Masken - Theater, Kult und Brauchtum: Strategien des Verbergens und Zeigens 9783839447956

Warum verhüllen sich Menschen mit Masken und verbergen ihre Gesichter? Warum wandeln sie ihr Äußeres, um sich als andere

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Masken - Theater, Kult und Brauchtum: Strategien des Verbergens und Zeigens
 9783839447956

Table of contents :
Inhalt
I. Eine anthropologische Kondition: Masken als deren zeichenhafte Vergegenständlichung
Einführung: Masken
II. Masken im Theater, im Kult und im Brauchtum
Vorbemerkung
Masken im antiken griechischen Theater
Einleitung
Die Masken der Tragödie und der Satyrspiele
Die Masken der Komödie
Die Theatermasken im spätgriechischen Theater und in der Zeit des Hellenismus
Das römisch-lateinische Theater und der Ausklang der antiken Theaterkultur
Die Masken der Commedia dell’arte
Maskentänze, Tanzpantomimen und institutionelles Maskentheater in Japan: Ritual und Unterhaltung
Einleitung
Kagura und Sarugaku
Gigaku und Bugaku: Neuerungen im Hoftheater
Nô-Theater: eine spirituelle Sicht auf die Welt
Kôgen – die Zwischenspiele des Nô
Kabuki
Masken im Kult und im nicht-religiösen Gebrauch: Indien, China, Ozeanien und Afrika
Indien
China
Ozeanien und Afrika
Literatur

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Manfred Brauneck Masken – Theater, Kult und Brauchtum

Theater  | Band 125

Manfred Brauneck (Prof. em. Dr.), geb. 1934, lehrte Neuere Literaturund Theaterwissenschaft an der Universität Hamburg. Er war Direktor des Instituts für Theaterforschung und gründete 1989 den Studiengang Schauspieltheater-Regie. Seine Forschungsschwerpunkte sind Theorie und Geschichte des europäischen Theaters, Grenzbereiche zwischen Theater und bildender Kunst sowie Freies Theater. Seine Veröffentlichungen zu diesen Gebieten sind heute Standardwerke, insbesondere »Theater im 20. Jahrhundert« (5., erw. Aufl. Rowohlt 2007, übers. in mehrere Sprachen), »Die Welt als Bühne. Geschichte des europäischen Theaters« (6 Bde., J.B. Metzler 1997-2007) und »Kleine Weltgeschichte des Theaters« (C.H. Beck 2014). Er kuratierte mehrere Ausstellungen in Hamburg, Paris, Sofia und in den USA und war Gastprofessor in den USA, Polen und Bulgarien. 2010 wurde er mit dem Balzan-Preis für Theaterforschung ausgezeichnet.

Manfred Brauneck

Masken – Theater, Kult und Brauchtum Strategien des Verbergens und Zeigens

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2020 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Maske des Harlekin. Sammlung des Verfassers. Foto: Alissa Brauneck, Hamburg Korrektorat: Luisa Bott, Bielefeld Satz: Justine Buri, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4795-2 PDF-ISBN 978-3-8394-4795-6 https://doi.org/10.14361/9783839447956 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschaudownload

Inhalt

I. Eine anthropologische Kondition: Masken als deren zeichenhafte Vergegenständlichung Einführung: Masken...........................................................................9

II. Masken im Theater, im Kult und im Brauchtum Vorbemerkung..................................................................................55 Masken im antiken griechischen Theater................................... 61 Die Masken der Tragödie und der Satyrspiele............................... 65 Die Masken der Komödie................................................................ 70 Die Theatermasken im spätgriechischen Theater und in der Zeit des Hellenismus..................................................... 75 Das römisch-lateinische Theater und der Ausklang der antiken Theaterkultur............................................................. 79

Die Masken der Commedia dell’arte.............................................83 Maskentänze, Tanzpantomimen und institutionelles Maskentheater in Japan: Ritual und Unterhaltung...................93 Kagura und Sarugaku.................................................................... 94 Gigaku und Bugaku: Neuerungen im Hoftheater........................... 99 Nô-Theater: eine spirituelle Sicht auf die Welt............................... 101

Kôgen – die Zwischenspiele des Nô...............................................110 Kabuki........................................................................................... 113

Masken im Kult und im nicht-religiösen Gebrauch: Indien, China, Ozeanien und Afrika.............................................. 117 Indien .............................................................................................117 China .................................................................................................. 120 Ozeanien und Afrika......................................................................123

Literatur..................................................................................................129

I. Eine anthropologische Kondition: Masken als deren zeichenhafte Vergegenständlichung

Einführung: Masken 1 Es geht in diesem Buch um Masken: um sich zu verbergen, zugleich aber, um sich zu zeigen; verwandelt in ein anderes Wesen als das, welches man ist, oder: in eines, das man sein möchte. Vorwiegend geht es um jene gegenständlichen, zeichenhaften, anthropomorphen oder zoomorphischen – manchmal gar eine Mischung aus beidem – Gebilde aus Holz, Leder oder Leinen, die sich Menschen – quer durch alle Kulturen und seit frühester Zeit – vor das Gesicht binden oder über den Kopf stülpen, um als identifizierbare Person zu verschwinden, – zumindest um nicht mehr auf den ersten Blick erkennbar zu sein. Masken dieser Art sind zwar nur ein Teilbereich in der Phänomenologie der Masken, wohl aber ist es die radikalste Form des Sich-Verbergens. Ein spielerischer Zug mag dieser Form der Maskierung freilich stets anhaften, ist doch das Artifizielle der Maske in der Regel offensichtlich, so erschreckend der Anblick zunächst auch sein mag. Selbst im Ritual verbirgt sich hinter der Maske letztlich das Gesicht eines Menschen – wie auch immer die Situation von allen Beteiligten interpretiert wird. Etwas anderes freilich sind jene »Masken« – die mimischen und körpersprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten, die allen Menschen im Umgang mit anderen eigen sind, – mit denen sie Gesicht und Körperhaltung der jeweiligen Kommunikationssituation anpassen, gegebenenfalls sich schützen, mit deren Hilfe sie aber auch beeindrucken wollen, unter Umständen, ihre »wahren« Intentionen verbergen. Der amerikanische Sozialpsychologe Erving Goff-

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man hat sicherlich recht, wenn er sagt, dass jeder Mensch in der Kommunikation mit anderen »Theater spielt«, eine Rolle annimmt. Mit gleichem Recht wird man sagen können, dass jeder Mensch mehr oder weniger perfekt eine »Maske« trägt – zumindest in der Öffentlichkeit. »Der Mensch ist zwar ein Naturwesen, aber eines, dessen Verhalten weniger festgelegt ist als das aller anderen Lebewesen. Wir müssen uns in irgendeiner Form artikulieren, eine Art Schnittstelle zwischen innen und außen herstellen.« (G. Seibt 2020, 15) Die gegenständliche Maske markiert diese »Schnittstelle« unübersehbar. Weitaus häufiger als gegenständliche Masken sind die sogenannten Schminkmasken, oft auch Bemalungen des Gesichts oder des ganzen Körpers, die in diesem Buch nur am Rande behandelt werden. Dem Gesicht verleihen sie zumeist einen expressiven, mitunter ambitioniert kunstvollen Ausdruck. Heute sind solche Schminkmasken vielfach auch in der populär-kulturellen Sphäre zu sehen. Nicht einbezogen sind auch Masken, die im weitesten Sinne als Schutzmasken in Arbeitszusammenhängen, zur Sicherheit oder als hygienische Maßnahme, verwendet werden. Zumeist ist deren Tragen arbeitsrechtlich angeordnet. Dieser Typus von Masken wird in der Regel nur temporär getragen. Ihre Form entspricht ihrem Zweck. Ein Sonderfall unter den Schutzmasken sind jene Masken, die in der Corona-Pandemie das Bild der Menschen in der Öffentlichkeit verändert haben; – ein Bild, das in den westlichen Gesellschaften irritiert, das aber möglicherweise dauerhaft auch zu deren Alltag gehören wird. Diese Masken sollen vor einer Infektion durch das Sars-CoV-2-Virus schützen. Sie verdecken Mund und Nase. Ihr Tragen ist Pf licht und ist Teil einer gesundheitspolitischen Anordnung, die in Deutschland – ebenso in nahezu allen anderen Ländern – von den staatlichen Behörden erlassen wurde. Deren Einhaltung wird von den Ordnungsbehörden überwacht, deren Nicht-Einhaltung wird entsprechend sanktioniert. Wurde am Anfang der Epidemie in nahezu allen Ländern der Mangel an solchen Schutzmasken beklagt, so wurden diese bald millionenfach hergestellt, vor Geschäften verschenkt oder in Ge-

Einführung: Masken

schäften, die normalerweise damit nicht handeln, verkauft. Auch wurden sie von Firmen hergestellt, die Teile ihrer Produktion auf diese Masken umstellten, oder sie wurden in häuslicher Arbeit gefertigt. Von China wird berichtet, dass man sie als Gastgeschenke mitbrachte oder sie gegen andere Waren eintauschte. Es dauerte nicht lange, bis auch die Modedesigner – von Fendi bis Chanel – auf die verordnete Maskenpf licht reagierten, Masken herstellten und diese alsbald zum modischen Accessoire umdefinierten. Die massenhaft getragenen »Corona-Masken« sehen mehr oder weniger gleich aus. Formales Vorbild sind jene für den Einmalgebrauch üblichen Schutzmasken in klinischen Arbeitszusammenhängen, vornehmlich im Operationssaal. In diesem Zusammenhang war das Bild dicht zusammenstehender maskierter Menschen in sterilen Schutzkleidern – mit derartigen Masken vor Mund und Nase – immer schon geläufig. Es zeigte eine Ausnahmesituation, in die keiner geraten möchte, bei der es manchmal um Leben und Tod geht. Die »Corona-Masken« sind aus Stoff, glatt oder gefaltet; zumeist weiß, bald gab es sie auch in schwarz oder bunt und gemustert. Mit einer Gummischlaufe, die um die Ohren gelegt wird, werden sie in der Regel gehalten. Die Menschen sollten sie in der Öffentlichkeit tragen. Sie mussten dies tun, wenn sie ein Ladengeschäft, eine behördliche Einrichtung oder einen anderen öffentlichen Raum betreten oder ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen wollten. Auch die Mitarbeiter an diesen Orten mussten diese Masken tragen. Anders als jene Masken, von denen dieses Buch überwiegend handelt, verdecken sie Gesichtspartien, die die Identität der Person nicht oder kaum verbergen. Sie kennzeichnen den oder die Maskenträger/in zwar als verantwortlich gegenüber der eigenen Gesundheit und der anderer Menschen. Zugleich aber isolieren diese Masken ihre Träger. Nicht zuletzt deswegen, weil Abstand zu anderen zu halten, eine mit dem Maskentragen verbundene, verpf lichtende Anordnung ist. Nicht zuletzt macht jeder Maskenträger nach außen hin das Infektionsrisiko bewusst, das ihn selbst betreffen kann, das er aber auch für andere darstellt. Gehört das Tragen solcher Masken in einigen ostasiatischen Gesellschaften durchaus zu den üblichen Praktiken, sich in den

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großen Städten vor Feinstaub oder Infektionen zu schützen, so ist es in den Gesellschaften außerhalb dieser Kulturkreise in der Öffentlichkeit ein neues Phänomen. Der Anblick von Menschen – massenhaft und weltweit –, mit nahezu demselben Maskentypus vor Mund und Nase ausgestattet, verdeutlicht schlagartig den Begriff einer Pandemie: das Betroffen-Sein aller Menschen von dieser Seuche, die bereits Hunderttausenden das Leben gekostet hat. Die Medien verbreiten diese Bilder fast täglich. Und ein Zweites vermitteln sie: Das Tragen dieser Masken ist keineswegs Ausdruck spielerischer Lebensfreude, Lust an der Verwandlung, sondern der Furcht vor einem Virus geschuldet, dem derzeit weder mit den Mitteln moderner Medizin, schon gar nicht mit Magie beizukommen ist. Gelten doch diese Masken gar als »Symbol der Krise« (vgl. L. Müller 2020, 15), in die die gesamte Menschheit geraten ist und deren Leben vermutlich verändert. Abbildung 1: Frau mit einer Maske von Oskar Schlemmer in einem Stahlrohrsessel von Marcel Breuer. Bauhaus-Archiv. Foto: Erich Consemüller 1926

Doch zurück zu dem eigentlichen Thema dieses Buches! Die gegenständliche Maske, die mehr oder weniger spielerisch das Gesicht

Einführung: Masken

des Maskenträgers verbirgt, anonymisiert ihren Träger total. Noch heute ist nicht wirklich geklärt, wer die Frau auf dem Foto (Abb. 1) von Erich Consemüller von 1926 ist, die so leger auf dem Stahlrohrsessel B3 von Marcel Breuer sitzt und ihr Gesicht hinter einer Maske von Oskar Schlemmer verbirgt. Wer immer diese Frau auch sein mag: Sie zeigt sich als selbstbewusste, moderne Frau. Ist sie das wirklich oder will sie es nur sein? Zum Wesen einer gegenständlichen Maske gehört zwar deren Starrheit, das Tote, aber auch die Eindeutigkeit, mit der der Maskenträger die Kontrolle über jenes Bild behält, das er von sich zeigen will. Als toter Gegenstand wird das Maskengesicht wahrgenommen, – anders als das lebendige Gesicht, das sich nicht hinter einer Maske verbirgt; anders auch als das nur bemalte Gesicht, wenngleich auch dieses verfremdet ist. Dessen Mimik bleibt jedoch wahrnehmbar, die Person bleibt erkennbar. Als Picasso 1907 an seinem Gemälde Les Demoiselles d’Avignon arbeitete, sah er im Trocadéro Museum in Paris afrikanische Masken, die ihn veranlassten, die Gesichter zweier Frauen auf diesem Gemälde zu ändern, – sie den Masken, deren Faszination er spontan verfallen war, nachzubilden. Sie hätten sich, wie er später Christian Zervos, dem Gründer der Zeitschrift Cahiers d’Art und Herausgeber von Picassos maßgeblichem Werkverzeichnis, erzählte, »in seine Träume, Instinkte, Begierden und Gedanken eingeschlichen« (vgl. Picasso Primitif. Ausstellungskatalog des Musée du quai Branly, Paris 2017, 146). Freunde und Bekannte Picassos sprachen – so berichtet es Daniel-Henry Kahnweiler, Picassos Galerist und ein engagierter Verfechter der Moderne – allerdings von »Monstern«, die Picasso gemalt hätte. Gleichzeitig aber beschäftigten sich die Maler André Derain, Georges Braque, Maurice de Vlaminck, ebenso Schriftsteller wie Guillaume Appolinaire, mit afrikanischen Masken. Nicht zu überschätzen ist auch die Rolle, die der Kunsthändler Paul Guillaume für die Rezeption der Art nègre für diese Künstler und viele Sammler gespielt hat. (Vgl. Ch. Clarke 2015, 23f.) Es waren vor allem französische Künstler, die zu Beginn der Moderne die Inspirationskraft dieser afrikanischen Artefakte erkannt hatten. Waren es doch auch die Jahrzehnte, in denen Afrika zum bevorzugten Zielgebiet des von einigen westeuropäischen

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Staaten – den Briten, Franzosen, den Belgiern und den Deutschen – ausgehenden Kolonialismus wurde und als schier unerschöpf liches, ausbeutbares Reservoir an Rohstoffen galt. In den Museen der Kolonialmacht Frankreich und in privaten Pariser Sammlungen hatten die Maler und Literaten diese Masken gesehen, bald auch selbst welche besessen. Sie hatten begriffen, dass Masken – offenbar mehr noch als Skulpturen – auf ein kulturell konditioniertes Bild vom Menschen verweisen; dass das westliche Menschenbild um eine Dimension erweitert wird, die ihnen bislang fremd war, die sie aber dennoch faszinierte, – verschreckte oder manche gar ängstigte. Vor allem sahen sie in der Kunst der »Primitiven«, wie es damals hieß, einen Weg aus jener Sackgasse, in die ihrer Meinung nach die westliche Kunst um 1900 geraten war. L´Art nègre war in diesen Kreisen in Mode gekommen, – die Masken, die Skulpturen, die Tänze und die Musik. Für diese Künstler am Anfang der europäischen Avantgarde war damit ein Paradigmenwechsel eingeleitet, der im 20. Jahrhundert die bildende Kunst eine Zeit lang bestimmen sollte. Wenig später, 1915, erschien Carl Einsteins Buch Negerplastik, in dem Masken und Skulpturen der afrikanischen und anderer indigener Völker endgültig dem Kanon der Weltkunst zugeschrieben wurden und die Nähe insbesondere der afrikanischen Artefakte zum Kubismus aufgezeigt wurde. Die Ausstellung Primitivism in 20th Century Art am Museum of Modern Art 1984 in New York bestätigte vollends diese Tendenz, machte aber auch deutlich, wie viel die Formen- und Bilderwelt der europäischen Moderne der traditionellen außereuropäischen Kunst zu verdanken hat. Seit dieser Neubewertung der künstlerischen Artefakte indigener Völker ist die Zahl der Veröffentlichungen und Ausstellungen zu diesem Thema schier unübersehbar geworden. Dies trifft vor allem für Masken zu, die noch immer eine besondere Faszination ausüben. Was fasziniert, ist offenbar das Spiel mit der Möglichkeit, sich zu verbergen, sich in einen anderen zu verwandeln, – ein Spiel, das jeder von Kind auf kennt. Eine Ausstellung im Bonner Kunstmuseum im Jahre 2019 mit dem Titel Maske. Kunst der Verwandlung zeigt, wie das Tragen von Masken stets auch ein Akt der Verwandlung ist. Vor allem themati-

Einführung: Masken

siert die Bonner Ausstellung die Inspiration, die Masken als Motiv und künstlerische Praxis für den Kubismus, den Dadaismus, die Surrealisten und den deutschen Expressionismus ausübten. Auch in der zeitgenössischen Kunst, der Fotografie und der Performance Art, fordert das Maskenmotiv immer wieder die Phantasie der Künstler heraus. Das Berliner Bode-Museum hatte 2017 eine Ausstellung mit dem Titel Unvergleichlich eingerichtet und stellte traditionelle afrikanische Kunst mittelalterlichen Skulpturen aus dem eigenen Bestand gegenüber. Die Ausstellung machte zwar die Fremdheit erfahrbar, die diese afrikanischen Meisterwerke in der unmittelbaren Konfrontation mit Kunstwerken aus Mitteleuropa auf die Besucher ausübten, aber auch eine irritierende Nähe. Nicht der Naturalismus dieser Kunst ließ diese Nähe und Fremdheit zugleich erfahren, sondern die Reduktion auf das Wesentliche, wohl auch die gemeinsame Nähe zum Ritualen. Das Museum Rietberg in Zürich ist heute eines der Zentren, in denen die traditionelle Kunst Afrikas umfassend dokumentiert und erforscht wird.

2 Die Artefakte der Afrikaner und die anderer indigener Völker waren, seit die Künstler der frühen Avantgarde sie für sich entdeckt hatten, zwar vom Image ethnologischer Kuriositäten befreit, um Kunst im westlichen Sinne aber handelt es sich dabei nicht. Manche afrikanischen Sprachen haben ohnehin für Kunst kein eigenes Wort. Masken und Skulpturen indigener Völker sind in einer gänzlich anderen Weise Manifestationen des kulturellen, sozialen und spirituellen Lebens dieser Menschen, als es das neuzeitliche westliche Verständnis von Kunst ist. Erst der »westliche Blick« auf diese Artefakte – deren Inszenierung als Kunst in den Ateliers der Maler und in den Sammlungen der Museen – auf Sockel gestellt – hat sie zur Kunst im westlichen Sinne gemacht; – eine These, die Yaëlle Biro, Kustodin für die Kunst Afrikas am New Yorker Metropolitan Museum, in ihrem neuesten Buch, Fabriquer le regard (Dijon 2018), ausführt. Losgelöst von ihrer Verwendung in den Herkunftsländern – der Exzentrik

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der Maskentänzer, dem Rhythmus der Trommeln und der exzeptionellen Atmosphäre ritueller Zeremonien (Abb. 2) oder sozialer Feste – wird man diesen Gegenständen nicht wirklich gerecht. Zugleich sind Masken aber auch Prestigeobjekte, die den sozialen Rang und den Reichtum ihrer Erstbesitzer dokumentieren. Abbildung 2: Maskerade der Senufo bei einem Bestattungsritus, Elfenbeinküste. In: I. Hahner-Herzog, M. Kecskési u. L. Vajda 2002, 30

Der im Kongo geborene Didier Claes, weltweit einer der angesehensten Händler mit traditioneller afrikanischer Kunst und Kenner der »afrikanischen Seele«, meint in einem Gespräch mit der Weltkunst (2019, Nr. 165, 39), dass viele Afrikaner wohl deswegen nicht sammeln, weil sie »noch immer glauben, dass diesen Objekten ein Geist innewohnt«. Und der Autor Jörg Häntzschel berichtet, wie er erlebt hätte, dass eine Mitarbeiterin des Nationalmuseums in

Einführung: Masken

Kameruns Hauptstadt Yaoundé an die Tür eines Depots, in dem Hunderte alter Masken und Skulpturen verwahrt wurden, klopfte und kurz wartete, um – wie sie sagte – die Geister, von denen sie glaube, dass sie in diesen Gegenständen noch immer präsent seien und Macht über die Menschen hätten, »nicht zu erschrecken« (Süddeutsche Zeitung 2019, Nr. 95, 12). Nun mag es eine zu enge Vorstellung von den Masken dieser Völker sein, wollte man sie ausschließlich auf einen spirituellen, religiösen Zweck festlegen. Im Sinne des dualistischen westlichen Denkens müssten sie das Eine oder das Andere sein. Aber schon der den Surrealisten nahestehende französische Ethnologe und Literat Michel Leiris hatte darauf verwiesen, dass es keinen »Kontinuitätsbruch« gäbe »zwischen Spiel und Ritus« (M. Leiris 1979, 137). Die Menschen, die diese kultischen Zeremonien feiern und in ihrer traditionellen Vorstellungswelt leben, wissen sich in einer kosmologischen Ordnung aufgehoben, – wissen sich aber auch in deren Abhängigkeit. Leben sie doch in dem Bewusstsein, dass diese Ordnung auch ihre Alltags- und Festtagsaktivitäten einschließt. Alle wesentlichen Stationen im Verlaufe ihres Lebens – Geburt, Initiation, Heirat, Krankheit und Tod, Begräbnisse und Ahnenverehrung, die Jagd und der Krieg, desgleichen die Bestellung der Felder, die Ernte und das Wohlergehen der Tiere, die sie zu ihrem Lebensunterhalt brauchen –, alle diese Ereignisse sind für sie Anlässe ritueller oder festlicher Aktionen, die in ihrem äußeren Verlauf durch Traditionen festgelegt sind und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Sie gliedern den Verlauf des Jahres, der ihr Leben strukturiert, Kontinuität und Sinn erfahrbar macht. Sie gliedern aber auch das einzelne Menschenleben in seinen für die Gemeinschaft relevanten Phasen. Masken spielen dabei stets eine wesentliche Rolle. Sind sie für diese Menschen doch Zeichen und Garant dafür, dass eine spirituelle Macht bei diesen Anlässen anwesend ist. Die Masken stellen eine Verbindung zu jener übernatürlichen Sphäre her, von der die Menschen glauben, dass sie ihr Leben bestimmt. Dennoch bilden weder Masken noch Skulpturen diese Mächte, die die Menschen ohnehin ständig umgeben, ab. Die Götter ethnischer Religionen haben kein Gesicht. Nur die Kraft, die ihnen zugesprochen wird, ist in den Masken gegenwärtig. Ihre Wirkung

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entfalten sie innerhalb eines symbolischen Systems, zu dessen Elementen auch der Tanz und Musik gehören. Zudem sieht der französische Ethnologe Jean Laude in den Maskentänzen afrikanischer Völker auch einen Fundus, der die Ausführenden »mythische und historische Ereignisse […] neu gestalten und aktualisieren« lässt. (Vgl. M. Huet 1979, 11) Die Autorität der Masken stabilisiert die Gemeinschaft, die sich bei ihren kultischen Zeremonien, ebenso bei den nicht-religiösen Festen ihrer Zusammengehörigkeit vergewissert, – grenzt sie aber auch gegenüber anderen ab. Ob diese Darbietungen nun – aus westlicher Sicht – als kultische oder profane Veranstaltungen beschrieben werden, ist letztlich irrelevant. Erst bei diesen Maskentänzen präsentiert sich die Maske in ihrem eigentlichen Wesen. Diese Tänze sind zwar unabdingbare Elemente der meisten kultischen Zeremonien und rituellen Anlässe, sie sind aber stets auch Ausdruck elementarer Lebensfreude, Schau- und Kunststücke, die Bewunderung auslösen. (Abb. 3) Sie vermitteln ein dynamisches Lebensgefühl, dessen Grundantrieb – insbesondere bei den afrikanischen Völkern – Musik und Bewegung sind. (Vgl. M. Brauneck 2014, 9) Dabei bringt die Maske den individuellen Tänzer quasi zum Verschwinden: Die Maske tanzt. Was ist dabei spirituelle Zeremonie, was ist Freude am Zuschauen? Wer nimmt diese Tänze ausschließlich als religiöses Ritual wahr? Es sind dies Unterscheidungen, die allein dem westlichen Hang geschuldet sind, zwischen einer kultischen und einer profanen Sphäre zu unterscheiden, – ein Dualismus, den es in der Welt dieser Menschen nicht gibt. Mehr als die Masken anderer indigener Völker prägen offenbar afrikanische Masken die Vorstellung, die in den westlichen Kulturen mit Masken verbunden wird, – zumindest seit Masken im Theater, der Verwandlungskunst par excellence, nahezu gänzlich verschwunden sind. Ob es nur ein Zufall der Geschichte war, dass Sigmund Freud und seine Pariser Kollegen etwa zur gleichen Zeit als französische Künstler die afrikanischen Masken für sich entdeckten, das Unbewusste als stets präsente, virulente Sphäre der menschlichen Psyche entdeckten, muss wohl als Frage offen bleiben. Der Ethnologe Eckart von Sydow sah in einer »erotischen Atmosphäre« die eigentliche »Wirkkraft« der Werke der »Naturvöl-

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ker« begründet, – eine These, die er in seinem Buch Primitive Kunst und Psychoanalyse ausführt. Man kann das als unverkennbare Anspielung auf die Triebkategorie der Freudschen Seelenlehre lesen. Auch Werner Muensterberger suchte in den 1930er Jahren als Psychoanalytiker Zugang zu den Masken indigener Völker und betrieb später in New York eine Art Ethnopsychiatrie. Der Mann mit den Masken überschreibt Lisa Zeitz, die Herausgeberin der Weltkunst, ihr Buch (Berlin 2013) über das »Jahrhundertleben« des Psychoanalytikers und Ethnologen Muensterberger. Bis heute beschäftigen sich insbesondere auch Psychoanalytiker mit afrikanischer Kunst. Die ethnologische Forschung steht solchen Thesen allerdings äußerst skeptisch gegenüber, beruhen sie letztlich doch darauf, mit Hilfe der Artefakte der indigenen Völker den menschheitsgeschichtlichen Ursprüngen – nicht zuletzt auch der individual-psychologischen Triebsphäre – näherzukommen. Die Rede von den »Naturvölkern« scheint unausrottbar zu sein. Abbildung 3: Tanz der Antilopen-Maske, Zaire. Foto: C. Lamote 1950. In: F. Herreman u. C. Petridis 1993, 54

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Ob eine Maske auch ein Garant für »Tiefe« ist, in dem Sinne, wie Friedrich Nietzsche in Jenseits von Gut und Böse meinte (1967 Bd. II, 41), sei dahingestellt.

3 Im Ritual glaubt der Maskenträger in eine andere Welt versetzt zu sein, zumindest glaubt er, an einer anderen Sphäre teilzuhaben: Vermittler zu sein zwischen dem Gegenwärtigen und dem Vergangenen; das Übernatürliche herbeitanzen, beschwören zu können. Mitunter unterstützen psychedelische Hilfsmittel die Transformation des Maskentänzers in einen Zustand des Außer-sich-Seins, ja, der Besessenheit. Er lebt diese Transformation im Tanz aus. Seine menschliche, seine individuelle Natur verbirgt der Maskenträger hinter der Maske. Nur so vermag er, diese Vermittlerfunktion auszuüben. Die Maske verleiht ihm diesen exzeptionellen Status. Für die Teilnehmer an einer solchen Zeremonie ist in der Maske eine übernatürliche Kraft – Werner Schmalenbach (1988, 27) nennt es »Potenz« – anwesend. Oder aber: Die Maskentänzer tanzen im Rahmen eines sozialen Festes zum Vergnügen der Zuschauer, – manchmal gar auf Stelzen. Auch vor dem Palast der einstigen Könige und Stammesfürsten fanden solche Tänze statt, zu deren Ehre und Reputation, ebenso aber auch zur Unterhaltung. Im Theater ist der Maskenträger eine Kunstfigur, steht für eine Rolle und ist integriert in die Ästhetik und in die Spielwelt des Bühnenkunstwerks. Im institutionellen Maskentheater entspricht die Maske den ikonografischen Vorgaben des Maskentheaters, mitunter hat sie auch einen Namen. Im neueren experimentellen Theater ist die ästhetische Form der Maske dem freien bildnerischen Gestalten überlassen. In aller Regel aber stellen Theatermasken menschliche Gesichter dar, mehr oder weniger realistisch oder extrem stilisiert. Außerhalb experimenteller Theateraufführungen wird die gegenständliche Maske heute kaum noch verwendet. Der heutige Theaterbesucher erwartet – mehrheitlich wohl – erkennbarer Schauspieler, erkennbare Gesichter.

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Abbildung 4: Tanz einer Helm-Maske der Tabwa. Demokratische Republik Kongo. Foto: I. Hahner-Herzog, M. Kecskési und L.Vajda 2002, 98

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Zur Maske gehört ein Maskenkostüm. Maske und Kostüm bilden eine Einheit. Zumeist werden sie auch gemeinsam als »die Maske« bezeichnet. Das Zusammenspiel folgt festen Regeln, im Kult wie im Theater. Bei afrikanischen rituellen Maskentänzen besteht das Maskenkostüm zumeist aus einem dichten Behang aus »vegetabilischem Material«, aus Federn oder Blättern, und soll den Träger der Maske »vor einer Berührung mit der Zauberkraft des Maskengeistes schützen« – so eine These von Gerdt Kutscher (vgl. K. Krieger u. G. Kutscher 1960, 11), der in den Bestand westafrikanischer Masken am Museum für Völkerkunde Berlin einführt. Zudem entfremdet das Maskenkostüm – im Ritual – den Maskenträger vollends seinem menschlichen Erscheinungsbild. (Abb. 4) Es verbirgt ihn total. Vergleichbar dem Tragen einer Maske aus festen Materialien ist die mehr oder weniger exzessive Bemalung des Gesichts, manchmal des ganzen Körpers. Die Vielfalt dieser Art der Maskierung ist enorm. Für die Schminkmasken des japanischen Kabuki-Theaters gibt es Vorlagen, die Musterblättern gleichen. In vielen außereuropäischen Kulturen – aber auch zur Fastnacht heute – übertrifft diese Form der Maskierung bei weitem die Anzahl der Masken aus festen Materialien. Masken geben die Gliederung des menschlichen oder eines tierischen Gesichts – Augen, Nase, Mund/Rachen – als bildnerische Struktur in der Regel nie auf. Äußerst selten sind Masken völlig abstrakt. Die Masken indigener Völker entsprechen fast stets dieser dreigliedrigen Struktur, wenngleich diese auf Grund extremer Stilisierung oft auf den ersten Blick nicht gleich erkennbar sein mag. Vielfach ist bei afrikanischen Masken die Frisur als dekoratives Element besonders ausgearbeitet. Aber auch andere, kammartige Auf bauelemente, manchmal gar Hörner, geben den Masken Profil. Gelegentlich betonen Nagelungen die Struktur der Maske. Tatauierungen weisen auf die Stammeszugehörigkeit hin. Für den westlichen Betrachter erscheinen diese Masken oft Schrecken erregend. Manche sind dem Kopf eines Tieres nachgebildet. Elefanten- und Büffelmasken gelten innerhalb der afrikanischen Masken als Symbole der Kraft. Masken einiger Völker in Ozeanien oder der indigenen Bewohner im äußersten Norden des amerikanischen

Einführung: Masken

Kontinents überformen die strukturelle Gliederung der Maske mitunter durch verschachtelte Auf bauten und gestalten sie als bizarre, collageartige Gebilde, bei denen nur schwer erkennbar ist, ob es sich um ein menschenähnliches Wesen oder um ein Tier (und welches?) handelt. (Abb. 5) Die »Dämonenwelt, die in diesen Werken sichtbar wird, ist ungleich wilder und phantastischer als die der afrikanischen Stämme.« (K. Krieger u. G. Kutscher 1960, 8) Der Dokumentarfotograf Chris Rainier zeigt in seinem neuesten Maskenbuch (München 2019), dass der bildnerischen Gestaltung der Masken, insbesondere bei der Kombination unterschiedlichster Materialien, der Phantasie offenbar keine Grenzen gesetzt sind. Aber auch die Bemalung des Gesichts und die Schminkmaske behalten ihre Zeichenhaftigkeit. Verbergen und Zeigen gilt auch für die Träger dieser Maskierung. Bemalung und Schminkmaske vermitteln jedoch nicht den Eindruck des Toten. Dennoch ist ihr Anblick befremdlich. Auch mit einer solchen Maske ist der Maskenträger ein anderer. Von indigenen Völkern ist die sogenannte Kriegsbemalung bekannt. Sie signalisiert dem eigenen Stamm und dem gegnerischen kriegerische Bereitschaft. Gesichtsbemalungen zur Fastnacht zeigen an, dass die Person bereit ist, die Spielregeln dieses Brauchtums zu akzeptieren. Anders als gegenständliche Masken sind Bemalungen und Schminkmasken Verfremdungen des Gesichts auf Zeit. Auf Grund ihres fehlenden Objektcharakters sind sie – von bildlichen Darstellungen abgesehen – keine Ausstellungsobjekte in westlichen Museen, ebenso entziehen sie sich als Sammlungsstücke dem Kunstmarkt. Heute versetzen bunte Schminkmasken und Kostümierungen im Karneval die Menschen in einen Ausnahmezustand, der die Verspottung der politischen und klerikalen Eliten legitimiert, Menschen ausgelassen feiern lässt und ein öffentliches Verhalten ermöglicht, das so manche Konventionen über Bord wirft. Im Prinzip ist der Schminkmaske das mehr oder weniger exzessive Schminken des Gesichts vergleichbar, wenngleich der Maskenbegriff hier nur bedingt angewandt werden kann. Eine Abgrenzung aber ist oftmals kaum möglich. Um über Alter, Aussehen, die momentane Befindlichkeit, ja, selbst über das Geschlecht hinweg

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zu täuschen, bieten kosmetische Industrie und Chirurgie eine Vielfalt an Produkten und Manipulationen an, um das natürliche Aussehen einer Person zu verbergen oder zu korrigieren. Abbildung 5: Maske aus einem Fruchtbarkeits-Ritus. Borneo, Indonesien. The Metropolitan Museum of Art. In: E. Kjellgren 2007, 224

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Im weitesten Sinne gehört in diesen Zusammenhang – als Strategie von Verbergen und Zeigen – auch die Porträtmalerei, vor allem dann, wenn der Maler seinen Auftraggeber so darstellt, wie dieser in seiner Funktion in der Öffentlichkeit gesehen werden möchte. Das Einnehmen einer Pose – die Porträtmalerei ließe unzählige Beispiele anführen – ist dem Tragen einer Maske vergleichbar. Auch dabei geht es um Repräsentation und Kontrolle. Das strategische Spiel mit den Ambivalenzen von Zeigen und Verbergen geht also weit über das Tragen einer Maske hinaus, sei es einer gegenständlichen Maske oder einer Schminkmaske. Auch die Modemacher hat dieses Spiel seit jeher inspiriert. Stets geht es in der Mode auch darum, zu zeigen, was preisgegeben werden soll, zugleich aber zu verbergen, was vor den Augen der Öffentlichkeit geschützt sein soll. Es geht um die Herstellung eines Bildes von sich. Die Modedesignerin Victoria Beckham erklärte in der Zeitschrift Vogue (2019, 08/20), dass sie der Öffentlichkeit stets »die beste Version von sich selbst« zeigen, letztlich die Kontrolle über ihr Bild behalten möchte. In seiner Studie Verfall und Ende des öffentlichen Lebens (1986) beschreibt der amerikanische Soziologe Richard Sennett, wie sich im Laufe der Geschichte die Erkennbarkeit des sozialen Statusʼ einer Person über deren Kleidung in der Öffentlichkeit darstellte. So ging es den Menschen der oberen Gesellschaftsschichten im 17. und 18. Jahrhundert offenbar darum, ihren »natürlichen Körper« zu verbergen und einen »öffentlichen Körper« zu zeigen. Auch dabei spielten Schminkmasken, vor allem Puder, Perücken und nicht zuletzt das Kostüm samt der hohen Absätze der Schuhe eine wesentliche Rolle. Stets aber ist das in der Öffentlichkeit gezeigte Bild ein Konstrukt, – ein sozial vorgegebenes, vermeintlich erwartetes oder ein persönlich individuelles Konstrukt. Manches mag als persönlicher Stil gelten. Masken, welcher Art auch immer, sind Hilfsmittel in diesem Spiel von Innen und Außen, von Privatem und Öffentlichem, von Natürlichem und Künstlichem. Sie schaffen Distanz sich selbst und anderen gegenüber.

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4 Im Ritual verlässt der Maskenträger die Spielsphäre. Tatsächlich glaubt er, ein anderer zu sein. Die Maske und der Vollzug des Rituals scheinen ihm dafür die Macht zu verleihen. Er beschwört Regen, Fruchtbarkeit oder Glück bei der Jagd oder im Krieg; leiht dem Gott, dem Dämon oder einem prominenten Ahnen seine Stimme. Nie aber stellt er diese dar. Anders im institutionellen Maskentheater. In diesem gibt der Maskenträger in einem komplexen Darstellungsverfahren vor, eine mythologische oder eine literarische Figur zu sein: Ödipus, Arlecchino oder der Dämon Rokaja aus dem Nô-Stück Aoi-no-ne, – einer Episode aus den Geschichten vom Prinzen Genji. Das Publikum fiebert und lacht mit diesen Figuren. Theatermasken haben ein menschliches Gesicht. Das Publikum glaubt den Maskenträgern, das zu sein, was sie vorgeben. Es ist dies die Vereinbarung des Theaters. Als Gespenst maskiert, versetzt der Maskenträger andere in Angst und Schrecken. Stets aber ist er abhängig von der Imagination der anderen und seiner eigenen Fähigkeit zur Verwandlung. Wer sich hinter der Maske verbirgt, ist im Moment der Konfrontation mit der Maske gleichgültig. Das Gesicht, das anders als intimere Partien des Körpers, zumeist unverhüllt ist und die Identität einer Person zu verbürgen scheint, Wiedererkennung ermöglicht, ist durch die gegenständliche Maske unkenntlich gemacht. Erschrecken oder Faszination, zumindest Irritation – manchmal freilich auch Gelächter oder vorgespielte Furcht – sind Reaktionen auf eine Maske. Stets aber kommt es auf die Situation an, in der man dem Maskenträger gegenübersteht. Der maskierte Einbrecher potenziert durch das Tragen einer Maske den Effekt der Bedrohung. Im Ritual steht der Maskenträger für die Anwesenheit einer übernatürlichen Macht. Die Geschichte des Karnevals ist gespickt von Verboten jedweder Art von Maskierung und Vermummung. Die staatlichen Obrigkeiten sahen dadurch die öffentliche Ordnung, die kirchliche Obrigkeit die Moral gefährdet. Heute allerdings hat die UNESCO einigen regional besonders profilierten Karnevalsbräuchen den Status eines immateriellen Kulturerbes verliehen.

Einführung: Masken

Die gegenständliche Maske konfrontiert stets mit einer Fremdheit, die vor allem von ihrer Leblosigkeit und der scheinbaren Abwesenheit jedweder personalen Individualität herrührt. Der Maskenträger löscht sich als individuelle Person quasi aus. Die Maske fixiert ihr Gegenüber mit leeren Augen. Sie negiert dadurch aber auch die Individualität ihres Gegenübers, macht den anderen zum Objekt und unterwirft ihn den Spielregeln der Maske. Mit der Maske als einem leblosen Objekt, das dennoch mit dem lebendigen Maskenträger verbunden zu sein scheint, ist der Gegensatz von Totem und Lebendigem, von Artifiziellem und Natürlichem außer Kraft gesetzt; anders als bei einer Puppe oder einer Skulptur. Beide werden von vornherein als tote Gegenstände wahrgenommen. Die Irritation, die Masken ausüben, beruht offenbar auf jener Gleichzeitigkeit von Totem/Starrem und Lebendigem/Bewegtem. Die Maske – auch das ist eine ihrer Paradoxien – wird als Teil eines menschlichen Körpers wahrgenommen, was sie jedoch nicht ist. Auch stellt die Maske jene Vertrautheit in Frage, die eine Welt zu bieten scheint, in der die Personen erkennbar sind. Anonymität wird in der Öffentlichkeit als Irritation oder gar als Gefährdung wahrgenommen. Konfrontiert mit der Maske, schwindet das Gefühl, Herr der Situation zu sein, zu wissen, wem man gegenübersteht. Im Ritual ist es die Konfrontation mit dem Numinosen, als dem schlechthin Anderen, dem man vermeintlich ausgeliefert ist. Die Maskierung – der Hang, sich zu verbergen, um sich als ein anderer zu zeigen – ist offenbar eine conditio humana, ähnlich dem Spielen. So ist auch das Wiedererkennen eines Gesichts eine – vermutlich gar neurologisch verortbare – Disposition, die der menschlichen Natur eigen ist. Dieses Wiedererkennen ermöglicht emotionale und soziale Teilhabe. Die Maske verhindert beides, sie isoliert den Maskenträger, aber auch den, der der Maske begegnet, – zumindest für einen Moment fühlt dieser sich schutzlos. Durch das Tragen einer Maske wird die Form elementarer, alltäglicher Kommunikation unterbrochen. Richard Weihe, dem ein sehr informatives Buch über Die Paradoxie der Maske (2004) zu verdanken ist, nennt die Maske »ein seit der Frühzeit der Menschheit bezeugtes Kulturprodukt« (16). Zeichnungen in Felsenhöhlen deu-

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ten darauf hin, dass bereits in der Frühzeit der Menschheit das Bedürfnis bestand, sich hinter einer Maske zu verbergen; eine Maske zu tragen, um eine fremde Identität – selbst die eines Tieres – anzunehmen; auch Macht auszuüben. Frühere Publikationen verweisen immer wieder auf einen essentiellen Zusammenhang von Maske und Magie. Der Maskenträger glaubt, frei zu sein von Gesetzen und Tabus. Er entzieht sich jenen Regeln, die sich eine Gemeinschaft gegeben hat, damit Ordnung in ihrem sozialen Leben gewährleistet ist. Das nicht maskierte, das authentische Gesicht spielt deswegen bei Sicherheitsstandards und in der forensischen Identifizierung einer Person eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt deswegen verbieten Gesetze oftmals das Tragen von Masken bei politischen Demonstrationen. Im volkstümlichen Brauchtum erlaubt sich der Träger einer Maske mitunter derbe Späße, die nicht immer ein gutes Ende nehmen für den, der das Opfer dieses Treibens ist. Das Rügebrauchtum im antiken Griechenland, bei dem Horden Maskierter von Haus zu Haus zogen, endete für manchen, der zur Zielscheibe solcher Rügen wurde, mitunter äußerst schmerzhaft. Im rheinischen Karneval, zur Weiberfastnacht, gilt das Abschneiden einer Krawatte nicht als Sachbeschädigung. Vielmehr zieht es statt rechtlicher Sanktionen Spott und Gelächter nach sich. Im alpenländischen Raum ist die Rauhnacht mit einem Brauchtum verbunden, das die Menschen in den Nächten um die Weihnachtszeit umtreibt und verängstigt. Mit Schrecken erregenden Masken (Abb. 6) werden in diesen Nächten auf den Dörfern noch heute Haus und Hof verunsichert. Etwa zur selben Zeit treiben auch die Perchten, mit furchterregenden Masken verkleidete Männer, ihr Unwesen, bei deren »Läufen« Körperverletzungen und Sachbeschädigungen immer wieder beklagt werden. Die katholischen Regionen Irlands sind das Ausgangsgebiet, von dem sich das Halloween-Brauchtum nahezu weltweit verbreitet hat. Dabei treiben in der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November mit schaurigen Masken und Kostümen Verkleidete ihr Unwesen. Dieses Brauchtum soll im Totenfest eines keltischen Kults seinen Ursprung haben.

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Abbildung 6: Maske aus dem Rauhnacht-Brauchtum, Niederbayern. Sammlung des Verfassers. Foto: Alissa Brauneck, Hamburg

Masken für die meisten dieser Brauchtumsformen, vor allem für Fastnacht oder für Halloween, werden heute massenhaft industriell hergestellt und in den bizarrsten bildnerischen Ausformungen im Handel angeboten. Ursprünglich haben die meisten dieser Brauchtumsformen jedoch ein regionales Profil. In manchen Regionen, vor allem im bayerisch-österreichischen und im alemannischen Raum, wird die Tradition dieser Bräuche bewahrt. Die meisten dieser Brauchtumsformen haben heute allerdings ihren ursprüng-

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lichen Sinn verloren und sind oft weit über ihr Entstehungsgebiet hinaus verbreitet. Entsprechend beliebig ist inzwischen auch die Ikonografie dieser Masken geworden. Auch die Masken indigener Völker sind längst zu Sammel- und exotischen Dekorationsobjekten geworden, damit auch Handelsware. In dem Auktionshaus Sotheby’s wurden im Juni 2019 in Paris für eine Maske der Baule, einem afrikanischen Volk an der Elfenbeinküste, nahezu vier Millionen Euro bezahlt. Im Jahre 2013 hatten die nordamerikanischen Hopi-Indianer versucht, durch eine Klage vor einem Pariser Gericht die Auktion von 70 Kultgegenständen, darunter auch zahlreiche Masken, die ihnen als heilig galten, zu verhindern. Letztlich aber wurde ihre Klage abgewiesen: zu lange schon wären diese Gegenstände in einer europäischen Sammlung gewesen. Eine dieser Masken der Hopi wurde schließlich für 160.000 Euro verkauft. In den westlichen Museen stehen inzwischen afrikanische Masken und Skulpturen unter dem Verdikt, Raubkunst zu sein. Auch die Hopi-Indianer hatten 2013 bei dem Pariser Gericht das Argument vorgebracht, die Kultgegenstände, um die es in der Auktion ging, wären ihnen geraubt worden. Sicherlich ist heute der Blick auf die Kunst indigener Völker, vor allem auf die traditionelle Kunst Afrikas, von der Geschichte des Kolonialismus und den schon seit Ende der 1970er Jahre vorgetragenen Restitutionsforderungen überlagert. So nötig diese Diskussion sein mag, sollte jedoch die Unrechtsgeschichte des Kolonialismus nicht die einzige Perspektive sein, unter der die Artefakte dieser Völker heute wahrgenommen werden. Andererseits aber ist das Thema Masken, in dessen Zentrum – vor allem, wenn es um gegenständliche Masken geht – unstrittig afrikanische Masken stehen, heute kaum noch ohne diesen politischen Aspekt zu diskutieren. Die Nähe der Maske zu archaischen Totenkulten, die auch als deren Herkunftssphäre angesehen wird, wurde in der Forschung immer wieder diskutiert. (Vgl. u.a. K. Meuli 1974; R. Weihe 2004, 20f.) Dieser Frage wird hier nicht nachgegangen. Die Argumente für und gegen diese These wurden zureichend vorgetragen.

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5 Im Karneval (Fastnacht) ist die Verwendung von Masken nicht nur weit verbreitet, sondern reicht in alle Schichten der Gesellschaft hinein. Der Karneval in Rio ist vermutlich das spektakulärste Tanz-, Masken- und Kostümfest, das monatelang vorbereitet wird und in einem Wettbewerb der Tanzschulen zu seinem Höhepunkt kommt. Zuschauer aus aller Welt reisen an, um dieses Ereignis mit zu erleben. Millionen von Zuschauern vor den Fernsehgeräten kennen inzwischen dieses Spektakel. Wo immer er gefeiert wird, ist der Karneval längst ein beträchtlicher Wirtschaftsfaktor geworden. Maskierungen, alle Formen der Vermummung, Umzüge, Tanz und Musik, ausgelassenes Feiern – das schon zu den römischen Saturnalien gehörte, vermutlich einem Vorläufer solcher Ausnahmezeit –, vor allem aber das Frei-Sein von manchen Zwängen der öffentlichen Ordnung und deren Hierarchien zählen zu den Merkmalen dieses Brauchtums von Beginn an. »Verkehrte Welt« ist ein Topos, der mit diesem Brauchtum, das seit dem 13./14. Jahrhundert belegt ist, immer wieder in Verbindung gebracht wird. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert hat der Karneval eine feste Struktur erhalten, deren Einhaltung von Zünften, Vereinen und örtlichen »Komitees« streng bewacht wird. Anfangs war der Karneval eines der vielen Masken- und Verkleidungsfeste des Adels. Seit dem 15. Jahrhundert feierten auch die Bürger den Karneval. In manchen Regionen heißt diese Zeit »Fastnacht« (oder »Fasnacht«) ein Begriff, der an den ursprünglich religiösen Sinn dieser Wochen (vor der Fastenzeit) erinnert. Maskeraden im Karneval und in der Zeit der Fastnacht sind heute überwiegend mehr oder weniger ambitionierte Gesichtsbemalungen und Kostümierungen, gelegentlich mit einem Hang zu militärischen Uniformen, – wohl eine Reminiszenz an den feudalen Ursprung des Karneval. Aber auch gegenständliche, vor das Gesicht gebundene Masken (Larven) werden bei diesem Brauchtum verwendet. Konventionen, die die Ikonografie der Maskierung vorgeben, gibt es nur noch in einigen regional begrenzten Regionen.

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Eine gelegentlich noch praktizierte Form des Maskengebrauchs ist der Maskenball und seine diversen Spielarten, bei denen das Tragen einer Maske und die dadurch vermeintlich gegebene Anonymität vollends zum Gesellschaftsspiel geworden sind. Die Maske, zumeist als Halbmaske getragen, ist dabei vielfach nur ein modisches Accessoire. Die Halbmaske beeinträchtigt die Sicht des Maskenträgers nicht, die Partien um die Augen und die Stirn jedoch verbirgt sie. Die Person bleibt erkennbar und will es wohl auch sein. Zugleich aber spielt der Maskierte mit seiner vermeintlichen Anonymität. Nur zum Schein also verbirgt die Maske die Identität ihres Trägers. Dieser aber erlaubt sich mitunter Freiheiten, die im Alltag wohl nicht toleriert werden. Guiseppe Verdi hat diesem Gesellschaftsspiel eine seiner großen Opern, den Maskenball, gewidmet. Mitunter werden auch Kostümfeste – mit oder ohne Masken – als Maskenbälle bezeichnet. Die Künstlerfeste der 1920er Jahre waren davon die phantasievollsten. Um das komische Verwirrspiel mit Identitäten, das durch Maskeraden ausgelöst wird, dreht sich alles in Johann Straußʼ feucht-fröhlicher Operette Die Fledermaus. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Bekannt sind auch die kunstvollen Masken im Karneval zu Venedig. Desgleichen der Hang der venezianischen Aristokratie im 18. Jahrhundert, sich auch außerhalb des Karnevals maskiert, mit Umhang und einem Degen ausgestattet, unter das Volk zu mischen. Der Maskierte konnte, weitgehend anonym, über die Grenzen seines Standes hinweg Liebschaften anbandeln oder unerkannt einen Streit ausfechten. Nur Männern war dieser Brauch gestattet. Aber auch zu offiziellen Feierlichkeiten trug der venezianische Adel diese Masken, die Bauta. Sie verdeckte zwar den größten Teil des Gesichts, nicht aber den unteren Bereich. Trotz dieser Maske war das Essen, das Trinken – und nicht zuletzt das Küssen im Karneval – möglich. Bei offiziellen Staatsangelegenheiten, so etwa bei Abstimmungen – sicherte die Bauta ihrem Träger eine gewisse Anonymität zu. Bekannt sind auch die schnabelförmigen schwarzen Masken der »Pestärzte«, die – vor allem in den südlichen Ländern Europas – zu sehen waren. Später wurden diese Masken vor allem durch den venezianischen Karneval bekannt. Der spitz zulaufende »Schna-

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bel« dieser Masken war mit Kräutern und »magischen« Essenzen gefüllt, die eine Ansteckung durch die Pest, den »schwarzen Tod«, verhindern, wohl auch den üblen Geruch der Leichen mildern sollten. Letztlich waren es Schutzmasken, die – aus der Sicht der nördlichen Länder Europas, wo derartige Masken zu Zeiten der großen Pestepidemien im 14. und noch im 17. Jahrhundert nicht verwendet wurden – einen rückschrittlichen Stand der Medizin dokumentierten. (Vgl. L. Müller 2020, 14) Heute ist in nahezu allen Hochburgen des Karnevals dieses Brauchtum zu einem Massenspektakel geworden. So präsentierten auch einige Models des Modehauses Gucci die Winter-Kollektion 2019 in aufwendig dekorierten Halbmasken. In einem Kommentar dazu heißt es: die Masken wären ein Hilfsmittel, um jenes Bild von sich zu zeigen, das man sich erträumt.

6 Im nachantiken europäischen Theater und im Film sind Schminkmasken heute die Regel. Sie wurden – insbesondere beim Film – außerordentlich perfektioniert. Auch im avantgardistischen, vor allem im expressionistischen Theater traten die Schauspieler mitunter in malerisch ambitionierten Schminkmasken auf. Die Maske war dabei ein integrales Element der gesamten szenischen Ausstattung. Das natürliche Gesicht fungierte dabei quasi als Bildträger. Es existiert für diesen Beruf der Begriff der Maskenbildnerin bzw. des Maskenbildners. Es sind Spezialisten für die Verwandlung – fast bis zur Unkenntlichkeit – des Gesichts eines Schauspielers, damit dieses der Rolle bzw. der gesamten ästhetischen Konzeption entspricht. Alter und gegebenenfalls Spuren der Lebenserfahrung werden durch solche »Masken« der Rolle angeglichen. Ein Arbeitsraum, in dem die Maskenbildner ihre Arbeit verrichten, wird als Maske bezeichnet. In diesen Raum begeben sich auch Personen, die bei einem Auftritt auf der Bühne, beim Film oder im Fernsehen dem grellen Licht der Scheinwerfer ausgesetzt sind. Während die Schminkmaske nur eine temporäre Verfremdung des Gesichts ist, haben Masken aus festen Materialien einen

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eigenständigen Objektcharakter. Unter anderem scheint sie dies als Kunst- und Sammelobjekte zu qualifizieren. Im kultischen Gebrauch führen sie mitunter eine Art Eigenleben. Auch ist der Träger einer gegenständlichen Maske austauschbar. In manchen Traditionen ist das Anlegen einer Maske, sei sie aus festen Materialien oder eine Schminkmaske, noch heute ein ritueller Akt. Dem Maskenträger ist dabei bewusst, dass er mit der Maske einen exzeptionellen Status annimmt, dass er von anderen so wahrgenommen wird, wie die Maske ihn zeigt. Aber bereits im 18. Jahrhundert verschwinden Masken weitgehend von der Schauspielbühne. Die Auseinandersetzung mit den Problemen der Menschen in ihrer realen Lebenswelt haben gegenständliche Masken, die zumeist nur Typen abbilden, verdrängt. Dies freilich traf in erster Linie auf die Commedia dell´arte zu, die im nachantiken westlichen Theater zum Inbegriff »klassischen« Maskentheaters geworden war. Der italienische Theaterautor Carlo Goldoni wurde zu einem der engagiertesten Reformer der Commedia. Er plädierte dafür, auf der Bühne Menschen zu zeigen, »wie wir sie kennen«, keine Typen, »keine Masken mehr«, die Tugenden oder Laster »ins Phantastische steigern« (n. M. Brauneck 1996, 588 u. 659f.). Mit der Komödie Der Diener zweier Herren schuf Goldoni auch ein Stück, das diesen Reformansprüchen entsprach und später – nicht zuletzt durch die Inszenierungen von Giorgio Strehler am Piccolo Teatro di Milano – zu einem Klassiker dieser erneuerten Commedia wurde. Zudem kam es im 18. Jahrhundert auf der Grundlage des wissenschaftlichen Empirismus und seiner Psychologie zu einer Erneuerung der Schauspielkunst. Sie galt als modern, als zeitgemäß und als nicht weniger spektakulär als das virtuose Maskenspiel der italienischen und französischen Comici. Exponent und Virtuose dieser neuen Schauspielkunst war der englische Schauspieler David Garrick, der diese Kunst europaweit auf Tourneen vorführte. Er habe die »Sprache der Natur wieder unverfälscht« (Ch. Gaehde 1904, 2) zu sprechen verstanden, lobten die Zeitgenossen. Nicht zuletzt leitete auch dies das Ende der Commedia dell’arte ein. Auch hatte sich die Commedia in ihrer Endphase so ganz auf unverbindliches Amüsement eingelassen, was den Erwartungen

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des aufgeklärten Bürgertums als Zweck des Theaters nicht mehr genügte. Ohnehin löste das in der Anlage der Charaktere weitaus differenziertere Lustspiel die Typenkomödie schließlich ab. Alles Possenhafte, auch das Nur-Virtuose, Tanz und Musik wurden von der Bühne verbannt. Die theoretischen Grundlagen für diese Erneuerung der Schauspielkunst lieferte die empiristische Psychologie vornehmlich englischer Provenienz. Nicht nur für die Erkenntnisgewinnung generell, sondern auch für die Rollengestaltung im Theater galt die Naturbeobachtung als die entscheidende Voraussetzung. Hinsichtlich der Schauspielkunst hieß das, dass der Schauspieler aus der genauen Beobachtung der Natur – und aus dem Werk des Dichters – den »richtigen« Ausdruck für seine Rolle und deren Affekte finden und diesen dann auf der Bühne – leidenschaftslos und mit kühlem Kopf – reproduzieren sollte. (Vgl. M. Brauneck 1996, 540) Diese neue Schauspielkunst wurde letztlich mit dem Namen des französischen Autors Denis Diderot verbunden, der sie gleichsam missionarisch propagierte und dafür auch die praktische Anleitung lieferte. Nach einigen Reformprojekten an den Londoner Bühnen, ebenso an der französischen Nationalbühne, der Comédie Française, war es vor allem Diderots Essay Paradox über den Schauspieler, der zwischen 1770 bis 1778 entstanden ist, der diese »Revolution« in der Schauspielkunst bewirkte. Diderot, der eine Broschüre über Garricks »realistischen« Schauspielstil rezensiert hatte, plädiert in seiner Abhandlung für eine Schauspielerei, die die naturgegebenen mimischen und körpersprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten des Schauspielers bewusst einsetzt, um beim Publikum – quasi automatisch – die entsprechende Wirkung zu erzielen. Würde nämlich der Schauspieler durch seine Naturbeobachtung den »richtigen« Ausdruck gefunden haben und auf der Bühne zeigen, würde dies beim Zuschauer denselben Affekt auslösen. Jeder Affekt nämlich habe seinen »natürlichen« Ausdruck, der dann auch der »richtige« ist und den jeder Mensch verstehen würde. Dieses Reiz-Reaktions-Schema schien die empiristische Psychologie so interessant für die Schauspielkunst zu machen. War die Schauspielkunst bis dahin vornehmlich eine Kunst der rhetorisch geschulten Deklamation und der großen, die Affekte wir-

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kungsvoll unterstreichenden Posen, so schien mit Diderots Paradox nicht nur eine neue Form der Natürlichkeit, sondern auch ein auf der Höhe wissenschaftlicher Erkenntnisse beruhender Schauspielstil auf die Bühnen zu kommen. Wenngleich dieser Schauspielstil nicht wesentlich weniger schematisch war als die Anwendung der Regeln der klassizistischen Rhetorik, so war es doch ein erster Schritt hin zu einem Theater, das dem Publikum eine neue Theatererfahrung ermöglichte: die Einfühlung in das Bühnengeschehen. Zudem galt dieses neue Theater als »bürgerlich«. Dem Schauspieler ermöglichte dieser neue Schauspielstil eine ganzheitliche Rollengestaltung, dabei ref lektierte er stets auch den Einsatz seiner Mittel, – hielt mit seinen eigenen Emotionen aber Distanz zu den gezeigten Affekten. Diderot schreibt: »Die Gebärden seiner Verzweif lung stammen aus seinem Gedächtnis und sind vor dem Spiegel einstudiert worden. Er kennt genau den Augenblick, in dem er sein Taschentuch ziehen muss und die Tränen f ließen werden …« (n. M. Brauneck 1996, 54o) Die Entwicklung der Schauspielkunst sollte letztlich aber einen anderen Weg einschlagen. Erst im Umfeld des Avantgarde-Theaters des frühen 20. Jahrhunderts, im Zusammenhang mit einem Hang zu Stilisierung und zur Abstraktion in der bildenden Kunst – der Verweigerung jedweder Form der realistischen Abbildung – war auch im Theater die Figurine eine Zeit lang von Interesse. In gewissem Sinne wurde dabei das Prinzip der Verfremdung und des Artifiziellen, das mit dem Tragen einer Maske verbunden wird, aufgenommen und die gesamte Spielfigur in dieses bildnerische Konzept einbezogen. Anders als die Maske repräsentiert die Figurine ein ästhetisches Prinzip, das sich gänzlich von der menschlichen Natur löst. Der Schauspieler oder der Tänzer, der eine Figurine auf der Bühne bewegt, bewegt sich entsprechend den vorgegebenen Bewegungsmöglichkeiten seiner Spielfigur. Diese zeigt er. Mitunter löste sich die Figurine aber auch gänzlich vom Umriss der menschlichen Gestalt, stets aber von Bewegungen, die auf eine psychologisch motivierte Handlung hindeuten. Die Figurine ist ausdruckslos, gelegentlich verspielt. Ein Hang zur Ironie, manchmal auch zum Schock und die Demontage der menschlichen Gestalt gehören zu ihrem Wesen.

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War es doch eine Grundtendenz der Theaterentwicklung dieser Zeit, das Theater als eigene Kunstform zu begründen und aus der vermeintlichen Abhängigkeit von der Literatur, dem Drama, und die Schauspielkunst von der Psychologie – von »Menschenkunst« und »Lebenswahrheit« (Otto Brahm) – zu befreien. Gordon Craig, der englische Theaterreformer, plädierte sogar dafür, den lebendigen Schauspieler von der Bühne zu vertreiben. Die »Übermarionette« – eine vieldeutige Wortschöpfung von Craig – sollte ihn ersetzen. Es war dies allerdings ein Konzept, das sich außerhalb weniger experimenteller Theaterprojekte nie durchsetzte. Auch für seine eigenen Inszenierungen verwendete Craig weder Masken noch Figurinen; nur einige grafische Arbeiten sind von ihm erhalten; ebenso die Zeitschrift The Mask, die sich der wissenschaftlichen Erforschung der Masken aus allen Kulturen annahm. Das eigentliche Interesse dieser Forschung lag offenbar an den Möglichkeiten der Verfremdung, der Stilisierung und der Abstraktion, – auf ästhetischen Verfahren also, die gemeinhin mit dem Tragen einer Maske verbunden werden. Bereits bei dem Craigʼschen Theaterreformversuch zeichnete sich ab, dass die bildenden Künstler, insbesondere die Maler, hauptsächlich an der Ausstattung der gesamten Szenerie – Bühnenraum, Licht, Dekorationen und Kostümen – interessiert waren. Es ging ihnen um ein neues, ganzheitliches bildnerisches Konzept, in dem die Abbildung der »realen« Wirklichkeit auf der Bühne keine Rolle mehr spielte, ebenso wenig die Darstellung »realer« Menschen. Es sollte eine ästhetische Ordnung geschaffen werden, die ausschließlich immanenten Gesetzen der Inszenierung folgte. Auch die berühmten kubistischen Figurinen-Skizzen von Pablo Picasso und Fernand Léger im Umfeld der Bühnenproduktionen der Baletts Russes und der Baletts Suédois, ebenso Serge Férats Figurenentwürfe für Apoillinaires Groteske Die Brüste des Tiresias (vgl. M. Brauneck 2003, 66f.) waren – anders als die Entwürfe für die Bühnendekoration – letztlich mehr zeichnerische Bildassoziationen für die Anlage der Figuren und das szenische Gesamtkonzept, mehr Bewegungspartituren als direkte Anleitungen für eine konkrete Realisierung. Eine Ausnahme waren die beiden »Manager«-Figurinen, die Picasso für die Produktion Parade von Diaghi-

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levs Baletts Russes geschaffen hatte. Es waren dies zwei »kubistischen Tanzmasken« (vgl. M. Brauneck 2003, 58f.), die – als groteske Figurationen – den Übergang von Szenerie und Ballett herstellen sollten, bewegte Zeichen jener von den Künstlern dieser Bühnenarbeiten intendierten schockierenden Modernitätsauffassung. Der Affront gegenüber den Erwartungen des Publikums war stets mit kalkuliert. Die meisten Arbeiten der Maler, die zu dieser Zeit für das Theater entstanden, waren jedoch Entwürfe für die szenische Ausstattung. In diese Konzepte waren auch die Figurinen-Entwürfe, die weit über den Entwurf von Masken oder Kostümen hinausgingen, integriert. Es sollte ein »System von Analyse und Synthese« (G. Apollinaire, n. H. Rischbieter u. W. Storch 1968, 83) entstehen, das den »Rhythmus des modernen Großstadtlebens« vermittelt. Ein Sondereffekt dieser Theaterarbeiten war die Auseinandersetzung mit der Art nègre, die im Kreis der französischen Künstler zu dieser Zeit Furore machte. Auch bei den Szenen-Entwürfen der italienischen Futuristen ging es letztlich um die Visionen eines Theaters, das dem »Rhythmus« und der Dynamik des modernen Großstadtlebens entsprach. Die Figurinen-Entwürfe waren keine Vorbilder für »reale« Menschen, die auf der Bühne agieren sollten, sondern Verbildlichungen einer Kunstauffassung, die im Schauspieler nur noch eine mechanisch funktionierende Spielfigur sah. Maskenforschung im Zusammenhang mit Theaterexperimenten betrieb auch der dem Futurismus nahestehende italienische Regisseur und Theaterreformer Anton Giulio Bragaglia an seinem Teatro dellʼArti. Auch die von George Grosz geschaffenen Figurinen für Ivan Golls Stück Methusalem oder der ewige Bürger versuchten Golls Idee eines »Überdramas« und die Vorstellung eines »Spießbürgers« ironisch, bildnerisch umzusetzen. Mit seinem »Theater der nackten Masken« – ein Begriff, den der Autor für seine Stücke beanspruchte – wurde Luigi Pirandello weltbekannt. Dabei ging es ihm allerdings nicht um gegenständliche Masken, die sich Menschen vor das Gesicht binden, sondern um eine Maskenhaftigkeit, die der menschlichen Existenz quasi von Natur anhaftet. Für Pirandello ist »das beständig Fließende«,

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eine wesenhafte Instabilität, die eigentliche »Wahrheit« der Existenz des Menschen. (Vgl. M. Brauneck 2003, 155f.) Die Maskenhaftigkeit seiner Figuren legt er zwar seinen Stücken als Prinzip der Dramaturgie zu Grunde, letztlich aber ist der Maskenbegriff für Pirandello eine philosophische Kategorie. In den Inszenierungen seiner Stücke spielen Masken keine Rolle. Vielfach beschrieben wurden auch die Theater- und Tanzexperimente am Bauhaus, insbesondere Oskar Schlemmers Triadisches Ballett, obwohl dieses noch vor Schlemmers Lehrtätigkeit am Bauhaus entstanden ist. Schlemmer betreibt damit – und mehr noch in seinen späteren Bewegungsstudien – eine Art Grundlagenforschung hinsichtlich der Bewegung der Figuren im Raum, – ohne jedwede psychologisch gesteuerte Motivation, allein den Koordinaten des Raums folgend. Zu Recht sprach er von einer »tänzerischen Mathematik« (vgl. M. Brauneck 2003, 359f.). Die Masken für einige seiner Figurinen, die den ganzen Kopf – ähnlich wie Taucherhelme – umschließen, dienen offenbar dazu, die Figurine einem Roboter gleich zu anonymisieren, sie ausschließlich als Bewegungselement wahrnehmen zu lassen. Die vier »Bühnenkostümtypen« (vgl. M. Brauneck 2003, 356f.) jedoch, die eine Art Systematisierung der Gestaltungsmöglichkeiten seiner Figurinen darstellen, entwickelte Schlemmer dennoch aus der Struktur der menschlichen Gestalt. Dass diese Struktur erhalten blieb, war vermutlich der Praxis der Tänzer geschuldet, die Schlemmers Figurinen letztlich in Bewegung zu setzen hatten. Auch war Schlemmer wohl selbst zu sehr ambitionierter Tänzer, als dass er sich von den Bewegungsmöglichkeiten des menschlichen Körpers hätte total lösen können. Diese Lösung vollzog Wassily Kandinsky mit seinen Figurinen-Entwürfen für Modest Musorgskijs Komposition Bilder einer Ausstellung. (Vgl. M. Brauneck 2003, 358 u. 364) Seine Figurinen geben die zeichenhafte Verweisung auf die menschliche Gestalt auf und verzichten konsequenterweise auf den Menschen als Tänzer. Kandinskys Figurinen bewegen sich – im Sinne einer »abstrakten Bühnensynthese« – ausschließlich im Wechsel der Farben und im Gleichklang mit der Musik Musorgskijs. Eine besondere Nähe zu den Zeige- und Verfremdungsmöglichkeiten der Maske besteht offenbar zu Bertolt Brechts Verfrem-

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dungstheater. Dessen Bewunderung der ostasiatischen Theaterkunst, bei der die Maske noch heute verwendet wird, ist bekannt. Verfremdung – statt Einfühlung – schien ihm eine Möglichkeit zu sein, die Theatererfahrung zu einer Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verhältnisse werden zu lassen, die diese in einen dialektischen Prozess auf löst: als von Menschen geschaffen und – deswegen – von Menschen auch veränderbar. Dabei geht es nicht um ein Spiel mit gegenständlichen Masken, sondern um eine Schauspieltechnik, der das Prinzip der Maske, das Verfremden und das Zeigen, zu Grunde liegt. In seiner Inszenierung des Stücks Der kaukasische Kreidekreis mit dem Berliner Ensemble 1954 setzte Brecht alle Möglichkeiten dieses Spiels mit der Maske ein. Ein Beispiel vom Ende des 20. Jahrhunderts ist das Theater des polnischen Regisseurs und Malers Tadeusz Kantor. Dessen »Theater des Todes« setzte die Maske als Mittel ein, um – wie er sagte – den Zuschauer mit der »totalen Fremdheit« zu konfrontieren: mit dem Tode, als einem »wesentlichen Merkmal alles Lebendigen« (n. M. Brauneck 2007, 739f.). Sowohl Gordon Craig wie Oskar Schlemmer waren Vorbilder des polnischen Regisseurs. Im neueren Schauspieltheater ist die gegenständliche Maske letztlich obsolet geworden; auch das Spiel mit Figurinen. Die wenigen Ausnahmen, die es dabei noch gibt, sind bildnerische Ambitionen einzelner Regisseure in der Zusammenarbeit mit Bühnenbildnern. (Abb. 7) Eine gänzlich andere Entwicklung nahm das traditionelle institutionalisierte Maskentheater in Japan, das noch heute ein wesentlicher Bereich der zeitgenössischen japanischen Theaterkultur ist, nicht zuletzt auch der theaterpolitischen Traditionspf lege. Dessen Masken haben sich über eine lange Tradition entwickelt und orientieren sich im Wesentlichen am Repertoire der Stücke, die diesem Theater zugrunde liegen. Die Masken indigener Völker spielen zu keiner Zeit in einem ästhetischen Sinngefüge eine Rolle. Sie haben in einem von animistischen Vorstellungen geprägten Lebens- und Weltverständnis ihren spirituellen Ort. Dies gilt vielfach auch für die Maskenkultur jener Völker, die inzwischen zu modernen Staaten geworden sind.

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Abbildung 7: Sophokles: König Ödipus, Regie: J. Gosch, Ausstattung: A. Manthey, Schauspiel Köln 1984. In: M. Brauneck 1993, 113

Viele junge Menschen dieser Länder orientieren sich heute allerdings an den materiellen Standards und den Ideologien der westlichen Industrienationen. Welchen Umgang sie mit dem materiellen »Erbe« der traditionellen ethnischen Religionen pf legen, wenn dieses wieder an seinem Ursprungsort restituiert ist, muss wohl offen bleiben. »Unberechenbar« nennt diesen Umgang der senegalesische Philosoph Souleymane Bachir Diagne, einer der bekanntesten

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afrikanischen Intellektuellen, und begründet dies in einem Interview so: Es »haben sich ja nicht nur die Objekte verändert, sondern auch die Menschen. Afrika urbanisiert sich rasend schnell. Schauen Sie an, was diese jungen Menschen mit ihren Handys machen, was sie erfinden.« (S. B. Diagne 2019, 13) Worauf Diagne in diesem Interview anspielt, ist die offensichtliche Divergenz zwischen den ländlichen Regionen Afrikas, die eher noch den traditionellen Religionen verhaften sind, und den urbanen Zentren. Offenbar ist diese Divergenz auch ein Problem der Generationen hinsichtlich der Akzeptanz des mit den ethnischen Religionen verbundenen Lebensund Weltverständnisses und dessen materiellem Erbe. Dennoch werden Tradition und Modernität von Menschen dieser Völker nicht unbedingt als Gegensätze erfahren. Vielfach existieren traditionelle animistische Vorstellungen und westlich-aufgeklärte Denkweisen nebeneinander. Von manchen indigenen Völkern werden heute allerdings die kultischen Praktiken ihrer traditionellen Religionen – vornehmlich Maskentänze – nur noch als Folklore vorgeführt und haben mit der tatsächlichen Lebenswirklichkeit der Menschen nichts mehr zu tun. Christliche Mission und Islamisierung haben die einstigen ethnischen Religionen ohnehin weitgehend verdrängt. Was die Menschen aber dennoch »glauben«, muss wohl offen bleiben. Allerdings zeichnen sich heute Tendenzen einer Entwicklung ab, in der eine neue Synthese von Tradition und Modernität definiert wird, unabhängig von westlichen Denkmustern. Im Zusammenhang mit den Debatten um die Dekolonialisierung des afrikanischen Kontinents und der Forderung nach Restitution kultureller Objekte aus westlichen Museen artikuliert sich das Bedürfnis, sich die Zeugnisse der eigenen traditionellen Kultur auch als materiellen Besitz wieder anzueignen, zurückzufordern. Afrikanische Künstler und Intellektuelle sind Vorreiter in dieser Diskussion. Auch Masken sind ein wesentlicher Teil dieses kulturellen Erbes. Die Auseinandersetzung damit soll die afrikanischen Völker in die Lage versetzen, »Akteure« (Felwine Saar) der eigenen Geschichte zu werden.

Einführung: Masken

7 Als gegenständliche Objekte sind Masken mehr oder weniger künstlerisch ausgearbeitet. Die Herstellung einer Maske ist in der Regel ein handwerklicher Beruf, der erlernt werden muss. Gelegentlich sind damit auch Künstler befasst, die mit einer neuen Maske durchaus eine eigene Handschrift oder die ihrer Werkstatt erkennen lassen. (Vgl. Museum Rietberg Zürich u. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland 2014, 11f.) Es eine falsche Vorstellung, dass die Schöpfer dieser Kunst generell anonym sind. Auch Masken für den kultischen Gebrauch lassen bei ihrer Herstellung Kreativität und Schönheit zu. Auftraggeber für ihre Herstellung kann der Stammes- oder der Dorfälteste sein, ein Medizinmann oder ein geheimer Männer- oder Jugendbund, selbst »Startänzer« gaben Masken in Auftrag. Auch die einstigen Könige und Stammesfürsten beauftragen die bekanntesten Schnitzer, wo immer diese lebten. Masken und Skulpturen sind in deren Palästen hoch geschätzte Repräsentationsobjekte, die auch als Geschenke an andere Herrscher weitergegeben wurden. So hängt in der Regel die bildnerische Qualität einer Maske mit dem sozialen Status des ersten Auftraggebers zusammen. Auch »Sprach- und Kulturgrenzen« waren keine Barrieren in der Verbreitung der künstlerischen Erzeugnisse. Das galt selbst im »Zusammenhang mit Heilslehren, der Propaganda zugunsten bestimmter Hilfsgeister oder im Zuge erfolgreicher Maskengestalten, Divinationen, Machtinsignien und auch profaner Modeströmungen.« (Museum Rietberg Zürich u. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland 2014, 12) Zu keiner Zeit sind derartige Artefakte durch die Künstler selbst oder durch die Erstbesitzer in den Kreislauf von Handel und westlichen Sammlungen gekommen. Stets gab es Zwischenträger oder die Objekte kamen durch Diebstahl ihren ursprünglichen Standorten abhanden. Masken, die in der Herkunftsregion nie im Gebrauch waren, wurden zumeist hergestellt, um die Interessen westlicher Touristen oder den Kunsthandel zu bedienen. Im institutionellen Maskentheater beauftragen einzelne Schauspieler oder der Prinzipal einer Theatertruppe die Hersteller von

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Masken. Im volkstümlichen Brauchtum ist deren Herstellung heute zumeist eine Massenanfertigung mit mehr oder weniger grotesker, letztlich aber beliebiger Ikonografie. In manchen Karnevalsoder Fastnachtsvereinen existieren allerdings auch Masken, die als Zeugnisse der Tradition gepf legt und von Generation zu Generation weitergegeben werden. In schriftlichen Quellen sind die frühesten afrikanischen Masken für das 12. Jahrhundert nachgewiesen. (Vgl. M. Huet 1979, 10) Sie stammen vornehmlich von Völkern, die in den westlichen Regionen des Kontinents, südlich des Äquators leben. Dennoch gibt es aber auch in diesem Gebiet Stämme, die das Maskenbrauchtum nicht kennen, wohl aber Skulpturen herstellen. Vielfach kennen Jäger- und Hirtenvölker kein Maskenbrauchtum. Dieses ist eher kennzeichnend für Ackerbaukulturen. (Vgl. K. Krieger u. G. Kutscher 1960, 7) Im Kult verwendete Masken beruhen zwar in erster Linie auf der Akzeptanz durch die Kultgemeinschaft, dennoch kann es zwischen benachbarten Regionen zu einer stilistischen Beeinf lussung der Masken kommen; durchaus auch zum Handel mit Masken zwischen den einzelnen Dorfgemeinschaften. Festzuhalten ist jedoch, dass die Ikonografie einer Maske für ein Publikum lesbar sein bzw. den gewünschten emotionalen Affekt auslösen muss. Bei Masken, die im Kult verwendet werden, ist dies mit der Akzeptanz ihrer Zeichenhaftigkeit gegeben. Theatermasken müssen den Rollen entsprechen. Generell ist die Lesbarkeit einer Maske die Voraussetzung dafür, dass diese ein Medium der Kommunikation sein kann, im Kult, im Brauchtum wie im Theater. Eine japanische Nô-Theater-Maske, in einem afrikanischen Ritual getragen, wäre buchstäblich fehl am Platze. Die Form von Masken aus festen Materialien ist zum einen durch ihre ikonografische Tradition, zum anderen durch ihren praktischen Gebrauch festgelegt. Weitaus die meisten Masken können vor das Gesicht oder vor die Augenpartie gebunden oder über den Kopf gestülpt werden. Ethnische Masken sind oft auch so konstruiert, dass sie auf den Schultern oder vor dem Körper getragen werden. Die meisten afrikanischen Masken sind aus Holz geschnitzt. Dabei wird dem Holz – letztlich dem Baum, von dem das

Einführung: Masken

Material stammt – eine magische Kraft unterstellt. Masken, die als Amulette getragen werden – an einer Kette um den Hals oder am Gürtel – sind weitaus kleiner als Masken, die vor das Gesicht gebunden werden. Diese Masken sind vielfach aus Elfenbein oder aus Knochen geschnitzt. In Mittelamerika sind diese kleinen Masken oft aus Stein oder Keramik. Die Herstellung auch dieser Masken wird vielfach über Generationen hinweg von speziellen Familien, oft sind es Clans von Meistern mit ihren Werkstätten, gepf legt. Der Auf bewahrungsort ritueller Masken wird in vielen Ethnien geheim gehalten. Das Wissen von diesem Auf bewahrungsort ist ein Privileg der Männer. Meist sind es geheime Männerbünde, Medizinmänner oder Wahrsager, die die Masken verwahren. Es wird berichtet, dass bei manchen afrikanischen Stämmen Frauen, die den Ort finden, an dem Masken und andere Kultgegenstände aufbewahrt sind, getötet wurden. Überwiegend ist das Tragen von Masken – was immer auch heißt, seine Identität vollständig zu verbergen – Männern vorbehalten. Auch Maskentänzer sind ausschließlich Männer. Für Frauen galt in traditionellen Gemeinschaften, dass sie stets erkennbar sein mussten. Der spielerische Umgang mit ihrer Identität war für sie offenbar tabu, wenngleich es Masken gibt, die ausgesprochen weibliche Züge tragen. In diesem Zusammenhang mag ein kurzer Einschub gerechtfertigt sein! Traten Frauen in Männerrollen auf, wie das am Anfang des japanischen Kabuki kurze Zeit der Fall war, so ließ ein Verbot nicht lange auf sich warten. Diese Auftritte galten als unangemessen und lasziv. Auch im frühen europäischen Theater durften Schauspielerinnen in der Regel keine Männerrollen übernehmen. Selbst in der Commedia dell´arte, bei der Frauen zum Ensemble gehörten, trugen diese keine Masken. Im Theater Shakespeares spielte die Ophelia ein junger Mann. Auch später gab es Schauspielerinnen, die sich weigerten, eine Frauenrolle zu übernehmen, die dem traditionellen Bild einer Frau nicht entsprach. Ibsens Nora war ein derartiger Fall. (Vgl. M. Brauneck 1999, 801) Wenn Frauen im neueren europäischen Theater gelegentlich in sogenannten »Hosenrollen« auftraten – verkleidet als junge Männer, vielfach in pikante Liebschaften verwickelt – so gaben sie sich am Ende des Stücks je-

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doch stets in ihrer Weiblichkeit zu erkennen. Generell ist auch im westlichen Theater das Auftreten von Frauen auf der Bühne – im Hinblick auf die weit über 2.500 Jahre lange Geschichte des europäischen Theaters – eine verhältnismäßig späte Erscheinung, die nur wenige Ausnahmen kennt. Diese Art der Geschlechterdifferenzierung ist offenbar eine lange Zeit existierende kulturgeschichtliche, wohl auch anthropologisch gegebene Konditionierung, die erst in neuester Zeit korrigiert wurde; sie betraf auch den Umgang mit der Maske im Theater. Gegenständliche Masken, die in ihrer Struktur dem menschlichen Gesicht nachempfunden sind, verfremden dieses. Sie sind ausdrucksstark, starr, leblos, oftmals grotesk überzeichnet. Masken von Narren und Hexen gehören zum Karnevalsbrauchtum. Masken aus Stein oder Bronze sind in traditionellen religiösen Ritualen einiger Völker in Mexiko Insignien der Macht der Priester oder – vor das Gesicht einer Götterstatue gebunden – schützen sie vor dem Blick des Gottes. Auf frühen ägyptischen Sarkophagen erinnern Masken an den Verstorbenen. In den westlichen Kulturen hat die Totenmaske, die einem Verstorbenem abgenommen wird, eine vergleichbare Funktion. In allen Kulturen gibt es Masken, die – als Porträts – Personen mehr oder weniger erkennbar abbilden. Auch Masken indigener Völker weisen gelegentlich spezifische Merkmale prominenter Verstorbener oder hoher Autoritätspersonen auf. Masken als Karikaturen der Dargestellten sind mitunter Formen der politischen Agitation. Auch die alte griechische Komödie kannte solche Masken.

8 Dem Träger einer materiellen Maske steht die Mimik als Ausdrucksmittel nicht zur Verfügung, wohl aber Gestik, Körperbewegung und mitunter die Sprache. Wenn es sich um eine Halbmaske handelt, bleibt die untere Gesichtshälfte frei und ermöglicht dem Maskenträger, sich mit der Mundpartie auszudrücken; vor allem ermöglicht es das unbehinderte Sprechen oder Singen. Auch sind Halbmasken zumeist aus sehr viel leichterem Material gearbeitet.

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Bei manchen ethnischen Masken ist die Kinnpartie auf klappbar. Sie ist dann mit Schnüren am oberen Teil der Maske befestigt. Es gibt keine Masken, die die Partie um die Augen unverdeckt lassen; nicht freilich die Augen selbst. Zumeist ist der Durchblick aber äußerst minimiert. Gehört es doch zum Wesen der Maske, dass mit dem Maskenträger ein wirklicher Blickkontakt nicht oder nur sehr begrenzt aufgenommen werden kann. Die Maske muss jedoch dem Maskenträger eine gewisse Orientierung im Raum ermöglichen. Afrikanische Masken werden manchmal auch auf dem Scheitel getragen. Der Maskenträger bewegt sich dann in einer sehr nach vorn gebeugten Haltung, damit sich das Maskengesicht frontal darbietet. Mitunter haben afrikanische Masken auch mehrere Gesichter. Masken aus festen Materialien sind mehr oder weniger dünnwandig, auf der Außenseite manchmal bemalt. Selten sind ethnische Masken auch ganz mit Metall beschlagen, mit Messing- oder Kupferblech, oder sie sind vollständig aus Metall gearbeitet, aus Eisen, Bronze oder Kupfer. Afrikanische Holzmasken haben oft aufwendige Frisuren und sind durch Nagelungen, Tatauierungen oder abstrakte Formelemente zusätzlich dekoriert. Masken sind zumeist schalenförmig. Ihre Innenseite ist in etwa den Proportionen und dem Umriss eines menschlichen Gesichts – bei einer Stülp- oder Helmmaske der Form des Kopfes – nachgebildet. Für die Sicht des Maskenträgers sind zwei Löcher oder Schlitze in Höhe der Augen vorgesehen. Die meisten Masken haben eine Öffnung für den Mund, manche auch Löcher unterhalb der Nase. Vielfach sind am äußeren Rand ethnischer Masken Haare, Schellen, Flechtwerk, Faserbüschel oder Stoff befestigt. Erhalten sind davon zumeist nur noch die Löcher, an denen solche Materialien befestigt waren. Manche Masken haben figürliche Auf bauten oder ein weit in die Höhe ragendes Gestänge; manche Masken sind brettartig und werden vor dem Körper getragen. Stets aber ist die Maske das dominierende Element in der Erscheinung des Maskenträgers, auch wenn ein »Kostüm« den restlichen Köper verhüllt. Wohl zu Recht weist Gerdt Kutscher darauf hin, dass viele Masken indigener Völker, die heute, auch in Museen oder privaten Sammlungen, noch existieren, auf Grund ihres Gebrauchs und der

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begrenzten Haltbarkeit der Materialien, kaum älter als ein oder bestenfalls zwei Jahrhunderte sind. (Vgl. K. Krieger u. G. Kutscher 1960, 23) Zumeist aber sind diese einem älteren Maskentypus nachgebildet. In einer maskierten Person vermittelt sich stets ein Moment des Artifiziellen, zumeist des Typenhaften, auch des Bizarren oder gar des Furchterregenden. Masken, die das menschliche Gesicht zur Vorlage haben, können in ihrem Ausdruck hochdramatische Affekte abbilden, können aber auch von großer meditativer Ruhe sein. Theatermasken bilden mehr oder weniger realistisch die emotionalen Regungen des menschlichen Gesichts ab, – Lachen, Zorn und Schrecken. Andererseits gibt es Theatermasken, denen jedweder emotionale Ausdruck fehlt und die sich deswegen zur Darstellung von »gesichtslosen« Kollektiven, etwa von Chören, besonders eignen. Oder es sind Masken, bei denen sich erst im gestischen und körpersprachlichen Verhalten ihrer Träger die emotionale Befindlichkeit der Figur vermittelt. Bei Masken, die im kultischen Gebrauch sind, spielt der emotionale Ausdruck keine Rolle, auch wenn sie – wie stilisiert auch immer – dem menschlichen Gesicht nachgebildet sind. Diese Masken entziehen sich jedweder psychologischen Deutung.

9 Woher das Wort »Maske« stammt, ist Gegenstand zahlreicher Hypothesen in der Forschung. In seinem Buch Die Paradoxie der Maske (2004) hat sich Richard Weihe für die Herkunft des Wortes aus dem Arabischen entschieden. (Vgl. R. Weihe 2004, 26f.) Seiner Argumentation schließe ich mich an: Im Arabischen bezeichnet das Wort mashara den Spaßmacher, generell aber auch eine maskierte Person. Über die »sizilianischen Araber« sei das Wort dann ins Italienische (maschera) übertragen worden. Das neuhochdeutsche Wort Maske ist ein Lehnwort aus dem Französischen (masque), das wiederum auf das Italienische zurückgeht. Der Maskenträger tritt anderen in einer Situation gegenüber, die ihn isoliert, gleichzeitig aber Kommunikation nach seinen Re-

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geln erzwingt, an diese zumindest erinnert. Die Maske lässt ihr Gegenüber nicht gleichgültig. Sie tritt mit dem Anspruch auf, ein Zeichen zu sein, das Autorität beansprucht. Trägt man die »Corona-Maske« nicht – ist dies ein Zeichen dafür, einer staatlichen Anordnung nicht Folge zu leisten, Zeichen wohl auch für eine gewisse Leichtsinnigkeit oder gar Protest gegen »Corona-Beschränkungen«. Im Kult treten die Maskentänzer vielfach in einem Kreis auf, der von der Kultgemeinschaft gebildet wird. Ohne ein Gegenüber würde ein Maskenauftritt keinen Sinn machen. Was immer der Maskenträger zu sein imaginiert, was er tut oder sagt, – für sein Gegenüber tritt er in einer Gestalt auf, die im weitesten Sinne »nicht von dieser Welt« zu sein scheint; – so etwa im Kult. Im Theater ist er eine Spielfigur in einem ästhetischen Gefüge, einer Welt des »Als ob«. Der Träger einer »Corona-Maske« ist zumindest jemand, der staatliche Anordnungen befolgt. Der Zuschauer glaubt dem Maskenträger und reagiert auf dessen Erscheinung – wenn auch nur zum Schein. Er spielt bei dessen Verwandlung mit. Bei rituellen Maskentänzen bewundert er mitunter die Kunstfertigkeit des Maskenträgers im Umgang mit der Maske. Manchmal honoriert er diese gar mit seinem Beifall und mehr. Michel Leiris hat dies am Beispiel afrikanischer Kulttänze gezeigt. (Vgl. M. Leiris 1979, 148) Ihrem Auftritt haftet der Maske – wie auch dem Mythos – gelegentlich der Schein des »alten Wahren« (H. Blumenberg) oder des Archaischen an. Auch kann die Maske Projektionsf läche für Emotionen sein, so etwa bei der Mobilisierung der Wirkungspotentiale des Theaters oder bei der Vermittlung vermeintlicher Gewissheiten in überkommenen Kulten. Selbst im Karneval ist das Tragen einer Maske stets auch ein Bekenntnis zur Tradition dieses Brauchtums. So öffnet das Spiel mit der Maske einen Raum der Imagination für beide Seiten, für den Maskenträger wie für den, der ihm gegenübersteht. Maskentheater ist die größtmögliche Antithese zu jeder Form realistischer Schauspielerei. Wird die Maske in einem inszenatorischen Kontext im zeitgenössischen Theater heute dennoch eingesetzt, markiert sie einen Bruch. Der maskierte Schauspieler ist auf der Bühne stets ein Zeichen besonderer Art. (Abb. 8) Das Spiel

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mit der Maske geht über das realistisch-psychologische Rollenspiel hinaus und eröffnet neue Möglichkeiten der Darstellbarkeit. Abbildung 8: Satyrn bedrängen Hera. Abbildung auf einer Schale des Brygos-Malers, um 490/80 v. Chr. In: M. Brauneck 1993, 157

10 Generell ist das Tragen einer Maske an eine bestimmte Zeit und an einen bestimmten Ort gebunden. Nur in einen durch Kult oder Brauchtum festgelegten zeitlichen und lokalen Kontext hat das Tragen einer Maske seine Legitimität. Die Maskierung im Karneval ist mit dieser Zeit und diesem Brauchtum verbunden. Zu jeder anderen Zeit wirkt eine karnevaleske Maskierung deplatziert, bestenfalls komisch. Außerhalb dieser Kontexte verstößt das Tragen einer Maske möglicherweise gegen gesellschaftliche Konventionen, gegebenenfalls wird es sanktioniert. Denn, wer sich maskiert, nimmt für sich Freiheiten in Anspruch, die ihm ohne die Maske nicht zustehen würden. Erst mit seiner Maske wird Zorro, die berühmte Gestalt vieler Abenteuer-Filme, zum »Rächer der Enterbten« und der biedere Clark Kent zum »Superman«. (Vgl. H. Eggebrecht 2020, 13) Masken, die in kultischen Zusammenhängen gebraucht werden,

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werden nach ihrem Gebrauch an geheimen Orten, manchmal sind es eigene Maskenhäuser, verwahrt oder sie werden rituell zerstört. In seiner metaphorischen Verwendung gilt der Maskenbegriff heute freilich als Inbegriff der Täuschung, der Verstellung und des Falschen. Diese negative Konnotation gilt nicht für ethnische Masken, die einer derartigen Bewertung, einer psychologischen oder einer moralischen, nicht unterliegen. Von der heutigen Umgangssprache wurde die abwertende Bedeutung des Maskenhaften allerdings übernommen. Ein maskenhaftes Gesicht wird als Gegensatz zum »wahren«, dem »offenen« Gesicht einer Person angesehen. Wird das Gesicht »zur Maske«, ist die Person entweder vor Schreck erstarrt, oder will die eigentlichen Motive ihrer Handlung oder ihre Gesinnung verbergen. Der historische Ursprung dieser negativen Konnotation des Maskenbegriffs, den Richard Weihe (2004, 192f.) in allen seinen Verästelungen darlegt, ist vermutlich die Verteufelung des Theaters als Inbegriff des Maskenspiels durch die römischen Kirchenväter in der Zeit vom 4. bis zum 6.Jahrhundert. Den frühen christlichen Theologen galt die Maske als moralisch verwerf liche Nachbildung (im Sinne einer Fälschung) des menschlichen Antlitzes, von dem man glaubte, dass Gott es nach seinem Bilde geschaffen habe. Diese negative Konnotation des Maskenbegriffs hielt sich noch während des gesamten Mittelalters. In den geistlichen Spielen rezitierten die Laien die in den Heiligen Schriften belegten Texte jener Personen, die sie repäsentierten. Sie verkörperten diese aber nicht, bildeten sie nicht ab, schon gar nicht durch die Verwendung von Masken. Vielfach rezitierten die Spieler ohnehin nur Textpassagen aus der Liturgie. In den spätmittelalterlichen Mysterien und in den Moralitäten wurden zwar groteske Teufels- und Tiermasken eingesetzt, jedoch im Sinne jener negativen Bedeutung, mit der Maskenauftritte zu dieser Zeit stets belegt wurden. Die Nachwirkung dieser Polemik reichte bis ins frühe 17. Jahrhundert und betraf alle Formen der Maskierung, selbst die im Karneval. In England hatte sich um 1600 bei Hofe allerdings eine Art Maskentheater, an dem auch die Angehörigen des Hofes mitspielten, ausgebildet. Als Genre eigener Art – mit viel Musik und prächtiger Ausstattung – konnte es sich eine Zeit lang etablieren. Es waren die

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Masques. Ben Jonson und William Shakespeare waren die bekanntesten Autoren, die dieses höfische Genre mit Texten versorgten. Inigo Jones war der berühmteste Ausstatter dieser Maskenspiele. Die Renaissance-Gesellschaft kannte Masken und Maskeraden vielfältigster Art. Stets aber wurden diese nur im Rahmen höfischer Feste verwendet, vor allem bei den Balletten. Alles Maskenhafte, Unnatürliche und Rhetorische auf der Bühne zu vermeiden, wurde schon Mitte des 18. Jahrhunderts als Indiz für schauspielerische Professionalität angesehen. Diderot stand für diesen neuen Schauspielstil. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Lebensnähe in der Schauspielerei, Authentizität oder historische Stimmigkeit für kurze Zeit Prinzipien eines als modern geltenden Bühnenstils. In exzessiver Form praktizierten dies einige Zeit zuvor schon der Engländer Edmund Kean und der deutsche Schauspieler Ludwig Devrient. Beide Schauspieler brachten privateste Obsessionen bei der Verkörperung ihrer Rollenfiguren auf die Bühne und ließen die Zuschauer zu Voyeuren ihrer Selbstentblößung werden. Es war dies eine Theatermode der späten Romantik. Das naturalistische Theater trieb »Lebensnähe« gar auf die Spitze. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominiert im Theater die realistisch-psychologische Schauspielkunst in der Vielfalt ihrer Ausprägungen. Die Verwendung von Masken aus festen Materialien kommt praktisch nicht mehr vor.

II. Masken im Theater, im Kult und im Brauchtum

Vorbemerkung

Formen des institutionellen Maskentheaters, die kultisch-religiösen und die sozialen Rituale und Feste indigener Völker sowie profane Brauchtumsformen, die weltweit praktiziert werden, sind die drei großen Bereiche, in denen Masken hauptsächlich verwendet wurden und zum Teil heute noch verwendet werden. Es sind durchweg Bereiche, in denen das Realitäts- bzw. das Ordnungsgefüge des Alltags zeitweise mehr oder weniger aufgehoben, auch das Überschreiten jener Grenzen möglich ist, die die eigene Identität im öffentlichen Raum offenbar darstellt. Im Theater ist die ästhetische Sphäre eine eigene Wirklichkeit. Im weitesten Sinne ist es eine Welt des »Als ob«, eine Welt der ästhetischen Fiktion. Maskenträger verbergen oder verfremden ihre individuelle Natur und stellen sich als Wesen besonderer Art dar: als Rollen im Theater, integriert in das ästhetische Gesamtgefüge der Inszenierung; als Vermittler oder als Medium einer übernatürlichen Welt im Kult; als Narren, Hexen oder als andere Spaß- und Schreckgestalten im volkstümlichen Brauchtum. Letztlich gehört dazu auch der Karneval. Der Maskenball und dessen mehr oder weniger trivialen Nachahmungen zählen zu den diversen Spielarten gesellschaftlicher Vergnügungen. Das Tragen von Masken ist heute – in den meisten Gesellschaften – eine kulturelle Technik, die hauptsächlich der Traditionspf lege, der Folklore oder der Unterhaltung dient, – nicht mehr der Vorstellung einer von Geistern und Dämonen belebten Welt. Der Traditionsaspekt gilt letztlich auch für das institutionelle Maskentheater, wie es vor allem in Japan noch gepf legt wird.

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Theatermasken unterliegen, wenn es sich um Masken eines institutionellen Maskentheaters handelt, gleichbleibenden ikonografischen Vorgaben, die ihre Zugehörigkeit zu einer spezifischen Theaterform ausmachen. Ihre Vielfalt bildet das Rollenrepertoire der jeweiligen Theaterform ab. In deren Ästhetik und Kommunikationsgefüge sind die Masken (stets im Zusammenhang mit Kostümen) das auffälligste Stilmittel. Im neueren europäischen Theater, insofern dieses Masken verwendet, sind diese in ihrer Gestaltung von bildnerischen Vorgaben jedweder Art frei und unterliegen allein technischen Voraussetzungen, etwa ihrer Tragbarkeit. Die Masken der Commedia dell´arte sind davon ausgenommen. Allerdings ist die Commedia heute nicht mehr Teil des aktuellen Theaterlebens. Die Verwendung von Masken kommt im modernen Theater allenfalls noch im Bereich des avantgardistischen bzw. des politisch agitatorischen Theaters vor. In letzterem geht es um plakative Frontstellungen. Auch in der Performance Art und in der Fotografie spielen gelegentlich Masken noch eine Rolle. In der europäischen Theaterkultur und -geschichte sind das klassische antike griechische Theater und die Commedia dell’arte die beiden bekanntesten Formen von Maskentheater. Von beiden Theatertraditionen existiert eine einigermaßen genaue Vorstellung von den dabei gebrauchten Masken, – von der Commedia eine genauere, von dem frühen griechischen Tragödien- und Komödientheater eine weniger genaue, zumindest was die frühe klassische Zeit des griechischen Theaters angeht. Für diese frühe Zeit sind kaum authentische Masken oder auch Abbildungen erhalten. Wesentlich bekannter sind die Masken der Commedia dell’arte. Es existieren noch zahlreiche authentische Abbildungen aus jener Zeit, als die Commedia noch Teil des aktuellen Theaterlebens war. Auch sind originale Masken aus dieser Zeit erhalten. Die vielen Commedia-Figürchen aus Porzellan, die im 18. und lange Zeit noch 19. Jahrhundert so ungemein beliebt waren, haben zwar zur Popularität dieser Theaterform samt ihrer Masken beigetragen, doch stellen diese überwiegend eine idealisierte Spätform der Commedia dar. Viele dieser Figürchen übernehmen in erster Linie deren elegant verspielten Habitus, nicht die Masken. Tragen

Vorbemerkung

sie Masken, so sind diese zwar von der Commedia inspiriert, spiegeln insgesamt aber doch eher das verspielte Lebensgefühl des Rokoko wider. Eine große Tradition und noch heute eine stabile institutionelle Form und kulturpolitischen Rückhalt hat das traditionelle japanische Maskentheater, vor allem – aber nicht nur – Nô und Kabuki. Ein weites Feld sind jene traditionellen Masken und Maskentänze, die das Zentrum der meisten kultisch-spirituellen Zeremonien und der sozialen Feste indigener Völker bilden. Deren performatives Arrangement und der quasi professionelle Auftritt der Tänzer rücken die Tänze in die Nähe theaterhafter Darbietungen. Derartige Maskentänze, ebenso Tanzpantomimen, bei denen Masken verwendet wurden, sind in Japan seit dem 8. Jahrhundert belegt. Für den kultischen Gebrauch von Masken in anderen Ländern liegen kaum belastbare schriftliche Quellen vor, die in eine so frühe Zeit zurückreichen. Zeichnungen, eingeritzt in die Wände frühzeitlicher Höhlen, zeugen zwar vom Gebrauch von Masken, lassen sich aber kaum spezifischen Kulten zuordnen. Auch bleibt der wirkliche Zweck dieser Bilder letztlich im Dunkeln. Von den frühen japanischen Maskentänzen und Tanzpantomimen ist bekannt, dass ihnen Motive und Episoden aus der Mythologie oder den nationalen Epen als textliche Basis zu Grunde lagen. In der Choreografie dieser Tänze und Pantomimen wechselten sich vermutlich erzählerische und abstrakte Sequenzen ab. Für diese Darbietungen ist aus heutiger Sicht nicht wirklich zu unterscheiden, ob es sich dabei um Kulthandlungen oder bereits um frühe Formen des Theaters handelt. Letztlich ist dies für unsere Darstellung der Maskenkultur und des Maskentragens belanglos. In der Geschichtsschreibung des japanischen Theaters werden diese Maskentänze und Maskenpantomimen als »aufgeführte Formen« (P. Stefanek 1976, 220) beschrieben und als Beginn der Geschichte des japanischen Theaters angesehen. Nur für das Nô-Theater und das Kabuki scheint es einigermaßen sicher zu sein, dass diese Genres nie in eine Kulthandlung integriert waren; zumindest nicht nachdem sie im Laufe des 17. Jahrhunderts eine straffere dramaturgische Form und einen einigermaßen stabilen institutionellen Rahmen angenommen haben. Als sehr früh schon kommerziell

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betriebene Theaterformen war ein Zusammenhang mit einem Kult ohnehin nicht mehr gegeben. Heute haben ursprünglich kultische Tänze und Tanzpantomimen vielfach ihren spirituellen Sinn verloren und sind überwiegend folkloristische oder künstlerische Darbietungen. Japanische Ensembles zeigen derartige Tänze weltweit auf Tourneen. Darbietungen dieser Art haben längst auch eine kommerzielle Komponente und sind im weitesten Sinne den darstellenden Künsten zuzurechnen. Nachgewiesen ist allerdings auch, dass Elemente aus frühen kultischen Zeremonien in die Struktur und Ästhetik von Theateraufführungen übernommen wurden. Die Geschichte des frühen antiken griechischen Theaters, das unstrittig mit dem Kult des Dionysos zu tun hat, ist dafür ein Beispiel. Auch für das japanische Theater bieten die frühen kultischen Tänze ein vielfältiges Reservoir an bildnerischen Elementen, Tanz- und Musikstilen. Selbst die schwarze Maske des Harlekin der Commedia dell’arte scheint auf eine Teufelsfiguration aus der mittelalterlichen Brauchtumssphäre hinzudeuten. Letztlich aber muss der Übergang von Kult und Ritus zum Theater als f ließend angesehen werden. Zudem ist die Quellenlage für diese frühgeschichtliche Zeit, in der sich dieses Problem ausschließlich stellt, in allen Regionen der Welt äußerst dürftig. In der ethnologischen Forschung wurde zeitweilig von einem Ur-Theater gesprochen. Es war dies ein Versuch, diesem Problem gerecht zu werden. Die Annahme von Benito Ortolani (vgl. B. Ortolani 1997, 15f.), dass es in der frühen Menschheitsgeschichte eine Art »universellen Schamanismus« gegeben habe, von dessen Ritualen in allen Kulturen auch das Theater herzuleiten sei, ist umstritten. Für die frühe Geschichte des japanischen Theaters ist belegt, dass Maskentänze und Tanzpantomimen im institutionellen Rahmen kultischer Zeremonien – vor deren Beginn und nach deren Abschluss – stattfanden; auch während der anschließenden Bankette. Diese Form der Tänze und Tanzpantomimen kommt dem Theater – als einer nicht-kultischen Einrichtung – wohl am nächsten, da diese Darbietungen nicht mehr Teil der vorausgegangenen kultisch-religiösen Zeremonien waren.

Vorbemerkung

Noch ein Blick in die frühere Geschichte des Theaters in Europa! Nicht das antike griechische Maskentheater, sondern das römisch-lateinische Theater, das vermutlich keine Masken verwendete, beeinf lusste das frühe neuzeitliche europäische Theater. Ursache dafür war vermutlich, dass das lateinische Architekturkompendium des Vitruv, vor allem auch dessen Typologie und dessen Experimente zur Bühnendekoration zum theoretischen Vorbild – aber auch für die Praxis – für das profane nachantike europäische Theater wurden; desgleichen die römische Theaterarchitektur. Diese Auseinandersetzungen fanden im Rahmen der Antikenrezeption der italienischen Renaissance seit dem späten 15. Jahrhundert statt. Auch waren die Stücke der lateinischen Komödiendichter, Terenz und Plautus, Lesestoff an den Lateinschulen des 16. und 17. Jahrhunderts im gesamten europäischen Raum. Diese Dramen, die ursprünglich vermutlich nicht als Maskentheater aufgeführt wurden, waren die Vorbilder für das humanistische Schultheater. Dabei kam es generell mehr auf die Sprache als rhetorische Schulung an als auf die szenische Umsetzung der erzählten Inhalte. Auch für die ersten Versuche eines profanen Theaters in den Landessprachen lieferte die Dramaturgie des römisch-lateinischen Theaters die Vorbilder. Wie aber war es dennoch dazu gekommen, dass bei dem Verdikt der frühen christlichen Theologen Theater generell mit Masken in Verbindung gebracht und letztlich diskreditiert wurde? Eine Erklärung dafür mag sein, dass die frühen Kirchenlehrer vor allem die Spätphase des römischen Theaters vor Augen hatten: die Atellane und den Pantomimus. (Vgl. M. Brauneck 1993, 250f.) Beide Genres waren Maskentheater und beherrschten das Theaterleben der Römer in den ersten Jahrhunderten nach der Zeitenwende. Aufführungen von literarischen Dramen gab es zu dieser Zeit längst nicht mehr. Was für die Kirchenväter vom römischen Theater also tatsächlich zu sehen war, waren die Atellane und der Pantomimus. Deren kruder Realismus und deren unverblümten Obszönitäten galten den frühen Christen als Zeichen moralischer Verkommenheit und Dekadenz. Theater dieser Art – und es war Maskentheater – schien den christlichen Moraltheologen gar als

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Erfindung des Teufels. So galt auch der Gebrauch von Masken als Inbegriff des Unwahren und des Gottlosen. Das erste nachantike Maskentheater war Volkstheater: die Commedia dell’arte, die in ihren Anfängen im Umkreis der Gaukler und Spaßmacher auf den Straßen und Marktplätzen im Süden Italiens auftrat. Sie zählte anfangs zu jener plebejischen Tradition, deren Vitalität vom Verdikt der Gelehrten und der Kirche – auch während des Mittelalters – nicht unterdrückt werden konnte.

Masken im antiken griechischen Theater

Der Gebrauch von Masken im antiken griechischen Theater ging vom Kult des Dionysos aus, der als Maskengott par excellence galt. Während der jahrhundertelangen Geschichte dieses Theaters war die Verwendung von Masken eines seiner wesentlichen ästhetischen Merkmale. Anfangs wurde Dionysos als Gott der Fruchtbarkeit und des Weins verehrt, als Gott des Rausches und der Ekstase – ja, des Wahnsinns. In der Forschung gibt es zahlreiche Erklärungsversuche dazu, wie dieser Kult mit der Entstehung des Theaters und der Tragödie zusammenhängt. (Vgl. M. Brauneck 1999, 5f.) Dionysos, dessen Erscheinung nie festgelegt war, der manchmal in menschlicher Gestalt, dann aber stets hinter einer Maske verborgen, manchmal sogar in Frauenkleidern, selbst in Tiergestalt auftrat, war ein Grenzgänger in jeder Hinsicht. Die Maske war das Zeichen dieser Grenzgängerschaft, seiner Unangepasstheit und seiner Verwandlungen. Dem Theater sollte dieser Zug noch lange Zeit anhaften. Die Schauspielerei galt jahrhundertelang als ein Gewerbe am Rande der Gesellschaft, was sich auch im sozialen Ansehen und im rechtlichen Status jener widerspiegelte, die diesem Gewerbe nachgingen. Die Diskriminierung des Schauspielerstandes – wenige Stars ausgenommen – hielt sich bis ins späte 19. Jahrhundert. Dionysos sei, so wird in der Forschung vermutet, von Thrakien, einem Land der Barbaren, nach Griechenland gekommen. Anfangs verwehrten ihm die einheimischen Götter die Aufnahme in den Olymp. So erzählt es der Mythos. In Griechenland aber fand Dionysos bald eine große Anhängerschaft, vor allem unter den Bauern

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und den Frauen und galt alsbald als Gott der unteren Gesellschaftsschichten. Die Einführung seines Kults traf auf heftigsten Widerstand bei den aristokratischen Familienclans. Zu seinen ständigen Begleitern gehörten die Satyrn: geile, stets männliche Naturdämonen – halb Mensch, halb Tier – samt ihrem älteren, dickbäuchigen Anführer, dem Silen; zudem die Mänaden, die »Rasenden«: eine Horde ekstatisch tanzender, mit Tierfellen bekleideter und Efeu bekränzter Frauen, die den Thyrsosstab mit sich trugen, das Zeichen der Anhänger des Dionysoskults. Dieses mythologische Bilder- und Motivmaterial ging in die Gründungsgeschichte des Theaters ein. Tanz und Gesang waren zentrale Elemente des Kults, später auch des Theaters. Der Dithyrambos, begleitet von der aufpeitschenden Aulosmusik, war ein Chorlied und stand im Mittelpunkt der dionysischen Feiern, die durchweg in freier Natur stattfanden. Nach Geschlechtern getrennt, wurden die Riten dieses Kults vermutlich vollzogen. Masken trugen nur die Männer, die sich mit den Satyrn identifizierten. Die Frauen – ohne Masken – übernahmen die Rollen der Mänaden. Dionysos war als Maske, die zumeist an einer Stele hing, präsent. Sich zu verwandeln, war offenbar ein elementarer Antrieb bei diesen orgiastischen Feiern. Dabei war für die Männer die Maske ein Hilfsmittel, dem Gott nahe zu sein, sich aber auch in dieser Ausnahmesituation zu verbergen. Den Frauen – in der Rolle der Mänaden – wurde offenbar eine naturwüchsige Nähe zu diesem sinnlich-orgiastischen Treiben unterstellt. Frühe Abbildungen zeigen sie wild tanzend, aber unmaskiert. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts hatte der Dionysos-Kult eine weitaus größere Anhängerschaft gefunden als in der Zeit zuvor und war inzwischen in allen Schichten der attischen Gesellschaft verbreitet. So konnte Peisistratos (um 600-527 v. Chr.), der Herrscher von Athen, den Kult dieses Gottes in seine »bau-, religions- und kulturpolitische« Strategie integrieren, die vor allem die Machterhaltung der Peisistratiden-Sippe zum Ziel hatte. (Vgl. F. Kolb 1977, 99f.) Eben diese Funktion hatte die Gründung der Großen (oder Städtischen) Dionysien, die als mehrtägiges, von den Eliten der Polis organisiertes Fest jährlich im Frühjahr in Athen gefeiert wurde. Es war eine Präsentation der Athener Polis als politisches Gemeinwe-

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sen, mit dem sich die Bürger identifizieren sollten. In ihren Anfängen – vor dem Bau eigener Theater und später der großen Theateranlage am Südhang der Akropolis – wurde dieses Staatsfest auf der Agora, dem Tanz-, Gerichts- und politischen Versammlungsplatz im Zentrum der Polis, gefeiert. Dabei diente die Agora als Orchestra, als Auftrittsort des Chors, und war das eigentliche Sinnzentrum der Theateraufführung. Dieses war Maskentheater und stand im Mittelpunkt des Staatsfestes, ließ in seiner Darbietung aber keine Spuren mehr von der ursprünglich mit dem Dionysos-Kult verbundenen Orgiastik erkennen. Ob der Wettkampf (Agon) dreier Tragödiendichter bereits von Anfang an zu den Großen Dionysien gehörte, ist in der Forschung strittig. Unstrittig aber war die Aufführung einer Tragödie mit der »Erfindung« des Theaters verbunden. Peisistratos hatte einen gewissen Thespis – es spricht einiges dafür, dass Thespis ein professioneller Schauspieler war – beauftragt, für dieses Festspiel ein Ereignis von eindrucksvoller Attraktivität für die Aristokratie und das Volk von Athen zu kreieren. Dies war offenbar die Geburtsstunde (um 534 v. Chr.) des Theaters, der Tragödie, – des Dramas als Maskentheater. Die Leistung des Thespis war es, rituelle Elemente des Dionysos-Kults mit den Inhalten des Mythos und der Heroengeschichten, wie sie Homer erzählt hatte, in einer neuen Form, der theatralisch-dialogischen Darbietung, zusammengeführt zu haben. Was vom Kult des Dionysos geblieben war, waren die Masken, der Chor und das Patronat des Dionysos; dazu Tanz und Musik, inspiriert von dem dionysischen Kultlied, dem Dithyrambos. Inhalte der Tragödie waren der Mythos und die Heroengeschichten. Maskentheater, der Mythos und die Heroengeschichten müssen als zusammengehörig gedacht werden. Nur so erklärt sich letztlich auch die Funktion der Masken in diesem frühen griechischen Theater. Im Mythos wurde das Athener Publikum mit der eigenen Vorund Frühgeschichte konfrontiert, nicht mit den Ereignissen seiner Gegenwart. Das Theater der Masken schuf – wie auch der Mythos – die dafür nötige Distanz. Der einzelne Zuschauer wurde in der Tragödienaufführung nicht in seiner personalen Individualität angesprochen, – etwa in dem Sinne, dass an seine Moral appelliert

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oder dass er belehrt wurde. Vielmehr sollte er sich als Bürger der Athener Polis wahrnehmen, sich mit der Polis als politischer Idee identifizieren. Dies war letztlich auch das tatsächliche Erlebnis der Zuschauer und die zentrale Botschaft dieser Festspiele. Als Bürger der Polis erlebte sich der einzelne – in späterer Zeit – zusammen mit 10.000 bis 14.000 Zuschauern in den riesigen Theateranlagen. Durch den Turnus der Festspiele war die politische Verbindlichkeit dieser politischen Massenveranstaltung an die Abfolge der traditionellen jahreszeitlichen Kultfeste gebunden. Mit Hilfe dieser politischen Strategie konnte letztlich auch die obligatorische Teilnahme aller Athener Bürger als staatsbürgerliche Pf licht begründet werden. Altes und Neues waren in dieser Strategie zusammengeführt. Die unterschiedlichen Parteien befriedet. Die mythischen Geschichten traten nicht mit dem Anspruch auf, »normative Theologie« zu sein, daran glauben zu müssen. Der Mythos war nicht mehr als ein »Muster« (vgl. H. Blumenberg 1971, 19). Er erklärte nichts, aber er legte Fragen nahe. Er berichtet davon, »was niemals geschah, aber noch immer ist«, – so brachte es der römische Historiker Sallust auf den Punkt (n. H. Blumenberg 1971, 32). Zu allen Fragen der Frühgeschichte des griechischen Theaters muss jedoch festgestellt werden, dass die Überlieferung für die Zeit vor dem 5. Jahrhundert v.  Chr. insgesamt zu dürftig ist, als dass dazu nur mehr oder weniger gut begründete Hypothesen aufgestellt werden können. Abbildungen oder gar authentische Berichte, wie die frühen Feiern des Dionysoskults tatsächlich abgelaufen sind, sind nicht erhalten. So liegt das erste Jahrhundert der Geschichte des europäischen Theaters und damit letztlich auch unser Wissen über die im griechischen Theater dieser frühen Zeit wirklich verwendeten Masken fast ganz im Dunkeln. Sicher aber ist: Dieses Theater war Maskentheater, Dionysos, der Maskengott, war dessen Schirmherr und – entsprechend dem Kult des Dionysos – spielten Musik und Tanz eine zentrale Rolle bei der Aufführung der Stücke. Aus dem (sehr viel späteren) Blickwinkel des Aristoteles scheint wohl auch sicher zu sein, dass die Tragödie wie die Komödie stets »handelnde und in Tätigkeit befindliche« Menschen nachahmten. (Vgl. Aristoteles: Poetik, Kap. 1) Das allen Formen der Dichtung übergeordnete Prinzip der Nachahmung (Mi-

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mesis) bleibt also auch für die formale Gestaltung der griechischen Theatermasken gewahrt. Sie ahmten Menschengesichter nach. Dieses Theater unterlag im Laufe der Jahrhunderte weitgehenden Veränderungen: in seiner sozialen Funktion, seiner Ästhetik und in seiner Baukultur. Diese Veränderungen hatten durchweg ihren Grund in den politischen und sozialen Entwicklungen Athens während dieses langen Zeitraums. Als wesentlichstes Element in der Ästhetik dieses Theaters vollzogen auch die Masken in ihrer Form und in ihrem Zweck diese Veränderungen mit.

Die Masken der Tragödie und der Satyrspiele Die meisten erhaltenen Abbildungen von Masken des antiken griechischen Theaters stammen aus späterer Zeit. Aus der Zeit des frühen 5. Jahrhunderts v.  Chr., aus der Zeit also des frühen griechischen Theaters, sind keine Masken und nur wenige als authentisch geltende Abbildungen erhalten. Auf einer Tonscherbe, etwa aus der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr., ist das Bild eines Schauspielers zu sehen, der eine Maske in der Hand hält und sie betrachtet. Es ist eine bemalte Maske, die ein menschliches Gesicht erkennen lässt, ein Mann mit dichtem, krausem (vermutlich weißem) Haar und einem Bart. Wahrscheinlich ist es eine Maske, mit der ein Schauspieler einen alten Mann darstellen soll. Diese Abbildung gilt als eine der Ikonen des europäischen Maskentheaters, sagt jedoch nicht allzu viel über die Masken der Anfangszeit des griechischen Theaters aus. Die frühen Masken waren vermutlich aus Materialien gearbeitet, die dem langen Zeitraum bis heute nicht standgehalten haben. Vermutet wird, dass sie aus Leinen oder dünnem Leder bestanden haben und durch einen Überzug, vielleicht einer gipsartigen Masse, stabilisiert wurden. Vermutlich waren sie bemalt und in den Konturen plastisch nachgezeichnet. Diese frühen Masken waren bei weitem nicht so expressiv und pathetisch wie die Masken in späterer Zeit. Sie waren vermutlich dem menschlichen Alltagsgesicht mehr oder weniger nachgebildet, eher realistisch. Ein eigener Maskenstil existierte noch nicht. Vorlagen dürften zeitgenössische Skulpturen

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gewesen sein. Soweit die Masken nicht über den Kopf gestülpt wurden, wurden sie vor dem Gesicht getragen und mit einem Band hinter dem Kopf festgebunden. Weder die Masken noch die Kostüme, samt den f lachen Schuhen schränkten die Bewegungsmöglichkeiten der Schauspieler ein. Vor allem in der Komödie und im Satyrspiel wird man sich lebhaftes, umtriebiges Agieren vorstellen müssen. Dabei stand die Starrheit der Maske in deutlichem Kontrast zu der Bewegtheit des Spiels. Die Masken hatten kleine Öffnungen für die Augen und eine – in späterer Zeit wesentlich größere – Öffnung für den Mund. Die Masken des Theaters des 5. Jahrhunderts, also der Zeit der Klassiker des griechischen Theaters, dürften das Sprechen und Singen der Schauspieler nicht gerade erleichtert haben, dennoch beruhte gerade dieses Theater auf einer überaus anspruchsvollen dramatischen Dichtung. Angeklebte Kopf- und Barthaare waren Zeichen für Unterschiede des Alters und des Geschlechts. Hinzu kamen die standardisierten Kostüme, die weitere Unterscheidungsmerkmale signalisierten, vor allem durch Schnitt und durch Farbigkeit. Die Choreuten trugen – wie Vasenbilder zeigen – kürzere Kleider, die sie bei ihren Tanzdarbietungen wenig beeinträchtigten. Bei den Theateraufführungen der Großen Dionysien traten – anders als bei den dionysischen Kultfeiern – nur Männer auf. Sie spielten auch die Rollen von Frauen. Diese besaßen – wie auch Kinder und Sklaven – keine Bürgerrechte. Zudem galt es als unschicklich, dass Frauen in der Öffentlichkeit auftraten, gar eine Funktion bei den Festspielen übernehmen konnten. Im Auditorium saßen sie in den oberen Reihen der Theateranlage, zusammen mit den Kindern und den Sklaven. Auf Grund der großen räumlichen Distanz nahmen die Zuschauer die Masken vermutlich kaum wahr. Dies galt sicherlich nicht für jene prominenten Zuschauer, die um die Orchestra, auf den Prohedrien, den Ehrensitzen, nahe am Auftrittsort des Chors saßen. Der Text, den die Maskenträger sprachen, dürfte in den später sehr großräumigen Theateranlagen für die Masse der Zuschauer nicht zu verstehen gewesen sein. Für die Vermutung, in den antiken Theateranlagen hätten lautsprecherartige Vorrichtungen existiert, gibt es keine überzeugenden Beweise. Zudem benutzten die Dichter in ihren Stücken eine gehobene, stark rhythmisierte lyrische Verss-

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prache, vor allem in den Chorpartien. Auch ist davon auszugehen, dass es bei der ganztägigen Aufführung einer Tragödientrilogie mit einem Satyrspiel an deren Ende im Auditorium keineswegs ruhig zuging. Es ist also eher davon auszugehen, dass die Masse der Zuschauer die Texte der Schauspieler kaum oder gar nicht verstand. Was für die Zuschauer in den antiken griechischen Theatern – aus großer Distanz – letztlich zu sehen war, waren die tanzenden Choreuten auf der Orchestra in ihren Masken und den kurzen farbigen Kostümen, vermutlich mit einem Stab in der Hand, der den Rhythmus der Tänze akzentuierte. Die Zuschauer sahen – aus großer Entfernung – auch das Geschehen auf der gegenüber der Orchestra nur leicht erhöhten Skene, dem Auftrittsort der Schauspieler, und die drei Tore an der Rückwand der Spielf läche. Ein Bühnenbild kannte dieses Theater nicht. Generell war die Aufführung der Dramen von Musik und Tanz geprägt: durch die arienhaften Standlieder der Schauspieler und die Lieder und Tänze des Chores. Zu sehen waren für die Zuschauer wohl auch die Musikanten mit ihren Instrumenten. Gelegentlich kamen spektakuläre Effekte der Bühnenmaschinerie hinzu. Anfangs trat nur ein Schauspieler auf. Sophokles führte einen zweiten ein, Euripides einen dritten, wodurch immer komplexere Spiel- und Dialogsituationen möglich wurden. Durch den raschen Wechsel von Maske und Kostüm konnte (musste) jeder Schauspieler mehrere Rollen übernehmen. Insgesamt waren die Aufführungen durch das Zusammenspiel konventionalisierter Zeichensysteme geprägt. Die Grundstimmung in den Tragödien wird man sich als »getragen« vorstellen müssen. Sicherlich wurde mehr deklamiert, gesungen und getanzt als agiert. Der feierliche Einzug des Chors und dessen Auszug am Ende jeder Tragödie waren für das Publikum eindrucksvolle Schaueffekte. Immerhin aber war das Tragödiengeschehen, das »vor dem Palast« stattfand, offenbar von so großer Eindringlichkeit, dass Aristoteles die Wirkung der Tragödie mit dem Begriff der »Katharsis« (vgl. M. Brauneck 1999, 78f.), einer »Reinigung« quasi im medizinischen Sinne, beschreiben konnte. Berichtet wird auch, dass die besonders furchterregenden Masken der Erinnyen in den Eumeniden des Aischylos von den Organisatoren der Theateraufführungen als

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Verstoß gegen die ästhetische Konvention, die offenbar zu heftige Effekte nicht zuließ, geahndet wurden. Bei diesen Masken war vermutlich ein menschliches Gesicht, das den Theatermasken der Tragödie wohl stets als Vorbild diente, nicht mehr zu erkennen. Genaueres weiß man über diese Masken und Kostüme freilich nicht. Sie müssen vor allem die weiblichen Zuschauer so schockiert haben, das der Dichter mit einer Geldbuße bestraft worden sei. Generell vermieden die Aufführungen alles Grausame auf der Bühne. Von derartigen Vorgängen (etwa einer Tötung) wurde in aller Regel in den Stücken nur berichtet. Masken und Kostüme trugen wesentlich zur Zeichenhaftigkeit (auf weite Sicht) der Aufführungen bei, nicht weniger die Musik und die Tänze. Sie vor allem signalisierten den Zusammenhang mit dem Dionysoskult. Die Inhalte der Tragödie, die vermutlich mehr oder weniger bekannt waren, vermittelten offenbar den Eindruck großer Fremdheit. Gegenüber diesen Geschichten musste die Ordnung der Polis den Zuschauern als großer Fortschritt erscheinen, der in diesem Staatsfest gefeiert werden sollte. Die Polis garantierte Rechtssicherheit – gegenüber einer Vorzeit, in der Chaos, Blutrache und die Willkür der Götter herrschten. Die Masken waren offenbar eine Voraussetzung dafür, dass diese Geschichten – selbst wenn ihnen nur rudimentär gefolgt werden konnte – als Projektionsfolie wahrgenommen wurden. Das tragische Geschehen der Heroen hatte nichts mit dem aktuellen Leben der Athener Bürger zu tun. Der Chor jedoch, der aus Laien, Bürgern von Athen, bestand, kommentierte dieses Geschehen zumeist erschrocken und fassungslos. So ergab sich die Situation, dass der Chor aus dem Blickwinkel der Gegenwart – gleichsam in Vertretung der Polisbürger, die im Auditorium saßen, – das mythische Geschehen kommentierte. Die Anzahl der Maskengesichter der Tragödie war überschaubar. Es ist davon auszugehen, dass sie in früher Zeit von einem gewissen Realismus waren. Spezifische Rollen werden grob zeichenhaft, aber unterscheidbar besetzt gewesen sein: junge und alte Menschen, Könige und einfache Bürger, Männer und Frauen, Priester, Soldaten, Heerführer, Bedienstete, Sklaven, Hetären, Kinder, hell- und dunkelhäutige Menschen. Letztere signalisierten ihre Herkunft aus ferneren Ländern. Hellhäutig wurden Griechen dargestellt. Damit

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konnte in der Regel der Personenstand einer Tragödie besetzt werden. Die Choreuten waren in den Masken vermutlich nicht nennenswert differenziert. Möglicherweise war der Chorführer durch seine Maske hervorgehoben. Von vergleichbar einfacher, durch die Farben ausgewiesener Zeichenhaftigkeit waren die Bühnenkostüme. Überwiegend sind es Vasenbilder von einzelnen Szenen, quasi Bewegungsstudien, die einen gewissen Eindruck von den Theateraufführungen vermitteln. Die Aufzählung von 28 tragischen Masken durch den Athener Rhetoriklehrer Julius Pollux stammt allerdings aus dem Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. Die Athener Theateranlage ist für die Frühzeit der Dionysien nur äußerst rudimentär rekonstruierbar. (Vgl. G. Butterweck 1974, 106ff.) Die berühmtesten Anlagen, die heute noch bespielt werden können, sind durchweg in späterer Zeit entstanden und in ihrem heutigen Erscheinungsbild mit großem Rekonstruktionsaufwand wiederhergestellt worden. Letztlich ist das frühe antike griechische Theater, hinsichtlich seiner Spielstätten bislang nur wenig erforscht, letztlich ein Problem der Archäologie. Von den meisten frühen Theateranlagen sind nur noch wenige Spuren der Fundamente erhalten. Von der Natur überwuchert, zeugen sie aber dennoch von der Großartigkeit der ursprünglichen Bauten. Das Satryrspiel ist vermutlich erst um 501 v. Chr., als die Großen Dionysien in ihrer Organisation grundlegend reformiert wurden, in den Tragödien-Agon aufgenommen worden. Die Dichter der Tragödien waren auch die Schreiber der Satyrspiele. Aischylos soll in diesem Genre einer der Besten gewesen sein. Dieses heitere Genre feiert Dionysos als Fruchtbarkeitsgott und Sinnbild orgiastischer Lebensfreude. Der Spielort der Satyrspiele lag »in der freien Natur, in Bergwäldern und Einöden, vor Höhlen oder am Meeresstrand« (B. Seidensticker 1989, 232). Allein dadurch hoben sie sich von der Tragödie deutlich ab. Aufführungen von Satyrspielen existierten bereits lange vor deren Aufnahme in den Tragödien-Agon. Die Stücke persif lierten mythische Figuren und die Heroen, von denen die Tragödie so ernsthaft erzählt hatte. Es war eine heitere, lockere Stimmung, die diese burlesken Spiele verbreiteten; quasi ein therapeutischer Akt nach den Erschütterungen, die die Tragödie ausgelöst hatte.

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Offenbar war es die Intention der Organisatoren der Großen Dionysien, das Publikum in jener entspannten, lebensbejahenden Stimmung, die generell mit Dionysos in Verbindung gebracht wurde, in ihren Alltag zu entlassen. Bei den Komödienaufführungen bestand ein derartiges Problem freilich nicht. Die Masken der Satyrn, wie sie in zahlreichen Vasenbildern abgebildet sind, waren einheitlicher als die der Tragödie. Die Akteure waren offenbar ständig in Bewegung. Zusammen mit einem am Steiß befestigten Pferdeschwanz vermittelten sie den Eindruck heiterer, vitaler Naturwesen. (Abb. 8) In ihrem dramaturgischen Auf bau glichen die Satyrspiele weitgehend der Tragödie. Der Form nach bewegten sie sich auf der gleichen sprachlich ambitionierten Höhe wie diese. Ihre Chöre muss man sich als erotisch aufgeladene Tanzdarbietungen vorstellen. Dabei waren die Satyrspiele zwar heiter aber keineswegs von jener Derbheit und Obszönität der Komödie, die keine sprachliche Niederung ausließ.

Die Masken der Komödie Auch hinsichtlich der Masken der Komödie ist es erforderlich, sich mit der Entstehungsproblematik dieses Genres zu beschäftigen. Mit großer Wahrscheinlichkeit lag ihr Ursprung im Kult und im profanen Brauchtum: dem Phalloskult, dem Rügebrauchtum und der Phlyakenposse. (Vgl. M. Brauneck 1999, 17f.) Merkmale der Maskeraden dieser Brauchtumsformen wurden – vermutlich in nur wenig abgewandelter Form – für die Komödie übernommen, insbesondere für die Alte Komödie. Die späteren Entwicklungsphasen dieses Genres (Mittlere und Neue Komödie, etwa seit 380 v. Chr., vgl. M. Brauneck 1990, 185f.) entfernten sich zunehmend von dessen frühester Form, vor allem auch von der direkten Bindung an den Dionysoskult. Auch verzichtete die spätere Komödie auf die Schärfe und Drastik der Kritik, die in der Alten Komödie bis zur moralischen »Vernichtung« der aufs Korn genommenen Personen führen konnte. Auch sprachlich vermied die Neue Komödie alles Zotenhafte.

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Ursprünglich war der Umzug einer Gruppe ausgelassener junger Leute die Form, in der der Phalloskult, ebenso das Rügebrauchtum, praktiziert wurden. Schon die Bezeichnung der Gattung Komödie – das Wort leitet sich von komos ab, was in etwa »ausgelassener Umzug« bedeutet – legt diese Herkunft nahe. Tanzen und Singen gehörte zu beiden Brauchtumsformen, ebenso die Nähe zum Kult des Dionysos und das Tragen von Masken. Flötenspieler begleiteten die Umzüge. Sie waren – so wird es in der Forschung wohl zu Recht interpretiert – mit ihren Rüge- und Spottliedern eine Art »Regulativ zum Abbau affektiver aber auch sozialer Spannungen im attischen Gemeinschaftsleben« (vgl. M. Brauneck 1990, 18). In diesem war das Spott- und Rügebrauchtum fest etabliert. Unmittelbarer als diese Brauchtumsformen waren vermutlich die Phlyakenpossen, kurze witzige Schauspielszenen, an der Entstehung der Komödie beteiligt. Diese Possen parodierten Motive aus der Alten Komödie, aus dem Alltagsleben der Menschen, dem Treiben der Götter und der Heroen und unterhielten ihr Publikum mit derben Späßen und deftigen Obszönitäten. Die Akteure waren professionelle Schauspieler, aber – wie in der Tragödie, dem Satyrspiel und in der Komödie auch – nur Männer. Auffälligstes Merkmal waren neben grotesken Masken und Perücken vor allem die Kostüme, die Bauch und Gesäß der Schauspieler dick verformt erscheinen ließen. In der Forschung werden sie als »Dickbauchtänzer« bezeichnet. Zudem hatten sie einen ledernen Phallos umgebunden. Unzählige Vasenbilder zeigen Spielszenen dieser volkstümlichen Possen. Gespielt wurde auf primitiven Holzgerüsten im Freien. Verbreitet waren die Phlyakenpossen vor allem in Sizilien und in Unteritalien. Beide Gebiete gehörten zum griechischen Staatenverbund. Den Aufführungsmodalitäten der Phlyakenposse ähnlich waren die des Mimus, einer frühen Form des professionellen volkstümlichen Unterhaltungstheaters. Der Mimus war jedoch kein Maskentheater. Auch Frauen traten im Mimus als Schauspielerinnen auf. Helmut Wiemken (1972) grenzt diese Theatersphäre von der literarischen Theatertradition folgendermaßen ab: »Im Fehlen der verfremden Masken kennzeichnet sich ein realistischer Theaterstil, dem weder an tragischer Überhöhung noch an der Betonung

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des Kultischen […] gelegen war.« (184) Ursprünglich war der Mimus Improvisationstheater. Die Schauspieler traten – ohne Maske – barfuß und in der Alltagskleidung auf. Einen ledernen Phallos trug ausschließlich die komische Figur. Musikanten begleiteten den Mimus, der durch sein reißerisches pantomimisches Spiel offenbar von großem Reiz für die Zuschauer war. Themen des Mimus waren Szenen aus dem Alltag und Persif lagen von Motiven aus dem Mythos. Es war Volkstheater par excellence. Die meisten Genres des griechischen Volkstheaters wurden jedoch im Zusammenhang mit den Kultreformen des 6. Jahrhunderts v. Chr. literarisiert, auch der Mimus. Zurückgedrängt wurde das Improvisieren. Im Zusammenhang mit diesen Reformen haben offensichtlich Elemente aus allen diesen Spieltraditionen zur Entwicklung der Komödie beigetragen. Wahrscheinlich ist, dass die Chöre der kultischen Phallosverehrung und die Spott- und Rügelieder aus der Brauchtumssphäre mit den Schauspielszenen der Phlyakenpossen zusammengeführt wurden und auf diese Weise die Komödie als eigenständiges literarisches Genre entstanden ist. Übernommen wurden auch die wesentlichen Merkmale der Ausstattung dieser ursprünglich vorliterarischen Brauchtums- und Theaterformen. Frühe Vasenbilder zeigen, dass dieses frühe komische Theater der Griechen Maskentheater war. Als literarische Gattung gewann die Komödie aber erst gegen Ende des 5. Jahrhunderts v.  Chr. deutlichere Konturen. (Vgl. M. Brauneck 1990, 161f.) Die früheste Komödienaufführung ist für das Jahr 425 v. Chr. belegt. Nach Aristoteles (Poetik, Kap. 4) war dieses Genre stets weniger angesehen als die viel »großartigere« (Aristoteles) Tragödie. Vermutlich wohl deswegen, weil die Komödie ihre aus dem volkstümlichen Brauchtum abgeleitete Herkunft, die sich vor allem in der gestischen und sprachlichen Derbheit äußerte, nie ganz abgelegt hat. Dies galt vor allem für die Alte Komödie, deren bedeutendster Dichter Aristophanes war. Von ihm sind elf Komödien vollständig erhalten. Die Titel einiger seiner Stücke, Ritter, Wolken, Wespen, Vögel, Frösche, deuten bereits an, dass das Maskenrepertoire der Alten Komödie – vor allem der Chöre – wesentlich phantastischer und bunter war als das der Tragödie.

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Was die Masken der Komödie betrifft, so bildeten sie zunächst auch die Vielfalt der Rollen ab, ähnlich dem Maskenrepertoire der Tragödie. Hinzu kamen in der Alten Komödie Portrait-Masken, die wohl in mehr oder weniger karikierender Form prominente Politiker, Philosophen und Dichter erkennen ließen. Die Grundausstattung der Protagonisten der Alten Komödie entsprach weitgehend dem Erscheinungsbild der »Dickbauchtänzer« (Abb. 9) der Phlyakenpossen. Die Sprache war deftig, die Kritik erbarmungslos und direkt. Die mit Spott überhäuften Repräsentanten der Athener Eliten mussten sich diese Kritik anhören, denn sie saßen im Publikum in vorderster Reihe. Insgesamt waren die Masken der Alten Komödie (wie die der Tragödie) vermutlich verhältnismäßig realistisch. Hervorgehoben durch Maske und Kostüm war der Protagonist, der in der Komödie weitaus mehr im Mittelpunkt der Handlung stand als irgendeine Figur in der Tragödie. Phantasievoll, bizarr und bunt waren Masken und Kostüme der Choreuten. Deren Masken deuteten an, dass sich die Schauspieler als Vögel oder Wolken verkleideten, sogar als Städte und Schiffe maskiert traten sie auf. In den späteren Entwicklungen der Komödie (vor allem in der Neuen Komödie) wurde der für die Frühzeit noch typische Realismus zu Gunsten einer Typisierung der Figuren zurückgenommen. Das Karikaturenhafte wurde abgeschwächt. Die formale Gestaltung der Masken entsprach einem weitaus gemäßigteren Gesamtbild des Komödientheaters. Für diese Zeit dürfte die Aufzählung der schon erwähnte Maskentypen des Pollux zutreffen. Die Kostüme der Neuen Komödie entsprachen weitgehend der Tracht der Zeit. Die Polsterung von Bauch und Gesäß der männlichen Darsteller entfiel, ebenso der umgeschnallte Phallos des Protagonisten. Die Masken bildeten Typen ab, wie sie im Alltag vorkamen. Menander war der bedeutendste Dichter der Neuen Komödie. Bald galt er als Klassiker des Komödientheaters und wurde Vorbild für die lateinische Komödie, die von Beginn an vermutlich kein Maskentheater mehr war.

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Abbildung 9: Aristophanes: Vögel. Inszenierung und Ausstattung: Axel Manthey. Burgtheater Wien 1990. Foto: Hans-Joachim Baus. In: M. Brauneck 1993, 177

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Die Theatermasken im spätgriechischen Theater und in der Zeit des Hellenismus In den 30er Jahren des 4. Jahrhunderts v.  Chr. setzte der konservative Politiker Lykurgos ein aufwendiges Bauprogramm durch, das Athen als glanzvolle Metropole erscheinen lassen sollte. Unter anderem verfügte er eine umfassende Reform des Theaterwesens. Der politische Zerfall der Polis war zu dieser Zeit aber nicht mehr aufzuhalten. Auch das Theater hatte nicht mehr annähernd jene Bedeutung, die es in den beiden Jahrhunderten zuvor eingenommen hatte. Platon, der um 388/85 v. Chr. in Athen seine Akademie gründete, vertrat eine fundamentale Kritik am Theater und dessen Integration in das mehr oder weniger demokratische Gefüge der Athener Polis. In den Kreisen der Intellektuellen trug dies dazu bei, dass diese Institution immer mehr ins kulturelle Abseits geriet. Die Schauspieler gingen fast nach Belieben mit den Texten der Stücke um. Eine Vorliebe für monströse und sensationelle Ereignisse war aufgekommen, ebenso ein Hang zu prächtigen, exotischen Ausstattungen. Auch die Gestaltung der Masken entsprach diesem neuen Stil. Dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, war eines der Ziele von Lykurgosʼ Theaterreform. Seit 386 v.  Chr. wurden Aufführungen von Dramen der klassischen Dichter des 5. Jahrhunderts wieder zugelassen. Deren Texte wurden nun aber kanonisiert, ihre sprachliche Form festgelegt. Die Schauspieler mussten sich daran halten. Die Form des Wettkampfs der Dichter blieb allerdings beibehalten. Inzwischen fanden Theaterwettbewerbe aber auch in zahlreichen Städten des griechischen Herrschaftsbereichs statt, nicht nur in Athen. Immer mehr auch rückte die Leistung der Schauspieler in den Vordergrund. Mit dem Hellenismus setzte schließlich eine neue weltgeschichtliche Periode ein. Durch eine Reihe von Eroberungskriegen, die Alexander der Große (356-323 v.  Chr.) geführt hatte, war ein Weltreich entstanden, das von Italien über Nordafrika, Ägypten, den Vorderen Orient bis in den Norden von Indien reichte. Das Theaterwesen hatte sich diesen neuen politischen Verhältnissen angepasst. Die Dichter waren zu rascher Produktion ge-

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zwungen, behandelten zunehmend Randmotive aus der Mythologie, vor allem aber auch Konf likte aus dem Alltag der Menschen. Vorherrschend waren die gängigen Themen der Komödie: Liebeshändel, Streit um Geld und Erbe. Die Komödie stand unangefochten im Mittelpunkt des Theaterlebens. Das römisch-lateinische Theater, das die griechischen Stücke schließlich ablöste, übernahm diese Themen, kannte aber den Agon nicht mehr. Auch der bereits im 3. Jahrhundert einsetzende Umbau der existierenden griechischen Theateranlagen reagierte auf den sich abzeichnenden Geschmackswandel des Theaterpublikums. Die Auswirkungen dieser neuen Theaterkultur und der veränderten Bühnenverhältnisse auf die Masken und die Kostüme der Schauspieler waren beträchtlich. Ein wesentliches Merkmal dieses Umbaus war der weitgehende Wegfall der Orchestra als Auftrittsort des Chors, der für die neuen Stücke ohnehin keine dramaturgische Funktion mehr hatte. Wo die Orchestra erhalten blieb, wurde sie erheblich verkleinert, diente für musikalisch-chorische Darbietungen und wurde zum Auftrittsort für Gesangs- oder Deklamationsvirtuosen. Insgesamt wurden die Theater als Repräsentationsbauten mit einem reichen Skulpturenprogramm ausgestaltet. Neu war vor allem auch die Erhöhung der Auftrittsebene der Schauspieler, die nun gleichsam auf dem Dach des ursprünglichen Szenenhauses agierten. Diese erhöhte Spielebene wurde durch seitliche Rampen von der Proszeniumsbühne aus erschlossen. Später kamen Vorbauten (die Paraskenien) auf beiden Seiten hinzu, so dass eine hufeisenförmige Spielanlage entstand, die zum Proszenium hin offen war. Die gesamte Bühnenanlage bestand nun aus zwei Spielebenen. Da sich der Auftrittsort der Schauspieler nicht nur in seiner Tiefe sehr verkleinert hatte, zudem auch kein Chor mehr auftrat, verringerte sich die Anzahl der Schauspieler beträchtlich. Es agierten nun ausschließlich Berufsschauspieler. Der Bezug zum örtlichen Publikum, ursprünglich der Athener Polis, war längst aufgegeben. Aufführungen von Tragödien wurden nun noch statischer, als sie es ohnehin bereits waren. Für die Schauspieler bedeutete dies, dass sie noch mehr als zuvor mit großem Pathos und ausladenden Gebärden vor allem deklamierten.

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Diesen neuen Bühnenverhältnissen wurden auch die Masken angepasst. Sie waren ein zentrales Element der auf große Schaueffekte angelegten Ausstattung. Zahlreiche kleine Tonfigürchen, die aus dieser Zeit erhalten sind, zeugen von diesem neuen Stil der Masken und Kostüme. Auffallend ist die ins Groteske gesteigerte Expressivität der Masken, vornehmlich bei der Komödie. Die Öffnung für den Mund wurde wesentlich vergrößert. Insgesamt wurden die Masken großvolumiger. Manieristisch überhöht wurden die Schauspieler der Tragödie zudem durch den sogenannten Onkos, einen hohen Wulst über der Stirn, ähnlich einer hoch gezogenen Haartracht. Hinzu kam der bis zu 20 Zentimetern hohe Stelzenschuh, der Kothurn. Die prächtigen Kostüme hatten lange Schleppen, mit denen die Schauspieler in ausladenden Gesten ihre Deklamation wirkungsvoll unterstützen konnten. Neben der Neuen griechischen Komödie spielte der Mimus eine zentrale Rolle im hellenistischen Theaterleben. Vergewaltigungsszenen, ebenso Prügelszenen sollen in der Spätform des Mimus realistisch – also »echt« – auf der Bühne vorgeführt worden sein. Ein besonderer Effekt war, dass sich die weiblichen Darstellerinnen – vermutlich Prostituierte – am Ende einer Aufführung nackt auf der Bühne zeigten. Tänze und musikalische Darbietungen spielten bei allen Theateraufführungen eine immer größere Rolle. Neben dem Mimus war die Atellane ein bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. zurückreichendes derbes Stegreif- und Maskentheater, das Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. auch in Rom ungemein populär wurde. Die Atellane leitete ihren Namen von der bei Neapel liegenden Stadt Atella her. Dieses volkstümliche Possentheater kam mit vier Figuren aus: dem naiven komischen Alten, dem Pappus, dem stets hungrigen Tölpel Maccus, dem Großmaul Bucco und dem ständig zerstreuten Dossennus. Alle vier Figuren gelten in der Forschung als Vorbilder der Masken der späteren Commedia dell’arte. In ihren Masken und Kostümen waren sie den Darstellern der Phlyakenpossen ähnlich. Am Bauch und am Gesäß waren die Darsteller dick ausgepolstert, jedoch hatten sie keinen ledernen Phallos – ein Requisit aus dem griechischen Brauchtum – umgeschnallt. Da sie Masken trugen und diese nach dem Spiel auch nicht abnahmen, blieben die Spieler anonym. Masken der Atellane sind allerdings

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nur von späteren Abbildungen her bekannt. Die Charaktereigenschaften der vier Typen dürften von deren Masken jedoch ablesbar gewesen sein. Man wird sie sich als Karikaturen vorstellen müssen. In ihren Inhalten war die Atellane wesentlich kritischer als der Mimus, auch gegenüber den herrschenden Eliten. Geschützt durch ihre Masken, hatten die Darsteller offenbar eine Art Narrenfreiheit. In dieser Hinsicht war die Atellane – später in Rom – die einzige Theaterform, der – trotz strenger Zensur in der Kaiserzeit – gewisse Freiheiten eingeräumt waren. Ihren Ursprung hatte die Atellane möglicherweise in dorischen Totenkulten. Hatte sie anfangs – ähnlich den griechischen Satyrspielen – die Funktion des Abschlusses einer Tragödienaufführung übernommen, wurde sie in dieser Funktion schließlich vom Mimus verdrängt. Kennzeichnend für diese Endstufe des hellenistischen Theaters war auch, dass die gebildeten Römer anfangs die griechische Sprache übernahmen. Ohnehin sahen sie in der griechischen Literatur und Philosophie den höchsten Standard von Kunst und Bildung erreicht und bewunderten alles Griechische als Inbegriff kulturell ambitionierter Lebensart. Letztlich aber entwickelte sich in Rom bald auch eine eigene, gänzlich andere Theaterkultur. Mimus und Atellane waren weiterhin die beherrschenden Genres auch im römischen Theaterleben. Der Realismus und die Bodenständigkeit dieser Genres kamen offenbar der pragmatischen Geisteshaltungen der Römer entgegen. Nicht zuletzt aber war ein gesteigertes Nationalbewusstsein eine der Ursachen für einen Geschmackswandel im Theater. Die römisch-lateinische Komödie übernahm die Themen der griechischen. Menander wurde zum großen Vorbild. Bald aber wollte das römische Publikum auf der Bühne römische Mode (die togata) und nicht mehr die griechische Tracht (das pallium) bei den Kostümen sehen.

Masken im antiken griechischen Theater

Das römisch-lateinische Theater und der Ausklang der antiken Theaterkultur Der Übergang von einer noch griechisch-hellenistisch geprägten Theaterkultur zum lateinischen Theater der Römer muss als f ließend angesehen werden. Anders als das griechische Theater war das Theater im Herrschaftsbereich Roms eine Institution, die vor allem der Repräsentation und der Unterhaltung diente; anfangs noch der Verherrlichung der Staatsidee des Imperium Romanum und seiner politischen Erfolgsgeschichte. Aus dieser Anfangszeit sind jedoch keine Stücke erhalten. Auch hatte in der Athener Polis die Bürgerschaft eine gewisse mitbestimmende Rolle bei den Entscheidungen der politischen Institutionen. So etwa entschied die Bürgerversammlung auch über Sieg oder Niederlage beim Wettkampf der Dichter bei den Großen Dionysien, – was nicht zuletzt Platons Kritik am Theater ausgelöst hatte. Dass der Masse des Volks ein so weitreichendes Recht eingeräumt war, konnte er, dem eine Herrschaft der Philosophen auch in der Sphäre der Politik vorschwebte, nicht akzeptieren. Während sich in der Athener Polis eine Art Demokratie etabliert hatte und das Theater dabei eine zentrale Rolle spielte – zumindest in der Zeit, als Athen noch die beherrschende Stellung im Mittelmeerraum innehatte – herrschte in Rom auch in der Zeit der Republik die Adelsschicht. Im weiteren Verlauf der Geschichte kam es zu einer Militärdiktatur, schließlich zur Herrschaft der Kaiser, deren Machtbefugnis uneingeschränkt war. Dem Theater kam in diesem wechselnden Herrschaftsgefüge zu keiner Zeit eine besondere Bedeutung zu. So nahm auch das römische Theater kaum Bezug auf das aktuelle politische Leben, wenngleich Theateraufführungen bei den zahlreichen Kult- und Staatsfesten, die im Laufe des Jahres auch in Rom gefeiert wurden, stattfanden. Nie war das Theater in Rom integraler Bestandteil eines Kults, vergleichbar der Anfangszeit in Athen. Eine für die Bürger verpf lichtende Teilnahme an den römischen Staatsfesten oder gar am Besuch einer Theateraufführung existierte in Rom nicht. Auch kannte man in Rom kaum noch eine besondere Nähe des Theaters zum Kult des Dionysos. Der römische Bacchus war der

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Gott des Weines und hatte nichts mehr zu tun mit der Vielgesichtigkeit und Ambivalenz des griechischen Maskengotts. Das größte römische Staatsfest, die Ludi Romani, waren dem Jupiter, dem höchsten Gott der Römer, gewidmet. Theateraufführungen waren stets eine Art Beiprogramm. Die römischen Theaterbauten wurden nicht mehr in Hanglagen errichtet, wie die griechischen Theateranlagen, sondern auf f lachem Grund. Anfangs existierten in Rom nur stationäre Holzbauten. Erst in späterer Zeit wurden feste Steinbauten errichtet. Einzelne Politiker traten als Bauherrn in Erscheinung und versprachen sich durch den Bau eines Theaters einen Vorteil für ihre politische Karriere. Mehr noch als die hellenistischen Theaterbauten hatten die römischen Theateranlagen eine wesentlich verkleinerte Orchestra, in der die Honoratioren saßen. Die Spielf läche war vom Publikum aus gesehen breit, lang gestreckt, aber von geringer Tiefe. Äußerst prächtig ausgestaltet war deren Rückseite, die mehrstöckige scaenae frons mit den drei Toren. Diese waren aus dem griechischen Bauprogramm beibehalten. Dabei war das mittlere Tor wesentlich größer und zudem durch seine dekorative Pracht hervorgehoben. Die Zuschauer saßen in einem ansteigenden halbkreisförmigen Auditorium, an dessen oberen Abschluss eine Säulenhalle rundum lief. Bemerkenswert war die weitaus geringere Distanz von Auftrittsebene und Auditorium. Ob die Schauspieler im römischen Theater noch Masken trugen, ist in der Forschung strittig. Zu größerer Eigenständigkeit entwickelte sich – vor allem in der Zeit der Republik – die römische Komödie. Plautus und Terenz waren die erfolgreichsten Dichter in dieser Zeit. Von beiden sind insgesamt 26 Stücke vollständig erhalten. Einen wesentlichen Anteil an der Popularität dieses Genres hatten die zahlreichen Liedeinlagen, die der Aufführung – vor allem im Werk des Plautus – quasi den Charakter eines Singspiels verliehen. (Vgl. M. Fuhrmann 1975, 916) Mit dem Gesamteindruck dieses Theaterbetriebs, der überwiegend das Leben der Bürger zum Thema hatte, lässt sich ein Theater in Masken nur schwer vorstellen. Um die Zeitenwende fand im römischen Publikum offenbar ein Geschmackswandel statt, der literarische Stücke schließlich gänz-

Masken im antiken griechischen Theater

lich von den Bühnen vertrieb. Mimus und Atellane bedienten das Unterhaltungsbedürfnis des breiten Publikums perfekt. Hinzu kamen die Ludi Caesarei in den Amphitheatern, die die Massen unterhielten. Neben den beiden älteren Genres, dem Mimus und der Atellane, war es vor allem der Pantomimus, der in der Kaiserzeit die Gunst des Publikums auf sich zog. Wie im Mimus traten auch im Pantomimus Männer und Frauen auf. Diese waren Tänzer und mimische Darsteller zugleich. Die Mimen trugen jedoch – anders als beim Mimus – Masken, über deren Aussehen jedoch kaum etwas bekannt ist. Der pantomimische Schauspieler wurde nicht nur von einem Chor, einem Sänger oder einem Orchester begleitet, sondern auch von einem Sprecher, der aus einem Drama die spektakulärsten Stellen deklamierte. Gleichzeitig wurden diese Szenen von einem pantomimischen Maskentanz begleitet. Der Tänzer brillierte mit seiner Verwandlungskunst, vor allem beim Wechsel von Frauenund Männerrollen, von tragischen und heiteren Passagen. Einige Pantomimen waren Günstlinge der Kaiser und genossen großes Ansehen in der Gesellschaft. Generell aber hatten die Darsteller des Pantomimus – wie alle Schauspieler – kein Bürgerrecht und waren rechtlich der Willkür der staatlichen Aufsichtsorgane oder ihrer Herren – ähnlich den Sklaven – ausgesetzt. Literarisch anspruchsvolle Theatertexte wurden vermutlich nur noch in Kreisen der Gebildeten vorgelesen. Dies trifft auch für die Dramen Senecas zu, die in der Zeit ihres Entstehens nie zur Aufführung kamen.

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Die Masken der Commedia dell’arte

Wenn im Rahmen des europäischen Theaters von Maskentheater die Rede ist, wird vermutlich die Commedia dell’arte genannt, das italienische Stegreiftheater, das von der zweiten Hälfte 16. Jahrhunderts bis Anfang/Mitte des 18. Jahrhunderts durch Tourneen nicht nur italienischer Ensembles in ganz Europa verbreitet war. Dies spricht für den großen Bekanntheitsgrad der Commedia und ihrer wohl populärsten Figur, des Arlecchino. Die Franzosen nannten ihn Pierrot, später Gilles. Im Deutschen heißt er Harlekin. Antoine Watteau hat dieser Figur mit einem rätselhaften Gemälde, das heute im Louvre in Paris zu sehen ist, ein einzigartiges Denkmal geschaffen. Unvergessen ist auch die Figur des Baptiste in Marcel Carnés Film Kinder des Olymp, in dem Jean-Louis Barrault die Figur des Pierrot in hilf loser Zartheit und Melancholie kongenial verkörpert. Eine enorme Verbreitung hatten auch die Porzellanfigürchen der Commedia im 18. Jahrhundert, als auf der Bühne die große Zeit der italienischen Komödianten sich schon dem Ende zuneigte. Reinhard Jansen hat diesen kleinen Kunstwerken ein opulent bebildertes Buch gewidmet. Für bildende Künstler waren die anfangs bizarr und verlumpt, später bunt und elegant im Stil des Rokoko gekleideten Figuren der Commedia bis in die 1920er Jahre eine permanente Inspiration für Maler und Bildhauer. Die künstlerisch bedeutendste Stichfolge der frühen Masken der Commedia dell’arte stammt von Jaques Callot, einem französischen Kupferstecher und Radierer, und wurde 1622 geschaffen. Diesen frühen Darstellungen der Figuren der Commedia haftet bei aller tänzerischen Virtuosität stets auch ein Zug des Dämonischen, des Asozialen an.

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Dass die Commedia dell’arte Stegreif heater ist, mag ja ihr erstrangiges Merkmal sein, stets aber war die Commedia in erster Linie ein Fest für die Augen. Neben den Masken und ihren pittoresken Kostümen waren die geschmeidigen, grotesk-tänzerischen Bewegungen der Schauspieler die hervorstechenden Merkmale. Die immer gleichen Geschichten, die die Commedia erzählte – um die Liebe oder um das Geld – waren mehr oder weniger nur Anlass dazu, dass die Masken ihr virtuoses Spiel in Szene setzen konnten. Mit dem Begriff Masken ist im Zusammenhang mit der Commedia dell’arte aber stets zweierlei gemeint: zum einen jene Schauspieler, die gegenständliche Masken, Halbmasken, trugen, zudem aber auch jene Schauspieler, die »stehende Charaktere« – ohne Masken – darstellten. (Vgl. W. Hinck 1963, 321f.) Alle Figuren der Commedia sind also Typen, ob sie Masken tragen oder nicht, und agieren in einer reinen Kunstwelt, in der Groteske und Übertreibung dominieren. Walter Hinck meint gar, dass die »Welt des Theaters […] der eigentliche Gegenstand« der Commedia gewesen sei. (Vgl. ebd., 322) Deutlich erkennbar bleibt die italienische Herkunft der Commedia, auch wenn später eine Art »Französisierung« stattfand. In ihrer ursprünglichen Form hat die Commedia dell’arte keine Botschaft im Sinne der Parteinahme für irgendeinen Stand. Die Commedia ist kein sozial- oder gesellschaftskritisches Theater. Eben diese Frage eskalierte im 18. Jahrhundert zu einem »Theaterkrieg« zwischen den beiden Bühnenautoren Carlo Goldoni und Carlo Gozzi. (Vgl. M. Brauneck 1996, 586f.) Beide wollten die Commedia reformieren. Goldoni im Sinne der Auf klärung, Gozzi dagegen verstärkte das Märchenhafte, das Phantastische der Commedia und war damit zunächst der Erfolgreichere von beiden auf den Bühnen der Zeit. Im Laufe der Geschichte der Commedia dell’arte wechseln die Namen einiger Masken vielfach. Zumeist steht hinter einem neuen Namen aber die bereits bekannte Figur, deren Profil ein berühmter Schauspieler – oft ist es der Erste Schauspieler des Ensembles – eine bemerkenswerte Nuance hinzugefügt hatte. Letztlich aber ist die Wiederholung ein essentielles Prinzip dieses Theaters: die immer gleichen Schau- und Kunststücke, Prügeleien, Intrigen, Ver-

Die Masken der Commedia dell’arte

wechselungen, vor allem Liebeleien und mehr oder weniger offene Obszönitäten. Die Commedia dell’arte ist nicht nur Stegreiftheater, sie ist ebenso Maskentheater. Dabei stehen jene fünf Schauspieler im Mittelpunkt jeder Aufführung, die gegenständliche Masken, Halbmasken und weitgehend gleichbleibende Kostüme tragen: die beiden Zanni (Arlecchino und Brighella), Pulcinella, Pantalone und der Dottore. Diese gegenständlichen Masken der Commedia verdeckten den oberen Teil des Gesichts und der Wangen, die Stirn und die Nase, die für einige Masken ein besonders ausgeprägtes Merkmal ist. Die Masken waren aus weichem Leder gearbeitet. Walter Hinck beschreibt sie treffend: Es seien »karikaturistische Verunstaltungen des Gesichts, nach keinerlei Gefühlsausdruck differenzierte, groteske Stilisierungen der menschlichen Triebwelt.« Hinck meint, es hätten sich auch »Rückstände […] von Riten der Dämonenbeschwörung« in diesen Masken erhalten. (W. Hinck 1963, 13f.) Während Darstellungen im frühen 17. Jahrhundert noch den Eindruck gefährlicher, grotesker Gestalten vermitteln, werden die Masken der Commedia in späterer Zeit gefälliger. Generell verstärken sie das Profil der Figuren, den Typus. Masken tragen jedoch nur Männer, obwohl Frauen als Schauspielerinnen von Beginn an zum Ensemble der Commedia gehören. Auch jene Schauspieler, die keine gegenständlichen Masken tragen, sind Typen: die Innamorati, die jungen Verliebten, ein ideales Paar, das am Ende stets ans Ziel seiner Wünsche kommt. Durch ihr übertriebenes Gehabe parodieren sie »die Rituale der idealisierten Liebesdoktrin« (M. Brauneck 1993, 435) der Zeit, wie sie die Etikette der gehobenen Gesellschaft vorschrieb. Dazu Servetta, die ebenfalls ohne Maske auftritt und zur Gruppe der Bediensteten gehört. Später – unter dem Namen Colombina – ist sie die Kammerzofe ihrer Herrin und steht dieser zwar bedingungslos und listenreich zur Seite, hat stets aber auch ihre eigenen Liebschaften am Laufen. Ohne Maske tritt auch der Capitano auf. Er ist ein Aufschneider, der sich mit vermeintlichen Heldentaten brüstet, letztlich aber ist er ein Feigling. Diese Figur ist die Karikatur eines spanischen Soldaten. Es ist eine Anspielung auf die politische Situation in Italien

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Mitte des 16. Jahrhunderts, als einige Landesteile von der spanischen Armee besetzt waren. Der Capitano war eine Spottfigur auf diese beim Volke ungeliebten Besatzer. Er trägt zwar keine Maske, jedoch eine übertrieben dekorierte Uniform. Das Ensemble der Commedia zeigt also eine klare Zweiteilung: in fünf Maskenträger und in jene Schauspielergruppe, vornehmlich die jungen Liebenden, die ohne Maske auftreten. Dadurch ist auch die Dramaturgie der Spielszenen vorgegeben: Die drei Alten, die Vecchi (Pantalone, Pulcinella und der Dottore), verzögern die Handlung, fädeln Intrigen ein und versuchen, die Absichten der Innamorati zu durchkreuzen. Die dramaturgische Funktion der beiden verschlagenen, dumm-dreisten Diener, die Zanni (Arlecchino und Brighella), dagegen ist es, die Handlung gegen die Absichten der Alten voranzutreiben, vor allem auch im Sinne ihrer eigenen Interessen. Der Name Zanni ist vermutlich von Giovanni hergeleitet und bezeichnet plump auftretende, aus der Gegend um Bergamo stammende Bauernburschen, die in der Stadt ohne feste Arbeit herumlungerten. Zumeist wurden sie als Diener angeheuert. Sie stellten für die Zeitgenossen einen eindeutigen Bezug zum Regionalen her. Auch die anderen Figuren der Commedia sind sprachlich durch ihre Herkunft geprägt. So hört das Publikum den Dialekt der italienische Regionen vom Norden bis zum Süden: Aus »Venedig den Dialekt Pantalones, aus den Tälern bei Bergamo den Dialekt der Zanni, von den Gassen Neapels den Dialekt Pulcinellas, von den Pseudogelehrten Bolognas das Kauderwelsch des Dottore und von den vornehmen Bürgern der Toskana die gewählte Sprache« der Innamorati. (W. Hinck 1963,12) Die sprachliche Präsenz aller italienischen Landesteile hat sicherlich dazu beigetragen, dass die Commedia in Italien zum Inbegriff populären Volkstheaters werden konnte, – eine Vorstellung, die noch im 20. Jahrhundert ihre Geltung behielt. Giorgio Strehler verband 1947 mit der Gründung seines Piccolo Teatro di Milano, des ersten italienischen Stadttheaters, den Anspruch, dass dieses neue Theater ein »teatro nazionale-populare« werden müsse. Es war dies nicht nur eine programmatische Erklärung für sein Theater, sondern auch eine Reverenz an die Commedia dell’arte als dem Inbegriff der Italienità.

Die Masken der Commedia dell’arte

Die beiden Zanni waren mit ihrem virtuosen, tänzerisch-pantomimischen Bewegungsspiel, ihrem Spielwitz und ihrer exzentrischen Vitalität die eigentliche Attraktion der Commedia. In der Regel übernahm der Erste Schauspieler eines Ensembles eine dieser Paraderollen. Das italienische Volkstheater, wie es im Umkreis von Neapel etabliert war, und das antike römische Possentheater, die Atellane, sind vermutlich die beiden hauptsächlichen Herkunftsbereiche der Commedia, wenngleich hinsichtlich dieser Problematik in der Forschung noch Fragen offen sind. Im italienischen Theaterleben des 16. Jahrhunderts setzte sich die Commedia dell’arte von der Commedia erudita, dem Gelehrtentheater, ab. Dieses war Laientheater, das vornehmlich an Schulen und Akademien aufgeführt wurde. Es war ein Theater ohne Masken. Die Akteure der Commedia dell’arte waren Berufsschauspieler, Männer und Frauen. Sie waren eine wandernde Schauspieler-Truppe ohne festen Standort. Das Publikum in den Städten amüsierte sich über die krausen Dialekte und das bizarre Aussehen der Akteure, das im Gegensatz zur Bewegungsdynamik ihres Spiels und der übertriebenen Grandezza ihres Auftretens stand. Anfangs traten die Komödianten auf Marktplätzen und auf der Straße auf, bald aber auch an den Höfen. Auf den Straßen und Plätzen wurde auf einem einfachen, erhöhten Holzgerüst mit einem Vorhang als hinterem Abschluss gespielt. Die Zuschauer standen vor diesem Spielpodest. Die fünf Maskenträger hatten ihre spezifischen lazzi drauf: clowneske, slapstickartige Spezialitäten, komödiantische, artistische Kunststücke, nicht selten auch obszöne Sprüche und Gesten, die das Publikum von den Stars der Ensembles erwartete. Es ging um Unterhaltung, um nichts mehr. Die Commedia war moralisch neutral. Freilich bildete sich durch die Figuren auch die soziale Hierarchie in der Gesellschaft ab. Es war die Sicht der Städter und der Aristokratie auf die Unterschicht, was aber erst sehr viel später – unter Goldoni im 18. Jahrhundert – zum Thema wurde. In den meisten Plots der Commedia gab es nur ein Ziel: Es ging gegen die alten, reichen Lüstlinge und deren Machenschaften. Stets nahm die Commedia Partei für die Jungen gegen die Alten, ein traditio-

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nelles Komödienschema schon in römischer Zeit. Immer auch wurden Großspurigkeit und offenkundige Lügengeschichten verlacht, insbesondere die Großspurigkeit des Capitano und die Geschwätzigkeit des Dottore. Die Commedia dell’arte wurde auch als Commedia all’improviso bezeichnet, als Stegreiftheater. Dennoch existierten geschriebene Szenarien, die Canevas, die im groben Umriss den Ablauf der Handlung, erprobte Dialoge, Monologe und einzelne Sprüche festlegten. Man wird sich vorstellen müssen, dass diese Texte hinter der Bühne auslagen und die Spieler vor ihrem Auftritt einen Blick darauf warfen, um sich Dialoge und die Reihenfolge der Spielzüge zu merken. Zu den Masken im einzelnen: Arlecchino und Brighella, die beiden Zanni, sind zwei Typen, wie sie gegensätzlicher nicht sein konnten. Der Name Arlecchino (oder Harlekin) lässt die Herkunft dieser Maske aus einer Teufelsfiguration erkennen. Diese Facette trifft freilich nur für das ursprüngliche Profil der Figur zu. »Herlequin« oder »Hellequin« war die Bezeichnung für einen Dämonen mit geschwärztem Gesicht: »Anführer der wilden Jagd« und Teufelsgefährte. In Dantes Göttlicher Komödie ist in dem Kapitel Inferno die Rede davon, dass »ein Höllenteufel namens Alichino die Seelen der Verdammten mit einer spitzen Heugabel malträtiert. Ein Relikt der teuf lischen Herkunft Arlecchinos ist eine kleine Beule auf dessen ursprünglich zottigen, später glatten Maske als Anspielung auf die einstigen Teufelshörner erhalten geblieben.« (Commedia dell’Arte. Ausstellungskatalog, Hamburg 1983, 18) Auch später noch ist die Maske des Arlecchino schwarz. Diese Farbe, ganz offensichtlich eine Anspielung auf die »teuf liche« Herkunft der Figur, verleiht dieser ein Moment des Unberechenbaren, des Hintergründigen, ursprünglich auch des Bösartigen, – ein Zug, den die Figur letztlich aber abgelegt hatte. Dieser Aspekt liegt zwar im Dunkeln der Vorgeschichte der Commedia, hat aber dennoch Spuren hinterlassen. Zu der Maske des Arlecchino gehört als Kostüm ein langes, zerlumptes Hemd, das aus zahlreichen bunten Stofff lecken zusammengenäht ist; dazu eine mützenartige Kopf bedeckung, an der ein Hasenschwanz befestigt ist. Dieses Attribut sollte auf die »Hasenfüßigkeit« der Figur hinweisen. Im Spiel der Commedia ist Arlecchino nie der Täter, zumeist ist er das Opfer. Von Beginn an ist er von den

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beiden Zanni der zurückhaltendere, auch der schüchterne, der jüngere. Später änderte sich sein Profil nochmals. In der französischen Welt der Commedia ist er »[g]anz in Weiß gekleidet, [und] repräsentiert […] den simplen, tapsigen, zwar mit einer guten Portion Mutterwitz und Bauernschläue begabten, aber keiner feineren Intrige gewachsenen dummen Jungen vom Lande.« (W. Hinck 1963, 51) Schließlich wird aus ihm ein »melancholischer Lebensphilosoph« (R. Jansen). So nämlich zeigt ihn Watteau – von allen allein gelassen – in seinem Gemälde Gilles. Vom Typus her gänzlich anders geartet tritt Brighella auf, der zweite Zanni. Wenn beide Diener ursprünglich von ihrem Charakter her gerissen und auf den eigenen Vorteil bedacht sind, dann ist Brighella stets der tatkräftigere, der aktive. Während Arlecchino ein Holzschwert bei sich trägt, hat Brighella einen echten Dolch, den er auch einzusetzen weiß. Während Arlecchino im Aussehen stets eine gewisse Jugendlichkeit ausstrahlt, ist Brighella der deutlich ältere. Mit seinem dunklen, zerrupften Bart erscheint er auch der Gefährlichere der beiden zu sein. Eine gewisse Hinterhältigkeit zeigt sich in seiner stets lauernden Haltung. Brighella denkt sich die Intrigen aus; von ihm stammen auch die unverblümtesten Obszönitäten. Sein ursprüngliches Kostüm ist ein weißer Mantel und eine lange weiße Hose. Seine Maske kennzeichnet – als Folge der vielen Prügeleien – eine gebrochene hakenförmige Nase. Pulcinella, einer der drei Alten, ist zwar ebenfalls ein verschlagener Typ, von vornherein aber eine komische Figur. Zu seinem Kostüm gehört ein hoher, nach obenhin zulaufender Hut. Er hat einen Buckel, einen vorstehenden Bauch und eine lange krumme Nase, die seine Maske besonders auffällig macht. Er verkörpert den dummen neapolitanischen Bauern, der – immer verfressen – in jeder Situation tölpelhaft auftritt, stets aber mit großem moralischen Anspruch. Diesem wird er selbst aber keineswegs gerecht. Pulcinella ist zwar verheiratet, trotzdem stellt er jeder Frau nach, allerdings mehr auf deren Geld spekulierend, weniger auf Grund seiner Triebhaftigkeit. Pulcinella steht für den italienischen Süden. Ein Vorläufer von ihm war offenbar der Maccus aus der römischen Atellane.

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Im Mittelpunkt vieler grotesker Szenen steht Pantalone, ein zur komischen Figur stilisierter venezianischer Kaufmann. Meist ist er kränklich, senil und geizig. Stets aber tritt er mit großer theatralischer Geste auf. Dabei setzt er seinen Spitzbart gekonnt ein. Pantalone ist streitsüchtig, letztlich aber feige. Allzu leicht ist er das Opfer junger Mädchen, denen er – der Witwer – nachstellt. Zu seinem Kostüm gehören Kniehosen, eine randlose rote Kappe, rote Strümpfe und rote Schuhe; dazu ein weiter Umhang. Zumeist trägt er einen Dolch an der Hüfte, den er allerdings nie gebraucht. Er trägt eine dunkelbraune Maske mit einem grauen Backenbart. Die Diskrepanz zwischen seiner Statur und seinem großspurigen Gerede ist vielfach das auslösende Moment von Komik und Groteske. Der Dottore verkörpert einen pseudo-gelehrten Advokaten oder einen Arzt, eine Anspielung auf diese Berufsstände an der Universität von Bologna. Dottore ist dumm und leichtgläubig. Als Arzt macht er eher den Eindruck eines Quacksalbers. Er tritt ganz in Schwarz gekleidet auf, der typischen Amtstracht zu dieser Zeit. Ein weißer Kragen und weiße Manschetten geben ihm den Anschein einer Respektsperson. Als Kopf bedeckung trägt er eine schwarze Kappe. Er hat eine kleinere Halbmaske als die anderen Figuren, damit seine vom vielen Weingenuss geröteten Wangen zu erkennen sind. Auch er trägt einen schwarzen Bart, den er an den Seiten hochzwirbelt. Seine Mitspieler nervt er durch sein besserwisserisches Gehabe und einen unablässigen Redeschwall, ein grotesk-komisches Kauderwelsch unverstandener pseudo-wissenschaftlicher Redewendungen. Bei allen Figuren der Commedia ist der Begriff »Maske« gewissermaßen »ganzheitlich« zu sehen: Die fünf Träger einer Halbmaske, die sie vor dem Gesicht tragen, das Kostüm der Figuren und deren Bewegungsduktus, ebenso die Figuren ohne Maske, die nicht minder typenhaft ausgestattet sind, dazu die jeweilige dramaturgischen Funktion jeder Figur innerhalb der Aufritte, – insgesamt ist es ein zeichenhafter Zusammenhang, der die Figuren charakterisiert. Mit der Niederlassung der Commedia dell’arte 1680 im Hôtel de Bourgogne in Paris änderte sich für dieses der Name in Comédie-Italienne. Unter dem Einf luss der französischen Kultur und

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dem Pariser Theaterbetrieb kam nun der Sprache eine sehr viel größere Bedeutung zu. Auch wurde das Rollenrepertoire erweitert und der neuen Situation angepasst. Das italienische Profil einiger Figuren wurde korrigiert. So etwa trat der Dottore nur noch als Advokat auf. Der Capitano verschwand ganz von der Bühne. Zu sehr war diese Figur mit den historischen Verhältnissen in Italien verbunden. Beibehalten wurde allerdings das aus dem exzentrischen Körperspiel entwickelte komödiantische Wesen der Commedia, dessen Spielwitz. Die Atmosphäre aber wurde französischer, eleganter, raffinierter; weniger naiv, als es die der Italienischen Comici ursprünglich war. Molières Komödientheater hat wesentliche Elemente der Commedia übernommen. Seit dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts wurde die Commedia dell’arte von der literarischen Komödie bzw. dem Lustspiel abgelöst. Die Entwicklung aller Genres des heiteren Theaters ging in diese Richtung. Auch war das Improvisieren auf der Bühne verpönt. Zudem hatte sich das Publikum an dem komischen Typentheater offenbar sattgesehen. Die Commedia war ihrem Ursprung nach zwar italienisches Volkstheater, nahm sich aber zu keiner Zeit der Belange der unteren Gesellschaftsschichten an, sondern brillierte durch das exzentrische Körperspiel seiner Masken. Im nachantiken europäischen Theater ist es die einzige Form eines institutionellen Maskentheaters und hat sich – mit einigen Veränderungen – nahezu zwei Jahrhunderte lang gehalten. Heute freilich finden Auftritte von Ensembles der Commedia dell’arte allenfalls in Italien im Sinne der Traditionspf lege und im Rahmen musealer Dokumentationen statt. Was von der Commedia dell’arte aber geblieben ist, ist die unsterbliche Figur des Harlekin und die Erinnerung an ein Theater, das nur die eine Botschaft hatte: Theater in seiner reinsten Form zu zeigen. Es war ein Fest der Schauspieler, der Masken, – ohne einen Regisseur.

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Maskentänze, Tanzpantomimen und institutionelles Maskentheater in Japan: Ritual und Unterhaltung Schminkmasken und gegenständliche Masken – aus Holz geschnitzt und bemalt oder aus anderen Materialien gearbeitet – existieren in Japan seit Jahrhunderten in großer Vielfalt. Überwiegend sind es Masken, die ursprünglich in ländlichen Regionen verwendet wurden und in den Brauchtums- und Glaubensvorstellungen (Kulten) der Menschen, die dort leben, ihre Funktion hatten. Auch sind diese frühen Maskenbräuche ein Formenreservoir für die japanische Maskenkultur insgesamt. Die in New York und München gezeigte Ausstellung Japanese Theater in the World, herausgegeben von The Japan Foundation, The Japan Society und dem Museum Villa Stuck (New York, Munich, Tokyo 1997) verweist gerade auf diese Kontinuität des japanischen Theaters. Heute hat das japanische Maskentheater einen Bekanntheitsgrad, der weit über Japan hinaus reicht. Einige Genres gehören zum nationalen kulturellen Erbe Japans und werden weltweit auf Tourneen gezeigt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermittelten sie wesentliche Impulse auch für die westeuropäische Tanz- und Theaterästhetik. (Vgl. M. Brauneck 2014, 263f.) Vor allem nehmen die Masken des Nô-Theaters auf Grund ihrer exquisiten kunsthandwerklichen Qualität einen eindrucksvollen künstlerischen und spirituellen Rang ein. (Abb. 10) Nicht zuletzt haben diese Masken, ähnlich wie die Schminkmasken des Kabuki, einen so hohen Bekanntheitsgrad, weil insbesondere diese beiden traditionellen Theatergenres noch heute Teil des japanischen Theaterlebens sind.

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Bei den frühen, ursprünglich vorwiegend wohl nur regional praktizierten Maskentänzen handelt es sich um Darbietungen, die in jenem Graubereich zwischen Kult und Theater anzusiedeln sind. Seit frühester Zeit waren in Japan Maskentänze und Maskenpantomimen Teil kultischer Zeremonien. Sie hatten die Funktion, den Gott herbeizulocken, letztlich zu unterhalten. Der Mythos der Uzūme ist dafür ein früher Beleg.

Kagura und Sarugaku Die ältesten japanischen Maskentänze spiegeln die Lebenserfahrungen der einfachen Menschen wider: Gottvertrauen und die Furcht vor Unheil, Gefahren und Missernte. Im Glauben der Menschen dieser Zeit stellten die Maskentänze und Tanzpantomimen eine Verbindung zu den Schutzgöttern her. Die Maskentänzer verbargen hinter der Maske ihre menschliche Existenz – so wollte es der Kult, der ihnen diesen exzeptionellen Status zubilligte – und sie galten als Vermittler zu jener Sphäre, in der vermeintlich die Schutzgötter wohnen. Mit ihren erotischen, komischen oder ernsthaften Darbietungen lockten die Tänzer den Gott herbei, damit sich dieser der Welt der Menschen zuwende. Entsprechend ihrer Prägung durch die unterschiedlichen Lebenswelten und Regionen bildeten die Kagura-Tänze, die als die frühesten japanischen Maskentänze gelten, eine Vielzahl von Stilrichtungen aus. Bei diesen frühen Maskentänzen, die im Rahmen kultischer Zeremonien an den Shintō-Schreinen aufgeführt wurden, schien Ritual und Unterhaltung eins zu sein. Bereits im Ursprungsmythos des japanischen Theaters ist dieser Zusammenhang angelegt. In einem Bericht alter Begebenheiten aus dem Jahre 712 wird erzählt, wie die Götter einer Tanzdarbietung zuschauen und dabei in schallendes Gelächter ausbrechen. Als nämlich Uzūme, eine Göttin der Shintō-Mythologie, vor jener Höhle, in die sich die beleidigte Sonnengöttin Amaterasū (Abb. 10) zurückgezogen hatte, einen rituellen Tanz aufführt.

Maskentänze, Tanzpantomimen und institutionelles Maskentheater

Abbildung 10: Maske der Sonnengöttin (Amateras). Foto: Tsubouchi Memorial Theatre Museum, Waseda University, Tokyo

Uzūme tanzte sich in Ekstase, stampfte wild auf den Boden und – so wird berichtet – entledigte sich dabei aller Kleider. Schließlich tanzte sie nackt. Für die Götter, die die Zuschauer dieses Tanzes waren, war dieses Spektakel ein überaus belustigender Anblick und löste das Gelächter aus. Amateras sollte durch den Tanz der Uzūme aus ihrer Höhle, in die sie sich – beleidigt von dem Mondgott, ihrem Bruder – zurückgezogen hatte, herausgelockt werden, damit die

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Sonne wieder scheinen möge. Neugierig geworden wegen des seltsamen Lärms, den das Gelächter der Götter ausgelöst hatte, kam Amaterasū tatsächlich aus ihrer Höhle heraus, und die Sonne ging wieder auf über der Welt. Damit war der Zweck von Uzūmes laszivem Auftritt erreicht. Seitdem gilt sie als die Ahnherrin von Tanz und Theater. Dieser Mythos berichtet im Grunde von einer Theatersituation: Die Götter sind die Zuschauer, Uzūme tritt als Performerin auf. Bei deren ekstatischem Tanz soll es sich um ein von Frauen praktiziertes schamanisches Ritual gehandelt haben, wie es in zahlreichen südasiatischen Ländern praktiziert wurde. Dieser Tanz gilt als Vorstufe für eines der ältesten Genres des japanischen Theaters, für das Kagura, das seit dem 8. Jahrhundert dokumentiert ist. Die Bedeutung des Wortes kagura übersetzen Günter Zobel und Gotô Hajime im Katalog der oben genannten Ausstellung mit »Entertainment for the Shinto deities« (G. Zobel u. Gotô Hajime 1997, 33). Die mythische Erzählung ist gleichsam eine Art Modell, das auf zwei Aspekte verweist, die das traditionelle japanische Theater bis heute beibehalten hat: Traditionelles Theater ist für die Zuschauer vor allem Unterhaltung. Es will weder belehren, noch emotional aufwiegeln. Die in den westlichen Kulturen mit dem Theater in Verbindung gebrachten Wirkungskategorien sind in diesem Zusammenhang nicht anwendbar. Diesen frühen Formen der japanischen Kulte, vornehmlich den Tänzen und der Musik, haftet zumeist ein gewisser Eklektizismus an. Die einzelnen Genres wurden aus chinesischen oder koreanischen Traditionen übernommen; später allerdings dem japanischen Religionsverständnis angepasst. Sie wurden »japonisiert«. Kagura-Aufführungen fanden ursprünglich vor Shintō-Schreinen statt. Dies waren tempelartige Heiligtümer, die als Sitz der Götter galten. Ob bereits in frühester Zeit bei diesen Pantomimen und Tänzen Masken getragen wurden, ist nicht mit Sicherheit belegt. Sicher belegt ist die Verwendung von Masken bei den Kagura-Tänzen seit Mitte des 16. Jahrhunderts. In der Regel waren bei diesen Darbietungen Tänzer, Musikanten, die Darsteller der Pantomimen und ein Erzähler beteiligt. Die Darsteller der Pantomimen waren die eigentlichen Akteure des

Maskentänze, Tanzpantomimen und institutionelles Maskentheater

Masken-Dramas, die eine Episode aus den lokalen Mythen, die der Erzähler vortrug, pantomimisch begleiteten; ähnlich dem römischen Pantomimus. Die Darbietungen fanden auf einem erhöhten Holzpodest statt, auf dem – unter einer Überdachung – auch die Musiker saßen. Die Tänze – anfangs sollen die Ausführenden Dienerinnen an den Shintō-Schreinen gewesen sein – und die Aufführung der Masken-Pantomimen fanden im Zusammenhang eines nach festen Regeln verlaufenden Rituals statt. Bei ihren ekstatischen Tänzen gerieten die Tänzer mitunter in einen Zustand der Trance, fühlten sich eins mit dem Gott, was auch für die Anwesenden der spirituelle Sinn der Zeremonie war. Den Kagura-Tänzen war von Beginn an ein stark körperbezogenes, mitunter erotisches Moment eigen, – wohl eine Reminiszenz an den Tanz der Uzūme. Ursprünglich waren die Kagura-Tänze in lokalen, ländlichen Traditionen verwurzelt, dennoch wurden diese Pantomimen bald auch am kaiserlichen Hofe gepf legt. Stoffe aus lokalen Mythen aber auch Texte der von der Aristokratie und dem Kaiserhof bevorzugten epischen Dichtungen waren das »erzählerische Material« (G. Zobel u. Gotô Hajime 1997, 33) dieser frühen Kagura-Pantomimen. Kagura hatte verschiedene Stilrichtungen ausgebildet; es waren Spezialitäten einzelner Regionen: Ise kagura, Izumo kagura, shishi kagura. Der letzte dieser Tänze erhielt ein besonderes Profil durch Löwenmasken und Löwenkostüme, die die Tänzer trugen. Man stellte sich vor, dass der Gott, der herbeigerufen werden sollte, in den Löwenmasken präsent sei. Miko kagura, das ebenfalls zu den lokalen Stilrichtungen der Kagura-Tänze gehört, gilt heute als die älteste und authentischste Form der Kagura-Tänze. Im Rahmen des kaiserlichen Hofzeremoniells wurden Kagura-Pantomimen auch als Auftakt und Abschluss religiöser Feste, auch während eines Banketts am Hofe als unterhaltsame Darbietungen aufgeführt. In neuerer Zeit touren Kagura-Ensembles, durchweg professionelle Darsteller, rund um die Welt. Bereits im 17. Jahrhundert setzte die Säkularisation dieser Tänze ein. Darsteller der Pantomimen treten mit Masken aus Holz auf, andere Tänzer mit grellen Schminkmasken. Eine Variante des ländlichen Kagura (hayachine

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kagura) wurde 2009 von der UNESCO in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Aber auch bei diesen späteren Aufführungen, die ihren ursprünglich kultisch-religiösen Charakter längst verloren hatten, sind Elemente früherer Zeremonien formbestimmend geblieben. Zu den frühesten Maskentänzen zählt auch das Sarugaku, ebenfalls ein aus China importierter Tanz, der an einheimische Spieltraditionen anschließen konnte und zahlreiche lokale Varianten ausbildete. Sarugaku, das noch heute gepf legt wird, diente von Beginn an der Unterhaltung und wurde an den Shintō-Schreinen, später auch an buddhistischen Tempeln aufgeführt. Viele spätere Tanz- und Theaterformen sind davon beeinf lusst, insbesondere jene, bei denen die erzählerischen Elemente stärker im Zentrum stehen. In langer Tradition entstand bei den Sarugaku-Pantomimen ein gemischtes Programm: Akrobatik, Tänze von rasendem Tempo, dazu Trommelmusik, mimische Parodien und lustige Geschichten, die ein Erzähler zum Besten gab, Sketche, Puppentheater, aber auch erotische Pantomimen. Kurzum: Es war volkstümliches Schauvergnügen par excellence. Zobel und Gotô Hajime weisen darauf hin (1997, 36), dass eine gewisse »Chinese atmosphere« bei allen Sarugaku-Aufführungen erhalten blieb, vor allem bei Aufführungen im Zusammenhang buddhistischer Zeremonien. Vom 12. bis zum 14. Jahrhundert beherrschte dieses Theatergenre den Vergnügungsbetrieb in Japan. Bei den Erzählstücken des Sarugaku hatten sich zwei, in ihrer Zielsetzung aber ähnliche Versionen herausgebildet: jene, deren Protagonist ein Geist war, der in der Maske eines freundlichen, lachenden alten Mannes auftrat und von einem langen, glücklichen Leben erzählte. In der zweiten Version vertrieb ein grimmiger Dämon alles Unheil. Dass sowohl ein Gott als auch ein Dämon als Maskenfiguren auftraten, war eine Neuerung gegenüber den bisherigen Gepf logenheiten im Sarugaku. (Vgl. G. Zobel u. Gotô Hajime 1997, 36) An sich war Sarugaku eine Maskentanz-Pantomime, deren Grundcharakter humoristisch, komödiantisch war. Dennoch hatte sich neben der vorherrschenden heiteren Variante, bei der zumeist

Maskentänze, Tanzpantomimen und institutionelles Maskentheater

nur Schminkmasken verwendet wurden, eine ernste Variante ausgebildet, bei der gegenständliche Masken getragen wurden. Elemente dieser ernsten Variante gingen in die Entwicklung des NôTheaters ein. Elemente der heiteren Variante hatten Einf luss auf das Kyôgen, jenes Genre, das als Zwischenspiel bei keiner Nô-Aufführung fehlte.

Gigaku und Bugaku — Neuerungen im Hoftheater Gigaku ist ebenfalls eines der frühen Genres des japanischen Maskentanzes und wurde anfangs nur zur Unterhaltung an Palästen aufgeführt, die Neuerungen gegenüber aufgeschlossen waren. Wie andere frühe Tanz- und Theatergenres war auch Gigaku ein Import aus China. Dort ist dieser Tanz vermutlich in der Asuka-Zeit (552 – 645) entstanden. In Japan war er eine Novität. Es waren komische, aber auch ernste Darbietungen in einem Stil, wie man ihn bis dahin in Japan noch nie gesehen hatte. Der Tanz löste eine Art Modernisierung des Theaterbetriebs der japanischen Hof kultur aus. Auch stand Gigaku von Beginn an im Zusammenhang einer weitergehenden Adaption chinesischer Kultur in vielen Bereichen, vor allem auch in der Sphäre des Religiösen. (Vgl. B. Ortolani 1997, 39) Seinen Höhepunkt in der Verbreitung erreichte dieses Tanzgenre zwischen dem 7. und Anfang des 10. Jahrhunderts. (Vgl. P. Kleinschmidt, 1966,18) Ein literarischer Text von 1223 lässt eine authentische Gigaku-Aufführung rekonstruieren, die – soweit es diese Quelle darstellt – stets im Freien, in unmittelbarer Nähe eines Palastes, eines Schreins oder eines buddhistischen Tempels stattfand. (Vgl. B. Ortolani 1997, 40) Die Aufführung begann mit einer feierlichen Prozession, mit einem Anführer an der Spitze des Zugs. Dieser trug eine rot lackierte Stülpmaske mit betont langer Nase und beweglichem Unterkiefer, der am oberen Teil der Maske festgebunden war. Begleitet wurde dieser Anführer von zwei Assistenten, die ebenfalls Masken trugen. Der Anführer hatte die Aufgabe, mit Hilfe eines exorzistischen Rituals sicherzustellen, dass der Weg, den die Prozession einschlug, rein, d.h. von bösen Geistern frei sei. Zur

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Prozession gehörte auch der Darsteller eines Löwen, der mit einer Löwenmaske und einem entsprechenden Kostüm ausgestattet war. Musiker, vor allem Flötenspieler, begleiteten den Zug. Nach diesem Auftritt, einer Art Einzug des gesamten Ensembles, wurde eine Folge unterschiedlicher Spielszenen dargeboten: Tänze, musikalische Darbietungen, Parodien, kurze dramatische Stücke und Phallos-Pantomimen, – ähnlich jenen, wie sie im Brauchtum im antiken Griechenland vorkamen. (Vgl. B. Ortolani 1997, 39f.) Von keiner anderen frühen Tanzpantomime sind so viele, als authentisch geltende gegenständliche Masken erhalten wie von dieser, auch wenn es sich bei den meisten dieser Masken um Nachbildungen des 17. Jahrhunderts handelt. Ein Zusammenhang mit dem antiken griechischen Theater und der griechischen Mythologie wird vermutet. Die von China ausgehende Seidenstraße könnte dafür der Verbindungsweg gewesen sein. Von den Gigaku-Masken gab es 14 Maskentypen, darunter (seltener) Masken, die Tierköpfen ähnlich waren, etwa einem Vogel oder einem Löwen. Andere Masken glichen buddhistischen Wächtern von grimmigem Aussehen. Wieder andere stellten junge Frauen dar – nach griechischen Vorbildern (?) –, Kinder, alte Männer und Adelige. Ein Maskentypus zeigt einen betrunkenen westlichen König mit einer langen Nase, die einen Phallos symbolisieren soll. Einige Masken hatten spitze Ohren, knollige Nasen, Bärte und Augenbrauen aus angeklebten Tierhaaren. Die Masken waren aus leichtem Holz geschnitzt oder aus Trockenlack geformt, expressiv im Ausdruck und von kräftiger Farbigkeit. Die Masken verdeckten nahezu den ganzen Kopf. Die Kostüme waren bunt und aufwendig dekoriert. Auch dies war eine Neuerung im damaligen japanischen Theater. Insgesamt war eine Art Phallos-Kult typisch für dieses Tanzgenre. Die Masken des Gigaku waren von beträchtlichem Einf luss auf die Masken des späteren japanischen Theaters. Bugaku war – wie Gigaku auch – ein vom Festland übernommener Tanz und wurde in seinen Anfängen in Japan ebenfalls nur an Höfen und Palästen aufgeführt, die Neuerungen gegenüber aufgeschlossen waren. Zu keiner Zeit war Bugaku ein Tanz, der im einfachen Volk populär wurde. Auch bei den höfischen Aufführungen der Bugaku-Tänze war das Volk ausgeschlossen. Bugaku war ein

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formstrenger, feierlicher Tanz, der von Beginn an der Unterhaltung diente, später aber auch im Zusammenhang der Zeremonien an buddhistischen Tempeln aufgeführt wurde. Ähnlich dem Gigaku bestanden die Bugaku-Aufführungen aus einer Vielzahl unterschiedlicher nummernartiger, kurzer Szenen. Hauptsächlich aber waren es »erzählerische« Pantomimen. Die Masken des Bugaku waren – nach Ortolani (1997, 41) – kleiner als die Masken der Gigaku-Pantomimen. Sie verdeckten nur den oberen Teil des Gesichts waren jedoch keine Halbmasken. Frühe Bugaku-Masken waren etwas größer, mit angebundener beweglicher Kinnpartie. Auch waren sie anfangs verhältnismäßig realistisch. Sie bildeten Figuren aus der chinesischen und indischen Mythologie ab, aber auch Köpfe von Tieren. Einige Masken hatten übertrieben lange Nasen, ähnlich den Masken des Gigaku. Diese sollten jedoch keine Phallos-Nachbildungen sein. Die langen Nasen galten vielmehr als Parodie auf Nasen von Menschen »aus dem Westen«, die als »Langnasen« bezeichnet wurden. Der Bugaku-Tanz wurde nur wenig später als das Gigaku in Japan eingeführt und wird bereits im 7. Jahrhundert erwähnt. (Vgl. B. Ortolani 1995, 7f.) Mit dem Ende der Heian-Zeit verloren die Bugaku-Tänzer ihre aristokratischen Mäzene, auf die sie als Berufstänzer angewiesen waren. Erst in der Zeit der Meiji-Restauration (um 1870) wurde dieser Tanz wieder offiziell in das kaiserliche Hofzeremoniell aufgenommen. Seit Ende der 1950er Jahre gingen Bugaku-Ensembles auf Tourneen in die USA und nach Europa.

Nô-Theater: eine spirituelle Sicht auf die Welt Nô-Theater gilt als der Inbegriff des institutionalisierten japanischen Maskentheaters. Es ist gehobenes, elitäres Unterhaltungstheater und war dies von Beginn an. Zugleich aber vermittelte dieses Theater – zumindest in seiner im 14. Jahrhundert angenommenen Form – stets auch ein spirituelles Erlebnis. Es ist eine Herausforderung für Spieler und Zuschauer, die den Intellekt ebenso fordert wie alle Sinne. (Vgl. G. Zobel u. Gotô Haijme 1997, 46) Auch wird Nô als eines der herausragenden Zeugnisse traditioneller japanischer

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Nationalkultur gepf legt und staatlich gefördert. Seine Masken faszinieren auch im Westen durch ihre Ausdruckskraft und ihre zwar einfache, aber perfekte kunsthandwerkliche Ausführung. Nô bedeutet dem Sinn nach »künstlerisches Können« von Artisten und von Tänzern. Ähnlich der Teezeremonie, dem Blumenstecken und der im 14. Jahrhundert von China übernommenen Tuschmalerei ist Nô Ausdruck einer Lebenskultur, die in den Glaubensvorstellungen und den Ritualen des Zen-Buddhismus ihre höchste Steigerung erfährt. Eine Nô-Aufführung, bei der nur wenige Schauspieler ständig auf der Bühne sind, dauerte ursprünglich einen ganzen Tag. Hauptfigur ist der shite. Von ihm hängt das Gelingen der Aufführung ab; er beherrscht den Fortgang des Geschehens. Seine Maske, die er lange vor einer Aufführung ausgewählt hat, gibt auch die Spielweise vor. Sein ständiger Begleiter und Helfer ist der waki. Masken tragen auch jene zwei oder drei Schauspieler, die ebenfalls zum unmittelbaren Umfeld des shite gehören. Auf der Bühne des Nô agieren nur Männer. Eine Frauenrolle zu spielen, gilt als hohe Kunst. Dabei hat der männliche Schauspieler – in der Maske einer Frau – Weiblichkeit in seinem Ausdrucks- und den Bewegungsgestus perfekt zu imaginieren. Seit Beginn des 20. Jahrhundert treten im Nô gelegentlich auch Frauen auf. Andere Schauspieler (die tsure), die durchweg schwarze Kleidung tragen und im Hintergrund der Spielf läche stehen, dazu die Instrumentalisten, die Sänger und der Chor tragen keine Masken. Sie gehören aber essentiell zum Ensemble einer Nô-Aufführung. Diese ist gleichermaßen ein Schau- und ein rhythmisch akzentuiertes Klang-Erlebnis. Vor allem Kanami, einer der Begründer des Nô im 14. Jahrhundert, hatte wesentlich zur musikalisch-rhythmischen Ausgestaltung der Aufführungen beigetragen. Ursprüngliches Wirkungsziel einer Nô-Aufführung ist die Mobilisierung einer inneren Kraft, die Schauspieler und Zuschauer in einem spirituellen Erlebnis vereint. Für den aus westlicher Sicht nur schwer beschreibbaren Wirkungszusammenhang des Nô spielt die buddhistische Vorstellung der Erleuchtung eine zentrale Rolle. Inwieweit diese Vorstellung heute – nachdem das Nô-Theater in

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den staatlich geförderten Kulturtourismus integriert ist – noch ein wesentliche Rolle spielt, sei allerdings dahingestellt. Neben den Masken sind die extravaganten, voluminösen, kostbar gearbeiteten bunten Kostüme – seit dem 17. Jahrhundert entsprechen sie der Mode am Kaiserhof –, die Perücken und die mit Bändern und Schmuck behangenen Kronen der Schauspieler typisch für das Nô-Theater. Requisiten sind vor allem Fächer, Schwerter und Stäbe. Die Schauspieler setzen diese zur Unterstützung ihres Spiels virtuos ein. Eine besondere Funktion hat das Spiel mit dem Fächer, mit dem der Schauspieler eine Skala von Gefühlen auszudrücken vermag. Die Instrumentalisten, die zusammen mit den Sängern, in der Regel sind es acht Personen, am Rande der Bühne auf ihren Fersen sitzen, benutzen Bambus-Flöten und verschiedene Arten von Trommeln. Einige dieser Trommeln werden mit den Händen geschlagen, andere mit Stöcken. Auch die Musiker und die Sänger werden, ähnlich den Schauspielern, über Jahre hin an einer traditionellen Nô-Theater-Schule ausgebildet. In der Geschichte des japanischen Theaters nimmt Nô in zweierlei Hinsicht eine Sonderstellung ein: Nô-Theater steht in der Tradition der volkstümlichen Maskentänze und Tanzpantomimen, insbesondere des Sarugaku. Dieses hatte eine besondere Vorläufer-Variante zum Nô ausgebildet, das Sarugaku no nô. Dieser Tanz hatte den Realismus des volkstümlichen Sarugaku aufgegeben, ebenso dessen Nähe zu den Zeremonien an den Schreinen. Diese Vorgeschichte reicht bis in die Tang-Zeit, die Reichsgründung, zurück. Zum andern aber: Während das erste Auftreten der frühen japanischen Maskentänze auf Grund der Quellenlage nur vage zu bestimmen ist, stehen am Beginn der Geschichte des Nô zwei Schauspielerpersönlichkeiten bzw. Dramatiker, die als Begründer dieses Genres in seiner eigentlichen – bis heute weitgehend unveränderten – Form gelten können. Zumindest haben diese beiden Dichter, Theoretiker und Theaterkünstler dem Nô die heute noch gültige Form gegeben: Kanami Kiyotsugu (1333-1384) und dessen Sohn Zeami Motokiyo (1363-1443). Sie kombinierten dramatische Elemente der traditionellen Volkstheaterformen mit einem überaus anspruchsvollen spirituellen Konzept und einer straffen dramatur-

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gischen Struktur. Auch schufen sie nicht nur einige Masken, sondern schrieben auch eine beträchtliche Anzahl von Nô-Dramen, die weitgehend auf der traditionellen chinesischen und japanischen Dichtung beruhten. Zudem formulierte Zeami mit Hilfe eines berühmten Zen-Meisters eine Art Regelwerk für das Nô-Theater, das bis heute verbindlich geblieben ist. Eine Art Vorläufer des Nô entstand in der Zeit eines epochalen Umbruchs in der politischen Geschichte Japans. Der Taira-Clan war in der Schlacht von Dan-no-ura 1185 geschlagen und endgültig vertrieben worden. Der Heian-Zeit war damit ein Ende gesetzt. Gesiegt hatte zwar der Clan der Minamoto, die eigentliche Macht in dem durch eine Reihe von Aufständen völlig zerrütteten Land aber übernahmen jedoch die Shōgune, die kaiserlichen Feldherrn. Seitdem spielte der Kaiser nur noch eine repräsentative Rolle. Japan war praktisch eine Art Militärdiktatur geworden. In der Folge dieser veränderten Machtverhältnisse änderte sich alsbald auch das geistige Klima im Lande. Zu Recht schreibt Thomas Leims, dass seitdem über einen Zeitraum von etwa 200 Jahren »das Ideal des Kriegers die japanische Kultur« bestimmte (Th. Leims 1985, 173). Auch setzte sich im Laufe dieser Zeit der Zen-Buddhismus als vorherrschende religiöse Richtung durch. Es war eine Lebensphilosophie, die ihr Ideal in Askese, Disziplin und dem Verzicht auf individuelle Selbstverwirklichung sah, – eine Haltung, wie sie der »Schwertadel«, die elitäre Kriegerkaste der Samurai, vorbildhaft verkörperte. Zugleich stand diese Haltung in größtmöglichem Kontrast zur Prachtentfaltung, die der Hofadel in der Heian-Zeit betrieben hatte. 1199 übernahm erstmals auch ein Samurai das Shōgunat. »[Die] neuen Herrscher [förderten] ein Theater […] von höchster Spiritualität und Abstraktion, Schlichtheit und strenger ästhetischer Formbindung; eine Kunstform, die das sinnlich-spirituelle Empfindungsvermögen und den Intellekt sowohl der Akteure als auch der Zuschauer herausforderte.« (M. Brauneck 2014, 237) In diesem geistigen Klima entwickelte sich letztlich das Nô-Theater in seiner eigentlichen Form. Der Shgun Ashikaga Yoshimitsu übernahm nicht nur die Schirmherrschaft über dieses neue Theatergenre, sondern förderte auch den jungen Zeami Motokiyo und motivierte ihn zur Ausarbeitung eine Art Theorie des Nô.

Maskentänze, Tanzpantomimen und institutionelles Maskentheater

Nô ist Maskentheater, das auf einer extrem differenzierten Standardisierung aller Darstellungsmittel beruht; nicht nur der Masken, sondern auch des gesamten Ausdrucks- und Bewegungsrepertoires der Darsteller bis hin zur Fußstellung und der Gewichtsverlagerung beim Schreiten. Auf einer Liste sind die Bewegungsmuster und Gesten für jedes Stück festgehalten, ähnlich einer Partitur. Diese werden in den Schauspieler-Dynastien von Generation zu Generation weitergegeben. Diese strenge Form des Nô bildete sich allerdings erst im Laufe der Edo-Zeit aus. In der Zeit davor war Nô realistischer. Wie viele Maskentypen es gab, darüber gehen die Ansichten in der Forschung auseinander. (Vgl. R. Weihe 2004, 252f.) Verzeichnisse aus dem 18. Jahrhundert geben zwischen 131 und 162 Masken an. (Vgl. G. Zobel u.Gotô Hajime 1997, 51) Die einzelnen Stilrichtungen des Nô, ebenso die Nô-Schulen, in denen die Ausbildung der Nô-Schauspieler noch heute stattfindet, entwickelten eigene Traditionen mit eigenen Maskentypen. Auf manchen Masken ist auf der Innenseite die Signatur des Schnitzers angegeben und der Name der Maske, der den Typus bezeichnet, verzeichnet. Da einer Nô-Aufführung jeweils ein literarischer Text, ein Drama, das vielfach eine Episode aus einem frühen nationalen Epos erzählt, zugrunde liegt, entsprechen die Masken dem Personal des jeweiligen Stücks. Die in diesen Stücken erzählten Begebenheiten beruhten auf äußerst diffizilen emotionalen Zuständen der agierenden Figuren. Die Erfindung von Masken, die diese Gefühlslagen hinsichtlich ihres Erregungsgrads im menschlichen Gesicht ausdrücken, waren für die frühen Maskenschnitzer eine besondere Herausforderung. Es gibt ca. 20 Basis-Typen, die für unterschiedliche Rollen variiert werden können. Vor dem Auf kommen des Nô wurden bei den frühen volkstümlichen Maskentänzen und Tanzpantomimen fast ausschließlich Masken verwendet, die Götter und Dämonen darstellten, weniger Masken, die menschliche Empfindungen abbilden. Auch ließen sich die volkstümlichen Tanzpantomimen inhaltlich nicht annähernd auf jene subtilen Gefühlslagen ein, die die Figuren eines Nô-Dramas auszeichnen. Durch den Wechsel der Maske und einen veränderten Bewegungsduktus konnte eine Figur die Veränderung ihrer Emotio-

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nen dem Verlauf der Handlung eines Stücks anpassen. Ein solcher Wechsel konnte während eines Stücks mehrfach vorkommen. Dabei bildeten die Masken des Nô weniger spezifische Gefühle ab, sondern vor allem den Grad der emotionalen Erregung. Ob dies dann Freude oder Ärger ausdrücken soll, ist an der Maske allein nicht ablesbar, wohl aber am gesamten Ausdrucksverhalten des Darstellers. Ein viel zitiertes Beispiel für einen spektakulären Wechsel der Gefühlslagen – und auch der Maske – ist die Verwandlung einer Frau in dem Stück Aoi-no-ne, die im Verlauf des dramatischen Geschehens einen weit gespannten Bogen in ihrer emotionalen Verfassung durchlebt und diesen Wandel auch im mehrfachen Wechsel der Maske und ihres gesamten Ausdrucksverhaltens zeigt. Am Beginn des Stücks stellt sich das Bild einer hingebungsvoll liebenden Frau dar, die im Verlauf der Handlung in einen Zustand extremer Eifersucht verfällt, besessen gar von einem Dämon. Schließlich gerät sie in einen Zustand der Raserei. (Vgl. M. Brauneck 2014, 244) Wie alle Stücke des Nô endet aber auch dieses hochdramatische Stück versöhnlich im Sinne der »buddhistische(n) Erlösungsphilosophie« (Th. Leims 1985, 176). Die Masken des Nô werden gemeinhin in fünf Kategorien eingeteilt: Götter, zumeist dargestellt als alte Männer, lachend oder komisch; Dämonen mit grimmiger Miene im Erscheinungsbild alter Männer, oft mit Bart; Männer und Frauen unterschiedlichen Alters, Männer vielfach als Krieger oder hochgestellte Persönlichkeiten. Zudem gibt es Masken, die Geister darstellen. Andere sind porträtartig, etwa dem Buddha ähnlich. (Vgl. Japanese Theater in the World 1997, 115f.) Die Masken des Nô sind etwas kleiner als das Gesicht des jeweiligen Darstellers. Ein Teil der Wangen und des Kinns bleibt durch die Maske unverdeckt. Das Nô kennt keine Stülpmasken, wie sie etwa in den volkstümlichen Maskentänzen üblich sind. Nô-Masken werden vor das Gesicht gebunden. Bei besonders kleinen Masken führt dies quasi zu einer Art Verdoppelungen des Gesichts: in einen künstlichen Teil (oben) und einen natürlichen Teil (unten), jenen Teil des Gesichts nämlich, den die Maske unverdeckt lässt. Zumeist sind die Masken aus leichtem, mit Milch behandeltem Holz geschnitzt, porzellanartig geglättet und überaus sorgfältig be-

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malt. Fein gemalt sind der Haaransatz und die Augenbrauen, gelegentlich auch die Barthaare um Mund und Kinn. Als Pupillen haben die Augen kleine Löcher, um dem Darsteller eine optische Orientierung zu ermöglichen. Mund und Nase sind meist geschlossen. Bei manchen Masken sind jedoch Zahnreihen zu sehen, gelegentlich sind diese geschwärzt. Masken alter Männer haben einen dünnen spitzen Kinnbart. Dämonen sind von furchterregendem Aussehen, mit einer die Zähne f letschenden, breiten Mundpartie und einem bedrohlichen Ausdruck mit zusammengekniffenen Stirnfalten; gelegentlich haben diese Masken auch Hörner. Keine andere Form der japanischen Theatermasken bildet ein so breit gefächertes Ausdruckspektrum ab wie die Masken des Nô. Jede der Masken wird in einem für die jeweilige Maske hergestellten Kästchen verwahrt. Professionelle Maskenschnitzer gab es seit dem 15./16. Jahrhundert. Ein Vorgang von höchster spiritueller Konzentration ist das Anlegen der Maske. Dieser Vorgang findet in einem dafür vorgesehenen Raum statt, den die Zuschauer nicht einsehen können. Vor einem Spiegel legt der Schauspieler die Maske an. Der Akt der Wahl der Maske und das Öffnen des Kästchens vermitteln den Eindruck von großer Bedachtsamkeit. Der shite betrachtet sich – sein Spiegelbild in der Maske – solange, bis er sich eins weiß mit der Maskenfigur und zwar: wie sie der Zuschauer sieht. Der shite verinnerlicht dabei gleichsam die Außensicht auf die Figur, die er auf der Bühne zeigt. Es ist dies für ihn die Gewähr dafür, dass die Künstlichkeit des Bühnengeschehens gewahrt bleibt, und der Zuschauer auch das sieht, was der Schauspieler zeigen will. Als Darsteller fühlt er sich nicht in die Rollenfigur ein, sondern ref lektiert – zunächst vor dem Spiegel – das Bild, das er von seiner Rolle dem Zuschauer zeigen will. Er kontrolliert es in allen Nuancen, vor seinem Auftritt und in seinem Spiel auf der Bühne. Unstrittig besteht hier eine gewisse Nähe zu Dennis Diderots Schrift Paradox über den Schauspieler (vgl. M. Brauneck, 1996, 539f.), aber auch zu Bertolt Brechts Konzept des Zeigens der Rollenfigur im Sinne seines epischen Theaters. Auch im Nô geht es – Brecht würde sagen – um das Zeigen einer Figur, nicht um das Einfühlen in die Figur.

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So dient im Nô das Zusammenspiel aller Darstellungsmittel der Herstellung eines Bühnengeschehens von höchster Künstlichkeit und Ref lexibilität. Masken, Kostüm, Körperspiel und Sprache bilden eine Einheit. Die Künstlichkeit des Nô ist die Voraussetzung dafür, dass der Zuschauer an der Universalität des Bühnengeschehens, das elementare Gegebenheiten des menschlichen Lebens zum Thema hat, teilzunehmen vermag. Diese Teilhabe aber ist zugleich ein ästhetisches Vergnügen. Sinnliche und spirituelle Erfahrung sind eins. So verbleibt auch die Künstlichkeit des Nô nie im Äußerlichen befangen, ist aber frei von allen Zwecksetzungen. Nô will seinen Zuschauer nicht belehren oder erschüttern. Es ist ein Theater der höchsten Formstrenge, und die Masken sind dabei ein zentrales Hilfsmittel. Die Grundtendenz der von Zeami ausgearbeiteten ästhetischen Theorie zielt darauf hin, dass die sprachliche Ebene – das literarische Drama – zusammen mit der Bewegungs- und der Klangwelt des Nô eine Einheit bilden. Dabei soll das poetische Wort den Intellekt, das musikalisch-rhymische Element das Gefühl ansprechen. Es mag naheliegen, dafür den Begriff des Gesamtkunstwerks ins Spiel zu bringen. Letztlich aber ist dieser Begriff, der aus der westlichen Theaterästhetik stammt, in diesem Zusammenhang irreführend, da ihm die für die Nô-Ästhetik typische spirituelle Dimension fehlt. Im Zentrum der Theorie des Nô, die selbstverständlich auch für die Masken gilt, stehen Begriffe wie yûgen (vornehme Eleganz) monomane (Nachahmung, symbolische Überhöhung), hana (Perfektion), rojaku (wesenhafte Schönheit) und muskin (intuitive Schönheit). (Vgl. M. Brauneck 2014, 239) In einem Traktat mit dem Titel Blumenspiegel hat Zeami diese Prinzipien, die bis heute beibehalten werden, festgehalten. Eine Nô-Aufführung besteht in der Regel aus fünf Stücken, ursprünglich waren es bis zu zehn, die einen thematischen Bogen bilden. Inhaltlich reicht die Stückefolge vom Auftreten einer Gottheit oder einer mythologischen Gestalt im ersten Stück bis zur Vertreibung eines Dämons oder eines mythologischen Ungeheuers im letzten. Dazwischen stehen Stücke von unterschiedlichem Stimmungsgehalt. Obligatorisch ist zudem ein Kriegsstück,

Maskentänze, Tanzpantomimen und institutionelles Maskentheater

das den männlichen Krieger als einen in der Schlacht sterbenden Helden oder als glanzvollen Sieger zeigt. Das dritte und das vierte Stück können im Inhalt variieren. Eines kann zeigen, wie eine Frau dem Wahnsinn verfällt. Ein anderes kann ein fröhliches Tanzstück sein oder ein Stück mit einer höfischen Dame, ein Liebes- oder ein Rache-Drama. Die beiden mittleren Stücke – in dem einen spielt jeweils ein Mann, in dem anderen eine Frau die zentrale Rolle – behandeln stets elementare menschliche Schicksale. Die Stücke sind in der Regel einaktig oder zweiaktig, gelegentlich haben sie mythologische oder literarische Vorlagen. Die Geschehnisse spielen in einer Welt, in der Götter, Geister, Dämonen und Gespenster ihren Platz haben, in der Träume, Erinnertes und Gegenwärtiges ineinander verschachtelt sind. Es ist eine reine Kunstwelt. Wie das gesamte Aufführungsgefüge entspricht auch die Spielwelt des Nô-Dramas jener Künstlichkeit, die die Ästhetik einfordert. Aus westlicher Sicht haben die Dramen vom Inhalt her eher den Charakter von Märchen; ihrer Form nach sind sie einem Libretto ähnlich, da die musikalischen Elemente innerhalb der Aufführung eine wesentliche Rolle spielen und die gesprochenen Passagen in einem manierierten Singsang vorgetragen werden. Die Masken bewahren die Schauspieler vor jeder Form realistischer Schauspielerei. Was gezeigt wird, ist eine zum Symbolischen hin verdichtete Welt, die Leid und Tod ebenso kennt wie die Liebe und das Glück. Letztlich sind die Nô-Dramen aber überformt von der Spiritualität und dem Erlösungsversprechen des Buddhismus. Stets endet die Stückefolge versöhnlich. Nô kennt keine Tragik. Zwischen der Folge der Nô-Dramen wird jeweils ein heiteres Kyôgen-Stück aufgeführt. Dem Nô-Theater haftet ein Zug des Elitären an, was offenbar in der Anfangszeit des Nô nicht so war. Erst im Laufe des 17. Jahrhunderts kam es zu jener noch heute typischen strengen Stilisierung dieses Theatergenres, das letztlich von der Lebensauffassung der Samurai, den eigentlichen Zuschauern des Nô-Theaters, bestimmt war. Auch die Nô-Schauspieler genossen hohes Ansehen in der Gesellschaft und waren den Samurai gleichgestellt. Von Beginn an war das Verstehen des ästhetischen Zeichensystems des Nô eine

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intellektuelle Herausforderung, die letztlich nur die gebildeten Schichten adäquat zu leisten im Stande waren. Ursprünglich sollen Nô-Aufführungen im Freien stattgefunden haben. Bald aber wurde dieses Genre in überdachten Theaterhäusern aufgeführt. Da die Zuschauer anfangs verhältnismäßig nahe an dem Spielpodest saßen, waren für sie auch die Details der Ausstattung gut sichtbar, etwa die Feinheit der Malerei der Masken und die Pracht der Kostüme. Das berühmteste Element der Bühnenanlage des Nô ist der sogenannte Blumensteg (hanamichi), der von der Rückwand des Theaters in Höhe der Köpfe der Zuschauer vorbei auf die Spielf läche führt. Über diesen Steg erfolgen alle Auf- und Abgänge der Schauspieler. Abgeschlossen ist dieser Steg auf der hinteren, der Spielf läche entgegengesetzten Seite durch einen Vorhang. Dahinter führt dieser Steg in einen Raum, in dem sich die Schauspieler für die Aufführung einkleiden und die Masken aufsetzen bzw. wechseln können. Ein Bühnenbild kennt das Nô-Theater nicht. Lediglich eine Kiefer, die die Anwesenheit einer Schrein-Gottheit symbolisieren soll, zu deren Unterhaltung die Aufführung letztlich stattfindet, ist an die Wand der Rückseite der Bühne gemalt. Ansonsten ist die Spielf läche von Auf bauten frei. Nô ist nicht nur Maskentheater, es ist auch virtuoses Schauspielertheater. Die rituelle Strenge einer Nô-Aufführung hat seinen Grund nicht zuletzt darin, dass die auf der Rückseite der Spielf läche symbolisch anwesende Gottheit der ideale Zuschauer ist.

Kyôgen — die Zwischenspiele des Nô Nicht nur zwischen den einzelnen Nô-Dramen ist die Aufführung eines komisch-satirischen Zwischenspiels, eines Kyôgen-Stücks, die Regel. Zumeist folgt auch am Ende der Aufführung, nach den Nô-Dramen ein Kyôgen-Stück. Gespielt wird auf derselben Bühnenanlage wie die Stückefolge des Nô. Die Schauspieler des Kyôgen tragen keine gegenständlichen Masken, sondern grelle Schminkmasken. Die Mischung von Ernstem und Heiterem ist in der Folge einer Nô-Aufführung zwingend

Maskentänze, Tanzpantomimen und institutionelles Maskentheater

vorgeschrieben. Dabei geht es nicht um den Gegensatz von Tragischem und Komischem. Vielmehr beruht der Kontrast der beiden Genres auf den gänzlich unterschiedlichen Milieus, in denen sich das jeweilige Geschehen abspielt, zudem auf dem Gegensatz der quasi rituellen Feierlichkeit der Spielatmosphäre des Nô gegenüber dem handfesten Alltagsrealismus des Kyôgen. Der Kontrast beruht auch auf der Ausstattung der beiden Genres. Er ergibt sich daraus, dass es in einer Nô-Aufführung um das nach festen ästhetischen Vorgaben geregelte Zusammenspiel von Tanz, Musik und literarischem Drama geht, im Kyôgen dagegen spielt vor allem die Sprache, der deftige Dialog der Akteure, die entscheidende Rolle. Kyôgen kultiviert den Blickwinkel »von unten« auf das Treiben der »Oberen«. Auf den einfachsten Nenner gebracht, ist es der Kontrast von Künstlichkeit, Formstrenge und Abstraktion einerseits und derbem Realismus andererseits. Es ist eine Art plebejische Atmosphäre, die mit dem Kyôgen-Stück auf die Bühne kommt. Dieser Kontrast stellt eine Balance in der Beanspruchung der Emotionen der Zuschauer während des Theatererlebnisses her. Die Zuschauer sollen nach einer Nô-Aufführung heiter gestimmt und locker in den Alltag entlassen werden. Dahinter mag der Gedanke stehen, dass es der ursprüngliche Zweck aller Aufführungen war – seien es Tanz, Pantomime oder Theater – einen Gott herbeizulocken, ihn zu unterhalten, letztlich ihn in gute Laune zu versetzen, gnädig zu stimmen. Der Uzūme-Mythos ist offenbar eine Projektion, die während der gesamten Geschichte des traditionellen japanischen Theaters wirksam bleibt. Ein Vergleich mit der Aufführungspraxis des antiken griechischen Tragödien-Agons drängt sich auf. Auch dieser endete – nach der Aufführung von drei Tragödien in Folge – mit einem Satyrspiel. Auch die Athener Theaterregularien muteten den Zuschauern nicht zu, dass die Erschütterungen der Tragödien noch im Alltag nachwirkten. Die Parodie ist offenbar ein probates Mittel, um Spannungen abzubauen und über ernsthafte Geschehnisse letztlich in Lachen auszubrechen. Kyôgen ist Possentheater, zugleich ist es Japans ältestes Theater, das ausschließlich komödiantisch ist. Es wurde auch bei Tanz- oder Musikdarbietungen als Zwischenspiel aufgeführt, unabhängig von der Folge einer Nô-Aufführung. Weitaus seltener waren Auffüh-

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rungen, die ausschließlich aus einer Reihe von Kyôgen-Stücken bestanden. Anfangs war Kyôgen weitgehend Improvisationstheater mit nur wenigen textlichen Vorgaben, ähnlich der Commedia dell’arte. (Vgl. Hayashi Katzutoshi u. L. Kominz 1997, 54) Vorlagen der Kyôgen-Possen waren Erzählstoffe unterschiedlichster Art: Aktuelles, populäre Lieder, Satire, Parodien auf religiöse Praktiken und Figuren, selbst Kritik an den sozialen Verhältnissen und an den gesellschaftlichen Eliten. Anfang des 17. Jahrhunderts gab Okura Toraakira, Prinzipal einer Kyôgen-Truppe, eine Anzahl von Stücken heraus und legte Regeln fest, nach denen gespielt werden sollte, – quasi eine Art ästhetische Theorie des Kyôgen. Dazu gab Okura auch Anleitungen für Spieltechniken, die sich für dieses Genre besonders eignen. (Vgl. Hayashi Katzutoshi u. L. Kominz 1997, 54) Während sich die Nô-Dramen weitgehend im höfischen, zumindest in einem gehobenen bürgerlichen Milieu und in der Stadt abspielen, sind die Spielszenen der Kyôgen-Stücke zumeist auf dem Lande oder im plebejischen Milieu angesiedelt. Diesen Milieus entspricht auch die Ausstattung der Stücke: die grellen Schminkmasken und die bunten, originellen, aus billigen Stoffen zusammengef lickten Kostüme. Entsprechend derb, drastisch, vulgär und vor allem laut ist die Sprache der Akteure. Temporeich ist deren Spiel. Auch dies stand in krassem Gegensatz zu den kontrollierten Bewegungen des Nô. Masken aus festen Materialien tragen die Kyôgen-Spieler nur, wenn sie Götter, Dämonen, Geister oder Tiere darstellen. Diese Masken sind ähnlich den Masken, die das Nô verwendet: aus leichtem Holz geschnitzt, bemalt, aber von äußerst expressivem, oftmals groteskem Aussehen. Sie werden vor das Gesicht gebunden, verdecken dieses jedoch vollständig, sind also deutlich größer als die Masken des Nô. Der Ästhetik des Kyôgen würde – trotz aller Prügeleien, rüden Späßen und Absurditäten – die Tötung eines Menschen auf der Bühne fundamental widersprechen. Auch Satiren auf liebessüchtige Frauen finden sich kaum im Repertoire des Kyôgen, ebenso wenig Erotisches oder gar Obszönes. So steht dieses Genre – so ordnen es Hayashi Katzutoshi und Laurenz Kominz wohl zu Recht

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ein – in der Tradition eines »mittelalterlichen japanischen Humanismus« (1997, 55), – einer Tradition, die die Würde des Menschen hoch hält, die auch für den Bösewicht diese Würde nie in Frage stellt. Selbst wütende Götter und furchterregende Dämonen, wenn sie in einem Kyôgen-Stück auftauchen, sind Teil dieser Welt des Kyôgen, sind also nie wirklich einschüchternd. Auch hier lösen groteske Übertreibungen beim Zuschauer stets ein Lachen – nie ein Erschrecken – aus.

Kabuki Das heute weitaus populärste und auch über die Landesgrenzen hinaus bekannteste traditionelle japanische Theatergenre ist das Kabuki. In erster Linie ist es Schauspielertheater, dennoch ist es ein Theater, gespickt mit spektakulären visuellen Effekten. Den Kabuki-Aufführungen liegt – wie im Nô – stets ein literarischer Text zu Grunde. Anfangs waren es eher laszive Themen und Motive, weibliche Erotik, die das Nô und das Kyōgen strikt vermieden, später Episoden aus der japanischen Geschichte aber auch Themen aus dem bürgerlichen Alltag. Auch werden von Kabuki-Ensembles immer wieder Stücke aufgeführt, die ursprünglich für das Kyôgen geschrieben waren, abenteuerliche Geschichten von Räubern und Dirnen. Eine Spezialität des Kabuki waren Auftritte von Gespenstern und Geschichten, in denen spektakuläre Kampfszenen vorkommen. (Vgl. M. Brauneck 2014, 255f.) Kabuki ist Maskentheater, jedoch in dem Sinne, dass die Schauspieler extrem stark geschminkt sind. Für die Schminkmasken des Kabuki existieren Musterblätter, exakte Anleitungen für die Bemalung der Gesichter der Schauspieler. Auf einer weißen Schminkschicht, die das Gesicht ähnlich der Grundierung eines Bildträgers vollständig bedeckt, werden mit einem Pinsel kräftige, farbige Konturen aufgetragen, die das Gesicht quasi in eine Maske verwandeln. Die Bemalung, die keineswegs willkürlich ist, legt eine Art Ornament auf das Gesicht des Schauspielers. Dabei spielt die Symbolik der Farben eine wesentliche Rolle. Blau kennzeichnet die Bösen, Rot ist die Farbe der Guten.

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Die Kostüme der Kabuki-Spieler sind äußerst prachtvoll, geradezu luxuriös und weit geschnitten. Die Aufführungen sind straff choreographiert und von großer Formstrenge und Künstlichkeit. Gleichwohl aber sind die einzelnen szenischen Handlungen äußerst dynamisch und spektakulär, ja oft reißerisch mit einem Hang zum Grotesken. Bei aller Bewegtheit aber wird stets die Balance von physischer und psychischer Erregtheit gewahrt. Der Sprechton ist wie beim Nô eine Art Singsang. Benutzt wird eine Sprache, die nach heutigem Japanisch kaum verständlich ist. Für die Zuschauer ist eine Kabuki-Aufführung deswegen in erster Linie ein optisches Erlebnis. Bei aller Exaltiertheit hat das Kabuki nie den Bezug zum realen Leben verloren. Anfangs sollen es junge Tänzerinnen gewesen sein, die im Umfeld der Shinto-Schreine in phantastischen Kostümen auftraten und offenbar eine erotisch aufgeladene Atmosphäre aufkommen ließen. Berichtet wird, dass die Tänzerin Izumo no Okuni, vermutlich eine Prostituierte, dieses Theatergenre im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts eingeführt hat. Konzipiert war es als Unterhaltungstheater für das städtische Bürgertum und spiegelte den Zeitgeist dieser Periode wider, – eine Bereitschaft, den sinnlichen Vergnügungen wieder nachzugehen. Auch war es Theater für jene Publikumsschichten, die dem Nô und der asketischen Lebensform der Samurai letztlich fremd gegenüberstanden. Ohnehin waren Bürger anfangs von Nô-Aufführungen ausgeschlossen. Nô galt als das Theater der elitären Aristokraten- und der Kriegerkaste. In diesem neuen Genre traten anfangs ausschließlich Frauen als Schauspielerinnen und Tänzerinnen auf. Für diese frühe Variante des Kabuki existierte auch ein eigener Name. Es wurde onna kabuki genannt. Dieses Frauen-Kabuki wurde 1629 verboten, da das Auftreten von Schauspielerinnen dieses Genre alsbald in Verruf brachte. Es galt als sittenwidrig, nicht zuletzt wegen seiner erotischen Themen und der Freizügigkeit der Tänzerinnen. Dass diese auch noch Männerrollen übernahmen, war allen Traditionalisten ohnehin ein Dorn im Auge. Dass im Kabuki immer wieder auch soziale Themen behandelt wurden, war ein weiterer Grund dafür, dass dieses Theatergenre von Beginn an unter der besonderen Beobachtung der Obrigkeit, der Shōgune, stand.

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Nach dem Verbot des onna kabuki kam bald eine neue Variante auf, das Jünglings-Kabuki, in dem nur sehr junge männliche Darsteller auftraten, die als »Lustknaben« (Th. Leims) galten, und das Genre in Verruf brachten. Auch dieses, das wakashu kabuki, wurde umgehend verboten. 1652 kam es schließlich zum Verbot aller Kabuki-Aufführungen. Petitionen bewirkten jedoch, dass dieses Verbot bereits im Jahr darauf wieder aufgehoben wurde. Seitdem – und bis heute – treten im Kabuki wie in anderen Genres des traditionellen japanischen Theaters nur (erwachsene) Männer auf. Zu den spektakulärsten Schaueffekten des Kabuki zählen – neben wilden Kampfszenen – die exaltierten, wie erstarrt ausgestellten Posen des Hauptdarstellers und der verblüffend rasche Kostümwechsel, der ohne den Wechsel einer Maske auskommt. Dramen westlicher Provenienz, etwa Stücke von Shakespeare oder Samuel Beckett, werden heute gelegentlich in der Manier der Kabuki-Ästhetik aufgeführt. Kabuki ist – zusammen mit dem Nô – eine der wenigen traditionellen japanischen Theaterformen, die nicht aus der Rezeption chinesischer oder koreanischer Traditionen entstanden sind und (vermutlich) auch keinen direkten Bezug zur kultischen Sphäre hatten.

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Masken im Kult und im nicht-religiösen Gebrauch: Indien, China, Ozeanien und Afrika Indien Indien hat eine reiche, bis in die Zeit der Veden, in das 2. Jahrtausend v.  Chr., zurückreichende erzählende Tanz- bzw. Tanztheater-Kultur. In welcher Beziehung diese Tänze zu kultisch-religiösen Zeremonien standen, ist letztlich ungeklärt. Gleiches gilt für das Tragen von Masken in dieser frühen Zeit. Eine höher entwickelte Maskenkultur, die über das volkstümliche religiöse oder profane Brauchtum, wie es in den Dörfern praktiziert wurde, hinausgeht, hat Indien jedoch nicht. Indien hatte zu keiner Zeit ein institutionelles Maskentheater. Eigene Kult- und Brauchtumsformen, bei denen Masken getragen wurden, wurden von kleineren Volksgruppen im Himalaya-Gebiet, so etwa in Nepal, praktiziert. Wenn in den ländlichen Regionen bei kultischen Anlässen Masken aus festen Materialien verwendet wurden, verweisen diese zumeist auf die Macht der Götter, der Dämonen, auf Tiere oder Figuren aus der hinduistischen Mythologie. So wurden kultische oder im profanen Brauchtum verankerte Maskentänze oder Maskendramen anlässlich von Jahreszeiten-Festen aufgeführt. Sie sollten Schutzgeister herbeirufen, böse Geister vertreiben und vor allem Übel schützen. In diesem Zusammenhang verwies die rituelle Verwendung von Masken – wie in vielen Kulten indigener Völker – auf eine magisch-übernatürliche Sphäre, die angerufen wurde. Die Verbreitung dieser Kulte, ebenso des profanen Brauchtums, ging jedoch kaum über ihren Herkunftsbereich hinaus. Manche der ursprüng-

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lich kultischen Maskenbräuche werden noch heute in den Dörfern praktiziert, überwiegend aber wohl als folkloristische Brauchtumspf lege zur Unterhaltung. Die klassischen indischen Tanztheaterstile – Bharata Nātyam, Yaksagāna, Kathak oder Kathakali – kennen keine Masken aus festen Materialien, wohl aber eine ausdrucksstarke, gleichwohl dezente Form von Schminkmasken. Bei diesen Tänzen spielen die Mimik und das Ausdrucksrepertoire der Kopf-, Hand-, der Finger-, Armund vor allem der Augenbewegungen eine exzeptionelle Rolle. (Vgl. M. Brauneck 2014, 150f.) Allein diese streng kodifizierten Techniken verbieten das Tragen von gegenständlichen Masken, würden sie doch das Gesicht des Tänzers verdecken. Auch besonders markante Schminkmasken würden die Gesichter der Tänzer so verfremden, dass diese Zeichensprache nicht zur Geltung kommen könnte; dezent geschminkte Gesichter dagegen, zumeist ganz in weiß, beeinträchtigen diese allerdings nicht. Zu den wenigen indischen Tänzen, die dennoch Masken aus festen Materialien verwenden und ursprünglich aus dem ländlichen Bereich stammen, zählen die Chhau-Tänze. Sie gelten heute auch als klassische Tänze und sind weit über ihren ursprünglichen Herkunftsbereich hinaus bekannt. Es sind Maskentänze, die ursprünglich rituelle Waffentänze zu Ehren hinduistischer Gottheiten waren. Anfangs wurden sie nur von Männern, ausgebildeten Tänzern, aufgeführt, die auch im Umgang mit Waffen erprobt waren. In neuerer Zeit treten allerdings auch Frauen als Chhau-Tänzerinnen auf. Wesentliche Requisiten dieser Tänze sind neben den Masken, den bunten Kostümen und einem ausladenden Kopfputz vor allem (gelegentlich kriegstaugliche) Schwerter und Schilde. Die Masken sind farbig bemalt. Die Symbolik der Farben macht Gute und Böse, Helden und Götter kenntlich. Kettchen mit kleinen Glocken sind um die Fußgelenke der Tänzer gebunden, mit denen vor allem Sprünge und Stampf bewegungen akzentuiert werden können. Der Gesamteindruck dieser Tänze ist außerordentlich dynamisch. In neuerer Zeit sind diese sehr raumgreifenden, mit akrobatischen Einlagen gespickten Tänze vorwiegend folkloristische Veranstaltungen, die in vielen Städten des Landes zu sehen sind. In-

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zwischen wurden die Chhau-Tänze auch in das kulturpolitische Förderungsprogramm der Provinzregierungen aufgenommen und entsprechende Ausbildungsstätten eingerichtet. Der Tradition nach gibt es unterschiedliche Stilrichtungen dieser Tänze, entsprechend dem sozialen Umfeld jener Region, die sie besonders geprägt hat: so etwa das Seraikella Chhau, das Purulia Chhau und das Mayurbhanj Chhau; wobei letzteres keine gegenständlichen Masken verwendet. Ursprünglich waren die Masken aus Holz geschnitzt. Heute sind sie vielfach aus Papier oder Papiermaché, um sie leichter zu machen und den Tänzern das Atmen zu erleichtern. Ursprünglich wurden auch Masken aus Ton gefertigt. Masken von Heldenfiguren haben pittoreske Kopfauf bauten. Mayurbhanj Chhau verwendet zwar keine materiellen Masken, doch sind die Tänzer des Mayurbhanj Chhau extrem stark geschminkt. Für diese Schminkmasken gilt dieselbe Symbolik der Farben wie bei den Masken aus festen Materialien. Der kräftige Rhythmus der Perkussions- und der Blasinstrumente begleitet und akzentuiert die Tänze. Der Einzug der Instrumentalisten und Vokalisten eröffnet jeweils die Darbietung. Die Musikanten sitzen am Rand einer weiten Spielf läche, die von jeglichen Auf bauten frei ist. Ursprünglich fanden die Chhau-Tänze im Freien statt. Die Schrittfolgen sind – wie dies in allen traditionellen ostasiatischen Tänzen üblich ist – streng kodifiziert. Dem Charakter der darzustellenden Figuren sind jeweils feste Bewegungsmuster zugeordnet. Die Dramen, die diesen Tänzen zu Grunde liegen, sind kurze Stücke zu Motiven aus der Mythologie. Neben profanen Episoden aus dem Mahabharata und den Purañas werden gelegentlich auch religiöse Texte vorgetragen. Ursprünglich gehörten die Chhau-Tänze zu einem Frühlingsfest, das dem Shiva gewidmet war und über mehrere Tage hin gefeiert wurde. Einleitung zu den Tanzdarbietungen waren gesprochenen Passagen. Die Tänzer interpretierten dann – jeweils aufstehend von ihrer Basisposition am Rand der Spielf läche – die Figuren dieser Erzählstoffe durch ihr pantomimisches Spiel. Artis-

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tisch vorgetragene Kampfszenen sind noch heute die hauptsächlichen Attraktionen aller Chhau-Tänze. Wurden diese Maskentänze ursprünglich vor allem in den dörflichen Regionen im Norden und im Osten Indiens aufgeführt, so avancierte das elegantere Seraikella Chhau schließlich zu einem Palasttanz, an dem auch Mitglieder der Fürstenfamilie mitwirkten. Heute existieren für die Chhau-Tänze eigene Theaterhäuser in den indischen Metropolen. Die Aufführungen finden zumeist an den Nachmittagen statt. 2010 wurden diese Tänze von der UNESCO in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen.

China Gegenständliche Masken, die vor das Gesicht gebunden oder über den Kopf gestülpt werden, existierten in China vor allem in volkstümlichen, ursprünglich in Dörfern praktizierten Kulten und im ländlichen Brauchtum. Jahresfeste, Ahnenkulte, die Bestellung der Felder und die Ernte, die Furcht vor Krankheiten, Seuchen und bösen Geistern gaben immer wieder Anlass zu rituellen Handlungen, bei denen die Hilfe der Götter beschworen wurde. Maskentänze waren dabei ein etabliertes Ritual. Heute werden manche dieser Brauchtumsformen – soweit sie durch das kommunistische Regime nicht verboten sind – auch im urbanen Milieu als Folklore praktiziert und haben ihren einstigen religiösen Sinn verloren. Im 16. und 17. Jahrhundert soll es in einigen Dörfern auch schamanische Tänze und exorzistische Rituale gegeben haben. Ob dabei Masken getragen wurden (und welche?) ist wahrscheinlich, muss aber wohl offenbleiben. (Vgl. M. Gissenwehrer 1985, 129; Ph. B. Zarrilli u.a. 2006, 19) Die Tänzer galten als »Verbindungsleute« (M. Gissenwehrer) zu einer magischen Sphäre. In jedem Dorf gab es einen Platz für derartige Rituale mit einem sogenannten »Erdaltar«. In der Han-Zeit, um die Zeitenwende also, gab es ein rituelles Maskenspiel, das nuo-Spiel, das böse Geister vertreiben sollte. Der Sinn dieses Spiels war jedoch nicht, die Zuschauer zu unterhalten, vielmehr sollten die Schutzgötter herbeigerufen werden. Wolfgang Kubin meint gar, dass bei diesen Spielen für die Götter – so die Be-

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zeichnung dieses Genres – das »Vergnügen der Zuschauer (selbst deren Anwesenheit) […] sekundär waren« (W. Kubin 2009, 43). Was in der chinesischen Maskenkultur jedoch fest verankert ist, sind Schminkmasken: nach festen Regeln bemalte Gesichter; ebenso bunte, prachtvolle Kostüme. Verwendet wurden sie bei kultisch-religiösen Zeremonien, im profanen Brauchtum und vor allem bei den vielfältigen Unterhaltungsgenres in den großen Städten. Der Farbkanon dieser Schminkmasken folgt einem mehr oder weniger streng gehandhabten symbolischen Code. Gelb war als Farbe dem Kaiser vorbehalten, weiß geschminkt waren die einfachen Leute, Schwarz war die Farbe der Krieger, Rot die der Generäle. Die Farbe Blau kennzeichnete einen besonders grausamen Menschen oder einen bösen Dämon. Auch das etablierteste, heute auch weltweit bekannteste Genre des institutionellen chinesischen Theaters, die Pekingoper, kennt nur Schminkmasken. Gleiches gilt auch für alle anderen regionalen Varianten des chinesischen Musiktheaters. Bereits im 12. Jahrhundert soll es in den Vergnügungsvierteln von Kaifeng – damals der größten Stadt der Welt – neben Lustbarkeiten aller Art auch eine Form von Theater gegeben haben. Bei dieser sollen Schauspieler, die Dämonen oder Tiere darstellten, gegenständliche Masken getragen haben, während die anderen Schauspieler mit bunt bemalten Gesichtern aufgetreten sind. Die Quellenlage für diese frühe Zeit ist jedoch äußerst dürftig. Masken – selbst Abbildungen davon – sind aus dieser Zeit nicht erhalten. Was in diesem Zusammenhang als Theater bezeichnet wird, waren wohl eher kurze derbe, burleske Possen, – eine Spezialität im vielfältigen Angebot des städtischen, bereits zu dieser Zeit kommerzialisierten Vergnügungs- und Unterhaltungsbetriebs. (Vgl. M. Brauneck 2014, 180f.) In diese Zeit dürften allerdings auch die Anfänge einer Kanonisierung der Farben zu datieren sein – im Sinne der Lesbarkeit der symbolischen Verweisungen auf bestimmte Figurentypen. Bald aber wurden diese farblichen Kennzeichnungen auch bei allen gehobeneren Genres der traditionellen chinesischen Tänze und theaterähnlichen Schauvergnügungen üblich. Wie diese Farbsymbolik entstanden ist und worauf sie beruht, liegt jedoch im Dunkeln.

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Generell widersprach der städtische Vergnügungsbetrieb der strengen konfuzianischen Moralauffassung, so dass diese Öffentlichkeitssphäre stets von der Obrigkeit streng überwacht wurde und der Zensur unterlag. Auch wurde ein Amt eingerichtet, das die Lizenzen für diesen Spielbetrieb vergab. Die in diesem Gewerbe Tätigen, vor allem die Schauspieler, Tänzer, Artisten, Gaukler und Geschichtenerzähler, waren in der Gesellschaft wenig angesehen. Homosexualität und Prostitution galten als typisch für diese Berufe. Lange Zeit war auch die Errichtung von Bühnenanlagen in Tempelbezirken verboten. Stets wurde dieses Verbot mit dem Hinweis auf die Kommerzialisierung dieser Sphäre begründet. Einen anderen Zweck als den der Unterhaltung hatten diese Genres nicht. In der Rangordnung der Künste – von Lyrik, Roman, der Traktatliteratur und der Musik – rangierten die darstellenden Künste – vor allem das Theater – ohnehin an letzter Stelle. Theater galt als »wertloses Gerede« (n. B. Eberstein 2007, 259). Eine Sonderstellung im chinesischen Theaterwesen nimmt die Pekingoper ein. Entstanden ist dieses Genre, das inzwischen weltweit bekannt ist, zunächst in der Hauptstadt und wurde deswegen anfangs auch »Theater der Hauptstadt« oder Musiktheater »im Beijing-Stil« genannt. Hervorgegangen ist die Pekingoper im 18. Jahrhundert aus einer Verbindung zweier regionaler Musikstile, dem »melancholischen erhuang und dem lebhaften xipi«. Bernd Eberstein sieht in der Kombination dieser beiden Stile die »Geburtsstunde der Pekingoper«. (B. Eberstein 2007, 776f.) Die visuellen und artistischen, mitunter akrobatischen Elemente – vor allem die Kampfszenen – stehen neben der Musik und großen revueartigen Auftritten im Vordergrund dieses Genres. Die ursprünglich nur männlichen Darsteller tragen prachtvolle, weit geschnittene Kostüme mit besonders langen Ärmeln. Die natürlichen Gesichter der Darsteller sind durch grelle Schminkmasken verfremdet. Alle Gesten und Bewegungen der Schauspieler, die zugleich die Sänger sind, sind kodifiziert. Für die Zuschauer war es eine hochartifizielle, märchenhafte Welt, in die sie die Pekingoper ursprünglich führte. Längst auch gehören Frauen zu den Ensembles der Pekingoper. Die technische Brillanz der Akteure ist die eigentliche Attraktion dieses Theatergenres. Keine Bewegung, kein Ausdruck ist »na-

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türlich«. Inhalte der Pekingoper waren – vor der Indienstnahme dieses Genres für Propagandazwecke durch die kommunistische Partei Chinas – Stoffe aus der chinesischen Geschichte und der Mythologie. Ernst Schumacher hat in einer Studie über Das Gestische in der Darstellungskunst des Ostens (1985) dargelegt, in welcher Weise in der Pekingoper das gesamten Bewegungsrepertoire der Schauspieler kodifiziert ist: »Einer der Gewährsmänner gibt für die Ärmelbewegungen gar 17 Variationen an. Für die Hand unterscheidet er 7 Grundbewegungen, für die Fingerbewegungen […] 20 Arten, von einer Klasse der Fingerbewegungen 14 verschiedene Unterarten für die Selbstbezeichnung, 10 andere Unterarten, einen Gegenstand zu halten.« Bewegt sich ein Schauspieler seitlich in trippelnder Bewegung, so bedeutet das, dass er sich »eilig in eine wichtige Angelegenheit« begibt. »Zu den Fußbewegungen werden in der klassischen Pekingoper […] noch 12 besondere Beinbewegungen unterschieden. Jede Bewegung kann mit einer oder mehreren anderen kombiniert werden.« (E. Schumacher 1985, 206) In diesem überaus komplexen Verweisungsgefüge würden gegenständliche Masken den Darsteller letztlich nur behindern und den Effekt dieser Zeichensprache mindern. Schminkmasken jedoch, in Verbindung mit den prächtigen Kostümen, die durch ihre Farbsymbolik ebenfalls als Zeichenträger genutzt werden, verstärken den Eindruck des Artifiziellen in dieser Welt der Pekingoper.

Ozeanien und Afrika Weder auf den ozeanischen Inseln noch in der traditionellen Kultur Afrikas gibt es ein institutionalisiertes Maskentheater. Vom Gebrauch der Masken bei Ritualen, die im Zentrum religiös-kultischer Zeremonien ethnischer Religionen stehen, war mehrfach schon die Rede; ebenso von Masken bei nicht-religiösen Festen. Im Kult werden Masken zumeist als Tanzmasken gebraucht, ebenso bei den verschiedensten Anlässen des sozialen Lebens. Im Kult statten sie den Tänzer mit der Fähigkeit aus, Zugang zu einer als übernatürlich geltenden Sphäre zu haben. Den Maskenträger umgibt eine Aura der Autorität. Die Maske ist das Zeichen für die An-

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wesenheit jener Mächte, Kräfte oder jener Verstorbenen, die um Hilfe oder zum Schutz angerufen werden oder denen die Verehrung gilt. Dabei ist die Maske kein Abbild übernatürlicher Wesen, sondern steht für die Kraft dieser Mächte. Weder die ozeanische noch die afrikanische Kunst kennt bei rituellen Masken das Prinzip der Abbildung von Göttern oder Dämonen. Masken, die in diesen Zusammenhängen gebraucht werden, unterscheiden sich stilistisch nicht von Masken, die nicht bei kultisch-religiösen Veranstaltungen gebraucht werden. Dies gilt für die vielfältigen Erscheinungen der Maskenkultur in Ozeanien gleichermaßen wie für afrikanische Masken. Die bildnerische Gestaltung der Masken ist von stilistischen Vorgaben frei. Sie bedürfen allein der Akzeptanz durch die Kultgemeinschaft und der rituellen Weihe. Beides sind unabdingbare Voraussetzungen für die Fähigkeit des Maskenträgers, ein kommunikatives Verhältnis zu einer übernatürlichen Sphäre herzustellen. Vor der Weihe ist die Maske ein Gebrauchsgegenstand wie jeder andere auch. Masken, die ausschließlich im kultischen Gebrauch sind, werden in der Regel zusammen mit anderen Kultgeräten in besonderen, vor Frauen und Kindern geheim gehaltenen Orten verwahrt. Mitunter zieren Masken aber auch die Wände oder den Eingangsbereich von Häusern und Hütten, in denen die Menschen wohnen; wehren »böse Geister« und anderes Unheil ab. Feste des sozialen Lebens sind in ihrer zeitlichen Terminierung und in ihrem Ablauf durch Traditionen festgelegt. Wegen ihrer strengen Traditionsbindung vermögen sie eine ordnungs- und identitätsstiftende Funktion im gesellschaftlichen Leben auszuüben. Da bei den kultisch-religiösen Zeremonien wie bei den sozialen Festen mit jenen Mächten, die diese Ordnung begründen und schützen, Kontakt aufgenommen wird, haben letztlich beide, die kultischen Zeremonien und das soziale Fest, den gleichen spirituellen »Überbau«. So ist auch eine Unterscheidung von sozialen und kultisch-religiösen Veranstaltungen nur über deren äußeren Ablauf, ihre Funktion und ihren Anlass möglich. In der Vorstellungswelt eines kosmologischen und lebenspraktischen Ordnungsgefüges sind Masken Zeichen- und Kommunikationsmittel, die den Zugang zu jenen Kräften ermöglichen, die dieses Ordnungsgefüge tragen.

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Die ikonografische und stilistische Vielfalt der Masken ethnischer Völker ist enorm, da außerhalb ihrer Traditionsbindung innerhalb der einzelnen Ethnien keine formalen Kriterien existieren. Maria Kecskési und László Vajda haben für den Bestand afrikanischer Masken in der Barbier-Mueller Collection Genf den Versuch einer Systematisierung vorgelegt, die vornehmlich auf den unterschiedlichen Formen der Tragbarkeit der Masken beruht. (Vgl. München u.a. 2002) Eine weitere formale, gar eine stilistische Generalisierung schien nicht möglich zu sein. Dies bleibt Gegenstand der ethnologischen Erforschung des gesamten Lebensgefüges der einzelnen Ethnien, wobei den Masken sicherlich eine zentrale Rolle zukommt. Während bei rituellen Zeremonien nahezu ausschließlich Männer die Akteure sind, seien es Priester oder Medizinmänner, feiern einige Stämme der Ureinwohner Australiens, die Aborigines, die kultischen Zeremonien nach Geschlechtern getrennt und benutzen dabei auch unterschiedliche kultische Gerätschaften, vermutlich auch unterschiedliche Masken. (Vgl. E. Kjellgren 2007, 142) Generell aber scheint das Tragen von gegenständlichen Masken in traditionellen Gesellschaften eine Praxis zu sein, die offensichtlich Ausdruck eines archaischen, paternalistischen Herrschaftsgefüges ist und letztlich nur Männern das Vorrecht einräumt, ihre Identität hinter einer Maske zu verbergen. Die kultisch-religiösen Zeremonien der meisten indigenen Völker verlaufen in hohem Maße ähnlich: Kontaktaufnahme mit einer übernatürlichen Sphäre, Anrufung der lebensbestimmenden Mächte, Bitten um Hilfe oder Verehrungsrituale, die den Ahnen oder prominenten Stammeshelden gelten. Die Maske ist dabei das Instrument der Kommunikation. Der nicht maskierte Mensch vermag dieser Sphäre offenbar nicht gegenüberzutreten. Mit ihrer riesigen Anzahl kultureller Traditionen und Tausenden von Ethnien stellt Ozeanien quasi einen Kontinent für sich dar. Gleiches trifft für die Vielfalt der Maskenkulturen in Afrika zu. Wie Afrika auch war Ozeanien eine bevorzugte Region der Kolonialisierung durch westliche Großmächte. Bis heute haben sich dort die Bezeichnungen einzelner Inselgebiete aus der Zeit der Kolonisation erhalten. Im 16. Jahrhundert stellten Portugiesen und die Spanier

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die ersten Kontakte zur westlichen Welt her, im 17. Jahrhundert folgten die Niederländer, im 18. Jahrhundert die Engländer und die Franzosen. Im 19. Jahrhundert war die gewaltsame Kolonialisierung Ozeaniens durch Europäer und Amerikaner nahezu vollständig abgeschlossen. (Vgl. E. Kjellgren 2007, 11f.) Dem militärischen und wirtschaftlichen Zugriff folgte in der Regel die Missionierung mit der Folge der Zerstörung der meisten ethnischen Religionen. In der derzeit so heftig geführten Restitutions-Debatte spielt die Rückgabe von Kulturgütern, die den ozeanischen Völkern geraubt wurden, offenbar eine weniger prominent und nachdrücklich vertretene Rolle. Andererseits war der »ferne Osten« schon seit dem späten 18. Jahrhundert ein romantisches Sehnsuchtsgebiet für Künstler und Intellektuelle – von Jean-Jacques Rousseau, Herman Melville bis Paul Gauguin. Die Vorstellung vom »Guten Wilden« prägte das Bild Ozeaniens als einer Region, die – vermeintlich wie ein »Paradies« – von den Restriktionen der westlichen Zivilisation noch unbehelligt war. Es waren dies sicherlich auch Ursachen dafür, dass Artefakte der ozeanischen Inselwelt, so auch Masken, nahezu drei Jahrhunderte lang im Westen als Inbegriff einer »Kunst der Primitiven« oder der »Naturvölker« galten, – ein Begriff, der zu keiner Zeit auf die indische, die chinesische oder die japanische Kunst und Kultur angewandt wurde. Dass es seit dem frühen 20. Jahrhundert für die künstlerischen Arbeiten sowohl Ozeaniens, mehr aber noch für die Kunst Afrikas zu einer Neubewertung kam, wurde inzwischen vielfach beschrieben. Die Masken in dieser riesigen ozeanischen Region entziehen sich jedem Versuch einer formalen oder stilistischen Systematisierung. Gegenüber den afrikanischen Masken scheinen sie bunter zu sein, malerischer und formal bizarrer. Tieren (aus der Region) mit langen, spitzen Schnäbeln (Abb. 11) nachempfunden, stellen manche Masken oft Mischwesen dar, Mensch und Tier zugleich. Manche Regionen (etwa die Salomons-Inseln) kennen kein Maskenbrauchtum.

Masken im Kult und im nicht-religiösen Gebrauch

Abbildung 11: Maske in Gestalt eines menschlichen Gesichts mit einer Nase in Form eines Vogelschnabels. Sepia, Melanesien. Sammlung Baron Eduard von der Heydt. In: E. von Sydow 1932, 159

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Die Maskenkultur auf dem afrikanischen Kontinent stellt sich – aus westlicher Sicht – »naturalistischen«, strukturell abbildhaften Figurationen, etwa dem menschlichen oder dem tierischen Gesicht (auch der menschlichen Gestalt in der Skulptur), zugleich aber dem Prinzip der Abstraktion näher dar, – wohl auch als die Kunst anderer indigener Völker. Nicht von ungefähr war es die Kunst Afrikas, die zur großen Inspiration der europäischen Moderne in der bildenden Kunst wurde. In einer Studie zur Ästhetik der schwarzafrikanischen Kunst setzt sich Werner Schmalenbach (1988, 9f.) mit diesem Problem – entgegen der Detail- und Feldforschung der Ethnologen – auseinander. Schmalenbach stellt afrikanische, ägyptische und europäische mittelalterliche Skulpturen nebeneinander und resümiert, dass für die afrikanische Kunst von »Formgesetzen«, die eine übergreifende Geltung beanspruchen könnten, keine Rede sein kann, sehr wohl aber von einem »Formgefühl« (1988, 27) des einzelnen Künstlers bei der Herstellung einer Maske oder einer Skulptur. Die Künstler wissen sich allein dem »Konzept« verpf lichtet, das die Tradition vorgibt. Werner Schmalenbach (1988, 17 u. 26) vermeint zudem aus der Tatsache, dass weitaus die meisten afrikanischen Masken und Skulpturen aus Holz sind, eine gewisse »Wirksamkeit« herleiten zu können, die von den im Holz »wirkenden Kräften«, dem »organischen Dynamismus des Holzes«, herrührt und eine Art »Analogie« herstellt zu Menschen, die sich zutiefst mit der Natur verbunden wissen. Diese Verbundenheit trifft freilich für alle indigenen Völker zu. Deren Masken zeugen davon, in welchem Maße sie ihr Leben den Kräften der Natur überantworten.

Literatur

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