Maria in der Krise: Kultpraxis zwischen Konfession und Politik in Ostmitteleuropa 9783412212025, 9783412210779

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Maria in der Krise: Kultpraxis zwischen Konfession und Politik in Ostmitteleuropa
 9783412212025, 9783412210779

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Maria in der Krise

Visuelle Geschichtskultur He­raus­ge­ge­ben von Stefan Troebst und Arnold Bartetzky In Verbindung mit Steven A. Mansbach und Małgorzata Omilanowska Band 10

Agnieszka Gąsior (Hg.)

Maria in der Krise Kultpraxis zwischen Konfession und Politik in Ostmitteleuropa Unter Mitarbeit von Stefan Samerski

2014 BÖHL­AU VER­LAG KÖLN WEI­MAR WIEN

Das dieser Publikation zugrunde liegende Vorhaben und deren Druck wurden mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft unter dem Geschäftszeichen GWZ 6/11-1 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den einzelnen Autoren.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Jan Molga: Die Marienerscheinung des Soldaten Tomasz Kłossowski in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813, 1971. Öl auf Leinwand. Kirche der Tschenstochauer Muttergottes im Sanktuarium von Licheń. Mit freundlicher Genehmigung von Tadeusz Molga und dem Sanktuarium Licheń.

© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Lukas Schmitz Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-21077-9

In h al t

Vorwort ................................................................................................................. 7 Einleitung .............................................................................................................. 9 Marianische Bildkonzepte und ihre Funktionen Wolfgang Brückner Die Immaculata als Symbol der unveränderten Kirche in der katholischen Reform 23 Nicolaj van der Meulen Kartenbild und Gnadenbild. Zur Kartierung und Konsolidierung einer Terra Mariana im 17. und 18. Jahrhundert ........................................................... 31 Monique Scheer Die Madonnen von Međugorje. Zum Verhältnis zwischen Bild und Vision bei ­Marienerscheinungen in der modernen Epoche .............................................. 51 Marienpatronat zwischen Landespolitik und Volksfrömmigkeit Hans-Jürgen Bömelburg Maria als Garantin nationaler Freiheit in Polen. Ein typologischer Sonderfall des Marienpatronats in einer partizipativen Adelsgesellschaft ............................. 79 Damien Tricoire Gottesmutter Königin von Polen. Die Sakralisierung der polnischen Monarchie im Vergleich mit Frankreich und Bayern (1630er bis 1650er Jahre) .................... 93 Stefan Samerski Maria in Mähren im Zeitalter der Konfessionalisierung – ein mühsamer Weg .... 117 Jaroslav Šebek Die Marienverehrung in den böhmischen Ländern vor und nach 1989 – Inspiration und Konflikte ...................................................................................... 129 Gnadenbilder und ihre Karrieren Anna Tüskés The Cult of the Copies of Lucas Cranach’s Mariahilf in Seventeenthand Eighteenth-Century Hungary ......................................................................... 179

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Inhalt

Kai Wenzel Historisches Exempel oder ereignissteuernde Figur? Divergierende Codierungen der Gottesmutter in Prag zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges ........................................................................................ 197 Krista Zach Maria von Radna als Identität stiftende Banater Symbolfigur in fünfhundertjähriger regionaler Kontinuität ........................................................... 219 Robert Born Die Ikonen von Klausenburg und Nicula und die interkonfessionellen Auseinandersetzungen in Siebenbürgen vom 18. bis ins 21. Jahrhundert ............ 235 Agnieszka Gąsior Marias neue Kleider. Der Bildschmuck der Schwarzen Madonna von Tschenstochau als Mittel symbolischer (Um)Kodierung ...................................... 271 Ewa Klekot Our Lady of Katyń ................................................................................................ 301 Marienwallfahrten und ihre politischen Implikationen im 20. Jahrhundert Małgorzata Omilanowska Das Marienheiligtum in Licheń. Seine Architektur und Kunst als Instrument einer historischen, religiösen und nationalen Identifikation im  postkommunistischen Polen ................................................................................. 315 Agnieszka Halemba Virgin Mary, Ukraine and the underground Greek Catholic Church .................... 331 Liliya Berezhnaya „Heilige Gottesmutter von Počajiv, sie wird uns retten!“. Die Gottesmutter von Počajiv als Erinnerungsort in der p­ ostsowjetischen Ukraine ................................ 347 Bojan Aleksov Marian Apparitions in Međugorje in the Dissolution of Yugoslavia .................... 359 Anhang Personenregister..................................................................................................... 376 Ortsregister............................................................................................................. 382 Abbildungsnachweis.............................................................................................. 386

Vorw ort

Vom 25. bis 27. Juli 2007 richtete das Geisteswissenschaftliche Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig (GWZO) e.V. in Kooperation mit dem Südost-Institut, dem Ungarischen Institut (beide München) und der LudwigMaximilians-Universität München die internationale Konferenz „Maria in der Krise. Gesellschaftspolitische Instrumentalisierung einer religiösen Symbolfigur zur Zeit der Konfessionalisierung und im postkommunistischen Transformationsprozess in Ostmitteleuropa“ in München aus, für deren Konzeption die beiden GWZO-Projektgruppen „Erinnerungskulturen“ und „Konfessionalisierung“ verantwortlich zeichneten. Der vorliegende Sammelband vereint einen Großteil der Konferenzbeiträge und wurde um thematisch einschlägige Forschungen ergänzt. Die schriftliche Ausarbeitung der Vorträge erfolgte unter Berücksichtigung der anschließend stattgefundenen Fachdiskussion und, soweit es möglich war, unter Bezugnahme auf zwischenzeitlich erschienene Publikationen zum Themenschwerpunkt. Zum Gelingen der Konferenz und zur Publikation ihrer Ergebnisse haben viele Personen und Institutionen beigetragen. Unser Dank gilt vor allem den Referenten und Beitragsautoren, aber auch den Konferenzteilnehmern, die die Diskussionen bereichert haben. Bei der organisatorischen Vorbereitung und Durchführung der Veranstaltung konnten wir uns auf die kompetente Unterstützung von Ewa TomickaKrumrey (GWZO) verlassen. Ihre Gastfreundschaft gewährten uns in München die Ludwig-Maximilians-Universität und das Internationale Begegnungszentrum der Wissenschaft (IBZ). Die Deutsche Forschungsgemeinschaft übernahm dankenswerterweise im Rahmen ihrer Zuwendung an die Projektgruppen „Erinnerungskulturen“ und „Konfessionalisierung“ sowohl die Finanzierung der Konferenz als auch der ­Publikation. Für die geduldige und sorgfältige redaktionelle Betreuung sind wir Falk ­Bornmüller, Wiebke Helm und Frank Förster, für die Redaktion im Englischen Brent Reed sowie für die Aufarbeitung des Bildmaterials Thomas Fichtner zu Dank verpflichtet. Leipzig, im Oktober 2013 

Agnieszka Gąsior und Stefan Samerski

Ei n l ei t u ng Agnieszka Gąsior unter Mitarbeit von Stefan Samerski (Teil II)

I. Während der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813 hatte der verwundete Soldat Tomasz Kłossowski aus Izabelin bei Licheń eine Marienvision, die ihm Heilung versprach. Maria hielt darin in ihrer linken Hand statt des Christuskindes einen polnischen Adler. Nach seiner Rückkehr in die Heimat initiierte Kłossowski in Licheń die Verehrung einer Mariendarstellung mit dem Wappentier, um die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts eine überregionale Wallfahrt entwickelte. Im Gemälde, das auf dem Einband dieses Buches wiedergegeben ist, hat Jan Molga 1971 die Vision des Soldaten festgehalten. Es entstand zu einer Zeit, als im kommunistischen Polen die Nationalsymbole in Verbindung mit der Marienverehrung eine Konfrontation der katholischen Kirche mit dem politischen Regime bedeuteten.1 Blütezeiten des Marienkultes und die ihnen vorausgegangenen Krisenperioden – wie die Konfessionalisierung in der Frühen Neuzeit und die politische Wende von 1989 ­–, in denen religiöse und politische Ordnungen verschiedener Gesellschaften einem gravierenden Wandel unterlagen, stehen im Fokus des vorliegenden Bandes. Ein Rückgang konfessioneller Bindungen und ihr Wiederaufleben werden durch das Prisma der Marienverehrung greifbar; diese fungiert somit als Gradmesser und Bezugsrahmen für Verschränkungsmechanismen des Religiösen mit dem Politischen in der Gesellschaft. Der Titel „Maria in der Krise“ rückt dabei bewusst noch einen weiteren Aspekt der Mariendevotion in den Blick: Aus den Krisenzeiten bezieht die Kultfigur der Muttergottes ihre besondere Relevanz, gilt sie doch vor allem im Katholizismus als die wichtigste Anrufungsinstanz in kritischen Situationen sowohl für Individuen als auch für Kollektive. Beide Konnotationen finden sich auf dem Bild des Einbandes repräsentiert: Die persönliche Tragödie des verwundeten Soldaten steht hier zugleich für die Niederlage einer Nation, deren Hoffnungen auf ­Maria ruhen. Die Abbildung verweist auf politisch-soziale Umbruchsituationen, die häufig zu ­einer Umwertung der überlieferten und verinnerlichten Mariendevotion führen. Gesellschaftspolitische Funktionalisierungen des Marienkultes stehen in engem Zusammenhang mit dem Wandel in religiösen und politischen Wertesystemen. Krisen und deren Bewältigung bilden 1 Ausführlicher dazu Gąsior, Agnieszka: Nationale Selbstvergewisserung im Polen der Nachwende­zeit: das Marienheiligtum Licheń. In: Marienkult, Cyrillo-Methodiana und Antemurale. Religiöse Erin­ ne­­rungsorte in Ostmitteleuropa vor und nach 1989. Hg. v. Anne C. Kenneweg und Stefan Troebst. ­Marburg/L. 2009 (Themenheft der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 57 [2008] 3), 292–328, hier bes. 298–305.

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somit den Hintergrund für den diachron und synchron ausgerichteten Fragehori­zont dieses Bandes.

II. Die Erinnerungskulturen der meisten ostmitteleuropäischen Staaten sind stark vom Katholizismus geprägt.2 Für diesen ist der neuzeitliche Marienkult signifikant wie kein anderer; er nahm sogar auf die Bildung der nationalen Identität bedeutenden Einfluss, wie die Beispiele Polen und Ungarn zeigen.3 Der besondere Stellenwert der Mariendevotion in den katholischen Ländern geht auf historische Prägungen seit der Gegenreformation zurück, die bis heute nachwirken. Grundlegend hierfür war die Konfessionalisierung4 als struktureller und inhaltlicher Wandel im politischen, sozialen und kulturellen Europa des ausgehenden 16. und im 17. Jahrhundert. Kon2 Nationalisierung der Religion und Sakralisierung der Nation im östlichen Europa. Hg. v. ­Martin Schulze Wessel. Stuttgart 2006 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mittel­ europa 27); Central European History and the European Union. The Meaning of Europe. Hg. v. ­Stanislav J.  Kirschbaum. Houndmills-New York 2007 (Studies in Central and Eastern Europe). – Zu Nationalpatronen als Geschichtshelden der nationalen Erinnerungskultur: Schenk, Frijthof ­Benjamin: Aleksandr Nevskij. Heiliger, Fürst, Nationalheld. Eine Erinnerungsfigur im russischen kulturellen Gedächtnis (1263–2000). Köln-Weimar-Wien 2004; Samerski, Stefan/Zach, Krista: Einleitung. In: Die Renaissance der Nationalpatrone. Erinnerungskulturen in Ostmitteleuropa im 20./21. Jahrhundert. Hg. v. Dems. Köln-Weimar-Wien 2007, 1–9. 3 Gąsior, Agnieszka: Die Gottesmutter. Marias Stellung in der religiösen und politischen Kultur Polens. In: Die Renaissance der Nationalpatrone (wie Anm. 2), 77–98; Tüskés, Gábor/Knapp, Éva: Volksfrömmigkeit in Ungarn. Beiträge zur vergleichenden Literatur- und Kulturgeschichte. Dettelbach 1996 (Quellen und Forschungen zur europäischen Ethnologie 18); Samerski, Stefan: Maria zwischen den Fronten. Bayerische Einflüsse auf die Pietas Austriaca und die ungarische Eigentradition in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Ungarn-Jahrbuch 27 (2004), 359–371. – Zum Phänomen der personalen Erinnerungsorte in Form von neuzeitlichen Nationalpatronen vgl.: Patriotische Heilige. Beiträge zur Konstruktion religiöser und politischer Identitäten in der Vormoderne. Hg. v. Dieter R. Bauer, Klaus Herbers und Gabriela Signori. Stuttgart 2007 (Beiträge zur Hagiographie 5); Die Renaissance der Nationalpatrone (wie Anm. 2), hier bes. die Einleitung. 4 Das Konfessionalisierungsparadigma wurde vor allem von Wolfgang Reinhard und Heinz ­Schilling entwickelt: Reinhard, Wolfgang: Konfession und Konfessionalisierung in Europa. In: Bekenntnis und Geschichte. Die Konfessio Augustana im historischen Zusammenhang. Hg. v. Dems. München 1981 (Schriften der Philosophischen Fakultäten der Universität Augsburg 20), 165–189; Ders.: Zwang zur Konfessionalisierung? Prolegomena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters. In: Zeitschrift für Historische Forschung 10 (1983), 257–277; Schilling, Heinz: Die Konfessionalisierung im Reich. Religiöser und gesellschaftlicher Wandel in Deutschland zwischen 1555 und 1620. In: Historische Zeitschrift 246 (1988), 1– 45; Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposion der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformations­ geschichte 1993. Hg. v. Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling. Gütersloh 1995 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 198); Schnabel-Schüle, Helga: Vierzig Jahre Konfessionalisierungsforschung  – eine Standortbestimmung. In: Konfessionalisierung und Region. Hg. v. Peer Friess und Rolf Kiessling. Konstanz 1999 (Forum Suevicum 3), 23–40. – Zusammenfassend zu den Forschungskontroversen: Ehrenpreis, Stefan/Lotz-Heumann, Ute: Reformation und konfessionelles Zeitalter. Darmstadt 2002, 62–71. – Neueste Literatur dazu in: Klueting, Harm: Das konfessionelle



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fessionalisierung kann somit nicht einfach mit der Ausbildung der drei großen Konfessionskirchen in Europa (Katholizismus, Luthertum und Calvinismus) oder der Formierung unterschiedlicher religiös-kultureller Systeme als Dogmatisierung der je verschiedenen Lehre gleichgesetzt werden. Vielmehr stellt die Konfessionalisierung einen Fundamentalprozess innerhalb der europäischen Geschichte dar und bezeichnet eine Übergangszeit, die das gesamte öffentliche wie private Leben tiefgreifend prägte und veränderte.5 Damit thematisiert dieses Paradigma den Prozess der Vereinheitlichung der monarchischen Herrschaft und der Funktionalisierung konfessioneller Inhalte für den Aufbau einer neuzeitlichen, disziplinierten Untertanengesellschaft. Das Paradigma der Konfessionalisierung behauptet, dass der Totalitätsanspruch der Konfession und der des Staates eine Allianz eingegangen sind, die die innere Integration der Gesellschaften in den Staaten bewirkte. Die konfessionell gestützte Staatsentwicklung von ca. 1550 bis 1650 sei so zur Vorsattelzeit der Moderne geworden. Auf diese Weise wurde der Weg zum Ausbau des Staatsabsolutismus und zur Ausbildung der modernen europäischen Nationalstaaten beschritten. Als Weiterentwicklung des Konfessionalisierungsparadigmas stehen gerade in den letzten Jahren neue Fragestellungen wie die nach den Identitätskonstruktionen konfessioneller Gruppierungen und der Ausprägung von Konfessionskulturen im Zentrum des Interesses.6 Im Rahmen dieses tiefgreifenden, konfessionalisierenden Wandels spielten Heiligenkulte und die konkrete zeitgenössische Frömmigkeitspraxis eine bedeutende Rolle. Dazu trug nicht nur die Revitalisierung alter bzw. die Hervorbringung neuer kultischer Formen nach 1550 bei, sondern vor allem deren Funktionalisierung für politisch-gesellschaftliche Zwecke.7 Innerhalb des breiten Spektrums der katholischen Zeitalter. Europa zwischen Mittelalter und Moderne – Kirchengeschichte und allgemeine Geschichte. Bd. 2: Anmerkungen – Literatur. Berlin u. a. 2009 (Historia profana et ecclesiastica 17). 5 Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur. Hg. v. Joachim Bahlcke und Arno Strohmeyer. Stuttgart 1999 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 7). 6 Holzem, Andreas: Die Konfessionsgesellschaft. Christenleben zwischen staatlichem Bekenntniszwang und religiöser Heilshoffnung. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 110 (1999), 53–85; ­Forster, Marc R.: Catholic Revival in the Age of Baroque. Religious Identity in Southwest ­Germany, 1550–1750. Cambridge 2001; Frontiers of Faith. Religious Exchange and the Constitution of Religious Identities, 1400–1750. Hg. v. Eszter Andor und István György Tóth. Budapest 2001; Interkonfessionalität  – Transkonfessionalität  – binnenkonfessionelle Pluralität. Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese. Hg. v. Kaspar von Greyerz. Gütersloh 2003 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 201); Frühneuzeitliche Konfessionskulturen. 1. Nachwuchstagung des VRG Wittenberg 30.09.–02.10.2004. Hg. v. Thomas Kaufmann. Gütersloh 2008 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 207). 7 Samerski, Stefan: Konfessionalisierung versus Volksfrömmigkeit: Die Funktionalisierung der Landespatrone der Böhmischen Krone (1580–1650). In: Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Winfried Eberhard zum 65. Geburtstag. Hg. v. Joachim Bahlcke. Leipzig 2006, 355–366, hier 358 f. – Vgl. zu entsprechenden Fragestellungen der Frömmigkeitsgeschichte exemplarisch die Beiträge von Jens Baumgarten, Stefan ­Samerski und Anna Ohlidal in: Jesuitische Frömmigkeitskulturen. Konfessionelle Interaktion in Osteuropa

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Konfessionalisierung, deren Protagonisten die Territorialherren, die Römische Kurie und die Reformorden8 waren, wurden mittelalterliche Frömmigkeitsformen nach der Krise der Reformationen mit neuen Inhalten versehen, die dann häufig von oben nach unten implementiert wurden. Diese Inhalte hatten sowohl konfessionelle als auch gesellschaftspolitische Relevanz. In diesem Kontext kam der Marienverehrung seit dem 17. Jahrhundert eine Schlüsselrolle zu, da sie nicht nur die neue, dogmatisch verfass­te Kirche nach dem Konzil von Trient anschaulich versinnbildlichte,9 sondern auch zur wichtigsten und theologisch aufgeladensten Frömmigkeitsform der Alten ­Kirche wurde. Sie erfasste buchstäblich den gesamten katholisch-konfessionellen Raum (Kirchenpatrozinien, Bruderschaften, Wegkreuze, Wallfahrten etc.).10 Sehr häufig verwiesen die Inhalte des neuen Marienkultes auf eine erneuerte Kirche, aber auch auf die Promotoren des neuen Kultes (Orden, tridentinisch gesonnene Weltgeistliche etc.) und auf den jeweiligen Territorialherren, dessen Herrschaft sakral überhöht werden sollte.11 Die neuen wie auch die revitalisierten Frömmigkeitsformen spiegelten damit nicht nur das spezifische Selbstbild der konfessionellen Protagonisten wider, sondern auch die Krisensituation jener Wendezeit.

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1570–1700. Hg. v. Anna Ohlidal und Stefan Samerski. Stuttgart 2006 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 28). Ein spektakuläres Beispiel, wie ein aufstrebender Reformorden, die Unbeschuhten Karmeliten, eine bislang unbekannte Figur bis zum Landespatron und universalen Schutzpatron des Reiches und aller Habsburger-Länder promovierte, ist der Josephskult mit seinen funktionalisierenden Implikationen im 17. Jahrhundert: Samerski, Stefan: … in allen Stücken als Nothelfer kennengelernt. Die Anfänge des globalen Josephskults als Wechselwirkung zwischen karmelitischer Spiritualität und dynastischem Interesse der Habsburger. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 116 (2008), 345–361. Zu Trient und seinem neu gefundenen Kirchenverständnis: Il Concilio di Trento e il Moderno. Hg. v. ­Paolo Prodi und Wolfgang Reinhard. Bologna 1996 (Annali dell’Istituto storico italo-germanico, Quaderno 45); auf Deutsch: Das Konzil von Trient und die Moderne. Hg. v. Paolo Prodi und ­Wolfgang Reinhard. Berlin 2001 (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient); Il concilio di Trento nella prospettiva del terzo millennio. Hg. v. Guiseppe Alberigo. Brescia 1997; I tempi del concilio. Religione, cultura e società nell’Europa tridentina. Hg. v. Cesare. Mozzarelli. Roma 1997. – Die detaillierteste Darstellung des Konzilsverlaufs findet sich immer noch in: Jedin, Hubert: Geschichte des Konzils von Trient. 4 Bde. Freiburg/Br. 1949–1975. – Zum Marienkult nach Trient kurz: Schreiner, Klaus: Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin. München 1994, 404–407. Zu den Marienwallfahrten aus kulturanthropologischer Sicht vgl.: Moved by Mary. The Power of Pilgrimage in the Modern World. Hg. v. Anna-Karina Hermkens. Aldershot 2009; Angenendt, ­Arnold: Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart. München ²1997 [11994], 244–246. Schreiner (wie Anm. 9), 395–409; Pelikan, Jaroslav: Maria. 2000 Jahre in Religion, Kultur und Geschichte. Freiburg/Br.-Basel-Wien 1999, 193–204; Samerski, Maria zwischen den Fronten (wie Anm. 3), 359–366; Ders.: Hausheilige statt Staatspatrone. In: Die Habsburgermonarchie 1620–1740. Leistungen und Grenzen des Absolutismusparadigmas. Hg. v. Petr Ma’ta und Thomas ­Winkelbauer. Stuttgart 2006 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 24), 250–278, hier 271–275. – Kunsthistorisch immer noch grundlegend: Belting, Hans: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München 72011 [11990], 12.



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III. Der Nationalisierungsprozess des 19.  Jahrhunderts hatte umfassende Auswirkungen auf die Frömmigkeitspraxis und Handlungsräume der Konfessionen und veränderte sie nachhaltig. Diese wiederum hatten bedeutenden Anteil an sozio-politischen Vergemeinschaftungsprozessen, selbst dort, wo laizistische Tendenzen die Oberhand hatten. Der Aufstieg der Nation zum „obersten Legitimitätsprinzip“ der gesellschaftlichen Ordnung stellte Kirchen und Religionsgemeinschaften vor die Herausforderung, nationale Identifikationsmodelle in ihre Wertesysteme aufnehmen und integrieren zu müssen.12 Die Religion erwies sich wiederum als wichtige kulturelle Ressource für laizistische Identifikationsangebote, deren Funktionen und Ausdrucksformen strukturell übernommen werden konnten. Zwischen beiden Deutungssystemen bestanden bei der Formierung laizistischer oder auch konfessionell geprägter Nationsentwürfe komplexe Wechselwirkungen, die in den letzten zehn Jahren verstärkt die Aufmerksamkeit der Nationalismus- und Religionsforschung erfahren haben. Martin Schulze Wessel hat für diese Entwicklung das komplementäre Begriffspaar „Nationalisierung der Reli­gion und Sakralisierung der Nation“ geprägt.13 Ein Spezifikum Ostmitteleuropas stellt dabei weniger der insgesamt hohe Stellenwert religiöser Bindungen dar, die nicht nur für den Osten, sondern auch für den Westen zu konstatieren sind. Viel gravierender für das historische Profil der staatenlosen Nationalismen dieser Region wog die Dominanz imperialer Strukturen – der Habsburger Monarchie, des zaristischen Russlands, Preußens und des Osmanischen Reichs –, die das Verhältnis zur Religion beeinflussten oder gar reglementierend mitbestimmten. Das Zusammenspiel zwischen religiösen Traditionen regionalen Charakters und ihrem übergeordneten kirchenpolitischen Handlungsrahmen fand in den nationalen Identitätsentwürfen seinen Niederschlag. Auf unterschiedliche Weise wurde dabei „in national-emanzipativer Absicht Gebrauch von religiösen Symbolen und Deutungsmustern“ gemacht.14 In diesem Zusammenhang kam den Heiligenkulten als Trägern nationaler und ethnischer Geschichtsdeutungen ein hoher Stellenwert zu. Im Katholizismus entfaltete insbesondere die Muttergottesverehrung ein hohes integratives Potential – im inklusiven wie im exklusiven Sinne. Als einigendes und legitimierendes Symbol stand Maria für die Daseins- und Souveränitätsberechtigung beispielsweise der Polen oder Kroaten. Den Tschechen galt sie wiederum als konfessionelles Signum der habsburgischen Herrschaft, deren Überwindung die Zerstörung der Mariensäule auf dem Altstädter Ring in Prag 1918 ein Zeichen setzte.

12 Haupt, Heinz-Gerhard/Langewiesche, Dieter: Einleitung. In: Nation und Religion in Europa. Mehrkonfessionelle Gesellschaften im 19. und 20. Jahrhundert. Hg. v. Dens. Frankfurt/Main 2004, 11–23, hier 12. 13 Nationalisierung der Religion (wie Anm. 2) 7, 11. 14 Kenneweg, Anne C./Troebst, Stefan: Einführung. In: Marienkult, Cyrillo-Methodiana und Antemurale (wie Anm. 1), 287–291, hier 288.

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Bis heute bestehen die religiösen Prägungen der Nationsbildungsprozesse; sie wurden allerdings von der für die Gesellschaften Ostmitteleuropas gemeinsamen und einschneidenden Erfahrung der kommunistischen Diktaturen überformt.15 Mit unterschiedlicher Intensität und wechselndem Erfolg beschnitten die Regime die Handlungsfelder der Kirche(n) im öffentlichen Raum und traten gegen religiöse Frömmigkeitspraktiken und konfessionelle Bindungen ein. Die Auswirkungen auf das Verhältnis von Staat und Kirche(n) waren gravierend. Insbesondere in den katholischen Ländern Ostmitteleuropas führten sie zu neuen Konjunkturen in der Frömmigkeitspraxis und bewirkten inhaltliche Umkodierungen. Trotz Verstaatlichung, Kollektivierung und politischer Gleichschaltung blieben konfessionelle, darunter explizit marianische Frömmigkeitsformen als mentale Prägungen nicht nur bestehen, sondern wurden bisweilen gar öffentlichkeitswirksam zu Instrumenten der Reaktivierung bzw. Reaktualisierung vorkommunistischer Identitätsträger und -muster. Die fundamentalen Veränderungen des Epochenjahres 1989 bzw. 1991 ließen die Kirche(n) und Religionsgemeinschaften aus dem politischen Abseits heraustreten und sich mitunter gar als „Alternativinstitutionen zum untergegangenen Staatssozialismus“ profilieren, an die sich Hoffnungen auf die Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens knüpften.16 Mit dem Systemwechsel eröffneten sich für sie nicht nur neue Handlungsfelder und Wirkungsmöglichkeiten, sondern auch schwierige He­ raus­forderungen, u. a. finanzieller und rechtlicher Art. Nach einem anfänglich deutlichen Bedeutungszuwachs von Religion stellte sich bald ein differenzierteres Bild ein: Modernisierungsschübe, Individualisierung und kulturelle Pluralität verstärkten bestehende Säkularisierungstendenzen, an die sich Forderungen einer Trennung von Kirche und Staat knüpften.17 Gleichzeitig kam es aber auch zu Synergien von Interes15 Kirche und Sozialismus in Osteuropa. Hg. v. Jana Osterkamp und Renate Schulze. Wien 2007; Veen, ­Hans-Joachim: Kirche und Revolution. Das Christentum in Ostmitteleuropa vor und nach 1989. KölnWeimar-Berlin 2009; Koschorke, Klaus: Falling walls. The year 1989/90 as a turning point in the history of world christianity. Wiesbaden 2009; Leuştean, Lucian: Eastern Christianity and the Cold War, 1945–91. London 2010; Mahieu, Stéphanie: Churches in-between. Greek Catholic churches in postsocialist Europe. Berlin 2008. 16 Pollack, Detlef: Einleitung. Religiöser Wandel in Mittel- und Osteuropa. In: Religiöser Wandel in den postkommunistischen Ländern Ost- und Mitteleuropas. Hg. v. Dems., Irena Borowik und ­Wolfgang J­ agodzinski. Würzburg 1998 (Religion in der Gesellschaft 6), 9–52, hier 9. 17 Einschlägig zu Religion in den Transformationsprozessen in Ostmitteleuropa: Focus on Religion in Central and Eastern Europe: A Regional View. Hg. v. András Máté-Tóth. Berlin 2013; Spaces and borders. Current research on religion in Central and Eastern Europe. Hg. v. Ders. and Cosima ­Rughiniş. Berlin 2011; Transformations of Religiosity. Religion and Religiosity in Eastern Europa 1989–2010. Hg. v. Gert Pickel und Kornelia Sammet. Wiesbaden 2012 (Veröffentlichungen der Sektion Religionssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie); Religion, Identity, Postsocialism. The Halle Focus Group 2003–2010. Hg. v. Chris Hann. Halle 2010; Religion und Wende in Ostmittelund Südosteuropa 1989–2009. Hg. v. Johann Marte, Vincenc Rajšp, Karl W. Schwarz und M ­ iroslav ­Polzer. Innsbruck-Wien 2010 (Pro oriente 33); Religion and the Conceptual Boundary in Central and Eastern Europe. Encounters of Faiths. Hg. v. Thomas Bremer. Basingstoke u. a. 2008; Religion in an Expanding Europe. Hg. v. Timothy A. Byrnes und Peter J. Katzenstein. Cambridge 2006; New religious phenomena in Central and Eastern Europa. Hg. v. Irena Borowik und Grzegorz ­Babiński. Kraków 1997; Murzaku, Ines Angeli: Quo vadis Eastern Europe? Religion, state and society after



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sen beider Akteure: Den Versuchen der säkularen Politik, auf ihrer Suche nach neuen Identifikationsmodellen am Charisma der Kirche zu partizipieren, standen seitens der Kirche(n) die Bestrebungen gegenüber, sich erneut als gleichberechtigter Teilnehmer des politischen Geschehens zu behaupten und zu legitimieren.18 Diese bisher wenig erforschten Prozesse, die länderspezifisch verlaufen und regional stark divergieren, lassen Strukturmerkmale von langer Dauer wieder wirksam werden, von denen der Marienkult einer der markantesten ist. Vor dem Hintergrund des politischen Umbruchs erlebte die Symbolfigur Maria in mehreren Nationalgesellschaften Ostmitteleuropas eine mit der Gegenreformation zu vergleichende ­Renaissance. In der Folge trat der Marienkult aus seinem angestammten religiösen Kontext heraus und wurde vor allem politisch, gesellschaftlich und sogar wirtschaftlich verstärkt instrumentalisiert. Als ein per se transnationaler Erinnerungsort eignet er sich deshalb in besonderer Weise als tertium comparationis eines transnational angelegten Vergleichs an der Schnittstelle von Konfession und Politik. Mit dem Transnationalen ist dabei im Sinne der Definition von Kiran Klaus Patel „all das [gemeint], was jenseits (und manchmal auch diesseits) des Nationalen liegt, sich aber auch durch dieses definiert – sei es, dass es sich daraus speist oder davon abgrenzt, dass es das Nationale erst konstituiert oder dass es sich um wechselseitige und dynamische Konstruktionsprozesse zwischen dem Nationalen und dem Transnationalen handelt“.19

IV. Ausgehend vom marianischen Paradigma führt der vorliegende Band zwei historische Zeiträume, die durch die gesellschaftlichen Fundamentalprozesse der Konfessionalisierung und der postkommunistischen Transformation geprägt wurden, zusammen. Die ihnen gemeinsame Krisensituation im Kultischen, Politischen und Ethnischen stellt die Folie dar, auf der der instrumentalisierte Marienkult zu einer komparativen communism. Ravenna 2009; Zulehner, Paul M.: Religionen und Kirchen in Ost(Mittel)europa. Entwicklungen nach der Wende. Ostfildern 2008. – Allgemeiner zum Thema: Edgar Wunder: Religion in der postkonfessionellen Gesellschaft. Ein Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Theorieentwicklung in der Religionsgeographie. München 2005 (Sozialgeographische Bibliothek 5); Politische Religion und Religionspolitik. Zwischen Totalitarismus und Bürgerfreiheit. Hg. v. Gerhard Besier und ­Hermann ­Lübbe. Göttingen 2005 (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung 28); Tomka, Miklós: Expanding religion. Religious revival in post-communist Central and Eastern Europe. Berlin 2011; Berglund, Bruce R.: Christianity and modernity in Eastern Europe. Budapest 2010. 18 Zu Nationalisierungsphänomenen in Ostmitteleuropa nach 1989 zuletzt: Zenderowski, ­Radosław: ­Religia a tożsamość narodowa i nacjonalizm w Europie Środkowo-Wschodniej. Między etnicyzacją religii a sakralizacją etnosu (narodu) [Religion versus nationale Identität und Nationalismus in Ostmitteleuropa. Zwischen Ethnisierung der Religion und Sakralisierung der Ethnie (Nation)]. Wrocław 2011; Church, state, and democracy in expanding Europe. Hg. v. Lavinia Stan und Lucian T ­ urcescu. New York, NY u. a. 2011. 19 Patel, Kiran Klaus: Transnationale Geschichte – ein neues Paradigma? In: http://geschichte-transnational.clio-online.net/forum/id=573&type=diskussionen&sort=datum&order=down&search=patel+ Trans­nationale+Geschichte+&segment=16 (15.11.2012).

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Größe wird, weil er wie eine Metapher tiefer liegende Intentionen und ­Identifikationen erfahrbar macht. Bei näherem Hinsehen zeichnen sich aber sowohl die plötzlich ansteigende Intensität, die Bedeutungsbrüche und die Instrumentalisierung für gesellschaftliche und politische Zwecke, fernab vom genuin kirchlichen Kontext, als auch die innerkirchliche Funktionalisierung deutlich ab. Letztere führt durch die Theologi­ sierung des 16./17. Jahrhunderts und die Politisierung des 20./21. Jahrhunderts von der personalen Größe ­Maria weg, die hier als Gradmesser im Verhältnis von Konfession und Politik in einem breiteren historischen Bezugsrahmen fungiert. Die Betrachtung der marianischen Praxis im Kontext politisch aufgeladener Zeitspannen erfolgt hier sowohl in einer transnationalen Perspektive als auch in einer ­Gegenüberstellung von frühneuzeitlichen und postkommunistischen Phänomenen. Diese Herangehensweise erweist sich im Hinblick auf die Herausarbeitung von Zielen, Mechanismen, Trägern und Strategien des Marienkultes in Phasen des Umbruchs als ­besonders aufschlussreich. Ostmitteleuropa, dessen Konfessionalität durch fundamentale Krisenerfahrungen des 16./17. und 20./21. Jahrhunderts entscheidend geprägt wurde, bietet sich als Untersuchungsraum für den diachronen Vergleich idealtypisch an. Es wird dabei auf den breiten Ostmitteleuropa-Begriff von Oskar Halecki rekurriert, der eine Großregion zwischen Baltikum, Adria und Schwarzem Meer erfasst, die durch historisch gewachsene Strukturmerkmale wie Multiethnizität, Multikonfessionalität, adelig-ständische Traditionen, „Kleinstaatengesellschaften“ nach 1918, die sowjetische Überformung sowie die Transformationsprozesse der Nachwendezeit geprägt ist.20 Die einzelnen Beiträge nehmen regionale und zeitlich begrenzte marianische Phänomene in den Blick. Sie fragen nach den Trägern und spezifischen Inhalten der genuin katholischen Frömmigkeitsformen und stellen die zugrunde liegenden Instrumentalisierungsabsichten heraus. Staatlich-nationale bzw. gesellschaftlich-ethnische Bezüge werden ebenso wie regionale (z. B. Wallfahrten) berücksichtigt. Der Fokus der Beiträge liegt zeitlich auf den Antagonismen Reformation-Gegenreformation und Kommunismus-Postkommunismus, in denen der Einbruch bzw. die Wiederbelebung der marianischen Devotion besonders greifbar werden. Sowohl für das 16./17. Jahrhundert als auch für das 20./21. Jahrhundert wird dargelegt, wann und in welchem Kontext der Marienkult als Chiffre spezieller gesellschaftspolitischer Vorstellungen auftritt und religiös-politische Identitäten generiert. Es wird untersucht, wo es zu Traditionsbrüchen und gezielten Traditionsneugründungen kommt und wo Marien­ devotion nicht nur eine Form der Krisenbewältigung durch religiöse Kultformen darstellt, sondern auch seismographische Kraft besitzt. In diesem Zusammenhang wird nach den Strategien der Popularisierung und medialen Verwertung gefragt sowie ein Schwerpunkt auf die Rolle der visuellen Kulturen in den Konnotierungsprozessen ge20 Halecki, Oskar: Grenzraum des Abendlandes. Eine Geschichte Ostmitteleuropas. Salzburg 1857, 111. – O. A.: Ziele. In: Mitropa. Jahresheft des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) 1 (2010), 61.



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setzt. Bilder und andere visuelle Repräsentationen werden dabei in vielen Beiträgen nicht nur illustrativ verwendet, sondern entsprechend dem Konzept der „Visuellen Geschichtskultur“ als historische Quellen herangezogen, die auf einer anderen Ebene als die schriftlichen Belege das Beziehungsgeflecht verschiedener Akteure (Urheber, Rezipienten) und deren Handlungsabsichten offenlegen.21 Die thematische Gruppierung der Aufsätze orientiert sich vor allem an den verschiedenen Phänomenen der Mariendevotion, mit dem Ziel, die Grundlage für ­einen transnationalen Vergleich national bzw. ethnisch konnotierter Entwicklungen zu schaffen. Auf diese Weise wird die diachron angelegte Forschungsperspektive mit ­einer synchronen verknüpft. Eröffnet wird der Band mit Beiträgen zu marianischen Bildkonzeptionen und ihren Funktionen. Sie widmen sich unter dem Aspekt ihrer bildlichen Umsetzung den Phänomenen, die für den Marienkult zu verschiedenen Zeiten überregional von prägender Bedeutung waren. Wolfgang Brückners Untersuchung zum Super-Zeichen22 der katholischen Konfessionalisierung, der Immaculata Conceptio (der unbefleckten Empfäng­nis ­Marias), die eine zentrale Rolle als Sinnbild der Ecclesia im posttridentinischen Rekatholisierungsprozess spielte, bildet hierbei den Auftakt. Er betrachtet Visualisierungskonzepte des neuen Marienverständnisses im Kontext ihrer Indienstnahme für theologisch-ekklesiologische Argumentationen. Dabei geht er der Frage nach, auf welche Weise die Verehrung der Maria-Ecclesia als Immaculata dazu geführt hat, dass sie weltweit als Krisenkatalysator institutionalisiert wurde. Dem programmatischen Bildgebrauch steht die volkstümliche Verehrungspraxis von wundertätigen Marienbildern in unzähligen Wallfahrtsorten in Europa gegenüber. Nikolaj van der Meulen betrachtet in seinem Beitrag die Bestrebungen jesuitischer Autoren um 1700, des marianischen Polyzentrismus’ Herr zu werden. Ihre Bestandsaufnahmen von marianischen Wallfahrtsorten waren dabei von der Absicht geleitet, eine Terra Mariana zu entwerfen, eine geheiligte marianische Landschaft, in der sich die verschiedenen Gnadenbilder zu einer Vorstellung von einer einzigen universalen Maria verbinden. In der Kombination von Marien- und Kartenbild gewann diese visuell Kontur, was van der Meulen mittels zahlreicher Abbildungen illustriert. Die Vielgestaltigkeit und Bildhaftigkeit der Maria diskutiert auch Monique Scheer, allerdings am Beispiel moderner Marienerscheinungen wie der von Međugorje. Im Zentrum ihrer Betrachtung steht das Spannungsverhältnis von Bild und Vision, das die Prozesse der Verstätigung und gegenständlichen Vermittlung eines mentalen Erlebnisses leitet. Scheer richtet ihre Aufmerksamkeit sowohl auf die Rolle tradierter visueller Prägungen bei der Rezeption und Akzeptanz von Marienerscheinungen als auch auf Formen und Mechanismen ihrer Popularisierung.

21 Troebst, Stefan: Ansätze: Visuelle Geschichtskultur. In: Mitropa 1 (2010), 62–63. 22 Ganz, David: Barocke Bilderbauten. Erzählung, Illusion und Institution in römischen Kirchen 1570– 1700. Petersberg 2003 (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 14), 355.

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Die hierauf folgenden Aufsätze stellen konkrete Fallbeispiele der Region Ostmitteleuropa in den Vordergrund. Unter Berücksichtigung der Volksfrömmigkeit wird im zweiten Themenblock der direkte oder indirekte Einfluss der Landespolitik auf die Marienverehrung nach den Reformationen bzw. nach der kommunistischen Ära fokus­siert. Hans-Jürgen Bömelburg und Damien Tricoire untersuchen vor dem Hintergrund eines politischen Großereignisses der polnischen Geschichte, des ­Lemberger Mariengelübdes von 1656, Formen des staatlich sanktionierten Marienpatronats. Dabei sondieren sie den Anteil der Monarchie und der Eliten an den Interpretationen der Schutzherrschaft Mariens über Polen sowie deren Nutzbarmachung im Dienste politischer Interessen. Während sich Bömelburg der Rolle der Gottesmutter als ­Garantin der polnischen Adelsfreiheiten widmet, dabei sowohl die Bedeutung der Krönungszeremonie als auch die verschiedenen Kodierungen des Titels Königin von ­Polen bei den ständischen Eliten betrachtet, kommt im Aufsatz von ­Tricoire die Absicht zur Geltung, das Marienpatronat in den Dienst einer Sakralisierung der Königsmacht in Polen-Litauen zu stellen. Die Spezifika des polnisch-litauischen Modells der mariani­schen Herrschaft werden im Vergleich mit ähnlichen Formen in Frankreich und Bayern deutlich. Im Anschluss daran beschreibt Stefan Samerski die konfessionelle Revitalisierung und funktionale Neuimplementierung des Marienkultes am Ausgang des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Mähren durch den obrigkeitsnahen Jesuitenorden. Es wird sichtbar, dass sich die katholische Reform, die zunächst nicht angenommen wurde, erst nach 1621 im religiös-kultischen Bereich durchsetzen konnte. Ein ganz anderes Bild zeigt sich in der Tschechoslowakei wiederum im 20. Jahrhundert: Nach dem Untergang der Habsburger Monarchie kam es zu einem Bedeutungsverlust des Katholizismus im öffentlichen Leben. Dennoch spielte er weiterhin eine Rolle, die sich abhängig von Interessengruppen und der politischen Lage der Kirche wandelte. Diesen Wandel untersucht Jaroslav Šebek an verschiedenen Formen der Marienverehrung in der (post)kommunistischen Tschechoslowakei bzw. Tschechischen Republik und beleuchtet deren Bedeutung für die tschechische Gesellschaft. Für die Marienverehrung sind die bildlichen Manifestationen der Muttergottes von konstituierender Bedeutung. Sie verorten den Kult regional, bringen aber zugleich den globalen Anspruch der katholischen Kirche zum Ausdruck. Auf die Gnadenbilder konzentriert sich die Verehrungspraxis der Gläubigen, weshalb sie besonders leicht auch für andere, nicht-religiöse Anliegen eingenommen werden können. Der Wirkungsgeschichte von herausragenden Marienbildern wendet sich der dritte Themenblock dieses Bandes zu. Anna Tüskés stellt die „Karriere“ einer Passauer Kopie des Mariahilf-Bildes von Lucas Cranach d. Ä. im (früh)neuzeitlichen Ungarn dar, deren Verbreitung im Zusammenhang mit der Funktionalisierung der Darstellung als Schlachtenhelferin gegen die osmanische Gefahr stand. Auf das Identifikationspotenzial der Muttergottes in konfessioneller Gemengelage geht Kai Wenzel in seinem Beitrag ein. Am Beispiel der M ­ aria de Victoria-Kirche in Prag vollzieht er die mehrfache konfessionelle Vereinnahmung



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und Umkodierung einer ursprünglich jesuitischen Mariendarstellung zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges nach. Im Umfeld der Schlacht am Weißen Berg wurde diese abwechselnd von den Lutheranern und Katholiken in Anspruch genommen und entsprechend theologisch ausgedeutet. Der Verehrung eines Marienbildes in einer multiethnisch und konfessionell geprägten Region widmet sich Krista Zach am Beispiel des heute rumänischen Wallfahrtsortes ­Maria Radna. Ungeachtet der mehrfach wechselnden Herrschaftsverhältnisse verblieb der Kultort unter der Obhut des Franziskanerordens und konnte auch unter den Osmanen als Pilgerstätte bestehen. Die verschiedenen Funktionalisierungen der Symbolfigur Maria Radna arbeitet Zach in einem 500-jährigen historischen Überblick heraus und bettet diese in die Kulturgeschichte des Banats ein. Auf die Nachbarregion Siebenbürgen bezieht sich Robert Born in seinem Aufsatz. Er schildert die ereignisreiche Geschichte der durch Gläubige verschiedener Ethnien (Ungarn, Deutsche, Armenier) und Konfessionen (Katholiken, Unierte, Griechisch-Orthodoxe) verehrten Ikonen von Nicula und Klausenburg. Born verfolgt die damit verbundenen unterschiedlichen und teilweise sogar diametral entgegengesetzten Narrative und zeigt den Aufstieg Niculas zur bedeutendsten Pilgerstätte Rumäniens nach dem Zusammenbruch des Ceauşescu-Regimes. In Polen war es der Wallfahrtsort Tschenstochau mit seiner vielverehrten Schwarzen Madonna, auf den sich die konfliktreichen Auseinandersetzungen der katholischen Kirche mit dem kommunistischen Regime konzentrierten. Sie stehen im Fokus der Analyse von Agnieszka Gąsior zum funktionalen Wandel der marianischen Devotion in Polen vor und nach 1989, den sie exemplarisch am Bildschmuck der Marienikone von Tschenstochau nachvollzieht. Der Brauch, die Ikone zu schmücken, drückt nicht nur kultische Verehrung aus, sondern wird seit Mitte des 20. Jahrhunderts auch immer stärker mit politischen Implikationen aufgeladen. Besonders deutlich wurde das 2010, als die Neuanfertigung eines Gewandes für die Schwarze Madonna zum Politikum wurde. Ein anderes Beispiel polnischer Mariendevotion behandelt Ewa Klekot. An der Muttergottes von Katyń zeichnet sie den Sakralisierungsprozess einer zunächst profanen Darstellung nach. Ihre Wirkungsgeschichte ist eng mit der Memorialpraxis verbunden, die im Zusammenhang mit den im kommunistischen Polen tabuisierten sowjetischen Kriegsverbrechen steht. Die Gnadenbilder sind immer auch Anlass für die Entwicklung weiterer Formen der religiösen Praxis, von denen die Wallfahrten am stärksten in die Gesellschaft hineinwirken. Hierbei gehen individuelle Bedürfnisse in einer gemeinschaftlichen Handlung auf. Die Kirche(n) nutzen dieses Potenzial, verstärkt im 20. Jahrhundert, um ihre Interessen über die Frömmigkeitspraxis hinaus bis in die Politik hineinzutragen. Der letzte Teil des Sammelbandes bezieht sich auf die politische Instrumentalisierung marianischer Wallfahrtsorte und legt besonderes Augenmerk auf postkommunistische Neugründungen bzw. Pilgerstätten, die erst nach der politischen Wende an Bedeutung gewannen. Eines der beeindruckendsten Beispiele der jüngsten Vergangenheit ist das polnische Mariensanktuarium in Licheń, das Małgorzata Omilanowska zu ihrem Thema

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macht. Sie erläutert die Entstehungsgeschichte und komplexe Architektursymbolik des modernsten Großheiligtums Polens und schildert von diesem exemplarischen Fall ausgehend neueste Tendenzen in der Religiosität volkstümlicher Prägung. Der Kult um die Gottesmutter von Počajiv in der postsowjetischen Ukraine steht im Zentrum der Untersuchung von Liliya Berezhnaya. In ihrer Darstellung geht sie dem interkonfessionellen Konflikt um die Lavra nach, in dem sich die politischen Gegensätze in der Westukraine widerspiegeln. So wurde das Sanktuarium auch im Wahlkampf von 2012 zum Schauplatz des parteipolitischen Kräftemessens. Agnieszka Halemba wendet sich aus anthropologischer Perspektive der Interaktion von Religion, Nation und Erinnerungspolitik in der gegenwärtigen Ukraine zu. Sie analysiert anhand von Interviews die Beziehung dieser drei Bereiche zueinander und nähert sich so dem Auftreten, dem symbolischen Gehalt und der Herausbildung eines griechisch-katholischen Marienerscheinungsortes in Transkarpatien. Dabei beobachtet sie, wie einerseits lokale Kräfte die Frömmigkeitspraktiken steuern und andererseits unterschiedliche konfessionelle Tendenzen an Einfluss gewinnen. Mit der wohl weltweit bedeutendsten Marienvision der jüngsten Zeit, die jedoch seitens der katholischen Kirche offiziell nicht anerkannt ist, beschäftigt sich abschließend ­Bojan ­Aleksov. In seinem Aufsatz untersucht er die politischen Implikationen des Marien­ kultes von Međugorje, der in den 1980er Jahren oppositionelle Züge trug, nach der Auflösung Jugoslawiens aber zunehmend ethnisch vereinnahmt wurde. In seiner Analyse der öffentlichen Diskurse schildert Aleksov die Transformation der Wahrnehmung ­Međugorjes von einer gesamtjugoslawischen zu einer nationalistischen. Der vorliegende Sammelband gewährt Einblicke in ausgewählte Phänomene der Marien­verehrung, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Vielmehr soll das Interesse auf die Funktionen des Religiösen in nationalen und politischen Diskursen in den Ländern Ostmitteleuropas unter konkreten historischen Bedingungen gelenkt werden, mit dem Wunsch, weitere Forschungen zum Stellenwert religiöser Bindungen und Prägungen in dieser äußerst heterogenen und immer noch im gesellschaftlichen Wandel begriffenen Region anzuregen.

D i e I m m ac u l at a al s Symbol de r unve rä nde rte n K irc h e i n d er kat h ol i s che n R e form Wolfgang Brückner

Entsprechend dem didaktischen Prinzip der exemplarischen Akzentuierung behandele ich zwei Bildzeugnisse, um daran die besondere Bedeutung der Immaculata für die Frühe Neuzeit zu demonstrieren. Die Ikonographen und Frömmigkeitsforscher gehen beim Stichwort „Unbefleckte Empfängnis Mariae“ gemeinhin von jenen optischen Erscheinungen und praktischen Religionsübungen aus, die uns das 19. Jahrhundert mit der Dogmatisierung in seinen dominanten französischen Bildern und Kulten der Immaculata vornehmlich aus Paris und Lourdes überliefert hat.1 Wenn wir jedoch in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts auf die Anfänge der katholischen Reform nach dem Tridentinum und die politische Gegenreformation im Zeichen der unverändert und damit unbefleckt gebliebenen alten Kirche (religio immaculata) zurückblicken, dann bemerken wir sogleich bei den Habsburgern in Böhmen und in den österreichischen Erblanden die Schaffung einer neuen terra sancta im Zeichen von M ­ aria Loreto,2 also im Zeichen Mariae Verkündigung (25. März) an die durch Anna ohne Erbsünde Empfangene (8. Dezember), die für das Heilsgeschehen an der Menschheit ausersehene und dadurch prädisponierte Jungfrau. Der Heilige Geist vermählt sich nicht mit einer Erbsündegeschädigten, um Gottes Sohn zu zeugen. Ecclesia semper reformanda kann sich mithin analog nur an und in der Kontinuität der Papstkirche vollziehen, so der dahinter stehende Gedankengang, und diese Erlösungstheologie geht auf die Volk-Gottes-Idee des Alten Testaments zurück.3 Marias altchristliche und mittelalterliche Position blieb daher nicht nur unangefochten, sondern wuchs in der frühneuzeitlichen römischen Reform erst richtig zu jener Übergestalt und Identitätsfigur des Katholischen heran, was seitdem eines der wichtigsten Konfessionsspezifika ausmacht. Die sich in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts neu ausbildende lateinische und deutschsprachige katechetische Exempelliteratur konzentrierte sich auf die von den Reformatoren angefochtenen Hauptpunkte: Eucharistielehre, Fegefeuervorstellung, Almosengeben und Tugendleistungen, Bilderverehrung, Fürbitte der Heiligen.4 Letztere Punkte wurden vornehm-

1 Brückner, Wolfgang: Marianischer Kult und Ikonographie im 19. Jahrhundert. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2003 (Festschrift für Lenz Kriss-Rettenbeck), 35–63 u. 23 (Farbtafel). 2 Matsche, Franz: Gegenreformatorische Architekturpolitik. Casa-Santa-Kopien und Habsburger ­Loreto-Kult nach 1620. In: Jahrbuch für Volkskunde N.F. 1 (1978), 81–118. 3 Lohfink, Gerhard/Weimer, Ludwig: Maria – nicht ohne Israel. Eine neue Sicht der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis. Freiburg im Breisgau-Basel-Wien 2008. 4 Brückner, Wolfgang: Martins von Cochem „Außerlesenes History-Buch“ und seine Vorbilder. In: ­Fabula. Zs. f. Erzählforschung 33 (1992), 193–205.

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lich mit Hilfe marianischer Beispiele beschrieben,5 sodass man für den literarischen Sektor formulieren darf: Allem berechtigten Streit um den spätmittelalterlichen Heiligenkult ging die nachtridentinische Katechese nicht nur aus dem Wege, sondern griff die angemahnte Quellenkritik katholischerseits sogar offensiv auf und fokussierte die dogmatischen Probleme auf die eine große, biblisch verbürgte Heiligengestalt M ­ aria. Die gegenreformatorische Erbauungsliteratur kannte darum im Grunde nur noch eine prototypische Heilige, nämlich Maria. Die restituierten Wallfahrten erhielten in aller Regel marianische Umpolungen, neue Kultorte des Barock waren fast immer marianische Gnadenstätten6 und der orbis catholicus erschien als ein „Atlas Marianus“, der darum auch literarisch tatsächlich erstellt worden ist.7 Diese Kultpraxis der Wiederbelebung von zwischenzeitlich nicht mehr durchgeführten Wallfahrten mit Hilfe ihrer gleichzeitigen Marianisierung sicherte den Gnadenstätten historische wie dogmatische Unanfechtbarkeit. Die Dominanz marianischer Wallfahrten in nachmittelalterlicher Zeit ist mithin ein bewusstes Ergebnis der katholischen Reform. Die marianischen Kongregationen der Jesuiten wurden in ihrer Frömmigkeitspraxis zu einer der tragenden Säulen jener Entwicklung. Man vergleiche die Gemälde der marianischen Wallfahrten Oberbayerns im Münchner Bürgersaal der Jesuiten unter den Fenstern als sakrales Band des gesamten Raumes. Und dennoch standen die Sodalen gerade mit Maria im Zeichen der Eucharistieverehrung. Die nachtridentinische katholische Reform setzte auf den Grundsatz: Kein Heilsweg ohne die Kirche, darum ‚durch Maria zu Christus‘. Die jesuitischen Kongregationen verstanden sich als marianische Sodalitäten mit eucharistischem Kult. Die dazugehörige marianische Rosenkranzfrömmigkeit ihrer Mitglieder durch die Pflichtteilnahme in den dominikanischen Bruderschaften betonte die christologische Ausrichtung jenes marianischen Meditationsritus. Die Jesuiten aber blieben trotz dieser engen Verbindung zu den Dominikanern in der theoretischen Mariologie dennoch Immaculisten gleich den Franziskanern. Wir haben für die Frühe Neuzeit darum nicht von den gedanklichen Höhenflügen theologischer Quisquilien innerhalb der streitenden Schulmeinungen von Franziskanern und Dominikanern, zwischen Immaculisten und Maculisten, sowie den im Barock allmählich populär werdenden Visualisierungen der Mariengestalt ohne Kind seit dem 17. Jahrhundert auszugehen. Das 16. Jahrhundert erschuf gerade nicht die Personalisierung eines Theologumenons in der himmelfahrenden Abstraktion einer kinderlosen Marienfigur, sondern die Immaculata blieb damals noch sichtbare Mutter Gottes wie zuvor in den Gnadenbildern des Spätmittelalters aufgrund des apokalyptischen Prototypus der Schlangenzertreterin, und das heißt als neue Eva, die darum das neugeborene Heil vor den Verschlingungsversuchen der höllischen Ungeheuer aus der 5 Ders.: Erzählende Kurzprosa des geistlichen Barock. Aufriß eines Forschungsprojektes am Beispiel der Marienliteratur des 16. bis 18. Jahrhunderts. In: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 86/3 (1983), 101–148. 6 Dünninger, Hans: Wallfahrt und Bilderkult. Würzburg 1995, passim. 7 Vgl. Gumppenberg bei Brückner, Erzählende Kurzprosa (wie Anm. 5).



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Geheimen Offenbarung (Offb. 12,1–2) zu retten vermag und also das Kind hochhält für die Welt, wie im Hauptaltarblatt von Peter Paul Rubens (1577–1640) aus Freising zu sehen, das heute in der Münchner Alten Pinakothek hängt.8 Maria est ecclesia! Dieser Gedanke des Mittelalters beherrschte das Denken der katholischen Reform. Er stammt schon aus dem zweiten christlichen Jahrhundert. Dort ist Maria die Figuration der Kirche, die Jüdin als Gottesmutter das Inbild des erlösten Israel. Dies sagt um 700 die damalige Fassung des Ave Maria durch den Mönch Anastasios vom Berge Sinai aus: „Gebenedeit bist du unter den Frauen, du einziges Leben, du lebensgebärende Mutter der Glaubenden, herrliche Mutter Christ, du heilige Kirche! Denn gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, das eine Volk aus allen lebendigen Nationen.“9 Die Apokalypse-Kommentare des frühen und hohen Mittelalters haben diese Deutung aufgegriffen, und in der Hoheliedexegese des Hoch- und Spätmittelalters blieb das Motiv des Vergleichs der Jungfrauengeburt mit der jungfräulichen Kirche als „unverletzte“ Bräute und Mütter erhalten, kulminierend in dem beziehungsreichen Vers Hld. 4,7: „Alles an dir ist schön, meine Freundin, und kein Makel ist an dir.“ Sine labe concepta sind die Jungfrau Maria und die Kirche. R ­ upert von Deutz formulierte im frühen 12. Jahrhundert: „Maria, die Braut Gottes des Vaters, war der edelste Teil der ersten Kirche [d. h. der Synagoge], um dann zum Vorbild (exemplar) der jungen Kirche zu werden, als Braut des Sohnes Gottes, ihres Sohnes.“ Heute heißt es bei Joseph Ratzinger in seinem Büchlein „Tochter Zion“ aus dem Jahre 1980: Maria „ist das wahre Israel, in dem Alter und Neuer Bund, Israel und ­Kirche, trennungslos eins sind. Sie ist das ‚Volk Gottes‘, das Frucht trägt aus Gottes gnädiger Macht.“10 Diese Passagen im Sinn, können wir uns dem Hauptgemälde meiner beiden Bildbeispiele zuwenden. Es stellt das Altarblatt des linken Seitenaltars der Jesuitenkirche St. Michael in München dar (Taf. I), der programmatisch dem Altar auf der rechten Seite zugeordnet ist: Dort wird der Alte Bund vorgestellt, hier der Neue Bund, genauer das Opfer des Alten und das Opfer des Neuen Bundes, rechts als verdunkelnde Rauchschwaden aus dem Tempel aufsteigend, hier im Lichte der Sonne der Gerechtigkeit im Zeichen des IHS, also Jesu Christi (darum der Weihetitel Namen-Jesu-­Altar). Dieser hell leuchtende Mittelpunkt wird getragen von der erhöhten Maria-Ecclesia als Immaculata, die (optisch wie nebenbei) mit dem linken Fuß der Schlange das Haupt zertritt.11 Mit dieser Gegenüberstellung beider Altäre wird die Betonung des Opfercharakters der katholischen Messfeier offensichtlich und zugleich die sakramentale Vermittlung des Erlösungsgeschehens durch die bleibende Institution der religio immaculata manifestiert. Die uns heute auf den ersten Blick nicht unmittelbar einsichtige Allegorie der thronenden Gottesmutter als Ecclesia setzt für jene Jahrzehnte die   8 Peter Paul Rubens. Altäre für Bayern. Ausst.-Kat. München. Hg. v. Konrad Renger. München 1991.  9 Lohfink/Weimer (wie Anm. 3), 277 f. 10 Zitiert n. ebd. im Kapitel „Maria als Figuration der Kirche“, 269–298, vgl. dort bes. 279, 281, 293. 11 Brückner, Wolfgang: Ein tridentinisches Bekenntnisbild. Das Namen-Jesu-Altarblatt der Michaelskirche in München von 1588/89 als Gnadenthron des Neuen Bundes. In: Kunst – Politik – Religion. Hg. v. Markus Hörsch. Petersberg 2000, 77–86.

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Kenntnis entsprechender aktueller Lehrbilder voraus. Das folgende Beispiel eines weitverbreiteten tridentinischen Bekenntnisbildes macht die inneren Zusammenhänge auf einen Blick deutlich. Es handelt sich im vorliegenden Falle um ein großformatiges, einst öffentliches Lehrbild des Hildesheimer Doms (Taf. II).12 Die nachtridentinische Bildkatechese stützte sich dabei auf die neuerliche dogmatische Festschreibung der seit dem Konzil von Lyon 1274 bestimmten Siebenzahl der Sakramente. Ihre optische Umsetzung aus dem „Catechismus Romanus“ (1565) ordnete das Lehrgebäude der Sieben Sakramente zum geistigen Bau der Kirche, getragen von den Aposteln als Atlantenpfeiler des Steinbaus auf der Insel des Glaubens im Meer der Irrgläubigen. Ein venezianischer Kupferstich, herausgegeben 1574 vom Verleger Luca Bertelli, wurde dafür eine verbreitete Vorlage, die im religiös umkämpften Mitteleuropa mehrfach in großen gemalten Lehrtafeln umgesetzt wurde, ohne dass deren Titel eines kurzen Laienkatechismus mit übernommen worden wäre: Typus Ecclesiae Catholicae Ad Instar B ­ revis Laicor[um] Catechismi.13 Ein in den Niederlanden in Gebrauch gewesenes Gemälde von ca. 1580 des Diözesanmuseums Haarlem befindet sich heute im Utrechter „Rijksmuseum Het Catharijneconvent“ (107 × 77 cm).14 Das inhaltlich identische, aber viel größere und heute noch dem Hildesheimer Dom gehörende Gemälde15 ist um 1585 als Mittelteil des Epitaphs für den Domherrn Ernst von Wrisberg (gest. 1590) laut Inschrift noch zu seinen Lebzeiten entstanden und befand sich, weithin sichtbar, auf der Rückseite des Chorgestühls in der Vierung zusammen mit ebenso großen flankierenden Gemälden der Geburt und der Auferstehung Jesu. Die Inschrift über dem Lehrbild lautete: Illa ego sum Christo desponsa ecclesia, per quam / Cuncta salus, sine qua nemo beatus erit (Ich bin jene mit Christus als Braut vermählte Kirche, durch die ­alles Heil kommt und ohne die niemand selig wird). Vor über einem halben Jahrhundert beschrieb der Jesuit Otto Semmelroth das Problem in seinem Buchtitel von 1953 wie folgt: „Die Kirche als Ursakrament“.16

12 Jüngst wieder abgebildet bei: Brückner, Wolfgang: Lutherische Bekenntnisgemälde des 16. bis 18. Jahrhunderts. Die illustrierte Confessio Augustana. Regensburg 2007 (Adiaphora 6), 43 (ganzseitige farb. Abb.), 42 (Kupferstich); hier auch das Münchner Altarblatt in gleicher Weise wiedergegeben: 47. 13 Mostra di stampe popolari venete de ’500. Hg. v. Anna Omodeo. Firenze 1955, Abb. 22. – Danach: Mösenender, Karl: Das Haus der Ecclesia. Zwischen biblischer Metaphorik und Kunsttradition. In: Reformation und Reichsstadt. Protestantisches Leben in Regensburg. Hg. v. Hans Schwarz. Regensburg 1994 (Schriftenreihe der Universität N. F. 20), 166–185, hier 177 u. Abb. 8, 184. 14 Zuletzt in: Als Frieden möglich war. Ausst.-Kat. Augsburg. Hg. v. Carl A. Hoffmann. Regensburg 2005, Nr. V,2: 408–410 (mit Farbabb.), 409 (mit reichen lateinischen Beschriftungen wie die Kupferstichvorlage). 15 Scholz, Elisabeth: Die gegenreformatorische Ausstattung des Hildesheimer Doms: Lettner, Hochaltar und Wrisberg-Epitaph. In: Ego sum Hildensemensis. Bischof, Domkapitel und Dom in Hildesheim 815 bis 1810. Hg. v. Ulrich Knapp. Petersberg 2000 (Kataloge des Dom-Museums Hildesheim 3), 197–212, hier bes. 205–207 mit Farbabb. 206 f.; bei den drei Bildbeschriftungen statt 1585 fälschlich „1685“. 16 Vgl. auch Semmelroth, Otto: Urbild der Kirche. Würzburg 21954 [11950].



Die Immaculata als Symbol der unveränderten Kirche

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Aus der Seitenwunde, bzw. hier aus allen fünf Wunden des Gekreuzigten, gehen Blutstrahlen über die Taube des Hl. Geistes in die Gefäße aller Sakramente, die großgestaltige Kleriker aller Weihegrade in entsprechenden Paramenten für die einzelnen liturgischen Funktionen halten, vor denen sich jeweils der dazugehörige ­Ritus als Minia­turszenerie abspielt. Diese Kleriker besitzen alle noch eine zusätzliche (in ­Utrecht goldene) Kettenverbindung zur auf dem Steinbau der Kirche thronenden Mittel-Allegorie der Una Sancta et Catholica Ecclesia. Über ihr ist bei der Geisttaube ­Sancta zu lesen, im Nimbus um Haupt und Tiara Ecclesia. Ihre eigene Bindung mit Ketten an den Himmel geht von der Weltkugel in der ausgestreckten Rechten aus, zur Heerschar der Heiligen einschließlich Maria, darüber steht catholica (weltweit allgemein) geschrieben, und von dem Vogel auf ihrer Linken mit der Beschriftung una reicht eine Kette zu den Propheten und Ältesten unter Anführung des Mose. Letzteres ist ein Symbol für die Vermählung Christi mit seiner Kirche, im Mittelalter durch den Kuss eines Vogels angedeutet.17 Hier steht in der Höhe ihrer Hüfte auf den Ketten zu den Sakramenten geschrieben: Dos sponsa Christi (Geschenk Christi an seine Braut). Das Plateau des steinernen Hauses der Kirche, ihr Fundament, bilden zwei Stufen, die obere von Petrus mit den Schlüsseln, die untere durch Christus gehalten; ihr Eckstein reicht ins Meer des Irrglaubens, in das auf der Hildesheimer Fassung Abtrünnige stürzen, wo schon Mohammed und andere mit Schwertern bewaffnete Kämpfer gegen die Christenheit schwimmen. Der italienische Kupferstich und seine sehr detailgenaue niederländische Gemäldeumsetzung lassen im Meer die Reformatoren, mit Namen bezeichnet, untergehen, voran Luther, Calvin und Zwingli in Predigttonnen.18 Der „Catechismus Romanus“ und daraus entwickelte Graphiken formulieren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Gnadenwirken der Sieben Sakramente aus dem Zentrum der Eucharistie als eine Frucht des römischen Kirchenverständnisses und seines priesterlichen Ordo. Die Allegorie der mit der Tiara geschmückten Ecclesia bindet im Wortsinne das Heil durch goldene Ketten an ihre Gestalt. Dass diese Ecclesia in einem höheren metaphorischen Sinne identisch ist mit der Gottesmutter ­Maria als Immaculata und somit als unveränderte, makellose, immerwährende Kirche, demonstriert der Namen-Jesu-Altar des Neuen Bundes in der Jesuitenkirche St. Michael zu München. Der ausführende Künstler für das Gemälde im Namen-Jesu-Altar mit der Darstellung des Neuen Bundes war 1588/89 der Oberitaliener Antonio Maria ­Viani (etwa 1550–1635), in München auch Viviani genannt (Taf. I).19 Die Entwürfe stammten ­allerdings von seinem Schwiegervater, dem bayerischen Hofmaler und Architekten niederländisch-florentinischer Herkunft Friedrich Sustris (gest. 1599), sodass dieser für den intellektuellen Charakter der Darstellungen als gemalter Theologie verantwortlich zeichnet. Dass er dabei Luthers Formulierung für Cranachs Kompositionen 17 Lexikon der christlichen Ikonographie. Hg. v. Engelbert Kirschbaum und Wolfgang B ­ raunfels. Bd. 1–8. Rom 1968–1976, hier Bd. 1 (1968), Sp. 564. 18 Auch abgebildet bei Brückner, Lutherische Bekenntnisgemälde (wie Anm. 12), 42. 19 Brückner, Ein tridentinisches Bekenntnisbild (wie Anm. 11).

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von „Gesetz und Gnade“ (Mosaisches Gesetz und Christi Evangelium)20 in tridentinischem Verständnis aufgreift, macht das Bild in doppelter Weise interessant, weil am gleichen Thema die dogmatischen Unterschiede besonders deutlich werden können. Es ist das Mysterium von Altarsakrament/Abendmahl und das damit verbundene Problem der Gnadenvermittlung. Wir haben es zugleich mit einer Auffassung von Kirche zu tun, die der reformatorischen Überzeugung diametral entgegensteht, zumal im Bild ­Maria als Inkarnation der Ecclesia ins Spiel kommt. Sie thront wie deren Allegorie im vorgestellten Laienkatechismus auch hier im Zentrum. Die Idee der Immaculata ist allerdings noch nicht losgelöst von der Mutterschaft und der Gegenwart des Sohnes, was erst in der Ikonographie des 19. Jahrhunderts dominiert, welche die himmlische Jungfrau in einer abstrakten Idee als erbsündefreies, übermenschliches „Gefäß“ der Gnade begreift. Die Münchner Komposition wird allerdings nicht von der Monumentalisierung des Gekreuzigten, sondern der des Namens und damit der Gesellschaft Jesu bestimmt. Dessen seit dem Franziskanerobservanten Bernardino da Siena (1380–1444) im frühen 15. Jahrhundert verbreitete griechische Heils-Chiffre IHS (ΙΗΣΟΥΣ) erscheint als Gnadenlicht der Welt, das von Engelsscharen mit den Leidenswerkzeugen zum Zeichen der Erlösung umgeben ist. Das Licht der Welt geht von Gott Vater (oben in einer eigenen Lichtaureole) aus, und zwar durch den Hl. Geist beim Namen ­Jesu. Das Gemälde besteht daher aus drei ineinandergreifenden Ebenen oder Darstellungsteilen. Die gesamte obere Hälfte bildet die Vorstellung des himmlischen Gnadenaktes der Rechtfertigung der gefallenen Menschheit. Das untere Drittel zeigt diese in ihren identifizierbaren Ständen bei der Verehrung des eucharistischen Heilands in der Monstranz auf dem Altar. Das war ein im Verlaufe des 16. Jahrhunderts zum Glaubensemblem erstarrtes Bildzeichen aus Raffaels Fresko „Disputa“ in der vatikanischen Stanza della Segnatura, wozu es aber auch schon spätmittelalterliche Vorbilder gab, wie zum Beispiel das Hans Wertinger zugeschriebene Gemälde „Verteidigung des Sakraments“ (um 1505) im Besitz der Bayerischen Gemäldesammlung München.21 ­Raffael malte den päpstlichen Repräsentationsraum in Rom zwischen 1508–1511 an den vier Wänden ganzflächig mit den Themen Philosophie (Schule von Athen), Jurisprudenz, ­Poesie und Theologie (Disputa) aus. Im Abschluss und Höhepunkt des Zyklus verweist die geistig streitende irdische ecclesia militans auf die darüberliegende himmlische ecclesia triumphans, der Gott in Brotgestalt verweist auf den erhöhten Herrn der Endzeit. Bis ins 20. Jahrhundert hinein haben Druckgraphiken diese Disputa im visuellen Gedächtnis der Katholiken wach gehalten.

20 Vgl. dazu den Gesamtkatalog zum ikonographischen Thema: Gesetz und Evangelium. Hg. v. Heimo ­Reinitzer. Bd. 1–2. Hamburg 2006. 21 Lankheit, Klaus u. a.: Eucharistie. In: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Bd. 1–9 (A–Flügelretabel). Begr. v. Otto Schmitt. München 1937–2003, Bd. 6 (1973), Sp. 154–254, hier Sp. 208 und 219, dazu Sp. 201 f. die beiden Abb.



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Bei den Jesuiten in München thront 1589 zwischen irdischer und himmlischer Sphäre vermittelnd die unversehrte Kirche als religio immaculata unter – respektive hineingezogen in den Lichtschein des sol invictus – dem Sünde und Tod überwindenden Erlöser Christus. Nur Marias gekröntes Haupt ragt in dessen Strahlenkreis hinein, ihr Hals gehört schon der Übergangssphäre an. Maria selbst wird im Zusammenhang des corpus mysticum Hals der Kirche genannt, mithin als Verbindungsglied gedacht, überragt von Christus, dem Haupt. Doch einen kostbar geschmückten Hals der Braut kannte schon das Hohelied, während Maria in der mittelalterlichen Metaphorik mehr zwischen Kirche und Christus zu stehen kam.22 In der katholischen Reform, und demnach auch in unserem Bildzeugnis, steht sie als Immaculata (ohne Evas Sündenschuld Empfangene) im Vordergrund, indem sie der Schlange mit dem linken Fuß den Kopf zertritt. So lässt sich auch hier die Ecclesia-Allegorie im Marienkörper repräsentiert denken, nämlich mit dem Lichthaupt Christi versehen. Diese IHS-Sonne ist so groß wie die gesamte Gnadenanstalt Kirche, also übermächtig und daher alles durchwirkend und zentrierend. Drei Lichtkreise übereinander strukturieren den Aufbau des Gemäldes. Wie Christus die vom Heiligen Geist mit dem Namen Jesu erfüllte Sonne des Heils am Himmel öffnet und darüber in höchsten Höhen Gott Vater im Lichte der göttlichen Liebe thront, so strahlt auf Erden die weiße Hostie vor dunklem Hintergrund unter den Menschen. Der Jesuit Bernhard Pahl erkennt heute in der Münchner Gegenüberstellung von Altem und Neuem Bund eine „Reform der Glaubensbilder“. Die programmatische Ausrichtung allein auf die Person Jesu und sein Erlösungswerk setzt die alten und neuen theologischen Dispute des 16. Jahrhunderts voraus. „Die antithetischen Blätter der beiden Querschiffsaltäre sind wie lehrhafte Kompositionen über das Thema ‚Gesetz und Gnade‘ zu verstehen: Die Gnade Gottes kommt uns Menschen nicht aus Opfern und guten Werken zu [wie am Brandaltar des Alten Testaments], sondern sie wird uns einzig im ‚Namen Jesu‘ und Christi Leiden zuteil“, aber natürlich auch: „Dieses Bild stellt den Glauben an die sakramentale, im sinnhaften Zeichen wirksam bleibende Nähe Jesu in seiner Kirche dar“,23 wofür an diesem Punkt lutherisch statt „in seiner Kirche“ formuliert werden müsste „in seinen Glaubenden“. Das aber wäre eine grundstürzende Veränderung und dagegen steht die unveränderbare Ur- und Glaubensgestalt von Maria-Ecclesia als Immaculata, die zugleich Sponsa Christi ist. Das wurde von nun an marianisches Programm der katholischen Reform und ­Maria das Siegespanier der katholischen Truppen gegen Ketzer und Türken.

22 Lohfink/Weimer (wie Anm. 3), 285. 23 Pahl, Bernhard: Gottesbild und Weltordnung. Die St. Michaelskirche in München. Regensburg 1997, 51.

Kart en bi l d u n d G na de nbild Zur Kartierung und Konsolidierung einer Terra Mariana im 17. und 18. Jahrhundert

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Religio principum, tutela regnorum – Andacht der Fürsten, Schutz der Länder Mit diesem programmatischen Satz ist ein von Raphael Sadeler stammender und nicht weniger programmatischer Kupferstich für die 1615 erschienene „Bavaria Sancta“ überschrieben (Abb. 1).1 Die in dieser Formel ausgedrückte Bindung des irdischen Seelenheils an ein konfessionell und politisch definiertes Territorialgebiet war nicht neu. Auch der Rechtssatz cuius regio, eius religio (wessen Gebiet, dessen Religion) diente seit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 als eine Krisenbewältigungsformel, die ganz auf die Koppelung von konfessioneller und territorialer Teilhabe setzte. Neu an Sadelers Kupferstich ist indessen die Kombination zweier Bildformen, denn die eine betont eine konfessionelle, die andere hingegen eine territoriale Zuge­ hörigkeit. Ihrem Status nach müssten diese beiden Bildformen, das religiöse Bild ­(Maria) einerseits und das epistemische Bild (die Karte Bayerns) andererseits, mit­ einander konkurrieren. Das religiöse Bild ist das Bild des einen und universellen Glaubens, das mit der Reformation ins Wanken geraten war. Das Bild der Karte dagegen ist das Bild des Wissens, das des universalen Blickpunktes und einer Welt der Vernunft. Die vom Erzengel Michael und vier weiteren Engeln präsentierte Karte ­Bayerns ist unter den Schutz der herabblickenden Gottesmutter gestellt. Die augenscheinliche Wechselbeziehung von Kartenbild und Marienbild hebt die beiden Leitgedanken des Kupferstiches hervor, nämlich die Einsetzung Mariens als Patrona Bavariae und die durch sie gewährleistete Autorisierung der Territorialgrenzen.2 In dieser Sicht ist 1 Rader, Matthaeus: Bavaria Sancta. Bd. 1–3. München 1615–1627, hier Bd. 1, Kupferstich Bl. 9. Die „Bavaria Sancta“, mit der der Anspruch verbunden war, die führende Rolle Bayerns und der Wittels­ bacher bei der Christianisierung Deutschlands zu dokumentieren, ist eine Auftragsarbeit ­Maximilians  I. Erste Planungen gehen bereits in das Jahr 1603 zurück; 1604 konnte man einen der bekanntesten Kupferstecher seiner Zeit, Raphael Sadeler d. Ä., gewinnen, der die Kupferstiche nach Vorlagen der Hofmaler Matthias Kager und Peter de Wittes anfertigte. Ab 1610 wurde der Jesuit ­Matthaeus Rader mit der Abfassung des Textes betraut. Vgl. Wimmer, Ruprecht: Matthaeus Rader SJ – ­Bavaria Sancta. In: Die Jesuiten in Bayern, 1549–1773. Ausst.-Kat. München. Hg. v. Joachim Wild. Weißenhorn 1991, 192–194. 2 Vgl. Imorde, Joseph: Exemplarisches Leiden und Bildgebet bei Lorenzo da Brindisi. In: RahmenDiskurse. Kultbilder im konfessionellen Zeitalter. Hg. v. David Ganz und Georg H ­ enkel. Berlin 2004 (KultBild 2), 250–281, hier 264.

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Abb. 1  Raphael Sadeler: Religio Principum, tutela regnorum, 1615. Kupferstich.



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der ­Bayernkarte eine klare Funktion zugewiesen: Sie umreißt so unmissverständlich wie kein anderes Bildmedium den Schutz- und Wirkungsraum Mariens. Ist hierbei der Kartenausschnitt auf Teile Österreichs und der Schweiz ausgedehnt, so mag dies zweierlei andeuten: Einmal die historischen Anstrengungen der bayerischen Herzöge im Kontext der Christianisierung jener später habsburgisch gewordenen Gebiete, dann aber auch der hieraus abgeleitete Führungsanspruch Maximilians I. (1573–1651) innerhalb der 1609 gegründeten Katholischen Liga.3 Doch erzeugt die Karte noch einen weiteren und wichtigeren Effekt, der ebenfalls mit dem Reibungsverhältnis von religiösem und kartografischem Bild zusammenhängt: Sadeler führt den universalen Blickpunkt der Karte auf den universalen Blick Mariens zurück und hebt auf diese Weise hervor, dass die Ordnung der geometrischen Vernunft durch die Ordnung der katholischen Norm bestimmt ist. Man könnte resümieren, dass das kartografische Bild auf diese Weise in den Dienst des religiösen ­Bildes gestellt ist, wäre nicht auch die umgekehrte Lesart möglich, nämlich dass Sadeler das Kartenbild als visuelles argumentum aufbietet, um dem durch die Bilderkritik der Reformation in die Krise geratenen Marienbild neue Autorität zu verleihen.4 Nicht das Marien-, sondern das Kartenbild wäre dann das schlagkräftige Argument, dazu aufgerufen, Maria aus der Krise (ihres eigenen Bildes) zu verhelfen, indem ihr ein nach geometrischem Wissen kartografierter Wirkungsraum abgesteckt wird. Louis Marin hat am Beispiel der von Jacques Gomboust im Jahre 1652 für ­Ludwig XIV. (1638–1715) geschaffenen Karte für Paris gezeigt, wie die Macht des wissenschaftlichen Wissens des Kartografen darauf angewiesen ist, von der Macht der sozialen und religiösen Tradition des Königs bestätigt zu werden.5 Mit Bezug auf Sadeler lässt sich aber auch im umgekehrten Sinne feststellen, dass das religiöse Bild Mariens durch das wissenschaftliche Bild der Karte neu platziert wird: Der wahre Bezug der Karte zum bayerischen Territorium setzt sich in dem wahren Bezug Mariens zu Bayern fort. Sadelers Kupferstich „Religio principum, tutela regnorum“ bildet den prominenten Auftakt nicht unmittelbar zusammenhängender Bilder, deren Gemeinsamkeit in der Verknüpfung von Marien- und Kartenbild liegt. Ihrem historisch-politischen Kontext nach verschieden, liegt ihre gemeinsame Absicht in der territorialen Markierung eines postulierten marianischen Weltreiches, einer Terra Mariana. Dabei lässt sich in dem oben angedeuteten Sinne eine argumentative Wechselwirkung von Karten- und Marienbild annehmen, in der das Kartenbild den Schutz- und Wirkungsraum M ­ ariens markiert, während umgekehrt Maria durch einen ihr zugedachten realen Handlungsraum gleichsam auf den Boden geholt wird. Die folgenden Bemerkungen fragen nach den Gründen für die Kartierung einer Terra Mariana. Sie wollen prüfen, inwieweit 3 Denk, Claudia: Erzengel Michael und die Karte Bayerns. In: Rom in Bayern. Kunst und Spiritualität der ersten Jesuiten. Ausst.-Kat. München. Hg. v. Reinhold Baumstark. München 1997, 433 f. Der Kupferstich war ursprünglich für das Kapitel „De Finibus Verteris et Novae Bavariae“, also für das Gebiet zwischen den alten und neuen Grenzen Bayerns vorgesehen. 4 Vgl. dazu noch immer: Belting, Hans: Bild und Kult. München 1990, 510–545. 5 Marin, Louis: Das Porträt des Königs. Berlin 2005, 279 und 281.

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sich die Verschränkung von Karten- und Marienbild zu einer eigenen Bildform der Krisenbewältigung ausbildete.

Die Bodenseekarte des Johann Ernst von Altmannshausen Nicht nur die eigene Stadt, auch das gesamte Bodenseegebiet hatte Maximilian ­Willibald von Waldburg Wolfegg, kaiserlicher Gouverneur von Lindau, zwischen 1633 und 1646 erfolgreich gegen die Schweden verteidigt. So wundert es denn auch nicht, dass Maximilians Haushofmeister, Johann Ernst von Altmannshausen ­(1581–1662), die glorreichen Taten seines Herrn in einer von Wolfgang Kilian im Jahre 1647 gestochenen Karte des Bodenseegebietes hervorhob und dem Gouverneur anlässlich seines 43. Geburtstages dedizierte (Abb. 2).6 Obgleich von Altmannshausen offenbar die Idee für die Gesamtdisposition des Bildes lieferte („J. E. ab A. invenit“, unten links), stammte die eigentliche Stichvorlage von einem als „D. H. delineavit“ ausgewiesenen Künstler (vielleicht David Herz), der wohl auch für das Figurenpersonal und für die Vordergrundterrasse verantwortlich zeichnet.7 Möglicherweise verstärkte die Koautorschaft von Altmannshausen/ Herz auch einen paradoxen Grundzug der Karte, nämlich dass diese weder allein der informationsgrafischen Strenge des Kartografen noch ausschließlich der narrativen ­Inventio des Künstlers verpflichtet ist. Bemerkenswert scheint gerade die Verflechtung epistemischer, ästhetischer und religiöser Motive. Maximilian und dessen Sohn sind so im Vordergrund platziert, dass sie gleichsam von Schloss Wolfegg aus auf den Boden­see hinabblicken. Doch richtet sich der Blick des Grafen nicht auf den von ihm erfolgreich verteidigten militärisch-politischen Wirkungsraum. Vielmehr wendet sich der Blick hinauf zum Bildnis der Gottesmutter, welcher der Graf ehrerbietig Waffen und Rüstung zu Füßen legt. In der Huldigung gegenüber der Gottesmutter dokumentiert sich nicht nur der Dank des Grafen für die errungenen Siege in Konstanz (1633), Lindau (1646) und Wolfegg (1646), die am oberen Bildrand vergegenwärtigt sind. Der gewährte Beistand sichert umgekehrt auch der Gottesmutter Maria die Herrschaft über den militärischpolitischen Wirkungsraum Maximilians. In dieser gegenseitigen Treuebindung kann Maria zur Königin des Bodenseeraumes werden, gerade weil bei der militärischen Krise auch die Geltung ihres eigenen Bildes auf dem Spiel stand und schließlich von Maximilian erfolgreich verteidigt wurde. Maximilian tritt als Garant und Verfechter

6 Johann Ernst von Altmannshausen war Obervogt von Wolfegg, bzw. Haushofmeister Maximilians. Vgl. Kullen, Siegfried: Der Schweizer Pater Gabriel Bucelin (1599–1681) als Kartenzeichner. In: Cartographica Helvetica 19 (1999), 27–36, bes. 30. 7 http://www.gebrueder-duerst.ch/arthur/cartographica/documenta_cartographiae/17.PDF (05.02.2008). Dürst, Arthur/Bonaconsa, Ugo: Der Bodensee mit den angrenzenden Gebieten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz in alten Kartendarstellungen. Konstanz 1975.



Kartenbild und Gnadenbild

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Abb. 2  Johann Ernst von Altmannshausen/David Herz (?): Karte des Bodenseegebietes, 1647. Kupferstich, 54,3 × 35,7 cm. Schloss Wolfegg.

einer marianischen Bilderverehrung auf. Anders als der 32 Jahre zuvor entstandene Sadeler-Stich aus der „Bavaria Sancta“ bringt die Altmannshausen-Karte unmissverständlich zum Ausdruck, dass es sich beim Kampf um die Bodenseestädte auch um einen Kampf um die Verehrung des Gottesmutterbildes gehandelt haben muss. Wie das Bild der Gottesmutter unter diesen Umständen aber kein konkretes Gnadenbild bezeichnet, sondern generell als Allegorie des marianischen Bilderkultes verstanden werden muss, so geht auch die sorgfältige Kartierung der Orte um den Bodensee über einen bloß informationsgrafischen Wert hinaus: Die Karte ist zugleich der nachgewiesene Ort des marianischen Eingreifens in die politischen Geschicke der Region wie auch umgekehrt allegorischer Bezugspunkt des verteidigten marianischen Wirkungsraumes. Der Chiasmus von „vertikaler“ und „horizontaler Allegorie“ (Marienbild/­ Bodenseekarte) verweist auf die wechselseitige Abhängigkeit der beteiligten Instan­ zen innerhalb eines Treuebündnisses und bedient sich dabei der Kreuzung von religiöser und epistemischer Bildform.8

8 Zum Begriff der „vertikalen Allegorie“ vgl. Buci-Glucksmann, Christine: Der kartographische Blick in der Kunst. Berlin 1997, 81.

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Ludwig von Wyl und Wilhelm von Gumppenberg kartieren die Casa Santa von Loreto Am nördlichen Abhang des Pilatus, unweit von Kriens (Kanton Luzern) liegt die im Jahre 1662 nach mehreren An- und Umbauten geweihte Wallfahrtskirche von Hergiswald, die gegen Ende des 17. Jahrhunderts zu einem der Hauptwallfahrtsorte der Zentralschweiz und zum seelischen Zufluchtsort der Luzerner Patrizier in allen Lebenslagen avancierte. Die aus mehreren Heiligtümern und in mehreren Bauphasen errichtete Marienwallfahrtskirche birgt neben einem mit 324 Marienemblemen ausgemalten Deckenhimmel eine maßstabsgetreue Kopie der Casa Santa von Loreto (Taf. I). Bei der Casa Santa (ital.) oder Sancta Casa (lat.) handelt es sich bekanntlich um das Verkündigungshaus Mariens, dem späteren Haus der Heiligen Familie, das während der Kreuzzüge Ende des 13. Jahrhunderts in einer wundersamen, weil von ­Engeln beförderten Reise von Nazareth über Dalmatien und Recanati nach Loreto übertragen wurde. Kurz nach Erfindung des Buchdrucks entstanden in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit der schriftlichen Fixierung der Legende auch erste bildliche Darstellungen mit dem Topos eines in der Luft schwebenden und von Engeln getragenen Hauses, mit Maria und dem Jesuskind auf dem Dach sitzend. Etablierte sich der Lore­tokult, den Filiationen nach zu urteilen, zunächst im italienischen Sprachraum, so breitete er sich vor allem nach der Reformation auch nördlich der Alpen aus.9 Ein frühes, cisalpines lauretanisches Heiligtum entstand 1585 in Bischofteinitz/­Horšovský Týn (Böhmen), wo Kryštof von Lobkovic nach seiner Rückkehr aus Loreto eine Kapelle – allerdings mit rundem Grundriss – erbauen ließ.10 Auffällig häufig finden sich im nordalpinen und von Loreto relativ weit entfernten Raum (Bayern, Böhmen, Öster­reich, Süddeutschland und der Schweiz) maßstabsgetreue Architekturkopien des Loretohauses, die entweder wenige Jahre vor, während oder auch nach dem Dreißigjährigen Krieg errichtet worden sind.11 Vorbei am Hochaltar von Hergiswald präsentiert sich dem in die Casa Santa eintretenden Besucher ein instruktives Bild, das detailgenau über den wundersamen Transfer des Heiligen Hauses informiert (Taf. II und III).12 Dieses von dem Solothurner Maler Johannes Dietterlin (1623–1650) im Jahre 1647 gemalte Bild trägt den  9 Brückner, Wolfgang: Gnadenbilder im Zeitalter ihrer Reproduzierbarkeit. In: Ders.: Kulturtechniken. Nonverbale Kommunikation, Rechtssymbolik, Religio carnalis. Würzburg 2000 (Gesammelte Schriften 9), 490–516; Tobler, Mathilde: „Wahre Abbildung“. Marianische Gnadenbildkopien in der schweizerischen Quart des Bistums Konstanz 1991 (Der Geschichtsfreund 144), 104–123. 10 Vgl. Bradna, Jan u. a.: Zur Restaurierung der Santa Casa im Areal des Prager Loreto. In: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung 10/2 (1996), 315–340, hier 317 f. 11 Matsche, Franz: Gegenreformatorische Architekturpolitik. Casa-Santa-Kopien und Habsburger ­Loreto-Kult nach 1620. In: Jahrbuch für Volkskunde N. F. 2 (1979), 80–118; Pötzl, Walter: Loreto in Bayern. In: Jahrbuch für Volkskunde N. F. 2 (1979), 187–218; Flögel, Evelyn: Die Loretokapellen in Baden-Württemberg, Bayern und der Republik Österreich. Phil. Diss., München 1985. 12 Bitterli, Dieter: Der Bilderhimmel von Hergiswald. Der barocke Emblemzyklus der Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau in Hergiswald bei Luzern, seine Quellen, sein mariologisches Programm und seine Bedeutung. Basel 1997, 12–21.



Kartenbild und Gnadenbild

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ausführlichen Titel: „Daß H (sic!) Hauß Statt und Landtschafft Loreten. Mit sambt der wunderlichen Reiß durch den weiß-gelben strich in der Landtaffel angedeit von Nazareth in das weltschland, und dorten an 3 andere ort in 2 theil abgetheilt“. Unterhalb der großformatigen „Landtaffel“ findet sich rechts ein an den Enden eingerollter ­cartolino, auf dem die letzte Flugbahn der für Hergiswald bestimmten Architekturkopie (mit den Orten Luzern, Kriens, „Winckell“/Horw und eben Hergiswald) angegeben ist. Dabei legte der Maler besonderen Wert darauf, die Topografie Norditaliens und Loretos mit derjenigen des Vierwaldstätter Sees und Hergiswalds in Analogie zu bringen, ja, die Hergiswalder Topografie selbst als mimetische Nachbildung der Loreto­landschaft auszuweisen: Denn wie Loreto befinde sich auch Hergiswald zum­ einen auf einer Anhöhe und „gantzgleichen platz oder stelle. 2. Neben dem wald, 3. Von der statt Lucern wie dort von Recinet [Recanati]. 4. Und vom waßer des Sees. Wie dort vom Meer in eben mesiger Weite.“ Obgleich Dietterlins Landschaftstafel auf italienische Vorbilder des späten 16. Jahrhunderts zurückgeht, ist sie doch hinsichtlich ihrer Thematisierung von Reproduktion und Mimesis im Kontext der Marienverehrung einzigartig.13 Dietterlins Bild argumentiert im Interesse des Loretokultes in zwei Richtungen. So wird einerseits das Reproduktionsverhalten der Casa Santa als eigentliche Bestätigung ihrer Wirkungsmacht ausgewiesen, während andererseits das Hergiswalder Mimesisverhalten den Schweizer Gebirgsort auf ideale Weise für die Aufnahme einer Casa SantaKopie qualifiziert. In beiden Argumenten spielt bei Dietterlin die Überblendung von Kartenbild und Gnadenbild(-kopie) eine wesentliche Rolle, da sie dem Übertragungsund Reproduktionsvorgang nicht nur einen Wirkungsraum zuweist, sondern die unterstellte Analogie zwischen Vierwaldstätter See und Adria erst anschaulich macht. Man könnte sagen, dass die Karte einen epistemischen Raum zur Verfügung stellt, um den Bau einer Architekturkopie zu erklären und ihm zu Glanz zu verhelfen. Dass ­Dietterlins Bild von 1647 mit seiner sichtbaren Analogie von Adria und Vierwaldstätter See ein späterhin aufgegriffenes Argument lieferte, um die idealen Voraussetzungen von Hergiswald als Loretokultort zu unterstreichen, zeigt der vier Jahre später erschienene „Lobgesang des H. Hauses“ (1651): „Gleich wie das heylig Haus hoch ligt/ Naechst beim Loreten-Wald/ Vom Meer ohngfahr bey tausend Schritt;/ Also der Hergiswald/ Von Gott zum Platz erkohren aus/ Auch auff der hoehe hat sein Haus;/ Wie dort das Meer, hie des Seesweehr/ Allweg gleich glendet aus.“14

Bild wie Lobgesang gehörten zu den Werbeinstrumenten des Kapuzinerpaters ­Ludwig von Wyl (1594–1663), der auf diese Weise der 1649 fertiggestellten Casa Santa von Hergiswald einen Spitzenplatz unter den Loretokapellen der Schweiz zu si13 Vgl. zum Beispiel Cesare Nebbias Entwurf „Angeli Mariae Virginis Domum Circumerunt“ (um 1580) für das kartografisch-kosmologische Bildprogramm der vatikanischen Galleria delle Carte Geografiche; Schütte, Margret: Die Galleria delle Carte Geografiche im Vatikan. Eine ikonologische Betrachtung des Gewölbeprogramms. Hildesheim-Zürich-New York 1993 (Studien zur Kunstgeschichte 69), 26 und 120. 14 Zit. nach Tobler (wie Anm. 9), 110.

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chern suchte. Der im Jesuitenkollegium ausgebildete Luzerner Patriziersohn von Wyl durchlief als Kapuziner eine steile Karriere: Im Jahre 1624 wird er nach mehreren Ordensämtern in Fribourg Lektor der Philosophie und Theologie, bevor er ab 1627 in der Ambassadorenstadt Solothurn das Amt des Guardian erhält und in dieser Funktion die Solothurner Kapuzinerkirche neu erbauen lässt. In Folge politischer Intrigen wird von Wyl 1644 nach Fribourg versetzt, wo er neben dem Guardianat auch das Amt des Bauleiters für die gesamte Provinz inne hat. Ab 1648 findet der Kapuziner in dem in Solothurn sich aufhaltenden französischen Gesandten Jean de la Barde einen Gönner, der ihm wenige Jahre später auch die Hergiswalder Loretokapelle als Stiftung des französischen Königs vermittelt. Über mehrere Umwege erreicht von Wyls Laufbahn mit der Wahl zum Provinzial der Schweizer Kapuzinerprovinz (1654) ihren Höhepunkt.15 Nicht nur die Kombination aus Jesuitenausbildung, bauherrschaftlicher wie künstlerischer Kompetenz und einer intensiven Loretoverehrung machen den Kapuziner Ludwig von Wyl zu einer interessanten Figur auf dem Parkett der Schweizer Marienfreunde des 17. Jahrhunderts. Auch die Überschneidung seines Lebensweges mit demjenigen des Jesuiten Wilhelm von Gumppenberg (1609–1675) ist in unserem Zusammenhang von Interesse. Während von Wyls Amtszeit als Guardian und Bauleiter der Kapuziner in Fribourg (1644–1648) amtierte auch von Gumppenberg an der dortigen Kathedrale als Prediger.16 Und als Fribourg im Jahre 1647 aufgrund der Bedrohung der Eidgenossenschaft durch die schwedischen Truppen tausend Mann an den Bodensee entsenden musste, initiierte von Gumppenberg in Fribourg auf einer Anhöhe über der Sarine den Bau einer Loretokapelle, die 1650 auch fertiggestellt wurde, um die Stadt fortan unter den Schutz der Maria Lauretana zu stellen (Abb. 3).17 Bereits zwei Jahre zuvor war von Wyl von Fribourg aus an den Luzerner Rat mit Vorschlägen für den Bau einer Loretokapelle in Hergiswald herangetreten. Daher liegt die Vermutung nahe, dass er bei der auf dem Grundbesitz des Kapuzinerordens in Solothurn erbauten Casa Santa (1649/50) auch beteiligt war.18 So entstanden in der Schweiz Mitte des 17. Jahrhunderts zeitgleich und im Wettstreit miteinander die drei ersten Loretokapellen. Sie alle lassen sich direkt oder indirekt mit einer Grenzmarkierung des katholischen Landes zum Zeitpunkt einer militärischen Krise in Verbindung bringen. Gerade die Idee einer reproduzierten Architektur erweist sich als sinnfälliges Medium zur Grenzmarkierung des katholischen Territoriums. Zumindest für Fribourg und ­Hergiswald gilt, dass die Rechtmäßigkeit einer Architekturkopie von Loreto durch eine topografische Ähnlichkeit mit den italienischen Gegebenheiten begründet 15 Bitterli (wie Anm. 12), 13–16. 16 Tobler (wie Anm. 9), 34. 17 Schon 1634 hatte das rund 130 Kilometer von Fribourg entfernte Porrentruy gelobt, eine Marienkapelle gegen die schwedischen Belagerungstruppen zu errichten, vgl. ebd., 46. 18 Von Wyl war zwischen 1650 und 1654 wieder Guardian im Kapuzinerkloster Solothurn. Die Casa Santa von Solothurn, eine Stiftung des Schultheißen Johann Schwaller, wurde auf einer Wiese zwischen dem Kapuziner- und dem Kapuzinerinnenkloster erbaut. Das Grundstück gehörte dem Frauenkloster, die seelsorgerliche Betreuung der Loretokapelle oblag dem Männerkloster. Ebd., 37 und 117.



Kartenbild und Gnadenbild

Abb. 3  Außenansicht der Loretokapelle in Fribourg, nach Plänen von Hans Franz Reyff, 1647–1650.

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wurde. Es lag nahe, diesen topografischen Ähnlichkeitsnachweis in Hergiswald auch bildmäßig zu erbringen.

Wilhelm von Gumppenberg und Heinrich Scherer kartieren die ­Terra Mariana Zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Fribourger Casa Santa (1650) wirkte der ­Jesuit Wilhelm von Gumppenberg wohl schon als Prediger an der Innsbrucker St. Jakobskirche, der Verehrungsstätte des Maria-Hilf-Gnadenbildes von Lucas Cranach d. Ä.19 Dort oder schon in Fribourg hatte von Gumppenberg den Plan gefasst, unter dem ­Titel „Atlas Marianus“ ein weltweites Verzeichnis marianischer Gnadenbilder anzulegen. Mit dieser Absicht gelangte er um 1653 an die Jesuitenkongregation, die wiederum ihre Ordensmitglieder zur Unterstützung des von Gumppenbergschen Plans aufforderte. Im Jahre 1655 erschien in Trient eine erste Projektskizze als „Idea ­Atlas ­Mariani“; bereits zwei Jahre später folgte eine erste Auflage des Verzeichnisses.20 Enthielt diese erste Auflage des „Atlas Marianus“ (1657) zunächst 50 marianische Gnadenbilder einschließlich druckgrafischer Reproduktionen und Beschreibungen, so brachte es die dritte lateinische Auflage von 1672 auf ein Konvolut von 1 200 Marienbildern. Wer hinter dem Verzeichnis einen Atlas mit umfangreichem Kartenmaterial erwartete, wurde enttäuscht. Nur indirekt und vielleicht eher im Sinne eines katholischen Kontrapunktes bezieht sich von Gumppenbergs kartenloser Atlas auf das gleichnamige Werk Gerhard Mercators (1512–1594) samt jenem berühmten Titelkupfer, das die ein Jahr nach Mercators Tod erschienene, dreibändige Ausgabe von 1595 einleitet (Taf. IV). Trotzdem ist der Vergleich dieses Titelkupfers mit denen des „Atlas ­Marianus“ von 1657 und 1672 aufschlussreich (Abb. 4 und 5). Letztere zeigen zwischen dem Himmelsgewölbe und dem Erdenrund eine in der ersten Auflage schwebende und in der zweiten Auflage von Engeln getragene Casa Santa, auf deren Dachgiebel Maria Lauretana thront. Man kann dieses Motiv durchaus als Gegenprogramm zu Mercators Titelkupfer lesen. Nicht der mythologische Titan blickt hier von einem universalen Blickpunkt auf die Erde herab, bereit deren Last und Geschicke zu tragen. Vielmehr erscheint die Gottesmutter als Gnade vermittelnde Mediatrix zwischen Himmel und Erde. Und in diesem Sinne bemerkt von Gumppenberg in der Vorrede der deutschsprachigen Ausgabe von 1673:

19 Ebd., 35. Zur Maria-Hilf-Rezeption siehe den Beitrag von Anna Tüskés in diesem Band. 20 Signori, Gabriela: Das spätmittelalterliche Gnadenbild: Eine nachtridentinische invention of tradition? In: Rahmen-Diskurse (wie Anm. 2), 302–329, hier 305.



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Abb. 4  Melchior Küsell: Ne feriat, ne ­pereat. Frontispiz aus Gumppenberg, Wilhelm von: Atlas Marianus. I­ngolstadt 1657.

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Abb. 5  Melchior ­Haffner: Ne feriat, ne ­­pereat. Frontispiz aus Gumppenberg, ­Wilhelm von: Atlas Marianus. ­München 2 1672 [11657].

„Es ist je und allezeit gewiß gewesen, daß Mariae die Ehr zugehört und eigen ist, welche die blinde Heyden, erstlich einem Berg, endlich einem Abgott, mit Namen Atlaß, gegeben, deme sie zugeschriben und gedanckt, daß der Himmel nit einfalle, und die Welt zerknirsche, als ob er der jenige wäre, der mit seinen Schulteren den fallenden Himmel mit allen Sternen auffhalte. Aber, O Maria, dir gehören dise und noch grössere Ehren zu, indeme du sovil deiner heiligen Wunderthätigen Bilder in die Christliche Welt hin und wider, als Stützen und Säulen, gesetzt, von welchen der Himmel understützt wird, daß er die Welt nit vertilge.“21

In dieser Sicht enthält das von der Casa Santa ausgehende und auf die Erde herabgehende Strahlenbündel eine doppelte Aussage: Es konzipiert einerseits die Casa Santa als archetypischen Projektionsraum, der gleich einer Laterna magica (Abb. 6) maria21 Gumppenberg, Wilhelm von: Marianischer Atlaß von Anfang und Ursprung Zwölffhundert Wunderthätiger Maria-Bilder. Beschriben in Latein von R. P. Guilielmo Gumppenberg: Anjetzo Durch R. P. Maximilianum Wartenberg in das Teutsch versetzt / beede der Societet Jesus. München 1673, Vorrede.

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Abb. 6  Laterna magica. Aus: Kircher, Athanasius: Ars magna lucis et umbrae … Amsterdam 1671.

nische Gnadenbilder als Abbilder des Urbildes auf die katholischen Länder wirft, um auf diese Weise ein katholisches Weltreich zu kartieren. Zugleich sind die Strahlen aber auch Ausdruck der heilsamen Wirkung marianischer Gnadenbilder und im Sinne von Gumppenbergs „Stützen und Säulen“, welche die Last des himmlischen Schicksals tragen und so die Erde vor himmlischem und irdischem Unheil beschützen. Ne Feriat – Ne Pereat, heißt es in diesem Sinne auch unter dem Himmelsgewölbe und über dem Erdenrund. Die Bewahrung der Welt vor Elend und Zerstörung, genau hierin erblickte von Gumppenberg die Macht und Wirkung Marias und ihrer Gnadenbilder. Die Casa Santa mit der Maria Lauretana konnte dabei auch deshalb als Prototyp marianischer Gnadenbilder im Dienste des heilsamen Schutzes angesehen werden, weil gerade die Casa Santa nach der Beschreibung von Gumppenbergs mehrfach einer drohenden Zerstörung durch Andersgläubige entkam. Und dass der Autor das Ne ­Feriat – Ne Pereat ganz konkret verstand, zeigt die Dedikation des „Atlas ­Marianus“ an die Himmelskönigin, der es letztlich zu verdanken sei, dass der „Himmel die Welt nit vertilget habe, und die Welt mit Krieg, Kranckheit und Hunger seye vernichtet worden“.22 Zurückhaltend, aber eindeutig ist in dem Frontispiz des „Atlas Marianus“ der existenzielle Hintergrund des marianischen Atlasprojektes angesprochen. Das spätere Titelkupfer der deutschsprachigen Ausgabe von 1673 hat dann ­allerdings eher Andachtsbildcharakter und lässt nur noch wenig von jenen Motiven erahnen, die von Gumppenberg nur wenige Jahre nach dem Westfälischen Frieden zur Idea des „Atlas Marianus“ geführt haben dürften. Verfolgte von Gumppenbergs Atlas nur dem Titel nach die Kartierung eines marianischen Territoriums, so setzte der Jesuit Heinrich Scherer (1628–1704) den Plan der Kartierung eines marianischen Weltreiches in die Tat um. Im Jahre 1628 in Dil22 Ebd., Dedicatio.



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lingen geboren, dürfte Scherer den 19 Jahre älteren Ordensbruder von Gumppenberg gekannt haben, zumal sie mit Bayern einen gemeinsamen Wirkungsraum hatten.23 Zwischen 1702 und 1710 erschien (teilweise postum) das Lebenswerk Scherers, ein siebenteiliges geografisches Werk mit rund 180 Karten, das von den Herausgebern später als „Atlas Novus“ betitelt wurde und unter anderem die Schöpfungsgeschichte, die katholische Hierarchie, die Jesuitenmission sowie die Marienverehrung aus geografischer Sicht zeigt. Historisch interessant ist hierbei vor allem Scherers Interesse, das theologische Wissen der Jesuiten an das moderne geografische und kartografische Wissen anzupassen oder, umgekehrt formuliert, das kartografische Wissen für den Jesuitenorden dienstbar zu machen. Auch im Bereich der Kartografie brachte es der „Atlas Novus“ zu wirklichen Weiterentwicklungen bzw. Neuerungen wie etwa orohydrografischen bzw. thematischen Darstellungsverfahren. Neben einer Geographia ­Naturalis (I), ­einer Geographia Hierarchica (II), einer Geographia Politica (IV), einer Geographia Artificialis (V), einer Tabella Geographica (VI) und einer Critica Quadrapartita (VII) enthält der Atlas als dritten Teil den 1702 in München erschienenen „Atlas Marianus“ (1710), im Index auch als Geographia Mariana angegeben.24 Geordnet nach Kontinenten und Ländern, verband Scherer zwei unterschiedliche Bildformen, das Gnaden- und das Kartenbild, anschaulich miteinander. Dabei verwendete er niederländische Atlanten, die im 17. Jahrhundert den deutschen Markt weitgehend beherrschten, und adaptierte wohl auch die erste moderne Weltkarte, die „Planisphère terrestre“ (1682). Allerdings nutzte Scherer dieses Kartenmaterial dazu, ein brüchig und zunehmend unüberschaubar gewordenes katholisches Territorium als marianisches Weltreich zu einen.25 Der Karte eines jeden Gebietes ordnete er ein einschlägiges Gnadenbild zu. So stehen die Gnadenbilder von Altötting und Ellwangen für die Gebiete Bayern und Schwaben (Abb. 7). Zudem markierte Scherer den Rang des Marienwallfahrtsortes durch größere oder kleinere Sterne bzw. durch Gnadenstrahlen. Mit Bedacht wählte Scherer als kartografischen Fixpunkt für die programmatische Hauptkarte des „Atlas Marianus“ (1702) nicht die Casa Santa als Urbild aller Gna23 Heinrich Scherer trat mit 17 Jahren dem Jesuitenorden bei. Nach seinem Studium unterrichtete er in Dillingen lateinische Grammatik, Philosophie, Rhetorik und später auch Mathematik, Astronomie, Geografie und Hebräisch. Ab 1670 wirkte er als Prinzenerzieher und Beichtvater in Mantua, München und Köln. In dieser Zeit verfasste er auch einige Dramen, von denen sich zwei erhalten haben. Im Jahre 1704, zwei Jahre nach dem Erscheinen der ersten Teile des „Atlas Novus“, starb Scherer im Jesuitenkolleg in München. Vgl. Bachmann, Christoph: Der Atlas Novus. In: Die Jesuiten in Bayern (wie Anm. 1), 218. 24 Scherer, Heinrich: Atlas novus. Exhibens orbem terraqueum per naturae opera (…). Augsburg 1710 [enthält als pars III: Atlas Marianus sive praecipuae totius orbis habitati imagines et statuae magnae dei matris (…). München 1702–1710]. 25 Sandler, Christian: Die Reformation der Kartographie um 1700. Bad Langensalza 2003 [Nachdruck nach dem Original. München-Berlin-Oldenbourg 1905]; Wawrik, Franz: Renaissance- und Barock­ atlanten. In: Vierhundert Jahre Mercator. Vierhundert Jahre Atlas. „Die ganze Welt zwischen zwei Buchdeckeln“. Eine Geschichte der Atlanten. Ausst.-Kat. München. Hg. v. Hans Wolff. Weißenhorn 1995, 41–80.

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Abb. 7  Heinrich ­Scherer: Karte von Bayern und ­Schwaben. Aus: Atlas Novus, pars III: ­Atlas Marianus. ­München 1702.

Abb. 8  Heinrich ­Scherer: Hauptkarte des Atlas Marianus. Aus: Atlas Novus, pars III. ­München 1702.

denbilder, sondern die Figur der Stella Maris, des marianischen Meersternes (Abb. 8). Denn schließlich ließ sich der Gottesmutter als Venus nicht nur ein kosmischer Platz zuweisen, sondern sie stand als Morgen- und Abendstern auch jedem Gläubigen tagtäglich vor Augen. Dem mariologischen Brennpunkt der Stella Maris huldigen gemäß der jesuitischen Tradition an den Eckpunkten der Erde die vier Kontinente ­Europa, Asien, Afrika und Südamerika.26 Als marianisches Herrscherlob gemünzt bietet eine Vignette unten in der Mitte der Titelkarte eine Seh- und Leseanleitung durch den ­„Atlas Marianus“. Mit Bernard von Clairvaux empfiehlt Scherer dem Leser, es den Erdteilallegorien gleichzutun und die Kartenlektüre auf den mariologischen 26 Bauer, Hermann: Rokokomalerei. 6 Studien. Mittenwald 1980, 64.



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Brennpunkt der Stella Maris auszurichten. Die deutsche Übersetzung der Vignette lautet: „Ihr Menschen, die ihr erkennt, daß ihr im Strom des irdischen Lebens mehr zwischen Stürmen und Unwettern schwankt als auf festem Boden wandelt, wendet eure Augen nicht ab von dem Glanz dieses Gestirns, wenn ihr von den Stürmen nicht überwältigt werden wollt! Wenn die Winde der Versuchungen sich erheben, wenn du in die Klippen der Trübsale gerätst, dann blick hin auf den Stern, ruf Maria an! […] In Gefahren, in Ängsten, in bedenklichen Lagen, denk an Maria, ruf Maria an! Sie weiche nicht von deinen Lippen, nicht aus deinem Herzen.“27

Und um diese existenzielle Dimension der Stella Maris für den bedrohten Erd­ bewohner zu illustrieren, zeigt der Stich zwei Galeonen, die eine bei stürmischer See außerhalb des marianischen Strahlenkranzes mit zerrissenen Segeln und um Hilfe rufender Besatzung, die andere dagegen unter der Flagge Mariens, stolz und in ruhigeren Gewässern segelnd. Maria ist der Meeresstern auf stürmischer See, der Orientierungspunkt im Krisenmoment. Sie ist gemäß einer 1758 gemalten Kartusche in der ­Kirche von Flüelen am Urner See „Dux optima“ – die beste Führerin, an der sich „die Meerfahrer zur glücklichen Schiffung“ zuverlässig orientieren können (Taf. V ).28 An­ lässlich des Festes Mariä Geburt möchte Abraham a Sancta Clara dem „auffgende[n] Morgenstehrn“ so viele Grüße zurufen, „wievil stralende stern im firmament gsehn“ werden.29 Maria ist der „guldene Morgen“ und als solcher „nit bliben bey den Saracenern“, sondern hat ihren „bstendigen siz auserwelt an dem gstatt des adriatischen Mer, weil kein ort in der ganzen welt so gfärlich ist als das mer“.30 Mit dem „siz“ am „adriatischen Meer“ ist wiederum auf die Wohnstätte Mariens, auf die Casa ­Santa von Loreto angespielt. Beide, das in der Stella Maris symbolisierte Orientierungsvermögen wie das durch die Casa Santa repräsentierte Schutzvermögen, versetzen ­Maria in die Rolle einer Krisenbewältigerin. Ihre prophylaktische Leistung gegenüber einer drohenden Krise scheint dabei ebenso bedeutsam wie die Rettung aus einer herein­ gebrochenen Krise. Sowohl für von Gumppenbergs als auch für Scherers „Atlas Marianus“ lässt sich resümieren, dass die personalisierte Krisenhilfe nicht den zentralen Motivationshintergrund der Autoren, sondern eher einen Effekt bei den Lesern darstellte. Die beiden marianischen Atlanten wollten keine Andachtsbücher oder Predigthilfen sein. Vielmehr setzten sie bei persönlichen marianischen Beistandspraktiken an, um eine viel weiter reichende Krise, nämlich die der katholischen Herrschaftsgebiete und der katholischen Tradition zu bewältigen. Die im „Atlas Marianus“ angestrebte Konvergenz von Glaubensbild (Gnadenbild) und Wissensbild (Kartografie) zielte auf eine 27 Bernhard von Clairvaux: In laudibus Virginis Matris. Zum Lob der jungfräulichen Mutter. In: ­Bernhard von Clairvaux. Sämtliche Werke. Hg. v. Gerhard B. Winkler. Bd. 1–10. Innsbruck 1990– 1999, hier Bd. 4 (1993), 15–125, hier 74–77. 28 Schilling, Florentius: Geistliche Ehrenporten Mariae. Sulzbach 1676, 12, zit. nach: Herzog, Urs: Geistliche Wohlredenheit. Die katholische Barockpredigt. München 1991, 276. 29 Abraham a Sancta Clara: Mariä Geburt („Weiber-Lob“) [1675]. In: Abraham a Sancta Clara. Werke. Hg. v. Karl Bertsche. Bd. 1–3. Wien 1943–1945, hier Bd. 2 (1943), 270–283, hier 273. 30 Ders.: Mariä Geburt (Mariä Namen) [1676]. In: Ebd., Bd. 2, 335–349, hier 335 und 340.

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exakte Lokalisierung des Gnadenheils. Sie suggerierte aber wortwörtlich auch eine katholische Weltsicht innerhalb einer diversifizierten Glaubens- und Frömmigkeitskultur. Längst hatten die Orden damit begonnen, ihre Gründungen und Niederlassungen separat zu kartografieren. Mit einer Karte der deutschen Jesuiten­assistenz reagierte der Jesuiten­orden erstmals 1725 auf vorausgegangene Karten der K ­ apu­ziner (1643/1712) und Augustiner (1659/1741). Ungefähr zeitgleich erschien 1732 in Nürnberg die von Pater Carl Rupert OSB aus Weihenstephan geschaffene Karte der ­„Germania ­Benedictina“, die das zersplitterte Deutschland in der kosmischen Vision des Hl. ­Benedikt einte (Taf. VI).31 Wenn auch aus jesuitischer Perspektive, so stellte der „Atlas ­Marianus“ doch den letzten Versuch dar, einen ordens­übergreifenden Fixpunkt am katholischen Sternenhimmel ausfindig zu machen.

Marienkartografie und Deckenmalerei im 18. Jahrhundert In den Ordenskulturen des 18. Jahrhunderts blieb Heinrich Scherers Marienatlas ein häufig konsultiertes Nachschlagewerk. Dies zeigt sich nicht nur an der Neuauflage des ­„Atlas Marianus“ (1730/1737), sondern auch an zeitgleichen Parallelaktivitäten im Bereich der Deckenmalerei. Im Jahre 1737/38 malte der Ingolstädter Künstler ­Melchior Puchner (1695–1758) im Auftrag des Benediktinerabtes Placidus Forster von Scheyern im oberbayerischen Fischbachau ein Fresko über die Verehrung marianischer Gnadenbilder und nahm hierzu den „Atlas Marianus“ zu Hilfe (Abb. 9). Im Zentrum weist Benedikt vor einem Marienaltar auf das Gnadenbild der ­ Mater ­monachorum von San Benedetto in Piscinula in Trastevere, vor dem der Ordensgründer als junger Student einer Legende zufolge gebetet haben soll.32 Unter dem Gnadenbild ­Mater monachorum gruppieren sich auf einer Treppe in halbkreisförmiger Anordnung wichtige Mariengnadenbilder hauptsächlich benediktinischer Herkunft aus Ettal, Altötting (beide Bayern), Mariazell (­Österreich), Pötsch/Pócs (­Ungarn), Tschenstochau/Częstochowa (Polen), Santa Maria Maggiore (Italien), Notre-Dame-du-Puy in Le Puy-en-Velay (Frankreich) und Einsiedeln (Schweiz). Diese Gnadenbilder werden von weiblichen Allegorien in heraldischer Kleidung getragen, die in weiten Teilen aus dem „Atlas Marianus“ stammen. Interessant ist hierbei die topografische Disposition, bei der jedes Gnadenbild für ein Land oder für ein Herrschaftsgebiet steht. Dabei wurden dem „Atlas Marianus“ allerdings nicht die Karten, sondern die Vignetten mit den Marienallegorien in heraldischer Kleidung entnommen. Lediglich die von den Jesuiten betreute Maria Lauretana ersetzten Auftraggeber und Freskant durch das Gna31 Vgl. hierzu Meurer, Peter H.: Mitteleuropäische Ordenskarten aus dem 17. und 18. Jahrhundert. In: Cartographica Helvetica 21 (2000), 23–33. 32 Vgl. hierzu: Weissenberger, Johanna: Römische Mariengnadenbilder 1473–1590. Neue Altäre für alte Bilder. Zur Vorgeschichte der barocken Inszenierungen. Phil. Diss., Heidelberg 2007, Katalogteil, 22 und 23, abrufbar unter: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/frontdoor.php?source_ opus=7623 (24.03.2009).



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Abb. 9  Melchior Puchner: Hl. Benedikt als Förderer der Marienverehrung von dem ­Gnadenbild Mater Monachorum in Trastevere, 1737/38. Fresko, 2,10 × 1,80 cm. St. Martin, ­nördliches Seitenschiff, Fischbachau.

denbild ­Maria ad Nives aus Santa Maria Maggiore. Darüber hinaus stellte man in den Mittelpunkt ein benediktinisches Gottesmutterbild (Matermonachorum), das zwar eine gewisse Verehrung genoss, jedoch aufgrund der dezentralistischen Gnadenbildpolitik der Benediktiner nie internationale Popularität erlangt hatte. Keine zehn Jahre später, um  1747, machte sich Abt Benedikt Mauz von Zwiefalten, Regierungsherr eines der mächtigsten Klöster auf vorderösterreichischem Gebiet daran, das Freskenprogramm seines im Bau befindlichen neuen Kirchen­ gebäudes zu entwerfen. Die Konzeptfragmente zum Langhausfresko zeigen, dass die Inventio auf einer Auswahl von Mariengnadenbildern und mit ihnen verbunde-

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ner ­Missionsereignisse aus der Zeit zwischen 600 und  1000 basiert.33 Hierzu konsultierte Abt ­Benedikt Mauz die annalistischen Geschichtswerke und kalendarischen Martyrologien der ­Benediktiner Gabriel Bucelin (1599–1681), Veremund Eisvogel (1687–1761), ­Ägidius Ranbeck (1608–1692) sowie ihres jesuitischen Kollegen ­Gábor ­Hevenesi ­(1656–1715).34 Charakteristisch für diese heute weitgehend vergessenen Autoren ist eine breite und zum Teil einflussreiche Publikationstätigkeit zwischen wissenschaftlicher, theologischer und Andachtsliteratur. So suchte der Weingartner Benediktiner Gabriel Bucelin auf kompilatorischem Wege, verschiedene Darstellungssysteme wie Heraldik, Kartografie und Annalistik miteinander zu verbinden.35 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang Bucelins wie auch Hevenesis Interesse an der Kartografie.36 Unter den rund vierzig Karten, die Gabriel Bucelin anfertigte, finden sich zahlreiche Karten des Bodenseegebietes, die direkt auf von Altmannshausens Vorlage zurückgehen.37 Während Bucelins Methode eher im Zusammentragen als im Neuerfinden bestand, legte Gábor Hevenesi mit dem ersten „Pocket-Atlas“ von Ungarn, den er 1689 in Wien als Dissertation einreichte, eine echte Innovation vor. Mit der sich abzeichnenden Erlangung der Reichsunmittelbarkeit des Klosters Zwiefalten im Jahre 1750 erfuhr das marianische Bildprogramm einen wohl entscheidenden Abschluss. Es ging um nichts weniger, als um die Darstellung einer marianischen Geschichtslandschaft und somit um die Imagination einer souveränen Terra Mariana in Abgrenzung zu jenen säkularen Machtansprüchen, an denen Zwiefalten 52 Jahre später scheitern sollte. Das 1751 vom Maler Franz Joseph ­Spiegler ­(1691–1757) auf einer Grundfläche von rund 520 Quadratmetern vollendete Langhausfresko zeigt nicht nur die Einreihung Zwiefaltens in berühmte Marienwallfahrtsorte wie Einsiedeln und Altötting, sondern auch die wiederkehrende Proskynese weltlicher Herrscher vor marianischen Gnadenbildern aus verschiedenen Epochen (Taf. VII). Dabei wird die Mater monachorum aus Trastevere in Anlehnung an Fischbachau als konsolidierendes Marienbild angeführt, um das die übrigen Marienbilder satellitenartig kreisen. Obgleich das Langhausfresko von Zwiefalten keine direkten Bezüge zu den kartografischen Werken der konsultierten Autoren zu erkennen gibt und auch der in der Zwiefaltener Klosterbibliothek greifbar gewesene „­Atlas 33 Hauptstaatsarchiv Stuttgart, B 551, Büschel 28. 34 Zu nennen sind vor allem: Bucelin, Gabriel: Menologium Benedictinum Sanctorum. ­Veldkirchii 1655; Ders.: Chronologia Benedictino-Mariana. Campidoni 1671; Eisvogel, Veremund: Concordia Animae Benedictinae Cum Deo, seu reflexiones asceticae in singulos anni dies. Bd. 1–2. [Augsburg] 1723; Ranbeck, Aegidius: Calendarium Annale Benedictinum per menses et dies Sanctis ejusdem ­Ordinis. Bd. 1– 4. [Augsburg] 1677; Hevenesi, Gabor: Ars bonae mortis, sive: Quotidiana erga sanctissimam dei matrem Mariam. [Wien] 1695. 35 Vgl. Neesen, Claudia Maria: Gabriel Bucelin OSB (1599–1681). Leben und historiographisches Werk. Ostfildern 2003 (Stuttgarter historische Studien zur Landes- und Wirtschaftsgeschichte 3). 36 Hevenesi, Gabor: Parvus Atlas Hungariae sive geographica hungariae in 40. tabellas divisae descriptio. [Wien] 1689; Bucelin, Gabriel: Germania Topo-Chrono-Stemmato-Graphica sacra et prophana. Ulmae 1655; Ders.: Constantia Rhenana. Lacus moesii olim, hodie acronii et potamici metropolis. Francofurti ad Moenum 1667. 37 Vgl. Kullen (wie Anm. 6), 30 f.



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­ arianus“ von H M ­ einrich Scherer nicht als direkte Vorlage verwendet wurde, lässt sich dennoch von einem kartografischen Grundkonzept des Freskos sprechen.38 Der Wallfahrer durchlief unter dem Langhausfresko in einer imaginären Reise die Marienwallfahrtsorte Europas, um im Wallfahrtsbild von Zwiefalten sein reales Ziel zu finden. Somit werden die populären Wallfahrtsorte zwar aufgerufen und vergegenwärtigt, jedoch nicht als eigentlicher Gegenstand ausgewiesen. Man könnte durchaus resümieren, dass die seit dem frühen 17. Jahrhundert einsetzenden Bestrebungen, das Kartenbild als visuelles argumentum des Gnadenbildes heranzuziehen, in der Zwiefaltener Überblendung von Kartenbild und Gnadenbild ­einen ihrer historischen Höhepunkte erlebten. Die Kartierung der Terra ­Mariana als Ausdruck einer Konsolidierungsmaßnahme zur religiösen und politischen Krisenbewältigung erfuhr keine weitere Fortsetzung. Wenige Jahre nach der Fertigstellung des Langhausfreskos gerieten nicht nur das Mönchtum, sondern auch die Marienverehrung in eine heftige Krise. Von den Äbten der großen Klöster Vorderösterreichs wurden Reformzustände als so „miserabel“ empfunden, dass man in ihnen schon den „gänzlichen Untergang“ der monastischen Kultur sich abzeichnen sah. Auf die Reformen des 18. Jahrhunderts zurückblickend, äußerte 1783 ein Festprediger des Klosters St. Blasien: „Wir leben in einem Jahrhundert, welches für den ganzen Mönchsstand nicht betrübender sein könnte.“39 Auch die Hoffnung, die katholischen Länder durch Kartierung und Katalogisierung der Terra Mariana noch einmal zu einen, hatte sich hiermit endgültig erledigt. Als 1813 unter dem Titel „Der Marianische Marienwallfahrter durch Deutschland. Oder Abbildung und Beschreibung der berühmtern Gnadenbilder Mariä in Deutschland“ ein kleines Heftchen in der Tradition des „­Atlas Marianus“ publiziert wurde, hatte ein Rezensent für ein solches Fortleben des „alten Sauerteigs“ nur noch Spott übrig. So gab er in der „Allgemeinen Literaturzeitung“ zu Papier, der jüngst erschienene Wallfahrtsführer habe zwar „mehrere Vorgänger gehabt, die diesen Gegenstand, wie Pater Gumpenberg und der Jesuit Scherer, zu Anfang des vorigen Jahrhunderts und früher, in starken Folio- und Quartbänden bearbeiteten, da unser Zeitalter dafür kaum zu zehn solchen kleinen Heften Hoffnung giebt. Doch ist auch schon die Erscheinung dieses ersten ein Beweis, dass noch auf manche zu rechnen sey, deren Standpunkt in dieser Rücksicht noch der von 1650. oder 1702. ist, und denen also dieselbe Geistesnahrung zusagt.“40

38 Ein Exemplar des „Atlas Marianus“ befindet sich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart mit der Signatur Hbb 1671/1,2,3 (Handschriftlicher Vermerk auf dem Index: „Monast. B. V. M. in Zwifalten“). 39 Zit. nach Quarthal, Franz: Die vorderösterreichischen Klöster in der Zeit des Josephinismus. In: Zwischen Josephinismus und Frühliberalismus. Literarisches Leben in Südbaden um 1800. Hg. v. ­Achim Aurnhammer und Wilhelm Kühlmann. Freiburg im Breisgau 2002, 49–98, hier 63. 40 Vgl. Allgemeine Literatur-Zeitung Nr. 166 (Juli 1813), Sp. 495 f., hier 496, abrufbar unter: http:// zs.thulb.uni-jena.de/servlets/MCRIView Servlet/jportal_ derivate_00091292/ALZ_1813_Bd2_259.tif (29.03.2009).

D i e M ad on n en von Me đugorje Zum Verhältnis zwischen Bild und Vision bei Marienerscheinungen in der modernen Epoche

Monique Scheer

Zu den verschiedenen Devotionalien und Souvenirs, die an katholischen Wallfahrtsorten angeboten werden, ist in den letzten Jahren ein neues Schmuckstück hinzugekommen: ein „Bettelarmband“, bestückt mit kleinen Bildchen (Taf. I). Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass es sich hierbei um eine Reihe von Heiligenbildern handelt, um klassische Andachtsbilder en miniature. Eine Variante weist ausschließlich Madonnenbilder auf, von denen einige der Marientypen gerade im 19. und 20. Jahrhundert in Verbindung mit Erscheinungen eine weite Verbreitung gefunden haben: die ­Maria der Wundertätigen Medaille, die Lourdes-Madonna, Maria Fátima, die ­Gospa von Međugorje. Es sind alles Marien, aber jede einzelne wird doch jeweils einer bestimmten Marienerscheinung zugeordnet. So manche Käuferin1 wird alle Bilder gut kennen, andere wiederum werden sie nicht mit Sicherheit richtig zuordnen können. Eines aber wissen sie: Was sie in Händen halten, steht für die Auffassung, dass ­Maria gleichzeitig viele und doch ein erkennbares Gesicht hat. Es ist die Jungfrau, die erscheint; aber die vielen Bilder, die an diese Ereignisse erinnern, zeugen vom jeweils Besonderen jeder einzelnen Erscheinung. Diesem Verhältnis zwischen der Einen und den Vielen, zwischen dem Wissen um Marias Aussehen und der in einzelnen Fällen gesehenen und im Bild festgehaltenen Maria, soll im Folgenden nachgegangen werden. Diskutiert werden sowohl die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Bildern und Visionen am Beispiel der Marien­ erscheinungen als auch die Prozesse, die zur Herstellung einer visuellen Wahrnehmung und zur Stabilisierung ihrer bildlichen Umsetzung beitragen. Das Spannungs­ verhältnis zwischen Universalität und Partikularität, das für den Marienkult auf vielen Ebenen kennzeichnend ist, zeigt sich in einer Reihe von perzeptiven und kommunikativen Gratwanderungen, die die Beteiligten bei Marienerscheinungen meistern ­müssen. Das zugrunde liegende Argument dieser Diskussion besteht in der Aufweichung der Grenze zwischen der Vision, die einer alleine hat, und dem Bild, das alle sehen können: Visionen und Erscheinungen sind genauso wie die bildende und popu1 Für ihre Anregungen und Literaturhinweise möchte ich den Teilnehmenden des SIAS Summer Institute 2007/2008 „The Vision Thing“ danken, insbesondere den Organisatoren William A. Christian, Jr. und Gábor Klaniczay. Wenn der Lesbarkeit halber bei der Nennung allgemeiner Akteure (Käufer, Seher usw.) nur die weib­ liche oder die männliche Form verwendet wird, ist dabei immer auch das andere Geschlecht mit eingeschlossen.

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läre Kunst als Formen der visuellen Kultur zu begreifen, die mit kulturwissenschaftlichen Methoden untersucht werden können.

Vom Wahrnehmen und Erkennen: Grundzüge des „modernen Erscheinungstypus“ Visuelle Wahrnehmungen werden fast zwangsläufig vom Gehirn zu einer sinnvollen Gestalt „verarbeitet“. Das weiß jeder, der in den vorbeiziehenden Wolken schon einmal ein Tier oder in der knotigen Maserung eines Fichtenholzbretts plötzlich ein Gesicht erkannt hat.2 Diese Funktion mag die hirnphysiologische Basis von ungewöhnlichen Wahrnehmungen bilden, aber damit ist das Phänomen der religiösen Visionen nicht zum „Hirngespinst“ reduziert, denn genau dieser Prozess der Interpretation von visuellen Reizen vollzieht sich aufgrund von Wissen, das durch die Kultur zur Verfügung gestellt wird. Diese Feststellung sagt außerdem nichts über den ontologischen Status des wahrgenommenen Gegenstands aus, sondern nur, dass er mit etwas bereits Bekanntem korrespondiert und deshalb für real gehalten werden kann. Ein Seher deutet demnach eine bestimmte visuelle Wahrnehmung dann als Marienerscheinung, wenn das, was ihm seine Sinne mitteilen, und das, was er über Marias Aussehen weiß, zur Deckung kommen. Ohne das gesellschaftlich konstituierte und vermittelte Wissen um das Aussehen Marias wäre eine solche visuelle Wahrnehmung einfach eine „unheimliche“, aber nicht näher deutbare Erfahrung, die womöglich schnell vergessen werden würde. Das bedeutet: Ebenso wie gemalte oder gezeichnete Bilder von ­Maria bestimmte Konventionen berücksichtigen müssen, um ohne Weiteres als Marienbilder erkannt zu werden, müssen auch Visionen in einer bestimmten Weise erlebt werden, damit sie als Marienerscheinungen erkennbar sind.3 Kenntnisse über das Aussehen der Mutter Jesu werden vor allem durch den Umgang mit Bildern angeeignet, auch im „frommen“ Umgang. Mediävisten wie ­Peter Dinzelbacher haben gezeigt, dass es eine komplexe Beziehung zwischen Bildern und Visionen gibt, eine, die über den notwendigen Gebrauch von Bildern als bloßem Ausdruck an sich „unaussprechlicher“ Visionserfahrungen4 hinausgeht: Es ist ein kons-

2 Die neuere Hirnforschung spricht von einem Hirnareal, das speziell auf das Erkennen von Gesichtern ausgerichtet ist, Kanwisher, Nancy: What’s in a Face? In: Science 311/5761 (2006), 617 f.; Tsao, ­Doris Y. u. a.: A Cortical Region Consisting Entirely of Face-Selective Cells. In: Science 311/5761 (2006), 670–674. 3 Siehe Morgan, David: Visual Piety. A History and Theory of Popular Religious Images. BerkeleyLos Angeles-London 1998, 1–20, insb. 34–50 zum Erkennen als psychologischem Prozess im Rahmen der visuellen Frömmigkeit. Grundlegend zur Psychologie der Wahrnehmung und Kunst ist auch G ­ ombrich, Ernst: Art and Illusion. A Study in the Psychology of Pictorial Representation. New York 1960 (deutsch: Kunst und Illusion. Köln 1967). 4 Benz, Ernst: Die Vision. Erfahrungsformen und Bilderwelt. Stuttgart 1969, 313–325. Obwohl Benz einräumt, dass das mystische Erleben einer Vision ein Vorverständnis des Erlebten voraussetzt (319), bleibt der Duktus seiner Darstellung der Idee verhaftet, dass die Vision ein vorsprachliches Erlebnis



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titutives Verhältnis.5 Bilder fungieren als Vorlage für Visionen, und Visionen geben wiederum die Vorlage für Bilder ab, sodass man mit Jeffrey Hamburger das Verhältnis zwischen Bild und Vision mit der Henne-Ei-Problematik vergleichen möchte.6 Die Marienerscheinungen der modernen Epoche, so wird im Folgenden argumentiert, stehen ebenso wie mittelalterliche Visionen in engem Zusammenhang mit bestehenden Bildern. Die modernen Erscheinungskulte haben sogar im Laufe der Zeit ein eigenes Genre geschaffen, das als „authentische Abbildung“ der erschienenen Maria gilt. Die rasante Verbreitung solcher Bilder im katholischen Raum gibt Wissen über das Aussehen speziell der „gesehenen“ Maria weiter, das zukünftigen Visionären und Visionärinnen zur Verfügung steht. Es scheint nämlich im 20. Jahrhundert zu einer noch viel stärkeren Orientierung an bekannten Visionsbildern und somit auch zu einer zunehmenden Homogenisierung im Typus der Marienerscheinung gekommen zu sein. Im 19. Jahrhundert, der „Gründerzeit“ des modernen Erscheinungstypus, standen allein in Frankreich mehrere prominente Marienerscheinungstypen zur Auswahl: Die Kinder von La ­Salette berichteten 1846 von einer weinenden Maria, die sich sitzend gezeigt hat, den Kopf in den Händen, und in Pontmain erschien 1871 eine Madonna im schwarzen Schleier mit einem dunkelblauen, sternenbesetzten Kleid.7 Erfolg hatte aber vor allem die Marien­ erscheinung von Lourdes 1858 (Abb. 1), denn seither haben wir es überwiegend mit schwebenden, jugendlichen und weiß gekleideten Marien zu tun, die oft auch einen Rosenkranz tragen. Fast überflüssig scheint der Hinweis, dass die Beschleunigung und Reichweite der Kommunikation über solche Erscheinungen, die im 20. Jahrhundert stark zugenommen haben, diese Homogenisierung förderten.8 Das Wissen über das Aussehen einer Marienerscheinung wurde neben der weltweiten Zirkulation von

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ist, das in Bildern nur unzulänglich ausgedrückt werden kann, und reproduziert damit die Deutung seiner Quellen. Siehe hierzu vor allem Dinzelbacher, Peter: Religiöses Erleben von bildender Kunst in autobiographischen und biographischen Zeugnissen des Hoch- und Spätmittelalters. In: Frömmigkeit im Mittelalter. Politisch-soziale Kontexte, visuelle Praxis, körperliche Ausdrucksformen. Hg. v. Klaus S ­ chreiner. München 2002, 299–330; Ders.: Himmel, Hölle, Heilige. Visionen und Kunst im Mittelalter. Darmstadt 2002; Hamburger, Jeffrey: The Visual and the Visionary. The Image in Late Medieval Monastic Devotions. In: Viator 20 (1989), 162–182. Ebd., 167. Eine neuere Untersuchung zu Pontmain ist: Porte, Cheryl A.: Pontmain, Prophecy, and Protest. A Cultural-Historical Study of a Nineteenth-Century Apparition. New York 2004. Eine von Globalisierungstheorien gestützte Interpretation eines Erscheinungskults in Florida 1996/97 bieten Vásquez, Manuel A./Marquardt, Marie F.: Globalizing the Rainbow Madonna. Old Time Religion in the Present Age. In: Theory, Culture  & Society 17/4 (2000), 119–143. Mit Rückgriff auf ­Roland Robertsons „glocalization“-Begriff entwickeln sie ein ähnliches Argument wie die vorliegenden Ausführungen, nämlich, dass Erscheinungsanhänger „generalized apparition scripts“ verwenden, um ihre Wahrnehmungen zu deuten, die dennoch einen lokalen Charakter erhalten: „the local deployment of the scripts which acquires its own autochthonous flavor“ (126). Worin dieser „eigene Geschmack“ genau besteht, bleibt jedoch unklar. Im Kontext der visuellen Frömmigkeit im Katholizismus überwiegen – so das hier vorgebrachte Gegenargument – die Homogenisierungsimpulse, zumindest was die visuelle Wahrnehmung und Umsetzung anbelangt, auch wenn Heterogenisierungstendenzen, wie weiter unten gezeigt wird, eine Rolle spielen.

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Abb. 1  JosephHugues Fabisch: ­Marienstatue in der Grotte von Lourdes, 1864. Marmorskulptur.



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Andachtsbildern, Medaillen und Skapulieren durch Publikationsorgane der katholischen Orden und andere globale Netzwerke in Umlauf gebracht – und nicht zuletzt durch die extrem populäre Lourdes-Verfilmung „Das Lied von Bernadette“, die 1944 vier Oscars gewann und in den folgenden Jahren weltweit zu sehen war.9 Eng damit verknüpft war die kirchliche Förderung, die speziell dem Lourdes-Kult zu seinem hohen Bekanntheitsgrad verholfen hat. Lourdes ist die einzige moderne Marien­ erscheinung, zu deren Andenken ein kirchliches Fest eingerichtet wurde.10 Über das „Wunder“ wurde also zumindest an diesem Termin regelmäßig in allen katholischen Kirchen gepredigt, vielerorts wurden Lourdes-Bilder auf Seitenaltären aufgestellt, entsprechende Lieder gesungen – auch wenn Katholiken nicht verpflichtet waren, an die Marienerscheinungen zu glauben. Die Gestalt, die Maria bei ihren Erscheinungen annimmt, ist das Resultat sozialer Selektionsprozesse, und die Entscheidungen der Kirche darüber, welche Marien­ erscheinungen als echt betrachtet werden können, sind enorm einflussreich. So wird die Autorität der Entscheidungsfindungsprozesse, die seit Jahrhunderten im katholischen Amtsapparat gepflegt werden, im Allgemeinen geschätzt und gewürdigt. Außer­ dem kann die Kirche ein weit verbreitetes Kommunikationsnetzwerk mobilisieren und diejenigen Berichte von Marienerscheinungen verbreiten, die kirchlich anerkannt worden sind. Die nicht anerkannten Visionen müssen sich unter Umständen gegen eine kirchliche Zensur durchsetzen, haben somit viel schlechtere Chancen, ihre Bilder in den kollektiven Wissensvorrat einzuspeisen. Damit ist aber nicht gesagt, dass sich der Lourdes-Typ sofort und überall verbindlich durchgesetzt hätte: Er tauchte zwar schon 1876 in Marpingen im Saarland auf, 1917 im portugiesischen Fátima und in den 1930er Jahren wiederholt in Belgien11, dennoch konnte 1931 in Ezkioga im Basken­ land ein sehr großer Marienerscheinungskult nach wie vor mit lokal-spezifischem Wissen vom Aussehen Marias ebenso erfolgreich arbeiten.12 Erst nach dem Aufstieg

 9 Zu den Hintergründen des Films und seiner Rezeption in Deutschland um 1948/49 siehe Scheer, ­Monique: Rosenkranz und Kriegsvisionen. Marienerscheinungskulte im 20. Jahrhundert. Tübingen 2006, 140–144. 10 Das Fest wurde 1907 von Papst Pius X. am Jahrestag der ersten Erscheinung (11. Februar) instituiert. Mit der Reform des liturgischen Kalenders 1969 wurde es zu einem nichtgebotenen Gedenktag umgewandelt. 11 Dies waren die vorerst letzten Marienerscheinungen in Europa im 20. Jahrhundert, die eine kirchliche Anerkennung erhielten: In Beauraing (Belgien) berichteten im Dezember 1932 Seherkinder von einer Maria, die ganz in Weiß gekleidet war: Ein Strahlen sei von ihr ausgegangen, und als sie die Arme öffnete, hätten sie ein goldenes Herz auf ihrer Brust gesehen. In Banneux (Belgien) sah ein Mädchen im Jahr 1933 eine Maria, die fast exakt wie die Lourdes-Madonna gekleidet war. H ­ ierzenberger, Gottfried/Nedomansky, Otto: Erscheinungen und Botschaften der Gottesmutter Maria. Vollständige Dokumentation durch zwei Jahrtausende. Augsburg 1993, 291–294. 12 Beispielsweise waren die Marienerscheinungen von Ezkioga im Baskenland 1931 oft nach dem Bild der Mater Dolorosa gestaltet, das sich gegenüber dem hier postulierten „modernen Erscheinungs­ typus“ – dort als „Milagrosa“ (der Pariser Typus von der Wundertätigen Medaille) bekannt – durchgesetzt hatte. Christian, William A., Jr.: Visionaries. The Spanish Republic and the Reign of Christ. ­Berkeley, CA 1996, 234 f.

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Abb. 2  Links: Käse-Toast mit dem Antlitz der Muttergottes, der 2004 in einer Auktion für $ 28 000 an die Internet-Casino GoldenPalace.com versteigert wurde. Rechts: An der Seitenwand eines Bankgebäudes in Clearwater, Florida, wurde im Dezember 1996 die Erscheinung der Jungfrau Maria erkennbar und löste kultische Aktivitäten aus. 1999 wurde das Gebäude von Organisatoren der Wallfahrt gekauft.

von Fátima als internationaler Marienerscheinungskult ab 1945 scheint das lokale Wissen in Europa fast komplett vom globalen Wissen um den modernen Erscheinungstypus verdrängt worden zu sein. Dessen Grundzüge sind inzwischen so bekannt, dass nur schematische Andeutungen seiner Umrisse bereits ausreichen, um Pilgerscharen anzuziehen13 oder Käse-Toasts teuer zu versteigern (Abb. 2). Dass sich die Genese dieses modernen Erscheinungstypus in Frankreich selbst zwischen Bildern und Visionen bewegte, ist durch die detaillierten Dokumentationen des Kultförderers René Laurentin belegt.14 Bernadette Soubirous gab mehrfach die Ähnlichkeit ihrer Vision mit Bildern aus ihrem Umfeld zu Protokoll – unter anderem der Maria der médaille miraculeuse, die seit 1832 in Frankreich massenweise unters Volk gebracht worden war (Abb. 3).15 Das Marienbild der Wundertätigen Medaille ging 13 Hintergründe zur Clearwater-Erscheinung bei Vásquez/Marquardt (wie Anm. 8). 14 Laurentin, René: Lourdes. Histoire authentique des apparitions. Bd. 1–6. Paris 1961–1964, hier insb. Bd. 3 (1962), 184–188. 15 Dondelinger, Patrick: Die Visionen der Bernadette Soubirous und der Beginn der Wunderheilungen in Lourdes. Regensburg 2003, 94–96 und 135–137.



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wiederum auf eine Vision der No­vizin Catherine Labouré zurück. Wie Bernadette kannte sie den Bildtypus der „Willkommensjungfrau“, der offenbar Vorbild beider Visionen war: Laurentin berichtet über Labouré, dass sie als Kind das Bild einer mit ausgebreiteten Armen dargestellten Maria umarmt habe, nachdem ihre Mutter gestorben war.16 ­Wolfgang Brückner weist nach, dass ImmaculataStatuen mit diesem „Begrüßungs- oder Ergebenheitsgestus“ im späten 18. Jahrhundert in Spanien und Frankreich häufig zu finden waren, sodass das Motiv nicht nur auf der Medaille, aber durch sie sicherlich beflügelt, sehr bald zum beliebten Motiv der populären religiösen Druckgraphik in Frankreich und Mittel­europa werden konnte.17 Dabei sei nicht selten der weiße Schleier, den die Se­herin wahrgenommen hatte, durch ­einen „iko- Abb. 3  Die Wundertätige Medaille, die in der Folge einer Vision der Novizin Catherine nographisch korrekteren“ blauen Mantel Labouré im Vinzentinerinnen-Kloster in der oder Schleier ersetzt worden. Somit passte Pariser Rue du Bac von 1830 hergestellt sich die Abbildung der Vision den gängi- wurde und seither weltweit vertrieben wird. gen Vorstellungen von der Immaculata an, wie sie aus den spanischen Purísima-Bildern des 17. Jahrhunderts – ebenfalls beliebte Motive der Bilder­fabrik – bereits bekannt waren: eine junge Maria ohne Kind in einem weißen Kleid mit einem himmelblauen Mantel (Abb. 4).18 Aber auch hier reißt die Kette von Vision zu Bild nicht ab, denn die spanischen Immaculatabilder verwenden die typischen Zeichen, die den Inhalt einer Vision vom irdischen Geschehen im Bild abgrenzt: ­Wolken, Engelchen, Licht.19 Außerdem spricht die ikonographische Nähe zum „apoka-

16 Laurentin, René: Vie authentique de Catherine Labouré. Bd. 1–2. Paris 1980, hier Bd. 1, 19 (Abb.) und 33. Ob das Bild tatsächlich im Elternhaus von C. Labouré existiert hat, überprüfte der schwedische Theologe Beskow: Beskow, Per: Maria i kult, konst, vision [Maria in Kult, Kunst, Erscheinung]. Delsbo 1991. 17 Brückner, Wolfgang: Marianischer Kult und Ikonographie im 19. Jahrhundert. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde (2003), 35–63, hier 41–45. 18 Ebd., 43. 19 Stoichita, Victor I.: Visionary Experience in the Golden Age of Spanish Art. London 1995. Über ­Wolken als „defining figurative object used to represent the hierophany“ (199), siehe 84–89; über die Immaculatabilder als Darstellungen von Visionen, siehe 103–120. Zur Darstellung von Visions­ erfahrungen in der Kunst Ganz, David: Medien der Offenbarung. Visionsdarstellungen im Mittelalter. Berlin 2008.

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Abb. 4  Bartolomé Esteban Murillo: Die Unbefleckte Empfängnis vom Escorial, ca. 1660/65. Museo del Prado. Murillo hat mehrere Versionen dieser Jungfrau Maria gemalt, die ab dem frühen 19. Jahrhundert Eingang in die populäre katholische Druckgraphik fanden.



Abb. 5  José ­Guilherme ­Thedim: Fátima-Statue, ­geschaffen nach den Angaben der Kinder zu ihrer Vision. Sie wurde im Mai 1920 in der ­Kapelle an der Erscheinungsstelle auf­gestellt und 1946 von einem päpstlichen Gesandten mit einer Krone versehen.

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Abb. 6  Statue im Karmeliter­kloster St. Theresia in Coimbra, Portugal, die eine Vision der Fátima-­Seherin ­Lucia Dos San- tos aus dem Jahre 1925 ab­bildet.

lyptischen Weib“ dafür, dass diese Bilder selbst Erscheinungen darstellen könnten, war doch die mulier amicta sole (Offb. 12,1) eine Vision des Heiligen ­Johannes. Zur endgültigen Festigung des modernen Erscheinungstyps nach den Vorbildern von Paris und Lourdes im 20. Jahrhundert trugen die sechs Visionen der Kinder des portugiesischen Dorfes Fátima 1917 entscheidend bei. Die publizierten Auszüge aus den Verhörprotokollen lassen erkennen, dass die Kinder schon eine klare Vorstellung davon hatten, was eine Marienerscheinung ist (Abb. 5).20 In ­ihren Erinnerungen von 20 Auszüge wurden 1984 vom Jesuitenpater Antonio M. Martins unter dem Titel „Novos Documentos de Fátima“ herausgegeben, die jedoch eine gefilterte und an apologetische Bedürfnisse angepasste Darstellung der Vorgänge ist. In englischer Übersetzung: Documents on Fatima and Memoirs of Sister ­Lucia. Hg. v. Robert J. Fox. Alexandria, S. D. 1992. Im August (119) und September 1917 (144–146) gaben die Kinder mehr oder weniger die gleiche Beschreibung ihrer Vision zu Protokoll.



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Abb. 7  Marienbilder, die nach Visionen seit 1945 geschaffen ­wurden (von oben links, im Uhrzeigersinn): Amster­dam, Niederlande (1945); ­Necedah, Wiscon­sin, USA (1950); Heroldsbach, Deutschland (1949); Sievernich, Deutschland (2002); Lipa, Philippinen (1948); Mon­techiari, Italien (1947).

1937 erwähnt ­Lucia, die prominenteste der drei Seher, ein Bild der „Nossa Senhora do Rosário“ auf dem Altar in der Pfarrkirche von Fátima (die sie 1914 einmal angelächelt habe),21 aber es ist nicht überliefert, ob sie ihre Vision mit diesem Bild verglichen hat. Dass die junge Frau, die die Kinder an jedem 13. des Monats von Mai bis Oktober sahen, das Wesentliche ihrer Form aber den französischen Bildern aus Paris und Lourdes verdankt, ist augenfällig.22 Dies ist auch der Fall beim zweiten Fátima-Bild, das auf eine spätere Vision ­Lucias zurückgeht, bei der Maria ihr Unbeflecktes Herz auf der Brust trägt (Abb. 6).

21 Kondor, Luis: Schwester Lucia spricht über Fatima. Erinnerungen der Schwester Lucia. Postulação 1975, 51. Zur Geschichte der Fátima-Erscheinungen außerdem Zimdars-Swartz, Sandra L.: Encountering Mary. From La Salette to Medjugorje. Princeton, NJ 1991. 22 Kleriker, die die Kinder während dieser Zeit umgaben, hatten Kenntnisse von Lourdes. Vom ersten Fátima-Chronisten Dr. Manuel N. Formigão, der viele Gespräche mit den Kindern während der Zeit ihrer Erscheinungen führte, wissen wir beispielsweise, dass er zuvor als Helfer in Lourdes tätig gewesen war. Siehe Scheer (wie Anm. 9), 49.

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Nach 1945, als die weltweite Fátima-Rezeption mit einem regelrechten Boom an einschlägiger Literatur23 und Rundreisen der „Pilgermadonna“24 (ab 1947) einsetzte, kann man davon ausgehen, dass Marias Aussehen bei den Erscheinungen in ­Fátima auf breiter Basis bekannt war. Um 1950 nahm die Zahl der Marienerscheinungen in der katholischen Welt in nie dagewesenem Maße zu. Diejenigen, für die Beschreibungen der Visionen überliefert sind, zeigen, wie einheitlich das Wissen um ­Marias Aussehen inzwischen geworden war (Abb. 7).25 Die Erscheinungen in Lipa (­Philippinen) im Jahre 1948 verdeutlichen die globale Reichweite dieses Typus. Dort erschien ­Maria einer Karmelitin in einem einfachen weißen Kleid mit einem goldenen Rosenkranz in der Hand.26 Auch Schülerinnen einer katholischen Schule in Kibeho ­(Ruanda) erschien 1981 ­Maria ohne ihr Kind in einem weißen Kleid.27 Und das Beispiel von Zeitoun (Ägypten) zeigt, dass das Wissen um Marias Aussehen bei ihren Erscheinungen auch konfessionelle Grenzen überschreiten kann. In diesem Vorort von K ­ airo ­erschien Maria 1968 wochenlang auf dem Dach ­einer koptischen Kirche. Das Bild, das daran erinnert, unterscheidet sich auffällig von dem sonst im orthodoxen Raum üblichen Ikonenstil, denn auch hier wurde der moderne Erscheinungstypus gewählt, um das Ereignis zu repräsentieren (Abb. 8).28

23 Ebd., 71–73. 24 Zur Einsetzung einer „Pilgermadonna“ aus Fátima als Missionierungsmittel ab 1947 C ­ hristian, ­William A., Jr.: Religious Apparitions and the Cold War in Southern Europe. In: Religion, Power and Protest in Local Communities. The Northern Shore of the Mediterranean. Hg. v. Eric Wolf und ­Herbert H. ­Lehmann. Berlin-New York-Amsterdam 1984 (Religion and Society 24), 239–265. 25 Ein gleichförmiges Bild zeigen beispielsweise die vier größeren Erscheinungszyklen, die in Westdeutschland in den Nachkriegsjahren stattgefunden haben. Scheer (wie Anm. 9), 169–245. 26 Keithley, June: Lipa. With the Original Account of the Events at Lipa Carmel in 1948 by Mother Mary Cecilia of Jesus. O. C. D. Manila 1992, 48 f. Hier wird berichtet, dass die Erscheinung um die Herstellung einer Statue nach ihrem Abbild gebeten hat (dort Abb. 9). 27 Das Bild, das dort für die Erscheinungen steht, zeigt Maria in einem weißen Kleid mit einem blauen Mantel. Zu diesem Erscheinungskult siehe: Maindron, Gabriel: Des apparitions à Kibeho. Annonce de Marie au coeur de l’Afrique. Paris 1984; Misago, Augustin: Les apparitions de Kibeho au Rwanda. Kinshasa 1991. 28 Der Koptologe Otto Meinardus schreibt dazu: „It is noteworthy that all mariophanies in Egypt be­ tween 1968 and 2000 have appeared as the Immaculata of the Miraculous Medallion, the image of the Virgin with arms outspread that was seen in 1830 by Cathérine Labouré of the Convent of the Daughters of Charity. This image of the Holy Virgin seems to have impressed itself so much on the religious consciousness of the Copts that it has dislodged all traditional Coptic images of the Holy Virgin that were created by eighteenth- and nineteenth-century iconographers.“ Meinardus, Otto: Coptic Saints and Pilgrimages. Kairo 2002, 99. Dies ist umso bemerkenswerter, da das koptische Christentum die Lehre der Unbefleckten Empfängnis, die auf der Pariser Medaille angesprochen wird, ablehnt. ­Siehe auch Finnestad, Ragnhild Bjerre: Apparitions, Icons and Photos. A Study of Modern Coptic Visions of the Holy World. In: Temenos 30 (1994), 7–34. Sie argumentiert für eine Verbindung zwischen den Visionen und dem Ikonenstil, aber ihr eigenes Bildmaterial unterminiert diese Deutung. Wohl hat es aber auch Versuche gegeben, den Erscheinungstypus im Ikonenstil umzusetzen.



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Abb. 8  Bilder aus der Kirche von Zeitoun bei Kairo, Ägypten, die an die Marienerscheinungen von 1968 erinnern.

Von Anerkennung und Aneignung: Kollektive Arbeit am Gesehenen Wahrnehmung bedarf universaler Merkmale, um das Erkennen eines Objekts zu erlauben, um das Wesentliche vom Nebensächlichen zu unterscheiden. Aber als interpretativer Prozess ist Wahrnehmung in historische und kulturelle Spezifizität eingebunden, und es ist dieses Partikulare, dass die Wahrnehmung real werden lässt. Bei aller Homogenität in der Grundform – das haben die oben genannten Beispiele gezeigt – erscheint Maria auch immer in individualisierter Gestalt. Bernadette Soubirous sah keine reine Kopie des Bildes auf der Medaille;29 das Bild in Fátima gibt nicht exakt die Lourdes-Maria wieder. Sinnliche Reize werden anhand von vorhandenem Wissen interpretierbar und somit erfahrbar; in diesem Prozess wird die Wahrnehmung an und in semiotische Vehikel gebunden. Diese sind wiederum kulturellen und temporalen Kräften unterworfen. Eine symbolische Form – sei es ein Wort, ein Bild, eine Körperbewegung, ein Geruch, ein Klang – kann neue Bedeutungsschichten und 29 Die Kleidung gleicht der Tracht der „Marienkinder“, einer Jungfrauenkongregation, die 1841 in Lourdes gegründet worden war, deren Mitglieder bei der Weihe und bei Begräbnissen den Rosenkranz am Arm trugen. Vgl. Dondelinger (wie Anm. 15), 40, mit Verweis auf Laurentin, Lourdes (wie Anm. 14), Bd. 2 (1962), 328 f. Außerdem argumentiert Dondelinger, dass Bernadette so etwas wie eine „idealisierte Doppelgängerin“ ihres Selbst visualisiert habe. Dondelinger (wie Anm. 15), 98–104.

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Merkmale akquirieren und mit anderen Formen Amalgamierungen bilden.30 Sobald eine individuelle Wahrnehmung wieder in den sozialen Raum entlassen wird, ist sie in historische und soziale Prozesse eingebunden, die diese individuelle Erfahrung verstärken oder abschwächen, modellieren und stabilisieren. Wenn eine Seherin beschließt, jemandem von ihrer Wahrnehmung einer Marien­ erscheinung zu berichten, ist der erste Schritt in diesem Prozess getan. Das eigene Wissen, das sie heranzieht, um ihre visuelle Wahrnehmung zu deuten, will im Gespräch mit anderen widerlegt oder bestätigt sein. Wie Élisabeth Claverie betont, ist die Wahrnehmung ansonsten unsichtbarer Wesen ein Prozess des gleichzeitigen Glaubens und Zweifelns.31 Das Mitteilen der Vision gehört zur Überwindung dieses Zweifelns, zur Herstellung und Festigung der Wahrnehmung. Auch die Theorie des sozial konstruierten Wissens bestätigt, dass die Interaktion mit anderen Menschen eine wesentliche Rolle bei der Stabilisierung der Wahrnehmung spielt.32 Dort, wo wir zugängliches Quellenmaterial haben, können wir etwas von diesem Prozess nachvollziehen. Beispielsweise geben die Protokolle der Befragungen der Seher den dialogischen Prozess der Wissensherstellung wieder: Indem sich die Seherinnen im Gespräch festgelegt und dabei gemerkt hatten, welche Beschreibungen auf eine positive und welche auf eine überraschte oder gar negative Reaktion gestoßen waren, stabilisierte sich ihre eigene Wahrnehmung. So wird sowohl im eigenen, inneren Wahrnehmungsprozess als auch „von außen“ der moderne Erscheinungstypus als erkennbares und anerkenn­bares ­Marienbild bestätigt. Vielleicht werden, wie im Falle von Bernadette in Lourdes, Bilder anderer Marienerscheinungen gezeigt, um zu fragen, ob die Vision auch so aussehe. Von Mal zu Mal werden sich die Seher sicherer, wen sie da genau sehen. Kritiker können diese kollektive Arbeit an der Erscheinung als Beeinflussung charakterisieren und das vorhandene, geteilte Wissen (etwa vom Lourdes-Film oder den Fátima-Büchern) gegen das Echtheitsargument wenden. Die Nähe zu den Vorbildern löst in diesem Fall nicht den Wiedererkennungseffekt aus, sondern führt dazu, dass die Vision zur Einbildung erklärt werden kann. Bischöfe haben auf dieses Argument zurückgegriffen, um kultische Handlungen an Erscheinungsstätten zu verbieten.33 Es 30 Für eine Kulturwissenschaft der sinnlichen Wahrnehmung plädiert Bendix, Regina: Wahrnehmungen jenseits des Nadelöhrs. In: Zeitschrift für Volkskunde 98/2 (2002), 205–227. Hierzu auch ­Keane, Webb: The Evidence of the Senses and the Materiality of Religion. In: Journal of the Royal Anthropological Institute 14/1 (2008), 110–127, besonders 114 f. 31 Die Ethnologin Élisabeth Claverie diskutiert das Erleben aller Menschen, die sich am Marienerscheinungsort Međugorje in Bosnien-Herzegowina aufhalten, ob gläubig oder kritisch, als Bewegungen zwischen „Glauben“ und „Zweifel“: „Ce couple ‚affirmation / mise en doute‘ forme la structure récurrente à l’oeuvre dans toute affaire d’apparition. […] Les personnes qui viennent à ‚Medjugorje‘ passent sans cesse d’une position critique (elle n’est pas là, ce n’est pas possible) à une position de croyance (elle est là, c’est possible) et retour.“ Claverie, Élisabeth: Les guerres de la Vierge. Une anthropologie des apparitions. Paris 2003, 139. 32 Vgl. Berger, Peter/Luckmann, Thomas: The Social Construction of Reality. A Treatise in the Sociology of Knowledge. Garden City, NY 1966, insb. Kapitel I. 33 So ist es geschehen in den Presseberichten und bischöflichen Untersuchungen zu den Marienerscheinungen in Deutschland 1948/49; siehe Scheer (wie Anm. 9), 192, 197.



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ist aber nicht nur die bischöfliche Untersuchungskommission, sondern es kann auch eine größere Öffentlichkeit sein, die darüber entscheidet, welche Wahrnehmungen als anerkennungswürdig gelten. Bei den Marienerscheinungen von Heroldsbach in Oberfranken 1949 rief einmal eine erwachsene Frau während der Erscheinung der Kinder aus, sie sähe die Gottesmutter auch. Ihre Vision wich allerdings von der Beschreibung der Sehermädchen ab und sie wurde prompt vom Erscheinungsort entfernt. Die Zeitungen berichteten lediglich von einem Vorfall mit einer „Psychopathin“ – die Visionen der Mädchen waren bereits als die „echten“ von der Gemeinschaft installiert worden.34 William Christian weist anhand der Berichterstattung über die Erscheinungen in Ezkioga die Selektionsprozesse der Presse nach: Wer nicht in das Bild eines glaubwürdigen Sehers passte, wurde ignoriert.35 Diese Prozesse spiegeln die Gratwanderung wider, die Marienerscheinungen immer zu gehen haben; sie oszillieren zwischen Partikularität und Universalität, zwischen Einzigartigkeit, die für die spontane „Hierophanie“ (Mircea Eliade) und somit für die Authentizität der Erscheinung spricht, und Wiedererkennbarkeit, die bedeutet, dass das Bild auf einen eindeutigen Referenten verweist. Ist die Vision zu einmalig, wird sie nicht als Marienvision (an)erkannt; ist sie aber zu sehr wie die anderen und wirkt wie eine bloße Kopie, wird sie auch nicht für echt gehalten. Die Kunst der Visionärin und des mitgestaltenden Kollektivs besteht darin, die Grundzüge des Typus zwar beizubehalten, aber deutbare, eigene Merkmale hinzuzufügen, die diese Madon­na charakterisieren und ihre spezielle Botschaft unverwechselbar machen. Im Sinne dieses Gleichgewichts werden der Individualisierung deshalb gewisse Grenzen gesetzt. Attribute, die ursprünglich innovativ waren, kommen in einen Vorrat von Merkmalen, die den modernen Erscheinungstypus kennzeichnen können: Die Strahlen, die von den ausgestreckten Händen der Pariser Madonna ausgehen, stellen die Gnaden dar, die durch Maria über die Welt kommen – diese werden dann auch in anderen Bildern aufgegriffen und für den lokalen Kontext noch einmal neu ­gedeutet (Abb. 9). Das Attribut der Weltkugel – häufig in frühen Immaculata-Darstellungen der bildenden Kunst anzutreffen, aber seit der Pariser Erscheinung kaum mehr visualisiert – wird in den Erscheinungen von Amsterdam 1945 und von Necedah 1950 aufgegriffen. Die Rosen auf den Füßen der Lourdes-Maria weisen womöglich auf die Reinheit dieser Füße hin, die den Kopf der Schlange zertreten, oder heben hervor, dass es sich hier um keine Teufelserscheinung handeln kann.36 Rosen – als Idee auch im Wort „Rosenkranz“ enthalten – werden aber vor allem als Merkmal der erschienenen Maria aufgegriffen und in späteren Erscheinungen wiederholt. Als Lucia einige Jahre nach Fátima eine weitere Vision der Jungfrau hat, die ihr Unbeflecktes Herz zeigt, wird dieses Bild zum zweiten Fátima-Bild, das die spezielle Botschaft dieses Ortes versinnbildlicht: Die Menschen werden zur Wiedergutmachung aufgerufen, 34 Ebd., 218. 35 Christian, William A., Jr.: Tapping and Defining New Power. The First Month of Visions at Ezquioga, July 1931. In: American Ethnologist 14/1 (1987), 140–166. 36 Dondelinger (wie Anm. 15), 101.

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Abb. 9  Eine Illus­tra­tion aus dem Jahre 1951, die sich auf Marienerscheinun- gen in Deutschland bezieht und an das Bild der ­Wunder­tä- tigen ­Medaille ­erin- nert.

denn ­Marias Herz erleidet Schmerzen durch die Sünden der Welt. Auch das Herz gehört fortan zu den ikonographischen Attributen, die für eine gesehene Maria eingesetzt werden können (Abb. 6 und 7). Neben solchen Requisiten können auch Merkmale wie Haar-, Augen- und Hautfarbe37, die Stellung der Hände und die Farbe des Kleids oder des Mantels leicht variieren38 und dennoch im wiedererkennbaren Bereich bleiben. Die Merkmale, die Maria zu einer „bestimmten“ Maria machen, kodifizieren ihre Botschaft – genauso wie die Titel, die sie an jedem Ort erhält: Rosenkranz-Königin, Mutter der Bekehrung der Sünder, Frau aller Völker, Königin des Friedens. Als Er37 Das Thema der körperlichen Merkmale Marias, die auf eine ethnische Zuordnung zielen, verdient mehr Aufmerksamkeit, als dieser Aufsatz leisten kann. Dass es hier nur kurz unter der Rubrik „Indi­ vidualisierungsmerkmale“ erwähnt werden kann, soll nicht implizieren, dass damit der Bedeutung von Marias Hautfarbe der gleiche Stellenwert wie der Farbe ihres Kleids zugesprochen wird. In der überwiegenden Mehrzahl der Marienerscheinungen wird berichtet, dass Maria eine helle Haut habe, was mit lokalen Vorstellungen ihrer Schönheit eng zusammenhängt. Dennoch zeigt das Beispiel von Kibeho, Ruanda (1981–1989), dass eine Marienerscheinung nach dem modernen Lourdes-Modell wenigs­tens andeutungsweise mit dunkler Haut vorstellbar ist. Die offizielle Darstellung der Vision ist auf der ­Homepage der Wallfahrt abgebildet: www.kibeho.org/marie.html (19.11.2008). 38 Die Farben Weiß, Gold und Blau dominieren, jedoch gibt es einzelne Ausnahmen  – im römischen Kloster Tre Fontane erschien Maria 1947 in einem grünen Mantel; wie weiter unten gezeigt wird, erschien Maria in Međugorje in einem grauen Kleid.



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gebnisse der kollektiven Arbeit an der Erscheinung fungieren sie darüber hinaus als Authentifikatoren, denn sie sagen: „Maria ist genau so erschienen, das kann also nicht erfunden oder eingebildet sein.“ Und schließlich binden sie Maria an einen bestimmten Ort und lassen sie zur „eigenen“ Maria werden: „So, wie in diesem Bild, ist sie uns erschienen.“

Von Visionen und Bildern: Die Ikonisierung des Ereignisses Bilder, die das Wissen um Marias Aussehen speichern und kommunizieren, sind die Voraussetzung für ihre Erscheinungen. Besonders die Bilder, die den Ruf genießen, „authentische“ Abbilder der Erscheinung zu sein, haben dieses Wissen nachhaltig geprägt. Die Darstellungsform, die die Umsetzung der Vision in ein Bild vielleicht am deutlichsten zum Ausdruck bringt, ist die lebensgroße Statue, die an der Erscheinungsstelle aufgestellt wird, so geschehen in Lourdes 1864, nach der offiziellen Gutheißung der Wallfahrt (Abb. 1). Beliebt ist aber auch das Prozessions- oder Altarbild, wie in Fátima, wo ein selbsternannter Propagandist des Kults schon 1920 die Herstellung einer Statue „nach den Angaben der glücklichen Seherin“ veranlasste.39 Ob auf der Pariser Medaille, auf Andachtskärtchen, in großen und kleinen Statuen auf kirchlichen oder privaten Altären – die zu bildlichen Repräsentationen geronnenen Visionsberichte schaffen Ikonen, die das Ereignis der Erscheinung Marias festhalten, daran erinnern und die vielfältigen Bedeutungen, die in dieses Ereignis eingelagert werden, verkörpern. Das Ikonisieren der Vision verursacht eine weitere Gratwanderung, die es zu bewältigen gilt: diejenige zwischen der genauen Wiedergabe der Erscheinung als Authentifizierungspraxis und der Bewahrung der Vision als „unaussprechlicher Erfahrung“ und „eigentlicher“ Begegnung mit dem Göttlichen. Das Bild, das ein authentisches Abbild der Erscheinung sein will, bestätigt deren Realität und macht das visionäre Erlebnis für andere nachvollziehbar – sie sehen M ­ aria, so wie sie der Seher gesehen hat. Deshalb ist es wichtig, die Übereinstimmung zwischen Vision und Bild durch Autorisierungspraktiken zu bestätigen, wie in der Befragung der Seherin, um die besonderen Merkmale des Bildes aus ihrem Munde zu hören.40 So wie einige wenige Details ausreichen – eine Quaste, eine Rose, eine Weltkugel –, um ein winziges Andachtsbildchen am Armband oder eine billige Kunststoff-Nachbildung an das Originalkunstwerk zu binden, so binden die Details aus dem Interview mit dem ­Seher das Kunstwerk an das Original der Vision selbst, an das Wunder. Das Wunder überträgt sich auf das Bild – manchmal im buchstäblichen Sinne. Es gibt vermutlich nicht wenige Marienbilder, die auf eine Marienerscheinung zurückge39 Brief des Auftraggebers, Gilberto Fernandes dos Santos, an den Bischof der kurz zuvor rekonstituierten Diözese von Leiria vom 24. August 1920, abgedruckt in: Documents on Fatima (wie Anm. 20), 209. 40 Manchmal kann die Erscheinung aber auch selbst die Authentifizierung vornehmen. In Lourdes soll Maria die kleine Statue der Pariser Erscheinung anerkennend angelächelt und berührt haben. ­Dondelinger (wie Anm. 15), 52.

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hen und selbst begannen, wundertätig zu sein. Berichte von Pilgern aus ­Međugorje, die sich über Suchmaschinen im Internet zuhauf finden lassen, erzählen häufig von Wundern, die vor Ort erlebt wurden  – die Sonne bewegt sich in ungewöhnlicher Weise, Öl tropft von einem Kruzifix herab, ein Madonnenbild bewegt sich. Aber auch Bilder von Marienerscheinungen, die nicht vor Ort aufgestellt sind, können mirakulöse Eigenschaften entwickeln: Über das Bild aus Međugorje, das in einem Vorgarten in Civitavecchia, einer italienischen Hafenstadt, aufgestellt worden war und im Frühjahr 1995 begann, blutige Tränen zu produzieren, ist in der internationalen Presse berichtet worden.41 Vor wenigen Jahren soll auch das Marienbild in Heroldsbach echte Tränen geweint haben.42 Das „wahre Abbild“, das gerade deshalb besondere Eigenschaften hat, ist seit dem späten Mittelalter ein Topos der katholischen Bildfrömmigkeit, als die Legende von den Marienporträts, die der Evangelist Lukas gemalt haben soll, kursierte. So wie solchen Bildern besonders starke Heilungskräfte zugeschrieben werden, so ist die nahezu perfekte Wiedergabe einer Vision ein „wahres Abbild“ ­Marias. Solche Bilder werden in die Nähe der Acheiropoieten gerückt, der „nicht von Menschenhand gemalten“ Bilder, die auf mirakulöse Weise entstanden sind. Prototyp ist das Veronikatuch; die geläufigsten Beispiele heute sind das Jesusbild auf dem ­Turiner Grabtuch oder das Bild der mexikanischen Maria Guadelupe. Ihre Entstehung garantiert ihre Authentizität als Bilder, die uns das wahre Aussehen der heiligen Personen zeigen. Und diese wunderbare Herkunft sowie die Ausstrahlung eines als „wahres Abbild“ betitelten Bildes verleihen dem Objekt die Aura der göttlichen Präsenz, die wiederum an die mirakulöse Kraft des Bildes glauben lässt.43 Die Bildtheologie der katholischen Kirche setzt allerdings der tatsächlichen Präsenz des Göttlichen in den Bildern klare Grenzen. Analog dazu weisen Seherinnen von Marienerscheinungen die Ausstrahlung des Bildes meist auch in die Schranken. Der Auftraggeber des ersten Fátima-Bildes schrieb viele Jahre später, dass Lucia die Wiedergabe der einzelnen Bildmerkmale gut gefunden habe, „ziemlich gut getroffen, sehr gut übernommen, die Form des Kleids, des Schleiers, die Position der Hände, die hängenden Perlen“. Dennoch reiche es nicht an ihre eigene Sinneswahrnehmung der Erscheinung heran: Die Erscheinung sei viel schöner gewesen, alles viel heller, das Weiße des Gesichts, der Perlen, der Füße habe ein Licht ausgestrahlt, sodass man kaum habe hinschauen können.44 Ein solches Strahlen konnte im geschnitzten und farbig gefassten Standbild natürlich nicht wiedergegeben werden. Auch Bernadette habe 41 Vgl. Bohlen, Celestine: Civitavecchia Journal. Crying Madonna, Blood and Many, Many Tests. In: New York Times, 8.4.1995; Crying statue’s woe. In: The Independent, 9.4.1995; La Rosa, Leonardo: Madonna! Blutige Tränen und klingelnde Kassen. In: NZZ Folio 217/12 (1996), 43–47. 42 Festl, Florian: Verwunderliche Tränen einer Madonna. In: Focus-Online, 27.3.2007, http://www.focus. de/panorama/welt/tid-5400/heroldsbach_aid_51777.html (19.11.2008). 43 Belting, Hans: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München 5 2000 [11990], hier insb. 60–91 und 233–252. 44 Santos, Gilbert F.: Os grandes fenômenos da Cova da Iria e a história da primeira imagem de Nossa ­Senhora de Fátima [Die großen Phänomene von Cova da Iria und eine Geschichte der ersten Vision ­Unserer Lieben Frau von Fátima]. Braga 1956, 56–65, zitiert in: Documents on Fatima (wie Anm. 20), 203 f.



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die Fabisch-Statue zurückgewiesen – ihre „Dame“ sei sehr viel schöner gewesen.45 So wird die „Realität“ der unmittelbaren Erfahrung gestützt, indem sie von der „bloßen“ Repräsentation abgegrenzt wird. An den modernen Marienerscheinungsorten wurde nicht mehr, wie in der Frühen Neuzeit, das Wunder vom Bild erwartet, sondern von der Heiligung des Ortes durch die Anwesenheit der Gottesmutter. Das Bild bleibt aber Ikone eben dieses wunderbaren Ortes.46 Über die Identifizierung mit einem bestimmten Ort entfaltet das Bild sehr partikulare Bedeutungsdimensionen, wie 1981, als die „kroatische Jungfrau“ begann, sich im herzegowinischen Međugorje zu zeigen. Im Hinblick auf die sich zwischen Visionen und Bildern vollziehenden Verhandlungsprozesse ist der Fall Međugorje – dem Marienerscheinungsort, der heute an Reichweite und Zulauf im populären Katholizismus am ehesten mit Lourdes oder Fátima vergleichbar ist – besonders interessant, weil es dort mehrere Bilder gibt, die gleichermaßen den Ikonenstatus erreicht haben. Aber im Gegensatz etwa zu Fátima, die deshalb zwei ikonenhafte Madonnen kennt, weil sie aus zwei verschiedenen Visions­zyklen hervorgegangen sind, oder zu Heroldsbach, wo sich verschiedene Bilder etabliert haben, weil die Beschreibungen der Erscheinungen von Mal zu Mal vari­ iert haben, ist die gesehene Maria in Međugorje immer gleich geblieben. Die erste Seherin rief schon beim ersten Anblick des weißen Scheins auf dem ­Podbrdo, dem Erscheinungshügel: „Gledaj! Gospa!“47 Und bereits am zweiten Tag war die Form der Vision beschrieben worden, die sie für die Dauer der Erscheinungen beibehalten würde: weißer Schleier, das Kleid hellgrau, die Füße nicht sichtbar, weil ­Maria in ­einer kleinen Wolke stand. Ein Sternenkranz schwebte um ihren Kopf und sie streckte ihre Hände den jungen Menschen entgegen.48 In einem Interview im dritten Jahr der regelmäßigen Erscheinungen erwähnt eine der Seherinnen, dass ­Maria an Festtagen ein goldenes Kleid trage und manchmal mit verschiedenen Attri­buten erscheine  – ­einem Kreuz, dem Jesus­kind, einem Herzen, der Sonne; diese wurden jedoch als Abweichungen von einem „Standardtypus“ empfunden, der quasi sofort feststand.49 Auch hier wird ein beliebter Topos wiederholt, dass der Seher die Schönheit 45 Dondelinger (wie Anm. 15), 96. 46 Morgan, David: Image, Art, and Inspiration in Modern Apparitions. In: Looking Beyond. Visions, Dreams, and Insights in Medieval Art & History. Hg. v. Colum Hourihane. Princeton 2010, 265–282. Morgan diskutiert hier die Transformationen in der Erklärung der Herkunft und Operation mentaler Bilder vom Mittelalter bis zur Neuzeit und ihr Verhältnis zur Entstehung „mirakulöser“ Bilder. 47 Claverie (wie Anm. 31), 138. 48 Ebd., 115. Die Franziskaner vor Ort haben die Seherinnen und Seher ab dem dritten Tag der Erscheinungen täglich befragt und diese Gespräche auf Tonbändern aufgezeichnet. Diese Aufzeichnungen wurden von emigrierten Kroaten ins Französische übersetzt, einmal von Kritikern (Sivrić, Ivo/­ Bélanger, Louis: La face cachée de Medjugorje. Québec 1984) und einmal von einer Apologetikerin (Klanać, Daria: Aux sources de Medjugorje. Montréal 1998). Élisabeth Claverie hat zwischen beiden Versionen wenige Unterschiede festgestellt und hält die Transkripte von Ivo Sivrić OFM für zuverlässige Quellen. Claverie (wie Anm. 31), 374–377. 49 Bubalo, Janko: Ich schaute die Gottesmutter. Gespräche mit der Seherin Vicka in Medjugorje. ­Jestetten 1986, 62 und 131–139. Vicka erzählt außerdem, dass Maria ihr die Bedeutung der Symbole erklärt habe: Zum Beispiel stehe das Herz für die Liebe Gottes, die Sonne für das Licht des Glaubens.

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seiner ­Vision nicht beschreiben könne und das Aussehen der Maria eigentlich als ­etwas Nebensächliches behandelt werden solle. Dennoch war bald nach Beginn der Erscheinungen das Bedürfnis aufgekommen, der Beschreibung der Visionen eine sichtbare Form zu geben. Fotos aus frühen Publikationen über Međugorje, die damals außerhalb Jugoslawiens erschienen50, zeigen eine lebensgroße Statue, die im Jahre 1983 in der Pfarrkirche St. ­Jakobus aufgestellt worden war.51 Genau nach der Beschreibung der Seher trägt die junge Maria ein graues Kleid und einen weißen Schleier, unter dem ­einige schwarze Locken zu sehen sind.52 Etwas Freiheit in der Darstellung konnte sich der Künstler bei der Positionierung der Hände erlauben, die die Oranten-Haltung einnehmen (Abb. 10). Möglicherweise reflektiert sie die beliebte Gebetshaltung unter MitAbb. 10  Statue, die in der Frühphase des gliedern der Charismatischen Bewegung, Erscheinungskults in Međugorje um 1983 geschaffen und in der Pfarrkirche aufgestellt zu der der Ortspfarrer Pater ­Jozo ­Zovko wurde. Nach etwa zwei Jahren wurde sie (*1941) bereits vor den Erscheinungen wieder entfernt und durch eine Lourdesgehörte53 und die bei der Entstehung der Statue ersetzt. Međugorje-Wallfahrt tonangebend gewirkt hat. Jedenfalls fungierte dieses Bild in der ersten Phase der Erscheinungen als Symbol dieser neuen Marienwallfahrt,54 wurde aber schon im April 1985 – als der Bischof von Mostar die Abhaltung der Er50 Es wurden 35 Bücher zu Međugorje ausgewertet, mit Erscheinungsdaten zwischen 1982 und 2001, sowie das monatlich erscheinende Mitteilungsblatt „Echo von Medjugorje“ (Jestetten 1987–1995) und die Online-Ausgabe des Newsletters „Echo Mariens Königin des Friedens“ (www.medjugorje. ws, 19.11.2008). 51 Eine genaue Datierung ist nicht möglich. Aber vgl. Bubalo (wie Anm. 49), 62, der in den Ende 1983 bis Anfang 1984 geführten Interviews von der „neuen Statue in der Kirche“ spricht. Sie ist auch schon zu sehen auf einem schlecht reproduzierten Schwarzweißfoto in Hvala, Marija: Kraljica Miru. O dogod­ kih v Medjugorju [Königin des Friedens. Über die Ereignisse in Međugorje]. Celovec-Klagenfurt 1984, 43. Farbfotos finden sich in Hummer, Franz/Jungwirth, Christian: Medjugorje. Berichte, Bilder, Dokumente. Graz-Wien-Köln 1986, 20 (Archivfoto) und Ein Ereignis in Bildern: Medjugorje. Hg. v. E ­ manuele. Jestetten 1987 (orig. ital. Ausgabe: Un evento per immagini – Medjugorje. Cittadella 1985), 15 und 36 f. 52 Beschreibung in Bubalo (wie Anm. 49), 62. 53 Vgl. etwa Ljubic, Marijan: Erscheinungen der Gottesmutter in Medjugorje. Jestetten 1982, 13. 54 Und das in Baden-Württemberg erscheinende „Echo von Medjugorje“ benutzte sie von Juli 1987 bis Juli 1993 als Logo.



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scheinungsveranstaltungen in der Kirche verbot – durch eine Lourdes-Madonna ersetzt, die heute noch als einziges Marienbild in der Pfarrkirche steht.55 Es ist zu vermuten, dass es Protest gegen die Aufstellung der genauen, „authen­tischen“ Abbildung einer noch nicht kirchlich anerkannten Marien­erscheinung zur Verehrung in der Pfarrkirche gegeben hat, weshalb sie durch eine kirchlich anerkannte Erscheinungsabbildung ersetzt werden musste. Aus dem öffentlichen Blickfeld verschwand also dieses erste „authentische“ Bild von den Erscheinungen in Međugorje als prominentes Symbol der Wallfahrtsstätte. Danach begannen sich andere Bilder in den Vordergrund zu drängen, die als Symbol der Međugorje-Erscheinungen fungierten. Im Jahre 1987 wurde ein Marienbild auf dem Platz vor der Pfarrkirche in Međugorje aufgestellt, vom italienischen Bildhauer Dino Felici aus weißem Marmor geschaffen. Es zeigt eine Maria ohne Kind, eine Hand auf der Brust, die andere ausgestreckt (Abb. 11). Sofort wurde diese Statue in vielen Publikationen als Symbol der Međugorje-Erscheinungen aufgegriffen, ohne ein „nach den Angaben der Seherin geschaffenes“ Bild zu sein. Ihre Bedeutung als Ikone der Erscheinungen wurde 2001 unterstrichen, als eine Gruppe von südkoreanischen Pilgern eine Kopie vom gleichen Bildhauer stiftete und auf dem „Erscheinungs-

Abb. 11  Dino Felici: Marienstatue auf dem Erscheinungshügel von Međugorje. Kopie der seit 1987 auf dem Vorplatz vor der Pfarrkirche stehenden Statue. 55 Nach einer persönlichen Beobachtung im Juli 2008. Bilder aus dem Jahr 1985 in: Ein Ereignis in Bildern (wie Anm. 51), 49 und Hummer/Jungwirth (wie Anm. 51), 29.

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hügel“ Podbrdo aufstellen ließ.56 Das Bild zirkuliert außerdem auf Karten, in Bildbänden und als Statue in allen Größen und Preisklassen. Ein weiteres Bild, das als Ikone von Međugorje eine große internationale Verbreitung erlangt hat, ist das Marienbild von Tihaljina, einem etwa 35 Kilometer von Međugorje entfernten Ort. Das Bild (Abb. 12) wurde noch vor den Erscheinungsvorgängen für die dortige Pfarrkirche geschaffen und zeigt eine Maria mit offenen Armen, die auf einer Halbkugel und einer Schlange steht, möglicherweise nach dem Vorbild der Pariser Medaille. Ihr Kleid ist rosa, der Schleier hellblau. An ihrem Hinterkopf wird zuweilen ein Sternenkranz befestigt. Als die ­Visionen im Juni 1981 in Međugorje begannen, hatte sich der Ortspfarrer Pater ­Jozo sehr bald für ihre Echtheit eingesetzt. Seine Abb. 12  Tihaljina-Madonna. Für viele Aktivitäten wurden vom jugoslawischen Međugorje-Anhänger ist dies „das“ Gesicht Staat als antistaatliche Agitation interpre­ des Erscheinungsortes. tiert, woraufhin er im August 1981 verhaftet wurde. Als Pater Jozo nach 18 Monaten aus dem Gefängnis entlassen wurde, durfte er nicht nach Međugorje zurückkehren. Schließlich kam er 1985 als Gemeindepriester nach Tihaljina. Von hier aus hat er seine Unterstützung für den bosnisch-kroatischen Erscheinungskult unter Verwendung des dort befindlichen Marienbildes fortgesetzt. Međugorje-Anhänger machten anschließend Tihaljina zu einem regelmäßigen Haltepunkt auf ihrer Pilgerreise; der Ort wurde quasi zur zweiten Niederlassung. Das Marienbild in der dortigen Kirche wurde zum Symbol für die Međugorje-Wallfahrt. Seit dem Zerfall des jugoslawischen Staats hat Pater ­Jozo verstärkt Propaganda für den Kult gemacht, und sich aufgrund seiner besonderen Ausstrahlung eine globale Reputation als begabter Prediger geschaffen. Obwohl das Marien­bild aus Tihaljina nicht zu den Beschreibungen der Visionen passt, ist es noch immer als Symbol der Međugorje-Erscheinungen sehr verbreitet. Es scheint vor allem im amerikanischen Raum bekannt zu sein, wo Mitglieder der Charismatischen Bewegung das Wirken von Pater Jozo unterstützen.57 Auch in den Souvenir-Läden von 56 Vgl. Medjugorje Press Bulletin 166 (26.9.2001), abrufbar auf Deutsch unter http://www.medjugorje. org/mpb/mpb166ge.htm (19.11.2008). 57 Connell, Janice T.: The Visions of the Children. The Apparitions of the Blessed Mother at ­Medjugorje. New York 1992; Weible, Wayne: Letters from Medjugorje, Orleans 1993. Siehe auch das Foto in



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­ eđugorje findet man dieses Bild: Zu kaufen gibt es unter anderem mit dem Gesicht der M Statue bedruckte Baseballkappen, Kinderlätzchen und T-Shirts sowie kleine MitnehmStatuen. Das Felici-Bild und die Tihaljina-Madonna – beides keine „wahren Abbildungen“ der Visionen, jedoch nah genug am Typus, um plausibel als Ikonen fungieren zu können  – dominierten als Symbole von Međugorje seit etwa 1987. Erst im Laufe der 1990er Jahre entwickelte wieder ein Bild, das nach den Angaben der Seher entworfen wurde, allmählich den Ikonenstatus. Offenbar war trotz der bereits vorhandenen Bilder, die für den Wallfahrtsort standen, der Druck – sicher auch der kommerzielle – gewachsen, ein „echtes“ Bild der Visionen prominenter zu platzieren. In den Buchpublikationen zu Međugorje ist ab 1985 ein gemaltes Bild zu finden, das (ohne Angabe eines Künstlers) offenbar hierfür die Vorlage abgibt. Die Madonna trägt ein graues Kleid und steht auf einer kleinen Wolke. Der lange weiße Schleier flattert im Wind, die Handhaltung entspricht der Felici-Statue.58 In den späten 1980er Jahren wird dieses Bild in den Publikationen relativ selten reproduziert. Ab etwa 1995 scheint es jedoch eine gewisse Popularität erreicht zu haben, denn es wird auch in Form einer kleinen Souvenir-Statue vermarktet und ist in dieser Form immer häufiger abgebildet zu sehen (Abb. 13).59 Wie beim ersten Versuch, ein „wahres Abbild“ der Erscheinung zu etablieren, gilt das graue Kleid als Alleinstellungsmerkmal dieser Maria. Wer also über die Feinheiten der Erscheinungen Bescheid weiß, erkennt in diesem Bild sofort die „echte“ Maria, wie sie noch heute den inzwischen erwachsenen Sehern von Međugorje erscheint. Es könnte sein, dass dieses Bild sich immer stärker als Ikone in den Vordergrund schiebt und die anderen nach und nach verdrängt. Es könnte jedoch auch sein, dass in Međugorje die Vielfalt der Ikonen erhalten bleibt. Denn jedes dieser Bilder hat andere Konnotationen für die Nutzer: Die Kirchengemeinde kann kein Erscheinungsbild in der Pfarrkirche aufstellen, bevor die Erscheinungen offiziell anerkannt werden. So greift sie auf die Lourdes-Madonna zurück. Vor der Kirche und neuerdings auf dem Erscheinungshügel stehen jedoch Statuen, die in ihrer Gestik das nach den Angaben der Seherinnen gemalte Bild aufgreifen. Das stark politisch konnotierte Tihaljina-Bild ruft die Verbindung zwischen Međugorje und den ethnisch-religiösen Konflikten in der Region in Erinnerung. Gleichzeitig steht es aber auch im Zusammenhang mit dem Franziskanerpater Jozo, der einen charismatiHummer, Franz/Rastić, Tomislav: Medjugorje heute. Graz 1990, 126 f., die abgebildete Pilgergruppe hält Bücher mit dem Gesicht der Tihaljina-Madonna auf dem Umschlag in den Händen. 58 Als Farbtafel schon in den 1980er Jahren abgedruckt, etwa in: Ilic, Zârko: Freudige Glaubenserfahrungen in Medjugorje. Was sagen die Gläubigen zu den Marienerscheinungen in ­Medjugorje? ­Jestetten 1985; Bianchi, Luigi: Fatima, Medjugorje. Zwei Stationen auf dem Weg der Rettung unter der Führung von Maria, der Mutter Christi und der Kirche. Hauteville 1987. Vom September 1993 (Nr. 105) bis Januar/Februar 1997 (Nr. 131) erscheint dieses Bild – mit kleinen Modifikationen – in der Kopfzeile der Zeitung „Echo Mariens Königin des Friedens“, danach wurde es durch ein Foto der nach diesem Bild gefertigten Statue ersetzt. 59 Die Statue wurde im Oktober 1995 ins Programm des Miriam-Verlags aufgenommen und per Versandhandel im deutschsprachigen Raum vertrieben; siehe Echo von Medjugorje 9/100 (Oktober 1995), 3. In die ausgestreckte Hand kann ein Rosenkranz gehängt werden.

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Abb. 13  Souvenir aus Međugorje.

schen Katholizismus vertritt. Međugorje wurde oft von charismatischen Katholiken aus Nordamerika besucht;60 für sie ist das Tihaljina-Bild das maßgebliche Bild der Wallfahrt, unabhängig von ihrem Wissen über die politischen Hintergründe. Je nach Bedürfnis können die Pilger also „ihr“ Bild von Međugorje mitnehmen. Die Vielfalt der Madonnen von Međugorje ist vielleicht auch symptomatisch für das schwebende Verfahren der Anerkennung, die zugleich die Kanonisierung der 60 Claverie (wie Anm. 31), 30.



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­ isionen bedeuten würde. Noch kann die Vieldeutigkeit der Erscheinungen, wie sie V in verschiedenen Bildern kodiert wird, beobachtet werden. Sollten die Erscheinungen eines Tages kirchlich anerkannt werden, würde dieser Prozess vermutlich zur Ein­ ebnung der Bedeutungen und Fokussierung auf eine „Gospa“ führen. Schließlich spiegelt Međugorje im Kleinen die Bemühungen wider, die in diesem Beitrag auf globaler Ebene geschildert wurden: die Gratwanderung zwischen dem Partikularen, der im Bild vorgeprägten und festgehaltenen lokalen Erfahrung, und dem Universalen, der Begegnung mit der einen Heiligen Jungfrau, die im Bild wiederzuerkennen sein muss. Während in Lourdes und Fátima das Ende der Erscheinungen die Bedeutung vom Bild gefördert hat, bleibt durch die Fortsetzung der Erscheinungen in Međugorje das Schwergewicht auf der Visionserfahrung; die Bilder werden durch ihre Vielfalt auch als zweitrangig gekennzeichnet.

Sehen als sozialer Akt Indem die Vision in ein Bild umgesetzt wird, gehört sie zum dispositif situationnel, der am Erscheinungsort auf die Pilger wartet. Mit diesem Begriff hat Élisabeth ­Claverie das Setting eines devotionalen Kontextes bezeichnet, das in Wörtern, Objekten, Handlungen, Raumanordnungen, Bildern usw. die Interaktionen der Menschen rahmt, lenkt und deutet.61 Das Bild kodifiziert die Botschaft, die Maria an diesem Ort zu dieser Zeit mitteilen wollte, und bindet sie gleichzeitig an die Universalien zurück, die Maria als himmlisches Wesen verkörpern. Wie die Visionen einzelner Seher sind diese Bilder Produkte komplexer Vorgänge des Sehens und Abbildens im Rahmen ­einer vorhandenen visuellen Frömmigkeitskultur, die ihre Sprache zur Verfügung stellt. Die Homogenisierung der „gesehenen“ Maria in den letzten 60 Jahren wird von einer gegenläufigen Tendenz konterkariert, die sie an bestimmte Orte bindet. Die Grundzüge des modernen Erscheinungstypus erlauben es, dass die Visionärinnen des 20. Jahrhunderts, wie in Međugorje, bereits beim ersten Anblick der hellen Gestalt rufen können: „Schau! Da ist die Mutter Gottes!“ Aber in der genaueren Beschreibung des Bildes geben sie Details preis, die von der Gemeinschaft begierig aufgegriffen werden, denn diese zeigen: Das ist unsere Mutter Gottes. Die lokalen Aneignungen helfen, die Erfahrung zu kommunizieren; sie steigern deren Realitätsgrad für die Nicht-Sehenden. Gleichzeitig betont aber die Visionärin die Unzulänglichkeit der Repräsentation und „Unaussprechlichkeit“ ihrer Erfahrung. Und dadurch, dass die Details aus einem anerkannten Vorrat kommen, verweisen sie bei aller Partikularität noch immer auf die eine Jungfrau. So wird das Gleichgewicht zwischen der einen gesehenen Maria und den vielen abgebildeten Visionen, die voneinander abhängig sind, gehalten.

61 Claverie, Élisabeth: Voir Apparaître. Les „évènements“ de Medjugorje. In: Raisons Pratiques 2 (1991), 157–176, hier 161–164.

M a r ia a l s Garan t i n n at i on ale r Fre ihe it in Pole n Ein typologischer Sonderfall des Marienpatronats in einer partizipativen Adelsgesellschaft

Hans-Jürgen Bömelburg

Die Einführung des Marienpatronats im frühneuzeitlichen Polen-Litauen ist in ­hohem Maße von supranationalen Mustern des europäischen Katholizismus bestimmt.* Auch der polnische Königshof hat unter den der katholischen Reform nahe stehenden Wasakönigen diese Muster bereits früh aufgreifen wollen, scheiterte dabei jedoch wiederholt. Bereits Sigismund III. (1566–1632) hatte um 1600 versucht, eine höfische Marien­frömmigkeit zu etablieren, indem er mehrfach  – mitsamt dem um diese Zeit noch nicht ausschließlich katholischen Hof  – Wallfahrten nach ­Tschenstochau/­Częstochowa unternahm. Der reformierte litauische Hofmarschall ­Krzysztof ­Dorohostajski (1562–1615) nahm an einer solchen Pilgerreise teil und hielt in einem Brief an die führenden Persönlichkeiten der litauischen Reformierten ironisch fest: „In Tschenstochau erledigten wir nicht mehr, als uns vor dem Bild zu verneigen und Götzenbilder aus Silber und Wachs aufzustellen.“1 Der ostentative Marien­kult am Hofe Sigismunds III. stieß um 1600 noch auf Ablehnung insbesondere bei den Reformierten und Unitariern, aber auch bei manchen Lutheranern.2 Allerdings förderten außenpolitische Anstöße die Marienfrömmigkeit: Der 10. ­Oktober, der Jahrestag des Abwehrerfolges gegen die Osmanen bei Chotyn/­Chocim (1621), war 1623 vom Heiligen Stuhl zum Gedenktag für diesen Sieg und Festtag zu Ehren der Gottesmutter Maria sowie der polnischen Nationalheiligen erklärt worden.3 Wenn also nach einem polnischen Nationalfeiertag in der Frühen Neuzeit gesucht wird, so wäre der mit der Marienfrömmigkeit verwobene 10. Oktober zu nennen. * Eine Auseinandersetzung mit der Studie von Tricoire, Damien: Mit Gott rechnen. Katholische Reform und politisches Kalkül in Frankreich, Bayern und Polen-Litauen. Göttingen 2013 (Religiöse Kulturen im Europa der Neuzeit 1) war nicht mehr möglich, da der Band erst nach der Abgabe des Manuskripts erschienen ist. 1 „W Częstochowie niceśmy więcej sprawili, jeno się obrazkowi pokłoniwszy, część srebrnych, część woskowych nastawiali bałwanków.“ Krzysztof Dorohostajski an Krzysztof Radziwiłł, 30.9.1597, zit. nach: Augustyniak, Urzsula: Wazowie i „Królowie rodacy“. Studium władzy królewskiej w Rzeczypospolitej XVII wieku [Die Wasaherrscher und die „einheimischen Könige“. Eine Studie zur Königsherrschaft in der Respublica des 17. Jahrhunderts]. Warszawa 1999, 75. 2 Tazbir, Janusz: Różnowiercy a kult maryjny [Andersgläubige und der Marienkult]. In: Ders.: Świat panów Pasków. Eseje i studia. Łódź 1986, 242–264. 3 Twardowski, Samuel: Władysław IV. Król polski i szwedzki [Władysław IV. Polnischer und schwedischer König]. Leszno 1649, 142; Tazbir, Janusz: Polskie przedmurze chrześcijańskiej Europy [Die polnische Vormauer des christlichen Europa]. Warszawa 1987, 53 f.

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Auch nach der Durchsetzung der katholischen Reform und der Rekatholisierung der adligen Eliten scheiterten in den 1630er Jahren die seit seiner Wahl 1632 von Władysław IV. (1595–1648) verfolgten Pläne, einen hofnahen elitären ritterlichen „Orden der Unbefleckten Empfängnis Marias“ (Order Niepokalanego ­Poczęcia Najświętszej Marii Panny) einzuberufen, für den seit 1634 eine Erlaubnis des Heiligen Stuhls und Papst Urbans VIII. (1568–1644) vorlag.4 Nachdem die Pläne durch die Einladung an die potenziellen Ordensritter im Sommer 1637 bekannt geworden waren, brach eine Welle der Kritik los, der elitäre Ritterorden begrenze durch die Schaffung eines Kreises von Vertrauten aus Königs- und Hofnahen die adligen Freiheiten.5 Zudem sah das Ordensstatut einen Treueschwur gegenüber Maria, der katholischen Kirche und dem Heiligen Stuhl vor und grenzte Nichtkatholiken deshalb aus. Nach vielfachen Rücktritten eingeladener Adliger und einer scharfen Kritik der Landbotenkammer des Sejms zog der König seine Pläne zurück.6 Ein elitärer marianischer Orden bedeutete für den Mitteladel die Favorisierung einer engen höfischen Elite und einen Verstoß gegen überkommene Gleichheitsprinzipien. Angesichts dieser Kette von Misserfolgen bildeten Polen-Litauen und Ungarn um 1640 europaweit diejenigen katholischen Staatsverbände, in denen noch kein Marien­ patronat eingeführt worden war. Selbst in der orthodoxen Kirchenorganisation Polen-Litauens hatte der Bischof von Mstislavl/Mscislaŭ/Mścisław, Orscha/­Orša und ­Mahiljou/ Mahilëŭ/Mohylew, Sylvester Kossov (†1657), in seinem 1635 gedruckten Verzeichnis der orthodoxen Heiligen M ­ aria nun zur Patronin des „russischen Volkes“ stilisiert.7

Maria als Schutzherrin der „polnischen Nation“ nach 1640 Vor dem Hintergrund dieser Misserfolge im Zuge der Durchsetzung eines Marienpatronats verwendeten die von der Marienfrömmigkeit stark geprägten katholischen Orden – insbesondere die Jesuiten und die Pauliner – in den 1640er Jahren neue und programmatisch abweichende Vorstellungen eines besonderen Marienpatronats über 4 Wisner, Henryk: Władysław IV. Waza [Władysław IV. Wasa]. Wrocław 1995, 127–129. 5 In der Publizistik finden sich solche Befürchtungen: „Pod tym płaszczykiem pobożności latet drab jakiś, rozbójnik wielki wolności polskiej i wprowadzenia absoluti dominii, którego się boni cives wszyscy obawiają.“ (Unter diesem Mantel der Gottesfürchtigkeit verbergen sich Schuftereien, eine verbrecherische Vernichtung der polnischen Freiheit und die Einführung des absolutum dominium, vor dem sich alle guten Staatsbürger fürchten.) Zitiert nach: Tomaszek, Andrzej: Projekt Orderu Niepokalanego Poczęcia Najświętszej Marii Panny [Das Projekt eines Ordens der unbefleckten Empfängnis Marias]. In: Odrodzenie i Reformacja w Polsce 32 (1987), 107–124, hier 115. 6 Ebd.; Dzięgielewski, Jan: O tolerancję dla zdominowanych. Polityka wyznaniowa Rzeczypospolitej w latach panowania Władysława IV [Um Toleranz für die Beherrschten. Die Konfessionspolitik PolenLitauens unter der Herrschaft Władysław IV.]. Warszawa 1986, 109–115. 7 „Przenajświętszą Bogarodzicę Narodu Rossyiskiego, gorącą y ustawiczną Patronkę“ (Allerheiligste Gottesgebärerin, eifrige und fortwährende Patronin der russischen Nation). Kossov, Sylvester: ΠΑΤΕΡΙΚΟΝ abo Żywoty SS. Oyców Pieczarskich (…) [PATERIKON oder Lebensläufe der Hl. Pečerska-Väter]. Kijów 1635, Praefacya [Vorrede, unpaginiert].



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Polen. In der Traktat- und Predigtliteratur dieser Orden sowie in der adligen Publizistik wird nun eine spezifische Form des Marienpatronats geprägt: Maria wird nicht nur als Patronin des polnischen Königreichs, sondern auch als Schutzherrin der „polnischen Nation“ aufgefasst. In einem Text des Pauliners Jan Dionyzy Łobżyński (um 1593–1654) über das Tschenstochauer Marienbild wird Maria 1644 als „Herrin und unsere Königin“, als „eigentlicher Schutzschild zur allgemeinen Verteidigung unseres Königreichs“ sowie als „bevorrechtigte Wohltäterin aller Bekümmerten in unserem Königreich (…) und zugleich Patronin der tapferen polnischen Nation“ apostrophiert.8 Die Formulierung „Patronin der tapferen polnischen Nation“ steht in einem umfangreichen Kontext von zeitgenössischer polnischer Marienliteratur. Maria wurde in diesen Texten von Krakauer Klerikern wiederholt als Fürsprecherin und Advokatin insbesondere polnischer Anliegen hervorgehoben. Szymon Starowolski (1588–1656) sprach 1640 von Maria als „unsere Advokatin und Retterin, die Patronin Sarmatiens und die berühmte Königin des Königreichs Polen“.9 Durch die Projektion auf Anliegen der gesamten Nation wurde die größere Verbundenheit der Patronin mit der Nation und weniger mit der Monarchie betont. Unterstützt wurde dies durch eine konfessionell-nationale Aufladung insbesondere in den Bürgerkriegen und Kriegen der sogenannten „Sintflut“10 seit 1648. Starowolski formulierte bereits 1649 in öffentlichen und anschließend gedruckten Predigten, dass „auch unsere alten Polen die Gewohnheit [hatten], dass sie, wenn sie in eine Schlacht zogen, die Bogurodzica [die vaterländische Hymne auf die Gottesmutter Maria] zu Pferde sangen und immer glücklich siegten. Seitdem es jedoch verschiedene gotteslästerliche Sekten zwischen uns gibt, ging diese Gewohnheit unter und die Kriege gehen nicht mehr zu unseren Gunsten aus.“11 Die „alten Polen“ auf der einen Seite und  8 Łobżyński, Jan Dionyzy: Przenosiny triumphalne, Naycudownieyszego w Królestwie Polskim Obrazu Bogurodzice Panny Maryey, na Iasney Gorze Częstochowskiey. Abo panegiryk kościelny (…) [Die triumphale Übersiedlung des köstlichsten Bildes der Gottesmutter, der Jungfrau Maria im Königreich Polen, auf dem Hellen Berg bei Tschenstochau. Oder ein kirchlicher Panegyricus (…)]. Kraków 1644, 9: „prawdziwa tarcz ku powszechney obronie Krolestwu naszemu“; 57: „Pani i Królowa nasza“; 64: „uprzywileiowana Dobrodzieyka wszystkich utrapionych w Krolestwie naszym (…) a zaraz y bitnego narodu Polskiego Patronka“.  9 Starowolski, Szymon: Diva Claromontana seu Oratio de Laudibus Beatae Mariae Virginis, Cuius Imaginem D. Lucae penicillo depicta, apud Czenstochoviam in Claro Monte (…). Cracoviae 1640, 39: „Maria sit Advocata nostra, Sospitatrix nostra, Patrona Sarmatiae,  & Regni Poloniae inclyta ­Regina“. 10 Der im Deutschen vor allem als Zweiter Nordischer Krieg bekannte Polnisch-Schwedisch-Moskauer Krieg, 1655–1660, wird in Polen als „Krieg der Sintflut“ in Anlehnung an die Romane von ­Henryk Sienkiewicz bezeichnet. Der Begriff ist nicht zeitgenössisch, allerdings sind Wendungen wie „schwedische Flut“ und „Überschwemmung aus dem Norden“ bekannt. 11 Vgl. die Predigtsammlung: Starowolski, Szymon: Wieniec niewiędniejący Przeczystej Panny ­Maryjej, zamykający w sobie kazania na wszystkie jej święta doroczne  (…) [Der niemals welkende Kranz der allerreinsten Jungfrau Maria, der Gebete für alle ihre jährlichen Festtage enthält]. o. O. 1649, 216: „Skąd i naszy Polacy starzy wzięli to byli w zwyczay sobie / że do potyczki idąc Bogarodzicę na koniech śpiewali; y zawsze szczęśliwie wygrywali. Lecz iako się blużniercow między

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„gotteslästerliche Sekten“ auf der anderen Seite – hier wurde als Objekt der Fürsorge Marias nun die gesamte polnische Nation definiert, während die nichtkatholische Bevölkerung aus dieser Konstruktion der Konfessionsnation ausgeschlossen blieb. In dem von der Krakauer Universität betreuten umfangreichen Schulnetz wurde die Bogurodzica als angebliches „Testament des Hl. Wojciech (Hl. Adalbert)“ in preiswerten Heftchen gedruckt und im Unterricht gesungen.12 Dort lehrten auch Persönlichkeiten wie zum Beispiel Jan Cynerski Rachtamowicz (1600–1654), die ebenso als Publizisten hervortraten. Deren Publikationen schufen ein enges Bezugsfeld zwischen dem Marienpatronat und der besonderen Rolle Marias als Fürsprecherin der katholischen polnischen Nation, ja man könnte von einer Polonisierung des Marienpatronats sprechen. Eine Untersuchung der Begriffsmuster der Publikationen dieses miteinander vielfältig und eng verbundenen Autorenkreises ist bislang ein Desiderat.

Aspekte eines hofnahen und monarchischen Marienpatronats Seit den 1630er Jahren sind aus dem Umfeld des königlichen Hofes Versuche nachweisbar, ­Maria durch eine „Krönung“ zu einer „Königin Polens“ aufzubauen. Der dem Hof und dem Monarchen sowie dem Jesuitenorden nahe stehende litauische Kanzler ­Albrecht Stanisław Radziwiłł (1593–1656) veröffentlichte 1635 eine Schrift, in der er das Zeugnis eines verstorbenen italienischen Jesuiten verkündete, ­Maria habe sich diesem als „polnische Königin“ offenbart.13 Mit der Einrichtung eines „Fortalitium Marianum“ 1639 auf dem Hellen Berg/Jasna Góra sowie den häufigen Besuchen der Wasafamilie in Tschenstochau gewann der Marienkult allmählich auch staatspolitische Bedeutung.14 Seit den 1640er Jahren errichteten dem Hof nahe stehende Magnanami narodziło sekt rozmaitych / tak ten ś. zwyczaj zginął; a woyny też nam nie według myśli się powodzą.“ 12 Bogurodzica, to iest pienie, testament Świętego Woyciecha, Apostola Polskiego, Arcybiskupa Gnieźnieńskiego, na naukę niektórych członków wiary, Polakom zostawiony w sobie maiący [Die Muttergottes, das ist der Gesang, das Testament des Hl. Adalbert, des polnischen Apostels und Erzbischofs von Gnesen, zur Unterrichtung der Mitglieder seines Glaubens, das er den Polen hinterließ]. o. O. o. J. [um 1621]; erneut: Bogurodzica i listy Wielkiego Kawalera [Die Muttergottes und die Briefe des großen Kavaliers]. o. O. o. J. Die Heftchen sollten den Text auch für Schüler verfügbar machen. 13 „[O]trzymał respons od MARIEY, zow mię Krolową Polską.“ [Er erhielt die Antwort von ­MARIA, nenne mich polnische Königin], in: Radziwiłł, Albrecht Stanisław: Discurs Nabożny z kilku słow wzięty o Wysławieniu Naświętszey Panny Bogarodzicy Mariey, świetckim, Zakonnym, Kaznodzieiom potrzebny [Andächtiger Diskurs zum Ruhme der Heiligsten Jungfrau und Gottesgebärerin ­Maria, Laien, Ordensbrüdern und Predigern unentbehrlich]. Wilno 1635 [²1636, ³1650], Bl. U3r, Oo3v. Radziwiłłs Werk basiert in seinen spirituellen Passagen auf der internationalen Marienliteratur, vgl. Zakrzewski, Andrzej J.: W kręgu kultu maryjnego. Jasna Góra w kulturze staropolskiej [Im Umfeld des Marienkultes. Der Helle Berg in der altpolnischen Literatur]. Częstochowa 1995, 100–104. 14 Goldonowski, Andreas: Diva Claromontana, seu Imaginis eius Origio, Translatio, Miracula (…). Cracoviae 1642, 298, nahm eine Rede Radziwiłłs auf: „cui SS. Virgo, Sacrum pro Regno Poloniae habenti, (…) se singulariter Regnam Polonorum esse.“ Andrzej Goldonowski (1596–1660) gehörte dem Paulinerorden an und war 1641–1644 Ordensprovinzial. Der von den Wasakönigen geförderte



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tenfamilien (Ossoliński, Dönhoff/Denhoff) eigene Kapellen und Grablegen in Tschenstochau.15 Maria, nach den Worten des Hofpredigers Maciej Kazimierz Sarbiewski SJ (1595–1640) „die große Schutzherrin Polens“ (magna Poloniae tutela), gewann politische Ausstrahlungskraft.16 Politisch beschloss der polnische Königshof in der militärisch ausweglos erscheinenden Situation 1656 – vier Fünftel des polnisch-litauischen Territoriums waren von schwedischen und russischen Truppen besetzt –, den Marienkult für eine Mobilisierung der Bevölkerung zur Unterstützung der Monarchie zu nutzen. Eine neue staatsnahe Symbolik und Terminologie sowie eine den Marienkult fördernde Geschichtsschreibung sollten diesem Ziel dienen. In einem symbolisch aufgeladenen Staatsakt wurde diese neue Interpretation inszeniert, wobei ausdrücklich auch die nationalen und ständischen Aspekte des neuen Marienpatronats in den Vordergrund gerückt wurden, um einer erneut fehlenden mitteladligen Akzeptanz zu entgehen. Vor diesem Hintergrund ahmte König Johann II. Kasimir (1609–1672) in Lemberg/ Lwów/L’viv 1656 die älteren Verschreibungen von Ländern oder Königreichen unter die Herrschaft Marias nicht unmittelbar nach, sondern wählte einen anderen, aus seiner Sicht wohl propagandistisch mehr Erfolg versprechenden Weg: Er votierte in einer Rede, die in vielen Details an den Akt des Votierens der Senatoren bei Senats­ versammlungen und Königswahlen angelehnt war, für Maria als Patronin und Köni­ gin Polens: „Dich erwähle ich heute als meine Patronin und als Königin meiner Staaten. Sowohl ich wie auch mein Königreich Polen, das Großfürstentum Litauen, Reußen (…) sowie beide Nationen und alle Völker empfehle ich Deiner besonderen Fürsorge und Verteidigung.“17 Die Elemente einer Wahl, Maria sei nicht zur Königin ernannt, sondern in einem freiwilligen Akt erwählt worden, rückten auch in der zeitgenössischen polnischen ­Marianologie Theologen wie Justyn Miechowita (1590–1670) und den Pauliner ­ arienkult beruhte neben einer Adaptation der internationalen gegenreformatorischen MarienverM ehrung auch auf der Übernahme und dem Ausbau jagiellonischer Vorbilder, vgl. Zakrzewski (wie Anm. 13), 49. 15 Dylewska, Anna: Kaplica Denhoffów p. w. św. Pawła Pustelnika (1644–1676) na Jasnej Górze [Die Dönhoff-Kapelle unter dem Patrozinium des Hl. Pauls des Einsiedlers (1644–1676) auf dem Hellen Berg]. In: Studia Claromontana 3 (1982), 343–364. 16 Sarbiewski, Maciej Kazimierz: Liryki oraz Droga rzymska i fragment Lechiady [Die Lyrik sowie der „Römische Weg“ und das Fragment der „Lechiada“]. Hg. v. Mirosław Korolko. Warszawa 1980, 528–531; Stawecka, Krystyna: Motyw Jasnej Góry w twórczości Macieja Sarbiewskiego [Das Motiv des Hellen Bergs im Schaffen Maciej Sarbiewskis]. In: Studia Claromontana 6 (1985), 18–24. 17 „Ciebie dziś za Patronkę moją i za Królową państw moich obieram. Tak samo siebie jak i moje królestwo polski, księstwo litewskie, ruskie (…) oraz obu narodów i wszystkie moje ludy Twojej osobliwej opiece i obronie polecam.“ Ingrossatio votorum Serenissimi Joannis Casimiri Regis Poloniae et Senatorum. Text bei Kordecki, Augustyn: Nova Gigantomachia, Contra Sacram Imaginem Deiparae Virginis a Sancto Luca depictam, et in Monte Claro Częstochoviensi (…) Per Suecos & alios Haereticos excitata (…) Anno Domini 1655. Cracoviae [1658], 153–155; Darstellung: Śreniowski, Stanisław: Z zagadnień ideologii prawno-ustrojowej w Polsce XVII wieku [Zu den Problemen der Rechts- und Verfassungsideologie im Polen des 17. Jahrhunderts]. In: Czasopismo Prawno-Historyczne 6/2 (1954), 221–252, hier 241–243.

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Ambroży Nieszporkiewicz (1643–1703) in den Vordergrund.18 Die spätere Übersetzung der Lemberger Ereignisse als „Lemberger Gelöbnisse“ (śluby lwowskie) blendete diesen Wahlakt zugunsten der einseitigen Hervorhebung des religiösen Gelöbnisses aus. Der polnische Königshof, der insbesondere zur Zeit des letzten Wasakönigs ­Johann  II. Kasimir deutlich unter dem Eindruck einer Herrschaft mittels Elitenbeeinflussung durch eine höfische Arcana-Politik agierte, sah in einer Propagierung eines monarchischen Marienkultes eine Chance, zusätzliche Argumente für einen Gewinn machtpolitischer Kompetenzen in den Händen des königlichen Hofes und der Zentralverwaltung zu erhalten. In dem am Hofe in der Umgebung von Königin Luisa ­Maria Gonzaga (1611–1667) überarbeiteten Werk des Paulinerabts von Tschenstochau, ­Augustyn Kordecki (1603–1673)19, wurden deshalb stärkere höfisch-panegyrische Motive eingebaut.20 Der zentrale Handlungsstrang ist deutlich exponiert: Das Eindringen fremder häretischer Mächte in das katholische Königreich, das von einem gottesfürchtigen Monarchen regiert wird, wird als Eindringen heidnischer Titanen geschildert und mit Hilfe des Beistands der Gottesmutter abgewehrt,21 deren Herrschaft über das Königreich Polen damit endgültig Bestätigung findet.22 Das Bild eines Kampfes heidnischer Titanen gegen die gottesfürchtigen christlichen Monarchen wurde bereits am Jagiellonenhof entwickelt. Der Angriff auf den rechten Glauben wird dabei dra18 Łukaszuk, Tadeusz Dionizy: Tytuły prawne królewskiej godności Maryi według o. Ambrożego Nieszporkowicza [Die Rechtstitel der königlichen Würde Marias nach Vater Ambroży Nieszporkowicz]. In: Studia Claromontana 2 (1981), 223–247; zu Miechowita: Bracha, Franciszek: Zarys historii mariologii polskiej [Abriss der Geschichte der polnischen Marienverehrung]. In: Gratia plena. Studia teologiczne o Bogurodzicy. Hg. v. Bernard Przybylski und Leon Andrzejewski. Poznań 1965, 457–486, hier 467. 19 Zu dem auf antike Muster zurückgehenden Titanenmythos, der in der katholischen Publizistik auf alle Häretiker bezogen wurde und in der monarchisch inspirierten polnischen Ikonographie bereits in der jagiellonischen Kunst auftaucht und im 17. Jahrhundert weiterentwickelt wurde, vgl. ­Chrościcki, ­Juliusz A.: Gigantomachia, komety i ulotki. Studia nad ikonografią obłężenia Jasnej Góry w roku 1655 [Die Gigantomachia, Kometen und Flugblätter. Studien über die Ikonographie der Belagerung des Hellen Bergs 1655]. In: Studia Claromontana 7 (1987), 121–133. Johann Sobieski besaß in seiner Privatbibliothek neben der „Nova Gigantomachia“ auch zwei Handschriften einer „Gigantomachia“, vgl. Catalogue des livres de la Bibliothèque du Serenissime (…) Jean III. (…) fait en l’an 1689. Hg. v. J. T. Lubomirski. Cracovie-Varsovie 1879, 32 f. 20 Jelonek, Eugeniusz: Kto jest autorem „Nowej Gigantomachii“? Zniekształcony pamiętnik ojca Kordeckiego [Wer ist der Autor der „Nowa Gigantomachia“? Die verunstalteten Erinnerungen des Vaters Kordecki]. In: Nasza Przeszłość 31 (1969), 75–99; Ocieczek, Renarda: „Oblężenie Jasnej ­Góry Częstochowskiej“. Dzieło i autor [„Die Belagerung des Hellen Bergs von Tschenstochau“. Werk und Autor]. Kraków 1993. 21 Kordecki (wie Anm. 17), Vorrede, unpaginiert: „Infudit se in Regnum Catholica Religione florentissimum, multitudo gentium monstrosa variarum Haeresum labe contaminatarum. Suecorum, Finnorum, Germanorum, Pomeranorum, Scotorum, Cassubiorum, Zingarorum, Silesiorum, Ungarorum, Bohemorum, Iudaeorum, Pruthenorum, & quod rei caput est, civium quorundam viperino morsu Patriam enecare parantium.“ 22 Ebd.: „Non magnopere invidenda est in Orbe Christiano sors maximorum Principum (…). Tua haec est singularis IOANNES CASIMIRE gloria, quod illi praees populo, quem Supremus Universi Dominus, admiranda dexterae suae potentia, contra quo suis hostium ausus, tuetur ac propugnat; quod Regnum id moderaris, cuius Gloriosissima Coelorum terraeque Imperatrix Deipara, dici se Reginam gloriatur“. Vgl. auch ebd., 197: „Tu Regina Poli, & Poloniarum.“



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matisch als Kampf von Gut und Böse zwischen den Mächten der Finsternis und des Lichts geschildert, wobei dem Tschenstochauer Kloster eine exponierte Rolle zugeschrieben wurde. Entgegen dem ursprünglichen Entwurf Kordeckis galt dieser Kampf nun aber zugunsten des katholischen Regnums mit König Johann II. Kasimir an der Spitze.23 Auch das zweite Werk des 17. Jahrhunderts, das ausdrücklich der Belagerung des Hellen Bergs und der Rettung durch Marias Eingreifen gewidmet ist, Stanisław Kobierzyckis „Obsidio Claris Montis“ (1659), lehnte sich an diese Konstruktion an und exponierte die Verbindung der „Regina Poloniae“ zum polnischen Königshof.24 Zugleich entstand im Umfeld von königlichem Hof, katholischem Orden und hofnahem Adel eine hagiografische Marienverehrung, die Maria als Königin Polens in das Zentrum der Darstellung rückte und ihr Wirken in zahlreichen Episoden der polnischen Geschichte des 17. Jahrhunderts wie auch in älteren Zeitabschnitten wahrnahm.25 Albert Ines’ „Lechias“ von 1655 war der Regina Poloniae gewidmet und enthielt eine Zuschreibung, eine Widmungsode und ein carmen votivum an ­Maria.26 Die Geschichtsschreibung um die Verteidigung des Paulinerklosters auf dem Hellen Berg bei Tschenstochau im Dezember 1655 band dieses nationalkonfessionelle Deutungsmuster an ein symbolträchtiges Ereignis an: Maria selbst hatte in den Kampf eingegriffen und das Kloster sowie das gesamte polnische Vaterland gegen die „häretische“ schwedische Übermacht verteidigt.27 Um dieses Deutungsmuster wurde seit 1656 mit monarchischer Unterstützung eine umfangreiche Literatur aufgebaut. Seitdem dokumentierte man alle Besuche polnischer Könige im Kloster und stellte diese ikonographisch dar.28 23 Kersten, Adam: Pierwszy opis obrony Jasnej Góry w 1655 r. Studia nad Nową Gigantomachią ks. Augustyna Kordeckiego [Die erste Beschreibung der Verteidigung des Hellen Bergs 1655. Studien über die „Nova Gigantomachia“ Augustyn Kordeckis]. Warszawa 1959. 24 Kobierzycki, Stanisław: Obsidio Claris Montis Częstochoviensis, Deiparae imagine (…). In: Regno Poloniae celeberrimi (…). Dantisci 1659. Die Abhängigkeit Kobierzyckis von Kordecki belegt Kersten (wie Anm. 23), 241–246. 25 Krasuski SJ, Michał: Regina Poloniae Augustissima Virgo Mater Dei Maria. In regno Polonorum beneficentia prodigiosarum imaginum, tam pace, quam bello celeberrima. Calissii 1669. 26 Ines, Albertus: Lechias sive ducum, principum, ac Regum Poloniae, Ab usque Lecho deductorum, Elogia historico-politica et panegyres lyricae. In quibus, Compendiosa totius Historiae Polonae Epitome exhibetur nec non christiano-politicae institutionis arcana politicis, ethicis ac polemicis axiomatibus illustrantur. Cracoviae 1655, [unpaginiert]. 27 Zakrzewski (wie Anm. 13), 90 f. Erste Anregungen zu einer Darstellung der Belagerung gingen von Königin Ludwika Maria um die Jahreswende 1655/56 aus. In dem Lemberger Krönungsakt wurde das Ereignis jedoch nicht erwähnt. 28 Zu den Besuchen des königlichen Hofes vgl. Związek, Jan: Pielgrzymki Jana III Sobieskiego na Jasnę Górę [Pilgerfahrten Jan III. Sobieskis auf den Hellen Berg]. In: Studia Claromontana 4 (1983), 155–176; Borkowska, Urszula: Jasna Góra w pobożności królów polskich [Der Helle Berg in der Frömmigkeit der polnischen Könige]. In: Studia Claromontana 4 (1983), 126–145; Fortsetzung: Dies.: Królowie polscy a Jasna Góra od czasów Jana Kazimierza do końca Rzeczypospolitej obojga narodów [Die polnischen Könige und der Helle Berg seit den Zeiten Johann Kasimirs bis zum Ende der Respublica zweier Nationen]. In: Studia Claromontana 6 (1985), 63–87, hierbei 63 f. auch zur markanten Veränderung der Quellenlage nach 1660.

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Jedoch erschienen vor 1700 im Sinne eines monarchischen Marienpatronats insgesamt nur diese beiden Werke in jeweils zwei Auflagen. Weitere Arbeiten sind nur in Handschriften überliefert.29 Die Verbreitung des monarchisch inspirierten Marienpatronats blieb so bis zum Ende des Jahrhunderts sehr begrenzt, und es ist sehr fraglich, ob diese Version der Ereignisse sich im polnischen Adel durchsetzen konnte.

Maria als Fürsprecherin der „polnischen Freiheit“ Die Königin Polens konnte seit 1656 um Beistand in militärischen Auseinandersetzungen wie in der Tagespolitik angerufen werden. Bereits im selben Jahr nahm Szymon Starowolski in einem Werk gemäß der polnischen Klagelied-Tradition das Beistandsmotiv durch die Schutzherrin an prominenter Stelle auf.30 Drucke und eine umfangreiche barocke Malerei popularisierten das Eingreifen Marias.31 Wofür nun allerdings Maria in Polen eingreifen konnte, blieb tagespolitisch durchaus umstritten. Neben der monarchischen Argumentation findet sich im letzten Drittel des 17. und im 18. Jahrhundert in Polen-Litauen auch eine gänzlich andere Akzentuierung des Marienpatronats. Maria erschien hier als Fürsprecherin und Schutzherrin der nationalen Eigenarten und der „polnischen Freiheit“, die durch Eingriffe „tyrannischer Herrscher“ aus dem Ausland, aber auch durch ein von den polnischen Monarchen angeblich angestrebtes dominium absolutum, eine absolute Herrschaft, gefährdet seien.32

29 Kordecki (wie Anm. 17), erneut 1694; Kobierzycki (wie Anm. 24), erneut Amsterdam 1698. Zu den Abhängigkeiten: Kersten (wie Anm. 23); Czerwień, Henryk/Zbudniewek, Janusz: Bibliografia piśmiennictwa Jasnej Góry i jej obrońcy o. Augustyna Kordeckiego za lata 1655–1977 [Bibliographie des Schrifttums des Hellen Bergs und seines Verteidigers Augustyn Kordecki 1655–1977]. Warszawa 1979. 30 Motto „Regina Poloniae, tu nos ab hoste protege, et hora mortis suscipe.“ Starowolski, Szymon: Lament utrapionej Matki Korony Polskiej, iuż iuż konaiącey, na syny wyrodne, złośliwe y niedbaiące na Rodzicielkę swoię [Klage der kummervollen Mutter der Krone Polens, kurz vor dem Dahinscheiden, über ihre entarteten und bösen Söhne, die nicht für ihre Gebärerin sorgen]. o. O. o. J. [verm. Kraków 1655/56], Bl. A1v. Das Werk ist nicht genau datierbar; aufgrund der Ausgabe ohne Autorennennung, Druckort und -jahr liegt ein Druck nach dem schwedischen Einmarsch nahe. Es erlebte zahlreiche ­spätere Drucke, unter anderem auch im Jahre der Zweiten Teilung Polens 1793. 31 Grabiecki, Wojciech: Tryumph Niezwyciężoney Królowey Polskiey, Matki Bożey. Z wytrąbionego błędu Aryańskiego, który przy piśmie Ś. rozumem samym reprobowany bydź może (…) [Triumph der unbesiegten Königin Polens, der Gottesmutter. Mit dem austrompeteten arianischen Fehler, der durch die Heilige Schrift mit dem eigenen Verstand verurteilt werden kann]. Warszawa 1660, Bl. A3r; und zahlreiche ähnliche Beispiele für Gemälde, die im 17. Jahrhundert das Eingreifen ­Marias thematisierten, bei: Michałowska, Marta: Palladium polskie. Militarne aspekty ikonografii maryjnej XVII–XVIII w. [Die Polnische Schutzmauer. Militärische Aspekte der Marienikonographie des 17. und 18. Jahrhunderts]. In: Studia Claromontana 6 (1985), 25–46. 32 Bömelburg, Hans-Jürgen: „Polnische Freiheit“  – Zur Konstruktion und Reichweite eines frühneuzeitlichen Mobilisierungsbegriffs. In: Kollektive Freiheitsvorstellungen im frühneuzeitlichen Europa (1400–1850). Hg. v. Georg Schmidt, Martin van Gelderen und Christopher Snigula. Frankfurt/Main 2006 (Jenaer Beiträge zur Geschichte 8), 191–222; Grześkowiak-Krwawicz, Anna: Regina libertas.



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Starowolski hatte in seinem Klagelied über den Untergang des Vaterlandes 1656, als fast ganz Polen von schwedischen Truppen besetzt war, eine apokalyptische Vision des Untergangs der „polnischen Freiheit“ geschaffen. Die Bevölkerung, Geistliche wie Laien, Adlige wie Bürger und Bauern würden in die Unfreiheit – in das Moskauer Reich, nach Schweden und zu den Tataren  – verschleppt werden.33 Die polnischen Eliten hätten die „polnische Freiheit“ – ein Geschenk der Gottesmutter Maria – missachtet und sich dem „Joch der deutschen Herrschaft“ an den Hals geworfen, welches mit dem dominium absolutum gleichgesetzt werden müsse.34 An dem Untergang seien die Häretiker schuld. Nun werde der Herr sie und alle Polen von der Erde vertilgen. Die Mobilisierungsmacht dieser rhetorischen Figur auch gegen die konfessionellen Gegner ist nicht zu unterschätzen. Die Formel „Maria als Patronin der polnischen Nation und deren Freiheiten“ konnte vor diesem semantischen Hintergrund allerdings auch zu einer unmittelbaren Propagierung eines Widerstands im Geiste der „polnischen Freiheit“ gegen angebliche monarchische Unterdrückung in Polen selbst gewendet werden. So wurde Maria 1664 von der adligen Opposition um Unterstützung gegen die Hofpartei, die den kleinpolnischen Magnaten und Krongroßmarschall Jerzy Lubomirski (1616–1667) bestrafen wollte, angerufen. Der Dichter und Geschichtsschreiber Wespazjan Kochowski (1633–1700), ein Parteigänger Lubomirskis, legte in seinen Versen über das wundertätige Marienbild in Dätzdorf/Dzierzków Maria folgende Worte in den Mund: „Ich nehme die polnische Krone in meinen Schutz / und in mein Bemühen. Auf dem sarmatischen Thron herrscht mein Mitgefühl (…) Aber die altpolnischen Taten und Tugenden / nehmt ihr Verteidiger des Glaubens und der Einfachheit / mit Euch in Liebe und würdiger Eintracht / die polnische Nation wird Frieden finden.“35

Der politische Konflikt gipfelte 1665/66 in einem blutigen Bürgerkrieg: Lubomirskis frondierende Truppen griffen 1665 das königstreue litauische Heer bei Tschenstochau an und beriefen sich dabei auf das Eingreifen Marias zehn Jahre zuvor. Die PaulinerWolność w polskiej myśli politycznej XVIII wieku [Regina libertas. Freiheit im polnischen politischen Denken des 18. Jahrhunderts]. Gdańsk 2006. 33 Starowolski (wie Anm. 30), Bl. B1r: „Jedni poydą w niewolą do Moskwy / do Szwecyey / do Tatar / a drudzy na wygnaniu w nędzy y w zniewadze od sromoty pomrą; tak Xięża / iako y świeccy / tak ­Szlachta / iako y Mieszczanie iako też i chłopkowie.“ [Die einen gehen in die Sklaverei nach Moskau / nach Schweden / in die Tatarei / die anderen leben in der Verbannung im Elend und sterben in Nichtbeachtung aus Schmach / Kleriker / und Laien / Adel / wie Bürger und auch Bauern]. 34 Ebd., Bl. A2v: „Obdarzyłam ie wolnością taką / iakiey okolicznych narodów najwyższych tytułów Panowie nie maią, a oni ią nizacz [= za nic] sobie maiąc / Niemieckich rządów iarzmo na szyię swoię zaciągnęli.“ 35 „Mam ia Koronę Polską w mey opiece / I w mym staraniu. Y Sarmackim Tronem / Czułość ma rządzi (…). Lecz Staropolskie postępki i cnoty, / Bierzcie broniący wiary y prostoty. / Z sobą w miłości, i w przystoyney zgodzie / Zażyiesz Polski pokoiu Narodzie.“ Kochowski, Wezpazjan: Wiersz polski o świeżo płaczącym obrazie Panny Przenajświętszej Maryjej we wsi Dzierzkowie, roku 1664 dnia 22 miesięca lipca [Polnisches Gedicht über das jüngst weinende Bild der Allerheiligsten Jungfrau Maria im Dorf Dzierzków, 22. Juli 1664]. In: Ders.: Różaniec Naświętszey P. Maryej. Według zwyczaiu kaznodzieyskiego Rythmem Polskim wyrażony (…). Kraków 1668, 107–111.

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mönche verschlossen die Klostertore vor den fliehenden königlichen Truppen. Der militärische Sieg der Adelsopposition wurde konsequent ebenfalls als Eingreifen ­Marias zugunsten der „polnischen Freiheit“ gedeutet. Lubomirski gelang es im Folgenden, die großpolnischen Konföderierten auf seine Seite zu ziehen und in der blutigsten Bürgerkriegsschlacht der polnischen Frühneuzeit die Kronarmee bei Montwy/Mątwy im Juli 1666 erneut zu besiegen, wobei über 3 000 Soldaten der Kronarmee umkamen. Insgesamt forderte der Bürgerkrieg mehr als 5 000 unmittelbare Opfer; über die Opfer durch Seuchen und Kriegsfolgen liegen keine Angaben vor.36 Erst anschließend kam es zu einem Kompromiss: Der König verzichtete auf die Pläne zur Wahl eines Nachfolgers noch zu Lebzeiten und Lubomirski ging straflos aus. Spätestens die Fronde von 1665/66 zeigte, dass das Marienpatronat im Namen der „polnischen Freiheit“ und einer nationalen Eigenart auch gegen den Monarchen und den höfischen Apparat zu wenden war. Solche Motive finden sich im späten 17. Jahrhundert in einem weiteren Medium eines populären Marienkultes, in Predigten insbesondere von Ordensgeistlichen. In der 1678 gedruckten Predigtsammlung des Krakauer Franziskaners Antoni Stefanowicz (†1679) wird Maria als Fürbitterin für die vom Untergang bedrohte polnische Nation angesprochen: Neben einer Rückkehr zu den „altpolnischen Tugenden“ könne nur ihre Fürbitte die Strafe Gottes verhindern, ohne ihre Hilfe vernichte der Zorn Gottes das Vaterland. Hieran seien David, Salomon und die „anderen Könige“ schuld, die wiederholt gesündigt hätten. Dies ist auch eine mittelbare Kritik des Predigers an den polnischen Monarchen.37 Noch erheblich aussagekräftiger ist eine andere Predigt Stefanowiczs, in der in apokalyptischer Tradition ein Gerichtstag über den polnisch-litauischen Staatsverband dargestellt wird:38 Die polnischen Nationalheiligen fordern eine Bestrafung Polens. Im Gegenzug tritt Maria für Polen ein und rettet die Nation vor dem Untergang. Die ­Vision endet mit der Nachricht, dass dem Vaterland kein Verderben drohe, solange

36 Nagielski, Mirosław: Działania zbrojne rokoszu Jerzego Lubomirskiego w 1665 r. [Die militärischen Tätigkeiten während des bewaffneten Aufstands von Jerzy Lubomirski 1665]. In: Studia i materiały do historii wojskowości 34 (1992), 101–148. 37 „Czemu Bóg w naszych pułnocnych kraiach tak straszną inż przez kilka lat odprawuie wizytę / y iako go ubłagać. (…) Dobre medium poniechać pychy / wyniosłości zbytków / rozpusty y sweywoli / reassumować prostotę / Szczerość / kandor staropolski; a Bóg y innocencya powróci / y dawną sławę Oyczyznie naszey y męstwo (…) jużbysmy byli podobno zginęli / by nie Panna Przenajświętsza Boga nam zgniewanego trzymała. (…) y Dawid był grzeszny / y Salomon / y insi Krolowie / i owszem mało takich było / którzyby nie grzeszyli“ [Warum verweilt Gott in unseren nördlichen Ländern seit einigen Jahren zu einem so schrecklichen Besuch und wie kann er überstimmt werden. (…) Ein guter Rat ist es, auf Stolz, Verschwendungssucht, Freizügigkeit und Selbstbestimmung zugunsten von Einfachheit, Ehrlichkeit und altpolnischen Tugenden zu verzichten; dann wird Gott unserem Vaterland die Unschuld, den ehemaligen Ruhm und die Tapferkeit wieder zurückgeben (…) Schon längst wären wir verloren, wenn nicht die Allerheiligste Jungfrau den erbosten Gott zurückgehalten hätte]. ­Stefanowicz, Antoni: Dzieło zbawienia ludzkiego wystawione (…). Na Kazaniach po różnych Kościołach Krakowskich (…) obiaśnione [Das Werk der menschlichen Erlösung dargestellt (…). In Predigten in verschiedenen Krakauer Kirchen erklärt]. Bd. 1–2. Kraków 1678, hier Bd. 2, 64–66. 38 Ebd., Bd. 2, 103.



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­ aria für Polen eintrete.39 Die Mittlerrolle Marias bilde eine Garantie für dessen RetM tung und verschaffe der Nation einen Vorteil im Angesicht des göttlichen Richterspruches.40 Hier liegt eine Quelle für die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter dem Adel populäre geschichtsphilosophische Auffassung, die polnische res publica sei in ihrer freiheitlichen Verfassung auf Gott und Maria gebaut und deshalb ewig und unvergänglich. Graduell anders akzentuierte Wespazjan Kochowski in den 1670er und 1680er Jahren die Rolle Marias:41 „Damit das Wissen im polnischen Staat erhalten bleibt: / Wer in Marias Knechtschaft ist, geht nicht unter.“42 Hier wurden Verbindungslinien zu den auch international populären Formen einer „Marienknechtschaft“ – etwa der Propagierung einer esclavage marial in Frankreich und in Spanien – hergestellt. Die mit einer solchen Knechtschaft verbundenen Inhalte wichen allerdings voneinander ab: Nach Kochowski haben die „freien Polen“ Maria zu ihrer Königin gewählt; die Unterstellung unter ihren Schutz gebe den Polen eine sichere Verteidigungsbasis (antemural Sarmacyi dany) gegen die „heidnischen Mächte“.43 Tatsächlich fand dies in Rotreußen und Podolien Ausdruck in der Einrichtung und Aufwertung von 39 Ebd.: „Na sczęście nasze wzięta iest Panna Przenaświętsza do nieba  (…) stanąwszy przed Boskim Maiestatem rzecze. (…) mieymy dobrą otuchę / że y Bóg na intercessya Przenaświętszey Panny / odmieni dekret swoy Boski / użyczy nam zdrowia / da pokóy y lata szęśliwe. (…) Dobrą concypuycie dziś nadzieię / iż (…) Oyczyźnie naszey y nie zgubi Polski / nie odbierze korony.“ [Zu unserem Glück ist die Allerheiligste Jungfrau in den Himmel aufgenommen worden (…) und zeugt für uns vor dem göttlichen Thron. (…) seien wir zuversichtlich / dass Gott durch die Fürsprache der Allerheiligsten Jungfrau / sein göttliches Urteil ändert / und uns Gesundheit, Frieden und glückliches Fortbestehen schenkt. (…) Das Gute gibt heute Hoffnung / dass (…) der Untergang unseres Vaterlands und Polens nicht bevorsteht / und uns die Krone nicht genommen wird.] 40 Ebd., Bd. 2, 95: „Niech dwoie Królestwa niesforne żebrzą z nieba ratunku (…) tedy to wygra / przy którym Przenajświętsza Panna stanie.“ [So erflehen zwei undankbare Königreiche aus dem Himmel die Errettung (…) dann wird das gewinnen / bei dem die Allerheiligste Jungfrau steht.] 41 Kochowski verfasste zahlreiche marianologische Werke, neben dem Różaniec (1668) besaß eine andere umfangreiche, selbstständig erschienene und 1681 gedruckte Sammlung Bedeutung: K ­ ochowski, Wespaz­jan: Ogród Panieński pod sznur Pisma Świętego, doktorów kościelnych, kaznodziejów prawowiernych wymierzony, a kwiatami tytułów Matki Boskiej wysadzony przez jednego najliźszego tej ­Matki i Panny niewolnika [Der jungfräuliche Garten nach den Angaben der Heiligen Schrift, der Kirchenlehrer und der rechtgläubigen Prediger eingerichtet und mit Blumen aus den Ehrentiteln der Gottesmutter durch einen der erbärmlichsten Sklaven dieser Mutter und Jungfrau gepflanzt]. Kraków 1681. 42 Kochowski, Wespazjan: Pierwsza i ostatnia ucieczka Korony Polskiej do Najświętszej Panny ­Maryjej [Die erste und die letzte Zuflucht der Krone Polens zur Allerheiligsten Jungfrau ­Maria]. In: Ders.: Utwory poetyckie. Wybór [Dichterisches Werk. Auswahl]. Hg. v. ­Maria Eustachiewicz. WrocławKraków 1991, 76–78. 43 „W Studzianny zaś jest fortecą warowną, / Basztą Dawida i twierdzą duchowną, / Arsenał, w którym na obrony twoje / Masz, Polsko, zbroje. (…) Ten antemurał Sarmacyjej dany, / Przez brzydkie nigdy nie zwalczon pogany, / Do niej się, za tą gdy stoisz paiżą, / Turcy nie zbliżą“ [Studzianna ist aber eine Festung,/ Davids Bastei und geistiges Bollwerk, / das Arsenal, in dem du zu deinem Schutz, / Polen, die Rüstung hast. (…) Dieses Antemurale, Sarmatien gegeben, / durch abscheuliche Heiden niemals besiegt, / ist, solange dieser Schutzschild besteht, / für die Türken niemals erreichbar]. Kochowski: Studzianna. In: Ders., Utwory (wie Anm. 42), 80–83; Nieznanowski, Stefan: Matka Boska w poezji baroku i czasów saskich [Die Gottesmutter in der Dichtung des Barocks und der sächsischen Zeit]. In: ­Matka Boska w poezji polskiej. Bd. 1–2. Hg. v. Maria Jasińska-Wojtkowska. Lublin 1959, hier Bd. 1, 52.

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„­Marien­heiligtümern“ zu „Marienfestungen“, die auch einen tatsächlichen Verteidigungswert besaßen. Die Regionalisierung der Kultstätten – jede Region besaß „ihre“ eigene Marienwallfahrtsstätte  – begrenzte allerdings die Bedeutung von Tschenstochau.44 Der Bestand Polens und dessen endgültiger Sieg seien gesichert, solange die Marienverehrung unerschütterlich und die „polnische Freiheit“ im Inneren erhalten bleibe. Mit diesen Vorstellungen von einer Wahl sprach Kochowski für die Mehrheit der ­Eliten, zumal Maria als Verteidigerin der „adligen Freiheiten der Sarmaten“ auch bei anderen zeitgenössischen Autoren, etwa Schriftstellern aus den Reihen der Ordens­ geistlichen – insbesondere der Jesuiten, Pauliner oder Piaristen – in Erscheinung trat.45 Vermittelt wird dies bei Kochowski mit einem ausdrucksstarken Bild, das seine Vision der sarmatisch-polnischen Nation als „neues Israel“ beschreibt: Der am Kreuz sterbende Jesus streckt den nördlichen Völkern (= den Polen) seine Hand aus. ­Maria – die Königin Polens  – steht unter dem Kreuz und blickt nach Norden; das Kreuz schützt und die Gottesmutter verteidigt das auserwählte Volk.46 Die Vorlage für dieses Bild schöpfte Kochowski wahrscheinlich aus zeitgenössischen Predigtsammlungen wie bei Stefanowicz, wo ebenfalls die Vermittlerrolle Marias für die polnische Nation akzentuiert wurde.47 Als Feinde erscheinen hier die südlichen Nachbarn Polens und das Osmanische Reich, mit dem Polen in einen dreißigjährigen Krieg (1667–1699) verwickelt war.48 Die Parallelisierung zwischen dem alttestamentarischen Volk Israel und dem neuen auserwählten Volk wurde von Kochowski noch deutlicher in der „Psalmodia polska“

44 Zakrzewski (wie Anm. 13), 114 f., untermauert die These, Tschenstochau habe als gesamtpolnischer Wallfahrtsort und Nationalheiligtum erst im 18. und 19. Jahrhundert schrittweise an Ausstrahlung gewonnen. 45 „[N]ostris benignissima Matre, quae Poloniarum Regina dici amat.“ Kochowski, Wespazjan: Annalium Poloniae climacter tertius. Ad punctum Abdicationis Joannis Casimiri Reg. per Regnum Poloniae res gestas inclusive continens (…). Cracoviae 1698, 147 f. 46 „Kończąc mękę, / Skłania rękę / Na północnych ludzi. / Matka znać dając, że nam jest w po­mo­cy, / Pod Krzyżem stoi ku nam na północy, / Krzyż zasłoni, / Matka broni“. Kochowski, Wespaz­jan: Góra Łyssa depozytem drzewa Krzyża Ś. w sendomirskim kraju sławna [Der Kahle Berg, bekannt als ­Depot des Heiligen Kreuzes im Sandomierer Land]. In: Ders., Utwory (wie Anm. 42), 92–95. 47 „Pytam teraz: na cosz Panna po lewey stronie pod Krzyżem stała gdy Pan umierał. Tenże solwnie. Gdy Pan wisiał na Krzyżu twarzą był obrocony na wschód zaczym na lewey stronie pułnocna była kraina / tamże Panna we środku między Chrystusem y pulnocą / ktora oziębłych grzeszników symbolizuie. (…) Z Pułnocy wszytko złe / na lewey stronie potępieni staną / tam Panna Przenaświętsza będzie poznawała swoich.“ [Ich frage jetzt: Warum stand die Jungfrau zur linken Seite unter dem Kreuz, als der Herr starb. Als der Herr am Kreuz hing, war sein Antlitz nach Osten gerichtet, dahinter auf der linken Seite im Norden war eine Gegend / dort die Jungfrau in der Mitte zwischen ­Christus und dem Norden / der die kaltherzigen Sünder symbolisiert (…) Aus dem Norden kommt ­alles Böse / auf der linken Seite stehen die Verfluchten / dort wird die Allerheiligste Jungfrau die Ihrigen erkennen]. Stefanowicz (wie Anm. 37), Bd. 2, 108; vgl. auch ebd., Bd. 2, 180. 48 Kochowski, Wespazjan: Psalmodia polska [Polnische Psalmen]. Psalm 36: Wyznanie opieki Boskiey nad Koroną Polską zawsze, ale mianowicie teraz pod czas walney wojny tureckiej [Stets göttlicher Schutz über der Polnischen Krone, insbesondere aber jetzt während des großen Türkenkrieges]. In: Ders., Utwory (wie Anm. 42), 454–456.



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(1693/95) ausgeführt.49 Bereits der programmatische Titel, nun in Anlehnung an die biblischen Psalmen eine „polnische Psalmensammlung“ verfassen zu wollen, deutete den geschichtsphilosophischen Entwurf an. Der Psalm 5 der Sammlung zeichnet die Herkunft der polnischen Nation und des polnischen Staates nach.50 Gott übernehme eine besondere Fürsorge für die „polnische Freiheit“ und stehe deshalb in einem besonderen Verhältnis zur polnischen Gesellschaft. Dies äußere sich auch im Angesicht der fortgesetzten Kriege in der Zwiesprache der Polonia mit dem Schöpfer: „Der Herr ist mein Wohltäter, Beschützer und Wächter: und obwohl ich (spricht die Polonia) durch die Kriege meines Schmuckes beraubt bin, ist er als Erster in der Lage, mir meine Schönheit zurückzugeben.“51 In dieser Lage war Sobieski von Gott gesandt: Er konnte das dahintaumelnde Polen retten.52 Auch Maria wurde so eine spezifische Funktion zur Verteidigung der Verfassungsstruktur des polnischen-litauischen Staatsverbands zugeschrieben  – sie bewahrte die „polnische Freiheit“ und trat mit ihren Fürbitten vor Gott für die polnische Nation ein.53

Ausblick: Maria als Symbol des polnischen Nationalrepublikanismus des 18. Jahrhunderts Von hier aus resultierte seit dem späten 17. Jahrhundert eine adlig-republikanische Diskurstradition, nach der in allen Konflikten zwischen Monarch und adliger Opposition Maria vonseiten frondierender Adelsverbände als Verteidigerin der „polnischen Freiheit“ gegenüber monarchischen Verfehlungen in Anspruch genommen wurde. Während des Großen Nordischen Krieges (1700–1721) spielte Maria als Verteidigerin der polnischen Freiheitstraditionen in der Publizistik der Konföderation von Tarnogród (1715–1717) eine Rolle. In diese Periode fallen auch die ersten Krönungen von Mariendarstellungen: Im Jahr 1717 erhielt die Marienikone auf dem Hellen Berg 49 Ders., Utwory (wie Anm. 42), 367–456. Vgl. auch Hernas, Czesław: Barok [Barock]. Warszawa 1998, 503–509; Kauer, Elżbieta: Sarmacka historiozofia w Psalmodii polskiej Wespazjana Kochowskiego [Die sarmatische Historiosophie in den Polnischen Psalmen von Wespazjan Kochowski]. In: Wespazjan Kochowski w kręgu kultury literackiej. Hg. v. Dariusz Chemperek. Lublin 2003, 105–122. 50 „Wolność polską ma Pan w opiece swojej“ (Die polnische Freiheit hat der Herr unter seinem Schutz). Kochowski, Wespazjan: Psalmodia polska. Auszug aus: Psalm 5 „Dobrodziejstwa Boskie nad Koroną Polską wylicza“ [Die Aufzählung der göttlichen Wohltaten für die Krone Polen]. In: Ders., Utwory (wie Anm. 42), 378–383. 51 „Pan jest podawcą moim, opiekunem i stróżem: a chociażem (tak mówi Polska) przez wojny obnażona z ozdoby, mocen jest pierwszą przywrócić mi krasę.“ Auszug aus: Szczęśliwą elekcyją in anno 1672 przeznaczeniu Boskiemu przypisujący [Die glückliche Königswahl anno 1672, zugeschrieben einem göttlichen Urteil]. In: Ders., Utwory (wie Anm. 42), 390–392. 52 „Zwłaszcza pod panowaniem najjaśniejszego Jana III, który jest człowiekiem od Boga posłanym: aby nademloną dźwigał Sarmacyję“ (Gerade unter der Herrschaft des erlauchten Jan III., einem von Gott gesandten Menschen, damit dieser das taumelnde Sarmatien schultere). Ders., Psalmodia polska. Auszug aus: Psalm 37 „Na rewolucyje państw w klimakterykach“. In: Ders., Utwory (wie Anm. 42), 435. 53 Tazbir (wie Anm. 2), 257.

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bei Tschenstochau ihre Goldkrone, was als bischöflicher Versuch zu deuten ist, die Marien­verehrung wieder in kanonische Bahnen zu lenken.54 Noch markanter trat das Marienpatronat in der Barer Konföderation (1768–1772) hervor, die 1768 mit der Parole „Jezus Maria“ und mit Marienfahnen, -bildnissen und einem Marienorden55 antrat, um die althergebrachten adligen Freiheiten und die Katholizität des Staatsverbandes gegen Nichtkatholiken und Eingriffe äußerer Mächte zu verteidigen.56 In Polen-Litauen stellt sich die monarchische Einführung von oben als nur ein und zugleich wohl schwächerer Weg einer frühneuzeitlichen Propagierung des Marienpatronats dar. Die Vorstellung von einer besonderen Verbindung der Nation mit M ­ aria wird sehr schnell zum Allgemeingut im katholischen Klerus und im Adel, und in der Formel von Maria als der Wahrerin der „polnischen Freiheit“ popularisiert. ­Maria als Fürsprecherin und Legitimationsfigur wird so bereits im 17. Jahrhundert auch in den innerpolnischen Konflikten instrumentalisiert. In dieser Konfiguration besitzt der Marien­kult eine besondere Reichweite und erreicht spätestens im 18. Jahrhundert auch breitere Gruppen, zumal er gegenüber den Unierten und der Orthodoxie auch konfessionsübergreifend eingesetzt werden konnte.57 Als spezifisch erscheint in Polen zum einen die vertiefte Auffassung eines „Wahlaktes“, der aufgrund des adligen Freiheitsbegriffs in jeder Situation neu zu treffen ist, und zum anderen die Parole von Maria als Garantin einer „polnischen Freiheit“, die in den parallelen, ausschließlich monarchisch veranlassten Marienkulten fehlt.

54 Witkowska, Aleksandra: Uroczyste koronacje wizerunków maryjnych na ziemiach polskich w latach 1717–1992 [Feierliche Krönungen von Marienbildnissen auf polnischem Boden 1717–1992]. In: Przestrzeń i sacrum. Geografia kultury religijnej w Polsce i jej przemiany w okresie od XVII do XX w. na przykładzie ośrodków kultu i migracji pielgrzymkowych. Hg. v. Antoni Jackowski. Kraków ²1996 [11995], 87–103. 55 Abbildung des Ordens der Barer Konföderierten mit der Marienikone in: Jackowski, Antoni/Pach, Jan/Rudziński, Jan Stanisław: Jasna Góra [Der Helle Berg]. Wrocław 2004, 35. 56 Stasiak, Arkadiusz Michał: Patriotyzm w myśli konfederatów barskich [Der Patriotismus im Denken der Barer Konföderierten]. Lublin 2005; Świderska, Urszula: Szlachta polska wobec Boga i ojczyzny [Der polnische Adel gegenüber Gott und dem Vaterland]. Poznań 2001; Ausgaben der politischen Quellen und Publizistik: Konopczyński, Władysław: Materiały do dziejów wojny konfederackiej 1768–1774 r. [Materialien zur Geschichte des Konföderiertenkriegs 1768–1774]. Kraków 1931; Poezja barska [Die Dichtung der Barer Konföderation]. Hg. v. Krzysztof Kolbuszewski. Kraków 1928. 57 Niendorf, Mathias: Das Großfürstentum Litauen. Studien zur Nationsbildung in der Frühen Neuzeit (1569–1795). Wiesbaden 2006 (Veröffentlichungen des Nordost-Instituts 3), 157–167; Ders.: Koexistenz, Konfrontation, Synkretismus: Aspekte des Kulturkontaktes in Heiligenkulten des Großfürstentums Litauen. In: Litauen und Ruthenien. Studien zu einer transkulturellen Kommunikationsregion (15.–18. Jahrhundert). Hg. v. Stefan Rohdewald, David Frick und Stefan Wiederkehr. Wiesbaden 2007, 303–330.

Got t esmu t t er Kön i g in von Pole n Die Sakralisierung der polnischen Monarchie im Vergleich mit Frankreich und Bayern (1630er bis 1650er Jahre)

Damien Tricoire

„Es haben sich in Polen zahlreiche Exemplare einer Handschrift verbreitet, die achtzehn Punkte gegen die Kavallerie der Unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter, der offensichtlichen Patronin und Betreuerin unseres lieben Vaterlandes und des Staates Ihrer Majestät, beinhalten, deren Orden Ihre Majestät aus heiligen Gedanken und einer Intention, welche eines katholischen und frommen Monarchen würdig ist, gründen möchte.“1 Mit diesen Worten eröffnete ein anonymer Verfasser seine Schrift zur Verteidigung des Projektes, einen Orden der Unbefleckten Maria zu gründen, was 1634 in Angriff genommen wurde und Ende 1637 am Widerstand des kleinen und mittleren Adels scheiterte. Diese „Kavallerie“ sollte den himmlischen Schutz durch Maria institutionalisieren, der den Kriegsunternehmungen des polnischen Königs Władysław IV. Wasa (1595–1648) zugute kommen sollte. Welche Auffassung von der Monarchie verbirgt sich hinter dem Rückgriff des Verfassers auf den „frommen Monarchen“? Da die polnische Monarchie im Sinne eines politischen Systems, das auf der Souveränität des Königs basierte, weitgehend ein Projekt blieb, ist es von zentraler Bedeutung, das ursprüngliche Modell des Marienpatronats, auf das rekurriert wurde, zu verstehen. Dies ergibt sich nicht nur aus der simplen Tatsache, dass die Gottesmutter als Königin von Polen lediglich eine Variante des staatlichen Marienpatronats war, das sich im zweiten Drittel des 17. Jahrhunderts im katholischen Europa rasant verbreitete.2 Ihre Erfindung wird vielmehr erst verständlich, wenn man die Patrona Poloniae mit anderen staatlichen Vereinnahmungen der Königin des Himmels und der Welt konfrontiert. Vor diesem Hintergrund kann die polnisch-litauische Version der staatlichen Herrschaft Marias präziser interpretiert werden. 1 „Rozwiało się po Polscze siła Exemplarzow scriptu piszego, ktory continet osmnascie Punctow przeciwko Kawaleryey niepokolanego Bogarodzice Poczęcia Oczywistey Oyczyzny naszey miłey i Panstwa W. K. M. Patronki y Opiekunki, ktorey Ordinem W. M. K. institucie chce maiąc wtyle swiątobliwych myśl swoię świątobliwą y godną katholickiego i poboznego Monarchy intentią […].“ Respons na Punctów osmnascie przeciwko Kawaleryey Nayswętszey Panny wydanych od Ję Msci Jerzego Ossolińskiego Podkanclerzego koronnego [Antwort auf die achtzehn Punkte gegen die Gründung der Kavallerie der Unbefleckten Empfängnis]. Hg. v. Jerzy Ossoliński. Rkps. Biblioteka Kórnik 1317, 303–326, hier 303. 2 Schreiner, Klaus: Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin. Regensburg 1994, 371–409.

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Allzu oft erscheint in der historischen Literatur das polnische staatliche Marien­ patronat als Ausdruck einer besonderen, bis ins Mittelalter zurückreichenden Marien­ frömmigkeit.3 Janusz Tazbir, der die „Polonisierung“ des Katholizismus in der sarmatischen Kultur des 17. Jahrhunderts untersuchte, vermerkte seinerseits eine Verknüpfung von Marienpatronat und republikanischen Motiven in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.4 Er übersah jedoch durch das Auslassen eines Vergleichs die ursprüngliche Bedeutung des Marienpatronats. Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Fürstenherrschaft und Marienpatronat sind in den Abhandlungen zu ­Maximilian I. von Bayern (1573–1651) zu finden: Der Kult der Patronin sei von oben im Rahmen der Konfessionalisierung oktroyiert worden.5 Zu bemängeln ist in dieser Literatur, dass auf die für ein Verständnis des Marienpatronats so zentrale Kommunikation mit dem Himmel nicht eingegangen und deshalb das zugrunde liegende Modell der Fürstenherrschaft nicht analysiert wird. Sowohl die deutschen als auch die polnischen Historiographen schreiben noch größtenteils eine „Geschichte ohne Gott“.6 Um das Modell der „frommen Monarchie“ zu verstehen, hilft vor allem die reiche kulturgeschichtliche Literatur zur französischen Monarchie weiter. Um die Religionskriege zu beenden, musste in Frankreich die übergeordnete Stellung der res publica über die konfessionellen Zugehörigkeiten behauptet werden: „L’Etat n’est pas dans la religion, mais la religion est dans l’Etat“, wurde zum Leitgedanken der sogenannten „politiques“.7 Dies implizierte einen Religiositätstransfer auf den Staat als eigene heilsversprechende Größe.8 Um 1600 kam diese Bewegung einer religiösen Überhöhung des Staats zu ihrem Ende. In der Regierungszeit Ludwigs XIII. (1601–1643) kann man dagegen eine Personifizierung der französischen Monarchie beobachten. Die Frömmigkeit des Königs wurde zur Legitimitätsbasis des politischen Systems.

3 Wyrwas, Stanisław: Dzieje kultu Najświętszej Maryi Panny Królowej Polski. Studium historycznoliturgiczne [Die Geschichte der Allerheiligsten Jungfrau Maria Königin von Polen. Eine historischliturgische Studie]. In: Rozprawy Wydziału Teologiczno-Kanonicznego. Studia z dziejów liturgii w Polsce 2 (1976), 404–462; Szafraniec, Sykstus: Z badań nad genezą tytułu Najświętszej Panny „Królowej Polski“ [Aus den Forschungen zur Genese des Titels der Allerheiligsten Jungfrau „Königin von Polen“]. In: Ruch biblijny i liturgiczny 10 (1954), 271−279. Etwas ausgewogener ist Kopeć, ­Jerzy Józef: Geneza patronatu maryjnego nad narodem polskim [Die Genese des Marienpatronats über die polnische Nation]. In: Roczniki humanistyczne 34 (1986), 275−292. 4 Tazbir, Janusz: Polonizacja potrydenckiego katolicyzmu [Die Polonisierung des posttridentinischen Katholizismus]. In: Rzeczpospolita i świat. Studia z dziejów kultury XVII wieku. Hg. v. Dems. Wrocław 1971, 99−129. 5 Schmid, Alois: Marienverehrung Kurfürst Maximilians I. von Bayern. In: Maria in der Evangelisierung. Beiträge zur mariologischen Prägung der Verkündigung. Hg. v. Anton Ziegenaus. Regensburg 1993, 33−57. 6 Crouzet, Denis: Les guerriers de Dieu. La violence au temps des troubles de religion (vers 1525–vers 1610). Bd. 1–2. Paris 1990, hier Bd. 1, 61−74. 7 Gauchet, Marcel: L’Etat au miroir de la raison d’Etat: La France et la chrétienté. In: Raison et déraison d’Etat. Théoriciens et théories de la raison d’Etat aux XVIe et XVIIe siècles. Hg. v. Yves ­Charles Zarka. Paris 1994, 206 f. 8 Ebd., 208.



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Dies drückte sich unter anderem durch eine „révolution cérémonielle“ aus: Das Te Deum wurde zum Kernstück der monarchischen Rituale.9 Die französischen Historiker schenkten jedoch dem Marienpatronat wenig Beachtung. Am Forschungsstrang anknüpfend kann man folgende Frage stellen: War das staatliche Marienpatronat, das sich in Frankreich 1638 etablierte, nicht Bestandteil dieser Personifizierung der Monarchie? Generell: Was verrät es uns über die Vorstellungen von der Fürstenherrschaft jener Zeit? Im Folgenden soll ein erster Versuch unternommen werden, das dem Marienpatronat zugrunde liegende Modell der Fürsten­ herrschaft nachzuvollziehen. Es wird vor diesem Hintergrund die These vertreten, dass die Gottesmutter „Königin von Polen“ eine Erfindung von königsnahen Hoch­ adligen war, um eine Stärkung der Monarchie zu bewirken.10 Die folgenden Ausführungen widmen sich zunächst der Herausbildung des staatlichen ­Marien­patronats in der katholischen Konfessionskultur und der Dynamik seiner Verbreitung. Anschließend wird die Stellung des Fürsten in der Kommunikation mit dem Himmel in den Mittelpunkt gerückt. Der dritte Teil geht der Frage nach, mit welcher Staatsauffassung diese Stellung zusammenhing. Zuletzt wird auf alternative Ausprägungen des Marienpatronats eingegangen.

Das Marienpatronat als Teilnahme an der universalen Ordnung Um dem Modell von Fürstenherrschaft, auf dem das Marienpatronat basiert, auf den Grund zu gehen, sollen zunächst die Vorstellungswelt, innerhalb derer das Patronat der Gottesmutter entstanden ist, und seine Genese rekonstruiert werden. Die Schutzherrschaft der Himmelskönigin ist dabei als Ausdruck von zentralen Zügen der katholischen Konfessionskultur zu verstehen. Während der Protestantismus und insbesondere der Calvinismus weitgehend zu einer Entzauberung der Welt führten,11 wurde im Katholizismus Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts verstärkt eine Gemeinschaft von Himmel und Erde behauptet. Die Welt bildete demnach eine hierarchisierte Einheit, die alle Wesen in Huldigung und Liebe zum größten Ruhm des Herrn vereinigte. Der Katholizismus ist – wie der Name schon sagt – eine Universalitätskonstruktion. Das Göttliche war allgegenwärtig: ein Phänomen, für welches Denis  9 Descimon, Robert: Le corps de ville et le système cérémoniel parisien au début de l’âge moderne. In: Statuts individuels, statuts corporatifs et statuts judiciaires dans les villes européennes (moyen âge et temps modernes). Actes du colloque tenu à Gand les 12–14 octobre 1995. Hg. v. Marc B ­ oone. ­Leuven-Apeldoorn 1996, 73–128, hier 99–128; Fogel, Michèle: Les cérémonies de l’information: dans la France du XVIe au milieu du XVIIIe siècle. Paris 1989. 10 Zu den Anfängen des polnischen Marienpatronats und der symbolischen Katholisierung des Staates siehe Tricoire, Damien: Die Erfindung der Gottesmutter Königin von Polen. Zur diskursiven Kon­s­ truk­­tion eines katholischen Staates. In: Kommunikation durch symbolische Akte. Religiöse Hetero­ genität und politische Herrschaft in Polen-Litauen. Hg. v. Yvonne Kleinmann. Stuttgart 2010 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des Östlichen Mitteleuropa 35), 229–248. 11 Crouzet (wie Anm. 6), Bd. 1, 103–232.

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Crouzet den Begriff des „surenchantement du monde“ prägte.12 Die Menschen lebten in einem ständigen Austausch von Gaben und Gegengaben mit dem Himmel. Diese Kommunikation umfasste zahlreiche Mittel, im Grunde genommen sämtliche kultische Elemente. Emotionen wurden eingesetzt. Weinen und Seufzen begleiteten die Gelübde, Freude und Lob die Danksagungen – wie zum Beispiel im öffentlichen Singen des Te Deum.13 Um die göttlichen Gnaden auf den Staat zu ziehen, entwickelten Fürsten und ihre Minister ein Polizeiregiment, das in der Konfessionalisierungsforschung als Instrumentalisierung der Konfession zu Zwecken der Herrschaftsentwicklung verstanden wird.14 Der Fürst hatte die Aufgabe, Gottes Ordnung auf Erden mit Zwang, ja mit Gewalt zu verwirklichen.15 Aus dieser Pflicht erklärt sich der Beiname Ludwigs XIII., des „Gerechten“.16 Ein wichtiges Element dieser Suche nach Verankerung des Staates in einer do-utdes-Beziehung mit dem Himmel war der Kult der heiligen Patrone, welche bei Gott zugunsten der Bittenden Fürsprache einlegten. Die verstärkte Universalisierung der Welt im Katholizismus führte in den drei uns interessierenden Staaten zu einer Multiplizierung der Patronate, die einer Suche nach dem bestmöglichen Patron entsprach. In Bayern wurde Ende des 16. Jahrhunderts der Schutz des Hl. Michael17 sowie um 1604 des Hl. Benno18 gesucht. In Frankreich wandte man sich im Jahre 1618 zunächst an einen Heiligen „vom Hause“: den Hl. Ludwig.19 In Polen-Litauen bemühte man 12 Ebd. 13 Aus der Fülle der Beispiele seien nur wenige herausgegriffen: Zu den Emotionen im Gelübde ­Johann II. Kasimirs von Polen: Archivio segreto Vaticano, Segr. di Stato, Polonia 64, f. 219. Der anonyme Autor des Büchleins „Action de grâce, et de resiouissance de la France, sur l’heureuse grossesse asseurée de la Royne“ (Paris 1638) spricht Gott auf die „ferventes prieres de tous les François, desquels vous ne négligerez pas les larmes, et exaucerés les souspirs“ an. Andere Beispiele bei Jacques de Sainte-Marie: Elevation des ames devotes à Dieu et à la sainte vierge, reine de paix. Paris 1652; Les cérémonies du Te Deum chanté à Nostre-Dame, et des drapeaux qui y ont esté portez, en suite de la reprise des Isles sur les Espagnols. Avec l’avis receu de la defaite des Croquans et la semaine du Bureau d’Adresse. Paris 1637. 14 Vgl. die einleitenden Worte der Polizeiordnungen Maximilians I. von Bayern bei Stieve, Felix: Das kirchliche Polizeiregiment in Baiern unter Maximilian I. 1595–1651. München 1876. 15 Zum Beispiel: Le vray Prince et le bon sujet contenant l’unique méthode pour bien gouvernez les peuples par les véritables maximes de religion et d’estat […]. Paris 1636, 855–869. 16 Vgl. die zahlreichen Veröffentlichungen zur Gerechtigkeit Ludwigs XIII., wie zum Beispiel Charpy, Nicolas: Le juste Prince ou le miroir des princes, en la vie de Louis le Juste. Paris 1638. 17 Der Staatskult des Hl. Michael in Bayern ist noch weitgehend unerforscht. Schwaiger, Georg: München – eine geistliche Stadt. In: Monachium Sacrum. Festschrift zur 500-Jahr-Feier der Metropolitankirche zu Unserer Lieben Frau in München. Hg. v. Dems. Bd. 1–2. München 1994, Bd. 1, 1–289, hier 122; Woeckel, Gerhard P.: Pietas Bavarica. Wallfahrt, Prozession und Ex-voto-Gabe im Hause Wittelsbach in Ettal, Wessobrunn, Altötting und der Landeshauptstadt München von der Gegenreformation bis zur Säkularisation und der „Renovatio Ecclesiae“. Weißenhorn 1992, 42. 18 Mayer, Anton: Die Domkirche zu U. L. Frau in München. Geschichte und Beschreibung derselben, ihrer Altäre, Monumente und Stiftungen, sammt der Geschichte des Stiftes, der Pfarrei und des Domcapitels. München 1868, 130 f. 19 Boureau, Alain: Les enseignements absolutistes de Saint Louis 1610–1630. In: La monarchie absolutiste et l’histoire en France. Théories du pouvoir, propagandes monarchiques et mythologies nationales. Colloque tenu en Sorbonne les 26–27 mai 1986. Paris 1987, 79–97; Tietz, Manfred: Saint L ­ ouis



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sich um eine Intensivierung des mittelalterlichen Patronats20 des Hl. Stanislaus21; neu hinzuerfunden wurde das Patronat vom Hl. Kasimir.22 Auch wurde nach der Gunst des Hl. Pius gestrebt.23 Darüber hinaus versuchte man in Polen-Litauen und Frankreich, die Kanonisierung potenzieller neuer Patrone zu erreichen: Johannes von Dukla,24 Königin Kunigunde,25 Josaphat, Erzbischof von Polazk/Polack/Połock,26 Stanisław Kostka27 für Polen-Litauen und Jeanne de France, eine Tochter Ludwigs XI. (1423– 1483), für Frankreich 28. Es ist jedoch auffällig, dass keines dieser neuen Patronate einen entscheidenden Durchbruch erfuhr. Die Popularität der neuen Patrone blieb immer begrenzt. Hinweise zur Interpretation dieser relativen Misserfolge liefert ein Vergleich mit dem Marien­patronat. In Frankreich wurde ein Heiliger zum Patron erhoben, der als direkter Vorfahre der Bourbonen mit dem Königshaus aufs engste verbunden war. In Bayern verkörperten dagegen der Hl. Benno und der Erzengel Michael den Kampf gegen die Häresie. Die Besonderheit der Hl. Maria ist indessen ihre einzigartige Stellung als Mutter und Braut Gottes, aus der ihr Universalkönigtum abgeleitet wird.29 Das Marien­patronat erlaubte es demnach, sich auf das Zentrum des Universums zu beziehen. In Anbetracht der katholischen Universalisierung der Welt sollte durch die Herrschaft der Himmelskönigin der Staat an sich zu einem sakralen Objekt werden. Das Marienpatronat war eine Behauptung der Göttlichkeit dieses sich entwickelnden politischen Gebildes. Die Idee des Universalkönigtums Marias rückte dementsprechend ins Zentrum des Marienpatronats im 17. Jahrhundert. Die bayerische, polnische, österreichische und

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roi chrétien: un mythe de la mission intérieure du XVIIe siècle. In: La Conversion au XVIIe siècle. Actes du XIIe colloque de Marseille (janvier 1982). Hg. v. Louise Godard de Donville. Marseille 1983, 59–69; Molinier, É.: Panégyrique du Roy S. Louys, sur le subject de la célébration de sa feste, ordonnée par Nostre S. Père, à la requeste du Roy tres-Chrestien Louys XIII. à présent regnant. Avec une oraison en vers au Roy sainct Louys pour la prospérité du Roy. Paris 1618; Theveneau, Adam: Les Préceptes du roy Sainct Louys à Philippes III, son fils, pour bien vivre et régner. Paris 1627; Vignier, Jacques: La Pratique de la paix de l’âme dans la vie de sainct Louis. Autun 1642; Gondy, J. F.-Paul de: Sermon de S. Louis, Roy de France, fait et prononcé devant le Roy et la Reyne Regente sa Mere […]. Paris 1649. Archivio della congregazione delle cause dei santi, Congregatio Sacrorum rituum, Decreta, Bd. 1652– 1654, f. 23 Ebd., Bd. 1627–1629, f. 117, 370. Ebd., Bd. 1610–1622, f. 182, 221, 233; Bd. 1622–1626, f. 65, 52–54, 60. Ebd., Bd. 1645–1648, f. 9v. Ebd., Bd. 1648–1652, f. 110; Bd. 1654–1658, f. 194; Bd. 1659–1663, f. 7, 476. Ebd., Bd 1622–1626, f. 188; Bd. 1625–1628, f. 3; Bd. 1627–1629, f. 132, 244; Bd. 1632–1636, f. 66, 135; Bd. 1645–1648, f. 18. Ebd., Bd. 1637–1642, f. 117, 146, 155, 177, der Hl. Josaphat Kuncewicz, Erzbischof von Polazk/ Polack/Połock (heute Weißrussland). Ebd., Bd. 1637–1642, f. 211, 429; Bd. 1645–1648, f. 17, 73; Bd. 1659–1663, f. 476, 512. Ebd., Bd. 1632–1636, f. 100, 175. Łukaszuk, Tadeusz: Tytuły prawne królewskiej godności Maryi według o. Ambrożego Nieszporkowicza [Die Rechtstitel der königlichen Würde Marias nach Ambroży Nieszporkowicz]. In: Studia Claromontana 2 (1981), 223–247.

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portugiesische Staatspatronin wurde als Immaculata dargestellt. Damit betonte man, dass die Beschützerin des Staats die Königin der Welt und des Himmels, die Siegerin über das Böse sowie der Schlüssel der Universalordnung sei. Als Beispiel kann der Stich genannt werden, den Szymon Starowolski seinem Buch „Diva Claromontana“ voranstellte (Abb. 1).30 Die vom Umfeld Ludwigs XIII. gewählte Figur der Pietà (Taf. I) kann man auch als Darstellung Marias als Miterlöserin verstehen, was ebenfalls eine Begründung ihrer Universalherrschaft ist.31 So bedeutete die Unterordnung unter Maria eine Teilnahme an der göttlichen und somit einer universalen Ordnung. Die Genese des Marienpatronats mag diesen Sachverhalt verdeutlichen. Die Vorstellung der Herrschaft der Himmelskönigin über den Staat im 17. Jahrhundert ist als Weiterentwicklung sowohl der persönlichen Marienfrömmigkeit des Fürsten als auch des (universalen) Patronats der Hl. Jungfrau über die Christenheit zu verstehen. Am Beispiel Bayerns, das in der Neuerfindung und Verbreitung des staatlichen Marienpatronats im 17. Jahrhundert eine Vorreiterrolle spielte, kann das verdeutlicht werden. Maximilian I. von Bayern, den man als sodalen Fürsten bezeichnen kann,32 erhob zunächst die Gottesmutter zur Beschützerin seines Hauses und seiner Herrschaft. Die Hauptfassade seiner neuen Residenz ließ er 1615 mit der Figur der Heiligen in Begleitung der vier Tugenden einer guten Regierung schmücken (Abb. 2).33 Später veränderte sich jedoch die Interpretation des neuen Patronats durch die Aneignung der Vorstellungswelt des Kreuzzuges. Anlass dazu gab die Schlacht am Weißen Berg (1620), in der die ligistischen und kaiserlichen Truppen unter Beteiligung Maximilians I. von Bayern die aufständischen Böhmen und Friedrich V. von der Pfalz (1592–1632) vernichtend besiegten. Der als marianisches Wunderwerk gefeierte Erfolg brachte einen Aufschwung des Kultes der Maria vom Siege mit sich, der bereits bei der Schlacht von Lepanto (1571) etabliert worden war,34 nur traten diesmal an die Stelle der Moham­medaner die Protestanten. Das 1637 in München errichtete zentrale Denkmal des bayerischen Marienpatronats orientierte sich an der Mariensäule vor Santa ­Maria Maggiore in Rom, einer ehemals antiken, christlich überformten Siegessäule,35 mit der Maria als Siegerin über das Heidentum und Sinnbild des triumphierenden Christentums gefeiert wurde. Auf die Rolle Marias im eschatologischen Kampf verweisen an der Münchner Mariensäule die Immaculata-Ikonographie und die vier Engelsfiguren (Putten), welche die Viper, den Basilisken, den Drachen und den Löwen totschlagen (Taf. II). 30 Starowolski, Szymon: Diva Claromontana seu oratio de laudibus Beatae Virginis, cuis imaginem D. Lucae penicillo depictae […]. Cracoviae 1640. 31 Łukaszuk (wie Anm. 29). 32 Châtellier, Louis: L’Europe des dévots. Paris 1987, 133 f. 33 Greindl, Gabriele: Das Bildprogramm der Münchner Residenzfassade. In: Bayernspiegel 2 (1999), 2–9. 34 Chaline, Olivier: La bataille de la Montagne blanche: 8 novembre 1620. Un mystique chez les guerriers. Paris 2000. 35 Stroh, Winfried: Die Münchner Mariensäule und ihr Dichter Balde. In: Balde und Horaz. Hg. v. Eckard Lefèvre. Tübingen 2002, 149–169, hier 151.



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Abb. 1  Stich Regina Poloniae aus Szymon Starowolskis „Diva Claromontana“ von 1640.

Die Verbreitung des Marienpatronats im frühneuzeitlichen Europa ist aus der Konfiguration der zwischenstaatlichen Beziehungen zu erklären. Es ist notwendig, auf den Entstehungskontext der jeweiligen Marienpatronate einzugehen, um die mit dem ­Marienpatronat verbundenen Ziele der einzelnen Staaten, die sich der Schutzherrschaft der Gottesmutter unterstellten, zu verstehen. Die Schlacht bei Prag im Jahr 1620 machte den modifizierten Kult von Maria de Victoria in Europa bekannt und führte zur unmittelbaren Übernahme des Marienpatronats durch die österreichischen Habsburger.36 Die Idee wurde rasch in die kriegsgeplagten spanischen Niederlande

36 Coreth, Anna: Pietas Austriaca. Österreichische Frömmigkeit im Barock. München 21982 [11959], 45–57; Schreiner (wie Anm. 2), 398 f.; vgl. die Erzählung der Schlacht im „Panygericus Bucquoy

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Abb. 2  Die ­Patrona Boiariae an der Fassade der Münchner Residenz, 1615.

exportiert.37 Während des bewaffneten Konflikts mit Spanien erlebte das Marienpatronat auch in Frankreich seinen Durchbruch. Seit 1625 wurde sowohl auf innerfranzösischer als auch auf internationaler Ebene eine heftige Debatte über die Legitimität der französischen Außenpolitik geführt, welche aller Wahrscheinlichkeit nach die SchrifQuadrimestre“ in Gindley, Anton: Die Berichte über die Schlacht auf dem Weißen Berge bei Prag. In: Archiv für österreichische Geschichte 56 (1878), 3–116, hier 34–46. 37 Delfosse, Annick: La Vierge comme protectrice des Pays-Bas méridionaux dans les livrets de pèlerinage marial au XVIIe siècle. In: Revue belge de philologie et d’histoire 80/4 (2002), 1225–1241; Dies.: Une Vierge guerrière au service des Habsbourg et de l’Eglise catholique dans les Pays-Bas méridionaux. In: La dévotion mariale de l’an mille à nos jours. Hg. v. Bruno Béthouart und Alain Lottin. Arras 2005, 337–345; zudem die Dissertation von Annick Delfosse: La „Protectrice du PaïsBas“. Stratégies politiques et figures de la Vierge dans les Pays-Bas espagnols. Turnhout 2009.



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ten bayerischer Jesuiten auslösten.38 Den Streitpunkt bildete die Frage, ob der französische König einen Krieg mit protestantischen Bündnispartnern gegen katholische Staaten führen durfte und ob er deswegen mit göttlichen Gnaden oder im Gegenteil mit einer himmlischen Strafe rechnen sollte.39 Die Erneuerung des katholischen Universalismus kollidierte mit der Sakralisierung des Staates, die für die Beendigung der Religionskriege notwendig gewesen war. Dieser Streit leitete eine neue Phase in der Sakralitätsgeschichte der Monarchie ein. Auf der Seite der Kriegsbefürworter wurde die Figur eines Königs konstruiert, welcher durch seine persönliche Frömmigkeit an den göttlichen Gnaden teilhatte. Das Marienpatronat war ein zentraler Bestandteil dieses neuen Monarchiemodells. So stellte man dem Gelübde Ludwigs XIII. vom 10. ­Februar 1638 eine lange Aufzählung der Gnaden voran, die dem König dank 38 Franceschi, Sylvio Hermann de: La genèse française du catholicisme d’Etat et son aboutissement au début du ministériat de Richelieu. Les catholiques zélés à l’épreuve de l’affaire Santarelli et la clôture de la controverse autour du pouvoir pontifical au temporel (1626–1627). In: Annuaire-bulletin de la société de l’histoire de France. Jg. 2001 (2003), 19–63, hier 28 f.; Church, William F.: Richelieu and Reason of State. Princeton 1972, 121–128. 39 Vgl. die sehr reiche Literatur zu diesem Thema: Le véritable ou le mot en amy sur l’Estat present de ce Royaume. o. O. 1624; Eudaemon Cydonius, Johannes Andreas [Jakob Keller zugesprochen]: Foedus et bellum haeretico-impium, das ist Geheimbste Instruction Trewhertzige Demuetige abmahnung an den dreyzehenden dieses Nahmens Christlichsten König in Franckreich und Navarren Ludovicum. In welcher kuerzlich und kraefftiglich dargethan unnd bewiesen wirdt, daß Franckreich einen heßlichen, schendtlichen und Gottlosen Bund eingegangen, und zu dieser zeit einen unrechten und unbillichen Krieg wieder die Catholische angefangen, den er salua religione nicht koennen noch moege volfuehren, von G. G. R. Theologo beschrieben und jetzo ins Teutsch gesetzt. Augustae Francorum 1625; Mysteria politica, hoc est: Epistolae arcanae virorum Illustrium sibi mutuo confidentium, iuxta copiam Neopoli impressam. Antverpiae 1625; Discours d’Estat, où il est prouvé que le roi Louis XIII doit entreprendre la guerre en l’Espagne mesme, et l’assaillir jusqu’au souverain période des victoires que Dieu lui destine. o. O. 1625; Discours sur l’heureuse conservation de la paix entre les princes catholiques. Paris 1625; Discours très-politique sur une célèbre et notable question débattue au conseil du roi, savoir s’il est plus expédient à la couronne de France de faire alliance et se maintenir en amitié avec les catholiques, ou bien ceux de la religion prétendue réformée […]. Paris 1627; Quarré, Bartholomy: Garde angélique, au roi Louis le Juste, à la France et à la ville de Dijon […]. Dijon 1631; Merigon, Sieur de: Panegyricque au Roy, […] sur le sujet des Armes du Roy en Allemagne, de ses conquestes en la Lorraine, et de la dernière création des chevaliers de l’Ordre du Sainct Esprit. Paris 1634; Poirier, Hélie: Discours panégyrique du bon-heur de la France sous le règne de Louis le Juste. Paris 1635; [Morgues, Matthieu de:] Très-humble, très-véritable et très-importante Remonstrance au Roy. o. O. o. J. [um 1636]; Dernier Avis à la France par un bon chrétien en fidèle citoyen (1636). In: Sources d’histoire de la France moderne: XVIe, XVIIe, XVIIIe siècle. Hg. v. Jean François Solnon. Paris 1994, 239–294; Advis au Roy et a tous les Princes de l’Europe contre les Violences et injustes usurpations du Roy d’Espagne […]. Paris 1636; Jansenius, Cornelius: Le Mars François, ou La guerre de France […]. o. O. 1637; Apostrophe de la France au roi Louis XIII, en 1638 (27 septembre). Montpellier 1819; [Besian, Arroy:] Le Mercure espagnol ou Discours contenant les réponses faites à un libelle intitulé Mars François […]. o. O. 1639 ; Cohon, Denis: En Quoy la Piété des François diffère de celle des Espagnols dans une profession de mesme Religion [1638 verfasst]. In: Documents d’Histoire. Hg. v. Eugène Griselle. Bd. 1–2. Paris 1911, Bd. 2, 547–566; Vertrawlich freundlich Gespraech, zwischen Herrn Cardinal Richelieu und P. Joseph seinem Beichtvater von den fuernembsten Kriegsgeschichten dieses zu end lauffenden Jahrs […]. o. O.1639; Sirmond, Jean: La Chimère deffaicte, ou Réfutation d’un libele séditieux tendant à troubler l’Estat, sous pretexte d’y prévenir un schisme, par Sulpice de Mandriny, sieur de Gazonval. Paris 1640.

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­ aria zugute gekommen waren.40 Der ausdrückliche Verweis auf den Kriegskontext M im Wortlaut des Gelübdes zeigt, dass durch das staatliche Marienpatronat der Krieg legitimiert werden sollte. Nach Polen-Litauen kam die Idee des Marienpatronats Mitte der 1630er Jahre durch den Großkanzler von Litauen, Albrycht Stanisław Radziwiłł, der Bayern und Österreich nahe stand, und seinen Freund, den Jesuiten Adam Makowski.41 Im Rahmen seiner Vorbereitungen auf einen Krieg gegen die Osmanen sowie seiner habsburgischen Hochzeit eignete sich Władysław IV. Wasa 163742 die Idee zur Schaffung einer Militia Christiana sub titulo B. Mariae Immaculatae, einer „Kavallerie der Unbefleckten Maria“, an. Dieses schließlich gescheiterte Projekt leitete eine Modifizierung der auf Kreuzzüge gestützten Heilsvorstellung ein und stellte deren Logik auf den Kopf. Der Staat werde nicht siegreich sein, weil der „Kreuzzug“ an sich von der Königin der Welt unterstützt würde. Vielmehr werde der Krieg gegen die Türken erfolgreich verlaufen, wenn die Hl. Jungfrau Staatspatronin sei.43 Ein weiterer Vorstoß in diese Richtung wurde erst wieder während des Zweiten Nordischen Krieges (1655–1660) mit einer ersten rituellen Umsetzung des Marienpatronats in Angriff genommen. Zu Beginn dieser politischen Auseinandersetzung mit Schweden ernannte König Johann II. Kasimir (1609–1672) angesichts des Zusammenbruchs seiner Herrschaft Maria zur Königin von Polen und bat um ihre Hilfe gegen die „Feinde des Glaubens“44. Das Kriegsgeschehen wurde in diesem Sinne nachträglich umgedeutet, das heißt, die zu Beginn der Kriegshandlungen geglückte Verteidigung von Tschenstochau/Częstochowa zum Wendepunkt des Krieges stilisiert, um die Rettung Polen-Litauens als Ergebnis der dem König von Maria gewährten Gnaden herauszustellen.45 Die Verbreitung des Marienpatronats im 17. Jahrhundert entsprach einer Universalisierung der Welt in der katholischen Konfessionskultur. Durch die Schutzherrschaft der Himmelskönigin hatten die Staaten an der göttlichen Ordnung teil. Dies erfolgte in Bayern und Polen-Litauen durch eine Aneignung der Vorstellungswelt des Kreuzzugs. In Frankreich kam das Patronat der Gottesmutter einer Behauptung der Legitimität des Krieges gegen die Habsburger gleich. Was dies für die Stellung der Fürsten bedeutete, soll jetzt ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken.

40 Laurentin, René: Le vœu de Louis XIII. Passé ou avenir de la France. Paris 22004 [11988], 197 f. 41 Zu den Anfängen des Marienpatronats in Polen siehe Tricoire (wie Anm. 10). Vgl. dazu den Beitrag von Hans-Jürgen Bömelburg in diesem Band. 42 Die Hochzeit von Władysław IV. Wasa und Cäcilia Renata von Österreich (1611–1644) fand 1637 in Krakau/Kraków statt. 43 Respons na Punctów osmnascie (wie Anm. 1), 303 f. 44 Archivio segreto Vaticano, Segr. di Stato, Polonia 64, 220 f. 45 Detaillierter: Tricoire (wie Anm. 10).



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Die Erhöhung durch Erniedrigung Die Behauptung des göttlichen Charakters des Staates hatte Auswirkungen auf alle am Kommunikationsprozess mit dem Himmel Beteiligten. Damit hing zusammen, dass die Vorstellung von der Fürstenherrschaft ebenfalls einem Wandel unterworfen war. Welche Konsequenzen die Sakralisierung des Staates für sein Oberhaupt hatte, sollen zeitgenössische Votivhandlungen zeigen. In Bayern gab es keinen das Patronat schaffenden, performativen Akt, da die ­Patrona Bavariae sich erst allmählich etablierte. Als Ansatzpunkt für die Erforschung der Stellung des Fürsten eignet sich der Einzug Maximilians I. von Bayern in München 1621 nach dem Böhmen-Feldzug. Der Herzog von Bayern ließ keine Triumphfestlichkeiten zu und begab sich mit seinem Gefolge unmittelbar zur Marienkirche, um der Hl. Maria für die Kriegserfolge zu danken. Daraufhin stiftete er ein neues Bild für den Hochaltar mit einer Darstellung der Himmelfahrt und Krönung M ­ arias.46 Man kann eine Parallele zwischen dieser Form, Dankbarkeit zu bekunden, und der Inschrift auf der Mariensäule ziehen: „Dem gütigsten Gott, der jungfräulichen Gottesmutter, Bayerns gütigster Herrin und mächtigster Beschützerin, hat für die Bewahrung des Vaterlands, der Städte, des Heeres, seiner Selbst und seiner Hoffnungen dies bei den Nachkommen bleibende Denkmal dankbar und kniefällig errichtet ­Maximilian […], der niederste unter ihren Schutzbefohlenen.“47 Auffällig ist bei dem Einzug Maximilians in München und der zitierten Votivinschrift der ausdrückliche Verzicht auf jegliche Erwähnung des eigenen Verdienstes. Der glückliche Ausgang des Kriegsgeschehens wird einzig auf die Schutzherrschaft der Gottesmutter zurückgeführt, während der Fürst hinter der himmlischen Hierarchie gänzlich zurücktritt und sich sogar als „der niederste aller Schutzbefohlenen“ der Patronin stilisiert. Diese Selbsterniedrigung, die in der Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts als Ausdruck persönlicher Bescheidenheit Maximilians interpretiert wurde,48 ist jedoch ambivalent. Der ­Herzog – und zwar nur der Herzog allein – steht im Zentrum der Votivhandlung. Der Sieg erscheint als eine Konsequenz himmlischer Gnaden, die ihm persönlich gewährt wurden. Der Fürst ist also Dreh- und Angelpunkt einer Gaben-Gegengaben-Beziehung mit Gott. Seine Selbsterniedrigung ist somit gleichzeitig eine Erhöhung über die Welt. Durch das Marien­patronat wird ein einfacher, nicht gekrönter Herzog zu einer Sakralfigur. Die feierlichen Einzüge Ludwigs XIII. in die protestantischen Städte Ende der 1620er Jahre verliefen ähnlich wie die Rückkehr Maximilians I. von Bayern in seine Residenzstadt München. In Pau wurde den Bürgern verboten, den König zu feiern; in La Rochelle gab man sich mit einer Prozession des Hl. Sakraments zufrieden, welcher

46 Brückbräu, Friedrich Wilhelm: Geschichte der Mariensäule in München. 1638–1855. München 1855, 25; Mayer (wie Anm. 18), 133 f.; Schwaiger (wie Anm. 17), hier 126. 47 Stroh (wie Anm. 35), 152 f. 48 Mayer (wie Anm. 18), 133 f.

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der König mit bloßem Haupt folgte.49 Die Quellen zum sogenannten vœu de ­Louis XIII vom 10. Februar 1638 gehen jedoch noch einen Schritt weiter als die ­bayerischen: Der König „se réputant luy-mesme un instrument de [la] bonté [de la Mère de Dieu] en tout ce qu’il a opéré, luy offre sa personne“.50 Das Gelübde Ludwigs XIII. zeugt im Vergleich zu den Votivhandlungen Maximilians I. von einer deutlichen Akzentverschiebung. Obwohl der Monarch um den Frieden bat, stellte sich Ludwig XIII. in seinem Gelöbnis nicht als Bittsteller dar. Dieser Akt wurde als „Weihgabe“ des ­Königreichs inszeniert.51 Dies ist umso bemerkenswerter, als das Gelöbnis die Form einer „lettre patente“, also eines Staatsgesetzes, annahm. Obwohl die „Weihgabe“ ein religiöser Akt ist, bedarf der König hier keines kirchlichen Rahmens, was einer Behauptung seiner Sakralität gleichkommt. Konstruiert wurde in dem Gelübde eine lange Folge von Ludwig XIII. persönlich zugute kommenden Gnaden.52 Als Dank schenkt der souveräne Monarch sein Königreich der Himmelskönigin. In einem von Philippe de ­Champaigne zu diesem Gelöbnis geschaffenen Bild wird dementsprechend der ­König zwar vor Maria und ihrem Sohn kniend, jedoch auf der gleichen Ebene wie Jesus ­Christus dargestellt (Taf. I). Der Prediger der Abtei von Bayeux, ­Gilles Buhot, zieht seinerseits eine Parallele zwischen der Krönung Marias am Ende ihrer Himmelfahrt und der „Weihgabe“ Frankreichs: „Le Roy qui prend la Mere de Dieu non seulement pour Colegue, mais pour sa protectrice, qui se rend son sujet, et non son egal, qui la choisit pour sa Reyne […], en mesme temps qu’elle prend possession du Ciel, […] désire la mettre en possession de la France, en mesme temps que Dieu luy met le Diademe sur la teste, […] depose le sien à ses pieds afin qu’en mesme iour elle soit Couronnée à la teste par la main d’un Dieu, aux pieds par la main d’un Monarque.“53

Der Weiheakt Ludwigs XIII. ist eine „Rückgabe von Gnaden“ („rendre grâce“), da alle Taten des Fürsten „émanations“ des Jenseits sind. So schreibt der Hofprediger Amariton: „Nostre sage, et vertueux Prince, que la Foy et la grace (qui est une participation de la Divinité) ont fait citoyen du Ciel, lors mesme qu’il vivoit encore sur la terre; que les Anges accompagnoient en tous ses desseins; et qui n’avoit point de plus puissant désir que celuy de l’Eternité, par un sentiment tout contraire à celuy de [César,] ce Monarque orgueilleux, protestoit hautement, que bien loin de se croire independant de l’authorité Souveraine d’un Dieu, son Sceptre estoit une liberalité du Ciel, sa Couronne un fleuron de celle qui brille sur la teste du Monarque de l’Empirée, à la veüe de ses Saincts; et son Diadéme, la parfaite idée des grandeurs d’une

49 Danes, Jean: Toutes les actions du règne de Louis XIII rapportées au surnom de Juste qui lui fut donné […]. Paris 1643, 305 f. 50 Buhot, Gilles: Discours sur le vœu du Roy à la saincte Vierge […]. Paris 1638, 28. 51 Laurentin (wie Anm. 40), 110. 52 Ebd., 107 f. 53 Buhot (wie Anm. 50), 13.



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puissance dont les Séraphins respectent la Majesté […].“54 – „La Theologie […] trouve moyen non pas seulement de comparer religieusement et sans blaspheme, les actions d’un grand Prince avec celles de Dieu, mais de montrer qu’elles ne sont qu’une mesme chose.“55

Dies hatte für die Legitimität der französischen Außenpolitik eine entscheidende Konsequenz: Da Maria die kriegerischen Unternehmungen des französischen Königs unterstützte, wurde mit dem vœu de Louis XIII der Krieg gegen Spanien in die universale Ordnung eingeschrieben. Im Projekt eines Gelübdes des Königs Johann II. Kasimir von Polen wurde präzisiert, der König solle „cum tanta humilitate“56 die Hl. ­Maria zur Königin von Polen wählen. Johann II. Kasimir stellte sich in seinem sogenannten „Lemberger Gelübde“ vom April 1656 deutlich bescheidener als Ludwig XIII. dar. Der polnische König „ruf[t] demütig in diesem erbärmlichen und aus den Fugen geratenen Königreich um [die] Barmherzigkeit [der Gottesmutter] und [ihre] Hilfe gegen die Feinde der Heiligen Römischen Kirche“.57 Die Gleichsetzung der Feinde des Königreichs mit den Feinden Gottes wurde aufgrund des konfessionellen Gegensatzes als natürlich dargestellt und erforderte keine weitergehende Gleichsetzung der Taten des Königs mit dem Willen Gottes. Der Unterschied zu Frankreich ist hier offensichtlich: Nicht alle Taten des Königs waren auf das Einschreiten der Gottesmutter zurückzuführen. In der „Nova Gigantomachia“ von Augustyn Kordecki rettet die Hl. Maria auf eigene Initiative das Königreich vor der endgültigen Zerstörung.58 Johann II. Kasimir ist vielmehr wie Maximilian I. von Bayern ‚Objekt‘ der Güte der Himmelskönigin. Diese beiden Fürsten nehmen weniger aktiv am Göttlichen teil. Man sollte jedoch nicht aus diesem Grund den Lemberger Gelübden eine untergeordnete Bedeutung für die Ausgestaltung des politischen Systems beimessen. In ihnen verbarg sich hinsichtlich der polnischlitauischen ständischen Institutionen eine gewisse Sprengkraft. Der Wasakönig, der von sich behauptete, er sei von der Gottesmutter Gnaden König, ernannte „in seinem Namen, im Namen des Adels und im Namen des Volkes“ die Hl. Jungfrau zur Königin von Polen.59 Der Adel war genauso wie das Volk Objekt des Gelübdes. Ihm wurde keine aktive Rolle in der Suche nach göttlichen Gnaden zugestanden. In der „­Nova Gigantomachia“ und der „Obsidio Claromontana“ schreitet die Patronin Polens zugunsten des Königs ein,60 der somit zum heilbringenden Glied der res publica wird. Der Vergleich zwischen Polen-Litauen, Bayern und Frankreich verdeutlicht also, dass in allen drei Fällen dem Marienpatronat ein ähnliches Monarchiemodell zugrunde lag: 54 Amariton, Louis: Oraison funèbre sur le trespas de Louis le Juste XIII […]. Paris 1643, 13. 55 Ebd., 10 f. 56 Archivio segreto Vaticano, Segr. di Stato, Polonia 64, 193 f. 57 Ebd., 220 f. 58 Kordecki, Augustyn: Pamiętnik oblężenia Częstochowy 1655  r. [Tagebuch der Belagerung von Tschenstochau im Jahre 1655]. Częstochowa 1991. 59 Archivio segreto Vaticano, Segr. di Stato, Polonia 64, 220 f. 60 Kordecki (wie Anm. 58); Kobierzycki, Stanisław: Obsidio Clari Montis Czestochoviensis deiparae imagine a divo Lucae depictae in Regno Poloniae celeberrimi ab exercitu suecorum duce Burchardo Mellero generali legato. Dantisci 1659.

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Der Fürst sollte sich paradoxerweise in aller Demut als ein gewöhnlicher Gläubiger darstellen, um zum Dreh- und Angelpunkt der Kommunikation mit dem Himmel zu werden. Die festgestellten Unterschiede zwischen den drei Fällen spiegeln nicht nur die Besonderheiten der einzelnen politischen Systeme wider, sondern zeigen durch die Art und Weise, wie die Teilhabe des Fürsten am Göttlichen konstruiert wird, die unterschiedlichen Modelle des Marienpatronats als Bausteine der Konstruktion von Fürstenherrschaft.

Fürst, Adel und Volk: sakrale Konstruktionen des Staates bei der Suche nach himmlischem Schutz Durch das Marienpatronat wurden die „frommen Fürsten“ zu Hauptakteuren bei der Suche nach göttlichem Schutz. Dass die Gottesmutter im 17. Jahrhundert nicht nur zur Patronin der Herrscher, sondern auch zur Patronin des Staates wurde, bezog jedoch in die Etablierung eines solchen Kommunikationsrahmens mit dem Himmel nicht nur die Fürsten ein. Eine Betrachtung der Votivhandlungen fördert unterschiedliche Auffassungen der staatlichen Ordnung zu Tage. In Frankreich wurde im vœu de Louis XIII festgelegt, dass jährlich am 15. August feierliche Votivhandlungen in jeder Gemeinde des Königreichs stattfinden sollten. Diese dienten nach eigenen Angaben Ludwigs XIII. dazu, dass „chacun soit excité par les predications, proceßions et prieres generales et publiques à implorer avec [lui] l’aßistance de la Vierge le plus devotement qu’il sera poßible […]“.61 Die Festlichkeiten, die als erster staatlicher Feiertag in der Geschichte Frankreichs gelten können, mobilisierten theoretisch jeden Untertan für den ganzen Tag.62 Vor neun Uhr morgens wurde in jeder Kirche des Königreichs eine Messe für die Hl. Maria mit den vom ­König ausgewählten Texten, Liedern und Gebeten zelebriert, wobei in jeder Kapelle oder auf jedem Altar, die der Gottesmutter geweiht waren, folgende Inschrift angebracht werden sollte: „Virgini Deiparae Christianissimi Francorum Regis, ­Fidelis populi, totiusque Regni sui Protectrici.“ Um neun Uhr begann eine Messe im Dom und „tout le peuple, sans exception, en suivant les croix de leurs Paroisses et de leurs Monasteres, assisteront à cette messe solennelle, en laquelle on fera des prieres tres-ferventes a la Tres-saincte Vierge, pour la supplier tres-humblement et tres-devotement, de prendre le Roy, son Estat, sa Couronne, et ses Sujets en sa protection speciale“. Der frühe Nachmittag war den „processions particulieres par toutes [les] eglises“ gewidmet, während um vierzehn Uhr „les Eglises collegiales, les paroisses et les monasteres et toute autre eglise, en suivant leurs Croix et leurs Bannieres, se rendront, au meilleur ordre, et avec le plus de solemnité et de devotion possible [dans l’Eglise cathédrale] [e]t notamment les Paroissiens de chaque Paroisse, qui 61 Ordonnance de Monseigneur l’evesque de Madavre [M. Meurisse] touchant l’ordre que l’on aura a suivre pour célébrer la feste de l’Assomption de la très-glorieuse Vierge, suivant les intentions de sa Majesté. Metz 1638. BnF, Richelieu, Manuscrits occidentaux, Ms. Dupuy-549, fol. 202. 62 Für die folgende Beschreibung der Feierlichkeiten: Ebd.



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d’ordinaire tesmoignent fort peu de devotion et d’assiduité, au preiudice de leur devoir, et de leur salut, a leurs Eglises Parochialles, ne manqueront point de s’y renger, tant pour assister aux Prieres, Predications, et Processions particulieres qui s’y feront, que pour delà, marcher en ordre, et se rendre à la Cathedrale, a la suitte de leurs Pasteurs“.

Daraufhin fand die „procession générale“ statt, die so feierlich wie möglich sein sollte. In die Teilnahme des Staates an der göttlichen Ordnung war im 17. Jahrhundert in Frankreich also jeder mit einbezogen. Konstruiert wurde somit eine Gebetsgemeinschaft aller Untertanen um den König. Das Votivbild zur Genesung Ludwigs XIV. aus dem Jahr 1658 zeigt eine allegorische Figur Frankreichs im Krönungsmantel der französischen Könige, welche, zu Füßen der Gottesmutter kniend, um Hilfe für den kranken König bittet (Taf. III). Hinter ihr steht die Kirche, die auf die Bitte Frankreichs verweist. Rechts sind einfach gekleidete Frauen aus dem Volk zu sehen, die für den Herrscher zur Patronin des Königreichs beten. Auffällig an diesem Bild ist, dass die zentrale Figur hierbei Frankreich ist, welches durch den ausdrücklichen Verweis auf das Volk in einem alle Bewohner umfassenden Sinn dargestellt wird. Die Kirche steht nicht im Mittelpunkt, ihr wird lediglich die Funktion einer zusätzlichen Helferin zugewiesen. Die Suche nach himmlischem Schutz führte im 17. Jahrhundert zu einer Konstruktion des Staates als Gesamtheit aller in Frankreich Lebenden. Freilich war dieser Staat kein Staat von Bürgern, sondern eine Gemeinschaft der Frommen. Sein Motor war die aktive Teilnahme des Königs an den göttlichen Gnaden. Auch im Herzogtum Bayern ist die Bereitschaft, das Volk an der do-ut-des-Beziehung des Fürsten mit dem Himmel teilnehmen zu lassen, erkennbar. Die Konfessionalisierung hatte dort zum Ziel, durch die Herstellung einer Konformität der Gesellschaft mit der göttlichen Ordnung die himmlischen Gnaden auf Bayern zu ziehen, wie es den Präambeln der Polizeiordnungen zu entnehmen ist.63 Vorgeschrieben wurden zahlreiche kultische Handlungen, von denen hier nur wenige genannt seien.64 So wurde 1602 jedem Untertan der Besitz eines Rosenkranzes befohlen und ab 1613 ­waren alle Amtsträger verpflichtet, an den wöchentlichen Prozessionen teilzunehmen.65 Am 27. November 1629 wurden das Fest Mariä Empfängnis sowie 1638 die Feste M ­ ariä Heimsuchung und der Darbringung in den Tempel ausdrücklich als ­Feiern für die ­Patrona Bavariae staatlich verordnet.66 Gefördert wurden auch die Sodalitäten, die in ihrem Streben nach einer reformatio mundi die ganze Gesellschaft zum Gebet für den Herrscher und das Vaterland animierten.67 In dieser Hinsicht ist die Genese der Münchner Mariensäule von größtem Interesse (Taf. IV). Als Maximilian I. von Bayern im Sommer 1635 den Hofkaplan Pater Jacob 63 Vgl. Stieve (wie Anm. 14). 64 Eine detaillierte Darstellung findet man in ebd., 30–54. 65 Ebd. 66 Altbayern von 1550 bis 1651. Hg. v. Walter Ziegler. München 1992 (Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern: Abt. 1, Band 3), 1034; Riezler, Sigmund von: Geschichte Baierns. Bde. 1–8. Nachdruck: Darmstadt 1964 [Gotha 1880–1927], Bd. 5 (1964 [1903]), 684. 67 Châtellier (wie Anm. 32), 134.

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Golla beauftragte, mit führenden Jesuiten über ein gottgefälliges Werk nachzudenken, das man zum Dank für die Bewahrung der Städte München und Landshut vor der Zerstörung durch die Schweden schaffen könnte, schlugen die Patres nur Votivhandlungen vor, die in einem kirchlich kontrollierten Rahmen stattfinden sollten. In dem Brief Pater Gollas ist ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Volk spürbar, das ihm nicht andächtig genug erschien.68 Vom Kanzler Johann Mändl kam jedoch der Vorschlag, ein öffentliches Denkmal zu errichten.69 Der geheime Rat debattierte daraufhin am 11. September 1635 darüber, „ob eine ewige Messe gestifft wie p. ­Golla vorgeschlag[en] od[er] ein Jehrliche procession, lobamt, Allmuesen und monumentum in publico auffrichtn ob auffm platz od[er] unserer F[rauen] Freithoff [auf dem Friedhof der Frauenkirche]“. Beschlossen wurde 1637 schließlich die Errichtung ­eines monumentum publicum „mitten des platzes“, vor dem eine alljährliche Prozession und eine wöchentliche Messe „in publico auffm platz“ gehalten werden sollte.70 Hier rückt also wie in Frankreich die Interzessionsfunktion der Kirche in den Hintergrund. Jedoch ist die aktive Teilnahme jedes Bewohners von Bayern an den Gelübden des Herrschers weniger deutlich erkennbar als in Frankreich. Frappierend ist hingegen die Entwicklung einer marianischen Staatssymbolik, welche in Frankreich fehlt. In Bayern bildete man die Patronin auf dem Wappen, den Fahnen und den Münzen ab. Die Mariensäule wurde ebenso zum geographischen Zentrum des Landes: Alle Entfernungen wurden von nun an von diesem öffentlichen Denkmal aus gemessen.71 Eine schwächere sakrale Aufladung der Person des Fürsten führte also dazu, dass es das Fürstentum war, das zum Teilnehmer in der universalen Ordnung aufstieg. In Polen-Litauen ordneten die Könige Władysław IV. Wasa und Johann II. K ­ asimir keine Prozession an, errichteten kein Denkmal für das Marienpatronat und entwickelten keine marianische Staatssymbolik. Die Vorstellung vom Volk als Bestandteil des Staates war nichtsdestotrotz für das Marienpatronat konstitutiv. Johann II. ­Kasimir empfahl in den Lemberger Gelübden sich selbst, seine Staaten sowie das Volk dem Schutz der Himmelskönigin. Er sprach das Gelöbnis in seinem Namen, im Namen des Adels und im Namen des Volkes aus. Das Gelübde enthielt das Versprechen, „nach der Wiederkehr des Friedens mit allen Ständen jedes Mittel zu nutzen, um das Volk […] von allen ungerechten Lasten und Unterdrückungen zu befreien“.72 Der Nuntius ­Pietro Vidoni kommentierte dies folgendermaßen: „Ich glaube, dass [die] Schreie [des

68 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, GL 2708/568, 37 f. 69 Ebd., 30 f. 70 Ebd., 33 f. 71 Schwaiger, Georg: Maria Patrona Bavariae. In: Bavaria sancta. Zeugen christlichen Glaubens in Bayern. Hg. v. Dems. Bd. 1–3. Regensburg 1970–1973, Bd. 1 (1970), 28–37; Woeckel (wie Anm. 17), 46–85; Schreiner, Klaus: Maria Patrona. La Sainte Vierge comme figure symbolique des villes, territoires et nations à la fin du Moyen Age et au début des temps modernes. In: Identité régionale et conscience nationale en France et en Allemagne du moyen âge à l’époque moderne. Hg. v. Rainer Babel und Jean-Marie Moeglin. Sigmaringen 1997, 122–154, hier 141–146. 72 Archivio segreto Vaticano, Segr. di Stato, Polonia 64, 220 f.



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Volkes] dazu beigetragen haben, Gottes Zorn zu provozieren.“73 Johann II. Kasimir stellte sich im Gelübde als ein Fürst dar, der sich um das Wohl seiner Untertanen kümmert. Die Pflicht, ein guter Herrscher zu sein, war eine Voraussetzung, um Gottes Gnaden zu erhalten bzw. seinen Zorn abzuwenden. Das Volk wurde also nicht als ein Akteur der polnischen Monarchie verstanden, sondern war ein Objekt der Beziehung zwischen dem Fürsten und Gott. Im Vergleich mit Frankreich und Bayern erscheint Polen-Litauen als ein Staat, der am wenigsten alle Bewohner mit einbezog. Hier ist auch zu vermerken, dass das Gelübde in keinem genuin staatlichen Raum stattfand. Während in Bayern die Mariensäule einen solchen Raum schuf und in Frankreich ein Gesetz das Patronat etablierte, wurde die Hl. Maria hier im Rahmen einer Messe zur Patronin Polen-Litauens gewählt. Am polnisch-litauischen Fall lässt sich keine Zweitrangigkeit der kirchlichen Interzessionsmacht erkennen. Dem polnischen Marienpatronat lag eine Konzeption des Staates zugrunde, die sich sowohl von der französischen als auch von der bayerischen unterschied. Im Text des Gelübdes wird ein dritter Akteur erwähnt, in dessen Namen der König handelt: der Adel, der im französischen und im bayerischen Marienpatronat gänzlich fehlte. Um seine Stellung im System der do-ut-des-Beziehung mit dem Himmel zu verstehen, sollte man den Blick auf die Gestaltung des Gelübde-Rituals richten. Der Primas Andrzej Leszczyński (1608–1658) schlug vor, das Gelöbnis wie folgt abzuhalten: „In Anwesenheit seiner heiligen [sacrae] königlichen Majestät, der Senatoren, des Heeresadels, vor versammeltem Volk soll durch einen der Bischöfe oder Prälaten eine Votivmesse für die Heilige Jungfrau gesungen werden. […] Nach der Predigt soll Seine Majestät mit großer Bescheidenheit vor dem Altar niederknien, bei dem die Messe gesungen wurde, während alle Magnaten dasselbe machen, und in feierlichen Worten das Königreich Polen, das Großfürstentum Litauen sowie seine Heere dem Patronat der Gottesmutter Jungfrau anvertrauen und sie zugleich zur Patronin und Königin von Polen und Litauen im Namen aller Völker annehmen.“74

Danach sollte „ein ähnliches Votum vom versammelten Volk abgelegt werden“. Dies wurde jedoch nicht verwirklicht. Stattdessen sprach der Bischof von Przemyśl/ Peremyšl, Andrzej Trzebicki (1607–1679), im Namen der Senatoren ein solches Gelübde aus.75 Während also der Adel an sich keine aktive Rolle in der Kommunikation mit dem Himmel übernahm, wurde mit den Feierlichkeiten eine Gemeinschaft der Senatoren um den frommen König heraufbeschworen. Dies kann mit dem Projekt des 73 „[I]o credo, che le loro strida habbino co[n]tribuito à provocar l’ira Divina.“ Archivio segreto Vaticano, Segr. di Stato, Polonia 64, 219 f. 74 „Et in p[raese]ntia sacrae Regiae M[aesta]tis, D. D. senatorum, nobilium militum, congregato populo, cantitur Messa votiva de Beata Virg[ine] per aliquam ex Episcopis vel prelatis. […] Post concionem ante altarem apud quod Missa cantabitur, Seren[issi]mus genuflixus cum tanta humilitate, omnibus Primoribus idem facientibus, conceptis verbis, Regnum Poloniae, et magnum Ducatum Lithuaniae, exercitusque suos patrocinio Deiparae Virginis commendat, eadem pro patrona et Regina Poloniae et Lithuaniae, nomine omnium populorum assumat.“ Archivio segreto Vaticano, Segr. di Stato, Polonia 64, 193 f. [Herv. D. T.]. 75 Józefowicz, Tomasz: Kronika miasta Lwowa od roku 1634 do 1690 [Die Chronik der Stadt Lemberg von 1634 bis 1690]. Lwów 1854, 220.

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Ordens und der dazugehörigen Bruderschaft der Kavallerie der Unbefleckten ­Maria in Verbindung gebracht werden, in deren Rahmen das Marienpatronat zum ersten Mal eine rituelle Umsetzung finden sollte. Geplant war, dass die Ritter des Ordens, allesamt Magnaten, dem Vorsteher des Ordens, dem König, Gehorsam schwören würden.76 Wäre der Orden zustande gekommen, hätte die Kavallerie den König und ausgewählte Senatoren in einem staatstragenden Kult vereinigt. Sowohl in den Lemberger Gelübden als auch in der Kavallerie der Unbefleckten Maria sollte die sakrale Stellung des Königs inmitten der Senatoren in die göttliche Ordnung eingeschrieben werden. Dies entspricht den Reformbemühungen des königlichen Hofs während des Zweiten Nordischen Krieges. Diese Projekte hatten zum Ziel, durch die Förderung einer Regierung des Königs mit dem Senat eine Stärkung der Exekutive zu erzielen.77 Eine Analyse der rituellen Gestaltung des Marienpatronats ermöglicht es also, unterschiedliche Staatsmodelle offen zu legen. Dass diese sich nicht immer einer einstimmigen Unterstützung erfreuten, zeigen abweichende Ausprägungen der Patroninfigur.

Abweichende Ausprägungen des Marienpatronats in Polen-Litauen und Frankreich Die politischen Implikationen des Marienpatronats traten auch dann deutlich zu Tage, wenn eine Aneignung der ursprünglich im Umfeld der Fürsten erfundenen ­Patronin­figur durch andere Akteure stattfand. Dies war in Polen-Litauen der Fall, wo sich eine republikanische Gottesmutter als Königin von Polen profilierte.78 Seit den 1640er Jahren wurde die Hl. Maria zum Bürgen der monarchia mixta und ab 1655 verstärkt als Modell der adligen Freiheiten und der Gleichheit unter Adligen stilisiert.79 Die göttlichen Gnaden konnten nach dem Zweiten Nordischen Krieg der R ­ zeczpospolita aufgrund ihrer Verfassung und ihrer Stellung als Antemurale ­Christianitatis nun ohne Vermittlung des Königs verliehen werden.80 Hier kommen 76 Dzięgielowski, Jan: O tolerancję dla zdominowanych. Polityka wyznaniowa Rzeczypospolitej w latach panowania Władysława IV. [Um die Toleranz für die Dominierten. Die Konfessionspolitik der res publika in den Jahren der Herrschaft Władysław IV.]. Warszawa 1986, 110. 77 Frost, Robert I.: After the Deluge. Poland-Lithuania and the Second Northern War. Cambridge 1993, 138 f. 78 Zur adelsrepublikanischen Deutung der Gottesmutter als Königin von Polen ausführlicher Hans-­ Jürgen Bömelburg in diesem Band. Siehe auch: Tricoire (wie Anm. 10). 79 Starowolski (wie Anm. 30); Ders.: Lament utrapioney Matki Korony Polskiey, iuż iuż konaiącey. Na syny wyrodne, złośliwe y niedbaiące na Rodzicielkę swoię [Klage der besorgten Mutter der polnischen Krone, kurz vor deren Tod, auf die missratenen, bösartigen und um ihre Mutter nicht bekümmerten Söhne]. Kraków 1859. 80 Vgl. die Gedichte Wespazjan Kochowskis „Obraz płaczący w Dzierkowie“ [Das weinende Bild in Dzierków], „Studzianna“ [Studzianna], „Taratantara albo pobudka do rycerstwa polskiego, żeby ufności w Bogu pełni, pośpieszali na odsiecz Kamieńcowi Podolskiemu“ [Taratantara oder der Wachruf an das polnische Rittertum, damit es auf Gott vertrauend Kamieniec Podolski zur Hilfe eilt] und „Ogród pa­nień­ski“ [Der Garten der Jungfrau]. In: Kochowski, Wespazjan: Pisma wierszem i prozą [Schriften in Dichtung und Prosa]. Hg. v. Kazimierz Józef Turowski. Kraków 1859, 96–98, 117, 273–275.



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als Antwort auf das monarchistische Marienpatronat anscheinend Bemühungen zum Tragen, die adelsrepublikanische Ordnung Polen-Litauens zu sakralisieren. Ein komplexes Dasein zwischen Unterstützung der Monarchie und Widerstand gegen die Politik des königlichen Rats führte ebenfalls die Patronin Frankreichs. Diese Figur und ihre Geschichte sind mit dem Kriegskontext eng verbunden. Die Funktion der Patronin war von vornherein, für Frankreich einen „guten Frieden“ im Spanisch-Französischen Krieg (1635–1659) zu erzielen – so das Gelübde von 1638.81 Allerdings sollte dieser Krieg noch 21 Jahre andauern. Während der Regentschaft Annas von Österreich (1601–1666) ab 1643 in Vertretung des minderjährigen Ludwig XIV. (1638–1715) eska­ lierte der Widerstand gegen diesen verlustreichen militärischen Konflikt, der unter anderem zu einer Steuererhöhung ungekannten Ausmaßes geführt hatte. Dies provozierte 1648 den Ausbruch der sogenannten Fronde parlementaire, einer Rebellion des Pariser Parlaments, mit der sich die Stadt an der Seine solidarisierte.82 Im Februar und März 1649 kam es zur ersten Belagerung von Paris durch königliche Truppen. In diesem Zusammenhang ist eine erste explosionsartige Zunahme von Pamphleten, sogenannten mazarinades, zu verzeichnen.83 In manchen dieser Schriften wurde das Marienpatronat aufgegriffen. Im „Vœu des Parisiens à la vierge, pour le retour de leurs Majestez dans leur bonne ville de Paris“ (1649), der sich an Anna von Österreich wendet, wird der marianische Schutz über die Königin mit der Stadt Paris verflochten. Lediglich in Paris und in Gemeinschaft mit den Parisern könne die Königin die himmlischen Gnaden erhalten: „Quoy vous quittez Paris, qu’aymiez si tendrement De la devotion, et l’azille et l’element, La Vierge à Nostre-Dame, et dans Bonne-Nouvelle. […] Vous quittez Paris, et S. lieu du Val de Grace84, Par bons oeuvres et bien-faicts, ou possediez les graces Que distilloit le Ciel, en forme de rozée Celeste dans vostre ame, à son Dieu preparée. […] Paris qui fit priere pour vous envers les Cieux, Qui au lieu d’un beau fils, vous en donnerent deux.“85 81 Déclaration du Roy par laquelle sa Majesté déclare qu’elle a pris la très saincte et très glorieuse Vierge pour Protectrice spéciale de son Royaume. Paris 1638. 82 Ranum, Orest: La Fronde. Paris 1995, 52–192. 83 Jouhaud, Christian: Mazarinades. La Fronde des mots. Paris 1985. 84 Das Val-de-Grâce war ein der Gottesmutter gewidmetes und von Anna von Österreich gestiftetes ­Pariser Benediktinerinnenkloster, in dem sich die Königin regelmäßig aufhielt. Das Bildprogramm der Kirche stellte die dank ihrer Frömmigkeit erhaltenen Gnaden dar. Mignot, Claude: Le Val-de-­ Grâce. L’ermitage d’une reine. Paris 1994. 85 Voeu des Parisiens à la vierge, pour le retour de leurs Majestez dans leur bonne ville de Paris. Paris 1649.

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Die „Apparition de la Vierge à la Reyne Regente Mere du Roy dans sa chapelle de Sainct Germain en Laye“ (1649) geht einen Schritt weiter, indem sie die aktive Parteinahme der Patronin Frankreichs für die Frondeurs inszeniert: „Il est tres veritable que la Vierge est l’organe de la volonté de Dieu […]; Ce qui […] a obligé nostre Invincible Monarque Louis le Iuste d’heureuse mémoire, et la tres-pieuse Reine son espouse, de luy consacrer et dédier non seulement leurs sacrées personnes, et celles de nos Princes leurs enfans, mais encore leurs Sceptres, leurs Couronnes, et leurs Royaumes de France et de Navarre, la suppliant de vouloir estre la Protectrice de leurs Peuples. […] [L]a veille du iour que l’Ange Gabriel luy apparut par un precieux miracle, elle apparut aussi à la Reine, lorsqu’elle estoit en sa chapelle sur les unze heures et demye du matin, et luy dit: Ie chéris vostre peuple, faites la paix pour l’Amour de moy. […] O! que j’admire la sagesse de nostre grand Roy Louis le Iuste, ce grand Prince prevoyant bien que cette Monarchie apres son deceds pourroit tomber entre les mains des pervers ministres […] fit cette belle offrande de sa personne et de ses biens à la Reine des Anges  […]: Si bien que, peuple François, nous n’avons rien à craindre, puisque la Mere du Dieu des armées prend nostre party, il est impossible que nous n’ayons la victoire dessus nos ennemis, et que Mazarin ne soit contraint et obligé de nous laisser vivre en repos […].“86

Diese Texte zeigen, dass in Frankreich das Marienpatronat stets mit der Monarchie asso­ ziiert wurde. Anders als in Polen-Litauen konstruierte man hier keine Gottes­mutter, die Frankreich außerhalb jeglicher königlicher Interzession ihre Gnaden zukommen lassen würde. Die Rolle der Beschützerin der Pariser Frondeurs hatte stattdessen die Hl. ­Genoveva inne, die Patronin von Paris, welche die Bewohner der Hauptstadt zur Pat­ro­nin von ganz Frankreich stilisierten.87 Im März 1650 wurde dagegen im Rah­men der Wiederherstellung der Königsmacht das Gelübde von 1638 durch den minderjährigen ­Ludwig XIV. erneuert, wofür der Hof eine Reise durch die Provinzen unternahm: „Le defunct Roy nostre très-honoré Seigneur et Père a si heureusement esprouvé combien il est utile à un Prince Chrestien pour le gouuernement de ses Peuples de se fortifier de la grace de Dieu […], qu’il n’a cessé durant sa vie d’implorer sa miséricorde, et son secours en toutes ses entreprises, par l’intercession de se très-sainte Mere la sacrée Vierge Marie, qu’il choisit pour Protectrice spéciale de son Royaume […] et ayant ordonné que tous ans, le iour et Feste

86 Apparition de la Vierge à la Reyne Regente Mere du Roy dans sa chapelle de Sainct Germain en Laye. Hg. v. Claude Morlot. Paris 1649. 87 La vision prophétique de Ste Geneviève, patrone et protectrice de la ville de Paris. Paris 1649; Le vœu des Parisiens à sainte Geneviève, leur patronne, par un bon religieux, touchant les miseres présentes. Paris 1652; Les bons avis par révélation de sainte Geneviève à l’ermite solitaire. o. O. 1652; La liste et les miracles arrivés aux descentes de la châsse de Sainte-Geneviève, depuis l’année mil deux cent six jusqu à présent, avec le nombre de Châsses qui l’accompagnaient. Paris 1652; Advis aux Parisiens, sur la descente de la châsse de sainte Geneviève et la procession qui se doit faire pour demander la paix, par un curé de la ville de Paris. Paris 1652; Les convulsions de la reine, la nuit de devant le départ de Mazarin, avec la Consolation qu’elle reçut par l’apparition d’une bonne sainte; cause de la resolution qu’elle a prise de ne plus souhaiter le retour du Mazarin, de peur de mettre son royaume en combustion pour la troisième fois. Paris 1652; Fronteau, Jean (L. Pere): Ex voto S. Genovefae virginis elogium. o. O. 1653.



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de l’Assumption il seroit fait une commemoration d’une intention si sainte et si pure, en toutes les Eglises, […] par une procession générale, […] ce qui a été pratiqué avec tant de zèle que la gloire en est retournée à Dieu, et toutes sortes de prospérités et d’avantages sur nostre Royaume, dont l’enumeration est reservée à l’histoire, qui sera pleine des prodiges et succez miraculeux qui ont abbatu l’orgueil de nos ennemis. Et comme la Reine Regente nostre très-honorée Dame et Mere […] a tousiours eu pour elle des sentiments tres-particuliers de veneration, et qu’elle nous a aussi donné les mesmes impressions de devotion […]; Nous ne pouvons davantage differer de renouueler de semblables voeux à l’honneur de la tres-sainte Vierge, à l’intercession de laquelle nous confessons estre redevables des faueurs et des benedictions du Ciel, lesquelles ont continué en tous les euenements considérables de nostre Regne, par plusieurs batailles gagnées sur nos ennemis, qui nous ont produit ensuitte les conquestes de plusieurs Villes des plus importantes, tant en Flandres, qu’en Allemagne et Italie, et mesme que Nous avons depuis peu remarqué une protection plus spéciale de cette Reine des Anges, en ce que tous les orages qui se sont elevés depuis deux ans au dedans du Royaume, et qui sembloient menacer d’une subversion entière, ont esté appaisés et dissipés avec tant de promptitude et de bonheur, qu’aujourd’huy le calme est estably dans toutes nos Provinces, et de toutes parts on est venu nous rendre les protestations de respect, d’obéissance, et de fidélité.“88

Auffallend ist die Behauptung der Kontinuität einer „frommen Monarchie“, die in ihren kriegerischen Unternehmungen gegen die Habsburger sowie in den inneren Konflikten die Unterstützung des Himmels genieße. Dass auch für die Frondeurs die Hl. Maria Beschützerin der Monarchie war, heißt jedoch nicht, dass die Himmelskönigin auch die Regierung Jules Mazarins (1602–1661) unterstützen würde. Vielmehr setzte sie sich als Patronin des Königsreichs für die Versöhnung der Königin mit den Gegnern des Krieges ein. So tauchte ab 1649 die Figur einer überparteiischen, versöhnenden Hl. Jungfrau auf.89 Im Juli 1651 entstand in Paris der Kult von Notre-Dame de Paix, einer in der rue du faubourg St. Honoré an der Mauer des Kapuzinerklosters befindlichen Statue.90 Ein zeitgenössischer Stich zeigt Soldaten vor diesem Marienbild bei einer Andacht (Abb. 3). Jacques de SainteMarie verfasste im Kontext des Bürgerkriegs kurze Gebete an die „Königin des Friedens“, welche sich großer Beliebtheit erfreuten.91 Der Königshof übernahm seinerseits den Kult von Notre-Dame de Paix.92 Ihr wurde die Genesung Ludwigs XIV. (1658) zu-

88 Declaration du Roy portant confirmation de celle du feu Roy Louis XIII. pour la continuation des Suffrages, Processions et solemnités observées le iour et Feste de l’Assumption de la très-sacrée Vierge Marie, Protectrice spéciale de son Royaume. Dijon 1650. 89 Mercier de Poissy, Nicolas: La France prosternée aux pieds de la Vierge pour la remercier de la Paix. Dedié à la Reyne. Paris 1649. 90 Mauzaize, Jean: Étude topographique, institutionelle et historique sur le couvent des Frères mineurs capucins de la rue Saint-Honoré à Paris (1574–1792). (unveröff. Ms., Bibliothèque des capucins de Paris), 75–79; Médard de Compiègne: Histoire de Nostre Dame de Paix avec le récit véritable des merveilles arrivées devant cette sainte Image, qui est en l’église des RR.PP. Capucins de S.-Honoré, et quelques Prières en suite pour le Roy, la Reyne et autres selon le besoin d’un chacun. Paris 1660, 42–45. 91 Jacques de Sainte-Marie (wie Anm. 13). 92 Médard de Compiègne (wie Anm. 90), 57.

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Abb. 3  Zeitgenössischer Stich mit der Unterschrift „Das wahrhaftige Porträt der Heiligen Jungfrau genannt vom Frieden, die sich in der Mauer der Kapuzinerväter befindet […]. Diese Devotion fing im Monat Juli am Tag vor dem Fest der Heiligen Maria Magdalena im Jahr 1651 an“.



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gesprochen, wie es das oben kommentierte Bild zeigt (Taf. III). Der Pyrenäenvertrag von 1659, der dem Königreich den lang ersehnten Frieden brachte, wurde ebenfalls auf das Patronat der „Frau vom Frieden“ zurückgeführt. Der erste Stock der Tour de l’Horloge des Louvres, also des zentralen Ortes des damals wichtigsten königlichen Schlosses, wurde in zwei Kapellen umgebaut: Die eine war dem Hl. ­Ludwig, die andere der Notre-Dame de Paix gewidmet.93 Der Karmeliter Cyprien de la N ­ ativité de la Vierge konnte in seinem zweisprachigen, französisch-spanischen Werk die Eintracht der Christenheit als ein Ergebnis der Einwirkung der Friedenspatronin darstellen.94 Die Hl. Maria triumphierte also in Frankreich in den 1650er Jahren dank einer Reihe von Zwiespältigkeiten. Die Himmelskönigin war Patronin des Königs, des Staats und der Christenheit zugleich. Alle Parteien beriefen sich auf „Frieden“ und „Monarchie“, und obwohl sie diese Begriffe bisweilen unterschiedlich politisch besetzten, ermöglichte ihnen diese gemeinsame Rhetorik, den Bezug auf den staatlichen Marienkult herzustellen. Die Berufung auf die „Friedenskönigin“ erlaubte es, den Wider­stand gegen die Kriegspolitik des königlichen Rats anstatt als Rebellion bzw. Revolution – wie der Titel von Orest Ranum es nennt95 – als eine Gebetsgemeinschaft mit dem König zu interpretieren.

Schlussbetrachtung Das staatliche Marienpatronat im 17. Jahrhundert verdankt seine Verbreitung einem Modell von Fürstenherrschaft, das „fromme Monarchie“ genannt werden kann. Innerhalb der universalen Ordnung sei demnach der Fürst das Bindeglied zwischen Himmel und Erde. Seine Frömmigkeit sei die Grundlage seiner Legitimität sowie die Garantie für den Erfolg seines Staates. Das Marienpatronat diente in Polen-Litauen zur Behauptung einer solchen sakralen Stellung des Königs, die zu einer Reform des politischen Systems beitragen sollte. Bei näherem Betrachten zeigen sich jedoch bedeutende Unterschiede zwischen den Staatsmodellen, die den jeweiligen Marienpa­ tronaten zugrunde lagen. In Polen-Litauen nahm, anders als in Frankreich und ansatzweise in Bayern, kein alle Untertanen umfassender Staat an der göttlichen Ordnung teil. Angestrebt wurde vielmehr eine Sakralgemeinschaft der Eliten: des Königs und der Senatoren. Diese Konstruktion kollidierte jedoch mit der ständischen Gesinnung der Mehrheit des polnischen und des litauischen Adels. In Reaktion auf dieses monarchistische Marienpatronat setzte sich ab den 1660er Jahren eine ständische Deutung der Gottesmutter als Königin von Polen durch, die eine Zuteilung von himmlischen

93 Bresc-Bautoer, Geneviève: Le Louvre. Histoire, architecture et décors. Paris 1995, 55. 94 Cyprien de la Nativité de la Vierge: Le triomphe de la paix, et de la pieté royale. Composé en Français et en Espagnol, et présenté à leurs Majestez. Paris 1660. 95 Ranum, Orest: The Fronde. A French Revolution. New York 1993 (vgl. Anm. 82).

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Gnaden ohne die Vermittlung des Königs ermöglichte. Dieses Phänomen zeigt den fundamentalen Unterschied zwischen dem Widerstand gegen die Reformbemühungen des polnischen Hofes in den 1650er Jahren und der „Revolution“ der Fronde gegen die Kriegs- und Steuerpolitik des französischen königlichen Rates. In Frankreich entwickelte sich statt eines alternativen Marienpatronats, das die sakrale Stellung des Königs in Frage gestellt hätte, vielmehr eine Gottesmutter der Eintracht, die eine Aussöhnung zwischen den kämpfenden Parteien förderte.

Mari a i n M äh ren i m Ze ita lte r de r K o nf e ssi on al i si eru n g  – e in mühsa me r We g Stefan Samerski

Bei der wissenschaftlichen Erforschung der böhmischen Länder steht meistens Prag/ Praha im Mittelpunkt der Untersuchungen. Das nicht ohne Grund. Ist doch die böhmische Hauptstadt seit dem Mittelalter kontinuierlich auch politisches, kulturelles und religiöses Zentrum der böhmischen Länder gewesen, das ebenso kontinuierlich ausgebaut wurde.1 Daher haben wir es im religiös-kultischen Bereich in den übrigen Landesteilen und der Peripherie zumeist mit retardierenden Elementen und abgeschwächten Erscheinungen zu tun. Solche Momente lassen sich auch in Mähren in der Epoche der katholischen Konfessionalisierung des Landes beobachten,2 erklären aber längst nicht alle kultischen Phänomene jener Jahre. Denn seit dem tatkräftigen Olmützer Fürstbischof Stanislav Pavlovský3 (1579‒1598) erlebte die mährische Diözese nicht nur eine massive Rekatholisierung des Landesteils, sondern auch einen erheblichen religiös-kultischen Aufschwung, der der Allianz des Oberhirten mit Rom, den Jesuiten und dem Habsburgerhof zu verdanken war.4 Innerhalb dieses Koordinatensystems soll versucht werden, die Neuimplementierung der Marienverehrung5, die von dem zunächst einzig dort wirkenden Reformorden – den Jesuiten – vorgenommen wurde, in den Jahren 1580 bis zur Mitte des folgenden Jahrhunderts zu beleuchten. 1 Dazu zuletzt: Royt, Jan: Der Kanon und die Ikonographie der böhmischen Landespatrone. In: Die Landespatrone der böhmischen Länder. Geschichte – Verehrung – Gegenwart. Hg. v. Stefan S ­ amerski. Paderborn u. a. 2009, 21‒32, bes. 22 f.; sowie Samerski, Stefan: Die Landespatrone der böhmischen Länder. Ein Überblick über Funktionalität und Lobby. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2010, 105–113. 2 Zu Mähren in der Zeit der Konfessionalierung: Válka, Josef: Dějiny Moravy, Bd. 2: Morava reformace, renesance a baroka [Geschichte Mährens, Bd. 2: Mähren zur Zeit der Reformation, der Renaissance und des Barock]. Brno 1996, 78‒98; zur Situation des Klerus: Bahlcke, Joachim: Kontinuität und Wandel im politischen Selbstverständnis der katholischen Geistlichkeit Mährens (1580‒1640). In: Morava a Brno na sklonku třicetileté války. Hg. v. Jan Skutil. Praha-Brno 1995, 84‒98. 3 Eberhard, Winfried: Art. Pavlovský. In: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches: 1448‒1648. Ein biographisches Lexikon. Hg. v. Erwin Gatz. Berlin 1996, 129‒133. 4 Pánek, Jaroslav: Biskup a kancléř. Stanislav Pavlovský a Vratislav z Pernštejna 1579‒1582 a jejich úloha v počátcích rekatolizace [Bischof und Kanzler. Stanislav Pavlovský und Vratislav von Pernstein 1579‒1582 und deren Rolle in den Anfängen der Rekatholisierung Mährens]. In: Časopis Matice moravské 113 (1994), 33‒47. 5 Kurzer Überblick (mit Lit.) über die Marienverehrung in den böhmischen Ländern: Royt, Jan/­ Samerski, Stefan/Valasek, Emil: Maria. In: Samerski, Landespatrone (wie Anm. 1), 175‒197; Elbel, ­Martin: From Hopes to Triumph. The Marian Cult and Czech Society 1600‒1650. Lublin 1999. Zum Marienkult in den Habsburgerländern im vergleichbaren Zeitraum: Samerski, Stefan: Hausheilige statt Staatspatrone. Der misslungene Absolutismus in Österreichs Heiligenhimmel. In: Die Habsburger­ monarchie 1620 bis 1740. Leistungen und Grenzen des Absolutismusparadigmas. Hg. v. Petr ­Mat’a und Thomas Winkelbauer. Stuttgart 2006, 250‒278, hier 271‒277.

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Am Schluss soll dann kurz auf die Franziskanerfamilie als Beispiel der alten Orden eingegangen werden, die sich als retardierende Kultpropagatoren der Muttergottes in Mähren mit wesentlich geringerer Strahlkraft erwiesen hatten. Die Jesuiten kamen durch die Unterstützung des Olmützer Bischofs 1566 in die mährische Hauptstadt und gründeten dort ein Kolleg.6 Im Jahre 1567 wurde ein Gymnasium eröffnet und 1573 eine Universität, die vor allem dem Priesternachwuchs zugute kommen sollte.7 In Brünn/Brno etablierten sich die Patres 1572. Um der katholischen Konfessionalisierung Nachdruck zu verleihen, wurden in der gesamten Diözese Olmütz/Olomouc, die im Wesentlichen den mährischen Landesteil erfasste, 1582 Visitationen durchgeführt und dort 1591 eine Diözesansynode abgehalten, die die Beschlüsse des Tridentinums, das römische Brevier und die römischen Zeremonien beim Gottesdienst verbindlich einführten.8 Nun wurden vor allem in den Städten des Landes Priester mit Reformgeist eingesetzt,9 so dass jene Jahre als Startschuss für die allmählich greifende Rekatholisierung und katholische Konfessionalisierung des Landesteils gelten kann. Zudem ist davon auszugehen, dass in jenem Zeitraum durch die Auswirkungen der lutherischen Reformation in Mähren sämtliche institutionalisierte marianische Frömmigkeitsformen erloschen waren – die private ist aktenmäßig nicht zu erfassen. Der im Allgemeinen zuverlässige Jesuitenchronist J­ ohann Schmidl10   6 Zu den Jesuiten in Mähren: Schulz, Jiři: Jezuité v Olomouci [Die Jesuiten in Olmütz]. In: ­Jezuitský konvikt. Sídlo uměleckého centra univerzity Palackého v Olomouci (Dějiny – Stavební a umělecké dějiny – Obnova a využití). Hg. v. Jiři Fiala, Leoš Mlčák und Karel Žurek. Olomouc 2002, 11‒31. Zum jesuitischen Kontext: Čornejová, Ivana: Tovaryšstvo Ježišovo. Jezuité v Čechách [Die Gesellschaft Jesu. Jesuiten in Böhmen]. Praha 2002; ältere, detaillierte Literatur: Kroess, ­Alois: Geschichte der böhmischen Provinz der Gesellschaft Jesu. Bd. 1: 1556‒1619. Wien 1910.  – Frömmigkeitsgeschichtlich zu den Olmützer Jesuiten: Samerski, Stefan: Von der Rezeption zur Indoktrination. Die Annenbruderschaft in Olmütz (16./17. Jahrhundert). In: Jesuitische Frömmigkeitskulturen. Konfessionelle Interaktion in Ostmitteleuropa 1570‒1700. Hg. v. Anna Ohlidal und Stefan Samerski. Stuttgart 2006, 93‒118.   7 Dazu jüngst: Samerski, Stefan: Olmütz als Drehkreuz des ostmitteleuropäischen Priesternachwuchses? Das Bildungsmäzenatentum der dortigen Jesuiten im 16. bis 18. Jahrhundert. In: Schulstiftungen und Studienfinanzierung. Bildungsmäzenatentum in den böhmischen, österreichischen und ungarischen Ländern, 1500‒1800. Hg. v. Joachim Bahlcke und Thomas Winkelbauer. Wien-Köln-Weimar 2011.   8 Auch hier war Bischof Prusinovský, der im Collegium Germanicum et Hungaricum seine theologisch-pastorale Ausbildung erhalten hatte, die treibende Kraft. Kroess, Alois: Geschichte der böhmischen Provinz der Gesellschaft Jesu. Bd. 3. Wien 1910, 584 f.   9 Ebd., 587. 10 Schmidl wurde am 22. Dezember 1693 in Olmütz geboren, trat in die Gesellschaft Jesu am 9. Dezember 1710 ein, studierte Humanwissenschaften und Rhetorik, war 1742 Professor für Metaphysik in Prag, wurde 1743 zum Historiographen seiner böhmischen Ordensprovinz ernannt. Aus dieser Zeit stammen auch seine chronikalen Bände, die in Prag zwischen 1747 und 1759 herauskamen. Diese vierbändige Jesuitenchronik „Historiae Societatis Jesu Provinciae Bohemiae“, die auf Diarien, Literae annuae und ähnlichen Dokumenten beruht, wird hier im Weiteren herangezogen. Schmidl starb am 13. März 1762 in Prag; Pelzel, František Martin: Böhmische, mährische und schlesische Gelehrte aus dem Orden der Jesuiten. Prag 1786, 189; Morávek, Jan: Schmidl, Balbín a Ware [Schmidl, ­Balbin und Ware]. In: Český Časopis Historický 19 (1913), 57‒70, 193‒300. Zuletzt: Samerski, Annen­ bruderschaft (wie Anm. 6), 99, Anm. 50.



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schrieb nach Auswertung der Ordensdokumente sogar noch für das Jahr 1607, dass man in Mähren keine marianische Frömmigkeit unter der Jugend mehr antreffe.11 Und für das Jahr 1612 verzeichnete er, dass in einigen mährischen Ortschaften seit 70 Jahren keine kirchlichen Zeremonien abgehalten und kein Rosenkranz mehr gebetet worden seien.12 Bereits aus solchen Beispielen wird die erhebliche Phasenverzögerung im Kultischen gegenüber der institutionellen Weichenstellung im mährischen Zentrum selbst bei zentralen Frömmigkeitsformen, wie es die ­Marienverehrung ist, deutlich. Die Ursachen und Hintergründe eines solchen Geschehens sollen im Folgenden thematisiert werden. Tatsächlich verwundert es, dass man trotz der offiziellen bischöflichen Einführung der katholischen Reform in den achtziger und beginnenden neunziger Jahren eine Revitalisierung bzw. Vitalisierung genuin katholischer Kult- und Frömmigkeitsformen erst während des Dreißigjährigen Krieges beobachten kann. Das hängt nicht etwa mit einer mangelnden katechetischen Initiative von Seiten der Reformkräfte zusammen. Bereits 1571–1573 wurden von den Jesuiten in Brünn die alten Bräuche, namentlich die Allerheiligenlitanei, eingeführt,13 und drei Jahre später hatte man dort die Jugend unterrichtet. Mit Hilfe der weltlichen Obrigkeit konnte 1578 dort sogar eine Fronleichnamsprozession durchgeführt werden.14 1590 wurde dann die Landjugend vom Katechismusunterricht im Umkreis von Brünn erfasst.15 Die Jugendlichen erhielten gezielt Andachtsbildchen und Rosenkränze. Für diese Jahre berichten die Ordenschroniken auch dezidiert von der Rekatholisierung der mährischen Städte und des Landes. In Fragen der Frömmigkeitspraxis wird man das nicht ganz glauben können, da spätere Angaben widersprechen – wie bereits exemplarisch gesehen. Die größten Probleme für die kultische Rekatholisierung des Landes lagen vor ­allem in der Situation selbst begründet. Die mährischen Kollegien verfügten für die pastorale Pionierarbeit über zu wenig Patres, und die alten Frömmigkeitsformen ­waren nahezu ausgestorben bzw. nach über zwei Generationen größtenteils in Vergessenheit geraten. Zudem kamen noch erhebliche Widerstände von außen hinzu: In ­Olmütz musste man sich theologisch nicht nur mit den Lutheranern auseinandersetzen. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts trugen in Fragen des rechten Kultes nachweislich auch die Utraquisten Polemiken gerade gegen die Marienverehrung vor. Die Jesu­ iten berichteten aus jenem Zeitraum von einer Leugnung der Heiligenverehrung im Allgemeinen und speziell von einer Diffamierung der Gottesmutter als Sünderin.16

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Schmidl, Johann: Historiae Societas Jesu Provinciae Bohemiae. Bd. 2. Praga 1748, 472 f. Ebd., 673. Kroess, Böhmische Provinz (wie Anm. 8), 362. Ebd., 437. Auch zum Folgenden: ebd., 416 f. Kroess, Alois: Geschichte der Böhmischen Provinz der Gesellschaft Jesu. Bd. 4. Wien 1912, 607.

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Marianische Bruderschaften Die Wirkung der genannten bremsenden Faktoren lässt sich in Mähren konkret anhand des Bruderschaftswesens nachweisen. Im Jahre 1581 wurde in Brünn eine Kongregation zur Förderung der Marienfrömmigkeit eingerichtet und 1595 zentral der römischen Kongregation eingegliedert.17 Gleichfalls erhielt die Stadt 1593 eine Bürgerkongregation „Maria Verkündigung“.18 Über Olmütz lässt sich Vergleichbares sagen: Bereits vor 1575 wurden am dortigen Jesuitenkolleg nach Prager Vorbild zwei marianische Kongregationen eingerichtet, und zwar zuerst für die Adligen, dann für die Alumnen.19 Beide standen unter Leitung der Patres und wurden bereits 1575 an die römische Kongregation zentral angeschlossen. Diese ersten Gemeinschaften, die nur wenige und meist auswärtige Mitglieder zählten, gingen jedoch bald wieder ein. Für die Schüler des Olmützer Jesuitengymnasiums wurde 1580 dann eine neue Marien­ kongregation unter dem Titel „Maria Himmelfahrt“ gegründet, die zehn Jahre später der römischen angeschlossen wurde. Nicht unwichtig zu erwähnen ist, dass ihr als erster Rektor Bischof Pavlovský vorstand.20 Im Jahre 1608 folgten zwei weitere Studienkongregationen, die den Mitgliedern zahlreiche öffentliche Buß- und Andachtsübungen (Geißelungen etc.) abverlangten. Im damaligen Kontext sicherlich eine nicht sehr attraktive und populäre Sodalität! 1580 berichtete der Jesuitenprovinzial von gezieltem Spott und Verachtung der Andersgläubigen bei katholischen Andachtsübungen in der Stadt.21 Im Gegensatz dazu erfreute sich die wiedergegründete Olmützer Annenbruderschaft 1580 großer Beliebtheit, da der Impuls zur Revitalisierung aus dem Bürgertum kam und die Annenfrömmigkeit seit Beginn des 15. Jahrhunderts in der mährischen Hauptstadt lebendig war und den alltäglichen Lebensnerv der Stadtbevölkerung traf.22 Diese Bruderschaft wurde nicht, wie die genuin jesuitischen Marienkongregationen, als „Anschlag gegen den Fortbestand des Luthertums“23 verstanden und war zudem sozial sehr viel breiter organisiert. Außerdem kamen hier Patronatstitel, Inhalte und Frömmigkeitsübungen nicht von außen bzw. aus Rom, sondern waren seit dem Mit17 Ders.: Geschichte der Böhmischen Provinz der Gesellschaft Jesu. Bd. 2. Wien 1908, 439. Zu den Sodalitäten der Jesuiten zuletzt: Samerski, Annenbruderschaft (wie Anm. 6), 93‒97; O ­ ’­Malley, John W.: Die ersten Jesuiten. Würzburg 1995, 106, 117, 226‒231. Zu religiösen Bruderschaften allgemein: Baritsch, Hans: Leben als Bruder. Bruderschaften und Michaelsbruderschaften. Hamburg 1999, 49‒77. 18 Kroess, Böhmische Provinz (wie Anm. 17), 453. 19 Dazu: Samerski, Annenbruderschaft (wie Anm. 6), 95. Ausführlich zur Prager Sodalität: Beránek, Karel: Pamětní kniha kongregace P. Marie v koleji sv. Klimenta (1574‒1621) [Das Gedenkbuch der Marianischen Kongregation im Kolleg des Hl. Clemens (1574‒1621)]. In: Traditio et Cultus. Miscellanea historica bohemica Miloslao Vlk, archiepiscopo Pragensi, ab eius collegis amicisque ad annum sexagesinum dedicate. Praha 1993, 129‒139. 20 Samerski, Annenbruderschaft (wie Anm. 6), 95 f. 21 Ebd., 102. 22 Ausführlich zu Hintergrund, Geschichte, Statuten, Spiritualität und Entwicklung: ebd., 102–108. 23 Ebd., 109.



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telalter in der Sozialstruktur der Stadt eingewurzelt. Intensive Marienfrömmigkeit hatte es in Mähren schon vor den Reformationen gegeben, aber seit der Durchsetzung des Trienter Konzils haben wir es mit einer gewandelten Marienfrömmigkeit zu tun, die viel weniger die persönlichen Nöte und Bedürfnisse des einzelnen reflektierte, sondern eine hochtheologische Ekklesiologie und ein polemisches konfessionelles Bekenntnis transportierte.24 Es war demnach vor allem das Neue, konfessionell-elitär Ausgrenzende, was einen raschen Siegeslauf marianischer Frömmigkeitsformen verhinderte. Dennoch wurde dieser neue kultische Weg mit einer gewissen Vorsicht, doch konsequent von den Jesuiten beschritten. Im Jahre 1604 setzten die Jesuiten in Olmütz beispielsweise den Marienkult zur Konversion von einer kranken utraquistischen Frau ein: Beim Beten des Rosenkranzes und Singen des Ave Maria wurde sie gesund, trat zum katholischen Glauben über und dankte der Muttergottes, wie die Jesuitenchronik berichtete.25 Insgesamt gewinnt man für jene Jahre den Eindruck, dass die neue Marienfrömmigkeit allmählich an Boden gewann. Ebenfalls 1604 konnte die bereits 80-köpfige marianische Schülerschola acht neue Mitglieder aufnehmen.26 Daneben gab es in Olmütz noch eine Mariensodalität für Externe. Der tatkräftige Olmützer Oberhirte Franz Seraph Kardinal von Dietrichstein27 (1599‒1636) besuchte die Schülertreffen häufiger und lebte den Jugendlichen die marianische Kultpraxis im Jesuitenkolleg vor. Aber erst 1628, nach der politischen Weichenstellung in den böhmischen Ländern zugunsten der katholischen Konfessionalisierung, florierten die Marienbruderschaften. Nachdem im Jahre 1625 in Znaim/Znojmo eine offensichtlich profane Bruderschaft eingerichtet worden war, wurde diese 1628 auf Initiative und unter Leitung des Grafen Michael Ferdinand von Althan in eine Mariensodalität überführt, die fortan von ehemaligen Jesuitenschülern frequentiert wurde. Verständlicherweise war Althan selbst ehemaliger Jesuitenschüler, so dass nun die Saat aufzugehen begann. Die Znaimer Bruderschaft „Mariae Heimsuchung“ wurde noch im gleichen Jahr an das römische Zentralinstitut angeschlossen. Nach dem Znaimer Vorbild wurde im gleichen Jahr auf Initiative von Althan auch in Iglau/Jihlava eine Marienbruderschaft errichtet, die allerdings erst im Jahr 1633 in Rom Anerkennung fand. In jenem Jahr zogen dann auch Glatz/Kłodzko und Brünn nach, wo für die Bürger Mariensodalitäten eingerichtet wurden.28 Als Motiv für die städtisch-bürgerlichen Neuerrichtungen gibt die Chronik sachdienlich an: „[…] um zum katholischen Glauben zurückzuführen, die Sitten der Reinheit und Tugend leichter wieder einzuführen und die Liebe der würdigsten Gottesmutter, die einst durch die Herrschaft der Häretiker dort verhasst war, im hohen Maße wieder einzuwurzeln“29. Es wird also an diesen Beispielen ganz deutlich, dass die ständisch-protestantische Aufstandsbewegung, die Mähren zwischen 1619 und 1621 erfasst hatte, durch marianische Frömmigkeit verar24 Vgl. dazu den Beitrag von Wolfgang Brückner in diesem Band. 25 Schmidl, Historiae (wie Anm. 11), 378 f. 26 Ebd., 379. 27 Eberhard, Winfried: Art. Dietrichstein. In: Die Bischöfe 1448‒1648 (wie Anm. 3), 129‒133. 28 Dazu: Schmidl, Johann: Historiae Societas Jesu Provinciae Bohemiae. Bd. 3. Praga 1757, 871. 29 Ebd., 871.

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beitet und korrigiert werden sollte. Die Jesuiten mussten in jenen Jahren ihre mährischen Wirkungsstätten räumen und erlebten beispielsweise, wie im Februar 1620 ihre Kirche in Brünn profaniert und in Anwesenheit des „Winterkönigs“ Friedrich von der Pfalz dem calvinistischen Kultus übergeben wurde.30 Dabei verbrannten die neuen Herren auch in ­Olmütz alle ­Altäre und das Gestühl.31 Erst im Sommer 1621 konnten die Patres zurückkehren. Über diese Zeit des überwundenen protestantischen Bildersturms berichtet die Chronik: „Die Verehrung und der Kult Unserer Herrin [gemeint ist Maria], welcher durch die Tumulte der Häretiker bis tief ins Innere abgeschafft und zertreten worden war, wurde wieder hergestellt und sogar durch den Eifer der Patres vergrößert“32. Man gewinnt hier den Eindruck, als habe die protestantische Schändung gerade des Marienkults die Jesuiten am tiefsten getroffen, die ihn mit einer vertieften und konfessionstheologisch aufgeladenen marianischen Frömmigkeit entsühnen und für alle Zukunft wirksam wiederherstellen wollten. Nun erst, nach 1621, griff der erneuerte Marienkult in Mähren flächendeckend und sozial umfassend. Die Verarbeitung der schockierenden Aufstandserlebnisse nach innen und außen sowie der Neuanfang in der Kirche Mährens wurden von den Jesuiten nicht ohne Grund unter das Patronat der Gottesmutter gestellt. Der Marienkult der Gegenreformation, der in der Verehrung der Immaculata kulminierte und überdeutlich greifbar wird, stand für die Reinheit in theologischen, kultischen und auch sozialpolitischen Fragen. Rekatholisierung und Sozialdisziplinierung gingen hier nicht nur Hand in Hand, sondern wurden bewusst durch das Vehikel „Maria“ als zentrale Frömmigkeitsform transportiert. Unterstrichen wurde diese Reinheitsidee noch durch die extrem frühe Einführung des Kultes des Hl. Josephs33 in Nikolsburg/Mikulov, der als keuscher Nährvater die Jungfräulichkeit Mariens bezeugt und zum Patron der Beichtpraxis wird.34 Damit flankiert er die konfessionelle Substanz der tridentinischen Marienverehrung als solche und leistete einen deutlichen Beitrag zur Sozialdisziplinierung. Die nach 1600 nur zögerlich greifende Kultimplementierung wurde, nachdem die politisch-konfessionellen Voraussetzungen nach 1621 nahezu uneingeschränkt gegeben waren, mit voller Kraft und auch mit größtem Nachdruck vorangetrieben. Diesem Vorhaben kam noch ein anderes Moment entgegen: Die ersten Jesuiten in Mähren hatten mittlerweile eine Generation herangebildet, die in der römisch-tridentinischen Tradition stand und spätestens nach 1621 führende Positionen in Staat und Kirche einnahm.35 Nur mit Hilfe katholischer Adliger war der endgültige und flächende30 31 32 33

Ebd., 217. Ebd., 436. Ebd., 435. Zur Josephsverehrung diesseits der Alpen, die überwiegend dem Wirken der Karmeliten zu verdanken ist, zuletzt eingehend: Samerski, Stefan: „… in allen Stücken als Nothelfer kennengelernt“. Die Anfänge des globalen Josephskults als Wechselwirkung zwischen karmelitischer Spiritualität und ­dynastischem Interesse der Habsburger. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 116 (2008), 345‒361. 34 Schmidl, Historiae (wie Anm. 28), 872 f. 35 Das lässt sich bis zur Zusammensetzung des Stadtrates beobachten: Samerski, Annenbruderschaft (wie Anm. 6), 108.



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ckende Durchbruch der neuen katholischen Kultformen möglich geworden. ­Maria war gleichsam auf das weltlich-geistliche Tandem angewiesen. Aber selbst in jenen zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts regte sich vielerorts noch Widerstand in Mähren. Glaubhaft berichtet die Jesuitenchronik von Komplikationen und Ablehnung bei der Gründung von marianischen Bruderschaften: Sowohl Privatpersonen als auch öffentliche Funktionsträger brachten den Sodalitäten vielfach Neid und Argwohn entgegen.36 Um solche misstrauische Kritik abzubauen, setzten die Patres vereinzelt auch einheimische Bürger als Rektoren der Bruderschaften ein, wie Maximilian Kempluer in Brünn, der nun 140 Mitgliedern vorstand.37 Außerdem bemühten sich die Jesuiten in jenen Jahren, die thaumaturgischen Fähigkeiten der Gottesmutter anhand von zahlreichen Wunderberichten in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und deutlich herauszustellen. Der Chronist bezeichnete sie als Potentissima Domina, die nach Gott alles könne.38

Wallfahrtswesen Die Erforschung des marianischen Wallfahrtswesens der Jesuiten liefert ähnliche Ergebnisse. Im Jahre 1605 wurde die Wallfahrt zum Marienheiligtum Wartha/Bardo in Schlesien (Zisterzienserpropstei) wieder aufgenommen.39 Seit dem 14. Jahrhundert pilgerten Deutsche, Polen und Tschechen zu der dortigen Marienstatue aus dem 13. Jahrhundert, deren Kult von den Zisterziensern weit verbreitet worden war. Das Kultbild wurde während der Hussitenkriege und der lutherischen Reformation in die Festungsstadt Glatz verbracht und dort um 1605 wieder aufgefunden. Das führte in jenem Jahr nicht nur zu organisierten Wallfahrten von Gläubigen aus Mähren, Böhmen und Deutschland, die von Jesuiten begleitet wurden, sondern auch zu einer deutlichen Polemik gegenüber dem konfessionellen Gegner.40 Nach der Niederschlagung des Ständeaufstandes zogen um 1628 wieder regelmäßig mährische Wallfahrten nach Wartha, die von den Patres organisiert wurden.41 Ähnliches berichtet die Chronik über Mariaschein/Bohosudov bei Teplitz/­Teplice – ein Wallfahrtsort der Schmerzensreichen Muttergottes, der seit 1591 in den Händen

36 Schmidl, Historiae (wie Anm. 28), 872. 37 Ebd. 38 Ebd. 39 Zur Zisterzienserpropstei Wartha (1247‒1810), die von Kamenz abhängig war, vgl.: Witkowska, Aleksandra/Materne, Günter: Art. Wartha. In: Marienlexikon. Bd. 6. Hg. v. Remigius Bäumer und Leo S ­ cheffczyk. St. Ottilien 1994, 693 f. 40 Schmidl, Historiae (wie Anm. 11), 409 f. Im 17. Jahrhundert kamen dann rund 175 000 Pilger jährlich in den schlesischen Wallfahrtsort. Größere Bekanntheit in Böhmen und Mähren erhielt nun das Gnadenbild auch durch das Werk von Balbin, Bohuslav: Diva Warthensis seu Origines et miracula magnae Dei hominumque Matris Dei […]. Praga 1655. 41 Schmidl, Historiae (wie Anm. 28), 873.

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der Jesuiten von Komotau/Chomutov lag.42 Auch hier setzte um 1623 die Wallfahrtsbewegung nach dem Aufstand ein, und zwar mit großer Prachtentfaltung und mit größeren Menschenmengen als zuvor. Bemerkenswert ist auch die soziale Mischung der Pilger, die teilweise einen Fußmarsch von einem ganzen Tag in Kauf nahmen, um dort ihre Sünden zu bekennen und Gnaden zu erbitten.43 Aufgrund des nun anwachsenden Pilgerwesens errichteten die Jesuiten ab 1650 eine Residenz und eine Wallfahrtskirche, die 1701‒1708 im barocken Stil umgebaut wurde.44 Ebenso setzte 1623 in Böhmisch Krumau/Český Krumlov eine Marienwallfahrt ein, um dann einen großen Aufschwung zu nehmen. Sie wurde auch von zahlreichen Mährern besucht. Die Jesuiten waren bereits im Jahre 1584 nach Böhmisch Krumau gerufen worden und hatten dort 1586‒1588 ein großes Kolleggebäude errichtet.45 Das schon angedeutete Ausgreifen der mährischen Marienverehrung auf die Nachbarregionen erfasste nach der Schlacht am Weißen Berg sogar Tschenstochau/Częstochowa: Pilger aus Mähren nahmen unter der Leitung von Jesuiten nach 1623 die Strapazen auf sich, zur Schwarzen Madonna zu ziehen.46 In dieser Zeit des sich qualitativ und quantitativ ausweitenden mährischen Wallfahrtswesens vollzog sich auch die Institutionalisierung von neuen Gnadenorten. Dazu nur ein Beispiel aus dem Bereich der Gesellschaft Jesu: In der Olmützer Jesuitenkirche, die nach dem protestantischen Intermezzo und der persönlichen Schändung durch den „Winterkönig“ wieder bezogen werden konnte, fanden die Patres die hölzerne Marienstatue auf einer Säule unversehrt vor. Im Jahre 1623 wurde diese ­Mariensäule besonders geschmückt und vom Volk als wundertätiges Bild verehrt, nachdem auch in Olmütz nach knapp zwei Jahren Ständeherrschaft die Marienverehrung nahezu zum Erliegen gekommen war. Dieses Marienbild erwarb sich letztgültig seinen Ruf als wundertätig, als es während der achtjährigen schwedischen Besetzung der Stadt47 (1642‒1650) auch dieses Mal unversehrt am Platze verblieb.48 Es wurde daraufhin in das Kolleg transferiert und später in den Hochaltar der Kirche eingebaut. Neben der qualitativen und quantitativen Ausweitung des Marienkultes nach 1621 lässt sich auch in Mähren für die Frühzeit der erneuerten marianischen Frömmig-

42 Zum Wallfahrtsort kurz: Smetana, Jan: Art. Mariaschein. In: Handbuch der historischen Stätten. Böhmen und Mähren. Hg. v. Joachim Bahlcke, Winfried Eberhard und Miloslav Polívka. Stuttgart 1998, 366 f. 43 Auch zum Folgenden: Schmidl, Historiae (wie Anm. 28), 435 f. 44 Dazu: Smetana, Mariaschein (wie Anm. 42), 366. Vgl. auch die ältere, ausführliche Literatur: ­Hallwich, Hermann: Die Jesuitenresidenz Mariascheune (Mariaschein) in Böhmen. Mariaschein 1868. 45 Bůžek, Václav/Krzenk, Thomas: Art. Böhmisch Krumau. In: Handbuch der historischen Stätten (wie Anm. 42), 53‒57, hier 54. 46 Schmidl, Historiae (wie Anm. 28), 437. 47 Die Bevölkerung wurde durch die schwedische Besatzung stark dezimiert; hinzu kamen Epidemien. Dazu: Kux, Johann: Geschichte der königlichen Hauptstadt Olmütz bis zum Umsturz 1918. Reichenberg-Olmütz 1937, 200‒202. 48 Dazu: Schmidl, Historiae (wie Anm. 28), 437.



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keit der Konnex zum Hause Habsburg verifizieren.49 Bekanntlich war die Errichtung von Marien- und Dreifaltigkeitssäulen in den Städten der Habsburgermonarchie in der zweiten Hälfte des 17. und im 18. Jahrhundert eindeutig als Loyalitätserklärung gegenüber dem Landesherrn zu interpretieren.50 Für Böhmen und Mähren haben wir bereits kurz nach der Schlacht am Weißen Berg einen subtil gelagerten marianischen Vorgänger: 1609 wurde in einer hohlen Eiche bei Foy-lez-Dinant in der belgischen Provinz Namur ein Marienbild gefunden, dessen Nachbildungen schnell in Umlauf kamen. Die habsburgischen Statthalter der Spanischen Niederlande, Isabella und ­Albrecht, verehrten das Gnadenbild besonders und stifteten dort etliche Weihe­gaben.51 In Mähren tauchten erste Nachbildungen 1623 auf und verbreiteten sich rasch über die ganze Markgrafschaft.52 Speziell aus Komotau im Egerland und Böhmisch ­Krumau wird von der Aufstellung dieses Marienbildes berichtet, das es dort etliche Wunder – vor allem exorzistische – bewirkt haben soll. Bis zum Jahre 1631 hatte sich das Gnadenbild besonders in den Jesuitenkirchen der böhmischen Länder verbreitet. Die Gesellschaft Jesu bediente diesen neuen Kult bevorzugt, da er Wallfahrer und Stifter anzog. Die Gläubigen versprachen sich vom belgischen Gnadenbild vor allem in ihren alltäglichen Sorgen Hilfe und stifteten ausgiebig für den Schmuck des Marienbildes.53 Damit waren die Jesuitenkirchen zu etablierten und belebten marianischen Kultorten geworden, und die Patres konnten diese populäre Bodenhaftung ihrer Einrichtungen in der Folgezeit nutzen, um ihr kontrovers-theologisches und konfessionelles Gedankengut, das mit zahlreichen Elementen der Sozialdisziplinierung angereichert war, wirksam und breitgefächert in der Bevölkerung zu verankern.

Maria bei den Franziskanern Die Franziskanerfamilie pflegte die Mariendevotion in Mähren schon im Spätmittelalter sehr intensiv und profiliert.54 Sie stieß dabei auf fruchtbaren Boden, denn bereits die Zisterzienser und Prämonstratenser hatten in ihren Niederlassungen traditionell die Muttergottes besonders verehrt. Zahlreiche Städte Mährens schlossen in ihren Mauern mittelalterliche Marienkirchen ein, so etwa in Znaim und Kremsier/Kroměříž Pfarrkirchen zur Ehre der Aufnahme Mariens in den Himmel.55 49 Vgl. den Überblick bei: Samerski, Hausheilige statt Staatspatrone (wie Anm. 5), 272‒277. 50 Ebd., 273. Auch die unter Leopold I. aufkommenden Josephssäulen spiegeln dieselbe Funktionalität wider: Samerski, Anfänge des globalen Josephskults (wie Anm. 33), 356, 358. 51 Barbian, Ludwig: Art. Belgien I u. II. In: Marienlexikon. Bd. 1. Hg. v. Remigius Bäumer und Leo S ­ cheffczyk. St. Ottilien 1988, 415‒417, hier 417. 52 Schmidl, Historiae (wie Anm. 28), 438. 53 Ebd., 1119. 54 Zu den Franziskanern in Mähren und Böhmen: Elbel, Martin: Bohemia Franciscana. Františkánský řad a jeho působení v českých zemích 17. a 18 století [Der Franziskanerorden und sein Wirken auf tschechischem Boden im 17. und 18. Jahrhundert]. Olomouc 2001. 55 Greiderer, Virgilius: Germania Franciscana seu Chronicon Geographo-Historicum ordinis S. P. ­Fran­cisci in Germania […] Bd. 1. Oeniponte 1777, 619 f.

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Die Observanten hatten in Olmütz 1453 zwei Niederlassungen errichtet: eine außerhalb der Stadt, die andere innerhalb, die der Immaculata geweiht war.56 Für diesen Konvent wurde 1468 eine Kirche eingeweiht, deren Hauptaltar Maria und dem Kreuz Christi dediziert wurde. In der lutherischen Reformation wurde dann jede Ordensaktivität eingestellt. Erst Bischof Pavlovský ermöglichte den Konventualen 1593 ein neues Ordensleben in der Hauptstadt, das dann durch den böhmischen Aufstand und die schwedische Besetzung der Stadt keine Möglichkeit zur Entfaltung hatte, obgleich man 1633 eine neue Kirche zu Ehren der Immaculata weihte und diese mit zwei Marienaltären an prominenter Stelle ausstattete.57 So konnte in Olmütz erst in der zweiten Jahrhunderthälfte an einen nachhaltigen Neubeginn gedacht werden, der mit der ordenseigenen Verbreitung des Marienkultes verbunden war. Ähnliches ist auch in der bischöflichen Residenzstadt Kremsier zu beobachten, wo die Observanten 1654 eine neue Kirche zu Ehren der Hl. Dreifaltigkeit weihen konnten. Hier war der vordere linke Seitenaltar der Gottesmutter geweiht und als besondere Gnadenstätte privilegiert.58 In Brünn konnte durch Spendenmittel erst 1651 an den Neubau einer Franziskanerkirche gegangen werden. Der der Hl. Maria Magdalena geweihte Bau wurde 1673 mit sieben Seitenaltären ausgestattet, dessen bedeutendster der Gottesmutter geweiht war. Auf ihm wurde die alte Marienfigur postiert, die schon in der Vorgängerkirche ihren Platz hatte und vom Volk stark verehrt wurde.59 Für eine fortgesetzte spürbare Devotion spricht außerdem, dass beispielsweise vor diesem Altar der 1686 verstorbene kaiserliche Rat Caspar Friedrich Graf von Lamberg mit seiner Frau beigesetzt wurde.60 Insgesamt erkennt man also deutlich, dass die Observanten kultisch mitzogen, allerdings dies erst mit einer gewissen Phasenverzögerung, da sie im städtischen und religiösen Leben Mährens erst sehr viel später Fuß fassten als die Jesuiten. Am Schluss sei noch ein letztes Beispiel eines erst in der zweiten Jahrhunderthälfte florierenden Marienkultes angefügt, der des wundertätigen Lukasbildes aus der Augustinerkirche St. Thomas in Brünn. Diesem Bild wurden zahlreiche Wunder zugeschrieben, darunter auch der Schutz vor der schwedischen Besetzung, die der Stadt 1643 und 1645 erspart geblieben war.61 Zusammenfassend lässt sich festhalten: Obgleich in den achtziger und beginnenden neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche katholische Konfessionalisierung Mährens gegeben waren, lässt sich von einer kultischen Konfessionalisierung erst nach 1621 sprechen, und zwar im jesuitischen Bereich. Nach 1600 gab es verschiedene Ansätze, die aber vom Großteil der Bevölkerung und den immer noch zahlreichen Protestanten gehemmt und diffamiert wurden. Erst die radikale politische Durchsetzung des Katholizismus nach 1621 verschaffte 56 Dazu: Ebd., 616 f.; Gonzaga, Franciscus: De origine Seraphicae Religionis Franciscanae. Bd. 2. Roma 1587, 456. 57 Greiderer, Chronicon (wie Anm. 55), 617. 58 Ebd., 620. 59 Ebd., 639. 60 Ebd., 782 f. 61 Ebd., 636.



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den neuen katholischen Frömmigkeitsformen eine umfassende soziale Breitenwirkung. Die ersten Ansätze in den siebziger und achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts scheiterten als unbeliebt und landfremd. Unverhohlen stand die marianische Frömmigkeit für die reine Lehre der Kirche, Abwehr gegen das Böse und die Häresie sowie für die Gewissensdisziplin der Gläubigen. Ohne die Unterstützung der zu Ämtern gekommenen Jesuitenschüler und die allmähliche populäre Breitenwirkung der ­Marien­verehrung, die nach 1600 – besonders nach 1621 – zu beobachten sind, wäre der bemerkenswerte Aufschwung des Marienkults im jesuitischen Kontext Mährens undenkbar.

D i e M a r ie n vereh ru n g i n d en böhmische n Lä nde rn v o r u n d n ac h 1989 – In sp i r a tion und K onflik te Jaroslav Šebek

Der vorliegende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die verschiedenen Formen der Marienverehrung in den böhmischen Ländern aus historischer Perspektive, wobei die kommunistische Zeit und die Entwicklung in der postkommunistischen tschechischen Gesellschaft beleuchtet werden sollen.

Die Marienverehrung in den böhmischen Ländern vor 1989 Der Marienkult gehörte in den böhmischen Ländern stets zu einem wichtigen Bestandteil der Religiosität. Eine besondere Intensität erreichte er  – wie andernorts auch – im Barock und der katholischen Gegenreformation, in der nicht nur neue Marienwallfahrtsorte entstanden, sondern durch ihn auch die Liturgie und die Kultur nachhaltig geprägt wurden. Vor allem bei der katholischen Dorfbevölkerung spielte die Marienfrömmigkeit über die Säkularisierung hinweg bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts eine zentrale Rolle. Nach der Entstehung der Tschechoslowakischen Republik im Jahre 1918 erlebte sie einen neuen Aufschwung als Reaktion auf die Vernichtung der Prager Mariensäule kurz nach der Staatsgründung. Großer Sympathien erfreuten sich damals die Rosenkranzbruderschaften, vor allem in agrarisch-konservativen Kreisen. Eine wichtige Rolle in der Verbreitung der Marienverehrung spielten außerdem die Marienvereine. Diese wurden häufig von den Jesuiten unterstützt, die im Jahre 1920 eigens zu diesem Zweck die Monatszeitschrift „Ve službách královny“ (Im Dienste der Königin) gründeten. Die Marienvereine erlebten seit der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre, als die antikatholische Propaganda in der Tschechoslowakei abebbte, einen regen Zulauf, und in den dreißiger Jahren hatten diese Gemeinschaften bereits um die 15 000 Mitglieder. Strukturiert nach inhaltlichen Schwerpunkten – beispielsweise in eine eucharistische, karitative bzw. eine Presse-, Missions- oder Literaturabteilung – übernahmen diese Vereine, zu deren Mitgliedern mehrheitlich Frauen zählten, auch die Sorge für den Kirchenschmuck und die Messgewänder.1

1 Novotný, Miroslav: Mariánská družina učitelek a kandidátek při kostele Božského Srdce Páně v Českých Budějovicích. Mariánské družiny v Českých Budějovicích v první polovině 20. století [Der Marienverein der Lehrerinnen und Kandidatinnen bei der Kirche des Göttlichen Herzens Herrn in Budweis. Marienvereine in Budweis in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts]. In: Documenta Pragensia XVIII. Od středověkých bratrstev k moderním spolkům. Hg. v. Václav Ledvinka und Jiří Pešek. Praha 2000, 281–294, hier 287.

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Die Marienverehrung verbreitete sich auch im Milieu der akademischen Jugendvereine, die sich um eine geistige Erneuerung bemühten. Diese Devotion schuf zugleich die Möglichkeit, eine Art Zusammengehörigkeitsgefühl von tschechischen und sudetendeutschen Gläubigen in der Zwischenkriegszeit zu erleben, besonders an marianischen Wallfahrtsorten. Ein beliebtes Ziel beider ethnischen Gruppen stellt Philippsdorf/Filipov oder Grulich/Králíky dar. Die Kehrseite der Wallfahrten war die Tatsache, dass bei dieser Gelegenheit die katholischen Parteien gleichsam politische Agitation betrieben, worauf Vertreter der tschechoslowakischen Kirchenhierarchie in den dreißiger Jahren aufmerksam machten.2 Eine bedeutende Wende in der Entwicklung der Religionsverhältnisse und der Marienverehrung stellten der Beginn der kommunistischen Herrschaft (1948) und die daraufhin einsetzende massive Kirchenverfolgung dar.3 Die neu etablierte, totalitäre Macht war bemüht, die Kirchen und insbesondere die größte unter ihnen  – die römisch-katholische – einer strengen staatlichen Kontrolle zu unterziehen. Dazu wurde im Oktober 1949 die Staatsbehörde für kirchliche Angelegenheiten (Státní úřad pro věci církevní, SÚC) gegründet, und bereits im Sommer 1949 wurden auf Kreis- und Bezirksebene der Nationalausschüsse Kirchensekretäre eingesetzt, die in enger Zusammenarbeit mit den Partei-, Staats- und Sicherheitsorganen alle religiösen Aktivitäten kontrollierten. Die kommunistische Regierung unterdrückte sämtliche Formen des öffentlichen religiösen Lebens. Die ersten Maßnahmen betrafen die lebendige Marienverehrung, vor allem sollte der Besuch von Gläubigen zu den Wallfahrtsorten an Festtagen eingeschränkt werden. Zwar versuchte das kommunistische Regime anfangs, die Wallfahrten zu seinen propagandistischen Zwecken zu nutzen und in „Friedensversammlungen“ umzuwandeln.4 Dies wurde jedoch von der Mehrheit der Geistlichen und Gläubigen abgelehnt. Auf diesen Misserfolg folgten staatlicherseits Versuche, die Wallfahrtstradition durch direkte Übergriffe auf die Ordensgemeinschaften, die die Wallfahrtsorte verwalteten, zu unterbinden. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang hauptsächlich auf die sogenannte „Aktion K“ im April 1950, in der alle Mitglieder der entsprechenden Gemeinschaften interniert wurden. Die Staats- und Parteiorgane schränkten außerdem über amtliche Verbote die Möglichkeit ein, die entsprechenden Feste der Wallfahrtsorte zu besuchen. Die Verbotswelle erreichte ihren Höhepunkt in den Jahren 1950–52, als die Marienwallfahrten fast vollständig zum Erliegen gekommen waren, am konsequentesten in Mähren. Die Staatsorgane waren zugleich bemüht, ihrer Handlungsweise einen legitimen Anstrich zu verleihen und somit nach außen hin den Anschein von Religionsfreiheit zu wahren. So wurden die 2 Katolík, Nr. 4, 15.02.1938, 2. 3 Zu den neuesten Veröffentlichungen über die Entwicklung des kirchlichen Lebens in der Epoche des Kommunismus in der Tschechoslowakei vgl. Balík, Stanislav/Hanuš, Jiří: Katolická církev v Československu 1945–1989 [Die katholische Kirche in der Tschechoslowakei 1945–1989]. ­Brno 2007. 4 Ein Beispiel bieten die kommunistischen Versuche im Frühjahr 1950, die „Friedensmanifestationen“ an den Wallfahrtsorten Říp, Svatá Hora und Svatý Hostýn zu veranstalten. Vgl. ebd., 276 f.



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Verbote offiziell mit ökonomischen Ursachen begründet. Ein beliebter Vorwand bildete etwa die Verbreitung von Tierseuchen oder die Behinderung im landwirtschaftlichen Arbeitsprozess am Sonnabend und Sonntag. Wie jedoch in den Berichten der Kirchensekretäre zu lesen ist, haben Gläubige und Priester ihre Unzufriedenheit über solche Maßnahmen zum Ausdruck gebracht, da ja auch Fußballspiele und andere Unterhaltungsaktionen an Wochenenden gebilligt wurden.5 Auch unter den erschwerten Bedingungen konnte die Marienverehrung aufrecht erhalten werden, insbesondere in großen Wallfahrtsorten wie Heiligen Berg bei Přibram/Svatá Hora u Příbrami in Mittelböhmen und vor allem in Süd- und Mittelmähren. Die Anzahl der Gläubigen sank jedoch stark: In Svatá Hora wurden 1948 noch 80 000 Besucher verzeichnet, im Jahre 1949 waren es hingegen lediglich 5 000.6 Einige Wallfahrten, besonders an Orten mit weniger ausgeprägter Religiosität, wurden aufgrund staatlicher Restriktionen und der damit verbundenen radikalen Senkung der Pilgerzahlen allmählich ganz eingestellt. Ein solches Schicksal ereilte in der ersten Hälfte der 50er-Jahre den Wallfahrtsort Altbunzlau/Stará Boleslav, wo sich der Kult des Hl. Wenzel mit der Marienverehrung verbunden hatte. Zu einer allmählichen Wiederbelebung der dortigen Wallfahrtstradition konnte es erst wieder nach 1989 kommen. Besonders schlecht bestellt war es auch um die Wallfahrtsorte in den Grenzgebieten, die historisch eng mit der religiösen Praxis der sudetendeutschen Bevölkerung verknüpft waren. Viele dieser Orte waren zu militärischen Sperrzonen erklärt worden, andere wiederum waren vorsätzlich beseitigt worden. Als Beispiel hierfür ist die vollständige Vernichtung der bekannten Wallfahrtsstätte Mariahilf bei der Gemeinde Zuckmantel/Zlaté Hory zu nennen, deren Tradition bis in die Barockzeit zurückreichte. Im Mai 1955 erhielt das Pfarramt in Zlaté Hory den Befehl, die Gottesdienste in der Kirche Mariahilf einzustellen, wobei man die Kirchenschließung u. a. mit den Bergarbeiten und der Erzforschung in der unmittelbaren Umgebung begründete. Im Herbst 1973 wurde die allmählich verfallende Kirche endgültig abgerissen.7 Das Gotteshaus wurde 1989 in seiner ursprünglichen Form wieder aufgebaut und wieder zum Ziel zahlreicher Wallfahrten. Deutsche Katholiken, die nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aus den böhmischen Ländern vertrieben worden waren, spielten in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre eine besondere Rolle bei der Organisation von Marienandachten. Im Frühjahr 1952 musste die Staatsbehörde für die kirchlichen Angelegenheiten mit Missfallen feststellen, dass 20 000 Sudetendeutsche an einer Wallfahrt nach Maria Kulm/Chlum svaté Maří in der Karlsbader Region teilgenommen hatten, wobei 7 000 von ihnen auch

5 Národní archiv Praha [Nationalarchiv Prag] (im Folgenden NAP), SÚC, Karton 3, Sekretariat, Aktennummer T 982/55-S; geschickt an KNV (Krajský Národní Výbor/Kreisnationalausschuss) in den böhmischen Ländern, das Referat des SÚC-Vorsitzenden Jaroslav Havelka, vorgetragen auf dem gesamtstaatlichen Treffen der Kirchensekretäre am 27.11.1953 in Prag. 6 NAP, SÚC, Karton 7, Přehled návštěvnosti poutí; březen 1950 [Eine Übersicht der Besucherzahlen an den Wallfahrtsorten; März 1950]. 7 Lothar, Martin: Maria Hilf bei Zuckmantel. In: Czech Radio 7, Radio Prag, 24.06.2000.

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dem Gottesdienst in der Wallfahrtskirche beiwohnten.8 Nach einer weiteren Auswanderungswelle der deutschstämmigen Bevölkerung in die Bundesrepublik Deutschland Mitte der fünfziger Jahre ging der Gottesdienstbesuch sowie die Frequenz bei den Marienandachten rapide zurück, an einigen Orten sogar um bis zu 60 bis 90 %. Dadurch erlitt die Religiosität insgesamt – vor allem in Nord- und Westböhmen – empfindliche Einbußen.9 Nach dem Tod des tschechoslowakischen Staatspräsidenten Klement Gottwald (1896–1953) und von Josef Stalin (1878–1953) kam es 1953 in der Tschechoslowakei zu einer gewissen Liberalisierung der Kirchenpolitik. Man sah nun von strikten Wallfahrtsverboten ab, die ohnehin nicht sehr effektiv waren, und suchte stattdessen nach anderen Möglichkeiten, die Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen einzuschränken. Einer der Gründe hierfür war, dass insbesondere in Südmähren viele kommunistische Funktionäre noch in einem religiösen Geist erzogen worden waren und nur widerwillig auf ihre ursprünglichen Überzeugungen verzichteten. Davon zeugt unter anderem die Rede des SÚC-Vorsitzenden Jaroslav Havelka (*1914), der auf einer Schulung für Kirchensekretäre erklärte, dass „die Volksverwaltung in zahlreichen Gemeinden in den religiös geprägten Regionen die Kirchenpolitik nicht richtig durchsetzen kann und dem Einfluss der klerikalen Reaktion unterliegt, weil die dortigen Parteifunktionäre, selbst unter dem Einfluss eines reaktionären Pfarrers stehend, dessen gefährliche (religiöse) Tätigkeit übersehen und sie manchmal sogar unterstützen. Die lokalen kommunistischen Funktionäre tragen dem Pfarrer den Baldachin bei Fronleichnams­ prozessionen und nehmen auch an Marienandachten teil (!!!).“10

Zur Zeit des politischen Tauwetters erhielten Wallfahrten, einschließlich Marienwallfahrten, eine klar politisierende Ausrichtung und wurden damit zum Ausdruck der Ablehnung des kommunistischen Regimes. Vor allem auf dem Lande stieg die Beteiligung an den Wallfahrten als Reaktion auf die Misserfolge der kommunistischen Landwirtschaftspolitik. Ein Bericht der Staatsbehörde für Kirchenangelegenheiten bringt die kirchliche Praxis mit den Misserfolgen bei der Kollektivierung in der Landwirtschaft in einen direkten Zusammenhang: „(…) dort, wo die LPGs zerfallen oder wo ökonomische Probleme auftauchen, flüchtet sich das Volk in die Kirchen und Wallfahrtsorte, um gegen die volksdemokratische Führung still zu demonstrieren (…). In Mähren sind die Kirchen voll nicht nur von einfachen Gläubigen, sondern auch von reaktionären Elementen“.11 Eine weitere Belebung der Marienwallfahrt   8 NAP, SÚC, Karton 3, Ing. Josef Plíhal, Auswertung einer Anweisung in den Bezirken vom 5.– 9.06.1952, in Prag am 23.06.1952.   9 Zur Problematik der Religiosität in Grenzregionen vgl. Zückert, Martin: Veränderungen kirchlichen Lebens in den tschechischen Grenzregionen nach 1945. In: Religion in den böhmischen Ländern 1938–1948. Diktatur, Krieg und Gesellschaftswandel als Herausforderungen für religiöses Leben und kirchliche Organisation. Hg. v. Martin Zückert und Laura Hölzlwimmer. München 2007, 253–281. 10 NAP (wie Anm. 5). 11 NAP, SÚC, Karton 3, Josef Plíhal, Mitarbeiter der SÚC in Prag am 26.09.1953, Zpráva o situaci a aplikace projevů s. Zápotockého a s. Širokého na naši církevně-politickou práci [Bericht über die Lage und Anwendung der Reden der Genossen Antonín Zápotocký und Viliam Široký auf unsere kir-



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brachten die Ereignisse des Jahres 1956. Dies hing einerseits mit einer politischen Entspannung nach dem XX. Parteitag der KPdSU zusammen und andererseits mit einer stärker werdenden Aktivität der katholischen Geistlichkeit, die – mit Blick auf Polen, wo der Repressionsdruck der frühen fünfziger Jahre allmählich nachließ – auch eine Änderung in der tschechoslowakischen Kirchenpolitik forderte.12 Seit März 1956 wiesen die Behörden auf eine steigende religiöse Praxis hin. Den Informationen der SÚC-Führung zufolge trugen auch „bedeutende Ermäßigungen im Busverkehr, in deren Folge die Zahl von Pilgerreisen stark anstieg“ zum Aufschwung der Wallfahrten bei.13 Zu neuen Initiativen und einer Intensivierung der Marienverehrung kam es insbesondere im Marienjahr 1954, das Papst Pius XII. (1939–1958) anlässlich des 100. Jahrestages der Veröffentlichung des Dogmas über die Unbefleckte Empfängnis Mariens ausrief. Aus diesem Anlass organisierte die Priesterschaft das ganze Jahr hindurch regelmäßige besondere Andachten, die mit Katechesen für die Gläubigen verbunden waren. Die Kirchensekretäre kommentierten diese in ihren regelmäßigen Monatsberichten mit deutlichem Missfallen. Die Verkündigung des Dogmas über die Aufnahme Mariens in den Himmel im Jahre 1950 blieb dagegen in der Tschechoslowakei aus politischen Gründen praktisch unbeachtet.14 In „Katolické noviny“ (Katholische Zeitung) – eines der wenigen kirchlichen Periodika, das in der kommunistischen Ära erscheinen durfte  – hatte die Frage nach der Wahrung des Friedens Vorrang. Wie in der Dezemberausgabe zu lesen war, „war das bedeutendste Ereignis der vergangenen Woche der zu Ende gegangene 2. Weltkongress der Kämpfer für den Frieden, der zu einem großen Manifest aller Menschen guten Willens unabhängig von der Nationalität oder dem Glaubensbekenntnis geworden ist“.15 Nach dem antikommunistischen Aufstand in Ungarn 1956 verschärfte das Regime der Tschechoslowakei im Unterschied zu Polen die kirchenpolitische Linie erneut. Dieses Mal sah der Staats- und Parteiapparat jedoch von einer brutalen Verfolgung wie in den fünfziger Jahren ab und suchte stattdessen nach neuen Wegen, die kirchliche Praxis einzuschränken. So versuchte man beispielsweise die Wallfahrten ihres geistlichen Charakters zu entkleiden, indem man Parallelveranstaltungen mit rein kultureller bzw. gesellschaftlicher Ausrichtung anbot.16 Dahinter verbarg sich die Absicht, eine allmähliche Wandlung des Wertesystems und somit eine dauerhafte Veränchenpolitische Arbeit]. Ein Beispiel bietet auch die Brünner Diözese, wo „es in der Gemeinde Tuřany zu Demonstrationen der Unzufriedenheit beim Verbot (der Marienwallfahrt) kam, die später nachträglich bewilligt wurde, aus Protest dagegen nahmen 500 Erwachsene und 200 Kinder daran teil“ (vgl. SÚC, Prag 24.08.1953, Bericht über die Anweisung vom 19.08.1953 in Brünn). 12 NAP, SÚC, Karton 3, Současné otázky církevní politiky po XX. sjezdu [Aktuelle Fragen der Kirchenpolitik nach dem XX. Parteitag]. 13 Ebd. 14 Cekota, Vojtěch: České ohlasy vyhlášení dogmatu o Nanebevzetí Panny Marie [Tschechische Reaktionen auf die Ausrufung des Dogmas über Maria Himmelfahrt]. In: Teologické texty 11/5 (2000), 196–198. 15 Katolické noviny, 2/49, 03.12.1950, 1. 16 In den Dörfern wurde die Ortsverwaltung zur Veranstaltung von öffentlichen Kultur- und Sportereignissen, Gastspielen von Theaterensembles, zu Filmvorführungen und Busreisen zu nicht sakralen

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derung der Religionsverhältnisse im Land herbeizuführen, wobei diese Maßnahmen insbesondere an die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen adressiert waren.17 Nach dem Scheitern des Prager Frühlings 1968 und dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts wurde der Druck auf die Kirche als eine mögliche Quelle des Widerstandes gegen die neue KPTsch-Führung weiter verstärkt. Damit ging eine neue Welle atheistischer Propaganda einher, die angesichts der nach der sowjetischen Okku­pation herrschenden apathischen Stimmung einen weitaus größeren Erfolg als in der vorangegangenen Periode der kommunistischen Herrschaft verbuchen konnte.18 Die Wallfahrten fanden nach wie vor statt, hatten sich allerdings nicht weiterentwickelt. Zu beliebten Zielen gehörten während der ganzen kommunistischen Zeit ­Svatá Hora und Rimau/Římov in Böhmen sowie St. Hostein/Svatý Hostýn, Welehrad/­ Velehrad, Kiritein/Křtiny und Scharoschitz/Žarošice in Mähren. Die Marienfeste wurden von den Gläubigen als eine seltene Chance wahrgenommen, ihr geistiges Leben zu vertiefen, u. a. dank der Teilnahme bekannter Prediger bzw. durch die Möglichkeit, die Sakramente zu empfangen (Beichte etc.). Auf die Dringlichkeit, die Marienverehrung und das Rosenkranzgebet aufrecht zu erhalten und gesellschaftlich breit zu propagieren, wies Bischof František Tomášek (1899–1992) in den siebziger Jahren immer wieder in seinen Hirtenbriefen hin.19 Durch die Marienverehrung sollte auch die geistige Verbundenheit mit Christus im Alltag gestärkt werden.20 Im Rahmen der beschränkten Möglichkeiten versuchte Tomášek – seit 1965 Apostolischer Administrator der ­Diözese Prag, seit 1977 Erzbischof und Kardinal –, das Christentum mittels einer christozentrischen Marienfrömmigkeit als moralische Alternative zur herrschenden Ideologie herauszustellen. An Gewicht gewann der Marienkult in den böhmischen Ländern vor allem nach der Wahl des polnischen Kardinals Karol ­Wojtyła (1920–2005) zum Papst im Oktober 1978, der als großer Marienverehrer bekannt war. Mit seiner päpstlichen Devise Totus Tuus (Ganz Dein) stellte er sein ganzes Ponti­fikat unter den Schutz der Gottesmutter.21

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Sehenswürdigkeiten aufgefordert, die die Sehnsucht nach Kirchenfesten unter der Bevölkerung unterdrücken und ersetzen sollten. NAP (wie Anm. 12). NAP, SÚC, Karton 7, SÚC, Kultsektion, Prag 14.07.1955, Bearbeitung der Ergebnisse der Untersuchungen zur Religiosität. Zur allgemeinen Charakteristik der religiösen Situation in der Tschechoslowakei im Verlauf der ersten Etappe der sog. „Normalisierung“ vgl.: Cuhra, Jaroslav: Církevní politika KSČ a státu v letech 1969–72 [Kirchenpolitik der KPTsch und des Staats in den Jahren 1969–72]. Praha 1999. In den 70er und 80er-Jahren wurden in der Prager Erzdiözese mehrere Hirtenbriefe, die speziell für die Vertiefung des Rosenkranzgebets gedacht waren, veröffentlicht. Vgl. Hirtenbriefe über das Rosenkranzgebet vom September 1975, Oktober 1979, September 1980, Oktober 1982 und Oktober 1984. In: Opatrný, Aleš: Pastýřské listy 1945–2000. Arcidiecéze pražská [Hirtenbriefe 1945–2000. Prager Erzdiözese]. Kostelní Vydří 2003, 281–283; 357–360; 378–380; 416 f. und 453–455. Hirtenbrief des Prager Erzbischofs Tomášek zur Verkündigung des Marianischen Jahres vom Juni 1987. Ebd., 488. Gąsior, Agnieszka: Die Gottesmutter. Marias Stellung in der religiösen und politischen Kultur Polens. In: Die Renaissance der Nationalpatrone. Erinnerungskulturen in Ostmitteleuropa im 20./21. Jahrhundert. Hg. v. Stefan Samerski. Köln-Weimar-Wien 2007, 77–98, hier 88. Papst Johannes Paul II. verkündete auch das zweite Marianische Jahr 1987/88, das im Zusammenhang mit dem Jubiläum der ma-



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Im Zusammenhang mit der identitätsstiftenden Bedeutung der Marienverehrung darf auch das slowakische katholische Milieu nicht unerwähnt bleiben. Dort stieg nämlich hauptsächlich in den achtziger Jahren die Teilnahme an Marienfesten bedeutend an. Seit dem Jahr 1983, in dem 150 000 Menschen allein das Sanktuarium in Leutschau/Levoča besuchten, machten sich die hohen Pilgerzahlen immer deutlicher bemerkbar.22 Am Fest ­Mariä Verkündigung, am 25. März 1988, fand in ­Pressburg/ Bratislava die sogenannte „Kerzendemonstration“ der slowakischen Gläubigen für die Religions- und Bürgerrechte statt, die von der kommunistischen Polizei brutal unterdrückt wurde. Es handelte sich dabei um eine der bedeutendsten Demonstrationen in der Zeit der sogenannten „Normalisierung“, die die Unzufriedenheit mit der Staatsgewalt zum Ausdruck brachte. Sie läutete zudem die zunehmende Aktivität der un­ abhängigen Bewegungen sowie eine weitere Krise des bestehenden politischen Systems ein. In den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts spielten auch einige Wallfahrten in den böhmischen Ländern eine wichtige Rolle für die Stärkung des Selbstbewusstseins unter den Christen im Kampf gegen die Staatsgewalt. Insbesondere ist hier die Wallfahrt nach Velehrad im Juli 1985 zu nennen, mit der die Teilnehmer ihre Ablehnung des kommunistischen Regimes zum Ausdruck brachten. Die organisierte Pilgerbewegung brachte die Treue zum Papst, zu Kardinal František Tomášek und zur Kirche insgesamt zum Ausdruck; sie manifestierte die erneuerte Kraft der ecclesia silenti und ihrer Gläubigen, die nun keine Furcht mehr zeigten.23 Trotz des allgemein sinkenden Interesses wurden die Wallfahrten von den Staatsorganen und der Staatssicherheit weiterhin überwacht bzw. behindert, indem beispielsweise weniger Busse zur Verfügung standen oder andere Verkehrsmaßnahmen angeordnet wurden, die die Zahl der Besucher während der großen Feste reduzieren sollten. Im April 1978 brach außer­dem auf dem Svatá Hora unter nicht geklärten Umständen ein verheerendes Feuer aus, das große Schäden auf dem gesamten Areal verursachte. Neben den Wallfahrten gehörte zu dieser Zeit das Rosenkranzgebet, das während der Gottesdienste in den Kirchen und während der Maiandachten in den Pfarrgemeinden abgehalten wurde, zu den am meisten verbreiteten Formen der Marienverehrung. Insbesondere die Maiandachten, die von einem breiten Kreis von Laien mit Musik (Gesang etc.) und Litaneien gestaltet wurden, bedeuteten für die Versammelten häufig rianischen Erscheinung in Fátima und der Enzyklika Redemptoris Mater („Die Mutter des Erlösers“) vom 25. März 1987 stand. Diese päpstliche Initiative fand auch bei den Gläubigen in den böhmischen Ländern ein positives Echo. 22 Im Sommer 1987 stieg beispielsweise die Anzahl auf 250 000, wohl auch aus Anlass der Ausrufung des „marianischen Jahres“ durch den Papst. Der Großteil der Pilger waren junge Leute bis etwa 30 Jahre. Die großen Wallfahrten nach Leutschau wurden 1987 von ca. 70 % der Jugendlichen und jungen Erwachsenen frequentiert, die nach Šaštín in der Slowakei im gleichen Jahr sogar von 86 % (Archiv bezpečnostních složek [Archiv der Sicherheitskräfte], X. správa SNB (fond 36), 5. odbor [X. Verwaltung der „SNB“  – „Verband der nationalen Sicherheit“ (fond 36), 5. Sektion], i. j. 976, Infor­mation zu den Ergebnissen der Tätigkeit der SNB im Kampf gegen die Aktivität der kirchlichen Strukturen, II. Halbjahr 1987). 23 Blehová, Beata: Der Fall des Kommunismus in der Tschechoslowakei. Wien 2006, 121.

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nicht nur ein geistiges, sondern auch ein ästhetisches Erlebnis. Während des Kommunismus wurden sie deshalb auch spontan von Menschen besucht, die aus einem nichtgläubigen Milieu stammten. Ende der siebziger Jahre kam es in der Tschechoslowakei zur Belebung der Religiosität, die sich unter anderem in der Entstehung von neuen spirituellen Gemeinschaften im Geist des Zweiten Vaticanum äußerte. Eine wichtige Rolle spielten dabei Jugendgruppen, die vor allem in den Pfarreien oder im Geheimen in den Ordensgemeinschaften (Salesianer, Franziskaner) angesiedelt waren. Hier wurden besonders das Rosenkranzgebet sowie Marienmeditationen gepflegt. Marianische Themen tauchten außerdem sporadisch in religiösen Periodika auf, z. B. in der bereits erwähnten „Katolické noviny“ oder im Cyrilometodějský kalendář (Kyrill- und Method-Kalender).

Die Entwicklung der Marienverehrung in den böhmischen Ländern nach 1989 Nach der Samtenen Revolution von 1989 und der Rückkehr zu Demokratie und Religionsfreiheit musste sich die Kirche mit den Folgen der 40-jährigen Atheisierungskampagnen auseinandersetzen. Außerdem ging es um die Frage nach unterbrochenen religiösen Traditionen, so etwa, wo Gläubige in ihrer Frömmigkeitspraxis auf Formen beharrten, die sie noch aus der Zwischenkriegszeit oder sogar von noch früher herübergerettet hatten und diese als Stereotype konservierten. Eine tiefere Reflexion über die Glaubensinhalte, die während des Kommunismus vor allem in kleineren Gemeinschaften und in Intellektuellenkreisen gepflegt wurde, erzielte nach 1989 keine Breitenwirkung. Das betraf auch die Marienverehrung. Am meisten verbreitet war nach wie vor das Rosenkranzgebet, das vor allem in den größeren Stadtpfarreien mit marianischen Katechesen verbunden war. Ebenso blieb die Wallfahrtstradition bestehen. Unmittelbar nach der politischen Wende wuchs zwar zunächst das Interesse an den marianischen Pilgerorten, im Zuge dessen es zu einer Erneuerung der Kultstätten kam. Doch dieser Trend hielt nicht lange an. Immerhin begannen vielerorts Ordensgemeinschaften, wieder aktiv zu werden, so beispielsweise in Svatá Hora die Redemptoristen oder in Svatý Hostýn die Jesuiten.24 Diese beiden Wallfahrtsorte weisen auch die höchsten Besucherzahlen auf (rund 70 000–100 000 Menschen pro Jahr). Dank der Ansiedlung des Pallottinerordens kam es zur Belebung der Wallfahrtstradition in Stará Boleslav. Seit 2003 werden dort regelmäßig am 28. September, dem St. Wenzels­ tag, Wallfahrten veranstaltet. Dieses Datum wurde vom tschechischen Parlament im Jahre 2000 nach heftigen Kontroversen zum Tag der tschechischen Staatlichkeit aus-

24 Die Vereinigung von „Matice svatohostýnská“ allein hat zurzeit ca. 7 000 Mitglieder. In Svatý ­Hostýn finden außerdem regelmäßig Wallfahrten der politischen Gefangenen statt, die ihren Ursprung schon in der Zeit nach dem Krieg haben.



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gerufen und als Staatsfeiertag eingeführt.25 Zur Wiederbelebung der Marientradition kam es außerdem an Kultorten, die sowohl tschechische als auch sudetendeutsche Katholiken anzogen (Filipov, Haindorf/Hejnice). Besonders in der deutsch-tschechischen Grenzregion, die nach der Vertreibung der Sudetendeutschen die religiös am stärksten vernachlässigte Region Tschechiens ist, hat die Wiederbelebung von ­Hejnice, unweit von Friedland/Frýdlant im Isergebirge, insofern Symbolcharakter, als dort nach 1989 in den Räumlichkeiten der Basilika Mariä Heimsuchung ein Ort des tschechisch-deutschen Dialogs entstand. Offen bleibt jedoch die Frage nach der Langzeitwirkung solcher einmaligen großen Treffen oder Wallfahrten. Die voranschreitende Säkularisierung der Gesellschaft bewirkt, dass Wallfahrtsorte zunehmend nur noch in ihrer historischen Dimension wahrgenommen werden. An einigen Orten scheint es heute sogar, dass die erschwerten Bedingungen des Kommunismus die Kreativität der Gläubigen stärker gefördert haben als die Freizügigkeit nach der Wende. Allein die Wiederbelebung alter Formen ohne ein tieferes aktuelles Begleitprogramm spricht größtenteils nur noch die ältere Generation an. Die Jüngeren fühlen sich von der Wallfahrt nur dann angezogen, wenn ihnen dort eine breitere Skala von Aktivitäten geboten wird. Mehr als von einer traditionellen Wallfahrt fühlen sie sich heute von Massenveranstaltungen anderer Art angesprochen, wie z. B. den Begegnungen mit Bischöfen anlässlich der Weltjugendtage. Auch wenn heute solche „Massenevents“ an Marienwallfahrtsorten stattfinden (z. B. in Klokoty bei Tábor 2007 oder in Svatá Hora 1999), betonen sie in der Regel andere Inhalte als traditionelle Wallfahrten. Zum festen Bestandteil werden hier zunehmend offene Diskussionen über die Stellung des Christentums im Leben der jungen Menschen sowie über soziales und gesellschaftliches Engagement, an dem sich auch die Kirche beteiligt (z. B. Hilfe für Länder der Dritten Welt).26 Die mittlere Generation wirft ein ganz anderes Problem auf, da ihre auf die kommunistische Zeit zurückgehende Abneigung gegen jegliche Massenveranstaltungen ein allgemein geringes Interesse am Wallfahrtswesen erzeugt hat. In der postkommunistischen Zeit sank die Bedeutung von Maiandachten, insbesondere in den urbanen Pfarreien, wo die intensivierte seelsorgerische Aktivität kaum Raum für die angestammten Frömmigkeitsformen ließ.27 Dafür ist das Interesse in den Dörfern ohne einen stabilen Seelsorgerdienst nach wie vor lebendig, denn die regelmäßigen Treffen bieten den Menschen häufig die einzige Gelegenheit zum gemeinsamen Gebet. Wie bereits erwähnt, erfreute sich das spirituelle Engagement der Laien schon in der kommunistischen Zeit großen Zuspruchs. Diese Tendenz nahm in den böhmischen Ländern nach 1989 noch zu und führte zur Entstehung mehrerer Gemeinschaften. Zu 25 Samerski, Stefan: Wenzel. Altes und neues Symbol der Böhmischen Länder. In: Die Renaissance der Nationalpatrone (wie Anm. 21), 99–115, bes. 112–114. 26 Katolický týdeník [Katholische Wochenzeitung] (im Folgenden KT), 18/34, 21.08.2007. 27 Eine selbstständige Veranstaltung der Andachten verschwand auch in Städten und Dörfern, in denen es eine Kirche und regelmäßige Gottesdienste gab.

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den bekanntesten und zahlenmäßig größten, die sich der Marienverehrung verschrieben haben, gehören die Schönstatt-Bewegung, die Legio ­Mariae, die Fokolar-Bewegung (offiziell auch „Werk Marias“ genannt) und vor allem das Fátima-Apostolat. Die Mitglieder des Letzteren haben um die Jahrtausendwende ein viel besuchtes Religionszentrum in Koclířov bei Svitavy errichtet, wo regelmäßig Exerzitien, Fachseminare und Marienandachten stattfinden. Diese Bewegung bringt jedoch keine neuen Akzente in die Kirche, sondern bemüht sich eher, die Marienverehrung bei den Gläubigen insgesamt zu vertiefen.28 Bekannt geworden ist das Fátima-Apostolat vor allem durch eine 2003 angestoßene Initiative, eine Plastik der Jungfrau ­Maria aus Jerusalem durch die böhmischen Diözesen bis nach Mariazell in der Steiermark zu tragen, wo die große Wallfahrt am Mitteleuropäischen Katholikentag im Mai 2004 ihr Ziel erreichte.29 Diese Pilgerfahrt der Statue, verbunden mit Rosenkranzgebeten, biblischen Meditationen, Marienlitaneien und gemeinsamem Gesang, erweckte bei den Gläubigen großes Interesse, welches sich auch in den Teilnehmerzahlen widerspiegelte. Abgesehen von tradierten marianischen Formen wird die Muttergottes nun auch zum Gegenstand intellektueller Reflexion. Als ein seltenes Beispiel hierfür ist ein theologischer Kongress in Königgrätz/Hradec Králové im Februar 2003 zu nennen, der der Rolle Mariens in der Bibel, der Dogmatik sowie in ihrer historischen Entwicklung nachging.30

Die Marienverehrung als Konfliktraum nach 1989 Die offene Meinungsvielfalt in den neunziger Jahren führte auch dazu, dass die Marien­verehrung zur Quelle von Polarisierungen innerhalb der katholischen Kirche werden konnte. Einige Christen erwarteten nämlich, dass es mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes zu einer wechselseitigen Versöhnung zwischen der Kirche und der Gesellschaft kommen würde und dass religiöse Institutionen und ihre Vertreter allgemeines Vertrauen und Respekt in der Öffentlichkeit genießen würden. Als sich diese Erwartungen nicht erfüllten, breitete sich insbesondere bei der älteren und mittleren Generation Enttäuschung aus. Der wachsende moralische Verfall und die Sorge um die Folgen des politischen und wirtschaftlichen Liberalismus, der westlichen Einflüsse und der nachlassenden kirchlichen Praxis brachten fundamentalistische Tendenzen innerhalb der katholischen Kirche hervor. Dieser Trend fand auf gesellschaftlicher Ebene seinen Ausdruck in der kirchlichen Ablehnung der Abtreibung, der freien Sexualität und des Konsumismus. Diese Situation spiegelt sich auch in der Auseinandersetzung um die marianischen Frömmigkeitsformen wider. Probleme tauchten vor allem im Zusammenhang mit 28 Koubek, Jiří: Modrá armáda naší Paní [Die Blaue Armee unserer Lieben Frau]. In: Dingir 3 (2002), 23. 29 KT, 14/39, 28.09.2003, 7. 30 KT, 14/9, 02.03.2003, 7.



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privaten Erscheinungen auf, deren Anhänger die Deutungshoheit der Kirche missachteten.31 So wurden die Bemühungen zur Verbreitung dieser neuen Kulte von den offiziellen Kirchenautoritäten meist nicht unterstützt. Innerkirchliche Polarisierung rief auch die Marien-Priester-Bewegung (MKH) hervor, deren Angehörige vor allem in der mährischen Erzdiözese Olmütz/Olomouc seit 1972 tätig sind. Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Presseapostolat und der Organisation von Treffen für interessierte Priester und Laien. Einen Aufschwung erlebte diese Bewegung erst nach 1989, was mit ihrer verstärkten Aktivität vor allem in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre zusammenhing. Den spirituellen Mittelpunkt bildet die Verehrung der Jungfrau Maria als Mutter, die für die Sünden der Menschheit leidet. Als Beschützerin und Fürsprecherin vor Gott bewahrt sie die Menschheit nicht nur vor dem Bösen, sondern auch vor dem Zorn Gottes.32 Die Spiritualität der MKH verarbeitet das Transformations- und Globalisierungsgeschehen in der Gesellschaft, das einseitig negativ bewertet wird. Im Geist des gesellschaftlichen Dualismus werden in diesem Milieu sämtliche gesellschaftliche Ereignisse in den Kampf zwischen Gut und Böse eingeordnet, wobei die Anhänger dieser fundamentalistisch orientierten Marienbewegung das gegenwärtige Feindbild ganz klar definieren: Konsumdenken, die liberale Politik, Marktwirtschaft, aber auch die mangelnde Frömmigkeit der Kirchenmitglieder, die Ökumene sowie der interreligiöse Dialog, der die Expansion des Islams und der außereuropäischen Kulturen fördert. Als Heilmittel gegen diese Leiden der Kirche und der Welt werden die Weihe an das Unbefleckte Herz Mariens, die Nähe zum Papst und das Lehramt der Kirche bzw. die innerkirchliche Förderung der Marienfrömmigkeit empfohlen.33 Die Aktivität dieser fundamentalistischen Bewegung fördert die Entstehung zweier unversöhnlicher polarisierender Strömungen innerhalb der Kirche – die der auserwählten Eingeweihten und derjenigen, die in Abgrenzung zur ersten Gruppe die Marienverehrung verachten. Die Polarisierung innerhalb der tschechischen katholischen Kirche geht jedoch nicht nur von fundamentalistisch orientierten Gruppierungen aus, sondern auch von zahlreichen christlichen Medien, unter denen sich auch marianische Periodika befinden. Neben der allen gemeinsamen Betonung konservativer Werte und des apokalyptischen Charakters der Marienspiritualität sind in ihnen auch deutliche Differenzen auszumachen. So stehen die relativ gemäßigten Periodika (wie „Světlo“ [Das Licht] und „Immaculata“) kritisch den Blättern gegenüber, die unkritische Berichte über Marien­erscheinungen verbreiten und sich damit im Widerspruch zur Kirchenhierarchie befinden (wie die Zeitschrift „Na konci časů“ [Am Ende der Zeiten], die bis 2000 erschien). Charakteristisch ist für diese Zeitschriften die Tendenz, die Welt undifferenziert in Schwarz-Weiß-Tönen zu zeichnen und die Positionen sowohl innerhalb 31 Opatrný, Aleš: Pastorace jako zdroj polarizujících napětí [Seelsorge als Quelle polarisierender Spannungen]. In: Polarizace české katolické církve? Hg. v. Pavel Ambros. Olomouc 2000, 46–54, hier 49. 32 Staněk, Martin: Eschatologická společenství. K recepci mariánských zjevení v České republice [Die eschatologischen Gemeinschaften. Zur Wahrnehmung der Marienerscheinung in der Tschechischen Republik]. In: Jaká víra? Současná česká religiozita. Hg. v. Zdeněk Nešpor. Praha 2004, 58. 33 Ders.: Žijeme na konci časů [Wir leben am Ende der Zeiten]. In: Dingir 3 (2002), 20.

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der Kirche als auch gegenüber der modernen Welt und der Gesellschaft zuzuspitzen.34 Konservative und fundamentalistisch orientierte Gruppierungen, die marianische Spiritualität propagieren, projizieren also in die Verehrung der Muttergottes auch ihr Misstrauen gegenüber der heutigen Welt und der Gesellschaftsentwicklung sowie ihre Enttäuschung über die aktuelle Rolle der Kirche und sehen gleichsam die Rettung in der Rückkehr zu traditionellen Formen der Frömmigkeit und der Intoleranz gegenüber dem Rest der Gesellschaft. In den böhmischen Ländern handelt es sich dabei allerdings um Randerscheinungen, die zwar die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen, deren Wirkung aber z. B. mit der des konservativen und stark polnisch-nationalistischen Senders Radio Maryja nicht vergleichbar ist.35 Die Marienverehrung ist in der ersten Hälfte der neunziger Jahre zu einer Art Konfliktersatz im Verhältnis von Staat und Kirche geworden. Während der Wallfahrt auf den Velehrad am 5. Juli 1993, mit der die Entstehung eines selbstständigen tschechischen Staates im Januar 1993 gefeiert wurde, führten die böhmischen und mährischen Bischöfe die Weihe des tschechischen Volkes an die Jungfrau Maria durch. In geistiger Vorbereitung darauf wurden die Gläubigen ab Juni 1993 zu marianischen Gebeten und biblischen Lesungen aufgefordert.36 Diese Weihe rief deutlich negative Reaktionen der offiziellen Staatsvertreter hervor. Sehr scharf sprach sich vor allem der damalige Premierminister Václav Klaus (*1941) aus der ODS (Občanská demokratická strana/Bürgerliche Demokratische Partei) gegen diesen Schritt der Bischöfe aus. Er erklärte, dass „die katholische Kirche eine Rolle zu spielen beginnt, die ihrer Stellung im Land nicht entspricht“, und sprach von einer „Machtdemonstration der Kirche“.37 Der Premierminister kritisierte zudem, dass der überlange Gottesdienst durch einen öffentlich-rechtlichen tschechischen Fernsehsender live übertragen wurde. Klaus zufolge sei die Ära zu Ende, in der „alle die Kirche für eine der Institutionen hielten, die vom ehemaligen Regime am stärksten angegriffen worden ist, und die deswegen von allen gemeinsam um jeden Preis und zu jeder Zeit maximal unterstützt werden sollte. Jetzt erhalten wir das Signal, dass die Etappe beginnt, in der dies nicht mehr notwendig ist.“ Klaus äußerte sich bei dieser Gelegenheit auch insgesamt kritisch gegenüber den katholischen Traditionen und bekannte sich offen zu der geistigen Tradition der böhmischen Reformation und der Hussitenbewegung. Andere ODS-Vertreter, so der Parlamentspräsident Milan Uhde (*1936), erinnerten zudem an den Pomp der kirchlichen Feierlichkeiten anlässlich des 600. Todestages des Hl. Johannes von ­Nepomuk (im Mai 1993), die von den Nationalliberalen als eine im Geiste der Gegenreformation stehende Maßnahme der katholischen Kirche zur Unterdrückung des Andenkens an Magister Jan Hus empfunden wurde.38 Gegen die Äußerungen von Klaus polemisierte insbesondere der Vizepremier und Agrarminister Josef Lux (1956–1999), der 34 Staněk, Eschatologická společenství (wie Anm. 32), 58. 35 Vgl. Gąsior (wie Anm. 21), hier bes. 90–94. 36 KT, 4/25, 20.6.1993, 1. 37 Přehled jednání mezi státem a církvemi 1990–2000 [Übersicht der Verhandlungen zwischen dem Staat und den Kirchen 1990–2000]. Hg. v. Sekretariát České Biskupské Konference. Praha 2001, 6 f. 38 Český deník [Tschechische Zeitung], 3/155, 8.7.1993, Beilage, 1.



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zugleich der damalige Parteichef der Christdemokraten (KDU-ČSL) war.39 Einen gegensätzlichen Standpunkt zu Klaus vertrat auch Präsident Václav Havel (1936–2011), der der Kirche eine wichtige Rolle bei der tschechischen Identitätsbildung beimaß.40 Die Bischöfe verteidigten wiederum die sogenannte Marienweihe als eine Maßnahme zur Förderung „neuer zwischenmenschlicher Beziehungen“ angesichts des „religiösen und moralischen Notstandes“ in der postkommunistischen tschechischen Gesellschaft.41 Der Meinung des Premierministers schloss sich wiederum die linke Opposition an, einschließlich der Vertreter der kommunistischen Partei. Die Polemik zog kurz darauf scharfe kirchenfeindliche Positionen in der Tagespresse nach sich. Liberale Tageszeitungen veröffentlichten Stellungnahmen aus der Bevölkerung, die den Schritt der tschechischen Bischöfe ablehnten, weil er gegen den Willen der Bürger unternommen worden sei. Die katholischen Geistlichen tadelten hingegen die Haltung des Premierministers von den Kanzeln aus.42 Dem bedeutenden tschechischen Priester und Theologen Tomáš Halík (*1948) zufolge gründete der Standpunkt von Klaus auf dem postmarxistischen tschechischen Liberalismus, der allen nicht-ökonomischen gesellschaftlichen Größen  – einschließlich der Religionsinstitute  – verachtend gegenübersteht.43 Die Kirchen seien dabei, so Halík, nicht nur Interessensvereine der Bürger, als welche sie oft von den liberalen tschechischen Politikern nach 1989 angesehen wurden, sondern sie repräsentierten auch eine Grunddimension des gesellschaftlichen Lebens, nämlich die geistig-moralische Dimension. Halík kritisierte aber zugleich den triumphalistischen Zug der Marienweihe, die nur ungenügend von einer entsprechenden geistigen Vorbereitung der Gläubigen begleitet worden sei.44 Die Kontroversen um die „Velehrad-Weihe“ offenbarten kurz nach dem Beginn der gesellschaftlichen Transformation jedoch noch ein anderes Problem grundsätzlicher Natur – die bisher fehlende neue Regelung des Verhältnisses von Staat und ­Kirche – und machten somit den tiefen Dissens zwischen den staatlichen und kirchlichen Eliten bewusst. Belastend wirkte sich außerdem die noch ungelöste Frage der Entschädigung für die erlittenen materiellen Verluste aus, die die Kirche unter dem kommunistischen Regime hatte hinnehmen müssen, da dass Kircheneigentum durch ein Gesetz von 1949 vollständig der staatlichen Kontrolle unterworfen worden war. Das Thema kam im Frühjahr 1993 auf, nur wenige Monate vor der Wallfahrt nach Velehrad, und wurde zwischen den Vertretern der Kirche und der tschechischen Regierung verhandelt, in der die liberal orientierte ODS dominierte. Im März 1993 richtete der Vorsitzende der Tschechischen Bischofskonferenz und Prager Erzbischof ­Miloslav Vlk (*1932) einen Brief an Premier Václav Klaus, in dem er ihn zur Eröff39 Ebd., 1. Die Kirchenvertreter luden absichtlich keine öffentlichen Vertreter zum Gottesdienst in ­Welehrad/Velehrad ein, um vor allem den religiösen Charakter des Festes zu unterstreichen. 40 KT, 4/15, 11.4.1993, 1. 41 KT, 4/33, 15.8.1993, 1. 42 Halík, Tomáš: Zasvěcení národa nebo krize dialogu? [Einweihung der Nation oder eine Krise des Dialogs?]. In: Perspektivy, September 1993 (Beilage der KT, 4/39, 26.09.1993), 1. 43 Ebd. 44 Ebd.

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nung einer breiten Diskussion über eine neue Regelung der Kirche-Staat-Frage aufforderte. Dabei wies er darauf hin, dass die Bischofskonferenz in der Rückgabe des kirchlichen Eigentums die Voraussetzung für eine künftige Trennung von Kirche und Staat sehe. Premierminister Klaus erklärte in seiner Antwort Mitte Mai 1993, dass er eine Übergangszeit bevorzuge, in der beide Institutionen getrennt seien, um erst dann die materiellen Fragen zu lösen. Ende Mai 1993 lehnte die Bischofskonferenz diesen Vorschlag des Premierministers mit der Begründung ab, dass das von Klaus vorgeschlagene Vorgehen die Kirchen in eine ökonomische Unsicherheit stürzen würde.45 Nach der sogenannten „­Velehrad-Affäre“ verkomplizierten sich die gegenseitigen Beziehungen so gravierend, dass die Verhandlungen über die Rückgabe des Kircheneigentums auf unbestimmte Zeit verschoben wurden.46 Die öffentliche Auseinandersetzung um die Marienweihe des tschechischen Volkes stand somit am Anfang einer sich vertiefenden Kontroverse zwischen der Kirche und der Gesellschaft. Traditionelle Ausdrucksformen der Marienverehrung lösten bei einem Teil der tschechischen politischen Elite kritische Reaktionen aus. Ihre Kommentare spiegeln die für die tschechische Mehrheitsgesellschaft so typische stereotype Wahrnehmung von Kirche und Religion wider. Diese vorgeprägten Meinungen über die katholische Kirche und ihre Traditionen haben in Tschechien ältere Wurzeln, die mit dem gesellschaftspolitischen Diskurs des 19. Jahrhunderts und der damit verbundenen Darstellung des Katholizismus in Kultur, Historiografie und im öffentlichen Raum zusammenhängen. Die liberalen und später auch sozialistisch orientierten Kreise der Politik und des öffentlichen Lebens sahen nämlich in der katholischen Kirche eine Hauptstütze des zentralistisch organisierten Habsburger Reichs sowie ein retardierendes Moment des gesellschaftlichen Fortschrittes und der nationalen Bemühungen. So setzte sich im öffentlichen Bewusstsein die Vorstellung von einer prinzipiellen Unversöhnlichkeit von Katholizismus und tschechischem Volk fest. Dieses Stereotyp blieb auch nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie und der Entstehung des tschechoslowakischen Staates 1918 bestehen und versetzte die katholische Kirche zunächst in eine komplizierte Lage. Sie war seit dem 19. Jahrhundert gezwungen gewesen, sich als politischer Akteur zurückzuziehen, und ergriff erst zu Beginn der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts im Zuge der Bemühungen um eine geistliche Wiederbelebung der Nation die Möglichkeit, ihre gesellschaftliche Rolle neu zu definieren. Die Solidarität des Volkes mit der Kirche wuchs in Reaktion auf deren Verfolgung während der Naziherrschaft (1939–1945) und später unter den Kommunisten (1948–1989). Die tradierten antikatholischen Ressentiments verschwanden jedoch nicht vollends, sondern blieben als eine wichtige Prägung in der Erinnerungskultur der tschechischen Gesellschaft bestehen, um im Postkommunismus, verstärkt durch den Einfluss atheistischen Gedankenguts, wieder aufzukommen. Den soziologischen Untersuchungen zufolge bekannten sich im Jahre 1997 über 40 % der Bevölkerung 45 KT, 4/24, 13.06.1993, 4. 46 Zur Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Kirche und Staat kam es im November 1994. Vgl. Přehled jednání (wie Anm. 37), 7.



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zum Atheismus. Die Tschechische Republik gehört damit zu den am stärksten säkularisierten Ländern des postkommunistischen Europas.47 In diesem Kontext ist die negative Reaktion auf die Weihe von Velehrad zu sehen, denn insbesondere die Marien­ verehrung wurde als ein in habsburgisch-jesuitischer Tradition verankertes Symbol der Rekatholisierung des tschechischen Volkes wahrgenommen. Damit hängt auch die öffentliche Ablehnung zusammen, die im November 1918 zerstörte Mariensäule auf dem Altstädter Ring in Prag wieder aufzurichten. Im Rahmen einer katholischen Initiative wurde zwar im November 1993 der Grundstein zur Erneuerung des Denkmals gelegt, das Vorhaben verlief jedoch aufgrund der gesellschaftspolitischen Situation und kirchenkritischen Stimmung im Land zunächst im Sande. Harsche Kritik kam nicht nur aus den evangelischen Kreisen, sondern auch aus den Reihen der Kunsthistoriker. Während die Ersteren mit Reminiszenzen an die traditionellen Animositäten zwischen der katholischen und der protestantischen Konfession argumentierten, machten Vertreter kultureller Institutionen auf die Änderung des städtebaulichen Charakters des Altstädter Rings aufmerksam. Gegen die Erneuerung der Säule sprach sich 2001 auch der Prager Oberbürgermeister Jan Kasl (*1951) von der ODS aus, der in der möglichen Wiederaufrichtung des Denkmals einen mentalen Rückfall in die Zeit der Gegenreformation sah.48 Als Kompromisslösung ist die Installation einer neuen Statue unweit der Theynkirche in der Nähe des Ringes im November 2003 zu betrachten. Kardinal Vlk erklärte jedoch, er halte die Erneuerung der Säule für eine langfristige Aufgabe, die unter der Voraussetzung durchzuführen sei, dass „zuerst die Vorurteile abgebaut werden müssen, die die Mentalität vieler Menschen belasten“.49 Eine endgültige Lösung dieses Konfliktes liegt jedoch noch in weiter Zukunft. Abschließend kann festgehalten werden: Die Entwicklung der Marienverehrung während des Kommunismus unterstreicht die Bedeutung von Traditionen für die tschechische Gesellschaft. Diese boten eine feste geistliche und moralische Grundlage, auf die sich die Menschen in schweren Zeiten rückbesinnen und aus der sie innere Kraft schöpfen konnten. Die postkommunistische Realität, die von einer wachsenden Säkularisierung geprägt ist, birgt ganz neue Herausforderungen für das religiöse Leben: Neue, anspruchsvolle geistliche und theologische Inspirationen, die aus der marianischen Tradition hervorgehen, sind notwendig für das konkrete Leben der Gläubigen – ohne äußeren und leeren Prunk, aber mit einer inneren Wahrhaftigkeit.

47 Prudký, Libor u. a.: Religion und Kirchen in Ost(Mittel)Europa: Tschechien, Kroatien, Polen. Wien 2001, 81. 48 Radio Praha 7, Tageschronik am 8.11.2001. 49 KT, 14/46, 16.11.2003.

Farbt a fe ln



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Taf. I  Namen-Jesu-Altar der Michaelskirche in München mit einem Gemälde von ­Antonio ­Maria Viani, 1588/89.

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Wolfgang Brückner

Taf. II  Gemäldeteil eines Kapitelherrnepitaphs aus dem Dom zu Hildesheim, 1585.



Nikolaj van der Meulen

Taf. I  Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frauen in Hergiswald, 1662. Blick in den Innenraum gegen Osten mit Hochaltar und dahinter liegender Casa Santa.

Taf. II  Johann Dietterlin: Legende der Translation der Casa Santa, 1647. Öl auf Leinwand, 170 × 132 cm. Loretokapelle, östliche Außenwand, Hergiswald/LU.

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Nikolaj van der Meulen

Taf. III  Johann Dietterlin: Legende der Translation der Casa Santa, 1647. Detail mit der letzten Flugbahn der für Hergiswald bestimmten Casa Santa-Kopie.

Taf. IV  Titelkupfer aus: Mercator, Gerardo: Atlas sive cosmographica, 1595.



Nikolaj van der Meulen

Taf. V  Josef Ignaz Weiss: „dux optima/ Der Meersteren sey vergwist der beste fiehrer ist“, um 1758. Kartuschen­fresko. „Alte Kirche“, Chorraum, Flüelen/UR.

Taf. VI  Carl Rupert: Karte der ­Germania Benedictina mit der kosmischen Vision des Hl. Benedikt, Nürnberg 1732.

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Nikolaj van der Meulen

Taf. VII  Franz Joseph Spiegler: Cultus B.V.M. nostrum in toto orbe propagatus, 1751. ­Langhausfresko, 27 × 15 m. Zwiefalten.



Monique Scheer

Taf. I  „Bettelarmband“ mit Madonnenbildern.



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Damien Tricoire

Taf. I  Philippe de Champaigne: Das Gelübde Ludwigs XIII., nach Februar 1638. Gemälde, Öl auf Leinwand. Musée des Beaux-Arts de Caen.



Damien Tricoire

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Taf. II  Heldenputte im Kampf mit dem Drachen, der den Hunger verkörpert, 1637/38. Bronze. Sockel der Münchner Mariensäule.

Taf. III  Michel Corneille: Votivbild als Zeichen des Danks für die Genesung Ludwigs XIV., nach Juli 1658. Gemälde, Öl auf Leinwand. Château de Versailles.

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Damien Tricoire

Taf. IV  Hubert Gerhard (?): Marienstatue auf der Münchner Mariensäule, 1593. Vergoldete Bronze.



Plate I  Statue of Mariahilf, 18th century. Museum of Fine Arts, Budapest.

Anna Tüskés

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Plate II  Statue of Mariahilf, 18th century. Museum of Fine Arts, Budapest.

Plate III  Chalice, about 1500, detail. Museum of the Castle, Eger.

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Anna Tüskés

Plate IV  Photo of Mariahilf placed on the Altar in 2005. Franciscan Church, Szigetvár.

Plate V  Zsuzsa Makrai: Mariahilf of Turbék. Enamel Picture.



Kai Wenzel

Taf. I  Hans von Aachen: Verkündigung an Maria, 1613. Gemälde, Öl auf Leinwand, 237 × 177 cm. Nationalgalerie Prag.

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Kai Wenzel

Taf. II  Matthias Mayer: Die Verehrung der Siegreichen Gottesmutter durch Kaiser ­Ferdinand II., seinen Sohn ­Ferdinand III. sowie Pater Domenico a Jesu Maria. Gemälde, Öl auf Leinwand, 465,5 × 285,5 cm. Karmeliterklosterkirche Santa Maria de Victoria, Prag-Kleinseite.



Krista Zach

Taf. I  Gnadenbild Maria Radna, Druck nach koloriertem Stich, Bassano di Grappa, nach 1650.

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Krista Zach

Taf. II  Gnadenbild Maria Radna, Silberrahmen, Wien nach 1769/1771.



Robert Born

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Taf. I  Anonymer Meister: Allegorie des Regnum Marianum, Mitte des 18. Jahrhunderts. Ölgemälde nach einem Stich von Johann Franck de Langgraffen von 1701. Budapest Magyar Nemzeti Galéria, Inv. Nr. 86.15 M.

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Robert Born

Taf. II  Ansicht des Hauptaltars der Klausen­burger Universitätskirche.



Robert Born

Taf. III  Ansicht des Hauptaltarretabels der Klausenburger Universitätskirche.

Taf. IV  Ikone der Mutter­gottes aus ­Nicula. Zustand nach der Restaurierung 1989/90.

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Agnieszka Gąsior

Taf. I  Die Ikone der Muttergottes von Tschenstochau.



Agnieszka Gąsior

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Taf. II  Muttergottes von Tschenstochau im Rubingewand mit Kleinodien des 17.–19. Jahrhunderts und den Kronen Papst Pius’ X. von 1910. Den Hintergrund bedecken vergoldete Silberbleche, eine Stiftung König Władysław Jagiełłos um 1430–1434. Klostersammlungen von Jasna Góra.

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Agnieszka Gąsior

Taf. III  Detail des Rubingewandes, 17.–19. Jahrhundert. Gold, Rubine, ­Granate, ­Smaragde, Perlen, Emaille.

Taf. IV  Millenniumsgewand und­ -kronen, 1965. Klostersammlungen von Jasna Góra.



Agnieszka Gąsior

Taf. V  Muttergottes von Tschenstochau im Gewand des Anvertrauens mit den Kronen Papst Johannes Pauls II. von 2005. ­Bernstein, Gold, Brillanten. Ausgeführt von Mariusz Drapikowski. Den Hintergrund bedecken vergoldete Silberbleche, eine Stiftung König ­Władysław Jagiełłos um 1430–1434.

Taf. VI  Gewand der Liebe, der ­Dankbarkeit, des Leidens und der Hoffnung, 2010. Diaman­ten, Edelsteine, Korallen, Gold, ­Meteoriten etc. Klostersammlungen von Jasna Góra.

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Agnieszka Gąsior

Taf. VII  Gewand der Liebe, der Dankbarkeit, des Leidens und der Hoffnung, 2010. Detail mit eingravierten Texten marianischer Hymnen.



Ewa Klekot

Plate I  Katyń Chapel Mausoleum, Military Basilica, Warsaw.

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Ewa Klekot

Plate II  Katyń Madonna in Katyń ­Chapel Mausoleum, carving by ­Lieutenant ­Gorzechowski, representing the Ostra Brama Madonna.

Plate III  The skull of Major Ludwik ­Szymański in Katyń Chapel Mausoleum, Warsaw.



Małgorzata Omilanowska

Taf. I  Ansicht der Basilika in Licheń.

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Małgorzata Omilanowska

Taf. II  Darstellung der internationalen Messe in Posen im Jahre 1925. Unterkirche der ­Basilika in Licheń.



Małgorzata Omilanowska

Taf. III  Kapitell mit Blumenmotiv. Oberkirche der Basilika in Licheń.

Taf. IV  Ansicht eines Seitenaltars im Art déco-Stil. Oberkirche der Basilika in Licheń.

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Małgorzata Omilanowska

Taf. V  Blick zum Hauptaltar mit Gnadenbild der Muttergottes. Oberkirche der Basilika in Licheń.

Taf. VI  Olga Bajkowska: Skulpturengruppe der Geißelung Christi. Sanktuarium in Licheń, Golgatha-Berg.



Plate I  Dzhublyk appa­ rition site in summer 2007.

Plate II  Portraits of underground priests (Petro Oros, Oleksandr Khira and Pavlo Madjar) on the wall of a chapel at Dzhublyk in 2008.

Plate III  The grave of Ivan Marhitych in the church built by him in Borzhavs’ke village.

Agnieszka Halemba

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Liliya Berezhnaya

Taf. I  Gottes­mutter von Počajiv, 16. Jh.

T h e Cu l t o f t h e Cop i es of L u c as C ra na ch’s Ma ria hilf i n S e v e n t een t h - an d Ei g h t eenth-C e ntury Hunga ry* Anna Tüskés

The image of Mariahilf, painted by Lucas Cranach the Elder between 1517 and 1537, was given as a present by Saxon elector John George I (1585–1656) to Leopold V (1586–1632), the archduke and bishop of Passau, in 1611. Then in 1622 the curator of the goods of the diocese of Passau, Marquard von Schwendi, commissioned a copy of the original image. Archduke Leopold took the original to Innsbruck in 1625 where it has been preserved in the main church until today, while the copy remained in Passau in the Capuchin monastery. The Passau copy gained special importance during the siege of Vienna/Wien in 1683 when Emporer Leopold I (1640–1705), residing in Passau during the siege, made a daily pilgrimage to the nearby Kapuzinerberg to pray for his empire in front of the icon. The military victory on 12 September 1683 in Vienna was attributed to the Virgin Mary, the Help of Christians. In order to express their gratitude for the victory, the emperor commissioned the Mariahilf Church to be built in Vienna and had a copy of the Passau image placed on the altar, and P ­ ope Innocent XI (1611–1689) established the Feast of the Holy Name of Mary, held on 12 September. It was apparently during the festival of thanksgiving organized at the command of Leopold I himself that the iconographical type of the Passau ­Mariahilf became a symbol of dynasticism and warfare against the Ottoman Empire. Copies of the Mariahilf spread around the whole of the Habsburg Empire. During the ensuing wars of liberation and the settlement of the German population, copies of the icon spread widely throughout Hungary. The process was facilitated by the misconception that the images were copied from the Mariazell Schatzkammerbild presented by ­Louis I of Hungary (1326–1382) for the defeat of the Ottoman army in 1364. Numerous studies have been written during the last three decades on the spreading of the Mariahilf in Europe. The research into the cult of the icon in Germany and Austria has been carried out by Walter Hartinger, Karl Kolb and Karl Mindera, and more recently by Roland Gröber and Georg Henkel.1 For the cult in Hungary, research * I am grateful to Éva Knapp and Gábor Tüskés for making available their unpublished catalogue of shrines in Hungary to me. 1 Mindera, Karl: Maria hilf, ein Beitrag zur religiösen Volkskunde. München 1961; Kolb, Karl: Marien­gnadenbilder. Marienverehrung heute. Würzburg 1976, 69 f.; Idem: Wallfahrtsland Franken. Würzburg 1979, 57 f.; Idem: Maria, Patronin Frankens. Würzburg 1982, 92–95; Idem: Typologie der Gnaden­bilder. In: Handbuch der Marienkunde. Ed. ­Wolfgang Beinert and Heinrich Petri. Vol. 1–2. Regens­burg 21996/97 [11984], vol. 2, 448–484, see 462; Hartinger, Walter: Mariahilf ob Passau. Passau 1985; Maria-Hilf. Ein Cranach-Bild und seine Wirkung. Exhibition Catalogue Würzburg. Ed. ­Jürgen ­Lenssen. Würzburg 1994 (Katalogreihe Marmelsteiner Kabinett 13); Gröber, Roland: ­Maria Hilf. Ein deutsches Wallfahrtsbild in Südtirol. In: Der Schlern 70 (1996), 259–273; Henkel, Georg:

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Anna Tüskés

by Sándor Bálint, Éva Knapp, Zoltán Szilárdfy, and Gábor Tüskés is particularly relevant – they describe Baroque pilgrimages, popular religiousness, and the history of worship.2 As a result of my research, the number of Mariahilf representations accounted for in Hungary has grown from 56 to 90. In the course of this paper, I shall present the spreading of the M ­ ariahilf iconographical type in Hungary both from a spatial and temporal point of view including the various forms and media that have facilitated this process, the four variants of type, and the role of the icon in popular piety. On a 1700 copper engraving by Friedrich Aullinger, an artist from Munich/München residing in Vienna, a Mariahilf image supported by angels and surrounded by garlands is shown.3 The Bavarian flags behind the Mariahilf refer to the 1699 Treaty of Karlowitz, a peace treaty with the Ottoman Empire. In the middle, the city is visible with tents decorated by weapons and flags on each side, and with flags and drums laid down on the ground. In the foreground, the representative of the Ottoman Empire, the Grand Vizier Hüseyin Köprülü is handing the treaty document to Count Wolfgang Oettingen, who represents the army of the Emperor. In the third quarter of the 17th century in Hungary, the Mariahilf was thought to aid and offer protection against the plague, floods, and Ottoman occupation. Pál ­Esterházy, the palatine of Hungary, assisted in spreading the cult throughout Hungary with his detailed description of the Passau devotional image in his work on European shrines dedicated to Mary (published in Hungarian in 1690 and 1696).4

Vom Kunstbild zum Kultbild. Maria Hilf zu Innsbruck. In: Rahmen-Diskurse. Kultbilder im konfessionellen Zeitalter. Ed. Thomas Lentes. Berlin 2004 (KultBild 2: Visualität und Religion in der Vormoderne), 143–171. 2 Tüskés, Gábor/Knapp, Éva: Österreichisch-ungarische interethnische Verbindungen im Spiegel des barockzeitlichen Wallfahrtswesens. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1990, 1–43, see 8 f.; Bálint, Sándor/Barna, Gábor: Búcsújáró magyarok. A magyarországi búcsújárás története és néprajza [Hungarian Pilgrims. The History and Ethnography of Pilgrimage in Hungary]. Budapest 1994, 104; Tüskés, Gábor/Knapp, Éva: Volksfrömmigkeit in Ungarn. Beiträge zur vergleichenden Literaturund Kulturgeschichte. Dettelbach 1996 (Quellen und Forschungen zur europäischen Ethnologie 18), 188 f.; Lantosné Imre, Mária: Szűz Mária kultusz és ikonográfia a pécsi egyházmegyében [The Cult and Iconography of the Virgin Mary in the Diocese of Pécs]. In: Boldogasszony. Szűz ­Mária tisztelete Magyarországon és Közép-Európában. Ed. ­Gábor B ­ arna. Szeged 2001, 259–279, see 265; T ­ üskés, Gábor/Knapp Éva: Népi vallásosság Magyarországon a 17–18. században [Popular Piety in Hungary in the 17th–18th century]. Budapest 2001, 88 f.; Szilárdfy, Zoltán: Ikonográfia – kultusztörténet [Icono­graphy – Cult History]. Budapest 2003, 76, 150–152, 195–201; Liszka, József: Mariahilf-tisztelet a Kárpát-medence nyugati felében [Mariahilf Veneration in the Western Part of the Carpathian ­Basin.]. In: Halmok és Havasok. Tanulmányok a hatvan esztendős Bárth János tiszteletére. Ed. ­Dániel Bárth and ­János ­Laczkó. Kecskemét 2004, 287–300. 3 Szilárdfy, Ikonográfia (cf. n. 2), fig. 295. 4 Esteras [Esterházy], Pál: Az egész világon levő csudálatos boldogságos szűz képeinek rövideden föl tet eredeti [Images of the Miraculous Virgin Mary from All over the World]. Nagyszombat 1690, 119 f. (Reprint: Budapest 1994); Idem: Mennyei korona [The Heavenly Crown]. Nagyszombat 1696, 184 f.



The Cult of the Copies of Lucas Cranach’s Mariahilf

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The most well-known Mariahilf shrine, Bodajk/Wudeck, is considered to be one of the oldest shrines in Hungary.5 Legend has it that even in the 9th century its holy spring was worshipped, and upon the initiative of St. Stephen, a chapel dedicated to the Virgin Mary was erected at the foot of the Calvary Hill. It was noted that the spring miraculously dried up and resurfaced every seven years. During the reign of Géza II (1141–1162), the place was bestowed upon the crusaders, who tended to the shrine up to the time of the Ottoman occupation. After the liberation from the occupation, the village had to be rebuilt. The Hochburgs, the landowners of the region, moved the Capuchin friars to nearby Mór/Moor and presented them with the task of rebuilding the shrine. Father Willibald ordered the reconstruction to begin in 1697; the chapel dedicated to Mary, the Help of Christians was rebuilt on the old foundation, and between 1728 and 1742, a Baroque church for the pilgrims was erected next to it and consecrated in 1742. The icon at Bodajk was produced by the court painter under Countess Colloredo and was based on the Passau image. Votive offerings, images, and records in miracle books attest to the belief that miraculous recoveries and healings occurred at the shrine.6 The Franciscan Order, and, particularly, the Capuchins played an important role in spreading the Mariahilf iconographical type. In terms of Hungary, this meant that, of the ten shrines with Mariahilf icons, three were tended by observant Franciscans, and two, including Bodajk, by Capuchins. During the 18th century, Bodajk had a substantial impact on its surroundings. According to records in miracle books, its impact spread primarily to the north-eastern part of Transdanubia centered around Fejér county and secondarily to the Kisalföld/Little Plain and the Csallóköz/Žitný Ostrov/ Große Schüttinsel toward the northwest and to some villages in Külső-Somogy and Tolna county toward the southeast. Visitors to the shrine also arrived from Bratislava/ Pressburg, Vienna, Szombathely/Steinamanger, Szekszárd/Sechshard, and Pest and from settlements between the Danube and the river Tisza to the north of Kalocsa/Kollotschau. Bodajk attracted pilgrims from beyond these regions in exceptional cases only. Processions arrived from larger settlements bordering the area of Bodajk’s primary influence: from Székesfehérvár/Stuhlweißenburg, Veszprém/Weißbrunn, Palota, Csákvár, and Tata/Totis. These towns show that the location of the Esterházy estates facilitated in extending the sphere of Bodajk’s influence.

5 Bálint, Sándor: Sacra Hungaria. Tanulmányok a magyar vallásos népélet köréből [Sacra Hungaria. Studies on Popular Piety in Hungary]. Kassa 1943, 47; Vajkai, Aurél: Népi orvoslás a dunántúli búcsújáróhelyeken [Traditional Medicine at the Shrines of Transdanubia]. In: Magyarságtudomány 1 (1942), 116–139, see 130; Genthon, István: Magyarország műemlékei [Monuments of Hungary]. Budapest 1951, 193. 6 Szilárdfy, Zoltán/Tüskés, Gábor/Knapp, Éva: Barokk kori kisgrafikai ábrázolások magyarországi búcsújáróhelyekről [Baroque Engravings from the Shrines of Hungary]. Budapest 1987, 159 f.; ­Tüskés, Gábor: Búcsújárás a barokk kori Magyarországon a mirákulumirodalom tükrében [Pilgri­mage in Baroque Hungary in the Light of Miracles]. Budapest 1993, 221, 332 f.; Tüskés/Knapp, Volksfrömmigkeit (cf. n. 2), 74 f.

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Anna Tüskés

The Mariahilf chapel in Barátfalva/Ollersdorf, according to tradition, also originates from a medieval cult. In 1519, Count Lőrincz Újlaki donated this settlement to the Order of the Hermit Friars of Saint Augustine.7 According to the legend of the chapel’s origin, on 23 April 1626, a spring gushed up from ploughed land, making a rumbling noise. The water created a round hole in the ground in which the icon became visible. The 1697 canonica visitatio already records a chapel having been erected for the icon. The chapel standing on the location at present was built in 1764. The Mariahilf image which was kept by the Jesuits at Trencsén/Trenčin/Trentschin is framed with military trophies and is a characteristic example of the usage of a representation of the Virgin Mary as a palladium.8 On the image, the Virgin Mary, the Help of Christians is depicted above the imperial army. In Hungary, the plague was considered to be a consequence of the Ottoman occupation for which “Turk-beater” Mary, the Help of Christians was the only remedy. During the plague, numerous altars and columns dedicated to the Helper Mary were erected. The population dreaded the Black Death for centuries. Numerous patron saints were selected, and pledges were taken to build chapels and monuments. Protective power was attributed to the Maria lactans, to the Helper Mary iconographical type, and to the so-called plague-saints, Saint Sebastian, Saint Roch, and Saint ­Rosalia. The earliest representation of the Helper Mary made to ensure protection against the plague is the plague column at Hédervár (fig. 1).9 The column is adorned with two coats of arms and the instruments of Christ’s torture. On its top, between Saint Roch and Saint Sebastian, at the foot of the cross, a Mariahilf relief is visible. The two coats of arms allow one to estimate the date the column was erected. At the end of the 17th century, Katalin Héderváry remained the last descendant of her historic family. The Esterházys, having family relations to the Hédervárys, persuaded Leopold I to ensure her right of inheritance. The two coats of arms, most probably, commemorate this event. Furthermore, Hédervár was pillaged by the plague in 1683. The coincidence of these two events makes it almost certain that the column was erected about this time. Numerous pharmacies were dedicated to Mary, the Help of Christians during the years of the plague. Of these, the earliest was one founded in 1690 in Mosonmagyaróvár.10 The pharmacy’s furnishing, which survive to this day, date from the end of the 19th century. It is probable that the trade sign was also made about this time; it

 7 Gugitz, Gustav: Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch. Ein topographisches Handbuch zur religiösen Volkskunde. Vol. 1–5. Wien 1955–1958, see vol. 2 (1955), 235; Fischer, ­Robert/Stoll, ­Anne­marie: Kleines Handbuch österreichischer Marien-Wallfahrtskirchen. Vol. 1–2. Wien 1977/78, see vol. 1 (1977), 118; Dehio-Handbuch: Burgenland. Ed. Adelheid Schmeller-Kitt. Wien 21980 [11976], 225.  8 Szilárdfy (cf. n. 2), fig. 210.  9 Néma, Sándor/Smuk, Péter: Hédervár. Budapest 2002, 31, 86. 10 I would like to express my gratitude to Péter Lenzsér for making the documentation of the reconstruction of the Mosonmagyaróvár pharmacy available to me.



The Cult of the Copies of Lucas Cranach’s Mariahilf

Fig. 1  Column dedicated to Mariahilf, 1683. Hédervár.

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represents not the Mariahilf, but Maria Immaculata. Further pharmacies dedicated to the Helper Mary can be found in Sopron/Ödenburg and Csesztreg. About 90 % of Hungarian shrines are dedicated to the Virgin Mary. Of the iconographical types of these devotional images which originated from abroad, the majority are Italian. A part of them, most prominently, the Loreto type, reached Hungary via Austria and especially Vienna. Of the Austrian iconographical types, the most widespread one is the Mariahilf, while versions of the Mariazell type can also be found. Mariahilf and Mariazell types are prevalent primarily in Transdanubia. As a consequence of the settlement of the immigrant German population, the Mariahilf type is most prevalent in the region of Buda and South-Transdanubia, while it is also present, sporadically, in the north of Hungary and between the Danube and the river Tisza (fig. 2– 4). The regions where its presence could be determined reflect the symbolic meaning attributed to the icon – the protective power against the Ottomans, plague, and other nation-wide calamities. This phenomenon also illustrates that not only iconographical types, but attached meanings as well were transmitted internationally. While only five representations of the Helper Mary are known from the 17th century, the number from the 18th century rises to seventy-one. It is possible to precisely date two-thirds of the surviving representations. Based on these findings, the fashion of venerating Mariahilf appeared in the 1680’s and continued until the end of the 19th century. The cult of the Helper Mary grew continuously until the 1740’s. Following

Fig. 2  Spread of Mariahilf in Hungary in the 17th century.



The Cult of the Copies of Lucas Cranach’s Mariahilf

Fig. 3  Spread of Mariahilf in Hungary in the 18th century.

Fig. 4  Spread of Mariahilf in Hungary in the 19th century.

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this period, a decline ensued, which was succeeded by another thriving period in the 1770’s. The low number of the representations in the 19th century shows the decline of the cult. The analysis of the representation’s spread in time and space shows a close connection with the plague, which struck Hungary in 1708/09, 1712, 1738–40, 1762, 1770/71 and 1795/96. Numerous iconographical and terminological problems are raised by the ­Mariahilf type. When using this term, art historians mean Cranach’s painting and its copies. Ethno­graphers and researchers of folk religiousness, by contrast, often apply the expressions “Helper Mary”, “Maria Auxiliata” and “Mariahilf” to images of other iconographical types.11 Most often, the Carmelite Madonna of Neapolitan origin is described as the Helper Mary, however, frequently, the same term is applied to Mary, Mother of Good Counsel. From an iconographical point of view, all three cases are variations of the Eleusa-type, which originated in Byzantium and spread throughout Europe from the 7th to the 9th century with the help of the so-called Adriatic School.12 These variations are: 1.  The Carmelite Madonna of Naples/Napoli/Neapel, the iconographical type of which is identical to the Notre-Dame de Grâce of Cambrai/Kamerich: the child Christ rests with his left leg on Mary’s right arm, while his right leg hangs down without support. Mary’s head bends toward him, their cheeks touching tenderly. The right hand of the child gently touches her chin, and with the left hand the child gently grasps her maphorion (veil).13 2.  Mary, the Mother of Good Counsel of Genazzano: The Christ child rests on Mary’s left arm, with her head bending toward him and their cheeks touching tenderly. The left hand of the child gently grasps the rim of her dress, and he puts his right hand around her neck. 3. The Mariahilf of Innsbruck: The Christ child stands with his left leg on Mary’s left thigh, and he raises his right leg onto Mary’s left arm. Her head bends toward him. The right hand of the child gently touches her chin, and his left hand touches her neck. 4. The Mariahilf of Graz: The Christ child sits on Mary’s lap, who looks at her son, but the child looks at a point outside the picture.

11 For example, to the images of Baja-Vodica, Krasznahorka, Szentantal and Varannó. Bálint/Barna (cf. n. 2), 346; Tüskés/Knapp, Volksfrömmigkeit (cf. n. 2), 188. 12 The source of the paintings of the Adriatic School was probably the fresco of Kariye Camii of Constantinople executed before 1335. The panels belonging to this school are found at: Alessandria, Cathe­ dral, middle of the 14th century; Bruxelles, Stoclet Collection, beginning of the 14th century; Lesina (Hvar), bishopric; Skradin (Sibenik), poliptich, Mate Bedrica’s property; Sta Maria al Morrocco, Taver­nelle, high altar of the church. I suppose that such a panel was the starting-point for the Mariahilf of Cranach. For more about the Adriatic School, see: Garrison, Edward B.: Italian Romanesque Panel Painting. Florence 1949, 11; Gamulin, Grgo: Il „Maestro della Madonna di Tersatto“. In: Arte Veneta 34 (1980), 18–25; Prijatelj, Kruno: Un polittico di Paolo Veneziano a Skradin. In: Arte Veneta 13–14 (1959/60), 25–29. 13 Cf. Kolb, Typologie (cf. n. 1), 460 f., who treats them as different types.



The Cult of the Copies of Lucas Cranach’s Mariahilf

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This last image, painted by Giovanni Pietro de Pomis court painter and architect in 1611 for the Minorita Church in Graz, is not related iconographically to Cranach’s image. The primary source of the representations of Mariahilf prevalent in Hungary is the Passau icon; the copy in Vienna served as a secondary source. Apart from these, three so-called local variants can be found. Besides the representations without a crown originating from Passau, representations with a crown like the Vienna- and Bod­ajktypes were also common. Rarer were the variants with a canopy or a halo of stars. The main medium by which the cult spread were reproduced devotional pictures, most often wood and copper engravings. As in Austria and Germany, the Mariahilf cult also manifested itself in numerous branches of the arts in Hungary (fig. 5).14 High and side altars of churches and ­chapels15, icons, liturgical objects16, bells, thesis pages, columns17, devotional statues and images for personal use18, holy-water basins, reliefs and frescoes on facades19,

14 A less known representation of the Mariahilf is a painted and gilded ivory carving in Palazzo del Bargello, Florence/Florenz, inv. 196C. It is recorded as a 17th-century Spanish work. 15 Unpublished high and side altars of churches and chapels: Bátaszék, Helper Mary’s Chapel, altar, 1771; Berkenye, Roman Catholic church, image in the choir, over the sacristy door, after 1777, Kulturális Öröskégvédelmi Hivatal (KÖH = National Office of Cultural Heritage, Photocollection, Budapest) nr. 39551; Bölgyén/Bedzany (Slovakia), chapel of the castle, altar, 18th century, KÖH nr. 11009; Cered, Roman Catholic church, high altar, 1755; KÖH nr. 39906; Csatka, Roman Catholic church, image, KÖH nr. 146179; Csepel (town center), Promontorium, Budapest, XXI. district, image, 1771; Hatvan, Roman Catholic church, side altar, 1755, KÖH nr. 65616; Hegyeshalom, Roman Catholic church, side altar, 18th century, KÖH nr. 106244; Léka/Lockenhaus (Austria), Roman Catholic church, image, KÖH nr. 10651; Nagytótlak/Selo (Slovenia), Roman Catholic church, altar, 18th century, KÖH nr. 2483; Nyergesújfalu, Roman Catholic church, north side altar, 18th century, KÖH nr. 141340, 141345; Nyíregyháza, Greek Catholic Museum, from unknown place, ltsz. 1998.52(A.8), image, 18th century: Puskás, Bernadett: Ikon és liturgia. Nyíregyháza, 1996, kat. Nr. 70; Pest, VIII. district, St. Joseph’s Church, image, 19th century; Pozsony, St. Salvator’s Church, south side altar, 18th century; Szigetvár, Franciscan church, side altar, photograph, 2005; Szombathely, Diocese Collection and Treasury, image, 18th century; Vágtapolca/Teplička nad Váhom (Slovakia), chapel of the castle, image under the organ gallery, 20th century; Várpalota, Roman Catholic church, side altar, image, after 1777, KÖH nr. 130952, 130953; Várpalota, cemetery, Zichy chapel, high altar, relief, 18th century, KÖH nr. 143135, 143136, 143137; Vértesboglár, R ­ oman Catholic church earlier, now: Székesfehérvár, Diocese Museum, ltsz. 74.574, image, 18th century; Vérteskethely, Roman Catholic church, south side altar, 18th century, KÖH nr. 121185; Zirc, Cistercian church, first left side altar, 1770. 16 Unpublished liturgical objects: Eger, Castle Museum, 18th-century enamel paintings on a chalice from about 1500. 17 Unpublished column: Nagymegyer/Veľký Meder (Slovakia), Mary column, 1898. 18 Unpublished devotional statues and images for personal use: Budapest earlier, now: Vác, collection of Frigyes Pálos, image, 19th century; Budapest, Museum of Fine Arts, ltsz. 2006.1, 18th century; Zsuzsa Makrai’s enamel painting, 2007. 19 Unpublished reliefs and frescoes on facades: Eger, Castle Museum, relief on the wall of the house of a bell-founder, 18th century; Nagybiccse/Bytča (Slovakia), Thurzó castle, gate-tower, fresco under the clock, 18th century, KÖH nr. 11582; Pozsony, primate palace, relief in the court, 18th century; Veszprém, Vár u. 29. House of Dubniczay, relief, 1751; Korompay, György: Veszprém. Budapest 21957 [11956], 147.

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Fig. 5  Ivory plaque, Firenze, 17th century. Bargello.

and the naming of pharmacies20 all attest to the extensive prevalence of the cult (fig. 6–8). At the town-hall of Szigetvár/Inselburg is a portrait from the 18th century of the commander of the castle, Miklós Szigeti Zrínyi, who was killed by the Turks. In this portrait the feather on the cap of Zrínyi is fastened by a clip representing the Maria-

20 Unpublished naming of pharmacies: Csesztreg; Nyírpazony; Sopron; Tápiószele.



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Fig. 6  South side altar, after 1734. ­St. ­Sebastian church in Pécs.

hilf.21 This unique iconography is a result of historical events. The commander of the castle of Szigetvár resisted the payment of taxes to the Ottomans after the death of Emperor Ferdinand I (1503–1564). As a result, Suleiman I besieged the fort starting on 9 August 1566 with an army of a hundred thousand. Zrínyi had 2 500 men to hold the castle, but the number diminished quickly to 600 requiring retreat to the inner fort. Suleiman died during the night from 5 to 6 September, but this was kept secret from the Ottoman army, and they continued fighting. Zrínyi waited for imperial relief troops in vain, and the long drought dried out the moat and swamps around the castle. Zrínyi then decided to break out of the castle with his remaining troops of 300, all of whom were killed, and Zrínyi’s head was mounted on a spear.

21 Cennerné Wilhelmb, Gizella: A Zrínyi család ikonográfiája [The Iconography of the Zrínyi Family]. Budapest 1997, 52, A 17a.

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Fig. 7  South side altar, 18th century. St. Salvator church in Pozsony.

The death of Suleiman I was long kept a secret, and his body was buried secretly in his tent. His heart, the surrounding organs, and his liver were buried three kilometres from Szigetvár, at the site of modern Turbék. At this place, an octagonal sepulchral monument of marble with a golden dome was erected by the Turks. At the end of the 17th century, with the Ottoman army expelled from Hungary, this turbe was demolished and a wooden chapel was built in its place. On its high altar a Mariahilf image was placed as it was believed that the victory over the Ottomans and the liberation of the country was a result of Mary’s help. In the latter third of the 18th century, Franciscan friars from Szigetvár built the church which survives to this day on the site of this chapel. Students often had a representation of Mariahilf engraved for their thesis pages before taking their final examination. So did Ferenc Széchi, and two Pauline friars, ­Márton Paulini and Vazul Alexovits, as well as István Koháry, who played an active



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Fig. 8  Relief in the court, 18th ­century. ­Primate palace, ­Pozsony.

role in defeating the Ottoman armies and who was loyal to the Habsburgs during the Rákóczi war of independence (1701–1711).22 The Mariahilf cult was closely connected with the plague from the beginning. This assertion is supported by, for example, the fact that on the altar of the church in Passau the devotional picture is situated between the statues of the two most popular saints protecting from the plague, of Saint Sebastian and Saint Roch. Numerous altar pieces and chapels also attest to the prevalence of this association in Hungary, as does the Mariahilf altar piece of the church in Óbuda-Újlak. The inscription on this altar piece suggests that Mátyás Janoschitz, messenger of the treasury, and his family are represented, all of whom were saved from the plague.23 22 Szilárdfy, Zoltán: Barokk szentképek Magyarországon [Baroque Devotional Images in Hungary]. ­Budapest 1984, fig. 15; Rózsa, György: Thesenblätter mit ungarischen Beziehungen. In: Acta Historiae Artium 33 (1987/88), 257–289, see 272, 278, fig. 22 and 30; Szilárdfy, Ikonográfia (cf. n. 2), fig. 347. 23 Szilárdfy, Ikonográfia (cf. n. 2), fig. 55.

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Fig. 9  Mariahilf Relief on the Facade of a Palace, 1751. Castle, ­Veszprém.

Images and other representations placed next to the Mariahilf suggest that its worship was intertwined with other cults. In numerous cases representations of Hungarian saints can be found next to the icons. At Tétszentkút, for example, Saint Stephen and Saint Ladislaus are represented beside the devotional image, while above it, an image of Saint Anthony of Padua is placed.24 Keresztély Ailert, imperial captain, ordered the church to be built in 1715 out of gratitude that he was cured of his tendon-related illness while bathing in the water of the nearby spring and praying to his image of the Helper Mary. The church was finished in 1726 and rebuilt during the latter half of the 18th century. The altar pieces were painted by Anton Maulbertsch and Stephan Dorffmeister. Apart from altar pieces and devotional pictures, the Mariahilf was also represented in sculpture. Originating from the middle of the 18th century is a relief made of linden-tree, found on the high altar of the Chapel of St Michael at Budatétény, a settlement inhabited by Bavarians who arrived after the liberation of the country from the Ottoman rule.25 A Mariahilf statue re-painted multiple times and donated to the ancient sculpture depart24 Bálint, Sándor: Boldogasszony vendégségében [In the Company of Virgin Mary]. Budapest 1944, 37; Genthon (cf. n. 5), 256. 25 Szilárdfy, Ikonográfia (cf. n. 2), fig. 59.



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Fig. 10  Relief of Maria­ hilf from the Faca­de of a Bell Founder’s House, 18th century. Castle, Eger.

ment of the Hungarian Museum of Fine Arts in Budapest in 2006 originates, most probably, from the same time (plates I–II).26 Originally, it probably served as a personal devotional object. Representations of the Mariahilf can often be found on facades of houses built during the 18th century. Such a relief can be seen on the top of the tympanum of one of the palaces built in 1751, part of the Castle of Veszprém (fig. 9).27 The Mariahilf relief on the wall of a bell founder’s house, which is preserved in the Castle Museum of Eger/ Erlau, was originally paired with a representation of St Fortchern (Forkernus), the patron saint of bell founders (fig. 10–11). In both cases, it is apparent that a protective power was attributed to the images. The Mariahilf is represented from the side on one of the 18th century enamel paintings on a chalice from about 1500, also kept in the Castle Museum of Eger (fig. 12,

26 Budapest, Szépművészeti Múzeum, inv. no. 2006.1. I am grateful to Mária Verő for allowing me to study the statue. 27 Veszprém, Vár Street 29. House of Dubniczay, built in 1745. Korompay (cf. n. 19), 147.

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Fig. 11  Relief of St Forkernus from the Facade of a Bell Founder’s House, 18th century. Eger.

plate III).28 This is a representative example of the prevalence of the Mariahilf cult in the applied arts. A pewter holy-water basin (part of a private collection in Budapest29) and a tin plate image found among the tiles on the roof of a house after the siege of Budapest during World War II (now in private ownership in Vác/Waitzen) attest to the role of Mariahilf in private devotion (fig. 13).30 The Mariahilf cult is very much alive in today’s Hungary as well. For example, two years ago, the photograph of the icon at Turbék was placed on the northern side altar of the Franciscan church at Szigetvár (plate IV). It is this Mariahilf that is repre28 I would like to express my gratitude for the high quality photographs of the chalice to Ágota H. Szilasi. Five further enamel paintings represent female saints: S. Aplonia, S. Barbara, S. Rosalia, S. ­Vrsvla, S. Catharina. Dávid, Katalin: Sakrale Kunstschätze in Ungarn. Budapest 1982, nr. 53. 29 Szilárdfy, Ikonográfia (cf. n. 2), fig. 346. 30 I am grateful to Frigyes Pálos, canon of Vác, for letting me examine the picture in his ownership.



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Fig. 12  Chalice, about 1500. Museum of the Castle, Eger.

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Fig. 13  Mariahilf, tin, 19th century. Vác, private collection.

sented by Zsuzsa Makrai on her 2007 enamel painting but with false colours (plate V). The artist relied on an illustration found in Elek Jordánszky’s work from 1836 presenting Hungarian shrines dedicated to Mary.31 This detailed topographical and formal research proves the crucial influence of the Passau cult in Hungary. The Mariahilf was thought to protect not only against the Ottomans, but also against famine, wars, and the plague. Copies of the original image were brought to Hungary by German-speaking people, who settled in depopulated ­areas of the country after its liberation from the Ottoman rule. The cult became present in almost all forms of religiousness and influenced numerous branches of the arts. Translated by Előd P Csirmaz 31 Jordánszky, Elek: Magyar országban, ’s az ahoz tartozó részekben lévő Bóldogságos Szűz Mária kegyelem’ képeinek rövid leirása [Short Descriptions of the Icons of the Blessed Virgin Mary in Hungary]. Posonban 1836, 92 f.

H i s t o r i s c h es Exemp el od er ereignisste ue rnde  Figur? Divergierende Codierungen der Gottesmutter in Prag zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges

Kai Wenzel

Am Morgen des 8. November 1620 traf das Heer der protestantischen böhmischen Stände mit den Truppen Kaiser Ferdinands II. (1578–1637) und der Katholischen Liga am Weißen Berg/Bílá hora bei Prag zu einer Entscheidungsschlacht zusammen. Dieses vielfach beschriebene und in zahlreichen Gemälden und Kupferstichen abgebildete Ereignis war eine der folgenreichsten militärischen Aktionen des Dreißigjährigen Krieges. Sie entschied nicht nur über die unmittelbare politische Zukunft des Königreichs Böhmen, sondern bestimmte für Jahrhunderte die konfessionelle Ausrichtung des Landes.1 Wie die Legenden berichten, soll der Ausgang der Schlacht maßgeblich von der charismatischen Wirkung des Karmeliterpaters Domenico a ­Jesu ­Maria beeinflusst worden sein, der zum Heerlager des bayerischen Herzogs Maximilian I. (1573–1651) gehörte.2 Mit einem Kruzifix in der erhobenen Hand und einem Marienbild um den Hals soll er die kaiserlichen und ligistischen Soldaten zum Kampf angetrieben und die Gottesmutter dazu bewogen haben, sie schließlich zum Sieg zu führen. Besagtes Bild – ein spätgotisches Tafelbild mit der Darstellung der Geburt Christi – hatte ­Domenico, so die Legende, erst wenige Tage zuvor in der südwestlich von Prag gelegenen Johanniterkommende Strakonitz/Strakonice gefunden. Sie war von Truppen der protestantischen Stände geplündert worden und Domenico fand das Bild schwer beschädigt: Den Figuren Mariens und Josephs waren die Augen ausgestochen worden. Der Wirkung dieses geschändeten Bildes schrieb die katholische Seite einen entscheidenden Einfluss auf ihren Sieg zu. Aus diesem Grund wurde es schon kurz nach der Schlacht nach Rom gebracht und als Objekt der Wallfahrt hoch 1 Einen kompakten Überblick bieten: Petráň, Josef: Die Anfänge des Krieges in Böhmen. In: 1648. Krieg und Frieden in Europa. Bd. 1–2. Ausst.-Kat. Münster und Osnabrück. Hg. v. Klaus Bussmann und Heinz Schilling. Münster 1998, Bd. 1: Textband, 85–93; Hroch, Miroslav/Bartecek, Ivo: Die Böhmenfrage im Dreißigjährigen Krieg. In: Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Z ­ äsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte. Hg. v. Heinz Duchhardt. München 1998, 447–460; C ­ haline, Olivier: La bataille de la Montagne Blanche (8 Novembre 1620). Un mystique chez les ­guerriers. Paris 2000. 2 Domenico war auf Wunsch Herzog Maximilians aus Rom in das Feldlager des bayerischen Heeres gekommen und hatte dort am 1. August bei Grieskirchen die herzogliche Hauptfahne geweiht, die das Bild der Gottesmutter zeigte. Riezler, Sigmund: Der Karmeliter P. Dominikus a Jesu Maria und der Kriegsrat vor der Schlacht am Weissen Berge. In: Sitzungsberichte der Philosophisch-Philologischen und der Historischen Classe der K. B. Akademie der Wissenschaften zu München 1 (1897), 423–444, hier 441.

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Abb. 1  Ausführungsentwurf der Pfarrkirche zur Heiligen Dreifaltig­ keit auf der Prager K ­ leinseite, 1611.



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verehrt. In Prag wurde eine Kopie des Bildes in einer Kirche aufgestellt, die der Siegreichen Gottesmutter (Santa Maria de Victoria) geweiht war. Die Geschichte von der Siegreichen Gottesmutter vom Weißen Berg ist eines von zahlreichen vergleichbaren Narrativen über eine ereignissteuernde Wirkung M ­ ariens und ihrer ikonischen Stellvertreter. Im Kontext der konfessionellen Situation in Prag zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges muss dieser narratio jedoch eine über die Geschichte der Schlacht vom November 1620 hinausweisende Bedeutung zugesprochen werden. Denn die Funktion Mariens für eine kollektive und private Frömmigkeit war unter den in der Moldaustadt anwesenden christlichen Konfessionen zu dieser Zeit sehr umstritten. Gerade in den Monaten, die der Schlacht vorausgingen, erreichten die Auseinandersetzungen um ein bekenntnisgerechtes Marienverständnis ihren Höhepunkt. Schauplatz dabei war zum einen die Sankt-Veits-Kathedrale, die im calvinistischen Bildersturm vom Dezember 1619 ihre jahrhundertealte Ausstattung verlor, und zum anderen die Pfarrkirche der lutherischen Gemeinde auf der Prager Kleinseite (Malá Strana), in der zur gleichen Zeit ein aus einem katholischen Gotteshaus entnommenes Altarbild mit der Darstellung der Verkündigung an Maria aufgestellt wurde. Ausgerechnet jene Kirche, die nach der Schlacht am Weißen Berg beschlagnahmt und dem Karmeliterorden übergeben wurde, sollte zum Ort des Kultes der Siegreichen Gottesmutter vom Weißen Berg werden. Damit wurde nicht nur der katholische Triumph über den böhmischen Protestantismus glorifiziert, sondern das nachtridentinisch-katholische Konzept der Gottesmutter als siegreicher himmlischer Jungfrau an einem jener Orte öffentlich manifestiert, an dem es von der protestantischen Theologie wenige Monate zuvor noch in Zweifel gezogen worden war. Man kann sagen, dass die Schlacht am Weißen Berg nicht nur eine Auseinandersetzung um die politische Hegemonie im Königreich Böhmen war, sondern dass sie angesichts ihrer noch zu schildernden Vorgeschichte auch eine Auseinandersetzung um divergierende konfessionelle Codierungen der Gottesmutter als einer der Zentralgestalten christlichen Glaubens war. Diesen Konflikt um Maria als Element konkurrierender Konfessionskulturen zeichnet die vorliegende Studie im Folgenden nach.

Protestantische Positionierungen zu einem bekenntnisgerechten Marienverständnis Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war die kaiserliche Residenz- und böhmische Landeshauptstadt Prag eine multikonfessionell und polyethnisch geprägte Metropole.3 Die Majorität der Einwohner bekannte sich zu einer der protestantischen Konfessionen, die in der Stadt vorherrschend waren: Utraquisten, Böhmische Brüder, Reformierte 3 Ledvinka, Václav/Pešek, Jiří: Das Bürgertum, das städtische öffentliche und private Leben. In: ­Rudolf II. und Prag. Kaiserlicher Hof und Residenzstadt als kulturelles und geistiges Zentrum Mitteleuropas. Ausst.-Kat. Prag. Hg. v. Eliška Fučíková u. a. Prag 1997, 287–301; siehe auch die entprechenden Beiträge in: Krakau, Prag und Wien. Funktionen von Metropolen im frühmodernen Staat.

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und Lutheraner. Katholiken stellten in Prag zwar eine Minderheit dar, besetzten jedoch politische Schlüsselpositionen am kaiserlichen Hof bzw. in der Landesverwaltung und genossen die uneingeschränkte Förderung durch die habsburgischen Landesherren.4 Mit programmatischen Kirchenbauten und sakralen Handlungen im öffentlichen Raum versuchten alle Konfessionen, ihre Interessen sowohl innerhalb der städtischen Gemeinschaft wie auch im theologischen Diskurs zu behaupten.5 Konfessionskulturelle Standpunkte wurden dabei von den einzelnen Lagern seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert in zunehmendem Maße auch mit landespolitischen Forderungen verbunden. Diese Situation spitzte sich 1618 in einem krisenhaften Ereignis zu, dem Aufstand der böhmischen Stände. Angesichts konfessionspolitischer Interventionen des habsburgischen Landesherrn Ferdinand II. sagten sich die überwiegend protestantischen Stände des Königreichs Böhmen von ihrem Souverän los, bildeten eine eigene Regierung und krönten im August 1619 den reformierten Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz (1596–1632) zu ihrem neuen Oberhaupt.6 Der böhmische Ständeaufstand bildet als markanter emanzipatorischer Bruch in der Landesgeschichte die historische Folie für die folgenden Ausführungen.7 Im Hinblick auf Formen und Strategien konfessioneller Codierungen bzw. die Wirksamkeit von Kirchenbauten als Medien im Rahmen der Herausbildung eigenständiger Konfessionskulturen soll hierbei die in dieser Hinsicht außergewöhnliche Kirche Santa Maria de Victoria auf der Prager Kleinseite betrachtet werden, vor allem bezüglich der Frage nach verschiedenen Konzepten zum Marienverständnis.8

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Hg. v. Marina Dmitrieva und Karen Lambrecht. Stuttgart 2000 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 10). Eberhard, Winfried: Entwicklungsphasen und Probleme der Gegenreformation und katholischen Erneuerung in Böhmen. In: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 84 (1989), 235–257. Ohlidal, Anna: Kirchenbau in der multikonfessionellen Stadt. Zur konfessionellen Prägung und Besetzung des städtischen Raums in den Prager Städten um 1600. In: Stadt und Religion in der frühen Neuzeit. Soziale Ordnung und ihre Repräsentationen. Hg. v. Vera Isaiasz. Frankfurt am Main-New York 2007, 67–81; Dies.: Präsenz und Präsentation. Strategien konfessioneller Raumbesetzung in Prag um 1600 am Beispiel des Prozessionswesens. In: Formierungen des konfessionellen Raumes in Ostmitteleuropa. Hg. v. Evelin Wetter. Stuttgart 2008 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 33), 207–218. Bahlcke, Joachim: Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit. Die Länder der Böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft (1526–1619). München 1994 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 3), 400–445. Sie sind Teil des Dissertationsprojekts des Autors, das bei Prof. Dr. Michaela Marek am Kunsthistorischen Institut der Universität Leipzig entsteht und konfessionelle Codierungen frühneuzeitlicher Kirchenbauvorhaben in Mitteleuropa untersucht. Dazu bereits: Wenzel, Kai: Abgrenzung durch Annäherung. Überlegungen zu Kirchenbau und Malerei in Prag im Zeitalter der Konfessionalisierung. In: Bohemia 44/1 (2003), 29–66; Ders.: „Zimblich viel anguli, so vor Jaren im Pabstumb gebraucht worden“. Mitteleuropäische Wandpfeilerkirchen um 1600 im konfessionellen Wettstreit. In: Konfessionen im Kirchenraum. Dimensionen des Sakralraums in der Frühen Neuzeit. Hg. v. Susanne Wegmann und Gabriele Wimböck. Korb 2007 (Studien zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 3), 95–114; Ders.: Konfese a chrámová ­architektura. Dva luteranské kostely v Praze v předvečer třicetileté války (2. díl) [Konfession und Kir-



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Das heute der Siegreichen Gottesmutter geweihte Gotteshaus auf der Prager Kleinseite wurde ursprünglich zwischen 1611 und 1613 als lutherische Pfarrkirche zur Heiligen Dreifaltigkeit errichtet. Der Neubau in Sichtweite der landesherrlichen Burg, des Prager Hradschins, war möglich geworden, nachdem Rudolf II. (1552–1612) den protestantischen Konfessionen in Böhmen durch einen 1609 erlassenen Majestätsbrief den Neubau eigener Gotteshäuser gestattet hatte.9 Die noch junge lutherische Gemeinde der Kleinseite nutzte diese Chance und ließ ein in seinen architektonischen Formen hochmodernes Gotteshaus errichten (Abb. 1). Zu den Förderern des Vorhabens zählte Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg (1564–1613), der seit 1600 dauerhaft in Prag lebte.10 Er stiftete für die neue Kirche ein Altarretabel, das als Epitaphaltar konzipiert war, jedoch wegen des frühen Todes des Herzogs nicht rechtzeitig fertiggestellt wurde und in der Folge nie nach Prag gelangte. Seit 1623 steht dieses Retabel in der Hauptkirche der Residenz des Herzogtums BraunschweigLüneburg, der Wolfenbütteler Hofkirche Beatae Mariae Virginis.11 Anstelle des fehlenden Altarschmucks behalfen sich die Kleinseitner Lutheraner 1619 mit einem großformatigen Gemälde, das sie aus der Jesuitenkirche Sankt Salvator in der Prager Altstadt übernahmen. Dieser ungewöhnliche Vorgang der Überführung eines Altarbildes aus einem jesuitischen Gotteshaus in eine lutherische Pfarrkirche gehört zu den unmittelbaren Auswirkungen des böhmischen Ständeaufstands vom Frühjahr 1618. Denn nachdem in Prag die protestantischen Stände die Regierung übernommen hatten, wurde im Mai 1619 der Jesuitenorden aus der Hauptstadt und dem gesamten Königreich ausgewiesen.12 Die Bannung des Ordens wurde in der vom

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chenbau. Zwei lutherische Gotteshäuser in Prag am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges (Teil 2)]. In: Pražský sborník historický 37 (2009), 7–66. Publicirter Religions Friede im Königreich Böhmen Welchen Röm. Käy. Mayst. Rudolph II. Auffm Schloß Praga/bewilliget und nachgegeben. Deßwegen die jetzige Böhemische Unruhe entstanden. [Prag] 1620 (Exemplar der Nationalbibliothek Prag, Sig. H 1228, přív. 4); Lietzmann, Hilda: Die Deutsch-Lutherische-Dreifaltigkeits-, die spätere Ordenskirche St. Maria de Victoria auf der Kleinen Seite zu Prag. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 40/3 (1977), 205–226, hier 207; Vlček, Pavel/­ Havlová, Ester: Praha 1610–1700. Kapitoly o architektuře raného baroka [Prag 1610–1700. Kapitel zur Architektur des Frühbarocks]. Praha 1998, 19 f. Zu Herzog Heinrich Julius ausführlich: Lietzmann, Hilda: Herzog Heinrich Julius zu Braunschweig und Lüneburg (1564–1613). Persönlichkeit und Wirken für Kaiser und Reich. Braunschweig 1993 (Quellen und Forschungen zur braunschweigischen Geschichte 30). Dies.: Der Altar der Marienkirche zu Wolfenbüttel. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 13 (1974), 199–222; Königfeld, Peter/Grote, Rolf-Jürgen: Altar, Raum und Ausstattung der Hauptkirche Beatae Mariae Virginis. In: Die Hauptkirche Beatae Mariae Virginis in Wolfenbüttel. Zur Kunstgeschichte und Restaurierung des ersten reformatorischen Kirchenbaus in Deutschland. Hg. v. Hans-­ Herbert M ­ öller. Hannover 1987, 117–168. Jüngst hat Klaus Merten die These aufgestellt, dass es sich bei dem Wolfenbütteler Altar nicht um das von Herzog Heinrich Julius für die Kleinseitner Dreifaltigkeitskirche gestiftete Retabel handelt, sondern um eine zweite Stiftung des Herzogs, die für die Pfarrkirche St. Salvator der Altstädter Lutheraner bestimmt gewesen sein soll; vgl. Merten, Klaus: Die Altarprojekte für die beiden lutherischen Kirchen in Prag 1612–1620. In: Umění 56 (2008), 119–127. Ledvinka, Václav/Pešek, Jiří: Praha. Praha 2000 (Dějiny českých měst), 324; ­Hausenblasová, ­Jaroslava/Šroněk, Michal: Gloria et Miseria. 1618–1648. Prague during the Thirty Years War. Prague 1998, 42–57.

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böhmischen Generallandtag im Juli 1619 verabschiedeten Confoederatio Bohemica nochmals bestätigt und dabei festgelegt, dass „alle ihre Collegia, Gueter, Gefälle und Einkommen dem Lande zum besten anheimfallen“ sollten.13 Auch die Kirchen und deren Ausstattungen wurden enteignet und der Verfügungsgewalt der protestantischen Ständeregierung unterstellt. Noch im gleichen Jahr ließ der böhmische Landesdirektor und königliche Oberlandhofmeister Wilhelm von Lobkowitz d. Ä., selbst ein bekennender Lutheraner, ein vom kaiserlichen Hofmaler Hans von Aachen (1552–1615) gemaltes Altarbild mit der Darstellung „Mariä Verkündigung“ aus der Altstädter Jesuitenkirche entnehmen und in die lutherische Dreifaltigkeitskirche überführen (Taf. I).14 Sein Interesse lag dabei nicht nur darin, die noch unvollständige Ausstattung der lutherischen Pfarrkirche zu komplettieren, sondern das Kunstwerk vor der Vernichtung zu bewahren, da zur gleichen Zeit alle Bilder und Figuren in der Altstädter Jesuitenkirche auf Anweisung des calvinistischen Hofpredigers Abraham Scultetus (1566–1625) beseitigt wurden, um den Kirchenraum zum reformierten Betsaal umzugestalten.15 Das Gemälde wurde in der Kleinseitner Pfarrkirche am dritten Adventssonntag 1619 auf dem Abendmahlsaltar aufgestellt, der anschließend mit einer ausführlichen Predigt zum Thema der Verkündigung an Maria geweiht wurde. Sie ist in einer im folgenden Jahr in Leipzig erschienenen Druckfassung überliefert und stellt eine bemerkenswerte Quelle zur Funktionalisierung der Gottesmutter im Rahmen der lutherischen Konfessionskultur und ihrer Integration in eine bekenntnisgerechte Frömmigkeitspraxis dar.16 Der vom Pfarrer Caspar Wagner ausgearbeitete Predigttext verfolgte vor allem den Zweck, das Thema „Mariä Verkündigung“ im lutherischen Sakralraum zu verankern und dabei deutlich vom katholischen Verständnis abzugrenzen. 13 Documenta Bohemica Bellum Tricennale Illustrantia. Bd. 1–7. Praha 1971–1981, Bd. 2 (1972): Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Der Kampf um Böhmen. Hg. v. Miroslav Toegel, 151–165, hier 153 f.; zur Entstehung der Confoederatio Bohemica: Bahlcke (wie Anm. 6). 14 Wagner, Caspar: Das Ave Maria, Geprediget erkläret vnd Schrifftmessig außgelegt Zu Christlicher Einweihung oder Heiligung des newen Altars darauff der Engel Gabriel vnd die heilige hochgelobte Jungfraw Maria neben andern schönen Biblischen Figuren und Bildern auffs aller kunstreichest abgemahlet in der Evangelischen Deutschen Kirchen zur heiligen Dreyfaltigkeit der kleinern Stadt Prage. Leipzig 1620 (Exemplar der Nationalbibliothek Prag, Sig. H 1227, přív. 4), Bl. 6 r; zur Person des Wilhelm von Lobkowitz d. Ä.: Wurzbach, Constant von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Bd. 1–60. Wien 1856–1891, Bd. 15 (1866), 335 f. Das Gemälde, das sich heute in der Nationalgalerie Prag befindet (Inv.-Nr. VO 272), wo es zu den Glanzstücken der Dauerausstellung rudolfinischer Hofkunst gehört, war eine Stiftung des kaiserlichen Geheimrats Johannes Barvitius und ursprünglich im nördlichen Seitenschiff der Jesuitenkirche St. Salvator aufgestellt. Schmidl, ­Johann: Historiae Societatis Jesu Provinciae Bohemiae. Bd. 1–2. Praga 1747–1749, Bd. 2 (1749), 688; K ­ aufmann, Thomas DaCosta: The School of Prague. Chicago-London 1988, 40, 63, Nr. 1.80; ­Jacoby, Joachim: Hans von Aachen, 1552–1615. München-Berlin 2000 (Monographien zur deutschen Barockmalerei), 87–89. 15 Lundorp, Michael Caspar: Östreichischer Lorberkrantz oder Kayserlicher Victori. Franckfurt am Mayn 1625, 238 f. 16 Wagner (wie Anm 14). Zu Wagners Predigt bereits Wenzel, Abgrenzung durch Annäherung (wie Anm. 8), 49–65.



Historisches Exempel oder ereignissteuernde Figur?

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Die Verkündigungsthematik ist für ein lutherisches Gotteshaus zunächst nicht ungewöhnlich. In zahlreichen frühneuzeitlichen Kirchenausstattungen in lutherischen Kernregionen wie Sachsen, Schlesien oder der Mark Brandenburg sind Darstellungen der Verkündigung an Maria anzutreffen, und verschiedene nachreformatorische Kirchenordnungen bewahrten den Tag „Mariä Verkündigung“ als einen besonderen Feier­tag. Allerdings erfuhr dieses Fest in der lutherischen Konfessionskultur eine christologische Neuinterpretation als Tag der „Empfängnis des Herrn“ bzw. als „Herrenfest“, bei dem der Inkarnation Christi, nicht aber der Gottesmutter gedacht werden sollte – eine Umdeutung, aus der die allgemeinen Züge des Marienverständnisses im Luthertum erkennbar werden, wie sie von Margarete Stirm und Beth Kreitzer beschrieben wurden.17 Wagner sprach ein über den Kreis der Kleinseitner Gemeinde hinausgehendes Pub­likum an, dass über die Druckfassung auch erreicht werden konnte.18 Wie die Verkündigung im Rahmen des lutherischen Bekenntnisses verstanden und für eine praxis pietatis nutzbar gemacht werden sollte, erläuterte er in mehreren Schritten. Als Absicht seiner Predigt formulierte er zunächst: „auff dass jederman erkenne / was wir vom Altar vnd Bildern in vnsern Kirchen halten / vnd wie gar wir es nicht mit vnserem Gegentheil den Bapisten halten / so die Heiligen anruffen / vnd jhre Bildnissen nicht nur zur Kirchenzierd / vnd Gedächtniß der Historien haben: Sondern ­jhnen sonderbahre Krafft vnd Tugend / Wunder vnd grosse Zeichen zu thun / zu eignen vnd zuschreiben.“19

In seinen weiteren Ausführungen sprach Wagner jeglichen Heiligendarstellungen die Fähigkeit ab, Wunder zu wirken, und disqualifizierte ihre erwartungsvolle Anbetung, wie sie im Katholizismus praktiziert würde, als gottloses Handeln. Der Pfarrer rekurrierte dabei mehrfach auf Predigten und Postillen Martin Luthers, in denen sich der Wittenberger Reformator zum Thema der Verkündigung bzw. allgemein zur Bilderfrage geäußert hatte. Dem lutherischen Adiaphora-Verständnis folgend führte Wagner aus: „Wer demnach die Bilder nicht haben will / der habe sie nicht / ist doch niemand darzu gezwungen / Er verachte aber / oder verdamme auch darumb die nicht / die sie ohne Sünde haben / so wol als andere eusserliche Kirchen-Ceremonien. Vnnd wer der Heiligen Bilder hat / der hab vnd behalte sie in Gottes Namen […] Es seynd viel Evangelische vnd gut Lutherische Kirchen / darinnen man gar keine Bilder / noch Crucifixe hat / […] vnd seynd auch viel / darinnen man sie hat / gehet aber darumb keiner Kirchen / an dem wahren Gottesdienst weder ab noch zu.“20 17 Stirm, Margarete: Die Bilderfrage in der Reformation. Gütersloh 1977 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 45); Kreitzer, Beth: Reforming Mary. Changing Images of the Virgin Mary in Lutheran Sermons of the Sixteenth Century. Oxford 2004. 18 Auf die Verbreitung der Predigt deutet heute noch ihr Vorhandensein in zahlreichen Bibliotheken Mitteleuropas hin, z. B. in der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden, den Universitätsbibliotheken von Erfurt, Halle, Leipzig und München, der Tschechischen Nationalbibliothek Prag, der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar und der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, um nur einige zu nennen. 19 Wagner (wie Anm. 14), Bl. 3r. 20 Ebd., Bl. 3v.

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Die Frage des Vorhandenseins von Heiligendarstellungen im sakralen Raum war für den Kleinseitner Pfarrer vorrangig eine Frage der bekenntnisgerechten Frömmigkeits­ praxis. Wie diese im Hinblick auf die Marienfigur zu gestalten sei, erläuterte Wagner im weiteren Verlauf seiner Predigt. Er konzentrierte sich dabei auf das „Ave M ­ aria“ des Erzengels Gabriel, das er im lutherischen Sinn auslegte und dessen Verwendung als Gebet, wie es in der katholischen Kirche üblich sei, Wagner scharf kritisierte: „Wir sollen vnd wollen aber das Ave Maria darzu nicht missbrauchen / vnd mit Mönchen ein Gebet draus machen / die heilige hochgelobte Mutter Gottes dadurch zu verehren vnd anzuruffen. […] Im Bapstumb wird ein großer Excess hierinn begangen [denn es wird] aus dem Gruß des Engels / ein Gebet für die Menschen / zu der H. Jungfraw Maria gemacht / daß sie Abends vnd Morgens bey dem Glockenklange […] Sprechen sollen / mit versprechung Bäpstischer Indulgenz vnd Ablaß auff 20. Tage / wo man solches frue vnd spat fleißig thun werde.“21

Mit hermeneutischer Genauigkeit setzte sich Wagner in seiner Predigt mit dem Thema der Verkündigung auseinander und argumentierte, warum der Englische Gruß nach dem Lukas-Evangelium nicht als Gebetstext gemeint sei. Der lutherische Pfarrer griff damit einen zentralen Ort katholischer Frömmigkeit an, denn in der katholischen Kirche sei „nichts mehr vnd öffter gehöret […] / als eben das Ave Maria, vnd wir [müssen] vns / weiß nicht was für einer Impietet, vnd Vngottseligkeit […] beschuldigen lassen / wann wir die liebe Jungfraw Maria mit jhnen nicht anbeten“.22 Auch die katholische Tradition des Rosenkranzgebets wies Wagner scharf zurück: „das ist fünff Pater noster zu sprechen / vnd zwischen einem jeden zehen Ave Maria, welchen numerum vnd anzahl / jhnen [den Katholiken] jhre Perlin Schnur weiset / daran allzeit zehen kleine Perlein gefunden / biß ein großes. Vnd damit der Englische Gruß etlicher maßen das ansehen eines Gebets bekomme vnd gewinne / setzen sie zu ende ohn vnd außer aller Schrift / hinzu: Du heilige Mutter Gottes / bitt für vns arme Sünder.“23

Seine Ausführungen resümierte Wagner in der Feststellung, dass die Visualisierungen der Gottesmutter innerhalb der lutherischen Konfessionskultur lediglich als Historiendarstellungen verstanden werden können. Eine solche Marienhistorie dürfe die Gläubigen ausschließlich zur Erinnerung der göttlichen Gnade und zur Anbetung Gottes führen: „Wir sollen in vnserem Gebet nicht die Mutter Gottes: (viel weniger andere Heiligen) sondern Gott selbst anruffen, […] nicht die Jungfraw Maria für eine Fürsprecherin auffwerffen / sondern jhren lieben Sohn / den HERRN Christum / welcher ist zur Rechten Gottes vnd vertritt vns […]. Dahero sagt Johannes der heilige Evangelist vnnd Apostel: Meine Kindlein / solches schreibe ich euch / auff daß jhr nicht sündiget / vnd ob jemand sündiget / so haben wir einen Fürsprecher (nicht eine Fürsprecherin) bey dem Vater / Jesum Christ (nicht die Jungfraw Mariam) der Gerecht ist / vnd derselbige (nicht sie) ist die versöhnung für vnsere Sünde / nicht allein aber für die vnsere / sondern auch für der gantzen welt.“24

21 22 23 24

Ebd., Bl. 13r. Ebd., Bl. 7v. Ebd., Bl. 13r. Ebd., Bl. 13v.



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Zwar könne, so Wagner, dem Thema der Verkündigung an Maria gegenüber anderen biblischen Themen eine besondere Bedeutung als herausragendem Glaubens- und Tugendexempel zugesprochen werden: ein Glaubensexempel, da Maria der durch den Erzengel Gabriel überbrachten göttlichen Botschaft vertraut habe; ein Tugendexempel, da sie sich dem Willen Gottes bedingungslos gefügt habe. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, Maria als himmlische Mittlerin anzurufen oder gar ihre Darstellungen anzubeten, da allein Jesus Christus die Rolle des göttlichen Mittlers zukomme, der durch Gebete anzurufen sei. Doch nicht nur gegen die zeitgenössische katholische Marienfrömmigkeit brachte Wagner seine Argumente in Stellung. In seiner Predigt wies er auch die von calvinistischer Seite geforderte Ablehnung jeglicher bildlicher Mariendarstellung zurück: „Dann weil etliche das vermercken / so lernen sie / daß man die H. Mutter Gottes / nicht allein nicht anbeten / sondern auch jhr Bildniß / so wol als anderer Heiligen Bilder nicht haben / noch in der Kirchen leiden oder dulden solle. Aber das heist allzuweit auff die lincke gehen. Denn ja die Creaturen mögen abgebildet werden / vnd verbot Gott nur derselben Bildniß zu machen vnd zu haben / daß man sie verehre / oder jhm damit diene. […] Wo man demnach das nicht thut / da mag man die Bilder wol machen / haben / vnd mit gutem Gewissen zum Gedächtniß seiner wunder behalten / welches der HERR selber gestifftet hat.“25

Diese Aussage spiegelt nochmals den Kern der Predigt wider: Nicht die Bilder sind es, die nach Meinung des lutherischen Pfarrers aus dem sakralen Raum zu verbannen seien, sondern die dem Bekenntnis entgegenstehenden Frömmigkeitsformen, die mit ihnen verbunden werden, gelte es zu bekämpfen. Eine Antwort auf die Aufstellung des Verkündigungsbildes in der lutherischen Pfarrkirche kam zunächst noch nicht vonseiten der in Prag verbliebenen Katholiken, sondern vom calvinistischen Hofprediger Abraham Scultetus. Nur wenige Tage nach der Altarweihe ließ er in einem von Friedrich V. von der Pfalz legitimierten, mehr als eine Woche andauernden Bildersturm die Altarretabel und Heiligenbilder in der Kathe­drale Sankt Veit beseitigen und größtenteils zerstören.26 Diesen ikonoklastischen Akt rechtfertigte Scultetus in einer Predigt, in der er die Bildpraxis sowohl der Katholiken wie auch der Lutheraner scharf verurteilte. Auch diese Predigt erschien bereits kurze Zeit später unter dem Titel „Kurtzer aber schriftmässiger Bericht von den Götzen Bildern an die christliche Gemein zu Prag“ (1620) im Druck und provozierte eine ganze Reihe schriftlicher Entgegnungen sowohl von katholischer wie von lutherischer Seite.27

25 Ebd., Bl. 14v. 26 Dazu grundlegend: Kramář, Vincenc: Zpustošení Chrámu svatého Víta v roce 1619 [Der Bildersturm im Veitsdom im Jahr 1619]. Praha 1998 (Fontes historiae artium 6); siehe auch: Louthan, ­Howard: Breaking images and building bridges. The making of sacred space in early modern Bohemia. In: ­Sacred space in early modern Europe. Hg. v. Will Coster und Andrew Spicer. Cambridge 2005, 282– 301, hier 284–290. 27 Scultetus, Abraham: Kurtzer aber schriftmässiger Bericht von den Götzen Bildern an die christliche Gemein zu Prag. Als auß Kön. May. gnädigstem Befelch die Schloßkirch von allem Götzenwerck

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Abb. 2  Chorgestühl der Sankt-Veits-Kathe­ drale, Prag, um 1630. ­Detail der Relief­ darstellung des Bilder­ sturms von 1619 und der Zerstörung des Marien­retabels in der Sigismund­kapelle.

Eine Funktionalisierung von Heiligendarstellungen als belehrende oder moralisierende Historien, wie sie der lutherische Geistliche Caspar Wagner eine Woche zuvor noch gefordert hatte, wies Scultetus scharf zurück: „[Es] haben die jenigen vbel gethan / welche im Bapstthumb […] das Gebot von den Bildern auß den zehen Geboten außgemustert haben. Daher eine solche Blindheit entstanden / daß noch heutiges tages viele / auch wol vnter den Evangelischen in dem Wahn stecken / es sey doch ein fein Ding vmb die Götzen / man könne Gott dadurch ehren / sich dabey viel guter Historien erjnnern / vnd zugleich die Kirchen damit schmücken vnd zieren.“28 gesäubert worden. Gethan Sontags den 12/22 Decembris, deß 1619 Jahrs. Prag 1620 (Exemplar in der Universitätsbibliothek Leipzig, Sig. Pred. 401). 28 Ebd., Bl. 3v.



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Scultetus lehnte jegliche Form der Visualisierung der Gottesmutter ab, da das wahre Aussehen Mariens nicht gesichert sei – ein Argument, hinter dem die Zurückweisung der hagiographischen Überlieferung vom wahren Abbild Mariens, dass der Evangelist Lukas gemalt habe, steht. Aus diesem Grund verbiete sich ihre Darstellung, die zwangsläufig immer eine mit  – aus Sicht des reformierten Theologen unerwünschten – Projektionen der Gläubigen verknüpfte imaginatio bleiben müsse. Wenn freilich bekannt wäre, wie die Gottesmutter ausgesehen habe, könne man die Anbringung ihres Abbildes an Orten der privaten Frömmigkeit vielleicht tolerieren. „In den Orthen aber / da man den öffentlichen Gottesdienst verrichtet / sollen sie keineswegs auffgestellet werden / weder zur anbetung noch zur zierde“, da die Versuchung, dieses Abbild anzubeten, bei den Gläubigen zu groß sei.29 Es sei die fürsorgliche Pflicht des calvinistischen Theologen, seine Gemeinde vor dieser Versuchung zu bewahren. Aus dieser Haltung heraus legitimierte Scultetus die Zerstörung zahlreicher Skulpturen, Tafelbilder und vasa sacra in der Sankt-Veits-Kathedrale. Auch das um 1520 von Lucas Cranach d. Ä. geschaffene große Marienretabel in der Sigismundkapelle, einer der Seitenkapellen, die dem Landesheiligen des Königreiches Böhmen geweiht ist, fiel dem Bildersturm zum Opfer (Abb. 2). Über das nicht nur konfessionskulturell, sondern auch landespolitisch brisante Zerstörungswerk berichtet ein 1620 erschienenes Flugblatt: „Den 27. unnd 28. Decembris [1619] hat man […] auch das schöne sehr künstliche gemahlte unser lieben Frawen Altar in S. Sigismundi Capeln so Kayser Ferdinandus oder Maximilianus von dem vortrefflichen Mahlern L ­ ucasen Cranachen mahlen lassen, zu trümmern geschlagen, und weg getragen.“30 Lediglich fünf Fragmente mit adorierenden Heiligenfiguren haben sich von dem Retabel erhalten, während die Darstellung der thronenden Madonna, die einst das Zentrum des Werkes bildete, während des Bildersturms völlig zerstört worden zu sein scheint.31

Triumph der Siegreichen Gottesmutter – Die Entgegnung der katholischen ecclesia militans Die Schlacht am Weißen Berg im November 1620 beendete die Zeit der protestantischen Ständeherrschaft in Böhmen und auch der theologischen Dispute um die jeweiligen konfessionellen Standpunkte zur Marienfrömmigkeit, die Ende 1619 in den 29 Ebd., Bl. 5r. 30 Kramář (wie Anm. 26), 124. 31 Zum Marienretabel aus der Sigismundkapelle: Thümmel, Hans Georg: Lucas Cranachs Prager Altar. In: Lucas Cranach. Ein Maler-Unternehmer aus Franken. Ausst.-Kat. Kronach. Hg. von Claus Grimm, Johannes Erichsen und Evamaria Brockhoff. Augsburg 1994 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 26), 166–173; Chamonikola, Kaliopi: Lucas Cranach a české země [Lucas Cranach und die Böhmischen Länder]. In: Lucas Cranach a české země. Pod znamením odkřídleného hada. Ausst.-Kat. Prag. Hg. v. Kaliopi Chamonikola und Magdaléna Hamsíková. Praha 2005, 13–28, hier 17–23.

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Predigten von Caspar Wagner und Abraham Scultetus ihren Höhepunkt erreicht hatten. Mit den katholischen Siegern zog nun das Konzept der Siegreichen Gottes­mutter, geboren aus dem Triumph am Weißen Berg, in Prag und dem gesamten König­ reich ­Böhmen ein. Dessen wichtigster Protagonist war, wie bereits angedeutet, der Karmeliter­pater Domenico a Jesu Maria. Bereits die Geschichtsschreibung des späten 19. Jahrhunderts hat die Berichte über das Schlachtgeschehen zusammengetragen und sich mit ihnen quellenkritisch auseinandergesetzt. Besonderes Interesse fanden dabei die Aussagen über die Anwesenheit des Paters Domenico.32 Zwar lässt sich dessen Präsenz beim Kriegsrat der katholischen Verbündeten am Vorabend der Schlacht nachweisen. Dass Domenico ein geschändetes Tafelbild mit der Darstellung der Geburt Christi mit sich geführt habe, erwähnen die Berichte jedoch nicht. Es soll an dieser Stelle aber nicht die Frage sein, ob die Erzählungen zum Tafelbild der Siegreichen Gottesmutter, wie sie schon bald nach der Schlacht durch Flugblätter verbreitet wurden, einen Wahrheitsgehalt beanspruchen können oder nicht. Von Interesse ist hier vielmehr der Diskurs, der sich um die Wirkung Mariens für den Ausgang des Schlachtgeschehens am Weißen Berg auf katholischer Seite entspann und in dem kleinformatigen Gemälde sein wirkmächtiges und hoch verehrtes Symbol fand. Die katholische Propaganda sah in der protestantischen Niederlage eine göttliche Strafe, nicht zuletzt für das ikonoklastische Handeln der Calvinisten in Prag und anderen Orten des Landes. Auf den militärischen Triumph folgte ein mehrjähriger Verdrängungskampf gegen die Protestanten in Böhmen. Kaiser Ferdinand II. ließ ihre Kirchen beschlagnahmen, verwies protestantische Prediger und Pfarrer des Landes und restituierte den Jesuiten ihr konfisziertes Eigentum. Auch das Altarbild „­Mariä Verkündigung“ kehrte 1621 aus der Kleinseitner Dreifaltigkeitskirche wieder in die Altstädter Jesuitenkirche zurück. Ein wichtiges Medium der Propaganda waren Einblattdrucke, die schon wenige Wochen nach der Schlacht erschienen.33 Sie verbreiteten schnell die Erzählung vom Karmeliter Domenico und seiner Rolle am Weißen Berg.34 Ein solches, 1622 in Augsburg erschienenes Flugblatt zeigt den Pater mit dem Tafelbild der Siegreichen Gottesmutter (Abb. 3).35 In seiner Linken hält er ein Kruzifix, in seiner Rechten das beschä32 Krebs, Julius: Die Schlacht am weissen Berge bei Prag. Breslau 1879, hatte zunächst die Berichte über die Anwesenheit des Paters Domenico während der Schlacht und sein Eingreifen in deren Verlauf als Fabel zurückgewiesen. Dieser Ansicht stellten Gindely, Anton: Die Berichte über die Schlacht auf dem Weissen Berge bei Prag. In: Archiv für österreichische Geschichte 56 (1877), 1–179; Ders.: Ein Beitrag zur Biographie des P. Dominikus a Jesu ­Maria. In: Archiv für österreichische Geschichte 65 (1884), 137–152 sowie Riezler (wie Anm. 2) neue Quellenfunde entgegen, die das Auftreten des Paters im Kriegsrat belegen. 33 Allgemein zur Gattung des Flugblatts in dieser Zeit: Harms, Wolfgang: Das illustrierte Flugblatt als meinungsbildendes Medium in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. In: 1648 (wie Anm. 1), Bd. 2, 323–327. 34 Schreiner, Klaus: Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin. München 1994, 404–406. 35 Der Winterkönig. Friedrich V., der letzte Kurfürst aus der Oberen Pfalz. Ausst.-Kat. Amberg. Hg. v. Peter Wolf u. a. Augsburg 2003 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 46/03), 313, Nr. 7.30.



Historisches Exempel oder ereignissteuernde Figur?

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Abb. 3  Flugblatt mit der (seitenverkehrten) Darstellung des Gnadenbildes der Siegreichen Gottesmutter vom Weißen Berg und des Karmeliterpaters Domenico a Jesu Maria, 1622. Augsburg.

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digte Gemälde. Unter dem Porträt schildert eine Vedute das Schlachtgeschehen am Weißen Berg und ein beigefügter Text informiert: „Bildnuß oder warhaffte Contrafeth deß ehrwürdigen Vatters Dominici von Jesu Maria […] welcher […] die Soldaten mit vorgetragnem Crucifixzeichen unnd ungezweiter Hoffnung den Sieg zu erlangen beherzt gemacht / Welcher denckwürdige Sieg auch hernach […] in Beisein dieses geistlichen Manns mit sonderbarer Hülff und Beystand Gottes und der Gottesgebärerin Wohltat ist erlangt worden.“

Die linke Seite des Flugblattes gibt das beschädigte Tafelbild in größerem Format wieder und ist versehen mit dem Kommentar: „Contrafeth oder Bildnuß der seligsten Jungfrau Mariae welche ist gefunden worden mit ausgestochenen Augen aus Schmach von den Gottlosen in Strakonitz und von dem ehrwürdigen Vater Domenico von Jesu Maria in der Schlacht wider ihrer Kayserlichen Mayestät Feind bei Prag den Soldaten vorgetragen worden. Und ist dieses Bild von wegen der schnell erlangten Victori genannt worden: Unser Liebe Frau zu dem Sieg oder Unser liebe Frau des Siegs.“

Pater Domenico hatte das Original des wundertätigen Bildes nach der Prager Schlacht mit nach Rom genommen, wo es zunächst in der Kirche Santa Maria Maggiore – ­einem der wichtigsten Orte der Marienverehrung in der Ewigen Stadt – präsentiert wurde. Im Mai 1622 wurde es in einer feierlichen Prozession, bei der Domenico das Bild vor sich her trug, in die Karmeliterklosterkirche San Paolo al Quirinale überführt, wo es auf dem Hauptaltar aufgestellt wurde.36 Ein Steinrelief mit der Dar­ stellung des wundertätigen Gnadenbildes wurde an der Hauptfassade der Kirche ­angebracht (Abb. 4 und 5). Gleichzeitig wurde das erst kurz zuvor fertiggestellte Got­ teshaus auf Geheiß Papst Gregors XV. (1554–1623) unter dem Patrozinium ­Santa ­Maria d­ ella Vittoria neu geweiht und von den Karmelitern zum Ort der Erinnerung an den katholischen Sieg in Prag ausgestaltet, an dem außer dem wundertätigen Marienbild auch das Kruzifix des Paters sowie zahlreiche erbeutete Fahnen der protestantischen Truppen und ein Zyklus großformatiger Gemälde zusammengetragen wurden, die das Schlachtgeschehen wiedergeben (Abb. 6).37 Die Prager Dreifaltigkeitskirche wurde nach der protestantischen Niederlage auf Befehl Ferdinands II. beschlagnahmt. 1624 schenkte der Kaiser das Gotteshaus dem Karmeliterorden und löste damit ein vor der Schlacht am Weißen Berg gegebenes Gelübde ein.38 Noch im gleichen Jahr wurde auf dem Hauptaltar eine vom römischen M ­ aler ­Robert de Longin angefertigte Kopie des wundertätigen Bildes aufgestellt (Abb. 7).39 36 Matthiae, Guglielmo: S. Maria della Vittoria. Roma 1965, 16, 27–33. Das Original des Gnadenbildes wurde 1833 bei einem Brand zerstört und später durch eine Kopie ersetzt, die seitdem auf dem Hauptaltar der Kirche ausgestellt ist. 37 Ebd., 16. Die Trophäen und Erinnerungsstücke an die Schlacht am Weißen Berg sind bis heute in der Sakristei der Kirche öffentlich ausgestellt. 38 Lietzmann (wie Anm. 9), 222. 39 Ebd., 220 f.; Royt, Jan: Siegreiche Jungfrau Maria, Unbeschuhte Karmeliter und die Kirche der siegreichen Jungfrau Maria, Das Prager Jesuskind, Führer durch die Kirche der siegreichen Jungfrau Maria. In: Forbelský, Josef/Royt, Jan/Horyna, Mojmír: Das Prager Jesuskind. Praha 1992, 33–70, hier 36.



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Abb. 4  Hauptfassade der Karmeliterklosterkirche Santa Maria della Vittoria, Rom.

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Abb. 5  Reliefdarstellung des Gnadenbildes der Siegreichen Gottesmutter über dem Haupt­ portal der Karmeliterklosterkirche Santa Maria della Vittoria, Rom.



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Abb. 6  Sakristei der Karmeliterklosterkirche Santa Maria della Vittoria, Rom. Präsentation der erbeuteten Fahnen, Gemälde und anderer Erinnerungsstücke an die Schlacht am Weißen Berg.

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Kaiser Ferdinand II. stiftete der Kirche darüber hinaus ein großformatiges Gemälde, das ihn, seinen Sohn Ferdinand III. (1608–1657) und Pater Domenico in Verehrung der Siegreichen Gottesmutter zeigt (Taf. II).40 Es ist sicherlich kein Zufall, dass das Gnadenbild der Siegreichen Gottesmutter vom Weißen Berg in Prag gerade an jenem Ort installiert wurde, an dem wenige Jahre zuvor der lutherische Pfarrer Caspar Wagner den Glauben an jegliche Mittlerrolle und wundertätige Wirksamkeit von Marienbildern und deren Anbetung vehement abgelehnt hatte. Als Schauplatz des lutherischen Diskurses um eine bekenntnisgerechte Marienfrömmigkeit gab die frühere Dreifaltigkeitskirche eine geeignete Bühne für die katholische Entgegnung in der politisch motivierten Inszenierung des Kultes um die Siegreiche Gottesmutter ab. In diesem Licht betrachtet, erscheint die Schlacht am Weißen Berg mit ihren Nachwirkungen in Böhmen nicht mehr nur als ein militärisches Ereignis, sondern auch als eine Auseinandersetzung um divergierende Frömmigkeitskonzepte und speziell um die Valenz und Repräsentanzfunktion von Bildzeichen im sakralen Raum.

Kommunikation zwischen Prag und Rom mit Mitteln der Architektur Nicht nur mittels des Gnadenbildes und seiner Kopie wurden die beiden Gotteshäuser in Prag und Rom, die der Siegreichen Gottesmutter vom Weißen Berg geweiht waren, miteinander verbunden. Auch in der Architektur wurde diese Beziehung manifest. Hierfür ist jedoch nochmals eine Rückblende auf die lutherische Entstehungsgeschichte der Prager Kirche notwendig. Wie Zeichnungen aus der Planungsphase zeigen, sollte sie ursprünglich eine markante Doppelturmfassade erhalten, die ihr unmittelbares Vorbild in der Fassade der römischen Klosterkirche Santissima Trinità dei Monti hatte (Abb. 1). Als mögliche Begründung für dieses erstaunlich genaue Architekturzitat wurde in der Forschung mehrfach auf die identischen Patrozinien beider Kirchen verwiesen – eine Erklärung, die jedoch nicht zu überzeugen vermag, zählte die Heilige Dreifaltigkeit doch zu den häufigsten Titeln für christliche Gotteshäuser

40 Dieses Gemälde fertigte der Maler Matthias Mayer zwischen 1627 und 1637 an. Šroněk, Michal: Matyáš Mayer, Oldřich Musch a David Altmann. Pražstí malíři prvni poloviny 17. století [Matthias Mayer, Albrecht Musch und David Altmann. Prager Maler der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts]. In: Umění 40 (1992), 148–162, hier 154 f.; Ders.: Pražští malíři 1600–1656. Mistři, tovaryši, učedníci a štolíři v Knize Staroměstského malířského cechu [Prager Maler 1600–1656. Meister, Gesellen, Lehrlinge und Schreiner im Buch der Altstädter Malerzeche]. Praha 1997 (Fontes historiae artium 1), 79 f.; Umělecké památky Prahy [Die Kunstdenkmäler der Stadt Prag]. Hg. v. Pavel Vlček. Bd. 1–4. Praha 1996–2000, Bd. 3 (1999), 81; Vácha, Stěpán: Oltářní obraz v kostele Panny Marie Vítězné na Malé Straně. Sakrální pomník vítězství Ferdinanda II. na Bílé hoře [Das Altarbild in der Kirche der Siegreichen Gottesmutter auf der Kleinseite. Ein sakrales Denkmal des Sieges Ferdinands II. auf dem Weißen Berg]. In: Albrecht z Valdštejna. Inter arma silent musea? Ausst.-Kat. Prag. Hg. v. Eliška Fučíková und Ladislav Čepičká. Praha 2007, 191–197.



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Abb. 7  Robert de Longin: Kopie des Gnadenbildes der Siegreichen Gottesmutter, 1623. Hauptaltar der Karmeliterklosterkirche Santa Maria de Victoria, Prag.

in ganz Europa.41 Das dezidierte Interesse der Kleinseitner Lutheraner an genau jener römischen Kirchenfassade lag auf einer anderen Ebene. Die Klosterkirche Santissima Trinità auf dem römischen Monte Pincio wurde von den französischen Königen im 15. Jahrhundert gestiftet und erhielt in den folgenden Jahrhunderten reiche Donationen vom französischen Königshaus und den in Rom lebenden französischen Gesandten. In den Jahren 1587 bis 1589 wurde vor die ältere Kirche eine neue, innerhalb der römischen Sakralbaukunst ungewöhnliche Zweiturmfassade nach Entwürfen von Giacomo della Porta angefügt.42 Das an dieser Fassade angebrachte Motto „Regnum Galliae Munificentia“ wies die Kirche als ­„église ­royale“ aus, als einen architektonischen Stellvertreter des französischen Königs in der Ewigen Stadt. Zum Zeitpunkt der Planungen für die Prager Dreifaltigkeitskirche besaß das architektonisch-ikonische Zeichen der Doppelturmfassade von Santissima Trinità besondere Brisanz, verwies die Kirche des französischen Königshauses in Rom doch auf den regierenden Herrscher Heinrich IV. (1553–1610). Die Religionspolitik dieses 41 Obwohl Lietzmann (wie Anm. 9), 211, diese Erklärung bereits als unzureichend zurückgewiesen hatte, wurde sie in der neueren Forschung mehrfach wieder vorgetragen. 42 Zu dieser Fassade: Giovannoni, Gustavo: Saggi sulla architettura del Rinascimento. Milano 1931, 217–234; D’Onofrio, Cesare: Scalinate di Roma. Roma 1974, 209–242; Tiberia, Vitaliano: Giacomo della Porta. Un architetto tra manierismo e barocco. Roma 1974, 60 f.; Lietzmann (wie Anm. 9), 216– 218.

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zum Katholizismus konvertierten Calvinisten stieß auf den Argwohn der römischen Kurie. Vor seiner Krönung war Heinrich als Schirmherr der Hugenotten aufgetreten, weswegen Papst Sixtus V. (1521–1590) ihn 1585 exkommuniziert hatte.43 Und auch nachdem Heinrich, um König zu werden, zum katholischen Glauben übergetreten war, blieb er der Katholischen Liga suspekt. Durch das Edikt von Nantes 1598 schuf Heinrich IV. ein paritätisches Nebeneinander der konkurrierenden Konfessionen in Frankreich. Katholiken und Hugenotten wurde gleichermaßen die freie Ausübung ihrer Konfessionen zugesichert. Neben der uneingeschränkten Rechtsfähigkeit für Protestanten beinhalteten die Regelungen auch die Einrichtung von mit Katholiken und Protestanten besetzten Kammern in einigen Parlamenten und den Zutritt der Hugenotten zu Ämtern in Staat und Verwaltung.44 Auch wenn Heinrich IV. als konvertierter Calvinist für Lutheraner angesichts der vielfältigen Differenzen, die zwischen den beiden protestantischen Konfessionen im ausgehenden 16. Jahrhundert ausgebrochen waren, als eine problematische Figur erschienen sein mag, so dürfte seine auf Toleranz abzielende Konfessionspolitik für die Lutheraner in Prag und Böhmen ein erstrebenswertes Vorbild gewesen sein. Denn die protestantischen böhmischen Stände sahen sich bis zum Aufstand von 1618 im politischen System des Landes als benachteiligt, da hohe Ämter am Hof zumeist mit königstreuen Katholiken besetzt wurden. Ein paritätisches Nebeneinander der Konfessionen in der Landespolitik, wie es in Frankreich umgesetzt worden war, dürfte daher in Böhmen ein zentrales Anliegen gewesen sein und man kann annehmen, dass sich dies auch im Architekturzitat der markanten Doppelturmfront der Pfarrkirche der Kleinseitner Lutheraner niederschlug. Nach der Beschlagnahmung und Umcodierung des Gotteshauses zur katholischen Klosterkirche und zum Wallfahrtsort des Kultes der Siegreichen Gottesmutter vom ­Weißen Berg wiederholte sich dieser Vorgang des programmatischen Architekturzitats. Erneut wurde für die Kleinseitner Kirche eine römische Fassade als Vorbild genommen – diesmal jedoch mit völlig anderen ikonologischen Absichten: Zwischen 1638 und 1644 wurde anstelle des Chorraums der früheren lutherischen Pfarrkirche eine neue Hauptfassade errichtet (Abb. 8). Die finanziellen Mittel dafür stellte der kaiserliche General und Ritter des Johanniterordens Don Balthasar de Marradas (1560–1638) zur Verfügung.45 Er hatte zu den Befehlshabern der kaiserlichen Truppen während der Schlacht am Weißen Berg gehört und förderte nun den weiteren Ausbau des Prager Erinnerungs43 Eine Übersicht gibt Hinrichs, Ernst: Heinrich IV. (1589–1610). In: Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III., 1498–1870. Hg. v. Peter Claus Hartmann. München 1994, 143–170, hier 148–153. 44 Meyer, Jean: Frankreich im Zeitalter des Absolutismus 1515–1789. Stuttgart 1990, 196; H ­ inrichs (wie Anm. 43), 154–156; Greengrass, Mark: France in the Age of Henri IV. The Struggle for Stability. London-New York ²1995 [11984], 100–106; Koch, Ernst: Das konfessionelle Zeitalter. Katholizismus, Luthertum, Calvinismus (1563–1675). Leipzig 2000 (Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen 2, Spätes Mittelalter und Reformation 8), 137 f. 45 Lietzmann (wie Anm. 9), 224; Horyna, Mojmír: Die Architektur der Kirche. In: Forbelský/Royt/ Horyna (wie Anm. 39), 71–90, hier 88.



Historisches Exempel oder ereignissteuernde Figur?

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Abb. 8  Haupt­ fassade der Karmeliter­ klosterkirche Santa Maria de Victoria, 1638–1644. PragKleinseite.

ortes an dieses Ereignis, den er gleichzeitig zum Ort seiner e­ igenen memoria machte.46 Als Vorbild für die architektonische Gestaltung wählte man die Schaufront der römischen Karme­literkirche Santa Maria della Vittoria. So naheliegend ein solches Zitat war, 46 Zu dieser Fassade: Panochová, Ivana: Marradasova fundace pro malostranský kostel P. Marie ­Vítězné a Giovanni Battista Pieroni [Die Marradas’sche Stiftung für die Kleinseitner Kirche St. Maria de ­Victoria und Giovanni Battista Pieroni]. In: Pictura verba cupit. Sborník příspěvků pro Lubomíra Konečného. Hg. v. Beket Bukovinská. Praha 2006, 441–448.

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so genau kalkuliert war es angesichts der Vorgeschichte des Prager Gotteshauses. Denn wie bereits im Falle der Aufstellung des Gnadenbildes der Gottesmutter vom Weißen Berg in jenem Sakralraum, in dem wenige Jahre zuvor ein gegensätzliches mariologisches Konzept vorgetragen worden war, so setzte man sich auch bei der neuen Hauptfassade mit den ikonologischen Vorgaben des lutherischen Ursprungsbaus offensiv auseinander und griff zu einer ähnlich intendierten, jedoch gegensätzlich codierten Übernahme eines bekannten römischen Fassadenmotivs. Das Zirkulieren von bildlichen und sprachlichen Zeichen, wie es sich für die beiden, der Siegreichen Gottesmutter vom Weißen Berg geweihten Kirchen in Prag und Rom feststellen lässt, ist eine charakteristische Strategie im interkonfessionellen Diskurs der Frühen Neuzeit. Auf der Suche nach einem, dem jeweiligen Bekenntnis entsprechenden Marienverständnis, das sowohl den konfessionseigenen Dogmen gerecht werden, als auch sich von den Standpunkten der ausgemachten Gegner abheben sollte, hatte sich dieser Diskurs (wie auch andernorts) zunächst im Kontroversdialog der Theologen manifestiert. Im Fall des Prager Beispiels mündete der konfessionelle Schlagabtausch jedoch in der militärischen Intervention, die nicht nur wegen landespolitischer Konflikte ausbrach, sondern ihre Ursachen zweifellos auch in den divergierenden Auffassungen der Konfessionen zu Fragen der Frömmigkeit hatte. Der Triumph, den die katholische Kirche letztlich auf dem Schlachtfeld davontrug, wurde in Rom und Prag öffentlich wirksam inszeniert. Damit war die Moldaumetropole hinsichtlich der konfessionellen Auseinandersetzungen um eine bekenntnisgerechte Marienfrömmigkeit am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges eine Bühne, auf der ganz Europa berührende Fragen ausgetragen wurden.

M a r ia v o n Rad n a al s Id en t i tä t stifte nde  B a na te r S y mbol f i g u r i n f ü n f h unde rtjä hrige r reg i on al er Kontinuitä t Krista Zach

Das als wundertätig verehrte Madonnenbild von Maria Radna1 ist im Grunde genommen ein italienischer Farbdruck aus der Mitte des 17. Jahrhunderts – eine damals in hoher Auflage hergestellte, leicht zu transportierende, vergängliche Massenware (Taf. I).2 Von einem „welschen Bilderkrammer“ soll es ein namentlich bekannter frommer katholischer „Bosnier“ aus Lippa/Lipova erworben haben, vermutlich ein Kaufmann, der es später dem Marienkirchlein Radna gestiftet hat.3 Wie der Name des Stifters wird auch das genaue Jahr der Schenkung, 1668, etwa hundert Jahre später in zwei der wichtigsten Aufzeichnungen über den Wallfahrtsort Radna in der Frühen Neuzeit angeführt.4 Die fromme Handlung wird zusätzlich durch einen schlichten 1 Der Ort und die Kirche hießen ursprünglich nur Radna, erst ab 1889 erhielten die Pfarrei und 1894 der kleine Ort offiziell den Namen Maria Radna; Roos, Martin: Maria-Radna. Ein Wallfahrtsort im Südosten Europas. Bd. 1–2. Regensburg 1998, 2004, hier Bd. 1, 293. 2 Als Herstellungsort wurde die ab 1650 im norditalienischen Bassano di Grappa tätige Druckerei Remondini identifiziert. Der papierene Druck mit den Maßen 477 × 705 mm ist auf Holz aufgezogen und trägt die Unterschrift La Beatissima Vergine Del Carmine. Das zentrale Bild der Skapuliermadonna wird an drei Seiten durch Szenen mit Marias Nothilfe umrahmt, am unteren Rand sind die Leiden der armen Seelen im Fegefeuer dargestellt. Das ganze Bild wird von einer Goldbrokatborte eingefasst. Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 48 f. und 297. 3 Ebd., 46. Der Stifter hieß Georgius/Grgo Vričonosa. Unter dem „welschen Bilderkrammer“ kann ein italienischer Wanderhändler vermutet werden – von der Art jener, mit der ragusanische und bosnische Kaufleute im 17. Jahrhundert, von den Osmanen kaum behelligt, regen Warenaustausch zwischen Ost und West pflegten. Sie besorgten, neben Armeniern, Griechen und Aromunen, wie auch im Banat wohlbekannt, den Fernhandel zwischen dem Balkan, dem türkischen Teil Ungarns und den italienischen Küstenregionen auf der anderen Seite der Adria. Ein solcher „bosnischer“ Händler dürfte G ­ rgo Vričonosa gewesen sein. Im Schutze dieser Händler bewegten sich im 17. Jahrhundert auch die katholischen Missionspriester aus der Franziskanerprovinz Bosna Argentina. Dazu: Molnár, Antal: Katolikus missziók a hódolt Magyarországon [Die katholischen Missionen im Eroberungsgebiet U ­ ngarns]. Bd. 1 (1572–1647), Kapitel V. Budapest 2002, Deutsche Zusammenfassung: 577–587, hier 582 f. Vgl. auch die Hinweise aus den römischen Quellen zu dieser Region, beispielsweise im großen Visitationsbericht des Missionsbischofs von Belgrad, Mato Benlić, für die Jahre von 1652 bis 1658, in: Zach, Krista: Konfessionsgruppen in Slawonien und Syrmien 1640–1680. Anmerkungen zur Integration von Christen im Osmanischen Reich anhand römischer Archivquellen. In: Konfessionelle Pluralität, Stände und Nation. Hg. v. Joachim Bahlcke und Konrad Gündisch. Münster 2004 (Religions- und Kulturgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa 6), 267–285, Quellenexzerpt in deutscher Übersetzung 269–273, hier 269 f. 4 Dazu Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 46. Das Jahr der Bildschenkung, 1668, wurde offenbar nach einem Eintrag im Wallfahrtsbüchlein („jam 88. annis“) berechnet, vgl. ebd., Bd. 2, 706. So besagt es die etwa 100 Jahre später in zwei Werken aufgezeichnete, interne Überlieferung: einmal Libellus a Gratiis atque Beneficiis Beatae Virginis Mariae Radnae in Hungaria von Paolo a Baja für den Zeitraum 1750–1773, das im Radnaer Klosterarchiv aufbewahrt wird sowie das älteste Wallfahrtsbüchlein für

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Holzschnitt dokumentiert, auf dem die beiden Protagonisten des Bilderwerbs und das Kirchlein Radna auf dem Hügel im Hintergrund zu erkennen sind (Abb. 1).5 Radna gehörte, obwohl im Norden jenseits der Marosch/Mureş gelegen, immer zu Lippa. Dieser Handelsort hatte 1529 das Ofener Stadtrecht erhalten und wurde 1552 von den Türken erobert. In der Grenzgarnison Lippa lag türkisches Militär, und im Ort selbst lebten Handwerker und Kaufleute verschiedener Nationen. Die Christen – Ortho­doxe, Katholiken und einige Calvinisten – wohnten in den Vorstädten.6 Mehrere Kirchen in Lippa wurden im Zeitraum von 1325 bis 1551 durch Franziskanermönche betreut.7 Um 1630 wurde im Banat eine von bosnischen Franziskanern im Auftrag der römischen Propaganda-Kongregation unterhaltene Missionsstation aufgebaut, Lippa bzw. das Dörfchen Radna erhielten wenig später einen Kaplan.8 Die Franziskaner der strikten Observanz blieben in Radna mit kurzen Unterbrechungen bis 2003.

Zur Überlieferung Die komplexe Überlieferung weist mehrere Stränge auf, die – zusammengeführt – ein zum Teil neues Bild von den Anfängen des Banater Marienheiligtums Radna in der Frühen Neuzeit ergeben. Im Folgenden werde ich auf zwei dieser Stränge ausführli-

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Radna, das 1756 in Buda gedruckt wurde: Nemorosa Opacitas Relucens seu Genuina Historia Sacratissimae Imaginis Beatissimae Virginis Matris Gratiarum quae In Sacra Radnensi Aedicula Fratrum Minorum Observantiau S. P. Francisci Provinciae Bosnae Argentinae jam 88. annis a Christi fidelibus devotissime colitur, & Gratiis in dies coruscat (216 S.). Zur deutschen Übersetzung (Wunder-scheinender Wald-Schatten) von 1763 s. Anm. 5. Der Holzschnitt dürfte um die Mitte des 18. Jahrhunderts im Zusammenhang mit den beiden in Anm. 4 genannten Werken über Radna entstanden sein. Die Bildprovenienzangabe (Roos [wie Anm. 1], Bd. 1, 46 und Bd. 2, 712) zur Abbildung des Bilderwerbs (ebd., 47), einem Holzschnitt von 1771, verweist auf die 15 Jahre später erfolgte deutsche Übersetzung der Nemorosa Opacitas, aus deren barockem ­Titel weitere Angaben über den regen Zuspruch zu dieser Marienwallfahrt erschlossen werden können: Wunder-scheinender Wald-Schatten oder ausführlicher Bericht des wunderthätigen Gnaden-Bilds der aller-seeligsten Jungfrauen Mariae, So zu Radna in Ungarn unter der Obsicht der mündern Brüdern regularischer Observanz des heil. Francisci St. Joannis Capistranischer Provinz schon 95. Jahr von denen Christglaubigen Seelen andächtig verehret wird, und von Tag zu Tag mit neuen Gnaden, und Wunder leuchtet. Nebst etwelchen beygesetzten Andachts-Uebungen, und kräftigen Gebettern für die andächtige Marianische Wallfahrter zur grösseren Ehre Gottes, und seiner gebenedeytesten Mutter und Jungfrau MARIA, wie auch zum Trost und Nutzen der armen Seelen von etwelchen Priestern gedachten H[eiligen] Ordens verfasset, hernach von einem in das Teutsche übersetzet, und zum zweyten-mal in Druck gegeben. Ofen 1763. In den katholischen Missionsberichten gibt es mehrere Beschreibungen der mehrsprachigen und mehrkonfessionellen Bevölkerung Lippas und ihrer Umgebung, beispielsweise 1653 von Bischof ­Mato ­Benlić, in: Litterae missionariorum de Hungaria et Transilvania (1572–1717). Hg v. István-­György Tóth. Bd. 1– 4. Roma-Budapest 2002‒2005, hier Bd. 3 (2005), Nr. 813, 2171–2200, bes. 2182 f.; von 1667 von Missionspräfekt Paolo da Cinque Fonti in: Relationes missionariorum de Hungaria et Transilvania (1627–1707). Hg. v. István-György Tóth. Roma-Budapest 1994, Nr. 23a (1667), 209–211, hier 210; 1676 von Vizepräfekt Giovanni a Derventa in: ebd., Nr. 23b (1676), 218–225, hier 218. Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 20. Molnár (wie Anm. 3), 578, 581.



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Abb. 1  Darstellung des Gnadenbilderwerbs von Maria Radna 1642. Holzschnitt, 1771.

cher eingehen. Zu einem dritten Strang, der sich auf den mittelalterlichen Vorgängerbau von 1642 bezieht, ist die Überlieferung derzeit so gut wie nicht vorhanden. Um einen vierten steht es nicht viel besser – er betrifft die Zeit der Kriegswirren zwischen etwa 1696 und 1718. Als erster Strang ist die ‚innere Chronologieʻ Radnas auszuführen, die im 18. Jahrhundert entstand und verschriftlicht wurde. Am Beginn dieser ‚Erzählungʻ stehen ein Bericht und mündlich tradierte ‚Legendenʻ in der seit 1738 geführten, aber noch unveröffentlichten, ältesten handschriftlichen Klosterchronik von Radna.9 Darin hat das Gnadenbild Marias verständlicherweise seinen festen Platz. Sie kennt, von der wohlbekannten Wort- und Bilderzählung zu Herkunft und Erwerb des ­Radnaer ­Marien­bildes abgesehen (Abb. 1), das Baugeschehen im 17. Jahrhundert nicht, und schweigt über ein ‚Davorʻ, ohne dieses jedoch in Abrede zu stellen: Seit wann gab es also nun das Gnadenbild Marias im Kirchlein Radna an der Marosch? 9 Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 33. Die noch unveröffentlichte Chronik, die auch Legenden aus mündlichen Überlieferungsschichten enthält (ebd., 26: Einführung), wird im Diözesanarchiv Temeswar aufbewahrt.

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Im 18. Jahrhundert, einer Zeit der katholischen Konfessionalisierungsbestrebungen Wiens und des Franziskanerordens auch im multikonfessionell geprägten ­Banat, bemühten sich die hier ansässigen Franziskaner intensiv um ‚Beweiseʻ für ­Radna und sein marianisches Gnadenbild: Die präzise spätere Jahresangabe, 1668, und die nachträgliche Anfertigung eines Holzschnitts 1895 dazu (Abb. 2)10 verweisen die Erwerbsgeschichte des Gnadenbildes wohl eher in den Bereich der Legenden. Die älteren Holzschnitte im Wald-Schatten (1771) erzählen nur die Baugeschichte und andere Episoden zu Radna aus dem 17. Jahrhundert11. Einen zweiten Strang bilden die in römischen Archiven, vor allem im PropagandaFide-Archiv, aufbewahrten Briefe und Berichte der Missionare aus dem 17. Jahrhundert. Sie stellen eine frühere Überlieferungsschicht dar und sind – wenn auch noch nicht vollständig bis zum Stichjahr 1716/1718 veröffentlicht – aussagekräftig und glaubwürdig. Die ausreichend dokumentierte Geschichte der Errichtung der RadnaKapelle im 17. Jahrhundert bietet ein weiteres Indiz für die hier vorgeschlagene Lesart des sogenannten Erwerbsnarrativs. Der erste Bau in der Frühen Neuzeit wird, wie zeitgleiche Quellen mehrfach verbürgen, auf das Jahr 1642 datiert. Er wurde vom bosnischen Franziskaner P. Andrija Stipančić, Kaplan in Lippa, unter großen Mühen und meist des Nachts auf den Ruinen einer früheren Kapelle12 ausgeführt. Der Ort wird in mehreren Quellen13 als Hügel am rechten Maroschufer gegenüber Lippa, einer damals „türkische[n] Stadt“ mit lokaler Verwaltung, dem Kadi, dem Sanžak-Bey ­(A ­ libeg), ­einem Verlies und mit einer teils synkretistischen christlichen Bevölkerung in den Vorstädten14 – Händlern, Handwerkern, Militärangehörigen in osmanischen Diensten –, beschrieben. Auch wenn der Name Radna in diesen Quellen bis 1680 nicht auf-

10 Der Holzschnitt dürfte erst um 1756 oder eher 1771 (s. Roos [wie Anm. 1], Bd. 1, 46 für den Druck der Nemorosa Opacitas bzw. des Wald-Schattens (deutsche Übersetzung von 1763, 21771) angefertigt worden sein. 11 Etwa Verfolgungsszenen der Franziskanermönche durch osmanische Schergen, P. Andrija vor dem Sultan oder den Kirchenbrand: Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, Abb. Seite 33 und 36. 12 Es wäre noch zu klären, welches Patrozinium die Kapelle aus vorosmanischer Zeit hatte. 13 Dazu Zach, Krista: Die bosnische Franziskanermission des 17. Jahrhunderts im südöstlichen Nieder­ ungarn. München 1979, Quelle Nr. 15, 131–138, hier 135. – Die Nachrichten über die näheren Umstände des von der osmanischen Verwaltung in Lippa mehrfach gestörten, nur mit Bestechungsgeldern für die Baugenehmigung erkauften Kirchenbaus im Jahr 1642 und seinen Erbauer, P. ­Andrija Stipančić aus Omiš in Dalmatien, der im bosnischen Hauptkloster Olovo (Piombo) Dienst tat, über das erste Altarbild auf dem Hauptaltar bzw. das Patrozinium Radnas fand ich 1974 im Archiv der römischen Propaganda-Kongregation zusammen mit weiteren damals unveröffentlichten Angaben über die Mission von Karaschowa im heute rumänischen Banat, zu dem Radna damals gehörte: Archiv der Sacra Congregatione de Propaganda Fide, Rom [künftig APF], SOCG, Lettere (Bosna), Vol. 218, 494r,v–498r,v. Sie sind abgedruckt in 3 Quellen: Zach (wie Anm. 13), Nr. 1 (1648, 349v), 93 f., Nr. 15. (ca. 1651, 495r–496v), 133 f. und Nr. 24 (ca. 1650/52, 346r,v–347r,v), 148–151, auf die ich mich hier stütze. – Eine etwas freiere deutsche Übersetzung von Quelle Nr. 24 bei Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 26–31. 14 Zach (wie Anm. 13), Nr. 24, 150, 155; Relationes missionarorum (wie Anm. 6), Nr. 23a, Nr. 23b.



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taucht, ist die Ortsbeschreibung eindeutig – es war das in den Weinbergen versteckte Radna – „un vestigio antico di Chiesa sotto le Vigne“.15 P. Andrija Stipančić erhielt 1642 von der Propaganda-Fide aus Rom (nach damals üblichem Vorgehen bei der Ausstattung der Missionskirchen) auch eines der dafür vorgesehenen papierenen Altarbilder, das als großformatig beschrieben wird – „un quadro grande, cioè l’Ascensione di N[ostro] S[ignore] per Altare Maggiore“16 – und die Himmelfahrt Christi darstellte. Zu dieser Kapelle auf dem Hügel gegenüber dem osmanischen Lippa war, vielleicht schon kurz nach Mitte des 17. Jahrhunderts, an Christi Himmelfahrt eine sicherlich noch bescheidene Wallfahrt aus der örtlichen Bevölkerung, von einigen umliegenden Dörfern, und sogar aus Temeswar/Timişioara in Gang gekommen, wofür die Franziskaner der Missionsstation Karaschowa/Caraşova vermutlich gesorgt hatten. Darüber, wie auch über den rudimentären Zustand der Kapelle sowie ihre mangelhafte Ausstattung, berichtete 1667 ein anderer bosnischer Franziskaner, der Missionspräfekt von Karaschowa und Lippa, Paolo da Cinque Fonti, nach Rom: „Nel borgo di Lippova, giachè nella città non permettono i Turchi a i cattolicil’habitarvi […], fuori però del borgo vi è la chiesa con due altari di legno, e vi concorronoi cattolici di Temis­ var, e delle villeconvicine nel giorno dell’Ascensione per acquistare l’indulgenza plenaria, ch’essen­do terminata, fa instanza che se glien’ottenga la renovatione. Le funtioni poi si fanno nella detta capella, non essendovi nella chiesa fonte batesimale, né ogli santi, ma solo il c­ imiterio vicino, […].“17

Das erste Patrozinium von Radna war demnach 1642 und 1667, wahrscheinlich aber auch 1680 noch nicht marianisch, sondern es lautete auf Christi Himmelfahrt,18 und hierzu gab es in den 1660er Jahren schon eine Wallfahrt am Himmelfahrtstag. Es gilt somit festzuhalten, dass Radna offensichtlich ein besonderer Ort gewesen sein muss, der bereits in den 1660er Jahren Wallfahrer anzog, die sogar aus dem entfernten Temeswar, wo einige Katholiken in den Vorstädten wohnten, nach Radna pilgerten. Die Wallfahrt nach Radna war entgegen ausschließlicher Lesart in der gesamten nachfolgenden Literatur in habsburgischer Zeit seit der Mitte des 18. Jahrhunderts19 nicht erst von den westlichen Neusiedlern ins Banat gebracht worden, sie eignete diesem Ort, ungeachtet des Patroziniums, schon vor Ankunft der westlichen Kolonisten 15 Weder in den genannten Quellen bei Zach (wie Anm. 13), Nr. 1, 15 und 24 (1650/52), noch in inzwischen von István-György Tóth publizierten weiteren Quellen tauchen bis 1680 der Ortsname ­Radna und das marianische Patrozinium auf, vgl. Relationes missionariorum (wie Anm. 6), Nr. 23a, Nr. 23b; Litterae missionariorum (wie Anm. 6), Bd. 4 (2005), Nr. 1014 (1680), 2759 f. In seinem großen Missionsbericht von 1652–1658 bestätigt Bischof Mato Benlić 1653 das Patrozinium Christi Himmelfahrt („una chiesa per appelation’Asscensio Domini sopra una colina“) für Radna. Dazu: Ebd., Bd. 3 (2005), Nr. 813, 2171–2200, hier 2181. Allerdings ist die vierbändige Quellensammlung Tóths unvollständig geblieben. Recherchen im Propaganda-Archiv zu Rom könnten den noch offenen Zeitpunkt für das marianische Patrozinium und den Bilderwerb vielleicht klären. 16 Zach (wie Anm. 13), APF, SOCG, Lettere, Vol. 218, Nr. 15 (496v), 135. 17 Relationes missionariorum (wie Anm. 6), Nr. 23a, 209–211, hier 210 (Hervorh.: K. Zach). 18 Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 26. 19 Dazu ebd., Bd. 2, 693–747.

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aus dem Deutschen Reich, in damaliger Sprache auch den fränkischen, den würzburgischen, den schwäbischen etc.20 Die ‚Deutschenʻ wurden nach dem sogenannten Zweiten Türkenkrieg und der vollständigen Befreiung des Banats (1718) zwar die eifrigsten Wallfahrer und Verehrer des Gnadenbildes. Doch kann hier, den römischen Quellen folgend, präzisierend festgehalten werden, dass sie diesen Brauch sowohl ‚mitgebrachtʻ als auch bereits in einer rudimentären Form im Banat vorgefunden hatten. Sie waren es jedoch, die die Wallfahrt später nach mitteleuropäischen Traditionen, nach mitgebrachtem Brauch und Muster, umformten und perfektionierten. Doch die Verehrung des Ortes Radna durch Angehörige verschiedener Sprachund Konfessionsgruppen, Katholiken und andere, von der die Quellen der lokalen Überlieferung seit dem späten 18. Jahrhundert kontinuierlich bis heute berichten, ist schon aus der Zeit der Türkenherrschaft über das Banat bezeugt, was auch die etwa hundert Jahre später entstandene ‚interneʻ Überlieferung zum Beispiel in Bildern andeutet (Abb. 2).21 Die Verehrung der Madonna von Radna durch die Ungarn kam zeitverschoben erst im 19. Jahrhundert richtig in Gang. Kardinal Kollonitsch hatte die als unzuverlässig geltenden Magyaren aus seinem „Einrichtungswerk“ für das Banat ausgeschlossen, um „das malkontente ungarische Geblüt zu domestizieren“.22 Doch danach erfuhr die Maria von Radna besonders hohe Verehrung seitens der Magyaren, die sie sogar als Patrona Hungariae apostrophierten: 1820 spendete der neu gewählte Fürstprimas ­Ungarns, Sándor Kardinal Rudnay, dem Radnaer Gnadenbild eine neue goldene Krone als Dank für sein Pallium. Die Weiheinschrift dazu lautete: „Der Großen Schutzfrau der Ungarn zum Andenken an die Übernahme des erzbischöflichen Palliums“ ­(Magnae Hungarorum Dominae in memoriam sumpti Pallii Archi-episcopali).23 Festzuhalten ist ebenso, dass das Geschehen um die Radnakapelle – mit Kirchenbau und Wallfahrt – von den Osmanen in Lippa toleriert wurde. Wallfahren war natürlich auch im Islam nichts Fremdes. Abgesehen von der großen Hadj, der Mekkapilgerschaft, waren im Osmanischen Reich auch Pilgerzüge zu Grabstätten lokal verehrter Heiliger (Marabuts) unterwegs, wie es beispielsweise der englische Reisende Edward Brown um 1670 aus der Umgebung des südungarischen Mohatsch/Mohács an der ­Donau, unweit des Banats, berichtete.24 20 Stadtmüller, Georg: Geschichte der habsburgischen Macht. Stuttgart u. a. 1966, 56 f. 21 Diesen eher ungewöhnlichen Zusammenhang belegt ein weiterer Holzschnitt aus dem späten 19. Jahrhundert (1895), der die Baugenehmigung, genannt „Embre oder Breve bzw. Patent“, und den Baufortschritt unter militärischer osmanischer Bewachung darstellt. S. dazu Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 28, 42 (Abb.) und Anm. 32. Es handelt sich um mehrere Illustrationen in Kaizer, Ferdinand: Geschichte des Franziskaner-Klosters, der Kirche und des seit 1668 [sic!] verehrten Gnadenbildes der seligsten Jungfrau ­Maria zu Maria-Radna. Geschrieben von P. Ferdinand Kaizer, Franziskaner-Priester der Capistra­ ner Provinz. Budapest 1895. 22 Stadtmüller (wie Anm. 20), 57. 23 Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 66; s. Abb. ebd., 67, 117. 24 „Hereabouts we met with a Caravan of two or three hundred persons, some going to a place of Devotion, some having Janitscharies with them to guarde them.“ Brown, Edward: A Brief Account of some Travels in Hungaria, Servia […]. London 1673. Hg. v. Karl Nehring. München 1975, 36.



Maria von Radna als Symbolfigur

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Abb. 2  Übergabe der Baugenehmigung für den Kapellenbau in Maria Radna von 1642. Holzschnitt, 1895.

Auf einen weiteren Aspekt lokalen Charakters sei noch hingewiesen. Dem Kapellenerbauer von Radna, P. Andrija Stipančić, werden in den römischen Quellen mehrfach gute Kontakte zu den örtlichen osmanischen Verwaltern, insbesondere in der Provinzhauptstadt Temeswar, dem Sitz des Sandžak-Bey nachgesagt. Er wanderte bis nach Konstantinopel, um sich vom Wesir eine Baugenehmigung (Embre) zu beschaffen25 – das ging nur dank guter Beziehungen von Landsleuten zu Landsleuten an der Pforte. Ein solches Gesellschaftsmuster war in damaliger Zeit vor allem in Bosnien nicht ungewöhnlich und ist in geringerem Umfang auch für das Banat belegt. In Bosnien gab es zahllose wirtschaftliche, politische und auch verwandtschaftliche Querverbindungen zwischen Bosniern, die zum Islam konvertiert waren, und ihren katholisch oder orthodox gebliebenen Verwandten, Grundherren, Militärverwaltern, Soldaten, 25 Dazu unter anderem Zach (wie Anm. 13), Nr. 15, 133 f.

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Händlern, Verwaltern der Silberminen und auch den bosnischen Franziskaner­brüdern; die gemeinsame Sprache und der kulturelle Hintergrund erleichterten die Kontakte.26 Unter welchen Umständen das marianische Gnadenbild, eine nach 1650 in Bassano di Grappa entstandene Skapuliermadonna, das erste ‚große Altarbildʻ der Himmelfahrt Christi von 1642 ersetzte, wann also Radna zu einem Marienheiligtum wurde, ist nach derzeitiger Quellenkenntnis nicht überliefert. Es bleibt weiterhin offen, unter welchen Umständen und wann das Marienbild und damit das marianische Patrozinium nach Radna kam. Bekannt ist, dass noch unter osmanischer Herrschaft mehrere Male Renovierungsarbeiten an der Kapelle stattgefunden haben: 1667 ersuchte der Provinzial eine Genehmigung für eine bessere Ausstattung Radnas in Rom.27 Laut der Klosterchronik ist Radna im Jahr 1681 und noch einmal 1686 vom bosnischen Franziskanerbruder P. Andija Janić renoviert worden.28 Ob das erste Altarbild zur Zeit des Türkenkrieges 1693–1695, als auch an Radna Feuer gelegt wurde,29 ein Raub der Flammen geworden ist, ist nicht bekannt. Eindeutig bezeugt ist das marianische Patrozinium ­Radnas erst wieder in nachosmanischer Zeit, als P. Stjepan Novoselić 1723 in ­Radna eine ­neue Kirche errichtete, die 1750 erweitert wurde, und die Diözese Tschanad/­Csanád/­ Cenad die Wallfahrt nach Radna auch offiziell bestätigte.30 Die lateinische, in Sandstein gehauene ‚Restaurationsʻ-Inschrift von 1723, die heute am Fuß eines Pfeilers in der Kirche eingemauert ist, besagt: „Im Jahre des Heiles 1723 ist diese Kirche […] durch die Mithilfe frommer Christen zu Ehren der seligsten Jungfrau Maria von Grund auf wieder aufgebaut und erweitert worden.“31

Hier wird das Patrozinium eindeutig ausgesprochen. Gab es das Marienbild in Radna schon früher? Im Jahre 1678 erwähnt der Franziskanerbruder Niko Ilocki (Niccolò d’Illoco) einen zweiten Altar in Radna, allerdings ohne nähere Angabe und Bildbeschreibung.32 Dazu schreibt abschließend der heute zuständige Bischof von Temeswar, Martin Roos, in seiner beachtenswerten, zweibändigen Maria Radna-Monographie: „Es bleibt auffallend, dass weder die einschlägigen Legenden noch die ältesten Schichten der Klosterüberlieferungen etwas von einer wunderbaren Errettung eines Marienbildes zu berichten wissen.“33

26 Dazu unter anderem ebd. – Eine Momentaufnahme von 1680 gibt der Nachfolger Bischof M ­ ato ­Benlićs, der Missionsbischof von Belgrad, Mattia Brnjaković, bezogen auf Sarajevo/Saraglio und Belgrad: Litterae missionariorum (wie Anm. 6), Bd. 4, Nr. 1011, 2743–2750, hier 2744 f. 27 Vgl. Anm. 17. 28 Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 33, 35–39. 29 Vgl. ebd., 37. 30 Ebd., 88, 89. 31 Zitiert nach der deutschen Übertragung, ebd., 38. 32 Litterae missionariorum (wie Anm. 6), Bd. 4, Nr. 1006, 2732–2736, hier 2734. Zum Zustand ­Radnas 1653 mit nur einem Altar, laut Missionsbericht von Bischof Mato Benlić, s. auch Anm. 13. 33 Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 37.



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Radna war – ungeachtet des Patroziniums – bereits vor dem Ende der Türkenzeit im Banat34 in dieser Region als ein Ort mit besonderer spiritueller Ausstrahlung bekannt. Das spiegelt sich nicht zuletzt in manchen wundersamen Erscheinungen aus dieser Zeit wider, wodurch der Ruhm dieses Ortes, das heißt des Hügels mit der Kapelle zu Radna, verstärkt worden sein dürfte. In den späteren Aufzeichnungen der Radnaer Klosterchronik erscheint vor allem das Gnadenbild als Gewähr der Fürbitter, die nach Radna kamen. In dieser politisch wirren Zeit oder kurz danach wird auch das italienische Marienbild seinen Weg nach Radna gefunden haben. Während der Kriegswirren um die Wende zum 18. Jahrhundert und dem Kuruz­ zen­aufstand von 1711, so berichtet es später die Klosterchronik, sei die Bevölkerung von Arad ‚scharenweiseʻ nach Radna gepilgert, um die Erlösung von der bei den kaiserlichen Truppen und in der Festung Arad grassierenden Pest zu erbitten, was auch gelungen sei (1707).35 Ein anderes Zeichen setzten früher schon die sogenannten splendores nocturni oder „nächtlichen Glanz-Lichter“, die, Kerzen gleich, oft mehrere Stunden lang am Nachthimmel über der Kapelle zu sehen gewesen und „nicht nur von Katholiken und Orthodoxen, sondern auch von Türken, die in Lippa wohnten, oft und oft beobachtet“ worden seien.36 Die Datierung dieser Erzählung wird heute in einer Internet-Kurzfassung der Geschichte Radnas auf das Jahr 1695 gelegt, doch ­Evlija Çelebi berichtete schon 1657/58 davon.37 Besondere Umstände trafen nach dem Frieden von Karlowitz (1699) zusammen – sie können vorerst nur aus dem Folgenden erschlossen werden –, um die ‚Karriereʻ des Stichs aus der Druckerei von Bassano di Grappa vom schlichten papierenen Andachtsbild zu einem besondere Symbolkraft vermittelnden ‚Gnadenbild der Gottesmutter zu Radnaʻ zu beschreiben. Dazu gehört vor allem die Marienverehrung, die den bosnischen Franziskanern ein zentrales Anliegen war.38 Später, als die fast ausschließlich katholischen Zuwanderer aus dem Deutschen Reich im Zeitalter der Konfessionalisierung ins Banat zogen, brachten sie ihre Formen der Marienverehrung mit und schufen dafür auch neue Stätten der Andacht. Ihnen ist schließlich die ‚moderneʻ, minutiöse Organisation und Inszenierung der Wallfahrten nach Radna zu verdanken, 34 Zwischen 1686 und 1695 gab es an der Marosch, in Lippa und Radna, ein Interim der Kaiserlichen, 1695 bis 1699 unterstanden beide Orte wieder den Osmanen. Radna wurde bereits ab dem Frieden von Karlowitz mit dem Grenzfluss Marosch kaiserlich, Lippa erst 1716/1718. Ebd. 35 Ebd., 256 f. Der Chronik zufolge sei einer pestkranken Frau der Besatzung, Anna Maria Bummerin, in der Festung Arad des Nachts die Gottesmutter erschienen (s. auch den Holzschnitt aus dem WaldSchatten von 1771, abgebildet in: ebd., 257), die das Ende der Pestepidemie nach einer Wallfahrt „zur Kapelle der Gottesmutter von Radna“ (ebd., 256) vorausgesagt habe. 36 Ebd., 258 (Abb.), 259. 37 http://www.banaterra.eu (31.01.2009) – eine wachsende Banat-Enzyklopädie mit (gegenüber Roos, wie Anm. 1) nicht immer exakt übereinstimmenden Jahreszahlen. Çelebi, Evlija: Bücher der Reisen, Bd. 5, rum. Textausgabe in: Călători străini despre ţările române [Ausländische Reisende über die rumänischen Gebiete]. Vol. 6. Bucureşti 1967, 508 f. 38 Vgl. die Verehrung des Marienbildes im Franziskanerkloster Olovo, aus dem im 16. Jahrhundert Mönche auch in das Banat geschickt wurden, wie zum Beispiel P. Andrija Stipančić, der langjährige Kaplan von Lippa (1642–ca. 1660).

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wo letztlich jede katholische Dorfgemeinde und Sprachgruppe ‚ihrenʻ Wallfahrtstag im jährlichen Festkalender hatte.39 Die Gottesmutter war für die beiden großen Gruppen von Christen dieser multikonfessionellen Region, Katholiken und Orthodoxe, gleicherweise verehrens- und anbetungswürdig. Hinzu kamen einige ‚Wunderʻ der genannten Art am Orte ­Radna. Die Wundertätigkeit Marias von Radna erscheint schließlich verstärkt durch die Gründung eines zweiten, kleineren Marienheiligtums durch deutsche Siedler um 1733 in Tschiklowa/Ciclova im Banater Bergland. Es ist der zweite Marienort im B ­ anat.40 Die Radnaer Wallfahrt wurde nach 1750 zu einem banatweiten Geschehnis; im 19. Jahrhundert und bis 1940 wurden jährlich bis zu 30–40 000 Besucher gezählt.41 Es entstand allmählich eine Prozessionsordnung, in der fast jedes Dorf ‚seinenʻ Wallfahrtstag hatte. Zu Himmelfahrt und Pfingsten kamen die meisten Pilger. Die Marienfesttage von Juli bis September waren den großen katholischen Sprachgemeinschaften vorbehalten, z. B. der 26. Juli für St. Anna, der 2. August für Temeswar, der 8. August ungarischen und der 15. August deutschen Gemeinden. An hohen kirchlichen Feiertagen wurde seit dem 18. Jahrhundert manchmal in bis zu sieben Sprachen zelebriert: neben Latein in Deutsch, Ungarisch, Kroatisch, Illyrisch, Rumänisch, Bulgarisch und Armenisch (für Wallfahrer aus Siebenbürgen).42 Seit dem frühen 18. Jahrhundert reich beschenkt, silbergerahmt und vergoldet, befindet sich das Gnadenbild der Gottesmutter (Taf. II) auf dem Hauptaltar der zuletzt 1911 wesentlich renovierten Klosterkirche zu ­Maria ­Radna.43 Radna wurde fast ausnahmslos vom Franziskanerorden betreut und verwaltet. Es gehörte seit 1514 zur bosnischen Franziskanerprovinz, ab 1757 zur neuen ungarischen Franziskanerprovinz des Hl. Johannes von Capestrano und wurde 1924 in die siebenbürgische Provinz des Hl. König Stephan transferiert. Nachdem das kommunistische Regime in Rumänien 1949 alle katholischen Orden verboten hatte, wurde M ­ aria Radna 1951 zunächst zum Asyl für Franziskanermönche aus ganz Rumänien, die hier unter haftähnlichen Bedingungen ihr Dasein fristeten, um später in den Zivilstand entlassen zu werden. Im Jahre 1992 wurde die von Papst Johannes Paul II. (1978–2005) zur Basilica minor erhobene Klosterkirche den Franziskanern zurückgegeben.44 Der 1948 zum Guardian von Kloster Maria Radna gewählte Pater Ernst Harnisch OFM verstarb 1999 hoch betagt, sein Nachfolger ist seit 2002 P. Placidus Harnisch. Ein Jahr

39 Dazu umfassend Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 255–290. 40 Maria-Tschiklowa mit der Kapelle Maria-Fels in einer Höhle im Banater Bergland. Brudnjak, ­Johannes/ Gräf, Rudolf/Kremm, Werner: Das rumänische Banat. Reiseführer für Südwestrumänien. Graz 1998. 41 Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 261 f. 42 Ebd., 53. 43 Ebd., 86. Renovierungsarbeiten sind heute wieder dringend erforderlich; dafür werden Mittel auch über das Internet gesammelt, vgl. die Homepages von Maria Radna, www.mariaradna.com und www. banaterra.eu. 44 Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 41, 134–137.



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später gaben die Franziskaner mangels Nachwuchses Maria Radna an die Diözese Temeswar zurück.45 Da die komplexe, mehrsträngige Überlieferung zu Maria Radna zeigt, dass das Wallfahren ungeachtet des Patroziniums bereits in der Türkenkriegszeit46 in Gang gekommen war, und, wie die untersuchten Quellen aussagen, auch unter einem multikulturellen Zeichen vonstatten ging,47 erscheint ein knapper Blick in die Geschichte der Region zum Verständnis geboten.

Das Banat als multikulturelle Geschichtsregion Das Banat vermittelt über zwei Jahrtausende hinweg Bilder einer polyvalent geprägten Geschichtskultur. Die geographisch und historisch zwischen Donauknie, Theiß/ Tisa, Marosch und den Ausläufern der Südkarpaten eingebettete Region trägt seit dem ungarischen Mittelalter den Namen Banat. Auch wenn das Banat 1918 zwischen Rumänien, Serbien und Ungarn aufgeteilt wurde, konnten neue semantische Ersatzkonstrukte wie „Vojvodina“ (zu der das Werschetzer Banat in Serbien heute gehört) und „Transilvania“ (nach 1918 für alle von Ungarn an Rumänien abgetretenen Gebiete mit Siebenbürgen, dem historischen „Transsylvania“, dem Banat und den nördlich daran anschließenden Regionen verwendet48) den regionalen Zusammenhang nicht verwischen. Maria Radna ist seit der Mitte des 17. Jahrhunderts der herausgehobene sakrale Erinnerungsort in dieser historischen Region. Diese Zeitangabe hat zunächst nichts mit der Konfessionalisierung zu tun, die in der Mitte Europas für weitgehende Umstrukturierungen der konfessionellen und politischen Karte sorgte. Ausläufer dieses Veränderungsprozesses erreichten das Banat erst nach der Beendigung der Kuruzzenkriege (1711) und dem Frieden zu Passarowitz (1718). Die Regionshauptstadt Temeswar war erst 1716 dauerhaft von den Osmanen entsetzt worden. Das Banat spiegelte im Verlauf der Jahrhunderte europäische Kulturgeschichte in einem Grenzraum. Es war eine Region des Imperium Romanum, der heiligen Stephans­krone, des Osmanen wie des Habsburger Reiches, des liberalen Ungarn und ist heute Teil des modernen demokratischen Rumänien. Die Donau-Karpaten-Region trat in der Antike durch die Dakerkriege Kaiser ­Trajans (53–117) verstärkt in den Gesichtskreis der römischen Welt. Sukzessive Wel45 46 47 48

Ebd., Bd. 2, 344. So auch ebd., Bd.1, 38, allerdings ohne weitere zeitliche oder sachdienliche Eingrenzung. Dazu Anm. 19. Der ab 1922 auch in den „Statistischen Jahrbüchern“ Rumäniens verwendete Sammelbegriff Transil­ vania war ein politisch motiviertes Konstrukt, das die Bevölkerungs- und Wirtschaftsstatistiken zugunsten eines höheren rumänischen Proporzes verzerrte. Die historischen Regionen Banat, Bihor, Marmarosch etc. verschwanden in dieser neuen „Großregion“ Rumäniens, sie schmolzen im Transil­ vania-Begriff gleichsam ein, was auch in das Geschichtsbild der Kommunisten passte. Erst heute wird geographisch und demographisch wieder nach Regionen differenziert, da der Proporz für die Staatsnation keine Bedrohung mehr darstellt.

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len von germanischen, mongolischen, kumanischen und anderen Migrationen, die nicht nur in den Schatzfunden späterer Zeiten ihre Spuren hinterlassen haben, prägten diese Geschichtslandschaft. Vor allem aber setzten die slawischen und ungarischen Migrationen im ersten nachchristlichen Jahrtausend, dann hauptsächlich die von der habsburgischen Verwaltung festgelegten Militärgrenzen an Marosch und Donau sowie die von Wien aus initiierte, sogenannte schwäbische Kolonisation des 18. Jahrhunderts bleibende demographische und kulturelle Akzente in dieser Region. Die doppelte Christianisierung im griechischen und ein bis zwei Jahrhunderte später dann, übergreifend, im lateinischen Ritus wie auch die fast unübersehbare Abfolge von Herrschaften, Migrationen und Kolonisierungen haben hier – im siedleroffenen Königreich der Stephanskrone – in fünfhundert aufeinanderfolgenden Jahren ab dem 11. Jahrhundert und bis zur osmanischen Eroberung (1552) eine abendländische Kultur entstehen lassen, die durch unterschiedliche Quellenarten49 belegt ist. In diesem Mosaik fehlten im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit ebenso wenig Kaufleute und Kleriker aus dem Westen, Juden, Heiducken sowie zeitweilig auch türkische Muslime oder marodierende kosakische und tatarische Banden aus dem Osten. Seit dem Beginn der Neuzeit leiteten vier politische Zäsuren jeweils einen bedeutenden gesellschaftlichen Umbruch ein. Sie lassen sich mit Jahresmarken definieren: 1526 endete mit der Schlacht von Mohács das Stephansreich und es begann die protestantische Konfessionalisierung, dann ab 1552 (bzw. 1658) die 166-jährige bzw. 60-jährige Türkenzeit im Banat; auf den Neubeginn im Habsburgerreich, zunächst unter merkantilistisch-absolutistischen Auspizien ab 1716/1718, folgte 1918 die rumänische Herrschaft. Bis heute ist das Banat vom Nebeneinander des Verschiedenen geprägt. Das osmanische Interim bedeutete für das Banat zum einen politisch die Trennung von der Welt des abendländischen Mitteleuropa.50 Diese Bruchlinie markierte auch die bedeutende Emigration eines großen Teils der katholischen (magyarischen, kroatischen, deutschen) Bevölkerung mit ihren Geistlichen und Bischöfen über die Grenzen der Region in das Habsburger Reich und nach Venedig. Diese Migrationsverluste fanden in der kaum jemals gelenkten Zuwanderung katholischer Südslawen aus Bosnien und teils aus Bulgarien einen gewissen demographischen Ausgleich. Die Zuwanderung orthodoxer Südslawen und Wallachen (Rumänen) aus dem nunmehr osmanischen ‚Binnenlandʻ in das Banat verstärkte sich in dieser Epoche und vertiefte 49 Erste genauere Daten bringt die mehrfach abgedruckte römische Steuerliste ab 1332, auf die sich ebenfalls die neueste Auswertung bezieht, vgl. Niedermaier, Paul: Städtebau im Mittelalter. KölnWeimar-Wien 2002, 30, Tabelle; Zach, Krista: Konfessionelle Raumkonfigurationen im südöstlichen Europa. Historiographische Anmerkungen zur Frühneuzeit. In: Religions- und Kulturgeschichtsschreibung im Donauraum. Forschungsstand, Initiativen, Methoden, Theorien. Hg. v. Rainer ­Bendel und Norbert Spannenberger. München 2009, 273–287, hier 276–279. 50 In der kleinen Grenzregion zu Südwestsiebenbürgen, dem sogenannten Banat von Lugosch und Karansebesch, wo sich um diese Zeit die Konfessions- und Sprachgruppen auf sehr engem Raum begegneten, wurde die Konfession der Bevölkerung meist entsprechend durch die Anwesenheit ­eines Geistlichen gestaltet und konnte sich deswegen vielmals ändern. Zach (wie Anm. 13), 8–11 und ­passim.



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zum anderen auch in kultureller Hinsicht die politische Zäsur. Damals begann eine ‚Balkanisierungʻ aller ehemals südungarischen Regionen, einschließlich des ­Banats. Diese beiden gegenläufigen Migrationsbewegungen begünstigten Abgrenzungstendenzen unter den zurückgebliebenen Magyaren und Südslawen, unter anderem die rasche Ausbreitung der Reformation in Ostungarn und Siebenbürgen. Die Osmanen behinderten die Reformation nicht, jedoch weniger aus Mangel an ideologischem Interesse, sondern wohl eher aus Kalkül, denn die Feinde der Pforte – die katholischen Habsburger, der Kaiser in Wien – waren auch die Feinde der Protestanten in Ungarn. In dem nach der Schlacht von Mohács zerfallenden Reich der Stephanskrone war auch im Banat – in einer Übergangsphase zwischen 1526 und 1552, als das B ­ anat politisch und kulturell zum Fürstentum Siebenbürgen gehörte – ein gewisser Freiraum für eine protestantische Konfessionalisierung entstanden. Die katholischen Trägerfiguren am oberen Ende der mittelalterlich-ständestaatlichen Hierarchie – Bischö­fe, Prälaten, Geistliche, Grundherren – waren außer Landes gegangen. Der ostu­ngarische und kroa­tische Adel optierte damals, nach einigem Schwanken in die lutherische Richtung, für den Calvinismus. Das lässt sich an den Biographien einiger in Ostungarn verbliebener Magnaten zeigen. Einer der mächtigsten unter ihnen war der Staatsmann Péter Petrovics, der im Fürstentum Siebenbürgen, zu dem das Banat bis 1552 und dessen östlichster Teil bis 1658 gehörte, höchste Staatsämter bekleidete. Als Katho­ lik aufgewachsen, war er als Erwachsener im Verlauf weniger Jahre von der luthe­ rischen zur calvinistischen Richtung protestantischer Glaubenspraxis gewechselt. Diese zwischen den Konfessionen oszillierende Haltung der ständischen Oberschicht war derzeit in dieser Region durchaus kein Einzelfall, sondern eher die Regel. Der Calvinismus blieb in der zweiten Hälfte des 16. und im 17. Jahrhundert in den Grenzlandschaften des Osmanischen Reiches zu Habsburg unter den Magyaren führend. Ähnlich war es auch in Siebenbürgen und im Partium, wo die Ungarn damals noch die Bevölkerungsmehrheit bildeten. Petrovics’ Tod, er starb 1552, fällt zufällig in das Jahr der osmanischen Eroberung des Banats. Danach entstanden auch hier auf beiden Seiten der neuen Grenzlinien militärische Stützpunkte. In die befestigten Orte wurden – zum Beispiel an die Theiß und entlang der Marosch nach Lippa, Arad, ­Szeged sowie in den Zentralort der Region, nach Temeswar – osmanische Garnisonen verlegt. Auf kaiserlicher Seite wurden die den osmanischen gegenüber liegenden flussnahen Garnisonen meist mit ungarischen Calvinisten besetzt. Eine katholische Trägerschicht fehlte im 17. Jahrhundert im Banat wie in Siebenbürgen, aber die Auswirkungen waren hier wie dort andere. Die politische Zäsur, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden war, kann als eine Epoche der Neukonfigurierung auch der konfessionellen Strukturen im Banat beschrieben ­werden.51

51 Zach, Krista: Katholische Milieus im multikonfessionellen Raum. Siebenbürgen und ihm benachbarte Regionen. In: Formierungen des konfessionellen Raumes in Ostmitteleuropa. Hg. v. Evelin ­Wetter. Stuttgart 2008, 261–279.

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Neukonfigurierung der Konfessionsstrukturen im frühneuzeitlichen Banat Über die im Banat nach 1552 verbliebene Restbevölkerung katholischen Glaubens gibt es keine eindeutigen demographischen Angaben. Sie erhielt zwar von südlich der Donau Verstärkung durch häufige Zuwanderungen aus dem Osmanischen Reich. Im Zuge dessen bzw. ab dem 17. Jahrhundert auch unabhängig davon kamen als Seelsorger im Auftrag Roms vorwiegend Franziskanermönche der strikten Observanz aus Dalmatien und aus der bosnischen Provinz Bosna Argentina zu ihnen. Aus ihren Missionsberichten an die Propaganda-Fide – so der zweite, noch zu wenig beachtete Über­lieferungsstrang – geht hervor, dass es sich um nach Sprache und Bräuchen heterogene, meist ländliche Gruppen in großer regionaler Streuung handelte. Aus den Visitations- und Missionsberichten ist auch bekannt, wo die kleinen katholischen Reliktgebiete lagen. In den südungarischen Regionen wohnten im 17. Jahrhundert hauptsächlich die slawische Sprachen sprechenden Katholiken. Sie waren nicht nur in ­Syrmien und ­Slawonien, der Batschka und Baranya anzutreffen, sondern auch in Teilen des B ­ anats, wo es Missionsstationen gab, zum Beispiel in Karansebesch/ Caransebeş, Lippa, ­Temeswar und Karaschowa. Die bosnischen und dalmatinischen Franziskaner mit manchmal guten, meist aber nur dürftigen Latein- bzw. Italienischkenntnissen konnten sich am besten mit den Katholiken slawischer Sprachen und den Wallachen verständigen,52 die sie ‚auf ihre Artʻ betreuten. Sie pflegten, trotz ihrer Ausbildung in italienischen collegi, in Sprache, Ritus und Volksbrauchtum die ‚älterenʻ Traditionen ihrer bäuerlichen Herkunftsgemeinden, so wie auch in Bosnien und Bulgarien. Mit den ungarischen Katholiken gab es dagegen allein schon sprachliche Verständigungsschwierigkeiten, diese klagten im Gegenzug über die ihnen fremd erscheinende Glaubenspraxis der südslawischen Mönche.53 Die Bevölkerungszusammensetzung und Pastorierung der Katholiken zeigt beispielsweise, dass es in der Tradierung von religiöser Praxis seit dem Mittelalter zwar Brüche gab, in gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht jedoch auch wieder Kontinuität. Offensichtlich tradiert wurden beispielsweise in diesen überwiegend von Südslawen bewohnten Regionen die Kirchenpatrozinien.54 Die auf Heilige lautenden Patrozinien blieben in Syrmien und Südslawonien auch in der Türkenzeit überwiegend gleich wie schon davor im Mittelalter, obwohl nach 1552 teilweise ein Bevölkerungs52 P. Gabriele di Thomasi, um 1648 Vizepräfekt der Banater Mission, nennt die in dieser Region benötigten Sprachen: „Ungara, Valacha, Latina, Italiana“ und in einem weiteren Bericht dazu noch „Illirico“. Litterae missionarorum (wie Anm. 6), Bd. 3, Nr. 608 (1648), 1685–1687 und Nr. 609 (1648), 1688 f. 53 Zum Beispiel der spätere Missionspräfekt P. Paolo da Cinque Fonti in: Relationes missionarorum (wie Anm. 6), Nr. 23a. 54 Aus dem Vergleich von Ortsnamenverzeichnissen konnte diese Kontinuität über mehrere Jahrhunderte (oft vom 13. bis zum 17. Jahrhundert) für etwa ein Viertel der namentlich in den Missions- und Visitationsquellen des 17. Jahrhunderts genannten katholischen Dorfgemeinden aus Syrmien, Slawonien und dem Banat festgestellt werden. Dazu Zach (wie Anm. 3).



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wechsel durch Migration stattgefunden hatte. Für das Banat ist dieser Aspekt noch nicht eingehend erforscht. Festzuhalten ist allerdings, dass in allen genannten Regionen die Heiligenpatrozinien gegenüber den marianischen in der Mehrzahl waren. Das im Banat vorhandene gesellschaftliche und kulturelle Nebeneinander hat im Verlauf von Jahrhunderten nicht allein Abgrenzungen (Dissimilität) begünstigt, sondern auch spezifische Formen der Interferenz und der Tolerierung der Identität anderer (Differenz) zugelassen. Prozesse kultureller Angleichung wurden dadurch gefördert. Sie sind im Brauchtum, in der Volkskultur und in der Frömmigkeitspraxis aufbewahrt, sei es in konfessionell kodierten Feiertagsbräuchen, im Liedgut oder der Heiligenverehrung. Unter diesem Aspekt kann die Frömmigkeitskultur der Region auch anhand von Marienwallfahrten und Devotionalien zu chronologisch und politisch unterschiedlichen Zeiten untersucht werden. Die in Maria Radna noch reichhaltig vorhandenen Devotionalien sind vor Kurzem von Wissenschaftlern der benachbarten Universität Szeged in Ungarn erfasst und beschrieben worden. Damit wurde in Maria Radna eine Dauerausstellung gestaltet. Die 1992 von Papst Johannes Paul II. zur Basilica minor erhobene Wallfahrtskirche spiegelt seit dem 17. Jahrhundert zugleich die Regionalgeschichte des Banats. Der Fokus liegt nicht auf einer „katholischen Konfessionalisierung“ und auch nicht auf einer „Befreiung vom Türkenjoch“ – um nur zwei häufig gebrauchte, stereotype Wendungen hervorzuheben –, sondern auf Kontinuität und auf Brüchen, die hier anhand einiger wesentlicher Abschnitte von der Türkenzeit bis zur Moderne nachvollzogen werden können. Maria Radna hat seine zentrale kultische Funktion und geistige Strahlkraft für die Banater von nah und fern auch nach der Aufhebung des Franziskanerklosters 1948 bzw. 2003 nicht eingebüßt. Die Verehrung des Marienbildes und die Wallfahrt nach Maria Radna aus einem weiten regionalen Umkreis konnten fünf Jahrhunderte lang offenbar unbeschadet fortgesetzt werden; sie gerieten weder durch die Verbote der kommunistischen Herrschaft55 noch die Auswanderung der Donauschwaben aus dem Banat in Vergessenheit.56 Die Symbolfigur Maria vermittelt über Wallfahrt und Gnadenbild Menschen unterschiedlicher Konfessionen und Sprache in dieser Region57 bis heute ein starkes

55 Die Wallfahrt musste 1971 angesichts der ‚Pilgerscharenʻ wieder in kleinem Kreis zugelassen werden. Roos (wie Anm. 1), Bd. 1, 133. 56 Auch die massive Auswanderung der katholischen Donauschwaben aus dem Banat hat die Wallfahrt der deutschen Donauschwaben nicht zum Erliegen gebracht. Im Internet finden sich regelmäßig Angebote zur Wallfahrt nach Radna, ganze ehemalige Dorfgemeinschaften machen sich immer wieder mit Reisebussen aus Deutschland und Österreich auf den Weg zu ‚ihremʻ Radna. 57 Zu den zahllosen Beweisen sei hier nur einer aus jüngster Zeit genannt: Der orthodoxe Geistliche Stanis­lau schreibt im Forum von www.mariaradna.com: Discutii teologice / Icoana facatoare de minuni si sfintenia Manastirii [Theologischer Dialog / Die wundertätige Ikone und die Heiligkeit des Klosters]. Siehe: http://forum.mariaradna.com/viewtopic.php?f=4&t=41&sid=749e9cd59b1b10ee69f a7a529f3385ff#p47 (08.10.2008).

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Identitätsbewusstsein als ‚Banaterʻ. Diese vermittelnde Funktion wird neuerdings gezielt zu einem interkonfessionellen Dialog genutzt.58 Die hierin sichtbare, beständig sich erneuernde Funktionalisierung M ­ aria ­Radnas, das immer wieder von unterschiedlichsten Menschengruppen aufgesucht wird, lässt die Maria von Radna heute, in der Transformationsära, als symbolstarke Integrationsfigur für Neubeginn, Identitätsstiftung und Integration in einer historischen Region des östlichen Mitteleuropa – dem Banat – erscheinen. Und diese neuerliche gesellschaftspolitische Instrumentalisierung ­Marias verdient weiterhin die Aufmerksamkeit seitens der kulturgeschichtlichen Forschung.

58 Der orthodoxe Theologe Stanislau betont und begrüßt die Dialogfunktion Radnas beispielsweise im Internet am 8.10.2008, ebd., als „Möglichkeit zu frei[mütigen] Diskussionen im Geiste Christi“ (übers. v. K. Zach).

Di e I k o n en von Kl au sen burg und Nicula und di e   i n t e r k on f essi on el l en Ause ina nde rse tzunge n in S ie b e nbü rg en vom 18. bi s ins 21. Ja hrhunde rt* Robert Born

Bilder der Muttergottes, die weinen, sind seit dem Mittelalter mehrfach überliefert und gelten als Zeugnisse einer Passionsmystik, in der das Leiden der Gottesmutter als Projektionsfolie für das Leid der einzelnen Gläubigen fungierte. Auf diesem Wege erfüllten diese wundertätigen Bilder nicht selten eine kohäsive Funktion innerhalb der Glaubensgemeinschaften in Anbetracht äußerer Bedrohungen.1 Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist die Ikone der Gottesmutter mit dem Kind, die im November und Dezember 1696 in der Ikonostase der Pfarrkirche der ruthenisch-unierten Gemeinde des Ortes Pócs/Máriapócs, im Nordosten Ungarns, Tränen vergossen hatte. Das von István Pap, dem Bruder des Pócser Pfarrers, vermutlich 1676 angefertigte Bild erlangte schnell überregionale Berühmtheit. Nach weiteren Wundern und Bekehrungen wurde die Ikone auf Geheiß Kaiser Leopolds I. (1640–1705) nach Wien in die kaiserliche Residenz Favorita überführt. Im Sommer 1697 folgte dann die Ausstellung zur öffentlichen Verehrung, zunächst in der Augustiner-Hofkirche und später dann über dem Tabernakel des Hochaltars in St. Stephan. Die vor allem durch die Predigten des charismatischen Augustinermönchs und Vertrauten des Kaisers, Abraham a Sancta Clara (1644–1709), befeuerte Verehrung des Bildes im Spätsommer desselben Jahres verhalf diesem zum Ruhm eines göttlichen Schlachtenhelfers. Folglich wurde der Sieg der habsburgischen Truppen über das osmanische Heer bei Zenta am 11. September 1697 in den unterschiedlichsten Medien der kaiserlichen Propaganda der göttlichen Wirkkraft des Pócser Bildes zugeschrieben. Somit erlangte die Ikone

* Der vorliegende Aufsatz ist innerhalb der am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) an der Universität Leipzig angesiedelten Projektgruppe „Osmanischer Orient und Ostmitteleuropa. Vergleichende Studien zu Perzeptionen und Interaktionen in den Grenzzonen (16.–18. Jahrhundert)“ entstanden. Für die Hilfe bei der Redaktion des Beitrags und die Vermittlung entlegener Literatur danke ich Barbara Lück (Berlin), Raluca Betea, Ciprian Firea und Ottmar Traşca (alle Klausenburg) sowie Gábor Kármán (Leipzig). 1 Schreiner, Klaus: Marias Tränen. Die mitleidende Gottesmutter als Vorbild christlicher Frömmigkeit. In: Maria allerorten. Die Muttergottes mit dem geneigten Haupt 1699–1999; das Gnadenbild der Ursu­linen zu Landshut – altbayerische Marienfrömmigkeit im 18. Jahrhundert. Ausst.-Kat. Landshut 1999–2000. Hg. v. Franz Niehoff. Landshut 1999 (Schriften aus den Museen der Stadt Landshut 5), 207–223, hier 220–222. Zu den numinosen Erscheinungen im Kontext der politischen Umbrüche in Ostmitteleuropa auch Valtchinova, Galia: Introduction: Ethno-Graphing “Divine Intervention”. In: History and Anthropology 20/3 (2009 = Sonderheft: Ethnographies of “Divine Interventions” in Euro­pe), 203–218.

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den Rang eines Reichspalladiums.2 Bereits 1707 fertigte man eine Kopie des im Wiener Stephansdom ausgestellten Bildes an, die als Ersatz in der Holzkirche von Pócs aufgestellt wurde und dort 1715 sowie 1905 erneut Tränen vergossen haben soll.3 Der habsburgische Sieg bei Zenta markierte den Schlusspunkt eines über ein Jahrzehnt andauernden militärischen Konflikts, der größtenteils auf dem Gebiet des ehemaligen Königreichs Ungarn ausgetragen wurde. In dem in Karlowitz/Sremski ­Karlovci 1699 verabschiedeten Friedensvertrag zwischen der Heiligen Liga (Habsburger Reich, Polen, Russland und der Kirchenstaat) und dem Osmanischen Reich wurden die ab 1683 im Verlauf der verschiedenen Waffengänge errungenen territorialen Gewinne des Hauses Habsburg, darunter auch Siebenbürgen, festgeschrieben. Dieser Teil des ehemaligen Königreichs Ungarn konnte nach der Schlacht bei Mohács 1526 als ein der Hohen Pforte tributpflichtiges Fürstentum ein nicht unerhebliches Maß an Autonomie beibehalten. Der Vasallenstatus begünstigte eine liberale Religionspolitik, von der primär die reformierten Konfessionen: Lutheraner, Calvinisten und Antitrinitarier (Unitarier) profitierten. Ende des 16. Jahrhunderts waren die drei Stände Ungarn, Szekler und Siebenbürger Sachsen bereits zu über 90 % protestantisch. Die Katholiken stellten bis zum Ende des 17. Jahrhunderts eine marginale politische Kraft dar.4 Vom ständisch verfassten politischen Leben ausgeschlossen blieben die Rumänen, die annähernd ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachten und mehrheitlich Anhänger der griechisch-orthodoxen Kirche waren. Deren Bischöfe standen ab 1669 unter der Oberaufsicht des calvinistischen Superintendenten. Die reformierte Kirchenleitung sprach kein Verbot des Gottesdienstes nach orientalischem Ritus aus, bestand aber auf einer Ablösung der slawischen Sprache im Gottesdienst durch das Rumänische. Trotz des postulierten Primats der Predigt wurden Kreuze und Ikonen weiterhin als Schmuck in den Kirchen geduldet, durften jedoch nicht kultisch verehrt werden.5

2 Aurenhammer, Hans: Die Mariengnadenbilder Wiens und Niederösterreichs in der Barockzeit. Der Wandel ihrer Ikonographie und ihrer Verehrung. Wien 1956 (Veröffentlichungen des Österreichischen Museums für Volkskunde 8), 67 f. und 84–87; Knapp, Éva/Tüskés, Gábor: „Abgetrocknete Thränen“. Elemente in der Wiener Verehrung des marianischen Gnadenbildes von Pötsch im Jahre 1698. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1998, 93–104; Schreiner, Klaus: Siegbringende Marienbilder. Formen und Funktionen bildhafter Kommunikation in militärischen Konflikten des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. In: Literarische und religiöse Kommunikation in Mittelalter und früher Neuzeit. Hg. v. Peter Strohschneider. Berlin 2009, 844–903, hier 864–882. 3 Puskás, Bernadett: A Máriapócsi kegytemplom és bazilita kolostor [Die Wallfahrtskirche und das Basilianer Kloster in Máriapócs]. In: Művészettörténeti Értesítő 44/3–4 (1995), 169–191, hier 169. 4 Zach, Krista: Zur Geschichte der Konfessionen in Siebenbürgen im 16. bis 18. Jahrhundert. In: Südostdeutsches Archiv 24/25 (1981/82), 40–89; Konfessionsbildung und Konfessionskultur in Siebenbürgen in der Frühen Neuzeit. Hg. v. Volker Leppin und Ulrich A. Wien. Stuttgart 2005 (Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa 66); Keul, István: Early Modern Religious Communities in East-Central Europe. Ethnic Diversity, Denominational Plurality, and Corporative Politics in the Principality of Transylvania (1526–1691). Leiden-Boston 2009 (Studies in Medieval and Reformation Traditions 143). 5 Bârlea, Octavian: Die Union der Rumänen (1697–1701). In: Rom und die Patriarchate des Ostens. Hg. v. Wilhelm de Vries. Freiburg i. Br.-München 1963 (Orbis academicus 3,4), 132–180 und 394–



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In Anbetracht der in Siebenbürgen vorherrschenden besonderen ethnisch-politisch-konfessionellen Gemengelage waren die Habsburger als neue Landesherren zunächst darauf bedacht, die gewachsenen Strukturen zu respektieren. Durch das 1691 verabschiedete Diploma Leopoldinum wurden die Privilegien der Stände sowie der akzeptierten Konfessionen festgeschrieben.6 Diese garantierten Freiheiten schwanden jedoch nach dem 1711 geschlossenen Frieden von Sathmar/Satu-Mare/Szatmár, durch den die seit 1703 in Oberungarn und Nordsiebenbürgen geführten Kämpfe zwischen den aufständischen Kuruzzen-Truppen unter dem Kommando von Franz II. Rákóczi (ung.: II. Rákóczi Ferenc, slow.: František II. Rákoci, 1676–1735) mit den kaiser­ lichen Verbänden beendet wurden. Fortan waren die Habsburger bestrebt, ihre Position als neue Landesherren durch die Implementierung einer Verwaltung, die nach dem Vorbild der österreichischen Erblande strukturiert war, zu festigen. Die wichtigste Institution bildete dabei das für die allgemeine Verwaltung und die Justiz zuständige Gubernium. Die Leitung dieser Einrichtung wurde über Jahrzehnte Mitgliedern der angesehensten Magnatenfamilien (Bánffy, Haller, Kemeny) übertragen. Die kaiserlichen Landesgouverneure ersetzten somit die siebenbürgischen Fürsten.7 Weitere Instrumente zur Festigung der Stellung Siebenbürgens im habsburgischen Staatsverband waren die Förderung der katholischen Kirche und die in Siebenbürgen stationierten kaiserlichen Truppen. Die Verzahnung dieser beiden Bereiche illustrieren am deutlichsten die im Gefolge der kaiserlichen Truppen als Feldgeistliche tätigen Jesuiten.8 Soldaten aus einem dieser kaiserlichen Verbände sollen der Überlieferung nach im Frühjahr 1699 Zeugen eines Wunders geworden sein, dass sich in einer kleinen Holzkirche im Dorfe Nicula/Füszesmikola nordöstlich von Klausenburg/Cluj/­ Kolozsvár ereignet hatte. Eine Ikone der Muttergottes mit dem Jesuskind soll von Februar bis Mitte März 1699 mehrmals Tränen vergossen haben.9 Die Berichte der Soldaten aus dem Hohenzollern-Regiment zu den wundersamen Ereignissen in Nicula markieren den Ausgangspunkt einer ereignisreichen Geschichte dieser Ikone, in deren Verlauf das Bild über drei Jahrhunderte von römisch-katholischen, grie-

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423, hier 398. Ferner auch Zach, Krista: Orthodoxe Kirche und rumänisches Volksbewusstsein im 15. bis 18. Jahrhundert. Wiesbaden 1977 (Schriften zur Geistesgeschichte des östlichen Europa 11). Roth, Paul W.: Das Diploma Leopoldinum. Vorgeschichte, Bestimmungen. In: Siebenbürgen in der Habsburgermonarchie. Vom Leopoldinum bis zum Ausgleich (1690–1867). Hg. v. Zsolt K. Lengyel und Ulrich A. Wien. Köln-Weimar-Wien (Siebenbürgisches Archiv; Folge 3, 34), 1–10. Bernath, Mathias: Habsburg und die Anfänge der rumänischen Nationsbildung. Leiden 1972 (Studien zur Geschichte Osteuropas 15), 34–46; Trócsányi, Zsolt: Habsburg-politika és Habsburg-kormányzat Erdélyben 1690–1740 [Die habsburgische Politik und die Habsburger-Herrschaft in Siebenbürgen von 1690 bis 1740]. Budapest 1988 (A Magyar Országos Levéltár kiadványai 3,8). Bernath, Habsburg (wie Anm. 7), 59. Nach Lesart einiger rumänischer Autoren fand das Wunder bereits 1694 statt. Vgl. Porumb, M ­ arius: Die rumänische Malerei in Siebenbürgen I. (14.–17. Jahrhundert). Cluj-Napoca 1981, 158; D ­ umitran, Ana: Icoana ca intermediar al miracolului şi expresie a identităţii confesionale: studiu de caz: ­‚Beatissima Virgo Claudiopolitana‘ [Die Ikone als Vermittlerin des Wunders und als Ausdruck der konfessionellen Identität: das Fallbeispiel der ‚Beatissima Virgo Claudiopolitana‘]. In: Identitate confesională şi toleranţă religioasă în secolele XVIII–XXI. Hg. v. Daniel Dumitran und Botond G ­ udor. Alba Iulia 2011 (Annales Universitatis Apulensis. Series historica 15/II), 67–88, hier 70.

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chisch-katholischen und griechisch-orthodoxen Gläubigen verehrt wurde. Entsprechend entwickelten sich rund um die Darstellung der Gottesmutter und den danach angefertigten Kopien wie auch zum Ort des Wunders unterschiedliche und in Teilen sogar einander diametral entgegengesetzte Narrative.10 Diese sollen im Folgenden kritisch hinterfragt werden. Bei der Vorstellung der Peripetien der wundertätigen Ikone werden zwei chronologische Abschnitte intensiver behandelt. Einleitend wird das Schicksal des Bildes in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der habsburgischen Initiativen zur Rekatholisierung Siebenbürgens und der damit eng verbundenen Kirchenunion thematisiert. Nachfolgend soll die Verehrung des Bildes im 20. Jahrhundert entlang der großen politischen Zäsuren – der Eingliederung Siebenbürgens in das nach dem Ersten Weltkrieg entstandene Groß-Rumänien 1918; die kommunistische Machtübernahme 1947/48 und die Situation im postkommunistischen Rumänien (nach 1989) – erörtert werden. Die Ikone von Nicula rückte gemeinsam mit weiteren sog. wundertätigen Marien­ bildern vor allem in den letzten zehn Jahren in den Fokus der Forschungen zur Geschichte Siebenbürgens im 18. Jahrhundert. Sowohl die Kunstgeschichte als auch die Volkskunde sahen in diesen Darstellungen der Gottesmutter Zeugnisse der Volksfrömmigkeit bzw. ein Medium, das von den neuen habsburgischen Landesherren unter tatkräftiger Unterstützung der Jesuiten instrumentalisiert wurde, um die orthodoxe Bevölkerungsmehrheit in Siebenbürgen zu einer kirchlichen Union mit der römisch-katholischen Kirche zu bewegen.11 Im Rahmen dieser Interpretationen blieben der konkrete Umgang und hier vor allem die Inszenierungen der Gnadenbilder weitgehend unbeachtet.12 Dabei erweist sich gerade die Einbeziehung dieser ­Aspekte nicht nur als eine interessante kunsthistorische Ergänzung, sondern vielmehr als ein interpretatorisches Korrektiv vor dem Hintergrund der konkurrierenden nationalen und konfessionellen Narrative rund um die Geschichte dieses Bildes, die bis in die Gegenwart weitreichende Auswirkungen haben. Die divergierenden Diskurse betreffen das wundertätige Bild selbst wie auch dessen gesamten Handlungsbereich. Interessanterweise rekurrieren alle Erzählungen auf die 1736 in Klausenburg publizierte Geschichte des wundertätigen Marienbildes „Historia Thaumaturgae ­Virginis Claudiopolitanae“.13 Auch im Folgenden wird dieses im Umfeld der Klausenburger 10 Blasen, Philippe Henri: Le cas Nicula. Analyse des interactions entre les Eglises orthodoxe et grécocatholique roumaines par l’étude de leurs historiographies respectives sur le lieu de pèlerinage de Nicula. Cluj-Napoca 2011, 67–74. 11 Barna, Gábor: Gnadenorte der „tränenden Marienbilder“ in Ungarn. Mittel der Ideologie der katholischen Restauration und der kirchlichen Union. In: Acta Ethnographica Hungarica 45/1–2 (2000), 137–149; Dumitran, Icoana (wie Anm. 9); Fecioarele înlăcrimate ale Transilvaniei: preliminarii la o istorie ilustrată a toleranţei religiose [Die weinenden Jungfrauen aus Siebenbürgen: Vorstufen zu ­einer illustrierten Geschichte der religiösen Toleranz]. Ausst.-Kat. Alba Iulia. Hg. v. Ana ­Dumitran, ­Enikő ­Hegedűs und Vasile Rus. Alba Iulia 2011. 12 Eine Ausnahme bildet hier: Sabău, Nicolae: Icon Lacrymans de la Hodighitria Niculei la Vera Effigies B(eatae) V(irginis) Mariae Flentis Claudiopol(i) [Icon Lacrymans von der Nicula Hodighitria zur Vera Effigies B(eatae) V(irginis) Mariae Flentis Claudiopol(i)]. In: Ars Transsilvaniae 28 (2008), 151–169. 13 Grueber, Antonius: Historia Thaumaturgae Virginis Claudiopolitanae … Claudiopolis 1737. (Wiederabgedruckt in: Fecioarele înlăcrimate (wie Anm. 11), 151–374).



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Jesuiten verfasste Werk als Ausgangspunkt für die Diskussion einzelner Aspekte rund um die politische Instrumentalisierung des Gnadenbildes und seiner Kopien benutzt. Als Ort des Wunders ist in der „Historia“ die Kirche in Nicula genannt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um den heute auf dem Hügel im Ort stehenden kleinen Holzbau (Abb. 1). Dieser wurde erst 1974 als Ersatz für die ein Jahr zuvor durch e­ inen Brand zerstörte Kirche errichtet. Eine aus diesem Gebäude überlieferte Inschrift belegt eine Erneuerung der Kirche im Auftrag des Adligen Sigismund Kornis de Gőncz-

Abb. 1  Holzkirche im Kloster Nicula.

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Ruszka (1677–1731) im Jahre 1714. Ferner ist eine Glocke mit slawonischer Inschrift aus dem Jahre 1685 bekannt. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass der 1973 zerstörte Holzbau seinerseits an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert anstelle ­einer älteren Anlage errichtet wurde.14 Aufgrund des Fehlens eindeutiger schriftlicher Hinweise kann die Frage nach der konfessionellen Zugehörigkeit der Gemeinde, in der das Wunder 1699 stattgefunden hat, nicht beantwortet werden. Bislang postulierte die griechisch-orthodoxe Historiographie – vor allem nach 1989 – eine Nutzung der Pfarrkirche und die Existenz ­eines Klosters seit 1552 in Nicula15, während die griechisch-katholischen Historiker die Gründung eines Klosters zwischen 1700 und 1714 favorisierten.16 Durch die Festlegung auf das spätere Datum sollte die Zugehörigkeit der Holzkirche zu einer griechisch-katholischen Gemeinde suggeriert werden. Die intensiven Bemühungen der habsburgischen Landesherren und des Heiligen Stuhls, den orthodoxen Klerus zu e­ iner Kirchenunion mit Rom zu bewegen, zeigten nämlich im Herbst 1698 erste Erfolge, als der orthodoxe Bischof (vlădică) Atanasie, gemeinsam mit 38 Protopopen, der bereits unter seinem Amtsvorgänger Teofil ausgehandelten Vereinigung mit der katholischen Kirche zustimmte.17 Das Zustandekommen der Union wurde auf kaiserlicher Seite entscheidend durch den Erzbischof von Gran/Esztergom und Primas von Ungarn Kardinal ­Leopold Karl von Kollonitsch (1631–1707) vorangetrieben. Dieser zählte zu den einflussreichen Beratern Kaiser Leopolds I. und übernahm eine Schlüsselrolle bei der politischen und konfessionellen Neuordnung der eroberten ungarischen Gebiete.18 Bei den Verhandlungen im Vorfeld der Siebenbürgischen Union kam dem als Feldkaplan tätigen Jesuiten Ladislaus Baranyi als Berater des rumänischen Bischofs in theologischen Fragen eine gewichtige Rolle zu.19 Die Anbindung der hohen Zahl von Ortho­ doxen an die römische Kirche bildete in den Planungen des Kardinals Kollonitsch eine wichtige Maßnahme zur Schwächung der protestantischen Position. Der Übertritt der orthodoxen Führungsspitze in Siebenbürgen zur Union erwies sich als ein starkes Signal, denn in kürzester Zeit bekannte sich eine Vielzahl von Gemeinden ebenfalls zu 14 Popa, Atanasie: Monumente istorice dispărute. Bisericile de lemn din Nicula şi Libotin [Verschwundene historische Denkmale. Die Holzkirchen in Nicula und Libotin]. In: Acta Musei Napocensis 12 (1975), 251–257, hier 252–254. 15 Den Anspruch auf eine Jahrhunderte alte griechisch-orthodoxe Tradition vor Ort illustriert prägnant der Sammelband: Nicula, icoana neamului, 450 de ani de atestare documentară [Nicula, die Ikone der Nation, 450 Jahre seit der urkundlichen Erstnennung]. Hg. von Vasile Someşeanul und Dumitru C ­ obzaru. Nicula 2002. 16 Blasen, Le cas Nicula (wie Anm. 10), 103. 17 Bârlea, Union (wie Anm. 5), 418 f. 18 Bérenger, Jean: Le cardinal Kollonich et la Contre-Réforme en Hongrie. In: XVIIe siècle 50 (2)/199 (1998), 297–314; Bernath, Habsburg (wie Anm. 7), 57–58. 19 Barbu, Violeta: Biserica română unită cu Roma în căutarea identităţii problema ritului şi activitatea misionarilor iezuiti und [Die rumänische mit Rom vereinigte Kirche auf der Suche nach ihrer Identität, die Frage des Ritus und die Aktivitäten der Jesuitenmissionare]. In: Revista istorică 3/5–6 (1992), 529–545, hier 531 f. Zur Rolle der Jesuiten ferner: Oldson, William O.: The Politics of Rite. ­Jesuit, Uniate, and Romanian Ethnicity in 18th Century Transylvania. Boulder-New York 2005 (East European Monographs 666).



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diesem Wechsel. Dies führte zu einem Konflikt mit den Patriarchen in Konstantinopel und Jerusalem sowie dem Metropoliten in Bukarest/Bucureşti. Der radikale Schritt der siebenbürgischen Rumänen diente der Befreiung vom Druck seitens der Calvinisten und war auch von dem Wunsch der katholischen Landesherren nach einer Besserung der sozialen Situation getragen. Einen zentralen Kritikpunkt gegen die calvinistische Kirchenführung bildete deren Einstufung der Ikonen als rein dekorative Elemente.20 Die Ikone von Nicula kam laut Auskunft der „Historia“ als Stiftung des rumänischen Kleinadeligen Ioan Cupşa in die Kirche des Ortes. Das Bild sei 18 Jahre vor dem Wunder, d. h. um 1690 und somit vor dem Abschluss der Kirchenunion, von einem Priester mit dem Namen Luca aus der benachbarten Gemeinde Iclod gemalt worden. Die „Historia“ bezeichnet Luca als Ruthenen.21 Trotz dieser eindeutigen Festlegung präsentierten sowohl die griechisch-orthodoxen wie auch die griechischkatholischen Historiker wiederholt den Maler als Rumänen, wobei dessen konfessionelle Zugehörigkeit mit derjenigen der Autoren in Einklang gebracht wurde.22 Nur kurze Zeit nach dem Bekanntwerden des Wunders ließ der bereits genannte Graf Sigismund Kornis die Ikone im Rahmen einer feierlichen Prozession auf den Familiensitz im nahegelegenen Mănăstirea (ehem. Benediug) überführen.23 Der Graf stammte aus einer Familie überzeugter Katholiken. So zählte dessen Vater Gáspár Kornis († 1696) zum kleinen Kreis der adligen Unterstützer der im Auftrag der Congregatio de Propaganda Fide um die Mitte des 17. Jahrhunderts in Siebenbürgen wirkenden Franziskaner, die bemüht waren, die rudimentären Strukturen der katholischen Kirche aufrechtzuerhalten.24 Die Überführung der weinenden Ikone in die Kapelle des mächtigsten lokalen Adligen ist ein Motiv, das seit dem 16. Jahrhundert aus vielen Wunderberichten aus Europa und Südamerika bekannt ist.25 Für Siebenbürgen sind gerade für das 18. Jahrhundert mehrere solche Übertragungen überliefert. Hierbei handelte es sich einerseits um Ausstattungsstücke katholischer Herkunft, die die Reformation überstanden hatten, wie das von der Ehefrau des habsburgischen Militärkommandeurs in Siebenbürgen, General Roger de Bussy-­Rabutin, 1699 in Hermannstadt/Sibiu/Nagyszeben aufgefundene spätgotische Kruzifix. Dieses gelang­te 20 Bârlea, Union (wie Anm. 5), 421; Miron, Greta: Motivele Unirii religioase [Die Gründe für die Kirchenunion]. In: Unirea românilor transilvăneni cu Biserica Romei. Hg. v. Johann Marte u. a. Bucureşti 2010, 214–225, hier 220 (zur Frage der Ikonen). 21 Grueber, Historia Thaumaturgae (wie Anm. 13), 122 f.: „Pictor fuit nomine Lucas, gente Ruthenus, non longe domo a fano S. Nicolai, ex vico Iklod nuncupato …“ 22 Blasen, Le cas Nicula (wie Anm. 10), 104–117. 23 Grueber, Historia Thaumaturgae (wie Anm. 13), 136; Fecioarele înlăcrimate (wie Anm. 11), 36–37. 24 Becker, Rotraud: Die Wiener Nuntiatur im Dienst der Propaganda-Kongregation. Italienische Franziskaner als Missionare in Ungarn um 1630. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 88 (2008), 369–418, hier 388; Periş, Lucian: Prezenţe catolice în Transilvania, Moldova şi Ţara Românească 1601–1698 [Katholische Präsenz in Siebenbürgen, der Moldau und der Walachei 1601–1698]. Blaj 2005, 251–271. 25 Trexler, Richard C.: Being and non-being. Parameters of the miraculous in the traditional religious image. In: The miraculous in the late Middle Ages and Renaissance. Hg. v. Erik Thunø and Gerhard Wolf. Rome 2004 (Analecta Romana Instituti Danici, Supplementum 35. 2004), 15–27, hier 16.

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später als Stiftung der Bussy-Rabutins in die Minoritenkirche in der Wiener Alser­ gasse.26 Vergleichbare Transfers lassen sich auch für eine Reihe von ortho­doxen Ikonen nachweisen, etwa für das Bild aus dem im Norden des historischen Siebenbürgens gelegenen Kricsfalu (heute Krychovo/Ukraine), das zunächst auf einen siebenbürgischen Adelssitz und später nach Erlau/Eger gebracht wurde.27 Im Kontext dieses Phänomens der Verlagerung stellt Graf Sigismund Kornis durch die hohe Zahl an verehrten Kirchenausstattungsstücken, die bis zu seinem Tod 1731 auf die Besitzungen der Familie transferiert wurden, eine Ausnahmeerscheinung dar. Neben dem Bild aus Nicula wurde eine weitere, als wundertätig bezeichnete Ikone aus Iliuşa nach Mănăstirea transferiert.28 Später wurden dann auch Stücke aus evangelischen Kirchen, wie die Statuen der Muttergottes aus den Altären in Großschenk/Cincu/Nagysink und ­Mühlbach/Sebeş/Szászsebes, überführt. Bei der in die Familienkapelle in Krauden/­ Coroi/Korod translozierten Marienstatue handelte es sich um ein Bildwerk, dem in der Mühlbacher Stadtpfarrkirche auch nach der Annahme des Augsburger Bekenntnisses durch die örtliche Kirchengemeinde 1544 eine intensive Verehrung entgegengebracht ­ ornis hat jewurde.29 Keines dieser verehrten Werke aus dem Besitz des Grafen K doch einen so starken Nachruhm entfaltet wie die Marienikone von Nicula. Und dies trotz der Tatsache, dass das Bild kurze Zeit nach dem Eintreffen auf dem Familien­ sitz aufgehört hatte, Tränen zu vergießen und nur wenige Monate später auf Druck der katholischen Kirchenleitung, die auf die Beschwerden der Bevölkerung in ­Nicula reagierte, wieder in das Dorf zurückgebracht werden musste.30 Der kurze Aufenthalt der Marien­ikone wurde auf den Familiensitzen der Kornis in Krauden und ­Mănăstirea durch Steinreliefs mit der Darstellung des Bildes kommemoriert. Zusätzlich dazu berichteten vormals über der Kapelle bzw. über dem Zugang zum heute weitestgehend zerstörten Anwesen in Mănăstirea angebrachte Inschriften von dem göttlichen

26 Annalium Provinciae Sancti Josephi Ordinis Excalceatorum Sanctisime Trinitatis Redemtiones Capti­ vorum Libri Decem. Viennae 1739. Buch VI. Kapitel XV; Ginhart, Karl: Zwei spätgotische Kruzifixe in Wien. In: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 8/1–2 (1954), 9–15, hier 11 f.; Radocsay, Dénes: Das Hermannstädter Kruzifix in Wien. In: Acta Historiae Artium 6 (1959), 283–298, hier 284. Zu den postreformatorischen Kreuzauffindungen auch: Heussler, Carla: De Cruce Christi. Kreuzauffindung und Kreuzerhöhung: Funktionswandel und Historisierung in nachtridentinischer Zeit. Paderborn 2006 (IKON. Bild + Theologie). 27 Terdik, Szilveszter: L’origine dell’icona miracolosa del monastero di Bikszád. In: Da Roma in Hungaria, Atti del convegno nel terzo centenario della morte di Giovanni Giuseppe De Camillis, vescovo di Munkács/Mukacevo (1689–1706). Hg. v. Tamás Véghseő. Nyíregyháza 2009, 295–317, hier 298. 28 Grueber, Historia Thaumaturgae (wie Anm. 13), 136; Fecioarele înlăcrimate (wie Anm. 11), 37. 29 Zum Mühlbacher Marienbild: Krasser, Harald/Streitfeld, Theobald: Zur Wiederauffindung der Madon­na des Mühlbacher Altars. In: Studien zur siebenbürgischen Kunstgeschichte. Hg. v. ­Gustav Gündisch. Köln u. a. 1976 (Siebenbürgisches Archiv 3,13), 96–109; Crăciun, Maria: Marian Imagery and its Function in the Lutheran Churches of Early Modern Transylvania. In: Lutheran churches in early modern Europe. Hg. v. Andrew Spicer. Aldershot 2012, 133–164, hier 133–141. 30 Nagy, Margit B.: Adalékok a mikolai Mária-ikon történetéhez [Angaben zur Geschichte der Marien­ ikone von Nicula]. In: Dies.: Stílusok, művek, mesterek. Művészettörténeti tanulmányok, Bukarest 1977, 24–31, hier 27 f.; Sabău, Icon Lacrymans (wie Anm. 12), 159 sowie Abb. 5 und 10.



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Schutz und der himmlischen Fürsprache für das Haus Kornis.31 Unmittelbar nach der Rückkehr des Bildes nach Nicula wurde noch im März 1699 mit der Befragung der Zeugen des Wunders begonnen.32 Auf der Basis der Protokolle genehmigte Kardinal ­Kollonitsch schließlich die öffentliche Verehrung der Ikone. Zu diesem Zweck übergab man wohl schon 1700 das Gnadenbild der Jesuitenmission im Klausenburger Vorort ­Abtsdorf/­Mănăştur/Kolozsmonostor.33 Die Gesellschaft Jesu hatte dort bereits 1579, gefördert durch den siebenbürgischen Fürsten Christoph Báthory (1530–1581) und dessen Bruder, den polnischen König Stephan (István) Báthory (1533–1586), in ­einem verlassenen Benediktinerkloster eine Mission errichtet. Ab 1582 durften sich die mehrheitlich aus Polen und Litauen stammenden Jesuiten innerhalb der Stadt­mauern niederlassen und errichteten dort ein Kollegium.34 In dessen Umfeld wurde 1585 auch die erste Marianische Kongregation in Klausenburg gegründet, zu deren Mitgliedern auch Péter Pázmány (1570–1637) und Sándor ­Dobokay (1567–1621) zählten, die zu führenden Figuren der Gegenreformation in Ungarn im 17. Jahrhundert avancieren sollten.35 Das Klausenburger Kollegium wurde aber bereits 1603 unter dem Druck der Unitarier (Antitrinitarier) geschlossen und die Jesuiten aus der Stadt vertrieben. Diese nahmen die Lehrtätigkeit nach etwa vier Jahrzehnten im Vorort Abtsdorf wieder auf.36 Das aus Nicula in die Jesuitenmission translozierte Bild erfuhr in dem Klausenburger Vorort eine intensive Verehrung durch Gläubige unterschiedlicher Ethnien (Ungarn, Deutsche, Armenier) und Konfessionen (Katholiken, Unierte und wohl

31 Mânzat, George: Vizitaţia canonică din vara anului 1926 a Preasfinţitului Iuliu al Gherlei [Die kanonische Visitation des Bischofs Iuliu von Gherla im Sommer 1926]. In: Curierul Creştin 8/16–17 (1926), 85–89, hier 88; Inschrift über dem Schlosseingang: Tu, quae cuncta praeservas, dominaris et astris / Meos, domumque meam protege Diva Parens / Tu matrem gemina refers mirumque figuras / Icona, quae laribus eluerat alma meis. Die von Mânzat angegebene Abschrift weicht in den ersten beiden Zeilen von dem bei Sabău, Icon Lacrymans (wie Anm. 12), 159 Anm. 24, angegebenen Text ab. Inschrift über dem Eingang zur Kapelle: Mira Dei Genetrix nosta stillavit in aula / Filius, ut sacris concilietur aquis / Maternaque Deum, quid mirum, flexerit unda / Kornisia his lacrim’is surgit in alta domus. Zur Baugeschichte des Sitzes der Grafen Kornis de Gőncz–Ruszka: Kovács, András: Keső reneszánsz építészet Erdélyben 1541–1720 [Architektur der Spätrenaissance in Siebenbürgen 1541–1720]. Budapest 2003, 98–100. 32 Fecioarele înlăcrimate (wie Anm. 11), 35 f. 33 Nagy, Adalékok (wie Anm. 30), 24 f. 34 Załęski, Stanisław: Jezuici w Polsce [Jesuiten in Polen]. Tom IV. Dzieje 153 kolegiów i domów Jezui­tów w Polsce [Bd. IV: Geschichte von 153 jesuitischen Kollegien und Häusern in Polen]. Kra­ ków 1905, 236 f.; Veress, Endre: A kolozsvári Báthory-egyetem története lerombolásáig, 1603-ig [Die Geschichte der Klausenburger Báthory-Hochschule bis zu deren Zerstörung 1603]. In: Erdélyi ­Múzeum 23 (1906), 169–193 und 249–263. 35 Németh, László: A Regnum Marianum állameszme [Der Staatsgedanke des Regnum Marianum]. In: Regnum 4 (1941–42), 223–292, hier 269. 36 Dies legt eine Auswertung der Schulmatrikel nahe: Varga, Júlia: A kolozsvári jezsuita gimnázium és akadémia hallgatósága 1641–1773 (1784) [Die Zuhörerschaft des Gymnasiums und der Akademie der Jesuiten in Klausenburg 1641–1773 (1784)]. Budapest 2007 (Felsőoktatástörténeti kiadványok; Új sorozat 6).

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auch Griechisch-Orthodoxe), wie dies Berichte vom Februar 1701 schildern.37 Den überregionalen Ruhm der Ikone verdeutlichen auch die von dem Wiener Kupferstecher Johann Franck (Frank) de Langgraffen angefertigten Darstellungen in der 1701 in Tyrnau/Trnava/Nagyszombat veröffentlichten Ausgabe des Gebetsbuchs von P ­ eter Pázmány.38 Das erstmalig 1603 in Graz, einem Zentrum der Gegenreformation in den Habsburger Ländern, in ungarischer Sprache veröffentlichte Buch („Keresztyéni imádságos könyv“) vereinte Gebete und katechetische Unterweisungen. Diese Publikation, die sicherlich auch auf eine protestantische Leserschaft zielte, stellt ferner auch ein frühes Beispiel der modernen ungarischen Literatur dar.39 Die erste Darstellung der Klausenburger Ikone in der Tyrnauer Ausgabe von 1701 erfolgte als Teil einer allegorischen Inszenierung, die prominent dem Titelblatt vorangestellt wurde. Die gesamte Komposition wird im oberen Bildteil von der Darstellung der ungarischen Krone dominiert. Unmittelbar darunter erscheinen die miteinander verbundenen Gnadenbilder der Muttergottes aus Pócs und Klausenburg. Der untere Teil des Bildes zeigt einen Landschaftsausschnitt mit einer zerstörten Kirche. Im Vordergrund flankieren die Personifikationen Ungarns und Siebenbürgens eine Ansammlung katholischer liturgischer Geräte.40 Somit beklagt die Allegorie nicht den Zustand des Landes nach dem Ende der Osmanenherrschaft, sondern die desolate Situation der katholischen Kirche infolge der Reformation. Der Nexus zwischen dem Niedergang des Landes und der Ausbreitung des Protestantismus ist ein seit dem Ende des 16. Jahrhunderts wiederkehrender Topos in den Predigten und Publikationen jesuitischer Autoren wie István Szántó (Arator, 1540–1612) oder Péter Pázmany.41 Die motivische Anbindung der Gnadenbilder aus Pócs und Klausenburg an die ungarische Krone stellt eine interessante bildliche Neuschöpfung zur Illustration des politischtheologischen Konzepts des Regnum Marianum dar, die in der Folgezeit eine weite Verbreitung erfahren sollte. Dies illustriert ein um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstandenes Ölgemälde nach Johann Francks Stichvorlage von 1701 (Taf. I).42 37 Historia Residentiae Societatis Jesu Claudiopolitanae Anni 1701. In: Rus, Vasile: Operarii in Vinea Domini. Misionari iezuiti in Transilvania in sec. XVI–XVIII. Cluj-Napoca 2008, Bd. II. Fontes, 187– 206, hier 188 f. 38 Pázmány Péter: Imádságos könyv. Mellyet írt, A Bóldog Emlékezetű Cardinal es Esztergami Ersek [Gebetsbuch, welches vom seligen und berühmten Kardinal und Graner Erzbischof verfasst wurde]. Nagyszombat 1701. 39 Tüskés, Gábor: Jesuitenliteratur und Frömmigkeitspraxis in Ungarn im 16. und 17. Jahrhundert. In: Jesuitische Frömmigkeitskulturen. Konfessionelle Interaktion in Ostmitteleuropa 1570–1700. Hg. v. Anna Ohlidal und Stefan Samerski. Stuttgart 2006 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 28), 17–36, hier 25 f. 40 Vgl. hierzu auch Szilárdfy, Zoltán: A máriapócsi kegykép ikonográfiájához [Zur Ikonographie des Gnadenbildes von Máriapócs]. In: Ders.: Ikonográfia – kultusztörténet: képes tanulmányok. Budapest 2003, 124–127, hier 125. 41 Tüskés, Gábor/Knapp, Éva: Magyarország – Mária országa. Egy történelmi toposz a 16–18. századi egyházi irodalomban [Ungarn – Marias Land. Ein historiographischer Topos in der kirchlichen Literatur des 16.–18. Jahrhunderts]. In: Irodalomtörténeti Közlemények 104 (2000), 573–602, hier 585. 42 Szilárdfy, Zoltan: Kat. Nr. V-19 A. Regnum Marianum allegóriája Magyarorszag és Erdély címerével [Allegorie des Regnum Marianum mit den Wappen Ungarns und Siebenbürgens]. In: Történelem –



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Die Vorstellung von Ungarn als einem Regnum Marianum ist seit dem Mittelalter belegt. Den Ausgangspunkt bildet die in der Legenda Maior zum Leben des Hl. ­Stephan (ung.: István), dem ersten kanonisierten König von Ungarn, überlieferte Unterstellung des Landes unter das Patronat der Gottesmutter. Diese politisch-kultische Indienstnahme der Gottesmutter ist vermutlich durch Einflüsse aus dem Byzan­ tinischen Reich zu erklären.43 Das Bild von Ungarn als ein der Gottesmutter geweihtes Königreich erlebte seine intensivste Verbreitung im 17. und 18. Jahrhundert.44 Die bildlichen Darstellungen dieses Themas hatten nicht selten einen polemischen Charakter und waren primär gegen die Osmanen oder Protestanten gerichtet.45 Eine wichtige Vorstufe zu Johann Francks Allegorie in der 1701 erschienenen Ausgabe des Gebetsbuchs von Pázmány stellt das Frontispiz einer weiteren Publikation dieses jesuitischen Gelehrten und späteren Erzbischofs von Gran dar. Das Titelblatt des 1613 veröffentlichten „Wegweisers zur Weisheit Gottes“ (ung.: Isteni igazságra vezérlő kalauz) wird durch einen architektonischen Rahmen eingefasst, der in seiner ÄdikulaStruktur einem Kompositionstypus entspricht, der in Publikationen von Jesuiten vom Beginn des 16. Jahrhunderts an weit verbreitet ist.46 Auf dem Titelblatt der Publikation Pázmánys flankieren bezeichnenderweise ungarische Heilige königlichen Geblüts (Hl. Stephan, Hl. Emmerich, Hl. Ladislaus und die Hl. Elisabeth) in Nischen das zentrale Feld. Der die Ädikula abschließende Giebel zeigt in einem Medaillon die Büste der Gottesmutter. Diese ist als Patrona Hungariae ausgewiesen. Über ihrem Haupt halten zwei Engel das Christusmonogramm und gleichzeitig Emblem der Gesellschaft Jesu einer Krone gleich in e­ inem strahlenden ovalen Medaillon.47 Pázmánys Kombination der Darstellung der Gottesmutter mit den überkommenen nationalen ­Topoi und modernen Elementen wie dem IHS Monogramm, dem Signum des Jesuiten­ordens, erfuhr noch im 17. Jahrhundert eine breite Nachfolge in den unterschiedlichsten Medien (Buchdruck, Altarbilder, Möbel etc.).48

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kép. Szemelvények múlt és művészet kapcsolatából Magyarországon. Ausst.-Kat. Magyar Nemzeti Galéria Budapest 2000. Hg. v. Árpad Mikó und Katalin Sinkó. Budapest 2000 (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2000, 3), 326 f. Klaniczay, Gábor: Holy Rulers and Blessed Princesses. Dynastic Cults in Medieval Central Europe. Cambridge 2002 (Past and Present Publications), 138 und 414. Tüskés/Knapp, Magyarország (wie Anm. 41), 585–602. Németh, Regnum (wie Anm. 35), 269 f.; Tüskés, Gábor/Knapp, Èva: Marianische Landespatrone in Europa unter besonderer Berücksichtigung Ungarns. In: Jahrbuch für Volkskunde 25 (2002), 77–102, hier 89–100; Szilárdfy, Regnum Marianum (wie Anm. 42), 308–347. Dekoninck, Ralph: On the threshold of a spiritual journey. The appealing function of the Jesuit frontispiece (Antwerp, 1593–1640). In: Le monde est une peinture. Hg. v. Elisabeth Oy-Marra und Volker R. Remmert. Berlin 2011 (Beiträge zu den historischen Kulturwissenschaften 7), 71–84. Galavics, Géza: Későreneszánsz és korabarokk. Jegyzetek a 17. század első felének hazai mű­vés­ zetéhez [Spätrenaissance und Frühbarock. Die Entwicklung der einheimischen Kunst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts]. In: Művészettörténet – tudománytörténet. Hg. v. Árpád Tímár. Budapest 1973, 41–90, hier 50 f. Ders.: A magyarországi jezsuiták és a barokk művészet – az identitás jelei [Die ungarischen Jesuiten und die barocke Kunst. Spuren der Identität]. In: A magyar jezsuiták küldetése a kezdetektől napjain-

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Die Propagierung der Verehrung der ungarischen heiligen Könige durch die örtlichen Jesuiten war ein Zugeständnis an die lokalen Bräuche und diente der Wiederbelebung von Traditionen, die durch die Reformation unterbrochen worden waren. In einem Ende des 16. Jahrhunderts, also während der ersten Wirkungsphase der Gesellschaft in Klausenburg verfassten Bericht an den römischen Kardinal Aquaviva beschwerte sich der ungarische Jesuit István Szántó darüber, dass seine aus Polen stammenden Mitbrüder die siebenbürgische Bevölkerung an den Feiertagen der lokalen Heiligen zur Arbeit anhielten. Hierzu zählen vor allem die dynastischen Heiligen Stephan, ­Ladislaus und Emmerich, aber auch die Heiligen Elisabeth und ­Margarethe bzw. ­Adalbert und Gerhard, die entschieden an der Verbreitung des katholischen Glaubens in den Randregionen des Königreichs mitgewirkt hatten. Deren Verehrung wurde von Szántó als ein wichtiges Instrument zur Stärkung der katholischen Position ange­sehen.49 Bildliche Verweise auf Devotionsformen, die durch die Reformation unterbrochen wurden, sind in den ganzseitigen Darstellungen der wundertätigen Marien­bilder aus Pócs, Raab/Győr und Klausenburg zu sehen, die in die 1701er Ausgabe des Gebetbuchs von Pázmány eingefügt wurden. Während die Ikonen aus Pócs/Wien und ­Nicula/Klausenburg aus einem griechisch-katholischen bzw. griechisch-orthodoxen Bereich in ein katholisches Umfeld überführt wurden, handelt es sich bei dem Raaber Bild um eine Darstellung der Christus anbetenden Muttergottes, die von Walter Lynch, dem Bischof von Clonfert, bei seiner Flucht vor den von dem Puritaner Oliver Cromwell befehligten Truppen aus Irland über Wien nach Raab mitgenommen wurde. Dort soll das Bild 1697 Blut geschwitzt haben. Dieses Wunder wertete man ebenso wie das Weinen der Pócser Madonna im Jahr davor als göttliche Prodigia, durch die der Sieg bei Zenta über die Osmanen angekündigt wurde.50 Neben den Invektiven gegen den osmanischen Erbfeind enthielten die Berichte über die Wunder der drei genannten Bilder auch polemische Spitzen gegen die Protestanten sowie gleichzeitig Argumente im Sinne eines Beitritts der griechisch-orthodoxen Gemeinden zur Union mit Rom. Die zweite von Johann Franck de Langgraffen angefertigte Darstellung des Klausen­burger Gnadenbildes im Pázmány-Gebetsbuch zeigt das Bild mitsamt dem Rahmen (Abb. 2). Auf der oberen Leiste befindet sich eine kirchenslawonische Inschrift, die jedoch vom Künstler nicht korrekt wiedergegeben wurde. Die eigentliche

kig. Hg. v. Csaba Szilágyi. Piliscsaba 2006 (Művelődéstörténeti műhely, Rendtörténeti konferenciák 2), 321–344, hier 328–343. 49 Crăciun, Maria: Implementing Catholic Reform. The Jesuits and Traditional Religion in Early Modern Transylvania. In: Jesuitische Frömmigkeitskulturen (wie Anm. 39), 37–61, hier 51–53. 50 Serfőző, Szabolcs: A győri székesegyház Szűz Mária-kegyoltára [Der Gnadenaltar der Muttergottes im Dom von Győr]. In: Művészettörténeti Értesítő 48 (1999), 87–111, hier 90; Tüskés, Gábor: Búcsújárás a barokk kori Magyarországon a mirákulumirodalom tükrében [Das barockzeitliche Wallfahrtswesen in Ungarn im Spiegel der Mirakelliteratur]. Budapest 1993, 222.



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Abb. 2  Johann Franck de Langgraffen: Dar­ stellung des Klausen­ burger Gnaden­bildes. Kupferstich in der Ausgabe des Gebets­ buchs (Keresztyéni imádságos könyv) des Peter ­Pázmány, 1701.

Aussage der Textzeile lautet übersetzt „die heilige Gottesgebärerin“.51 Als Pendant wurde auf der unteren Rahmenleiste die Legende Miraculosa BVM Claudiopoli angebracht, die durch ein Wappen unterbrochen wird. Auf den beiden Längsseiten werden vegetabile Ornamente und eine Verzierung mit Edelsteinen angedeutet. Diese Darstellung der Gottesmutter bleibt trotz der fehlerhaft wiedergegebenen Inschrift eine wichtige Quelle für die Rekonstruktion der ursprünglichen Erscheinung des Bildes, die heute aufgrund der im Laufe der Zeit applizierten Kronen und reichen Bekleidung der Figuren nur noch schemenhaft erkennbar ist (Abb. 3). Darüber hinaus ermöglicht der Stich auch einen Vergleich mit dem in Nicula verehrten Bild (Abb. 4). 51 Sabău, Icon Lacrymans (wie Anm. 12), 157, Anm. 11.

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Abb. 3  Detailansicht des Klausenburger Gnadenbildes.

Beide Darstellungen der Muttergottes entsprechen dem Typus der Hodegetria. Eine Gegenüberstellung offenbart bereits auf den ersten Blick auffällige Abweichungen, wie das dem Jesuskind zugeneigte Haupt der Gottesmutter auf dem Klausenburger Bild. Auf diesem fehlen auch die beiden Engelsfiguren, die auf der Ikone in Nicula in den Zwickeln oberhalb der Jungfrau zu sehen sind. Die genannten Unterschiede zwischen den beiden Bildern sprechen gegen ein Original-Kopie-Verhältnis. Die beiden Ikonen wurden vermutlich von zwei verschiedenen Meistern in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts geschaffen.52 52 Ebd., 156.



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Die 1713 erfolgte Ernennung des bereits genannten Sigismund Kornis zum Gouverneur von Siebenbürgen stellte ein Novum dar, da dieser nicht zu den Kandidaten der Landesversammlung von ­Me­diasch/Medias/Megyés 1712 gezählt hatte. Die Einsetzung von Graf Kornis, der zu jenem Zeitpunkt in Wien lebte und dort die Stelle eines Hofbeamten bekleidete, erfolgte auf Weisung Kaiser Karls VI.53 Nach seinem Amtsantritt mobilisierte der neue Mann an der Spitze des Fürstentums beachtliche Ressourcen zur Stärkung der katholischen Konfession und setzte sich dabei auch über die Bestimmungen des Diploma Leo­poldinum hinweg. So übernahmen die Katholiken in Klausenburg am 30. März 1716 unter dem Schutz der Einheiten des Oberkommandierenden der kaiserlichen Truppen, Feld- Abb. 4  Luca von Iclod (?): Ikone der Mutter­gottes aus Nicula. Zustand um 1981. marschall Stephan Graf von Steinville, die Stadtpfarrkirche. Die Nutzung dieses repräsentativsten Sakralbaus im Zentrum der Stadt stellte seit dem 16. Jahrhundert einen Streitpunkt zwischen den reformierten Konfessionen dar. Hierbei behielten die radikalen Antitrinitarier schließlich die Oberhand.54 Die Wiederinbesitznahme und die katholische Neuweihe der Kirche an den Hl. Michael hatte ihre Parallele in der Rückführung des Doms in Karlsburg/­Alba I­ulia/Gyulafehérvár in katholischen Besitz, nachdem vor Ort erneut ein Bischof eingesetzt worden war.55 Beide Ereignisse wurden von dem Jesuiten Antonius Höller in seinem Panegyrikon für Kaiser Karl VI. als wichtiges Etappenziel bei der Rekatholisierung des ehemaligen Königreichs Ungarn inszeniert.56 Der Jesuitenorden profitierte enorm von dieser Wende in der Religionspolitik der Habsburger in Siebenbürgen. In Klausenburg erhielt die Gesellschaft Jesu die lang erwartete Erlaubnis, eine Kirche und ein Kolleg innerhalb der Stadtmauern zu errichten. 53 Kutschera, Rolf: Guvernatorii Transilvaniei 1691–1774 [Die Gouverneure von Siebenbürgen 1691– 1774]. Sibiu 1943 (Universitatea Regele Ferdinand I. Cluj-Sibiu, Biblioteca Institutului de Istorie Naţională 10), 25–27. 54 Szegedi, Edit: Die Reformation in Klausenburg. In: Konfessionsbildung und Konfessionskultur (wie Anm. 4), 77–88, hier 87 f. 55 Bernath, Habsburg (wie Anm. 7), 58–63; Trócsányi, Zoltán: Az ellenreformáció Erdélyben 1711-től a felvilágosult abszolutizmus kezdeteiig [Die Gegenreformation in Siebenbürgen von 1711 bis zum Beginn des aufgeklärten Absolutismus]. In: Theologiai Szemle 22 (1979), 219–226, hier 219 f. 56 Höller, Antonius: Augusta Carolinae virtutis monumenta seu aedificia a Carolo VI. […] per orbem Austriacum publico bono posita. Vienniae 1733, 11–27.

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Die Bauarbeiten an der Kirche wurden von dem Siebenbürgischen Gubernium unterstützt.57 Den Entwurf für den Neubau lieferte nach neuesten Erkenntnissen ­Christoph Tausch (1673–1733).58 Tausch war ein Schüler des berühmten Malers und Architekten ­Andrea ­Pozzo (1642–1709), der von 1702 bis 1709 in Wien wirkte und dort maßgeblich an der Umgestaltung der Universitätskirche und der Kirche am Hof beteiligt war.59 Die von dem Laienbruder Pozzo realisierten architektonischen und malerischen Ensembles in den beiden Wiener Jesuitenkirchen bildeten wichtige Vorbilder für Christoph Tausch im Rahmen seiner Tätigkeit in Oberungarn und Schlesien in den ersten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts.60 Die 1718 begonnenen Arbeiten an der Klausenburger Anlage wurden zunächst durch die von 1719/20 grassierende Pest unterbrochen.61 Der Bau war 1724 bereits soweit fortgeschritten, dass am 10. August das Gnadenbild in die Kirche überführt werden konnte. Dies erfolgte im Rahmen e­ iner Prozession unter Beteiligung der Spitzen der Provinzverwaltung und des Militärs sowie den Mitgliedern der bereits 1660 gegründeten Marianischen Kongregation. Bei der Überführung wurde das eigens für diesen Anlass verfasste Gedicht „Coronam XII. Stellarum“ vorgetragen.62 Durch den Verweis auf die Sternenkrone der Muttergottes wurde diese als Immaculata charakterisiert. Am 13. Mai 1725 erfolgte die Weihe der Kirche an die Heilige Dreifaltigkeit. Die Wahl eines Glaubensdogmas als Patrozinium für den Neubau stellte eine deutliche He­ rausforderung für die radikalen protestantischen Gruppen, vor allem die in Klausenburg sehr starke Gemeinde der Unitarier dar. Die Trinität bildete gleichzeitig auch einen Gegen­entwurf zum Islam und stand gemeinsam mit der Verehrung der Immaculata im Fokus der Pietas Austriaca, einer als erblich erachteten Tugend des Habsburgischen Herrscherhauses.63 Die programmatische Verbindung in die Hauptstadt des Reiches illus­trieren auch die gestalterischen Analogien zwischen der Klausenburger Kirche und der Wiener Universitätskirche bzw. den von diesem Bau beeinflussten Anlagen innerhalb der Provincia Austria des Jesuitenordens wie Tyrnau, Trentschin, Kaschau, Linz oder Raab.64 Die als Saalkirche mit jeweils drei flankierenden Kapellen und einem lang 57 Veress, Ferenc: A kolozsvári jezsuita templom építése [Die Errichtung der Klausenburger Jesuiten­ kirche]. In: A magyar jezsuiták küldetése (wie Anm. 48), 414–423, hier 414. 58 Ebd., 418; Serfőző, Szabolcs: Zur Geschichte des „Pozzismus“ in Ungarn. In: Andrea Pozzo (1642– 1709). Der Maler-Architekt und die Räume der Jesuiten. Hg. v. Herbert Karner. Wien 2012 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse; Veröffentlichungen der Kommission für Kunstgeschichte 11), 111–120, hier 118. 59 Vgl. dazu: Andrea Pozzo (1642–1709) (wie Anm. 58). 60 Dziurła, Henryk: Christophorus Tausch – uczeń Andrei Pozza [Christophorus Tausch – Schüler des Andrea Pozzo]. Wrocław 1991 (Acta Universitatis Wratislaviensis / Historia sztuki 5). 61 Sas, Péter: A kolozsvári piarista templom [Die Piaristen-Kirche in Klausenburg]. Kolozsvár 1999, 34 f. 62 Biró, Vencel: A kolozsvári piarista templom alapítása [Die Errichtung der Klausenburger Piaristen­ kirche]. Cluj-Kolozsvár 1932 (Az Erdélyi Katholikus Akadémia felolvasásai I. osztály 6), 18. 63 Bérenger, Jean: Pietas austriaca. Contribution à l’étude de la sensibilité religieuse des Habsbourg. In: La vie, la mort, la foi, le temps. Mélanges offerts à Pierre Chaunu. Hg. v. Jean-Pierre Bardet. Paris 1993, 403–421, hier 408 f. 64 Bösel, Richard: Jesuitenarchitektur. Zur Problematik ihrer Identität. In: Bohemia jesuitica 1556– 2006. Hg. v. Petronilla Cemus. Prag 2010, Bd. 2, 1327–1346, hier 1333. Vgl. auch Fidler, Petr: Zum



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Abb. 5  Ansicht der Fassade der Klausen­ burger Universitäts­kirche (vormalige Jesuiten- und Piaristenkirche).

gezogenen Presbyterium mit geradem Abschluss gestaltete Klausenburger Kirche diente ihrerseits als Orientierung für weitere jesuitische Neubauten in Siebenbürgen wie diejenigen in Neumarkt/Marosvásárhely/Târgu Mureş und Hermannstadt. All diesen Bauten gemein ist die markante Inszenierung durch eine Doppelturmfassade (Abb. 5). Diese wurde auch in Klausenburg mithilfe von Skulpturen und architektonischen Elementen Mäzenatentum und zur Bautypologie der mitteleuropäischen Jesuitenarchitektur. In: Die Jesuiten in Wien. Zur Kunst- und Kulturgeschichte der österreichischen Ordensprovinz der „Gesellschaft Jesu“ im 17. und 18. Jahrhundert. Hg. v. Herbert Karner und Werner Telesko. Wien 2003 (Österreichische Akademie der Wissenschaften; Veröffentlichungen der Kommission für Kunstgeschichte 5), 211–230.

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akzentuiert. Neben den Statuen der beiden Ordens­heiligen Ignatius von Loyola und Franz Xaver ist hier vor allem die aufwendige Rahmung des Haupteingangs mit einem gesprengten Segmentgiebel zu nennen, in dessen Mitte zwei Putti ein querovales Relief mit der Darstellung der Dreifaltigkeit halten. Auf diese bezieht sich auch die auf dem Türsturz angebrachte Inschrift h­ onoris ­sanctissimae trinitatis. Eine vergleichbare Konstellation begegnet im Chorbereich der Kirche, der von dem monumentalen Hochaltar dominiert wird. Diesen errichtete man als einachsige Ädikulaarchitektur, die von Kolossalsäulen mit Kompositkapitellen gerahmt und von einem gesprengten Segmentgiebel bekrönt wird (Taf. II). Sowohl die architektonische Gesamtform wie auch die Gestaltung dieser einzelnen Glieder zeigen deutliche Parallelen zu dem von Andrea Pozzo entworfenen Hochaltar der Wiener Jesuiten­kirche wie auch dem von Christoph Tausch realisierten Altar in Skalitz/Skalica/Szakolca. Eine Zuschreibung des Entwurfs für Klausenburg an den Pozzo-Schüler Tausch wird auch durch eine Passage in Antonius Gruebers „Historia Thaumaturgae Virginis Claudiopolitanae“ gestützt.65 Der obere Abschluss des Hochaltars in Form eines gesprengten Kreissegmentgiebels ist ein bereits am Eingangsportal eingesetztes Motiv, das hier ins Monumentale gesteigert wurde. Analog zum Eingang bekrönen auch hier zwei Engelsfiguren die seitlichen Giebelsegmente. Über die Girlanden lenken die Figuren den Blick auf die Inschriftkartusche, deren Text „Magno Deo VnI aC trIno LaVs VIrtVs gLorIa “das Patrozinium der Kirche nennt und die Fertigstellung im Jahre 1724 belegt. Gleichzeitig knüpft diese Inschrift inhaltlich an die auf dem Hauptportal angegebene Widmung an. Durch diese textlichen und motivischen Verweise werden Fassade und Hauptaltar als Eckpunkte einer programmatischen Achse miteinander verklammert.66 Die prominenteste Stellung im Rahmen dieser Inszenierung wurde dem Gnadenbild der Muttergottes zugewiesen, das im unteren Drittel des Retabels positioniert wurde (Taf. III). Der davor befindliche Altar markiert die unterste Ebene eines komplexen Ensembles. Dieser Bereich der irdischen Realität, in der der Priester das Messopfer zelebriert, wird durch das Tabernakel, dem Kultzentrum, in dem die kon­ sekrierten Hostien aufbewahrt werden, überhöht. Substanziell gilt diese Zone bereits als heilig. Ungewöhnlicherweise verzichtete man in Klausenburg auf die adorierenden Engelsfiguren, die in der Nachfolge der Sakramentskapelle in St. Peter in Rom eine breite Nachfolge erfahren haben.67 Stattdessen flankieren silberne Büsten der bei65 Grueber, Historia Thaumaturgae (wie Anm. 13), 124; Serfőző, Zur Geschichte des „Pozzismus“ (wie Anm. 58), 119. 66 Zu vergleichbaren konzeptionellen Akzentsetzungen, die grundlegend durch gegenreformatorische Ideen beeinflusst wurden: Wagner-Rieger, Renate: Die Bedeutung und die Wandlungen der Fassade im österreichischen Kirchenbau des Barock. In: Christliche Kunstblätter Nr. 102 (1964), 111–114, hier 111, sowie Schemper-Sparholz, Ingeborg: Barockaltäre in Österreich: Möbel, Schaubühne, Denkmal. Versuch einer typologischen Ordnung. In: Triumph der Phantasie. Barocke Modelle von H ­ ildebrandt bis Mollinarolo. Ausst.-Kat., Österreichische Galerie. Wien 1998, 49–65, hier 53 (Altar als „zweite Triumphpforte“). 67 Noehles, Karl: Altartabernakel, Retabel und Kirchenraum des Hochbarock. Anmerkungen zu ihrem formalen und theologischen Bezugssystem. In: Religion und Religiosität im Zeitalter des Barock. Hg.



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den bedeutendsten Ordensheiligen Ignatius von Loyola und Franz Xaver das Allerheiligste. Somit wird ein weiteres Mal eine Konstellation aus dem Bereich der Fassade innerhalb des Ensembles des Hauptaltars wiederholt. Die Büsten seitlich des Tabernakels wurden aus Silber gefertigt und dienen als Reliquiare.68 Vergleichbare Stücke sind seit dem 17. ­Jahrhundert sowohl im deutschsprachigen wie auch ostmitteleuropäischen Bereich bekannt.69 Die Präferenz für Silber hat ihre Grundlage in der Gleichsetzung des Hl. Ignatius mit diesem Metall Mitte des 17. Jahrhunderts im Mondo Simbolico des Filippo Picinelli. Ähnlich wie das Silber, das an der Oberfläche glatt ist und im Inneren brennt, verhalte sich Ignatius, dessen Name das Feuer (ignis) in sich trägt.70 Die Büsten der beiden Jesuiten-Heiligen werden seitlich von rocaillehaften Aufbauten gerahmt, in denen hinter Glas Reliquien von Katakombenheiligen zur Verehrung ausgestellt wurden.71 Märtyrer stellten entsprechend den Bestimmungen des Konzils von Trient ideale Figuren einer christlichen Lebensführung dar. Innerhalb der spirituellen jesuitischen Lehre bildete das Martyrium als Nachfolge und Erneuerung der Passion Christi einen bedeutenden Moment.72 Gleichzeitig fungierten die Reliquien der frühen Blutzeugen als Signa einer authentischen Tradition der katholischen Kirche und ähnlich wie die Büsten der beiden Ordensheiligen als symbolische Bande mit Rom.73 Eine vergleichbare Verbindung eines Gnadenbildes mit frühchristlichen römischen Heiligen begegnet auch an dem ebenfalls von Christoph Tausch zwischen 1727 und 1729 geschaffenen Hauptaltar der Jesuitenkirche im niederschlesischen Glatz/Kłodzko/Kladsko.74 Im Rahmen des gesamten Ensembles bilden Tabernakel, Silberbüsten und die Reliquienbehältnisse das Fundamentum für das sich dahinter erhebende Retabel. Letzteres wurde in zwei ungleiche Teile gegliedert (Taf. III). Auf der unteren Ebene wird dem v. ­Dieter Breuer. Bd. 1. Wiesbaden 1995 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 25), 331– 352, hier 341 f. 68 Sas, Péter: A kolozsvári jezsuita, majd piarista templom kincstára [Die Schatzkammer der Klausenburger Jesuiten- und späteren Piaristenkirche]. Koloszvár 2007, 43 f. Kat. Nr. 42 und 43. 69 Vgl. Smith, Jeffrey Chipps: Sensuous Worship. Jesuits and the Art of the Early Catholic Reformation in Germany. Princeton 2002, 181 f.; Isusovačka baština u Hrvata [Das Erbe der Jesuiten in Kroatien]. Ausst.-Kat. Muzejsko-Galerijski Centar Zagreb 1992. Hg. v. Đurđica Cvitanović u. a. Zagreb 1992, 216 f. 70 Levy, Evonne: Propaganda and the Jesuit Baroque. Berkeley 2004, 169 f. 71 Sas, A kolozsvári piarista (wie Anm. 61), 64 mit Angaben zu den einzelnen KatakombenheiligenReliquien. 72 Vgl. Müller-Bongard, Kristina: Konzepte zur Konsolidierung einer jesuitischen Identität. Die Märtyrerzyklen der jesuitischen Kollegien in Rom. In: Le monde est une peinture (wie Anm. 46), 153– 175, hier 173. 73 Polonyi, Andrea: Römische Katakombenheilige – Signa authentischer Tradition. Zur Wirkungsgeschichte einer Idee in Mittelalter und Neuzeit. In: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 89 (1994), 245–259; Pötzl, Walter: Katakombenheilige als „Attribute“ von Gnadenbildern. In: Jahrbuch für Volkskunde NF 4 (1981), 168–184. 74 Vgl. hierzu: Baumgarten, Jens: Konfession, Bild und Macht: Visualisierung als katholisches Herrschafts- und Disziplinierungsinstrument in Rom und im habsburgischen Schlesien (1560–1740). Hamburg-München 2004 (Hamburger Veröffentlichungen zur Geschichte Mittel- und Osteuropas 11), 179.

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Betrachter das reale Bild als Epiphanie präsentiert. Zwei Putti haben einen Vorhang zur Seite geschoben. Vor der blau gestalteten Innenfläche schweben zwei Engel. Die Präsentation von Gnadenbildern durch plastische Engelsfiguren bildet eine Form der Inszenierung, die in der Nachfolge des Konzils von Trient eine weite Verbreitung erfahren hat. Zu den bekanntesten Kompositionen dieses Typs zählt der 1613 von Papst Paul V. geweihte Altar in der Cappella Paolina in Santa Maria Maggiore in Rom. Dort wird das berühmte Marienbild Salus Populi Romani, der Legende nach ein eigenhändiges Werk des Evangelisten Lukas, von einer Gruppe von Engeln emporgetragen. Der sich daraus ergebende Eindruck einer Himmelfahrt wird durch den LapislazuliHintergrund zusätzlich verstärkt.75 Im Gegensatz zur römischen Inszenierung tragen die Engel in Klausenburg das Gnadenbild nicht, sondern verweisen nur darauf. Durch die Reduktion der narrativen Komponente auf ein Minimum wird eine Aura der Stasis evoziert. Dieser Eindruck wird durch den schweren Silberrahmen verstärkt. Dessen Rocailleformen legen eine Fertigung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nahe. Eine solche Datierung würde durch Vergleiche mit den von Melchior Hefele entworfenen Prachtrahmen für die Gnadenbilder von Sonntagberg (1757) und Raab (1767)76 wie auch mit dem von dem Wiener Goldschmied Joseph Moser angefertigten Prachtrahmen (1769) für das Gnadenbild von Maria Radna/Máriaradna (in Rumänien) untermauert.77 Bei dem Silberrahmen in Klausenburg könnte es sich eventuell um die in den Memoiren des György Rettegi für das Jahr 1764 überlieferte Stiftung Karol Stanisław Radziwiłłs (1734–1790) handeln. Der Magnat hatte Polen nach der Wahl Stanisławs II. August Poniatowski zum König verlassen und lebte anschließend im Exil im Fürstentum Moldau.78 Die reiche, vegetabil ausgeformte Bekrönung des vergoldeten Silberrahmens leitet den Blick auf das Retabelgemälde. Dieses illustriert den Titulus der Kirche. Die in zwei Zonen gegliederte Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit im Gloria mit den Erzengeln Michael und Gabriel steht deutlich in einer durch Tizian und Rubens geprägten Bildtradition.79 Mit dieser war der ausführende Meister Christoph Tausch, der 1718 auch ein Altarbild für die Jesuitenmission in Abtsdorf angefertigt hatte, durch seinen Romaufenthalt sicherlich vertraut.80 75 Ostrow, Steven F.: Art and Spirituality in Counter-Reformation Rome. The Sistine and Pauline Chapels in S. Maria Maggiore. Cambridge 1996, 151–166. 76 Triumph der Phantasie (wie Anm. 66), 256–261, Kat. Nr. 84 (Sonntagberg); 285–286, Kat. Nr. 103. Zu Győr ferner: Serfőző, A győri székesegyház (wie Anm. 50), 88 f. 77 Kamler-Wild, Barbara: Joseph Moser und die Wiener Goldschmiedekunst des 18. Jahrhunderts. In: Glanz des Ewigen. Der Wiener Goldschmied Joseph Moser 1715–1801. Ausst.-Kat. Diözesanmuseum St. Pölten 2003; Kunsthistorisches Museum Wien 2003/2004. Hg. v. Johann Kronbichler. Wien-­ Milano 2003, 13–75, hier 62 und 63, Abb. 35; vgl. zu Maria Radna auch den Beitrag von ­Krista Zach im vorliegenden Band. 78 Rettegi, György: Emlékezetre méltó dolgok 1718–1784 [Denkwürdige Dinge 1718–1784]. Hg. v. Zsigmond Jako. Bukarest 1970, 177. 79 Hecht, Christian: Die Glorie: Begriff, Thema, Bildelement in der europäischen Sakralkunst vom Mittelalter bis zum Ausgang des Barock. Regensburg 2003. 80 Serfőző, Zur Geschichte des „Pozzismus“ (wie Anm. 58), 118.



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Auf der untersten Ebene des Klausenburger Retabels umkreisen zwei Putti die obere Bekrönung des Gnadenbilds. Darüber stehen vier Engel, von denen jedoch nur die beiden vorderen eindeutig benannt werden können. Dies ist der mit einem Feuerschwert bewaffnete Erzengel Michael, dessen Schild die Initialen Christi IHS zieren, die gleichzeitig auch als Emblem des Jesuitenordens fungieren. Gemeinsam mit dem Erzengel Gabriel hält Michael eine von einem Kranz von zwölf Sternen umgebene Krone über die wundersame Ikone. Die Zwölfsternengloriole verweist auf die Immaculata Conceptio Mariens, während die Krone diese als Himmelskönigin auszeichnet.81 Dieser Krönung wohnt in der darüberliegenden Bildebene die Heilige Dreifaltigkeit bei. Gottvater als Alter der Tage stützt seine Rechte auf die mit einem Kreuz bekrönte Sphaira, während er in der Linken ein Zepter hält. Ihm gegenüber thront der mit einem roten Mantel bekleidete Christus, dessen Seitenwunde gemeinsam mit dem hinter seinem Rücken sichtbaren Kreuz auf die Passion hinweist. Über beiden schwebt in der Verlängerung der Mittelachse des Bildes die Taube des Heiligen G ­ eistes. Die im Klausenburger Altar realisierte Verknüpfung eines Gnadenbilds mit einem großformatigen Gemälde, das den Titulus der Kirche illustriert, ist auch für weitere Ensembles belegt. Als Wiener Vergleichsbeispiele können hier die Inszenierung der Pócser Gottesmutter in dem Hochaltarbild im Stephansdom oder des Maria-CandiaBildes in Michelangelo Unterbergers Jüngstes-Gericht-Retabel in der Michaeler­ kirche gelten.82 Darüber hinaus bestehen eine Reihe weiterer Parallelen, die gerade mit Blick auf die inhaltliche Deutung des Klausenburger Bildes von Interesse erscheinen. Die enge Abstimmung des Motivs der Krönung mit dem Gnadenbild spricht für eine Einbindung der Ikone als Einsatzbild in die gesamte Komposition noch vor der Fertigstellung des reichen Silberrahmens. Der Typus des Einsatzbildes wurde seit dem Spätmittelalter verstärkt für Marienbilder gebraucht und in einem Rahmenbild eingebettet.83 In der Nachfolge des Konzils von Trient und der dort diskutierten Bilderfrage bildete die von Rubens für S. Maria in Vallicella in Rom (1608) ausgearbeitete Lösung einen Meilenstein für die Inszenierung von Gnadenbildern.84 Gerade vor dem Hintergrund der sich ab dem 17. Jahrhundert abzeichnenden Wiederbelebung der Kultbilder wurden diese zunächst durch die Fixierung auf den Altären dem direkten Kontakt durch die Betrachter entzogen.85 Als kompensatorische Maßnahme erfolgte zugleich eine Einbindung in neue ikonographische und funktionale Kontexte. Diese 81 Lechner, G. M.: Art. Unbefleckte Empfängnis; IV. Kunstgeschichte. In: Marienlexikon. Bd. 6. St. ­Ottilien 1994, 527–532. 82 Vgl. Triumph der Phantasie (wie Anm. 66), 292 und 294 f., Kat. Nr. 107. 83 Warnke, Martin: Italienische Bildtabernakel bis zum Frühbarock. In: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge 19 (1968), 61–102, hier 156–158. 84 Zur Mühlen, Ilse von: Nachtridentinische Bildauffassungen: Cesare Baronio und Rubens’ Gemälde für S. Maria in Vallicella in Rom. In: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge 41 (1990), 23–60. 85 Ganz, David/Henkel, Georg: Kritik und Modernisierung. Der katholische Bildkult des konfessionellen Zeitalters. In: Bild-Konflikte. Hg. v. Reinhard Hoeps. Paderborn u. a. 2007 (Handbuch der Bildtheologie 1), 262–285, hier 280 f.; Wirth, Karl-August: s. v. Einsatzbild. In: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Bd. 4. Stuttgart 1954, Sp. 1006–1020, hier 1009.

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enthalten wie im Falle des Klausenburger Hochaltars ein weites Feld an Verweisen, die sich auf die zentralen Glaubenssätze wie das Trinitätsdogma oder die Immaculata Conceptio beziehen und somit eine klare Positionsbestimmung gegenüber der in Klausenburg lebenden protestantischen Bevölkerungsmehrheit darstellten. Darüber hinaus bestehen enge Verbindungen zu Traditionen des Jesuitenordens, etwa der Verehrung der ­Erzengel. Diesen wurde in der römischen Hauptkirche des Ordens, Il Gesu, eine ­Kapelle geweiht, deren Decke mit einer Krönung der Jungfrau dekoriert ist.86 Die im Ensemble des Hauptaltars vereinigten inhaltlichen Momente werden von den Altären in den Seitenkapellen aufgenommen und ergänzt. Die ersten beiden wurden dem Hl. Ignatius von Loyola bzw. dem Hl. Franz Xaver geweiht und entsprechen somit dem in Il Gesu formulierten Programm. Das nachfolgende Kapellenpaar ist der Heiligen Sippe bzw. dem Hl. Joseph geweiht.87 Die Josephsverehrung war in den Reihen der Jesuiten weit verbreitet und seit Kaiser Ferdinand II. (1578–1637) auch aufs Engste mit der Pietas Austriaca des Habsburgerhauses verbunden.88 Darüber hinaus galt der Hl. Joseph als vorbildlicher Ehemann Marias und Nährvater ­Christi und entsprach somit der nachtridentinischen Forderung nach sittlicher Unterweisung.89 Die letzte Kapelle ist den ungarischen Heiligen geweiht. Das Altarbild zeigt die thronende Muttergottes mit der ungarischen Krone auf dem Haupt, umgeben von den heiligen Königen Stephan, Emmerich und Ladislaus. Als Senior überreicht der Hl. Stephan dem Christuskind mit dem Reichsapfel symbolisch das gesamte Königreich. Das Bild veranschaulicht somit die Vorstellung von Ungarn als Regnum Marianum.90 Die Komposition ist eine getreue Wiedergabe des Frontispizes in Fontes Gratiarum Marianarum novi, et veteres.91 Hierbei handelte es sich um das 1736 veröffentlichte Werk des Klausenburger Jesuiten Ladislaus Nedeczki, in dem die auf dem Territorium Ungarns befindlichen Gnadenbilder der Muttergottes vorgestellt werden. Die Publikation steht deutlich in der Tradition des von Pál Esterházy 1696 veröffentlichten „Atlas ­Marianus“. Nedeczki strebte mit dieser Publikation eine Stärkung der Verehrung der Gottesmutter in Siebenbürgen an und sah in dieser Devotion einen Schutzschild gegen die in jenen Jahren immer noch akute Gefahr osmanischer und tatarischer Einfälle ins Fürstentum.92 86 Zuccari, Alessandro: Bellarmino e la prima iconografia gesuitica: La capella degli angeli al Gesu’. In: Bellarmino e la Contrariforma. Hg. v. Romeo de Maio. Sora 1990 (Fonti e studi baroniani 3), 611–628. 87 Vergleichbare Patrozinien begegnen in San Ignazio, der zweiten bedeutenden Jesuitenkirche in Rom. 88 Mikuda-Hüttel, Barbara: Vom „Hausmann“ zum Hausheiligen des Wiener Hofes. Zur Ikonographie des hl. Joseph im 17. und 18. Jahrhundert. Marburg 1997 (Bau- und Kunstdenkmäler im östlichen Mitteleuropa 4), 127–171; Samerski, Stefan: „… in allen Stücken als Nothelfer kennengelernt“. Die Anfänge des globalen Josephskults als Wechselwirkung zwischen karmelitischer Spiritualität und ­dynastischem Interesse der Habsburger. In: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 116/3–4 (2008), 345–361, hier 347–356. 89 Mikuda-Hüttel, Vom „Hausmann“ (wie Anm. 88), 105–126. 90 Vgl. hierzu Sas, A kolozsvári piarista (wie Anm. 61), 66. 91 Zu dem Stich: Tüskés/Knapp, Marianische Landespatrone (wie Anm. 45), 94, Abb. 4. 92 Tüskés, Búcsújárás (wie Anm. 50), 79–81.



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Etwa zeitgleich mit Nedeczkis Veröffentlichung erschienen auch die ersten deutschsprachigen Publikationen zur Geschichte des Klausenburger Marienbildes. Nur kurze Zeit später, 1744, veröffentlichte das Klausenburger Jesuitenkolleg erstmals ein Buch in rumänischer Sprache mit kyrillischen Charakteren. Dieses enthielt einen Holzschnitt mit der Gottesmutter aus der Jesuitenkirche. Wie auf allen Buchillustrationen und Flugblättern dieser Zeitstufe wurde auch in diesem Fall die Gottesmutter in dem bereits von de Langgraffen im Pázmány-Gebetbuch etablierten Typus dargestellt. Dieser wurde erstaunlicherweise auch in dem 1751 in Blasendorf/Blaj/ Balázsfalva erschienenen Gebetbuch in rumänischer Sprache abgedruckt.93 Die am Sitz des griechisch-katholischen Bischofs 1747 in Betrieb genommene Druckerei avancierte schnell zu einem wichtigen Instrument für die Verbreitung der dogmatischen Positionen der Kirchenleitung. Hierbei übernahmen die bildlichen Darstellungen eine immer wichtigere Rolle.94 Der Abdruck der Abbildung des Klausenburger Bildes in einer Publikation aus dem direkten Umkreis der Spitze der griechisch-katholischen Kirche in Siebenbürgen kann als ein Signal für die temporäre Akzeptanz eines Transfers des Wunders von Nicula nach Klausenburg gedeutet werden.95 Die besondere Popularität des Klausenburger Bildes illustrieren ebenfalls die Steinreliefs, die eine Verbreitung auch im Kreise der armenisch-katholischen Bevölkerung in Gherla/ Armenierstadt/­Szamosújvár/armen.: Hayakaghak erfahren haben.96 Zusätzlich dazu haben sich gemalte Kopien des Klausenburger Bildes in der Kathedrale von Stuhlweißenburg/Székesfehérvár und der Johannes Nepomuk Kapelle in Raab erhalten.97 Weitere Formen der Devotion bildeten die Metallreliefs. Isoliert kam es zu Stiftungen von teuren Kronen für das Gnadenbild aus dem Kreise der Familie ­Kornis. Darüber hinaus finan­zierte Antal Kornis 1744 die Mariensäule vor dem Gebäude des Jesuitenkollegs.98 Dieses Monument markiert gemeinsam mit der ebenfalls von ­Kornis geförderten Errichtung einer Loretto-Kapelle neben der Kirche der Franziskaner den Anfangspunkt der Marienverehrung im Stadtraum von Klausenburg. Die zeitliche Koinzidenz dieser Stiftung mit der Intensivierung der Produktion gedruckter Abbildungen des Gnadenbildes dürfte sicherlich auch durch die 1737 grassierende Pest bedingt gewesen sein.99 93 Fecioarele înlăcrimate (wie Anm. 11), 69–82. 94 Miron, Greta-Monica/Crăciun, Maria: Tipografia din Blaj şi comunicarea religioasă în Transilvania secolului al XVIII [Die Druckerei in Blasendorf und die religiöse Kommunikation in Siebenbürgen im 18. Jahrhundert]. In: Istoria culturii, cultura istoriei. Omagiu profesorului Doru Radosav la vârsta de 60 de ani. Hg. v. Ionuţ Costea u. a. Cluj-Napoca 2010, 116–151. 95 Fecioarele înlăcrimate (wie Anm. 11), 86. 96 Nagy, Adalékok (wie Anm. 30), 28–30. 97 Szilárdfy, Zoltán: Barokk szentképek Magyarországon [Barocke Heiligenbilder aus Ungarn]. Budapest 1984, Kat. Nr. 21. 98 Kovács, Zsolt: Coloana Mariei Immaculata din Cluj. Un tip de monument central-european în Transilvania barocă [Die Maria Immaculata Säule in Klausenburg. Ein mitteleuropäischer Denkmaltypus im barocken Siebenbürgen]. In: Studia Universitatis Babeş-Bolyai. Seria Historia Artium 1 (2010), 7–24. 99 Vgl. hierzu auch die statistische Auswertung der Mirakelberichte, die zwischen 1730 und 1750 die höchste Frequenz aufweisen, bei: Szikszai, Mária: A kolozsvári könnyező kegykép [Das Klausenbur-

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Die Flut an Publikationen, die um 1740 einen ersten Höhepunkt erfuhr, war sicher­ lich auch eine Folge einer gezielten Politik der Klausenburger Jesuiten. Dies legen Wunderberichte nahe, in denen davon die Rede ist, dass Hilfesuchende zuerst in K ­ arlsburg waren, dort jedoch keine Linderung für ihre Leiden erfahren hatten und anschließend nach Klausenburg kamen und dort geheilt wurden. Diese Schilderungen müssen vor dem Hintergrund einer verstärkten Konkurrenz zwischen den Jesuiten und den Franziskanern in Karlsburg gelesen werden. In der Obhut der Letztgenannten befand sich das Gnadenbild der Gottesmutter aus Čiprovci/Mitrovci/Montana, das von den katholischen Bulgaren nach der blutigen Niederschlagung des anti-osmanischen Aufstands im Jahre 1688 ins siebenbürgische Exil mitgenommen wurde. In Karlsburg wurde das Bild nicht nur von den Angehörigen aller Schichten der bulgarischen Bevölkerung in Siebenbürgen und dem Banat, sondern auch von den Vertretern der höheren Aristokratie, wie z. B. der Tochter des walachischen Fürsten Şerban Cantacuzino, der ungarischen Gräfin Kalnoky und österreichischen Offizieren und Beamten verehrt.100 Unter den Strategien der Jesuiten zur Popularisierung des Klausenburger Bildes gilt es auch, auf dessen enge Einbindung in den Lehrbetrieb hinzuweisen. So fanden die öffentlichen Disputationen am Ende des Studiums, bei denen es häufig um die Frage der Verehrungswürdigkeit von Bildern ging, im Beisein der Vertreter der Landesregierung vor dem Gnadenbild selbst statt.101 Dabei wurden auch die für diesen feierlichen Anlass angefertigten Thesenblätter aufgehängt. Hierbei handelte es sich um großformatige, qualitätvoll gestaltete Kupferstiche, auf denen neben den Thesen der Kandidaten auch die Namen der prominenten Patrone der Studenten aufgeführt wurden. Dieses Medium wurde von den Jesuiten gezielt eingesetzt, um dogmatische Lehrinhalte in bildlicher Form einer breiteren Öffentlichkeit näher zu bringen.102 Ein eindrückliches Beispiel für diese Gattung ist das in Augsburg angefertigte Thesenblatt von Stefan Ujfalusi aus dem Jahre 1753 mit der Darstellung des Klausenburger Gnaden­bildes.103 Im Vergleich zu dem stark in dem jesuitischen Umfeld verankerten Klausenburger Gnadenbild, das sowohl von römisch-katholischen Gläubigen unterschiedlicher ­Ethnien als auch von griechisch-katholischen Rumänen und den katholischen Armeniern verehrt wurde, blieb die Devotion des in Nicula verbliebenen Bildes auf die rumänische Bevölkerung begrenzt. Die Formen dieser Verehrung lassen sich nur schemen   ger weinende Gnadenbild]. In: Dies: Szövegek, képek, kultúrák. Két tanulmány a szakrális művészet és a vallásos élet területéről. Marosvásárhely 2010, 101–141, hier 122. 100 Tüskés, Búcsújárás (wie Anm. 50), 324. 101 Rus, Vasile: Pro Scientiarium Academia Calvaria şi şcolile iezuite din Cluj (sec. XVI–XVIII) [Pro Scientiarium Academia Calvaria und jesuitische Schulen in Klausenburg vom 16. bis zum 18. Jahrhundert). Cluj-Napoca 2005, 265. 102 Vgl. hierzu: Galavics, Géza: Thesenblätter ungarischer Studenten in Wien im 17. Jahrhundert. Künstlerische und pädagogische Strategien. In: Die Jesuiten in Wien (wie Anm. 64), 113–130, hier 113 f.; Telesko, Werner: Frühneuzeitliche „Mediengeschichte“ am Beispiel des Thesenblattes. Gestaltwandel und Funktionsweise eines barocken „Kommunikationsmittels“. In: Ders.: Einführung in die Ikonographie der barocken Kunst. Wien 2005, 61–76. 103 Rósza, György: Thesenblätter mit ungarischer Beziehung. In: Acta Historiae Artium 33 (1987–1988), 257–289, hier 262 f.



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haft rekonstruieren. Für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts fehlen darüber hinaus bildliche Reproduktionen der Nicula-Ikone. Es ist daher zu vermuten, dass das Bild der Gottesmutter als Teil der Ikonostase der 1714 im Auftrag des Adligen Sigismund Kornis erneuerten Holzkirche des Ortes inszeniert wurde. Im Jahre 1767 beantragte die griechisch-katholische Kirchenleitung aus Blasendorf in Rom einen Ablass für die Pilger nach Nicula. Damit verbunden war die Hoffnung auf einen Übertritt einer hohen Anzahl von „Schismatikern“ zur Union mit Rom. Diese Initiative muss vor dem Hintergrund der seit der Mitte des 18. Jahrhunderts virulenten Auseinandersetzung zwischen der griechisch-unierten und der griechisch-orthodoxen Kirche gesehen werden. Diese erreichte zwischen 1759 und 1761 eine dramatische Zuspitzung durch die erfolgreiche Propaganda des Wandermönchs Sofronie, in deren Folge das Projekt der Kirchenunion existenziell gefährdet war. Zur Eindämmung der Gefahr wandte sich die griechisch-orthodoxe Kirchenleitung an die habsburgische Landesverwaltung. In deren Auftrag erfolgte im Sommer 1761 die Zerstörung einer großen Anzahl von griechisch-orthodoxen Klöstern durch die kaiserlichen Truppen unter dem kommandierenden General Adolf Nikolaus von Buccow (1712–1764).104 Eine von dem General anschließend in Auftrag gegebene Konskription sollte die Mehrheitsverhältnisse in den jeweiligen Gemeinden festhalten und auf diesem Wege die Grundlage für die Zuweisung der Kirchenbauten liefern. Die dabei erhobenen Daten dokumentieren den dramatischen Schwund der unierten Gemeinden, die nur noch ein Sechstel der rumänischen Bevölkerung ausmachten.105 In diesem Klima der Unsicherheit soll 1764 die Ikone der Muttergottes aus der Ikonostase der Kathedrale in Blasendorf bei der Aufbahrung des Leichnams des griechisch-katholischen Bischofs Petre Pavel ­Aaron Tränen vergossen haben. Die anschließend von der Kirchenleitung angestrengten Bemühungen zur Anerkennung dieses Wunders zeitigten jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Die offiziellen Stellen, allen voran der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Anton von Migazzi, sprachen sich gegen eine Anerkennung als Gnadenbild aus.106 Mit Blick auf diese Situation stellte der 1767 von Papst Clemens XIII. für die Dauer von zehn Jahren genehmigte Ablass für die Wallfahrt nach Nicula sicherlich eine Unterstützung der unierten Kirche in ihren missionarischen Bemühungen dar.107 Allerdings zeigte diese Maßnahme nur eine begrenzte Wirkung, denn 1774 lebte nur ein 104 Turczynski, Emanuel: Konfession und Nation. Zur Frühgeschichte der serbischen und rumänischen Nationsbildung. Düsseldorf 1976 (Geschichte und Gesellschaft 11), 183–185. 105 Keul, István: Kirchen im Streit und der Staat: Orthodoxe und Unierte in Rumänien. In: Religion, Staat und Konfliktkonstellationen im orthodoxen Ost- und Südosteuropa. Vergleichende Perspektiven. Hg. v. Vasilios N. Makrides. Frankfurt am Main u. a. 2005 (Erfurter Studien zur Kulturgeschichte des Orthodoxen Christentums 1), 53–84, hier 65. 106 Miskolczy, Ambrus/V. András, János: A balázsfalvi könnyező ikon irataiból [Aus den Dokumenten zur Blasendorfer weinenden Ikone]. In: Európa, Balcania-Danubiana-Carpathica, Annales (CulturaHistoria-Philologia), 2B. Budapest 1995, 422–469; Tatai-Baltă, Cornel: Consideraţii cu privire la icoana Maicii Domnului „care lacrimat“ la moarte episcopului Petrus Pavel Aron (1764) [Überlegungen zur Muttergottesikone, die 1764 beim Tod des Bischofs Petrus Pavel Aron geweint hat]. In: Ars Transsilvaniae 6 (1996), 58–62. 107 Zur Genehmigung des Ablasses: Fecioarele înlăcrimate (wie Anm. 11), 101.

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einziger Mönch in Nicula.108 Dieser wirkte auch als Lehrer. Die Schule im Kloster wurde ab dem Ende des 18. Jahrhunderts aus Mitteln der Landesregierung finanziert und blieb bis 1860 neben der alten Holzkirche in Betrieb.109 Mit der Verlagerung des Schulbetriebs ins nahegelegene Dorf scheint auch das klösterliche Leben erloschen zu sein. Vor Ort wirkte wohl eine Werkstatt zur Herstellung von Hinterglasikonen weiter, die schnell eine überregionale Bedeutung erreichte.110 Die schulische Ausbildung erhielt ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Bedeutung einer gesellschaftlichen Bewegung und bildete einen wesentlichen Motor der sozialen Emanzipation der griechisch-katholischen Rumänen.111 Das neue Selbst­ bewusstsein dieser Gruppe vergegenwärtigt auch die Monumentalisierung der Bauten in Nicula. Ab 1875 errichtete man dort eine Kirche im neuromanischen Stil, mit dem Doppelpatrozinium der Koimesis (Entschlafung der Muttergottes) und des Hl. ­Johannes d.  Täufers. Dem Bau wurden 1905 zwei Türme vorgelagert (Abb. 6).112 Dieser Fassadentypus dokumentierte gemeinsam mit dem historisierenden Stil des übrigen Baus die Orientierung der griechisch-katholischen Gemeinde nach Westen. Diese Ausrichtung stand in der Zwischenkriegszeit im Fokus einer Vielzahl von Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der griechisch-orthodoxen Kirche und denjenigen der Unierten, in die auch die Ikone in Nicula miteinbezogen wurde. Die ­Polemiken zwischen den beiden Blöcken resultierten aus der neuen Situation, die durch die Eingliederung Siebenbürgens in den rumänischen Staat nach 1919 entstanden war. Vor diesem Datum hatten sowohl die unierte wie auch die orthodoxe Kirche als ethnische Kirchen in Siebenbürgen eine Befreiung von Fremdherrschaft ange­­strebt. Im nach 1919 entstandenen Großrumänien bildeten die bis dahin in Siebenbürgen kirchenpolitisch und sozial benachteiligten Orthodoxen nunmehr einen Teil der Mehrheitskirche. Die unierten Rumänen waren ihrerseits zwar Teil der ­ethnischen Mehrheit im neuen Staat, blieben aber gleichzeitig eine konfessionelle ­Minderheit.113 Die Situation der Unierten wurde zusätzlich erschwert durch den ungeklärten rechtli­ chen Status der griechisch-katholischen und römisch-katholischen Kirche. Ein Kon108 Mânzat, George: Vechile mănăstiri din ţinutul Someşului [Alte Klöster aus dem Someş Gebiet]. In: Cultura Creştină 16/10 (1936), 583–591, hier 591. 109 Cobzaru, Dumitru: Monografia Mânăstirii „Adormirea Maicii Domnului“ Nicula [Monographie des Klosters „Entschlafung der Muttergottes“ in Nicula]. Nicula 2001, 52 f. 110 Popescu, Ion Apostol: Arta icoanelor pe sticlă de la Nicula [Die Kunst der Hinterglasmalerei-Ikonen von Nicula]. Bucureşti 1969; Dammert, Udo: Die rumänische Hinterglasikone: die weinende ­Maria von Transsylvanien. In: Weltkunst 57 (1987), 1961–1965. 111 Mureşan, Codruţa Maria/Ştirban, Marcel: Din istoria bisericii române unite. Biserică, şcoală, naţiune. De la începuturile sale până la 1918 [Aus der Geschichte der rumänischen unierten Kirche. Kirche, Schule, Nation. Von ihren Anfängen bis 1918]. Cluj-Napoca 2005. 112 Bojor, Victor: Maica Domnului dela Sf. Mănăstire din Nicula [Die Muttergottes aus dem hl. Kloster in Nicula]. Gherla 1930 (Biblioteca din Gherla, Seria II pentru popor 10), 77–81. 113 Maner, Hans-Christian: Kirchen in Rumänien. Faktoren demokratischer Stabilität in der Zwischenkriegszeit? Zum Verhältnis von orthodoxer, römisch-katholischer und griechisch-katholischer ­Kirche. In: Religion im Nationalstaat zwischen den Weltkriegen 1918–1939. Polen – Tschechoslowakei – Ungarn – Rumänien. Hg. v. Ders. und Martin Schulze Wessel. Stuttgart 2002 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 16), 103–120, hier 106.



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kordat mit dem Heiligen Stuhl wurde bereits 1927 unterschrieben, jedoch erst 1929 von der rumänischen Seite ratifiziert und anschließend 1932 unter dem Kabinett Iorga präzisiert. In diesem Staatskirchenvertrag sahen die Unierten zunächst eine Möglichkeit zur Lösung der vormaligen kircheninstitutionellen Bindungen nach Ungarn. Trotz dieser Grundhaltung kam es vor allem im Vorfeld der Verabschiedung des Religionsgesetzes von 1928 (le- Abb. 6  Ansicht der zwischen 1875 und 1905 errichteten gea pentru regimul general Kirche in Nicula. al cultelor) zu erbitterten Debatten, in deren Verlauf Fragen nach dem grundsätzlichen Selbstverständnis der beiden orthodoxen Konfessionen aufgeworfen wurden. In diesem Rahmen interpretierte man die Kirchenunion von 1700 zunehmend als einen Akt, durch den die ursprüngliche Einheit des rumänischen Volkes zerstört wurde.114 Im Zuge der Ausbreitung der vor allem in den 1930er Jahren diskutierten Ideen zu den Charakteristika des rumänischen Wesens wurde wiederholt ein kausaler Zusammenhang zwischen der Orthodoxie und der Zugehörigkeit zur rumänischen Nation postuliert.115 Unter den Anhängern dieser Ideen befand sich auch der Erzbischof von Karlsburg und Metropolit von Siebenbürgen ­Nicolae Bălan (1882–1955). Dieser versuchte gemeinsam mit den beiden Klausenburger Professoren Onisifor Ghibu (1883–1972) und Sextil ­Puşcariu (1877–1948), die Bukarester Regierung zu einer Verstaatlichung des Eigentums des Status Romano-­Catholicus Transilvaniensis (des römisch-katholischen Kirchensprengels in Siebenbürgen) zu bewegen, indem sie diesen als einen „Staat im Staate“ inszenierten.116 Anlass für diese Befürchtungen117 in den Reihen der griechisch-orthodoxen Eliten gab die in dem Konkordat festgeschriebene Klausel, die vorsah, dass die katho114 Müller, Dietmar: Staatsbürger auf Widerruf, Juden und Muslime als Alteritätspartner im rumänischen und serbischen Nationscode. Ethnonationale Staatsbürgerschaftskonzeptionen, 1878–1941. Wiesbaden 2005 (Balkanologische Veröffentlichungen 41), 295–298. 115 Verdery, Katherine: The Production and Defense of “The Romanian Nation”, 1900 to World War Two. In: Nationalist Ideologies and the Production of National Cultures. Hg. v. Richard G. Fox. ­Washington DC 1990 (American Ethnological Society Monograph Series 2), 81–111, hier 99 f. 116 Müller, Staatsbürger auf Widerruf (wie Anm. 114), 301. 117 Vgl. Popescu, Tudor: Cea mai mare primejdie naţională actuală în România. Concordatul cu Papa [Die größte nationale Gefahr der Gegenwart. Das Konkordat mit dem Papst]. Bucureşti 1927.

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lischen Bischöfe nur zur Loyalität gegenüber dem König und dem Papst verpflichtet waren. Gleichzeitig unterstanden die katholischen Institutionen wie Schulen, Krankenhäuser und Waisenhäuser nur der kirchlichen Kontrolle.118 Eine zusätzliche Belastung des Verhältnisses stellte die Errichtung der orthodoxen Bistümer Vad und Feleac 1921 im mehrheitlich unierten Kirchenbezirk Klausenburg dar. Die beiden Eparchien wurden als missionarische Initiative wahrgenommen.119 Sowohl Onisifor Ghibu als auch Autoren aus dem Umfeld des Siebenbürger Metropoliten Bălan thematisierten in der Zwischenkriegszeit wiederholt die Frage nach dem Original der Ikone von Nicula. Zur Untermauerung seiner Forderung nach e­ iner Überführung der Klausenburger Universitätskirche (vormalige Jesuiten- und spätere Piaristenkirche) in den Besitz des rumänischen Staates verwies Ghibu auf die „Historia Thaumaturgae Virginis Claudiopolitanae“ von 1736. In diesem Zusammenhang sprach er zunächst von einem Diebstahl der Ikone durch die Jesuiten. Im da­ rauf folgenden Absatz wertete er dann die zitierte Stelle als ein Eingeständnis dieser Tat durch die „katholischen Ungarn“. Die Hinweise griechisch-katholischer Autoren, dass das Klausenburger Bild lediglich eine Kopie des Originals in Nicula sei, deutete Ghibu als Schützenhilfe für die ungarische Partei.120 Ein Jahrzehnt später erklärte Iosif E. Naghiu in einem Beitrag in der Zeitschrift „Renaşterea“ [Die Wiedergeburt] des griechisch-orthodoxen Bistums von Klausenburg, Vad und Feleac das Klausenburger Bild zum wundertätigen Original. Auf diesem Wege warf man den Unierten in N ­ icula 121 vor, nur zu einer Kopie der Ikone zu pilgern. Diese polemischen Unterstellungen bewirkten jedoch keineswegs einen Rückgang der Pilgerzahlen. Ganz im Gegenteil stieg die Zahl der Wallfahrer von Jahr zu Jahr an, vor allem nach der von Papst Pius XI. 1928 genehmigten Indulgenz für die Wallfahrt nach Nicula. An Feiertagen wie Mariä Himmelfahrt besuchten bisweilen an die 10 000 Pilger den Ort. Die Kirchenleitung reagierte auf diese neue Situation und veranlasste die Errichtung eines Sommeraltars für die Messen unter freiem Himmel und einer neuen Ikonostase zur besseren Präsentation der wundersamen Ikone.122 Der beachtliche Anstieg der Pilgerzahlen ist sicherlich auch als ein Teilphänomen einer sich intensivierenden Verehrung der Gottesmutter zu sehen. Gerade in der Nachfolge des Ersten Vatikanums (1869–1870) übernahmen die rumänischen Unierten eine Reihe katholischer Frömmigkeitsformen. Hierzu zählten vor allem die religiösen Vereine und Gesellschaften, wie der kurz vor dem Ersten Weltkrieg gegründete 118 Iordachi, Constantin: Politics and Inter-Confessional Strife in post-1989 Romania. From the Competition for Resources to the Redefinition of National Identity. In: Balkanologie (Paris) 3/1 (1999), 147–169, hier 153; Müller, Staatsbürger auf Widerruf (wie Anm. 114), 301. 119 Maner, Kirchen in Rumänien (wie Anm. 113), 114. 120 Ghibu, Onisifor: Catolicismul unguresc in Transilvania şi politica religioasă a statului român [Der ungarische Katholizismus in Transsylvanien und die Kirchenpolitik des rumänischen Staates]. Cluj 1924, 108–110. 121 Naghiu, Iosif E.: Baza pelerinajului la Nicula [Die Grundlage der Wallfahrt nach Nicula]. In: Renaşterea 41 (1938), 2–3. 122 Bojor, Maica Domnului (wie Anm. 112), 76–90.



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„Verein der heiligen Maria“ oder die „Rosenkranz-Vereinigungen“.123 Die Kirchenleitung bemühte sich zunehmend, diese Bewegung zu kanalisieren. Zu den diesbezüglichen Initiativen zählen die regelmäßigen Teilnahmen des unierten Bischofs von Gherla ­Iuliu Hossu (1885–1970) an den Wallfahrten. Dieser veranlasste 1936 auch die Übertragung der Aufsicht über die Wallfahrtsstätte Nicula und die dortige Ortspfarre an rumänische Mönche aus dem Basilianer Orden. Diese Maßnahme zielte nicht nur auf eine Festigung der Strukturen in Nicula, sondern war auch als ein Schritt zur wirtschaftlichen Konsolidierung anderer Niederlassungen der Basilianer in Siebenbürgen angedacht.124 Das griechisch-katholische Bistum von Gherla (ab 1930 Gherla-Cluj) veröffentlichte in der Zwischenkriegszeit mehrere Publikationen populären Charakters, in denen die Verehrung der Muttergottes-Bilder thematisiert wurde. Die Druckwerke dienten nicht nur der Kanalisierung der Devotion, sondern hatten auch einen apologetischen Charakter. Sie reagierten auf die zunehmende Kritik seitens der griechisch-orthodoxen Kirche, der die Marienverehrung insbesondere der Immaculata suspekt erschien. Im Rahmen der Auseinandersetzung um die Echtheit der Ikone von Nicula verwiesen die Unierten immer wieder auf die wundersamen Heilungen durch das Gnadenbild. Mit Blick auf die prinzipielle Verehrung von Marienbildern wurde betont, dass dies eine östliche Praxis sei, welche die Rumänen übernommen hätten. Die grundsätzliche Verehrung der Gottesmutter sei aber auch Teil des römischen Erbes der Rumänen. Diese seien von Kaiser Trajan in diese Gebiete gebracht worden, und mit ihnen auch der christliche Glaube und die Gesetze. Der Verweis auf die römische Abkunft der Rumänen eröffnete gleichzeitig auch die Möglichkeit, die Kirchenunion mit Rom ideologisch zu rechtfertigen. Entsprechend wurden dann auch die Apostel Petrus und Paulus als römische Ahnherren der Marienverehrung argumentativ ins Feld geführt.125 Die von der griechisch-katholischen Kirche in Rumänien stets betonte Nähe zu Rom sollte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders negative Folgen haben. Im Jahre 1948 versammelte sich letztmalig für mehrere Jahrzehnte eine riesige Pilgerschar in Nicula. Diese stimmte Bischof Hossu in seiner Predigt auf die bereits abzusehenden Repressalien durch die neuen kommunistischen Machthaber ein.126 Die Unterdrückung der unierten Kirche war ein Teilbereich der Sowjetisierungspolitik in Rumänien. Neben der Nähe der Kirche zu Rom stufte man vor allem deren intensive Förderung der nationalen Traditionen als besonders gefährlich ein.127 Im Verlauf 123 Rus, Anton: Devoţiunea rozarului în mediul religios greco-catolic românesc: între controversa rituală şi asumarea ca element ecleziologic [Die Rosenkranzverehrung im rumänischen griechisch-katholischen Umfeld zwischen ritueller Kontroverse und deren Annahme als ekklesiologisches Element]. In: Studia Universitatis Babeş Bolyai–Theologia Catholica 49/1 (2004), 97–107. 124 Blasen, Philippe Henri: L’eveque Iuliu Hossu et Nicula. Du mănăstire au monastere (1936). In: Studia Universitatis Babeş Bolyai–Theologia Catholica 2011/2, 33–116, hier 44–53. 125 Bojor, Maica Domnului (wie Anm. 112), 14–18. 126 Vasile, Cristian: Episcopia de Cluj-Gherla în anul 1948 [Das Bistum Cluj-Gherla im Jahre 1948]. In: Studia Universitatis Babeş Bolyai–Theologia Catholica 49/1 (2004) 1–7, hier 2. 127 Niessen, James: The Greek Catholic Church and the Romanian Nation in Transylvania. In: Religious Compromise, Political Salvation: the Greek Catholic Church and Nation-Building in Eastern Europe.

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mehrerer brutaler Verfolgungswellen wurden große Teile des Klerus – jene, die nicht „in den Schoß der griechisch-orthodoxen Mutterkirche“ zurückkehren wollten – eingekerkert oder mussten im Untergrund agieren. Diese etwa 10 % der ursprünglichen Gläubigen gewährleisteten durch klandestine Treffen bis 1989 das Überleben des Kontakts zum Göttlichen, jedoch nicht das der kirchlichen Institution.128 Deren letztes Aufbäumen bildete ein öffentlicher Gottesdienst vor den Toren der ehemaligen Klausenburger Jesuitenkirche am 12. August 1956 an dem über Tausend Gläubige teilnahmen.129 Durch die Bestimmungen des Dekrets Nr. 358 vom 1. Dezember 1948 wurde ferner eine Übertragung des gesamten Besitzes der unierten Kirche an den rumänischen Staat festgelegt. Dieser überließ anschließend einen Teil der Immobilien, vor allem die Bauten für den Gottesdienst und Klöster, der griechisch-orthodoxen Kirche zur Nutzung, während gerade Schulen und Waisenhäuser fortan unter staatlicher Kontrolle betrieben wurden.130 Die Situation des Klosters Nicula nach 1948 erscheint paradigmatisch für diese Entwicklung. Während die Bauten der griechisch-orthodoxen Kirche übertragen wurden – diese spricht in diesem Zusammenhang von einer Aufgabe des Klosters durch die Basilianermönche –, verschwand das verehrte Bild der Muttergottes in den Untergrund. Die wundersame Ikone wurde in der Wohnung eines Bauern eingemauert und blieb dort bis 1962 unentdeckt. Anschließend gelangte sie in den Besitz der griechischorthodoxen Kirche, die das Bild zunächst in der Kapelle des Erzbischofs in Klausenburg aufbewahrte.131 Dort blieb es bis 1989 einem exklusiven Kreis zugänglich. Eine öffentliche Verehrung war trotz der sich vor allem ab den späten 1960er Jahren abzeichnenden punktuellen Annäherungen zwischen der griechisch-orthodoxen Kirche und den kommunistischen Machthabern nicht möglich. Ungeachtet der wiederholten Aktionen gegen einzelne Priester kooperierte die griechisch-orthodoxe Kirchenführung mit den kommunistischen Machthabern und sicherte sich auf diesem Wege einen gewissen Handlungsspielraum. Zu einer engen Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten kam es zwischen 1965 und 1989 im Rahmen der national ausgerichteten Politik unter Nicolae Ceauşescu.132 Hg. v. Dems., John-Paul Himka und James T. Flynn. Pittsburgh 1993 (Carl Beck Papers in Russian and East European studies 1003), 47–68, hier 60–62. 128 Mahieu, Stéphanie: Pour une anthropologie des variations religieuses. La recréation de l’Eglise gréco-catholique de Roumanie après 1989. Thèse de Doctorat. Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales 2003 (Typoscript), 45 f. 129 Ghermani, Dionisie: Die rumänische unierte Kirche hat überlebt. In: Burgen – Regionen – Völker: Festschrift für Franz Hieronymus Riedl. Hg. v. Theodor Veiter. Wien 1986 (Ethnos 27), 265–272, hier 265 f. 130 Mahieu, Stéphanie: Legal Recognition and Recovery of Property. Contested Restitution of the Romanian Greek Catholic Church Patrimony. Halle/Saale 2004 (Working Papers / Max Planck Institute for Social Anthropology 69), http://www.eth.mpg.de/pubs/wps/pdf/mpi-eth-working-paper-0069.pdf (06.12.2012), 1–17, hier 3. 131 Blasen, Le cas Nicula (wie Anm. 10), 141–145. 132 Grundlegend hierzu: Gillet, Olivier: Religion et nationalisme. L’ideologie de l’Eglise orthodoxe roumaine sous le régime. Bruxelles 1997 (Spiritualités et pensées libres 5).



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Kurz vor dem Ende des kommunistischen Regimes 1989 stellte man den Verfall der Substanz der Ikone von Nicula fest und übergab das Bild zur Restaurierung an Fachleute des Museums für Geschichte in Klausenburg. Dort wurde dieses zunächst durch einen Brand in der Restaurierungswerkstatt beschädigt. Der nachfolgende Eingriff in die Struktur des Bildes erwies sich als besonders folgenschwer, wie dies bereits anhand der geänderten Kopfhaltung des Jesuskindes ersichtlich wird (Taf. IV und Abb. 4). Einzelne Fachleute sprechen bisweilen sogar von einer Zerstörung bzw. Entstellung des Originals.133 In diesem veränderten Zustand wurde das Bild am 24. März 1995 nach Nicula zurückgebracht. Das Datum wurde in Anspielung auf die Rückkehr des Bildes am 24. März 1695 aus dem Kornis-Schloss nach Nicula gewählt. Vor Ort wurde die Ikone zum Zentrum einer intensiven Verehrung durch die griechisch-orthodoxen Gläubigen im Zuge der sich nach 1989 intensivierenden allgemeinen Religiösität in Rumänien. Die Wallfahrten zu dem Gnadenbild wurden durch die Leitung des griechisch-orthodoxen Erzbistums gefördert. Somit avancierte Nicula noch in den 1990er Jahren zu einem der bedeutendsten Pilgerziele in Rumänien. Die hohe Anzahl an Pilgern rief natürlich auch die Politik auf den Plan, die den Ort vor allem zu den jährlichen Wallfahrten anlässlich des Mariä-Himmelfahrt-Festes am 15. August als Bühne für medienwirksame Auftritte nutzt. Den Anfang machten die Sozialdemokraten (PDS), die am 15. August 2002 kleine Bilder der Jungfrau verteilten, auf deren Rückseite der Parteiname angeführt war. Im darauf folgenden Jahr verlas der damalige Innenminister Ioan Rus eine Botschaft des Ministerpräsidenten Adrian Năstase an die in Nicula versammelten Pilger. Die griechisch-orthodoxe Kirche kritisierte zunächst die Politisierung der religiösen Feierlichkeiten und Symbole durch die PDS im Wahlkampf. Die sozialdemokratischen Politiker erwiderten die Vorwürfe, indem sie darauf hinwiesen, dass die verlesene Rede lediglich dazu gedient habe, die staatliche Unterstützung für die Kirche zu illustrieren, und versprachen finanzielle Unterstützung für die Kirchenbauprojekte der griechisch-orthodoxen Kirche.134 Seitdem präsentierten sich vor allem in den Jahren, in denen Wahlen anstanden, am 15. August hochrangige Mitglieder der rumänischen Regierung in den bedeutendsten überregionalen Marien-Wallfahrtsorten von Nicula, Putna oder Tismana. So besuchte im Jahr 2005 der Premierminister Călin Popescu-Tăriceanu das Kloster ­Nicula, während der Staatspräsident Traian Băsescu in Putna weilte. Das dortige Kloster beherbergt auch das Grab des 1992 heiliggesprochenen moldauischen Herrschers S ­ tefan 135 der Große. Als parallele Bewegung zu den Inszenierungen von Politikern in Nicula suchte die griechisch-orthodoxe Kirchenleitung durchaus die Nähe staatlicher Institutionen. So fand 1997 in dem Kloster eine Tagung zum Thema „Die Kirche und die Armee“ statt. 133 Blasen, Le cas Nicula (wie Anm. 10), 145–150 mit einer Übersicht zu den einzelnen Positionen. 134 Stan, Lavinia/Turcescu, Lucian: Pulpits, Ballots and Party Cards. Religion and Elections in Romania. In: Religion, State and Society 33/4 (2005), 347–366, hier 360. 135 Vgl. hierzu: Zach, Krista: Stefan der Große: Landesfürst, Nationalheld und Heiliger in Rumänien. In: Die Renaissance der Nationalpatrone. Erinnerungskulturen in Ostmitteleuropa im 20./21. Jahrhundert. Hg. v. Stefan Samerski. Köln-Weimar-Wien 2007, 152–180.

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Das Militär spielte eine bedeutende Rolle bei den Feierlichkeiten aus Anlass der 300-Jahrfeier des Tränenwunders und der in diesem Rahmen erfolgten Überführung des Gnadenbildes und dessen fünftägige Präsentation in der Kathedrale in Klausenburg (Abb. 7).136 Diese Masseninszenierungen lassen deutlich erkennen, dass die von der griechisch-orthodoxen Kirche in der Zwischenkriegszeit häufig geäußerten Zweifel an der Authentizität der Ikone in Nicula nun bewusst über Bord geworfen wurden. Mehr noch, im Jahr 2000 stilisierte man das Gnadenbild im Kontext der Feierlichkeiten anlässlich der von griechisch-orthodoxer Seite postulierten 450 Jahre seit der Gründung eines Klosters in Nicula sogar zum nationalen Palladium.137 Zu den treibenden Kräften hinter dieser symbolischen Rangerhöhung zählte Bartolomeu Anania (1921–2011), Erzbischof von Klausenburg, Vad und Feleac sowie ab 2005 Metropolit von Siebenbürgen. Anania, der zeitweilig in Nicula residierte, stand auch im Fokus einer weiteren medienwirksamen Inszenierung in der Silvesternacht 2006/2007, in der Rumä­niens EU-Beitritt eingeläutet wurde. Der Eparch beging den historischen Jahreswechsel gemeinsam mit dem von ihm eingeladenen vormaligen rumänischen König Mihai. Dessen Besuch in Nicula war Teil einer größeren Reise der königlichen Familie zu den siebenbürgischen Bauern, die als Bewahrer der traditionellen rumänischen Werte gepriesen wurden.138 Diese Akzentsetzung zeigt eine Reihe von Berührungspunkten zur griechisch-orthodoxen Kirche in Rumänien, die eine skeptische Haltung gegenüber der westlichen Anbindung Rumäniens durch die Beitritte zur NATO und EU einnahm.139 Durch diese medienwirksamen Auftritte im Umfeld des Gnadenbildes wurde das brisante Politikum der geforderten Rückgabe des Klosters Nicula an die griechischkatholische Kirche immer wieder aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt. Die unmittelbar nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes erfolgte Aufhebung des Verbots der unierten Kirche stellte diese zunächst vor eine Reihe von Problemen, da keine institutionellen Strukturen die Periode der Verfolgung überdauert hatten. Daher bildete der Aufbau einer kirchlichen Hierarchie eine ebenso wichtige Aufgabe wie der Kampf um die Rückerstattung des vormaligen Eigentums. Ein im ­April 1990 verabschiedetes Gesetz sah vor, dass alle konfiszierten Güter mit Ausnahme des Grundbesitzes, der verstaatlicht wurde, an die griechisch-katholische Kirche rückerstattet werden sollten. Über die jeweiligen Fälle sollte eine gemischte 136 Cobzaru, Monografia Mânăstirii (wie Anm. 109), 110. 137 Vgl. hierzu den sprechenden Titel des Protokollbands einer Tagung, die 2002 in Nicula stattgefunden hat: Nicula, Icoana Neamului. 450 de ani de la atestarea documentară a Mănăstirii Orthodoxe ­Nicula 1552–2002 [Nicula, die Ikone des rumänischen Volkes. 450 Jahre seit der ersten Quellennennung des orthodoxen Klosters Nicula 1552–2002]. Nicula 2002. 138 Vgl. hierzu das Pressekommuniqué der königlichen Familie: http://www.princeradu.ro/index.php?m act=News,cntnt01,print,0&cntnt01articleid=1147&cntnt01showtemplate=false&cntnt01returnid=18 (06.12.2012). 139 Mungiu-Pippidi, Alina: The Ruler and the Patriarch: The Romanian Eastern Orthodox Church in Transition. In: East European Constitutional Review 6/6 (1998), 85–91, hier 90.



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Abb. 7  Öffentliche Präsentation der Ikone der Muttergottes aus Nicula in Klausenburg.

Kommission aus Vertretern der beiden Konfessionen entscheiden. Die Unierten beanspruchten eine Restitutio in Integrum von mehr als 1 800 Gebäuden. Diese Forderungen wurden jedoch von der griechisch-orthodoxen Kirche umgehend mit dem Verweis auf die verhältnismäßig kleine Anzahl an Unierten zurückgewiesen. Nach diesem Misserfolg änderte die griechisch-katholische Kirche ihre Strategie und forderte nur die Rückgabe ausgewählter Bauten, darunter auch der Wallfahrtskirche und der Klostergebäude in Nicula.140 Diese Hoffnungen wurden auch nach dem Amtsantritt des neuen Staatspräsidenten Emil Constantinescu 1996, eines bekennenden Christen, nicht realisiert. Zwei Jahre später kam es sogar zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen den Anhängern der beiden orthodoxen Konfessionen im Streit um die Verklärung-Christi-Kirche in Klausenburg. Diese Auseinandersetzungen bilden – wie von Iordachi treffend beobachtet – Hypostasen der Konflikte aus der Zwischenkriegszeit.141 Mit Blick auf Nicula selbst zeigte sich die griechisch-orthodoxe Kirche zu Lebzeiten des Metropoliten Anania zu keinerlei Konzessionen bereit. Hierbei argumentierte man, dass das Kloster immer schon orthodox gewesen sei. Dabei ist weder die Existenz eines Klosters vor Ort noch dessen Zugehörigkeit zur griechisch-orthodoxen 140 Mahieu, Legal Recognition (wie Anm. 130), 4–7. 141 Iordachi, Politics (wie Anm. 118), 155–159.

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Konfession dokumentarisch belegt.142 Trotzdem feierte man 2002 in Nicula das 450-jährige Bestehen seit der Gründung des Klosters. In diesem Rahmen wurde auch feierlich der Grundstein zur Errichtung eines ökumenischen Zentrums gelegt. Dessen Herzstück bildet ein Kirchenneubau, der gegenwärtig kurz vor der Fertigstellung steht. Mit seinen byzantinisierenden Formen stellt dieser einen programmatischen Gegenakzent zur steinernen Wallfahrtskirche dar, die einem schleichenden Verfall preisgegeben wurde, um später wegen Baufälligkeit abgetragen zu werden (Abb. 8 und Abb. 6).143 Trotz der Proteste der griechisch-katholischen Kirche und Teilen der staatlichen Denkmalpflege, die u. a. auch auf das noch schwebende juristische Verfahren zur Rückgabe an die griechisch-katholische Kirche verwiesen, wird das Bauprojekt weiter vorangetrieben. Hierbei handelt es sich wohl kaum um einen „kulturellen Genozid“,144 dennoch ist ein System in den Handlungen der griechisch-orthodoxen Kirche nicht zu übersehen. Dies illustrieren die Zerstörungen vormaliger griechischkatholischer Kirchen, unter denen sich auch eine Reihe von historischen Denkmalen befanden, in Vadu Izei/Farkasrév (Kreis Maramureş), Kleingrub/Băişoara/Járabánya und Tritenii de Jos/Alsódetrehem bzw. Detrehem (Kreis Cluj) sowie Krajowa/­Craiova (Kreis Dolj), wo Planierraupen des Militärs eingesetzt wurden. Einen besonders drastischen Fall bildet der Umgang mit dem 1864 fertiggestellten Bau in Ungheni/­ Nyárádtő (Kreis Mureş). Diese 1948 der griechisch-orthodoxen Kirche überantwortete Kirche wurde zunächst durch den Rohbau der neuen byzantinisierenden Anlage umklammert, um anschließend zerstört zu werden (Abb. 9).145 Aber auch jenseits der ungelösten Eigentumsfrage mit Blick auf die Kirche von Nicula und somit auch auf die darin aufbewahrte Ikone der Gottesmutter wurde den Unierten eine Nutzung verwehrt. Im Dezember 2001 formulierte eine griechisch-orthodoxe Gruppe um Liviu Petrina einen Kompromissvorschlag, der eine gemeinsame Nutzung des Marienheiligtums von Nicula nach dem Vorbild der Jerusalemer Grabeskirche vorsah. Dabei sollten die Unierten die alte Kirche und die Orthodoxen den Neubau nutzen. Von diesem Vorschlag erhoffte man sich eine Verbesserung der Beziehungen zwischen den Konfessionen und der öffentlichen Wahrnehmung der griechisch-orthodoxen Kirche, deren Ansehen durch die Fortsetzung einer Ungerechtigkeit, die von einem atheistischen Regime begründet wurde, stark beschädigt war.146 142 Ein Überblick zu den jeweiligen griechisch-orthodoxen Positionen bietet Blasen, Le cas Nicula (wie Anm. 10), 150–174. 143 Ruscu, Dan/Zetea, Simona Ştefana: Zwischen Vorurteil und Tatsache. Zur Ergänzung der Sicht über die Konflikte zwischen Orthodoxen und Unierten in Siebenbürgen. In: Studia Universitatis Babeş Bolyai–Theologia Catholica 3 (2007), 165–173, hier 168. 144 Vigorelli, Valerio: Il caso di Nicula in Romania: un genocidio culturale? In: Arte cristiana (Milano) 90 (2002), 65–74. 145 Weitere Fallbeispiele für diese bedenkliche Praxis gibt: Fodor, Marius Andrei: Biserica pierdută din localitatea Ţaga sau ecumenismul de birou versus ecumenismul de teren [Die verlorene Kirche in der Ortschaft Ţaga oder Schreibtisch-Ökumenismus versus Real-Ökumenismus]. In: Studia Universitatis Babeş Bolyai–Theologia Catholica 52/3 (2007), 175–186. 146 Vgl. hierzu die Berichte und Richtigstellungen in: Viaţa Cultelor Nr. 441, 08.01.2002 und Nr. 442, 16.01.2012.



Die Ikonen und die interkonfessionellen Auseinandersetzungen

Abb. 8  Ansicht des Kirchenneubaus im Kloster Nicula.

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Abb. 9  Ansicht des Kirchenneubaus in Ungheni mit der eingestellten vormalig griechischorthodoxen Kirche.

Der Kompromissvorschlag wurde von dem Metropoliten Bartolomeu Anania harsch abgeschmettert. Dabei wurden die Initiatoren des Schreibens unter Verweis auf die zeitgleich in Rumänien geführte Debatte um die Föderalisierung des Landes pauschal als „griechisch-katholisch“ gebrandmarkt und ihnen eine Destabilisierung des Landes unterstellt.147 Diese Stellungnahme steht eindeutig in einer Kontinuitätslinie, deren Anfänge in der Zwischenkriegszeit liegen und die durch die kommunistischen Verfolgungen zwischen 1948 und 1989 eine zusätzliche negative Überformung erfahren hat. Gleichzeitig markiert die gegenwärtige Situation einen sicherlich für alle beteiligten Gruppen unbefriedigenden Zustand. Es ist daher leider zu befürchten, dass die konfliktreiche Geschichte der beiden verwandten Gnadenbilder in Klausenburg und ­Nicula, die in den vergangenen drei Jahrhunderten von Gläubigen unterschiedlicher Ethnien und Konfessionen aufgesucht wurden, künftig durch weitere Kapitel ergänzt werden muss.

147 Anania, IPS Bartolomeu: Scrisoare deschisă domnului Liviu Petrina [Offener Brief an Herrn Liviu Petrina]. In: Cotidianul, 04.01.2002.

M ari as n eu e K le ide r Der Bildschmuck der Schwarzen Madonna von Tschenstochau als Mittel symbolischer (Um)Kodierung

Agnieszka Gąsior

Der Marienkult in Polen hat viele Gesichter, die in zahlreichen, mit verschiedener Intensität verehrten Gnadenbildern jeweils konkrete Form annehmen. Mit keiner anderen Darstellung ist aber das Selbstverständnis der Polen als Nation so intensiv verbunden wie mit der Ikone der Schwarzen Madonna (Czarna Madonna) von Tschenstochau/Częstochowa (Taf. I). Das Gnadenbild zeigt die Muttergottes vom ­byzantinischen Typus der Hodegetria (Wegweiserin).1 Ihr auffälligstes Merkmal sind außer dem dunklen Inkarnat vor allem zwei Schnitte, die dem Gesicht Marias bei ­einem Raubüberfall auf das Kloster im Jahr 1430 zugefügt wurden und die ihre Wundertätigkeit begründeten.2 Während ihrer bis in das 14. Jahrhundert zurückreichenden Verehrungsgeschichte entwickelten sich sowohl die Ikone als auch ihr Aufbewahrungsort, das Paulinerkloster auf dem Hellen Berg/Jasna Góra in Tschenstochau, zu den wichtigsten Symbolen nationaler Einheit und Integrität neben dem polnischen

1 Die Ikone zeigt die Muttergottes als ein fast frontales Brustbild mit dem Christuskind auf dem linken Arm. Ihr dunkles Inkarnat hat ihr den Beinamen „Schwarze Madonna“ eingebracht. Maria trägt ein dunkelblaues, mit goldenen Lilienmotiven verziertes Kleid und ein ebensolches Maphorion, das ihr Haupt und ihre Schultern bedeckt und dessen rotes Innenfutter an den umgeschlagenen Säumen aufleuchtet. Diese Farbe greift das Gewand des Christuskindes auf, das aufrecht sitzend seine rechte Hand zum Segensgestus hebt, während es in der Linken die Heilige Schrift hält. Zur Ikonographie der Schwarzen Madonna u. a. Dobrzeniecki, Tadeusz: Jasnogórski obraz Matki Boskiej. Studium ikonograficzne [Das Bild der Muttergottes von Jasna Góra. Ikonographisches Studium]. In: Studia Claromontana 20 (2002), 19–42. 2 Nach der Beschädigung des Bildes, die u. a. durch die gewaltsame Entfernung des Schmuckes verursacht wurde, veranlasste und finanzierte König Władysław II. Jagiełło (um 1362–1434) die Restaurierung der stark in Mitleidenschaft gezogenen Ikone durch Krakauer Maler. Der Überlieferung nach ließen sich dabei die Schnitte im Gesicht der Maria auf wundersame Weise nicht übermalen – als Zeugnisse des Sakrilegs wurden sie zu ihrem „Signum“. Neueste Untersuchungen ergaben aufgrund technischer Befunde und der darauf gestützten Quellenanalyse, dass die Tschenstochauer Ikone schon vorher als „verwundet“ galt – an Marias Hals befand sich eine angeblich durch einen Pfeileinschuss entstandene ältere „Wunde“, die durch aufwändige Verzierungen ausgewiesen war. Bei der Restaurierung im Jahr 1430 wurde diese Stelle retouchiert und die aktuelle Beschädigung stattdessen durch rote Einfärbung exponiert. Nach dem Diebstahl muss das seines reichen Schmuckes beraubte Gnadenbild geradezu bescheiden gewirkt haben, gleichzeitig jedoch gewann es auch eine neue inhaltliche Ebene, die seine Wahrnehmung bis auf den heutigen Tag prägt: Im Motiv der Wunden bzw. Narben ist die Erinnerung an Schmerz und Leid stets immanent. Kurpik, Wojciech: Czȩstochowska Hodegetria [Tschenstochauer Hodegetria]. Łódź-Pelplin 2008, 141–149.

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Wappen.3 Die Verehrungskonjunkturen des Gnadenbildes sind mit den wechselvollen Ereignissen der polnischen Geschichte verbunden: Die Gegenreformation, der Verlust von Eigenstaatlichkeit während der Teilungen Polens (1795–1918) sowie die Erfahrung der kommunistischen Diktatur waren zugleich Perioden intensiver Kultentwicklung um die Muttergottes von Tschenstochau. Das einende Symbol unterlag allerdings in der Geschichte unterschiedlichen Interpretationen und ist gerade heute, in der zunehmend pluralistischen polnischen Gesellschaft umkämpft. Zum Barometer innerpolitischer Stimmungen wurde jüngst die Anfertigung eines neuen Bildschmuckes in Form von Kronen und Gewand, die der Ikone als Votivgabe der polnischen Nation am 4. September 2010 übergeben wurden. Diese Zeremonie bildete den Höhepunkt eines Jubiläums, das an die Krönung der Marienikone im Jahre 1910 mit den von Papst Pius X. gestifteten Kronen erinnern sollte. Die auf neun ­Monate angelegten Vorbereitungen für die Feier (Novene) wurden allerdings vom Flugzeugabsturz bei Smolensk am 10. April 2010, bei dem das Präsidentenpaar Lech und Maria Kaczyński sowie weitere 94 hochrangige Persönlichkeiten aus Politik und Kultur auf dem Weg zu einem Gedenkgottesdienst in Katyń ums Leben kamen, sowie von den verheerenden Hochwasserkatastrophen im Mai und Juni überschattet. Auf die Ereignisse wurde sowohl im Vorbereitungsprogramm der Feierlichkeiten, das Gebete, Messen und Pilgerfahrten umfasste, als auch im neuen Mariengewand Bezug genommen – und eben dies wurde zu einem Politikum. An diesem Beispiel wird eine wichtige Funktion dieses Bildschmucks sichtbar. Er fungiert als Medium der Aktualisierung und Kontextualisierung der Marienikone von Tschenstochau, überzieht das an sich zeitlose Gemälde mit neuen Inhalten und macht es auf diese Weise anschlussfähig für Deutungen in einer konkreten historischen und politischen Situation. Der vorliegende Beitrag blickt auf die lange Tradition zurück, die ­Tschenstochauer Marienikone mit temporären Bildauflagen auszuschmücken, und versucht, in ­einer historischen Perspektive die Bedeutung und den Funktionswandel dieser spezifischen Ausprägung visueller Kultpraxis zu erfassen. Das Forschungsinteresse wird dabei gleich von mehreren Fragen geleitet: Wie und auf welche Weise war bzw. ist die Schwarze Madonna politisch konnotiert? Welches symbolische Potenzial der Ikone nutzt die katholische Kirche? Welche Identifikationskraft hat sie für die polnische Gesellschaft? Und schließlich: Welche Inhalte ihrer Verehrungsgeschichte behielten auch in der Dritten Polnischen Republik ihre Gültigkeit?

3 Die Bezeichnungen „Schwarze Madonna“, „Muttergottes von Tschenstochau“, „Jasna Góra“ oder „Tschenstochau“ stehen im polnischen Sprachgebrauch so gut wie synonym für denselben Erinnerungsort im Sinne von Nora, Pierre: Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Berlin 1990.



Bildschmuck der Schwarzen Madonna von Tschenstochau

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Königstitel und Bildschmuck der Schwarzen Madonna in der Frühen Neuzeit Der Brauch, Ikonen mit zusätzlichem Zierrat zu schmücken, hat eine lange Tradition und lässt sich in Tschenstochau bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen.4 Wie bei orthodoxen Gnadenbildern waren es zunächst verzierte Metallbeschläge, aber auch Halsketten, Rosenkränze, Anhänger, Sterne etc. sowie ab dem späten 15. Jahrhundert Kronen, die direkt auf die Bildoberfläche der Schwarzen Madonna montiert wurden.5 Im 17. Jahrhundert ging man dazu über, für ihre Anbringung einen textilen Untergrund zu verwenden, nicht zuletzt, um das kostbare Gemälde vor Beschädigungen zu schützen.6 Eine solche, in der Regel samtene Auflage, die auf einen Metallträger aufgezogen wurde, zeichnete die Umrisse der beiden heiligen Figuren nach und sparte dabei deren Gesichter und Hände sowie den Hintergrund des Bildes aus.7 Diesen Hintergrund bedeckten wiederum gravierte und getriebene Silberbleche, die König ­Władysław Jagiełło um 1430–1434 gestiftet hatte (Taf. II).8 Auf diesem sogenannten Kleid oder Gewand (sukienka) konnte dann eine große Anzahl von Preziosen montiert und auf dem Bild angebracht werden, ohne seine Oberfläche in Mitleidenschaft zu ziehen (Taf. III). Schmuckwerke dieser Art fertigte erstmals der Bildsticker Pater Klemens Tomaszewski in den Jahren 1645–1686 an, das erste wohl anlässlich der Überführung der Ikone in die Marienkapelle von Jasna Góra, für die der polnische Kronkanzler Jerzy Ossoliński im Jahr 1645 einen barocken

4 Grundlegend zur Verzierungstradition des Tschenstochauer Marienbildes sowie insgesamt für den vor­ atki liegenden Beitrag sind die Betrachtungen von Smulikowska, Ewa: Korony i sukienki Obrazu M Boskiej Czȩstochowskiej jako przejawa kultu Królowej Korony Polskiej [Kronen und Gewänder des Muttergottesbildes von Tschenstochau als eine Kulterscheinung der Königin der Polnischen Krone]. In: Studia Claromontana 23 (2005), 56–88 und Kurpik (wie Anm. 2), passim. 5 Zunächst wurde nur die Muttergottes mit Kronen geschmückt, seit dem späten 16. Jahrhundert auch das Christuskind. Zur Entwicklungsgeschichte und Funktionsanalyse der Kronen siehe ebd. sowie auch Chrzanowski, Tadeusz/Kornecki, Marian: Program ideowy koron władysławowskich [Programm der Kronen König Wladislaws]. In: Studia Claromontana 6 (1985), 47–62. 6 Die Zerstörung der Bildfläche der Tschenstochauer Ikone durch den direkt aufgenagelten Schmuck beklagte bereits 1585 der Visitator des Klosters, der Zisterzienserabt von Jȩdrzejów, Stanisław ­Reszka. Seine Aufforderung, die Applikationen zu entfernen und auf separaten Tafeln in der Nähe der Ikone anzubringen, ist eine der frühesten Belege für die Sorge um den Erhaltungszustand des Gemäldes, die in weiterer Folge zur Anfertigung der ersten Gewänder führte. Kurpik (wie Anm. 2), 241. 7 Als Ikonenschmuck kamen in der Regel metallene Bildauflagen zum Einsatz, während man in Tschenstochau textile Träger verwendete. Davon leitet sich auch die Bezeichnung „Kleid“ bzw. „Gewand“ ab. Im Jahre 1701 verbesserte Goldschmied Pater Makary Sztyftowski die Anbringungstechnik: Er entwickelte eine seitlich am Bilderrahmen befestigte Halterung, die den häufigen Kleiderwechsel erleichterte und die Bildoberfläche schonte – dieses Prinzip wird bis heute nur wenig modifiziert angewendet. Genauer dazu ebd., 185–204, hier bes. 196 f.; Smulikowska (wie Anm. 4), 56 f. 8 Die vier vergoldeten Silberbleche mit den Darstellungen der Verkündigung, der Geburt, der Verspottung und der Geißelung Christi sind auf Taf. II links und rechts von M ­ arias Kopf zu sehen, der Zwickel am Kopf des Christuskindes wird von einer Gravur mit der Darstellung der Hl. Barbara ausgefüllt, die aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert stammt.

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Ebenholz-Altar gestiftet hatte.9 Nach der Verteidigung des Tschenstochauer Klosters gegen die Schweden 1655, die als Sieg von nationaler Bedeutung gefeiert wurde und den unmittelbaren Anlass für die feierliche Erwählung der Muttergottes zur Königin von Polen in den sogenannten „Lemberger Gelöbnissen“ (śluby lwowskie) durch König Johann II. Kasimir Wasa (1609–1672) gab, intensivierte sich die Spendentätigkeit.10 Die materiellen Schenkungen wurden für die Gestaltung von noch drei weiteren, mit Diamanten, Edelsteinen oder Perlen bestickten Bildauflagen verwendet, die zusammen mit zahlreichen Spendernamen und Beschreibungen einzelner Preziosen im Inventar der Schatzkammer von 1685 aufgeführt sind.11 Pater Augustyn Kordecki, Abt des Tschenstochauer Klosters (1650–1673) und dessen legendärer Verteidiger von 1655, soll diese erste Gewandgarnitur anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Anwesenheit der Marienikone auf Jasna Góra im Jahre 1682 in Auftrag gegeben haben.12 Die plastischen Bildauflagen in Gewandform folgten in ihrem Muster dem Faltenwurf im Gemälde, so dass die auf ihnen applizierten Schmuckelemente aus der Ferne optisch zu einem einheitlichen Mantel verschmolzen, von dem sich nur die dunklen Gesichter Marias und des Christuskindes abhoben. Dieser überaus reiche Zierrat unterstrich die Königswürde Marias, verlieh ihr Glanz und inszenierte die Ikone zu bestimmten Anlässen, von denen der mit Abstand bedeutendste 1717 die erste von Rom sanktionierte Marienbildkrönung auf polnischem Boden in Tschenstochau war. Diese aus Italien übernommene Form der Ehrung eines  9 Golonka, Jan: Ołtarz Jasnogórski Bogurodzicy. Treści ideowe oraz artystyczne kaplicy i retabulum [Altar der Muttergottes von Jasna Góra. Ideengehalt und künstlerische Bedeutung der Kapelle und des Retabulums]. Jasna Góra 1996, 92. Siehe auch Kurpik (wie Anm. 2), 196, und Smulikowska (wie Anm. 4), 79 f. 10 Am 1. April 1656 legte König Johann II. Kasimir Wasa das Mariengelübde in der Lemberger Kathedrale ab, mit dem er die Muttergottes zur Königin Polens erwählte. Auf die besondere Form des polnischen Mariengelübdes, das sich an das Votieren der Senatoren bei einer Königswahl anlehnte und somit die Wahl der Königin Polens als einen freiwilligen Akt erscheinen ließ, verweist Hans-Jürgen Bömelburg in diesem Band. Zu monarchischen Aspekten der Wahl Marias zur Königin Polens s. den Beitrag von Damien Tricoire in diesem Band. – Auf den Königstitel der Muttergottes von Tschenstochau gehen Smulikowska (wie Anm. 4), 56–76, und Kopeć, Jerzy Józef: Das Patronat Mariens für die polnische Nation. In: Churches and Confessions in East Central Europe in Early Modern Times. Hg. v. Jerzy Kłoczowski, Paweł Kras und Wojciech Polakow. Bd. 2. Lublin 1999, 347–351, genauer ein. Siehe auch die von Golonka (wie Anm. 9), 273–296, vorgelegte Analyse des Ideengehaltes des Tschenstochauer Altars der Königin von Polen Ara Patriae sowie Łukaszuk, Tadeusz: Tytuły prawne królewskiej godności Maryi według O. Ambrożego Nieszporkowicza [Rechtliche Titel der königlichen Würde Marias nach Pater Ambroży Nieszporkowicz]. In: Studia Claromontana 2 (1981), 223– 247. Ein Überblick über die Literatur bei Gąsior, Agnieszka: Die Gottesmutter. Marias Stellung in der religiösen und politischen Kultur Polens. In: Die Renaissance der Nationalpatrone. Erinnerungskulturen in Ostmitteleuropa im 20./21. Jahrhundert. Hg. v. Stefan Samerski in Zusammenarbeit mit Krista Zach. Köln-Weimar-Wien 2007, 77–98, hier 78 Anm. 3. 11 Die Gewänder trugen Titel: Des Namens Christi, Des Pelikans, Des Heiligen Geistes und Des N ­ amens Mariens. Revisio thesauri 1685, 13n. Siehe Smulikowska, Ewa: Ozdoby obrazu Matki ­ ­ Boskiej Częstochowskiej jako zespół zabytkowy [Der Bildschmuck der Tschenstochauer Muttergottes als Denkmalensemble]. In: Roczniki Historii Sztuki 19 (1974), 179–221. 12 Ebd., 79.



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Gnadenbildes trug in besonderer Weise zur Kultverbreitung der Schwarzen Madonna bei.13 Die Tschenstochauer Krönung war Anlass für die Entstehung einer weiteren vierteiligen Gewandgarnitur in den Jahren 1719–1722, die aus einem Diamanten-, Perlen-, Rubin- und Halskettenkleid bestand und von Prior Konstanty Moszyński initiiert wurde.14 Zur Anfertigung des Bildschmuckes verwendete der Goldschmied Makary Sztyftowski Elemente älterer Kleider, die er ergänzte und nach aktuellen ästhetischen Kriterien neu arrangierte.15 Zwei dieser Gewänder (Diamanten- und Rubingewand) sind, in etwas veränderter Form, zusammen mit den an ihnen angebrachten, künstlerisch und historisch wertvollen Goldschmiedewerken aus mehreren Jahrhunderten bis heute erhalten (Taf. II, Abb. 1). Die Krönung der Tschenstochauer Ikone mit Insignien von Papst Clemens XI. im Jahr 1717 legitimierte gewissermaßen die immer engere Verknüpfung des Königstitels mit dem Marienbildnis von Jasna Góra, die insbesondere das Schrifttum der Tschenstochauer Pauliner bereits vorbereitet hatte.16 So war die aufwändige Krönungsfeier, an der 200 000 Pilger teilnahmen, ein Ereignis von nicht nur religiöser, sondern auch politischer Tragweite, das durch zahlreiche Publikationen lange nachwirkte. Es leitete neue Formen der Marienverehrung ein, die man in besonderer Weise auf Tschenstochau und seine Ikone bezog.17 Gleichzeitig zeichnete sich in der zeit­ 13 Krönungen von Marienbildnissen sind bereits aus der vortridentinischen Zeit bekannt, aber erst im 17. Jahrhundert wurde in der katholischen Kirche ein Krönungsritus eingeführt und dessen Ablauf durch das vatikanische Domkapitel reglementiert. Diese Entwicklung wurde maßgeblich von dem italienischen Kapuzinerprediger Hieronymus Paolucci da Forlì (1552–1620) angeregt, der mehrere Krönungen verehrter Marienbildnisse initiierte und durchführte, u. a. 1595 in Cremona und 1600 in Parma. Unter Papst Urban VIII. (1568–1644) wurde der Ablauf eines Krönungsverfahrens festgelegt und als dessen Voraussetzung die Überprüfung und Bestätigung der Wundertätigkeit des Bildes durch das vatikanische Domkapitel bestimmt. Die erste Krönung mit päpstlichen Kronen nach diesem Ritus wurde 1631 in Rom am Bild der Santa Maria della Febbre durchgeführt. Das damals festgelegte Ordo coronandi blieb mit Änderungen bis 1982 in Kraft. In Polen wurde der Krönungsritus erstmalig 1651 aufgegriffen, bei einer Bildkrönung, die der päpstliche Nuntius in Warschau mit einer von den Bürgern Warschaus gestifteten Krone vornahm. Der Krönung von 1717 in Tschenstochau, bei der päpstliche Insignien zum Einsatz kamen, wurde jedoch eine größere Bedeutung beigemessen – sie gilt nun als die erste vom Vatikan sanktionierte Bildkrönung in der Adelsrepublik. Witkowska, ­Aleksandra: Uroczyste koronacje wizerunków maryjnych na ziemiach polskich w latach 1717–1992 [Feierliche Krönungen von Marienbildnissen auf polnischem Boden in den Jahren 1717–1992]. In: Przestrzeń i sacrum. Geografia kultury religijnej w Polsce i jej przemiany w okresie od XVII do XX wieku na przykładzie ośrodków kultu i migracji pielgrzymkowych. Hg. v. Antoni Jackowski. Kraków 1995, 87–103, hier bes. 88–90; Niedźwiedź, Anna: Obraz i postać [Bild und Gestalt]. Kraków 2005, 192–200, hier bes. 192 f. Einen Überblick über die Kronen der Tschenstochauer Ikone geben Kurpik (wie Anm. 2), 185–190, und Smulikowska (wie Anm. 4), 77–87. 14 Ebd., 83 f. 15 Die textilen Träger waren anfällig gegen Beschädigungen, so dass nur wenige Kleider aus der Anfangszeit erhalten sind – zu den ältesten gehören das Rubin- und das Diamantenkleid, beide aus dem 18. Jahrhundert (Taf. II, Abb. 1), ebd., 83 f.; Kurpik (wie Anm. 2), 197; Golonka (wie Anm. 9), 86. 16 Vgl. Anm. 10. 17 U. a. wurde eine Anrufung der Königin der Krone Polens in die Lauretanische Litanei eingefügt und 1718 in Jasna Góra eine Marienbruderschaft gegründet, die mit ihren über 80 000 Mitgliedern großen

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Abb. 1  Diamantengewand, 16.–20. Jahrhundert. Gold, Diamanten, Edelsteine, Perlen und farbige Emaille. Klostersammlungen von Jasna Góra.



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genössischen Predigtliteratur und Publizistik der Trend ab, die Muttergottes von Tschenstochau als Königin Polens auch mit einem politischen und gesellschaftlichen Programm zu verbinden.18 Vor dem Hintergrund eines fortschreitenden Verlustes königlicher Autorität zugunsten der erstarkenden Magnaten setzte sich zunehmend die vom Adel (szlachta) präferierte Auslegung des marianischen Königstitels und des Krönungsaktes durch: Maria wurde einerseits vom Adel, der in Polen das Recht zur freien Königswahl besaß, zur Königin erwählt, wobei dieser Titel im Unterschied zu den zeitlich begrenzten Vollmachten eines frei gewählten polnischen Königs als immerwährend verstanden wurde. Mit dieser Wahl wurde andererseits aber nur der Wille der Himmelskönigin sanktioniert, die Polen aufgrund seiner adeligen Traditionen zu ihrem Königreich auserwählt hatte. Als „Schutzschild“ polnischer Freiheiten und der Adelsdemokratie wurde sie zur Garantin sarmatischer Standesprivilegien. Dieses an die frühere Idee des Palladiums angelehnte Konzept stellte ein natürliches und dauerhaftes Königsrecht Mariens über jenes der frei gewählten polnischen Könige und machte die polnische Nation in Gestalt des Adels gleichzeitig zum Hauptempfänger ihrer Gnade.19 Zu bestimmten Anlässen vergegenwärtigten in Tschenstochau zeremonielle Inszenierungen der Ikone dieses Deutungssystem. Einem höfischen Ritual ähnlich wurde das Ver- und Enthüllen des Bildes zum Klang einer königlichen Intrada (Hejnał ) feierlich zelebriert.20 Vor allem aber machte das Ausschmücken der Ikone mit KröEinfluss auf die Entwicklung der Marienfrömmigkeit nahm. Niedźwiedź (wie Anm. 13), 198; Roźej, ­Stefan: Bractwo Najświȩtszej Marii Panny Jasnogórskiej i Znalezienia Krzyża Świȩtego na Jasnej Górze w XVIII i XIX wieku [Die Bruderschaft der Allerheiligsten Jungfrau Maria von Jasna Góra und der Auffindung des Heiligen Kreuzes auf Jasna Góra im 18. und 19. Jahrhundert]. In: Studia Claromontana 1 (1981), 143–156. 18 Abramek, Rufin Józef: Organiczne zespolenie Kultu Matki Bożej z orȩdziem biblijnym i problematyką społecznonarodową w kazaniach o. Innocentego Pokorskiego [Organische Verschmelzung des Muttergotteskultes mit der biblischen Botschaft und der Gesellschaftsproblematik in den Predigten des Paters Innocent Pokorski]. In: Studia Claromontana 2 (1981), 172–222, geht diesem Phänomen am Beispiel eines um die Wende vom 17./18. Jahrhundert wirkenden Predigers nach. Siehe auch ­Zakrzewski, Andrzej J.: Od „świątyni zakonnej“ do „saktuarium narodowego“. Kulturowe znaczenia i funkcje Jasnej Góry w kulturze narodowej Polaków [Vom „Ordensgotteshaus“ zum „Nationalsanktuarium“. Kulturelle Bedeutung und Funktionen von Jasna Góra in der Nationalkultur der Polen]. In: Obraz świątyni w kulturze i literaturze europejskiej. Hg. v. Lucyna Rożek. Bd. 2, Teil 1. Częstochowa 2001, 81–90; Niedźwiedź (wie Anm. 13), 199–205. 19 Den komplizierten Diskurs beleuchtet der Beitrag von Hans-Jürgen Bömelburg in diesem Band. S ­ iehe auch Niedźwiedź (wie Anm. 13), 199. 20 Ebd., 198. – Der feierliche Gewandwechsel wurde seit dem Barock praktiziert. Es gibt allerdings erst für das 19. Jahrhundert Belege über den genauen Ablauf der Zeremonie. Für die vorangehende Periode kann aber eine vergleichbare Form angenommen werden. Einmal jährlich wurde am zeitigen Morgen des Großen Donnerstags (zwischen vier und fünf Uhr) in einem kleinen Raum hinter dem Altar der Marienkapelle von Jasna Góra die Marienikone vom Prior des Klosters im Beisein weiterer Pauliner sowie von ausgewählten Gläubigen aus der Altarwand genommen. Bei Kerzenlicht und Gesang der Lauretanischen Litanei wurden das Gewand und die Kronen abgenommen sowie die Bildoberfläche mit speziellen Korporalen gereinigt, bevor anschließend die Kronen und ein anderes Gewand wieder angelegt wurden, an das man manchmal zusätzliche Vota wie kostbare Ohrringe oder Broschen anbrachte. Die bei dieser Zeremonie verwendeten Korporale wurden anschließend in Stücke geschnitten und an Gläubige verteilt, die diese als Reliquien verehrten. Jabłoński, Zachriasz Szcze-

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nungsinsignien und -ornat die Idee der königlichen Herrschaft Mariens über Polen für die Gläubigen visuell erfahrbar. Während die Kronen den monarchischen Aspekt zur Geltung brachten, verwies das Gewand auf eine weitere Bedeutungsebene. Da dieses keine individuelle Stiftung darstellte, sondern sich aus einer Vielzahl kostbarer Einzelspenden führender Adelsvertreter zu einem Ganzen zusammensetzte, repräsentierte es in besonderer Weise die Idee der Adelsrepublik als eines an Schätzen reichen (marianischen) Königreiches. Die Gemeinschaft stand bei dieser Art von Stiftung im Vordergrund, gleichzeitig konnten sich aber die privilegierten Spender, deren Votiv­ gaben am Gewand der Ikone Platz gefunden hatten, bessere Chancen auf einen Gnadenerweis der Muttergottes erhoffen.21 Die Paulinermönche beaufsichtigten als Hüter des Bildes die Anfertigung dieser aufwändigen Schmuckwerke. Vom Bedeutungszuwachs der Tschenstochauer Ikone profitierten sie sowohl finanziell als auch in anderer Hinsicht: Als Berater staatlicher Würdenträger in politischen wie gesellschaftlichen Fragen gewannen sie im Laufe des 18. Jahrhunderts enorm an Einfluss. Sie stehen beispielhaft für das Zusammenrücken der katholischen Kirche mit den konservativen Kräften des Adels, welche in ihren Bemühungen um eine Begrenzung fremder Einflüsse auf die politischen Eliten eine Einschränkung der religiösen Toleranz, Blockaden von Staatsreformen und die empfindliche Schwächung der zentralen Staatsgewalt in Kauf nahmen.22 Eine gravierende Folge des durch die innere Spaltung des Landes eingeleiteten endgültigen Zerfalls der polnischen Staatsmacht waren die Teilungen Polens durch Russland, Preußen und Öster­reich und der Verlust der Eigenstaatlichkeit, der über 125 Jahre bis zum Ende des Ersten Weltkrieges währte. In dieser neuen politischen Situation unterlag die an Adelsfreiheiten geknüpfte Auslegung des Marienpatronats im Zusammenhang mit dem sich neu formierenden Nationsverständnis einem grundlegenden Wandel. Die Teilungen Polens bewirkten nicht nur einen Rückgang materieller Spenden, sondern veränderten auch deren Charakter: Votivgaben von eher geringem materiellen, aber hohem emotionalen und symbolischen Wert, wie Handschellen der nach Sibirien Verbannten oder die Erde von den Schlachtfeldern des Freiheitskampfes23, gaben Zeugnis von der repressiven Haltung der Besatzer (insbesondere Russlands) und ihren harten Sanktionen gegenüber der Bevölkerung. Für diese Periode ist keine neue Gewandstiftung belegt, vielmehr wurden ältere Stücke umgearbeitet bzw. als Ressource verwendet, wie beispielsweise pan: Kult maryjny na Jasnej Górze w latach 1864–1914 [Der Marienkult in Jasna Góra in den Jahren 1864–1914]. In: Studia Claromontana 1 (1981), 121–142, hier 136 f. 21 Für das 19. Jahrhundert sind Berichte erhalten, die das Bemühen der Spender dokumentieren, ihre Votivgaben möglichst nah an der Ikone zu platzieren, vorzugsweise direkt an der Krone oder am Gewand. Zum Teil wurde der Eingang der materiellen Spenden über die Jahrhunderte dokumentiert. Viele der in Ikonennähe präsentierten Gaben wurden anschließend in die Schatzkammer überführt. Ebd., 140. 22 Michael, Holger: Der schwarze Mythos. Die katholische Kirche Polens im 20. Jahrhundert. Berlin 2009 (Edition Zeitgeschichte 38), 17–19. 23 Jackowski, Antoni/Pach, Jan/Rudziński, Jan Stanisław: Jasna Góra. Wrocław 2004, 169.



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das Halskettengewand, dessen Schmuck für die Finanzierung „nationaler Anliegen“, u. a. des November-Aufstandes 1831, genutzt wurde.24 Der Marienkult von Tschenstochau wurde auf diese Weise immer stärker national überlagert und als Inbegriff des politischen Widerstandes und des Opfertopos’ konnotiert – eine Deutung, die sich im romantischen Messianismus niederschlug und bis heute in der Wahrnehmung der Ikone ihre Gültigkeit behalten hat. Im Jahre 1909 stahlen Unbekannte die päpstlichen Kronen von 1717, das barocke Perlengewand der Ikone sowie weitere Kostbarkeiten. Dieses Sakrileg war Anlass für die sogenannte Wiederkrönung (rekoronacja) im September 1910, deren feierlicher Akt, an dem Pilger aus allen Teilungsgebieten Polens teilnahmen, sich als Demonstration nationaler Geschlossenheit im Zeichen des Katholizismus erwies. Papst P ­ ius X. schenkte neue Insignien und kam damit Zar Nikolai II. (1868–1918) zuvor, dessen Absicht, für Jasna Góra neue Kronen zu stiften, im unfreien Polen (sicher nicht ganz unberechtigte) Befürchtungen hinsichtlich einer symbolischen Vereinnahmung der polnischen Nationalikone durch die – orthodoxe – Besatzungsmacht Russland ­weckte.25 Für die groß angelegten Feierlichkeiten in Anwesenheit mehrerer Bischöfe steuerten Bäuerinnen aus der Gegend von Kielce ein Korallenkleid bei, das eine unbekannte Stickerin angefertigt hatte.26 Das Ereignis trug unmittelbar zu einer deutlichen Verstärkung der Pilgerbewegung nach Jasna Góra und der Kultverbreitung M ­ arias als Königin von Polen, die sich explizit auf die Tschenstochauer Marienikone bezog, bei.27 Der symbolisch aufgeladenen Krönungszeremonie von 1910 ging zwei Jahre zuvor eine Einführung des Festes der „Königin der polnischen Krone“ im Erzbistum L ­ emberg/ Lwów und in der Diözese Przemyśl voraus, die im geteilten Polen die Idee der nationalen Einheit und Souveränität wieder aufleben ließ.28 Die polnischen Bischöfe knüpften daran an, als sie die Wiedererstehung des polnischen Staates 1918 als ein Werk M ­ arias feierten: „[…] die Königin der polnischen Krone, Maria von ­Jasna ­Góra, hat ihr Königreich, dieses polnische Land und diese unsere Nation, durch ihre stete Fürbitte frei

24 Niedźwiedź (wie Anm. 13), 202–205; Smulikowska (wie Anm. 4), 84. 25 Während der Teilungen Polens erkannte die Besatzungsmacht Russland das integrative Potenzial der Tschenstochauer Ikone und begann deren Kult zu fördern. Auf Anregung Zar Alexanders I. (1777– 1825) wurde bereits 1813 ein der Schwarzen Madonna gewidmeter Feiertag in den Kalender der orthodoxen Kirche (6. März) aufgenommen. Über die Kultentwicklung in Russland berichtet mit reichem Bildmaterial Kurpik (wie Anm. 2), 221–238. – Die Stiftung neuer Kronen durch Papst Pius X. regte der Tschenstochauer Abt Pater Euzebiusz Rejman an. Sein Ersuchen wurde von Józef Bilczewski, Erzbischof von Lemberg, und Adam Stefan Sapieha, Kammerherr des Papstes, späterer Bischof von Krakau und Kardinal, an den Heiligen Stuhl vermittelt. Smulikowska (wie Anm. 4), 67. 26 Ebd., 85. Für dieses Jahr ist eine Zunahme von Votivgaben zu verzeichnen, was mit der Anfertigung des neuen Ikonengewandes direkt in Zusammenhang zu bringen ist. Jabłoński (wie Anm. 20), 136– 139. 27 Ders.: Pielgrzymowanie na Jasną Górę w czasie i przestrzeni. Wybór rozpraw i artykułów [Wallfahrten nach Jasna Góra in Zeit und Raum. Eine Auswahl von Abhandlungen und Beiträgen]. Częstochowa 2000, 214; Niedźwiedź (wie Anm. 13), 205. 28 Kopeć (wie Anm. 10), 350.

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und unabhängig werden lassen.“29 Die enge Verbindung der Mariendevotion mit dem Nations­gedanken führte kurze Zeit später zur Wiederaufnahme der im 19. Jahrhundert getilgten Anrufung „­Maria, Königin Polens“ in die Lauretanische Litanei (14.01.1920). Noch deutlicher repräsentierte diesen Zusammenhang die Einführung des Festes der Königin Polens (12.10.1923) und seine Zusammenlegung mit dem Nationalfeiertag der Verfassung vom 3. Mai 1791.30 Diese und weitere Maßnahmen belegen für die Zwischenkriegszeit einen offenkundigen Bedeutungszuwachs der national verstandenen und monozentrisch auf Jasna Góra bezogenen Marien­devotion. Obwohl für diese Zeit eine neue Gewandstiftung in Planung war, wurde sie nicht realisiert.31 Vielmehr erlebte der Brauch, der Tschenstochauer I­kone Gewänder zu widmen, erst wieder im Nachkriegspolen eine Renaissance.

Jasna Góra in der Konfrontation mit dem kommunistischen Regime Ab Mitte der 1950er Jahre wurde Tschenstochau im Zuge der Konfrontation der katholischen Kirche mit dem kommunistischen Regime zum Zentrum einer groß angelegten Kampagne zur geistigen Erneuerung Polens, die die breite Bevölkerung im Zeichen des Marienkultes ansprach und mobilisierte.32 Eine zentrale Rolle spielte in diesem Zusammenhang Primas Stefan Kardinal Wyszyński (1901–1981). Während seiner dreijährigen Internierung in den Jahren 1953–1956 entwickelte er eine Reihe von Maßnahmen, mit denen die Kirche sich einerseits in die barocke Tradition des königlichen Marienpatronats stellte. Andererseits knüpfte sie auch an das Wertekapital der Zwischenkriegszeit an und konnte sich damit als die einzig einende Kraft und legitime Vertreterin nationaler Interessen positionieren.33 29 Zit. n. Niezgoda, Cecylian: Maryjność kultury polskiej [Das Marientum der polnischen Kultur]. In: Żeby nie ustała wiara, Katolicki Uniwersytet Lubelski przed wizytą Ojca Świętego Jana Pawła II. Hg. v. Józef Homerski. Lublin 1989 (Rozprawy Wydziału Teologiczno-Kanonicznego 87), 502 f. 30 Ebd.; Dominiczak, Henryk: Wpływ klasztoru jasnogórskiego na patriotyczne postawy Polaków [Der Einfluss des Klosters von Jasna Góra auf die patriotischen Haltungen der Polen]. In: Studia Claromontana 18 (1998), 39–45, hier 44. 31 Aus der Zwischenkriegszeit ist ein nicht realisiertes Gewandprojekt von 1934 überliefert, das zehn figu­rale Medaillons mit Szenen aus der Geschichte der Marienikone von Jasna Góra in floraler Umrahmung vorsah. Den Entwurf dafür fertigte der Krakauer Maler Aleksander Borawski an. S ­ mulikowska (wie Anm. 4), 85. 32 Zur Situation in Jasna Góra zur Zeit des Stalinismus Thiriet, Damien: Marks czy Maryja? Komuniści i Jasna Góra w apogeum stalinizmu (1950–1956) [Marx oder Maria? Kommunisten und Jasna Góra im Apogäum des Stalinismus (1950–1956)]. Warszawa 2002; siehe auch die Rezension von Jarosz, ­Dariusz: (Ohne Titel) In: Dzieje najnowsze 35 (2003), 208–212; Main, Izabella: Weeping Virgin Mary and the Smiling Comrade Stalin: Polish Catholics and Communists in 1949. In: Sphären von Öffentlichkeit in Gesellschaften sowjetischen Typs. Zwischen partei-staatlicher Selbstinszenierung und kirchlichen Gegenwelten. Hg. v. Gábor T. Rittersporn, Malte Rolf und Jan C. Behrends. Frankfurt/Main-New York 2003, 255–278. 33 Pach, Jan: Maryjne dziedzictwo Prymasa Tysiąclecia [Marianisches Erbe vom Primas des Jahrtausends]. Częstochowa 2001; Wysocki, Wiesław Jan: Osaczanie Prymasa. Kardynał Stefan Wyszyński jako „podopieczny“ aparatu bezpieczeństwa w latach 1953–1956 [Die Umzingelung des Primas. Ste-



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Während des vom Episkopat initiierten Jahres der Königin Polens 1956/57 wurde am 26. August 1956 in Jasna Góra in Anwesenheit von einer Million Besuchern feier­ lich die Erneuerung des königlichen Mariengelöbnisses von Johann Kasimir als dessen 300-jähriges Jubiläum begangen.34 Kardinal Wyszyński, dessen staatlich erzwungene Abwesenheit bei der Messfeier ein leerer Stuhl anzeigte, übermittelte nach Jasna Góra konspirativ den Text seines neuen Marieneides, der für die folgenden Jahrzehnte zum Leitfaden für die Selbstverortung der Kirche im Verhältnis zum Staat werden sollte. Die Verlesung der „Jasnogórskie Śluby Narodu“ (Nationalgelöbnisse von Jasna Góra) – der Name greift bewusst die „Lemberger Gelöbnisse“ von 1656 auf – wurde zur Proklamation des katholischen Glaubens als einem Ausdruck nationaler Identität, womit die Kirche ihren Anspruch auf die geistige Führungsherrschaft verband. Ihre moralische Überlegenheit gegenüber der Staatsgewalt beruhte auf der im Volk anerkannten Autorität der Muttergottes, als deren „Vollzugsorgan“ sich die Kirche verstand.35 Das politische Tauwetter (odwilż) unter Parteichef Władysław Gomułka (1905– 1982) brachte erste Liberalisierungstendenzen mit sich und eröffnete dem Episkopat neue Handlungsräume, die dieser konsequent nutzte und ausweitete. So bildeten die Feierlichkeiten von 1956 lediglich den Auftakt zur Großen Novene, eines 1957 beginnenden und auf neun Jahre angelegten Programms zur Vorbereitung der Gläubigen auf die Begehung des tausendjährigen Jubiläums der Christianisierung Polens ­(Sacrum Poloniae Millennium) 1966.36 Zum Akt eines demonstrativen Patriotismus wurde vor allem die 1957 durch Primas Wyszyński nach dem Vorbild von Lourdes und Fátima initiierte Wanderschaft (Peregrination) einer päpstlich geweihten Kopie

fan Kardinal Wyszyński als „Schützling“ des Sicherheitsapparats in den Jahren 1953–1956]. Warszawa 2002; Ksiądz Stefan kardynał Wyszyński Prymas Polski w setną rocznicę urodzin. ­Zbiór studiów [Priester Stefan Kardinal Wyszyński, Primas von Polen, zum hundertsten Geburtstagsjubiläum. Eine Studiensammlung]. Hg. v. Ryszard Michalski. Toruń 2002; Tomziński, Jerzy: ­Jasnogórska ­Maryja w życiu i służbie Ks. Kard. Stefana Wyszyńskiego, Prymasa Polski [Maria von Jasna Góra im Leben und Dienst Stefan Kardinal Wyszyńskis, Primas von Polen]. In: Studia Claromontana 2 (1981), 5–45. 34 Raina, Peter: Jasnogórskie Śluby Narodu Polskiego 1656, 1956, 1966 [Das Jasna Góra-Nationalgelübde der polnischen Nation 1656, 1956, 1966]. Warszawa 2006. 35 Michael (wie Anm. 22), 188. 36 Krawczak, Tadeusz: Centralne władze partyjno-rządowe wobec Millennium [Die zentrale Macht der Regierungspartei zur Millenniumsfeier]. In: Millennium polskie. Walka o rząd dusz. Hg. v. ­Cyprian Wilanowski. Warszawa 2002, 9–19; Rydel, Jan: Sacrum Poloniae Millennium. Bemerkungen zur Anatomie eines Konflikts im „realen Sozialismus“. In: Der Kampf um das Gedächtnis. Öffentliche Gedenktage in Mitteleuropa. Hg. v. Emil Brix und Hannes Stekl. Wien 1997, 231–250; D ­ eptula, ­Czesław: Z dziejów refleksji nad historycznym znaczeniem obchodów tysiąclecia chrztu Polski [Aus der Geschichte der Überlegungen zur historischen Bedeutung des tausendjährigen Christianisierungsjubiläums Polens]. In: Zeszyty Naukowe KUL 40 (1997) 1–2, 173–181. Siehe auch die Dokumenten-Editionen: Obchody milenijne 1966 roku w świetle dokumentów Ministerstwa Spraw Wewnętrznych [Millenniums-Begehung 1966 im Licht der Dokumente des Innenministeriums]. Hg. v. ­Wanda C ­ hudzik, Iwona Kiemel und Irena Marczak. Warszawa 1998; Raina, Peter: „Te ­Deum“ ­Narodu Polskiego. Obchody Tysiąclecia Chrztu Polski 1966/67 w świetle dokumentów kościelnych [„Te Deum“ der polnischen Nation. Begehung des tausendjährigen Jubiläums der Christianisierung Polens 1966/67 im Licht der kirchlichen Dokumente]. Olsztyn 1991.

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Abb. 2  Empfang der wallfahrenden Kopie der Schwarzen Madonna in Sokołów Podlaski, 1985.

der Tschenstochauer Ikone durch alle Pfarreien des Landes (Abb. 2).37 Die „körperliche“ Präsenz der wundertätigen Schwarzen Madonna sollte nun für jedermann erfahrbar werden und die Polen sowohl national als auch in ihrem katholischen Glauben gemäß dem Motto Polonia semper fidelis (Polen immer treu) mobilisieren.38 Dieser Treueschwur wurde bildhaft im barocken Rubinkleid der Ikone umgesetzt, das man zu diesem Anlass 1957 umgearbeitet und mit Hunderten von Eheringen bestückt hatte 37 Verschiedene Aspekte der Peregrination behandelt der Sammelband: Peregrynacja wizerunku Matki Bożej Jasnogórskiej w duchowym krajobrazie Polski ku przyszłości (1957–2007). Ogólnopolskie Sympozjum Mariologiczno-Maryjne, Jasna Góra 4–5 maja 2007 [Wanderschaft des Bildnisses der Muttergottes von Jasna Góra in der geistigen Landschaft Polens der Zukunft entgegen (1957– 2007). Gesamtpolnisches mariologisch-marianisches Symposion, Jasna Góra 4.–5. Mai 2007]. Hg. v. ­Zachariasz Jabłoński. Jasna Góra-Częstochowa 2007. Siehe auch Niedźwiedź (wie Anm. 13), 265– 282; vgl. auch Ceremoniał. Nawiedzenie parafii przez Matkę Bożą w kopii Obrazu Jasnogórskiego [Zeremonium. Heimsuchung der Pfarreien durch die Muttergottes in der Bildkopie von Jasna Góra]. Hg. v. Stanisław Barcikowski, Zbigniew Kołodziej und Hieronim Leśniewski. Ząbki 2007. 38 Die erste Wanderschaft einer Kopie der Tschenstochauer Marienikone, die zu 8 000 Kirchen und Kapellen sowie 17 150 Kirchgemeinden führte, wurde am 12. Oktober 1980 mit einer Messe in Jasna Góra beendet. Kurz nach der Verhängung des Kriegsrechtes 1981 fand in Vorbereitung des 600-jährigen Jubiläums der Anwesenheit der Marienikone in Tschenstochau eine Wanderschaft der Kopie zu allen Kathedralkirchen Polens statt. Am 5. Mai 1985 startete in Vorbereitung auf das zweite Millennium der Geburt Christi im Jahre 2000 eine zweite, gesamtpolnische Wanderschaft der Ikonenkopie.



Bildschmuck der Schwarzen Madonna von Tschenstochau

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Abb. 3  Vorbereitung der Marienikone auf die Krönungszeremonie anlässlich der Begehung des Sacrum Poloniae Millennium in Jasna Góra am 03.05.1966. Die Ikone der Tschensto­ chauer Muttergottes wird mit dem Diamantengewand geschmückt.

(Taf. II, III). Aber auch das Diamantengewand kam bei den Feierlichkeiten in ­Jasna ­ óra zum Einsatz (Abb. 3, 4). G In den auf mehrere Jahre angelegten, symbolisch und emotional aufgeladenen Aktionen erkannten die Staatsorgane ein großes Bedrohungspotenzial, das sie mit Gegenmaßnahmen zu entkräften suchten. Die staatlich gelenkten Sabotagen brachten die Wanderschaft des Marienbildes jedoch nur für kurze Zeit ins Stocken – vielmehr noch provozierten sie Widerstand seitens der systemkritisch eingestellten Bevölkerung und verstärkten den Zusammenhalt. Auf das Verbot, das Bild durch die Straßen zu tragen, reagierte beispielsweise die aufgebrachte Menschenmenge in Posen spontan, indem sie den Kleintransporter mit dem darin eingeschlossenen Bild schulterte und so die Peregrination fortsetzte. Zum Eklat kam es unter anderem auch 1966 in Warschau, als das wallfahrende Gemälde beschlagnahmt und in der Sakristei der Johanneskathe­ drale deponiert wurde, wobei es allerdings durch ein vergittertes Fenster von der Straße aus einsehbar blieb, so dass sich davor täglich eine Menschenmenge zur Anbetung der „inhaftierten“ Ikone versammelte (Abb. 5). Von großer symbolischer Wirkung war die durch die Verhängung eines sechsjährigen Verbots der Ikonenwanderschaft (1966–1972) provozierte Fortsetzung der Wallfahrt mit einem demonstrativ

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Abb. 4  Begehung des Sacrum Poloniae Millennium in Jasna Góra am 03.05.1966. ­Feierliche Prozession zur Marienkapelle unter Beteiligung von Stefan Kardinal Wyszyński (hinter dem Kreuzträger).

leeren Bilderrahmen.39 Die auf das Regime negativ zurückfallende Verhinderungstaktik erfuhr während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) auch international Aufmerksamkeit. Das polnische Episkopat nahm dieses zum Anlass, um die polnische Religiosität im Zeichen des Marienkultes von Tschenstochau als Träger der Erneuerung des unter dem kommunistischen Regime leidenden Katholizismus über die Landesgrenzen hinaus bekannt zu machen.40 Gleichzeitig aber zögerten die Kirchenhierarchien nicht, sich das staatlich-säkulare Gegenkonzept der „Jahrtausendfeier Polens“ anzueignen, als es darum ging, die historische Präsenz der katholischen

39 Die Einhaltung des „Wanderschaftsverbots“ für die Marienikone wurde durch zwei in Jasna Góra stationierte Volkspolizeieinheiten gewährleistet. In der spontanen Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit glich diese Restriktion einem Anschlag auf die Muttergottes selbst. 40 Globalen Charakter hatte die Fortsetzung der Wanderschaft einer Ikonenkopie in den exilpolnischen Zentren in den USA (1962–1966), Kanada (1965–1966), Australien (1963), Tasmanien (1964) und Neuseeland (1965), Frankreich (ab 1963), Belgien (1965–1966), Brasilien (ab 1958), Chile (1967) und England (1970–1972). Siehe dazu die online-Ressource: http://www.eduteka.pl/doc/czestochowskamatka-boza-jasnogorska-matka-boza-peregrynacja (28.08.2012).



Bildschmuck der Schwarzen Madonna von Tschenstochau

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Abb. 5  Gläubige vor der Sakristei der Warschauer Johannes­ kathedrale, in der sich die beschlagnahmte Kopie der Schwarzen Madonna befindet, nach dem 20.06.1966.

­ irche in den ehemals deutsch-protestantischen Gebieten im heutigen Westen Polens K (den sogenannten „wiedergewonnenen Gebieten“) zu begründen.41 Auf das marianische Programm Kardinal Wyszyńskis bezog sich auch Karol ­Wojtyła (1920–2005), dessen Papstwahl 1978 das kommunistische Regime in Polen empfindlich traf.42 Das barocke Prinzip der Knechtschaft Mariens und ihrer uneingeschränkten Herrschaft durch ihre freie Wahl wurde im Pontifikat Wojtyłas mit der 41 Kozłowski, Kazimierz: Władze partyjne i państwowe województwa szczecińskiego wobec obchodów Tysiąclecia Chrztu Polski [Partei- und Staatsorgane gegenüber der Millenniumsfeier der Christianisierung Polens]. In: Millennium polskie. Walka o rząd dusz. Hg. v. Cyprian Wilanowski. Warszawa 2002, 111–120, hier bes. 115–119; Friszke, Andrzej: Tysiąclecie kontra Milenium [Jahrtausendfeier versus Millenniumsfeier]. In: Więź 2 (1994), 139–162; 3 (1994), 93–103. 42 Lasota, Marek: Działania aparatu PRL wobec kard. Karola Wojtyły w latach 1967–1978. ­Wybrane zagadnienia [Das Vorgehen des Staatsapparats der Volksrepublik Polen gegen Kardinal Karol Wojtyła in den Jahren 1967–1978. Ausgewählte Fragen]. In: Kościół katolicki w czasach komunistycznej dyk-

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­ evise ­Totus Tuus (Ganz Dein) aufgegriffen.43 Das Motto Gaude Mater Polonia D (Freue Dich, Mutter Polen) sowie die damit verbundene Berufung auf den polnischen Nationalheiligen Stanislaus als „Widerständler“ gegen die unrechte Staatsgewalt unterstrichen die politische Bedeutung seiner ersten Pilgerfahrt nach Polen im Juni 1979.44 Dieser erste Papstbesuch sollte den Anstoß für die Gründung der SolidarnośćBewegung ein Jahr später geben. Ihrem Hervorgehen aus der katholischen Opposition trug die Gewerkschaft auf symbolische Weise Rechnung, indem sie außer mit ihrem berühmten Schriftzug auch mit dem Bildnis der Muttergottes von Tschenstochau ­firmierte. Mit diesem auf Flugblättern und Ansteckern gedruckten Bild vermittelte Solidarność Glaubwürdigkeit, Verpflichtung gegenüber nationalen Interessen und Nähe zur katholischen Kirche (Abb. 6).45 Das Motiv der zwei parallelen Wunden machte die Schwarze Madonna auch bei sehr großer graphischer Vereinfachung leicht erkennbar. Auf dieses Symbol im Besonderen bezog sich die Solidarność-Iko­no­gra­ phie, um die Tätigkeit der Gewerkschaft in den Kontext des Opfertopos und in die Tradition des gerechten Freiheitskampfes zu stellen (Abb. 7).46 Auf die Verhängung des Kriegsrechtes am 13. Dezember 1981, das die Machtübernahme durch das Militär und die Sicherheitsorgane in Übereinstimmung mit der Sowjetunion sowie eine Zeit verstärkter Repressionen gegen die Zivilbevölkerung einleitete, antwortete die Kirche 1982 mit einer groß angelegten 600-Jahrfeier zur Anwesenheit der Schwarzen Madonna in Tschenstochau. Im Unterschied zur Millenniums­feier von 1966 verhielt sich das Regime diesmal anders: Mit thematischen Ausstellungen in Warschau und Breslau sowie einer Briefmarkenserie der polnischen Post beabsichtigte man staatlicherseits, am symbolischen Potenzial des Gnadenbildes zu partizipieren und gleichzeitig dessen Sakralität und emotionale Aufladung durch eine wissenschaftlich-rationale Wahrnehmung der Nationalikone als Kunstwerk und historisches Denkmal auszuhöhlen. Der Paulinerorden seinerseits gründete wiederum 1981 das wissenschaftliche Periodikum „Studia Claromontana“ zur Erforschung von Jasna Góra und organisierte ferner 1982 und in den Folgejahren Werkstatttreffen, aus denen Werke namhafter Künstler mit starkem symbolischen und politischen Charak-

tatury. Między bohaterstwem a agenturą. Hg. v. Jan Szczepaniak und Marek Lasota. Kraków 2010 (Studia i materiały Instytutu Pamięci Narodowej 3), 9–56. 43 Abramek, Rufin Józef: „Jasnogórska“ mariologia Kardynała Karola Wojtyły Papieża Jana Pawła II [Jasna-Góra-Mariologie Kardinal Karol Wojtyłas, des Papstes Johannes Paul II.]. In: Studia Claromontana 1 (1981), 7–39. 44 Zur Symbolik des Hl. Stanislaus in Bezug auf die Millenniumsfeier s. Kubik, Jan: The Power of Symbols against the Symbols of Power. The Rise of Solidarity and the Fall of State Socialism in Poland. Pennsylvania 1994, 130–138, 149 f. 45 Raina, Peter: Kardynał Wyszyński i Solidarność [Kardinal Wyszyński und die Solidarność-Be­ wegung]. Warszawa 2005. 46 Vgl. dazu die Werke von Leszek Sobocki, Maciej Bieniasz, Aleksander Markowski, Jerzy Klincewicz oder Aleksandra Krupska. In: Golonka, Jan/Żmudziński, Jerzy: Skarby i klejnoty Jasnej ­Góry [Schätze und Kleinodien von Jasna Góra]. Jasna Góra-Częstochowa 2005.



Bildschmuck der Schwarzen Madonna von Tschenstochau

Abb. 6  Lech Wałęsa mit dem Anstecker der Schwarzen Madonna am Revers, 1981. Kohlebergwerk in Rozbark bei Bytom/Beu­ then.

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Abb. 7  Flugblatt der Unabhängigen Post ( poczta niezależna) mit der Aufschrift „Mutter! errette uns. Dem Andenken an die Opfer des sowjetischen Völkermordes“, frühe 1980er Jahre.

ter hervorgingen,47 die den Muttergotteskult von Tschenstochau mit aktuellen Inhalten aufluden. Mit dem ebenfalls 1982 gegründeten Museum zur 600-jährigen Geschichte von Jasna Góra wurde außerdem eine Einrichtung geschaffen, die die Tätig­keit der Pauliner als Hüter und Kultförderer der Marienikone in einem historischen Überblick und als einen patriotischen Auftrag präsentiert.

Marias reich bestückter „Kleiderschrank“ Die Marienverehrung, welche zum tragenden Pfeiler der Strategie des polnischen Episko­pats in der Konfrontation mit der Staatsgewalt wurde, hinterließ in Jasna G ­ óra eine bleibende Erinnerung in Form zahlreicher Stiftungen der Gläubigen. Eine herausragende Stellung nehmen darunter Bildauflagen in Form von Ikonengewändern 47 Siehe dazu Anm. 46.

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ein. Sie wurden direkt am Tschenstochauer Gnadenbild exponiert, was sie zum Blickfang feierlicher Liturgien machte. Deklariert als Votivgaben der polnischen Nation, versinnbildlichen sie den Zusammenhalt der Bevölkerung unter schweren politischen Bedingungen und dienen der Gemeinschaftsstiftung im Zeichen marianischer Frömmigkeit. Ihre Anfertigung erfolgte auf Initiative der Pauliner und in Absprache mit ihnen, wobei die beteiligten Goldschmiede, Bildsticker bzw. Bildschnitzer ihre Arbeit in der Regel unentgeltlich als „frommes Werk“ verrichteten. Zum Auftakt der Großen Novene 1957 wurden die beiden historischen Barockgewänder wieder restauriert und dabei das Rubinkleid durch Hinzufügung einer Bordüre aus Eheringen in ein „Kleid der Treue“ (Sukienka Wierności) umgewandelt (Taf. II). Dieses war nicht nur ein sichtbares Zeichen des Treuebekenntnisses gegenüber der Muttergottes, sondern verkörperte zugleich – das zeigte insbesondere der „Rückgriff“ auf den historischen Bildschmuck an – die Treue zu den althergebrachten Idealen. Einen anderen Sinngehalt transportierte wiederum das für die zentrale Millenniumsfeier der Christianisierung Polens (1966) 1965 entworfene und an das ursprüngliche Erscheinungsbild der Ikone eng angelehnte Festkleid (Taf. IV). Im Gegensatz zu den mit Schmuck reich bestückten Barockgewändern ist das Millenniumskleid bewusst zurückhaltend gestaltet, seine Wirkung wird durch die gewebte Struktur der Oberfläche bestimmt, in die außer goldenen Lilien vereinzelte Edelsteine und Diamanten eingearbeitet sind. Wie eine „zweite Haut“ wiederholt diese Bildauflage die Gestaltungselemente der Malfläche des darunter liegenden Bildes, eine Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Ikone stellen einzig die von silbernen Engeln gehaltenen goldenen Lilienkronen auf den Häuptern der beiden heiligen Figuren dar. Im Verzicht auf überbordendes Schmuckwerk ist eine Demutsgeste erkennbar, die von dem materiellen Wert hin zu den verborgenen Qualitäten und dem tieferen Sinngehalt der königlichen Würde Marias führt. Mit der engen Anlehnung an das gemalte Original wurde an die ursprünglichen Werte des Marienkultes von Tschenstochau und in einem erweiterten Sinne auch an die Anfänge und die Bedeutung der Christianisierung Polens im Jahre 966 als Grundlage der polnischen Staatlichkeit erinnert.48 Zur Feier des 600-jährigen Jubiläums der Anwesenheit der Schwarzen Madonna in Tschenstochau entstanden gleich mehrere verzierte Schmuckauflagen: Eine triumphale Komponente enthalten das Korallen-Perlengewand von 1981 und das 1982 geschaffene „Kleid der Dankbarkeit“, deren aufwändige Ausstattung und barock anmutende Verzierungsformen an die Höhepunkte der Verehrungsgeschichte der Ikone im 17. Jahrhundert erinnern. Unter weiteren Werken, die nicht als Nationalvotum fungierten, sondern von einzelnen Interessengruppen aus dem genannten Anlass gestiftet wurden, ist das aufgrund seiner inhaltlichen und formalen Gestaltung bemerkenswerte

48 Das Werk wurde von Pater Teofil Krauze, Abt von Jasna Góra, beim Goldschmied Czyżewski (Vorname unbekannt) aus Warschau und den Schwestern der Kongregation Sororum Vestiariarum Iesu in Auftrag gegeben. Er initiierte außerdem 1969 die Anfertigung des Korallengewandes.



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Abb. 8  Hetmans­ gewand mit militä­ rischen Abzeichen des 20. Jahrhunderts, 1977. Stiftung der Generäle der Zweiten Polnischen Republik, ausgeführt von ­Leon Machowski. Klostersammlungen von ­Jasna Góra.

sogenannte „Hetmansgewand“ (Sukienka Hetmańska) hervorzuheben (Abb. 8).49 Es wurde von den Generälen der Zweiten Polnischen Republik anlässlich der 600-Jahrfeier gestiftet und 1977 am Jahrestag der Schlacht bei Monte Cassino (1944) geweiht.50 Entgegen der in Tschenstochau tradierten Form des Kleides bedeckt hier eine 49 Für die Ausschmückung der Originalikone waren einzig die unter der Aufsicht der Pauliner entstandenen und zum Nationalvotum erklärten Bildauflagen bestimmt, während weitere Gewänder vielmehr an Kopien des Gnadenbildes in der Klosterkirche von Jasna Góra oder an anderen Orten auf dem Klostergelände, u. a. den dort befindlichen Museen, präsentiert wurden. Das ungewöhnliche „Gewand der konzilianischen Taten der Güte“ (Sukienka Soborowych Czynów Dobroci) stiftete beispielsweise 1964 die Pfarrei ­Wyszyny (Diözese Poznań/Posen) anlässlich des Zweiten Vatikanums, wobei unter Verwendung herkömmlicher Naturstoffe wie Holz, Ähren oder Stroh ein äußerst prunkvolles Erscheinungsbild erzeugt wurde. Golonka, Jan/Żmudziński, Jerzy: Skarbiec Jasnej Góry [Die Schatzkammer von Jasna Góra]. Częstochowa 2000, 307. 50 Kurpik (wie Anm. 2), 198 f.; Smulikowska (wie Anm. 4), 86. Mit dem Hetmansgewand wurde die Originalikone nie bekleidet, lediglich ihre Kopie. Die Initiative zur Entstehung und der Entwurf des Hetmansgewandes gehen auf Pater Eustachy Rakoczy, Kaplan der Unabhängigkeitssoldaten (kape-

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Metallauflage in Form eines Oklads51 die gesamte Bildfläche einschließlich des Bilderrahmens bis auf die Gesichter und Hände der Figuren. Als Hauptelemente der Verzierung weisen 272 militärische Abzeichen auf den Einsatz der polnischen Armee auf den Schlachtfeldern des Ersten und des Zweiten Weltkrieges im In- und Ausland hin. Sie vergegenwärtigen die Bedeutung der Muttergottes von Tschenstochau in der Militärgeschichte Polens: Als oberste Befehlshaberin, Heerführerin (Hetmanin) und Schutzschild gegen die Feinde Polens steht sie nicht nur für die militärischen Erfolge der polnischen Armee in der Vergangenheit, sondern verkörpert gleichermaßen die Tradition des Freiheitskampfes und die polnische Leidensgeschichte.52 Erinnert wird damit nicht zuletzt an den Bruch in der Militärgeschichte Polens, der mit der Demobilisierung und Verfolgung der sowjet-kritischen polnischen Kampfeinheiten am Ausgang des Zweiten Weltkrieges einsetzte.53 Von ähnlicher symbolischer Ausdruckskraft war die Gewandstiftung der Gewerkschaft Solidarność aus den Jahren 1981–1983. Dieses sogenannte „Hemd des Internierten“ (Koszula Internowanego) kleidete eine anonyme Bildkopie und war mit Unterschriften der im Zuge des Kriegsrechtes internierten Gewerkschafter bedeckt.54 Die vielen Gewandstiftungen unterstrichen den feierlichen und gesamtpolnischen Charakter des Tschenstochauer Jubiläums von 1982 und bestätigten den besonderen Stellenwert der polnischen Marienverehrung in Verkörperung der Nationalikone. Sie lan Żołnierzy Niepodległości), sowie den ausführenden Künstler Leon Machowski zurück. Rakoczy, ­Eustachy: Jasnogórska Hetmanka w tradycji rycersko-żołnierskiej [Die Hetmanin von Jasna Góra in der ritterlich-soldatischen Tradition]. Warszawa 1998. 51 Der aus dem russischen stammende Terminus ‚Oklad‘ meint eine für Ikonen gebräuchliche, aus Silber oder Messing getriebene Verkleidung, die in der Regel die gesamte Bildoberfläche bis auf Gesichter und Hände der Figuren bedeckt. Die geschlossene Form der Metallauflage fand häufig bei Ikonen Verwendung, die mobil in Gebrauch waren. Sie weist auf die Tradition hin, Muttergottesbilder auf die Schlachtfelder mitzunehmen. 52 Zur Militärtradition im Kult der Muttergottes von Tschenstochau s. Porter, Brian: Hetmanka and ­Mother: Representing the Virgin Mary in Modern Poland. In: Contemporary European History 14 (2005) 2, 151–170; Rakoczy, Eustachy: Matka Boża Częstochowska w tradycji rycersko-żołnierskiej [Die Muttergottes von Tschenstochau in der ritterlich-soldatischen Tradition]. In: Studia Claromontana 16 (1996), 5–30. – Die Schlacht bei Monte Cassino hatte im Nachkriegspolen nicht nur aufgrund der sehr opferreichen, aber auch erfolgreichen Beteiligung des 2. Polnischen Korps symbolischen Charakter. General Władysław Anders, der zusammen mit weiteren Befehlshabern des Korps und ­einem Großteil der Soldaten nach dem Abkommen von Jalta aus politischen Gründen im Ausland blieb, wurde im kommunistischen Polen zum Ziel antiimperialer Staatspropaganda. Die Soldaten, die nach Polen zurückkehrten, waren Repressionen ausgesetzt. Unter diesen Vorzeichen wurde die Schlacht bei Monte Cassino in der allgemeinen Wahrnehmung in die Tradition des antikommunistischen Freiheitskampfes gestellt. 53 Im kommunistischen Polen waren die ehemaligen Kämpfer der Polnischen Heimatarmee (Armia ­Krajowa, AK), der größten militärischen Widerstandsorganisation zur Zeit des Zweiten Weltkrieges im besetzten Polen, in besonderer Weise Verfolgungen ausgesetzt. Die unter anderem am Warschauer Aufstand 1944 beteiligten Einheiten wurden aufgrund ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der sow­ jetischen Vorherrschaft nach dem Einmarsch der Sowjetarmee durch das NKWD entwaffnet, ihre ­Offiziere teilweise hingerichtet oder in die Gulags verschickt bzw. standen später in Volkspolen unter Beobachtung. 54 Smulikowska (wie Anm. 4), 86.



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setzten gleichsam eine besondere Frömmigkeitspraxis fort, die im Erneuerungsprogramm Kardinal Wyszyńskis politische Aussagekraft erhalten hatte. Ein Überblick über die Gewandstiftungen lässt aber auch den allmählichen Wandel der symbolischen Bezugsfelder greifbar werden, in denen sich in gewisser Weise gesellschaftlichpolitische Stimmungen abzeichnen: Die Evozierung einer geistigen Erneuerung im Zeichen des Marienkultes von Tschenstochau in den 1960er Jahren wich um 1980 einer immer deutlicheren Politisierung der Gesellschaft und der Religion, die sich im Bildschmuck in den symbolischen Hinweisen auf geschichtspolitische Tabus niederschlug. Angesichts des Todes von Wyszyński im Mai 1981 und der Ausrufung des Kriegszustandes im Dezember 1981 wurde die Feier von 1982 zum Schlüsselereignis, mit dem sich die katholische Kirche des Rückhalts in der Bevölkerung vergewisserte.

Die Nachwendezeit – Marias neue Kleider Die Beendigung des Kriegsrechtes 1983 entspannte die gesellschaftspolitische Lage in Polen nur geringfügig. Immer deutlicher zeichnete sich das Scheitern der Wirtschaftspolitik des Jaruzelski-Regimes ab, welches unter anderem für dessen Kapitulation 1989 und die Einigung mit der Opposition am „Runden Tisch“ ausschlaggebend war. Der Systemwechsel bedeutete für die Kirche, die als Stütze der Opposition und Trägerin der nationalen Identität in besonderer Weise zur Überwindung der Nomenklatura beitrug, einerseits einen moralischen Sieg. Er stellte sie aber andererseits vor die Aufgabe, ihren Platz in der sich formierenden demokratischen Gesellschaft mit zunehmenden Säkularisierungstendenzen und einem sich entwickelnden Meinungs­ pluralismus neu zu definieren. Die katholische Kirche stieg zwar in die Position ­einer der mächtigsten politisch-ideologischen Mitbestimmungskräfte im Land auf, ihre starke Einflussnahme auf die Ausgestaltung des öffentlichen Lebens (auch in normativer Hinsicht) sowie die Ausweitung ihrer Kompetenzbereiche im Schulterschluss mit den rechtskonservativen Kreisen weckten aber gleichzeitig Kritik.55 Spätestens seit dem Wiedererstarken der Linken ab Mitte der 1990er Jahre, das sich 1993 und 2001 in deren Wahlsiegen niederschlug, nahmen antiklerikale Tendenzen deutlich zu. In der Kirche selbst divergierten die Haltungen. Das Episkopat bezog beispielsweise gegenüber einem allzu aggressiven Klerikalismus durchaus kritisch Position. Damit 55 Ausführlicher gehen auf diese Zusammenhänge aus einer kirchenkritischen Perspektive ein: ­Michael (wie Anm. 22), 287–311; Deląg, Marek: Episkopat Polski a wybory parlamentarne i prezydenckie w latach 1991–1995 [Das polnische Episkopat und die Parlamentswahlen von 1991–1995]. In: ­Przegląd Religioznawczy 1 (2010) 235, 59–72; Staszewski, Michał: Państwo–Kościół w Europie Środkowo-Wschodniej. Aspekty instytucjonalno-prawne [Staat–Kirche in Ostmitteleuropa. Institutionelle und rechtliche Aspekte]. Warszawa 1994, 9–21. Aus einer soziologischen Perspektive betrachtet die Entwicklung der katholische Kirche im europäischen Kontext Świątkiewicz, Wojciech: ­Między sekularyzacją i deprywatyzacją. Socjologiczne refleksje wokół polskiej religijności w kontekście euro­pejskim [Zwischen Säkularisierung und Entprivatisierung. Soziologische Reflexionen über die polnische Religiosität im europäischen Kontext]. Katowice 2010.

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büßte die Institution an Geschlossenheit ein, die sie in Zeiten der Nomenklatura ausgezeichnet hatte.56 Diese Entwicklung blieb auch für Tschenstochau nicht ohne Konsequenzen. Angesichts des Fehlens klarer Feindbilder verloren die von ihm verkörperten Topoi der patriotischen Opferbereitschaft und des Freiheitskampfes an Kontur. Negativ wirkte sich in diesem Zusammenhang auch die innere Zersplitterung der Gewerkschaft Solidarność aus. Hinzu kam der Popularitätsverlust ihres einstigen Führers Lech Wałęsa, von dessen Tätigkeit als erster frei gewählter Präsident der Dritten Republik Polen (1990–1995) sich viele frühere Unterstützer und Anhänger distanziert hatten. Gleichzeitig aber konnte die Kirche nach dem Ende der restriktiven Politik des Staates ihre Präsenz im öffentlichen Leben in bisher nicht da gewesener Weise verstärken: durch spektakuläre Bauprojekte sowie mediale Präsenz in eigenen Rundfunk- und Fernsehsendern.57 Zum Flaggschiff des neuen polnischen Katholizismus wurde der aufsehener­ regende Bau einer gigantischen Basilika im Mariensanktuarium von Licheń, einem kleinen Dorf bei Konin (Großpolen).58 Dort entstand durch Spenden, die teilweise aus Übersee kamen, binnen eines Jahrzehnts (1994–2004) die siebtgrößte Kirche Euro­ pas und elftgrößte der Welt.59 Das polnische Episkopat erklärte sie im Jahr 2000 zu einer Votivgabe für das dritte Millennium. Der mit symbolischen Bezügen geradezu überfrachtete Bau legt nicht nur Zeugnis von den katholischen und marianischen Grundfesten der polnischen Nation ab, sondern setzt auch der Überwindung des Kommunismus ein Zeichen. Mit seiner bunten Bilderwelt aus unzähligen, manchmal gar schrillen oder dramatisch überzeichneten Monumenten, die in ihrer Schlichtheit auch 56 Die zum Teil aggressive Agitation von Radio Maryja löste beispielsweise im polnischen Episkopat gespaltene Reaktionen aus. 2003 war eine Sondergruppe der Seelsorge für Radio Maryja (­Zespół ­Troski Duszpasterskiej o Radio Maryja) einberufen worden, um den Sender auf Linie zu bringen. Siehe dazu die Verlautbarung der Katholischen Informationsagentur (Katolicka Agencja Informacyjna) vom 22. Dezember 2005: Prymas Polski: Radio Maryja nie służy jedności Kościoła [Der Primas Polens: ­Radio Maryja dient nicht der Einheit der Kirche]. Mehr zum Thema bei Gąsior (wie Anm. 10), 90– 94. – Untersuchungen zur Überwachung der Kirche durch die Sicherheitsorgane in der Nachkriegszeit förderten in den letzten Jahren auch Erkenntnisse über die Verbindungen der katholischen Kirche zum Staatsapparat zutage, die das Einheitsbild der katholischen Opposition beeinträchtigten. Vgl. dazu den Sammelband Kościoł katolicki w czasach komunistycznej dyktatury. Między bohaterstwem a agenturą [Die katholische Kirche zur Zeit der kommunistischen Diktatur. Zwischen Helden- und Agententum]. Hg. v. Jan Szczepaniak und Marek Lasota. Kraków 2010 (Studia i meteriały Instytutu ­Pamięci Narodowej 3). 57 Seit der politischen Wende von 1989 wurde die katholische Hochschulbildung intensiviert. Außerdem initiierte die Kirche mehrere meinungsbildende Organe, von denen das vom Redemptoristenpater ­Tadeusz Rydzyk gegründete Radio Maryja und der Fernsehkanal TV Trwam die größte Resonanz erfahren. 58 Mit der Architektur und der Symbolik Licheńs setzt sich Małgorzata Omilanowska in diesem Band auseinander. Zur Geschichte des Sanktuariums und seines Bildprogramms s. Gąsior, Agnieszka: Nationale Selbstvergewisserung im Polen der Nachwendezeit: das Marien­heiligtum Licheń. In: Marienkult, Cyrillo-Methodiana und Antemurale. Religiöse Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa vor und nach 1989. Hg. v. Anne C. Kenneweg und Stefan Troebst. Marburg/L. 2009 (Themenheft der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 57 [2008] 3), 292–328. 59 Siehe Taf. I im Beitrag von Małgorzata Omilanowska in diesem Band.



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Rezipienten mit weniger ausgeprägtem Kunstverstand anspricht, vermittelt ­Licheń neben alten Leidens- und Opfernarrativen eine Geschichte des Triumphes, der seinen imposantesten Ausdruck in der Basilika selbst findet. Im Gegensatz zu dem beengten Areal Tschenstochaus und seiner etwas verstaubten musealen Welt wartet ­Licheń mit einem religiösen „Erlebnispark“ auf weiträumigem Gelände mit Erholungsqualitäten auf und setzt damit neue Standards für Polens modernes Pilgerwesen. In der Wahrnehmung der internationalen Pilgerbewegung etablierte sich Licheń mittlerweile als wichtigstes polnisches Wallfahrtsziel neben Tschenstochau.60 Der Erfolg von Licheńs volkstümlicher Religiosität scheint in Tschenstochau die Bemühungen zu beflügeln, sich wieder aktiver in aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen einzubringen bzw. solche anzustoßen und mitzugestalten. Der Schlüssel zum Erfolg Tschenstochaus verbarg sich schon immer in der longue durée seiner Traditionen, die eine Aktivierung historischer Potenziale im Dienste neuer Aufgaben ermöglichten. So bewährte sich auch bei aktuellen Initiativen ein Rückgriff auf tradierte Muster, etwa in den neuen Gewandstiftungen für die ­Tschenstochauer Muttergottes 2005 und 2010 oder der im Jahr 2012 durchgeführten transnationalen Wanderschaft der Ikonenkopie durch Russland, Kasachstan und die Länder Europas.61 Beim zuletzt genannten Vorhaben schloss sich die katholische Kirche Polens mit der orthodoxen Kirche Russlands im Bemühen um den Schutz des (ungeborenen) Lebens zusammen. Neu bei dieser Aktion war nicht nur ihre geographische Ausdehnung, sondern vor allem ihre ökumenische Dimension. Nach einer lange währenden Divergenz beider Konfessionen, deren Ausdruck u. a. die bereits angesprochenen Vereinnahmungstendenzen hinsichtlich der Schwarzen Madonna zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren,62 diente nun gerade dieses Bild, um beide Konfessionen an die gemeinsame Wurzel ihrer Frömmigkeitspraxis – die Ikonenverehrung – zu erinnern und ihre Kräfte für eine übergeordnete Zielsetzung zu bündeln. Nebenbei sollte damit aber auch der Tschenstochauer Muttergottes transnationale Geltung verschafft werden. Während dieses ambitionierte Unterfangen in Polen jedoch nur lokal, vor allem in den direkt involvierten Pfarreien, Resonanz erfuhr, sorgte die Anfertigung eines neuen Gewandes im Jahre 2010 für medialen Wirbel.

60 Licheń orientiert sich an den vom Tschenstochauer Sanktuarium gesetzten Maßstäben und nimmt auf dieses auch direkt Bezug. So befindet sich beispielsweise auf dem Gelände eine Kirche der Muttergottes von Tschenstochau, die sich in ihren architektonischen Formen an die Basilika von Jasna Góra anlehnt. Dem Pilger wird damit die Möglichkeit geboten, in Licheń auch der Verehrung der Schwarzen Madonna nachzugehen. 61 Die mit dem Motto „Von Ozean zu Ozean“ überschriebene Aktion dauerte vom 28. Januar bis Weihnachten 2012 und verlief von Russland, Kasachstan, Weißrussland, Litauen, Lettland, Polen, über Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien, Slowenien, Kroatien, Italien, Österreich, Liechtenstein, die Schweiz, Deutschland, Belgien, Großbritannien, Irland und Frankreich bis nach Spanien und Portugal. 2013 soll sie auf dem amerikanischen Kontinent fortgesetzt werden. Die Internetseite http:// www.odoceanudooceanu.pl/ informiert über den aktuellen Verlauf der Aktion und bietet reiches Bildmaterial. 62 Siehe dazu Anm. 25.

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Nach über 20-jähriger Pause wurde erst 2005 die Tradition der Gewandstiftungen wieder aufgegriffen. Den offiziellen Anlass dazu gaben das 350-jährige Jubiläum der Verteidigung Tschenstochaus vor den Schweden im Zweiten Nordischen Krieg 1655 sowie der 25. Gründungstag der Solidarność-Bewegung. Mit dem „Kleid des Anvertrauens“ (Sukienka Zawierzenia) sollte aber vor allem der bereits schwer erkrankte Papst Johannes Paul II., mit dem die Entstehung der Solidarność und die Überwindung des Kommunismus in Polen eng verknüpft sind, gewürdigt werden (Taf. V). Der Entschluss zur Anfertigung eines neuen Bildschmuckes soll im Winter 2003 im Vatikan gefallen sein, auf einer Audienz des Tschenstochauer Priors, P ­ ater Marian Lubelski, und in Anwesenheit des Goldschmiedes Mariusz Drapikowski, der das Gewand später ausführte.63 Johannes Paul II. stiftete dafür goldene Kronen, die die Schenkungen von Papst Pius X. von 1910 ersetzten. Dass der Pontifex die fertigen Goldschmiedewerke noch am Vortag seines Todes am 1. April 2005 segnete, verlieh ihnen besondere Geltung. Als ihre wichtigsten gestalterischen Elemente künden mittig angebrachte, gekrönte heraldische Adler, die von Lilienblüten eingefasst sind, vom nationalen Charakter des Marienpatronats in Verkörperung der Tschenstochauer Ikone. Das neue Gewand bleibt in seiner Symbolik sehr zurückhaltend und verlässt sich gänzlich auf die vornehme Wirkung seiner kostbaren Materialien: Gold, Bernstein in verschiedenen Farbschattierungen und Brillanten.64 Auf Johannes Paul II. verweist die eingravierte Devise seines Pontifikats Totus Tuus an der Krone der Muttergottes und im Halsausschnitt ihres Kleides. Auch die goldene Rose in Marias Hand erinnert an die Schenkung der päpstlichen Rose an das Tschenstochauer Sanktuarium während der ersten Heimatreise des polnischen Pontifex 1979 – das Original wird an der Altarwand der Marienkapelle, direkt neben der Ikone präsentiert. Während Polen politischen und gesellschaftlichen Transformationsprozessen unterworfen war, signalisierte die neue Gewandstiftung im Jahre 2005 eine Rückbesinnung auf bestehende Traditionen. Sie erinnert an das antikommunistische Engagement der katholischen Kirche, ihren Beitrag zur politischen Wende 1989 und nicht zuletzt gründet auf dieser besonderen historischen Rolle der Anspruch Tschenstochaus, weiterhin die geistige Hauptstadt der Nation zu sein. Der Tod Johannes Pauls II. verlieh dem Ikonenschmuck zusätzliche Aktualität und regte in der polnischen Öffentlichkeit 63 Die von Pater Lubelski mit Zustimmung Papst Johannes Paul II. initiierte Gewandstiftung führte der Danziger Goldschmied und Bildhauer Mariusz Drapikowski in den Jahren 2003–2005 aus, die Finanzierung unterstützte die Danziger Abteilung der Genossenschaftsbank (Spółdzielcza Kasa Oszczędnościowo-Kredytowa, SKOK). Smulikowska (wie Anm. 4), 85 f.; Kurpik (wie Anm. 2), 202 f. Einen Überblick über die Entstehungsgeschichte und fundierte Beschreibungen geben u. a. Sikorska-Trela, Ewa: Historia bursztynowej sukienki [Die Geschichte des Bernsteinkleides]. In: Niedziela Ogólnopolska 39 (2005), online-Ressource: http://www.niedziela.pl/artykul_w_niedzieli. php?doc=nd200539&nr=29 (30.09.2012) und Pach, Jan: Papieskie korony i bursztynowa sukienka dla Jasnogórskiej Bogarodzicy [Die päpstlichen Kronen und das Bernsteinkleid für die Muttergottes von Jasna Góra] In: Niedziela Ogólnopolska 34 (2005), online-Ressource: http://www.niedziela.pl/ artykul_w_niedzieli.php?doc=nd200534&nr=8 (30.09.2012). 64 Für die Herstellung des ca. 17 kg schweren Gewandes wurden außer Gold etwa 35 kg Naturbernstein und ca. eintausend Brillanten verwendet. Kurpik (wie Anm. 2), 203.



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insgesamt zu Reflexionen über historische Prozesse und aktuelle Wertesysteme an. Mit dem von der öffentlichen Meinung als „größten Polen“ bezeichneten Papst ging aber auch eine übergeordnete moralische Instanz verloren, die auf politische Konfliktkonstellationen beschwichtigend eingewirkt hatte und Respekt gegenüber der Kirche einforderte. Sein Tod mag den innerpolitischen Machtwechsel im Jahr 2005 begünstigt haben, der zunächst eine Stärkung der Position der Kirche im Staat erwarten ließ. Bei der Parlamentswahl im Herbst löste das Bündnis der beiden konservativen Parteien Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtigkeit, PiS) und Platforma Obywatelska (Bürgerplattform, PO) die bisher regierende Linke (Sojusz L ­ ewicy Demokratycznej/Bund der Demokratischen Linken, SLD) ab. Zum ersten Mal seit der Wende von 1989 gelang es damit den zerstrittenen konservativen Kräften, sich gegen die bereits durch eine Reihe von Korruptionsskandalen geschwächten „Postkommunisten“ erfolgreich durchzusetzen. Bei den kurz darauf folgenden Präsidentschaftswahlen übernahm PiS in Person von Lech Kaczyński auch das höchste Amt des Landes (bis April 2010). Der Zerfall des Bündnisses leitete jedoch schon 2007 neue Parlamentswahlen und in deren Folge die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die PO unter Premierminister Donald Tusk ein. In der neuen politischen Konstellation standen sich die Verbündeten von 2005, die nun gemeinsam das Land regierten, zunehmend unversöhnlicher gegenüber. Sie nahmen insbesondere im Hinblick auf die Rolle der Kirche im Staat und deren Einfluss auf das politische Geschehen unterschiedliche Haltungen ein. Der sich immer weiter vertiefende Dissens, der von der aggressiven Berichterstattung der Medien noch verstärkt wurde, eskalierte schließlich nach dem Absturz der Präsidentenmaschine am 10. April 2010 auf dem Flughafen von Smolensk (Russländische Föderation). An Bord befanden sich die 96 Mitglieder einer Präsidentendelegation, die an den Gedenkfeierlichkeiten für die Opfer des Massenmordes an polnischen Offizieren durch das NKWD 1941 bei Katyń teilnehmen wollten. Die in Polen als schicksalhaft empfundene Überlagerung der beiden Tragödien – der von Katyń und der von Smolensk – brachte zunächst die Bevölkerung enger zusammen und weckte die Hoffnung auf politische Aussöhnung, die sich jedoch bald zerschlug. Zum Stein des Anstoßes wurde zunächst ein vor dem Präsidentenpalast in Warschau aufgestelltes Kreuz, das Pfadfinder spontan zum Andenken an die Katastrophenopfer errichtet hatten. Es löste einen Streit um religiöse Symbole im öffentlichen Raum aus und führte schließlich zu einer emotional aufgeladenen Debatte über das Verhältnis von Staat und katholischer Kirche.65 Der Umgang mit den Opfern, die bis heute nicht abgeschlossene Aufklärung der Katastrophe sowie die Informationspolitik der derzeitigen Regierung spalten seitdem die politische Szene des Landes wie auch

65 Den Verlauf des Konfliktes schildert ausführlich der Wikipedia-Beitrag „Krzyż sprzed Pałacu Prezydenckiego w Warszawie“. Er berücksichtigt allerdings hauptsächlich die Berichterstattung der liberalen Presse und vernachlässigt die konservativen sowie kirchlichen Organe. http://pl.wikipedia.org/ wiki/Krzy%C5%BC_sprzed_Pa%C5%82acu_Prezydenckiego_w_Warszawie (30.09.2012).

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die Bevölkerung, so sehr, dass in Polen immer häufiger die Bezeichnung „polnischpolnischer Krieg“ zu hören ist.66 In diese konfliktgeladene Atmosphäre fällt die Entstehung eines neuen Bildschmuckes für die Schwarze Madonna, die Pater Roman Majewski, Prior von Jasna Góra, in Zusammenhang mit der Begehung des 100. Jubiläums der Krönungsfeierlichkeiten von 1910 veranlasste.67 Für diese Stiftung wurde eine Spendensammlung organisiert. Die Sachspenden wurden direkt für die künstlerische Umsetzung des Projektes verwendet: Edelsteine, Korallen und wertvolle Schmuckgegenstände fanden an der äußeren Hülle des Gewandes Platz, während die einfacheren Schenkungen in das Unterfutter eingearbeitet wurden, samt der verkapselten Gebetstexte der Paulinermönche (Taf. VI). Die breite Resonanz in der Bevölkerung auf die von den katholischen Medien begleitete Aktion legitimierte die Bezeichnung des Gewandes als ein Votum der polnischen Nation an ihre Königin. Den Charakter einer gesamtpolnischen, den allgegenwärtigen Marienschutz in Vergangenheit wie Gegenwart lobpreisenden Gabe sollte auch die Betitelung des Werkes als „Kronen und Gewand der Liebe, der Dankbarkeit, des Leidens und der Hoffnung“ (Korony i Szata Miłości, ­Wdzięczności, Cierpienia i Nadziei) vermitteln. Bereits am 3. März, noch während das Gewand im Entstehen war, erteilte Papst Benedikt XVI. den neuen Kronen seinen Segen. Die feierliche Weihe und die Anbringung des Ikonenschmuckes am 10. September 2010 waren ein multimediales Event, das mehrere tausend Pilger anzog.68 Ein symphonisches Konzert der ­Tschenstochauer Philharmonie umrahmte die Feierlichkeiten. Es wurde vom international renommierten Komponisten Piotr Rubik dirigiert, der auch die Musik zum Text des Krönungsliedes des Autors Jacek ­Cygan schuf. Während der Aufführung wurden in einer opulenten Lasershow die Umrisse der Tschenstochauer Madonna in den nächtlichen Himmel über dem Klosterberg projiziert und damit der Aktualität der marianischen Frömmigkeit im technischen Zeitalter ein Zeichen gesetzt. Im Zentrum der feierlichen Messe 66 Die Lage fasst überblicksartig zusammen Gnauck, Gerhard: Die Sprache des Hasses. Polen im Krieg gegen Polen. In: Neue Zürcher Zeitung, 09.01.2013, online-Ressource: http://www.nzz.ch/aktuell/ feuilleton/uebersicht/polen-im-krieg-gegen-polen-1.17927507 (09.01.2013). 67 In einer vom Paulinerkloster anlässlich der feierlichen Übergabe des Gewandes an die Marienikone herausgegebenen Publikation werden die Entstehungsumstände, die Symbolik und die Zeremonie geschildert. Królowa w nowych szatach. Uroczyste nałożenie Wotum Narodu Polskiego  – Koron i Szat Miłości, Wdzięczności, Cierpienia i Nadziei 4 września 2010 r. [Die Königin in neuen Gewändern. Die feierliche Aufsetzung des Votums der Polnischen Nation – der Kronen und der Gewänder der Liebe, der Dankbarkeit, des Leidens und der Hoffnung am 4. September 2010]. Hg. v. Jan Pach. Częstochowa 2011. Die folgende Beschreibung des Gewandes stützt sich, wenn nicht anders vermerkt, auf diese Publikation. 68 Aus der medialen Berichterstattung über das Ereignis seien die folgenden Meldungen beispielhaft genannt: Steinhagen, Dorota: Jasna Góra: Nowe szaty Królowej [Jasna Góra: Neues Gewand der Königin]. In: Gazeta Wyborcza, 05.09.2010, online-Ressource: http://czestochowa.gazeta.pl/czestochowa/ 1,35271,8337762,Jasna_Gora__Nowe_szaty_Krolowej.html (20.05.2011); o. A.: Czarna Ma­donna ma sukienkę z meteorów i Tupolewa [Schwarze Madonna hat Kleid aus Meteoriten und Tupolew]. In: Dziennik Zachodni, 11.08.2010, online-Ressource: http://www.dziennikzachodni.pl/artykul/293349,czarnamadonna-ma-sukienke-z-meteorow-i-tupolewa,id,t.html?cookie=1 (20.05.2011).



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standen jedoch die symbolischen Inhalte der Gewandstiftung und ihre Interpretation im Kontext der Frömmigkeitspraxis und der aktuellen gesellschaftspolitischen Situation. Für die künstlerische Konzeption des Werkes zeichnete wieder der Schöpfer des Bernsteingewandes von 2005, der Danziger Goldschmied Mariusz Drapikowski, verantwortlich. Mit einem komplexen Schmucksystem wollte er einen Krönungsornat schaffen, der Würde und Autorität der Muttergottes unterstreicht und gleichsam in seiner verschlungenen Symbolik mariologische mit historischen Bezügen verknüpft. Unzählige plastische Gestaltungselemente verband er zu einer flächig-monumentalen Struktur mit fast archaischer Wirkung.69 Die Farbigkeit des Originalgemäldes blieb dabei erkennbar. Die allgegenwärtige Präsenz der Muttergottes sollte sich in diesem Werk symbolisch auf zwei Ebenen – einer transzendenten und einer nationalen – manifestieren. Die in das Kleid integrierten seltenen Meteoriten von Mond, Mars und Merkur sowie die dem Sternennimbus und der Krone immanenten apokalyptischen Bezüge vergegenwärtigen im Werk Drapikowskis die kosmische Dimension der marianischen Herrschaft. Eine Aufnahme des nächtlichen Himmels durch das vatikanische Teleskop regte ihn zur plastischen Umsetzung des Mariengewandes unter Verwendung von Labra­doriten, Opalen, Saphiren, Brillanten und Mondsteinen an. Durch Steinfragmente aus der Geburtsgrotte in Nazareth und vom Golgathaberg wird auf den irdischen Werdegang Christi und sein Erlösungswerk Bezug genommen. Andere Elemente wiederum verorten die Darstellung in der polnischen Gegenwart. Dazu gehört nicht nur das weiß-rote Band, das sich um die Zacken der Marienkrone windet, sowie die in die Säume des Marienmantels und des Maphorions eingravierten Texte der Hymnen an die Königin von Polen70 (Taf. VII). Am auffälligsten verweist darauf das ungewöhnliche Motiv des über die rechte Schulter Marias verlaufenden Elektrokardiogramms (EKG) – eine in Gold gegossene Abbildung des Herzschlages der Nation. Inspiriert wurde dieses Gestaltungselement, so Drapikowski, durch die Tschenstochauer Predigten Johannes Pauls II. von 1979, der mehrfach die Metapher des mütterlichen Herzens Mariens, das in den Tschenstochauer Mauern schlage, verwendete.71 Die in das EKG eingravierten Devisen des Papstes Totus Tuus sowie des Kardinals Wyszyński Soli Deo per Mariam (Dem einzigen Gott durch ­Maria) erinnern nicht nur an diese beiden historischen Leitfiguren des polnischen Nachkriegskatholizismus, sondern auch an 69 Auf die Beschaffenheit der einzelnen Gewandbereiche geht Rozanow, Zofia: Niebiańska szata [Himmlisches Gewand]. In: Niedziela 36, 05.09.2010, online-Ressource http://www.pielgrzymka. konin.pl/index.php?option=com_content&view=article&id=673:nowy-stroj-czstochowskiej-pani&catid=41:maryjno&Itemid=106 (10.11.2012) genauer ein. 70 Eingraviert wurden die Hymnentexte von „Z dawna Polski Tyś Królowo“ [Von alters her bist Du die Königin Polens] sowie „Pod Twoją obronę“ [Unter Deinen Schutz]. Den ersten bezeichnete Johannes Paul II. 1997 in einer Predigt in Tschenstochau als zweite Nationalhymne. Królowa w nowych szatach (wie Anm. 67), 196. 71 So die Aussage Drapikowskis im Film „Prawdziwie spadła z nieba“ [Sie fiel wahrlich vom Himmel] von 2010: http://www.youtube.com/watch?v=PvaVrH21v8g (15.10.2012).

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die besondere Bedeutung des Marienpatronats für die Selbstverortung der Kirche und das Wiedererstarken des nationalen Selbstbewusstseins unter dem kommunistischen Regime, die zum Systemsturz 1989 beitrugen. Die kleinen, aus der Ferne nur als Ornament wahrnehmbaren Textgravuren stehen hier beispielhaft für eine größere Anzahl verborgener Gestaltungselemente, deren Bedeutung sich nur dem wissenden Betrachter erschließt. Für ein tieferes Verständnis der intendierten reichhaltigen Symbolik legten die Pauliner zum ersten Mal eine Begleitpublikation vor und dokumentierten die Entstehungsgeschichte des neuen Schmuckwerkes in einem einstündigen Film „Prawdziwie spadła z nieba“ (Sie fiel wahrlich vom Himmel).72 Das öffentliche Interesse wurde vor allem durch die Absicht geweckt, ein ­kleines Fragment der am 10. April 2010 abgestürzten Präsidentenmaschine in das neue Gewand zu integrieren. Dieses wurde in den Medien zunächst als Geschenk des russischen Volkes bezeichnet, bis der Tschenstochauer Prior Roman Majewski in einer Predigt Ende April 2010 erklärte, das Flugzeugfragment sei dem Einsatz einer polnischen Nonne zu verdanken, die es direkt nach der Katastrophe am Unglücksort aufgelesen und nach Polen gebracht habe.73 Der Goldschmied Drapikowski setzte es an eine wenig sichtbare, jedoch symbolische Stelle des Bildschmuckes ein: In eine Gewandfalte am Fuß Christi (Abb. 9). Wahrscheinlich erst nachträglich wurde daneben ein wie durch ein Wunder erhaltener Ehering platziert, den während des Zweiten Weltkrieges ein Häftling aus dem Deportationszug nach Auschwitz geworfen hatte.74 Seine Hinzufügung hob den Hinweis auf die innenpolitisch brisante Smolensk-Katastrophe auf eine allgemeinere symbolische Ebene – zusammen verkörpern beide historischen Zeugnisse die Opfer der Nation im 20./21. Jahrhundert. Nachdem sich die Tragödie von Smolensk gleichsam zum Kampfplatz der innenpolitischen Auseinandersetzungen entwickelt hatte, wurde die Verwendung des Flugzeugfragmentes zwangsläufig zu einem Politikum. Kritisiert wurde die Entwendung eines „Beweisstückes“ vom Ort des Unglücks. Demgegenüber wurde die Meinung vertreten, dass man es aufgrund seiner geringen Größe bei der Unfallrekonstruktion vernachlässigen könne und der symbolische Gehalt des Blechfragmentes seine ­„Beschaffung“ begründe und legitimiere.75 Die Tat wurde letztendlich nicht geahndet. 72 Ebd.; Królowa w nowych szatach (wie Anm. 67). 73 Zakonnica, przepędzana przez żołnierzy zdobyła kawałek Tu-154 dla Jasnej Góry [Durch Soldaten vertriebene Nonne eroberte ein Stück der Tu-154 für Jasna Góra]. In: Częstochowa nasze miasto, 29.04.2010, online-Ressource: http://czestochowa.naszemiasto.pl/artykul/394844,zakonnica-przepedzana-przez-zolnierzy-zdobyla-kawalek-tu,id,t.html (15.05.2011). 74 Der in einen Papierfetzen mit Adresse eingewickelte Ring wurde gefunden und der Ehefrau des Häftlings zugestellt, die ihn Jahrzehnte später dem Tschenstochauer Kloster schenkte. 75 Folgende Berichte mögen stellvertretend die gegensätzlichen Haltungen zum Thema illustrieren: Akt wielkiej odwagi; zakonnica zdobyła fragment samolotu [Akt großen Mutes: Nonne eroberte Flugzeugfragment]. In: wp.pl wiadomości, 29.04.2010, online-Ressource: http://wiadomosci.wp.pl/ kat,1342,title,Akt-wielkiej-odwagi-zakonnica-zdobyla-fragment-samolotu,wid,12222429,wiadom osc.html?ticaid=1fee1 (15.05.2011); Mamoń, Marek: Kawałek tupolewa na Jasnej Górze. Czy to legalne? [Ein Fragment der Tupolew auf Jasna Góra. Ist das legal?] In: Gazeta wyborcza, 29.04.2010,



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Abb. 9  Kronen und Gewand der Liebe, der Dankbarkeit, des Leidens und der Hoff­ nung, 2010. Detail mit dem Flugzeugfragment und dem Ehering, Gewandfalte am Fuß des ­Christuskindes.

So konnte der Eindruck entstehen, die Autorität der Schwarzen Madonna sei der staatlichen Rechtsprechung überlegen und enthoben. Die Kirche spielte hinsichtlich der zeremoniellen Ausgestaltung der Trauerrituale um und im Andenken an die Opfer von Smolensk eine wichtige Rolle. Es schien geradezu selbstverständlich, dass das im Entstehen begriffene Ikonengewand diese zu berücksichtigen habe. Das Gewand wurde somit als Träger der Erinnerung an die nationale Tragödie verwendet. Mit diesem Werk verbanden sich aber noch weitere Intentionen, die Erzbischof Józef ­Kowalczyk, Primas von Polen, in Anlehnung an die Worte Papst Johannes Pauls II. in seiner Predigt zur Krönungsmesse am 4. September 2010 formulierte: „Möge das Streben nach Gemeingut zur Überwindung von Egoismen und Spaltungen führen, mögen alle Machthabenden in Dir [der Mutter­gottes, A. G.]

online-Ressource: http://czestochowa.gazeta.pl/czestochowa/1,35271,7831612,Kawalek_tupolewa_na_ Jasnej_Gorze__Czy_to_legalne_.html (15.05.2011); Paulini muszą oddać fragment tupolewa [Die Pauliner müssen das Fragment der Tupolew zurückgeben]. In: Fakt, 03.05.2010, online-Ressource: http:// www.fakt.pl/Paulini-musza-oddac-fragment-tupolewa,artykuly,70889,1.html (15.05.2011).

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die Magd des Herrn erkennen, von der sie lernen, mit Klugheit die Bedürfnisse der Landsleute zu begreifen und ihnen zu dienen.“76 Vor dem Hintergrund der aktuellen Gemengelage in der polnischen Politik und Gesellschaft lassen diese Worte eine doppelte Lesart zu. Sie sind einerseits Ausdruck der Sorge um das innenpolitische Zerwürfnis. Die katholische Kirche, vertreten durch ihr Oberhaupt Erzbischof Kowalczyk, bezog zunächst die Position des Schlichters. Die Anwesenheit der Muttergottes in Gestalt der Nationalikone verlieh dieser Haltung Autorität. Im Appell an die politische Führung des Landes klang aber gleichzeitig auch Kritik an, die der Opposition in die Hände spielte. Bis heute ist keine Lösung des innenpolitischen Konflikts um die Katastrophe von Smolensk abzusehen. Die katholischen Medien nehmen vor allem auf der Seite der Opfer und deren Vertreter regen Anteil am Geschehen. Das Tschenstochauer Kloster wiederum spielt eine wichtige Rolle als Ort des Gedenkens an das Unglück. Vor dem Hintergrund der verhärteten Fronten birgt dieses Engagement unabhängig von der damit verbundenen Intention auch eine politische Aussage. Ob in dieser Situation die Schwarze Madonna ihre Geltung als nationales identitätsstiftendes Symbol beibehalten kann oder sich zum Bezugspunkt eines „Interessenlagers“ entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Eines wird jedoch deutlich: Auch im Polen der Nachwendezeit und gerade angesichts des gesellschaftlichen Dissenses hat Jasna Góra seine Aktualität bewahren und gegenüber neueren, international attraktiven Kultorten (wie etwa ­Licheń) als das höchste nationale Heiligtum bestehen können. Zentral dafür ist, dass die Muttergottes von Tschenstochau stets unverändert und wandelbar zugleich geblieben ist. Sie verkörpert einerseits die Tradition und wird andererseits von neuen Inhalten überlagert. Die Inszenierungen der Ikone mit neuen Gewändern spielen bei diesen Aktualisierungen eine wichtige Rolle. Sie überziehen die Madonna mit neuen Bedeutungsebenen und ermöglichen symbolische Umkodierungen, von denen die Ikone selbst aber unbeeinträchtigt bleibt. Ihre Bekleidung ist gewissermaßen eine Verkleidung, die abhängig von den Intentionen der Auftraggeber und den aktuellen Umständen Interpretationsangebote eröffnet. In der Kultpraxis bringt diese Verehrungsform eine besondere Ehrerbietung zum Ausdruck, wird aber seit der Mitte des 20. Jahrhunderts auch immer stärker mit einem politischen Anspruch verbunden. Selbst wenn zunehmend die Rolle der Kirche und ihr Wertesystem in der pluralistischen Gesellschaft Polens hinterfragt werden, behält die Muttergottes von Tschenstochau ihr symbolisches Potenzial und fungiert als Gradmesser innenpolitischer Stimmungen.

76 „Niech pragnienie dobra wspólnego przezwycięży egoizm i podziały, niech wszyscy sprawujący posługę władzy widzą w Tobie służebnicę Pana, uczą się służyć i rozpoznawać z mądrością potrzeby rodaków.“ Zit. n. Steinhagen (wie Anm. 68).

O u r L ad y of K a tyń * Ewa Klekot

On 13 April 2008 the Remembrance Day for Katyń Victims was celebrated by solemnly blessing a bullet-pierced human skull placed in the glass reliquary located behind a small, wooden image of the Virgin in the Katyń Chapel Mausoleum in the Warsaw military basilica (plate I, III). The skull of a Katyń victim, Major ­Ludwik Szymański, had been placed there the previous evening in the presence of the officer’s son and his family. With this ceremony the tiny image of the Madonna, a hand-made copy of the Ostra ­Brama (Vilnius/Wilna) miraculous image (fig. 1), became visually dominated by the relic. “We succeeded together in a big battle for memory, for tradition, for the truth about Katyń”, said Bronisław Komorowski, the President of the ­Sejm, the Lower Chamber of Polish Parliament, on this occasion.1 However, one could actually wonder what sort of victory was really epitomized in the act of imposing the hard materiality of Major Szymański’s skull over the representative power of a religious image, namely the one called the Katyń or Kozelsk Madonna.2 The name of “Our Lady of Katyń, or Kozelsk” has been given to several images of the Madonna of which all but one were produced by POWs in Soviet prison camps and thereafter found their place in Polish churches and chapels all over the world.3 Furthermore, all of them were reproduced in multiple copies called by the same name – Katyń or Kozelsk Madonnas. I would like to focus here on two of these images: first, on the one placed in the Katyń Chapel Mausoleum in Warsaw and second, on the only one that does not share the relic characteristics possess related to the Kozelsk-

* This text is concerned with the image of the Katyń or Kozelsk Madonna (the so-called “Our Lady of Katyń”) and was written before the plane crash of Smolensk on 10 April 2010. Therefore, it does not cover political uses of symbols and images in the context of the crash, nor any crash-related political struggles in Poland that followed the 10 April accident. 1 Czaszka zamordowanego oficera spoczęła w Kaplicy Katyńskiej [The skull of the murdered officer was interred in the Katyn chapel], information signed: alx, jas, PAP, IAR z dn.13/04/2008, http://­ wiadomosci.gazeta.pl/1,80708,5114647.html (31.05.2009). In 2010, following the early elections after the Smolensk crash, Komorowski became President of the Republic. 2 Kozielsk is the name of the prison camp where Polish officers had been held before their execution by the NKVD (Narodny Kommissariat Wnutrennich Del/People’s Commissariat for Internal Affairs) in the forest of Katyń in Spring 1940. However, “The Katyń Massacre” is the general name used for the mass executions of Polish citizens, mostly military and police officers, ordered on 5 March 1940 by the Soviet authorities and carried out in the Soviet territory at several locations of which only Katyń fell under Nazi German occupation in 1941 and became widely known in 1943 when the discovery of mass graves of Polish officers was made public by the Nazi media. 3 Siomkajło, Alina: Katyń w pomnikach świata [Katyń Memorials Around the World]. Warszawa 2002, 35–47.

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Fig. 1  Madonna of Ostra Brama in Vilnius. Contemporary photo­ graphic holy card.

camp origin which the others.4 Following the fate of both images, as well as the way they have been contextualized before and after 1989, and subsequently attempting to grasp their symbolic meaning, I would like to trace the changes and modifications of what Komorowski calls “Polish memory”. I believe that because of their different iconography and contextualization both images convey different concepts of the recent ­Polish past and stand for different politics of history. The image displayed today in the Katyń Chapel is a relic. The picture representing the Madonna from Ostra Brama was rendered by one of the prisoners of the K ­ ozelsk 4 Alina Siomkajło, an art historian writing on Katyń monuments around the world, mentions ­five camporiginating images of which three are today displayed in churches: two in Warsaw (one, since 2002, in the Katyń Chapel Mausoleum and another one, also since 2002, in the Jesuit church of St. ­Andrzej Bobola in Rakowiecka street), and one in Cracow/Kraków (since 1997) in another Jesuit church by the name of St. Andrzej Bobola; cf. Siomkajło (cf. n. 3), 35–41.



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camp, Lieutenant Henryk Gorzechowski5 on the occasion of his son’s nineteenth birth­day (plate II). Gorzechowski used a small fragment6 of a pinewood board from his own plank bed, drawing the carved image with a knife, and with the same tool, writing on its reverse side the date and the place: “Kozielsk [Polish spelling of the place name] 28-II-1940”. Some two and a half months later Henryk Gorzechowski was killed in Katyń, but his son (and fellow inmate) was among the few survivors transferred to another camp, and he took the image with him. Therefore, the image of the Katyń Madonna never shared the grave with its creator; on the contrary, it travelled with his son all the way to his freedom through the Soviet camps and World War II fronts, surviving the wrecking of a British warship, and finally landing in his post-war home in Gdynia, Poland. In the 1990s the lieutenant’s grandson handed the image over to the Katyń Foundation in Warsaw, and in September 2002 it was placed in the Katyń Chapel Mausoleum as the main altar image.7 In the chapel the Madonna received a thin golden frame and a halo made of the button-relics of military garments excavated from the mass graves of the Katyń ­Massacre victims (plate II). However, the image is not a relic like the buttons used for the halo – it never went into the grave with its author, but, on the contrary, according to its owner, it saved him from that fate.8 All the elements, the wooden image and the halo, have been mounted in a glazed niche, crowned by the prominent figure of a flying eagle made of amber and gold (the eagle being the national symbol of Poland). The niche is in the middle of a tall white Carrara marble block bearing the Latin motto “vinctis non victis,” or “vanquished but not defeated” carved into its upper part. The chapel, designed by the architects Konrad Kucza-Kuczyński and Andrzej Miklaszewski, was inaugurated on 15 September 2002. Since April 2008 the bullet-pierced skull, placed behind the image and slightly above it, has been overlooking the Madonna made by Lieutenant Gorzechowski in the same glass reliquary (plate III). Beneath the niche, a large brass cross of the Order of Military Virtue has been attached to the same white marble wall. An urn containing ashes from the Katyń graves has been placed in front of the wall of the altar mensa, which is executed in grey marble; the urn has been decorated with the Polish military emblem of an eagle. The chapel walls are covered with 15,500 inscriptions of the names and ranks of the Katyń massacre victims. The second image of “Our Lady of Katyń” on which I would like to focus is an engraving (linocut) executed by the artist Anna Danuta Staszewska in 19719 or 197210 (fig. 2). According to the Polish journalist and opposition activist Antoni Zambrowski,   5 All the officers killed in the Katyń Massacre were posthumously promoted by the President of The Republic of Poland in November 2007; referring here to “lieutenant” I use the rank he occupied when he was killed; Major Szymański was killed as a captain and was promoted in 2007.   6 13.5 cm × 8.5 cm × 0.65 cm, cf. Siomkajło (cf. n. 3), 36.   7 Ibid.   8 Matka Boska Kozielska. In: Tygodnik Powszechny, 23.09.2007.   9 Ibid., 45. 10 Zambrowski, Antoni: Matka Boska Katyńska [The Madonna of Katyń], published 2004 in: http:// www.asme.pl/1077651227,92077,.shtml (31.05.2009).

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Fig. 2  Anna Danuta Staszewska: Our Lady of Katyń. 1971 or 1972. Linocut.

who was personally acquainted with the late artist, also an active member of the Catholic opposition milieu, the print had been copied from a painting already in existence and created by the same artist in 1968 and kept in her Warsaw flat.11 The print, ­titled by the artist “Pieta I” or “Madonna of the Executed”, is a part of her series ­“Lamentations”. In 1973 the black-and-white linocut was exhibited in the biggest Warsaw state-owned and very prestigious art gallery, Zachęta, under the title “To the Fallen”.12 The alternative title was given to the print in order to misdirect censorship by avoiding any direct associations with the Katyń Massacre, one of the subjects avoided by the regime  – at that time the official version blamed the Nazis for the Katyń killings.

11 Ibid. 12 Siomkajło (cf. n. 3), 45.



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The print presents a veil-covered woman lowering her head over the head of a dead man whom she is enclosing in her hands with elongated fingers. The face of the woman is almost invisible, as her head is inclined toward the man’s shaven head; the latter, appearing in the foreground, is shown from the back, half-covering the face of the woman. In the back of the bare male head resting in the woman’s emaciated hands there is a clearly visible bullet hole. It is not completely apparent whether or not the head of the woman is surrounded by a white halo – it may be just shown against the full moon in the darkness of a night. The long, strong lines of linocut give an impression of a solemn feeling of monumentality, while the black background with the flat, white, halo circle, or moon, increases the dramatic tension and the gravity of the represented scene. The gesture of the Madonna’s hands, both supporting the head and tenderly stroking the nape of the dead man leaning towards her breast resembles the gesture of a mother cuddling an infant that cannot yet hold his head straight. The emotional message of the image is that of a Pietà, although the dead man does not resemble Jesus and has no halo around his head. According to Zambrowski, it was on the 40th anniversary of the Katyń Massacre in April 1980 when the actor Maciej Rayzacher brought his friend and professional ­photographer to the Staszewskis’ in order to make photographic copies of the print. The plan was for the copies to be distributed at the entrances to Warsaw churches. The action was cancelled at the last moment by Henryk Wujec, an activist of the ­underground opposition organization KSS KOR (Komitet Samoobrony Spo­łecznej Komitetu Obrony Robotników/Committee for Social Self-Defence of the Workers’ Defence Committee), but several copies leaked out and underground circulation of the image began.13 The image became very popular in the 1980s and was widely reproduced by underground media printers but never bore the author’s name. It appeared in the form of photographic prints distributed as “Our Lady of Katyń”, was reproduced on underground stamps, separately or in sets, or as a part of the Polish Madonnas series inscribed either with “Poczta So­li­darność” (Solidarity Post), “Poczta Nie-zależna” (Independent Post) or ­“Polska Solidarność” (Poland Solidarity) (fig. 3). During the 1980s it was only published once officially, again without the author’s name and this time, for obvious reasons, without any Katyń-related title. 13 Zambrowski (cf. n. 10).

Fig. 3  Stamp printed by underground press in 1980s.

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The book in which it appeared in 1983 was a luxury edition in cloth, lavishly illustrated with photographs and engravings, published by the PAX editions, one of the few authorized Catholic publishing houses existing in Poland under the state socialist regime. The publication was entitled “Bogarodzico-Dziewico. Polski almanach maryjny” (Thou, Mother of God – the Virgin14. The Polish Marian Almanac).15 In this book, containing pious texts, pastoral letters, and other inspirational readings, prayers, poetry, and images, there is a full-page reproduction of “Our Lady of Katyń” by Anna Danuta Staszewska, without any caption today.16 On the next page there is a pious text of a meditation written in 1940 by Father Maksymilian Kolbe in which he is entrusting himself to the Virgin. Contextualization of the image with Kolbe’s text from 1940 could work both as a hint (1940 is the year of the Katyń Massacre), or as camouflage because Kolbe was murdered in Auschwitz by the Nazis, who also led mass shootings of Polish civilians working in general government positions as a part of their policy of intimidation. There is a list of illustrations at the back of the book, and under the entry “illustration on page 294” there is no author’s name, but rather a description saying: “an image of the Virgin from the years of the War, woodcut”. If the lack of an author’s name, dating the image back to World War II and its contextualization together with Father Kolbe’s text could be understood as a conscious intent to mislead censorship, the mistake in naming the artistic technique suggests that Staszewska did not know about the publication, at least when the book was being prepared. In 1991 the same publishing house again used this iconographic version of the Katyń Madonna for the cover of one of the first officially published books on the Katyń Massacre, “Mord w Katyniu” (The Murder in Katyń) by Jędrzej Tucholski. This time, however, it was not the original black-and-white linocut that had been reproduced but an anonymous colour copy of the Staszewska original print, one of countless copies and reproductions of her composition circulating in the 1980s and afterwards. In the 1980s the image of “Our Lady of Katyń” in Staszewska’s version began functioning in the same way other popular devotional prints had always done, in other words, not as a work of art but as a pious, and in this case, patriotic holy card. It was also for this reason that both the authorship and the copyright were not an issue. “Our Lady of Katyń” had been appropriated by popular imagery, and came to be reproduced in the same way as the famous images of the Virgin or other saints had been reproduced since the Middle Ages.

14 The first part of the title – “Bogarodzico-Dziewico” – is the opening line of the earliest Polish hymn to the Virgin Mary and St. John the Baptist as mediators between Jesus Christ and sinners (dated to the 11th or 12th century although written down only in the early 15th), simultaneously one of the earliest existing texts in Polish and a cherished monument of national heritage and popularly claimed to be the first national anthem. 15 Bogarodzico-Dziewico. Polski almanach maryjny [Thou, Mother of God – the Virgin. The Polish ­Marian Almanac]. Ed. Antoni ­Podsiad. Warszawa 1983. 16 Ibid., 294.



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In 1980 Anna Danuta Staszewska donated her original linocut to the Katyń Institute17, an underground civil organization founded in April 1979 by Adam Macedoński, an oppositionist from Cracow. After 1990 “Our Lady of Katyń”, based on the iconography created by Staszewska, continued to be widely copied in different variants in paintings, sculptures, bas-reliefs, and other techniques. Some of the works were closer to the original linocut, some took the liberty of changing proportions, dressing the dead man in a military uniform, etc. However, the theme of a Pietà in which the Madonna holds the head of a shot man shown from the back has always been retained. The man in the Katyń Madonna image is shown from the back not only to demonstrate his wound but also to make him more anonymous, standing for all the victims of the massacre, assassinated with a bullet fired from the back. In 1990 a folk carver from Grzechynia in southern Poland, Stanisław Bałos, produced a bas-relief inspired by Staszewska’s composition. The board used for the image was brought from Kozelsk18, giving it the character of a relic, which the original linocut was lacking. However, considering the Bałos version from an aesthetic point of view, it is clear that in his piece Staszewska’s work really was made popular. Bałos’s “Our Lady of Katyń” is devoid of the implicit character of Staszewska’s representation. His Madonna presents a clearly drawn halo surrounding her veil-clad head, her face is much more visible (only the mouth is covered by the man’s head), and the gesture does not have either the intimacy or the expressiveness of the tender but painful hands and the long, gnarled fingers of Staszewska’s image. The dead male body in Bałos’s image looks stiff, as if the shot man were standing in front of the Madonna. The bas-relief is also painted in colours. I have described in detail the Bałos version because it is his bas-relief based on ­Staszewska’s linocut that has been used for the logo of the foundation “­ Golgota Wschodu” (The Golgotha of the East), founded by the Katyń victims’ families and led by Father Zdzisław Peszkowski († 2007), himself a survivor of the Kozelsk camp (fig. 4). This context of the image seems to be of particular importance because it were the Katyń Families, informally grouped and gathered around priests like ­Father ­Peszkowski or Father Niedzielak19, who have been the main guards of their kin’s memory, insisting on their commemoration and repeatedly pointing out the necessity of making public the truth about the massacre. The motto of the foundation, written on a sash hanging from the cross on which the image of “Our Lady of Katyń” is placed says: “Help us to forgive”. On the same occasion of the celebration on 13 April 2008 when ­Komorowski spoke about winning the battle for Polish memory, the President of the Katyń Families’ Federation, Andrzej Sariusz-Skąpski, said: “The years of Communist enslavement have taught us to be meek, humble, and patient”.20 Silent mourning, hu17 Zambrowski (cf. n. 10). 18 Siomkajło (cf. n. 3), 45. 19 He was probably murdered by the secret police in early Spring 1989 in revenge for his opposition activities, also activities related to the commemoration of the Katyń victims in his parish church as well as in the historical Warsaw cemetery in Powazki, which was under his custody. 20 Czaszka zamordowanego (cf. n. 1).

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mility in silent despair, and patience are the feelings expressed by the Katyń Pie­tà by Danuta Staszewska. And although in the version of Bałos the gesture of the Virgin seems to be less about caressing the nape of the dead man and more about pointing at the wound in his head, the image has been conceived in a similar emotional vein as Staszewska’s original. In all the images inspired by Staszew­ ska’s work the bullet-pierced head plays a crucial role: it both identifies the man as not being Jesus himself, and it makes reference to the Katyń Massacre. The reference is, however, not explicit enough, and as we have already seen above, the original print was officially exhibited and published as a work generally related to the Polish martyrdom of World War II. The identification of the man as a victim of shootings, and not as Jesus, could also be valid for the religious interpretation Fig. 4  Logo of the Golgotha of the East Foundation. of the image, as well as for the secular one. In the religious version, the mourning Mary could be understood as the mother of all believers, suffering the loss of one of her innumerable sons; in the secular interpretation, the print represents a woman mourning her dead in the moonlit night. In both contexts the women, cradling the dead person with a bullet-hole in his head, are performing a universal gesture of comforting the dead body after the cruel fate of man has been met. It is the gesture of a Christian Pietà: one of humility and patience – and silent despair. This gesture, however, could hardly convey the motto “vanquished but not defeated”, epitomized in another Polish work coming from the state socialism era and inspired by the secularized Pietá iconography: the Monument to the Partisan in Warsaw (fig. 5).21 The monument was inaugurated in May 1962 on Smolna street, Warsaw, directly opposite the headquarters of the Polish United Workers Party.22 The sculpture, designed by Wacław Kowalik and cast in brass, represents a kneeling female figure 21 Actually, this motto in Polish (not in Latin as it appears in the Katyń Chapel) is the title of another monument in Warsaw by Gustaw Zemła. It was inaugurated in 1973 and represents the symbolic figure of a dying warrior. Officially it commemorated all the inhabitants of Warsaw who died in the demise of their city in World War II, but its location near the cemetery of the Warsaw Uprising of 1944 makes the association with the later event unavoidable. 22 Encyklopedia Warszawy [The Encyclopedia of Warsaw]. Ed. Bartłomiej Kaczorowski. Warszawa 1994, 665.



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Fig. 5  Monument to the Partisan in Warsaw, 1962.

holding a male body on her lap. There is a rifle placed along the man’s arm bent at the elbow, and his head is bent back in the process of dying; with his other hand he is pressing a laurel twig to his chest. The kneeling woman, however, is not bent over the dying or dead man, nor is she lowering her head; on the contrary, her back is erect, her head stiff upon her neck, and her left hand raised vertically. The woman is not looking at the dead man on her lap but is raising her eyes somewhere above the laurel bunch she is holding high. In keeping with the popular Warsaw tradition, the granite stone used for the base of the monument originated from the destroyed mausoleum of ­Marshal Paul von Hindenburg (1847–1934) near Olsztynek/Hohenstein, Poland. The inscription in red granite says: “To the Partisan Fighters for the People’s Poland.” The two images inspired by the Pietà – the Katyń Madonna by Staszewska, and the Partisan monument by Kowalik – clearly convey two different approaches to the national past, corresponding to its underground and official understandings during the era of the People’s Republic of Poland. The triumphant, victorious tone of the “socialist Pietà”, as well as its depersonalised heroism corresponds to the style of totalitarian propaganda, while the granite stone relic of the Hindenburg Mausoleum is metonymically pointing to the truly defeated: Nazi Germany. Contrasting with all this is the still, motherly pain of the Katyń Pietà, humble in her vigil of mourning over the body with a bullet-pierced head. She conveys neither victory nor triumph but is standing by, comforting the dead body of the man, who bears a clear mark of his assassination. This rhetoric of loss and mourning was characteristic of the underground visual

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culture of the 1980s and referred both to the loss of dear ones fallen for the national cause as well as to the loss of liberty epitomized by the Marital Law of 1981, which, according to common sentiment, had put an end to all hopes aroused by the Solidarity protests of 1980. In the early 1980s silent protests at schools and workplaces consisted of dressing in black, or at least dressing dark on certain dates, while patriotic jewellery, which was inspired by the 19th century January Uprising, was popular (the jewellery was decorated with a combination of Christian and national symbols executed in silver and black enamel).23 The comforting gesture of the mourning woman of Staszewska’s Katyń Pietà image was to some extent repeated by the gesture of Father Peszkowski, the late leader of the Katyń Families and the Golgotha of the East Foundation, when he travelled to Kharkiv and Mednoye in 1991 to assist with the exhumation of the Mednoye mass graves. The widely published image presents Father Peszkowski kneeling among the dozens of human skulls and trying to anoint all of them with holy oil with the intent of spiritually comforting the dead after their death. Therefore, in the context of contemporary Polish history, the visual images of a bullet-pierced head and, later, the bullet-pierced skull have become clearly associated with the Katyń Massacre. However, the meaning that this image has conveyed in the Katyń Pietà seems to differ from the meaning it bears in the Katyń Chapel Mausoleum. The main and substantial difference consists obviously in the fact that the “Our Lady of Katyń” by Staszewska is only a symbolic representation, while, in the chapel, the Madonna image is also, and foremost, a material relic. In the image of “Our Lady of Katyń”, the pierced head of the man belongs to the same realm of representation as the Madonna; in the chapel, both are relics but of slightly different order. The wooden picture is a representation of the miraculous image of the Ostra ­Brama ­Virgin, extremely popular in that part of the pre-World War II Polish territories which became part of the Soviet Union after the Yalta Conference: the East “­Kresy” or Border­land. The concept of Kresy as a particular cultural entity played an important role in shaping Polish national identity in the late 19th and early 20th centuries24, and the change of borders after 1945 resulted, not only in substantial material losses suffered by a huge number of Polish citizens forced to leave their property and move west, but also in an enormous symbolic loss. The Virgin of Ostra Brama, one of the two most venerated images of the Madonna in pre-World War II Poland, and the one that has remained outside of the national territory since 1945, also symbolically conveys the nostalgia of the lost Kresy. However, the Ostra Brama Virgin Mary represented in Lieutenant G ­ orzechowski’s carving is the second Ostra Brama image in the same church: in the military basilica in Warsaw there is a separate chapel dedicated to the “Madonna of Kresy” as she is called on the official Website of the Military Basilica.25 The chapel dedicated to the 23 cf. Bigoszewska, Wanda: Polska biżuteria patriotyczna [Polish Patriotic Gems]. Warszawa 2003. 24 cf. Kolbuszewski, Jacek: Kresy [Borderlands]. Wrocław 1995. 25 http://www.katedrapolowa.pl/kaplica_matki_bozej_ostrobramskiej.php (31.05.2009).



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­ adonna of Ostra Brama was inaugurated in 2005, three years later than the ­Katyń M Chapel. Therefore, it can be assumed that the carving of the Ostra Brama Madonna by ­Gorzechowski was considered less a representation of the miraculous image and more a relic of the Katyń massacre. One may probably wonder in a more general way about the representational properties of such World War II-related images in contemporary settings, also taking as an example the Stalingrad-Madonna located in the Kaiser ­Wilhelm Memorial Church in Berlin. Whatever representative functions and properties they might have had for their original creators and audiences, their reception in the post-World ­War II-churches seems to be more one of material relics and less of religious images. In the interview given shortly before his death in 1989, Henryk G ­ orzechowski, Jr., the author’s son, for whom the image had been made, described the day he received the image from his father: “We didn’t utter any words. We just hugged. Then for the first time I saw tears in my father’s eyes. Only afterwards I understood the symbolic value of that event. And I survived! With me, in spite of many searches, survived the carving […]”26. The representative function of the image is in this case the primary one: it gives the small board its huge protective powers, derived from the fact that it represents the Virgin Mary of Ostra Brama, a miraculous image itself. Explaining the fate of Gorzechowski’s image, an art historian, Alina Siomkajło, quotes another dramatic rescue of its owner, serving as a British Navy sailor after his release from the Soviet camps: “the warship sunk, but the man and the image survived”27. The carving was therefore, first of all, the image of the Holy Virgin, protecting his owner from disasters, and not a relic of the Katyń massacre from which it was actually spared. However, the arrangement of Gorzechowski’s carving in the Katyń Chapel Mauso­ leum was clearly meant to underscore its relic character, to which the halo made of exhumed buttons highly added. The fact that another image of the same Ostra B ­ rama ­Virgin was enshrined in another chapel just on the other side of the church vestibule, seems to confirm this reception; and it has been even more greatly confirmed by placing Major ­Szymański’s skull above the image. The Katyń Chapel Mausoleum was actually not designed as a chapel dedicated to the Katyń Madonna but to the Katyń ­Martyrs. However, being part of a Christian church it had to have religious symbols and images included in its design. Since the beginning, the small image of Gorzechowski’s ­Madon­na framed in gold, surrounded by the button-made halo and mounted in fragile glass has been visually overwhelmed by the golden eagle on the white marble block background. The little niche, resembling an opening to the burial place in a southern European style cemetery, almost seems to be squeezed between the eagle and the brass cross of the Order of Military Virtue. The national Polish symbols and the white eagle in particular have been contextualized with Christian representations already seen in the 19th century patriotic jewellery and even earlier.28 However, 26 Quoted in: Matka Boska Kozielska (cf. n. 8) [Translation: EK]. 27 Siomkajło (cf. n. 3), 36. 28 Bigoszewska (cf. n. 23).

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out of two sets of visually symbolic representations seen in the Katyń Chapel Mausoleum, the national ones definitely dominate the Christian elements. Apart from the Madonna, there is only a metal crucifix at the altar, slender and tiny beside the grey marble block of mensa. Taking into account that in this context the wooden Madonna is actually more of a relic of national martyrdom than a religious representation, the ideological program of the place seems even less Christian and more national. In her seminal book on nationalism and the Catholic faith in Poland, Geneviève Zubrzycki sees a similar kind of public use of religious symbols in a national context “as its [religion’s] ultimate defeat – its instrumentalization and its reduction to the role of symbolic vehicle of national identity”.29 The positioning of the bullet-pierced skull of Major Szymański above and behind the image of the Madonna underscores above all the relic features of the whole enshrined set, consisting of the image, the buttons, and the skull. The last is also, much more than the others, the material proof of crime and martyrdom. On the other hand, the skull placed in the reliquary becomes an object of cult by its very location. Nevertheless, it is not the cult of a saint of the Catholic church but a cult of a martyr of national relevance. Since Anna Danuta Staszewska created her Pietà, the bullet-pierced head has played a very important role in the Katyń-related iconography, becoming eventually a bullet-pierced skull as well, as in the painting “Lady of Kozelsk – ­Katyń 1940” by Aleksandra Sienkiewicz-Wójcik30, which is a replica of the Kozelsk Madonna “Victorious and Represented With the Child” (currently in two Jesuit churches in Poland – see above).31 The development of the images of “Our Lady of ­Katyń” from the mourning Pietà, comforting the bullet-pierced head of an assassinated man with her expressive gesture, to the bullet-pierced skull of a martyr of national relevance, which is elevated in the reliquary above the image of the Madonna, reflects the changes in Polish memory of Katyń as well as in the whole politics of history.

29 Zubrzycki, Geneviève: The Crosses of Auschwitz. Nationalism and Religion in Post-Communist Poland. Chicago 2006, 221. 30 Siomkajło (cf. n. 3), 43. 31 Ibid., 36–41.

D as M ari en h ei l i g t um in Liche ń Seine Architektur und Kunst als Instrument einer historischen, religiösen und nationalen Identifikation im postkommunistischen Polen

Małgorzata Omilanowska

Das Heiligtum von Licheń gehört zu den größten, dem Marienkult gewidmeten Sanktuarien Europas und ist nach dem Hellen Berg/Jasna Góra in Tschenstochau/ Częstochowa der bedeutendste Wallfahrtsort Polens. In Licheń Stary entstand im Laufe von etwa dreißig Jahren ein großes, architektonisch-stadtplanerisches Ensemble, das in eine Parkanlage eingebettet ist und dessen Zentrum eine gigantische Basilika bildet (Taf. I). Sie wurde innerhalb von zwölf Jahren anlässlich der Millenniumsfeier des Jahres 2000 errichtet und ausschließlich aus Spendengeldern finanziert. Ihren Ausmaßen nach ist sie die siebtgrößte Kirche Europas und die elftgrößte der Welt. Bis in die 1960er Jahre war Licheń nur eines unter den 430 Mariensanktuarien Polens. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts kam es hier zu wundersamen Erscheinungen in Verbindung mit einem Marienbildnis. Aus kunsthistorischer Sicht handelt es sich bei dem Gnadenbild der Gottesmutter von Licheń um ein kleines, in Öl gemaltes Andachtsbild – eine wahrscheinlich gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstandene Kopie des in Polen sehr verehrten Bildnisses der Gottesmutter von Rokitno, der sogenannten „Geduldig Zuhörenden“.1 Der zunächst nur auf lokaler Ebene verankerte Kult um das Marienbild von Licheń begann in den 1960er Jahren aufgrund der Initiative des Marianerpaters Eugeniusz Makulski an überregionaler Bedeutung zu gewinnen. Im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum Millennium der Taufe Polens im Jahr 1966 wurde dem Geistlichen die Aufgabe überantwortet, alle Angaben zu den wundersamen Erscheinungen in Licheń zusammenzutragen. Diese Dokumentation sollte die Bestrebungen stützen, das Bildnis durch Papst Paul VI. (1897–1978) krönen zu lassen.2 Die daraufhin schon 1967 erfolgte Krönung steigerte das Interesse für Licheń nachhaltig. Pater Makulski begann den Ausbau dieses Ortes zu einem Pilgerzentrum 1 Das Bildnis der Gottesmutter von Rokitno („Die geduldig Zuhörende“) entstand höchstwahrscheinlich am Anfang des 16. Jahrhunderts, wohl in einer der großpolnischen Zunftwerkstätten. Ursprünglich befand es sich in der Zisterzienser-Abtei in Bledzewo und wurde dann nach Rokitno in der heutigen Woiwodschaft Lubuskie transloziert. Vgl.: Pietrusiński, Jerzy: Ocena artystyczna obrazu Błogosławionej Dziewicy Maryi w Licheniu [Künstlerisches Gutachten des Bildnisses der Gottesmutter von Licheń]. In: http://www.lichen.pl/index.php?t=page&dzial=1&sekcja=1&id=1 (26.06.2007). 2 Gemäß dem Beschluss Papst Pauls VI. wurde in Polen anlässlich der Millenniumsfeierlichkeiten der Taufe Polens mindestens ein marianisches Gnadenbild pro Diözese gekrönt.

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voranzutreiben, wobei er ein gutes Gespür für die aktuellen religiösen Bedürfnisse der Polen bewies. Dank seiner Initiative stieg Licheń binnen 30 Jahren zu einem der meistbesuchten Marienwallfahrtsorte Polens auf. Marianische Frömmigkeit blickt in Polen auf eine lange Tradition zurück, wichtige Impulse und eine neue Entwicklungsrichtung gab ihr nach dem Zweiten Weltkrieg Stefan Kardinal Wyszyński (1901–1981), seit 1948 Primas von Polen. Im volkstümlichen Katholizismus, der sich entscheidend auf den Marienkult stützt, erblickte er eine Chance für die katholische Kirche in Polen in der Konfrontation mit der stalinistisch-kommunistischen Wirklichkeit. An seine Strategie der geistigen Erneuerung auf der Grundlage der Marienverehrung knüpften der spätere Papst Johannes Paul II. (1920–2005) und der Nachfolger Wyszyńskis im Primasamt, Erzbischof Józef Glemp (1929–2013), mit Erfolg an. Seit Jahrhunderten ist Tschenstochau das wichtigste Zentrum des Marienkults in Polen. Das dort verehrte Marienbild fungiert als ein Ideogramm für das Polentum und den wahren Glauben im Bewusstsein der Polen. Entscheidend für die Herausbildung und Festigung des Kultes waren sowohl die Zeiten der Teilungen Polens im späten 18. und im 19. Jahrhundert als auch das 17. Jahrhundert. Einer solchen Position kann sich die Gottesmutter von ­Licheń nicht rühmen, denn dafür ist ihr Kultstatus zu jung und ihre Bedeutung war zunächst lokal zu sehr begrenzt. Doch auch ihre Legende schreibt sich in die polnische Martyrologie ein. Die erste wundersame Erscheinung, die mit Licheń in Verbindung zu bringen ist, fand auf dem Kampfplatz der Völkerschlacht bei Leipzig statt. Hier zeigte sich die Gottesmutter einem polnischen Soldaten, der auf der Seite der napoleonischen Armee kämpfte. Die Erscheinungen des Hirten ­Mikołaj Sikatka, der den Kult direkt in Licheń initiierte, knüpften wiederum an die Zeit der Teilungen und Repressionen seitens der Besatzungsmächte an, mit denen der Seher selbst konfrontiert war. Die Gottesmutter von Tschenstochau – oder konkret gesprochen: ihr Bildnis – ist im allgemeinen Bewusstsein der Polen ein Nationalsymbol per se.3 Das Bildnis der Gottesmutter von Licheń gewinnt jedoch durch ein entscheidendes ikonographisches Detail zusätzlich an Autorität. Das ursprüngliche Bildnis von Rokitno zeigt ­Maria im Typus der Mater Dolorosa. Am unteren Bildrand wurde um die Mitte des 17. Jahrhunderts eine Plakette mit dem polnischen Adler angebracht. Auf dem kleinen Öl­gemälde von Licheń ist diese direkt auf Marias Brust platzierte Plakette zum integralen Bestandteil des Bildnisses geworden.4 Das polnische Wappentier lässt das Bildnis der Gottesmutter von Licheń somit als besonders polnisch erscheinen. 3 Sokół, Grzegorz: Matka Boska Częstochowska jako polski symbol narodowy [Die Gottesmutter von Tschenstochau als polnisches Nationalsymbol]. In: Konteksty 56/1–2 (2002), 120–125, hier 120. 4 Ein ähnlicher Prozess der „Inkorporation“ einer Votivgabe in das Bildnis der Gottesmutter fand auch im Fall der Gottesmutter vom Tor der Morgenröte in Wilna/Vilnius statt. Eine 1849 angebrachte Plakette in Form eines Halbmondes wird auf allen Kopien als ein integraler Bestandteil des Bildnisses übernommen und ist nunmehr zu einem Erkennungszeichen des Gnadenbildes geworden. K ­ ałamajska-Saeed, Maria: Ostra Brama w Wilnie [Tor der Morgenröte in Wilna]. Warszawa 1990, 180.



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Die Geschichte der mit dem Licheńer Gnadenbild verbundenen Erscheinungen, Wunder und Leiden haben durch die Publikationen Pater Makulskis und von einem Sanktuariumsführer zum nächsten mit immer neuen Details an Klarheit und Prägnanz gewonnen. Diese Entwicklung zeichnet sich auch im Ausstattungsprogramm der Kultstätte ab und wurde durch Prozesse der Bedeutungsverlagerungen begleitet. So avancierte zum Beispiel der Stein, in den Pater Makulski durch einen ortsan­sässigen Steinbildhauer Fußabdrücke einmeißeln ließ, mit der Zeit zum Kultobjekt. Die Umdeutung der namenlosen Fußabdrücke zu denen Marias und der neu entstandene ­Mythos werden vom Initiator dieses Unterfangens selbst unterstützt und propagiert.5 Ein auf diese Weise geschaffener und beständig erweiterter ätiologischer Mythos ist so zur Grundlage der vielschichtigen Botschaft von Licheń geworden. Das Sanktuarium umfasst drei Kirchen, mehrere Dutzend Kapellen mit umfangreicher Ausstattung sowie einige Tausend Skulpturen und Denkmäler, die über das gesamte Gelände verstreut sind. Die Rhetorik des Heiligtums greift auf polnische Nationalmythen mit hauptsächlich martyrologisch-messianistischen Inhalten zurück. Dabei wird das Nationale mit dem Volkstümlichen und Heimatgebundenen gleichgesetzt und die Bedeutung der Gottesmutter als Königin Polens ins Zentrum gerückt. Die historische Ebene der Botschaft wird um Stellungnahmen zu aktuellen Problemfragen erweitert, die moralpredigenden Charakter haben. Auf der einen Seite wird dabei auf positive Vorbilder wie Johannes Paul II. und den durch die Staatssicherheit getöteten Priester Jerzy Popiełuszko (1947–1984), aber auch auf technische Errungenschaften wie den Bau der Petrochemie von Płock, die internationale Messe in Posen/Poznań im Jahre 1925 (Taf. II) oder gar den Wiederaufbau der Altstädte von Warschau/Warszawa und Danzig/Gdańsk rekurriert. Auf der anderen Seite wird der globalen Säkularisierung, dem Laizismus, der Sucht und der Abtreibung der Krieg erklärt. Diese katholisch-national-moralpredigende Konnotation des Ortes scheint den Erwartungen der Pilger zu entsprechen. Es ist allerdings eine Herausforderung für den Besucher Licheńs, die „Jahrtausend-Basilika“ in ihrem gesamten Ideengehalt gemäß den Absichten ihrer Erbauer zu erfassen. Der von den Auftraggebern wie der Architektin Barbara Bielecka postulierte Anspruch ist kein geringerer, als dass der Bau eine Quintessenz aus den Traditionen der antiken Kulturen des Mittelmeerraumes verkörpere. Bielecka äußert in einem Interview: „Wenn diese Kirche eine Gabe zum Jahre 2000 sein soll, dann muss ich in ihr 2000 Jahre Architektur unterbringen. Hier geht es um eine natürliche Kontinuität, darum, die gesamte Last der Antike und der biblischen Überlieferungen auf die Schultern zu nehmen.“6 Das Phänomen Licheń war bisher hauptsächlich Gegenstand von kulturanthropologischen Untersuchungen. Die „klassische“ Kunstgeschichte, die sich nach den

5 Marciniak, Katarzyna: Licheń i jego świat [Licheń und seine Welt]. Poznań 1999, 30–32. 6 Świątynia w zaroślach [Gotteshaus im Gestrüpp]. In: Architektura 4/12 (1997), 59–61. Dieses und alle folgenden polnischen Zitate in diesem Beitrag wurden von der Autorin übersetzt.

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Kriterien des ästhetischen Urteils richtet, findet dazu nur schwer einen Zugang.7 Der „traditionelle“ Kunsthistoriker scheint diesem vornehmlich auf die Alltagskultur bezogenen Phänomen, das auf visuelle Stereotype rekurriert, um den Erwartungen der heutigen Pilgerfahrer zu entsprechen, eher hilflos gegenüberzustehen. Die Botschaft des Sanktuariums ist eindeutig, und sie ist homogen: am größten, am herrlichsten, am heiligsten, am polnischsten. Es wäre jedoch auch für einen Kunsthistoriker durchaus lohnend, einen Versuch zu unternehmen, sich dem Phänomen zu nähern, ohne auf das gewohnte Instrumentarium zu verzichten. Denn Licheń ist eine Kompilation von geradezu beeindruckender Größe: Neben der ästhetischen Ebene enthalten die architektonischen, bildhauerischen und malerischen Elemente des Ensembles ein durch die Schöpfer des Ganzen bewusst oder unbewusst hineingelegtes Potential an symbolischen Überlieferungen, Anspielungen, Inspirationen und Bezügen zu den unterschiedlichsten Kulturräumen. Für einen Architekturhistoriker, der vor der Basilika in Licheń steht, wird jedoch offensichtlich, dass hier mit jeglichen Kanons eines Architekturentwurfs, ausgehend von Vitruv, gebrochen wurde, und dass sich der Bau nur scheinbar in die jahrhundertealte Tradition der Architekturstile einreiht. Um den Eindruck von Reichtum und Pracht zu erreichen, kamen neben teuren und edlen Materialien wie Marmor bei den mehrfarbigen Bodenplatten auch günstige Epoxidharze zur Anwendung, die in den Architekturdetails Bronze und Marmor ersetzen, so beispielsweise an den Säulenbasen (Abb. 1). Auf den ersten Blick erscheint das Gotteshaus von Licheń als eine dreischiffige Basilika auf dem Grundriss eines lateinischen Kreuzes mit einer Kuppel über der Vierung. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich allerdings die Unstimmigkeiten: Die ungewohnten Proportionen des Eingangsportikus und der einzelnen Baukörper, das asymmetrische Transept mit unterschiedlich langen Armen, die völlig inkohärent gestalteten Portiken der Giebelwände, die Formgebung der Details und anderes mehr lassen den Bau zu einem skurrilen Zusammenspiel aller möglichen Elemente werden, dem eine architektonische Logik abhanden gekommen zu sein scheint. Das Objekt wird von den meisten Pilgern und Besuchern sehr positiv aufgenommen. Dies mag in erster Linie daran liegen, dass sich der durchschnittliche Betrachter aller in diesem Bau enthaltenen Inkonsequenzen und ebenso der Tatsache, dass hier mit allen Konventionen einer Entwurfsplanung gebrochen wurde, gar nicht bewusst ist. Keineswegs ist diese „neuartige“ Herangehensweise an die Bauaufgabe auf eine ungenügende Ausbildung der Architektin Barbara Bielecka zurückzuführen. Vielmehr war es eine durchaus beabsichtigte Entscheidung gegen diese Konventionen, um den Anforderungen der Auftraggeber gerecht zu werden und zugleich die Gestaltung einer

7 Klekot, Ewa: Święte obrazki, Licheń i sąd smaku [Heilige Bilder, Licheń und das Urteil des Geschmacks]. In: Konteksty 56/1–2 (2002), 117–119, hier 117.



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eigens für diesen Bau geschaffenen Arbeitsmethode zu unterwerfen. Nachzule­ sen ist dieses Gedankenkonstrukt in allen seinen Einzelheiten in der im Andenkengeschäft von Licheń erhältlichen Publikation der Architektin.8 Sowohl aus dieser Lektüre, deren graphomanischer Charakter hier nur am Rande erwähnt sei, als auch aus den von Bielecka in zahlreichen Interviews getroffenen Aussagen lässt sich das verwirrende Labyrinth symbolischer Konnotationen ergründen, die dem spontanen ästhetischen Empfinden vieler Besucher entgegensteht. Für die Architektin bestand die Grundidee darin, einen Bau zu schaffen, der sich in die universale Tradition der Mittelmeer-Zivilisationen einschreibt. So reichen die postulierten Bezüge von den ägyptischen Pyramiden und dem Tempel Abb. 1  Säulenbasen aus Epoxidharz. Hauptportikus der Basilika in Licheń. der Hatschepsut über die alttestamentarische Vorstellung vom salomoni­ schen Tempel und die frühchristliche Grabeskirche von Jerusalem bis hin zum Petersdom in Rom als dem wichtigsten Bau der katholischen Kirche.9 Zugleich soll die Basilika auf ersichtliche und eindeutige Weise die nationale, polnische Tradition einbeziehen. Vor die Aufgabe gestellt, in einem einzigen Bauwerk dieses gesamte ­Spektrum an universalkulturellen, religiösen und nationalen Inhalten unterzubringen, schuf die Architektin ein derart von symbolischen Gehalten überladenes Werk, dass die Architecture Parlante des 19. Jahrhunderts im Vergleich hierzu unscheinbar wirkt. Den Umschlag ihres bereits erwähnten Buches ziert die Fassade der Licheńer Basi­ lika vor dem Hintergrund der Cheopspyramide (Abb. 2). Die Autorin begründet ihre Wahl damit, dass „die graphische Gegenüberstellung der Basilika von Licheń und der ägyptischen Cheopspyramide […] es ermöglicht, sich ohne Weiteres die Dimensionen der Anlage vorzustellen“.10 Aber hier geht es gar nicht um die Gegenüberstellung von Größe, gemessen in Länge und Breite, sondern um den Vergleich beider Bauten

 8 Bielecka, Barbara: Świątynia Matki Bożej Licheńskiej [Gotteshaus des Gottesmutter von Licheń]. Wrocław 2004.   9 Entsprechende Informationstafeln, die den Ideengehalt und die Traditionsstränge veranschaulichen, befinden sich im Museum der Basilika. 10 Zit. nach: Dzienisiewicz, Izabella: Wizerunek Lichenia [Licheńs Bildnis]. In: Konteksty 56/1–2 (2002), 149–158.

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im Kontext ihrer zivilisationsgeschichtlichen Bedeutung – die im Falle der Cheops­pyramide, dem einzigen Weltwunder der Antike, das bis in unsere Tage beinahe unverändert überdauert hat, ein Faktum darstellt, bei der Basilika von Licheń jedoch bisher noch Wunschdenken bleibt. Bielecka beruft sich mit Vorliebe auf die Numerologie, allerdings in ­ einem ahistorischen und oberflächlichen Verständnis, angereichert mit Elementen der Magie und Gnostik, Volksweisheiten und achristlichen Interpretationen aus populärwissenschaftlicher Literatur. So stellt sich heraus, dass die Zahl der Öffnungen, die Proportionen und die Variationsbreite in der Säulenanordnung innerhalb der Portiken nach einer numerologischen Symbolik geordnet sind, die beinahe die gesamte Bandbreite möglicher BedeuAbb. 2  Buchumschlag zu Barbara tungen ausschöpft. Die Autorin fasst zu­Bieleckas „Świątynia Matki Bożej sammen: „Die Synthese aus 2+1 steht für Licheńskiej“, Wrocław 2004. die Familie, die Auferstehung, die Einheit von Zeit und Raum. In allen Kulturen symbolisiert die Zahl Drei das Heilige, Vollkommene und Fruchtende.“11 Die Architektin glaubt die in der Bibel enthaltenen Hinweise auf den Bau eines Gotteshauses folgerichtig entschlüsselt zu haben. Mit Einverständnis der Geistlichen, die das Projekt betreuten, entwarf sie bisweilen neue ikonographische Interpretationen; so behauptet sie, die Dekoration der Portiken seien der Symbolik der Hl. Dreifaltigkeit verpflichtet, wenngleich der Gottessohn einzig als Jesuskind im Schoße Marias erscheint. Die mariologische Symbolik wird auch an manchmal unverhoffter Stelle und in zum Teil naiver Weise eingeführt, wie zum Beispiel in der Kapelle der Hl. Dreifaltigkeit. Dort ließ sich die Architektin bei der Gestaltung der Säulenkapitelle „von den Lilien inspirieren, wobei eines der Kapitelle in Form einer Rose die Worte aus dem Psalm Salomos ‚wie eine Rose unter den Lilien‘ aufgreift, was sich auf die Gottesmutter bezieht“ (Abb. 3).12 Wesentlich ist nach Aussage Pater Makulskis auch der Rückgriff auf die nationale, polnische Tradition, symbolisiert durch die überall vorherrschende Farbe Gold (in den Fensterrahmungen, im Farbton der Fassadenklinker und Fensterscheiben sowie in den

11 Bielecka (wie Anm. 8), 25. 12 Ebd., 88.



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Abb. 3  Säulenkapitelle in der unteren Kirche der Basilika in Licheń.

vergoldeten Architekturelementen), was die Basilika zu einem „goldenen, wogenden Getreideacker“ werden lässt.13 Denn in der Auffassung der Architektin mutet ein Getreideacker „ausgesprochen bewusst piastisch und volkstümlich“ an.14 Die grazilen Säulen des Portikus greifen in ihren Proportionen die Säulen des Loggiengangs des Krakauer Königsschlosses auf und assoziieren zugleich „die Schlankheit einer polnischen Birke“; darüber hinaus sollen sie „an die gespannten Saiten eines Instruments erinnern, die empfindsamste Seite im Herzen des Betrachters wecken, die Romantik und Erhabenheit Chopins oder einen Spaziergang über den in voller Pracht stehenden Acker ins Gedächtnis rufen“.15 Die Architektin beruft sich auf die Existenz einer geheiligten Tradition einer „polnischen Säulenordnung“, die sie unter dem Begriff Gusto Polacco (Abb. 4) führt. In ihr soll außer dem Grazilen und dem in die Höhe Strebenden der Proportionen das

13 Ebd., 20. 14 Ebd. 15 Ebd., 23.

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Abb. 4  Säulen des Hauptportikus in Gusto Polacco. Basilika in Licheń.



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Prinzip der Zweiteilung dominieren.16 Sie erklärt: „Das Dekorum (sic!) des Gotteshauses schöpft seine Vorbilder aus der polnischen Natur und der polnischen Architekturtradition. Die Getreideähren, die Blumen und Krüglein – all das sind durch und durch unsere heimischen Motive. In den verschiedensten Elementen tauchen Motive auf, die wir in der Uniform unserer Hussaria wiederfinden, in den Insignien der polnischen Könige, in unseren Wappen, Tapisserien usw.“17 In der Basilika von Licheń finden sich tatsächlich unzählige Blumen, denn, wie die Autorin schreibt, ist „das gesamte Dekorum der Basilika […] eine huldvolle Verneigung vor der polnischen Natur. An der Chorwand hinter dem Sarkophag finden sich in den Säulenkapitellen Maiglöckchen“, die laut Bielecka „einen Hinweis auf die tatsächliche Aussagekraft der Waldmai- Abb. 5  Kapitell mit Eichenmotiv in der glöckchen – das Zeugnis einer uralten Oberkirche der Basilika in Licheń. Kultur dieses Fleckchens Erde“ geben (Taf. III).18 Viele Elemente des „Dekorums“ bedienen gemäß der Architektin beide Krite­rien in gleichem Maße – sie beziehen sich sowohl auf universale Traditionen als auch auf ­typisch Polnisches: „Das Kapitell mit Eichenblatt- und ­Eichel-Motiven bleibt der großen Tradition treu, so wie Wyspiański in Warschau (sic!) dem antiken Erbe verpflichtet, gleichzeitig aber unbestritten polnisch ist“ (Abb. 5).19 In ähnlicher Weise stellt Bielecka an e­ iner anderen Stelle wiederum Bezüge zur ägyptischen Bildtradition her, die sie um heimische Akzente bereichert: „Andere [Kapitelle] stammen hingegen

16 Theorien über die Zweiteilung als bedeutendes Element der polnischen, oder – noch breiter – der slawischen Architektur, wurden zum Beispiel von Architekten wie Jan Sas-Zubrzycki (1860–1935) und Stefan Szyller (1857–1933) in ihren Schriften am Anfang des 20. Jahrhunderts popularisiert. ­Bałus, Wojciech: „Polnische Architektur kann nur mit dem Gefühl erkannt werden“. Der national-romantische Diskurs in der Kunsttheorie von Jan Sas-Zubrzycki (1860–1935). In: Die Kunsthistoriographien in Ostmitteleuropa und der nationale Diskurs. Hg. v. Robert Born, Alena Janatková und Adam S. ­Labuda. Berlin 2004, 138–154. 17 Bielecka (wie Anm. 8), 101. 18 Ebd., 19. 19 Ebd., 99.

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aus ägyptischen Kultstätten, doch an Stelle der Palmen- und Papyrus-Blätter ließ ich Farnkraut meißeln.“20 Die Berufung auf Elemente der Volkskunst, die heraufbeschworenen Visio­nen ­eines goldenen, wogenden Ackers und der für die Gegend um Licheń typischen, blühenden Landschaften illustriert in geradezu paradigmatischer Weise die Überlegungen von Tim Edensor über die Verbindung zwischen dem Gefühl einer nationalen Identität und der Massen- bzw. Alltagskultur.21 Für Edensor stellt die „nationale dörfliche Landschaft“ quasi eine Synekdoche des Volkes dar, eine Wiege der Nation, einen „Ort“, an dem der ursprüngliche, nationale Geist aufbewahrt wird.22 Er macht zugleich auf die ideologische Kraft dieser Landschaften und den immerwährenden Prozess der Festigung nationaler Gefühle durch die Populärkultur aufmerksam. Bielecka handelt in Edensors Sinne, wenn sie die in der Populärkultur bereits vorhandenen assoziativen Bilder aufgreift und somit gleichzeitig zu deren Stützung beiträgt. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Kulturkompetenz der Empfänger im Hinblick auf das Entschlüsseln und das Verständnis des Symbolgehalts der Kultstätte. Inwiefern ist die bewusst vielschichtige Überfrachtung der Architektur und der Ausstattungsdetails durch die in Eigenregie kompilierte zivilisatorisch-katholisch-nationale Symbolik für den durchschnittlichen Pilger überhaupt lesbar? Der Wiedererkennungseffekt scheint nur dann einzutreten, wenn es sich um Elemente der Populärkultur handelt. Mit Sicherheit erschließt sich die Bezugnahme auf den Peters­dom in Rom von selbst; auch scheinen die visuellen Bezüge auf grundlegende, nationale Motive und katholische Symbole offenkundig, wie das diffuse Gefühl des „Heimischen“ in Motiven von Malven, Kornblumen und Mohn zu spüren sein dürfte – mehr wahrscheinlich jedoch nicht. Der Durchschnittspilger wird sich nicht in die Lektüre der Publikation Bieleckas vertiefen, auch das dem Bau gewidmete Museum, das auf Schautafeln Auskunft über die komplizierten Bedeutungszusammenhänge gibt, wird nur von wenigen besucht. Einige Teile der Ausstattung werden dem Betrachter vor Ort erschlossen, etwa wenn eine überdimensionierte Inschrift die Deutung des weißen Adlers an der Eingangs­ treppe zur Basilika mit folgenden Worten erläutert: „Der Adler als ein Zeichen Polens beweist unseren Bezug zur römischen Tradition, die Adler wachten über den Sieg des polnischen Soldaten bei Monte Casino (sic!)“23. Es wird jedoch kaum jemandem gelingen, tatsächlich alle Intentionen (und Interpretationen) der Architektin zu entschlüsseln, insbesondere in Anbetracht ihrer mangelhaften Kulturkompetenz sowie 20 Gusto Polacco, wywiad z Barbarą Bielecką Piotra Głuchowskiego i Marcina Kowalskiego [Gusto ­Polacco, Interview mit Barbara Bielecka von Piotr Głuchowski und Marcin Kowalski]. In: Gazeta na Święta, Beil. zu Gazeta Wyborcza, 07.–09.04.2007, 10–12, hier 10. 21 Edensor, Tim: Tożsamość narodowa, kultura popularna i życie codzienne [Nationale Identität, Populärkultur und Alltagsleben]. Kraków 2004 (englisch: National Identity, Popular Culture and Everyday Life. Oxford 2002). 22 Ebd., 58 f. 23 Die Inschrift im Original: „Orzeł jako Znak Polski jest dowodem naszej łączności z tradycją rzymską. Orły czuwały nad zwycięstwem żołnierza polskiego pod Monte Casino (sic!)“.



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der äußerst verschlungenen „Logik“ des Schaffensprozesses. Für die Mehrzahl der Pilger ist dieser überfrachtete, vielschichtige Symbolgehalt nicht fassbar oder gar unbedeutend. In ihre ästhetische Wahrnehmung fließen dafür ganz andere Elemente mit ein, die das Werk entweder „unabsichtlich“ transportiert oder durchaus absichtlich anbietet, ohne jedoch die dahinter stehenden Intentionen preiszugeben. Sowohl die gigantomanische Architektur als auch die überbordende Ausstattung mit ihrer aufdringlichen Koloristik greifen auf die Stilformen des Art déco der 1920er und 1930er Jahre zurück. Diese in den letzten Jahren nicht nur im polnischen Design und Antikhandel sehr populäre Stilrichtung erscheint hier in einer billigen, an amerikanische Luxushotels orientierten Ausgabe. An vielen Stellen der Basilika trifft man auf ausnehmend weltliche Dekorationselemente, beispielsweise auf bunte, in Marmor gefasste Spiegel, Kristallkandelaber, Vergoldungen und andere Ornamentierungen, die an die Hallen großer Kasinos denken lassen (Taf. IV). Bewusst oder unbewusst wird damit an die Geschmäcker der Pilger und auch der großzügigen Spender aus Übersee angespielt, die ihr Vermögen als Exilanten häufig mit schwerer Arbeit in eben solchen Luxusoasen verdienten, und denen die von Marmor, Gold und Kristall strotzenden Residenzen der TV-Serien „Dallas“ oder „Denver“ als unerreichbares Ideal vorschwebten. Diese Bezüge lassen Licheń als eine Art katholisches Las Vegas erscheinen, wobei auch Assoziationen zur rumänischen Architektur des Sozrealismus der späten Ceauşescu-Ära durchaus ihre Berechtigung haben. Die vom Sozrealismus bekannte und auch in Licheń zu beobachtende Unbekümmertheit im Umgang mit dem rechten Maß und der ästhetischen Werteskala, scheint nicht nur auf einem koinzidenten Effekt – einem Zustandekommen eines vergleichbaren Ergebnisses durch ähnliche Voraussetzungen – zu beruhen. Die Ästhetik des sozialistischen Realismus ist für viele polnische Betrachter – was erstaunlich sein mag – nicht negativ konnotiert, seine architektonischen Lösungen beeindrucken und sein ideologisch-politischer Inhalt ist inzwischen entweder verblasst oder gilt vielen (zumindest im Bereich der Kunst und Architektur) von vornherein nicht als inhaltliches Bewertungskriterium.24 Wesentlich schlechter schneidet in der öffentlichen Wahrnehmung der Modernismus mit seinem „Betonerbe“ ab, dessen pauperisierte Form – die durch schnelle Abnutzung degradierten großen Plattenbausiedlungen – vielen polnischen Städten immer noch ihr Gepräge geben. Der bewusste „Antimodernismus“ des Heiligtums von Licheń, verstanden als „Antimodernität“ im weitesten Sinne, entspricht demnach den Erwartungen, Bedürfnissen und Präferenzen des Publikums und bietet eine Art Wiedergutmachung für die „grauen Jahre“ der sozialistischen Armut und der Entbehrungen in den krisenhaften 1980er Jahren.

24 Ich beziehe mich hier auf das Problem der Rezeption sozrealistischer Architektur- und Kunstästhetik im ideologischen Kontext durch die Pilger von Licheń und lasse dabei die immer noch sehr emotionalen Debatten in den Kreisen der Kunsthistoriker, Konservatoren und Politiker außer Acht.

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Von Katarzyna Gołąb-Marciniak liegt bereits eine Analyse des Sanktuariums von Licheń unter einem postmodernistischen Aspekt vor.25 Sie konstatierte richtig in ihren Abschlussüberlegungen, dass das Heiligtum von Licheń „eine Gesamtheit [bildet], der man durchaus Merkmale einer postmodernen Kultur in neokonservativer Ausprägung bescheinigen kann“.26 Im Kontext der bisherigen Ausführungen sollte man bei der Analyse von Licheń den Begriff der Postmoderne auch auf seine architekturgeschichtliche Bedeutung hin untersuchen und die Frage aufwerfen, inwiefern sich der Bau (der von Gołąb-Marciniak noch nicht mit einbezogen wurde) in diese Strömung einfügt. Zweifelsohne erfüllt die Basilika fast alle von der postmodernen Architektur postulierten Kriterien. Die Entscheidung für die traditionellen Formen künstlerischer Umsetzung erklärt Bielecka mit folgenden Worten: „Man kann doch dem lieben Gott zum Geburtstag nicht etwas antun, was modernistisch ist.“27 Eine der essenziellen Eigen­schaften fehlt allerdings. Ein wesentliches Element postmoderner Architektur ist der freie Umgang mit überlieferten Formen und die beliebige Kombination aller möglichen – oft in ihren Dimensionen überzeichneten – Elemente, die jedoch stets mit einem gewissen „Augenzwinkern“ verbunden ist. Eine weitere Eigenschaft postmoderner Architektur ist das Spiel mit der Form, auch ein manchmal bewusstes Balan­cieren am Rande des Kitsch. Entschlüsselt man nach und nach die Basilika von Licheń, kommt man nicht umhin, diese Eigenschaften tatsächlich zu konstatieren – hier wird übertrieben, dort werden Formen unterschiedlicher Provenienz auf verblüffende Weise kombiniert, dann gibt es freizügige Zusammenstellungen, aus dem Lot geratene Proportionen und eine teilweise riskante Farbwahl (Taf. V). Das einzige Problem dabei ist, dass sich die Bezüge zur postmodernen Architekturströmung hin verselbständigen und gewissermaßen sogar gegen die ursprüngliche Intention der Schöpfer erfolgen. Die Basilika von Licheń ist ein typisches „Kind ihrer Zeit“: Sie verkörpert eine bewusste Reaktion auf die Moderne, ein an keine Regeln gebundenes Schöpfen aus dem Fundus der Traditionen. Frappierend ist allerdings der dabei vertretene sture Ernst, den Bücher, Begleithefte und Informationsmaterial ausstrahlen. Ein spöttisches Lächeln bemächtigt sich einzig der Lippen der „Ästheten“. Die Besucher jedoch, für die Licheń bestimmt ist, begegnen jedem zerzausten Adler, jeder ausgemergelten Säule, jedem Eichenkapitell aus Epoxidharz und jeder von Mohn- und Kornblumen umwundenen ägyptischen Form mit Ehrerbietung und Respekt. Zahlreiche „Werke“ des Sanktuariums greifen bewusst auf die Ästhetik der Volkskunst mit ihrer stark überzeichneten Expressivität zurück. Deutlich zeigt sich dies am Figurenensemble des sogenannten Golgathahügels – eines steinernen Berges, auf dem Darstellungen des Kreuzweges Christi, um moralpredigende Themen erweitert, zu se25 Gołąb-Marciniak, Katarzyna: Licheńskie wyzwanie [Licheńs Herausforderung]. In: Antropologiczne wędrówki po kulturze. Poznań 1996, 137–149. 26 Ebd., 148. 27 Największa! – poświęcenie bazyliki w Licheniu [Die Größte! Die Weihe der Basilika in Licheń]. In: http://ekai.pl/serwis/?MID=7587 (26.06.2007).



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hen sind. Die bunten, überzeichneten und primitiven Skulpturen von Olga Bajkowska hinterlassen bei den Pilgern einen tiefen Eindruck. Sie ermöglichen dem Betrachter, sich in das Geschehen hineinzufühlen; so erschienen einigen Pilgern „diejenigen, die Jesu schlugen, diejenigen, die Ihn quälten […] so lebendig“, die römischen Soldaten seien hingegen „wirklich zum Fürchten“ (Taf. VI).28 Pater Makulski ist sich der Wirkung dieser „Kunstwerke“ durchaus bewusst. In einem Interview äußerte er diesbezüglich: „Der Fels ist keine Herausforderung für passionierte Bergsteiger oder Kunstkritiker. Das Beurteilungskriterium ist hier nicht das künstlerische Zusammenspiel der Figuren. Entstanden ist dieses Ensemble, um von der Wahrheit über die Sünde und die Erlösung, über den Verrat und die Liebe zu künden.“29 Das Phänomen der Popularität Licheńs gründet auf der Tatsache, dass das Sank­t­ ­ uarium dem ästhetischen Erwartungshorizont der Mehrheit polnischer Pilger in vielerlei Hinsicht entspricht. Es ist zum Inbegriff von Reichtum, Größe und Macht geworden, zum Zeugnis der Großzügigkeit des Einzelnen und dem Wagnis, an die Grenzen des „Möglichen“ heranzureichen. Dem Schöpfer dieser Konzeption, Pater ­Eugeniusz Makulski, ist es gelungen, Träume in die Tat umzusetzen und einen idealen Ort des „Erlebens“ zu kreieren, an dem klassische ästhetische Kanons ihre Bedeutung verlieren und das Bedürfnis nach Schönheit vielmehr auf einem Niveau bedient wird, das in der traditionellen Ästhetik und Kunstgeschichte als Kitsch eingestuft wird. Pater ­Makulski vertritt die Meinung, dass „wenn dieser Kitsch jemandem hilft, Gott näher zu kommen, [dann sei] darin nichts Schlimmes zu sehen.“30 Ihm sind die Bedürfnisse der Wallfahrer bekannt: „Der Pilger möchte meist ein bisschen hier und ein bisschen dort verweilen. Er wird doch nicht den ganzen Tag in der Kirche sitzen. Er wird also eine Weile der Anbetung des allerheiligsten Sakraments beiwohnen, dann einem Rosen­kranz-Gottesdienst, um zum Bußgottesdienst zu wechseln, anschließend schaut er mal bei der Passion vorbei, hört sich eine Andacht an. Deshalb sind so viele Räumlichkeiten nötig.“31 Die Vielzahl der Eindrücke, das reichhaltige religiöse Angebot, ergänzt um ein breites Spektrum an Möglichkeiten, um weiteren Bedürfnissen nachzugehen – für Gastronomie, Ruhe- und Kontemplationsplätze ist ebenfalls gesorgt –, tragen zur positiven Aufnahme des Wallfahrtsortes bei. Wie Krzysztof ­Zanussi es formuliert, gleicht Licheń ein wenig einem familiären Vergnügungspark, in dem Eltern wie Kinder etwas Spannendes besichtigen, gemeinsam speisen und ausruhen können, und zugleich eine Pilgerfahrt absolvieren.32 28 Fragment eines Pilgerinterviews, zit. nach: Kula, Agnieszka: Licheńska Golgota jako przykład ­wznowienia tradycji oraz popularności nabożeństwa Drogi Krzyżowej [Golgatha in Licheń als Beispiel der Erneuerung einer Tradition und Popularität der Kreuzweg-Andacht]. In: Konteksty 56/1–2 (2002), 126–134, hier 131. 29 http://www.lichen.pl/index.php?t=page&dzial=1&sekcja=4&id=13 (20.07.2007). 30 Kommentar eines anonymen Priesters, veröffentlicht in: Kindziuk, Milena: Bazylika z pięcioma windami [Basilika mit fünf Aufzügen]. In: Gość Niedzielny 75/29 (1998), 1, 10n, zit. nach: Dzienisiewicz (wie Anm. 10), 157. 31 Domańska, Katarzyna-Surmiak: Złote podkowy jadą do Lichenia [Goldene Hufeisen fahren nach Licheń]. In: Magazyn Gazety Wyborczej 13 (1998), zit. nach Dzienisiewicz (wie Anm. 10), 156. 32 Dzienisiewicz (wie Anm. 10), 155.

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Małgorzata Omilanowska

Abb. 6  Werbung für eine „Kaffee-Fahrt“ nach Licheń.

Der finanzielle Erfolg des gesamten Unterfangens ist nicht zuletzt dem Marketing­ talent Pater M ­ akulskis zu verdanken. Die Spender werden zum Beispiel auf insgesamt 17 000 Steintafeln in der unteren Kirche namentlich gewürdigt und zu Feiertagen mit Glückwunsch-Schreiben, die auch Bitten um weitere Spenden enthalten, bedacht. Beworben wird Licheń zudem mit dem in ganz Europa verbreiteten System der sogenannten „Kaffee-Fahrten“, gesponsert durch Firmen, die vom Direktverkauf profitieren (Abb. 6). Paradoxerweise wurde Licheń außerdem nolens volens ebenso zum Ausflugsziel für „Ästheten“, die den Ort aufsuchen, um eine der zweifellos unglaublichsten steingewordenen Phantasien des Megakitschs im europäischen Maßstab mit eigenen ­Augen zu sehen. Sie mokieren sich über die Hässlichkeit dieses Ortes und lassen dennoch Hunderte von Złoty in den Andenkenshops für Mitbringsel unterschiedlichster Art „Made in Licheń“: von Postkarten und Rosenkränzen, über goldene Rosen und blinkende Marienbilder bis hin zu bunten Plastikflaschen in Form der Gottesmutter mit abdrehbarer Krone. Sie machen Hunderte von Fotos und tragen somit unfreiwillig zur Popularisierung des Ortes bei.



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Bei der Frage nach der nationalen Identitätsstiftung sei erneut auf die kulturanthropologischen Forschungen hingewiesen. Entscheidend für die Rezeption Licheńs ist die Tatsache, dass dieser Ort in den Augen vieler Pilger sogar als noch polnischer gilt als Tschenstochau, wie Befragungen ergaben.33 Bei seinem durchaus nationalen Charakter wird Tschenstochau gleichsam als Eigentum der katholischen Universalkirche betrachtet, da es sowohl von Pilgern als auch Touristen aus aller Welt besucht wird. Licheń gilt hingegen hauptsächlich als Reiseziel von Polen und Exilpolen, wodurch es stärker als „unser“, „polnisch“ bzw. „heimelig“ konnotiert wird. „In Tschenstochau sind verschiedene Nationalitäten und dort wird besichtigt, hier gibt es mehr Polen, Christen. Das ist eben unsere Nationalstätte“, so die Aussage einer Pilgerin.34 Edensor legt im Kontext seiner Überlegungen zur nationalen Identitätsstiftung Definitionen sowohl für symbolische Plätze als auch für Stätten der Populärkultur vor. Demnach ist das Sanktuarium von Licheń beides – ein (bewusst kreierter) Ort der Identitätswahrung und -bildung für die polnischen Katholiken. Auf der Grundlage sowohl historisch-messianistischer als auch marianisch-religiöser Mythen, die hier zu einem in ihrem Wesen unzertrennlichen Konglomerat verschmelzen, wird eine den populären Denkmustern entsprechende Identifikationsfolie für nationale Gefühle geboten. Licheń machte sich in schnellem Tempo die leicht identifizierbaren Eigenschaften der großen religiösen und nationalen Sanktuarien zunutze und bediente sich verschiedener Elemente architektonischer und künstlerischer Traditionen, um gleichzeitig weite Bereiche der für die Polen wichtigen historischen Ereignisse, Persönlichkeiten, Symbole und Bedeutungen zu besetzen. Die auf Nationalsymbole und religiöse Inhalte rekurrierende Rhetorik entwickelte sich zu einer Art Schutzschild, die das Heiligtum vor jeglichen Angriffen von außen und Versuchen, diese Argumentationen infrage zu stellen, schützt. Jede Kritik wird automatisch zum Gezerre um die fundamentalen Inhalte, die in dieser Symbolik kodiert sind. Zum Schluss soll noch die Frage aufgeworfen werden, welche Sicht auf Geschichte, Tradition und Erinnerungskultur Licheń transportiert. Inwiefern fußt die hier vertretene Haltung im Nationalstolz und im Bedürfnis, das Besondere des Ortes zu betonen, und wie sehr spielen hier Fremdenfeindlichkeit, der Wunsch nach Isolation sowie die Polarität von Eigenem und Fremdem eine Rolle? Auf der Grundlage der volkstümlichen Religiosität, die das Glauben an Wunder mit einschließt, bietet Licheń ein Heilmittel gegen die moderne Welt und das ihr innewohnende Böse, eine Möglichkeit, sich vor dieser in einer Enklave der katholischen Religiosität und des wahren Polentums zu verschließen. Hier wird keine Stimmung gegen die Europäische Union gemacht, es fallen keine antisemitischen Parolen wie bei Radio M ­ aryja. Es wird vielmehr ein anachronistisches Modell von Religiosität dargeboten, ein geschützter Raum, in dem sich Patriotismus und Katholizismus auf historisch tradierte, idealtypische Weise verbinden. 33 Die Forschungen wurden von Studenten der Universität Warschau unter der Leitung von Ewa Klekot durchgeführt. Klekot (wie Anm. 7). 34 Dzienisiewicz (wie Anm. 10), 154.

V i r gi n M ary, U krai n e an d the unde rground Greek Cat h ol i c C hurch Agnieszka Halemba

Summary This article analyses the ways in which religion, nation, and memory politics in contemporary Transcarpathian Ukraine (Zakarpats’ka oblast’) intersect. The interrelations between these three political fields will be approached through an analysis of the emergence, symbolism, and development of one Greek Catholic Marian apparition site. This article is based on materials gathered in 2006 and 2007 using the standard research methods of social anthropology: photo and video documentation, participant observation, and most importantly, unstructured interviews. The research was undertaken predominantly in the Irshava region in Ukrainian Transcarpathia. The focus of this article is on the narratives concerning the site as well as on the site’s material construction, which, through engagement with the memory of the Greek Catholic Church’s underground presence in the region during Soviet times, attempt to legitimate a particular vision for the future of this church in the Ukraine.

Introduction The division between western and eastern Ukraine has become a commonplace both in the academic works of various disciplines as well as in publications intended for the general public. This division is presented there as based on the differing political and cultural history of both regions, differences which have consequences for contemporary processes of identity formation and political life. Western Ukraine is usually presented as the region where Ukrainian identity-building processes have been based on sustaining opposition to two nations, Russia and Poland, who each laid claims to the states that periodically acquired dominant position in this territory. Western Ukraine is also seen as the main area generating debates on the role of various Orthodox and Catholic Churches in national identity building processes, processes which have resulted in the struggle between various churches for the position as the Ukrainian national church.1 Although situated geographically in the western (south-western) part of the Ukraine, Transcarpathia fits into this division of western and eastern Ukraine neither 1 Cf. Naumescu, Vlad: Modes of Religiosity in eastern Christianity. Religious processes and social change in Ukraine. Berlin-Münster 2007.

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in terms of political and social history nor in terms of contemporary configurations of self-identification patterns among local populations. While in the usual eastern/western division of Ukraine the identification with the independent Ukrainian state and with linguistic and cultural markers of “Ukrainianness” seems to gain importance as one moves towards the Ukrainian western border, in Transcarpathia this scaling up of Ukrainian national feelings becomes complicated and less confident. This is obviously related to the history of this region, which was incorporated into Soviet Ukraine in November 1944 “despite the fact that Subcarpathian Rus, alias Transcarpathian Ukraine, had never been a part of Ukraine, let alone Soviet Ukraine”.2 The question of the position of this region in relation to the Ukrainian nation, Ukrainian statehood, and Ukrainian unity has also created tensions in the church politics in Transcarpathia.

The Greek Catholic Church in Transcarpathia The Greek Catholic Church in Eastern Europe was established as an outcome of the late 16th and 17th centuries’ union agreements3 between the Vatican and a part of the local Orthodox priests and bishops. Those agreements stated that although administratively and doctrinally those Orthodox priests who sign the union come under the jurisdiction of the Vatican, they will keep the Byzantine liturgical rite. However, from the perspective of the two dominant churches of the region, i. e. the Roman Catholic and the Orthodox, the Greek Catholic Church remained for centuries in what can be called a “neither-nor” position. For the Orthodox Church they have been the “traitors”, who, as Vasilii Maksimishinec, the head of an important Orthodox monastery in Transcarpathia wrote in 2004, “sold themselves for Judas’s money and for Rome’s [Roma/ Rom] promises”.4 The local representatives of the Roman Catholic Church have also treated the Greek Catholics with suspicion as those who could always potentially return to Orthodoxy. For centuries the Greek Catholic Church’s priests and believers have been encouraged to adopt Latin devotional practices, architectural styles, and liturgical changes to render their historical connections to Orthodoxy less visible.5 After the Second World War the situation of the Greek Catholic Church was precarious, especially in socialist countries with a significant population of Orthodox believers. In Soviet Ukraine the Greek Catholic Church was “reunited” with the Ortho2 Jordan, Peter/Klemenčić, Mladen: Transcarpathia – bridgehead or periphery? Geopolitical and Economic Aspects and Perspectives of a Ukrainian Region. Frankfurt/Main u. a. 2004, 34. 3 The most important union agreements were signed in 1596 in Brest and in 1646 in Uzhhorod. 4 Maksimishinec, Vasilii: Istoria Pravoslavnoi Cerkvi v Karpatskoi Rusi [History of Orthodox Church in Carpathian Rus]. Uzhgorod 2004, 58. 5 Mahieu, Stephanie: Statues and/or Icons? The Greek Catholic Divine Liturgy in Hungary and Romania, between Renewal and Purification. In: Eastern Christianities in Anthropological Perspective. Ed. Chris Hann. Berkeley 2010; Hann, Chris: Creeds, Cultures and the Witchery of Music. In: Journal of the Royal Anthropological Institute 9/2 (2003), 223–239; Buzalka, Juraj: Nation and Religion. The Politics of Commemoration in South-East Poland. Berlin 2007.



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dox Church in 1946. Although the Soviet state persecuted all religious groups, it was the Greek Catholic Church that suffered most.6 Bishops and priests were imprisoned, exiled, and murdered, while others operated underground. Their underground operation lasted until the late 1980s. After its re-legalisation, the Greek Catholic Church immediately entered the competition between various religious institutions striving to be the Ukrainian national church, a struggle which has been thoroughly described in the literature and was most visible in so-called Western Ukraine.7 Transcarpathia however has also had its own conflicts ascribable to the specific historical development of the region. These conflicts have underscored different identification options for its inhabitants and political activists. At present, in terms of Greek Catholic Church administration, the territory of the Transcarpathian region of Ukraine is identical with the territory under the administration of the Greek Catholic Eparchy of Mukachevo. Until the early 19th century however, this eparchy was much larger, with over 800 parishes scattered among the territories that at present belong to Ukraine, Romania, Hungary, and Slovakia. The seat of the eparchy was the Monastery of St. Nicholas on Chernecha Hora near Mukachevo (contemporary Ukraine). The eparchy remained in communion with the Orthodox patriarch of Constantinople until the Union of Uzhhorod in 1646.8 Following the union, the Greek Catholic bishops of Mukachevo initially only had an auxiliary status to the bishop of Eger (contemporary Hungary). Finally, in 1771 Rome approved a decree that created a jurisdictionally independent Mukachevo Greek Catholic Eparchy.9 In 1780 the seat of the eparchy was moved to Uzhhorod where it remains to this day.10 The territory of the Mukachevo Eparchy was reduced between 1818 and 1912 ­either by transferring some parishes to the neighbouring church administrative units or by creating new eparchies, e. g. with a seat in Prešov and Hajdúdorog.11 Still, even after those administrative transformations, the territory remaining under the jurisdiction of the bishops of Mukachevo covered a larger part of Eastern/Central Europe than today. After the inclusion of Transcarpathia in the Soviet Ukraine, the Greek Catholic Church was de-legalised, and the Greek Catholic Eparchy of Mukachevo ceased to exist legally. Its property was either handed over to the Orthodox Church or confiscated by the state. When the Greek Catholic Church was re-legalised in 1989, the Eparchy of Mukachevo, turned out to be, for the first time in its history, fully within the territory of an independent Ukraine. The status of the eparchy was a subject of fierce discussions within the church starting in the late 1980s. Several options were discussed and con 6 Naumescu (cf. n. 1).  7 Ibid.; Bociurkiw, Bohdan R.: The Ukrainian Greek Catholic Church and the Soviet state (1939–1950). Edmonton 1996; Plochij, Serhij M.: Religion and Nation in Modern Ukraine. Edmonton 2003.  8 Magocsi, Paul Robert/Pop, Ivan: Encyclopedia of Rusyn history and culture. Toronto 2002.  9 Jordan/Klemenčić (cf. n. 2). 10 Magocsi/Pop (cf. n. 8). 11 Fenich, Volodimir’: Etnonatsional’na identichnist’ greko-katolikiv Mukachivvskoi eparkhii [Ethnonational Identity of the Greek Catholic Mukachevo Eparchy]. In: Carpatica 12/31 (2004), 38–62.

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sidered12, but two positions were the strongest. Their respective supporters have been discussing them up to the present time, as we will see below. The sui juris option, with future eparch Ivan Semedii as its leader, presented the Mukachevo Eparchy as historically separate from mainland Ukraine and never in union with the eparchies of G ­ alicia but rather having historical linkages with the Prešov and Hajdúdorog eparchies; it would be located on multi-ethnic territory (some of its supporters emphasized the Ruthenian identity of Transcarpathian Slavic-speaking inhabitants); it would have significant specificities regarding liturgical practice.13 This fraction opted for a separate church administration for Transcarpathia under the direct jurisdiction of Rome. The other main position, with bishop Ivan Marhitych as the main leader, argued for the pan-Ukrainian unity of the Greek Catholic Church with one main seat in Lviv/L’viv/ Lemberg or Kiev/Kyiv/Kiew. This position stated that Transcarpathia is an integral part of the Ukraine, inhabited by Ukrainians or Rutheno-Ukrainians, who proved their Ukrainian national identification at the time of the establishment of Carpatho-Ukraine in 1939. The Ukrainian-unity option has lost its battle and the Mukachevo Eparchy is at present a sui juris one, under the direct supervision of Rome. However, the option supporting the administrative unity of the Ukrainian Greek Catholic Church remains strong, especially among those priests who co-operated or were educated during communist times by the underground bishop Ivan Marhitych.

The Virgin Mary of Dzhublyk and the underground priests On the 27th of August, 2002 two girls, 9-year-old Marianka Kobal and 10-year-old Olenka Kuruc, went to fetch water from a spring called Dzhublyk located between two villages in Transcarpathian Ukraine: Nizhne Bolotne and Vilkhivka. While taking water they saw a young, beautiful woman standing on a cloud covered with flowers. The cloud did not touch the ground and the woman was dressed in bright white clothes with a blue belt. She did not speak. The father of Marianka, who is a Greek Catholic priest, later told the girls that if they see the woman again, they should ask for her name and make a sign of a cross. When the next apparition occurred, the girls followed his instructions and found out that the lady was the Virgin Mary.14 Since 2002 a lot has changed at this apparition site, which took its name from the name of a small meadow in which the spring is located – Dzhublyk (plate I). What used to be a muddy area around a small spring from which the inhabitants of the two 12 Ibid., 57. 13 Sabov, Yurii: Pro Stasus Pidporiadkuvannia Mukachivskoi Greko-Katolic’koi Eparchii [On the Status of Subjugation of the Greek Catholic Eparchy of Mukachevo]. Uzhgorod 1994. 14 The brief description above of the beginning of the apparitions in Ukraine is based on conversations with the visionaries and their parents as well as the publications of the site manager, a former Basilian monk, Atanazii Ciipesh; cf. Istoriya Poyavi Presvyatoi Rodini u Dzhubliku na Zakarpatti [History of the Apparitions of Holy Virgin Mary in Dzhublyk in Transcarpathia]. L’viv 2006.



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neighbouring villages took clean and tasty water, became a building site. At the moment, masses are conducted in a large chapel which has been built next to the spring. There are plans to build an enormous church in the nearby forest, laid out on the plan of the equilateral cross.15 In the meantime, cloister buildings for men and women are being prepared as well as a house for pilgrims and a big roofed assembly square in front of the chapel, designed for common prayers. There are the Stations of the Cross leading to the top of the hill behind the chapel, a healing bath circling a cross in the central location, and a long stairway leading to another cross put up as a place of prayer for the unity of all Christians. On the 27th day of each month, buses full of pilgrims arrive, and on the 27th of August each year an anniversary of the apparition is celebrated with fireworks, drawing several thousand people. The pilgrims often come from quite far away, mainly from Ukrainian Galicia (Halitchyna), but usually there are also two or three buses from neighbouring Slovakia. A few films have been made about the apparitions, leaflets and booklets have been published, and an impressive number of religious items has been produced: song books, poems, special rosaries and Stations of the Cross prayers, pictures, calendars, and so on. The two visionaries are inhabitants of Nizhne Bolotne. At the moment, the site is managed by a former Basilian monk, Atanazii Ciipesh, who was also born in this village. According to him, all the buildings at Dzhublyk have been planned and designed personally by the Virgin Mary. She is also responsible, according to him, for providing financial support for her plans. Father Atanazii sees himself as a builder and a manager, primarily interested in following the Virgin Mary’s orders and making sure that the apparition site of Dzhublyk will survive and grow. As he has said himself, “I am responsible for building and execution of Virgin Mary’s will – she is the one who is responsible for securing the necessary funds”.16 All Nizhne Bolotne’s inhabitants are Greek Catholic, and, most importantly, they remained so throughout socialist times. The local Greek Catholic Church building in Nizhne Bolotne has never been closed – it remained a place of prayer throughout the communist regime and has done so up to the present. After the de-legalisation of the Greek Catholic Church, the local people refused to accept a resident Orthodox priest, and in front of Soviet authorities, they argued that they do not need any priest in the village and they are not going to support him financially. Formally, the local religious community of Nizhne Bolotne was assigned an Orthodox priest who resided in another village and seldom appeared in Nizhne Bolotne. Still, the key to the church remained in possession of the cantor, who was, throughout communist times, responsible for opening the church on holy days and conducting ceremonies for the villagers without participation of a priest. Funerals and baptisms as well as other kinds of celebrations and prayers were conducted by believers either in private homes or in the church building, without participation of priests. From time to time however, the villagers welcomed underground Greek Catholic priests, who provided some services, 15 Atanazii Ciipesh, manager of the apparition site in Dzhublyk, personal communication, August 2007. 16 Atanazii Ciipesh, personal communication August 2007.

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such as administering the Eucharist and performing marriages. Interestingly, in the case of Nizhne Bolotne, among the priests who most often visited this village and who are most remembered by the villagers today are Ivan Marhitych, Petro Oros and Petro Pavlo Madjar (plate II). Ivan Marhitych was born in 1921 in Velika Chingava village (today Borzhavske/ Borzhavsʼke) in Transcarpathia. In 1946 he was ordained into the priesthood in ­Uzhhorod, and after the de-legalisation of the Greek Catholic Church he continued to serve underground in close cooperation with a group of priests that also included, among others, Petro Oros and Petro Pavlo Madjar. In September 1951 Ivan ­Marhitych was arrested and sentenced to 25 years of imprisonment. He was sent to Siberia and returned from there to Borzhavs’ke in 1955 on the wave of amnesty which followed the death of Stalin. He then continued his underground religious service. In the 1980s he became actively involved in the process of rehabilitating and re-legalising the Greek Catholic Church. In 1987, still underground, he was ordained as a bishop. His ordination received formal confirmation from Pope John Paul II (1920–2005) in 1991. In 1993 he became an auxiliary bishop for the believers of Ukrainian nationality in the Greek Catholic Eparchy of Mukachevo.17 He died in September 2003. As stated above, Ivan Marhitych was the leader of the fraction within the Greek Catholic Church in Transcarpathia that favoured the unification of the Ukrainian Greek Catholic Church under one leadership based in Galicia (Halitchyna) and was against administrative independence of the Eparchy of Mukachevo. In Marhitych’s private archive18 one finds letters that he exchanged with the Vatican and with the headquarters of the Ukrainian Greek Catholic Church in L’viv and Kyiv; one also finds resolutions of local communities of believers supporting the Ukrainian-unity case, copies of the letters of his main opponent, Ivan Semedii, and of other pro-sui juris activists, as well as all kinds of other documents and articles related to the case or to Marhitych’s pastoral work. They bear witness to his fight for the inclusion of the Mukachevo Eparchy within one Ukrainian Greek Catholic Church administration with its headquarters on the other side of the Carpathian Mountains. Although in 1993, the Vatican made a final decision that gave sui juris status to the Mukachevo Eparchy19, the documents found in Marhitych’s archive confirm that he continued this work almost until his death. 17 Bendas, Stefan/Bendas, Danyil: Sviashchennyky-muchenyky, spovidnyky virnosti [Priests-Martyrs, Volaries of Faith]. Uzhgorod 1999. 18 What I call here ‘private archive’ consists of a dozen boxes full of papers that were left in ­Ivan ­Marhitych’s house after his death and packed by one of his relatives who was also one of his most dedicated followers. He keeps these boxes at home and refuses to hand them over to anyone in fear that they could be destroyed by the present Greek Catholic Church authorities. I was allowed to look through the archive and copy the documents because I was introduced to him as a trustworthy person by a Greek Catholic priest whose pro-Ukrainian unity sympathies do not leave any doubts. The present handling of this archive is an indication of the feeling of oppression and failure that presently reigns among pro-Ukrainian Greek Catholics of the region. 19 Antonio Franko (Pope’s Nuncius to Ukraine): Letter to All Priests of Greek Catholic Eparchy of ­Mukachevo, 07.02.1993. Private archive of Ivan Marhitych.



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In the archive there are letters and articles written by Basilian monk, Petro ­Pavlo ­ adjar, who was a follower and associate of Ivan Marhitych and likewise an avid M Ukrainian patriot. He underwent an underground ordination in 1957 and worked as a priest throughout communist times, successfully avoiding long-term arrests and exile. In many houses of believers in the I­ rshava region one can find ­Madjar’s prayers and sermons written by hand or on a typewriter and copied dozens of times for distribution. In the 1990s Madjar continued this kind of work, writing and publishing, now officially, on both matters of morality and faith as well as on local church politics. This he did until his death in the late 1990s. He is well remembered in the village of Nizhne Bolotne both for his courage as an underground priest and for his firm stance on the questions of Ukrainian identity and insistence on the introduction of Ukrainian (in place of Church Slavonic) as a liturgical language. Petro Madjar supported the bishop Ivan Marhitych in his struggle for the unity of the Greek Catholic Church until the end of his life. It can be said that Ivan Marhitych and Petro Madjar have become symbols of pro-Ukrainian-unity struggle for those priests of the Eparchy of Mukachevo who share their views on Greek Catholic Church politics. They were instrumental in initiating the change of the liturgical language from Church Slavonic to Ukrainian in some parishes, as well as in propagating, supporting and developing new pilgrimage routes leading to western Ukraine, e. g. to Zarvanitsa. The main declaration of their strong pro-Ukrainian inclination is a huge church in Borzhavs’ke which was built and designed by Ivan Marhitych. This church is a painted tribute to the history and the glory of Ukraine, with many historical figures depicted on its walls including Princess Olha, Martyr Prince Boris, Martyr Prince Hlib, Prince Teodor Koriatovich, Bishop Andrii Bachinskii, Bishop Vasil Popovich, Bishop Pavlo Hojdic, Avhustin Voloshin, Patriarch Ioan Slipii and Metropolitans Ivan Liubachivkii and Andrei Sheptyskii. His grave, located in the underground chapel of this church, has become a site of pilgrimage for some of his most avid supporters (plate III and fig. 1). Another priest who is well-remembered in the village of Nizhne Bolotne is Petro ­Oros. His life has come to represent the suffering of the Greek Catholic Church under socialism. He was born in 1917, and in 1942 he was ordained into the priesthood after completing seminary in Uzhhorod. After the de-legalisation of the Greek Catholic Church, he continued to serve underground. In 1951–1952 a wave of arrests eliminated not only Ivan Marhitych from the region of Irshava but also other actively working underground Greek Catholic priests like Ivan Horinetski, Ivan Roman and Ivan Chengeri. Thereafter, Petro Oros was in charge of underground service for nearly the entire region until 28th of August 1953 when he was shot by the militia. His body was given neither to his family nor to the believers. Instead, he was first buried in the woods next to the village of Kamianske, but when the fresh grave was quickly discovered by the local people, his body was moved to the police station in Irshava. Apparently, for the next 39 years no one was sure where his body was buried.20 Only after 20 Bendas/Bendas (cf. n. 17).

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Fig. 1  Paintings on the walls of the church in Borzhavske village: Theodore Romzha and Avhustin Voloshin.

the re-legalisation of the Greek Catholic Church, the witnesses (former militia workers) confirmed that Petro Oros had been buried all those years under the floor of the garage of the local militia station. He was exhumed in 1992, and on the 23rd of ­August 1992 his remains were carried in a procession from Irshava to Bilki village, his last parish before the de-legalisation of the Greek Catholic Church. He was buried in a chapel next to the Greek Catholic Church in Bilki, and in 1999 a monument was erected next to the former militia station in Irshava were his body had been buried for 39 years.21 21 Ibid.



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What is the relation between these priests and the apparition of the Virgin Mary in Dzhublyk? At the time of the apparition only Ivan Marhitych was still alive, but the names and biographies of all these priests have been evoked at the apparition site. Ivan Marhitych’s relatively long and difficult life has provided the main narrative, linking devotion, courage, and suffering with strong political activism and a clear vision for the future. His life is also a thread through which the lives of the two other underground priests presented above have been linked into a narrative of underground suffering and Ukrainian patriotism. Ivan Marhitych began his path in cooperation with Petro Oros, who is now a priest martyr, and was accompanied in the later stages of his life by Petro Pavlo Madjar, who is widely known in the region for his strong Ukrainian national feelings. The narrations related to the life-histories of these three priests, often included in sermons at the apparition site, discussed among the pilgrims, and confirmed through the visions, facilitate a link between the underground suffering and aspirations for pan-Ukrainian unity of the Greek Catholic Church. Thus, in this way, the pro-Ukrainian fraction lays exclusive claims to the underground suffering, even though various other priests, some supporting nowadays a sui juris option, were involved in the underground work of the church. In these narratives, Petro Oros represents the martyrdom of the Greek Catholic priests, and his life is a site of meaningful events which influence the present. For example, the Virgin Mary of Dzhublyk appeared for the first time on the 27th of August 2002; I was told by the manager of the site, Father Atanazii Ciipesh, that she chose this day not only because it is the eve of her feast but also because it was the eve of the anniversary of Petro Oros’s death. The suffering of the underground Greek Catholic Church is also an important lieu de mémoire for inhabitants of the village of Nizhne Bolotne, one of the few villages in Transcarpathia that not only refused to accept the Orthodox priests, but also managed to keep the church building in the village available for Greek Catholic services. The fact that famous and influential underground priests had standing support in this village, links its inhabitants to the powerful narrative of the underground suffering. During interviews with inhabitants of Nizhne Bolotne, many verified that the spring of Dzhublyk itself was a favourite resting place for Petro Oros when he secretly visited believers: “He was travelling on foot, Father Oros. When he was walking through Vilkhivka, well, in that village he could not enter any house – this was a dead place.22 And in our village, although he could not enter every house, he could come to some even at night, knock and they would let him in. So, when he walked through Vilkhivka he was making such small crosses over their door22 The speaker, a female inhabitant of Nizhne Bolotne in her 60s, refers to the fact that, in the opinion of Nizhne Bolotne’s inhabitants, people of Vilkhivka, the other village next to the apparition site, either accepted Orthodoxy or withdrew from religious activities altogether in Soviet times. My interviews in Vilkhivka confirm the fact that the underground activities of Greek Catholic priests there were less prominent than in Nizhne Bolotne. Nowadays, while Nizhne Bolotne inhabitants both emphasize their heroic underground past and accept the truthfulness of the Virgin Mary apparitions, Vilkhivka’s inhabitants do not lay claims to underground heroism and are more sceptical and cautious with regard to the apparitions.

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steps, one could hardly notice what he was doing. And he told people here that there could be in the future a beautiful place there, when people would start to believe again. He was going to that spring [Dzhublyk spring, A.H.], he prayed there. I cannot be sure, but maybe it was his idea [ukr.: zadum] that he would be killed, and here Virgin Mary appears? People say that he was very often sitting next to that spring, praying and drinking water. He was a great man. And after him Father Pavlo Madjar was another great man, he even during his lifetime made miracles!”

While Petro Oros is unfailingly venerated and remembered with awe and respect by everyone I interviewed, regardless of their views on contemporary church politics, the position of Petro Pavlo Madjar is more complex. Even those who admire his work and courage and, as we have seen above, even attribute miraculous powers to him, admit that he was not received positively by everyone because of his strong pro-Ukrainian stance and involvement in politics. Still, he is also included in the same narratives as a follower of Petro Oros and an admirer of the Dzhublyk spring. Ivan Marhitych’s life links all these narratives together, as his life connects underground suffering and pro-Ukrainian struggle, while the former legitimises the latter. According to the publications produced by the management of the apparition site, Ivan Marhitych was chosen by the Virgin Mary herself as the first bishop who should be notified about her apparition: “The Immaculate Lady asked Father Petro23 through visionaries to notify the church authorities of her apparitions. To his question regarding the particular person that should be notified first, the girls replied, ‘The elderly vladyka Marhitych’. Father Petro went to the bishop and told him everything that the children had said. After he finished vladyka asked, ‘And you, Father, what do you think?’ He answered, ‘I believe that this is God’s Mother!’ ‘So, let us go!’.”24

Hence Ivan Marhitych was the first, and for some time, the only bishop who visited the apparition site. On the 28th of November 2002, he also headed a group that included the visionaries, their parents, and Atanazii Ciipesh, during a pilgrimage to Rome with hope of introducing the case of Dzhublyk to the Pope. Although they could only take part in a general audience, Ivan Marhitych managed to introduce the case briefly to John Paul II, who apparently promised that a commission from the Vatican would be sent to the apparition site.25 Although a few months later, Atanazii Ciipesh, Petro Kobal (father of Marianka), and Ivan Marhitych became involved in a dispute and Atanazii Ciipesh became the solitary manager of the site and the supervisor of the one remaining visionary (Marianka stopped coming to the site), the Virgin Mary of Dzhublyk continued to deliver quite consistent messages. The messages had accompanied the apparitions from the very beginning and referred both to the martyrdom of the Greek Catholic Church as well as to the question of Ukrainian unity.

23 Fr. Petro is the father of Marianka, one of the visionaries. He is a Greek Catholic priest and a follower and admirer of Ivan Marhitych. 24 Ciipesh, Atanazii: Istotia Poiavi Presviatoi Rodiny v Dzhubliku na Zakarpatti [History of the Apparitions of Holy Virgin Mary in Dzhublyk in Transcarpathia]. Dzhublyik 32002/03. 25 Ibid., 22 f.



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For example, Olenka had visions of Teodor Romzha, the last head of the Eparchy of Mukachevo, from 1944 until his death on the 1st of November 1947. It is widely assumed, although not yet officially proven, that he was killed by Soviet secret police.26 At the moment his beatification process is underway, and on the 24th of ­June 2001 John Paul II declared him as “Blessed”. There were also visions of the Apostle Andrew that were commented on in the following way by Atanazii Ciipesh: “The next day was the Feast of All Saints of the Ukrainian Nation. After the morning mass, she [Olenka, A.H.] said that she saw, next to the Mother of God and two main Apostles [Peter and Paul, A.H.], one person she had not seen before. The Mother of God told her that this was the Apostle Andrew. This must be significant for our Ukrainian land, that she saw on that very day the Apostle Andrew? We know from the legends which are alive among our people that this was Andrew Protokletos, who had stepped onto the Ukrainian land and had blessed the mountains upon which later Kyiv was built. In truth, we become again and again convinced that the Holy Family27 comes not for some separate region of Ukraine but for the entire nation, for all Ukrainian society and not only for it. This is not surprising that movements of socalled Rusyns or some other Transcarpathian minorities accuse Dzhublyk of Ukrainian nationalism. The service for God and nationalism have in this case nothing to do with each other.”28

In the passage quoted above, Atanazii Ciipesh admits the significance of the apparitions for Ukraine and his understanding of the position of Ruthenian (Rusyn) a­ ctivists who treat Dzhublyk as a pro-Ukrainian apparition, and simultaneously he rejects their accusations of nationalism. He is aware that the “political messages” of the ­Virgin Mary cannot be welcomed by the present authorities of the sui juris eparchy, as she seems to support the pro-Ukrainian option. The most avid supporters of the site come from Ivano-Frankivs’k, Ternopil/Ternopil’, and L’viv. It was their initiative to build the Stations of the Cross over the Carpathian Mountains. The Stations are situated along the main route between L’viv and Mukachevo from where they lead to Dzhublyk. I have also been told that it was the Virgin Mary’s explicit wish that the liturgies at the apparition site be conducted in Ukrainian (the visionary stopped a priest who was conducting a liturgy in Church Slavonic and informed him that the ­Virgin ­Mary wishes that the liturgy be in Ukrainian). Besides, one of the three main messages of this apparition expresses the necessity to pray for the unity of all Christians. This of course could be taken as a request to overcome the disagreements that until now have characterised the relations between the Orthodox Church of the M ­ oscow Patriarchate and the Greek Catholic Church in Transcarpathia. Such an interpretation is available, and there are signs at the apparition site that this could be developed in the future. Still, at the moment the interviews with the closest supporters of the site indicate that the unity of all Christians is interpreted not primarily as the unity of various Christian denominations, but rather it refers to a need of unity between different 26 Bendas/Bendas (cf. n. 17). 27 Although the Virgin Mary was the first and most important holy figure to appear in Dzhublyk, and is the only one who speaks with the girls, she has been joined by Jesus and St. Joseph, among other figures. The site is officially advertised at the moment as the apparition site of the Holy Family. 28 Ciipesh (cf. n. 24), 85 f.

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administrative units of the Greek Catholic Church in Ukraine. In this way, the Virgin Mary supports a vision for the future of the Greek Catholic Church that was promulgated by Petro Pavlo Madjar and Ivan Marhitych. The history of the Ukrainian struggle for Transcarpathia is also entailed in the apparitions. According to the booklet distributed among believers, on the 14th of March 2003, Atanazii Ciipesh and Olenka were driving next to Krasne Pole, which on the 15th of March 1939 was the site of a battle between the supporters of Carpathian Ukraine and Hungarian troops. The visionary saw the field covered with crosses and “at this moment Father Atanazii understood that a child sees something unusual. He concluded that even today the memory of Sich fighters is commemorated here, at the place where they gave their lives away”.29 The apparition site is barely tolerated by Greek Catholic Church authorities at the moment, but because Atanazii Ciipesh is a good negotiator and manager, his dealings with the eparchial authorities have proven quite successful. The precise content of these dealings has a lot to do with particular relations between the state and religious institutions in Ukraine and has been addressed by me in another publication.30 Father Atanazii withdrew from a Basilian order (before the apparitions occurred, he was a leader of an important monastery in Boroniava) in order to establish his own monastic order, but he has managed to keep good relations with his Basilian brothers. He was born in the neighbouring village of Nizhne Bolotne where he has unfailing support of part of the village. Even though the initial reaction of the church hierarchy was very negative, he managed to engage in successful negotiations. Although Milan Sasik, the head of the eparchy is sceptical about the apparition itself 31, he is now nonetheless the formal head of the new monastic order established in Dzhublyk. Many local priests have commented that this change of attitude and acceptance has been fuelled by a fear of an internal split within the church – Atanazii Ciipesh made clear that he would not give up on the site, and he did have some important local support. More importantly though, support for the apparition site in Dzhublyk has been not only local, but it has come from behind the Carpathian Mountains: from L’viv, ­Ivano-Frankivsk and ­Ternopil’.

Conclusion William Christian Jr. wrote concerning Marian apparitions: “Whether one regards the messages and symbolism of these visions as sent from God, or as a kind of reflection of the collective unconscious, they provide a fascinating counterpoint to political and

29 Istoriya (cf. n. 14). 30 Cf. Halemba, Agnieszka: Virgin Mary and the border. Identity politics of the Greek Catholic Church at the Ukrainian/Slovak borderland. In: Sociologia ‒ Slovak Sociological Review 40/6 (2008), 548‒565. 31 Milan Sasik, personal communication August 2006.



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social history.”32 The apparitions of the Virgin Mary and other holy figures are phenomena that can be and are analysed from various standpoints: sociological, political, experiential, feminist or psychoanalytical.33 Here, I am concerned with the position of a certain apparition within church politics ‒ this gives focused access to issues of the social and political history of religion in a particular setting. This does not mean that I doubt the sincerity of the visionaries or that I disregard the religious experiences of the pilgrims. The power of the Virgin Mary’s apparition lies precisely in the fact that, although she is often evoked in a situation of nationalist struggles with ideas of election and chosenness coming to the foreground34, she also evokes images, values, and narratives which are based on general Catholic moral values, ideas of God’s protection, and universal salvation. Hence, one can easily place one’s trust in the apparition without consciously choosing to support any political stance. This is precisely what is happening at the moment at the site in Dzhublyk – not all the people who go there have clear pro-Ukrainian unity views. My interviews show that some of the pilgrims even consciously do not want to get involved in political disputes, and if they become aware of them, they choose to ignore them. Still, the powerful linkage between the underground suffering and the pro-Ukrainian unity stance pervades the message of the site, spreading the ideas of the so-far lost battles of Ivan Marhitych and his followers. One should not undervalue the significance of church politics in the processes of development of religious pilgrimage sites. Perry and Echeverría, while talking about the background of Marian apparitions in general, say that they usually occur in a situation of social upheaval, economic crisis, and political conflict, especially in underdeveloped, relatively isolated regions.35 According to them, the apparitions often occur in a situation when the church feels under attack. Still, I believe that the situation in Dzhublyk has much in common with the situation in Medjugorje/Međugorje, where, as Mart Bax argued one of the main conflicts behind the apparition was one within the church itself, namely between diocesan and monastic regimes.36 Contemporary apparitions occur when the church faces strong internal disagreements and disputes, which have not been solved or cannot be solved through internal political negotiations. The conflict between monastic and diocesan regimes is also visible in the Dzhublyk case. The main manager of the site and, at the moment, its undisputed leader is a former Basilian monk who still maintains good re32 Christian Jr., William A.: Religious Apparitions and the Cold War in Southern Europe. In: Religion, power and protest in local communities. The Northern Sjore of the Mediterranean. Ed. Eric R. Wolf and Herbert H. Lehmann. Berlin-New York-Amsterdam 1984 (Religion and Society 24), 240. 33 For a fairly recent short review of the most popular approaches see Skrbiš, Zlatko: The apparitions of the Virgin Mary of Medjugorje. The convergence of Croatian nationalism and her apparitions. In: Nations and Nationalism 11/3 (2005), 443–461 and Zimdars-Swartz, Sandra: Encountering Mary. From La Salette to Medjugorje. Princeton, N. J. 1991. 34 Skrbiš (cf. n. 33). 35 Perry, Nicholas/Echeverría, Loreto: Under the Heel of Mary. London-New York 1988, 76–78. 36 Cf. Bax, Mart: Religious regimes and state formation: towards a research perspective. In: Religious Regimes and State Formation. Perspective from European Ethnology. Ed. Eric R. Wolf. Albany 1991, 7–28; Idem: Medjugorje. Religion, Politics, and Violence in Rural Bosnia. Amsterdam 1995.

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lations with his former brothers. In response to my question regarding the order’s attitude to Atanazii’s withdrawal, his successor as the head of the monastery in Boroniava said, “Well, this happens. Mother Theresa also withdrew from her order to establish a new one”.37 Many Basilian monks visit Father Atanazii privately on occasions such as his birthday. Officially, the Basilian order does not support the apparitions, and I can only guess that the establishment of a new order at Dzhublyk was a political solution aiming at avoiding direct confrontation between the Basilian order and the eparchial hierarchy. This support-despite-withdrawal position is easier to understand if we take into account that Basilian monasteries in Transcarpathia have for a long time been at the forefront of the pro-Ukranian struggle. Petro Pavlo M ­ adjar was a Basilian monk himself, and the liturgies in all the Basilian monasteries are carried out exclusively in Ukrainian. The monasteries also operate according to the Kyiv time, while most parishes give the timetable of their masses in Central European time. Still, this conflict between “monks” and “priests” is not the main one around which the apparition site has evolved. Instead, it is a conflict between two visions of the future of the Greek Catholic Church in Transcarpathia, visions that I suggest are both indicative of a more general identity search occurring in this region. This is a struggle over memory which would give direction for the future of this region. Is Transcarpathian history the one of Kievan Rus’ or rather the one of Central European Empires? In this context the Virgin Mary is instrumentalised as a kind of heaviest weapon for this option that has so far lost its case within Greek Catholic Church politics. However, on the other fronts the option underlining the specificity of Transcarpathia and its links to Budapest and Vienna/Wien rather than to L’viv and Kyiv is less successful. In 2006 and 2007, the border crossings in Transcarpathia were modernized and tightened, as were all the others along the eastern border of the European Union. Separate check points for European Union citizens were opened, which clearly separated people queuing there into two categories. The first time I crossed this border in 2006, I was accompanied by a Slovak priest whose clothes, clearly indicating his profession, secured us an unproblematic and fast crossing. He joked that we crossed the border on the “wings of the Holy Spirit”. In August 2007, I was alone but I did not need this kind of support any longer. At the Slovak border crossing at least, my wings were provided by my Polish passport. Although the renovation of border crossing points, the inclusion of Slovakia and Hungary into the Schengen zone, and the strengthening of the border regimes are discussed among people of different political orientations, for some priests supporting the sui juris option, those facts are especially important and symbolic. The main pilgrimage site of the pre-World War II Mukachevo Eparchy, which until today has remained under the jurisdiction of the Greek Catholic Church, is located in Hungary in the village of M ­ aria Pocs. Although Ukrainian citizens also required a Hungarian visa before Hungary’s inclusion into the Schengen zone, according to my informants it was neither particularly difficult nor expensive to get one, and pilgrimages to ­Maria Pocs 37 Personal communication, August 2007.



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took place throughout the 1990s and the beginning of the 2000s. While pro-Ukrainian priests organized parish pilgrimages to Zarvanitsa in Ukraine, other priests organized visits to Maria Pocs. One of the latter told me when I asked about the future of pilgrimages to Hungary, “People will go when they are allowed to go”. He explained that in the next years we could expect a rise in pilgrimages to Zarvanitsa and other Ukrainian sites because people need and want to participate in those for religious reasons. But crossing the European Union border could prove to be too expensive, too time-consuming, and too difficult to organize. Hence, one could say that the European Union seems to unwillingly support the Virgin Mary of Dzhublyk.

„ Hei l i g e Got t esmu t t e r von Poča jiv, si e w i rd  u n s rette n!“ Die Gottesmutter von Počajiv als Erinnerungsort in der postsowjetischen Ukraine

Liliya Berezhnaya

Am 3. Oktober 2012 erreichte die Ikone der Gottesmutter von Počajiv zuerst die Stadt Kaniv in der Region Čerkassy in der Ukraine (Taf. I). Tausende Gläubige der ukrainisch-orthodoxen Kirche/Moskauer Patriarchat (UOK-MP) erwarteten ungeduldig die Ankunft eines der berühmtesten Heiligtümer der Orthodoxie. Im Verlauf der nächsten zwei Wochen befand sich die Ikone in verschiedenen Kirchen der Stadt; zehntausende Pilger erhielten die Möglichkeit zu ihrer Verehrung. Danach wurde sie in Begleitung von Mönchen zurückgeschickt in das Heilige Himmelfahrtskloster (Svjato-­Uspenskaja Lavra) von Počajiv/Potschajiw in der Westukraine. Die Entsendung der Ikone kam mit dem Segen von Metropolit Vladimir, Oberhaupt der UOK-MP, zustande. Um die technischen und finanziellen Belange allerdings kümmerte sich Oleksandr Maštepa, ein unabhängiger Kandidat für den Posten eines Abgeordneten in der Verchowna Rada (dem Parlament) der Ukraine. Sämtliche Kirchen, zu denen die wundertätige Ikone kam, befanden sich auf dem Gebiet seines, des Wahlkreises Nr. 196.1 Gegner von Maštepa ließen keine Gelegenheit aus, auf die offensichtlichen „politischen Dividenden“ aus der Präsentation der Ikone in Čerkassy am Vorabend der Parlamentswahlen hinzuweisen. So ereiferte sich das Haupt der lokalen Administration, Oleksij Badarčenko, darüber, dass „sich hinter der Ikone einer der Kandidaten zur Abgeordnetenwahl zu verstecken versucht“.2 Währenddessen sprachen die örtlichen Radiosender den Einwohnern der von der „Partei der Regionen“ regierten Stadt ihre Glückwünsche im Zusammenhang mit dem Verweilen der Ikone aus.3

1 Kandydat v narodni deputaty pryviz na svij vyborčyj okruh čudotvornu Počajivs’ku ikonu Bohorodyci [Kandidat bei Parlamentswahlen brachte die wundertätige Gottesmutter von Počajiv in seinen Wahlkreis]. In: Religija v Ukraini, 22.10.2012, online-Ressource: http://www.religion.in.ua/news/ ukrainian_news/18843-biznesmen-oleksandr-mashtepa-priviz-na-viborchij-okrug-chenciv-z-chudotvornoyu-pochayivskoyu-ikonoyu-bogorodici.html (29.01.2013). 2 Čerkasskij činovnik vystupil protiv pribytija čudotvornoj ikony Počaevskoj Božjej Materi [Staatsbeamter aus Čerkassy spricht sich gegen die Ankunft der wundertätigen Ikone Gottesmutter von Počajiv aus]. In: Ukranews, 08.10.2012, online-Ressource: http://ukranews.com/ru/news/ukraine/2012/10/08/80533 (29.01.2013). 3 Ebd.

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Liliya Berezhnaya

Die Versuche einer Instrumentalisierung des Kultes der Gottesmutter von Počajiv in der heutigen Ukraine sind keineswegs eine neue Erscheinung. Im Prinzip handelt es sich um einen Teil des Prozesses einer Nationalisierung der Religion, der für die Länder der ehemaligen Sowjetunion charakteristisch ist.4 Zugleich ist aber, meiner Meinung nach, die gegenwärtige Politisierung des Kultes um die Počajiver GottesmutterIkone auch Ausdruck der besonderen Stellung des Himmelfahrtsklosters – wo sich die Ikone befindet  – im nationalen ukrainischen Gedächtnis.5 Denn die Entstehung des Kultes um die Gottesmutter-Ikone von Počajiv ist von der Geschichte der Lavra nicht zu trennen. Im Verlauf von zwei Jahrhunderten ergab es sich, dass іn der UOK-MP diese Lavra – nach der Kievo-Pečerskaja Lavra (dem berühmten Kiewer Höhlenkloster) – der Größe sowie der Zahl der Pilger und der Bedeutsamkeit ihrer Heiligtümer nach den zweiten Rang einnimmt. In mehrfacher Hinsicht ist der besondere Status der Lavra von Počajiv und der lokalen Gottesmutter-Ikone bedingt durch deren geographische Lage in der Region Ternopil’ (Tarnopol/Ternopol’) in der Westukraine. Diese Territorien gehörten im Laufe der Geschichte erst zum Königreich Polen, dann im 16.–18. Jahrhundert zu Polen-Litauen, später, von 1772 bis 1918, zum Kaiserreich Österreich (ab 1867 Österreich-Ungarn). In der Zwischenkriegszeit war die Region Ternopil’ ein Teil der Zweiten Republik Polen. Nach dem Zweiten Weltkrieg schloss sich diese Region zu einem Teil der Sowjetunion und nach deren Zerfall 1991 der unabhängigen Ukraine an. Die meisten Gläubigen gehören hier aus historischen Gründen mehrheitlich der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche (UGKK) und der ‚nationalautonomen‘ ukrainischen autokephalen orthodoxen Kirche (UAOK) an. Beide sind in der gegenwärtigen religiösen Landschaft gleichsam Konkurrenzkirchen zur UOK-MP mit ihrem Hauptsitz in Moskau. Diese Situation macht die Lavra von Počajiv für die ­UOK-MP zu einer Art „Insel“ an der Grenze zwischen der orthodoxen und der katholischen Welt. Oder wie es anderswo ausgedrückt wird: Diese Geographie macht die Počajiver Lavra zu einer „Bastion der russischen Orthodoxie“6 in einem nationalorientierten „ukrainischen Meer“. Beide Faktoren – der religiös-kulturelle und der politische – bestimmten den doppelten Status der Počajiver Lavra als historischen Gedächtnisort, wie er für die ­Ukraine und für Ostmitteleuropa allgemein typisch ist. Die Gottesmutter wie auch die Lavra im Ganzen erscheinen als Beispiel für die Symbiose religiöser und politischer 4 Nationalisierung der Religion und Sakralisierung der Nation im östlichen Europa. Hg. v. Martin Schulze-Wessel. Stuttgart 2006; Bremer, Thomas: Religion und Nation. Die Situation der Kirchen in der Ukraine. Wiesbaden 2003 (Schriften zur Geistesgeschichte des östlichen Europa 27). 5 „Lavra“ (urspr. griech. laura) ist eine Bezeichnung für ein wichtiges Kloster in der ostkirchlichen sog. koinobitischen Kloster-Tradition, in der die Mönche im Prinzip als Einsiedler in separaten Zellen wohnen, aber zu bestimmten Anlässen, wie Gebeten, Gottesdiensten oder Mahlzeiten, zusammenkommen. 6 Baršaj, Serhij: Forpost pravoslavja na zachodi Ukrainy [Ein Bastion der Ortho­doxie in der West­ ukraine]. In: http://archivorthodoxy.com/page-2196.html (29.01.2013).



Die Gottesmutter von Počajiv als Erinnerungsort

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Erinnerungsorte. Freilich, diese Doppeldeutigkeit begleitete die Ikone und die ­Lavra nicht immer im gesamten Verlauf ihrer mehrhundertjährigen Geschichte.

Kurze Geschichte der Lavra und der Gottesmutter-Ikone von Počajiv Der Überlieferung nach wurde das Kloster im Jahr 1240 gegründet, als die Mönche des Kiewer Höhlenklosters vor den Mongolen und Tataren flohen und sich auf dem Hügel von Počajiv niederließen. Auf diese Zeit bezieht sich auch die Wunderlegende von der Vision der Gottesmutter durch den Hirten Ivan Bosyj: Demnach betrat die Gottesmutter den Počajiv-Hügel und ihre Fußspuren füllten sich mit lebensspendendem Wasser.7 Erstmals schriftlich erwähnt wurde das Kloster im Jahr 1527; offiziell ist die Gründung des Klosters mit einer Stiftungsurkunde der Eigentümerin von Počajiv, der Adligen Hanna Hojs’ka, aus dem Jahr 1597 verbunden. Hojs’ka schenkte dem Kloster nicht nur Wald- und Ackerflächen, sondern auch eine wundertätige Ikone der Gottesmutter (byzantinischer Typ der „Eleusa“), die sie als Geschenk von einem bulgarischen Metropoliten namens Neophit erhalten hatte. Hojs’ka stellte die Ikone zunächst in die Hauskapelle und entschied nach 38 Jahren, diese ins Počajiv-Kloster zu verlegen. Den Überlieferungen nach geschah dies aufgrund zahlreicher Wundertaten und Heilungen sowie insbesondere wegen eines bestimmten Lichtes, welches die Ikone ausstrahlte.8 Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Klosters und des Kultes um dessen Ikone spielte der Vorsteher (Igumen) Iov (Zalizo) (1550–1651), der die studitische Mönchsregel einführte. Außerdem gelang es ihm, von den Nachfahren Hanna Hojs’kas weggenommene Klostergüter zurückzufordern sowie weitere reiche Unterstützer und Stifter unter den lokalen Adligen zu finden. Im Jahr 1649 wurde auf dem Hügel von Počajiv die Dreifaltigkeitskirche erbaut, wohin auch die Ikone der Gottesmutter überführt wurde. Die Herausbildung eines Kultes um das Počajiv-Kloster und dessen Gottesmutter lässt sich bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts zurückverfolgen, als der orthodoxe Prediger und Rektor der Kiewer Akademie, Ioanikij Haliatovs’kyj, in seinem Buch „Nebo Novoe“ (Der neue Himmel, 1665) an eine wundertätige Ikone erinnert, zu deren Verehrung eine große Zahl von Pilgern geströmt sei.9 Zu dieser Zeit entstand das Epos vom wundertätigen Auftreten der Gottesmutter bei der Belagerung von 1675, das u. a. auch Eingang in den religiösen Gesang gefunden hat und danach ins nationale Volksliedgut eingegangen ist. Eines dieser Volkslieder gibt die Episode als sakrales Ereignis wieder: 7 Ryčkov, Petro/Luz, Viktor: Počajivs’ka Svjato-Uspens’ka Lavra [Das Himmelfahrtskloster von ­Počajiv]. Kyiv 2000, 8 f. 8 Ilarion (Ohijenko): Fortezja pravoslavja na Volyni: Svjata Počajivs’ka lavra [Eine Bastion der Orthodoxie in Wolhynien: Die Heilige Lavra von Počajiv]. Kyiv 2005, 66 f. 9 Haliatovs’kyj, Ioanikij: Nebo Novoe [Der neue Himmel]. L’viv 1665, 99.

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„Sieh, der Abendstern ging auf, über Počajiv. Hielt an seinen Lauf, über Počajiv! Das Heer der Türken näherte sich wie die schwarze Wolke. Türken und Tataren belagerten die Pforten, um das Kloster zu erobern, zu erobern! Heilige Gottesmutter von Počajiv, sie wird uns retten. So kam Vater Zalizo aus seiner Zelle, und betete unter Tränen, unter Tränen! Oh Rettung, Rettung, Gottesmutter, unser Kloster geht unter! Und so erschien sie, die Gottesmutter, und sie stand auf dem Kreuz, so stand sie. Wies die Kugeln zurück, tötete die Türken und rettete das Kloster!“10

Die Ereignisse fanden ihren Ausdruck auch in der graphischen Kunst der Zeit. Das bekannteste Beispiel ist Nikodym Zubryc’kyjs Kupferstich „Obloga Počajivs’koi Lavry 1675 r.“ (Die Belagerung des Klosters von Počajiv im Jahr 1675) von 1704 (Abb. 1).11 Der Legende nach hatte die Erscheinung der Gottesmutter und des Hl. Iov von ­Počajiv am Himmel direkt über dem Kloster die Türken derartig erschreckt, dass sie sich zum sofortigen Rückzug entschlossen. Die türkischen Truppen, erkennbar an ihrer Kleidung, erscheinen in Zubryc’kyjs Druck als demoralisierter Haufen, vernichtet von den himmlischen Mächten der Engel und Erzengel. Diese Szenen wurden in den Vordergrund gesetzt und machen so den Gegensatz zwischen den türkischen Aggres­soren und den himmlischen Schutzmächten augenfällig. Hier gibt es keine Darstellung eines orthodoxen Heeres (was der historischen Wirklichkeit entsprochen hätte), aber auch die Mönche von Počajiv sind nur schematisch im Hintergrund dargestellt und spielen lediglich die Rolle von Statisten in einem überirdisch-göttlichen Szenario.12 Der Kupferstich von Zubryc’kyj setzt die Konzeption des Sieges vom Guten über das Schlechte um, und verstärkt damit visuell die Rolle des Klosters von ­Počajiv im christlichen Heilsgeschehen. Parallel zur Entstehung des Kultes der Počajiver Gottesmutter verbreitete sich auch die Verehrung des Hl. Iov von Počajiv. Eine erste Lebensbeschreibung des Heiligen wurde von seinem Schüler Dosifej zusammengestellt, nicht lange nach der Kano­ 10 Eigene Übersetzung, ukrainisches Original in: Ryčkov/Luz (wie Anm. 7), 16 f. 11 Lohvyn, Hrygorij: Z hlybyn. Hravjury ukraijins’kych starodrukiv XVI–XVIII st [De profundis. Kupfer­stiche aus ukrainischen historischen Drucken des 16. bis 18. Jahrhunderts]. Kyiv 1990, 74. 12 Ryčkov/Luz (wie Anm. 7), 28–34.



Die Gottesmutter von Počajiv als Erinnerungsort

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Abb. 1  Nikodym Zubryc’kyj: Die Belagerung des Klosters von Počajiv im Jahr 1675, 1704. Kupferstich.

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nisierung Iovs im Jahr 1659. Wichtig ist, dass Iov in der Ikonographie von Beginn an eng mit der Gottesmutter verbunden wurde – Ikonen und Kupferstiche zeigen fast immer beide zusammen  –, was den Bedeutungszuwachs des Počajiver Klosters als christliches Heiligtum noch beförderte. Die ‚basilianische Periode‘ des Klosters begann im frühen 18. Jahrhundert. Zu dieser Zeit ging das Kloster in den Besitz der griechisch-katholischen (unierten) Kirche über, weshalb sich 1739 dort die Basilianer niederließen. In diese Zeit fällt auch die gesteigerte Produktivität der Druckerei von Počajiv. Die Basilianer waren zudem die Initiatoren des Umbaus des Klosters, der dessen Aussehen veränderte und maßgeblich prägte. Finanzielle Unterstützung gewährte dabei Graf Mikołaj Potocky, der der Überlieferung nach von der römisch-katholischen zur griechisch-katholischen Kirche übergetreten war – und zwar infolge des wundertätigen Eintretens der Gottesmutter von Počajiv für seinen Diener, den der wutentbrannte Graf hatte erschießen wollen.13 Nach seiner Konversion finanzierte der Graf den Bau der monumentalen HimmelfahrtsKathe­drale im Kloster (Abb. 2) und intervenierte sogar beim Papst in Rom wegen ­einer katholischen Kanonisierung des Iov von Počajiv und einer Krönung der Gottesmutter-Ikone.14 Allerdings wurde 1773 nur seiner zweiten Bitte entsprochen. Damit stand die Krönung der Gottesmutter-Ikone von Počajiv in einer langen Reihe zusammen mit anderen solchen Krönungen im damaligen Polen-Litauen, denn insgesamt fanden im 18. Jahrhundert 21 derartige Krönungen statt. Eine besondere Konkurrenz für das Počajiv-Kloster und dessen Ikone war das römisch-katholische Kloster von Podkamień/Pidkamin’ (nahe Lemberg/L’viv), wo 1727 eine pompös gestaltete Zeremonie zur Krönung der Marien-Ikone stattgefunden hatte.15 Die Krönung und der Bau der barocken Himmelfahrts-Kathedrale, in der auch die wundertätige Ikone ihren Platz fand, vollendeten jedenfalls den Wandel des Klosters von Počajiv in ein sowohl in der katholischen als auch in der orthodoxen Welt anerkanntes Heiligtum. Auf visueller Ebene fand diese Tatsache ihren Ausdruck in den Kompositionen von Ikonen und von Kupferstichen. Neben dem bereits erwähnten Kupferstich von Zubryc’kyj tauchten Mitte des 18. Jahrhunderts einige neue graphische Darstellungen der Gottesmutter von Počajiv auf. Auf Kupferstichen und Ikonen erschien neben dem Antlitz der gekrönten Gottesmutter mit dem Kind nun oft der archi­tektonische Komplex des Klosters (der Himmelfahrts-Kathedrale), zudem Figuren der Mönche (z. B. des Hl. Iov) und des Hirten Ivan Bosyj zu Füßen der Gottesmutter.16 Das katholische Bild der gekrönten Gottesmutter fügte sich dabei vollständig in die traditionelle orthodoxe Ikonographie ein. Man kann sagen, dass es während 13 Chojnackij, Andrej: Počajevskaja uspenskaja lavra. Istoričeskoje opisanije [Das Himmelfahrtskloster von Počajiv. Historische Beschreibung]. Počaev 1897, 99–199. 14 Ilarion (Ohijenko) (wie Anm. 8), 184–193. 15 Adelsgruber, Paulus/Cohen, Laurie/Kuzmany, Börries: Getrennt und doch verbunden. Grenzstädte zwischen Österreich und Russland 1772–1918. Wien-Köln-Weimar 2011, 17 f. Fn 655. 16 Zum Beispiel auf dem Kupferstich von Teodor Strelbyc’kyj „Ikona Bogorodicy Počajevskija“ [Ikone der Gottesmutter von Počajiv] aus dem Ende des 18. Jahrhunderts (siehe Ryčkov/Luz [wie Anm. 7], 56; Ill. 7) oder auf den Ikonen aus der Region Wolhynien von 1757 und 1840, die eine ähnliche Kom-



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Abb. 2  Himmelfahrts-Kathedrale der Lavra von Počajiv.

der gesamten ‚basilianischen‘ Periode des Klosters, d. h. bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, kaum zu Konflikten darüber kam, wem das Kloster und seine Ikonen gehören.17 Bemerkenswert ist, dass diese Stabilität trotz großer historischer und geopolitischer Umwandlungen in der Region (die drei Teilungen Polen-Litauens am Ende des 18. Jahrhunderts, die Napoleonischen Kriege und der Wiener Kongress von 1815) weitgehend erhalten geblieben ist. Erst nach dem anti-russischen polnischen Aufstand von 1831, an dem manche Počajiver Basilianer teilgenommen hatten,18 kam es zu politischen und interkonfessionellen Auseinandersetzungen. Damals befahl der russische Zar Nikolaus I., das Kloster den Orthodoxen zu übergeben. Zwei Jahre später wurde auf Beschluss der Allerheiligsten Synode dem Kloster der Titel einer Lavra

position haben. Karpjuk, Ljudmyla: Počajivs’ka Ikona Bohorodyci [Ikone der Gottes­mutter von Počajiv]. In: http://www.pravoslavja.lutsk.ua/vev/stattja/?newsid=2014 (29.01.2013). 17 Das belegt die Produktion der basilianischen Druckerei in Počajiv, in der viele orthodoxe, griechischkatholische ebenso wie altgläubige Texte erschienen. Železniak, Olena: Bibliohrafija publikacij pro drukarnju Počajivs’koho Uspens’koho monastyrja ta jiji vydannija [Bibliografie der Publikationen über die Druckerei des Himmelfahrtsklosters von Počajiv und dort erstellter Druckausgaben]. In: Dies: Drukarnja Počajivs’koho Uspens’koho monastyrja ta jiji starodruky. Kyiv 2011, 247–261. 18 Adelsgruber/Cohen/Kuzmany (wie Anm. 15), 181.

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verliehen, der seinen Status beträchtlich erhöhte.19 Die Liste von Stiftern des Klosters enthält seit dieser Zeit nicht nur Vorsteher bedeutender russischer Adelshäuser, sondern auch die Namen der Zaren Nikolaus I. und Alexander II. Ab den 1830er Jahren vollzog sich eine Trennung zwischen dem griechisch-katholischen und dem russischorthodoxen Bild der Lavra und ihres wichtigsten Heiligtums, der Gottesmutter-Ikone. Die Übergabe von Počajiv an die russisch-orthodoxe Kirche fügte sich gut in den russischen Schutzmachtmythos ein, der in Symbolen, Ritualen und Liturgien festgehalten wurde. Auf diese Weise spaltete sich die religiöse Memoria über Počajiv in zwei Teile – einen griechisch-katholischen und einen russisch-orthodoxen. Die Nationalisierung der Religion und die Sakralisierung der Nation brachten neue politische Schattierungen in das Bild der Lavra.20 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde auf Beschluss des wolhynischen Erzbischofs Antonij (Chrapovickij) auf dem Territorium der Lavra die Dreifaltigkeits-­ Kirche im traditionellen russischen Stil errichtet. Der Bischof betrachtete die von den Basilianern errichtete Himmelfahrts-Kathedrale als ungebührlich „westlich“ und „katholisch“ und weigerte sich deshalb, in ihr die Liturgie abzuhalten, so dass man entschied, eine weitere Kirche zu errichten – eine Kopie der Dreifaltigkeits-Kathedrale im Dreifaltigkeits-Kloster von Sergijev Posad bei Moskau. Aus diesem Grund stehen diese beiden Kirchen heute symbolisch nebeneinander für zwei wichtige Epochen in der Geschichte Počajivs. Allerdings wurde die Lavra zu Anfang des 20. Jahrhunderts außerdem zu einem der Zentren bei der Formierung des konservativen „Bundes des russischen Volkes“, auch bekannt als Bewegung der „schwarzen Hundertschaften“. Doch nicht nur die Priester beförderten die Entstehung einer ‚russischen‘ Überlieferung der Lavra. Zu den letztgenannten Ereignissen lassen sich die pompösen Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum der Übergabe des Klosters an die Orthodoxie am 13. Oktober 1883 rechnen, zu dem zahlreiche staatliche und geistliche Würdenträger erschienen waren. Spätestens diese Jubiläumsfeier verhalf dem Kloster mit seiner wundertätigen Muttergottes-Ikone zum Status eines Symbols für die „Befreiung“ und „Wiedereroberung“ der ukrainischen Gebiete von der polnischen „Fremdherrschaft“. Die im Zuge der Feierlichkeiten gegründete „Bruderschaft von Počajiv“ machte es sich zur Aufgabe, die orthodoxen Besucher zu „begleiten, beschützen und ermutigen“; ein Bücher- und Broschürendepot sollte für unierte Pilger aus Galizien sorgen.21 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte auch die historische Erforschung der Lavra ein. Eine Reihe von kirchlichen Würdenträgern der russischen Kirche begrün19 Svjato-uspenskaja Počajevskaja lavra. Vzgljad čerez veka. Istoričeskoe povestvovanie v slovach i ­obrazach [Das Himmelfahrtskloster von Počajiv. Ein Blick durch die Jahrhunderte. Historische Erzählung in Worten und Bildern]. Počajev 2007, 86. 20 Berezhnaya, Liliya: Počaïv. In: Religiöse Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa. Konstitution und Konkurrenz im nationen- und epochenübergreifenden Zugriff. Hg. v. ­Thomas Wünsch, Stefan Rohdewald und Joachim Bahlcke. Berlin 2013 [im Druck]. 21 Vulpius, Ricarda: Nationalisierung der Religion. Russifizierungspolitik und ukrainische Nationsbildung 1860–1920. Wiesbaden 2005, 201; Adelsgruber/Cohen/Kuzmany (wie Anm. 15), 183–185.



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dete die Geschichtsschreibung über das Kloster, in der das Bild vom „feindlichen Polen“ konstruiert wurde und die griechisch-katholische Periode im Bestehen der ­Lavra als eine „verlorene, gefallene Zeit“ erscheint. Die Erfolge der basilianischen Druckerei wurden verschwiegen und der Kirchenbau des 18. Jahrhunderts als Zugeständnis an den westlichen Einfluss dargestellt. Während des Ersten Weltkriegs sowie des anschließenden Bürgerkriegs und des Polnisch-Ukrainischen Kriegs wurde die Lavra erheblich zerstört. Das Kloster stand zeitweise unter der Gewalt der österreichisch-ungarischen und der russischen Truppen. Nachdem 1919 die Bolschewiki das Kloster eingenommen hatten, befand sich Počajiv ab 1920 schließlich auf dem Territorium des polnischen Staates. Mit dieser bewegten Periode in der Geschichte des Klosters ist auch die Formierung einer ukrainischen autokephalen Bewegung innerhalb der orthodoxen Kirche verbunden. Vielleicht die beste Illustration der damit einhergehenden „Nationalisierung des Diskurses“ über die Geschichte der Lavra von Počajiv ist das Buch von Metropolit ­Ilarion (Ohienko) (UAOK). Noch während der Wirren von Revolution und Bürgerkrieg versuchte er, Dokumente über Počajiv und dessen Druckerei zu sammeln. Erst später, nämlich in der Emigration 1961, erschien dann ein Buch, das die Idee der Lavra als ein ukrainisches Nationalheiligtum propagiert.22 Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich das Kloster auf dem Territorium der Sowjetunion. Die antireligiöse Kampagne führte nicht zur Schließung der Lavra, doch waren die Mönche systematischen Verfolgungen ausgesetzt: Sie wurden in psychiatrische Heilanstalten gesteckt oder gewaltsam aus dem Kloster vertrieben. Einer der Mönche in dieser Zeit war Vater Josif (Amfilochij), zu dem Gläubige aus vielen Regionen der Ukraine kamen, um Rat und Hilfe zu erhalten. Die Sowjets konnten seinen Ruhm nicht dulden, weshalb er für mehrere Monate in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde. Im Jahr 2002 wurde Amfilochij selig gesprochen.23 Auch nach der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 blieb die Lavra von ­Počajiv das Ziel massenhafter Pilgerströme. Auf ihrem Gelände befinden sich gegenwärtig eine Katechetenschule und ein Geistliches Seminar. 1992 spaltete sich von der ukrainischen orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats (UOK-MP) eine ukrainische orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats (UOK-KP) ab, der seit 1995 der K ­ iewer Metropolit Filaret (Denisenko) als Patriarch vorsteht. Die Kirchenspaltung und die interkonfessionellen Konflikte in der Ukraine berührten auch Počajiv. Einer der Archi­ mandriten, Iakov (Panchuk), der mit der UOK-KP symphatisierte, wurde von den Brüdern des Klosters im Jahr 1992 vertrieben. Die Mönche der Lavra verblieben bei der UOK-MP.24 22 Tymošyk, Mykola: Istorija i siohodennja Sviatoji Počajivs’koji Lavry v konteksti cerkovno-istoryčnoji monohrafii mytropolyta Ilariona (Ohijenka) [Geschichte und Gegenwart der Heiligen Lavra von Počajiv im Kontext der kirchlich-historischen Monografie von Metropolit Ilarion (Ohijenko)]. In: Trudy Kyivs’koji duchovnoji akademii 2 (2005), 184–197. 23 Svjato-uspenskaja Počajevskaja lavra (wie Anm. 19), 171–187. 24 Ebd., 168 f.

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Politische und interkonfessionelle Konflikte um die Počajiv-Lavra und deren Ikone Die Konflikte um die Lavra von Počajiv und deren Ikone endeten damit nicht. Zuletzt waren diese ein Teil der politischen und interkonfessionellen Auseinandersetzungen um kirchliches Eigentum. Am 23. Februar 2010 schrieben die Mönche von Počajiv einen offenen Brief an die damalige ukrainische Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko mit der Bitte, die Lavra gegenüber den Übergriffen des Regionalrats der Region Ternopil’ in Schutz zu nehmen. Anlass für diesen Brief waren Versuche von lokalen Abgeordneten, eine Entscheidung der Kiewer Regierung unter Ministerpräsident Wiktor Janukowytsch aus dem Jahr 2003 abzuändern, mit der die Lavra aus dem staatlichen Denkmalkomplex Kremenec-Počajiv ausgegliedert und der UOK-MP zur unentgeltlichen Nutzung überlassen worden war.25 Die Hoffnung auf Unterstützung durch den oppositionellen Premierminister äußerten damals auch nationalistisch gesinnte Ternopoler Politiker. So schaffte es Julija Tymoschenko auch 2010 nicht, mit den Problemen der juristischen Zugehörigkeit der Lavra zu einem Ende zu kommen. Das – vorläufige – Ende ihrer politischen Karriere setzte offenbar auch ein Ende des Konfliktes zwischen Politikern und Mönchen. Doch im Frühjahr 2012 entbrannte der Streit mit neuer Stärke. Nun wurde klar, dass die Lavra von Počajiv wohl doch ins Eigentum der UOK-MP übergehen würde.26 Offensichtlich bezeugte die Teilnahme von Präsident Janukowytsch an der Weihnachtsliturgie im Januar 2012 dessen Entschiedenheit, für die Lavra Partei zu ergreifen.27 Auf dieses Signal der Kiewer Regierung hin meldeten einige Monate später nicht nur lokale Ternopoler Politiker, sondern auch Hierarchen der UGKK ihre Ansprüche an. Nach deren Ansicht sollten die Lavra und ihre Heiligtümer in der Tat aus staatlichem Besitz genommen werden – doch seien sie nicht der UOK-MP, sondern der UGKK zu übergeben, da diese historische Rechte auf den Besitz der L ­ avra habe.28 Während die Hierarchen sich untereinander und mit den staatlichen Beamten stritten, versuchten am Vorabend der Parlamentswahlen im Oktober 2012 einige andere Politiker, die Lavra-Heiligtümer für ihre eigenen populistischen Interessen zu benutzen, wobei das wichtigste Heiligtum wiederum die Gottesmutter-Ikone war. Neben dem oben erwähnten unabhängigen Kandidaten Maštepa ist hier noch Volodymyr 25 Berezhnaya, Liliya: Interkonfessionelle Konflikte um die Lavra von Počajiv. In: Glaube in der 2. Welt, (Juni 2010), 18–20. 26 Try nacional’ni svjatyni podarujut Moskovs’komu patriarchatu? [Drei nationale Heiligtümer werden dem Moskauer Patriarchat geschenkt?]. In: Radio Svoboda Ukraine, 21.01.2012, online-Ressource: http://www.radiosvoboda.org/content/article/24458378.html (29.01.2013). 27 Babins’kyj, Anatolij: Počajiv  – kardiograma cerkovno-deržavnych stosunkiv v Ukraini [Počajiv  – ein Kardiogramm der kirchlich-politischen Beziehungen in der Ukraine]. In: Zahid.net, 17.01.2011, online-Ressource: http://zaxid.net/home/showSingleNews.do?pochayiv__kardiograma_tserkovnoderzhavnih_stosunkiv_v_ukrayini&objectId=1120779 (29.01.2013). 28 Čej chram ili vojna za Počajevskuju lavru [Wem gehört das Gotteshaus oder der Krieg um die Počajiver Lavra]. In: AiF Ukraina, 06.03.2012, online-Ressource: http://www.aif.ua/society/article/31081 (29.01.2013).



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Kropyvnyc’kyj zu erwähnen, der Kandidat der sozialistischen Partei in Žytomir in der Zentralukraine. Einige Tage vor der Wahl schenkte dieser einer der dortigen lokalen Kirchen eine Kopie der Gottesmutter von Počajiv, die er selbst aus der Lavra mitgebracht hatte.29

Perspektiven? Der Konflikt um die Lavra von Počajiv ist Teil des interkonfessionellen Konfliktes in der Westukraine und Ausdruck der politischen Gegensätze im Land. Folglich bedarf es zur Lösung des „Počajiv-Konfliktes“ zunächst eines Bemühens um eine „Depolitisierung“ interkirchlicher Beziehungen in der Ukraine. Erst danach lohnt sich der Versuch, kirchliche Hierarchen an einem runden Tisch zu Gesprächen zu versammeln, in denen es nicht nur um Besitzfragen, sondern auch um Mittel zur Versöhnung gegensätzlicher historischer Narrative geht. Offensichtlich ist eine Steigerung des politischen und interkonfessionellen Konfliktes um die Počajiv-Lavra und deren Ikone parallel zur Wiedergeburt der Lavra als religiöser Erinnerungsort zu beobachten. Beigetragen haben hierzu nicht nur jüngste historische Studien in der Ukraine und in Russland, sondern auch elektronische Medien (wie etwa die in Počajiv selbst verfassten Flugblätter, die auf der Internetseite des Klosters eingesehen werden können30). Bemerkenswert sind Spiel- und Dokumentarfilme, in denen die Wunder von Počajiv künstlerisch bearbeitet bzw. realistisch geschildert werden. Dazu gehört beispielsweise die neue Dokumentation mit nachgespielten Szenen von Tat’jana Jacyna und Vasyl’ Kyba mit dem Titel „Počaev“ (2006), die den Hauptpreis auf dem Internationalen Festival des Orthodoxen Films „Pokrov“ in Kiew erhielt. Eine eigene Episode des Filmes ist die Erzählung über die wunderbare Erscheinung der Gottesmutter-Ikone und die mit ihr in Verbindung gebrachten Wunder. In dem Film geht es weniger um politische Konfrontationen, sondern vielmehr um die Anerkennung der einzigartigen Rolle des Klosters von Počajiv in der Geschichte des Christentums. Perspektiven für eine „Depolitisierung“ der Lavra von Počajiv als Erinnerungsort hängen von der allgemeinen religiösen und politischen Situation in der Ukraine ab. Bisher hatten alle mehr oder weniger wichtigen Unruhen um Počajiv ihren Ursprung in politischen Veränderungen. Sobald die politische Anspannung nachließ, lösten sich auch die Widersprüche um die Počajiver Heiligtümer auf. Diese Regel gilt auf der Ebene der staatlich-kirchlichen Beziehungen in der Ukraine. Auf alltäglicher Ebene erwiesen sich die Versuche einer politischen Instrumentalisierung des Kultes um die Počajiver Gottesmutter am Vorabend der Parlamentswahlen als ineffektiv. Die Gläu29 Volodymyr Kropyvnyc’kyj podaruvav Pokrovs’kij cerkvi u Žytomyri ikonu [Volodymyr Kro­py­ vnyc’kyj hat der Pokrova Kirche in Žytomir eine Ikone geschenkt]. In: Žytomyr. Info, 15.10.2012, online-Ressource: http://pda.zhitomir.info/news_113989.html (29.01.2013). 30 Počaevskije listki [Počajiver Flugblätter]. In: http://www.pochaev.org.ua/?pid=1320 (29.01.2013).

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bigen, die zur Verehrung der auf politische Initiative hin ausgestellten Ikone kamen, stimmten keineswegs immer für den entsprechenden Politiker. Die Kandidaten Oleksandr Maštepa und Volodymyr Kropyvnyc’kyj jedenfalls verloren in den Parlamentswahlen vom Oktober 2012.31 Es ist wohl, wahrscheinlich bis zu den nächsten Wahlen, mit einer „Depolitisierung“ des Kultes der Počajiver Gottesmutter-Ikone zu rechnen.

31 Pobediteli v mažoritarnych okrugach. Spisok [Gewinner in den Mehrheitswahlkreisen: Die Liste]. In: Korrespondent.net, 31.10.2012 (http://korrespondent.net/ukraine/politics/1385400-pobediteli-vmazhoritarnyh-okrugah-spisok; 14.12.2012).

M ari an Ap p ari t i on s in Me đugorje i n  t h e D i ssol u t i on  of Yugosla via * Bojan Aleksov

In the dusk of 24 June 1981, the day when the Catholic Church celebrates Saint John the Baptist, a group of four girls and two boys ranging in age from twelve to seventeen years, announced that they had seen and talked with the ­Virgin ­Mary on the ­Crnica Hill near Međugorje in Herzegovina, Yugoslavia. Soon after, ­Međugorje became one of the world’s major sites of Marian pilgrimages, second only to Lourdes and Fátima. Yet in the chronology that marked the 1980s as a decade of crisis with the breakup of Yugoslavia, the events in Međugorje have remained largely overshadowed by symbolically more recognizable and politically more palpable historical events like Tito’s death in 1980 or the mass protests of the Kosovo Albanians earlier in 1981. In scholarly literature the “apparition” of Gospa (as the Virgin Mary is locally called) was most often interpreted as being provoked by an internal crisis within the Catholic Church.1 This paper however follows the approach of anthropologist E.  A. ­Hammel, who distinguishes at least three levels of inquiry in the Međugorje events – one that focuses on the apparition itself, one that looks at people’s sightings, and one that explores the differing perceptions of these events.2 Focusing on the last level, this paper hopes to contribute to the study of Međugorje’s conflict potential within the context * An earlier version of this article already appeared under the title: Marian Apparitions and the Yugoslav ­Crisis. In: Southeast European Politics 5/1 (2004), 1­–23. 1 The common belief is that the alleged apparitions have been used by the local Franciscans to challenge the authority of the diocese of Mostar-Duvno to which Međugorje belongs. The events followed a century of rivalry between members of the Franciscan Order, which run the parish, and the diocesan hierarchy which has tried to gain control of parishes in Herzegovina and replaced friars with ordinary clergy. Markle, Gerald E./McCrea, Frances B.: Međugorje and the Crisis in Yugoslavia. In: Politics and Religion in Central and Eastern Europe. Ed. William H. Swatos, Jr. Westport, Ct. 1994, 197–207, trace the conflict potential of Međugorje’s apparitions and offer a bibliography of primary sources up to the beginning of the wars in the former Yugoslavia. Other studies thereafter include Bax, Mart: Međugorje: Religion, Politics, and Violence in Rural Bosnia. Amsterdam 1995; Jones, ­Michael E.: The Međugorje Deception: Queen of Peace, Ethnic Cleansing, Ruined Lives. South Bend, Ind. 1998; Claverie, Élisabeth: Les guerres de la Vierge. Paris 2003; Foley, Donal Anthony: Understanding Međjugorje: Heavenly Visions or Religious Illusion? Nottingham 2006; Skrbiš, Zlatko: From Migrants to Pilgrim Tourists. Diasporic Imagining and Visits to Međjugorje. In: Journal of Ethnic and Migration Studies 33/2 (2007), 313–329. A different angle is Jurkovich, James M./Gesler, Wilbert M.: Međjugorje. Finding Peace at the Heart of Conflict. In: Geographical Review 87/4 (1997), 447–467, and Berryman, Edward: Međjugorje’s Living Icons. Making Spirit Matter (for Sociology). In: Social Compass 48/4 (2001), 593–610. 2 Hammel, E. A.: Lessons From the Yugoslav Labyrinth. In: Neighbors at War. Anthropological Perspectives on Yugoslav Ethnicity, Culture, and History. Ed. Joel M. Halpern and David A. K ­ ideckel. University Park, Penn. 2000, 19–38.

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of the Yugoslav crisis in the 1980s by analyzing the various perceptions of the alleged apparitions and their transformation over time, without considering the actual veracity of the apparitions or people’s sightings. The scope of this analysis is threefold. First, I want to show how the apparitions of Međugorje “reintroduced” religion in a major way into Yugoslav society in the 1980s.3 For almost four decades, Yugoslavia’s authorities judged religious feelings and manifestations as irrational, foreign, and hostile throwbacks historically destined for extinction. However, because the regime’s authority was waning, it could do little to stem the nascent popular interest in religion. After attempts at repression failed to stop further “apparitions” and deter many thousands of worshippers from visiting Međugorje, the authorities belatedly changed their anti-religious attitude in the 1980s and endorsed a “vision” of their own: the apparition site was promoted as a tourist destination that would miraculously solve the Yugoslav economic crisis. My second aim is to show that events in and around Međugorje served as one of the principal catalysts in the process of the resurgence of nationalism in Yugoslavia. Ethnic and religious homogenization processes were reinvigorated in the 1980s not only by nationalist myths and propaganda, but also by a range of beliefs in supernatural miracles, redemption and redeemers, with Međugorje featuring most prominently among the Catholic Croats. On the other hand, the proximity of the apparition site to a mass grave of Serbs massacred by Croatian fascist Ustašas during World War II motivated Serbian historians, media, and the Serbian Orthodox Church to claim that the whole affair was directed against Serbs. Thus, Međugorje also acquired a role in the victimization rhetoric that was a moving force and justification behind the resurgence of Serbian nationalism. My final goal is to furnish a case-study on the ways in which the numerous factors deemed detrimental to Yugoslavia’s stability and existence intersected. At the outset, the failure of the Yugoslav state and its ruling party to respond adequately to the challenge posed by Međugorje exposed their vulnerability. Later, Međugorje offered churches and segments of elites an issue with which to promote their nationalist agenda and open up historical events to new interpretations. I will attempt to illustrate this grossly condensed view of the multitude of implications proceeding from Međugorje’s apparitions by examining the coverage they received in the press. More than any other medium, the press in Yugoslavia had a lasting influence on public opinion. This was because the government’s control over the way in which information was collected and distributed was liberalized in the 1960s and became de-centralized at the level of the individual republics rather than centrally structured, as in the Soviet Union.4 Nevertheless, the press reflected the basic orientation of the ruling party in each of Yugoslavia’s republics and often revealed competing political ideas and 3 For church and state relations in Yugoslavia see Alexander, Stella: Church and State in Yugoslavia since 1945. Cambridge 1979, and especially Perica, Vjekoslav: Balkan Idols. Religion and Nationalism in Yugoslav States. Oxford 2002, for the period under consideration in this article. 4 Cf. Robinson, Gertrude Joch: Tito’s Maverick Media. Urbana, Ill. 1977.



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trends. In this decentralized country, the press was a forum for debate between the local party elites since it was possible for these media to present and back the different views of their respective political centers. By now it is widely recognized that the Yugoslav media in the late 1980s played a crucial role in the reformulation of politics along ethno-nationalist lines. They did this in part by inviting the masses to consider issues that were previously reserved for party and intellectual elites, thus fostering ethno-religious homogenization and stirring inter-ethnic conflict.5 Reporting about Međugorje is a case in point and provides insight into a process that lasted for a whole decade.

The Revival of Clericalist-Nationalists? As soon as the first rumors of the apparitions spread, the press raised doubts about their spontaneity. One early article asked why the “Virgin has deemed to choose a flat, spacious hill capable of receiving several tens of thousands of the devout, and not one of the numerous other, neighboring hills quite unsuitable for the purpose.”6 Very soon, various doubts were put into their proper perspective by the local authorities of ­Bosnia and Herzegovina. The Socialist Front organization of the nearby city of Mostar judged the apparitions “a clear clericalist-nationalist ploy with the intent of manipulating people.”7 The high Bosnian-Herzegovinian dignitary, Branko ­Mikulić, stigmatized the Međugorje events in the same way, whereas the local Čitluk county official coined the term “Ustaša Virgin,” an assessment that was enthusiastically picked up by the Bosnian and the Serbian media.8 The correspondent of the official daily newspaper “Borba” was certain that “behind these séances there lies someone’s unseen hand, someone’s clever set-direction meant to manipulate religion and misuse it for nefarious purposes.”9 Under the headline “An Attack on the Heritage of the Revolution” “Borba” soon reported an incident involving a group of young men who, returning from Međugorje, sang Ustaša songs, causing consternation among passersby. This was seen as proof that the apparitions are “only an excuse for open pro-Ustaša manifestations meant to fan inter-ethnic and inter-religious hatred, to set various peoples and nationalities against each other and to disparage the attainment of socialist

5 Cf. Slapšak, Svetlana: The War Started at Maksimir. Hate Speech in the Media. Belgrade 1997; Thompson, Mark: Forging War: The Media in Serbia, Croatia, Bosnia and Herzegovina. Luton 1999. 6 Skiba, Milorad: Glorija’ na kršu [“Gloria” on Limestone]. In: Večernje novosti, 6.7.1991. All the translations are mine. 7 Socialist Working People Alliance of Yugoslavia: Manipulisanje vjerskim osjećanjima ljudi [Manipulations of Peoples’ Religious Feelings]. In: Borba, 9.7.1991. 8 Cviic, Christopher: A Fatima in Communist Land? In: Religion in Communist Lands 10/1 (1982), 4–9. Ustašas are notorious World War II Croatian fascists. 9 Šantić, B.: Bijela gospa iz tame [The White Lady of Darkness]. In: Borba, 12.7.1991.

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development and self-management.”10 Blame was laid squarely at the feet of the local Friar Jozo Zovko and the Bishop of Mostar Pavao Žanić. Sarajevo’s political establishment and its daily newspaper “Oslobođenje” introduced yet another argument for the theory of an Ustaša ploy, asserting that Međugorje’s apparitions were “a clericalist-nationalist setup less then a few miles away from the location where, during World War II, the Ustašas had murdered over 2,500 people of various nationalities because of their communist views or pro-communist sympathies.”11 Belgrade’s press followed by accusing Friar Zovko in a series of articles of offending one million and seven hundred thousand Yugoslavs who had paid with their lives for the freedom of their country and for provoking new bloodshed.12 It was yet another example where the number of fascist victims in general, and around Međugorje in particular, was greatly exaggerated and their political sympathies fully invented. Spreading the fear of new bloodshed, journalists in the fully state-controlled media only reiterated slogans of the ruling Communist party, which had based its legitimacy for almost four decades on its World War II anti-fascist struggle and the ideology of the so-called brotherhood and unity. In order to be persuasive, these two ideological pillars required a significant distortion of the past. Namely, the number of partisan war victims was inflated in order to magnify the significance of the anti-fascist struggle, while the civil war dimension was denied, and fratricidal and interethnic massacres were played down or interpreted within the simple fascist-antifascist binary.13 According to the journal of the politically influential Yugoslav Veterans’ Association, the hill of the apparitions had been chosen because it was there in 1961 that the Veterans Association built a twelve-meter high obelisk to commemorate the victims of Ustaša massacres in the summer of 1941. The proof of the Ustaša ploy was also seen in the fact that one of the seers was the granddaughter of an Ustaša executioner who was caught twelve years after the war and shot. His hands were said to be “stained by the blood of 2,500 victims” who found death in the Šurmanci pit on the other side of the apparition hill.14 What this article and similar press coverage implied 10 N. A.: Napad na tekovine revolucije [An Attack on the Heritage of the Revolution]. In: Borba, 15.8.1981. 11 Šagolj, M.: Prikazanje Gospe [The Virgin Apparitions]. In: Oslobođenje, 14.8.1991; Karabeg, M.: Energična osuda neprijateljskog ispada [Strong Condemnation of Hostile Action]. In: Oslobođenje, 14.8.1991; Kleronacionalisti zaigrali čudne i opasne igre [Strange and Dangerous Games of the Clericalist Nationalists]. In: Oslobođenje, 18.8.1991. 12 Durić, Muharem: Gospa’ seje nacionalizam [The Virgin Spreads Nationalism]. In: Politika, 15.8.1991; Mandić, M.: Fra Zovkov psalam mržnje [Friar Zovko’s Psalm of Hate]. In: Večernje novosti, 20.8.1991; Klinčar, Mirko: Šta je vaskrsla Čitlučka gospa? [What Did Čitluk’s Virgin ­Revive?]. In: Novosti 8, 22.8.1991; Kolukčija, Dž.: Mračni ciljevi neprijatelja [The Dark Goals of Our Enemies]. In: Ekspres politika, 19.8.1991; Nikčević, F.: Zloupotreba vjere [Abuse of Religion]. In: Borba, 23.8.1991; Vesnić, Milenko: Božija majka na mestu zločina [Mother of God at the Crime Scene]. In: Večernje novosti, 22.8.1991. 13 Pavlowitch, Stevan K.: The Improbable Survivor: Yugoslavia and Its Problems, 1918–1988. London 1988, 137–142. 14 Matić, Jovanka/Ružić, Miodrag: Izgubljene bitke “svetog rata” [The Lost Battles of a “Holy War”]. In: Četvrti jul, 8.9.1981.



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was that western Herzegovina was still an Ustaša stronghold and that the Catholic Church had chosen this specific region to revive the Ustaša movement with whom it had “cordially cooperated” during the war. Thus, the theory of the Ustaša conspiracy under a religious guise became a conventional topos, the (Serbian) ethnicity of the victims was never spelled out.15 Tying apparitions to Ustaša crimes and spreading accusations against the Catholic Church hierarchy in fact only indicated the regime’s failure to produce a viable response to the problem at hand. Moreover, attacking clergy at a time when the ruling ideology and its proponents were increasingly seen as incapable of solving the country’s growing economic and political crisis only boosted the potential appeal of churches, the sole alternative institutions allowed. For the authorities Herzegovina proved an exceedingly sensitive region. Economically backward, the source of numerous emigrant workers and political émigrés, it boasted a long history of ethnic conflict and strong Church influence among the Catholic population. At the end of World War II, the Partisans had killed twenty-nine Franciscan monks accused of hiding Ustašas at the Monastery of Široki Brijeg, not far from Međugorje.16 This incident placed an insurmountable block between the local Catholic Church and the Communist authorities who came to regard the murdered friars as martyrs and as war criminals respectively. In the decades after World War II, the event was largely hidden from public knowledge and efforts were made to end the animosity between the Church and the Communist regime. Notwithstanding mutual official recognition at the highest level, including the agreement between Yugoslavia and the Holy See signed in 1969, reconciliation at the local level was not at all evident in the reactions of local party functionaries. One of them, Zdravko Dujmović, was reported as saying that “In the past our men knew well how to square their accounts with enemies much worse and more terrible than the ones facing us today [meaning the apparitions], but still we do not underestimate the danger posed by them. For these enemies are treacherous and strike unexpectedly, drawing additional strength from under the robes of monks and from among terrorists and from wherever they can exploit our lack of vigilance and determination. In order to establish a toehold, they manipulate the people’s religious feelings, using whatever rusty weapons they have in their unsavory arsenal of the past, with the intent of destroying our road to a happier and better future.”17

From today’s perspective some of the charges made by local functionaries seem even comical – for example: “Our enemies, who declare themselves believers, often hang chains with oversized crosses around their necks so that everyone can see them and display them even outside their turtle-necked shirts. Some of them are walking bare15 The only exception was the article of Bubreško, Draško: Otkud je došla Gospa? [Where Did the Virgin Come From?]. In: Ilustrovana politika, 15.9.1981. 16 Ramet, Sabrina Petra: Catholicism and Politics in Socialist Yugoslavia. In: Religion in Communist Lands 10/3 (1992), 256–274. 17 Karabeg, M.: Nacionalističke strasti i sablasti [Nationalist Passions and Ghosts]. In: Oslobođenje, 19.8.1981.

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foot, while groups passing by the homes of local party functionaries loudly sing religious songs.”18 In addition, when faced with the apparitions, the Sarajevo media applied the hallowed principle of equal guilt for all ethnic and religious groups in Bosnia and Herzegovina regarding whatever political problem arose. Members of each group were condemned for engaging in illegal public activities, with “illegality” meaning the mere assembly of oversize crowds to celebrate various religious holidays. The weekly “Svijet” went on to tie all of them together under the label of “clericalist, nationalist and counterrevolutionary” organized by “groups that have been discredited in the past for having served as a recruiting ground for various people’s outcasts and quislings,” concluding “Just as they did then, so do our enemies today receive their support from their cohorts in the sundry fascist Ustaša and Četnik organizations abroad, as well as from some intelligence agencies and some foreign reactionary circles.”19 Nevertheless, condemnations and insults did not succeed in discrediting mass religious gatherings, which in fact continued, and eventually set the stage for the mass political rallies that were at the core of the nationalist mobilization of the late 1980s.20 This happened even though local authorities went on to assure everyone that all “honest religious people had seen through this dirty and dangerous game of our enemies” and that “the working people and all the citizens of this small Herzegovinian community, and especially its religious people, have censured all attempts to manipulate their religious sentiments in this manner.”21 Ivo Jerkić, a Croatian member of the Presidency of Bosnia and Herzegovina, and thus one of the most competent to judge the whole affair, described it within the wider context of “worsening international relations […] determined by the social character and the economic and political goals of the Great Powers, whose aim is to increase the gap and the antagonisms between the industrially developed countries and the developing ones, as well as to worsen the conditions of social, political, and economic inequality prevalent in the world today [sic].”22 For the sake of truth Jerkić also admitted that “[t]his does not mean that everything happening in Kosovo [where the political crisis was the most acute] is solely the result of the foreign factor. We are partly to blame as well. Domestic enemies have always raised their heads when outside pressures upon our country increase. That has been

18 Osmović, Mensur: Maske skinute – ćud ista [Shedding the Masks But Not the Intent]. In: Večernje novosti, 13.9.1981, bold in original. 19 Politički, a ne verski skupovi [Political, Not Religious Gatherings]. In: Večernje novosti, 12.7.1981, carried over from Svijet, July 1981. 20 Prošić-Dvornić, Mirjana: Apocalyptic Thought and Serbian Identity: Mythology, Fundamentalism, Astrology, and Soothsaying as Part of Political Propaganda. In: Ethnologia Balcanica 4 (2000), 163– 181, at 169. 21 Socialist Working People Alliance of Yugoslavia: Manipulisanje vjerskim osjećanjima ljudi [Manipulations of Peoples’ Religious Feelings]. In: Borba, 9.7.1981. 22 Karabeg, M.: Kleronacionalisti zaigrali čudne i opasne igre [Strange and Dangerous Games of the Clericalist Nationalists]. In: Oslobođenje, 18.8.1981.



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proved by past events, starting with the 1948 crisis, to 1971,23 all the way to the present incidents [in Međugorje], though these internal forces are always in the function of the foreign factor.” Finally, addressing the Međugorje apparitions, Jerkić said, “We have given no cause for this situation, but we are well able to evaluate and judge what it means. It is well known what is acceptable in this country and what is not, what is in open collision with our laws, and in what manner the perpetrators of unlawful acts must answer for their misconduct.”24 Sanctions soon followed. On 12 August 1981, the police prevented further gatherings in Međugorje and arrested Friar Jozo Zovko. The press reported: “The Council of the Community of Međugorje and the local Committee for People’s Defense and Communal Self-Protection perfected a plan of operational measures and activities under the extraordinary conditions caused by the evidence of hostile activity. Since August 25 the local community has taken over the control and defense of its territory. Eleven checkpoints with 24-hour shifts have been established and units of Civil Defense and Communal Self-Protection have been engaged. Through the exemplary determination of the population to resist the misuse of religion for political purposes and through the exhibited readiness to defend the fruits of the revolution and guard brotherhood and unity, the Virgin Mary has, in short, been abolished.”25

On 22 October 1981, Friar Zovko was sentenced to three and a half years in prison for having insulted the religious feelings of the citizens and having smeared the socialist political system of Yugoslavia in his sermons. Soon after that, two more Franciscans, the editors of a Franciscan magazine, were sentenced to eight and five and a half years respectively. In court, Friar Zovko defended himself by claiming that when preaching on wrong teachings and false teachers he had actually meant Pavao Žanić, the Bishop of Mostar, and not Marxist science nor the policies of the Communist Party of Yugoslavia.26 Many other people received short-term sentences for misdemeanor offences. Some foreign observers attributed such a harsh official reaction at the very beginning of the Međugorje apparitions to the regime’s fear that the outbreak of Kosovo ­Albanian nationalist demands would be followed by an eruption of nationalism among the Croats, deemed politically the most sensitive Yugoslav nation.27 Still, several thousand people continued to congregate daily at the place of the “incident” despite the authorities’ censure. Franciscans, the largest and most influential of the Catholic Church orders, stood behind the gatherings and drew support through its international ties where the disapproval of the Church hierarchy mattered little. Some important Church leaders in Croatia also independently supported the growing Marian movement as an instrument of anticommunist struggle and Croatian national homogenization.28 Soon 23 In 1948, Yugoslav leader Josip Broz Tito made a break with Stalin, and in 1971, Tito quashed a Croatian nationalist revival. 24 Karabeg (cf. n. 22). 25 Matić/Ružić (cf. n. 14). 26 Bešker, Inoslav: Što krije međugorska “snimka”? [What Does the Međugorje “Snapshot” Hide?]. In: Vjesnik, 10.12.1981. 27 Cviic (cf. n. 8). 28 Perica (cf. n. 3), 118–120.

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after, the Serbian Orthodox Church also “raised its head”, filing a series of petitions ­ erbian and creating another problem for an already shaken regime.29 The petitions of S clerics were described in Zagreb as the apotheosis of Great Serbian nationalism, whereas Belgrade media proved much more lenient admitting some problems and the responsibility of the authorities. Unable to repress the Church activities and rising religious sentiments, the authorities in Serbia, long before Milošević’s rise to power, began to shift their stance. In a bid to regain some of their lost legitimacy, they began to change their strategy by offering a hand to churches. In a matter of years churches all over Yugoslavia would overtake the role of nominal representatives of various e­ thnic groups. In multinational Bosnia and Herzegovina, faced with the most pronounced manifestation of religiosity, change was slow but on the horizon as well.

A Tourist Mecca After initial repression the party leadership realized that they not only failed to banish the problem domestically but attracted even more unwanted attention abroad. Accordingly, they instructed the media to avoid the issue and relegated it to the police and local authorities, intentionally leaving the rest of the Yugoslav and foreign public out of the unresolved affair. It was only in 1985, following an almost three-year hiatus in media reporting, that Međugorje was rediscovered and then began to receive entirely different press coverage. The change came as a result of growing tolerance for religion and implicitly meant accepting the public display of religious sentiment. In the meantime, the alleged apparition site became a center of attraction for foreign pilgrims and simple tourists, and foreign tour operators began doing a brisk business bringing in these visitors. The Croatian press was the first to criticize the political hostility towards the apparitions, pointing that at the root of the Međugorje apparitions there is indeed a conflict, but not with the Church as much as within it.30 The turning point in the Yugoslav media coverage of Međugorje and religion in general came with the popular „Kino-oko“ television special in October 1985. Aired from Belgrade in the then single Serbo-Croatian language, it was not accessible to viewers from Bosnia and Herzegovina in a move lamely explained as a need to save electrical power by showing a shorter program. The official position toward religion 29 Two petitions by Serbian clergy concerned with the position of the Serbian Orthodox Church in ­Kosovo, the ban on religious instruction and on the building of new churches, especially the Church of Saint Sava in Belgrade, were followed by a Declaration by the Holy Assembly of Bishops held in June, which raised the same issues. Cf. Alexander, Stella: The Serbian Orthodox Church Speaks Out in Its Own Defense. In: Religion in Communist Lands 10/3 (1982), 331–333. 30 Bešker, Inoslav: Čudno Gospino “čudo” [The Strange “Miracle” of the Virgin]. In: Vjesnik, 18.12.1984; Ivanković, Nenad: Gospa protiv biskupa [The Virgin Against the Bishops]. In: Danas, 20.12.1984. Mostar’s Bishop Žanić described the whole Međugorje affair as a collective hallucination, and the Bishops’ Conference of Yugoslavia and the Vatican Congregation for the Doctrine of the Faith called on the clergy to discourage the pilgrimages.



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had relaxed to the point where it became publicly acceptable to allow several clergyman to take part, in addition to the usual experts, with all of them stressing the importance of religion in the human makeup. A Franciscan theologian, Ljudevit Rupčić, was given an opportunity to remark wittily: “All of us believe in something: in God or in an idea, only our gods have gotten into something of a scrap.”31 In the meantime, inflation in Yugoslavia had reached 100 percent annually, and the foreign debt reached 20 billion dollars, prompting the authorities to pay ever-increasing attention to the development of tourism as a source of hard foreign currency necessary for servicing the debt. And so it came to pass that those who had been the most vociferous fighters against clericalist nationalism in Međugorje began writing about the benefits of pilgrim tourism. The press easily found new objects to attack such as the inertia of Yugoslav tourist agencies, their reluctance to exploit religious tourism, and the inexplicable hesitation of the government to initiate a no-holdsbarred advertising campaign to promote the Međugorje Virgin. The articles bore titles such as “The Virgin is ‘Working’ for the State”, “Herzegovinian Economic Miracle”, “Apparitions of Tourism in Međugorje”, “Virgin of Gold”, and “Dollars in the Valley of Tears”.32 One journalist wrote that “[a]theists start believing only when they meet their materialist God head on.”33 Criticism was now directed elsewhere. Since this was the time of the AIDS hysteria, the media noted that AIDS patients were pouring in searching for a cure, whereas the local authorities had done little or nothing to ensure proper sanitation and hygiene.34 Others criticized the fact that the local authorities allowed Roma to spread their tents and sell their kitschy souvenirs.35 But the money was the greatest concern. In 1987, enthusiastic journalists estimated that the number of pilgrims had reached eight million and profit was claimed at one billion dollars. These figures were never really calculated and no serious study was ever undertaken to raise doubt about the figures, whose inflated ratio justified the new “Tourist Mecca” cause. There were more taxis in Međugorje, one newspaper claimed, than along the whole of the Adriatic 31 Print media continued discussions initiated in the program. Međedović, Borislav/Marković, Nataša: Gospa sa pojačalima [Virgin Amplified], Sukob u krilu crkve [Conflict Within the Church], Gospa bira prosečne [The Virgin Picks Out the Average], and Veruje ko veruje [Whoever Believes Believes]. In: Večernje novosti, 17.–20.10.1985. 32 Mlivončić, Ivica: Gospa “radi” za državu [The Virgin is “Working” for the State]. In: Slobodna ­Dalmacija, 30.6.1985; Zdjelar, Radmila: Hercegovačko privredno čudo [Herzegovinian Economic Miracle]. In: Start, 28.12.1985; Gutić, R.: Gospa, devize i džeparoši [Virgin, Hard Cash, and Pick­ pockets]. In: Večernje novosti, 8.12.1986; Zvizdić, Salih: Ukazanje turizma u Međugorju [Apparitions of Tourism in Međugorje]. In: Vjesnik, 14.12.1986; Međedović, Borislav: Gospa od zlata [Virgin of Gold] and Gospa sa dna čaše [Virgin From the Bottom of a Glass]. In: TV Novosti, 3. and 10.6.1987; Vujasinović, Dada: Dolari u dolini suza [Dollars in the Valley of Tears]. In: Duga, 26.12.1987. 33 Jauković, Milovan: Bože blagi [My Dear God]. In: Večernje novosti, 1.8.1987. 34 Kovačević, Slobodan/Pekić, Milan: Bolest oko Gospe [Disease Around the Virgin]. In: Oslobođenje, 6.2.1988. 35 Marjanović, Višnja: Oči u oči sa Gospom [Face to Face with the Virgin]. In: Ilustrovana politika, 7.7.1987.

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Coast. This dramatic change of official sentiment was best illustrated by a joke of the time: “Those who until a year ago said that the Virgin Mary appeared in Međugorje got two months in jail; today those who say she did not risk getting the same.”36 As press began writing about Međugorje as the tourist attraction of the century, another “finding” occurred. Mexican amateur historian Robert Salinas Price claimed he had discovered the true site of ancient Troy in the village of Gabela, near Međugorje.37 Cultural anthropologist Svetlana Slapšak saw this “discovery” and the ensuing frenzy orchestrated by state media as an official authorization of charlatanism, and in her essay “How It All Began” she considered this event one of the possible points of crystallization of nationalism and irrationality in the Yugoslavia of the 1980s.38 Though merely a second-rate phenomenon, the mass enthusiasm for the “discovery of Troy” and especially the authorities’ support for it, became indicative of the public acceptance of the Međugorje apparitions as well. It inaugurated a time of prophets, miracles, and redemption, best illustrated by the immense but short-lived popularity of one Dragan Marjanović, called “the Messiah from Mali Mokri Lug”.39 Newspapers were now bombarded with texts attempting to substantiate the veracity of the Međugorje phenomenon. Belgrade’s periodical “Ilustrovana politika” for example published an exclusive story on how Swami Vishnu Devananda, a Hindu guru, confirmed first-hand the special energy possessed by Međugorje and its youthful Virgin Mary seers.40 The Italian Catholic press was regularly quoted when it reported the supernatural reactions of the young seers and special telephone lines were established carrying messages from the Virgin.41 The apocalyptic and supernatural acted as “­ media in disguise” and, as anthropologist Prošić-Dvornić noted, became chief tools for the dissemination of political propaganda in later Yugoslav conflicts. Admitting that the so-called apocalyptic mode of thinking can be found anywhere, Prošić-Dvornić insisted that it was the question of balance and intention that distinguished it and became so politically powerful in the Yugoslav context, aiding regimes established in the late 1980s in ­sustaining power for an extended length of time in spite of all their disastrous failures.42 The new enthusiastic wave of reporting on Međugorje paid little attention to the statement of the officially appointed church commission that there was nothing su36 37 38 39

Čaušević, Enver: Nepriznata Gospa [Unrecognized Virgin]. In: Večernje novosti, 14.7.1987. Soha, Davor: Kad neće Odisej hoće Gospa [If Odysseus Won’t, the Virgin Will]. In: Borba, 16.8.1986. Slapšak, Svetlana: Ogledi o bezbrižnosti [Essays in Mindlessness]. Belgrade 1994, 57. Dragan Marjanović, called the “Messiah from Mali Mokri Lug,” was a supposed miracle healer who claimed that he was Jesus Christ himself. In 1986 and 1987 he was extremely popular and then he suddenly disappeared. Cf. Ramet, Sabrina Petra: Social Currents in Eastern Europe. Durham 1991, 145. 40 Milošević, Snežana: Međugorske vibracije i Himalajska studen [Međugorje Vibrations and Himalayan Cold]. In: Ilustrovana politika, 23.6.1987. 41 Ostojić, Stevo: Blažena na vezi [Blessed Virgin on the Line]. In: Politika, August 17.8.1986; Vukotić, Manjo: Gospa na ultra-kratkim talasima [Virgin on Short-Wave]. In: Večernje novosti, 12.8.1986; Priviđenje iz kasete [Apparitions from a Tape]. In: Večernje novosti, 14.8.1986; Kacurić, Vojin: Gospa na telefonskoj vezi [Virgin on the Phone]. In: Nada, 30.5.1987. 42 Prošić-Dvornić (cf. n. 20), 178 f.



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pernatural in the Međugorje apparitions. More importantly, the references to neighboring pits and wartime massacres disappeared. Yet the absence of such commentary was short-lived. Religion and church were too important to be equated with tourism, especially in a country where religious affiliation or background acted as a principal dividing factor among its constitutive ethnic groups. Empirical studies undertaken in the mid-1980s testify to an intense renewal of religiosity throughout Yugoslavia, evidenced through both an increased denominational affiliation and church attendance and practice.43 The “return to faith” among Orthodox Serbs was the most spectacular since they had previously counted as the least devout among Yugoslavia’s major ethnic and religious groups. The growing interest in religion in Serbia, however, went hand in hand with an ever growing curiosity about the past, or rather, the hidden version thereof. At issue was the suffering of Serbs during World War II, especially the alleged criminal role of the Catholic Church and its prelates in massacres of Serbs. This issue gained prominence with the appearance of two books, a reprint of ­Viktor Novak’s book “Magnum Crimen” in 1986, and Vladimir Dedijer’s “The Vatican and Jasenovac” in 1987, which quickly came to color the Serbian perception of Marian apparitions in Međugorje. At the same time, a different shift was taking place in ­Croatia, where new religious freedoms saw the Catholic clergy claim moral leadership over the Croat people. Whereas the official Communist regime in Serbia increasingly adopted nationalist views, the Croatian leadership allowed for the mobilization and homogenization of Croats by the Church and dissident nationalists.44 Accordingly, the reporting of the semi-autonomous press of Yugoslavia’s constitutive republics became ethnically colored if not fully biased.

The Pit under Our Lady’s Cloak In May of 1988, Belgrade’s most popular and taboo-breaking magazine “Duga” published a long story that was to change the way the Serbian press covered the Međugorje phenomenon. Relying on press coverage from 1981, the Međugorje apparitions were unambiguously equated with the endorsement of war crimes committed against the Serbs. With that thesis in mind, facts were distorted, dates falsified, and the already enormous number of victims overstated many times over. The authors of this particular report did not deliver their charges outright but released them through the words of the people in their story, that is, through the accounts of the surviving villagers of the neighboring village of Prebilovci, and then tagged their comments onto them. The conclusion ended with a rhetorical question: “How did the ­Virgin ­Mary

43 Flere, Sergej: Denominational Affiliation in Yugoslavia 1931–1987. In: East European Quarterly 25/2 (1991), 145–165, at 146. 44 Perica (cf. n. 3), 56–73.

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manage to turn Međugorje, a notorious Ustaša stronghold of the last World War, into a holy sanctuary – only the Devil can explain.”45 Such rhetorical questions, however, were not left unanswered for long. ­Milan ­Bulajić, the self-proclaimed leading Serbian expert on World War II genocide46, claimed that the Virgin Mary played a crucial role in Ustaša propaganda and that a significant number of Catholic clergy had wholeheartedly supported the genocide against the Serb population. Catholic clerics, in his opinion, had seen a chance to create a civitas dei, that is, God’s state, by helping Ustašas to cleanse “the Croat land” from the Orthodox. Bulajić illustrated his argument with the case of the friar Bono Jelavić, the prelate of Ripnik, who in his sermon of 22 June 1941, called on every faithful Roman Catholic “who had killed a Serb to come to him and be absolved of sin.”47 What was going on in Međugorje was only a continuation of such satanic plans, Bulajić warned. The characterization of Serbs as victims was supported by a claim that injustices towards the Serbs had never been understood or publicly admitted. In this view the peoples of Yugoslavia whose members had committed crimes against Serbs had never adequately distanced themselves as a whole from these crimes. Even those nations and individuals who had never done the Serbs any grave wrong had failed to recognize that these massacres took place and to commemorate them, and therefore belittled them. Furthermore, the perpetrators had never been adequately punished for their crimes, nor had the places of slaughter been adequately marked; the blame for all of this was laid at the feet of the Yugoslav authorities. This thesis was echoed in the complaints of the survivors in a “Duga” article: “We had wanted to speak out a long time ago, but there was no one to listen … They wouldn’t let us!”48 Yet, as we have seen, the massacres had been widely spoken about only a few years before when apparitions at Međugorje had immediately been tied to the neighboring pits and gravesites. Bulajić and Belgrade journalists with no new evidence merely repeated the statements from 1981.49 The only difference lay in the fact that previously the domestic press, while duly naming the fascist Ustaša perpetrators, had failed to assign an ethnic identity to the victims, which were simply dubbed “anti-­ fascists”. ­Creating an image of World War II as a clear-cut conflict between fascists and antifascists in which antifascists were only Communist-led partisans, the official propaganda had indeed suppressed an important segment of the truth of World War II, 45 Mališić, Vesna/Vukotić, Višnja: Jama pod gospinim skutom [The Pit Under Virgin’s Cloak]. In: Duga, 14.5.1988. 46 Due to his outspoken engagement, Bulajić, a former judge, was rapidly promoted to the position of director of the newly founded Museum of Genocide Victims in Belgrade and became author of publications such as Ustaški zločini genocida i suđenje Andriji Artukoviću 1986 [Ustaša Crimes of Genocide and the Trial of Andrija Artukovic 1986]. Vol. I–IV. Belgrade 1988–1990; Idem: Never Again: Genocide of the Serbs, Jews, and Gypsies in the Ustashi Independent State of Croatia. Belgrade 1991; Idem: The Role of the Vatican in the Break-up of the Yugoslav State. Belgrade 1993. 47 Bulajić, Milan: Došla sam namerno [I Came with a Purpose]. In: NIN, 18.9.1988. 48 Mališić/Vukotić (cf. n. 45). 49 Bulajić, Milan: Interview. In: NIN, 17.6.1988; Rakić, Zoran: Gospin izbor [The Virgin’s Choice]. In: NIN, 14.8.1988.



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with detrimental consequences. As we have seen, the story of Partisans killing 29 friars in Široki Brijeg was similarly suppressed as it was difficult to uphold the image of clerics as fascists. The new coverage of Međugorje in the Serbian press caused immense anger in Bosnia. After years of reaping profits from tourism, the local authorities now found themselves defending an entirely different position. Međugorje was proclaimed an example of religious freedom and tolerance. The antifascist history of the region was stressed and the security situation was praised denying any controversy over the apparitions. Šimun Toma, the new president of the local Socialist Front denounced the “Duga” article as “pouring salt onto the still bleeding wounds.” In his view “Duga” journalists were inciting the peoples of Yugoslavia to new ethnic and religious conflicts, vengeful remembrance, and the revival of the “worst crimes of the nationalists, in order to have the conflicts continue indefinitely.”50 The difference in the tone of the articles written by journalists who had previously only copied each other is striking but understandable once decentralized media fell under the complete domination of local political elites. The Serbian press lessened its interest in the Međugorje tourist boom, whereas the Bosnian official “Oslobođenje” increased its positive coverage of the same phenomenon. On the occasion of the ninth anniversary of the apparitions’ first appearance, “Oslobođenje” ran an enthusiastic spread claiming that over one hundred thousand pilgrims had gathered in Međugorje without regard to color, race, social or religious affiliations, cultural or educational status, age, social position or world view.51 This idyllic vision of Međugorje combined the “Brotherhood and Unity” ideology of Communist Yugoslavia with the newly launched Western ideal of multiculturalism. Contrary to this picture, a correspondent of Belgrade’s “Večernje novosti” described Međugorje as shadowed by the leader of the newly formed nationalist Croat party, Franjo Tudjman, and the Croat checkerboard flag.52 “Politika’s” journalist Muharem Durić saw two different columns of people. The first was a sad procession which, “with its wooden cross, greatly clashed with the glittering automobiles, especially since the dresses of the mourners were vastly different from the shorts of the foreign female tourists. Thus two entirely disparate columns of people could be seen in a single moment and at the same location. One group was made up of the villagers of Prebilovci, near Čapljina, on their way to the slaughter pit of Šurmanci, to pay respect to their relatives who, half a century ago, had perished from Ustaša knives, whereas the other column trudged up the limestone hill to visit the site of the apparitions.”53

50 Karabeg, M./Krndelj, M.: Mračni spektar “Duginih” poruka [The Dark Specter of Duga Messages]. In: Oslobođenje, 8.6.1988. 51 Krndelj, M.: Međugorje. In: Oslobođenje, 26.6.1990. 52 Gutić, R.: Teskoba u gospinom hladu [Anxiety in the Virgin’s Shadow]. In: Večernje novosti, 5.5.1990. 53 Durić, Muharem: Razdor i među fratrima [Dissension Among the Friars]. In: Politika, 12.8.1990.

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Evoking personal traumatic memories of World War II and mythologizing the events that caused them, the Belgrade press forged an image of collective victimization. Furthermore, by constructing narratives around a traumatic experience where Serbs were singled out as the sole victims, these stories inevitably raised the question of what had caused them, and Međugorje offered the most visible opportunity to speculate on this matter. In Međugorje, according to Serbian press coverage, the “heirs” of the unpunished perpetrators of World War II crimes perpetuated their crime by orchestrating the Marian apparitions. The press was soon joined by the Serbian Church. In a letter from 26 June 1989 regarding relations with the Catholic Church, the Holy Assembly of Serbian Bishops stated that the existence of numerous pits and execution grounds around Međugorje, together with the Jasenovac concentration camp, were obstacles in the reconciliation process. Moreover, it insisted on the Catholic Church’s responsibility for demonizing Serbs during World War II and the subsequent concealment and minimization of the mass killings. A bitter polemic arose on the pages of “Pravoslavlje” and “Glas Koncila”, their official newspapers, concerning the number of victims of Jasenovac and the massacres in Herzegovina, with sharp accusations coming from both sides.54 In 1989, the nationalist squabbles of historians and writers were extended to other media and joined by former dissidents and now leaders of the newly allowed political parties. In a predictable move, the exhausted communist nomenclature also accelerated its production and “consumption” of enemies of all stripes in order to overcome its crisis of legitimacy. In 1990, the Serbian Orthodox Church embarked upon a mass cycle of commemorations for the Serbian victims of World War II, including those from the vicinity of Međugorje. A chapel was built in Prebilovci to hold the remains of over eight hundred murdered men, women, and children exhumed from the Šurmanci Pit, with the Serbian cultural and political elite attending the proceedings. Participating in what was promoted as a proper burial for the martyred members of the Serbian nation bolstered the moral and political legitimacy of the new nationalist authorities.55 The leader of the newly founded Serb party in Bosnia and Herzegovina, Radovan Karadžić, theatrically descended into the pit during the exhumation.56 The commemorative (re)burial of the exhumed bones led by the Patriarch and several bishops of the Serbian Orthodox Church in the following year was transmitted by electronic media, and a special TV program entitled “Here are our Children” was aired on Belgrade TV on 19 April 1991. The underlying message of speeches delivered by political leaders at the commemoration was that Serbs, descendants of victims, cannot live together with Croats, descendants of slaughterers. A statement of one of the participants, Božidar Vučurević, the Serb mayor of the nearby town of Trebinje, sounds prophetic in retrospect: “This time the dead will start the war; the victims are finally 54 Radić, Radmila: The Church and the Serbian Question. In: The Road to War in Serbia. Ed. ­Nebojša ­Popov. Budapest 2000, 247–273, at 255. 55 Denich, Bogdan: Ethnic Nationalism. The Tragic Death of Yugoslavia. Minneapolis, Minn. 1997, 30– 33. 56 Ispit iz humanosti [Exam in Humanity]. In: Borba, 29.7.1990.



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awake and the executioners fearing punishment.”57 The broadcast images included a row of coffins that stretched for one and a half kilometers with bags of exhumed bones passing down a long line of survivors or descendants of victims.58 Speleologists who undertook the exhumation, and pathologists from the Belgrade Military Hospital who conducted the examination of the remains later received the highest decoration of the Serbian Orthodox Church. In doing this, the Church insisted it sought neither revenge nor bad blood but a search for the truth necessary to prevent the rise of new evil. However, the timing, the iconography, and the speeches accompanying the reburial of victims’ bones pointed to a quite different conclusion. The contemporary situation of Serbs in Croatia was compared to the one during World War II and described as a mere continuation of their past victimization. Staging exhumations and reburials in these circumstances turned into powerful emotional events that, as Katherine Verdery has shown, were capable of bonding the families of the victims in anger against the enemy – in this case, the entire ethnic group to whom the perpetrators belonged.59 The fact that an accounting was demanded fifty years after the crime had taken place allowed for fluidity in assigning guilt to the perpetrators’ entire community, or to their Church. Furthermore, the ritual exhumations in Herzegovina, together with the help of media and the officials and intellectuals present, acted to bond all members of the nation as victims, including Serbs in Serbia whose ancestors did not have any negative experience with Croats.60 The internalization of the trauma and the pervasiveness of the victimization discourse prepared the Serbian public to conceive of a right to preventive defense. Once the conflict erupted in the fall of 1991, the Serbian Orthodox Church eventually declared in its communication with international mediators that “the victims of the genocide cannot live together with their past and perhaps future executioners.”61 In Croatia, allegations of the Ustaša war crimes and the ceremonial exhumation of the victims’ remains were regarded as aggressive attacks of a politically-motivated Serbian Orthodox Church. The Croatian daily “Slobodna Dalmacija”, wrote: “Međugorje is an oasis of peace and a place of gathering for unarmed people whose only weapons are their faith and hope.  […] [I]n Međugorje, of all the Christians in the world, the only ones missing are the pilgrims of Serbian Orthodox faith. The Serbian Orthodox Church has pronounced Međugorje an ‘Ustaša ploy,’ since, in its belief, the only reason for the events there is the proximity of a burial pit of Serb victims of the Independent State of Croatia. Orthodox Serbs are thus proving themselves the only religious confession gathering – in the vicinity, or elsewhere – not for religious reasons but exclusively with the aim of achieving their concrete politi-

57 Vučurević, Božidar: Ovako je bilo [This is How It Was]. Užice 2000, 9. 58 Hayden, Robert M.: Recounting the Dead: The Discovery and Redefinition of Wartime Massacres in Late- and Post-Communist Yugoslavia. In: Memory, History, and Opposition Under State Socialism. Ed. Rubie S. Watson. Santa Fe, N.M. 1994, 167–184, at 179. 59 Verdery, Katherine: The Political Lives of Dead Bodies. New York 1999, 110. 60 Denich, Bogdan: Dismembering Yugoslavia: Nationalist Ideologies and the Symbolic Revival of ­Genocide. In: American Ethnologist 21/2 (1994), 367–390, at 382. 61 Radić (cf. n. 54), 262.

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cal goals. Moreover, they never come weaponless, but always armed to the teeth. Međugorje and other religious gatherings are proof that all confessions in Yugoslavia are capable of attracting masses of devout believers except for the Serbian Orthodox Church. That church is religiously inferior and politically obsessed. These are indisputable facts that speak volumes to all those men and women who desire to understand the roots of the Yugoslav crisis.”62

The denunciation of the Serbian victimization campaign in the Croatian media was soon replaced with the insistence on Croatia’s own victims of previously unmentionable World War II massacres, whose exhumations were similarly used to establish new moral authorities and political legitimacy. The gruesome narratives of Partisan massacres against Ustašas and other defeated forces killed in the last days of the war paralleled Serbian descriptions of Ustaša massacres of Serbs, with the two sides waging what Denich termed “rival exhumations”.63 Similar to the Serb victims, the murdered friars of Široki Brijeg were exhumed, and attempts were made to turn them into new Herzegovina martyrs. Leading the processes of victimization of their respective peoples, both the Serbian Orthodox Church and the Catholic Church eventually ­succeeded in establishing the status that they claimed to have held historically, namely the sole protectors and vanguards of the national interests of their faithful.

Epilogue and Conclusion In the summer of 1992, immediately after the armed conflict began in Bosnia and Herzegovina, Croatian soldiers from nearby Čapljina blew up the Orthodox Prebilovci chapel. Dutch anthropologist Mart Bax, who analyzed the existence of mass burial pits in the immediate neighborhood of the apparition site as one of the points of conflict that the apparitions had attempted to address, concluded that they only caused a new round of violence.64 Another researcher, Vjekoslav Perica, in his book on religion and war in former Yugoslavia claimed that Međugorje’s apparitions resulted in fashioning Međugorje into a bastion of new Croat nationalism and contributed to a critical worsening of relations between the Croatian Catholics and the Serbian Orthodox Christians. In no way did it represent a “movement for peace and prayer” as some Western media had put it, but rather an introduction of division, war, and genocide to Bosnia and Herzegovina.65 Examining ties between religion and war in Bosnia, Michael Sells brought an additional charge of the apparition promoters’ anti-Muslim background, asking:

62 Perica, Vjekoslav: Novo čudo u Međugorju [New Miracle in Međugorje]. In: Slobodna Dalmacija, 30.6.1990. 63 Denich (cf. n. 60), 378. 64 Bax (cf. n. 1), 119–126. 65 Perica (cf. n. 3), 122 and 171–173.



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“If the Virgin of Međugorje prayed for peace with her apparitions, why did not those who listened to her messages prevent the incarceration of Muslims in the concentration camps of Gabela, Čapljina, Dretelj, Ljubuško, and Rodoč, all quite near Međugorje? Did the buses full of pilgrims radiant with the light of their faith ever hear the cries and laments from the other side of Međugorje’s hills?”66

Ten years after the first apparition, the ill-omened warnings of Mate Bencun, the president of the local village community of Međugorje, seemed to have come true. Back in the summer of 1981, Bencun warned that in Međugorje “someone has begun a dance macabre of the kind that may have a dire ending.”67 Despite all the assurances to the contrary, the Yugoslav peoples and/or their political leaderships did not find the right answer to the challenge of the apparitions, the related inter-ethnic conflicts, and the burdensome legacies of the past. Strategies of repression and a “tourist mecca” proved ineffective. As the ruling ideology weakened, its doctrine of “Brotherhood and Unity” suffered the most drastic defeat. The slogan revealed an empty mantra, contributing little towards promoting and preserving inter-ethnic cooperation. Once the political apparatus to which it was directly tied began to lose legitimacy, the principle of “Brotherhood and Unity” succumbed to churches and segments of the national elites, which converted popular frustrations into nationalism. Finally, the mass character of Međugorje’s apparitions and their location provided the Yugoslav press in the late 1980s with an ideal means for the transmittal of nationalist messages into the sphere of mass politics, where religious symbols and history were easily manipulated. Press reports, replete with fantasy or trauma, intensified ­already existing feelings of insecurity in a country ridden with crisis. The transformation of the old official discourse, hostile to religion, into a nationalistic one, whether celebrating or condemning the apparitions, transpired through a process of substituting new stereotypes and formulas for old versions, including the revival or adaptation of symbols from the past for contemporary purposes. The press coverage placed Međugorje’s apparitions high on the list of tumultuous events which, either real or fictitious, were shaking Yugoslavian society during the 1980s and heralded its eventual collapse. In the 1990s Međugorje became synonymous with dissension, while the conflicts inside and over Bosnia and Herzegovina rose anew.

66 Sells, Michael: The Bridge Betrayed: Religion and Genocide in Bosnia. Berkeley, Calif. 1998, 113. 67 Bubreško (cf. n. 15).

Person en re giste r

Aaron, Petre/Petru Pavel (Bischof von Făgăras) 259 Abraham a Sancta Clara (Augustinermönch) 45, 235 Adalbert (Heiliger) 82, 246 Ailert, Keresztély (ungar. Soldat) 192 Albrecht VII. von Österreich (Regent der Spanischen Niederlande) 125 Alexander II. (russ. Zar) 354 Alexovits, Vazul (Ordensbruder) 190 Althan, Michael Ferdinand von 121 Altmannshausen, Johann Ernst von (Obervogt und Haushofmeister) 34, 35, 48 Amariton (Hofprediger) 104 Amfilochij. Siehe Josif Anania, Bartolomeu (Erzbischof von Klausenburg) 266, 267, 270 Anastasios (Mönch) 25 Anna von Österreich (frz. Königin) 111 Antonij (wolhyn. Erzbischof) 354 Antonius von Padua (Heiliger) 192 Aquaviva (Kardinal) 246 Atanasie (rumän. Bischof) 240 Aullinger, Friedrich (süddt. Kupferstecher) 180 Badarčenko, Oleksij (ukrain. Lokalpolitiker) 347 Bajkowska, Olga (Bildhauerin) 327 Bălan, Nicolae (Erzbischof von Karlsburg) 261, 262 Bałos, Stanisław (Bildhauer) 307, 308 Baranyi, Ladislaus (Jesuit) 240 Barde, Jean de la (frz. Gesandter) 38 Băsescu, Traian (rumän. Staatspräsident) 265 Báthory, Christoph (Fürst von Siebenbürgen) 243 Báthory, Stephan/István (poln. König) 243 Bencun, Mate (Gemeindepräsident von Međugorje) 375 Benedikt von Nursia (Ordensgründer) 46 Benedikt XVI. (Papst) 25, 296 Benno (Heiliger) 96, 97 Bernardino da Siena (Heiliger) 28

Bernard von Clairvaux (Heiliger) 44 Bertelli, Luca (ital. Kupferstecher und Drucker) 26 Bielecka, Barbara (Architektin) 317, 318, 319, 320, 321, 323, 324, 326 Bosyj, Ivan (Seher) 349, 352 Brown, Edward 224 Buccow, Adolf Nikolaus von (österr. General) 259 Bucelin, Gabriel (Benediktiner) 48 Buhot, Gilles (Kaplan in Bayeux) 104 Bulajić, Milan (serb. Publizist) 370 Bussy-Rabutin, Roger de (frz. General) 241 Calvin, Johannes (schweiz. Reformator) 27 Cantacuzino, Şerban (Fürst der Walachei) 258 Carl Rupert (Benediktinerpater) 46 Ceauşescu, Nicolae (rumän. Staatspräsident) 264 Çelebi, Evlija (osman. Schriftsteller) 227 Chengeri, Ivan (Priester) 337 Chrapovickij. Siehe Antonij Ciipesh, Atanazii (Basilianermönch) 335, 339, 340, 341, 342 Clemens XIII. (Papst) 259 Clemens XI. (Papst) 275 Constantinescu, Emil (rumän. Staatspräsident) 267 Cranach d. Ä., Lucas (dt. Maler und Grafiker) 18, 27, 40, 179, 186, 187, 207 Cromwell, Oliver (Lordprotektor) 246 Cupşa, Ioan (rumän. Kleinadliger) 241 Cygan, Jacek (poln. Autor) 296 Cyprien de la Nativité de la Vierge (Karmelit) 115 Dedijer, Vladimir (jugoslaw. Journalist) 369 Dietterlin, Johannes (Maler) 36, 37 Dobokay, Sándor 243 Domenico a Jesu Maria (Karmelit) 197, 208, 210, 214 Dorffmeister, Stephan (Maler) 192 Dorohostajski, Krzysztof (Großmarschall Litauens) 79



Personenregister

Dosifej (Schüler des Hl. Hiob von Počajiv) 350 Drapikowski, Mariusz (Danziger Goldschmied und Bildhauer) 294, 297, 298 Dujmović, Zdravko (jugoslaw. Lokalpolitiker) 363 Eisvogel, Veremund (Benediktiner) 48 Elisabeth (Heilige) 245, 246 Emmerich (Heiliger) 245, 246, 256 Esterházy, Pál (kaiserlicher Feldmarschall) 180, 182, 256 Felici, Dino (ital. Bildhauer) 71 Ferdinand III. (röm.-dt. Kaiser) 214 Ferdinand II. (röm.-dt. Kaiser) 197, 200, 208, 210, 214, 256 Ferdinand I. (röm.-dt. Kaiser) 189, 207 Forkernus (Heiliger) 193 Forster von Scheyern, Placidus (Benediktinerabt) 46 Franck de Langgraffen, Johann (Wiener Kupferstecher) 244, 245, 246, 257 Franz II. Rákóczi (Fürst von Siebenbürgen) 237 Franz Seraph von Dietrichstein (Bischof von Olmütz) 121 Franz Xaver (Heiliger) 252, 253, 256 Friedrich V. von der Pfalz (böhm. König) 98, 122, 124, 200, 205 Gabriel 204, 205 Gabriel (Erzengel) 112, 254, 255 Genoveva (Heilige) 112 Gerhard (Heiliger) 246 Géza II. (ungar.-kroat. König) 181 Ghibu, Onisifor (Professor der Universität Klausenburg) 261, 262 Giacomo della Porta (ital. Architekt und Bildhauer) 215 Glemp, Józef (Primas von Polen) 316 Golla, Jacob 107 Golla, Jakob (bayer. Hofkaplan) 108 Gomboust, Jacques (Kartograph) 33 Gomułka, Władysław (poln. Politiker) 281 Gorzechowski, Henryk Mikolaj (Sohn von Henryk Gorzechowski) 303, 311 Gorzechowski, Henryk (Leutnant) 303, 310, 311

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Gottwald, Klement (tschechoslowak. Staatspräsident) 132 Gregor XV. (Papst) 210 Grueber, Antonius 252 Gumppenberg, Wilhelm von (Jesuit) 36, 38, 40, 42, 43, 45, 49 Haliatovs’kyj, Ioanikij (orthodoxer Prediger) 349 Halík, Tomáš (Priester) 141 Hans von Aachen (dt. Maler) 202 Harnisch, Ernst (Guardian des Klosters Maria Radna) 228 Harnisch, Placidus (Guardian des Klosters Maria Radna) 228 Havelka, Jaroslav (Vorsitzender der SÚC) 131, 132 Havel, Václav (tschech. Präsident) 141 Héderváry, Katalin (ungar. Adliger) 182 Hefele, Melchior (österr. Architekt) 254 Heinrich IV. (frz. König) 215, 216 Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg (Bischof von Halberstadt) 201 Herz, David (Künstler) 34 Hevenesi, Gábor (Jesuit) 48 Hiob von Počajiv (Heiliger) 350, 352 Hojs’ka, Hanna (Eigentümerin von Počajiv) 349 Höller, Antonius (Jesuit) 249 Horinetski, Ivan (Priester) 337 Hossu, Iuliu (Bischof von Gherla) 263 Hus, Jan (Reformator) 140 Iakov (Archimandrit) 355 Ignatius von Loyola (Heiliger) 252, 253, 256 Ilarion/Ohienko (Metropolit) 355 Iliuşa 242 Ilocki, Niko. Siehe Niccolò d’Illoco Ines, Albert (Jesuit) 85 Innozenz XI. (Papst) 179 Iosif 262 Iov. Siehe Hiob von Počajiv Isabella Clara Eugenia (Regentin der Spanischen Niederlande) 125 Jacques de Sainte-Marie (kath. Geistlicher) 113 Jacyna, Tat’jana 357 Janić, Andija (Ordenspater) 226 Jan III. Sobieski (poln. König) 84, 91

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Anhang

Janoschitz, Mátyás 191 Janukowytsch, Wiktor (ukrain. Ministerpräsident) 356 Jeanne de France (Herzogin von Orleans, Heilige) 97 Jelavić, Bono (Ordensbruder) 370 Jerkić, Ivo (kroat. Mitglied der bosn.-herzeg. Regierung) 364, 365 Johannes der Täufer (Heiliger) 260, 359 Johannes (Heiliger) 60 Johannes Paul II. (Papst) 134, 135, 228, 233, 285, 294, 295, 297, 299, 316, 317, 340, 341 Johannes von Capestrano (Heiliger) 228 Johannes von Dukla (Heiliger) 97 Johannes von Nepomuk (Heiliger) 140 Johann Georg I. (sächs. Kurfürst) 179 Johann II. Kasimir Wasa (poln-schwed. König) 83, 84, 85, 88, 96, 102, 105, 108, 109, 274, 281 John the Baptist. Siehe Johannes der Täufer Jordánszky, Elek (Bischof von Knin) 196 Joseph (Heiliger) 122, 125, 256 Josif (Pater) 355 Kaczyński, Lech (poln. Präsident) 272, 295 Kaczyński, Maria (Ehefrau des poln. Präsidenten) 272 Karadžić, Radovan (Präsident der Serbischen Republik) 372 Karl VI. (röm.-dt. Kaiser) 249 Kasimir (Heiliger) 97 Kasl, Jan (Oberbürgermeister von Prag) 143 Kempluer, Maximilian 123 Kilian, Wolfgang (Kartenstecher) 34 Klaus, Václav (tschech. Präsident) 140, 141, 142 Kłossowski 9 Kłossowski, Tomasz (Seher) 9 Kobierzyckis, Stanisław (Gouverneur von Pommern, Historiker) 85 Kochowski, Wespazjan (poln. Dichter und Geschichtsschreiber) 87, 89, 90 Koháry, István (ungar. Politiker und General) 190 Kolbe, Maksymilian (Pater) 306 Kollonitsch, Leopold Karl von (Erzbischof von Gran) 224, 240, 243

Komorowski, Bronisław (Sejmmarschall, poln. Präsident) 301, 302, 307 Köprülü, Hüseyin (Großwesir) 180 Kordecki, Augustyn (Pauliner) 84, 85, 105, 274 Kornis de Gőncz-Ruszka, Antal 257 Kornis de Gőncz-Ruszka, Gáspár 241 Kornis de Gőncz-Ruszka, Sigismund 240, 241, 242, 249, 259 Kossov, Sylvester (Bischof der orthodoxen Kirche) 80 Kostka, Stanisław (poln. Jesuit, Heiliger) 97 Kowalczyk, Józef (Primas von Polen) 299, 300 Kowalik, Wacław (Bildhauer) 308, 309 Kricsfalu 242 Kropyvnyc’kyj, Volodymyr (ukrain. Lokalpolitiker) 357, 358 Kucza-Kuczyński, Konrad (Architekt) 303 Kunigunde von Luxemburg (röm.-dt. Kaiserin, Heilige) 97 Kyba, Vasyl’ 357 Labouré, Catherine (Seherin) 57 Ladislaus 246, 256 Ladislaus (Heiliger) 192, 245 Lamberg, Caspar Friedrich von 126 Leopold I. (röm.-dt. Kaiser) 125, 179, 182, 235, 240 Leopold V. (Fürstbischof von Passau) 179 Leszczyński, Andrzej (Primas von PolenLitauen) 109 Lobkovic, Kryštof Ferdinand von (Schriftsteller) 36 Łobżyński, Jan Dionyzy (Pauliner) 81 Lubelski, Marian (Prior von Tschenstochau) 294 Lubomirski, Jerzy (poln. Magnat, Großmarschall) 87, 88 Luca (Maler und Priester) 241 Lucia (Seherin von Fátima) 61, 65, 68 Ludwig I. (König von Ungarn, Kroatien und Polen) 179 Ludwig IX. (frz. König, Heiliger) 96, 115 Ludwig XI. (frz. König) 97 Ludwig XIII. (frz. König) 94, 96, 98, 101, 103, 104, 105, 106, 112 Ludwig XIV. (frz. König) 33, 38, 107, 111, 112, 113 Ludwika Maria. Siehe Luisa Maria Gonzaga



Personenregister

Luisa Maria Gonzaga (poln. Königin) 84, 85 Lukas 207, 254 Lukas (Evangelist) 68 Luther, Martin (dt. Reformator) 27, 203 Lux, Josef (tschech. Agrarminister) 140 Lynch, Walter (Bischof von Clonfert) 246 Macedoński, Adam (Dissident) 307 Madjar, Petro Pavlo (Priester) 336, 337, 339, 340, 342, 344 Majewski, Roman (Prior von Jasna Góra) 296, 298 Makowski, Adam (Jesuit) 102 Makrai, Zsuzsa 196 Makulski, Eugeniusz (Kustos von Licheń) 315, 316, 317, 320, 327, 328 Mändl, Johann (bayer. Hofkammerpräsident) 108 Margarethe (Heilige) 246 Marhitych, Ivan (Bischof der Eparchie Mukatschewe) 334, 336, 337, 339, 340, 342, 343 Marjanović, Dragan 368 Marradas, Balthasar de (Statthalter in Böhmen) 216 Maštepa, Oleksandr (Kandidat für das ukrain. Parlament) 347, 356, 358 Maulbertsch, Anton (dt. Maler) 192 Mauz , Benedikt (Abt von Zwiefalten) 48 Maximilian I. (bayer. Herzog) 31, 33, 94, 98, 103, 104, 105, 107, 197, 207 Mazarin, Jules (frz. Kardinal) 113 Mercator, Gerhard (Kartograph) 40 Michael (Heiliger) 249 Michael I. (rumän. König) 266 Miechowita, Justyn (Theologe) 83 Migazzi, Christoph Anton von (Erzbischof von Wien) 259 Mihai I. Siehe Michael I. Miklaszewski, Andrzej (Architekt) 303 Mikulić, Branko (jugoslaw. Politiker) 361 Milošević, Slobodan (jugoslaw. Präsident) 366 Molga 9 Moser, Josef (Wiener Goldschmied) 254 Moszyński, Konstanty (Provinzial der Pauliner) 275 Naghiu, E. 262 Năstase, Adrian (rumän. Premierminister) 265

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Nedeczki, Ladislaus (Jesuit) 256, 257 Neophit (bulgar. Metropolit) 349 Niccolò d’Illoco (Franziskaner) 226 Niedzielak (Pater) 307 Nieszporkiewicz, Ambroży (Pauliner) 84 Nikolai/Nikolaus II. (russ. Zar) 279 Nikolai/Nikolaus I. (russ. Zar) 353, 354 Novak, Viktor (kroat. Schriftsteller und Historiker) 369 Novoselić, Stjepan (Ordenspater) 226 Oettingen, Wolfgang 180 Ohienko. Siehe Ilarion Oros, Petro (Priester) 336, 337, 338, 339, 340 Ossoliński, Jerzy (poln. Kanzler) 83, 273 Panchuk. Siehe Iakov Paolo da Cinque Fonti (Ordenspater, Missionspräfekt) 220, 223, 232 Paulini, Márton (Ordensbruder) 190 Paul VI. (Papst) 315 Paul V. (Papst) 254 Pavlovský, Stanislav (Bischof von Olmütz) 117, 118, 120, 126 Pázmány, Péter (Jesuit) 243, 244, 245, 246, 257 Peszkowski, Zdzisław (Pater) 307, 310 Petrina, Liviu 268 Petrovics, Péter (ungar. Staatsmann) 231 Philippe de Champaigne (fläm. Maler) 104 Picinelli, Filippo (ital. Kanoniker) 253 Pius (Heiliger) 97 Pius XII. (Papst) 133 Pius XI. (Papst) 262 Pius X. (Papst) 55, 272, 279, 294 Pomis, Giovanni Pietro de (ital. Maler und Architekt) 187 Popescu-Tăriceanu, Călin (rumän. Premierminister) 265 Popiełuszko, Jerzy (röm.-kath. Priester) 317 Potocky, Mikołaj (Stifter der Počajiv-Lavra) 352 Pozzo, Andrea (ital. Maler und Architekt) 250, 252 Puchner, Melchior (dt. Maler) 46 Puşcariu, Sextil (Professor der Universität Klausenburg) 261

380

Anhang

Rachtamowicz, Jan Cynerski (Professor der Universität Krakau) 82 Radziwiłł, Albrecht/Albrycht Stanisław (Großkanzler von Litauen) 82, 102 Radziwiłł, Karol Stanisław (poln.-lit. Magnat) 254 Raffael da Urbino (ital. Maler) 28 Ranbeck, Ägidius (Benediktiner) 48 Ratzinger, Joseph. Siehe Benedikt XVI. Rayzacher, Maciej (Schauspieler) 305 Rettegi, György 254 Robert de Longin (röm. Maler) 210 Rochus (Heiliger) 182, 191 Roman, Ivan (Priester) 337 Romzha, Teodor (Oberhaupt der Eparchie Mukatschewe) 341 Rosalia (Heilige) 182 Rubens, Peter Paul (fläm. Maler) 25, 254, 255 Rubik, Piotr (Komponist) 296 Rudnay, Sándor (Erzbischof von Esztergom) 224 Rudolf II. (röm.-dt. Kaiser) 201 Rupčić, Ljudevit (Theologe) 367 Rupert von Deutz (dt. Mystiker) 25 Rus, Ioan (rumän. Innenminister) 265

Spiegler, Franz Joseph (Maler) 48 Stalin, Josef (sowjet. Diktator) 132, 365 Stanislaus (poln. Nationalheiliger) 97, 286 Stanislaus/Stanisław II. August Poniatowski (poln. König) 254 Starowolski, Szymon 98 Starowolski, Szymon (Geschichtsschreiber) 81, 86, 87 Staszewska, Anna Danuta (Künstlerin) 303, 306, 307, 308, 309, 310, 312 Stefan der Große (moldau. Fürst) 265 Stefanowicz, Antoni (Franziskaner) 88, 90 Stephan der Heilige (ungar. König) 192, 228, 245, 256 Stephan von Steinville 249 Stipančić, Andrija (Kaplan von Lippa) 222, 223, 225, 227 Suleiman I. (Sultan) 189, 190 Sustris, Friedrich (dt.-ndl. Hofmaler und Architekt) 27 Szántó, István (ungar. Jesuit) 244, 246 Széchi, Ferenc 190 Sztyftowski, Makary (Pater, Goldschmied) 275 Szymański, Ludwik (poln. Major, Märtyrer von Katyn) 301, 311, 312

Sadeler d.Ä., Raphael (Kupferstecher) 31, 33, 35 Sarbiewski, Maciej Kazimierz (Jesuit) 83 Sariusz-Skąpski, Andrzej 307 Scherer, Heinrich (Jesuit) 40, 42, 43, 44, 45, 46, 49 Schmidl, Johann (Jesuit) 118 Schwendi, Marquard von (Domherr in Passau) 179 Scultetus, Abraham (Hofprediger) 202, 205, 206, 207, 208 Sebastian (Heiliger) 182, 191 Semedii, Ivan (Bischof der Eparchie Mukatschewe) 334, 336 Sienkiewicz-Wójcik, Aleksandra (Malerin) 312 Sigismund III. Wasa (poln-schwed. König) 79 Sikatka, Mikołaj (Seher) 316 Sixtus V. (Papst) 216 Sobieski, Johann. Siehe Jan III. Sofronie von Cioara (Mönch aus Siebenbürgen) 259 Soubirous, Bernadette (Seherin) 56, 57, 63, 64, 68

Tausch, Christoph (österr. Maler und Architekt) 250, 252, 253, 254 Teofil (rumän. Bischof) 240 Tito, Jozip Broz (jugoslaw. Staatspräsident) 359 Tizian (ital. Maler) 254 Tomášek, František (Erzbischof von Prag) 134, 135 Toma, Šimun (Präsident der Sozialistischen Front) 371 Tomaszewski, Klemens (Pater) 273 Trajan (röm. Kaiser) 229, 263 Trzebicki, Andrzej (Bischof von Peremyšl) 109 Tucholski, Jędrzej (Schriftsteller) 306 Tudjman, Franjo (kroat. Politiker) 371 Tusk, Donald (poln. Premierminister) 295 Tymoschenko, Julija (ukrain. Ministerpräsidentin) 356 Uhde, Milan (tschech. Politiker) 140 Ujfalusi, Stefan 258 Újlaki, Lőrincz 182



Personenregister

Unterberger, Michelangelo (Südtiroler Maler) 255 Urban VIII. (Papst) 80 Viani. Siehe Viviani, Antonio Maria Vidoni, Pietro (apost. Nuntius) 108 Vishnudevananda/Vishnu Devananda, Swami (hinduist. Guru, Yoga-Meister) 368 Viviani, Antonio Maria (oberital. Maler und Holzschnitzer) 27 Vladimir (Metropolit, Oberhaupt der UOK-MP) 347 Vlk, Miloslav (Erzbischof von Prag) 141, 143 Wagner, Caspar (Pfarrer) 202, 203, 204, 205, 206, 208, 214 Waldburg Wolfegg, Maximilian Willibald von (Gouverneur von Lindau) 34 Wałęsa, Lech (poln. Präsident) 292 Wenzel (Heiliger) 131 Wertinger, Hans (norddt. Maler) 28 Wilhelm von Lobkowitz d.Ä. (böhm. Oberlandhofmeister) 202 Willibald (Pater) 181

381

Władysław II. Jagiełło (poln. König) 273 Władysław IV. Wasa (poln-schwed. König, russ. Zar) 80, 93, 102, 108 Wojtyła, Karol. Siehe Johannes Paul II. Wrisberg, Ernst von (Hildesheimer Domherr) 26 Wujec, Henryk (Dissident) 305 Wyl, Ludwig von (Kapuzinerpater) 36, 37, 38 Wyszyński, Stefan (Primas von Polen) 280, 281, 285, 291, 297, 316 Zalizo, Iov/Igumen (Vorsteher des Klosters Počajiv) 349, 350 Zambrowski, Antoni 303, 305 Žanić, Pavao (Bischof von Mostar-Duvno) 70, 362, 365 Zovko, Jozo (Pfarrer von Međugorje und Tihaljina) 70, 72, 73, 362, 365 Zrínyi, Miklós Szigeti (Feldherr) 188, 189 Zubryc’kyj, Nikodym (Kupferstecher) 350, 352 Zwingli, Huldreich (Züricher Reformator) 27

O rt sregiste r

Abtsdorf/Mănăştur/Kolozsmonostor (Vorort von Klausenburg) 243, 254 Alba Iulia. Siehe Karlsburg Altbunzlau 131, 136 Altötting 43, 46, 48 Amsterdam 65 Arad 227, 231 Augsburg 208, 258 Auschwitz 298, 306 Barátfalva/Ollersdorf (Burgenland) 182 Bardo 123 Bassano di Grappa 219, 226, 227 Bayeux 104 Belgrad 362, 366, 368, 369, 370, 371, 372, 373 Berlin 311 Bilki 338 Bischofteinitz/Horšovský Týn 36 Blasendorf/Blaj/Balázsfalva 257, 259 Bodajk/Wudeck 181 Böhmisch Krumau/Český Krumlov 124, 125 Bohosudov. Siehe Mariaschein Boroniava 342, 344 Borzhavske/Borzhavs’ke (früher Velika Chingava) 337 Bratislava 135, 181 Breslau 286 Brünn/Brno 118, 119, 120, 121, 122, 123, 126 Bucureşti. Siehe Bukarest Budapest 193, 194, 344 Budatétény 192 Bukarest/Bucureşti 241 Cambrai/Kamerich 186 Čapljina/Prebilovci 369, 371, 372, 374, 375 Chernecha Hora/Černeča Hora 333 Chlum svaté Maří. Siehe Maria Kulm Chotyn/Chocim 79 Ciclova. Siehe Tschiklowa Čiprovci/Mitrovci/Montana 258 Civitavecchia 68 Cluj. Siehe Klausenburg Csákvár 181

Csesztreg 184 Częstochowa. Siehe Tschenstochau Danzig/Gdańsk 317 Dätzdorf/Dzierzków 87 Dillingen 43 Dretelj 375 Dzhublyk/Džublyk 334, 339, 340, 341, 342, 343, 345 Dzierzków. Siehe Dätzdorf Eger/Erlau 193, 242, 333 Einsiedeln 46, 48 Ellwangen 43 Esztergom. Siehe Gran Ettal 46 Ezkioga 55, 65 Farkasrév. Siehe Vadu Izei Fátima 51, 55, 56, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 67, 68, 69, 75, 62, 281 Feleac/Feleacu (Cluj) 262 Fischbachau 46, 48 Flüelen (am Urner See) 45 Foy-lez-Dinant 125 Freising 25 Fribourg 38, 40 Friedland/Frýdlant 137 Gabela 368, 375 Gdańsk. Siehe Danzig Gdynia/Gdingen 303 Genazzano 186 Gherla/Armenierstadt/Szamosújvár/ Hayakaghak 257, 263 Glatz/Kłodzko 121, 123, 253 Gran/Esztergom 240, 245 Graz 186, 187, 244 Großschenk/Cincu/Nagysink 242 Grulich. Siehe Králíky Grzechynia 307 Guadelupe (Mexiko) 68 Győr 246, 250, 254, 257



Ortsregister

Haarlem 26 Haindorf/Hejnice 137 Hajdúdorog 333, 334 Hédervár 182 Heiligenberg/Heiliger Berg. Siehe Příbram Heller Berg. Siehe Tschenstochau Hergiswald 36, 37, 38, 40 Hermannstadt/Sibiu/Nagyszeben 241, 251 Heroldsbach 65, 68 Hildesheim 26, 27 Horw 37 Iclod 241 Iglau. Siehe Jihlava Iliuşa 242 Ingolstadt 46 Innsbruck 179, 186 Inselburg. Siehe Szigetvár Irshava/Iršava 331, 337, 338 Istanbul/Konstantinopel 225, 241, 333 Ivano-Frankivsk 341, 342 Izabelin 9 Jasenovac 372 Jasna Góra. Siehe Tschenstochau Jerusalem 241, 319 Jihlava/Iglau 121 Kalocsa/Kollotschau 181 Kamianske 337 Kaniv 347 Karansebesch/Caransebeş 232 Karaschowa/Caraşova/Kaschau 222, 223, 232, 250 Karlowitz/Sremski Karlovci 236 Karlsburg/Alba Iulia/Gyulafehérvár 249, 258 Katyń 19, 272, 295, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 310, 311, 312 Kharkiv/Charkiv 310 Kibeho (Ruanda) 62, 66 Kielce 279 Kiew/Kyiv 334, 336, 341, 344, 348, 349, 357 Kiritein/Křtiny 134 Klausenburg 235 Klausenburg/Kolozsvár 19, 237, 238, 243, 244, 246, 248, 249, 250, 251, 252, 254, 255, 256, 257, 258, 262, 264, 265, 266, 267, 270 Kleingrub/Băişoara/Járabánya 268

383

Kłodzko. Siehe Glatz Klokoty (bei Tábor) 137 Koclířov (bei Svitavy) 138 Komotau/Chomutov 124, 125 Königgrätz/Hradec Králové 138 Konin 292 Konstantinopel. Siehe Istanbul Konstanz 34 Kozelsk (Kozielsk) 301, 302, 303, 307 Krajowa/Craiova (Kreis Dolj) 268 Krakau/Kraków 81, 82, 88, 102, 302, 307, 321 Králíky/Grulich 130 Krauden/Coroi/Korod 242 Kremsier/Kroměříž 125, 126 Kricsfalu (heute Krychovo/Ukraine) 242 Kriens (Kanton Luzern) 36, 37 Landshut 108 La Rochelle 103 La Salette 53 Leipzig 202, 316 Lemberg/L´viv 83, 279, 334, 336, 341, 342, 344, 352 Le Puy-en-Velay 46 Leutschau/Levoča 135 Licheń (bzw. Licheń Stary) 19, 9, 292, 293, 300, 315, 316, 317, 318, 319, 320, 323, 324, 325, 326, 327, 328, 329 Lindau 34 Linz 250 Lipa (Philippinen) 62 Lippa/Lipova 219, 220, 222, 223, 224, 227, 231, 232 Ljubuško 375 Loreto 36, 37, 38, 45 Lourdes 23, 51, 53, 55, 60, 61, 63, 64, 65, 67, 69, 71, 75, 281, 359 Luzern 36, 37, 38 Mahiljou/Mahilëŭ 80 Mănăstirea (ehem. Benediug)/Szentbenedek 241, 242 Maria Kulm/Chlum svaté Maří 131 Maria Pocs/Máriapócs. Siehe Pócs Máriaradna/Maria Radna (Rumänien) 19, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 226, 227, 228, 229, 233, 234, 254 Mariaschein/Bohosudov 123

384

Anhang

Mariazell 46, 138, 179 Marpingen 55 Mediasch/Medias/Megyés 249 Mednoye 310 Međugorje 17, 20, 51, 64, 66, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 343, 359, 360, 361, 362, 363, 365, 366, 367, 368, 369, 370, 371, 372, 373, 374, 375 Mohács 224, 230, 231, 236 Monte Cassino 289, 290, 324 Montwy/Mątwy 88 Mór/Moor 181 Moskau/Moskva 348, 354 Mosonmagyaróvár 182 Mostar 70, 359, 361, 362, 365, 366 Mstislavl/Mscislaŭ/Mścisław 80 Mühlbach/Sebeş/Szászsebes 242 Mukachevo/Mukacheve 333, 336, 341 München 25, 27, 28, 29, 43, 98, 103, 107, 108, 180

Pest. Siehe Budapest Philippsdorf/Filipov 130, 137 Pidkaminʼ/Podkamień 352 Płock 317 Počajiv/Potschajiw/Poczajów 20, 347 Pócs/Pötsch 46, 235, 236, 244, 246, 255, 344, 345 Pontmain 53 Posen 283, 289, 317 Prag/Praha 13, 18, 99, 117, 118, 126, 129, 143, 197, 199, 200, 201, 202, 205, 208, 210, 214, 215, 216, 218 Prebilovci. Siehe Čapljina Prešov 333, 334 Pressburg. Siehe Bratislava Příbram/Heiligenberg/Svatá Hora 131, 134, 135, 136, 137 Przemyśl 109, 279 Putna (Kloster bei der Gemeinde Putna/ Suceava) 265

Nazareth 36, 37, 297 Neapel 186 Necedah 65 Neumarkt/Marosvásárhely/Târgu Mureş 251 Nicula/Füszesmikola 19, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 246, 247, 248, 257, 258, 259, 260, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 270 Nikolsburg/Mikulov 122 Nizhne Bolotne (früher Nizhne Shardu)

Raab. Siehe Győr Recanati 36, 37 Rimau/Římov 134 Ripnik/Ribnik 370 Rodoč 375 Rokitno 315, 316 Rom 98, 120, 121, 197, 210, 214, 215, 218, 223, 240, 246, 252, 254, 255, 256, 259, 263, 275, 319, 324, 332, 333, 334, 340

334, 335, 336, 337, 339, 342

Nürnberg 46 Nyárádtő. Siehe Ungheni

Ödenburg. Siehe Sopron Olmütz/Olomouc 117, 118, 119, 120, 121, 122, 124, 126, 139 Olovo (Piombo) 222, 227 Olsztynek/Hohenstein 309 Omiš 222 Orscha/Orša 80 Palota 181 Paris 23, 33, 60, 61, 62, 65, 67, 72, 111, 112, 113 Parma 275 Passau 18, 179, 180, 181, 187, 191, 196 Pau 103

Sarajevo 226, 362, 364 Scharoschitz/Žarošice 134 Sergijev Posad 354 Široki Brijeg 363, 371, 374 Skalitz/Skalica/Szakolca 252 Smolensk 272, 295, 298, 299, 300 Solothurn 36, 38 Sonntagberg 254 Sopron/Ödenburg 184 Stará Boleslav. Siehe Altbunzlau Steinamanger. Siehe Szombathely St. Hostein/Svatý Hostýn 134, 136 Strakonitz/Strakonice 197, 210 Stuhlweißenburg. Siehe Székesfehérvár Šurmanci 362, 371, 372 Svatá Hora. Siehe Příbram Szeged 231, 233 Székesfehérvár/Stuhlweißenburg 181, 257



Ortsregister

Szekszárd/Sechshard 181 Szigetvár/Inselburg 188, 189, 190, 194 Szombathely/Steinamanger 181 Tata/Totis 181 Temeswar/Timişioara 221, 223, 225, 226, 228, 229, 231, 232 Teplitz/Teplice 123 Ternopilʼ/Tarnopol/Ternopolʼ 341, 342, 348, 356 Tétszentkút 192 Tihaljina 72, 73, 74 Timişioara. Siehe Temeswar Tismana 265 Totis. Siehe Tata Trastevere 46, 48 Trebinje 372 Trencsén/Trenčin/Trentschin 182, 250 Trient 12, 40, 121, 253, 254, 255 Tritenii de Jos/Alsódetrehem bzw. Detrehem (Kreis Cluj) 268 Tschanad/Csanád/Cenad 226 Tschenstochau/Częstochowa 19, 46, 79, 81, 82, 83, 84, 85, 87, 90, 91, 92, 102, 124, 271, 272, 273, 274, 275, 277, 278, 279, 280, 281, 282, 284, 286, 287, 288, 289, 290, 291, 292, 293, 294, 296, 297, 298, 300, 315, 316, 329 Tschiklowa/Ciclova 228 Turbék 190, 194 Tyrnau/Trnava/Nagyszombat 244, 250 Ungheni/Nyárádtő (Kreis Mureş) 268 Utrecht 26, 27 Uzhhorod/Užhorod 332, 333, 336, 337

385

Vác/Waitzen 194 Vad (Cluj) 262 Vadu Izei/Farkasrév (Kreis Maramureş) 268 Vatikan 275, 332, 336, 340 Velehrad/Welehrad 134, 135, 140, 141, 143 Veszprém/Weißbrunn 181, 193 Vilkhivka 334, 339 Vilnius/Wilna 301, 316 Waitzen. Siehe Vác Warschau/Warszawa 275, 283, 286, 288, 295, 301, 302, 303, 304, 305, 307, 308, 309, 310, 317, 323 Wartha. Siehe Bardo Weihenstephan 46 Weißbrunn. Siehe Veszprém Weißer Berg/Bílá hora 19, 98, 124, 125, 197, 199, 207, 208, 210, 214, 216 Welehrad. Siehe Velehrad Wien 48, 179, 180, 181, 184, 187, 230, 231, 235, 242, 246, 249, 250, 252, 255, 344 Wilna. Siehe Vilnius Wolfegg 34 Wolfenbüttel 201 Zagreb 366 Žarošice. Siehe Scharoschitz Zarvanitsa 337, 345 Zeitoun (Vorort von Kairo) 62 Zenta 235, 236, 246 Zlaté Hory/Zuckmantel 131 Znaim/Znojmo 121, 125 Zuckmantel. Siehe Zlaté Hory Zwiefalten 47, 48, 49 Žytomir 357

Abbi l d u n g s na chwe is

Liliya Berezhnaya Boeckh, Katrin: Abb. 2. Lohvyn, Hrygorij: Z hlybyn. Hravjury ukraijins’kych starodrukiv XVI–XVIII st [De profundis. Kupferstiche aus ukrainischen historischen Drucken des 16.–18. Jahrhunderts]. Kyjiv 1990, 74: Abb. 1. Offizielle Webseite der Lavra von Počajiv http://www.pochaev.org.ua/?pid=1388 (20.12.2012): Taf. I. Robert Born Born, Robert: Abb. 5; Taf. III. Budapest Magyar Nemzeti Galéria: Taf I. Cobzaru, Dumitru: Monografia Mânăstirii „Adormirea Maicii Domnului“ Nicula [Monographie des Klosters „Entschlafung der Muttergottes“ in Nicula]. Nicula 2001: Abb. 7. Fecioarele înlăcrimate ale Transilvaniei: preliminarii la o istorie ilustrată a toleranţei religiose [Die weinenden Jungfrauen aus Siebenbürgen: Vorstufen zu einer illustrierten Geschichte der religiösen Toleranz]. Ausst.-Kat. Alba Iulia. Hg. v. Ana Dumitran, Enikő Hegedűs und Vasile Rus. Alba Iulia 2011: Abb. 2–3; Taf. IV. Porumb, Marius: Die rumänische Malerei in Siebenbürgen I. (14.–17. Jahrhundert). Cluj-Napoca 1981: Abb. 4. Sas, Péter: A kolozsvári piarista templom [Die Piaristen-Kirche in Klausenburg]. Kolozsvár 1999: Taf. II. Wikimedia Commons: Abb. 1, 6, 8, 9. Wolfgang Brückner Brückner, Wolfgang: Lutherische Bekenntnisgemälde des 16. bis 18. Jahrhunderts. Die illustrierte Confessio Augustana. Regensburg 2007 (Adiaphora 6), Abb. 20 und 22: Taf. I, II. Agnieszka Gąsior Das Kloster Jasna Góra und seine Kunstsammlungen. Hg. v. Janusz Pasierb und Jan Samek. War­ szawa 1989, Abb. 8, 134, 143: Taf. II, III; Abb. 1. Golonka, Jan/Żmudziński, Jerzy: Skarby i klejnoty Jasnej Góry [Schätze und Kleinodien von Jasna Góra]. Jasna Góra-Częstochowa 2005, 28: Taf. IV. http://ocdn.eu/images/pulscms/YzQ7MDMsMjA4LDAsMCwx/11876ceed57b575e7ea339183ba bec89.jpg (05.12.2012): Abb. 9. Królowa w nowych szatach. Uroczyste nałożenie Wotum Narodu Polskiego – Koron i Szat Miłości, Wdzięczności, Cierpienia i Nadziei 4 września 2010 r. [Die Königin in neuen Gewändern. Die feierliche Aufsetzung des Votums der Polnischen Nation – der Kronen und der Gewänder der Liebe, der Dankbarkeit, des Leidens und der Hoffnung am 4. September 2010]. Hg. v. Jan Pach. Częstochowa 2011, Fotografien von Anna Szymanowska: Taf. V–VII. Kurc, Michał, AFRP: http://fotografika-kurc.waw.pl/(18.12.2012): Abb. 2. Kurpik, Wojciech: Czȩstochowska Hodegetria [Tschenstochauer Hodegetria]. Łódź-Pelplin 2008, 184: Abb. 8. Narodowe Archiwum Cyfrowe (NAC), Zbiór fotografii dotyczących obchodów kościelnych Tysiąclecia Chrztu Polski, N.  N.: Abb. 3, 4.



Abbildungsnachweis

387

Niedźwiedź, Anna: Obraz i postać [Bild und Gestalt]. Kraków 2005, 107, Abb. 7. Ośrodek KARTA, Fotoarchiv, N.N.: Abb. 5, 6. Wikimedia Commons: Taf. I. Agnieszka Halemba Halemba, Agnieszka: fig. 1; plate I–III. Ewa Klekot Bogurodzico-Dziewico. Polski almanach maryjny 1382–1982 [Virgin Mary. Polish Marian Almanach 1382–1982]. Ed. Antoni Podsiad. Warszawa 1983, 294: fig. 2. Contemporary photographic holy card: fig. 1. http://gimbel.republika.pl/golgota.jpg (17.03.2009): fig. 4. Klekot, Ewa: fig. 3. Pijarski, Krzysztof: fig. 5; plates I–III. Nikolaj van der Meulen Gumppenberg, Wilhelm von: Atlas Marianus. Ingoldstadt 1657: Abb. 4. Gumppenberg, Wilhelm von: Atlas Marianus, München 21672 [11657]: Abb. 5. Kircher, Athanasius: Ars magna lucis et umbrae …, Amsterdam 1671: Abb. 6. Mercator, Gerardo: Atlas sive cosmographica, 1595: Taf. IV Meulen, Nicolaj van der: Taf. I–III, V–VII; Abb. 3, 7, 8, 9, 15. Raeder, Matthaeus: Bavaria Sancta. Bd. 1. München 1615, Bl. 9: Abb. 1. Małgorzata Omilanowska Bilewicz, Hubert: Abb. 1, 5; Taf. VI. Omilanowska, Małgorzata: Abb. 3, 4; Taf. I–V. Monique Scheer Amici di Dio, www.kathpedia.com/index.php/Medjugorje (15.12.2012): Abb. 11. Andachtskärtchen der Communità Cenacolo, Međugorje: Abb. 12. Bartolomé Esteban Murillo, 1617–1682. Ausst.-Kat. des Museo del Prado Madrid, 1982, und der Royal Academy of London, 1983. London 1982, 104: Abb. 4. Bote von Fatima, Jg. 9, Nr. 104 (August 1951), 503: Abb. 6. Der Grosse Ruf, Jg. 3, Nr. 26 (Juli 1951): Abb. 9. Emanuele: Ein Ereignis in Bildern – Medjugorje. Jestetten 1987 (ital. Orig. 1985), 15: Abb. 10. Fox, Robert J. (Hg.): Documents on Fatima and Memoirs of Sister Lucia. Alexandria, SD 1992, 34: Abb. 5. http://www.de-vrouwe.net (12.05.2011), http://www.queenoftheholyrosaryshrine.com (12.05.2011), http://www.flickr.com/photos/schreibman/3438304839/ (12.05.2011), http://www.catholictradition.org/ Mary/rosa-mystica.htm (12.05.2011), http://flickr.com/photos/9583229@N03/2086381841 (12.05.2011), http://www.kreuz.net/article.1903.html (12.05.2011): Abb. 7. http://www.goldenpalaceevents.com/auctions/grilledmary01.php und © 2001 Shepherds of Christ, http://www.sofc.org/DAILY/7-6-2001.htm (12.05.2011): Abb. 2. Scheer, Monique: Abb. 13; Taf. I. Shenoda, Anthony: Abb. 8. Wikimedia Commons (Miraculous_medal.jpg): Abb. 3. Wikimedia Commons, © Manuel González Olaechea y Franco (VirgendeLourdes.jpg): Abb. 1.

388

Anhang

Damien Tricoire Biblioteka Narodowa, Warszawa: Abb. 1. Bibliothèque nationale de France: Abb. 3. Blot, Gérard, RMN: Taf. III. Musée des Beaux-Arts de Caen: Taf. I. Tricoire, Damien: Taf. II, IV; Abb. 2. Anna Tüskés Róka, Lajos: fig. 9, 12. H. Szilasi, Ágota: plate III. Tüskés, Anna: fig. 1–8, 10, 11, 13; plates I, II, IV, V. Kai Wenzel Albrecht z Valdštejna. Inter arma silent musea? [Albrecht von Waldstein. Inter arma silent musea?]. Ausst.-Kat. Prag. Hg. v. Eliška Fučíková und Ladislav Čepičká. Praha 2007, 194: Taf. II. Hořejší, Jiřina u. a.: Die Kunst der Renaissance und des Manierismus in Böhmen. Prag 1979, 144: Abb. 1. Jacoby, Joachim: Hans von Aachen, 1552–1615. München-Berlin 2000 (Monographien zur deutschen Barockmalerei), Farbtafel 25: Taf. I. Vácha, Štěpán: Der Herrscher auf dem Sakralbild zur Zeit der Gegenreformation und des Barock. Prag 2009, 206, 268 und Tafel XI: Abb. 2, 3, 7. Wenzel, Kai: Abb. 4, 5, 6, 8. Krista Zach Roos, Martin: Maria-Radna. Ein Wallfahrtsort im Südosten Europas. Bd. 1. Regensburg 1998, 42, 47, 49, 55: Abb. 1, 2; Taf. I, II.

Um die Einholung der Bildrechte haben wir uns bemüht. Sollten dennoch eventuelle Rechteinhaber unberücksichtigt geblieben sein, so bitten wir diese, sich mit dem Verlag in Verbindung zu setzen.

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