Management des Wachstums – Wie Unternehmen Wachstum lernen: Ein Praxisband für Unternehmen und Berater/innen [1 ed.] 9783896445957, 9783896735959

In den Beiträgen dieses Buches berichten Unternehmer/innen, Berater/innen und Wissenschaftler, wie sie das Konzept »Mana

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Management des Wachstums – Wie Unternehmen Wachstum lernen: Ein Praxisband für Unternehmen und Berater/innen [1 ed.]
 9783896445957, 9783896735959

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RKW-Schriftenreihe: Innovation – Flexibilität – Wachstum

RKW Deutschland (Hrsg.)

Management des Wachstums − Wie Unternehmen Wachstum lernen Ein Praxisband für Unternehmen und Berater/innen

Verlag Wissenschaft & Praxis

Management des Wachstums

RKW-Schriftenreihe: Innovation – Flexibilität – Wachstum

RKW Deutschland (Hrsg.)

Management des Wachstums – Wie Unternehmen Wachstum lernen Ein Praxisband für Unternehmen und Berater/innen

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Der Praxisband „Management des Wachstums – Wie Unternehmen Wachstum lernen“ wurde im Rahmen des Projektes „Wachstum lernen – lernend wachsen“ der RKW Deutschland GmbH erstellt. Das Vorhaben wurde im Förderschwerpunkt „Innovationsstrategien jenseits traditionellen Managements“ mit Mitteln des Bundesministerium für Bildung und Forschung und des Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union unter dem Förderkennzeichen 01FM08047 gefördert. Die Verantwortung für die Inhalte dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. Herausgeber dieser Publikation: RKW Deutschland GmbH, Im Haus der Deutschen Wirtschaft Breite Straße 28, 10178 Berlin www.rkw-d.de Gesamtredaktion: Dr. Michael Steinhöfel Grafische Überarbeitung und redaktionelle Mitarbeit: Denise Hausmann

ISBN 978-3-89673-595-9 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2012 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. +49 7045 93 00 93 Fax +49 7045 93 00 94 [email protected] www.verlagwp.de Druck und Bindung: Esser-Druck GmbH, Bretten

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Vorwort Vor 10 Jahren war die deutsche Wirtschaft auf Talfahrt. Nach über dreijähriger Stagnation begann dann mit dem Jahr 2004 ein neues Kapitel. In den Jahren danach wuchs die deutsche Wirtschaft robust. Der Übergang von der spätindustriellen Epoche hin zur Wissensökonomie hinterließ nun anhaltend in allen Wirtschaftsregionen immer deutlichere Spuren. Dieser Wandel vollzog und vollzieht sich auch heute noch permanent auf mehreren Ebenen zugleich. Die kleinen und mittleren Unternehmen begannen bei der Bewältigung dieser Wandlungsprozesse die entscheidende Rolle zu spielen. Wachstum und sich vollziehender Beschäftigungsaufbau sind seitdem in hohem Maße den KMU zu verdanken. In diesen Unternehmen setzte dann auch ein innerer Wandel in den Produktionsstrukturen ein. Diese Entwicklung hält bis heute an. Die Unternehmen ordnen ihre Tätigkeitsfelder und Leistungsstrukturen immer wieder neu, innovieren mit neuen Produkten und Dienstleistungen, die Prozessabläufe und die Arbeitsgestaltung werden verändert. Die Frage, wie man Wachstum und die damit verbundenen Veränderungsprozesse managen und gestalten kann, bekam dadurch immer mehr Interesse und Gewicht. „Wandel – Wachstum – Wissen“ das ist seitdem auch das thematische Arbeitsmotto der RKW Deutschland GmbH. Aus Projekten, Beratungen und Weiterbildungsvorhaben dieser Zeit resultierte rückblickend immer wieder die folgende Erkenntnis: Wissen und Handlungskompetenz der Mitarbeiter werden immer dann auch wertschöpfend für das Unternehmen und individuell für die Arbeitsqualität der Beschäftigten wirksam, wenn die bei Veränderungen, Innovationen und Wachstumsprozessen durchgeführten Maßnahmen des Unternehmens auch mit dem Ausbau betrieblichen Lernens verknüpft werden. In diesen Jahren wurde die Innovationsfähigkeit zum zentralen Begriff in den Diskussionen um den Strukturwandel in der Wirtschaft und die langfristige Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Der Innovationsfähigkeit wurde nun die Schlüsselrolle für den wirtschaftlichen Erfolg zugemessen. Innovationsfähigkeit wurde zur Managementaufgabe. Die in Bund und Ländern aufgelegten Forschungsprojekte und Programme nahmen nun immer stärker diesen Zusammenhang auf. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) reagierte im Jahr 2007 mit einem neuen Forschungs- und Entwicklungsprogramm „Arbeiten – Lernen – Kompetenzen entwickeln. Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt“, das zugleich als Teil der umfassenden HightechStrategie der Bundesregierung positioniert war. In diesem Programm ist zu lesen:

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RKW Deutschland: Management des Wachstums

„Erfindungen alleine bedeuten noch keine Innovation. In der Arbeitswelt wird dies besonders deutlich, weil Innovationsdynamik hier gerade aus dem Zusammenspiel von technologischen und technischen Entwicklungen mit den sozialen Bedingungen hervorgeht. Neue Produktionsverfahren beispielsweise lassen sich nur dann erfolgreich in Betrieben einsetzen, wenn sie auf Belegschaften treffen, die Motivation und Kompetenzen einbringen, um neue Kenntnisse zu erwerben und neue Aufgaben zu erfüllen. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die Unternehmens- und Lernkultur sowie die Arbeitsgestaltung. Durch sie werden die Möglichkeiten des kontinuierlichen Lernens und des kreativen Umgangs mit Veränderungen maßgeblich bestimmt, die für erfolgreiche Innovationen notwendig sind.“ Neu war und ist der hier konzipierte Ansatz, dass auch in der Forschung die intensive Verzahnung des Arbeitens und Lernens ganzheitlich gesehen und als ein wichtiger Schlüssel zur Innovationsfähigkeit verstanden werden muss. Diese Sicht kam unseren Erkenntnissen aus der Unternehmenspraxis sozusagen auf halbem Wege entgegen. Denn immer stärker wurde dort die Frage nach dem Wie gestellt und das Interesse der Führungskräfte aus den Unternehmen an handhabbaren Systemen und praxistauglichen Instrumenten, für ein irgendwie geartetes Management des Wachstums wuchs an. Der Wettbewerbsaufruf des BMBF im Frühjahr 2007 zum Förderschwerpunkt „Innovationsstrategien jenseits traditionellen Managements“ war für uns der Auslöser, denn es sollte ja nun darum gehen, praxisgeeignete Konzepte, Instrumente und Strategien zu entwickeln. Der Wettbewerbsaufruf traf mit dieser Zielsetzung deshalb genau ins Schwarze. Dies führte zum Verbundvorhaben „Wachstum lernen – lernend wachsen“. Mit diesem griffig getitelten Forschungsvorhaben hat sich der RKW Deutschland mit seinem Wissenschaftspartner, der Hochschule RheinMain, in drei Jahren von 2009 bis 2011 vorgenommen, mit vielen beteiligten Unternehmen, Beratern und Experten ein spezielles Konzept zur Unterstützung wachsender, innovativer kleiner und mittelständischer Unternehmen zu entwickeln und zu erproben. Das neu zu entwickelnde Managementkonzept haben wir als „Kompetenzorientiertes Management“ bezeichnet, da es auf die erweiterte Nutzung und Entwicklung der Potenziale von Mitarbeitern eines Unternehmens gerichtet ist. Unser Hauptziel war es, damit die Entwicklung der für eine nachhaltige Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen strategischen Kernkompetenzen des Unternehmens steuern zu können.

Vorwort

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Am Ende einer erfolgreichen mehrjährigen Entwicklung und Erprobung mit vielen beteiligten Praxispartnern sowie den RKW-Gesellschaften in Berlin-Brandenburg, Sachsen und Baden-Württemberg steht nun mit dem hier vorgestellten „Management des Wachstums“ ein wissenschaftlich begründetes und praktisch erprobtes Konzept. Erstmalig in Deutschland gibt es nun nicht nur ein fundiertes Konzept für nachhaltiges Wachstum aus eigenen Ressourcen, sondern es liegt damit zugleich auch ein komplettes Set an erprobten Management- und Beratungsinstrumenten vor. In der vorliegenden Publikation werden Sie mit dem Wachstumsrad, dem Diagnosesystem und dem Projektlernen solche Instrumente kennen lernen. Darüber hinaus finden Sie in dieser Publikation viele fachliche Anregungen zum Thema Wachstum sowie Antworten und aufbereitete praktische Beispiele zu folgenden Fragen: —

Wie können Treiber und Hemmnisse für Wachstum im konkreten Unternehmen diagnostiziert werden?



Wie können daraus die Hebel zur effektiveren Nutzung der unternehmensinternen Potenziale und externen Ressourcen abgeleitet werden?



Wie kann eine strukturierte Wachstumsberatung für kleine und mittelständische Unternehmen mit Lernprojekten zur Kompetenzentwicklung durchgeführt werden?

Ich bedanke mich im Namen aller am Projekt „Wachstum lernen – lernend wachsen” Beteiligten für das große Engagement aller Mitwirkenden aus Wissenschaft und Praxis, vor allem aus den Unternehmen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie im Jahr 2009, inmitten der inzwischen auch in der Realwirtschaft durchschlagenden Finanzkrise, die Unternehmen ihr hohes Interesse am Thema Wachstum überhaupt nicht beeinträchtigen ließen. Das ist so geblieben, durch die Krise hindurch und setzt sich in der gegenwärtigen Phase von Auftragsspitzen und hoch ausgelasteten Kapazitäten weiter fort. Mit dem Thema Wachstum trifft man die positiv besetzte Entwicklungsperspektive eines Unternehmens und seiner Beschäftigten. Wachstum von KMU hat nun mit dem „Management des Wachstums“ ein erfolgreiches Konzept als Grundlage bekommen. Dank der Förderung durch BMBF und der EU. Wir empfehlen es mit tiefer Überzeugung zur vielfältigen Anwendung und Nutzung in allen Regionen. Walter Brückner Geschäftsstellenleiter RKW Deutschland

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Inhalt Das Konzept „Management des Wachstums“ und seine Begründung..................................................................... 11 Wissenschaftlich fundiert, pragmatisch einsetzbar...................................... 13 Entstehung des Konzeptes in Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis Von Michael Steinhöfel Das Konzept „Management des Wachstums” ............................................. 19 Wie kleine und mittlere Unternehmen Wachstum lernen können Von Thomas Hardwig, Manfred Bergstermann, Klaus North Die „andere“ Beratung von KMU................................................................ 55 Welche besonderen Anforderungen das Konzept an die Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen stellt Von Michael Steinhöfel Was nützt „Management des Wachstums“ Unternehmen und Beratern? ... 63 Bewertung des Konzeptes aus wissenschaftspraktischer Sicht Von Klaus Semlinger

Anwendungsbezogene Unternehmensbeispiele .............................. 69 Einführung ................................................................................................... 71 Von Michael Steinhöfel Vom Arbeitsvorbereiter und Werkstattmeister zur steuernden Führungskraft...................................................................... 73 Optimierung der Auftragssteuerung bei der KST Kraftwerks- und Spezialteile GmbH Von Wolfgang Schichterich – GITTA mbH Unternehmens-Know-how erhalten und vernetzen..................................... 89 Aufbau eines mitarbeiter- und prozessorientierten Wissensmanagementsystems bei der XENON Automatisierungstechnik GmbH Von Gerd Friese und Tobias Reißmann

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RKW Deutschland: Management des Wachstums

Gemeinsam Lernen und Verbessern .......................................................... 107 Einführung eines mitarbeiterbezogenen KVP-Systems in der Produktion bei der Maschinenfabrik Gustav Eirich GmbH & Co. KG Von Silke Balbierz – Komzept Beratungsgesellschaft Wertschätzende Führungskompetenz ausbauen und Teamarbeit erfolgreich gestalten!.............................................................. 123 Verbesserung der Führungsarbeit im mittleren Management bei der Reha Vita GmbH Von Annette Möbus – Chubus GmbH Mitarbeiterbindung durch flexible Karrierepfade ...................................... 143 Entwicklung von Laufbahnmodellen für Fach- und Führungskräfte bei der DR. KNOELL CONSULT GmbH Von Michael Schmidt – Michael Schmidt Beratung & Training Wachstumsziele gestalten und nachhaltig wachsen .................................. 159 Familienfreundlichkeit als Wachstumsstrategie bei der Document Service Center GmbH Von Elke Koll – koll consultants Beratergruppe

Glossar.......................................................................................... 175 Autoren......................................................................................... 181 Nachwort...................................................................................... 189

Anmerkung der Redaktion: Wir unterstützen den Gender-Gedanken ausdrücklich, aber zur Vereinfachung der Lesbarkeit verzichten wir im gesamten Buch auf eine durchgängige Gender-Formulierung.

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Das Konzept „Management des Wachstums“ und seine Begründung

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Wissenschaftlich fundiert, pragmatisch einsetzbar Entstehung des Konzeptes in Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis Von Michael Steinhöfel

Unter dem Titel „Wachstum lernen – lernend wachsen“ wurde von 2009 bis 2011 ein spezielles Konzept zur Unterstützung wachsender, innovativer kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) in einem überregionalen Verbund von Unternehmen, Wissenschaft und Beratern entwickelt und erprobt. Ziel war es, neue Methoden und Instrumente zu erarbeiten, die zur Förderung der Wachstumsund Innovationsfähigkeit von KMU beitragen, einfach anwendbar sowie auf diverse betriebliche Kontexte übertragbar sind. Im Mittelpunkt der dreijährigen Forschungs- und Umsetzungsarbeit stand dabei durchweg die Weiterentwicklung der einzigartigen Kompetenzen eines Unternehmens und seiner Beschäftigten. Diese kompetenzorientierte Herangehensweise in der Unternehmens- und Innovationsförderung fügt sich daher ausgezeichnet in derzeitige Forschungstrends im Bereich der Personal-, Organisations- und Kompetenzentwicklung ein. Nachfolgend geben wir einen kurzen Überblick über das Projekt, seine Partner und den Projektverlauf. Der Projektverbund Das Projekt wurde von der RKW Deutschland GmbH, drei ihrer Landesgesellschaften und der Hochschule RheinMain gemeinsam mit Unternehmen aus den drei Wirtschaftsräumen Berlin-Brandenburg, Baden-Württemberg und Sachsen realisiert (siehe Abb. 1). Die RKW-Gesellschaften eröffneten und sicherten den Zugang zu Unternehmen und Beratern in den drei Regionen und organisierten die regionale Zusammenarbeit zur Entwicklung des neuen Managementkonzeptes. Die Kollegen der Hochschule RheinMain agierten als Wissenschaftspartner, die die Prozesse der Konzeptentwicklung begleiteten und immer wieder durch neuen Input und neue Fragestellungen vorantrieben. Für die wissenschaftliche Evaluation wurde von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Prof. Klaus Semlinger gebunden, der sowohl im Projektverlauf als auch zum Projektab-

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RKW Deutschland

schluss aus seiner externen Perspektive zahlreiche Hinweise und Anregungen zur Reflexion des Erreichten gab.1

Abbildung 1: Der Projektverbund

Der Projektverlauf Das Projekt wurde in drei Phasen umgesetzt (siehe Abb. 2). Schrittweise konnten auf diese Weise a) die Rahmenbedingungen für Innovation und Wachstum ermittelt, b) erste konzeptionelle Ansätze zur Gestaltung von Wachstumsprozessen mit Unternehmen und Beratern sowie den Wissenschaftspartnern entwickelt und bewertet und c) das Grobkonzept zum Management des Wachstums in betrieblichen Gestaltungsprojekten umgesetzt werden. Über alle Arbeitsphasen hinweg flankierte eine Online-Wissens- und Arbeitsplattform das Projekt. Während der Entwicklungs- und Umsetzungsphase wurde der jeweilige aktuelle Arbeitsstand des Konzeptes in je zwei ERFA-Kreisen in den Regionen präsentiert und mit interessierten Unternehmern und Beratern diskutiert. 1

Eine Bewertung des Konzeptes erfolgt in diesem Band im Beitrag: Semlinger, K.: Was nützt „Management des Wachstums“ Unternehmen und Beratern? – Bewertung des Konzeptes aus wissenschaftspraktischer Sicht.

Entstehung des Konzeptes „Management des Wachstums“

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Abbildung 2: Ablauf des Forschungs- und Entwicklungsprojektes

Die Analysephase Im Rahmen der Erstdiagnose 2008 wurden in den drei Regionen über 120 wachsende und innovative Unternehmen sowohl schriftlich als auch in Interviews vor Ort zu den Treibern und Hemmnissen ihres Wachstums befragt. Die Auswertung der Befragungen verdeutlichte, dass die stärksten Wachstumsbeiträge auf der Kompetenz der Mitarbeiter, einer starken Unternehmensführung und einer überzeugenden, stimmigen Geschäftsstrategie basieren. Schon damals war auch erkennbar, dass die Rekrutierung und Bindung von Fachpersonal eine zunehmende Herausforderung für KMU darstellt und die Verschärfung des Fachkräftemangels ein gewichtiges Hemmnis für weiteres Wachstum bedeutet. Die Rückmeldungen der befragten Geschäftsführungen verwiesen zudem explizit auf die hohe Bedeutung von Motivation und Leistungsbereitschaft ihrer Belegschaften für die Entwicklung von Wachstum und Rentabilität. 2 2

Detaillierte Befragungsergebnisse in: Hardwig, T.; Bergstermann, M.; North, K. (2010): „Wachstumskompetenz als dynamische Fähigkeit innovativer KMU. In: Barthel, Erich; Hanft, Anke; Hasebrook, Joachim (Hrsg.): Integriertes Kompetenzmanagement im Spannungsfeld von Innovation und Routine. Münster u. a., Waxmann, S. 61-82

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Die Entwicklungsphase Die Ergebnisse der Erstdiagnose wurden anschließend in 12 Gestaltungsprojekten von Unternehmen und Beratern aufgegriffen. Basierend auf den Grundgedanken des Modells „Kompetenzorientiertes Management“ (siehe Abb. 3), bearbeiteten die Beteiligten in betrieblichen Projekten aktuelle Wachstumsherausforderungen der Unternehmen und nutzten die Methode des Projektlernens für die Erarbeitung passender Lösungsansätze und die betriebliche Kompetenzentwicklung. Flankierend zur Beratung in den Betriebsprojekten, diskutierten und reflektierten Unternehmer, Berater und Wissenschaftler ihr Vorgehen, die erreichten Ergebnisse sowie eingesetzte Methoden und Instrumente in regionalen Workshops. Auf diesem Wege flossen umfangreiche Erfahrungen und eine Vielzahl von Anregungen in die Entwicklung des Konzeptes „Management des Wachstums“ ein, wie auch zahlreiche Impulse aus dem überbetrieblichen Austausch für die Unternehmen nutzbar wurden. Im Ergebnis der Entwicklungsphase waren grundlegende Elemente des Konzeptes „Management des Wachstums“ fixiert, wie zum Beispiel die Diagnose der Herausforderungen, das Wachstumsrad mit seinen Wachstumshebeln und die Methode des Projektlernens.3

Abbildung 3: Modell des Kompetenzorientierten Management

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Siehe in diesem Band Hardwig, T.; Bergstermann, M.; North , K.: Das Konzept „Management des Wachstums“ – wie kleine und mittlere Unternehmen Wachstum lernen können.

Entstehung des Konzeptes „Management des Wachstums“

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Die Umsetzungsphase In dieser Phase des Projektes wurden in weiteren 15 betrieblichen Gestaltungsprojekten die Hebel des Modells zur Wachstumsförderung mit der Methode des Projektlernens bewegt. In den dafür erarbeiteten Projektskizzen zeigten die Unternehmen auf, welche konkreten Wachstumsherausforderungen sie bearbeiten wollten und welche Kompetenzen dabei erweitert bzw. entwickelt werden sollten. Sie formulierten hiefür detaillierte Sach- und Lernziele, die im Projektverlauf realisiert werden sollten. Die betriebliche Arbeit wurde auch in dieser Phase von betriebsübergreifenden regionalen Austauschrunden mit Unternehmern, Beratern und Wissenschaftlern begleitet. Dabei wurden die entwickelten Lösungsansätze diskutiert und das Konzept „Management des Wachstums“ weiter verfeinert und mit Methoden und Instrumenten für seine praktische Umsetzung untersetzt. Die bundesweite Präsentation der unternehmensbezogenen und der wissenschaftlichen Projektergebnisse erfolgte auf einer vom Projektverbund organisierten Fachtagung sowie auf dem 3. Zukunftsforum Innovationsfähigkeit des Bundesministeriums für Bildung und Forschung Anfang 2011 in Berlin. Die Projektergebnisse fanden Eingang in zahlreiche Publikationen und Fachartikel. Das Konzept „Management des Wachstums“ wurde im Rahmen von zwei Buchveröffentlichungen aus unterschiedlichen Perspektiven ausführlich beschrieben.4

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Neben dem hier vorliegenden Band erschien das Buch: Hardwig, T.; Bergstermann, M.; North, K. (2011): Wachstum lernen – Eine praxiserprobte Handlungsanleitung zur Entwicklung dynamischer Fähigkeiten in KMU. Mit vielen Fallbeispielen. Gabler Verlag, Wiesbaden.

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Das Konzept „Management des Wachstums” Wie kleine und mittlere Unternehmen Wachstum lernen können Von Thomas Hardwig, Manfred Bergstermann, Klaus North

Mitte der 1990er Jahre haben wir einen mittelständischen Hersteller von Landwirtschaftsmaschinen kennengelernt. Er produziert und verkauft Heuwender und Rübenroder im Saisongeschäft. Im Frühsommer wurde die Montagehalle umgeräumt und die Produktion von Rübenrodern begonnen, im Herbst erfolgte der Wechsel auf Heuwender. Nach der Wende war dieses Unternehmen aufgrund der plötzlichen Öffnung der Märkte in Osteuropa sehr stark gewachsen, doch als die Wachstumsphase vorbei war, geriet das Unternehmen aufgrund des einsetzenden Preiswettbewerbs in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Geschäftsführung holte sich Hilfe bei Beratern, die zwei Lösungen vorgaben: Die Einführung von Gruppenarbeit und eine neue Materialwirtschaft, welche die Auflösung des Lagers für Material und Zwischenprodukte zur Konsequenz hatte. Das neue Konzept sah vor, dass die Materialien und Zwischenprodukte jeweils sofort an den Ort zu liefern waren, an dem sie intern weiterverarbeitet werden sollten. Beide Lösungsansätze entsprachen fachlich durchaus dem damaligen Stand der Diskussion. Dennoch hat die Beratung das Unternehmen eher noch tiefer in die Krise getrieben und schließlich weder Entlassungen noch den Verkauf des Unternehmens verhindern können. Dafür können u. a. folgenden Gründe angeführt werden: Zum einen war es falsch, die Standardlösungen der Materialwirtschaft auf eine Montage anzuwenden, die einmal im Jahr komplett umgebaut wurde und aufgrund dessen gar keine festen Arbeitsplätze definiert hatte. Hier hätte ein Lösungsansatz, der die spezifischen Bedingungen des Unternehmens in Rechnung stellte, das eintretende Chaos vermeiden müssen. Zum anderen waren die unterschiedlichen Gruppen im Unternehmen gar nicht in der Lage, die von ihnen geforderte Veränderung so schnell zu verstehen und sie aktiv umzusetzen. Nicht dass man nicht wollte, doch es mangelte in jeder Hinsicht an Flexibilität und Fähigkeit, Veränderungen umzusetzen. Auch die Zusammenarbeit zwischen Management und Mitarbeitern, bei der man gemeinsam die Lösung von Unter-

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nehmensproblemen angehen konnte, war verbesserungsbedürftig. Das Resümee: Die externen Experten hatten keine Chance mit ihren Ratschlägen erfolgreich zu sein, weil sie ohne die Unterstützung aus dem Unternehmen heraus, die geplanten Maßnahmen nicht umsetzen konnten (vgl. Hardwig 2007, 84ff). Das Fallbeispiel verdeutlicht, über welche Fähigkeiten kleine und mittelständische Unternehmen verfügen müssen, um auf plötzliche Änderungen ihrer Marktbedingungen reagieren zu können und langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, und was passieren kann, wenn sie die mit dem Wachstum verbundenen Management-Herausforderungen nicht meistern. Es zeigt auf der anderen Seite auch, dass die klassische Fachberatung, die mit schnell umsetzbaren Rezepten eine rasche Lösung erreichen will, nicht in der Lage ist, Unternehmen in solch einer Situation ausreichende Unterstützung zu geben, da sie das Problem stellvertretend für das Unternehmen zu lösen versucht, statt ihm zu helfen, es selbstständig anzugehen und zu bewältigen: Ganz offensichtlich müssen Unternehmen in der Lage sein, auf Veränderungen in ihren Märkten frühzeitig und schnell zu reagieren. Und sie müssen im Stande sein, die notwendigen Veränderungen intern umzusetzen. Dazu brauchen sie flexible, lernfähige, interne Strukturen sowie Manager und Mitarbeiter, die gelernt haben, zu lernen und sich zu verändern. Unternehmen brauchen „Wachstumskompetenz“, um in zunehmend turbulenter und unberechenbarer werdenden Märkten wettbewerbsfähig zu sein und langfristig zu bestehen (vgl. Hardwig/ Bergstermann/North 2010; Hardwig/North/Bergstermann 2011). Die Anwendung modischer Management-Rezepte und die bloße Übernahme von Standardlösungen führen selten zu guten Ergebnissen. Sie passen nicht zu den spezifischen Bedingungen des Unternehmens und können seine spezifischen Stärken und Ressourcen gar nicht optimal nutzen. Außerdem bietet es keinen Wettbewerbsvorteil, wenn alle Konkurrenten das Gleiche tun. Es kommt vielmehr darauf an, das eigene Unternehmen einzigartig und unverwechselbar zu machen (vgl. Teece, 2009; Simon, 2007). Ein Unternehmen, das Lösungen und Innovationen selbst entwickeln und umsetzen kann, realisiert besser zum Unternehmen passende Lösungen und eine nachhaltigere Umsetzung. Berater müssen also Unternehmen dabei unterstützen, ihre Probleme selbst zu lösen (vgl. Schein 2002). „Beratungskunden werden vom Berater angeleitet und gecoacht, um Vorschläge in erster Linie selber zu realisieren“ (Fridrich, 2000, 72).

Das Konzept „Management des Wachstums“

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Jede Unternehmensleitung wäre damit überfordert, alle mit dem Wachstum verbundenen Veränderungen allein umzusetzen. Sie braucht Mitarbeiter und Teams, die in ihrem Auftrag Lösungen entwickeln und umsetzen und die Innovationen nachdrücklich realisieren. Es kommt also darauf an, tragfähige Formen der Zusammenarbeit zwischen Geschäftsleitung und Mitarbeitern zur Realisierung von Veränderungsprozessen zu etablieren. Dazu sind entsprechende Formen der internen Kommunikation und Vorgehensweisen zur Steuerung von Veränderungsprojekten zu entwickeln. Unternehmer müssen lernen, nicht alles selbst zu machen, sondern Verantwortung erfolgreich zu delegieren und operative Aufgaben „loszulassen“, um sich verstärkt den strategisch bedeutsamen, unternehmerischen Aufgaben zuzuwenden (vgl. Merath, 2007, 217f). Wie das Fallbeispiel eindrucksvoll zeigt, sind nicht alle Unternehmen wachstumsfähig. Doch Wachstum kann man lernen! Unternehmen können ihre Wachstumsfähigkeit gezielt weiter entwickelt. Sie können lernen, zu lernen und lernen, sich zu verändern. Das belegen die 24 Unternehmensbeispiele, die im Rahmen des Projektes „Wachstum lernen – lernend wachsen“ ihre Wachstumsprojekte erfolgreich abgeschlossen haben. Sie profitierten von dem Konzept „Management des Wachstums“.

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Ziele des Konzeptes „Management des Wachstums“

Das Konzept „Management des Wachstums“ unterstützt KMU bei der Entwicklung ihrer Wachstumsfähigkeit. Wachstumsfähig sind Unternehmen, —

die es gelernt haben, neue Marktchancen frühzeitig wahrzunehmen und hieraus erfolgreiche Geschäfte werden zu lassen;



deren Unternehmer nicht im Tagesgeschäft versinken, sondern strategisch handeln können, weil ihre Mitarbeiter Eigeninitiative zeigen und sich verlässlich um das Tagesgeschäft kümmern;



deren Teams selbstständig auf Turbulenzen in ihren Märkten reagieren, weil sie Ohr und Hand am Markt haben und ihre Unternehmensziele kennen;



die in der Lage sind, ihre Organisation, Steuerungsprinzipien und Unternehmenskultur so anzupassen, dass sie ihre Identität und Stärken auch dann bewahren können, wenn sie wachsen und neue Mitarbeiter hinzukommen.

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Das Konzept zur Förderung der Wachstumskompetenz von KMU beruht auf drei zentralen Ideen: 1. Wachstumsprojekte: KMU setzen ausgewählte „Wachstumsprojekte“ um, die ihre Wachstumsfähigkeit substantiell verbessern. Gut ausgewählte, auf den Nutzen fokussierte Wachstumsprojekte können auch mit begrenzten Mitteln realisiert werden. Tagesgeschäft und langfristige Verbesserungen stehen dann nicht in Konkurrenz zueinander, sondern lassen sich gut ausbalancieren. 2. Projektlernen: Durch die Art und Weise, wie die Wachstumsprojekte umgesetzt werden, soll sich das Unternehmen verändern: Die Geschäftsleitung beauftragt Projektteams mit der Realisierung des Wachstumsprojektes und lernt durch die Methode des Projektlernens das Wachstumsprojekt in neuer Form zu steuern. Mitarbeiter entwickeln ihre Kompetenzen bei der Realisierung neuer Herausforderungen, neue Organisationsstrukturen werden umgesetzt – das Unternehmen lernt, zu lernen und lernt, sich zu verändern. 3. Hilfe zur Selbsthilfe: Der Veränderungsprozess wird durch Wachstumsberater in der Rolle als Prozessbegleiter extern unterstützt. Aufgabe des Prozessbegleiters ist es, die Lern- und Veränderungsfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen, damit es seine Wachstumsaufgaben zukünftig selber lösen kann. In den nächsten Abschnitten stellen wir Ihnen die Instrumente und Methoden des „Management des Wachstums“ und das Vorgehensmodell „Die sieben Schritte der Wachstumsförderung“ vor. Wir beenden den Beitrag mit einer Zusammenfassung, die den Nutzen des Konzeptes – wie er sich in der praktischen Erprobung gezeigt hat – auf den Punkt bringt.

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Die Instrumente und Methoden des „Management des Wachstums“

Zur Umsetzung dieser weitreichenden Ziele bedarf es bestimmter Instrumente und Methoden. Sie ermöglichen eine zuverlässige Auswahl geeigneter Wachstumsprojekte sowie deren erfolgreiche Umsetzung. Die Methoden müssen sicherstellen, dass die Lernfähigkeit des Unternehmens systematisch weiterentwickelt wird und die Unternehmensleitung in die Lage versetzt wird, Mitarbeiter für die Umsetzung von Veränderungen zu begeistern. Auf die drei wichtigsten

Das Konzept „Management des Wachstums“

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Instrumente bzw. Methoden, die den Kern des Ansatzes „Management des Wachstums“ bilden, gehen wir im Folgenden kurz ein. 2.1

Diagnose der Wachstumskompetenz

Wir haben als Ziel beschrieben, dass Unternehmen fokussierte Wachstumsprojekte initiieren sollen, um ihre Potenziale zu entwickeln. Für den Erfolg eines solchen Projektes kommt es darauf an, dass möglichst an dem Punkt angesetzt wird, an dem der größte Beitrag zur Entwicklung der Wachstumsfähigkeit geleistet werden kann. Um diesen Ansatzpunkt zu finden, ist eine Wachstumsdiagnose entwickelt worden. Dabei handelt es sich um ein Instrument, bei dem in einem zweistündigen Gespräch mit einem zertifizierten Wachstumsberater die Wachstumssituation eines Unternehmens hinterfragt und – gemeinsam mit dem Unternehmer/Geschäftsführer – ein erster Vorschlag für ein Wachstumsprojekt entwickelt wird. Drei Ziele verfolgt die Diagnose: 1. Identifizierung des Hebels, der zu einer Verbesserung der Wachstumssituation des Unternehmens führen kann. 2. Einschätzung der Lern- und Verbesserungspotenziale des Unternehmen, um einen Vorschlag zu machen, in welcher Weise ein solches Wachstumsprojekt bearbeitet werden könnte. 3. Gemeinsame Entwicklung einer Idee für ein Wachstumsprojekt, mit dessen Hilfe die Wachstumsposition des Unternehmens verbessert wird. Die Diagnose besteht aus vier Stufen. Nach einer Vorstellung des Unternehmens werden in der ersten Stufe die bisherigen Erfahrungen des Unternehmens mit der Gestaltung der Kompetenzentwicklung seiner Mitarbeiter und der Realisierung von Veränderungsprozessen betrachtet. In der zweiten Stufe wird die Wettbewerbssituation analysiert und die Wachstumssituation bewertet. In der dritten und zeitaufwändigsten Stufe wird auf der Grundlage einer Selbstbewertung der Wachstumsfähigkeit des Unternehmens mit Hilfe von 16 Fragen der Wachstumshebel identifiziert, der den größten Beitrag zur Weiterentwicklung der Wachstumskompetenz des Unternehmens leisten kann. In der abschließenden vierten Stufe werden die Ergebnisse reflektiert und Ideen für ein Gestaltungsvorhaben entwickelt, mit dessen Hilfe der Wachstumshebel bewegt werden kann.

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Die Wachstumsdiagnose beruht auf einem wissenschaftlichen Modell der Wachstumskompetenz von KMU, das wir in einem „Wachstumsrad“ darstellen (siehe Abb. 1). Für die Entwicklung eines Kompasses für betriebliche Wachstumsprojekte haben wir zum einen theoretische Erkenntnisse berücksichtigt, hier hat uns insbesondere der Ansatz der dynamischen Fähigkeiten nach Teece (2009) geholfen, zum anderen aber vor allem die Befunde aus unserer Analyse der Hemmnisse und Treiber des Wachstums in KMU genutzt (vgl. Hardwig/ Bergstermann/North, 2010). Eine Systematisierung der Ergebnisse aus den Gesprächen mit betrieblichen Entscheidungsträgern aus 127 KMU zur Wachstumssituation ihres Unternehmens ergab nämlich, dass KMU regelmäßig vor einer von vier Herausforderungen stehen. Wenn sie weiter wachsen wollen, müssen sie diese Herausforderungen bewältigen: 1. Wachstumspotenziale identifizieren: Nicht nur Unternehmen, die in engen, wettbewerbsintensiven Märkten agieren, suchen nach Möglichkeiten, neue Kundenbedarfe und Wachstumsgelegenheiten zu identifizieren. Auch wachstumsstarke Unternehmen können ihr Wachstum nachhaltig gestalten, wenn sie neue Möglichkeiten und Trends frühzeitig erkennen und darauf reagieren können. 2. Wachstumsziele gestalten: Für viele KMU besteht die Herausforderung darin, ihre Unternehmensstrategie anzupassen, um ihr Unternehmen auf die Realisierung erkannter Marktpotenziale hin auszurichten und den Mitarbeitern klare Signale zu geben, welches der Weg zu weiterem Wachstum ist. 3. Wachstumspotenziale heben: Viele Manager aus KMU wissen, dass sie vorhandene Wachstumspotenziale nur erschließen können, wenn ihre Mitarbeiter mehr Eigeninitiative entwickeln, sie sich stärker engagieren und mehr Verantwortung übernehmen, wenn die Kompetenzen der Mitarbeiter gezielt weiter entwickelt werden oder wenn durch die Verbesserung der innerbetrieblichen Zusammenarbeit vorhandene Potenziale besser genutzt werden. 4. Wachstum bewältigen: Unternehmen, die über einen langen Zeitraum stark gewachsen sind, stehen oftmals vor der Aufgabe, die Folgewirkungen ihres Wachstums zu verarbeiten: Die Organisation muss angepasst werden, eine neue Führungsebene oder neue Führungsprinzipien sind zu realisieren oder es drohen Probleme bei der Versorgung mit den wichtigsten Ressourcen (z. B. Fachkräftemangel, Finanzierungsengpässe).

Das Konzept „Management des Wachstums“

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Abbildung 1: Das Wachstumsrad

KMU können diese Wachstumsherausforderungen bewältigen, indem sie bestimmte Strukturen, Prozesse und Kompetenzen aufbauen oder weiterentwickeln. Durch Entwicklung organisatorischer Fähigkeiten stärken KMU ihre Wachstums- und Wettbewerbsfähigkeit. An welchen Fragestellungen anzusetzen ist, zeigt das Wachstumsrad: Für jede Herausforderung im Wachstumsprozess haben wir jeweils zwei Wachstumshebel identifiziert, mit denen sich diese Herausforderungen meistern lassen (siehe Abb. 2). Das Wachstumsrad dient also als Kompass für die Entwicklung der Wachstumsfähigkeit eines KMU. Es stellt den Zusammenhang zwischen den Herausforderungen für KMU im Wachstumsprozess und die darauf bezogenen Wachstumshebel dar. Ein Wachstumshebel ist der Ansatzpunkt für ein Wachstumsprojekt, das mit der Methode des Projektlernens realisiert wird, um die Wachstumsherausforderungen zu bewältigen. Das Wachstumsrad ist kein Ablaufmodell. Man fängt nicht unbedingt vorne an („Wachstumspotenziale identifizieren“) und muss dem Rad auch nicht im Uhrzeigersinn folgen. Vielmehr geht es darum, die in einem bestimmten Moment für ein Unternehmen relevante Wachstumsherausforderung herauszufinden, um dann am Wachstumsrad den Ansatzpunkt für die Bewältigung dieser Herausforderung abzulesen. Steht ein Unternehmen vor einer bestimmten Herausforderung, muss es nämlich genau die Strukturen, Prozesse und Kompetenzen aufbauen oder weiterentwickeln, mit deren Hilfe es diese Herausforderung auch meistern kann.

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Hochschule RheinMain

Abbildung 2: Acht Wachstumshebel als Bestandteile des Wachstumsrades

Wachstumshebel sind die Ansatzpunkte für Initiativen zur Verbesserung eines Unternehmens, mit denen Wachstumsprojekte beauftragt werden können. Dabei kommt es darauf an, den Projektauftrag sehr präzise zu formulieren, um mit begrenztem Ressourceneinsatz und zielgerichtet die Projektaufgaben lösen zu können. Das Wachstumsrad, das bei der Wachstumsdiagnose als Orientierung dient, sorgt für die Fokussierung und Priorisierung des Handlungsbedarfs. Denn wir haben die Erfahrung gemacht, dass fokussierte Veränderungsinitiativen mit klarer Nutzenerwartung auch bei anstrengendem Tagesgeschäft nicht zurückgestellt, sondern erfolgreich realisiert werden. 2.2

Die Methode des Projektlernens als Treiber der Veränderung

Mit Hilfe der Wachstumsdiagnose wurde ein Wachstumshebel identifiziert und eine Idee für ein Projekt entwickelt, dessen Realisierung die Wachstumsfähigkeit des Unternehmens verbessern würde. Das Ziel des Projektes soll nun nicht nur darin bestehen, ein unmittelbares Problem zu lösen, sondern es soll auch dazu beitragen, die Fähigkeit des Unternehmens zu trainieren, sich an neue Situationen anzupassen und zu lernen, sich zu verändern. Ein hoher Anspruch, der voraussetzt, dass Mitarbeiter, die an der

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Umsetzung beteiligt werden, ihre Kompetenzen weiterentwickeln. Es ist auch damit zu rechnen, dass Veränderungen in der Zusammenarbeit oder anderen Aspekten der Organisation erforderlich werden. Und sicherlich wird es relevant werden, die Maßnahmen mit Blick auf die Marktbedingungen und die zu erwartenden Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld zu berücksichtigen. Mit welcher Methodik kann nun sichergestellt werden, dass diese weitreichenden Ziele und die komplexen Veränderungen zuverlässig umgesetzt werden können? Wie kann erreicht werden, dass die Umsetzung des Wachstumsprojektes tatsächlich zur Weiterentwicklung der Potenziale des Unternehmens führt? Wir entwickeln und nutzen hierzu die Methode des Projektlernens. Mit Projektlernen bezeichnen wir eine Methode des arbeitsintegrierten Lernens, die gezielt eine Verknüpfung von individuellem und organisationalem Lernen herstellt, indem eine Gruppe von Mitarbeitern und/oder Führungskräften mit einem komplexen Projektauftrag betraut wird, der auf eine Veränderung der Markt- und Umfeldflexibilität des Unternehmens abzielt. Strategische Wachstumsprojekte sind Beispiele für komplexe Projektaufträge mit anspruchsvollen Lernherausforderungen. Projektlernen soll ausdrücklich als Methode zur Entwicklung dynamischer Fähigkeiten in KMU verstanden werden (vgl. Bergstermann/Hardwig/North 2011). Mit dynamischen Fähigkeiten werden die Fähigkeiten eines Unternehmens bezeichnet, durch die absichtsvolle, ständige Weiterentwicklung seiner organisationalen Ressourcen und Kompetenzen die Wettbewerbsfähigkeit weiterzuentwickeln und zu sichern (Vgl. Helfat u. a., 2007, 4). Dynamische Fähigkeiten sind das Ergebnis des Lernens, der ständigen Verbesserung und der Reaktion einer Organisation auf seine Umwelt. Für die Gestaltung und Begleitung eines Beratungsprozesses stellt sich vor dem Hintergrund unseres Verständnisses von Projektlernen die konkrete Frage, wie dieses bewusste Lernen zur Entwicklung von Wachstumskompetenz entfaltet werden kann. Dynamische Fähigkeiten werden zwar als „Metakompetenzen“ verstanden, es handelt sich jedoch bei ihrer konkreten Herausbildung immer um eine unternehmensspezifische Kombination von Ressourcen und Einflussfaktoren, die einzigartig und nicht imitierbar sind. Unternehmen können diese Fähigkeiten nicht am externen Markt zukaufen, sondern müssen sie in einem betrieblichen Lernprozess gezielt selbst entwickeln. Dies setzt einen ganzheitlichen Lernprozess voraus, der in die strategisch-operativen Arbeitsprozesse konkret eingebunden ist.

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Unser Ansatz des Projektlernens sieht vor, dass diese Einbindung durch betriebliche Wachstumsprojekte erreicht wird. Sie sollen einen zielgebundenen betrieblichen Lernprozess ermöglichen und gleichzeitig innovative Veränderungen in den Geschäftsprozessen durch strukturiertes Lernen hervorbringen. Hier stellt sich einerseits die Frage, welche Handlungsebenen in diesem Rahmen miteinander verbunden werden müssen, damit mit gewisser Wahrscheinlichkeit dynamische Fähigkeiten in diesem Lernprozess tatsächlich hervorgebracht werden, und andererseits, welche Lern- und Entwicklungsziele sich ein Unternehmen überhaupt setzen sollte. Wenn man die verschiedenen Anforderungen an einen solchen „kontrollierten“ und „steuerbaren“ Lern- und Veränderungsprozess zusammenführt und strukturiert, dann kommen wir zu einem Modell, welches den Gestaltungsraum des Lernens sichtbar macht. Für dieses Modell wurde der geometrische Körper eines Tetraeders gewählt (siehe Abb. 3). Mit dem TetraederModell beschreiben wir —

die Führungsprinzipien des Lernens: „Herausforderungen meistern“, „Selbstorganisation entwickeln“ und „Reflexionsfähigkeit verbessern“;



den Möglichkeitsraum des Lernens, der über das Projektmanagement hinausgeht und durch Zielebenen beschrieben wird;



die Gestaltungsbereiche der Entwicklung individueller Kompetenzen, der Organisation und der Markt-/Umfeldflexibilität, mit denen ein ganzheitlicher Lern- und Veränderungsprozess möglich wird.

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Abbildung 3: Das Tetraeder-Modell des Projektlernens

Führungsprinzipien des Lernens Damit bei der Umsetzung eines Wachstumsprojektes die Lernziele (für individuelle Kompetenzentwicklung, Teamlernen oder das Organisationslernen) erreicht werden können, müssen die Steuerungsprinzipien des Projektmanagements um lernförderliche Führungsprinzipien ergänzt werden (siehe Abb. 4). Die Steuerung des „magischen Dreiecks“ Kosten, Qualität und Zeit im Projektmanagement werden durch die Führungsprinzipien „Herausforderungen meistern“, „Selbstorganisation entwickeln“ und „Reflexionsfähigkeit erhöhen“ erweitert. So kann systematisch der entstandene Raum für das organisationale Lernen durch Führung gesteuert und so gestaltet werden, dass das initiierte Wachstumsprojekt zusätzlich neben den Projektzielen auch dezidierte Lernziele erreicht und die Lernfähigkeit der Organisation sukzessive erhöht wird.

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Abbildung 4: Die Führungsprinzipien des Projektlernens

Die richtigen Lernziele festlegen Wenn wir die Erfahrungen mit den 27 unser Projekt begleitenden Unternehmen systematisieren und vergleichen, dann erscheint uns eine Unterscheidung in vier Stufen der Lern- und Entwicklungsfähigkeit von Unternehmen sinnvoll. Wir bezeichnen diese Entwicklungsstufen als Zielebenen, die wir im Folgenden generell, das heißt hier noch ohne Bezug zu den Gestaltungsdimensionen beschreiben: Zielebene 1: Projekte durchführen und beiläufig lernen. Um ein Veränderungsprojekt erfolgreich abzuschließen, orientiert man sich im Allgemeinen an der Methode des Projektmanagements. Das Projektmanagement mit seinen klassischen Steuerungsprinzipien (Kosten, Qualität, Zeit) bildet das Fundament des Tetraeders. Doch dies ist nicht ausreichend, wenn das Ziel verfolgt wird, die Kompetenzen der Mitarbeiter und die Lern- und Veränderungsfähigkeit der Organisation gezielt weiter zu entwickeln. Denn das Lernen selbst ist im Projektmanagement keine Zielkategorie und wird mit der Methode nicht bewusst gestaltet. Unternehmen – genauer gesagt Mitarbeiter – lernen zwar fortlaufend; beiläufig und naturwüchsig machen sie ihre Erfahrungen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Manche Mitarbeiter lernen auch sehr gezielt und bewusst, aber

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dieses individuelle Lernen kommt dem Unternehmen nicht unbedingt zu Gute, wenn es nicht auf die Ziele und Aufgaben der Organisation orientiert wird. Eine stark der naturwüchsigen Entwicklung überlassene Akkumulation individueller Erfahrungen markiert das Ausgangsniveau der Entwicklung der Lern- und Veränderungsfähigkeit (Zollo & Winter, 2002). Zielebene 2: Projekte als Lernprozesse nutzen, um Veränderungen zu realisieren. Stärker ausgeprägte Lern- und Veränderungspotenziale sind bei Unternehmen vorhanden, die das individuelle Lernen ihrer Mitarbeiter durch Weiterbildungsangebote gezielt fördern und es auch verstehen, ihre Mitarbeiter an Veränderungsprozessen aktiv zu beteiligen. Zielebene 3: Mit strukturiertem Projektlernen Veränderungsprozesse aktiv gestalten. Eine weitere Stufe erreichen Unternehmen, die bereits in früheren Situationen betriebliche Lern- und Veränderungsprozesse erfolgreich eingesetzt haben, um das Unternehmen gezielt voran zu bringen. An solche kollektiven Erfolgserlebnisse lässt sich konstruktiv anknüpfen. Zu dieser Stufe zählen wir auch Unternehmen, die die Personal- und Organisationsentwicklung auf die strategischen Unternehmensziele ausgerichtet haben und auf diese Weise eine Kopplung der Aktivitäten erreichen. Unternehmen, die das beherrschen, verknüpfen auf diese Weise die individuellen Interessen mit der langfristigen Unternehmensentwicklung. Zielebene 4: Teams systematisch einsetzen und Routinen für strategisches Lernen entwickeln. Die höchste Stufe der Lern- und Veränderungsfähigkeit erreichen Unternehmen, die über Mechanismen, Routinen und/oder verbindliche Praktiken verfügen, die immer wieder die Situation des Unternehmens reflektieren und strategisches Lernen anstoßen. Strategisches Lernen kann dann zu einer gezielteren und bewussteren Steuerung der Personal- und Organisationsentwicklung und ihrer situativen Anpassung an veränderte Markt- und Umfeldsituationen führen.

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Ganzheitliche Gestaltung des Veränderungsprozesses sichern Die Seitenflächen des Tetraeders stehen für drei Gestaltungsdimensionen, auf die Projektlernen ausgerichtet werden sollte: die Entwicklung der individuellen Kompetenzen der Mitarbeiter und der Führungskräfte, die Entwicklung der Organisation und die Entwicklung der Markt- und Umfeldflexibilität. Projektlernen zielt darauf, alle drei Dimensionen des Lernens in der Projektbearbeitung systematisch aufeinander zu beziehen. Denn erst ihr organisiertes Zusammenspiel macht die Weiterentwicklung dynamischer Fähigkeiten wahrscheinlich. Entwicklung individueller Kompetenzen Der durch das Projektlernen auszulösende individuelle Lernzyklus und die ihn begleitenden psychologischen Prozesse sind die Essenz eines lernenden Unternehmens. Wissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten und insbesondere die Sensibilität für neue Anforderungen sind zu entwickeln. Auch die Bereitschaft, Veränderungen überhaupt zu wollen und umzusetzen, muss entstehen. Beim Projektlernen geht es daher nicht nur um neue fachliche Fähigkeiten und Kenntnisse, sondern vielmehr um eine ganzheitliche Erweiterung der Denk- und Handlungsmöglichkeiten der Mitglieder des Projektteams. Dazu gehört auch, die Sensibilität und die Fähigkeiten der Mitarbeiter zu aktivieren, um Veränderungen in der Organisation umzusetzen. Entwicklung der Organisation In der Gestaltungsdimension Entwicklung der Organisation werden die Lernaktivitäten zusammengefasst, welche über die individuelle Kompetenzentwicklung hinausgehen und durch kollektives Lernen in Teamprozessen den Wandel und die Veränderungen eines Unternehmens prägen. Entwicklung der Markt- und Umfeldflexibilität Mit der Entwicklung individueller und organisationaler Kompetenzen mittels Projektlernen werden die Voraussetzungen des Unternehmens verbessert, die Beziehungen zum Markt und zum Umfeld anders zu gestalten. In diesem Sinne soll das Projektlernen auch einen Beitrag zum strategischen Lernen des Unternehmens leisten. Dabei soll es darauf ankommen, die Aktivitäten in der Organisation stärker auf Prozesse außerhalb der Organisation zu orientieren. Das heißt, bei der Projektbearbeitung zum einen Informationen aus der Umwelt systematischer auf- und wahrzunehmen, zum anderen die eigenen Aktivitäten stärker auf die Strategie des Unternehmens auszurichten beziehungsweise Anstöße für das strategische Lernen zu geben.

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Die Beschreibung der möglichen Gestaltungsbereiche des Projektlernens macht indirekt deutlich, wie groß die Vielfalt und Spannweite in den Unternehmensprojekten sein kann und wie anspruchsvoll das Ziel, die Lern- und Entwicklungsfähigkeit von KMU systematisch zu erweitern, sein kann. Doch nicht jedes Unternehmen muss das höchste Niveau erreichen, wenn der Markt es nicht erfordert, und wenn, dann braucht es sicherlich dazu mehr als ein Veränderungsprojekt, das mit der Methode des Projektlernens realisiert wird. Die oben beschriebenen allgemeinen Zielebenen des Tetraeders werden in den drei Gestaltungsdimensionen entsprechend spezifiziert. So entfaltet sich ein differenzierter Zielkatalog, der als Navigationsinstrument jedem Unternehmen erlaubt, eine erste Selbstbewertung der Lern- und Entwicklungserfahrungen durchzuführen. Als vereinfachtes Schema kann die nachfolgende Abbildung dienen (siehe Abb. 5).

Abbildung 5: Lernzielebenen in den Gestaltungsfeldern des Projektlernens

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Wir sehen hier dem Grunde nach einen „aufgeklappten“ Tetraeder mit einer Übertragung der allgemeinen Zielebenen auf die drei Gestaltungsdimensionen. Dieses Modell kann bei der Initiierung von Veränderungsvorhaben dazu genutzt werden, die Ausgangssituation des Unternehmens zu bestimmen, um geeignete Lernziele eines Wachstumsprojektes spezifizieren und angemessen dimensionieren zu können. Die Stufen der Lern- und Veränderungsfähigkeit dienen dann dazu, von vorhandenen Lernerfahrungen auszugehen und nächste Schritte des Lernens zu bestimmen, Ziele des Projektlernens zu verabreden und die Ergebnisse der Lernprozesse zu bewerten. 2.3

Prozessberatung als Hilfe zur Selbsthilfe

Das Konzept Management des Wachstums kann grundsätzlich von Unternehmen selbst angewandt und umgesetzt werden. Doch zum einen sind Unternehmer/Geschäftsführer mit der Leitung von Veränderungsprozessen zusätzlich zum normalen Tagesgeschäft potenziell überlastet, zum anderen fehlt es in vielen Unternehmen an Erfahrungen und Know-how bei der Steuerung so komplexer Veränderungsprozesse. Schließlich sollen gleichzeitig mit der Projektrealisierung individuelle Kompetenzen der beteiligten Mitarbeiter entwickelt, die Regeln der Zusammenarbeit und die Organisationsstruktur verändert sowie die Fähigkeiten des Unternehmens, auf neue Marktsituation zu reagieren, verbessert werden. Das stellt sehr hohe Anforderungen an die Steuerung des Veränderungsprozesses. Zudem wissen zertifizierte Wachstumsberater wie die verschiedenen Methoden zur Förderung des Lernens eingesetzt werden können. Es ist also durchaus hilfreich, sich externe Unterstützung einzuholen, sofern sie sich dem Ziel der Förderung der Lern- und Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens verpflichtet weiß. Das Ziel der Hilfe zur Selbsthilfe kann nur mit einem systemischen Beratungsansatz der Prozessberatung erreicht werden (vgl. Schein, 2002). Im Unterschied zur Fach- oder Expertenberatung, die das Problem für den Klienten beheben soll, besteht ihr Ziel darin, den Klienten in die Lage zu versetzen, das Problem selbst zu lösen. Da Michael Steinhöfel in dem hier vorliegenden Band seine Überlegungen zu den Anforderungen an die Beratung gleich im Anschluss darstellt, können wir uns an dieser Stelle kurz halten. Wie dieses Beratungskonzept unserer Meinung nach aussehen sollte, beschreiben wir an anderer Stelle ausführlich (vgl. Hardwig/North/Bergstermann, 2011, 193ff).

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Die Sieben Schritte der Wachstumsförderung

In der Auswertung der 27 Wachstumsprojekte, die im Rahmen des Verbundprojektes realisiert wurden, kam deutlich zum Ausdruck, dass Unternehmen ein Bedürfnis danach haben, bei der Umsetzung der Wachstumsförderung strukturiert vorzugehen. Bei näherem Hinsehen erkannten wir, dass erfolgreiche Projekte sich einer gewissen Schrittfolge unterwarfen, um „geordnet“ die selbstgesetzten Ziele zu erreichen. Die unterschiedlichen Erfahrungen bei dieser Suche nach einer systematischen Vorgehensweise haben wir zusammengefasst und auf sieben Schritte verdichtet. Wir gehen bei der Beschreibung dieser sieben Schritten davon aus, dass ein Wachstumsprojekt in gewisser Weise das ganze Unternehmen tangiert und deshalb bei der Realisierung des Projektes drei Akteure in verschiedenen Situationen eine verantwortliche Rolle übernehmen: —

Die Geschäftsführung oder ein Beauftragter aus der ersten Führungsebene;



ein Projektteam, das mit der Lösung der Aufgabe und der Gestaltung des Lernprozesses beauftragt wird und



ein gut ausgebildeter Wachstumsberater als Prozessbegleiter.

Zertifizierte Wachstumsberater, die als Prozessbegleiter ein konkretes Wachstumsprojekt in KMU betreuen, sind in der Lage, dieses Vorgehen in einer hohen Qualität zu begleiten. Sie kennen die Begriffe und den systemischen Zusammenhang der Wachstumsförderung. Sie legen ihr Hauptaugenmerk auf die Förderung der sozialen, psychischen und emotionalen Dynamik des Lernens und Veränderns, denn die Förderung der inneren Dynamik hat Vorrang vor den Strukturen und Regeln eines Vorgehensmodells. Es kommt auf die Entfaltung der inneren Beziehungen zwischen den beteiligten Menschen an, weil in Teamprozessen, in der internen und externen Kommunikation oder in mutigen Veränderungsprozessen des Unternehmens immer die wesentlichen Lernergebnisse erfolgen. Nur auf der Grundlage dieses Verständnisses sind die sieben Schritte des Wachstumsmanagements anzuwenden, die wir in den folgenden Abschnitten kurz beschreiben. Wir untergliedern den Prozess der Wachstumsförderung in drei Hauptphasen „Vorbereiten“, „Gestalten“ und „Sichern“. In diesen Phasen wird ein Wachstumsprojekt in sieben Schritten umgesetzt, die zusammen genommen einen Zyklus bilden, den wir als Lernschleife betrachten (siehe Abb. 6).

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An diesen Prozess können weitere Lernschleifen anknüpfen, die neue Lern- und Veränderungserfolge ermöglichen.

Abbildung 6: Das strukturierte Vorgehensmodell „Sieben Schritte des Projektlernens“

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3.1

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Wachstumsfähigkeit analysieren und Wachstumsziele bestimmen

Im ersten Schritt des Wachstumsmanagements schaffen Unternehmer und Wachstumsberater gemeinsam die Grundlagen für ein erfolgreiches Lern- und Veränderungsprojekt. Die Analyse der Wachstumssituation des Unternehmens und die Bestimmung der Wachstumsziele werden durch die Bearbeitung von drei Aufgaben erreicht, die im Folgenden beschrieben werden. Diagnose durchführen und Wachstumshebel bestimmen Um die Wachstumsfähigkeit eines Unternehmens einzuschätzen, genügt der Blick auf die Umsatzzahlen allein nicht. Vielmehr geht es um eine umfassendere Bewertung, bei der die Fähigkeiten des Unternehmens, auf veränderte Bedingungen zu reagieren und sich verändern zu können, im Mittelpunkt stehen. Hierzu wird das Instrument der Wachstumsdiagnose eingesetzt, das wir oben beschrieben haben. Die Wachstumsdiagnose erfolgt im Rahmen eines leitfadengestützten Gesprächs mit einem oder mehreren betrieblichen Entscheidungsträgern. Mit Hilfe festgelegter Fragenblöcke und Auswertungsraster werden die Ergebnisse gesichert. Im Zentrum steht die Identifizierung des Wachstumshebels auf der Grundlage einer Selbstbewertung der Fähigkeiten des Unternehmens. Wachstumsprojekt definieren und Ziele bestimmen Auf Grundlage einer Ergebnis-Dokumentation folgt der Wachstumsdiagnose ein weiteres Gespräch indem ein konkreter Vorschlag für ein Wachstumsprojekt erarbeitet wird. Die in diesem Folgegespräch erreichte Festlegung auf eine Projektidee erlaubt die Initiierung und Beauftragung eines Projektes und leitet damit den zweiten Schritt der Wachstumsförderung ein. Lernbedarf abschätzen Zuvor ist aber eine oftmals schwierige und ungewohnte Aufgabe zu bewältigen. Sie besteht in der Ableitung und Definition von Lernzielen. Mit Lernzielen wird der anzustrebende Zustand in der Fähigkeiten-Entwicklung beschrieben, der am Ende des Projektes erreicht werden soll. Lernziele sind Elemente der bereits oben beschriebenen Zielebenen. Innerhalb der verschiedenen Zielebenen der drei Gestaltungsbereiche „Markt- und Umfeldflexibilität“, „Entwicklung der Organisation“ und „individuelle Kompetenzentwicklung“ können unterschiedliche Lernziele je nach ausgewähltem Wachstumshebel und Art des Wachstumsprojektes festgelegt werden.

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3.2

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Wachstumsprojekt initiieren

Unter Federführung des Unternehmers/Geschäftsführers des Unternehmens werden letzte Vorbereitungen für die Übertragung der Projektaufgabe an das Projektteam getroffen. Projektteam auswählen und Ziele des Wachstumsprojekts vermitteln Vielleicht war es ein wenig dem Umstand zu verdanken, dass unser Projektverbund sich bisher erstmalig mit den Fragen der Wachstumsförderung und des Projektlernens beschäftigte, dass fast die Hälfte der beteiligten Unternehmer auch in den Projektteams mitgewirkt haben und sich aktiv an der Problemlösung beteiligten. Darunter waren durchaus auch Projektteams, in denen die Geschäftsführer nicht die Rolle des Projektleiters eingenommen hatten, sondern sich bewusst in das Projektteam integrierten. Unter dem Gesichtspunkt des Lernens sollte im Projektteam die „richtige Mischung“ aus erfahrenen Mitarbeitern und Mitarbeitern, die im Projekt noch viel lernen können, zusammenarbeiten. Um eine Herausforderung zu stellen, sollte die anzustrebende Lösung einmalig sein und nicht durch Routinehandeln des Projektteams erreicht werden können. Die Komplexität der Aufgabe sollte für alle Teammitglieder eine persönliche, aber realistische Herausforderung darstellen, an der sie wachsen und ihre Kompetenzen entfalten können. Die personelle Ausstattung des Projekts ist deshalb, sowohl unter Berücksichtigung von Lernerfahrungen und vorhandenen individuellen Potenzialen als auch unter Beachtung der zur Verfügung stehenden Zeitressourcen und auch in Bezug zur Komplexität der Aufgabe, richtig zu wählen Auftrag zwischen Geschäftsführung, Projektteam und Wachstumsberater klären In der Regel ist es für Projektteams wichtig, eine Auseinandersetzung über die Notwendigkeit und Bedeutung sowie die Inhalte der Projektskizze zu führen. Die Projektskizze wird im nächsten Schritt zum Auftrag, den die Projektgruppe zu erfüllen hat. Deshalb ist in dieser Phase eine Klärung des Auftrags herbeizuführen. Offene Fragen sind einvernehmlich zu regeln. Dazu ist es unbedingt erforderlich, ein Verständnis sowohl über das strategische Potenzial dieses Projektes als auch über den Sinn und Charakter von Lernzielen herzustellen. Im Rahmen der Auftragsklärung entwickelt das Projektteam erste konkrete Vorstellungen über die Lösung der Aufgaben.

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Vorbereitung und Durchführung des 1. Meilenstein-Workshops: Übernahme des Projektauftrags Im Übergang vom zweiten zum dritten Schritt der Wachstumsförderung wird der erste Meilenstein-Workshop durchgeführt. Das Projektteam hat deshalb nun die Aufgabe, diesen Workshop vorzubereiten. Hauptanliegen muss es sein, die Kommunikation über den bisherigen Zustand des Projektes aufzubauen. Ziel ist es, bei dem anschließenden Workshop eine Entscheidung über die zentralen Aspekte und Dimensionen des Lern- und Veränderungsprozesses zwischen Geschäftsführung und Projektteam zu treffen. Am besten geeignet ist die Vorbereitung einer strukturierten Präsentation. Im Rahmen des ersten Meilenstein-Workshops unter Beteiligung der Unternehmensleitung werden die Ziele, Aufgaben und Zwischenergebnisse der ersten zwei Schritte der Wachstumsförderung entscheidungsorientiert präsentiert. Das Projektdesign und die Richtigkeit bzw. Plausibilität der zentralen Aussagen werden kritisch hinterfragt. Die Arbeitsschritte bis zum nächsten Workshop werden präzisiert und entsprechende Korrekturen abgestimmt. Die Bedeutung der Selbstorganisation des Projektteams sowie Techniken zur strukturierten Präsentation sind inhaltliche Schwerpunktthemen des Workshops. 3.3

Verantwortung für das Wachstumsprojekt übernehmen

Nachdem die ersten beiden Schritte der Wachstumsförderung noch unter wesentlicher Einflussnahme der Unternehmensleitung gestaltet wurden, hat sich das Projektteam nun spätestens in dem ersten Meilenstein-Workshop gefunden und sich mit den Herausforderungen des Projekts identifiziert. Mit diesem Schritt übernimmt nun das Projektteam die Federführung für das Projekt und steuert es auf der Grundlage von Eigeninitiative und Verantwortung. Projektteam klärt die interne Aufgabenverteilung und definiert die Erfolgsfaktoren Im Verlauf des Workshops sind wichtige Impulse und Anregungen vorgetragen, möglicherweise auch tiefere Auseinandersetzungen über die Vorgehensweise geführt worden. Eine große Gefahr läge nun darin, diese Botschaften zu ignorieren anstatt sie für die weitere Projektentwicklung zu nutzen. Die Schwierigkeit der Nutzung dieser Kommunikationsergebnisse liegt in der Tatsache, dass die subjektiven Wahrnehmungen der Projektteam-Mitglieder sehr unterschiedlich sein können. Das Projektteam hat deshalb die Aufgabe, diese untereinander auszutauschen, zu deuten und die Eindrücke und Informationen jedes Einzelnen zu filtern, zu ordnen und zusammenzuführen um zu einer tragfähigen Gesamtein-

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schätzung zu gelangen. In diesem Arbeitsschritt kommt es darauf an, Methoden und Regeln der Kommunikation sorgfältig anzuwenden. Es ist deshalb zu empfehlen, dass der Wachstumsberater sich als Moderator in diesen Prozess einbindet und die Gruppe begleitet, bis die Diskussions- und Abstimmungsergebnisse in den Projektplan eingebracht worden sind. Es wird deutlich, dass das Projektteam durch eine aktive Auseinandersetzung in dieser Phase lernt, mit unterschiedlichen Kommunikations- und Wahrnehmungsformen umzugehen, den Nutzen von Reflexions- und Feedbackmustern zu erkennen und konstruktive Kritik in die Aufgabenplanung und Erfolgsbewertung zu integrieren. Projektteammitglieder reflektieren ihre persönlichen Lernherausforderungen Inzwischen liegt ein abgestimmter Projektplan vor und den Teammitgliedern sind Einzelaufgaben übertragen worden. Die Verantwortung über das Gesamtprojekt wurde auf mehrere Schultern verteilt. Um einen intensiven Lernprozess jedes Einzelnen zu fördern, sollten die Aufgaben mit persönlichen Herausforderungen verbundenen sein. Wenn die in den Herausforderungen liegenden Aufgaben die Mitarbeiter an die Grenzen ihrer bisherigen Kompetenz führen, fördert das den Lernprozess des Einzelnen. Die Hilfestellungen, die notwendig sind, um diese Lernschritte zu gehen, sollten vorrangig aus dem Unternehmen selbst kommen. Bei nicht im Unternehmen erlernbaren Kompetenzen werden Lösungen für Kompetenzentwicklungsmaßnahmen außerhalb gesucht. Nach Abstimmung mit dem Vorgesetzten werden diese eigenständig durch den Projektmitarbeiter realisiert. Vorbereitung und Durchführung des 2. Meilenstein-Workshops: Lösungen freigeben Inzwischen haben die Projektteam-Mitglieder in ihren zugeordneten Aufgabenbereichen spezifische Lösungen erarbeitet, entsprechende Maßnahmen geplant und im Projektteam in Verbindung mit den anderen Lösungen deren Wirksamkeit sowie Umsetzbarkeit geprüft. Der Projektteamleiter koordiniert den Prozess des Zusammenfassens und Abstimmens von Teillösungen und -maßnahmen vor dem Hintergrund der gemeinsamen Projektaufgabe. Mögliche Konflikte und Meinungsverschiedenheiten in dieser Phase werden ausgetragen und ein Konsens hergestellt. Diese Situation wird genutzt, um die Rollen und Aufgaben im Team zu reflektieren. Die Mitglieder geben untereinander Feedback.

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Sollten alternative Lösungen vorhanden sein, wird die „beste“ Lösung für das Wachstumsprojekt im Rahmen eines Bewertungsverfahrens herausgefunden und entscheidungsorientiert aufbereitet. Die Wirksamkeit aus Versuchs-, Test- oder Erfahrungsberichten als Beleg für die Auswahl dieser Lösungsvariante ergänzen die Argumentation. Die Lösungsansätze des Projektteams werden im Meilenstein-Workshop 2 unter Beteiligung der Unternehmensleitung diskutiert. Im Einzelnen sollen in diesem Workshop folgende Ergebnisse erzielt werden: —

Der Statusbericht wurde strukturiert präsentiert und Potenziale zur Verbesserung des Berichts herausgearbeitet und umsetzungsorientiert besprochen.



Die vorgeschlagenen Lösungsansätze wurden argumentativ vertreten und Entscheidungen über die „richtige Lösung“ herbeigeführt. Der Projektplan wird durch die Leitung freigegeben.



Der Lern- und Veränderungsprozess des bisherigen Projektverlaufs wurde reflektiert und Feedback der Unternehmensleitung eingeholt.



Die Korrekturhinweise und Veränderungswünsche aus der WorkshopDiskussion wurden aufgenommen und zusammenfassend dokumentiert.



Das inhaltliche Schwerpunktthema ist vermittelt, das Projektteam kann Projekt- und Lernziele systematisch ermitteln sowie den folgenden Schritt „Lernen und Verändern strukturieren und planen“ eigenständig bearbeiten.

3.4

Lern- und Veränderungsprozess strukturieren und planen

Projektteam und Unternehmensleitung haben sich im Meilenstein-Workshop 2 auf den Lösungsweg verständigt und alle notwendigen Entscheidungen wurden getroffen. Wie schon beim Workshop 1 werden die zentralen Ergebnisse dokumentiert und ausgewertet. Durch eine systematische Reflexion des Workshops ist sichergestellt, dass wichtige Botschaften und Erkenntnisse nicht verloren gehen. Das Projektteam hat nun bewiesen, dass es Entscheidungen und Beschlüsse zur Umsetzung des Projektes herbeiführen kann. Darüber hinaus wurde die Projektplanung auf den neuesten Stand gebracht, weitere Aufgaben innerhalb des Projektteams zugeordnet und Verantwortung für Teilaufgaben übertragen. Die mit der Lösung verbundenen neuen Aufgaben werden von Projektmitgliedern als weitere Lernherausforderungen angenommen und die Verantwortung dafür übernommen.

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Dieser vierte Schritt ist aufgrund seiner Dauer und Intensität einer der wichtigsten Phasen der Wachstumsförderung und des Projektlernens. Der Zusammenhang des arbeitsintegrierten Lernens wird in diesem Schritt erlebbar, da erfahrungsgemäß die Projektherausforderungen und die unmittelbare Nutzung von Lernchancen sehr eng beieinander liegen. Die erarbeiteten Lösungsvorschläge müssen nun zu Maßnahmen differenziert werden, damit sie in die Praxis überführt und ihre Wirkungen unmittelbar überprüft werden können. Das Team wird nun das überwiegend noch konzeptionelle Denken in praktische Maßnahmen umsetzen. Gleichzeitig stoßen die Teammitglieder an die Grenzen ihrer bisherigen Kompetenz. Aus den Anforderungen entstehen offene Fragen, die durch strukturiertes Lernen bewältigt werden können. Maßnahmen zur Realisierung des Lösungsansatzes konkretisieren und Wirkungen abschätzen Die Diskussions- und Abstimmungsergebnisse des Meilenstein-Workshops 2 werden im Projektteam zusammengefasst und reflektiert. Vorschläge und Änderungswünsche insbesondere der Unternehmensleitung werden auf Kernaussagen fokussiert und ihr wesentlicher Inhalt auf den Projektplan übertragen. Innerhalb des Projektteams wird eine kritische Auseinandersetzung über diese Änderungen geführt. Nur auf der Basis eines breiten Konsenses sollte die Umsetzung der vereinbarten, als richtig erkannten Lösungen in Angriff genommen werden. Auf dieser Grundlage werden die erforderlichen Maßnahmen strukturiert und in den Aufgabenplan der Projektmitglieder übertragen. Es wird ein gemeinsames Konzept zur Umsetzung der Lösung erarbeitet in dem u. U. auch Versuchs- oder Modellphasen zur Überprüfung der Wirkungen eine Rolle spielen. Wichtige und betroffene Gruppen des Unternehmens werden über die bevorstehenden Veränderungen informiert und weitestgehend in die Umsetzung der Maßnahmen eingebunden. Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung der Teammitglieder realisieren Der den Prozess begleitende Berater bietet dem Team und auch einzelnen Mitgliedern Reflexions- und Feedbackgespräche über die Lernfortschritte. Begleitend können entsprechende Hilfsmittel und Instrumente nach Einschätzung des Wachstumsberaters eingesetzt werden. Die Projektentwicklung befindet sich in dieser Phase im Allgemeinen in einem Zustand, der es erlaubt, die Selbstwirksamkeitserwartung der Projektteammitglieder zum Gegenstand der Reflexion zu wählen, um weitere Projektherausforderungen als Lernchancen bewusst machen zu können und für die Entwicklung zu nutzen.

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Nun können die Führungskräfte auch strukturierte Mitarbeiter-Entwicklungsgespräche mit den einzelnen Projektteilnehmern führen, um die individuelle Kompetenzentwicklung zu fördern. Als Resultat aus diesen Gesprächen kann es sinnvoll sein, dass zusätzlich zu den Lernchancen der Projektbearbeitung, spezielle Entwicklungsbedarfe für einzelne Mitarbeiter oder für das Projektteam festgestellt werden, die u. U. durch besondere Trainingsmaßnahmen oder Inanspruchnahme externer Angebote gedeckt werden. Vorbereitung und Durchführung des 3. Meilenstein-Workshops: Umsetzung abstimmen Inzwischen haben die Projektteam-Mitglieder ihre Aufgabenbereiche mit den entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung der Lösung angereichert und die Lernherausforderungen detailliert beschrieben und teilweise auch schon realisiert. Ein strukturierter Statusbericht zum Stand der Umsetzung des Lösungsansatzes und zur Projekt- und Lernzielrealisierung wird vorbereitet. Die strukturierte Präsentation zielt auf den Status des Projekts mit besonderem Fokus auf die exakte Planung der Maßnahmen und den sich daraus ergebenden Lernanforderungen. Darüber hinaus sind einerseits die Aufgaben und Rollen im Team und andererseits die Darstellungsform der Ergebnisbewertung und der Stand der Zielerreichung am Ende des Projektes darzustellen. Die Strukturierung und Planung der Umsetzung der ausgewählten Lösungsansätze des Projektteams werden in diesem Workshop unter Beteiligung der Unternehmensleitung diskutiert. Dabei wird der Zusammenhang zu den ermittelten Lernherausforderungen hergestellt und gemeinsam festgelegt, wie die Lernchancen des Projekts genutzt werden können. Die Ergebnisse des Workshops sind: —

Das Projektteam kann jetzt den Statusbericht gemäß den Anforderungen einer strukturierten Präsentation entscheidungsorientiert vortragen.



Die ausgearbeitete Umsetzungsplanung wird argumentativ vertreten und die notwendigen Entscheidungen zur Umsetzung werden herbeigeführt.



Der Lern- und Veränderungsprozess des bisherigen Projektverlaufs wurde gemeinsam reflektiert und entsprechendes Feedback der Unternehmensleitung eingeholt.



Die zentralen Interventionspunkte und Kernaussagen für den Lern- und Veränderungsprozess wurden hervorgehoben und bestätigt.

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Korrekturhinweise und Veränderungswünsche aus der WorkshopDiskussion wurden aufgenommen und zusammenfassend dokumentiert.



Die Diskussion über die Detailplanung zur Umsetzung der Lösungen wurde geführt und die Lernziele und deren Realisierungsplanung verabredet.



Das inhaltliche Schwerpunktthema ist vermittelt und diskutiert worden. Das Projektteam hat die Bedeutung von Eigeninitiative und Verantwortung für selbstorganisiertes Lernen erkannt und kann Projekt- und Lernziele eigenständig realisieren.

3.5

Lernen und Verändern

Hinter dem fünften Schritt der Wachstumsförderung verbergen sich erfahrungsgemäß die schwierigsten und intensivsten Aufgaben des Projektlernens. In der Projektgruppe wurde bisher analysiert, kreativ nach Lösungen gesucht und Entscheidungen für die Auswahl der richtigen Lösung vorbereitet. Der fünfte Schritt ist dadurch gekennzeichnet, dass die geplanten Veränderungen nun spürbar werden und möglicherweise die eine oder andere Gewohnheit bei den Mitarbeitern in Frage stellt. Das Projektteam hat sich hierauf eingestellt und ist gut vorbereitet. Im Meilenstein-Workshop 3 wurden die Weichen für die Veränderungen gestellt und die Entscheidungen für die strategischen oder operativen Maßnahmen mit der Unternehmensleitung abgestimmt. Das Projektteam hat erkannt, dass mit der Entscheidung zur Umsetzung der Maßnahmen eine aktive Beteiligung wichtiger Schlüsselfunktionen innerhalb der Belegschaft zur Durchsetzung der Veränderungen erforderlich ist. Maßnahmen realisieren Die Diskussions- und Abstimmungsergebnisse des Workshops 3 werden im Projektteam geprüft, abgestimmt und in den Projektplan übertragen. Die Ideengeber werden über die Aufnahme ihrer Anregungen in den Projektplan informiert. Eine angemessene Form der Anerkennung sollte durch den Projektleiter gefunden werden. Der nun vorliegende und abgestimmte Projektplan wird mit Unterstützung der Unternehmensleitung allen Führungskräften und ggf. von Veränderungen betroffenen Mitarbeitern kommuniziert und erforderliche Maßnahmen in den einzelnen Arbeitsbereichen werden unter Bezugnahme auf Aufwand und Zeit der Umsetzung vereinbart. Alle Projektteammitglieder richten rechtzeitig ihre Zeitressourcen auf die Umsetzungsphase aus und schaffen sich den notwendigen Freiraum.

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Der bisher gestaltete Lern- und Veränderungsprozess wird systematisch reflektiert Ein Projekt kann noch so sauber und präzise geplant sein, die Umsetzung in die Realität verläuft meist doch nach anderen Regeln. Auch diese Erkenntnis verlangt der Projektgruppe einiges ab. Starres Festhalten an den geplanten und definierten Umsetzungsschritten hilft wenig. Entscheidend für das Gelingen der Umsetzung sind vielmehr die Herstellung und schließlich die Nutzung von Akzeptanz anderer Beteiligter oder gar von der Umsetzung betroffener Kollegen und Führungskräfte des Unternehmens. Wichtig ist, dass neben und mit der Umsetzung eine offene, dialogorientierte Kommunikation genutzt wird, um Missverständnisse und Bedenken auszuräumen und emotionalen Widerstand zu versachlichen und in positive unterstützende Energie umzulenken. Der Projektleiter hat in dieser Phase darauf zu achten, dass in diesem Zusammenhang getroffene Vereinbarungen nicht verloren gehen und dokumentiert werden. Unerwartete Schwierigkeiten im Lern- und Veränderungsprozess bewältigen Trotz guter Abstimmung und Vereinbarungen über das Roll-out der Projektmaßnahmen kommt es doch häufig zu unerwarteten Störungen bei der Umsetzung. Störungen oder Schwierigkeiten, die nicht mit dem Projektdesign in Zusammenhang gebracht werden können, haben ihre Ursachen oftmals in emotionalen Irritationen und sind durch Angst oder Frust über den Verlust von Sicherheit oder gewohnten Routinen begründet. Das Projektteam spürt diese Quellen auf und entwickelt entsprechende Maßnahmen zu ihrer Beseitigung. 3.6

Projekt- und Lernergebnisse bewerten und den Projektverlauf reflektieren

In der Regel ist das Projektteam nun nach Abschluss der Umsetzungsphase froh, diesen Schritt bewältigt zu haben. Gern geht man nun an den eigenen Arbeitsplatz zurück, um sich dem Liegengebliebenem zu widmen, den Dingen, die schon seit geraumer Zeit auf Erledigung warten. Auch dieses Bedürfnis hat seine Berechtigung, aber für den Prozess des Projektlernens birgt ein abruptes Ende des Projekts an dieser Stelle eine Gefahr, der sich das Team bewusst werden muss. Ein Projektlernprozess darf nicht nach der anstrengenden Umsetzungsphase für beendet erklärt, sondern muss mit Schritt 6 „Reflexion und Bewertung“ fortgesetzt werden, weil sonst wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse nicht für das Lernen genutzt werden können. Das Projektteam konzentriert sich nun auf die Bewertung der Ergebnisse und die Wirkungen des Projektes, die mit der Anwendung der Projektlösungen eingetreten sind. Es vollzieht noch einmal den Gesamtzusammenhang aller Schritte des

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Projektes über die Analyse strategischer Wachstumsziele, die Bildung von Projektzielen, die Definition von Erfolgsfaktoren bis zur Bewertung der Projektergebnisse Projektergebnisse werden hinsichtlich ihres Beitrages zu den Wachstumszielen bewertet Die Umsetzung der Maßnahmen dieses Wachstumsprojekts wird analog zur Projektplanung zum Abschluss gebracht. Dabei wird überprüft, ob alle Aufgaben und Zuständigkeiten bearbeitet wurden. Die Qualität, Wirkung bzw. Funktionsweise der eingeführten Problemlösungen werden evaluiert und unter Beteiligung anderer Nutzer oder Mitwirkender außerhalb des Projektteams bewertet, weitere Verbesserungshinweise werden aufgenommen und bei der Anwendung der Lösung berücksichtigt. Anhand der zuvor definierten Erfolgsfaktoren werden die Projektergebnisse kritisch bewertet und vor dem Hintergrund der formulierten strategischen Wachstumsziele überprüft. Der den Prozess begleitende Wachstumsberater kann in dieser wichtigen Phase die Aufgabe übernehmen, aus seiner eigenen Teilnahme und Kenntnis des zurückliegenden Prozesses die Werthaltigkeit erreichter Ziele, auch wenn sie bereits teilweise in Vergessenheit oder in den Hintergrund gerückt sind, hervorzuheben und in die Reflexion einzubeziehen. Diese Reflexion kann auch genutzt werden, um den eingeschlagenen Weg der Wachstumsförderung und des Projektlernens innerhalb des Unternehmens zu bewerten und Rückschlüsse auf Verbesserungen für die Durchführung einer weiteren Lernschleife umzusetzen. Selbst- und Fremdeinschätzung der Teamentwicklung und der Lern- und Veränderungsfähigkeit Eine besondere Chance für das Lernen liegt in der bewussten Reflexion des Projektes. Es wird nun möglich, von der Ziellinie bis auf die Startlinie des Projektes zurückzublicken. In dieser reflexiven Betrachtung im Rahmen von Selbst- und Fremdeinschätzungen liegen ungeahnte Fundstellen, wie die Teamentwicklung verlaufen ist und welche individuellen Schritte in der Kompetenzentwicklung jedes einzelne Teammitglied gegangen ist. Es sollte allen ProjektteamMitgliedern darüber hinaus die Möglichkeit gegeben werden, im Rahmen eines strukturierten Mitarbeitergespräches mit dem Vorgesetzten den Entwicklungsprozess zu bilanzieren und möglicherweise weitere Lernschritte zu vereinbaren.

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Vorbereitung und Durchführung des 4. Meilenstein-Workshops: Projekt bewerten Im Sinne einer langfristigen und nachhaltigen Nutzung und zur Sicherung der gemachten Erfahrungen werden die Projekt- und Lernergebnisse dokumentiert. Die Dokumentation sollte die übliche Verfahrensweise des Unternehmens aufgreifen oder neue angemessene Dokumentationsverfahren einführen. Auch in dieser Aufgabenkonstellation kann der Wachstumsberater eine wertvolle Hilfe sein, indem dieser Schritt sorgfältig unter der Fragestellung: „Wie können wir das Projekt von seinem Ergebnis her reflektieren, was ist gut gelaufen, was könnte verbessert werden?“ moderiert wird. Das Projektteam reflektiert den Gesamtprozess „Lernen und Verändern“ und dokumentiert die persönlichen und teambezogenen Erfahrungen. Dieser abschließende Ergebnisbericht ist Grundlage der Präsentation auf dem nachfolgenden letzten Meilenstein-Workshop 4. Der Meilenstein-Workshop 4 hat den Charakter einer Bilanzierung der Projektergebnisse. Als Abschluss-Workshop hat er im Wesentlichen die Aufgabe, die Wirkungen und Ergebnisse des Projektes gemeinsam mit der Unternehmensleitung zu bewerten und zu reflektieren. Die Entscheidungsorientierung in diesem Workshop besteht darin, dass die Unternehmensleitung den Zielerreichungsgrad des Projektes akzeptiert und das Projektteam offiziell von der Aufgabe entlastet. 3.7

Ergebnisse transferieren und für Wachstum nutzen

Dem Projektteam ist es gelungen, die Geschäftsführung von den Projektergebnissen zu überzeugen. Die Teilnehmer des Workshops können den Zusammenhang zwischen Wachstumsförderung und Projektlernen herstellen und haben durch den erfolgreichen Abschluss des Projektes ein konkretes Bild über das Management des Wachstums. Sie haben die Vorteile der Wachstumsförderung erkannt und einen Eindruck darüber, wie diese Lernform die Entwicklung der dynamischen Fähigkeiten des Unternehmens beeinflussen kann. Darüber hinaus geht es in diesem Schritt um den nachhaltigen Transfer der Ergebnisse. Das Projektteam kann die erforderlichen Grundlagen wie Dokumentation, Übertragung der Ergebnisse in die Routinen des Unternehmens und die notwendige Kommunikation für den Projektabschluss herstellen und gegebenenfalls die Übertragung der zukünftigen operativen Verantwortung vorbereiten.

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Nutzung von Projektergebnissen und Ergebnistransfer werden festgelegt Im Workshop 4 sind bereits schon einige Ideen geäußert worden, wie die Ergebnisse sinnvoll und nachhaltig für die weitere Unternehmensentwicklung genutzt werden können. Viele Projektergebnisse eignen sich dazu, in die operativen Routinen des Unternehmens überführt zu werden. Art und Umfang der Übertragung in die Routinen werden bestimmt und in der Organisation abgestimmt. Das Projektteam stellt für diesen Transfer die Ergebnisse des Projektes zusammen und bereitet die dafür notwendige Kommunikation an die zukünftigen Verantwortlichen für die Pflege und Weiterentwicklung der Projektergebnisse vor. Der Wachstumsberater begleitet diesen Vorgang und berät die Geschäftsführung bei der Übertragung der Projektergebnisse in die Routinen und gibt Hilfestellung bei der organisatorischen und kommunikativen Umsetzung. Die Ergebnisse werden gewürdigt und innerhalb des Unternehmens bekanntgemacht Gerade dann, wenn die Wachstumsförderung noch keine lange Tradition im Unternehmen hat und der Prozess des Projektlernens vielleicht das erste Mal erfolgreich durchgeführt wurde, ist darauf zu achten, dass das ganze Unternehmen an diesem Ereignis teilhaben kann. Die erfolgreiche Bearbeitung dieses Lern- und Veränderungsprozesses sollte deshalb im gesamten Unternehmen und im Umfeld des Unternehmens kommuniziert und die Wirkungen auf die Unternehmenskultur und Leistungsfähigkeit hervorgehoben werden. Das Projektteam erfährt hierüber Wertschätzung über die geleistete Arbeit und erhält eine der Situation angemessene Würdigung. Eine weitere Verarbeitungsebene ist die Diskussion des Projektteams und anderer Beteiligter über die Frage, was gegenüber anderen Entwicklungsvorhaben im Unternehmen in diesem Lern- und Veränderungsprozess anders war als sonst. Wie wurden Unterschiede etwa zwischen der klassischen Weiterbildung und dem Projektlernen wahrgenommen, wie ist die Integration von „Arbeit“ und „Lernen“ gelungen, welche Beispiele gibt es dafür? Ergebnisse dieser Diskussion können durch Mitarbeiterzeitungen oder Infomails kommuniziert werden und tragen so zu einer Etablierung des Wachstumsmanagements bei. Festlegung des neuen Wachstumshebels und der nächsten Schritte zur Förderung des Wachstums Der erfolgreiche Abschluss dieses Lernzyklus sollte von Unternehmensleitung und Wachstumsberater zur Bilanzierung genutzt werden, um auch vor dem Hin-

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tergrund weiterer strategischer Entwicklungen die nun gefestigte Zusammenarbeit für weitere Lernzyklen zu nutzen. Dazu ist ein offener Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmer und Wachstumsberater hilfreich, um auch aus dieser Perspektive Verbesserungsmöglichkeiten in der zukünftigen Wachstumsförderung zu suchen. Für den Wachstumsberater ist es wichtig, die Einschätzung des Unternehmers über die Zusammenarbeit und über die Beratungsleistung zu erfahren. Dieser Schritt wird gern vernachlässigt, ist aber durchaus sinnvoll, da auch die Beratungsleistung einer kritischen Reflexion unterworfen werden sollte. Andererseits ist es auch für das Unternehmen nützlich, zum Abschluss des ersten Lernzyklus eine detaillierte Rückmeldung durch den Wachstumsberater zu bekommen. Dies birgt den Vorteil, dass in diesem Reflexionsgespräch auch auf Aspekte der Projektentwicklung Bezug genommen werden kann, die sonst vielleicht in Vergessenheit geraten wären. Um das strategische Wachstum des Unternehmens weiter systematisch zu entwickeln, kann mit einer erneuten Wachstumsdiagnose ein Wachstumshebel definiert und ein nächster Zyklus der Lern- und Veränderungsschleife in Gang gesetzt werden. Dabei sollte vorzugsweise ein anderer Hebel und eine andere Zielgruppe für das Projektteam vorgesehen werden. Es ist jedoch durchaus sinnvoll, ein Mitglied aus der vorherigen Gruppe als Vermittler der bereits gemachten Erfahrungen für den neuen Lernprozess vorzusehen.

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Der Nutzen des Konzeptes

In der praktischen Entwicklung und Erprobung des „Management des Wachstums“ haben sich die Stärken des Ansatzes gezeigt. In zusammenfassender Form lassen sich folgende Ergebnisse festhalten: Die beteiligten Unternehmen haben vielfältige Lösungsansätze zur Verbesserung ihrer Wachstumsfähigkeit umgesetzt 24 der 27 durchgeführten Wachstumsprojekte sind erfolgreich abgeschlossen worden. Der Überblick in Abbildung 7 zeigt, dass dabei insgesamt 20 unterschiedliche Lösungsansätze verfolgt worden sind. Die im zweiten Teil dieses Buches dokumentierten Fallbeispiele verdeutlichen die Qualität dieser Lösungsansätze und lassen erkennen, wie die Wachstumsfähigkeit durch die Projekte verbessert werden konnte. Nur drei Unternehmen haben ihre Wachstumsprojekte

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nicht erfolgreich beendet. Gründe waren Veränderungen in der Geschäftsführung oder die Wirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise. In keinem Fall war ein Zusammenhang zwischen Projektabbruch und der Anwendung des Konzeptes „Management des Wachstums“ erkennbar. Unternehmen haben ihre Wachstumskompetenzen weiterentwickelt Durch die Wachstumsprojekte wurden in den Unternehmen konkrete Lösungen realisiert, das heißt, es wurden bestimmte Ressourcen entwickelt oder Probleme gelöst. Dabei konnten die KMU ihre Problemlösefähigkeit weiterentwickeln, diese strukturell im Betrieb verankern und im Umsetzungsprozess einüben. Die Unternehmen haben gelernt, zu lernen und Veränderungen umzusetzen. Der in diesem Band dokumentierte Beitrag der Evaluation bestätigt aus unabhängiger Sicht diese Einschätzung. Unternehmen, die es in einem integrierten Entwicklungsprozess schaffen, die Lern- und Veränderungsfähigkeit ihrer Organisation insgesamt zu steigern, haben ihre dynamischen Fähigkeiten weiter entwickelt; d. h. sie können in Zukunft schneller und beweglicher auf Umweltveränderungen reagieren, sie haben die Fähigkeit ausgebaut, proaktiv zu handeln und können diese Veränderungsprozesse in der Organisation auch besser umsetzen. Es ist anzunehmen, dass Unternehmen mit solchen Eigenschaften langfristig erfolgreicher sein werden. Unternehmer/Geschäftsführer haben sich mit Erfolg beraten lassen und die Prozessberatung schätzen gelernt Manche der Unternehmer/Geschäftsführer hatten bis dahin noch keine Erfahrungen mit der Organisationsberatung. Sie haben sich im Wachstumsprozess durch externe Berater unterstützen lassen und diese Erfahrung im Nachhinein als hilfreich empfunden. Erkannt wurde der spezifische Nutzen einer temporären Unterstützung. Das Konzept der „Hilfe zur Selbsthilfe“ hat einzelne Unternehmer/Geschäftsführer anfangs vielleicht etwas irritiert. Kein Wunder, wo doch von einer Beratung im Allgemeinen erwartet wird, dass sie ihnen die Problemlösung abnimmt. Die anfängliche Skepsis, dass das Entwicklungsvorhaben mit zu viel Aufwand verbunden sein könnte, dass eine intensive Reflexion der Prozesse wenig Nutzen stiftet oder, dass die Zurückhaltung der Berater bei der Vorgabe von Lösungen den Prozess unnötig verlangsamt, hat sich in der gemeinsamen Arbeit aufgrund der positiven Erfahrungen, die gemacht wurden, aufgelöst. Viele der Unternehmer waren am Ende froh, nicht den vermeintlich leichteren Weg gegangen zu

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sein, sondern die Dinge selbst in die Hand genommen zu haben. Denn nichts ist so nachhaltig und passgenau, wie selbst entwickelte Lösungen. Das merkt man spätestens in der Umsetzung, bei der Vieles reibungsloser vonstattengeht, aufgrund der Beteiligung der eigenen Mitarbeiter bei der Entwicklung. Unternehmer/Geschäftsführer haben gelernt loszulassen und die Kompetenzen ihrer Projektteams gezielt zu entwickeln Viele der Unternehmer äußerten, dass sie gelernt hätten, ihre Unternehmerrolle für sich neu zu definieren und Verantwortung verstärkt an Mitarbeiter zu delegieren. Eine Bewertung der Kompetenzentwicklung der mit der Projektrealisierung beauftragten Teams durch die Entscheidungsträger der KMU zeigte schließlich auch, dass im Unterschied zum klassischen Projektmanagement nicht nur Projektaufträge erfolgreicher erledigt werden, sondern auch eine deutliche Steigerung der Kompetenzen der Projektteams erreicht wird: Die Projektteams haben in ihren Kompetenzen bezogen auf die Sachaufgabe (Projektmanagement, Koordinationsfähigkeit, Zielerreichung), bezogen auf das Projektlernen (Lernziele umsetzen, Lernprozesse strukturieren, Gestaltungsspielräume nutzen und Lernprozesse reflektieren) sowie hinsichtlich ihrer unternehmerischen und Führungskompetenzen (Eigeninitiative, Selbststeuerung, Teamgeist, Teamführung, Unternehmerisches Handeln) deutliche Fortschritte gemacht (vgl. Hardwig u. a. 2011, 205). Unternehmen, die Projektlernen realisierten, zeigen deutliche Fortschritte auf dem Weg zu einer lernenden Organisation Eine Bewertung auf Basis des vierstufigen Kriterienkatalogs des „TetraederModells“ des Projektlernens (vgl. Hardwig u. a. 2011, 118f bzw. 206) zeigt eine spürbare Entwicklung der Lernfähigkeit der Unternehmen in allen drei Dimensionen: dem individuellen Lernen der am Projekt Beteiligten, der Weiterentwicklung der Organisation und der Umfeldflexibilität des Unternehmens. Anders als bei den isolierten Ansätzen der Weiterbildung, der Organisationsentwicklung oder dem strategischen Management gelingt also ein integrierter Veränderungsprozess.

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Abb. 7: Erfolgreiche Lösungen in den begleitenden Unternehmen

Literaturnachweise Bergstermann, M.; Hardwig, T.; North, K. (2010): Analyse und Förderung des Wachstumsmanagements innovativer KMU. In: Jacobsen, H.; Schallock, B. (Hrsg.): Innovationsstrategien jenseits traditionellen Managements. Beiträge zur ersten Tagung des Förderschwerpunktes des BMBF 8.-9. Oktober 2009. Stuttgart, Fraunhofer IRB Verlag, S. 274-281 Bergstermann, M.; Hardwig, T.; North, K. (2011): Mit Projektlernen dynamische Fähigkeiten in KMU fördern. In: Barthel, E.; Hanft, A.; Hasebrook, J.: (Hrsg.): Integriertes Kompetenzmanagement. Innovationsstrategien als Aufgabe der Organisations- und Personalentwicklung“. Münster u. a., Waxmann Fridrich, A. (2000): Beratungsqualität und Qualitätsmanagement für Unternehmensberater. Eschborn, RKW e.V.

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Hardwig, T. (2007): Interessen und Konflikte als Ansatzpunkte des Organisationslernens. München / Mering, Rainer Hampp. Hardwig, T.; Bergstermann, M.; North, K. (2010): "Wachstumskompetenz als dynamische Fähigkeit innovativer KMU. In: Barthel, Erich; Hanft, Anke; Hasebrook, Joachim (Hrsg.): Integriertes Kompetenzmanagement im Spannungsfeld von Innovation und Routine. Münster u. a., Waxmann, S. 61-82. Hardwig, T.; North, K.; Bergstermann, M. (2011): Wachstum lernen. Wie innovative Klein- und Mittelunternehmen dynamische Fähigkeiten für turbulente Zeiten entwickeln. Wiesbaden, Gabler. Helfat, C. E.; Finkelstein, S.; Mitchell, W.; Peteraf, M.A.; Singh, H.; Teece, D.; Winter, S. (2007): Dynamic capabilities. Understanding Strategic Change in Organizations. Malden / Oxford / Victoria, Blackwell. Merath, S. (2009): Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer. Wie Sie und Ihr Unternehmen neue Dynamik gewinnen. Offenbach, Gabal. North, K. (2011): Wissensorientierte Unternehmensführung. Wertschöpfung durch Wissen. 5. Auflage. Wiesbaden, Gabler. North, K.; Friedrich, P.; Lantz, A. (2006): Selbstorganisation als Metakompetenz. In: QUEM - Report, Heft 95-1, S. 135-208. Schein, E. (2003): Prozessberatung für die Zukunft. Der Aufbau einer helfenden Beziehung. Köln, Ed. Humanistische Psychologie. Simon, H. (2007): Hidden Champions des 21. Jahrhunderts. Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer. Frankfurt / New York, Campus. Teece, D.J. (2009): Dynamic Capabilities & Strategic Management. Organizing for Innovation and Growth. New York / Oxford, Oxford University Press. Zollo, M.; Winter, S.G. (2002): Deliberate Learning and the Evolution of Dynamic Capabilities. In: Organization Science, 13. Jg., Heft 3, S. 339-351.

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Die „andere“ Beratung von KMU Welche besonderen Anforderungen das Konzept an die Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen stellt Von Michael Steinhöfel

Eines vorweg: es gibt für ein Unternehmen nicht die „richtige“ Beratung, sondern nur eine „passende“. Passend zur Unternehmenskultur, zum Entwicklungsstand und zu Entwicklungszielen, zum Veränderungsbedarf, kurz zum Unternehmen, seinen Menschen und seinem Umfeld. Die Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erfordert besondere Beratungsansätze. Bisher liegt eine Vielzahl von Modellen und Ansätzen zur Beratung von KMU in der Gründungs- und Aufbauphase vor, die jedoch eher auf Fachfragen, wie Rechtsform, Finanzierung, Vertrieb, Marketing und andere (Fach-)Themen orientiert sind. Weitergehende Ansätze zur Beratung und Begleitung von wachsenden KMU in Richtung des Managements der „weichen Faktoren“, zur individuellen und organisationalen Kompetenzentwicklung als Grundlage für Innovationen und Wachstum, sind noch eher selten. Insbesondere die Erfahrungen des letzten Jahrzehnts mit einer immer kürzer werdenden Abfolge des Zyklus’ von Krise und Konjunktur zeigen, dass der eingeleitete Wandel in der Beratung von KMU weiter vorangetrieben werden muss. KMU sind heute aufgrund veränderter wirtschaftlicher und demografischer Rahmenbedingungen noch stärker als bisher darauf angewiesen, auf kompetente Mitarbeiter zu setzen. Dabei reicht allein fachliche Kompetenz nicht mehr aus. Unternehmerisches, über den eigenen Bereich hinaus vernetztes Denken und Handeln, Bereitschaft zum Lernen im Prozess der Arbeit treten verstärkt in den Vordergrund und bieten Chancen, auch künftig Innovation und Wachstum zu fördern und zu beherrschen. Vor diesem Hintergrund müssen sich auch Rollen erweitern und Profile von Beratern weiterentwickeln. Neben breit angelegten Fachkenntnissen werden Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen in der Prozessbegleitung und -gestaltung immer zwingender. Berater als Coach und „Beistand“ für Projekt- und Lerngrup-

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pen sind erforderlich, um die Umsetzung strategischer Überlegungen von KMU kompetent zu begleiten und zu unterstützen. Zur Bewältigung diese Anforderungen ist es jedoch wenig hilfreich, komplexe Beratungsansätze, die für den Einsatz in Großunternehmen entwickelt und dort mehr oder weniger erfolgreich praktiziert wurden, auf KMU-Bedingungen anzupassen oder einzuschmelzen. Denn KMU sind keine kleinen oder geschrumpften Großunternehmen. Ihre Beratung erfordert die Berücksichtigung einer Vielzahl von Besonderheiten, wie Bündelung von mehreren wichtigen Unternehmensfunktionen in einer/wenigen Personen, knappe Ressourcen, Einbindung in Lieferketten, etc. Und sie muss auch einen gewissen mittelstandsgeprägten Pragmatismus aufweisen. Vor diesem Hintergrund löste der Projektanspruch, ein neues Konzept zur Beratung von KMU bei der Gestaltung und Förderung ihres Wachstums1 zu entwickeln, bei den Beteiligten im Projekt und darüber hinaus unterschiedliche Resonanzen – Interesse, Ansprüche, Wünsche, Skepsis, Vorbehalte, Überraschung – und viele Fragen aus: Wie soll das gehen? Gibt es nicht schon genügend Beratungsmodelle und -ansätze? Wie soll ein Konzept den vielen Spezifika von KMU gerecht werden können? Beratung in Veränderungsprozessen Beratung ist im Kern „immer ein durch Theorien, Grundhaltungen und Praxiserfahrungen geleitetes Handeln“2, das auch die Auswahl von Vorgehensmodellen, Methoden und Instrumenten bestimmt. Berater müssen in der Lage sein, diese passend zur Situation, zum Klienten, zum Unternehmen und zur eigenen Person (Stichwort: Echtheit und Glaubwürdigkeit) auszuwählen und einzusetzen. Bei der Entwicklung des Konzeptes hat es sich gezeigt, dass Elemente von Vorgehensmodellen und Methoden anderer Beratungsansätze3 integriert werden können und dass eine Reihe von Grundannahmen und Vorgehensweisen, die auch

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2 3

In das Projekt waren Unternehmen einbezogen, die über mehrere Jahre Umsatz- und Beschäftigungswachstum realisiert haben und dies auch für die Zukunft anstreben. In vielen Diskussionen mit Unternehmern, Beratern und Wissenschaftlern wurde immer wieder deutlich, dass Wachstum in KMU auch mit einer qualitativen Dimension verbunden sein muss und Umsatz und Beschäftigtenzahlen eher „Hilfs-Indikatoren“ zur quantitativen Beschreibung sind. Wachstum ist dabei ein Prozess, der nicht gradlinig verläuft und eindimensional gestaltbar ist. Kuhn, Rolf: Arbeit am persönlichen Beratungskonzept. In: Panorama 4/2001. S. 6. Chur. Dabei handelt es sich um Ansätze aus der personenzentrierten, der ressourcenorientierten und systemischen Beratung sowie aus der Personal- und Organisationsentwicklung.

Die „andere“ Beratung von KMU

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in anderen Konzepten für Veränderung in Unternehmen genutzt werden, hilfreich sind: —

Das Anstoßen und Verfolgen von Veränderungen mit Wachstumsbezug muss aus dem Unternehmen selbst kommen und ist oberste Führungsaufgabe. Die damit verbundenen Aufgaben und Prozesse bedürfen des Einsatzes verschiedener Ressourcen, nicht zuletzt bedürfen sie der, gerade auch in KMU raren Ressourcen Zeit und Geduld: Der Prozess von der Erkenntnis zum definierten Handlungsbedarf, über das Bewusstsein bis hin zu verändertem Verhalten ist zeitintensiv und dauert. Schnelle Anfangserfolge sind hilfreich, garantieren aber nicht automatisch den nachhaltigen Erfolg für die angestrebten Veränderungen.



Der Umgang mit zunehmender Unsicherheit und kaum vorhersagbaren veränderten Rahmenbedingungen erfordert Kompetenzen von Mitarbeitern und Unternehmen, die einem permanenten Entwicklungsprozess unterliegen: Aufhören beim Lernen, ist wie Aufhören beim Rudern gegen den Strom – man treibt zurück.



Eine funktions- und hierarchieübergreifende Kommunikation von Zielen, Herausforderungen, Erwartungen und angestrebten Ergebnissen im Projekt fördert Transparenz und Engagement. Es geht um die Vermittlung von Gesamtzusammenhängen, nicht um die einzelner Bausteine.



Die Experten sind im Unternehmen vorhanden. Ihr (fast immer zur Lösungsfindung ausreichendes) Wissen muss mit geeigneten Methoden für die anstehenden Herausforderungen sichtbar und nutzbar gemacht werden. Fallweise kann bei Bedarf externes Expertenwissen integriert werden.



Eine funktions- und hierarchieübergreifende Zusammenarbeit und Beteiligung von Mitarbeitern bei der Entwicklung neuer Lösungen führt zu „passenden“ Lösungen und erhöht deren Akzeptanz.



Die Art und Weise der Bearbeitung von anstehenden Veränderungen muss zur Kultur des Unternehmens passen bzw. in diese integrierbar sein.

Im Beratungsprozess ist zudem ein bewusstes Arbeiten mit Offenem und mit Verdecktem – mit beobachtbaren und nicht beobachtbaren Phänomenen – erforderlich, da Wirksamkeit von Veränderungsprozessen auch stark von mentalen Bildern der Beteiligten geprägt wird und diese analog dem Eisbergmodell nicht auf den ersten Blick zugänglich sind. Wie bei einem Eisberg sind viele Einstellungen, Denkmuster und Wertvorstellungen „unter der Wasseroberfläche“, im

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Inneren der Beteiligten verborgen und können nur im Dialog erkundet und in der gemeinsamen Reflexion beschrieben werden. Beratung beim Management des Wachstums Das entwickelte Konzept gibt Unternehmensleitungen und Beratern Orientierungen und Anleitungen für das Vorgehen bei der Bewältigung der Herausforderungen des Wachstums in unserer dynamischen Umwelt. Dazu sind im Konzept „Sieben Schritte der Wachstumsförderung“ beschrieben, die hier nicht einzeln und schrittweise nachvollzogen werden, da eine wesentliche Aufgabe und Leistung der Beratung in allen Schritten darin besteht, jeweils eine situationsspezifische Verknüpfung konkreter betrieblicher Rahmenbedingungen und Ressourcen anzustoßen und zu begleiten. Die Konstruktion des Konzeptes mit seinen Instrumenten berücksichtigt die Phasen Analyse, Planung, Umsetzung, Reflexion und Ergebniskontrolle, wie sie für fundierte Beratungsprozesse gängig sind bzw. sein sollten. Es eröffnet jedoch durch seinen systemischen oder ganzheitlichen Grundansatz die Chance und Möglichkeit für KMU, im Rahmen von Wachstumsprojekten die Bearbeitung operativer und strategischer Fragestellungen mit der Entwicklung ihrer Lern- und Veränderungsfähigkeit zu verknüpfen und auf diesem Wege ihre Wachstumskompetenz bewusst zu fördern bzw. zu entwickeln. Weitere zentrale Elemente des Konzeptes sind die Methode des Projektlernens und der Ansatz Hilfe zur Selbsthilfe. Zum Einstieg in den Beratungsprozess erfolgt die Diagnose der Wachstumskompetenz. Mit deren Ergebnissen kann der Berater in den Dialog mit dem Auftraggeber, in der Regel der Geschäftsführung, einsteigen, um gemeinsam die Herausforderungen des Wachstums und den zu bewegenden Wachstumshebel zu identifizieren, die Lern- und Verbesserungspotenziale des Unternehmens einzuschätzen und eine Idee für ein Wachstumsprojekt zu entwickeln. Anschließend erfolgen Schritte zur Planung, zur Initiierung und zur Durchführung des Wachstumsprojektes. Hier greift der Berater zur Strukturierung der Projekte und der gemeinsamen Arbeit mit der Projektgruppe zunächst scheinbar nur auf das klassische Instrumentarium zurück.4 Die Verknüpfung der Bearbeitung von konkreten Wachstumsherausforderungen mit der Kompetenzentwicklung 4

Workshops zur Visions- und Strategieentwicklung, Methoden aus dem Projektmanagement, Einsatz von klassischen Visualisierungs- und Dokumentationsformaten (Protokolle, Offene-Punkte- Listen, „Hausaufgaben“ zwischen einzelnen Treffen und Workshops u. a. m.)

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von Mitarbeitern und Organisation (KMU) im Rahmen der Definition von Lernzielen erfordert jedoch schon frühzeitig den Einsatz von Methoden und Instrumenten, die die mentale Seite, die „weichen Faktoren“ des Veränderungsprozesses berühren. Dabei ist die Einführung der Beteiligung von Mitarbeitern, die funktions- und hierarchieübergreifende Kommunikation und Zusammenarbeit, die gemeinsame Definition von Entwicklungszielen zur Gestaltung von Veränderungen kein Ursachen-Wirkung-Mechanismus, der beliebig „ein- oder ausgeschaltet“ und eindimensional, quasi „automatisch“ erfolgreich gestaltet werden kann. Vielmehr muss mit dem Auftraggeber im Unternehmen von Beginn an darüber kommuniziert werden, dass mit diesem Vorgehen Erwartungen geweckt und Veränderungen in der Kultur des Unternehmens eingeleitet werden, die – auch auf der verdeckten Seite, gewollt und ungewollt – ihre Wirkungen entfalten. Als Bild bietet sich hier vielleicht der „Zauberlehrling“ von Johann Wolfgang von Goethe an: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd‘ ich nun nicht los.“ Im Ergebnis dieser ersten Gespräche wird dann dem Auftraggeber auch klar(er) sein (werden), dass sein Unternehmen keine triviale Maschine, sondern vielmehr ein lebendiges System ist. Und dass sich deshalb keine Elemente des Systems allein verändern lassen, sondern vielmehr damit auch (nicht beabsichtigte) Auswirkungen auf andere Elemente hervorgerufen werden und somit bewusst zu berücksichtigen und zu gestalten sind. Die Sicht auf Unternehmen als soziale Systeme impliziert ein Vorgehen, das auch immer mit Widerständen, Umwegen und Rückschlägen5 bewusst umgeht, weil damit Bedeutungszusammenhänge transparent gemacht und darin liegende (Lern-)Chancen erschlossen werden können. Das Anregen zu (Selbst-)Reflexion, das Sichtbarmachen von Systemwissen für lösungsorientiertes Vorgehen, die Reduzierung von blinden Flecken zur Ableitung von Lern- und Entwicklungszielen, Einbau von Schleifen zur Reflexion, das Einholen der „Erlaubnis“, Umwege gehen zu dürfen, u. v. a. m. muss vom Berater methodisch beherrscht und so für die Beteiligten nutzbringend eingesetzt werden. Nach den Erfahrungen aus den Wachstumsprojekten sind hier Ansätze und

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So stiftete die Ankündigung eines Beraters, dass der Prozess vielleicht auch scheitern könnte, bei einem Geschäftsführer, der bisher nicht mit dieser Form von Beratung vertraut war, zunächst ziemliche Verwirrung.

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Methoden gefragt, die aus der Systemtheorie herrühren und in Formate, wie z. B. Coaching oder systemische Organisationsentwicklung, eingeflossen sind.6 So kann es bspw. eine erste Aufgabe für den Berater sein, gemeinsam mit dem Geschäftsführer die Zusammenhänge seines sozialen Systems zu erkunden und zu reflektieren, um anschließend gemeinsam die eigene Rolle im Unternehmen so (neu) zu definieren, dass es ihm möglich wird, sich eher aus dem operativen Geschäft zu lösen und stärker in die strategischen Aufgaben einzutauchen. Dies setzt dann jedoch voraus, dass die Kompetenzen für das operative Geschäft an anderer Stelle vorhanden sind bzw. entwickelt werden müssen, um eine Verlagerung der Geschäftsführertätigkeit erfolgreich zu gestalten. Deutlich erkennbar ist auch, dass ein Ansatz zur Beratung von KMU bei der Gestaltung und Förderung von Wachstum ein angemessenes Verhältnis von strategischer Zukunftsvorsorge und operativem Tagesgeschäft („Überleben“) ermöglichen und berücksichtigen muss und dass dieses Verhältnis immer wieder neuer Justierung bedarf. Diesen Anforderungen bei der Beratung nach dem Konzept Management des Wachstums kommt nach den Projekterfahrungen das Modell der Prozessberatung nach Edgar H. Schein7 am nächsten. Anknüpfend an die Metapher „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer“8 geht es dabei darum, die Beziehung zwischen Berater und Auftraggeber durch Kommunikation so zu gestalten, dass letzterer die passende Lösung selbst findet bzw. bei der selbstständigen Lösungsfindung unterstützt wird. Der Berater in seiner Rolle als Prozessbegleiter hat nicht zuerst die Lösung zu liefern, sondern ist vielmehr „Gebärhelfer“ für die zu entwickelnden und umzusetzenden Lösungen, die auf den dem Unternehmen innewohnenden Fähigkeiten und dem vorhandenen Wissen basieren. Dazu ist es notwendig, zum Auftraggeber Vertrauen aufzubauen, die Kommunikation zu befördern, Komplexität zu reduzieren, Sicherheit zu vermitteln, Geduld und Zurückhaltung zu üben. Er ist darüber hinaus gefragt, den Gestaltungsprozess so zu begleiten, dass verschiedene Interessen gehört und mög6

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So kamen in der betrieblichen Projektarbeit „zirkuläres Fragen“, „Skalierungsfragen“, „paradoxe Interventionen“, „lösungs- und ressourcenorientierte Ansätze“, „Metaphernarbeit, „Reframing von Sachverhalten“ u. a. m zum Einsatz. Schein, Edgar H.: Prozessberatung für die Organisation der Zukunft. 2003. S.21 Antoine de Saint-Exupery: Die Stadt in der Wüste (Citadelle). Düsseldorf: Karl Rauch Verlag. 2002

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lichst berücksichtigt, „passende“ Lösungen gemeinsam entwickelt und gefunden, Orte und Zeit für Reflexion gegeben und wahrgenommen werden. Die Erfahrungen zeigen auch, dass es bei diesem Vorgehen sinnhaft ist, keine 100 %-Lösungen zu entwickeln, sondern für den Umsetzungsprozess weitere Anpassungen und Optimierungen vorzusehen und im Sinne des Konzeptes diesen kollektiven Lernprozess zu moderieren. Letztlich haben unsere Diskussionen aber auch gezeigt: Der Versuch, einzelne Beraterrollen (erneut) zu beschreiben,9 deren Inhalte zu bestimmen und den Zeitpunkt ihrer Realisierung zu definieren, führt nicht zu einem ganzheitlichen Beratungskonzept. Die Anforderungen an den Berater und die Übergänge zwischen möglichen Rollen sind nicht trennscharf, sie sind überlappend und fließend. Um dem Anspruch des Konzeptes – Wachstum gezielt zu gestalten, Lernprozesse auf mehreren Ebenen zu implementieren und damit Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten – gerecht zu werden, sollte der Berater ein Selbstverständnis aufweisen bzw. entwickeln, dass auf den Prozess orientiert ist und ihn sich nicht direktiv bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben verhalten lässt. Wir haben im Projekt lange und oft über diese Grundhaltung kontrovers diskutiert. Einwände der Beteiligten waren meistens: „Ohne Fachwissen geht bei KMU gar nichts.“ Oder „Mit dieser Form der Beratung allein komme ich nicht weiter.“ Wie immer im Leben ist es auch hier so: Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, sondern auch viele Grautöne. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass es nicht (immer) um Prozessberatung in Reinkultur geht bzw. diese nicht immer sinnvoll und zielführend ist. Die Besonderheiten und Anforderungen von KMU berücksichtigend, kann auch ein Teil Expertenberatung hilfreich oder, wie Schein es beschreibt, ein Gang zum Arzt sinnvoll sein.10 Dazu gehört, wie bereits an anderer Stelle geschrieben, dass Beratung im KMU-Umfeld auch einen gewissen mittelstandsgeprägten Pragmatismus aufweisen muss. Fazit Das Konzept des Management des Wachstums ist gerade unter den heute sich gravierend und schnell verändernden wirtschaftlichen und demografischen Be9

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Beraterrollen wurden schon mehrfach herausgearbeitet und beschrieben. So unterscheiden Margulies/Raia schon 1972 Beraterrollen zwischen den Polen aufgabenorientiert (technischer Experte) und prozessorientiert (Begleiter). 1984 klassifizieren G.L. Lippit/R.Lippit Beraterrollen zwischen direktiv und nicht direktiv aus Sicht der Führungsinitiative von Beratern im Verhältnis zum Klienten. Schein, a.a. O. S. 32

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dingungen für KMU ein ganzheitlicher Ansatz, um die Unternehmen für die daraus resultierenden Anforderungen „fit“ zu machen. Für die Beratung bietet das Konzept die Möglichkeit, KMU dabei zu unterstützen, strategisch ausgerichtete und in betriebliche Zusammenhänge eingebettete Lernprozesse zu initiieren und zu verankern, um auf diese Weise Wachstumskompetenz zu entwickeln bzw. zu fördern. Mit diesem Konzept können Wachstumsberater11 den KMU helfen, sich von punktuellen Problemlösungen auf den Weg einer ganzheitlichen Organisationsentwicklung zu begeben. Für eine Reihe von Beratern wird die Aneignung dieses Konzeptes mit einer Veränderung ihres bisherigen Beratungsverständnisses einhergehen und auch einen Lernprozess auslösen bzw. erfordern. Andere werden sich bestätigt fühlen und das Konzept zur Erweiterung ihres Handlungsrepertoires kreativ nutzen. Denn es ist ein Konzept, dass mit Leben gefüllt werden muss. Mit einem Vorgehen nach diesem Modell werden sich die Chancen von Unternehmen erhöhen, die Herausforderungen des Wachstums zu bewältigen. Eine Erfolgsgarantie gibt es aber nicht.

Literaturnachweise Kuhn, Rolf (2001): Arbeit am persönlichen Beratungskonzept. In: Panorama 4/2001, S. 6. Chur. Lippitt, Gordon L.; Lippitt, Roland (1984): Beratung als Prozess: was Berater und ihre Kunden wissen sollten. Lund. (Leonberg. 3., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Rosenberger Fachverlag 1999). Margulies, Newton; Raia, Anthony, P. (1972): Organizational development: Values, process, and technology. New York. McGraw-Hill Book Company. Saint-Exupery, Antoine de (2002): Die Stadt in der Wüste (Citadelle). Düsseldorf: Karl Rauch Verlag. Schein, Edgar H. (2003): Prozessberatung für die Organisation der Zukunft. Der Aufbau einer helfenden Beziehung. Köln, Ed. Humanistische Psychologie. 11

Als Wachstumsberater bezeichnen wir Berater, die für Anwendung des Konzepts „Management des Wachstums“ qualifiziert und zertifiziert sind und danach arbeiten.

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Was nützt „Management des Wachstums“ Unternehmen und Beratern? Bewertung des Konzeptes aus wissenschaftspraktischer Sicht Von Klaus Semlinger

Die Zeiten werden härter. Bei aller Wertschätzung für die Leistungsfähigkeit des kleinbetrieblichen Mittelstandes und bei aller Begeisterung für den Mut der vielen neuen Existenzgründer – gerade Kleinstunternehmen und Unternehmensgründungen stehen unter Druck von vielen Seiten und können sich oft nur mit Mühe am Markt behaupten. Globalisierung und Digitalisierung als Megatrends weiten den Wettbewerbsraum auch für KMU deutlich aus. Deregulierungsprogramme aber auch die Konkurrenz aus der Schwarzarbeit verschärfen den Preiswettbewerb zusätzlich. Wenn der nicht zu Lasten von Renditen und Arbeitsbedingungen gehen soll, erfordert dies besondere Anstrengungen im Leistungswettbewerb. Gleichzeitig bieten neue Technologien, die Öffnung der Märkte und die Entstehung neuer Märkte, aber auch neue Chancen für unternehmerische Initiativen und Wachstum auch von kleinen Unternehmen. Um dem wachsenden Druck standhalten und die neuen Chancen nutzen zu können, bedarf es einer entsprechend ausgeprägten betrieblichen (Re-)Aktionsfähigkeit, die wiederum maßgeblich davon abhängt, inwieweit es dem Betrieb gelingt, Bedrohungen und günstige Gelegenheiten frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig abzuwehren bzw. zu ergreifen. Sich in seiner Nische einzurichten, wird immer weniger Kleinbetrieben gelingen, denn die Grenzen von Marktnischen werden zunehmend porös und ihre Existenz damit flüchtig. Ganz abgesehen davon: Wer wachsen will muss seine Nische ohnehin verlassen oder dafür sorgen, das die Nische wächst. Mit anderen Worten, der Horizont betrieblicher Entscheidungen und betrieblichen Handelns weitet sich auch für Klein- und Kleinstbetriebe. Die Beherrschung des Tagesgeschäftes reicht dementsprechend bei weitem nicht mehr aus. Gefragt ist vielmehr strategischer Weitblick und strategische Führung.

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In einer sich zunehmend dynamisch verändernden Umwelt sind aber selbst große Unternehmen kaum noch in der Lage, intentional geplante Langfriststrategien ohne Anpassungen zu verfolgen und umzusetzen. Die Strategiefähigkeit eines Unternehmens hängt zwar auch weiterhin an seiner Ressourcenausstattung bzw. an seinem Potenzial, Ressourcen zu mobilisieren. Immer wichtiger wird jedoch die Fähigkeit, eine klare Strategie flexibel an unvorhergesehene und unbeeinflussbare Änderungen in den Rahmenbedingungen anzupassen oder besser noch: ständig pro-aktiv weiterzuentwickeln. Gefragt ist neben einer korrespondierenden Flexibilität im Sinne von Veränderungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft also auch eine entsprechende betriebliche Lernfähigkeit und -bereitschaft, d. h. die Kompetenz neue Informationen aufzunehmen, sie in einen (strategischen) Sinnzusammenhang zu stellen und in neue Handlungserfordernisse und -möglichkeiten bzw. neue Entwicklungschancen zu übersetzen (vgl. Menzel 2009). Hier setzt der „kompetenzorientierte Managementansatz“ (North 2005) an. Dieser Ansatz sollte in dem von BMBF und ESF geförderten Projektverbund „Wachstum lernen“ von RKW Deutschland und Hochschule RheinMain – in Kooperation mit Betriebsberatern und kleinen mittelständischen Unternehmen – in ein konkretes Beratungs- und Entwicklungskonzept sowie in praxistaugliche Instrumente überführt werden. Vor dem Hintergrund empirischer Erkenntnisse zur strategischen Führung in Kleinbetrieben und auf Basis vieler Gespräche mit Projektbeteiligten sowie einer Sichtung der Projektdokumente und -ergebnisse ist dieses Vorhaben einer begleitenden Evaluation unterzogen worden. Um deren Ergebnis bereits an dieser Stelle kurz zusammenzufassen: Im Verlauf des Projekts ist es gelungen, einen komplexen theoretischen Bezugsrahmen auf ein operationales Abstraktionslevel herunter zu brechen und ein Set von Diagnoseinstrumenten und Handlungsanleitungen zu entwickeln, das – wie die vorgestellten Beispiele zeigen – richtig angewandt, nicht allein bei der Bewältigung konkreter betrieblicher Gestaltungsvorhaben hilfreich ist, sondern auch und gerade bei der Stärkung kleinbetrieblicher Strategiefähigkeit. Betriebsinterne Wachstumshemmnisse Viele Kleinunternehmen verzichten auch heute noch auf strategische Planung – weil deren Bedeutung verkannt wird, weil die Unternehmensleitung von den ressourcenseitigen Begrenzungen entmutigt ist oder weil man sich bereits aufgrund der (nicht allein zeitlich) beschränkten Management-Kapazitäten dazu gar nicht in der Lage sieht. Dabei könnte das strukturell höhere Flexibilitätspotenzial

Was nützt „Management des Wachstums“ Unternehmen und Beratern?

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kleiner Unternehmen die Benachteiligung in der Ressourcenausstattung zumindest teilweise wettmachen, wenn es denn tatsächlich strategisch genutzt werden würde. Die größenbedingt begrenzten Planungskapazitäten der Unternehmensführung ließen sich zudem dadurch ausweiten, dass das Wissen und die Kreativität der Belegschaft stärker in die entsprechenden Planungsprozesse eingebunden werden. Dabei gilt gerade für kleine Unternehmen das bereits oben formulierte Postulat: Wo Wandel zum Alltag wird, wird Lernen zur Pflicht, und zwar sowohl auf Personen- wie auch auf Organisationsebene. Damit sind die Themen Beratung und Weiterbildung angesprochen. Da sich kleine Unternehmen im Managementbereich auf keine ausgeprägte interne Arbeitsteilung stützen können, trifft man hier eher auf Generalisten, oder besser: auf Führungskräfte, die zwar möglicherweise durchaus über ein spezielles – oft technisch-fachliches – Know-how verfügen, die damit aber für ein höchst vielfältiges Aufgabenspektrum Verantwortung tragen. Obwohl Kleinbetriebe somit häufig nicht auf hausinternes Spezialwissen zurückgreifen können, nutzen sie externe Beratungsleistungen und Weiterbildungsangebote im Vergleich zu Großunternehmen aber eher selten. Die Ursache dafür ist wiederum häufig in der begrenzten Zahlungsfähigkeit, aber durchaus auch in einer (mehr als) zurückhaltenden Zahlungsbereitschaft zu suchen. Letztere geht dabei nicht selten auf überspannte Erwartungen und entsprechend enttäuschende Erfahrungen zurück. So erhoffen sich Kleinbetriebe sowohl von Beratungsleistungen als auch von Weiterbildungsangeboten, dass sie den spezifischen Bedingungen ihres Unternehmens Rechnung tragen, unmittelbar in die Praxis umsetzbar sind und rasch den erwünschten Nutzwert erbringen (Meyer u. a. 2007; Rink 2004). Angebot und Nachfrage auf dem Markt kleinbetrieblicher Unterstützungsleistungen passen somit häufig schon deshalb nicht zusammen, weil viele Kleinunternehmen zwar ein auf ihre speziellen Bedürfnisse und Möglichkeiten zugeschnittenes Programm suchen, aber allenfalls den Preis eines standardisierten Beratungs- oder Weiterbildungsproduktes zu zahlen bereit sind. Hinzu kommt, dass viele Kleinbetriebe auf strategisch ausgerichtete bzw. eingebettete betriebliche Lernprozesse gar nicht eingestellt sind (vgl. Jutzi u. a. 2000). Gleichzeitig fühlen sich viele Kleinbetriebsberater nur unzureichend auf diese Aufgabenstellung – betriebliche Lernprozesse anzustoßen und zu begleiten – vorbereitet und sehen deshalb für sich selbst einen entsprechenden Weiterbildungsbedarf (vgl. Meyer u. a. 2000). Manche Wachstums- und qualitative Entwicklungschance bleibt somit ungenutzt, weil es an der erforderlichen betrieblichen Planungs- und Umset-

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zungskapazität und -kompetenz fehlt und weil die meisten externen Unterstützungsangebote allenfalls dabei helfen, dieses Defizit punktuell zu kompensieren. Wachstumskompetenz lässt sich lernen Wachstum lässt sich planen und durch geeignete Maßnahmen befördern aber nicht garantieren. Gerade bei kleinen Unternehmen nehmen externe Rahmenbedingungen maßgeblichen Einfluss. Aber auch hier bestimmen sie nicht allein den betrieblichen Erfolg. Dies belegen stark wachsende Start-ups, die auch an etablierten Großunternehmen vorbeiziehen, vor allem aber die vielen Unternehmen, die sich auf gleichen Märkten besser als ihre Wettbewerber entwickeln und mitunter sogar gegen den Markttrend größer werden. Auch hier mögen Glück und Pech eine Rolle spielen, weil sich der Erfolg einer betrieblichen Strategie immer erst im Nachhinein erweist und auch die beste strategische Planung nicht vor Irrtümern gefeit ist. Immerhin lässt sich aber empirisch zeigen, dass vor allem solche KMU wachsen, die über eine strategische Planung verfügen und sich nicht (nur) von den Marktkräften treiben lassen (ENSR 1996). So gesehen mag Wachstum tatsächlich eine Frage des Glücks sein, aber in funktionierenden Wettbewerbssystemen ist es das Glück des Tüchtigen. Genau hier setzt deswegen das Beratungs- und Entwicklungskonzept „Management des Wachstums“ an. Es werden im Beratungsprozess dem Management keine fertigen Konzepte für die verschiedenen Herausforderungen des Wachstums angeboten, sondern eine Hilfe zur Selbsthilfe unter expliziter Einbindung der Mitarbeiter, die bislang nicht in entsprechende Planungsprozesse einbezogen waren, aufgezeigt. Es handelt sich also um eine spezifische Form der Prozessberatung, die deren systemischen Anspruch zum einen auf Wachstum – oder allgemeiner formuliert: auf „business development“ im umfassenden Sinne – fokussiert, und dabei zum anderen vor allem das betriebliche Lernen, d. h. letztlich die betriebliche Lernkompetenz – also eine entsprechende Einstellung und Fähigkeit bei Führung und Mitarbeitern sowie lernförderliche betriebliche Strukturen und Prozesse – voranzutreiben sucht. Konkrete Herausforderungen werden dabei zum Anlass genommen, eine klar umrissene Gestaltungsaufgabe zu definieren, die dann als „Lernprojekt“ angegangen wird, bei der es nicht allein um die Erarbeitung einer Lösung für diese Gestaltungsaufgabe geht, sondern um die Einübung neuer Formen betrieblichen Lernens. Für diesen Vorgang sind im Projekt sehr schlanke und damit gerade für Kleinunternehmen geeignete Diagnoseinstrumente und Handlungsleitfäden entwickelt worden.

Was nützt „Management des Wachstums“ Unternehmen und Beratern?

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Wie im Rahmen eines Entwicklungsprojekts nicht anders zu erwarten, wurden mit diesem Ansatz und Instrumentarium, die ja erst noch genauer auszuarbeiten waren, nicht in allen teilnehmenden Unternehmen die gleichen grundlegenden und nachhaltigen Effekte erzielt. Erschwerend kam hinzu, dass die spätestens in der ersten Jahreshälfte 2009 durchschlagende Wirtschaftskrise die betriebliche Aufmerksamkeit häufig anderweitig band. In der Mehrzahl der Unternehmen konnten bei der Erreichung der Gestaltungsziele dennoch mehr oder minder deutliche konkrete Fortschritte erzielt werden, und in nicht wenigen zeigten sich trotz der jeweils kurzen Projektlaufzeiten beträchtliche Effekte, was die Entwicklung der betrieblichen Lernkompetenz anging. So lernten manche Führungskräfte in der intensiven Auseinandersetzung mit ihren Mitarbeitern etwas über deren Erwartungen an Führung und darüber wiederum etwas über die Bedeutung klarer Werte- und strategischer Zielvorgaben. Umgekehrt konnten Mitarbeiter in den Lernprojekten die vielfältigen Herausforderungen unternehmerischen Handelns selbst erfahren, was in manchen Betrieben zu einer Verbreitung unternehmerischen Denkens führte und eine Delegation von Entscheidungsbefugnis und Führungsaufgaben erlaubte. Dort, wo dies der Fall war, ist es also nicht allein zu individuellem Lernen, sondern auch zu „organisationalem Lernen“ gekommen, in dessen Folge die Unternehmensführung entlastet und das betriebseigene Know-how besser ausgeschöpft wird, womit der für Kleinunternehmen typische Flaschenhals strategischer Planung und Steuerung wirksam ausgeweitet wurde. In einigen Unternehmen konnten die Projekte sogar bis zu ersten Ansätzen eines „doppelt-reflexiven Lernens“ (Marz/Dierkes 1997) geführt werden, d. h. hier wurde nicht nur die betriebliche Problemlösungskompetenz und strategische Planungsfähigkeit i. e. S. gestärkt, sondern die betriebliche Kompetenz, selbstständig strategische Lernprozesse zu initiieren und zu organisieren. Deutlich wurde allerdings auch, dass betriebliche Kompetenzentwicklung über „Lernprojekte“ mehr Zeit und ein (noch) größeres Maß an betrieblicher Mitwirkung erfordern als traditionelle Beratungsprojekte. Damit ist der Prozess höchst störanfällig für „Anfeindungen“ aus dem Alltagsgeschäft. Zudem ist gezieltes organisationales Lernen ein komplexes und voraussetzungsvolles Unterfangen, das Kompetenzen eigener Art erfordert, an denen es in Kleinunternehmen ohne professionelle Organisations- und Personalarbeit fehlt und die mit diesem Managementansatz ja auch erst entwickelt werden sollen. Eine Begleitung durch einschlägig qualifizierte Berater dürfte somit zu Beginn des Entwicklungsprozesses häufig unverzichtbar sein, und auch später dürfte sie zumindest hilfreich sein, um dem jeweiligen Vorhaben ein gewisses zeitliches Korsett zu geben und um

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es gegen die nur zu oft aufkommenden konkurrierenden Anforderungen des betrieblichen Alltags zu verteidigen. Der Weg zu einem professionellen „Management des Wachstums“ ist also durchaus mühsam und verursacht eigenen Aufwand. Die Erfolgsbeispiele zeigen jedoch, dass er sich lohnt.

Literaturnachweise ENSR – European Network for Social and Economic Research (1996): Das Europäische Beobachtungsnetzwerk für KMU, 4. Jahresbericht, Brüssel. Jutzi, K.; Delbrouk, I.;Müller, H. (2000): Lernen kleine Unternehmen anders?, München /Mehring: Rainer Hampp. Marz, L.; Dierkes, M. (1997): Schlechte Zeiten für ein gutes Gewissen? Zur karriere, Krise und Zukunft anwendungsorientierter Wirtschafs- und technikethik, Berlin: WZB-discussion paper FS II 97-103 Menzel, D. (2009): Wechselwirkungen zwischen Strategie- und Lernfähigkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen, München/Mehring: Rainer Hampp. Meyer, J.-A.; Schleuss, R.; Buchhop, E. (2007): Trends in der Beratung von KMU, Lohmar/Köln: Josef Eul. North, K. (2005) Kompetenzmanagement in der Praxis, Wiesbaden: Gabler. Rink, R. (2003): Off-the-job-Weiterbildungsmodelle für kleine und mittlere Unternehmen, Hamburg: Diplomica.

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Anwendungsbezogene Unternehmensbeispiele

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Einführung Von Michael Steinhöfel

Nachfolgend beschreiben Unternehmer sowie Berater, wie sie die Umsetzung der betriebsspezifischen Wachstumsprojekte vorangetrieben haben, was sie dabei erlebt und gelernt haben. Die Autoren der Fallbeispiele schildern dabei aus ihrer Perspektive, wie sie die Diagnoseergebnisse, die Modelle des Kompetenzorientierten Managements, des Management des Wachstums und des Projektlernens aufgegriffen, Schwerpunkte für die Projektarbeit gesetzt und diese mit Bezug zur betrieblichen Situation umgesetzt haben. In allen Fallbeispielen geht es dabei um Veränderungen, die Beschäftigte, Strukturen und Prozesse nachhaltig berühren und mit umfangreichen Lernprozessen für die Beteiligten verbunden waren. Die Fallbeispiele stammen aus den unterschiedlichen Phasen des Gesamtprojektes (siehe in diesem Band: Wissenschaftlich fundiert, pragmatisch einsetzbar – Entstehung des Konzeptes in Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis). Die Firmen KST Kraftwerks- und Spezialteile GmbH aus Berlin und XENON Automatisierungstechnik GmbH aus Dresden waren an der Entwicklungsphase beteiligt. Bei KST war der inhaltliche Fokus des Projektes auf die „Optimierung der Auftragssteuerung“ gerichtet. Schnell wurde dann deutlich, dass ein methodischer Schwerpunkt im gemeinsamen Lernen von Geschäftsführung und Mitarbeitern – im Projektlernen – liegen würde, um die aus dem Wachstum resultierenden Herausforderungen zu bewältigen. Bei XENON wurden die Ergebnisse der Wachstumsdiagnose mit Ergebnissen aus Mitarbeiter- und Kundengesprächen verknüpft, um einen komplexen Veränderungsprozess anzustoßen. In einem ersten Schritt sollten durch die gemeinsame Entwicklung und den Aufbau eines umfassenden Informationssystems Mitarbeiter zu unternehmerischem Handeln geführt werden. Die Erfahrungen und Ergebnisse aus beiden Projekten lieferten wichtige Anregungen, Hinweise und Impulse für die weitere Entwicklung und Ausgestaltung des Modells zum Management des Wachstums. In den Beiträgen aus der Umsetzungsphase über die Gestaltungsprojekte der Unternehmen DR. KNOELL CONSULT (Mannheim), Reha Vita (Cottbus), Document Service Center (Berlin) und die Maschinenfabrik Gustav Eirich (Hardheim), wird anschaulich beschrieben, wie das nun vorliegende Konzept zum Manage-

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ment des Wachstums genutzt wurde, um konkrete Wachstumsprojekte zu bearbeiten, und dabei Führungskräfte und Mitarbeiter gemeinsam Veränderungen gestaltet und gelernt haben. Bei der Firma DR. KNOELL CONSULT GmbH erfolgte die partizipative „Entwicklung von Laufbahnmodellen für Fach- und Führungskräfte“, um das schnelle Unternehmenswachstum zu beherrschen. Die Reha Vita GmbH nutzte ihr Wachstumsprojekt, um in einem gemeinsamen Prozess von Geschäftsleitung und Führungskräften die „Wertschätzende Führungskompetenz aus(zu)bauen und Teamarbeit erfolgreich (zu) gestalten“. Das Document Service Center arbeitete im Projekt daran, „Familienfreundlichkeit als Wachstumsstrategie“ gemeinsam mit Führungskräften und Mitarbeitern zu formulieren und erste Maßnahmen dazu umzusetzen. Bei der Maschinenfabrik Gustav Eirich GmbH & Co. KG erfolgte die „Einführung eines mitarbeiterbezogenen KVPSystems in der Produktion“ und seine strukturelle und methodische Verankerung durch die Qualifizierung und die gemeinsame praktische Umsetzung durch die Beteiligten.

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Vom Arbeitsvorbereiter und Werkstattmeister zur steuernden Führungskraft Optimierung der Auftragssteuerung bei der KST Kraftwerks- und Spezialteile GmbH Von Wolfgang Schichterich – GITTA mbH

1

Unternehmensdarstellung

Die KST Kraftwerks- und Spezialteile GmbH ist Fertigungsdienstleister für den hochwertigen Maschinen- und Anlagenbau. Kunden der KST GmbH sind Unternehmen wie Alstom Power, Siemens und Rolls-Royce. Produziert werden Teile für Kraftwerksturbinen, Brennkammern und den Triebwerksbau. Qualität, Tempo und Service sind die Grundlagen der Zusammenarbeit mit den anspruchsvollen Auftraggebern. Mit einer Fertigungskapazität von über 90.000 Stunden pro Jahr und 75 Mitarbeitern ist KST ein wichtiger Fertigungspartner für Spezialteile und Baugruppen. Dazu gehören insbesondere auch Gleitlager, die KST gemeinsam mit der GLS Gleitlagerservice GmbH fertigt. Hohe Kundenorientierung und Flexibilität sowie schnelle Reaktionszeiten sind Kennzeichen der Fertigung bei KST Kraftwerks- und Spezialteile GmbH in Berlin. In dem stark wachsenden Unternehmen gilt es, diese Merkmale in einer komplexeren Organisation auf hohem Niveau zu erhalten.

2

Ausgangslage

Als inhabergeführtes Unternehmen steuerten die beiden Geschäftsführer in der Vergangenheit den Prozess der Auftragsabwicklung bis tief in die operative Ebene. Diese Vorgehensweise, die bei einer Größe von 30 Mitarbeitern noch gut funktionierte, stieß angesichts der aktuellen Betriebsgröße an ihre Grenzen. Mit Blick auf eine weitere Expansion des Unternehmens in den nächsten Jahren beschloss die Geschäftsleitung daher eine Restrukturierung von Funktionen, Befugnissen und Verantwortungsbereichen.

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KST Kraftwerks- und Spezialteile GmbH

Leitende Mitarbeiter sollten zur Übernahme von mehr Managementaufgaben befähigt und ermächtigt werden, um den zukünftigen Herausforderungen bei der Auftragsabwicklung in der gewohnten Qualität gerecht zu werden. Im Einzelnen waren dabei folgende Herausforderungen zu meistern. 1. Die Zahl der zu bearbeitenden Aufträge überschreitet regelmäßig die Werkstattkapazität. 2. Während der Auftragsabwicklung kann es geschehen, dass der Kunde den Liefertermin nach vorne verlegt oder dass unvorhergesehene Terminverschiebungen (Fremdleistungen, Material) auftreten, die eine Neupriorisierung erfordern. 3. Während der Bearbeitung von Aufträgen kann es geschehen, dass „AAA“ Kunden einen Auftrag erteilen, der mit höchster Priorität durch die Werkstatt gebracht werden muss. 4. Eine Leitstand-geführte Auftragsteuerung löst nicht das Problem flexibler Anpassungen der Auftragsabwicklung. Die Entscheidung für eine Neupriorisierung erfolgt häufig nach der Regel: „AAA“ Kunden haben grundsätzlich Vorfahrt. 5. Entscheidungen zugunsten eines Auftrags gehen zu Lasten eines anderen: den Kunden müssen „schlechte Nachrichten“ überbracht werden. Die Werkstattsteuerung erfolgte unter diesen Bedingungen nur „auf Sicht“. Dadurch wurden die Auswirkungen von Neupriorisierungen und Abweichungen auf andere Aufträge erst spät sichtbar. Die Engpasssteuerung erfolgte spät, reaktiv und anekdotisch.

3 3.1

Projektdurchführung Wachstumsfähigkeit analysieren und Wachstumsziele bestimmen

Im Zuge der Wachstumsdiagnose bei KST wurde unter anderem deutlich, dass Entscheidungsbefugnisse und Verantwortung in der Vergangenheit nicht konsequent genug an die Mitarbeiter delegiert wurden. Die gewachsenen Strukturen des Unternehmens zeichneten sich eher durch Entscheidungsprozesse aus, die stark an die Geschäftsleitung gebunden waren. Insbesondere in kritischen Situationen hatte dies zur Folge, dass die funktionalen Gliederungen des Unterneh-

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mens (z. B. Arbeitsvorbereitung, Einkauf, Werkstattsteuerung) nicht optimal aufeinander abgestimmt agierten. Diese Problematik wurde als wachstumshemmend identifiziert. Im zu initiierenden Wachstumsprojekt galt es also, die Herausforderung „Wachstum bewältigen“ zu meistern. Mit Blick auf eine fortgesetzte Ausdehnung des Geschäftsvolumens und einer damit verbundenen Aufstockung der Belegschaft in der Werkstatt kam die Geschäftsleitung zu dem Schluss, dass die Auftragssteuerung nicht mehr wie bisher vorzugsweise über die Geschäftsleitung abgewickelt werden kann. In Anlehnung an das Modell des Wachstumsrades wurde im Projekt der Hebel „Organisation erweitern, Skalierung lernen“ bearbeitet (siehe Abb. 1).

Abbildung 1: Im Projekt bearbeiteter Wachstumshebel

3.2

Wachstumsprojekt initiieren

Zur Durchführung des Wachstumsprojektes wurde ein Projektteam bestehend aus Geschäftsführung, Projektleitern/Arbeitsvorbereitern und Werkstattleitern/ Meistern gebildet. Bei Bedarf wurden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus den Fachbereichen Administration und Einkauf einbezogen. Für die Projektstruktur und Vorgehensweise wurde das Modell des kompetenzorientierten Managements (KOM-Modell) als Orientierung gebende Landkarte

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KST Kraftwerks- und Spezialteile GmbH

für die Identifikation von Interventionspunkten und die prozessuale Gestaltung des Vorhabens zugrunde gelegt.1 Dabei stützte sich das Beratersystem in seinem Arbeitsansatz auf die Annahme, dass das (Sach- und Fach-)Wissen im Kundensystem, hier die KST GmbH, liegt. Um diese Wissensbestände zu aktivieren, erfolgte die Gestaltung der Lern- und Kommunikationsprozesse vor dem Wertehorizont des Systems und der dementsprechenden Ausprägungen in den Interaktions-, Verhaltens- und Erklärungsmustern. Ziel war es, durch die Vorgehensweise im Projekt Innovations- und Lernprozesse anzustoßen. Hierbei war die besondere Rolle der Unternehmensführung herauszustellen: Sie hatte Vorbildfunktion für die Bereitschaft, sich neuen Lösungswegen gegenüber offen zu zeigen. Und sie war modellbildend für die tatsächliche Umsetzung von Veränderungen im daily business. Auf der Ressourcenebene waren demgemäß die Aspekte „Wissen und Kompetenz“, „Kultur und Werte“ sowie „Führung und Organisation“ handlungsleitend. Auf der Geschäftsprozessebene war die Aufgabenstellung mit der geforderten Neujustierung des Auftragsabwicklungsprozesses klar definiert. 3.3

Verantwortung für das Wachstumsprojekt übernehmen

Die Zielbildung der Geschäftsleitung zur Optimierung der Auftragssteuerung umfasste im Einzelnen die folgenden Punkte:

1



Gewährleistung einer hohen Flexibilität der Arbeitsorganisation auch bei steigender Mitarbeiterzahl.



Delegation von Aufgaben und dazugehörigen Befugnissen von der Geschäftsführungsebene auf eine untere Steuerungsebene – hier die Projektleiter.



Sicherstellung der hohen Effizienz und Effektivität der Auftragssteuerung bei gleichzeitiger Reduzierung der Personenzentrierung.



Optimierung termin- und kostenrelevanter Teilprozesse in der Auftragssteuerung.



Befähigung der Mitarbeiter zur weiteren Übernahme erfolgskritischer Aufgaben mit erweiterter Entscheidungsbefugnis und Verantwortung.

vgl. hierzu Abb. 3 Modell des Kompetenzorientierten Management. In Beitrag: Steinhöfel, M.: Wissenschaftlich fundiert, pragmatisch einsetzbar – Entstehung des Konzeptes in Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis.

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Befähigung der Mitarbeiter mit Fach- oder/und Führungsverantwortung zur weiteren Ausprägung einer unternehmerischen Grundeinstellung („Entrepreneurship“).



Weiterentwicklung des bereichs- und hierarchieübergreifenden Wissenstransfers und Innovationsmanagements.

Nach Abwägung unterschiedlicher Modelle wurde für das Wachstumsprojekt folgender Lösungsansatz erarbeitet: —

Übertragung der Auftragssteuerung auf die zu diesem Zeitpunkt vier Arbeitsvorbereiter. Die neue Funktion wird als Projektleitung überschrieben und ist mit erweiterten Befugnissen und Verantwortungsbereichen ausgestattet.



Neu-Justierung der Schnittstelle Auftragsteuerung/Fertigungssteuerung. Dabei soll für die Umsetzung der Aufträge in der Fertigung nach wie vor die Werkstattleitung zuständig bleiben. Eine bisher händisch vorgenommene Planung, Steuerung und gegebenenfalls Anpassung der Bearbeitungsreihenfolge und Maschinenbelegung ist in ein IT-gestütztes Informations- und Monitoringsystem zu integrieren.



Schaffung eines Steuerungsgremiums, das als Regelkommunikation implementiert wird, um Abweichungen und Neupriorisierungen frühzeitig transparent zu machen. Engpässe werden durch die Betrachtung des gesamten Zeitkorridors der Auftragsabwicklung vorausschauender gemanagt. Entscheidungen zur Verschiebung von Prioritäten finden unter Abwägung unterschiedlicher Szenarien statt, die aus den Perspektiven des KeyAccount, der Projektleitungen, der Werkstattleitung und des Einkaufs betrachtet werden.



Die Konkretisierung und Operationalisierung von Lösungen erfolgt durch verstärkte Beteiligung der Mitarbeiter an der Themenbearbeitung.

Die partizipative Gestaltung des Entwicklungs- und Umsetzungsprozesses basiert auf einem ergebnisorientierten hierarchie- und funktionsübergreifenden Dialog und stellt die Akzeptanz für die gemeinsam gefundenen Lösungen sicher. 3.4

Lern- und Veränderungsprozess strukturieren und planen

Das Wachstumsprojekt hatte eine Laufzeit von neun Monaten vom Startworkshop bis zum Abschlussworkshop auf Geschäftsführungsebene.

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KST Kraftwerks- und Spezialteile GmbH

Um das Wissen im System wirksam werden zu lassen, wurden zwei Prozesse miteinander verschränkt: Top-down wurde sichergestellt, dass die Geschäftsinhaber miteinander ein Commitment darüber herstellen, mit welcher Zielstellung sie das Vorhaben verfolgen wollen. Mit einer gemeinsamen Klärung der Nutzenerwartung an die Zielerreichung wurde eine Plastizität der erhofften Effekte möglich, die eine eindeutige Kommunikation in Richtung Mitarbeiter unterstützte. Bottom-up wurde sichergestellt, dass die Sichtweisen, Erfahrungen und Vorschläge der Mitarbeiter das Gestaltungsvorhaben befruchten. Dadurch sollten nicht nur praktikable Lösungen zustande kommen. Durch den Prozess der Beteiligung wurde auch die Akzeptanz für die erarbeiteten Veränderungen und Vorgehensweisen stabilisiert. Um dem partizipativen Ansatz gerecht zu werden, wurde eine auf gemeinsamen Workshops von Geschäftsleitung und Mitarbeitern gestützte Vorgehensweise gewählt (siehe Abb. 2 und Abb. 3). Dieser partizipative Prozess wurde umrahmt von einer Zielbildung durch die Geschäftsleitung zu Beginn und eine Erfolgsbewertung zum Ende des Projektzeitraums.

Abbildung 2: Projektlandkarte: Kick-Off/Analysephase und Konzeptphase

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Abbildung 3: Umsetzungsphase und Abschluss

3.5

Lernen und Verändern

Das Projektlernen in diesem Vorhaben lässt sich aus fünf Perspektiven des Wissenstransfers betrachten (siehe Abb. 4).

Abbildung 4: Perspektiven des Wissenstransfers

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KST Kraftwerks- und Spezialteile GmbH

Konzepte Zunächst wurde beraterseitig davon ausgegangen, dass die Auftragssteuerung zumindest in ihren Grundzügen als stabiler Prozess dargestellt werden könnte, so dass es möglich sein würde, Modelle aus anderen vergleichbaren Betrieben an die Erfordernisse von KST anzupassen. Alle Beteiligten seitens KST waren sich jedoch darin einig, dass die Besonderheiten der Auftragsbearbeitung bei KST (AAA-Kunden mit Vorfahrt, Werkstattauslastung bei 120%, Veränderungen in der Priorisierung während der Auftragsabwicklung etc.) keine allgemeingültigen Konzepte zulassen. Vor diesem Hintergrund wurde der Weg gewählt, die wichtigsten Problemstellungen zu präzisieren und zu gewichten und hieraus lösungsorientierte Regeln oder Vorgehensweisen zu entwickeln. Da durch die Betrachtung des Einzelfalls nicht sicher auf alle ähnlich gelagerten Fälle geschlossen werden kann, musste eine Form der Kommunikation gefunden werden, bei der Probleme und Abweichungen möglichst früh, möglichst transparent untersucht und bearbeitet werden können, z. B. durch Einrichtung einer Steuerungssitzung. Wissen konkretisieren Die Kommunikation von Hürden und Hindernissen im Auftragsabwicklungsprozess erfolgte konkret und am praktischen Fall. Durch einen hierarchieübergreifenden Dialog konnten Lösungen gefunden werden, die sich auf Erfahrungswissen, Intuition und allgemein verfügbare Wissensbestände (z. B. Monitoringsystem) stützen, Theoretische Lösungsansätze für Fragen wie, z. B.: „Muss eine Einzelverantwortlichkeit für die Gesamtsteuerung der Aufträge eingerichtet werden oder lässt sich diese Verantwortlichkeit auf mehrere Schultern verteilen (Projektleitermodell)?“ oder: „Brauchen wir ein Leitstandsystem?“ wurden zunächst auf ihre Praxistauglichkeit überprüft. Daraus wurden passfähige Lösungen entwickelt, die auf sich die Bedingungen und Besonderheiten des Systemhandelns stützten. Lernprozesse Alle Workshops im Projekt erfolgten unter Moderation seitens der Berater. Dies erlaubte den Mitgliedern von KST, sich vollständig auf die zu lösenden Sachfragen zu konzentrieren. Die beraterseitig unterstützte Gesprächsform lehnte sich an das Modell von Kantor an (siehe Abb. 5).

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Abbildung 5: Handlungsrollen im Dialog

Durch diese Dialogkultur wurde ein Prozess der gemeinsamen Abwägung von Lösungsalternativen auf gleicher Augenhöhe abgesichert, unabhängig von der Stellung in der Hierarchie des Unternehmens. Ferner erlaubte diese Vorgehensweise eine echte und wirksame Form der Beteiligung aller Teilnehmer der Workshops. Insbesondere die Tatsache, dass es in diesem Modell keine „Behinderer/ Blockierer“ gibt, beförderte einen offenen Diskurs. Eine (selbst)kritische Betrachtung von Vorgehensweisen und Lösungspraktiken erfolgte angstfrei und richtete sich eindeutig auf Lernzuwachs (anstelle z. B. der Suche nach Schuldigen). Hierdurch konnten auch Einwände und Bedenken fruchtbar gemacht und für die Suche nach adäquaten Lösungen genutzt werden. Systemwissen Die KST GmbH ging aus der Ausgründung einer Werkstatt hervor, in der ca. 20 Facharbeiter nebst Ingenieuren tätig waren. Bei dieser Größenordnung herrschte die Atmosphäre einer Manufaktur vor, in der relevante Informationen und steuernde Interventionen auf dem Wege der direkten Ansprache kommuniziert werden konnten. Bis heute nennt sich der Fertigungsbereich „Werkstatt“. Die Anforderungen an standardisierte Informationssysteme und Dokumentation waren demzufolge eher gering ausgeprägt. Mit dem Zuwachs von Mitarbeitern und einer zunehmend komplexer werdenden Fertigung entstand eine bis dato nicht gekannte Unübersichtlichkeit.

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Das Geschäftsmodell von KST basiert auf hoher Flexibilität und Innovationsfähigkeit in der Schaffung fertigungstechnischer und prozessualer Lösungen. Insofern war es nur folgerichtig, dass auch die Frage der Neuorganisation der Auftragssteuerung mit hohem Sachverstand in den partizipativ zusammengesetzten Workshops entwickelt werden konnte, nachdem sich die Geschäftsleitung auf das Projektleitermodell als Lösungsansatz festgelegt hatte. Das Modell, die Auftragssteuerung auf mehrere Projektleiter zu verteilen und bei Engpässen einen kollektiven Abwägungs- und Entscheidungsprozess anzustoßen, stellt an das vorhandene Informations- und Monitoringsystem (I&M-System) neue bzw. erweiterte Anforderungen. Hier konnte auf bereits zurückliegende Vorhaben der Verbesserung des I&M-Systems zurückgegriffen werden, die in der Vergangenheit aber nie zum Abschluss gebracht wurden, weil die vertrauten Kommunikationsmuster aus der Welt der Manufaktur funktionierten und ausreichten. Mit der neuen Zielausrichtung war es nun möglich, bereits entwickelten Ideen neuen Schwung zu verleihen und Systemwissen in dem Gestaltungsvorhaben wirksam werden zu lassen. Ähnliches traf auch für die Neujustierung der Schnittstelle Werkstattsteuerung/Auftragssteuerung zu. Sobald klar wurde, welchen Nutzen eine Veränderung vertrauter Routinen haben würde, wurde es möglich, auf die vorhandenen Wissensbestände, insbesondere die das implizite Wissen („Erfahrungswissen“), zuzugreifen und sie für die Lösung der gestellten Aufgaben im Projekt nutzbar zu machen. Die neu eingerichtete Steuerungssitzung mit ihren Spielregeln ist u. a. Ausdruck dieses Prozesses. Die Berater waren hier nicht so sehr als Wissensvermittler gefragt sondern spielten überwiegend die Rolle der Ermöglicher von Interaktionen, die an das Wissen des Systems heranführten. Vernetzung Das Gesamtvorhaben beinhaltete vier Entwicklungsworkshops, zu denen alle Unternehmen, Berater sowie die wissenschaftlichen Begleiter eingeladen waren. Aus Unternehmenssicht war insbesondere der Austausch über die betriebliche Praxis in den Gestaltungsvorhaben anregend. Dabei wurde deutlich, worin sich die Unternehmen, die ausgewählten Gestaltungsaufgaben und die darin gewählten Vorgehensweisen voneinander unterschieden. Dadurch gewann KST mehr Klarheit darüber, was das eigene Handeln auszeichnet, z. B.: die iterative Vorgehensweise bei der Lösungssuche, die Bewusstheit für den Umstand, dass immer erst nach der Entscheidung und ihren Folgen klar wird, ob sie richtig war („Wir dürfen auch mit unserem Lösungsversuch scheitern“), der hohe Grad an Beteiligungsorientierung in jeder Phase des Projektes. KST sah sich überdies darin bes-

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tätigt, dass „Lehrbuchlösungen“ nicht der passende Weg sein würden sondern dass eine eklektische Herangehensweise angemessenere Antworten auf die gestellten Fragen verspricht („richtig ist, was hilft“). 3.6

Projekt- und Lernergebnisse bewerten und den Projektverlauf reflektieren

Mit Ende des hier vorgestellten Projektes wurden konkrete Lösungen auf Sachzielebene entwickelt und in die Praxis umgesetzt: —

Installation der Funktion Projektleiter: • Delegation erweiterter Befugnisse auf die bisherigen Funktionsstelle „Arbeitsvorbereitung“. • Entlastung der Geschäftsführungsebene durch Verteilung der Aufgaben und Verantwortung für Auftragssteuerung auf die nächste Steuerungsebene. • Erhöhung der Entscheidungstransparenz bei der Auftragspriorisierung durch Verteilung der Verantwortlichkeiten auf eine Gruppe von Funktionsträgern und Schaffung einer Aushandlungsregel bei konfligierenden Priorisierungen. • Verbesserung gegenseitiger Vertretbarkeit in der Aufgabenwahrnehmung.



Implementierung einer regelmäßigen Steuerungssitzung: • Einführung eines neuen Formats der Regelkommunikation. • Transparenz bei Absprachen zwischen Projekt- und Werkstattleitern. • Sicherstellen eines schnittstellenübergreifenden operativen Auftragsmanagements durch Einbeziehung von Einkauf, Logistik und Fertigungssteuerung. • Effizienzgewinn und Transparenz bei Abstimmungsprozessen an der Schnittstelle Auftragssteuerung/Fertigungsplanung.



Weiterentwicklung des Monitoringsystems: • (Weitgehende) Ablösung der händischen Dokumentation und Prozesssteuerung durch ein IT-gestütztes System. • Erstellung eines Lastenheftes für optimierte IT-Lösungen an der Schnittstelle Auftragssteuerung/Fertigungssteuerung als Vorbereitung zur weiteren Qualifizierung des Monitoringsystems.

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Ferner wurden folgende Lernergebnisse erzielt: —

Die beteiligten Mitarbeiter haben erfolgreich einen Prozess des „Empowerment“ durchlaufen und nehmen als Projektleiter erfolgskritische Aufgaben mit erweiterter Entscheidungsbefugnis und Verantwortung wahr.



Die beteiligten Mitarbeiter haben ihre kommunikativen Fähigkeiten insbesondere in Aushandlungsprozessen innerhalb des Unternehmens und in der direkten (Nach)Verhandlung mit dem Kunden weiter entwickelt.



Die Projektbeteiligten mit Fach- und/oder Führungsverantwortung haben ihre unternehmerische Grundeinstellung („Entrepreneurship“) weiter ausgeprägt.



Die Geschäftsführer haben erfolgreich wichtige Entscheidungen- und Verantwortungsbereiche im operativen Geschäft an ihre Mitarbeiter übertragen und dadurch die Vertrauenskultur des Unternehmens gefestigt.

Alle am Projekt Beteiligten haben einen iterativen und dialogischen Prozess der Lösungssuche erfahren und mitgestaltet. Hierbei konnte sich jeder mit seiner Expertise und seinem Erfahrungswissen gleichberechtigt einbringen. Die Erfahrung gegenseitiger Wertschätzung und fehlerfreundlichen gemeinsamen Lernens hat zu einer starken Identifikation mit den Ergebnissen beigetragen und die Besprechungskultur im Unternehmen angereichert. 3.7

Ergebnisse transferieren und für Wachstum nutzen

Am Ende des neunmonatigen Gestaltungsprojektes zur Bewältigung der mit dem Wachstum verbundenen Herausforderungen befand sich KST in der Einführungsund Test-Phase der angestoßenen Veränderungen. Nun musste sich die Praxistauglichkeit beweisen. Diese fand in einem aufgrund der Wirtschaftskrise „ruhigeren“ Umfeld statt, was es insbesondere den Projektleitern erleichterte, sich in die neue Rolle einzufinden und die hierzu geschaffenen Kommunikationsformate in der neu installierten Steuerungssitzung einzuüben. Die Geschäftsleitung entwickelte sich parallel dazu in ihrer Rolle als Mentor und Coach, um den Entscheidungsprozess der Projektleiter und der Werkstattleitung in der Steuerungssitzung zu qualifizieren, ohne diesen selbst wieder in die Hand zu nehmen, was einem Rückfall in das alte Rollenprofil bedeutet hätte.

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Fazit und Ausblick für die Zukunft

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die erarbeiteten Lösungen konkret und praxisrelevant sind, hohe Akzeptanz genießen und tatsächlich zeitnah von der Planung zur Umsetzung gebracht werden konnten. Die ersten Effekte auf die Auftragssteuerung sind mehr Transparenz über den Status der Auftragsbearbeitung und Einflussgrößen, die eine Planabweichung hervorrufen. Hierdurch kann früher mit Plananpassungen reagiert werden. Für die Fertigungssteuerung werden damit bessere Voraussetzungen in der Organisation der Maschinenbelegung geschaffen. Der gesamte Workflow lässt sich auf diese Weise übersichtlicher darstellen und erleichtert eine proaktive Steuerung der Auftragsbearbeitung auch bei unvorhergesehenen Belastungsspitzen. Für die Zukunft wurden drei Handlungsfelder identifiziert: —

Die Rolle der Projektleitung erfordert eine ständige Weiterentwicklung kommunikativer Kompetenzen nach innen (z. B. zum Einkauf und zur Werkstattleitung hin) wie auch an der Schnittstelle zum Kunden/Auftraggeber.



Das veränderte System der Auftragssteuerung erfordert weitere Veränderungen in der Organisation und Handhabe der Fertigungssteuerung. Mit Blick auf eine weitere Expansion der Fertigung wird in diesem Zusammenhang mittelfristig auch über eine Funktionsabgrenzung von Werkstattmeistern und Werkstattleitung nachzudenken sein.



Das abzuarbeitende Lastenheft für ein zukunftsfähiges Informations- und Monitoringsystem erfordert einen nächsten Entwicklungsschritt in der Anpassung bzw. Schaffung angemessener Softwarelösungen. Hierbei wird kurzfristig zu entscheiden sein, ob der Weg einer fortgesetzten Einzelanpassung vorhandener Programme weiter beschritten werden soll oder ob der Einkauf einer anpassungsfähigen Komplettlösung zur Fertigungssteuerung auf SAP-Basis eher geeignet ist, die Bedarfe bei KST zu bedienen.

Für die Entwicklung kommunikativer Kompetenzen der Projektleiter sind Schulungen zu soft-skills im Rahmen der Personalentwicklung geplant. Für den Folgeprozess zur Bearbeitung der Themen Fertigungssteuerung und I&M-System beabsichtigt das Unternehmen, auf die Erfahrungen aus dem Gestaltungsprojekt zurückzugreifen und die identifizierten Handlungsfelder in einem

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KST Kraftwerks- und Spezialteile GmbH

beteiligungsorientierten Lösungsansatz konzeptionell zu entwickeln und umzusetzen. Für die beraterische Intervention hat sich der Grundsatz der Aktivierung von Systemwissen als erfolgversprechender Ansatz erwiesen. Es ist durch die gewählte Vorgehensweise gelungen, die vorhandene Expertise und Berufserfahrung in der KST GmbH für die Erreichung die Projektziele nutzbar zu machen. Hierzu wurde ein Arbeitsprozess organisiert, der eine zielführende Struktur in lernförderlichen Formaten gewährleistete. Externes Fachwissen wurde dort eingesteuert, wo es ausdrücklich von den Beteiligten abgefragt wurde. Insgesamt hat sich in diesem Vorhaben das Angebot einer Komplementärberatung, d. h. sinnvoll miteinander verzahnter Prozess- und Fachberatung, bewährt.

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Das Wachstumsprojekt von KST im Überblick:

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Unternehmens-Know-how erhalten und vernetzen Aufbau eines mitarbeiter- und prozessorientierten Wissensmanagementsystems bei der XENON Automatisierungstechnik GmbH Von Gerd Friese und Tobias Reißmann

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Unternehmensdarstellung

Die im Jahr 1990 gegründete XENON Automatisierungstechnik GmbH ist in den letzten 10 Jahren, sowohl im Umsatz als auch in den Mitarbeiterzahlen, zweistellig gewachsen. Das Hauptarbeitsgebiet des Unternehmens liegt im Bereich des Sondermaschinenbaus, das heißt, der individuellen kundenspezifischen Projektierung, Konstruktion und Fertigung von Produktionsanlagen für die Branchen Automotive, Elektronik, Photovoltaik und Medizintechnik. Innerhalb der einzelnen Prozessschritte entstehen eine Vielzahl von Dokumenten, beginnend beim ersten Kundenkontakt, bei der Erarbeitung der Spezifikation, der Vertragsgestaltung, der Konstruktion, der Beschaffung der notwendigen Komponenten, der Steuerungsentwicklung bis hin zu komplexen Unterlagen und Zeichnungen für die Endmontage, den Test- und Prüfverfahren zur Inbetriebnahme und den Serviceunterlagen. All diese Unterlagen befinden sich im Unternehmen an unterschiedlichen Orten und liegen in unterschiedlichen Formaten vor. Zur Steuerung der gesamten Auftragsabwicklung ist im Unternehmen bereits ein modernes ERP-System implementiert. Aufgrund der hohen Spezialisierung der ca. 120 Mitarbeiter (davon je zur Hälfte Ingenieure und Facharbeiter) befindet sich aber immer noch der weitaus größte Teil des Wissens in deren Köpfen.

2

Ausgangslage

In Mitarbeitergesprächen wurde festgestellt, dass im Zuge der Individualisierung der einzelnen Tätigkeiten und der damit verbundenen punktuellen Informationsanhäufung auch das Bedürfnis der Mitarbeiter zum Informationsaustausch stark

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XENON Automatisierungstechnik GmbH

angestiegen ist. Dabei handelt es sich nicht nur um einen Austausch auf fachlicher Ebene, vielmehr wurde der Wunsch geäußert, mehr über die Zusammenhänge des Produktionsablaufes (aktuelle Änderungen von Prozessen und Dokumentationen tangierender Prozesse) bis hin zum Stand der Ergebnisentwicklung des gesamten Unternehmens zu erfahren, um sich selbst positiv einbringen zu können. Zusätzlich wurde durch die Mitarbeiter angemahnt, mehr und zeitnah Informationen zu Personalveränderungen bis hin zu außerdienstlichen Mitarbeiteraktivitäten und aller sonstigen die tägliche Arbeit, sprich das gesellschaftliche Leben des Unternehmens, betreffenden Vorhaben zu erhalten. In der Auswertung der vorliegenden Mitarbeiterhinweise wird durch die Geschäftsleitung angestrebt, mit der Einführung eines Wissensmanagementsystems einen weiteren wichtigen Schritt in der qualitativen Entwicklung des Unternehmens in Richtung Zukunft zu gehen. Mit der Beteiligung von XENON am Projekt „Wachstum lernen – lernend wachsen“ wurde ein erster Schritt gemacht, um das komplexe Entwicklungsziel „Aufbau eines das gesamte Unternehmen und seine Mitarbeiter einbeziehendes Wissensmanagementsystems“ zu bearbeiten.

3 3.1

Projektdurchführung Wachstumsfähigkeit analysieren und Wachstumsziele bestimmen

Die Ergebnisse des Managementreports zur Analyse der Wachstumssituation von XENON warfen die Frage auf, in welcher Form sie mit der Gesamtzielstellung des Vorhabens in Einklang zu bringen sind (siehe Abb. 1). Einzelne analysierte Defizite zu entwickeln, ohne den Gesamtzustand des Unternehmens zu kennen, birgt die Gefahr in sich, genau das Gegenteil zu erreichen. Nach unserer Auffassung war also zunächst die Frage zu beantworten, wie sich die im Report verwendeten Dimensionen in ein komplexes Entwicklungsszenario einordnen lassen und welchen direkten Einfluss sie auf die Entwicklung eines mittelständischen Unternehmens haben.

Unternehmens-Know-how erhalten und vernetzen

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Abbildung 1: Ergebnisübersicht Managementreport 2009

Gemeinsamer Startpunkt war also die Bewertung der Ergebnisse des Managementreports. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Punkte): A: Wachstumsorientierung von Vision, Leitbild, Strategie und Zielen speziell: Unterstützung der Unternehmensziele durch die Mitarbeiter B: Nutzung der Ressourcen des Geschäftsumfeldes für Wachstum speziell: Erschließung von Ressourcen des Standortes für Wachstum C: Wachstumsorientierung der Innovation und Lernprozesse speziell: Lernförderliche Gestaltung der Arbeitsorganisation D: Wissen und Kompetenz speziell: Systematik des Kompetenzmanagements E: Ergebnisse als Voraussetzung für weiteres Wachstum speziell: Leistungsfähigkeit als Basis für künftiges Wachstum speziell: Wettbewerbsvorteil Qualität und Innovationsfähigkeit

92

3.2

XENON Automatisierungstechnik GmbH

Wachstumsprojekt initiieren

Aufgrund der Komplexität der Aufgabe bei XENON war eine Lösung bis ins Detail im vorgegebenen Projektzeitraum nicht möglich. Innerhalb des Wachstumsprojekts wurde sich daher auf die Klärung der grundsätzlichen Fragestellungen zur Vorgehensweise konzentriert. Aus der Auseinandersetzung zu den Grundsatzthemen heraus erwuchs ein intensiver und für beide Seiten spannender Prozess der individuellen Kompetenzentwicklung. Der hohe Grad der gegenseitigen Akzeptanz ermöglichte es, schnelle effiziente Lösungen für die Etablierung des Wissensmanagementsystems als Führungssystem auf dem Weg zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bei XENON zu finden. 3.3

Verantwortung für das Wachstumsprojekt übernehmen

Projektlernen Projektlernen ist Erfahrungslernen. Es bietet die Voraussetzung dafür, dass im Entwicklungsprozess alle wichtigen Kompetenzbereiche – Selbst-, Sach-, Sozialund Methodenkompetenz – schrittweise entwickelt und so Beteiligte zu Akteuren gemacht werden können. In definierten Projekten entlang der Kompetenzstufen wird, begonnen bei der Geschäftsführung, die vorhandene komplexe Handlungssituation analysiert und mittels entdeckendem, erfahrungs- und handlungsintensivem Lernen zielorientiert entwickelt So erworbenes Wissen ist auch zukünftig verfügbar und wird nicht so schnell wieder vergessen. Stufenmodell – Wissenstransfer bis zum Mitarbeiter Die Integration der Methode des Projektlernens obliegt zunächst dem externen Coach. Im Laufe der Aufgabenrealisierung erfolgt ein Übergang der methodischen Vorgehensweise zu den Akteuren. Ist eine Stufe im Bereich Geschäftsführung erfolgreich abgeschlossen, erfolgt die Übergabe der Verantwortlichkeiten an die zweite Führungsebene und von dieser an die Mitarbeiter. Ab diesem Zeitpunkt übernimmt die Geschäftsführung voll verantwortlich den Part des Coachs. Innerhalb dieser Stufen wird mit klar definierten Zielvorgaben gearbeitet, welche über Feedback-Schleifen mit der jeweils höheren Ebene verbunden sind. Mit der expliziten Definition von Lernzielen für die Beteiligten ist die Möglichkeit verbunden, am Projektende den erreichten Entwicklungsstand zu evaluieren.

Unternehmens-Know-how erhalten und vernetzen

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Abbildung 2: Kompetenzstufen und Entwicklungsebenen (Quelle: Dr. Gerd Friese in Anlehnung an Kompetenztreppe von Klaus North)

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Dabei spielt der Stand des erreichten Wissens der beteiligten Mitarbeiter eine wichtige Rolle. Wissensmanagement ist ein zusammenfassender Begriff für alle operativen Tätigkeiten und Managementaufgaben, die auf den bestmöglichen Umgang mit Wissen abzielen.1 Mittels der Wissenstreppe2 wird der Zusammenhang zwischen Wissen als persönlicher Fähigkeit des Einzelnen (womit er bestimmte Aufgaben ausführen kann) und seiner Wettbewerbsfähigkeit am Markt klar definiert (siehe Abb. 2). Klarer stellt sich die Thematik dar, wenn einzelne den Entwicklungsstand eines Unternehmens charakterisierende Organisationsebenen zur Wissenstreppe zugeordnet werden. So wird der Bezug von der Einzelperson zu komplexen Organisationsstrukturen hergestellt. Auf dieser Basis konnte der Ausgangszustand von XENON bestimmt und eine erfolgsorientierte Vorgehensweise entwickelt werden. (Abb. 2). Die Transparenz und einfache Zugänglichkeit von betrieblichen Informationen, von Prozessabläufen und von Know-how ist für ein Hightech-Unternehmen der Schlüssel zum Erfolg. In Anlehnung an diese Feststellung wurden die Ziele des KOM-Gestaltungsprojekts3 zur Bewältigung des Wachstums wie folgt beschrieben: Stufe 1 Entwicklung und Implementierung eines Mitarbeiter-Informationssystems als zentrales Führungsinstrumentarium der Geschäftsführung. Ziel: Motivation der Mitarbeiter, indem diese an ihrem Arbeitsplatz alle notwendigen die Unternehmensorganisation und -entwicklung betreffenden Informationen schnell und aktuell zur Verfügung gestellt bekommen und sie ihre Meinungen und Hinweise direkt äußern können.

1 2 3

http://de.wikipedia.org/wiki/Wissensmanagement North, Klaus (2002): Wissensorientierte Unternehmungsführung: Wertschöpfung durch Wissen. Gabler Verlag, Wiesbaden. S. 39. In der ersten Phase des Projektes „Wachstum lernen – lernend wachsen“ diente das Kompetenzorientierte Managementmodell (KOM) als orientierungsgebend für die Gestaltung von Veränderungsprozessen in wachsenden Unternehmen und gilt weiterhin eine Basisannahme für die Umsetzung des Konzeptes zum Management des Wachstums.

Unternehmens-Know-how erhalten und vernetzen

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Erwarteter Nutzen: Erhöhung des Engagements und der Loyalität der Mitarbeiter gegenüber dem Unternehmen. Stufe 2 Erweiterung der Stufe 1 zum Prozess-Informationssystem Ziel: Steigerung der Produktivität, Qualität und Rentabilität im Wertschöpfungsprozess (Kunde bis Auftrag; Projektvorbereitung; Entwicklung, Fertigung und Inbetriebnahme von Kundenanlagen; After-Sale-Service) durch direkte Einbindung der Mitarbeiter in die gesamte Ablaufgestaltung und Schaffung der Grundlagen zur Einführung einer mitarbeiterbezogenen Ergebnisbeteiligung. Erwarteter Nutzen: — Rückverfolgbarkeit der Produktionsschritte durch Dokumentation. — Vermeidung von Falsch- oder Fehlbauten sowie Nacharbeit. — Verkürzung der Durchlaufzeiten, Verbesserung der Termintreue und Flexibilität. — Optimierung des Materialflusses und Reduzierung der Logistikkosten. — Prozesssicherheit und Transparenz in der Fertigung. Stufe 3 Erweiterung der Stufe 2 – Informationsvernetzung und Kompetenzentwicklung Ziel: Eine Wissensdatenbank bildet die Grundlage für das Sammeln der Informationen, die für die Wissenserweiterung einer Organisation benötigt werden. Sie beinhalten neben den bereits in Stufe 1 und 2 integrierten Inhalten zusätzlich Problemlösungsbeschreibungen, Informationen über interne Standardisierungen, Fachartikel, Trends, Marktentwicklungen usw. Erwarteter Nutzen: — Bündelung und Veröffentlichung des im Unternehmen vorhandenen Wissens wie etwa Informationen aus dem Gedächtnis der Mitarbeiter, Inhalte der Kommunikation mit den Kunden usw. — Wissen geht nicht mehr verloren, wenn Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens den Arbeitsplatz wechseln oder das Unternehmen verlassen. — Die Einarbeitungszeit neuer Mitarbeiter wird signifikant verkürzt.

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3.4

XENON Automatisierungstechnik GmbH

Lern- und Veränderungsprozess strukturieren und planen

Wir benötigten also zur Lösung der Aufgabe einen komplexen Entwicklungsrahmen und eine geeignete Methodik. Verwendet wurde hier ein Szenario namens AnaDeS®, welches einerseits auf den bekannten Vorgaben zur Bewertung der Bonität mittelständischer Unternehmen nach Basel II aufsetzt und anderseits die Inhalte des Intellectual Capital Werteschemas von Skandia nach Edvinsson/ Brüning 2000 berücksichtigt. Ursache/Wirkung – die Einordnung der analysierten Defizite in das Entwicklungsszenario Alle im Managementreport herausgearbeiteten Inhalte lassen sich dem Bereich Zukunftsvorsorge des Entwicklungsszenarios zuordnen. Es ist also anzunehmen, dass diese Defizite Auswirkungen auf die Effizienz und Effektivität aller Ablaufenden Aktivitäten und Prozesse in der Gegenwartsbeherrschung haben und schließlich ebenso zu einer möglichen Veränderung von Performance, Profitabilität und Stabilität von XENON führen. Serviceanalyse des Unternehmens mittels Selbstbewertung Um diese aufgestellte Hypothese zu überprüfen, hatte die Geschäftsführung eingewilligt, eine detaillierte Situationsanalyse über den Weg der Selbstbewertung mittels des Entwicklungsrahmens durchzuführen. Wird der Vergleich zum Managementreport hergestellt, so zeigt sich die Verknüpfung der einzelnen Positionen zueinander klar und deutlich. Ist die Unternehmensorientierung nicht eindeutig, wirkt sich dies auf alle nachfolgenden Aktivitäten aus. Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmer der Selbstbewertung eingestehen, die Marktpotenziale und damit auch den Grad der Abhängigkeit vom Markt nicht in der erforderlichen Tiefe zu kennen. Eine starke Übereinstimmung der einzelnen über den Managementreport recherchierten Entwicklungspotenziale ist zum Themenkomplex „Mitarbeiter und Organisation“ festzustellen. Man könnte hier von einer „Lawine“ sprechen, welche, je höher sie in der Wirkungskette (von der Unternehmeridee bis zum Ergebnis) angestoßen wird, zu nachhaltigeren Störungen in den jeweils nachfolgenden unternehmerischen Geschäftsprozessen führt. Ist die Marktsituation nicht bis ins Detail bekannt, so kann sich dies negativ auf die akquisitorischen Bemühungen des Unternehmens auswirken. Anders ausge-

Unternehmens-Know-how erhalten und vernetzen

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drückt, besonders bei schnellen Marktveränderungen besteht die Gefahr, den Kontakt zu den richtigen Kunden und damit zu lukrativen Aufträgen zu verlieren. Eine weitere bekannte Auswirkung bei nicht perfekt formulierter Orientierung ist, dass verunsicherte Mitarbeiter Dinge im Arbeitsablauf tun, welche die Wertschöpfung nicht voran bringen – Arbeit wird gedehnt. Sind die Leistungskreisläufe nicht transparent genug, fällt dies im operativen Geschäft zunächst kaum auf, zeigt sich jedoch über die Zeit. Die Produktivität sinkt ab. Orientierung Die Klarheit in der Kommunikation und die Übereinstimmung der Inhalte sind entscheidend für das Verständnis und damit die Wirkung auf den Empfänger. Eine Übereinstimmung wird dann erreicht, wenn die Unternehmervision klar erarbeitet, überprüft, niedergeschrieben und kommuniziert, aber auch von den Adressaten verstanden und als etwas positives aufgenommen wird. Die ermittelten Ergebnisse der Orientierungsanalyse offenbaren, dass die Unternehmervision von den Führungskräften bei XENON unterschiedlich interpretiert und bewertet wird. Die Meinungen im kommunikativen Bereich differenzieren sich. Hier entwickelt sich eine Problemstellung, welche in ihrer Brisanz durch die Geschäftsführung bereits im Vorfeld richtig erkannt wurde und deshalb innerhalb des Organisationsentwicklungsprojektes von den Grundlagen her mit bearbeitet werden konnte. 3.5

Lernen und Verändern

Entwicklung einer Prozesslandkarte entsprechend DIN EN ISO 9001:2008 Die Prozesslandkarte (siehe Abb. 3) ermöglicht den Einstieg in die Abläufe des Unternehmens. Sie erlaubt dem Betrachter, das gesamte betriebliche Handeln strukturiert vom Groben zum Feinen zu erforschen. Im Mittelpunkt stehen folgende Fragestellungen: —

Wie funktioniert das Unternehmen?



Welche Tätigkeiten muss ich für eine bestimmte Aufgabe wann und mit wem durchführen?



Wo werden bestimmte Formblätter verwendet?



An welchen Prozessen ist eine bestimmte Person wie beteiligt?

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Die Prozesse sind der Norm folgend in die Kategorien Führungsprozesse, Kernprozesse und Unterstützungsprozesse aufgeteilt. Zu jedem Prozess müssen die relevanten Daten (Formblätter, externe Dateien, Links usw.) und Prozessverantwortliche definiert werden. Zwischen Daten und Ablauf wurde strikt getrennt. Im Prozess wird der Ablauf zur Erstellung eines bestimmten Dokumentes beschrieben. Das Dokument kann als Datei im Filesystem, als Verknüpfung am Prozess oder als Link im Mitarbeiterinformationssystem bereitgestellt werden. Da die Prozessvisualisierung ausschließlich intern genutzt wird, ist es wichtig, den Einstieg grafisch so zu gestalten, dass er für jeden Mitarbeiter leicht zu bedienen ist. Die Realisierung wurde mit der Software ViFlow durchgeführt. Es galt die Prozesslandkarte so zu gruppieren, dass eine überschaubare Anzahl von Prozessen übrig bleibt, welche alle anderen (Teil)Prozesse in sich aufnehmen können.

Abbildung 3: XENON-Prozesslandkarte

Festlegung der Detaillierungstiefe der Prozesse Ausgehend von der XENON-Prozesslandkarte als Übersichtsbild erfolgte der Einstieg ins System. Definiert wurden drei Unterebenen (Teilprozess, Prozessschritt und Aktivität). Diese Ebenen wurden so zum Mitarbeiterinformationssystem ver-

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linkt, dass eine einfache Bedienung ermöglicht wird. Grundsätzlich ist eine weitere Aufspaltung in Teilaktivitäten usw. möglich, bleibt jedoch der Entscheidung der jeweiligen Verantwortlichen überlassen. Mitarbeiterinformationssystem – Anforderungen, Auswahl und Bereitstellung Zur Erfassung und Verwaltung von Mitarbeiterwissen wurde ein System gesucht, das folgenden Anforderungen genügt. Das System muss • webbasiert sein; • offenen Standards folgen; • die Möglichkeit zur Kommunikation der Benutzer untereinander bieten; • eine Vernetzung von Wissensverwaltung – Kommunikation- und Information zulassen; • die Interaktion mit einem Prozessmanagementsystem ermöglichen sowie • möglichst kostenneutral sein. Nach ausführlicher Recherche und Funktionalitätsvergleichen fiel die Wahl auf die OpenSource Software TikiWiki, welche als einziges System die Anforderung zur Gesamtintegration von Information, Wissensverwaltung und Kommunikation unter einem Dach vereint. XENON – Intranet Vom Prozessmanagementsystem ViFlow aus ist es möglich, die entsprechenden Prozesshierarchien im Wissensmanagementsystem anzuwählen, um erweiterte Informationen zum Prozess zu erhalten. Dies wird über eine webbasierende Verlinkung beider Systeme gewährleistet. Ebenso erfolgt eine Verknüpfung zu Dokumenten und allgemeinen Daten im File-System. Hierbei können die Zugriffsrechte auf die entsprechenden Daten und Informationen exakt gesteuert werden. Das Verhalten im Wissens- und Prozessmanagementsystem – im XENON Intranet – unterliegt Regeln und einem Kodex. Demzufolge werden alle Beiträge durch die Moderatoren bewertet, müssen möglicherweise redaktionell geändert oder notfalls auch gelöscht werden. Zur Steuerung wird auch hier ein umfangreiches Rechtemanagement eingesetzt. Mitnehmen der Mitarbeiter – vom KÖNNEN zum WOLLEN! Wenn Prozess- und Kommunikationssystem integriert und freigegeben sind, stehen die benötigten Werkzeuge zum Schließen der Feedback-Schleife zur Verfü-

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gung (siehe Abb. 2). Sie sind und bleiben aber immer nur Mittel zum Zweck. Es kann von einem Mitarbeiter nicht erwartet werden, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, wenn er den Sinn des Inhalts nicht erkennen kann. Mission bis CI – Anpassung der Zielorientierung In erster Instanz geht es um die interne Orientierung. Der Wechsel in den Verantwortungsstrukturen führt zwangsläufig zu einem erhöhten Informationsbedürfnis bei den Mitarbeitern. Es entsteht eine Pattsituation, getragen von den positiven Erfahrungen aus der Vergangenheit und den möglichen Gefahren in der Zukunft. Es besteht also eine latente Gefahr, dass sowohl die Stimmung ins Positive als auch ins Negative umschlagen kann. Der stetige Druck, als Unternehmer bzw. Geschäftsführer ein klares Unternehmensprofil zu entwickeln, ist immens. Es ist die Aufgabe eines guten Unternehmers, alles zu tun, damit seine Mitarbeiter klar ausgerichtet und damit hocheffizient und innovativ arbeiten können. Das ist seine „Dienstleistungsaufgabe“ (siehe Abb. 4). Sein Arbeitsgebiet ist die Schaffung von Zukunftssicherheit. Für die Bewältigung der Gegenwart, wo das operative Geschäft zu bewältigen ist, hat er seine Mitarbeiter.

Abbildung 4: Mission bis CI

Unternehmens-Know-how erhalten und vernetzen

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Eine Neuorientierung beginnt also nicht beim Neuformulieren der Inhalte, sondern bei einer öffentlichen, transparenten und nachvollziehbaren Verhaltensänderung. Es geht nicht um das „Vorleben“. Worauf es stattdessen ankommt, ist die klare Verbindung von Worten und Taten. Diese Übereinstimmung muss sich weniger auf das eigene Vorbild beziehen, als auf eine klare Führung in die Zukunft. Mitarbeitereinbindung – der individuelle Vertrag „Management ist Kommunikation“ (Peter F. Drucker). Der in den vergangenen Jahren erlebte Wirtschaftsabschwung ist für den Erfolg eines einzelnen Unternehmens auch eine Chance, sich mit seinen besonderen Möglichkeiten vom Wettbewerb abzuheben. Ein Weg ist, das Wissen und die Erfahrung der Mitarbeiter intensiver für die Ziele der Firma einzusetzen. Das beste Mittel dafür sind gut organisierte Mitarbeitergespräche (vgl. Abb. 5).

Abbildung 5: Phasen des Mitarbeitergesprächs

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Abbildung 6:

Der KV-Prozess

Aktivierung des „Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses“ (KVP) – Schließen der Feedback-Schleife (siehe auch Abb. 2) Oftmals wird KVP (siehe Abb. 6) als die Wunderwaffe zur Lösung aller Probleme im Unternehmen gesehen. Es wird aber vergessen, dass vor der Aktivierung drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: 1. Das Unternehmen muss sich in einer positiven Kosten-/Erlös-Situation befinden. 2. Prozesse und Verantwortlichkeiten müssen klar definiert sein und funktionieren. Es kann nur verbessert werden, was transparent ist.

Unternehmens-Know-how erhalten und vernetzen

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3. Eine klare Zukunftsorientierung gibt die Sicherheit für das Fortbestehen des Arbeitsplatzes. Voraussetzung dafür ist, dass jeder Mitarbeiter seine Entwicklungsmöglichkeiten kennt und diese auch wahrnimmt. Alle hervorragend entwickelt und inhaltlich gestalteten Prozess- und Mitarbeiterinformationssysteme nutzen nichts, wenn sie nicht den inneren Entwicklungsprozess eines Unternehmens unterstützen, d. h. durch die Mitarbeiter akzeptiert und angenommen werden. Da die Nutzung moderner Arbeitsmittel mit zum Gegenstand der Mitarbeitergespräche gemacht wird, kann so die Feedback-Schleife geschlossen werden. Dazu ist es jedoch notwendig, dass die vorhandenen Anreizsysteme so weiter entwickelt werden, dass sie die Beziehungsebene erreichen. Wichtig ist, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass materielle Anreize allein keine ausreichende Triebkraft für die Etablierung eines KV-Prozesses sind. 3.6

Projekt- und Lernergebnisse bewerten und den Projektverlauf reflektieren

Projektergebnisse Unter Beachtung der Projektdefinition und den gemachten Einschränkungen konzentrierte sich die Begleitung durch den Coach auf die Ebene der Geschäftsführung. In diesem Rahmen wurde ein Mitarbeiterinformationssystem als zentrales Führungsinstrument der Geschäftsführung entwickelt. Es ermöglicht allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einen einfachen Zugang zu Unternehmensinformationen und betrieblichem Fachwissen. Parallel hierzu wurde ein Prozessinformationssystem eingeführt, um die Produktivität, Qualität und Rentabilität der Wertschöpfungsprozesse zu steigern und Mitarbeiter in die gesamte Ablaufgestaltung direkt einzubinden. Beide Systeme sind verkoppelt und im XENONIntranet implementiert. Zusätzlich haben die Akteure die Möglichkeit, in einem virtuellen Forum über Prozessabläufe und aktuelle Themen zu diskutieren. Stufe 1: Mitarbeiterinformationssystem Die Methodik wurde entwickelt, Software ausgewählt, integriert, getestet und wird mit Beginn der Mitarbeitergespräche freigeschaltet. Stufe 2: Prozessinformationssystem Das Prozessinformationssystem wurde durch Neudefinition der Führungs-, Kernund Unterstützungsprozesse unter Beachtung der aktuellen DIN EN ISO 9001: 2008 sowohl in den Inhalten als auch in der grafischen Bedienoberfläche angepasst.

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Stufe 3: Informationsvernetzung und Kompetenzentwicklung Mitarbeiter- und Prozessinformationssystem sind miteinander verkoppelt. Mit Beginn der Mitarbeitergespräche steht das Wissensmanagementsystem als Werkzeug komplett zur Verfügung. Alle notwendigen Inhalte zur Nutzung sind, soweit es zeitlich unter den gegebenen Bedingungen möglich war, mit der Geschäftsleitung besprochen. Lernergebnisse Das Unternehmen hat die Voraussetzungen für eine Unternehmenskultur entwickelt, welche den veränderten Bedürfnissen der Mitarbeiter nach Information und Kommunikation Rechnung trägt. Durch die kontinuierliche Reflexion der Projekt- und Lernergebnisse konnte das Projektteam kontinuierlich seine Sensibilität für die Veränderungsprozesse stärken. Die Mitarbeiter haben auf diese Weise gelernt, dass Sie durch einen intensiven Wissensaustausch ihre Projektarbeit effizienter gestalten können. Aufgrund der hohen gegenseitigen Achtung und Akzeptanz war es möglich gemeinsam effiziente Lösungen für den Aufbau und die Etablierung des Wissensmanagementsystems im Unternehmen zu finden. 3.7

Ergebnisse transferieren und für Wachstum nutzen

Zum gezielten Aufbau der für das Unternehmen so wichtige Ressource „Wissen und Kompetenz“ will XENON zukünftig verstärkt auf Lernprojekte dieser Art setzen. Die Kombination aus herausfordernden Lernzielen, Lernen am Arbeitsplatz und kontinuierlicher Reflexion ist idealerweise als fester Bestandteil von Veränderungsprojekten in die Unternehmensentwicklung zu integrieren. Als ersten Schritt auf diesem Weg will Xenon das entwickelte Wissensmanagementsystem für Online-Lernprojekte zum Einsatz im KV-Prozess nutzen.

4

Fazit und Ausblick für die Zukunft

„Durch die Globalisierung der Märkte, der dynamischen und komplexen Entwicklung neuer Technologien und nicht zuletzt durch den verstärkten internationalen Wettbewerb wird eine tief greifende Veränderung im Managementverhalten unentbehrlich. Heutige Unternehmungen werden mit neuen Herausforderungen konfrontiert, insofern zeigt sich eine unabdingbare Notwendigkeit, sich

Unternehmens-Know-how erhalten und vernetzen

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gemäß diesen veränderten Rahmenbedingungen in adäquater Weise anzupassen, um künftige potenzielle Krisen besser bewältigen zu können.“4 Ein KOM- bzw. Wachstumsprojekt ermöglicht es, im Unternehmen eine erneute Sensibilisierung für die o. g. Thematik zu erreichen. Dabei ist es unwichtig, über welche Problemstellung der Einstieg erfolgt. Es besteht die Chance, den eingeschliffenen täglichen Arbeitsablauf zu verlassen und den Blick in die Zukunft zu richten. Jede Führungskraft weiß, dass dies notwendig ist. Allerdings ist der Schritt, von der „rationalen“ Erkenntnis hin zur „emotionalen“ Verinnerlichung, es auch wirklich zu tun, kein einfacher. Entscheidend für den Erfolg des Gesamtprojektes ist die rechtzeitige Initiierung eines projektbegleitenden Lernprozesses. Dieser beginnt bei den Gesellschaftern bzw. Geschäftsführern und endet letztendlich bei den Mitarbeitern. Die Erkenntnis, Veränderung als etwas Normales zu sehen, ist bei XENON nicht neu. Ein weiterer Schritt, eine solche auf stetiger Veränderung und Anpassung beruhende Unternehmenskultur unter Nutzung eines Wissensmanagementsystems zu etablieren, wurde mit diesem Projekt gegangen. Besonders hervorzuheben ist jedoch, dass in diesem Projekt nicht nur über Kommunikation geredet wurde, sondern sie als die entscheidende Voraussetzung für den zukünftigen Markterfolg gesehen wird. Wer diese im eigenen Unternehmen beherrscht, kann den Schritt zum internationalen Markt in Ruhe gehen. Schlussbemerkung Wir bedanken uns beim gesamten Projektteam von XENON und ganz besonders bei Herrn Ralf Kasielke und Herrn Stephan Wagner. Ohne Ihre intensive Mitarbeit, ohne ihr Engagement wäre ein solch komplexes Thema niemals in einer derart kurzen Zeit zu bewältigen gewesen.

4

Slamanig, Markus (2003): Business Prozess Reengineering. GRIN Verlag, München.

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XENON Automatisierungstechnik GmbH

Das Wachstumsprojekt von XENON im Überblick:

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Gemeinsam lernen und verbessern Einführung eines mitarbeiterbezogenen KVP-Systems in der Produktion bei der Maschinenfabrik Gustav Eirich GmbH & Co. KG Von Silke Balbierz – Komzept Beratungsgesellschaft

1

Unternehmensdarstellung

Die Maschinenfabrik Gustav Eirich GmbH & Co. KG wurde im Jahre 1863 gegründet. Ursprünglich Hersteller von Landmaschinen für Sägewerke, Forst- und Landwirtschaft, hat sich das Familienunternehmen zu einer international operierenden Maschinenfabrik – der heutigen Eirich-Gruppe – entwickelt. Diese umfasst einen weltweiten Verbund von Produktionsstätten und Serviceniederlassungen mit 1.200 Mitarbeitern. Im Hauptwerk in Hardheim werden nicht nur Einzelmaschinen (Fassungsvermögen von 1 l bis 12.000 l) geplant und hergestellt, sondern auch komplette Aufbereitungsanlagen, wovon etwa 80 % weltweit exportiert werden. Eirich baut und liefert auf über 300 Anwendungsgebieten Einzelmaschinen und Anlagen zur Aufbereitung von Gemengen, Rohstoffen, Abfällen, Rest- und Wertstoffen. Typische Anwendungsgebiete sind Baustoffe, Gießerei, Keramik, Glas, Chemie, Metallurgie, technische Produkte, Agrochemie sowie Umweltschutz. Intensive Entwicklungsarbeiten, eine hohe Fertigungstiefe und der dazu passende Leitspruch: „Alles aus einer Hand“ von der Beratung über Personalschulungen, Wartung und Ersatzteilservice kennzeichnen das Unternehmen.

2

Ausgangslage

Für die Maschinenfabrik Gustav Eirich GmbH & Co. KG wurde es zunehmend schwieriger, das stetig steigende Auftragsvolumen zu bewältigen, ohne Personal aufzustocken. Die Anforderung des Marktes nach kürzeren Liefer- und Durchlaufzeiten kam erschwerend hinzu. Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit wurde nach Alternativen gesucht, die eine Produktivitätssteigerung bei gleich-

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Gustav Eirich GmbH & Co. KG

bleibender Qualität zur Folge haben und nicht unbedingt eine Erhöhung der Mitarbeiterzahl nach sich ziehen. Um sich weiterhin in einem dynamisch und komplex strukturierten Markt behaupten zu können, schien eine Verbesserung der Produktionsprozesse in Richtung eines modernen Produktionssystems unausweichlich. Aus diesen Gründen war es notwendig, Rahmenbedingungen zu schaffen und zu gewährleisten, die dazu führen, dass insbesondere Mitarbeiter im Shop-floor-Bereich – also auf unterster Ebene der Hierarchie – langfristig ihr Know-how in das Unternehmen einbringen, aber auch bei Entscheidungen stärker eingebunden werden. Vor diesem Hintergrund suchte Eirich nach Konzepten, die es ermöglichen, Wissen, Ideen und Fähigkeiten der Mitarbeiter systematisch und konsequent zu nutzen.

3

Projektdurchführung

Im vorliegenden Wachstumsprojekt wurde der Prozess des Projektlernens in mehreren logisch aufeinander aufbauenden Schritten gegliedert. Zunächst wurden aus der Wachstumsdiagnose die Herausforderungen an das Unternehmen Eirich abgeleitet, danach wurde der primäre Wachstumshebel bestimmt und die strategischen Ziele für das Gestaltungsprojekt festgelegt. Im Anschluss daran wurde die Projektgruppe gebildet und ein Einführungskonzept für ein mitarbeiterbezogenes KVP-System erarbeitet. Nach der Bildung operationaler Ziele wurden die Lernziele auf Ebene der Organisation und Ebene verschiedener Mitarbeiter(gruppen) ermittelt und formuliert. Im Anschluss daran wurden für jeden Projektschritt Gestaltungsaufgaben entwickelt und Lerngruppen definiert, um den Lern- und Veränderungsprozess voranzutreiben. Parallel wurde ein Controllingsystem aufgebaut, um Ergebnisse aufzuzeigen und Entwicklungen bzw. Tendenzen im System zu identifizieren. Während des gesamten Projektverlaufs gab es Schleifen, in denen der Prozess des Lernens und Veränderns reflektiert wurde. 3.1

Wachstumsfähigkeit analysieren und Wachstumsziele bestimmen

Die Wachstumsdiagnose bei Eirich ergab, dass das Unternehmen über Wachstumspotenziale insbesondere bei der Ressource „Wissen und Kompetenz der Mitarbeiter“ verfügte, die es nun besser zu nutzen und weiterzuentwickeln galt. Es zeigte sich, dass der unternehmensweite Austausch und die Weitergabe von Wissen und Ideen der Mitarbeiter gezielt gefördert werden sollten, um die Nutzung des vorhandenen Wissens zu verbessern.

Gemeinsam lernen und verbessern

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Mit dem Projekt wurde schließlich die Herausforderung „Wachstumspotenziale heben“ bearbeitet (siehe Abb. 1): Zur systematischen Bewältigung der damit verbundenen Veränderungen sollten Prozesswissen und Ideen der Mitarbeiter gefördert und konsequent für die Verbesserung der Produktionsabläufe und Produkte des Unternehmens nutzbar gemacht werden. Als primär zu bewegender Wachstumshebel wurde „Wissen und Kompetenz aufbauen“ gewählt, um das Methodenwissen und die entsprechende Handlungsfähigkeit beim Management und den Mitarbeitern zu erweitern. Als Voraussetzung hierfür mussten eigenverantwortliche Aufgaben an die Mitarbeiter übertragen werden, wodurch auch unternehmerische Denk- und Handlungsweisen zu entwickeln waren.

Abbildung 1: Wachstumsrad, Wachstumsherausforderung und bearbeiteter Wachstumshebel

Unter Beachtung der Ausgangslage des Unternehmens lag daher die Einführung eines KVP-Systems nahe. KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) ist eine Methode der Organisationsentwicklung, um Vorgehensweisen und Produkte eines Unternehmens in einer systematischen und effektiven Form kontinuierlich und gemeinsam zu verbessern. Ein wesentlicher Bestandteil ist hierbei die Förderung, Erfassung und Auswertung von Verbesserungsvorschlägen durch die eigenen Mitarbeiter. Ergebnisse aus der Praxis bestätigen, dass mittels KVP beispielsweise Produktivitätssteigerungen, Durchlaufzeitverkürzungen, Kostensenkungen sowie Reduzierung von Nacharbeit und Ausschuss um etwa zehn Prozent erreicht werden können. Darüber hinaus ist KVP ein wesentlicher Baustein moderner Produktionssysteme.

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Die Unternehmensleitung hat sich bewusst für ein mitarbeiterbezogenes KVPSystem entschieden: Die Mitarbeiter an der Basis sollten vorrangig mehr Verantwortung an ihrem Arbeitsplatz übernehmen, Probleme lösen und Verbesserungen initiieren. Das Eirich-spezifische KVP-System wurde folgendermaßen definiert: „Als mitarbeiterbezogenes KVP bezeichnen wir ein KVP-System, in dem Themen aus dem direkten Arbeitsumfeld, mit Bezug zu Zeit, Kosten und Qualität systematisch bearbeitet werden. Problembearbeiter sind Mitarbeiter, die das Problem aus eigener Erfahrung kennen und gemeinsam eine Lösung entwickeln.“ Für dieses Vorhaben wurden mehrere Sach- und Lernziele festgelegt. Abbildung 2 gibt einen Überblick über das Zielsystem. Bei den Sachzielen ist dabei zwischen quantitativen und qualitativen Zielen zu unterscheiden. Zu den quantitativen Zielen gehörten: Ca. 30 KVP-Sitzungen durchführen, 80 % der Verbesserungsvorschläge umsetzen und ca. 100 Mitarbeiter einbeziehen. Als qualitative Ziele wurden festgelegt: Installierung eines mitarbeiterbezogenen KVP-Ansatzes sowie Erweiterung des arbeitsplatzbezogenen Wissens und der Handlungsfähigkeit.

Abbildung 2: Zielsystem des Vorhabens

Die vereinbarten Lernziele bezogen sich zum Teil auf die Organisation als Ganzes und auf einzelne Mitarbeiter beziehungsweise auf eine Mitarbeitergruppe. Die beiden Lernziele auf Ebene der Organisation waren: Fähigkeit, einen Change-Management-Prozess zu organisieren und zu stabilisieren sowie Verantwortung zu delegieren. Die Lernziele für die KVP-Koordinatorin lauteten: Organisa-

Gemeinsam lernen und verbessern

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tionsverständnis und Projektmanagement. Für die Gruppe der KVP-Moderatoren wurde das Lernziel Methodenkompetenz vereinbart und auf Ebene der Mitarbeiter galten die beiden Lernziele Aufmerksamkeit und Verantwortungsbewusstsein. 3.2

Wachstumsprojekt initiieren

Die Einführung von KVP wurde als Wachstumsprojekt konzipiert und durchgeführt. Die Projektgruppe bestand aus einem festen Kernteam (Referentin Personalentwicklung und Beraterin) und Fachexperten, die temporär hinzugezogen werden konnten. 3.3

Verantwortung für das Wachstumsprojekt übernehmen

Die Geschäftsleitung, insbesondere der Betriebsleiter, unterstützte von Anfang an das Projekt, traf wichtige Entscheidungen (z. B. Beiträge im Gestaltungsworkshop, Auswahl der KVP-Koordinatorin) und gab dem Projektteam während des gesamten Prozesses volle Rückendeckung. Die Rollen der Geschäftsleitung lassen sich beschreiben mit den Begriffen Promotor, Entscheider, Motivator und Ressourcenbereitsteller. Das Projektteam übernahm die Verantwortung für das Gesamtprojekt sowie die terminliche und inhaltliche Gestaltung der einzelnen Projektschritte. Inhalt und Verlauf der einzelnen Projektschritte wurden gemeinsam reflektiert, mögliche Änderungen und Konsequenzen diskutiert und Moderatoren in ihrer Arbeit unterstützt. Begriffe wie: Koordinator, Planer, Organisator, Unterstützer, Systemund Prozess-Prüfer kennzeichneten die Rollen des Projektteams. Die Rolle der Beraterin wechselte mit den Anforderungen im Projekt zwischen Moderatorin, Erfahrungsträgerin, Fachexpertin, Prozessbegleiterin und Methodenexpertin. In allen von der Beraterin begleiteten Projektschritten hatte sie mehrere „Hüte“ auf. Beispielsweise nahm die Beraterin im vierten Projektschritt – Erstellung des Themenspeichers – die Rollen Moderatorin, Erfahrungsträgerin, Prozessbegleiterin sowie Methodenexpertin wahr. 3.4

Lern- und Veränderungsprozess strukturieren und planen

Abbildung 3 zeigt in der Zusammenschau die einzelnen Projektschritte und deren Inhalte, die Zusammensetzung der einzelnen Lerngruppen sowie die Tools und Methodiken, die dabei eingesetzt wurden.

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Abbildung 3: Vorgehensweise bei der Einführung

Gustav Eirich GmbH & Co. KG

Projektschritte und Inhalte

Lerngruppe

Methodik

Gemeinsam lernen und verbessern

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(1) Gestaltungsworkshop Aufgabe für die Teilnehmer war, gemeinsam ein unternehmensspezifisches Konzept, das Eirich-KVP-System, zu definieren. Hilfsmittel war ein Katalog mit KVPSystemfragen, für die die Gruppe entsprechende Regelungen traf. In aller Kürze lässt sich das Eirich-KVP-System so beschreiben: Die Moderatoren sammeln bei den Produktionsmitarbeitern Vorschläge für KVPThemen. In der Moderationsrunde (KVP-Koordinatorin und Moderatoren) werden die Themen ausgewählt und für jedes Thema Moderator und Lösungsgruppe festgelegt. Bevor das Thema bearbeitet werden kann, ist eine Abstimmung mit dem zuständigen Meister nötig. Liegt die Umsetzung der Lösung im Verantwortungsbereich des Meisters, entscheidet der Meister über die Realisierung – in allen anderen Fällen entscheidet der Betriebsleiter. Vier bis sechs Wochen nach der Umsetzung kontrollieren die Moderatoren den Erfolg der einzelnen Maßnahmen. Während des gesamten Prozesses stehen Koordinatorin und Moderatoren in engem Kontakt. Darüber hinaus wurde im Gestaltungsworkshop die Entscheidung getroffen, das Projekt um den Schritt „Information der Mitarbeiter über KVP“ zu ergänzen. (2) Schulung der Moderatoren In diesem Projektschritt ging es zum einen darum, die Moderatoren auf ihre künftigen Aufgaben vorzubereiten. Inhalte der Schulung waren die Vermittlung der Methoden und Grundlagen, Unterscheidung und Einschätzung von Problemkomplexitäten, Aneignung der geeigneten Moderationstechniken sowie kritische Reflexion des Eirich-KVP-Systems. Zum anderen wurde im Rahmen der Moderatorenschulung besprochen und festgelegt, in welcher Form und worüber die Mitarbeiter zum Thema KVP bei Eirich informiert werden sollten. (3) Information der Mitarbeiter: Der KVP-Marktplatz Der KVP-Marktplatz bestand aus sechs Themenständen, die von Moderatoren, Betriebsrat oder Koordinatorin betreut wurden: Vorstellung des KVP-Teams, Vorstellung und Erklärung des Eirich-KVP-Systems, Vorstellung der Problemlösemethode, Vorstellung der möglichen KVP-Themen, KVP allgemein, Unterscheidung betrieblichen Vorschlagswesen (IVM) und KVP. Die Mitarbeiter wurden in mehrere kleinere Gruppen eingeteilt, was den Dialog und die Diskussionen untereinander an den einzelnen Themenständen und mit den Moderatoren ermög-

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lichte. Am Ende des „Rundgangs“ wurden die Mitarbeiter gebeten, KVP-Themenvorschläge einzubringen. (4) Erstellung des Themenspeichers Die Aufgabe von Koordinatorin und Moderatoren war, die im KVP-Marktplatz gesammelten Themenvorschläge zu sortieren, zu diskutieren und daraus geeignete Themen für die anstehenden KVP-Sitzungen auszuwählen. Danach wurden für die ausgewählten KVP-Themen Moderator und Lösungsgruppe festgelegt. Im Rahmen des moderierten Workshops wurde auch diskutiert, was zum Thema KVP in welcher Art und Weise visualisiert werden sollte. (5) Begleitung der KVP-Sitzungen Um den Transfer in die Praxis sicher zu stellen wurden alle Moderatoren bei ihrer KVP-Sitzung begleitet. Konkret sieht das so aus: Die Moderation der Sitzung übernimmt der Moderator, die Beraterin – später auch die Koordinatorin – sind Beobachter. Am Ende der Sitzung werden in der Problemlösegruppe Verlauf der Sitzung sowie Vorgehens- und Verhaltensweise des Moderators reflektiert und als Feedback an Moderator und Gruppe gespiegelt. (6) KVP-Controlling In diesem Baustein ging es darum, ein Informationssystem für KVP aufzubauen und die KVP-relevanten Daten (Reichweite, Wirtschaftlichkeit und Konsequenz in der Umsetzung) zusammenzuführen. Der Aufbau des Controlling-Systems erfolgte von Anfang an parallel zu den anderen Projektschritten, um Ergebnisse aufzuzeigen und Entwicklungen beziehungsweise Tendenzen im System zu identifizieren. 3.5

Lernen und Verändern

Kennzeichnend für die Projektbearbeitung waren folgende Aspekte: Learning-bydoing, das Definieren von Gestaltungsaufgaben (Betroffene zu Beteiligten machen) und das systematische Einbauen von Reflexionsschleifen. Um den Transfer in die Praxis sicherzustellen und die im Vorfeld definierten Lernziele (siehe Punkt 3.1) zu erreichen, wurde bei der Gestaltung der einzelnen Projektschritte darauf geachtet, dass das Lernen systematisch im Prozess des Arbeitens stattfinden kann und dass neben dem Lernen durch Reflexion auch ein Lernen aus Erfahrung möglich ist. So wurde beispielsweise in der ModeratorenSchulung das Moderieren einer KVP-Sitzung an realen Themen geübt. Auch in

Gemeinsam lernen und verbessern

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den ersten KVP-Sitzungen der Moderatoren und Mitarbeiter wurden echte betriebliche Themen bearbeitet. Dem Projektteam war daran gelegen, dass die Mitarbeiter erkennen, dass sich das Eirich-KVP-System mit ihren täglichen Problemen befasst und damit auch Lösungen entwickelt werden können, die helfen, diese weitgehend zu lösen. Um den Lern- und Veränderungsprozess voranzutreiben, wurden für jeden Projektschritt Lerngruppen definiert und Gestaltungsaufgaben festgelegt, die bis zum folgenden Projektschritt zu bearbeiten waren. Abbildung 4 gibt einen Überblick darüber, welche gestalterischen Aufgaben von wem verantwortlich zu bewältigen waren. Zur Verdeutlichung wird an dieser Stelle exemplarisch die Gestaltungsaufgabe „Konzept Information der Mitarbeiter über Einführung Eirich-KVPSystem“ beschrieben. Zuständig für diese Aufgabe war das KVP-Team (Koordinatorin und Moderatoren). Zu klären waren folgende Fragen: Über welche Themen soll informiert werden? Wer informiert? In welcher Form soll informiert werden? Wie kann eine Informationsveranstaltung aussehen, die motivierend auf die Mitarbeiter wirkt und diese von KVP überzeugen kann? Die Gruppe entschied sich für folgende Themen: Vorstellung des KVP-Teams, Vorstellung und Erklärung des Eirich-KVPSystems, Vorstellung der Problemlösemethode, Vorstellung der möglichen KVPThemen, KVP allgemein und Unterscheidung betrieblichen Vorschlagswesen/ KVP. Jedes Thema sollte von zwei Moderatoren vorbereitet und betreut werden. Das Thema betriebliches Vorschlagswesen/KVP übernahm ein Betriebsratsmitglied und die KVP-Koordinatorin. Wichtig war für das KVP-Team, eine Form der Informationsveranstaltung zu wählen, die Diskussionen und den Dialog mit den Mitarbeitern unterstützte. Es entstand die Idee vom Marktplatz der Informationen mit Stehtischen, an denen man sich in lockerer Runde über das jeweilige Thema austauschen kann. Aus dieser Idee entwickelte sich das Konzept des KVPMarktplatzes.

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Gustav Eirich GmbH & Co. KG

Abbildung 4: Übersicht über die gestalterischen Aufgaben

Gemeinsam lernen und verbessern

3.6

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Projekt- und Lernergebnisse bewerten und den Projektverlauf reflektieren

Nach Aussagen der Geschäftsleitung und der KVP-Koordinatorin wurden hinsichtlich der vereinbarten Sachziele folgende Ergebnisse erzielt (Stand 01.10.2010) —

Durchführung von ca. 30 KVP-Sitzungen (50 %).



Umsetzung von 80% der Verbesserungsvorschläge (86,6 %).



Einbezug von ca. 100 Mitarbeitern (67 %).



Installierung eines mitarbeiterbezogenen KVP-Ansatzes (100 %).



Erweiterung des arbeitsplatzbezogenen Wissens und der Handlungsfähigkeit (100 %).

Will man den Erreichungsgrad der Lernziele bewerten, kommt man nicht umhin, auf qualitative Kriterien oder (geänderte) Verhaltensweisen und -muster der Beteiligten im Prozess zurückzugreifen. So zeigt sich auf Ebene der Organisation, dass die Fähigkeit, einen Change-Management-Prozess zu organisieren und zu stabilisieren, im Verlauf des Projektes deutlich gewachsen ist und auch eine Supervision bei einem neuen Change-Projekt durchaus hilfreich sein kann. Die Formulierung und Weitergabe der Gestaltungsaufgaben aber auch der Umgang mit den von den Mitarbeitern erarbeiteten Lösungsvorschlägen machen deutlich, dass die Organisation gelernt hat, Verantwortung zu delegieren. Das Verantwortungsbewusstsein der Koordinatorin hat sich nicht wesentlich verändert – es war bei ihr schon zu Projektbeginn stark ausgeprägt. Das Organisationsverständnis im Sinne des Erkennens von Zusammenhängen und Antizipierens möglicher Auswirkungen hat jedoch deutlich zugenommen. Anzeichen dafür, dass Aufmerksamkeit und Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeiter (beispielsweise in Bezug auf Kosten) gewachsen sind, stellten die in den KVP-Sitzungen bearbeiteten Themen und Lösungsvorschläge dar. Die Beurteilung, inwieweit sich die Methodenkompetenz der Moderatoren verändert hat, wurde mithilfe eines Beurteilungsbogens bereits während des Moderatorentrainings vorgenommen. Dieser Bogen kam auch bei der Begleitung der KVPSitzungen zum Einsatz. Es war sehr deutlich zu erkennen, wie sich die Moderatoren auf dem Weg von der Schulung bis zu den ersten KVP-Sitzungen entwickelt hatten. Auch im Vergleich zu anderen Unternehmen haben die Moderatoren bei Eirich eine hohe Methodenkompetenz.

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Um Lernen durch Reflexion im Projekt zu ermöglichen, wurden systematisch Reflexionsschleifen eingebaut. So gab es Schleifen auf Ebene des Gesamtprojekts und des KVP-Systems, auf der Ebene der angewendeten Problemlösemethode und auf der Ebene von Personen. In Abbildung 5 sind die Reflexionsschleifen im Überblick dargestellt. Es gab Basisfragen, die bei allen Reflexionen zu bearbeiten waren: Was war gut und was war weniger gut? Worauf müssen wir beim nächsten Mal stärker achten? Was sollten wir künftig anders machen? Was habe ich/was haben wir gelernt? Es gab aber auch spezifische Fragen, die bei der Reflexion der Problemlösemethode neben den Basisfragen gestellt wurden: Wie war die Zusammensetzung der Lösungsgruppe? War das Problem sinnvoll ausgewählt? Wie war die Mitarbeit der einzelnen Gruppenmitglieder? Wie war die Vorgehensweise bei der Problembearbeitung? Wie war die Lenkung durch den Moderator? Wurden die Kommunikationsregeln eingehalten?

Abbildung 5: Reflexionsschleifen

Gemeinsam lernen und verbessern

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Für das KVP-System brachten diese systematischen Reflexionen wesentliche Erkenntnisse. Beispielsweise entwickelte sich der Wunsch, in der Reflexionsschleife nach der Erstellung des Themenspeichers eine Moderatorenrunde einzuführen. Diese Moderatorenrunde, zu der sich Koordinatorin und Moderatoren bedarfsorientiert trafen, hatte die Aufgabe, neue Themen zu verteilen, Problemlösegruppen zu definieren, aktuelle Fragestellungen oder Probleme in der Umsetzung zu besprechen und das KVP-System zu reflektieren. Die Notwendigkeit, verschiedene Vorgehensweisen bei der Problembearbeitung einzusetzen und das Controllingsystem um die Auswertung der Wirtschaftlichkeit (Nutzwertberechnung von KVP) zu erweitern, ergab sich bei der Reflexion der KVP-Sitzungen. 3.7

Ergebnisse transferieren und für Wachstum nutzen

Aus Sicht der Geschäftsleitung und der externen Beraterin konnte bei diesem Vorhaben die Methode des Projektlernens erfolgreich angewendet werden. Ein maßgeblicher Grund dafür ist sicherlich, dass KVP als solches sehr gut geeignet ist, die Methode des Projektlernens einzusetzen. Prozesse der kontinuierlichen Verbesserung sind ohne Eigeninitiative und Verantwortung, ohne strukturiertes Denken und Handeln oder Erweiterung von Wissen (Know-how und Know-why) kaum vorstellbar. Im Rahmen von KVP gibt es vielfältige Ansatzpunkte als Organisation zu lernen sowie „Arbeit“ und „Lernen“ systematisch zu einem einheitlichen Prozess zu verbinden. Nicht zuletzt kann das Lernen dort in hohem Maße selbstorganisiert und anwendungsnah gestaltet werden, beispielsweise durch die Begleitung der KVP-Sitzungen. Wichtig bei dieser Art des Lernens ist jedoch, dass einerseits geeignete Instrumente zur Verfügung stehen, die diesen Lernprozess unterstützen und andererseits genügend Raum vorhanden ist, immer wieder gemeinsam zu reflektieren. Bei der Maschinenfabrik Gustav Eirich GmbH & Co KG kommen Instrumente zum Einsatz, die in ihrer Struktur standardisiert, in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung jedoch äußerst flexibel sind und damit auf die Besonderheiten eines Unternehmens zugeschnitten werden können. Zu solchen standardisierten flexiblen Tools gehören etwa die „KVP-Systemfragen“, das Arbeitsposter „Themenspeicher“ und auch das Arbeitsposter „KVP-Zirkel“. Entscheidend für den Erfolg von Projekten dieser Art ist, dass die Geschäftsleitung von Anfang an das Projekt aktiv unterstützt und den Mitarbeitern dessen Bedeutung glaubhaft vermittelt. Darüber hinaus ist es wichtig, dass sie sich auf Anpassungen und Änderungen, sei es im Projektablauf oder im KVP-System selbst, einlässt und dem Projektteam und den beteiligten Mitarbeitern grundsätz-

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Gustav Eirich GmbH & Co. KG

liches Vertrauen entgegenbringt. Diese Voraussetzungen trafen für dieses Vorhaben in hohem Maße zu. Aber auch an Berater werden besondere Anforderungen gestellt. Projekte wie dieses erfordern eine gewisse Wachsamkeit und Achtsamkeit der Berater. Er darf nichts als gegeben voraussetzen und muss sich flexibel auf die jeweilige Situation einstellen können. Das kann bedeuten, dass sich Änderungen im Projektaufbau ergeben, sich Schulungsinhalte verändern oder andere Methoden und Instrumente zum Einsatz kommen können. Hilfreich für Berater bei ihrer Arbeit in vergleichbaren Projekten ist die Fähigkeit, Beziehungen und Muster innerhalb des Systems „Unternehmen“ zu identifizieren und diese sinnvoll in die eigenen Betrachtungen und Interventionen einzubeziehen.

4

Fazit und Ausblick für die Zukunft

Das Konzept „Management des Wachstums“ konnte bei der Maschinenfabrik Gustav Eirich GmbH & Co KG sinnvoll und schlüssig angewendet werden. Die Methode des Projektlernens ist ein grundsätzlich geeigneter Ansatz, um Mitarbeiterkompetenzen zu entwickeln und dynamische Fähigkeiten des Unternehmens zu fördern. Die Geschäftsleitung konnte erleben, welch positive Einflüsse die Integration unterschiedlicher Personengruppen und eine rechtzeitige und ausführliche Information der Mitarbeiter haben kann. Sie hat zudem „gelernt“, Gelassenheit und Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern bei der Projektumsetzung zu zeigen. Bei künftigen Projekten möchte sie das Instrument „Reflexion“ gezielt anwenden und nutzen sowie noch mehr Wert auf eine gemeinsame Konzeption mit dem jeweiligen Berater legen. Für die Beraterin war es wichtig zu erkennen, dass in ihrer bisherigen Arbeitsweise schon viele Aspekte des Projektlernens enthalten sind. Für die Zukunft hat sie sich vorgenommen, Kunden verstärkt die Bedeutung und Notwendigkeit von Reflexion und Eigeninitiative klar zu machen. Die Integration einer reflexiven Lernebene in den Beratungsprozess stellt eine Intervention mit erheblicher Wirkung auf die Projektziele dar. Um mit diesen Interventionen positive Wirkungen erzielen zu können, braucht es jedoch bestimmte Voraussetzungen. Diese sind im Wesentlichen das Vertrauen der Teilnehmer untereinander und das Vertrauen zwischen Teilnehmern und Berater.

Gemeinsam lernen und verbessern

Das Wachstumsprojekt von Eirich im Überblick:

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Wertschätzende Führungskompetenz ausbauen und Teamarbeit erfolgreich gestalten! Verbesserung der Führungsarbeit im mittleren Management bei der Reha Vita GmbH Von Annette Möbus – Chubus GmbH

1

Unternehmensdarstellung

Die Reha Vita GmbH wurde im September 1998 als ambulantes Rehazentrum für orthopädische Erkrankungen mit angeschlossener Physiotherapiepraxis in Cottbus gegründet. Das Unternehmen bietet ein breit gefächertes Spektrum an ärztlich verordnungsfähigen therapeutischen Leistungen. Daneben gibt es vielfältige Angebote auf Selbstzahlerbasis im Wellness-, Sauna- oder Trainingsbereich. Das hoch qualifizierte und motivierte Team setzt sich aus Fachärzten, Krankenschwestern, Psychologen, Logopäden, Sport-, Physio- und Ergotherapeuten, Masseuren, Sozialarbeitern, Ernährungsberatern, Diätassistenten und Verwaltungskräften zusammen. Der Start wurde auf einer Fläche von 870 qm mit sechs Mitarbeitern vollzogen. Dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung stieg die Beschäftigtenzahl auf 71 Mitarbeiter auf einer Gesamtfläche von 4.200 qm mit weiteren Leistungsschwerpunkten. Dies war eine rasante Entwicklung. Die Mitarbeiter mussten sich immer wieder auf neue Räumlichkeiten, erweiterte Leistungsangebote und neue Kollegen einstellen. Reha Vita führte bereits im Jahre 2001 ein Qualitätsmanagement ein, um Abläufe und Zuständigkeiten zu strukturieren und im Herbst 2002 erhielt das Unternehmen als erstes ambulantes Rehazentrum und Physiotherapiepraxis in den Neuen Bundesländern die Zertifizierung nach DIN ISO 9001:2000. Die ganzheitliche Unternehmensführung entspricht der Grundeinstellung der beiden Gründer und Inhaber von Reha Vita. Der ständige Wille, das Unternehmen zu verbessern, die Wünsche der Patienten und Kunden noch umfassender zu erfüllen und der feste Glaube, dass die Mitarbeiter das wichtigste Kapital des Unternehmens sind, zieht sich wie ein roter Faden durch die bisherige Unternehmensentwicklung.

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2

Reha Vita GmbH

Ausgangslage

Die Herausforderungen des Wachstums Durch das Wachstum von Reha Vita kam es auch zu einem rasanten personellen Wachstum in vielen Bereichen. Therapeuten wurden zu Führungskräften oder zu Qualitätsbeauftragten. Sie übernahmen neue Aufgaben oder mussten sich in neue Arbeitsfelder einarbeiten, für die sie keine Ausbildung oder Vorwissen mitbrachten. Ein weiterer Gesichtspunkt war die Führung des Unternehmens in den vorangegangenen Jahren. Diese erfolgte so gut wie ausschließlich durch die beiden Geschäftsführer und Inhaber. Bei weiterem Wachstum war es darum unbedingt notwendig, die zweite Führungsebene stärker in die Mitarbeiterführung einzubeziehen. Somit ist eine Voraussetzung für die breitere Verteilung von Führungsverantwortung, dass die entsprechenden Personen die notwendigen Fähigkeiten für die Bewältigung von Veränderungsprozessen erlernen. Damit die Führungsebene selbstständig in der Lage ist, ihre bereits vorhandenen Kompetenzen auszubauen, zu entwickeln und im Alltag anzuwenden, müssen diese nachhaltig vermittelt und anwendbar gemacht werden. Als Entwicklungspotenzial für den anstehenden Projektverlauf wurde darum für die Ebene der Geschäftsführung die Delegation von Verantwortung auf die zweite Führungsebene definiert. Sowohl für die Geschäftsleitung als auch für die zweite Führungsebene sollte das systematische Vorgehen im Strategie- und Managementprozess individuell für Reha Vita definiert werden. Durch die Visualisierung von Strukturen und Prozessen sollte eine effektivere Datennutzung ermöglicht werden. Zur Erreichung der Nachhaltigkeit sollte während des gesamten Projektverlaufs die aktuellen Vorgehensweisen reflektiert und gegebenenfalls angepasst werden.

3 3.1

Projektdurchführung Wachstumsfähigkeit analysieren und Wachstumsziele bestimmen

Nach einer umfassenden Analyse von Treibern und Hemmnissen für das Wachstum des Unternehmens wurden Empfehlungen zur effektiveren Nutzung unternehmensinterner Potenziale durch die Projektleitung ausgesprochen. Die Aus-

Wertschätzende Führungskompetenz ausbauen und Teamarbeit gestalten

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wertung anhand des Wachstumsrades ermöglichte es, den Wachstumshebel herauszufinden, der die meisten Potenziale für weiteres Wachstum birgt: Wissen und Kompetenz aufbauen (siehe Abb. 1). Und so wurde schnell klar, dass es in erster Linie darum gehen muss, dass die Führungskräfte dazu in die Lage versetzt werden, vorhandene Wachstumsmöglichkeiten durch konsequentes Handeln zu beeinflussen.

Abbildung 1: Wachstumshebel „Wissen und Kompetenz aufbauen“

3.2

Wachstumsprojekt initiieren

Die Grundlagen zur Projektarbeit wurden in einem halbtägigen Workshop gelegt. Alle potenziellen Projektteilnehmer waren vertreten. Nach einer Vorstellung des Gesamtprojekts und den damit verbundenen Zielen ging es in die Arbeitsphase. Die Unternehmensleitung beschrieb die künftig gewünschten Handlungskompetenzen, d. h. Anforderungen an die Führungskräfte. Daraus ergab sich die Arbeit der zweiten Führungsebene. Kernfragen, Anforderungen, Erwartungen und Einsätze sollten geklärt werden. Darum wurde in Kleingruppen an folgenden Fragestellungen gearbeitet: —

Was ergibt sich aus den genannten Anforderungen für Sie als Führungskraft?



Welche Erwartungen haben Sie, wenn Sie hören, welche Kompetenzen künftig weiter ausgebaut werden sollen?



Was sind Sie selber bereit einzubringen?

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Reha Vita GmbH

Wo könnten aus Ihrer Sicht die Arbeitsschwerpunkte im Projekt liegen?

Die Visualisierung der Arbeitsergebnisse mittels Moderationskarten und Pinnwand machte eine Clusterbildung nach Themen möglich. Projektinhalte konnten somit anhand der Teilnehmerarbeit definiert werden. Der Workshop wurde von der zur Begleitung vorgeschlagenen Beraterin durchgeführt. Somit erhielten alle späteren Teilnehmer einen Eindruck der Arbeitsweise und konnten prüfen, ob „die Chemie stimmt“. Dies war sowohl dem Unternehmen als auch der Beraterin sehr wichtig und beide Seiten sahen diesen Schritt als Voraussetzung für den Projekterfolg an. Um die Ergebnisse der Projektarbeit messbar zu machen, wurden im Zuge der Nachbereitung des Workshops quantitative und qualitative Sachziele in einer Projektskizze dargestellt (siehe Abb. 2).

Abbildung 2: Projektskizze Reha Vita GmbH

Wertschätzende Führungskompetenz ausbauen und Teamarbeit gestalten

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Der Projekttitel „Wertschätzende Führungskompetenz ausbauen und Teamarbeit erfolgreich gestalten!“ ergab sich aus den anstehenden Arbeitsthemen. Lernen und Arbeiten sollten miteinander verbunden werden, um Führungskompetenzen auf- bzw. auszubauen. Die Lernziele für die Führungskräfte wurden wie in Abbildung 3 dargestellt definiert.

Abbildung 3: Wertschätzende Führung in der Reha Vita GmbH

3.3

Verantwortung für das Wachstumsprojekt übernehmen

Ausgehend vom Projektziel des Vorhabens „Führungskompetenz ausbauen, Teamarbeit erfolgreich gestalten“ wurde definiert, mit welchen Werkzeugen dieses Ziel zu erreichen ist. Dabei handelte es sich um: —

Entwicklung eines Vorgehensmodells zur Einführung von Werkzeugen zur Personalentwicklung.



Entwicklung eines Formblatts zur Unterstützung der Vorbereitung und Führung von Mitarbeitergesprächen.



Führen von Mitarbeitergesprächen anhand des Formblattes während der Projektlaufzeit.



Evaluation der Mitarbeitergespräche.



Strukturierung der Zusammenarbeit der Führungskräfte.

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Reha Vita GmbH

Um diese Werkzeuge für die spezifischen Bedürfnisse von Reha Vita zu entwickeln, wurden im ersten gemeinsamen Workshop folgende Arbeitsgruppen auf freiwilliger Basis und nach Interessenslage gebildet: 1. Mitarbeitergespräche 2. Instrumente der Mitarbeitermotivation 3. Evaluation/Messbarkeit von Mitarbeitermotivation 4. Zusammenarbeit im Führungsteam strukturieren In jeder Arbeitsgruppe waren die unterschiedlichen Berufsgruppen des Unternehmens vertreten: Geschäftsführung, Verwaltungskräfte, Ärzte, Diplom-Sportlehrer, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Technische Leiter. 3.4

Lern- und Veränderungsprozess strukturieren und planen

Nachdem die Teilnehmer sich für die Zusammenarbeit mit der Beraterin entschieden hatten, wurde ein Projekt- und Terminplan erstellt (siehe Abb. 4). Eine stringente Terminplanung war aufgrund der Einbindung der zweiten Führungsebene in die Arbeit mit Patienten wichtig und notwendig. Die Stunden für die Arbeit im Projekt mussten langfristig geblockt werden. Daher startete die Projektarbeit im April 2010 und endete im Oktober 2010. Somit standen dem Projektteam sechs Monate zur Umsetzung der gesetzten Ziele zur Verfügung.

Wertschätzende Führungskompetenz ausbauen und Teamarbeit gestalten

Abbildung 4: Darstellung des Projektverlaufs und der Arbeitsinhalt

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130

3.5

Reha Vita GmbH

Lernen und Verändern

Alle Beteiligten waren kreativ und mit hohem Lernwillen am Projekt beteiligt. Es wurden Möglichkeiten genutzt, Theorie zu lernen, anzuwenden und in der Gruppe vorzustellen bzw. zu reflektieren, um dies mit Anregungen erneut im Praxisalltag zu testen und anzupassen. Dadurch wurden unternehmerisches Denken und Handeln gefördert und unternehmerische Kompetenzen ausgebildet. Die professionelle Unterstützung des Gestaltungsprojektes durch eine externe Beraterin beschleunigte den Lernprozess. Das Vorgehen wurde systematisiert und strukturiert, um bei der Umsetzung des Projektlernens die richtige Anwendung und Vermittlung von Lernformen, Werkzeugen und Zielsetzungen zu finden. So gelang es z. B. durch Einzelcoaching den Handlungsbedarf einzelner Führungskräfte herauszuarbeiten und Lernaufgaben zu definieren, die bis zum nächsten Projekttreffen abgearbeitet sein mussten. Von einzelnen Ergebnissen oder geschilderten Praxisfällen profitierten wiederum alle Projektteilnehmer, wenn die Führungskräfte diese auf einem der nächsten Projekttreffen präsentierten und zur Diskussion in die Projektgruppe stellten. Alternativ wurde auch die Möglichkeit des weiteren Einzel- bzw. Feedbackgespräches mit der Beraterin gewählt. Lernorte waren das Unternehmen und Seminarräume der IHK Cottbus. Die gewählten Lernorte ermöglichten die Verknüpfung von Praxis und Theorie. Im Unternehmen fanden Einzelcoachings zu aktuellen Fällen der Teilnehmer statt. Der externe Lernort IHK wurde genutzt, um theoretischen Input zu erhalten, diesen in Übungen umzusetzen und Feedback von den anderen Projektbeteiligten zu bekommen. Lernformen waren eigenständiges Lernen sowie das Vorbereiten auf und das praktische Durchführen von Vorträgen und Präsentationen, Teilnahme an Diskussionsrunden, Input durch Beratervorträge, Gruppenübungen, Gesprächsführung vor der Kamera, Coachings, Begleitung von Teamsitzungen durch die Beraterin mit anschließender Auswertung sowie telefonische oder E-Mail-Konsultationen. Durch die Übernahme der Vorträge und Präsentationen haben sich alle Beteiligten ausführlich mit ihren Themen auseinander gesetzt und breites Wissen angesammelt. Dieses Wissen für die Zuhörer aufzubereiten und verständlich wieder-

Wertschätzende Führungskompetenz ausbauen und Teamarbeit gestalten

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zugeben, baute die Kompetenzen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im theoretischen Bereich weiter aus. Das wiederum verstärkte ihren Mut, die Führungsrolle im Alltag wahrzunehmen und erlernte Instrumente anzuwenden. Durch die Aufteilung in Projektgruppen konnten mehrere Themen gleichzeitig bearbeitet und Lösungen entwickelt werden (siehe Abschnitt 3.3). Der rege Gedankenaustausch in den regelmäßigen Treffen der Projektgruppen aber auch des gesamten Leitungsteams hat die unterschiedlichen Sichtweisen der verschiedenen Berufsgruppen verdichtet. Die Zusammensetzung der Projektgruppen mit Führungskräften aus unterschiedlichen Bereichen half, das Unternehmen im Ganzen wahrzunehmen und zu verstehen. Unternehmerisches Denken und Handeln wurde erlebbar. Jede Arbeitsgruppe definierte ein Gruppenlernziel als Hauptziel sowie weitere Teilziele. Die (Zwischen-)Ergebnisse wurden in der eigenen Gruppe vorab gebündelt und anschließend den anderen Gruppen an den Projekttagen vorgestellt. In den Projektgruppen wurden Verantwortlichkeiten geklärt, weitere Aufgaben festgelegt und Termine vereinbart. Diese Einzelaufgaben wurden im Selbststudium von Literatur und Internet oder durch Kontaktaufnahme mit vergleichbaren Unternehmen und zuständigen Organisationen (z. B. Gallup, Great place to work) realisiert. An einem der ersten Projekttage haben die Gruppen Fragestellungen an die Studenten der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, formuliert. Die Beraterin ist Lehrbeauftragte des Lehrstuhls. Nach einer Darstellung des Unternehmens und des Projektes „Wachstum lernen – lernend wachsen“ wurden die Fragestellungen der Projektteilnehmer als Hausaufgaben vergeben. Für jede Fragestellung benannte das Unternehmen Ansprechpartner für die Studenten. Rückfragen konnten also auf direktem Wege geklärt werden. Den Studenten wurden in praxisnaher Arbeit Teilaufgaben der Personalentwicklung in Unternehmen vermittelt. Die Arbeiten der Studenten und die sich daraus ergebenden neuen Aspekte sind in die Projektarbeit eingeflossen. Viele Punkte, die bereits in den Gruppen erarbeitet wurden, konnten durch die Zuarbeiten der Studenten bestätigt werden. In jedem Workshop präsentierten die Teilnehmer ihre aktuellen Projektstände. Dadurch wurde ein gemeinsamer Wissensstand hergestellt und die Rückmeldungen der Teilnehmer aus den anderen Arbeitsgruppen flossen in die weitere Arbeit ein.

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Reha Vita GmbH

Vorgehen der Projektgruppe 1: Mitarbeitergespräche 1. Formulierung einer Hausaufgabe an zwei Gruppen der Uni Mainz: • Erstellen Sie einen Leitfaden zur Führung von Mitarbeitergesprächen mit den wichtigsten Regeln zu den Themen Gesprächskultur, Gesprächsführung und Kommunikation! • Arbeiten Sie Spezifika für die verschiedenen Gesprächsanlässe heraus (Lob, Kritik, Konflikt, etc.)! • Zeigen Sie Methoden auf, mit denen im Laufe eines Gespräches unerwartet auftretenden Situationen entgegnet werden kann! 2. Auswertung, Gegenüberstellung und Bewertung der Ergebnisberichte der Studenten. 3. Vorstellung der Arten von Mitarbeitergesprächen (Lob, Kritik, Feedback) sowie Erarbeitung eigener Checklisten und Fallbeispiele. 4. Vorstellung eines Formblattes für das Mitarbeitergespräch (ZDF = Zahlen, Daten, Fakten). 5. Erstentwurf zum Leitfaden für das Führen von Mitarbeitergesprächen. 6. Endfassung und Vorstellung des Leitfadens vor dem Projektteam sowie leichte Rollenspiele. Vorgehen der Gruppe 2: Messbarkeit von Mitarbeitermotivation 1. Nach Formulierung der Projektaufgabe („Messung der Mitarbeitermotivation – geeignete Methoden für Reha Vita“/„Möglichkeiten zur Mitarbeiterbindung – Vergleich von Unternehmen mit geringer Fluktuation“) erfolgte die Weiterleitung an Studenten der Uni Mainz. 2. Im Zuge der gruppeninternen Auswertung der Studienergebnisse wurden die Instrumente des Unternehmens auf den Prüfstand gestellt und in Bezug auf intrinsische und extrinsische Motivation bzw. kurz- und langfristige Anreize reflektiert. Des Weiteren wurde eine Internetrecherche zur Thematik durchgeführt. 3. Im Rahmen eines weiteren Projekttreffens erfolgte die allgemeine Definition von Motivation und deren Grundlagen. Daraus ergab sich die Fragestellung nach zielgerichtetem Einsatz der Motivation anhand der Persönlichkeit der betreffenden Mitarbeiter.

Wertschätzende Führungskompetenz ausbauen und Teamarbeit gestalten

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4. In Vorbereitung auf ein weiteres Meeting wurde der Versuch unternommen, Mitarbeiter zu bestimmten Motiv-Clustern (Motivgruppen) zuzuordnen. Das Ziel war die Ableitung zielgerichteter und individueller Maßnahmen zur Mitarbeitermotivation. 5. Zum Abschluss wurde eine Übersicht mit Persönlichkeitszügen und -merkmalen sowie mit Hinweisen zu Umgang, Motivationsmöglichkeiten und eventuellen Einsatzmöglichkeiten im Arbeitsalltag entwickelt, welche in künftigen Leitungssitzungen durchgesprochen werden und im Alltag zur Anwendung kommen sollten. Vorgehen der Projektgruppe 3: Messbarkeit der Mitarbeitermotivation 1. Thema beschreiben: Überarbeitung des bestehenden Mitarbeiterfragebogens: • Internetrecherche, Aufzeigen der Möglichkeiten, Wichtigkeit der emotionalen Bindung. • Expertenbefragung (Gallup, Deutsche Bahn…), „Wie wird es in anderen Unternehmen durchgeführt?“ und Vorstellung dieser Ergebnisse. o Welche Messinstrumente gibt es? o Welche werden genutzt und gibt es dabei Verbesserungspotenzial? 2. Erarbeitung „Was macht eine gute Führungskraft aus?“ • Berücksichtigung des langfristigen Ziels „Reha Vita = Great Place to Work“. 3. Anpassung des Mitarbeiterfragebogens mit vorheriger Diskussion im Team. 4. Erneuerung des Befragungsschemas ebenfalls mit vorheriger Diskussion im Team. Vorgehen der Projektgruppe 4: Zusammenarbeit im Führungsteam strukturieren 1. Thema: Zusammenarbeit im Führungsteam strukturieren: • Gegenüberstellung von Ist-Zustand und Verbesserungspotenzial. • Festigung: Entwicklung eines Hefters für Führungskräfte. 2. Erstentwurf des Führungshefters und Vorstellung vor RKW-Team. 3. Überarbeitung mit folgenden Inhalten: • Führung allgemein. • Führung in der Reha Vita (Organigramm, Führungsgrundsätze).

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Reha Vita GmbH

• Aufgabenbereich des Bereichsleiters. • PC-Pfad: Hauptaufgaben, Telefonnummern, usw. 4. Fertigstellung und Vorstellung vor dem Projektteam

Abbildung 5: Beispiel Arbeitsablauf bei der Reha Vita Gmbh

3.6

Projekt- und Lernergebnisse bewerten und den Projektverlauf reflektieren

Zum Abschluss des Projektes konnten die Gruppen folgende Resultate präsentieren: —

Implementierung des Formblattes für Mitarbeitergespräche in die tägliche Arbeit der Führungskräfte.



Zukünftige Nutzung des überarbeiteten Mitarbeiterfragebogens im 2-Jahres-Rhythmus.



Jede Führungskraft erhält einen persönlichen Ordner mit den Ergebnissen der Projektgruppen.

Zum Erfolg der Projektgruppen haben besonders der Austausch untereinander, zielgerichtetes Arbeiten in Projektgruppen und die Hausarbeiten der Studenten beigetragen. Eine große Rolle kommt den Zwischenpräsentationen vor der Projektgruppe zu. Der Status des Arbeitsstandes wurde dabei präsentiert und dokumentiert. Hindernisse konnten sofort erkannt und beseitigt werden. Die gemeinsame Reflexion im Projektteam half den Beteiligten, andere Denkaspekte aufzunehmen, Anregungen zu erhalten und auch fachlichen Input zu bekommen.

Wertschätzende Führungskompetenz ausbauen und Teamarbeit gestalten

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Weiterer Handlungsbedarf wurde abgeleitet und in Maßnahmenplänen festgehalten. Beschreibung der Projektergebnisse für die einzelnen Projektgruppen Gruppe 1 – Mitarbeitergespräche Ein Leitfaden zum Führen von Mitarbeitergesprächen inklusive eines Formblattes für Mitarbeitergespräche wurde erarbeitet, erprobt und eingeführt. Jede Führungskraft hat die Grundlagen zum Führen von Mitarbeitergesprächen anhand eines schriftlichen Leitfadens vorliegen. Durch die Teilnahme an Rollenspielen während der Workshops erhielten die Führungskräfte Rückmeldungen zu persönlichem Verhalten und souveränem Auftreten in Gesprächen. Die Geschäftsführung vertraut in die Kompetenz der Führungskräfte im Führen von Mitarbeitergesprächen. Dies bedeutet ebenfalls eine zeitliche Entlastung der Geschäftsleitung. Sie hat dadurch die Möglichkeit, sich auf Wachstum und Innovation des Unternehmens zu konzentrieren. Der Leitfaden für Mitarbeitergespräche ist wie folgt aufgebaut: —

Kurzanleitung Mitarbeitergespräch



Formblatt (Vorbereitung/Auswertung)



Checklisten



Theorieteil



Praktische Umsetzung in Rollenspielen

Gruppe 2 – Instrumente der Mitarbeitermotivation Bedingt durch die Aufgabe, „Instrumente zur Mitarbeiterbindung und -motivation kennen und anwenden“ entwickelte diese Gruppe eine Übersicht mit Persönlichkeitszügen und deren Merkmalen mit Hinweisen zum Umgang und Motivationsmöglichkeiten sowie deren eventuellen Einsatzmöglichkeiten im Arbeitsalltag. In den gemeinsamen Treffen wurden die Chancen und Risiken der Zuordnung von Menschen zu bestimmten Persönlichkeitstypen ausführlich diskutiert. Die Chance, die alle Projektteilnehmer in dieser Form der Annäherung an das Thema sahen, liegt in der Auseinandersetzung mit dem beobachtbaren Verhalten von Menschen. Das war eine gute Übung für die Teilnehmer. Sie setzten sich im Alltag mit dem Verhalten ihrer Mitarbeiter auseinander und versuchten die Motiva-

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Reha Vita GmbH

tion dahinter zu verstehen. So lernten sie zum einen, Verhalten zu beschreiben und die Wirkung zu bewerten und zum anderen gelang es ihnen, die eigene soziale Kompetenz zu reflektieren und das eigene Verhalten bewusster zu steuern. Gruppe 3 – Evaluation/Messbarkeit von Mitarbeitermotivation Diese Gruppe analysierte den bestehenden Mitarbeiterfragebogen und optimierte diesen. Es wurden inhaltliche Ergänzungen vorgenommen und es erfolgte eine Neustrukturierung des Bogens in Bezug auf die Zuordnung zu Mitarbeitergruppen. Die Befragung findet künftig nur noch alle zwei Jahre statt. Innerhalb der Treffen des Projektteams wurden die Fragen kritisch reflektiert und hinterfragt. Ein Lerneffekt trat hierbei ein, als die Wirkung verschiedener Satzstellungen und Ausdrucksweisen für dieselbe Frage ausprobiert wurde. Gruppe 4 – Zusammenarbeit im Führungsteam strukturieren Diese Gruppe entwickelte einen Hefter mit dem Thema „Zusammenarbeit im Führungsteam“. Dieser Hefter wird allen Führungskräften ausgehändigt und vermittelt einen Überblick über die Firmenstruktur sowie Aufgaben und Kompetenzen einer Führungskraft (siehe Abb. 6). Zusätzlich enthält er praktische Hinweise für den Arbeitsalltag.

Abbildung 6: Struktur des Hefters für Führungskräfte

Wertschätzende Führungskompetenz ausbauen und Teamarbeit gestalten

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Eine schnellere Orientierung in der zweiten Führungsebene ist somit möglich. Neue Führungskräfte können schneller eingearbeitet werden. Dies bedeutet eine Entlastung im zeitlichen Sinne, da die Anzahl von Personalgesprächen zur Einarbeitung reduziert werden kann. Die Erstellung des Hefters und die Diskussionen über dessen Inhalt und Formulierungen halfen den Teilnehmern dabei sehr, in das Thema Führung und Aufgaben als Führungskraft hineinzuwachsen. Die Lernergebnisse der Führungskräfte lassen sich über alle Projektgruppen hinweg folgendermaßen beschreiben: —

Im Projekt wurden die Führungskompetenzen der zweiten Führungsebene gestärkt. Die Begleitung und Einarbeitung der Führungskräfte hat es so vorher im Unternehmen nicht gegeben.



Die Führungskräfte haben sich die Kompetenz erarbeitet, Mitarbeitergespräche zu führen. Die Geschäftsführung hat nun Vertrauen in diese neu erworbene, wachsende Kompetenz ihrer Mitarbeiter.



Es wurden die Möglichkeiten genutzt, theoretisch Erlerntes anzuwenden und in der Gruppe zu reflektieren, um es erneut im Praxisalltag zu testen und anzupassen. Die Projektbeteiligten haben gelernt, unternehmerisch zu denken und zu handeln.

Reflexion über die Arbeit im Projekt aus Sicht der Geschäftsführung Das Projekt war eine sehr gute Maßnahme um die Bindung der Führungskräfte an das Unternehmen zu stärken. Es hat dazu beigetragen, dass das Inhaberteam die zweite Führungsebene, insbesondere die jungen Führungskräfte besser kennenlernen und einschätzen konnte. Auch im betrieblichen Alltag ist wahrnehmbar, dass die Führungskräfte eigenverantwortlicher handeln und mit ihren bestehenden und neuen Aufgaben wachsen. Sie werden mutiger und trauen sich mehr zu. Trotz geringer Zeitvorgaben wurde effektiv an Projektthemen gearbeitet. Projektgruppen arbeiteten strukturiert und mit straffer Organisation und konnten so die gestellten Aufgaben erfüllen und Werkzeuge erarbeiten und einführen. Um die Nachhaltigkeit der im Projekt erzielten Sach- und Lernergebnisse sicher zu stellen, wird die Arbeit im folgenden Jahr weitergeführt.

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Reha Vita GmbH

Reflexion des Projektlernens aus Sicht der zweiten Führungsebene Im Laufe der Projektbegleitung wurde die gesamte Führungsebene der Reha Vita in Einzel-, Teamgesprächen und Workshops begleitet. Das Hauptthema unseres Vorhabens war der Ausbau der Fähigkeiten der zweiten Führungsebene. Inhaltlich behandelte das Projektteam dabei folgende Thematiken: 1. Wertschätzung 2. Motivation 3. Gesprächsführung 4. Konfliktlösung Was Wertschätzung und Motivation im Arbeitsalltag bedeutet, wurde durch die Beraterin vermittelt. Zu diesen Themen gaben Rollenspiele die Möglichkeit, verschiedene Standpunkte zu erfahren und sich in andere Personen hineinzufühlen. Um wertschätzend mit den Mitarbeitern umzugehen und sie zu motivieren, ist es wichtig, seinen Gegenüber zu verstehen. Die Notwendigkeit, sachlich und objektiv zu bleiben und eigene Emotionen außen vor zu lassen, wurde erkannt. Eine individuelle Motivation von Teammitgliedern ist nur möglich, wenn Führungskräfte die entsprechenden Kollegen gut einschätzen können. Hierzu ist ein Kennenlernen des Mitarbeiters eine wesentliche Grundlage. Infolgedessen ist eine auf die Person bezogene Aufgabenverteilung möglich. Der Mitarbeiter kann seine persönlichen Stärken einbringen und erfährt auf diese Weise Wertschätzung. Alle Projektteilnehmer sind sich einig, dass während der Zusammenkünfte interessante Strategien in der Gesprächsführung erarbeitet und ausprobiert wurden. Dabei wurden unterschiedliche Gesprächsanlässe berücksichtigt. Lob-, Kritikoder Motivationsgespräche bedürfen jeweils einer angepassten Vorbereitung der verschiedenen Beweggründe. Damit das Gespräch ziel- und ergebnisorientiert geführt werden kann, ist es sinnvoll, einen strukturierten Ablauf einzuhalten. Zahlen, Daten und Fakten sind ein effektives Werkzeug, um auf sachlicher Ebene zu bleiben. Mit den nötigen Hintergrundinformationen kann sachlich über Verhalten gesprochen werden. Die Aufbereitung der nötigen Daten verdeutlicht nicht nur der Führungskraft den aktuellen Sachverhalt, sondern es nützt im Gespräch auch zur Verdeutlichung für den Gesprächspartner. Das Schaffen von situationsgerechten Rahmenbedingungen trägt zum Erfolg des Gesprächs bei. Die Meta-Perspektive (im Projekt „Hubschrauberperspektive“ genannt) ermög-

Wertschätzende Führungskompetenz ausbauen und Teamarbeit gestalten

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licht eine objektive Reflexion der eigenen Person und des Gesprächspartners. Somit ist eine wertfreie Situationseinschätzung eher möglich. Das Projektlernen erforderte einen relativ hohen Zeitaufwand. Neben der täglichen Arbeit mussten nun Zeiten gefunden werden, in denen sich die Mitarbeiter der einzelnen Projektgruppen zusammenfinden konnten. Dabei führten unterschiedliche Schichtzeiten und volle Behandlungspläne der Therapeuten zu erschwerten Bedingungen. Direkte Absprachen erwiesen sich somit als fast unmöglich und es musste auf elektronische Unterstützung zurückgegriffen werden. Durch die Nutzung aller erdenklichen Kommunikationskanäle und des hohen Einsatzes aller Teilnehmer wurde schließlich ein gemeinsames Ergebnis erzielt. Der Aspekt, dass die Mitarbeiter aus einer Projektgruppe verschiedene Meinungen und Erfahrungen hatten und aus anderen Fachbereichen kamen, erwies sich ebenfalls als Herausforderung. Damit verbunden gab es innerhalb der Gruppe verschiedene Herangehensweisen im Lösen der gestellten Aufgabe. Gerade aufgrund der oben genannten Schwierigkeiten wurde es für die Erreichung des Gruppenzieles notwendig, Diskussionen zu führen, Kompromisse zu finden, den anderen verstehen zu lernen und gemeinsame Lösungen zu finden. Dadurch ergab sich ein Lerneffekt, der die Zusammenarbeit im Führungsteam stärkte, vertiefte und ein besseres Kennenlernen ermöglichte. 3.7

Ergebnisse transferieren und für Wachstum nutzen

Während des Projektes wurden zahlreiche Impulse gegeben, wie zum Beispiel geduldiges Zuhören, Wertschätzung jedes Einzelnen und individuelle Einschätzungen von prägnanten Persönlichkeitsmerkmalen. Ein sehr guter Anstoß zur Weiterentwicklung der Führungskraft waren die intensiven Einzelgespräche mit der Beraterin. Durch sie erhielten die Teilnehmer individuelle Tipps, welche erheblich zur positiven Entwicklung jedes Einzelnen beitrugen. Auch die Hospitationen und Auswertungen der einzelnen Teambesprechungen mit wertvollen Hinweisen zur Optimierung, gaben der Strukturierung dieser wichtigen Aufgabe einen wahren Aufschwung. Das Anwenden der Hubschrauberperspektive nach einer Teambesprechung ermöglichte den Führungskräften eine realistische Selbstreflexion. Diese wird eine beständige Verbesserung in der täglichen Arbeit mit den Mitarbeitern zur Folge haben.

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4

Reha Vita GmbH

Fazit und Ausblick für die Zukunft

Durch die Begleitung, Ausbildung und Einarbeitung der Führungskräfte konnten diese ihre Aufgaben im Führungsalltag gut meistern. Eine neue Aufgabenverteilung sichert künftig ein optimales Zeitmanagement. Das Feedback und die Absprachen untereinander sind nun Grundlage für wichtige Entscheidungen und aufgrund der erhöhten Entscheidungskompetenz wurden die Führungskräfte auch emotional bestärkt. Die zweite Führungsebene hat sich die Kompetenz, Mitarbeitergespräche zu führen, erarbeitet. Die Geschäftsführung hat Vertrauen in die erworbene und wachsende Kompetenz ihrer Mitarbeiter, was langfristig zur Entlastung der Geschäftsführung führen kann. Um die Ergebnisse und Entwicklungen der Führungskompetenzen im Unternehmen langfristig sowie nachhaltig einzusetzen und auszubauen hat das Unternehmen die nachstehenden Folgeüberlegungen getroffen: 1. Der während des Projektes erstellte Hefter für Führungskräfte soll ein Kompendium sowohl für jede neue, als auch für jede bestehende Führungskraft bilden. 2. Die umgestalteten Mitarbeiterfragebögen sind nun logisch und nachvollziehbar in ihrer Fragestellung. Fragen zur Mitarbeitermotivation wurden eingefügt und dienen zur Evaluation der Motivation in den einzelnen Mitarbeitergruppen. 3. Der erarbeitete Leitfaden zur Führung von Mitarbeitergesprächen zu verschiedenen Anlässen hilft den Führungskräften bei der Vorbereitung der anstehenden Gespräche als Nachschlagewerk. 4. Um die Motivation der einzelnen Mitarbeiter nachhaltig aufrecht zu erhalten, wird bei der Verteilung von Aufgaben zukünftig auf die prägnanten Persönlichkeitsmerkmale Rücksicht genommen. Das bedeutet jeden einzelnen Mitarbeiter auf intrinsischer Ebene abzuholen, um seine Stärken zu fördern. 5. In der Auswertung verschiedener Tests können für die Zusammenarbeit bestimmte Aufgaben, entsprechend der jeweiligen Stärken, anders verteilt werden. Das Wissen um die Denkausprägungen, Stärken und Eigenschaften des Einzelnen und im Zusammenhang aller fördert den vertrauensvollen

Wertschätzende Führungskompetenz ausbauen und Teamarbeit gestalten

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Umgang in der Führungsebene, weil einzelne Sichtweisen besser verstanden werden. Bezug nehmend auf die handlungsleitenden Prinzipien des Projektlernens • Herausforderungen meistern, • Kompetenzen entwickeln sowie • Reflexionsfähigkeit verbessern ist rückblickend festzustellen, dass diese Lernform erheblich dazu beigetragen hat, die Kompetenzen aller Projektbeteiligten auszubauen. Betrachtet man die Projektlaufzeit von sechs Monaten, ist eine Zielerreichung von 70 % ein großer Erfolg. Die Grundmauern für den Umgang mit Führungsinstrumenten wurden errichtet und nun ist es Aufgabe der Geschäftsführung und der Führungskräfte in der zweiten Ebene, durch tägliche Arbeit und Übung ein Haus darauf zu bauen und dieses mit Leben zu erfüllen.

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Das Wachstumsprojekt von Reha Vita im Überblick:

Reha Vita GmbH

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Mitarbeiterbindung durch flexible Karrierepfade Entwicklung von Laufbahnmodellen für Fach- und Führungskräfte bei der DR. KNOELL CONSULT GmbH Von Michael Schmidt – Michael Schmidt Beratung & Training

1

Unternehmensdarstellung

Die Firma DR. KNOELL CONSULT GmbH wurde als inhabergeführtes Unternehmen 1996 gegründet. Das Unternehmen ist ein industrieller Dienstleister für die chemische, agrochemische und pharmazeutische Industrie. Es recherchiert, bearbeitet und bewertet wissenschaftliche Daten hinsichtlich der Gefahren für Mensch und Umwelt, erstellt Zulassungs- und Registrierdossiers und vertritt diese gegenüber nationalen und europäischen Behörden. Im Kundenauftrag werden naturwissenschaftliche Tests zu Chemikalien und Wirkstoffen an Auftragsforschungslabore vergeben. Darüber hinaus übernimmt die DR. KNOELL CONSULT GmbH das Konsortialmanagement im Rahmen von REACh, der Richtlinie zur Evaluierung und Zulassung von Chemikalien der EU sowie Beratungs- und Managementaufgaben im regulatorischen Umfeld.

2

Ausgangslage

Das Unternehmen ist kontinuierlich und z. T. exponentiell sehr stark gewachsen von einem eher universitär geprägten kleinen Team mit einer Art CampusMentalität zu einem industriellen Dienstleister mit über 220 Mitarbeitern. Es zeichnet sich ab, dass das Unternehmen auch in den nächsten Jahren weiter wachsen wird. Daher muss dieses Wachstum nicht nur personell, sondern auch strukturell bewältigt und zukunftsorientiert gestaltet werden. Dafür wurden zum einen Führungsebenen etabliert und die Führungskräfte in ihren speziellen Führungskompetenzen weitergebildet. Zum anderen ist es das Ziel der Unternehmensführung, die vorhandenen Fachkräfte zu halten und zu binden und neue Fachkräfte zu gewinnen, um die Wachstumspotenziale im Markt auch nutzen zu können.

144

DR. KNOELL CONSULT GmbH

Ein entscheidendes Element in der Gestaltung des Wachstums der DR. KNOELL CONSULT GmbH sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nur mit der richtigen Anzahl an motivierten Spezialisten kann das Unternehmen am Markt wachsen und sich dort dauerhaft positionieren. Daher muss das Unternehmen sowohl für die bereits angestellten als auch für die potenziellen Mitarbeiter attraktive Arbeitsaufgaben und -bedingungen schaffen und anbieten.

3

Projektdurchführung

3.1

Wachstumsfähigkeit analysieren und Wachstumsziele bestimmen

Bei der Erstdiagnose im Rahmen des Projekts im Dezember 2008 wurden u. a. folgende Faktoren als besonders wichtig für das weitere Wachstum ermittelt: —

Eine stärkere Einbindung von Führungskräften und Mitarbeitern in die Strategie des Unternehmens.



Eine stärkere Ausrichtung der Kompetenzentwicklung der Führungskräfte und Mitarbeiter an der Unternehmensstrategie.



Die Entwicklung von geeigneten Führungsinstrumenten, um diese Ziele zu erreichen.

Aus der Analyse mit dem Modell des Wachstumsrads resultierte die Themenstellung des Gestaltungsprojekts, für das Unternehmen Instrumente zu entwickeln, die es bei der Bewältigung des Wachstums unterstützen würden. Mit diesem Projekt wird der Wachstumshebel „Organisation erweitern, Skalierung lernen“ bewegt (siehe Abb. 1): Das Projekt hatte zum Ziel, Fach- und Führungslaufbahnen zu beschreiben und zu ermöglichen. Organisatorische Hilfsmittel dazu sind die Laufbahnstufen und die konkreten Beschreibungen der jeweiligen Anforderungsprofile und Kompetenzmodelle für jede Stufe. Dadurch werden die Führungskräfte aller Ebenen aufgefordert, sich konkrete Gedanken zum Stand der Entwicklung aller Mitarbeiter sowie zu deren Entwicklungspotenzial und Aufstiegsmöglichkeiten zu machen. Durch die Entscheidung für drei Hierarchiestufen in der Führungslaufbahn und fünf Stufen in der Fachlaufbahn wird ein skalierter Aufstieg möglich und dieser beschrieben. So können sowohl die Organisation als auch alle darin tätigen Personen lernen, sich in diesen Strukturen zu bewegen und den Aufstieg der Fach- und Führungskräfte gezielt und auf die Unternehmensstrategie ausgerichtet zu steuern.

Mitarbeiterbindung durch flexible Karrierepfade

145

Abbildung 1: Bearbeiteter Wachstumshebel bei KNOELL CONSULT

Das Projekt dient ebenso dazu, sich die am Personalmarkt vorhandenen Ressourcen (hier insbesondere im Sinne von Fachkräften und Know-how-Trägern) zu sichern und ihnen sowie den bereits vorhandenen Mitarbeitern attraktive und leistungsgerechte Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Zudem wird die Geschäftsführung von Personalaufgaben entlastet, weil nunmehr die mittlere und untere Führungsebene wesentliche Vorentscheidungen über die Karriere und die Entwicklung der Mitarbeiter treffen soll und darf. 3.2

Wachstumsprojekt initiieren

Die Sach- und Lernziele Das Gestaltungsprojekt hatte das Ziel, die mittel- und langfristige Gewinnung und Bindung von geeigneten Fach- und Führungskräften für die DR. KNOELL CONSULT GmbH durch die Entwicklung von Laufbahnmodellen für die Fachund Führungskräfte zu unterstützen. Als Besonderheit des Projekts „Wachstum lernen – Lernend wachsen“ wurden nicht nur die Sachziele für das Projekt definiert, sondern auch ausdrücklich Lernziele für die beteiligten Führungskräfte und Mitarbeiter bis zum Jahresende 2011 formuliert. Folgende Projektziele wurden festgelegt:

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DR. KNOELL CONSULT GmbH

Sachziele: —

Die Fach- und Führungslaufbahnmodelle sind erarbeitet und kommuniziert.



Die dazu gehörenden Gehaltsstrukturen (Gehaltsstufen und Gehaltsbänder für jede Stufe) sind festgelegt.



Die konkreten Anforderungsprofile für die jeweiligen Führungs- und Fachlaufbahnstufen sind definiert.

Lernziele: —

Lernziele für die Gesamtorganisation: Die Organisation lernt • Veränderungsprojekte gezielt zu planen und zu steuern; • sich neue Strukturen zu geben und sich darin zu bewegen und • die Selbstbeobachtung und Reflexion als Arbeits-Standard zu etablieren.



Lernziele für die Beteiligten: • Die Geschäftsführung kann einen sensiblen Veränderungsprozess zielgerichtet steuern. • Die Personalreferentin erweitert ihre HR-Fachkompetenz und kennt das Modell des Projektlernens. • Die Fach- und Führungskräfte lernen, ihr Handeln stärker auf den strategischen Rahmen der gesamten Organisation auszurichten (bereichsübergreifendes, strategisches Denken und Handeln).

Mit diesen Zieldefinitionen wurde das Projekt im Februar 2010 gestartet und im Frühjahr 2011 vorläufig abgeschlossen. Im Herbst 2011 erfolgt eine abschließende Evaluation des Projekts. 3.3

Verantwortung für das Wachstumsprojekt übernehmen

Die Zusammensetzung des Projektteams und Rollenverteilung Ein Projekt, das jeden Mitarbeiter persönlich betrifft und jede Führungskraft vor große neue Herausforderungen stellt, muss von möglichst vielen Betroffenen akzeptiert und mitgetragen werden, damit es erfolgreich umgesetzt werden kann. Um dieses zu erreichen und die Akzeptanz der Instrumente durch die Belegschaft von vornherein zu erhöhen, wurden alle betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte im Rahmen des Möglichen beteiligt, indem

Mitarbeiterbindung durch flexible Karrierepfade

147



gezielt besonders kritische Mitarbeiter in das Projektteam aufgenommen wurden;



die Geschäftsführung und das Projektteam die Belegschaft regelmäßig über den Stand und die Ergebnisse des Projekts informierte;



alle Mitarbeiter und Führungskräfte eingeladen wurden, die Instrumente durch eigene Vorschläge mit zu gestalten sowie



die Zusammensetzung des Projektteams alle Zielgruppen entsprechend berücksichtigte.

Das Projektteam setzte sich aus folgenden Personen zusammen: • Einem der Geschäftsführer als Projektleiter, • der Leiterin der KNOELL ACADEMY und des Business Development, • zwei Leitern einer Business Unit (BU), • zwei Gruppenleitungen, • zwei Mitarbeitern ohne Führungsfunktion, • der Personalreferentin und dem • externen Berater. In dieser Zusammensetzung waren sowohl alle relevanten Fachbereiche und Führungsebenen vertreten als auch die Belegschaft ausreichend repräsentiert.

148

3.4

DR. KNOELL CONSULT GmbH

Lern- und Veränderungsprozess strukturieren und planen

Die Projektorganisation und ihre Meilensteine

Abbildung 2: Vom Projektteam definierte Meilensteine

Das Projekt lief parallel zum normalen Tagesgeschäft. Es wurde von einem der beiden Geschäftsführer als Projektleiter sowie von einem Projektteam aus Fachund Führungskräften geplant und durchgeführt. Der Berater unterstützte das Projektteam als externer Fach-, Projekt- und Lernexperte. Die zeitliche Abfolge und die für die Umsetzung Verantwortlichen sind in der folgenden Abbildung (Abb. 3) dargestellt:

Mitarbeiterbindung durch flexible Karrierepfade

149

(Legende: MA = Mitarbeiter, FK = Führungskräfte, GF = Geschäftsführung, PT = Projektteam, BT = Trainer und Berater, AVE = Aufgaben, Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse)

Abbildung 3: Ablauf des Wachstumsprojektes

3.5

Lernen und Verändern

Die Umsetzung Das Projekt verlief nach einem sehr guten Start im Februar 2010 überaus konstruktiv und zügig. Die Befragung der Mitarbeiter zu notwendigen Inhalten der Laufbahnmodelle erbrachte viele gute Vorschläge, die auch überwiegend in die Erarbeitung der Laufbahnstufen und Anforderungsprofile sinngemäß oder gar wörtlich übernommen werden konnten. Trotz hoher Arbeitsbelastung aller Mitglieder des Projektteams waren alle Teilnehmenden sehr engagiert bei der Sache, so dass die Erarbeitung der Fach- und Führungslaufbahn bis Ende Mai 2010 sowie die Einweisung der Vorgesetzten und die Information der Mitarbeiter bis Ende Juli 2010 planmäßig abgeschlossen werden konnten. Das Projektteam traf allerdings in Abstimmung mit der Geschäftsführung die Entscheidung, die regelmäßigen Mitarbeitergespräche von den (einmaligen) Einstufungsgesprächen abzukoppeln. Die Einstufungsgespräche fanden daher erst im 1. Quartal 2011 statt. Die Definition der Gehaltsbänder und die Eingruppierung der Mitarbeiter verliefen ebenfalls weitgehend nach Plan. Es gab lediglich einzelne Grenz- bzw. Zweifelsfälle, die durch die Geschäftsführung endgültig festgelegt werden muss-

150

DR. KNOELL CONSULT GmbH

ten. Die Einstufungsgespräche ergaben eine hohe Übereinstimmung zwischen der Selbsteinstufung durch die Mitarbeiter und der Eingruppierung durch die Führungskräfte. Dadurch kam es nur zu relativ wenigen Konflikten und Widerständen gegen die Einstufungen (Fachlaufbahnstufe) und die Eingruppierungen (Gehalt). So konnte am 5.5.2011 ein erstes Auswertungsgespräch mit allen Führungskräften und dem Projektteam stattfinden. Die endgültige Auswertung steht noch aus, wird aber im 4. Quartal 2011 abgeschlossen werden. Somit verlief das Projekt weitgehend nach Plan. Die Befragungsergebnisse sollen im Rahmen einer Betriebsversammlung in der 3. Novemberwoche 2011 bekannt gegeben werden. Die Methoden zur Entwicklung von Lösungsansätzen Bei der Entwicklung von Lösungsansätzen und Maßnahmen kamen mehrere klassische Methoden zum Einsatz: —

Mitarbeiterbefragung zu den Stufen und Bezeichnungen der Fach- und der Führungslaufbahn sowie zu den Kompetenzmerkmalen der jeweiligen Stufen. Insgesamt wurden mehr als 50 Vorschläge für die Fach- und mehr als 40 für die Führungslaufbahn eingereicht.



Für die Entwicklung der Laufbahnmodelle wurden primär das Brainstorming und das Brainwriting nach der Moderationsmethode verwendet. Dabei wurden über 1.000 Karten mit den Vorschlägen der Mitarbeiter und denen der Projektteammitglieder ausgewertet.



Alle Sachthemen und Maßnahmen wurden im Projektteam intensiv besprochen und diskutiert.



Anhand von Prototypen des Unternehmens (bereits vorhandene Anforderungsprofile) und Modellen des Beraters wurden die Laufbahnmodelle und die dazu gehörenden Anforderungsprofile diskutiert und festgelegt.



Im Juli 2010 wurden die erarbeiteten Laufbahnmodelle den Führungskräften des Unternehmens präsentiert und mit ihnen diskutiert. Auch dabei gingen noch zahlreiche Vorschläge zur Verbesserung der Laufbahnmodelle ein. Anschließend übten die Führungskräfte in Rollenspielen zu einzelnen Problemfällen das Führen eines Einstufungsgesprächs.



Während des gesamten Prozesses gab der Berater Feedback zu den Ergebnissen und zum Prozess selbst und führte parallel dazu regelmäßige Lernzielevaluationen durch. So wurde nicht nur das Projekt an sich realisiert, sondern der Prozess und das Lernen fortlaufend reflektiert.

Mitarbeiterbindung durch flexible Karrierepfade

3.6

151

Projekt- und Lernergebnisse bewerten und den Projektverlauf reflektieren

Die Zielrealisierung Die Sachziele wurden trotz einer allgemein hohen Arbeitsbelastung aller Beteiligten innerhalb des Zeitplans erreicht. Die Projektarbeit war von einem sehr hohen Engagement und einer großen Bereitschaft geprägt, sich dem Thema intensiv zu widmen, die Mitarbeiter zu informieren und einzubeziehen und auch die „Knackpunkte“ anzugehen und einer Lösung zuzuführen. Das forderte insbesondere den Mitgliedern des Projektteams und der Geschäftsführung, aber auch allen Führungskräften, viel Energie und Lernbereitschaft ab. Letztendlich hat sich das Projekt für die Beteiligten durch eine gute Umsetzung der geplanten Maßnahmen und die Erreichung der Sachziele gelohnt. Die erarbeitete Fachlaufbahn sieht wie folgt aus (siehe Abb. 4):

Abbildung 4: Modell der Fachlaufbahn

Für jede Laufbahnstufe ist ein konkretes Anforderungsprofil definiert, und für jede Stufe gibt es ein Gehaltsband, in dem das niedrigste und höchste Gehalt für die jeweilige Stufe festgelegt sind. Die Aufspaltung der Laufbahnen ab der Stufe 4 erfolgt in Abhängigkeit davon, ob sich ein Mitarbeiter eher als fachlicher Experte ohne Personalverantwortung weiterentwickeln möchte oder in seiner weiteren Entwicklung mehr Projektverantwortung in Verbindung mit organisatorischer Verantwortung übernehmen will. Damit haben die Führungskräfte und

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DR. KNOELL CONSULT GmbH

die Mitarbeiter die Möglichkeit, die Entwicklung und den Aufstieg personenbezogen, unter gleichzeitiger Berücksichtigung der strategischen Ziele des Unternehmens, zu planen und zu steuern. Die Erfahrungen beim Projektlernen Für die meisten Beteiligten war es ein zumindest z. T. neuer Aspekt, parallel zur Arbeit auch noch den eigenen und den organisatorischen Lernprozess bewusst und konkret zu verfolgen. Das führte dazu, dass alle Beteiligten den eigenen Lernfortschritt im Auge behielten. Zudem wurde das parallel zum Projekt laufende Führungskräfteentwicklungsprogramm mit dem Wachstumsprojekt verzahnt und koordiniert. In den Führungskräftetrainings wurde das Führen der Einstufungsgespräche geübt. Es wurden Verbesserungsvorschläge erarbeitet und an das Projektteam weitergegeben. Dadurch wurde insbesondere das Lernen der Führungskräfte stark gefördert. Die Mitarbeiter des Projektteams lernten die Komplexität und Sensibilität eines organisationsumfassenden Veränderungsprojekts hautnah kennen und entwickelten dadurch einen erweiterten Blick auf das gesamte Unternehmen. Die Personalreferentin, die bisher fast ausschließlich mit administrativen Aufgaben betraut war, erwarb einen Gesamtüberblick über das wesentliche Instrumentarium der HR-Arbeit und gewann durch die Projektarbeit viel an Fach- und Methodenkenntnissen dazu. Der Geschäftsführung ist von Anfang an klar gewesen, dass dieser sensible Veränderungsprozess für sie eine große Kommunikations- und Führungsaufgabe sein würde. Jedoch stellte sich erst im Laufe des Projekts die Tragweite transparenter dar, und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Es ist deutlich geworden, dass die Komplexität der Aufgabe des Change-Managements überproportional mit der Zahl der involvierten Mitarbeiter und Führungskräfte steigt und nur durch eine gute Vorbereitung und Rückkopplung mit den Führungskräften der tieferen Ebenen erfolgreich bewältigt werden kann. Alle Beteiligten vertieften mit der Umsetzung des Projekts ihre theoretischen und praktischen Kenntnisse im Projektmanagement. Die Beantwortung der Fragebögen zu den Inhalten der Laufbahnmodelle mit der Möglichkeit, eigene Vorschläge zu machen, hat den Mitarbeitern die Reflexion der eigenen Ansprüche und Maßstäbe an sich selbst und Andere ermöglicht. Viele Mitarbeiter haben dies als große Herausforderung empfunden, sich aber aus dem anfänglichen Gefühl der Überforderung mit der Aufgabe durch kon-

Mitarbeiterbindung durch flexible Karrierepfade

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struktives Bearbeiten, zum Teil in selbst organisierten Gruppen, herausbewegt und sich nicht entmutigen lassen. In der noch folgenden Phase sollen die Mitarbeiter lernen, auch weiterhin Kritik an den Modellen zu äußern und damit zu erfahren, dass die Firma Wert auf ihr Urteil und ihre Ideen, auch in internen Prozessen und Entscheidungen, legt. Und was hat das Unternehmen insgesamt gelernt? Aus Sicht der Geschäftsführung Folgendes: Bei der Bewältigung der Aufgaben in einem Unternehmen stehen klassisch immer die konkreten Ergebnisse im Vordergrund. Ein Kompetenzzuwachs findet bei der Fokussierung auf die inhaltlichen Ergebnisse zweifelsfrei auch hinsichtlich anderer Kompetenzen statt, allerdings werden diese weder hinreichend gewürdigt, noch im möglichen Maße genutzt. Eine Reflexion des Kompetenzzuwachses auf den Feldern jenseits der konkreten Zielerreichung ist sicherlich hilfreich, darf aber nur als erster Schritt in die richtige Richtung gesehen werden. Eine Lernende Organisation muss dem Lernen einen hohen Stellenwert beimessen, indem es den Mitarbeitern und sich selbst nicht nur die Ziele entsprechend setzt, sondern ihnen und sich auch Zeit für die Fortbildung, Entwicklung und Reflexion des Erreichten gibt. Beim Einsatz der Mitarbeiter in der alltäglichen Arbeit sollten konsequent Lernziele gesetzt, kommuniziert und evaluiert werden, um den Mitarbeitern deutlich zu machen, dass das Unternehmen an ihren persönlichen Kompetenzen und deren Weiterentwicklung hohes Interesse hat. Erst recht in Projekten kann das Unternehmen gezielt Mitarbeiter weiterqualifizieren mit dem Vorteil, dass ihnen Wissen nicht nur in einer (theoretischen) Fortbildung vermittelt oder in einem Workshop mit mehr oder minder wirklichkeitsnahen Szenarien nahe gebracht wird, sondern sie sich das Wissen am konkreten Projekt erarbeiten können. Das steigert die Motivation beim Lernen und dürfte auch inhaltlich zu besseren Ergebnissen führen. Lernen darf nicht nur ein willkommenes Abfallprodukt sein, sondern ist ein herausragender Teil der Unternehmenskultur.

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3.7

DR. KNOELL CONSULT GmbH

Ergebnisse transferieren und für Wachstum nutzen

Die konkreten Erfahrungen im Umgang mit Herausforderungen des Wachstums Dem Unternehmen ist es gelungen, ein strategisches Projekt trotz hoher Arbeitsbelastung innerhalb des definierten Zeitraums erfolgreich durchzuführen. Die prognostizierten Konflikte bei den Einstufungsgesprächen sind zwar eingetreten, jedoch in geringerem Ausmaß als befürchtet. Auch die befürchtete Folgefluktuation nach den Einstufungsgesprächen fiel geringer aus als erwartet. Die meisten Mitarbeiter sahen sich entweder voll und ganz, überwiegend oder zumindest im Wesentlichen richtig eingestuft (85 %) sowie in ihrer Leistung und Kompetenz bestätigt. Somit ist die bisher bereits vorhandene hohe Mitarbeiterbindung gestärkt bzw. bestätigt worden. Die Rolle der Geschäftsführung und der externen Begleitung Die Geschäftsführung war von Anfang an die treibende Kraft in diesem Projekt und bewies, sowohl bei der Zusammenstellung des Projektteams als auch im Laufe des Umsetzungsprozesses, hohes Engagement und die Bereitschaft, sich intern und extern beraten zu lassen und dazuzulernen. Sie steuerte den Prozess sehr sensibel und zielorientiert und unterstützte immer wieder aktiv den Lernprozess aller Beteiligten. Sie delegierte viele Aufgaben, Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse an die untergeordneten Führungsebenen und stimmte sich immer wieder mit diesen ab. Bei Bedarf übernahm sie die sensibelsten Aufgaben selbst (z. B. die letzte Entscheidung bei Einstufungen), achtete aber immer auf ein hohes Maß an Konsens in Bezug auf die getroffenen Entscheidungen. Aus Sicht des externen Beraters verlief das Projekt bisher mustergültig. Alle Beteiligten arbeiteten hoch motiviert und mit großer Eigenverantwortung an der Erstellung und am Feinschliff der Laufbahnstufen und des Kompetenzmodells. Dabei waren alle Beteiligten sehr offen für Rat und Feedback. Auch die Kommunikation des Entwicklungsstands und der Zwischenergebnisse an die Belegschaft verlief sehr gut. Nicht verschwiegen werden soll, dass zum erwarteten Zeitpunkt erste Bedenken und Sorgen bei den Nichtbeteiligten, z. T. auch bei den Mitgliedern des Projektteams aufkamen, insbesondere als immer klarer wurde, was die Einführung der Laufbahnen für das Unternehmen insgesamt und für die tägliche Arbeit der Führungskräfte und Mitarbeiter konkret bedeuten wird. Es war sehr motivierend und bestätigend für den Berater, dass das inhaltliche Konzept so positiv aufgenommen und umgesetzt wurde und auch der Prozess größtenteils so verlief wie ge-

Mitarbeiterbindung durch flexible Karrierepfade

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plant und vermutet. Auch der Umgang mit dem auftauchenden Widerstand und den Emotionen erfolgte so wie aus Beratersicht wünschenswert.

4

Fazit und Ausblick für die Zukunft

Was hat das Projekt dem Unternehmen gebracht? Was hat es gelernt? Dem Unternehmen ist es gelungen, sich im Kampf um die besten Talente und Fachkräfte mit den notwendigen Instrumenten zu versorgen, um das weitere Wachstum durch das Finden und Binden von Fach- und Führungskräften aktiv zu gestalten. Die Sach- und Lernziele wurden erreicht. Das Unternehmen hat gelernt, dass strategische Veränderungen an ein Projektteam delegiert werden können und müssen, um zu Ergebnissen zu kommen, die auf einer vernünftigen Basis stehen und akzeptiert werden. Auch die Begleitung durch einen externen Berater wurde als bereichernd erlebt. Das Unternehmen hat gelernt, wie man notwendige Veränderungen in einem großen Maßstab angeht, die erarbeiteten Lösungen ständig überprüft, Fehler korrigiert und die notwendige Flexibilität in der zeitlichen Planung beibehält, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren – also sich die notwendige Zeit zu geben, damit das „Timing“ passt. Das Projekt hat Denkprozesse angestoßen z. B. hinsichtlich der Organisationsstruktur, der konsequenten Delegation von Befugnissen und Verantwortung sowie den Werten, die den Unternehmensalltag bestimmen. Das Unternehmen hat damit gelernt, dass die Strukturen eng mit der Unternehmensstrategie verknüpft sein müssen, um die Unternehmensziele erreichen zu können und das die Selbstbeobachtung nicht nur zur permanenten Anpassung sich verändernder äußerer Bedingungen notwendig ist, sondern auch wichtig ist, um den Mitarbeitern Sicherheit und Vertrauen in ein sich wandelndes Unternehmen zu vermitteln. Was hat das Projekt für den Berater gebracht? Auch wenn der Berater schon einige solcher Projekte durchgeführt hat, so war es doch ein besonderes und besonders lehrreiches Projekt. Durch das Konzept „Management des Wachstums“ mit seiner Methode des Projektlernens wurde sowohl die Diagnosephase als auch die Projektbegleitung strukturiert unterstützt. Insbesondere der fortlaufende Fokus auf das Lernen aller Beteiligten förderte diese Einschätzung. Das nunmehr im Rahmen des Forschungsprojekts „Wachstum lernen – lernend wachsen“ erarbeitete Instrumentarium zur Wachstumsberatung

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DR. KNOELL CONSULT GmbH

bietet eine pragmatische und dennoch tiefgehende Hilfestellung für die Beratung von Kleinen und Mittleren Unternehmen bei der Hebung ihrer Wachstumspotenziale. In der nun vorliegenden Ausprägung der Instrumente und Tools ist das Beratungskonzept einmalig und sehr praxistauglich. Wie geht es weiter? Das Projekt bei DR. KNOELL CONSULT wurde Mitte des Jahres 2011 abgeschlossen. Nach Abschluss aller Einstufungs- und Mitarbeitergespräche wird dann das Projekt im Herbst durch eine Mitarbeiterbefragung abschließend evaluiert werden. In der Folge werden die Laufbahnmodelle, also insbesondere die Kompetenzprofile, im Rahmen der jährlichen Diskussion über Höherstufungen der Mitarbeiter überprüft und gegebenenfalls ergänzt oder verändert werden, um sie den aktuellen Bedürfnissen des Unternehmens anzupassen. Bei den Project Assistants erfolgt die Überprüfung der Einstufung halbjährlich. Die Wachstumsberatung nach dem Konzept „Management des Wachstums“ wird für den Berater in Zukunft ein Standard in der Beratung (nicht nur) von kleinen und mittleren Unternehmen sein; erste Projekte sind bereits angedacht.

Mitarbeiterbindung durch flexible Karrierepfade

Das Wachstumsprojekt von DR. KNOELL CONSULT im Überblick:

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Wachstumsziele gestalten und nachhaltig wachsen Familienfreundlichkeit als Wachstumsstrategie bei der Document Service Center GmbH Von Elke Koll – koll consultants Beratergruppe

1

Unternehmensdarstellung

Die DSC Document Service Center GmbH hat sich seit ihrer Gründung 1997 zu einem der führenden Anbieter für die Übersetzung technischer Texte in alle west- und osteuropäischen sowie den wichtigsten asiatischen Sprachen entwickelt. Seit Anfang 2008 gehört DSC zur internationalen RWS-Group, innerhalb derer das Unternehmen als Spezialist für die Übersetzung von Patent- und Gebrauchstexten unter Einsatz moderner übersetzungsunterstützender SoftwareSysteme aufgestellt ist. Zu den Kunden gehören dabei führende deutsche und internationale Technologieunternehmen aber auch Dienstleister aus dem Bereich der technischen Dokumentation. Aktuell verfügt das Unternehmen über mehr als 120 Arbeitsplätze für 56 feste und zusätzliche freie Mitarbeiter. Anfang 2010 wurde ein integriertes Qualitätsmanagementsystem nach DIN EN 15038: 2006 und ISO 9001:2008 zertifiziert. Als Teil der internationalen RWS-Group verfügt DSC zudem über Standorte und Ressourcen in Europa, Amerika und Asien. Eine Besonderheit von DSC ist der Fokus auf Inhouse-Übersetzungen. Für Stammkunden gibt es interne Teams, die sich auf die spezifischen Anforderungen einstellen und eine firmenspezifische Wissensbasis aufbauen. Dies sichert den Auftraggebern eine gleichbleibend hohe Übersetzungsqualität. Das jeweilige Team erscheint dabei fast wie eine interne Gruppe in der Organisation der Auftraggeber. Ein weiterer Vorteil ist die Unterstützung der Übersetzungsteams durch Ingenieure und Experten aus verschiedenen Fachbereichen. Dieses Konzept erleichtert auch die Umsetzung der geforderten engen Durchlaufzeiten.

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Document Service Center GmbH

Abbildung 1: Karikatur Übersetzungsqualität (Quelle: RL)

2

Ausgangslage

Nach dem Verkauf an die RWS-Group im Jahre 2008 und dem damit einhergehenden Geschäftsführerwechsel waren Umstrukturierungsmaßnahmen im Unternehmen notwendig. DSC war in den letzten Jahren so stark gewachsen, dass es insbesondere in der Organisationsstruktur Änderungsbedarf gab. Hatte das Unternehmen im Jahr 2005 noch einen Umsatz von 3,9 Mio. Euro mit einem festen Mitarbeiterstand von 29, so stieg der Umsatz im Jahr 2009 auf 5,2 Mio. Euro und die Anzahl der Festangestellten verdoppelte sich. Um den Marktanforderungen gerecht zu werden, kam in dieser Zeit auch die Idee auf, sich zertifizieren zu lassen. Im Rahmen der Abwägung, wie aufwändig die Vorbereitung einer Zertifizierung eigentlich ist, stieß das Unternehmen auf das Projekt „Wachstum lernen – lernend wachsen“. Das Projekt war gleich sehr ansprechend, weil es die zu diesem Zeitpunkt bestehende Lage gut widerspiegelte. Die Projektleitung bot DSC daraufhin eine ausführliche Erstdiagnose zu den Treibern und Hemmnissen des Wachstums an. Die Bewertung gab Aufschluss darüber, wie das DSC im Vergleich zu anderen Unternehmen bzgl. der Nutzung unternehmensinterner Potenziale steht und wie das Unternehmensmanagement im Allgemeinen aufgestellt ist. Einige Wochen später fand dann ein weiteres Treffen statt, in dem der Managementreport ausführlich besprochen wurde.

Wachstumsziele gestalten und nachhaltig wachsen

3 3.1

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Projektdurchführung Wachstumsfähigkeit analysieren und Wachstumsziele bestimmen

Im Rahmen der Veränderungsprozesse infolge der Eingliederung des Unternehmens in die RWS-Group hatte das DSC eine vierköpfige Geschäftsleitung gebildet, die sich zunächst im Rahmen einer selbst moderierten Zukunftswerkstatt über Ziele und Strategien einigte. Einer der Geschäftsführer brachte aus ehrenamtlicher Kirchenarbeit Erfahrungen mit dieser Form der Großgruppenarbeit mit. Die dort beschlossenen Aktionen wurden zügig umgesetzt. Die Maßnahmen zeugen gerade im Rückblick von hoher Kompetenz, Weitsicht und bemerkenswertem Teamspirit, bei gleichzeitig sehr hohem Tempo der selbstorganisierten Veränderung. Die Aktionen der Geschäftsleitung, so stellten es die Mitarbeiter in den ersten beiden, ebenfalls neu eingeführten, Mitarbeiterumfragen fest, können in ihrer Relevanz für das unternehmerische Gesamtkonzept nicht immer vollständig nachvollzogen werden. Die deutliche Mehrzahl der Mitarbeiter war sehr zufrieden mit Team-, Entscheidungs- und eigenen Verwirklichungsmöglichkeiten, wünschte sich jedoch eine klarere Darstellung der Unternehmensziele und eine bessere Nachvollziehbarkeit der Managemententscheidungen. Im Rahmen der Probeaudits im Mai 2010 zu den TÜV-Zertifizierungen, die nach vergleichsweise geringer Vorbereitungszeit und ohne aufwendige externe Begleitung parallel zum Eintritt in das Wachstumsprojekt abliefen, wurde – als einer der wenigen Kritikpunkte – das wenig konsistente Leitbild zum erneuten Diskussionsthema. Das Document Service Center lebt von Projekten und selbstgesteuerten Projektteams in hoch anspruchsvollen Kundensegmenten. So können anerkannter und bewährter Service, Innovationsfähigkeit, Mitdenken und -steuern der Teams nur gesichert werden, wenn sich alle eingebunden und strategisch „geführt“ fühlen. Ein „wenig konsistentes Leitbild“ stellte – nach Meinung der Beraterin – einen offensichtlichen Widerspruch dazu dar. Zu Beginn der Projektgespräche hatte die Geschäftsführung noch Verbesserungspotenziale im Projektmanagement und insbesondere im Führungsverhalten auf der 2. und 3. Ebene angemerkt und somit den Wachstumshebel „Mitarbeiter zum unternehmerischen Handeln bewegen“ favorisiert. Der aus der Erstdiagnose hervorgegangene Managementreport wie auch die Audit-Berichte aus dem Zertifizierungsverfahren und die Mitarbeiterbefragungen wiesen jedoch – wie oben aufgeführt – auf Reserven im Leitbild und in der Kommunikation der unternehmerischen Strategien hin.

162

3.2

Document Service Center GmbH

Wachstumsprojekt initiieren

In gemeinsamer weiterer Klärung fiel die Entscheidung, mit der „Formulierung von Wachstumsstrategien“ die gewünschten und notwendigen klaren Leitlinien, Visionen und Strategien für die Zukunft des Unternehmens zusammenzufassen und in die Organisation einzuführen, sodass sie von allen verstanden und mitgetragen werden können. Es fiel auch die Entscheidung, von Anfang an die unteren Führungsebenen und den Betriebsrat einzubeziehen, um weitmöglichste Transparenz und verantwortliche Beteiligung zu gewährleisten. Die Wachstumshebel, die mit der Projektidee bewegt werden sollten, lauteten also (vgl. Abb. 2): —

Wachstumsstrategie formulieren



Mitarbeiter für Wachstumsziele begeistern

Abbildung 2: Bearbeiteter Wachstumshebel beim DSC

Die identifizierten Projektziele wurden folgendermaßen beschrieben: „Es gibt ein tragfähiges Leitbild. In der Personalentwicklung sind konkrete Maßnahmen diskutiert. Im Rahmen des RKW-Projektes werden Strategien für ein familienfreundliches Unternehmen entwickelt und erste Maßnahmen umgesetzt: —

Festschreibung von Werten, Prinzipien und Maßnahmen, die Mitarbeiter/innen und Bewerber/innen mit Familie motivieren, im Unternehmen zu bleiben bzw. sich für die Mitarbeit im Unternehmen zu entscheiden.

Wachstumsziele gestalten und nachhaltig wachsen

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Erfolgreiche Kommunikation dieser Werte, Prinzipien und Maßnahmen nach innen.



Steigerung des Image des Unternehmens intern und nach außen.



Am Beispiel des projektgesteuerten Lernens sind Anforderungen eines effizienten Projektmanagements deutlich geworden und werden für die Organisation festgeschrieben.“ (Projektskizze)

Eine wesentliche Komponente des RKW-Projektes war das „Projektlernen“. Das DSC selbst hatte von Anfang an Reserven im Projektmanagement ausgemacht. Und so war die Diskussion um Projekt- und Lernziele und um das Management des Lernprojektes tatsächlich von unklaren Begrifflichkeiten und unterschiedlichem Management-Know-how selbst bei den vier Geschäftsführern geprägt. Die Definition von Lernzielen wurde ein Ringen um „attraktiv, messbar, terminierbar, realistisch“. Schließlich konnten folgende Lernziele auf organisationaler und individueller Ebene beschrieben werden:

Abbildung 3: Beschriebene Lernziele

3.3

Verantwortung für das Wachstumsprojekt übernehmen

Die innerbetriebliche Projektgruppe setzte sich zunächst aus den vier Geschäftsführern zusammen, wobei der Managing Director als verantwortlicher Ansprechpartner agierte. Im Verlauf des RKW-Projektes änderte sich diese Zusam-

164

Document Service Center GmbH

mensetzung. Mit der zunehmenden Fokussierung auf das „Familienfreundliche Unternehmen“ kamen eine Vertreterin des Betriebsrats und die Gleichstellungsbeauftragte dazu. Ergänzt wurde das Projektteam durch die externe Beraterin. 3.4

Lern- und Veränderungsprozess strukturieren und planen

Für die Umsetzung der Ziele wurde ein Zeitraum von neun Monaten vorgegeben und folgender Rahmenplan gesteckt: —

Sammlung und Sichtung von relevantem Material und Beispielen zum Thema „Familienfreundliches Unternehmen“ (Mai 2010 – parallel zu den Probe-Audits im Rahmen der angestrebten Zertifizierungen).



Entwurf eines trag- und zukunftsfähigen Leitbildes mit dem Schwerpunkt Familienfreundliches Unternehmen/Nachhaltigkeit (Mai–Juni 2010).



Planung von Strategietagen (Klausurtagung), Schwerpunkte: Leitbild, Strategien, Maßnahmen, Start der Arbeit der Projektgruppe – Ziele, Maßnahmen, Beteiligte, Kommunikationsstrategien.



Durchführung der Strategietage (Klausurtagung): 27.–29.06.2010, Moderation durch Beraterin.



Einleitung der Maßnahmen: ab Juli 2010.



Weitere Beteiligung im Projekt.



Evaluation

Bei der Formulierung eines Leitbildes erinnerte man sich daran, dass in der Organisation bereits mehrfach über „Nachhaltigkeit“ als Unternehmenswert diskutiert wurde und man hieran anschließen könne. In gewohnter „Zügigkeit“ wurden für die drei Bereiche Nachhaltigkeit, Ökologie und Ökonomie Zuständigkeiten definiert und auch erste messbare Ziele definiert: —

Ökologie: Einführung eines Papiermanagements, Senkung des Verbrauchs an Papier und Energie.



Ökonomie: Langfristige Fokussierung auf Kundensegment „Nachhaltige Wirtschaft“.



Menschen: Einführung eines Konzeptes „Familienfreundliches Unternehmen“.

In weiterer Diskussion zwischen Geschäftsleitung, Beraterin und den Projektpartnern aus Hochschule und RKW wurde das Vorhaben jedoch als zu groß für

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die gegebene Projektlaufzeit befunden und daher auf den Faktor „Menschen“ und „Einführung eines Konzeptes für ein Familienfreundliches Unternehmen“ reduziert. Diese Entscheidung konnte vom DSC akzeptiert werden, widersprach sie doch nicht der grundsätzlichen immer noch attraktiven Vision von Nachhaltigkeit. 3.5

Lernen und Verändern

„Auf Vorhandenes aufbauen, nicht ständig etwas Neues“, unter diesem Motto startete dann die eigentliche Projektarbeit. Auf energisches Beharren der Beraterin wurde miteinander vereinbart, dass im Rahmen der Projektlaufzeit keine überstürzten Lösungen erzwungen werden sollten, die dann einmal mehr nicht von der Belegschaft nachvollzogen werden können. Entgegen des im Führungsteam gängigen „zügigen“ Tempos sollte man sich diesmal Zeit für eine durchdachte Planung des Prozesses sowie die Einbeziehung aller bereits existierenden Maßnahmen, Akteure und relevanten Umfelder nehmen. Und wie im Projektlernen vorgesehen, sollte Raum für Lernschleifen gegeben werden. Die Umsetzung der Maßnahmen wurde in drei wichtige Teilschritte eingeteilt: 1. Erarbeitung eines Leitbildes 2. Erarbeitung eines Konzeptes für ein Familienfreundliches Unternehmen 3. Umsetzung erster Maßnahmen Strategietage „Zukunft gestalten“ Als entscheidende Methode für die Planung und den Start des Projektes wurde eine (Großgruppen-)Werkstatt in Form von Strategietagen durchgeführt. Es wurde bewusst eine Auszeit von drei Tagen genommen und ein erweiterter Führungskreis und der Betriebsrat einbezogen. Es ging darum, mehr Entscheidungsträger und „Multiplikatoren“ einzubinden, um die Kommunikation „nach unten“ zu verbessern und doppelte Diskussionen (z. B. zur Rechtssicherheit) einzusparen. Und es sollte genug Zeit vorhanden sein, um Verabredungen und Planungen detailliert zu besprechen. Zudem stand die Absicht, diese Werkstatt sozusagen als „traditionsbildend“ zu verstehen und zu kommunizieren – als Fortsetzung der ersten Zukunftswerkstatt von 2009. Als Themenschwerpunkte benannte die Geschäftsleitung —

Führung und Verantwortung;



Kommunikation im Unternehmen;

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Qualifikation und Weiterbildung sowie



Familienfreundlichkeit und Nachhaltigkeit – hier sollte vor allem das Wachstumsprojekt diskutiert und eine solide Projektplanung mit Verantwortlichkeiten und Meilensteinen entwickelt werden.

Um die Unternehmenskultur und persönliche Stärken und Schwächen innerhalb der Führung sichtbar und handhabbar zu machen, führte die Beraterin im Rahmen der Strategietage mit allen Teilnehmern sog. MBTI®-Tests durch. Der Myers-Briggs Typenindikator (MBTI®) ist eine weltweit verbreitete Persönlichkeitspotenzialanalyse. Der von Katherine Cook Briggs und ihrer Tochter Isabel Myers entwickelte „Test“ geht auf C. G. Jungs „Psychologische Typen“ zurück und macht zunächst eigene Verhaltensmuster sichtbar. Er ist aber auch ein exzellentes Instrument, um andere Menschen in ihrem typischen Verhalten leichter zu erkennen sowie effiziente und angemessene Führungs- und Kommunikationsstrategien im Verhalten zu anderen „Typen“ zu entwickeln. Während die einen zügig und kreativ immer wieder neue Ideen entwickeln, brauchen die anderen Beständigkeit und Tiefe (siehe Abb.4 ).

Abbildung 4: Unterschiedliche Mitarbeitertypen (Quelle: Uwe Hoppmann/Elke Koll, ZTrainingsmaterial MBTI für GM Europe)

Der Beraterin ging es darum, den beteiligten Führungskräften die identifizierten Muster und die organisch gewachsene „typische“ Unternehmenskultur zu spiegeln und gemeinsam Strategien abzuleiten, wie man zukünftig im Team, aber auch in Projekten zusammenarbeitet.

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Modernes Management, wie es auch DSC praktizieren muss und möchte, braucht neue Führungs- und Teamkulturen, die zunehmend auf Intrapreneurship und Managing Diversity basieren. Leitungs- und Projektaufgaben müssen sich unterschiedlicher Kompetenzen und Stärken bewusst sein und diese auch nutzen können: —

Visionen entwickeln, neue Märkte sehen, Trends erkennen.



Ziele auf Budgets herunterbrechen, planen und kalkulieren können, Budgets verwalten.



Verkaufen, mit Kunden kommunizieren können, Sprachen und Kulturen verstehen können; Mitarbeiter motivieren.



Entscheidungen treffen, auch ohne alle Informationen zu haben.



Entscheidungen kommunizieren.

MBTI bietet als Instrument eine solide Basis für Akzeptanz, Wertschätzung und bewusste Nutzung von Unterschieden im Führungs- und/oder Projektteam. Die Teilnehmer konnten mittels MBTI auch die vorherrschende Unternehmenskultur identifizieren, die auf hochgradige Intuition, Kreativität und Schnelligkeit bei gleichzeitigem Anspruch eines kollegialen und partizipativen Miteinanders basiert. Ab sofort hieß es in jeder Sitzung des Projektes und der Führung, zu „entschleunigen“, wenn man wieder ganz zügig Neues voran treiben wollte. Mit diesem Motto zwang man sich, ruhig und diszipliniert nachzudenken, was genau gemeint und Schritt für Schritt zu tun sei. Entwicklung eines Leitbildes Nachdem gängige und anstrebenswerte persönliche wie organisationsspezifische Verhaltensmuster und Werte besprochen waren, gelang es relativ unkompliziert, gemeinsam ein Leitbild in Worte zu fassen. Dabei wurde den Teilnehmer jedoch bewusst, dass die Führung dieses vor allem vorleben muss. So entstanden auf den Strategietagen auch „Führungsleitsätze“. Weiterhin wurde „entschleunigt“ (also ganz tiefgründig) an einem neuen Organigramm und an der Verbesserung der Kommunikation gearbeitet. Im Ergebnis der außerhalb der Strategietage in Arbeitsgruppen fortgesetzten Diskussionen entstand ein neues Organigramm, das als wichtiger Meilenstein in Richtung Transparenz der Unternehmensstruktur und Weisungsbefugnis zu werten ist. Weitere solche Meilensteine waren folgende Entscheidungen:

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Alle relevanten Dokumente werden zwar auf den SharePoint-Server gestellt, Neuigkeiten jedoch per „Mitarbeiter-Newsletter“ verbreitet. Der erste Newsletter veröffentlichte die Ergebnisse der Strategietage. Die Führungsleitsätze werden als Plakat dargestellt, von allen Führungskräften unterschrieben und in den Eingangsbereich gehängt.



Ein Reporting zwischen Teamleitern und Geschäftsleitung wird eingeführt.



Ein Informationsflussdiagramm bringt Transparenz und Verbindlichkeit in die Unternehmenskommunikation.



Der „Meeting Manager“ (intern entwickelte Software) wird eingeführt und bringt Effizienz in die Besprechungskultur.

Projekt „Familienfreundliches Unternehmen“ Die Diskussion des Projektes und Ableitung eines Projektplanes stand am dritten Strategietag auf der Tagesordnung. Ein Mitglied der Geschäftsleitung, selbst Vater und am Thema persönlich interessiert, hatte vorab ausführlich recherchiert und eine exzellente Präsentation vorbereitet, die Nutzen und Barrieren, Beispiele und Zielstellungen für das DSC darstellte. Auch legte er eine erste Liste vor, was bereits im Unternehmen vorhanden ist oder war und was bewahrens- oder diskussionswert wäre. Als tatsächlich sehr hilfreich wurde nun auch die Mitdiskussion des Betriebsrates von Anfang an empfunden. Viele der angesprochenen Punkte sind in Deutschland gesetzlich geregelt. Die eigentliche Arbeit am Projekt „Familienfreundliches Unternehmen ging somit erst nach den Strategietagen los. Die eigenständige Arbeitsgruppe, die dem Vorschlag der Beraterin folgend, die Gleichstellungsbeauftragte einbezog, setzte vereinbarungsgemäß alle formulierten Teilschritte mit dem entsprechenden Reporting an die Geschäftsleitung und den Betriebsrat um: —

Bildung einer eigenständigen Projektgruppe.



Familienfest (anstelle des bisherigen Sommerfestes): Sichtbarmachung der Familien.



Erfassung, Würdigung und Festschreibung aller existierenden familienfreundlichen Maßnahmen im Unternehmen; Abgleich mit vorab identifizierten denkbaren Handlungsfeldern.



Definition von zunächst drei Maßnahmenpaketen: • Arbeitszeit und -organisation,

Wachstumsziele gestalten und nachhaltig wachsen

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• Arbeitsort sowie • weitere Handlungsfelder —

Abstimmung der erarbeiteten Maßnahmen mit der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat.



Beschluss der Maßnahmenpakete durch die Geschäftsleitung.



Bekanntmachung dieser Regelungen für alle Mitarbeiter.



Umsetzung und Überwachung der Zielerreichung über Kennzahlen.

Im Folgenden wird hier beispielhaft ein Überblick über die im Rahmen des ersten Arbeitspaketes „Arbeitsorganisation und Arbeitszeit“ erarbeiteten Inhalte gegeben (siehe Abb. 5).

Abbildung 5: Inhalte des ersten Arbeitspaketes beim DSC

Die endgültigen Festlegungen wurden nach ernsthaftem Ringen erst Monate nach Ablauf des RKW-Projektes getroffen, die „Entschleunigung“ und Verbindlichkeit der Festlegungen gilt jedoch noch immer. Interessanterweise und zugleich recht unerwartet waren nicht alle Mitarbeiter sofort überzeugt von der Idee des familienfreundlichen Unternehmens. Nicht jeder wollte beim Feiern (z. B. zum traditionellen Sommerfest) Partner oder Partnerin sowie Kinder dabei haben. Die Führungskräfte waren gefordert, ihre gemeinsam getroffenen Verabredungen zu verteidigen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Mit dem Ablauf der gegebenen Projektlaufzeit blieben vorgesehene wichtige, extern moderierte oder begleitete Reflexionen zum Projektlernen aus. Das DSC selbst schätzt die Kompetenzentwicklung trotzdem relativ hoch ein. Gleichzeitig plant das Unterneh-

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men mit externer Hilfe den Aufbau einer DSC-Akademie für unternehmerisches betriebsinternes Lernen und Lehrgänge zum Projektmanagement. 3.6

Projekt- und Lernergebnisse bewerten und den Projektverlauf reflektieren

Die folgenden drei Projektziele wurden aus dem übergeordneten Projektziel „Wachstumsziele gestalten – Nachhaltig wachsen: Familienfreundlichkeit als Wachstumsstrategie“ erreicht: 1. Im Projekt erfolgte die gemeinsame Entwicklung und Einführung eines Leitbildes für das gesamte Unternehmen, wobei Nachhaltigkeit und Familienfreundlichkeit wesentliche Grundsätze sind. (Feedback aus Mitarbeiterbefragung positiv). 2. Das Projektteam hat Strategien für ein „Familienfreundliches Unternehmen“ entwickelt und folgende erste Maßnahmen dazu umgesetzt: • 1. Stufe: Ermittlung und Festschreibung bestehender familienfreundlicher Regelungen durch die Projektgruppe. • 2. Stufe: Abstimmung mit der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat. • 3. Stufe: Bekanntmachung dieser Regelungen für alle Mitarbeiter (Bekanntmachung erfolgt in Paketen, erstes Paket ist veröffentlicht, siehe oben). • 4. Stufe: Konzeption und Einführung neuer Regelungen (Ideensammlung hat stattgefunden). 3. Es wurden Werte, Prinzipien und Maßnahmen festgeschrieben, welche die Arbeitgeberattraktivität für Mitarbeiter und Bewerber mit Familie erhöhen. Überprüfte Routinen Schnelligkeit, Tendenz zum Aktionismus, breite und langwierige Diskussionen mit allen, überzogener Teamspirit mit Harmoniestreben vs. „unbequeme“ Entscheidungen treffen und dazu stehen.

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Entwickelte Kompetenzen —

„Entschleunigung“, Sichtung und Diskussion von vorhandenen Maßnahmen, seriöse Projektplanung, tiefgehende Diskussion und Einbeziehung der relevanten Partner, Einordnung in das Leitbild, Handeln nach Leitbild und Führungsgrundsätzen, Verteidigen von Managemententscheidungen, Führung übernehmen.



Akzeptanz und Respekt vor Anderen; Wissen, Würdigung und Nutzung unterschiedlicher Kompetenzen; Schlussfolgerungen für Personalpolitik und Führungs-, Team- sowie Projektarbeit.



Motivation und Führung entsprechend unterschiedlicher Bedürfnisse.

Der Erreichungsgrad der Lernziele wird wie folgt eingeschätzt:

Abbildung 6: Übersicht über den Erreichungsgrad der Lernziele

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Ergebnisse transferieren und für Wachstum nutzen

Aufbauend auf den Erfahrungen, die mit dem Wachstumsprojekt bei DSC gesammelt wurden, zieht das Unternehmen zukünftig in Erwägung, die Planung und Durchführung interner Projekte, wie der Aufbau der DSC-Akademie, nach der Methode des Projektlernens durchzuführen. Ausschlaggebend dafür werden der Abschluss des aktuellen Projektes und die damit verbundene noch ausstehende Auswertung sein.

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Fazit und Ausblick für die Zukunft

Die Wachstumshebel waren grundsätzlich nichts Neues, boten jedoch zusammen mit dem Managementreport eine „objektive“ sachliche Grundlage zur Diskussion, Strukturierung und Priorisierung. Sie waren bisher eher theoretisch bekannt und wurden nur unsystematisch in den Unternehmen angewandt. Der Nutzen des Projektes kann daher als positiv bewertet werden. Die vielfältigen Anmerkungen und die Moderation der unternehmensinternen Workshops durch die Beraterin waren sehr hilfreich und hatten letztendlich Auswirkungen auf das Konzept des Wachstumsprojektes. Ebenso hilfreich waren der Austausch und die Diskussionen mit den anderen beteiligten Unternehmen und den Wissenschaftlern im Rahmen der Workshops des Projektes „Wachstum lernen – lernend wachsen“. Es gab jedoch auch schwierige Situationen. So konnte das Konzept nicht immer schrittweise oder gar planmäßig im Unternehmen umgesetzt werden. Unternehmerische Praxis weist vorhandene Lösungsansätze und Hebel in verschiedenen Bereichen gleichzeitig auf. Es gilt, bei allen (Projekt-)Planungen vorhandenes Positives aufzulisten, zu würdigen und mit zu bedenken. Gleichzeitig gibt es aber häufig weitere parallel verlaufende Entwicklungsprozesse, wie im Fall des DSC die Zertifizierung und nicht zuletzt Marktentwicklungen, -einbrüche und/oder Krisen. Alle Anforderungen und relevanten Umfelder müssen mit bedacht und sinnvollerweise eingegliedert werden, um Aktionismus, doppelte oder gar konträre Aktionen zu vermeiden. Im konkreten Fall des DSC kann ein entscheidender Kulturwandel mit detaillierter Planung vonstatten gehen. In solchen Modellprojekten sind die beteiligten Unternehmen als aktiv und fortschrittlich einzuschätzen, da sie mit ihrem Interesse am Thema und ihrer Teilnahme zeigen, dass sie Bedürfnisse und Trends bereits erkannt haben. Das DSC ist jedoch ein besonderes Abbild aktueller Entwicklungen und Diskussionen um

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den sogenannten Trend „Selbstbestimmte Teams“. Was uns die IT mit Modellen wie CMM, Scrum und KanBan vormacht, wurde auch beim DSC andiskutiert: Wie kann man Selbstorganisation – zuweilen bisher unter Intrapreneurship gefasst – gestalten? Wie muss Führung bei solchen selbstorganisierten Teams aussehen? Welche Tools gibt es? Wie ordnen sich „Selbstorganisierte Teams“ in hierarchische Organisationen ein? Das Projekt „Wachstum lernen – lernend wachsen“ konnte noch keine Antworten liefern, hat sich aber erfreulicherweise der Diskussion um Reifegrade von Organisationen gestellt und ein eigenes Modell (entgegen dem Capability Maturity Model CMM) entwickelt. Die Beraterin schätzt den Nutzen des Konzeptes mit seinen handhabbaren und verständlichen Instrumenten und sieht auch weiterhin wunderbare Chancen in der fruchtbaren Verbindung von Hochschulforschung mit Beratungspraxis und -flexibilität zugunsten der realen zu bewältigen Alltagsprobleme der KMU, den wahren Trägern deutscher Wirtschaftskraft.

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Das Wachstumsprojekt von DSC im Überblick:

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Glossar Das hier vorliegende Glossar erklärt in knapper Form Begriffe, die im Projekt „Wachstum lernen – lernend wachsen“ entstanden sind und in diesem Praxisband verwendet werden. Ziel dieses Glossars ist es, allen Lesern, die sich mit der Anwendung und Umsetzung des Konzeptes „Management des Wachstums“ beschäftigen, eine Orientierung und Lesehilfe zu den zum Teil neuen Fachbegriffen anzubieten. Dynamische Fähigkeiten Mit dynamischen Fähigkeiten werden die Fähigkeiten eines Unternehmens bezeichnet, durch die absichtsvolle, ständige Weiterentwicklung seiner organisationalen Ressourcen und Kompetenzen seine Wettbewerbsfähigkeit weiterzuentwickeln und zu sichern (Vgl. Helfat u. a., 2007). Es handelt sich bei ihrer konkreten Herausbildung immer um eine unternehmensspezifische Kombination von Ressourcen und Einflussfaktoren, die einzigartig und nicht imitierbar sind (sog. Kernkompetenzen). Erstdiagnose Æ Wachstumsdiagnose Hilfe zur Selbsthilfe Der Veränderungsprozess wird durch Wachstumsberater in der Rolle eines Prozessbegleiters extern unterstützt. Aufgabe des Prozessbegleiters ist es, die Lernund Veränderungsfähigkeit des Unternehmens zu erhöhen, damit es seine Wachstumsaufgaben zukünftig selber lösen kann. Kompetenzentwicklung Die Herausbildung von individuellen Kompetenzen erfolgt durch lebensbegleitende Lern- und Entwicklungsprozesse und unterschiedliche Formen des Lernens in der Arbeits- und Lebenswelt eines Menschen. Es ist ein aktiver Prozess, der vom Einzelnen weitgehend selbst gestaltet wird und in starkem Maße selbstgesteuertes Lernen erfordert (Vgl. Dehnbostel 2007: Lernen im Prozess der Arbeit). Organisationale Kompetenzentwicklung bezeichnet kontinuierliche Lern- und Veränderungsprozesse in Unternehmen, die zwischen Mitarbeitern, Teams und der Organisation als Ganzes stattfinden. Die Wissensbasis einer Organisation wird dabei erweitert und dieses Wissen für neue Problemlösungen angewendet.

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Die Lern-, Gestaltungs- und Anpassungsfähigkeit von Organisationen bestimmt ihre Wettbewerbsfähigkeit in einem dynamischen Umfeld. Kompetenzorientiertes Management Kompetenzorientiertes Management ist auf die erweiterte Nutzung und Entwicklung der Potenziale von Mitarbeitern und der Ressourcen des Unternehmens gerichtet und verfolgt das Ziel, die Weiterentwicklung der für eine nachhaltige Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen strategischen Kernkompetenzen des Unternehmens zu steuern. Lerngruppe/Projektteam Die Geschäftsführung beauftragt ein oder mehrere Projektteams mit der Realisierung eines Æ Wachstumsprojektes. Aufgrund dessen, das neben Æ Projektzielen zur Klärung des Projektauftrages auch dezidiert Æ Lernziele zur Weiterentwicklung von Kompetenzen formuliert werden, stellen die Mitglieder eines Projektteams eine Lerngruppe dar. Ein Projektteam kann sich jedoch auch aus mehreren Lerngruppen zusammensetzen, wenn für Mitarbeiter im Rahmen eines Projektauftrages unterschiedliche Lernziele definiert werden. Lernziele Mit der Formulierung von Lernzielen werden im Unternehmen zu lösende Aufgaben für einen konkreten und praxisnahen Lernprozess nutzbar gemacht. Bedeutsam für den Lernprozess ist, dass diese Aufgaben immer in die Dimensionen des Projektmanagements eingebettet sind und damit über die Æ Projekt-/Sachziele einen unmittelbaren Veränderungsbezug aufweisen. Managementreport Die Analyseergebnisse der Æ Wachstumsdiagnose werden in einem Bericht zusammengestellt, der dem Unternehmen Aufschluss über die aktuelle Wachstumssituation gibt und die Æ Wachstumsherausforderung, vor der das Unternehmen steht, konkret beschreibt. Projektlernen Beschreibt die Art und Weise, wie Æ Wachstumsprojekte umgesetzt werden. Projektlernen ist eine Methode des arbeitsintegrierten Lernens, die gezielt eine Verknüpfung von individuellem und organisationalem Lernen (Æ Kompetenzentwicklung) herstellt. Dies geschieht, indem eine Gruppe von Mitarbeitern und/oder Führungskräften mit einem komplexen Projektauftrag betraut wird, der

Glossar

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auf eine Veränderung der Markt- und Umfeldflexibilität des Unternehmens abzielt. Projektlernen soll ausdrücklich als Methode zur Entwicklung Æ dynamischer Fähigkeiten in KMU verstanden werden. Das Projektlernen setzt an den Grundgedanken des Projektmanagements an, geht aber als Lernkonzept weit darüber hinaus. Wir unterscheiden, ergänzend zu den Dimensionen des Projektmanagements, drei Hauptprinzipien, die das Handeln bei der Steuerung von Lernprojekten bestimmen: —

Herausforderungen meistern: Lernziele definieren und Lernanforderungen bewältigen.



Kompetenzen entwickeln: Lernen und Arbeiten so miteinander verbinden, dass Kompetenzen entwickelt und Verbesserungen im Arbeitsprozess realisiert werden können.



Reflexionsfähigkeit verbessern: Feedback ermöglichen und die Wahrnehmungsfähigkeiten stärken.

Projekt-/Sachziele Mit dem Formulieren des Projektauftrages wird zum Ausdruck gebracht, welche Aufgaben im Veränderungsprozess gelöst werden sollen. Der durch Projektziele definierte Projektauftrag ist ein Grundbaustein des Projektmanagements und trifft dabei in aller Regel Aussagen zu den drei Dimensionen Qualität, Zeit und Kosten. Wachstum Mit Wachstum von KMU verbinden wir nicht allein quantitative Komponenten wie Umsatz- und Beschäftigungswachstum, sondern vor allem qualitative Dimensionen, die auf die (Weiter-)Entwicklung der Organisation unter Nutzung der vorhandenen Ressourcen und Potenziale abzielen und beispielsweise Themen wie Führung, Organisation, Kommunikation und Kompetenzen betreffen. Wachstumsberatung Unter Wachstumsberatung ist die Prozessbegleitung im Rahmen eines Æ Wachstumsprojektes zu verstehen. Unternehmen werden im Wachstumsprojekt durch Wachstumsberater begleitet, die den betrieblichen Veränderungsprozess nach dem Prinzip Æ Hilfe zur Selbsthilfe mit der Methode des Æ Projektlernens steuern. Wachstumsberatung beruht darauf, zunächst die Æ Wachstumsherausforderungen genau zu bestimmen, vor denen ein Unternehmen in seiner konkreten

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Situation steht. Dann wird der Æ Wachstumshebel identifiziert, der zu bewegen ist, um die Voraussetzungen für weiteres Wachstum zu schaffen. Wachstumsdiagnose Identifizierung des Ansatzpunktes für ein Æ Wachstumsprojekt, an dem der größte Beitrag zur Entwicklung der Æ Wachstumsfähigkeit geleistet werden kann. Dabei handelt es sich um ein Instrument, bei dem in einem ca. zweistündigen Gespräch mit einem zertifizierten Wachstumsberater die Wachstumssituation eines Unternehmens hinterfragt und – gemeinsam mit der Geschäftsführung – ein erster Vorschlag für ein Wachstumsprojekt entwickelt wird. Zur Strukturierung und Auswertung des Diagnosegespräches kommt das Æ Wachstumsrad mit seinen Æ Wachstumshebeln zum Einsatz. Wachstumsfähigkeit/-kompetenz Wachstumsfähig sind Unternehmen, —

die gelernt haben, neue Marktchancen frühzeitig wahrzunehmen und hieraus erfolgreiche Geschäfte zu generieren;



deren Geschäftsführung nicht im Tagesgeschäft versinkt, sondern strategisch handeln kann, weil ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Eigeninitiative zeigen und sich verlässlich um das Tagesgeschäft kümmern;



deren Teams selbstständig auf Turbulenzen in ihren Märkten reagieren, weil sie Ohr und Hand am Markt haben und ihre Unternehmensziele kennen;



die in der Lage sind, ihre Organisation, Steuerungsprinzipien und Unternehmenskultur so anzupassen, dass sie ihre Identität und Stärken auch dann bewahren können, wenn sie wachsen und neue Mitarbeiter hinzukommen.

Wachstumshebel Ein Wachstumshebel ist der Ansatzpunkt für ein Æ Wachstumsprojekt, das mit der Methode des Æ Projektlernens realisiert wird, um die Æ Wachstumsherausforderungen zu bewältigen. Es sorgt für die Fokussierung und Priorisierung des Handlungsbedarfs. Bewegt wird ein Wachstumshebel mit einem gezielt in Gang gesetzten und gesteuerten Veränderungsprozess, der sich zur Lösung der anstehenden Wachstumsaufgabe Mitteln und Methoden bedient, die das individuelle und das organisationale Lernen ermöglichen und fördern. Hierzu wurde das

Glossar

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Konzept des Projektlernens entwickelt, mit dessen Hilfe im Zuge der Lösung der spezifischen Wachstumsaufgabe auch die Fähigkeiten der Mitarbeiter und die Lernfähigkeit der Organisation systematisch weiterentwickelt werden können. Wachstumsherausforderung Für KMU gibt es bestimmte, typische Herausforderungen, vor denen sie im Entwicklungsprozess ihres Unternehmens stehen. Die Aussagen der 124 Befragten der Æ Erstdiagnose haben vier typische Herausforderungen ergeben: —

Wachstumspotenziale identifizieren



Wachstumsziele gestalten



Wachstumspotenziale heben



Wachstum bewältigen

Wachstumsprojekt Unternehmen setzen ausgewählte Wachstumsprojekte um, die ihre Æ Wachstumsfähigkeit substantiell verbessern. Die Auswahl eines geeigneten Wachstumsprojektes erfolgt auf Basis der Ergebnisse der Æ Wachstumsdiagnose unter Zuhilfenahme des Æ Wachstumsrades. Der Ablauf eines Wachstumsprojektes orientiert sich an den Prinzipien des Æ Projektlernens. Wachstumsrad Das Wachstumsrad dient als Kompass für die Entwicklung der Æ Wachstumsfähigkeit eines Unternehmens. Es stellt den Zusammenhang zwischen den Herausforderungen für KMU im Wachstumsprozess und den darauf bezogenen Wachstumshebeln dar.

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Autoren Silke Balbierz Silke Balbierz ist Geschäftsführerin der komzept Beratungsgesellschaft mit Sitz in Bad Tölz. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg und verfügt über umfassende Zusatzqualifikationen in den Bereichen Systemische Beratung, Coaching, Supervision, Mediation und Organisationspsychologie. Sie hat langjährige Berufserfahrung insbesondere in produzierenden Unternehmen. Neben der Tätigkeit als Beraterin für Organisations- und Personalentwicklung führt sie auch Trainings und Coachings in Wirtschaftsunternehmen und Verwaltung durch. Als Autorin hat sie an einer Vielzahl von Fachbüchern und -artikeln zu den Themen Gruppen- und Teamarbeit, Führung, Kommunikation und KVP mitgewirkt. [email protected] www.komzept.com

Manfred Bergstermann Manfred Bergstermann studierte Sozialwissenschaften an der Mercator Universität in Duisburg und beteiligte sich dort in den 80er Jahren am Aufbau des Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung (RISP). Er hat langjährige Berufserfahrung in der Personal- und Organisationsentwicklung bei verschiedenen Logistik- und Entsorgungskonzernen und engagierte sich im Fachbeirat des Programmes „Lernen im Prozess der Arbeit“ bei der Arbeitsgemeinschaft für Betriebliche Weiterbildung (ABWF) in Berlin. Im BMBF-Projekt „Wachstum lernen – lernend wachsen“ war er gemeinsam mit Klaus North und Thomas Hardwig maßgeblich an der Entwicklung des Beratungs- und Managementkonzeptes „Management des Wachstums“ beteiligt. Bergstermann arbeitet heute als Wachstumsberater und unterstützt Mittelständler beim Aufbau eines Kompetenzorientierten Managements. [email protected] www.pro-personal-performance.com

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Walter Brückner Nach seinem Lehrer-Studium der Polytechnik in Erfurt war Walter Brückner zunächst als Referent für die Zusammenarbeit zwischen Schule und Wirtschaft sowie als Oberstudienrat tätig. 1988 wechselte er ins Bildungsministerium der früheren DDR und unterstützte im Zuge der Deutschen Wiedervereinigung die Gemeinsame Einrichtung der neuen Bundesländer für Aufgaben in Bildung und Wissenschaft (GEL). Nach weiteren Stationen am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln – Fortbildungsakademie der Wirtschaft und als Leiter und Geschäftsführer von Bildungsunternehmen in Berlin ist er seit 2002 Projektleiter beim RKW Berlin-Brandenburg und seit 2006 Geschäftsstellenleiter der RKW Deutschland GmbH. [email protected] www.rkw-d.de

Gerd Friese Dr. Gerd Friese studierte an der Technischen Universität Dresden Elektrotechnik und promovierte dort 1990 am Institut für Hochstrom und Hochspannungstechnik. Als Projektleiter arbeitete er sowohl in der Forschung und Entwicklung als auch im Vertrieb für Energieverteilersysteme. Gerd Friese war langjährig Geschäftsführer eines Unternehmens für Geoinformationssysteme. Seit 2004 arbeitet er als freiberuflicher Organisationsentwickler, u. a. mit den Schwerpunkten Strategieentwicklung, Business Process Reengineering, Projektmanagement und Integration von kulturellen Veränderungen. Gerd Friese bringt in seine Beratungstätigkeit langjährige praktische Erfahrungen aus Unternehmen der Versorgungsbranche sowie aus mittelständischen Unternehmen, vorrangig aus dem produzierenden Bereich, ein. [email protected] www.gerd-friese.de

Autoren

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Thomas Hardwig Dr. Thomas Hardwig studierte und promovierte an der Georg-August-Universität Göttingen im Schwerpunkt Industrie- und Organisationssoziologie. Nach Stationen als Geschäftsführer eines Logistikunternehmens, als freier Trainer in der Erwachsenenbildung und als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen mit Schwerpunkt organisationales Lernen und Kompetenzentwicklung war er als Personalleiter eines Technologiekonzernes tätig. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter im BMBF-Projekt „Wachstum lernen – lernend wachsen“ entwickelte er federführend mit Klaus North und Manfred Bergstermann das Beratungs- und Managementkonzept „Management des Wachstums“. Seit 2007 ist er selbstständiger Berater für kompetenzorientiertes Personalmanagement und seit 2011 Wachstumsberater für KMU. [email protected] www.thr-consult.de

Elke Koll Elke Koll ist geschäftsführende Inhaberin der Beratergruppe koll consultants. Als studierte Philologin und ausgebildete Organisationsentwicklerin berät und arbeitet sie in NonProfit- und Profit-Organisationen europaweit. Ihre Expertise liegt in der systemischen Organisationsberatung mit Schwerpunkt auf Diversity Management und Changeprozessen in Teams und Organisationen. Hierbei bringt sie ein umfassendes Bündel an Zertifizierungen (Certified Performance Technologist, MBTI ® und SDI ®) und Qualifizierungen zu Moderation, Großgruppenmethoden, Projektmanagement, Interkultur, NLP, Rhetorik und Kommunikation in ihre Arbeit ein. Elke Koll ist Mitbegründerin der Deutschen Gesellschaft für Diversity Management und des Deutschen Gründerinnen Forums. [email protected] www.koll-consultants.de

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Annette Möbus Annette Möbus ist Geschäftsführerin der chubus GmbH – Organisations- und Personalentwicklung in Berlin. Sie verfügt über langjährige Erfahrungen in den Bereichen Personalbetreuung und Personalentwicklung in Unternehmen aller Branchen und Größenordnungen. Seit 2003 ist sie als freiberufliche Organisations- und Personalentwicklerin sowie Trainerin tätig. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die Begleitung von Organisations- und Personalentwicklungsprozessen in KMU. Ferner unterstützt sie Unternehmen bei der Entwicklung und dem Einsatz von Instrumenten des Personalmanagements, der Personalentwicklung, Teamentwicklung sowie Führungskräfteentwicklung. Sie lehrt an der Johannes Gutenberg Universität Mainz und der DUW – Deutsche Universität für Weiterbildung. [email protected] www.chubus.de

Klaus North Prof. Dr. Klaus North lehrt Internationale Unternehmensführung an der Wiesbaden Business School, Hochschule RheinMain. Er entwickelt zusammen mit Unternehmen anwendungsorientierte Konzepte zur wissensorientierten Unternehmensführung. Klaus North ist Jury-Mitglied des Preises „Wissensmanager des Jahres“ und war Gründungspräsident der Gesellschaft für Wissensmanagement. Als wissenschaftlicher Projektleiter im BMBF-Projekt „Wachstum lernen – lernend wachsen“ brachte er sein Know-how aus Forschung und Praxis in die Entwicklung des Beratungs- und Managementkonzeptes „Management des Wachstums“ ein. [email protected] www.hs-rm.de/wbs

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Tobias Reißmann Tobias Reißmann ist Geschäftsführer der XENON Automatisierungstechnik GmbH in Dresden. Er studierte Maschinenbau in der Fachrichtung Feinwerktechnik an der Technischen Universität Berlin und war anschließend mehrere Jahre als Entwicklungsingenieur für Automotive Modules & Relays bei Siemens in Berlin tätig. 2003 ging er zurück in seine Heimat, um sich im Familienunternehmen in die Nachfolge seines Vaters einzuarbeiten. 2008 wurde er zum Geschäftsführer berufen. Seit der Gründung 1990 gehört XENON zu den innovativsten sächsischen Spezialmaschinenbauern. [email protected] www.xenon-dresden.de

Wolfgang Schichterich Nach kaufmännischer Ausbildung und Studien in Sozialpädagogik und Personalentwicklung arbeitete Wolfgang Schichterich zunächst in unterschiedlichen Organisationen des Sozial- und Gesundheitswesens und war als interner Berater bei DaimlerChrysler tätig. Seit 2004 ist er Mitgesellschafter der GITTA mbH in Berlin und dort insbesondere als Experte in den Bereichen Organisationsentwicklung, Strategieberatung, Change Management, Prozessoptimierung, Großgruppenworkshops und Führungskräfteentwicklung tätig. Er bringt vertiefende Qualifikationen in Verfahren der Gruppendynamik, Tiefenpsychologie und Systemischer Interventionen sowie langjährige reflektierte Berufserfahrung in seine Arbeit ein. [email protected] www.gittambh.de

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Michael Schmidt Nach Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften an der Universität der Bundeswehr in München und Offizierslaufbahn bei der Deutschen Luftwaffe arbeitete Michael Schmidt als System-Analytiker bei einer Organisationsberatung. Seit 1989 ist er als Unternehmensberater, Trainer und Coach für Personal-, Führungs- und Organisationsentwicklung tätig. Er ist Inhaber der Firma Michael Schmidt – Beratung und Training – in Karlsbad und Partner des leadion Führungsinstituts in Düsseldorf. Er verfügt über langjährige Erfahrungen in Unternehmen der Automobil-, Mineralöl-, Telekommunikations- und IT-Industrie und der Medizintechnik sowie mit Organisationen des Gesundheitswesens und des öffentlichen Dienstes. [email protected] www.schmidt-spielberg.de

Klaus Semlinger Nach Studium und Promotion in Ökonomie an der Technischen Universität Berlin war Dr. Klaus Semlinger am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) im Bereich Arbeitsmarktforschung und am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) München im Bereich Kleinbetriebsforschung und Zuliefernetzwerke tätig. Seit 1993 ist er Professor für Volkswirtschaftslehre und seit 2002 Vizepräsident an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, zuständig für den Bereich Studium und Lehre. Seine Forschungs- und Veröffentlichungsschwerpunkte sind Organisationstheorie (insb. Kooperationsforschung), regionale Entwicklung, Entrepreneurship und Mittelstandsökonomie. [email protected] www.htw-berlin.de

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Michael Steinhöfel Dr. Michael Steinhöfel ist Projektleiter bei der RKW Deutschland GmbH. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und promovierte auf dem Gebiet „Internationale Statistik“ an der Humboldt-Universität zu Berlin. In seinen beruflichen Tätigkeiten konzentrierte er sich frühzeitig auf die Personalund Organisationsentwicklung mit den Schwerpunkten Strategieentwicklung, Personalführung, Prozessoptimierung und Change Management. Michael Steinhöfel arbeitete u. a. als wissenschaftlicher Projektleiter, als Bereichsleiter einer Unternehmensberatung und als Leiter Veränderungsmanagement eines Ver- und Entsorgungsunternehmens. Er ist Assessor für das EFQMModell und zertifizierter Coach. Gegenwärtig leitet Michael Steinhöfel überregionale Verbundprojekte des RKW zu Themen des demografischen Wandels. [email protected] www.rkw-d.de

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Nachwort Mit dem vorliegenden Band haben wir gezeigt, wie das Konzept „Management des Wachstums“ entwickelt, erprobt und in der Praxis umgesetzt wurde. Wir haben dazu Beiträge aus den Perspektiven von Unternehmen, Beratern und Wissenschaftlern zusammengestellt. Sie zeigen, wie kleine und mittlere Unternehmen mit dem „Management des Wachstums“ unterstützt werden können, schrittweise die Herausforderungen der sich schnell veränderten Wirtschaft und Umwelt zu bewältigen und dabei lernen, ihr quantitatives und/oder qualitatives Wachstum zu organisieren. Sie zeigen auch, wie die Integration von Arbeiten und Lernen in bewusst mit einander verschränkten Prozessen für die Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnet: für die Kompetenzentwicklung ihrer Beschäftigten, für die Entwicklung ihrer Organisation und für ihre Ausrichtung auf den Markt. Die Beiträge zeigen auch, wie wertvoll bei der Konzeptumsetzung eine externe Unterstützung und Begleitung, ein fremder Blick und Impulse von außen sein können. Dafür wurden im Projekt erste Wachstumsberater qualifiziert und von der RKW Deutschland GmbH in Abstimmung mit den Verbundpartnern zertifiziert. Die Wachstumsberater kennen die konzeptionellen Hintergründe und beherrschen die Konzeptinhalte und die dazugehörigen Instrumente und Methoden zum Aufbau und zur Begleitung von Wachstumsprojekten. Nun gilt es, das Konzept „Management des Wachstums“, die Erkenntnisse und Erfahrungen der Beteiligten weiter zu verbreiten. Neben den Publikationen werden dazu von am Projekt beteiligten Institutionen Transferprojekte aufgebaut und Weiterbildungen für Geschäftsführungen und Berater angeboten. Danke! Wir danken allen Autorinnen und Autoren dieses Sammelbandes sowie allen Mitwirkenden, die diese Publikation durch ihre intensive Mitarbeit und ihr eingebrachtes Wissen erst ermöglicht haben. Insbesondere danken wir den wissenschaftlichen Begleitern von der Hochschule RheinMain, den projektbeteiligten Unternehmensvertretern, Beratern, den Koordinatoren der RKW-Landesgesellschaften in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg und Sachsen, dem Evaluationsbeauftragten und den Förderern dieses Projektes sowie allen weiteren Unterstützern, die uns in den vergangenen drei Jahren auf unserem Weg begleitet haben. Das Team der RKW Deutschland GmbH

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Weiterführende Informationen zum Konzept „Management des Wachstums“ sind erhältlich: In: Hardwig, T.; Bergstermann, M.; North, K. (2011): Wachstum lernen – Eine praxiserprobte Handlungsanleitung zur Entwicklung dynamischer Fähigkeiten in KMU. Gabler Verlag, Wiesbaden. Unter: http://www.management-des-wachstums.de