Materielle Anforderungen an das Entscheidungsverfahren in der Demokratie [1 ed.] 9783428490653, 9783428090655

Ist es zulässig, über völlig verschiedene Themen in einer Abstimmung zu entscheiden? Diese Frage bildet den AnlaG für di

138 47 17MB

German Pages 182 Year 1997

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Materielle Anforderungen an das Entscheidungsverfahren in der Demokratie [1 ed.]
 9783428490653, 9783428090655

Citation preview

GEORG JOCHUM

Materielle Anforderungen an das Entscheidungsverfahren in der Demokratie

Beiträge zur Politischen Wissenschaft Band 100

Materielle Anforderungen an das Entscheidungsverfahren in der Demokratie

Von Georg Jochum

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Jochum, Georg: Materielle Anforderungen an das Entscheidungsverfahren in der Demokratie / von Georg Jochum. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Beiträge zur Politischen Wissenschaft; Bd. 100) Zug!.: Köln, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-09065-9

Alle Rechte vorbehalten

© 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0421 ISBN 3-428-09065-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Kein Mensch ist gut genug, einen Menschen ohne dessen Zustimmung zu regieren. (Abraham Lincoln)

Vorwort Der vorliegende Beitrag wurde im Sommer 1995 abgeschlossen und im darauffolgenden Jahr von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit der Frage nach materiellen Bedingungen demokratischer Entscheidungsverfahren war die "Paketabstimmung" über die Änderungen des Grundgesetzes, die das Ergebnis der Beratungen der Verfassungskommission des deutschen Bundestages waren. Aus der Beschäftigung mit der Frage der Zulässigkeit solcher "Verfassungsänderungen im Paket" erwuchs sehr schnell die Notwendigkeit, sich grundsätzlich mit den materiellen Begrenzungen des demokratischen Prinzips für die Ausgestaltung demokratischer Entscheidungsabläufe zu befassen. Dabei war festzustellen, daß diese Fragen bisher nur am Rande behandelt worden sind. Die Arbeit möchte daher einen Diskussionsbeitrag leisten und das Bewußtsein für diesen Aspekt der Demokratie stärken. Für die Anregung und kritische Begleitung meiner Arbeit möchte ich meinem Lehrer Prof. Dr. Martin Kriele danken. Die Arbeit ist auch das Produkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, die er mir als Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl ermöglichte. Seiner jahrelangen fordernden Begleitung gilt mein besonderer Dank. Herrn Prof Dr. Hartmut Krüger danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens, dem Bundesministerium des Inneren für die finanzielle Unterstützung der Veröffentlichung. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Heinrich Wilms, der mich bereits als Student und auch danach stets forderte. Bedanken möchte ich mich auch bei jenen Freunden, die durch Lesen der Korrekturen oder Diskussion zum Gelingen der Arbeit beitrugen. Schließlich und nicht zuletzt gilt mein Dank meinen Eltern und meinem Bruder. Köln, im Sommer 1997

Georg Jochum

Inhaltsverzeichnis Einleitung

15

1. Teil

Das demokratische Entscheidungsverfahren

19

1. Abschnitt

Der Begriff der Entscheidung

19

2. Abschnitt

Der Begriff der Demokratie

23

A. Die Urunöglichkeit einer allgemeinen illld wnfassenden Begriffsbestimmilllg der Demokratie................ ............................................. ............... .....

23

B. Hinreichende KeIUlZeichnilllg des Demokratiebegriffs durch einzelne Institutionen........... .... .. ................... ..... .. ....................... ..... ..... .. ..... ... .. .. ....... .....

24

C. Das Grundprinzip der Demokratie: Legitimation der Herrschaft durch das Volk...........................................................................................................

26

I. Freiheit illld Gleichheit als Gfillldlage demokratischer Herrschaft..........

26

II. Die gleichberechtigte Teilhabe aller an der Staatsgewalt........................

27

m.

Die Idee der Identität von Herrschenden illld Beherrschten....................

28

IV. Kein wörtliches Verständnis des Identitätsbegriffes: Die Urunöglichkeit der direkten Demokratie........................................................................

29

V. Die organisatorischen Bedingilllgen der Identität: Repräsentation illld Mehrheitsprinzip...................................................................................

31

1. Der Gfillldsatz der Repräsentation.......... .. .... .. ...................................

31

2. Das Mehrheitsprinzip .............. .............................. ........... ................. VI. Die Folge des Identitätsgedankens für den demokratischen Staat: Legitimation aller Staatsgewalt durch das Volk........ .............. .............. ........

33 34

6

Inhaltsverzeichnis 3. Abschnitt Das Mehrheitsprinzip als das Entscheidungsverfahren mit der höchsten demokratischen Legitimationskraft

36

A. Die Legalität des Mehrheitsprinzips ................................ .. .........................

37

B. Die Legitimität des Mehrheitsprinzips ...... ,.................................................

38

I. Legalität der Mehrheitsentscheidung als hinreichende Bedingung für die Legitimität ........ ,.,., ..................................... ,.,.................................

38

1. Legitimation durch Verfahren...........................................................

38

2. Kritik: Verfahren allein keine Legitimationsgrundlage ......................

39

3. Ergebnis: Keine Legitimation ohne materiale Rechtfertigung ............

40

II. Mögliche materielle Gründe für die Geltung des Mehrheitsprinzips.......

41

1. Die Überlegenheit der Mehrheit .......................................................

41

2. Mehrheit gleich Gesamtwillen..........................................................

42

3. Die Mehrheitsentscheidung als ökonomische Optimierung................

42

4. Die Legitimation der Mehrheitsregel durch die Zustimmung aller.....

43

5. Begründung des Mehrheitsprinzips mit einem Verfassungskonsens...

43

6. Die Mehrheitsentscheidung als die relativ richtigste oder vernünftigste ................................................................................................

44

7. Die Rechtfertigung des Mehrheitsprinzips in der Demokratie: relativ größte Chance von Vernünftigkeit, Teilhabe und Befriedung.............

47

III. Ergebnis zu B ...................................................................................... ,.

50

C. Die Legitimationskraft anderer Entscheidungsverfahren ., ... .......... ........... ...

51

1. Bereiche, in denen nicht nach dem Mehrheitsprinzip entschieden wird..

51

1. Im Bereich der Gesetzgebung............................................................

52

2. Im Bereich der Exekutive und Jurisdiktion............ .... ........... .. ...........

53

II. Keine Legitimation ohne Mehrheitsentscheidung.................... .. ...... .. .....

55

D. Ergebnis zum 1. Teil...................................................................................

56

Inhaltsverzeiclmis

7

2. Te j I

Materielle Anforderungen des demokratischen Prinzips an die Rahmenbedingungen von Entscheidungsverfahren

58

I. Absclmitt

Voraussetzungen demokratischer Mehrheitsentscheidungen A. Rechtliche Gleichheit als VoraussetzWlg legitimer

MehrheitsentscheidWlgen in der Demokratie......................................................................

58

59

B. Zusätzliche BindWlgen an das Recht als weitere VoraussetzWlg legitimer MehrheitsentscheidWlgen in der Demokratie..............................................

60

I. Erforderiichkeit weiterer rechtlicher BindWlgen des Mehrheitsprinzips.

60

l. Gefahren einer Herrschaft olme BindWlgen: Tyrannei der Mehrheit..

60

2. Institutionen als hinreichender Schutz vor der Tyrannei der Mehrheit

61

3. Keine Demokratie olme Rechtsstaat..................................................

62

II. Rechtliche BedingWlgen demokratischer Legitimation durch Mehrheit..

64

l. BegrellZWlg durch Verfahrensregeln .................................................

64

2. BindWlg an die GfWldrechte .............................................................

65

C. Hinreichender Diskurs als BedingWlg einer legitimen MehrheitsentscheidWlg...........................................................................................................

67

1. Die Notwendigkeit des öffentlichen Diskurses.......................................

68

I. Das Ideal eines öffentlichen Diskurses..............................................

68

2. Die Kritik am Modell des öffentlichen Diskurses..............................

70

3. Die realen GfWldlagen der Kritik......................................................

70

4. Der Diskurs Wlter den BedingWlgen der modemen Massengesellschaft................................................................................................

71

a) Die wachsende DezentralisiefWlg des öffentlichen Diskurses.......

71

b) Die Rolle der Medien im Diskurs .................................................

74

c) Die BedingWlgen eines fWlktionierenden Diskurses in der modernen Massengesellschaft................................................................

75

5. Ergebnis zu I. ...................................................................................

76

II. Die Ergebnisoffenheit des Diskurses.....................................................

76

m. Ausnahmen vom vorherigen öffentlichen Diskurs..................................

77 77

l. EntscheidWlgen olme Diskurs? ........................... .. ...........................

8

Inhaltsverzeichnis 2. Der nichtöffentliche Diskurs..............................................................

78

IV. Ergebnis zu C........................................................................................

79

2. Abschnitt Die Übertragbarkeit der materiellen Voraussetzungen legitimer Mehrheitsentscheidungen auf andere Entscheidungsverfahren

80

A. Rechtliche Gleichheit.................................................................................

80

B. Die Bindung an das Recht.............................................. ............................

81

C. Vorheriger öffentlicher Diskurs..................................................................

81

D. Ergebnis zum 2. Abschnitt .........................................................................

83

Ergebnis zum 2. Teil.......................................................................................

83

3. Teil

Materielle Anforderungen des demokratischen Prinzips an die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

85

1. Abschnitt Der entscheidungsberechtigte Personenkreis

86

A. Die Notwendigkeit einer Abgrenzung der berechtigen Personen.................

86

B. Eingrenzungskriterien für den entscheidungsberechtigten Personenkreis.....

87

I. Die Eingrenzungskriterien für die Aktivbürgerschaft .............................

87

n. Die Eingrenzungskriterien flir die vom Volk gewählten Vertreter ..........

88

1. Nur die "Besten" als Vertreter des Volkes.........................................

89

2. Die Problematik einer Eliteauswahl.. ................................................

90

3. Ergebnis: Im Wesentlichen gleiche Anfordungen an passives und aktives Wahlrecht.................................................................................

91

m. Die Abgrenzungkriterien flir andere staatliche Ämter und Entschei-

dungsgremien .......................................................................................

93

1. Kompetenz als einziges Kriterium .....................................................

93

2. Verbot anderer Kriterien....................................................................

95

C. Ergebnis zum 1. Abschnitt..........................................................................

96

Inhaltsverzeichnis

9

2. Abschnitt Die durch das Entscheidungverfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

97

A. Der Legitimationszusanunenhang zwischen Entscheidung und Volk ...........

97

1. Das Grundschema: Die staatliche Entscheidung als Antwort auf eine Fragestellung.................. ......................................................................

97

II. Weitergehende Rationalitätsanforderungen ...........................................

98

I. Der entscheidungstheoretische Ansatz...............................................

99

2. Die weitgehende Unbrauchbarkeit des entscheidungstheoretischen Ansatzes flir demokratische Entscheidungsverfahren ............ .......... ...

100

III. Die materielle Legitimationsvoraussetzung demokratischer Entscheidungen: Klare Erkennbarkeit des Willens des Entscheidungsträgers ............

103

IV. Ergebnis zu A........................................................................................

105

B. Der Legitimationszusanunenhang zwischen Wählern und Gewählten und die sich daraus ergebenden Folgen für die Ausgestaltung des Wahlverfahrens ..

106

1. Der Legitimationszusanunenhang bei Parlamentswahlen .......................

1. Bedeutung des Parlaments im demokratischen Staat: Repräsentation des Volkes........................................................................................ 2. Der Begriff der Repräsentation und die Folgen flir die Anforderung an die Wahlentscheidung..................................................................

106 107 108

a) Das klassische Repräsentationsverständnis: Volksvertretung durch unabhängige Abgeordnete......... ......................... .. ......... ... ... ...... ...

109

b) Gestaltwandel in der Parteiendemokratie: Die Parlamentswahl als Plebiszit über eine politische Richtung.........................................

110

c) Die Bedeutung der Repräsentation im modernen Staat: Volksvertretung durch Parteien und unabhängige Abgeordnete.. ............. .. ......

111

aa) Das parteienstaatliche Element der Repräsentation................. bb) Das persönliche Element der Repräsentation.......................... d) Die Fragestellung der Parlamentswahl: Auswahl der Abgeordneten und Bestimmung der Grundrichtung .............................................

112 113 114

3. Die Konsequenzen für die Ausgestaltung des Wahlverfahrens..... ..... .

115

a) Die Richtungsentscheidung ............ ........................ ....... ........ .......

116

aa) Die Bedeutung des Wahlsystems flir den Legitimationszusammenhang .................... ............. ...... .. .. .. ... ........... .............. ...... bb) Die Bedeutung der Gestaltung der Wahlvorschläge für den Legitimationszusanunenhang ................................................ b) Die Personalentscheidung ............................................................ aa) Der Erwerb der Parlamentsmitgliedschaft .............................

116 118 120 121

10

Inhaltsverzeiclmis bb) Der Verlust der Parlamentsmitgliedschaft: Mandatsverlust bei Parteiwechsel? ...............................................................

122

Legitimationszusammenhang bei der Wahl eines einzelen Amtsträgers...................................................................................................

124

1. Die Volkswahl des Staatsoberhaupts.... ...... .......................... .............

125

2. Die Wahl des Regierungschefs durch das Parlament .........................

127

3. Die Wahl von Einzelpersonen in ein Kollegium am Beispiel der Wahl der Bundesverfassungsrichter ..................................................

128

Ill. Ergebnis zu B .......................................................................................

132

C. Der Legitimationszusammenhang zwischen Entscheidung und Entscheidungsträger bei Sachentscheidungen (Beschlüssen) und seine Folgen für die Ausgestaltung des Verfahrens...............................................................

133

I. Der Legitimationszusammenhang bei Gesetzesbeschlüssen des Parlaments und seine Folgen fi1r die Ausgestaltung des Verfahrens ...............

134

n. Der

I. Die Bedeutung des Gesetzes: entscheidendes Mittel zur Konfliktlö-

wq.................................................................................................

I~

2. Folgerungen fl1r den Gesetzesbeschluß..............................................

137

a) Anforderungen an den Willensbildungsprozeß.............................. b) Anforderungen an das Verfahren der Abstimmung ....................... c) Die Legitimationsanforderungen in qualitativer Hinsicht: Unterschiede in den Anforderungen zwischen einfachen und verfassungsändernden Gesetzen............................................................

137 140

n. Der Legitimationszusammenhang bei der Aufgabendelegation vom Ge-

rn.

147

setzgeber auf die Regierung...................................................................

149

I. Die Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen nach Art. 80 Abs. I 00...................................................................................................

150

2. Art. 80 Abs. I Satz 2 GG als Ausdruck des demokratischen Legitimationserfordernisses ... ....... .. ............... ........ ................. ....... ..... .......

151

3. Der inhaltliche Legitimationszusammenhang bei der Aufgabendelegation...............................................................................................

152

4. Der funktionelle Legitimationszusammenhang ..................... ........... ,.

153

Ergebnis zu C. .................. .. ...... ......................... ............. .......... ............ .

155

Schlußbetrachtung Die materielle Bedingtheit des Entscheidungsverfahrens in der Demokratie

157

Literaturverzeichnis

160

Sachverzeichnis

176

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abs. a.F. a.G. AI(

Allg. Anm. Art. Bd. Begr. beispw.

andere(r) Ansicht am angeführten Ort Absatz alte Fassung auf Gegenseitigkeit Alternativkommentar Allgemein

dass. ders. dies. Drucks.

Anmerkung Artikel Band Begründer beispielsweise Bonner Kommentar Blatt Bundesrat Bundestag Bundestagsverhandlungen beziehungsweise circa dasselbe derselbe dieselbe Drucksache

EGV

EG-Vertrag

EU f.

Europäische Union folgend

ff.

fortfolgende Festgabe finnisch Fußnote französisch

BK Bi. BR BT BTVerh. bzw. ca.

FG. fmn. Fn. franz.

Abkürlungsverzeichnis

12 FG.

Festgabe

FS.

Festschrift

ggf.

gegebenenfalls

HbStR.

Handbuch des Staatrechts

HbdStR

Handbuch des deutschen Staatsrechts

HDSW

Handbuch der Sozialwissenschaften

HessStGH

Hessischer Staatsgerichtshof

Hrsg.

Herausgeber

H.S.

Halbsatz

HVerfR

Handbuch des Verfassungsrechts

insbes.

insbesondere

itaI.

italienisch

Ifd.

laufende

MlDIHIS

MaunzfDürigIHerzog/Scholz Korrunentar zum Grundgesetz

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

n.F.

neue Fassung

Nr.

Nurruner

parI.

parlamentarisch

PlenPr.

Plenarprotokoll

Pkt.

Punkt

PVS

Politische Vierteljahresschrift

Rn.

Randnurruner

s.

siehe

S.

Seite

sog.

sogenannte

StenBer.

stenographischer Bericht

u.a.

unter anderem; und andere

übers.

übersetzt

Urt.

Urteil

US

US-amerikanisch

USA

Vereinigte Staaten von Amerika

v.

von

Verf.

Verfassung

vgI.

vergleiche

w.N.

weitere Nachweise

wörtI.

wörtlich

z.B.

zum Beispiel

i\b~gsverzeichrris

zit. ZK

zitiert Zentralkomitee

Die übrigen i\b~gen folgen: Kirchner, Hildebert: i\b~gsverzeichrris der Rechtssprache, 4. i\uflage, Berlin, New York 1993

2 Jochum

13

Einleitung Die Demokratie ist gemäß Art. 20 Abs. 1 GG ein Fundamentalprinzip unseres Staates. Es ist das Grundprinzip der Staatsorganisation der Bundesrepublik Deutschland. Dabei ist der Begriff "Demokratie" in seinen theoretischen Grundlagen vielfältig umstritten. So unterscheiden sich westliche Demokratien von sogenannten "Volksdemokratien" oder von der antiken Demokratie. Oftmals sind die verschiedenen Verständnisse von Demokratie völlig unvereinbar. Man könnte also meinen, Demokratie sei ein formaler Begriff, ein Etikett für einen mehr oder weniger beliebigen Inhalt. Die Folgen eines rein formalen Demokratiebegriffes hatten die Mitglieder des Parlamentarischen Rates vor Augen. Nach den Erfahrungen der Weimarer Zeit und seines demokratischen Relativismus entschied man sich für ein materielles Verständnis des Begriffes Demokratie. 1 Ein solches Verständnis bleibt allerdings abstrakt, solange es sich nicht in konkreten Institutionen niederschlägt. Wer einen materiellen Demokratiebegriff vertritt, muß sich die Frage stellen, welche konkreten Folgen dies für ein Staatswesen hat. Er muß die Frage beantworten können, welche konkreten Anforderungen sich für die Ausgestaltung demokratischer Institutionen und ihrer Lenkungsmechanismen ergeben. Diesen Fragen ist in der rechtswissenschaftlichen und politologischen Literatur in unterschiedlicher Intensität nachgegangen worden. Es fallt auf, daß dabei den Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde. 2 Zwar war das Mehrheitsprinzip als ein Verfahren zum Hervorbringen staatlicher Entscheidungen schon mehrfach Gegenstand monographischer Untersuchungen. 3 Doch gehen diese Untersuchungen alle

n

1 Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 18 6 a (S. 621); eingehend zu den Erfahrungen aus der nationalsozialistischen Diktatur und ihren Auswirkungen auf das Grundgesetz Kriele, Staatsphilosophische Lehren aus dem Nationalsozialismus, in: Recht, Vernunft, Wirklichkeit, S. 393 tT. 2 Auf dieses Deflzit wird bereits seit längerem hingewiesen. Vgl. nur die Anmerkung von Htiberle. JZ 1977, S. 241, der eine ungewöhnliche Vernachlässigung der Erscheinungsformen, der Voraussetzungen und der Grenzen des Mehrheitsprinzips in der wissenschaftlichen Forschung beklagt. Vgl. außerdem Weinberger, Abstimmungslogik und Demokratie, in: Reformen des Rechts, FS 200 Jahre Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz, S. 605, (610 f.). 3 Vgl. bereits aus Weimarer Zeit Haymann, Die Mehrheitsentscheidung, in: FG filr RudolfStarnmler, S. 395 tT., in Auseinandersetzung mit Karl Schmitt; Nach dem Krieg war das Problem mehrfach Thema einer Dissertation, vgl. Höpker, Grundlagen, 2·

16

Einleitung

nur von einern von vielen denkbaren Verfahren der Entscheidungsfindung aus. Dagegen existiert bisher - soweit ersichtlich - keine Untersuchung, die sich allgemein der Frage widmet, ob und ggf. welche konkreten Anforderungen das demokratische Prinzip an die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens stellt. Diese Frage zu untersuchen, ist das Ziel der folgenden Arbeit. Es geht

darum festzustellen, welchen Zusammenhang es zwischen den materiellen

Prämissen des demokratischen Prinzips und der Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens in der Demokratie gibt.

Eine solche Zielsetzung ist nicht unproblematisch. Für sich allein ist sie zu abstrakt. Es muß also darum gehen, einen solchen Zusammenhang an konkreten Beispielen anschaulich zu machen. Ein weiteres Problem ist der Umfang. Eine solche Untersuchung wirft notwendigerweise eine große Zahl von Einzelproblernen auf. Wollte man sie vertiefen, liefe man leicht Gefahr, das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren und die Lesbarkeit und Stringenz der Abhandlung aufs Spiel zu setzen. Es war daher unumgänglich, eine Beschränkung des Stoffes vorzunehmen und auf die Erörterung von Detailproblernen weitgehend zu verzichten. Dabei mußte das Risiko in Kauf genommen werden, nicht zu jedem Problem einen umfassenden Überblick zur wissenschaftlichen Diskussion zu geben. Ohne den Verzicht auf Details ist eine solche Untersuchung nicht mehr im Rahmen des Lesbaren zu halten. Will man materielle Anforderungen des demokratischen Prinzips an das Entscheidungsverfahren untersuchen, so ist die erste Frage, ob es ein Entscheidungsverfahren gibt, welches eine besondere demokratische Legitimation besitzt, oder mit anderen Worten, ob ein spezifisch demokratisches Entscheidungsverfahren existiert. Dieser Frage widmet sich der erste Teil der Arbeit. Dabei werden in den ersten beiden Abschnitten die Begriffe Entscheidung und Demokratie näher beleuchtet. Dabei geht es nur darum, eine tragfähige Grundlage für die nachfolgenden Überlegungen zu schaffen, so daß auf umfassende Erörterung der Begriffiichkeit verzichtet wurde. Ausgehend davon wird im dritten Abschnitt die zentrale Frage abgehandelt, ob das Mehrheitsprinzip das Verfahren mit der höchsten demokratischen Legitimationskraft, also das spezifisch demokratische Entscheidungsverfahren ist. Dies wird im Vergleich zu anderen möglichen Verfahren untersucht und im Ergebnis bejaht. An die Frage nach dem demokratischen Entscheidungsverfahren schließt sich die Entwicklung und Problematik des Mehrheitsprinzips und seine Stellung in der Demokratie, Diss. Köln 1957; Majewski, Verbindlichkeit und Grenzen von Mehrheitsentscheidungen in Staat und Völkergemeinschaft, Diss. Marburg 1959; zuletzt Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, Berlin 1983; vgl. auch die Untersuchung von Scheuner, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, Op1aden 1973.

Ein1eitlUlg

17

Frage an, ob und ggf. welche Anforderungen das demokratische Prinzip an die Rahmenbedingungen von Entscheidungsverfahren stellt. Hierbei wird zunächst das Mehrheitsprinzip beispielhaft untersucht, weil es als spezifisch demokratisches Entscheidungsverfahren hierzu am ehesten Aussagen erwarten läßt. Davon ausgehend wird die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Entscheidungsverfahren geprüft. Dabei zeigt sich, daß Bindung an das Recht und ein hinreichender Diskurs Grundbedingung jeder demokratischen Entscheidung sind, unabhängig davon, wer sie in welchem Verfahren trifft. Betraf der zweite Teil gewissermaßen die äußere Seite des Entscheidungsverfahrens, wird im dritten Teil das Entscheidungsverfahren selbst näher untersucht. Es geht um die Kernfrage, welche konkreten Folgen sich aus den Anforderungen des demokratischen Prinzips hinsichtlich der Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens ergeben. Diese Fragestellung beinhaltet zwei Fragenkomplexe. Zum einen geht es darum, wer die Entscheidung trifft. Zum anderen darum, wie sie getroffen wird. Dementsprechend widmet sich der erste Abschnitt der Frage, welche Kriterien das demokratische Prinzip für die Auswahl des entscheidungsberechtigten Personenkreises aufstellt. Im zweiten Abschnitt wird dann der Frage nachgegangen, wie das Entscheidungsverfahren beschaffen sein muß, damit das Produkt, die konkrete Entscheidung hinreichend demokratisch legitimiert ist. Dabei wird zunächst allgemein untersucht, wie zwischen der konkreten Entscheidung und dem Volk ein legitimierender Zusammenhang hergestellt werden kann. Ausgehend von dem Ergebnis dieser allgemeinen Untersuchung, können dann einzelne Entscheidungstypen auf konkrete Anforderungen hin untersucht werden. Dabei war zwischen der Wahlentscheidung und Sachentscheidung als Entscheidungstypen zu unterscheiden, weil sich auf Grund der verschiedenen Fragestellungen auch unterschiedliche Anforderungen ergeben könnten. Für das Wahlverfahren wurde die Wahl einer Gruppe am Beispiel des Parlaments, die Wahl einer Einzelperson am Beispiel der direkten Wahl des Staatsoberhaupts und die Wahl einer Einzelperson in ein Kollegium am Beispiel der Wahl der Bundesverfassungsrichter erörtert. Für die Sachentscheidung wurde die Parlamentsgesetzgebung und die delegierte Gesetzgebung durch die Exekutive als Beispiel gewählt, weil sie die wichtigsten und grundlegendsten Entscheidungen in der Demokratie zum Gegenstand haben. Außerdem war im Bereich der Parlamentsgesetzgebung zwischen verfassungsändernder und sonstiger Gesetzgebung zu unterscheiden. Zum Abschluß wird die Frage beantwortet werden können, ob die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens in der Demokratie materiell durch das demokratische Prinzip selbst bedingt ist. Die Untersuchung erhebt nicht den Anspruch, eine umfassende Demokratietheorie zu liefern. Dies wäre angesichts der ungeheuren Fülle von Problemen ein Lebenswerk. Es geht nur darum, an einigen konkreten Beispielen einen Zusammenhang aufzuzeigen, wie Form und Inhalt auch in der

18

Einleitung

Demokratie voneinander abhängen. Da es nicht um einen umfassenden theoretischen Entwurf geht und die Arbeit auch als Anregung für praktisches Verfassungsrecht dienen will, wurde auch weitgehend vom Grundgesetz ausgegangen. Das Grundgesetz ist eine Variante in der gemeinsamen abendländischen Tradition demokratischer Verfassungen. Eine Rechtsvergleichung hätte die Untersuchung nur mit Details belastet und angesichts der gemeinsamen Grundlagen wenig Erkenntnisgewinn gebracht. So wird auf ausländisches Verfassungsrecht nur dort eingegangen, wo das deutsche Verfassungsrecht keine Entsprechung kennt (etwa bei der Direktwahl des Staatsoberhaupts) oder dort, wo es zur Veranschaulichung und Ergänzung sinnvoll erscheint. Auch wenn diese Arbeit nicht umfassend sein kann und notwendigerweise lückenhaft bleiben muß und sich auf die Erörterung einiger Grundsätze und Beispiele beschränkt, so wird die Studie vielleicht von Nutzen sein, den materiellen Demokratiebegriff weiter zu konkretisieren. Wenn dies gelungen ist, hat sie ihr Ziel erreicht.

1. Te il

Das demokratische Entscheidungsverfahren 1. Abschnitt

Der Begriff der Entscheidung In jeder menschlichen Gemeinschaft entstehen Konflikte, die sich aus der Vielfalt der Interessen, Bestrebungen und Verhaltensweisen der Individuen und Gruppen ergeben. Diese Konflikte suchen nach einer -friedlichen l - Lösung. Die friedliche Lösung wäre dann einfach zu finden, wenn es eine Gewißheit gäbe, welche die richtige wäre. Ebenso optimal wäre es, wenn sich in einem Diskurs immer in zumutbarer Zeit ein Konsens finden würde. Es gibt aber weder Gewißheit über die Welt noch läßt sich in allen Fragen ein Konsens erzielen. Der Konflikt muß also unabhängig von Konsens und Gewißheit für die Parteien verbindlich gelöst werden. Aus diesen Prämissen ergibt sich der Begriff der Entscheidung: Entscheiden bedeutet herstellen von Verbindlichkeit unabhängig von Konsens und Gewißheit. 2 Für die Lösung von Konflikten bietet die menschliche Gesellschaft viele Möglichkeiten der Schlichtung. Konflikte lassen sich meist sogar ohne Mithilfe anderer direkt durch die Konfliktparteien selbst lösen. Gelingt dies nicht, ist eine weitere Möglichkeit die Schlichtung des Konflikts mit Hilfe der Farnilie oder von Freunden etc. Wenn die Möglichkeiten privater Konfliktlösung nicht zum Ziel gelangen, etwa weil der Konflikt zu viele Personen betrifft oder man sich miteinander nicht einigen kann, bedarf es einer Institutionalisierung. Der Konflikt wird zu einem gesellschaftlichen Konflikt, der durch die Gemeinschaft entschieden werden muß, weil sonst der Frieden der Gesellschaft gefahrdet ist. Die Ent1 Diese Prämisse liegt dem modernen Staat zu Grunde, der deshalb die Gewalt bei sich monopolisiert hat. Vgl. hierzu Kriele, Einfilhrung in die Staatslehre, § 9, S. 46 ff.; Isensee, Staat und Verfassung, HbStR I, § 13, Rn. 63, 79. 2 Vgl. die Definition bei Kriele, Recht und praktische Vernunft, § 8, S. 40.

20

1. Teil: Das demokratische Entscheidungsverfahren

scheidung dieser gesellschaftlichen Konflikte ist die Aufgabe des Staates. 3 Die Entscheidung muß in der Lage sein, den Konflikt zu befrieden. Die Konfliktparteien wenden sich an den Staat und seine Entscheidungsinstitutionen. Sie verlangen von der staatlichen Institution eine Entscheidung, die ihren Konflikt beendet. Sie erwarten, daß ihnen Gerechtigkeit widerfährt. Dabei können die Parteien nicht mehr verlangen, als daß der Richter oder ein anderer Entscheidungsträger nach bestem Wissen und Können jedem das Seine gibt. Dabei ist die Unvollkommenheit der Entscheidung unvermeidlich. Die Konfliktparteien müssen mit der Unvollkommenheit der Entscheidung leben. Sie müssen sich mit ihr abfinden. Damit ist der Friede gesichert und es kehrt Ruhe in das Leben der Konfliktparteien zurück. 4 In diesem Sinne ist die Entscheidung gerecht. 5 Die Ungewißheit menschlicher Erkenntnis bedingt weiterhin die materiale Grundmaxime staatlichen Entscheidens: Gerechtigkeit ist nicht absolut gegeben, sondern in einen Prozeß unablässiger, notwendig nie endender Diskussion zu erstreben. 6 Aus der Ungewißheit der menschlichen Erkenntnis über die Welt ergibt sich auch, daß die Lösungen dieser Konflikte einem geschichtlichen Wandel unterliegen. Die Antworten, die heute richtig sind, können morgen wieder falsch sein. 7 Die heute getroffene Entscheidung kann daher prinzipiell durch eine neue, spätere Entscheidung aufgehoben werden. Da gesellschaftliche Konflikte permanent neu entstehen und ständig neue Antworten erfordern, bedarf es eines staatlichen Entscheidungsapparates der diese Antworten findet und verbindlich werden läßt. Wenn es auf die Konflikte, die Fragen der Gesellschaft keine mathematisch herleitbaren Antworten gibt, so ist die Entscheidung als Willensakt zu verstehen. Sie ist dabei der Endpunkt einer Willensbildung, die vielfältige Stationen durchlaufen hat, bevor sie in der konkreten Entscheidung ihren Abschluß fin3 Vgl. zur Integrationsfunktion des Staates Hesse, Verfassung lUld Verfassungsrecht, HVerfR, § 1, Rn. 5; vgl. dazu auch die Ausfllhrungen von Isensee, Staat und Verfassung, in: HbStR I, § 13, Rn. 65. 4 Vgl. TraUer, Überall gültige Prinzipien der Rechtswissenschaft, S. 191 f. Dies gilt nicht nur flir den Streit von zwei Indivduen. Es läßt sich übertragen auf Konflikte von Gruppen, Völkern oder den Konflikt des einzelnen mit der Gemeinschaft. 5 Die Frage nach der Gerechtigkeit ist eine ältesten Fragen der Rechtsphilosophie. Im vorliegenden Zusammenhang darauf im einzelnen einzugehen WÜrde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Vgl. zu den einzelnen Theorien nur See/mann, Rechtsphilosophie, § 7; Für die vorliegendende Fragestellung reicht dieses Verständnis einer Entscheidungsgerechtigkeit aus. 6 Vgl. dazu in Auseinandersetzung mit Karl Schmitt: Haymann, Die Mehrheitsentscheidung, in: FG für Rudolf Stammler, S. 395,(469). 7 Vgl. Dahrendarf, Die Funktionen sozialer Konflikte, in: Gesellschaft und Freiheit, S. 112, (129 f.).

1. Abschnitt: Der Begriff der Entscheidung

21

det. Dabei gibt es keine Willensbildung, die nicht in irgendeinerweise kollektiv abliefe. Auch der absolute Herrscher bedarf zu seiner Willensbildung eines Dialogs, zumindest mit demjenigen, der den Konflikt an ihn zur Entscheidung heranträgt. Die ungeheure Vielfalt denkbarer Träger von Willensbildung zeigt zunächst, daß es keine natürliche oder wesenhaft richtige Methode der Willensbildung und damit der Entscheidungsfindung gibt. Es gibt vielmehr nur verschieden ausgestaltete institutionalisierte Systeme gemeinschaftlicher Willensbildung, die allerdings auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft und gegebenenfalls optimiert werden können. 8 Dabei gibt es allerdings eine begrenzte Anzahl von Grundtypen der Entscheidungsfindung, die ihrerseits in vielfältiger Weise kombiniert werden können: Die Entscheidung kann monokratisch, das heißt von einem einzelnen, kollegial, das heißt durch eine Gruppe, 9 oder zufällig, durch Los, getroffen werden. Kollegiale Entscheidungen können durch eine Elite oder durch die Zustimmung aller oder der Mehrheit aller gefällt werden. Fragt man nun nach der Entscheidungsform im demokratischen Staat, so ist zunächst empirisch festzustellen, daß das Mehrheitsprinzip die Methode der Entscheidungsfindung ist, die meist mit der Demokratie in Verbindung gebracht wird. 10 Es wird im allgemeinen Verständnis als ein Bestandteil der Demokratie angesehen. 11 Daraus läßt aber nicht auf die allgemeine Richtigkeit des Satzes "In der Demokratie entscheidet die Mehrheit 12 " schließen. 13 Das Mehrheitsprinzip ist zunächst nur eine Methode der Entscheidungsfindung in einer Gruppe von Personen. 14 In modernen demokratischen Verfas8 Vgl. Weinberger, Abstimmungslogik und Demokratie, in: Reformen des Rechts, FS 200 Jahre Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz, S. 605,(607). 9 Vgl. zu den Begriffen Kollegialentscheidung, monokratische Entscheidung: Krüger. Herber!, Allgemeine Staatslehre, S. 857. 10 Dies gilt freilich nur filr die klassische Demokratie westlicher Prägung, die hier allein Gegenstand der Untersuchung ist (vgl. unten 2. Abschnitt, B). Dort allerdings wird es durchgehend angewandt. (Vgl. Varain, ZfP 11 (1964), S. 239). 11 Vgl. BVerfGE 1, S. 299,(315); 29, S. 154,(165); Stern, Staatsrecht I, § 18 II 5 c, (S. 611». Die zentrale Bedeutung des Mehrheitsprinzips filr die Demokratie hat teilweise dazu geführt, Demokratie als Herrschaft der Mehrheit zu definieren (MIDIHISHerzog, Art. 20 II Rn. 14; vgl. auch v. Hayek, Verfassung der Freiheit, S. 125 f.; Friedrich, Demokratie als Herrschafts- und Lebensform, S. 57 ff.). 12 Der Satz wird als "demokratisches Axiom" betrachtet; vgl. Leisner, Zur Legitmität politischen Entscheidungshandeins, in: Rande1zhofer/Süß, Konsens und Konflikt, S.287. 13 Scheuner, Der Mehrheitsentscheid im Rahmen der demokratischen Grundordnung, in: FS filr Werner Kägi, S. 30l. 14 Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 18 II 5 c 6 (S. 611); ähnlich Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 13.

22

1. Teil: Das demokratische Entscheidungsverfahren

sungen haben auch einzelne Entscheidungskompetenzen. 15 Auch dort, wo die Entscheidungen Personengruppen anvertraut sind, werden nicht alle durch die Mehrheit getroffen. Ein Beispiel hierfür sind die Minderheitenrechte der parlamentarischen Opposition, etwa das Recht Untersuchungsausschüsse einzusetzen. 16 Als bloßer Entscheidungsmechanismus ist der Mehrheitsgrundsatz auch nicht an die Demokratie gebunden. Auch aristokratische Staatsformen, die die politische Teilhabe auf enge Kreise der Bevölkerung begrenzen, bedienen sich des Mehrheitsprinzips.l? In den ständischen und bündischen Verfassungen des Mittelalters wurde das Mehrheitsprinzip ebenfalls zur Entscheidungsfindung herangezogen. 18 Ein Beispiel hierfür ist die deutsche Königswahl. Der deutsche König wurde von einem Kreis von Fürsten bestimmt, wobei hier zunächst "Einmütigkeit" erforderlich war. Die Einmütigkeit entsprach aber einer verdeckten Mehrheitsregel, weil die unterlegene Gruppe der überlegenen Folge leisten mußte und so die Einmütigkeit hergestellt wurde. Die goldene Bulle von 1356 legte dann eine offene Mehrheitsentscheidung im Kurfürstenkollegium fest (c 11 4). Seit Friedrich III. ist allerdings die deutsche Königwürde praktisch erblich auf das Haus Habsburg übergegangen. Die Wahlen hatten insofern nur deklaratorischen Charakter. 19 Diese Überlegungen zeigen zunächst nur, daß die Frage nach dem demokratischen Entscheidungsverfahren nicht beantwortet werden kann, ohne daß die spezifischen Bedingungen der demokratischen Herrschaft beachtet werden. Vorläufig kann jedoch festgehalten werden, daß das Mehrheitsprinzip angesichts seiner Gebräuchlichkeit das ausschlaggebende Entscheidungsverfahren in der Demokratie ist. Diese Arbeitshypothese ist im Laufe der folgenden Untersuchung zu verifizieren. Es ist dabei festzustellen, ob das Mehrheitsprinzip das spezifisch demokratische Verfahren zur Entscheidungsfindung ist oder ob auch andere der oben aufgeführten Verfahren sich für eine Demokratie eignen. Diese Frage kann nur beantwortet werden, wenn zugleich untersucht wird welche Bedingungen für das Mehrheitsprinzip als demokratisches Verfahren gelten müssen. Weiterhin ist deutlich geworden, daß man die Bedeutung des Mehrheitsprinzips in der Demokratie mit einer nur funktionalen oder formalen Betrachtung nur ungenügend erfassen kann. 15 Als Beispiel hierfUr mag nur der Präsident der Vereinigten Staaten dienen. 16 Vgl. allg. zu den Rechten der parlamentarischen Minderheit: Achterberg, Die parlamentarische Verhandlung, S. 49 fI.

I? Vgl. Scheuner, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 13 f. 18 Vgl. Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 58; es wurde insbes. in der eidgenössischen Tagsatzung angewandt. Von dort beeinflußte es auch die USVerfassung von 1787. Vgl. Scheuner, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 27. 19 Vgl. zum Ganzen Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 52 f.

2. Abschnitt: Der Begriff der Demokratie

23

Die eigentliche Aufgabe einer Untersuchung des Mehrheitsprinzips als Entscheidungsverfahren in der Demokratie ist es, die Voraussetzungen festzulegen, die das demokratische Prinzip für die Mehrheitsentscheidung aufstellt. 20 Nur dann kann das Mehrheitsprinzip in der Demokratie von dem Mehrheitsprinzip in anderen Staatsformen unterschieden werden und die Frage beantwortetet werden, ob das Mehrheitsprinzip das spezifisch demokratische Prinzip der Entscheidungsfindung ist, also das Verfahren ist, welchem die höchste demokratische Legitimationkraft zukommt. Um die Voraussetzungen zu finden, die für das Mehrheitsprinzip in der Demokratie gelten, ist zunächst zu überlegen, was Demokratie bedeutet (2. Abschnitt). Dabei kann es - wie bereits eingangs erwähnt21 - nicht darum gehen eine umfassende Diskussion dieses Begriffes zu liefern. Dieses würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Eine Begriffsbestimmung unter dem Gesichtspunkt der Themenstellung ist für die weitere Untersuchung ausreichend und muß genügen. Ausgehend von dem auf diese Weise gefunden Bedeutungsgehalt des Begriffes kann die Frage beantwortet werden, ob das Mehrheitsprinzip das Verhahren mit der höchsten demokratischen Legitimationskraft ist (3. Abschnitt).

2. Abschnitt

Der Begriff der Demokratie A. Die Unmöglichkeit einer allgemeinen und umfassenden Begriffsbestimmung der Demokratie Sucht man nach einer Bestimmung des Begriffes "Demokratie", so ist festzustellen, daß eine übereinstimmende Definition seines Inhalts nicht gelungen ist. 22 Dies gilt, obwohl die Demokratie im 20. Jahrhundert zum Synonym für eine gute Staatsform wurde. 23 Der Zusammenbruch des sogennanten Ostblocks und die Reorganisation der Staaten nach dem Vorbild westlicher Demokratien zeigt die Attraktivität dieser Staatsform. Die Attraktivität der De20 Vgl. Scheuner, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 8. 21 Vgl. Einleitung. 22 Vgl. zur Vielzahl der begriffstheoretischen Ansätze nur die zahlreichen Nach-

weise bei Stern, Staatsrecht I, § 18 I 2, Fn. 22 (S. 590).

23 So Stern, Staatsrecht I, § 18 I 1, (S. 588) vgl. auch Böckenförde, Mittelbare / repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: FS filr Kurt Eichenberger, S. 301.

24

1. Teil: Das demokratische Entscheidungsverfahren

mokratie als Staatsform zeigt sich schon daran, daß sich fast alle politischen Systeme des 20. Jahrhunderts dieses Begriffs bedienten. 24 Der Begriff Demokratie beschreibt inzwischen ein Staatsideal. 25 Der großen Attraktivität der Demokratie steht die inhaltliche Vieldeutigkeit des Begriffsinhalts gegenüber. Der Begriff "Demokratie" dient als politisches Etikett für viele Systeme, die in ihren Grundsätzen und in ihrer Staats- und Machtorganisation große Unterschiede aufweisen und sich nicht selten sogar widersprechen. In der Wissenschaft steht Demokratie für Vielfalt sich widersprechender und konkurrierender Positionen und Entwürfe. 26 Die weltweit festzustellene Vielgestaltigkeit der konkreten Ausgestaltung demokratischer Herrschaft läßt indes Zweifel aufkommen, ob eine umfassende begriftliche Definition überhaupt gelingen kann. Die Demokratietheorie hat zudem das Problem, daß sie nicht selten zu einer abstrakten und realitätsfemen Begriffsbildung gelangt.27 Es spricht daher vieles dafür, daß eine umfassende Begriffsdefinition nicht möglich ist. 28

B. Hinreichende Kennzeichnung des Demokratiebegriffs durch einzelne Institutionen Mit diesen Feststellungen kann man es in diesem Zusammenhang bewenden lassen. Wenn es eine allgemeine Begriffiichkeit nicht gibt oder geben kann, so gibt es doch bestimmte theoretische oder organisatorische Merkmale, Institutionen, die für die Demokratie kennzeichnend sind. 29 24 Vgl. Kriele, Befreiung und politische Autklärung, S. 43; ders., Die demokratische Weltrevolution, S. 15 f. 25 Vgl. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 17 III, S. 127 f.; Fleiner-Gerster, Allgemeine Staatslehre, § 25, 3, (S. 291 f.).; Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, S. 8; siehe auch Ermacora, Allgemeine Staatslehre, 1. Teilband, S. 96, der die liberale Demokratie als die legitime Staatsform des 20. Jahrhunderts bezeichnet. 26 Vgl. Berber, Das Staatsideal im Wandel der Weltgeschichte, S. 503 f.; vgl. die ausführliche Darlegung bei Hättich, Demokratie als Herrschaftsordnung, S. 11 - 24, m.w.N. in Fn. 8 (S. 12). 27 Vgl. Grosser, Demokratietheorie in der Sackgasse, in: FS ftl.r Hans Scrupin, 107,(119). Eine solche Realitätsferne hat Böckenförde, Mittelbare / repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: FS. ftl.r Kurt Eichenberger, S. 301,(313 f.), fur die unmittelbare Demokratie nachgewiesen. Vgl dazu auch die Ausführungen unten unter IV. 28 Vgl. Stem,Staatsrecht I, § 18 I 2, (S. 590). 29 Vgl. zu einzelnen Merkmalen: Kriele, VVDStRL 29 (1971), 46, (54); Isensee,

Der Staat 20 (1981), 161, (171). Die Vielgestaltigkeit der Begriffiichkeit zeigen auch

2. Abschnitt: Der Begriff der Demokratie

25

Dabei gilt für die Institutionen, zu denen, wie festgestellt wurde, auch das Mehrheitsprinzip gehört, daß sie nicht als formales System verstanden werden können. 3o Wie schon für das Mehrheitsprinzip gezeigt, finden sich viele dieser Institutionen nicht nur in Demokratien. Sie können auch in anderen politischen Systemen festgestellt werden. 3l Sie erhalten ihre spezifische Bedeutung als demokratische Einrichtungen erst, wenn für sie die materiellen Bedingungen des demokratischen Prinzips gelten. Diese materiellen Bedingungen sind trotz der vielen realen und theoretischen Erscheinungsformen im Kern auf wenige Grundprinzipien zurückzuführen, die ihren Urspung in der abendländischen Ideenwelt haben. 32 Für die folgende Untersuchung wird daher von der klassischen Demokratie westlicher Prägung ausgegangen. Die "gelenkten", "autoritären" oder sogenannten "Volksdemokratien" bleiben außer Betracht. Bei diesen Formen handie vielfältigen Bezeichnungen, wie Mehrparteiendemokratie, parlamentarische Demokratie, präsidentielle Demokratie, direkte Demokratie, die an bestimmte Merkmale anknüpfen. Weitere Beispiele zur Phänomenologie der Demokratie bei Stern, Staatsrecht I, § 18 I 3 (S. 591 f); Böckenförde, Mittelbare/ repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: FS. filr Kurt Eichenberger, S. 301,(315). 30 So aber die ältere Staatsrechtslehre; vgl. insbes. Radbruch, Rechtsphilosophie, Gesamtausgabe Bd. II, S. 294 f und Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S.36, der den Relativismus als Grundgedanken der Demokratie bezeichnet. Dem entsprach auch die von der Staatslehre der Weimarer Republik vertretene Auffassung, die Reichsverfassung sei in allen ihren Teilen unbeschränkt änderbar, vgl. Anschütz, Art 76 Anm. 3; Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 76 Anm. 1; Anders das GG (Art. 79 Abs. 3), vgl. MfDIHIS-MaunzlDürig, Art. 79 Rn 29; vgl. auch Stern, Staatsrecht I, § 18 II 6 a, (S. 621 f.); Oberreuter, Verfassungsverständnis und Konsens in einer streitbaren Demokratie, in: ders. (Hrsg.), Freiheitliches Verfassungsdenken und Politische Bildung, S. 9, (15). 3l Ein solches Element ist die zeitliche Begrenzung der Herrschaft in der Demokratie. Demokratie ist Herrschaft auf Zeit. Für alle demokratischen Verfassungen läßt sich allgemein die Feststellung treffen, daß die Inhaber - nicht notwendig aller, aber entscheidender - staatlicher Ämter auf Zeit berufen werden. Das heißt aber nicht, daß dies nur in Demokratien so sein mUßte. Die Charakterisierung Herrschaft auf Zeit kann auch auf Diktaturen zutreffen. Die Diktatur der römischen Verfassung, die dieser Herrschaftsform den Namen gab, war auf ein Jahr begrenzt, also eine Herrschaft auf Zeit. Auch die totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts waren - formal betrachtet zeitlich begrenzt. Damit zeigt sich, daß auch ,,Herrschaft auf Zeit" für sich genommen die Demokratie nicht hinreichend beschreibt. Es zeigt auch, daß nur formale Kriterien nicht genügen. Gleiches gilt für die Formel der Majorität. Sie ist, wie oben festgestellt, auch nicht notwendig an eine Demokratie gebunden. 32 Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 18 I 4 a (S. 592) Betrachtet man die einzelnen Verfassungen, so sind selbst in der klassischen Demokratie westlicher Prägung vielfältige Möglichkeiten konkreter Ausgestaltung gegeben. Dennoch ist Demokratie nicht nur nach Maßgabe der konkreten Verfassung zu bestinunen (so aber der positivistische Ansatz von Doering, Allgemeine Staatslehre, Rn. 340).

26

1. Teil: Das demokratische Entscheidungsverfahren

delt es sich nicht um Demokratien, auch wenn der Name dies suggerieren soll. Grundlage der demokratischen Staatsidee ist ein Menschenbild, das von einern freien, selbstverantwortlichen Individuum ausgeht. Mit diesem Menschenbild sind die Vorstellungen der oben genannten Formen unvereinbar, weil sie den Anspruch erheben, den Menschen vollständig in den Dienst des Staates zu stellen. Staaten mit einern solchen Menschenbild sind keine Demokratien, sondern totalitäre Systeme. 33 Die folgende Untersuchung erhebt nicht den Anspruch, eine vollständige Begriffsbildung der Demokratie zu liefern. Dies würde den Rahmen der Untersuchung sprengen, ohne einen entsprechenden Erkenntnisgewinn zu bringen. Auch sollen nicht alle materiellen Grundprinzipien erörtert werden So sollen insbesondere die gesellschaftlichen und kulturellen Voraussetzungen demokratischer Verfassungen außer Betracht bleiben. 34 Vielmehr wird der Begriff der Volksherrschaft zu Grunde gelegt.35 Ausgehend von diesem Begriff soll versucht werden, eine begriffliche Grundlage der demokratischen Herrschaft zu konstruieren, aus der sich die besonderen Funktionsbedingungen demokratischer Entscheidungsverfahren herleiten lassen.

C. Das Grundprinzip der Demokratie: Legitimation der Herrschaft durch das Volk I. Freiheit und Gleichheit als Grundlage demokratischer Herrschaft Demokratie bedeutet wörtlich übersetzt "Volksherrschaft". In einer Volksherrschaft ist das Volk Träger der Staatsgewalt. Das Volk besteht aus der Gesamtheit aller Staatsangehörigen. 36 Mit diesen einfachen Feststellungen ist aber noch nichts über die Grundlage demokratischer Herrschaft ausgesagt. Die 33 Vgl. zu den Menschenbildern als weltanschauliche Vorentscheidung und damit als Abgrenzung von Demokratie und Totalitarismus: Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 120 f. 34 Vgl. dazu, Bäckenfärde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 59 tT. 35 Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 18 14a. (S. 592). 36 Der Demos in der Demokratie sind die Staatsangehörigen, weil sie sich, anders als die Gebietszugehörigen, den Folgen der politischen Entscheidungen, an denen sie mitwirken, nicht durch einfache AufenthaHsnahrne entziehen können. Vgl. Isensee, Staat und Verfassung, in: HbStR I, § 13, Rn. 113. Vgl. dazu auch die aktuelle Diskussion über die Mehrstaatigkeit , auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Vgl. grundlegend: Ziemske; die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Grundgesetz, Berlin 1995.

2. Abschnitt: Der Begriff der Demokratie

27

Prämisse der Demokratie ist wie bereits ausgeführt, das Bild des Menschen als einem freien und selbstbestimmten Individuum. Der Grundlage demokratischer Herrschaft liegt demnach die Frage nach den Bedingungen zugrunde, die eine Herrschaft von Menschen über Menschen ermöglichen, die sich als frei geboren erkennen und verstehen. 37 Die Demokratie geht dabei davon aus, daß die gesamte staatliche Herrschaftsmacht beim Volk, bei allen liegen soll. Dies ist ohne die weitere Vorstellung undenkbar, daß alle Menschen - zumindest soweit sie zum Staatsvolk gehören - prinzipiell gleich sind. 38 Aus der Prämisse der Freiheit folgt die Gleichheit. Gleichheit und Freiheit sind daher keine Gegensatzpaare39 , sie bedingen vielmehr in dem Sinne, daß es ohne Freiheit keine Gleichheit und ohne Gleichheit keine Freiheit gibt. 40 Nur wenn alle Menschen prinzipiell gleich sind, sind sie auch frei. Den Zusammenhang zwischen Freiheit und Gleichheit stellt das allgemeine Gesetz her. 41 Durch das Gesetz wird die Freiheit aller und damit die Gleichheit aller in der Freiheit hergestellt, indem das Gesetz die Handlungsfreiheit des einzelnen soweit einschränkt, wie es notwendig ist, damit ihr Gebrauch nicht die Freiheit eines anderen verletzen kann. 42 Freiheit ist daher nicht die Freiheit, alles zu tun, nur beschränkt durch seine Kräfte. 43 Freiheit ist vielmehr die Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür. Die so verstandene Freiheit ist das einzige jedem Menschen zustehende Recht. 44

n. Die gleichberechtigte Teilhabe aller an der Staatsgewalt Überträgt man dies auf die Idee der Herrschaft des Volkes, so kann diese Herrschaft nur dann eine Herrschaft aller sein, wenn jeder die gleiche Freiheit und Achtung seiner Würde genießt. Dies ist das vom demokratischen Staat 37 Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, § 12, Rn. 10. 38 Vgl. zu dieser Grundwahrheit nur: MlDIHIS-Herzog, Art. 20 TI, Rn. 6. 39 So aber Leibholz, Strukturwandel der modernen Demokratie, S. 66. 40

Vgl. dazu Kriele, Einführung in die Staatslehre, § 52, S. 206 f.

41 Vgl. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 82.

42 Rousseau, Über die politische Ökonomie, in: Die Krisis der Kultur, Werke ausgew. v. Sakmann, S. 240; vgl. zum Ganzen: Maihofer, prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, § 12, Rn. 13 f. 43 Dies ist bei Rousseau, Contract Social, S. 59 f., die sogenannte natürliche Freiheit der Menschen. 44 Vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, Werkausgabe Bd. VIII (hrsg.v. Weischede1) S.345.

28

1. Teil: Das demokratische Entscheidungsverfahren

vorausgesetzte Grundprinzip.45 Dieses Grundprinzip läßt sich nur dadurch verwirklichen, daß für alle im Grundsatz die gleichen Regeln gelten Damit ist nicht gemeint, daß jedes Gesetz für jeden gilt. Dies bedeutete letztlich Ungleichheit. Demokratische Gleichheit bedeutet das Recht auf Ungleichheit für alle, nicht nur für einige. Die Unterscheidungen müssen jedoch sachlich gerechtfertigt sein, damit die prinzipielle Gleichheit gewahrt bleibt. 46 Herrschaft in der Demokratie bedeutet demnach Unterwerfung aller Menschen unter das allgemeine Gesetz und damit unter das Recht. 47 Soll nun das Volk selbst "herrschen", so muß es Urheber der Gesetze sein, denen es sich unterwirft. 48 Aus der Grundannahme der Gleichheit der Menschen in ihrer Freiheit und in ihrer Unterworfenheit unter das Recht folgt außerdem, daß es einer gleichen Teilhabe aller an der Urheberschaft der allgemeinen Gesetze bedarf. Diese Gleichheit jedes zum Staatsvolk gehörenden Menschen in der Teilhabe am Staat ist die Grundlage des demokratischen Staatswesens. 49

IIL Die Idee der Identität von Herrschenden und Beherrschten

Wenn das Volk gleichzeitig Urheber der Gesetze ist, denen es unterworfen ist, so sind Subjekt und Objekt der Staatsgewalt identisch. 50 Der Herrscher 45 Vgl. BVerfGE 5, S. 85,(205); Kriele, Freiheit und Gleichheit, HVerfR (1. Auflage 1983), S. 129, (132); Der Gedanke geht bis auf die Antike zurück, vgl. Cicero, de re publica, 147 (S. 141); Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 218 f; w.N. bei Schachtschneider, Res publica, res populi, S. 4, Fn. 18. 46 Vgl. Dazu Kriele, Einführung in die Staatslehre, § 52, S. 210. 47 Vgl. Kriele, VVDStRL 29 (1971), S. 46,(49); Isensee, NJW 1977, S. 545,(548); Schachtschneider, Res publica, res populi, S. 129 f, jeweils m.w.N. 48 Vgl. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 5 ff.; Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, § 12, Rn. 18 f 49 Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, HbStR I, § 19, Rn. 83. 50 Aus dem Postulat, daß in der Demokratie Subjekt und Objekt der Staatsgewalt im Grundsatz identisch sind, wird von einigen die Forderung hergeleitet, daß in der Demokratie die Herrschaft von den jeweilig Betroffenen zu legitimieren sei. Vgl.etwa Agnoli/Brilckner, Die Transformation der Demokratie, S. 68 f; Negt, Keine Demokratie ohne Sozialismus, S. 300 ff. (insbes. 308 f); Diese Ansicht übersieht, daß die Demokratie als Staatsform den Staat organisiert, der seinerseits als politische Einheit die Menschheit organisiert und voneinander abgrenzt. Solange die Welt in Staaten organisiert ist, solange bedeutet Volk immer Staatsvolk. Erst die Auflösung der Staaten in einem Weltstaat kann die Saatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal obsolet machen. Vgl. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 27.

2. Absclmitt: Der Begriff der Demokratie

29

tritt nicht aus der allgemeinen Identität des Volkes heraus. Kernsatz der Demokratie ist demnach, daß das Volk zugleich Inhaber und Träger der Staatsgewalt ist. Dies bedeutet, daß andere mögliche Träger von der Herrschaft ausgeschlossen sind. Nicht der König, nicht eine Elite oder Klasse, sondern die Gesamtheit aller Staatsangehörigen, das Volk, ist Träger der Staatsgewalt. Dabei beruht die Macht des Volkes nicht auf einem höheren Prinzip oder einer Ideologie. Der Vorrang einer Idee oder eines Prinzips, der Menschen nur zur Begründung ihre Herrschaftsansprüche über andere Menschen dient, wird zurückgewiesen. 51 Die demokratische Herrschaft wird durch den Willen und Auftrag der Beherrschten begründet, die sich dadurch in Wirklichkeit selbst regieren. 52

IV. Kein wörtliches Verständnis des Identitätsbegriffes: Die Unmöglichkeit der direkten Demokratie Die Regierung des Volkes durch sich selbst ist freilich nur die Idee demokratischer Herrschaft. Eine reale Identität von Beherrschern und Beherrschten ist historisch betrachtet eine Fiktion. 53 Reale Identität bedeutete, daß das Volk bei jeder Entscheidung zugleich Regierender und Regierter, zugleich Befehlshaber und Befehlsempfanger wäre. Alle Entscheidungen müßten von allen getroffen werden. Dies gälte ausnahmslos. Jeder Verwaltungsakt, jede Verwarnung wegen Falschparkens müßte von allen einstimmig beschlossen werden. In einer solchen rein direkten Demokratie wären Herrscher und Beherrschte im tatsächlichen Sinn identisch. Eine derartige wirkliche Identität ist jedenfalls unter den Bedingungen der modernen Massendemokratie nicht realisierbar. 54 Wahre Identität setzte stets das Einverständnis aller in Alles voraus. 55 Einstimmigkeit ist angesichts des Gegeneinanders gesellschaftlicher 51 Hierzu zählt auch das Prinzip der Herrschaft Gottes, welU1 dies im SilU1e einer Herrschaftsausübung im Namen oder durch einen Mittler Gottes verstanden wird. Vgl. ZlUll Ganzen: Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 10. 52 Vgl. Schmitt, Verfassungslehre, S. 235. 53 Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 18 II 4a (S. 604). 54 Die Vorstellung einer Identität, die jeden Unterscheid zwischen Regierenden und Regierten aufhebt, ist jenseits jeden Erfahrungshorizonts. Vgl. Hättich, Probleme des Politik und Demokratieverständnisses, in: Oberreuter, Freiheitliches Verfassungsdenken und Politische Bildung, S. 38, (60). Sie ist niemals auch nur ansatzweise verwirklicht worden, auch welU1 sie immer wieder Gegenstand von philosophischen Vorstellungen war. Insbesondere die marxistische Erwartung der Staat werde absterben gehört hierhin. Vgl. unten Fußnote 59. 55 Dürig, Staatsformen, in: HDSW 9, S. 747. 3 Jochum

30

I. Teil: Das demokratische Entscheid\Ulgsverfahren

Interessen nicht in allen Fragen und wenn überhaupt, dann nur im Sinne einer ganz breiten Mehrheit herstellbar. 56 Die HersteIlbarkeit von Konsens ist daher als ein hinter der Geschichte stehendes ideales Prinzip zu denken. 57 Demzufolge kann das Postulat einer Identität von Beherrschten und Herrschern nicht im tatsächlichen Sinne, sondern nur als ein ideales Prinzip verstanden werden. Bestünde eine solche Identität wirklich, so verlöre der Satz von der Identität von Beherrschern und Beherrschten seinen Sinn. Würden alle mit allem einverstanden sein, bedürfte es keiner Herrschaft58 mehr. Wenn es aber keiner Herrschaft mehr bedarf, gibt es keine Beherrscher und keine Beherrschten. Eine wahre Identität von Beherrschern und Beherrschten ist daher eine anarchistische Utopie. 59 Eine Demokratie, in der alle alles entscheiden und die damit eine tatsächliche Identität verwirklicht, ist irreal. 60 Demokratie kann daher nicht herrschaftsfrei sein. 61

56 Vgl. Hesse, Gf\Uldzüge des Verfass\Ulgsrecht der B\Uldesrepublik Deutschland, Rn. 142.

57 Vgl. Kriele, Recht \Uld praktische Vern\Ulft, § 11, S. 50. 58 Der Begriff "Herrschaft" findet sich auch in dem Wort "Demokratie" (= wörtl. übers. "Herrschaft des Volkes"). 59 Im Üf\Ulde liegt der Fordef\Ulg nach realer Identität die utopische Fordef\Ulg nach Herrschaftsfreiheit zu Gf\Ulde. Dies zeigt sich insbesondere in der marxistischen Erwart\Ulg, daß der Wegfall der Herrschaft von Menschen über Menschen zum Absterben des Staates fllhren werde. Vgl. F. Engels, Zur Entwickl\Ulg des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, in: MarxlEngels Werke Bd. 19, Hrsg. ZK der SED, Berlin 1962, S. 224. Vgl. hierzu kritisch: Kriele, EinfühflUlg in die Staatslehre, § 72, (S.286). 60 Einen Gegenbeweis bilden auch die sozialistischen Staatsentwürfe nicht, auch wenn sie behaupteten, sie könnten die Einheit verwirklichen. Die sog. Volksdemokratien versuchten die Einheit von Herrschern \Uld Beherrschten durch allzuständige Räte herzustellen, die an Aufträge des sie wählenden Volkes geb\Ulden sein sollen. Auch in diesem System wird die Selbstherrschaft des Volkes durch Räte vermittelt, so daß eine unmittelbare Herrschaft nicht gegeben ist. Abgesehen davon zeigt die Praxisso1cher Systeme, daß die Macht bei einigen wenigen oder einem Einzigen konzentriert ist. Die Verfass\Ulgspraxis wies die sog. Volksdemokratien damit als Oligarchien oder Diktaturen aus. Der sog. Volksdemokratie ist die Herstell\Ulg einer echten Identität von Herrschern \Uld Beherrschten nicht einmal ansatzweise gel\Ulgen. (Vgl. dazu Kriele, EinfühflUlg in Staatslehre, §§ 72, 76-78). 61 Vgl. Peters, Geschichtliche Entwickl\Ulg \Uld Gf\Uldfragen der Verfass\Ulg, S. 164; Stern, Staatsrecht I, § 18 II 4 b (S. 605) m.w.N.

2. Abschnitt: Der Begriff der Demokratie

31

V. Die organisatorischen Bedingungen der Identität: Repräsentation und Mehrheitsprinzip

Diese Überlegungen zeigen, daß die Identität der Herrschenden mit den Beherrschten nur das Grundprinzip der Demokratie wiedergeben kann. Soll die Idee Realität werden, muß eine organisatorische Komponente vor sie treten. Demokratie ist als Staatsform nur denkbar, wenn eine wirksame und ständige Organisation für die Ausübung der Herrschaft besteht. Nur dann kann die Freiheit des Einzelnen im und vor dem dernkratischen Staat gesichert werden. 62 Diese organisatorische Komponente ist die Repräsentation und das Mehrheitsprinzip.

1. Der Grundsatz der Repräsentation

Da nicht alle alles entscheiden können, bedarf es bestimmter Organe, die die Gesamtheit vertreten. Da das Volk eine Vielzahl von Individuuen umfasst, ist einfachste Modell ist die Repräsentation des Volkes durch eine kleinere Gruppe. Ihre Mitglieder treten an die Stelle der Gesamtheit und üben stellvertretend für das Volk die Herrschaft aus. 63 Das demokratische Staatswesen bedarf daher der Führung durch einige wenige, herausgehobene Menschen, die als Amtswalter im Namen und im Interesse des Volkes handeln. 64 Diese Notwendigkeit ergibt sich bereits aus den komplizierten Problemstellungen, die eine Professionalisierung der staatlichen Lenkung zwingend erfodern. Obwohl in der repräsentativen Demokratie nur einige wenige die Macht besitzen, verwirklicht sie eher die Anforderungen an eine demokratische Herrschaft, als die direkte Basisdemokratie. Dadurch, daß es die Teilhabe des ganzen Volkes auf wenige Wahlakte begrenzt, läßt sie auch die politisch inaktiveren Schichten der Bevölkerung gleichberechtigt an der Ausübung der Staatsgewalt teilhaben. 62 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 131; B6ckenf6rde, Mittelbare/ repräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: FS. für Kurt Eichenberger, S. 301,(314). 63 Vgl. Kriele, VVDStRL 29 (1971), S. 46,(82); vgl. zur Repräsentation durch das Parlament noch die Ausführungen unten 3. Teil 2. Abschnitt BI 2. 64 Dies ist gemeint, wenn einige Autoren unter Berufung auf Michels, Zur Soziologie des Parteienwesens in der Demokratie, davon sprechen, daß die Demokratie den Gesetzmäßigkeiten der Oligarchie folge. Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 18 n 4 a, (S. 594); Fleiner-Gerster, Allg. Staatslehre, § 25, 12, (S. 293); ; B6ckenf6rde, Demokratische Willensbildung und Repräsentation, HbStR n, § 30, Rn. 11. Damit ist also keineswegs eine Entartung im aristotelischen Sinne angesprochen. Vielmehr ist die Herausbildung von Oligarchieen eine politische Notwendigkeit. 3·

32

1. Teil: Das demokratische Entscheidungsverfahren

Auch eine direkte Demokratie bedarf aktiver Bürger, die eine Initiative in Gang bringen. Diese aktiven Bürger lenken in der Basisdemokraite den politischen Prozeß, indem sie Vorschläge unterbreiten und davon Mehrheiten zu überzeugen suchen. Nur sind diese wenig greifbar und können schlecht oder gar nicht zur Verantwortung gezogen werden. Sie sind eine politische Elite kraft eigenem Anspruch, ohne dem Volk politisch verantwortlich zu sein. Die direkte Demokratie ist daher mehr noch als die repräsentative Demokratie elitär. 65 Denn im Gegensatz zur repräsentativen Demokratie ist hier der Einfluß des Einzelnen von seinem Selbstverständnis abhängig. Auch aus diesem Grund ist eine Demokratie ist nur als repräsentative Demokratie vorstellbar. 66 Diese These läßt sich auch nicht dadurch entkräften, daß einige Staaten Formen direkter Demokratie kennen. Tritt an die Stelle des Volkes eine Versammlung, so besteht nach wie vor die Möglichkeit der direkten Entscheidung des Volkes in bestimmten Fragen. Die direkte Demokratie bildet nur eine Ergänzung des repräsentativen Grundmodells. 67 Auch die Schweiz, deren Verfassungsordnung im Vergleich zu anderen modemen Demokratien der direkten Mitbestimmung des Volkes den größten Raum einräumt, verfügt über repräsentative Organe, wie Parlament (Bundesversammlung) und Regierung (Bundesrat).68 Diesen Repräsentativorganen fällt der überwiegende Teil der Staatsaufgaben zu. Das Referendum macht weder das Ganze, noch das Zentrum, noch das letztlich wesentliche der schweizerischen Form der Demokratie in normativer und politischer Hinsicht aus. 69 Die Schweiz ist eine Variante der repräsentativen Demokratie. 70 Daß neben der repräsentativen Ausgestaltung auch Elemente der direkten Demo65 Vgl. zu der Problematik von Elite und demkratischen Verfassungsstaat Sahner, Sozialer Wandel und Konsens, in: HattenhauerlKaltefleiter, Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, S. 93, (103 0; vgl. auch Bäckenfärde, Demokratie und Repräsentation, in: Staat, Verfassung, Demokratie, S. 379,(385). 66 Auf die Notwendigkeit der Repräsentation weist schon Kant hin: Vgl. Kant, Zum ewigen Frieden, Werkausgabe Bd. XI (hrsg.v. Weischedel), S. 207 (zur Terminologie ist anzumerken, daß Kant den Begriff "republikanisch" im Sinne des heutigen Verständnisses von Demokratie gebraucht). 67 Es kann nur um die Ausgestaltung eines gemischt plebiszitär-repräsentativen Systems gehen: Vgl. hierzu Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, S. 117. 68 Dies gilt nicht nur für die Schweiz als Bundesstaat, sondern auch für die Kantone als Gliedstaaten. Auch wenn diese - wie Appenzell Innerhoden - so klein sind, daß das gesamte Volk auf einem Platz zur Abstimmung zusammenkommen kann, so bedarf es auch dort besonderer Organe, die die laufenden Geschäfte wahrnehmen oder die Abstimmungen vorbereiten: Vgl. Kriele, Einfühnmg in die Staatslehre, § 75 (S. 299). 69 So in einem Diskussionsbeitrag Eichenberger, VVDStRL 29 (1971), S. 86. 70 Vgl. Huber, Die schweizerische Demokratie, in: Rechtstheorie Verfassungsrecht

Völkerrecht, S. 451,(470); w.N. bei Stern, Staatsrecht I, § 22 TI 4, (S. 9580.

2. Abschnitt: Der Begriff der Demokratie

33

kratie existieren, ändert nichts an dieser Charakterisierung. 71 Gerade das Beispiel der Schweiz untermauert die These, daß eine Demokratie nur als repräsentative Demokratie praktisch sein kann. 72

2. Das Mehrheitsprinzip

In einer menschlichen Gemeinschaft entstehen Fragen, die einer Antwort bedürfen. Dies gilt für den kleinen Verein ebenso wie für die politische Gemeinschaft, den Staat. Die Gemeinschaft kann sich die Fragen nicht aussuchen, sie ergeben sich aus der politischen Situation und den Ordnungsproblemen, vor denen die Gemeinschaft steht. Die Demokratie als Organsationsprinzip einer staatlichen Gemeinschaft muß daher - wie jede Staatsform gewährleisten, daß auf diese Fragen eine Antwort gefunden wird und damit die Probleme gelöst werden. 73 Die reale Identität forderte Einstimmigkeit. Eine solche Einstimmigkeit wird allerdings auch in einer Versammlung von wenigen nur selten zu erzielen sein. Die Einstimmigkeit als Entscheidungsprinzip bedeutete daher sehr oft endlose Diskussionen oder aber, wenn keine Einigung zu erzielen ist, eine Entscheidung zugunsten des Status quo. 74 Daher bedarf es eines gesellschaftlichen Mechanismus, der es ermöglicht, in angemessener Zeit verbindliche Entscheidungen hervorzubringen. Da die Demokratie von der Beteiligung 71 Vgl. aber Imboden, Die politischen Systeme, S. 35, der die Verfassilllg der Schweiz als halbdirekte Demokratie bezeichnet, die repräsentativ illld direkt zugleich sei. 72 Allerdings kommt in der Ergänzilllg um plebiszitäre Elemente zum Ausdruck, daß die Repräsentation nur notwendiger Ersatz ist (vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, § 5 I 1 b (S. 79 f.). Repräsentation kann daher als notwendige Abweichilllg vom Ideal verstanden werden. 73 Vgl. Lau/er, Die Demokratische Ordnilllg, S. 98; Gusy, AöR 106 (1981), S. 329 (330); vgl. dazu eingehend illlten 3. Abschnitt B II; ein historisches Beispiel für die Gefahr, die einem Staat drohen kann, wenn Entscheidilllgen nur einstimmig getroffen werden können, ist der Untergang Polens im 18. Jahrhillldert; vgl. Scheuner, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 34. Vgl. auch die Feststellilllg im Zusammenhang mit der Diskussion über die amerikanische Billldesverfassilllg vonHamilton, 75. Federalist-Artikel v. 26. 3. 1788, in: HamiltonlMadisonlJay, Die Federalist-Artikel, hrsg. illld übers. v. Angela illld Willy Paul Adams, S. 453, (457): "Die Geschichte jeder politischen Institution, in der dieses Prinzip galt, ist eine Geschichte von Handlilllgsilllfahigkeit, VerwiITilllg illld Unordnilllg." 74 Die Entscheidilllg zugilllsten des Status quo bedeutete im übrigen eine Entscheidilllg, die im Extremfall von einem allein gegen alle anderen durchgesetzt werden könnte illld damit eine Herrschaft der Minderheit über die Mehrheit. (vgl. zu dieser Problematik illlten 3. Abschnitt B II 7 ).

34

1. Teil: Das demokratische Entscheidungsverfahren

aller an der Staatsgewalt ausgeht, müssen die demokratischen Entscheidungen auf Verfahren und Institutionen beruhen, die eine kollektive Willensbildung ermöglichen 75 Das hierzu gebräuchlichste Verfahren ist das Mehrheitsprinzip.16

VL Die Folge des Identitätsgedankens für den demokratischen Staat: Legitimation aller Staatsgewalt durch das Volk Wenn Mehrheitsprinzip und Repräsentation unabdingbar für eine modeme Demokratie sind, stellt sich die Frage, wie - angesichts solcher organisatorischer Relativierungen - noch von einer Volksherrschaft im Sinne einer Identität von Beherrschern und Beherrschten gesprochen werden kann. Die Überlegungen zur direkten und repräsentativen Demokratie haben gezeigt, daß der Identitätsgedanke nicht als Vorgabe an die staatliche Organisation in dem Sinne zu verstehen ist, daß eine Mitbestimmung aller an allem herzustellen sei. In diesem Sinne ist Identität nicht erreichbar. Um den Gedanken der Identät in seiner praktischen Bedeutung zu erfassen, ist er vielmehr auf seinen ideengeschichtlichen Kern zurückzuführen. Entwickelt wurde die Idee der Identität aus dem Gedanken der Volkssouveränität. 77 Der Gedanke der Volkssouveränität beinhaltet, daß politische Herrschaftsgewalt nicht vorgegeben ist, sondern einer rechtfertigenden Herleitung (Legitimation) bedarf und diese Legitimation nur vom Volk selbst, nicht von einer Instanz außerhalb, beispielsweise einer Ideologie oder einer Idee, ausgehen kann. 78 Seinen Ursprung hat diese Konzeption in den Vertragslehren des Mittelalters Die herrschaftsvertragliche Interpretation des Verhältnisses von Herrscher und Volk wurde in der Zeit des Investiturstreits entwickelt. 79 In den Vertragskonzeptionen vereinigten sich die politischen Grundüberzeugungen der Epoche, daß das Volk Träger der Herrschaftsgewalt ist und daß das Herrschaftsrecht des Fürsten als Produkt einer Rechtsübertragung zu verstehen 7S Vgl. Weinberger, Abstimmungslogik und Demokratie, in: Reformen des Rechts, FS. 200 Jahre Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz, S. 605. 76 Vgl. dazu oben l. Abschnitt.

77 Vgl. grundlegend zur ideengeschichtlichen Entwicklung der Volkssouveränität, Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 16 - 167 zu den mittelalterlichen Wurzeln insbes. S. 16 ff. 78 Vgl. Bäckenfärde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 3. 79 Insbesondere sind hier die Lehren Manegold von Lautenbach zu nennen. Vgl. dazu F. Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, S. 213 ff. und S. 312 ff.

2. Absclmitt: Der Begriff der Demokratie

35

ist. 80 Dieser Gedanke wurde zu der demokratischen Idee weiterentwickelt, daß das Volk selbst die höchste Gewalt besitzen, sich selbst die Gesetze geben und damit sich selbst beherrschen sollte. 81 Das Grundgesetz sagt dies in Art. 20 Abs. 2 Satz 1: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus". Auf dieser Wertsetzung beruht die Legitimität des demokratischen Staates. 82 In diesem Sinne läßt sich auch die Identität von Regierten und Regierenden verstehen. wischen Herrschenden und Beherrschten besteht Identität, wenn der Herrscher alle Macht auf den Beherrschten zurückführen muß. 83 Dies geschieht durch die Bestellung der Amtswalter durch das Volk und durch die regelmäßige Rückkoppelung ihrer Herrschaftsgewalt mit dem Volk. 84 Vor dem Hintergrund dieser regelmäßigen Rückkoppelung gewinnt auch der Satz, Demokratie sei Herrschaft auf Zeit seine Bedeutung. Die Legitimation der Herrschaft bedarf regelmäßiger Erneuerung. Diese Funktion unterscheidet die Begrenztheit der demokratischen Herrschaft von anderen Herrschaftsformen85 Das Volk muß Legitimationsquelle aller Staatsgewalt sein. Das ist umfassend zu verstehen. In der Demokratie ist die Herrschaft nicht nur im Interesse des Volkes auszuüben und regelmäßig durch das Volk zu bestätigen. In ihr geht ausnahmlos alle staatliche Gewalt vom Volke aus. Jede Äußerung staatlicher Gewalt muß über einen Ableitungszusammenhang auf das Volk zurückzuführen sein. 86 Nicht nur die Ausübung, auch die Errichtung und Organisation der staatlichen Herrschaft selbst muß auf eine Entscheidung des Volkes zurückzuführen sein. Das Volk ist Inhaber der verfassunggebenden Gewalt. Hierin findet sich die Idee des Herrschaftsvertrages wieder, wonach das Volk die Regierungsgewalt einem Herrscher überträgt. 87

80 So Kersting, Vertrag, Gesellschaftsvertrag, Herrschaftsvertrag, in: O. Brunner u.a. Hrsg. Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6, S. 910. 81 Vgl. zur Ideengeschichte der demokratischen Legitimation des Staates: Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 17 m, (S. 122 ff.). 82 Scheuner, Die Legitimationsgrundlage des modernen Staates in: ARSP Beiheft 15 (1981), S. 1,(12). 83 Hierbei muß es sich nicht nur um eine theoretisch-konstruktive, sondern eine tatsächlich, konkret nachweisbare Herleitung handeln. MlDIHIS-Herzog, Art. 20, n, Rn. 52. 84 Vgl. Heller, Staatslehre, S. 247 f.

85 Vgl. hierzu Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22,

Rn. 50. 86

Vgl.Isensee, Der Staat 20 (1981),161,(163).

87 Vgl. zum Ganzen: Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I,

§ 22, Rn. 5 f.

36

1. Teil: Das demokratische EntscheidWlgsverfalrren

Die Lehre vom Herrschaftsvertrag setzte sich seit dem 11. Jahrhundert im bendländischen Rechtsdenken durch. Die These, daß der Herrscher seine Gewalt vom Volk übertragen bekommen habe, ist Kern der mittelalterlichen Volkssouveräntätslehre und Ausgangspunkt der modernen Vorstellung von der Legitimation der Staatsgewalt durch das Volk. 88 Das Verständnis des Volkes als einzige Legitimationsquelle staatlicher Herrschaft impliziert zugleich die Freiheit des einzelnen von Fremdbestimmung im Denken und Handeln. Die Konstruktion eines Vertrages bedeutet, daß am Anfang, vor aller politischen oder gesellschaftlichen Einbindung das freie Individuum steht. Es ist gewissermaßen der Urzustand des Menschen. Die freien Indviduuen schließen sich in einem Vertrag zusammen und unterwerfensich als freie einer bestimmten Herrschaft. Ausdruck dieser Freiheit zum Abschluß eines Herrschaftsvertrages ist heute die verfassungsgebende Gewalt des Volkes. Durch die Verfassungsgebung disponieren die Individuen über ihre Freiheit, indem sie Beschränkungen zulassen. 89 Diese Beschränkungen erfolgen in rechtlicher Form und damit durch das Recht. Insofern entspricht diese Konzeption den eingangs festgestellten Grundüberlegungen von der gleichen Freiheit des einzelnen durch das Recht.

3. Abschnitt

Das Mehrheitsprinzip als das Entscheidungsverfahren mit der höchsten demokratischen Legitimationskraft Zu Anfang war bereits aus der empirischen Erkenntnis der universellen Verbreitung des Mehrheitsprinzips als Entscheidungsverfahren in demokratischen Systemen die Arbeitshypothese getroffen worden, daß das Mehrheitsprinzip das spezifische demokratische Entscheidungsverfahren sei und somit die höchste demokratische Legitimationskraft besitze. Zur Verifikation dieser These bedurfte es zunächst einer genaueren Betrachtung des Begriffes Demokratie und der Bedingungen demokratischer Herrschaft. Wenn dabei ein Kernpunkt des demokratischen Gedankens die gleichberechtigte Teilhabe aller am Staat ist, so läßt sich für das Entscheidungsverfahren zunächst feststellen, daß es auf gemeinschaftlicher, kollektiver Willensbildung basieren muß. Der Kollektivwille muß bestimmend und lenkend für das Leben der Gruppe sein. 90 88 Vgl. dazu Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 48 ff. m.w.N. 89 Vgl. Böckenförde, Demokratie als VerfassWlgsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 36.

90 Vgl. Weinberger, AbstimmWlgslogik Wld Demokratie, in: Reformen des Rechts, FS. 200 Jalrre Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz, S. 605.

3. Absclmitt: Das Mehrheitsprinzip als demokratisches Verfahren

37

Ausgehend von diesen Ergebnissen91 kann nun die Frage untersucht werden, ob das Mehrheitsprinzip das spezifisch demokratische Entscheidungsverfahren ist. Dabei wird zunächst die Frage zu klären sein, ob die Mehrheitsentscheidung Legitimationsquelle für staatliches Handeln in der Demokratie ist (A.).

Danach wird die Frage zu untersuchen sein, warum gerade das Mehrheitsprinzip legitimierende Kraft besitzt und ob auch andere Entscheidungsformen eine gleiche demokratische Legitimation beanspruchen können (B.). Können andere Entscheidungsverfahren nicht die gleiche demokratische Legitimität beanspruchen wie das Mehrheitsprinzip, so ist der Beweis geführt, daß das Mehrheitsprinzip das spezifisch demokratische Entscheidungsverfahren ist (C.).

A. Die Legalität des Mehrheitsprinzips Wenn Identität von Regierenden und Regierten Legitimation aller Staatsgewalt durch das Volk bedeutet, so ist zunächst zu untersuchen, welche Konsequenzen dies für die Mehrheitsentscheidung hat.Die Mehrheitsentscheidung ist eine Form der Ausübung von Staatsgewalt in der Demokratie. Dabei besitzt die Mehrheitsregel kein Monopol. Auch einzelne treffen in demokratischen Staaten verbindliche Entscheidungen. 92 Welche Entscheidungen von der Mehrheit getroffen werden und in welchen Verfahren sie zustandekommen, ergibt sich aus den Verfassungsordnungen der einzelnen Staaten. 93 Nach dem jeweiligen Verfassungsrecht bestimmt sich der verfahrensmäßige Ablauf und der mögliche Inhalt der Mehrheitsentscheidung im Staatswesen. Die in Übereinstimmung mit der Verfassungsordnung getroffene Mehrheitsentscheidung ist -formell-94 legal. 95

91 Vgl. oben 1. Absclmitt, C, VI. 92 Vgl. Gusy, AöR 106 (1981), S. 329,(330). 93 VerfassWlgsordnWlg ist hier im weitesten Sinne als Summe der Regeln zu verstehen, die die AusübWlg der Staatsgewalt regeln. (materielles VerfassWlgsrecht, vgl. zum Begriff Stein, Staatsrecht, § I V). 94 Von der verfahrensrechtlichen formellen Legalität ist die materielle Legalität, etwa die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu trennen. Die formelle Legalität sagt daher nicht Wlbedingt etwas über den rechtlichen Bestand der EntscheidWlg aus. 95 Unter Legalität wird hier die ÜbereinstimmWlg einer HandlWlg mit dem Gesetz verstanden. Vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, EinleitWlg, Werkausgabe Bd. VlIl (hrsg. v. Weischedel),S. 318; Würtenberger, Legitimität, Legalität, in: O. BfWlner u.a.

38

1. Teil: Das demokratische Entscheidungsverfahren B. Die Legitimität des Mehrheitsprinzips

I. Legalität der Mehrheitsentscheidung als hinreichende Bedingung für die Legitimität

1. Legitimation durch Verfahren Mit der Feststellung der Legalität könnte man es bewenden lassen, ohne der Frage nach einer weiteren ethischen Rechtfertigung der Ausübung von Staatsgewalt durch die Mehrheit nachzugehen. Die nach den Regeln der Verfassung zustandegekommene Mehrheitsentscheidung wäre legal und damit zugleich legitim. Dies ließe sich damit begründen, daß in einer pluralistischen Gesellschaft die Festlegung von Verfahrensregeln die erforderliche Orientierungssicherheit schaffe. Dadurch sei die Akzeptanz der Mehrheitsentscheidung hinreichend gesichert. 96 Weiter ließe sich anführen, daß die modeme pluralistische Gesellschaft keine für alle verbindlichen, autoritativ vorgegebenen inhaltlichen Kriterien mehr kenne. Es könne daher auch keine ethischen Wahrheiten mehr geben, die staatliches Handeln legimiteren könnten. Für die Legitimation des staatlichen Handelns reiche eine Legitimation durch Verfahren aus. Diese Legitimation beruhte dann darauf, daß die in einem bestimmten rechtlichen Verfahren gefundenden Entscheidungen anerkannt würden. Das Individuum finde sich mit den in einem funktionierenden System gefundenen Entscheidungen ab, weil dies für die Stabilität des Systems notwendig sei. 97 Für die Mehrheit als Legitimationsquelle staatlichen Handelns bedeutete dies, daß es allein auf eine positive Festlegung des Verfahrens ankäme, in dem eine Mehrheitsentscheidung zustandekommt. Einer weiteren Begründung bedürfte das Prinzip nicht. Die Geltung der Mehrheitsregel wäre angesichts ihrer Verbreitung und mangelnder Alternativen mit einem Hinweis auf seine Selbstverständlichkeit hinreichend erklärt. 98 (Hrsg.) Geschichtliche Grundbegriffe Bd. 3, S. 677; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 16 n, (S. 114). 96 Die tatsächliche Akzeptanz der Ausübung von Staatsgewalt bedeutet i~ soziologischen Sinn Legitimation. hn Gegensatz dazu der ethische Legitimationsbegriff, der eine ethische Berechtigung verlangt. Vgl. Quaritsch, Legalität, Legitimität, in: Evangelisches Staatslexikon I, Sp. 1991; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 16 I, (S. 110 f.). 97 Dies wird in der aktuellen deutschen Diskussion vor allem von Luhrnann vertreten, vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 27 ff. 98 Vgl. Mayo, An Introduction to Democratic Theory, S. 182 f.; Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 103; Vgl. auch Varain, ZfP 11 (1964),239,(239).

3. Abschnitt: Das Mehrheitsprinzip als demokratisches Verfahren

39

2. Kritik: Verfahren al/ein keine Legitimationsgrundlage

Diese Begründung des Mehheitsprinzips ist bereits in sich nicht vollständig schlüssig. Es müßte zumindest begründet werden, warum es keine Alternativen zur Mehrheitsentscheidung gibt. Welche Vorzüge hat das Mehrheitsprinzip beispielsweise gegenüber dem Losentscheid, wie er im antiken Griechenland, beispielsweise bei der Bestimmung von Amtsinhabern, praktiziert WUfde. 99 Diese Frage ist ohne Rückgriff auf inhaltliche Kriterien nicht befriedigend zu beantworten. Die Konsequenz dieser Auffassung ist die formale und inhaltliche Beliebigkeit der Ausgestaltung des Mehrheitsprinzips und damit des staatlichen Entscheidungsverfahrens. Die Legalität ist nach dieser Auffassung gleichbedeutend mit Legitimität. IOO Wenn die einzige Legitimtätsbedingung staatlicher Entscheidungsfindung die Normierung des Verfahrens und deren Akzeptanz ist, so ist auch das Mehrheitsprinzip nur ein mögliches unter vielen denkbaren Verfahren. Unter dieser Prämisse wäre die Frage nach einem spezifisch demokratischen Entscheidungsverfahren gar nicht zu stellen. Letzlieh läuft die Legitimation durch Verfahren auf die Auflösung der Normativität in Faktizität lOI hinaus. Es ist zwar richtig, daß legale, das heißt in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustandegekommene Entscheidungen auch legitim sind. Dies allein reicht aber noch nicht aus. Die Tatsache, daß Verfahren zur Legitimität der Staatsgewalt beitragen, kann nicht gleichzeitig hinreichende Begründung eben dieser Tatsache sein. Die Frage, warum dieser Satz richtig ist, wird durch die These von der Legitimation durch Verfahren nicht beantwortet, sondern nur behauptet. 102 Auch wenn die Regelung sozialer Konflikte heute in normierten Verfahren abläuft, kann das Legitimitätsproblem nicht auf Verfahrensfragen reduziert werden. Die rechtlich normierten Verfahren spielen gewiß eine Rolle bei der Legimation der Staatsgewalt. Allerdings gewährleistet das Verfahren allein nicht Akzeptanz. Staatliche Entscheidungen sind nicht selten durch gesellschaftliche Konflikte motiviert oder beeinflußt. Ziel solcher Entscheidungen ist die Befriedung des Konflikts. Frieden kann nur eintreten, wenn den Konfliktparteien eine Antwort auf die Frage gegeben wird, warum die gefundene Lösung vorzuziehen ist. Dies hängt nicht nur davon ab, daß in irgendeinem Verfahren irgendein Ergebnis gefunden wurde. Die inhaltliche Ausgestaltung des Verfahrens selbst ist ein entscheidender Faktor. Die Konfliktparteien akzeptieren die Entscheidung häufig 99 Vgl. zur Auslosung von Amtsinhabern im antiken Athen: Busolt, Griechische Staatskunde, Bd. TI, S. 1071. 100 Vgl. dazu auch oben 1. 101 In der Tat behauptet Luhmann, das Faktische umfasse das Normative (Luhmann, Rechtssoziologie, Bd. 1, S. 43. 102 Vgl. hierzu Kriele, Einführung in die Staatslehre, § 7 (S. 38 f.).

40

I. Teil: Das demokratische Entscheidungsverfahren

nur, wenn zuvor ein faires Verfahren I 03 stattgefunden hat. 104 Die Legitimation der Staatsgewalt bedarf daher auch einer inhaltlichen Komponente. 105

3. Ergebnis: Keine Legitimation ohne materiale Rechtfertigung

Ein Hinweis auf die Seibstverständlichkeit l06 oder Verbreitung des Mehrheitsprinzips reicht für seine Rechtfertigung allein nicht aus. Damit ist allerdings nicht gesagt, daß dies für die Frage nach der Legitimität des Prinzips irrelevant wäre. Die Tatsache, daß das Mehrheitsprinzip in demokratischen Staaten fast unangefochten und universell gilt, zeigt zunächst seinen historischen Erfolg. Das Mehrheitsprinzip hat sich als Methode der demokratischen Entscheidungsfindung in einem geschichtlichen Prozeß durchgesetzt. 107 Dieser Prozeß ist der Schlüssel für die Suche nach den rechtfertigenden Gründen für das Mehrheitsprinzip. Den normativen Gehalt der als legitim geltenden Institution kann man am besten aus der Geschichte des geistigen Kampfes ermitteln, der um ihre Begründung und Durchsetzung geführt worden ist. Außerdem begründet die Durchsetzung eines Prinzips im geschichtlichen Prozeß sowohl eine Vermutung für die Richtigkeit des Prinzips als auch für die Richtigkeit seiner tragen103 Faires Verfahren ist hier im Sinne von fair trail gemeint. Hierunter werden die grundlegenden Verfahrensrechte, wie rechtliches Gehör, BegIilndungspflicht des Urteils, Waffengleichheit, Zugang zu den Gerichten, unabhängige Richter verstanden. Vgl. etwa Art. 6 EuMRK, dazu Peukert, EuGRZ 1980, S. 247 ff.; HojJmann, Verfahrensgerechtigkeit, S. 34 ff. 104 Als Beispiel mag der gerichtliche Prozeß dienen: Die Urteile, die nach einem fairen Prozeß durch unabhängige Richter gefällt werden, haben höhere Autorität als Urteile, die ohne Prozeß durch einen Beamten erlassen werden. Ihre höhere Legitimationskraft zeigt sich unter anderem darin, daß totalitäre Systeme nicht auf den Schein einer unabhängigen Rechtsprechung verzichten wollten oder konnten. So bestimmte beispielsweise Art. 96 Abs. I Satz I der Verfassung der DDR vom 6. 4. 1968: " Die Richter, Schöffen und Mitglieder der gesellschaftlichen Gerichte sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig. " Die Unabhängigkeit der Richter war damit zwar verkündet aber in Wirklichkeit nicht gewährleistet (vgl. nur Brunner, Einftlhrung in das Recht der DDR, § 5 2 d, S. 66). Seine Aufuahme in die Verfassung der DDR kann damit erklärt werden, daß man sich von einer solchen Bekenntnis eine höhere Legitimität des Verfahrens versprach. 105 Vgl. Zippe/ius, Allgemeine Staatslehre, § 1611, (S. 115). 106 Vgl. zu der BgIilndung des Mehrheitsprinzips mit seiner selbstverständlichen Geltung oben Fn. 98. 107 So wird der in den antiken Demokratien noch häufig angewandte Losentscheid in den modernen Demokratien nur noch in Ausnahmefällen verwendet (vgl. dazu: Busolt, Griechische Staatskunde, Bd. I, S. 423).

3. Abschnitt: Das Mehrheitsprinzip als demokratisches Verfahren

41

den Gründe. Ein gültiges Prinzip ist im Sinne einer widerleglichen Vermutung legitim. Wer die Geltung des Prinzip oder seiner Gründe widerlegen will, dem obliegt die Argumentationslast. 108 Für die Suche nach der materiellen Begründung des Mehrheitsprinzips ist hiermit zunächst klargestellt, daß bis zur Widerlegung davon auszugehen ist, daß die Gültigkeit des Mehrheitsprinzips richtig ist. Insofern kann festgestellt werden, daß das Verfahren der Mehrheitsentscheidung staatliches Handeln legitimiert. Diese Legitimationsfunktion ist jedoch nicht nur formal zu verstehen, sondern hat auch eine materielle Komponente. Sie beinhaltet die Frage, warum gerade das Mehrheitsprinzip in der Demokratie Legitimationsquelle ist. Die Beantwortung dieser Frage ermöglicht es, das Mehrheitsprinzip als Prinzip demokratischer Entscheidungsfindung zu rechtfertigen und damit seinen Geltungsanspruch gegenüber anderen Formen der Entscheidungsfindung zu begründen.

II. Mögliche materielle Gründe für die Geltung des Mehrheitsprinzips 1. Die Überlegenheit der Mehrheit Wenn man nach den Gründen sucht,109 warum sich das Mehrheitprinzip im geschichtlichen Prozeß durchgesetzt hat, so ist es zunächst naheliegend, solche in der zahlenmäßigen Überlegenheit der Mehrheit gegenüber der Minderheit zu suchen. Demnach gelte das Mehrheitsprinzip deswegen, weil die Mehrheit immer stärker als die Minderheit ist und sich auf Grund dessen immer durchsetzt. 110 Letztlich beruht nach dieser Aufassung die Geltung des Mehrheitsprinzips auf der Möglichkeit der Mehrheit, sich mit physischen Zwang durchzusetzten. Damit läßt sich aber allenfalls die Wirksamkeit des Prinzips, nicht aber seine Geltung begründen 111. Im Grundes genommen wird nach dieser Auffassung die Mehrheitsregel aus ihrer Faktizität begründet. Dies ist ebenso wie die Kriele, Einfühnmg in die Staatslehre, § 8 (S. 40 f.). 109 Ygl. zu den GIilnden für die Geltung des Mehrheitsprinzips die ausführliche Darstellung bei Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 79 ff., an dessen Ausführungen die folgende Darstellung angelehnt ist. 11OYgl. Locke, Two treaties of Government n, § 96; Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, S. 218, in: Geamtausgabe Werkeband 3 hrsg. v. R. Lauth, H. Jacob, S. 454.; Simmel, Soziologie, S. 143. 111 Ygl. zum Unterscheid zwischen mittels Zwang durchgesetzter Wirksamkeit und Geltung, Kriele, Einführung in die Staatslehre, § 2, (S. 20 f.). 108

42

1. Teil: Das demokratische EntscheidWlgsverfahren

Formel von der Selbstverständlichkeit für eine Begründung nicht hinreichend. 112

2. Mehrheit gleich Gesamtwillen

Insbesondere bei Rousseau findet sich der Gedanke, daß die Mehrheit einen Gesmat willen zum Ausdruck bringt.1 13 Im Anschluß daran wurde die Geltung des Mehrheitsprinzips damit begründet, daß die Mehrheit stets den Gesamtwillen verkörpere.1 14 Diese Auffassung wird heute nicht mehr vertreten und kann als widerlegt angesehen werden. Sie beruht auf einer Fiktion, die ihre Geltung nicht zu begründen vermag. 115

3. Die Mehrheitsentscheidung als ökonomische Optimierung

Einen besonderen Ansatz für das Legitimationsproblem wählt die ökonomische Theorie der Demokratie. 116 Sie geht von der Prämisse aus, daß der einzelne im wesentlichen ökonomisch rational handelt. 117 Daher folgten auch Entscheidungsregeln den Gesetzen ökonomischer Rationalität. Die Mehrheitsregel sei die günstigste dieser Regeln, weil sie die geringsten "cost of social interdependence" (Kosten gesellschaftlicher Abhängigkeit) verursache. 118 112 Vgl. Majewski, Verbindlichkeit Wld Grenzen von Mehrheitsentscheid in Staat Wld Völkergemeinschaft, S. 13; ebenso ablehnend Mayo, An Introduction in Demokratie Theory, S. 180; Schatz, Prinzip, Grenzen Wld Konsequenzen der Majorität, S. 15 f. 113 Rousseau, Contract Social, IV 2. 114 Vgl. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd.

m, S. 324 f.

115 Vgl. Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 81. 116 Vgl. BuchananITullock, the calculus of consent, S. 117 ff.; R. Eschenburg, Der ökonomische Ansatz zu einer Theorie der VerfassWlg, S. 168 ff. 117BuchananITullock, the caIculus of consent, S. 34, die allerdings die Begrenztheit von auf soIchen Atmahrnen beruhenden Modellen zugestehen (S. 39). 118 Nach BuchananITullock setzen sich diese Kosten aus "external costs" (Kosten, die dem Einzelen von Dritten auferlegt werden) Wld "decision making costs" (Kosten, die der EntscheidWlgsprozeß verursacht) zusammen. Die externen Kosten sind bei Einstimmigkeit gleich null, im Falle der monokratischen Diktatur am höchsten. Umgekehrt sind die EntscheidWlgskosten in der monokratischen Diktatur gleich null. Sie steigen an, je mehr Personen an der EntscheidWlg beteiligt sind. Das günstigste Verhältnis dieser beiden Kosten bietet die MehrheitsentscheidWlg. Vgl. BuchananITuliock, the calculus of consent, S. 45 ff. (insbes. FWlktion auf S. 71); vgl. auch die DarstellWlg bei Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 28).

3. Abschnitt: Das Mehrheitsprinzip als demokratisches Verfahren

43

Allerdings bedürfe das Mehrheitsprinzip als Entscheidungsregel vorher einer einstimmigen Einigung in der Form eines Sozialvertrages. 119 Diesem Ansatz ist entgegenzuhalten, daß die Annahme eines völlig rationalen Kalküls bei der Einigung auf eine Entscheidungsregel flktiv ist. Sie setzt praktisch gleiche Ausgangsbedingungen für alle Beteiligten voraus. Darüberhinaus bedürfte es nach diesem Modell mit jedem neuen Individuum eines neuen Vertrages, um die Einstimmigkeit wiederherzustellen. Dies ließe sich nur dadurch umgehen, daß der Vertrag als normative Idee verstanden würde. Wenn aber der Sozialvertrag eine bloße Idee der Vernunft ist, so bedarf es der Figur der einstimmigen Einigung nicht. 120

4. Die Legitimation der Mehrheitsregel durch die Zustimmung aller

Neben dem ökonomischen Ansatz existieren Versuche, das Mehrheitsprinzip ohne eine volkswirtschaftliche Kostenrechnung ausschließlich mit der Zustimmung aller zu begründen. 121 Dieser Ansatz begegnet der gleichen Kritik wie der ökonomische Ansatz, der auch auf eine vorherige Einigung zurückgreift. Er beruht auf einer Fiktion. Die Legitimität einer Verfassung oder eines Herrschaftsverfahrens ist nicht aus einer einstimmigen Ursprungsvereinbarung herleitbar. 122

5. Begründung des Mehrheitsprinzips mit einem Verfassungskonsens

Diesen Schwierigkeiten geht der Ansatz aus dem Weg, der die Geltung des Mehrheitsprinzips aus dem Grundkonsens über die Verfassung herleitet und damit auf eine materielle Rechtfertigung verzichtet. 123 Dieser Vorstellung ist BuchananITullock, the calculus of consent, S. 249 f. 120 Vgl. die Kritik bei Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 227 f.; Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 29. 121 Dieser Gedanke findet sich in verschiedenen Varianten und Ausprägungen. Er reicht von der Annahme eines einstimmigen, fikitven Beschlusses (vgl. Barker, Reflections on Government, S. 65) bis zu einer nicht näher erläuterten Einigung über das Herrschaftsverfahren (vgl. Hättich, Demokratie als Herrschaftsordnung, S. 41, auch S. 128 ff., 130). 122 Vgl. Hofmann, Legitimität und Rechtsgeltung, S. 60 ff., insbes. S. 65 und oben 4. 123 So Scheuner, Der Mehrheitsentscheid im Rahmen der demokratischen Grundordnung, in: FS für Wemer Kägi, S. 301,(312); Sahner, Sozialer Wandel und Konsens, in: HattenhauerlKaltefleiter, Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, S. 93. 119

1. Teil: Das demokratische Entscheidungsverfahren

44

zuzugeben, daß sie von einer zutreffenden Tatsache ausgeht: Das Mehrheitsprinzip gilt selbstverständlich auch deswegen, weil es im Grundkonsens einer Verfassung verankert ist. Die Mehrheitsentscheidung erhält ihre legitimierende Wirkung aus der Verfassung die ihrerseits Legitimitätsgrundlage des gesamten Staates ist. Das heutige Staatsverständnis legitimiert den Staat und seine Organe durch die Verfassung, ohne sie sind sie allenfalls existent aber nicht legitim. 124 Doch damit ist nicht die Frage geklärt, warum es ausgerechnet das Mehrheitsprinzip und nicht die Einstimmigkeit, der Losentscheid oder die Entscheidung einer Einzelpersönlichkeit ist. 125 Der Verfassungskonsens ist letztlich beliebig. Damit wird das Mehrheitsprinzip nicht legitimiert, sondern wieder aus seiner Legalität begründet. Damit wird eine positivistische Erklärung für das Mehrheitsprinzip gegeben, die letztlich nicht weiter trägt als der Verfassungskonsens. Eine solche Erklärung kann aber nicht befriedigen. 126

6. Die Mehrheitsentscheidung als die relativ richtigste oder vernünftigste

Eine der ältesten Rechtfertigungstheorien für das Mehrheitsprinzip geht auf Aristoteles 127 zurück. Demnach besitzt eine Entscheidung, die von der Mehrheit der Beteiligten getragen wird, eine hohe Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit. 128 Dieser Gedanke findet sich in der heute vertretenen Auffassung wieder, daß die Mehrheitsentscheidung die relativ beste Chance der Vernünftigkeit bietet. 129 Voraussetzung hierfür ist allerdings ein dialektischer Diskussionsprozeß.130 Wenn sich die Mehrheit von den Argumenten für eine Entscheidung überzeugen läßt, dann kann davon ausgegangen werden, daß für die Entscheidung die besten Gründe sprechen.

124 Vgl. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, HbStR I, § 19, Rn. 35. 125 Vgl. Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 84. 126 Vgl. oben A. 127

Aristoteles, Politik m, 1281 a - 1282 a.

128 Vgl. nur Pufendorf, Elementorum Jurisprudentiae Libri Duo, I Def. XII § 27;

w.N. bei Schlaich, ZRG (kan.Abt.) 95 (1978), S. 139,( 158).

129 Kriele, VVDStRL 29 (1970), S. 46, (53; insbes. der Disskussionsbeitrag S. 107), ders., Einführung in die Staatslehre, § 68, (S. 268); ders., Recht und praktische Vernunft, S. 142; Krüger, Herbert, Allgemeine Staatslehre, S. 284 f.; Höpker, Grundlagen, Entwicklung und Problematik des Mehrheitsprinzips und seine Stellung in der Demokratie, S. 102; von Amim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S 46 f.; Bridel, FS. Kägi, 45,(49); Laufer, Die Demokratische Ordnung, S. 98. 130 Vgl. Kriele, VVDStRL 29 (1970), S. 46, (53).

3. Abschnitt: Das Mehrheitsprinzip als demokratisches Verfahren

45

Die Richtigkeitsthese läßt sich überdies soziologisch untermauern. Es ist nachweisbar, daß je größer die Zahl der an der Entscheidung gleichberechtigt teilhabenden Personen, desto geringer die Wahrscheinlichkeit für eine unrichtige Entscheidung ist. Es kommt durch die Gruppengröße zu einem Fehlerausgleich. 131 Dennoch ist diese Auffassung nicht unproblematisch und deswegen vielfach auf Kritik gestoßen. 132 Ein Vorwurf ist, daß der Begriff der Richtigkeit zur Vorstellung eines "volonte generale" im Sinne einer Erkennbarkeit der Wahrheit verführe. 133 Auch sei es fragwürdig, ob die eine Stimme Mehrheit bei einer Entscheidung ihr eine größere Vernünftigkeit verleihe. 134 Darüberhinaus wird angeführt, daß die Vermutung der Richtigkeit oder Vernünftigkeit einer Mehrheitsentscheidung im Widerspruch zu den Grundsätzen des demokratischen Pluralismus stünde, weil die Auffassung der Minderheit immer tendenziell unvernünftiger sei. Dadurch werde die Mehrheit veranlasst, die Minderheit daran zu hindern selbst Mehrheit zu werden. 135 Schließlich wird eingewendet, daß politische Entscheidungen häufig nach persönlichen Wertvorstellungen und Überzeugungen getroffen werden, die in ihrer Struktur selten der praktischen Vernunft entsprechen. 136 Diese Kritik beruht zu einem erheblichen Teil auf Mißverständnissen. Zunächst wird nicht behauptet, daß eine Mehrheitsentscheidung immer objektiv richtig sei. 137 Ferner liegt der Vermutung der Richtigkeit keine Vorstellung von dem Gemeinwohl als feststehende Größe zu Grunde. Das Gemeinwohl ist 13 1 Der soziologische Effekt des Fehlerausgleichs kraft Gruppengröße ist nachgewiesen worden von Hofstätter, Gruppend}1lamik, S. 36 ff.; fUr Krüger. Herbert, Allgemeine Staatslehre, S. 284, hängt von diesem Beweis die praktische und theoretische Haltbarkeit des Mehrheitsprinzps als Methode der Entscheidungsfindung ab. 132 So etwa, Grimm, JuS 1980, S. 704,(708); vgl. auch die umfassende Kritik von Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 85 ff. m.w.N. 133 Vgl. Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 85. 134 Fach,ARSP61 (1975), S. 201,(216). 135 So Gusy, AöR 106 (1981), S. 329, (341). 136

Vgl. Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, S. 83 ff.

137 Die Vorstellung einer alleinigen und ausschließlichen Wahrheit in der Politik

ist Merkmal der totalitären Regimes. Hättich, Demokratie als Herrschaftsform, S. 130; Talmon, UrspIilnge der totalitären Demokratie, S. 1 f.; vgl. auch die Analyse des so\\jetischen Totalitarismus von Stemberger, Grund und Abgrund der Macht, 147 f. und S. 149 ff.; außerdem S. 276 ff. (insbes. S. 297). Die Rousseau'sche Vorstellung von der "volonte generale" als klar erkennbaren allgemeinen Wohl (vgl. Rousseau, Contract Social II, 3) hat nichts mit der Vermutung von der Richtigkeit einer Mehrheitsentscheidung zu tun. Kriele, VVDStRL 29 (1971), S. 46, (107) spricht von der relativ besten Chance der Vernünftigkeit der Entscheidung. So verstanden impliziert die Vermutung der Richtigkeit der Entscheidung eben nicht die Vorstellung eines objektiv erkennbaren allgemeinen Wohls. 4 lochum

46

1. Teil: Das demokratische EntscheidlUlgsverfaluen

nicht vorgegeben, sondern aufgegeben. 138 Es ergibt sich in der Auseinandersetzung verschiedener Ansichten,139 die ihrerseits durchaus unvernünftig sein können. Vernunft ist ihrem Wesen nach dialektisch und auf ständige Korrektur angewiesen. 140 Weil niemand alle Antworten weiß, kann jede Antwort nur zum Teil und zum jeweiligen Zeitpunkt richtig sein. 141 Die Vernünftigkeit der Entscheidung ist nicht als absolute Größe zu verstehen, sondern unterliegt dem geschichtlichen Wandel. 142 Daher ist auch eine abändernde Mehrheitsentscheidung nicht unvernünftiger als die vorherige. Die Legitimation der Mehrheitsentscheidung beruht gerade darauf, daß sie unter Zeitdruck und bei unvollständigen Informationen vernünftige Entscheidungen ermöglicht. Irreversible Mehrheitsentscheidungen wären unvernünftig. 143 Die Änderbarkeit stellt vielmehr eine Verbesserung der Chance der Vernünftigkeit dar. 144 Dies gilt freilich nur, wenn bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind. 145 Hierzu gehört insbesondere die Offenheit des Meinungsbildungsprozesses. 146 Doch widerlegen diese Einschränkungen die Begründung nicht, wenn es - wie hier - um die Mehrheitsentscheidung in der Demokratie geht. Außerdem übersieht die Kritik, daß der Mehrheitsentscheidung nur die relativ beste Chance der Verwirklichung praktischer Vernunft eingeräumt wird. Die Aussage, die damit getroffen wird, ist nicht, daß die Mehrheitsentscheidung vernünftig ist. 147 Diese These kann nur im Hinblick auf die Alternativen gesehen wer138 Isensee, Staat lUld VerfasslUlg, in: HbStR I, § 13, Rn. 106. 139 Vgl. Fraenkel, Deutschland lUld die westlichen Demokratien, S. 197 ff.(insbes. S. 200); vgl. auch Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 60, der es als Aufgabe der Staatsfunktionen betrachtet, die Vielzahl öffentlicher Interessen in praktische Konkordanz zu bringen. 140 Vgl. Kriele, Freiheit lUld Gleichheit, HVerfR (1. Auflage 1983), S. 129, (131). 141 So Dahrendorf, Die Funktionen sozialer Konflikte, in: Gesellschaft lUld Freiheit, S. 112,(129). 142 Begreift man die EntscheidlUlgen als konkrete Gemeinwohlinhalte, so lUlterliegen auch sie dem geschichtlichen Wandel. Vgl. Hättich, Demokratie als HerrschaftsordnlUlg, S. 106. 143 Habennas, Merkur 1984 (423), S. 15,(27). 144 Vgl. insofern den anschaulichen Vergleich mit den Gerichtsinstanzen bei Kriele, Einfilhrung in die Staatslehre, § 68, (S. 269). 145 Siehe zu den weiteren BedinglUlgen im einzelnen lUlten 2. Teil. 146 Dies wird auch von Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 86 so gesehen. Er ordnet dies allerdings dem Umfeld der MehrheitsentscheidlUlg zu. Was Umfeld lUld was Mehrheitsprinzip ist, sagt er freilich nicht. Vielmehr zieht er selbst Kennzeichen des Umfelds heran, indem er das Mehrheitsprinzip im Zusammenhang mit Gleichheit lUld Freiheit sieht (S. 100 ff.). 147 Es besteht nur eine gewisse Waluscheinlichkeit: vgl. Lau/er, Die Demokratische OrdnlUlg, S. 98 f.

3. Abschnitt: Das Mehrheitsprinzip als demokratisches Verfahren

47

den. 148 Wenn die Mehrheit unvernünftig ist, ist dann etwa eine Elite oder eine herausragende Einzelperson vernünftiger? Wenn subjektive Einschätzungen die Entscheidung von Individuen prägen, ist die Chance, daß eine Einzelperson oder einige wenige unvernünftig entscheiden, jedenfalls höher, als wenn diese durch den Zwang sich eine Mehrheit zu suchen, zu einer rationalen Begründung ihrer Auffassung gezwungen werden. Ausgehend davon ist die folgende These von der relativ besten Chance der Vernünftigkeit der Mehrheitsentscheidung vorzugsWÜTdig: Das Mehrheitsprinzip bietet die relativ bessere Chance vernünftiger Entscheidungen als die Entscheidung einer Einzelperson oder einer selbsternannten Elite.

7. Die Rechtfertigung des Mehrheitsprinzips in der Demokratie: relativ größte Chance von Vernünftigkeit, Teilhabe und Befriedung

Wie festgestellt wurde, ist die relativ beste Chance der Vernünftigkeit der Entscheidung ein Aspekt, der die Geltung des Mehrheitsprinzips in der Demokratie materiell zu begründen vermag. Dies gilt aber nur in Abgrenzung zu anderen Alternativen der Entscheidungsfindung und zwar der Entscheidung durch eine Einzelperson oder eine kleine Elite. Eine umfassende Rechtfertigung des Mehrheitsprinzips bedarf jedoch weiterer Gründe. Wenn die Vernunft ihrem Wesen nach dialektisch ist und auf die ständige Korrektur durch Erfahrung und Erfahrungsaustausch angewiesen ist, so hängt die Vernünftigkeit des Entscheidungsprozesses davon ab, daß jeder die gleiche Freiheit zu politischer Mitwirkung hat. 149 Diese gleichberechtigte und freie Teilhabe aller an der staatlichen Willensbildung sichert nicht nur die Vernünftigkeit der Entscheidung, sie bildet zugleich eine Grundlage der Demokratie. Wenn dementsprechend die politische Willensbildung ihre Grundlage in der größtmöglichen Mitbestimmung aller haben soll,150 so muß auch das Herrschaftsverfahren diesen Anforderungen möglichst optimal entsprechen. Das Optimum an demokratischer Teilhabe ist in dem Moment erreicht, in dem sich alle einig sind. Das Ideal demokratischer Entscheidungsfindung wäre damit das Einstimmigkeitsprinzip. Die Geltung eines Einstimmigkeitsprinzips ließe sich auch mit dem Vernünftigkeitsprinzip rechtfertigen: Wenn nicht nur der Zwang besteht, eine Mehrheit zu überzeugen, sondern alle, dann bestünde für diese Entscheidung sogar eine noch stärkere Chance 148 Auf die Alternativlosigkeit dieses Verfahrens im Vergleich mit anderen Varianten der Entscheidungsfindung weisen hin: Kriele, Einfilhrung in die Staatslehre, § 68, (S. 269); Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 17 III (S. 127). 149 Vgl. Kriele, Freiheit und Gleichheit, HVerfR (1. Auflage 1983), S. 129, (131). 150 Vgl. oben 1. Abschnitt und Zippelius, Rechtsphilosophie, § 21 I 1 (S. 146).

48

l. Teil: Das demokratische Entscheidungsverfahren

der Vernünftigkeit. Unter diesem Gesichtspunkt wäre das Einstimmigkeitsprinzip dem Mehrheitsprinzip vorzuziehen. Diese Betrachtung erweist sich jedoch bei genaueren Hinsehen als vordergründig. Die Forderung nach Einstimmigkeit bedeutete, daß in den Fällen, in denen keine Einigkeit erzielt werden kann, eine Entscheidung zugunsten des Status quo getroffen würde. Im Extremfall könnte ein einziger die Entscheidung in diesem Sinne herstellen. Dies bedeutete letziich die Herrschaft der Minderheit über die Mehrheit. 151 Die Herrschaft einer Minderheit über die Mehrheit wird allerdings kaum die für die Verbindlichkeit der Entscheidung erforderliche Akzeptanz bewirken können. Sie steht im Widerspruch zur gleichen Teilhabe aller an der Macht, weil sie einige wenige privilegiert. 152 Daher kann auf der Grundlage einer gleichberechtigten Teilhabe aller an der Herrschaft die Einstimmigkeit nur Ergebnisideal, nicht Entscheidungsprinzip sein. Die gleichberechtige Teilhabe aller an der Herrschaft fordert hingegen das Mehrheitsprinzip als Entscheidungsmechanismus. 153 Wenn es Einstimmigkeit nicht geben kann, so ist die Entscheidung der Mehrheit die größtmögliche Annäherung an die Idee der Freiheit 154 und an das Ideal des Konsenses, weil sie die größtmögliche Übereinstimmung der individuellen Auffassungen mit dem Gesamtwillen bedeutet. 155 Das Mehrheitsprinzip sichert im Vergleich zum Konsensprinzip beides, Teilhabe und Entscheidungsfähigkeit. Eine weitere Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen, ist das Losverfahren. Dies wurde teilweise als das Verfahren angesehen, welches die Gleichheit 151 Die Forderung nach Einstimmigkeit kann sich auch darin äußern, daß man bestimmte Probleme für nach dem Mehrheitsprinzip unentscheidbar hält. Vgl. dazu Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 57. Vgl. zur Problematik allgemein: Madison, 58. Federalist-Artikel v. 20.2. 1788, in: HamiltonlMadisonlJay, Die Federalist-Artikel, hrsg. und übers. v. Angela und Willy Paul Adams, S. 352, (357). 152 So Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 57.

153 Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 18 n 5 c, (S. 610 f.). Hier zeigt sich auch, daß das Vernünftigkeitsargument allein nicht hinreichend ist. Zwar ließe sich auch wieder mit der relativ besten Chance vernünftiger Entscheidungen argumentieren: Das Mehrheitsprinzip böte Gewähr, vor der Verweigerungshaltung eines Unvernünftigen geschützt zu sein. Doch scheitert die Argumentation daran, daß die Verweigerungshaltung eines einzelnen genauso vernünftig sein könnte. Die Mehrheit könnte kollektiv unvernünftig handeln , etwa wenn sie durch einen Demagogen augehetzt und emtonionalisiert ist. Es ließe sich anfUhren, daß die Rationalität der Argumente der Mehrheit eben nicht überzeugten und daher nicht die Gewähr für größtmögliche Vernünftigkeit böten. 154 Kriele, Befreiung und politische Aufklärung, S. 65. 155 Vgl. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 9 f.; Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, S.224.

3. Abschnitt: Das Mehrheitsprinzip als demokratisches Verfahren

49

am besten sichert. 156 Dies ist eine Verdrehung: Das Losverfahren sichert nicht die Gleichheit, sondern es setzt sie voraus. Nur bei absoluter Gleichheit der Alternativen und Entscheidungszwang macht das Losverfahren Sinn. 157 Bei nicht gleichwertigen Alternativen hilft der Gesichtspunkt der größten Chance der Vernünftigkeit der Entscheidung nicht unbedingt weiter, denn das Losverfahren berücksichtigt den Inhalt der Entscheidung nicht. Entscheidend ist auch hier wieder der Gesichtspunkt der Teilhabe. Die Losentscheidung fällt durch Zufall, es bedarf nicht einmal einer vorherigen Diskussion. An der Entscheidung selbst hat niemand teil. 158 Dies ist mit den Anforderungen an eine demokratische Willensbildung nicht zu vereinbaren, so daß auch im Vergleich zum Losverfahren die Mehrheitsentscheidung die größte Chance der Teilhabe aller bietet. 159 Das Mehrheitsprinzip bietet auch gegenüber den Entscheidungen durch eine Einzelperson oder eine Elite die größtmögliche Chance der Teilhabe aller. Es ist daher als weitere materielle Rechtfertigung der Geltung des Mehrheitsprinzips in der Demokratie anzuführen, daß das Mehrheitsprinzip das Entscheidungsverfahren ist, welches die größte Chance für eine Teilhabe des einzelnen an der Staatswillensbildung bietet und damit die größtmögliche Annäherung an das demokratische Ideal von der Selbstbestimmung des einzelnen und seiner gleichberechtigten Teilhabe an den staatlichen Entscheidungen bedeutet l60 . Zu diesen Erwägungen kommt noch eine weitere Begründung hinzu. Wenn das Mehrheitsprinzip die größte Chance der Teilhabe bietet, so sichert diese Entscheidungsregel der größtmöglichen Zahl von Menschen das Gefühl, nur 156 Schmitt, VerfassWlgslehre, S. 257. 157 Das Losverfahren wird denn auch angewandt, wenn es wegen Stimmengleich-

heit zu keiner mehrheitlichen WahlentscheidWlg kommt. Vgl. etwa das Verfahren bei der Wahl des finnischen Staatspräsidenten (§ 23 Abs.3 finn.Verf.). 158 Hierin liegt auch die allgemein empfWldene Gerechtigkeit des Losentscheides, der regelmäßig angewendet wird, wenn keine Seite ihren Willen durchsetzen soll. Der Losentscheid bedeutet dann, daß die EntscheidWlg Wlabhängig von bei den AufTassWlgen fällt Wld damit niemand an der EntscheidWlg maßgeblichen Einfluß hat. 159 Das bedeutet nicht, daß das Losverfahren in der Demokratie nicht angewendet wird oder angewendet werden dürfte. Ein häufiger AnwendWlgsfall ist die Stimmengleichheit. Dies steht aber nicht im Widerspruch zum Gebot der größtmöglichen Teilhabe, weil in dem Fall der Stimmengleichheit feststeht, daß die Alternativen gleichwertig sind Wld damit die EntscheidWlg dem Zufall überlassen bleiben kann. 160 Die MehrheitsentscheidWlg ist die größtmögliche Annäherung an Freiheit Wld Gleichheit. Vgl. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation Wld der Gestaltwandel der Demokratie, S. 224; Kriele, BefreiWlg Wld politische Aufklärung, S. 65; Kelsen, Vom Wesen Wld Wert der Demokratie S. 9 f.; Badura, Die Parlamentarische Demokratie, HbStR I, § 23, Rn. 31.

50

1. Teil: Das demokratische Entscheidungsverfahren

ihrem eigenen Willen unterworfen zu sein. 161 Das heißt, daß die Mehrheitsentscheidung die größte Annäherung an den Konsens ist. Dies wiederum bedingt, daß die Mehrheitsentscheidung die größtmögliche Chance der Akzeptanz aller und damit einer Befriedung des der Entscheidung zugrundeliegenden Konflikts 162 bringt. Die Alternative zum Mehrheitsprinzip, das Wahrheitsbewußtsein kraft elitärer Anmaßung, setzt an die Stelle der "dummen" Mehrheit, die "bessere" Elite. Dies überwindet zwar das Mehrheitsprinzip, aber auch den inneren Frieden. Da es keine Instanz außer der Elite selbst gibt, die bestimmt, wer der Beste ist, bestehen notwendigerweise immer mehrere Eliten, von denen sich dann diejenige durchsetzt, die zur Durchsetzung der "Wahrheit" gewaltbereiter ist. 163 Damit ergibt sich aus der Sicherung größtmöglicher Teilhabe auch die größtmögliche Sicherung des inneren Friedens. Das Mehrheitsprinzip findet eine weitere Rechtfertigung in der größtmöglichen Chance für die Befriedung gesellschaftlicher Konflikte und somit der Sicherung des inneren Friedens. Das Mehrheitsprinzip empfängt seine Legitimation damit aus dem Zweck des modernen Staates, den Frieden zu sichern. 164

IIT. Ergebnis zu B Zusammenfassend ist festzustellen, daß das Mehrheitsprinzip seine Legitimation daraus bezieht, daß es die relativ größte Chance vernünftiger Entscheidungen, die größtmögliche Teilhabe aller an der Entscheidung und schließlich die größte Chance zur Befriedung gewährleistet. Im Vergleich zu allen anderen denkbaren Entscheidungsverfahren ist es die beste Annäherung an das Ideal des Konsenses. Demnach kann als Legitimationsprinzip für die Entscheidungsverfahren in der freiheitlichen Demokratie gelten: Soviel Konsens wie möglich, soviel Mehrheit wie nötig. 165 Das Mehrheitsprinzip schließt 161 Auf diesen Zusammenhang weist Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 9, hin, um die Legitimationswirkung des Mehrheitsprinzips zu begründen. Vgl. auch den Diskussionsbeitrag von Leibholz, VVDStRL 29 (1971), S. 104. 162 Vgl. zur Mehrheitsentscheidung als Antwort auf gesellschaftliche Konflikte oben 1. Abschnitt C m 2; vgl. zur fundamentalen Bedeutung des inneren Friedens filr eine staatliche Gemeinschaft, Kriele, Einfilhrung in die Staatslehre § 9 (S. 46 f.). 163 Kriele, Einfilhrung in die Staatslehre, § 68 (S. 269). 164 Vgl. zur Legitimation des Staates als Schutz und Friedensordnung, Kriele, Einfüluung in die Staatslehre, § 16, (S. 68 fT.); Zippe/ius, Allgemeine Staatslehre, § 21 II, (S. 119 tT.); Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 110 f. 165 Vgl. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in HVerfR, § 12,

Rn. 76.

3. Abschnitt: Das Mehrheitsprinzip als demokratisches Verfahren

51

damit einen Konsens nicht aus. Es fordert ihn nur nicht zwingend, sondern läßt im Falle nicht erzielbarer Einigung die größte Zahl genügen. So läßt sich die These begründen, daß das Mehrheitsprinzip das spezifisch demokratische Entscheidungsverfahren ist. 166

C. Die Legitimationskraft anderer Entscheidungsverfahren Die Begründung der These vom Mehrheitsprinzip als spezifisch demokratisches Entscheidungsverfahren ist jedoch noch nicht vollständig. In der Demokratie werden nicht alle Entscheidungen von der Mehrheit getroffen. Viele der Entscheidungskompetenzen stehen auch einzelnen Entscheidungsträgern zu. 167 Angesichts dieser Tatsachen stellt sich die Frage, ob überhaupt legitim ist, von einem spezifisch demokratischen Entscheidungsmodus zu sprechen, ohne Gefahr zu laufen, ein abstraktes Ideal vorzustellen. Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob anderen Entscheidungsprinzipien eine der Mehrheitsentscheidung vergleichbare demokratische Legitimationswirkung zukommt. Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu untersuchen, in welchen Bereichen aus welchen Gründen andere Entscheidungsverfahren verwendet werden. Dabei muß es Angesichts der Vielfalt der verfassungsrechtlichen Gestaltungen genügen, diese Frage in einem sehr groben Raster zu klären. Dies reicht auch aus, weil es für die Fragestellung nur auf die typische Struktur ankommt.

L Bereiche, in denen nicht nach dem Mehrheitsprinzip entschieden wird Außer dem Mehrheitsprinzip sind in demokratischen Verfassungen vor allem monokratische Entscheidungsstrukturen zu finden. Einstimmigkeit als Entscheidungsprinzip und Losentscheid kommen dagegen - wenn überhaupt 166 Vgl. auch Badura, Die parlamentarische Demokratie, HbStR I, § 23, Rn. 31, der in dem Mehrheitsprinzip die unmittelbarste Konsequenz der demokratischen Gleichheit aller sieht. 167 Die Beispiele sind vielfältig. Vgl. nur die "Reservefunktionen" des Bundespräsidenten, wie die Bundestagsauflösung gemäß Art. 68 Abs.l S. 2 00 oder das Recht des Bundeskanzlers, die Bundesminister auszuwählen (Art 64 Abs 1 00) [vgl. dazu JarasslPieroth, 00, Art. 64, Rn. 2]. Ein anderes Beispiel ist Art. 16 der V. französischen Republik, wonach der Staatspräsident im Staatsnotstand jede ihm angemessen erscheinende Maßnahme treffen kann. Htiberle, JZ 1977,241,(243) hält dementsprechnend auch andere Entscheidungsmodi, wie Konsens und Proporz flir zulässig.

52

1. Teil: Das demokratische EntscheidWlgsverfahren

nur in Ausnahmefällen vor. 168 Angesichts der geringen Bedeutung der heiden letztgenannten Verfahren, erscheint es gerechtfertigt, die Fragestellung auf die monokratische Entscheidung zu beschränken. Um die Frage nach der Übertragbarkeit der Voraussetzungen demokratisch legitimer Mehrheitsentscheidungen zu beantworten, ist vorab zu klären, welche Aufgaben aus welchen Gründen in der Demokratie Einzelpersonen anvertraut sind.

J. 1m Bereich der Gesetzgebung

Im Bereich der Gesetzgebung ist eine orginäre 169 Entscheidungsgewalt einzelner Entscheidungsträger praktisch nicht zu finden. Die Gesetzgebung ist in der klassischen Demokratie Sache des Parlaments. 170 Einzelen kommen im wesentlichen nur Initiativ- oder Kontrollrechte zu. In der Bundesrepublik ist beispielsweise das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten nach Art. 82 Abs. I bedeutsam. 171 In den USA steht dem Präsidenten ein Vetorecht gegen Gesetze zu, welches vom Kongreß überstimmt werden kann. 172 Das weitgehende Fehlen von Entscheidungskompetenzen einzelner im Bereich der Gesetzgebung liegt darin begründet, daß das Volk, als geistiges Ganzes Urheber der Gesetze,173 traditionell durch ein Parlament vertreten wird. Eine Ausnahme bildet allerdings die Verfassung der V. französischen Republik, die ein eigenes originäres Gesetzgebungsrecht der Regierung kennt, welches durch den Premierminister ausgeübt wird. 174 Damit gibt es in Frank168 Ein Losentscheid findet sich öfters bei Stimmengleichheit zwischen zwei verschiedenen Kandidaten, so etwa bei der Wahl des finnischen Staatspräsidenten, wenn im letzten Wahlgang Stimmengleichheit herrscht. Vgl. § 23 Abs.3 finn.Verf. 169 Etwas anderes gilt für die abgeleitete GesetzgebWlgsgewalt auf GrWld von ErmächtigWlgen. Hier können durchaus einzelne RegiefWlgsmitglieder VerordnWlgen erlassen. Vgl. Art. 80 GG; vgl. für die Rechtslage in den USA, Brugger, Einfllhrung in das öffentliche Recht der USA, § 7 m 1 (S. 65 f.), § 19 II (S. 174 ff.); für Großbritannien, Loewenstein, Staatsrecht Wld Staatspraxis von Großbritannien, S. 416.; auch in Frankreich ist eine Delegation auf die RegiefWlg zulässig. Vgl. Sonnenberger/Schweinberger, Einflihrung in das französische Recht, Nr. 17, (S. 23). 170 Vgl. nur Krüger. Herbert, Allgemeine Staatslehre, S. 67 f. 171 Die BWldesregiefWlg handelt im Bereich der GesetzgebWlg als Kollegialorgan. 172 Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, § 7 m 1 (S. 65 ). Der Präsident besitzt kein Gesetzesinitiativrecht in dem Sinne, daß er Gesetzesvorschläge in den Kongress einbringen kann (Brugger, a.a.O., § 5 II,(S. 32). Trotz der relativ schwachen StellWlg ist es im 20. JahrhWldert zu einer AusweitWlg des Einflusses des Präsidenten auf die GesetzgebWlg gekommen, so Quint, JZ 1986, S. 619,(622). 173 Vgl. dazu oben 1. Abschnitt eIl. 174 Nach Art. 37 franz. Verf. sind die Materien, die nicht (z.B. gemäß Art 34 franz. Verf.) dem Parlamentsgesetz vorbehalten sind, durch VerordnWlg zu regeln. Der Pre-

3. Abschnitt: Das Mehrheitsprinzip als demokratisches Verfahren

53

reich ein Gesetzgebungsrecht einer Einzelperson und Gesetze, die nicht dem Mehrheitsprinzip entspringen. Dies ist allerdings eine Ausnahme von der Regel. Die gaullistische Verfassung vollzieht einen radikalen Bruch mit einem theoretischen Grundprinzip der demokratischen Verfassungstradition, dem Gesetzgebungsmonopol175 des Parlaments, indem sie dem Premierminister eine allgemeine Gesetzgebungsbefugnis zugesteht. 176 Sieht man von der französischen Ausnahme ab, ist im Ergebnis festzuhalten, daß originäre Entscheidungskompetenzen einzelner im Bereich der Legislative nur in untergeordneten Funktionen zu finden sind.

2. 1m Bereich der Exekutive und Jurisdiktion Monokratische Entscheidungsverfahren sind vor allem im Bereich der Exekutive und im Bereich der Rechtsprechung, dort allerdings nur in untergeordneterBedeutung zu finden. 177 Diese Verteilung der monokratischen Entscheidungen im demokratischen Verfassungsstaat ist nicht zufallig. Beide Bereiche sind durch Ausführung und Anwendung des aus einer Mehrheitsentscheidung entstandenen Gesetzes gekennzeichnet. Sie sind an Gesetz und Recht gebunden. 178 mierminister übt gemäß Art 21 Abs. 1 franz. Verf. die "pouvoir reglementaire", d.h. das Verordnungsrecht aus. 175 Gesetzgebungsmonopol bedeutet nicht Rechtsetzungsmonopol. Hier kommt dem Parlament regelmäßig nur eine Prärogative zu. Vgl. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, § 15, (S. 60 ff.). Gemeint ist das ausschließliche Recht des Parlaments, abstrakt-generelle Regelungen zu treffen. 176 Vgl. Sonnenberger/Schweinberger, Einführung in das französische Recht, Nr. 17, (S. 23); Kimmel, Die Nationalversammlung in der V. französischen Republik, S. 69; vgl. auch Quermonne, Le gouvernement de la France sous la Ve Republique, S.55. 177 Dabei herrscht die monokratische Entscheidungsstruktur in der Verwaltung vor, auch wenn es - zum Beispiel in der kommunalen Selbstverwaltung - Entscheidungen durch Kollegialorgane gibt (vgl. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 5, Rn. 36). In der Jurisdiktion gibt es monokratische Entscheidungen nur in der unteren Gerichtshierarchie. Die obersten Gerichte sind regelmäßig Kollegialgerichte. Vgl. nur die Regelung für das BVerfG: Art. 94 Abs. 1 GG i.Y.m. § 2 BVerfGG und fUr den US Supreme Court: Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, § 3 I (S. 14). Im parlamentarischen System ist überdies auch die Spitze der Exekutive, die Regierung, kollegial strukturiert. Vgl. zum Ganzen Krüger. Herbert, Allgemeine Staatslehre, S. 119 f. 178 Nach Art. 20 Abs. 3 GG sind Exekutive und Jurisdiktion an Recht und Gesetz gebunden. Das gilt auch für "politische" Entscheidungen: So muß der Bundespräsident bei einer Entscheidung nach Art. 82 Abs. 1 Satz 1 prüfen, ob die Voraussetzungen

54

1. Teil: Das demokratische EntscheidWlgsverfahren

Ihre Entscheidungen folgen daher weniger demokratischen Grundsätzen. Sie sind rechtsstaatlich determiniert. Die Bindung an Recht und Gesetz ist für die monokratisch strukturierte Verwaltung des Verfassungsstaats das Grundprinzip. Dies ergibt aus der Aufgabe der Verwaltung das Gesetz durchzusetzen. In der strikten Gesetzesbindung findet sich auch eine Begründung rur die monokratische Entscheidungsstruktur . Bei Durchsetzung des Gesetzes besteht kein Diskussionsspielraum. Das Gesetz selbst ist Produkt eines Diskurses und damit die abstrakt-generelle Lösung des zugrundeliegenden gesellschaftlichen Konflikts. Es grenzt dabei den Freiheitsbereich des einzelnen verbindlich ein. Seine Durchsetzung dient damit der Verwirklichung der Freiheit und rechtfertigt deshalb den staatlichen Einsatz einseitigen Zwanges. 179 Die Durchsetzung des Gesetzes unterliegt nicht dem Grundsatz der demokratischen Teilhabe, sondern der Notwendigkeit der Effektivität. Die monokratische Entscheidung soll diese Effektivität besser gewährleisten als das Kollegialprinzip. Diese Effektivität gewährleitstet die monokratische Entscheidung besser, weil sie schneller getroffen wrd. Das Kollegialprinzip soll der Richtigkeit der Entscheidung, das monokratische Entscheidungsprinzip der Schnelligkeit dienen. 180 Die Gesetzesbindung der Verwaltung unterliegt der gerichtlichen Kontrolle, die ihrerseits meist kollegial organisiert ist. Die kollegiale Struktur der Gerichte und damit die Geltung des Mehrheitsprinzips als Entscheidungsprinzip findet eine Begründung darin, daß die Gerichte das Recht nicht nur anwenden, sondern gegebenfalls auch fortbilden können. 181 Diese weitergehende Bedeutung der Rechtsprechung rechtfertigt die Anwendung des Mehrheitsprinzips als spezifisch demokratisches Entscheidungsverfahren. 182 Für Personalentscheidungen, die im Bereich der Exekutive durch einzelne getroffen werden, gilt das eben gesagte nur bedingt. Die Existenz solcher Kompetenzen ist mit dem hierarchischen Prinzip der Verwaltung zu begründen. Durch die Kompetenz der Ernennung wird ein Verantwortungszueiner BWldestagsauflösWlg, insbesondere eine politisch instabile Lage, vorliegen. (Vgl. BVerfDE 62, 1, (32 fT.). 179 Vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, Werkausgabe Bd. VIlI (hrsg.v. Weischedel) S. 339 f.; HöfJe, Politische Gerechtigkeit, S. 403 ff. (insbes. S. 405). 180 Vgl. Achterberg, Allgemeines VerwaltWlgsrecht, § 5, Rn. 36; Krüger, Herbert, Allgemeine Staatslehre, S. 857. 181 Die BildWlg des Rechts ist sogar die vornehmliche Aufgabe des rechtsprechenden Richters. Sie wird nur durch die RechtssetzWlgsprärogative des Parlaments eingeschränkt. Kriele, Theorie der RechtsgewinnWlg, § 15, (S. 62). 182 Das Kollegium ist dementsprechend die spezifisch funktionsgerechte Organisation des Gerichts, vgl. Barbey, Der Status des Richters, HbStR III, § 74, Rn. 49.

3. Abschnitt: Das Mehrheitsprinzip als demokratisches Verfahren

55

sammenhang zwischen den Hierarchieebenen geschaffen. 183 Allerdings sind die Entscheidungen nicht selten mit Kollegialentscheidungen verbunden. Beispiele hierfür sind die Bestätigung der Beamten durch den Senat in den Vereinigten Staaten l84 oder die Mitbestimmung der Personalvertretung in der unteren Verwaltungshierarchie. 185

ll. Keine Legitimation ohne Mehrheitsentscheidung Faßt man die traditionelle Verteilung der Entscheidungskompetenzen einzelner im demokratischen Staat zusammen, so flUlt auf, daß sie nur im Bereich der Gesetzesausführung größere Bedeutung haben. Dort kommt es auf die Schnelligkeit und die unmittelbare Wirksamkeit der Entscheidung an. Bei der Gesetzgebung stehen Gerechtigkeit und Dauerhaftigkeit der Entscheidung im Vordergrund. Daher hat dort die Mehrheitsentscheidung im Grundsatz den Vorzug. 186 Außerdem ist festzustellen, daß es keine Entscheidungskompetenz einzelner gibt, die nicht in irgendeiner Form auf einer Mehrheitsentscheidung beruht. Auch wenn einzelne Entscheidungen treffen, so sind sie vorher dazu von der Mehrheit legitimiert, sei es, daß sie durch eine Mehrheitsentscheidung berufen wurden oder daß sie an ein Gesetz gebunden sind, welches durch eine Mehrheitsentscheidung entstanden ist. Das demokratische Prinzip verlangt nicht, daß alle Entscheidungen grundsätzlich kollegial getroffen werden. Es läßt vielfaItige Formen der Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf einzelne zu. 187 Entscheidend ist allein, daß diese Befugnisse immer abgeleitet sind. Dieses Prinzip muß im Zusammenhang mit der Legitimation aller Staatsgewalt durch das Volk gesehen werden. Jedes Organ und jede Ausübung der Staatsgewalt müssen danach Grundlage in einer Entscheidung des Volkes finden. 188 Diese Entscheidungen entstehen in Wahlen und Abstimmungen 183 Durch diesen Verantwortungszusammenhang wird die demokratische Legitimation vom Volk auf die unteren Ebenen der Exekutive übertragen. Vgl. dazu LoscheIder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung, HbStR m, § 68, Rn. 20; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 5, Rn. 33. 184 Vgl. Art. II Sec. 2 Cl. 2 US-Verf; vgl. dazu Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, S. 291 ff. 185 Diese Mitwirkung ist allerdings nicht demokratisch geboten und nicht letztentscheidend. Vgl. Losehelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung, HbStR m, § 68, Rn. 68 ff. 186 Vgl. T. Eschenburg, Staat und Gesellschaft in Deutschland, S. 150. 187 Vgl. dazu oben 2. Abschnitt C IV 2. 188 Vgl. Badura, Die parlamentarische Demokratie, HbStR I, § 23, Rn. 27; Steinberger, Konzeption und Grenzen freiheitlicher Demokratie, S. 85 f

56

1. Teil: Das demokratische EntscheidWlgsverfahren

nach dem Mehrheitsprinzip.189 Die Existenz anderer Entscheidungsformen widerlegt damit nicht die Aussage, daß das Mehrheitsprinzip das spezifisch demokratische Entscheidungsverfahren ist. Denn die anders getroffenen Entscheidungen beziehen ihre Legitimtät nicht aus ihrer Festlegung als Verfahren, sondern aus einer vorangegangen Mehrheitsentscheidung, sei es über die Person des Entscheidenden, oder über die zu entscheidende Materie. In einer reinen 190 Demokratie gibt es keine staatliche Entscheidung, die nicht in irgendeinerweise auf eine Mehrheitsentscheidung entweder des Volkes oder seiner Vertreter zurückzuführen wäre.

D. Ergebnis zum 1. Teil Die menschliche Gesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, daß es für die Lösung ihrer Konflikte weder eine naturwissenschaftliche Gewißheit noch immer einen Konsens gibt. Daraus folgt die Notwendigkeit Verbindlichkeit von Konfliktlösungen jenseits von Gewißheit und Konsens herzustellen, das heißt die Konflikte zu entscheiden. Unter den verschiedenen denkbaren Entscheidungsverfahren ist das Mehrheitsprinzip in der Demokratie am gebräuchlichsten, ohne jedoch an die Demokratie gebunden zu sein. Um die Bedeutung des Entscheidungsverfahrens in der Demokratie zu erfassen, muß es im Zusammenhang mit den materiellen Bedingungen gesehen werden, die das demokratische Prinzip aufstellt. Grundlegend für die demokratische Idee ist die Vorstellung von der Gleichheit aller in Freiheit und Würde. Dies wird in der Demokratie durch das allgemeine Gesetz verwirklicht, dem alle gleichermaßen unterworfen sind. In der Demokratie wird das Recht von denen in gleichberechtigter Teilhabe hervorgebracht, die ihm unterworfen sind. Dies geschieht durch Kreation der Herrschaftsstruktur, durch Bestellung der Funktionsträger und durch regelmäßige Rückkopplung ihrer Herrschaftsausübung. Als materielle Grundvoraussetzung demokratischer Herrschaft läßt sich somit formulieren: In der Demokratie wird eine Identität von Regierten und Regierenden durch die rechtfertigende Herleitung (Legitimation) aller Staatsgewalt vom Volk hergestellt.

189 Vgl. Isensee, Der Staat 20 (1981),161, (162). 190 Unter "reinen" Demokratien sind hier Republiken zu verstehen. Zwar sind auch die konstitutionellen Monarchien häufig Demokratien, doch tritt hier die monarchistische Legitimation neben die demokratische. Sofern jedoch eine demokratisch zu legitimierende EntscheidWlg in diesen Systemen in Rede steht, ist das Mehrheitsprinzip auch das spezifische Entscheidungprinzip.

3. Abschnitt: Das Mehrheitsprinzip als demokratisches Verfahren

57

Das Mehrheitsprinzip legitmiert staatliche Entscheidungen in der Demokratie. Es schließt dabei die Möglichkeit zur Einstimmigkeit als Idealfall ein, ohne es als Regel zu fordern. Seine legitimierende Kraft bezieht es nicht aus seiner faktischen Geltung, sondern aus materiellen Gesichtspunkten. Diese materielle Basis des Mehrheitsprinzips liegt in der relativ zu anderen Verfahren größten Chance der Vernünftigkeit der Entscheidung, der Teilhabe aller an der Staatswillensbildung und der Befriedung gesellschaftlicher Konflikte. Das Mehrheitsprinzip besitzt daher im Vergleich zu anderen denkbaren Entscheidungsverfahren die größte demokratische Legitmität. Das Mehrheitsprinzip kann daher als das spezifisch demokratische Verfahren zur Entscheidungsfindung gelten. Dies bedeutet nicht, daß alle Entscheidungen in einer Demokratie kollektiv getroffen werden müssen. Vielmehr geht in der Demokratie jede anders getroffene Entscheidung auf eine Mehrheitsentscheidung zurück und bezieht nur dadurch seine Legitmität. Das Mehrheitsprinzip ist das spezifisch demokratische Entscheidungsverfahren, weil es das einzige ist, welches originäre Legitimation vermitteln kann.

2. Teil

Materielle Anforderungen des demokratischen Prinzips an die Rahmenbedingungen von Entscheidungsverfahren 1. Abschnitt

Voraussetzungen demokratischer Mehrheitsentscheidungen Da das Mehrheitsprinzip das spezifisch demokratische Entscheidungsverfahren ist, ist die Frage zu stellen, wie das Entscheidungsverfahren auszugestalten ist, damit es sich um eine spezifisch demokratische Entscheidung handelt. Es ist die Frage nach den Bedingungen zu stellen, die gelten müssen, um eine Mehrheitsentscheidung in der Demokratie zu legitimieren. Dieser Aspekt beinhaltet Grenzen und Voraussetzungen der Mehrheitsentscheidung in der Demokratie. Für die Geltung des Mehrheitsprinzips in der Demokratie existiert - wie oben festgestellt - eine materielle Rechtfertigung. Dies bedeutet gleichzeitig, daß die praktische Ausgestaltung des Verfahrens der Mehrheitsentscheidung diese rechtfertigenden Gründe berücksichtigen muß. Das Verfahren muß so ausgestaltet sein, daß die Gründe auch für das konkrete Verfahren gelten. Mit anderen Worten: Die Ausgestaltung des Verfahrens ist nicht beliebig. Die Mehrheitsentscheidung bedarf mehr als nur der Akzeptanz. Sie muß in ihrer konkreten Ausgestaltung den sie rechtfertigenden Gründen Rechnung tragen. Nur dann vermag sie staatliches Handeln in der Demokratie zu legitimieren. In diesem Falle ist die Mehrheitsentscheidung das spezifisch demokratische Verfahren zur Entscheidungsfindung. Dies bedeutet. daß die Legitimation durch die Mehrheit nicht nur formal an die positiv normierten Verfahrensvoraussetzungen, sondern auch materiell an bestimmte Rahmenbedingungen gebunden ist. 1 Diese institutionellen Voraussetzungen demokratischer Mehrheitsentscheidungen sind im folgenden zu erörtern.

1 Vgl. dazu Maihofer, Die Legitimation des Staates als Funktion der Rechts, in ARSP Beiheft 16 (1981), S. IS (20).

1. Abschnitt: Voraussetzungen demokratischer Mehrheitsentscheidungen

59

A. Rechtliche Gleichheit als Voraussetzung legitimer Mehrheitsentscheidungen in der Demokratie Wenn die Demokratie eine Identität von Herrschern und Beherrschten im obigen Sinne fordert, so ist dies nicht ohne die rechtliche Gleichheit aller Staatsbürger möglich. 2 Dabei ist die demokratische Gleichheit keine prinzipielle Gleichheit. Eine solche Gleichheit wäre das Ende aller Freiheit. Die Demokratie geht davon aus, daß die tatsächlich festzustellenden Ungleichheiten unvermeindlich und unveränderlich sind. Damit folgt die freiheitliche Demokratie der Vorstellung, daß die Unterschiede der Menschen zu einem guten Teil auf genetischer Vorbestimmung beruhen. 3 Demokratische Gleichheit bedeutet daher rechtliche und politische Gleichheit. 4 Eine echte Demokratie fordert die Gleichheit aller bei der Teilhabe an der Mitbestimmung. 5 In einer Demokratie gibt es keine Privilegien. 6 Der Grundsatz der Gleichheit findet seinen Ausdruck in einem gleichen Wahlrecht. 7 Dies gilt zunächst für die Wahlen, mit denen das Volk direkt bestimmte Organe bestimmt. Der Grundsatz gilt darüber hinaus auch für die vom Volk gewählten Kollegialorgane. Ein vom Volk demokratisch gewähltes Parlament kann das Volk nur repräsentieren, wenn seine Mitglieder gleichberechtigt sind. Alle Abgeordneten müssen über das Mitwirkungsrecht an den Entscheidungen und Verhandlungen des Parlaments verfügen. 8 Der Grundsatz der Gleichheit ist heute unbestritten eine Grundlage eines jeden demokratischen Systems. Daraus folgt, daß nur eine Mehrheit, die auf der Basis der Gleichheit der Abstimmenden zustandegekommen ist, die getroffene Entscheidung zu legiti2 Die gleichberechtigte Mitwirkungskompetenz aller beruht darauf, daß jeder jedem als moralische Instanz gleichzuachten ist, vgl. Zippelius, Legitimation im demokratischen Verfassungsstaat, in ARSP Beiheft 16 (1981), S. 84, (91). 3 Im Gegensatz dazu steht die Theorie, die die Ungleichheiten ausschließlich auf Umwelteinflüsse zUTÜckfllhrt. (vgl. zum GanzenHerzog, DVBI 1970, 713,(714 f )). 4 Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 18 II 5 d (S. 614); B6ckenf6rde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 4l. 5 Vgl. zu dieser Bedingung demokratischer Staatswesen: Kant, Über den Gemeinspruch "Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis" Werkausgabe Bd. XI (hrsg. v. Weischede1), S. 145. Vgl. auch 1.Teil 1. Abschnitt und B II 7. 6 Der Grundsatz der Gleichheit aller Staatsbürger ist allgemein als Voraussetzung demokratischer Herrschaft anerkannt: vgl. Kriele, VVDStRL 29 (1971), S. 46, (61), der die demokratische Gleichheit treffend als das Recht auf Ungleichheit filr alle, nicht nur filr einige defmiert.

7 Thoma in ders./Anschütz, HbdStR I, § 16, S. 190. 8 Vgl. B6ckenf6rde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 45.

60

2. Teil: Ralunenbedingwlgen demokratischer EntscheidWlgsverfahren

mieren vermag. 9 Das demokratische Prinzip der gleichberechtigten Teilhabe aller an den staatlichen Entscheidungen ist ein Aspekt der Rechtfertigung für das Mehrheitsprinzip.1O Daraus folgt, daß die Ausgestaltung des Mehrheitsprinzips, vom Grundsatz der formalen Gleichheit aller Abstimmenden ausgehen muß, damit die so getroffene Entscheidung demokratisch legitimiert ist.

B. Zusätzliche Bindungen an das Recht als weitere Voraussetzung legitimer Mehrheitsentscheidungen in der Demokratie Nachdem die Gleichheit aller Abstimmenden als rechtliche Bindung legitimer Mehrheitsentscheidungen festgestellt wurde, stellt sich die Frage nach weiteren rechtlichen Bindungen einer legitimen Mehrheitsentscheidung. Die Gleichheit ist ein formales Kriterium. Ebenso ist die Mehrheit selbst formal. Es werden die für die jeweilige Alternative abgegebenen Stimmen zusammengezählt und das Ergebnis festgestellt. Die größtmögliche Teilhabe ist dadurch gesichert, daß die Alternative mit der größten Zustimmung sich durchsetzt. Wie festgestellt findet die Mehrheitsentscheidung allerdings nicht allein in der größten Teilhabe seine Rechtfertigung. Die größtmögliche Teilhabe an der Staatsgewalt ist mit der Idee der Selbstbestimmung des einzelnen verbunden. Mit anderen Worten bedeutet dies, daß größtmögliche Teilhabe auch größtmögliche Selbstbestimmung gewährleisten muß. Es ist also zu fragen, ob die Gleichheit als einzige rechtliche Bindung genügt, um auch diesem Grundsatz Rechnung zu tragen oder ob es weiterer rechtlicher Bindungen bedarf.

I. Erforderlichkeit weiterer rechtlicher Bindungen des Mehrheitsprinzips 1. Gefahren einer Herrschaft ohne Bindungen: Tyrannei der Mehrheit Zunächst ließe sich behaupten, daß die demokratische Mehrheit keinerlei Bindungen unterliegt. Bei einer Identität von Herrschern und Beherrschten be9 Einhellige AuffassWlg: Vgl. Achterberg, Die parlamentarische VerhandlWlg, S. 41 f.; Scheuner, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 9, S. 46 ff., weist auf den umgekehrten Zusammenhang hin, wonach die MehrheitsentscheidWlg in solchen Lebensbereichen keine AnwendWlg finden kann, in denen die gTWldsätzliche Gleichheit aller Beteiligten aus strukturellen Gründen nicht gegeben ist. 10 Vgl. oben 1. Teil B 11 7.

1. Absclmitt: Voraussetzungen demokratischer Mehrheitsentscheidungen

61

dürfe es keiner Beschränkungen der Herrschaftsmacht. Das Volk und damit auch seine Vertreter seien schließlich souverän. Der Herrschaft der legitimen Vertreter des Volkes wären damit nur insoweit Grenzen gesetzt, als ihre Herrschaft durch das Volk legitimiert werden müßte. Was eine solche Demokratie bedeuten könnte, läßt sich an einigen Beispielen veranschaulichen. So könnte das Parlament als Vertreter des Volkes etwa beschließen, die Person X sei zu töten oder zu enteignen, ohne hierfür eine Rechtfertigung oder eine Begründung geben zu müssen. Die Mehrheit sorgte für eine Legitimation. Auch willkürliche Verhaftungen wären möglich, sofern sie nur durch die Parlamentsmehrheit beschlossen wären. Weitere Beispiele lassen sich denken. In diesem Verständnis wäre es demokratisch, wenn zwei von drei Schiffbrüchigen, die allein auf einer Insel lebten, beschlössen, den Dritten aufzuessen. Diese Beispiele verdeutlichen, daß auch unter den Bedingungen gleicher Teilhabe, eine Gefahr für die Selbstbestimmung des einzelnen besteht. Die ungehemmte Mehrheitsregel kann zu einer Gefahr für die jeweilige Minderheit werden. II

2. Institutionen als hinreichender Schutz vor der Tyrannei der Mehrheit Die Gefahr der Mehrheitstyrannei wäre für sich genommen jedenfalls dann keine Veranlassung für eine weitere rechtliche Bindung der Mehrheitsentscheidung, wenn der Satz gälte, daß die demokratischen Einrichtungen selbst genug Gewähr gegen Entartung böten. Als Beispiel für einen solchen hinreichenden Schutz durch Institutionen ließe sich Großbritannien anführen. Im englischen Recht findet sich der Grundsatz der "sovereignty of parliament". In der Tat wird vertreten, der Parlamentssouveränität seien rechtlich keine Grenzen durch "role of law", Bill of Rights oder Habeas-Corpus-Akte gesetzt. 12 Die persönliche Freiheit werde durch die politische Tradition und Kultur garantiert. 13 Da es in Großbritannien bis jetzt zu keiner Mehrheitsdiktatur gekommen ist, wäre - unter diesen Prämissen - eine rechtliche Bindung der Mehrheitsent11 Vgl. hierzu insbesondere Madison, 51. Federalist-Artikel v. 6.2.1788, in: HamiltonIMadisonlJay, Die Federalist-Artikel, hrsg. und übers. v. Angela und Willy Paul Adams, S. 313, (316). 12 Vgl. Blackstone, Commentaries on the Law of England, S. 160 f., (zit. bei JenningslRitter, Das britische Regierungssystem, S. 164); Jennings, The law and the constitution, S. 64.; Löwenstein, Staatsrecht und Staatspraxis flir Großbritannien, Bd. I, S. 65, 71.

13 Vgl. Löwenstein, Staatsrecht und Staatspraxis von Großbritannien Bd. II, S. 266 ff. 5 Jochurn

62

2. Teil: Rahmenbedingungen demokratischer Entscheidungsverfahren

scheidung entbehrlich. Die sittliche Reife der Menschen und die Tradition der demokratischen Institutionen reichten aus. Diese Argumentation ist in zweierlei Hinsicht problematisch. Zunächst sind die demokratischen Institutionen in allen Demokratien rechtlich verfaßt. 14 In ihnen ist die Staatsgewalt in rechtlicher Form organisiert. Die "Spielregeln" demokratischer Herrschaft sind dabei entweder schriftlich in einer Verfassungsurkunde fixiert, oder, wie in England, durch Überlieferung, Gewohnheitsrecht und Einzelgesetze festgelegt. Der demokratische Prozeß spielt sich in rechtlich normierten Verfahren ab. Auch der Hinweis auf die "sovereignty of parliament" ist unzutreffend. In Großbritannien ist das Parlament keineswegs frei von rechtlichen Bindungen. Das Prinzip der "rule of law" gilt auch für das Parlament. "Sovereignty of Parliament" bedeutet Unabhängigkeit des Parlaments im Rahmen des Rechts. 15 Die Behauptung, demokratische Institutionen allein böten ausreichenden Schutz für die Selbstbestimmung des Individuums, ist vor diesem Hintergrund unhaltbar. Kennzeichnend für die demokratische Herrschaft ist, daß es keinen Souverän gibt. 16 Die demokratische Staatsgewalt ist keine Willkürorganisation, sondern rechtlich verfaßt und rechtlich gebunden. Das Grundgesetz sagt dies in Art lAbs. 3 GG. Diese rechtliche Bindung der Staatsgewalt ist nicht nur spezifisch für die Demokratie des Grundgesetzes. Sie ist im Grundsatz kennzeichnend für alle demokratischen Verfassungsstaaten. 17 Durch das Verfassungsgesetz wird sie konkret geformt und begrenzt. 18

3. Keine Demokratie ohne Rechtsstaat Nicht jede Demokratie ist bereits aus sich heraus ein Rechtsstaat. Ein Rechtsstaat ist auch ohne Demokratie denkbar. 19 Eine freiheitliche Demokratie aber, die auf dem Prinzip des gleichen Anspruchs aller auf Freiheit und 14 Dies gilt auch fUr Großbritannien: Vgl.Jennings, The Law and the Constitution, S. 64 f. 15 Vgl. hierzu Langheid, Souveränität und Verfassungsstaat, The "Sovereignty of Parliament", S. 318 tT. 16 Vgl. Kriele, Einführung in die Staatslehre, § 21, (S. 121 ff.(l26)). 17 Vgl. G. Brunner, Vergleichende Regierungslehre I, S. 170 f. 18 Vgl. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, HbStR, § 19, Rn. 72; vgl. zur Bindung der Mehrheit an die Verfassung auch Hamilton, 78. Federalist-Artikel v. 28.5.1788, in: HamiltonlMadisonlJay, Die Federalist-Artikel, hrsg. und übers. v. Angela und Willy Paul Adams, S. 469,(475). 19 Vgl. zu diesem Zusammenhang: Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn.86.

1. Absclmitt: VoraussetzWlgen demokratischer Mehrheitsentscheidungen

63

Würde beruht, ist ohne Rechtsstaat nicht möglich. 20 Freiheitliche Demokratie und Rechtsstaat bedingen einander. Wenn die Demokratie die Freiheit des einzelnen in der Teilhabe an der rechtlich verfaßten Gemeinschaft bringt, so wahrt der Rechtsstaat die für diese Freiheit nötige Distanz des Individuums zu eben dieser Gemeinschaft. 21 Das Recht organisiert und mäßigt die Staatsgewalt, indern es sie in rechtsförrnige Verfahren einkleidet. Die Herrschaftsmacht ist auf in ihrer Befugnis rechtlich begrenzte Ämter verteilt. Gleichzeitig ist das Recht Grundvoraussetzung für die Teilhabe des Volkes an der Staatswillensbildung. Demokratische Teilhabe ist nur möglich, wenn der einzelne einen Bereich autonomer Selbstgestaltung besitzt, in dem er frei von staatlicher Einflußnahme seine Interessen und seine Vorstellungen entwickeln kann. 22 Ohne diesen Bereich gibt es keine Selbstbestimmung. Ohne Selbstbestimmung besteht nicht die Möglichkeit eines freien gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozesses, der Voraussetzung für eine Rückkoppelung der Staatsgewalt mit dem einzelnen und damit für eine demokratische Legitimation ist. Das Recht hält den gesellschaftlichen Prozeß vor staatlicher Einflußnahme frei, indern es für den einzelnen einen garantierten unantastbaren Freiheitsraum schafft. 23 Der Rechtsstaat gehört mit zur Demokratie dazu, weil er die Grundlage der demokratischen Herrschaft, die Legitimation der Staatsgewalt durch das Volk, sichert. Aus der Forderung nach demokratischer Legitimation ergibt sich daher zwangsläufig, daß eine echte Demokratie nur als demokratischer Rechtsstaat denkbar ist. Eine Mehrheitsentscheidung ist nicht nur dann legitimiert, wenn sie auf das Volk zurückzuführen ist, sondern nur wenn sie auch im Recht verankert ist. 24

20 Auf die Notwendigkeit der VerbindWlg von Rechtsstaat Wld Demokratie weist bereits Kant hin: vgl. Kant, Zum ewigen Frieden, von der Garantie des ewigen Friedens, Werkausgabe Bd. XI (hrsg.v. WeischedeI) S. 223 ff.; Kriele, VVDStRL 29 (1970),46,(49); Stern, Staatsrecht I, § 18 n 6 b 6, (S. 623 ) m.w.N. in Fn. 231. 21 Vgl. Kirchhof, Die Identität der VerfassWlg in ihren Wlabänderlichen Inhalten, HbStR I, § 19, Rn. 81. 22 Vgl. zur BedeutWlg indivdueller Freiheitsräume filr den demokratischen Staat: BVerfGE 7, S.198,(204 f.); Klein, GfWldrechte im demokratischen Staat, S. 69, 73; Grabitz, Freiheit Wld VerfassWlgsrecht, S. 19 f.; Böckenförde, NJW 1974, S. 1529,(1531). 23 Vgl. Hesse, Der Rechtsstaat im VerfassWlgssystem der BWldesrepublik Deutschland, in: FG RudolfSmend (1962),71, (87 0; Scheuner, Die neuere EntwicklWlg des Rechtsstaats, in: Deutschland in Staatstheorie Wld Staatsrecht (Gesammelte Schriften), 185, (206 0. 24 Vgl. BVerfGE 44, S. 125, (141). 5'

64

2. Teil: RalunenbedinglUlgen demokratischer EntscheidlUlgsverfahren

ß. Rechtliche Bedingungen demokratischer Legitimation durch Mehrheit

Wenn Demokratie ohne Rechtsstaat nicht denkbar ist, so muß auch die Legitimation von Mehrheitsentscheidungen von rechtlichen Bedingungen abhängen. Dabei stellt sich die Frage, wie das Recht die Legitimationskraft des Mehrheitsprinzips begrenzt.

1. Begrenzung durch Verfahrensregeln

Die Verrechtlichung staatlicher Herrschaft begrenzt und mäßigt die Ausübung der Staatsgewalt, indem sie sie in Verfahren kanalisiert und auf verschiedene Organe verteilt. 25 Durch das rechtliche Verfahren kann das Volk erst seinen Willen bilden und ausüben. 26 Die Verfahrensregeln formalisieren auch das Mehrheitsprinzip. So werden bestimmte Entscheidungen an bestimmte Mehrheitsquoren gebunden. Die Verfassungsänderung bedarf einer anderen Mehrheit als die Wahl der Amtsträger oder die Gesetzgebung. Gleichzeitig werden aber auch bestimmte Entscheidungen der Mehrheit entzogen. Dies gilt unbedingt für das Mehrheitsprinzip selbst. 27 Bestimmte Entscheidungen können auch von einer Minderheit getroffen werden. So kann auch eine parlamentarische Minderheit das Verfassungsgericht zur Überprüfung einer Entscheidung anrufen28 oder einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß einsetzen29 . Die Beispiele sind so vielfaItig wie die Verfassungen der verschiedenen Länder. Für die allgemeine Betrachtung genügt die Feststellung, daß das Mehrheitsprinzip in einer Demokratie nicht willkürlich angewandt wird, sondern in ein rechtlich normiertes Verfahren eingebettet ist. 30 25 Vgl. zu dieser Funktion des rechts staatlichen Prinzips in der Demokratie: Bökkenförde, Demokratie als VerfasslUlgsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 92. 26 Vgl. Isensee, Der Staat, 20 (1981),161,(162). 27 Sternberger, Grund lUld AbgTlUld der Macht, S. 212 f; Doering, Staatsrecht der BlUldesrepublik Deutschland, S. 193 f 28 So kann in der BlUldesrepublik Deutschland eine Fraktion des BlUldestages (mind. 5% der Abgeordneten, § 10 GeschOBT) das BVerfG anrufen (Art. 93 Nr. 1 GG i.V.m. §§ 13 NT. 5, 63 BVerfGG). Ein Drittel der Mitglieder des BlUldestages kann gemäß Art. 93 Nr. 2 GG i.V.m. § 76 BVerfGG eine Überprüfung von BlUldesrecht auf seine Verfassungsmäßigkeit veranlassen. In Frankreich gilt ähnliches (Art. 61 Abs. 2 franz. Verf). 29 Vgl. Art. 44 Abs. 1 GG; (ein Viertel der Mitglieder des BlUldestages). 30 Vgl. Höpker, Grundlagen, EntwickllUlg lUld Problematik des Mehrheitsprinzips lUld seine Stellung in der Demokratie, S. 106; Varain, ZfP 11 (1964), 239, (244);

1. Absclmitt: Voraussetzungen demokratischer Mehrheitsentscheidungen

65

Die Verfahrensvorschriften entziehen einerseits bestimmte Entscheidungen dem Mehrheitsprinzip. Andererseits modifizieren sie die Anforderungen an die Mehrheitsentscheidung, indem sie einen besonderen Prozeß der Entscheidung vorschalten bzw. für bestimmte Entscheidungen qualifizierte Mehrheiten fordern. 31 Diese Verfahrensvorschriften konstituieren die Legalität der Mehrheitsentscheidung und sind damit Voraussetzung für ihre Legitimität. Nur eine ordnungsgemäß unter Einhaltung der Verfahrensregeln getroffene Mehrheitsentscheidung kann Verbindlichkeit beanspruchen und legitim sein. 32 Kennzeichnend für das Mehrheitsprinzip in der Demokratie ist, daß es durch Verfahrensvorschriften rechtlich kanalisiert wird. Die Einhaltung dieser Vorschriften ist Voraussetzung für die Legitimität der getroffenen Mehrheitsentscheidung. 33

2. Bindung an die Grundrechte

Die Kanalisierung von Mehrheitsentscheidungen in rechtlicher Form allein genügt nicht. Sie vermag den einzelnen nicht wirksam in seiner Privatheit zu schützen, weil dieser Schutz gerade auch vor einer demokratisch getroffenen Entscheidung bestehen muß. Es bedarf daher einer Bindung der Staatsgewalt an bestimmte Grundrechte. Die Grundrechte sind Ausprägungen des für die Demokratie grundlegenden Anspruchs des einzelnen auf gleiche Achtung der Menschenwürde. 34 Sie bieten dem einzelnen Schutz vor dem Anpassungsdruck der Gesellschaft und vor erzwungener Politisierung. Gleichzeitig halten

Scheuner, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 55, der hervorhebt, daß das Mehrheitsprinzip nur in einem rechtlich organisierten Verband bestehen kann. Vgl. auch Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 162. 31 Dabei bedeutet das Erfordernis qualifizierter Mehrheiten nicht unbedingt ein Mehr an Demokratie. Sie dienen dem Minderheitenschutz und sollen den betroffenen Materien erhöhten Bestandschutz gewähren (vgl. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 53). 32 Die Einhaltung der Verfahrensregeln bildet gewissermaßen die Grundlage der Legitimität. Darüberhinaus müssen allerdings die Verfahren bestimmte Anforderungen erfüllen, um eine legitime Entscheidung hervorzubringen. Dies wird im 3. Teil. noch eingehend erörtert werden. 33 Dies gewährleistet das Repräsentativsystem, welchem dadurch für die Legitimität der Mehrheitsentscheidung eine begrenzende Wirkung zukommt. (Vgl. Zippelius, Legitimation im demokratischen Verfassungsstaat, in: ARSP Beiheft 16 (1981), S. 84,(91)). 34 Vgl. MlDIH/S-DUrlg, Art. 1 Abs. I, Rn. 6; Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 17.

66

2. Teil: RahrnenbedingWlgen demokratischer EntscheidWlgsverfahren

sie aber jedem die Möglichkeit offen, am politischen Leben teilzunehmen. 35 Sie sind nachgerade Voraussetzung für die Mitwirkung des einzelnen am Gemeinwesen. 36 Die Bindung an die Grundrechte ist demokratiekonstituierend. 37 Dies gilt besonders für die Rechte, die dem einzelnen die Mitwirkung am demokratischen Willensbildungsprozeß erst ermöglichen, wie die Meinungs-38 , Versammlungs-39 und Vereinigungsfreiheit. 40 Diese Rechte schützen den Willensbildungsprozeß des Einzelnen und der Gesellschaft vor staatlicher Einflußnahme und gewährleisten die Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses. 41 Sie sollen aber auch vor Monopolisierungen schützen, die die Chance des Zugangs und der Beteiligung ernsthaft verhindern. 42 Die demokratiekonstituierende Funktion der Grundrechte gilt aber auch für die sonstigen Abwehrrechte zum Schutz von Freiheit und Eigentum. Die Grundrechte konstituieren ein Wert- und Kultursystem,43 das den unveräußerlichen Grundkonsens bildet, auf dem die demokratische Herrschaft steht. Die Grundwerte in ihrem Kern sind unveräußerlich und dem prinzipiellen Zugriff auch der Mehrheit des Volkes selbst entzogen. 44 Die durch sie gewähr35 Vgl. zu dieser zweifachen Funktion der Gnmdrechte: Isensee, Der Staat 20 (1980), S. 161,(173). 36 Vgl. nur Schmidt-BleibtreuiKlein, Kommentar zwn Gnmdgesetz, Vorb. v. Art. 1 Rn.2 (Klein). 37 Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 19 n 6 c 6, (S. 625). 38 Vgl. zur zentralen BedeutWlg der MeinWlgsfreiheit zur Sicherung einer freien öffentlichen MeinWlgsbildWlg; BVerfGE 7, S. 198,(212); Ridder, MeinWlgsfreiheit, in: Newnann/Nipperdey/ScheWler, Die Gnmdrechte n, 243, (256); die Funktion des Gnmdrechts ist es, eine vielstimmige Wld differenzierte öffentliche Diskussion zu gewährleisten. (vgl. BVerfGE 25, S. 256,(265». Vgl. zu den GefahrdWlgen durch eine einseitige Interpretation des Gnmdrechts, die den Ehrenschutz vernachlässigt: Kriele, NJW 1994, S. 1897 ff.; Sendler, ZRP 1994, S. 343 ff. 39 Vgl. zur BedeutWlg der VersammlWlgsfreiheit als demokratisches Teilhaberecht: BVerfGE 69, S. 315,(345); vgl. zum MeinWlgsstand: Kloepfer, VersammlWlgsfreiheit, HbStR VI, § 143, Rn. 7 ff. 40 Vgl. zur BedeutWlg der VereinigWlgsfreiheit als demokratisches Gnmdrecht: V.MünchIKunig, GG-Löwer, Art. 9, Rn. 2, m.w.N .. Vgl. zu der BedeutWlg von VereinigWlgen insbes. von Parteien für die erforderliche BündelWlg politischer Interessen Wld damit der fllr MehrheitsentscheidWlg Wlerläßlichen Reduktion der Alternativen, Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 142. 41 Badura, Die parlamentarische Demokratie, HbStR I, § 23, Rn. 32. 42 Vgl. Bäckenfärde, Demokratie als VerfassWlgsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 40. 43 Zur freiheitlich-demokratischen GnmdordnWlg als wertgebWldene OrdnWlg,

Stern, Staatsrecht I, § 16 n 3, S. 566 f. 44 Vgl. Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 227; Zippelius, Legitimation im demokratischen VerfassWlgsstaat, in: ARSP Beiheft 16 (1981), S. 84,(91); Bäckenfärde, Demokratie als VerfassWlgsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 54.

1. Abschnitt: Voraussetzungen demokratischer Mehrheitsentscheidungen

67

leistete Individualfreiheit ist nicht demokratisierbar. Sie unterliegt nicht dem Mehrheitsprinzip.45 Die Grundrechte bilden daher inhaltliche Schranken für die Mehrheitsentscheidung. Einer Mehrheitsentscheidung, die Grundrechte verletzt oder gar generell abschafft, fehlt die rechtliche Basis. Das bedeutet nicht, daß Grundrechte nicht im Einzelfall entzogen werden können. So kennt das Grundgesetz die Grundrechtsverwirkung nach Art. 18 GG. Allerdings kann der Grundrechtsschutz nicht vollständig und nur im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen entzogen werden. 46 Der Entzug von Gundrechten ist daher eine Ausnahme und soll dem Schutz der demokratischen Grundordnung gegen ihre Feinde dienen. 47

C. Hinreichender Diskurs als Bedingung einer legitimen Mehrheitsentscheidung Wie bereits oben angedeutet, bezieht die Mehrheitsentscheidung ihre legitimierende Kraft daraus, daß sie am Ende eines Diskussionsprozesses steht. So soll im Parlament das allseitige Gespräch über die zuträgliche Politik die Vertreter des ganzen Volkes zur Erkenntnis der richtigen Politik führen. Diese Erkenntnis soll dann im allgemeinen Gesetz ihre für das ganze Volk verbindliche Form finden. 48 Das Erfordernis des Diskurses hängt unmittelbar mit der Legitimation des Mehrheitsprinzips in der Demokratie zusammen. Ohne Diskussion kann die Mehrheitsentscheidung nicht in Anspruch nehmen, vernünftiger zu sein als etwa die Entscheidung eines einzelnen. 49 Noch wichtiger ist der Diskurs für die Sicherung gleichberechtigter Teilhabe aller am Willensbildungsprozeß. Besteht bei einer Entscheidung ohne Diskussion immerhin noch die geringe Chance einer zuflUlig richtigen Entscheidung, so gibt es ohne Diskurs keine Teilhabe. Der Diskurs ist das modeme Verbindungsstück zwischen Staat und Gesellschaft. Durch ihn sollen konkurrierende Vorstellungen gebündelt werden, damit im Idealfall alle, sonst jedenfalls die Mehrheit der Bürger, in der 45 Isensee, Der Staat 20 (1981), S. 161,( 164).

46 Vgl. dazu im einzelnen MlDIHIS-Dürig, Art. 18; Brenner, DÖV 1995, S. 60 ff. 47 Vgl. dazu, Becker, Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes, HbStR vn,

§ 167, Rn. 51 ff.

48 Vgl. Schachtschneider, Res publica, res populi, S. 585; Kn·ele, Einfilhrung in die Staatslehre, § 68, S. 268, der als Beweis filr die Macht der Diskussion anführt, daß ca. 90 % der Entscheidungen des deutschen Bundestages einstimmig getroffen würden. Dazu auch Habermas, Faktizität und Geltung, S. 188. 49 Diesen Zusammenhang hebt insbesondere Kriele, Einfllhrung in die Staatslehre, § 60, S. 238, hervor; näher dazu ders., Theorie der Rechtsgewinnung, § 51, S. 191 ff.

68

2. Teil: Ralunenbedingungen demokratischer Entscheidungsverfahren

endgültigen Entscheidung ihren Willen verwirklicht sehen. 50 An einen solchen Diskurs sind verschiedene Anforderungen zu stellen:

I. Die Notwendigkeit des öffentlichen Diskurses J. Das Ideal eines öffentlichen Diskurses

Eine gleichberechtigten Teilhabe aller an der staatlichen Willensbildung erfordert nicht nur, daß eine Diskussion irgendwo oder irgendwie stattfindet. Sie stellt auch bestimmte Anforderungen an diesen Diskurs. Die zentrale Bedingung für den Diskurs in der Demokratie ist seine Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit der staatlichen Beratungs- und Entscheidungsprozesse ist Bestandteil des demokratischen Prinzips.51 Der Bürger kann nur dann politisch rnitdenken, wenn er zuverlässig informiert wird und seine Urteilskraft in der öffentlichen Diskussion schult. 52 Die Öffentlichkeit der Diskussion führt zur Transparenz des Entscheidungsprozesses und zwingt zur Begründung der getroffenen Entscheidungen. 53 Durch die Publizität des Verfahrens wird der politische Prozeß rationalisiert. Das Verfahren wird dadurch zum Garanten materieller "Richtigkeit". 54 Öffentlichkeit ist daher eine Voraussetzung dafür, daß die Diskussion ihre Produktivkraft entfalten kann. 55 Dies gilt jedenfalls für Abstimmungen über Sachfragen. Je intensiver ein Gesetzesvorhaben o.ä. diskutiert wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß Schwachstellen gefunden werden und am Ende eine optimale Lösung gefunden wird. Wird ein Gesetz ohne Diskussion durch die Mehrheit beschlossen, so kann eine solche Entscheidung für sich jedenfalls dann nicht beanspruchen, die richtigere zu sein, wenn es sich um einen komplexen oder bedeutenden Regelungsgegenstand handelt. 56 Soweit ein Diskussions- und 50 Vgl. HofJmann, Verfahrensgerechtigkeit, S. 248 f. 51 JarasslPieroth, GG, Art. 20 Rn. 6a.

52 Jaspers. Wohin treibt die Bundesrepublik 7, S. 195.

53 Vgl. zu diesem Aspekt: Kriele, Einführung in die Staatslehre, § 68 b, (S. 270 1). 54 So Häberle, Struktur und Funktion der Öffentlichkeit im demokratischen Staat,

in: Die Verfassung des Pluralismus, S. 126,(134). "Richtigkeit" wird allerdings nicht im Sinne einer ontologischen Vorgegebenheit verstanden (Häberle a.a.O., Fn. 101).

55 Vgl. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 188. 56 Nach dem Grundgesetz sind diese Komplexe grundsätzlich dem Gesetz vorbe-

halten. Vgl. dazu die Überlegungen über den Zusammenhang zwischen Verfahrenskomplexität und Regellmgsgegenstand des Gesetzes von Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 170 f.

I. Absclmitt: VoraussetzWlgen demokratischer MehrheitsentscheidWlgen

69

Klärungsbedarf besteht, bedarf es einer Diskussion. Da das Für und Wider nicht diskutiert wurde, ist eine derart zustandegekommene Mehrheitsentscheidung ein rein formaler Akt. Das so beschlossene Gesetz wäre nicht mehr hinreichend legitimiert. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß Gesetze in der Regel bereits vorher intensiv vorbereitet wurden und daß daher eine Diskussion im Entscheidungsorgan nicht mehr erforderlich sei. Die Diskussion im Entscheidungsorgan stellt den Bezug zur Gesellschaft her. Nur die öffentliche Diskussion bietet die notwendige Rückkoppelung zwischen dem Volk und den demokratischen Staatsorganen. 57 Die Öffentlichkeit des Beratungs- und Entscheidungsprozesses dient der Transparenz, indem sie zur Rechtfertigung der Entscheidung zwingt. 58 Die Öffentlichkeit hat zum Ziel, den Delegations- und Verantwortungszusammenhang vom Volk zu den Staatsorganen transparent, rational durchschaubar und kontrolliert zu halten. 59 Die kritische und informierte Öffentlichkeit verhindert die Verselbstständigung der Macht, indem sie auf den Entstehungsbedingungen legitimen Rechts beharrt. 6o Der durch die Öffentlichkeit hergestellte Zwang zur Rechtfertigung und Begründung seiner Meinung bietet aber nicht nur Gewähr gegen Machtmißbrauch, er erhöht auch die Chance zur Wahrheitsfindung und ist damit eine unerläßliche Voraussetzung dafür, daß die Mehrheitsentscheidung legitimierende Wirkung entfalten kann. 61 In dieser Bedeutung ist die Öffentlichkeit das demokratische Rechtsprinzip der Verfassung. 62

57 Vgl. etwa Stein, Staatsrecht, § 9 I; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28, (S. 248 tT.). 58 Vgl. Kriele, VVDStRL 29 (1970), 46, (67 f.). 59 Vgl. Häberle, Struktur Wld Funktion der ÖtTentlichkeit im demokratischen Staat, in: Die VerfassWlg des Pluralismus, S. 126,(130). 60 Vgl. Habermas, Faktizität Wld GeltWlg, S. 532. 61 Vgl. Kriele, Einführung in die Staatslehre, § 68 b, (S. 271). 62 Vgl. Häberle, Struktur Wld Funktion der ÖtTentlichkeit im demokratischen Staat, in: Die VerfassWlg des Pluralismus, S. 126,(130); dagegen Martens, ÖtTentlich als RechtsbegritT, S. 37 tT., insbes. S. 39, der den BegritT der ÖtTentlichkeit ftir rechtlich wertlos hält. Diese AutTassWlg beruht auf überkommenen, etatistischen VorstellWlgen, die ihren UrsprWlg in der monarchischen Staatslehre haben Wld nicht zuletzt durch die Rechtswirklichkeit widerlegt werden (vgl. Häberle, a.a.O).

70

2. Teil: RahmenbedingWlgen demokratischer EntscheidWlgsverfahren

2. Die Kritik am Modell des öffentlichen Diskurses

Diesem Verständnis der öffentlichen Diskussion wurde vorgehalten, daß es unter den Bedingungen moderner Parteiendemokratie nicht zutreffe. 63 Die Abgeordneten im Plenum des Parlaments versuchten nicht mehr die anderen Abgeordneten zu überzeugen, sondern wendeten sich direkt an die Wahlbürger. Die Parteien träten als soziale Machtgruppen einander gegenüber und schlössen Kompromisse. 64 Das Argument und damit die Diskussion im eigentlichen Sinne verschwände. 65 Der sich ständig verstärkende Einfluß der Parteien bewirke zudem, daß die Staatstätigkeit zunehmend der Öffentlichkeit entzogen werde, indem die eigentlichen Entscheidungen in parteinahen Leitungszirkeln fielen, die sich selbst von der Parteiöffentlichkeit abschirmten. 66 Die moderne Demokratie sei ein Verbändestaat, in der eine oligarchische Minderheit herrsche, die ihre Macht unter der Decke des Mehrheitsprinzips ausübe. 67

3. Die realen Grundlagen der Kritik

Die Kritik geht von einer durchaus realistischen Beschreibung des politischen und gesellschaftlichen Willensbildungsprozesses aus. Die zu entscheidenden Fragen werden immer komplexer, so daß der einzelne Bürger allein nicht mehr sinnvoll mitwirken kann. Die Willensbildung wird an vermeintliche oder tatsächliche Sachverständige ausgeliefert. An die Stelle des einzelnen treten Medien, Interessenverbände und Parteien, die so den gesellschaftlichen 63 Vgl. insbesondere Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, S. 8 f1 diese Kritik erwies sich auch nach GründWlg der BWldesrepublik als wirkungSmächtig: Vgl. Leibholz, Strukturwandel der modernen Demokratie, in: Strukturprobleme der Demokratie, Karlsruhe 1958; Habennas, Strukturwande1 der Öffentlichkeit, 2. Auflage, Neuwied Berlin 1965, insbes. S. 196 ff.; jüngst, Schachtschneider, res publica, res populi, S. 597 (Die Kritik an der "Parteiendemokratie" durchzieht das Werk wie ein roter Faden ). Vgl. auch die DarstellWlg der Kritik speziell fUr den Parlamentarismus des Grundgesetzes bei: Denninger, Die HerrschaftsordnWlg der Demokratie, in: Randelzhofer/Süß, Konsens Wld Konflikt, S. 200, (200 ff.). 64 Vgl. Leibholz, Srukturwandel der modernen Demokratie, in: Strukturprobleme der Demokratie, S.94f. 65 Vgl. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, S. 11. 66 Vgl. Leisner, Der Wlsichtbare Staat, S. 271 f. 67 Leisner, Zur Legitmität politischen EntscheidWlgshandelns, in: Randelzhofer/Süß, Konsens Wld Konflikt, S. 287, (296).

1. Abschnitt: Voraussetzungen demokratischer Mehrheitsentscheidungen

71

Willensbildungsprozeß beherrschen. 68 In der heutigen individualistisch und interessenpluralistisch strukturierten und organisierten Gesellschaft sehen es gesellschaftliche Gruppen und Verbände als ihre Pflicht an, allein ihre Interessen durchzusetzen. Dies verführt die politischen Repräsentanten, denen allein das Allgemeine anvertraut ist, allzu leicht dazu, den jeweils durchset zungsfähigsten Interessengruppen im Blick auf einen Wahlerfolg nachzugeben. 69 Ein weiteres Problem ist die Möglichkeit, insbesondere der elektronischen Medien, nicht nur Meinungen zu manipulieren, sondern auch regelrecht neue Wirklichkeiten zu schaffen. 70 Besonders problematisch erweist sich die Zurückdrängung des Intelektuellen zugunsten des Triebhaften in den Massenmedien. Als Empfänger wird häufig nicht der mündige Bürger gesehen, sondern die manipulierbare, irrationale Masse gesehen.?l Auch die Tendenz innerhalb der politischen Parteien, ihre Positionen nicht mehr in einem offenen Dialog mit der Gesellschaft zu entwickeln, sondern aus den zahllosen Hinterzimmerzirkeln der eigenen Parteibasis zu beziehen,72 wirft die Frage auf, ob das Modell des öffentlichen Diskurses, der fiir die Legitimität der Mehrheitsentscheidung unerläßlich ist, heute noch zutrifft.

4. Der Diskurs unter den Bedingungen der modernen Massengesellschaft a) Die wachsende Dezentralisierung des öffentlichen Diskurses Auch wenn die Kritik berechtigterweise an bestimmte Phänomene der modernen Demokratie anknüpft, so vermag sie jedoch nicht den Mechanismus der öffentlichen Diskussion zu widerlegen, daß die Transparenz, die durch die Öffentlichkeit hergestellt wird, zu einem erhöhten Rechtfertigungsdruck und damit zu einer erhöhten Vernünftigkeit der Mehrheitsentscheidung beiträgt. Dieser, die Legitimation der Mehrheitsentscheidung begründende Mechanismus gilt auch unter den Bedingungen der modernen Demokratie. Die Diskus68 Vgl. Schmitt Glaeser, Die grundrechtliche Freiheit des Bürgers zur Mitwirkung an der Willensbildung, HbStR n, § 31, Rn. 39. 69 Vgl. Bäckenfärde, Demokratische Willensbildung und Repräsentation, HbStR n, § 30, Rn. 28 f. 70 Vgl. Geiger, w., AfP 1976177, S. 256 f.

71 Vgl. Kloepfer, Öffentliche Meinung, Massenmedien HbStR n, § 35, Rn. 9. Ein Beispiel für die Un-Wirklichkeiten (so treffend: Schmitt Glaeser, Die grundrechtliche Freiheit des Bürgers zur Mitwirkung an der Willensbildung, HbStR n, § 31, Rn 42) ist die insbesondere im Privatfernsehen anzutreffende Sendeform des "Reality-TV".

72 Vgl. Leisner, Der unsichtbare Staat, S. 272.

72

2. Teil: RahmenbedingWlgen demokratischer EntscheidWlgsverfahren

sion verändert ihren Charakter, behält aber ihre Funktion. 73 Die idealistische Überhöhung des Parlaments als Versammlung vernünftig diskutierender Abgeordneter, die frei von jeder Interessenbindung nur nach dem gemeinen Wohl streben, entsprach nie der Realität demokratischer Parlamente. Auch in den Honoratiorenparlamenten des 18. und 19. Jahrhunderts ging es um Interessen, war der Meinungskampf polarisiert. 74 Das Idealbild der rationalen Diskussion frei von Interessen und persönlichen Wertungen entspricht auch nicht dem Realität des Menschen und seiner Persönlichkeit. Meinungen sind zumeist untrennbar verknüpft mit Interessen. Sie entspringen Traditionen oder Vorurteilen, sozialer Herkunft und nicht zuletzt persönlichen Beziehungen. 75 Der dynamisch-komplexe Prozeß der politischen Willensbildung kann durch eine punktuelle Betrachtung oder eine idealisierte Modellvorstellung nicht erfaßt werden. 76 Dabei ist der einzelne angesichts der pluralistischen Struktur der modemen Gesellschaft auf die Bündelung und Formulierung seiner Interessen in Verbänden angewiesen. 77 Das vielfältige Meinungsspektrum bedarf der Koordination zur Herstellung einer konkreten Mehrheit. Mehrheit setzt Mehrheitsbildung voraus. 78 Durch die Auseinandersetzung der Gruppeninteressen entsteht in einem vielschichtigen Prozeß der Gemeinwillen. 79 Die Initiativen, Interessen und Ideen von Gruppen, einzelnen, Interessenverbänden werden nicht zuletzt durch die Medien in die gesellschaftliche Diskussion und damit in das kollektive Bewußtsein gebracht. 80 Dort werden sie von den politschen Parteien aufgegriffen und in den staatlichen Entschei73 Vgl. Scheuner, VVDStRL 22 (1965), S. I, (24). 74 Vgl. Kriele, Einftlhrung in die Staatslehre, § 62, S. 247 f.

75 Vgl. Kriele, Einftlhrung in die Staatslehre, § 66, S. 263. 76 Vgl. H. Trautmann, Innerparteiliche Demokratie im Parteienstaat, S. 41. 77 Die Verbände haben insofern die wichtige Funktion, die Teilhabe der nur als Gruppenmitglieder handlWlgsfähigen Bürger zu ermöglichen: Vgl. Weber, GefährdWlg der parlamentarischen Demokratie durch Verbände ?, in: Oberreuter, Pluralismus, S. 163, (167 ff., insbes. 169).

78 Gusy, AöR 106 (1981), S. 329,(335). 79 Vgl. Schmitt Glaeser, Die gTWldrechtliche Freiheit des Bürgers zur MitwirkWlg an der WillensbildWlg, HbStR TI, § 31, Rn 40; Fraenkel, Der Pluralismus als Strukturelement der Demokratie, in VerhandlWlgen des 45. DIr 1964, B 29. 80 Ein Problem hat nur dann eine Chance, einen GesetzgebWlgsprozeß in Gang zu bringen, wenn ein großer Teil der öffentlichen MeinWlg das Problem als solches wahrnimmt. Die Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu erringen, ist daher durchaus mit Macht gleichzusetzen. Hierin liegt der Schwerpunkt der publizistischen Macht der Medien. Vgl. dazu Noll, GesetzgebWlgslehre, S. 73; Die kollektiven Bewußtseinsinhalte werden von den Medien gemacht. (Vgl. Bender, Zur Notwendigkeit einer GesetzgebWlgslehre, S. 3 f.).

1. Absclmitt: Voraussetzw1gen demokratischer Mehrheitsentscheidungen

73

dungsprozeß und schließlich in die parlamentarische Diskussion eingebracht. 81 Die politischen Parteien fungieren so als "Zwischenglieder" zwischen dem einzelnen und dem Staat. 82 Die parlamentarische Diskussion steht gewissermaßen am Schluß der gesellschaftlichen Debatte und ist daher oft vorgeformt. Diese Vorformung durch die vorherige Diskussion wird häufig übersehen. Stattdessen wird dies benutzt, um dem Parlamentarismus vorzuwerfen, eine echte Diskussion finde nicht mehr statt. Es würden Fensterreden gehalten. Die Vorformung ist jedoch kein Krisensymptom, sondern eher ein Zeichen für eine lebendige politische Diskussion in der Gesellschaft und in den Parteien und somit ein Zeichen für eine lebendige Demokratie. Die Vorformung der politischen Willensbildung ist vielmehr Voraussetzung für einen möglichst weiten Konsens und daher für die Legitimität der Mehrheitsentscheidung unerläßlich. 83 Die Vorformung liegt darin begründet, daß die Konflikte und Lösungskonzepte bereits vorher außerhalb des Parlaments diskutiert wurden. Die politische Willensbildung findet nicht nur im Parlament statt, sie ist nicht die Sache intellektueller Eliten84 . Sie vollzieht sich heute an vielen Orten, in Parteien, Verbänden, Vereinen oder Bürgerinitiativen. 85 Das Parlament bezieht seine Vitalität zu einem guten Teil aus diesem vorparlamentarischen Raum. 86 Die vielfältigen Orte politscher Willensbildung ändern aber nichts daran, daß die Willensbildung des Staates ausschließlich durch die Staatsorgane, insbesondere das Parlament, erfolgt.87 Das Problem des Diskurses ist weniger, daß er nicht öffentlich und parlamentarisch wäre. Seine Transparenz leidet 81 Die Parteien besitzen hierfür faktisch das Monopol. Nur sie transformieren politische Entscheidungen auf die entscheidungskompetenten Organe. Vgl. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 11; Scheuner, VVDStRL 22 (1965), S. 1,(24). 82 So bschreibt Hesse, Die verfassungsrechtliche Stellung der Parteien im modernen Staat, in: VVDStRL 17, 11,(19), zutreffend die Funktion politischer Parteien in der Demokratie; vgl. auch Isensee, Der Staat 20 (1981), 161,(176), der treffend von "Maklerdiensten" der Parteien spricht. W.N. bei Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 18 f 83 Vgl. Scheuner, VVDStRL 22 (1965), S. 1, (28); BVerfGE 8, S. 109,(113). 84 Die Ausweitung der teilnehmenden Bevölkerungskreise führt auch zu dem kritisierten Verlust an Homogenität, vgl. Scheuner, VVDStRL 22 (1965), S. 1, (25). 85 Auf diese Art und Weise entfaltet sich Demokratie in einem Gemeinwesen (vgl. hierzuHäberle. JZ 1975,297, (301 f)). 86 Isensee, Der Staat 20 (1981), S. 161,(174). 87 Der entgültige staatliche Willen ist selten mit einem Partei willen identisch. Er ist vielmehr häufig ein Komprorniß zwischen verschiedenen Aufassungen und kann sich erheblich von dem Parteiwillen unterscheiden. Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, § 5 I 1 c (S. 85).

74

2. Teil: RalunenbedingWlgen demokratischer EntscheidWlgsverfahren

vielmehr unter der Vielzahl von Zentren politischer Willensbildung und -äußerung in der Gesellschaft. Dies ist aber ein Wesenszug der Demokratie. Mit der Verwurzelung der Demokratie im Bewußtsein der Menschen wächst auch der Wunsch sich zu beteiligen. Gleichzeitig mit der Komplexität des demokratischen Prozeßes nimmt aber auch die Komplexität der zur Entscheidung anstehenden Sachfragen zu.

b) Die Rolle der Medien im Diskurs Zunehmende Komplexität der Sachfragen und des Diskussionsprozesses bedeuten nicht notwendig, daß die Transparenz des politischen Prozesses abnimmt. Daß dies nicht geschieht, ist die Aufgabe der Medien. Sie müssen als Vermittler von Information gewährleisten, daß der Bürger den politischen Prozeß überschauen und sich ein eigenes Bild machen kann. Den Medien obliegt, insbesondere durch unvoreingenommene Berichterstattung, ein Forum für den gesellschaftlichen Diskurs zu bieten. 88 Dies bedeutet, daß die Medien nicht eigene "Versionen" der Wirklichkeit erstellen dürfen, sondern die verschiedenen Aufassungen zu einer politischen Frage unvoreingenommen vorzustellen haben. 89 Der Bürger ist als Wähler in gewisser Weise Richter. Er bildet sich aus den verschiedenen Versionen ein eigenes Urteil. Der wichtigste Grundsatz für die demokratischen Medien muß daher lauten: die Mündigkeit des Bürgers zu achten und ihn so sachlich und umfassend zu informieren, daß er zu einer eigenen Urteilsbildung befähigt wird. 90 Angesichts der zentralen Rolle, die die Medien für das Funktionieren des demokratischen Diskurses haben, stellt sich die Frage, inwieweit die Medien selbst demokratisch verantwortlich sind. Hierzu ist festzustellen, daß es weder ein demokratisch legitimiertes Wahlverfahren für die Journalisten, noch die Möglichkeit der Abwahl durch die Hörer oder Zuschauer gibt. 91 Soweit es sich um private Medien handelt, übt der Zuschauer über den Markt einen gewissen Einfluß auf das journalistische Personal aus. Dies entfällt bei den öffentlich88 Die freien Medien machen erst die öffentliche AuseinandersetzWlg für die MeinWlgsbildWlg wirksam (vgl. Scheuner, VVDStRL 22, (1965), S. 1,(29 f.). Zur VerpflichtWlg der Medien zum Wlparteiischen Diskurs eingehend: Schachtschneider, Res publica, res populi, S. 1141 ff. 89 Vgl. Kriele, "Wahrheit" in Funk Wld Fernsehen, S. 21. 90 Kriele, "Wahrheit" in Funk Wld Fernsehen, S. 37. 91 Kriele, Plädoyer fllr eine Joumalistenkanuner, in: Recht, VernWlft, Wirklichkeit, S. 336,(338).

1. Abschnitt: VoraussetzlUlgen demokratischer MehrheitsentscheidlUlgen

75

rechtlichen Medien weitgehend. So bleibt die demokratische Verantwortung der Journalisten ein weitgehend unsanktionierter Appell an das Berufsethos. Eine solche Absicherung steht im Gegensatz zu den zahlreichen Kontrollen in anderen Bereichen des demokratischen Staates. Die Problematik kann im Rahmen dieser Untersuchung nur angedeutet werden. Es muß darum gehen, einen wirklich unabhängigen Journalismus zu ermöglichen, ohne eine inhaltliche Zensur vorzunehmen. Lösungsansätze können die Schaffung einer Journalistenkammer92 oder die Wahl der Redakteure durch ein demokratisch legitimiertes Gremium mit qualifizierter Mehrheit.

c) Die Bedingungen eines funktionierenden Diskurses in der modernen Massengesellschaft Unabhängig von dem Problem einer direkten, demokratisch sanktionierten Verantwortung der Medien bleibt festzuhalten: Der Diskurs in der modernen Massengesellschaft kann nur dann funktionieren, wenn die Medien den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften ein demokratisches Forum bieten. Die Medien in der Demokratie sind in erster Linie Vermittler, nicht Macher von Interessen und Meinungen. Eine weitere Bedingung ist, daß die Teilnehmer am politischen Prozeß weiterhin offen und öffentlich diskutieren. 93 Das Parlament muß insofern wichtigstes Forum des Diskurses bleiben, als sich in seinen Diskussionen der gesellschaftliche Willensbildungsprozeß bündeln muß. Dabei hat das Parlament die Hauptaufgabe, die politischen Positionen in seiner Diskussion darzustellen. 94 Unter diesen Voraussetzungen funktioniert der Mechanismus des öffentlichen Diskurses und sichert die Legitimität der Mehrheitsentscheidung, die die staatliche Antwort auf die gesellschaftliche Problemstellung darstellt.

92 So der Vorschlag von Kriele, Plädoyer filr eine Journalistenkammer, in: Recht, VernlUlft, Wirklichkeit, S. 336,(341 f.). 93 Hierin liegt auch die Aufgabe der Parteien. llmen obliegt es, offen für AnreglUlgen aus allen Teilen des Gemeinwesens zu sein. Vgl. H. Trautmann, Innerparteiliche Demokratie im Parteienstaat, S. 50. 94 Dies entspricht auch dem Selbstverständnis des Parlaments: vgl. Hübner/Oberreuther, Parlament lUld RegierlUlg, S. 90.

76

2. Teil: Rahmenbedingungen demokratischer Entscheidungsverfahren

5. Ergebnis zu 1.

Als Ergebnis kann daher festgehalten werden: Auch unter den Bedingungen der modernen Massendemokratie erfüllt der öffentliche Diskurs seine Funktion, durch Transparenz einen rationalen Rechtfertigungsdruck zu erzeugen, der letzlich eine erhöhte Rationalität und damit die Legitimität der Entscheidung begründet. Er ist eine entscheidende Voraussetzung für eine legitime Mehrheitsentscheidung. Unter den Bedingungen der modernen Gesellschaft ist dieser Mechanismus nicht ungefährdet. Gefahren drohen durch tendenziöse, einseitig meinungsmachende Medien und durch die Tendenz, insbesondere der politischen Parteien, den Diskurs auf geheime Zirkel zu begrenzen. Wollen beide Institutionen ihre Legitimität erhalten, so müssen sie diesen Tendenzen entgegenwirken.

II. Die Ergebnisoffenheit des Diskurses Die Ergebnisse des Diskussionsprozesses müssen revidierbar sein. Die Entscheidung, die die Mehrheit getroffen hat, begründet kein Dogma, ihr Inhalt kann in Frage gestellt und neu bedacht werden. 95 Die Bereitschaft, sich einer Mehrheitsentscheidung zu unterwerfen, besteht überhaupt nur, wenn der politische Prozeß, in dem diese Entscheidung entsteht, ergebnisoffen ist und die Minderheit auch Mehrheit werden kann. 96 Das Mehrheitsprinzip darf also nicht dazu benutzt werden, daß der Status quo der Mehrheitsverhältnisse auf Dauer aufrecht erhalten wird. 97 Dies impliziert auch, daß das Verhalten und die Existenz der Minderheit ebenso legal sind, wie die der Mehrheit. 98 Die Minderheit, die Opposition, hat damit die gleiche Legitimität wie die Mehrheit, weil sie erst den Diskurs ermöglicht und damit den für den demokratischen Entscheidungsprozeß unerläßlichen dialektischen Prozeß in Gang hält. Dies gilt insbesondere für parlamentarische Regierungssysteme, in denen die Mehrheit des Parlaments regelmäßig die Regierung stellt. Die Kontrolle der Regierung liegt damit eher im 95 Vgl. hierzu Böcken/örde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 40, der von der "Methode der Entscheidungsoffenheit" spricht. 96 BVerfGE 44, 125,(142); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts für die Bundesrepublik Deutschland, Rn. 143; Stemberger, Lebende Verfassung, S. 145; Scheuner, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 10; Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 194 ff.,(insbes. S. 195 m.w.N.). 97 Vgl. Lau/er, Die Demokratische Ordnung, S. 101. 98 Gusy, AöR 106 (1981),329,(335).

1. Abschnitt: VoraussetzWlgen demokratischer MehrheitsentscheidWlgen

77

Interesse der Opposition. 99 Die parlamentarische Demokratie lebt damit weniger vom Gegensatz Regierung / Parlament als vielmehr vom Gegeneinander zwischen Mehrheit und Minderheit im Parlament.

m

Ausnahmen vom vorherigen öffentlichen Diskurs 1. Entscheidungen ohne Diskurs?

Nachdem festgestellt wurde, daß einer demokratisch legitimierten Entscheidung ein öffentlicher und ergebnisoffener Diskurs vorausgehen muß, bleibt die Frage, ob dies ausnahmslos gilt. Gegenbeispiele lassen sich leicht finden. So werden beispielsweise der Bundespräsident (Art. 54 Abs. 1 GG) und der Bundeskanzler (Art. 63 Abs. 1 GG) "ohne Aussprache" gewählt. Dabei handelt es sich aber nicht um echte Ausnahmen, nicht um diskursfreie Räume. Bei der Bestellung von Amtswaltern ohne Aussprache geht es um Wahlen in einem parlamentarischen Gremium, nicht um Wahlentscheidungen des Volkes. Die Wahl "ohne Aussprache" schließt eine vorherige öffentliche Diskussion über die zu wählende Person nicht aus. IOO Lediglich im Wahlgremium soll es keine Diskussion geben. Das Amt soll nicht durch Diskussionen im Wahlgremium über die Person des zu wählenden in seiner Autorität beschädigt werden. So soll das Ausspracheverbot nach Art. 63 Abs. 1 GG die Autorität des zu wählenden Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten als Vorschlagenden schützen.. 101 Bei der Wahl eines Staatsoberhauptes mit nur repräsentativen Funktionen soll dadurch eine Beschädigung der integrierenden Wirkung des Amtes verhindert werden. Auch die Wahl eines Regierungschefs ist nicht diskursfrei. Die Wahl "ohne Aussprache" durch das Parlament findet regelmäßig nach der Wahl des Parlamentes statt. Sie soll verhindern, daß die Auseinandersetzungen des Parlamentswahlkampfes im Parlament fortgesetzt werden. Insbesondere das letzte Beispiel zeigt, daß ein vorheriger Diskurs jedenfalls auch für die Besetzung von Staatsämtern mit politischer Macht in der Demokratie von 99

Vgl. Badura, Die parlamentarische Demokratie, HbStR I, § 23, Rn. 18.

100 Als Beispiel mag die Diskussion um den BWldespräsidentenkandidaten Steffen

Heitmann dienen, der seine Kandidatur auf Grund der öffentlichen Diskussion um seine Person zurückzog.

101 Vgl. M. Schröder, BildWlg, Bestand Wld parlamentarische Verantwortung der BWldesregierWlg, HbStR II, § 51, Rn. 15. A.A.: (nur Schutz des Kandidaten) Achterberg, Parlamentsrecht, § 19, (S. 513); (nur Schutz des Präsidenten); DolzerlVogel, BKSchenke, Art. 63, Rn. 65. 6 Jochum

78

2. Teil: Rahmenbedingungen demokratischer Entscheidungsverfahren

Bedeutung ist. Die Entscheidung des Parlaments über den Regierungschef ist, obwohl ohne Aussprache getroffen, das Produkt eines Diskurses. Dieser Diskurs wurde nur bereits vor der Wahl des Parlaments geführt und mit der Wahlentscheidung des Volkes beendet. So ist die Parlamentswahl häufig ein Produkt eines Diskurses über die bessere Regierung oder den besseren Regierungschef. 102 Solche Wahlentscheidungen des Volkes setzen aber stets einen Wahlkampf, einen Wettstreit von Personen 103 voraus. Der Wähler hat dadurch die Möglichkeit, sich für einen seiner Auffassung nach optimalen Bewerber zu entscheiden. Dieses gilt nicht nur für den einzelnen Parlamentskandidaten, sondern insbesondere auch für die Kandidaten für die später vom Parlament zu wählenden höchsten Staatsämter. 104 Findet ein solcher Wahlkampf nicht statt oder kommen die alternativen Bewerber nicht ausreichend zu Wort, so kann auch eine Mehrheitsentscheidung des Wählers nicht legitimierend wirken. Folglich gibt es in der Demokratie keine diskursfreien Räume.

2. Der nichtöffentliche Diskurs Etwas anders sieht dies mit der Öffentlichkeit des Diskurses aus. Nicht alle Diskussionen finden öffentlich statt. 105 Dies wird im Hinblick auf das demokratische Prinzip häufig kritisiert. Insbesondere die Nichtöffentlichkeit der Ausschußsitzungen wird als Demokratiedefizit gesehen. 106 Ohne öffentliche Diskussion werde der Bürger vom Willensbildungsprozeß ausgeschlossen. Wer die wahren Grunde für ein Gesetz nicht kenne, könne nicht kritisch in den Diskurs eingreifen. 107 Damit würde der unter solchen Umständen getroffenen Mehrheitsentscheidung eine geringere Legitimität zukommen, weil sie nicht unter voller Teilhabe aller Bürger zustandegekommen wäre. Vgl. Meyer, Demokratische Wahl und Wahlsystem, HbStR II, § 37, Rn. 6ff. 103 Die Wahlen sind Personenwahlen, auch wenn mit Parteiprogrammen geworben wird. Vgl. dazu im einzelnen unten 3. Teil 2. Abschnitt BI. 104 Dies zeigt sich im Wahlkampf regelmäßig in der besonderen Herausstellung der Spitzenkandidaten. 105 So etwa tagen und diskutieren beispw. die Ausschüsse des deutschen Bundestages grundsätzlich nicht öffentlich (§ 69 Abs. 1 GOBT). 106 Vgl. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, S. 226 f. (durch die Verlagerung der Entscheidungen in die nichtöffentlichen Ausschüsse verlieren die Parlamentsdebatten ihren schöpferischen und konstruktiven Charakter); vgl. auch die sehr pointierte Kritik von Schachtschneider, Res publica, res populi, S. 596 f. 107 Vgl. Schachtschneider, Res publica, res populi, S. 597. 102

1. Abschnitt: VoraussetzWlgen demokratischer MehrheitsentscheidWlgen

79

Diese Auffassung verkennt jedoch, daß Öffentlichkeit nicht in erster Linie Teilhabe gewährleisten, sondern der Entscheidung Transparenz verleihen SOll.108 Wie oben bereits dargelegt, ist die entscheidende Folge des öffentlichen Diskurses, der erhöhte Rechtfertigungsdruck, der durch ihn erzeugt wird und der zur Rationalisierung der Entscheidung beiträgt. Dies verlangt aber nicht, daß jede Diskussion öffentlich sein muß. Die Öffentlichkeit von Ausschuß sitzungen und Plenarsitzungen kann zwar vor dem demokratischen Prinzip sinnvoll sein, wird jedoch nicht gefordert. 109 Dies gilt jedenfalls solange das Ergebnis einer Ausschußdiskussion anschließend im Plenum öffentlich diskutiert und gerechtfertigt werden muß. Dieser Rechtfertigungszwang bewirkt, daß die Öffentlichkeit auch in die nichtöffentliche Ausschußsitzung hineinwirkt und so die Verselbstständigung illegitimer Macht verhindern kann. Das demokratische Prinzip verlangt allerdings, daß im Beschlußorgan zumindest eine öffentliche Diskussion stattfindet, weil nur so der durch die Öffentlichkeit vermittelte Verantwortungszusammenhang hergestellt werden kann. Findet der gesamte Entscheidungsprozeß in nichtöffentlichen Gremien statt, so ist die so getroffene Entscheidung demokratisch nicht legitimiert. 110

IV. Ergebnis zu C. Die vorherige Diskussion der Alternativen ist also eine Voraussetzung für die Legitimation durch Mehrheit. 111 Die Mehrheit muß aus einem freien, offenen, regelmäßig zu erneuernden Meinungs- und Willensbildungsprozeß, an dem grundsätzlich alle wahlmündigen Bürger zu gleichen Rechten teilhaben können, hervorgegangen sein. Weiterhin darf die Mehrheit der Minderheit nicht die Chance verkürzen, die Mehrheit von morgen zu werden. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann die Entscheidung der Mehrheit Verpflichtungskraft für alle entfalten. 112 Dabei gibt es in der Demokratie grund108 Vgl. Kriele, VVDStRL 29 (1971), S. 46,(67). 109 So Kn'ele, VVDStRL 29 (1971), S. 46,(68). 110 Problematisch ist dies bei der RechtssetzWlg durch die EG in den Verfahren, in denen das Parlament nicht mit entscheidender Stimme mitbestimmt, weil der Rat als eigentliches Beschlußorgan nicht öffentlich tagt (Vgl. Art. 3 Abs. 1 GeschORat; Geiger, R., EGV, Art. 150 Rn. 16). Das Parlament bestimmt nur im sog. Verfahren der Mitentscheidung Art. 189 b EGV entscheidend mit, weil nur es nur nach diesem Verfahren den Erlaß eines Rechtsaktes verhinden kann (vgl. Geiger. R., EGV, Art. 189b

Rn. 1).

111 Vgl. Scheuner, VVDStRL 22 (1965),1,(28). 112 Vgl. BVerfGE 44, 125,(142); Starck. GfWldrechtliche Wld demokratische Freiheitsidee, HbStR II, § 29, Rn. 33; Stern, Staatsrecht I, § 18 II 5 c 5Ö, (S. 613). 6'

80

2. Teil: Ralunenbedingungen demokratischer Entscheidungsverfahren

sätzlich keine Entscheidung, die nicht in irgendeiner Weise das Produkt eines Diskurses ist. Diese Diskussion muß zumindest in dem zur Entscheidung berufenen Gremium und wenigstens teilweise öffentlich geführt werden, weil nur so der notwendige Verantwortungszusammenhang für legitime Entscheidungen hergestellt werden kann.

2. Abschnit:

Die Übertragbarkeit der materiellen Voraussetzungen legitimer Mehrheitsentscheidungen auf andere Entscheidungsverfahren

Da das Mehrheitsprinzip das spezifisch demokratische Entscheidungsverfahren und daher das einzige Verfahren ist, welches demokratische Legitimation vermitteln kann, ist die Frage zu stellen, ob die Rahmenbedingungen, die für Mehrheitsentscheidungen gelten sollen, überhaupt auf andere Verfahren Anwendung finden können.

A. Rechtliche Gleichheit Schon die erste Vorausetzung legitimer Mehrheitsentscheidungen, die rechtliche Gleichheit, ist auf andere, nicht kollektive Entscheidungsverfahren nicht übertragbar. Rechtliche Gleichheit kann nur innerhalb einer Gruppe bestehen. Eine solche Gruppe besteht in den Fällen monokratischer Entscheidungen gerade nicht. Die monokratische Entscheidung ist das Produkt der Entschließung eines einzelnen Amtsträgers, der in eine Hierarchie eingebunden ist. Der Willensbildungsprozeß ist hier kein Wettbewerb der Ideen und Auffassungen zwischen verschiedenen gleichberechtigten Individuen. Der Entscheidungsträger trifft seine Entscheidung allein und in eigener Verantwortung. Anders als das Mehrheitsprinzip beruht das hierarchische Prinzip auf der Bindung der Entscheidung der niederen Instanz an die höhere Instanz. l13 Zwischen den Beteiligten herrscht keine Gleichheit, sondern ein Verhältnis von Über- und Unterordnung.

1I3

Vgl. dazu Krüger, Herbert, Allgemeine Staatslehre, S. 122.

2. Abschnitt: Übertragbarkeit auf andere EntscheidWlgsverfahren

81

B. Die Bindung an das Recht Die Demokratie ist mit dem Rechtsstaat untrennbar verbunden. 114 Die Bindung an das Recht ist dabei ein rechtsstaatlicher Grundsatz, der auch für die spezifisch demokratische Mehrheitsentscheidung gilt. Seinen klassischen Ort hat die Bindung an das Gesetz in der Exekutive,115 in der - wie festgestellt 116 - die monokratische Entscheidung überwiegt. Die Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz ist daher besonders strikt. 117 Die Bindung der monokratischen Entscheidung an das Recht ist allein rechtsstaatlich zu verstehen. Die Problematik der Übertragbarkeit bedarf angesichts der Selbstverständlichkeit des Prinzips keiner weiteren Erörterung.

C. Vorheriger öffentlicher Diskurs Ein einzelner Entscheidungsträger kann nicht mit sich selbst diskutieren. Die Frage nach einem vorherigen Diskurs spricht vielmehr die Problematik einer der Entscheidung vorausgehenden 118 Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidung an. 119 Auf Grund des Übergewichts monokratischer Entscheidungen in der Verwaltung stellt sich insbesondere hier das Problem eines vorherigen Diskurses. Hierzu ist zunächst festzustellen, daß ein öffentlicher 114 Vgl. dazu oben A TI 1 c. 115 Die Gesetzmäßigkeit der vollziehenden Gewalt an das Recht wurde zuerst als Inhalt des Rechtsstaatsbegriffs aufgefasst. Vgl. MlDIHIS-Herzog, Art. 20, vrr, Rn. 6; zwn ideengeschichtlichen Ursprung: Zippelius. Allgemeine Staatslehre, § 30 I, (S.282). 116 Siehe oben 1. Teil 2. Abschnitt C 12. 117 Vgl. dazuStem, Staatsrecht I, § 20 IV 4 b, (S. 801 ff.). 118 Nicht erörtert wird das Problem der MitentscheidWlg Beteiligter (vgl. zur UnterscheidWlg Breuer, Die VerwaltWlg 10 (1977), S. 1,(5)). Eine solche EntscheidWlg wäre nicht mehr monokratisch. Die MitentscheidWlg kann entweder konsensual oder mehrheitlich organisiert sein. Sie ist in jeden Fall polykratisch. Ist sie eine MehrheitsentscheidWlg, so gelten die oben Wlter A genannten VorausetzWlgen. Zu beachten ist allerdings, daß eine demokratische Legitimation nur durch das Staatsvolk (eventuell territorial begrenzt), nicht durch die Betroffenen einer Maßnahme vermittelt werden kann. (Vgl. eingehend, Schmitt Glaeser, Partizipation an VerwaltWlgsentscheidWlgen, VVDStRL 31 (1973), S. 179,(214 ff.). 119 Dies wird Wlter dem Stichwort "Partizipation" in der staatsrechtlichen Literatur stark diskutiert. Zum Begriff, Dagtoglou, DVBl. 1972, S. 712,(713). Vgl. Waller Wld Schmitt Glaeser, Partizipation an VerwaltWlgsentscheidWlgen, VVDStRL 31 (1973), S. 147 ff., S. 179 ff; weitere Nachw. bei Stern, Staatsrecht, § 22 TI 5 d, (S. 969 f.) Wld Kimminich, DÖV 1983, S. 217,(224, Fn. 53).

82

2. Teil: Rahmenbedingungen demokratischer Entscheidungsverfahren

Diskurs bereits bei der Erarbeitung des Gesetzes stattgefunden hat, welches durch die Verwaltung ausgeführt werden muß. Ähnliches gilt für gerichtliche Entscheidungen. Im Bereich des gerichtlichen Verfahrens ist der Diskurs durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs institutionalisiert. 120 Soweit die Entscheidung gesetzlich determiniert ist, das heißt, daß dem einzelnen Entscheidungsträger keinen Ermessensspielraum zukommt, ist ein vorheriger Diskurs sinnlos. Er liefe auf eine Wiederaufnahme des gesetzgeberischen Diskurses im Einzelfall hinaus und \\iirde die demokratische Legitimation der Mehrheitsentscheidung in Frage stellen. Für eine gebundene Entscheidung ist eine vorherige Beteiligung Dritter nur zur Sachverhaltsaufklärung notwendig und geboten. Anders sieht dies in Bereichen gesetzlich wenig determinierter Entscheidungen aus. Die Entscheidung kann hier ohne Verletzung des geltenden Rechts unterschiedlich getroffen werden. Sie ist damit eine politische und keine rein rechtliche Entscheidung. 121 Bei solchen Ermessensentscheidungen ist die vorherige Beteiligung der Betroffenen, der vorherige öffentliche Diskurs geboten. 122 Die Beteiligung der Dritten ermöglicht in diesen Fällen eine sachliche Verbesserung des Ergebnisses und eine erhöhte Akzeptanz der Entscheidung durch die Betroffenen. 123 Der Diskurs, der einer solchen Entscheidung vorausgeht, eröffnet den gesetzgeberischen Diskurs nicht neu, sondern vollendet ihn, indem er die Grundentscheidung des Gesetzgebers konkretisiert. Die Beteiligung Dritter an monokratischen Entscheidungen ist also immer dann geboten, wenn der Gesetzgeber die Entscheidung nicht hinreichend determiniert hat; mit anderen Worten: wenn der zur gesetzgeberischen Mehrheitsentscheidung führende Diskurs keine vollständige Lösung des Problems gebracht hat oder auf Grund der Materie nicht erbringen konnte. Das Modell des vorherigen Diskurses ist also nur auf in diesem Sinne politische Entscheidungen übertragbar.

120 Die Bedeutung des Diskurses im gerichtlichen Prozeß ist die gleiche wie im politischen Prozeß, weil es in heiden Verfahren letztlich um Rechtssetzung geht. Der gerichtliche Prozeß und der politische Prozeß basieren in der Demokratie auf den gleichen Grundgedanken. Vgl. Kriele, VVDStRL 29 (1970), 46,(50); eingehend: ders., Theorie der Rechtsgewinnung, §§ 14,53-55 (S. 60 ff.; S. 197 ff.). 121 Vgl. zu dieser Differenzierung: Schmidt, VVDStRL 33 (1975), S. 183, (199). 122 Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, HbStR m, § 70, Rn. 26; Dagtoglou, DVBl. 1972, 712,(718); Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 77. 123 Vgl. zu diesem Zusammenhang Pattner, Verwaltungslehre, § 18 11, (S. 305).

2. Abschnitt: Übertragbarkeit auf andere EntscheidWlgsverfahren

83

D. Ergebnis zum 2. Abschnitt Das monokratische Prinzip wird in der Demokratie am häufigsten dann angewendet, wenn eine vorher determinierte Entscheidung im Einzelfall durchgesetzt werden soll. Der Übertragung der Legitimationsvoraussetzungen des Mehrheitsprinzips kommt nur hinsichtlich des vorherigen öffentlichen Diskurses Bedeutung zu und zwar auch nur dann. wenn es sich um politische Entscheidungen handelt. Die Beteiligung Dritter ist immer dann erforderlich, wenn die gesetzliche Entscheidung einen Spielraum läßt und dieser durch einen vorherigen Diskurs geschlossen werden soll. Diese Legitimationsvoraussetzungen des Mehrheitsprinzips ist insoweit auf monokratische Entscheidungen übertragbar, als ähnlich wie bei der Mehrheitsentscheidung eine Qualitätsverbesserung der Entscheidung ermöglicht werden soll und in der Demokratie politische Entscheidungen grundsätzlich aus einem vorherigen Diskurs hervorgehen müssen.

Ergebnis zum 2. Teil Das Mehrheitsprinzip vermittelt in der Demokratie Legitimität. Dies gilt aber nicht generell, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen: Eine Mehrheitsentscheidung ist nur legitim, wenn die Mehrheit auf Basis der Gleichheit aller Abstimmenden gebildet wird und die Abstimmenden zuvor öffentlich über die Lösungsalternativen diskutieren konnten. Daneben ist die Mehrheitsentscheidung an das Recht gebunden, welches sie materiell begrenzt. Die Entscheidung einer Mehrheit ist nur legitim, wenn sie mit dem höherrangigen Recht vereinbar ist. Zur Mehrheit muß das rechtliche Dürfen hinzutreten. Dabei begrenzt das Recht das Mehrheitsprinzip zunächst in der Weise, daß es das Verfahren festlegt. Eine weitere Grenze für legitime Mehrheitsentscheidungen wird inhaltlich gezogen. Die Legitimationswirkung des Mehrheitsprinzips endet dort, wo sie gegen höherrangiges materielles Recht, insbesondere gegen Verfassungsrecht verstößt. Eine Mehrheitsentscheidung, die gegen Grundrechte verstößt ist rechtswidrig und kann - sofern eine gerichtliche Überprüfungskompetenz besteht - aufgehoben werden. Das Mehrheitsprinzip vermag also nur zu legitimieren, wenn es auf rechtlicher Basis steht. Die Mehrheit ist nur legitimiert, wenn sie zur Entscheidung rechtlich befugt ist. Somit lassen sich für die Legitimationswirkung des Mehrheitsprinzips in der Demokratie folgende Bedingungen formulieren: Eine Mehrheitsentscheidung ist legitim, wenn sie auf der Basis der Gleichheit aller Abstimmenden nach einer öffentlichen Diskussion der Lösungsalternativen zustandegekommen ist und wenn für diese Entscheidung eine rechtliche Befugnis bestand.

84

2. Teil: Rahmenbedingungen demokratischer Entscheidungsverfahren

Soweit es um einen vorherigen öffentlichen Diskurs geht, sind diese Grundsätze auch auf andere, insbesondere monokratische Entscheidungsverfahren übertragbar. Eine Beteiligung Dritter ist immer nur dann gefordert, wenn die vorausgegangene Mehrheitsentscheidung einen Spielraum gelassen hat, der einer optimalen Ausfullung bedarf, es sich also um eine politische Entscheidung handelt. Es gilt daher der Satz: Politische Entscheidungen sind in der Demokratie nur unter der Bedingung eines vorherigen Diskurses legitimiert.

3. Te i I

Materielle Anforderungen des demokratischen Prinzips an die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens Im letzten Teil wurde festgestellt, daß die politischen Entscheidungen mehrere Bedingungen erfüllen müssen, wenn sie demokratisch legitimiert sein sollen. Anderes gilt für die rechtlich gebundenen Entscheidungen: Sind sie hinreichend determiniert, so sind sie legitim, wenn sie mit ihrer Rechtsgrundlage vereinbar sind. Dies allein muß das Entscheidungsverfahren durch hinreichende Kontrollen sicherstellen. Da das Recht wieder auf politischen Entscheidungen beruht, ist allein das politsche Entscheidungsverfahren weiter von Interesse. Seine Legitimitätsbedingungen sind weiter zu untersuchen. Es ist festgestellt worden, daß Legitimität in der Demokratie bedeutet, daß sich jedes staatliche Handeln auf den Willen des Volkes zurückführen lassen muß. Das Mehrheitsprinzip als Entscheidungsmodus ist das Mittel, die Verbindung zwischen Staat und Volk herzustellen. Jede staatliche Entscheidung, auch die eines einzelnen, erhält seine Legitimation durch eine Mehrheitsentscheidung. Die Legitimität der Mehrheitsentscheidung ist dabei - wie gesehen - an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Die Voraussetzungen formulieren die Bedingungen, die eine Mehrheitsentscheidung beziehungsweise eine politische Entscheidung überhaupt demokratisch legitimieren. Die äußeren Bedingungen sagen aber noch nichts darüber aus, wie dem konkreten Inhalt einer politschen Entscheidung Legitimation vermittelt wird. Dies ist eine Frage, die mit dem Entscheidungsmechanismus, das heißt mit dem Entscheidungsverfahren unmittelbar zusammenhängt. So ist für die Mehrheitsentscheidung der zentrale Mechanismus zur Feststellung der Mehrheit die Abstimmung. 1 Durch sie wird die Entscheidung getroffen und damit die Legitimation bewirkt. Nun könnte man es hier mit der Feststellung bewenden lassen, daß die oben genannten Voraussetzungen an die Entscheidung erfüllt sein müssen, um eine legitime politische Entscheidung zu erzeugen. Damit wäre die weitere Ausgestaltung des Verfahrens beliebig. Damit blieben aber Fragen offen: Die Frage nach den Kriterien der Bestimmung der Abstimmungs- oder Entscheidungsberechtigten oder die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Entscheidung und ihrem Inhalt, dem 1

Gusy, AöR 106 (1981), S. 329,(332)

3. Teil: Die Ausgestaltung des EntscheidlUlgsverfahrens

86

Zurechnungszusammenhang zwischen Mehrheit und Entscheidung. Auf einen Nenner gebracht, ist im folgenden die Frage zu klären, wie das Entscheidungsverfahren beschaffen sein muß, um den Zusammenhang zwischen Entscheidung und dem Träger der Staatsgewalt, dem Volk herzustellen.

1. Abschnitt

Der entscheidungsberechtigte Personenkreis A. Die Notwendigkeit einer Abgrenzung der berechtigen Personen In der Demokratie entscheidet immer nur derjenige, der zur Entscheidung aufgerufen ist. Dieser Satz gilt nicht nur für den einzelnen Entscheidungsträger, etwa den Beamten oder Einzelrichter. Auch die Mehrheit entscheidet immer nur im Kreis der zur Entscheidung berufenen. 2 Dies bedeutet, daß der zur Entscheidung berufene Personenkreis nach feststehenden Regeln abzugrenzen ist, um überhaupt erst eine Entscheidung zu ermöglichen. 3 Dies gilt insbesondere für die Mehrheitsentscheidung. Die Abstimmungsberechtigten müssen durch Regeln organisiert und verfaßt werden, bevor überhaupt eine Mehrheit festgestellt werden kann. Das Mehrheitsprinzip kann daher nur in einer verfaßten Gemeinschaft gelten. 4 Dies gilt für jede Abstimmung, für jede Entscheidung. Auch rur das "Volk" in der Demokratie wird durch die Regelung der Wahlberechtigung zum "Wahlvolk" und damit zu einer verfaßten Gemeinschaft. Diese verfaßte Gemeinschaft ist eine repräsentative Figur. Sie repräsentiert das Volk in seiner Gesamtheit, einschließlich von Kinderm oder Entmündigten. Repräsentation bedeutet in diesem Zusammenhang die Darstellung einer Personengruppe oder kooperativen Einheit durch eine Person oder Personengruppe mit verbindender Wirkung. S Der Wähler ist auch unter dem allgemeinsten Wahlrecht ein Repräsentant, weil er nicht nur rur sich, sondern auch rur die Nichtwahlberechtigten und die Nichtwähler stimmt. 6 Die Grundlage der demokratischen Verfassung ist die Einteilung der staatlichen Macht in bestimmte Funktionen und 2 Vgl. BVerfGE 1, S. 14, (46); Varain, ZfP 11 (1964), S. 239,(244). Vgl. ftlr die MehrheitsentscheidlUlg Gusy, AöR 106 (1981), S. 329,(323). 4 Vgl. Simmel, Soziologie, S. 143; BVerfGE 1, S. 299, (314 f.). S Vgl. die Defmiton bei Scheuner, Das repräsentive Prinzip in der modemen Demokratie, in FS ftlr H. Huber, S. 222, (227); dazu eingehend ftlr das Parlament lUlten 2. Abschnitt B I. 6 Vgl. Krüger. Herbert, Allgemeine Staatslehre, S. 250 f. 3

1. Abschnitt: Der entscheidilllgsberechtigte Personenkreis

87

die Verteilung auf bestimmte Träger7 . Das Volk ist somit im Verfassungsstaat auch ein "Staatsorgan"S wie Parlament oder Regierung, welches bestimmte Kompetenzen der Mitbestimmung, eine Funktion besitzt. 9

B. Eingrenzungskriterien für den entscheidungs berechtigten Personenkreis An die Feststellung, daß der Kreis der entscheidungsberechtigten einer vorherigen eingrenzenden Bestimmung bedarf, knüpft sich die Frage nach den Kriterien, die das demokratische Prinzip hierfür fordert oder zuläßt. Eine Lösung dieses Problems muß berücksichtigen, daß jeder Abstimmungskörper, auch das Wahlvolk, eine Form der Repräsentation ist. An diejenigen, die eine Entscheidung treffen sollen, werden - je nach Art der Entscheidung - bestimmte Anforderungen gestellt. Dies gilt ebenso fur die Grundfunktion, die Aktivbürgerschaft, wie fur jede andere Staatsfunktion auch.

L Die Eingrenzungskriterien für die Aktivbürgerschaft Wie oben festgestellt ist das Wesensmerkmal der Demokratie die gleichberechtigte Teilhabe aller an der Staatsgewalt. 10 Dieser Satz besagt zunächst, daß alle Berechtigten formal gleich behandelt werden. Ihm ist aber keine unmittelbare Aussage darüber zu entnehmen, nach welchen Kriterien das Merkmal "alle" zu bestimmen ist. Für die Eingrenzung der abstimmungsberechtigten Bürger ist entscheidend, welche Anforderungen die Demokratie an die Bürger in ihrem Gemeinwesen stellt. Der Demokratie liegt die Vorstellung des selbstbestimmten und -verantwortlichen Menschen zu Grunde. Sie setzt so die Fähigkeit zur rationalen politischen Entscheidungsfähigkeit und zur politischen Selbstbestimmung aller seiner Bürger voraus. 11 Dabei geht der demokratische Staat davon aus, daß alle Menschen diese Fähigkeit grundsätzlich besitzen. Der einzelne braucht nicht nachzuweisen, daß er diesem MenVgl. nur Kriele, Einführung in die Staatslehre, § 31, S. 122 ff. In seiner Filllktion als Wähler wird dem Volk Staatsorganqualität zugesprochen. Vgl. KrUger. Herbert, Allgemeine Staatslehre, S. 250 m.w.N. in Fn. 75. 9 Für das Grundgesetz sind dies Wahlen illld Abstimmilllgen (vgl. Art 20 Abs. 2 Satz 2 00); dazu auch Kriele, Einftlhrung in die Staatslehre, § 31, S. 123. 10 Vgl. oben 1. Teil 2. Abschnitt C 11. 7

S

11 Vgl. Scheuner, Das repräsentive Prinzip in der modemen Demokratie, in FS fUr H. Huber, S. 222 f.; v. Amim, Der Staat 26 (1987), S. 477, (488); Meyer, Wahlgrundsätze und Wahlverfahren, HbStR 11, § 38, Rn. 3.

88

3. Teil: Die Ausgestaltilllg des Entscheidilllgsverfahrens

schenbild des demokratischen Staates entspricht. Somit ist der Begriff "alle" dahingehend zu bestimmen, daß hierunter alle Staatsbürger zu begreifen sind, die diese Anforderungen abstrakt erfüllen können. Für die Zugehörigkeit zum Wahlvolk ist gefordert, daß dem einzelnen Stimmberechtigten abstrakt die Fähigkeit zukommt, eigenverantwortlich am politischen Prozeß teilzunehmen. Dem entspricht auch weitgehend die Regelung der Wahlberechtigung. Persönliche Mindestanforderungen für eine vernunft-und gemeinschaftsgemäße Entscheidung müssen gegeben sein. Das Wahlrecht wird demjenigen verweigert, von dem dies grundsätzlich nicht erwartet werden kann. So gibt es soweit ersichtlich - keinen demokratischen Staat, der etwa Kindern das Wahlrecht zugesteht. Ebenso sind in der Regel Menschen, die zur selbstständigen Besorgung ihrer eigenen Angelegenheiten nicht in der Lage sind, vom Wahlrecht ausgeschlossen. 12

11. Die Eingrenzungskriterien für die vom Volk gewählten Vertreter Diese Kompetenzanforderungen gelten für die Wahlbürger. Durch sie wird der Kreis der abstimmungsberechtigten Bürger eingegrenzt. Das so gebildete "Volk" wählt nun seine Vertreter, in der Regel eine parlamentarische Versammlung wie in der Bundesrepublik Deutschland, in der der Bundestag die einzige Repräsentativkörperschaft ist. Sie kann aber auch auf mehrere Staatsorgane verteilt werden. 13 Die so gewählten Repräsentanten üben für das Volk die politische Gewalt, die Staatslenkung aus. 14 Sie treffen Entscheidungen, indem sie weitere Amtswalter wählen oder indem sie Gesetze beschließen. War schon das Wahlvolk eine repräsentative Figur, so befinden sich die eigentlichen Staatsorgane auf einer höheren Stufe der Repräsentation.

12 Vgl. dazu Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Billldestag, § 12,

Rn. 4. Ein anderes Motiv liegt dem Ausschluß vom Wahlrecht als Folge einer straf-

rechtlichen Verurteililllg zu Grunde. Hier wird ein sozialschädliches Verhalten sanktioniert. (Vgl. Jekewitz, GA 1977, S. 161,(169); dies wird teilweise für illlvereinbar mit der Allgemeinheit der demokratischen Wahl gehalten, so Meyer, WahlgTillldsätze illld Wahlverfahren, HbStR II, § 38, Rn. 3. 13 Beispiel: Frankreich, Präsident der Republik illld Nationalversarnmlilllg, beide direkt vom Volk gewählt [Vgl. Art 6 Abs. 1 illld Art. 24 Abs. 2 franz.Verf.; vgl. auch Kimmei. Die Nationalversarnmlilllg in der französischen V. Republik, S. 39]. 14 Auch die Regierilllg ist ein Repräsentant des Volkes, weil sie Anteil an der Staatsleitilllg hat. Vgl. zur gesamthänderischen Staatslenkilllg von Regierilllg illld Parlament im parlamentarischen System des Grundgesetzes: Schröder; Friesenhahn, Parlament illld Regierilllg im modemen Staat, in: VVDStRL 16 (1958), S. 9,(38).

I. Abschnitt: Der entscheidWlgsberechtigte Personenkreis

89

Wie beim Wahlvolk auch, stellt sich die Frage nach der Eingrenzung. Hier könnte man es zunächst bei der Feststellung belassen, der jeweilige Repräsentant sei gewählt. In der Tat ist damit eine hinreichende formale Eingrenzung gegeben. Diese reicht aber nicht aus, dem gewählten eine volle Legitimation als Repräsentant zu geben. Würde die Wahl ausreichen, so wäre auch ein Pferd hinreichend legitimiert, wenn es nur vom Volk gewählt würde. 15 Die demokratische Wahl gibt nur eine formelle Legitimation. Repräsentation fordert aber auch materielle Kompetenz, Befahigung. Sie ist Voraussetzung der Auswahl. 16 Dies bedeutet, daß zur Wahl auch die Wählbarkeit treten muß. Nicht nur die Wahl ist entscheidend. Ebenso bedeutsam ist der Wahlvorschlag, der jeder Wahl vorausgeht. 17 An ihn sind die Kompetenzanforderungen zu stellen. Im folgenden ist zu untersuchen, welche Kriterien dies sein können.

J. Nur die "Besten" als Vertreter des Volkes

Daraus, daß Repräsentation auch Befähigung fordert, wird teilweise der Schluß gezogen, daß nur die Besten als Vertreter des ganzen Volkes in Frage kommen. 18 Der Abgeordnete soll ein anderer und besserer sein, als das ihn wählende Volk. 19 Hier werden die Volksvertreter als republikanische Elite verstanden, die gebildet und innerlich unabhängig ist. 20 Gerade vor dem Hintergrund dieses Postulats wird die Nominierung der Kandidaten durch Parteien21 kritisiert, weil sie gerade nicht eine Auswahl nach der besten Kompetenz gewährleisteten, sondern ausschließlich nach Machtkriterien entschieden. 22 15 Mit dieser BegründWlg wäre auch gegen die Absicht Caligulas, sein Pferd zum Konsul zu machen, nicht einzuwenden. Vgl. zu diesen Plänen Caligulas, Sueton, Leben der Caesaren, Caligula, 55,3 (S. 185). 16 Schachtschneider, Res publica, res populi, S. 675; hier mischt sich demokratische Repräsentation mit dem republikanischen Ethos, welches letztlich das Bewußtsein eines jeden Bürgers erwartet, daß der Staat seine Aufgabe Wld sein Besitz ist. Vgl. Isensee, JZ 1981, 1,(8); ders., Gemeinwohl Wld Staatsaufgaben im VerfassWlgsstaat, HbStR m, § 57, Rn. 84 f; ähnlich Henke, JZ 1981,249,(251); v. Amim, Der Staat 26 (1987),477,(488).

17 Vgl. hierzu Stemberger, Vorschlag Wld Wahl, in: Nicht alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, S. 121. 18 So insbesondere Schachtschneider, res publica, res populi, S. 675; 679 ff. 19 Vgl. Kroger, Herbert, Allgemeine Staatslehre, S. 252 f 20 Vgl. Schachtschneider, res publica, res populi, S. 679 f 21 Die Parteien sind in der modernen Demokratie die bestimmenden Nominierungsorgane. Vgl. Leibholz, Vom Wesen der Repräsentation Wld der Gestaltwandel der

90

3. Teil: Die Ausgestaltlmg des Entscheidungsverfahrens

2. Die Problematik einer Eliteauswahl

Die Forderung nach den Besten als Volksvertretern, nach einer Bildungselite, ist nicht unproblematisch. Mit den Besten ist es wie mit dem Besten: Wer gibt den Ausschlag, was wirklich das Beste ist oder was es erfordert?23 Eine Eliteauswahl könnte letzlich nur durch gesetzliche Regelungen erreicht werden, die Wählbarkeit an bestimmte charakterliche und fachliche Befähigungen binden. 24 Dies bedeutete aber konsequenterweise, daß nicht jeder Bürger grundsätzlich Volksvertreter werden könnte. Der Grundsatz der gleichen Teilhabe, müßte dann dahingehend eingeschränkt werden, daß darunter nicht die gleiche Möglichkeit zur Erlangung eines politischen Mandats zu verstehen ist. Repräsentation kommt zustande, wenn die einzelnen ihr eigenes Ich als Bürger und das Volk sein eigenes Selbst im Handeln der Repräsentanten wiederfinden. 25 Mit anderen Worten: Der Bürger erwartet von seinen Vertretern, daß es sich um Persönlichkeiten handelt, mit denen er sich identifizieren26 kann und daß sie für ihn und die Allgemeinheit da sind. Demokratische Repräsentation heißt daher Herrschaft durch das Volk für das Volk. 27 Wenn die Demokratie von ihren Bürgern Klugheit, Einsicht und politische Selbstverantwortung verlangt,28 so fordert sie dies auch von seinen Vertretern. Dies ist das Amtsethos des Abgeordneten. Gleichzeitig verlangt das Prinzip Demokratie im 20. Jahrhundert, S. 114 f; Meyer, Wahl system und Verfassungsordnung, S. 203 f 22 Vgl. die dezidierte Kritik bei Schachtschneider, res publica, res populi, S. 679.

23 Vgl. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HbStR rn, § 57, Rn. 53. 24 Solche Voraussetzungen sind etwa filr die Richter und die Beamten gesetzlich normiert, vgl. etwa §§ 4, 11 ff. BRRG, §§ 5 - 7 DRiG; älmliches soll wohl nach Schachtschneider, res publica, res populi, S. 679, auch filr die Politiker gelten. 25 Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, in Staat, Verfassung, Demokratie, S. 379,(398).

26 Diese Identifikation ist ein wesentliches Kriterium einer repräsentativen Volksvertretung. Wo keine Identität möglich ist, soll wenigstens Identifikation möglich sein. Drath, Die Entwicklung der Volksrepräsentation, in Rausch (Hrsg.) Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, S. 260,(296). 27 Damit wird die Demokratie um das republikanische Prinzip, der Herrschaft fUr das Volk ergänzt. Vgl. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HbStR III, § 57, Rn. 100. Der Gedanke der Republik als Herrschaft fUr das Volk geht auf Cicero ZUlÜck, vgl. Cicero, De re publica, I 39, (S. 131); vgl. zur historischen Entwicklung Isensee, JZ 1981, 1,(3 f). 28 V. Amim, Der Staat 26 (1987), 477,(488).

1. Abschnitt: Der entscheidWlgsberechtigte Personenkreis

91

der Repräsentation, daß der Volksvertreter nicht etwas anderes, besseres ist,29 sondern einer aus dem Volk, "einer von uns". Demokratische Repräsentation enthält die Spannung zwischen dem Amtsethos des Volksvertreters, seine Aufgaben in persönlicher Verantwortung im Dienst für die Allgemeinheit zu erfüllen30 und dem egalitären Charakter der Demokratie, der die Machtsteigerung der politischen Parteien zur Folge hatte. 31

3. Ergebnis: Im Wesentlichen gleiche Anfordungen an passives und aktives Wahlrecht Entscheidend für die Frage, welche Anforderungen an die Kandidatenauswahl gestellt werden sollen, ist das innere Bild der Bürger von ihrer Vertretung. Die äußere Verfassung muß möglichst der inneren Verfassung entsprechen. 32 Eine Führungsauslese, die sich an rechtlichen Vorzugskriterien orientiert, ist in einer parlamentarischen Demokratie nicht tolerabel. Die Wahlentscheidung ist eine existentielle Bekundung des politischen Vertrauens. Sie entspringt der Souveränität des Volkes und läßt sich nicht auf intellektuelle und ethische Eignungserfordernisse festlegen. 33 Eine so gebildete, elitäre Versammlung verlöre ihren repräsentativen Charakter. Sie wäre ein Parlament aber keine Volksrepräsentation. 34 Das Spannungsverhältnis kann nur dadurch gelöst werden, daß für die Wählbarkeit in eine Volksrepräsentation im Prinzip das Gleiche gelten muß wie für die Wählerschaft. Derjenge ist wählbar, von dem abstrakt erwartet werden kann, daß er die Anforderungen an das Amt des Parlamentariers erfüllt. Die Kriterien können durchaus andere sein, als die für die Aktivbürger29 In dieser Hinsicht verkennt Krüger. Herbert, Allgemeine Staatslehre, S. 252 f., die demokratische Repräsentation. 30 Dieser Amtsethos ist mit dem freien Mandat verbWlden. Isensee, Gemeinwohl Wld Staatsaufgaben im VerfassWlgsstaat, HbStR rn, § 57, Rn. 101. 31 Vgl. Leibholz, Vom Wesen der Repräsentation Wld der Gestaltwandel der Demokratie im 20. JahrhWldert, S. 224 f.

32 Vgl. zu dieser sozailpsychologischen Erkenntnis: Suhr, Der Staat 20 (1981), S. 517,(534 f.). 33 Isensee, Der Zugang zum öffentlichen Dienst, in: FG zum 25-jährigen Bestehen des BVerwG, S. 337,(340 f.). 34 Ein solches Parlament entspräche nicht den WertvorstellWlgen, die an eine Volksrepräsention geknüpft sind Wld wäre deswegen nicht legitimiert. Vgl. Leibholz, Vom Wesen der Repräsentation Wld der Gestaltwandel der Demokratie im 20. JahrhWldert, S. 164.

92

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

schaft gelten, etwa indem ein höheres Wählbarkeitsalter festgelegt wird35 oder das Amt des Repräsentanten mit bestimmten Tätigkeiten unvereinbar iSt. 36 Entscheidend ist, daß eine Identifikation der Wählerschaft mit den Gewählten möglich bleibt. Daher dürfen keine Unterschiede wegen des Standes oder der Bildung gemacht werden. Die Parteien müssen im eigenen Interesse dafür sorgen, daß die von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten die Anforderungen an das Amt des Parlamentariers erfüllen. Ihre Vertreter werden an einem Modell eines guten, seiner Aufgaben und Pflichten bewußten Inhabers eines solchen Amtes gemessen. Nur dann erwerben sie das Vertrauen, das sie benötigen, um gewählt zu werden. 37 Versäumen sie dies, so kann dies Macht- oder gar politischen Existenzverlust38 bedeuten. In der Demokratie entscheidet der Wähler darüber, wer ihn vertreten darf. Dies gilt auch dann, wenn er nur über Parteilisten entscheidet. Der Erfolg einer Liste hängt davon ab, ob die Persönlichkeiten dieser Partei den Wähler überzeugen. 39 Die Qualitäten einer Staatsführung entziehen sich einer rechtli35 Ein solcher Unterschied zwischen Wählbarkeits- und Wahlalter entspricht durchaus der Praxis demokratischer Verfassungen. So beträgt das Wählbarkeitsalter in den USA fiir das Repräsentatenhaus 25 Jahre (Art. I Sec. 2 Cl. 2 US-Verf.) und fiir den Senat 30 Jahre (Art. I Sec. 3 Cl. 3 US-Verf.) bei einem Wahlalter von 18 Jahren (Amendment 26, Sec. 1 US-Verf.) Ein höheres Wählbarkeitsalter bedingt, daß Politiker zuvor in einem Beruf gearbeitet haben müssen und senkt so den Anteil der "Berufspolitiker" . Andererseits könnte dies dazu fUhren, daß sich die Jugend nicht vertreten filhlt. 36 Solche Unvereinbarkeiten des politischen Amtes mit anderen Tätigkeiten sind in demokratischen Staaten üblich. So bestimmt Art. I Sec. 6 Cl. 2 US-Verf. die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft im Congress mit einer öffentlichen Tätigkeit. Ähnliches gilt in Großbritannien (vgl. Loewenstein, Staatsrecht und Staatspraxis von Großbritannien, S. 208 f.). Für die Bundesrepublik Deutschland gibt es eine Unvereinbarkeit eines Bundestagsmandats mit einem öffentlichen Amt nicht (Eine entsprechende Anregung der allierten Militärgouverneure fand keinen Eingang ins Grundgesetz; vgl. 1. Memorandum der Allierten zum GG vom 22. ll. 1948, Pkt. h., Drucks. ParI. Rat, Bundesarchiv Z5, Bd. Anhang 6 BI. 229,(230». Vgl. zu jüngsten Reformvorschlägen in dieser Richtung, E. und U. Scheueh, Cliquen, Klüngel und Karrieren, S. 123.

37 Auf diesen Mechanismus weist zutreffend Hennis, Amtsgedanke und Dernokratiebegriff, in: FG fUr RodolfSmend (1962), S. 51,(55 ff.). 38 Die Auswahl der politischen Führungskräfte ist zentral ft1r die Wertschätzung der politischen Parteien. So ist eine Vertrauenskrise der Parteien regelmäßig zu einem nicht geringen Teil ein Symptom ft1r ein Versagen bei der Personalauswahl. (Vgl. zu diesem Zusanunenhang, E. und U. Scheueh, Cliquen, Klüngel und Karrieren, S. 36 ff.). Ein Beispiel ft1r eine existenzielle Bedrohung, die von einem Mangel an glaubwürdigem Personal ausgehen kann, ist die FDP des Jahres 1994/95. 39 Der Einfluß des Wählers kann allerdings durchaus gesteigert werden. So könnte statt einer geschlossenen eine offene Listenwahl eingefilhrt werden. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Mandate nicht zu besetzen, die dem Nichtwähleranteil entsprechen.

I. Abschnitt: Der entscheidungsberechtigte Personenkreis

93

chen Nonnierung. Daß der demokratische Prozeß eine leistungsfähige Staatsführung hervorbringt, ist eine Hoffnung, gegen deren Scheitern keine rechtstaatIiche Versicherung möglich ist. 4o Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, daß für die direkt vom Volk bestimmten Repräsentanten keine wesentlich anderen Abgrenzungskriterien gelten dürfen als für das Volk selbst. Höhere, aus dem Amtcharakter des Repräsentanten hergeleitete Anforderungen dürfen nur soweit gehen, wie die IdenfIkation des Volkes mit seinen Vertretern geWährleistet bleibt. Nur dann erhält das gewählte Repräsentativorgan auch die Legitimation als Volksvertretung.

m Die Abgrenzungkriterien für andere staatliche Ämter und Entscheidungsgremien

Für die Volksvertreter ist eine Identifikation des einzelnen Bürgers mit seinem Vertreter mitentscheidend. Dieses egalitäre Element tritt in der Erwartung der Bürger zurück, je weniger die zu besetzende Funktion Repräsentativcharakter besitzt. Während die Amtspflichten von Regierung und Parlament überwiegend ethischen Charakter haben und ihre Einhaltung durch möglichen Vertrauens- und Machtentzug sanktioniert ist, so sind sie in Verwaltung und Rechtsprechung weitgehend verrechtlicht. Das politische Amt ist zeitlich begrenzt, das Amt in der Verwaltung oder das Richteramt nicht. 41 Geht es hier um politische Führung, so steht dort die fachliche Ausführung im Vordergrund. 42 Es bedarf daher anderer Kriterien als denen der Wählbarkeit.

J. Kompetenz als einziges Kriterium

Die Allgemeinheit des Gesetzes, welches Grundlage der Freiheit des einzelnen im Staat ist,43 gebietet, daß diejenigen, die es anwenden, unabhängig und politisch neutral 44 und vor allem kompetent sind. Das Vertrauen der Bür40 lsensee, Der Zugang zum öffentlichen Dienst, in: FG zum 25-jährigen Bestehen des BVerwG, S. 337,(341).

41 Auf diesen Unterschied weist lsensee, Der Zugang zum öffentlichen Dienst, in: FG zum 25-jährigen Bestehen des BVerwG, S. 337,(341) hin. 42 Vgl.Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HbStR III, §

57, Rn. 103.

43 Vgl. dazu oben 2. Teil 1. Abschnitt, C 11. 44 Das neutrale Beamtentum bezeichnet Menzel, DÖV 1970, 433,(439), als

"Legende", was im Hinblick auf seinen weiten Politikbegriff richtig ist. Das angewen7 Jochum

94

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

ger in die Verwaltung beruht im wesentlichen auf dieser politischen Neutralität des Beamten. 45 Mit der Forderung nach politischer Neutralität der Beamten geht die Forderung nach fachlicher Eignung einher. 46 Dies gilt umsomehr für die Richter. Unbeteiligtsein ist der richterlichen Tätigkeit wesenseigen. Der Amtsträger darf kein anderes Interesse verfolgen, als das nach Aufrechterhaltung der Rechtsordnung durch Feststellung dessen, was rechtens ist. 47 Nicht mehr das egalitäre "One man, one vote" Prinzip ist Grundlage für die Auswahl der Entscheidungsträger. Allein ihre fachliche Kompetenz, das heißt die konkret nachgewiesene Fähigkeit, eine konkrete Entscheidung sachgerecht zu treffen, ist bestimmend für die Befugnis zur Mitentscheidung. 48 Das demokratische Prinzip der Gleichheit bedeutet für diese Gremien nur Chanchengleichheit bei der Auslese nach Eignung. 49 Grundlage der Auswahl dieser eher unpolitischen Entscheidungsträger ist allein das Leistungsprinzip.50 Dadurch soll ein rationelles Staatshandeln ermöglicht werden. 51 dete Gesetz und die Art und Weise seiner Anwendung unterliegt der politischen Führung und Verantwortung. Unter neutralem Beamtentum ist hier zu verstehen, daß der Beamte keinen eigenen politischen Prioritäten setzen darf 45 Lecheier, Der öffentliche Dienst, HbStR m, § 72, Rn. 103. 46 Das Postulat fachlicher Eignung und politischer Neutralität ist in vielen demokratischen Staaten entscheidend. Vgl. nur Art. 33 Abs. 2, Abs. V. GG. Vgl. für die USA: Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, § 17,(S. 166); vgl. zu weiteren Ländern die Beiträge in: BöckenfördelTomuschatiUmbach,(Hrsg.) Extremisten und öffentlicher Dienst, Baden Baden 1981. 47 Stern, Staatsrecht II, § 43 14 c (S. 897). Insofern ist der Richter nicht ein Beamter, sondern ein Amtsträger mit besonderer Funktion (Piepke, DRiZ 1978, S. 169,(170)). Vgl. auch Faller, Die richterliche Unabhängigkeit im Spannungsfeld von Politik, Weltanschauung und öffentlicher Meinung, in: FS fllr Wolfgang Zeitler I, S. 81,(90).

48 Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür bildet das Habilitationsverfahren an Hochschulen. Über die Annahme eine Habilitationsschrift dürfen nur solche Professoren mitentscheiden, die eine hinreichend sachkundige Bewertung der Habilitationsleistung gewährleisten. Dieser Kreis muß nicht mit den Professoren eines Fachbereiches übereinstimmen (vgl. BVerwG, Urt.v.16.3.1994 - 6 C1.93, JZ 1995,40,(41); mit Anm. Kroger, Hartmut, JZ 1995, 43,(44 f )). 49 Vgl. [sensee, Der öffentliche Dienst, in: HVerfR, § 32, Rn. 33. Das Leistungsprinzip ist der Demokratie verhaftet, vgl. Achterberg, DVBl. 1977, S. 541,(542). 50 Vgl. Lecheier, Der öffentliche Dienst, HbStR III, § 72, Rn. 18. Es ist das beherrschende Auswahlkriterium fllr den öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland, vgl. Laubinger, VerwArch 83 (1992), 246,(249 f); Zu der Bedeutung des Leistungsprinzips in anderen Ländern vgl. Beiträge in: BöckenfördelTomuschatiUmbach,(Hrsg.) Extremisten und öffentlicher Dienst, Baden Baden 1981. 51 Vgl. zur Zielsetzung nur Kruis, BayVBl. 1978, S. 559.

1. Absclmitt: Der entscheidungsberechtigte Personenkreis

95

2. Verbot anderer Kriterien

Die Orientierung der Auswahl an der Kompetenz bedeutet, daß andere Erwägungen als Eignung und Befähigung bei der Auswahl keine Rolle spielen dürfen. Dies gilt insbesondere für die Ämterpatronage aus parteipolitischen Überlegungen. 52 Ämterpatronage erschüttert das Vertrauen der Bürger in die Kompetenz und Neutralität der Verwaltung. Die Politisierung der Verwaltung delegitimiert letztlich die politische Führung und das allgemeine Gesetz als Produkt der demokratischen Entscheidung. Die Patronage zersetzt das Vertrauen in die Integrität der Exekutive, die Grundlage des freien Bürgergehohrsams. 53 Die Ämterpatronage ist ein "schleichendes Gift",54 dessen Schädlichkeit für den demokratischen Rechtsstaat sich auf Dauer in einer Parteien- und Staatsverdrossenheit des Bürgers zeigt. Eine besonders große Gefahr bietet die Ämterpatronage für die Justiz. Einseitig politisch motivierte Richterbestellungen rufen zwangsläufig Mißtrauen gegen die Unvoreingenommenheit des betreffenden Richters hervor und sind daher geeignet, die Legitimität des Gerichts zu untergraben. 55 Ein solcher Legitimationsverlust ist besonders gravierend, weil die Akzeptanz der gerichtlichen Entscheidung und damit die Fähigkeit zur Konfliktlösung von der auf der Neutralität des Richteramts beruhenden Legitimation abhängt. Genauso ist die Geschlechtspatronage zur Frauenförderung zu beurteilen. 56 Eine Bevorzugung von Frauen ist auch bei gleicher Eignung unzulässig, 57 weil es eine gleiche Eignung bei hinreichender Differenzierung nicht gibt. 58 Ebenso abzulehnen ist die noch weitergehende Auffassung, daß das Leistungsprinzip durch das in Art. 3 Abs. 2 GG enthaltene objektiv-rechtliche Gebot der Gleichstellung durchbrochen werden könne. 59 Das Grundgesetz bietet keinen Anhalt dafür, daß aus der Vergangenheit herrührende Nachteile 52 Vgl. Lecheier, Der öffentliche Dienst, HbStR m, § 72, Rn. 108. 53 Isensee, Der Zugang zum öffentlichen Dienst, in: FG zum 25-jährigen Bestehen des BVerwG, S. 337,(344).

54 So v.Amim, Aus Politik und Zeitgeschichte, B 21/90, S. 25,(27). 55 Vgl. Dütz, JuS 1985, S. 745,(748); vgl. auch die eindringliche Warnung vor

parteipolitischer Patronage bei der Personalauswahl von Sendler, NJW 1983, 1449,(1454).

56 Vgl. Isensee, Der öffentliche Dienst, HVerfR, § 32, Rn. 46 ff.; Schrnitt Glaeser, DÖV,381,(387). 57 So etwa Battis/Schulze-TruxlWeber, DVBl. 1991, 1165,(1166). 58 Isensee, Der öffentliche Dienst, HVerfR, § 32, Rn. 48. Eignung kann die ganze Persönlichkeit erfassen (Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 33, Rn. 6). Es kann aber kaum gleiche Persönlichkeiten geben.

59 So die Auffassung von Pfarr/Fuchsloch, NJW 1988,2201,(2205 f.). 7'

96

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

von Frauen durch Nachteile für Männer in der Gegenwart ausgeglichen werden könnten. Art. 33 GG kennt nur die Eignung als Kriterium. 60 Auch die Ergänzung des Art. 3 Abs. 2 GG durch den verfassungsändernden Gesetzgeber6 1 ändert an dieser Beurteilung nichts, weil der speziellere Art. 33 Abs.2 GG unverändert geblieben ist. 62 Trotz dieser bekannten Zusammenhänge wird das Kompetenzprinzip immer mehr durch die "ständestaatliehe" Patronage ausgehölt. Eine wirksame Gegenwehr ist bisher nicht gefunden. Auch hier kann letztlich nur der öffentliche Druck und die Erkenntnis der Verantwortlichen, daß sie auf diese Weise ihre Basis zerstören, etwas bewirken. 63

C. Ergebnis zum 1. Abschnitt Voraussetzung für eine demokratische Entscheidung, sei sie durch Mehrheit oder durch einen einzelnen getroffen, der durch eine Mehrheit legitimiert ist, ist, daß der Entscheidungsträger eindeutig bestimmt ist. Bereits das Volk bedarf einer Eingrenzung durch Regeln, um zu der verfaßten Gemeinschaft des Wahlvolks zu werden. Wenn die Entscheidungsträger durch Regeln festgelegt werden, so stellt sich die Frage, welche Kriterien diesen Regeln zu Grunde liegen. Dieses Kriterium ist für das Wahlvolk die abstrakte Fähigkeit zur eigenverantwortlichen und selbstbestimmten politischen Handlung. Ähnlich liegt es bei den politischen Wahlämtern. Auch hier ist das Kriterium die abstrakte Fähigkeit, ein politisches Amt verantwortungsvoll auszuführen. Anders für die gesetzesausführenden und gesetzesanwendenden Entscheidungsträger, die nicht auf einem zeitlich begrenzten Mandat einer Wahl beruhen. Hier ist das ausschließliche Kriterium die Kompetenz, das heißt die konkret nachgewiesene Fähigkeit, die konkrete Entscheidung sachgerecht zu treffen. Andere Erwägungen als die der fachlichen Eignung sind unzulässig und untergraben, wenn sie praktiziert werden, die Legitimität der von diesen Personen getroffenen Entscheidungen.

60 So Isensee, Der öffentliche Dienst, HVerfR, § 32, Rn. 48. 61 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vorn 27.10.1994 (BGBl. I 1994, S.3146). 62 Vgl. zur Spezialität des Art. 33 zu Art. 3 GG nur v.MÜßchIKunig, Grundgesetzkommentar Bd.I-Gubelt, Art. 3, Rn. 107. (Diesbezüglich a.A: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3, Rn. 60). 63 Vgl. hierzu Lecheier, Der öffentliche Dienst, HbStR m, § 72, Rn. 109.

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

97

2. Abschnitt

Die durch das Entscheidungsverfahren vermittete inhaltliche Legitimation Nachdem die Frage erörtert wurde, wie die Auswahl der Entscheidungsträger in der Demokratie zu organisieren ist, ist nun der Blick auf die von diesen zu treffende Entscheidung zu wenden. Nach dem Grundsatz der Volkssouveränität muß sich jede staatliche Entscheidung, das gesamte Staatshandeln auf das Volk zurückführen lassen (sogenannte ununterbrochene demokratische Legitirnationskette).64 Grundlage bildet immer eine Mehrheitsentscheidung des Volkes selbst. 65 Legitimation hat nicht nur einen formalen Charakter, sondern auch eine inhaltliche Komponente. 66 Wenn jedes staatliche Handeln inhaltlich legitimiert sein muß, folgt, daß zwischen der Willensäußerung des Volkes und der konkreten Entscheidung ein - U.u. vielfach vermittelter und konkretisierter - inhaltlicher Zusammenhang bestehen muß. 67 Das Entscheidungsverfahren muß demnach gewährleisten, daß dieser inhaltliche Zusammenhang hergestellt wird. Im folgenden ist zunächst allgemein zu klären, wie ein solcher Zusammenhang hergestellt werden kann und welche Anforderungen an ihn zu stellen sind. Im Anschluß ist dies für einzelne Entscheidungstypen zu untersuchen.

A. Der Legitimationszusammenhang zwischen Entscheidung und Volk L Das Grundschema: Die staatliche Entscheidung als Antwort auf eine Fragestellung Um die Frage nach der durch das Entscheidungsverfahren zu vermittelnden inhaltlichen Legitimation allgemein zu beantworten, ist zunächst vom bereits eingangs erwähnten Zweck der staatlichen Entscheidung auszugehen. Der staatliche Entscheidungsapparat soll die gesellschaftlichen Konflikte friedlich 64 Vgl. BVerfGE 47, S. 253,(275); Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 11 f. 65 Vgl. dazu oben 2. Abschnitt C II. 66 Vgl. dazu oben 2. Abschnitt A II 2. 67 Vgl. zu diesem Gedanken: Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 69.

98

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

lösen. 68 Ausgangspunkt jeder Entscheidung ist also ein gesellschaftlicher Konflikt. Dabei kann es um die Neubesetzung eines Staatsamtes oder um den Streit zweier Nachbarn um die Grundstücksgrenze gehen. Es sind unendliche Varianten denkbar. Gemeinsames Merkmal all dieser Konflikte ist, daß sie eine Frage stellen. Sie suchen eine Information, mit deren Hilfe der Konflikt beseitigt werden soll.69 Wer soll das Staatsamt besetzen? Wo verläuft die Grundstücksgrenze? Die Antwort auf eine vorgelegte Frage verlangt, daß sie eine der Frage logisch entsprechende Information gibt. 70 Auf den gesellschaftlichen Konflikt übertragen bedeutet dies, daß die Entscheidung in einer Entsprechung zum Konflikt stehen muß. Das heißt, daß die Entscheidung eine dem konkreten Problem entsprechende Lösung darstellen muß. Das Entscheidungsverfahren muß nun gewährleisten, daß diese, dem Problem entsprechende Lösung gefunden wird. 71 Diese Lösung ist aber weder mit Gewißheit vorgegeben noch läßt sich über sie immer Konsens erzielen. Die Entscheidung ist daher auch immer ein Willensakt. 72 Die Entscheidung als staatlicher Willensakt muß sich dabei in der Demokratie auf den Willen des Volkes zurückführen lassen. Damit sind die Elemente des demokratischen Legitimationszusammenhangs bestimmt. Die Entscheidung in der Demokratie muß methodisch sicherstellen, daß die durch den Konflikt gestellte Frage entsprechend beantwortet wird und daß sie dabei auf den Willen des Volkes nachvollziehbar zurückzuführen ist. Diese Elemente müssen erfüllt sein, um der konkreten Entscheidung demokratische Legitimation zu vermitteln. Was dies im einzelnen bedeutet, ist im folgenden näher zu untersuchen.

11. Weitergehende Rationalitätsanforderungen Mit der Feststellung, daß die Frage einer logischen Antwort bedarf, ist allein noch nicht viel gewonnen. Daß die Antwort der Frage logisch entsprechen muß, bedeutet noch nicht, daß sie den Konflikt befriedet. Dies hängt vielmehr davon ab, wie die Fragestellung den Konflikt beschreibt. Eine Frage kann die Zahl der möglichen Antworten auf zwei reduzieren, sie kann aber auch mehrere Alternativen zur Auswahl stellen. Im letzteren Fall muß der Entscheidende 68 Vgl. dazu oben 1. Teil, 1. Abschnitt. 69 Vgl. zum Begriff der Frage, Weinberger, Rechtslogik, 13.2., (S. 33 I). 70 Weinberger, Rechtslogik, 13.4, (S. 333). 71 Vgl. filr das Mehrheitsprinzip: Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, HbStR I, § 19, Rn. 16, der von einem Antwortcharakter der demokratischen Abstimmung spricht. 72 Vgl.zum ganzen oben 1. Teil, 1. Abschnitt.

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennitte1te inhaltliche Legitimation

99

eine Auswahl treffen, welcher der Alternativen er den Vorzug gibt. Die Probleme, die sich daraus für kollektive Entscheidungen ergeben, sind seit langem Gegenstand einer entscheidungstheoretischen Diskussion. 73

J. Der entscheidungstheoretische Ansatz

Ausgangspunkt dieser Entscheidungstheorie ist die Prämisse, daß eine Entscheidung rational sein muß. Dabei wird eine Entscheidung als rational aufgefaßt, wenn sie die Bedingungen der Transitivität, der Assymetrie und der Konnektivität erfüllt. Transitivität bedeutet, daß immer wenn eine Alternative a einer Alternaitve b und b einer dritten Alternative c vorgezogen wird, dann auch a c vorgezogen wird. Assymetrie bedeutet, daß die Entscheidung sich nicht widersprechen darf, also wenn a b vorgezogen wird, niemals auch b a vorgezogen werden darf. Konnektivität bedeutet, daß die Alternativen hinsichtlich ihrer Vorzugs-

würdigkeit vergleichbar sind. 74

Die Entscheidung, die eine der möglichen Alternativen den Vorzug gibt, schafft dadurch eine Präferenzordnung. Durch die Vielzahl von Regelungen entsteht eine soziale Präferenzordnung, die nicht notwendigerweise mit den Präferenzordnungen der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft übereinstimmt.15 So ist die Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art 120 GG abgeschafft (soziale Präferenzordnung), ein Teil der Bevölkerung befürwortet jedoch die Todesstrafe (individuelle Präferenz). Probleme bringt dabei das Merkmal der Transitivität. So hat Condorcet nachgewiesen, daß sich u.v. durch eine Änderung der Abstimmungs73 Dabei geht es insbesondere um kollektive EntscheidWlgsverfahren, wie das Mehrheitsprinzip. Grundlegend: Condorcet, Essai sur l'application de l'analyse ä la probabilite des decisions rendues ä la pluralite des voix, Paris 1785 (auszugsw. abgedr. in Podlech, (Hrsg.) Rechnen Wld Entscheiden, S. 265 ff.); Arrow, Socia1 Choices and Individual Values, 2. Auflage, New York 1963; einen weiteren Überblick gibt Kern, PVS 20 (1979), S. 330 ff. (insbes. Literaturliste S. 354 f.); vgl. dazu auch Metraux, Condorcets EntscheidWlgstheorie Wld das Problem der Legitimation des Mehrheitsentscheids, in: FS für Kurt Eichenberger, S. 395 tT.; Podlech, Wertentscheidungen Wld Konsens, in: Jakobs (Hrsg.), Rechtsge1tWlg Wld Konsens, S. 9 ff.; Popp/Schlink, Präferenztheoretische Bedingungen einer sozialen WertordnWlg, in: Podlech, Rechnen Wld Entscheiden, S. 61 ff.; die Problematik wird im folgenden näher erörtert. 74 Vgl. Podlech, WertentscheidWlgen Wld Konsens, in: Jakobs (Hrsg.), RechtsgeltWlg Wld Konsens, S.9,(11 f.). 75 Vgl. hierzu Wld zum folgenden: Podlech, WertentscheidWlgen Wld Konsens, in: Jakobs (Hrsg.), RechtsgeltWlg Wld Konsens, S. 9,(13 f.).

100

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

reihenfolge das durch die Mehrheit ermittelte Ergebnis verändert, obwohl die Präferenzreihenfolge der einzelnen Abstimmenden gleichbleibt. Das bedeutet, daß bei einer kollektiven Entscheidung der Satz, daß wenn a bund b c, dann auch a c vorgezogen wird, nicht in jedem Fall zutrifft. 76 Arrow hat darüberhinaus nachgewiesen, daß es kein Verfahren gibt, daß die Ableitung einer transitiven Präferenzordnung aus einzelnen Präferenzordnungen in jedem Fall garantiert, wenn die Präferenzordnung nicht diktiert oder oktroyiert sein soll. 77 Der Grundgedanke der Demokratie verlangt aber, daß der einzelne auch sein eigener Gesetzgeber sein soll, der die Bindungen seines Handeins nicht heteronom von einer fremden Macht oder Autorität auferlegt erhält, sondern sich autonom selber gibt. 78 Wenn es aber unter den Bedingungen der Autonomie keine transitiven Entscheidungen geben kann, so bedeutete dies gemäß dem Arrow'schen Theorem, daß wir etwas als demokratisch bezeichnen, was gar nicht demokratisch ist 79

2. Die weitgehende Unbrauchbarkeit des entscheidungstheoretischen Ansatzes für demokratische Entscheidungsverfahren

Da es kein demokratisches Entscheidungsverfahren gibt, das die Bedingungen der rationalen Entscheidung gewährleisten kann, es aber Systeme gibt, die als demokratisch bezeichnet werden, stellt sich die Frage, ob eine demokratisch legitimierte Entscheidung im obigen Sinne rational sein muß und ob 76 Beispiel nach Kern, PVS 20 (1979), 330,(333): Gegeben sei ein Gremiwn mit drei Mitgliedern, A, B, C und drei Entscheidungsalternativen, x,y,z. Die einzelnen Mitglieder sind gezwungen unter den drei Alternativen eine Präferenzreihenfolge zu bilden. Dabei zieht A x y und y z, also auch x z vor. B zieht z x und x y also auch z y vor. C zieht y z, z x also auch y x vor. Wendet man die Mehrheitsregel an so ergibt sich folgendes Präferenzmuster x wurde zweimal y vorgezogen. Y zweimal dem z aber z auch zweimal x. Die Entscheidung ist damit nicht mehr transitiv. Welche Alternative gewählt wird, hängt damit von der Abstimmungsreihenfolge ab. (VgJ. dazu auch Merraux, Condorcets Entscheidungstheorie und das Problem der Legitimation des Mehrheitsentscheids, in: FS für Kurt Eichenberger, S. 395, S. 402 fT.; Papp, Soziale Mathematik und Mehrheitsentscheidung, in: Podlech, (Hrsg), Rechnen und Entschelden, S. 25,(45 t1); Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 132, insbes. S. 135 f. zu den praktischen Auswirkungen.). 77 Arrow, Social Choices and Individual Values, S. 59 (zu Beweisführung und ihren Prämissen: S. 22 ff., S. 46 ff.); eine kurze Übersicht gibt Kern, PVS 20 (1979), S. 330,(332 ff.). 78 Bäckenfärde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, Rn. 35; vgJ. auch oben I. Abschnitt C II. 79 So auch Kern, PVS 20 (1979), S. 330,(336).

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

101

die Prämissen einer rationalen Entscheidung der Wirklichkeit politischer Entscheidungen entsprechen. Das Modell setzt zunächst voraus, daß es eine eindeutige gesellschaftliche Präferenzordnung gibt. 80 Diese Prämisse entspricht weitgehend nicht der Wirklichkeit. Die einzelnen Mitglieder einer Gesellschaft ordnen ihre persönlichen Wertordnungen nicht nur transitiv. Häufig wird man nur eine Alternative als vorzugswürdig betrachten und sich zu der Reihenfolge der anderen keine Gedanken machen. Auch sind Entscheidungen nicht selten durch Emotionen motiviert. Der Willen des zur Entscheidung aufgerufenen ist nur schwer analysierbar. Der gedankliche Prozeß wird von Meinungen, Theorien und Interessen bestimmt. Interessen werden so definiert, wie sie sich im Lichte der jeweiligen subjektiven Meinungen darstellen. 81 Dieses Motivationsgeflecht macht es praktisch unmöglich, rationale Präferenzordnungen festzustellen. Ein weiteres Problem ist, daß nicht alle Alternativen in ihrer Vorzugswürdigkeit vergleichbar sind. Die Anschaffung neuer Rüstungsgüter ist nicht ohne subjektive Wertung mit der Subvention eines Laienorchesters vergleichbar. Anders mag es allein bei Kandidaten für ein bestimmtes Amt sein, weil die Anforderungen des Amtes einen Vergleichsmaßstab ermöglichen. Aber auch hier ist nicht sichergestellt, daß dieser Entscheidungsmaßstab tatsächlich angewendet wird und nicht andere Motivationen eine Rolle bei der Wabl spielen können. 82 Kurz gesagt, es gibt keine Entscheidungen, die alle Kriterien der Rationalität erfüllen. 83 Demokratische Entscheidungsprozesse lassen sich daher durch mathematisch rationale Modelle nur ungenügend beschreiben. Hinter der Idee der rationalen Entscheidung liegt ein Vernunftoptimismus, für den der Entscheidungsprozeß nur der Erkenntnis des Wahren und Vernünftigen dienen soll. 84 Die Vernunftnotwendigkeit, mit anderen Worten: das Gemeinwohl, ist aber nicht Abbild, sondern Vorbild staatlichen Lebens. Es kann nur unter den Bindungen der Ungewißheit angestrebt werden, weil keine Autorität die letzte 80

Vgl. dazu Schmidt, VVDStRL 33 (1975), S. 183,(197).

81 Weinberger, Abstirnrnungslogik und Demokratie, in: Refonnen des Rechts, FS.

200 Jahre Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz, S. 605,(608). 82 Je größer das Entscheidungsgremium ist, desto größer die Gefahr einer irrationalen Entscheidung. Dies liegt insbesondere in der fehlenden direkten Verständigungsmöglichkeit untereinander (vgl. zu diesem Zusammenhang T. Eschenburg, Staat und Gesellschaft in Deutschland, S. 128). 83 So auch Podlech, Wertentscheidungen und Konsens, in: Jakobs (Hrsg.), Rechtsgeltung und Konsens, S. 9,(14). 84 So für die Theorie Condorcets, Papp, Soziale Mathematik der Mehrheitsentscheidung, in: Podlech, Rechnen und Entscheiden, S. 25,(30,34).

102

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

Richtigkeit und Wahrheit von Entscheidungen gewährleisten kann. 85 Die Lösung gesellschaftlicher Konflikte ist ein ständiger Prozeß von Diskussion und Dezision. 86 Die Konflikte werden durch Anpassung der "Instrumente" auf die konkrete Situation befriedet. Dabei werden die Instrumente von Ebene zu Ebene spezifischer. Der Konflikt über die Grundstücksgrenze wird an Hand von Gesetzen entschieden, die ihrerseits wieder Ergebnis von Grundwertungen, wie Grundrechten etc., sind. Entscheidend ist dabei, daß zwar ein rechtlicher Fortschritt stattfindet, der aber angesichts der immer wieder neuen Konflikte und Konfliktvarianten nie zum Ende kommt. Der wissenschaftliche Fortschritt oder tiefgreifende Erfahrungen einzelner oder der Gesellschaft verändern gleichzeitig die GrundeinsteIlungen und lassen das, was früher als wahr und richtig erschien, heute falsch sein. 87 Diese Dynamik des demokratischen Prozesses wird vom entscheidungstheoretischen Ansatz verkannt. 88 Die Unmöglichkeit, rationale Entscheidungen zu sichern, folgt aus der Unmöglichkeit, inhaltliche Rationalität definitiv zu erkennen. Das bedeutet nicht, daß Rationalität nicht anzustreben ist. 89 So hat sich der Gesetzgeber ebenso wie die Verwaltung zu bemühen, alle zur Entscheidung relevanten Daten heranzuziehen und sie aufzubereiten. 90 Ob er dies getan hat, 85 Vgl. dazu Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HbStR

m, § 57, Rn.

39, 74.

86 Vgl. Kriele, VVDStRL 29 (1971), S. 46,(52). 87 Vgl. zur Bedeutung von Erfahrungen fi1r den politischen Willensbildungsprozeß Kriele, VVDStRL 29 (1971), S. 46,(57); derartige Prozesse sind auch praktisch sehr leicht nachweisbar: So hat sich in Folge der Kollektiverfahrung zweier Weltkriege die Einstellung der Menschen zum Krieg als legitimes Mittel der Politik verändert. Ein anderes Beispiel für den Einfluß wissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Wertung von Recht und Unrecht ist die Strafbarkeit von männlicher Homosexualität. Wurde sie früher für strafwürdiges Unrecht gehalten, so erfolgte die Abschaffung der Strafbarkeit in Deutschland 1994 (29. StrÄndG. v. 29.5.1994 (BGBl I 1994, S. 1168). Die amtliche Begründung des Entwurfs ist ein Muster fi1r den Einfluß wissenschaftlicher Erkenntnisse, vgl. BT-Drucks. 12/4584, S. 4 f. 88 Aderhold, Kybernetische Regierungstechnik in der Demokratie, S. 98.

89 Die Orientierung am Richtigen gehört zur Daseinsverfassung des Menschen, sie ist nur nicht vorgegeben. RyjJel, Der demokratische Gedanke im politischen und sozialen Bereich, in: Demokratie und Verwaltung (FS Verwaltungshochschule Speyer 1972), S. 191,(195). 90 Dies wird insbesondere in der Überprufung des Ermessens im Rahmen gerichtlicher und verfassungsgerichtlicher Kontrolle deutlich. Während auf dem Gebiet der Verwaltungsentscheidung seit langem inhaltliche Verfahrensbindungen bekannt sind, hat dies im Bereich der Gesetzgebung nur vereinzelt Beachtung gefunden. Vgl. dazu Schwerdtfeger, Optimale Methodik der Gesetzgebung als Verfassungspflicht, in: FS für

2. Absclmitt: Durch Verfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

103

ist nicht aus der Entscheidung selbst ablesbar, sondern kann nur durch Überprüfung des inneren Entscheidungsprozesses im Einzelfall nachvollzogen werden. 91 Obwohl die Anstrengungen des Gesetzgebers bei der Schaffung einer rationalen Entscheidungsgrundlage nachvollzogen werden können, kann dies keine inhaltlich rationale Entscheidung garantieren. Es kann daher allenfalls das Bemühen um eine inhaltlich richtige Entscheidung gewertet werden. 92 Dies ergibt sich allerdings aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Bindung aller staatlichen Gewalt an das Recht, und stellt kein spefizifisches Erfordernis demokratischer Legitimation dar. Es ist jedenfalls festzustellen, daß Rationalität nicht vermittels eines Verfahrens mathematisch exakt gesichert werden kann. 93 Die obengenannten Prämissen sind zur Beschreibung einer inhaltlich legitimierten demokratischen Entscheidung weitgehend unbrauchbar. 94

III. Die materielle Legitimationsvoraussetzung demokratischer Entscheidungen: Klare Erkennbarkeit des Willens des Entscheidungsträgers Demokratie unterscheidet sich von anderen Staatsformen dadurch, daß sie nicht von einem einheitlichen Volkswillen ausgeht, sondern von der Realität, von der Existenz von Interessens- und Meinungsgegensätzen innerhalb des Volkes. 95 Dabei fordert das demokratische Prinzip nicht, daß die konkrete Lösung tatsächlich optimal geeignet ist, den Konflikt zu lösen. Der EntscheiH.P. Ipsen, S. 173, (176, mit konkreten Anforderungen S. 178 ff). Zu dieser Problematik auch Stern, Staatsrecht II, § 37 IV 5 g (S. 645). 91 Schwerdtfeger, Optimale Methodik der Gesetzgebung als Verfassungspflicht, in: FS für H.P. Ipsen, S.173,(174). 92 Das Bundesverfassungsgericht fordert, daß Erwägungen der Gesetzgebers nicht "so offensichtlich fehlsam sind, daß sie vernünftiger Weise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abegeben können (BVerfGE 38, S. 61,(87)). Vgl. auch BVerfGE 25, S. 1,(17). 93 Dies beweist nicht den prekären Charakter jeder demokratischen Ordnung (so aber Kern, PVS 20 (1979), S. 330,(346)). Dies ergibt sich vielmehr aus der Unmöglichkeit, die Rationalität einer menschlichen Entscheidung definitiv zu messen. So wird nicht der prekäre Charakter der Demokratie bewiesen, sondern der prekäre Charakter von Versuchen, menschliche Entscheidungen an Hand von mathematischen Modellen zu beschreiben. 94 Das Abstirnrnungsparadox kann wie oben gezeigt bei Personalentscheidungen Relevanz gewinnen, weil dort eine Vergleichbarkeit zumindest annäherungsweise besteht. 95 Vgl. nur Badura, Die parlamentarische Demokratie, HbStR I, § 23, Rn. 29.

104

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

dungsinhalt hängt davon ab, wer sich mit welcher Intensität und welcher Verbindlichkeit am vorherigen Diskurs beteiligt hat. 96 Die Entscheidung steht am Ende des Willensbildungsprozesses, der durch die Entscheidung selbst nicht nachvollziehbar ist. Einzig die Entscheidung selbst bringt einen Willen zum Ausdruck. Dieser Wille des Entscheidungsträgers muß die logische Antwort auf die ihm gestellte Frage enthalten. Ob diese Antwort richtig ist, ist dabei nicht entscheidend. Es geht allein darum, daß die Meinung des Entscheidungsträgers zum Ausdruck bringt, sie sei richtig.9 7 Geht man von dieser Prämisse aus, kann das demokratische Prinzip nur verlangen, daß eine zur Frage logisch passende Antwort gegeben wird, so daß der Wille des Entscheidungsträgers in dieser Frage klar zum Ausdruck kommt. 98 Der Bundeskanzler schlägt Herrn X als Minister vor. Die Frage, wer wird Minister, wird eindeutig beantwortet. 99 Das Problem ist im demokratischen Sinne gelöst, weil der richtige Entscheidungsträger eine schlüssige Entscheidung getroffen hat. Ob die Entscheidung zweckmäßig war, ob sich X der Aufgabe als Minister gewachsen zeigt, ist keine Frage inhaltlicher Legitimation, die durch das Verfahren sichergestellt werden müßte. Die Entscheidung kann gegebenfalls korrigiert werden. Dies reicht für die demokratische Legitimation aus. 100 Ebensowenig kommt es auf die Motivation für die Entscheidung an. Warum ein an der Entscheidung Beteiligter sich tatsächlich für eine Alternative entschieden hat, ist nicht überprüfbar. 1ol Überprüfbar ist allein der in der Entscheidung zum Ausdruck kommende Willen. Wenn aus mehreren Alternativen (A bis X) die Alternative C gewählt wird, so ist der Wille des Entscheidungsträgers eindeutig. Der Wille ist, daß Alternative C den Vorzug gewinnt. Damit ist die Entscheidung legitimiert. 96

Vgl. dazuSchmidt, VVDStRL 33 (1975), S. 183,(199).

Vgl. für die Kollektiventscheidung: Weinberger, Abstirrunungslogik und Demokratie, in: Reformen des Rechts, FS. 200 Jahre Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz, S. 605,(612). 98 Insofern bleibt als Grundanforderung an die demokratische Entscheidung die Assyrnetrie. 99 Der Vorschlag gemäß Art. 64 Abs. 1 GG korrunt einer Auswahl gleich, weil der Bundespräsident die Ernennung nicht aus politischen Gründen ablehnen kann. Vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein, Korrunentar zum Grundgesetz, Art. 64, Rn. 1 m.w.N. (früher streitig). 100 Die Korrigierbarkeit der Entscheidung ist ein Kritierium der Legitimation. Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 18 14 b (S. 594). 101 Der Kanzler kann durch eine Koalitionsabsprache motiviert sein, den von einer anderen Partei benannten Kandidaten vorzuschlagen. Er kann nicht gehindert werden, seine Richtlinienkompetenz ausschließlich im Sinne einer Koalitionsabsprache zu nutzen. Gleiches gilt für eine Parlamentsfraktion. Vgl. Dolzer/Vogel, BK-Henke. Art. 21, Rn. 152; vgl. zur Zulässigkeit von Koalitionsabsprachen auch M/DIH/S-Herzog, Art. 63, Rn. 8 fT. 97

2. Abschnitt: Durch Verfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

105

Etwas anderes gilt dann, wenn aus dem Entscheidungsergebnis der Wille nicht mehr klar herzuleiten ist. Dies ist etwa der Fall, wenn die Entscheidung mehrere Alternativen zugleich erhält. Entspricht A dem Willen des Entscheidenden oder B oder beides? Es kann aber auch dann eine unklare Entscheidung auftreten, wenn der konkreten Entscheidung keine entsprechende Willensäußerung zuzuordnen ist, etwa dann, wenn die Wahl zwischen vergleichbaren Alternativen so gestaltet ist, daß auch die Reihenfolge der Abstimmungsfragen eine Rolle spielen kann. Die Vergleichbarkeit der Alternativen ist aber nur bei der Wahl einer Person denkbar, weil nur dort von einer durch das Amt vermittelten annähernden Vergleichbarkeit ausgegangen werden kann. Diese Problematik wird im einzelnen für verschiedene Entscheidungstypen erläutert werden. Allgemein ist zunächst festzuhalten: Die individuellen Präferenzen bleiben soweit ausgeklammert, wie sie nicht die Willensäußerung als solche unklar werden lassen. 102 Entscheidend ist, daß sich ein Wille des Entscheidungsträgers aus der Entscheidung selbst ergibt und daß die Entscheidung eine logische Antwort auf die Fragestellung gibt.

IV. Ergebnis zu A Allgemein ist damit festzustellen, daß eine legitime demokratische Entscheidung folgende Voraussetzungen erfüllen muß: Sie muß eine präzise Antwort auf eine vorgelegte präzise Frage sein. Sie muß der Frage logisch entsprechen und damit den Willen des Entscheidungsträgers klar zum Ausdruck bringen. Das Entscheidungsverfahren vermittelt dann eine Legitimation, wenn sein Produkt, die Entscheidung, diesen Anforderungen entspricht. Wie dies im einzelnen zu gestalten ist, hängt von der Fragestellung und damit von der Art der zutreffenden Entscheidung ab. Dies ist im folgenden für verschiedene Entscheidungstypen zu untersuchen. Allgemein ist für den Legitimationszusammenhang festzustellen: Eine Entscheidung ist nur dann demokratisch legitimiert, wenn sich aus der Entscheidung der Wille des Volkes selbst oder des vom Volk legitimierten Entscheidungsträgers zu der konkreten Frage unzweideutig ergibt.

102 So kann das Abstimmungsparadoxon durchaus Relevanz gewinnen. Dazu im einzelnen unten 2. Abschnitt B II.

106

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

B. Der Legitimationszusammenhang zwischen Wählern und Gewählten und die sich daraus ergebenden Folgen für die Ausgestaltung des Wahlverfahrens Die wichtigste Entscheidung in der Demokratie ist die Wahl. Sie ist nicht nur als beliebige auszugestaltende Technik der politischen Willensbildung zu verstehen. 103 Vielmehr wird durch die Wahl der politische Wille des Wählers in Machtpositionen umgesetzt und nur dadurch dem Staatsapparat die notwendige demokratische Legtimation vermittelt. 104 Das Wahlverfahren muß dabei den Legitimationszusammenhang herstellen. Die Wahlentscheidung kann dabei vom Volk direkt 105 oder indirekt durch eine von ihr gewählte Gruppe oder eine Einzelperson getroffen werden. Allgemein formuliert stellen Wahlen immer die Frage, "Wer soll es sein?". Für die demokratische Legitimation der getroffenen Entscheidung ist allerdings weiter zu differenzieren, um welche Wahl es geht. So gelten für die Wahl des Parlaments andere Bedingungen wie für die Wahl einer einzelnen Person. Die Einzelheiten ergeben sich auch aus der Art des zu bildenden Staatsorgans oder des zu besetzenden Amtes. Die persönlichen Anforderungen sind bereits oben erörtert worden. 106 Für die Problematik der Verfahrensausgestaltung ist neben diesen Fragen entscheidend, was gewählt werden soll. Im folgenden soll an Hand von Beispielen versucht werden, allgemeine Kriterien demokratischer Wahlen herauszuarbeiten. Die wichtigste Wahl in der Demokratie ist in der Regel die Parlamentswahl. Sie soll zunächst als Beispiel dienen (I). Danach soll der Legitimationszusammenhang für verschiedene Beispiele der Wahl einzelner Amtsträger erörtert werden (11). Schließlich soll versucht werden, daraus allgemeine Regeln für Wahlen herzuleiten (III).

I. Der Legitimationszusammenhang bei Parlamentswahlen Voraussetzung für eine demokratisch legitime Entscheidung ist, daß es sich um eine der Frage logisch entsprechende Antwort handeln muß, die den Willen des Entscheidungsträgers klar erkennen läßt. Es ist also zunächst zu erör103 So eindrücklich Badura, AöR 97 (1972), S. 1. 104 Vgl. Meyer, Demokratische Wahl und Wahlsystem, HbStR 11, § 37, Rn. 4; Steinberger, Konzeption und Grenzen freiheitlicher Demokratie, S. 85 f.; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 24 (S. 187). lOS Eine direkte Entscheidung ist regelmäßig die Parlamentswahl. 106 Vgl. oben 1. Abschnitt.

2. Absclmitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

107

tern, welche konkrete "Fragestellung" die Parlamentswahl beinhaltet. Dies ergibt sich aus der Bedeutung des Parlaments im demokratischen Staat. Darauf aufbauend kann geklärt werden, welche Anforderungen sich für die Ausgestaltung des Wahlrechts ergeben, damit die Wahlentscheidung legitim ist.

1. Bedeutung des Parlaments im demokratischen Staat: Repräsentation des Volkes

Das Parlament ist als Staatsorgan weder an die Demokratie gebunden, noch verlangt es eine Volkssouveränität. Es ist auch in einer Monarchie als Vertretung der Stände denkbar und hat darin auch seine geschichtlichen Wurzeln. 107 Das Parlament in der Demokratie unterscheidet sich von den ständestaatlichen oder monarchistischen Parlamenten zunächst durch seine AufgabensteIlung. Es besitzt eine Rechtssetzungsprärogative. l08 Hinzu kommen Kreationsfunktionen, beispielsweise in parlamentarischen Regierungssystemen die Einsetzung der Exekutive. 109 Die Aufgaben des Parlaments variieren dabei je nach Verfassungsordnung relativ stark. IIO Ein entscheidendes Merkmal ist jedoch allen demokratischen Parlamenten gemeinsam: Sie sind eine Vertretung des Volkes. 111 Diese Funkion bezieht 107 Vgl. zur Geschichte Achterberg, Parlamentsrecht, § 2 II 1, (S. 18). 108 Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, § 5 I 1 (S. 75); zum Begriff: Kriele, Theorie der Rechtsgewinmmg, S. 60 tT. 109 Die Abhängigkeit der Regienmg vom Parlament ist die wichtigste Unterscheidung zwischen parlamentarischen und präsidentiellen System. Vgl. Ste.IJani, Parlamentarische und präsidentielle Demokratie, S. 39; Herzog, Parlamentarisches Regienmgssystem, EvStL II, Sp. 2428; zum parlamentarischen Regienmgssystem des Gnmdgesetzes vgl. M. Friedrich, Anlage und Entwickhmg des parlamentarischen Regienmgssystems, DVBl. 1980, S. 505 tT. 110 Als Extrembeispiele mögen die französische Nationalversammlung und der deutsche Bundestag dienen. Während das französische Parlament eine Rechtssetzungsprärogative nur in bestimmten Teilbereichen hat (vgl. Kimmei, Die Nationalversammlung in der V. französischen Republik, S. 69) und die Regienmg zumindest ebenso vom Vertrauen des Präsidenten abhängig ist, ist der deutsche Bundestag als einziges direkt vom Volk gewähltes Staatsorgan mit einer umfassenden Rechtssetzungsprärogative in allen wesentlichen Fragen ausgestattet (vgl. BVerfGE 40, S. 237,(249)). Außerdem ist die Regienmg dem Parlament, wie im klassischen Parlamentarismus, allein verantwortlich. Vgl. zu den Aufgaben des Bundestages im einzelnen: Klein, Aufgaben des Bundestages, HbStR II, § 40.

III Vgl. Badura, Die parlamentarische Demokratie, HbStR I § 23, Rn. 9. Dies gilt unabhängig davon, ob es noch andere Repräsentanten des Volkes gibt, wie in den Verfassungen Frankreichs und der USA (dort jeweils der Präsident). Vgl. zur USA:

108

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

das Parlament durch seine Bestellung durch das Volk. Die Bestellung durch das Volk macht aus einer parlamentarischen Versammlung erst eine Volksvertretung. 112 Damit ist die "Fragestellung" Parlamentswahl durch das Volk die Schaffung einer Volksvertretung. 113

2. Der Begriff der Repräsentation und die Folgen für

die Anforderung an die Wahlentscheidung

Damit ist die Frage allerdings noch nicht präzise genug gestellt. Es ist noch zu klären, was im demokratischen Verfassungsstaat konkret unter Vertretung oder Repräsentation des Volkes durch eine parlamentarische Versammlung zu verstehen ist. Die moderne Demokratie bedarf einer Repräsentationsordnung 114, die durch die Verteilung der staatlichen Gewalt auf verschiedene Ämter gebildet wird. 115 Die demokratische Verfassung ist daher immer auch eine republikanische Ämterverfassung. Dies wird damit begründet, daß die Repräsentation eine Erweiterung des Horizonts und Differenzierung der öffentlichen Meinung und damit eine Selbstvergütung der Repräsentierten ermöglicht. 116 Repräsentation im staatsrechtlichen Sinne ist dabei von dem bürgerlich-rechtlichen Vertretungsbegriff zu unterscheiden. Anders als im Privatrecht oder bei der öffentlich-rechtlichen Stellvertretung geht es nicht darum, daß der Vertretene wegen Verhinderung andere für sich handeln läßt. Es geht vielmehr darum, daß ein zwar vorhandenes, aber nicht konkret sichtbares Sein (z.B. das Staatsvolk) durch ein sichtbares Sein (das Parlament) gegenwärtig gemacht wird.

Steinberger, Konzeption und Grenzen freiheitlicher Demokratie, S. 109 f.; zu Frankreich: Haensch/Lory, Frankreich I, S. 78 (Art. 3 franz. Verf.). 112 Die Volksvertretung muß allerdings nicht das ganze Parlament umfassen. Soweit es sich aber um eine Volksvertretung handelt, wird sie in allen Demokratien vorn Volk gewählt. Vgl. Brunner, Vergleichende Regierungslehre I, S. 206. 113 Die anderen parlamentarischen Versammlungen, die nicht vorn Volk oder zuindest nicht nach egalitär-demokratischen Grundsätzen gewählt werden, vertreten nicht das Volk, sondern entweder die Gliedstaaten (z.B. der deutsche Bundesrat) oder eine Elite (britisches House of Lords). Vgl. dazu Brunner, Vergleichende Regierungslehre, S. 224 ff. 114

So der Begriff von Isensee, Der öffentliche Dienst, HVerfR, § 32, Rn. 20.

115 Der Arntsbegriff ist Bestandteil des demokratischen Prinzips, auch wenn er

nicht demokratischen Ursprungs ist. Vgl. MIDIH/S-Herzog, Art. 20, Il, Rn. 19.

116 Vgl. Madison, 10. Federalist-Artikel v. 22.ll.l787, in: HamiltonlMadisonlJay, Die Federalist-Artikel, hrsg. und übers. v. Angela und Willy Paul Adams, S. 50, (55); Krüger, Herbert, Allgemeine Staatslehre, S. 238 ff. (insbes. 240).

2. Absclmitt: Durch Verfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

109

Repräsentation bedeutet damit zunächst Vergegenwärtigen des Repräsentierten.1 17 An die Stelle einer Gesamtheit treten eine oder mehrere Personen, die die Gesamtheit verbindlich vertreten. 118 Dabei ist entscheidend, daß Repräsentant und Repräsentierter nicht identisch sind. 119 An die Stelle des diffusen "Volkswillen" tritt der autonome Wille der Volksvertretung. Die Entscheidungen, die das Volk nicht direkt treffen kann, trifft an seiner Stelle die Volksvertretung. Die Repräsentation ist somit eine existenznotwendige Methode zur Bildung eines autonomen Willens, 120

a) Das klassische Repräsentationsverständnis: Volksvertretung durch unabhängige Abgeordnete Der Repräsentation liegt also der Gedanke zugrunde, den autonomen Willen der Repräsentanten an die Stelle des nur begrenzt artikulationsfahigen Willens der repräsentierten Gesamtheit zu stellen. Das Volk wird als Einheit begriffen, dem der einzelne Abgeordnete verantwortlich ist. 121 Aus diesem klassischem Verständis der Repräsentation folgt das Idealbild vom einzelnen Abgeordneten, der persönlich unabhängig, frei von jeden Bindungen nur am Wohl des Volkes orientiert ist und keine Interessenvertretung betreiben darf 122 Legt man dieses Verständnis zugrunde, so steht bei der Repräsentation die Person des Repräsentanten im Vordergrund. Bei der Wahl geht es darum, daß der Bewerber das persönliche Vertrauen der Wähler erwirbt und daß dieses zum Ausdruck kommt. Dieser Forderung entspricht am ehesten das Mehr117 Vgl. Glum, Begriff und Wesen der Repräsentation, in: Rausch (Hrsg.) Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, S. 105. 118 Vgl. Scheuner, Entwicklungslinien des parlamentarischen Regierungssystems der Gegenwart, in: FS für Adolf Arndt, S. 385,(395). 119 Hierüber besteht Einigkeit, Drath, Die Entwicklung der Volksrepräsentation, in: Rausch (Hrsg.), Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, S. 260,(293); Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, S. 28; dies gilt unabhängig von der Frage, ob der Repräsentant eine bessere Verkörperung des Repräsentierten darstellt. (Vgl. Krüger. Herbert, Allgemeine Staatslehre, S. 252 f. dazu oben A 112). 120 Vgl. Pollmann, Repräsentation und Organschaft, S. 45.

121 Vgl. zu diesem ZusarnmenhangLeibholz, DVB11951, S. 1. 122 Vgl. zu dieser klassischen Auffassung der Repräsentation: Burke, Speech to

Electors ofBristol, in: LenkiNeumann, Theorie und Soziologie der politischen Parteien, S.6. 8 Jochum

110

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

heitswahlrecht im Einerwahlkreis. 123 Die Wahlentscheidung müßte also das Vertrauen der Wähler in die Person zum Ausdruck bringen.

b) Gestaltwandel in der Parteiendemokratie: Die Parlamentswahl als Plebiszit über eine politische Richtung Mit dem Aufkommen der politschen Parteien und ihrem zunehmenden Einfluß auf die Besetzung der Parlamente, kam die Frage auf, ob die Repräsentation nicht im Laufe der Zeit einen historischen Gestaltwandel erfahren habe. 124 Die modeme parteienstaatliche Massendemokratie sei eine rationalisierte Erscheinungsform der plebiszitären Demokratie und von der repräsentativen Verfassung grundsätzlich zu unterscheiden. 125 Unter den Bedingungen der modemen Massendemokratie sei es allein den Parteien möglich, die Wähler zu aktionsfähigen Einheiten zusammmenzuschließen. 126 Die Abgeordneten seien demnach nur noch Vertreter ihrer Partei und seien an ihre Linie gebunden. 127 Dieser Gestaltwandel der Demokratie machte die Wahlentscheidung, die früher der freien, repräsentativen Persönlichkeit gegegolten hätte, zum Plebiszit über eine Partei. 128 Die Wahlentscheidung wird unter diesen Bedingungen zur Richtungsentscheidung. Das Wahlrecht müßte also nur gewährleisten, daß die Entscheidung des Wählers über die von ihm gewünschte politische Richtung möglichst klar abgebildet wird. 129 Dem entspräche am ehesten die reine Verhältniswahl bezogen auf das ganze Wahlgebiet und ohne Sperrklausel. 130

123 Vgl. Hennis, Amtsgedanke und Demokratiebegriff, in: FG fitr Rudo1f Smend (1962), S. 51,(56,58). 124 Diese These vertrat insbesondere Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, S. 211 ff.; ders. ,DVBl. 1951, S. 1 ff. 125 Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, S. 226. 126 Leibholz,DVBl.1951,S.1,(3). 127 Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, S. 98 f.

128 So die Schlußfolgerung von Leibholz, DVBl. 1951, S. 1,(4 f.). 129 So begreift Meyer, Demokratische Wahl und Wahlsystem, HbStR 11, § 37, Rn. 12, die Wahlentscheidung. 130 Dementsprechend ist fitr Meyer. Demokratische Wahl und Wahl system, HbStR 11, § 37, Rn. 26, bei der Verhältniswahl Idee und Technik identisch.

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

111

c) Die Bedeutung der Repräsentation im modemen Staat: Volksvertretung durch Parteien und unabhängige Abgeordnete Die These vom Gestaltwandel vermag nicht zu überzeugen. Schon die These, daß die klassisch liberale parlamentarische Repräsentation keine Bindung der Abgeordneten an Parteien oder Interessen kannte, ist eine idealistische Überhöhung. l3l Die Parteien im 19. Jahrhundert waren zwar im Gegensatz zur modemen Massenpartei mit ihrer festen Parteiorgansiation noch lockere Zusammenschlüsse. Sie waren allerdings durchaus durch gemeinsame Interessen bestimmt. 132 Die historische Prämisse der nur dem Volk verpflichteten Abgeordneten mag vielleicht der damaligen staatstheoretischen AufIassung 133 entsprochen haben, ihre historische Realität ist aber - wenn überhaupt - nur zum Teil belegbar. 134 Sie widerspräche auch jeder menschlichen Realität. Die idealistische AufIasssung des ungebundenen Abgeordneten gibt dem klassisch liberalen Parlamentarismus, insbesondere des 19. Jahrhunderts ein Bild, was ihm historisch gar nicht zukommt. 135 Den Kern der repräsentativen Verfassung bildet der Gedanke, daß politische Machtausübung auf der Zustimmung der Regierten beruht. 136 Diese Zustimmung kann aber nicht nur auf die Person des jeweiligen Amtsinhabers beschränkt werden, sie beinhaltet auch die Vertretung der in der Gesellschaft vorhandenen politischen Richtungen und Grundströmungen. Repräsentation in der Demokratie bedeutet, daß der Widerstreit der verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Interessen stellvertretend in einem Gremium, dem Parlament, unter Beachtung von Regeln stattfinden 131 Vgl. Kriele, Einführung in die Staatslehre, § 62, S. 247 f.. Dazu auch die eingehende Kritik von Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, S. 139 ff. 132 Vgl. Hesse, Partei, politische, in: EvStL II, Sp 2434,(2437); Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 290 f.; diese Interessen waren allerdings in der älteren Parteiengeschichte hauptsächlich Patronageinteressen (Vgl zur englischen Parteiengeschichte: Loewenstein, Staatsrecht und Staatspraxis von Großbritannien I, S. 125 f.). 133 Namentlich zu nennen ist die Auffassung Burkes. Vgl. nur Burke, Speech to Electors of Bristol, in: Lenk/Neumann, Theorie und Soziologie der politischen Parteien, S. 6. 134 Vgl. auch die Ausführungen von G. Trautmann, Parteienstaatliche Verfassung und freies Mandat, in: GuggenbergerNeenlZunker, (Hrsg.), Parteienstaat und Abgeordnetenfreiheit, S. 127, (137). 135 Scheuner, Entwicklungslinien des parlamentarischen Regierungssystems in der Gegenwart, in: FS für Adolf Amdt, S. 385,(387). 136 Scheuner, Das repräsentative Prinzip in der modernen Demokratie, in: FS für Hans Huber, S. 222,(231). 8"

112

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

kann. 137 Die Unabhängigkeit des Abgeordneten und seine parteipolitische Bindung muß man als die beiden Pole eines Spannungsverhältnisses auffassen. 138 Parteiwesen und Parlamentarismus widerstreiten sich nicht, weil sie auf verschiedenen Strukturebenen der politischen Willensbildung angesiedelt sind. Die Parteien formen den staatlichen Willen vor. Die staatliche Willensbilung selbst erfolgt jedoch ausschließlich durch die staatlichen Organe. Die parlamentarische Willensbildung ist häufig ein Komprorniß zwischen den im Parlament vertretenen Parteien und weicht daher häufig vom jeweiligen Parteiwillen ab. 139 Der Gegensatz zwischen der Unabhängigkeit des Abgeordneten und der Parteidisziplin versperrt somit den Weg zu einem modernen Verständnis der Repräsentation, wie es der pluralistischen Gesellschaft angemessen ist. 140

aa) Das parteienstaatliche Element der Repräsentation Die Vorgänge und Steuerungsmechanismen in den modernen Industriegesellschaften werden immer komplexer und üben einen Zwang zur Professionalisierung aus. 141 Der einzelne Abgeordnete kann nicht in allen Fragen gleich kompetent sein. Er kann für sich allein keine allgemeinen Entscheidungsprogramme aufstellen. 142 Er ist auf die Arbeitsteilung mit den anderen Angehörigen seiner Fraktion und seiner Partei angewiesen. 143 Die Parteien gewährleisten damit die Fähigkeit des Parlaments zur Arbeitsteilung, indem sie dem einzelnen Abgeordneten erst ermöglichen, seinen speziellen Sachverstand optimal einzusetzen. Die Parteien haben die Aufgabe, die speziellen 137 Auf die Bedeutung des Parlaments als Vertretung der verschiedenen Interessen der Nation, die zu einem Ausgleich zu filhren sind, hat insbesondere die angelSächsische Theorie der Repräsentation hingewiesen. Vgl. Birch, Representative and Responsible Gouvernment, S. 72 ff.; Pitkin, The Concept ofRepresentation, S. 156 ff.; Friedrich, Man an bis Gouvernment, S. 304 f. 138 Menger,AöR 78 (19), S. 149,(158). 139 Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, § 5 I 1 c,(S. 85). Vgl. auch oben 3. Abschnitt Am 1 d. 140 Scheuner, DÖV 1965, S. 577 f. 141 Vgl. Oppermann, DÖV 1975, S. 763,(765). 142 Er hat dies auch nie getan. Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, § 9, S. 199. 143 Arbeitsteilung und Abhängigkeiten gehören zur Wirklichkeit menschlichen Zusammenlebens, Magiera. Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, S. 142. Die einheitliche Abstimmung einer Fraktion ist oft nichts anderes als die Anerkennung des Sachverstands deIjenigen Fraktionsmitglieder, die die Materie von Anfang an bearbeitet haben. (Reif, ZfP VI (1959), S. 203,(215)).

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

113

Interessen zu verbinden und auszugleichen und daraus Zielvorstellungen für das ganze Gemeinwesen zu entwickeln. 144 Dabei sind diese Zielvorstellungen als Leitlinien politischen HandeIns zu verstehen. Sie ermöglichen dem Wähler, eine Entscheidung über die Gesamtrichtung zu treffen. Nur die Willensäußerung über die Grundrichtung ist Inhalt der Wahlentscheidung, nicht das Versprechen, ein bestimmtes Problem in bestimmter Weise zu regeln. 145 Die Wahl der Partei ist somit nur eine grundlegende Richtungsentscheidung. 146 Ihr ist darüberhinaus keine konkrete Programmaussage zu entnehmen.

bb) Das persönliche Element der Repräsentation Neben diesem durch die Professionalsierung des Parlaments begründeten Parteieneinfluß besteht das freie Mandat als Korrektiv. Es entspricht damit dem Menschenbild des demokratischen Verfassungsstaats, der die Eigenverantwortung des Menschen als zentralen Grundsatz kennt. 147 Der Abgeordnete ist nicht im klassischen Sinne unabhängig, er ist aber auch nicht das Werkzeug eines, wie auch immer sich äußernden Volkswillens. Die Freiheit des Mandates befähigt den Abgeordneten zu offener Kommunikation. Die Freiheit von Zwang versetzt den Abgeordneten in die Lage, nach seinen Überzeugungen zu handeln und selbst zu entscheiden, wo die Kompromißlinie zwischen Parteigefolgschaft und seinen eigenen, autonomen Entscheidungen verläuft. 148 Das freie Mandat sichert auch die notwendige Flexibilität der staatlichen Willensbildung, indem sie die Legitimation des Parla144 Vgl. zu dieser Integrationsfunktion der Parteien nur Ehmke, "Staat" und "Gesellschaft" als verfassungstheoretisches Problem, in: FG fllr Rudolf Smend (1 962), S. 23, 46 f. 145 Die Wahlversprechen binden die Parteien nicht. Ihre Einhaltung ist aber ein Punkt der fi1r das Vertrauen der Wähler eine Rolle spielt und insofern durch die Wahlentscheidung allgemein sanktioniert werden kann (vgl. dazu Kunig, Parteien, HbStR 11, § 33, Rn, 54). 146 Vgl. Meyer, Demokratische Wahl und Wahl system, HbStR 11, § 37, Rn. 6; den Richtungscharakter der Wahl lehnt Schachtschneider, Res publica, res populi, S. 47 mit dem Hinweis ab, die Regierung Kohl sei 1987 nicht gewählt worden um 1990 ihre Politik zur Einheit zu betreiben. Dieses Argument geht ins Leere, weil die Wahlentscheidung nur eine Richtungsentscheidung, nicht aber eine Sachentscheidung ist. 147 Auf diesen Zusammenhang hat besonders Oppennann aufmerksam gemacht: vgl. Oppermann, DÖV 1975, S. 763,(766); ders., Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes, in: VVDStRL 33 (1975), S. 8,(43 f.). 148 Vgl. Klein, Der Status des Abgeordneten, in: HbStR 11, § 41, Rn. 5.

114

3. Teil: Die Ausgestaltung des EntscheidWlgsverfahrens

ments nicht an die Verwirklichung eines Wahlprogramms koppelt. 149 Aus der Bedeutung des freien Mandats ergibt sich, daß die Wahlentscheidung immer auch als Personalentscheidung verstanden werden muß. ISO Nur wenn der Abgeordnete - unabhängig davon, ob er sein Mandat dem Vorschlag einer Partei verdankt - sich auf ein persönliches Mandat berufen kann, ist die Freiheit des Mandats und damit die Flexibiltät der staatlichen Willensbildung sichergestellt. Verstünde man die Wahl ausschließlich als Richtungsentscheidung, hätte sie allerdings einen plebiszitären Charakter. Die Repräsentationsfunktion des Parlaments ging verloren. Bei der Wahl geht es zuallererst um Vertrauen. Vertrauen in eine durch eine Partei verkörperte Richtung und deren Personal.

d) Die Fragestellung der Parlamentswahl: Auswahl der Abgeordneten und Bestimmung der Grundrichtung Die Parlamentswahl muß demnach zwei Fragen beantworten. Sie muß zum einen eine Richtungsentscheidung sein, also eine Entscheidung bezüglich einer Partei zum Ausdruck bringen. Zum anderen muß sie eine Entscheidung für die Persönlichkeit des einzelnen Abgeordneten beeinhalten. Die Wahlentscheidung drückt gleichermaßen das Vertrauen in das Personal und in die von ihnen grundsätzlich vertretene Politik aus. Der Wähler entscheidet über Personen zusammen mit einem allgemeinen Urteil über die Gesamtrichtung. Dabei ist aber einzuschränken, daß im 149 Es gibt allerdings Stimmen, die ein sog. "generelles Mandat" nach englischem Muster befil.rworten. Demnach soll bei einer radikalen Änderwtg der Regierwtgspolitik eine Neuwahl staatfmden. Vgl. Oppermann, Das parlamentarische Regierwtgssystem des Grundgesetzes, in: VVDStRL 33 (1975), S. 8, (53 f.). Dieses Modell ist wenig praktikabel, weil nicht eindeutig abgrenzbar ist, was eine "radikale" Änderwtg bedeutet. Es bestünde die Gefahr, die Parlamentswahl zu einer plebiszitären ZuStimmWlg filr eine bestimmte Regierwtgspolitik zu mißbrauchen. Ohne die VorstellWlg von einem von Vertrauen getragenen Auftrag ist die moderne Demokratie nicht funktionsllillig Wld der Vielfalt der Probleme nicht gewachsen (vgl. Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 161 m.w.N.). Für das GG hat das BVerfG diese VorstellWlg verworfen, vgl. BVerfGE 62, S. 1,(43). ISO Vgl. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 24, (S. 187); a.A.Meyer, VVDStRL 33 (1975), S. 69,(91 f.), der darauf abstellt, daß der Wähler rational nur zwischen Richtungen entscheiden könne. Aus dem Faktum, daß die Kandidaten wegen ihrer Parteizugehörigkeit gewählt werden, wird der EntscheidWlg der Persönlichkeitscharakter genommen. Eine solche AuffassWlg ist jedoch mit dem Grwtdsatz der Unmittelbarkeit der Wahl aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren, der die Personenwahl im Parteienstaat sicherstellt. (BVerfGE 7, S. 63,(68)).

2. Abschnitt: Durch Verfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

115

Bewußtsein der Wähler oft nur einzelne, herausragende Persönlichkeiten in leitenden Positionen verankert sind. ISI

3. Die KonsequenzenjUr die Ausgestaltung des Wahlverfahrens

Wie bereits oben angedeutet, entspricht die Mehrheitswahl in Ein-MannWahlkreisen eher dem personalen Prinzip der Repräsentation, die reine Verhältniswahl eher dem parteienstaatlichen Prinzip. Diese Entsprechungen sind allerdings nur in der Tendenz richtig. Die Mehrheitswahl in einem Wahlkreis ist genauso eine Parteiwahl wie die Verhältniswahl. lS2 Andererseits ist auch die Verhältniswahl eine Personenwahl. Die Wahl einer Liste ist die Wahl von Personen, weil sich die Liste als gegliederter Personenverband unter dem Stichwort einer Partei darstellt. lS3 Damit ermöglichen beide Wahlverfahren 1S4 eine Wahlentscheidung, die den Willen des Wählers über die politische Richtung und das politische Personal zum Ausdruck bringt. Dabei gehört die Frage nach den Gründen fiir die Wahlentscheidung des Wählers in den Bereich der Motivation und ist daher auszuklammern. Für die Legitimität der Wahlentscheidung über einen Wahlkreisabgeordneten ist es irrelevant, ob der Wähler wegen der Partei des Kandidaten, eines Spitzenpolitikers seiner Partei oder wegen des Wahlkreiskandidaten seine Wahlentscheidung traf. Entscheidend ist das die Wahlentscheidung den Willen zum Ausdruck bringt, daß der Kandidat X gewählt ist. Die optimale Ausgestaltung des Wahlrechts ist im Rahmen dieser Untersuchung nicht zu erörtern. Auch zu den Vor- und Nachteilen der Mehrheitsoder Verhältniswahl ist hier nicht Stellung zu nehmen. ISS Im folgenden ist ISI Vgl. Scheuner, Entwicklungslinien des parlamentarischen Regierungssystems der Gegenwart, in: FS ftlr Adolf Arndt, S. 385,(394). IS2 Darauf weist Leibholz, DVBl. 1951, S. 1,(4). In den Staaten mit Mehrheitswahlrecht sind parteilose Kandidaten bei Parlamentswahlen nur in Ausnahmefällen erfolgreich. Vgl. ftlr den US-Kongress die statistische Übersicht bei Adams, Die Vereinigten Staaten von Amerika, statistische Übersicht, S.507ff. IS3Meyer, Demokratische Wahl und Wahlsystem, HbStR TI, § 37, Rn. 9. IS4 Beide Systeme sind vielfach variierbar. Mehrheitswahl und Verhältniswahl stellen vielmehr nur die Grundtypen dar. Vgl. Stern, Staatsrecht I, § 10 14, (S. 294 f.). ISS Die Frage, welches System den Vorzug verdient, ist nach wie vor umstritten. Für das Mehrheitswahlrecht trat insbesondere Hermens ein. Vgl. nur Hermens, Mehrheitswahlrecht oder Verhältniswahlrecht, 1949; ders., Verfassungslehre, S. 216 ff.; jüngst Zippelius, Politikverdrossenheit, ZRP 1993, S. 241,(242); Ziemske, ZRP 1993, 369 ff.. Für die Verhältniswahl: Meyer, Demokratische Wahl und Wahlsystem, HbStR TI, § 37, Rn. 26, 35; Leibholz, Strukturprobleme der modernen Demokratie, S. 57; Doering, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 146 f. Vgl. allgemein zu den

116

3. Teil: Die Ausgestaltlll1g des Entscheidlll1gsverfahrens

nur zu untersuchen, welche Anforderungen an ein Wahlverfahren zu stellen sind, damit das so gewählte Parlament dem in der Entscheidung geäußerten Willen des Wählers entspricht.

a) Die Richtungsentscheidung Wie bereits erwähnt, werden die Kandidaten für das Parlament fast ausschließlich von Parteien vorgeschlagen. 156 Die Kandidaten bieten sich damitunabhängig vom Wahlsystem - als Kandidaten einer Partei an. Die Partei hat bestimmte Zielvorstellungen für das Gemeinwesen, die sie zuvor durch Sammlung, Formulierung, und Vermittlung der vielen gesellschaftlichen Probleme und Interessen gewonnen hat. 157 So bedeutet bereits die Beschränkung der Auswahl auf Kandidaten von Parteien eine Beschränkung der Alternativen, indem der Wähler nicht über Details, sondern über eine politsche Leitlinie abstimmt. 158 Mit seiner Stimme für einen Parteikandidaten oder eine Liste trifft der Wähler die Richtungsentscheidung. Dem Wähler werden dabei verschiedene, konkurrierende Richtungen angeboten, aus denen jeder eine individuelle Wahl treffen kann. Das Gesamtergebnis der Stimmen spiegelt den Wählerwillen wider, indem es anzeigt, welche Bedeutung die einzelnen Richtungen haben. Die Richtungsentscheidung ist also dadurch gekennzeichnet, daß sie mehrere Alternativen gewichtet.

aa) Die Bedeutung des Wahlsystems für den Legitimationszusammenhang Diese Entscheidung wird nun durch das Wahlrecht in Parlamentssitze umgesetzt. Je nach Wahl system weicht dabei die Vertretung der Richtungen im Parlament von dem Stimmenergebnis ab. Das Wahlsystem bündelt die Richtungen noch einmal, je nach System unterschiedlich stark. Die Folge ist, daß Vor- lll1d Nachteilen der jeweiligen Systeme: Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 246 f.; Eine Verbindlll1g der Vor- lll1d Nachteile beider Systeme versucht Langheid, ZRP 1995, S. 95 fT. mit dem sog. qualifizierten Mehrheitswahlrecht. 156 Vgl. oben All 2.. Vgl. auch Leibholz, Vom Wesen der Repräsentation lll1d der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhlll1dert, S. 114 f.; Meyer, Demokratische Wahllll1d Wahl system, HbStR II, § 37, Rn. 10; vgl. auch Sternberger, Vorschlag lll1d Wahl, in: Nicht alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, S. 121 fT., (insbes. 139 fT.). 157 Steiger, Organisatorische Grtmdlagen des parlamentarischen Regiertmgssystems, §8,S.175.

158 Vgl. Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 142.

2. Abschnitt: Durch Verfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

117

das Parlament den Willen der Wähler nicht exakt wiederspiegelt. Dies ist für die Legitimation des so gebildeten Parlaments nicht unbedingt relevant. Neben dem Ziel, eine Volksvertretung zu schaffen, die ein Spiegelbild der im Volk vorhandenen Meinungen darstellt, hat die Wahl auch das Ziel, ein funktionsfahiges Staatsorgan herzustellen. 159 Um die Funktions- und Entscheidungsfahigkeit der Versammlung zu erhöhen, kann das Wahl system zur Bündelung der politischen Strömungen eingesetzt werden. Die Wahl des Parlaments läßt sich auch als Verfahren zur Alternativenreduzierung verstehen, die durch das jeweilige Wahl system gesteuert wird. Dabei kann das Verfahren die Alternativen bis auf zwei reduzieren, wie es das in den USA und Großbritannien praktizierte Mehrheitswahlrecht zeigt.160 Dabei hat traditionell die Mehrheitswahl in Einmannwahlkreisen einen starken Bündelungseffekt, die reine Verhältniswahl gar keinen. Wie stark dieser Bündelungseffekt sein muß, hängt von der Zahl und Intensität der zu lösenden Konflikte ab. Je geringer die Konfliktintensität einer Gemeinschaft, desto eher wird es auch unter Verhältniswahlbedingungen zu einer Mehrheit kommen. Andererseits ist bei einem hohen Konfliktpotential die Chance für eine Mehrheitsbildung geringer. Für das Wahlrecht gilt al~o, daß je höher das Konfliktpotential einer Gesellschaft ist, desto größer die integrierende Wirkung des Wahlsystems sein muß. 161 Dies ist eine politisch-soziologische Frage, deren Antwort für die demokratische Legitimation der Parlamentswahl keinen entscheidenden Einfluß gewinnt. 162 Das Wahl system kann also die Wahlentscheidung des Wählers nochmals bündeln und nochmals gewichten. Es gibt jedoch Grenzen. Diese liegen dort, wo durch die Wahlentscheidung der Willen des Wählers nicht mehr zum Ausdruck kommt. In diesem Fall besteht kein Legitimationszusammenhang zwischen Wähler und Parlament. 159 Vgl. BVerfDE 6, S. 84,(92 f). 160 Vgl. dazu allgemein Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 140 ff., der auch auf die Rolle der Parteien bei der Reduktion der Alternativen hinweist. Das Mehrheitswahlrecht, wie es in den USA und Großbritannien praktiziert wird, hat seinen Ursprung eher in dem Gedanken einer lokalen Vertretung. Für das Grundgesetz wird vertreten, daß die strenge Geltung der Chancengleichheit im Grundgesetz nur die Geltung des Verhältniswahlrechts zuließe (Vgl. Meyer, Wahl system und Verfassungsordnung, S. 99 ff., 191 ff.); dagegen für das Mehrheitswahlrecht jüngst: Ziemske, ZRP 1993, S. 369 ff.

161 Vgl. dazu Kaltefleiter, Die Grenzen der Demokratie in Hattenhauer/ders., Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, S. 137, (141). 162 Dies ergibt sich auch daraus, daß Mehrheitswahl und Verhältniswahl zwei gleichberechtigte Elemente der demokratischen Legitimation unterschiedlich beantworten. Steht bei der Mehrheitswahl in Einmannwahlkreisen die Person des Wahlkreiskandidaten im Vordergrund, ist es bei der Verhältniswahl die Richtungsentscheidung.

118

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

Eine absolute Grenze befindet sich dort, wo die Bündelung nur einer Gruppe im Parlament eine Vertretung ermöglicht, etwa dann wenn die stärkste Partei alle Parlaments sitze erhält. 163 Die Entscheidung des Wählers fur verschiedene Richtungen kommt im Parlament nicht zum Ausdruck. Ein Zusammenhang zwischen der Gewichtung des Wählers und dem gebildeten Parlament besteht nicht mehr, weil es für die Vertretung der Partei im Parlament völlig gleich ist, wie stark sie geworden ist. Ein solches Einparteienparlament ist keine Vertretung im demokratischen Sinne. Ähnlich ist der Fall zu beurteilen, in dem der stärksten Partei eine bestimmte qualifizierte Mehrheit der Sitze unabhängig von ihrer Stärke zugewiesen wird. 164 Auch dort ist es gleich, ob die stärkste Partei Stimmen gegenüber der letzen Wahl verloren hat oder nicht oder wie stark sie im Vergleich zu den anderen Parteien ist. Sie hat immer die exakt gleiche Zahl der Sitze. 165 Es muß also durch das Wahlrecht sichergestellt sein, daß sich die Gewichtung des Wählers, wenn auch verzerrt, so doch überhaupt in der Verteilung der Parlamentssitze niederschlägt. 166

bb) Die Bedeutung der Gestaltung der Wahlvorschläge für den Legitimationszusammenhang Eine weitere Anforderung an das Wahlrecht betrifft die Gestaltung der Wahlvorschläge. Die zugelassenen Wahlvorschläge müssen ermöglichen, daß 163 Dies ist im Extremfall auch bei einem Parlament denkbar, welches auf Grund einfachen Mehrheitswahlrechts gewählt wurde. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch sehr gering (vgl. fllr die USA, Adams, Die Vereinigten Staaten von Amerika, statistische Übersicht S. 507 ff.). 164 Ein solches Prämienwahlsystem ist in aller Regel ein Instrument einer diktorialen Herrschaft und mit den Vorstellungen demokratischer Legitimation nicht vereinbar. Ein Prämienwahlsystem galt beispw. im faschistischen Italien (Vgl. Noblen, Wahlsysterne der Welt, S. 205 ff.). 165 Das Prämienwahlsystem filhrte im Paraguay der Strössner-Diktatur zu dem pardoxen Ergebnis, daß die Regierungspartei mehr Stimmen erhielt als die 2/3 der Mandate, die ihr als stärkster Partei zustanden. Es ist allerdings festzustellen, daß es eine echte Opposition in Paraguay nicht gab (Vgl. Nohlen, Wahl systeme der Welt, S.207). 166 Bedenklich in dieser Hinsicht sind noch weitere extreme Mehrheitswahlsysteme: die Mehrheitswahl nach Listen in Mehrmannwahlkreisen und die Mehrheitswahl in Mehrmannwahlkreisen mit beschränkter Stimmgebung (vgl. zum Begriff beschränkte Stimmgebung: Nohlen, Wahl systeme der Welt, S. 72). Diese Wahlsysteme können je nach praktischer Ausführung den demokratischen Charakter verlieren und zu Instrumenten politischer Machtausübung werden, insbesondere dann, wenn es nur wenige sehr große Wahlkreise gibt (vgl. Nohlen, a.a.O., S. 186 f.).

2. Abschnitt: Durch Verfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

119

durch die Auswahl des Bürgers eine Differenzierung der Richtungen möglich ist. Dies ist jedenfalls bei Einheitslisten 167 nicht der Fall. Nach diesem System werden die Kandidaten aller Parteien auf einer Liste dem Wähler präsentiert. Der Wähler kann nur mit ja oder nein stimmen. Die Wahlentscheidung bleibt für das Wahlergebnis ohne Auswirkung. Denn solange es keine Mehrheit von Nein-Stimmen gibt, kommt es zu der bereits im Wahlvorschlag festgelegten Verteilung der Sitze auf die verschiedenen Parteien. Der Vorschlag stellt damit bereits die Wahl dar. 168 Der Beitrag der Wählerschaft erschöpft sich in der plebiszitären Zustimmung zu dieser bereits durch die Vorauswahl der Kanidaten in den Gremien der Parteien vollzogenen Wahl. 169 Das so bestimmte Parlament bringt damit eine Richtungsentscheidung des Wählers niemals zum Ausdruck. Selbst wenn der Wähler zwischen verschiedenen Kandidaten der Einheitsliste wählen kann, so bedeutet dies keine Entscheidung bezüglich einer gewollten politischen Richtung. 170 Die Einheitslistenwahl kann dem so gewählten Parlament keine demokratische Legitimation als Volksvertretung vermitteln. 171 Die Einheitsliste verhindert eine Richtungsentscheidung des Wählers überhaupt. Doch für eine illegitime Wahlentscheidung reicht bereits eine Verfälschung der Alternativen aus. Dies ist der Fall bei Listenverbindungen zweier oder mehrerer konkurrierender politischer Parteien. In diesem Fall ist die notwendige enge Zuordnung zwischen Wahlvorschlag und Partei nicht gewährleistet. 172 Dementsprechend kann der Wahlentscheidung des Wählers nicht entnommen werden, welche der Stimmen für die Listenverbindung den Kandidaten welcher politischen Gruppierung und Richtung gelten. Die Notwendigkeit einer Entscheidung, die den Willen des Wählers über die politsche Richtung unverfälscht zum Ausdruck bringt, impliziert die Unzulässigkeit von Listenverbindungen. 173 167 Derartige Einheitslisten waren das Charakteristikum der kommwlistischen Diktaturen (sog. Volksdemokratien) Osteuropas. Auf ihnen kandidierten die in den Volksfronten zusammengefaßten Parteien. (vgl. dazu: Schulz, Volksdemokratie, in: So\\jetsystem und demokratische Gesellschaft VI, Sp. (761) und Diederich, Wahlen, Wahl system, a.a.O, Sp. 805, (816). 168 Böckenförde, Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat, S. 61 f. 169 Sternberger, Grund und Abgrund der Macht, S. 87; Böckenförde, Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat, S. 60 (Wahl als Akklamation). Dementsprechend lag in der ehern. DDR die Auswahl der Repräsentanten bei den Sekretariaten der Nationalen Front (Richert. Macht ohne Mandat, S. 200). 170 Vgl. dazu Doering, Allgemeine Staatslehre, Rn. 384. 171 Ein solches System schließt eine echte Willensbildung aus. Vgl. Grasemann, Das Blocksystem und die Nationale Front im Verfassungsrecht der DDR, S. 82. 172 Vgl. Peter, Wahlabsprachen politischer Parteien und ihre rechtlichen Grenzen, S. 78 ff.; vgl. auch Forsthoff, AöR 76 (1950/51), S. 369,(371). 173 Insofern ist die Frage nach der Zulässigkeit keine Frage eines Rechts des Wählers (so aber Seifert, BWahlR, Art. 38, Rn. 17 m.w.N., der dieser Frage fUr das

120

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

Die Entscheidung für eine Listenverbindung vereinigt mehrere Alternativen zugleich. Die über die Listenverbindung gewählten Abgeordneten können für ihre politischen Zielvorstellungen keine demokratische Legitimität beanspruchen, weil sie nicht sagen können, wem die Stimmen galten, den einzelnen Parteien oder allen gemeinsam. Der Wähler erteilt kein klares Mandat. 174 Ähnliche Überlegungen gelten auch für Wahlen, in denen eine Partei oder Gruppierung unter mehreren formal getrennten Listen antritt. 175 Auch hier kann dem Wahlergebnis keine eindeutige Willensäußerung des Wählers entnommen werden, jedenfalls dann nicht, wenn die gemeinsame Parteizugehörigkeit nicht unmittelbar deutlich wird. 176 Der Wähler hat dann für eine Richtung gestimmt, die in Wirklichkeit keine eigene Richtung ist. Die so gewählten Abgeordneten haben keine demokratische Legitimation, weil nicht klar ist, ob sie auch dann gewählt worden wären, wenn sie unter ihrer tatsächlichen Parteizugehörigkeit oder Gruppenzugehörigkeit angetreten wären.

b) Die Personalentscheidung Mit der Richtungsentscheidung muß zugleich auch eine Personalentscheidung getroffen werden. Diese Personalentscheidung wird auch in der reinen Verhältniswahl mit starren Listen 177 getroffen. Allerdings ist hier das persönliche Mandat an die Richtungsentscheidung gekoppelt. Der einzelne Abgeordnete verdankt sein Mandat einem Prozentsatz, der auf seine politische Gruppierung entfiel. 178 Dieses System bringt dem einzelnen Abgeordneten die Grundgesetz keinen Verfassungsrang zugesteht), sondern eine Frage des demokratischen Prinzips. 174 Solche Listenverbindungen sind bei den Wahlen zum deutschen Bundestag unzulässig. Vgl. Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum deutschen Bundestag, § 7,

Rn. 2.

175 Dieses Problem stellt sich nur bei Wahlen, in denen die Listenaufstellung nicht bei Parteien monopolisiert ist (Ein Parteienmonopol existiert bei den Wahlen zum deutschen Bundestag, vgl. § 27 Abs.l Satz 1 BWG). In einzelnen deutschen Kommunalwahlgesetzen sind Mehrfachvorschläge verboten (vgl. beispw. § 19 Abs.l Satz 2 BayGWG). Diese Verbote werden vor allem mit der Chancengleichheit der Parteien begründet, die verletzt sei, wenn sich eine Partei durch Mehrfachkandidaturen ihr Wählerpotential erweitere. (Vgl. Dickert, BayVBl. 1990, S. 326,(329); vgl. dazu auch BayVerfGH, Urt.v. 28.1. 1993 -Vf. 25-VI-92 u.a., DVBl. 1993,835,(836). 176 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch, Dickert, BayVBl. 1990, S. 326,(329). 177 Bei der starren Liste ist die Reihenfolge der Kandidaten unveränderlich. Es kann nur die Liste als solche gewählt werden. (Zum Begriff: Nohlen, Wahl systeme der Welt, S. 68). 178 Auf diesen Zusammenhang weist Hennis, Amtsgedanke und Demokratiebegriff, FG für RodolfSmend (1962), S. 51,(59) hin.

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

121

geringste persönliche Legitimation. Die persönliche Legitimation läßt sich durch Kombination der Verhältniswahl mit der Mehrheitswahl 179 oder durch das System der freien Listen l80 erhöhen. 181 Eine Verstärkung des Wählereinflusses auf die Auswahl des Personals, der persönlichen Komponente der Wahlentscheidung, wird in jüngster Zeit als Abhilfe gegen die sogenannte Politkverdrossenheit diskutiert, wobei meist die Einführung des Mehrheitswahlrechts gefordert wird. 182 Ob derartiges von verfassungswegen geboten ist, hängt von der Stärke oder Schwäche der Ausprägung des parteienstaatlichen Elements in der Verfassung ab. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland hat das parteienstaatliche Element in der Verfassung ausdrücklich verankert,183 so daß der starke Einfluß den die Parteien bei der Verhältniswahl mit starren Listen auf die Auswahl des Personals ausüben, die demokratische Legitimation der Wahlentscheidung grundsätzlich nicht betrifft.

aa) Der Erwerb der Parlamentsmitgliedschaft Allerdings ist damit auch die äußerste Grenze des Parteieneinflusses gezogen. Das Mandat, daß der über die Liste gewählte Abgeordnete erhält, ist ein persönliches Mandat. Die Entscheidung für die Listen impliziert auch eine Entscheidung für die auf ihnen genannten Personen und die Reihenfolge. Das Wahlverfahren ist so zu regeln, daß jede abgegebene Stimme ohne Zwischenschaltung eines wählerfremden Willens einem bestimmten oder bestimmbaren 179 Eine solche Kombination stellt das geltende Bundeswahlrecht dar, nach der grundsätzlich die Hälfte der Abgeordneten in Wahlkreisen und die andere über Listen gewählt werden. (Vgl. zum Bundestagswahlrecht nur Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 382).

180 Es ist zwischen der lose gebundenen und der freien Liste zu unterscheiden. Bei ersterer kann nur die Reihenfolge dieser Kandidaten verändert werden, während bei letzterer der Wähler Kandidaten verschiedener Listen in einer neuen Reihenfolge zusammenfügen, mischen und neue Bewerber einfügen kann. (Zu den Begriffen: Nohlen, Wahlsysteme der Welt, S. 69). 181 Vgl. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 24 II 3, (S. 194). 182 Diese Forderungne finden sich immer wieder. Vgl. Zippelius. ZRP 1993, S. 241,(242); vgl. auch Schachtschneider, Res publica, res populi, S. 1147 ff.; Holzer, ZRP 1990, 60,(62) Ob dies den erwünschten Effekt hat, erscheint allerdings fraglich und ist letztlich spekulativ. 183 Vgl. Art. 21 00. Ähnliche Vorschriften kennen beispielsw. die Verfassungen Frankreichs (Art. 4), Italiens (Art. 49), Spaniens (Art. 6). Derartige Vorschriften haben erst nach dem 2.Weltkrieg in Verfassungstexte Eingang gefunden. (Vgl. Brunner, Vergleichende Regierungslehre I, S. 375).

122

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

Wahlbewerber zugerechnet werden kann. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der unmittelbaren Wahl (Art 38 Abs. I Satz I GG), der unabhängig von seiner positiven Normierung für jede Wahl gilt und sich aus dem demokratischen Prinzip ergibt. 184 Diese persönliche Entscheidung des Wählers und damit die demokratische Legitimation des Parlaments würde entfallen, wenn die Reihenfolge der Listenkandidaten nachträglich verändert werden oder eine solche Veränderung von den Parteien herbei manipuliert werden könnte. Ein solche Zwischenschaltung wäre etwa der Parteiausschluß eines Listenbewerbers, um dadurch einen anderen Listenbewerber, der in der Reihenfolge dahinter steht, zum Mandat zu verhelfen. 185 Ebenso wird der demokratische Legitimationszusammenhang unterbrochen, wenn ein Mandatsträger sein Mandat, etwa für den Eintritt in die Regierung, für einen anderen aufgibt, der es bis zur Wiederaufnahme des Mandates wahrnimmt (sog. "ruhendes Mandat"). In diesem Fall tritt der Wille des Ausscheidenden zwischen den Wählerwillen und den nachgerückten Abgeordneten. 186

bb) Der Verlust der Parlamentsmitgliedschaft Mandatsverlust bei Parteiwechsel? Auch eine Regelung, die den Abgeordneten bei Partei- oder Fraktionswechsel die Mitgliedschaft im Parlament entzieht, wäre demokratisch nicht legitim, weil sie die Personalentscheidung des Wählers nicht respektierte. 187 Ein 184 Vgl. BVerfGE 7, S. 63,(680, oben r. 185 Mit dem Ausschluß träte der Wille der Partei als Zwischeninstanz zwischen Wähler und Gewählten (Vgl. Uhlitz, DöV 1957,468 f.); aus diesem Grund wird § 48 Abs. 1 Satz 2 BWG insofern fllr verfassungswidrig gehalten, als der Wortlaut "ausscheiden" nicht zwischen freiwilligem Austritt und unfreiwilligen Ausschluß differenziert. MlDIH/S-Maunz, Art. 38 Rn. 46; a.A: Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, § 48, Rn. 5, der die Parteizugehörigkeit für eine objektive Tatsache hält. Bezüglich des freiwilligen Austritts ist die Regelung verfassungsrechtlich unbedenklich (kein Verstoß gegen die Unmittelbarkeit der Wahl so BVerfGE 7, S. 63,(72 f.), weil die Mitgliedschaft im Parlament über die Richtungsentscheidung vermittelt wird (vgl. dazu auch die folgenden Ausftlhrungen zum Parteiaustritt). 186 HessStGH, Urt.v.7.7.1977 - P.St. 783 -, NJW 1977, 2065, (2066 0; vgl. dazu auch Lohmeier, DVBl. 1977,405,(406); Nell, JZ 1975,519,(521); vgl. auch die weitere Begründung bei Gralher, ZRP 1977, 156 ff., der vom Repräsentationsverständnis her eine Unvereinbareit mit dem parlamentarischen Regierungssystem sieht. 187 Die Frage des Mandatsverlust ist strittig. Für die Zulässigkeit eines Mandatsverlusts sind Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, § 9, (S. 202); Siegfried, ZRP 1971, S. 9 ff.; Adam. PVS 1972, S. 300 ff.;

2. Absclmitt: Durch Verfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

123

parteigebundenes Mandat würde die Wahlentscheidung nur als Richtungsentscheidung interpretieren und müßte konsequenterweise auch eine inhaltliche Bindung der Politik an den Wählerauftrag fordern. 188 Der Abgeordnete ist aber dem ganzen Volk verpflichtet. Wenn er mit seiner früheren Gruppe auseinandergerät, muß er dem Volk die Vertrauensfrage stellen können, indem er sich um ein neues Mandat bemüht. 189 Für einen Mandatsverlust ließe sich anführen, daß durch den Wechsel des Abgeordneten die Richtungsentscheidung des Wählers verändert wird. 190 Die Wahl sei vor allem an der Parteizugehörigkeit der Kandidaten orientiert. 191 Ein Parteiwechsel könnte insbesondere bei knappen Mehrheiten die Richtung der Politik entscheidend beeinflussen. 192 Es mag zwar richtig sein, daß die Wahlentscheidung vor allem wegen der Parteizugehörigkeit des Kandidaten getroffen wird. Doch ist die Motivation des Wählers vielfältig und nur schwer erforschbar. 193 An ihr kann sich eine verfassungsrechtliche Betrachtung und Beurteilung, ohne willkürlich zu werden, nicht orientieren. 194 Es ist vielmehr von dem in der Entscheidung selbst manifestierten Inhalt auszugehen. Und dort wird nicht nur eine Partei gewählt, die dann etwa frei ihre Vertreter entsenden darf. Eine solche Konstruktion würde die Abgeordneten tatsächlich zu Vertretern ihrer Parteien machen. Sie wäre jedenfalls mit einem Verständnis, daß die Abgeordneten "Vertreter des gegen die Zulässigkeit eines solchen Mandatsverlusts sind: Säcker, DVBl. 1970, 567 ff.; H.J. Schröder, ZRP 1971, S. 97 ff.; Kimme, Das Repräsentativsystem, S. 145 f.; Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, § 46, Rn. 3 m.w.N. zur Diskussion in Fn. 33. 188 Diese Konsequenz ergibt sich daraus, daß es olme Rückgriff auf das Wahlprogramm gar nicht zu entscheiden sein wird, wer die gemeinsame Linie verlassen hat. Insbesondere bei Spaltung einer Fraktion stellt sich dieses Problem mit aller Deutlichkeit. Vgl. zu diesen praktischen Problemen Säcker, DVBl. 1970, S. 567,(571). 189 Vgl. Kimme, Repräsentativsystem, S. 146. 190 Diesen Gedanken spricht Siegfried. ZRP 1971, S. 9,(12) an, wenn er von einer Veränderung des Gesamtbildes des Parlaments spricht. 191 Mit diesem Argument versucht Meyer, VVDStRL 33 (1975), S. 69,(91 f.) zu begründen, daß die Wahlentscheidung eine reine Richtungsentscheidung sei. 192 Vgl. Siegfried, ZRP 1971, S. 9,(12). 193 Der Wähler orientiert sich auch an herausragenden Persönlichkeiten der Parteien, die nicht selten auch seine Entscheidung fllr eine bestimmte Richtung zu beeinflussen vermögen. Vgl. Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 159. Es mag auch völlig irrationale Beweggründe geben. 194 Das Verfassungsrecht ist nicht Spiegelbild eines bestimmten Seins, sondern ein Sollensgebot. Das Faktische bewirkt kein Recht. (Vgl. Säcker, DVBl. 1970, S. 567,(570)). Dagegen fordert Adam eine Änderung der Verfassung, um sie der (parteienstaatlichen) Wirklichkeit anzupassen, vgl. PVS 1972, S. 300,(310).

124

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

ganzen Volkes" sind, unvereinbar. Für das Grundgesetz ergäbe sich daher die Verfassungswidrigkeit eines solchen Wahlgesetzes aus Art. 38 Abs. I Satz 2 GG. Vielmehr werden Personen unter dem Stichwort einer Partei gewählt. 195 Das Mandat des einzelnen wird nicht durch den Vorschlag auf einer Parteiliste, sondern durch die Wahlentscheidung des Wählers für die auf der Liste stehende Person vermittelt. Mit dem Wahlakt ist der Abgeordnete, nicht die Partei für die ganze Legislaturperiode gewählt. Die Richtungsentscheidung des Wählers ist nur eine Momentaufnahme. Die Demoskopie beweist, daß sich die Parteipräferenzen laufend ändern können und auch tatsächlich ändern. Die Richtungsentscheidung kann daher nur bestimmen, wer Parlamentarier wird. Die Personalentscheidung bestimmt, wer als Volksvertreter für die volle Legislatur legitimert ist, kurz gesagt, wer Parlamentarier bleibt.

11. Der Legitimationszusammenhang bei der Wahl eines einzelen Amtsträgers Neben dem Parlament als Kollegialorgan kennen die klassischen demokratischen Verfassungen auch mindestens ein monistisches Organ. 196 In der Regel sind das das Staatsoberhaupt und/oder der Regierungschef als Haupt der Exekutive. Die Bestellung der Amtsinhaber ist in den einzelnen Verfassungen unterschiedlich geregelt. 197 Hinsichtlich des Wahlverfahrens ist zu differenzieren. Es existiert die direkte oder indirekte Volkswahl des Staatsoberhaupts. 198 Zum anderen ist das Parlament oder eine eigens zur Wahl gebildete Versammlung 199 der Entscheidungsträger. In parlamentarischen Regierungssysternen ist insbesondere die Wahl 200 (oder die Bestätigung)201 des Regie195 So auch Meyer, Demokratische Wahl und Wahlsystem, HbStR TI, § 37, Rn. 9. 196 Eine Ausnahme bildet in gewisser Weise die Schweiz, die zwar im Vorsitzenden des Bundesrates (Bundespräsident) als jährlich wechselndes Staatsoberhaupt ein monistisches Organ kennt. Jedoch hat dieser die gleiche Rechtsstellung wie die übrigen Mitglieder des Bundesrates (Primus inter pares). Vgl. zum schweizer Direktorialsystem Bnmner, Vergleichende Regierungslehre I, S. 106 f 197 Vgl. zu den verschiedenen Varianten nur Brunner, Vergleichende Regierungslehre I, S. 258 fT. 198 Eine direkte Wahl findet in Frankreich (Art. 6 Abs. 1 franz. Verf) Irland, Island und Österreich statt. Länder mit vorn Volk indirekt gewählten Staatsoberhäuptern sind die USA, Portugal und Finnland; Brunner, Vergleichende Regierungslehre I, S. 260,280. 199 Eine solche Versammlung ist die Bundesversammlung, die gemäß Art. 54 Abs. I Satz I GG den deutschen Bundespräsidenten wählt. Sie wird durch die Abgeordneten des Bundestags und eine entsprechende Anzahl von Vertretern der Landtage gebildet (Art. 54 Abs. 3 GG). Eine ähnliche Regelung gilt in Italien (Art. 83 ital. Verf). 200 So beispw. in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Art. 63 GG).

2. Abschnitt: Durch Verfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

125

rungschefs eine herausragende Aufgabe für das Parlament. 202 Für diese Abstimmungen gilt ebenso wie für die Parlamentswahl die Grundprämisse, daß die Wahl einen demokratischen Legitimationszusammenhang dadurch herstellt, daß sie eine Antwort auf die gestellte Frage ist, die den Willen des Entscheidungsträgers klar zum Ausdruck bringt. Die Entscheidungen sind alle dadurch geprägt, daß es um die Besetzung eines Amtes mit einer Person geht. Sie sind daher vor allem als Persönlichkeitswahlen zu verstehen.

1. Die Volkswahl des Staatsoberhaupts

Dies gilt sicher bei der Volkswahl des Staatspräsidenten. Auch wenn die Kandidaten hier in der Regel Kandidaten der Parteien sind und mit einem Programm vor die Wähler treten, geht es um eine Vertrauensentscheidung in ihre Person. Anders als beim Parlament, wo es um die Repräsentanz der politischen Strömungen geht, liegt dem monokratischen Staatsorgan der Gedanke der Interessenintegration zu Grunde. 203 Die Person des Präsidenten soll ausgleichend wirken und die Interessen auch solcher Bevölkerungskreise besonders wahrnehmen, die sich nicht zu artikulieren verstehen. Dies kann jedenfalls als Amtsideal des Präsidenten gelten. 204 Aus dem überwiegenden personalplebiszitären Charakter205 der Volkswahl des Präsidenten folgt, daß es bei 201 Die nachträgliche Investitur durch das Parlament nach Abschluß der RegienmgsbildWlg wird z.B. in Italien (vgl. Art. 94 Abs. 3 ital.Verf.) Wld Spanien (Art. 99 Abs. 2) praktiziert. 202 Vgl. M Schr6der, BildWlg, Bestand Wld parlamentarische VerantwortWlg der BWldesregienmg, HbStR II, § 51, Rn. 4; zu den Varianten der BestellWlg der Regienmg: Bnmner, Vergleichende Regienmgslehre I, S. 274 ff. 203 Diese VorstellWlg prägt insbesondere das Verständnis des US-Präsidenten, vgl. Herzog, Allgemeine Staatslehre S. 277 f.; auch dem französischen Präsident der Republik liegt nach der VerfassWlg der V. Republik ein solches Verständnis zu Gnmde. Dies wird insbesondere an Äußenmgen von C. de Gaulle deutlich, dessen Werk die V. Republik ist. So sollte mit dem Präsidenten ein nationaler Schiedsrichter geschaffen werden, der über den Zufalligkeiten der Politik der Kontinuität inmitten Intrigen GeltWlg verschafft (" ... au-dessus des contingences politique soit etabli Wl arbitrage national qui fasse valoir la continuite au milieu des combinaisons." C. de Gaul/e, Rede in Bayeux, 16.6. 1946, abgedruckt in Documents d'Etudes de la Documentation Francaise n° 1.04, Constitution francaise du 4 octobre 1958, Paris 1987, S. 24,(25)). 204 Ob das Idealbild der Wirklichkeit entspricht, ist durchaus zweifelhaft (Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 278), soll aber hier nicht Gegenstand der UntersuchWlg sein. 205 Der Charakter der Wahl als Personalplebiszit gilt auch für die indirekte Wahl des US-Präsidenten. Obwohl ursprünglich das Wahlmännerkollegium als Repräsentativorgan mit Freiheit des Mandates konzipiert war, ist heute eine eindeutige FestlegWlg der Wahlmänner auf den jeweiligen Kandidaten gegeben, so daß nur von formal 9 Jochum

126

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

der Entscheidung nur darum gehen kann, daß eine bestimmte Person in ein bestimmtes Amt gewählt wird und daß sich der Wille der Mehrheit auf diese Person eindeutig beziehen läßt. Dieser Zusammenhang ist bei den Präsidentenwahlen in der Regel unproblematisch. Die Abstimmung ist nicht an die Wahl einer anderen Person geknüpft, so daß eine eindeutige Entscheidung fällt. Auch ist das Wahlverfahren in der Regel so gestaltet, daß die Entscheidung nicht durch Veränderung der Reihenfolge der Abstimmungen manipuliert werden kann und die Reduzierung der Wahlalternativen dem Wählerwillen entspricht. 206 Dies wird im französischen System dadurch vermieden, daß für den Fall, daß kein Kandidat die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang erhält, es zu einer Stichwahl zwischen den beiden stärksten, noch zu einer weiteren Kandidatur bereiten Kandidaten kommt. 207 Es ist zwar real nicht auszuschließen, daß sich ein Kandidat mit weniger Stimmen im ersten Wahlgang in der Stichwahl durchgesetzt hätte. 208 Diese Möglichkeit beschädigt aber den Legitimationszusammenhang nicht, weil die Frage, wer in die Stichwahl einzieht, von einer vom Wähler allein entschiedenen Reihenfolge abhängt, so daß die Wahlentscheidung einen Wählerwillen klar zum Ausdruck bringt. Auch die meisten anderen Systeme der Volkswahl gewährleisten Manipulationsfreiheit. Dabei ist eine Möglichkeit, nur einen Wahlgang vorzusehen und dort eine relative Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen genügen zu lassen209 So weit eine absolute Mehrheit gefordert wird, wird die Manipulationsfreiheit dadurch gewährleistet, daß für den Fall, daß die absolute Mehrheit im Wahlkörper nicht erreicht wird, die Wahl durch einen anderen Entscheidungsträger getroffen wird. 2lO In allen diesen Fällen ist gewährleistet, indirekten Wahlen gesprochen werden kann (vgl. Nohlen, Wahl systeme der Welt, S. 192 f; Zippelius, Allgemeine Staatlehre, § 42 n 2 (S. 405)). 206 Für die Wahl gewinnt das Abstimmungsparadoxon an Bedeutung, weil die Alternativen hier vergleichbar sind und sich so eine Präferenzordnung beim Wähler nachvollziehen läßt (Vgl. oben An 1.). 207 Art. 7 Abs. 1 franz. Verf.. Ein ähnliches Verfahren gilt für die indirekte Wahl des fInnischen Staatspräsidenten. Erzielt in den ersten heiden Wahlgängen kein Kandidat die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen, fIndet zwischen den beiden Bestplazierten eine Stichwahl statt (Vgl. § 23 Abs. 3 fInn.Verf). 208 So die Bedenken von Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 138, und Kemmler, Die Abstimmungsmethode im Deutschen Bundestag, S. 197. 209 So in einigen lateinamerikanischen Staaten (vgl. Brunner, Vergleichende Regierungslehre I, S. 260 Fn. 206). 210 So die Wahl des US-Präsidenten, in der ftlr den Fall, daß keiner der Kandidaten im Wahlmännerkollegium die Mehrheit erhält, das Repräsentantenhaus aus den drei bestplazierten eine Wahl mit absoluter Mehrheit treffen muß. Jeder Staat hat eine Stimme. (Vgl. 12. Amendment USo Verf; Nohlen, Wahl systeme der Welt, S. 194).

2. Abschnitt: Durch Verfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

127

daß alle Alternativen gleichzeitig zur Abstimmung gestellt werden und sich der Wählerwille in der Wahlentscheidung ohne manipulierenden Einfluß Dritter, wie er etwa bei der Reihenfolgeabstimmung möglich ist, widerspiegelt. 211

2. Die Wahl des Regierungschefs durch das Parlament

Die Wahl des Regierungschefs durch das Parlament unterscheidet sich von der Volkswahl des Präsidenten dadurch, daß diese Entscheidung auch dazu dient, die Vertrauensbeziehung zwischen Regierung und Parlament herzustellen. 212 Dies ergibt sich bereits daraus, daß meistens bereits vor der Wahl des Regierungschefs alle wichtigen Entscheidungen, etwa über die Zusammensetzung des Kabinetts und die Schwerpunkte der künftigen Regierungsarbeit, getroffen sind. 213 Dem entspricht es, daß, auch wenn nur der Regierungschef - wie der deutsche Bundeskanzler - vom Parlament gewählt wird, die gesamte Regierung, auch die Minister, dem Parlament verantwortlich iSt. 214 Die Entscheidung über den Regierungschef ist daher weniger eine Personalwahl. Sie ist vielmehr als Vertrauensentscheidung über die Regierung zu werten. Die Wahl des Regierungschefs stellt dabei auch die Legitimationsbeziehung für das Kollegialorgan der Regierung her. 215 Für den Normalfall, daß es eventuell durch eine Koaltionsvereinbarung zu einer absoluten Mehrheit für den Regierungschef oder die Regierung kommt, 211 Vgl. dazu Kemmler, Die AbstimrnWlgsmethode im Deutschen BWldestag, S. 193 f 212 Vgl. Brunner, Vergleichende RegierWlgslehre I, S. 273 f

213 Vgl. M. Schröder, BildWlg, Bestand Wld parlamentarische VerantwortWlg, HbStR Il, § 51, Rn. 1. 214 Dies ist nicht WlbestriUen. So wird für die BWldesrepublik Deutschland aus der Tatsache, daß die Minister nicht vom Parlament abgewählt werden können, geschlossen, daß sie nur indirekt, über den BWldeskanzler verantwortlich seien. So T. Eschenburg, Döv 1954, S. 193,(199); Karehnke, DVBl. 1974, S. 101,(103); Püttner/Kretschmer, Die Staatsorganisation, § 43 2, (S. 185), jetzt auch v. MünchIKunig, GG-Meyn, Art. 65, Rn. 3; dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die MinisterverantwortWlg nicht von der Form ihrer GeltendmachWlg abhängt. Vgl. M. Schröder, BildWlg, Bestand Wld parlamentarische VerantwortWlg, HbStR Il, § 51, Rn. 52.; v. Wiek, DÖV 1956, 113,(114); v. Münch (2. Auflage), GG-Liesegang, Art. 65, Rn. 21; AK-GGH.P.Schneider, Art. 65, Rn. 8. 215 Dabei sind auch andere Konstruktionen denkbar. So können die RegierWlgsmitglieder auch einzeln vom Parlament gewählt werden (vgl. etwa nur Art. 107 brem.LVerf). Zu den Besonderheiten bei einem solchen Verfahren siehe Wlten 3. 9'

3. Teil: Die Ausgestaltlmg des Entscheidungsverfahrens

128

ist das Wahlverfahren im Hinblick auf den hier zu untersuchenden Zusammenhang nicht problematisch. 216 Auch der für eine Demokratie pathologische Fall einer Minderheitsregierung ist von der Verfahrensausgestaltung nicht zu beanstanden, wenn in einem Wahlgang derjenige gewählt wird, der die meisten Stimmen auf sich vereinigt.217

3. Die Wahl von Einzelpersonen in ein Kollegium am Beispiel der Wahl der Bundesverfassungsrichter Neben der Parlaments- und Regierungswahl existiert als dritter Komplex der Wahlentscheidungen die Richterwahl. Diese Wahlentscheidung ist besonders bedeutsam für die Verfassungsgerichtsbarkeit. 218 Das Verfahren der Richterbestellung ist sehr unterschiedlich geregelt. 219 Auf die Einzelheiten in diesem Zusammenhang einzugehen, würde den Rahmen der Untersuchung sprengen. Es soll hier nur allgemein untersucht werden, welche Anforderungen an den Legitimationszusammenhang durch eine Richterwahl zu stellen sind. Dies soll am Beispiel des deutschen Bundesverfassungsgerichts geschehen. Das Bundesverfassungsgericht besteht gemäß § 2 Abs. 1,2 BVerfGG aus derzeit zwei Senaten mit je acht Richtern. Es ist also zunächst wie das Parlament ein Kollegium. Jeder weitere Vergleich des Parlaments mit dem Bundesverfasungsgericht ist jedoch verfehlt. Anders als Abgeordnetenmandate sind Verfassungsrichterämter keine Mandate politischer Parteien. Die Wahlentscheidung für einen Richter ist auch nicht als Entscheidung über ein Rechtsprechungsprogramm zu interpretieren. 220 216 So hat der deutsche Bundestag im ersten Wahlgang nur die Möglichkeit, dem Vorschlag des Bundespräsidenten zuzustimmen oder ihn abzulehnen. Die Entscheidung ist damit auch unter entscheidungstheoretischen Gesichtspunkten eindeutig. 217 Das Grundgesetz stellt dies sicher, indem es ausdrücklich einen Wahlgang, das heißt eine gleichzeitige Vorlage aller Alternativen fordert. Damit ist sichergestellt, daß eine willkürlich ungleiche Behandlung der Alternativen, wie sie etwa bei der Reihenfolgeabstimmung möglich ist, ausgeschlossen ist (vgl. Kemmler, Die Abstimmungsmethode im Deutschen Bundestag, S. 193 f.). 218 Eine Verfassungsgerichtsbarkeit im materiellen Sinne, das heißt, daß in einem gerichtsförmigen Verfahren die Vorschriften des formellen Verfassungsrechts verbindlich ausgelegt werden, existiert in jedem demokratischen Staat allerdings in sehr unterschiedlicher Ausprägung und Form (vgl. Brunner, Vergleichende Regierungslehre I, S. 310 f).

219 Vgl. nur Brunner, Vergleichende Regierungslehre I, S. 312 f 220 Vgl. Stern, Gedanken zum Wahlverfahren für Bundesverfassungsrichter, in: GS ftlr Wilhe1m Karl Geck, S. 885,(892 f).

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

129

Das Bundesverfassungsgericht ist kein Repräsentant politischer Strömungen. Ein Gericht repräsentiert nicht. 221 Zum Wesen der richterlichen Tätigkeit gehört, daß sie von einem nichtbeteiligten Dritten in sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit ausgeübt wird. 222 Die Bindung des Richters nur an Recht und Gesetz setzt voraus, daß die Person des Richters ein Vertrauen in seine Neutralität und innere Unabhängigkeit rechtfertigt.223 Diese sachbezogene Unvoreingenommenheit ist die Voraussetzung für die funktionsgerechte Wahrnehmung auch des Verfassungsrichteramts. 224 Für das Richteramt steht also allein die Persönlichkeit des Richters im Vordergrund. Damit ist die Richterwahl eine Persönlichkeitswahl. Auch wenn es sich um ein Kollegium handelt, wird nicht das Kollegium gewählt, sondern der einzelne wird in das Kollegium hineingewählt. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zur Parlamentswahl, die immer auch eine Richtungswahl ist. Zwar braucht jeder Amtswalter -auch der Parlamentarier- eine individuell auf seine Person bezogene Legitimation. 225 Das Parlament soll aber auch die verschiedenen politischen Strömungen repräsentieren. Insofern ist es dort gerechtfertigt, die persönliche Legitimation des Amtswalters über die Richtungsentscheidung zu vermitteln, was für den Verfassungsrichter gerade nicht gelten kann. 226 Dies bedeutet für die durch die Wahl vermittelte Legitimation, daß die Entscheidung den eindeutigen Willen des Entscheidungsträgers erkennen lassen muß, daß die bestimmte Person als Person und nicht als Vertreter einer Richtung Verfassungsrichter werden soll. Die Legitimation ist jedenfalls dann gewährleistet, wenn ein Kandidat auf eine Richterstelle gewählt wird. Der Legitimationszusammenhang besteht hier, weil die Mehrheit im Entscheidungsgremium eine bestimmte Person legitimiert hat. 227 Der Legitimationszusammenhang besteht allerdings nicht mehr, wenn zwei Kandidaten zusammen in einer Abstimmung auf zwei freie Schlaich, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 45. 222 BVerfGE 60, S. 175,(202 f.); Heyde, Rechtsprechung, HVerfR, § 33, Rn. 77. 223 So gebietet § 39 DRiG dem Richter, alles zu unterlassen, was das Vertrauen in seine -vennutete- Unabhängigkeit erschüttern könnte. Entscheidend ist also weniger die innere Einstellung als vielmehr der äußere Eindruck. (vgl. dazu Pfeiffer. Die innere Unabhängigkeit des Richters, in: FS für Wolfgang Zeitler, I, S. 67,(79). 224 Vgl. Barbey, Der Status des Richters, HbStR m, § 74, Rn. 40; vgl. für die Verfassungsrichter: Simon. Verfassungsgerichtsbarkeit, HVerfR, § 34, Rn. 40. 225 Vgl. oben I, Bäckenfärde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22, 221

Rn. 16.

226 Vgl. oben und Stern, Gedanken zum Wahlverfahren fllr Bundesverfassungsrichter, in GS fllr Wilhelm Karl Geck, S. 885,(892 f.). 227 Insofern ist das in der Bundesrepublik Deutschland praktizierte Verfahren, daß für jede freie Stelle nur ein Kandidat vorgeschlagen wird, nicht zu beanstanden (vgl. zu dieser Praxis Umbach/Clemens, BVerfGG-Majer, § 6, Rn. 17).

130

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

Stellen gewählt würden. Eine Mehrheit träfe in diesem Fall zwei Entscheidungen. Bei einem solchen "Personalpaket" ist der Entscheidung keine eindeutige Willensäußerung des Entscheidungsträgers mehr zu entnehmen. Es nicht feststellbar, ob die Mehrheit nun beide Richter wollte. Ebenso wäre es möglich, daß die Mehrheit nur einen Richter wollte und den anderen Richter nur deswegen mitgewählt hat, damit der Wunschkandidat Richter wird. Die Abstimmung hat die politische Frage, wer auf welches Amt, nicht klar beantwortet. Damit vermag eine solche Abstimmung auch keine Legitimation zu vermitteln. Dieser Fall ist nur anders zu beurteilen, wenn man sich zuvor einstimmig darüber geeinigt hat, daß für beide Kandidaten ein Wahlgang stattfindet. Im Zusammenhang mit dieser Einigung ist der Entscheidung dann der eindeutige Wille zu entnehmen, daß beide Kandidaten Richter werden sollen. Für diesen Fall vermittelt die Wahl eine demokratische Legitimation. Die Praxis der Wahl der Bundesverfassungsrichter ist uneinheitlich und nur schwer nachvollziehbar. Die vom Bundestag zu wählenden Bundesverfassungsrichter werden durch einen Wahlmännerausschuß gewählt, der nicht öffentlich tagt und dessen Mitglieder auch über die Abstimmung zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. 228 Etwas besser ist die Wahl durch den Bundesrat nachvollziehbar, weil die Wahl hier durch das Plenum und damit öffentlich erfolgt.229 Hierbei ist festzustellen, daß die Wahl von zwei Verfassungsrichtern meist in einer Abstimmung und einstimmig geschieht. 230 Die Einstimmigkeit legt den Verdacht nahe, daß die Entscheidung nicht im Plenum getroffen, sondern im Bundesrat nur nachvollzogen wird, worauf sich zuvor die u.u. sehr kleinen Findungskommissionen geeinigt haben. 231

228 Die Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder ergibt sich aus § 6 Abs. 4 BVerfGG. 229 § 7 BVertDG, vgl. im einzelnen die Erläuterungen bei UmbachiClemens, BVertDG-Majer, § 7. 230 Bei Wahlen von zwei oder mehr Richtern gleichzeitig fmdet meist nur ein Wahlgang statt. Vgl. beispw. die Wahl der Bundesverfassungsrichter Seibert und Winter durch den BR am 10.11.1989, PlenPr. 606/89, S. 463 A,B. Dabei kommt es manchmal vor, daß zuvor eine Art Einverständnis durch den Präsidenten eingeholt wird. (So BR-Präsident Vogel bei der Wahl der Verfassungsrichter Träger und Niemeyer am 14. 10. 1977, PlenPr. 450/77, S. 283 A; der Bundesrat hat allerdings bei streitigen Fällen einzeln abgestimmt. Vgl. zu einem solchen Fall, Billing, Das Problem der Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht, S. 210. 231 Vgl. Geck, Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, S. 35; Kröger, Richterwahl, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, FG 25 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. I, S. 76,(92).

2. Abschnitt: Durch Verfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

131

Hinsichtlich der Legitimation, die ein solches Verfahren vermittelt, sind höchste Bedenken angebracht. Die einstimmige Entscheidung ist nicht klarer als die Mehrheitsentscheidung über zwei Richter in einem Wahlgang. Im Gegenteil, der Verdacht liegt nahe, daß überhaupt keine Willensbildung im Wahlgremium stattfindet. Wäre dies der Fall, könnte überhaupt keine demokratische Legitimation vermittelt werden. Die Richter müssen ihre Stellung letzlich auf eine Willensäußerung des Volkes zurückführen. 232 Die Findungskommissionen können sich auf einen solchen Willen nicht stützen. Zwar ist der Entscheidung die Tatsache der Willensbildung zu entnehmen, da sie jedoch auf Grund der Verfahrensweise 233 vielfaltige Schlüsse zuläßt, ist der erforderliche Legitimationszusammenhang nicht in jeden Fall gewährleistet. 234 Das Verfahren im Bundestag ist noch stärkerer Kritik ausgesetzt. 23 .5 Hauptpunkte der Kritik sind das indirekte Wahlverfahren236 und der Mangel an Transparenz des Verfahrens. 237 Für die Frage der durch die Wahl vermittelten Legitimation ist insbesondere die mangelnde Transparenz des Verfahrens von Bedeutung. Anders als im Bundesrat unterliegt auch das Stimmenverhältnis der Geheimhaltung. 238 Damit ist nicht einmal sichergestellt, daß das mitgeteilte Ergebnis überhaupt durch eine Abstimmung zustandegekommen ist.

232 Vgl. dazu Billing, Das Problem der Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht, S. 97. 233 Jedenfalls dann, wenn zwei Richter in einem Wahlgang gewählt werden. 234 Zwar bedeutet verfassungsmäßige Legalität immer zugleich demokratische Legitimität (BVerfGE 62, S. 1,(43)). Dies kann aber nur gelten, wenn das legitimierende Wahlverfahren nicht selbst ausgehölt wird. Geck, Wahl und Status der Bundesverfassungsrichter, HbStR n, § 85, Rn. 15. 23.5 Vgl. nur die Darstellung bei Umbach/Clemens, BVerfGG-Majer, § 6, Rn. 32 ff.

m.w.N.

236 Vgl. v. Eichborn, Die Bestimmungen über die Wahl der Bundesverfassungsrichter als Verfassungsproblem, S. 21 f.; Berg, Der Staat 9 (1970), S. 21,(37 f.); Kasten, DÖV 1985, S. 222, (226); w.N. bei Preuß, ZRP 1988, S. 389,(Fn. 5). Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit äußert auch Dolzer/ Vogel. BK-Stem, Art. 94, Rn. 83. 237 Vgl. dazu Preuß, ZRP 1988, S. 389,(393); Umbach/Clemens, BVerfGG-Majer. § 6, Rn. 43 ff. 238 Das Stimmenverhältnis unterliegt der Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder des Ausschußes gemäß § 6 Abs. 4 BVerfGG, vgl. Billing, Das Problem der Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht, S. 146 f.; Mercker, JR 1956, S. 321,(322). Die Stimmverhältnisse wurden allerdings tw. durch den Ältesten im Ausschuß mitgeteilt (So Z.B. die einstimmige Wahl des Richters Haager am 11.4.1962, BTVerh. 4. WP, StenBer. Bd. 51, S. 1172 A).

132

3. Teil: Die Ausgestaltung des EntscheidWlgsverfahrens

Der Entscheidung ist unter diesen Umständen kein Willen des Entscheidungsträgers zu entnehmen, weil die mitgeteilte Entscheidung nicht einmal formal erkennen läßt, ob überhaupt eine Willensbildung des Wählers stattgefunden hat. Dies wäre mit einer Bundestagswahl vergleichbar, bei der das Wahlgeheimnis so weit ginge, daß Wahlkreisergebnisse der einzelnen Abgeordneten nicht veröffentlicht werden dürften. Eine Wahl erfordert zwingend eine gewisse Öffentlichkeit239 . Die Veröffentlichung des Stimmverhältnisses ist dabei ein absolutes Minimum. Die derzeitige Gestaltung der Wahl der Bundesverfassungsrichter vermag nicht in jeder Hinsicht den erforderlichen demokratischen Legitimationszusammenhang herzustellen. Das Entscheidungsverfahren ist teilweise so gestaltet, daß der Entscheidung kein eindeutiger Wille des Entscheidungsträgers entnommen werden kann. Außerdem ist nicht auszuschließen, daß eine Willensbildung im Entscheidungsorgan gar nicht stattfindet. Reformüberlegungen haben an diesen Punkten anzusetzen. Die Personenauswahl seitens der Wahlorgane muß durch- und einsichtiger gestaltet werden und die Wahlorgane sind aus ihrer Ratifikationslage hinauszuführen. 240 Nur dann kann sich das Bundesverfassungsgericht auf eine eindeutige demokratische Legitimation berufen.

UI. Ergebnis zu B Für den Legitimationszusammenhang und die sich daraus ergebenden Folgen für die Ausgestaltung des Wahlverfahrens ist zunächst entscheidend, welche Frage durch die Wahlentscheidung beantwortet werden soll. Dies wurde für verschiedene Beispiele untersucht. Aus den dabei gefundenen Ergebnissen lassen sich allgemeine Grundsätze aufstellen. Sie gelten grundsätzlich für jede Wahlentscheidung, sind jedoch je nach Fragestellung der Wahl in unterschiedlichem Maße relevant. Allgemein lassen sich folgende Grundsätze festlegen: 1. Zwischen dem Wählerwillen und das Ergebnis darf kein weiterer Willensentschluß treten. 2. Das Wahlergebnis muß eine den Wählerwillen abbildende Folge haben. 3. Das Wahlergebnis muß aus sich heraus den Willen des Wählers erkennen lassen.

239 Vgl. für die Richterwahl nur Umbach/Clemens, BVerfGG-Majer, Rn. 46. 240 So auch Stern, Gedanken zum Wahlverfahren für BWldesverfassWlgsrichter, in: GS für Wilhelm Karl Geck, S. 885,(894).

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

133

4. Das Wahlergebnis, insbesondere das Stimmenverhältnis, ist transparent zu machen. 5. Das Wahlergebnis muß sich als Ergebnis eines echten Willensbildungsprozesses des Wählers eindeutig interpretieren lassen.

C. Der Legitimationszusammenhang zwischen Entscheidung und Entscheidungsträger bei Sachentscheidungen (Beschlüssen) und seine Folgen ftir die Ausgestaltung des Verfahrens Mit der Auswahl der Amts- und Entscheidungsträger wird die Voraussetzung dafür geschaffen, daß die wichtigste staatliche Aufgabe, die friedliche Konfliktslösung, erfüllt werden kann. Diese Konfliktslösung ist die Sachentscheidung, die die durch die Wahl legitimierten Personen zu treffen haben. Im modernen demokratischen Rechtsstaat ist das entscheidende Mittel zur Steuerung gesellschaftlicher Prozesse das Gesetz. 241 Das allgemeine Gesetz ist der Maßstab für das staatliche Handeln im Einzelfall und muß letztlich auf das Volk als Urheber zurückzuführen sein. Das Gesetz ist - abgesehen von der Verfassung - die ranghöchste Äußerung der staatlichen Gewalt, die alle staatlichen Gewalten bindet. 242 Das staatliche Handeln erhält durch seine Übereinstimmung mit Recht und Gesetz seine Legitimation. 243 Eine Untersuchung über den durch das Entscheidungsverfahren vermittelten Legitimationszusarnmenhang muß sich auf Grund seiner besonderen Bedeutung vor allem mit dem Gesetz befassen. Sie ist die eigentlich politische Entscheidung, die die Konflikte lösen soll. Die Gesetzgebung ist in der modernen gewaltenteilenden Demokratie die wesensbestimmende Funktion des Parlaments. 244 Die Rechtssetzung in der Demokratie ist daher im wesentlichen eine Kollegialentscheidung. 245 Damit ist die Mehrheitsentscheidung das

241 Vgl. Ossenbühl, Gesetz und Recht, HbStR m, § 61, Rn 22.; Scheuner, DÖV 1969, S. 585,(589) (unter Gesetz ist hier jede allgemein verbindliche Rechtsnonn zu verstehen. H. Schneider, Gesetzgebung, Rn. 14). 242 Vgl. nur Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 268; zur Bedeutung des allgemeinen Gesetzes auch oben I. Teil 2. Abschnitt C II. 243 Vgl. für die Rechtsprechung Roelleke. VVDStRL 34 (1974), S. 7,(32, Fn. 7). 244 Brunner, Vergleichende Regierungslehre I, S. 236. 245 Rechtssetzung wird auch durch die Gerichte geleistet, die zumeist kollegial organisiert sind. Die Schaffung des Rechts war urspti1nglich sogar weitgehend den Richtern vorbehalten. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 62.

134

3. Teil: Die AusgestaltWlg des EntscheidWlgsverfahrens

entscheidende Verfahren für die Rechtssetzung. 246 Die Mehrheitsentscheidung muß dabei gemäß den oben festgestellten Grundsätzen den Willen des Entscheidungsträgers klar zum Ausdruck bringen und eine logische Antwort auf die Frage bringen. Wie dieses Postulat im Rechtssetzungsverfahren zu verwirklichen ist und welche Probleme dabei auftreten können, soll im folgenden am Beispiel der Gesetzgebung durch das Parlament untersucht werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Gesetzgebung des Parlaments selbst und der auf Grund einer parlamentarischen Ermächtigung (delegierte Gesetzgebung). Beide Entscheidungsformen stellen besondere Anforderungen an das Verfahren und sind dabei geeignet, allgemeine Gesetzmäßigkeiten des demokratischen Legitimationszusammenhangs zu verdeutlichen.

L Der Legitimationszusammenhang bei Gesetzesbeschlüssen des Parlaments und seine Folgen für die Ausgestaltung des Verfahrens Das Parlamentsgesetz muß wie jede staatliche Entscheidung eine logische Antwort auf die durch den Konflikt gestellte Frage geben. Nun ist die Fragestellung beim Gesetz nicht allgemein zu bestimmen. Sie ergibt sich vielmehr aus der konkret gestellten Aufgabe, die aus der legislatorischen Zielsetzung herzuleiten ist. Diese legislatorische Zielsetzung steht auch am Anfang einer jeden verfassungsrechtlichen Beurteilung eines Gesetzes und bildet den normativen Maßstab verfassungsrechtlicher Kritik. 247 Dies bedeutet aber nicht, daß sich keine allgemeinen Aussagen über den Legitirnationszusammenhang machen ließen. Unabhängig von dem konkreten Konflikt ergeben sich aus den Aufgaben der Gesetzgebung im demokratischen und sozialen Rechtstaat allgemeine Anforderungen für das Verfahren. 248 Dieser Zusammenhang wird im folgenden aufgezeigt.

1. Die Bedeutung des Gesetzes: entscheidendes Mitte/ zur Konflikt/ösung Das Parlamentsgesetz ist in der Demokratie - je nach Staat allerdings in unterschiedlichem Urnfang249 - eine Art der Sachentscheidung. Dabei hat das 246 Vgl. dazu auch oben. Politische EntscheidWlgen werden in der Demokratie durch die MehrheitsentscheidWlg getroffen. 247 Ger/ich, JR 1977, S. 89,(91). 248 Hesse, Grundzüge des VerfassWlgsrechts der BWldesrepublik Deutschland, Rn. 503. 249 Die Reichweite des Gesetzesvorbehalts ist in den einzelnen demokratischen Staatswesen Wlterschiedlich ausgeprägt. In der BWldesrepublik Deutschland wnfaßt er

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

135

Parlamentsgesetz im Laufe der Geschichte eine tiefgreifende Wandlung durchgemacht. War es anfangs ein Mittel zum Schutz der Bürger gegen die Eingriffe des Monarchen vor allem in Freiheit und Eigentum, ist es heute das an die Allgemeinheit gerichtete, fur eine Vielzahl von Fällen gedachte Ordungsrnittel. 250 Fragt man nach der Bedeutung des Gesetzes fur den modernen demokratischen Staat, so läßt sich zunächst feststellen, daß das parlamentarische Verfahren in der Regel das aufwendigste zur Entscheidungsfindung ist. 251 Die Gesetzgebung findet in voller Publizität unter Beteiligung der Exekutive statt. Die Qualität des Verfahrens deutet daraufhin, daß es eine Beziehung zwischen dem Erzeugungsverfahren und der Wichtigkeit der Regelung geben muß. Das Gesetzgebungsverfahren ist so aufwendig, daß die beteiligten Organe weder in beliebigem Umfang Einzelfalle regeln noch Normen ohne allgemeine Bedeutung oder ohne eine gewisse Dauerhaftigkeit erlassen können. Schon aus diesen organisatorischen Bedingungen ergibt sich, daß es sich bei der Gesetzgebung um die Regelung grundlegender Fragen handeln muß 252 Die Gesetzgebung ist damit die Form politischer Willensbildung durch die grundlegende Fragen des Gemeinwesens, die die Verfassung offengelassen hat und die der Normierung bedürfen, in allgemeinen Ordnungen oder konkret sozialgestaltenden Direktiven geregelt werden. 253 Die Parlamentsgesetze haben damit einen entscheidenden Anteil am staatlichen Handeln in der Demokratie. 254 Die Gesetze als abstrakt generelle Regelungen bilden die Grundlage des Staatshandelns im Einzelfall.

alle grundlegenden \Uld wesentlichen Entscheid\Ulgen (BverfGE 40, S. 237,(249 f.), std. Rechtspr., w.N. bei Stern, Staatsrecht I, § 20 IV 4 b). In Frankreich ist er auf bestimmte Materien enurnmerativ festgelegt. (Art. 34 franz. Verf., vgl. auch oben 1. Teil 2. Abschnitt eIl.). 250 Stern, Staatsrecht TI, § 37 IV 4 b (S. 642). 251 Vgl. zu den verschiedenen Varianten des Gesetzgeb\Ulgsverfahrens: Brunner, Vergleichende RegieT\Ulgslehre I, S. 236 ff. 252 Starck, Der Gesetzesbegriff des GT\Uldgesetzes, S. 169 f.; Magiera, Parlament \Uld Staatsleit\Ulg in der Verfassugnsordn\Ulg des GT\Uldgesetzes, S. 183. 253 Hesse, GT\Uldzüge des Verfass\Ulgsrechts der B\Uldesrepublik Deutschland, Rn. 503. Die sich aus den organisatorischen Beding\Ulgen ergebende Begrenzung des Gesetzesvorbehalts auf grundlegende Fragen genügt in diesem Zusammenhang zur Eingrenzung des Gesetzesbegriffs. Die Frage, wie weit der Gesetzesvorbehalt im einzelnen reicht, bedarf hier zunächst keiner weiteren ErörteT\Ulg. Es reicht aus, als Gesetz den vom Parlament im Wege des verfass\Ulgsgesetzlich hierfür vorgesehenen Verfahrens erlassenen Hoheitsakt zu verstehen. Vgl. Achterberg, Parlamentsrecht, § 24 I 1, S. 736. Zu den verschiedenen Gesetzesbegriffen, ders. a.a.O, (S. 706 ff.). 254 Diese Feststell\Ulg bezieht auch die Verordn\Ulgen ein.

136

3. Teil: Die AusgestaltWlg des EntscheidWlgsverfahrens

Abstrakte Regelungen ermöglichen eine Vielzahl von einzelnen Konflikten zu typisieren und damit zu lösen, bevor sie entstehen255 . Der generelle Charakter des Gesetzes ermöglicht damit zweierlei: Er verschafft dem Individuum Rechtsicherheit, indem es ihm den Maßstab für die Beurteilung seines Verhaltens bietet, und er ermöglicht die Kontrolle der Anwendung durch Verwaltung und Gerichte. 256 Damit ist das allgemeine Gesetz das Instrument der Herrschaft im demokratischen Verfassungsstaat. 257 Die Bedeutung des Gesetzes als Regelungsinstrument für die grundlegenden Fragen und Konflikte des Gemeinwsens erfordert eine besondere demokratische Legitimation für das Gesetz. Ein verfassungsrechtliches Gewaltenteilungssystem verlangt, daß die Staatsfunktionen so verteilt sind, daß die Entscheidungen von solchen Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Struktur optimal legitimiert und gerüstet sind. 258 Eine solche demokratische Legitimation vermag am besten das demokratisch gewählte Parlament zu vermitteln. 259 Die Abgeordneten stehen der Gesellschaft am nächsten. Im Parlament sind die gesellschaftlichen Interessengruppen gebündelt repräsentiert, so daß am ehesten ein politischer Dialog zwischen Gesellschaft und Staat entstehen kann. Dieser Dialog ist unerläßlich, denn durch ihn erhält der Staat Kenntnis von den grundlegenden Konflikten in der Gesellschaft. Diese Interessenkonflikte geben als situationsbedingte Erfahrungen des Volkes den Anstoß für den parlamentarischen Entscheidungsprozeß.260 Dem Gesetzgeber kommt nun die Aufgabe zu, diese Konflikte zu lösen. Er muß die Regeln so anpassen, daß das Konfliktpotential in der Gesellschaft minimiert wird, und die diesen Konflikten zu Grunde liegenden Interessen zum Ausgleich bringen. Dies vermag das Parlamentsverfahren am besten, weil es durch seine Struktur für die Vernünftigkeit und Gerechtigkeit der Regelung eine gewisse Garantie bedeutet. 261 Am Ende der Diskussion steht das Gesetz, welches den Konflikt, das heißt eine bestimmte gesellschaftliche Streitfrage, 255 Gesetze sind hypothetische hnperative, die eine Rechtsfolge an eine regehnäßig abstrakt umschriebene Situation knüpfen, ohne daß es darauf ankommt, ob oder wie die Situation in Wirklichkeit eintritt. Vgl. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 32; H. Schneider, GesetzgebWlg, Rn. 37; Starck, Der Gesetzesbegriff des GrWldgesetzes, S. 185. 256 H. Schneider, GesetzgebWlg, Rn. 36 (b.). 257 Seiner GfWldidee nach ist der VerfassWlgsstaat Herrschaft des Rechts. Isensee, Staat Wld VerfassWlg, HbStR I, § 13, Rn. 126. 258 Ossenbühl, Vorrang Wld Vorbehalt des Gesetzes, HbStR III, § 62, Rn. 49. 259 Hesse, GfWldzüge des VerfassWlgsrechts der BWldesrepublik Deutschland, Rn. 504.

260 Vgl. Kriele, VVDStRL 29 (1970), 46,(52). 261 Starck, Der Gesetzesbegriff des GfWldgesetzes, S. 175. Vgl. zu den vorangegangen Ausfühnmgen auch die ErörtefWlgen des 1. Teils.

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

137

abstrakt entschieden hat. 262 Die Zuordnung der Gesetzgebung an das Parlament findet seine Rechtfertigung darin, daß es als Organ der Willensbildung die größte demokratische Legitimation bieten kann. Es ist unmittelbar durch das Volk gewählt und auch sein Repräsentant. Das Verfahren im Parlament muß also gewährleisten, daß zwischen dem Gesetz und dem Willen des Parlaments ein klarer Legitimationszusammenhang besteht. Dabei sind umso strengere Maßstäbe anzulegen je grundlegender die zu treffende Regelung ist. So bedarf die Änderung der Verfassung als grundlegenste aller Regelungen einer besonders klaren Legitimation. 263

2. Folgerungen für den Gesetzesbeschluß Aus der grundlegenden Bedeutung des Gesetzes ergeben sich auch Anforderungen an das Verfahren. Die Mehrheitsentscheidung steht am Ende einer Diskussion. Ein Gesetz kann nur dann einen gesellschaftlichen Konflikt lösen, wenn es in einem Entscheidungsprozeß zustandegekommen ist, der eben diesen Konflikt zum Inhalt hatte. Hieraus ergeben sich zunächst bestimmte Anforderungen an die Vorbereitung des Gesetzes selbst (a). Den Abschluß des Willensbildungsprozesses bildet die Mehrheitsentscheidung. Sie muß den Willen des Entscheidungsträgers klar erkennen lassen. Die Mehrheit, die am Abschluß des Prozesses steht, muß sich auf den gesellschaftlichen oder politischen Anlaß zurückbeziehen lassen. Jedes Gesetz bedarf eines sachlichen Grundes und dieser sachliche Grund muß in der Entscheidung über das Gesetz zum Ausdruck kommen. Die demokratische Abstimmung beantwortet die gestellte Frage, sie hat Antwortcharakter. 264 Die Entscheidung gewinnt ihre Legitimation dadurch, daß ihr eine Mehrheit zuzuordnen ist (b).

a) Anforderungen an den Willensbildungsprozeß Das Parlament hat die grundlegenden Entscheidungen nicht nur zu treffen, weil es vom Volk direkt gewählt ist. Vielmehr soll das parlamentarische Verfahren eine dauerhafte, weitsichtig und gut abgewogene und daher tendenziell vernünftige und gerechte Regelung in wichtigen politischen Fragen hervor262 In diesem Sinne ist die Staatswillensbildung in der parlamentarischen Demokratie Meinungsbildung, die in eine verbindliche Dezision mündet (Kriele, VVDStRL 29 (1970), 46,(56». 263

Dazu im einzelnen die unter 2 c) folgenden Ausf11hrungen.

Vgl. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, HbStR I, § 19, Rn. 16. 264

138

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

bringen. 265 Dies ist die Grundlage der besonderen Legitimation für das Parlamentsgesetz. Daraus folgt, daß das parlamentarische Verfahren nicht beliebig ausgestaltet werden kann. Es ist vielmehr zu gewährleisten, daß das Verfahren eine gerechte und vernünftige Regelung hervorbringen kann. Solche Verfahrensbedingungen sind bereits im zweiten Teil ausführlich behandelt worden. 266 Im folgenden sind daher nur noch einige Ergänzungen zu machen und die Frage zu erörten, inwieweit sich Fehler bei der Verfahrensausgestaltung auf die demokratische Legitimation auswirken. Der Zweck der gesetzgeberischen Entscheidung ist die friedliche Lösung eines gesellschaftlich - mehr oder weniger - bedeutsamen Konflikts oder Problems. 267 Eine möglichst optimale Lösung setzt notwendig voraus, daß das einschlägige Entscheidungsmaterial zur Willensbildung herangezogen und aufbereitet wird. Wie der Richter den Konflikt der Streitparteien auch erst dann lösen kann, wenn er die zur Entscheidung relevante Tatsachen- und Sachkenntnis besitzt,268 kann auch der Gesetzgeber keine legitime Entscheidung treffen, ohne sich zuvor dieser Mühe unterzogen zu haben. 269 Der Grund für die Legitimation des Parlaments als Gesetzgeber liegt gerade darin, daß das Parlamentsverfahren am ehesten eine richtige Entscheidung erwarten läßt. Aus dieser Grundlage der Legitimation des Parlamentsgesetzes folgt eine grundsätzliche Ermittlungspflicht des Gesetzgebers. 270 265 Vgl. Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 170. 266 Zu nennen ist hier insbesondere die Bedingung eines hinreichenden öffentlichen Diskurses (vgl. oben 2. Teil 2. Abschnitt C.). 267 Hieraus ergibt sich die Legitimation der Staatsgewalt überhaupt. Sie ist kein Selbstzweck, sondern muß das Wohlergehen der Bürger zum Ziel und Inhalt haben. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HbStR m, § 57, Rn. 8. 268 Die Informationspflicht ergibt sich aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Dazu nur Degenhart, Gerichtsverfahren, HbStR m § 76, Rn. 19. 269 Hier zeigt sich die theoretische Parallelität des gerichtlichen und des politischen Prozesses, die kennzeichnend ftlr die parlamentarische Demokratie ist (vgl. Kriele, VVDStRL 29 (1970), S. 46,(50)). 270 Schwerdtfeger, Optimale Methodik der Gesetzgebung als Verfassungspflicht, in: FS ftlr H.P. Ipsen, S. 173,(178); HilI, Einführung in die Gesetzgebungslehre, S. 68; Stern, Staatsrecht I, § 12 II 4 c (S. 411 [für kommunale Neugliederung]). Den Gesetzgeber trill insbesondere eine Pflicht, sich von der zur Zeit des Erlasses des Gesetzes bestehenden Ausgangslage in korrekter und ausreichender Weise Kenntnis zu verschaffen. BVerfGE 39, S. 210,(226); VerroH NW, OVGE 24, S. 315, (319); gegen eine solche Pflicht: H. Schneider, Gesetzgebung, Rn. 96; Schlaich, VVDStRL 39 (1981), S. 99,(109) mit der Begründung, daß dies dem GG nicht zu entnehmen sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Ermittlungspflicht zwar nicht ausdrücklich erwähnt ist, sich aber aus dem demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 1 GG begründen läßt. Für das

2. Abschnitt: Durch Verfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

139

Das Ermittlungsgebot bezieht sich auf das Gesetzgebungsverfahren insgesamt. 271 Der Schwerpunkt liegt dabei allerdings weniger bei der Initiative, als beim Verfahren im Parlament selbst und dort vor allem bei den Ausschüssen. 272 Dabei hängt der Umfang der Ermittlungspflicht des Parlaments vom Umfang und der Intensität der Vorarbeit des Initiators ab. Für die Beurteilung entscheidend ist nicht der einzelne Verfahrensteil, sondern das Ergebnis. Am Gesetz ist zu messen, ob die notwendigen Tatsachenfeststellungen getroffen wurden. 273 Es kann daher nicht darauf ankommen, wie im einzelnen das Verfahren gestaltet ist. Für die demokratische Legitimation ist es ohne Belang, ob das Gesetz in ein, zwei oder drei Lesungen bearbeitet und diskutiert wurde. 274 Auch kann es nicht darum gehen, eine in jeder Hinsicht erschöpfende Tatsachenfeststellung zu fordern. Grenzen der Ermittlungs- und Aufarbeitungspflicht des Gesetzgebers liegen zum einen dort, wo der Aufwand die Bedeutung der zutreffenden Regelung übersteigt. Zum anderen ist ist die Ermittlungstätigkeit von der Eilbedürftigkeit begrenzt. 27S Nicht jeder Ermittlungsfehler oder jedes Ermittlungsdefizit begründet ein Fehlen demokratischer Legitimation und macht das Gesetz nichtig. 276 Entscheidend ist nur, daß überhaupt eine Tatsachenermittlung stattgefunden hat und diese nicht offensichtlich falsch war. Dies hat der Gesetzgeber durch die Dokumentation des Gesetzgebungsverfahren offenzulegen. 277 Ein Gesetz, das die ihm zugrundliegenden Erwägungen nicht darlegt und plausibel macht, ist so zu behandeln, rechtstaatliche Übermaßverbot gilt Ähnliches. Die tatsächlichen Gegebenheiten sind vom Gesetzgeber zutreffend zu ermitteln. Vgl. Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, Rn. 461; Stern, Staatsrecht ITI/2, § 84 TI 2 (S. 777). 271 Schwerdtfeger, Optimale Methodik der GesetzgebWlg als VerfassWlgspflicht, in: FS ftl.r H.P. Ipsen, S. 173, (182). 272 Die Ausschüsse sind die vorbereitenden Beschlußorgane des Parlaments. Vgl. ftl.r den deutschen BWldestag § 62 Abs. 1 Satz 2 GeschOBT. Die Ausschußberatungen bilden in jedem demokratischen Parlament die entscheidende Phase der GesetzgebWlgsarbeit. Brunner, Vergleichende RegiefWlgslehre I, S. 238. 273 Ossenbühl, Die Kontrolle von TatsachenfeststellWlgen Wld PrognoseentscheidWlgen durch das BWldesverfassWlgsgericht in: BWldesverfassWlgsgericht Wld GfWldgesetz I, FG 25-Jahre BVerfG, S. 458,(483). 274 Die Verfahren sind in den einzelnen demokratischen Systemen recht Wlterschiedlich ausgestaltet. Vgl. Überblick bei Brunner, Vergleichende RegiefWlgslehre I, S. 236 ff. 275 Schwerdtfeger, Optimale Methodik der GesetzgebWlg als VerfassWlgspflicht, in: FS ftl.r H.P. Ipsen, S. 173, (181). 276 Ossenbühl, Die Kontrolle von TatsachenfeststellWlgen und PrognoseentscheidWlgen durch das BWldesverfassWlgsgericht in: BWldesverfassungsgericht Wld GrWldgesetz I, FG 25-Jahre BVerfG, S. 458,(482,485). 277 Dies folgt schon aus dem demokratischen Gebot der Transparenz. Vgl. Schwerdtfeger, Optimale Methodik der GesetzgebWlg als VerfassWlgspflicht, in: FS für H.P. Ipsen, S. 173, (185).

140

3. Teil: Die AusgestaltlUlg des EntscheidlUlgsverfahrens

als habe eine Tatsachenermittlung nicht stattgefunden. Es ist demokratisch nicht legitimiert und damit nichtig. 278

b) Anforderungen an das Verfahren der Abstimmung Die Gesetzesentscheidung bezieht sich auf einen gesellschaftlichen Konflikt, auf das Problem, das es sachlich lösen will und das den Anstoß zur Regelung gegeben hat. 279 Während die Wahl einer Person in ein Amt ein klar umrissenes Ziel vorgibt, so ist dies bei der Sachentscheidung selten der Fall. Der Problemimpuls, der zur Gesetzesinitiative führt, entspringt oft einer Vielzahl von Anregungen und Ansichten. 280 Hierbei kommen vielfältige Einflüsse in Betracht. Neben den rechtlichen Verpflichtungen kommen Anregungen entweder aus den staatlichen Organen oder der gesellschaftlichen Öffentlichkeit Hieraus entwickelt sich nur dann die Kraft, die Anstoß zu einer Tätigkeit des Gesetzgebers werden kann, wenn der Problemimpuls zu einem kollektiven Bewußtseinsinhalt, zu einem "common sense" wird. 281 Aus diesem Impuls muß der Initiator seine Zielvorstellung gewinnen, indem er einen erwünschten Zustand definiert und daran die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen ausrichtet. Dabei kann ein Ziel eine Vielzahl von Maßnahmen erforderlich machen. Ein Gesetz zur Verbrechensbekämfung bedarf Maßnahmen auf dem Gebiet des Zivilrechts und Strafrechts,282 möglicherweise sogar einer Verfassungsänderung. 283 Klammer dieser Maßnahmen ist das politische Problem und die daraus hergeleitete Zielvorstellung. 278 Diese Konsequenz zieht auch das BlUldesverfasslUlgsgericht, allerdings mit anderer auf rechtsstaatliche ErwäglUlgen (Übennaßverbot) gestützten BegrundlUlg. Vgl. BVerfGE 19, S. 330, (340). 279 Der unmittelbare Grund für ein gesetzgeberisches Tätigwerden kann auch aus einer Rechtspflicht entstehen. (H. Schneider, GesetzgeblUlg, Rn. 94). Dies ändert allerdings nichts an der allgemeinen CharakterisieflUlg, weil sich diese Rechtspflicht wieder auf einen Konflikt im weitesten Sinne zurückfilhren läßt. (Vgl. etwa die GesetzgeblUlgspflicht aus Art. 4 Abs. 3 GG [KriegsdienstverweigeflUlg]). 280 Vgl. Überblick bei Hili, Döv 1981, S. 487 Ir.; ein besonderes Instrument in diesem Zusammenhang stellt auch das Petitionsrecht dar, welches heute als allgemeines Partizipationsrecht des Bürgers an der staatlichen WillensbildlUlg verstanden wird. Vgl. Burmeister, Das Petitionsrecht, HbStR II, § 32, Rn. 1. 281 Vgl. Kriele, VVDStRL 29 (1970), S. 46, (52); Noll, GesetzgeblUlgslehre, S. 73. 282 Als Beispiel mag das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 4.11. 1994, BGBLI 1994, S. 3186 ff. dienen. Durch dieses Gesetz erfolgten u.a. ÄndeflUlgen des StGB, der StPO, des AuslG, AsylVfG, AWG lUld des VereinsG. 283 Vgl. nur die Diskussion um Art. 13 GG zur BekämpflUlg des organsisierten Verbrechens (dazu der Gesetzentwurf des Freistaats Bayern, BR-Drucks. 494/94).

2. Absclmitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

141

Wird nun das Gesetz verabschiedet, so gibt die gesetzgeberische Entscheidung den Willen des vom Volk legitimierten Gesetzgebers wieder: Er will das konkrete Problem mit diesem Gesetz lösen. 284 Die Aufgabe des Gesetzes ist es, gerade die grundlegenden, besonders wichtigen Probleme einer Gesellschaft zu lösen. 285 Das Gesetz bezieht damit seine demokratische Legitimation nicht nur aus der formalen Zustimmung der zur Gesetzgebung zuständigen Organe. Gesetzgebung ist, wie alle Staatsmacht, kein Selbstzweck. Sie bedarf für ihre Legitimation eines konkreten Gemeinwohlinhalts. 286 Daraus folgt, daß ein Gesetz nur dann demokratisch legitimiert ist, wenn es den Willen des Gesetzgebers zu einem bestimmten konkreten Problem zum Ausdruck bringt. Dem ließe sich entgegenhalten, daß eine politische Zielvorgabe beliebig zu formulieren ist. Denkbar wäre ein Gesetz etwa mit der Überschrift: "Gesetz zur Förderung des allgemeinen Wohls." Dieses Gesetz bezöge sich auf alle Themen, von der Arbeitslosigkeit, über Verbrechensbekämpfung bis hin zur Ratifikation von Doppelbesteuerungsabkommen. Die Zielvorstellung ist hier denkbar weit gefaßt. 287 Würde ein solches Gesetz mit Mehrheit angenommen, hätte es formal seine Legitimation. Ob es aber auch eine materielle Legitimation, die durch den inhaltlichen Zusammenhang sichergestellt wird, besitzt, ist zweifelhaft. Denn ein solches Gesetz beinhaltet keine einer Mehrheit zuzurechnende Entscheidung eines bestimmten Gemeinwohlkonflikts. Es enthält vielmehr die Entscheidung über mehrere Gemeinwohlkonflikte in einem einzigen Willensakt. Die zur Lösung anstehenden Probleme Arbeitslosigkeit und Verbrechensbekärnpfung werden in einer Abstimmung288 entschieden. Die Entscheidung gibt damit den Willen des Gesetzgebers zu den einzelnen Problemen nur unklar wieder.

284 Das Gesetz kann nicht den Anspruch erheben, die Probleme tatsächlich zu lösen. Gesetze sind notwendig unvollkommen. Vgl. Ossenbühl, Die Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und Prognoseentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz I, FG 25-Jahre BVerfG, S. 458,(482). 285 Vgl. dazu oben 1. 286 Vgl. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HbStR m, § 57, Rn. 8. 287 Ein ähnlich weitgefaßtes Ziel wäre etwa "Herstellung von Ruhe und Ordnung". Vgl zu der Zielproblematik Noll, Gesetzgebungslehre, S. 82 ff. 288 Es muß nicht unbedingt ein Gesetz sein. Denkbar ist auch die gemeinsame Abstimmung mehrerer Gesetze en bloc .. Für den Bundestag ergibt sich dies aus § 24 GeschOBT, der lautet: " Die gemeinsame Beratung gleichartiger oder im Sachzusammenhang stehender Verhandlungsgegenstände kann jederzeit beschlossen werden." Dies wird teilweise so interpretiert, daß auch unterschiedliche Gesetze gemeinsam abgestimmt werden könnten, vorausgesetzt, daß niemand widerspräche. (Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, § 28, Rn. 5). 10 Jochurn

142

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

Es gilt hier derselbe Zusammenhang wie beim Personalpaket. 289 Je mehr Problemkomplexe in einem Gesetz vereint sind, desto unklarer wird die Entscheidung. Der Entscheidung ist nicht mehr zu entnehmen, ob die Mehrheit rur den Gesetzentwurf gestimmt hat, weil sie alle diese Maßnahmen fur geeignet und erforderlich hält, alle einbezogenen Probleme zu lösen. Denkbar ist auch, daß die Mehrheit rur das Gesamtpaket nur stimmte, weil ihr einige Problemlösungen so wichtig waren, daß sie diese in jedem Fall durchsetzen wollte und daher andere akzeptierte. Dadurch kann die demokratische Legitimation des Gesetzes in Frage gestellt werden. Der Bürger könnte sagen, daß bestimmte Teile des Gesetzes gar nicht durch die Mehrheit des Parlaments legitimiert wären. Damit würde die Gefahr bestehen, daß das Rechtssystem den moralischen Kredit verliert und damit seine Effektivität einbüßt. 290 Das parlamentarische Verfahren bietet allerdings Gelegenheit, die Einzelheiten des Gesetzentwurfes zu verändern. So dient beispielsweise die zweite Lesung eines Gesetzentwurfes im Deutschen Bundestag der Behandlung jeder Einzelbestimmung eines Gesetzentwurfes. Es können Änderungsanträge gestellt werden. Über jede Einzelbestimmung wird einzeln abgestimmt. 291 Diese Möglichkeiten gewährleisten, daß am Ende das ganze Gesetzespaket dem Willen der Abgeordneten entspricht. Eine solche Einzelabstimmung müßte dann allerdings bei einem Gesetz, welches mehrere Gemeinwohlkonflikte in einem regelt, zwingend erfolgen. Es reicht nicht aus, daß einfach gemeinsam abgestimmt wird, wenn niemand sich zu Wort meldet. 292 Bei sachlich nicht im Zusammenhang stehenden Regelungen muß der einzelne Sachkomplex zumindest einmal einzeln abgestimmt werden. Davon unabhängig bleibt trotz Einzelabstimmung das Problem, daß die Entscheidung selbst keine klare Willensentscheidung darstellt, sondern daß es eines Rückgriffs auf die parlamentarische Entstehungsgeschichte bedarf, um eine klare Willensäußerung sicher feststellen zu können. Für die Abstimmung muß daher gelten, daß die Verbindung mehrerer sachlich nicht zusammengehöriger Fragen in einer Fragestellung unzulässig ist. Dies ist nicht nur mit dem aus dem Status des Abgeordneten als Vertreter des ganzen Volkes folgendem Recht des Abgeordneten auf freie und gewissensorientierte Willens289 Vgl. oben B II 3. 290 Vgl. zu dieser Gefahr Apel, Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft,

S.375.

291 Vgl. im einzelnen die Erläuterungen zu § 81 GeschOBT bei RitzellBücker, Handbuch fiIr die Parlamentarische Praxis. 292 § 81 Abs. 4 GeschOBT sieht vor, daß über mehrere Teile eines Gesetzentwurfes gemeinsam abgestimmt werden kann. Dies geschieht automatisch, wenn niemand das Wort ergreift oder niemand einen Änderungsantrag gestellt hat. RitzellBücker, Handbuch fiIr die Parlamentarische Praxis, § 81, Anm. IV 1.

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

143

bildung zu begründen. 293 Eine solche Entscheidung hätte eine zumindest eingeschränkte demokratische Legitimation, weil der Wille des Entscheidungsträgers in der Entscheidung nicht klar zum Ausdruck käme. Die Problematik wird in einem aktuellen Beispiel deutlich, dem Abstimmungsverfahren über die von der gemeinsamen Verfassungskommission vorgeschlagenen Änderungen des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Gemäß Art. 5 des Einigungsvertrages294 wurde den gesetzgebenden Körperschaften des vereinten Deutschlands empfohlen, sich innerhalb von zwei Jahren mit dem im Zusammenhang mit der deutschen Einheit aufgeworfenen Fragen zur Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes zu befassen. 295 Auf Grund dieser Empfehlung wurde eine gemeinsame Verfassungungskommission aus Vertretern des Bundestages und des Bundesrates gebildet. 296 293 Achterberg, Parlamentsrecht, § 22, S. 635. Vgl. auch RitzellBUcker. Handbuch für die Parlamentarische Praxis, § 46, Anm. 1 a (keine zweideutigen Fragestellungen). Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß der Abgeordnete nicht gezwungen werden soll, durch eine Verbindung von Fragen einheitlich zu votieren, obwohl er bei getrennter Fragestellung differenziert gestimmt hätte. Allerdings hält Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, § 28, Rn. 5, die Zusammenfassung von mehreren unterschiedlichen Komplexen in einem Gesetzentwurf, über den einheitlich abgestimmt wird, mit der Begründung für möglich. Der einzelne Abgeordnete müsse Teile eines Gesetzes hinnehmen, wenn er das ganze Gesetz nicht geflihrden wolle. Worin der materielle Unterschied zwischen mehreren Sachmaterien in einem Gesetzentwurf und in einer Abstimmung über mehrere Beratungsgegenstände bestehen soll, bleibt unklar. 294 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31.8.1990, BGBl. 11 S. 889. 295 Artikel 5 des Einigungsvertrages lautet:

Künftige Verfassungsänderungen Die Regierungen der beiden Vertragsparteien empfehlen den gesetzgebenden Körperschaften des vereinten Deutschlands, sich innerhalb von zwei Jahren mit den im Zusammenhang mit der deutschen Einigung aufgeworfenen Fragen zur Änderung oder Ergänzung des Grundgesetzes zu befassen, insbesondere -in bezug auf das Verhältnis zwischen Bund und Ländern entsprechend dem gemeinsamen Beschluß der Ministerpräsidenten vom 5. Juli 1990, - in bezug auf die Möglichkeit einer Neugliederung für den Raum BerlinlBrandenburg abweichend von den Vorschriften des Artikel 29 des Grundgesetzes durch Vereinbarung der beteiligten Länder, - mit den Überlegungen zur Aufnahme von Staatszielbestimmungen sowie - mit der Frage der Anwendung des Artikels 146 des Grundgesetzes und in deren Rahmen einer Volksabstimmung. 296 Die Einsetzung erfolgte durch übereinstimmenden Beschluß des Bundestages vom 28.11. 1991 und des Bundesrates vom 29.11. 1991; vgl. BR-Drucks. 740/91 (Beschluß des Bundestages), BR-Drucks. 741/91 (Beschluß des Bundesrates). 10'

144

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

Die Vorschrift des Artikel 5 des Einigungsvertrages wurde von der Kommission als Ermächtigung zu einer umfassenden Kompetenz zur Überprüfung des Grundgesetzes verstanden. 297 Als Ergebnis der Überprüfung wurden Änderungen im Bereich der Grundrechte298 , der Staatszielbestimmungen299 , des Gesetzgebungsverfahrens30o , des Verwaltungsaufbaus301 , der Neugliederung des Bundesgebietes302 und der kommunalen Selbstverwaltung303 vorgeschlagen. Die zahlreichen Änderungen im Zusammenhang mit der Gründung der Europäischen Union waren bereits vor dem Abschluß der Beratungen der gemeinsamen Verfassungskommission verabschiedet worden und in Kraft getreten. 304 Die gemeinsame Verfassungskommission verstand ihren Bericht als Grundlage für entsprechende Initiativen zur Änderung des Grundgesetzes durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den

297 Dies wurde auf die Formulierung "insbesondere" in Art 5 Einigungsvertrag gestützt; vgl. BTDrucks. 12/6000, S. 13. 298 Art. 3 Abs. 2 00 sollte durch folgenden Satz ergänzt werden: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin" (vgl. i.e. BT-Drucks. 12/6000, S. 49 ff.). 299 Vorgeschlagen wurden eine Staatszielbestimmung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a 00, vgl. BT-Drucks. 12/6000, S. 65 ff.) und zum Schutz ethnischer, kultureller und sprachlicher Minderheiten (Art. 20b 00, vgl. BT-Drucks. 12/6000, S. 71 ff.). 300 Es wurden zahlreiche Änderungen der Gesetzgebungskompetenzen und des verfahrens empfohlen; vgl. i.e. BT-Drucks. 12/6000, S. 30 f. und die Erläuterungen S. 32 ff. 301 Die vorgeschlagenen Änderungen betrafen die Luftverkehrsverwaltung (Art. 87d Abs. 1 Satz 2 00; diese Änderung war zum Zeitpunkt des Abschlußberichts bereits beschlossen und in Kraft getreten, vgl. BGBl. 1992 I, S. 1254; BT-Drucks. 12/6000; S. 41) und die Födera1isierung der Sozialversicherung (Ergänzung des Art 87 Abs. 2; vgl. BT-Drucks. 12/6000, S. 40,41 f.). 302 Vorgeschlagen wurde die Einfi1gung eines Abs. 8 in Art. 2900 und eine Heraufsetzung der in Art. 29 Abs. 7 00 festgelegten Grenze fi1r staatsvertragliche Gebietsänderungen auf Gebiete mit maximal 50000 Einwohner (BT-Drucks. 12/6000, S. 43 ff.). Außerdem wurde eine Sonderregelung fi1r die Neugliederung des Raumes Berlin und Brandenburg vorgeschlagen (vgl. BT-Drucks. 12/6000, S. 45 f.). 303 Vorschlag einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch eine Garantie der Grundlagen der fmanziellen Eigenständigkeit (Ergänzung des Art. 28 Abs. 2 um einen Satz 3 "Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der fmanziellen Eigenveranwortung"; vgl. BT-Drucks. 12/6000, S. 46 ff.). 304 Die Änderungen sind arn 25. Dezember 1992 in Kraft getreten (BGBl. 1992 I, S.2086).

2. Abschnitt: Durch Verfahren vermittelte inhaltliche Legitimation

145

Bundesrat. 30.5 Die einzelnen Änderungen der Verfassung sollten einzeln bzw. in zusammenhängenden Abschnitten verabschiedet werden. Der Bundestag wählte jedoch einen anderen Weg. Alle Änderungen wurden in einern interfraktionellen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht. 306 In den Ausschußberatungen wurde ein Teil der vorgeschlagenen Änderungen ausgesondert und der Rest als "Paket" dem Bundestag zur Annahme empfohlen. 307 Die Abgeordneten des Bundestages nahmen das Paket in seiner Gesamtheit ohne Einzelabstimmung "en bloc" an. 308 Im Bundesrat wurde das Paket in seiner Gesamtheit abgelehnt und der Vermittlungsausschuß angerufen, weil die Mehrheit der Länder eine Stärkung ihrer Kompetenzen verrnißte. 309 Im Vermittlungsverfahren wurde nun ein neues "Päckchen" geschnürt, in dem die "unstreitigen" Änderungen zusammengefaßt wurden. 3lO Dieses Paket wurde von Bundestag und Bundesrat mit der erforderlichen Mehrheit gebilligt.311 Auch für dieses Restpaket galt, daß die hierin zur Abstimmung gestellten Materien in keinem sachlichen Zusammenhang standen. Der darüber abstimmende Abgeordnete konnte nur alles annehmen oder alles ablehnen. Differenzieren konnte er nicht. Genau das war auch beabsichtigt. Man ging davon aus, daß die Änderungen nur als Paket eine Mehrheit erhalten hätten. 312 Die Entscheidung besagt damit nur, daß die in ihr geregelten Materien in dieser Zusammenstellung gemeinsam ein Mehrheit hatten. Hinsichtlich der einzelnen Materien kommt der Wille des Entscheidungsträgers nicht hinreichend klar zum Ausdruck. 313 Am Stimmverhalten des Bundesrates zeigt sich die 30.5 Vgl. BT-Drucks. 12/6000, S. 14. 306 Vgl. BT-Drucks. 12/6633. 307 Beschlußempfehlung des Rechtsauschusses BT-Drucks. 12/8165. Von den ausgesonderten Bereichen wurde ein Teil als selbstständiger Gesetzesentwurf zur Annahme empfohlen. 308 Vgl. BT-StenBer. 12/238 am 30.6.1994, S. 20947 ff.; Ergebnis der namentlichen Abstimmung 619:3:4 (S. 21052 A). 309 Vgl. BR-Drucks. 742/94; Anrufung des Vermittlungsausschuß erfolgte einstimmig.(BR-StenBer. 673. Sitzung v. 26.8.1994, S. 479 C). 310 BT-Drucks. 12/8423 (Annahme nur filr den Vorschlag auf S. 4 f. der Drucks. empfohlen). 311 BT-StenBer. 12/241 6.9.1994, S. 21278B ff. (auch hier erfolgte keine Einzelabstimmung auch Änderungsvorschläge gab es nicht; BR-StenBer. 674 Sitzung am 23.9.1994, S. 508C ff. 312 Vgl. dazu den Redebeitrag des Abg. Dr. BIens als Berichterstatter des Vermittlungsausschusses im Bundestag, der ausdrücklich davon sprach, daß der Kompromiß nur als Ganzes eine Chance hätte. Die Abgeordneten müßten, um Rosinen essen zu können, auch Kröten schlucken. (BT-StenBer. 12/241,6.9.1994, S. 21278C-D). 313 Dieses Dilemma wird augenscheinlich im Stimmverhalten des Bundesrates. Das Land Schleswig-Holstein lehnte das Gesetz ab, weil es den Minderheitenschutzar-

146

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

Problematik der Paketabstimmung sehr deutlich. Zwar war in der ersten Abstimmung im Bundesrat eine Mehrheit der Länder für die Einfügung eines Staatsziels Umwelt oder einer Erweiterung des Art. 3 Abs. 2 GG. Die Länder ließen aber die Änderungen scheitern, weil ihnen eine andere Regelung - nämlich die Stärkung ihrer Kompetenzen, die mit diesen Materien nichts zu tun hatte, - wichtiger war. 314 Betrachtet man nur die Entscheidung und ihren Inhalt, so besagt sie, daß die vorgeschlagene Änderung als Paket keine Mehrheit hatte. Die einzelnen Änderungen hätten allerdings eine Mehrheit erhalten. Damit hat man hier einen Fall, in dem es zu einem Abstimmungsparadoxon31s gekommen ist. Das Ergebnis der Abstimmmung hängt hier jedoch nicht von der Reihenfolge der Abstimmungsfragen, sondern von den die Frage umfassenden Materien ab. Die Entscheidung ist also ein Ergebnis der Fragestellung und nicht der freien Willensbildung. Daneben ist die Entscheidung auch in sich unklar. Weil die im Paket zusammengefaßten Materien miteinander in keinem sachlichen Zusammenhang stehen, kann der einzelnen Regelung keine zustimmende oder ablehnende Mehrheit zugerechnet werden. Mit anderen Worten, der Mehrheitsentscheidung ist kein eindeutiger Wille der Bundesratsmitglieder bezüglich des zur Abstimmung gestellten Inhalts, und damit des zu regelnden Gemeinwohlkonflikts zu entnehmen. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, fehlt dann auch der Legitimationszusammenhang. Dieses Beispiel zeigt deutlich den Zusammenhang zwischen der Fragestellung und der Entscheidung. Es läßt sich der Satz aufstellen, daß je mehr Materien in einem Gesetz zusammengefaßt werden, desto unklarer und zweideutiger der in der Entscheidung zum Ausdruck kommende Wille des Entscheidungsträgers wird. Damit wird die Regelung selbst anfechtbar, weil ihre Rückführbarkeit auf einen Willen des Volkes unklar wird. Dies läßt die Legitimation des Gesetzes schwinden. Es gilt daher der allgemeine Satz, daß je mehr mehr Materien in ein Gesetz "gepackt" werden und je weiter der sachliche Zusammenhang zwischen diesen Materien ist, desto geringer die Legitimation ist. tike1 20a im Entwurf venrusste. Dennoch ist davon auszugehen, daß SchleswigHolstein den Änderungen in einer Einzelabstimmung zugestimmt hätte (vgl. Minister Walter, BR-StenBer. 674. Sitzung arn 23.9.1994 S. 506 f.). Genau wngekehrt war das Verhalten des Landes Nordrhein-Westfalen. Es stimmte dem Paket zu, obwohl es hinsichtlich des Minderheitenschutzes nicht seinem Willen entsprach (vgl. Minister Schnoor, BR-StenBer. 674.Sitzung arn 23.9.1994, S. 507). Das Ergebnis läßt also den Willen des Entscheidungsträgers nicht erkennen. 314 Vgl. nur die in dieser Hinsicht sehr erhellenden Redebeiträge der Ministerpräsidenten Scharping und Vogel, BR-StenBer. 673 Sitzung arn 22.8.1994, S. 462 B (Scharping), 465 B (Vogel). 31.5 Vgl. dazu oben A n1.

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennitte1te inhaltliche Legitimation

147

c) Die Legitimationsanforderungen in qualitativer Hinsicht: Unterschiede in den Anforderungen zwischen einfachen und verfassungsändernden Gesetzen Dieser Zusammenhang gilt nicht nur quantitativ. Er wird auch qualitativ ergänzt. Je grundlegender eine Entscheidung ist, desto stärker muß sie legitimiert sein. Soweit man dieser These noch zu folgen vermag, ließe sich aber einwenden, daß die Abgrenzung nach den Begriffen "bedeutsam" oder "grundlegend" eine klare und eindeutige Bestimmung nicht zulasse und daher nicht oder nur bedingt verwendbar sei. 316 Diese schwammigen Begriffe ließen keine klare Beurteilung möglicher Legitimationsdefizitie zu, so daß sie auch nicht Grundlage einer verfassungsrechtlichen Beurteilung seien könnten. Diesem Einwand ist zuzugeben, daß diese Begriffe offen sind. Dies entspricht jedoch zumindest der deutschen Verfassungsordnung. 317 Man kann daher nicht umhin, im Bereich des einfachen Gesetzes einen politischen, der verfassungsrechtlichen Kontrolle entzogenen Spielraum zuzulassen. Dies gilt nicht nur für die Frage, was überhaupt durch Gesetz geregelt werden darf, sondern auch für die Anforderungen an das Legitimation vermittelnde Verfahren. Eindeutige Begrenzungen lassen sich nur dort entnehmen, wo die Verfassung eindeutige Aussagen trlfft. 318 Ein Verbrechensbekämpfungsgesetz bedarf u.U. einer Änderung vieler Vorschriften. Es bezieht sich jedoch auf einen bestimmten Problemkomplex, der als solcher in der Öffentlichkeit diskutiert und wahrgenommen wird. Der thematische Zusammenhang ist allerdings weit und hängt auch von politischen Vorgaben ab. Der Ermessensspielraum des Gesetzgebers ist hier groß. Ein Gesetz, daß viele verschiedene Materien regelt, die in einem großen politischen Zusammenhang stehen, ist deswegen nicht illegitim. Seine Legitimation ist allerdings schwächer, als die solcher Gesetze, in denen nur ein Problemkomplex zur Abstimmung gestellt würde. Allerdings gilt auch hier eine absolute Grenze. Ist überhaupt kein nachvollziehbarer inhaltlicher Zusammenhang vorhanden, so ist ein derartiges Gesetz nicht mehr demokratisch legitimiert. 319 Das ist dann der Fall, wenn sich der Zusammenhang in der Änderung von bestehenden Vorschriften er316 Dies wird insbesondere im Hinblick auf den Parlamentsvorbehalt eingewandt: Grimm, AöR 1972, S. 489, (516); Kisker, NJW 1977, 1313, (1317 f.); Kloepfer, JZ 1984, S. 685, (692). 317 Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, S. 208; die französische Verfassung kennt dieses Problem nicht in diesem Maße, weil es die Materien der Gesetzgebung ennumerativ aufzählt. 318 Vgl. zum Vorbehalt des Gesetzes: H. Schneider, Gesetzgebung, Rn. 27 f. 319 Vgl. zur Unzulässigkeit solcher Verfahren, Achterberg, Parlamentsrecht, § 22 II 3 b, (S. 635).

148

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

schöpft. 320 Eine Legitimation kann nur ein materieller Zusammenhang vermitteln. Formale Gesichtspunkte sind für einen auch abgeschwächten Legitimationszusammenhang zu wenig. Bei der Änderung von Verfassungsnormen ist der Legitimationsmaßstab strenger. Die Verfassung repräsentiert die Grundentscheidung des Staatswesens überhaupt. 321 Die Verfassung im materiellen Sinne umfaßt die grundsätzlichen Rechtsnormen des Staates und seines Verhältnisses zu den Bürgern. 322 So legt die Verfassung u.a. den Legitimationsursprung aller staatlichen Gewalt fest. 323 Diese höchste Bedeutung der Verfassung spiegelt sich auch in der verfassungsgebenden Macht des Volkes wider. 324 Wenn politische Probleme so gravierende Maßnahmen wie die Änderung der Verfassung erfordern, so muß in besonderem Maße sichergestellt sein, daß die getroffene Entscheidung einer klaren Willensäußerung der Mehrheit entspricht. Das Legitimationsdefizit, welches durch thematische Vermengung entsteht, ist für die Verfassungsnormen besonders gravierend und kann unter Umständen die Legitimität der Verfassung in Frage stellen. Was in einfachen Gesetzen noch tolerabel sein kann, ist für Verfassungsnormen nicht mehr hinnehmbar. Dies ergibt sich allein schon aus der besonderem Bedeutung der Verfassung. Für Verfassungsänderungen muß daher gelten, daß einer Mehrheit eine klar abgegrenzte sachliche Entscheidung zuzuordnen sein muß. Für die Verfassung bedarf es einer unzweideutigen Verbindung zwischen Volkswillen und konkreter Entscheidung. Dabei ist nicht unbedingt gesagt, daß jede Änderung des Verfassungstextes einzeln abgestimmt werden muß. So können bestimmte Fragen eine Änderung von mehreren Normen erforderlich machen. Für solche Änderungen ist aber Voraussetzung, daß eine klare inhaltliche Verbindung bestehen muß. 325 Bei einer bloß formalen Verbindung läßt sich für die Änderung des einzelnen Komplexes keine unzweideutige Willensäußerung entnehmen. Es läßt sich nur 320 Die Grenze ist überschritten, wenn beispw. zusammen mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz auch Vorschriften über Kostendämpfung im Gesundheitswesen enthalten wären. Eine solche Koppelung mag vielleicht abwegig erscheinen. Es sind jedoch politische Konstellationen denkbar, in denen Parteien auf diese Art und Weise versuchen, zu Mehrheiten zu kommen. 321 Die Verfassung ist die rechtliche Grundordnung des Gemeinwesens (materieller Verfassungsbegrifl). Hesse, Verfassung und Verfassungsrecht, HVertR, § 1, Rn. 10. 322 Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 309. 323 Isensee, Staat und Verfassung, HbStR I, § 13, Rn. 139. 324 Vgl. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I, § 22 Rn. 5. 325 Ein solcher Zusammenhang bestand etwa bei den Verfassungsänderungen, die durch den Vertrag von Maastricht erforderlich wurden. Vgl. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21.12.1992, BGBl.I 1992, S. 2086 1T.

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

149

feststellen, daß das so zusammengestellte Paket eine Mehrheit gefunden hat. Damit ist aber nicht mehr die punktuelle Änderung legitimiert. 326 Dieses Ergebnis läßt sich auch mit dem Text des Grundgesetzes belegen. Gemäß Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf es zu einer Änderung des Grundgesetzes eines Gesetzes, welches den Text des Grundgesetzes "ausdrücklich" ändert. Dies entspricht dem Grundsatz der Vrkundlichkeit und Einsichtbarkeit jeder Verfassungsänderung. 327 Gemäß Art. 79 Abs. 2 GG bedarf dieses Gesetz der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und der Stimmen des Bundesrates. Interpretiert man diese Vorschriften im Zusammenhang, folgt, daß jede Änderung einer ausdrücklichen, das heißt zweifelsfreien, Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften bedarf. Diese Zweifelsfreiheit ist gerade bei Paketabstimmungen nicht gegeben. Noch deutlicher ist die Schweizer Bundesverfassung. Sie schreibt in Art. 121 Abs. 3 sogar ausdrücklich vor, daß für jede Materie eine besondere Initiative erforderlich ist. Hinsichtlich der Legitimation von Gesetzen durch Mehrheitsentscheidungen ist also zu differenzieren. Werden in einem einfachen Gesetz verschiedene Themen ohne sachlichen Zusammenhang untereinander behandelt, so ist der damit verbundene Legitimationsverlust u.V. noch hinnehmbar, sofern sich ein politischer Zusammenhang finden läßt. Dabei hängt die Grenze des Zulässigen von der jeweiligen Ausformung des demokratischen Prinzips in der jeweiligen Verfassung ab. Verfassungen mit geringeren demokratischem Anspruch werden diese eher zulassen als Verfassungen mit einem hohen Anspruch. Bei Verfassungsnormen überschreitet ein solcher Legitimationsverlust jedoch in jedem Fall die tolerable Grenze und führt zu einer nicht mehr demokratisch legitimierten Entscheidung.

11. Der Legitimationszusammenhang bei der Aufgabendelegation vom Gesetzgeber auf die Regierung Das gesetzgeberische Verfahren ist so aufwendig, daß Zeit und Detailkenntnis dem parlamentarischen Gesetzgeber Grenzen für die Schaffung we326 Etwas anderes gilt selbstverständlich bei einer Neuschöpfung der Verfassung. Hier ist dann aber die Verfassung als ganzes Gegenstand der Abstimmung.

327 Stern, Staatsrecht I, § 5 m 2 a (S. 159). Der historische Hintergrund dieser Vorschrift ist die Verhinderung von Verfassungsdurchbrechungen, wie sie in Weimarer Zeit praktiziert wurden. Es soll zunächst verhindert werden, daß durch Verfassungsrechtsnonnen außerhalb der Verfassung, die Verfassung unübersichtlich wird (MIDIH/S-Maunz, Art. 79, Rn. 1).

150

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

niger bedeutsamer Normen setzen. 328 Speziellere Materien von geringerer Bedeutung sind daher zur Entlastung der Parlamente in allen Demokratien in unterschiedlichem Umfang der Exekutive anvertraut. 329 Dabei existieren grundsätzlich zwei Varianten der Regierungsgesetzgebung. Zum einen gibt es die Möglichkeit einer selbstständigen Rechtssetzungbefugnis der Regierung auf Grund verfassungsrechtlicher Ermächtigung. 330 Die zweite Variante der gesetzgeberischen Tätigkeit ist die Delegation von Gesetzgebungsbefugnissen auf die Regierung. Durch die Delegation wird der Exekutive die Befugnis verliehen, die dem Gesetzgeber zustehende Kompetenz auszuüben, die ihm ohne diesen Akt nicht zustehen würde. 331 Dabei behält das Parlament grundsätzlich die Möglichkeit, die Kompetenz jederzeit auch selbst wahrzunehmen. 332

J. Die Delegation von Rechtssetzungsbejugnissen nach Art. 80 Abs. J GG

Das Grundgesetz regelt die Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen auf die Exekutive in Art. 80 Abs. I GG. Die ersten beiden Sätze der Vorschrift lauten: "Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. " 328

Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 170.

329 Brunner, Vergleichende Regierungslehre I, S. 290 f. 330 Diese existieren in unterschiedlichem Umfang. Während die französische V. Republik umfangreiche Materien dem Regierungschef zur Regelung überläßt und dem Parlament von vorneherein entzieht (vgl. oben 1. Teil 2. Abschnitt eIl), handelt es sich in den anderen Ländern mehr um relativ unbedeutende Gegenstände. Das Grundgesetz versagt der Regierung ein selbstständiges Verordnungsrecht völlig (vgl. Brunner, Vergleichende Regierungslehre, S. 291 f.). 331 Vgl. grundlegend: Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht,

S.26.

332 Sog. konservierende Delegation, Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, S. 53 ff.. Delegation bedeutet daher nur Verlust der Ausschließlichkeit beim ursprünglichen Kompetenzinhaber. (Triepel, a.a.O., S. 54); dies gilt sowohl für Verordnungen (vgl. für das 00: v.MangoldtlKlein, OO-Wilke, Art. 80, Anm. II 3 b) als auch für Übertragungen von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen nach Art. 24 Abs. 1 00 bzw auf die EU nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 00. (vgl. dazu v.Münch, OO-Rojahn, Art 24, Rn. 22; MJDIHlS-RandelzhoJer, Art. 24, Rn. 58, jeweils m.w.N.; Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, S.91).

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

151

Diese Vorschrift bezweckt zweierlei. Sie soll zum einen dem Gesetzgeber ermöglichen, sich der Exekutive zur Entlastung zu bedienen333 . Zum anderen soll die Vorschrift die im Grundgesetz vorgesehene Aufteilung der Staatsgewalten vor einer Kompetenzverlagerung auf die Exekutive schützen. 334 Diese Zielsetzungen sollen dadurch erreicht werden, daß der Gesetzgeber selbst in einem Gesetz die Ermächtigung erteilt (Satz 1) und daß er die Ermächtigung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß begrenzt (Satz 2). Dabei geht es nicht nur darum, eine pauschale Verlagerung von Rechtssetzungsmacht auf die Exekutive zu unterbinden. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht dadurch genüge getan, daß der Gesetzgeber in beliebig weiten Grenzen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung bestimmt. 335 Die Klausel des Art. 80 Abs. 2 Satz 2 GG ist eine inhaltlich eingrenzende Schranke. 336 Das ermächtigende Gesetz muß selbst schon etwas bedacht und gewollt haben und ein Minimum an materieller Regelung enthalten, die es im Vorordnungswege fortzudenken gilt. 337 Das Paralment setzt damit den politischen Rahmen. Durch das ermächtigende Gesetz wird der politsche Gestaltungswille des Parlaments in dieser Frage gebildet und festgelegt. Die Exekutive muß beim Erlaß von Rechtsverordnungen diesen originären politischen Gestaltungswillen des Parlaments vollziehen. 338

2. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG als Ausdruck des demokratischen Legitimationserjordernisses

Die Regelung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG bringt damit das allgemeine Legitimationserfordernis zum Ausdruck, daß die Entscheidung des Gesetzgebers eine über die bloße Delegation hinausgehende Willensäußerung enthalten muß. Dies ergibt sich daraus, daß der Legitimationsweg bei der Ausübung von delegierten Befugnissen ein anderer ist. Die auf Grund einer Ermächtigung 333 Entlastungsfimktion: Erichsen, Allgemeines VerwaltlUlgsrecht (Ossenbühl), § 6 IV 1, Rn. 12. 334 Schutzfunktion: BVerfGE I, S. 14,(60)~ v. MUnch, GG-Bryde, Art. 80, Rn. 1. 335 Vgl. Busch, Das Verhältnis des Art. 80 I S. 2 GG zum Gesetzes- IUld Parlamentsvorbehalt, S. 131. 336 V. MangoldtlKlein, GG-Wilke, Art. 80, Anm. VI~ v. MUnch, GG-Bryde, Art. 80, Rn. 20. 337 Vgl. BVerfGE 2, S. 307, (334)~ BVerfGE 7, S. 282, (304)~ BVerfGE 19, S. 354, (361 f.)~ BVerfGE 20, S. 257, (270)~ WoljJ, AöR 78 (1952/53), S. 198. 338 Vgl. Starck, Der GesetzesbegritT des Grundgesetzes, S. 188 f.~ vgl. zum Ganzen auch, Busch, Das Verhältnis des Art. 80 I S. 2 GG zum Gesetzes- IUld Parlamentsvorberhalt, S. 132.

152

3. Teil: Die AusgestaltWlg des EntscheidWlgsverfahrens

des Parlaments ergangene Verordnung bezieht ihre Legitimation nicht aus der verfassungsunmittelbaren Legitimation der Exekutive. 339 Die Verordnungsentscheidung ist ausschließlich aus dem ermächtigenden Gesetz legitimiert. Die Voraussetzung für einen Legitimationszusammenhang ist, daß sich aus der Entscheidung der Wille des Volkes selbst oder des vom Volk legitimierten Entscheidungsträgers zu der konkreten Frage wizweideutig ergibt. 340 Der vom Volk zur Gesetzgebung unmittelbar legitimierte Entscheidungsträger sind die Organe der Gesetzgebung, nach dem Grundgesetz vor allem der Bundestag. Sein Wille muß sich im Inhalt der Entscheidung auch dann wiederfinden lassen, wenn der Gesetzgeber andere Organe ermächtigt, für ihn tätig zu werden. Dies ergibt sich auch unabhängig von positiven Regelungen unmittelbar aus dem demokratischen Prinzip: Jede Ordnung eines Lebensbereichs durch Sätze des objektiven Rechts muß auf eine Willensentschließung der vom Volk bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden können. 341

3. Der inhaltliche Legitimationszusammenhang bei der Aufgabendelegation Die Vorschrift des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG legt dem Gesetzgeber die Pflicht auf, selbst das Programm vorzugeben, welches durch die Verordnung erreicht werden soll.342 Doch ist der Begriff Programm vielfach dehnbar. Es ist also auch für die Aufgabendelegation die Frage zu stellen, ob das Programm einer Verordnungsermächtigung beliebig weit zu fassen ist oder ob es hierfür Grenzen gibt. Einigkeit besteht insoweit, daß Globalermächtigungen, wie das sog. "Ermächtigungsgesetz" vom 24. 3. 1933 mit dem Grundgesetz unvereinbar wären. 343 Im Fall der Globalermächtigung gibt es kein Programm des Gesetzgebers, welches die Verordnungsgebung steuert. Die auf Grund einer solchen Ermächtigung ergangenen Verordnungen entbehren der demo339 Diese fimktionelle Legitimation besteht ft1r die RegieTWlg im Bereich der ihnen von der VerfassWlg wunittelbar zugewiesenen Aufgaben. Vgl. B6ckenf6rde, Demokratie als VerfassWlgsprinzip,HbStR I, § 22, Rn. 15; BVerfGE 68, S. 1, (108 f.); Ossenbühl, VerwaltWlgsvorschriften Wld Grundgesetz, S. 197. 340 Vgl. oben A III. 341 BVerfGE 33, S. 125, (158); BVerfGE 40, S. 237,(249). 342 Vgl. nur v. Münch, GG-Bryde, Art. 80, R. 20. 343 Gesetz zur BehebWlg der Not von Volk Wld Reich, RGBl. I S. 141; Art. 1 Satz 1 dieses Gesetzes lautete: "Reichsgesetze können außer in dem in der ReichsverfassWlg vorgesehenen Verfahren auch durch die ReichsregieTWlg beschlossen werden". Vgl. zur Unzulässigkeit Wlter dem Grundgesetz: MartensIGuthardt-Schulz, JuS 1971, S. 197 ff.; Hesse, Grundzüge des VerfassWlgsrechts der BWldesrepublik Deutschland, Rn. 524.

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

153

kratischen Legitimation, weil ihr Inhalt nicht auf einer Willensäußerung der zur Gesetzgebung legitimierten Organe beruht und die Regierung zur Gesetzgebung keine eigene Legitimation des Verfassungsgebers besitzt. 344 Der Fall der Globalermächtigung ist eindeutig. Problematisch sind die Fälle, in denen der Gesetzgeber weite Programme formuliert, die dem Verordnungsgeber weite Spielräume lassen. Die Zulässigkeit inhaltlich weiter Verordnungsermächtigungen ist im Einzelfall an Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen, der hierfür strenge Anforderungen stellt. 345 Unabhängig von Art. 80 GG gilt im Hinblick auf die demokratische Legitimation der Verordnungsermächtigung ein ähnlicher Zusammenhang wie beim Gesetzesbeschluß. Je weiter die Ermächtigung, desto geringer ist die demokratische Legitimation der darautbin ergangenen Verordnung. Die Grenze ist dort, wo sich der Ermächtigung kein Willen des Gesetzgebers bezüglich des Inhalts und Zwecks der Verordnung entnehmen läßt. In diesem Fall ist der Legitimationszusarnmenhang durchbrochen.

4. Der funktionelle Legitimationszusammenhang

Der Legitimationszusammenhang hat aber nicht nur eine inhaltiche Komponente. Der Aufgabendelegation sind auch in funktioneller Weise Grenzen gesetzt. Wenn die gesetzgebenden Organe vom Volk als Träger der Staatsgewalt zur Gesetzgebung legitimiert sind, darf sich der Gesetzgeber seiner Funktion nicht entäußern. 346 Daher sind auch der Übertragbarkeit solcher Rechte durch die Mehrheit in den gesetzgebenden Körperschaften Grenzen gesetzt. Eine solche Grenze zieht zunächst der Gesetzesvorbehalt. Es gilt der Grundsatz, daß wesentliche Entscheidungen, insbesondere solche von grundrechtlicher Relevanz, vom Gesetzgeber zu treffen sind. Solche Materien hat 344 Dies verkennen MartensIGuthardt-Schulz, JuS 1971, S. 197,(199), wenn sie das Ennächtigungsgesetz von 1933 mit dem demokratischen Prinzip des Grundgesetzes ftIr vereinbar halten, weil die Bundesregierung eine eigene demokratische Legitimation besitze. Sie besteht jedoch nur ftIr die ihr unmittelbar von der Verfassung zugewiesen Aufgaben. Vgl. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip,HbStR I, § 22, Rn. 15. 345 Vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 80, Rn. 12. 346 Dieses allgemein demokratische Erfordernis betont insbes. das BVerfG: Vgl. BVerfGE 33, S. 125,(158 f); 40, S. 237,(248 tT.); 41, S. 251,(259 f); 45, 400,(417 0; 47, S. 46,(78 0; 49, S. 89, (124 tT.); jüngst BVerfGE 89, S. 155,(186); vgl. auch Häberle DVBl. 1972,909,(911 f); Badura, DÖV 1963, 561,(565).

154

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

der Gesetzgeber vollständig und unmittelbar für den einzelfallbezogenen exekutiven Vollzug tauglich zu regeln. 347 Neben dieser qualitativen Grenze besteht auch eine quantitative Grenze. Eine Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen mit Mehrheit auf die Regierung ist, auch wenn sie hinreichend konkret ist, nur insoweit legitim, als sie nicht zu einer Entäußerung der Befugnisse insgesamt führt. Die Grenze der Legitimation ist dort erreicht, wo eine mehrheitlich beschlossene Übertragung zu einer Funktionsverlagerung führt, indem etwa die Regierung zum eigentlichen Gesetzgeber wird. Die durch die verfassungsgebende Gewalt des Volkes funktionelle Legitimation der gesetzgebenden Organe als Gesetzgeber steht nicht zur Disposition des verfassungsändemden Gesetzgebers. Problematisch wird dies im Zusammenhang mit Übertragungen auf die europäische Gemeinschaft. Da der Gesetzgeber der Gemeinschaft, der Rat, ein von den Regierungen gebildetes Organ ist, sind Übertragungen, auch wenn sie konkret genug sind, nur dann legitimiert, wenn sie nicht zur Aufhebung der Gesetzgebungsfunktion des übertragenden Parlamentes führen. Die Übertragung von Hoheitsrechten, mag sie auch einstimmig erfolgen, ist nur legitim, wenn nach der Übertragung noch substantielle Rechte beim Parlament verbleiben. 348 Hierbei ist nicht nur der einzelne Übertragungsakt als solcher zu betrachten. Vielmehr ist die Summe der bereits übertragenen und der verbleibenden Rechte zu vergleichen. Die Grenze der Legitimation liegt dort, wo die Übertragung dazu führt, daß die mit der Gesetzgebungsfunktion verbundenen Aufgaben überwiegend übertragen werden. Nur die von der Verfassung zur Gesetzgebung vorgesehenen Organe, nach dem Grundgesetz Bundestag und Bundesrat, sind als Vertreter des Volkes beziehungsweise der Länder zur Gesetzgebung legitimiert. Die mit dieser Stellung verbundene Legitimationskraft ist aber nicht übertragbar. Eine Übertragung des überwiegenden Teils der Parlamentsfunktionen würde im Endeffekt dazu führen, daß die auf Grund einer solchen Übertragung getroffenen Entscheidungen nicht mehr legitimiert wären, weil ihnen die besondere, nur durch die Vertretung und die Verfassung selbst vermittelbare Legitimität fehlte.

347 Vgl. Busch, Das Verhältnis des Art. 80 I S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorberhalt, S. 133; ähnlich aber etwas unklar die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Vgl. dazu, ders., a.a.O., S. 117 f. m.w.N. 348 Dies betont das BVerfG in der Maastrichtentscheidung, vgl. BVerfGE 89, S. 155, (186).

2. Abschnitt: Durch Verfahren vennittelte inhaltliche Legitimation

155

ID. Ergebnis zu C Wie jede Entscheidung bedarf auch die Sachentscheidung eines Legitimationszusammenhangs mit dem Willen des Entscheidungsträgers. Die Entscheidung muß die dem zu lösenden Konflikt zugrundeliegende Fragestellung beantworten und den Willen des Entscheidungsträgers in dieser Frage erkennen lassen. Aus dieser Bedingung demokratischer Legitimation folgen allgemeine Grundsätze für die Ausgestaltung des Verfahrens. 1. Der Willensbildungsprozeß muß auf der Grundlage einer möglichst optimalen Tatsachenermittlung erfolgen. Den Entscheidungsträger, sei er Gesetzgeber, Richter oder Verwaltungsbeamter trifft eine grundätzliche Ermittlungspflicht. Diese Ermittlungspflicht fordert aber keine in jeder Hinsicht erschöpfenden Tatsachenfeststellungen. Der Entscheidungsträger ist nur zu solchen Ermittlungen verpflichtet, deren Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Fragestellung liegen. 2. Das Entscheidungsverfahren muß sicherstellen, daß ein konkreter Konflikt durch einen konkreten Willensakt des Entscheidungsträgers entschieden wird. Dabei gilt der Satz, daß je mehr unterschiedliche Probleme in einer Entscheidung gelöst werden sollen, desto unklarer die Entscheidung ist. Solche Paketentscheidungen haben eine geringere demokratische Legitimation. Sie verlieren ihre Legitimation völlig, wenn zwischen den in einer Entscheidung entscheidenden Problemkomplexen überhaupt kein nachvollziehbarer inhaltlicher Zusammenhang mehr besteht. 3. Der Zusammenhang zwischen konkreter Fragestellung und Willensentscheidung hat auch eine qualitative Komponente. Bei einfachen Gesetzen ist eine weitere Fassung der zu lösenden Konflikte zulässig als bei der Änderung von Verfassungsnormen. Die Verfassung hat höchsten Rang, so daß das durch eine Paketentscheidung entstehende Legitimationsdefizit auch dort nicht mehr tolerabel ist, wo es bei einfachen Gesetzen noch hinnehmbar ist. Dies ergibt sich für das Grundgesetz auch aus den Vorschriften des Art. 79 Abs. 1 Satz 1, Abs.2, der eine "ausdrückliche", das heißt unzweideutige Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften fordert. 4. Für die Aufgabendelegation gemäß Art. 80 GG bringt Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift das allgemeine demokratische Legitimationserfordemis zum Ausdruck, daß das ermächtigende Gesetz über die Delegation als solche hinaus auch eine inhaltliche Willensäußerung des Gesetzgebers enthalten muß. Hierfür gilt das Gleiche, wie für das Gesetz. Je weiter die Ermächtigung ist, je mehr Problemkomplexe in ihr vereint sind, desto geringer ist die demokratische Legitimation der aufgrund der Ermächtigung ergangenen Verordnung. 5. Eine weitere Grenze der Aufgabendelegation setzt das demokratische Prinzip in funktioneller Hinsicht. Die Delegation darf nicht zu einer Ent-

156

3. Teil: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens

äußerung der Befugnisse insgesamt führen. Dies ergibt sich daraus, daß nur die entsprechenden Organe als Gesetzgeber vom Volk legitimiert sind und diese Legitimation nicht übertragbar ist.

Schlußbetrachtung

Die materielle Bedingtheit des Entscheidungsverfahrens in der Demokratie Das Ziel der Untersuchung bestand darin herauszufinden, inwieweit das demokratische Prinzip konkrete Anforderungen an die Verfahren der Entscheidungsfindung stellt. Ausgangspunkt war die Grundprämisse der Demokratie, daß alle Staatsgewalt einer Legitimation durch das Volk bedarf.} Die anschließende Untersuchung ergab, daß das Mehrheitsprinzip als Entscheidungsmodus diese Legitimation vermittelt. 2 Dies gilt jedoch nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, wie Rechtsbindung3 und hinreichender Diskurs. 4 Neben diesen Rahmenbedingungen gibt es aber auch ganz konkrete Anforderungen an die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens, die sich unmittelbar - zumindest auch - aus dem demokratischen Prinzip selbst herleiten lassen. Solche Anforderungen gelten für die Eingrenzung von entscheidungsberechtigten Personenkreisen,5 für Wahlen6 und für Sachentscheidungen. 7 Ohne daß auf diese einzelnen Beispiele nochmals eingegangen werden muß, ist festzuhalten, daß sich diese Anforderungen im wesentlichen aus Grundprämissen der Demokratie herleiten lassen. Wenn es einer Legitimation aller Staatsgewalt durch das Volk bedarf, so muß jede staatliche Entscheidung wiederum auf eine Entscheidung, einen Willensakt des Volkes zurückzuführen sein. Es entsteht ein Legitimationszusammenhang zwischen dem Volk und der Entscheidung, der unter Umständen vielfach vermittelt wird. Das Parlament verabschiedet ein Gesetz, das Parlament ist wiederum vom Volk gewählt. Das Gesetz erhält mittels einer weiteren Entscheidung, der Wahl, seine Legitimation. Die Grundvoraussetzung für einen Legitimationszusammenhang ist, daß } Vgl. dazu oben I.Tei12. Abschnitt C. 2 Vgl. dazu oben I. Teil 3. Abschnitt. 3

Vgl. dazu oben 2. Teil I. Abschnitt A, B.

4

5

Vgl. dazu oben 2. Teil 1. Abschnitt C. Dazu im einzelnen 3. Teil I. Abschnitt.

6

Dazu im einzelnen 3. Teil 2. Abschnitt B.

7

Vgl. 3. Teil 2. Abschnitt C.

11 Jochum

158

Schlußbetrachtung

jede Entscheidung den Willen des Entscheidungsträgers klar zum Ausdruck bringt. 8 Dann ist die Entscheidung letztlich auf das Volk zurückzufiihren; dann geht die Staatsgewalt vom Volk aus. Aus alledem wird eins deutlich: Die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens in der Demokratie ist nicht beliebig. Sie ist abhängig von den materiellen Prämissen des demokratischen Prinzips. Nicht das Verfahren als solches vermittelt demokratische Legitimität,9 sondern nur das Verfahren, welches den materiellen Anforderungen des demokratischen Prinzips Rechnung trägt. Die Demokratie erschöpft sich nicht in einem System von Vorschriften und Einrichtungen zur Hervorbringung staatlicher Entscheidungen. Es ist selbst materiell determiniert. 10 Mit anderen Worten: Nicht das formale Verfahren bestimmt die Demokratie, sondern die materielle Demokratie bestimmt das Verfahren. Nun ließe sich behaupten, Demokratie sei selbst ein relativer Begriff, dem sich keine universell gültigen materiellen Grundprämissen entnehmen ließen. Grundlage der Demokratie sei die Einsicht aller, daß alle politischen Anschauungen subjektiv seien. Auf Grund dieser Erkenntnis würde keiner einen Absolutheitsanspruch erheben und alle anderen Meinungen respektieren. 11 Von dieser Sicht ausgehend wäre allerdings auch das Verfahren beliebig auszugestalten. Mit einer Mehrheitsentscheidung könnte beispielsweise das Mehrheitsprinzip abgeschafft werden. Diese relativistische Betrachtung löst allerdings auch den Begriff der Demokratie ins Beliebige auf. Auf diese Art läßt sich mehr oder weniger alles als demokratisch bezeichnen. Soll der Begriff Demokratie eine Bedeutung haben, so kann es sich nicht um einen relativen Begriff handeln. Mit dem Begriff der Demokratie verbinden die Menschen immer auch einen Inhalt, eben jene Grundprämissen wie die legitimierende Herleitung aller Staatsgewalt vom Volk. Diese sind die Prämissen, denen die Ausgestaltung von Entscheidungsverfahren Rechnung tragen muß. Werden diese Grundaussagen des demokratischen Prinzips nicht beachtet, so kann das Verfahren zwar Entscheidungen hervorbringen, aber das sind dann eben keine demokratischen Entscheidungen. Demokratie ist in diesem Jahrhundert von Regimen aller Art als Staatsformbezeichnung verwendet worden. Ob es sich um eine echte Demokratie 8 Vgl. 3. Teil 2. Abschnitt A Ill. 9 So aber Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 27 ff.

10 Vgl. Stern, Staatsrecht!, § 18 II 6 a, (S. 621 f.). 11 Vgl. dazu und zu den Folgen solchen "naiven Relativismus": Kn'ele, Staatsphil0sophische Lehren aus dem Nationalsozialismus, in: Recht, Vernunft, Wirklichkeit, S. 393,397 ff.

Schlußbetrachtung

159

oder um ein bloßes Etikett handelt, läßt sich allerdings leicht feststellen. Indikatoren sind die Anerkennung jener Fundamentalprinzipien, die aus der abendländischen Ideengeschichte stammen und deren Überzeugungskraft nicht nur auf diesen Kulturkreis begrenzt ist, wie das Beispiel der Pekinger Studentenrevolte 1989 zeigt. Die Anerkennung dieser Prinzipien zeigt sich auch in der Ausgestaltung der staatlichen Entscheidungsverfahren. Diesen Zusammenhang aufzuzeigen und und an Beispielen anschaulich zu machen, war Zielsetzung dieser Untersuchung. Die Untersuchung hat gezeigt, daß die Prämissen des demokratischen Prinzips sich in konkrete Anforderungen für demokratische Entscheidungsverfahren umsetzen lassen. Damit ist am Ende ein Beweis dafür erbracht worden, daß das Entscheidungsverfahren in der Demokratie durch das demokratische Prinzip selbst determiniert ist.

Literaturverzeichnis Achterberg, Norbert: Das Leistungsprinzip im öffentlichen Dienstrecht, in: DVBl. 1977, S. 541 ff.. - Die parlamentarische Verhandlung, Berlin 1979. - Parlamentsrecht, Tübingen 1984. - Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Heide1berg 1986.

Adam, Uwe Dietrich: Abgeordnetenmandat und Parteiwechsel - Zu einem Problem unserer politischen Ordnung, in: PVS 13 (1972), S. 300 ff. Adams, Willi Paul (Hrsg.): Die Vereinigten Staaten von Amerika, Fischer Weltgeschichte Bd. 30, Frankfurt a.M. 1977. Aderhold, Dieter: Kybernetische Regierungstechnik in der Demokratie, MÜIlchen, Wien 1973. Agnoli, Johannnes/Brückner, Peter: Die Transformation der Demokratie, Berlin 1967. Alternativkommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, (Hrsg. v. RudolfWassermann) 2. Auflage Neuwied, Darmastadt 1989.

Anschütz, Gerhard: Verfassung des deutschen Reiches, Kommentar, 14. Auflage, Berlin 1933. Anschütz, GerhardiThoma. Richard, Handbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. 1, Tübingen 1930; zit: Bearbeiter, in: Thoma/Anschütz, HbdStR I. Arnim, Hans Herbert von: Gemeinwohl und Gruppeninteressen, Frankfurt a.M. 1977. - Zur normativen Politikwissenschaft in: Der Staat 26 (1987), S. 477 ff. - Entmündigen die Parteien das Volk ?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 21/90, S. 25 ff.

Aristoteles, Politik, Buch m, Über die Verfassung, übers. und erl. von Eckart Schutrumpf, zit. nach Werke in deutscher Übers., Bd. 9, Darmstadt 1991. Arrow, Kenneth J.: Social Choice and Individual Values, 2. Auflage, New York, London, Sydney 1963. Apel, KarlOtto: Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft, Frankfurt a.M. 1973. Badura, Peter: Rechtssetzung durch Gemeinden, in: DÖV 1963, S. 561 ff. - Über Wahlen, AöR 97 (1972), S.l ff. - Die parlamentarische Demokratie, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 1, § 23, Heidelberg 1987; zit: Badura, Die parlamentarische Demokratie, HbStR I.

Literaturverzeiclmis

161

Barbey, Günther: Der Status des Richters, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, § 74, Heidelberg 1988; zit: Barbey, Der Status des Richters, HbStR m. Barker, Ernest: Reflections on goverrunent, Oxford 1942. Battis, UlrichlSchulte-Trux, Anke/Weber, Nicole: Frauenquote und Grundgesetz, in: DVBl. 1991, S. 1165 fT. Becker, Jürgen, Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd.7, § 167, Heidelberg 1988; zit: Becker, Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes, HbStR vn . Bender, Rolf: Zur Notwendigkeit einer Gesetzgebungslehre dargestellt an aktuellen Problemen der Justizreform, Stuttgart 1975. Berber, Friedrich: Das Staatsideal im Wandel der Weltgeschichte, München 1973. Berg, Wilfried: Zur Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Der Staat 9 (1970), S. 21 fT. Billing, Werner: Das Problem der Richterwahl zum Bundesverfassungsgericht, Berlin 1969. Blackstone, Sir Wiliam: Commentaries on the law ofEngland, 16. Auflage 1825, Buch I, zit. nach: Jennings, Sir Ivor WlRitter, Gerhard A., Das britische Regierungssystern, S. 164,2. Auflage, Opladen 1970. Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Dolzer, Rudolf, Vogel, Klaus, (Hrsg.), Loseblatt, 72. Lieferung, Heidelberg 1994; zit.: DolzerNogel, BK-Bearbeiter. Bäckenfärde, Ernst Wolfgang: Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat, München 1967. - Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, in: NJW 1974, S. 1529 ff.. Mittelbarelrepräsentative Demokratie als eigentliche Form der Demokratie, in: Festschrift, für Kurt Eichenberger, Basel, Frankfurt a.M. 1982, S. 301 ff.. - Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 1, § 22, Heidelberg 1987; zit: Böckenforde, Dernokratie als Verfassungsprinzip, HbStR I . - Demokratische Willensbildung und Repräsentation, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 30, Heidelberg 1987; zit: Bökkenförde, Demokratische Willensbildung und Repräsentation, HbStR 11 . - Demokratie und Repräsentation, in: Staat, Verfassung, Demokratie, Frankfurt a.M. 1991. Bäckenfärde, Ernst WolfgangiTomuschat, Christian, Umbach, Dieter, (Hrsg.): Extremisten im öffentlichen Dienst, Baden Baden 1981. Brenner, Michael: Grundrecchtsschranken und Verwirkung von Grundrechten, in: DÖV 1995, S. 60 ff. Bridel, Marcel: Reflexions sur le principe majoritaire dans le demokratie, in: Festschrift für Werner Kägi, Zürich 1979, S. 45 ff.

162

Literaturverzeichnis

Breuer, Rüdiger: Selbstverwaltung und Mitverwaltung Beteiligter im Widerstreit verfassungsrechtlicher Postulate, in: Die Verwaltung 10 (1977), S. I ff. Brugger, Winfried: Einführung in das öffentliche Recht der USA, München 1993. Brunner, Georg: Einführung in das Recht der DDR, 2. Auflage, München 1979. - Vergleichende Regierungslehre, Bd. 1, Paderborn 1979.

Buchanan, James M./Tullock, Gordon: The calculus of consent, Ann Arbor 1965. Burke , Edmund: Speech to electors of Bristol, zit. nach: Link:, Kurt/Neurnann, Frank:, Theorie und Soziologie der politischen Parteien, auszugsw. abgedruckt und übers. S. 6, Neuwied, Berlin 1968. Burmeister, Joachim: Das Petitionsrecht, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd.2, § 32, Heide1berg 1987, zit.: Burmeister, Das Petitionsrecht, HbStR ll. Busch, Bernhard: Das Verhältnis des Art. 80 I S. 2 GG zum Gesetzes und Parlamentsvorbehalt, Berlin 1992. Busolt, Georg: Griechische Staatskunde, Bd. 2, 3. Auflage, München 1926. Cicero, Marcus Tullius: De re publica, Hrsg. und übers. von Karl Büchner, Stuttgart 1979. Condorcet, Jean Antoine Nicolas Caritat Marquis de: Essai sur l'application de l'analyse ä la probilite des decisions rendues ä la pluaralite des voix, Paris 1785, zit. nach. Podlech, Adalbert (Hrsg.), Rechnen und Entscheiden, Berlin 1977, S. 265 ff. Dagtoglou, Prodromos: Partizipation Privater an Verwaltungsentscheidungen, in: DVBl. 1972, S. 712 ff. Dahrendorf, Ralf: Die Funktion sozialer Konflikte, in: Gesellschaft und Freiheit, München 1961. Degenhart, Christoph: Gerichtsverfahren, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, § 76, Heide1berg 1988; zit: Degenhart, Gerichtsverfahren, HbStR llI. -Staatsrecht 1,9. Auflage, Heidelberg 1993.

Denninger, Erhard: Die Herrschaftsordnung der parlamentarischen Demokratie, in: Randelzhofer, AlbrechtlSüß, Werner, (Hrsg.), Konsens und Konflikt, Berlin, New York 1986, S. 200 ff. Dickert, Thomas: Mehrfachkandidaturen und Chancengleichheit bei der Kommunalwahl 1990, in. BayVBI 1990, S. 326 ff. Diederich, Nils: Wahlen, Wahl system, in: Kernig, C.D. (Hrsg.), So\\jetsystem und demokratische Gesellschaft, Bd. VI, Freiburg, Basel, Wien 1972, Sp. 805 ff. Doering, Kar!: Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage, Frankfurt a. M. 1984. - Allgemeine Staatslehre, Heidelberg 1991.

Literaturverzeichnis

163

Drath, Martin: Die Entwicklung der Volksrepräsentation in: Rausch, Heinz (Hrsg.), Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, Darmstadt 1968, S. 260 ff. DUrig, Günter: Staatsfonnen, in: Handbuch der Sozialwissenschaften Bd. 9, Stuttgart, Tühingen, Göttingen 1956, S. 747, zit.: Dürig, HDSW 9. DUtz, Wilhelm: Richterliche Unabhängigkeit und Politik, in: JuS 1985, S. 745 ff. Ehmke, Horst: "Staat" und "Gesellschaft" als verfassungstheoretisches Problem m: Festgabe für Rudolf Smend zum 80. Geburtstag, Tübingen 1962, S. 23 ff. Eichborn, Johann-Friedrich von: Die Bestimmungen über die Wahl der Bundesverfassungsrichter als Verfassungsproblem, Berlin 1969. Engels, Friedrich: Zur Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, in: Marx, KarlIEngels, Friedrich, Werke Bd. 19, Hrsg. ZK der SED, Berlin 1962, S. 181 ff. Engisch, Karl: Einführung in das juristische Denken, 8. Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1983. Erichsen, Hans Uwe (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Auflage, Berlin New York 1995; zit.: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht (Bearbeiter). Ermacora, Felix: Allgemeine Staatslehre, I. Teilbd., Berlin 1970. Eschenburg, Rolf: Der ökonomische Ansatz zu einer Theorie der Verfassung, Tübingen 1977. Eschenburg, Theodor: Die Richtlinien der Politik im Verfassungsrecht und in der Verfassungswirklichkeit, DÖV 1954, S. 193 ff. - Staat und Gesellschaft in Deutschland, 3. Auflage, Stuttgart 1956.

Fach, Wolfgang: Demokratie und Mehrheitsprinzip, in: ARSP 61 (1975), S. 201 ff. Faller, Hans Joachim: Die richterliche Unabhängigkeit im Spannungsfeld von Politik, Weltanschauung und öffentlicher Meinung, in: Festschrift für Wolfgang Zeitler, Band I, Berlin, New York 1987, S. 81 ff. Fichte, Johann Gottlieb: Die Grundlage des Naturrechts nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre, 1796, Gesamtausgabe hrsg. v. Lauth, ReinhardlJacob, Hans, Werkeband 3, Stuttgart, Bad Cannstatt, 1966. Fleiner-Gerster, Thomas: Allgemeine Staatslehre, Berlin, Heidelberg, New York 1980. Forsthoff, Ernst: Arunerkung zu den Urteilen des OVG Lüneburg vom 19.6. und 4.7. 1950, AöR 76 (1950/51), S. 344 ff., in: AöR 76 (1950/51), S. 369 ff. Fraenkel, Ernst: Der Pluralismus als Strukturelement der freiheitlich-rechtstaatlichen Demokratie, in: Verhandlungen des 45. Deutschen Juristentages, München 1965, B I ff. - Deutschland und die westlichen Demokratien, 6. Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1974. - Das amerikanische Regierungssystem, 3. Auflage, Opladen 1976.

Friedrich, Carl Joachim: Demokratie als Herrschafts- und Lebensfonn, Heide1berg 1959.

164

Literaturverzeichnis

- Man and his Gouvenunent, New York, San Francisco, Toronto, London 1963.

Friedrich, Manfred: Anlage und Entwicklung des parlamentarischen Regierungssystems in der Bundesrepublik, in: DVBl. 1980, S. 505 ff. Friesenhahn, Ernst: Parlament und Regierung im modemen Staat, in: VVDStRL 16 (1958), S. 9 ff. Geck, Wilhe1m Karl: Wahl und Amtsrecht der Bundesverfassungsrichter, Baden Baden 1986. - Wahl und Status der Bundesverfassungsrichter, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 55, Heide1berg 1987; zit.: Geck, Wahl und Status der Bundesverfassungsrichter, HbStR II.

Geiger, Rudolf: EG-Vertrag, München 1993. Geiger, Willi: Sicherung der Informationsfreiheit des Bürgers als Verfassungsproblem, in: AfP 1976177, S. 256 fT. Gierke, OUo von: Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd Graz 1954.

m,

1881, Nachdruck

Giese, Friedrich: Die Verfassung des deutschen Reiches, 8. Auflage, Berlin 1932. Glum, Friedrich: Begriff und Wesen der Repräsentation, in: Rausch, Heinz (Hrsg.), Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und Repräsentativverfassung, Darmstadt 1968, S. 105 ff. Goerlich, Helmut: Erfordernisse rationaler Gesetzgebung nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts, in: JR 1977, S. 89 ff. Grabitz, Eberhard: Freiheit und Verfassungsrecht, Tübingen 1976. Gralher, Martin: Ruhendes Mandat und demokratisches Repräsentationsverständnis, in: ZRP 1977, S. 156 ff. Grasemann, Hans Jürgen: Das Blocksystem und die nationale Front im Verfassungsrecht der DDR, Diss. Göttingen 1973. Grimm, Dieter: Verfassungsfunktion und Grundgesetzreform, in: AöR 97 (1972), S. 489 ff. Grosser, Dieter: Demokratietheorie in der Sackgasse, in: Festschrift für Hans Ulrich Scrupin zum 70. Geburtstag, Berlin 1973, S. 107 ff. Gusy, Christoph: Das Mehrheitsprinzip im demokratischen Staat, AöR 106 (9181), S. 329 ff. Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit, 2. Auflage, Neuwied Berlin 1965. - Recht und Gewalt - ein deutsches Trauma, in: Merkur 1984 (423), S. 15 ff. - Faktizität und Geltung, Frankfiut a.M. 1992.

Htiberle, Peter: Öffentliches Interesse als juristisches Problem, Bad Homburg 1970. - Berufs-"ständische" Satzungsautonomie und staatliche Gesetzgebung, in: DVBl. 1972, S. 909 ff.

Literaturverzeiclmis

165

- Das Mehrheitsprinzip als Strukturelement der freiheitlich- demokratischen Gnmdordmmg, in: JZ 1977, S. 241 ff. - Struktur und Funktion der Öffentlichkeit im demokratischen Staat, in: Die Verfassung des Pluralismus, KönigssteinfTs. 1980, S. 126 ff.

Haensch, Günther/Lory, Alain: Fankreich, Bd. 1: Staat und Verwaltung, München 1976. Hättich, Manfred: Demokratie als Herrschaftsform, Köln, Opladen 1967. Hamilton, Alexander/Madison, James/Jay, Jolm: Die Feralist-Artikel, hrsg. und übers. v. Angela und Willy Paul Adams, Paderborn, München, Wien, Zürich 1994. Hayek, Friedrich August von: Die Verfassung der Freiheit, 2. Auflage, Tübingen 1983. Haymann, Franz: Die Mehrheitsentscheidung, in: Festgabe fil.r Rudolf Stammler, Berlin, Leipzig 1926, S. 395 ff. Heller, Hermann: Staatslehre, Leiden 1934. Henke, Wilhelm: Das Recht der politischen Parteien, 2. Auflage, Göttingen 1972. Hennis, Wilhelm: Amtsgedanke und Demokratiebegriff, in: Festgabe fil.r Rudolf Smend zum 80. Geburtstag, Tübingen 1962, S. 51 ff. Hennens, Ferdinand A.: Mehrheitswahlrecht oder Verhältniswahlrecht, Berlin 1949. - Verfassungslehre, 2. Auflage, Köln, Opladen 1968.

Herzog, Roman: Demokratie und Gleichheit heute, DVBl. 1970, S. 713 ff. - Allgemeine Staatslehre, Frankfurt a. M. 1971. - Parlamentarisches Regierungssystem, in: Kunst, Hermann/Gnmdmann, Siegfried, (Begr.), Evangelisches Staatslexikon, Bd. II, 3. Auflage, Stuttgart 1987, Sp.2428 ff.; zit.: Herzog, Parlamentarisches Regierungssystem, EvStL II.

Hesse, Konrad: Die verfassungsrechtliche Stellung der Parteien im modernen Staat, in: VVDStRL 17, S. 11 ff. - Der Rechtsstaat im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, in: Festgabe fil.r Rudolf Smend zum 80. Geburtstag, Tübingen 1962, S. 71 f. - Partei, politische, in: Kunst, Hermann/Grundmann, Siegfried, (Begr.), Evangelisches Staatslexikon, Bd. II, 3. Auflage, Stuttgart 1987, Sp. 2434 ff.; zit.: Hesse, Partei, politsche, EvStL II. - Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 18. Auflage, Heidelberg 1991. - Verfassung und Verfassungsrecht, in: Benda, ErnstlMaihofer, WernerNogel, Hans Jochen, Handbuch des Verfassugnsrechts, § 1,2. Auflage, Berlin, New York 1994; zit.: Hesse, Verfassung und Verfassungsrecht, in: HVerfR.

Heun, Wemer: Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, Berlin 1983. Heyde, Wolfgang: Rechtsprechung, in: Benda, ErnstlMaihofer, WernerNogel, Hans Jochen, Handbuch des Verfassungsrechts, § 33,2. Auflage, Berlin, New York 1994; zit.: Heyde, Rechtsprechung, HVerfR. 12 Jochum

166

Literaturverzeichnis

Hili, Hennann: Impulse zum Erlaß eines Gesetzes, in: DÖV 1981, S. 487 ff.

- Einfühnmg in die Gesetzgebungslehre, Heidelberg 1982. HöjJe, Otfried: Politische Gerechtigkeit, Frankfurt a.M. 1987. Höpker, Heinrich: Grundlagen, Entwicklung und Problematik des Mehrheitsprinzips und seine Stellung in der Demokratie, Diss. Köln 1957. HojJmann, Roland: Verfahrensgerechtigkeit, Paderborn, München, Wien, Zürich 1992. Hofmann, Hasso: Legitimität und Rechtsgeltung, Berlin 1977. Hofstätter, Peter R.: Gruppend)1lamik, Hamburg 1971. Holzer. Norbert: Politische Realitäten 1m Zeichen des Art. 21 GG, in: ZRP 1990, S. 60 ff. Huber, Hans: Die schweizerische Demokratie, in: Rechtstheorie, Verfassungsrecht, Völkerrecht, Ausgewählte Aufsätze, Bern 1971. Hübner, Emil/Oberreuter, Heinrich: Parlament und Regierung, München 1977. Imboden, Max,: Die politischen Systeme, Basel, Stuttgart 1962. Isensee, Josef: Verfassungsgarantie ethischer Grundwerte und gesellschaftlicher Konsens, in: NJW 1977, S. 545 ff. - Der Zugang zum öffentlichen Dienst, in: Festgabe zum 25-jährigen Bestehen des Bundesverwaltungsgerichts, München 1978, S. 337 ff. - Republik: Sinnpotential eines Begriffes, in: JZ 1981, S. 1 ff. - Grundrechte und Demokratie, in: Der Staat 20 (1981), S. 161 ff. - Staat und Verfassung, in: ders.lKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 1, § 13, Heidelberg 1987; zit.: Isensee, Staat und Verfassung, HbStR I. - Gemeinwohl und Staatsaufagaben im Verfassungsstaat, in: ders.; Kirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, § 57, Heidelberg 1988; zit.: Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HbStR m. - Der öffentliche Dienst, in: in: Benda, ErnstIMaihofer, WernerNogel, Hans Jochen, Handbuch des Verfassungsrechts, § 32, 2. Auflage, Berlin, New York 1994; zit.: Isensee, Der öffentliche Dienst, HVerfR. Jarass, Hans DIPieroth. Bodo: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 3. Auflage, München 1995; zit.: JarasslPieroth, GG. Jaspers, Karl: Wohin treibt die Bundesrepublik ?, München 1966. Jekewitz, Jürgen: Der Ausschluß vom aktiven und passiven Wahlrecht zum Deutschen Bundestag und zu den Volksvertretungen der Länder auf Grund richterlicher Entscheidung, in: GA 1977, S. 161 ff. Kaltejleiter, Wemer: Die Grenzen der Demokratie, in: Hattenhauer, Hans/ders. (Hrsg.), Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, Heidelberg 1986, S. 137 ff. Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft, in: Werkausgabe Bd. VII, hrsg. v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M. 1968, S. 106 ff.

Literaturverzeichnis

167

- Metaphysik der Sitten, in: Werkausgabe Bd. VllI, hrsg. v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M. 1968. - Über den Gemeinspruch: "Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht in der Praxis", in: Werkausgabe Bd. XI, hrsg. v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M. 1968, S. 127 ff. - Zum ewigen Frieden, ein philosophischer Entwurf, in: Werkausgabe Bd. XI, hrsg. v. Wilhelm Weischedel, Frankfurt a.M. 1968, S. 191 ff. Karehnke, Helmut: Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, Ressortprinzip und Kabinettsgrundsatz - Entspricht Art. 65 des Grundgesetzes noch den heutigen Erfordernissen, in: DVBl. 1974, S. 101 ff. Kasten, Hans Hermann: Plenarvorbehalt und Auschußfunktion, in: DÖV 1985, S. 222 ff. Kelsen, Hans: Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. Auflage, Tübingen 1929. Kemmler, Klaus: Die Abstimmungsmethode im Bundestag, Diss. Tübingen 1969. Kern, Fritz: Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 2. Auflage, Darmstadt 1954. Kern, Lucian: Sind demokratische Entscheidungsregeln verfalschungsfrei? Eine politische Interpretation einiger Ergebnisse der Theorie kollektiver Entscheidungen, in: PVS 20 (1979), S. 330 ff. Kersting, Wolfgang, Vertrag, Gesellschaftsvertrag, Herrschaftsvertrag, in: Brunner, Otto/Conze, WernerlKoselleck, Reinhart, (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe Bd. 6, Stuttgart 1990, S. 901 ff. Kielmansegg, Peter Graf: Volkssouveränität, Stuttgart 1977. Kimme, Johannes: Das Repräsentativsystem, Berlin 1988. Kimmei, Adolf: Die Nationalversammlung in der V. französischen Republik, Köln, Berlin, Bonn, München 1983. Kimminich, Otto: Die Parteien im Rechtsstaat - Herausforderung durch die "Alternativen", in: DÖV 1983, S. 217 ff. Kirchhof, Pau!: Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, in: Isensee, Joseflders., (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 1, § 19, Heidelberg 1987, zit.: Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, HbStR 1. Kirsch, Werner: Einflihrung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, 2. Auflage, Wiesbaden 1977. Kisker, Gunter: Neue Aspekte im Streit um den Vorbehalt des Gesetzes, in: NJW 1977, S.313ff. Klein, Hans Hugo: Die Grundrechte und der demokratische Staat, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1972.

- Aufgaben des Bundestages, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 40, Heidelberg 1987; zit.: Klein, Aufgaben des Bundestages, HbStR II. 12"

168

Literaturverzeiclmis

- Status des Abgeordneten, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 41, Heidelberg 1987; zit.: Klein, Status des Abgeordneten, HbStRll. Kloepfer, Michael: Der Vorbehalt des Gesetzes im Wandel, in: JZ 1984, S. 685 ff. - Öffentliche Meinung, Massenmedien, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 35, Heide1berg 1987; zit.: K1oepfer, Öffentliche Meinung, Massenmedien. - Versammlungsfreiheit, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 6, § 143, Heidelberg 1989; zit.: K1oepfer, Versammlungsfreiheit, HbStR VI. Kopp, Ferdinand: Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, München 1971. Kriele, Martin: Das demokratische Prinzip im Grundgesetz, in: VVDStRL 29 (1971), S. 46 ff. - Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Auflage, Berlin 1976. - Recht und praktische Vernunft, Göttingen 1979. - Staatsphilosophische Lehren aus dem Nationalsozialismus (1982), in: Recht, Vernunft, Wirklichkeit, Berlin 1990. - Freiheit und Gleichheit, in: Benda, ErnstJMaihofer, WernerNogel, Hans Jochen, Handbuch des Verfassungsrechts, 1. Auflage, Berlin, New York 1983, S. 129 ff.; zit.: Krie1e, Freiheit und Gleichheit, HVerfR (1. Auflage 1983). - Befreiung und politische Aufklärung, 2. Auflage, Freiburg 1986. - Die demokratische Weltrevolution, München 1987. - Plädoyer llir eine Joumalistenkammer (1990), in: Recht, Vernunft, Wirklichkeit, Berlin 1990. - "Wahrheit" in Funk und Fernsehen, Köln 1992. - Ehrenschutz und Meinungsfreiheit, in: NJW 1994, S. 1897 ff. - Einfllhrung in die Staatslehre, 5. Auflage, Op1aden 1994. Kröger, Klaus: Richterwahl, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe zum 25-jährigen Bestehen des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 1, Tübingen 1976, S. 76 ff. Krüger, Hartmut: Anmerkung zu BVerwG, Urt.v.16.3. 1994 - 6C1.93 (JZ 1995, S. 40 ff.), in: JZ 1995, S. 43 ff. Krüger, Herbert: Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1966. Kruis, Konrad: Im Namen des Leistungsprinzips, in: BayVBl. 1978, S. 559 ff. Kunig, Philip: Parteien, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 33, Heidelberg 1987; zit.: Kunig, Parteien, HbStR ll. Langheid, Theo: Souveränität und Verfassungsstaat - The "sovereignity ofparliament", Diss. Köln 1984.

Literaturverzeic1mis

169

- Das qualifIZierte Mehrheitswahlrecht, in: ZRP 1995, S. 95 ff.

Laubinger, Hans Wemer: Gedanken zum Inhalt und zur Verwirklichung des Leistungsprinzips bei der Beförderung Beamten, in: VerwAreh 83 (1992), S. 246 ff. Laufer, Heinz: Die demokratische Ordnung, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1966. Lecheier, Helmut: Der öffentliche Dienst, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, § 72, Heidelberg 1988; zit.: Lecheler, Der öffentliche Dienst, HbStR ill . Leibholz, Gerhard: Parteienstaat und repräsentative Demokratie, in: DVBl. 1951, S. 1 ff. - Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert, 3. Auflage, Berlin 1966. - Strukturprobleme der modernen Demokratie, 3. Auflage, Neuausgabe Frankfurt a.M. 1974.

Leisner, Walter: Zur Legitimität politischen Entscheidungshandelns - Vom Mehrheitszum Minderheitsprinzip, in: Randelzhofer, AlbrechtlSüß, Wemer, (Hrsg.), Konsens und Konflikt, Berlin, New York 1986, S. 287 ff. - Der unsichbare Staat, Belin 1994.

Locke, Jo1m: Two treatises of Gouvernment, in: Works of Jo1m Locke, Vol. V, Reprint Aalen 1963. Loewenstein, Kar!: Staatsrecht und Staatspraxis von Großbritannien, 2. Bde., Berlin, Heidelberg, New York 1967. Lohmeier, Martin: "Ruhendes" Mandat und Verfassung, in: DVBl. 1977, S. 405 ff. Loschelder, Wolfgang: Weisungshierachie und persönliche Verantwortung, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, § 68, Heidelberg 1988; zit.: Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung, HbStRill. Luhmann, Niklas: Legitimation durch Verfahren, Neuwied, Berlin 1969. - Rechtssoziologie, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1972.

Magiera, Siegfried: Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, Berlin 1979. Maihofer, Wemer: Die Legitimation des Staates aus der Funktion des Rechts, in: Die Legitimation des modernen Staates, ARSP Beiheft 16 (1981), S. 15 ff. - Prinzipien freiheitlicher Demokratie, in: Benda, Ernstlders./Vogel, Hans Jochen, Handbuch des Verfassungsrechts, § 12,2. Auflage, Berlin, New York 1994; zit.: Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR.

Majewski, Johannes Jürgen, Verbindlichkeit und Grenzen von Mehrheitentscheidungen in Staat und Völkergemeinschaft, Diss. Marburg 1959. Mangoldt, Hermann von/Klein, Friedrich: das Bonner Grundgesetz, Bd. ill, 2. Auflage, München 1974. Mayo, Henry B.: An introduction to democratic theory, New York 1960.

170

Literaturverzeichnis

Martens, Wolfgang: ÖtTentlich als RechtsbegritT, Bad Homburg v.d.H., Berlin, Zürich 1969. Martens, WolfgangJGuthard-Schulz, Harald, Das Ermächtigungsgesetz, in: JuS. 1971, S. 197 tT. Maunz, TheodorlDürig, Günter/Herzog, Roman/Scholz, Rupert; Hrsg., GrundgesetzKommentar, Loseblatt, 31. Lieferung, München 1994; zit.: MlDIH/S-Bearbeiter. Menger, Christian-Friedrich: Zur verfassungsrechtlichen Stellung der deutschen Parteien, in: AöR 78 (1952/53), S. 149 tT. Menzel, Eberhard, Parteienstaat und Beamtentum, in: DÖV 1970, S. 433 tT. Mercker, Reinhold: Die Novelle zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz, in: JR 1956, S. 321 ff Metraux, Alexandre: Condorcet-Entscheidungtheorie und das Problem der Legitimation des Mehrheitsentscheids, in: FS für Kurt Eichenberger, Basel, Frankfurt a.M. 1982, S. 395 tT. Meyer, Hans: Wahlsystem und Verfassugnsordnung, Frankfurt a.M. 1973. - Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes, in: VVDStRL 33 (1975), S. 69 tT. - Demokratische Wahl und Wahlsystem, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 37, Heidelberg 1987; zit.: Meyer, Demokratische Wahl und Wahlsystem, HbStR ll. - Wahlgrundsätze und Wahlverfahren, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 38, Heidelberg 1987, zit.: Wahlgrundsätze und Wahlverfahren, HbStR ll.

Münch, Ingo von, Kunig Philip, Grundgesetzkommentar Bd. 1 (Präambel - Art.20), 4. Auflage, München 1994. Bd. 2 (Art. 21-69), 2. Auflage München 1983, 3. Auflage München 1995. Bd. 3 (Art. 70-146),2. Auflage München 1983.

Negt, Oskar: Keine Demokratie ohne Sozialismus, Frankfurt a.M. 1976. Nell, Ernst Ludwig: "Ruhendes" Mandat als Verfassungsproblem, JZ 1975, S. 519 tT. Nohlen, Dieter: Wahl systeme der Welt, München, Zürich 1978. Noll, Peter: Gesetzgebungslehre, Reinbek bei Hamburg 1973. Oberreuter, Heinrich: Freiheitliches Verfassungsdenken und politsche Bildung, Stuttgart 1980. Oppermann, Thomas: Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes, in: VVDStRL 33 (1975), S. 8 tT. - Zum heutigen Sinn der parlamentarischen Repräsentation. in: DÖV 1975, S. 763 tT.

Ossenbühl, Fritz: Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, Bad Homburg v.d.H., Berlin, Zürich 1968.

LiteraturveIZeichnis

171

- Die Kontrolle von Tatsachenfeststelloogen ood Prognoseentscheidoogen durch das Boodesverfassoogsgericht, in: Boodesverfassoogsgerichtood Grundgesetz, Festgabe zum 25-jährigen Bestehen des Boodesverfassoogsgerichts, Bd. I, S. 457 ff. - Gesetz ood Recht, in: Isensee, JoseflKirchhof, Pau1, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, § 61, Heide1berg 1988; zit: Ossenbüh1, Gesetz ood Recht, HbStR ill. - Vorrang ood Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, § 62, Heide1berg 1988; zit.: Ossenbühl, Vorrang ood Vorbehalt des Gesetzes, HbStR ill .

Peter, Christoph: Wahlabsprachen politischer Parteien ood ihre rechtlichen Grenzen, Berlin 1964. Peters, Hans: Geschichtliche Entwick100g ood GfWldlagen der Verfassoog, Berlin, Heidelberg, New York 1969. Peukert, Wolfgang: Die Garantie des "fair trai1" in der Straßburger Rechtsprechoog, in: EuGRZ 1980, S. 247 tT. Pfarr, Heide M.lFuchsloch, Christine: VerfassoogsrechtIiche Beurteiloog von Frauenquoten, NJW 1988, S. 2201 ff. Pfeiffer, Gerd: Die innere Unabhängigkeit des Richters, in: Festschrift für Wolfgang Zeitler, Bd. I, Berlin, New York 1987, S. 67 tf. Piepke, Walther: Richteramt ood BetordefWlgssystem, in: DRiZ 1978, S. 169 ff. Podlech, Ada1bert: Wertentscheidoog ood Konsens, in: Jakobs, Günther, (Hrsg.) Rechtsge1tWlg ood Konsens, Berlin 1976, S. 9 ff. Pollmann, Hans: Repräsentation ood Organschaft, Berlin 1969. Popp, Walter, Soziale Mathematik ood Mehrheitsentscheidoog, in: Pod1ech, Ada1bert (Hrsg.) Rechnen ood Entscheiden, Berlin 1977, S. 25 ff. Popp, WalterlSchlink, Bemhard: Präferenztheoretische Bedingoogen einer sozialen Wertordnoog, in: Pod1ech, Ada1bert (Hrsg.) Rechnen ood Entscheiden, Berlin 1977, S. 61 ff. Preuß, Ulrich: Die Wahl der Mitglieder des Boodesverfassoogsgerichts als verfassoogsrechtliches ood -politisches Problem, in: ZRP 1988, S. 389 ff. Pattner, Günter: Verwa1toogs1ehre, 2. Auflage, München 1989. Pattner, GünterlKretschmer, Gera1d: Die Staatsorganisation, 2. Auflage, München 1993. Pufendorf, Samuel: Elementorurn iurisprudetiae ooiversalis, libri duo, eng!. Übers. von William Abbott 01dfather, New York, London 1964. Quaritsch, Helmut: Legalität, Legitimität, in: KOOSt, HermannlGfWldmann, Siegfried, (Begr.), Evangelisches Staatslexikon, Bd. I, 3. Auflage, Stuttgart 1987, Sp. 1989 ff. Quermonne, Jean Louis: Le gouvernement de 1a France sous 1a Ve Republique, Paris 1980. Quint, Peter E.: Amerikanisches Verfassoogsrecht - ein aktueller Überblick, in: JZ 1986, S. 619 ff.

172

Literaturverzeichnis

Radbruch, Gustav: Rechtsphilosophie, 3. Auflage 1932, Gesamtausgabe Bd. II, Heide1berg 1993, S. 206 ff. Reif, Hans: Das Parlament im demokratischen Staat, in: ZfP n.F. VI (1959), S. 203 fT. Richert, Ernst: Macht ohne Mandat, 2. Auflage, Köln, Opladen 1963. Ridder, Helmut: Meinungsfreiheit, in: Neumann, FranzlNipperdey, Carl/Scheuner, Ulrich; Hrsg., Die Grundrechte, Bd. II, Berlin 1954.

Hans

Ritzel, HeinrichlBücker, Joseph: Handbuch für die Parlamentarische Praxis, Loseblatt, 8. Lieferung, Neuwied, Frankfurt a.M. 1993. Roellecke, Gerd: Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, in: VVDStRL 34 (1975), S. 7 fT. Rousseau, Jean Jaques: Über die politische Ökonomie, in: Die Krisis der Kultur, Werke ausgewählt von Paul Sakrnann, 2. Auflage, Stuttgart 1956. - Du Contract social, dt. Übers., München 1948.

Ryffel, Hans: Der demokratische Gedanke im politischen und sozialen Bereich, in: Demokratie und Verwaltung, Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1972, S. 191 fT. Säcker, Horst: Mandatsverlust bei Fraktionswechsel, in: DVBl. 1970, S. 567 fT. Sahner, Heinz: Sozialer Wandel und Konsens - zur Legitimitätsproblematik des Mehrheitsprinzips, in: Hattenhauer, HanslKaltefleiter, Wemer; (Hrsg.), Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, Heidelberg 1986. Schachtschneider, Karl Albrecht: Res publica, res populi, Grundlegung einer allgemeinen Republiklehre, Berlin 1994. Scharp/, Fritz: Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, Konstanz 1970. Schatz, Kurt: Prinzip, Grenzen und Konsquenzen der Majorität, Diss. Heide1berg 1951. Scheueh, Erwin KJScheuch, Ute: Cliquen, Klüngel und Karrieren, Reinbek bei Hamburg 1992. Scheuner, Ulrich: Die neuere Entwicklung des Rechtsstaats in Deutschland, 1960, in: Staatstheorie und Staatsrecht, gesammelte Schriften, Berlin 1978, S. 185 fT. - Das repräsentative Prinzip in der modernen Demokratie, in: Festschrift für Hans Huber, Bern 1961, S. 222 fT. - Politische Repräsentation und Interessenvertretung, in: DÖV 1965, S. 577 fT. - Pressefreiheit, in: VVDStRL 22 (1965), S. 1 fT. - Entwicklungslinien des parlamentarischen Regierungssystems in der Gegenwart, in: Festschrift für Adolf Arndt, Frankfurt a.M. 1969, S. 385 fT. - Das Gesetz als Auftrag der Verwaltung, in: DÖV 1969, S. 585 fT. - Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, Opladen 1973. - Der Mehrheitsentscheid im Rahmen der demokratischen Grundordnung, in: Festschrift für Werner Kägi, Zürich 1979, S. 301 ff.

Literaturverzeichnis

173

- Die Legitimationsgnmd1age des modemen Staates, in: Legitimation des modemen Staates, in: ARSP Beiheft 16 (1981), S. 1 tT.

Schlaich, Klaus: Majoritas - protestatio - itio in partes corpus evangelicorurn (TI), in: ZRG (can. Abt.) 95 (1978), S. 139 tT. - Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Geflige der Staatsfunktionen, VVDStRL 39 (1981), S. 99 tT. - Das Bundesverfassungsgericht, 3. Auflage, München 1994.

Schmidt, Walter: Organisierte Einwirkungen auf die Verwaltung, in: VVDStRL 33 (1975),S.183ff. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Verwaltungsverfahren, in: Isensee, JoseflKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, § 70, Heidelberg 1988; zit.: SchmidtAßmann, Verwaltungsverfahren, HbStR m. Schmidt-Bleibtreu, Bruno/Klein, Franz: Kommentar zum Grundgesetz, 8. Auflage, Neuwied, Frankfurt a.M. 1995. Schmitt, Carl: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 7. Auflage, 1991 (unveränderter Nachdruck der 2. Auflage von 1926. - Verfassungslehre, München, Leipzig 1928.

Schmitt Glaeser, Walter: Partizipation an Verwaltungsentscheidungen, in: VVDStRL 31 (1973), S. 179 ff. - Die Sorge des Staates um die Gleichberechtigung der Frau, in: DÖV 1982, S. 381 ff. - Die gnmdrechtliche Freiheit des Bürgers zur Mitwirkung an der Willensbildung, in: Isensee, JosefIKirchhof, Paul, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 31, Heidelberg 1987; zit.: Schrnitt Glaeser, Die grundrechtliche Freiheit des Bürgers zur Mitwirkung an der Willensbildung, HbStR TI .

Schneider, Hans: Gesetzgebung, 2. Auflage, Heide1berg 1992. Schreiber, Wolfgang: Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 4. Auflage, Köln, Berlin, Bonn, München 1990. Schr6der, Heimich Josef: Die Abhängigkeit des Mandats von der Parteizugehörigkeit, ZRP 1971, S. 97 ff. Schr6der, Meinhard: Bildung, Bestand und parlamentarische Verantwortung der Bundesregierung, in: Isensee, JoseflKirchhof, Pau1, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 51, Heidelberg 1987; zit.: Schröder, M., Bildung, Bestand und parlamentarische Verantwortung der Bundesregierung, HbStR TI . Schulz, Lothar: Volksdemokratie, in: Kernig, C.D. (Hrsg.) Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft, Bd. VI, Freiburg, Basel, Wien 1972, Sp. 754 ff. Schwerdtfeger, Gunther: Optimale Methodik der Gesetzgebung als Verfassungspflicht, in: Festschrift für Hans Peter Ipsen, Tübingen 1977, S. 173 ff. - Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 9. Auflage, München 1993.

Seelmann, Kurt: Rechtsphilosophie, München 1994.

174

Literaturverzeichnis

Seifert, Kar1 Heinz: Bundeswahlrecht, 3. Auflage, München 1976. Sendler, Horst: Die Unabhängigkeit des Verw1tungsrichters, in: NJW 1983, S. 1449 ff. - Kann man Liberalität übertreiben?, in: ZRP 1994, S. 343 ff.

Siegfried, Franz Ferdinand: Mandatsverlust bei Parteiausschluß, Parteiaustritt oder Mandatswechsel, in: ZRP 1971, S. 9 ff. Simmel, Georg: Soziologie, 5. Auflage, Berlin 1968. Simon, Helmut, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Benda, ErnstlMaihofer, WernerNogel, Hans Jochen, Handbuch des Verfassungsrechts, § 34,2. Auflage, Berlin, New York 1994; zit.: Simon, Verfassungsgerichtsbarkeit, HVerfR. Sonnenberger, JürgenJSchweinberger, Eugen: Einführung in das französische Recht, 2. Auflage, Darmstadt 1986. Starck, Christian: Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, Baden Baden 1970. - Grundrechtliche und demokratische Freiheitsidee, in: Isensee, JosefIKirchhof, Pau1, (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 2, § 29, Heidelberg 1987; zit.: Starck, Grundrechtliche und demokratische Freiheitsidee, HbStR n.

StejJani, Winfried: Parlamentarische und präsidentielle Demokratie, Op1aden 1979. Steiger, Heinhard: Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, Berlin 1973. Stein, Ekkehart, Staatsrecht, 12. Auflage, Tübingen 1990. Steinberger, Helmut: Konzeption und Grenzen freiheitlicher Demokratie, Berlin, Heidelberg,NewYork 1974. Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. 1,2. Auflage, München 1984. Bd.

n, München 1980.

Bd. llI/2, München 1994. - Gedanken zum Wahlverfahren für Bundesverfassungsrichter, in: Gedächtnisschrift für Wilhelm Karl Geck, Köln, Berlin, Bonn, München 1989, S. 885 ff.

Sternberger, Do1f: Lebende Verfassung, Meisenheim 1956. - Grund und Abgrund der Macht, Frankfurt a.M. 1962. - Vorschlag und Wahl, in: Nicht alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1971, S. 121 ff.

Suetonius Tranquillus, Gaius: Leben der Caesaren; übers. v. Andre Lambert, Zurich 1960; zit.: Sueton, Leben der Caesaren. Suhr, Dieter: Repräsentation in Staatslehre und Sozialpsychologie, in: Der Staat 20 (1981), S. 517 ff. Talmon, J. G.: Die Ursprünge der totalitären Demokratie, Köln, Opladen 1961. Trautmann, Günter: Parteienstaatliche Verfassung und freies Mandat, in: Guggenberger, Bernd/Veen, Hans JoachirnlZunker, Albrecht; (Hrsg.), Parteienstaat und Abgeordnetenfreiheit, München 1976.

Literaturverzeichnis

175

Trautmann, Helmut: Innerparteiliche Demokratie im Parteienstaat, Berlin 1975. Triepel, Heinrich: Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, Stuttgart, Berlin 1942. Troller, Alois: Überal1 gültige Prinzipien der Rechtswissenschaft, Frankfurt a.M., Berlin 1965. Troßmann, Hans: Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, München 1977. Uhlitz, Otto: Über die Unvereinbarkeit des § 48 I 2 des Bundeswahlgesetzes mit dem Grundgesetz, in: DÖV 1957, S. 468 ff. Umbach, Dieter C./Clemens, Thomas: Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Heidelberg 1992; zit: Umbach/Clemens, BVerfGG-Bearbeiter. Varain, Heinz Josef: Die Bedeutung des Mehrheitsprinzipsim Rahmen unserer politsehen Ordnung, in: ZfP n.F. 11 (1964), S. 239 ff. Walter, Robert: Partizipation an Verwaltungsentscheidungen, in: VVDStRL 31 (1973), S. 147 ff. Weber, Jürgen: Geflilirdung der parlamentarischen Demokratie durch Verbände?, in: Oberreuter, Heinrich, (Hrsg.), Pluralismus, Opladen 1980, S. 163 ff. Weinberger, Ota: Rechtslogik, 2. Auflage, Berlin 1989. - Abstimmungslogik und Demokratie, in: Reformen des Rechts, Festschrift zum 200jährigen Bestehen der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universtiät Graz, Graz 1979, S. 605 ff.

Wiek, Georg von: Die Verantwortung der Bundesminister, in: DÖV 1956, S. 113 ff. Würtemberger, Thomas: Legitimität, Legalität, in: Brunner, Otto/Conze, WernerlKosel1eck, Reinhart, (Hrsg.), Bd. 3, Stuttgart 1982, S. 677 ff. Ziemske, Burkhardt: Ein Plädoyer für das Mehrheitswahlrecht, in: ZRP 1993, S. 369 ff. - die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Gmdgesetz, Berlin 1995.

Zippelius, Reinhold Legitimation im demokratischen Verfassungsstaat, in: Die Legitimation des modemen Staates, ARSP Beiheft 16 (1981), S. 84 ff. - Rechtsphilosophie, 2. Auflage, München 1989. - Al1gemeine Staatslehre, 11. Auflage, München 1991. - Grundbegriffe der Rechts- und Staatssoziologie, 2. Auflage, München 1991. - Politikverdrossenheit, in: ZRP 1993, S. 241 ff.

Sachverzeichnis (Fundstellen beziehen sich auf Seitenzahlen, Hauptfundstellen sind kursiv gedruckt) Abstimmung 86, 140 jJ.

- kollektiv 21

Abstimmungsparadoxon 146

- monokratisch 21,52 ff., 80

Ämterpatronage 95

-Sach-17

Amt 93

-Wahl-17

Aristrokratie 21, 50 Assymetrie 99

- zufällig 21 Entscheidungsberechtigte 17, 86 jJ.,

Aufgabendelegation 149 ff.

Entscheidungskompetenzen 21

Beamte 94 Bundestag 129 f., 145 Bundesrat 130 f., 146 Demokratie 15, 16, 23jJ.,62 f., 64, 157 ff. - antike 15, - direkte 29,31,32 - formale 15 - materielle Anforderungen 15,16, 157 f.

Entscheidungstheorie 99ff. Entscheidungsverfahren 15, 16,21,85 - demokratisches 17 Ermittlungsgebot 139 Exekutive 53 f., Freiheit 27,48 Frieden 19 f,47 Gesamtwillen 42 Geschlechtspatronage 95 Gesetz 135 f., 147 ff.

- theorie 17

Gesetzgebung 52 f., 82, 134 jJ.

- Volks- 15,

Gerechtigkeit 20

- Staatsideal 24

Gleichheit 27,59,80

demokratisches Menschenbild 26

Grundrechte 65 jJ.

Diskurs 67 jJ. - öffentlicher 68 f., 81 f.

Herrschaftsvertrag 35 f.

- nichtöffentlicher 78

Interessen 72

Einheitslisten 119

Koalition 127 f.

Einstimmigkeit 47,51 f.

Königswahl 22

Elite 50, 73, 89 j,

Kompetenz 93

Entscheidung 16, 19 jJ., 97f., 103 jJ.

Konnektivität 99

Sachverzeichnis Konflikt 19 f,98 f, 135 f Konsens 19, 30 Identität 28 jJ. Legalität 37 Legitimation 16,36 jJ., 55f Legititationsquelle 35 f, 38

Rechtfertigung - materielle 40 f Regierung 52 f. Repräsentation, 31jJ.,86, 89, 108jJ. Richtungsentscheidung 116, 119 rule of law 62

Legitimität 35, 38 Losentscheid 21, 49,51 f

Schweiz 32

Massengesellschaft 71,75

Transitivität 99 Tyrannei 60 f

Medien 74/ Mehrheitswahl115, 121 Mehrheitsprinzip 15, 16,21,22,25, 33/, 36jJ., 58, 64

Minderheit 64,76 Minderheitenrechte 22 Opposition 22 Paketabstimmung 141/, 145 jJ. Paketentscheidung 130 Parlament 62, 70, 73,76 f, 107/ Parteien 73, 112 f Parteiendemokratie 70 Parteiwechsel122 ff. Person 113 f Personalentscheidung 120 f Personalpaket 130 Präferenz 99 f Prinzip - demokratisches 16, 55 Rationalität 47f ,98 / -ökonomische 42 Recht 60, 62, 81 Rechtsstaat 62/

177

Teilhabe 47 ff.

Verfahren 16,38,64 Verfassungsänderung 143 ff., 147 f Verfassungskommission 143 ff. Verfassungskonsens 43 f Verfassungsgebende Gewalt 35 Verhältniswahl 115,121 Vernunft 44 ff. Volk 87f Volksherrschaft 26, 34 Volkssouveränität 34 Volksvertreter 89 WahI78,106jJ.

- Bundesverfassungsrichter 17, 128jJ. - Parlament 114

- Regierungschef77, 127/ - Staatsoberhaupt 17, 77, 125jJ. Wahlrecht 91f. Wahlsystem 115 ff. Wahlkampf78 Wahlvolk 86 Willensbildung 20 f., 36,69 f, 73, 137 f