ein neues Goldenes Zeitalter anbricht, das die eben umrissenen Merkmale aufweist, wird endgültig beim Einzug des Julius deutlich: Dieser wird nach der Beschreibung eines Bürgers begleitet von jenen personifizierten Idealzuständen und Tugenden, die nach der antiken Mythologie die Erde im Zuge schlechter werdender Zeitalter verlassen haben, deren Rückkehr freilich Vergil, Horaz und Claudian feiern können, weil auch in ihrer Dichtung ein neues Zeitalter angebrochen ist:76 Die vera Religio schreitet voran als Voraussetzung für Frieden im Land, für die Rückkehr der Werte und Tugenden im menschlichen Leben, für das Wiedererblühen der Künste und für eine gerechte Herrschaft unter guten Gesetzen:77 1049 1050 1051 1052 1053 1054 1055 1056

Sed simul incedit placido nitidißima uultu Aurea pax, niueum spicis innexa capillum, Palladiáque gerens felicem ex arbore ramum, Et uiuax iuxta uirtus: quam mille sequuntur Artes, humanae solatia dulcia uitae, Et longaeua Themis, et legum turba bonarum. Omnia quae ductrix tanti dignißima coetus Anteit Relligio, cultus pertaesa sinistros,

————— 75 Kalliope spricht mit Claudian-Versatzstücken aus dem Panegyricus auf das Konsulat des Mallius Theodorus, vgl. 261: crescite virtutes fecundaque floreat aetas; 186: neglectae [...] arti und 263f.: certusque merenti / stat favor: ornatur propriis industria donis. 76 Bergius bezieht sich hierbei auf den Weltaltermythos, demzufolge die Göttin der Gerechtigkeit die Erde im eisernen Zeitalter verlassen hat (vgl. Hesiod erg. 196-201; Arat 133-136; Verg. georg. 2, 473f.; Ov. met. 1, 129 und 149f., dazu Reynen, 418 mit Anm. 12; Döpp, Zeitgeschichte, 155; Kubusch, 87-89, 230). Vergil spricht als erster von der Rückkehr der Gerechtigkeit in einem neuen Goldenen Zeitalter (ecl. 4, 6, vgl. Kubusch, 93f. mit Gatz, 90). Zur Wiederkehr auch der übrigen Tugenden vgl. Hor. carm. saec. 56-60; Claud. Rufin. 1, 51ff.; Claud. Mall. Theod. 166172 (dazu Döpp, Zeitgeschichte, 155; Kubusch, 152f., vgl. auch oben, 177). Zu den zurückkehrenden Idealzuständen, die dem Herrscher bei seinem Einzug zur Seite stehen, vgl. in neulateinischer Dichtung Alard, Panegyrikon (vgl. oben, 149 Anm. 32), 395-400: Quin etiam Astraea et laeto Pax aurea vultu / Et Pietas et quae Clementia temperat Iram / Praecipitem comites lateri se principis addunt. Hic quacumque via flectit vestigia, gressus / Ante ferunt Ius Fasque suos; Lis Visque Dolusque / Omnis et Impietas tam sanctis gressibus absunt, vgl. dort auch 130-134 und 267-271. Vgl. auch Petrus Lotichius Secundus, ecl. 3 (Nicer, vgl. unten, 250 Anm. 213), 24-30: iamque adeo populos caelo delapsa revisit / Justitia, humani generis decus, unica custos / imperii, cui sancta fides et foedera curae. / hanc circum Pax laeta volans plaudentibus alis exultat: Pacis sequitur comes, optima rerum, / Libertas, longo terris post tempore visa, / Libertas, faustum terris et amabile nomen; Greiff, 193 zu Michael Haslob. 77 Die Patria hatte bereits in ihrer ersten Rede die Zustände im Goldenen Zeitalter, die jetzt eingetroffen sind, vorausgesagt: Nach seiner Pflichterfüllung, so hatte sie Julius versprochen, werde sie ihm einen Kranz aus den Blumen der Gerechtigkeit, der Wahrheit, des Friedens, der Frömmigkeit und Billigkeit flechten – Blumen also, die dann überall hervorsprießen werden (165176).

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Bullaśque mitraśque leues, et somnia rasi Verticis, et fuscam torta cum cannabe uestem, Aestiuośque aptum soles captare cothurnum. Pro quibus haec multo fulgentem adamante libellum, Et crucis auratae signo ipsa in fronte notatum, Gestat, et huic digitum intendit uenerata reductum.

4.5.4.2 Hercules – David – Christus: Die göttlichen Züge des Julius Wie die vorangehenden Untersuchungen gezeigt haben, feiert das Volk Julius’ Regierungsantritt als Beginn eines neuen Goldenen Zeitalters. Dem Herrscher Julius kommt dabei die Rolle eines geradezu übermenschlichen Wohltäters und Retters zu, und so empfängt das Volk den einziehenden Julius mit so großer Freude, wie es einst die aus dem Krieg heimkehrenden Könige als seine Götter begrüßt hat (411ff.).78 Julius genießt daher auf Erden eine ähnliche Position wie die Götter des antiken Kults.79 Überhaupt wird Julius das gesamte Gedicht hindurch mit göttlichen Zügen und Attributen ausgestattet, welche ihren Ursprung zum Teil in heidnischer, vor allem aber in der christlichen Gottesvorstellung haben. Die Verleihung göttlicher Züge ist ein traditionelles Mittel panegyrischer αὔξησις:80 Sie dient (ebenso wie die polemische Diffamierung von Kontrastpersonen) dazu, die herausragende Persönlichkeit des Herrschers noch weiter zu erhöhen und ihn gleichzeitig auf diese Rolle zu verpflichten. Das folgende Kapitel will die unterschiedlichen göttlichen Züge nach ihrer heidnischen und christlichen Herkunft systematisieren und dabei auch zeigen, wie heidnische Züge für die christliche Herrscherpanegyrik nutzbar gemacht werden. Zunächst ist es ein charakteristischer Topos der heidnischen Panegyrik, den Herrscher mit der Sonne oder den Sternen zu vergleichen, um das Einzigartige, das Göttliche des Herrschers zu betonen:81 Gleich im Prooemium ————— 78 piaruḿque / Audiri laudum praeconia, qualibus olim / Excipiunt bello reduces, sua numina reges / Laetantes populi (410-413). Der Gedanke, dass sich der Landesfürst durch seinen Einsatz für den Glauben eine »quasi-sakrale Stellung« erwirbt, ist auch sonst in der Dichtung des konfessionellen Zeitalters zu finden; so stellt Johannes Heermann in einem Epigramm auf Nikolaus Reusners Herrscherdichtungen fest: reges sunt numina mundi. Vgl. hierzu Schlegelmilch, Humanistische Fürstendichtung, 287 mit Anm. 87, wo sich das oben markierte Zitat sowie das Zitat aus Heermann finden. Zur Bezeichnung der Herrscher als numen vgl. auch Enßlin, 76f. 79 Zur Vorstellung des Herrschers als eines praesens deus vgl. Döpp, Cyllarus, 325 mit Anm. 17. 80 Zur Theorie der αὔξησις und ihrer Anwendung vgl. Mause, Darstellung des Kaisers, 23ff. Siehe auch unten, 186. 81 Vgl. z.B. Paneg. 8 (5) 2, 2f.; Paneg. 8 (5) 4, 3; Stat. silv. 4, 1, 3f.; Claud. 6. cons. Hon. 2224; 362-365; 537-540; Sidon. carm. 7, 1-8 oder in neulateinischen Gedichten Alard, Panegyrikon (vgl. oben, 149 Anm. 32), 437. Die Literatur zu diesem Vergleich ist umfangreich, vgl. z.B. Mause, Darstellung des Kaisers, 64f., 118, 220f., der den Sinn der Sternensymbolik, im Herrscher einen Gott zu sehen, zusätzlich in Verbindung mit der antiken Vorstellung des Katasterismos

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wird Julius mit der Sonne gleichgesetzt (16ff.): So wie die hinter Wolken versteckte Sonne zum Vorschein kommt und ihren Glanz entfaltet, leuchtet Julius über dem Volk; seine bisher verborgene Tugend strahlte bei seiner Regierungsübernahme wie ein Stern auf, bemerkt der Dichter im expliziten Vergleich: nunc demum ingens tua syderis instar / Emicuit uirtus (38f.). Auch Kalliope preist in ihrer Rede die Tugend des Julius, welche die der Gleichaltrigen so übertreffe, wie der Mond die Sterne in den Schatten stellt (368ff.). Beim Einzug des Julius in die Stadt Braunschweig schließlich berichtet der Dichter, dass sich das ganze Volk zu Julius bekennt als seinem Licht und seinem Stern (hunc lumeńque suum siduśque fatetur, 1083). Mit dieser Licht- und Glanzmetaphorik verbunden ist auch Julius’ körperliche Schönheit, die Schmuck und kostbare Kleidung nicht braucht (vgl. 1063ff.). Der seiner Herkunft nach heidnische Sonnen- und Sternvergleich hebt Julius freilich sogleich in die Nähe des christlichen Gottes: »Gott der Herr ist Sonne und Schild. Er schenkt Gnade und Herrlichkeit« (Ps 84, 12); zudem ist die Sonne als Symbol für Christus in der christlichen Ikonographie besetzt.82 Sonne, Gott (Christus) und Julius haben demnach die gleiche erlösende Funktion: Ihnen ist gemeinsam, dass ihre Ankunft Freude und Hoffnung bei den Menschen auslöst (vgl. 14f., 25).83 Ebenfalls von seinem Ursprung her heidnisch ist der Vergleich des Herrschers mit dem Halbgott Hercules, den dann aber auch die Christen nutzten.84 Bei Bergius ist es die Muse Kalliope, die Julius mit Hercules vergleicht. Sie fordert ihre Schwestern auf: 362 363 364 365 366 367

Eia age diuae Quae iuuenem Alciden medio ex Helicone reuulsa Donastis quondam claua, at́que armastis in hostem, Victorem et meritis celebrastis laudibus, eia Hunc etiam mansuro in saecula mittite cantu Illius hoc pietas et uis Heroa meretur.

————— bringt; Lehnen, 73f.; Rohr, 50; Halfmann, H.: Itinera principum [...], Stuttgart 1986, 59 und 148151; Doblhofer, E.: Die Augustuspanegyrik des Horaz in formalhistorischer Sicht, Heidelberg 1966, 86-91; Sauter, 137-153. 82 Vgl. Heldt, 139. 83 Zur Gottebenbildlichkeit vgl. Heldt, 165ff. 84 Vergleiche mit Hercules sind in Herrscherkult und Herrscherpanegyrik der Antike besonders beliebt, vgl. z.B. Claud. Rufin. 1, 284ff.; Stil. 1, 142-147, dazu Döpp, Zeitgeschichte, 98; Anderson, A. R.: Heracles and his successors, in: Harvard Studies in Classical Philology 39 (1928), 7-58; Sauter, 78-85; Berlinger, 55-67; Derichs, W.: Herakles, Vorbild des Herrschers in der Antike, Köln 1950; Burdeau, 18f. Zur christlichen Deutung des Hercules vgl. Ohly, Fr.: Skizzen zur Typologie im späteren Mittelalter, in: D. Huschenbett / K. Matzel / G. Steer (Hgg.), Medium Aevum deutsch. Beiträge zur deutschen Literatur des hohen und späten Mittelalters (FS Kurt Ruh), Tübingen 1979, 251-310, hier 266ff.; Sparn, W.: Hercules Christianus. Mythographie und Theologie in der frühen Neuzeit, in: W. Killy (Hg.), Mythographie der frühen Neuzeit. Ihre Anwendung in den Künsten, Wiesbaden 1984, 73-107.

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Der Vergleich mit Hercules hat eine heroische Überhöhung der Leistungen des Julius zur Folge: So wie Hercules hat Julius es auf sich genommen, die Menschen von scheinbar unbesiegbaren Ungeheuern, nämlich den Monstern des Katholizismus, zu befreien.85 Kalliope fordert also, Julius als Wohltäter, als Erlöser von schrecklichen Unwesen zu preisen. Die seit der Antike beliebte Figur des Hercules diente im 16. Jahrhundert auch zur bildlichen Darstellung des Herrschers; so wurde Kaiser Maximilian I. auf einem Holzschnitt von ca. 1500 als »Hercules Germanicus« abgebildet.86 Ausschlaggebend für Bergius freilich ist die Darstellung Luthers als »Hercules Germanicus« auf einem Holzschnitt von Hans Holbein aus dem Jahre 1522:87 Hiervon angeregt ist Bergius’ eigene Charakterisierung Luthers in seiner Narratio de Synodo Nicena (um 1566), in der Luther gepriesen wird, sich als Alcides Germanicus gegen den dreileibigen Geryon, den Papst, durchgesetzt zu haben.88 So wird Julius mit dem Vergleich mit Hercules auch zu Luther in Verbindung gesetzt: Sie beide zeichnet ihr heldenhafter, dem Volk segenbringender Kampf gegen das Unwesen des Papsttums aus. Die pietas als tertium comparationis (367) macht eine Anspielung auf Luther wahrscheinlich: Denn Hercules verkörpert im Panegyricum Carmen nicht das heidnische Tugendvorbild, sondern den Kämpfer für den Glauben; zudem ist der Vergleich mit Hercules im Gedicht singulär; statt dessen tritt David ein.89 Eine wesentlich wichtigere Rolle als die heidnischen Konzeptionen des Göttlichen spielt in dem Gedicht die christliche Vorstellung vom göttlichen Herrscher. Der Dichter setzt hierbei Julius nicht direkt mit Gott oder Jesus gleich, sondern lässt diese Parallele durch biblische Anspielungen transparent werden: Die Patria hatte bei ihrem ersten Auftritt Julius ihre Klagen vorgetragen, im Trauergewand gekleidet und mit einem einfachen Schleier umhüllt (105). Julius hatte sie in seiner Antwortrede aufgefordert, »die ————— 85 Zur Bezeichnung monstrum für den Katholizismus vgl. unten, 189. 86 Vgl. Braungart, G.: Mythos und Herrschaft: Maximilian I. als Hercules Germanicus, in: W. Haug / B. Wachinger (Hgg.), Traditionswandel und Traditionsverhalten, Tübingen 1991, 77-95. Vgl. auch Klecker, E.: Kaiser Maximilians Homer, in: ΣΦΑΙΡΟΣ. Wiener Studien 107/108 Teil II, Wien 1994/95, 613-637, hier 626 Anm. 42. 87 Vgl. hierzu W. Hofmann, 158f. 88 Tuque adeo quondam regnata tricorpore tellus / Geryone, ac graviore tyrannide nunc quoque pressa / Geryonis Latij: quem fanda nefanda patrantem / Alcides pridem invictis Germanicus armis / Instigante Deo coelesti numine plenus / Elisit, caecuḿque orbi scelus omne retexit, / Maximus ille animi gestorum maximus ille / Martinus [...] (522-529). Vgl. auch oben, 65ff. Auch Eobanus Hessus hatte in seiner ersten Elegie über die Ankunft Martin Luthers in Erfurt (vgl. oben 149 Anm. 30) diesen mit Hercules verglichen: Quàm fecisse igitur uelut est minus ostendisse / Lutherus meriti grandius instar habet / Sicut Atlantaeae subiturus pondera molis / Alcides, animo non dubitante tulit (23-26). 89 Zu diesen David-Vergleichen sowie der Verbindung zwischen Hercules und David bei Luther vgl. unten, 184f.

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babylonischen Fesseln« geduldig zu ertragen (201). Zu ihrer zweiten Rede präsentiert sich die Patria dann in neuer Kleidung und verkündet ihre Wünsche für Julius mit freundlicherem Gesichtsausdruck (1084-1086). Es ist offensichtlich, dass dieser Szene die Babylonische Gefangenschaft der Einwohner von Jerusalem als Vorlage diente.90 Die babylonischen Fesseln sind umgedeutet in die Vereinnahmung durch den Katholizismus;91 das Tragen guter Kleidung steht metaphorisch für die Befreiung aus diesen Fesseln. Bereits in der Bibel ist die Befreiung Jerusalems durch einen Kleiderwechsel symbolisiert: consurge consurge induere fortitudine tua Sion / induere vestimentis gloriae tuae Hierusalem civitas sancti / quia non adiciet ultra ut pertranseat per te incircumcisus et inmundus (2) excutere de pulvere consurge sede Hierusalem / solve vincula colli tui captiva filia Sion (3) quia haec dicit Dominus (Jes 52, 1-3).

Julius kommt demnach die Erlöserfunktion Gottes zu, der die Gefangenschaft seiner Heimat beendet. Indirekt als Messias bzw. Gott charakterisiert die Patria in ihrer zweiten Rede den neuen Herrscher Julius: 1106 1107

At́que ideo mea tecta bonus, mea moenia magnus Hospes adit dominuśque simul

Mit der Bezeichnung magnus hospes wird Bezug genommen auf den Psalm, an den sich Julius vor Beginn seiner Regierung erinnert hat.92 Dort wurden die Machthaber ermahnt, die Eisentore zu heben, damit Gott bzw. (in der messianischen Auslegung) Jesus einziehen könne: 225 226

Tollite ferratas reges, age tollite portas, Magnus ut hic uestris succedat sedibus hospes

Die Wiederaufnahme des Ausdrucks durch die Patria macht deutlich, dass Julius, der sich durch den Psalm verpflichtet fühlte, Gott bedingungslos zu dienen, als praesens deus auf Erden betrachtet wird, wo er eine Art Mittlerrolle zwischen Gott und Volk einnimmt.93 ————— 90 Gemeint ist die sogenannte Babylonische Gefangenschaft, das Exil der Einwohner von Jerusalem nach der Eroberung der Stadt durch die Babylonier 597 und 586 v. Chr., die Tempel, Palast und Stadt zerstörten, vgl. Otto, E.: Jerusalem, A. Biblisch, in: LThK 5 (1996), 778. Angeregt zu dieser Gleichsetzung wurde Bergius vermutlich durch Luthers Schrift De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium (1520), vgl. dazu Lohse, B.: Martin Luther. Eine Einführung in sein Leben und Werk, München 31997, 148. 91 Vgl. zu dieser Polemik gegen den Katholizismus auch unten, 188. 92 Vgl. dazu oben, 165ff. 93 Vgl. Paneg. 10 (2) 2, 1. Zur Bezeichnung des Herrschers als praesens deus im Rahmen des Adventus vgl. Lehnen, 21; vgl. auch oben, 180 Anm. 79.

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Dass Julius von Gott als idealer Herrscher anerkannt wird und im Stammbaum Jesu einen Platz zugewiesen bekommt, zeigen die zahlreichen Vergleiche und Gleichsetzungen mit David als Präfiguration Christi, die schließlich in dem Schlussgebet gipfeln. Im 16. Jahrhundert gilt David in Literatur94 und Kunst95 als Exempel eines idealen Herrschers: In der Auslegung seines 101. Psalms, »Davids Regentenspiegel«, lässt Luther David als Identifikationsfigur des Fürsten erscheinen: David bekämpft die Bösen, hält und fördert das Wort Gottes, er ist der Dulder und Mann des Gottvertrauens.96 »Der fromme David mag hierinne wol aller Christlichen Fürsten spiegel sein«97 und dient als »Zeugnuß des glaubens für alle glaubige Christliche Fürsten«98, so liest man in den Fürstenspiegeln. Luther bezeichnet David sogar als Hercules der Christen99 und bringt so den großen Stellenwert Davids zum Ausdruck. Im Gedicht zieht zunächst der Okergott einen Vergleich zwischen Julius und David: In seiner Rede ist er sich sicher, dass Julius den Katholizismus, die Barbarei, aus seinem Land verdrängen wird, so wie David Goliath besiegt hat: 437 438 439 440

Qui, ueluti iuuenis populis laetantibus olim Isaides rudibus saxis et simplice funda Explicuit saeuum diuino Marte Goliam: Barbariem elides nostris in finibus omnem

Durch den Vergleich des Julius mit David ist impliziert, dass Julius den Kampf gegen den Katholizismus, obgleich dieser ungleich mächtiger ist, dennoch gewinnen wird, weil er Gott auf seiner Seite hat.100 ————— 94 Seit dem Mittelalter wurde David (und auch sein Sohn Salomo – auch mit diesem wird Julius verglichen, vgl. 1069) als idealer König dem jeweiligen Herrscher vor Augen geführt, vgl. Strothmann, J.: Herrscher, in: DNP 14 (Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte) (2000), 388; Bittner, 68, 75ff., 98, 102, 119ff. Das Bild des David im 16. Jahrhundert spiegeln die zeitgenössischen Fürstenspiegel wider, vgl. dazu Singer, Fürstenspiegel, 42, 303, 305f. 95 Besonders im 16. und 17. Jahrhundert war es beliebt, die Figur des David mit den Gesichtszügen des Herrschers zu versehen, vgl. dazu Polleross, Fr.: ›Mas exemplar, que imitador de David‹. Zur Funktion des Identifikationsporträts zwischen Tugendspiegel und Panegyrik, in: D. Breuer (Hg.), Religion und Religiosität im Zeitalter des Barock, Teil 1, Wiesbaden 1995, 229-245. 96 Ausl. 101. Ps (1534/35): WA 51, 200-264, dazu Singer, Fürstenspiegel, 42. 97 Rieger, 81, dazu Singer, Fürstenspiegel, 306. 98 Werner, G6, dazu Singer, Fürstenspiegel, 40. 99 Ausl. 101. Ps (1534/35: WA 51, 248: »Die Heiden sagen von jrem Hercule (der jr David gewest) [...]«, dazu Singer, Fürstenspiegel, 306 mit Anm. 161 und Sparn (vgl. oben, Anm. 84), 76. Zu Hercules im Gedicht vgl. zudem oben, 181ff. 100 David als Krieger Gottes (und so auch Josua, Gideon u.a.) soll sich der Herrscher, wie ihm die Fürstenspiegel vermitteln, zum Vorbild nehmen: »Denn ein Fürst wirdt inn disen Exempeln sehen / das die Könige / Fursten / und andere Oberkeyten im volck Jsrael / mit Gott unnd gutem gewissen / das schwerdt gefürt / unnd redlich gebraucht haben / Er wird auch sehen / das sie Gott inn den sie vertrawen / gar offt auß grosser gefahr wunderbarlich errettet / unnd jre feinde zu schanden gemacht hat« (Rieger, 85), dazu Singer, Fürstenspiegel, 303. Der Kampf Davids mit

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Direkt mit dem von Gott eingesetzten und unterstützten König David wird Julius an einer späteren Stelle des Gedichtes gleichgesetzt, an welcher der Dichter versucht, die Freude des Volkes über den Einzug des Julius in Worte zu fassen: 1027 1028 1029 1030 1031 1032 1033 1034 1035 1036 1037 1038

Deníque plausus erat Solyma non maior in urbe Cum post confectum diuino marte duellum Sparsa gyganteo est puerilis dextra cruore. Cum pia laetificum cecinit tibicina carmen Dextera Cißidae mille hostes una cecidit Dextra sed Isaidae decies millena cecidit. Hic quóque dat similes pietas plebeia cantus, Ießideńque suum hoc hymno uenerata salutat. Mille bonis terras has ornauêre priores, IVLIVS at decies millena his millia princeps Verarum dat opum, pietati mitia pandens Hospitia et Christo sudans pia condere regna.

Julius wird in Braunschweig als David gefeiert, weil er mit Gottes Hilfe101 den Kampf gegen den mächtigen Katholizismus aufgenommen und gewonnen hat, so wie David sich gegen Goliath durchgesetzt hat. Des Weiteren unterstreicht der Zahlenvergleich die Gleichsetzung von David und Julius auf der einen Seite sowie von Saul und den Vorgängern des Julius auf der anderen Seite: Saul tötete tausend Feinde, David hingegen zehntausend; ebenso haben Julius’ Vorgänger tausend Güter ihrem Land bereitgestellt, Julius hingegen zehntausend.102 Besondere Bedeutung kommt schließlich dem Schlussgebet des Gedichts zu (1218-1267).103 In diesem übernimmt der Dichter ohne große inhaltliche Veränderungen Ps 131 der Vulgata, der Davids Bund mit Gott charakterisiert: David sorgt sich um den Platz der Bundeslade und damit um den von Gott erwählten Sitz Zion. Gott verheißt ihm dafür eine beständige Dynastie für sein Geschlecht (unter der Voraussetzung, dass der Bund auch von Davids Nachkommen eingehalten wird) und sichert ihm die Vernichtung seiner Feinde zu. Da Julius in diesem Gebet mit David gleichgesetzt wird, bedeutet dies für die Bündnisbedingungen auf der Seite des Julius die Sorge ————— Goliath als Beweis für die Hilfe Gottes war auch ein bevorzugtes Thema in den Dramen des 16. Jahrhunderts, vgl. dazu Frenzel, E.: Stoffe der Weltliteratur, Stuttgart 91998, 150-154 (»David«), hier 151. 101 Dass der Kampf durch Gott entschieden wurde (und sich somit Davids bzw. Julius’ Vertrauen in Gott gelohnt hat), wird durch die Wiederaufnahme des Ausdrucks diuino marte (1028 vgl. 439) an gleicher Versposition betont. 102 Zur Stelle vgl. 1 Sam 18, 6f.; 21, 11 (12); 29, 5. Auch Rieger legt in seinem Fürstenspiegel bei den als Exempla vorgeführten Schilderungen der alttestamentlichen Kriegsfürsten auf die Zahl der Erschlagenen wert, vgl. dazu Singer, Fürstenspiegel, 303. 103 Zur ausführlichen Erläuterung der Komposition des Schlussgebets siehe unten, 238ff.

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Das Paneygricum Carmen auf Herzog Julius

um die wahre Religion und die Einrichtung der evangelischen Kirche in dem von Gott erwählten Braunschweig sowie von Gottes Seite die Zusage eines ewig währenden Thrones für Julius und seine Nachkommen und den Untergang der katholischen Kirche. Durch die Gleichsetzung von Julius und David im Schlussgebet wird eine Verbindung geschlagen zum Anfang des Gedichts, wo sich Julius seines Amtsverständnisses vergewissert: Dort hatte David noch zu Julius durch Psalm 2 gesprochen und ihn aufgefordert, Gott zu dienen und als Herrscher ein Bündnis mit Gott einzugehen. Am Ende des Gedichts ist dieses Bündnis längst in Kraft getreten und hat sich bereits bewährt: Julius hat seine Herrscherpflicht erfüllt und ist zu einem zweiten David geworden. 4.5.5 Das Gegenbild zum idealen Herrscher: Die antikatholische Polemik Oben wurde gezeigt, wie das Gedicht Julius als idealen Herrscher präsentiert: Seine Herrschaft wird als Goldenes Zeitalter charakterisiert, das die vera religio, den Protestantismus, zur Voraussetzung hat; ausgehend von der »wahren Religion« ist die Herrschaft des Julius durch Frömmigkeit, Frieden und Gerechtigkeit gekennzeichnet. Julius selbst besitzt herausragende Eigenschaften, trägt göttliche Züge und wird mit den göttlichen Heroen Hercules und David identifiziert. Die Segnungen seiner Herrschaft und die Größe seiner Herrscherpersönlichkeit erfahren eine letzte Steigerung dadurch, dass ihnen als Kontrast die schrecklichen Auswirkungen des Katholizismus und die Verwerflichkeit katholischer Würdenträger entgegengestellt werden.104 Diese Technik, die in der panegyrischen Literatur vor allem für Claudian charakteristisch ist,105 dient ebenso wie die positiven Vergleiche der panegyrischen αὔξησις: Die Größe jener Person, der der Panegyricus gewidmet ist, wird durch die Kontrastierung mit den negativen Exempla weiter erhöht. Der hauptsächliche Kritikpunkt am Katholizismus ist der, dass es sich um eine falsche Religion handelt. Immer wiederkehrende Substantive wie fraus, superstitio, impietas, error, dolus und fucus sowie Attribute wie fictus, mentitus, profanus und sinister charakterisieren den Katholizismus als einen trügerischen, frevelhaften Aberglauben, der sein wahres Gesicht mit List und hinter Schminke verbirgt. In konsequenter, schwarz-weiß malender Kontrastierung wird dem so gekennzeichneten Katholizismus die ————— 104 Zur Sprache der Polemik im 16. Jahrhundert vgl. Pensel, F.: Zur Personenabwertung, in: G. Kettmann / J. Schildt (Hgg.), Zur Literatursprache im Zeitalter der frühbürgerlichen Revolution. Untersuchungen zu ihrer Verwendung in der Agitationsliteratur, Berlin 1978, 219-340. 105 Vgl. dazu oben, 156f.

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Wahrheit des protestantischen Glaubens entgegengehalten. Ich stelle die wichtigsten Stellen zusammen: Der Dichter sagt am Anfang des Gedichts von Julius: Et, quia relligione omnem pendere salutem / E uera rerum humanarum agnoscit, / [...] / unum hoc / In primis spectare, superstitionis ut omnis / Antiquae impietas cedat, ueróque potenti / Det fraus pulsa locum (91-97). In ihrer ersten Rede klagt die Patria über Vana superstitio, et ueris contraria sacris / Sacra (113f.) und fordert von Julius: fac procul hinc Corybantum insana fugentur / Agmina, quae ficta sub relligione pudendos / Occultant mores, reguḿque innixa fauore / Sacra fideḿque ausint pedibus calcare proteruis. / At́que ita uel tandem cultus sanctißima ueros / Restituat pietas (156-161). Von Münsinger wird der Katholizismus als Irrglauben bezeichnet: Illa modum uerae monstrat́que aperit́que salutis / Conciliatque animos, absque hac quos plurimus aufert / Huc illuc error (282-284). Die Muse Kalliope charakterisiert den Katholizismus als fuco instructa doliśque / Impietas, uerbis quae animos mentita uerendos / Edidicit simulare fidem, sensuśque profanos / Obtegere, et uario fraudem praetexere cultu (380383), und der Okergott spricht von priscae uestigia fraudis / Quae ueri fontem uenaśque obstruxerat (441f.). Schließlich beschreibt ein Bürger die beim Einzug des Julius nach Braunschweig einkehrende (vera) Religio wie folgt: ductrix tanti dignißima coetus / Anteit Relligio, cultus pertaesa sinistros, / Bullaśque mitraśque leues, et somnia rasi / Verticis, et fuscam torta cum cannabe uestem, / Aestiuośque aptum soles captare cothurnum. / Pro quibus haec multo fulgentem adamante libellum, / Et crucis auratae signo ipsa in fronte notatum, / Gestat, et huic digitum intendit uenerata reductum (1055-1062). Es ist klar, dass aus diesem Aberglauben dem Staat nur Unheil entstehen kann, sind doch pietas und vera religio, wie oben gezeigt wurde, die unentbehrlichen Grundvoraussetzungen für die Wiederkehr des Goldenen Zeitalters unter Julius, welches sich durch Gerechtigkeit, Frieden und Wohlstand auszeichnet. Ein zu aurea aetas komplementärer Gegenbegriff aus der mythischen Sphäre, der die Herrschaft der Katholiken kennzeichnen könnte, fehlt in dem Gedicht; vorhanden sind jedoch die Komplementärbegriffe zu all den Zuständen und Tugenden, welche das Goldene Zeitalter kennzeichnen. Und wie diese Eigenschaften des Goldenen Zeitalters aus der »wahren Religion« abgeleitet werden, so jene aus dem katholischen Unglauben: So macht die Patria in ihrer ersten Rede deutlich, dass der Verachtung des rechten Glaubens Gottlosigkeit, Frevel, Verbrechen, Recht- und Sittenlosigkeit folgen, die wie Unkraut hervorsprießen:

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Das Paneygricum Carmen auf Herzog Julius At quae relligio, quis cultus numinis alti, Quae fidei ratio, quae uitae cura popello, Hei quotus illorum, quotus heu curare laborat? Inde mala impietas, contemptus numinis inde, Inde nefas, scelus, et neglectio iuris et aequi Et morum leuitas animis innascitur imis Sicut neglecto lolium et paliurus in agro.106

118 119 120 121 122 123 124

Dementsprechend kann der Zustand der Patria unter katholischer Herrschaft mit der babylonischen Gefangenschaft gleichgesetzt werden.107 Münsinger befürchtet das Aufkommen von Gewalt und Krieg als Folge des katholischen Irrglaubens: Illa < vera religio> modum uerae monstrat́que aperit́que salutis Conciliatque animos, absque hac quos plurimus aufert Huc illuc error, manibusque cruenta ministrat Arma feris, bellumque serit, lacrymabile bellum, Iura, fidem, superos parili calcando ruina.

282 283 284 285 286

In ihrer zweiten Rede schließlich verbindet die Patria mit dem Katholizismus Willkür, Unterdrückung,108 Ungerechtigkeit, Egoismus, Profitgier und nicht zuletzt Rechtsbruch und Krieg: 1120 1121 1122 1123 1124 1125 1126 1127 1128 1129 1130 1131

Nec quicquam posthac turbator Spiritus ille Efficiet, qui summa imis, qui sacra profanis Faśque nefaśque una gaudet miscere ruina. Cuius opus, quod atrox premit inferiora potestas Quantumcuńque iuuat, uiolatáque iura profanat Cuius opus, nullo dominis quod iure repugnat Subditus et damno quaedam maiore tuetur, Quae melius pacis condonarentur amori. Deníque cuius opus, sua commoda quiśque quod urget Plus satis, et causa semper se iudice uincit. Vnde simultates gliscunt, mox foedera motu Rumpuntur celeri, et ad impia curritur arma.

Ebenso wie die Tyrannenherrschaft der Katholiken in Kontrast zu der Friedensherrschaft unter Julius gesetzt wurde, werden auch den Würdenträgern der katholischen Kirche Attribute zugeordnet, die denen des Julius entgegengesetzt sind: Erschien Julius mithilfe der Licht- und Glanzmetaphorik in ————— 106 Zum Vergleich der Entwicklung schlechter Zustände aus dem Katholizismus mit dem Wachsen von Unkraut siehe z.B. Hessus, In Martinum Lutherum 1 (siehe 149 Anm. 30), 17-20: Ille (sc. Lutherus) quidem primus uidit uir, inutile, nostro / Tempore, per Christi surgere semen agrum. / Vidit, & est ausus duros adhibere ligones, / Noxiaque artifici uellere quaeque manu. 107 Vgl. dazu oben, 182f. 108 Die Knechtschaft unter dem Katholizismus hebt auch der Okergott hervor: fraudis / Quae ueri fontem uenaśque obstruxerat, at́que / Sub iuga mittebat miseras immania gentes (441-443).

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noch reinerem Licht, werden die katholischen Amts- und Würdenträger, die mit Staub und Schmutz in Verbindung gebracht werden, als Abkömmlinge der Unterwelt und der Höllenfinsternis beschimpft:109 So bezeichnet die Patria in ihrer zweiten Rede den katholischen Herrscher als turbator Spiritus und erzeugt dadurch eine Assoziation mit dem Teufel (1120). Julius legt den Kampf gegen den Stygius hostis (200) in die Hand Gottes und sagt zur Patria: 191 192 193 194 195 203 204

uotis erit ille uocandus, Vt mersos coeno populos, ut morte iacentes In media gentes optanda in sorte reponat, Nostráque Tartareis è faucibus oppida uellat. [...]110 miserebitur ille, tuaśque Discutiet uerbi patefacta luce tenebras.111

Schließlich berichtet der Dichter von der Freude des Volkes über die Lichtgestalt des Julius, welche es gegen die katholischen Lemures112 eingetauscht habe (vgl. 346-348). Zur Assoziierung der Katholiken mit der Unterwelt passt, dass sie mehrfach als monstra (vgl. 111, 348, 731) bezeichnet und mit den aus der Erde geborenen Giganten verglichen werden, welche es wagen, gegen die olympischen Götter eine zweite Gigantomachie anzuzetteln.113 Schließlich wird in der Ekphrasis Papst Innozenz III. als Cerberus beschimpft (vgl. 724). Oben wurde gezeigt, dass aus der heidnischen Mythologie die Gestalt des Hercules und aus dem Alten Testament die des David herangezogen wurde, um Julius’ Rolle als Wohltäter und Erlöser seines Volkes bzw. als gottgewollten Vorkämpfer seines Glaubens und als gottgesegneten Herrscher zu unterstreichen. Dementsprechend werden auf der Gegenseite auch der Papst und die Katholiken mit kontrastierenden Figuren der heidnischen ————— 109 Diese Metaphorik in Verbindung mit dem Katholizismus ist in der Literatur des 16. Jahrhunderts üblich, vgl. z.B. in den Epigrammen Euricius Cordus’, dazu Vogel, H.: Euricius Cordus in seinen Epigrammen, Greifswald 1932, 121f.; Hessus, In Martinum Lutherum 1 (vgl. 149 Anm. 30), 9f. (Dichter zur Stadt Erfurt): Ecce venit (sc. Lutherus), qui te de sordibus eruat istis, / Sub quibus heu nimio tempore pressa iaces, 14: Lutherus, sordes eluet ille tuas; Alard, Panegyrikon (siehe 149 Anm. 32), 160-164: Testis / Relligio est, pridem tenebris immersa papatus, / Quam rex errorum detersa faece secutus / Praevia Lutheri vestigia reddere luci / Optat et tandem miro properabat amore. 110 Schon die Patria hatte in ihrer ersten Rede beklagt, dass ihrem Volk aufgrund der katholischen Herrschaft das Himmelreich verwehrt und die Hölle vorbehalten sei: Heu quantum coelo perit his perijt́que animarum / Moribus, heu quantae ueniunt ad Tartara praedae (125f.; vgl. auch 138). 111 Der Okergott wählt als Metapher für den Katholizismus puluis (446). 112 Zu den Lemures vgl. unten, 317 Anm. 44. 113 Vgl. 315-317, wo Münsinger die Katholiken bezeichnet als die gens / Pontificis [...] / In superos audens rediuiuam attollere Phlegram.

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Das Paneygricum Carmen auf Herzog Julius

Mythologie und des Alten Testamentes gleichgesetzt. So kommt dem Papst indirekt die Rolle des Königs Augias zu, in dessen Ställen das katholische Volk zu dienen hat.114 Die Gleichsetzung dürfte sich gegen den Reichtum, aber auch die Verkommenheit des Papsttums richten. Andere Gestalten der heidnischen Mythologie, die mehrfach den Papst und seine Anhänger bezeichnen, sind die Luperci115 und die Corybantes116 – antike heidnische Priesterschaften,117 die das unkontrollierte, willkürliche Wüten und das kultische, geheimnisvolle Treiben der katholischen Priester unterstreichen sollen. In die gleiche Richtung zielt die Charakterisierung des Papstes als Ausonius Baal, um den die Katholiken ihren frevelhaften Kult treiben.118 ————— 114 Vgl. 315, wo Münsinger die Katholiken charakterisiert als eine Gens Latij Augiae stabulis deuota. 115 In den Versen 101-104 spricht der Dichter mit Blick auf die katholischen Priester von: Romanos [...] Lupercos / Aut turpes intuśque foriśque, aut uellere tectos / Exterius molli, et specie sua furta tegentes / Fucata, in templis bacchantes; wenig später gebraucht die Patria in ihrer ersten Rede die Bezeichnung Ausonius Lupercus (163) für den Papst. 116 In 112ff. klagt die Patria vor Julius über die katholischen Priester in ihrem Land: Cernis ut in tota uigeant regione tuorum, / Vana superstitio, et ueris contraria sacris / Sacra, quibus ludunt mundum Corybantes [...] Cernis ut his uenteŕque suus curetur, et ut nil / Praeter segnitiem, praeter uacua ocia quaerant (112-117). Dementsprechend fordert sie später von Julius: fac procul hinc Corybantum insana fugentur / Agmina (156f.). 117 Zu den Luperci und Corybantes im antiken Kult vgl. unten, 297 Anm. 22, 23. Gegen den paganen Kult der Luperci polemisieren die christlichen Dichter heftig, vgl. z.B. Prud. c. Symm. 2, 862-864: iamque Lupercales ferulae nudique petuntur / discursus iuuenum, Megalesius hinc spado diris / incensus furiis caeca ad responsa uocatur. In Prud. perist. 2, 517-520 freut sich der Dichter über Senatsmitglieder, die als ehemalige Luperci zum Christentum konvertiert sind: Ipsa et senatus lumina, / quondam luperci aut flamines, / apostolorum et martyrum / exosculantur limina. Corybantes ist in der lateinischen Literatur der Antike nach Ausweis des Onomasticon Vol. II des ThLL, Sp. 659 Z. 16ff. nie im übertragenen Sinne gebraucht, in der neulateinischen Literatur dagegen begegnen sie als abwertende Bezeichnung für die Katholiken, z.B. auch bei Euricius Cordus, Opera poetica omnia, Frankfurt a. M. 1550, 188: Epigrammatum Liber Sextus, Ad Carolum Caesarem: Foedifragum tandem tibi consulo desere Papam, / Et tua iam vindex aßere iura tibi. / Ne, sic invisum coelo terraeque tyrannum, / Dum colis, amborum destituaris ope. / En ut laeta suis dudum tibi Roma columnis / Annuat, et dominum te velit esse suum. / Ut tandem hic pulsis Corybantibus ac Megabyzis, / Incipiant fortes induperare viri. / Ut priscum redeat decus et veneranda potestas, / Quique sub Augustis floruit ante status. / Hic sua Caesaribus sedes heredibus olim, / Hinc vetus imperij nomen honosque tui. 118 Vgl. 115 (Patria): et istud / Ausonij uulgus deuotáque turba Baalis; 407 (Dichter über Okergott): Cogitat, an pater ille Deûm et suprema potestas / Damnârit miseram sacra ad Baalitica gentem. Mehrere Stellen des Alten Testaments deuten darauf hin, dass jeder Fremdgott als Baal bezeichnet wird (Ri 2, 11. 13; 3, 7; 1 Sam 7, 4; 12, 10; 1 Kön 18, 18; Jer. 2, 8. 11; 7, 9), vgl. Niehr, H.: Baal (III. im Alten Testament), in: LThK 1 (1993), 1330. In Sedulius‘ carmen paschale 5, 139155 wird der Glaube an Baal und Barabbas (V. 147) dem wahren Glauben gegenübergestellt, den die Menschheit Christus verdankt. In den Fürstenspiegeln der Reformationszeit findet sich der Vergleich zwischen den Fürsten, die in der Sorge um die rechte Religion auf die Einhaltung des Wortgottesdienstes achten und die »Baptistische Opfermesse« verhindern müssen, und den biblischen Königen, welche die Gottesdienste durch Abschaffung des Baalskults gereinigt haben, vgl. Singer, Fürstenspiegel, 43. Baal als Schimpfwort für den Papst begegnet in der neulateinischen Dichtung regelmäßig, z.B. bei Euricius Cordus, vgl. dazu Vogel (vgl. Anm. 109), 116; bei Johan-

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Die panegyrische Tendenz

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Dass schließlich im Rahmen der Gleichsetzung des Julius mit David dem katholischen Gegner die Rolle des Goliath zufällt, wurde bereits oben hervorgehoben.119

————— nes Stigel, vgl. dazu Schäfer, B.: Johann Stigels antirömische Epigramme, in: Scheible, 51-68; Schäfer, B.: Mit den Waffen der Dichtkunst für die Reformation. Melanchthons Schüler Johann Stigel, in: M. Beyer / G. Wartenberg / H.-P. Hasse (Hgg.), Humanismus und Wittenberger Reformation, Leipzig 1996, 389-407; Pflanz, H.-H.: Johann Stigel als Theologe (1515-1562), Breslau 1936, 93. 119 Vgl. oben, 184f.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

4.6 Untersuchungen zur poetischen Technik 4.6.1 Vorbemerkung Im vorangegangenen Kapitel wurde die Tendenz dargestellt, die Bergius in seinem Panegyricum Carmen verfolgt: Vor der Kontrastfolie katholischen Schreckens verherrlicht es den protestantischen Fürsten Julius, der auf der Grundlage der vera religio eine von Gott legitimierte Herrschaft führt; dabei dient das Lob gleichzeitig als Mahnung und Leitfaden für die weitere Regierungsführung. Gegossen ist dieses hochaktuelle, den Ereignissen der unmittelbaren Zeitgeschichte entwachsene Werk in die Form eines panegyrischen Epos, einer traditionsreichen Gattung, durch deren Wahl sich Bergius in die Nachfolge des spätantiken Dichters Claudian gestellt hat. In dem jetzt folgenden Kapitel soll untersucht werden, wie es Bergius gelingt, den technischen Ansprüchen gerecht zu werden, welche an ein poetisches Werk in dieser Gattungstradition gestellt werden. Es wird sich zeigen, dass Bergius’ poetische Technik – bei der metrischen und sprachlichen Gestaltung seines Verses ebenso wie bei der Ausarbeitung von Motiven und Szenen – aus der antiken Dichtungstradition hervorgegangen ist. Neben den römischen Dichtern, die in großer Breite rezipiert sind, verdankt er aber auch neulateinischen Dichtern Anregungen und Impulse, die er gerne aufgreift und dabei vielfach deutlich macht, wie sehr auch seine lateinisch dichtenden Zeitgenossen den antiken Vorbildern verpflichtet sind. 4.6.2 Verstechnik und ausgewählte Beobachtungen zur Stilistik 4.6.2.1 Verstechnik In metrischer und prosodischer Hinsicht erweisen sich Bergius’ Hexameter in seinem Panegyricum Carmen insgesamt als unauffällig: Mit strenger Observanz hält sich Bergius an die für die klassische lateinische Hexameterdichtung gültigen Regeln; Abweichungen und Besonderheiten gibt es nur sehr wenige. Die folgenden Zusammenstellungen werden dies belegen. Sie werden zeigen, dass Bergius’ Hexameter von allen antiken römischen Epikern denen des Vergil am nächsten kommen; gleichzeitig wird aus ihnen das Charakteristische seiner Verstechnik, vor allem bei der Gestaltung der Zäsuren und der Versschlüsse, zum Vorschein treten.

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Untersuchungen zur poetischen Technik

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4.6.2.1.1 Prosodische Besonderheiten Verstöße gegen die Regelprosodie der lateinischen Wörter aus klassischer Zeit lassen sich praktisch nicht feststellen; selbst mit bequemen Lizenzen, wie sie die klassische Dichtung durchaus kennt, operiert Bergius äußerst selten. So haushaltet er zunächst sehr streng bei der Kürzung des auslautenden –o:1 Bei Substantiven wird es nie gekürzt. Unter den Verben erscheint einmal pyrrhichisches dabo in 1255; dagegen bleibt die ursprüngliche Länge erhalten in lambo (895), effundo (110), fundo (876), cerno (135) und opto (127). Entsprechend klassischer Handhabung stets kurz gemessen ist das -o in ego (achtmal) und (adverbialem) modo (fünfmal;2 dazu zweimal postmodŏ). Bei den an sich spondeischen Wörtern ambo, ergo, nemo, quando gestattet er sich gelegentlich die bequeme Kürzung der Schlusssilbe; sie bleibt aber gegenüber der in der klassischen Dichtung geläufigeren Langmessung die Ausnahme.3 Mit großer Konsequenz behandelt Bergius auch das auslautende –i in den folgenden, ursprünglich iambischen Wörtern: Immer kurz sind quasi, nisi und ibi; ganz überwiegend kurz gemessen werden ubi, mihi, tibi, sibi, wo die Langmessung an feste Regeln gebunden ist: Sie beschränkt sich auf die Stellung dieser Wörter vor den Hauptzäsuren sowie auf ihre Verbindung mit -que. Praktisch keinen Gebrauch macht Bergius von der Synizese und Dihärese von -i- und -u-.4 Wenn er im fünften Fuß in tenuibus aurum (459) das -u- konsonantisch behandelt, so folgt er hierin vergilischer Praxis.5 Umgekehrt findet sich einmal viersilbiges plebēĭa in 1033 (Hic quóque dat similes pietas plebeia cantus), welches ohne Beispiel und vielleicht, da von den Jubelliedern des einfachen Volkes die Rede ist, mit Absicht gesetzt ist.6 ————— 1 Zu diesem Phänomen grundlegend Hartenberger, R.: De o finali apud poetas Latinos ab Ennio usque ad Iuvenalem, Diss. Bonn 1911; aus neuerer Zeit vgl. vor allem Tränkle, H.: Entstehungszeit und Verfasserschaft des Corpus Priapeorum, in: ZPE 124 (1999), 145-156, hier 147-149. 2 In 1047 hac non arma modo, lituíque tubaéque sonantes erklärt sich die Langmessung durch die Zäsurstelle. 3 Ich gebe die Verhältnisse in Klammern mit den absoluten Zahlen an: quandŏ: quandō (2 [davon 1x quandoquidem]:3 [davon 1x in Elision]); nemŏ: nemō (2:3); ambŏ: ambō (1:3); ergŏ: ergō (1:4 [alle in Elision]). 4 Vgl. Crusius, F. / Rubenbauer, H.: Römische Metrik. Eine Einführung, München 81992, 2123 und Zwierlein, O.: Die Ovid- und Vergil-Revision in tiberischer Zeit, Bd. 1 Prolegomena, Berlin 1999, 423-425. 5 Vgl. Verg. georg. 2, 121 tenuia Seres; 4, 38 tenuia cera (beides am Versende) und Zwierlein (s.o.), 423. 6 Bezeichnenderweise misst dagegen Bergius das Wort dreisilbig in 913, wo er von seinem eigenen, nicht-plebeischen Lied spricht: Non mihi iam carmen plebeio more canendum est. Zur Seltenheit des vokalischen Gebrauchs von -i- vgl. Müller, L.: De re metrica poetarum Romanorum praeter Plautum et Terentium libri septem, Leipzig 1894, 310. Bei Mart. 13, 74, 1 schreiben die Herausgeber jetzt Tarpēī statt Tarpēĭă.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Gegenüber 19 Belegen für einsilbiges cui misst Bergius das Pronomen einmal als Iambus (Vers 962 vor der Hephthemimeres), wofür sich aus der antiken Hexameterdichtung kaum Parallelen anführen lassen;7 weniger auffällig ist, dass er gegenüber fünf Belegen für geläufiges daktylisches illius einmal in 1014 die ursprüngliche Länge des -i- beibehält.8 Das Adjektiv Italus misst Bergius einmal (449) mit kurzem, einmal (682), und zwar bezeichnenderweise in der Form Itălă, mit langem I – wohl erneut wie tēnuĭbŭs nach vergilischem Vorbild.9 Als bemerkenswerte Synizesen begegnet einmal am Versende aureis (759)10 und einmal am Versanfang anteit.11 Nach griechischem Vorbild kurz gemessen sind die NominativPluralendung Corybantĕs (114) und die Akkusativ-Pluralendung Saxonăs (68). 4.6.2.1.2 Metrik a) Tempo Betrachtet man die Tempoverteilung der Verse Bergius’, d.h. die Kombination von Daktylen (d) und Spondeen (s) in den ersten vier Metren, so lassen sich – wie Tabelle 1 zeigt – deutliche Ähnlichkeiten zu Vergils Versgestaltung erkennen: In dieser Tabelle sind die 16 Kombinationsmöglichkeiten von Daktylen und Spondeen nach der Häufigkeit angeordnet, mit der sie in Bergius’ Gedicht begegnen; die absoluten Zahlen für Bergius sind jeweils in Klammern hinter dem Kombinationsmuster verzeichnet (insgesamt 1273 Verse). Wie man sieht, stimmt Bergius mit Vergils Aeneis in den drei beliebtesten und in den vier am seltensten verwendeten Kombinationen vollkommen überein; auch sonst sind seine Abweichungen von Vergil gering.12

————— 7 Vgl. Müller (s.o.), 318f.: pyrrhichisches cui begegnet seit Seneca; (sehr seltenes) iambisches nicht vor dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert; vgl. zuletzt Courtney, 425 zu Albinus frg. 1. 8 So aber auch z.B. Ov. met. 4, 47. 9 Vgl. Norden, 141 zu Verg. Aen. 6, 61. 10 Vgl. Norden, 217 zu Verg. Aen. 6, 280. 11 Dieselbe Form in Synizese findet sich zweimal am Versende bei Ovid (met. 11, 65; 13, 366); am Versanfang ist aus der hexametrischen Dichtung nur anteibat bei Silius Italicus (5, 355 u.ö.) vergleichbar. 12 Für die übrigen Vergleichsautoren sind lediglich die Kombinationen 1-8 und 15-16 aufgeführt.

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195

Untersuchungen zur poetischen Technik

Tabelle 1: Rangfolge der Daktylen-Spondeen-Verbindungen in den ersten vier Metren13 Bergius

Verg. Aen.

Ov. met.

Lucan.

Stat. Theb.

Sil.

Claud. I14

Claud. II15

1 dsss (175)

1

2

1

2

1

2

3

2 ddss (143)

2

1

3

3

5

4

2

3 dsds (118)

3

4

2

1

4

1

1

4 dssd (99)

9

3

7

5

5 sdss (98)

4

4

8

6 ssds (84)

7

5

7 ddds (82)

6

6

8 ssss (81)

5

15

9 ddsd (72)

10

5

7

10 dsdd (66)

12

7

6

11 sdsd (66)

11

12 sdds (50)

8

13 sssd (42)

13

14 ssdd (37)

14

16

15 dddd (37)

15

8

16 sddd (22)

16

6

4

8

8

8

2

3

4

6

5

5

8

6

6

3

15

7

7

7

16

16

16

15 16 15

16 15

15

Bergius verwendet seine acht häufigsten Kombinationsmuster ähnlich oft wie Vergil in der Aeneis oder Silius Italicus; dies verdeutlichen die Zahlen in Tabelle 2. Gleichwohl liegen seine Prozentzahlen für die vier und acht häufigsten Kombinationsmuster knapp unter denen der antiken Vergleichsdichter. Bergius variiert also den Rhythmus stärker, indem er prozentual häufiger auf entlegenere Kombinationsmuster zurückgreift. Zu dieser Beobachtung passt, dass Bergius überhaupt nur zweimal in seinem Gedicht drei Verse mit genau der gleichen Daktylen-Spondeen-Verbindung aufeinander folgen lässt (vgl. 544-546 und 1193-1195).

————— 13 Die Vergleichszahlen zu den Tabellen 1-3 sind entnommen aus: Duckworth, G. E.: Vergil and Classical Hexameter Poetry. A Study in Metrical Variety, Ann Arbor 1969; ders.: Five Centuries of Latin Hexameter Poetry: Silver Age and Late Empire, in: TAPhA 98 (1967), 77-150; ders.: Studies in Latin Hexameter Poetry, in: TAPhA 97 (1966), 67-113. 14 Claud. I = Eutrop. 1 und 2; 4. cons. Hon.; 6. cons. Hon. 15 Claud. II = rapt. Proserp.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Tabelle 2 : Kombinationsmuster (%) Bergius Verg. Ov. Aen. met.

Lucan.

Stat. Theb.

Sil.

Claud. I

Claud. II

häufigstes Muster

13,75

14,39 13,08 15,40

16,24

13,04

18,27

18,93

die 4 häufigsten Muster

42,03

46,95 48,37 52,28

48,90

43,90

55,0

57,07

die 8 häufigsten Muster

69,13

72,78 81,62 78,61

74,26

72,64

82,21

84,06

Vergleicht man dann bei den Dichtern in ihren jeweils acht am häufigsten verwendeten Kombinationsmustern das Verhältnis von Daktylen und Spondeen (Tabelle 3), so zeigt sich, dass Bergius im Einklang mit Vergil und Silius Italicus und im Gegensatz zu Ovid seine Verse stärker spondeisch als daktylisch baut. Tabelle 3: Anzahl der Daktylen und Spondeen in den Kombinationsmustern 1-8 Bergius Verg. Ov. Aen. met.

Lucan.

Stat. Theb.

Sil.

Claud. I

Claud. II

Spondeen

20

20

12

18

15

20

18

18

Daktylen

12

12

20

14

17

12

14

14

Spondeus im 4. Fuß

7

8

4

7

5

8

7

7

Daktylus im 1. 5 Fuß

4

8

5

7

4

5

5

Diese Tendenz bestätigt sich, wenn man insgesamt den Prozentanteil berechnet, den der Spondeus bei der Bildung der ersten vier Füße einnimmt (Tabelle 4): Tabelle 4: Spondeenfrequenz (%)16 Ort

Bergius

Verg. Aen.

Ov. met.

Lucan.

Stat. Theb.

Sil.

Claud. rapt.

1. Fuß

37,7

39,2

16,8

33,4

30,5

51,1

34,3

2. Fuß

55,1

51,8

52,5

54,6

54,3

58

50,9

3. Fuß

61

60,1

58,8

56,8

47,5

63,6

54,5

4. Fuß

65,3

74,4

52,7

72,5

70

70

80,7

————— 16 Vergleichszahlen nach Klein, 39.

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Untersuchungen zur poetischen Technik

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Den Spondeus im fünften Versfuß meidet Bergius streng: Lediglich einen versus spondiacus leistet er sich in seinem Gedicht (1024 = 0,08%); er unterscheidet sich damit von Ovid, der, hellenistisch-neoterischer Manier folgend, den versus spondiacus sehr viel öfter zulässt (Ov. met. I17: 0,77%). Der eine Beleg in Bergius’ Gedicht entspricht dem einen Beleg im ersten Buch von Vergils Aeneis (0,13%18); im ersten Buch von Statius’ Thebais findet sich nicht ein einziger.19 Die lateinische Hexameterdichtung vermeidet es grundsätzlich, den Vers mit einem spondeischen Wort zu beginnen.20 Bergius verfährt hierbei freilich ähnlich großzügig wie Vergil, während Ovid und Statius größere Zurückhaltung an den Tag legen: Bergius (3,38%); Verg. Aen. I21 (3,19%); Ov. met. I22 (1,8%); Stat. Theb.23 (0,97%). Bergius’ spondeische Wörter am Versanfang fügen sich zudem den Kategorien, die Norden für Vergils Aeneis erstellt hat.24 b) Zäsuren Im Durchschnitt weisen Bergius’ Verse in etwa so viele Zäsuren auf wie die Vergils. Bemerkenswert ist jedoch ihre Verteilung (Tabelle 5): Während die Hauptzäsur, die Penthemimeres, bei Bergius und Vergil einen nahezu identischen Prozentanteil erreicht,25 werden die Nebenzäsuren unterschiedlich gesetzt. Vergil räumt, ebenso wie Ovid und Lucan, der Hephthemimeres eine deutliche Präferenz vor der Trithemimeres ein; Bergius hingegen verwendet beide Nebenzäsuren in annähernd gleicher Zahl. Sehr viel stärker als die antiken Dichter strebt Bergius mit der Trithemimeres eine Zäsurstelle am Anfang des Verses an, um mit ihr den Vers zu strukturieren.

————— 17 Vgl. Ott, Ovid, 52. 18 Vgl. Ott, Vergil, 64. 19 Vgl. Ott, Statius, 59. 20 Vgl. Norden, 435. 21 Vgl. Ott, Vergil, 68. 22 Vgl. Ott, Ovid, 56. 23 Vgl. Ott, Statius, 63. 24 Vgl. Norden, 435f. 25 In 13,9% der Fälle ohne Penthemimeres steht bei Bergius die Zäsur κατὰ τὸν τρίτον τροχαῖον; lediglich 1,7% der Verse haben keine Mittelzäsur. Zudem findet sich in jedem zweiten Vers Wortende nach dem vierten Metrum, die sogenannte Bukolische Dihärese (52,2%).

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Tabelle 5: Häufigkeit der Zäsuren (%)26

Penthemimeres Hephthemimeres Trithemimeres

Bergius 86,3 71,4 63,8

Verg. Aen. 84,5 75,5 51,5

Ov. met. 89,1 65,2 41,6

Lucan. 80,4 71,7 51,3

Der Eindruck, dass Bergius seine Zäsuren mechanisch setzt, um immer wieder metrisch gleichwertige Wörter vor diesen Stellen einsetzen zu können, bestätigt sich, wenn man seine Zäsurenkombinationen mit denen Vergils und Lucans vergleicht (Tabelle 6): In mehr als jedem dritten Vers und damit doppelt so häufig wie Vergil und Lucan setzt Bergius die Penthemimeres (Z5) zusammen mit Trithemimeres (Z3) und Hephthemimeres (Z7); 14,1% der Verse weisen zusätzlich noch Wortende hinter dem vierten Metrum, die sogenannte Bukolische Dihärese, auf. Entsprechend wenig Verse bildet Bergius demzufolge nur mit einer einzigen Zäsur. Tabelle 6: Zäsurenkombinationen (%)27

Z3 + Z5 + Z7 Z3 + Z5 Z3 + Z7 Z5 + Z7 Z3 Z5 Z7

Bergius 35,728 15,629 12,130 22,931 0,532 12,133 1,034

Verg. georg. 17,4 13,5 13,3 29,0 3,3 19,3 3,6

Lucan. 16,3 13,4 19,8 25,2 2,9 23,6 0,9

Vor den Zäsuren gestattet sich Bergius brevis in longo und Hiat. Die sogenannte productio in arsi findet sich in folgenden Versen; besonders auffäl————— 26 Eine Zäsur wird verzeichnet, wenn nach der zweiten, dritten oder vierten Hebung Wortende vorliegt. Die Zäsur gilt auch dann für eingehalten, wenn Wortende an diesen Stellen durch Elision entstanden ist. Die Vergleichszahlen sind Thraede, Hexameter, 63 entnommen. 27 Vergleichszahlen nach Thraede, Hexameter, 89. 28 Davon Z3 + Z5 + Z7 + Buk. Dihärese: 14,1%. 29 Davon Z3 + Z5 + Buk. Dihärese: 11,5%. 30 Davon Z3 + κατὰ τὸν τρίτον τροχαῖον + Z7: 5,4%; Z3 + Z7 + Buk. Dihärese: 0,7%; Z3 + κατὰ τὸν τρίτον τροχαῖον + Z7 + Buk. Dihärese: 4,1%. 31 Davon Z5 + Z7 + Buk. Dihärese: 9,7%. 32 Davon Z3 + Buk. Dihärese: 0%; Z3 + κατὰ τὸν τρίτον τροχαῖον: 0,3%; Z3 + κατὰ τὸν τρίτον τροχαῖον + Buk. Dihärese: 0,2%. Z3 allein steht nur in einem Vers (vgl. 361: 0,08%). 33 Davon Z5 + Buk. Dihärese: 9,6%. 34 Davon Z7 + κατὰ τὸν τρίτον τροχαῖον: 0,7%; Z7 + κατὰ τὸν τρίτον τροχαῖον + Buk. Dihärese: 0,3%. Z7 steht also nie allein.

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Untersuchungen zur poetischen Technik

199

lig ist hierbei seine Vorliebe für lang gemessenes -que, welches er sogar in Hiat setzt:35 – – – – – –

Et pecorum regio diuēs, et plena ferarum (294) Fasceśquē sceptruḿque apportauêre: sed ille (545) Inuentus naḿquē | animi praesentior, et quem (626) Huic amor in fratrēm | huic recti cura boníque (801) Et longaeua Themīs, et legum turba bonarum (1054) Bullaśquē mitraśque leues, et somnia rasi (1057)

Auch hier zeigt sich, dass Bergius mit einem Prozentanteil von 0,47% seinem Vorbild Vergil (0,55%) sehr nahe kommt. Gegenüber Ovid (0,29%) und vor allem Statius (0,029%) sind die Abweichungen deutlich größer.36 Mit der productio in arsi einher geht der Zäsurhiat. Neben den bereits zitierten Versen 626 und 801, die beide Phänomene gemeinsam aufweisen, bleibt noch zu nennen: –

Huic decus egregium formae | huic indolis altae (822)

Bei der Frequenz des Zäsurhiates liegt Bergius mit 0,24% zwischen Vergil auf der einen Seite (Aen. I37: 0,4%) und Ovid auf der anderen Seite (met. I38: 0,13%); Statius scheint ihn dagegen vollständig zu meiden (Theb. I39: 0%). Es fällt auf, dass Bergius beides (productio in arsi und Hiat) besonders gern dann verwendet, wenn er den Vers mit Hilfe von Wiederholungsfiguren (et [...] et; huic [...] huic; -que [...] -que etc.) scharf gliedert. c) Elisionen und Aphäresen Elisionen kommen in Bergius’ Versen nahezu gleich oft wie in denen Vergils vor. Im Durchschnitt hat Bergius 46 Elisionen auf 100 Verse, bei Vergil sind es auf 100 Verse 48 im ersten Buch der Aeneis,40 bei Statius 41 auf 100 im ersten Buch der Thebais,41 während Ovid Verschleifungen sehr viel stärker meidet und nur 21 Elisionen auf 100 Verse im ersten Buch der Metamorphosen zulässt.42 Untersucht man, an welchen Stellen im Vers elidiert wird (Tabelle 7), so zeigt sich, dass Bergius weitgehend die Konventionen der antiken Epiker befolgt. Komplett vermieden sind Elisionen am Versanfang sowie in der 2. ————— 35 Zur Langmessung von -que im lateinischen Hexameter vgl. Courtney, 57 zu Accius, ann. fr. 2: calones famulique metelliquē caculaeque. 36 Die Vergleichszahlen sind Klein, 38 entnommen. 37 Vgl. Ott, Vergil, 23. 38 Vgl. Ott, Ovid, 23. 39 Vgl. Ott, Statius, 22. 40 Vgl. Ott, Vergil, 23. 41 Vgl. Ott, Statius, 22. 42 Vgl. Ott, Ovid, 23.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Länge des 5. Fußes. Im Gegensatz zu den antiken Vergleichsautoren erlaubt sich Bergius zweimal Elision am Versende, meidet sie dagegen in der 2. Kürze im 2. Fuß. Vergleicht man die Prozentanteile, stellt man erneut seine große Nähe zu Vergil fest. Lediglich am Anfang des 3. Fußes gibt es eine größere Abweichung: Während Vergil an dieser Stelle häufig elidiert, nimmt Bergius hier zusammen mit Statius eine mittlere Position ein. Differenzen gibt es weiterhin im 3. und 4. Fuß, in denen Vergil im Gegensatz zu Bergius, Ovid und Statius in der 2. Kürze nicht elidiert. Tabelle 7: Elisionsstellen (%) Bergius

Verg. Aen. I43

Ov. met. I44

Stat. Theb. I45

2. Länge

3,61

3,72

0,39

1,94

1. Kürze

2,51

1,46

2,44

2,22

2. Kürze

0,79

0,66

1,29

0,69

9,58

11,29

2,57

5,42

2. Länge

2,75

2,26

0,64

0,97

1. Kürze

1,86

1,06

1,16

1,67

0,4

0,26

0,14

3,85

8,23

0,64

3,75

2. Länge

2,28

3,19

0,39

1,39

1. Kürze

1,02

1,46

0,64

1,81

2. Kürze

0,16

0,26

0,56

Ort 1. Fuß 1. Silbe

2. Fuß 1. Silbe

2. Kürze 3. Fuß 1. Silbe

4. Fuß 1. Silbe

4,24

2,66

2,7

4,58

2. Länge

8,09

6,51

4,37

9,72

1. Kürze

1,18

0,8

0,9

0,83

2. Kürze

0,31

0,39

0,28 3,47

5. Fuß 1. Silbe

2,28

2,39

0,9

1. Kürze

0,39

0,4

0,13

2. Kürze

1,1

0,8

0,9

6. Fuß 1. Silbe

0,16

0,4

2. Silbe

0,16

2. Länge

————— 43 Vergleichszahlen nach Ott, Vergil, 23ff.; vgl. auch Klein, 39. 44 Vergleichszahlen nach Ott, Ovid, 23ff. 45 Vergleichszahlen nach Ott, Statius, 22ff.

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0,56 0,83

Untersuchungen zur poetischen Technik

201

Als deutliche Vergilimitation46 zu deuten sind die in Bergius’ Gedicht vorkommenden drei Hypermeter, welche alle auf -que (wie die meisten Vergils47) bzw. auf -ue enden: –

At non ille uirum splendor fregitùe, superbosùe / Extulit in fastus: mens prisca animuśque remansit (576f.)



Cui solitum latrocinijs ditescere, furtiśque / Arua aliena manu premere, at́que auertere praedas (750f.)



Pierides huc ferte pedem: date lilia floreśque / Huc uestros, quos Aoniae in uernantibus hortis (1199f.)

Mit seinen drei Hypermetern in 1273 Versen bewegt sich Bergius in der Größenordnung von Vergils Aeneis und Georgica (insgesamt 23 bzw. 20 auf ca. 12900 Verse);48 von den nachfolgenden Epikern der Antike wird der Hypermeter wesentlich seltener verwendet oder gar vollständig vermieden.49 Die Anzahl auffälliger und harter Elisionen hält sich in engen Grenzen: Einsilbige Formen des Relativpronomens verschleift Bergius dreimal: qui ingentibus (68); quae exordia (357); quae animos (381).50 Etwas freier verfährt Bergius bei der Verschleifung iambischer Wörter;51 in Elision stehen: Dei (199, 1103), sequi (141, 311), diu (465, 906), breui (932), pij (1104, 1251), mei (1113), tui (1223). Einmal gestattet er sich mit dem Versschluss principio. Atque hoc (304) eine gemiedene Elision zwischen dem fünften und sechsten Fuß.52 Die Anzahl der Aphäresen bei Bergius ist mit der Vergils vergleichbar (Bergius: 1,96%, Verg. Aen. I: 1,32%, Ov. met. I: 6,42%, Stat. Theb. I: 0,83%). Klar bevorzugte Position der Aphärese bei Bergius wie bei Vergil ist der Versschluss, wo sich etwa die Hälfte aller Aphäresen finden (Tabelle 8). Der Tatsache, dass die antike Hexameterdichtung die Aphärese nur an wenigen Stellen zulässt, trägt Bergius durchaus Rechnung; gegenüber den Vergleichsautoren Vergil, Ovid und Statius kommt bei ihm lediglich die 2. Länge des 1. Fußes als Aphäresenstelle hinzu.

————— 46 Zum Hypermeter bei Vergil vgl. zuletzt Goold, 76-89. 47 Vgl. Goold, 77-81. 48 Vgl. Goold, 77-81. Die größere Zahl entspricht den von Mynors in seiner Oxford-Ausgabe akzeptierten Fällen, von denen Goold drei für korrupt erachtet. 49 Vgl. Goold, 83: Ovid, met. (3); Val. Fl. (1); Lucan, Statius, Silius jeweils 0. 50 Vgl. Norden, 456-458. 51 Vgl. Zwierlein (vgl. Anm. 4), 419. 52 Vgl. Norden, 456. Ohne Anstoß dagegen ist der Versschluss ubi illum (868).

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202

Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Tabelle 8: Lage der Aphäresen (%) Ort 1. Fuß 2. Länge 2. Fuß 1. Silbe 3. Fuß 1. Silbe 4. Fuß 1. Silbe 4. Fuß 2. Länge 6. Fuß 2. Silbe

Bergius 0,08 0,24 0,47 0,16 0,08 0,94

Verg. Aen. I53

Ov. met. I54

0,13 0,4 0,13 0,66

1,41 2,44 1,16 0,39 1,03

Stat. Theb. I55

0,28 0,14 0,42

d) Monosyllaba In der Zahl der Monosyllaba, die (um das Vergleichen zu vereinfachen) auf 1000 Verse umgerechnet ist,56 kommt Bergius mit 1232 seinem Vorbild Vergil recht nahe (Aen. 1-2: 1216), während Ovid (met. 13-14: 1330) mehr, Lucan (1-2: 1084) und Claudian (898) deutlich weniger Monosyllaba setzen. Blickt man auf die Verteilung der Monosyllaba am Versende (Tabelle 9), ergibt sich ein anderes Bild: Hier hat Bergius mehr als doppelt so viele Monosyllaba wie Vergil. Von der Freiheit der Horazischen Satirendichtung, die zum Vergleich mit herangezogen wurde, ist Bergius allerdings noch weit entfernt. Tabelle 9: Monosyllaba am Versende57

Zahl auf 1000 Verse Formen von esse – gesamt – nach Aphärese – nach Monosyllabon anderes Monosyllabon als Formen von esse 2 Monosyllaba

Bergius

Verg. Aen. 1-2

Ov. met.1314

Lucan. 12

Claudian

Hor. serm.

36

15

20

6

4

145

13 9

6 5

19 15

6 5

2 1

26 17

2

1

4

1

1

4

23 13

9 4

1 1

0 0

2 1

119 62

————— 53 Vergleichszahlen nach Ott, Vergil, 49; vgl. auch Klein, 38. 54 Vergleichszahlen nach Ott, Ovid, 36f. 55 Vergleichszahlen nach Ott, Statius, 44. 56 Vergleichszahlen nach Hellegouarc’h, 15. Die absolute Gesamtzahl der Monosyllaba beträgt in Bergius’ Versen 1568. 57 Vergleichszahlen nach Hellegouarc’h, 52.

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203

Untersuchungen zur poetischen Technik

e) Versschlüsse Bergius’ Vorliebe für Monosyllaba in den letzten zwei Metren erklärt auch die Tatsache, dass Bergius zu vielen Versschlusskombinationen kommt, welche die Vergleichsautoren Vergil, Ovid und Statius nicht aufweisen. Dies wird aus Tabelle 10 sichtbar, in der die Formen des Versschlusses festgestellt sind. Bei den beliebtesten Versendtypen sind die Prozentanteile bei Bergius und den antiken Epikern in etwa gleich verteilt. Ansonsten zeigt sich bei Bergius eine wesentlich größere Buntheit, welche jedoch nicht über die relative Seltenheit unregelmäßiger Versschlüsse hinwegtäuschen darf: Von den bei Bergius singulär verwendeten Versschlüssen ist keiner häufiger als viermal belegt, die meisten begegnen lediglich einmal in seinem Panegyricum Carmen. Tabelle 10: Versendtypen (%): Typ

Bergius

Verg. Aen. I58

Ov. met. I59

Stat. Theb. I60

–uu/–x

395 (31,03)

31,21

29,05

31,81

–u/u–x

206 (16,18)

13,81

17,35

19,03

––u/u–x

180 (14,14)

20,05

13,5

16,25

––uu/–x

161 (12,65)

13,94

11,44

12,36

uu–u/u–x

75 (5,89)

5,84

6,17

4,72

––u/u/–x

40 (3,14)

3,32

3,6

1,94

–u/u/–x

33 (2,59)

2,39

2,7

2,5

uu–uu/–x

30 (2,36)

1,33

2,83

1,81

u–uu/–x

19 (1,49)

2,52

6,94

3,33

uu–u/u/–x

18 (1,41)

0,4

0,64

0,97

u–u/u–x

16 (1,26)

0,93

1,03

0,14

–/uu/–x

14 (1,1)

1,59

0,39

0,42

–––u/u–x

14 (1,1)

0,8

0,9

1,25

–uu/–/x

13 (1,02)

0,27

0,13

0,14

–uu–u/u–x

9 (0,71)

0,26

0,83

–––uu/–x

7 (0,55)

0,13

0,64

0,97

–u/u–/x

7 (0,55)

0,27

––u/u–/x

4 (0,31)

0,13

u–u/u/–x

4 (0,31)

–––u/u/–x

4 (0,31)

0,13

————— 58 Vgl. Ott, Vergil, 98; vgl. auch Klein, 40. 59 Vgl. Ott, Ovid, 86. 60 Vgl. Ott, Statius, 91.

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204

Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

––––u/u–x

3 (0,24)

––uu/–/x

2 (0,16)

0,39

0,14

–uu–uu/–x

2 (0,16)

0,51

0,69

––––uu/–x

2 (0,16)

––/uu–x

2 (0,16)

–––/uu–x

1 (0,08)

0,13

u–uu/–/x

1 (0,08)

0,13

–––x

1 (0,08)

uu–u/u–/x

1 (0,08)

0,14

– u u – u / u /– x

1 (0,08)

0,14

u–uu–u / u / –x

1 (0,08)

–uu–/x

1 (0,08)

––u/u/–/x

1 (0,08)

uu–/uu–x

1 (0,08)

– – – u / u –/ x

1 (0,08)

u–u/u–/x

1 (0,08)

– – – – u / u / –x

1 (0,08)

––/uu/–x

1 (0,08)

0,39

Insgesamt erhält man also fast den Eindruck, als wolle Bergius im Vergleich zu seinen antiken Vorbildern für die größere Starre seines Verses am Anfang, die sich aus der Bedeutung der Trithemimeres und ihrer Kombination mit der Penthemimeres ergibt, durch eine größere Variation am Ende einen gewissen Ausgleich schaffen. 4.6.2.2 Ausgewählte Beobachtungen zur Stilistik Ebenso wie in der Verstechnik ist Bergius auch sprachlich um engen Anschluss an seine klassischen Vorbilder bemüht. Dagegen scheint er bei der Wahl seiner Stilmittel, insbesondere seiner Vorliebe für Wiederholungsfiguren, stark von den zeitgenössischen Poetiken seiner Zeit beeinflusst zu sein.61 Gleicht man Bergius’ Wortschatz mit Axelsons Zusammenstellung unpoetischer Wörter62 ab, so ist insgesamt festzuhalten, dass Bergius nur sel————— 61 Vgl. z.B. die Bücher III und IV von Scaligers Poetik und Georg Sabinus, De carminibus ad veterum imitationem artificiose componendis praecepta bona et utilia, in: G. Sabinus, Poemata (1563), 489-517 (Erstdruck 1551). 62 Axelson, B.: Unpoetische Wörter. Ein Beitrag zur Kenntnis der lateinischen Dichtersprache, Lund 1945.

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Untersuchungen zur poetischen Technik

205

ten gegen die Konventionen epischer Dichtersprache verstößt. Bei den meisten seiner ›unpoetischen‹ Wörter handelt es sich um Konjunktionen; im Allgemeinen ist jede von ihnen lediglich einmal belegt: atque vor Konsonant (493); deinceps (564, 588, 1132); deinde (893); etenim (301); iccirco (56); ideo (1106); itidem (326, 1192 [2x]); neque vor Konsonant außerhalb des 1. Versfußes (51, 313, 418, 1000); neu (1226, 1235); praeterea (640); proinde (784); quasi (4, 1258), schließlich – wegen der fehlenden Synizese besonders hässlich – tametsi (652). Hinzu kommt eine Reihe von Wörtern und Formen, die ich in der antiken Dichtung überhaupt nicht belegt finde: calyptra; ductrix (1055); stribligo (379); sutura (637); turbator (1120); cedrifer (1071: hapax); den Superlativ von optatus (25);63 complanare (189); die Verben cohaerescere (783) und efflorescere (281) im Präsensstamm;64 progerminare (1110); promanare (248). Ein paar Wörter des Panegyricum Carmen begegnen in der lateinischen Dichtung ausschließlich bei christlichen Dichtern: approximare (408); ecclesia (154, 1166); praesul (313); Propheta (214); Psalmographus (214); superincrepitare (763). Was Bergius’ Stilistik betrifft, so fällt zunächst auf, dass er im Bereich der Wortstellung Symmetrien weniger nachdrücklich sucht, als dies bei den antiken Dichtern der Fall ist.65 Besonders deutlich lässt sich dies bei der Gestaltung des sogenannten versus aureus nachweisen: versus aurei finden sich bei Bergius (1273 Verse) insgesamt nur sieben:66 – – – – – – –

Fusca serenanti concedant nubila uento (8) Indicia aetatis praebet manifesta futurae (84) Gaudia praeteriti facient maiora labores (206) Aurea roranti praetexit cornua uultu (403) Aurea compositis praedicunt saecula bellis (1102) Dulcia pacatis etiam dabit ocia terris. (1105) Tempora marmoreis ubi condit euntia signis (1179)

Dabei sind Vers 8 und 403 nicht eigenständig gebildet, sondern ganz aus imitatio hervorgegangen;67 die verbleibenden (mit Ausnahme von Vers 84) ————— 63 spes optatißima uirtus (25): Bergius hat eine Vorliebe dafür, den fünften Versfuß mit einer Form des Superlativs zu füllen; der Typus dieses Versschlusses findet sich im Panegyricum Carmen 23 Mal. 64 Grundsätzlich verwendet Bergius häufig Verba incohativa (132, 199, 281, 375, 480, 563, 750, 783, 880, 919, 924, 1236, 1263). 65 Vgl. zur Wortstellung die Ausführungen bei Norden, 391ff. 66 Zum Vergleich beachte man die Zahl der Goldenen Verse bei: Catull. 64: 16; Verg. ecl.: 39, georg. (1500 Verse): 47, Aen. (2000 Verse): 66; die Vergleichszahlen sind Wilkinson, L. P.: Golden Latin Artistry, Cambridge 1963, 216 entnommen. 67 Vgl. dazu den Similienapparat zur Stelle.

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206

Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

stehen in Kontexten, in denen von einer aurea aetas die Rede ist oder eine solche impliziert ist. Während sich Bergius bei der Wortsymmetrie zurückhält, gebraucht er übermäßig viele Wiederholungsfiguren. Solche Figuren sind in der neulateinischen Dichtung beliebter als in der antiken und werden in den Poetiken der Zeit nachdrücklich von den Dichtern eingefordert:68 So sucht Bergius die Alliteration (vgl. z.B. alijs animantibus anté (10); praestans [...] princeps [...] postmodo posci (77); uera uenit: uitae (280)). Besonders oft im Panegyricum Carmen verwendet ist die Anapher (vgl. z.B. dum (73) [...] Dum (75);69 fac (153) [...] Fac (155) [...] fac (156); Prima (276) [...] Prima (277); nunc (681) [...] nunc (682) [...] nunc (682); Stat (1153) [...] Stat (1154) [...] stat (1154); bisweilen auch mit geminatio: Sic sic (1072) [...] Sic (1073)). Auffällig ist Bergius’ Vorliebe für das Polyptoton (vgl. z.B. uideo [...] uidendo (184), Obtinet, obtineátque (196), miti [...] mitia [...] / mitis (221f.), ingens [...] ingens [...] ingentia [...] ingentibus (670-673); zusammen mit Paronomasie: Bello [...] bellua bellum (1172)). Wiederholungen ergeben sich auch durch die von Bergius gern gesetzten Refrainverse (vgl. z.B. 355f. ~ 373f.; 375f. = 384f.; 1095 = 1097) sowie nach längeren parenthetischen Einschüben, um den Sinnzusammenhang wiederherzustellen, vgl. optati iam conscia (sc. Patria) temporis (1086) und optati non inscia temporis (1093) nach der Ekphrasis des Altstadtrathauses.70 Zu den Wiederholungsfiguren tritt eine andere stilistische Auffälligkeit bei Bergius, seine Vorliebe für Wort und Satzreihungen. Auch sie sind grundsätzlich charakteristisch für die neulateinische Dichtung:71 So finden sich insbesondere asyndetische Reihungen von Einzelwörtern (vor allem von Substantiven), vgl. z.B. exultat pastor, pecus, arua, colonus, / Nauita (14f.); pietas, Musae, sapientia, uirtus (22); Iustitiae, ueri, pacis, pietatis et aequi (171). Des Weiteren häuft Bergius Relativsätze, vgl. z.B. quibus (52) [...] quibus (53) [...] Per quos (54); quales (98) [...] quae (100) [...] quas (100). Diese können elliptisch verkürzt sein, vgl. z.B. quae [...] quis [...] / quae [...] quae (118f.), oder auch anaphorisch gereiht, vgl. z.B. cuius opus (1123) [...] cuius opus (1125) [...] cuius opus (1128).

————— 68 Vgl. Sabinus (s.o.), 507ff. (De figuris quibusdam), aber auch Wills, J.: Repetition in Latin Poetry. Figures of Allusion, Oxford 1994. 69 dum ist als Subjunktion dominierend im Panegyricum Carmen und wird meist mit dem Indikativ des Präsens konstruiert, selten mit dem Konjunktiv des Imperfekts (101, 549, 550), einmal mit Indikativ Imperfekt (305). 70 Zu weiteren Wiederholungen dieser Art vgl. unten, 254. 71 Vgl. dazu Conrady, 149ff.

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207

4.6.3 Der Umgang mit den literarischen Vorlagen 4.6.3.1 Einleitung: Antike und neulateinische Hauptvorlagen Wirft man einen Blick auf den Similienapparat zu Bergius’ Panegyricum Carmen, so stößt man auf eine Fülle sprachlicher Übereinstimmungen mit Werken einer auf den ersten Blick erstaunlich großen Zahl antiker und neulateinischer Dichter: So finden sich (von der Vulgata einmal abgesehen) Parallelen etwa zu den altlateinischen Autoren Ennius und Lucilius, zu den vorklassischen Autoren Lucrez und Catull, zu den Klassikern Vergil, Horaz, Tibull, Properz und Ovid, zu den Dichtern der Frühen Kaiserzeit Manilius, Persius, Lucan, Calpurnius, Petron, Valerius Flaccus, Statius, Martial, Silius Italicus und Iuvenal sowie zu zahlreichen Autoren aus der Spätantike: Zu nennen sind aus dem vierten Jahrhundert z.B. Ausonius, Juvencus, Prudentius, Claudian und Paulinus von Nola; aus dem fünften Jahrhundert Sedulius, Cyprian, Sidonius, Dracontius, Ennodius und Avitus von Vienne sowie aus dem sechsten Jahrhundert Priscianus, Arator, Corippus und Venantius Fortunatus.72 Als wichtige Vorlagen haben sich aber auch zahlreiche neulateinische, vor allem zeitgenössische Dichter herausgestellt:73 Hier sind aufzuführen Iacopo Sannazaro (1457/8-1530), Jacob Micyllus (1503-1558), George Buchanan (1506-1582), Georg Sabinus (1508-1560), Georg Fabricius (1516-1571) und Petrus Lotichius Secundus (1528-1560). Hinzu kommt eine Reihe von Stellen, an denen Bergius seine eigenen früheren Werke imitiert. Nun darf und soll der Similienapparat nicht suggerieren, dass sämtliche darin verzeichneten Werke von Bergius direkt und unmittelbar rezipiert sind; ein locus similis kann auch zustande kommen, ohne dass die eine Stelle an der anderen imitiert ist. Unter ›Imitieren‹ bzw. ›Imitation‹ verstehe ich im Folgenden »das an einem Muster orientierte Gestalten«74, welches in den antiken und humanistischen Poetiken von den Schreibenden verlangt und dementsprechend im Schulunterricht geübt wurde. Mit seinen Imitationen erhebt der Schreibende den Anspruch auf aemulatio: Er will mit seiner Vorlage, die er imitiert, in ein Verhältnis des »geistigen Konkurrierens«

————— 72 Beim Nachweisen dieser Similien hat sich die CD-Rom Poesis 2 als sehr hilfreich erwiesen. 73 Die Liste der neulateinischen Vorbilder ließe sich sicherlich erweitern. Ausgangspunkt meiner Recherchen waren neben Ellingers Literaturgeschichte und Ijsewijns / Sacrés Companion to Neo-Latin Studies die gedruckten Anthologien (insbesondere Kühlmann, Humanistische Lyrik) und vor allem das im Internet zugängliche Textcorpus des Projekts CAMENA (vgl. http://www.uni-mannheim.de/mateo/camena.html). 74 Vgl. Döpp, Aemulatio, Zitat auf Seite 1.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

treten.75 Dabei ist das Spektrum der Deutlichkeit, in der der imitierende Autor das Konkurrenzverhältnis zu seiner Vorlage sichtbar machen kann, ausgesprochen groß: Am offensten tritt es zutage bei »Zitaten«, jenen wörtlichen oder nahezu wörtlichen Übernahmen also, die »im neuen Kontext deutlich als Fremdkörper erkennbar bleiben«.76 Dagegen kann auf der anderen Seite eine Imitation so unauffällig gestaltet sein, dass sie für den Leser von einer bloßen Reminiszenz nicht mehr unterscheidbar ist: Es muss in diesem Bereich des Spektrums offen bleiben, ob der Autor noch bewusst an seine Vorlage anspielt oder ob das Ähnlichkeitsverhältnis unbewusst zustande gekommen ist, etwa wenn der Autor eine Phrase verwendet, die ihm aus seiner Dichterlektüre vertraut ist, ohne dass er sie jedoch mit einer konkreten Einzelstelle verbindet.77 Als übergeordnete Kategorie, welche Imitation und Reminiszenz umfassend einschließt, bietet sich der Begriff der Rezeption an, »das Aufnehmen und Nachschaffen eines vorangehenden Werkes, Werkteils, Motivs oder Gedankens«:78 Hier ist auch eine unbewusste Aufnahme mit eingeschlossen, wie dies bei der Reminiszenz der Fall ist. Die Frage, ob ein Ähnlichkeitsverhältnis zweier Stellen auf imitatio zurückgeht oder auf andere Weise entstanden ist, lässt sich also nicht immer mit Gewissheit beantworten. Bei Autoren, zu deren Werken Bergius’ Pan————— 75 Vgl. Döpp, Aemulatio, Zitat auf Seite 1. Zu den römischen Begriffen imitatio und aemulatio vgl. Reiff, A.: interpretatio, imitatio, aemulatio. Begriff und Vorstellung literarischer Abhängigkeit bei den Römern, Diss. Köln, Würzburg 1959 (vgl. auch die Rezension von M. Fuhrmann in: Gnomon 33 (1961), 445-448). Zur Konzeption dieses Begriffspaares und zur Bedeutung dieser Konzeption im Schulunterricht und in der Poetik der römischen Antike und des Humanismus vgl. zuletzt die Lexikonartikel von Entner, H.: Imitatio, in: RLW 2 (2000), 133-135; Kaminski, N.: Imitatio 1. Imitatio auctorum, in: HWRh 4 (1998), 235-285 und Bauer, B.: Aemulatio, in: HWRh 1 (1992), 141-187. Aus der reichen Literatur über die Imitation in der antiken (vor allem in der römischen) Literatur hebe ich hervor: Kroll, 139-184; Russell, 1-16; Jakobi, 1-4. Zur Imitation im Mittelalter und in der frühen Neuzeit vgl. Gmelin, H.: Das Prinzip der Imitatio in den romanischen Literaturen der Renaissance, in: Romanische Forschungen 46 (1932), 85-360; Mainusch, H.: Dichtung als Nachahmung. Ein Beitrag zum Verständnis der Renaissancepoetik, in: GRM N.F. 10 (1960), 122-138; Pigman III, G. W.: Versions of Imitation in the Renaissance, in: Renaissance Quarterly 33 (1980), 1-32; Greene, Th. M.: The Light in Troy. Imitation and Discovery in Renaissance Poetry, New Haven 1982; Pigman; Rentiis, D. De: Die Zeit der Nachfolge. Zur Interdependenz von »imitatio Christi« und »imitatio auctorum« im 12.-16. Jahrhundert, Tübingen 1996. Auf diese bewährte, die Poetik und Schulausbildung zu Bergius’ Lebenszeit prägende Begriffskonzeption zugunsten anderer Begriffe zu verzichten, welcher sich die moderne Intertextualitätstheorie bedient, sah ich keinen Anlass; vgl. hierzu auch die knappe Auseinandersetzung bei Schmit-Neuerburg, T.: Vergils Aeneis und die antike Homerexegese. Untersuchungen zum Einfluß ethischer und kritischer Homerrezeption auf imitatio und aemulatio Vergils, Berlin 1999, 3 Anm. 11. 76 So lautet die Definition von ›Zitat‹ von Maria Lühken, 24. 77 Zum Begriff der ›Reminiszenz‹ und ihrem Verhältnis zu ›Imitation‹ und ›Anspielung‹ vgl. Lühken, 23-30. 78 Vgl. hierzu Zintzen, das Zitat befindet sich auf S. 15.

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egyricum Carmen nur an ganz vereinzelten Stellen Ähnlichkeiten aufweist, ist eine Imitation von vornherein weniger wahrscheinlich als bei all den Werken, zu denen sich die Übereinstimmungen häufen. Selbst auf den ersten Blick sehr signifikant erscheinende Übereinstimmungen müssen dabei nicht immer darauf zurückzuführen sein, dass Bergius die Vorbildstelle aus dem Originalwerk kennt, dem sie ursprünglich entstammte. Auch mit der Benutzung von Kollektaneen ist zu rechnen, welche der Schulunterricht für die eigene Dichtpraxis empfahl:79 In diesen Kollektaneen, für die auch Bezeichnungen wie loci communes, florilegia, promptuaria, thesauri, aeraria poetica u.ä. gebräuchlich waren, sammelten die Schüler systematisch aus den gelesenen Autoren für das Verfassen eigener Reden und Gedichte nachahmenswerte »Versatzstücke«; dies konnten Wörter, Phrasen, Sentenzen, Sprichwörter, metaphorische Wendungen oder aber auch Gleichnisse und Beschreibungen sein.80 In Ergänzung zu ihren selbst angelegten Kollektaneen konnten die Schüler aber auch auf gedruckte Sammlungen zurückgreifen.81 Eine Hilfestellung zum imitierenden Dichten fand man schließlich auch in größeren poetischen Lehrbüchern, wie z.B. in den De re poetica libri VII (1565) des Georg Fabricius: Hier konnte Bergius beispielsweise im zweiten Buch, dessen Inhalt mit exempla varietatis et copiae, ex Ovidio, Tibullo, Propertio umschrieben ist,82 unter der Überschrift Non Possum Eloqui folgende Ovidverse zusammengestellt finden: Non mihi si centum DEUS ora sonantia linguis, / Ingeniumque capax, totumque Helicona dedisset [...] (met. 8, 533f.) und Nunc mihi mille sonos, quoque est memoratus Achilles [...] (fast. 2,119).83 Es ist also möglich, dass in Bergius’ Panegyricum Car————— 79 Vgl. z.B. die Anweisungen in der Schulordnung des Rats in Braunschweig aus dem Jahre 1596, in: Koldewey, Bd. 1, 129; dazu Mertz, 284. Zur Unterrichtspraxis, die auf den drei Grundpfeilern praecepta – exempla – imitatio beruhte, vgl. Barner, 59, 243, 285ff.; Paulsen, 345ff.; Mertz, 268, 287. 80 Zu diesen Sammlungen vgl. Coenen, H. G.: Locus Communis, in: HWRh 5 (2001), 398411; Mayer, H.: Kollektaneen, in: HWRh 4 (1998), 1125-1130; Sieber, A.: Florilegium, in: HWRh 3 (1996), 367-371; Plett, H. F.: Renaissance-Poetik: Zwischen Imitation und Innovation, in: H. F. Plett (Hg.), Renaissance-Poetik. Renaissance Poetics, Berlin 1994, 1-20, hier 19 ; Ingen, F. van: Aeraria poetica, in: HWRh 1 (1992), 199-202; Barner, 61, 286; Buck, A.: Die humanistische Tradition in der Romania, Bad Homburg 1968, 143ff.; Paulsen, 362; Mertz, 278ff. 81 In den Braunschweiger Schulen waren z.B. die Loci communes sententiosorum versuum, ex elegijs Tibulli, Propertij, et Ovidij (Nürnberg 1550) von Johannes Murmellius in Gebrauch. Sie werden in der Schulordnung des Rats (1596), im Lehrplan des Katharineums (1598) sowie in den Lehrplänen des Martineums (1600) genannt, vgl. Koldewey, Bd. 1, 127, 147, 157. Zu weiteren vergleichbaren Werken vgl. Ludwig, W.: Literatur und Geschichte. Ortwin Gratius, die ›Dunkelmännerbriefe‹ und ›Das Testament des Philipp Melanchthon‹ von Walter Jens, in: Ders., Miscella Neolatina, Bd. 2, 523-571, hier 527f. 82 Georgius Fabricius Chemnicensis, De re poetica libri VII, Heidelberg 1603, 5: Catalogus librorum de re poetica. 83 Ebd., 171f.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

men die Gestaltung der Verse 388f.: Non si mille mihi Deus ora sonantia linguis / Addat, et Aoniam totuḿque Helicona recludat durch diesen Eintrag bei Fabricius motiviert worden ist. Des Weiteren sammelt Fabricius im dritten Buch Dichterstellen zu Zeitangaben und Gestirnskonstellationen; hierauf könnte Bergius zurückgegriffen haben, als er den Morgen des Einzugtages von Herzog Julius beschrieben hat (920f.): Matutina quies, nitido dum pandit ab ortu / Purpureas aurora fores [...]; Fabricius (unter der Überschrift Aurorae): [...] Vigil nitido patefecit ab ortu / Purpureas aurora fores [...] (Ov. met. 2, 112f.).84 Fabricius bietet in seinem Werk auch ein poetisches Lexikon, das zu Substantiven Attribute und zu Eigennamen Umschreibungen aus antiken Dichtern angibt:85 Unter dem Lemma Aether beispielsweise ist das Adjektiv arduus86 und die Phrase adopertus nubibus87 gesammelt88 – Kombinationen, die Bergius in seinem Panegyricum Carmen verwendet (vgl. 1 und 1171). Schließlich können wörtliche Übereinstimmungen zwischen Bergius und einem früheren Dichter auch durch die unabhängige Imitation einer gemeinsamen Vorbildstelle zustande gekommen sein. Ein direkter Beweis hierfür lässt sich aus jenen Parallelen führen, welche Bergius mit solchen Dichtern aufweist, die zu seiner Lebenszeit noch nicht im Druck vorgelegen haben – »Parallelen«, wie sie nur ein modernes Computerprogramm auswerfen kann: Dies ist beispielsweise der Fall bei den Übereinstimmungen mit Gedichten aus der sogenannten Anthologia Latina, da es eine vergleichbare Sammlung zum Zeitpunkt unseres Gedichts im Jahre 1569 noch nicht in gedruckter Form gab und die Gedichte, welche heute die Sammlung konstituieren, Bergius aller Wahrscheinlichkeit unbekannt waren.89 So steht dem Vers 441 des Panegyricum Carmen: Quo duce si qua manent priscae uestigia fraudis sprachlich zwar am nächsten der Vers Anth. 719, 50: Ne maneant terris priscae vestigia fraudis;90 aber die Parallele ist vermutlich dadurch zustande gekommen, dass beide Dichter zwei Vergilverse aus der vierten Ekloge kombiniert haben: 4, 13: te duce, si qua manent sceleris vestigia nostri und 4, 31: pauca tamen suberunt priscae vestigia fraudis. Ähnliches mag auch für andere, im Similienapparat nur ganz vereinzelt erscheinende Autoren gelten, die zur Entstehungszeit des Panegyricum Carmen bereits gedruckt waren: Z.B. ist trotz der auffälligen Parallele zwi————— 84 Ebd., 223. 85 Vgl. Kühlmann, Zeitalter des Humanismus, 6. 86 arduus aether ist als Versschluss beliebt, vgl. Verg. georg. 1, 324. Aen. 10, 102; Ov. met. 1, 151. Pont. 2, 8, 61; Lucan. 2, 290; Stat. Theb. 9, 30. 87 Vgl. Ov. fast. 2, 71. 88 Ebd., 440f. 89 Die erste nennenswerte Sammelausgabe besorgte 1573 Joseph Justus Scaliger. 90 Anth. 719 wurde zuerst von Edmond Martène (1654-1739) ediert, vgl. Riese zu Anth. 719.

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schen Ennodius carm. 1, 2, 11: decus Italiae, spes tu fidissima und Bergius, Vers 25: Saxoniae decus, et spes optatißima, uirtus, nicht gesichert, dass Bergius Ennodius imitiert hat. Vielmehr kann er den Vers ähnlich wie Ennodius aus den zwei folgenden, ihm bekannten Vergilversen, zusammengesetzt haben: Aen. 11, 508: O decus Italiae virgo, quas dicere grates und Aen. 2, 281: O lux Dardaniae, spes o fidissima teucrum. Vielleicht hat sich Bergius aber auch an Marco Girolamo Vida (1485-1566) orientiert, der seine 1520 entstandene Poetik mit einem Enkomion auf Vergil (3, 554ff.) ausklingen lässt, in dem es heißt (3, 584f.): te sequor unum, / o decus Italiae, lux o clarissima vatum.91 Grenzt man das Material des Similienapparates nun auf die wichtigsten Vorbilder von Bergius’ Panegyricum Carmen ein, d.h. auf die am häufigsten verzeichneten Werke und aussagekräftigsten Imitationen, so gelangt man zu folgendem Ergebnis: Am häufigsten hat Bergius die Dichter Vergil und Claudian imitiert: Von Vergils Eklogen rezipiert Bergius besonders intensiv die vierte, während sich aus den Georgica und vor allem aus der Aeneis aus jedem Buch Imitationen nachweisen lassen. Noch wichtiger als Vergil ist Claudian für Bergius’ Gedicht: Aus Claudians Werken, besonders aus den Panegyriken auf die Konsulate des Honorius, Mallius Theodorus und Stilicho sowie aus den Invektiven gegen Rufin und Eutrop, aber auch aus dem Epos über den Krieg gegen die Goten oder über den Raub der Proserpina, gewinnt Bergius nicht nur sprachliches Material; vielmehr dienen ihm die Claudianschen Gedichte als strukturelles Vorbild für sein Panegyricum Carmen. Dies gilt insbesondere für die Gestaltung von Szenen, Motiven und Figuren.92 Ein weiterer Dichter von großer Bedeutung für das Panegyricum Carmen ist Statius, dessen Werke komplett rezipiert sind: Aus den Silven haben sich vor allem die folgenden, panegyrischen Gedichte als wichtig erwiesen: aus dem ersten Buch das Gedicht über die Reiterstatue des Kaisers Domitian (1, 1), das Hochzeitsgedicht für Stella und Violentilla (1, 2) und das Glückwunschgedicht zur Genesung des Rutilius Gallicus (1, 4), aus dem fünften Buch die Lobrede auf Crispinus, den Sohn des Vettius Bolanus (5, 2). Bei der Thebais finden sich aus jedem Buch Imitationen, besonders jedoch aus dem vierten, siebten und zwölften; schließlich hat Bergius auch Stellen aus dem ersten Buch der Achilleis imitiert. Ovid ist ebenso wie Vergil mit jedem seiner Werke im Panegyricum Carmen vertreten (wobei die Imitationen aus den Metamorphosen deutlich überwiegen), jedoch kommt ihm längst nicht der gleiche Rang wie Vergil zu. Weniger bedeutend als die ————— 91 Vgl. Williams, R. G.: Marco Girolamo Vida, De arte poetica, New York 1976. Zur Stelle vgl. Pigman, 205 und Wlosok, 490. 92 Vgl. dazu oben, 137 Anm. 2; 155ff. und unten, 251ff.

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bisher genannten, aber dennoch als Vorlage für das Panegyricum Carmen herausragend unter den verbleibenden Autoren, ist schließlich Lucan: Zur Pharsalia lassen sich nahezu für jedes Buch sprachliche Übereinstimmungen nachweisen. Unter den neulateinischen Dichtern ist – soweit ich sehe – Georg Sabinus das wichtigste Vorbild für das Panegyricum Carmen, nicht nur in sprachlicher, sondern auch in struktureller Hinsicht.93 Bergius imitiert besonders Stellen aus Sabinus’ zwei Büchern Caesares Germanici (seit 1532) und seinem Hochzeitsgedicht auf König Sigismund Augustus von Polen aus dem Jahre 1543. Ebenfalls augenscheinlich rezipiert ist Petrus Lotichius Secundus mit seinem 1560 entstandenen Hochzeitsgedicht auf Johann Wilhelm. Biblischen Passagen im Panegyricum Carmen legt Bergius zum einen die Vulgata, zum anderen vor allem die dichterischen Psalmenparaphrasen des Schotten George Buchanan (Erstdruck 1566) zugrunde. Schließlich ist noch auf Bergius’ Selbstimitationen einzugehen: Sie stammen vornehmlich aus den panegyrisch angelegten hexametrischen Gedichten; an erster Stelle ist hier das Gedicht über den Heiligen Georg anzuführen. Dass die eben zusammengestellten antiken und neulateinischen Autoren für Bergius’ Panegyricum Carmen eine solch herausragende Rolle spielen, erklärt sich zunächst aus der Gattung dieses Gedichtes, welches in seiner Struktur episierend und in seiner Tendenz panegyrisch ist;94 des Weiteren aus der hohen Anerkennung, die die von Bergius rezipierten (epischen und panegyrischen) Dichter im 16. Jahrhundert in der Literaturkritik genossen haben: Es versteht sich von selbst, dass Vergil wie schon in Antike und Mittelalter, so auch im 16. Jahrhundert unangefochten als der beste und nachahmenswürdigste Dichter gilt; so spricht Scaliger in seinem Denkmal für Vergil am Ende des sechsten Buches seiner Poetik (1561) von der divinitas Vergiliana.95 In derselben Poetik feiert Scaliger auch Claudian als maximus poeta, eine Beurteilung, an die sich viele Kritiker in der Folgezeit anschlos-

————— 93 Vgl. dazu unten, 249ff. 94 Vgl. hierzu oben, 144ff. Zudem wurde das Epos als Gattung bei den Literaturtheoretikern der Zeit in höchstem Maße geschätzt, vgl. dazu Döpp, Claudian und lateinische Epik, 39 mit weiterführender Literatur. Die episch-panegyrische Gattung ist auch der Grund, warum etwa der von Bergius in seinen lyrischen Carmina Evangelica sehr intensiv genutzte Horaz für das Panegyricum Carmen nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt. Zu Horaz bei Bergius vgl. oben, 76ff. und unten, 237. 95 6,7 (Deitz / Vogt-Spira, 468, Z.10). Zum Vergillob in den Poetiken des 16. Jahrhunderts vgl. Wlosok; zu Melanchthons Wertschätzung Vergils vgl. zudem noch Berwald, O.: Philipp Melanchthons Sicht der Rhetorik, Wiesbaden 1994, 57-86 (zur imitatio), hier 64.

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sen.96 Dagegen genossen zwar auch Ovid, Lucan und Statius im 16. Jahrhundert hohes Ansehen, doch fehlt es in den Poetiken nicht an kritischen Stimmen, die sich bei Ovid und Lucan auch auf antike Vorbehalte stützen konnten.97 Zu der insgesamt hohen Wertschätzung, welche die genannten antiken Autoren bei den Literaturkritikern98 und auch bei zeitgenössischen Dichtern99 genossen, passt, dass sie seit langer Zeit zum Schulkanon gehörten.100 Vergil bildet auch in der Schule den Schwerpunkt für die poetische Lektüre:101 In den Braunschweiger Schulordnungen lassen sich alle seine Werke nachweisen;102 neben Vergil wurden in Braunschweig von den antiken Dichtern vor allem Ovid und Lucan gelesen, wie z.B. aus der Schulordnung des Martineums aus dem Jahre 1562 hervorgeht: Latinae linguae autores eos deligimus qui omnium confessione discentibus sunt utilissimi. [...] ex poetarum numero Virgilius, Ovidius; poterit et Lucanus non excludi, si ita occasio ferat.103

Dieselbe Schulordnung spricht auch Empfehlungen über die von Bergius imitierten neulateinischen Dichter Sabinus und Lotichius Secundus aus: Neben Terenz, Cicero, Vergil und Helius Eobanus Hessus’ Psalmenübersetzung können angesichts ihrer moralischen Vorzüge auch Werke von Lotichius, Sabinus und anderen zeitgenössischen Dichtern gelesen werden: Ex Latinis vero autoribus iis praeleguntur Terentius, epistolae Ciceronis, Virgilii bucolica, psalterium Eobani, nec incommoda hic esse possunt poematia Lotichii, Sabini et similium nostri seculi poetarum, quorum numeri aut obscoenitate materiae carent aut insectatione bonorum.104

————— 96 6,5 (Deitz / Vogt-Spira, 258, Z.25); zu Claudians Rang in der Literaturkritik des 16. Jahrhunderts vgl. Lange, 103ff. und Döpp, Claudian und lateinische Epik, 39. 97 Vgl. dazu Lange, 84ff. (Ovid), 93ff. (Lucan) und 100ff. (Statius). Zu Melanchthons Urteil über Ovid vgl. zudem Berwald (s.o.), 64f. 98 Vgl. hierzu auch zusammenfassend Barner, 62f., 70. 99 Nicodemus Frischlin nennt im Titel seiner gesammelten Werke ausdrücklich als Ziel, Dichter wie Vergil, Ovid, Valerius Flaccus sowie Statius, Claudian und Lucan zu imitieren: Operum Poeticorum Nicodemi Frischlini, Balingensis, Com. Pal. Caes. Poet. Laur. Doct. Orat. et Philosophi clarissimi. Pars Epica: Continens sedecim Heroicorum carminum libros, partim ad imitationem Virgilii, Ovidii, Valerii Flacci, partim Statii, Claudiani, Lucani et similium scriptos; qui nunc demum [...] eduntur opera et studio M. Georgii Pfluegeri, Ulmani, Straßburg 1598. 100 Als letzter von den genannten Autoren drang Claudian am Ende des 12. Jahrhunderts in den Schulkanon ein. Zur Entwicklung des Kanons im Mittelalter vgl. Glauche, 125 (zu Claudian); dens., Schullektüre, in: LexMA 7 (1995), 1589-1591; Schindel, 430-452. 101 Vgl. Paulsen, 359; Mertz, 298. 102 Vgl. Koldewey, Bd. 1, 66f., 82, 90f., 103, 146. 103 Vgl. Koldewey, Bd. 1, 112. 104 Vgl. Koldewey, Bd. 1, 110. Zu Sabinus als Schulautor vgl. auch Mertz, 300.

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Ähnlich beliebt wie Hessus’ Psalmenparaphrasen (1537) wurden am Ende des 16. Jahrhunderts die 1566 zum ersten Mal gedruckten Psalmenübertragungen des schottischen Dichters George Buchanan: Für den Unterricht schreibt sie beispielsweise die Stargardener Schulordnung aus dem Jahre 1600 vor.105 Während den Schulordnungen ein noch recht zurückhaltendes Urteil über Buchanan, Sabinus und Lotichius Secundus zu entnehmen ist, finden die Dichter bereits bei ihren Zeitgenossen höchste Anerkennung: Julius Caesar Scaliger geht zwar in seiner Poetik auf keinen der drei Dichter ein,106 er lobt jedoch Buchanan als Dichter in seinen Poemata.107 Sein Sohn Joseph Justus Scaliger teilt ihm wenige Jahrzehnte später den ersten Rang unter den neulateinischen Dichtern zu: Buchananus unus est in tota Europa omnes post se relinquens in latina poesi.108 Georg Fabricius schätzt Buchanan (und M. Antonius Flaminius) besonders für die christliche Dichtung und grenzt diese deutlich von heidnischer ab.109 Ebenso wie George Buchanan ernten auch Sabinus und Lotichius Lob von ihren Zeitgenossen: Joachim Camerarius rühmt im Jahre 1561, zu einem Zeitpunkt also, zu dem Sabinus und Lotichius bereits tot waren, Georg Sabinus für seine anmutige, kluge und gebildete Dichtung;110 für den besten Dichter hält Camerarius allerdings Petrus Lotichius Secundus: optimus nostri saeculi et Poeta et vir Petrus Lotichius.111 Camerarius ist sich sicher, dass Sabinus (ebenso wie Eobanus Hessus), wenn er noch lebte, seinen Freund Lotichius wegen seiner Imitationskunst als besseren anerkennen würde.112

————— 105 Vgl. Hahn, 90. 106 Vgl. hierzu Ludwig, Scaligers Kanon, 240 zu den nicht aufgenommenen Dichtern Buchanan und Lotichius. 107 Vgl. dazu Ludwig, Scaligers Kanon, 240. 108 Vgl. dazu Ludwig, Scaligers Kanon, 240, der auf Bernays, J.: Joseph Justus Scaliger, Berlin 1855 (Nachdruck Osnabrück 1965), 109f. verweist. 109 Poematum Sacrorum Libri XXV, Basel 1567, Widmungsbrief an Augustus, Landgraf von Thüringen, 5: Traducuntur M. Antonius Flaminius, et Georgius Buchananus, politissimis ingeniis viri praediti, quod Ecclesiae Christi canere, quam delubris Minervae aut Apollinis maluerunt: sed illorum gloria aeterna apud Deum futura est, et immortalis: horum et fama et vita interibit. 110 Widmungsbrief von Camerarius an Erasmus Neusteter (mit dem Beinamen Sturmer) 1561, in: Petrus Lotichius Secundus, Opera omnia, 1603, A5r: Huius aetati et famae supparem nuper amisimus clarissimum virum Georgium Sabinum, cuius et facilem et prudentem et politam Musam Italia quoque est admirata. 111 A2v. Wichtige weitere Urteile über Lotichius, welche sich mit Camerarius’ Lob decken, sind zusammengestellt und ausgewertet von W. Ludwig, Petrus Lotichius Secundus, 207ff. 112 A5r: Sed et Eobanus et Sabinus si viverent, cum omnia in Lotichii scriptis magnopere probarent, tum elegantia et suavitate atque exprimendi vetustatis similitudinem contentione se ab hoc alicubi superari non negarent. Zu dieser Stelle vgl. Ludwig, Petrus Lotichius Secundus, 208f.; siehe auch dens.: Opuscula aliquot elegantissima des Joachim Camerarius und die Tradition des Arat, in: Ders., Miscella Neolatina, Bd. 1, 508-540, hier 508f.

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4.6.3.2 Imitationstechnik Wie die oben gegebene Zusammenstellung verdeutlicht hat, finden sich in Bergius’ Panegyricum Carmen eine Vielzahl von Imitationen der in seiner Zeit in Literaturkritik und Schule angesehensten antiken und neulateinischen Dichter. Die in den (antiken wie zeitgenössischen) Poetiken empfohlene Nachahmung dieser Vorbilder verlangt nun vom Schreibenden, das übernommene Material neu zu gestalten und es für den Kontext des eigenen Gedichts entsprechend umzuformen. Daher sind wörtliche Übernahmen in großem Umfang zu vermeiden; anzustreben sind vielmehr Variationen im Dienste der aemulatio.113 Im folgenden Kapitel soll nun untersucht werden, wie Bergius mit seinen Vorlagen umgeht: Dabei sollen ausgewählte Beispiele die verschiedenen Techniken seiner imitatio dokumentieren.114 1. Wörtliche Übernahmen 1.1 Unveränderte Übernahmen ganzer Verse Nicht selten (soweit ich sehe, immerhin zehnmal) verstößt Bergius gegen die bereits in der Antike aufgestellte Regel, einen vollständigen Vers nicht wörtlich aus seinem Vorbild zu übernehmen:115 Dabei lassen sich die Hälfte der wörtlichen Zitate wohl eher auf Nachlässigkeit als auf Kunstwillen zurückführen (vgl. 74 = Stat. Theb. 4, 682; 370 = Stat. Theb. 6, 580; 685 = Sabin. nupt. Sigism. 119; 1021 = Stat. Theb. 12, 64; 1201 = Claud. carm. min. 30, 8). In einigen Fällen scheint es jedoch, dass Bergius sich ganz bewusst über diese Regel hinwegsetzt und absichtlich den Originalvers ohne Änderung zitiert: Da er sicher gehen kann, dass der gebildete Leser seine Imitation als solche erkennt, verleiht er mit Hilfe der Verse bekannter Autoritäten seiner Aussage größeres Gewicht. Dies ist beispielsweise der Fall im Vers 706: Durch das Zitat Lucans (2, 731) bei der Schilderung des Machtverlusts Heinrichs des Löwen zieht Bergius einen indirekten Vergleich zu der Niederlage des Pompeius und steigert durch dieses Exemplum die Bedeutungskraft seiner Aussage.116 Ebenfalls bewusst ist sicherlich ein ganzer Vergilvers übernommen: Dieser in der Aeneis an zentraler Stelle ————— 113 Zu den Prinzipien der imitatio vgl. Jakobi, 2; Russell, 16. 114 Zu Imitationstechniken vgl. zuletzt Arweiler, 221ff. zu Avitus; Jakobi, 202-208 zu Seneca; Keudel, 149-164 zu Claudian; Herzog, 185-211 und Thraede, Epos, 1034-1042 zur christlichen Epik. 115 Vgl. dazu Gellius 1, 21, 7 und Macrob. Sat. 6, 1, 7 mit Waszink, J. H.: Bemerkungen zur Imitatio in der nachaugusteischen römischen Dichtung, in: R. Hanslik / A. Lesky / H. Schwabl (Hgg.), Antidosis. Festschrift für Walther Kraus, Wien 1972, 440-453, hier 440 Anm. 1. 116 Zu Exempelzitaten vgl. unten, 221. Zum Beispiel Heinrichs des Löwen vgl. unten, 278.

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gesetzte Vers (Aen. 12, 437), der das Schutzverhältnis von Aeneas zu seinem Sohn ausdrückt, ist von Bergius in christlichem Sinne verstanden und in Vers 323 auf Gott und Julius übertragen.117 Auf drei weitere, raffiniert gesetzte wörtliche Wiederholungen ganzer Verse werde ich unten noch zu sprechen kommen.118 1.2 Wörtliche Übernahmen ganzer Verse mit geringfügiger Änderung An einigen Stellen übernimmt Bergius vollständige Originalverse antiker und neulateinischer Dichter, ändert diese aber geringfügig, um dem Vorwurf der wörtlichen Übernahme eines ganzen Verses zu entgehen. Diese minimalen Variationen erwirkt er beispielsweise durch Flexionsänderungen wie in den Versen 550 und 846: 550 Temporibus geminis canèret sparsa senectus Verg. Aen. 5, 416 temporibus geminis canebat sparsa senectus 846 Iam tum conspicuus iam tum uenerabilis ibat Claud. Stil. 1, 44 iam tum conspicuus, iam tum venerabilis ibas

Bisweilen tauscht Bergius auch einfach nur ein Wort des übernommenen Verses gegen ein anderes aus. Dieses eingewechselte Wort stammt oft auch aus der Vorlage, und zwar aus dem auf das Zitat folgenden Vers: 960 laetifici plausus, missuśque ad sidera clamor Stat. Theb. 12, 521f. laetifici plausus, missusque ad sidera vulgi / clamor

Besonders gut sichtbar (und bequem für Bergius) wird ein solches Verfahren, wenn er zwei zusammenhängende Verse übernimmt, die durch diese einfache Wortumstellung beide als variiert gelten, ohne dass sich am Inhalt auch nur das geringste ändert: 586 Ipse triumphalem prostrata per agmina uictor / Laetus agit currum, spolijśque exultat opimis Sabin. nupt. Sigism. 334f. Ipse triumphalem prostrata per agmina currum / Laetus agit victor: spolijsque exultat opimis

————— 117 Zu diesem Vers vgl. unten, 236f. 118 Vgl. unten, 225f. zu den Versen 524 und 1095, 1097 mit Analogbildung in 356, 374.

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1.3 Mehrfachverwendung einer Vorlage119 1.3.1 innerhalb des Panegyricum Carmen Bergius verwendet relativ selten einen imitierten Vers ein zweites Mal120. In den wenigen Fällen, wo er eine Vorlage zweifach auswertet, ist Folgendes zu beobachten: Bergius bemüht sich, nicht zweimal in der gleichen Form zu imitieren. So ändert er in Vers 257 Vergils Phrase placida populos in pace regebat (Aen. 8, 325) durch Synonymbildung121 zu populi tranquilla in pace regantur ab. Bei der zweiten Verwendung in 1068 lehnt er sich durch Wortumstellung noch enger an sein Vorbild an: tranquilla populos in pace regentem. An anderer Stelle wiederholt Bergius sich jedoch wörtlich: die Beschreibung Münsingers in 242f. cui plurima rerum / Verboruḿque fides wird als Charakterisierung eines Bürgers in 1039f. erneut gebraucht. Die Phrase ist jedoch nicht einer Vorlage entlehnt, sondern durch Kontamination mehrerer Vorbilder entstanden.122 Wenn Bergius eine Phrase wörtlich aus seiner Vorlage übernimmt, variiert er sie in der Regel bei der Wiederholung: Die bei Claudian von Stilicho gesagten Worte sideris instar / emicuit (6. cons. Hon. 458f.) werden in den Versen 38f. von Bergius wörtlich übernommen; das tertium comparationis ist hier die virtus des Julius. An späterer Stelle (1262f.) ändert Bergius zumindest das Tempus, um Julius’ bzw. Davids Glanz und Macht zu beschreiben: sideris instar / Emicet. In anderer Reihenfolge verfährt Bergius in den Versen 940 und 1201: Hatte er zunächst den Claudianvers carm. min. 30, 8 fons Aganippaea Permessius educat unda im Gespräch mit Apoll in Educet, aeternuḿque fluant Aganippides undae (940) abgewandelt, übernimmt er ihn beim späteren Musenanruf (1201) wörtlich.123 Eine Ausnahme von dieser Regel ist die Übernahme der Vergilischen Phrase silvestribus horrida dumis (Aen. 8, 348), die beide Male (748 und 1229) wörtlich zitiert wird. Hier ist jedoch mit einer imitatio imitationis zu rechnen: Bergius übernimmt die Phrase wahrscheinlich aus Buchanan, erkennt aber dessen antikes Vorbild und ————— 119 Vgl. dazu Jakobi, 205. 120 Von wiederkehrenden abgegriffenen Versschlüssen wie exordia rerum (Lucr. 2, 333 u.ö. zu 32, 79), Phrasen wie Quid memorem (Verg. Aen. 8, 483 u.ö. zu 352, 836) sowie der als Refrainvers bewussten Wiederholung der Vorlage (vgl. 356 ~ 374, 375f. = 384f., 1095 = 1097) ist hier abzusehen. 121 Zur Variation durch Synonyme vgl. unten, 218ff. 122 Zu Kontamination vgl. unten, 222f. 123 Zu den wörtlichen Übernahmen ganzer Verse vgl. oben, 215f.

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offenbart dies, indem er Buchanans silvestribus obsita dumis (psalm. 132, 10) zurück in das Vergilische Original verwandelt.124 1.3.2 in verschiedenen Werken Was die Übernahme von bereits in einem Werk bearbeiteten Vorbildstellen in andere Werke betrifft, so hält Bergius es nicht für notwendig, diese Stellen ein zweites Mal zu variieren. Insbesondere gilt dies für die längeren Eigenimitationen, die vornehmlich aus seiner 1564 verfassten Legende über den Heiligen Georg stammen. Diese Beobachtung ist damit zu erklären, dass das Gedicht ebenfalls panegyrisch ausgerichtet ist und mit Johann Albrecht, dem Herzog von Mecklenburg, einen ähnlich bedeutenden Adressaten besaß. Bergius hat sich also für dieses Gedicht besondere Mühe gegeben und hält Passagen aus diesem Gedicht für würdig, in sein Panegyricum Carmen für Julius aufgenommen zu werden. Änderungen betreffen daher lediglich einzelne Worte oder die Verszusammenstellung.125 2. Synonymvariation Ein von Bergius gern verwendetes Mittel, um seiner Vorlage auch dann nicht sklavisch zu folgen, wenn Sinn und Inhalt beibehalten bleiben, ist der Austausch einzelner Begriffe durch Synonyme oder bedeutungsähnliche Begriffe. Die folgende auf wenige Beispiele beschränkte Zusammenstellung dokumentiert die Breite, in der Bergius von dieser Form der Variation Gebrauch macht.126 Die Grundtendenz von Bergius’ Synonymvariation ist die, dass er das Entlegenere durch das Geläufigere und das Spezifischere durch das Allgemeinere ersetzt. 2.1 Substantive 717 saltuśque [...] reposcens für Stat. Theb. 2, 328 pastusque [...] reposcit 394 fluuium [...] fundit für Verg. Aen. 7, 792 amnem fundens 267 nominibus generosus auitis für Stat. silv. 5, 2, 22 titulis generosus avitis

————— 124 Zu dieser Technik vgl. unten, 225. 125 Vgl. den Similienapparat zu 52-62, 248-252 und 272-281. 126 Die Darstellung orientiert sich an der Zusammenstellung Jakobis, 202f. für Senecas ›Synonymvariation‹.

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2.2 Verben 409 Talia dum secum putat anxius für Claud. 6. cons. Hon. 152 talia dum secum movet anxius 244 innatum generoso pectori honestum für Pers. 2, 74 incoctum generoso pectus honesto 110 Effundo lacrymas für Claud. Eutrop. 2, 592 protendo lacrimas

2.3 Adjektive 375 (=384) melioŕque refloreat aetas für Claud. Mall. Theod. 261 fecundaque floreat aetas 798 inimicáque tela cruentat für Aen. 10, 731 infractaque tela cruentat 390 medio [...] antro für Claud. 6. cons. Hon. 146 vitreis [...] antris bzw. Sabin. nupt. Sigism. 11 muscoso [...] antro

Die drei bislang behandelten variierten Wortarten begegnen bisweilen auch gehäuft in einem Vers: 1198 Fidáque promeritae custodia tradita laudis für Lotich. nupt. Guil. 3 Fidaque perpetuae custodia credita famae 8 Fusca serenanti concedant nubila uento für Ov. met. 5, 286 fusca repurgato fugiebant nubila caelo 378 assequitur meritos industria fructus für Claud. Mall. Theod. 263 ornatur propriis industria donis

2.4 Pronomen 855 Tercentum genitor, tercentum in praelia nati für Stat. Theb. 7, 305 Tercentum genitor totidemque in proelia natus 515 Multáque [...] praelia für Sabin. nupt. Sigism. 83 Binaque [...] praelia 592 nulli ueterum uirtute secundus für Verg. Aen. 11, 441 haud ulli veterum virtute secundus

2.5 Wortartwechsel 549f. improba [...] senectus für Verg. Aen. 5, 415f. aemula [...] senectus

2.6 Präfixaustausch bei Composita 33f. iniquis [...] spacijs inclusa für Verg. georg. 4, 147 spatiis exclusus iniquis 382f. sensuśque [...] / Obtegere für Claud. Rufin. 1, 98f. sensusque [...] / protegere 927f. nitor [...] / ambibat für Claud. 4. cons. Hon. 182f. obibat / [...] nitor

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

2.7 Verbänderung bei Präfixbeibehaltung 499 hinnitu dißipat auras für Lotich. nupt. Guil. 88 hinnitu disijcit auras 715 exercens cornua truncis für Lucan. 2, 603 explorat cornua truncis

2.8 Compositum statt Simplex 375 (=384) refloreat aetas für Claud. Mall. Theod. 261 floreat aetas 947 arridetque nouo natura sereno für Claud. 4. cons. Hon. 184 risitque tuo natura sereno 713f. taurus [...] / Expulsus für Stat. Theb. 2, 323f. taurus [...] / [...] pulsum [...] quem bzw. Lucan. 2, 601 pulsus [...] taurus

2.9 Zufügung von Präpositionen 44 medio [...] ex Helicone petita für Stat. silv. 4, 6, 12 medioque Helicone petitus 689 Et penitus toto diuisus ab orbe Britannus für Verg. ecl. 1, 66 et penitus toto divisos orbe Britannos 394 fluuium [...] fundit ab urna für Verg. Aen. 7, 792 amnem fundens [...] urna 435 uicina in sede tueri für Stat. silv. 1, 1, 77 vicina sede tueri

2.10 Änderung der Wortstellung127 253 Obscurum est nulli, nec nostrae ea uocis eget res für Verg. Aen. 11, 343 Rem nulli obscuram nostrae nec vocis egentem 207 mulcebat moerentia pectora dictis für Verg. Aen. 1, 197 dictis maerentia pectora mulcet 516 exutos castris armiśque für Lotich. nupt. Guil. 91 castris [...] exutus et armis 659 auro gemmiśque uolumen für Lotich. nupt. Guil. 52 gemmis, auroque volumen

2.11 Analoge Tautologie Eine bemerkenswerte Form der Variation findet sich in den Versen 695f.: Eheu caeca hominis mens est, sortiśque futurae / Nescia. Der Vers variiert den Vergilvers Aen. 10, 501: nescia mens hominum fati sortisque futurae. Die Vergilische Doppelung fati sortisque ist von Bergius aufgegeben; er ersetzt sie durch seine eigene Tautologie caeca [...] / Nescia. Die Neuerung verdankt er vergleichbaren Versen bei Lucan. 2, 14f. und Stat. Theb. 5, 718f., wo caeca für das Vergilische nescia steht.

————— 127 Vgl. dazu Keudel, 157.

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2.12 Reimvariation Bisweilen lässt sich Bergius beim Austausch einzelner Begriffe vom Klang leiten und bildet Reimvariationen. Diese haben zwar oftmals eine andere Bedeutung, beeinflussen aber nicht den Sinnzusammenhang des gesamten Satzes, da sie oft nur die Handlung ausschmücken: 396 Agmina [...] uario famulantia cultu für Sannaz. part. virg. 3, 284f. hilari famulantia vultu [...] / agmina 419 Vos ô celebrate frequentes für Verg. Aen. 1, 735 vos o [...] celebrate faventes 503f. gentem [...] / [...] ueteres [...] ritus de more sequentem für Verg. Aen. 7, 203f. gentem [...] / [...] veterisque dei se more tenentem 712 adempta reposcens für Stat. Theb. 2, 328 armenta reposcit

3. Exempelzitate128 Über den bloßen Wortlaut des Textes hinaus zitiert Bergius seine epischen Vorbilder häufig mit der Absicht, einen Vergleich zwischen den Personen der Vorlage und denen in seinem Panegyricum Carmen zu evozieren. Die Person der Vorlage dient dabei als positives oder negatives Exemplum und bekräftigt dementsprechend das Lob oder den Tadel der Aussage im Gedicht. Bergius zieht durch diesen indirekten, nicht ausgesprochenen Vergleich mythische, christliche oder historische Exempla heran: Mit seinem Vers 207 dictis maerentia pectora mulcet zitiert Bergius Verg. Aen. 1, 197: Bei Bergius ist das Subjekt dieses Verses Julius, der die Patria beruhigt; bei Vergil ist es Aeneas, der seine Gefährten beruhigt. So wird Julius an dieser Stelle indirekt mit Aeneas gleichgesetzt. In ähnlicher Weise wird unter anderem in Vers 960 und 1020f. für Julius durch die Zitate von Stat. Theb. 12, 521f. und 12, 163f. das Exempel des Theseus aufgerufen. Als christliche Exempla für Julius begegnen David und Christus;129 als historisches Exemplum z.B. Stilicho.130 Umgekehrt dient Claudians Rufin (Rufin. 1, 98f.) als negatives Exemplum für die impietas der Katholiken in Vers 382f.

————— 128 Zum Begriff des Exempelzitats und seiner Anwendung bei Claudian vgl. Keudel, 151-157. 129 Christus (Bergius 1106f., vgl. dazu die Parallele 226 – Vulg. psalm. iuxta LXX 23, 7 (= 23, 9); Verg. Aen. 4, 10; Buchan. psalm. 24, 21-23); David (Bergius 1218ff. – Vulg. psalm. iuxta LXX 131). 130 Bergius 38f. – Claud. Get. 458f.

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4. Umformung der Vorlage für den eigenen Kontext Oft verändert Bergius lediglich ein Wort der übernommenen Phrase, um sie auf diese Weise seinem eigenen Textzusammenhang anzupassen: 515 Multáque magnanimo cum Saxone praelia fecit – Sabin. nupt. Sigism. 83 Binaque magnanimo cum Teutone praelia fecit 344 Gaudent Saxoniae sublimibus oppida muris – Claud. 3. cons. Hon. 121 gaudent Italiae sublimibus oppida muris 382f. Edidicit simulare fidem, sensuśque profanos / Obtegere, et uario fraudem praetexere cultu (vom Katholizismus) – Claud. Rufin. 1, 98f. edidicit simulare fidem sensusque minaces / protegere et blando fraudem praetexere risu (von Rufin) 609 acuunt latratibus iras (von Hunden) – Verg. Aen. 9, 464 acuunt rumoribus iras (vom Gefolge des Turnus)

5. Kontrastimitation Unter Kontrastimitationen sind solche Übernahmen zu fassen, die sich sprachlich eng an das Vorbild anlehnen, dabei jedoch die Aussage oder den Sinn der Vorlage in ihr Gegenteil verkehren:131 781 Praeteritíque parum memor, et secura futuri – Lucan. 2, 233 praeteritique memor flebat metuensque futuri 208 mala tanta leuabat – Coripp. Ioh. praef. 34 gaudia tanta levant

6. Kontamination verschiedener Vorbildstellen Verskontaminationen sind bei Bergius zahlreich anzutreffen:132 Sie können aus mehreren Stellen eines Autors entstehen, wie z.B. aus Statius bei dem folgenden Vergleich: 320f. Tale odium spiret, raptis quale effera natis / Praedatoris equi relegens uestigia Tygris aus Stat. Theb. 4, 609 inmortale odium spirans und Stat. Theb. 4, 315f. raptis velut aspera natis / praedatoris equi sequitur vestigia tigris

Einen speziellen Fall bildet an dieser Stelle die Kontamination in den Versen 1019ff. von zwei Stellen aus Statius, von denen die eine (Stat. silv. 1, 2,

————— 131 Zu dieser Imitationstechnik vgl. Jakobi, 205f.; Zwierlein, 608f.; Herzog, 195; Thraede, Epos, 1039ff. Zu einem ausführlich erläuterten Beispiel dieser Technik vgl. unten, 235f. 132 Zu Kontaminationen vgl. Jakobi, 204; Keudel, 158: Kontaminationen von Versen, poetischen Motiven, Szenen, Katalogen; Kroll, 174; Thraede, Epos, 1012f.

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213-217) die Struktur für den Vergleich liefert, die andere (Stat. Theb. 12, 163-165) die sprachliche Ausführung.133 Ebenso können Stellen aus verschiedenen Autoren kombiniert werden: Im folgenden Beispiel sind Stellen aus Claudian und Vergil zusammengefügt. Angeregt ist diese Kontamination durch den neulateinischen Dichter Lotichius: 242f. cui plurima rerum / Verboruḿque fides aus Claud. Get. 485f. cui plurima [...] / consiliisque fides und Verg. Aen. 9, 279f. rerum / verborumque fides (angeregt durch Lotich. nupt. Guil. 394f. cui maxima rerum / Verborumque fides)

Lucan und Vergil sind verschmolzen in: 548-550 Non ille iuuentae / Tempore dum uires aetas daret, improba nec dum / Temporibus geminis canèret sparsa senectus aus Lucan. 3, 727f. non ille iuventae / tempore und Verg. Aen. 5, 415f. dum melior viris sanguis dabat, aemula necdum / temporibus geminis canebat sparsa senectus

Kontaminationen beschränken sich in Bergius’ Panegyricum Carmen nicht auf solche von zwei oder mehr Versen bzw. Versteilen; in gleicher Weise werden beispielsweise Vergleiche (z.B. der Stiervergleich in den Versen 713-718 aus den Stiervergleichen Verg. georg. 3, 229-236, Lucan. 2, 601609 und Stat. Theb. 2, 323-332),134 Motive (z.B. Fama in 417f. aus den Famadarstellungen Verg. Aen. 3, 121. 4, 173ff. u. a., Ov. met. 8, 267 und Sabin. nupt. Sigism. 20f.; das Pferd des Julius in 997ff. aus den Pferdebeschreibungen Stat. silv. 1, 1, 46ff. und Verg. georg. 3, 79ff.)135 oder auch Szenen (z.B. die Flussszene in 390ff. aus Claud. 6. cons. Hon. 146ff., Sabin. nupt. Sigism. 11ff. und Sannaz. part. virg. 3, 281ff.)136 kontaminiert. 7. Aufspaltung der Vorbildstelle An einigen Stellen verfährt Bergius mit seiner Vorlage sehr ökonomisch, indem er sie zerteilt und die beiden Hälften in zwei unterschiedliche, inhaltlich verwandte Kontexte seines Gedichts einsetzt.137 Der thematische Zusammenhang ist dabei stets sehr ähnlich: Bei den Vorbildstellen handelt es sich um längere Zeitperiphrasen oder Wetterbeschreibungen; Bergius nutzt diese Vorlagen in seinem Prooemium für den Vergleich des Herrschers mit der Sonne, bei der Datierung der Beerdigung von Julius’ Vater am 12. Juli ————— 133 Zu dieser Stelle vgl. unten, 233f. 134 Vgl. unten, 275ff. 135 Vgl. unten, 258f. und 234ff. 136 Vgl. unten, 247ff. 137 Vgl. zu dieser Technik Keudel, 158.

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sowie bei der Beschreibung des Tags von Julius’ Einzug in Braunschweig: Die Zeitperiphrase bei Statius Stat. Theb. 4, 680ff. tempus erat medii cum solem in culmina mundi / tollit anhela dies dum maior hiantibus arvis / stat vapor atque omnes admittunt aethera luci

ist bei Bergius verteilt auf 73f. Composuit tumulo, dum maior hiantibus aruis / Stat uapor, at́que omnes admittunt aethera luci 925f. Quale iubar medio cum solem in culmine mundi / Lassat longa dies uix spargitur […].

In gleicher Weise verfährt Bergius mit Claudians Wetterbeschreibung (4. cons. Hon. 175-183), deren Elemente auf die Verse 35-38 und 926-947 verteilt sind.138 Vergleichbar ist auch Bergius’ Umgang mit einem Abschnitt aus Ovids Phaethonszene: Die dortige Beschreibung des Morgens (met. 2, 112f.: nitido patefecit ab ortu / purpureas Aurora fores) begegnet bei Bergius in 920f.: Matutina quies, nitido dum pandit ab ortu / Purpureas aurora fores, dum sydera maior; aus Ovids unmittelbar vorangehender Beschreibung des Sonnenwagens isoliert Bergius den Ausdruck radiorum argenteus ordo (met. 2, 108), der sich bei Ovid auf das Rad des Wagens bezieht, und versetzt ihn seinerseits in eine Wetterbeschreibung: Mox capite auratus radiorum promitur ordo (12). 8. Erweiterung eines Vergleichs der Vorlage durch analoge Glieder Mit einer besonderen Vorliebe übernimmt Bergius Vergleiche und Gleichnisse seiner dichterischen Vorbilder; dabei erweitert er diese gerne um zusätzliche analoge Glieder,139 die einer anderen Vorlage entlehnt sein können. Die Ausdehnung führt oft zu sprachlichen Wiederholungen: Besonders deutlich wird dieses Verfahren aus Bergius’ Erweiterung von Claud. Stil. 3, 56-58 56 non sic virginibus flores, non frugibus imbres, 57 prospera non fessis optantur flamina nautis 58 ut tuus aspectus populo

in den Versen 1149-1152 des Panegyricum Carmen: 1149 Non sic uirginibus flores, non floribus aurae 1150 Mulcentes Zephyri, ueris non hora colono, 1151 Flamina non miseris optantur mitia nautis:

————— 138 Vgl. unten, 229. 139 Vgl. dazu Keudel, 157.

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1152 Vt tuus aspectus populo exoptatur et urbi.

Bergius’ Verse 1150f. stammen aus Ovid met. 1,107f.; dadurch sorgt optantur (1151) für eine Wiederholung nach exoptatur (1152).140 Weitere Beispiele für diese Technik finden sich in den Versen 57-62, in denen die Vorlage Stat. silv. 1, 4, 36f. komplementär erweitert wird, sowie in 1019ff., wo Bergius den Jubel des Volkes für Julius mit mehreren mythologischen und biblischen Jubelszenen vergleicht.141 9. Offenbarung des Vorbildes Wie bereits die antiken Dichter gibt auch Bergius bisweilen seinem gebildeten Leser einen versteckten Hinweis auf die von ihm imitierte Vorlage.142 Besonders einfach macht er es ihm im Zusammenhang der Verse 851-863, in denen er die Vorbereitung einer Schlacht unter mehrfachem Rückgriff auf das siebte Buch von Statius’ Thebais gestaltet.143 In direktem Anschluss daran, nämlich in den Versen 864-867, vergleicht Bergius seine Protagonisten, Heinrich und Wilhelm, mit den argivischen Helden Polyneikes und Tydeus, wie sie gegen die Stadt Theben stürmen. Raffiniertere Formen, auf die Vorlage hinzuweisen, finden sich an drei weiteren Stellen, und zwar in den Versen 450 (Hinweis auf Claudians Panegyricus auf das sechste Konsulat des Honorius), 413f. (Hinweis auf Sabinus’ Hochzeitsgedicht für Sigismund), 995f. (Hinweis auf Statius’ Silve 1, 1).144 10.Sichtbarmachen der Vorlage des imitierten Dichters Bergius ist sich sehr wohl bewusst, dass diejenigen Dichter, die er imitiert, auch ihrerseits von älteren Vorlagen abhängig sind,145 und es ist ihm eine Freude, dieses Wissen seinem Leser vor Augen zu führen. So ist in den Versen 524f.: Immemor annorum, seniuḿque oblitus, in arma / Dum ruit

————— 140 Zur ausführlichen Interpretation dieses Vergleichs vgl. unten, 230f. 141 Zu diesem Jubelvergleich siehe unten, 232ff. 142 Beispiele aus der antiken Dichtung für diesen Hinweis auf die Vorlage, der oft durch Vergleiche gegeben wird, finden sich bei Kroll, 150 und Jakobi, 204f. 143 Die einzelnen Stellen sind unten, 271 aufgeführt. 144 Diese Stellen sind unten besprochen. 145 Zum Problem, die Vorbilder eines neulateinischen Autors aufzudecken, vgl. Ludwig, Vom Jordan zur Donau, 92.

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Bergius’ unmittelbares Vorbild Lotich. nupt. Guil. 106f.: Immemor annorum senjique oblitus, in hostem / Dum ruit.

Bergius weiß, dass die Verse des Lotichius von Silius 5, 568 angeregt sind: immemor annorum seniumque oblitus in arma.

Sein Wissen macht er dadurch kenntlich, dass er in seiner Imitation des Lotichius zu dem Originalwortlaut von dessen Vorbild Silius zurückkehrt. Hierfür nimmt er in Kauf, dass sein Vers 524 wortwörtlich mit dem des Silius übereinstimmt.146 Noch raffinierter entlarvt er das Vorbild seiner eigentlichen Vorlage in den Versen 1094-1097, mit denen die Patria die Parzen anruft: 1094 1095 1096 1097

Hoc ô hoc pergite ritu Concordes stabili fatorum numine Parcae. Pergite conuersis noua ducere saecula fusis Concordes stabili fatorum numine Parcae.

Bergius lehnt sich hier eng an Verg. ecl. 4, 46f. an: 46 »Talia saecla« suis dixerunt »currite« fusis 47 concordes stabili fatorum numine Parcae.

Er weiß dabei, dass Vergil seinerseits Catulls Parzenlied in carmen 64 zitiert, welches den mehrfach wiederholten Refrainvers currite ducentes subtegmina, currite, fusi (327 u.ö.) aufweist. Diesem Catullschen Refrainvers entspricht bei Bergius die Verswiederholung von 1095 in 1097.147

————— 146 Zur grundsätzlichen Meidung unveränderter Übernahmen ganzer Verse vgl. oben, 215. 147 Ähnliche Verswiederholungen auf engem Raum hat Bergius auch in 356 und 374 sowie 375f. und 384f.: Auch an diesen Stellen handelt es sich jeweils um Aufforderungen im Imperativ Plural, einmal an die Musen, das andere Mal an die virtutes.

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4.6.3.3 Nutzung der Vorlagen Im vorangegangenen Kapitel wurden systematisch die Techniken vorgestellt, mit denen Bergius in seinem Gedicht die Vorlagen umgestaltet. Im Folgenden soll nun untersucht werden, zu welchem Zweck Bergius seine literarischen Vorbilder nutzt. Drei Hauptabsichten werden deutlich: Bergius greift auf seine Vorlagen zurück, um seine Verse metrisch zu füllen. Des Weiteren nutzt er die aus der antiken literarischen Tradition übernommenen Elemente und Motive, um eine panegyrische Aussage zu machen; dabei überbietet Bergius auch seine Vorlage durch Kontrastimitation oder Übersteigerung, um Herzog Julius noch überlegener als die antiken Helden seiner Vorlage erscheinen zu lassen.148 Schließlich gelingt es Bergius mit Hilfe seiner Vorlagen, christliche Inhalte zu vermitteln. 4.6.3.3.1 Metrische Versatzstücke und Formelhaftes Es fällt zunächst auf, dass sich zahlreiche Imitationen am Versanfang und -ende befinden. Bei vielen dieser Stellen besteht kein inhaltlicher Zusammenhang zur Vorlage, so dass solche (bewussten oder unbewussten) Übernahmen im Wesentlichen als metrische Versatzstücke dienen.149 Da Bergius, wie bei der Untersuchung seiner Verstechnik gezeigt wurde, 150 seinen Vers durch das Nebeneinander möglichst vieler Zäsuren stark strukturiert, übernimmt er am Versanfang mit Vorliebe Versatzstücke, die in einer Zäsurstelle enden; so enden z.B. in Vers 461 Feruet opus (Verg. georg. 4, 169 u.ö.) und 603 suasit amor (Ov. met. 8, 90) in der Trithemimeres, nocte dieque patet in 98 (Ov. met. 12, 46; Claud. Eutrop. 1, 363) und captivosque trahens in Vers 757 (Coripp. Ioh. 1, 31) in der Penthemimeres. Für die erste Vershälfte bis zur Penthemimeres eignen sich auch Übernahmen der zweiten Hälfte eines Pentameters; von dieser Möglichkeit macht Bergius in Vers 745 fortis ad arma tamen (Ov. fast. 2, 688) Gebrauch. Ebenso wie am Versanfang finden sich auch am Versende Übernahmen aus antiken Dichtern, welche Bergius’ Versstrukturierung unterstützen: Nach der Hephthemimeres beenden den Vers Phrasen wie in 664 genitore creatus (Ov. met. 5, 145 u.ö.), in 354 affata sorores (Ov. met. 5, 255) oder nec iam amplius irae in 222 (Stat. Theb. 2, 679151). Bisweilen ————— 148 Diese Technik, die Vorlage zu überbieten, findet sich auch in den Dichtungen Claudians, vgl. dazu Schindler, Per Carmina laudes, 169f. 149 Zur Übernahme aus metrischen Gründen (am Versanfang und -ende) vgl. Pigman, 200; vgl. auch Lühken, 39f. und 190f. (»Metrische Reminiszenzen«). 150 Vgl. oben, 192ff. 151 nec iam amplius an dieser Versposition findet sich in Verg. Aen. 3, 193. 3, 260. 5, 8. 11, 807; Lucan. 3, 257; Stat. Theb. 6, 452; Sil. 6, 270; Proba cento 535; Claud. Rufin. 2, 124.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

verwendet Bergius sein Versatzstück auch mehrfach: Zweimal hat er am Versende exordia rerum (32 und 79; die Klausel ist bei Lucrez ganz geläufig: 2, 333 u ö.) sowie fundamina ponit (81 und 177 aus Ov. met. 15, 433). Als Versklauseln finden sich für das Stück hinter der Bukolischen Dihärese z. B. in Vers 1171 arduus aether (Verg. georg. 1, 349 u.ö.), in 261 turba senatus (Ov. Pont. 4, 9, 17) oder in 386 plectra moventur (Ov. epist. 3, 113).152 Auf formelhafte Wendungen greift Bergius besonders in Einleitung und Abschluss von Reden zurück, z. B. in 177 Finis erat (dictis) (Ov. met. 4, 389 u.ö.) und im darauffolgenden Vers 178 atque ita fatur (Verg. Aen. 5, 382 u.ö.) sowie in Vers 107 sic orsa loqui (Verg. Aen. 6, 125) und 108 passaéque ad sydera palmae (Verg. Aen. 1, 93 u.ö.153). Des Weiteren werden Zeitbeschreibungen stets formelhaft begonnen: vgl. 222 Tempus erit cum (Tib. 1, 4, 79 u.ö.), 466 tempore quo (Lucr. 2, 164 u.ö.), 915 Tempus erat quo (Verg. Aen. 2, 268 u.ö.) und 1020/1023 quo tempore (Catull. 35, 13 u.ö.). 4.6.3.3.2 Die Gestaltung eines gattungstypischen Motivs: Der Adventus Im Gattungskapitel wurde bereits nachgewiesen, dass Bergius’ Panegyricum Carmen als ein panegyrisches Epos zu fassen ist, welches einen Adventus, nämlich den Einzug des Herzogs Julius, zum Anlass hat. Im Folgenden soll anhand des besonders ergiebigen Adventus-Motivs exemplarisch gezeigt werden, wie Bergius seine Vorlagen nutzt, um sein eigenes Gedicht mit gattungstypischen Elementen und Motiven auszustatten.154 Bei der Gestaltung von Julius’ Adventus in Braunschweig anlässlich seines Regierungsantritts konnte Bergius auf die literarische panegyrische Tradition zurückgreifen. Wie oben gezeigt wurde, ließen sich insbesondere zu Claudians Gedichten ähnliche strukturelle Merkmale und Gattungselemente feststellen.155 So wundert es nicht, dass sich Bergius auch sprachlich an den panegyrischen Adventusschilderungen Claudians orientiert hat.156 ————— 152 Vgl. dazu Kroll, 152f. Versklauseln sind zusammengestellt bei Mastandrea, P.: De fine versus. Repertorio di clausole ricorrenti nella poesia dattilica Latina dalle origini a Sidonio Apollinare, Hildesheim 1993. 153 Bergius weicht hier von der üblichen Phrase tollere/tendere ad sidera palmas ab, die seit Vergil (Aen. 1, 93) ganz überwiegend im Epos belegt ist. 154 Zur Nutzung der Vorlagen bei der Gestaltung typisch epischer Elemente, wie z.B. von Gleichnissen und Vergleichen, vgl. z.B. 274ff. und 230f. Zur Gestaltung eines panegyrischen Motivs, des Beginns einer aurea aetas unter dem neuen Herrscher, vgl. oben, 173ff., wo Bergius’ literarische Hauptvorlagen für dieses Motiv kurz besprochen wurden. 155 Vgl. 137 Anm. 2 und 154ff. 156 Zu Claudians Adventusschilderungen vgl. oben, 149 Anm. 29. Zur strukturellen und sprachlichen Imitation Claudians vgl. auch unten, 251ff.

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Des Weiteren schöpft Bergius aus Statius, dessen panegyrische Silve 1, 1 ihm eine Vorlage für das Verhalten von Ross und Reiter beim Einzug gibt und aus dessen Thebais er die mythologischen Vergleiche zum Jubel der den Herrscher Julius empfangenden Bevölkerung entnimmt. Als christlichen Heroen feiert Bergius Herzog Julius schließlich durch einen aus der Bibel rezipierten Vergleich mit David, dessen Rückkehr nach dem Sieg gegen Goliath gefeiert wird. Ich stelle die wichtigsten Belege im Folgenden zusammen: In Claudians Panegyricus auf das vierte Konsulat des Honorius ist die Erhebung des Honorius zum Augustus begleitet von strahlend schönem Wetter (Claud. 4. cons. Hon. 175ff.): 175 nubila dissoluit Phoebus pariterque dabantur 176 sceptra tibi mundoque dies: caligine liber 177 Bosporus aduersam patitur Calchedona cerni.

Eben auf diese Stelle bezieht sich Bergius zunächst, als er im Prooemium Julius’ Regierungsantritt am Anfang des Panegyricum Carmen mit dem Hervorkommen der Sonne gleichsetzt: 35 36 37 38

Nunc uero, quando fati rigor iste prioris Praeterijt, uenit́que dies caligine liber,157 Quando tibi ad fasces functo genitore relictos Peruentum est […].

Später setzt er die Imitation dieser Claudian-Passage fort, um das schöne Wetter am Tag des Einzugs des Julius zu schildern (vgl. 926ff.):158 926 omnia coelo 927 Nubila dispulerant uenti: nitor omnibus idem 928 Coelitus ambibat subiectum partibus orbem.

Nubila dispulerant venti in Vers 927 ist inhaltlich und strukturell vergleichbar mit Claud. 4. cons. Hon. 175 nubila dissolvit Phoebus. Deutlichere wörtliche Übereinstimmungen begegnen in den Versen 927f. (s.o.), 932 Forte breui in risus sese natura relaxat und 947 arridetque nouo natura sereno; zu vergleichen sind Claud. 4. cons. Hon. 182f.: 182 praesagus obibat 183 cuncta nitor risitque tuo natura sereno.

Ebenfalls aus Claudian geschöpft ist die von Bergius gebrauchte Formulierung für die Freude des Volkes über Julius’ Regierungsantritt: Gaudent ————— 157 Bergius bezieht freilich, anders als Claudian, caligine liber auf dies. 158 Zu dieser Technik, die Imitationsvorlage auf zwei motivgleiche Stellen aufzuteilen, vgl. oben, 223f.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Saxoniae sublimibus oppida muris (344). Im Panegyricus auf das dritte Konsulat des Honorius wird dieser, als er von Byzanz nach Italien kommt, von der Bevölkerung jubelnd begrüßt: gaudent Italiae sublimibus oppida muris (Claud. 3. cons. Hon. 121). Durch die Vorlage Claudians wird Sachsen mit Italien gleichgesetzt, eine panegyrische Erhöhung, die in der Gleichsetzung der lokalen Gottheit Patria mit der Göttin Roma ihre Entsprechung findet.159 Nach Claudians Panegyricus auf das Konsulat Stilichos gestaltet Bergius schließlich die Schilderung der jubelnden Volksmenge, die ihren neuen Herrscher Julius in der Stadt Braunschweig empfängt, sowie die mit dem Adventus verbundenen Zeremonien. 955 Agmina iam uideo totis concurrere uicis, 956 Plebe latere uias, tectorum culmina matres 957 Foemineuḿque gregem longa cinxisse corona.

In Claudians Panegyricus wird Stilicho vom Dichter aufgefordert, auf das durch seine Verdienste wieder erstarkte Rom und seine glückliche Bevölkerung zu blicken: nonne vides et plebe vias et tecta latere / matribus ? (Stil. 3, 63f.).160 Unmittelbar zuvor wird Stilicho im Gedicht glücklich gepriesen, weil seine Ankunft von der römischen Bevölkerung so sehr wie noch bei keinem anderen ersehnt worden sei (Stil. 3, 56-58):161 56 non sic virginibus flores, non frugibus imbres, 57 prospera non fessis optantur flamina nautis 58 ut tuus aspectus populo […].

Dieser Vergleich ist in Bergius’ Gedicht der Patria in ihrer zweiten Rede in den Mund gelegt (1149-1152), welche die Freude ihrer Bürger über Julius’ Einzug resümiert: 1149 1150 1151 1152

Non sic uirginibus flores, non floribus aurae Mulcentes Zephyri, ueris non hora colono, Flamina non miseris optantur mitia nautis: Vt tuus aspectus populo exoptatur et urbi.

Im zweiten Vergleichselement weicht Bergius von seiner Vorlage ab: Er ersetzt die Pflanzen, die sich nach Regen sehnen, durch Blumen, die vom Wind umspielt werden wollen und fügt noch das Element des auf den Frühling hoffenden Bauern hinzu.162 Die Erweiterung hat ihn vermutlich auch zu ————— 159 Vgl. dazu oben, 161 Anm. 20. 160 Auf den Dächern zuschauende Matronen sind beim Adventus eines Herrschers topisch, vgl. dazu Keudel, 98 sowie 125 zur Stelle. 161 Zu Claudians Vorlagen vgl. Keudel, 124 zur Stelle. 162 Diese Überbietungstechnik der Vorlage durch Zusätze (vgl. oben, 224f.) ist bei Bergius oft zu beobachten, vgl. z.B. unten, 259.

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der unschönen Wiederaufnahme von optantur durch exoptatur bewogen.163 Verständlich wird der Vergleichszusatz, wenn man den Ursprung dieser Idee verfolgt: Bergius imitiert folgende, das Goldene Weltzeitalter beschreibende Ovidverse (met. 1, 107f.):164 107 ver erat aeternum, placidique tepentibus auris 108 mulcebant zephyri natos sine semine flores.

Der Vergleich passt also durch diese Vorlage thematisch gut in die Rede der Patria, die sich sicher ist, dass das durch Orakel angekündigte Goldene Zeitalter unter Julius nun in Erfüllung gegangen ist (vgl. bes. 1102).165 Der Anklang an das Goldene Zeitalter erhöht zudem die Wirkung des Vergleichs: Zum einen wird Julius gepriesen, Goldene Zeiten noch zu überbieten, zum anderen lasten dadurch große Erwartungen auf ihm. Bereits in ihrer ersten Rede hatte die Patria ihre Hoffnung zum Ausdruck gebracht, Julius werde eines Tages triumphierend in Braunschweig einziehen – freilich nicht mit dem Aufwand eines römischen Feldherrn, dafür unter ehrlicher und begeisterter Anteilnahme von Gott und den Menschen: 165 166 167 168

Id faciens, non tu Latia cingêre corona, Nec niueis ibis Capitolia ad alta quadrigis: Sed meritum patrispatriae cognomen habebis, Ante Deum, ante homines pompa meliore triumphans.

Auch hinter dieser Versgruppe steht Claudians Panegyricus auf das Konsulat Stilichos: Bei Claudian ist es der erfolgreiche Feldherr Stilicho, der einen konventionellen Triumphzug ablehnt, dafür aber in den Herzen der Menschen triumphiert (Stil. 3, 26ff.): 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

sed non inmodicus proprii iactator honoris consul, Roma, tuus. non illum praemia tantum quam labor ipse iuuat; strepitus fastidit inanes inque animis hominum pompa meliore triumphat. non alium certe Romanae clarius arces suscepere ducem, nec cum cedente rediret Fabricius Pyrrho nec cum Capitolia curru Pellaeae domitor Paulus conscenderet aulae. nec similis Latias patefecit gloria portas post Numidas Mario, post classica Martis Eoi Pompeio.

————— 163 Bergius’ Eigenkreation zeigt sich auch darin, dass der Versschluss in 1152 metrisch bei keinem der von mir verglichenen antiken Dichter belegt ist. Bergius verwendet ihn dagegen viermal, vgl. oben, 203. 164 Vgl. dazu Reynen, 415ff. 165 Vgl. zur Patriarede oben, 173ff.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Um schließlich die Bedeutung des Einzugstages herauszustreichen, bedient sich Bergius einer entlegenen mythischen Erzählung: Einst, so erzählt der Dichter, habe Jupiter bei der Geburt Minervas auf Rhodos die Insel mit einem Goldregen beschenkt, damit die Einwohner auf alle Zeiten den Geburtstag im Gedächtnis bewahrten: Der Einzugstag des Julius verdient nun einen noch größeren Goldsegen und muss den Braunschweigern für alle Zeiten im Gedächtnis haften bleiben: 1183 1184 1185 1186 1187 1188 1189 1190 1191 1192 1193 1194 1195

Fabula narratur Rhodijs Tritonide nata Auratas magnum pluuias imbreḿque metalli Indulsisse Iouem, terrarum prima Mineruam Quod Rhodus armisonam susceperat at mihi ueros Nunc rutili nimbos auri regionibus hisce Ah longe Rhodio meliores imbre uidetur Fundere stellatis fauor omnipotentis ab oris. Síque dies sacer ille Rhodo, quo Pallada natam Insula adorauit gaudentibus hospita terris Haec itidem mihi lux, itidem sacra omnibus esto, Semper Erythreis lux consignanda lapillis. Foedera qua tecum IVLI Brunswiga nouauit Prisca, suis et te cepit laetißima portis.

Die Erzählung vom Goldregen auf Rhodos findet sich in der erhaltenen lateinischen Dichtung allein in Claudians Panegyricus auf das Konsulat Stilichos (Stil. 3, 223-336),166 auf den Bergius bei der Stilisierung seiner Adventusszene bereits mehrfach zurückgegriffen hat. Bei Claudian dient die Erzählung dazu, die Großzügigkeit Stilichos hervorzuheben, mit der er nach seinem Sieg über Gildo und seiner Rückkehr nach Rom seine Konsularspiele feiert: 223 224 225 226 227 231 232

magnarum nec parcus opum geminare profundas distulit inpensas, sed post miracula castris edita uel genero, Romae maiora reseruat. auratos Rhodiis imbres nascente Minerua indulsisse Iouem perhibent. [...]167 fabula seu uerum, canitur: tua copia uincit fontem Hermi tactumque Midae pluuiamque Tonantis.

Neben Claudian ist Statius das zweite wichtige Vorbild, an dem sich Bergius bei der Gestaltung seiner Adventusszene orientiert: Besonders gern greift Bergius dort auf Statius zurück, wo es um den Jubel des Volkes über ————— 166 Der Mythos geht zurück auf Pind. O. 7, 63f., vgl. dazu Keudel, 133f. zur Stelle. 167 Es folgen weitere mythische Erzählungen von dem Fluss Hermus, der sich bei der Geburt des Bacchus in Gold verwandelte, und von Midas, der alles, was er berührte, zu Gold werden ließ.

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den einziehenden Julius geht. In den Versen 955-962 beschreibt Bergius zunächst die Vorfreude, mit der das Volk auf den Herrscher wartet: Agmina iam uideo totis concurrere uicis, Plebe latere uias, tectorum culmina matres Foemineuḿque gregem longa cinxisse corona. Tum iuuenum pariteŕque senum laetabile murmur Innumeris resonare modis, consurgere ubíque Laetifici plausus, missuśque ad sidera clamor.

955 956 957 958 959 960

Aus Statius’ Theb. 12, 146 stammt zunächst die Wendung femineumque gregem, vor allem aber ist Stat. Theb. 12, 521f. laetifici plausus missusque ad sidera vulgi / clamor Vorlage für Vers 960. Grund für den Jubel des Volkes bei Statius ist die Heimkehr des Atheners Theseus nach seinem Kampf gegen die Skythen; und genau von diesem Jubel der Athener hat sich Bergius bei der nächsten Jubelszene seines Panegyricum Carmen inspirieren lassen, wo freilich eine andere Statiusstelle herangezogen ist. In dieser zweiten Jubelszene (1019ff.) ist Julius bereits eingezogen; jetzt, so der Dichter, ist der Jubel größer als er in einer Reihe von mythologischen und biblischen Szenen gewesen war, in denen das Volk einen heimkehrenden Helden begrüßte: 1019 1020 1021 1022 1023 1024 1025 1026 1027 1028 1029 1030 1031 1032 1033 1034 1035 1036 1037 1038

Cecropijs minus exultauit Athenis Turba fauens, magnum quo tempore Thesea uidit Thermodontiaco laetum remeare triumpho. Sed néque maiori sese Pylos inclyta plausu Effudit, iuuenem quo tempore Nestora portis Excepit reducem, cum sanguine Centaurorum Sparsus et ipse, animi egregij manifesta dedisset Indicia, et rari specimen laudabile Martis. Deníque plausus erat Solyma non maior in urbe Cum post confectum diuino marte duellum Sparsa gyganteo est puerilis dextra cruore. Cum pia laetificum cecinit tibicina carmen Dextera Cißidae mille hostes una cecidit Dextra sed Isaidae decies millena cecidit. Hic quóque dat similes pietas plebeia cantus, Ießideńque suum hoc hymno uenerata salutat. Mille bonis terras has ornauêre priores, IVLIVS at decies millena his millia princeps Verarum dat opum, pietati mitia pandens Hospitia et Christo sudans pia condere regna.

Die Grundstruktur dieses mehrgliedrigen Jubelvergleichs hat Bergius der Silve 1, 2, 213-217 entnommen, dem Hochzeitsgedicht für Stella und Vio-

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

lentilla. Hier ist der Gegenstand des Vergleichs der Jubel Stellas, als er seine Geliebte zur Frau erhält: Amyclaeis minus exsultauit harenis pastor ad Idaeas Helena ueniente carinas, Thessala nec talem uiderunt Pelea Tempe cum Thetin Haemoniis Chiron accedere terris erecto prospexit equo.

213 214 215 216 217

Die Zahl der Vergleiche erhöht Bergius gegenüber der Silve von zwei auf drei; auch übernimmt er keinen der beiden der Privatsphäre angehörigen Vergleiche der Silve, sondern gestaltet seine Vergleiche so, dass das Volk über einen zurückkehrenden Helden jubelt. Bergius’ erster Vergleich ist motiviert von der oben genannten Hintergrundhandlung in Vers 960: Der Jubel der Athener über den heimkehrenden Theseus steht nun allerdings im Vordergrund; der Anlass in Vers 960, der Sieg über die Skythen, ist geändert in den Sieg am Thermodon, wozu Bergius eine frühere Stelle im zwölften Buch von Statius’ Thebais (12, 163ff.) wörtlich übernimmt:168 163 aut vos Cecropiam (prope namque et Thesea fama est 164 Thermodontiaco laetum remeare triumpho) 165 imploratis opem […].

Für das zweite Vergleichselement, Nestors Heimkehr, lässt sich keine Vorlage feststellen. Die strukturelle Ähnlichkeit zum ersten Vergleich (vgl. 1020 und 1023) sowie zu von Bergius bereits an anderer Stelle verwendeten Phrasen und Wörtern wie manifesta [...] indicia (vgl. 84) und specimen Martis (vgl. 501) sprechen ebenfalls für eine Eigenkomposition des Bergius. Das dritte Vergleichselement, Davids Rückkehr nach dem Sieg über Goliath, erhält besonderes Gewicht dadurch, dass es der Bibel entnommen ist (vgl. 1 Sam 18, 6f.).169 Eine neulateinische Paraphrase ist hier als Vorbild denkbar, konnte jedoch nicht ausfindig gemacht werden. Wichtig ist Statius erneut in einem weiteren Zusammenhang der Adventusszene, nämlich dort, wo der Dichter den einziehenden Herzog sowie sein Pferd beschreibt: 994 995 996 997 998 999 1000

Mitiáque ora heros placidaḿque gerentia pacem IVLIVS ostendit, florenti qualis in aeuo Adrastus magnis placidum sese intulit Argis Ipse adeò sonipes mores imitatus heriles Eximios glomerat gressus: illi ardua ceruix Et constans pariliśque tenor: non ilia praeceps Aut armos tendit, néque iactis uerberat auras

————— 168 Zu den in der Antike verpönten wörtlichen Zitaten vgl. oben, 215. 169 Zur Bedeutung der Bibel für Bergius’ Panegyricum Carmen vgl. unten, 236ff.

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Calcibus, aut insessori tergum asperat, irae Immodicus, quae multa retrò, multa anté uidere est In reliquis, quorum ceruix et obesa minori Terga premuntur hero: cari sed ponderis ille Conscius, officiȷ́que memor terguḿque pedeśque Componens, cauto figit uestigia gressu.

Hinter der gesamten Beschreibung steht Statius’ Silve 1, 1, in der das Reiterstandbild des Kaisers Domitian panegyrisch geschildert ist.170 Dem Anfang dieser Silve verdankt Bergius zunächst seine Beschreibung der milden, friedliebenden Gesichtszüge des Julius in den Versen 994f. Hinter ihnen stehen Stat. silv. 1, 1, 15f.: 15 hunc mitis commendat eques: iuuat ora tueri 16 mixta notis, bellum placidamque gerentia pacem.

Den folgenden Vergleich mit Adrastos in den Versen 995f. scheint Bergius selbstständig formuliert zu haben; den Gedanken freilich, den zu Pferd einziehenden Julius ausgerechnet mit Adrastos zu vergleichen, entnimmt er ebenfalls der Silve 1, 1, in der Statius seinerseits den Adrasteus [...] Arion (52), das Pferd des Adrastos (ebenso wie das Ross Cyllarus),171 mit dem Pferd des Domitian in Beziehung setzt. In der folgenden Beschreibung des Pferdes lehnt sich Bergius eng an Stat. silv. 1, 1, 46ff. an:172 Die Darstellung folgt in ihrem Ablauf exakt der Vorlage, ist aber wegen der diametral verschiedenen Charakterisierung der Pferde geradezu als Kontrastimitation gestaltet:173 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55

at sonipes habitus animosque imitatus equestres acrius attollit uultus cursumque minatur; cui rigidis stant colla iubis uiuusque per armos impetus, et tantis calcaribus ilia late suffectura patent. uacuae pro caespite terrae aerea captiui crinem terit ungula Rheni. hunc et Adrasteus uisum extimuisset Arion et pauet aspiciens Ledaeus ab aede propinqua Cyllarus; hic domini numquam mutabit habenas: perpetuus frenis atque uni seruiet astro.

————— 170 Dass Bergius diese Silve kennt, geht auch aus anderen Stellen hervor, vgl. dazu unten, 259. 171 Zu diesen beiden Pferden im Herrscherlob vgl. Döpp, Cyllarus, besonders 321ff. zu Statius; wie bei Statius erscheinen sie auch in Vergils georg. 3, 90 und 122. Bergius kennt diesen Passus der Georgica: Seine Beschreibung des Pferdes des Julius ist in 998 durch georg. 3, 117 gressus glomerare und in 1003f. durch georg. 3, 79f. ardua ceruix / ...obesaque terga beeinflusst. 172 Zu dieser Passage vgl. Geyssen, 94ff. 173 Zur Technik, die Vorlage in ihr Gegenteil zu verkehren, vgl. oben, 222. Auch Claudian nutzt diese Statiusstelle (vgl. besonders silv. 1, 1, 55) zu einer kontrastierenden Gestaltung, vgl. Claud. 4. cons. Hon. 556, dazu Döpp, Cyllarus, 328.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius 56 uix sola sufficiunt insessaque pondere tanto 57 subter anhelat humus;

Beide Darstellungen beginnen damit, dass die charakterliche Ähnlichkeit zwischen Ross und Reiter hervorgehoben wird. Im Folgenden werden jedoch die beiden Charaktere grundverschieden gezeichnet: Das Pferd Domitians ist angriffsbereit und droht loszustürmen; mit seinem Kampfesmut verschreckt es die zum Vergleich herangezogenen Heldenrosse Arion und Cyllarus. Ganz anders verhält sich das Pferd des Julius, welches sanft und gleichmäßig einherschreitet und welches sich im Vergleich zu den Rossen der Gefolgschaft des Julius durch seine zahme Zurückhaltung auszeichnet, weil es sich der Last, die es trägt, bewusst ist: Aus dem stürmischen Kriegsross Domitians ist bei Bergius der sanfte Träger des milden Friedensfürsten Julius geworden. So entsprechen tatsächlich beide Pferde aufs engste dem Charakter ihres jeweiligen Herren. 4.6.3.3.3 Christliche Inhalte Die Vielzahl der Imitationen heidnisch-antiker Dichter darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bergius’ Panegyricum Carmen zutiefst von christlichen Gedanken geprägt ist und nicht zuletzt darauf ausgerichtet ist, die neue protestantische Konfession zu propagieren. Die Vermittlung christlicher Inhalte ist also ein ganz wesentliches Ziel des Gedichtes, in dessen Dienst sich auch Bergius’ Imitationstechnik stellt. Im Folgenden soll zunächst skizziert werden, wie Bergius seine Vorlagen nutzt, um christliche Inhalte zu vermitteln: a) Bergius übernimmt heidnische Verse (und Gedanken und Bezüge) und fügt diese in neue christliche Kontexte ein: Die ursprünglich heidnischen Gedanken werden auf diese Weise christianisiert. Dahinter steht die seit den Kirchenvätern immer wieder geäußerte Überzeugung, dass auch heidnische Dichtung zum Lobe Gottes genutzt werden dürfe.174 Zwei Beispiele aus dem Panegyricum Carmen sollen Bergius’ Technik verdeutlichen: In Vers 323 versichert Münsinger Julius mit den Worten Vergils (Aen. 12, 437), dass Gott Julius (als den von ihm eingesetzten Sohn) im Kampf gegen den Katholizismus beschützen und zu großem Lohn führen werde: Defensum dabit, et magna inter praemia ducet.175 Analog ist die Situation bei Vergil: Aeneas wendet sich, bevor er in den Kampf gegen Turnus zieht, mit eben diesen Worten an seinen Sohn Iulus; Subjekt des Verses ist bei Vergil Aeneas’ dextra (manus). Bergius hat also ————— 174 Zu dem Nutzungs- bzw. χρῆσις - Gedanken vgl. Gnilka (ΧΡΗΣΙΣ und Interpretation frühchristlicher Literatur) und oben, 78f. 175 Zur wörtlichen Übernahme eines ganzen Verses vgl. oben, 215.

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die Liebe und Fürsorge des Aeneas zu seinem Sohn auf die Beziehung zwischen Gott und Julius übertragen. Eine Horazimitation liegt der Gestaltung der Verse 121-124 zugrunde, in denen die Gottesverachtung und der Sittenverfall des Katholizismus mit dem Wuchern von Unkraut auf einem vernachlässigten Acker verglichen wird: 121 122 123 124

Inde mala impietas, contemptus numinis inde, Inde nefas, scelus, et neglectio iuris et aequi Et morum leuitas animis innascitur imis Sicut neglecto lolium et paliurus in agro.

Horaz spricht in seiner Satire 1, 3, 34ff. von Fehlern und schlechten Gewohnheiten eines Menschen, die sich, wenn sie nicht bemerkt werden, wie Farnkraut ausbreiten können; wörtliche Entsprechungen zu Bergius finden sich in Hor. sat. 1, 3, 37: neglectis urenda filix innascitur agris. Bei der christlichen Nutzung dieses Verses hat sich Bergius an Georg Fabricius orientiert (Fabric. Milit. sacr. 1, 3f.): Aspicis ut numerosa, velut paliurus in agris, / Impietas miris crescat adaucta modis.176 Bergius erweitert seine Vorlage Fabricius, indem er mit ›lolium‹ ein zweites Unkraut anführt – vermutlich nach Verg. ecl. 5, 37, womit Bergius die Vorbildstelle des Fabricius zu erkennen gibt (vgl. ecl. 5, 39 paliurus).177 b) Insbesondere dann, wenn es um Gott oder um Fragen des rechten Glaubens geht, greift Bergius direkt auf christliche Dichter zurück: Von Julius’ Vorfahren heißt es in Vers 541: Non renuunt Christi pro nomine fundere uitam. An dieser Stelle ist Orient. comm. 2, 333f. pro nomine Christi / fundere devotas non timuere animas imitiert. Ebenso übernimmt Bergius Wendungen wie fundata ecclesia in Vers 154 (Ven. Mart. 3, 483) oder in Vers 227 dux militiae caelestis (Orient. carm. app. 3, 106) in sein Panegyricum Carmen. c) An theologisch bedeutsamen Stellen, die für das ganze Gedicht von zentraler Bedeutung und geradezu programmatisch sind, schöpft Bergius aus den Psalmen der Bibel oder aus deren poetischen Bearbeitungen durch christliche Dichter. Die Prominenz der Psalmen in der christlichen Dichtungstradition geht zurück auf das Urteil der spätantiken Kirchenväter, die David als den bedeutendsten Lyriker überhaupt noch über die heidnischen stellten.178 So greift Münsinger in seiner programmatischen Rede in den ————— 176 Fast wörtlich hatte Bergius diese Formulierung von Fabricius in sein früheres Gedicht über die Taufe Jesu (praef. 37f.) übernommen. Zu Bergius’ Christianisierung Horazischer Lyrik nach dem Vorbild des Fabricius vgl. oben, 76ff. 177 Zur von den Protestanten polemisch gebrauchten Metapher des Unkrauts für den Katholizismus vgl. oben, 188 Anm. 106. 178 Vgl. dazu Schäfer, Deutscher Horaz, 54.

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Versen 324f. auf den Text der Psalmen zurück, wo er Julius Gottes Unterstützung zusichert;179 des Weiteren hat Bergius Psalmen in den Versen 214228 dichterisch umgesetzt – einer grundlegenden Stelle, an der sich Julius seines religiösen Amtsverständnisses bewusst wird.180 Die inhaltliche Bedeutung des Psalmentextes für die Herrschaft des Julius wurde bereits im Tendenzkapitel hervorgehoben;181 hier ist lediglich bei der sprachlichen Gestaltung darauf hinzuweisen, dass sich Bergius bei der dichterischen Umsetzung des Psalms 23[24], 7 (= 23[24], 9) der Paraphrase Buchanans bedient und dabei erkennen lässt, dass Buchanan sprachlich auf Vergil beruht: Bergius’ Verse 225f. Tollite ferratas reges, age tollite portas, / Magnus ut hic uestris succedat sedibus hospes sind nach Buchan. psalm. 24, 21-23 magnus ut intret / Rex [...] / Quis novus hic sanctis succedit sedibus hospes? gestaltet; seine Formulierung hält sich aber enger an den Vergilvers Aen. 4, 10 hic nostris successit sedibus hospes, der auch hinter Buchanans Formulierung steht. So ist auch an dieser Stelle Vergil für einen neuen christlichen Kontext genutzt: Bei Vergil ist der hospes Aeneas, bei Bergius dem Psalm entsprechend Gott.182 Anhand der Schlussszene soll jetzt gezeigt werden, wie diese drei Möglichkeiten, durch Imitationen christliche Inhalte zu vermitteln, ineinander greifen. Bergius’ Schlussgebet im Panegyricum Carmen (1218-1267) ist besonders voraussetzungsreich, da dessen komplexe Struktur und dessen eigentlicher Sinn erst durch die Kenntnis der imitierten biblischen Vorlage erfasst werden können. Die Bedeutung des Gebets für die Zielsetzung des Gedichts wurde bereits oben bei der Untersuchung der panegyrischen Tendenz hervorgehoben und erläutert:183 Dort wurde auch erwähnt, dass Bergius seinem Gebet Psalm 131 der Vulgata ohne große inhaltliche Veränderungen zugrunde legt. Dieser Psalm bezieht sich auf den zwischen Gott und David geschlossenen Bund; sein Kontext ist der folgende: Nach seiner Eroberung Jerusalems bringt David die Bundeslade in die Stadt; sie enthält die Tafeln des Bundes, den Gott mit den Israeliten geschlossen hat. Eine Verheißung an David besagt, dass einer seiner Söhne für Gott ein Haus bauen und dass Gott dafür dem Thron dieses Sohnes ewigen Bestand verleihen werde. David trifft die Vorbereitungen für den Tempelbau, übergibt aber wegen der Verheißung die Ausführung des Tempelbaus seinem Sohn Salomo.

————— 179 Zur Bedeutung der Münsingerrede vgl. oben, 168. 180 Zu dieser Stelle vgl. oben, 165ff. 181 Vgl. oben, 165ff. 182 Zu diesen Versen vgl. auch unten, Anm. 196. 183 Vgl. oben, 185f.

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Nach Davids Tod besteigt Salomo den Königsthron, baut den Tempel und überführt dorthin die Bundeslade.184 Vor diesem Hintergrund soll zunächst der Inhalt von Bergius’ Gebet überblickt und der Text an die verschiedenen Sprecher verteilt werden: Der Dichter fordert Gott auf, sich an die Mühen und Gelübde seines Davids zu erinnern und an den Bund, den er mit diesem geschlossen habe (1218-1221). Die anschließenden Worte richtet Julius an Gott; er macht darin deutlich, dass seine Sorge einzig und allein dem Reich Gottes und der wahren Gottesverehrung in neu gegründeten Kirchen gelte. Wenn er diese Sorge außer Acht ließe, haben er und seine Nachkommen keinen Anspruch auf göttliche Unterstützung (1222-1226). Im Folgenden spricht wieder der Dichter zu Gott: Durch göttliche Führung sei der Gesuchte endlich gefunden; in Efrata seien die Worte Gottes erhört worden. Der Dichter fordert Gott, der in den Hallen seiner Kirche jetzt ehrfürchtig verehrt werde, auf, zu dem ihm geweihten Sitz zu kommen, an dem die Bundeslade einen würdigen Platz bekommen habe (12271236). Der fromme Priester der neu errichteten Kirche soll nur Rechtes und Heiliges lehren und die dem Irrglauben Verfallenen zu Christus führen und bekehren (1237-1242). Wenn David Gott angemessen verehrt und dessen Befehle befolgt habe, soll Gott, so die Bitte des Dichters, folgenden Wunsch erfüllen, der aus dem Munde des Julius wiedergegeben wird: Gott habe versprochen, Christus ein Reich zu gründen, das bis in die Ewigkeit Bestand habe und das er für Julius und seine Nachkommen stärken werde, wenn seine Befehle ausgeführt und die geschlossenen Verträge eingehalten werden (1243-1252). Gott verspricht nun, von seinem Wohnsitz Zion aus Wein und ein wahreres Brot zu spenden. Der Priester und auch das Volk werden neue Freuden empfangen. Ruhm, Stärke und ein neues Licht werden unter der Davidischen Herrschaft erstrahlen; Schande und Beschämung werde die Feinde zurückdrängen, solange das Geschlecht Davids den Königsthron innehat (1253-1267). Der Vergleich mit Psalm 131 der Vulgata zeigt,185 dass Bergius ohne inhaltliche Veränderungen weite Teile des Psalms übernimmt; nur wenige Partien formt er um. Auf den ersten Blick fügen sich die nahezu unverändert übernommenen Stellen (vgl. besonders 1218-1221, 1227-1230, 1243f.) nur schwer in den Kontext des Gebets ein. Diese Stellen jedoch machen Bergius’ Übertragungsfolie transparent, so dass sich folgende Entsprechungen ergeben: ————— 184 Vgl. 2 Sam 6f.; 1 Chr 11ff. und 2 Chr 3ff. 185 Der Wortlaut der Vulgata ist unten, 244ff. neben dem von Bergius abgedruckt.

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Da Bergius’ Struktur des Gebets, d.h. die Sprechverteilung, identisch ist mit der des Psalms und da wegen der dem Gebet vorangegangenen Verse (1205-1217) offensichtlich ist, dass der Dichter zu Gott spricht, kann man den prophetischen Sprecher mit dem Dichter gleichsetzen. Weiterhin ersetzt Bergius in seinem Gebet David durch Julius. Dies wird in den Versen 12221226 deutlich, in denen ein Herrscher spricht und die daher nur Julius zugewiesen werden können; die Verse nehmen die von David gesprochenen Verse 3-5 des Psalms wieder auf. Der in Vers 1229 genannte Ort Efrata muss demnach mit der Stadt Braunschweig gleichgesetzt werden. Der Einzug in den von David geplanten und von Salomo errichteten Tempel und die Aufforderung an Gott, sein neues Haus zu beziehen, in dem die Bundeslade ihren Platz hat (Vulg. psalm. 131, 7f.), steht bei Bergius als Präfiguration für Gottes Einzug in die von Julius neu errichtete protestantische Kirche (1231-1236). Trotz der engen Anlehnung an Psalm 131 gestattet es sich Bergius gleichwohl, gegenüber dem Text der Vorlage andere Akzente zu setzen: So steht im Psalm der Vulgata die Erwählung des Zion als Wohnsitz Gottes im Vordergrund; die Festschreibung von Davids Königtum aufgrund der Bündniszusage ist dem untergeordnet.186 In Bergius’ Schlussgebet ist die Gewichtung dieser beiden Aspekte vertauscht: Hier geht es in erster Linie darum, Julius zu verherrlichen, der auf die Stimme Gottes gehört hat und nun von Gott an dessen neuer Wirkungsstätte als »König«, als Diener Gottes eingesetzt wird. Der Bau der Kirche in Braunschweig als Wohnsitz Gottes hat demgegenüber lediglich eine untergeordnete, symbolische Bedeutung. Folgende Stellen verdeutlichen dies: Im biblischen Psalm 131 heißt es in 6, dass der Ort der Bundeslade nun in Efrata gefunden sei: ecce audivimus eam in Efrata invenimus eam in campis silvae; die Suche nach dem Ort wurde in 5 ausdrücklich betont ([...] donec inveniam locum Domino tabernaculum Deo Iacob). In Bergius’ Gebet ist es der neue Herrscher Julius, der nach langer Zeit nun endlich gefunden ist (1227-1230): Ecce tuo tandem Deus optime maxime nutu / Tempore iam longo quaesitum inuenimus, ecce / Hic ubi rura Ephrate syluestribus horrida dumis / Aspicit, audita est uerbi Deus alme tui uox. Die Erwähnung des Kirchenbaus (surgant templa, 1224) in den vorangegangenen Versen steht dementsprechend nur symbolisch: Hervorgehoben wird das Bündnis zwischen Julius und Gott: Julius’ Sorge um Gott und um die Einrichtung der protestantischen Religion in Braunschweig wird damit belohnt, dass Julius von Gott (tuo [...] Deus optime maxime nutu, 1227) in die Herrschaft eingesetzt wird. ————— 186 Vgl. hierzu Weber, 315-320; Doeker, 111-122.

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Dass Julius als Diener Gottes fungiert, wird im Folgenden unter Beibehaltung des Bilds von der Kirche verstärkt: Die Änderung des Plurals sacerdotes der Vorlage (9) in den Singular sacerdos (1237) macht deutlich, dass Julius das Amt des Priesters in Gottes Kirche innehat. Diese Numerusänderung wird später wiederholt, und zwar an gewichtiger Stelle: Gott selbst führt in seiner Rede das Bild der Kirche in Anspielung auf die Messliturgie weiter und legitimiert Julius als Priester in seiner Kirche (1256-1260): Hic et laetifico spumantia praela Lyaeo. / Hic exhausta fame saturabit pectora panis / Verior, ipse salute mea quasi ueste sacerdos / Indutus, plebeśque simul, noua gaudia mente / Concipient, partae memores gratíque salutis. Übertragen meinen die Gaben Gottes den wahren protestantischen Glauben und all seine Segnungen unter Julius als dem von Gott erwählten Herrscher. Im biblischen Psalm hingegen hat die Gottesrede eine andere Funktion: Die Einleitung zu dieser Rede macht deutlich, dass der Akzent auf der Erwählung des Zion liegt. Betont wird, dass Gott selbst diesen Ort ausgewählt hat: quoniam elegit Dominus Sion elegit eam in habitationem sibi (13) – demgegenüber ist bei Bergius die Bedeutung des Ortes abgeschwächt und lediglich erwähnt, dass Gott dieser Ort angenehm sei (vgl. 1253) – die nachfolgende Rede Gottes im Bibelpsalm legitimiert dann auch in erster Linie die Erwählung des Zion, mag sie auch ebenfalls das Bündnis in Kraft setzen und Davids Thron ewigen Bestand verleihen. Ein weiterer Punkt schließlich, der bekräftigt, dass Bergius panegyrische Absichten hat und sein Gebet mehr als ›Königspsalm‹ denn als ›Zionpsalm‹ verstanden wissen will, ist die gegenüber der biblischen Vorlage stärkere Betonung der Vernichtung der Feinde durch Gott, die Bergius (wie wir es auch sonst aus seinem Gedicht kennen187) unmittelbar mit dem Lob auf Julius verknüpft. Wer sich nicht unter Julius als Priester bekehren lässt, so die Worte des Dichters in 1238ff. (einem Zusatz gegenüber Vers 9 des Bibelpsalms), wird von Gott bestraft werden. Gott selbst kündigt am Ende des Gebets die Überhäufung der Feinde mit Beschämung und Schande an, solange die welfische Herrschaft besteht. Durch den Zusatz, dass die Schande das Gesicht scheußlich bemalt (vgl. 1264), schimmert die Polemik gegen die katholische Kirche durch. An früherer Stelle nämlich (vgl. z.B. 103f., 153-159, 379-383) kritisierte der Dichter an den katholischen Priestern, dass sie ihre Vergehen und ihre Gottlosigkeit hinter Schminke verbergen und ihren Glauben nur vortäuschen.188 Sprachlich gibt es nur wenige Übereinstimmungen zwischen Psalm 131 der Vulgata und Bergius’ Gebet: Die Übernahmen beschränken sich auf ————— 187 vgl. oben, 186ff. 188 Durch die Betonung der Bestrafung der Feinde wird zudem der Bogen zum Anfang des Gedichts geschlagen, als Julius sich an den Königspsalm 2 erinnert (vgl. dazu oben, 166).

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einzelne Worte wie ecce [...] inuenimus, ecce [...] Ephrate (1227-1229) gegenüber dem biblischen (6) ecce [...] Efrata invenimus und Hic exhausta fame saturabit pectora panis / Verior, ipse salute mea quasi ueste sacerdos / Indutus (1257-1259) gegenüber (15) [...] pauperes eius saturabo panibus (16) sacerdotes eius induam salutari. Zudem ist die in den Psalmen geläufige Aufforderung an Gott (8) surge Domine (Deus)189 von Bergius in Vers 1234 Surge pater imitiert.190 Dass es kaum wörtliche Übereinstimmungen gibt, liegt bei Bergius in erster Linie an der Einkleidung der biblischen Prosa in Verse, einer im 16. Jahrhundert weit verbreiteten Technik. Im Jahre 1569 konnte Bergius bereits auf eine vierzig Jahre lange Tradition lateinischer Psalmenparaphrasen zurückblicken:191 Besonders beliebt waren die in elegischen Distichen verfassten Psalmenparaphrasen des Helius Eobanus Hessus (zuerst 1537), die auch in den Braunschweiger Schulen gelesen wurden.192 Ebenso populär wie Hessus’ Psalmenparaphrasen wurden in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts die des Schotten George Buchanan,193 die erstmals 1565/66 im Druck vorlagen und in über hundert Ausgaben in der Folgezeit erschienen sind.194 Wie im Folgenden gezeigt werden soll, ist Buchanans Psalm 132 das sprachliche Hauptvorbild195 für Bergius’ Schlussgebet.196 Dieser umfasst ————— 189 Vgl. z.B. 3, 7 [3, 8]; 7, 7; 16, 13 [17, 13]; 81, 8 [82, 8]. 190 Eben diese an Gott gerichteten Worte des Psalms 131 (8-10) sind auch in das thematisch mit dem Psalm eng verwandte Weihegebet Salomos zur Einweihung des Tempels (2 Chr 6, 12-42) wörtlich übernommen; sie bilden hier den Abschluss des Gebets (41f.). 191 Vgl. hierzu Bach, I. / Galle, H.: Deutsche Psalmendichtung vom 16. bis zum 20. Jahrhundert: Untersuchungen zur Geschichte einer lyrischen Gattung, Berlin 1989, 126-146 (Lateinische Psalterien des 16. Jahrhunderts in klassischen Versmaßen); Gaertner, J. A.: Latin Verse Translations of the Psalms 1500-1620, in: (The) Harvard Theological Review 49 (1956), 271-305 (darin 293-303 Übersicht über die Ersteditionen der Psalmenparaphrasen zwischen 1500 und 1620); Grant, W. L.: Neo-Latin Verse-Translations of the Bible, in: (The) Harvard Theological Review 52 (1959), 205-211. 192 Vgl. dazu oben, 213. 193 Zum Leben und Werk Buchanans vgl. Jaumann, 138f.; Durkan, J. / McKeeman, M. J. / Cummings, H.: Bibliography of George Buchanan, ›Poeta sui saeculi facile princeps‹, Glasgow 1994; McFarlane; Budik, P. A.: Leben und Wirken der vorzüglichsten lateinischen Dichter des XV.-XVIII. Jahrhunderts, Bd. 2, Wien 1828, 214ff. 194 Zu den Ausgaben und dem Text der Psalmen Buchanans vgl. McFarlane, 247-286 und 500ff.; vgl. zudem Green, R. P. H.: The Text of George Buchanan’s Psalm Paraphrases, in: The Bibliotheck 13 (1986), 3-29; Ford, Ph. J.: George Buchanan et ses Paraphrases des Psaumes, in: J.C. Margolin (Hg.), Acta Conventus Neo-Latini Turonensis, Bd. 2, Paris 1980, 947-957. 195 Für die weiteren im Gebet rezipierten christlichen Vorbilder vgl. den Similienapparat; besonders auffällig ist die Übernahme von Coripp. Iust. 3, 59 subeuntes atria templi in Vers 1231: Et nunc sancta tui subeuntes atria templi. 196 Bereits bei der Gestaltung der Psalmen (2 und 23[24]), an die sich Julius am Anfang des Gedichts erinnert, hatte Bergius auf Buchanan zurückgegriffen. Es ergaben sich folgende Entsprechungen: Vos quibus est sceptrum, quibus est permissa potestas / In populum suprema (219f.) imitiert Buchanans Psalm 2, 19: At vos, in populos quibus est permissa potestas; ebenso ist in Bergius’ Versen 225f.: Tollite ferratas reges, age tollite portas / Magnus ut hic uestris succedat

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43 Verse (gegenüber 50 Versen bei Bergius) und ist (wie in Bergius’ Gedicht) in Hexametern verfasst.197 Buchanan orientiert sich stärker als Bergius am Wortlaut und Inhalt des Psalms der Vulgata. Einige Passagen von Bergius’ Gebet sind von wörtlichen Imitationen aus Buchanan geradezu durchzogen; die Veränderungen sind minimal, vgl. z.B. 1232-1236 und 1264-1267 bei Bergius mit 14-17 und 40-42 bei Buchanan.198 Neben diesen wörtlichen Imitationen übernimmt Bergius Phrasen aus Buchanans Psalm, bei denen er sich um Synonyme als Änderung bemüht, 199 vgl. z.B. Bergius, 1218f. Ießidae memor esto tui, memor esto laborum / Illius ô mundi pater et suprema potestas gegenüber Buchanan, 1 Davidis esto memor, genitor, memor esto laborum; ebenso formt Bergius Buchanans Verse 20f. Si David pectore puro / Te coluit um in Si te corde pio coluit (1243). Vielen Imitationen aus Buchanans Psalm liegen Phrasen aus Vergils Aeneis zugrunde:200 So erhalten Buchanans an Gott gerichteten Worte: neque iam sententia vertet / Ulla tua mentem (23f.) besonderes Gewicht durch die Vergilische Vorlage, nämlich die Worte Jupiters in seiner Prophezeiung an Venus: neque me sententia vertet (Aen. 1, 260). Bergius zieht für seinen ähnlich gestalteten Vers Nec tua mota loco quicquam sententia cedet (1247), durch Buchanans Vorlage angeregt, einen anderen Vergilvers heran, der die Wirkung etwas abschwächt: Euryalus versichert Nisus im neunten Buch der Aeneis: nec mea iam mutata loco sententia cedit (Aen. 9, 220). An anderer Stelle lässt Buchanan Gott bei seiner Erwählung des Zion als Wohnsitz Folgendes sagen (31f.): hic mihi certa quies, hic certa voluptas: / Haec mihi grata domus. Bei Bergius ist mit diesen Worten über Gott gesprochen (1253f.): Grata DEO coeli sedes Sionia, grata / Haec domus: hic illi requies, hic certa uoluptas. Zugrunde liegen diesen Stellen Passagen der ————— sedibus hospes Buchanans Psalm 24, 21ff. imitiert: Claustra revellite, limina pandite, magnus ut intret / Rex ille, multa clarus ille gloria. / Quis novus hic sanctis succedit sedibus hospes? (vgl. Verg. Aen. 4, 10 quis novus hic nostris successit sedibus hospes). 197 Dies ist bei Buchanans Psalmenparaphrasen keinesfalls selbstverständlich, da er die Versmaße variiert und auch horazische Maße verwendet: So kombiniert Buchanan beispielsweise in den oben genannten Psalmen 2 und 24 nach Horaz ep. 16 den Hexameter mit dem iambischen Trimeter. Zu Buchanans Metrik vgl. Green, R.: George Buchanan’s Psalm Paraphrases: Matters of Metre, in: I. D. McFarlane (Hg.), Acta Conventus Neo-Latini Sanctandreani 1982, Binghamton / New York 1986, 51-60. Zu Buchanans literarischen Vorbildern vgl. Ford, Ph. J.: George Buchanan. Prince of Poets, with an Edition (Text, Translation, Commentary) of the Miscellaneorum Liber, Aberdeen 1982, 76-95 (Buchanan, Horace and Catullus); Green, R.: Horace’s Odes in the Psalm Paraphrases of Buchanan, in: St. P. Revard / F. Rädle / M. A. Di Cesare (Hgg.), Acta Conventus Neo-Latini Guelpherbytani 1985, Binghamton / New York 1988, 71-79. 198 Sämtliche Übereinstimmungen sind unten, 244ff. tabellarisch zusammengestellt. 199 Zur Synonymvariation vgl. oben, 218ff. 200 Zu Buchanans Imitation Vergils vgl. McFarlane, 285f.

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Aeneis, in denen Aeneas und seinen Gefährten in Prodigien der Endpunkt ihrer Reise, ihr Wohnsitz, verheißen wird oder wo sich diese Prodigien erfüllen: Im dritten Buch prophezeit ihnen Helenus, dass an dem Ort, wo sich ihnen eine Sau mit 30 Frischlingen zeigt, der Platz ihrer künftigen Stadt sein werde (vgl. Aen. 3, 393). Sprachlich näher liegt Buchanan und Bergius die fast wörtliche Wiederholung dieses Verses im achten Buch kurz vor der Erfüllung dieses Prodigiums: Der Flussgott Tiberinus verkündet Aeneas im Traum, dass hier das verheißene Land sei: hic locus urbis erit, requies ea certa laborum (Aen. 8, 46).201 Kombiniert ist diese Stelle bei Buchanan und Bergius mit Aeneas’ Reaktion auf das erfüllte Tischprodigium im siebten Buch: hic domus, haec patria est (Aen. 7, 122). Buchanan und somit auch Bergius haben durch ihre Vergilimitation die Ankunft des Aeneas christianisiert und auf die Ankunft Gottes übertragen. Vulgata: Psalm 131 iuxta LXX

Bergius: 1218-1267

Buchanan: Psalm 132202

(1) Memento Domine David et omnis mansuetudinis eius (2) sicut iuravit Domino votum vovit Deo Iacob

(1218-1221): Ießidae memor esto tui, memor esto laborum / Illius ô mundi pater et suprema potestas. / Tu nosti quae uota tui succensus amore / Fecerit, et tecum quae foedera iunxerit ille.

(1-4): Davidis esto memor, genitor, memor esto laborum / Quos tulit, in rebus tua iussa sequutus egenis. / Ille tibi, Hebraeae gentis Deus unice, votis / Obstrinxit caput, et promißis ora reclusit,

(3) si introiero in tabernaculum domus meae / si ascendero in lectum strati mei (4) si dedero somnum oculis meis et palpebris meis dormitationem (5) et requiem temporibus meis donec inveniam locum Domino tabernaculum Deo Iacob

(1222-1226): Si mihi magne parens antiquior ulla prioŕque / Res fuerit, quam cura tui aßiduißima regni, / Quam tibi quae placeant ut surgant templa, tibíque / Vt grati cultus his instaurentur in oris, / Ne tibi sim curae, neu tu mea sceptra iuuaris.

(5-8) : Non aedes prius ingrediar, molliue reponam / Membra thoro, aut oculis dulcem indulgebo soporem, / Quam fanum inveniam, et sacri fundamina templi / Designem, sanctisque locum dimetiar aris.

(6) ecce audivimus eam in Efrata invenimus eam in campis silvae (7) introibimus in tabernacula eius adorabimus in loco ubi steterunt pedes eius

(1227-1233): Ecce tuo tandem Deus optime maxime nutu / Tempore iam longo quaesitum inuenimus, ecce / Hic ubi rura Ephrate syluestribus horrida dumis / Aspicit, audita est uerbi Deus alme tui uox. / Et nunc sancta

(9-14): Ecce mihi, patrijs subito dum versor in arvis, / Et iuga dum peragro silvestribus obsita dumis, / Monstravit Deus ipse locum. Deus ipse perenne / Hic templum, templique sacris sedem innuit aris. / Ergo alacres gratam

————— 201 Dass dieser Vers heute gemeinhin als unecht gilt (vgl. dazu Eden, P. T.: A Commentary on Virgil: Aeneid VIII, Leiden 1975, 29 zur Stelle), ist für diesen Zusammenhang nicht von Belang. 202 Paraphrasis Psalmorum Davidis Poetica, nunc primum edita, Auctore Georgio Buchanano, Scoto, poëtarum nostri saeculi facilè principe. Adnotata ubique diligenter carminum genera. Eiusdem Buchanani tragoedia quae inscribitur Iephtes. Antverpiae, ex officina Christophori Plantini. 1566 (Psalm 132: S. 236f.)

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tui subeuntes atria templi / Domino properemus ad Vota preceśque tibi facimus aedem: / Scamna pedum Pater, et tua pronis / Numina pronis veneremur vultibus. prostrati ueneramur uultibus. (8) surge Domine in requiem tuam tu et arca sanctificationis tuae (9) sacerdotes tui induentur iustitia et sancti tui exultabunt

(1233-1242): Eia / Surge pater, dexteŕque tibi laetuśque dicatam / Aduenias sedem, neu dedignare penates / Foederis aeternum sancti quibus arca quiescat. / Nil pius hic doceat nisi recta et sancta sacerdos, / Quae scelerum labem motu meliore dolentes / Ad Christum recto iubeant contendere passu / At́que hunc prensantes patefacti in munere uerbi / Et culpae ueniam et solatia mentibus aegris / Percipere, et pleno noua carpere gaudia fructu.

(14-20): et tu / Sancte parens, bonus ac placidus cape vota, / tuamque Laetus adi sedem: neu dedignare penates / Qui memorem aeterni servabunt foederis arcam. / Templa sacerdotes casti tueantur, et omnes / Qui tua rite pijs venerantur numina sacris, / laetitia exultent.

(10) propter David servum tuum non avertas faciem christi tui (11) iuravit Dominus David veritatem et non frustrabit eum

(1243f.): Si te corde pio coluit, nec iussa neglexit / Ießides tua sancta, hoc ô hoc perfice uotum.

(20-24): Si David pectore puro / Te coluit, ne Davidicae nunc respue prolis / Dona, tui populi cui fraena tenenda dedisti. / Davidi enim quondam (neque iam sententia vertet / Ulla tuam mentem) iurasti,

(11) de fructu ventris tui ponam super sedem tuam (12) si custodierint filii tui testamentum meum et testimonia mea haec quae docebo eos / et filii eorum usque in saeculum sedebunt super sedem tuam

(1245-1252): Tu fundaturum CHRISTO super omnia regnum / Pollicitus, mundi quod ad ultima saecla perennet, / Nec tua mota loco quicquam sententia cedet. / Quin etiam hoc ipsum regni quodcuńque mihíque / Et de me natis, et qui nascentur ab illis / Promisti firmaturum, modo foedera seruent / Tecum pacta pij et tua iussa ferenda colentes, / Et sanctum degant mandatis legibus aeuum.

(24-29): E stirpe propago / Nata tua solium et sceptrum retinebit avitum. / Quod si posteritas servet mea foedera, pactis / Si steterit, leges si non temeravit avitas, / Nulla dies solio, vis nulla extrudet avito, / Et natos natorum, et qui nascentur ab illis.

(13) quoniam elegit Dominus Sion elegit eam in habitationem sibi (14) haec requies mea in saeculum saeculi hic habitabo quoniam elegi eam

(1253f.): Grata DEO coeli sedes Sionia, grata / Haec domus: hic illi requies, hic certa uoluptas:

(30-32): Ipse mihi sedem elegi sine fine Sionem, / Quam colerem: hic mihi certa quies, hic certa voluptas: / Haec mihi grata domus.

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(15) viduam eius benedicens benedicam / pauperes eius saturabo panibus (16) sacerdotes eius induam salutari et sancti eius exultatione exultabunt

(1255-1260): Hic ego larga bonae, dixit, dabo munera meßis: / Hic et laetifico spumantia praela Lyaeo. / Hic exhausta fame saturabit pectora panis / Verior, ipse salute mea quasi ueste sacerdos / Indutus, plebeśque simul, noua gaudia mente / Concipient, partae memores gratíque salutis.

(32-35): caeli indulgentia fruges / Faxo alat, et duros large saturabo colonos. / Templa tuebuntur casti iustique ministri, / Laetitiaque piis perfundam pectora certa:

(17) illic producam cornu David paravi lucernam christo meo (18) inimicos eius induam confusione super ipsum autem efflorebit sanctificatio mea

(1261-1267): Hinc pia Dauidicis orietur gloria sceptris, / Hinc robur, lumeńque nouum, quod sideris instar / Emicet, et totum laté clarescat in orbem. / At pudor et turpes pingens infamia uultus / Hostibus eripiet mentem, fastuśque domabit / Consuetos, dum sceptra geret Iessaea propago / Firma, sacróque premet sacrum diademate crinem.

(36-43): Davidicoque novum producam e semine germen, / Quod late in populos fundet sua brachia: stirpi / Prospiciam serae solium qui illustret avitum, / Claraque per cunctas diffundat lumina terras. / At pudor et turpes maculas infamia spargens, / Hostibus inficiet vultus. Iessaea propago / Florebit, cingetque sacrum diademate crinem, / Transmittetque suam longaeva in saecula famam.

Neben der poetischen Psalmenparaphrase des Buchanan zieht Bergius bei der Gestaltung seines Gebets eine zweite zeitgenössische Bearbeitung des Psalms 132 heran, nämlich die des Jacob Micyllus in 31 elegischen Distichen.203 Dass Bergius diesen Dichter benutzt hat, geht aus den Übereinstimmungen der folgenden Verse hervor: Bergius

Micyllus: Psalm 132

(1220f.): Tu nosti quae uota ... / Fecerit, et tecum quae foedera iunxerit ille

(7): Scis etenim tecum quae quondam foedera iunxit

(1243): nec iussa neglexit

(31): numquam iussa neglexit

(1255f.): Hic ergo larga bonae, dixit, dabo munera meßis: / Hic et laetifico spumantia praela Lyaeo.

(51f.): Hinc ego fecundae donabo tempora messis, / Annua spumanti praelaque plena mero

(1261-1263): Hinc pia Dauidicis orietur gloria sceptris, / Hinc robur, lumeńque nouum, quod sideris instar / Emicet, et totum laté clarescat in orbem

(55-57): Hic pia Davidis florebunt regna beati / Eriget hic cornu roboris ille sui / Et novus incipiet toto inclarescere mundo

————— 203 Silvarum libri quinque, Frankfurt 1564, Buch 5, S. 570-572.

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4.6.3.4 Die Gestaltung einer episch-panegyrischen Szene: Der Auftritt der Oker Mit mehr als 500 Versen ist die Flussgottszene, in welcher der Okergott seine Nymphen anweist, für Herzog Julius einen Teppich als Geschenk zu weben, nicht allein die umfangreichste Szene des ganzen Panegyricum Carmen; auch durch ihre Positionierung ziemlich genau in der Mitte des Werkes wird ihre zentrale Bedeutung hervorgehoben. Des Weiteren sind in keiner zweiten Szene des Gedichts so viele verschiedene antike und neulateinische Dichtungen so intensiv rezipiert und imitiert wie in der Flussgottszene. Im Folgenden soll zunächst Bergius’ Imitationstechnik, die Auswahl und Benutzung seiner Vorlagen, bei der Gestaltung der Rahmenhandlung untersucht werden. Hierauf ist die Ekphrasis des von den Nymphen gewebten Teppichs zu behandeln, auf dem die Vorfahren des Julius abgebildet sind: In ihr kommen den Imitationen verschiedene Aufgaben zu: Sie dienen zum einen der Anschaulichkeit, einem wichtigen Charakteristicum der Ekphrasis nach der antiken Theorie, des Weiteren sind sie ein Mittel der αὔξησις: Durch die Imitation vor allem antiker Kampfschilderungen sollen Heldenmut und Ruhm der Vorfahren des Julius erhöht werden. Demgegenüber dienen die neulateinischen Vorlagen einerseits als strukturelles Vorbild, aber des Weiteren auch als inhaltliche Quelle: Vergleichbare Ahnenreihen sind in der zeitgenössischen Dichtung ein sehr beliebtes Thema; einige Vorfahren des Julius, die Bergius in seiner Ekphrasis darstellt, sind bereits in früheren Herrscherserien der Dichtung des 16. Jahrhunderts beschrieben worden. 4.6.3.4.1 Die Rahmenhandlung Zunächst sei die Rahmenhandlung kurz überblickt (390-461 und 881899): Der Flussgott Oker, umringt von seiner Nymphenschar, denkt in seiner Höhle über vergangene und zukünftige Zeiten nach. Während er das jetzige Schicksal seines Landes unter katholischer Herrschaft beklagt und um die Zukunft bangt, hört er lauttönenden Beifall und Lobpreisungen. Fama fliegt herbei, kündigt die Herrschaft des Julius an und fordert die Nymphen und die Oker in ihrer Rede auf, diesen Anlass angemessen zu feiern (419-425). Der Okergott bringt in seiner anschließenden Rede (426456) seine Freude über den neuen Herrscher zum Ausdruck und beauftragt seine Nymphen, als Geschenk einen Teppich zu weben, auf dem die Vorfahren des Julius zu sehen sind. Die Nymphen beschaffen sich die nötigen Arbeitsmaterialien und beginnen ihr Werk.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Nach der Beschreibung des Teppichs (462-880) führt der Dichter die Rahmenhandlung zu Ende: Der Okergott kommt aus seiner Flusshöhle hervor, schmückt sich und begibt sich nach Wolfenbüttel zum Haus des Julius, um den Teppich zu überreichen. Nach der Aufforderung an Julius, die Mühen der Nymphen nicht zu verschmähen und das Geschenk gütig anzunehmen (889-897), zieht er sich wieder in seine Höhle zurück. Die eben dargestellte Handlung zur Einbettung einer längeren Ekphrasis, insbesondere einer Herrschergenealogie, ist im 16. Jahrhundert in panegyrisch-episch angelegten Gedichten eine beliebte Szene. Es versammeln sich vorzugsweise die Nymphen des der jeweiligen Residenz benachbarten (personifizierten) Flusses, um die Herrscher einer bestimmten Dynastie oder damit verbundene Ereignisse zu preisen: entweder durch Gesang oder dadurch, dass sie die Ahnen auf den Mantel des Flussgottes sticken oder in einen Teppich weben. Einige Beispiele sollen diese Tradition im Folgenden kurz skizzieren: Am Anfang des 16. Jahrhunderts findet sich ein solcher Szenentyp in Ulrich von Huttens (1488-1523)204 Panegyricus, der die Erhebung Albrechts von Brandenburg zum Erzbischof von Mainz 1514 in 1300 Hexametern preist.205 In diesem lässt Hutten den Flussgott Rhein auftreten, der alle deutschen Flüsse zu Ehren Albrechts zu einem Festbankett einlädt. In der Mitte des Panegyricus (652ff.) begrüßt der Rhein schließlich den Erzbischof und trägt einen Mantel, den seine Nymphen mit Bildern bestickt haben, die Szenen der deutschen Geschichte darstellen, angefangen bei Mars und den Germanen bis hin zu Maximilian I. Eine (mahnende) Begrüßungsrede des Rheins schließt sich an (1095-1131).206 Der italienische Dichter Antonio Sebastiano Minturno (ca. 1500-1574) integriert eine Flussszene in das dritte Buch seines Epos De adventu Caroli V. imperatoris in Italiam, das in drei Büchern (537, 538, 632 Hexameter) die Reise Karls V. von Spanien nach Italien schildert, wo dieser 1530 in ————— 204 Zu Huttens Leben und Werk vgl. Kühlmann, Humanistische Lyrik, 1033-1038; Killy, Bd. 6, 27-32 (H. Jaumann); Worstbrock, 1185-1237 (H. Jaumann). 205 In exceptionem Moguntinam reverendissimi in Christo Patris illustrissimi Principis ac Domini Domini Alberti Moguntinensis et Magdepurgensis Ecclesiarum Archiepiscopi [...] Panegyricus Ulrichi de Hutten equitis Germani (Böcking, E. (Hg.): Ulrich von Hutten, Opera, Leipzig 1862, Bd. 3, 353-400). Der Panegyricus als Dichtung wurde untersucht von Schäfer, Ulrich von Hutten, 69ff.; als historische Quelle für Huttens Geschichtsbild vgl. Wulfert, H.: Die Kritik an Papsttum und Kurie bei Ulrich von Hutten (1488-1523), Rostock 2008, 53-63. Vgl. außerdem Gräter, C.: Ulrich von Hutten. Ein Lebensbild, Stuttgart 1988, 91f.; Ellinger, Bd. 1, 473f.; Strauß, D. F.: Ulrich von Hutten, Leipzig 1914, 69ff. Teile des Panegyricus sind übersetzt von Schubart, L.: Ulrich von Hutten, Leipzig 1791, 227-238. Vgl. zu Huttens Panegyricus zudem oben, 147. 206 Auf die literarischen antiken (vor allem Vergil, Ovid und Claudian) und zeitgenössischen Vorlagen (Celtis) verweist Schäfer, Ulrich von Hutten, 70ff.

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Bologna zum Kaiser gekrönt wurde.207 Als sich die Nachricht von der Ankunft Karls in Italien verbreitet, arbeiten die Naiaden des Flussgottes Tiber an einem Prachtgewand für ihn, auf das sie vor allem die Reise Karls V. und seine Doppelkrönung in Bologna sticken. Bei einem Festgelage für die heimischen Flussgötter hält der Tiber schließlich eine Rede über die Ankunft Karls und die mit ihm verbundenen Hoffnungen (3, 327-632). Weitere Beispiele geben die Gedichte Joachim Münsingers von Frundeck (1514-1588):208 In seinem 332 Hexameter langen Werk mit dem Titel Neccharides, das anlässlich des Einzugs des neu ernannten österreichischen Statthalters Philipp von der Pfalz in Stuttgart im Jahre 1532 verfasst ist, versammeln sich die Nymphen des Neckar in dessen Flusshöhle. Bei einem Festmahl besingt die Nymphe Leucothoe die Ereignisse vom Tod des alten Statthalters Georg Truchseß von Waldburg bis hin zum feierlichen Einzug Philipps in Stuttgart. Eine ähnliche Szenerie beschreibt Münsinger wenige Jahre später in seinem 1540 erstmals erschienenen, zwei Bücher umfassenden Epos Austrias: Im ersten Buch (814 Hexameter) beruft der Flussgott Danubius in seiner Höhle ein Flüssekonzil ein, an dem die Donaunymphen und die Nebenflüsse der Donau teilnehmen. Beim Mahl besingt die Nymphe Leucothoe die Abstammung der Habsburger, ausgehend vom trojanischen Ursprung bis hin zu Maximilian I. Im zweiten Buch (1042 Hexameter) ergreift der Flussgott selbst das Wort und berichtet vom Leben Kaiser Karls V. und seines Bruders Ferdinand.209 Ein Gedicht, das die gerade geschilderte Technik, eine Ekphrasis mit der lokalen Flussgottheit zu verbinden, weiterführt, ist das im Jahre 1543 von Georg Sabinus (1508-1560) verfasste Epithalamium für den polnischen König Sigismund Augustus und für Elisabeth, die Tochter des Kaisers Ferdinand von Österreich.210 Sabinus’ Gedicht ist, soweit ich sehe, für Berg————— 207 Zu Minturno und seinem Werk, das um 1536 entstanden, jedoch nur in einem Druck aus dem Jahre 1564 erhalten ist, vgl. Dröthandl, W.: Antonio Sebastiano Minturno, De adventu Caroli V. imperatoris in Italiam, Dipl. Wien 1993, besonders 68-81 (zu den Flussgottheiten und ihren literarischen antiken Vorbildern); F. Römer, 75ff. 208 Zu Münsingers Tätigkeit als Kanzler am Hofe des Julius und als Figur in Bergius’ Panegyricum Carmen vgl. oben, 131f.; 138; 168ff. 209 Zu Münsingers Gedichten und seinen antiken Vorbildern vgl. Ludwig, Joachim Münsinger, 67ff. Zu Münsingers Austrias vgl. zudem Amann-Bubenik, 79f. Münsinger als Dichter behandelt ferner auch Schumann, 73-88. 210 De nuptiis incliti Regis Poloniae Sigismundi Augusti, et Elissae Caesaris Ferdinandi filiae, in: G. Sabinus, Poemata 1563, 237-256. Zu Sabinus, Schwiegersohn Melanchthons und Professor für Dichtkunst und Rhetorik an der Universität in Frankfurt an der Oder, vgl. Kühlmann, Humanistische Lyrik, 1240-1243; zur Entstehung dieses Gedichts vgl. die noch immer grundlegende Sabinus-Biographie von Töppen, M.: Die Gründung der Universität zu Königsberg und das Leben ihres ersten Rectors Georg Sabinus, Königsberg 1844, 4, 53f.; dazu Schmidt, Lateinische Herrscherpanegyrik, 353f.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

ius’ Gestaltung der Gesamtszene, der Okerszene und der von dieser Szene umrahmten Ekphrasis, das wichtigste neulateinische Vorbild. Die Struktur von Sabinus’ Hochzeitsgedicht sei deshalb zum Abschluss dieses Überblickes etwas ausführlicher betrachtet: Das 551 Hexameter umfassende Gedicht besteht aus einem Musenanruf (1-10) und einer einzigen großen Flussgottszene (11-551): Der personifizierte Fluss Weichsel sitzt in seiner Höhle, umgeben von Nymphen und Naiaden der ihm unterstehenden polnischen Gewässer. Da kommt Fama herbeigeflogen und berichtet von der Hochzeit. Der Flussgott ruft daraufhin seine (namentlich genannten) Naiaden und befiehlt ihnen, einen Teppich als Geschenk zu weben, auf dem die Vorfahren des Bräutigams zu sehen sind. Die Nymphen krempeln die Ärmel hoch, holen ihr Webzeug und machen sich an die Arbeit (11-42). Nach der Beschreibung des Teppichs, auf dem 44 polnische Könige von Leszek I. bis zu Sigismund-Augustus dargestellt sind (43-432), taucht der Flussgott Istula aus der Höhle, um das Geschenk zu überreichen. Die Nymphenschar begleitet ihn zur Stadt. Dort erblickt der Fluss das Brautpaar und hält eine Rede, in der er zunächst Wünsche an die Braut richtet, dann dem Ehemann gratuliert und den gewebten Teppich übergibt. Am Beispiel der auf dem Teppich dargestellten Könige hält der Flussgott Sigismund einen fürstenspiegelartigen Vortrag.211 Mit dem Hinweis, dass Venus und Hymen warten, verabschiedet sich der WeichselFluss, bittet, das Geschenk gütig anzunehmen und taucht wieder unter (461547). Der Ehemann nimmt das Geschenk an und begibt sich zurück zur Hochzeitsgesellschaft, die den Hochzeitsgesang ertönen lässt (548-551).212 Der Überblick hat gezeigt, dass die Szenenkomposition mit der bei Bergius nahezu identisch ist. Wie die folgende Analyse der Einleitung der Rahmenhandlung deutlich machen wird, ist das Gedicht des Sabinus nicht nur strukturelles Hauptvorbild, sondern auch sprachlich eine wichtige Vorlage für Bergius. Daneben macht Bergius aber auch von der übrigen, überaus reichen literarischen Tradition der Flussgottdarstellung Gebrauch213 – sei es, ————— 211 Vgl. zu diesem oben, 158. 212 Eine Inhaltsangabe des Gedichts gibt Schmidt, Lateinische Herrscherpanegyrik, 353. Unter dem Aspekt der Herrscherreihe wird Sabinus behandelt von Cytowska, 191f. und Schlegelmilch, Humanistische Fürstendichtung, 256ff., besonders 260. Das Gedicht ist zudem erwähnt bei Ellinger, G.: Sabinus, in: ADB 30 (1890), 107-111, hier 110 und Ellinger, Bd. 2, 73. 213 Der Auftritt eines redenden und handelnden Flusses ist seit Homer in der Antike nicht nur im Epos beliebt: vgl. z.B. Hom. Il. 21, 212-383 (Skamandros, Rede: 214-221, 229-232, 308-323, 357-360, 369-376); Verg. Aen. 8, 31-67 (Tiberinus, Rede: 36-65); Ov. fast. 5, 637-662 (Thybris, Rede: 639-660), met. 8, 549-615 (Achelous, Rede: 550-559, 577-610); Stat. silv. 1, 1, 66-83 (lacus Curtius, Rede: 74-83), silv. 4, 3, 67-95 (Volturnus, Rede: 72-94), Theb. 9, 404-488 (Ismenos, Rede: 421-445); Claud. Prob. Olybr. 209-279 (Tiberinus, Rede: 236-262); 6. cons. Hon. 146-200 (Eridanus, Rede: 181-192). In der neulateinischen Literatur sind Flussgottauftritte geradezu topisch: Vgl. neben den oben genannten beispielsweise Helius Eobanus Hessus, der den Fluss Hieras (Gera) zur Begrüßung Luthers in Erfurt auftreten lässt (In evangelici Doctoris Martini

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dass diese bereits bei Sabinus rezipiert ist und Bergius über Sabinus hinaus auch auf dessen Vorlagen zurückgreift, sei es, dass er bei Sabinus nicht nachweisbare Dichtung benutzte: Unter diesen weiteren poetischen Vorlagen besonders herauszuheben sind zum einen Claudians Szene um den Flussgott Eridanus im Panegyricus auf das sechste Konsulat des Kaisers Honorius (6. cons. Hon. 146ff.), zum anderen die Jordanszene im dritten Buch (3, 281-504) des 1526 erstmals veröffentlichten, drei Bücher umfassenden Epos De partu Virginis von Iacopo Sannazaro (1457/8-1530).214 In Claudians Szene (146-200) macht sich der Flussgott Eridanus in seiner Grotte Sorgen um die Zukunft Italiens – er weiß nämlich nicht, dass Alarich die Schlacht bei Pollentia gegen Stilicho verloren und den Rückzug angetreten hat. Eine Najade erscheint und berichtet ihm von Alarichs Niederlage. Eridanus taucht daraufhin aus seiner Grotte auf und verhöhnt mit den benachbarten Flüssen den besiegten Feind.215 Auf dieser Szene Claudians beruhen viele der oben geschilderten Rahmenhandlungen zur Einkleidung einer Ekphrasis, da Claudians Gedicht eine panegyrisch / paränetische Tendenz aufweist und in ihm die epischen Elemente des personifizierten Flusses als Handlungsträger und einer Ekphrasis (vgl. 165ff.: Beschreibung von Eridanus’ Mantel) kombiniert sind.216 Bergius’ Orientierung an der Claudianszene hängt auch mit seiner Vorliebe zusammen, das Vorbild seiner Vorlage sichtbar zu machen: Denn auch Sabinus hat Claudian rezipiert.217 Auch Bergius’ dritte wichtige Vorlage in dieser Szene, die Jordanszene aus Sannazaros De partu Virginis, ist evident aus der Claudianszene gespeist.218 Dieses christliche Epos war in Italien wie in Deutschland populär: ————— Lutheri laudem defensionemque elegiae IV (1521), hier Eleg. I: De eius in urbem Erphurdiam ingressu (41-86, Rede Hieras: 45-86), abgedruckt in Kühlmann, Humanistische Lyrik, 248-253 mit 1102-1105, vgl. zu dieser Elegie Ludwig, Eobanus Hessus, 240f.; Gräßer-Eberbach, I.: Helius Eobanus Hessus. Der Poet des Erfurter Humanistenkreises, Erfurt 1993, 96ff. Petrus Lotichius Secundus lässt den Fluss Nicer (Neckar) in seiner dritten Ekloge, die den Titel Nicer trägt, ein Loblied auf Otto-Heinrich, den Kurfürsten von der Pfalz (reg. 1556-1559), anstimmen (Rede des Nicer: 10-84); die Elegie ist abgedruckt in Henneberg, B.: Die Hirtengedichte von Petrus Lotichius Secundus (1528-1560). Text – Übersetzung – Interpretation, Freiburg im Breisgau 1985, 94-103, dazu 104-119. In Lotichius’ Epicedion auf Melanchthon (In obitum clarissimi viri D. Philippi Melanthonis ad D. Georgium Cracovium [...] Elegia, Wittenberg 1560) trauert neben dem Neckar die Elbe (Albis): vgl. dazu Ludwig, Epikedien, 246ff. Zu Auftritten von Flussgöttern in Hochzeitsgedichten vgl. unten. 214 Zu Sannazaro vgl. Schäfer, Sannazaro; Jaumann, 582; Deutscher, Th. B.: Jacopo Sannazaro, in: Contemporaries of Erasmus. A Biographical Register of the Renaissance and Reformation, Bd. 3, Toronto 1987, 193f.; Ellinger, Bd. 1, 59-62. 215 Zu Claudians Szene vgl. Döpp, Zeitgeschichte, 233. 216 Zur Bedeutung Claudians für die Gestaltung von Bergius’ Gedicht vgl. auch oben, 155ff. 217 Zu Sabinus’ Claudianimitation vgl. unten; zu Bergius’ Technik, die Vorlage des von ihm imitierten Dichters anklingen zu lassen, siehe oben, 225f. 218 Siehe dazu unten.

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Minturno hat sich in seinem einige Jahre später entstandenen, oben genannten Epos auf Sannazaros Flussgottszene bezogen;219 ebenso hat Münsinger sie in seinen oben genannten Gedichten nachweislich imitiert.220 Der Inhalt von Sannazaros Jordan-Szene ist folgender: Der personifizierte Jordan befindet sich, umgeben von seinen namentlich genannten Töchtern, in seiner Grotte. Auf seiner Urne betrachtet er die Darstellung der Taufe Jesu, die in einer Ekphrasis referiert wird (302-317). Zudem sieht er aus der Urne ungewöhnlich viel und wohlschmeckendes Wasser in seine Höhle strömen. Der Jordan taucht daraufhin aus seiner Grotte auf und hört Hirten und Engel, welche die Ankunft von Gottes Sohn preisen. In einer langen Rede (331-497) berichtet er anschließend von der Prophezeiung des Proteus, der ihm einst erzählt hatte, es werde jemand kommen, der den Jordanfluss berühmter als Nil, Indus, Ganges, Donau, Tiber und Po machen werde. Nach diesen Worten taucht der Jordan wieder in seine Höhle hinab.221 In der jetzt folgenden Analyse der Rahmenhandlung soll gezeigt werden, wie Bergius diese drei Flussszenen (Sabinus, Claudian, Sannazaro) kontaminiert.222 Die zusätzlich rezipierten Motive aus der Tradition der Flussdarstellung sowie weitere Imitationen sollen ebenfalls herausgearbeitet werden. Der erste Vers von Bergius’ Szene Gurgitis undosi medio tum fortè sub antro (390) imitiert Sabinus’ einleitenden Vers zur Flussgottszene Forte sub undosi muscoso gurgitis antro (11);223 gleichzeitig macht Bergius durch das bei Sabinus nicht vorhandene Adverb tum und durch die Wortstellung deutlich, dass er Sabinus’ Vorbild, Claudians Szene um den Flussgott Eridanus, erkannt und dann auch selbst benutzt hat (6. cons. Hon. 146): undosa tum forte domo vitreisque sub antris.224 Bereits Sannazaro hatte den Einleitungsvers seiner Jordanszene nach Claudian gestaltet (3, 281): Herboso tum forte toro undisonoque sub antris.225 Wie besonders die nächsten Verse von Bergius’ Szene zeigen, imitiert Bergius auch die Einleitung ————— 219 Vgl. Minturno, De adventu Caroli V. imperatoris in Italiam 3, 330ff. und Sannazaro, part. virg. 3, 281ff. 220 Zur Abhängigkeit Münsingers von Sannazaro siehe Ludwig, Vom Jordan zur Donau. 221 Zu dieser Szene vgl. Ludwig, Vom Jordan zur Donau, 92f. und Visser, T.: Sannazaros Epos De partu Virginis zwischen Lukas-Evangelium und Vergil: Betrachtungen zur Episierungstechnik Sannazaros, in: Schäfer, Sannazaro, 207-219, hier 216f. 222 Zu der Technik der Kontamination siehe oben, 222f. 223 Sabinus folgt mit seinen Einleitungsworten Forte sub Verg. ecl. 7, 1 (Forte sub arguta consederat ilice Daphnis). 224 Unter den die Verse unterscheidenden Attributen der Grotte hat Bergius mit medius gewiss das schlichteste ausgewählt, vgl. dazu Verg. Aen. 3, 624: medio [...] in antro (Zyklopenhöhle). 225 Vgl. Iacopo Sannazaro, De partu Virginis, a cura di Ch. Fantazzi e A. Perosa, Florenz 1988.

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Sannazaros.226 Da Bergius sich in dem ersten Abschnitt der Szene jedoch enger als seine neulateinischen Vorbilder an Claudian orientiert, sollen zunächst die Übereinstimmungen zwischen Bergius und Claudian die Grundlage der Untersuchung bilden: Bergius 390-418

Claudian 6. cons. Hon. 146-161

390-394: Gurgitis undosi medio tum fortè sub antro / Fata recensebat magnorum ingentia regum / Praeterita, et saeclis adeò decreta futuris, / Et rerum uarias uoluebat pectore sortes / Ocra [...] 402-409: [...] et totis lucem spargentia ripis / Aurea roranti praetexit cornua uultu. / Duḿque senex secum reputat labentia saecla, / Dum duram patriae sortem miseratur, et illud / Cogitat, an pater ille Deûm et suprema potestas / Damnârit miseram sacra ad Baalitica gentem: / Anné dies melior uersis approximet horis. / Talia dum secum putat anxius, [...] 418: Fama uolat

146-153: undosa tum forte domo vitreisque sub antris / rerum ignarus adhuc ingentes pectore curas / volvebat pater Eridanus: quis bella maneret / exitus, imperiumne Iovi legesque placerent / et vitae Romana quies, an iura perosus / ad priscos pecudum damnaret saecula ritus? / talia dum secum movet anxius, advolat una / Naiadum [...] 159-161: dixerat; ille caput placidis sublime fluentis / extulit et totis lucem spargentia ripis / aurea roranti micuerunt cornua vultu.

Wie der Flussgott Eridanus bei Claudian um das künftige Schicksal Italiens bangt, da er nicht weiß (147: rerum ignarus), dass der Feind Alarich nach der Schlacht bei Pollentia nach Illyrien geflohen ist, so sorgt sich in Bergius’ Szene der Okergott um sein Fürstentum; er denkt an die glorreiche Vergangenheit und die ungewisse Zukunft: Et rerum uarias uoluebat pectore sortes (393) imitiert die Claudianverse rerum ignarus adhuc ingentes pectore curas / volvebat (147f.).227 In Bergius’ Formulierung finden sich zudem Ähnlichkeiten zu Lucan 1, 272 (varias volventem pectore curas); direktes Vorbild für diese Formulierung ist allerdings Sannazaros Phrase volvebat pectore sortes (3, 282). Bergius lässt der Einführung des grübelnden Flussgottes nicht wie Claudian den Inhalt der Sorgen folgen, sondern unterbricht die Handlung, um – nach Sabinus’ (und Sannazaros) Vorbild – deskriptive Elemente einzufügen.228 Die Claudianimitation wird von Vers 402 an mit der Darstellung des Flussgottes, dessen goldene Hörner Glanz versprühen, wiederaufgenommen:229 Bergius zitiert in den Versen ————— 226 Eine Abhängigkeit Sabinus’ von Sannazaro kann dagegen nicht sicher nachgewiesen werden. 227 Zu Claudians literarischen Vorbildern für diese Verse vgl. Dewar, 157ff. 228 Vgl. dazu unten. 229 Die Darstellung des Flusses mit goldenen Hörnern entspricht der literarischen Tradition: Gewöhnlich wird ein Flussgott mit Stierhörnern, Schilfkranz und Urne dargestellt, oft betagt mit langen Haaren und Bart. In einem Scholion zu Horaz carm. 4, 14, 25 tauriformis volvitur Aufidus ist vermerkt (Keller, O.: Pseudacronis Scholia in Horatium vetustiora, Leipzig 1902, Bd. 1, 370):

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402f. die von Claudian für die Beschreibung des Eridanus verwendeten Verse et totis lucem spargentia ripis / aurea roranti micuerunt cornua vultu (160f.) praktisch unverändert; er ersetzt lediglich das Prädikat micuerunt durch praetexit, wodurch Aurea [...] cornua zum Akkusativobjekt wird. Bergius schwebten bei dieser wenig glücklichen Änderung womöglich Vergils Verse über den Fluss Mincius vor (ecl. 7, 12 hic viridis tenera praetexit harundine ripas / Mincius und georg. 3, 15 Mincius et tenera praetexit harundine ripas); vielleicht dachte er aber auch an die ihm bekannte,230 ähnlich angelegte Szenerie in Claudians Panegyricus auf das Konsulat der Brüder Probinus und Olybrius (Prob. Olybr. 209-279), in welcher der Flussgott Tiberinus zu Ehren der neuen Konsuln ein Fest plant, zu dem die Flüsse Italiens zusammenkommen sollen. In seiner Rede (236262) erteilt er den Naiaden die Anweisung: Naiades, et totum violis praetexite fontem (249).231 Nach der längeren Flussbeschreibung muss Bergius das Motiv der grübelnden Oker wieder aufnehmen, um jetzt nach dem Vorbild Claudians den Inhalt der Sorgen zu referieren: Dumque senex232 secum reputat labentia saecla (404). Da Claudian eine solche Formulierung zur Abrundung des nachdenkenden Eridanus und zur Einführung des »Fama«-Motivs233 gebraucht (152: talia dum secum movet anxius), die Bergius erneut lediglich mit Prädikatsänderung übernimmt (409: Talia dum secum putat anxius), häufen sich bei Bergius Verben, die Sorgen und Nachdenken zum Ausdruck bringen (uoluebat [...] reputat [...] cogitat [...] putat), wobei er die Wiederholungsfigur durch anaphorisches dum weiter verstärkt. Der Inhalt der Sorgen ist bei Claudian und Bergius ähnlich als indirekte Doppelfrage konstruiert: Beide gehen von der Gegenwart aus und denken an die Zukunft. ————— Omnium fluviorum famosorum vultus cum cornibus finguntur. ideo tauriformis propter impetus et mugitus aquarum, ut [Verg. Aen. 8, 77]: ›Corniger Hesperidum fluvius regnator aquarum‹. Ideoque eorum tempora harundinibus coronata perhibentur, quoniam eorum ripae ipsa silva decorantur, ut poeta [Verg. ecl. 7, 12]: ›hic viridis tenera praetexit harundine ripas‹, vgl. hierzu Ludwig, Eobanus Hessus, 240f.; zu den Hörnern s. Dewar, 166 zu Claud. 6. cons. Hon. 161 (goldene Hörner bei Verg. georg. 4, 371f.; Mart. 10, 7, 6); Taegert, 212 zu Claud. Prob. Olybr. 220f.; zum Schilfkranz vgl. Dewar, 166f. zu Claud. 6. cons. Hon. 162-164; Taegert, 211 zu Claud. Prob. Olybr. 216f.; zur Urne vgl. Dewar, 171f. zu Claud. 6. cons. Hon. 167; zum Alter Dewar, 158f. zu Claud. 6. cons. Hon. 148. Zur Darstellung von Flussgottheiten in der Dichtung vgl. zudem Eggers, Th.: Die Darstellung von Naturgottheiten bei Ovid und früheren Dichtern, Paderborn 1984; Dewar, 164f. zu Claud. 6. cons. Hon. 159-168. 230 Vgl. dazu den Similienapparat zu Vers 430. 231 Vgl. dazu Döpp, Zeitgeschichte, 51f.; Taegert, 230 zur Stelle. 232 Hier macht Bergius zum ersten Mal Gebrauch von dem topischen Motiv vom Greisenalter des Flussgottes, vgl. dazu oben, Anm. 229. Dementsprechend wird Ocra später als senior (426) und als grauhaarig (885) charakterisiert. Neben senex u.ä. treten als Attribute zu Ocra genitor (401) und pater (884). All diese Begriffe sind als Epitheta zu Flussgöttern durch die klassische Tradition gedeckt, vgl. Dewar, 158f. zu Claud. 6. cons. Hon. 148. 233 Zu Fama vgl. unten.

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Dabei greift Bergius Claudians Formulierung ad priscos pecudum damnaret (sc. Iuppiter) saecula ritus (151) auf: damnarit (sc. pater ille Deum et suprema potestas) miseram sacra ad Baalitica gentem (407);234 der heidnische Jupiter als Schicksalslenker ist durch den christlichen Gott ersetzt.235 Die Untersuchung hat gezeigt, dass Bergius das Motiv des grübelnden, in Sorgen versunkenen Flussgottes aus dem Panegyricus des Claudian beibehält und auch sprachlich weitgehend nach seinem antiken Vorbild ausgestaltet. Bei dieser Ausgestaltung greift er zusätzlich auch auf Sannazaro zurück, der das Motiv ebenfalls aus Claudian übernommen, aber nicht näher entfaltet hat. Sabinus hat dagegen nur die Handlungsstruktur aus Claudian rezipiert (Famas Besuch bei einem Flussgott); er verzichtet auf eine innere Exposition des Flussgottes und gibt stattdessen eine äußere, in der er die Szenerie beschreibt, in welcher Fama auf die Weichsel trifft. Sannazaro und Bergius verbinden innere und äußere Exposition; dabei greift Bergius bei seiner Gestaltung der Szenerie in erster Linie Sabinus auf, daneben aber auch Sannazaro. Folgende Tabelle dokumentiert die Übereinstimmungen zwischen Bergius und Sabinus: Bergius (390-425)

Sabinus nupt. Sigism. (11-24)

Gurgitis undosi medio tum fortè sub antro / [...] Ocra rapax uersa fluuium dum fundit ab urna: Ocra iugo Herciniae ducens primordia syluae. / Agmina quem circum uario famulantia cultu / Densantur Nymphae, liquidis quae fontibus adsunt / Quae riuis lacubuśque, udiśque paludibus: et quae / Prata colunt, cursusùe uagos moderantur aquarum. / Quas inter medius densáque acclinis in umbra / Fundit aquas urna genitor splendente perennes / Occaris, [...] / Talia dum secum putat anxius, ecce sonoro / Littora persentit plausu reboare, piaruḿque / Audiri laudum praeconia, qualibus olim / Excipiunt bello reduces, sua numina reges / Laetantes populi: uel qualibus arua resultant / Cum festus clamatur Hymen. noua uota nouośque /

Forte sub undosi muscoso gurgitis antro, / Istula coeruleus tumidarum rector aquarum / Nymphis iura dabat, qua vertice Carpathus alto / Frigida Sarmatiae prospectat iugera: cuius / Montis adusta rigent canis iuga summa pruinis. / Ipse sedens urnamque manu sceptrumque tenebat, / Carbaseae glauco pallae velatus amictu: / Naiades circum fontanaque numina stabant, / Quaeque lacus, amnesque colunt, udasque paludes. / Venit mobilibus coeli per inania pennis / Fama volans, laetis quae vocibus attulit istuc / Sarmatiae claris Augustum regibus ortum, / Esse maritali connubia foedere pactum: / Ducere Caesarea natamque propagine sponsam

————— 234 Die Konstruktion damnare ad ist zuerst bei Tac. Ann. 6, 38 (ad supplicium damnatus) belegt, vgl. Dewar, 160 zu Claud. 6. cons. Hon. 151. 235 Bergius kombiniert für seine Umschreibung Gottes (406: pater ille Deûm et suprema potestas) die Formulierung Vergils: pater ille deum (Aen. 10, 875, vgl. auch Ov. met 2, 848: ille pater rectorque deum; fast. 2, 132: hominum tu pater, ille deum) und das in neulateinischer Dichtung für Gott gebräuchliche suprema potestas, vgl. z.B. Camer. Libell. Tunete, p. 125 pater ipse Deus rerum suprema potestas (vgl. auch Bergius’ Vers 1219). Zur Technik der Kontamination vgl. oben, 222f.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Concipiunt Nymphae motus, pariteŕque precantur, / Plausus ut ille boni, quicquid foret, ominis esset. / Mox uaga mobilibus coeli per inania pennis / Fama uolat, causas illis momentaque tantae / Laetitiae memorans. Vos ô celebrate frequentes / Hoc aeuum celebrate Deae: date lilia plenis / Et uiolas calathis: tibique ô tibi corniger amnis / Nunc puros latices toto decet ire fluento. / En regum genus et proauis illustribus ortus / IVLIVS imperium fasceśque capeßit auitos, / Ius dicens populis. Nec plus effata quieuit.

Sabinus beginnt die Beschreibung der Weichsel mit ihrer geographischen Lage (12ff.): Istula coeruleus tumidarum rector aquarum / Nymphis iura dabat, qua vertice Carpathus alto / Frigida Sarmatiae prospectat iugera: cuius / Montis adusta rigent canis iuga summa pruinis.236 Ebenso erwähnt auch Bergius den Ursprung der Oker im Harz (395): Ocra iugo Herciniae ducens primordia sylvae.237 Das Bild des Flussgottes, der sein Wasser aus einer Urne gießt, ist bei Sabinus (16) und Bergius in gleicher Weise gezeichnet. Bergius nahm sich für seinen Vers Ocra rapax uersa fluuium dum fundit ab urna238 (394) wahrscheinlich die Darstellung des Inachus, der den Strom aus kunstvoller Urne gießt, auf dem Schild des Turnus im siebten Buch der Aeneis zum Vorbild: caelataque amnem fundens pater Inachus urna (Verg. Aen. 7, 792); diese Vermutung wird dadurch gestützt, dass Bergius’ Text auch im Folgenden an Vergil erinnert: Um Vergils Inachus scharen sich Fußvolk und Heere (insequitur nimbus peditum clipeataque totis / agmina densentur campis (793f.)); ebenso belagern bei Bergius die Nymphen die Oker (Agmina quem circum uario famulantia cultu / densantur Nymphae (396f.)). Zusätzlich zu Vergil imitiert Bergius für seine Einführung der Flussnymphen die im gleichen Zusammenhang gebrauchte Formulierung Sannazaros, der die Töchter des Jordans sich um ihren Vater versammeln lässt: Iordanes, quem iuxta hilari famulantia vultu / ————— 236 Sabinus schließt mit seinen Versen an die Darstellung des Tiber im achten Buch der Aeneis an: caeruleus Thybris [...] und corniger Hesperidum fluvius regnator aquarum (Verg. Aen. 8, 64 und 77) sowie an die des Peneus im ersten Buch der Metamorphosen, dessen Ursprung und Gegend beschrieben wird: haec domus, haec sedes, haec sunt penetralia magni / amnis; in his residens facto de cautibus antro / undis iura dabat nymphisque colentibus undas (Ov. met. 1, 574576). 237 Bergius greift an dieser Stelle auf einen Vers aus seinem Epicedium auf den Braunschweiger Gerke Pawel (1563) zurück: Occaris Hercynijs ducens primordia syluis (43). Die Nominativform Occaris gebraucht Bergius in seinem Panegyricum Carmen alternativ für Ocra (vgl. 402). 238 rapax ist geläufiges Flussepitheton, z.B. Lucr. 1, 17; Verg. georg. 3, 142, vgl. Taegert, 235 zu Claud. Prob. Olybr. 256. Eine ähnliche Formulierung benutzte Bergius auch in seinem Gedicht über die Verteidigung der Stadt Lüneburg (202f.): Dum pater undanti fluuium profuderit urna / ALBOVIVS.

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agmina densentur natae (3, 284f.). Sannazaro ist auch Bergius’ Vorbild für das sich an die Versammlung anschließende Urnenmotiv, das hier ein zweites Mal aufgenommen ist (400ff.): Quas inter medius densáque acclinis in umbra / Fundit aquas urna genitor splendente perennes / Occaris imitiert Sannazaros Verse Ipse antro medius pronaque acclinis in urna / fundit aquas (3, 298f.).239 Aber auch sein eigentliches Vorbild Sabinus lässt Bergius bei der Schilderung der Nymphenversammlung durchschimmern: er übernimmt von diesem die Beschreibung der Nymphen. Dabei schmückt er die Darstellung des Sabinus durch zusätzliche, die Handlung retardierende Details aus – ein Verfahren, welches bereits oben beobachtet werden konnte, als Bergius bei der imitatio Claudians das Motiv des nachdenkenden Flussgottes durch die Wiederholung von Synonymen gesteigert hat:240 Hier imitiert Bergius in seinen Versen 396-399: 396 397 398 399

Agmina quem circum uario famulantia cultu Densantur Nymphae, liquidis quae fontibus adsunt Quae riuis lacubuśque, udiśque paludibus: et quae Prata colunt, cursusùe uagos moderantur aquarum

die Nymphendarstellung des Sabinus (18f.): 18 Naiades circum fontanaque numina stabant, 19 Quaeque lacus, amnesque colunt, udasque paludes.

Sabinus (und vielleicht auch Bergius) bezieht sich auf die König Picus begehrenden Nymphen in Ov. met. 14, 327ff.241 Bergius zeigt seine Gelehrsamkeit, indem er seine Beschreibung durch ein Zitat aus Corippus (Iust. 4, 220 cursus [...] moderantur aquarum), das womöglich durch Sabinus’ Vorbild Ovid (met. 14, 329: aquae cursuque) angeregt ist, sowie durch einen Bezug auf Vergil (georg. 4, 18 at liquidi fontes et stagna virentia musco / adsint) anreichert. Sabinus lässt nun, seine Nachahmung Claudians fortsetzend (vgl. oben 6. cons. Hon. 152ff.), nach der Darstellung der Nymphen unmittelbar Fama auftreten; Bergius dagegen schiebt zwischen diese beiden, Sabinus geschuldeten Abschnitte einen weiteren ein (409-416): Seine Einleitung dieses Abschnittes – talia dum secum putat (scil. Ocra) anxius, ecce [...] (409) – ————— 239 Durch Sannazaro wird zudem die Konjektur acclinis statt accliuis in Vers 400 von Bergius’ Panegyricum Carmen gestützt (vgl. dazu auch Claud. rapt. Proserp. 2, 69f. (Hermus): laetatur in antro / amnis et undantem declinat prodigus urnam). 240 Vgl. oben, 254. 241 illum fontana petebant / numina, Naiades, quas Albula, quasque Numici, / quas Anienis aquae cursuque brevissimus Almo / Narve tulit praeceps et opacae Farfarus umbrae, / quaeque colunt Scythicae stagnum nemorale Dianae / finitimosque lacus. Vgl. auch fast. 1, 398: quaeque colunt amnes solaque rura deae.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

verdankt er, wie wir gesehen haben, Claudian;242 die Idee aber, die Vorfreude des Volkes, welche die Oker vernimmt, mit dem Jubel zu vergleichen, wie er bei Hochzeiten zu hören ist (413f.), dürfte Bergius der Tatsache verdanken, dass die Flussgottszene seines Vorbilds Sabinus in ein Hochzeitsgedicht eingebunden ist. Auch in anderen Hochzeitsgedichten begegnet das Motiv, dass eine lokale Flussgottheit den Jubel des Volkes vernimmt.243 Erst auf diesen Jubel hin fliegt bei Bergius Fama herbei; ihr Erscheinen ist fast wörtlich gestaltet nach dem Auftritt der Fama bei Sabinus: Mox uaga mobilibus coeli per inania pennis / Fama uolat heißt es bei Bergius (417f.); Venit mobilibus coeli per inania pennis / Fama volans hingegen bei Sabinus (20f.). Erneut aber nimmt Bergius gegenüber seiner Hauptvorlage eine Erweiterung vor: Der an Fama uolat angehängte Partizipialausdruck causas illis momentáque tantae / laetitiae memorans scheint sich an Prud. apoth. 398 elementaque tantae / nuntia laetitiae anzulehnen. Des Weiteren putzt Bergius die sabinische Vorlage mit zusätzlichen Anspielungen an antike Stellen auf, wodurch er zugleich zu erkennen gibt, welchen klassischen Autoren Sabinus seine Darstellung der Fama verdankt. 244 Mehrfach bei Vergil (und späteren Dichtern) belegt ist Fama volat (z.B. Aen. 3, 121); außerdem wichtig ist Vergils Beschreibung der Fama in Aen. 4, 173ff., an die Bergius mit dem aus ihr übernommenen Adverb mox erinnert: [...] it Fama per urbes, / [...] / mobilitate viget virisque adquirit eundo; / parva metu primo, mox sese attollit in auras. Die Junktur vaga Fama (417f.) erscheint erstmals bei Ovid (vgl. met. 8, 267). Die jeweils folgende Rede der Fama ist bei Sabinus in indirekter, bei Bergius in direkter Rede wiedergegeben; sprachlich ist lediglich die Wendung Augustum regibus ortum (22) durch regum genus [...] ortus (423) aufgegriffen. Ansonsten redet Bergius’ Fama, die von Julius’ Regierungsantritt berichtet,245 vor allem mit den Worten Vergils: Vos ô celebrate frequentes (419), eine durch die Epanalepse von celebrate im folgenden Vers besonders hervorgehobene Aufforderung, stammt aus Aen. 1, 735 vos ————— 242 Vgl. oben, 254. 243 Vgl. neben Sabinus’ Hochzeitsgedicht z.B. das Hochzeitsgedicht von Johann Premer: Carmen elegiacum in nuptias illustrissimi et generosissimi Principis ac Domini, D. Ludovici, Ducis Wirtembergici et Teccensis, Comitis Montbelgardi etc. et inclytae Dorotheae Ursulae, illustriss. Principis ac Domini, D. Caroli Marchionis Badensis et Hachbergensis, Landgravii Susembergensis, Domini in Roettelen et Badenweiler etc. filiae, in quo familiae utriusque vetustas et amplitudo breviter ostenditur. Autore Ioanne Premero Senatore Durlacensi, Straßburg 1575 (besprochen bei Ludwig, W.: Frischlins Epos über die württembergisch-badische Hochzeit von 1575 und zwei neue Briefe Frischlins, in: Ders., Miscella Neolatina, Bd. 1, 541-582, hier 547f.). 244 Neben den im Folgenden genannten Stellen sind für Sabinus wichtig Verg. Aen. 4, 700ff.: ergo Iris croceis per caelum roscida pennis / [...] / devolat; Claud. Eutrop. 1, 375: rapit caeli per inania cursum (sc. Roma). 245 Ähnliche Botschaften überbringt sie bei Ovid und Claudian: Das Konsulat des Pompeius verkündet sie in Ov. Pont. 4, 4, 15-18, das des Mallius Theodorus in Claud. Mall. Theod. 270f.

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o [...] celebrate faventes. Bei dem für Julius eingeforderten Blumenschmuck (420f.: date lilia plenis / et uiolas calathis.) handelt es sich um eine Kontamination aus Aen. 6,883 manibus date lilia plenis und ecl. 2, 45ff. lilia plenis / [...] calathis [...] / [...] violas. Während auf die Rede der Fama der Sabinische Flussgott Istula unmittelbar reagiert und seine Nymphen einen Teppich weben lässt, erweitert Bergius gegenüber seiner Hauptvorlage die Darstellung um einen zusätzlichen Abschnitt, nämlich die Rede des Ocra (426-456). Im ersten Teil dieser Rede (426-450) freut sich der Flußgott über den neuen Herrscher, von dem er sich ein Goldenes Zeitalter erhofft; erst im zweiten Teil gibt er den Nymphen Anweisungen (451-456). Um der Freude seines Flussgotts Ausdruck zu verleihen, greift Bergius zunächst auf die Rede des Lacus Curtius, ebenfalls einer Wassergottheit, in Statius silv. 1, 1, 75-78 zurück. Dort spricht Lacus Curtius als genius loci das Reiterstandbild des Kaisers Domitian auf dem Forum Romanum an:246 75 Nunc mea felix 76 nunc veneranda palus, cum te prope nosse tuumque 77 immortale iubar vicina sede tueri 78 concessum.

Hieraus macht Bergius (433-436): 433 434 435 436

Nunc felix mea ripa, meus nunc laetior ibit Amnis, io, cum te IVLI prope nosse, tuośque Augustos uultus vicina in sede tueri Concessum: nunc cultus, io, mihi laetior et frons.

In der für ihn charakteristischen Weise versucht Bergius, sein Vorbild zu überbieten, indem er seine Darstellung gegenüber der Vorlage erweitert.247 Der neu hinzugesetzte, elliptische Hauptsatz (436b) wirkt jedoch durch die Wortwiederholung laetior und den durch die Monosyllaba harten Versschluss eher störend. Im Folgenden ist sich der Okergott sicher, dass unter Julius’ protestantischer Regierung ein neues Goldenes Zeitalter anbrechen wird, in dem auch Kunst und Dichtung wieder zu Ansehen gelangen: 441 442 443 444 445 446

Quo duce si qua manent priscae uestigia fraudis Quae ueri fontem uenaśque obstruxerat, at́que Sub iuga mittebat miseras immania gentes, Iam tandem nostras soluent formidine terras: Et pietas iuxtáque nouem despecta leuabunt Pulvere colla Deae.

————— 246 Zu dieser Rede in Statius’ Silve vgl. Geyssen, 104ff. 247 Zu dieser besonders bei Vergleichen angewandten Technik vgl. oben, 224f.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Die Aussage des Flusses wird dadurch bekräftigt, dass ihm Versatzstücke antiker Goldzeitschilderungen in den Mund gelegt werden: So spricht Ocra insbesondere im Wortlaut der vierten Ekloge Vergils: Der an Pollio gerichtete Vers ecl. 4, 13 te duce, si qua manent sceleris vestigia nostri und die spätere Feststellung ecl. 4, 31 pauca tamen suberunt priscae vestigia fraudis sind in Vers 441 kontaminiert; ebenfalls dieser Ekloge ist die Formulierung des Verses 444 entnommen: solvent formidine terras (ecl. 4, 14).248 Des Weiteren ist in den Versen 445f. Claudians Panegyricus auf das Konsulat Stilichos imitiert (Stil. 2, 127f.), in dem das Erwachen der Künste unter Stilicho beschrieben ist: despectaque Musae / colla levant. Zum Ende des ersten Abschnitts seiner Rede hebt sich Ocra dann in seinem Glück über die von der Natur so gut gestellten Flüsse Ebro und Po: 446 447 448 449 450

quo sospite non ego magno Inuideam Eridano: non luxibus amnis Iberi Hic sua quantumuis aurato littora cornu Stringat, at ille Italas inter rex corniger undas Audiat, et coeli stellato fulgeat axe.

Bei der Beschreibung des Ebro bedient sich Bergius eines Selbstzitates; in seinem 1563 verfassten Epicedium auf Gerke Pawel hatte Bergius bezeichnenderweise die Oker mit dem Attribut aurato stringens loca pinguia cornu (41) versehen. Durch dieses Selbstzitat wird die ursprüngliche Anregung zu dieser Formulierung noch deutlicher: Bergius verdankt sie Vergil (georg. 4, 371ff.), der seinerseits den Po beschrieben hat: et gemina auratus taurino cornua vultu / Eridanus, quo non alius per pinguia culta [...] violentior effluit amnis. Auch Bergius’ Charakterisierung des Po liegt eine Georgicastelle zugrunde: Der Po heißt dort (georg. 1, 482) rex Eridanus. Zudem zieht Bergius noch Verg. Aen. 8, 77 (vom Tiber: corniger Hesperidum fluvius regnator aquarum) heran. Dass sich Ocra hier mit Eridanus vergleicht, hat freilich einen noch tiefer gehenden Grund: Oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass es sich bei der Eridanusszene in Claudians Panegyricus auf das sechste Konsulat des Honorius um eines der wichtigsten Vorbilder für Bergius’ Okerszene handelt. Eben mit Claudians Eridanus vergleicht sich jetzt Bergius’ Ocra selbst, indem er, in Anspielung auf Claudians Stelliger Eridanus (6. cons. Hon. 175), von diesem als einem Fluss spricht, der coeli stellato fulgeat axe (450). Erst im zweiten Teil seiner Rede, im Anschluss an das Lob auf Julius, gibt Ocra den Nymphen Anweisungen, einen Teppich zu weben. Hier bezieht sich Bergius wieder auf Sabinus: ————— 248 Zur vierten Ekloge vgl. zuletzt Albrecht, M. v.: P. Vergilius Maro, Bucolica – Hirtengedichte, Stuttgart 2001, 126ff.

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Bergius (451-461)

Sabinus nupt. Sigism. (25-42)

Nunc ô nunc Nymphae quantum ualeatis ab arte / Palladia, quantum radio poßitis acúque, / Declarare locus: rarum ac memorabile munus / Texendum quo Saxonicos ex ordine princeps / Heroas procereśque suos serieḿque parentum / Augustam et generis cernat primordia magni / Dixerat: at́que illae radios, subtegmina, stamen, / Virgatis promunt calathis: mox caetera adornant, / Carbasáque et filis deductum tenuibus aurum / Et linum, lanaśque leues, scapuḿque sonantem. / Feruet opus, uarij pingunt aulea colores.

Quas pater arrectis ut voces auribus hausit, / Protinus ex Nymphis formosam Callianassam, / Phyllodocenque Rhaninque vocat, Crocalenque Thoënque / Insignemque comis oculisque nitentibus Aeglen. / Omnes pingere acu doctas, omnesque peritas / Arguto tenues percurrere pectine telas. / His tum praecipiens, rarum ac memorabile munus, / Inquit, adornandum sponso: nunc arte magistra / Est opus: ergo manu celeres incumbite Nymphae, / Pictaque rebus imaginibusque aulaea vetustis / Texite, Sarmaticosque illic deducite reges: / Sponsus ut effigies, praeclaraque facta suorum / Inde recognoscat, validis imitetur et armis. / Talia fecisset coetu tum verba soluto, / Haud mora: textricum cingunt ad pectora ritu / Collectas Nymphae vestes, nudantque lacertos. / Post haec expediunt longas subtegmine telas, / Intentaeque sedent operi, peraguntque laborem.

Der Szene des Sabinus liegt der auch Bergius bekannte Wettstreit im Weben zwischen Arachne und Pallas Athene im sechsten Buch der Metamorphosen zugrunde (Ov. met. 6, 1-145). Während bei Sabinus der Weichselgott die Nymphen erst zusammenruft,249 erteilt der Okergott seinen Nymphen direkt den Auftrag, ihre Webkunst zu zeigen: 451 452 453 454 458

Nunc ô nunc250 Nymphae quantum ualeatis ab arte Palladia, quantum radio poßitis acúque, Declarare locus: rarum ac memorabile munus Texendum […] [...] mox caetera adornant.

Bei Sabinus heißt es an entsprechender Stelle: 29 30 31 32 33

Omnes pingere acu doctas, omnesque peritas Arguto tenues percurrere pectine telas.251 His tum praecipiens, rarum ac memorabile munus, Inquit, adornandum sponso: nunc arte magistra Est opus.

————— 249 Zu Sabinus’ Nymphenkatalog vgl. Verg. georg. 4, 336; ecl. 6, 21; Ov. met. 3, 171; Hom. Il. 18, 38-49; Hes. theog. 240-264 und 349-361. 250 Bergius übernimmt diese Einleitung wahrscheinlich aus Stat. Theb. 3, 360, vgl. auch Sil. 3, 509. 251 Zu diesem Vers vgl. Verg. Aen. 7, 14 (von Kirke): arguto tenuis percurrens pectine telas.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Die Umschreibung des Teppichs als rarum ac memorabile munus hat Sabinus vermutlich, angeregt von nomen memorabile aus der Arachneszene (met. 6, 12), aus Ov. met. 14, 225 memorabile munus und Iuv. 2, 113 rarum ac memorabile zusammengesetzt. Mit arte / Palladia, das arte magistra bei Sabinus imitiert, zeigt Bergius, dass auch er das ovidische Vorbild von Sabinus kannte: In Ov. met. 6, 23f. wird von Arachne gesagt: seu pingebat acu, scires a Pallade doctam. / Quod tamen ipsa negat tantaque offensa magistra.252 Bei der Beschreibung der Vorbereitung der Nymphen zum Weben gibt es nur eine Wortübereinstimmung zwischen Bergius und Sabinus; jedoch schimmert Ovid als gemeinsame Vorlage durch, und zwar so, dass Bergius nur solche Stellen aus Ovid imitiert, die Sabinus nicht in seine Darstellung aufgenommen hat: Bergius (457ff.): 457 458 459 460 461

at́que illae radios, subtegmina, stamen, Virgatis promunt calathis: mox caetera adornant, Carbasáque et filis deductum tenuibus aurum Et linum, lanaśque leues, scapuḿque sonantem. Feruet opus, uarij pingunt aulea colores.

Sabinus (39ff.): 39 40 41 42

Haud mora: textricum cingunt ad pectora ritu Collectas Nymphae vestes, nudantque lacertos. Post haec expediunt longas subtegmine telas, Intentaeque sedent operi, peraguntque laborem.253

Ov. met. 6, 53ff.: 53 55 56 57 59 60 65 68 69

Haud mora [...] [...] stamen secernit harundo; inseritur medium radiis subtemen acutis, quod digiti expediunt, atque inter stamina ductum / [...] utraque festinant cinctaeque ad pectora vestes bracchia docta movent, studio fallente laborem. / [...] in quo diversi niteant cum mille colores, / [...] illic et lentum filis immittitur aurum et vetus in tela deducitur argumentum.

————— 252 Zu Sabinus’ Formulierung vgl. auch Verg. Aen. 8, 442: nunc arte magistra. 253 An dieser Stelle lässt sich die bei Cytowska, 192 vermutete (und bereits bei Ellinger, Bd. 2, 73 vermerkte) Abhängigkeit Sabinus’ von Huttens Panegyricus (vgl. oben, 248) nachweisen, vgl. Hutten, 680ff. (von den Nymphen): Intentae sedere operi.

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Bergius ergänzt seine Darstellung schließlich auch durch die Beschreibung der spinnenden Parzen aus Catull. 64, 318 (antepedes autem candentis mollia lanae / vellera virgati custodibant calathisci), durch eine thematisch passende Formulierung aus Lucrez 5, 1353 (scapique sonantes) sowie durch die vor allem bei Vergil gebräuchlichen Wendung fervet opus (z.B. georg. 4, 169). Die nach der Ekphrasis der Vorfahren zu Ende geführte Rahmenhandlung (881-899) verläuft, ebenso wie die Einleitung, nach einem festen Schema: Der Flussgott hebt seinen Kopf aus der Höhle und greift in die Handlung ein;254 Bergius’ Handlung entspricht dabei weitgehend der des Sabinus,255 ohne dass es aber im Sprachlichen signifikante Übereinstimmungen gibt: Der Flussgott Oker überbringt das von seinen Nymphen gewebte Geschenk, bittet Julius in einer kurzen Ansprache, dieses wohlwollend anzunehmen, und taucht wieder in seine Höhle ab. 4.6.3.4.2 Die Ekphrasis Nach der Rahmenhandlung der Flussgottszene soll nun die Ekphrasis des Teppichs im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Dazu wird zunächst das darauf Dargestellte, die Ahnenreihe des Julius, in die literarische Tradition eingeordnet. 4.6.3.4.2.1 Die Tradition der dynastisch-genealogischen Herrscherserien Gegenstand des Gewebes, das die Nymphen herstellen, ist eine Herrscherserie, die von dem Sachsenkönig Sighard bis zum Vater des Julius reicht. Die eigentliche Wurzel solch eines reihenden Dichtens auf Herrscher waren Epigrammserien auf berühmte Persönlichkeiten, wie es sie seit der Antike gibt.256 Solchen Reihen dienten vor allem die fragmentarisch überlieferten Caesares des Decimus Magnus Ausonius als Vorbild.257 Dieser hatte vermutlich alle römischen Kaiser bis in seine Gegenwart behandelt; erhalten sind drei hexametrische Gedichte, in denen die zwölf Kaiser von Julius Caesar bis Domitian in je einem Vers unter den Gesichtspunkten der zeitlichen Reihenfolge, der Dauer der Herrschaft und der Todesart der Kaiser ————— 254 Vgl. dazu Dewar, 165 zu Claud. 6. cons. Hon. 159f. 255 Vgl. oben, 249f. 256 Mit diesem Thema beschäftigte sich zuletzt Schlegelmilch, Humanistische Fürstendichtung; vgl. zudem Amann-Bubenik, Cytowska und Laurens. 257 Vgl. Schlegelmilch, Humanistische Fürstendichtung, 256; Amann-Bubenik, 74; Cytowska, 187f., die zudem auf die Herkunft dieser Tradition in sepulkralen Inschriften und in Verbindung mit den römischen Ahnenporträts, den Imagines Maiorum, verweist, sowie Laurens, der auch griechische Vorbilder für Epigrammserien nennt.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

beschrieben werden. Darauf folgen Tetrasticha auf dieselben Herrscher, erweitert durch zwölf Gedichte auf die Kaiser von Nerva bis Elagabal. Der fragmentarische Überlieferungszustand der Caesares reizte viele Dichter des 16. Jahrhunderts, Supplemente zu Ausonius zu schaffen.258 Georg Sabinus war der erste, der eine Kaiserserie dichtete, in der die einzelnen Kaiser in ausführlicherer Form gepriesen worden sind. Seine erstmals 1532 veröffentlichten Caesares Germanici beschreiben in zwei Büchern die Taten der Kaiser von Karl dem Großen bis zu Ferdinand I. in elegischen Distichen259. Indem Sabinus manchen Herrschern bis zu hundert Verse zukommen lässt, leistet er der weiteren Entwicklung des 16. Jahrhunderts Vorschub, solche Herrscherserien, die zumeist als Kaiserpanegyrik angelegt sind, nach dem Vorbild der Augustuspanegyrik der Aeneis episch zu gestalten. Hierzu werden aus der Aeneis vor allem die Heldenschau (6, 756-853) und die Schildbeschreibung (8, 626-728) herangezogen.260 Eine weitere Änderung vollzieht sich dann in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und betrifft die Zusammenstellung der Herrscherreihen: Universalgeschichtliche Herrscherserien, welche sämtliche Kaiser berücksichtigen, verlieren an Bedeutung; an ihre Stelle treten, bedingt durch das Aufkommen des frühmodernen Territorialstaates und durch das Aufblühen der Landesgeschichtsschreibung, Serien, welche die Herrscher einer einzelnen Dynastie oder eines einzelnen Landes zum Thema haben.261 Eine episch angelegte, landesgeschichtliche Herrscherserie findet man beispielsweise in Sabinus’ oben behandeltem Hochzeitsgedicht auf den polnischen König Sigismund-Augustus (1543): Sabinus beschreibt in 389 Hexametern (43-432) einen Teppich, auf dem die Geschichte Polens von Leszek I. bis zu Sigismund-Augustus dargestellt ist262, und stellt dem Bräutigam die Vorfahren als Exempel für virtus und pietas vor Augen. Für die Darstellungsform und die Absicht seiner Herrscherserie beruft sich Sabinus ausdrücklich auf antike Vorbilder.263 ————— 258 Zu solchen Ausonius-Supplementen vgl. Amann-Bubenik, 75ff.; Schlegelmilch, Humanistische Fürstendichtung, 257. 259 Caesares Germanici, in: G. Sabinus, Poemata 1563, 200-236 (die erste Ausgabe von 1532 enthält nur die Kaiser bis Heinrich II.), vgl. Cytowska, 191. Zu Nikolaus Reusners 1572 erschienenen Sammlung von Herrscherepigrammen, der die Dichtung des Sabinus bis in die eigene Zeit weiterführt, vgl. Schlegelmilch, Humanistische Fürstendichtung, 257; Amann-Bubenik, 78. 260 Vgl. Amann-Bubenik, 79ff. mit Beispielen; siehe auch Ludwig, W.: Des Martin Opitz Epicedium auf Erzherzog Karl von Österreich, in: Ludwig, Miscella Neolatina, Bd. 3, 395-412, hier 408 (Erstveröffentlichung: Daphnis 29, 2000, 177-196). 261 Vgl. dazu Schlegelmilch, Humanistische Fürstendichtung, 258. 262 Zu Sabinus’ Quellen für die Geschichte Polens vgl. Cytowska, 191f. 263 Qualiter Aeneae clypeus monumenta Quiritum, / Haec ita maiorum referunt monumenta tuorum. / Hinc imitanda petas exempla domestica vitae: / Te seu laeta quies pacis, seu bella manebunt. / Scipio si quando statuas spectabat avorum, / Incensus magno virtutis amore flagrabat: / Quos tibi virtutis stimulos, illustria regum / Haec simulacra, istis efficta tapetibus, addent? /

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Wie für die Rahmenhandlung, so ist auch für die Ekphrasis das Hochzeitsgedicht des Sabinus eine wichtige Vorlage für Bergius; hinzu tritt für die Ekphrasis ein weiteres neulateinisches Gedicht, nämlich das Hochzeitsgedicht von Petrus Lotichius Secundus aus dem Jahre 1560 auf Johann Wilhelm (1530-1573), Herzog von Sachsen, und Susanna Dorothea:264 In diesem 648 Hexameter umfassenden, von Sabinus abhängigen Gedicht enthüllt die Muse Kalliope am Ufer des Neckar das Buch ihrer Mutter Mnemosyne, in dem die Heldentaten aus vergangener Zeit aufgezeichnet sind. In ihrer Rede (62-297) besingt Kalliope die Vorfahren des Bräutigams, angefangen beim Sachsenführer Wittekind (Widukind). In einer zweiten großen Rede preist der Neckar die Vorfahren der Braut (313-485). Bergius’ Herrscherserie, die nach Sabinus’ Vorbild und in Anlehnung an antike Vorlagen auf einem fiktiven Wandteppich abgebildet ist, rühmt die Dynastie der Braunschweiger Welfen.265 In seiner Genealogie der welfischen Fürsten folgt Bergius der Geschichtsschreibung seiner Zeit, wie sie uns noch in Philipp Julius Rehtmeyers Braunschweig-Lüneburgischen Chronica aus dem Jahre 1722 vorliegt:266 Für diese Genealogien ist charak————— Aspice Mesconem, pugnaces aspice Laechos, / Quos toga, quos acris commendat gloria Martis. / Hos propone tibi morum, vitaeque magistros [...] (484-494). Vgl. dazu Verg. Aen. 8, 626-728 (Schild des Aeneas); Sall. Iug. 4, 5ff. (Nam saepe ego audivi Q. Maxumum, P. Scipionem, praeterea civitatis nostrae praeclaros viros solitos ita dicere, quom maiorum imagines intuerentur, vehementissume sibi animum ad virtutem adcendi); Cic. de orat. 2, 36 (historia [...] magistra vitae). 264 Carmen, in nuptias illustrissimi Principis, Iohannis Guilielmi, Ducis Saxoniae, ac inclytae Susannae Dorotheae, illustriss. Principis Friderici Palatini Elect. F., Heidelberg 1560. Eine Übersicht über Lotichius’ Leben und Werk gibt Kühlmann, Humanistische Lyrik, 1178-1182. 265 Antike Vorlagen sind, wie bereits bei der Analyse der Rahmenhandlung gezeigt wurde, die Decke auf dem Hochzeitsbett von Peleus und Thetis (Catull. 64, 50ff.) und der Teppich der Pallas und Arachne (Ov. met. 6, 53ff.). Beschreibungen fiktiver Gewebe mit dynastisch-genealogischen Herrscherreihen sind im 16. Jahrhundert beliebt: In dem von Elias Reusner herausgegebenen Werk (ΒΑΣΙΛΙΚΩΝ Opus genealogicum catholicum de praecipuis familijs imperatorum, regum, principum aliorumque procerum orbis Christiani. Cum auctario genealogiae Comitum, Baronum et Dynastarum, Frankfurt 1612) sind viele solcher Gedichte gesammelt, vgl. z.B. Davidis Rorarii Aulaeum Principum Palatinorum et Ducum Bauariae, 239-242; Petri Albini Nivemontij Aulaeum regum et ducum Saxoniae, 254-259, dazu Schlegelmilch, Humanistische Fürstendichtung, 261. Ein Beispiel für einen Teppich mit der welfischen Dynastie ist das Hochzeitsgedicht für Friedrich Ulrich (reg. 1613-1634), den Enkel von Herzog Julius: Aulaea Guelphico-Brandenburgica, illustrißimi Principis et Domini, Domini Friderici-Hulderici, Ducis Brunsvicensis et Lunaeburgensis etc. et illustrißimae Principis et Dominae, Dominae Annae-Sophiae, ex serenissimis S. Romani imperij Septemviris Marchionibus Brandenburgicis etc. natae, nuptias auspicatas Wolferbyti, A. C. 1614, 4. Septemb. celebrantium, serenissimos et illustrissimos parentes, avos, proavos, abavos et atavos complectentia: Cum geminâ tabellâ stemmatographiam istam ob oculos ponente: Debitae subiectionis et faustae apprecationis ergò texebat M. Henricus Eckstormius, Helmstedt 1614. 266 Zu Rehtmeyers Quellen aus dem 16. Jahrhundert vgl. Lent, D.: Landesgeschichtsschreibung, in: Jarck, Braunschweiger Landesgeschichte, 63-78, bes. 69ff. Vgl. zudem Schneidmüller, 289f. und die Überblicksdarstellungen von Hamann, M.: Überlieferung, Erforschung und Darstel-

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teristisch, dass die karolingerzeitlichen Anfänge und die schwäbischbayerische Herkunft des Welfengeschlechts wegen der Landesherrschaft der Welfen im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg vernachlässigt werden und die Welfen über die Süpplingenburger, Liudolfinger, Ottonen und Brunonen auf die sächsischen Könige zurückgeführt werden, an deren Anfang oft (wie in Bergius’ Genealogie267) Sighard steht.268 Zusammenfassend lassen sich für alle diese Herrscherserien gemeinsame Merkmale feststellen: Dargestellt werden Herrscher eines bestimmten Landes, Reiches oder einer bestimmten Dynastie. Der Adressat ist zumeist ein lebender Vertreter dieser Dynastie oder selbst der letzte der dargestellten Reihe. Die Herrscher werden in chronologischer Reihenfolge behandelt, wobei eine vollständige Darstellung vom ersten bis zum letzten Vertreter der entsprechenden Reihe angestrebt wird. Der Vers ist nach dem Vorbild des Epigramms das elegische Distichon oder nach dem des Epos der Hexameter.269 4.6.3.4.2.2 Die Gestaltungstechnik des Teppichs Im Folgenden soll gezeigt werden, dass Bergius’ Gestaltung des Teppichs in struktureller wie auch sprachlich-stilistischer Hinsicht zum einen von der oben umrissenen Tradition der Herrscherserien geprägt ist, wie durch Bergius’ Imitationen der in dieser Tradition stehenden Gedichte des Sabinus und Lotichius nachzuweisen ist, zum anderen aber auch von der antiken Theorie der Ekphrasis beeinflusst ist, die Bergius in zahlreichen antiken Gedichten verwirklicht fand. Der aus der Rhetorik der griechischen Kaiserzeit stammende Begriff ἔκφρασις bezeichnet eine genaue Beschreibung von Personen, Sachen, Situationen oder Orten. In den Progymnasmataschriften wird Ekphrasis als rhetorische Übung und Kompositionsmöglichkeit definiert, die keine eigenständige Gattung darstellt, sondern als Beschreibung einen Teil von Texten längeren Umfangs bildet und sich ————— lung der Landesgeschichte in Niedersachsen, in: Patze, 1-96 und König, J.: Quellengeschichtliche Grundlagen und Landesgeschichtsschreibung, in: Moderhack, 39-59. 267 Eine Übersicht über die in Bergius’ Genealogie genannten Fürsten findet sich unten als Anhang 3. 268 Zur Geschichte der Welfen grundlegend sind die Arbeiten von Bernd Schneidmüller: vgl. dens., 288ff.; zudem seine Aufsätze: Mittelalterliche Reduktion – neuzeitlicher Aufbruch. Die Territorialisierung welfischen Adelsbewußtseins im 13. Jahrhundert und seine Europäisierung durch Leibniz, in: H. Breger / F. Niewöhner (Hgg.), Leibniz und Niedersachsen. Tagung anlässlich des 350. Geburtstages von G. W. Leibniz, Wolfenbüttel 1996, Stuttgart 1999, 87-104, hier 94ff.; Reichsnähe – Königsferne: Goslar, Braunschweig und das Reich im späten Mittelalter, in: NdsJb 64 (1992), 1-52, hier 43ff.; Landesherrschaft, welfische Identität und sächsische Geschichte, in: P. Moraw (Hg.), Regionale Identität und soziale Gruppen im deutschen Mittelalter (Zeitschrift für historische Forschung. Beiheft 14), Berlin 1992, 65-101. 269 Vgl. Amann-Bubenik, 87-89.

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somit in verschiedenen literarischen Gattungen findet.270 Die Ekphrasis ist weder auf die Beschreibung von Gegenständen, etwa von Kunstwerken, 271 beschränkt noch an die Gattung des Epos gebunden, obwohl sie hier seit der homerischen Schildbeschreibung (Il. 18, 478ff.) einen festen Platz innehat. Während allerdings die Darstellungen auf dem Schild Achills keinen unmittelbaren Bezug zum Träger oder zum weiteren Verlauf der Handlung aufweisen, sondern die Beschreibung vor allem dazu dient, ein retardierendes Moment vor dem Entscheidungskampf zwischen Achill und Hektor zu bilden, ändert sich die Funktion der Ekphrasis seit dem Hellenismus: Die Dichter setzen das Dargestellte stärker in Verbindung zum Inhalt und zur Gesamtaussage ihres Werkes, gleich ob es sich um Schildbeschreibungen (z.B. Verg. Aen. 7, 789ff.: Schild des Turnus; Aen. 8, 626ff.: Schild des Aeneas; Sil. 2, 395ff.: Schild des Hannibal), um Beschreibungen von Palast- bzw. Tempeltüren u.ä. (z.B. Verg. Aen. 1, 446ff.: Junotempel in Karthago; Aen. 6, 14ff.: Apollotempel in Cumae; Ov. met. 2, 1ff.: Palast des Sol) oder – wie bei Bergius – um Beschreibungen von Geweben272 (z.B. Catull. 64, 50ff.: Decke auf dem Hochzeitsbett von Peleus und Thetis; Ov. met. 6, 53ff.: Teppich der Pallas und Arachne; Claud. rapt. Proserp. 1, 246ff.: Gewebe der Proserpina; Stil. 2, 339ff.: trabea Stilichos) handelt.273 So ist bei Bergius der Gegenstand der Ekphrasis, der Teppich, dadurch mit der Handlung des Panegyricum Carmen verknüpft, dass die Nymphen in der Flussgottszene den Teppich weben; auch der Inhalt der Ekphrasis, das Lob der Vorfahren des Julius und die damit intendierte Funktion, Julius zu preisen und ihn zu ähnlichem Verhalten zu ermuntern, ist durch zahlreiche frühere Parallelen zwischen Julius und seinen ruhmvollen Vorfahren vorbereitet: Bereits im Prooemium wird Julius aufgrund seiner Tugend und sei————— 270 Zur Definition des Begriffs Ekphrasis in der antiken Theorie vgl. Schlegelmilch, Descriptio templi, 33ff.; zudem Graf; Cizek, A. N.: Imitatio et tractatio. Die literarischrhetorischen Grundlagen der Nachahmung in Antike und Mittelalter, Tübingen 1994, 286ff.; Downey, G.: Ekphrasis, in: RAC 4 (1959), 921-944, bes. 921-923; Fantuzzi, 942f.; Reitz; Surmann, B.: Ekphrasis, in: Döpp / Geerlings, 215f. 271 Zu Architektur- und Kunstbeschreibungen vor allem in Mittelalter und Neuzeit vgl. zuletzt Arnulf, A.: Architektur- und Kunstbeschreibungen von der Antike bis zum 16. Jahrhundert, München 2004, bes. 21-88 (Kunstbeschreibungen in der antiken Literatur im Überblick) und 491568 (Kunstbeschreibungen des 15. und frühen 16. Jahrhunderts); vgl. auch Schlegelmilch, Descriptio templi. Grundlegend zur Kunstbeschreibung in der griechischen und römischen Literatur ist der Überblick von Friedländer, P.: Johannes von Gaza, Paulus Silentiarius und Prokopius von Gaza. Kunstbeschreibungen justinianischer Zeit, Leipzig 1912 (Nachdruck Hildesheim 1969), 1-103. Vgl. zudem Manakidou, F.: Beschreibung von Kunstwerken in der hellenistischen Dichtung. Ein Beitrag zur hellenistischen Poetik, Stuttgart 1993; Ravenna. 272 Speziell zu Teppichen vgl. Albrecht, M. von: Der Teppich als literarisches Motiv, in: G. J. Metcalf / H. S. Schultz (Hgg.), Deutsche Beiträge zur geistigen Überlieferung, Bd. 7, Heidelberg 1972, 11-89. 273 Vgl. dazu Ratkowitsch, Ch.: Descriptio Picturae. Die literarische Funktion der Beschreibung von Kunstwerken in der lateinischen Großdichtung des 12. Jahrhunderts, Wien 1991, 9f.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

nes starken Willens in die Reihe der Vorfahren gestellt (25-29, vgl. auch 357-362, 371f.). An anderer Stelle wird der Einsatz der Vorfahren für die Kirche Christi lobend hervorgehoben und auf Julius übertragen (140ff., 304-311). Solche Beziehungen zwischen Julius und seinen Ahnen finden sich auch nach der Ekphrasis (vgl. 976-980, 1098-1105). Bergius’ Bestreben bei der Beschreibung des Teppichs ist es, wie die folgenden Untersuchungen zu seiner Imitationstechnik zeigen, das darauf Dargestellte möglichst anschaulich den Lesern (oder Zuhörern) zu vermitteln. Die Anschaulichkeit (ἐνάργεια) wurde bereits in den griechischen rhetorischen Handbüchern als wesentliches Merkmal der Ekphrasis festgehalten: Neben Theon von Smyrna274 nennt beispielsweise der spätantike Progymnasmatiker Nikolaos die Anschaulichkeit, welche bei den Zuhörern eine Verwandlung der Worte in Bilder bewirkt und sie so zu Zuschauern werden lässt, als Kernaufgabe der Ekphrasis; er unterscheidet daher die Ekphrasis von der Erzählung (διήγησις): ἔκφρασις ἐστι λόγος ἀφηγηματικός, ὑπ᾿ ὄψιν ἄγων ἐναργῶς τὸ δηλούμενον. πρόσκειται δὲ ἐναργῶς, ὅτι κατὰ τοῦ τὸ μάλιστα τῆς διηγήσεως διαφέρει· ἣ μὲν γὰρ ψιλὴν ἔχει ἔκθεσιν πραγμάτων, ἣ δὲ πειρᾶται θεατὰς τοὺς ἀκούοντας ἐργάζεσθαι.275

Cicero hat den Eindruck beschrieben, den eine klare Erläuterung und eine fast visuelle Darstellung von Ereignissen auf die Zuhörer macht: Nam et commoratio una in re permultum movet et inlustris explanatio rerumque, quasi gerantur, sub aspectum paene subiectio; quae et in exponenda re plurimum valent et ad inlustrandum id, quod exponitur, et ad amplificandum, ut iis qui audient illud quod augebimus, quantum efficere oratio poterit, tantum esse videatur.276

Anschaulich und als Bild fassbar wird Bergius’ Herrscherserie auf dem Teppich zunächst dadurch, dass er den Teppich vor den Augen des Lesers entstehen lässt. Hinweise auf die Webtätigkeit der Nymphen werden im ————— 274 Progymnasmata 11: ἐστι λόγος περιηγηματικὸς ἐναργῶς ὑπ᾿ ὄψιν ἄγων τὸ δηλούμενον (118, 7ff. ed. L. Spengel [Rhetores Graeci II, Leipzig 1854]), dazu Graf, 144; Cizek, 287. 275 Vgl. Nikolaos, Progymnasmata 68, 8-12 (ed. I. Felten [Rhetores Graeci XI, Leipzig 1913]): »Die Ekphrasis ist eine darstellende Form der Rede, welche das zu Zeigende anschaulich vor Augen stellt. ›Anschaulich‹ kommt aber deshalb (sc. als Bedingung) hinzu, weil sie sich darin am stärksten von der Erzählung unterscheidet. Die Erzählung führt nämlich die Ereignisse bloß auf, die Ekphrasis dagegen sucht die Zuhörer zu Zuschauern zu machen«; die Übersetzung ist übernommen von Schlegelmilch, Descriptio templi, 36; zu der Stelle vgl. auch Graf, 145; Cizek, 288. 276 Vgl. Cic. de orat. 3, 202: »Denn es ist sehr bewegend, sich bei einer einzigen Sache lange aufzuhalten und sie herrlich zu entfalten und die Dinge beinahe, als ob sie ausgeführt würden, vor Augen zu führen. Dies ist auch bei der Darlegung einer Sache sehr viel wert: sowohl bei der Erhellung dessen, was dargelegt wird, als auch bei der Steigerung, damit den Zuhörern das, was wir hervorheben wollen, so bedeutend zu sein scheint, wie es die Rede zu erwirken vermag«. Zur Stelle siehe auch Schlegelmilch, Descriptio templi, 55.

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Verlaufe der Beschreibung immer wieder eingefügt: nympharum tela figurat (624), Post hunc ALBERTVS multo detexitur ostro (743), Filius ALBERTVS telae loca proxima complet (764), Longe alium radius nympharum pinxit acuśque (800), Post hunc bis gemini fratres loca proxima telae / Obtinuêre (534f.), Extremo demum pertextae in margine telae / Conspicitur (874f.). Bergius kann hierbei auf sein Vorbild Sabinus (nupt. Sigism.) zurückgreifen, der ebenfalls den Webvorgang hervorhebt: Inde figurantur (88), Mesco figuratur (184), Lesconis imago secundi / [...] precioso intexitur ostro (131f.), pingunt Nymphae (210).277 Diese Erwähnungen stellen dem Leser den Vorgang des Webens und Bildgestaltens plastisch vor Augen, sie dienen gleichzeitig aber auch als Verbindungsglied zwischen den einzelnen Herrscherporträts. Solche Wendungen sind oft stereotyp: Bergius gebraucht besonders häufig sequitur (493, 531, 568, 589, 654, 719, 733, 818, 853), daneben auch hunc [...] subit (485, 528), adest (533, 775), incedit (594), additur (638) und Formulierungen wie Tertius inde suo succedit BRVNO parenti (612), die Sabinus’ Tertius extincto succedit Lesco parenti (nupt. Sigism. 138) imitiert, oder Iam tum conspicuus iam tum uenerabilis ibat [...] Guilhelmus (846f.), mit der er Claudian zitiert: iam tum conspicuus, iam tum venerabilis ibas (Stil. 1, 44). Die einzelnen Szenen oder Bilder werden der Reihe nach (ex ordine 142, 454) beschrieben, eine Technik, die sich bei chronologisch strukturierten Herrscherreihen anbietet.278 Um die Fiktion des Bildes aufrechtzuerhalten, gibt der Dichter räumliche Hinweise, z.B. una [...] de parte (768), Ecce alia de parte (787), hinc [...] illic (857), Nec procul (747), Non procul (835), nec abest procul (853). Dieses Verfahren ist in antiken und neulateinischen Kunstbeschreibungen gleichermaßen beliebt.279 Ein weiteres Mittel, zu dem Bergius greift, um das zu Beschreibende zu veranschaulichen, ist, den Leser durch direkte Anrede mit Verben wie Ecce (699, 787), uideas (538, 634), uideres (598, 725) ins Geschehen einzubeziehen und ihm zu vermitteln, wie täuschend echt oder lebendig die Darstellung auf dem Kunstwerk gelungen ist. Diese illusionistische Technik ist seit ————— 277 Ähnliche Überleitungsformeln finden sich auch in den oben genannten Teppichdarstellungen von David Rorarius und Petrus Albinus. Anregungen fand Bergius auch in den antiken Gewebe-Ekphraseis, vgl. z.B. Ov. met. 6, 93 und 127f.; Claud. Stil. 2, 341; Claud. rapt. 1, 247, 249, 259, 266 und 269. 278 Vgl. z.B. Verg. Aen. 1, 456: videt Iliacas ex ordine pugnas, dazu Schlegelmilch, Descriptio templi, 59; Fowler, D. P.: Narrate and Describe: The Problem of Ekphrasis, in: JRS 81 (1991), 25-35, hier 32; Ravenna, 16f. 279 Vgl. Schlegelmilch, Descriptio templi, 59; Ravenna, 17ff. Antike Beispiele sind Catull. 64, 251: parte ex alia; Verg. Aen. 1, 469: nec procul hinc. 1, 474: parte alia. 8, 635: nec procul hinc. 8, 642: haud procul inde. 8, 666: hinc procul. 8, 682: parte alia; Sil. 2, 420: nec procul. 2, 426: parte alia; Claud. Stil. 2, 350: parte alia.

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Homers Schildbeschreibung (Il. 18, 548f.) Topos der Ekphrasis.280 Bergius bezieht sich hierbei, soweit ich sehe, auf antike Texte (seine neulateinischen Vorbilder Sabinus und Lotichius verzichten auf dieses Mittel): Von Sighard heißt es beispielsweise uiuos simulans in imagine uultus (472); Bergius greift hier auf die berühmten Worte vivos ducent de marmore vultus aus der Heldenschau zurück (Verg. Aen. 6, 848). An anderer Stelle scheint Heinrichs Frömmigkeit selbst auf dem stummen Bild festgehalten zu sein: pietas in imagine muta / Visa repraesentari adeo (803f.). Formulierungshilfe könnte Ov. rem. 723 imagine muta gewesen sein. Betrachtet man nun die einzelnen Herrscherporträts bei Bergius, so haben sie je nach Bedeutung der Fürsten eine Länge zwischen zwei und 48 Versen. Die Beschreibung der einzelnen Personen erfolgt nicht nach einem festen Schema, sondern mit unterschiedlicher Akzentsetzung, ganz so, wie sie Bergius in der Geschichtsschreibung seiner Zeit vorfinden konnte. Sein verbindliches Ziel bei allen Darstellungen besteht darin, sie anschaulich und lebendig zu gestalten. Diese Wirkung erreicht der Dichter auf verschiedene Weise: Neben detaillierten Körperbeschreibungen werden zumeist (Kriegs-) Handlungen geschildert, die oft mit dem Tod des Herrschers enden. Bisweilen kommentiert der Dichter das Geschehen in Form von Sentenzen oder verdeutlicht es durch Gleichnisse. Sein sprachliches Material schöpft er zuvörderst aus dem antiken Epos, insbesondere, wenn er Gestalten und Kämpfe beschreibt: Diese Imitationen können bisweilen auch über einzelne Phrasen hinausgehen und größere Zusammenhänge betreffen. Besonders deutlich wird Bergius’ Umgang mit dem römischen Epos in seinem Porträt von Heinrich dem Älteren, wie er gerade mit seinem Vater Wilhelm seine Truppen in eine Schlacht führt (851-863). In diesen Versen macht Bergius ausgiebig Gebrauch von Statius’ Schilderung der anrückenden Argiver im siebten Buch der Thebais. Es ergeben sich folgende Entsprechungen zwischen Bergius und Statius:

————— 280 Vgl. z.B. Verg. Aen. 8, 649f.: illum indignanti similem similemque minanti / aspiceres; Ov. met. 6, 104: verum taurum, freta vera putares; Stat. Theb. 2, 215f.: species est cernere avorum / comminus et vivis certantia vultibus aera. Zu optischen treten bisweilen auch akustische Illusionen, vgl. Claud. Stil. 2, 346f.: teneros de stamine risus / vagitusque audire putes. Siehe dazu Schlegelmilch, Descriptio templi, 64f.; Fantuzzi, 943-945; Reitz, 946; Ravenna, 6. Zum Topos vgl. auch Arbusow, L.: Colores Rhetorici. Eine Auswahl rhetorischer Figuren und Gemeinplätze als Hilfsmittel für akademische Übungen an mittelalterlichen Texten, 2., durchgesehene und vermehrte Auflage, hrsg. von H. Peter, Göttingen 1963, 24f.

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Bergius (851-863)

Statius 7, 293-399

851f.: Mox ipsum Henricus genitorem in flore iuuentae / Consequitur

301f. genitorem in flore iuventae / consequitur

855ff.: Tercentum genitor, tercentum in praelia nati / Exercent equites, / pariteŕque assurgit in auras / Caßidis aequus apex.

305f. Tercentum genitor totidemque in proelia natus / exercent equites 292f. exit in auras / cassidis aequus apex

858f.: hośque ordine primo / Ire iubet, medio 394f. iubet ordine primo / ire duces, media hos locat agmine stipantur plebe maritae 862f.: Ducere terrificis nocteḿque dieḿque sub armis, / Noctem iterum russuśque diem

398f. interea Danai noctemque diemque sub armis, / noctem iterum rursusque diem.

In Anschluss daran gibt Bergius einen verschlüsselten, gleichwohl überdeutlichen Hinweis auf sein literarisches Hauptvorbild: Er vergleicht nämlich in den Versen 864-867 Heinrich und Wilhelm mit den argivischen Helden Polyneikes und Tydeus, wie sie gegen die Stadt Theben stürmen.281 Über das antike Epos hinaus lässt sich Bergius aber auch von den neulateinischen Herrscherserien in den Hochzeitsgedichten von Lotichius und Sabinus sowie von Sabinus’ Caesares Germanici inspirieren – vor allem dann, wenn die Herrscher dieser Gedichte mit denen in Bergius’ Ekphrasis identisch sind. Bergius’ Darstellungs- und Imitationstechnik soll im Folgenden exemplarisch an drei unterschiedlich gestalteten, besonders aufschlussreichen Herrscherporträts verdeutlicht werden, denen des Sachsenführers Widukind, Lothars von Süpplingenburg und des Welfen Heinrich des Löwen. Widukind wird in den Versen 492-526 beschrieben. Nicht sehr signifikante Elemente, die seinem Kampfesmut und seinem Aussehen gelten, sind aus antiken Versatzstücken gestaltet.282 Signifikanter ist seine Imitation des antiken Epos dort, wo er Widukind als klugen Feldherrn porträtiert (508ff.): doctißimus ipse / Bello aptare uiros, momentáque scire ciendi / Martis, et ensiferas inter dux ire cateruas. Bergius imitiert mit diesen Versen Stat. Theb. 4, 320f.: Tu bellis aptare viros, tu pondera ferre / Martis et ensiferas inter potes ire catervas? und greift zudem auf seine eigene, seinem Vorbild Statius noch getreuere Formulierung zurück, die er in der Erzählung über die Verteidigung der Stadt Lüneburg (1564) für Ulrich von Weißenburg gebraucht hat: optimus ipse / Et bellis aptare viros, momentaque scire / Martis, et ensiferas inter dux ire cateruas (224-226). Im Zusammenhang mit Kampfschilderungen verwendet Bergius aber auch neulateinische Vorbilder, die er dann noch mit Versen der klassischen Epik ergänzt: So ist für ————— 281 Zu dieser Technik, die Hauptvorlage in verschlüsselter Form zu bestimmen, vgl. oben, 225. 282 Für Einzelnes vgl. den Similienapparat.

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Bergius’ Multáque magnanimo cum Saxone praelia fecit (515) unmittelbares Vorbild Sabin. nupt. Sigism., 83: Binaque magnanimo cum Teutone praelia fecit, das er durch die Ersetzung von Teutone durch Saxone seinem Zusammenhang anpasst; zudem ist bei Bergius noch Verg. Aen. 2, 397: multaque [...] proelia berücksichtigt. Besonders gerne greift Bergius in seinem Abschnitt über den Krieger Widukind auf jenes Porträt des Widukind zurück, welches sich in der Ahnenreihe in Lotichius’ Hochzeitsgedicht auf Johann Wilhelm findet: So ist Widukind vor allem durch seinen Schild hervorgehoben, auf welchem ein weißes Pferd abgebildet ist: 283 bellíque insigne paternum / In clipeo sonipes exultat imagine pulchra / Candidus, et tenues hinnitu dißipat auras (497-499). Bei der Beschreibung dieser für Widukind charakteristischen Waffe übernimmt Bergius fast wörtlich eine bereits für diesen Schild des Widukind geprägte neulateinische Formulierung aus Lotichius’ Hochzeitsgedicht auf Johann Wilhelm: In clypeo sonipes excußis liber habenis / Emicat, et volucres hinnitu disijcit auras / Arduus alta petens: iuxtaque insigne paternum (87-89). Den Versen des Lotichius liegt Verg. Aen. 7, 657 clipeoque insigne paternum zugrunde, wo der Schild des Aventinus mit dem väterlichen Wappen der Hydra beschrieben ist. Bergius seinerseits bezieht sich ebenfalls auf Vergil, wenn auch auf eine andere Stelle: Den Tod Widukinds beschreibt Bergius folgendermaßen (523ff.): Absumpsit Mauors, et funere mersit acerbo, / Immemor annorum, seniuḿque oblitus, in arma / Dum ruit. Hier ist zunächst der Ausdruck funere mersit acerbo Selbstzitat aus dem Epicedium für Gerke Pawel aus dem Jahre 1563 (Vers 24); sein eigentlicher Ursprung ist freilich Verg. Aen. 6, 429: abstulit atra dies et funere mersit acerbo. Vergil, der an dieser Stelle den frühen Tod der Kinder, die am Eingang der Unterwelt zu hören sind, schildert, gebraucht eben diesen Vers ein zweites Mal für den Tod des Helden Pallas (Aen. 11, 28). Sicher lag Bergius letztere Stelle für seine Imitation näher. Der auf die Todesbeschreibung Widukinds folgende erklärende dum-Satz (524f.: Immemor annorum, seniuḿque oblitus, in arma / Dum ruit) ist wiederum nahezu wörtlich aus Lotichius’ Widukinddarstellung genommen (nupt. Guil. 106f.: Immemor annorum senijque oblitus, in hostem / Dum ruit).284 Sieht man von der Schilderung des Kriegers Widukind ab, so ist die Vergilische Aeneis noch einmal signifikantes Vorbild an jener Stelle, wo Bergius die Sachsen als ein noch nicht christianisiertes und unkultiviertes ————— 283 Bergius führt hier das weiße Ross als niedersächsisches Wappentier bereits auf Widukind zurück, eine Erfindung des 14. Jahrhunderts, die insbesondere durch die Sachsenchronik Konrad Botes von 1492 Verbreitung fand, vgl. Veddeler, P.: Das Niedersachsenroß – Geschichte des niedersächsischen Landeswappens, Hannover 1996, 137. 284 Zu der von Bergius angewandten Technik, durch die geringfügigen Abweichungen von Lotichius dessen Vorlage zu offenbaren, vgl. oben, 225.

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Volk charakterisiert: Qui gentem haud habilem uinclis, haud legibus aequam / Et ueteres tantum ritus de more sequentem (503f.). Nur wer die dahinterstehende Vergilstelle kennt, entdeckt das hohe Lob, welches Bergius hier den Sachsen zollt. Denn sein Vorbild ist Vergils Charakterisierung der einheimischen Latiner im siebten Buch der Aeneis: Saturni gentem haud vinclo nec legibus aequam, / sponte sua veterisque dei se more tenentem (203f.). Schließlich scheint für Bergius noch die christliche Dichtung der Antike dort wichtig zu werden, wo er von der Bekehrung Widukinds handelt. So sind für die Verse 520f.: Veráque sincero uenerari numina cultu / Iußit, et erectam coelo sustollere mentem folgende Stellen heranzuziehen: Alc. Avit. carm. 6, 56 sincero [...] cultu; Sidon. carm. 1, 3 venerari numina; Alc. Avit. carm. 5, 568 erectas [...] tollite mentes. In dem nur sieben Verse (654-660) umfassenden Porträt Lothars hebt Bergius insbesondere dessen Wiederherstellung des Rechts hervor: at una / Re superans alios, quod leges morte sepultas / Restituit (657-659). Gedanke und Formulierung dieser Würdigung stammen aus den Caesares Germanici des Sabinus, wo es von demselben Lothar heißt: Restituit veterum neglecta volumina legum, / Inque scholis iussit publica iura legi, / Quae prius obscura sub nocte sepulta iacebant (S. 213f., Vv. 15-17). Sabinus’ Formulierung volumina legum (statt etwa bloßem leges) scheint Bergius zu der eigenen Erfindung angeregt zu haben, im Folgenden Lothar mit einem Buch darzustellen: Gerit ille auro gemmiśque uolumen / Cyaneóque obtectum hyacintho et Iaspide glauca (659f.). Sprachlich gestaltet ist diese Erfindung dann ihrerseits nach einem anderen neulateinischen Vorbild, nämlich Lotichius’ Beschreibung eines kostbaren Buches, eines ornatum gemmis, auroque volumen, / Cyaneoque nitens hyacintho, et iaspide glauca (nupt. Guil. 52f.), welches Mnemosyne ihrer Tochter Kalliope geschenkt hat und in welchem erinnerungswürdige Taten früherer Helden verzeichnet sind. Eine enge gedankliche Verbindung zwischen den Beschreibungen bei Bergius und Lotichius ist unverkennbar: In beiden Fällen wirkt das Buch dem Vergessen bewahrenswerter Traditionen entgegen. In 48 Versen (670-718) wird Heinrich der Löwe ausführlicher beschrieben als jede andere auf dem Teppich abgebildete Figur.285 Gleich in dem Einleitungsvers 670 spricht der Dichter von einem argumentum ingens: Hierbei handelt es sich um ein, wie gleich noch deutlich werden wird, signi————— 285 Dies verwundert nicht, denn Heinrich der Löwe galt und gilt als eine herausragende Gestalt des Welfengeschlechts, insbesondere in seiner Residenzstadt Braunschweig. Die neuere Forschungsliteratur ist zusammengefasst von Seifert, H.: Neue historische Literatur. Heinrich der Löwe und die Welfen. Ein Jubiläum und sein Ertrag für die Forschung, in: Historische Zeitschrift 268 (1999), 375-406.

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fikantes Zitat aus Vergils Aeneis (7, 791), in der mit diesen Worten die Bildszene auf dem Schild des Turnus charakterisiert ist. Ähnlich wie bei Widukind häufen sich auch bei Heinrich dem Löwen die Imitationen in denjenigen Abschnitten, in denen sein Kampfesmut und seine Kriegstaten beschrieben sind. Ebenso wie bei Widukind lassen sich hier antike neben neulateinischen Vorbildern nachweisen. Bergius stützt sich zunächst vor allem auf Sabinus, dessen Hochzeitsgedicht er viele Verse verdankt: Heinrichs kriegerisches Machtstreben umschreibt Bergius folgendermaßen: Paßim strata iacent hostilia corpora campo / Qua fertur, totiśque cruor diffunditur aruis. / Tristia collucent diffusis moenia flammis, / Oppidáque horrificis lapsant impulsa ruinis (683ff.). Er kombiniert hierbei zwei Stellen aus Sabinus’ ekphrastischer Herrscherserie: Circumfusa iacent pallenti corpora letho / Tradita: purpureusque cruor diffunditur arvis (nupt. Sigism. 103f.) und Tristia collucent diffusis moenia flammis, / Concussaque domos, impendentesque ruinas / Nympharum textura refert (nupt. Sigism. 119ff.). Dabei zitiert Bergius in 685 einen vollständigen Sabinusvers wörtlich286, ansonsten variiert er seine Übernahmen aus Sabinus – oft mit Rückgriff auf antike Versatzstücke: Verg. ecl. 7, 54: strata iacent passim; Lucan. 4, 490: iacent [...] corpora campo; Lucan. 9, 749: totisque [...] arvis; Verg. Aen. 3, 571 horrificis [...] ruinis. Auch die Würdigung von Heinrichs Kriegseifer Laudibus armorum nullis Heroibus ille / Inferior (675f.) ist eine nahezu wörtliche Imitation des Sabinus: Laudibus armorum nullis heroibus esset / Inferior (nupt. Sigism. 202f.). Sabinus spricht an dieser Stelle von Kasimir I. (1016-1058), der wie Heinrich der Löwe aus der Heimat vertrieben wurde (Sabinus, 197: regnoque exutus avito gegenüber Bergius, 704: terris exutus auitis287), zurückkehrt und um seine Macht kämpft. Bemerkenswert ist an dieser Stelle freilich, dass Bergius gegenüber seinem Vorbild Sabinus eine Erweiterung um ein Gleichnis vornimmt, das sich in seiner Funktion von den übrigen Gleichnissen und Vergleichen in Bergius’ Panegyricum Carmen (mit Ausnahme des Gleichnisses im Porträt zu Otto dem Erlauchten288) unterscheidet: Während es hier die Handlung veranschaulicht, sind die übrigen Gleichnisse und Vergleiche Mittel der αὔξησις: Sie dienen der panegyrischen Erhöhung des Julius bzw. der Verunglimpfung seiner katholischen Gegner.289 Das jetzt folgende Gleichnis soll die Kampfeswut und Machtgier Heinrichs des Löwen verdeutlichen, der nach seinem dreijährigen Exil in England gewaltsam versucht, sein sächsisches Stammland zurückzugewinnen. Er wird verglichen mit einem ————— 286 Zu der in der Antike verpönten wörtlichen Versimitation vgl. oben, 215. 287 Wie auch sonst oft scheint Bergius durch seine Abweichung zu erkennen zu geben, dass er von Sabinus’ antikem Vorbild weiß, nämlich Verg. georg. 3, 228 regnis excessit avitis. 288 Zu diesem Gleichnis vgl. die Verse 553ff. 289 Vgl. z.B. 368-372 und 319-321.

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Leitstier, der nach einer Niederlage in sein Revier zurückkehrt und seinen Rivalen, der ihn verdrängt hat, zur Revanche herausfordert: 711 712 713 714 715 716 717 718

Tertius exactum iam Sol concluserat annum, Cum redit, et bello pridem sibi adempta reposcens Arma capit: uelut armenti dux taurus, amata Expulsus sylua, cum se collegit et armos Composuit, duris exercens cornua truncis, Et iam firmatum robur, uireśque receptae Maior in arma ruit, saltuśque et amica reposcens Agmina, praecipiti riualem submouet ira.

In seiner Funktion entspricht das Gleichnis exakt dem Stiergleichnis im zweiten Buch der Thebais des Statius (2, 323-332), wo der aus Theben vertriebene, die Rückeroberung seiner Heimat vorbereitende Polyneikes in seinem Zorn mit einem Stier verglichen wird. Mit seinem Hauptvorbild weist Bergius eine Reihe von wörtlichen Übereinstimmungen auf, insbesondere am Anfang und am Schluss des Gleichnisses: 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332

veluti dux taurus amata valle carens, pulsum solito quem gramine victor iussit ab erepta longe mugire iuvenca, cum profugo placuere tori cervixque recepto sanguine magna redit fractaeque in pectora quercus, bella cupit pastusque et capta armenta reposcit iam pede, iam cornu melior ( pavet ipse reversum victor, et attoniti vix agnovere magistri): non alias tacita iuvenis Teumesius iras mente acuit.

Bergius greift jedoch nicht nur auf Statius zurück, sondern berücksichtigt die ganze literarische Tradition des Stiergleichnisses, an welchem in der zeitgenössischen Poetik großes Interesse bestand: Alle einschlägigen Stellen sind bereits in Scaligers Poetik im fünften Buch (Kap. 14) zusammengestellt.290 Für Bergius von Bedeutung ist über Statius hinaus noch das Stiergleichnis Vergils im dritten Buch der Georgica (3, 229-236) sowie das Gleichnis Lucans (2, 601-609). Bei Vergil ist anders als bei Bergius (sowie Statius und Lucan) der Stier nicht der Handelnde auf der Vergleichsebene, sondern wird seinerseits im Gleichnis mit einer Flutwelle verglichen.291 Bergius übernimmt aus der Vergilischen Stierhandlung die Formulierung der Rückkehr des erstarkten Stieres zum Kampf (vgl. zu 716): ————— 290 Vgl. 5, 14 (Deitz / Vogt-Spira) 520ff. 291 Zum Vergilgleichnis vgl. zuletzt Schindler, C.: Untersuchungen zu den Gleichnissen im römischen Lehrgedicht: Lucrez, Vergil, Manilius, Göttingen 2000, 171ff.; Erren, M.: P. Vergilius Maro, Georgica, Bd. 2: Kommentar, Heidelberg 2003, 662ff.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius 235 Post, ubi collectum robur viresque refectae (receptae v. l.), 236 signa movet praecepsque oblitum fertur in hostem.

Lucan schließlich nimmt den Rückzug des Stiers zum Vergleichspunkt für Pompeius, der sich aus Angst, Caesar zu unterliegen, zurückzieht und an sicherem Ort Kräfte sammelt.292 An Lucan orientiert Bergius seine Verse 714f., in denen er die Vertreibung und das Krafttraining des Stiers beschreibt. Die Stelle bei Lucan lautet: 601 pulsus ut armentis primo certamine taurus 602 silvarum secreta petit vacuosque per agros 603 exul in adversis explorat cornua truncis

Zwei weitere Aspekte sind bei der Porträtierung Heinrichs des Löwen hervorzuheben: zum einen seine Eroberungsfeldzüge und seine Reise ins Heilige Land, zum anderen die subjektiven Äußerungen des Dichters, der das wechselhafte Schicksal Heinrichs kommentiert. Sowohl die topographischen Umschreibungen von Heinrichs Machtgebieten und Reisestationen als auch die kommentierenden Äußerungen des Dichters sind aus antiker Poesie geschöpft: So imitiert Bergius im Vers 689 Et penitus toto diuisus ab orbe Britannus, der einen Bündnispartner Heinrichs vorstellt, nahezu wörtlich Verg. ecl. 1, 66: et penitus toto divisos orbe Britannos. An dieser Stelle nennt Meliboeus Britannien (neben Africa und Skythien) als Endpunkte der Welt. Die Stationen von Heinrichs Pilgerreise ins Heilige Land: Tyros preciosáque murice Sidon, / Et Gaza et sylua Palmarum diues Idume (693f.) gestaltet Bergius nach dem Vorbild Lucans, der die Orte im Rahmen eines Truppenkatalogs, der die Verbündeten des Pompeius nennt, aufführt: Gazaque [...] palmarum dives Idume / et Tyros [...] pretiosaque murice Sidon (3, 216f.). Eben diese Lucanverse hatte Bergius bereits schon einmal früher in seiner Erzählung über die Verteidigung der Stadt Lüneburg verwendet (vgl. 718: Non operosa Tyrus, non dives murice Sidon). Dort hatte er noch weitere Ortsbeschreibungen aus Lucan übernommen, um auszudrücken, dass Lüneburg durch den protestantischen Glauben seiner Bürger reicher ist als alle anderen Städte, die mit äußeren Schätzen prunken. Des Weiteren charakteristisch für das Porträt Heinrichs sind die sentenzhaften Kommentare des Dichters, mit denen er Heinrichs wechselhaftes Schicksal versieht:293 Bezugstext für Bergius ist dabei Vergils Aeneis; ————— 292 Zum Lucangleichnis vgl. Fantham, E.: Lucan, De Bello Civili, Book 2, Cambridge 1992, 196ff. 293 Heinrichs wechselndes Glück war in der Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts ein beliebtes Thema, vgl. Jentzsch, U.: Heinrich der Löwe im Urteil der deutschen Geschichtsschreibung von seinen Zeitgenossen bis zur Aufklärung, 2., durchgesehene Auflage, Jena 1942, 30 (zu Georg Fabricius).

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und zwar greift er auf solche Stellen zurück, an denen die Haupthelden dieses Epos, Aeneas und Turnus, Gegenstand subjektiver Kommentierung sind. So würdigt Bergius am Anfang seines Porträts die Furchtlosigkeit Heinrichs und die Größe seines Schicksals mit fast den gleichen Worten, wie dies Dido bei Aeneas tut: Degeneres animos timor impedit, ô quibus ille / Iactatus fatis (678f.) entsprechen Verg. Aen. 4, 13f. degeneres animos timor arguit. Heu quibus ille / iactatus fatis. Als dann Heinrich auf dem Höhepunkt seiner Macht steht und der Wendepunkt seines Glücks erreicht ist, beklagt Bergius die Blindheit des Menschen, der sein künftiges Geschick nicht kennt: Eheu caeca hominis mens est, sortiśque futurae / Nescia (695f.). Hierbei handelt es sich um ein fast wörtliches Zitat jener berühmten Äußerung Vergils, mit der dieser das hochmütige Gebärden des Turnus nach seinem Sieg über Pallas kommentiert: Nescia mens hominum fati sortisque futurae (Aen. 10, 501);294 zudem deutet das von Bergius zusätzlich zum Vergilischen nescia gesetzte Attribut caeca auf die Kenntnis der diese Vergilstelle imitierenden Verse Lucans (2, 14f.: sit caeca futuri / Mens hominum fati) und Statius’ hin (Theb. 5, 718f.: pro fors et caeca futuri / mens hominum). Auch Heinrichs Sturz wird vom Dichter in Form einer pathetischen Hinwendung an den Leser kommentiert: 699 700 701 702 703 704 705 706

Ecce animi dum segnis agit, deseśque nec horret Ancipites rerum tanto sub culmine lapsus, Nec rebus discit diffidere posse secundis, Mox in magnanimum conspirant cuncta Leonem, Multáque in immeritum iactat conuicia liuor. Ergo fugit patriam, terris exutus auitis, Et gemit, et frustra ueteres suspirat honores. Quaeritur indignae sedes longinqua ruinae:

Die durch Ecce eingeleitete Apostrophe unterbreitet dem Leser den Gedanken, dass der Mensch auf dem Hochgefühl seiner Macht blind und unempfänglich wird für die Unbeständigkeit des Schicksals und daraufhin tief stürzt. Bergius imitiert an dieser Stelle eine Passage aus Claudians Invektive gegen Rufin (2, 440f.): 440 desinat elatis quisquam confidere rebus 441 instabilesque deos ac lubrica numina discat.

————— 294 Zu diesem Kommentar Vergils nach dem Vorbild Homers (vgl. Il. 17, 201-206) vgl. Harrison, S. J.: Vergil Aeneid 10 with Introduction, Translation, and Commentary, Oxford 1991, 199. Den Vergleich mit dem Schicksal des Turnus hatte Bergius bereits dadurch angedeutet, dass er Heinrichs Herrscherporträt mit den Worten argumentum ingens (670) einleitet, vgl. dazu oben, 273. Zu einem weiteren berühmten Vergilischen Erzählerkommentar im Panegyricum Carmen vgl. Vers 720 zu Wilhelm und Otto: Fortunati ambo (Aen. 9, 446).

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Wie in Bergius’ Panegyricum Carmen wendet sich auch hier der Dichter mit einer didaktischen Ansprache an die Menschen: Sie sollen aus Rufins Sturz lernen, dass Macht nicht von Dauer ist und das Schicksal schnell umschlagen kann.295 Rufins Fall ist dabei von Bergius kombiniert mit dem positiven Exemplum Stilichos in Claudians Panegyricus auf das Konsulat des Stilicho (1, 142), wo dieser nach dem Tod des Theodosius als Träger des mächtigen, (und daher) zum Sturz neigenden Reiches gerühmt wird: 140 genitor caesi post bella tyranni 141 iam tibi commissis conscenderat aethera terris. 142 ancipites rerum ruituro culmine lapsus.

Bergius übernimmt von Claudian somit auch die sprachliche Metaphorik, in der das Erreichen von Macht mit dem ›Aufstieg zur Höhe‹ und der Verlust von Macht mit dem ›Fall‹ gleichgesetzt wird.296 Den Sturz drückt Bergius dementsprechend mit ruina aus (706), einer Bezeichnung, die auch in Verbindung mit Rufin verwendet wird (Rufin. 2, 17; vgl. auch 1, 23).297 Bei der Schilderung von Heinrichs (nach Meinung des Dichters) unwürdigem Sturz imitiert Bergius dann in Vers 706: Quaeritur indignae sedes longinqua ruinae wörtlich Lucan 2, 731. Die wörtliche Übernahme298 ist hier zur Bekräftigung der eigenen Aussage und sozusagen als Exempelzitat zu verstehen:299 Wie beim oben besprochenen Stiergleichnis soll der Leser beim »Sturz des Mächtigen« erneut die Parallele zu Pompeius ziehen, dessen Niederlage Lucan am Ende des zweiten Buches beschreibt.300

————— 295 Zum Sturz des Mächtigen als literarischem Motiv vgl. Döpp, Sturz des Mächtigen, hier 93. Mit einer ähnlich moralisierenden Hinwendung an den Leser kommentiert auch Walter von Châtillon in seiner Alexandreis 2, 533-544 den Sturz des Cyrus, vgl. dazu Zwierlein, 629ff. 296 Vgl. dazu Döpp, Sturz des Mächtigen, 79ff., besonders 80 zu Claud. Rufin. 1, 21-23, einem sprachlich der Stilichostelle ähnlichen Passus. 297 Dazu Döpp, Sturz des Mächtigen, 80. 298 Zu diesen vgl. oben, 215. 299 Zu Exempelzitaten vgl. oben, 221. 300 Pompeius erscheint im Panegyricum Carmen auch in direktem Vergleich, siehe 630-632 mit Lucan. 8, 675. Ebenfalls motivgleich ist die Formulierung, die Bergius in Vers 705 aus Sabinus’ Hochzeitsgedicht übernimmt: Dort heißt es von Mesco III.: Mesco [...] deiectus ab alto / Luget, et amissos regni suspirat honores (Sabin. nupt. Sigism. 241f.).

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Text und Übersetzung

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4.7 Text und Übersetzung des Panegyricum Carmen 4.7.1 Vorbemerkungen 4.7.1.1 Zum Erstdruck Bergius’ Carmen Panegyricum liegt in zwei Drucken vor: in dem Erstdruck aus dem Jahre 1569 und in einem Nachdruck aus dem 18. Jahrhundert, den Philipp Julius Rehtmeyer im Rahmen seiner »BraunschweigLüneburgischen Chronica« (Braunschweig 1722, 970-991) besorgt hat. Die vorliegende Ausgabe folgt dem Text des Erstdruckes, bei dem es sich um einen unfirmierten Druck handelt.1 Autor, Anlass und Entstehungsjahr sowie Vergleiche mit anderen Drucken2 legen jedoch nahe, dass das Gedicht bei Konrad Horn (1560-1603, auch Cordt Horne oder Conradus Corneus) in Wolfenbüttel gedruckt wurde.3 Der Druck hat Oktavformat4 und umfasst 27 Seiten (A1-D3) mit jeweils 27 Zeilen. Die Schrifttype ist die kursive Antiqua. Auf dem Titelblatt befindet sich ein runder Holzschnitt (Durchmesser ca. 55mm), der Christus als nackten Knaben mit Strahlenkrone zeigt. Die rechte Hand hat dieser zum Segen erhoben, in der linken hält er ein Kreuz; mit den Füßen tritt er auf eine Schlange. Neben ihm ist auf schwarzem Grund der weiße Schriftzug IMMANVEL zu lesen.5 Das ————— 1 Der Druck ist nachweisbar im VD 16 (B 1813). Zum Titel vgl. unten Werkverzeichnis Nr. 12. 2 In den von Horn 1573 gedruckten Carmina Evangelica (vgl. Werkverzeichnis Nr. 14) wurde z.B. am Anfang der praefatio die gleiche Initialenverzierung wie im Carmen Panegyricum verwendet sowie auf dem Titelblatt zum zweiten Buch das gleiche florale Ornament, das den Panegyricus beschließt. 3 Horn druckte von 1565-1603 in Wolfenbüttel (seine Erben erscheinen noch im Jahre 1604); zu diesem vgl. Benzing, J.: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, 2., verbesserte und ergänzte Auflage, Wiesbaden 1982, 509; Irmisch, L.: Kurze Geschichte der Buchdruckereien im Herzogtume Braunschweig. Zur 450jährigen Feier der Erfindung der Buchdruckerkunst, Braunschweig 1890, 33; Grotefend, C. L.: Geschichte der Buchdruckereien in den Hannoverschen und Braunschweigischen Landen, hrsg. von F. G. H. Culemann, Hannover 1840, I 5. Zu Konrad Horns Drucken vgl. Brandes, W.: Bibliographie der niedersächsischen Frühdrucke bis zum Jahr 1600, Baden-Baden 1960. 4 Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 970 spricht irrtümlich von einem Druck im Quartformat. Die Stelle ist unten, Anm. 7 zitiert. 5 Zu diesem Bild vgl. Flechsig, E.: Beiträge zur Geschichte des Wolfenbütteler Holzschnittes im 16. Jahrhundert, in: Festschrift für Paul Zimmermann, hrsg. von Freunden, Verehrern und Mitarbeitern, Wolfenbüttel 1914, 263-268, hier 264f. Flechsig gibt als einzigen Fundort dieses Holzschnittes das Titelblatt von Bergius’ Panegyricum Carmen an, das seiner Meinung nach zweifelsfrei von Konrad Horn gedruckt ist. In späteren Drucken übernahm Horn statt eines eigenen Druckerzeichens das von Herzog Julius der Stadt Wolfenbüttel verliehene Wappen, z.B. auf dem Titelblatt von Matthias Bergius’ Lachrymae (Werkverzeichnis Nr. 15).

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Ende des Druckes markiert eine Blumenverzierung. Die Initiale zu Beginn des Gedichts (zum Buchstaben D) ist rechteckig (Größe ca. 38mm (B) x 40mm (L)) und zeigt vor einem schraffierten Hintergrund fünf nackte Kinder beim Spielen.6 4.7.1.2 Zur Textgestaltung Da der Druck von Rehtmeyer eine Abschrift der Erstausgabe ist,7 wurde für die Textgestaltung dieser Ausgabe allein die editio princeps von 1569 herangezogen. Rehtmeyer, der systematisch verglichen wurde, ist im Apparat nur an jenen (verschwindend wenigen) Stellen zitiert, wo er Fehler des Erstdrucks berichtigt. Orthographie und Interpunktion der editio princeps sind in dieser Ausgabe weitestgehend unverändert übernommen worden; normalisierend und vereinheitlichend einzugreifen, schien mir im Fall dieser Edition weder erforderlich noch sinnvoll;8 die Erleichterung des Textverständnisses, die eine Modernisierung der Orthographie und Interpunktion bewirkt, scheint mir zu gering,9 als dass sie den Verlust an Historizität und Authentizität aufwiegen kann, welche das Druckbild der editio princeps verspricht: Sie spiegelt das zeittypische Bild der Drucke im 16. Jahrhundert wider, so wie es dem Autor aus seinem täglichen Umgang mit Texten vertraut war; und auch Bergius’ sonstige Werke weisen in ihren Drucken eine ähnliche Gestaltung der Interpunktion und Orthographie auf. Somit liegt die Vermutung nahe, dass Bergius’ Werke in einer vom Autor selbst gewollten, vom Drucker kaum veränderten Gestalt erhalten sind. Die Interpunktion des Originaldruckes kann zudem bei der Verbesserung korrupter Stellen im Text eine Rolle spielen, wie insbesondere die folgende ————— 6 Dieses Motiv ist als Initiale in Drucken des 16. Jahrhunderts beliebt, z.B. bei Hans Holbein. Vgl. dazu Schmidt-Künsemüller, F. A.: Initialen in gedruckten Büchern, in: Ders. / S. Corsten / G. Pflug (Hgg.), Lexikon des gesamten Buchwesens. 2., völlig neubearbeitete Auflage, Bd. 3, Stuttgart 1991, 615-617. 7 Vgl. Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 970: »Matthias Bergius hat dem Durchl. Fürsten [...] mit einem wohlgesezten Carmine panegyrico gratuliret, und solches in 4to gedruckt überreichet, welches [...] wehrt geachtet wird, hier einzufügen«. 8 Die Editionsprinzipien neulateinischer Texte sind nach wie vor umstritten: vgl. Burkard; Deitz, L.: Editing Sixteenth-Century Latin Prose Texts: A Case Study and a Few General Observations, in: Most, 141-164; Köhler, H.: Auf dem Weg zum modernen Lesetext?, in: Most, 165-189; Rabbie, E.: Editing Neo-Latin Texts, in: editio 10 (1996), 25-48; Mundt, L.: Empfehlungen zur Edition neulateinischer Texte, in: L. Mundt / H.-G. Roloff / U. Seelbach (Hgg.), Probleme der Edition von Texten der frühen Neuzeit: Beiträge zur Arbeitstagung der Kommission für die Edition von Texten der frühen Neuzeit, Tübingen 1992, 186-190. Meines Erachtens sollten Art und Zuverlässigkeit der Überlieferung den Ausschlag geben, in welchem Maße der Editor in die tradierte Orthographie und Interpunktion eingreift. 9 Eklatant sinnstörende Interpunktion begegnet meines Erachtens lediglich in Vers 623: Tantùm longa ualet res, commutare uetustas.

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Text und Übersetzung

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Stelle zeigt (ich gebe den Text im Wortlaut und der Originalinterpunktion der editio princeps wieder): 558 560 561 562

Ipse quidem non ignorans [...] Quae facies coeli uentos fluctuśque minetur, Quae moueat Scythici furias Aquilonis ad undas Asperet, immanis quo flamine turbo rotetur.

In 561f. sind die Worte ad undas / Asperet nicht konstruierbar. Rehtmeyer hat aus Asperet durch Worttrennung Asper et hergestellt und nach zweifachem Eingriff in die Interpunktion folgenden Text gedruckt: [...] ad undas, / Asper et immanis [...]. Gegen diesen auf den ersten Blick geringfügigen Eingriff spricht, dass das Adjektiv asper in der lateinischen Dichtung nicht als Attribut zu turbo oder anderen Wörtern für Wind gesetzt wird; ganz geläufig dagegen ist die Verbindung undas asperare (vgl. Verg. Aen. 3, 285; Lucan. 8, 195; Val. Fl. 2, 435; Coripp. Ioh. 1, 232). Bergius folgt in diesem Zusammenhang offensichtlich Lucan 5, 603f.: Scythici vicit rabies aquilonis et undas / torsit, ersetzt aber den Ausdruck undas torquere durch undas asperare. Als Verbesserung bietet sich daher an, ad durch et zu ersetzen.10 Auf diese Konjektur deutet auch die Interpunktion der Erstausgabe, von der Rehtmeyer in seinem Text gleich zweimal abweichen muss. Die wenigen Eingriffe in das originale Schriftbild, die aus drucktechnischen Gründen vorgenommen wurden, betreffen lediglich folgende Fälle: - ſ ist regelmäßig durch s ersetzt - alle Abbreviaturen sind aufgelöst worden (q; = que, ū = um, ē = em) - alle Ligaturen sind aufgelöst worden (& = et, æ = ae, œ = oe) Die Abweichungen von der üblichen Orthographie des klassischen Lateins seien an dieser Stelle kurz zusammengestellt: - Diphthongtausch: ae steht für oe in praelium; oe für ae in coelestis, coelitus, coelum, coenum, moestus - Monophthongierung: ae > ē in auleum, erythreus, Mecoenas - Diphthongierung: ē > ae in caeterus, praelum, Aganippaeus; ē > oe in foelix (auch felix), foemineus, Mecoenas, obscoenus - e steht für i in genitrix - bei der Gemination von i ist das zweite i regelmäßig durch j ersetzt - ij steht für i in den Komposita von iacere: abijcere, deijcere, traijcere, eijcere, adijcere - u steht regelmäßig für u und v, ebenso wie V für V und U ————— 10 Paläographisch näherliegendes ac kommt nicht in Frage, weil Bergius vor vokalisch anlautendem Wort nie ac verwendet.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

-

y steht für i in gyganteus, hybernus, hyems, inclytus (auch inclitus), lacryma, lacrymabilis, ocyor, sydus, sylva, sylvestris, tygris; i steht für y in Hercinius, cignus - c statt t in der Verbindung von ci und Vokal in inficiari, laeticia, nunciare, ocium, preciosus, spacium - d ist assimiliert in iccirco - h ist zwischen t und Vokal eingeschoben in thus, balthis, thorus - h ist gelegentlich zwischen c und r weggelassen in pulcer - l ist verdoppelt in relligio und bellua, vereinfacht in solers - n statt m in inprimis, nunquam, quanquam, quantuscunque, quicunque, quotuscunque, utrinque - s wird im Inlaut nach dem Praefix ex- regelmäßig weggelassen: exilium, expectare, expirare, exul, exultare, exurgere - ß statt ss steht regelmäßig vor i - t wird verdoppelt in littus - saeculum erscheint neben saeclum - statt suboles steht soboles - vereinzelt erscheint qus statt quibus11 - Inkonsequente Zusammen- und Getrenntschreibung: inprimis neben in primis Dass die Interpunktion ebenso wie die Akzentsetzung, die dem heutigen Leser fremd und willkürlich erscheinen, keineswegs ganz unsystematisch und regellos sind, hat Burkard in seinen Analysen theoretischer Abhandlungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert zur Orthographie und Interpunktion gezeigt.12 Bergius folgt dem Usus seiner Zeit, wie die folgenden Ausführungen deutlich machen sollen: Das Komma setzt Bergius, um einzelne Begriffe abzutrennen, auch wenn eine parataktische Konjunktion vorausgeht (vgl. z.B. 57, 113, 122, 143). Des Weiteren trennt er durch das Komma freie Angaben (vgl. z.B. 47, 64, 72) sowie Infinitiv- (vgl. z.B. 144f.) und Partizipialkonstruktionen (vgl. z.B. 165, 168, 425, 888) ab. Das Komma steht in der Regel nicht, wenn ein Gliedsatz eine notwendige Ergänzung darstellt (vgl. z.B. 222, 331, 430, 558). Wenn ein Ausdruck eigentlich durch zwei Kommata abgetrennt wer————— 11 Die Nebenform quīs für quibus hat Joachim Camerarius als einen Graecismus gedeutet: Vocalis  Graecorum est, quae sine ratione in quibusdam Latinis verbis ponitur, vt omn s, qus, vgl. Joachim Camerarius, Tractatus de Orthographia, in: Philippi Melanchthonis Grammatica Latina, Leipzig 1552, 535-552, zitiert nach Burkard, 42-56, hier 45. Camerarius folgt der Theorie der römischen Grammatiker, vermutlich dem von ihm selbst 1537 edierten Marius Victorinus; vgl. Mar. Victorin. gramm. 4, 58. 12 Zur Übersicht der aus den behandelten Traktaten aufgestellten Regeln vgl. Burkard, 20ff. und 34; zur Akzentsetzung vgl. zudem Steenbakkers.

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Text und Übersetzung

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den sollte, wird häufig nur eines gesetzt (vgl. z.B. 4f., 322). Schließlich dient das Komma als Anführungszeichen der direkten Rede (vgl. z.B. 426). Durch einen Doppelpunkt trennt Bergius Gliedsatz und nachgestellten Hauptsatz (vgl. z.B. 55) sowie Hauptsatz und Gliedsatz (vgl. z.B. 44). Zudem wird ein Doppelpunkt am Ende eines Hauptsatzes oder Satzgefüges gesetzt, wenn ein Hauptsatz folgt, der inhaltlich zu diesem Satzgefüge gehört (vgl. z.B. 11, 59, 61, 166, 1009, 1153, 1254f.). Die Verwendung von Punkt und Fragezeichen zeigt keine Auffälligkeiten. Die Akzente werden nach folgenden Regeln gesetzt: Der Zirkumflex steht nur über langen Vokalen. Er dient zur Unterscheidung von Homographen (vgl. z.B. hîc), zur Kennzeichnung einer Kontraktion (vgl. z.B. exornârit, negârat, ebenso – fälschlich – Deûm, superûm13) und der Nebenform zur 3. Pers. Pl. Perf. Akt. (vgl. z.B. novêre, potuêre). Außerdem wird der Zirkumflex bei einem Ausruf gesetzt (vgl. z.B. ô, iô). Der Akut markiert die betonte Silbe eines mit -que zusammengesetzten Wortes (vgl. z.B. nimbosáque, at́que); bei einem Wort, das mit -ue zusammengesetzt ist, steht hingegen der Gravis (vgl. z.B. terrorùe, meliusùe). Der Gravis dient zur Unterscheidung von Homographen (der Akzent markiert eine lange Silbe, vgl. z.B. canèret) sowie von Homonymen: der Gravis kennzeichnet undeklinierbare Adverbien und Subjunktionen (z.B. liquidò). Für den letztgenannten Fall setzt Bergius gelegentlich auch den Akut (nur bei den Vokalen e und a). Zudem wird die Präposition e stets mit dem Gravis versehen. Die Textabsätze des Originals sind beibehalten; eine Seiten- und Verszählung ist hinzugefügt worden, wobei die Seitenumbrüche des Originals am Versende durch einen senkrechten Strich kenntlich gemacht sind. 4.7.1.3 Zu den Apparaten Dem Text sind vier Apparate beigefügt: Zunächst ein Apparat mit antiken Similien einschließlich denen der Vulgata, ein neulateinischer Similienapparat, ein Apparat, in dem Bergius’ Selbstzitate verzeichnet sind, sowie ein textkritischer Apparat. In den Similienapparaten wird der Wortlaut der Vorbildstellen ausgeschrieben, Auslassungen in den Zitaten sind durch Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Bei den leicht zugänglichen antiken Autoren habe ich im Allgemeinen nur die wörtlichen Entsprechungen ausgeschrieben; bei ————— 13 Im 16. Jahrhundert glaubte man, gestützt auf Cic. or. 155, dass die Endung -um aus -orum kontrahiert sei, vgl. Steenbakkers, 927; Leumann, M.: Lateinische Laut- und Formenlehre, München 51977, 428.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

den schwerer zugänglichen neulateinischen Gedichten sind auch variierte Formulierungen und Wendungen mitzitiert. Bei mehrfach belegten Wendungen wird der früheste Beleg (bei geringfügig abweichenden der relevanteste) angeführt mit Verweis auf die anderen Stellen in Klammern. Steht vor den Belegen in der Klammer item, so sind sie im Wortlaut mit der ausgeschriebenen Stelle identisch; steht sim. (= similiter), weichen sie von dieser geringfügig ab. Bei mehr als fünf identischen Belegen werden in der Klammer die einzelnen Stellen nicht namentlich aufgeführt, sondern zusammengefasst: Dabei verweist idem alibi auf weitere Stellen des zitierten Autors, alii steht für andere Dichter. Abkürzungen der neulateinischen Autoren und der Werke Bergius’ sind im Literaturverzeichnis aufgelöst. Ebenso sind im Literaturverzeichnis die neulateinischen Ausgaben vermerkt, nach denen ich die Similien zitiere; die neulateinischen Parallelen werden (wenn möglich) nach dem Erstdruck oder einem vor 1569 erschienenen und somit auch Bergius zugänglichen Druck zitiert. Antike Autoren werden nach den führenden Ausgaben zitiert; sie sind nicht eigens im Literaturverzeichnis aufgeführt; es sei lediglich darauf hingewiesen, dass im Apparat die Anthologia Latina nach Riese (1894-1906), Lucilius nach Marx (1904), Ennius’ Annales (einschließlich der dubia) nach Skutsch (1985) und schließlich Ausonius nach Green (1991) zitiert werden. In den Apparat zu Bergius’ Selbstzitaten sind auch die Werke aufgenommen, die nach dem Panegyricum Carmen erschienen sind, um einen besseren Einblick in seine Arbeitstechnik zu gewinnen. Im textkritischen Apparat wird der Erstdruck mit der Sigle P, Rehtmeyers Nachdruck mit der Sigle R angegeben. 4.7.1.4 Zur Übersetzung Die Übersetzung ist eine Prosa-Übertragung. Sie bemüht sich, den Sinnzusammenhang des lateinischen Textes zu erschließen und eine Vorstellung von seiner sprachlichen Gestaltung zu vermitteln. Wortlaut und Satzbau des Originals wurde daher soweit wie möglich gefolgt; das Streben nach Präzision und Originaltreue war größer als das nach Eleganz. Die der Übersetzung beigefügten Anmerkungen geben vor allem Sach- und Personenerläuterungen. Sie sind, soweit Fachliteratur nicht eigens angeführt ist, den gängigen lexikalischen und biographischen Hilfsmitteln entnommen.

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Text und Übersetzung

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

4.7.2 Panegyricum Carmen – Das Panegyrische Gedicht: Text und Übersetzung IN ILLVSTRISSIMVM PRINCIPEM AC DOMINVM, DOMInum IVLIVM Ducem Brunswicensem

et Luneburgensem, etc. Brunswigam ingredientem. PANEGYRICVM CARMEN, scriptum nomine Scholae Catharinianae, AVCTORE MATTHIA BERGIO

Brunswicensi. ANNO. 1. 5. 6. 9.

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Text und Übersetzung

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AUF DEN ERLAUCHTESTEN FÜRSTEN UND HERRSCHER, HERRN JULIUS, HERZOG VON BRAUNSCHWEIG UND LÜNEBURG ETC.14 BEIM EINZUG IN BRAUNSCHWEIG. EIN PANEGYRISCHES GEDICHT, GESCHRIEBEN IM NAMEN DES KATHARINEUMS,15 VERFASST VON MATTHIAS BERGIUS AUS BRAUNSCHWEIG IM JAHRE 1569

————— 14 Das 1235 neugegründete Herzogtum Braunschweig bestand im 16. Jahrhundert aus den Fürstentümern Lüneburg, Grubenhagen, Calenberg-Göttingen und Braunschweig-Wolfenbüttel. Die in den Fürstentümern herrschenden Welfen nannten sich bis zum Ende des 13. Jahrhunderts »Herzog von Braunschweig« mit Ausnahme der Lüneburger Herrscher, die den Titel »Herzog von Braunschweig und Lüneburg« durchgesetzt hatten. Seit dem Ende des Lüneburger Erbfolgekrieges führten alle welfischen Fürsten den einheitlichen Titel »Herzog von Braunschweig und Lüneburg«. Vgl. hierzu Pischke, G.: Die Welfen im späten Mittelalter: Herzöge von Braunschweig und Herzöge von Braunschweig und Lüneburg in verschiedenen Linien und Häusern, in: BsJb 87 (2006), 161-163 und dies.: Die Welfen – Vom süddeutschen Geschlecht zu norddeutschen Landesherren, in: K.-L. Ay / M. Becher (Hgg.), Die Welfen: landesgeschichtliche Aspekte ihrer Herrschaft, Konstanz 1998, 197-222, hier 217. 15 Zum Katharineum, einer der drei Braunschweiger Lateinschulen im 16. Jahrhundert, vgl. oben, 22 Anm. 30.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

DVM tenebrosa dies adopertum nubibus arcet Aethera conspectu nostro, nimbosáque toto Nubila densantur coelo, quis cernere lumen Poßit Phoebe tuum? quis te, quasi nullus in alto Aethere flagrares nitidum caput abdere nescit? Quod si autem coeli facies iocundior austris Repreßis succedat, ut omni in parte repente Fusca serenanti concedant nubila uento, Mox quae lege quidem rerum, at non sponté, nec ultrò Ille homini at́que alijs animantibus anté negârat, Vbertim indulget tractu laetißimus omni: Mox capite auratus radiorum promitur ordo. O quos tum plausus, quantam tum cernere paßim est Laetitiam: exultat pastor, pecus, arua, colonus, Nauita, nec teneris desunt sua gaudia turbis. Sol populi princeps bonus, improba si uetet illum Sors regnis lucere suis, at́que occulat eius Illustrem aduersae uirtutem nubibus aurae Aut latet, aut longé minor ipsi est gloria iusto, Sin aperit Deus ipse uiam, qua excurrere poßit Occultata prius uirtus, mox commoda terras Multa beant, pietas, Musae, sapientia, uirtus, Pactoli et Gangis longè praestantia gazis. | Haec fortuna tua est IVLI, Dux inclyte IVLI, Saxoniae decus, et spes optatißima, uirtus Quem sua iamdudum patrijs notißima terris Et populis carum et populi rectoribus ipsis

—————

5

10

15

20

25

 1s. Ov. fast. 2, 71 adopertus nubibus aether (item Laus Pis. 147) || 2s. Stat. silv. 3, 2, 44 nimbosaque nubila || 3s. Claud. 22, 142s. quis cernere ... / potuit, quis || 4s. Verg. Aen. 9, 644s. ab alto / aethere (item Ov. met. 1, 80s.; Lucan. 7, 447s.; Proba cento 307s.; Cypr. Gall. Ios. 130s.) || 5 Ov. met. 15, 30 nitidum caput abdiderat || 6 Lucan. 4, 105 caeli facies (item Stat. silv. 4, 8, 30; Ps. Cypr. Sod. 82; Ennod. carm. 2, 149, 2; Verec. satisfact. 173) || 8 Ov. met. 5, 286 fusca repurgato fugiebant nubila caelo || 12 Ov. met. 2, 108 radiorum argenteus ordo || 19 Ov. met. 1, 465 minor est ... gloria (item epist. 16, 145) || 21 Stat. Theb. 10, 482s. occultata ... / virtus || 22 Coripp. Ioh. 4, 592 pietas ... sapientia, virtus || 24 (cf. 30) cf. Ov. fast. 6, 569 Fortuna, tua est | Sil. 6, 549 dux inclite (item Sidon. carm. 7, 489. 7, 508) || 25 Ennod. carm. 1, 2, 11 decus Italiae, spes tu fidissima | Verg. Aen. 11, 508 decus Italiae | Verg. Aen. 2, 281 spes o fidissima || 26 Mart. 9, 61, 1 notissima terris 

25 Vida, ars 3, 585 decus Italiae, lux o clarissima

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Text und Übersetzung

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Solange ein dunkler Tag uns die Sicht auf den wolkenverhangenen Äther verwehrt und sich am ganzen Himmel Regenwolken drängen, wer könnte da dein Licht sehen, Phoebus? Wer wüsste nicht, dass du, als ob du überhaupt nicht im hohen Äther glühtest, dein glänzendes Haupt verbirgst (5)? Wenn nun aber – vertrieben ist der Südwind – der Himmel ein freundlicheres Antlitz zeigt, so dass plötzlich überall die dunklen Wolken einem aufheiternden Wind weichen, dann gewährt Phoebus sogleich in Hülle und Fülle überall das, was er dem Menschen und den anderen Lebewesen vorher verweigert hatte (10) – freilich nicht aus eigenem Antrieb und von sich aus, sondern durch das Gesetz der Natur: Dann kommt die goldene Strahlenkrone auf seinem Haupt zum Vorschein. Welch ein Beifall, welche Freude wird dann überall sichtbar! Es jubeln der Hirte, das Vieh, das Feld, der Bauer, der Seemann, und auch die Kinderschar jauchzt voller Freude (15). Ein guter Herrscher ist die Sonne seines Volkes. Wenn ein böses Geschick verbieten mag, dass er in seinem Reich leuchtet, und wenn es seine strahlende Kraft hinter den Wolken eines widrigen Windes verbirgt, dann ist sein Ruhm entweder verborgen oder doch weit geringer, als es ihm gebührte. Wenn aber Gott selbst den Weg bahnt (20), auf dem sein vorher verborgener Glanz zum Vorschein kommen kann, dann erfreuen bald darauf viele Annehmlichkeiten die Erde: Frömmigkeit, Musenkünste, Weisheit, Tugend – Schätze, die bei weitem herrlicher sind als die des Paktolus und des Ganges.16 Dies ist dein Geschick, Julius, ruhmreicher Herzog Julius, Zierde Sachsens, heißersehnte Hoffnung (25), den seine dem Vaterland längst wohlbekannte Tugend bei den Völkern wie auch bei des Volkes Herrschern selbst beliebt macht

————— 16 Der Paktolus (heute Sart Çayi in der Türkei) war ebenso wie der Ganges in der Antike als goldführender Fluss bekannt.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Reddit, et antiquis Heroibus aggregat aequo Amborum studio constans et firma uoluntas. Haec inquam fortuna tua est. Te lustra per octo Hactenus occuluit lapsi sors inuida saecli Ne tua magnarum uirtus exordia rerum Auspicijs seruata tuis aperiret, iniquis Sed durae spacijs fortunae inclusa lateret. Nunc uero, quando fati rigor iste prioris Praeterijt, uenit́que dies caligine liber, Quando tibi ad fasces functo genitore relictos Peruentum est, nunc demum ingens tua syderis instar Emicuit uirtus: iam nunc clarißima mundo Heroi ingenij fecere at́que indolis altae Argumenta fidem, et quanto diuturnius illa Delituit, tanto conspectior inde futura est. Nunc mihi Pierijs plenos è fontibus haustus, Nunc optem medio uerba ex Helicone petita: Dum mihi materies summo dignißima Vate Texitur et tanti Herois sudatur honori, Te princeps quò magne, tuuḿque ante omnia nomen, Per gentes populośque aeterno carmine ferrem. | Ac quanquam exiguus tanti mihi carminis usus Sit, néque uel minima rudis haec angustáque uena Parte tuas aequet laudes, néque defore Vates

30

35

40

45

50

————— 30 cf. ad 24 || 31 Sedul. carm. pasch. 4, 130 sors invida (item Ven. Fort. carm. 9, 1, 41. carm. app. 1, 1) || 32 (cf. 79) Lucr. 2, 333 exordia rerum (item 3, 31. 4, 114; Agrest. carm. 37) | Lucan. 5, 557 magnarum ... rerum (item Sedul. carm. pasch. 1, 7; Maxim. eleg. 3, 47; Coripp. Iust. 3, 188; Ven. Fort. carm. 6, 2, 1) || 33 Claud. 7, 88 auspiciis effecta tuis | 33s. Verg. georg. 4, 147 spatiis exclusus iniquis (item Colum. 10, 2) || 34 Ven. Fort. Mart. 1, 53 inclusa lateret || 36 Claud. 8, 176 dies: caligine liber || 37 Paul. Pell. euch. 185 functo genitore || 38s. (cf. 1262s.) Claud. 26, 458s. sideris instar / emicuit || 42 Stat. Theb. 10, 483 delituit virtus || 43 Stat. silv. 1, 2, 6 Pieriis ... fontibus | Lucan. 3, 345 fontibus haustus || 44 Stat. silv. 4, 6, 12 medioque Helicone petitus | Hor. sat. 1, 10, 29s. petita / verba | Sidon. carm. 7, 518 verba petita || 48 Lucan. 7, 207 gentes populosque || 49 Ov. trist. 4, 7, 6 exiguus ... usus 

44 Berg. Rhodius 25 medio ex Helicone petitus

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Text und Übersetzung

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und den sein beständiger und fester Wille den alten Helden beigesellt; denn ihr Eifer ist gleich. Dies ist, so sage ich, dein Geschick (30). Dich hat bis zum heutigen Tag vierzig Jahre lang das Schicksal des dahinschwindenden Jahrhunderts in seiner Missgunst verborgen, damit deine Tugend die Anfänge großer Vorhaben, die für deine künftige Herrschaft aufbewahrt waren, nicht in die Wege leiten konnte; vielmehr sollte deine Tugend verborgen bleiben, eingeschlossen vom feindlichen Raum eines harten Schicksals. Jetzt aber, da diese Härte des früheren Schicksals vorüber ist (35) und der von Dunkelheit befreite Tag gekommen ist, da du die durch den Tod des Vaters hinterlassene Herrschaft erlangt hast,17 jetzt endlich durfte deine gewaltige Tugend gleich einem Stern aufstrahlen: Schon jetzt gaben ganz deutliche Beweise der Welt den Glauben an dein heldenhaftes Wesen und deine hohe Begabung (40). Und je länger sich deine Tugend versteckt hielt, desto besser sichtbar wird sie in Zukunft sein. Nun wünschte ich mir, aus den Quellen der Musen reichlich zu schöpfen, nun wünschte ich mir dringlich Worte mitten vom Helikon, da von mir ein Stoff, der des besten Dichters würdig wäre, verwoben wird (45) und ich alle Kräfte aufbiete zur Ehrung eines so großen Helden: Dich will ich nämlich, großer Fürst, und vor allem deinen ruhmreichen Namen in einem ewigen Gedicht unter den Völkern und Stämmen bekannt machen. Und obwohl ich nur wenig Erfahrung habe mit einem so großen Gedicht18 (50) und meine ungeübte und enge Ader deinem Lob überhaupt nicht gerecht werden kann,

————— 17 Julius’ Vater Heinrich der Jüngere (reg. 1514-1568) starb am 11. Juni 1568; seine Nachfolge tritt dann der vierzigjährige (vgl. V. 30) Julius an. Zu Julius’ mühsamen Weg zur Herrschaft vgl. oben, 123ff. 18 In der Tat ist das Panegyricum Carmen das umfangreichste Gedicht von Matthias Bergius. Zudem hatte kaum ein anderes einen ähnlich prominenten Adressaten, vgl. lediglich Werkverzeichnis Nr. 4 und 6.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Credam equidem, melior mentem quibus afflet Apollo, Pocláque Castalides quibus uberiora ministrent, Per quos uerarum series dignißima laudum Texta, tuum aeterno consecret carmine nomen: At non iccirco modicum tamen inclyte Princeps Sperne lyrae leuioris opus, Vateḿque minorem. Aspicis ut coelo non maxima sydera tantum Reginam cingunt Phoeben: nec maxima tantum Oceano ingentes aduoluunt flumina riuos. Hunc amnes etiam parui petiêre: nec ignes Fastidita fugit stellarum luna minores. HENRICVM postquam mersêre potentia fata, HENRICVM magni de posteritate Leonis Quo maior nemo, ualidiśque potentior armis Prodijt, Eoas cuius penetrauit ad arces Fama, per Occiduas eadem notißima partes: Saxonas antiquos solus qui ingentibus ausis Aequauit nuper: quem Martia tela tenentem Ipse etiam Scythici stupuit ferus accola Ponti: At́que illum praestans animíque at́que indolis Heros IVLIVS, Heroum magna stipante caterua,

55

60

Anno 1568 65

70

—————

 52s. Ov. am. 1, 15, 35s. mihi flavus Apollo / pocula Castalia plena ministret aqua || 54 Verg. Aen. 1, 641 series longissima rerum (item Auson. cento 17) || 55 Mart. 10, 26, 7 aeterno victurum carmine nomen || 57-62 cf. Stat. silv. 1, 4, 36s. sperne coli tenuiore lyra. vaga cingitur astris / luna et in oceanum rivi cecidere minores || 59 Sil. 2, 84 reginam cingunt || 61s. Hor. carm. 1, 12, 46-8 micat ... / ... inter ignis / luna minores || 65 Ov. met. 6, 678 validisne potentior armis || 66 Claud. 3, 172 Eoas ... ad arces | Paul. Nol. carm. 18, 7 penetravit ad arces || 68 Stat. Theb. 10, 384 ingentibus ausis (item Val. Fl. 2, 242. 5, 313; sim. Ov. met. 7, 178) || 69 Stat. Theb. 7, 460 Martia tela (item Drac. satisf. 226. Romul. 5, 27; Eug. Tolet. satisf. 194) | Stat. Theb. 10, 278 tela tenentem || 71 Stat. Theb. 1, 605 praestans animique || 72 Verg. Aen. 4, 136 magna stipante caterva (item Sedul. carm. pasch. 4, 236; sim. Verg. Aen. 1, 497; Lux. anth. 18, 14)

 62 Lotich. nupt. Guil. 528 Obscuratque ignes stellarum Luna minores || 65 Sabin. Caes. 2 (de Carolo V.: 3) Caesare quo maior validisque potentior armis || 70 Sabin. Caes. 2 (de Friderico Secundo: 27) ferus accola  52 Berg. Iesu Bapt. praef. 59s. Sunt alij, quorum meliora laboret Apollo || 52-62 (cf. 455s.) Berg. Georg 43-53 Sunt alij maior mentem quibus implet Apollo: / Pocula Phoemonoë quibus uberiora ministrat, / Per quos magnorum series tibi clara parentum / Texitur, et generis primordia magna patescunt. / At non iccirco tamen, Illustrißime Princeps, / Sperne lyrae levioris opus, versumque minorem. / Aspicis ut coelo non maxima sydera tantum / Reginam cingunt Phoeben: nec maxima tantum / Oceano ingentes advolvunt flumina rivos. / Hunc amnes etiam parvi petiere, nec ignes / Fastidita fugit stellarum luna minores || 54 Berg. Nicäa 395 Verarum series laudum

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und obwohl ich gewiss nicht glaube, dass es an Dichtern fehlt, die ein besserer Apoll inspiriert, denen die kastalischen Musen reicher gefüllte Becher darreichen und die wahre Lobeshymnen, wie du sie verdienst, aneinander reihen, welche auf ewig gesungen deinen Namen unsterblich machen (55), so verschmähe deshalb dennoch nicht, berühmter Fürst, das bescheidene Werk einer schlichteren Leier und einen unbedeutenderen Dichter. Du siehst, wie am Himmel nicht nur große Sterne die Königin Phoebe umgeben und wie nicht nur große Flüsse ihre gewaltigen Fluten auf den Ozean zuwälzen (60) – diesen haben auch kleine Ströme erreicht, und auch der Mond meidet nicht aus Hochmut das Licht kleinerer Sterne. Das mächtige Schicksal hatte Heinrich dahingerafft – Heinrich aus der Nachkommenschaft des großen Löwen: keiner war größer, keiner trat in starken Waffen mächtiger hervor (65). Sein Ruhm gelangte zu den Burgen des Ostens und war ebenso in den westlichen Teilen sehr bekannt. Er allein kam in jüngerer Zeit den alten Sachsen in gewaltigen Wagnissen gleich, und vor ihm erstarrte, wenn er die Waffen des Mars trug, selbst der wilde Anwohner des skythischen Meeres (70).19 Diesen bestattete nun der an Geist und Anlage hervorragende Held Julius, von einer großen Heldenschar umringt,

————— 19 Heinrich der Jüngere behauptete sich vor allem in kriegerischen Auseinandersetzungen: Die Hildesheimer Stiftsfehde (1519-1523) brachte ihm einen erheblichen Zuwachs seines Territoriums; er nahm am Bauernkrieg teil und führte auf Seiten des Kaisers Karl V. Kriegszüge in Italien und den Niederlanden. Zu Heinrich d. J. vgl. oben, 123ff. und unten Anm. 86.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Composuit tumulo, dum maior hiantibus aruis Stat uapor, at́que omnes admittunt aethera luci, | Dum Phoebus fuluo uicinior ire Leoni Incipit et cancrum iamiam post terga relinquit: Mox praestans animi princeps, sua postmodo posci Auxilia haud ignarus, in hanc incumbere curam Incipit inprimis, tantarum exordia rerum, Vt sibi recta forent. Néque enim ignorabat, in omni Quantum re ualeat, quae quis fundamina ponat Principijs, adituśque ipsos ostendere suesse Euentus rerum: ceu prima infantia saepe Indicia aetatis praebet manifesta futurae, Ingeniȷq́ ue omnis: sed et ipsa exordia uerni Temporis argutus Chaldaeae calculus artis Spectat, et in reliquum ex illis praeiudicat annum. Rité ergo ut tantis succedere posset habenis, Hoc agit: exercent haec illum nocte diéque Consilia, his primùm partitur tempora curis. Et, quia relligione omnem pendere salutem E uera rerum humanarum agnoscit, et illam Hactenus heu miseré terris his omnibus esse Curatam saepe ante dolens aduerterat, unum hoc In primis spectare, superstitionis ut omnis Antiquae impietas cedat, ueróque potenti Det fraus pulsa locum. Curis dum talibus ille Nocte diéque patet, subit illi, patria quales Ante ipsum quondam ediderit prostrata querelas,

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 73s. Stat. Theb. 4, 681s. hiantibus arvis / stat vapor atque omnes admittunt aethera luci || 75 Stat. Theb. 1, 397 fulvum ... leonem || 76 Ov. met. 10, 670 post terga relinquit (item Stat. Theb. 5, 507; Sil. 16, 335. 16, 396) || 77 Enn. Ann. dub. 15 praestans animi iuvenis (item Verg. Aen. 12, 19; Proba. cento 519) || 78 Val. Fl. 3, 447 incumbere curas (item Claud. 20, 366) || 79 cf. ad 32 || 80 Paul. Nol. carm. 6, 217 neque enim ignorasse || 81 (cf. 277) Ov. met. 15, 433 fundamina ponit || 83 Lucan. 5, 779 eventus rerum || 88 Ov. Pont. 2, 5, 75 succedatque ... habenis | Stat. Theb. 7, 738 succedit habenis || 90 Paul. Petric. Mart. 3, 428 istis haeserunt tempora curis || 98 Ov. met. 12, 46 nocte dieque patet (item Claud. 18, 363; sim. Verg. Aen. 6, 127) || 99 Auson. epist. 22, 14s. querellas / edidit | Prud. perist. 10, 992 edat querellam 

82 suesse (cf. Lucr. 5, 912)] suesce P || 89 nocte (cf. v. 98)] noctéque P

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in einem Grabhügel zu dem Zeitpunkt, als eine ungeheure Hitze auf den rissigen Feldern stand und alle Haine das Himmelslicht zuließen, als Phoebus in engere Nachbarschaft zum rotblonden Löwen zu treten begann (75) und den Krebs schon hinter seinem Rücken zurückließ.20 Bald darauf begann der im Geist hervorragende Fürst, der genau wusste, dass seine Hilfe wenig später gefordert werde, besonders sich auf jene Sorge zu verlegen, dass ihm die Anfänge so großer Vorhaben richtig gelängen. Denn er wusste sehr wohl (80), wie viel in allem ausmacht, welche Grundlagen einer den Anfängen setzt, und dass die Anfänge selbst gewöhnlich die Ergebnisse der Dinge zeigen, gleichwie die frühe Kindheit oft schon deutliche Anzeichen des künftigen Lebensalters und der gesamten Veranlagung gibt (85). Auch die chaldäischen Weisen betrachten bei ihren Berechnungen genau die Anfänge des Frühlings und schließen aus jenen auf das restliche Jahr.21 Um also auf rechte Weise seine so bedeutenden Regierungsaufgaben in Angriff nehmen zu können, tut er dies; Tag und Nacht beschäftigen ihn diese Überlegungen, diesen Sorgen widmet er zuerst seine Zeit (90). Und weil er erkennt, dass das ganze Heil der menschlichen Dinge von der wahren Religion abhängt und er oft zuvor unter Schmerzen bemerkt hatte, dass jene bis heute, o weh!, in all diesen Ländern in erbärmlicher Weise gepflegt worden war, achtete er besonders auf dieses eine (95), dass die gesamte Gottlosigkeit des alten Aberglaubens weiche und der Trug als Unterlegener Platz mache der Macht der Wahrheit. Während er Tag und Nacht offen ist für solche Sorgen, fällt ihm ein, welche Klagen einst die Patria, als sie vor ihm demütig niedergefallen war, geäußert hatte

————— 20 Die Beerdigung fand am 12. Juli 1568 statt, vgl. Mager, Einführung der Reformation, 25. 21 »Chaldäer« waren in Rom und Griechenland für ihre Kenntnisse in Magie, Wahrsagekunst, Astrologie und Astronomie sehr geschätzte babylonische Gelehrte.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Quae dederit promissa illi, quas obtulerit spes. | Nam dum Romanos etiamnum haec terra Lupercos Aut turpes intuśque foriśque, aut uellere tectos Exterius molli, et specie sua furta tegentes Fucata, in templis bacchantes cerneret, illum Pulla in ueste, caput́que rudi uelata calyptra Patria moesta adijt, pedibuśque affusa sedentis Sic fuit orsa loqui, lacrymae per utraśque feruntur Riui more genas, passaéque ad sydera palmae. Has grandaeua tibi Princeps, clarißime princeps, Effundo lacrymas genitrix, succurre iacenti, Eripe me tandem, quibus opprimor, eripe monstris. Cernis ut in tota uigeant regione tuorum, Vana superstitio, et ueris contraria sacris Sacra, quibus ludunt mundum Corybantes, et istud Ausonij uulgus deuotáque turba Baalis. Cernis ut his uenteŕque suus curetur, et ut nil Praeter segnitiem, praeter uacua ocia quaerant. At quae relligio, quis cultus numinis alti, Quae fidei ratio, quae uitae cura popello, Hei quotus illorum, quotus heu curare laborat? Inde mala impietas, contemptus numinis inde, Inde nefas, scelus, et neglectio iuris et aequi

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102 Paul. Nol. carm. 26, 145 vellere tectum (sim. Anth. 481, 257) || 103 Ov. met. 9, 558 furta tegemus (sim. Ov. ars 2, 555; Mart. 1, 34, 2; Claud. 10, 141) || 105 Ov. ars 3, 190 pulla ... veste (sim. Varro Men. 462, 1; Calp. ecl. 7, 26) | Ov. fast. 3, 363 caput ... velatus (item Anth. 8, 110) || 107 Verg. Aen. 6, 125 orsa loqui (idem alibi et alii) || 108 Verg. Aen. 1, 93 ad sidera palmas (idem alibi et alii) || 109-11 Claud. 20, 592s. has tibi protendo lacrimas: succurre ruenti, / eripe me tandem servilibus, eripe, regnis (cf. idem 5, 94) || 111 Drac. laud. dei 3, 661 quibus opprimor || 113 Verg. Aen. 8, 187 vana superstitio (item alii) | 113s. Arator act. 2, 400s. sacris / Sacra || 115 Ov. trist. 4, 6, 47 vulgus ... bracataque turba | 117 Ov. trist. 1, 1, 41 otia quaerunt (item Symm. frg. 2, 13) || 118 Iuvenc. 1, 89 numinis alti (item Ps. Hil. evang. 2. 19; Cypr. Gall. gen. 708. 1086, deut. 31) || 122 Claud. 10, 313 iuris et aequi  113 Berg. Christoph. 60 Vana superstitio (item epithal. Schuz 226; Nicäa 50) || 115 Berg. Christoph. 381 falsi post sacra eversa Baalis | Berg. Lüneburg 712s. Ausonij semel exturbata Baalis / Portenta | Berg. Nicäa 493 Ancilla Ausonij dum mavult eße Baalis | Berg. Carm. Ev. 2 (Preces ad Deum pro Ecclesia: 21) Ausonij fraudes et barbara sacra Baalis

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und welche Versprechen er jener gegeben hatte und welche Hoffnung er ihr gemacht hatte (100). Denn während dieses Land noch immer mit ansehen musste, wie die römischen Luperci22 – entweder innerlich und äußerlich scheußlich, oder aber außen mit einem weichen Vlies bedeckt und ihre heimlichen Vergehen hinter geschminkter Ansehnlichkeit verbergend – sich in den Kirchen bacchantisch gebärdeten, trat zu Julius betrübt die Patria: Im Trauergewand und das Haupt mit einem groben Schleier verhüllt (105) warf sie sich ihm, der dasaß, zu Füßen und begann so zu sprechen – Tränen stürzten wie ein Bach über beide Wangen, und ihre Hände waren zum Himmel erhoben: »Diese Tränen vergieße ich vor dir, Fürst, berühmtester Fürst, als hochbetagte Mutter. Eile der Daniederliegenden zu Hilfe (110), entreiße mich endlich, entreiße mich den Ungeheuern, durch die ich niedergedrückt werde. Du siehst, wie in der ganzen Gegend der Deinen mächtig sind der nichtige Aberglaube und Gottesdienste, die den wahren Gottesdiensten entgegengesetzt sind, durch die die Korybanten23 die Welt zum Narren halten, nämlich dieser Pöbel des italienischen Baal24 und seine verfluchte Schar (115). Du siehst, wie diese ihren Bauch pflegen und wie sie nichts suchen außer Trägheit, außer leerem Müßiggang. Aber was Religion ist, was Verehrung des erhabenen Gottes, was die rechte Art des Glaubens, wie sich das Volk um seinen Lebensunterhalt sorgen muss, wie wenige von jenen, ach, wie wenige, ach, machen sich die Mühe, sich darum zu sorgen (120)! Daher entsteht tief in den Herzen schlimme Gottlosigkeit, daher Gottesverachtung, daher Frevel, Verbrechen, Vernachlässigung von Recht und Gerechtem

————— 22 Die Luperci sind Priester des Faunus, die am Fest der Lupercalia (15. Febr.) nur mit einem Fell bekleidet um den Palatin herumliefen. Das ausgelassene Treiben galt als fruchtbarkeitsfördernd und sollte die Reinigung des Volkes von bösen Mächten erwirken. Zur Übertragung der Luperci auf die röm.-kath. Kirche vgl. oben, 190. 23 Die Korybanten gehören zum Gefolge der phrygischen Göttin Kybele. Diese wird in wütender Begeisterung mit lärmender Musik und wilden Waffentänzen verehrt. Zur Bezeichnung der röm. Priester als Korybanten vgl. oben, 190. 24 Baal, hier auf den Papst gemünzt (vgl. dazu oben, 190), ist im Alten Testament eine übliche Bezeichnung für jeden Fremdgott, vgl. Niehr, H.: Baal (III. im Alten Testament), in: LThK 1 (1993), 1330.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Et morum leuitas animis innascitur imis Sicut neglecto lolium et paliurus in agro. Heu quantum coelo perit his perijt́que animarum Moribus, heu quantae ueniunt ad Tartara praedae. | O quoties opto nascentis littora Nili, Aut Libyae arentes calcare extorris arenas, Extremos ultra Blemyas, et sole calentem Recto Taprobanen, quoties per Caspia regna Exul agi, Boreaeùe extrema rigentis adire, Frigus ubi et nullo consueta calescere sole Arua iacent, ubi semper Hyems et cana pruina Astringit pigros aeterno frigore campos, Quando oculis haec cuncta meis moestißima cerno. At́que hoc cum uideant permulti, non tamen illud Emendare malum quisquam studet, aut ope uera Cladem arcere, Orcíque malas inhibere rapinas: Dum uirtutis egens luxúque potentior aetas Deficit, et rari ueterum laudata laborant Acta sequi. Ah non hoc priscis Heroibus olim Mentis erat: scis ipse tuos ex ordine OTHONES, Henricos, Brunonas, et Egbertos uenerandos.

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 123s. Hor. sat. 1, 3, 37 neglectis ... innascitur agris || 127-35 cf. Claud. 5, 239-45 || 127 Lucan. 9, 413 litora Nili (item 10, 244) | 127s. Claud. 5, 244s. calcare ... secretaque ... Nili / nascentis || 128 Claud. 5, 241 Libyae ... harenas | Sil. 6, 140 arentes ... harenas || 129 Claud. 5, 149 extremos ultra | Lucan. 9, 625 sole calentem (item 10, 435; Prisc. periheg. 208) || 130 Verg. Aen. 6, 798 Caspia regna || 131 Stat. Theb. 2, 403 exul agit | Manil. 1, 314 boreanque rigentem (sim. Anth. 542, 2) || 132 Ov. met. 3, 412 sole ... tepescere nullo || 133 Ov. Pont. 1, 3, 56 arva iacent (item Stat. Theb. 2, 504) | Verg. georg. 3, 356 semper hiems (item Ps. Cypr. resurr. 286) | Lucr. 3, 20s. pruina / cana (sim. Verg. georg. 2, 376; Ov. epist. 5, 16) || 134 Lucan. 1, 18 astringit ... frigore | Drac. laud. dei 3, 317 aeterno frigore (sim. Lucr. 4, 924; Claud. rapt. Pros. 1, 265) || 136 Alc. Avit. carm. 4, 186 non tamen illud || 137 Paul. Nol. carm. 18, 301 emendare malos || 138 Verg. app. Priap. 3, 19 malas ... rapinas || 139s. Claud. 26, 160s. terrorum expers et luxu mollior aetas, / deficimus || 141 Auson. epist. 12, 38 priscis heroibus || 142 Ov. ars 3, 713 mentis erat (item Lucan. 8, 636)  124 cf. Fabric. Milit. sacr. 1 (Ismaelis posteritas: 3s.) Aspicis ut numerosa, velut paliurus in agris, / Impietas miris crescat adaucta modis  124 cf. Berg. Iesu Bapt. praef. 37s. Dum mala, neglectis veluti paliurus in agris, / Impietas miris crescit adaucta modis 

130 Caspia (cf. Verg. Aen. 6, 798)] Cespia P

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und Lockerheit der Sitten – so wie auf einem vernachlässigten Acker Lolch und Christdorn. Ach, wie viele Seelen gehen und gingen bei diesen Sitten dem Himmel verloren (125), ach, wie viele kommen als Beute zum Tartarus. Oh, wie oft wünsche ich als Landesflüchtige die Ufer des Nils in seinem Oberlauf oder die trockene Sandwüste Libyens zu betreten, Gebiete jenseits der am äußersten Rand lebenden Blemyer und jenseits von der Insel Taprobane, die durch den Zenitstand der Sonne warm ist; wie oft wünsche ich, als Verbannte durch die kaspischen Reiche getrieben zu werden (130) oder die äußersten Gebiete des starrenden Nordwindes aufzusuchen, wo Kälte herrscht und Felder liegen, die gewöhnlich von keinem Sonnenstrahl erwärmt werden, wo immer Winter und grauer Reif die durch ewige Kälte starren Felder gefrieren lassen,25 , da ich Ärmste all dies mit meinen Augen mit ansehen muss (135). Und obwohl dies sehr viele sehen, bemüht sich dennoch keiner, jenem Übel abzuhelfen oder den Schaden durch wirksame Hilfe abzuwehren und die schlimmen Raubzüge des Orkus zu hemmen, da ein Zeitalter, das die Tugend nicht kennt und sich nur durch Schlemmerei auszeichnet, schwindet und nur wenige sich anstrengen (140), den lobenswerten Taten der Alten zu folgen. Ach, nicht hatten die alten Helden von früher eine solche Geisteshaltung: Du selbst kennst deine Ottonen in ihrer Reihenfolge, die Heinriche, Brunonen und Egberte;26 du weißt, wie verehrenswürdig sie sind.

————— 25 Genannt sind die unwirtlichen Randzonen der antiken Welt: Für den Süden stehen der Nil, die Wüste Libyens, die Blemyer (ein nomadisches Volk in Unternubien) und Taprobane (heute Sri Lanka); den Norden vertreten die Gebiete am Kaspischen Meer und der Wind Boreas. 26 Zu den einzelnen Herrschern vgl. unten.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Non illis hoc moris erat, tua ouilia CHRISTE Furibus infestis dare dilaceranda lupiśque. Non ita Normannus Brunonem nouerat, aut te Bellipotens Auceps trux Hungarus: haud ita magnum Barbaricae Obotritum gentes nouêre Leonem. At tu, cuius opem uotis uocat incola crebris  Iamdudum, et sub quo tandem reditura putamus Siquá fata sinant prisci meliora metalli Saecula, Dux IVLI, Dux ô clarißime IVLI Hanc curam molire animo: fac ut auspice te sit His etiam CHRISTI fundata Ecclesia terris: Fac tuus ut superos recte noscat́que colat́que Incola: fac procul hinc Corybantum insana fugentur Agmina, quae ficta sub relligione pudendos Occultant mores, reguḿque innixa fauore Sacra fideḿque ausint pedibus calcare proteruis. At́que ita uel tandem cultus sanctißima ueros Restituat pietas: tandem sua gloria CHRISTO Integra in his terris surgat, quaéque hactenus ista Ausonij impedijt soboles damnata Luperci. Hinc fiant aeuo tua nomina nota sequenti. Id faciens, non tu Latia cingêre corona, Nec niueis ibis Capitolia ad alta quadrigis: Sed meritum patrispatriae cognomen habebis, Ante Deum, ante homines pompa meliore triumphans. Ipsa ego non solito texam tibi flore coronam, Quem tua terra tuo paßim producet honori

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 144 Iuv. 11, 83 moris erat (item Paul. Petric. Mart. 4, 66) | 144s. Ven. Fort. carm. 5, 3, 19s. ovilia Christi, / ... dilaceranda lupis || 148 Paul. Pell. euch. 407 barbaricas ... gentes || 149 Lucan. 2, 32 votisque vocari | Sil. 5, 352 opem ... vocat (item 11, 168) || 151 Verg. Aen. 1, 18 si qua fata sinant (item Prud. c. Symm. 2, 499; Anth. 15, 60) | 151s. Claud. 7, 184 saecula ... meliore metallo (sim. 17, 137. 22, 454) || 153 Ov. ars 2, 119 molire animum || 154 Ven. Fort. Mart. 3, 483 fundata ecclesia || 159 Stat. Ach. 1, 910 sacra fidemque | CE 1943, 8 pedibus calcare protervis || 160 Paul. Petric. Mart. 2, 210 veros ... cultus || 161 Hor. carm. 4, 7, 24 restituet pietas (sim. Auson. prof. 16, 18) || 164 Verg. ecl. 8, 27 aevoque sequenti | Prisc. periheg. 641 nomina nota (item Coripp. Iust. 4, 203) || 165 Calp. ecl. 3, 80 cingebare coronis || 166 Verg. Aen. 6, 836 Capitolia ad alta (sim. Sil. 5, 654. 12, 640s.) | Claud. 26, 127 niveis ... quadrigis || 168 Claud. 24, 29 inque animis hominum pompa meliore triumphat || 169 Drac. Romul. 7, 44 floribus ... texat ... coronas 

153 molire (cf. v. 599)] moliore P : meliore R | fac ut (cf. Lucr. 6, 536)] fac P

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Für sie war es nicht üblich, deine Schafe, Christus, den feindlichen Dieben und Wölfen zum Zerfleischen zu geben (145). Nicht kannte als solchen der Normanne den Bruno,27 oder dich, kriegsmächtiger Vogler, der schreckliche Ungar.28 Nicht kannten als solchen den großen Löwen die barbarischen Stämme der Obotriten.29 Aber du, dessen Hilfe der Einwohner schon längst mit zahlreichen Gebeten herbeiruft und unter dem, wie wir glauben (150), endlich, wenn es das Schicksal zulässt, die besseren Zeiten des früheren Metalls zurückkehren werden, Herzog Julius, hochberühmter Herzog Julius, kümmere dich in deinem Herzen um folgende Sorge: Bewirke, dass unter deiner Regierung die Kirche Christi auch in diesen Ländern ein Fundament hat. Bewirke, dass deine Bewohner die höheren Mächte richtig kennen und verehren (155)! Bewirke, dass die wahnsinnigen Scharen der Korybanten weit von hier in die Flucht geschlagen werden, die unter dem Deckmantel ihrer Religion schändliche Bräuche verhüllen und gestützt auf die Gunst der Könige es wagen, den Kult und den Glauben mit unverschämten Füßen zu treten. Und so soll die heiligste Frömmigkeit dann endlich die wahre Gottesverehrung wiederherstellen (160)! Endlich soll sich für Christus in diesen Ländern ungeschmälert sein Ruhm erheben und das, was bis jetzt die verdammte Nachkommenschaft des italienischen Lupercuspriesters verhindert hat. Von diesem Verdienst her möge der folgenden Zeit dein Name bekannt werden. Wenn du dies tust, wirst du nicht mit einem Kranz aus Latium geschmückt werden (165) und wirst nicht im schneeweißen Viergespann zum hohen Kapitol fahren, aber du wirst den verdienten Beinamen »Vater des Vaterlandes« haben und vor Gott und den Menschen in einem besseren Siegeszug deinen Triumph feiern. Ich selbst werde dir einen Kranz aus nicht gewöhnlichen Blumen flechten, die dein Land überall hervorbringen wird, um dich zu ehren (170):

————— 27 Zu Bruno vgl. unten, Anm. 58. 28 Zu Heinrich dem Vogler vgl. unten, Anm. 59. 29 Die Obotriten sind ein Slawenstamm in Mecklenburg und der Uckermark. Zu Heinrich dem Löwen vgl. unten, Anm. 73.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Iustitiae, ueri, pacis, pietatis et aequi. Hic honor, hi flores longé flagrantius ibunt In fastos Dux magne tuos, hos sentiet olim Posteritas melius, quam si tibi cinnama cuncta,  Si totae Cilicum messes, Paestanáque fragret Luxuria, ińque ipsis Florae quod germinat hortis. Finis erat dictis patriae: subit ille loquentem Talibus, attollit́que manu bonus, at́que ita fatur. O cui iusta nimis lacrymarum causa piarum est, | Tollere humo ueneranda parens, et fide benignis Numinibus, pauidaéque metum depone senectae. Non equidem, ut fors rêre, tui securus, et expers Curarum, quae te macerant quóque uiuo: sed illud Quod quereris uideo ipse etiam, crucioŕque uidendo. Quid tamen hisce tuis, quanquam iustiśque piiśque Pollicear uotis non est mihi dicere promptum, Dum petis hoc, praestare tibi quod nostra nequit uis, Dextráque, quod ualidae nequeunt donare phalanges Humanusùe labor: Deus hanc complanet oportet Ipse uiam reseret́que aditus, et limina uerbo Ipse suo pandat: uotis erit ille uocandus, Vt mersos coeno populos, ut morte iacentes In media gentes optanda in sorte reponat, Nostráque Tartareis è faucibus oppida uellat. Si verò hos fasces et quos grandaeuus honores

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173 Stat. Theb. 9, 562 dux magne (item Sidon. carm. 7, 534; CE 1335, 19) || 175 Stat. silv. 2, 6, 87 Cilicum messes (sim. 3, 3, 34) || 177 Ov. met. 4, 389 Finis erat dictis | 177s. Claud. 17, 173s. subit ille loquentem / talibus || 178 Stat. silv. 2, 5, 21 attollitque manum | Verg. Aen. 5, 382 atque ita fatur (item 10, 480. 12, 295; Homer. 113; Val. Fl. 1, 562) || 180 Paul. Nol. frg. epist. 8, 65 tollere humo (sim. Verg. georg. 3, 9; Ov. met. 7, 640; Proba cento 337; Prosp. epigr. in obtrect. 16) | 180s. Claud. 26, 52s. surge, precor, veneranda parens, et certa secundis / fide deis humilemque metum depone senectae || 182s. Stat. silv. 2, 2, 71 expers curarum (item Mar. Victor. aleth. 1, 312) || 184 Ov. epist. 20, 26 quod quereris || 186 Ov. met. 13, 10s. nec mihi dicere promptum / ... est (sim. 14, 841) || 190s. Verg. Aen. 6, 525 limina pandit (item Stat. silv. 1, 1, 22) || 192 Petron. 119, 58 mersam caeno Romam somnoque iacentem | Claud. 26, 448 populos sub morte iacentes || 194 Claud. 26, 449 totaque Tartareis e faucibus oppida traxit 

175 Berg. epithal. Schuz 33 Cilicum messes

 172 flagrantius] i. e. fragrantius

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Text und Übersetzung

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Gerechtigkeit, der Wahrheit, des Friedens, der Frömmigkeit und Billigkeit. Diese Ehre, diese Blumen werden bei weitem wohlriechender in deine Annalen eingehen, großer Herzog, diese Blumen wird dereinst die Nachwelt eher wahrnehmen, als wenn dir all der Zimt, sämtliche Ernteprodukte der Kiliker und der Luxus aus Paestum duften30 (175) und sogar was in den Gärten der Flora sprießt.« Die Patria hatte zu Ende gesprochen. Julius löst die Sprechende mit folgenden Worten ab, der Gute richtet sie auf und spricht so: »Ehrwürdige Mutter, die du einen allzu berechtigten Grund für fromme Tränen hast, erhebe dich vom Boden und vertraue den gütigen höheren Mächten (180); lege die Furcht ab, die dich, Alte, ängstigt. Wahrlich lebe ich nicht, wie du vielleicht glauben magst, ohne Sorge um dich und ohne Anteil an den Befürchtungen, die auch dich quälen; sondern ich selbst sehe auch jenes, worüber du klagst, und ich leide unter dem Wahrgenommenen. Doch was ich dir angesichts dieser Wünsche, mögen sie auch noch so gerecht und fromm sein, versprechen soll (185), das fällt mir nicht leicht zu sagen, weil du das wünscht, was dir meine Kraft, meine Hand nicht verschaffen kann, was mächtige Truppen oder menschliche Anstrengung nicht schenken können. Gott selbst muss diesen Weg ebnen und die Zugänge herstellen und selbst die Türen für sein Wort öffnen (190). Gott ist mit Gebeten anzurufen, dass er die im Schmutz versunkenen Völker, die mitten im Tod liegenden Stämme in einen glücklichen Zustand versetze und unsere Städte aus dem Schlund des Tartarus reiße. Wenn aber diese Regierung und die Ämter, die mein Großvater innehatte (195)

————— 30 Kilikien, eine Region in der heutigen Südosttürkei, war in der Antike für seinen Reichtum an Naturprodukten aller Art, insbesondere für Safran, bekannt (vgl. auch V. 935); Paestum war berühmt für seine Rosen.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Obtinet, obtineat́que diu pater, et mihi tandem Indulgere uolet summus pater, haud ego quicquam Anteferam his curis, ut eant liberrima regno Incrementa Dei, et portae tibi Christe patescant Hic etiam, Stygius tibi quas obsepserat hostis. At tu cana parens dum te Babylonia uexant Vincula, fer patiens, quod adhuc fuit uśque ferendum: Rem permitte Deo: miserebitur ille, tuaśque Discutiet uerbi patefacta luce tenebras. Sic ubi iam annuerit uotis Deus aequior istis, Gaudia praeteriti facient maiora labores. | His tum mulcebat moerentia pectora dictis Egregius princeps, et spe mala tanta leuabat. Quae memori secum rursus dum mente uolutat, Ad se iam unanimi populorum uota rogatu Conuerti, promißa peti sua pristina, quod́ que Patria questa prius fuerat, per rura per urbes Mille sibi linguas, mille ora expromere sentit. Nunc et Psalmographi sententia dia Prophetae Succurrit, quam sit coniunctio pulcra, Deóque Res grata aeterno, si se cum plebe pius Rex Congreget ad laudes Domini: et quae caetera plectro Barbitos aurato Dauidica personat: Eia Vos quibus est sceptrum, quibus est permissa potestas In populum suprema, Deo seruite, Deíque Oscula adhuc miti mox mitia figite nato.

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 197 Drac. laud. dei 2, 503 indulgere volens (sim. Stat. Theb. 7, 736) | Prud. cath. 4, 68 summus pater (item Sedul. carm. pasch. 1, 319. 1, 320; sim. perist. 10, 609; Claud. 1, 206s.) || 204 Paul. Nol. carm. 19, 80 discuteretque ... tenebras (sim. Ov. met. 11, 521s.; Prud. perist. 13, 26; Ps. Prosp. carm. de prov. 399) || 205 Sil. 8, 326 annueritque deus || 207 Verg. Aen. 1, 197 dictis maerentia pectora mulcet (item Anth. 16, 61) | Verg. Aen. 5, 816 permulsit pectora dictis || 208 Coripp. Ioh. praef. 34 gaudia tanta levant || 209 Lucr. 3, 240 †mente volutat† (item Stat. Ach. 1, 200) || 210 Coripp. Ioh. 8, 206 populorum vota || 211 Sil. 12, 476 promissa petit || 212 (cf. 298) Claud. rapt. Pros. 3, 326 per rura, per urbes || 213 (cf. ad 388s.) Lucil. 1364s. non mihi si linguae centum sint oraque centum (item Verg. georg. 2, 43. Aen. 6, 625; Orient. comm. 1, 387) || 214 Hor. sat. 1, 2, 32 sententia dia (item Epigr. Bob. 37, 48) || 215 cf. Vulg. psalm. iuxta hebr. 146, 1 || 216s. cf. Vulg. psalm. iuxta hebr. 101, 23 cum congregati fuerint populi simul et regna ut serviant Domino || 219 Coripp. Iust. 2, 143 sceptrum ... potestas (sim. 3, 361) || 220s. cf. Vulg. psalm. iuxta LXX 2, 10-13 

219s. Buchan. psalm. 2, 19 At vos, in populos quibus est permissa potestas

 219 permissa (cf. Buchan. psalm. 2, 19)] promissa P

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Text und Übersetzung

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und die mein Vater lange innehaben möge, endlich mir der höchste Vater überlassen will, werde ich nichts diesen Sorgen voranstellen, dass dem Reich Gottes grenzenloser Zuwachs zukomme und sich dir, Christus, auch hier die Pforten öffnen, welche dir der stygische Feind verschlossen hat (200). Aber du, graue Mutter, solange dich babylonische Gefangenschaft quält, ertrage geduldig, was bis jetzt zu ertragen war, und überlasse die Sache Gott: Jener wird sich erbarmen und die Finsternis zerstreuen durch das geoffenbarte Licht seines Wortes. Sobald Gott diesen Gebeten geneigter zugestimmt hat (205), werden die vorübergegangenen Mühen größere Freude erwirken.« Mit diesen Worten besänftigte damals der hervorragende Fürst das traurige Herz und linderte mit Hoffnung das so große Übel. Während er dies wieder in seiner Erinnerung erwog, da fühlte er, dass zu ihm die Wünsche der Völker in einmütiger Bitte überbracht werden (210), dass seine alten Versprechen eingefordert werden und dass, was die Patria früher geklagt hatte, ihm auf dem Land und in den Städten tausend Zungen, tausend Münder vortragen. Nun kommt ihm auch der göttliche Ausspruch des prophetischen Psalmendichters in den Sinn, welch schöne Verbindung es sei (215), welch ein dem ewigen Gott willkommenes Ereignis, wenn sich der fromme König mit dem Volk zum Lob des Herrn versammelt, , was sonst noch die Laute mit goldenem Schlegel Davidisches erklingen lässt: »Auf ihr, denen die Herrschaft, denen die höchste Macht über das Volk überlassen ist, dient Gott (220) und drückt in einem fort sanfte Huldigungsküsse dem bald sanften Sohn Gottes auf.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Tempus erit cum non mitis, non iam amplius irae Parcus ad aeternas pandet flammantia poenas Tartara: at haec in uos ne saeuiat ira uidete. Tollite ferratas reges, age tollite portas, Magnus ut hic uestris succedat sedibus hospes, Coelestis dux militiae, famulantia colla Cui subdit partem rerum natura per omnem. His sua dum posci liquidò iam munia noscit, Continuò haec secum ipse: Sequor quocuńque sequendum est Gloria quò tua me, quò me tua sancta uocat uox Rerum summe parens. Tu fac modò, ritè capessam Tantum opus, imperijsque tuis suscepta secundes.| Extemplo accersit, quos consilijśque potentes At́que animi egregios, rebuśque usúque ualentes Aula augusta fouet: curas quibus inclitus olim Partiri solitus genitor: Qus callida nunquam Huic dare consilia aut pietati inimica Deóque Consuetum. Quos inter eras clarißimus unus MENSINGERE, omnis cui se Parnasus et omnis Indulget sacrae uis Phocidos omnia iuris Cui sancti secreta patent, cui plurima rerum Verboruḿque fides, ingens sapientia, uiśque

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 222 Tib. 1, 4, 79 tempus erit, cum (item alii) | Stat. Theb. 2, 679 nec iam amplius irae || 223 Lucr. 1, 111 aeternas ... poenas (sim. Alc. Avit. carm. 3, 256) || 225 cf. Vulg. psalm. iuxta LXX 23, 7 (=23, 9) | Lucan. 1, 347 Tollite ... tollite || 226 Verg. Aen. 4, 10 hic nostris successit sedibus hospes (item Anth. 11, 81) || 227 Orient. carm. app. 3, 106 dux militiae caelestis || 230 Claud. 3, 170 Sequimur quocumque vocabis (sim. Verg. ecl. 3, 49; Stat. Theb. 10, 680) || 232 Paul. Nol. carm. 6, 1 Summe pater rerum | Lucan. 4, 110 summe parens (item Homer. 89; Coripp. Ioh. 4, 270) | Ov. ars 2, 198 fac modo (idem alibi) || 233 Paul. Pell. euch. 5 coepta secundes || 234 Verg. Aen. 5, 746 Extemplo ... accersit | Homer. 177 consilioque potens || 235 Verg. Aen. 11, 417 egregiusque animi || 236 Claud. 7, 11 aula fovet | 236s. Verg. Aen. 11, 822 partiri curas (sim. Alc. Avit. carm. 6, 116) || 242 Claud. carm. min. 26, 43 secreta patent | 242s. (cf. 1039s.) Verg. Aen. 9, 279s. rerum / verborumque fides (item Proba cento 390s.) | Claud. 26, 485s. cui plurima ... / consiliisque fides 

225s. Buchan. psalm. 24, 21-3 magnus ut intret / Rex ... / Quis novus hic sanctis succedit sedibus hospes ? || 242s. Lotich. nupt. Guil. 394s. cui maxima rerum / Verborumque fides  227 Berg. Christoph. 483s. At si Christo humeros, Christo famulantia colla / Praebueris | Carm. Ev. 2 (Votum nuptiale Davidi Chytraeo: 20) famulantia colla 

233 imperijsque] imperijs P

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Text und Übersetzung

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Es wird noch die Zeit kommen, da er nicht sanft, nicht länger zurückhaltend in seinem Zorn den flammenden Tartarus zu ewigen Strafen öffnen wird. Doch seht zu, dass dieser Zorn nicht gegen euch wütet! Hebt, ihr Könige, die Eisentore, hebt sie (225), damit dieser große Gast in euren Herrschersitz einziehen kann, der himmlische Kriegsfürst, zu dessen Dienst die Natur überall die Nacken sich beugen lässt!«31 Da nun Julius klar erkennt, dass seine Amtspflichten bereits durch diese eingefordert werden, sagt er sofort dies zu sich selbst: »Ich folge, wohin auch immer ich zu folgen habe (230), wohin dein Ruhm mich, wohin deine heilige Stimme mich ruft, höchster Vater der Welt. Bewirke du nur, dass ich eine so große Aufgabe auf rechte Weise in Angriff nehme, und begünstige das auf deinen Befehl hin ins Werk Gesetzte.« Sofort ruft er diejenigen herbei, die der erhabene Hof nährt, weil sie im Rat fähig und im Geist hervorragend sind und sich auch durch praktische Erfahrung auszeichnen (235), denen einst der berühmte Vater seine Sorgen mitzuteilen pflegte, denen es immer völlig fremd war, ihm verschlagenen Rat oder einen der Frömmigkeit und Gott widersprechenden Rat zu geben. Unter diesen warst du der allerberühmteste, Münsinger32 (240), dem der ganze Parnass und die ganze Macht der heiligen Phokis33 ergeben sind, dem alle Geheimnisse des heiligen Rechts offen stehen, der, wenn er spricht und handelt, größtes Vertrauen genießt, der unglaubliche Weisheit und Geisteskraft

————— 31 Zu den Psalmen, die Bergius als Vorlage dienten, vgl. oben, 165ff. 32 Zu Joachim Münsinger von Frundeck (1514-1588) vgl. oben, 131. 33 Phokis ist die Landschaft um Delphi und um den Parnass, der in der Antike als Sitz Apollons und der Musen galt.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Mentis, et innatum generoso pectori honestum. Hos ille appellans figendáque sensibus edens Verba ait: O nostrae fidißima turba saluti,  Nostroruḿque simul, quo res ea summa loco sit, Ex qua promanant auctu bona publica magno, Vnde est, ut uitijs, ima ab radice recisis, Tollatur morum labes, terraśque reuisat Pax, paciśque comes opulentia, et illa uerenda Fraudibus et sceleri furtiśque inimica uirago, Obscurum est nulli, nec nostrae ea uocis eget res. Et quia, quid ratio nostri hac in parte requirat Officij scimus, morbo medicina paranda est. Vt́que adeo reliquis, quae nostri nouimus esse Muneris, ut populi tranquilla in pace regantur Et placidum iustis agitent sub legibus aeuum, Non dubium patefiat iter stat prima meorum Relligioni uni Christóque dicare laborum. | Nunc itáque ô nostri fidißima turba Senatus, Sit uobis mecum cordi res tanta, bonuḿque In commune iuuet socias extendere curas. Dixerat, extemplo cunctis laudanda uideri Principis egregij praeclare ostensa uoluntas.

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 244 Pers. 2, 73s. recessus / mentis et incoctum generoso pectus honesto || 245s. Claud. 22, 155s. figendaque sensibus ... / verba || 246 Paul. Nol. carm. 9, 55s. turba saluti / noxia || 247 Verg. Aen. 2, 322 Quo res summa loco (item Hos. Geta Med. 317) || 249 Lucr. 1, 352 ab radicibus imis (sim. idem et alii) | Claud. 3, 56 vitiisque a stirpe recisis (sim. Mar. Victor. aleth. 3, 594) || 250 Stat. silv. 5, 2, 92 terrasque revisit || 253 Verg. Aen. 11, 343 Rem nulli obscuram nostrae nec vocis egentem || 255 Ov. rem. 91 medicina paratur || 257 (cf. 1068) Verg. Aen. 8, 325 placida populos in pace regebat || Lucr. 1, 31 tranquilla pace (idem alibi et alii) || 258 Verg. georg. 4, 154 agitant sub legibus aevum | Prosp. carm. de prov. 430 placidum ... agerent ... aevum || 261 Ov. Pont. 4, 9, 17 turba senatus (item Lucan. 8, 79; Sil. 10, 592; Sidon. carm. 7, 572) || 263 cf. Stat. Theb. 4, 33 cui ... vitasque extendere curae || 264 Val. Fl. 7, 456 dixerat. extemplo 

248-52 (cf. 275 et ad 276-81) Berg. Georg 564-73 Unde fluunt moresque boni, legesque probatae: / Unde est, ut vitijs ima ab radice recisis / Succrescant pulcrum sanctae priscamque resumant / Caniciem leges, ... / ... terras unde illa revisit / Fraudibus et sceleri furtisque inimica virago: / Unde decus regnis, publicarum et commoda rerum / Innumera, et magnos ducit sapientia rivos. / Unde, quod humanis praeclarum in rebus habetur, / Pullulat, et magnos meßis fert optima fructus | 251s. Berg. Lucretia 514s. aspicit illa / Fraudibus et sceleri furtisque inimica virago 

261 fidißima] fidissima R : fidißma P

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und einen dem edlen Herzen angeborenen Anstand besitzt. Diese spricht Julius an mit Worten, die im Sinn haften bleiben sollten (245): »Unserem Heil und zugleich dem Heil der Unseren treust ergebene Schar! Von welcher Bedeutung diese wichtigste Sache ist,34 aus der die öffentlichen Güter hervorströmen, um reichlich zu gedeihen, was wiederum dazu führt, dass der Sittenverfall, nachdem die Fehler von Grund auf beseitigt sind, aufhört (250) und Friede die Länder wieder aufsucht und Reichtum, der Begleiter des Friedens, und jene verehrenswürdige junge Frau, die Betrug, Verbrechen und Diebstahl feindlich gesinnt ist,35 , das ist keinem verborgen, und nicht bedarf diese Sache meiner Stimme. Und weil wir wissen, was die Vernunft in diesem Bereich unserer Pflicht verlangt, muss eine Medizin gegen diese Krankheit beschafft werden (255). Und damit auch zu den übrigen Dingen ein sicherer Weg offen steht, zu denen wir, wie wir wissen, verpflichtet sind, nämlich dass die Völker in ruhigem Frieden regiert werden und unter gerechten Gesetzen eine friedliche Zeit verleben, ist es mein fester Entschluss, den Anfang meiner Tätigkeit allein der Religion und Christus zu weihen (260). Deshalb nun, treuste Schar unseres Senats, lasst euch dies zusammen mit mir als das Wichtigste angelegen sein; es möge euch Freude machen, die vereinten Sorgen auf das Gemeinwohl zu richten.« So sprach er, und sofort schien allen der klar gezeigte Wille des herausragenden Fürsten lobenswert (265).

————— 34 Gemeint ist die Einführung der »wahren Religion«, der protestantischen Konfession. 35 Gemeint ist Iustitia, vgl. dazu oben, 177.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Hic Pylio sermone potens, et pectoris omni Dote uigens, et nominibus generosus auitis Ante alios MENSINGERVS haec reddere uerba.  O praestans animi princeps, dignißima curis Consulis ista tuis: simul his documenta futuri Imperij specimeńque ingens ostendis ab orsis, Dum tibi Relligio Pietaśque ante omnia cordi est: Relligio Pietaśque omni bona maxima uita. Vnde quod humanis ueré est laudabile rebus Pullulat, et magnos meßis fert optima fructus. Prima premit uitium, et primis suffocat in herbis, Prima boni rectíque simul fundamina ponit Relligio, his scatebris mores, hoc fonte, probati Promanant, magnos hinc fas deducere riuos. Hinc pax uera uenit: uitae hinc pulcerrima toti Commoditas, ingens hinc efflorescit opum uis. Illa modum uerae monstrat́que aperit́que salutis Conciliatque animos, absque hac quos plurimus aufert Huc illuc error, manibusque cruenta ministrat Arma feris, bellumque serit, lacrymabile bellum, Iura, fidem, superos parili calcando ruina. | Pone, adsint omnes ad pacem et foedera causae, Non tamen unanimis populos concordia nectit Dissona Relligio dum conspirare paratas Dissociat mentes. Hinc hinc tibi certa futura est

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 266 Arator act. 2, 623 sermone potens || 267 Stat. silv. 5, 2, 22 titulis generosus avitis || 268 Ov. ars. 3, 295 reddere verba (item Stat. silv. 2, 4, 31) || 270 Claud. 8, 141 documenta futuri (sim. Sil. 5, 68; Prosp. carm. de prov. 256) || 276 Ov. met. 5, 482 primis ... in herbis (item fast. 4, 645) || 277 cf. ad 81 || 279 Verg. georg. 1, 269 fas ... rivos deducere || 285 Anth. 597, 4 bellum serit | Verg. Aen. 7, 604 lacrimabile bellum (item Ov. met. 8, 44) || 286 Stat. Ach. 1, 403 iura, fidem, superos una calcata rapina | Stat. Theb. 11, 679 calcare ruinas

 272 Berg. Georg praef. 35 Relligio in primis cordi est tibi vera || 275 cf. ad 248-52 || 276-81 (cf. 248) Berg. Georg 355-66 Hinc pax vera venit: vitae hinc pulcerrima toti / Commoditas: ingens hinc efflorescit opum vis. / Quippe ubi relligio viget, et sunt libera verbo / Incrementa sacro, cultus vestigia falsi / Unde absunt, sanctoque viget concordia coetu: / Publica res illic belle sibi constat, et aequum est / Imperium, crescuntque auctu bona publica magno: / Relligione modum stabilis monstrante quietis. / Prima premit vitium et tenera ab radice recidit, / Prima boni, rectique decens fundamina ponit / Relligio: his scatebris mores, hoc fonte, probati / Promanant: magnos hinc fas deducere rivos

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Da sprach der der pylischen Sprache mächtige,36 durch jede Gabe des Herzens starke und durch die Namen der Vorfahren vor den anderen edle Münsinger diese Worte: »Im Geiste hervorragender Fürst, du rätst solches, wie es deiner Fürsorge vollkommen entspricht (270). Zugleich gibst du mit diesen Anfängen Zeugnis und eine eindrucksvolle Kostprobe deiner künftigen Herrschaft, da dir die Religion und die Frömmigkeit vor allem am Herzen liegen. Religion und Frömmigkeit sind die höchsten Güter in jedem Leben. Von hier aus sprießt hervor, was in den menschlichen Angelegenheiten wahrhaft lobenswert ist, und als die beste zur Ernte heranreifende Feldfrucht bringt die Religion reichen Ertrag (275). Die Religion drückt als erste das Laster nieder und erstickt es in den ersten Anfängen, sie legt als erste die Grundlagen für das Gute und zugleich das Rechte, aus diesem Quellgrund, aus diesem Ursprung fließen die bewährten Sitten hervor, von hier aus ist es Recht, große Bäche abzuleiten: Von hier kommt wahrer Friede, von hier kommt für das ganze Leben die schönste Annehmlichkeit (280), von hier erblüht eine gewaltige Fülle von Schätzen. Die Religion zeigt und eröffnet das Ausmaß des wahren Heils und gewinnt die Herzen, welche, wenn sie fehlt, vielfältiger Irrtum bald hierhin, bald dorthin führt; dieser stellt wilden Händen grausame Waffen zur Verfügung und sät Krieg, einen tränenreichen Krieg (285), er tritt das Recht, den Glauben und die höheren Mächte gleichermaßen mit Füßen und richtet sie zugrunde. Gesetzt einmal den Fall, dass alle Gründe da sind zu Frieden und Verträgen: Es verknüpft dennoch nicht einmütige Eintracht die Völker, weil religiöse Zwietracht die Geister trotz ihrer Bereitschaft zur Übereinkunft entzweit. Eben von hier erwächst dir sicherer Friede mit den Nachbarn (290).

————— 36 Mit dieser Formulierung ist auf Nestor angespielt, den König von Pylos. Dieser wurde von den Griechen für seinen weisen Rat und seine Beredsamkeit geschätzt. Zu Nestor vgl. auch unten, Anm. 45 und 96.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Pax cum finitimis: quae si te auctore dabuntur His terris, merito patriam deuinxeris omni. Quaéque tibi multis iamnunc ornata bonis est Et pecorum regio diues, et plena ferarum Et frugum locuples, et uenis foeta metalli, Vrbibus et uarijs, uario artificuḿque labore Nobilis ante alias, nec non et fortibus illa Plena potenśque uiris, per rura, per oppida, et urbes Haec tibi tum nullis penitus caritura bonis est. O felix animi princeps qui talia curas. His etenim auspicijs felix at́que utilis orbi Incipitur princeps, Deus ipse ante omnia quando Consulitur, quid́ que is poscat spectatur: Ab illo Rerum summa salus dependet principio. At́que hoc Et proaui fecêre tui, dum bella gerebant Et laudem ueram et ueros habitura triumphos, Pro CHRISTI populo, pro relligione fidéque: Hinc Constantino est sua laus, hinc uśque feretur Gloria Francigenae Caroli, qui Saxone uicto, Barbarici pepulit mores et dogmata ritus. Hos uirtus tua digna sequi, hos imitabere semper. Sed néque propositos cursus terrorùe minaeùe Praesulis Ausonij, néque Mars immanis Iberi | Impediat, nostrae quem gens cupidißima caedis Gens Latij Augiae stabulis deuota, sui gens Pontificis si sic modo suadeat ira furoŕque In superos audens rediuiuam attollere Phlegram, Iamdudum nostras in caedes suscitat. At tu Perge sacer quò te uocat impetus: at licèt illa

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 294 Prisc. periheg. 743 pecorum dives | Ov. met. 14, 10 plena ferarum || 295 Hor. epist. 2, 1, 137 et locupletem frugibus || 297s. Stat. Theb. 4, 147s. non fortibus illa / infecunda viris || 298 cf. ad 212 || 305 Lucan. 8, 502 dum bella geruntur || 310 Sil. 12, 349 barbarici ... ritus (sim. 16, 20; Lucan. 1, 450) || 311 Claud. carm. min. 22, 21 hunc virtus tua digna sequi || 312 Ov. met. 11, 446 sed neque propositos ... cursus || 316 Stat. Theb. 4, 661 Ira Furorque (item Avien. Arat. 1206) || 317 Lucan. 9, 187 in superos audet || 318 Verg. Aen. 12, 498s. caedem / suscitat || 319 Ov. Pont. 4, 2, 25 Impetus ille sacer

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Text und Übersetzung

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Wenn dies unter deiner Führung den Ländern gegeben wird, bindest du deine Heimat mit Fug und Recht an dich. Diese ist dir schon jetzt mit vielen Gütern ausgestattet: Die Gegend ist reich an Vieh und voll von Wild, reich an Feldfrüchten und ergiebig durch Metalladern (295), zeichnet sich vor anderen aus durch die bunte Vielfalt seiner Städte und durch Handwerkskunst, und nicht zuletzt ist es mächtig durch zahlreiche tapfere Männer auf dem Land, in den Gemeinden und Städten: Deinem Land wird es dann an überhaupt keinen Gütern mehr fehlen. Im Herzen glücklicher Fürst, der du dich um solches sorgst (300)! Denn unter diesen Vorzeichen erhebt sich ein glücklicher und dem Erdkreis nützlicher Herrscher, wenn Gott selbst vor allem anderen geehrt wird und der Herrscher darauf achtet, was Gott fordert. Von einem solchen Anfang hängt das allgemeine Wohlergehen zuvörderst ab. Eben dies haben deine Großväter getan, als sie Kriege führten (305), die wahres Lob und wahre Triumphe erhalten sollten, für das Volk Christi und für die Religion und den Glauben. Von hier erhielt Konstantin sein Lob,37 von hier wird ununterbrochen der Ruhm des in Franken geborenen Karl in aller Munde sein, der nach dem Sieg über die Sachsen die Bräuche und Glaubenssätze des barbarischen Kultes vertrieb (310).38 Deine Tugend ist würdig, solchen Männern zu folgen, solche wirst du immer nachahmen. Doch sollen den eingeschlagenen Kurs nicht Schrecken und Drohungen des Papstes behindern und auch nicht der Krieg mit dem gewaltigen Spanier,39 den schon längst zu unserer Vernichtung aufstachelt das Volk, äußerst begierig, uns niederzumetzeln, das Volk, den Ställen des latinischen Augias ergeben, das seinem Papst untertänige Volk (315), mutig bereit gegen die höheren Mächte ein neues Phlegra zu inszenieren, wenn Zorn und Wut dazu auffordern.40 Aber du strebe zu dem Ziel, zu dem dich dein heiliger Eifer ruft.

————— 37 Konstantin I. der Große (~272-337). 38 Karl I. der Große (768-814). 39 Gemeint ist Philipp II. (reg. 1555-1598), Sohn Karls V.; er war als Vorkämpfer des Katholizismus die beherrschende Gestalt der Gegenreformation. 40 Die phlegräischen Felder sind der mythische Ort des Kampfes der Giganten gegen die olympischen Götter.

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314

Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Tale odium spiret, raptis quale effera natis Praedatoris equi relegens uestigia Tygris: Te tamen ille Deus, cuius tibi gloria cordi est Defensum dabit, et magna inter praemia ducet. Hic tibi certa reget media uestigia nocte, Luce reget media: nemo duce labitur illo. Haec ille. at reliquis itidem res tota probari, At́que omni sermo similis resonare corona. Mittitur extemplo cognati ad principis aulam Legatus, cui Pampineis celeberrima syluis Sueuia, cui parent Wirtembergensia rura, Vt petat inde uirum qui CHRISTI sana professus Dogmata, quíque potens uerbis, uitáque probatus Consilia in tantis posset dare sobria rebus. Addidit huic Brunsuiga suum, quo iure superbit Kemnicium: illorum consulta petita duorum. Hi curas operi studiuḿque dicare rogantur. At́que illi inter se nunquam ante haec tempora uisi, Vt dextras iunxêre, animos iunxêre, pióque | Consensu pariter tanta ad molimina uersi Omnibus hoc ambo studijs urgent́que parant́que, Dogmata diuinis ut consentanea scriptis Terrarum IVLI paßim per templa tuarum Exaudita ligent aeterno foedere gentes.

320

325

330

335

340

Gaudent Saxoniae sublimibus oppida muris:

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 320 Stat. Theb. 4, 609 odium spirans | 320s. Stat. Theb. 4, 315s. raptis velut aspera natis / praedatoris equi sequitur vestigia tigris || 323 Verg. Aen. 12, 437 defensum dabit et magna inter praemia ducet || 327 Orient. comm. 2, 44 sermo ... resonet (sim. Alc. Avit. carm. 1, 89) | Iuvenc. 1, 220 simili sermone (item 2, 99. 3, 699; Cypr. Gall. iud. 236) || 328 Claud. 3, 113 principis aulam (sim. Sidon. carm. 7, 219; Drac. Orest. 207) || 332 CE 487, 2 vitaque probatus || 338 Stat. Theb. 2, 149 dextras iunxere || 343 Verg. Aen. 11, 356 aeterno foedere (item alii) || 344 Claud. 7, 121 gaudent Italiae sublimibus oppida muris 

331 in margine Jac. Andreae R

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Text und Übersetzung

315

Jenes Volk mag solch einen Hass ausschnauben, wie die wilde Tigerin (320), wenn sie nach dem Raub ihrer Jungen die Spuren des Pferdes des Beutemachers aufnimmt: Doch dich wird Gott beschützen, dessen Ruhm dir am Herzen liegt, und er wird zu großen Belohnungen führen. Er wird deine Schritte sicher lenken, in tiefer Nacht und am helllichten Tag. Niemand gerät unter seiner Führung ins Wanken« (325). So sprach Münsinger. Doch die Übrigen billigten all dies in gleicher Weise, und ähnliche Rede hallte wider in der gesamten Versammlung. Sofort wird ein Gesandter zum Hof eines verwandten Herrschers geschickt, dem das für seine Weinberge hochberühmte Schwaben und dem die württembergischen Lande gehorchen (330),41 um von hier den Mann zu holen, der sich zu den rechten Lehren Christi bekannte, der redegewandt ist, im Leben erprobt und der in so wichtigen Angelegenheiten vernünftige Ratschläge geben konnte.42 Zu diesem gesellte Braunschweig seinen Chemnitz, auf den es mit Recht stolz ist.43 Die Ratschläge von jenen beiden wurden gewünscht (335). Sie werden gebeten, dem Unterfangen Sorge und Eifer zu widmen. Und jene, die sich niemals zuvor gesehen hatten, fassten einander die Hände und fassten zueinander Vertrauen. In frommer Übereinstimmung wandten sie sich in gleicher Weise größten Anstrengungen zu, beide betreiben mit Nachdruck und bereiten mit allem Eifer vor (340), dass die mit der heiligen Schrift übereinstimmenden Lehren überall in den Kirchen deiner Länder, Julius, Gehör finden und die Völker in ewigem Bündnis vereinen. Es freuen sich die Städte Sachsens mit ihren hohen Mauern,

————— 41 Zu Herzog Christoph von Württemberg vgl. oben, 126 Anm. 19. Die Beschreibung Württembergs als Weinland ist in der neulateinischen Dichtung topisch, vgl. Ludwig, Joachim Münsinger, 91. 42 Zu Jakob Andreae (1528-1590) vgl. oben, 132ff. 43 Zu Martin Chemnitz (1522-1586) vgl. oben, 132ff.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Finitimae gaudent gentes, regnatáque quondam Arua tuis IVLI proauis: tuus incola gaudet Ante omnes, uera sub te qui principe luce Mutabit Lemures, et ritus monstra profani. Omnis io clamat tibi subditus, optimus ille His terris superûm donatus munere princeps IVLIVS Euboicos Pyliośque supersit in annos. Quid memorem Aonios coetus? quid gaudia turbae Thespiacae? ipsa chori princeps hoc carmine nuper Calliope fertur reliquas affata sorores. Carpite Pegasides largo noua gaudia fructu, Carpite: nemo modum transmißi computet aeui. En quas primitias regni, quae exordia ducat Ille diu nostris multum expectatus alumnis IVLIVS, ille animi et mentis notißimus altae IVLIVS, illorum sanguis generosus Othonum, Quos dubium est, plusne imperium exornârit, an illi Imperio maius dederint decus. Eia age diuae Quae iuuenem Alciden medio ex Helicone reuulsa | Donastis quondam claua, at́que armastis in hostem, Victorem et meritis celebrastis laudibus, eia Hunc etiam mansuro in saecula mittite cantu Illius hoc pietas et uis Heroa meretur.

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350

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 345 Lucr. 6, 643 finitimis ... gentibus (sim. Comm. apol. 898; CE 1916, 5) | 345s. Verg. Aen. 6, 793s. regnata ... arva / ... quondam (sim. Ov. met. 8, 623) || 348 Mar. Victor. aleth. 3, 498 ritus ... profani || 349 Verg. Aen. 7, 400 clamat: „Io (item Ov. met. 3, 728. 4, 513; Sil. 4, 779) || 350 Hor. epist. 2, 1, 267 donatus munere || 351 Stat. silv. 1, 4, 126s. Euboici transcendere pulveris annos / Nestoreique situs (sim. 2, 2, 107s.; 3, 4, 103s.; Ov. met. 15, 838. Pont. 2, 8, 41) || 352 (cf. 836) Verg. Aen. 8, 483 Quid memorem (idem alibi et alii) || 354 Ov. met. 5, 255 adfata sorores (sim. Verg. Aen. 12, 138) || 355s. (cf. 373s.) Stat. silv. 1, 4, 123s. nectite ... / nectite, nemo modum transmissi computet aevi || 360 Ov. met. 13, 457 generoso sanguine (item fast. 2, 839; Sil. 12, 359; sim. Lucan. 3, 723) || 363 Stat. Ach. 1, 157 iuvenem Alciden || 366 Lucan. 8, 608 in saecula mittet (sim. 10, 533; Sil. 2, 511; Alc. Avit. carm. 2, 101)  351 Berg. nupt. Heim 302-4 Dent vobis Pyliosque dies, Priamique senectam / Vincere, et Euboici transcendere pulveris annos, / Fata Deum | epith. Coler 551 Det Deus Euboici transcendere pulveris annos 

364 armastis (cf. Stat. Theb. 7, 284)] armatus P

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Text und Übersetzung

317

es freuen sich die Nachbarvölker und die einst von deinen Urgroßvätern beherrschten Gebiete, Julius (345). Mehr als alle anderen freut sich dein Volk, das unter deiner Herrschaft die Lemuren44 und die Ungeheuer des heidnischen Kultes gegen das wahre Licht eintauschen wird. Jeder deiner Untertanen ruft: »Juchhe! Julius, der beste Herrscher, der unseren Ländern durch die Gabe der himmlischen Mächte geschenkt wurde (350), möge leben bis in Euböische und Pylische Jahre!«45 Was soll ich den Reigen der aonischen Musen erwähnen? Was die Freuden dieser Schar aus Thespiae?46 Kalliope selbst, die Chorführerin, soll sich mit folgendem Lied erst kürzlich an ihre übrigen Schwestern gewandt haben: »Genießt, ihr Musen, mit großem Gewinn die neuen Freuden (355), genießt sie! Niemand soll die Spanne der vergangenen Zeit berechnen. Schaut, welche Erstlingsfrüchte der Herrschaft, welche Anfänge jener lange von unseren Zöglingen sehnsüchtig erwartete Julius bringt, jener für sein Herz und seinen hohen Sinn so gut bekannte Julius, das edle Blut jener Ottonen (360), bei denen es zweifelhaft ist, ob das Reich mehr sie geschmückt hat oder ob jene dem Reich eine größere Zierde verliehen haben. Auf, auf ihr göttlichen Mädchen, die ihr einst den jungen Alkiden mit der mitten aus dem Helikon herausgerissenen Keule beschenkt und ihn so gegen den Feind gerüstet habt und die ihr den Sieger mit verdientem Lob gefeiert habt (365), auf, verleiht auch diesem mit bleibendem Gesang Dauer auf Jahrhunderte! Dies verdienen seine Frömmigkeit und seine heroische Kraft.

————— 44 Lemuren (lemures) nennen die Römer während der Nacht erscheinende (Toten-) Geister. 45 Euboicus (=Cumanus) bezieht sich auf die Sibylle, die nach Ovid (met. 14, 144ff.) uralt gewesen sein soll; mit Pylius ist Nestor gemeint (vgl. Vv. 266, 1207-1209). Nach Homer (Il. 1, 250252 und Od. 3, 245) herrscht Nestor bereits über die dritte Generation. In den Metamorphosen des Ovid (12, 187f.) sagt Nestor selbst, dass er schon 200 Jahre alt sei. 46 Aon war der mythische Stammvater der Böotier; in der Landschaft Böotien liegt der Helikon, der Sitz der Musen. Am Fuße des Berges Helikon befindet sich die Stadt Thespiae.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Nam uelut hyberno media sub nocte sereno Cum uaga uibrantur stellanti sidera coelo, Omnia clara nitent, sed clarior omnia supra Exercet radios Phoebe: Sic illius ingens Praelucet paribus uirtus, aequat́que priores, Nectite io laetae fragrantia serta sorores Nectite: nemo modum transmißi computet aeui. Crescite uirtutes, melioŕque refloreat aetas: Crescite neglectae fatis melioribus artes: Mecoenas optatus adest, certuśque merenti Stat fauor, assequitur meritos industria fructus. Nil iam barbaries, balba stribligine tantum Terribilis poterit: nil fuco instructa doliśque Impietas, uerbis quae animos mentita uerendos Edidicit simulare fidem, sensuśque profanos Obtegere, et uario fraudem praetexere cultu. Crescite uirtutes, melioŕque refloreat aetas: Crescite neglectae fatis melioribus artes.

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Sic effata, uidet Phoebeia plectra moueri: Mox sonus audiri, quem dicere nostra nequit uox Non si mille mihi Deus ora sonantia linguis Addat, et Aoniam totuḿque Helicona recludat. |

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 368 Lucan. 4, 55 hiberno ... sereno | Manil. 2, 931 media sub nocte (item Licent. carm. ad Aug. 68; Anth. 148, 1) || 369-71 Stat. Theb. 6, 578-81 sic ubi tranquillo perlucent sidera ponto / vibraturque fretis caeli stellantis imago, / omnia clara nitent, sed clarior omnia supra / Hesperus exercet radios || 373s. cf. ad 355s. || 375 (cf. 384s.) Claud. 17, 261 crescite, virtutes, fecundaque floreat aetas (sim. Paul. Nol. carm. 28, 217) || 376 Claud. 17, 186 neclectae ... arti || 377s. Claud. 17, 262s. certusque merenti / stat favor; ornatur propriis industria donis || 380 Verg. Aen. 2, 152 dolis instructus || 382s. Claud. 3, 98s. edidicit simulare fidem sensusque minaces / protegere et blando fraudem praetexere risu || 384s. cf. ad 375s. || 386 Verg. Aen. 4, 30 Sic effata (idem alibi et alii) | Ov. epist. 3, 113 plectra moventur (sim. Drac. Romul. 7, 69) || 387 Lucr. 4, 524 auditur sonus (sim. 4, 840; Verg. georg. 4, 72. 4, 260; CE 607, 4) || 388s. (cf. ad 213) Ov. met. 8, 533s. non, mihi si centum deus ora sonantia linguis / ingeniumque capax totumque Helicona dedisset

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Text und Übersetzung

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Denn wie mitten in der Nacht bei schönem Winterwetter, wenn die schweifenden Gestirne am Sternenhimmel schimmern, alles hell glänzt, aber Phoebe heller über alles ihre Strahlen lenkt (370), so strahlt Julius in seiner außerordentlichen Tugend heller als seine Altersgenossen und zieht mit den Früheren gleich. Flechtet, juchhe!, ihr fröhlichen Schwestern, duftende Kränze, flechtet sie! Niemand soll die Spanne der vergangenen Zeit berechnen! Wachst, ihr Tugenden, und ein besseres Zeitalter soll wieder erblühen (375)! Wachst, ihr vernachlässigten Künste, dank des besseren Schicksals! Der erwünschte Maecenas ist da, und sichere Gunst erwartet den, der sie verdient, Fleiß erhält den berechtigten Gewinn. Schon wird die Barbarei nichts mehr ausrichten können, die nur noch schrecklich ist durch ihr lallendes Stammeln. Nichts wird mehr die Gottlosigkeit ausrichten können, die mit Schminke und Listen ausgestattet ist (380), welche mit ihren Worten die ehrbaren Herzen belog und lernte, Glauben vorzutäuschen, ihren heidnischen Sinn zu verdecken und Trug hinter vielfältiger Kulthandlung zu verbergen. Wachst, ihr Tugenden, ein besseres Zeitalter soll wieder erblühen! Wachst, ihr vernachlässigten Künste, dank des besseren Schicksals (385)!« So sprach sie und sieht, wie die apollinischen Schlegel bewegt werden. Bald ist ein Klang zu hören, den meine Stimme nicht ausdrücken kann, selbst dann nicht, wenn mir Gott Münder gäbe, die mit tausend Zungen tönten, und er mir Böotien und den ganzen Helikon eröffnete.

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320

Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Gurgitis undosi medio tum fortè sub antro Fata recensebat magnorum ingentia regum Praeterita, et saeclis adeò decreta futuris, Et rerum uarias uoluebat pectore sortes Ocra rapax uersa fluuium dum fundit ab urna: Ocra iugo Herciniae ducens primordia syluae. Agmina quem circum uario famulantia cultu Densantur Nymphae, liquidis quae fontibus adsunt Quae riuis lacubuśque, udiśque paludibus: et quae Prata colunt, cursusùe uagos moderantur aquarum. Quas inter medius densáque acclinis in umbra Fundit aquas urna genitor splendente perennes Occaris, et totis lucem spargentia ripis Aurea roranti praetexit cornua uultu. Duḿque senex secum reputat labentia saecla, Dum duram patriae sortem miseratur, et illud Cogitat, an pater ille Deûm et suprema potestas Damnârit miseram sacra ad Baalitica gentem:

390

395

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 390ss. cf. Claud. 28, 146ss. || 390 Claud. 28, 146 undosa tum forte domo vitreisque sub antris || 391 Ps. Ov. argum. Aen. 2, 2 fata recensebat || 392 Verg. app. catal. 9, 15 saeclis ... futuris (item Sil. 13, 499; Claud. carm. min. 30, 10) || 393 Claud. 28, 147s. rerum ignarus ... ingentes pectore curas / volvebat | Lucan. 1, 272 varias volventem pectore curas || 394 Verg. Aen. 7, 792 amnem fundens pater Inachus urna || 396 Claud. 5, 77 agmina ... famulantia | 396s. Verg. Aen. 7, 794 agmina densentur || 397 Verg. ecl. 2, 59 liquidis ... fontibus (item Ps. Cypr. pasch. 63) | Verg. georg. 4, 18s. liquidi fontes ... adsint || 399 Coripp. Iust. 4, 220 cursus ... moderantur aquarum || 402s. Claud. 28, 160s. et totis lucem spargentia ripis / aurea roranti micuerunt cornua vultu || 405 Verg. Aen. 12, 243 sortem miserantur (item Anth. 8, 86) || 406 Verg. Aen. 10, 875 pater ille deum (sim. Ov. met. 2, 848. fast. 2, 132) || 407 Claud. 28, 151 ad ... damnaret | Iuv. 8, 18 miseram ... gentem  390ss. cf. Sabin. nupt. Sigism. 11ss. || 390 Sabin. nupt. Sigism. 11 Forte sub undosi muscoso gurgitis antro || 393 Sannaz. part. virg. 3, 282 volvebat pectore sortes || 396-9 Sabin. nupt. Sigism. 18s. Naiades circum fontanaque numina stabant, / Quaeque lacus, amnesque colunt, udasque paludes || 396s. Sannaz. part. virg. 3, 284s. Iordanes, quem iuxta hilari famulantia vultu / agmina densantur natae || 400-2 Sannaz. part. virg. 3, 298s. Ipse antro medius pronaque acclinis in urna / fundit aquas || 403 Sabin. nupt. Sigism. 440 et attollit roranti cornua vultu || 406 (cf. 1219) Camer. Libell. (Tunete, p. 125) pater ipse Deus rerum suprema potestas  390ss. Berg. epiced. Paul. 40-3 Hic ubi piscosus sinuato gurgite ripam / Alluit, aurato stringens loca pinguia cornu / Occaris, et riguo perlabitur arva meatu: / Occaris Hercynijs ducens primordia sylvis || 394 (cf. 401) Berg. Lüneburg 202s. Dum pater undanti fluuium profuderit urna / ALBOVIVS  392 in margine 1569 R || 400 acclinis (cf. Sannaz. part. virg. 3, 298)] accliuis P || 402 Occaris] de hac forma nominativi pro Ocra posita cf. eos Bergii versus quos ad 390ss. exscripsi

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Text und Übersetzung

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Da bedachte gerade der Gott der reißenden Oker mitten in der Grotte des wellenreichen Stromes (390), welch große Könige das mächtige Schicksal habe vorübergehen lassen, und mehr noch, was den künftigen Jahrhunderten vorbestimmt sei, und er wälzte im Herzen das unstete Schicksal, während er seinen Strom aus einem umgedrehten Gefäß goss, der Gott der Oker, die ihre Anfänge nimmt vom Berg des herkynischen Waldes (395).47 Um ihn drängen sich dicht Nymphen, eine Schar für vielfältige Dienste, die in klaren Quellen wohnen, in Bächen, Seen und feuchten Sümpfen, welche die Wiesen bewohnen, welche den unsteten Lauf des Wassers lenken. Mitten unter diesen, in dichtem Schatten geneigt (400) gießt Vater Oker aus glänzendem Gefäß das nie versiegende Wasser und lässt aus der triefenden Stirn die goldenen Hörner hervorragen, welche an allen Ufern Licht verbreiten. Während der Alte bei sich über die dahineilenden Zeiten nachdenkt, während er das harte Los der Patria beklagt (405), überlegt er auch, ob die höchste Gewalt, der Vater der himmlischen Mächte, das arme Volk zu Baalsdiensten verurteilt hat

————— 47 Die Oker entspringt in ca. 900 m Meereshöhe am Bruchberg im Oberharz und mündet nach 125 km bei Müden in die Aller.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Anné dies melior uersis approximet horis. Talia dum secum putat anxius, ecce sonoro Littora persentit plausu reboare, piaruḿque Audiri laudum praeconia, qualibus olim Excipiunt bello reduces, sua numina reges Laetantes populi: uel qualibus arua resultant Cum festus clamatur Hymen. noua uota nouośque Concipiunt Nymphae motus, pariteŕque precantur, Plausus ut ille boni, quicquid foret, ominis esset. | Mox uaga mobilibus coeli per inania pennis Fama uolat, causas illis momentáque tantae Laetitiae memorans. Vos ô celebrate frequentes Hoc aeuum celebrate Deae: date lilia plenis Et uiolas calathis: tibíque ô tibi corniger amnis Nunc puros latices toto decet ire fluento. En regum genus et proauis illustribus ortus IVLIVS imperium fasceśque capeßit auitos, Ius dicens populis. Nec plus effata quieuit. Mox senior, Non iam priscis inhiabimus annis, Inquit, et antiquis nostros damnabimus actus. Audiat hoc senioŕque Auceps et Marte potentes Et pietate simul, uirtutum culmina Othones: Audiat hoc quisquis prisco memoratur ab aeuo. Iam mihi speratus per saecula plurima princeps,

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 409 Claud. 28, 152 talia dum secum movet anxius || 414 Ov. am. 3, 7, 44 nova vota (item Lucan. 5, 450; Felix anth. 211, 10; Ven. Fort. carm. 5, 3, 1. 9, 3, 14) || 415 Cypr. Gall. exod. 293 pariterque precatur (sim. Val. Fl. 8, 244) || 417s. cf. Verg. Aen. 4, 173ss. | 417 Stat. Theb. 10, 533 caeli per inania (item Claud. 18, 375; sim. Lucan. 9, 473) | 417s. Ov. met. 8, 267 vaga fama || 418 Verg. Aen. 3, 121 Fama volat (idem alibi et alii) | 418s. Prud. apoth. 398s. elementaque tantae / ... laetitiae || 419 Verg. Aen. 1, 735 vos o ... celebrate faventes (sim. 8, 173) || 420s. (cf. ad 1199) Verg. Aen. 6, 883 Manibus date lilia plenis | Verg. ecl. 2, 45ss. lilia plenis / ... calathis ... / ... violas (sim. Colum. 10, 300; Claud. carm. min. 25, 117s.) || 422 Ov. met. 7, 327 purum laticem || 430 Claud. 1, 276 memorata per aevum || 431 Claud. 28, 643 plurima saecula (item Drac. laud. dei 2, 207)  417s. Sabin. nupt. Sigism. 20s. Venit mobilibus coeli per inania pennis / Fama volans || 421 Sabin. eleg. 6, 11, 12 corniger amnis || 423 Sabin. nupt. Sigism. 22 regibus ortum  420 Berg. nupt. Heim 209-11 manibus date lilia plenis: / Spargite purpureos flores, miscete hiacynthis / Narcissos 

425 quieuit] queuit P : queruntur R

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Text und Übersetzung

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oder ob sich ein besserer Tag nähert nach einem Wandel der Zeit. Während er solches ängstlich bei sich überlegt, siehe, da bemerkt er, dass das Ufer von lauttönendem Beifall widerhallt (410) und fromme Lobpreisungen zu hören sind: Derart empfingen einst jauchzende Völker ihre aus dem Krieg heimkehrenden Könige, ihre Götter; derart hallen die Felder wider, wenn ein festliches Hochzeitslied gesungen wird. Neue Wünsche und neue Regungen verspüren die Nymphen und bitten zugleich (415), dass jener Beifall Gutes verspreche, was auch immer es sei. Bald fliegt Fama, umherschweifend mit beweglichen Flügeln, durch den Himmelsraum und nennt jenen die Gründe und Umstände der überschwänglichen Freude: »Ihr Göttinnen, feiert in großer Zahl dieses Zeitalter, feiert es (420), gebt aus vollen Körben Lilien und Veilchen; und für dich, hörnertragender Strom, für dich ziemt es sich nun, dass in deiner gesamten Flut reines Wasser strömt. Schaut, Julius, ein Nachkomme von Königen, berühmten Vorfahren entsprossen, hat die Herrschaft und die Regierung von den Vätern übernommen und spricht den Völkern Recht.« Mehr sprach sie nicht und verstummte (425). Darauf sprach der Alte: »Nicht länger werden wir nach den alten Zeiten gierig trachten und unsere Handlungen zugunsten der alten verurteilen. Dies sollen der alte Vogler und die Ottonen hören, mächtig im Krieg und in Gottesfurcht, Gipfelpunkte der Tugend;48 dies soll hören, wen die Vergangenheit nennt (430). Schon ist der von mir seit sehr vielen Jahrhunderten erhoffte Herrscher gekommen,

————— 48 Zu Heinrich dem Vogler und den Ottonen vgl. unten, Anm. 59 und 60.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Iam uenit rerum decus et tutela mearum. Nunc felix mea ripa, meus nunc laetior ibit Amnis, io, cum te IVLI prope nosse, tuośque Augustos uultus uicina in sede tueri Concessum: nunc cultus, io, mihi laetior et frons. Qui, ueluti iuuenis populis laetantibus olim  Isaides rudibus saxis et simplice funda Explicuit saeuum diuino Marte Goliam: Barbariem elides nostris in finibus omnem. Quo duce si qua manent priscae uestigia fraudis Quae ueri fontem uenaśque obstruxerat, at́que Sub iuga mittebat miseras immania gentes, | Iam tandem nostras soluent formidine terras: Et pietas iuxtáque nouem despecta leuabunt Puluere colla Deae. quo sospite non ego magno Inuideam Eridano: non luxibus amnis Iberi Hic sua quantumuis aurato littora cornu Stringat, at ille Italas inter rex corniger undas Audiat, et coeli stellato fulgeat axe. Nunc ô nunc Nymphae quantum ualeatis ab arte Palladia, quantum radio poßitis acúque,  Declarare locus: rarum ac memorabile munus Texendum quo Saxonicos ex ordine princeps

435

440

445

450

—————

 432 Ov. met. 12, 612 decus et tutela (item fast. 1, 415) || 433-6 Stat. silv. 1, 1, 75-8 nunc mea felix, / nunc veneranda palus, cum te prope nosse tuumque / immortale iubar vicina sede tueri / concessum || 441 Verg. ecl. 4, 13 te duce, si qua manent sceleris vestigia nostri | Verg. ecl. 4, 31 priscae vestigia fraudis | Anth. 719, 50 Ne maneant terris priscae vestigia fraudis || 444 Verg. ecl. 4, 14 solvent formidine terras || 445s. Claud. 22, 127s. despectaque Musae / colla levant || 448 Verg. georg. 4, 371s. auratus ... cornua ... / Eridanus || 449 Verg. georg. 1, 482 rex Eridanus | Verg. Aen. 8, 77 corniger ... regnator || 450 Claud. 28, 175 stelliger Eridanus || 451s. Ov. met. 6, 23s. Pallade ... magistra || 453 Ov. met. 14, 225 memorabile munus | Iuv. 2, 113 rarum ac memorabile  451s. Sabin. nupt. Sigism. 32 arte magistra || 453 Sabin. nupt. Sigism. 31 rarum ac memorabile munus  438-40 (cf. 761) Berg. Georg 505s. Ießides, iusta mentem qui percitus ira, / Blasphemum explicuit funda stridente Goliam || 445s. Berg. Georg 33s. despectaque Musae / Pulvere colla levant || 448s. cf. ad 390ss. 

435 Augustos R : Angustos P || 447 forma luxibus nusquam invenitur (cf. ThlL 7, 1935,

11).

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schon die Zierde und der Schutz meiner Länder. Nun wird mein Ufer ertragreich , nun wird mein Strom fruchtbarer ziehen, juchhe!, weil sie dich, Julius, in der Nähe wissen und dein erhabenes Antlitz in der Nachbarschaft sehen dürfen (435). Nun, juchhe!, komme ich selbst wieder zu Ehren und bin froh. Wie einst Jesses Sohn zur Freude der Völker mit rohen Steinen und einer einfachen Schleuder den grausamen Goliath mit der Kraft Gottes hinstreckte, so wirst du die ganze Barbarei in unserem Gebiet vertilgen (440). Wenn unter deiner Führung irgendwelche Spuren des alten Trugs bleiben, der die Quelle und die Adern des Wahren versperrt hat und der die unglücklichen Völker unter das schreckliche Joch schickte, so werden doch schließlich die Frömmigkeit und neben ihr die neun Göttinnen unsere Länder von der Furcht befreien und werden ihre verachteten Hälse aus dem Staub erheben (445). Solange Julius wohlbehalten ist, will ich nicht den großen Po beneiden, nicht den Ebro-Strom mit all seinem Überfluss, mag dieser seine Ufer mit noch so vergoldetem Horn streifen, jener aber unter den Strömen Italiens als der hörnertragende König gerühmt werden und unter dem gestirnten Himmelsgewölbe glänzen (450). Jetzt, ihr Nymphen, jetzt ist Gelegenheit zu zeigen, wie viel ihr von der Kunst der Pallas versteht, wie viel ihr mit Weberschiffchen und Nadel leisten könnt: ein erlesenes und erinnerungswürdiges Geschenk muss gewoben werden, auf dem der Herrscher der Reihe nach die sächsischen Helden,

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Heroas procereśque suos serieḿque parentum Augustam et generis cernat primordia magni. Dixerat: at́que illae radios, subtegmina, stamen, Virgatis promunt calathis: mox caetera adornant, Carbasáque et filis deductum tenuibus aurum Et linum, lanaśque leues, scapuḿque sonantem. Feruet opus, uarij pingunt aulea colores. Principio proceres bisseni in sedibus altis Augusta grauitate sedent, quos eminet inter SIGARDVS reliquis uirtute insignior, illum Arma diu ingenti presserunt Francica bello: Tempore quo primas Arabum Mahometa cateruas  Duxit et Eoum coepit turbare per orbem, Infandam mundo fraudem commentus: at illum Nequicquam urgebat sumptis Heraclius armis. Aurea caesaries illi fluitabat in altis | Nudatiśque humeris, color et lux mira genarum Fulgebat, uiuos simulans in imagine uultus. Post illum simili DIDERICVS imagine prodit: Qui bello ipse etiam clarus, proceruḿque fauore Et studijs nixus, patriam pugnacibus armis Te contra Martelle fuit tutatus: at illo Iam uinci bello, iam Francis cedere Saxo Coeperat: et quanquam pro libertate paterna,

455

460

SIGAR-/DVS. 465

470

DIDE-/RICVS. 475

—————

 455 Stat. Theb. 6, 268 series ... parentum (item silv. 5, 2, 15) || 457 Ov. met. 6, 55s. stamen ... / ...radiis subtemen || 458 Catull. 64, 319 virgati ... calathisci || 459 Ov. met. 6, 68s. filis ... aurum / ... deducitur || 460 Lucr. 5, 1353 scapique sonantes || 461 Verg. georg. 4, 169 fervit (v. l. fervet) opus (idem alibi et alii) | Ov. met. 6, 65 diversi ... colores || 462s. Ov. met. 6, 72s. bis sex caelestes ... sedibus altis / augusta grauitate sedent | 463 Val. Fl. 8, 227 eminet inter || 467 Lucan. 8, 289 Eoum ... orbem || 468 Paul. Nol. carm. 19, 484 infandae ... fraudis || 469 (cf. 492) Verg. Aen. 2, 518 sumptis ... armis (idem alibi et alii) || 470 Verg. Aen. 8, 659 aurea caesaries (item Iul. Val. 3, 2; Maxim. eleg. 1, 93) || 471 Verg. Aen. 5, 135 nudatosque umeros || 472 Verg. Aen. 6, 848 vivos ... vultus || 473 Ov. met. 9, 480 simili ... imagine || 475 Ov. fast. 2, 547 pugnacibus armis  458 Sabin. nupt. Sigism. 31s. munus ... adornandum || 462s. Sabin. nupt. Sigism. 55s. Inde Palatini bis sex in sedibus altis / Augusta gravitate sedent 

455s. cf. ad 52-62

 457 subtegmina (cf. Catull. 64, 327 et idem alibi)] sub tegmina P || 463 Augusta (cf. Ov. met. 6, 73)] Angusta P

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die adeligen Seinen, die erhabene Reihe der Eltern (455) und die Anfänge seines großen Geschlechts sehen kann.« So sprach er, und jene holen aus geflochtenen Körbchen Weberschiffchen, Quer- und Längsfäden hervor. Dann richten sie das Übrige her: Musselin und Gold, das zu feinen Fäden gesponnen ist, Leinen, leichte Wolle und den sausenden Schaft des Webstuhls (460). Das Werk wird eifrig betrieben, vielfältige Farben gestalten bunt den Teppich. Zunächst sitzen auf erhöhten Stühlen zwölf Adelige von erhabener Strenge, unter denen SIGHARD hervorsticht, noch ausgezeichneter als die anderen in seiner Tugend; ihn bedrängten für lange Zeit die Franken mit Waffengewalt in heftigem Kriege (465) – zu der Zeit, als Mohammed die ersten Scharen der Araber führte und anfing, im östlichen Erdkreis Unruhe zu stiften und der Welt unsäglichen Betrug ersann.49 Doch jenen Sighard bedrängte vergeblich Heraclius,50 nachdem er zu den Waffen gegriffen hatte. Goldenes Haupthaar wallte Sighard auf den hohen und nackten Schultern (470), farbig und leuchtend glänzten die herrlichen Wangen und erweckten auf dem Bild den Eindruck lebendiger Gesichtszüge.51 Hinter Sighard tritt DIETERICH mit einem ähnlichen Erscheinungsbild auf. Auch dieser war berühmt durch seine Kriegstaten, stützte sich auf die Gunst und den Eifer des Adels (475) und schützte die Heimat mit kämpferischen Waffen gegen dich, Martell. Doch schon wurde er in jenem Krieg besiegt, schon wich der Sachse den Franken: Und obwohl den Sachsen in ihren Herzen die Tapferkeit heftig wuchs in ihrem Kampf für die Freiheit der Heimat,

————— 49 Mohammed (†632) erscheint in der frühen europäischen Literatur als Betrüger und Antichrist. Erst Goethe würdigt ihn in seinem Gedicht »Mahomets Gesang« als großen Religionsstifter, vgl. hierzu Frenzel, E.: Stoffe der Weltliteratur, 9., überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 1998, 535-539. 50 Heraclius (†641) war seit 610 byzantinischer Kaiser. 51 Die folgenden Anmerkungen zu den sagenumwobenen sächsischen Königen bis hin zu Liudolf (†866) werden aus Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 44ff. geschöpft, dessen Angaben sich mit denen des 16. Jahrhunderts, die auch Bergius zugrunde lagen, decken, vgl. dazu oben, 265f. und unten, 420 Anm. 1. Sighard (†691) wurde 630 zum König Sachsens gewählt. Er führte Kriege gegen die Heneten und Franken.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Pro sacris ariśque suis pugnantibus acris Crescebat uirtus animo, crescebat et acre Francorum at́que immane odium, néque praelia caede Miscebant parua: tamen hoc pia numina bellum Sic nutu flexêre suo, ne barbara sacra Postmodo deceptam possent pervertere gentem. Hunc animo mitis subit et minus asper et irae Parcior, at́que armis solitus praeferre quietem VVERNERVS, trabeam et sceptri regalis honorem Germano et Martis studium gentile relinquens. Ipse togam patrij ritus gestabat ad imos Demissam talos, paciśque insigne uerendum Pacificae ramum manibus tollebat oliuae. VVITKINDVS sequitur, sumptis fortißimus armis Rex ipse at́que parens regum: cui uiuida bello Dextra, ferox́ que adeo nullis subiecta malis mens. Huic quóque consimilis formae decor, igneus oris Effulget rubor, effulgent procera micanti Colla auro circum: bellíque insigne paternum | In clipeo sonipes exultat imagine pulchra Candidus, et tenues hinnitu dißipat auras.  Crista rubens capiti et galeae sublimis inundat, Bellorum et Martis specimen: latus ense minaci Cingitur, hunc auri rutilantis lamina condit. Qui gentem haud habilem uinclis, haud legibus aequam Et ueteres tantum ritus de more sequentem

480

485 VVER-/NERVS.

490 VVIT-/KINDVS.

495

500

————— 

480 Claud. 17, 15 virtus animo crescat || 482 Verg. Aen. 4, 382 pia numina (item alii) || 483 Lucan. 8, 338 barbara sacra || 485 Stat. Theb. 9, 712 mitis subit | 485s. Sil. 12, 424 parcior irae || 487 Ov. met. 5, 422 sceptrum regale (sim. am. 3, 1, 13; Paul. Nol. carm. 19, 638) || 489s. Hor. sat. 1, 9, 10s. ad imos / ... talos || 491 cf. Stat. Theb. 12, 682s. ramis ... olivae / pacificus || 492 cf. ad 469 || 493s. Verg. Aen. 10, 609s. vivida bello / dextra || 495s. Lucan. 5, 214 rubor igneus inficit ora (sim. 9, 791; Coripp. Ioh. 3, 97; Claud. 21, 45) || 497 Verg. Aen. 7, 657 clipeoque insigne paternum || 500 Sil. 17, 393 crista rubens || 501 Drac. Orest. 763 ense minaci || 503s. Verg. Aen. 7, 203s. Saturni gentem haud vinclo nec legibus aequam, / sponte sua veterisque dei se more tenentem  483 Sabin. nupt. Sigism. 320 barbara sacra || 497-9 Lotich. nupt. Guil. 87-9 In clypeo sonipes excußis liber habenis / Emicat, et volucres hinnitu disijcit auras / Arduus alta petens: iuxtaque insigne paternum 

484 possent] posset P || 494 subiecta] subacta P

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für ihre Heiligtümer und Altäre (480) und obwohl in ihnen heftiger und gewaltiger Hass auf die Franken anschwoll und sie Schlachten mit großem Blutvergießen schlugen, entschieden dennoch die rechtschaffenen göttlichen Mächte diesen Krieg durch ihr Nicken so, dass hernach nicht der barbarische Kult das Volk verblenden und ins Verderben stürzen konnte.52 Auf diesen folgt WERNER, im Herzen sanft, weniger rau und zurückhaltender im Zorn (485); er pflegte dem Krieg die Ruhe vorzuziehen und überließ das Herrschergewand, die Ehre des königlichen Szepters und die angestammte Kampfeslust seinem Bruder. Er selbst trug die Toga nach Vorvätersitte bis unten an die Knöchel herabgelassen, und mit seinen Händen hielt er als ehrfurchtgebietendes Zeichen des Friedens (490) einen Zweig des friedenbringenden Ölbaums.53 WIDUKIND folgt, in Rüstung der tapferste, selbst König und Vater von Königen. Seine Rechte war tüchtig im Krieg, sein Sinn war überaus kühn und beugte sich keinerlei Übel. Ähnlich war auch die Zier seiner äußeren Erscheinung (495): eine feurige Röte leuchtet auf seinem Gesicht, ringsum erstrahlt in schimmerndem Gold der schlanke Hals, und als väterliches Zeichen des Krieges bäumt sich froh auf seinem Schild in einem schönen Bild ein weißes Pferd auf und zerreißt mit seinem Wiehern die zarten Lüfte. Ein roter Helmbusch fließt von oben über Kopf und Helm (500), ein Zeichen von Krieg und Kampfesmut; die Seite ist mit einem drohenden Schwert umgürtet, dieses birgt eine Scheide von rötlich schimmerndem Gold. Eben dieser Widukind rüstete gegen die Franken sein Volk, das sich Fesseln nicht fügt, das sich nicht recht an Gesetze hält und nur den alten Kulthandlungen nach Gewohnheit folgt (505);

————— 52 Dieterich (†740), der Bruder (oder Sohn, vgl. Petrus Albinus Nivemontius, Aulaeum regum et ducum Saxoniae, in: Reusner, 254-259, hier 258) Sighards, wurde 723 zum sächsischen König erhoben und war Anführer im Kampf gegen den fränkischen Hausmeier Karl Martell (714-741), der ihn im Jahre 740 besiegte. 53 Werner (Wernekin) (†768), der Sohn Dieterichs, überließ als friedensliebender und frommer Mann die Herrschaft seinem Bruder Edelhart, der 751 König der Sachsen wurde.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Ipse etiam contra Francos armauit, et acres Pro patria esse uiros iußit, Marteḿque ciere Nota receptorum tutantes sacra Deorum. Strenuus ipse manu ualida, doctißimus ipse Bello aptare uiros, momentáque scire ciendi Martis, et ensiferas inter dux ire cateruas. Cum pius idolis miseratus dedita Caesar Pectora, seruatos longo iam tempore ritus Abijcere, et ueteres Diuûm dediscere cultus Iußit, et armato est aggressus milite gentem, Multáque magnanimo cum Saxone praelia fecit: Et tandem exutos castris armiśque coëgit Impia barbarici uestigia ponere cultus. Illum autem toties contra licet arma tulisset Permisit patrias regnare impuné per oras, Veráque sincero uenerari numina cultu Iußit, et erectam coelo sustollere mentem. At́que illum tandem longaeuum aduersus in armis Absumpsit Mauors, et funere mersit acerbo, Immemor annorum, seniuḿque oblitus, in arma | Dum ruit, at́que ipsum dextra frigente rotati Dum produnt ictus, et inanes uiribus irae.

505

510

515

520

525

—————

 507 Auson. ecl. 16, 23 sacra deorum (item Drac. Orest. 832) || 508 Verg. Aen. 11, 552 manu valida (item 12, 98) || 509s. Stat. Theb. 4, 320s. Tu bellis aptare viros, tu pondera ferre / Martis et ensiferas inter potes ire catervas? || 511s. Arator act. 2, 763s. dedita ... / pectora || 512 Ser. med. 538 longo iam tempore (item Coripp. Ioh. 6, 391) || 514 Verg. Aen. 11, 516 armato ... milite || 515 Verg. Aen. 2, 397 multaque ... proelia || 516 Sil. 16, 26 exutus castris || 520 Alc. Avit. carm. 6, 56 sincero ... cultu | Sidon. carm. 1, 3 venerari numina || 521 Alc. Avit. carm. 5, 568 erectas ... tollite mentes || 523 Verg. Aen. 6, 429 abstulit atra dies et funere mersit acerbo (item 11, 28; CE 682, 7. 2002, 2) || 524 Sil. 5, 568ss. immemor annorum seniumque oblitus in arma / ... / ibat  513 Lotich. nupt. Guil. 98 dediscere cultus || 515 Sabin. nupt. Sigism. 83 Binaque magnanimo cum Teutone praelia fecit || 516 Lotich. nupt. Guil. 91 Postremo castris toties exutus et armis || 524s. Lotich. nupt. Guil. 106s. Immemor annorum senijque oblitus, in hostem / Dum ruit, humanos finivit morte labores

 508-10 Berg. Lüneburg, 224-6 optimus ipse / Et bellis aptare viros, momentaque scire / Martis, et ensiferas inter dux ire catervas || 523 Berg epiced. Paul. 24 funere mersit acerbo 

509 aptare (cf. v. 572 et Stat. Theb. 4, 320s.)] optare P

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Text und Übersetzung

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Widukind befahl seinen Männern, für die Heimat tapfer zu kämpfen und Krieg zu beginnen, um die vertrauten Kulte der altetablierten Götter zu wahren. Er selbst ist tapfer, von starker Hand und überaus geschickt, seine Männer je nach Lage des Kampfes entsprechend richtig einzusetzen, den rechten Augenblick des Angriffs zu kennen und als Führer zwischen die waffentragenden Scharen zu treten (510). Als der fromme Kaiser Mitleid hatte mit denen, die den Götzenbildern ergeben waren, befahl er ihnen, die schon seit langer Zeit bewahrten Bräuche niederzulegen und die alten Götterkulte zu vergessen; er griff das Volk mit bewaffneter Streitmacht an und führte zahlreiche Gefechte mit dem mutigen Sachsen (515). Schließlich zwang er sie, des Heeres und der Waffen beraubt, die frevelhaften Spuren des barbarischen Kultes abzulegen. Aber obwohl Widukind gegen den Kaiser so oft die Waffen erhoben hatte, erlaubte ihm der Kaiser, straflos über die heimatlichen Länder zu herrschen, und befahl, die wahren himmlischen Mächte in reinem Gottesdienst zu verehren (520) und den Geist empor zum Himmel zu richten. Und schließlich tötete den hochbetagten Widukind unter Waffen ein unglücklicher Krieg und gab ihm ein bitteres Begräbnis. Er dachte nicht an seine Jahre und vergaß seine Altersschwäche, als er zu den Waffen stürzte und ihn seine mit starrer Hand ringsum geführten Schwertstreiche (525) und die Kraftlosigkeit seiner wut verrieten.54

————— 54 Der westfälische Adlige Widukind (oder Wittekind) (†807), Wernekins Sohn, war Führer des sächsischen Widerstandes gegen die Franken unter Karl dem Großen, dem er sich im Jahre 785 endgültig unterwarf. Infolgedessen wurde er in der Pfalz Attigny bei Reims getauft. Zu Widukinds legendärem Rosswappen vgl. oben, 272.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

VIGBERTVS subit hunc, quo non pugnacior alter Marte fero: sed nec pietate insignior alter. Filius huic geminus, BRVNO et fortißimus armis VVAldemarus sequitur, quorum hic sine prole sepulti Maturo fatum sequitur mox funere patris. Post illum LEOPOLDVS adest, qui bella perosus Omnia se studio addixit pietatis et ocij. Post hunc bis gemini fratres loca proxima telae Obtinuêre, omnes augusta fronte uerendi Dangbertus, Bruno, et cum magno Egbertus Othone Egregij pietate omnes uirtute celebres, At́que armis: uideas mirandae dotis in ipsa Non dubium tela specimen, sic arma capessunt, Praelia dum contra Normannos iusta parantes, Non renuunt Christi pro nomine fundere uitam. Et specimen tamen est in solo maius Othone, Maior honos uultus, maiestas maior, et illi Centum oratores regnorum insigne coronam Fasceśque sceptruḿque apportauêre: sed ille Victum aeuo robur dextrae, fessuḿque senecta Excusans animum, canis confectus et annis, Oblatos renuit fasces. Non ille iuuentae | Tempore dum uires aetas daret, improba nec dum

VIGBER-/TVS.

BRVNO. 530 LEOPOL-/DVS.

OTHO.

535

540

545

—————

 527 Verg. Aen. 6, 164 quo non praestantior alter (sim. 9, 772; Homer. 136; Sil. 1, 440. 8, 481; CE 487, 3) | 527s. Verg. Aen. 1, 544s. quo iustior alter / nec pietate fuit nec bello maior || 529 Prud. apoth. 450 fortissimus armis (item Coripp. Ioh. 5, 13. 5, 43. 7, 513) || 535 Coripp. Iust. 4, 125 Augusta fronte || 539 Verg. Aen. 3, 234 arma capessant (sim. Ov. fast. 6, 371; Lucan. 4, 702; Sil. 9, 54; Drac. Romul. 8, 552) || 541 Orient. comm. 2, 333s. pro nomine Christi / fundere devotas non timuere animas (sim. Coripp. Ioh. 6, 130) || 544 Verg. Aen. 7, 153 centum oratores (item 11, 331; [Ov.] argum. Aen. 7, 4) || 546 Lucan. 3, 729 victum aevo robur cecidit, fessusque senecta || 547 cf. ad 556 || 548 Sidon. carm. 5, 119 oblatis ... fascibus | Sil. 11, 60s. fasces / ... renuant | 548ss. Lucan. 3, 727s. non ille iuventae / tempore ... ulli cessurus || 549s. Verg. Aen. 5, 415s. dum melior viris sanguis dabat, aemula necdum / temporibus geminis canebat sparsa senectus (sim. Ov. met. 15, 403)  527 Sabin. nupt. Sigism. 45 quo non pugnacior alter || 532 Sabin. nupt. Sigism. 159 bellumque perosus 

547 (cf. 556) Berg. epiced. Paul 78 Iam fessus senio, rebus confectus et annis

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Text und Übersetzung

333

Auf diesen folgt WIGBERT; kein zweiter war im wilden Krieg kämpferischer als er, doch zeichnete sich auch kein anderer mehr durch Frömmigkeit aus.55 Wigbert hatte zwei Söhne: Hinter ihm gehen BRUNO und der in Waffen tapferste Waldemar; von diesen folgt Waldemar ohne Nachkommen (530) bald dem Schicksal des bestatteten Vaters mit einem vorzeitigen Begräbnis.56 Hinter Bruno ist LEOPOLD da, der alle Kriege hasste und sich eifrig der Frömmigkeit und Muße widmete.57 Nach Leopold nahmen vier Brüder den nächsten Platz des Teppichs ein (535): Dankward, Bruno und Ekbert gemeinsam mit dem großen OTTO, alle verehrenswürdig mit erhabener Stirn, alle durch Frömmigkeit hervorragend und berühmt durch Tugend und Waffen. Du könntest noch auf dem Teppich ein unzweifelhaftes Musterbeispiel ihrer bewundernswerten Gabe sehen: So greifen sie zu den Waffen, weil sie – gerechte Kriege gegen die Normannen vorbereitend (540) – es nicht ablehnen, für den Namen Christi ihr Leben hinzugeben. Allein bei Otto ist das Beispielhafte bedeutender, edler ist sein Antlitz, größer die Erhabenheit; ihm trugen hundert Gesandte als Zeichen der Königsherrschaft Krone, Rutenbündel und Szepter an (545). Doch er lehnte, von den grauen Jahren verbraucht, die dargebotene Herrschaft ab und entschuldigte sich mit seiner vom Alter gebrochenen Stärke der Rechten und mit der im Greisenalter nachlassenden Geisteskraft. Er wäre keinem gewichen, als noch das Jugendalter Kräfte gab

————— 55 Wigbert (†825), der Sohn Widukinds und Herrscher über Sachsen, Engern und Westfalen, zeichnete sich insbesondere durch seine Frömmigkeit aus. 56 Bruno (†843) und Waldemar (Walpert †856) sind die Söhne Wigberts. 57 Leopold (Liudolf †866), Brunos Sohn, gründete das Stift und die Stadt Gandersheim. Zu diesem vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 449 (C. Ehlers).

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Temporibus geminis canèret sparsa senectus, Cessurus cuiquam: Sed enim iam tardior aetas Debilitat uires animi, minuit́que uigorem. Ergo alijs iubet illa dari. Velut ille carinae Longaeuus rector fluctu quem saepe tumenti Suspendit Nereus, pelagóque agitauit in amplo Nitentem contra: ponto hic iam fessus et annis, Aequoreas alijs potius commendat habenas. Ipse quidem non ignorans quo sidere nauem Conseruet, uel quo frangat moderamine fluctus, Quae facies coeli uentos fluctuśque minetur, Quae moueat Scythici furias Aquilonis et undas Asperet, immanis quo flamine turbo rotetur: Sed pridem parta contentus laude quiescit: Nec uitam deinceps in aperta pericula mittit. Sic illum uirtus animíque modestia magni Hortatur tantis senium subducere curis. Filius hunc sequitur uolucres qui fallere uisco Et caecis captare dolis consueuerat, aetas Donec passa fuit, post ad maiora uocandus

550

555

560

565

HENRI-/CVS / Auceps.

—————

 551s. Verg. Aen. 9, 610s. tarda senectus / debilitat viris animi mutatque vigorem || 553-62 (cf. 547) cf. Claud. 8, 419-27 velut ille carinae / longaevus rector, variis quem saepe procellis / exploravit hiems, ponto iam fessus et annis / aequoreas alni nato commendat habenas / et casus artesque docet: quo dextra regatur / sidere; quo fluctus possint moderamine falli; / quae ...; quae ... / quid ...; quo || 554 Verg. Aen. 7, 810 fluctu suspensa tumenti (item Cypr. Gall. Ios. 49) || 561 Lucan. 5, 603s. Scythici vicit rabies Aquilonis et undas / torsit || 564 Verg. Aen. 9, 663 in aperta pericula mittunt || 567 Ov. met. 15, 474 volucrem viscata fallite virga | Verg. georg. 1, 139 fallere visco (item Proba cento 296)  567ss. Sabin. Caes. 1 (de Henrico Aucupe: 5s.) Fallere quod volucres laqueis viscoque solebat, / Aucupis aucupij nomen ab arte tulit  553-62 Berg. epiced. Paul 83-93 Qualiter emenso pelagi intractabilis aestu, / Longaevus rector, fluctu quem saepe tumenti / Suspensum Nereus ponto iactavit in alto, / Aequoreas alijs post se commendat habenas. / Non ille ignorans, quo coelo aut sidere navem / Conservet, vel quo frangat moderamine fluctus: / Cui coelo navim deceat cui credere vento: / At robur defectum aevo, fessosque senecta / Aspiciens artus, Eurosque Notosque furentes / Evitat, portumque petit, tutosque recessus, / Aequoreasque alijs commendat liber habenas | Berg. Lüneburg, 269-74 Qualiter in pelago ventis deprensus aperto / Navita, quem fluctu iam saepius ante tumenti / Suspendit Nereus, non inscius ille notandi / Sideris ignarusque maris: non inscius ille / Qua ventis ratione ratem subducat et undis: / Quo tumidos prudens frangat moderamine fluctus 

561 et (cf. Lucan. 5, 603s.)] ad P : ad undas, / Asper et immanis R

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und das böse Greisenalter ihn noch nicht über beide Schläfen verteilt grau machte (550). Aber schon schwächt ein lähmendes Alter die Kräfte des Geistes und vermindert die Stärke. Er befiehlt daher, die Herrschaft anderen zu übergeben. Wie jener hochbetagte Lenker des Schiffes, den Nereus oft mit schwellender Flut emporhob (555) und, obwohl er dagegen ankämpfte, auf dem weiten Meer hin und her trieb, – dieser, durch das Meer und die Jahre erschöpft, vertraut lieber anderen die Führung über das Meer an, obwohl er selbst genau weiß, nach welchem Gestirn er das Schiff retten kann oder mit welchem Kurs er die Fluten brechen muss, welches Aussehen des Himmels Winde und Fluten androht (560), welches das Wüten des skythischen Aquilo anstachelt und die Wogen aufwühlt, welche Windrichtung einen gewaltigen Strudel entstehen lässt, – wie dieser vielmehr zufrieden mit der längst erworbenen Anerkennung ruht und nicht länger das Leben offenen Gefahren aussetzt, so ermahnen Otto die Tugend und die Bescheidenheit seines großen Geistes (565), sein schwaches Alter mit so großen Sorgen nicht mehr zu belasten.58 Diesem folgt der Sohn, der es gewohnt war, die Vögel mit der Leimrute zu täuschen und sie mit heimtückischen Listen zu fangen, solange die Zeit es duldete – er, der später zu Größerem berufen werden sollte

————— 58 Dankward, Bruno, Ekbert und Otto sind die Söhne Liudolfs. Bruno führte Kriege gegen die Dänen und Normannen (vgl. V. 146) und gilt der Sage nach (zusammen mit seinem Bruder Dankward) als Gründer von Braunschweig (Zu den historischen Befunden vgl. Spreckelmeyer, G.: Brunonen, in: Camerer, 47 und Ehlers, C.: Brun und Dankward – Brunswik und Dankwarderode, in: BsJb 79 (1998), 9-45). Otto der Erlauchte (im 16. Jh. mit dem Beinamen »der Große«, †912) lehnte aus Altersgründen die Kaiserwürde ab, die ihm die Sachsen und Franken nach dem Tod Kaiser Ludwigs IV. antrugen.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Nec tum agitaturus tales inglorius artes, Quamuis aucupij nactus cognomen ab usu. Apta ipsi bello manus, at́que ad fortia uires, At́que animus, summaéque adiuncta modestia famae. Ille quidem de gente sua sceptruḿque decuśque | Caesareum primus summa cum laude ferebat. At non ille uirum splendor fregitùe, superbosùe Extulit in fastus: mens prisca animuśque remansit: Vnum adeò studium est, regni sarcire ruinas, Externuḿque hostem, cui praelia grata neceśque, Frangere et inuisae fractum damnare quieti: Et bello in medio pacem dare. Vandalus illi, Vandalus Arctoae turbator maximus orae, Dat supplex uictuśque manus, audax́ que Bohemus, Hungaris et saeuis uicinus Dalmata Dacis,  Cladibus edocti proprijs, et caede suorum. Ipse triumphalem prostrata per agmina uictor Laetus agit currum, spolijśque exultat opimis. Hunc terni deinceps in regna sequuntur Othones, Ingentes animis, ingentes nomine et armis. Omnibus idem habitus, frontis decor omnibus idem: At pietate tamen, qui primus in ordine, princeps, Magnus Otho, nulli ueterum uirtute secundus. Grandior hunc iuxta incedit germanus, et ipse Acri prole potens, adeóque nepote superbus

570

575

580

585

590

HENRI-/CVS / rixosus.

—————

 570 Anth. 198, 4 temptavi inglorius artes || 572 Auson. praef. 4, 6 bello ... apta manus | Verg. Aen. 8, 509 ad fortia vires (item Stat. silv. 5, 2, 111) || 575 Lux. anth. 345, 7 cum laude ferebat || 576 cf. Iuvenc. 1, 101 fregitque superbos || 577 Lucr. 3, 402 mens animusque remansit || 578 Verg. georg. 4, 249 sarcire ruinas || 586 Lucan. 3, 71s. agmina victor / ... trahens (sim. Avien. orb. terr. 887) || 587 Sil. 14, 142 spoliisque excellat opimis || 589 Verg. Aen. 11, 641 ingentemque animis, ingentem corpore et armis || 590 Stat. Ach. 1, 290s. omnibus eximium formae decus, omnibus idem / cultus | Verg. georg. 4, 184 Omnibus una quies operum, labor omnibus unus || 592 Verg. Aen. 11, 441 haud ulli veterum virtute secundus  586s. Sabin. nupt. Sigism. 334s. Ipse triumphalem prostrata per agmina currum / Laetus agit victor: spolijsque exultat opimis || 590 Lotich. nupt. Guil. 33 Omnibus ex humeris citharae, decor omnibus idem 

576 uirum] uirûm P

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und dann keinesfalls ruhmlos die Tätigkeit ausüben sollte (570); gleichwohl erlangte er seinen Beinamen von der Tätigkeit des Vogelfangs. Seine Hand war kriegstüchtig, er hatte Kräfte und Mut zu tapferen Taten und doch ging ihm Bescheidenheit mit höchstem Ruhm einher. Er also trug aus seinem Geschlecht als erster Szepter und Kaiserwürde mit höchstem Lob (575). Aber solcher Glanz brach diesen Mann nicht, noch hob er ihn empor zu stolzem Hochmut; der alte Sinn und Geist blieben bestehen. Er hat überhaupt nur ein Bestreben, die Trümmer des Reiches auszubessern und den ausländischen Feind, dem Kämpfe und Morde angenehm sind, zu vernichten und den Vernichteten zur verhassten Ruhe zu verurteilen (580) und mitten im Krieg Frieden zu schließen. Der Vandale reicht ihm, der Vandale, der größte Aufwiegler des nordischen Landstrichs, bittend und besiegt die Hände, der kühne Böhme, der Ungar und der den wilden Dakiern benachbarte Dalmater – belehrt durch eigene Niederlagen und den Verlust der Ihren (585). Er selbst lenkt strahlend als Sieger den Triumphwagen durch die von ihm niedergestreckten Scharen und jubelt über die fetten Beutestücke.59 Dann folgen diesem in die Herrschaft drei Ottonen, gewaltig im Geist, mächtig durch Namen und Waffen. Alle haben dieselbe Gestalt, dasselbe schöne Antlitz (590). Doch an Frömmigkeit ist Otto der Große, der in der Abfolge zuvorderst steht, der Erste, und an Tugend steht er keinem der Alten nach.60 Neben diesem schreitet erhabener sein Bruder einher, selbst mächtig durch seine tatkräftige Nachkommenschaft und in hohem Maße stolz auf seinen Enkel,

————— 59 Heinrich der Vogler (876-936, das Cognomen ist legendär), Sohn Ottos und König des ostfränkisch-deutschen Reichs (919-936), führte Kriege gegen die Wenden, Dänen, Böhmen und Ungarn. 60 Gemeint sind Otto I. der Große (Sohn Heinrichs des Voglers, 912-973), Otto II. (~955-983) und Otto III. (980-1002).

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Caesare, quanquam illum fecit fortuna minorem Germano, inuitum spacijs breuioribus arctans. Iracunda uiro facies et plena minarum, Terribiliśque hosti, sed amico fida: uideres Primum bella animo moliri, at protinus omni Officio fidum germano ostendere amorem. | Inde alius, cui multa feras prosternere uirtus Ex habitu uultúque patet, cui pacis et ocij Suasit amor laribus tranquillam ducere uitam Exiguis, saltus qua Brunsuicensia rura Spectant Hercinios: uiridi caua tempora quercu Cinguntur, falsóque nitent uenabula ferro.  Ipse inter syluas raptatus et auia, ceruos Frendenteḿque cauis extendere uallibus ursum. Stant circum, et saeuis acuunt latratibus iras Rostrati comites, praedatoreśque Britanni, Et minor ichnobates armillatíque Moloßi. Tertius inde suo succedit BRVNO parenti, Regna tenens patris, tituliśque uocatus ijsdem Marchio Saxoniae. Subiungitur inclytus illi LVDOLPHVS magni priuignus Caesaris, et mox Caesare fratre potens: augustior additur illi Cultus, et in uultu fiducia maior. Ab ipso Proximus EGBERTVS, probitatem fronte piuḿque Ostendens animum: testantur condita sumptu

595

600 BRVNO / Marchio / Saxoniae.

605

610

BRVNO.

LVDOL/PHVS.

615

EGBER/TVS.

————— 

595 cf. Claud. carm. min. 25, 80 Fortuna minorem || 597 cf. Hor. ars 106 plena minarum || 601 Stat. Theb. 7, 591 cui sueta feras prosternere virtus || 602 Lucan. 8, 666 ex habitu vultuque || 603 Ov. met. 8, 90 suasit amor | Maxim. eleg. 1, 289 tranquillam ducere vitam || 605 Verg. georg. 1, 349 redimitus tempora quercu (item Aen. 6, 772; Claud. 24, 72) | 605s. Ov. met. 11, 158s. quercu ... / cingitur ... cava tempora || 606 Verg. Aen. 4, 131 venabula ferro (item Mart. epigr. 11, 3; sim. Ov. epist. 4, 83) || 608 Verg. app. Aetna 491 cavis ... vallibus || 609 Sil. 3, 35 saevis ... latratibus | Verg. Aen. 9, 464 acuunt rumoribus iras (sim. 12, 590) || 610 Claud. 8, 28s. debellatorque Britanni / litoris || 611 cf. Ov. met. 3, 207s.; Prop. 4, 8, 24 || 612 Sil. 16, 452 tertius inde (item Alc. Avit. carm. 1, 262; Coripp. Ioh. 4, 487) || 617 Ov. met. 7, 309 fiducia maior (item Mart. 7, 6, 9; sim. Ov. ars 2, 349; Iuv. 6, 553; Ven. Fort. carm. app. 2, 75)  605-11 Sabin. nupt. Sigism. 356-60 Hic vero nemorum studiosus, tempora quercu / Cincta gerit, latoque tenens venabula ferro, / Aut venator agit pavidos in retia cervos, / Setigeros aut figit apros: comitantur euntem Riphaeique canes, armillatique Molossi | Sabin. nupt. Sigism. 78s. Figere terribilem longis palearibus ursum, / Frendentemque suis excire cubilibus ursam || 612 Sabin. nupt. Sigism. 138 Tertius extincto succedit Lesco parenti

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den Kaiser, obwohl das Schicksal ihn zum jüngeren Bruder gemacht hat (595); gegen seinen Willen wies ihm das Schicksal eine geringere Lebenszeit zu. Dieser Mann hatte ein jähzorniges und mit Drohungen erfülltes Gesicht, schrecklich gegenüber dem Feind, aber dem Freund gegenüber treu. Du hättest sehen können, wie er in Gedanken Kriege in Bewegung setzte, aber gleichzeitig seinem Bruder eine in allem Pflichtbewusstsein treu ergebene Liebe zeigte (600).61 Dann ein anderer, an dem schon aus der Gestalt und dem Gesichtsausdruck eine große Geschicklichkeit, Tiere niederzustrecken, hervortritt, dem die Liebe zu Frieden und Muße riet, ein ruhiges Leben in bescheidenen Verhältnissen zu führen, dort, wo die Braunschweigischen Lande auf die Hercynischen Hänge blicken. Seine hohlen Schläfen werden von grünem Eichenlaub bekränzt (605), und die Jagdspieße glänzen mit trügerischen Eisen. Er selbst, zwischen Wäldern und Einöden hin und her stürmend, streckte Hirsche und den zähneknirschenden Bären in den tiefen Tälern zu Boden. Ringsum stehen seine treu ergebenen Hunde und steigern ihre Jagdwut mit wildem Gebell, die beutemachenden Setter (610), der kleinere Spürhund und Molosser mit Halsband.62 Als dritter folgt hierauf BRUNO seinem Vater, der von seinem Vater die Regierung übernimmt, und mit demselben Ehrentitel »Markgraf von Sachsen« genannt wird.63 Ihm schließt sich an der berühmte LIUDOLF, der Stiefsohn des großen Kaisers (615), der bald mächtig ist durch seinen Bruder, den Kaiser. Ihm wird erhabenerer Schmuck zugefügt, und auf seinem Gesicht steht größeres Selbstbewusstsein.64 Von ihm aus der nächste ist EKBERT, dessen Gesicht Redlichkeit zeigt und frommen Sinn. Diesen beweisen die Kirchen, die er unter großem Aufwand stiftete

————— 61 Anders als in der neueren Forschung, die dem Enkel Heinrichs des Voglers den Beinamen »der Zänker« (rixosus) zuweisen, ist rixosus als Cognomen im 16. Jh. für Heinrich, den dritten Sohn Heinrichs des Voglers, belegt, vgl. Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 252. Nach dieser Auffassung ist er der jüngere Bruder (~920-955) Ottos I. und hat Kaiser Heinrich II. (†1024) zum Enkel. 62 Bruno (†1006) ist der Sohn Heinrichs des Zänkers und Markgraf von Sachsen. 63 Bruno (†1014) übernimmt die Herrschaft seines Vaters als Markgraf von Sachsen. 64 Liudolf (†1038) hat durch die dritte Eheschließung seiner Mutter Gisela Kaiser Konrad II. (†1039) zum Stiefvater und Heinrich III. (†1056) zum Stiefbruder. Zu den verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Brunonen und Saliern vgl. Jarck, Braunschweiger Landesgeschichte, 172.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Templa, opibuśque simul ditata ingentibus, illic Collis ubi portis Brunsuigae adiungitur, olim Tectis et templo insignis, nunc campus et horti: Tantùm longa ualet res, commutare uetustas.

620

Triste dehinc facinus nympharum tela figurat Vt iuuenem, sumptis quo nemo promptior armis | Inuentus, naḿque animi praesentior, et quem Nunquam Marte hostis, nunquam ui fregit aperta, Sopitum et nil triste, nihiĺque hostile timentem Caesareus turpi mactauit caede satelles. Qualiter Aemathiae Pharius post fata satelles, Non ea promeritum male grati praemia regis,  Oppressum ferijt scelerata ad littora Magnum. Hei quali iuuenis facie cultúque habitúque Conspicitur: uideas resupinum, et facta gementem Caesaris: at́que illi fustis caua tempora rumpit Ferreus, et frustra fidum dum quaeritat ensem, Dißilit excusso capitis sutura cerebro.

EGBER/TVS.

Additur huic Germana soror GERTRVDA, decoris Rarum foeminei specimen: sed fratre perempto Praetereáque opibus (indignum) exuta paternis Mortales luctu cunctos transgressa uirago. Hanc autem ciues Bauarorum iniusta perosi Imperia, exilio reuocant et moenia dedunt Brunsuigae, fugiunt uersis Bauara agmina telis,

GERTRV-/DA con-/

625

630

635

iunx Hen-/rici Comi-/tis Nort-/heimensis.

—————

640

 630 Lucan. 8, 675 Pharius ... satelles || 631 Paul. Petric. Mart. 1, 153 praemia regis (item Ven. Fort. carm. app. 33, 1) || 633 Coripp. Iust. 3, 164 cultuque habituque (item 3, 224; sim. Verg. georg. 1, 52; Sil. 15, 171; Auson. Mos. 298) || 636 Verg. Aen. 6, 524 fidum ... ensem || 638 Enn. ann. 40 germana soror (item Damas. carm. 10, 9; CE 502, 6)

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und die zudem ausgestattet sind mit gewaltigen Schätzen (620). Dort, wo sich an die Tore Braunschweigs ein Hügel anschließt, einst durch Häuser und Kirche hervorragend, dort sind jetzt ein Feld und Gärten. So hat eine lange Zeit die Macht, die Dinge zu verändern.65 Hierauf stellt das Gewebe der Nymphen eine grausige Untat dar, wie einen jungen Mann (625) – niemand wurde gefunden, der tatkräftiger war, wenn er einmal zu den Waffen griff (denn er war im Herzen ganz hervorragend), und nie überwand ihn ein Feind im Krieg oder durch offene Gewalt – wie diesen Mann, der im Schlaf lag und nichts Schlimmes und Feindliches fürchtete, ein Leibwächter des Kaisers in scheußlicher Bluttat niederstach. Auf gleiche Weise hatte ein ägyptischer Leibwächter nach der Schicksalsschlacht bei Pharsalos (630) den Großen, der nicht solchen Lohn von einem undankbaren König verdiente, an der Küste des Verbrechens überfallen und niedergestreckt.66 Weh, ein junger Mann von welcher Schönheit, welcher Zier und Gestalt wird da erblickt! Du könntest sehen, wie er auf den Rücken geworfen über die Untaten des Kaisers jammert; ihm zertrümmert ein eiserner Knüppel die hohlen Schläfen (635), und während er vergebens das treue Schwert sucht, springt die Naht des Hauptes auseinander, und das Gehirn tritt aus.67 Ekbert wird seine leibliche Schwester GERTRUD angefügt, ein seltenes Beispiel weiblicher Schönheit: aber die junge Frau schritt, nachdem ihr Bruder getötet und sie außerdem des väterlichen Vermögens ( unwürdige ) beraubt worden war (640), an allen Menschen in Trauer vorüber. Sie aber rufen die Bürger, von Hass auf die ungerechte Herrschaft der Bayern erfüllt, aus der Verbannung zurück und geben ihr Braunschweigs Mauern; die bayerischen Scharen wenden ihre Waffen ab und fliehen, ————— 65 Ekbert I. (um 1032-1068) erhielt nach dem Tode seines Vaters Liudolf den brunonischen Besitz um Braunschweig. Er gilt als Gründer des Cyriakusstiftes, das als Familienstift und Grablege der Brunonen auf leicht erhöhtem Gelände südlich der Stadt errichtet wurde. 1545 ließ der Rat das unter dem Patronat Heinrichs d. J. stehende Stift aus strategischen Gründen abreißen, um diesen daran zu hindern, dort mit seinen Truppen Stellung zu beziehen, vgl. Spreckelmeyer, G.: Ekbert I., in: Camerer, 67; Kuhr, H.: Cyriakusstift, in: Camerer, 57. 66 Gnaeus Pompeius (106-48 v. Chr.) mit dem Beinamen Magnus unterlag Caesar in der Schlacht bei Pharsalos (48 v. Chr.), floh nach Ägypten und wurde bei seiner Ankunft in Alexandreia von Handlangern des Königs Ptolemaios ermordet. 67 Ekbert II. (um 1060-1090) übernahm 1068 unmündig das Erbe seines gleichnamigen Vaters. In den Auseinandersetzungen zwischen Heinrich IV. und den Sachsen entwickelte sich Ekbert zum bedeutendsten Gegner Heinrichs. 1085 kam es nach kurzer Versöhnung wieder zum Bruch. 1088 wurde Ekbert in Quedlinburg durch ein Fürstengericht geächtet und 1090 von Dienstleuten des Kaisers ermordet.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Vt pauidae fugere lupo ueniente bidentes. Illam coniugio, iam terra opibuśque potitam Maiorum, tibi iungit hymen HENRICE, parentum Sanguine qui poteras claruśque potenśque fuisse Ni faceret fortuna patris, quem Caesar et ipse Extorrem, patriaéque inopem telluris agebat. Ille quidem moestus, sed non et degener, omnem | Nomine Saxoniam complet, non aequa tametsi Amisso ad gelidum regno colit arua Visurgim. RIXA dehinc sequitur magno data nupta marito LVDERO, is ducta terras cum coniuge auitas Nactus, ad imperij mox est euectus honores: Pacis et annorum iuxta studiosus, at una Re superans alios, quod leges morte sepultas Restituit. Gerit ille auro gemmiśque uolumen Cyaneóque obtectum hyacintho et Iaspide glauca. Mascula nulla uiro soboles, sed filia magno Ipsa etiam Heroi taedis sociata thoróque. Is partim Bauaros cultus praestare habituśque Partim Saxonicos, Bauaro genitore creatus Guelforum claro de sanguine, matre sed idem Natus Saxonica: collo tenus aurea pendet Caesaries, uibrant́que oculi, galeaéque minacis Pennato surgunt nutantes uertice cristae,

645

650

RIXA / coniunx / LOTHA/RII.

655

660 GERTRV/DA con-/iunx HEN/RICI Ba-/uari.

665

—————

 646 Stat. Theb. 1, 318 opibusque potitum (sim. Sil. 14, 665) || 647 Ov. epist. 9, 134 iunget Hymen || 653 Sil. 16, 5 amisso ... regno || 654 Ov. Pont. 1, 2, 136 data nupta || 658 cf. Paul. Nol. carm. 21, 634 morte sepultos (sim. Victorin. Christ. 106) || 659 Ov. met. 13, 704 auro gemmisque (item Stat. silv. 3, 4, 91; Coripp. Iust. 4, 115; Eug. Tolet. carm. 2, 11) || 660 Ven. Fort. carm. 8, 3, 269s. iaspide ... / ... hyacintheo ... honore | Verg. Aen. 4, 261 iaspide fulva || 664 Ov. met. 5, 145 genitore creatus (item 11, 295. ib. 565) || 665 Val. Fl. 4, 348 claro de sanguine (item Auson. epit. 3, 5; sim. Stat. Theb. 9, 777) || 666 Ov. met. 2, 275 collo tenus (item 3, 182) || 668 Verg. Aen. 6, 779 vertice cristae (idem alibi et alii) | Sil. 1, 460 nutant ... vertice cristae 

658s. Sabin. Caes. 1 (de Lothario Saxone: 15-7) Restituit veterum neglecta volumina legum, / Inque scholis iussit publica iura legi, / Quae prius obscura sub nocte sepulta iacebant || 659s. Lotich. nupt. Guil. 52s. ornatum gemmis, auroque volumen, / Cyaneoque nitens hyacintho, et iaspide glauca  649 Ni faceret suspectum, fort. ni obstaret || 650 inopem R : in opem P || 661 nulla R : nullo P || 667 galeaeque (cf. Repos. 128, v. 500)] paleaeque P || 668 nutantes (cf. Sil. 4, 353)] mutantes P

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Text und Übersetzung

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wie Schafe ängstlich fliehen, wenn der Wolf kommt (645).68 Gertrud, die sich bereits des Landes und der Macht der Vorfahren bemächtigt hat, verbindet sich mit dir, HEINRICH, beim Hochzeitsgesang zur Ehe, , der du durch das Blut der Eltern berühmt und mächtig hättest sein können, wenn nicht das Schicksal des Vaters es gefügt hätte, den der Kaiser selbst verbannte und der heimatlichen Erde entbehren ließ (650). Heinrich erfüllt zwar traurig, aber nicht unwürdig das ganze Sachsen mit seinem Namen, auch wenn er unangemessene Fluren an der eisigen Weser bewohnt, nachdem das Herrschaftsgebiet verloren war.69 Hierauf folgt RICHENZA, die ihrem großen Gatten LOTHAR angetraut wurde; als dieser durch die Eheschließung die großväterlichen Gebiete erlangte (655), schwang er sich bald zu den Ehren der Herrschaft empor. Daneben bemühte er sich sehr um Frieden und um hohes Alter, aber in einer Sache übertraf er die anderen, dass er tote und begrabene Gesetze wiederherstellte. Er trägt bei sich ein mit Gold und Edelsteinen, meerblauer Hyazinthe und dunkelgrünem Jaspis besetztes Buch (660).70 Lothar hatte keine männliche Nachkommenschaft, aber seine Tochter wurde mit einem großen Helden unter Hochzeitsfackeln im Ehelager verbunden. Dieser folgte teils bayerischen, teils sächsischen Bräuchen und Gewohnheiten, da er von einem bayerischen Vater aus dem berühmten Stamm der Welfen gezeugt wurde (665), aber eine sächsische Mutter hatte. Goldenes Haar wallt ihm bis zum Hals, seine Augen blitzen, und es erhebt sich an der geflügelten Spitze des drohenden Helmes ein wippender Helmbusch.

————— 68 Gertrud (†1017), der Schwester Ekberts II., fiel nach dessen Tod der Besitz des brunonischen Hauses zu. Als Heinrich IV. nach Ekberts Ermordung die Burg Dankwarderode durch Bayern besetzen ließ, musste Gertrud fliehen. Die Braunschweiger zündeten die Burg heimlich an und vertrieben die Bayern, so dass Gertrud, die spätere Gründerin des Aegidienklosters (1115), ihr Erbe in Braunschweig antreten konnte. Zu Gertrud vgl. Spreckelmeyer, G.: Gertrud II., Markgräfin, in: Camerer, 86; Knoll, Fr. / Bode, R.: Das Herzogtum Braunschweig. Ein Handbuch der gesamten Landeskunde, Braunschweig 21891, 15. 69 Heinrich der Fette (†1101), Sohn Ottos von Northeim (†1083), konnte durch seine Heirat mit Gertrud sein northeimisches Erbe um den großen Besitz der Brunonen erweitern. Er breitete seine Macht im sächsisch-norddeutschen Bereich aus, da sein Vater durch Heinrich IV. das Herzogtum Bayern im Jahre 1070 verloren hatte. 70 Richenza von Northeim (†1141), Tochter Heinrichs des Fetten und Gertruds, heiratete Lothar von Süpplingenburg (1075-1137), der 1125 zum König gewählt und 1133 zum Kaiser erhoben wurde. Die Herrschaft Lothars galt als Friedenszeit.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Dextra hastam uibrat, lateri nitet aureus ensis. Argumentum ingens posthaec aperitur, et ingens Materia, armipotens iuuenis, cui ingentia facta Nobile magnanimi nomen peperêre Leonis: Qui uirtute sua et fatis ingentibus actus Extrema rapidum iungebat Balthide Rhenum. Laudibus armorum nullis Heroibus ille | Inferior, quos uel priscorum laeta dedêre Saecula, uel mundi quos serior extulit aetas. Degeneres animos timor impedit, ô quibus ille Iactatus fatis, quibus est exercitus armis Et nunc Vandalicae uictor premit agmina gentis:  Nunc quatit Albiacos tractus: modò VVestphala rura: Nunc et Tyngetas, nunc Itala regna laceßit. Paßim strata iacent hostilia corpora campo Qua fertur, totiśque cruor diffunditur aruis. Tristia collucent diffusis moenia flammis, Oppidáque horrificis lapsant impulsa ruinis, Oppida terribili uictor quae subruit ira. Iaḿque illum armipotens ipso cum Caesare Danus, Et penitus toto diuisus ab orbe Britannus,

670 HENRI-/CVS / LEO.

675

680

685

————— 670 Verg. Aen. 7, 791 argumentum ingens (item Proba cento 130; Prud. ham. 667; Anth. 11, 89. 21, 228) || 671 Sil. 11, 134 ingentia facta (item 15, 411) || 673 Manil. 1, 804 qui virtute sua (item Drac. laud. dei 2, 505) || 674 Sen. epigr. 33, 1 rapidum ... Rhenum || 676s. Verg. Aen. 1, 605s. laeta ... / saecula || 677 Tib. 1, 4, 33 serior aetas (item Ov. am. 2, 4, 45. ars 2, 667. trist. 5, 9, 7; Maxim. eleg. 4, 55) || 678s. Verg. Aen. 4, 13s. degeneres animos timor arguit. Heu quibus ille / iactatus fatis (sim. Auson. protr. 26; Paul. Nol. carm. 19, 195) || 680 Stat. Theb. 4, 93 agmina gentis || 682 Verg. Aen. 3, 185 Itala regna (item Ov. epist. 7, 12; Sil. 13, 654; Mart. 10, 103, 10) | Verg. Aen. 12, 186 regna lacessent (sim. Stat. Theb. 8, 75) || 683 Verg. ecl. 7, 54 strata iacent passim (item Proba cento 186) | Lucan. 4, 490 iacent ... corpora campo (sim. Ov. ars 1, 513; Sil. 4, 161. 9, 85) || 684 Lucan. 9, 749 totisque ... arvis (item Nemes. cyn. 49) | Claud. 28, 620 diffundit ... cruores (sim. Verg. Aen. 10, 908) || 686 Verg. Aen. 3, 571 horrificis ... ruinis || 689 Verg. ecl. 1, 66 et penitus toto divisos orbe Britannos 



671 Sabin. nupt. Sigism. 108 Additur armipotens iuvenis || 675s. Sabin. nupt. Sigism. 202s. Laudibus armorum nullis heroibus esset / Inferior || 683s. Sabin. nupt. Sigism. 102-4 Sic quacunque ruit, prosternens conterit hostes. / Circumfusa iacent pallenti corpora letho / Tradita: purpureusque cruor diffunditur arvis || 685s. Sabin. nupt. Sigism. 119-21 Tristia collucent diffusis moenia flammis, / Concussasque domos, impendentesque ruinas / Nympharum textura refert 

678s. Berg. Nicäa 81s. o quibus ille / Iactatus fatis, quae bella exhausta per orbem

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Text und Übersetzung

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Seine Rechte schwingt den Speer, an der Seite glänzt das goldene Schwert.71 Hieran schließt sich ein gewaltiges Thema (670) und ein gewaltiger Stoff an: ein waffenmächtiger junger Mann, dem ungeheure Taten den edlen Namen »großherziger Löwe« verschafften. Dieser, durch seine Tapferkeit und sein gewaltiges Schicksal getrieben, vereinte den reißenden Rhein mit der äußersten Ostsee. Er steht an Waffenruhm keinem der Helden nach (675), wie sie die glücklichen Zeiten der Alten gaben oder ein späteres Weltalter hervorbrachten. Unedle Herzen fesselt die Furcht: Von welchem Schicksal wurde er hin und her getrieben, in welchen Kriegen wurde er geprüft! Bald unterwirft er als Sieger die Scharen des Vandalenvolkes (680), bald erschüttert er die Gegenden am Lauf der Elbe, bald das Westfalenland, bald reizt er die Tyngeten,72 bald die italienischen Königreiche. Überall liegen hingestreckt auf dem Feld die Körper der Feinde; wohin er stürzt, auf allen Fluren fließt Blut. leuchten jammervoll die Mauern, nachdem Flammen gelegt wurden (685), und die Städte wanken, schrecklich zum Einsturz gebracht, Städte, die der Sieger in grauenhaftem Zorn niederriss. Schon bewundern ihn der waffenmächtige Däne gemeinsam mit dem Kaiser selbst und der Brite, der weit abgetrennt ist vom ganzen Erdkreis;

————— 71 Lothar hatte Heinrich den Stolzen (†1139), den Mann seiner Tochter Gertrud v. Süpplingenburg (1115-1143), als seinen Nachfolger bestimmt. Dessen Eltern waren der Welfe Heinrich der Schwarze, Herzog von Bayern, und Wulfhilde, Tochter Magnus’ von Sachsen. 72 Gemeint sind die Schwaben.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Mirati, pariteŕque manus et foedera iungunt. Ille Palaestinas aditum quóque quaerit ad oras: Bethlemiae turres at́que Hierichuntidos horti Illi uisa: Tyros preciosáque murice Sidon, Et Gaza et sylua Palmarum diues Idume Eheu caeca hominis mens est, sortiśque futurae Nescia, et euentu sua quae mala noscit ab ipso: Dum quae fata parant aut non bene praeuidet, aut non Qua decuit ratione mala euitare laborat. Ecce animi dum segnis agit, deseśque nec horret Ancipites rerum tanto sub culmine lapsus, Nec rebus discit diffidere posse secundis, Mox in magnanimum conspirant cuncta Leonem, | Multáque in immeritum iactat conuicia liuor.  Ergo fugit patriam, terris exutus auitis, Et gemit, et frustra ueteres suspirat honores. Quaeritur indignae sedes longinqua ruinae:  Danica nunc tellus petitur: nunc Anglica regna, Hic illum exhaustos memorantem uoce labores Rex́ que Duceśque stupent. néque enim defecerat ipsum Prisca animi uirtus, quanquam tot tristia passum. Tertius exactum iam Sol concluserat annum, Cum redit, et bello pridem sibi adempta reposcens

690

695

700

705

710

————— 

693s. Lucan. 3, 216s. Gazaque ... palmarum dives Idume / et Tyros ... pretiosaque murice Sidon || 695s. Verg. Aen. 10, 501 Nescia mens hominum fati sortisque futurae (sim. Lucan. 2, 14s.; Stat. Theb. 5, 718s.) || 696s. Drac. Orest. 554 noscit ab ipso || 700 Claud. 21, 142 ancipites rerum ... culmine lapsus || 701 Claud. 5, 440s. desinat elatis quisquam confidere rebus / instabilesque deos ... discat || 703 Prop. 3, 8, 11 iactat convicia (sim. Cypr. Gall. dent. 122; Ven. Fort. Mart. 2, 140) || 705 Val. Fl. 4, 532 suspirat honores || 706 Lucan. 2, 731 quaeritur indignae sedes longinqua ruinae || 708 Stat. Theb. 10, 36 exhaustos ... labores | Sil. 7, 735 memorabant voce (sim. Mart. Cap. 4, 327, 5) || 711 Lucr. 5, 692 annua sol ... concludit tempora  704 Sabin. nupt. Sigism. 197 regnoque exutus avito || 705 Sabin. nupt. Sigism. 242 amissos regni suspirat honores 

693 Berg. Lüneburg 718 Non operosa Tyrus, non dives murice Sidon



690 foedera iungunt] foedera iungant P : foedere jungunt R

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Text und Übersetzung

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sie geben sich mit ihm die Hand und schließen Verträge (690). Heinrich sucht auch den Zugang zu den Küsten Palästinas: er sieht die Türme Bethlehems und die Gärten Jerichos, er sieht Tyros und das dank seinem Purpur prächtige Sidon, Gaza und die durch ihren Palmenwald reiche Idume. Weh, der menschliche Geist ist blind, er kennt nicht das künftige Schicksal (695). Was für ihn schlecht ist, bemerkt er erst, wenn die Sache geschehen ist, weil er nicht recht voraussieht, was das Schicksal bereithält, oder nicht daran arbeitet, wie man Übel vermeiden könnte. Siehe, während er geistig träge und untätig lebt und auf dem Gipfel so hoher Macht keine Angst hat vor dem drohenden Fall (700) und nicht die Fähigkeit erlernt, dem Glück zu misstrauen, verschwört sich bald alles gegen den großherzigen Löwen, und vielfache Vorwürfe schleudert der Neid gegen den Unschuldigen. Also flieht er aus der Heimat, dem die von den Vorfahren ererbten Länder genommen sind, er seufzt und sehnt sich vergebens nach den alten Ehren (705). Er sucht einen weit entfernten Ort für seinen unwürdigen Sturz: Bald strebt er Dänemark an, bald das Königreich England; hier staunen der König und die Fürsten über ihn, wenn er von seinen durchlebten Mühen berichtet. Nicht nämlich hatte ihn die alte Kraft seines Mutes im Stich gelassen, obwohl er so viel Schlimmes hatte durchmachen müssen (710). Schon hatte die Sonne zum dritten Mal das Jahr vollendet, als er zurückkehrt, das ihm früher Weggenommene zurückfordert und zu den Waffen greift, um Krieg zu führen:

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Arma capit: uelut armenti dux taurus, amata Expulsus sylua, cum se collegit et armos Composuit, duris exercens cornua truncis, Et iam firmatum robur, uireśque receptae Maior in arma ruit, saltuśque et amica reposcens Agmina, praecipiti riualem submouet ira.

715

Proximus hunc sequitur cum fratre Guilhelmus Othone:  Fortunati ambo, si non obstaret utríque VVIL-/HELMVS. Magnanimi non aequa satis fortuna parentis. Alter caesareo fulgens diademate. At illi Nescio quis uasto minitatur tristia rictu Cerberus, obscoeno triplex cui uertice surgit Barbarici fastus specimen diadema: uideres Elatrare cauis ceu fulmina faucibus, illum Contra, et Caesareos alijs promittere cultus. At pius hoc contra portentum Otho feruidus ensem | Fulmineum ingentem stringit uibrat́que: nec illum Deserit in dubia germanus sorte, sed ipsi Succurrit, fessuḿque leuat, monstróque resistit. Mitior hos animi uultúque modestior ipso Mox Otho consequitur. magni is quóque stirpe Leonis Neutiquam indignus: sed adempta reposcere ferro At́que armis, Dijs inuitis, patruíque patriśque Deceptus labor et fortuna indigna uetabat.

720

725

730

OTHO / I. Dux / Brunsuicen/si. et Lune/burg.

—————

735

 713-8 cf. Verg. georg. 3, 229-36; Lucan. 2, 601-9; Stat. Theb. 2, 323-32 || 713 Stat. Theb. 2, 323s. veluti dux taurus amata / valle carens, pulsum ... quem | Lucan. 2, 601s. pulsus ut armentis ... taurus / silvarum secreta petit || 715 Lucan. 2, 603 in adversis explorat cornua truncis || 716-8 Verg. georg. 3, 235s. collectum robur viresque refectae (v.l. receptae), / ... praecepsque ... fertur in hostem (cf. Lucan. 2, 604; Stat. Theb. 2, 326) || 717 (cf. 712, 734) Stat. Theb. 2, 328 pastusque et capta armenta reposcit || 720 Verg. Aen. 9, 446 Fortunati ambo (item Proba cento 170; Auson. cento 77; Anth. 15, 119; CE 1141, 27) || 723 Sil. 2, 548 vasto ... rictu || 724 Verg. app. Aetna 285 vertice surgens (idem alibi et alii) || 728 Sil. 7, 327 quaerebat fervidus ensem || 731 Sil. 7, 341 fessumque levabat || 736 Verg. Aen. 11, 108 fortuna indigna 

720 Lotich. nupt. Guil. 491 Fortunati ambo



720 Berg. epithal. Schuz 181 Fortunati ambo

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Ganz so wie ein Stier, der das Leittier seiner Herde war und aus dem geliebten Wald vertrieben wurde, dann, wenn er sich gesammelt und seine Muskeln wieder gekräftigt hat, seine Hörner an den harten Baumstämmen trainiert hat (715), seine Körperkraft wieder gestärkt und die Stärke wiedergewonnen ist, um so energischer in den Kampf stürzt, die Wälder und die liebe Herde zurückverlangt und den Rivalen mit überschäumendem Zorn vertreibt.73 Diesem Heinrich folgt als nächster Wilhelm mit seinem Bruder Otto – beide glücksgesegnet (720), wenn nicht beiden im Wege stünde das nicht hinreichend gerechte Schicksal des großherzigen Vaters; einer von beiden glänzt mit einem kaiserlichen Diadem. Doch ihm droht irgendein Zerberus mit grausigem Maul Schreckliches an, dem sich am hässlichen Scheitel ein dreifaches Diadem74 als Zeichen barbarischen Hochmuts erhebt (725). Du hättest sehen können, wie er geradezu Blitze aus seinem hohlen Schlund herausbellt gegen jenen und wie er anderen die Kaiserwürde verspricht. Aber der fromme Otto zieht feurig gegen dieses Ungeheuer ein gewaltiges blitzendes Schwert und schwingt es. Und nicht lässt der Bruder ihn in seinem gefährlichen Schicksal im Stich (730), sondern eilt ihm zur Hilfe, richtet den Erschöpften auf und leistet dem Ungeheuer Widerstand.75 Ihnen folgt dann der im Herzen mildere und in seinem Erscheinungsbild bescheidenere Otto. Auch dieser ist keinesfalls unwürdig des Stamms des großen Löwen. Aber die ergebnislose Mühe von Onkel und Vater und ein unwürdiges Schicksal verbaten es ihm, gegen den Willen der Götter (735) das Verlorene mit Schwert und Waffen zurückzufordern. ————— 73 Heinrich der Löwe (1129-1195), Sohn Heinrichs des Stolzen und Gertruds v. Süpplingenburg, war Herzog von Sachsen und Bayern. 1158 gründete er München, doch sein Hauptinteresse galt Sachsen, von wo aus er seine Herrschaft über die Slawen zwischen Unterelbe und Ostsee ausweiten konnte. Seine fürstliche Residenz lag in Braunschweig, wo er die Burg Dankwarderode und den Dom St. Blasii als Grablege erbauen ließ. Im Jahre 1172 unternahm er eine Pilgerfahrt ins Heilige Land. Infolge seiner übersteigerten Machtpolitik und Nichtachtung des Kaisers wurden ihm 1180 Sachsen und Bayern aberkannt. 1182 ging er zusammen mit seiner Frau Mathilde ins Exil zu seinem Schwiegervater König Heinrich II. von England. Drei Jahre später (1185) kehrte er zurück und versuchte wiederholt ohne Erfolg, die Herrschaft in Sachsen wiederzuerlangen, vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 317-319 (B. Schneidmüller); Camerer, 101-103 (G. Spreckelmeyer). 74 Gemeint ist die Tiara des Papstes. 75 Otto IV. (1175-1218), Sohn Heinrichs des Löwen, wuchs nach dem Sturz seines Vaters am englischen Königshof auf. Im Streit um die Königskrone konkurrierte er mit dem Staufer Philipp von Schwaben. Erst nach Philipps Ermordung 1208 wurde Otto in Deutschland allgemein anerkannt und 1209 in Rom zum Kaiser gekrönt. Durch seine Italienpolitik verfeindete sich Otto mit Papst Innozenz III., der ihn bislang unterstützt hatte. Dieser verbannte Otto und begünstigte im Einvernehmen mit Frankreich die Wahl des Staufers Friedrich II. zum deutschen König. Seine Macht verlor Otto endgültig, als er sich 1214 in den französisch-englischen Krieg einschaltete und vernichtend geschlagen wurde. Zu Otto IV. vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 539f. (B. U. Hucker); Camerer, 175 (N.-M. Pingel).

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Ergo ille inuidiam metuens iraśque nocentes Caesaris, hunc omni sibi conciliare laborat Obsequio: ante pedes illi procumbere, culpam Patris auíque adeò placidis auertere dictis, Séque suiśque simul. Caesar tellure iacentem Attollit, tituliśque nouis placatus honestat.  Post hunc ALBERTVS multo detexitur ostro, Consimilis cultu patri, placiduśque bonuśque,  Fortis ad arma tamen: quem circum erecta trophaea Hostiles monstrant galeas inimicáque signa. Nec procul obscurus sylva globus exit, et agmen, Quod tenebris fretum et sylvestribus horrida dumis Antra colens studet insidijs captare uiantes: Cui solitum latrocinijs ditescere, furtiśque Arua aliena manu premere, at́que auertere praedas. Stat medio moles campo quadrata, cauuśque Ad summum corbis, rupto qui fune supernè | Deijcitur, quoties populatrix turba propinquat. Hos autem princeps, pictis conspectus in armis, Ocyus aggressus magno rotat impiger ense, Captiuośque trahit. longè illis antra, cauaéque Densorum ualles nemorum, longé auia lustra. Quos inter, gemmiśque nitens et torquibus aureis, Nescio quis trahitur princeps, at principis ille

740

ALBER/TVS I. 745

750

755

760

————— 

739 Ov. am. 1, 7, 61 ante pedes ... procumbere (sim. met. 10, 415) || 740 Ov. met. 1, 390 placidis ... dictis (idem alibi et alii) || 741 Verg. Aen. 10, 750 tellure iacentem (item Ov. met. 8, 422; Stat. Theb. 6, 507) || 743 Stat. silv. 4, 1, 21 multo ... ostro || 744 Drac. satisf. 112 bonus et placidus (item Eug. Tolet. satisf. 106) || 745 Ov. fast. 2, 688 fortis ad arma tamen || 748 (cf. 1229) Verg. Aen. 8, 348 silvestribus horrida dumis || 751 Verg. Aen. 10, 78 arva aliena iugo premere atque avertere praedas | Lucr. 4, 619 manu premere (sim. Ov. met. 8, 37; Stat. silv. 3, 1, 48) || 753 Paul. Nol. carm. 24, 89 fune rupto || 754 Auson. Mos. 241 populatrix turba (sim. Stat. silv. 3, 2, 86; Mart. 13, 104, 1) || 755 Verg. Aen. 8, 588 pictis conspectus in armis || 757 Coripp. Ioh. 1, 31 captivosque trahens (sim. 8, 570)  739 Sabin. nupt. Sigism. 175 Caesaris ante pedes procumbit || 743 Sabin. nupt. Sigism. 132 precioso intexitur ostro  748 Berg. Christoph. 164 Parva domus, circum silvestribus horrida dumis || 756 Berg. Lüneburg 564 rotat impiger ensem

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Text und Übersetzung

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Er fürchtet also das Missfallen und den schädlichen Zorn des Kaisers und strengt sich an, diesen durch unbedingten Gehorsam für sich zu gewinnen, indem er sich ihm zu Füßen warf die Schuld des Vaters und Großvaters mit sehr sanften Worten von sich und den Seinen abwendete (740). Der Kaiser hebt den Liegenden von der Erde auf und zeichnet ihn besänftigt mit neuen Ehrentiteln aus.76 Nach Otto weben die Nymphen mit viel Purpur ALBERT, in der Erscheinung dem Vater sehr ähnlich, sanft und gut, dennoch ein tapferer Kämpfer (745). Um diesen herum zeigen aufgerichtete Trophäen Helme der Feinde und feindliche Feldzeichen. In seiner Nähe treten eine verborgene Schar und ein Heerzug aus dem Wald, der von Dornensträuchern des Waldes starrende Höhlen bewohnt und sich im Vertrauen auf die Dunkelheit bemüht, im Hinterhalt Wanderer zu ergreifen. Sie pflegten sich durch Raubzüge zu bereichern (750), gewaltsam durch Diebstahl fremde Landstriche heimzusuchen und Beutestücke wegzuschleppen. Es steht mitten auf dem Feld ein quadratischer Bau, und ganz oben befindet sich ein hohler Korb, der von oben herabgeworfen wird beim Abriss des Seils, sooft sich die Räuberschar nähert. Diese aber griff der Herrscher schleunigst an, auffallend in seinen bunten Waffen (755); er schwingt unverdrossen sein großes Schwert und führt die Gefangenen ab. Weit abgelegen haben sie ihre Höhlen, hohle, dichtbewaldete Täler, weit abgelegene Lagerstätten. Unter diesen wird irgendein Herrscher abgeführt, der mit Edelsteinen und goldenen Halsketten glänzt (760),

————— 76 Otto das Kind (1204-1252), Sohn Wilhelms, erhielt nach dessen Tod (1213) unmündig die Herrschaft über Lüneburg. Nachdem er auch seine Onkel Otto IV. und Heinrich von Braunschweig (†1227) beerbt hatte, musste er seine Herrschaft gegen die Ansprüche der Staufer sichern. 1235 kam es zur staufisch-welfischen Aussöhnung: Otto verzichtete auf seine Besitzrechte, und Kaiser Friedrich II. gründete das Herzogtum Braunschweig (-Lüneburg). Otto wurde zum Herzog und Reichsfürsten erhoben und mit dem neuen Herzogtum belehnt. Zu Otto vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 541f. (G. Pischke); Camerer, 175 (G. Spreckelmeyer).

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Persona indignus, iusta quem percitus ira, Albertus priuat terrarum parte suarum, Multa adeò superincrepitans pro talibus ausis. Filius ALBERTVS telae loca proxima complet,  ALBERTVS multum gaudens popularibus auris Caetera par patri, pacíque intentus et armis, Ińque loco ferrum capere et deponere gnarus. Illum effrons una multum de parte laceßit Nobilitas, placidum, at́que irae sua frena negantem. Hi tamen, ut nullis clausa est petulantia metis, Eiecti discunt, non esse ad bella fugaces, Qui pacem potuêre pati. Coniungitur illi HENRICVS, uultúque et moribus asper acerbis, Germani haud aequos frustra indignatus honores. Hinc MAGNVS pater, et natus cognominis, adsunt Ille quidem clemens, reruḿque modestus ab usu: Hic ferus, et calidae exultans feruore iuuentae. Quem senior monitis conatur frangere amicis, | Multa ferens: ut praecipitis trux ira iuuentae Perniciem creet ipsa sibi, male prouida rerum, Praeteritíque parum memor, et secura futuri: Vt reges tueatur amor, probitaśque diúque Nulla cohaerescat nisi recto et iure potestas. Proinde animo at́que ira discat moderatius uti, Si sibi caniciem et felices spondeat annos. Audit hic, auditis mox obliuiscitur uti.

ALBER-/TVS / II. 765

770

775 MAGnus pater MAGnus filius.

—————

780

785

 761 Lucr. 5, 399 ira ... percitus || 763 Iuvenc. 2, 161 superincrepitans | Verg. Aen. 2, 535 pro talibus ausis (idem alibi et alii) || 764 Ov. met. 11, 365 loca proxima || 765 Verg. Aen. 6, 816 gaudens popularibus auris || 766 Lucan. 3, 53 pacique intentus || 768 Ov. met. 9, 38 parte lacessit || 770 Rut. Nam. 1, 137 nullis ... metis || 771s. Lucan. 2, 558s. disces non esse ad bella fugaces / qui pacem potuere pati || 777 Claud. 26, 498 calidae ... iuventae | Ov. met. 15, 209 fervore iuventae (item Paul. Pell. euch. 188) || 778 Sedul. carm. pasch. 4, 235 monitis ... amicis || 781 Lucan. 2, 233 praeteritique memor flebat metuensque futuri (sim. Ps. Cypr. resurr. 86) || 782 Eug. Tolet. carm. 36, 12 tueatur amor || 783 Lucan. 1, 92 nulla ... potestas (item 5, 664) 

775 cognominis suspectum

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Text und Übersetzung

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ein Herrscher, der dieser Rolle nicht würdig ist. Diesen beraubt Albert, von gerechtem Zorn angestachelt, eines Teils seiner Länder, und gar sehr tadelt er ihn für so große Frechheiten.77 Sein Sohn ALBERT füllt die nächsten Stellen des Gewebes aus, Albert, der sich sehr über die Gunst des Volkes freute (765); ansonsten genau so wie sein Vater, bedacht auf Frieden und Waffen, erfahren, bei passender Gelegenheit die Waffen zu ergreifen oder niederzulegen. Auf der einen Seite des Bildes reizte ihn sehr der unverschämte Adel, den sanften, der dem Zorn die Herrschaft verweigert. Doch die Adeligen, deren Frechheit von keinen Schranken gehemmt wird (770), werden vertrieben und begreifen, dass diejenigen nicht vor dem Krieg ausweichen, die auch den Frieden erdulden können. An Albert schließt sich HEINRICH an, von rauer Erscheinung und von schroffem Charakter; er war vergeblich empört darüber, dass er nicht die gleiche Ehrenstellung wie sein Bruder einnehmen durfte.78 Dann sind dargestellt der Vater MAGNUS und sein gleichnamiger Sohn (775); der Vater ist mild und bescheiden in der Lebensführung, der Sohn dagegen wild und in der Glut der heißen Jugend aufbrausend. Ihn versucht der Vater, mit gutgemeinten Mahnungen zu zähmen, und trägt vieles vor: wie sich die überschwängliche Jugend in ihrem schrecklichen Zorn selbst zu Fall bringt, da sie die Dinge nur schlecht voraussieht (780), zu wenig an das Vergangene denkt und sorglos um das Zukünftige ist; wie Liebe und Rechtschaffenheit die Könige schützt und keine Macht lange Bestand hat ohne Recht und Ordnung; dann, dass er lernen soll, Mut und Zorn zurückhaltender zu handhaben, wenn er sich Hoffnung mache auf Greisenalter und glückliche Jahre (785). Der Sohn hört es, doch bald vergisst er, von dem Gehörten Gebrauch zu machen.

————— 77 Albrecht I. der Lange (1236-1279), Sohn Ottos des Kindes, zeichnete sich laut der älteren Geschichtsschreibung durch seine ritterlichen Taten und Züge gegen Straßenräuber und Wegelagerer aus. Er gewann in der Asseburger Fehde (1255-1258) Wolfenbüttel und die Asseburg, nahm den Erzbischof von Mainz gefangen und ließ Graf Konrad von Everstein hinrichten. Zu Albrecht vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 34 (G. Pischke). 78 Nach dem Tod Albrechts I. wurde der Besitz unter seinen Söhnen aufgeteilt: Albrecht II. der Fette (1279-1318) erhielt Göttingen, Wilhelm (†1292) Wolfenbüttel und Heinrich Mirabilis (1267-1322) Grubenhagen. Nach dem Tod Wilhelms bemächtigte sich Albrecht, begünstigt durch den Rat der Stadt Braunschweig, des Erbes seines Bruders. Heinrich versuchte zusammen mit den Gilden Braunschweigs in blutigen Aufständen vergeblich, größere Macht zu erringen.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Ecce alia de parte suum dum comminus hostem Quaerit atrox, et equum medium moriturus in agmen Concitat, et comiti aduerso se turbidus infert, Direptuḿque ab equo terra prosternit et ensem Distringit, super accumbens, quaerit́que iacenti Quá uulnus letale ferat, mox irruit ipsi, Oppresso laturus opem discrimine tali Miles: et is caecum at́que hostem iugulare parantem Desuper inuadit, toto mox corpore nixus Strictum ardens Magno per costas exigit ensem. Illi tela cadunt manibus, tum calcibus atram Tundit humum expirans inimicáque tela cruentat. HENRICVS Magno patri succedit, at illum Longe alium radius nympharum pinxit acuśque. Huic amor in fratrem, huic recti cura boníque, Et cultus superûm studiosior altera fecit Cognomenta Pij: pietas in imagine muta Visa repraesentari adeò. Nunc agmina sylvis | Agricolis infesta et mercatoribus ipse Extrahit, et pacem miseris at́que ocia reddit Agricolis: nunc ipse suos, quos uiuere rapto, Quos norat uiolasse fidem, uincit́que trahit́que. Stabat agro quercus curuatis horrida ramis, Spargere defeßis umbras consueta colonis Hactenus, et pecudes rapido defendere ab aestu:

790

795

HENRI-/CVS pius. 800

805

810

—————

 787 Ov. met. 12, 129 comminus hostem (item Sil. 1, 488. 4, 759; Cypr. Gall. Ios. 391) || 788 Verg. Aen. 2, 408 medium ... periturus in agmen || 788-90 Verg. Aen. 11, 741-3 equum in medios, moriturus et ipse, / concitat, et Venulo adversum se turbidus infert / dereptumque ab equo || 790-2 Verg. Aen. 11, 748s. defringit ferrum ... / qua vulnus letale ferat || 792 Coripp. Ioh. 2, 456 mox irruit || 793 Calp. ecl. 5, 80 laturus opem (item Claud. 3, 321) | Verg. Aen. 9, 210 discrimine tali || 796 Verg. Aen. 10, 682 per costas exigat ensem (sim. 10, 815; Sil. 1, 515) || 797 Lucan. 3, 462 tela cadunt || 797s. Verg. Aen. 10, 730s. calcibus atram / tundit humum exspirans infractaque tela cruentat || 802 Auson. ecl. 3, 3 superum cultus || 803 Ov. rem. 723 imagine muta || 807 Verg. Aen. 7, 749 vivere rapto (item 9, 613; Manil. 4, 182) || 808 Catull. 76, 3 violasse fidem (sim. Lucr. 4, 463. 4, 505; Ov. epist. 7, 57; Alc. Avit. carm. 3, 324) || 809s. Sil. 16, 589 spargens quercus ... umbram

 788 Berg. Lüneburg 162 Sed medium sese iecit moriturus in agmen || 789 Bapt. 85 campo se turbidus infert

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Berg. Iesu

Text und Übersetzung

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Siehe: Auf der anderen Seite des Bildes stellt er sich wild entschlossen seinem Feind im Nahkampf, und dem Tode geweiht treibt er sein Pferd mitten in den Heereszug und stürzt sich stürmisch auf einen feindlichen Grafen, streckt den vom Pferde Gerissenen zur Erde nieder, zieht das Schwert (790) und sucht, über ihn gebeugt, wie er dem Liegenden eine tödliche Wunde zufügen kann; doch da stürzt sich auf ihn selbst ein Soldat, der dem von solcher Gefahr bedrängten Hilfe bringen sollte. Dieser geht von oben auf den nichtsahnenden los, auf ihn, der dabei ist, den Feind zu ermorden, und stößt zornglühend Magnus das gezückte Schwert, auf das er sich mit seinem ganzen Körper stemmt (795), durch die Rippen. Diesem fallen die Waffen aus den Händen, dann stößt er, aushauchend, die schwarze Erde mit den Fersen und befleckt die feindlichen Waffen mit seinem Blut.79 HEINRICH folgt seinem Vater Magnus nach, aber das Weberschiffchen und die Nadel der Nymphen gestalten ihn ganz anders (800). Dieser liebt seinen Bruder, dieser sorgt sich um das Rechte und Gute, und seiner überaus eifrigen Verehrung der himmlischen Mächte verdankt er einen zweiten Namen, nämlich »der Fromme«. Selbst auf dem stummen Bild scheint die Frömmigkeit deutlich festgehalten. Bald entfernt mit Gewalt er selbst aus dem Wald die Scharen, die den Bauern und den Kaufleuten feindlich waren (805), und gibt den armen Bauern Frieden und Ungestörtheit zurück. Bald besiegt er seine eigenen Untertanen und führt sie ab, von denen er wusste, dass sie vom Raub leben oder Verpflichtungen missachtet haben. Es stand auf dem Feld eine schreckenerregende Eiche mit gebogenen Zweigen, die bis jetzt gewöhnlich den erschöpften Bauern Schatten spendete (810) und das Vieh vor glühender Hitze schützte.

————— 79 Der Legende nach mahnte Magnus I. senior (später der Fromme : reg. 1344-1369) seinen Sohn Magnus II. junior (Torquatus: reg. 1369-1373) zu gemäßigterem Verhalten. Magnus starb nach dem Gefecht von Leveste an den Folgen eines für beide Seiten tödlichen Zweikampfes mit dem Grafen von Everstein. Zu Magnus’ Rolle im Lüneburger Erbfolgekrieg vgl. oben, 56ff.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Huc comitum quendam, conantem plurima frustra Dicere, correptum iusta trahit asper in ira: Et collum orantis nequicquam et multa parantis Dicere, frenorum loris constringit, et alta Arbore suspensum poenis ultricibus haurit. Hunc alius sequitur ferro et fulgentibus armis A capite ad calcem inclusus: Dicteide qualis Inceßit tellure Talus, cui membra corusco Aere relucebant latè, tractuśque colore Finitimos rutilo, Sole illabente notabant.  Huic decus egregium formae, huic indolis altae Cruda relucebat uirtus, protrita iacebant Illius ante pedes hostilia signa, cruentis Commaculata notis: Patrijs ipse inclytus armis Pugnantis specimen geminatis ictibus edit. Illi septenas suspendit adorea lauros, Septenos ducit septeno ex hoste triumphos: Signa leuant circum surgentes hostica trunci: Haec uictum, ostendunt non aequo Marte Boëmum, | Illa Moguntiacas acies, haec Danica castra: Haec ut contuderit fractos Burgundia Gallos Hoc duce, at haec alio partos ex hoste triumphos Signant: quin etiam de caesis inclyta Turcis Non procul assurgunt campo ridente trophaea. Quid memorem reliquos? Iam Rheni tendit ad amnem

815

VVIL-/HEL-/MVS Se-/nior.

—————

820

825

830

835

 812 Verg. Aen. 9, 398 conantem plurima frustra (item Auson. cento 103; sim. Anth. 12, 9) || 814s. Verg. Aen. 10, 554s. tum caput orantis nequiquam et multa parantis / dicere deturbat || 817 Verg. Aen. 2, 749 fulgentibus armis (idem alibi et alii) || 822 Verg. Aen. 7, 473 hunc decus egregium formae movet || 823 Stat. Theb. 9, 716 cruda ... virtus (sim. Coripp. Ioh. 4, 517s.) || 824s. Prud. perist. 10, 558 cruentis ... notis || 825 Sidon. carm. 7, 110 inclitus armis | Verg. georg. 3, 346 patriis ... armis (idem alibi et alii) || 827s. Claud. 21, 384s. adorea lauros. / ... triumphos || 829 Cypr. Gall. Ios. 83 signa levent || 830 Sil. 5, 233 non aequo Marte (sim. Verg. Aen. 7, 540; Lucan. 3, 585; Coripp. Ioh. 3, 309. 3, 405) || 833 Coripp. Ioh. 8, 64 partos ... triumphos || 836 cf. ad 352 | Ennod. carm. 1, 7, 7 tendit ad amnem 

822 Lotich. nupt. Guil. 462 Egregiae specimen virtutis, et indolis altae



818 inclusus] inclusis P

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Text und Übersetzung

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Hierher schleppt er erregt in gerechtem Zorn einen gefangengenommenen Gefährten, der vergebens versucht, vieles zu sagen. Und er schnürt den Hals des erfolglos Bittenden, der noch vieles sagen wollte, mit den Riemen der Zügel zusammen (815) und tötet den am hohen Baum Aufgehängten mit rächender Strafe.80 Heinrich folgt ein anderer, von Schwert und glänzenden Waffen von Kopf bis Fuß eingeschlossen: Genauso schritt der Kreter Talus einher, dem die Glieder von blitzendem Erz weithin leuchteten (820) und dessen Glieder die benachbarten Gegenden in rötlicher Farbe aufstrahlen ließen, wenn die Sonne unterging. Wilhelm war von auffallend schöner Gestalt, in ihm strahlte die unverfälschte Kraft einer hohen Begabung, vor seinen Füßen lagen zertreten die feindlichen Feldzeichen, besudelt mit Flecken von Blut (825): Selbst berühmt durch die Waffen des Vaters, bietet er das Bild eines Kämpfenden, indem er wiederholt zustößt. Ihm verleiht der Siegesruhm sieben Lorbeerkränze, sieben Triumphe feiert er über sieben Feinde: Rings um ihn herum ragen Stangen empor, die hoch oben die feindlichen Feldzeichen tragen: Diese zeigen das in ungleichem Krieg besiegte Böhmen (830), jene die Mainzer Schlachtreihen, diese das Dänische Heer: Diese zeigen, wie Burgund unter Wilhelms Führung die Franzosen geschlagen und niedergemacht hat, diese aber zeigen die durch einen anderen Krieg erworbenen Triumphe: Ja sogar die berühmten Trophäen von den geschlagenen Türken erheben sich nicht fern auf dem lachenden Feld (835). Was soll ich die übrigen erwähnen? Schon eilt er rastlos zum Rheinstrom,

————— 80 Heinrich der Milde (reg. 1373-1416), Sohn Magnus’ II., bemühte sich um Frieden in seinem Land und bestrafte die Wegelagerer.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Impiger, ultra ipsum nunc turmas traijcit Albim. Nec prius absistit quam tales improba cursus Inuidit fortuna uiro: totieśque priori Illius auspicijs aeuo quae fauerat, ipsum Fugit et aduersis uenit uictoria castris. Hic, furor hostiles, laudiśque innata cupido, Dum rapit in cuneos iam canum et uiribus aegrum, Humanos tandem concludit morte labores, Lucis et usuram non turpi funere linquit.

840

845

Iam tum conspicuus iam tum uenerabilis ibat Nomine consimilis patri Guilhelmus, et ille Haud patre indignus tanto: gratatur eunti A tergo canus genitor, manibuśque leuatis Esse sui hunc generis gestu laetante fatetur.

VVIL-/HEL-/MVS

Mox ipsum Henricus genitorem in flore iuuentae Consequitur, sociat́que annos famaḿque parentis Annis et famae: nec abest procul alter ab illo Filius: ambo pares animis et flore iuuentae. Tercentum genitor, tercentum in praelia nati | Exercent equites, pariteŕque assurgit in auras Caßidis aequus apex. Pater hinc aciem instruit, illic Filius educit turmas, hośque ordine primo Ire iubet, medio hos locat agmine prouidus, illos Robore in extremo statuit. Studium omnibus acre Militiam colere at́que armis solertius uti:

HENRI-/CVS

Iu-/nior.

850

Se-/nior.

—————

855

860

 838 Verg. Aen. 1, 192 nec prius absistit (item Ov. met. 11, 531; Paul. Petric. Mart. 5, 829; Ven. Fort. Mart. 4, 449) || 840 Ov. met. 15, 822 illius auspiciis (item Claud. 15, 500) || 841 Sil. 17, 291 adversis ... castris | Sidon. carm. 16, 17 venit victoria || 842 Damas. carm. 99, 1 Hic furor hostilis || 843 Sil. 2, 629 viribus aegrum (sim. Prud. c. Symm. 2, 322) || 845 Sil. 12, 285 turpi funere || 846 Claud. 21, 44 iam tum conspicuus, iam tum venerabilis ibas || 847 CE 546, 5 nomine consimilis || 851s. Stat. Theb. 7, 301s. genitorem in flore iuventae / consequitur || 853 Lucr. 5, 630 abest procul | Verg. ecl. 5, 49 alter ab illo (item Proba cento 391; Anth. 8, 51) || 854 Ven. Fort. carm. 4, 26, 43 ambo pares animo || 855s. Stat. Theb. 7, 305s. Tercentum genitor totidemque in proelia natus / exercent equites || 856 CE 1257, 7 assurgit in auras | 856s. Stat. Theb. 7, 292s. exit in auras / cassidis aequus apex || 858s. Stat. Theb. 7, 394s. iubet ordine primo / ire duces, media ... plebe 

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Text und Übersetzung

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schon setzt er seine Scharen selbst über die Elbe. Nicht eher hört er auf, als bis das missgünstige Schicksal den Mann um solche Erfolge beneidet: Der Sieg, der in früherer Zeit so oft seinen Unternehmungen hold gewesen war (840), wandte sich nun von ihm ab und trat in das feindliche Lager über. Schließlich beendet er mit seinem Tod die menschlichen Mühen, während die Raserei und die angeborene Begierde nach Ruhm ihn, der schon grau und an Kräften schwach ist, in die feindlichen Schlachtordnungen reißt; und er verlässt die Freuden des Lebens mit einem nicht schändlichen Tod (845).81 Da, da schon schritt einher der stattliche, verehrungswürdige Wilhelm, der so heißt wie sein Vater und eines so großen Vaters würdig ist: Der graue Vater beglückwünscht den nach ihm Kommenden und bekennt mit emporgehobenen Händen und freudiger Geste, dass dieser aus seinem Geschlecht stammt (850).82 Bald folgt dem Vater selbst in der Blüte seiner Jugend Heinrich und verbindet die Jahre und den Ruhm des Vaters mit seinen Jahren und seinem Ruhm: Nicht fern von ihm ist der andere Sohn: Beide sind gleich an Mut und Blüte der Jugend. Der Vater trainiert 300 Reiter für Gefechte, 300 die Söhne (855), und in gleicher Weise erhebt sich in die Lüfte die gerade Spitze des Helms. Auf dieser Seite stellt der Vater die Schlachtreihe auf, auf jener führt der Sohn die Scharen in die Schlacht. Er befiehlt den einen, in der ersten Abteilung zu marschieren, andere gruppiert er vorausschauend in der Mitte des Heerzuges, jene stellt er am Ende der Streitmacht auf. Alle brannten vor Eifer (860), Kriegsdienst zu leisten und die Waffen geschickt zu gebrauchen,

————— 81 Wilhelm I. der Ältere (der Siegreiche: reg. 1428-1482), Sohn Heinrichs des Milden, behauptete sich vor allem in kriegerischen Auseinandersetzungen. 82 Wilhelm II. der Jüngere (reg. 1482-1495, †1503).

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Ducere terrificis nocteḿque dieḿque sub armis, Noctem iterum russuśque diem si postulet usus. Qualiter, Argolici duo maxima fulmina belli, Oedipodionides simul at́que Acheloius heros Rege sub Inachio Dircaea ad moenia campo Ingreßi, pauidas terrebant indole Thebas. Iaḿque operis labor extremus superabat, ubi illum Extinctum comites inimica è gente reportant In patriam, ingentem at́que ingenti uulnere uictum, Ausum crinigeros bello infestare Caycos, Quorum herbosa, altis incincta paludibus, arua Albim inter Rhenuḿque uago lauit aequore Nereus. Extremo demum pertextae in margine telae Conspicitur proauis non inficiandus auiśque Egregijs princeps, creperi certamina belli Quem iactauerunt uarijs euentibus, et qui Ad magnum acceßit uariata sorte Leonem.  Iaḿque ille eijcitur terris animosus auitis, Iam redit, at́que alios longè reuirescit in orsus.

865

870

HENRI-/CVS / Iunior.

Omnia quae ritu uario uarijśque figuris | Condiderant nymphae, sed singula carminis arctae Commemorare uetant leges. Iaḿque ultima toti Addita postquam operi manus est, pater ilicet antro Ocra caput leuat, et canis noua serta capillis

—————

875

880

885

 862s. Stat. Theb. 7, 398s. noctemque diemque sub armis, / noctem iterum rursusque diem || 863 Ov. met. 13, 215 postulat usus (item alii) || 864 Coripp. Ioh. 6, 535s. duo maxima belli / fulmina || 865 Stat. Theb. 1, 313 Oedipodionides (sim. 4, 491. 6, 426. 7, 216; Epigr. Bob. 52, 2) | Stat. Theb. 2, 142 Acheloius heros (item 8, 522) || 868 Verg. Aen. 3, 714 labor extremus (item Hos. Geta Med. 206; Auson. urb. 163) || 869 Verg. Aen. 4, 235 inimica in gente (item Hos. Geta Med. 178) | 869s. Homer. 1045s. reportat / in patriam || 870 Verg. Aen. 10, 842 ingentem atque ingenti vulnere victum (item 12, 640) || 871 Lucan. 1, 463 crinigeros ... Caycos || 876 Lucr. 5, 1296 creperi certamina belli || 878 Manil. 3, 559 variata sorte || 881 Lucr. 2, 778 variisque figuris || 885 Claud. 28, 195 colla levant | Stat. silv. 2, 1, 192 nova serta | Ov. epist. 13, 159 canis ... capillis (item met. 1, 266) 

880 longè displicet

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Text und Übersetzung

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die Nacht und den Tag in furchteinflößenden Waffen zu verbringen, und dann wieder die Nacht und erneut den Tag, wenn es der Nutzen verlangte – genau so, wie die beiden Männer aus Argos, die größten Blitze des Krieges, der Sohn des Ödipus und der acheloische Held (865) unter dem inachischen König83 auf dem Feld gegen die dirkäischen Mauern stürmten und mit ihrem Mut das eingeschüchterte Theben erschreckten. Schon blieb übrig der letzte Teil des mühevollen Werkes, wo jenen die Gefährten tot aus feindlichem Volk in die Heimat zurücktragen, den Gewaltigen und den von einer gewaltigen Wunde Besiegten (870), der es gewagt hatte, die langgelockten Chaucen84 mit Krieg zu befehden, deren grasreiche, von tiefen Sümpfen umgebene Felder zwischen Elbe und Rhein Nereus mit auf- und absteigender Flut bespült.85 Schließlich sieht man am äußersten Rand des fertiggewebten Teppichs einen Fürsten, der von seinen herausragenden Großvätern und Urgroßvätern nicht verleugnet werden darf (875), den die Kämpfe eines misslichen Krieges in wechselndem Ausgang hoch- und niederwarfen und der wegen seines wechselhaften Schicksals dem großen Löwen nahe kam. Bald wird jener Hitzige aus den großväterlichen Ländern vertrieben, bald kehrt er zurück und blüht auf lange Zeit wieder auf zu anderen Unternehmungen (880).86 All dies hatten die Nymphen auf vielfache Weise und mit verschiedenen Figuren dargestellt, aber es einzeln aufzuführen verbietet der enge Raum, den mein Lied mir vorschreibt. Und nachdem schon die letzte Hand dem gesamten Werk angelegt worden ist, hebt Vater Oker sogleich das Haupt aus der Höhle, legt frische Blumenkränze auf seine grauen Haare (885), ————— 83 Gemeint sind die drei Anführer der »Sieben gegen Theben«: Polyneikes (Sohn des Ödipus), Adrastos (König von Argos; der Inachos ist ein Fluss in der Argolis) und Tydeus (Fürst von Kalydon in Aitolien; der Achelous ist ein Fluss in Epirus, der zwischen Akarnanien und Aitolien ins Ionische Meer mündet). 84 Die Chaucen siedelten zwischen Ems- und Elbmündung. 85 Heinrich d. Ä. (reg. 1495-1514), Sohn Wilhelms II., teilte sich nach dem Tod seines Vaters das Herrschaftsgebiet mit seinem Bruder Erich (d. Ä. von Calenberg: reg. 1495-1540). Heinrich besaß ein ausgeprägtes fürstliches Selbstgefühl und ungeheuren Ehrgeiz, sein Territorium zu erweitern. Sein Bestreben, an der Nordseeküste welfische Herrschaft zu etablieren, bezahlte er in einer Fehde gegen Ostfriesland mit seinem Leben, vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 322 (G. Pischke). 86 Heinrich d. J., Sohn Heinrichs d. Ä., wurde 1542 vom Schmalkaldischen Bund aus seinem Fürstentum vertrieben, in dem nun die bisher vom Herzog bekämpfte Reformation eingeführt wurde. Ein Rückeroberungsversuch Heinrichs im Jahre 1545 scheiterte. 1547 schließlich konnte er sein Land wieder in Besitz nehmen, das er sogleich zu rekatholisieren versuchte, vgl. oben, 124. Zu Heinrich d. J. vgl. Jarck, Braunschweigisches Lexikon, 322f. (C. Lippelt). Zum nach Meinung des Dichters ähnlichen Schicksal Heinrichs des Löwen vgl. oben Vv. 670ff. mit Anm. 73.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Circundat, gressuśque domum molitur ad illam Praecipites, circumfuso quam gurgite lambit Ipse, et in aspectum delatus principis, inquit: Hoc quodcuńque quidem, tibi iam pro tempore, quod grex Confecit noster princeps, longé optime miti Accipias uultu donum, nec durus inanes Spernito nympharum curas: dabit altera noster Munera deinde labor, prima haec si dona placebunt. Nempe et in his ipsis, (modò non me oracula fallant) His inquam in ripis, placido quas flumine lambo, Cignorum soboles tibi mox oritura, sonora Voce tuas laudes alia ratione sonabit.

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Sic fatus medium subitò se misit in amnem Antra petens uiridi paßim circundata musco. Interea uarias princeps obit ordine partes Terrarum Rheníque sui: modo ripa Visurgis Nunc propiora tibi uisuntur Bructere, nunc quod Leina rapax, nunc quod contractior Innera lambit: Et quodcuńque prius magni genitoris habenis | Paruerat, sub iura uocat sua, foedera pangens Duratura diu, ac longos uictura sub annos, Foedera quae nunquam pigeat coijsse nepotes. Iaḿque dies optatus adest, quo tu quóque cari Ora Ducis uultuśque coram Brunswiga uerendos Aspicias, patriaéque patri te maxima pandas.

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 886s. Stat. Theb. 12, 207 praecipites gressus (sim. Sil. 12, 268s.; Coripp. Ioh. 1, 344s.) || 889 Prop. 4, 1, 1 Hoc quodcumque (item Stat. Theb. 11, 81) || 894 Ov. met. 1, 491 oracula fallunt (item Stat. Theb. 9, 662) || 899 Val. Fl. 3, 728 antra petens | Lucr. 5, 951 viridi ... musco || 904 Homer. 537 magni genitoris (item Iuvenc. 2, 310; Drac. Orest. 651) || 908 Verg. Aen. 5, 49 iamque dies ... adest (item Proba cento 596; Anth. 15, 97) || 909 Lucan. 9, 138 ora ducis (item Sil. 15, 814. 17, 296) | (cf. ad 993) Claud. 10, 324 vultusque ... verendos || 910 Verg. Aen. 3, 252 maxima pando 

908 Berg. epithal. Schuz 25 Ergo dies optatus adest, quo



894 non i. q. ne, cf. Hofmann-Szantyr, 3314, 4563

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Text und Übersetzung

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lenkt die hastigen Schritte zu jenem Haus, das er selbst mit seinem ringsumströmenden Strudel benetzt,87 tritt vor die Augen des Fürsten und spricht: »Dies, was immer es sein mag, – es hat dir schon der Zeit entsprechend unsere Schar fertiggestellt – mögest du, bei weitem bester Herrscher (890), mit gütiger Miene als Geschenk annehmen, und nicht sollst du hartherzig die vergeblichen Mühen der Nymphen verschmähen. Unser Fleiß wird dir dann weitere Gaben geben, wenn diese ersten Geschenke gefallen. Gewiss, an eben diesen Ufern (wenn mich nur nicht die Orakelsprüche täuschen), an eben diesen Ufern, die ich mit sanfter Flut bespüle (895), so sage ich, wird für dich bald eine Schwanenfamilie da sein; sie wird mit wohltönender Stimme dein Lob in anderer Weise zum Erklingen bringen.«88 So sprach er und stürzte sich gleich mitten in den Strom und suchte seine Höhle auf, die überall mit grünem Moos bedeckt war. Unterdessen besucht der Herrscher der Reihe nach (900) verschiedene Teile seiner Länder und seines Rheins: bald besucht er das Ufer der Weser, bald Gegenden in deiner Nachbarschaft, Brukter,89 bald die Gegend, die die reißende Leine, bald die die schmalere Innerste umspült. Und was auch immer früher den Zügeln des großen Vaters gehorcht hatte, das ruft er unter sein Recht (905) und schließt Bündnisse, die lange andauern und die über viele Jahre hinweg Bestand haben werden: Bündnisse, die geschlossen zu haben niemals die Enkel verdrießen soll. Schon ist der erwünschte Tag da, an dem auch du, Braunschweig, das Gesicht und die ehrwürdige Miene des lieben Herzogs leibhaftig anschauen darfst, und an dem du, hochbedeutende Stadt, dich dem Vater des Vaterlandes öffnest (910).

————— 87 Gemeint ist Julius’ Residenz in Wolfenbüttel. 88 In der antiken Literatur ist der Schwan Sinnbild für den Dichter, vgl. Coleman, R.: Eclogues, Cambridge 1977, 262 zu Verg. ecl. 9, 29. Bergius hat hier aber gewiss den protestantischen Dichter im Auge, zumal der Schwan in zeitgenössischen Publikationen vielfach Luther symbolisiert, vgl. Baier, Th.: Die Imitatio antiker Vorbilder durch Petrus Lotichius Secundus am Beispiel der Magdeburg-Elegie (2, 4), in: U. Auhagen / E. Schäfer (Hgg.), Lotichius und die römische Elegie, Tübingen 2001, 97-114, hier 110f. So hat Mutianus Rufus dem protestantischen Dichter Eobanus Hessus beispielsweise den Schwan als Wappentier zuerkannt, vgl. dazu Ludwig, Eobanus Hessus, 233. 89 Die Brukterer wohnten im heutigen Münsterland.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Nunc ô Calliope, turba comitante sororum, Adijcias operíque suum numeriśque nitorem. Non mihi iam carmen plebeio more canendum est Largior Aonio repetenda è fonte facultas. Tempus erat, quo sol coeli haec loca praeßior intrat Toruus in extremam qua scorpius assecla lancem Ardentes laxat chelas, libraḿque minatur Concessa coeli quondam sibi parte fugare, Cum me lucifero iam uanescente relinquit Matutina quies, nitido dum pandit ab ortu Purpureas aurora fores, dum sydera maior Lux premit, et nulli suus est honor amplius astro, Hic uideo totum miro lucere sereno Aethera, et insolito paßim splendescere cultu. Quale iubar medio cum solem in culmine mundi Lassat longa dies uix spargitur, omnia coelo Nubila dispulerant uenti: nitor omnibus idem Coelitus ambibat subiectum partibus orbem. Hic ego, iô nouus ille nitor quid nunciat? illa | Quid noua, quid sibi uult oculis oblata meis lux? Fallor, an ô longi lacrymas post temporis hora Forte breui in risus sese natura relaxat? Diue potens citharae, plectríque insignis ab usu, Cuius ab ambrosijs destillat crinibus, omnes Quod rores Arabum Cilicum quod uincit odores, Dic mihi, quandoquidem tibi fas haec omnia nosse,

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 911 Stat. Ach. 1, 27 turba comitante sororum || 913s. Stat. Theb. 10, 829s. non mihi iam solito vatum de more canendum; / maior ab Aoniis poscenda amentia lucis || 913 Claud. rapt. Pros. 3, 15 plebeio ... more || 914 Opt. Porf. carm. 20, 2s. fonte / Aonio (sim. Drac. Romul. 8, 14) || 915 Alc. Avit. carm. 3, 1 Tempus erat, quo sol || 916-8 Verg. georg. 1, 34s. bracchia contrahit ardens / Scorpios et caeli iusta plus parte reliquit || 920s. Ov. met. 2, 112s. nitido patefecit ab ortu / purpureas Aurora fores || 925 Stat. Theb. 4, 680s. tempus erat medii cum solem in culmina mundi / tollit anhela dies || 927 Claud. 8, 175 nubila dissolvit Phoebus | Ven. Fort. Mart. 2, 92 nitor omnibus unus | 927s. cf. ad 948 || 928 Prud. ham. 903 subiectum ... orbem || 931 Ov. am. 3, 1, 34 fallor, an (idem alibi et Val. Fl. 8, 351) || 932 cf. ad 948 || 934 Anth. 283, 1 Crinibus ambrosiis 

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Text und Übersetzung

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Jetzt, Kalliope, führe, von der Schar deiner Schwestern begleitet, dem Werk und seinen Versen den gebührenden Glanz zu. Nicht länger darf ich mein Lied in niedriger Weise singen, gilt es, aus der Musenquelle reichere Möglichkeiten zu schöpfen. Es war die Zeit, in der die Sonne unsere Himmelsregion zögerlicher betritt (915), wo der begleitende Skorpion seine glühenden Scheren drohend gegen den Rand der Waagschale zubewegt und die Waage von dem ihr einst zugestandenen Teil des Himmels in die Flucht zu schlagen droht,90 als mich – der Morgenstern war schon im Schwinden – die morgendliche Ruhe verließ. Während die Morgenröte ihre purpurnen Pforten im heller werdenden Osten öffnet (920), während ein größeres Licht die Gestirne verdrängt und keinem Stern mehr seine Ehre fortbesteht, da sehe ich den ganzen Äther in wunderbarer Heiterkeit leuchten und in ungewohntem Glanz überall strahlen. Ein solcher Glanz, wie er sich verbreitet, wenn ein langer Tag die Sonne am höchsten Himmelspunkt kaum erschöpfen kann91 (925) – Winde hatten am Himmel alle Wolken auseinandergetrieben – eben ein solcher Glanz erfüllte ringsum vom Himmel her den darunter liegenden Erdkreis allerorten. Da sprach ich: »Juchhe! Jener neue Glanz, was kündigt er an? Was will jenes neue Licht, das sich meinen Augen darbietet, was will es? (930) Täusche ich mich oder, juchhe!, wendet sich nach langer, tränenreicher Zeit vielleicht in einer kurzen Stunde die Natur gelöster Heiterkeit zu? Gott, der du die Leier beherrschst und berühmt bist durch den Gebrauch des Schlegels, von dessen ambrosischen Haaren etwas träufelt, was allen arabischen Balsam, was alle Duftstoffe der Kiliker übertrifft (935), sag mir, wenn es dir wirklich zusteht, all dies zu wissen,

————— 90 In der Übersetzung ist vorausgesetzt, dass Bergius in Vers 918 sibi statt ei verwendet hat, vgl. dazu Ijsewijn, 407. Meines Erachtens zu voraussetzungsreich ist die Erklärung, dass die Waage ursprünglich kein eigenes Sternbild, sondern Teil des Skorpions war, vgl. Gundel, W.: Libra, in: RE 25. Halbband 1926, 116-137, hier 118, und dens., Skorpios, in: RE 5. Halbband 1927, 588-609, hier 589. Der Tag des Einzugs war der 3. Oktober 1569, vgl. oben, 134. 91 Gemeint ist der 21.06., der längste Tag im Jahr.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Dic, quid laeticiae, quae fert hoc gaudia tempus? Cui natura suos indulget laeta fauores? Sic tibi mansuras rupes Parnasia lauros Educet, aeternuḿque fluant Aganippides undae.  Sic ego: sic contra uatum pater infit Apollo. Quid Phoebum manifesta rogas? quem pandere par est Haec modo, quae rerum densa sub nube premuntur, Hoc opus est nostrum: cunctis manifesta relinquo. An nescis uestris subeuntem moenibus illum Cuius ab auspicijs aetas noua prodit IVLVM: Huic bonus affulget facibus melioribus aether: Huic uacat, arridet́que nouo natura sereno. Interea insoliti reboant plausuśque soníque Iam lituos, iam sistra tubaśque è turribus altis Audio et innumeras coelo rotat aenea glandes Machina: terribilem credas Salmonea uolui Pontibus aerisonis, quibus Elida terruit urbem Aetherium simulans Alphaea per oppida fulmen. Agmina iam uideo totis concurrere uicis, | {Agmina iam uideo totis concurrere uicis,} Plebe latere uias, tectorum culmina matres Foemineuḿque gregem longa cinxisse corona. Tum iuuenum pariteŕque senum laetabile murmur Innumeris resonare modis, consurgere ubíque Laetifici plausus, missuśque ad sidera clamor.

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950

955 955a

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 937 Coripp. Ioh. 2, 488 donavit gaudia tempus || 939 Verg. ecl. 6, 29 Parnasia rupes (item app. culex 15; Avien. orb. terr. 599) || 940 (cf. ad 1201) Claud. carm. min. 30, 8 Aganippaea ... educat unda | Claud. carm. min. 31, 61 fluens Aganippe || 942 Stat. silv. 2, 3, 6 quid Phoebum tam parva rogem? | Claud. 5, 504 quid demens manifesta negas? | Lucr. 1, 361 pendere par est || 944 Damas. carm. 76a, 3 hoc opus est nostrum (item CE 1809, 3) || 948 (cf. 927s., 932) Claud. 8, 182s. obibat / cuncta nitor risitque tuo natura sereno || 952s. cf. Verg. Aen. 6, 585ss.; Manil. 5, 91ss. || 953 Claud. carm. min. 53, 49 machina terruit urbem || 956 Claud. 24, 63s. nonne vides et plebe vias et tecta latere / matribus? || 957 Stat. Theb. 12, 146 femineumque gregem || 958 Verg. Aen. 8, 287 hic iuvenum chorus, ille senum || 960 Stat. Theb. 12, 521s. laetifici plausus missusque ad sidera vulgi / clamor | 960s. Claud. 26, 460s. clamor / tollitur ›ipse venit‹  951s. glandes

Sabin. eleg. 1, 7 (De reditu Ioachimi II., p. 36) Machina sulfureas iaciebat ahenea

946 IVLVM] vix IVLIVM || 955a om. R

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Text und Übersetzung

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sag, welchen Jubel, welche Freuden bringt diese Zeit? Wem schenkt die frohe Natur ihre Gunst? Fürwahr, es möge dir der Fels des Parnass bleibenden Lorbeer großziehen, und ewig mögen dir die Musenquellen fließen« (940). So sprach ich und so erwiderte mir Apoll, der Vater der Dichter: »Was fragst du Phoebus Offensichtliches, der doch nur solche Dinge zu eröffnen braucht, die unter einem dichten Schleier verborgen liegen? Das ist meine Aufgabe; was allen offensichtlich ist, das beschäftigt mich nicht. Weißt du denn nicht (945), dass jener, der in eure Mauern eintritt, JULUS ist, unter dessen günstigen Vorzeichen ein neues Zeitalter entsteht. Diesen strahlt der gute Äther mit besseren Fackeln an. Ihm unterstellt sich die Natur und lacht ihn an mit neuer Heiterkeit.« Inzwischen hallen ungewohnter Beifall und Lärm wider, schon höre ich von den hohen Türmen Hörner, schon Klappern und Trompetenspiel (950), und eine Kanone aus Bronze schleudert zum Himmel zahllose Geschosskugeln. Du könntest glauben, dass der schreckliche Salmoneus von den erztönenden Brücken gewälzt wird, mit denen er die Stadt Elis erschreckte, als er den himmlischen Blitz in den alphäischen Städten nachahmte.92 Schon sehe ich Scharen in allen Gassen zusammenlaufen (955), sehe, dass man die Wege vor lauter Menschen nicht mehr sieht und Mütter und Frauen in großer Anzahl die Giebel der Häuser eingenommen haben. Dann ertönt von den Jungen und Alten zugleich fröhliches Gemurmel in zahllosen Weisen, überall erhebt sich fröhlicher Beifall und ein zu den Sternen steigender Lärm (960).

————— 92 Salmoneus, Sohn des Äolus und König in Elis, erbaute die nach ihm benannte Stadt Salmone. Dort ließ er sich wie Zeus verehren und versuchte, Donner und Blitz künstlich nachzuahmen. Zeus erschlug ihn mit seinem Blitzstrahl, zerstörte seine Stadt und ließ ihn in der Unterwelt bestrafen.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Fallor, an ipse uenit? dicebam. haud falleris, inquit Nescio quis: Venit ipse, cui communia uota Fecimus, et sacras amplexi orauimus aras, Miscuimuśque preces iampridem, ut sidere fausto Ad rerum magnas magnarum accedat habenas. Summe pater coeli, cuius Respublica nutu Nunc floret, nunc quassa labat: qui maxima rerum Iura tenes, qui fata hominum qui digeris aeuum, Vnde Magistratus, ius, leges, sceptra, potestas: Qui facis ut foelix iusto sub principe uiuat Subditus, et populo sit foelix sospite princeps: Da pater, ut laeto Dux omine IVLIVS, et te Auspice quas adijt rerum moderetur habenas, Te semper colat et ueneretur, téque colentes Diligat, ińque bonum populi commune laboret. Has dum corde preces, dum toto pectore fundo Mox subit augustum portis bipatentibus agmen Delectorum equitum, quales uel strennuus Auceps Vel Leo magnanimus, uel saecli lumina Othones | Quiśque sui, priscis duxêre in praelia lustris. Par habitus, patria arma uiris, par indole uirtus, Mobilitas cunctorum eadem, et color unus equorum, Vnus ubíque uigor. miratur mascula ciuis Agmina, quadrupeduḿque animosas approbat iras. Horror tecta quatit non noxius, ipsáque nutant Insolitam secum uenerantia culmina pompam, Ipsae adeò turres. Iaḿque illum pone sequentem Nunciat aere cauo uacuas tibicen in auras,

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961s. cf. Ov. fast. 5, 549s. fallor, an ... non fallimur ... / Mars venit || 968 Stat. Theb. 3, 696 iura tenes || 973 Manil. 1, 668 moderatur habenas (item Stat. Theb. 4, 219) || 977 Paul. Petric. Mart. 6, 119 egressum portis bipatentibus agmen (item Ven. Fort. Mart. 1, 7) || 981 Stat. Theb. 12, 108 par habitus (item Coripp. Iust. 4, 231) | Sil. 2, 352 patria arma (item 17, 388) || 988 CE 350, 1 aere cavo tubicen (sim. Ov. met. 4, 505. 7, 317; Prud. apoth. 386)  963 orauimus] ornauimus P || 966-75 vv. orationi poetae tribuendi || 976 fort. fundit, si oratio civis usque ad 975 continuatur, cf. ad v. 966 || 978 strennuus P : strenuus R

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Text und Übersetzung

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»Täusche ich mich, oder kommt er selbst?« So sprach ich. »Du täuschst dich nicht«, sagte da einer. »Es kommt derjenige selbst, für den wir gemeinsam Gebete gesprochen haben, für den wir die heiligen Altäre berührten und beteten und für den wir schon längst die Bitten vorgetragen haben, dass er unter günstigem Stern zu großer Herrschaft über Großes gelange« (965). »Höchster Vater im Himmel, durch dessen Nicken der Staat bald blüht, bald erschüttert wankt, der du das oberste Verfügungsrecht über die Dinge hast, der du die Geschicke der Menschen und die Zeit lenkst, von dem Ämter, Recht, Gesetze, Herrschaft und Macht herrühren, der du unter einem gerechten Herrscher den Untergebenen glücklich leben lässt (970) und den Fürsten glücklich sein lässt, weil das Volk wohlauf ist – gib, Vater, dass Herzog JULIUS die Zügel der Herrschaft, die er angenommen hat, unter frohem Vorzeichen und unter deiner Vorsehung führt, dass er dich immer verehrt und anbetet und die, die dich verehren, liebt und dass er zum gemeinsamen Wohl des Volkes wirke« (975). Während ich solche Bitten aus tiefstem Herzen vortrage, da kommt durch das Tor mit doppelten Türflügeln eine erhabene Schar erlesener Reiter, so wie sie einst der wackere Vogler, der großherzige Löwe oder die Ottonen, ein jeder das Licht seines Jahrhunderts, in früheren Zeiten in die Schlacht führten (980). Die Haltung der Männer ist gleich, sie tragen die Waffen der Väter, gleich ist ihre naturgegebene Tapferkeit, eine gleiche Beweglichkeit, eine einzige Farbe haben alle Pferde, überall eine einzigartige Kraft. Der Bürger bewundert die Männerschar und lobt das heftige Temperament der Pferde. Ein nicht schädlicher Schauder erschüttert die Dächer, und sogar die Giebel (ver)neigen sich (985), indem sie bei sich den ungewöhnlichen Zug verehren, selbst die Türme . Schon verkündet der Trompetenbläser mit hohlem Erz in die freien Lüfte, dass er dahinter folgt,

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Egregiuḿque Ducem, populíque oculuḿque patreḿque Quem circum proceres stipant hinc inde frequentes Bis seni proceres, tanti quos Principis aula Vna decet, solíque huius qui Principis aulam.  Hos inter multa uultus pietate uerendos Mitiáque ora heros placidaḿque gerentia pacem IVLIVS ostendit, florenti qualis in aeuo Adrastus magnis placidum sese intulit Argis Ipse adeò sonipes mores imitatus heriles Eximios glomerat gressus: illi ardua ceruix Et constans pariliśque tenor: non ilia praeceps Aut armos tendit, néque iactis uerberat auras Calcibus, aut insessori tergum asperat, irae Immodicus, quae multa retrò, multa anté uidere est In reliquis, quorum ceruix et obesa minori Terga premuntur hero: cari sed ponderis ille Conscius, officiȷq́ ue memor terguḿque pedeśque Componens, cauto figit uestigia gressu. | At ciuis, quacuńque phalanx illustris, et agmen Armipotens procedit, adest utrińque uiarum, Ordine quiśque suo, nitidiśque uidendus in armis: Officiuḿque fideḿque suam uenientibus offert. Tum reliqui circum densi iuueneśque seneśque Matreśque et natae, et puerorum mobilis aetas Gratantur tacitè uenientem, at́que undíque in uno Haerent obtutu: uultus illius, et omnem Lustrantes habitum: mox et pia uota preceśque

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 990 Cypr. Gall. iud. 706 proceres ... frequentes (item Ven. Fort. carm. 8, 3, 129) || 991 Sidon. carm. 7, 219 principis aula (item Drac. Orest. 207) || 992 Claud. 3, 113 principis aulam || 993 (cf. ad 909) Lucan. 7, 322 vultus ... verendos || 994 Stat. silv. 1, 1, 16 placidamque gerentia pacem || 997 Stat. silv. 1, 1, 46 sonipes habitus animosque imitatus equestres || 998 Verg. georg. 3, 117 gressus glomerare (sim. Sil. 12, 518) | Verg. georg. 3, 79 ardua cervix (item alii) || 1000 Iuvenc. 4, 375 verberat auras (item Drac. laud. dei 3, 193; Ven. Fort. Mart. praef. 11) || 1001 Sidon. carm. 23, 292 tergum asperat || 1003s. Verg. georg. 3, 79s. ardua cervix / ... obessaque terga || 1006 Germ. 69 figit vestigia (item Iuvenc. 3, 115; Paul. Petric. Mart. 2, 710) || 1009 Coripp. Ioh. 1, 570 ordine quisque suo (item Auson. epigr. 38, 4) || 1010 Verg. Aen. 6, 291 venientibus offert (item Cypr. Gall. gen. 1421; Paul. Petric. Mart. 2, 352) || 1011 Ov. met. 8, 526 iuvenesque senesque (idem alibi et alii) || 1012 Verg. georg. 3, 165 mobilis aetas || 1013s. Verg. Aen. 1, 495 obtutuque haeret ... in uno (item Anth. 8, 65)

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Text und Übersetzung

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der erhabene Herzog, Augenstern und Vater des Volkes, um den sich hier und dort dicht Adelige drängen (990), zwölf Adelige an der Zahl, für die der Hof eines so bedeutenden Herrschers allein angemessen ist und die allein dem Hof dieses Herrschers angemessen sind.93 Der heldenhafte JULIUS zeigt unter diesen Gesichtern, die dank ihrer großen Frömmigkeit verehrenswürdig sind, ein sanftes Gesicht, das ruhigen Frieden ausstrahlt (995), wie zu blühender Zeit Adrastos sich sanft in das große Argos begab.94 Sogar das Pferd selbst ahmt die Sitten des Herrn nach und setzt immer wieder erhabene Schritte voreinander; es trägt seinen Nacken stolz erhoben und hat eine beständige und gleichmäßige Bewegung. Nicht nach vorne geneigt streckt es den Bauch oder die Schultern vor, und nicht schlägt es die Luft mit ausgeworfenen Hufen (1000), noch macht es ungezähmt im Temperament seinen Rücken dem Reiter rau, was vielfach bei den Übrigen davor und dahinter zu sehen ist, deren Nacken und wohlgenährte Rücken von einem unbedeutenderen Herrn gedrückt werden. Doch das Pferd des Julius ist sich seiner kostbaren Last bewusst, und eingedenk seiner Aufgabe hält es Rücken und Füße im Zaum (1005) und setzt seine Hufe mit vorsichtigem Schritt. Bürger sind auf beiden Seiten der Wege zugegen, wo auch immer die herrliche Phalanx und die waffenmächtige Schar vorbeiziehen; jeder hat sich entsprechend seinem Stand aufgestellt und ist ansehnlich in glänzenden Waffen; er bietet seinen Dienst und seine Treue den Kommenden dar (1010). Dann sind ringsum in dichter Zahl die Übrigen da: Junge und Alte, Mütter und Töchter und die quirlige Kinderschar, sie beglückwünschen stumm den Kommenden und haben ihrerseits nur Augen für ihn allein, mustern seine Gesichtszüge und seine ganze Gestalt (1015). Bald sprechen sie fromme Gebete und Bitten fröhlichen Sinns;

————— 93 Zu den Adligen im Gefolge des Julius vgl. Rehtmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 964. 94 Zu Adrastos vgl. oben, Anm. 83.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Concipiunt laetis animis: tum plausibus omnis Exultare locus. Quis iubila tentet et omnem Laeticiae memorare modum? quis dicere plebis Gaudia? Cecropijs minus exultauit Athenis Turba fauens, magnum quo tempore Thesea uidit Thermodontiaco laetum remeare triumpho. Sed néque maiori sese Pylos inclyta plausu Effudit, iuuenem quo tempore Nestora portis Excepit reducem, cum sanguine Centaurorum Sparsus et ipse, animi egregij manifesta dedisset Indicia, et rari specimen laudabile Martis. Deníque plausus erat Solyma non maior in urbe Cum post confectum diuino marte duellum Sparsa gyganteo est puerilis dextra cruore. Cum pia laetificum cecinit tibicina carmen Dextera Cißidae mille hostes una cecidit Dextra sed Isaidae decies millena cecidit. Hic quóque dat similes pietas plebeia cantus, | Ießideńque suum hoc hymno uenerata salutat. Mille bonis terras has ornauêre priores, IVLIVS at decies millena his millia princeps Verarum dat opum, pietati mitia pandens Hospitia et Christo sudans pia condere regna. Hic aliquis medio in populo, cui plurima rerum Verboruḿque fides, nec mens insulsa, sed usu Rerum exculta aliquo, foelix, ait, ô mea foelix Patria, ter felix lato uicinia tractu, Nacta ducem, iamdudum omnis quem Saxonis ora,

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 1019ss. cf. Stat. silv. 1, 2, 213-7 || 1019 Stat. silv. 1, 2, 213 minus exsultavit || 1020 Prop. 2, 14, 7 Thesea vidit | 1020s. Stat. Theb. 12, 163s. Thesea fama est / Thermodontiaco laetum remeare triumpho || 1024 Claud. 8, 212 excepit reduces || 1029 Lucan. 4, 542 dextra cruore (sim. Stat. Theb. 12, 737) || 1032 Sedul. carm. pasch. 2, 273 decies millena || 1039s. cf. ad 242s. || 1043 Claud. 20, 237 nacta ducem  1039-41 Berg. epithal. Schuz 176-8 Hic aliquis tunc e populo, cui plurima rerum / Verborumque fides, nec mens insulsa, nec artis / Expers Pieriae  1021 Thermodontiaco (cf. Stat. Theb. 12, 164)] Thermodoontiaco P fort. recte; cf. Serv. Aen. 11, 659; Micyll. res metr. lib. 3, p. 536

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bald jubelt der ganze Platz unter Beifall. Wer könnte versuchen, den Jubel und das ganze Ausmaß der Freude in Worte zu fassen? Wer die Freude des Volkes wiederzugeben? In dem Maße hat noch nicht einmal die wohlwollende Menge in der kekropischen Stadt Athen gejubelt zu der Zeit (1020), als sie den großen Theseus fröhlich von dem thermodontischen Triumph zurückkehren sah.95 Und das berühmte Pylos überließ sich nicht größerem Beifall zu der Zeit, als es den jungen Nestor bei seiner Rückkehr in seine Tore aufnahm, als dieser vom Blut der Zentauren bespritzt, deutliche Zeichen seines herrlichen Mutes (1025) und ein lobenswertes Muster seltener Kampfkraft gegeben hatte.96 Schließlich war der Beifall in der Stadt Jerusalem nicht größer, als nach dem in göttlichem Kampf ausgetragenen Duell die Rechte des Knaben vom Blut des Riesen bespritzt war, als die fromme Flötenspielerin ein frohes Lied spielte (1030), als die Rechte Sauls allein tausend Feinde, die Rechte Davids aber zehntausend tötete. Auch hier lässt die fromme Volksmenge ähnliche Gesänge erschallen und begrüßt ihren David ehrfurchtsvoll mit diesem Hymnus.97 Frühere haben diese Länder mit tausend Gütern ausgestattet (1035), doch der Herrscher Julius gibt ihnen zehntausendfach Tausende von wahren Schätzen, er eröffnet der Frömmigkeit sanfte Heimstätte und strengt sich an, für Christus ein frommes Reich zu gründen. Hier sagt einer mitten im Volk, der in Wort und Tat größte Glaubwürdigkeit verdient, dessen Sinn nicht stumpf (1040), sondern durch lange Erfahrung geschärft ist: »Glückliche, oh meine glückliche Heimat, dreimal glückliche Nachbarschaft in deinem weiten Gebiet, du hast einen Herzog erlangt, den sich schon lange das ganze Sachsenland wünscht,

————— 95 Der Thermodon ist ein Fluss im Pontus, der Heimat der Amazonen. Theseus begleitete Herakles im Zug gegen die Amazonen und eroberte sich Hippolyte zur Gemahlin. 96 Nestor nahm am Kampf der Lapithen gegen die Zentauren teil. 97 Saul ist der Sohn des Kisch (Cissides). Zur Stelle vgl. 1 Sam 18, 6f.; 21, 11 [12]; 29, 5.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Militia et magnis celebrata heroibus ora Optat, et aeternos famae cui spondet honores.  Ecce uiam quacuńque terit, quacuńque mouet se Hac non arma modo, lituíque tubaéque sonantes Tinnitúque fragor densus miscetur acuto: Sed simul incedit placido nitidißima uultu Aurea pax, niueum spicis innexa capillum, Palladiáque gerens felicem ex arbore ramum, Et uiuax iuxta uirtus: quam mille sequuntur Artes, humanae solatia dulcia uitae, Et longaeua Themis, et legum turba bonarum. Omnia quae ductrix tanti dignißima coetus Anteit Relligio, cultus pertaesa sinistros, Bullaśque mitraśque leues, et somnia rasi Verticis, et fuscam torta cum cannabe uestem, Aestiuośque aptum soles captare cothurnum. | Pro quibus haec multo fulgentem adamante libellum, Et crucis auratae signo ipsa in fronte notatum, Gestat, et huic digitum intendit uenerata reductum. Quin etiam, cum tot circum torquata uidentur Pectora, tot Serum precioso uellere texta Hic illic obuersantur gestamina, solus Ipse uenit nec purpureo praesignis amictu, Nec nimia cultus foedans bombyce uiriles. Talem tranquilla populos in pace regentem Romulidae uidere Numam: Solomonta potentem Iordanis, terras quoties pacatus obibat, Cedrifero Libanus quas uertice despicit ingens.

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 1047 Sil. 9, 554 lituique tubaeque || 1048 Ven. Fort. carm. 2, 9, 57 voces calamis miscentur acutis || 1052 Ov. Pont. 4, 8, 47 vivax virtus || 1054 Claud. rapt. Pros. 1, 219 longaeva Themis || 1057s. Iuv. 5, 171 vertice raso (item 12, 81) || 1058 Pers. 5, 146 torta cannabe || 1068 cf. ad 257 || 1071 Coripp. Iust. 2, 83 vertice despicit 

1047 Lotich. nupt. Guil. 485 Iamque tubae, lituique sonant

 1054 Berg. Carm. Ev. 2 (Epithalamium scriptum Bernardo Oresti: 83) Stat grandaeva Themis, stat legum turba bonarum

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ein Land, das durch Kriegskunst und große Helden berühmt ist; diesem Herzog gelobt es die Ehre ewigen Ruhmes (1045). Schau – wo immer er den Weg betritt und sich bewegt, da gibt es nicht nur Waffen, tönende Hörner und Trompeten, da mischt sich nicht nur dichter Lärm mit schrillem Klang, sondern zugleich schreitet die goldene Pax mit sanfter Miene strahlend und glänzend einher, Ähren ins schneeweiße Haar geflochten (1050), sie trägt einen sprießenden Zweig vom Ölbaum, und neben ihr ist die lebendige Virtus. Dieser folgen tausend Artes, süßer Trost des menschlichen Lebens, und die uralte Themis und die Schar der Bonae Leges. All diesen schreitet voran die Religio, die einer so bedeutenden Gruppe würdigste Führerin (1055), überdrüssig des falschen Kultes, überdrüssig der Bullen und der nichtigen Mitren und der Hirngespinste eines kahlgeschorenen Kopfes, des dunklen Gewandes mit gewundener Kordel und der sandale, die geeignet ist, die Sommersonne einzufangen. Statt solcher Dinge trägt sie ein mit vielen Edelsteinen glänzendes Büchlein (1060), welches auf der Vorderseite das Zeichen eines goldenen Kreuzes ziert, und auf dieses zeigt sie voller Ehrfurcht mit dem gekrümmten Finger. Ja, während man ringsum so manche mit Halsketten geschmückte Brust sieht, hier wie dort viele Kleider, die aus der kostbaren Wolle der Serer gewebt sind (1065),98 kommt er selbst, stattlich an sich schon, auch ohne purpurfarbenen Mantel; und nicht entstellt er seine männliche Gestalt durch allzu viel Seide. So sahen die Romulusenkel ihren Numa, der das Volk in ruhigem Frieden regierte,99 so der Jordan seinen mächtigen Salomo, sooft er das Land als Friedensbringer besuchte (1070), auf das der gewaltige Libanon mit seinem zederntragenden Gipfel herabschaut.

————— 98 Die Serer, ein Volk im östlichen Asien (heute China), sind berühmt durch ihre Seidenproduktion. 99 Numa, der zweite König Roms, galt als friedensliebender Philosophenkönig.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Sic sic uśque tuis uenias dux optime terris, Sic uenias: pacem qua nil meliusùe, priusùe est Rebus in humanis, paciśque exinde parentem Iustitiam et uerae ducens pietatis amorem.  Haec latus arma tuum firment, huic trade cohorti Téque tuuḿque caput: Tua uita satellite nullo Tutior est, nullis melius defensa maniplis. Haec et plura aliquis. quem de popularibus alter Subsequitur, rursuśque alter, mox tertius, uno Ore eadem ingeminans: illum lingua omnis, et omnis Vox canit: huic omnem soli plebs tota fauorem Commodat: hunc lumeńque suum siduśque fatetur. Ipsa parens urbis uultu meliore, nouośque Induta ornatus uotis sua uota suorum | Addit, et optati iam conscia temporis omni Spectandam se offert oculo, hîc ubi se inclyta tollit Curia, quam circum magnorum saxea regum Exurgunt simulacra, aeui ostendentia cultum Praeteriti, at́que habitus, repraesentantia priscos. Quáque illi in ueteri sedes augusta sacello Relligione patrum quondam sacrata tenetur. Hic illa optati non inscia temporis alta Talia uoce sonat. Hoc ô hoc pergite ritu Concordes stabili fatorum numine Parcae. Pergite conuersis noua ducere saecula fusis Concordes stabili fatorum numine Parcae.

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 1072 Claud. 5, 262 dux optime || 1073 Tib. 1, 7, 53 sic venias || 1075 Lucan. 10, 363 pietatis amorem (item Paul. Petric. Mart. 3, 229; Drac. laud. dei 3, 349) || 1077 Lucan. 10, 364 meque tuumque caput || 1079 Ov. met. 14, 198 haec et plura (item epiced. Drusi 165) || 1081s. Paul. Nol. carm. 6, 296s. omnis et omnis / lingua canat || 1082 Coripp. Iust. 2, 169 plebs tota || 1084 Sil. 5, 69 ipsa parens | Ov. met. 7, 862 vultu meliore (sim. Mart. 4, 1, 4) || 1086 Auson. ecl. 7, 4 optati ... temporis || 1091 Claud. rapt. Pros. 1, 202 sedes augusta (item Coripp. Iust. 3, 194) || 1092 Verg. Aen. 2, 715 religione patrum (item 8, 598; Hos. Geta Med. 419; Proba cento 490; Anth. 16, 2) || 1094 Verg. Aen. 1, 94 talia voce (item alii) | Verg. ecl. 6, 13 Pergite, Pierides || 1095-7 Verg. ecl. 4, 46s. »Talia saecla« suis dixerunt »currite« fusis / concordes stabili fatorum numine Parcae (item Auson. cento 78s.) | cf. Catull. 64, 327 (idem alibi)  1079s. Berg. epithal. Schuz 204s. Haec et plura aliquis: quem de popularibus unus / Subsequitur sermone pari

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So, so mögest du in einem fort, bester Herzog, deinen Ländern begegnen, so mögest du kommen, Frieden bringend – nichts Besseres oder Vorrangigeres gibt es im menschlichen Leben – und dann die Mutter des Friedens bringend: die Gerechtigkeit, und die Liebe zu wahrer Frömmigkeit (1075). Diese Waffen mögen deine Seite stark machen, dieser kohorte vertraue dich und dein Haupt an. Dein Leben ist unter keinem Begleiter geschützter, von keiner Leibgarde besser bewacht.« Dies und mehr sagte der Bürger. Ihm folgt ein anderer aus dem Volk, und dann ein zweiter, bald ein dritter (1080): sie alle wiederholen einhellig dasselbe. Julius besingt jede Zunge, jede Stimme. Ihm allein gewährt das ganze Volk all seine Gunst, zu ihm bekennt es sich als seinem Licht und seinem Stern. Die Mutter der Stadt selbst, mit besserer Miene und in neue Kleidung gehüllt, lässt auf die Wünsche der Bürger ihre eigenen folgen (1085) und bietet sich, wohl wissend um der erwünschten Zeit, jedem Auge zur Schau, dort, wo das berühmte Rathaus emporragt, um das herum sich Steinbilder großer Könige erheben, welche die Lebensweise einer vergangenen Zeit zeigen und die frühere Haltung widerspiegeln (1090); dort, wo in einem alten Heiligtum ein einst von der Frömmigkeit der Väter geweihter erhabener Sitz für sie bewahrt ist.100 Hier lässt sie eingedenk der erwünschten Zeit solches mit hoher Stimme ertönen: »So, ja so, ihr Parzen, macht weiter, die ihr nach dem festen Willen des Schicksals einträchtig seid (1095). Macht weiter, mit umgewendeten Spindeln neue Zeitalter herbeizuführen, ihr Parzen, die ihr nach dem festen Willen des Schicksals einträchtig seid.

————— 100 Die Patria befindet sich auf dem Altstadtmarkt in Braunschweig, auf dem neben der Martinikirche das Altstadtrathaus hervorsticht. Dort befinden sich an den Strebepfeilern der Fassaden die um 1455 von dem Bildhauer Hans Hesse gefertigten Standbilder von Herzögen, Königen und Kaisern aus sächsischem und welfischem Geschlecht. Der Westflügel zeigt die vier Ottonen von Heinrich dem Vogler bis Otto III. mit ihren Ehefrauen. Lothar von Süpplingenburg steht alleine in der Mitte der 17 Statuen – für seine Gemahlin Richenza war kein Platz mehr. An der Nordfassade stehen die vier Welfenfürsten Heinrich der Löwe mit seiner Frau Mathilde von England, seine Söhne Otto IV. und Wilhelm von Lüneburg sowie sein Enkel Otto das Kind mit ihren Frauen. Zum Altstadtrathaus vgl. Ohm, 119ff.; zur Verbindung der Welfen mit den sächsischen Fürsten vgl. oben, 265f.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Nam quis adhuc dubitet, priscis quin aemula saeclis Tempora procedant mundo, cum IVLIVS ille IVLIVS haud ullo magnorum indignus auorum,  IVLIVS haud dubijs cui Vatum oracula signis Aurea compositis praedicunt saecula bellis, Veri sacra Dei et cultus per auita probatos Regna pij egregio studij complexus amore Dulcia pacatis etiam dabit ocia terris. At́que ideo mea tecta bonus, mea moenia magnus Hospes adit dominuśque simul. quis gaudia luci Quis neget huic plausus? nunc ô nunc mascula nostris Thura ardete focis: nunc ô pacalis oliuae Et lauri termes omni progerminet agro: Effundat flores tellus gauisa rosaśque. | Et uiolam rigidi fundant et lilia uepres. Vośque adeo ciueśque mei et cordata iuuentus, Sic uestrum excipitote Ducem, taleśque merenti Maioreśque adeò persoluite semper honores. Non uos ille premit, non uestris inuidet ille Fortunis: nec relligio contraria litem Posthac offensasùe feret: sed candida mentes Hinc at́que hinc pietas uinclo deuinciet arcto. Nec quicquam posthac turbator Spiritus ille Efficiet, qui summa imis, qui sacra profanis Faśque nefaśque una gaudet miscere ruina. Cuius opus, quod atrox premit inferiora potestas Quantumcuńque iuuat, uiolatáque iura profanat Cuius opus, nullo dominis quod iure repugnat

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1100 Verg. Aen. 12, 649 magnorum ... avorum || 1101 Verg. georg. 4, 253 dubiis ... signis (item Stat. Theb. 2, 415) || 1102 Verg. app. Aetna 9 aurea ... saecula (item alii) || 1104 Ven. Fort. carm. 2, 10, 17 egregio ... amore || 1105 Auson. epist. 4, 31 dulcia ... otia (sim. Manil. 5, 173; Cypr. Gall. iud. 94) || 1107 Cypr. Gall. Ios. 476 dominusque simul || 1108 Verg. ecl. 8, 65 mascula tura (item Ov. medic. 94; Ser. med. 160; Drac. Romul. 10, 487) || 1113 Verg. app. Ciris 198 vosque adeo || 1115 Verg. Aen. 12, 778 semper honores (item Hos. Geta Med. 353; Ven. Fort. carm. 7, 7, 9) || 1121s. Hor. epist. 1, 16, 54 miscebis sacra profanis (sim. Prisc. Anast. 197) || 1122 Lucan. 5, 313 fasque nefasque (item Prud. cath. 3, 134; Alc. Avit. carm. 4, 15) || 1123 (cf. 1125, 1128) Auson. epigr. 12, 1 cuius opus (item Cypr. Gall. Ios. 444) || 1124 Ov. ars 2, 381 violataque iura

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Denn wer könnte noch zweifeln, dass Zeiten, die mit den alten Jahrhunderten wetteifern, dann auf die Erde kommen, wenn Julius, jener Julius, der hinter keinem seiner großen Vorfahren zurücksteht (1100), Julius, dem die Orakel der Seher mit unzweifelhaften Zeichen Goldene Zeitalter nach dem Ende der Kriege voraussagen, diesen Ländern mit dem Frieden auch süße Ruhe geben wird, nachdem er den Dienst für den wahren Gott und die unter der Herrschaft der Väter erprobten Bräuche in seiner herrlichen Liebe zu frommem Streben aufgenommen hat (1105). Und deshalb tritt in meine Häuser, in meine Mauern ein guter, großer Gast und Herrscher zugleich. Wer könnte diesem strahlenden Mann die Freuden, wer den Beifall verwehren? Jetzt, kräftiger Weihrauch, jetzt brenne an unserem Herd! Jetzt soll der Zweig der Friedensolive und des Lorbeerbaumes auf jedem Feld hervorsprießen (1110); die Erde soll voll Freude Blumen und Rosen erblühen lassen, und die starrenden Dornsträucher mögen Veilchen und Lilien hervorbringen. So sollt ihr vor allem, meine Bürger, beherzte Jugend, euren Herzog empfangen, und solche und noch größere Ehrungen gewährt ihm stets, da er sie verdient (1115). Nicht bedrängt er euch, nicht neidet er euch euer Glück, und nicht wird die feindliche Religion künftig Streit oder Angriffe bringen, sondern reine Frömmigkeit wird die Gemüter hier wie dort in enger Fessel binden. Und nichts wird künftig der Unruhe stiftende Geist bewirken (1120), der sich freut, Höchstes mit Niedrigstem, Heiliges mit Unheiligem und Recht und Frevel zu einem einzigem Unheil zu mischen. Dessen Werk besteht darin, dass grausame Macht die Untertanen willkürlich niedermacht und das Recht verletzt und entheiligt. Sein Werk besteht darin, dass der Untergebene, da es kein Recht gibt, den Herren Widerstand leistet (1125)

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Subditus et damno quaedam maiore tuetur, Quae melius pacis condonarentur amori. Deníque cuius opus, sua commoda quiśque quod urget Plus satis, et causa semper se iudice uincit. Vnde simultates gliscunt, mox foedera motu Rumpuntur celeri, et ad impia curritur arma. Gratia summe tibi superum pater: haud ea deinceps Euentura reor nostris incommoda terris. Dum Ducis egregij praeter iustuḿque piuḿque Nil prorsum admittit pectus, summíque parentis Imperijs regitur, sicut ratis aequore in alto Ad flexi regitur ductum et moderamina claui: Ergo illi cultus meritos praestate, piuḿque | Mille ducem obsequijs uobis adiungite porrò. At tu, cui tanto fora cuncta et compita plausu Laeta fremunt, cultu hoc noster quem ciuis honestat, Cui tuba tot cantus, tot sistra sonantia frangunt, Obsequijs capiare pijs, et amica fauentis Vox populi, totam tibi quae cum ciuibus urbem Deuouet addicit́que tuum mereatur amorem, IVLI magnanime, et nostri lux inclyta saecli. En, quocuńque potes placidos conuertere uultus, Omnia te uiso sese in noua gaudia soluunt. Non sic uirginibus flores, non floribus aurae Mulcentes Zephyri, ueris non hora colono, Flamina non miseris optantur mitia nautis: Vt tuus aspectus populo exoptatur et urbi.

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 1129 cf. Verg. ecl. 4, 59 Arcadia dicat se iudice victum || 1132 Verg. Aen. 6, 780 pater ... superum (item alii) || 1133 Tib. 2, 1, 25 eventura precor (item [Ov.] epiced. Drusi 415) || 1134 Opt. Porf. carm. 15, 8 iustumque piumque || 1135 Paul. Nol. carm. 18, 143 summique parentis || 1136 Lucr. 3, 784 aequore in alto || 1137 Stat. Theb. 10, 183 moderamina clavi || 1140 Coripp. Ioh. 3, 376 fora cuncta || 1144 Lucr. 6, 1140 civibus urbem (item alii) || 1145 Anth. 198, 51 mereatur amorem (sim. Hor. sat. 1, 1, 87) || 1146 Coripp. Iust. 3, 212 inclita lux || 1147 Coripp. Ioh. 7, 226 placidos ... vultus (item Ven. Fort. carm. 7, 5, 5. 7, 8, 51) || 1149-52 Claud. 24, 56-8 non sic virginibus flores, non frugibus imbres, / prospera non fessis optantur flamina nautis / ut tuus aspectus populo | 1149s. Ov. met. 1, 107s. auris / mulcebant Zephyri ... flores

 1134 Lotich. nupt. Guil. 4s. Dum Ducis egregij ... / ... celebro thalamos || 1140s. Sabin. eleg. 6, 11, 7 Omnia laetifico resonant hinc compita plausu

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und zum größeren Schaden gewisse Dinge schützt, die besser der Liebe zum Frieden geopfert werden sollten. Schließlich besteht sein Werk darin, dass jeder mehr, als es gut ist, seine eigenen Vorteile verfolgt und immer sich durchsetzt, weil er selbst Richter ist. Von daher flammt Streit auf (1130), bald werden Verträge in schneller Erregung gebrochen, und man eilt zu den frevelhaften Waffen. Dir, höchster Vater der himmlischen Mächte, sei Dank. Ich glaube, dass unserem Land solch schlimme Dinge von jetzt an nicht mehr passieren werden, weil das Herz des hervorragenden Herzogs überhaupt nichts duldet außer Gerechtem und Frommem (1135) und weil er von den Befehlen Gott Vaters gelenkt wird, so wie ein Schiff auf hoher See unter der Führung und Leitung des gebogenen Steuerruders gelenkt wird. Deshalb gewährt ihm die verdiente Verehrung und bindet weiter den frommen Herzog mit tausend Gefälligkeiten an euch. Aber du, dem mit so großem Beifall alle Plätze und Wege zujubeln (1140), den unsere Bürger mit dieser Verehrung auszeichnen, dem die Trompete und tönenden Klappern so viele Weisen ertönen lassen, lass’ dich einnehmen von frommen Gefälligkeiten, und die freundliche Stimme des gewogenen Volkes, die dir die ganze Stadt mit ihren Bürgern zuspricht und gelobt, soll deine Liebe verdienen (1145), großherziger JULIUS, herrliches Licht unseres Jahrhunderts. Schau! Wohin auch immer du deinen ruhigen Blick richten magst, da löst sich alles bei deinem Anblick in neue Freuden. Nicht wünschen sich junge Mädchen so sehr Blumen, nicht die Blumen so sehr die zarten Lüfte des Zephyr, nicht die Bauern die Zeit des Frühlings (1150), nicht die unglücklichen Seeleute so sehr sanftes Wehen, wie sich Volk und Stadt deinen Anblick wünschen.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Stat tibi cuncta precans felicia uiŕque pueŕque: Stat matrona pudens: stat uirgo plurima: quod si Verna darent ipsis halantes tempora flores,  Certatim totas qua te uideo ire fragranti Spargant flore uias: nunc quod negat annus ageŕque Praestant uoce pia, precibus te scilicet omnes Excipiunt, uotiśque pijs, hisdeḿque sequuntur Cedentem, ińque omnes fauor hic extenditur annos. Sit tibi gratus amor populi, sit grata uoluntas: Ińque uicem tibi quod praestant praestato, bonuḿque Indue mente patrem, ne rursus quaeso querantur Agricolae exustaśque domos, abstractáque coràm Armenta, et saeuo spoliatas milite uillas. | Aspice, ut auspicijs laetis Ecclesia surgat, Foeliceśque tuis plantas tibi monstret in hortis, Illis pace opus est: sed et indiga caetera pacis. Pace nihil melius, pax publica iura tuetur, Pax sceptra amplificat, pax priuata omnia: pacem Natura ipsa homini commendat, et arduus aether. Bello nulla salus: immanis bellua bellum: Ah tantum uitato nefas. sic flumina mellis Per praepingue solum, sic flumina nectaris ibunt. Sed facies certè: naḿque hoc placiduśque bonuśque Promittit uultus: hoc et tuus ille quietus Quem uideo paßim praefert loquituŕque paratus.

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1175

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 1153s. Ov. trist. 2, 501 virgo matronaque virque puerque || 1161 Verg. app. culex 230 grata voluntas (item Coripp. Ioh. 7, 33) || 1163 Claud. 7, 157 indue mente patrem || 1163-5 Stat. Ach. 1, 152-4 queruntur / ... raptasque domos abstractaque coram / armenta || 1166 Prop. 2, 29, 37 aspice ut ... surgat || 1167 Ov. rem. 193 plantam ... in hortis || 1169 Lucan. 3, 151 iura tuentur (sim. 2, 316) || 1171 Verg. georg. 1, 324 arduus aether (idem alibi et alii) || 1172 Verg. Aen. 11, 362 nulla salus bello (item 11, 399) || 1173s. Ov. met. 1, 111 flumina ... iam flumina nectaris ibant || 1174 Verg. Aen. 3, 698 praepingue solum (item Avien. orb. terr. 588)  1168-71 Micyll. silv. 2 (In adventum Caroli V.: 85-90) Pace opus est Caesar, pax publica iura tuetur, / Cumque pia castam relligione fidem. / Pacis amans Deus est, pacem mandavit habendam / Qui regit aethereae conditor arcis opus. / Non illa melius quicquam videt arduus aether, / Non illa quidquam dulcius orbis habet || 1173s. Fabric. Itin. 1 (Carm. Stigel.), p. 52 Hoc vitate nefas, et vobis flumina lactis / Inter agros pingues, et flumina nectaris ibunt

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Text und Übersetzung

383

Mann und Junge stehen da und wünschen dir alles Glück, ebenso sittsame Frauen und zahllose Mädchen. Wenn nun die Frühlingszeit ihnen selbst duftende Blumen gäbe (1155), so dürften sie im Wettstreit alle Wege, wo ich dich gehen sehe, mit duftenden Blumen bestreuen. Da jetzt die Jahreszeit und das Feld dies verbieten, leisten sie es mit frommer Stimme; fürwahr, sie empfangen dich alle mit Bitten und frommen Wünschen und folgen mit eben diesen dir, wenn du gehst, und auf alle Jahre erstreckt sich diese Gunst (1160). Die Liebe des Volkes sei dir teuer, teuer auch seine Zuneigung. Leiste im Gegenzug, was sie dir leisten, und übernimm die Rolle eines guten geistigen Vaters, damit die Bauern nicht wieder (bitte!) über verbrannte Häuser, vor ihren Augen fortgeschlepptes Vieh und durch grausame Soldaten ausgeraubte Höfe klagen müssen (1165). Sieh’ zu, dass die Kirche sich unter guten Vorzeichen erhebt und dir in deinen Gärten fruchtbare Setzlinge zeigt. Jene brauchen den Frieden, aber auch das Übrige ist des Friedens bedürftig. Nichts ist besser als der Friede: der Friede bewahrt das öffentliche Recht, der Friede lässt die Herrschaft, lässt alles Private gedeihen (1170), die Natur selbst und der hohe Äther empfehlen dringlich dem Menschen den Frieden. Kein Heil ist im Krieg, der Krieg ist eine grausame Bestie. Ach, meide so großen Frevel! So werden Ströme von Honig über den sehr fruchtbaren Boden fließen, so Ströme von Nektar. Aber ganz sicher wirst du es tun. Denn dies verspricht dein sanfter und guter Blick (1175), dies stellt auch deine gelassene Erscheinung, die ich sehe, überall in Aussicht und verkündet es.«

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Haec effata, adytis sese inferioribus abdit Tempora marmoreis ubi condit euntia signis, Gesta Ducuḿque urbiśque ligans adamante perenni.  Hanc adeo insigni mittens in saecula lucem Longa nota, Dominum qua te Dux magne professa est. Fabula narratur Rhodijs Tritonide nata Auratas magnum pluuias imbreḿque metalli Indulsisse Iouem, terrarum prima Mineruam Quod Rhodus armisonam susceperat: at mihi ueros Nunc rutili nimbos auri regionibus hisce Ah longe Rhodio meliores imbre uidetur Fundere stellatis fauor omnipotentis ab oris. | Síque dies sacer ille Rhodo, quo Pallada natam Insula adorauit gaudentibus hospita terris Haec itidem mihi lux, itidem sacra omnibus esto, Semper Erythreis lux consignanda lapillis. Foedera qua tecum IVLI Brunswiga nouauit Prisca, suis et te cepit laetißima portis. Vos ô quae rebus praelustribus addere famam Consuestis, qus longa dies et nomina curae, Fidáque promeritae custodia tradita laudis Pierides huc ferte pedem: date lilia floreśque Huc uestros, quos Aoniae in uernantibus hortis

1180

1185

1190

1195

1200

—————

 1179 Auson. urb. 42 marmoreis ... signis || 1180 Ov. met. 15, 813 adamante perenni (item Stat. Theb. 7, 68) || 1181 Ps. Cypr. resurr. 85 habitans in saecula lucem || 1183 Hor. sat. 1, 1, 70 fabula narratur (item Ov. ars 2, 561) || 1183-9 cf. Claud. 24, 226-31 auratos Rhodiis imbres nascente Minerva / indulsisse Iovem ... / ... / ... / rutilo ... auro. / fabula seu verum, canitur || 1192 Val. Fl. 1, 557 omnibus esto (item Eug. Tolet. carm. app. 14, 2) || 1193 Stat. silv. 4, 6, 18 Erythraeis ... lapillis (item Mart. 9, 2, 9. 9, 12, 5) || 1196 Drac. Romul. 8, 215 addere famam || 1199 Verg. georg. 1, 11 ferte ... pedem | cf. ad 420  1196 Sabin. nupt. Sigism. 1 Vos mihi quae | Lotich. nupt. Guil. 1 Vos mihi quae || 1197 Lotich. nupt. Guil. 55 Mnemosynes, cui longa dies et nomina curae || 1198 Lotich. nupt. Guil. 3 Fidaque perpetuae custodia credita famae 

1195 suis] tuis P

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Text und Übersetzung

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Dieses sprach die Patria und verbirgt sich im innersten Teil des Heiligtums, dort, wo sie die dahingehenden Zeiten in Marmorbildnissen bewahrt und die Taten der Herzöge und der Stadt in ewigem Stahl bindet (1180).101 Durch einen sehr wichtigen Eintrag , durch den sie sich zu dir als Herrn, großer Herzog, bekannte, reihte sie dieses leuchtende Ereignis102 in langen Jahrhunderte ein. Es wird die Geschichte erzählt, dass der große Jupiter nach der Geburt der Pallas den Rhodiern goldenen Regen und Metallniederschlag gewährt habe (1185), weil Rhodos als erstes Land die waffenklirrende Minerva aufgenommen hatte.103 Doch mir scheint es, dass jetzt die Gunst des Allmächtigen aus den gestirnten Gefilden wahrhaftige Niederschläge des rötlichen Goldes, die weit besser sind als der Regen auf Rhodos, auf unsere Gegenden ausgießt. Wenn jener Tag für Rhodos ein heiliger ist (1190), an dem die Insel die geborene Pallas gastfreundlich anbetete und das Land sich freute, dann soll mir und allen Bürgern dieser strahlende Tag heilig sein; immer soll dieser strahlende Tag mit roten Edelsteinchen gekennzeichnet sein, an dem Braunschweig mit dir, Julius, seine alten Bündnisse erneuerte und dich voller Freude in seinen Toren aufnahm (1195). Ihr, die ihr gewohnt seid, hervorragenden Dingen Ruhm zu gewähren, denen das Tageswerk lang ist, denen Namen zur Sorge gereichen und die ihr treu das verdiente Lob hütet, das euch anvertraut ist, ihr Musen, kommt hierher! Gebt hierher eure Lilien und Blumen (1200),

————— 101 Zu den Privilegien, Akten und Büchern, die im Rathaus (und in der Martinikirche) aufbewahrt wurden, vgl. Ohm, 49ff. 102 Gemeint ist der Tag des Einzugs, vgl. V. 1192. 103 Zu diesem Mythos vgl. Pindar O. 7, 63ff. und Claudian Stil. 3, 226-232.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Fons Aganippaea Permeßius educat unda. His annum hunc menseḿque adeò cumulate dieḿque  IVLIVS et Brunswiga quibus pia foedera pangunt, Nulla dies haec ut uenturo obscuret in aeuo.  Sed satis est, nostri satis est iam carminis, et iam Turba suo iurata Duci conclamat amico Hinc at́que hinc sonitu, uiuat Dux IVLIVS aeui Nestorij Piliȷq́ ue dies: uiuat meus ille IVLIVS, ô uiuat longo Dux IVLIVS aeuo. Ipse ego pars etiam turbae quotacuńque fauentis | Et quicuńque adeò ludi formamus alumnos Alterius Musis simul, et pietate boniśque Moribus, officium nostra pro parte probantes Dux nostrum tibi magne, haec pro te haud irrita uota Fundimus, hos pro te Musae ad Iesseidos instar, Accinimus numeros: gemmaśque auríque metalla Dum donant alij, nos haec tibi dona paramus. Ießidae memor esto tui, memor esto laborum Illius ô mundi pater et suprema potestas. Tu nosti quae uota tui succensus amore Fecerit, et tecum quae foedera iunxerit ille. Si mihi magne parens antiquior ulla prioŕque

1205

1210

1215

1220

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1201 (cf. ad 940) Claud. carm. min. 30, 8 fons Aganippaea Permessius educat unda || 1203 Sen. epigr. 58, 1 pia foedera (item Proba cento 1; Damas. carm. 2, 5; Anth. 4, 83) || 1204 Verg. Aen. 9, 447 nulla dies ... aevo (item Anth. 719, 79) | Paul. Nol. carm. 32, 254 venturo ... aevo || 1205 Hor. epist. 1, 18, 111 sed satis est (item Lucan. 2, 109; Drac. laud. dei 3, 572) || 1208 Stat. silv. 2, 2, 108 Mygdonii Pyliique || 1209 Ven. Fort. carm. 11, 7, 7 longo ... vivat ... aevo || 1214 Prud. c. Symm. 2, 963 irrita vota (item CE 386, 4) || 1216 Verg. Aen. 8, 445 aurique metallum (sim. Prisc. periheg. 880. 1015; Anth. 486, 186) || 1218-67 cf. Vulg. psalm. iuxta LXX 131 || 1220 Verg. Aen. 7, 496 succensus amore (item Ov. epist. 15, 167; Ven. Fort. carm. 2, 8, 7; Eug. Tolet. carm. app. 16, 2)  1218-67 cf. Buchan. psalm. 132 | Micyll. psalm. 132 || 1218 Buchan. psalm. 132, 1 Davidis esto memor, genitor, memor esto laborum || 1219 cf. ad 406 || 1220 Micyll. psalm. 132, 7 Scis etenim tecum quae quondam foedera iunxit 

1201 Berg. nupt. Heim 22 Fons Aganippeis Permeßius educat arvis



1222-6 loquitur Iulius

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Text und Übersetzung

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die die permessische Quelle mit ihrer aganippeischen Woge in den Frühlingsgärten Böotiens hervorbringt. Damit in künftiger Zeit kein Tag dies verdunkelt, überhäuft mit Blumen dieses Jahr, diesen Monat und diesen Tag, an dem Julius und Braunschweig fromme Bündnisse schließen. Aber es reicht, es reicht schon mit meinem Lied (1205), und schon ruft die Menge, die auf ihren Herzog schwört, hier wie dort mit freundlicher Stimme: »Es lebe Herzog Julius so lange wie der pylische Nestor,104 es lebe mein Julius, es lebe Herzog Julius auf lange Zeit.« Ich selbst, ein wie kleiner Teil auch immer in der gewogenen Menge (1210), und wir, die wir die Schüler der zweiten Schule105 sowohl in Kunst und Wissenschaft als auch im Glauben und guten Sitten erziehen, wobei wir dir, großer Herzog, unsere Tätigkeit nach Kräften empfehlen, bringen für dich diese nicht ungültigen Wünsche dar, diese Weisen singen wir für dich nach Art der Muse des David (1215). Und während andere Edelsteine und Goldmetall schenken, bereiten wir dir diese Geschenke:106 Sei eingedenk deines Davids, sei eingedenk seiner Mühen, Vater der Welt und höchste Macht. Du weißt, welche Gelübde er in Liebe zu dir entbrannt abgelegt hat (1220) und welche Bündnisse er mit dir geschlossen hat: »Wenn mir, großer Vater, irgendeine Sache wichtiger und vorrangiger war

————— 104 Zu Nestor vgl. oben V. 351 mit Anm. 45. 105 Das Katharineum war nach dem Martineum die zweitbedeutendste Lateinschule Braunschweigs, vgl. dazu oben, 22 Anm. 30. 106 Dem folgenden Gebet liegt der Psalm 131 [132] zugrunde. Vgl. dazu oben, 185f. und 238ff.

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Res fuerit, quam cura tui aßiduißima regni, Quam tibi quae placeant ut surgant templa, tibíque Vt grati cultus his instaurentur in oris,  Ne tibi sim curae, neu tu mea sceptra iuuaris. Ecce tuo tandem Deus optime maxime nutu Tempore iam longo quaesitum inuenimus, ecce  Hic ubi rura Ephrate syluestribus horrida dumis Aspicit, audita est uerbi Deus alme tui uox. Et nunc sancta tui subeuntes atria templi Vota preceśque tibi facimus Pater, et tua pronis Numina prostrati ueneramur uultibus. Eia | Surge pater, dexteŕque tibi laetuśque dicatam Aduenias sedem, neu dedignare penates Foederis aeternum sancti quibus arca quiescat. Nil pius hic doceat nisi recta et sancta sacerdos, Quae scelerum labem motu meliore dolentes Ad Christum recto iubeant contendere passu At́que hunc prensantes patefacti in munere uerbi Et culpae ueniam et solatia mentibus aegris Percipere, et pleno noua carpere gaudia fructu. Si te corde pio coluit, nec iussa neglexit Ießides tua sancta, hoc ô hoc perfice uotum. Tu fundaturum CHRISTO super omnia regnum Pollicitus, mundi quod ad ultima saecla perennet, Nec tua mota loco quicquam sententia cedet. Quin etiam hoc ipsum regni quodcuńque, mihíque

1225

1230

1235

1240

1245

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 1227-9 Vulg. psalm. iuxta LXX 131, 6 ecce ... eam in Efrata invenimus || 1229 cf. ad 748 || 1231 Coripp. Iust. 3, 59 subeuntes atria templi || 1232 Verg. Aen. 11, 158 vota precesque | 1232s. Coripp. Iust. 2, 51 pronis ... vultibus || 1234 Vulg. psalm. iuxta LXX 131, 8 surge Domine || 1239 Paneg. in Mess. 93 contendere passu || 1241 Paul. Nol. carm. 27, 426 mentibus aegris || 1247 Verg. Aen. 9, 220 nec mea iam mutata loco sententia cedit 

1229 Buchan. psalm. 132, 10 silvestribus obsita dumis || 1232s. Buchan. psalm. 132, 14 pronis veneremur vultibus || 1234s. Buchan. psalm. 132, 16 Laetus adi sedem: neu dedignare penates || 1243 Buchan. psalm. 132, 20s. Si David pectore puro / Te coluit | Micyll. psalm. 132, 31 numquam iussa neglexit || 1247 Buchan. psalm. 132, 23s. neque iam sententia vertet / Ulla tuam mentem  1226 iuuaris i. q. iuveris, cf. Valer. res gest. Alex. M. 3, 38 (61), qui scribit iuvarit pro iuverit || 1245-52 loquitur Iulius

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Text und Übersetzung

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als die beharrlichste Sorge um dein Reich, als dass sich Kirchen erheben, die dir gefallen, und dass dir gefällige Formen der Verehrung in dieser Gegend wieder eingerichtet werden (1225), dann sollst du dich nicht um mich kümmern, dann sollst du nicht meine Herrschaft unterstützen.« Sieh, bester, größter Gott, wir haben durch deinen Wink den schon lange Zeit Gesuchten endlich gefunden. Sieh, hier wo Efrata die von Dornenwäldern starrenden Länder ansieht, ist die Stimme deines Wortes, gütiger Gott, gehört worden (1230). Und jetzt betreten wir die heiligen Hallen deiner Kirche und leisten dir, Vater, Gelübde und Gebete, und wir ehren niedergekniet mit gesenktem Haupt deine Gottheit. Auf Vater, erhebe dich, komme wohlwollend und mit Freuden zu dem dir geweihten Sitz und verschmähe nicht das Haus (1235), in dem auf ewig die heilige Bundeslade ungestört stehen möge. Nichts soll der fromme Priester hier lehren außer Rechtem und Heiligem. Diese Lehren sollen diejenigen, die dank einer besseren Regung Reue empfinden über das Schändliche ihrer Taten, auffordern, geradewegs zu Christus zu eilen, um diesen im Geschenk des geoffenbarten Wortes zu erfassen (1240) und Nachsicht für ihre Schuld, Trost für ihre kranken Seelen zu empfangen und neue Freuden mit reicher Frucht zu ernten. Wenn David dich mit frommem Herzen verehrt und nicht deine heiligen Befehle vernachlässigt hat, dann erfülle ihm seinen Wunsch: »Du hast versprochen, Christus eine Herrschaft über alles zu gründen (1245), die bis zu den letzten Zeitaltern der Welt dauert, und nicht wird deine Absicht von der Stelle rücken und in irgendeiner Weise weichen. Ja vielmehr hast du versprochen, dies Reich, das für mich,

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Et de me natis, et qui nascentur ab illis Promisti firmaturum, modo foedera seruent Tecum pacta pij et tua iussa ferenda colentes, Et sanctum degant mandatis legibus aeuum. Grata DEO coeli sedes Sionia, grata Haec domus: hic illi requies, hic certa uoluptas: Hic ego larga bonae, dixit, dabo munera meßis: Hic et laetifico spumantia praela Lyaeo. Hic exhausta fame saturabit pectora panis Verior, ipse salute mea quasi ueste sacerdos Indutus, plebeśque simul, noua gaudia mente | Concipient, partae memores gratíque salutis. Hinc pia Dauidicis orietur gloria sceptris, Hinc robur, lumeńque nouum, quod sideris instar Emicet, et totum laté clarescat in orbem. At pudor et turpes pingens infamia uultus Hostibus eripiet mentem, fastuśque domabit Consuetos, dum sceptra geret Iessaea propago Firma, sacróque premet sacrum diademate crinem.

1250

1255

1260

1265

Haec ego desuetis, ingrata ob saecula, Musis Damnatiśque mihi pridem, non mitibus usus,

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 1249 Verg. Aen. 3, 98 et nati natorum et qui nascentur ab illis || 1254 Verg. Aen. 7, 122 hic domus, haec patria est | [Verg.] Aen. 8, 46 hic locus urbis erit, requies ea certa laborum (sim. 3, 393; Ov. met. 1, 574; Proba cento 141) | Alc. Avit. carm. 2, 148 certa voluptas || 1256 Prisc. periheg. 491 laetifico ... Baccho || 1257 Vulg. psalm. iuxta LXX 131, 15 pauperes eius saturabo panibus || 1258 Verg. Aen. 6, 645 veste sacerdos (idem alibi et alii) | 1258s. Vulg. psalm. iuxta LXX 131, 16 sacerdotes eius induam salutari || 1262s. cf. ad 38s. || 1264 Ov. fast. 2, 179 turpes ... vultus || 1265 Verg. Aen. 2, 736 eripuit mentem || 1267 Verg. Aen. 7, 391 sacrum ... crinem | Claud. 7, 84 sacro ... ornat diademate crines (sim. Anth. 83, 140)  1249 Buchan. psalm. 132, 29 Et natos natorum, et qui nascentur ab illis || 1253s. Buchan. psalm. 132, 31s. hic mihi certa quies, hic certa voluptas: / Haec mihi grata domus || 1255s. Micyll. psalm. 132, 51s. Hinc ego fecundae donabo tempora messis, / Annua spumanti praelaque plena mero || 1261-3 Micyll. psalm. 132, 55-7 Hic pia Davidis florebunt regna beati / Eriget hic cornu roboris ille sui / Et novus incipiet toto inclarescere mundo || 1264-7 Buchan. psalm. 132, 40-2 At pudor et turpes maculas infamia spargens, / Hostibus inficiet vultus. Iessea propago / Florebit, cingetque sacrum diademate crinem  1264s. Berg. Frischl. 73s. At pudor et turpes pingens infamia vultus / Hostibus eripiet mentem, fastusque domabit 

1255-67 loquitur Deus

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Text und Übersetzung

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meine Kinder und für deren Kinder bestimmt ist, zu stärken, wenn sie nur fromm die mit dir geschlossenen Verträge achten (1250), deine Befehle, die zu ertragen sind, ehrfurchtsvoll ausführen und ein heiliges Leben unter den Gesetzen, die ihnen gegeben sind, führen.« Lieb ist dem Gott im Himmel der Sitz Zion, lieb dieses Haus, hier hat er eine ungestörte Stätte, hier sichere Freude. »Hier«, so sprach Gott, »werde ich reiche Gaben einer guten Ernte geben (1255), hier auch bewirken, dass Bacchus fröhlich von den Keltern schäumt. Hier wird ein wahreres Brot die vom Hunger ausgezehrten Herzen satt machen; der Priester, mit meinem Heil gleich wie mit einem Gewand bekleidet, und auch das Volk werden im Geiste neue Freuden empfangen, eingedenk und dankbar für das geschenkte Heil (1260). Hier wird der Davidischen Herrschaft frommer Ruhm entstehen, hier Stärke und ein neues Licht, das gleich einem Gestirn hervorleuchten und weithin über den ganzen Erdkreis strahlen soll. Aber Beschämung und Schande, die das Gesicht entstellt, werden die Feinde um ihren Verstand bringen und ihren gewohnten Übermut zähmen (1265), solange die Nachkommenschaft des David ein starkes Szepter führen wird und solange sie auf dem heiligen Haar ein heiliges Diadem tragen wird.« Dies habe ich so gesungen und machte Gebrauch von den Musen, die wegen der misslichen Zeiten entwöhnt waren, die von mir schon lange vernachlässigt und die mir nicht gewogen waren,

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Das Panegyricum Carmen auf Herzog Julius

Paucáque de cathedrae sudoribus ocia nactus, Sic cecini: Vates melior meliora laboret. Viue DEO IVLI, Musiśque, tibíque, tuiśque: Et tenues inopis Musae ne despice laudes. 

1270

F I N I S.

————— 

1273 Ps. Cato dist. 3, 10, 1 ne despice (item Avian. fab. 15a, 1)



1273 Lotich. nupt. Guil. 16 ne despice laudes

 1271-3 Berg. Iesu Bapt. praef. 65s. Ergo proba tenues non aversate Camoenas / Dum melius melior Musa laboret opus

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Text und Übersetzung

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denn ich habe nur wenig Muße der anstrengenden Tätigkeit meines Katheders abgewinnen können (1270).107 Ein besserer Dichter soll Besseres zu Werke bringen. Lebe, JULIUS, für Gott und die Musen, für dich und die Deinen, und verachte nicht das schwache Lob meiner bescheidenen Muse.

————— 107 In der Tat ist das Panegyricum Carmen (abgesehen von einem Hochzeitsgedicht für Bernhard Orestes) das erste Gedicht, das Bergius seit Beginn seines Rektorats am Katharineum im Jahre 1566 verfasst hat.

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Die in Kapitel 3 dieser Arbeit vorgelegte Beschreibung von Matthias Bergius’ dichterischem Gesamtwerk, mehr noch die in Kapitel 4 geleistete Interpretation seines Hauptwerkes, des Panegyricum Carmen auf Herzog Julius von Braunschweig-Lüneburg, haben die Hauptquellen sichtbar werden lassen, aus denen sich Bergius’ Dichtung speist: die antike Dichtungstradition sowie die Ereignisse und Auseinandersetzungen des konfessionellen Zeitalters, in welches das Leben des Matthias Bergius fällt. Beides vereint fand Bergius bei den neulateinischen Dichtern seiner Zeit: Geprägt ist sein literarisches Schaffen durch den in Wittenberg wirkenden Melanchthon, dessen Einfluss sich im Werk von Melanchthons Schülern und Freunden widerspiegelt. Das Nachwirken der antiken Dichtungstradition bemerkt man in jedem einzelnen Vers ebenso wie bei der Schau über das Gesamtwerk: Bergius hat sich in sämtlichen wichtigen poetischen Gattungen der antiken Literatur versucht. Seine hexametrische Dichtung hat vor allem epische, sehr oft panegyrische, gelegentlich auch didaktische Züge. Durch den in iambischen Trimetern verfassten Chorus musicus, ein allegorisches Festspiel, ist das Drama repräsentiert, die Lyrik durch die Carmina Evangelica. Schließlich hat Bergius zahlreiche Elegien und Epigramme zu unterschiedlichen Anlässen, vor allem zu Hochzeiten, Todesfällen und Reisen, verfasst. Bei der Gestaltung seiner Verse ist Bergius ganz seinen antiken Vorbildern verpflichtet. Dabei konnte zumindest für das Panegyricum Carmen nachgewiesen werden, dass die Technik von Bergius’ Hexameter sich von der seiner antiken Vorbilder, insbesondere von der Vergils, nur ganz geringfügig unterscheidet: Mehr als die römischen Epiker der Antike strebt Bergius nach der Trithemimeres und der Hephthemimeres, nach Nebenzäsuren also, durch die er den Vers stärker gliedert. Als Ausgleich für die strenge Strukturierung zu Beginn des Verses gestattet sich Bergius am Versende mehr Freiheiten als seine antiken Vorlagen: Hier begegnet eine größere Vielfalt an Versendtypen; außerdem setzt er am Versende mehr Monosyllaba als seine antiken Vorbilder. Auch die Dichtersprache des Panegyricum Carmen ist, gemessen an der antiken Epik, unauffällig: Die Zahl der unpoetischen Wörter und hapax legomena ist klein; spezifisch christliche Wörter finden sich im Panegyricum Carmen nur selten. Größere Abweichungen von den antiken Vorbildern treten dagegen in der Stilistik in

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Erscheinung: Besonders ins Auge fällt Bergius’ Vorliebe für Wiederholungsfiguren, wie sie die neulateinische Dichtung insgesamt in stärkerem Maße kennzeichnen als die antike. In welch hohem Maße Bergius seinen antiken Vorbildern verpflichtet ist, wird jedoch vor allem aus seinen Imitationen deutlich. Die Wahl der Vorlagen richtet sich dabei nach der poetischen Gattung, der sein Gedicht jeweils angehört: War für Bergius in seinen Carmina Evangelica Horaz ein wichtiges Vorbild, so konnte für das Panegyricum Carmen nachgewiesen werden, dass in ihm stärker noch als Vergil und Statius die panegyrische Epik Claudians rezipiert ist. Wie bei Claudian, so sind auch bei Bergius Herrscherlob, Invektive sowie Elemente des Adventus und Fürstenspiegels miteinander verschmolzen und in epische Form gebracht; das Herrscherlob ist wie bei Claudian nicht systematisch nach Rubriken, sondern chronologisch nach dem zeitlichen Gang der Ereignisse entfaltet; bei beiden Dichtern ist die Bedeutung des Götterapparats des konventionellen Epos zugunsten der von Lokalgottheiten abgeschwächt. Auch bei der Gestaltung einzelner Motive und Szenen verdankt Bergius seinen antiken Vorlagen viel, macht daneben aber auch von der zeitgenössischen Dichtung Gebrauch. Sein Vorgehen wurde exemplarisch für die Flussgottszene des Panegyricum Carmen analysiert, in der antike und neulateinische Vorbilder ineinander greifen: So konnte als strukturelles Hauptvorbild für Bergius’ Flussgottszene Sabinus’ Hochzeitsgedicht auf Sigismund nachgewiesen werden. Gleichzeitig wurde bei der Analyse der Rahmenhandlung deutlich, dass Bergius bestrebt ist, die gesamte Breite der literarischen Tradition der Flussgottdarstellung in seine Szene einfließen zu lassen: Dabei trat seine Tendenz zum Vorschein, die antiken Vorlagen seiner direkten neulateinischen Vorbilder, Sabinus und Sannazaro, aufzudecken und ebenfalls zu rezipieren; dies gilt insbesondere für Claudians Eridanusszene im Panegyricus auf das sechste Konsulat auf Honorius, die den antiken Archetypus neulateinischer Flussgottszenen darstellt. Bereits bei Claudian angelegt, aber erst in der neulateinischen Dichtung voll entfaltet ist die Idee, in die Flussgottszene die Ekphrasis eines Gegenstandes zu integrieren, auf dem eine Herrscherserie abgebildet ist. Größten Wert legt Bergius bei der Gestaltung seiner Ekphrasis auf die Anschaulichkeit des dargestellten Bildes, um so die Hauptforderung zu erfüllen, welche die antike Literaturtheorie an eine Ekphrasis gestellt hat. Die Anschaulichkeit erreicht Bergius durch die Imitation antiker Bildbeschreibungen; ansonsten dient innerhalb der Ekphrasis die Imitation antiker Vorlagen vor allem der αὔξησις: Besonders durch den Rückgriff auf römische Epiker wie Vergil, Lucan und Statius gelingt es Bergius, Heldenmut und Ruhm der Vorfahren des Julius zu erhöhen. Dagegen dient ihm in der Ekphrasis die neulateini-

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sche Dichtung, z.B. von Petrus Lotichius Secundus, als strukturelles Vorbild sowie als inhaltliche Quelle. Für die Imitationstechnik, die Bergius in seinem gesamten Panegyricum Carmen anwendet, ist charakteristisch, dass eine Vielzahl von antiken, aber auch neulateinischen Gedichten rezipiert ist und die übernommenen Verse nur geringfügig variiert werden. Dabei zeigt sich Bergius gerne als poeta doctus, indem er sowohl seine Vorlage selbst als auch wiederum deren Vorlage indirekt zu erkennen gibt. So sehr Bergius’ poetisches Werk auch antiker Dichtungstradition verhaftet ist, so ist sie doch geradezu das Gegenteil einer weltabgewandten, eskapistischen Dichtung. Vielmehr ist Matthias Bergius’ gesamtes dichterisches Werk anlass- und zeitgebunden, es lebt von jenen Auseinandersetzungen, welche die Epoche als ganze, aber auch das Leben des Dichters einschneidend geprägt haben. Der Religionskonflikt des konfessionellen Zeitalters brachte nicht allein Bergius’ Leben in eine existentielle Krisensituation, als er nach dem Streit um die Konkordienformel aus seinem Braunschweiger Rektorat entlassen wurde; er spielt in all seinen Gedichten eine Rolle. Der Religionskonflikt tritt in einer Reihe von Gedichten als zentrales Thema in Erscheinung, so z.B. in der Narratio de Synodo Nicena, im Gedicht über den Heiligen Christophorus, im Hochzeitsgedicht für Hubert van Giffen, im Trostgedicht für Zacharias Praetorius wegen des Todes von Johannes Rhodius und nicht zuletzt im Panegyricum Carmen auf Herzog Julius: In diesem Gedicht würdigt Bergius den gerade erst unter schweren Bedingungen und gegen den Willen seines katholischen Vaters an die Macht gekommenen Julius als reformierten Fürsten, dessen Herrschaft gottgewollt, gottgelenkt und dem Volk willkommen ist. Julius vertritt somit das Idealbild des Herrschers am Ende des 16. Jahrhunderts, so wie es die zeitgenössischen Fürstenspiegel zeichnen. Den Einzug des Julius in die protestantische Stadt Braunschweig, die zu einem der letzten norddeutschen Fürstentümer gehörte, das noch katholisch regiert wurde, nahm Bergius im Jahre 1569 zum Anlass für sein Panegyricum Carmen, in dem er die pietas des Reformators Julius, seine Sorge und den Einsatz für die vera religio glorifiziert, seine Herrschaft unter breitem Rückgriff auf die Topik antiker Panegyrik als neues Goldenes Zeitalter preist und zur weiteren Erhöhung die alte Religion, den Katholizismus, in heftiger Polemik abwertet. Der das 16. Jahrhundert kennzeichnende Religionskonflikt tritt freilich indirekt auch dadurch in Erscheinung, dass sämtliche Adressaten seiner Werke ebenso wie die meisten der von Bergius imitierten neulateinischen Dichter Protestanten sind und dass Bergius in allen Gedichten zu einem Leben nach dem Protestantismus, der für ihn die vera religio darstellt, auffordert. Das von Melanchthon und Johann Sturm postulierte Konzept der

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sapiens atque eloquens pietas hat sich Bergius dabei zur Lebensaufgabe gemacht: Als Lehrer sorgte er durch seinen in Anschluss an Melanchthon verfassten Grammaticus libellus dafür, dass seine Schüler die lateinische Sprache sicher beherrschen. Denselben Zweck erhoffte er sich von seiner Terenzausgabe; bei ihr kommt freilich der moralische Nutzen im Rahmen einer christlichen Erziehung hinzu. Die Absicht, zum protestantischen Glauben zu erziehen, sowie die lateinische Dichtung als erlernbare Kunst den Schülern nahezubringen, verfolgte Bergius schließlich mit seinen Carmina Evangelica und Meditationes, mit denen er sich in die Tradition der Carmina Sacra stellte. Bei den Carmina Evangelica war der Melanchthonschüler Georg Fabricius ein wichtiges Vorbild. Angesichts von Bergius’ Anspruch, die Offenbarung Gottes und die Lehre Christi zu vermitteln, sowie der enormen Bedeutung der zeitgeschichtlichen Religionskonflikte und religiöser Themen für sein dichterisches Werk ist es nicht erstaunlich, dass neben der heidnisch antiken Dichtungstradition auch die Bibel für den Dichter Bergius einen zentralen Bezugstext darstellt. Dies ist nicht allein der Fall in solchen Gedichten, welche in der Tradition der antiken Bibelepik stehen, sondern gerade auch in seinen panegyrischen Gedichten, in denen Lob und Paränese sich immer wieder aus der Bibel speisen. Für das Panegyricum Carmen haben sich hierbei als wichtigster Referenztext die Psalmen, sei es in der Fassung der Vulgata, sei es in den poetischen Paraphrasen des George Buchanan oder Jacob Micyllus, erwiesen, dabei vor allem Königspsalmen, auf die sich auch die Fürstenspiegel berufen. Die Verbindung von Bildung und Frömmigkeit zeigte sich in den panegyrischen Gedichten auch daran, dass die Adressaten dieser Gedichte, zumeist protestantische Fürsten, für ihren Einsatz für die Religion und für die Förderung der Dichtung gerühmt wurden. Auch in diesem Punkte erwies sich für das Panegyricum Carmen Georg Sabinus als vorbildliche Quelle. Bergius’ dichterisches Verfahren, aktuelle Themen und Ereignisse der Zeitgeschichte mit den Mitteln der antiken Dichtungstradition zu bearbeiten, ist in seiner Epoche weder innovativ noch außergewöhnlich. Es ist vielmehr epochentypisch und repräsentativ für diese Zeit. Mit seinem dichterischen Programm orientiert sich Bergius an den von ihm geschätzten und rezipierten älteren Zeitgenossen, wie z.B. Georg Sabinus, Jacob Micyllus oder Georg Fabricius. Diese hielt Melanchthon für die besten Dichter Deutschlands, die auch in der Antike anerkannt worden wären, weil sie mit ihrem von Gott geschenkten besonderen poetischen Talent gezeigt hätten, wie das Lob des wahren Gottes in der christlichen Kirche durch Dichtungen gefeiert werden könne.1 Dadurch, dass Bergius ————— 1 Deo autem gratias ago, quod et Germaniae dedit egregios poetas aliquot, quos et erudita antiquitas probasset, Eobanum, Sabinum, Stigelium, Micyllum, Georgium Fabricium, Adam

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diesen Vorbildern nacheifert und sich deren Muse zu eigen macht, stellt er sich mit ihnen auf eine Stufe. Anders als diesen Dichtern, die wie Bergius Melanchthonschüler und Lehrer oder Professoren waren, ist es Matthias Bergius jedoch nicht gelungen, mit seinem Werk eine breite und lang anhaltende Wirkung zu entfalten. Ihn dem Vergessen zu entreißen und sein Schaffen historisch einzuordnen und zu würdigen, war Anliegen dieser Arbeit.

————— Siberum et alios. Horum scripta inter vetera poemata legere iuniores etiam utile est, ut considerent exempla, quae ostendunt, quomodo veri Dei laudes in Ecclesia carminibus celebrari possint. (Vorrede an die Grafen Bernhard und Hermann Simon von Lippe, in: Epigrammatum libri tres, Wittenberg 1560 (CR 9, 956-958)); vgl. dazu Ludwig, Musenkult und Gottesdienst, 283f.

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6.1 Matthias Bergius’ Autobiographie Brevis Biographia M. MATTHIAE BERGII1 [337] Natus sum Brunsvigae anno Christi 1536, in fine anni, in ipso die natali Domini. Qua de causa | [338] Christianum me appellari plerisque placuerat, sicut ex matre olim audivi, verum pater avi nomen mihi esse voluit. Anno septimo aetatis gravissime aegrotavi 15. septimanis, viribus & corpore pene in universum consumptis. An der Brust Seuche. Post 1550 anno 14 aetatis ineunte, febri correptus fui, eoque anno & parentem amisi, & postea a matre Hamburgum sum missus, ubi apud M. Joachimum Degennerum in quartum usque annum famulitio satis negotioso & molesto impeditus fui. Anno 1554. verno tempore redii Hamburgo; & annum unum vixi cum optimo Doctore Antonio Nigro. Anno 1555. verno tempore Wittebergam petii. A. 1557. aetatis 21. ex infelici victu | [339] gravissimo morbo correptus, Witteberga relicta, redii Brunsvigam, & anno 1558. autumno Halberstadium accessi, & in annum quintum Conrectoris provinciam in schola senatus administravi. Anno 1563. redii Wittebergam, eoque anno artium magister factus sum. A. 1564. aetatis 28. febre ardentissima correptus, redii Halberstadium, & apud D. Cunradum Paulum, hospitem veterem, sanitate recuperata, scholae Wernigerodensi illam hyemem praefui. A. 1566. Brunsvigam vocatus, & scholae Catharinianae praefectus fui, veris initio, magnis obiectis difficultatibus ac remoris: quae iam tum aliquid mali ominis visa. Anno 1567. die 7. Jan. maritus factus fui. A. 1572. 36. aetatis valde me tentavit morbus idem, qui olim Wittebergae primum contractus fuit, A. 1572. die 16. Junii vocatus fui ab Archaeopolitanis ad scholae Martinianae curationem: ubi dum | [340] in templo cum ipsis ago, & post primam compellationem regressus, ad illos revocor, offensione inopinata pedis in loco eo, unde progrediebar, omen tractationis parum processurae ex sententia, deprehendi: quod omen etiam ante id tempus, & post etiam som————— 1 Enthalten in: Fortgesetzte Sammlung von Alten und Neuen Theologischen Sachen, Büchern, Uhrkunden, Controversien, Veränderungen, Anmerckungen, Vorschlägen, u. d. g. Zur geheiligten Übung in beliebigem Beytrag ertheilet von einigen Dienern des Göttlichen Wortes. Erster Beytrag, Leipzig 1728, 337-346.

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niis quibusdam mihi factum est. Die 18. Junii addixi operam Martinianis, 22. Catharinianis renunciavi, sed renunciationem non approbantibus. Die 26. egerunt mecum Cathariniani de causis relinquendi ipsos, & ut manerem, mecum agere coeperunt, & actionem eam aliquoties repetiverunt, donec tandem 15. Jul. obtinuerunt, ut cum ipsis manerem, stipendio aucto adiectione 20. Fl. & 2. modiorum siliginis: addita etiam promissione, si fatalis dies in hac provincia me inveniret, ut tuum coniugi meae, praeter honestam habitationem, quotannis modius fructuum unus, & immunitas ob oneribus civilibus daretur. A. 1574. periculoso morbo correptus pestilentiali sc. febre graviter decubui: Sed consilio, opera & fide D. Martini Copi curatus sum feliciter. Eodem tempore filium carissimum die 31. Martii amisi. A. 1578. 42. aetatis, biduo ante natalem domini, febre cum catarrho vexatus non absque vitae periculo. A. 1581. 45. aetatis, ineuntibus bachanalibus, in | [341] febrem gravissimam incidi, insomnia quinque dierum in phrenesin evadente. Post diem 9. crisis melior secuta, sanitati paulatim recuperandae viam aperuit. Anno sequente 1582. 4. Jan. octava Innocentium Brunsviga expulsus sum a Balthico Papa M. K. Iniuriam agnoscenti ignoscat hanc Deus. A. 1586. Altorfi quintum | [342] iam agens annum, coepi nephriticis affectionibus tentari, anno climacterico septimo, h. e. 49. A. 1588. 30. Jun. Rector Academiae Altorfinae creatus fui, quem magistratum anno elapso eodem die resignavi ac deposui. A. 1591. die 3. Sept. periculosissimo morbo fere extinctus fui subito, phrenesi cum febre, ut eius symptomata Scherbius edicebat. In accessu morbi mea vacillabat ratio, ita, ut spiritibus revenientibus, loquens integram propositionem | [343] efficere nequirem. Cum curaretur iam is, quem dixi moribus, secutus est catarrhus vehemens, & hunc alvi obstructio, mox haemorrhoides caecae, itemque calculus, postremo & pedum morbus usitatus, ita ut totis 7. hebdomadibus domi haererem. [Fortsetzung von C. Rittershausen:] M. Matthias Bergius, qui superiora sua manu annotavit, a. 1592. die Laurentii, qui est 10. Augusti, sub noctem nephriticis doloribus tentatus: cum vix liberatus podagricis, quibus per mensem Junium & Julium erat afflictus, ad operas docendi reversus esset. Cumque in diem usque 12. gravissime decubuisset, tandem in vera agnitione Dei & mediatoris J. C. animam creatori reddidit die 22. Aug. intra horam 2. & 3. pomeridianam, quo ipso die Noribergam redii ex patria. Sepultus die Bartholomaei. Quinto die ante obitum, sc. 17. Aug. sub noctem testamentum fecit nuncupativum, quo haeredem instituit uxorem dimidiae partis bonorum, eidemque alterius dimidiae usum fructum dedit, quae post ipsius mortem pleno iure ad haeredes Bergii ab intestato pertineat, aequaliter inter eos dividenda. Mihi Cunrado Rittershusio, I. D. suo ex sorore Margaretha Bergia nepoti bibliothecam praelegavit, & scripta sua collectanea commendavit, insuperque | [344]

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Matthias Bergius‘ Autobiographie

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50. aureorum Rhenensium, quos ad iter Basileense, & capessendos Docturae honores, mutuos mihi dederat, liberationem mihi legavit: proque his beneficiis viduam Esther, D. Johannis Hildebrandi filiam, commendavit, ut loco matris illam habere velim. Deus, in cuius manu sunt iustorum animae, expectantes beatam illam spem, & apparitionem gloriae magni Dei & salvatoris nostri Jesu Christi, det bono viro aeternam quietem, & laetam resurrectionem cum omnibus electis. Amen. Inter libros Bergii, typis exscriptos, innotuerunt nobis sequentes: 1. Ecclesiasticus, seu sapientia Jesu Siracidae, liber nunquam satis laudatus, collatione optimarum utriusquae linguae editionum illustratus, & graece ac latine editus ad usus scholarum puerilium, studio & opera Matthiae Bergii. Helmstadii, 1580. 8. 2. Carminum Evangeliorum libri duo, quorum primus continet odas in Evangelia dominicalium dierum, secundus dierum festorum, atque inprimis Apostolicorum, cum aliis nonnullis argumenti pii carminibus, scripti & editi a Matthia Bergio. 1583.2 8. 3. In illustrissimum Principem ac Dominum, Dominum [Iulium], Ducem Brunsvicensem & Luneburgensem, Brunsvigam ingredientem, panegyricum carmen, scriptum nomine scholae Catharinianae, auctore Matthia Bergio. 1569. 8. | [345] 4. Aristotelis Ethicorum, sive de moribus ad Nicomachum libri decem, adiecta ad contextum graecum interpretatione latina Dionysii Lambini, sed interpolata innumeris in locis, studio & opera Matthiae Bergii, in Acad. Altorfina Ethicae Professoris. Francofurti, 1590. 8. editio altera 1596. cum praefatione Cunr. Rittershusii. Manuscripta Bergius reliquit sequentia: 1. Commentarios in epistolas Pauli ad Philippenses, Colossenses, utramque ad Thessalonicenses, utramque ad Timotheum, ad Titum, ad Philemonem, ad Hebraeos, epistolam Jacobi, utramque Petri, tres Johannis, Judae, Evangelium & Apocalypsin Johannis. 2. Commentarium in Geneseos capita XVII. priora. 3. Commentarium de ecclesia, eucharistia & arte interpretandi scripturas. 4. Explicationem capitis 6. Johannis. 5. De argumento & sententia aliquot locorum scripturae N. T. nempe 1. capitis 6. Johannis. 2. capitis 7. 8. 9. & 10. ad Romanos. 3. capitis 5. ad Galatas. 4. loci 1. Cor. 2. v. 14. 5. de discrimine V. & N. T. explicatiunculam, exhibitam D. Kemnitio & eius symmistis, cum ab ipsis ————— 2 Die richtige Jahresangabe lautet 1573.

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esset iussus rationes suas scripto complecti, quibus motus improbaret aliqua in ipsorum doctrina de praedestinatione & libero arbitrio, anno 1581. mense Decembri. | [346] 6. Drama Brunsvicense anni 1581. 7. Historiam tragoediae, quam in M. Bergium exercuit dictator Brunsvicensis, D. Martinus Kemnitius. 8. Orationem scholasticam de viris doctis, quos habuit Brunsviga a tempore mutatae religionis.

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Verzeichnis der Werke von Matthias Bergius

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6.2 Verzeichnis der Werke von Matthias Bergius Die folgenden Werke werden nach der Erstausgabe zitiert. Nachgewiesen sind die in Deutschland vorhandenen Exemplare; auf die Bestände ausländischer Bibliotheken wird nur verwiesen, wenn ein Werk in Deutschland nicht vorhanden ist. Ligaturen und die Abbreviatur q; sind aufgelöst; Kursive ist nicht gesetzt; Römische Zahlen wurden durch arabische ersetzt. 6.2.1 Gedruckte Werke 6.2.1.1 Dichtungen 1. IN NVPTIAS / NOBILIS ET VIRTVTE, / SAPIENTIA, ERVDITIONE ET / HVMANITATE PRAESTANTIS VIRI / CHRISTOPHORI AB HEIM, et nobilis atque excel- / lentis puellae ELISABETAE à VVERTER, / filiae viri clarißimi CHRISTOPHO- / RI à VVERTER. / CARMEN SCRIPTVM A / MATTHIA BERGEN. / VVITEBERGAE EXCVDEBANT / HAEREDES GEORGII RHAVV. 1563. Nachweis: VD 16: ZV 1290 Umfang: 587 lateinische Hexameter; Widmungsbrief an Christoph von Hoym (2. Mai 1563): lateinische Prosa (64 Zeilen) Benutzte Exemplare: Jena, ThULB, Sign.: 4 Bud. Op. 72 (13); Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 202.26 Quod. (15) (Lage B fehlt) 2. EPICEDIVM / SCRIPTVM VIRO / PIETATE, SAPIENTIA, VIR- / tute, doctrina et humanitate praestanti, Gerardo / Paulino, Senatori Brunsvvicensi, feliciter / et sanctè mortuo Brunsvvigae / Anno Christi 1563. / Autore MATTHIA BERGEN. / VVITEBERGAE / EXCVDEBAT IACOBVS / Lucius Transyluanus. Nachweis: VD 16: ZV 1288 Umfang: 255 lateinische Hexameter Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign.: 8 P LAT REC II, 2114 (9) Weiteres Exemplar: Braunschweig, StB 3. EPITHA- / LAMIVM SCRI- / PTVM VIRO CLARISSIMO, / ET IVRIS PERITISSIMO, DOCTORI / Ioanni Colero, celebranti nuptias / cum virgine honestissima Agnete / honestissimi viri Philippi Rein- / cken, civis et Senatoris / Mansfeldensis, / filia. / Autore / MATTHIA BERGEN / Brunsvicensi. Nachweis: VD 16: ZV 1289 Umfang: 552 lateinische Hexameter Benutztes Exemplar: Dresden, SLUB, Sign.: Lit. Graec. B. 2695, 2

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4. IESV CHRISTI BA- / PTISMVS VERSIBVS EXPOSI- / TVS, ET ILLVSTRISSIMO REVERENDISSI- / moque principi ac Domino, Domino SIGISMUN- / DO Archiepiscopo Madeburgensi, Primati Ger- / maniae, Administratori Halberstatensis Eccle- / siae, Marchioni Brandeburgensi, / Duci Pomeraniae etc. et Burg- / gravio Noribergensi etc: / dedicatus. / auctore / M. MATTHIA BERGIO, BRVNS- / VICENSI. / VVITEBERGAE / EXCVDEBAT IACOBVS / Lucius Transyluanus / 1564 Nachweis: VD 16: B 1812 Umfang: 328 lateinische Hexameter; Widmungsbrief an Sigismund, Erzbischof von Magdeburg (Anfang 1564): 33 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 37.3 Poet. (2) 5. NARRATIO / DE DEFENSIONE / MEMORABILI INCLYTAE VR- / BIS LVNEBVRGAE, QVA CONSERVATA / est diuinitus, cum ab hostibus penè occupata / fuisset Ann: salutis 1372. / 12. Calen. Novemb. versibus / exposita, auctore / M. MATTHIA BERGIO / BRVNSVICENSI. / VVITEBERGAE / EXCVDEBAT IACOBVS / Lucius Transyluanus. / 1564 Nachweis: VD 16: B 1817 Umfang: 774 lateinische Hexameter; Widmungsbrief an die Bürgermeister und den Rat von Lüneburg (20. März 1564): lateinische Prosa (157 Zeilen) Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 37.3 Poet. (1) Weitere Exemplare: Erfurt / Gotha, UFB; Hamburg, SUB; Jena, ThULB; Lübeck, Bibliothek der Hansestadt; München, BSB 6. DE DIVO GEORGIO POEMATION / AD ILLUSTRISSI- / MVM PRINCIPEM ET DOMI- / NVM D. IOHANNEM ALBERTVM, DV- / cem Megapolensem, Principem gentis He- / netae, Comitem Suerini, Dominum Ro- / stochij et Stargardiae etc. scriptum, / auctore / M. MATTHIA BERGIO / BRVNSVICENSI. / VVITEBERGAE / EXCVDEBAT IACOBVS / Lucius Transyluanus. / 1564 Nachweis: VD 16: B 1811 Umfang: 749 lateinische Hexameter; Widmungselegie an Johann Albrecht, Herzog von Mecklenburg: 69 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 37.3 Poet. (3) 7. CARMEN FVNEBRE, / SCRIPTUM TOBIAE / DIBBEN, PIETATE ET VIRTVTE / PRAESTANTI IVVENI, QVI CVM AEGER AD / suos se deportari Viteberga petiisset, morbo naturam / superante in finibus patriae placidè obdormi- / uit, 5. Calend. Iunij, Anno Chri- / sti 1564. / AVCTORE / M. MATTHIA BERGIO / Brunsuicensi. / WITEBERGAE / EXCVDEBAT IOHANNES / CRATO, / ANNO 1564. Nachweis: fehlt im VD 16 Umfang: 126 lateinische Hexameter; angebunden ist ein von Bergius verfasstes Epitaphium auf denselben: 9 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Strasbourg BM, Sign.: C. 663 8. DE DIVO CHRI- / STOPHORO POEMATION, / SCRIPTVM AD NOBILEM VIRVM, PIETATE, / VIRTVTE ET FIDE PRAESTANTEM, / CHRISTOPHORVM DE / STEINBERG. / Auctore / M. MATTHIA BERGIO / Brunsuicensi. / VITEBERGAE / EXCUDEBAT IOHANNES / CRATO. / ANNO 1564. Nachweis: VD 16: B 1810 Umfang: 538 lateinische Hexameter; Widmungsbrief an Christoph von Steinberg: 37 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 37.3 Poet. (4)

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Verzeichnis der Werke von Matthias Bergius

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9. DE LVCRE- / TIAE ROMANAE INTERI- / TV NARRATIO VER- / sibus exposita, / ET / GENERIS ANTIQVA NO- / bilitate, Prudentia, Virtute, doctri- / na et humanitate praestanti viro / Henrico ab Asseburg / nuncupata. / AVCTORE / M. MATTHIA BERGIO / BRVNSVICENSI. / VVITEBERGAE / Anno 1564. Nachweis: VD 16: B 1815 Umfang: 671 lateinische Hexameter; Widmungsbrief an Heinrich von Asseburg: 33 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 101.15 Poet. (4) Weiteres Exemplar: Rostock, UB; Zwickau, Ratsschulbibliothek 10. EPITHALA- / MIVM VIRO VIRTVTE PRV- / DENTIA ET HVMANITATE / PRAESTANTI THOMAE SCHVZ / Consuli Vuernigerodensi, ducenti con- / iugem puellam honestissimam MAR- / GARIDEM PRAETORIA- / nam è familia Mansfeldica / authore M. MATTHIA BERGIO / BRVNSVICENSI. / ACCESSIT ELEGIA / SCRIPTA A ZACHA- / RIA PRAETORIO. / ISLEBII / Excudebat Vrbanus Gubisius Anno / 1564, die 29. Octob. Nachweis: VD 16: ZV 18524 Umfang: 312 lateinische Hexameter Benutztes Exemplar: Erlangen (-Nürnberg), UB, Sign.: H00/ALTD-I 520 (angeb. 5) Weiteres Exemplar: Rostock, UB 11. NARRATIO DE SY- / nodo Nicena, uersibus exposita: au- / ctore Matthia Bergio Brun- / suuicensi, enthalten in: EXAMEN DECRE- / TORVM CONCILII / Tridentini. IN QUO EX SACRAE SCRI- / pturae norma, collatis etiam orthodoxis uerae et / purioris Antiquitatis testimonijs ostenditur, / qualia sint illa Decreta, et quo arti- / ficio sint composita: / AVTORE MARTINO KEM- / nicio. 1566 Nachweis: VD 16: C 2168 Umfang: 542 lateinische Hexameter Benutzte Exemplare: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: H: S 105 8° Helmst.; Leipzig, UB, Sign.: TB 600 Weitere Exemplare: Dresden, SLUB; Freiburg, UB; Gießen, UB; Göttingen, SUB; Heidelberg, UB; Jena, ThLUB; Karlsruhe, BLB; Konstanz, UB; Mainz, UB; Mannheim, UB; Marburg, UB; München, UB; Regensburg, UB, Rostock, UB; Speyer, PLB; Stuttgart, WLB; Tübingen, UB Übersetzung: Vom Nicenischen Synodo ein bericht in Lateinischen Ver- / sen beschrieben von Matthia Bergio von Braun- / schweig / in diese Reimen bracht von / Ge. N. B. Benutzte Exemplare: Bayreuth, UB, Sign.: 47/NK 1800 F822 (Einzeldruck), Wolfenbüttel, HAB, Sign.: M: Tq 4° 16 (enthalten in: EXAMEN, das ist / Erörterung / Deß Trient- / ischen Concilij / Durch den Ehrwirdigen Herrn D. Martinum Chemnicium / im Latein beschrieben / [...] Auß dem Latein auffs treuwlichste verteutschet / durch / GEORGIVM NIGRINVM, / Pfarrherrn zu Giessen. / [...] Gedruckt zu Franckfurt am Mayn / M. D. LXXVI. (VD 16: C 2175) Weitere Exemplare: Berlin, SB; Dresden, SLUB; Erfurt / Gotha, UFB; Freiburg, UB; Gießen, UB; Göttingen, SUB; Halle, ULB; Hannover, Ev.-luth. Landeskirchenamt Bibliothek; Heidelberg, UB; Jena, ThLUB; Karlsruhe, BLB; Kiel, UB; Konstanz, UB; Lüneburg, Ratsbücherei; Mainz, UB; Mannheim, UB; Marburg, UB; München, BSB, UB; Osnabrück, UB; Rostock, UB; Speyer, PLB; Stuttgart, WLB; Trier, Priesterseminar Bibliothek; Tübingen, UB; Weimar, HAAB

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12. IN ILLV- / STRISSIMVM PRIN- / CIPEM AC DOMINVM, DOMI- / num IVLIVM Ducem Brunswicensem / et Luneburgensem, etc. Brunswigam / ingredientem. / PANEGYRICVM CARMEN, / scriptum nomine Scholae Catharinianae, / AVCTORE / MATTHIA BERGIO / Brunswicensi. / ANNO. / 1569. Nachweis: VD 16: B 1813 Umfang: 1273 lateinische Hexameter Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign.: 8 H BRUNSV 1100 Weitere Exemplare: Berlin, SB; Braunschweig, StB; Dresden, SLUB; München, BSB; Rostock, UB; Wolfenbüttel, HAB 13. AD REVERENDUM PIE- / TATE AC ERVDITIONE PRAE- / STANTEM VIRVM D. ZACHARIAM / PRAETORIUM DE OBITV IO- / HANNIS RHODII, enthalten in: ORATIONES / De vita clarissimorum et reueren- / dorum virorum: / D. M. IOHANNIS RHODII / PABEBERGENSIS, PASTORIS / ECCLESIAE AD D. NICOLAVM / ISLEBIAE: ET / D. M. ANDREAE THEO- / BALDI PERLEBERGENSIS, / ARCHIDIACONI AD S. AN / DREAM. / Recitatae in schola Islebiensi, / per M. CONRADVM PORTAM. / Addita sunt Epitaphia eorundem / et honestissimae matronae HELENAE / reuerendißimi D. HIERONYMI MEN- / CELII Superintendentis et c. coniugis, à diuersis conscripta. / 1569. Nachweis: VD 16: P 4343 Umfang: 255 lateinische Hexameter Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 527.29 Quod. (7) Weitere Exemplare: Göttingen, SUB; München, BSB 14. CARMINVM / EVANGE- / licorum libri duo: / QVORVM / PRIMVS continet / ODAS IN EVANGELIA / DOMINICALIVM DIE- / RVM: / SECVNDVS die- / RVM FESTORVM, ATQVE / in primis Apostolicorum, cum alijs nonnul- / lis argumenti pij carminibus: scripti / et editi / à MATTHIA BERGIO Brunswicensi. / . Nachweis: VD 16: B 1809 Umfang: 2 Bücher in verschiedenen Versmaßen: Buch 1 (86 lateinische Gedichte), Buch 2 (27 lateinische Gedichte); Widmungsbrief an die Bürgermeister und den Rat von Braunschweig (5. Jan.): lateinische Prosa (527 Zeilen) Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign.: 8 P LAT REC II, 2012 Weitere Exemplare: Berlin, SB; Braunschweig, StB; Erfurt / Gotha, UFB; Erlangen (-Nürnberg), UB; Halle, ULB; München, BSB; Stuttgart, WLB; Wolfenbüttel, HAB; Zwickau, Ratsschulbibliothek Einzeldruck (aus Carmina Evangelica, Buch I G3-H6): MEDITATIO / PASSIONIS DOMINI / NOSTRI / IHESV / CHRISTI / octo / Elegijs proposita. / M. B. / HENRICOPOLI. / 1572. Nachweis: VD 16: M 1879 Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: M: Li Sammelbd. 14 Weiteres Exemplar: Lutherstadt Wittenberg, Evangelisches Predigerseminar Bibliothek Wiederabdruck (von Navis Christi aus Carmina Evangelica, Buch I D4-5), enthalten in: Ellinger, G. (Hg.): Deutsche Lyriker des sechzehnten Jahrhunderts, Berlin 1893 (Lat. Literaturdenkmäler des XV. und XVI. Jahrhunderts, hrsg. von M. Hermann und S. Szamatólski), 81 Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign.: HG-FB 8 SVA I, 4495:7 Weitere Exemplare: Aurich, Landschaftsbibliothek; Berlin, Bildungsgesch. Forschung, SB; Bonn, ULB, Lat./Griech. Phil.; Braunschweig, StB; Bremen, SUB; Darmstadt, ULB; Dillingen, Studienbibl.; Düsseldorf, ULB; Erfurt / Gotha, UFB; Frankfurt (Oder), UB; Freiburg, Inst. für Dt. Sprache u. ältere Lit., UB; Fulda, HLB; Halle, ULB; Hannover, NLB; Heidelberg, UB; Jena, ThULB; Kassel, UB; Kiel, UB; Köln, USB; Konstanz, UB; Leipzig, DNB; Mainz, StB,

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UB; Marburg, UB; München, UB; Münster, ULB; Oldenburg, LB; Osnabrück, UB; Regensburg, UB; Schwerin, LB; Speyer, PLB; Tübingen, UB; Weimar, HAAB; Wolfenbüttel, HAB; Würzburg, UB 15. MATTHIAE BER- / GII BRVNSVVI- / CENSIS / LACHRYMAE. / PIIS MANIBVS CARIS/ SIMORVM PRAESTITAE. / Henricopoli / IMPRIMEBAT CONRA- / DVS CORNEVS. / Anno. / 1574. Nachweis: VD 16: B 1814 Umfang: 11 Gedichte: lateinische elegische Distichen, Hexameter, Hexameter und iambische Dimeter im Wechsel Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 37.3 Poet. (5) Weiteres Exemplar: Braunschweig, StB 16. ALIVD, enthalten in: EPICEDION / REVERENDI VIRI / D. IOACHIMI / VVESTPHALI, / SVPERINTENDENTIS / ECCLESIAE HAMBVR- / GENSIS, autore / M. IOHANNE FREDERO Hamburgensi. / ORATIO / DE VITA ET OBITV EIVSDEM / D. VVestphali, scripta à IODOCO ME- / THODIO Hamburgensi. / et EPITAPHIA / ab amicis scripta. / Rostochii / EXCVDEBAT IACOBVS LVCIVS. / Anno 1575. Nachweis: VD 16: F 2518 Umfang: 32 lateinische Verse: Hexameter und iambischer Dimeter im Wechsel [Seite L2] Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 231.23 Theol. (10) Weitere Exemplare: Hamburg, Staatsarchiv Bibl.; Kiel, UB; Rostock, UB 17. Ad juuentutem pieta- / TIS ERVDI- / TAE STVDIOSAM / ADMONITIO, enthalten in: CARMEN / HEROICVM / DE MESSE / ANNI [75.] SV- / pra Sesquimillesimum: / Pro more Catharinianae Scholae scriptum / et recitatum Brunsvigae. / A M. GEORGIO FLADVN- / GO GOTTHANO SCHO- / lae Conrectore. / CVM ADMONITIONE / de messe studiorum, adiuncta. [...] HENRICOPOLI Nachweis: VD 16: ZV 5914 Umfang: 11 griechische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: H: Yv 597.8° Helmst. (7) Weiteres Exemplar: Dresden, SLUB 18. IOHANNI FLADVNGO INTER / 11 juuenes Magisterij honore ornatos, / PRIMVM LOCVM tenenti, MATTHIAS BERGIVS und ΙΩΑΝΝΗ ΤΩ ΦΛΑΔΟΥΓΓΩ / τὸ τῶν ἐν Φιλοσοφίᾳ ἐπιστήμων ἀξίωμα λαμβάνοντι / Ματθίας ὁ Βέργιος εὖ πράττειν, enthalten in: IOHANNIS FLADVNGI / GOTTHANI / ENDUMA EARINON, / h. e. / CARMINA GRATVLA- / TORIA, QVIBVS ILLE HOC ANNI / 1577 VERE, DIE 25. APRILIS, PRAETER / publicam in Magisterij renunciatione preceptorum com- / mendationem, etiam ab amicis ornatus est: edi/ ta studio et opera M. Georgij Fladun- /gi Fratris. Nachweis: VD 16: ZV 18771 Umfang: 5 lateinische elegische Distichen und 51 griechische Hexameter Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: H: P 621.4° Helmst. (11) 19. PARAPHRASIS / PSALMI 128. / IN HONOREM SANCTI CON- / IVGII, ET GRATIAM AMPLISSIMI ET PRV- / DENTIA, virtute et fide praestantissimi viri D: IVSTI VVALTHUSANI, / ducentis uxorem castissimam virginem LVCIAM, GER- / HARDI PAVLINI P. M. filiam, / Scripta / à / MATTHIA BERGIO BRVNSVICENSI. / 1579. Nachweis: fehlt im VD 16 Umfang: Widmung an Iustus Walthusanus: 7 lateinische elegische Distichen; 16 Alkäische Strophen Benutztes Exemplar: Braunschweig, StB, Sign.: C 110 (14)

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20. MNEMOSYNON ornatiss. viri, / M. Lamberti Calenij, ex peregrinatione ho- / nestissima domum se recipientis, enthalten in: Oratio de sole iustitiae, filio Dei, servatore nostro Iesu Christo, In Genethlijs Christi, inchoantibus annum 1580. publicè habita a M. Lamberto Calenio Luneburgensi. Rostochii Excudebat Stephanus Myliander. Anno 1580 Nachweis: VD 16: C 217 Umfang: 32 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 1164.65 Theol. (6) Weiteres Exemplar: Augsburg, SuStB; Braunschweig, StB; Coburg, LB; Lüneburg, Ratsbücherei 21. MEDITATIONES / EX EVANGE- / LIIS DOMINICALI- / BVS CONCEPTAE, / ATQUE / AD EXERCITIVM SCHO- / lasticum orationis ligatae adolescentibus / propositae in schola Cathariniana, / quae est Brunswigae: / Per MATTHIAM BERGIVM / BRVNSVVICEN. / ACCESSERVNT PERIOCHAE / Evangeliorum Dominicalium disticho / inclusae Graecè et Latinè. ANNO 1580. Nachweis: VD 16: B 1816 Umfang: Widmungsbrief an einige Schüler von Bergius (5. Jan. 1581): lateinische Prosa (107 Zeilen); 14 lateinische Alkäische Strophen; lateinische Prosaabhandlungen zu 5 Evangelienlesungen; 4 Strophen, bestehend aus je 4 lateinischen iambischen Dimetern; Inhaltsangaben aller Sonntagsevangelien in jeweils einem griechischen und einem lateinischen elegischen Distichon Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 879.3 Theol. (3) Weitere Exemplare: Berlin, SB; Braunschweig, StB (2. Auflage, Altdorf 1662 (VD 17 547: 667221B): Augsburg, UB; Erfurt / Gotha, UFB) 22. ALIVD und Eadem sententia Graecè / expressa, enthalten in: EPICEDIA, / in obitum NOBILISSIMI, / VIRTVTE, DOCTRI- / NA ET PIETATE ORNATISSIMI / IVVENIS, DOMINI BASSII ERICI, DANI etc. / qui piè et placidè ex hac vita emigravit 21 Au- / gusti, Anno 1582 in Altor- / piana Norimbergensium / Academia. / Scripta ab amicis moestißimis. / ALTORPII 1582 Nachweis: VD 16: ZV 22237 Umfang: 20 lateinische elegische Distichen; 23 griechische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 267.1 Quod. (23) Weiteres Exemplar: München, UB 23. M. MATTHIAS BER- / GIVS, PROFESSOR GRAEC. / ET LATIN. LITTERARVM, ADOLE- / scentibus earum litterarum et lingua- / rum studiosis in Academia No- / rica Altorphiana, / S., enthalten in: XENOFWNTOS RHTOROS LAKEDAIMO- / NIWN POLITEIA. / XENOPHONTIS / ORATORIS DE LACE- / daemoniorum Republica. / XENOFWNTOS  RHTOROS AQHNAIWN POLITEIA. / EIVSDEM DE ATHENI- / ensium Republica. / Castigatius editae quàm antehac umquam. / ALTORPHII, / Typis Gerlachianis. / 1583 Nachweis: VD 16: X 62 Umfang: 95 lateinische Hexameter [Seite A2-A3] Benutztes Exemplar: München, BSB, Sign.: A. gr. b. 3384 Weitere Exemplare: München, UB

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24. ACADEMIAE NO- / RICAE ALTORPHI- / ANAE / VOTVM, / In nuptias / VIRI CLARISS. / DOCT. OBERTI GI- / PHANII IVRISCONS. / ET ANTECESSORIS. / NORIBERGAE, / In officina haeredum Montani. / Anno 1583. Nachweis: VD 16: ZV 1292 Umfang: 34 lateinische Sapphische Strophen; 70 griechische Hexameter Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 173 Quod. (27) Weiteres Exemplar: Freiburg, UB 25. ACADEMIAE NORICAE / ALTORPHIANAE / STRENA / AD INITIUM ANNI / 1584. / ALTORPHII, TYPIS GERLACHIANIS. Nachweis: fehlt im VD 16 Umfang: 342 lateinische Hexameter Benutztes Exemplar: Erlangen (-Nürnberg), UB, Sign.: H 61/TREW 3546 Weiteres Exemplar: Gießen, UB 26. ΝΟΥΘΕΤΙΚΟΝDE CVRA DISCI- / PLINAE SCHOLASTI- / CAE SVSCIPIENDA, / auctore / M. Matthia Bergio, in Altor- / fina Noricorum Academia Graeca- / rum et Latinarum lit- / terarum profes- / sore, enthalten in: EBERARTI / SCHELII DAN- / NEMBERGEN- / SIS / De Virtutis studio et causis / ORATIO, / Pro disciplina scholastica habita in / schola Soltquellensi neapolitana. / Praefixa est Elegia eiusdem argumen- / ti, auctore M. MATTHIA BER- / GIO, illustris Academiae Noricae Profeß. P. / [...] NORIBERGAE, / TYPIS GERLACHIANIS. / 1585 Nachweis: fehlt im VD 16 Umfang: 91 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 462.20 Quod. (4) Weiteres Exemplar: Halle, ULB 27. MEINARDI BECMANNI avunculi, enthalten in: TVMVLI / PROPINQVO- / RVM CONRADI RIT- / TERSHVSII, BRVNSVVI- / CENSIS. [...] ALTORPHII, / NORICORVM, TYPIS / Nicolai Knorij, Typographi / Academiae. / A.C.1586. Nachweis: fehlt im VD 16 Umfang: 11 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Regensburg, SB, Sign.: Lat. rec. 239 5 28. Schediasmata nuptialia / DOCTISSIMO ET / ORNATISSIMO VIRO / DN. MARTINO BAREMIO, / Scholae Martinianae apud Bru- / novicenses Prorectori / dignissimo: / ET / CASTISSIMAE VIRGINI ANNAE REVE- / rendi viri religiosa pietate virtute atque doctrina praestantissimi / Dn. FRIDERICI PETRAEI ad D. VDAL- / RICUM apud eosdem PASTORIS / vigilantissimi, filiae suauissi- / mae νεογάμοιςCVM SOLENNI VOTORUM APPRECA- / tione ab amicis decantata et transmissa / ad Idus Iun. / Anni 1586. / LIPSIAE, / in officina Typographica Georgij Defneri / imprimebatur. Nachweis: VD 16: B 1818 Umfang: 15 griechische iambische Trimeter; 18 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 56.2 Poet. (50) Weiteres Exemplar: Berlin, SB

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29. ELEGIA / M. MATTHIAE BER- / GII, GRAECARVM ET LATI- / NARVM LITTERARVM PROFESSO- / ris in Altorfina Noricum Aca- / demia, enthalten in: CARMINA PROPEMPTICA: / QVIBVS HONE- / STO ET ERVDITO VI- / RO, DOMINO M. GEORGIO / QVECCIO NORIMBER- / GENSI, / Iter in Saxoniam & ulteriores Germaniae / inferioris tractus suscipienti, / Bene precantur amici in Altorfina / Noricorum Academia viventes. / Mense Julio, / ANNI 1586. / NORIMBERGAE, / In officina typographica Gerlachiana. Nachweis: VD 16: B 1808 Umfang: 20 lateinische elegische Distichen [Seite 2] Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 56.2 Poet. (34) 30. XENIVM / VENERANDO ET / PRAESTANTISSIMI VIRO, / DOMINO BARTHOLO / RICHIO, I.V.D. etc. / MAGNIFICO ET / NOBILISSIMO VIRO, DOMINO / OTHONI AB HOYM, ILLVS- / TRISS: DVCIS IVLII etc. / Consiliario praecipuo. / MATTHIAS BERGIVS faciebat, / ALTORFI NORICORVM. / 1586. Nachweis: fehlt im VD 16 Umfang: jeweils 18 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Cambridge (MA), Harvard University, Houghton Library, Sign.: p *GB5. B4526. 586x 31. Votum Nuptiale ex sententia / Salomonis Proverb: 13. / Fallax gratia, vana est pulcritudo: Mul/ ier timens Dominum, laudabitur: / IN GRATIAM ORNA- / TISSIMI VIRI M. IOHAN- / NIS HAGII, DVCENTIS HONESTIS- / simam virginem Novoforen: CATHARI- / NAM HANHOFERIN, / Scriptum / A MATTHIA BERGIO. / ALTORPHII / Excudebat Nicolaus Cnorrius Aca- / demiae Typographus. / 1587. Nachweis: VD 16: ZV 1293 Umfang: 23 lateinische Alkäische Strophen Benutztes Exemplar: München, BSB, Sign.: P.o.lat. 1675 d Weiteres Exemplar: Zwickau, Ratsschulbibliothek 32. MATTHIAS BERGIVS / Brunsuicensis, D. Nicodemo / Frischlino, hospiti Altor- / fiano S. D., enthalten in: Nicodemi Frischlini / CELETIS- / MVS GRAMMA- / TICVS, TRIBVTVS / in Dialogos duos, Aduersus / MARTINI CRV- / SII, PROFESSORIS / TVBINGANI, DEFENSIONEM, / non necessariam, sed potius nefa- / riam, et planè veteratoriam: in qua / non modo veteres ille errores / grammaticos nouis erroribus et / soloecismis, sed etiam veteres iniu- / rias et contumelias in se iure re- / gestas, nouis contumelijs, / locupletauit. / [...] / < Magdenburgi> 1588. Nachweis: VD 16: F 2921 Umfang: 81 lateinische Hexameter [Seite 147-149 (V2-4)] Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 62 Gramm. Weitere Exemplare: Berlin, SB; Greifswald, UB; Heidelberg, UB; Mannheim, UB; München, BSB; Soest, StArchiv StB; Stuttgart, WLB; Trier, StB 33. GRATVLATIONES DVAE / AD / ILLVSTREM / ET GENEROSVM DOMINVM / EDOWARDVM ZOVCHAEVM BARO- / NEM ANGLVM, CONSTANTINOPOLI / ALTORFVM REVERSVM, / SCRIPTAE / à / MATTHIA BERGIO, / ET CONRADO RITTERSHVSIO. / ALTORFI, / TYPIS CHRISTOPHORI LOCHNERI, / ET IOHANNIS HOFMANNI, TYPOGRA- / phorum Academicorum. / ANNO 1590. Nachweis: VD 16: ZV 1294 Umfang: 40 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 289.8 Quod. (5) Weitere Exemplare: Gießen, UB; Jena, ThULB; Zwickau, Ratsschulbibliothek

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34. IOHANNI BVRC- / HARDO STADTMANNO IV- / VENI OPTIMO ALTORFIO / discedenti Propempticon, enthalten in: Propemptica / IOHANNI / BVRCHARDO / STADTMANNO, IV/ RIS AMORE TVBINGAM / ADEVNTI, / Conscripta / A VIRIS PIETATE, VIR- / TVTE, ERVDITIONE ET DOCTRI- / na praestantißimis, Praeceptoribus / olim suis fidelißi- / mis. / TVBINGAE / Excudebat Georgius Gruppenbachius, / ANNO 1592. Nachweis: VD 16: ZV 19997 Umfang: 56 Verse im Asclepiadeum quartum Benutztes Exemplar: Dresden, SLUB, Sign.: Lit. Lat. rec. A. 390, 19 35. DAVID, / VIRTUTIS EXERCITA- / tissimae probatum Deo spectaculum, ex / Davidis, Pastoris, Militis, Ducis Exsulis / ac Prophetae exemplis, / BENEDICTO ARIA MON- / tano meditante ad pietatis cultum / propositis. / Aeneis laminis ornatum a Ioanne The- / doro, et Ioanne Israele de Bry, fratri- / bus civib. Francofurtensibus. / Quid huic novae editioni a CONRADO / RITTERSHUSIO ex biblioth. M. Ber- / gii procuratae accesserit, praefatio / docebit. / Ex Officina M. Zachariae Palthenii. / 1597. Nachweis: VD 16: A 3257 Umfang: 16 Meditationes in jeweils ca. 20 lateinischen elegischen Distichen Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 9.1 Eth. (2) Weitere Exemplare: Augsburg, SuStB; Erlangen (-Nürnberg), UB; Heidelberg, UB; München, BSB; Stuttgart, WLB; Zwickau, Ratsschulbibliothek

Anhang: Kürzere Dichtungen in Werken von Zeitgenossen 36. : PASQVILLI EX- / TATICI, SEV NVPER È / coelo reversi, de rebus partim supe- / ris, partim inter homines in Christia- / na religione passim hodie controver- / sis, cum Marphorio colloquium, / multa pietate, elegantia, ac fe- / stivitate refertum [...]

Nachweis: VD 16: C 6430 Umfang: ein lateinisches elegisches Distichon Benutzte Exemplare: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 527.52 Quod. (2); Leipzig, UB, Sign.: Polem. 624-p Weitere Exemplare: Augsburg, SuStB; Berlin, SB; Bretten, Bibliothek des Melanchthonhauses; Eutin, LB; Halle, ULB; Mannheim, UB; München, BSB; Oldenburg, LB; Stuttgart, WLB; Tübingen, UB 37. LVCIANI SA- / MOSATENI OPERVM / TOMVS IIII. / Cum GILBERTI COGNATI ET IO/ ANNIS SAMBVCI Annotatio- / nibus, ad finem cuiusque Dialo- / gi adiectis. / BASILEAE. / PER HENRICVM PETRI, / Anno Salutis humanae 1563, / Mense Martio Nachweis: VD 16: L 2924 Umfang: ein lateinisches elegisches Distichon, Annotationes, zwei griechische elegische Distichen [Seite 571] Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign.: 8 AUCT GR V, 1117:4 Weitere Exemplare: Braunschweig, StB; Erfurt / Gotha, UFB; Freiburg, UB; Halle, ULB; München, BSB; Wolfenbüttel, HAB 38. EPITAPHIA SCRIPTA / HONESTISSIMAE MATRONAE / Margaritae, coniugi D. Dauidis / Chytraei. A / MATTHIA BERGIO, in: DVAE / CONSOLA- / TIONES, MORTI OP- / PONENDAE: / Altera CHRISTIANA, magno / et ardenti ac planè diuino spiritu, / et plenos fiduciae ac laeticiae et desiderij / vitae aeternae animos legentium effi- / ciens, scripta à / D. CYPRIANO. / Altera PHILOSOPHICA, L. Annaei / SENECAE, edita cum argumento / et adnotationibus / DAVIDIS CHYTRAEI. / Rostock 1571.

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Nachweis: VD 16: ZV 4221 Umfang: 17 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Hamburg, SUB, Sign.: A/ 42705 Weiteres Exemplar: Rostock, UB 39. CAPVT SEPTIMVM / LIBRI SECVN- / DI MAHCABAEORVM, VBI / EXTAT NARRATIO DE TRVCIDATA / ab Antiocho foemina, cum septem filijs suis, expositum / carmine, et dicatum viro antiquae nobilitatis, virtutis / et eruditionis laude excellenti HENRICO DE / SALDER. / AB / Andrea Mollero / Osterodense. HENRICOPOLI / 1573. Nachweis: VD 16: M 6009 Umfang: 4 lateinische elegische Distichen [auf dem Titelblatt] Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 37.3 Poet. (16) 40. IN EPITAPHIA / ILLVSTRIVM VIRO- / rum ope Lucae Loßij / collecta, / M. Matthias Bergius, enthalten in: ΕΠΙΤΑΦΙΑ /PRINCIPUM, / DVCVM, NOBILIVM ET / praecipuorum Ecclesiae, Reipublicae, et Schola- / rum gubernatorum, aliorumque virorum / in Saxonia inferiore illustrium, / Partim memoriae illorum suis in locis con- / secrata, partim etiam scripta. / Item, quaedam vetera Caesarum, / Regum et Principum, / Collecta, et iam recens à LVCA LOSSIO / Seniore, pio studio in lucem edita. / [...] / Vuitebergae Antonius Schön excudebat. / ANNO 1580. Nachweis: VD 16: L 2738 Umfang: 9 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 527.36 Quod. (1) Weitere Exemplare: Bretten, Bibliothek des Melanchthonhauses; Erfurt / Gotha, UFB; Greifswald, UB; Halle, ULB; Hamburg, Staatsarchiv Bibl.; Hannover, NLB; Jena, ThULB; Stuttgart, WLB 41. ALIVD / MATTHIAE BERGII, Rectoris scholae Bruns., enthalten in: DAVIDIS / CHYTRAEI / DE / MORTE, / ET VITA AETERNA. / VITEBERGAE / Excudebant Haeredes Johannis / Cratonis. / ANNO 1581. Nachweis: VD 16: C 2652 Umfang: 5 lateinische elegische Distichen [Seite G4] Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: S: Alv.: Ab 303 (1) Weitere Exemplare: Berlin, SB; Bretten, Bibliothek des Melanchthonhauses; Erfurt / Gotha, UFB; Greifswald, UB; Halle, ULB; Hamburg, SUB; Konstanz, Wessenberg-Bibliothek; Mannheim, UB; München, BSB; Rostock, UB; Schwerin, LB M-V; Stuttgart, WLB; Tübingen, UB; Zwickau, Ratsschulbibliothek 42. ἐπίγραμμα γαμικόν, enthalten in: EPITHALAMIA / QVAEDAM, / In Nuptias Reverendi et Do- / ctissimi VIRI DN. M. IOHAN- / Nis Gasmeri, Ecclesiae Brunswigensis ad Sanctam / Catharinam ministri fidelis- / simi: / ET / ORNATISSIMAE VIRGINIS / Annae Vvillichiae, 8. Idus Iu- / nias Brunsuigae celebra- / tas, Scripta / AB AMICIS. 1581 Nachweis: VD 16: ZV 5185 Umfang: 5 griechische iambische Trimeter Benutztes Exemplar: Berlin, SB, Sign.: 34 in Xc 582/1 Weiteres Exemplar: Jena, ThULB 43. ELOGIA. / M. MATTHIAS BERGIVS SCHOLAE / BRVNSVICENSIS AD D. CATHA- / rinam Rector, IOANNI ROSINO / suo S. D., enthalten in: ROMANARVM / ANTIQVITATVM / LIBRI DECEM / Ex variis Scriptoribus summa / fide singularíque diligentia / collecti / À / IOANNE ROSINO BARTHOLOMAEI F. / Isennacensi Thuringo. / Cum INDICIBVS locupletissimis. / [...] BASILEAE / Ex Officina Haeredum Petri Pernae. / Anno 1583

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Nachweis: VD 16: R 3156, R 3157 Umfang: 11 lateinische elegische Distichen Benutzte Exemplare: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: H: T 186.2° Helmst.; Leipzig, UB, Sign.: Coll. Cic. 56 Weitere Exemplare: Augsburg, SuStB; Bad Münstereifel, St. Michael-Gymnasium; Berlin, SB; Dresden, SLUB; Eichstätt, UB; Erfurt / Gotha, UFB; Göttingen, SUB; Greifswald, UB; Halle, ULB; Jena, ThULB; Kiel, UB; Köln, USB, Erzbischöfl. Diözesan- und Dombibl.; Konstanz, Heinrich-Suso-Gymnasium; Magdeburg, StB; München, BSB, UB; Regensburg, SB; Rostock, UB; Rottweil, Albertus-Magnus-Gymnasium; Schwerin, LB M-V; Stuttgart, WLB; Tübingen, UB 44. PAVLI FRISII / LAVBANENSIS / COMPARA- / TIONVM DIA- / LECTICARVM / LIBRI TRES: / Quibus / PHILIPPI MELANCHTHONIS, ET / PETRI RAMI praecepta Dialectica breviter / ac modesté conferuntur. / FRANCOFVRDI / Apud Andreae Wecheli heredes, / Claudium Marnium et Ioann. Aubrium. / 1590. Nachweis: VD 16: F 3022 Umfang: ein lateinisches elegisches Distichon [Seite 10] Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: S: Alv.: Cb 215 (4) Weitere Exemplare: Berlin, SB; Braunschweig, StB 45. MATTHIAE BERGII / Epigramma, / IN OPPIANVM CONRADI RITTERS- / HVSII ἀδελφιδοῦsui carissimi, enthalten in: OPPIANI / Poëtae Cilicis / DE VENATIONE Lib. 4. / DE PISCATV Lib. 5. / Cum Interpretatione Latina, Commentariis, et Indice rerum in utroque opere memo- / rabilium locupletißimo, / Confectis studio et opera / CONRADI RITTERSHVSII / Brunswicensis I. V. D. / Qui et recensuit hos libros denuò, et Adr. / Turnebi editionem Parisiensem cum trib. / Mss. Palatinis contulit: inde et var. Lect. / et Scholia Graeca excerpsit. / LVGDVNI BATAVORVM, / EX OFFICINA PLANTINIANA, / Apud Franciscum Raphelengium. / 1597. Nachweis: fehlt im VD 16 Umfang: 5 griechische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Leipzig, UB, Sign.: Poet. gr. 546-m Weitere Exemplare: Augsburg, SuStB; Berlin, HU, SB; Dresden, SLUB; Düsseldorf, ULB, Städt. Görres-Gymnasium; Erfurt / Gotha, UFB; Eutin, LB; Freiburg, UB; Gießen, UB; Göttingen, SUB; Greifswald, UB; Halle, Franckesche Stiftungen Bibl., ULB; Hamburg, SUB; Heidelberg, UB; Jena, ThULB; Karlsruhe, BLB; Kiel, UB; Köln, USB; Konstanz, UB; Mainz, UB; Mannheim, UB; Marburg, UB; München, BSB, UB; Münster, ULB; Neuburg, SB; Osnabrück, UB; Regensburg, UB; Rostock, UB; Speyer, PLB; Stuttgart, WLB; Tübingen, UB; Weimar, HAAB; Wolfenbüttel, HAB 46. MATTHIAE BERGII / Ode Sapphica, irae divinae / deprecatrix, enthalten in: SCIPIONIS GENTILIS / ET / CVNRADI RITTERS- / HVSII / CARMINA / SACRA: / Scripta editáque / Academiâ Altorfinâ ob / metum luis dissipatâ, et paulò post sin- / gulari DEI beneficio liberatâ ac / restitutâ. / [...], / NORIMBERGAE, / Typis Abrahami Wagenmanni, / 1613 Nachweis: VD 17: 1: 664113S Umfang: 9 lateinische Sapphische Strophen Benutzte Exemplare: Göttingen, SUB, Sign.: 8 P LAT REC II, 2621 (4); Leipzig, UB, Sign.: Poet. lat. rec. 298 Weitere Exemplare: Berlin, SB; Mannheim, UB 47. DISSERTATIO POLITICA / DE / DOMINATU / Quam / Supremo MONARCHA, DEO T. O. M. / dirigente / SUB PRAESIDIO / M. JOHANNIS PAULI Felwinger / Noriberg. Metaph. et Log. P. P. / Publico Examini exponit / JOHANNES JACOBUS Kegel / NORIBERGENSIS. / A. d. NOVEMBRIS. / ALTDORPHI / PRAELO SCHERFFIANO. / ANNO CHRISTI / 1641.

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Nachweis: VD 17: 547: 656544W Umfang: 2 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Erfurt / Gotha, UFB, Sign.: 03-Ht. 8° 00127 (2) Weitere Exemplare: Hof, Ratsbibliothek / Stadtarchiv 48. EPIGRAMMA / IN QUEROLVM COMOEDIAM / A CONRADO RITTERSHVSIO / denuo editam. [...] M. MATTHIAS BERGIVS / mense Iunio exeunte, Anno / 1592. paucis ante obitum die- / bus dictabat, enthalten in: PLAVTI / QVEROLVS, / sive AVLVLARIA, / Ad CAMERARII codicem veterem denuo collata. / EADEM / A VITALE BLESENSI ELEGIACO / carmine reddita, et nunc primum publicata. / Additae P. DANIELIS, / C. RITTERSHVSII, / I. GRVTERI NOTAE. / Ex typographeio H. Commelini, / 1595. Nachweis: VD 16: P 3462 Umfang: 8 lateinische elegische Distichen Benutztes Exemplar: Leipzig, UB, Sign.: Poet. lat. 299-d Weitere Exemplare: Augsburg, SUStB; Detmold, LLB; Dresden, SLUB; Erfurt / Gotha, UFB; München, BSB, UB; Weimar, HAAB; Zwickau, Ratsschulbibliothek

6.2.1.2 Philologische Arbeiten a) Lateinische Grammatik 49. Grammaticus / LIBELLVS / CONTINENS PRAE- / CEPTA ETYMOLO- / GIAE ET SYNTAXIS / LATINAE NECESSARIA, / PVERIS SCHO- / LAE CATHARINIA- / NAE BRVNSVVI- / CENSIS COL- / LECTUS / A / M. MATTHIA BERGIO. / MAGDEBVRGAE / In officina Typographica VVolff- / gangi Kirchneri, Anno / 1569. Nachweis: VD 16: ZV 1291 Umfang: 119 Bl. Benutztes Exemplar: Braunschweig, StB, Sign.: C 116 (1). 8

b) Ausgaben 50. P. TERENTII AFRI / COMOEDIAE SEX / ACCVRATA CASTIGATI- / ONE ET EXPLICATIONIBVS / eruditis illustratae. / Cum notatione variantis lectionis, ex editione / Gabr. Faërni et M. Antonij / Mureti. / Nunc primum singulari diligentia editae, / opera et studio / MATTHIAE BERGII / BRVNSVICENSIS. / ACCESSERVNT ETIAM / CASTIGATIONES ET ANNO- / tationes Ioachimi Camerarij, Iohannis Rivii, Georgii / Fabricii, et Francisci Fabricii, in easdem / Comoedias. / CVM PRIVILEGIO. Nachweis: VD 16: T 476 Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign.: 8 AUCT LAT I, 3762 Weitere Exemplare: Augsburg, SuStB; Berlin, SB; Dresden, SLUB; Erfurt / Gotha, UFB; Freiburg, UB; Gießen, UB; Halle, Franckesche Stiftungen Bibl.; Heidelberg, UB; Jena, ThULB; Karlsruhe, BLB; Kiel, UB; Konstanz, UB; Mainz, UB; Mannheim, UB; Marburg, UB; München, BSB, UB; Osnabrück, UB; Regensburg, SB; Rostock, UB; Speyer, PLB; Stuttgart, WLB; Tübingen, UB; Weimar, HAAB 51. ECCLESIASTICVS / SEV SAPIEN- / TIA IESV SIRA- / CIDAE, LIBER NVN- / QVAM SATIS LAVDATVS. / collatione optimarum utriusque linguae / editionum latinè editus, ad / usum scholarum / puerilium: / Studio et opera / MATTHIAE BERGII BRVN. / HELMSTADII / EXCVDEBAT JACOBVS LVCIVS. / ANNO 1579.

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Nachweis: VD 16: B 4066 Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: A: 707 Theol. (2) Weiteres Exemplar: Braunschweig, StB 52. ECCLESIASTICVS / SEV SAPIEN- / TIA IESV SIRACIDAE, / LIBER NVN- / QVAM SATIS / laudatus, collatione optimarum utriusque / linguae editionum illustratus, et Graecè / ac Latinè editus, ad usus scho- / larum / puerilium: / Studio et opera / MATTHIAE BERGII BRVN. / HELMSTADII / EXCVDEBAT JACOBVS LVCIVS. / ANNO 1580. Nachweis: VD 16: B 4043 Benutztes Exemplar: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: H: Yv 554.80 Helmst. Weitere Exemplare: Braunschweig, StB; Halle, Franckesche Stiftungen Bibl.; München, BSB; Stuttgart, WLB 53. ARISTOTELIS / ETHICORVM, SIVE / DE MORIBVS, AD NICO- / MACHVM LIBRI DECEM. / Adiecta ad contextum Graecum interpretatione / Latina DIONYSII LAMBINI, sed in- / terpolata innumeris in locis, ita ut Aristotelis / sententiam fideliter exprimebat: / Studio et opera MATTHIAE BERGII, in Acade- / mia Noribergensium Altorfina Ethice professoris. / Additus in fine Capitum index; tum duo Verborum et / rerum inuentaria, Graecum ac Latinum. / 1591 / FRANCOFVRTI / Apud her. And. Wecheli, Claud. Marn. et Io. Aubr. / Cum privilegio S. Caesareae Maiestatis. Nachweis: VD 16: A 3410 Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign.: 8 AUCT GR IV, 1749 Weitere Exemplare: Augsburg, SuStB; Berlin, SB; Coburg, LB; Düsseldorf, ULB; Freiburg, UB; Greifswald, UB; Halle, ULB; Hannover, NLB; Jena, ThULB; Köln, USB; Mannheim, UB; München, BSB; Soest, StArchiv StB; Weimar, HAAB; Wolfenbüttel, HAB; Zwickau, Ratsschulbibliothek ARISTOTELIS / ETHICORVM, SIVE / DE MORIBVS, AD NICO- / MACHVM LIBRI DECEM. / Adiecta ad contextum Graecum interpretatione / Latina DIONYSII LAMBINI, sed in- / terpolata innumeris in locis, ita ut Aristotelis / sententiam fideliter exprimebat: / Studio et opera MATTHIAE BERGII Brunsuui- / censis, in Academia Noribergensium Altorfina / Ethicae professoris. / Additus in fine Capitum index; tum duo Verborum / et rerum inuentaria, Graecum et Latinum. / Editio altera, emendatior et Notis auctior ex ipsius / Bergij recognitione. / 1596 / FRANCOFVRTI / Apud her. And. Wecheli, Claud. Marn. et Io. Aubr. / Cum privilegio S. Caesareae Maiestatis. Nachweis: VD 16: A 3412 Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign.: 8 AUCT GR IV, 1751 Weitere Exemplare: Amberg, SB; Augsburg, UB; Berlin, SB; Braunschweig, StB; Dresden, SLUB; Eichstätt, UB; Erfurt / Gotha, UFB; Erlangen (-Nürnberg), UB; Freiburg, UB; Greifswald, UB; Halle, ULB; München, BSB; Rastatt, Hist. Bibl. des Ludwig-WilhelmGymnasiums; Trier, Priesterseminar Bibliothek; Wiesbaden, HLB; Wolfenbüttel, HAB; Würzburg, Diözesanbibliothek ARISTOTELIS / ETHICORVM, SIVE / DE MORIBVS, AD NICO- / MACHVM LIBRI / Decem. / Adiecta ad contextum Graecum interpretatione La- / tina DIONYSII LAMBINI, sed interpolata / innumeris in locis, ita ut Aristotelis sententiam fi- / deliter exprimat: / Studio et opera MATTHIAE BERGII Brun- / svvicensis; in Academia Noribergensium Al- / torfina Ethicae Professoris. / Additus in fine Capitum INDEX; tum duo Verborum et / rerum inventaria, Graecum et Latinum. / Editio altera, emendatior et Notis auctior ex ipsius / Bergii recognitione. / HANOVIAE, / Typis Wechelianis, impensis haeredum / Claudii Marnii, 1611. Nachweis: VD 17: 23: 324288M Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign.: 8 AUCT GR IV, 1756

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Weitere Exemplare: Erfurt / Gotha, UFB; Göttingen, StArchiv StB; Greifswald, UB; Hildesheim, StB; Mannheim, UB; Soest, StArchiv StB; Wolfenbüttel, HAB ΑΡΙΣΤΟΤΕΛΟΥΣ / ΗΘΙΚΩΝ ΝΙΚΟΜΑΧΕΙΩΝ / Βιβλία Δέκα. / ARISTOTELIS / ETHICORVM AD NICOMACHVM / Libri Decem. / Cum Dionysii Lambini Versione Latina, / à Matthia Bergio interpolata. / Accesserunt huic Editioni Loca Parallela, ex Magnis Moralibus, Eu- / demiis, Politicis, Rhetoricisque libris: Singulorum capitum / Summaria, et in Paragraphos sectio. / CVRA SAMVELIS RACHELII / Phil. Moral. in Acad. Julia Prof. P. / Cujus etiam / Praemissa est in Vniversam Aristotelis Philosophiam Moralem / INTRODVCTIO. HELMAESTADII, / Typis et sumptibus HENNINGI MVLLERI, / Typographi Academici / 1660 Nachweis: VD 17: 23: 232470X Benutztes Exemplar: Leipzig, UB, Sign.: Arist. 126 Weitere Exemplare: Augsburg, SuStB; Berlin, SB; Dresden, SLUB; Erfurt / Gotha, UFB; Frankfurt a. M., UB; Fulda, HLB; Gießen, UB; Göttingen, SUB; Halle, ULB, Marienbibliothek; Hamburg, SUB; Hannover, NLB; Jena, ThULB; München, BSB, UB; Oldenburg, LB; Rostock, UB; Soest, StArchiv StB; Weimar, HAAB; Wolfenbüttel, HAB

6.2.1.3 Verschiedenes a) Autobiographie 54. Brevis Biographia M. MATTHIAE / BERGII, / nunc primum e MS. cum B. L. com- / municata, enthalten in: Fortgesetzte Sammlung / von / Alten und Neuen / Theologischen Sachen, / Büchern, Uhrkunden, Controver- / sien, Veränderungen, Anmerckungen, / Vorschlägen, u. d. g. / Zur geheiligten Übung / In beliebigem Beytrag / ertheilet / von / Einigen Dienern des Göttlichen / Wortes. / Erster Beytrag [...] Leipzig 1728, 337-346 Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign.: HG-FB 8 EPH LIT 366/5 Weitere Exemplare: Augsburg, SuStB; Bamberg, SB; Berlin, SB, UB (Zweigst. Theol.); Bochum, UB; Bonn, ULB; Bremen, SUB; Bretten, Bibliothek des Melanchthonhauses; Dresden, SLUB; Eichstätt, UB; Emden, Johannes a Lasco Bibl.; Erlangen (-Nürnberg), UB; Frankfurt a. M., UB; Freiburg, UB; Gießen, UB; Greifswald, UB; Halle, ULB, Franckesche Stiftungen Bibl.; Hamburg, SUB; Hannover, NLB, Ev.-luth. Landeskirche; Heidelberg, UB; Karlsruhe, BLB; Kiel, UB; Köln, USB; Leipzig, UB; Mannheim, UB; Marburg, UB; München, BSB, UB; Osnabrück, UB; Passau, SB; Regensburg, SB; Rostock, UB; Stuttgart, Ev. Oberkirchenrat; Tübingen, UB, Ev. Stift, Wilhelmsstift; Weimar, HAAB; Wolfenbüttel, HAB; Würzburg, UB

b) Briefe in Prosa 55. (am Ende des Briefes:) Altorfii / 25. die Januar. an. 1583. Tuae Praestan- / tiae cultor M. Bergius. Inscr. Nobilitate generis, vir- / tute et fide praestanti viro Joach. Camerario, / Medicinae Doctori et Reipubl. Noribergensis archia- / tro, Domino et amico colendo, enthalten in: THOMAE CRENII / ANIMADVERSIONUM / PHILOLOGICARUM / ET / HISTORICARUM / PARS IX. / [...] / AMSTELODAMI, / Apud SEBASTIANUM PETZOLDUM / 1701, 5-7 Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign.: HG-FB 8 SVA I, 4120 Weitere Exemplare: Coburg, LB; Erfurt / Gotha, UFB; Erlangen (-Nürnberg), UB; Freiburg, UB; Heidelberg, UB; Jena, ThULB; Mannheim, UB; München, BSB; Rostock, UB; Tübingen, UB

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Verzeichnis der Werke von Matthias Bergius

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56. Matthias Bergius V. CL. Theophilo Madero Collegae / et amico honorando S. (undatiert), enthalten in: PHILOLOGICARVM / EPISTOLARVM / CENTVRIA VNA / DIVERSORVM A RENATIS LI- / teris Doctißimorum virorum, / [...] Omnia nunc primum edita ex Bibliotheca MELCHIORIS HAIMINSFELDII / GOLDASTI. / [...] FRANCOFVRTI, / Impensis Egenolphi Emmelii, Anno 1610, 319-321 (EPIST. 78. Altorphium). Nachweis: VD 17: 23: 271470F Benutztes Exemplar: Göttingen, SUB, Sign.: 8 CRIT 708 Weitere Exemplare: Augsburg, SuStB; Berlin, SB; Bonn, ULB; Bremen, SUB; Dresden, SLUB; Erfurt / Gotha, UFB; Frankfurt a. M., UB; Freiburg, UB; Halle, ULB; Jena, ThULB; Kiel, UB; Köln, Erzbischöfl. Diözesan- und Dombibl.; Leipzig, UB; Mannheim, UB; Osnabrück, UB; Regensburg, SB; Stuttgart, WLB; Weimar, HAAB; Wolfenbüttel, HAB

6.2.1.4 Nicht auffindbare Drucke 57. Castigatio et applicatio comoediarum Terentii, cum notatione varietatis lectionis, Lips. apud Ernest. Vogelium, 1579 in 8. zitiert in: Apin, 343 58. Epicedium für Petra Codicilla (1589) zitiert in: Truhlá, A. / Hrdina, C. (Hgg., Forts.: J. Hejnic / J. Martínek): Enchiridion renatae poesis Latinae in Bohemia et Moravia cultae. A-C, Prag 1966, 196

6.2.2 Handschriftlich erhaltene Werke1 6.2.2.1 Dichtung 59. CHORVS MVSICVS, / HONORI / ILLVSTRISSIMI PRINCIPIS / AC DOMINI DOMINI IV- / LII DVCIS BRVNSVICENSIS / ET LVNEBVRGENSIS, PRI- / VILEGIA ET STATVTA ACADEMIAE / IVLIAE PROMVLGANTIS: / SCRIPTVS A / MATTHIA BERGIO Umfang: 579 lateinische iambische Trimeter, 19 Sapphische Strophen Benutztes Exemplar: Hannover, NHStA, Sign.: Calenberger Briefarchiv (Cal. Br.) 21, Nr. 3742, 206-226 60. Martino Chemnitio Doctori Theologo Umfang: 4 lateinische elegische Distichen Nachweis: Wolfenbüttel, HAB: Die neueren Handschriften der Gruppe Extravagantes Teil 3: 220.1 Extrav. - 317 Extrav. Beschrieben von Wolf-Dieter Otte, Frankfurt a. M. 1993, 220.3 Extrav. 56r. (Gedichte und Epitaphe verschiedener Verfasser auf Theologen und Gelehrte des 15.-16. Jhs. Ende 16. Jh. Aus einem Einband entnommen)

————— 1 Mit Ausnahme der Nummern 60 und 63 dürfte es sich bei allen handschriftlich erhaltenen Schriften um Autographen handeln.

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61. Gedichtsammlung von Matthias Bergius, in Anschluss an: EPIGRAMMATA / PHILIPPI ME/ LANTHONIS SELE- / CTIORA, FORMVLIS PRE- / CVM, HISTORIIS, PARAPHRASI DI- / ctorum diuinorum, et sententijs grauissimis maximè in- / signia, ex edito Epigrammatum libello et aliunde excer- / pta: ac vt pueris in pia institutione proponi et inculcari / possint, seorsim cum indicatiunculis argumen- / torum, ad capita certa ordine ali- / quo collecta, / A / M. PETRO HEGELVNDO / Lectore Theolog. Ripensi: / Insuper et Iconibus argumento conuenientibus, ele- / gantißimis exornata, A / SIGISMVNDO FEYERABEND / Bibliopola Francofordiano. / FRANCOFORTI ad Moenum 1583 Umfang: 18 Gedichte in verschiedenen Versmaßen Nachweis: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: Li 6091

6.2.2.2 Briefe in Prosa 62. Brief an Martin Chemnitz: Altdorf 1. Mai (vermutlich 1582) Nachweis: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: Cod. Guelf. 504 Novi, Nr. 126, Bl. 130f. 63. Brief an Hieronymus P(B)aumgartner: 26. April 1587 Nachweis: Stadtarchiv Braunschweig, Sign.: H VIII A 280 64. Brief an die Scholarchen der Akademie Altdorf / 23 Briefe an Joachim Camerarius d. J. Nachweis: München, BSB, Sign.: Clm 10362, Nr. 274-291. 294-299 65. Brief an Joachim Camerarius d. J., Altdorf 1591 Nachweis: München, BSB, Sign.: Clm 10365, Nr.186

6.2.2.3 Theologische Schriften in Prosa 66. Matthiae Bergij Protestatio de subscriptione libri qui vocatur Formula Concordiae Nachweis: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: Cod. Guelf. 745 Novi, weite Teile daraus auch in: Cod. Guelf. 747 Novi 67. In Epistolam Pauli ad Romanos Hypomnemata Nachweis: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: Cod. Guelf. 746 Novi 68. De argumento et sententia aliquot locorum scripturae Novi Testamenti; nempe capitis 6. Ioannis, capitis 7-10 ad Romanos, sententiae 1 Corin. 2 explicatiunculae Matthiae Bergij Colloquium habitum inter R. D. D. Martinum Kemnicium et Matthiam Bergium in Disputatione publica quae exercebatur Brunswigae Anno 1581. Ex thesibus de reliquijs peccati originalis post baptismum in renatis etc. de quibus disputatum fuit Nachweis: Wolfenbüttel, HAB, Sign.: Cod. Guelf. 748 Novi

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Verzeichnis der Werke von Matthias Bergius

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6.2.2.4 Nicht mehr nachweisbare Handschriften 69. Commentarii in ep. Pauli ad Philippenses, Colossenses, utramque ad Thessalonicenses, utramque ad Timotheum, ad Titum, ad Philemonem, ad Hebraeos, epistolam Iacobi, utramque Petri, tres Ioannis, Iudae, Evangelium et Apocalypsin Ioannis 70. Commentarii in Gen. cap. XVII. priora 71. Drama Brunsvicense anni 1581 72. Historia tragoediae, quae in M. Bergium exercuit dictator Brunsvicensis D. Martinus Kemnitius 73. Oratio scholastica de viris doctis, quos habuit Brunsviga a tempore mutatae religionis Nr. 69-73 erwähnt in: Rittershausens Fortsetzung von Bergius’ Autobiographie, 345f.; Will / Nopitsch, Bd. 1, 93f. 74. Elegie an Caspar Peucer erwähnt in: Conrad Rittershausen: Brief an C. Girschner (9. April 1605), in: G. Th. Strobelius, Conradi, Georgii et Nicolai Rittershusiorum, patris et filiorum, et variorum ad eos datae Epistolae, quas ex Autographis ed., Nürnberg 1769, 133f., hier 133.

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6.3 Genealogie der Welfen (nach Panegyricum Carmen 462-880)1 SÄCHSISCHE KÖNIGE Vv. 462-472:

g ((†691) † ) Sighard | Vv. 473-484:

† )2 Dieterich ((†740) | Vv. 485-491:

V. 488:

(† ) – Edelhard (†757) († ) Wernekin ((Werner)) (†768) | Vv. 492-526:

(† ) Widukind ((Wittekind)) (†807) | Vv. 527f.:

g († † ) Wigbert (†825) | V. 529:

Vv. 530f.:

† ) – Walpert p ((†856) † ) Bruno ((†843) | LIUDOLFINGER, OTTONEN und BRUNONEN Vv. 532f.:

Liudolf (†866) | Vv. 534-566:

Vv. 534-541:

Otto der Erlauchte (†912) – Bruno – Dankwart – Ekbertt | Vv. 567-587:

Heinrich der Vogler (†936) | ————— 1 Bergius’ Genealogie ist deckungsgleich mit der Rehtmeyers, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, 44ff., der sich in seiner Darstellung auf Quellen des 16. Jahrhunderts stützt, vgl. dazu oben, 265f. und 327 Anm. 51. Abgesehen von den gestrichelt umrandeten (zum Teil sagenumwobenen) Fürsten, deren Todesdatum Rehtmeyer entnommen ist, folgt die Herleitung der welfischen Herzöge (und die angegebenen Daten) den genealogischen Übersichten in: Jarck, Braunschweiger Landesgeschichte, 146f., 172, 193, 235, 442f. 2 Zu Dieterich (Sohn oder Bruder Sighards) vgl. oben, 329 Anm. 52.

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421

Genealogie der Welfen Vv. 593-600:

Vv. 588-592:

(† )3 Heinrich der Zänker (†955) |



Otto I. (†973) |

Vv. 601-611:

Vv. 588-592:

† ) – Heinrich ((†995) † ) Bruno ((†1006) | |

Otto II. (†983) |

Vv. 612-614:

Vv. 594f.:

Vv. 588-592:

† ) Bruno ((†1014) |

Heinrich II. (†1024)

Otto III. (†1002)

Vv. 614-617:

Liudolf (†1038) | Vv. 618-623:

Ekbert I. (†1068) | Vv. 624-637:

GRAF VON NORTHEIM Vv. 638-647:

Vv. 647-653

Ekbert II. (†1090) - Gertrud (†1117) f Heinrich der Fette (†1101) | V. 654:

GRAF VON SÜPPLINGENBURG Vv. 654-660:

Richenza (†1141)fLothar (†1137) | WELFEN Vv. 661-669:

Vv. 661-669:

Gertrud (†1143)fHeinrich der Stolze(†1139) | Vv. 670-718:

Heinrich der Löwe (†1195) | Vv. 719-731:

Vv. 719-731:

Wilhelm (†1212/13) - Otto IV. (†1218) | Das ältere Haus Braunschweig-Wolfenbüttel | Vv. 732-743:

Otto das Kind (†1252) | ————— 3 In der neueren Forschung hat nicht der Sohn Heinrichs des Voglers, sondern der Enkel das Cognomen »der Zänker« (rixosus), vgl. dazu oben, 339 Anm. 61.

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422

Anhänge Vv. 744-763:

Albrecht I. der Lange (†1279) | Vv. 772-774:

Vv. 764-772:

Albrecht II. der Fette (†1318) - Heinrich Mirabilis (†1322) | Vv. 775-798:

Magnus I. der Fromme (†1369) | Vv. 775-798:

Magnus II. Torquatus (†1373) | Vv. 799-816:

Heinrich der Milde (†1416) | Das mittlere Haus Braunschweig-Wolfenbüttel | Vv. 817-845:

Wilhelm I. der Siegreiche (†1482) | Vv. 846-850:

Wilhelm II. der Jüngere (†1503) | Vv. 851-873:

Heinrich der Ältere (†1514) | Vv. 874-880:

Heinrich der Jüngere (†1568) | Julius (†1589)

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7 Literaturverzeichnis

7.1 Abkürzungen 7.1.1 Archive und Bibliotheken Bildungsgesch. Forschung Berlin BLB Karlsruhe BM Strasbourg BSB München DNB Leipzig HAAB Weimar HAB Wolfenbüttel HLB Fulda HLB Wiesbaden NLB Hannover LB LB M-V Schwerin LLB Detmold NHStA Hannover NStA Wolfenbüttel PLB Speyer SB Berlin SB SLUB Dresden StadtAN StArchiv StB Soest StB StuUB Frankfurt SUB SuStB Augsburg ThULB Jena UB UFB Erfurt / Gotha ULB USB Köln WLB Stuttgart

Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung Berlin Badische Landesbibliothek Karlsruhe Bibliothèque Municipale Strasbourg Bayerische Staatsbibliothek München Deutsche Nationalbücherei Leipzig Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Hochschul- und Landesbibliothek Fulda Hessische Landesbibliothek Wiesbaden Niedersächsische Landesbibliothek Hannover Landesbibliothek Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern Schwerin Lippische Landesbibliothek Detmold Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover Niedersächsisches Staatsarchiv Wolfenbüttel Pfälzische Landesbibliothek Speyer am Rhein Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz Staatliche Bibliothek Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden Stadtarchiv Nürnberg Stadtarchiv und wissenschaftliche Stadtbibliothek Soest Stadtbibliothek Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt Staats- und Universitätsbibliothek Staats- und Stadtbibliothek Augsburg Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena Universitätsbibliothek Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt / Gotha Universitäts- und Landesbibliothek Universitäts- und Stadtbibliothek Köln Württembergische Landesbibliothek Stuttgart

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424

Literaturverzeichnis

7.1.2 Zeitschriften, Nachschlagewerke und Ausgaben ADB AJPh BBKL BsJb CR

DNB DNP GRM HWRh JbGnKg JRS LAW LexMA LThK MVGN NDB NdsJb NlatJb OER RE REAug RhM RLW ThLZ ThlL TRE VD 16

WA ZGnKg ZPE

Allgemeine Deutsche Biographie The American Journal of Philology Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Braunschweigisches Jahrbuch für Landesgeschichte BRETSCHNEIDER, C. G. / BINDSEIL, H. E. (Hgg.): Philippi Melanthonis Opera quae supersunt omnia, 28 Bde., Halle und Braunschweig 18341860 (= Corpus Reformatorum 1-28) Oxford Dictionary of National Biography Der Neue Pauly Germanisch-Romanische Monatsschrift Historisches Wörterbuch der Rhetorik Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte The Journal of Roman Studies Lexikon der Alten Welt Lexikon des Mittelalters Lexikon für Theologie und Kirche Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Neue Deutsche Biographie Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte Neulateinisches Jahrbuch The Oxford Encyclopedia of the Reformation Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Revue des Études Augustiennes Rheinisches Museum für Philologie Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Theologische Literaturzeitung Thesaurus linguae Latinae Theologische Realenzyklopädie Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts, hrsg. von der Bayerischen Staatsbibliothek in München in Verbindung mit der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, Stuttgart seit 1983 D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Weimar seit 1883 Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik

7.1.3 Neulateinische Texte 7.1.3.1 Werke von Matthias Bergius Carm. Ev. Christoph. epiced. Paul. epithal. Coler epithal. Schuz Frischl. Georg

vgl. Werkverzeichnis Nr. 14 vgl. Werkverzeichnis Nr. 8 vgl. Werkverzeichnis Nr. 2 vgl. Werkverzeichnis Nr. 3 vgl. Werkverzeichnis Nr. 10 vgl. Werkverzeichnis Nr. 32 vgl. Werkverzeichnis Nr. 6

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Literaturverzeichnis Iesu Bapt. Lucretia Lüneburg Nicäa nupt. Heim Rhodius

425

vgl. Werkverzeichnis Nr. 4 vgl. Werkverzeichnis Nr. 9 vgl. Werkverzeichnis Nr. 5 vgl. Werkverzeichnis Nr. 11 vgl. Werkverzeichnis Nr. 1 vgl. Werkverzeichnis Nr. 13

7.1.3.2 Andere neulateinische Werke Die folgenden Abkürzungen sind unter 7.2 aufgelöst: Buchan. psalm. Camer. Libell. Tunete Fabric. Itin. 1(Carm. Stigel.) Fabric. Milit. sacr. Lotich. nupt. Guil. Micyll. psalm. 132 Micyll. res metr. Micyll. silv. 2 (In adventum Caroli V.) Sabin. Caes. Sabin. eleg. 1, 7 Sabin. eleg. 6, 11 Sabin. nupt. Sigism. Sannaz. part. virg. Vida, ars

7.2 Texte neulateinischer Autoren und Anthologien Paraphrasis Psalmorum Davidis Poetica, nunc primum edita, Auctore Georgio Buchanano, Scoto, poëtarum nostri saeculi facilè principe. Adnotata ubique diligenter carminum genera. Eiusdem Buchanani tragoedia quae inscribitur Iephtes, Antwerpen 1566 [= Buchan. psalm.] Tunete. Carolus sive Tunete. Anno Christi 1534, in: Libellus continens Eclogas et alia quaedam Poëmatia diversis temporibus et occasionibus composita, a Ioachimo Camerario Pabeperg. plaerisque nunc primum in lucem prodeuntibus, Leipzig 1568, 119-125 [= Camer. Libell. Tunete] Carmina Stigelius fluvium meditatur ad Ilmum (1543), in: Georgii Fabricii Chemnicensis Itinerum Liber unus, Basel / Leipzig 1547, 52-55, enthalten in: G. Fabricius, Roma, Basel 1550 [= Fabric. Itin. 1 (Carm. Stigel.)] Georgii Fabricii Chemnicensis Militiae sacrae Lib. I: Ismaelis posteritas, Esauus venator vendit primatum offula, in: Georgii Fabricii Chemnicensis, viri clarissimi, Poematum Sacrorum Libri XXV. Ex postrema autoris recognitione. Quorum Catalogum versa Paginae reperies, Basel 1567, Teil 2, 39f.[= Fabric. Milit. sacr.] Carmen, in nuptias illustrissimi Principis, Iohannis Guilielmi, Ducis Saxoniae, ac inclytae Susannae Dorotheae, illustriss. Principis Friderici Palatini Elect. F. P. Lotichio Secundo authore, Heidelberg 1560 [= Lotich. nupt. Guil.] In adventum Caroli V. imper. Aug. P. P. urbis Francofurtanae ad Moenum sitae gratulatio, in: Iacobi Micylli Argentoratensis Sylvarum Libri quinque. Quibus accessit Apelles Aegyptius, seu calumnia, antehac, ut et caetera pleraque, nondum edita. [...] ex officina Petri Brubacchij, 1564, L. 2, 101-109 [= Micyll. silv. 2 (In adventum Caroli V.]

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7.3 Textdatenbanken auf CD-ROM und im Internet Poesis 2. CD-ROM dei testi della poesia latina a cura di P. MASTANDREA e L. TESSAROLO, 2. ed. per Windows, Bologna 1999 CAMENA – Online Editionen: www.uni-mannheim.de/mateo/start1.html

7.4 Forschungsliteratur Im Folgenden sind nur mehrfach zitierte Titel aufgenommen. Die in der Arbeit nur einmal benutzte Literatur ist an entsprechender Stelle nachgewiesen. AHRENS, S.: Die Lehrkräfte der Universität Helmstedt (1576-1810), Helmstedt 2004 AMANN-BUBENIK, J.: Kaiserserien und Habsburgergenealogien – Eine poetische Gattung, in: M. BAUMBACH (Hg.), Tradita et inventa: Beiträge zur Rezeption der Antike, Heidelberg 2000, 7389

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8 Register

8.1 Stellen 8.1.1 Antike Autoren Alcimus Ecdicius Avitus carm. 5, 568: 273 carm. 6, 56: 273 Ammianus Marcellinus 16, 10, 1-17: 148 Anthologia Latina Anth. 719, 50: 210 Apollonios Rhodios 3, 173ff.: 28 A.66 Aratos 133-136: 177 A.70, 179 A.76 Aristoteles rhet. 1, 3, 3 (1358b): 144 A.4 Augustinus retract. 1, 12, 9: 163 A.23 Ausonius ep. 5: 31 A.80 Catullus 61: 87-88 62: 87-88 62, 5: 97 A.175 64, 50ff.: 265 A. 265, 267 64, 318: 263 64, 323-381: 88 64, 327: 226 Cicero de orat. 2, 36: 265 A.263 de orat. 3, 202: 268 A.276 fam. 10, 20, 2: 31 A.80 Tusc. 5, 10: 36 A.111 Claudianus carm. min. 25: 88 carm. min. 25, 130ff.: 97 A.176 carm. min. 29, 28-30: 96 A.174 carm. min. 30, 8: 215, 217 carm. min. 30, 149ff.: 91 A.160 carm. min. 30, 166ff.: 96 A.173 carm. min. 53, 53: 58 A.42 3. cons. Hon. 121: 222, 230

3. cons. Hon. 121-141: 149 A.29, 172 A.56 4. cons. Hon. 175ff.: 224, 229 4. cons. Hon. 182f.: 219, 229 4. cons. Hon. 184: 220 4. cons. Hon. 203-352: 153 4. cons. Hon. 294ff.: 175 A.61 4. cons. Hon. 419-427: 59 A.48, 107 A.207 4. cons. Hon. 556: 235 A.173 4. cons. Hon. 565-610: 149 A.29 6. cons. Hon. 22-24: 180 A.81 6. cons. Hon. 58-64: 172 A.54 6. cons. Hon. 146: 219 6. cons. Hon. 146ff.: 223 6. cons. Hon. 146-200: 250 A.213, 251255, 257, 260, 263 A.254 6. cons. Hon. 152: 219 6. cons. Hon. 303-320a: 172 A.54 6. cons. Hon. 331(494)-639: 149 A.29 6. cons. Hon. 361-425: 155 A.65 6. cons. Hon. 362-365: 180 A.81 6. cons. Hon. 458f.: 217 6. cons. Hon. 537-540: 180 A.81 6. cons. Hon. 584-586: 169 A.43 Eutrop. 1, 371-513: 155 A.65 Eutrop. 1, 375: 258 A.244 Eutrop. 2, 527-602: 155 A.65 Eutrop. 2, 592: 219 Eutrop. 2, 593f.: 161 A.20 Get. 458f.: 221 A.130 Get. 485f.: 223 Get. 631f.: 60 A.50 Gild. 28-127: 155 A.65 Gild. 127-207: 155 A.65 Mall. Theod. 166-172: 179 A.76 Mall. Theod. 186: 179 A.75 Mall. Theod. 261: 179 A.75, 219-220 Mall. Theod. 263f.: 179 A.75, 219

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Register Mall. Theod. 270f.: 258 A.245 Prob. Olybr. 3: 95 A.171 Prob. Olybr. 73-173: 155 A.65 Prob. Olybr. 209-279: 250 A.213, 254 rapt. Proserp. 1, 246ff.: 267 rapt. Proserp. 2, 69f.: 257 A.239 Rufin. 1, 30ff.: 58 A.38 Rufin. 1, 51ff.: 177 A.68, 179 A.76 Rufin. 1, 98f.: 219, 221-222 Rufin. 1, 284ff.: 181 A.84 Rufin. 1, 372-387: 174 A.59 Rufin. 2, 17: 278 Rufin. 2, 52f.: 161 A.20 Rufin. 2, 440f.: 278 Rufin. 3, 243: 59 A.49 Stil. 1, 24-35: 169 A.43 Stil. 1, 44: 216, 269 Stil. 1, 142: 278 Stil. 1, 142-147: 181 A.84 Stil. 2, 100ff.: 169 A.43 Stil. 2, 127f.: 260 Stil. 2, 149-160: 172 A.54 Stil. 2, 223-268: 155 A.65 Stil. 2, 223-407: 155 A.65 Stil. 2, 339ff.: 267 Stil. 2, 346f.: 270 A.280 Stil. 2, 449-466: 174 A.59 Stil. 3, 26ff.: 231 Stil. 3, 51: 175 A.61 Stil. 3, 56-58: 224, 230 Stil. 3, 63f.: 230 Stil. 3, 223-336: 232 Stil. 3, 226-232: 385 A.103 Corippus Ioh. praef. 34: 222 Iust. 3, 59: 242 A.195 Iust. 4, 220: 257 Dionysios Halicarnasseus rhet. V: 150 Dracontius Romul. 6, 7: 88 Romul. 6, 64: 96 A. 172 Romul. 7, 43: 96 A.172 Ennodius carm. 1, 2, 11: 211 carm. 1, 4: 88 Euripides frg. 1059: 103 Gellius 1, 21, 7: 215 A.115 Hesiodos erg. 196-201: 179 A.76 erg. 200: 177 A.70

437

erg. 256: 177 A.70 erg. 503: 83 A.129 theog. 240-264 und 349-361: 261 A.249 Homeros Il. 1, 250-252: 317 A.45 Il. 17, 201-206: 277 A.294 Il. 18, 38-49: 261 A.249 Il. 18, 478ff.: 267 Il. 18, 548f.: 270 Il. 21, 212-383: 250 A.213 Od. 3, 245: 317 A.45 Horatius carm. 1, 1: 77 carm. 1, 14: 77 carm. 1, 24: 106 carm. 3, 4: 82 carm. 4, 14, 25: 253 A.229 carm. saec. 56-60:179 A.76 epist. 1, 19, 24f.: 77 A.95 sat. 1, 3, 34ff.: 237 Libanios epist. 736, 2: 150 or. 13: 150 Livius 1, 57-60: 61 Lucanus 1, 272: 253 2, 14f.: 220, 277 2, 233: 222 2, 601: 220 2, 601-609: 223, 275-276 2, 603: 220 2, 731: 215, 278 3, 216f.: 276 3, 727f.: 223 5, 603f.: 281 9, 749: 274 Macrobius Sat. 6, 1, 7: 215 A.115 Martialis 10, 7, 6: 254 A.229 Menander Rhetor [Russell / Wilson] 368, 3: 145 373, 5 - 376, 23: 169 A.41 377, 28f.: 172 A.57 377, 31 - 388, 15: 150 378, 9-14: 150 A.40 378, 16 - 379, 2: 150 A.40 379, 2-13: 150 A.40 379, 13 - 380, 9: 169 A.41 381, 6-22: 150 A.40 Orientius carm. app. 3, 106: 237

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Register

Orientius (Fortsetzung) comm. 2, 333f.: 237 Ovidius am. 3, 19: 106 fast. 1, 398: 257 A.241 fast. 2, 119: 209 fast. 2, 721-852: 61 fast. 5, 637-662: 250 A.213 met. 1, 107f.: 92 A.163, 225, 231 met. 1, 111: 176 A.64 met. 1, 129: 179 A.76 met. 1, 149f.: 179 A.76 met. 1, 574-576: 256 A.236 met. 2, 1ff.: 267 met. 2, 112f.: 210, 224 met. 3, 171: 261 A.249 met. 5, 286: 219 met. 6, 1-145: 261 met. 6, 23f.: 262 met. 6, 53ff.: 262, 265 A.265, 267 met. 6, 104: 270 A.280 met. 6, 516-518: 64 A.60 met. 8, 267: 223, 258 met. 8, 533f.: 209 met. 8, 549-615: 250 A.213 met. 12, 187f.: 317 A.45 met. 14, 144ff.: 317 A.45 met. 14, 225: 262 met. 14, 327ff.: 257 Pont. 4, 4, 15-18: 258 A.245 rem. 723: 270 Panegyrici Latini (s. auch Plinius paneg.) Paneg. 2 (12): 150 Paneg. 2 (12) 37, 2-3: 172 A.56 Paneg. 3 (11) 13, 3: 163 A.24 Paneg. 4 (10) 30, 4: 149 A.33 Paneg. 4 (10) 38, 1: 174 A.59 Paneg. 8 (5) 2, 2f.: 180 A.81 Paneg. 8 (5) 4, 3: 180 A.81 Paneg. 8 (5) 19, 1-2: 172 A.56 Paneg. 9 (4) 18, 1: 174 A.59 Paneg. 9 (4) 18, 5: 174 A.59 Paneg. 10 (2) 2, 1: 183 A.93 Paneg. 10 (2) 3, 4: 163 A.24 Paneg. 11 (3) 10, 5: 172 A.56 Paneg. 11 (3) 11, 4: 172 A.56 Paulinus Nolanus carm. 6, 1: 61 A.53 carm. 25: 88 carm. 25, 151f.: 89 Persius 2, 74: 219

Pindar O. 7, 63f.: 232 A.166, 385 Α.103 Plinius minor epist. 3, 18, 2f.: 153 paneg. 2, 3: 175 A.61 paneg. 2, 6f.: 169 A.43 paneg. 3, 4: 169 A.43 paneg. 4, 1: 153 paneg. 4, 2: 175 A.61 paneg. 21, 4: 175 A.61 paneg. 22f.: 149 paneg. 28, 6: 172 A.57 Propertius 3, 18: 106 4, 11: 106, 115 Prudentius apoth. 398: 258 perist. 2, 517-520: 190 A.117 c. Symm. 2, 862-864: 190 A.117 Quintilianus inst. 3, 4, 12: 144 A.4 inst. 3, 7: 145 A.4 Rhetorica ad C. Herennium 1, 2: 144 A.4 Sallustius Iug. 4, 5ff.: 265 A.263 Sidonius Apollinaris carm. 1, 3: 273 carm. 5, 596-599: 176 A.65 carm. 7, 1-8: 180 A.81 carm. 10-11: 88 carm. 14-15: 88 Silius Italicus 2, 395ff.: 267 3, 509: 261 A.250 5, 568: 226 Statius silv. 1, 1: 211, 229, 235 silv. 1, 1, 15f.: 235 silv. 1, 1, 46ff.: 223, 235-236 silv. 1, 1, 55: 235 A.173 silv. 1, 1, 66-83: 250 A.213 silv. 1, 1, 75-78: 259 silv. 1, 1, 77: 220 silv. 1, 2: 88, 97, 211 silv. 1, 2, 5: 91 A.161 silv. 1, 2, 24: 95 A.170 silv. 1, 2, 38ff.: 91 A.160, 96 A.173 silv. 1, 2, 61ff.: 90 A.159 silv. 1, 2, 213-217: 222-223, 233-234 silv. 1, 4: 211 silv. 1, 4, 36f.: 225 silv. 2, 1: 106

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Register silv. 2, 1, 221f.: 107 A.209 silv. 2, 6: 106 silv. 3, 3: 106 silv. 4, 1, 3f.: 180 A.81 silv. 4, 1, 17: 175 A.61 silv. 4, 2, 57-59: 172 A.57 silv. 4, 2, 151: 175 A.61 silv. 4, 3, 67-95: 250 A.213 silv. 4, 3, 145-152: 172 A.57 silv. 4, 6, 12: 220 silv. 5, 1, 48f.: 94 A.167, 106 silv. 5, 2: 211 silv. 5, 2, 22: 218 silv. 5, 3: 106 silv. 5, 3, 1: 106 A.204 silv. 5, 3, 121ff.: 107 A.208 silv. 5, 3, 286f.: 107 A.209 silv. 5, 5: 106 Theb. 2, 215f.: 270 A.280 Theb. 2, 323f.: 220 Theb. 2, 323-332: 223, 275 Theb. 2, 328: 218, 221 Theb. 2, 524: 58 A.42 Theb. 3, 360: 261 A.250 Theb. 4, 213: 58 A.43 Theb. 4, 315f.: 222 Theb. 4, 320f.: 271 Theb. 4, 609: 222 Theb. 4, 680ff.: 224 Theb. 4, 682: 215 Theb. 5, 197ff.: 58 A.40 Theb. 5, 718f.: 220, 277 Theb. 6, 580: 215 Theb. 7, 292f.: 271 Theb. 7, 301f.: 271 Theb. 7, 305: 219, 271 Theb. 7, 394f.: 271 Theb. 7, 398f.: 271 Theb. 9, 404-488: 250 A.213 Theb. 12, 64: 215 Theb. 12, 146: 233 Theb. 12, 163f.: 221, 223, 234 Theb. 12, 521f.: 216, 221, 233 Theognis 15-18: 73 A.86 Theokritos 16, 1f.: 89 Venantius Fortunatus carm. 6, 1: 88 Mart. 3, 483: 237 Vergilius Aen. 1, 197: 220-221 Aen. 1, 260: 243

Aen. 1, 282: 62 A.58 Aen. 1, 446ff.: 267 Aen. 1, 456: 269 A.278 Aen. 1, 712: 58 A.42 Aen. 1, 735: 221, 258-259 Aen. 2, 281: 211 Aen. 2, 385: 58 A.41 Aen. 2, 397: 272 Aen. 2, 402: 59 A.49 Aen. 3, 121: 223, 258 Aen. 3, 393: 244 Aen. 3, 571: 274 Aen. 3, 624: 252 A. 224 Aen. 4, 10: 221, 238 Aen. 4, 13f.: 277 Aen. 4, 173ff.: 223, 258 Aen. 4, 322: 64 A.61 Aen. 4, 552: 64 A.61 Aen. 4, 607: 95 A.171 Aen. 4, 666: 59 A.45 Aen. 4, 700ff.: 258 A.244 Aen. 5, 415f.: 219, 223 Aen. 5, 416: 216 Aen. 6, 14ff.: 267 Aen. 6, 429: 272 Aen. 6, 756-853: 264 Aen. 6, 848: 270 Aen. 6, 883: 259 Aen. 6, 792-795: 174 A.59 Aen. 7, 14: 261 A.251 Aen. 7, 122: 244 Aen. 7, 203f.: 221, 273 Aen. 7, 341ff.: 63 A.59 Aen. 7, 657: 272 Aen. 7, 789ff.: 267 Aen. 7, 791: 274 Aen. 7, 792: 218, 220, 256 Aen. 8, 31-67: 250 A.213 Aen. 8, 46: 244 Aen. 8, 77: 254 A. 229, 256 A.236, 260 Aen. 8, 325: 177 A.68, 217 Aen. 8, 348: 217-218 Aen. 8, 442: 262 A.252 Aen. 8, 626-728: 264, 267 Aen. 8, 649f.: 270 A.280 Aen. 9, 220: 243 Aen. 9, 279f.: 223 Aen. 9, 446: 277 A.294 Aen. 9, 464: 222 Aen. 10, 501: 220, 277 Aen. 10, 731: 219 Aen. 11, 28: 272 Aen. 11, 292f.: 59 A.47

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Register

Aen. 11, 343: 220 Aen. 11, 441: 219 Aen. 11, 508: 211 Aen. 12, 437: 216, 236-237 ecl. 1, 66: 220, 276 ecl. 2, 45ff.: 259 ecl. 4: 174 A.59 ecl. 4, 6: 177 A.70, 179 A.76 ecl. 4, 13: 210, 260 ecl. 4, 14: 260 ecl. 4, 31: 210, 260 ecl. 4, 46f.: 226 ecl. 5, 37: 237 ecl. 5, 39: 237 ecl. 6, 21: 261 A.249 ecl. 7, 1: 252 A.223 ecl. 7, 12: 254

ecl. 7, 54: 274 ecl. 9, 29: 363 A.88 georg. 1, 482: 260 georg. 2, 473f.: 177 A.70, 179 A.76 georg. 3, 15: 254 georg. 3, 79ff.: 223, 235 A.171 georg 3, 90: 235 A.171 georg. 3, 117: 235 A.171 georg. 3, 122: 235 A.171 georg. 3, 228: 274 A.287 georg. 3, 229-236: 223, 275 georg. 4, 18: 257 georg. 4, 147: 219 georg. 4, 154: 177 A.68 georg. 4, 336: 261 A.249 georg. 4, 371f.: 254 A.229, 260

8.1.2 Bibelstellen Gen 2, 21-23: 89 Gen 24, 29: 105 A.198 Gen 29-31: 105 A.198 Dtn 17, 19: 170 A.49 Rut 1, 16: 105 Rut 4, 1-12: 105 A.197 Rut 4, 18-22: 105 1 Sam 18, 6f.: 185 A.102, 234 1 Sam 21, 11 (12): 185 A.102 1 Sam 29, 5: 185 A.102 2 Sam 6f.: 239 A.184 1 Chr 2, 5-15: 105 1 Chr 11ff.: 239 A.184 2 Chr 3ff.: 239 A.184 2 Chr 6, 12-42: 242 A.190 Ps 2: 160 A.15, 167-168, 186, 241 A.188, 242 A.196 Ps 2, 10: 170 A.49 Ps 2, 10-13 [iuxta LXX]: 166-167 Ps 2, 12: 164 A.27, 168 A.38 Ps 24, 7 (9) [iuxta LXX 23, 7 (9)]: 167, 221 A.129, 238, 242 A.196 Ps 47, 10 [iuxta hebr. 46, 10]: 166 Ps 72: 160 A.15 Ps 82: 160 A.15

Ps 84, 12: 181 Ps 91, 12 [iuxta LXX 90, 12]: 31 A.81 Ps 101: 160 A.15, 184 Ps 102, 22f. [iuxta hebr. 101, 22f.]: 166 Ps 107, 16 [iuxta LXX 106, 16]: 167 Ps 110: 160 A.15 Ps 128 [127]: 100-101 Ps 132 [iuxta LXX 131]: 142 A.11, 185, 221 A.129, 238-246 Ps 147, 1 [iuxta hebr. 146, 1]: 166 Spr 8, 15f.: 164 A.26 Spr 31, 30: 104 A.194, 105 Jes 52, 1-3: 183 Jer 21, 12: 164 A.27 Mt 1: 105 Mt 3, 1-17: 45 Mt 8: 77 Mk 8, 1-10: 83-84 Lk 2, 41-52: 78 Joh 2, 1-12: 88 Apg 4, 25: 167 Röm 13, 1: 164 A.26 Röm 13, 2: 165 A.28 Eph 5, 22-33: 89

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Register

8.1.3 Neulateinische Autoren Buchanan, George psalm. 2, 19: 242 A.196, 243 A.197 psalm. 24, 21-23: 221 A.129, 238, 243 A.196.197 psalm. 132: 242-246 psalm. 132, 10: 218 Fabricius, Georg Itin. 1 (Carm. Stigel.): 176 A.64 Milit. Sacr. 1, 3f.: 237 Lotichius Secundus, Petrus ecl. 3, 10-84: 251 A.213 ecl. 3, 24-30: 179 A.76 nupt. Guil. 3: 219 nupt. Guil. 52: 220, 273 nupt. Guil. 62-297: 265 nupt. Guil. 88: 220 nupt. Guil. 91: 220 nupt. Guil. 106f.: 226, 272 nupt. Guil. 313-485: 265 nupt. Guil. 394f.: 223 Micyllus, Jacob psalm. 132: 246 silv. 2 (In adventum Caroli V.), 47-70: 177 A.69 silv. 2 (In adventum Caroli V.), 85-90: 175 A.63 silv. 2 (In adventum Caroli V.), 144: 174 A.59 silv. 2 (In adventum Caroli V.), 173-176: 174 A.59

Sabinus, Georg nupt. Sigism. 11: 219 nupt. Sigism. 11ff.: 223 nupt. Sigism. 11-24: 255-259 nupt. Sigism. 20f.: 223 nupt. Sigism. 25-42: 261-262 nupt. Sigism. 43-432: 264 nupt. Sigism. 83: 219, 222, 272 nupt. Sigism. 103f.: 274 nupt. Sigism. 119: 215, 274 nupt. Sigism. 138: 269 nupt. Sigism. 197: 274 nupt. Sigism. 202f.: 274 nupt. Sigism. 241f.: 278 A.300 nupt. Sigism. 334f.: 216 nupt. Sigism. 473f.: 172 A.56 nupt. Sigism. 484-494: 265 A.263 nupt. Sigism. 498-501: 170 A.48 nupt. Sigism. 504-509: 160 A.11 nupt. Sigism. 511-513: 171 A.53 nupt. Sigism. 527: 171 A.50 nupt. Sigism. 536f.: 178 A.74 Sannazaro, Iacopo part. virg. 3, 281ff.: 223, 251-253 part. virg. 3, 284f.: 221, 257 part. virg. 3, 298f.: 257 Vida, Marco Girolamo ars 3, 584f.: 211

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Register

8.2 Namen und Sachen Acontius, Melchior 49 A.23 Adam und Eva 89, 92-93, 99 Adrastos 235, 360, 370 adventus 16, 123, 133-135, 140-141, 143144, 147-154, 156, 171-173, 179, 181, 183 A.93, 185, 187, 210, 224, 228-236, 395 Aemilius, Georg 49 A.23 aemulatio 44, 207-208, 215 Agricola, Rudolph 145 A.7 Alard, Wilhelm 149, 172 A.57, 178 A.74, 179 A.76, 180 A.81, 189 A.109 Albinus, Petrus 265 A.265, 269 A.277 Alexander d. Gr. 49 Alkestis 91 Allegorese 48-55, 93, 96 Allegorie 141, 155, 161 A.20 Allegorisches Festspiel 71-75, 394 Altdorf 20 A.16, 39, 41 A.138, 43, 81, 84, 87, 104, 114, 119-121 –Academia Norica 12-13, 22 A.28, 32-40, 84, 101, 118, 121 –St. Lorenz 38 Amor 88, 90, 94-95, 97-99 Amyntas 109-110 Andreae, Jakob 27 A.62, 32 A.86, 132, 138, 143, 172 A.54, 314 Anthologia Latina 210 Apelles 111 Aphthonios 145 Apoll (Phoebus) 50, 57, 62, 72-74, 90, 97, 136, 141, 143, 155, 217, 288, 292-294, 318, 364-366 Apostelkonzil 66 Argo 75 Arias Montanus, Benedictus 81 Arion 235-236 Aristoteles 34-37 –Nikomachische Ethik 12, 35-37, 40 Arius 65-69 artes liberales 72-75 Asseburg, Heinrich von 62 Atalante 96 Augias 190, 312 August, Herzog von Braunschweig-Lüneburg 151 Ausonius 72 A.83, 146, 263-264 Autobiographie 14, 18-22, 26-27, 32, 34 A.94, 38-40, 118 A.240, 399-402

αὔξησις 180, 186, 247, 274, 395 Baal 190, 296, 320 Baremius, Martin 12, 103 Barter, Johannes 23 Bassius, Ericus 114 Beglaubigungstopos 49 Bergius –Anna 20-21 –Conrad 20-21, 115 –Elisabeth 20 –Judith 20 –Margarethe 20, 39, 40 A.133, 400 –Martin 27 –Matthias passim –Nicolaus 20 Bergmann, Meinhard 27 A.60, 115 Bescheidenheitstopik 46, 49-50, 58, 62, 67, 119, 137 Beza, Theodor 28-29 Bibelepik 44-47, 397 Birken, Siegmund von 170 A.47 Bote, Konrad 272 A.283 Brandis d. J., Joachim 134 A.64 Braunschweig 11-13, 15, 30 A.74, 32-33, 38-40, 43, 62 A.57, 70, 78-79, 81, 87, 103 A.192, 106 A.202, 107, 109, 116, 120, 123, 127-136, 140-143, 147-148, 151, 155-156, 171-172, 181, 185-187, 224, 228, 230-232, 240, 273 A.285, 314, 335 A.58, 338-340, 349 A.73, 362, 372, 384-386, 396, 399-400 –Aegidianum 20 A.16, 26 A.54, 27 A.58, 32 A.83 –Altstadtrathaus 134-135, 141, 206, 377 Α.100, 385 Α.101 –Brüdernkirche 27 A.59, 30, 134 –Katharineum 11, 19, 20 A.16, 22-23, 2627, 32, 39, 76, 80, 83, 86, 123, 142, 151, 209 A.81, 286, 387 A.105, 393 A.107, 399-400 –Martineum 19, 22, 26, 32 A.83, 78, 103 A.190, 119 A.241, 209 A.81, 213, 387 A.105, 399-400 –Martino-Katharineum 22 A.30 –Oker 16, 107, 120, 139-140, 143, 155-156, 172-173, 175 A.61, 184, 187-188, 189 A.111, 190 A.118, 247-248, 250, 253256, 258-261, 263, 320-326, 360-362

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Register –Schulordnungen 23, 24 A.44, 25, 81, 209 A.79.81, 213, 242 –St. Aegidien 20, 128 A.29, 129 A.31, 130, 343 A.68 –St. Blasii 20, 87 A.141, 130, 349 A.73 –St. Cyriacus 130, 341 A.65 –St. Martini 30 A.74, 52 A.29, 107 A.207, 377 Α.100, 385 Α.101 Braunschweig-Lüneburg, Herzogtum 12 A.3, 127, 266, 287 A.14, 351 A.76 Braunschweig-Wolfenbüttel, Fürstentum 15, 124-125, 127-133, 163, 287 A.14 –Kirchenordnung 129, 132-133, 172 A.55 –Reformation 78 A.101, 79, 127-133, 172173, 176-177 Buchanan, George 14, 207, 212, 214, 217, 238, 242-246, 397 Budé, Guillaume 112 Bugenhagen, Johannes 30 A.74, 78 A.101, 113 A.223, 129 Busche, Hermann v. d. 152 Busenreut, Johann 35 A.101 Caesar 263, 276, 341 A.66 Calenius, Lambertus 116-117 Calvin 28 A.65, 29 Calvinismus 12, 14, 28-33, 104 A.195.196 Camerarius –Joachim d. Ä. 24 A.38, 26 A.53, 34 A.94, 37, 82, 111 A.219, 112, 214, 282 A.11 –Joachim d. J. 12, 34, 40 A.132, 112 A.222 –Philipp 40 A.132 Carmina Sacra 44, 75-82, 397 Cassiodor 146 Catull 205 A.66, 207, 226 Celtis, Conrad 72 A.83, 248 Cerberus 58, 189, 348 Chemnitz, Martin 12, 21-22, 29 A.72, 30-32, 40, 65, 69-70, 78 A.101, 103 A.190, 107, 118, 130-132, 134-135, 138, 143, 166, 172 A.54, 314, 400 Christoph von Württemberg 126 A.19, 132 A.51, 314 Christophorus, Heiliger 45, 47-48, 52-55, 396 Christus als pronubus 88-89, 92 Chytraeus, David 12, 98-99, 113 A.224 Cicero 34 A.96, 35, 213, 268 Claudian 14, 16, 137 A.2, 144, 146, 149, 153-157, 161 A.20, 169 A.44, 177 A.68, 179, 186, 192, 195-196, 202, 207, 211212, 213 A.96.100, 215 A.114, 217, 221, 223-225, 227 A.148, 228-232, 248 A.206, 251-255, 257-258, 260, 269, 278, 395

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Colerus, Johannes 92-95 Cordes, Euricius 189 A.109, 190 A.117.118 Corippus 146, 207, 257 Corybantes 190 Crusius, Martin 119 Cyllarus 235-236 David 40, 52, 78, 81, 99 A.181, 105 A.198, 142, 160 A.15, 167, 180, 182, 184-186, 189, 191, 217, 221, 229, 234, 237-241, 244-246, 304, 324, 372, 386-390 Degener, Joachim 19, 21, 399 Demokrit 96 Desmarez, Jean 153 Diana (Phoebe) 67, 72, 74, 155, 292, 318 Dibben –Matthaeus 108 –Tobias 108 Dido 64 A.61 Dionysios von Halicarnass 150 Domitian 235-236, 259, 263 Donat 23 A.37, 24 Donellus, Hugo 33 A.90 Dramatisierende Dichtung 71-75 Eber, Paul 18 Ekloge 109 A.216 Ekphrasis 44, 46, 91, 136, 137 A.2, 139, 143, 150 A.40, 154, 189, 206, 247-252, 263-278, 320-362, 395 Elding, Heinrich Ernestus von 80 Elisabeth, Herzogin von Calenberg-Göttingen 100 A.183, 124, 159 Elisabeth I., Kaiserin 121 Ennodius 146 Epicedien 43, 86, 105-110, 112-115, 251 A.213, 256 A.237, 260, 272, 394 Epik (s. auch Episierende Dichtung, Hagiographische Epik, Historische Epik) 16, 44, 144, 146, 154-157, 212 A.94, 215 A.114, 228 A.153.154, 247-248, 251252, 266-267, 270-271, 277, 394-395 Epikur 96 Episierende Dichtung 43-70 Epitaphien 43 A.1, 98 A.179, 99 A.181, 105, 107 A.207, 108, 111, 113-114 Epithalamien 43, 61 A.56, 73 A.86, 86-105, 158, 160 A.11, 178 A.74, 212, 225, 233234, 249-250, 255-259, 264-265, 271272, 274, 278, 393 A.107, 394-396 Erasmus von Rotterdam 48, 80, 112, 147, 153 Erich d. J., Herzog von Calenberg-Göttingen 100 A.183, 124, 159

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Register

Esicke –Fortuna 97-98 –Johannes 97 Euadne 91 Fabricius, Georg 14, 76, 78-79, 108, 111, 168 A.38, 207, 209-210, 214, 237, 277 A.293, 397 Fabricius Montanus, Johannes 77 Fama 59, 139, 143, 172, 223, 247, 250, 254255, 257-259, 322 Ferdinand I. 264 Fladung –Georg 82-83, 86 –Johannes 86 Flaminius, M. Antonius 214 Floreke, Nikolaus 58 A.39 Flussgott 47, 139-140, 143, 155-156, 172173, 175 A.61, 184, 187-188, 189 A.111, 190 A.118, 244, 247-263, 267, 320-326, 360-362, 395 Freder, Johannes 113 Friedrich Ulrich, Herzog von BraunschweigLüneburg 265 A.265 Frischlin, Nicodemus 12, 119-120, 213 A.99 Fürstenspiegel 16, 49, 53, 152-153, 158-162, 163 A.24, 164, 165 A.28, 169 A.47, 170 A.48.A.49, 171 A.50.53, 184, 185 A.102, 190 A.118, 250, 395-397 Furien 58 –Allecto 63, 177 A.68 Garlop, Nikolaus 59 Gelegenheitsdichtung 11-12, 43, 86-122 Georg, Heiliger 44 A.8, 47-53, 212, 218 Gerhard, Johann 80 Gerung, Matthias 70 A.71 Geryon 70, 182 Giganten 189 Giphanius, Obertus 12, 34-37, 39, 101-102, 396 Girschner, Christoph 41 A.137 Gittelde, Ludolph von 80 Glacian, Georg 118 A.237 Goclenius, Rudolph 81-82 Görlitz, Martin 78 A.101, 129 Goldenes Zeitalter 52, 137, 139, 141, 173177, 179-180, 186-187, 205, 228 A.154, 231, 259-260, 300, 318, 376-378, 396 Goliath 52, 184, 191, 229, 234, 324, 372 Gotha 25 Grammatik, lateinische 23-25, 119 A.241 Hagiographische Epik 44, 47-55 Hagius, Johannes 104-105 Hammenstede, Georg 58 A.39

Hanhofer, Catharina 104-105 Heermann, Johannes 180 A.78 Heiligenverehrung 48, 53 Heinrich d. Ä., Herzog von BraunschweigLüneburg 225, 270-271, 302, 358-360, 422 Heinrich d. J., Herzog von BraunschweigLüneburg 15, 20, 87 A.141, 123-131, 134 A.63, 136-138, 140, 143, 171, 223, 263, 290-292, 304, 341 A.65, 360, 396, 422 Heinrich der Löwe 125, 139-140, 215, 271, 273-274, 276-278, 292, 300, 344-348, 360, 368, 377 Α.100, 421 Heinrich der Vogler 300, 322, 334-337, 339 A.61, 368, 377 Α.100, 420 Heinrich Julius, Herzog von BraunschweigLüneburg 13 A.11, 71, 74, 87 A.142, 127, 134 Helena 94 Helm, Lambert Ludolf 40 A.133 Helmstedt –Gründung der Universität 12f., 16 A.19, 27 A.58, 43, 71-72, 74, 86, 87 A.141, 99 A.180, 127 A.20, 131 Henning, Hieronymus 57 Hercules 44, 49-50, 62, 70, 180-182, 184, 186, 189, 316 Herrscherideal 158-186 Herrscherserien 247, 263-266, 268-269, 271, 274, 395 Hessus, Helius Eobanus 149, 151-152, 168 A.38, 174 A.59, 182 A.88, 188 A.106, 189 A.109, 213-214, 242, 250 A.213, 251 A.213, 363 A.88 Hieronymus 168 A.38 Hildebrand –Esther 27, 32, 38-39, 401 –Johannes 27 A.56, 38, 401 Hildesheimer Stiftsfehde 125, 293 A.19 Hippodameia 96 Hippomenes 96 Historische Epik 44, 55-70 Hochzeit zu Kanaa 88-89, 93, 94 A.165, 99 Hof(f)meister, Johannes 69-70 Holbein, Hans d. J. 70 A.71, 182, 280 A.6 Homer 49, 250 A.213 Horaz 13-14, 72 A.81, 76-79, 82, 179, 202, 207, 212 A.94, 237, 243 A.197, 395 Horn, Konrad 279 Hoym –Christoph von 89-91 –Otto von 87

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Register Hubert, Hermann 32 A.83 Hutten, Ulrich von 147, 153, 248, 262 A.253 Hymen 91, 97, 250 imitatio 44, 207-278, 395-396 –Kontrastimitation 222, 227, 235-236 Interpunktion, neulateinische 280-283 Invektive 145, 157, 395 Isokrates 144, 153 Iuvencus 45 A.11 Jason 74 Jesus Sirach 25 Joachim II. von Brandenburg 46 A.15, 127 Johann von Brandenburg, Markgraf 126, 131 Johann Albrecht, Herzog von Mecklenburg 49-50, 52-53, 218 Johann Wilhelm, Herzog von Sachsen 212, 265, 272 Johannes der Täufer 45-47 Julius, Herzog von Braunschweig-Lüneburg 11, 15-16, 23 A.37, 27 A.58, 46, 52 A.29, 53 A.31, 62 A.57, 71-75, 87 A.141.142, 123-127, 131-143, 147, 151, 154-158, 161-191, 210, 216-218, 221, 223-225, 227-241, 247-248, 249 A.208, 258-260, 263, 265 A.265, 267-268, 279 A.5, 286- 318, 322-324, 362, 366-394, 396, 422 Juno 88, 96 Jupiter 64, 173, 232, 243, 255, 367 A.92, 384 Justin 33, 113 A.223 Kadmus 73 Kardinaltugenden 169-172 Karl d. Gr. 52, 90, 138, 264, 312, 330 Karl IV., Kaiser 56, 58 Karl V., Kaiser 124-125, 146, 149, 151-152, 175 A.63, 248-249, 293 A.19, 313 A.39 Kirchenordnung s. unter BraunschweigWolfenbüttel Kirchner –Timotheus 62 A.57 –Wolfgang 23 Kislebius –Dietmar 24 –Wilhelm 24 Kollektaneen 209 Konfessionelles Zeitalter 11, 13, 158-159, 180 A.78, 394, 396 Konkordienformel 12, 19, 27-33, 40, 116, 118, 396 Konstantin d. Gr. 52, 66-69, 138, 312 Konzil von Nicäa 45, 55, 65-70, 396

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Konzil von Trient 45, 46 A.13, 53 A.32, 6567 Korner, Hermann 58 A.39 Krüger, Pankraz 12, 27, 71-72, 111 A.219 Kruse, Gottschalk 128-129 Lais 67 Lambinus, Dionysius 35 A.107, 37 Lampe, Heinrich 128 A.30 Laodamia 91 Latomus, Jacobus 69-70 Lauenburg, Franz von 124 Laverna 67 Legenda Aurea 50 A.26, 51 A.27, 54 A.33 Lehrgedicht 53 Leine, Dietrich von der 135 Lemures 189, 316 Libanios 150 Linacer, Thomas 23 A.37 Lipsius, Justus 39 A.130 locus amoenus 90 Lokalgottheiten (s. auch Flussgott, Braunschweig (Oker), Patria) 155, 161, 230, 248, 258, 395 Lossius, Lucas 24, 25 A.45, 57 A.37 Lothar von Süpplingenburg 75, 271, 273, 342, 377 A.100, 421 Lotichius Secundus, Petrus 14, 104 A.193. 196, 207, 212-214, 223, 226, 265-266, 270-272, 396 Lucan 195-198, 202, 212-213, 223, 275-277, 395 Lucretia 45, 55, 61-65, 94 A.166 Lüneburg 45, 55-61, 116, 127, 256, 271, 276 –Erbfolgekrieg 56 Luperci 190, 296, 300 Luther, Martin 20-21, 25, 27 A.62, 48, 55 A.34, 69 A.68, 70, 78 A.101, 89, 107 A.207, 109, 113 A.223, 115, 128, 149, 160 A.15, 168 A.38, 182, 184, 363 A.88 Mader, Theophil 34 Magnus II. Torquatus 56-61, 352-354, 422 Maior, Johann 76, 152 Manen 58 Martianus Capella 72 A.83 Maximilian I., Kaiser 47, 72 A.83, 146, 182, 248-249 Maximilian II., Kaiser 119 A.241, 133, 146, 152 Maximinus, Kaiser 50-51 Medardus 122 Medea 94 meditationes 79-82 Medler, Nikolaus 21 A.23, 78 A.101, 130

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Register

Melanchthon, Philipp 14, 21-26, 30 A.74, 33, 35, 41 A.137, 43, 48, 53 A.30, 55 A.34, 72 A.83.84, 73 A.86, 75 A.89, 76, 82, 88 A.150, 89, 94 A.165, 109 A.213, 112, 113 A.223, 130, 212 A.95, 213 A.97, 249 A.210, 251 A.213, 394, 396398 Menander Rhetor 145, 150, 156, 169 Mening, Marcus 28-32 Merkur 90 Merobaudes, Flavius 146 Methodius, Jodocus 113 Metrik s. unter Verstechnik Micyllus, Jacob 151, 207, 246, 397 Minerva 74, 232, 324, 384 Minturno, Antonio Sebastiano 152, 248-249, 252 Mnemosyne 265, 273 Mörlin, Joachim 78 A.101, 107, 130-131 Moller, Andreas 12, 27 Münsinger von Frundeck, Joachim 131-133, 135, 138, 143, 161, 168-171, 175 A.61, 177, 187-188, 189 A.113, 190 A.114, 217, 236, 238, 249, 252, 306, 310-314 Murmellius, Johannes 209 A.81 Musen 45, 49, 52-53, 57, 59, 62, 71-75, 83, 87, 90-91, 95, 97, 98 A.179, 101, 106108, 110, 112, 137-143, 155-156, 169173, 178, 179 A.75, 181-182, 187, 217, 226 A.147, 265, 273, 290-292, 316-318, 324, 364, 384-386 Naiaden s. Nymphen Nemesis 60, 64, 67 Nestor 172, 234, 317 A.45, 372, 386 Nicephorus, Hermann 32 A.83 Niger, Antonius 19, 21, 399 Nigrinus, Georg 65 Nikolaos 268 Nymphen 90, 108, 139, 143, 172, 247-257, 259-263, 267-268, 320-326, 340, 360362 Odysseus 118 Oelhafen, Justine 101-102 Oppian 40 Orestes, Bernhard 12, 78, 97-98, 111 A.219, 393 A.107 Orthographie, neulateinische 280-282 Osius, Hieronymus 152 Osterog, Nicolaus von 84 Otto der Erlauchte 274, 420 Ottonen 298, 316, 322, 336, 368, 421 Ovid 113 A.223, 195-204, 207, 211, 213, 224, 248 A.206, 257-258

Pagel, Margarethe 98-99 Paiva d’ Andrade, Diego de 65, 69 Panegyrik 16, 72 A.83, 144-158, 163 A.24, 169, 172 A.57, 174 A.59, 175 A.61, 176 A.65, 177 A.68.69, 178 A.72.73.74, 180, 181 A.84, 186, 228-230, 235, 247-248, 251, 264, 394-396 Panegyrisches Epos 144, 152, 154-157, 192, 228, 395 Parzen 112, 141, 174, 226, 376 Patria 106-108, 137-138, 141-143, 155, 161163, 165, 168 A.39, 170-171, 173-176, 179 A.77, 182-183, 187-189, 190 A.115.116.118, 206, 221, 226, 230-231, 294-304, 320, 376-384 Paulus, Apostel 153 Pawel –Conrad 106 A.202, 107 –Gerke jun. 106-107, 256 A.237, 260, 272 –Gerke sen. 106 A.202, 107 –Lucia 100 Pelops 96 Penelope 67, 91 Perseus 50, 52 Petraeus, Anna 103 Peucer, Kaspar 41 A.137 Pindar 86, 104 A.195 Platon 36 Plautus 26, 113 A.223 Plinius d. J. 149, 152-153, 156-157 Polemik (gegen Katholizismus) 16, 53, 6667, 69-70, 102, 109-110, 115, 122, 136139, 157, 159, 162-163, 170, 174, 177, 180, 182-192, 221, 237, 241, 274, 294296, 300, 304, 316-318, 324, 374, 378380, 390, 396 Polyneikes 225, 271, 275, 360 Pompeius 215, 276, 278, 340 Porta, Konrad 109 Posthius –Erasmus 79 A.106 –Johannes 12, 79, 104 praesens deus 180 A.79, 183 Praetorius –Margarethe 95-97 –Zacharias 95, 109-110, 396 Premer, Johann 258 A.243 Priscianus 146 Procne 64 A.60, 93 Prometheus 74 Propemptica 43, 86, 116, 118-120, 121-122, 394 Prosodie s. unter Verstechnik

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Register Prudentius 13 A.8, 207 Psalmen 24 A.41, 75, 138, 160, 165-168, 183, 213-214, 237-246, 397 Queccius, Georg 32 A.87, 38 A.122, 118 Rachelius, Samuel 35 A.107 Ramistische Lehrmethode 37-38, 84 A.133 Ramus, Petrus 37 A.118 Reformation s. unter Braunschweig-Wolfenbüttel Reiche, Barthold 87 Reincken, Agnes 92-95 Reminiszenz 208, 227 A.149 Reusner –Elias 265 A.265 –Nikolaus 100, 116 A.233, 180 A.78, 264 A.259 Rhodius, Johannes 109-110, 396 Rieger, Urban 159, 163 A.24, 164, 165 A.28, 170 A.49, 184, 185 A.102 Risius, Henricus 118 Rittershausen –Balthasar 32 A.85, 40 A.133 –Conrad 12, 13 A.12, 18, 20 A.16, 27, 32 A.85, 38-41, 79 A.106, 81, 103, 115, 118, 120, 400-401 –Georg 39 A.130, 41 –Nikolaus 39 A.130 Röerhandus, Johannes 103 Rorarius, David 265 A.265, 269 A.277 Rorer, Thomas 160-161, 167 A.35 Roslerus Lucanus, Matthaeus 100 A.185 Rufus, Martianus 363 A.88 Sabinus, Georg 14, 149, 158, 160 A.11, 170 A.48, 171 A.50.53, 204 A.61, 206 A.68, 207, 212-214, 225, 249-253, 255-266, 269-271, 273-274, 278, 395, 397 Salmoneus 173, 366 Salomo 25, 104, 184 A.94, 238-240, 242 A.190, 374 Salvianus, Salvius 39 A.130 Sander, Autor 129 Sannazaro, Iacopo 207, 251-253, 255-257, 395 Saul 185, 372 Scaliger –Joseph Justus 39 A.130, 210 A.89, 214 –Julius Caesar 82, 145, 204 A.61, 212, 214, 275 Schede, Paul Melissus 104 Schelius, Eberhard 84-85 Schomaker, Jakob 58 A.39 Schonaeus, Cornelius 26 A.52 Schoppe, Caspar 12, 39 A.130, 41

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Schuldichtung, religiöse 43, 75-82 Schule s. unter Braunschweig (Aegidianum, Katharineum, Martineum, MartinoKatharineum, Schulordnungen) Schulreden, protreptische 43, 83 Schuz, Thomas 95-97 Seckendorff, Veit Ludwig von 170 A.47 Seneca d. J. 152 Siber, Adam 76, 77 A.95 Sibylle 172, 317 A.45 Sidonius Apollinaris 146 Sighard, sächsischer König 139, 263, 266, 270, 326, 420 Sig(is)mund, Erzbischof von Magdeburg 46 Sigismund August, König von Polen 126, 158, 160 A.11, 170 A.48, 171 A.50.53, 212, 225, 249-250, 264, 395 Silius Italicus 195-196, 207 Smedes, Laurentius 99 A.181 Sokrates 36 Sonntagsevangelien 25 A.46, 76-81, 113 A.225 Spalatin, Georg 159 A.5 Stadtmann, Johann Burkhard 121-122 Statius 14, 195-197, 199-204, 207, 211, 213, 224-225, 229, 232-236, 270-271, 275, 277, 395 Steinberg, Christoph von 22, 52-53 Stigel, Johannes 48, 76, 168 A.38, 190 A.118 Stilistik 204-206 Streithorst, Anton v. d. 80 Sturm, Johann 43, 396 Sueton 147 A.18 Symmachus 146 Tacitus 147 A.18 Taufe Jesu 45-47, 237 A.176, 252 Taurellus, Nicolaus 33 A.90 Terenz 11, 13 A.8, 26, 37, 213 Themis 72, 74, 101 Theobaldus, Andreas 109 Theokrit 89-90 Theon von Smyrna 268 Theseus 221, 233-234, 372 Tydeus 225, 271, 360 vanitas 106 Varel, Edo Hildericus von 33 A.90 Vechteld, Hermann von 111 A.219 Venus 67, 88, 90, 94, 97-98, 102, 243, 250 vera religio (Protestantismus) 45, 49, 51, 61, 67, 95, 108-109, 121, 133, 136-137, 141143, 157, 159-164, 169-170, 174-175, 178-179, 186-187, 190 A.118, 192, 236,

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Register

vera religio (Fortsetzung) 239, 241, 294296, 300, 374, 396-397 Vergil 14, 179, 192-204, 205 A.66, 207, 211-213, 223, 226, 236-238, 243, 248 A.206, 254, 256-258, 260, 272-275, 277, 394-395 Verstechnik 192-204 –Metrik 194-197, 227-228 –Prosodie 193-194 Vida, Marco Girolamo 211 Vischer, Christoph 167 A.35, 170 A.47 Viskule, Heyne 58-59 Volkamer, Georg 35 A.105 Volkardus, Georg 38 A.122 Voragine, Jacobus de 50 A.26, 54 A.33 Walthausen, Justus von 100 Weißenburg, Ulrich von 59-60, 271 Welfen 11, 15-16, 56-58, 72, 125, 127-128, 133-134, 139, 151, 265-266, 271, 273 A.285, 287 A.14, 342, 421 Werner, Leonhardt 164 A.26, 165 A.28, 184 Wernla, Johannes Engelhard 38 A.122

Werthern, Elisabeth von 89-91 Wesenbeck, Petrus 33 A.90 Westphal, Joachim 111 A.219, 113-114 Widukind 139, 265, 271-274, 328-330 Wilhelm II. d. J., Herzog von Braunschweig-Lüneburg 225, 270-271 Willing, Johann 159-161, 164 A.26, 171 A.53 Winkel, Heinrich 78 A.101, 129 Wittenberg 13, 14 A.14, 20-22, 28 A.64, 30 A.74, 34 A.94, 43, 56, 76, 89, 92 A.162, 104 A.193, 106-108, 109 A.213, 112 A.221, 113 A.223, 114 A.227, 116 A.234, 128-129, 394, 399 Wolfenbüttel 11, 52 A.29, 123-124, 127, 132, 135-138, 140, 248, 279, 363 A.87 Xenophon 33-34 Ziegenmayer, Ennius 151 A.43 Zitat 208 –Exempelzitat 215, 221, 278 Zouchaeus, Edowardus 120-121

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 978-3-525-25295-6 — ISBN E-Book: 978-3-647-25295-7