Ludwig Friedrichsen. Geographische Gesellschaft in Hamburg: Ein Bild seines Lebens [Reprint 2020 ed.] 9783112351468, 9783112351451

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Ludwig Friedrichsen. Geographische Gesellschaft in Hamburg: Ein Bild seines Lebens [Reprint 2020 ed.]
 9783112351468, 9783112351451

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Hamburg 1916

Druck von 3. 3. Augustin in ßlüdutadt und ßamburg.

Oonoort 6rft nachdem mir bekannt geworden war, da() die Söhne Eudwig Friederidifen's nicht unternehmen wollten, ein Cebensbild ihres Vaters Eufammenzuftellen, in der Sorge, allzu iehr Partei zu fein, kam mir das Gefühl, auch meinerfeits dazu berufen zu fein, liniere lüege hatten fich frühzeitig gekreuzt, ohne uns anfangs einander näher zu bringen, bis fpäter uerwandtidiaftliche Beziehungen dies veranlagten, in den legten 16 Jahren auch die gemeinfchaftliche Arbeit im Uorftande der Geographifchen Gefellichaft. Cyie wefentlidie Hülfe waren mir, aufjer Friederichfen's im 14. Bande der Mittheilungen der Geographiichen Gefellfchaft enthaltenem , ,Rü&blick auf die Jahre 1873—98", feine „Familien-und Eebens-Erinnerungen" benannten handfchtiftlichen Aufzeichnungen, 1908 begonnen, aber leider nicht zu 6nde geführt. Sie find nicht für die Öffentlichkeit beftimmt, durften aber, wie es der Autor felbft zugiebt, für ein Eebensbild den Stoff geben. Hamburg, im Tlovember 1915.

D. U.

Eudwig Friedridi UHlhelm Sophus Friederichfen, geb. den 1. Mai 1841 in Rendsburg, Rammt aus einer hamburgiichen Familie. Als ältefter Vertreter detfelben wird Jakob Friederidifen genannt, geb. Hamburg 1711; er wurde dort 1747 Bürger und Makler. — Audi fein Sohn A n d r e a s Joadiim, geb. 1746, wählte dielen Beruf; er wurde 1774 Börger und heirathete in dem felben Jahre Johanna Catharina Hermes (Harms?), geb. Hamburg 1749 Am II.Tlovbr. 1796 lief; er fich als Fähndrich beim dänifchen Ceibregiment der Königin in Glückftadt anwerben, am 21. Jan. 1803 erhielt er den „Secondelieutenants"- Charakter und am 30. Septbr. 1803 feinen Abfdiied in Gnaden mit einer Penfion von 84 Reidisthalern jährlich; 1811 lebte er in Altona als „Feldpoftmeifter". 6r hatte drei Kinder: Peter Carl, geb. den 18. Juni 1782, der als Seemann von weiten, gefahrvollen Reifen nicht zurückgekehrt zu fein fcheint, Johanna Chriftine Hedwig, geb. den 7. Octbr. 1784, feit 1805 verheirathet mit dem aus Böhmen gebürtigen Juwelier Matthias Kuffner, und A n d r e a s Crnft Chriftian, geb. Hamburg den 23. Juli 1787, geft. Kiel den 26. Jan. 1859. Andreas, Cudwig Friederidifen's Dater, befuchte bis zu feiner Confirmation, 1802, Hamburger Priuatfchulen, trat dann bei dem Sdiiffsmakler R. Sloman am Stubbenhuk in Dienft und war für ihn während der Continentalfperre in Tönning thätig. „Cuft zum Militairftande", wahrfcheinlich auch das Darniederliegen des Handels, beftimmten ihn 1808, als Unteroffizier auf Avancement in das Jütifche Jägerkorps des Grafen Rantjau-Breitenburg zu treten. Im Jahre 1810 wurde er Secondelieutenant, befuchte bis 1812 das holfteinifche Militair-Inftitut und fodit 1812/13 gegen die Deutfche Cegion und die Ruffen unter tUallmoden;

8 1825 wurde er Premier-Eieutenant1) beim (dänifch-)otdenburgifchen Infanterie-Regiment in Rendsburg; 1829 wurde er Regiments-Quartiermeifter und 1832 Hauptmann (Capitän). In Rendsburg blieb er bis 1849. — Im Jahre 1822 hatte er fidi uerheirathet mit Clifabeth Sophie ?hilippine ?etrine von Abercron; fie ftarb früh und hinterließ zwei Kinder: Chriftian Carl Friedrich Heinrich, geb. Rendsburg 4. Mai 1824, geft. Mailand 26. März 1877, und Couife Sophie Henriette Cudowica, geb. Rendsburg 24. Tloubr.1825, geft. Hamburg 16. Oktbr. 1909. Im Jahre 1827 fchlolj Andreas Friederichfen feine zweite Che, mit D o r o t h e a Couife Bemhardine Hackhe, Tochter des dänifchen, 1765 in Hamburg geborenen Hufaren-Majors Peter Theodor uon Hackhe, Gutsherrn uon Brammer bei Tleumünfter, und Caecilia Dorothea, geb. Schander, aus der ihm noch 10 Kinder geboren wurden: Caecilius Paul Heinrich T h e o d o r , geb. Rendsburg 21. Juni 1828, geft. Odenfe 6. Juli 1849, P e t e r Theodor Karl, geb. Rendsburg 27. März 1830, geft. Cifenach 8. Juni 1865, Sophie Magdalene Friederike, geb. Rendsburg 10. Septb. 1831, geft. Schleswig 6. März 1900, A n d r e a s Bernhard Detlef Johann, geb. Rendsburg 28. Septb. 1833, geft. Hamburg 17. Dezbr. 1907, Heinrich Julius Johann Cudwig, geb. Rendsburg 13. März 1835, geft. Mexico 31. Mai 1903, Carl Ferdinand Waldemar, geb. Rendsburg 14. März 1837, geft. Peru 10. Septb. 1863, H e n r i Georg Martin, geb. Rendsburg 2. Mai 1839, geft. Kiel 19. Jan. 1898, 1

) 6r trat damit in den dänifchen periönlichen Militair-Adel und war berechtigt, fidi uon Friederichfen zu nennen.

9 Ludwig Friedrich Wilhelm Sophus, geb. Rendsburg I.Mai 1841, geft. Hamburg 20. April 1915, Chriftian Leopold Julius Adolph, geb. Rendsburg 1. Tlobbr.1843, geft. Heu-Stork 17. Tloubr.1884, T h e o d o r 6rnft Eouis, geb. Rendsburg 14. Juni 1850, geft. Kiel 19. März 1854. Auffällig ift die Wiederholung der Rufnamen Theodor, Chriftian und Heinrich unter den Brüdern. Sie entfprach der zu jener Zeit beftehenden Sitte, die Kinder nach den „Hauptgevattern" zu rufen; es gab daher einen „großen" und einen „kleinen" Chriftian, einen „großen" und einen „kleinen" Theodor und einen Heinrich neben einem Henri. Bis ins Jahr 1848 hatte diefer Zweig der Familie Friederiken in Rendsburg glücklich und zufrieden gelebt; die traurigen politifchen 6relgniffe ;n den Herzogtümern Holftein und Schleswig um die Mitte des 19. Jahrhunderts brachten ihm aber viel Aufregung, Kummer und Ceid. 6s ift bekannt, daß die dänifche Krone feit langer Zeit angeftrebt hatte, ihre in Dänemark gültige abfolute Gewalt auch über die ihr bisher nur durdi Perfonal-Union verbundenen Herzogtümer zu erftrecken und fkh diefe zu einem Sefammtftaat zu incorporiren, während die Herzogthümer an ihrer Zufammengehörigkeit und ihrer Unabhängigkeit von Dänemark fefthieften, und Holftein im Befonderen an feiner Zugehörigkeit zum Deutfchen Reich. 6inen auffehenerregenden weiteren Schritt in jener Richtung hatte der König Chriftian U7T71846 gethan durch Bekanntmachung feines „offenen Briefes", mit dem er die Erbfolge für den vorausgefetjten Sefammtftaat ordnen wollte. Dagegen hatten die Agnaten Ginfpruch erhoben, und auch die Stände, die vor Allem anerkannt wiffen wollten, daß Schleswig und Holftein zwei felbftändige, aber feit mit einander verbundene Staaten bildeten und daß in ihnen nur der Mannesftamm erbberechtigt war. Als diefe Protefte nicht halfen, wandte man fich an den Deutfchen Bund, aber auch hier ohne Erfolg.

10 Chriftian VT11 hatte indeß noch kurz vor feinem am 20. Januar 1848 erfolgten Tode eine Verfaffung für den Gefammtftaat ausarbeiten laffen, in der die Verbindung von Schleswig und Holftein gewahrt blieb, aber gemeinfame Stände für das ganze Reich vorgefehen waren, und "Friedrich VII veröffentlichte den Entwurf kurz nach feiner Thronbesteigung, am 28. Jan. ; zugleich berief er Vertreter der drei £andestheile zur Prüfung. — In Dänemark, wo fdion vor denFebruar-Ereigniffen in Paris das Volk in fehr aufgeregter Stimmung war, befriedigte der Entwurf nicht, weil man den deutfchen Eandestheilen keinerlei Sonderrechte laffen wollte; auch in den Herzogtümern begegnete man ihm mit großen Bedenken, fand fich aber zu einer Prüfung bereit, und am 10. März 1848 trat in Rendsburg eine Anzahl angefehener Männer zufammen, um die tUünfche der Herzogtümer feftzuftellen. £in Ausfchufj überbrachte diefe am 21. Harz nadi Kopenhagen, wurde aber fchlecht aufgenommen und vermehrte durch feine Anwefenheit die Aufregung des Volkes. Der König ließ fich einfchüchtern, verfpradi der dänifchen Partei die Einverleibung der Herzogtümer und berief ein neues, deutfchfeindliches Minifterium; Truppenfendungen waren unterdeffen fchon am 22. März vorbereitet worden. Diefe Vorgänge erregten in Kiel, dem intellectuellen Mittelpunkte Holfteins, große Beforgnif), und man fdiritt fogleich zur Abwehr. Der Prinz Friedrich von Tloer, Graf Reventlow-Preetj und ID. Befeler traten am 23. März 1848 in Kiel zufammen und conftituirten fich unter lebhafter Zuftimmung der Bevölkerung zu einer „Proviforifchen Regierung" im Tlamen des unter dem Drucke des Kopenhagener Volkes „aller Freiheit des eigenen Entfchluffes beraubten" Königs zur Aufrechterhaltung der Rechte der Herzogtümer und zur Verteidigung der Grenzen. Ein in Kiet ftehendes Jägerkorps von 300 Mann fchlofj fich der Bewegung mit wenig Ausnahmen an und wurd? fogleich vom Prinzen Tloer gegen Rendsburg geführt, um wo möglich diefe Hauptfeftung des Landes in Befitj zu nehmen, ehe Truppen aus Kopenhagen dort eintrafen. In feiner Eigenfdiaft als commandirender General gelang es dem Prinzen,

11 in Rendsburg ohne ernften tUiderftand einzurücken, und nun wurde auch den dort ftehend?n Truppen freigestellt, fich für Dänemark oder für die Herzogthümer zu entfcheiden. Der Hauptmann Andreas Friederichfen, als geborener Hamburger, trat felbftverftändüch auf die Seite der Herzogthümer, und fein zweiter Sohn, Theodor, der als junger Ceutnant in Rendsburg ftand, folgte ihm unbedenklich, wenngleich er auf der Kadettenfchule in Kopenhagen erzogen worden war. Der Uater trat an die Spitze des InfanterieDepots in Rendsburg; der junge Offizier aber wurde aisPremier-Cieutenant dem neu gebildeten 2. holfteinifchen Bataillon zugewiefen. Mit diefem rückte er ins Feld; in den Kämpfen vor Friederida wurde er im Juli 1849 fchwer verwundet und ftarb bald darauf in Odenfe. Auch der ältefte Sohn, Chriftian, der bisher als Kaufmann gearbeitet hatte, konnte dem Rufe zu den UJaffen nicht widerftehen; er trat in ein Freiwilligen-Korps, ging aber bald darauf nach Baden, wo er fich an dem Aufftande betheiligte, lebte fpäter in Ofterreich und Italien und wurde fo der Familie für lange Jahre entfremdet. — Gin dritter Sohn, Peter, det eben in Kopenhagen die Kadettenfchule erledigt hatte und Ceutnant geworden war, mufjte fich dort entfcheiden und bekam, als er auf die deutfche Seite trat, feine €ntlaffung gegen eine Erklärung, nicht gegen Dänemark kämpfen zu wollen. £r hielt fein tüort und half während des Krieges durch topographifche Arbeiten unter dem damaligen OberQuartiermeifter der holfteinifdien Truppen, F. Geerz. — Tladi dem Friedensfchluf) wurde er im Tlovember 1851 auf Befürwortung der deutfchen Bundes-Commiffare als Premier-Lieutenant in das neu zu bildende fchleswig-holfteinifche Bundes-Contingent aufgenommen, das, unabhängig vom Kopenhagener Minifterium, dem König von Dänemark unterteilt bleiben foltte. Peter Friederichfen wurde trotjdem bald danach plötjlich auf die Feftung Kronborg in ftrenge Haft überführt, wegen feines Verhaltens während des Krieges vor Gericht geftellt und gegen Mitte 1853 ohne Anfpruch auf Penfion entlaffen; eine Berufung dagegen gab es nicht.

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War fo die Familie Friederichfen durch die politifdien Ereigniffe ohne Uerfchulden fchon mehrfach in fchwere Mitleidenfchaft gezogen worden, fo follte der fchlimmfte Schlag noch den Vater treffen. £r war unter der neuen Regierung 1849 als Chef der 5. Abtheilung des Kriegs-Departements nach Kiel verfemt worden und hatte 1850 den Majorsrang bekommen. Als aber nach dem traurigen Ausgange des Krieges die Bundesexecutions-Truppen abrückten, nachdem fie im IDefentlichen den alten Zuftand von 1848 wieder hergeftellt und das holfteinifche BundesContingent dem Könige von Dänemark übergeben hatten, wurde er im Februar 1852 „durch ein uon dem mit der Führung des Departements „des Krieges beauftragten hannöuerfcher Oberftleutnant Seweloh unterzeichnetes 6ntlaffungs-Patent ohne Fenfion feines Poftens enthoben" . . „Aus befonderer Gnade, weil er nicht mit der TDaffe in der Hand gegen „Dänemark gekämpft, wurde er nicht wie die Mehrzahl der fdileswig„holfteinifchen Offiziere aus dem £ande uerwiefen." So berichtet der Sohn. — Der dem fdiwer getroffenen Manne in alter Regiments-Kameradfchaft nahe ftehende Herzog Karl uon Holftein-Glücksburg ift ihm in diefer fchweren Zeit eine große Stütje gewefen und fpäterauch der Familie ein Wohlthäter geblieben. — Am 26. Jan. 1859 ift Andreas Friederichfen in Kiel geftorben.—Sein Sohn Cudwig fpricht mit großer £iebe uon ihm, wenngleich er auch uon dem „ftrengen Regiment" im Haufe berichtet, wie es damals üblich war. 6r fchildert den Vater als eine „höchft imponi„rende militairifche Geftalt", im Kopf an den Feldmarfchall Blücher erinnernd; bei der Damenwelt war er „wegen feines jederzeit kaualier„mäßigen Auftretens" gern gefehen. — Auch uon feiner Mutter, die den Uater um 24 Jahre überlebte, fpricht der Sohn nur mit größter £iebe und Dankbarkeit, und er hatte fpäter in feiner eigenen Häuslichkeit Gelegenheit, fie ihr durch die That zu erweifen. Eudwig Friederichfen's erfte Erlebniffe fallen in die oben erwähnte kriegerifche Zeit der Erhebung der Herzogthümer Schleswig und Holftein, in deren Jubel man nicht ahnte, wie uiel Herzeleid fie dem Haufe Friederichfen bringen follte. Er erzählt in feinen Aufzeichnungen

13 von dem Tage des Handftreichs des Prinzen von Tloer, dem 24. März 1848, und der großen Erregung, die er in Rendsburg veranlagte, weil die bisher in friedlichem Einvernehmen lebenden Militair-FamiUen innerhalb 24 Stunden auf die deutfche oder die däniiche Seite zu treten hatten und damit feindlich auseinander rückten, von dem zwei ganze Tage andauernden E nzuge der Bundestruppen in Rendsburg, den er von den Fenftern der älterlichen tUohnung beobachten konnte, und von dem Einbringen der dänifchen Gefangenen aus dem eroberten Dnienfchiff Chriftian U l l i . Bei diefem Ereignifj hatte er fich durch feine Ungeduld verleiten laffen, dem Zuge bis Eckernförde entgegen zu gehen, und das lange Ausbleiben hatte ihm die Bekanntichaft mit feines Vaters „buntem Jofeph" in empfindlicher Weife verfdiafft. — Seinen erften Unterricht erhielt Friederichfen in der Privatfchule des Herrn du Plat in Rendsburg, flach der Uberfiedlung der Familie nach Kiel kam er zunächft in die „Knaben- und Mädchen-Schule der bekannten Tante Fifcher"; fpäter trat er in die Real-Abtheilung der fielehrten-Schule zu Kiel über. — Er meint felbft, „ein Mufterknabe" gewefen zu fein. Uon feinen Mitfchülern nennt er: Georg Howaldt, den bekannten Schiffbauer, den Schriftfteller Heiberg und Graf Kuno Rantjau, Bismarck's Schwiegerfohn. Zu Anfang 1857 verlief; Ludwig Friederichfen das Gymnafium, um der damals in Kiel beftehenden Aushebung zum Militairdienft nach den Confirmandenliften zu entgehen. Er war für die kaufmännifche Caufbahn beftimmt, und es war fchon eine Cehrlingsftelle in einem großen Holzgefchäft für ihn auserfehen, als er durch feinen Bruder Peter in eine andere Richtung geführt wurde. Diefer hatte, nachdem ihm die militairifche Eaufbahn in fo unerfreulicher Weife unmöglich gemacht worden war, 1853 im technifchen Bureau der Thüringer Eifenbahn Anftellung gefunden und war nach Erfurt überfiedelt. Dort erhielt er dann auf Empfehlung feines früheren Uorgefetjten, des Oberften Geerz, einen Ruf in die Juftus Perthes'fche Geographifche Anftalt in Gotha, damals in Befit) von Bernhard Perthes (Sohn von Wilhelm, Enkel von Juftus Perthes) zurTleubearbeitung des Sydow'fchen Methodifchen Hand-Atlas. — Bern-

14 hard Perthes war um diefeZeit im Begriffe, einen Eehrkurfus für angehende Kartenzeichner einzurichten, der audi Mathematik und neue Sprachen, unter den ?rofefforen Junghans und Seiffer, umfaßte; die praktifche Ausbildung ftand unter der Leitung des Hauptmanns u. Sydow. In diefen Kurfus wünfchte Peter Friederidifen feinen Bruder Ludwig zu bringen. — In Kiel wurde der Uorfdilag freudig aufgenommen, Perthes war einverfitanden, und da Peter £nde 1856 zum Befudi feiner Altern nach Kiel fuhr, nahm er den Bruder mit fich zurück. £udwig Friederidifen fand in dem Haufe des "Uerlags-Buchhändlers Andreas Perthes1) freundlichen Anhalt. Mit dem Sohne, £mÜ, wurde er zur Confirmation vorbereitet; an jedem Sonnabend-Abend wurde aus „Friedrich Perthes' Ceben"2) uorgelefen.—In dem Eehrkurfus fand er als gleichalterige Gefährten: Bruno Haffenftein, Friedr. Amthor und Georg Hirth. Das wiffenfchaftliche Perfonal der fieographifchen Anftalt beftand damats aus: Dr. Auguft Petermann, der Anfang Auguft 1854 nach einem 7-jährigen erfolgreichen Aufenthalt in England nach Gotha überfiedelt war, Hauptmann £mil uon Sydow, Hauptmann uon Stülpnagel, Dr. Hermann Berghaus, Dr. Carl Uoigt, Peter Friederidifen und Dr. Crnft Behm. — Seinem Bruder wurde Ludwig Friederidifen zunächft zur praktifchen Ausbildung übergeben, und unter ihm hat er an mehreren Karten des Sydow'fchen Schul-Atlas gearbeitet. Dann wurde er mit Vorarbeiten für Sydow's Methodifdien Hand-Atlas betraut; fíe wurden aber unterbrochen, als nach Bernhard Perthes' Tode, im Oktober 1857, feine Hachfolger in der Leitung der Anftalt, Adolf Müller und Rudolf Beffer, an dem gefdiäftlichen Erfolg diefer Arbeit zu zweifeln begannen. — Im April 1859 wurde dann, da uon Sydow Gotha verlief), Friederidifen der Petermann'fchen Abtheilung überwiefen. Hier hatte er Anfangs Zeichnungen für „Petermann's Mittheilungen" auszuführen, war aber fpäter, uon Mitte März 1860 bis £nde 1863, ausfchliefjUdi mit Arbeiten für die *) £in Sohn von Friedrich Perthes. Friedrich und Wilhelm waren f e t t e m . *j uon Clemens Th. Perthes, Gotha 1848—54. Clemens war ein Bruder von Andreas.

15 4. Auflage des Stieler'fchen Hand-Atlas befchäftigt. Als Karten von feiner Hand nennt er: Irland, Schottland, Danemark und Schleswig-Holftein, die fkandinavifche Halbinfel, Mittelmeer und Tlord-Afrika in 2 Blättern, Australien, tüeft-Außralien, Heu-Seeland und Tasmanien, endlich als Ergänzungs-Blatt: das Feftungs-Uiereck Pesduera-Uerona-Mantua£e gnano. Zu ?etermann hat £udwig Friederichfen, wie feine Aufzeichnungen uon 1903 zeigen, keine Zuneigung faifen können, obgleich (oder vielleicht weil) er durch 47a Jahre in deffen Arbeitszimmer thätig gewefen ift. 6 r erkennt ihn an als einen unermüdlich fleißigen, vortrefflichen Kartenzeichner, der alle damaligen Hilfsmittel zur Reproduction uon Kartenbildern vollkommen beherrichte, als einen guten Cehrer und als einen epochemachenden Agitator für die 6ntwickelung der geographifchen XUifienfchaft, aber er ftöfjt fich an feinem „Selbftbewufjtfein im fchlechten Sinne des lUortes" und feiner Eitelkeit und meint, er fei „auf der Heiter feiner Mitarbeiter zu einem tUeltruhm emporgeftiegen". Diefes tUort foll Petermann felbft einmal in Bezug auf feinen getreuen Mitarbeiter Behm gebraucht haben; hier war es aber ohne Zweifel als ein Compliment gemeint, und in gutem Sinne gilt es wohl für Jeden,

der auf Mitarbeiter

angewiefen ift und ähnliche Prätenfionen erheben darf, wie Petermann. Friederichfen fcheint, als er feine Aufzeichnungen nach uielen

Jahren

niederfchrieb, feine Stellung zu Petermann unfreundlicher empfunden zu haben, als fie wirklich gewefen ift; beionders Petermann's llrtheil über feine Karte uon Costa Rica war ihm wieder unangenehm entgegengetreten. Denn als diefe Karte erfchien, hatte Friederichfen fchon einige Erfolge erzielt, und nun wurde er uon dem Standpunkte des überlegenen Meifters aus beurtheilt. Petermann hatte früher felbft die uon Friederichfen ab Grundlage benutzte Karte uon Frantjius bei der Herausgabe mehrfach vervollständigt und findet an der neuen Bearbeitung mancherlei zu tadeln, was fidi dadurch erklärt, daij ihm neueres Material vorlag, als Friederichfen. 6 r fdiliefjt aber mit den Worten: „Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht fo fehr mit „diefen central-amerikanifchen Operationen

16 (es handelte fich um Förderung eines 6ifenbahn-Frojects) identificiren; aber wie dem auch fei, „ich hoffe d a r u m keene Feind chaft nich." lind als fich die Beiden im Mai 1878 bei Gelegenheit der Jubelfeier der 6efellfchaft für Erdkunde in Berlin im Hotel Magdeburg zuerft (und zulegt) wiederfahen, da reichte Petermann dem alten Schüler nicht nur die Hand, fondern applicirte ihm unuerfehens einen Kufj. Mehr konnte er kaum thun, um ihn feiner unveränderten Freundfchaft zu uetfichern1).—Abftoljend wirkte auf Friederichfen natürlich die ohne nennenswerthen Grund erfolgte Trennung Petermann's von feiner Frau und feine bald darauf ge chloffene zweite Ehe, fowie endlich fein Selbftmord. Vielleicht aber wufjte Friederichfen, als. er fchrieb, noch nicht, dafj uon den drei Gefchwiftern Petermann's fich zwei das £eben genommen haben. Das Mitleid hebt einen Theil der Schuld. Ein anziehendes Bild giebt Friederichfen's Erzählung, wie Petetmann alle die vielen namhaften, inländ'.fchen und ausländ fchen geographifchen Forfcher, die fich bei ihm Rath und Anweifung zu holen kamen, an feinem Arbeitstifche inmitten des uon feinen Schülern belebten fogenannten Malerfaales empfing, wodurch diefe frühzeitig Gelegenheit hatten, „die „.Koryphäen der XUiffenfchaft uon Angeficht zu Angeficht zu fehen ,und in der Conuerfation mit Petermann zu hören". Das zeigt nicht nur, da(j Petermann fich nach beiden Seiten, den fragenden Kennern und den laufchenden Schülern gegenüber, ficher im Sattel fühlte, fondern läfjt auch auf Intereffe und Sorge für die Schüler fchliefjen. Er gab ihnen zuöleich das Beifpiel einer ungewöhnlichen Arbeitfamkeit, die ihn aber im Verkehr hart und wenig zugänglich erfcheinen lief}. Die anderen beiden der hervorragenden Mitarbeiter der Anftalt, v. Sydow und Berghaus, waren Friederichfen als „durch und durch „ehrenwerthe Tlaturen" fympathifch. Berghaus bezeichnet er als den „genialften uon allen Dreien; er zeichnete die feinften Kartenblätter Friederichfen hatte feine Karte in der Sitzung der Münchener Tlaturforfcheruerfammlung am 21. Septbr. 1877 und in der Uerfammlung der Geographifchen Gefellichaft uom 4. Octbr. 1877 uertheidigt.

17 „ebenfo vortrefflich mit der linken wie mit der rechten Hand; auch war „er ein Genre- und Candfdiaftszeichner par excellence. Sein pofitiues „tUiifen auf a!len Gebieten der Geographie war phänomenal". Sydoto war Cudwig fowohl, als feinem Bruder durch den „Adel fe'ner Gefinnung, „fein wohlwollendes tUefen und uornehmesAuftreten ein muftergültiger „Uorgefetjter".... „Was ihm abging an zeichnenfchem Talent, das wußte „er in allen feinen Arbeiten durch Methodik zu erfetjen". — Mit großer Hochachtung fpricht Friederichfen auch uon Dr. Behm, dem Mitredacteur uon Petermann's Mittheilungen und Begiünder des Geographifchen Jahrbuchs. Uber feinen fiebenjährigen Aufenthalt in Gotha hat Cudwig Friederichfen immer gern und in freudiger Erinnerung gefprochen; er hat dort „eine fehr glückliche Jugend uerlebt". — Die kleine, damals kaum 16000 6inwohner zählende Reiidenzftadt, in unmittelbarer Tlähe des Thüringer Waldes freundlich gelegen und uon einem fröhlichen Völkchen bewohnt, mußte den Sohn der ernfteren Tlordmark anziehen, zumal da er felbft heiteren Sinnes war. f i e l Sehenswerthes bot die Stadt nicht; aber das alte, an feinen beiden Thürmen weithin erkennbare Schloß mit feinen hübfdien Anlagen und dem daran flößenden Park, die uerlaffene, durch Zach und Lindenau berühmt gewordene Sternwarte auf dem großen Seeberg und die neue in der Uorftadt, fowie eine Reihe anderer herzoglicher Bauten und die beiden ftattlichen Bankgebäude gaben ihr ein vornehmes Anfehen. In dem angefehenen Perthes'fchen Haufe fand Friederichfen bald einen angenehmen Umgang mit Altersgenoffen aus den beften Familien, in denen ein ungezwungener und angeregter Uerkehr herrfchte. Auch war das Theater durch die Fürforge des Herzogs gut beietjt. — „Erblich „belaftet mit Freude am Tanzen", nahm Friederichfen Unterricht in diefer Kunft, und er wurde „ein uiel begehrter Tanzbär und gern „gefehener Maitre de plaisir". In einem Kränzchen, dem er beitrat, wurden mufikalifche und theatralifche Aufführungen veranftaltet, an denen er fleh eifrig betheiligte. Die luftige Gefellfchaft uerfammelte fleh regelmäßig 2

18 in den Häufern det Betheiligten; es zählten dazu die des Ministers v. Seebach, des Directors der Cebensuerficherungs-Bank, Hopf, des üirectors der Herzoglichen Sternwarte, Hofraths Hänfen, des Hofraths Becker, des Mathematikers ?rof. Jacobi, früher in Königsberg, u. A. Uon feinen Kameraden dort nennt Friederichfen: Dr. Ernst Mauke, der fpäter in Hamburg lebte, Julius Hopf, fpäter Director der Feuerverficherungs-Bank, Bruno Cberhardt, fpäter Ober-Baurath, und Wilhelm Hey, den Sohn des Fabeldichters. Tieben feinen gefchäftlichen und gefelligen Verpflichtungen lief} es Friederichfen auch an körperlichen Übungen nicht fehlen. 6r war Fechtwart des Gothaer Turnvereins und hat vor dem damals hoch gefeierten Herzog £rnft feine Fechtkunft ausüben dürfen. Im Jahre 1862 nimmt er als Gothaer Turner an dem großen Turnfeft in Ceipzig theil und wird von der durch Treitfchke's feurige Rede begeifterten Menge als Vertreter eines der verlaffenen Bruderftämme im Jubel umhergetragen. Uolkswirthfchaftlich von Intereffe find einige Angaben über die damals in Gotha begehenden Koften des Lebensunterhaltes. Friederichfen konnte im Hotel „Preufjifcher Hof" für 3 Silbergrofchen zu Mittag effen, und er bezahlte für „ein herrliches, großes Zimmer" im Haufe der alten Frau Hofrath Glend? drei Thaler monatlich, wobei freilich zu beachten, daß die bejahrte Dame einen männlichen Schut} in ihrem großen Haufe zu haben wünfchte. — Mit feinen tüohnungen hat Friederichfen in Gotha überhaupt viel Glück gehabt. Tlachdem er Anfangs mit feinem Bruder zufammen gelebt hatte, bis diefer heirathete, wohnte er bei der alten Frau Dr. Behm, geb. Jacobs, deren liebevoller Pflege während einer ernften Krankheit im Jahre 1860 er dankbar gedenkt, und fpäter wird er im Haufe des Candraths Ewald, eines Sdiwiegerfohnes des von 1816 bis 25 auf dem Seeberg thätig gewefenen Aftronomen Joh. Franz Cncke, „nicht als £inlogirer, fondern mehr als junger Freund" behandelt. — Man darf wohl aus diefen Erfahrungen audi fchließen, daß Ludwig Friederichfen ein liebenswerther junger Mann war.

19 Die letzten Monate, welche Friederichfen in Gotha verlebte, brachten ihm unerwartet eine völlig veränderte Cebensftellung infolge der politiidien Ereigniffe in Schleswig-Holftein. 6s war bekanntlich, nachdem der DeutfcheBund im Jahre 1852 die Herzogtümer dem dänifchen Regiment wieder ausgeliefert hatte, durch das Londoner Protokoll vom 8. Mai 1852 die Thronfolge in Dänemark geordnet worden, indem der Prinz Chriftian von Glücksburg zum Thronfolger erklärt wurde. Der Herzog Chriftian Auguft von Auguftenburg hatte iich beftimmen laffen, gegen 23A Millionen Thaler die Auguftenburger Güter in Schleswig an Dänemark zu verkaufen, gegen das Uerfprechen für fich und feine Familie, ihren Aufenthalt außerhalb des dänifchen Reichs zu nehmen und nichts gegen daffelbe zu unternehmen; befonders der Erbfolgeordnung nicht entgegenzutreten. Die Söhne, Friedrich und Chriftian, hatten dem Uertrage aber nicht zugeftimmt. Chriftian Auguft erwarb mit jener Abfindungs-Summe die Herrfchaft Primkenau in Schlefien und für den 6rbprinzen Friedrich das Gut Dölzig in der Caufitj. — Eine neue Uerfaffung, die dann am 21. Juli 1854 in Kopenhagen proclamirt worden war, hatte weder in Dänemark, noch in den Herzogthümern befriedigt, und gegen eine zu Gunften der Dänen veränderte, vom 2. Oktbr. 1855, hatten Preußen und Opferreich proteftirt. — Die Sache hatte fich hingezogen, bis endlich am 30. März 1863 ein königliches Patent erfchien, wonach Schleswig mit Dänemark verbunden fein follte, Holftein aber einige Sonderrechte zugefagt wurden. Preußen und Ofterreich legten Verwahrung ein und drohten mit Bundes-6xecution, die auch am 1. October befchloffen wurde. Da ftirbt Friedrich Uli. (am 15.Tlovbr. 1863), und am nächften Tage veröffentlicht der Herzog Friedrich von Auguftenburg, der fich durch den Rückzug feines Vaters nicht für gebunden erachtete, einen Erlaß, mit welchem er die Regierung in den Herzogthümern Schleswig-Holftein und Eauenburg antritt. Ehe der Herzog fich zu diefem bedeutungsvollen Schritt entfdiloß, war er nach Gotha geeilt, um fich dort mit feinem langjährigen Uer2*

20 trauten Samwer1) zu berathen, der fleh fdion 1848 an der Erhebung der Herzogtümer eifrig betheiligt hatte, dann aber in Gotha zunächft als Bibliothekar, ipäter als Eegationsrath unter dem herzoglich-fächfifchen Minifter von Seebach Anftellung gefunden hatte. — Sobald der Tierzog feinen Erlaß befchloffen hatte, fuhr er nach Berlin, um König Wilhelm für fein Unternehmen zu gewinnen; bei ihm fand er gute Aufnahme, aber Bismarck verhielt fich kühl und deutete fogar auf einen Rücktritt des Herzogs hin, der aber feft abgelehnt wurde. — Tlun galt es zu handeln. Tlach Gotha zurückgekehrt, wo er das feinem Vater gehörige Haus2) bezog, rief er feine Getreuen zufammen, und der Herzog 6rnft uon Coburg-Gotha leiftete ihm wefentlichen Uorfchub, indem er Samwer auf unbeftimmte Zeit aus feinen Dienften beurlaubte. — 6s wurde nun ein kleiner Regierungs-Apparat zufammengeftellt: Samwer übernahm die äußeren Angelegenheiten, der Etatsrath C. Ph. Francke die inneren und befonders die Finanzen, und der früher in dänifchen Dienften gewefene Oberft du ?!at, ein geborener Hamburger, die militärifchen. Als Gefandten hatte der Großherzog uon Baden Herrn uon £delsheim zur Verfügung geftellt. Es mußte natürlich für die vielen fchriftlichen Ausfertigungen auch ein Secretair angeftellt werden, und als folchen erwählte fich Samwer feinen ihm gleichgefonnenen jungen Eandsmann Friederichfen, der ihm im gefelligen Ceben fchon bekannt geworden war. Diefer fühlte fich natürlich durch das Vertrauen, welches ihm entgegengebracht wurde, fehr gehoben; denn es mußten ja viele Papiere durch feine Hände gehen, die nicht bekannt werden durften. übrigens war er in folchen Arbeiten wenig bewandert, und es wurde ihm nicht erfpart, daß v. Edelsheim eines Tages „feinen ganzen Zorn über ihn entlud", als er einen für den Verkehr mit dem Großherzog von Baden eingeführten Telegraphenfthlüffel auf feinem Schreibtifch hatte liegen laffen, als er das Zimmer verließ. — 1

) Carl Friedr. Cucian Samwer, geb. Eckernförde 1819, geft. 1882. ') Das ichlichte, aber leidlich geräumige „XUölfer'fdie Haus", das auch a b das „Auguftenburger Palais" bezeichnet wurde.

21 Am 20. Tloubr. 1863 hatte Friederichfen feinen neuen Poften angetreten (Perthes hatte ihn entgegenkommend beurlaubt) und toar nun ein kleiner Hofmann; er war den ganzen Tag über im Palais und fpeifte an der herzoglichen Tafel. 6s gab viel zu thun: Der Herzog lief) iich von ihm den von Samwer aufgefegten eigenhändigen Brief dictiren, durch den er dem König Wilhelm feinen Regierungsantritt notificirte, uon Gustau Freytag redigirte Agitationsfchriften mußten in alle lüelt uerbreitet werden, als Courier mußte Friederichfen wichtige Briefe an den in Berlin lebenden Bruder des Herzogs, Chriftian, fowie an den hanfeatifchen Minifter Dr. fieffcken überbringen, durch den der fehr freundfchaftliche Verkehr des Herzogs mit dem preußifchen Kronprinzen ging, und dazu kam natürlich eine Menge laufender Arbeiten.— So ging es fort, bis am 29. Dezember 1863 der Herzog plötzlich heimlich abreifte, um fich auf Umwegen, weil gegen König Wilhelm's Rath, nadi Kiel zu begeben, wo er feine Anwefenheit zur Förderung feines Unternehmens für nothwendig hielt. Samwer folgte ihm am Tag darauf. Damit warFriederichfen's eigentliches Amt erledigt, und es ftand ihm frei, zu Perthes zurückzukehren, oder beim Herzog anderweitige Dienfte zu nehmen; in Begeifterung für die Sache feines Landes entfchloß er fich zu bleiben und trat in das noch unter du Plat in Gotha beftehende Kriegs-Departement über, wo alle Vorbereitungen für die Bildung einer eigenen fchleswig-holfteinifchen Armee getroffen wurden. Diefe war zunächft auf 20000 Mann bemeffen, und zahlreiche Meldungen zum e i n tritt waren fchon erfolgt. — Aber es fehlte an Waffen, und diefe mußten heimlich befchafft werden, weil Preußen und Ofterreich des Herzogs Pläne nicht billigten. 7n Bayern fand man fich indeß bereit, entbehrliche Beftände abzugeben, und nachdem diplomatifch vorgearbeitet worden war, wurde Friederichfen im Januar 1864 nach München entfandt, um das Tlähere zu vereinbaren. 6r wurde uon dem General uon der Tann, der 1848 in Holftein gekämpft und fein Intereffe für die Herzogthümer bewahrt hatte, empfangen und an das Kriegs-Minifterium uerwiefen. flach einigen Schwierigkeiten konnte er denn auch am 30. Januar nadi

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Gotha berichten, dafj nach von der Tann's Anficht die königliche Genehmigung in Ausficht ftehe. Che die Sache erledigt war, erkrankte Frtederidifen aber an einem heftigen „Schleimfieber", mufjte 14 Tage das Bett hüten, und follte dann auf Andringen des Arztes fogleidi München uerlaffen, weil die klimatifchen TJerhältniffe dort fein Heben gefährden könnten. Gut eingepackt wurde er zur Bahn gefchafft und kam in Gotha wohlbehalten und fieberfrei an. — Die Waffen-Angelegenheit hatte inzwifdien ihre Erledigung gefunden und zwar in der Weife, dal) das bayerifche Kriegsminifterium dem Herzog Friedrich entbehrliche Waffen verkaufte und unter Friederichfen's Tlamen nach Hamburg fandte. Dort haben fie bis nach der Einverleibung der Herzogtümer in den Preuljifchen Staat gelegen. Ilm £nde Januar 1864 glaubte Herzog Friedrich, obgleich die preufjifdien und öfiterreidufchen Truppen fchon in die Herzogthümer einrückten, um dort nach ihrem Crmeffen Ordnung zu fchaffen, es wagen zu dürfen, feinen ganzen Regierungs-Apparat von Gotha nach Kiel zu verlegen, und fo mufjte auch Friederiken dorthin überfiedeln; zur großen Freude feiner Mutter, die ihren Sohn lange nicht gefehen hatte und feine Zukunft für beffer gefichert hielt, als es der Fall war. Denn das zuverfichtliche Vorgehen des Herzogs war vermuthlich nur durch ein freundliches Wort des Königs Wilhelm gegen Samwer verurfacht worden, der Mitte Januar nach Berlin gereift war, um des Herzogs Sache zu fördern. Der König hatte gelegentlich geäußert, der Herzog könne ruhig in Holftein bleiben, möge aber nicht nach Schleswig gehen. Das war aber ganz gegen Bismarck'sMeinung.underverftand, fie dem König gegenüber geltend zu machen, wie er auch fchon am 31. Decbr. 1863 mit Ofterreich beim Bunde, wenngleich einftweilen ohne 6rfolg, beantragt hatte, der Herzog folle zum Uerlaffen Holfteins beftimmt werden. Trotj aller Conceffionen des Herzogs, trotj feiner Freundfchaft mit dem preufjifchen Kronprinzen und des Wohlwollens des Königs blieb Bismarck's Wille und fein Zweifel an dem Rechtstitel des Herzogs maßgebend, und deffen Sache ging allmählig ihrem 6nde entgegen. Seine Käthe und Beamten fafjen unthätig in Kiel.

23 Friederichfen zeichnete zu nützlichem Zeitvertreib eine hübfche Karte des Kieler Hafens; und im April, gleich nach der £rftürmung der Düppeler Schanzen, unternahm er mit einem badi'dten Offizier, Pfeiffer, einen Ausflug dorthin, der ihm trotj der vielen traurigen Spuren der Kämpfe großes Intereffe gewährte. £r folgte weiter den kriegerifchen Ereigniffen mit gekannter Aufmerkfamkeit; aber auf die Dauer konnte er diefe llnthätigkeit nicht ertragen. Doch gab er noch nicht alles verloren, fondern ließ (ich, in der Hoffnung, feinem Herzog noch einmal nützlicher werden zu können, „auf Koften der holfteinifchen Regierung nach Berlin „fchicken, um dort am königlichen ftatiftifdien Seminar einen Jahreskurfus „durchzumachen und gleichzeitig an der Berliner llniverfität zu hören". €r überfiedelte am 1. Mai 1865 nach Berlin, und fein ßefuch um Erlaubniß zur Theilnahme an dem mit dem 1. Tlovbr. 1865 beginnenden und bis zum 30. Juni 1866 reichenden Kurfus wurde bewilligt. Einstweilen ließ er fich bei der philofophifchen Facultät der llniverfität als Hörer einfchreiben und belegte folgende Collegien: Technologie bei Magnus, Finanzwiffenfdiaft bei Friedlaender, phyfikalifche Geographie bei Poggendorff, Geographie von Afrika bei Müller, Chorographie von Italien bei Kiepert, Maaß und Meffen bei Dove, Leben und Gebräuche der alten Aegypter bei Eepsius, Erklärung aegyptifcher Denkmäler bei Cepsius, Meteorologie bei Doue und Ergebniffe der neueren Tlaturforfchung bei du Bois-Reymond. Die Univerfitäts-Ferien benutzte Friederichfen dazu, unter dem Regierungs-Geometer Otto Buffe das Candmeffen zu erlernen. Aus dem £ehrer wurde ihm ein lieber Freund, der ihn in das Haus feines Vaters, des Geh. Oberbauraths Buffe, einführte, und in deffen eigenem jungem Hauswefen er viel verkehrte, bis ein trauriges Gefchick den Freund hinwegraffte. Die Arbeiten des ftatiftifdien Seminars begannen am 1. Tloubr. 1865 unter dem Director des ftatiftifchen Bureaus, Geh. Rath Engel. Die Uorlefungen umfaßten: Theorie und Technik der Statiftik von Engel, Phyfifche Geographie von Dove, Bevölkerungs-Statiftik von Boeckh, Uolkswirthfchaftslehre von Hansfen, und Sanitäts- und Medidnal-

24 Statiftik von Helwig ; Cxcurtionen in gewerbliche Anftalten und StaatsTnßitute leitete Engel.—Die meiften der Studirenden waren UerwaltungsAtfefforen, die die Arbeit leicht nahmen; aber fie flammten aus den verfchiedenften Theiten des Eandes, und dadurch bot iich viel Gelegenheit, die den Candestheilen eigenthümlichen Anfchauungen und Sitten zu ftudiren und EU vergleichen. — Der 4. Kurfus des Sem nars konnte nicht regelmäßig durchgeführt werden, weil die meiften Thei nehmer zum UJaffend'enft einberufen wurden; denn die geme'nfame Belebung der Herzogthümer hatte zwifchen Preußen und Ofterreich zur Kataftrophe geführt. Das Schickfal des Herzogs "Friedrich wurde damit entfchieden. Am 7. Juni 1866 verläßt er Kiel und geht nach Thüringen; fein Regiment ift endgültig erledigt, und am 12. Januar 1867 werden die Herzogthümer mit dem Königreich Preußen vereinigt. Tlach Beendigung des 4. Seminar Kurfus war Friederichfen nach Kiel zurückgekehrt. Hoch hoffte er, in feinem engeren Uaterlande unter der neuen Regierung eine Eebensftellung zu finden. €r wandte fich an den Oberpräfidenten von Scheel-Pleffen um Anftellung bei einem etwa für die Provinz zu fchaffenden ftatiftifchen Bureau, wurde aber abfchlägig befchieden; ein folches Bureau wurde als überflüffig erklärt. Dagegen wurde ihm von dem Kieler Magiftrat die Herftellung einer Stammrolle der Steuerpflichtigen übertragen, die in kürzefter Frift erledigt werden mußte und erledigt wurde. Das Gehalt war anftändig bemeffen, aber die erhoffte fefte Anftellung konn e nicht gewährt werden. — Eudwig Friederichfen war alfo wieder auf fich felbft angewiefen, wußte fich aber leicht zu helfen durch Tierausgabe einer neuen Karte von SchleswigHolftein und Berichterftattung an die Itjehoer Tlachrichten und den Hamburgifchen Correfpondenten; auch war er als Examinator für Geographie an der Kadettenfchule thätig, bis fich ihm in der Mitarbeit an dem Chriftianfen'fchen Tlord-Oftfee-Kanalproject eine wichtigere und intereffantere lüirkfamkeit bot. Unter Prof. 6. Karften's Uorfitj war ein Tlorddeutfches Kanal-Comité zufammengetreten, um diefes, eine Cinie von Kiel nach Brunsbüttel verfolgende Project näher zu prüfen und in

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Zeichnungen feftzuftellen. Um nun das Gelände der weltlichen Ausmündung des Kanals durch Augenfchein kennen zu lernen, unternahm £udwig Friederichfen im Frühjahr 1867 mit dem Major u o n Chriftianfen, dem früheren Deichinfpector diefer Gegend, u o n Crempe aus eine Fußwanderung auf den Deichen, die ihm eine eingehende Kenntniß der dortigen lUafferbauten uerfchaffte, zugleich aber uiel Merkenswerthes in Betreff der Candwirthfchaft und des Cebens in diefen reichen Marfchlanden darbot. Seine auf diefer Grundlage ausgeführte „Uberfichtskarte „der Cimbrifchen Halbinfel zur Ueranfchaulichung der uerfchiedenen „Tlord-Oftfee-Kanalprojecte" wurde der u o n jenem Comité ueröffentlichten Denkfchrift beigegeben. tüie es icheint im Anfchluß an diefe Arbeit reichte Friederidifen am 26. Aug. 1867 bei dem Kgl. Oberpräfidium für Schleswig-Holftein ein Gefuch um Bewilligung eines Reife-Stipendiums aus dem Fonds zur Förderung der Kunft und lüiffenfdiaft ein, um an dem auf die Tage uom 27. Septbr. bis 5. Oct. 1867 nach Florenz geladenen 6. internationalen ftatiftifchen Congreß theilnehmen zu können. Das Gefuch wurde bewilligt, und freudigen Herzens trat Friederichfen feine Reife an. 6r fuhr über Friedrichshafen, Corner See, Mailand und befuchte in Codi feinen dort heimifch gewordenen Bruder „Chriftianl". Uber Genua und Ciuorno reifte er weiter nach Florenz, überall in uollen Zügen all das Tleue und Schöne genießend, das ihm entgegen trat. Ob der Congreß feine Kenntniffe wefentlich uermehrte, hören wir nicht; aber es wurde ihm uon großem Werth, daß er hier mit dem Senator Uersmann aus Hamburg bekannt wurde. Sie hatten fich uermuthlich zufammengefunden durch gemeinfames Tntereffe für die Herzogtümer SchleswigHolftein, für die Uersmann bei der erften Crhebung als Freiwilliger im Felde geftanden hatte. Bei diefer Begegnung trat fchon Friederichfen mit dem Plane heruor, in Hamburg ein geographifch-nautifches Gefchäft zu errichten, und er fand bei Uersmann lebhaften Beifall und Ausficht auf Befürwortung. ëinen beabfichtigten Abftecher nach Rom mußte Friederichfen wegen

26 der dort herrfdienden Garibaldi'fchen Umtriebe aufgeben; man fagte ihm, er werde vielleicht hinein, aber nicht leicht wieder heraus kommen. Auch ein dann geplanter Befuch der Farifer Ausstellung mufjte wegen Verzögerung der Fahrt über den Genfer See durch fchlechtes Wetter und Verfaß des Koffers aufgegeben und der gerade Rückweg angetreten werden. In Kiel angekommen, fchrieb Friederichfen fogleich einen Bericht über den Verlauf des Congreffes nieder und reichte ihn dem Regierungspräfidenten ein, mit der ftillen "Hoffnung, daraufhin eine Staatsanftellung erlangen zu können. Das erwies (ich aber bald als unmöglich, und nun wurde das Projekt Hamburg näher erwogen. 6s fehlte indefj an Capital für das gefchäftliche Vorhaben, bis Friederichfen durch Zufall bei feinem Bruder Andreas in Itjehoe den wohlhabenden, in den Ruheftand getretenen Apotheker Tiermann tUarns kennen lernte, der bereit war, nicht nur das nöthige Geld herzugeben, fondern auch felbft nach Möglichkeit in dem geplanten Unternehmen thätig zu fein. £s kam ein zunächft bis zum 1. Juli 1872 gültiger Societäts-Vertrag zuftande, und am 1. Mai 1868 erging ein Circular an den deutfdien Buchhandel, durch welches die Gründung einer £and- und SeekartenHandlung in der Admiralitätsftrafje Tlr.19 unter der Firma £. Friederichfen u. Co. angezeigt wurde. — Um das junge Gefchäft einzuführen, hatte Friederichfen zuvor die Firma Juftus Perthes in Gotha und die Beffer'fdie Buchhandlung in Berlin zur Mitarbeit zu gewinnen verftanden, und befonders werthuoll wurden ihm die Rathfdiläge des Inhabers der letzteren Anftalt, tUilh. Hertj, der ihn audi in die am holländifchen Brook in Hamburg lebende Familie Wert} einführte; zu den Söhnen John und Adolf Hertj trat Friederichfen in nähere Beziehungen. Aus Kiel hatte er gute Empfehlungen des dortigen Zoologen, früheren Kaufmanns Tieinr. Adolf Meyer (geb. "Hamburg 1822, geft. Forfteck bei Kiel 1889) an F. Caeifz, Carl tUoermann und Cefar Godeffroy. Auch unternahm er eine Reife nach Kopenhagen und £ondon, um dort Verbindungen wegen des Bezuges von Seekarten anzuknüpfen, die zum Theil nur von dort

27 zu bekommen toaren. — Bald zeigte fich leider, daß tUarns für den kaufmännifchen Theil des neuen Betriebes nicht genügte, und das führte fchon am 14. October 1868 zur Aufhebung des Vertrages, die indefj für Friederichfen günftig erledigt werden konnte. Für die buchhändlerifchen Gefchäfte fand er einen darin wohl erfahrenen Gehülfen, Victor Siegler aus Steyr, und io brachte der XUechfel keinen Schaden. 6s traf fich auch glücklich, dalj Anfang 1868 der frühere Rector der Tlauigationsfchule in Elsfleth (Oldenburg), ID. von Freeden, nach Hamburg übergesiedelt war, um dafelbft eine,, Seewarte" im Sinne der fchon 1865 uon Dr. G. Tleumayer (geb. Tleuftadt a. Haardt 1826, geft. dafelbft 1909) uor dem freien Deutfchen Hochftift in Frankfurt a. Ii. als wünfchenswerth bezeichneten „Centralftelle für Hydrographie und maritime Meteorologie" zu gründen. £r hatte fowohl bei der Deputation für Handel und Schiffahrt (damals unter Senator Kirchenpauer), als auch bei den Handelskammern in Hamburg und Bremen Befürwortung und llnterftütjung gefunden und konnte bald feine „Tlorddeutfche Seewarte" ins Eeben rufen. Durch Senator Mersmann wurde ihm Friederichfen empfohlen, und fo entwickelte fich in kurzer Zeit ein für beide Theile erwünfchter und nutjbringender Uerkehr, der fich, als 1875 uon Freeden's Anftalt an die Kaiferliche Admiralität überging und am 13. Jan. 1876 Tleumayer unterteilt wurde, auf diefen übertrug. — Freundfchaftliche Beziehungen zwifchen beiden hatten fchon feit 1870/71 in Folge Tleumayer's zeitweiligen Aufenthaltes in Hamburg beftanden und waren durch einen regen Briefwechfel und Tleumayer's häufige Befuche in Hamburg aufrecht erhalten worden. Cine der erften unter ihren gemeinfamen Arbeiten war eine Südpolkarte, die Friederichfen auf Tleumayer's Veranlagung dem Geographifch-commerctellen Congrefj zu Antwerpen 1871 uorlegte. Einen ganz unerwarteten gefchäftlkhen Uortheil brachte Friederichfen der deutfch-franzöfifche Krieg. Die deutfche Kriegsleitung muíate mit einer Blockade abfeiten der franzöfifchen Flotte rechnen und deshalb ihre eigenen Schiffe mit genauen Karten der Tlord- und der Oft-See uerfehen.

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Solche deutfchen tlriprungs gab es nicht; fie waren faft ausfchließlich uon dem däniichen Seekarten-Depot zu bekommen, und die preußifche Marine nahm, da Dänemark's Abfichten unbekannt waren, Anftand, in Kopenhagen für ihre Schiffe nach Karten zu fragen. Friederiditen aber, als Agent des Depots, konnte fie uon dort beziehen und beforgte die ganze Cieferung. — Auch wurden, als die deutfchen Truppen unerwartet frühzeitig in Frankreich eingerückt waren, uon allen Seiten gute Karten des Kriegsfchauplatjes verlangt; aber die waren nicht vorhanden und nicht zu beziehen. Da kam Friederichfen auf den guten Einfall, lieh eine zutreffende franzöfifche Generalftabs-Karte, die er kürzlich für einen Privatmann beforgt hatte, zeitweilig zurückzuerbitten und auf photographifchem UJege eine grolle Anzahl von Abzügen herftellen zu laffen, die einen guten Ertrag brachten. Viel wichtiger aber mußten für Friederichfen's Emporkommen die durch den glücklich geführten Krieg wefentlich veränderten politifchen "Uerhältniffe fein, die eine bald nach dem Friedensfchluß einlegende, anhaltende Stetgerung des deutfchen Handels, den Erwerb von Kolonien und die Entwickelung einer deutfchen Kriegsflotte mit fich brachten. Friederichfen ftand durch feinen Kartenvertrieb und feine regelmäßigen Börfenbefuche, wie fie einmal in Hamburg für allen kaufmännifchen Verkehr üblich find, mit dem Handel und der Rhederei, andrerfeits durch feine Beziehungen zu Tleumayer mit der aufwachenden Marine in fteter Verbindung und wurde mit ihnen gehoben. Für Friederichfen's immerhin etwas kühnes gefchäftliches Unternehmen war es ein weiterer glücklicher Zufall, daß fein bedeutendster Concurrent im hamburgifchen Seekarten-Vertrieb, der Kapitän H. tU. Waller, am 7. Juli 1870 ftarb und daß Friederichfen deffen ganzen Kartenuorrath erwerben konnte. Er gewann damit einen ihm fehr nützlichen Einblick in die Gefchäftsverbindungen des früheren Inhabers und zugleich einen werthvollen Kundenkreis, den er fidi dadurch erhielt, daß er die U)aller'fche Uerkaufsftelle mit übernahm und fie erft eingehen ließ, als er im Jahre 1872 in der Admiralitätsftraße3/4 größere Räume bezog.—Ilm fidi

29 felbft aber als gutgefchulter Kartenzeichner auszuweifen, hatte er gleich im erften Jahre feines Aufenthalts in Hamburg eine Karte der Schweiz im Maaijftabe von 1:200000 in Angriff genommen; (ie ift leider in Folge der llnhaltbarkeit einer darin verwandten Deckfarbe unvollendet geblieben, hat doch aber in diefem Zuftande auf Ausheilungen in Hamburg und Altona Anerkennung und Auszeichnung gefunden. Schon im Jahre 1869 hatte Friederichfen feinen erften Uerlag übernommen: „C. F. Steinhaus, Construction und Bemaftung der Segelfchiffe", und es folgten bald andere lUerke nach, darunter das von Friederichfen mit befonderem Tntereffe verfolgte „Journal des Mufeums Godeffroy, geographifche, ethnographifche und naturwiffenfchaftliche Mittheilungen". Diefes Mufeum wurde von Joh. Cefar Godeffroy (geb. Kiel 1813, geft. Hamburg 1885) zufammengebracht aus all den vielen naturhiftorifchen Funden, welche die damals 25 Schiffe zählende Flotte der Firma J. C. (äodeffroy u. Sohn neben ihren lüarenfrachten heimbrachte, und zwar grofjentheils aus der Südfee und Auftralien; die Schiffsführer wurden dazu angehalten unter Beihülfe junger Fachleute. Dr. med. 6. Gräffe wurde 1860 als £rfter aus Zürich berufen, um die Ordnung des fo entftehenden Mufeums zu beforgen, und ging im nächften Jahre felbft hinaus, nachdem er die Sammlung dem Cuftos J. D. 6. Schmeltj übergeben hatte. 6r nahm feinen Hauptfitj in Apia und blieb dort durch 10 Jahre, hauptfächlich mit zoologifchen, aber auch mit geographifchen und ethnologifchen Forfchungen befchäftigt. — Tm Jahre 1863 folgte die als fcharffichtige Sammlerin bekannte Frau Amalie Dietrich aus Siebenlehn im Erzgebirge. Sie durchfechte 10 Jahre lang die Oftküfte Auftraliens und kehrte über die Südfee-Tnfeln zurück. Ihr eigentliches Feld war die Botanik, aberfie hatte einen Blick für alles Bemerkenswerthe und brachte felbft Schädel und Skelette mit. — Der 1867 ausgefandte amerikanifdte Sammler Andrew Garrett lieferte überaus zahlreiche und farbenprächtige Abbildungen von Fifchen, die von Albert Günther in Condon geordnet und beftimmt wurden. — Joh. Kubary forfchte von 1869—74 im Mar-

30 fchall- und Carolinen-Archipel, in ähnlicher Richtung wie Gräffe, und unternahm 1875 eine zweite Reife. Auch Th. Kleinfchmidt und Franz Hübner fammelten ethnographifch und anthropologifch, und 6d. Dämel zoologifch, befonders entomologifch, in Godeffroy's Auftrage. — Die allmählich eingehenden Sammlungen wurden uon Schmeiß vorläufig geordnet, um dann Fachgelehrten zur näheren Beftimmung und Bekanntmachung in Zeitfchriften überwiefen zu werden, deren Wahl ihnen überlaffen blieb. — 6s liegt nun auf der Hand, dafj durch diefes Herfahren der Überblick über das Ganze fehr erichwert wurde, und Godeffroy entfchloß [ich deshalb 1872 zur Gründung des oben genannten Sammelwerkes; es follte in zwanglofen Heften erfcheinen (es wurden 17), und diefe wurden fpäter zu 6 Bänden uereinigt. Den Uerlag und die Wiedergabe der zahlreichen, fehr uerfchiedenartigen Abbildungen, fowie die Herftellung der erforderlichenKarten übernahm Friederichfen, und Godeffroy fcheute keine Koften, um das Werk würdig auszugeftalten, obgleich auf einen großen Abnehmerkreis kaum zu rechnen war. Die Herausgabe des erften Bandes, uon 1873/4, beforgte theilweife der inzwifchen zurückgekehrte Dr. Gräffe, nach deffen Fortgang nach Trieft aber Friederichfen unter Beihülfe uon Fachgelehrten, mit Ausnahme des zweiten, uierten und fediften Bandes, die die Garrett'fchen Fifche wiedergeben und uon Günther redigirt wurden. — 6ine weitergehende, fyftematifche Ausbreitung diefes Werkes wurde leider dadurch unmöglich, daß das Godeffroy'fche Haus 1880 in Zahlungsfchwierigkeiten gerieth. £s gelang aber durch die Freigiebigkeit der Dr. Martin u. Godeffroy-Stiftung, die Bearbeitung des Materials und die Herausgabe des Journals zu einem Abfchlufj zu bringen; freilich fehr uerfpätet, erft 1910, theils wegen der Größe der Arbeit, welche Dr. Günther bei der Einordnung und Befchreibung der Garrett'fchen Fifche fand, theils dadurch, daß Uirdiow die Bearbeitung der anthropologifchen Sachen übernommen hatte, fie aber trotj Friederichfen's Bitten lange hinausfchob und fchließUch nicht geliefert hat. flach feinem Tode find im dritten Bande (Heft 10) die feit uielen Jahren nach Uirchow's Angaben uorbereiteten Zeichnungen zum Abdruck gebracht worden,

31 doch ohne Text bis auf einige, dem Werk von Schmeltj und Kraule „Die ethnographifch-anthropologifche Abtheilung desMufeums Godeffroy" entnommene Beftimmungen. Damit wurde das lüerk abgefchloffen. — Das Mufeum felbft konnte leider Hamburg nicht vollzählig erhalten bleiben; nur ein Theil desielben ging an das Hamburgifche Mufeum für Uölkerkunde über. Die übrigen ftädtifchen Sammlungen hatten früher die Gelegenheit benutjt, vieles von den natürlich oft vorgekommenen Doubletten zu erwerben, und fanden es daher nicht zweckmäßig, auch noch die Sammlungen des Mufeums Godeffroy anzukaufen. — Ein dreißigjähriger Mann von fo ausgebrochen gefelliger Tlatur, wie es Friederichfen war, konnte ohne einen großen Verkehr nicht leben. Durch Dr. med. 6rnft Mauke, Bernhard Perthes' Schwager, wurde er in einen Kreis vonKünftlern und Gelehrten eingeführt, der fich regelmäßig in der „Himmelsleiter", einer Kneipe in der Knochenhauerftraße, zu verfammeln pflegte. Hier lernte er Herrn. Kauffmann, Otto Speckter, Martin Gensler, Robert Hiller, Aegidi, Rudolph Schleiden, Dr. Bergeeft, Dr. 6d. Cordes, Dr. 6mil Krieg, Dr. Oehrens, Dr. Seebohm, Dr. Wettern, Dr. Eifenlohr u. A. kennen. Als fich aus diefem Kreife heraus auf Anregung des Dr. Theobald im Tlovember 1868 der Verein für Kunft und Wiffenfchaft bildete, trat Friederichfen demfelben bei, und 1872 wurde er in den Vorftand gewählt. An allen gefelligen Veranstaltungen des Vereins nahm er lebhaften und thätigen Antheil. lind doch war er zugleich ein Freund der Häuslichkeit und lebte in beftem Einverftändniß mit feiner Mutter und feiner Schwefter, die von Kiel zu ihm herübergezogen waren. Anfang 1873 aber wird zwifchen Tleumayer und Friederichfen vom Heirathen gefprochen: zum neuen Jahr wünfcht Tleumayer dem Freund eine „Frau Friederidifen", und am 14.März räth er ihm: „Hoffen wir, daß Sie fich bald eine Frau bei „derartigen Anftrengungen holen; aber warten Sie um Himmelswillen „nicht zu lange!" Er fpricht aus eigener Erfahrung als wefentlich älterer Freund, von 1826. Die „Anftrengungen" aber beziehen fich auf ein großes Koftümfeft im Verein für Kunft und Wiffenfchaft, bei dem fich Friede-

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ridtfen fehr verdient gemacht hatte. — Am 25. Juli bedauert dann Tleumayer, nicht zu der auf den 7. Auguft angefetjten Hochzeit von Eudwig Friederichfen und Clifabeth Kauffmann kommen zu können. Die Braut war die jüngere Tochter des Malers Hermann Kauffmann. Aus dem Familienkreife, in den Friederichfen nun eintrat, heben fidi zwei Perfönlichkeiten beionders ab: der Schwiegeruater, „ein wahrhafter „Künftler von Gottes Gnaden, eine gewinnende, naive, eigenartige „Tlatur von ritterlicher Haltung" (Spörri), und der Schwager, der Rechtsanwalt Dr. Julius Seebohm, ein lebensfroher Optimift, der einen angeborenen körperlichen Fehler mit gutem Humor ertrug und was ihm in der Geftalt verfagt war, durch eine gewandte, zuweilen icharfe Zunge zu erleben wußte, ein Freund der Künfte und heiterer Geielligkeit, bis ichwere Krankheit und wirthfchaftliches "Unglück ihm die Lebenskraft nahmen. — Uon den Brüdern der Frau, die alle drei auswärts lebten, ftand er dem älteften, dem in München lebenden Maler Hugo Kauffmann, nahe. — Mutter und Sohn aber trennten fidi nun mit Herzeleid, blieben einander indeß örtlich nahe. Dem Verein für Kunft und HJiffenfdiaft ift Friederichfen fernerhin treu geblieben, bis an deffen unrühmliches £nde durch Altersfchwache; er traf täglich dort mit einem kleinen Kreife uon Freunden zum Frühftück zufammen, und es fehlte nie an guter Unterhaltung an diefem Tifche, die fich großenteils auf ftädtifche Angelegenheiten bezog. — Hier wird auch wohl der eigentliche £ntftehungsort der am 6. März 1873 gegründeten (äeographifchen fiefellfchaft in Hamburg zu fachen fein, uon der Frieder i k e n felbft Tagt, fie fei „uon der weitgehendsten Bedeutung für fein ganzes £eben" geworden. — In der That war er in feiner Stellung, ohne Amt und Gehalt, darauf angewiefen, die geographifdien lUiffenfchaften, denen er feine Thätigkeit gewidmet hatte, nicht nur an fidi zu fördern und zu uerbreiten, fondern auch den dazu erforderlichen geichäftlichen Betrieb lebensfähig, d. h. nutzbringend zu geftalten. £s mußte alfo vor allem das allgemeine Intereffe dafür angeregt werden, und Friederichfen erkannte bald, daß das in der großen Handelsstadt

33 wohl mußte zu machen fein, wo man von den fernften Ländern, als „drüben", faß uor derT hür liegend, fpricht, weil viele „drüben" gewefen find und gern uon dort hören. — Petermann hatte fchon 1866, wie aus einem Briefe an Friederichfen uom 18. März 1873 hervorgeht, in der Abfidit, eine Allgemeine Deutfche Geographifche Gefellfchaft zu gründen, in Hamburg durch den ihm befreundeten Generalconful Strong Beitrittserklärungen fammeln laffen, die bis zu 723 Tlamen anwuchfen. £r freut iidi, daß jetjt einer feiner Schüler die Sache für Hamburg wieder aufnimmt, und meldet fich, für den Fall, daß auswärtige Mitglieder zugelaffen werden, zum Beitritt. Friederichfen fcheint uon jenem Vorgehen Strong's nicht gewußt zu haben; jedenfalls ift ihm der eigentliche Antrieb, die fieographifche Gefellfchaft in Hamburg ins Ceben zu rufen, durch das £ntftehen der Afrikanifchen Gefellfdiaft in Berlin gegeben worden, für welche Heumayer warb und befonders den Beitritt uon geographifdien Gefellfchaften erhoffte. Hier ließ fich helfen, und zwar am rechten Orte. Im Herein mit dem Schulrath Harms, der aus feiner Eehrthätigkeit her ein großes Tntereffe für Erdkunde bewahrt hatte, und Eudwig Oppert, der dem fchon erlangten Dr. iur. den Kaufmann mit weitem tüirkungsfeld vorgezogen hatte, erließ Friederichfen an 25 angefehene Hamburger Einladungen zu einer Dorbefprechung betreffs Gründung einer Geographifdien Gefellfchaft in Hamburg. — Die Verfammelten waren mit dem Zweck des geplanten Unternehmens und den im Entwurf vorliegenden Statuten einuerftanden und Unterzeichneten eine an weitere Kreife gerichtete Einladung zu einer conftituirenden Verfammlung zum 6. März 1873. — Es erfchienen 70 Herren, und Schulrath Harms hielt einen längeren Vortrag, der, nach Berathung der Statuten, zur lUahl eines Vorftandes führte. Gewählt wurden: Senator Kirchenpauer zum Vorfitjenden, Sdiulrath Harms zum zweiten Vorfitjenden, £. Friederichfen und Director Rümker zu Schriftführern, C. Oppert zum Kaffirer und ohne Amt: Senator A. Herl} und J. C. Godeffroy jr.. Für die Verfammlungen (teilte die Oberfchulbehörde den großen Hörfaal des Johanneums zur Verfügung, den beften und geeignetften der damals 3

34 beftehenden, und am 3. April 1873 eröffnete Senator Kirchenpauer die erfte Sißung der 6eographifchen Gefellfchaft in Kamburg. — Uber die Thätigheit derfelben während der erften 25 Jahre ihres Beftehens hat Friederichfen im 14. Bande der „Mittheilungen" in einem „Rückblick „auf die Gründung und Cntwickelung der Geographiichen Gefellfchaft in „Hamburg während der Jahre 1873—1898" berichtet. Crgiebt ein Bild uon dem Geben der Gefellfchaft, wie er es gefehen und großenteils ielbft geftaltet h a t ; es enthält eine Darfteilung (eines eigenen Wirkens, das neben dem regelmäßigen Gefdiäftsbetrieb fo ganz der Geographiichen Gefelllchaft gewidmet war, daß die fpäteren feiner handichriftlichen Aufzeichnungen wenig hinzufügen. Friederichfen felbft hat einen Abzug des Rückblicks (einen Aufzeichnungen beigelegt, „um der Wiederholung überhoben zu (ein", und hat ihn damit audi hier an die Hand gegeben, eine llmfchreibung könnte nur Fremdes hineinbringen; er folgt deshalb mit wenigen Kürzungen. £udwig Friederichfen fchreibt 1898:

„ . . . Zu unferer großen Freude läßt fich heute am Jubiläumstage kon,ftatiren, daß fich die feiner Zeit bei Gründung unferer Gefellfchaft ,ausgefprochene Anficht uon der uorzugsweifen Befähigung Hamburgs ,zum Sitje einer Geographifchen Gefellfchaft bewahrheitet hat. 6s zeigt ,fich dies einerfeits in dem ftetigen tüachfen det Mitgliederzahl uon 192 ,6nde 1873 auf 600 am 6. März 1898, andererfeits in den regen Beziehungen zu den Schwefter- Gefellfchaften und der gewichtigen Stimme ,unferer Gefellfchaft im Rathe derfelben. Dabei darf aber nicht uerkannt ,werden, daß wir in mannigfacher Weife uom Glück begünftigt gewefen ,find. Ja, ein ganz befonderes Glück war es, daß unfere Gefellfchaft die ,erften 14 Jahre einen Mann an ihre Spitje berufen und zu feffeln gewußt ,hat, welcher ihr nicht nur durch feine hohe Stellung in unferem Staate, ,fondem uor Allem durch feine hervorragenden Kenntniffe auf natur.wiffenfchaftlidiem Gebiete und durch den Adel feiner Gefinnung uon

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„bahnbrechender Bedeutung gewefen ift. Ihm, dem hochverdienten „erften und langjährigen Präfidenten, Herrn Bürgermeister Dr. Guftav „ K i r c h e n p a u e r , heute und an diefer Stelle ein Ulort der dankbarften „Erinnerung widmen zu können, gereicht mir su um fo höherer Befried i g u n g und "Freude, als es mir vergönnt war, bis an feinen Cebensabend „ausnahmslos in unferen Uerfammlungen an feiner Seite fitjen und feiner „wohlwollenden und nachfichtigen Beurtheilung theilhaftig werden zu „dürfen, einen befcheidenen TheÜ der Dankbarkeit hat die Gefellfchaft „ihrem erften Präfidenten in der Betheiligung an einem öffentlichen „Denkmal, fowie durch die Stiftung der Kirchenpauer-Medaille am 6. März „1882, abzutragen Gelegenheit gehabt, welch' letztere, wie das Statut „vom 6. Dezbr. 1883 des Tläheren befagt, an Perionen verliehen werden „foll, die fich um die Geographifche Gefellfchaft im Befonderen und um „die geographifche lUiffenfchaft im Allgemeinen ein hervorragendes Uer„dienft erworben haben. — Glück mufj ferner genannt werden, daß ein „Dr. Kirch e n p a u e r in Freundfchaft und Uerehrung beifpietlos zuge„thaner, ihn vornehmlich in feinen geophyfikalifchen Kenntniffen ergänz e n d e r Mann unferer lUiffenfchaft, Dr. Georg T l e u m a y e r , lange Jahre „die zweite Stelle in unferem Uorftande inne gehabt hat. Auch foll als „Glück gepriefen werden, daß nach dem Tode K i r c h e n p a u e r ' s wiederum „Männer von hoher Staatsstellung und Begeifterung für unfere Sache, „dieHerren Senatoren A . F . H e r t j , Dr. J . G . M ö n c k e b e r g und Schulrath „Prof. Dr. H o che, an unfere Spitje getreten und zum Theü bis heute an „derfelben geblieben find. „Wenngleich für die gedeihliche Entwicklung einer wiffenfchaftlichen „Gefellfchaft eine glückliche Wahl derjenigen Männer, die zur Führung „und leitenden Arbeit berufen werden, für Uieles Ausfchlag gebend ift, „fo müffen doch auch andere Umftände hinzukommen, um das Gelingen „des Vorhabens zu fichern. An diefen hat es denn Gottlob auch nicht gefehlt. „Schon Eingangs habe ich der Thatfache Erwähnung gethan, daß „durch die Bildung der Deutfdien Afrikanifchen Gefellfchaft in Berlin 3*

36 „im Jahre 1872 der längft gehegte UJunfch der Gründung einer Geographiichen Gefellfchaft in Hamburg zur Keife gebracht wurde. Sie ift „es denn auch längere Zeit gewefen, die uns im Verein mit den übrigen „deutfchen geographiichen Gefellfchaften neben reithlichem Stoff für „untere Vorträge und Verhandlungen Gelegenheit geboten hat, für ein „international gedachtes und national geübtes Unternehmen behufs „fyftematifcher Erforfchung Zentral-Afrikas einzutreten. Zur Unterstützung der Zwecke dieier Deutfchen Afrikanifchen fiefellfchaft haben „wir in den Jahren 1873 bis 1876 incl. Mk. 9704— beifteuern können. „Crft als ein Mißerfolg, um nicht zu fagen Mißgriff, dem anderen folgte, „haben wir der an und für fich guten Sache mit unferem Austritt dienen „zu müffen geglaubt. „6in für die Entwickelung unterer Gefellfchaft gleich bedeutungsvolles Ereigniß war die Entdeckung des "Franz 7°feph-Landes durch „die öfterreichifch-ungarifche Tlordpol-Expedition unter Führung des „Sdiiffslieutenants C. lüeyprecht und der ihr bei ihrer Rückkehr über „Kamburg am 22. und 23. September 1874 durch unfere Gefellfchaft „bereitete Empfang, flicht nur, daß unfere Mitgliederzahl in Folge deffen „von 200 auf ca. 300 in die Höhe fchnellte, nein, daß vor Allem der „Gedanke, der urfprünglkh einem engen Kreis von Freunden der geographiichen tüiffenfchaft innegewohnt, uom großen Publikum erfaßt „und Gemeingut einer zahlreichen Bevölkerung geworden, gereichte ihr „zum Tlutjen und machte den Empfang zu einem epochemachenden „Ereigniß in der Gefchichte der geographiichen UMenfchaft in Deutfch„land überhaupt. „Die Freude an der kühnen That war es ebenfalls, welche uns hieß, „Dr. Guftav flachtigal auf den 9. September 1875 nach hier einzuladen „um aus feinem eigenen Munde über feine zentral-afrikanifchen Keifen „berichten zu hören. Der Einladung Folge zu geben, war ein Gebot der „Dankbarkeit für die ihm feitens einiger unferer Mitglieder bei feiner „Kückkehr nach Heluan bedingungslos zur Verfügung geftellte und „gerne adoptirte Summe Geldes.

37 „Die Gefchichte der Entwickelung unterer Gefellfchaft würde lückenhaft „bleiben, wollten wir an dieier Stelle nicht der ausgedehnten über„feeifchen Verbindungen des Haufes J. C. Godeffroy u. Sohn Erwähnung „thun, welche um jene Zeit ihren Höhepunkt erreicht und in der AusSendung Gelehrter und naturwifienichaftlicher Sammler nach den Süd„fee-lnfeln und Tlordoft-Auftralien, in dem Ausbau des Mufeum Godeffroy „zu einem weltbekannten Tnftitute, und in der Begründung des Journal „des Mufeum Godeffroy einen Stützpunkt für unfere Beftrebungen abgeg e b e n haben. „Ich glaube mich nicht zu täufchen, wenn ich auch auf diefe Beziehungen „Hamburgs zur Südfee die Tnfcenefetjung der erften wiffenfchaftlichen „Expedition der Deutfchen Kregsmarine, die UFeltreife Sr. Wajeftät „Schiff Gazelle 1874 und 75 unter Kommando des Kapitäns z. S. Freiherrn „uon Schleinit) zum Theil zurückführe. Unfere Gefellfdiaft hat auch „von der glücklichen Durchführung diefer vor Allem wiffenfchaftlichen „Zwecken gewidmeten, gleichzeitig aber dem Handel dienenden tUeltreife „Tlutjen zu ziehen und die bisher ungekannte Förderung der geographi„ chen ttJiffenfchaft feitens der Kaiferlich Deutfchen Marine zu ehren ge„wufjt. 6s war ein glücklicher Gedanke, den Kommandanten und das „Offizierkorps Sr.Majeftät Schiff Gazelle am 11. Mai 1876 mit den Mitgliedern unferer Gefellfchaft zu einem Feftbankett im Hotel de l'Europe „zu vereinen. Es galt die Thatkraft unferer aufftrebenden Flotte zum „Schutje des Handels und die erfte Verwendung unferer Kriegsmarine „im Dienfte der UKffenfchaft zu feiern. Allen Theilnehmern wird diefes „eigenartige Feft lange in der Erinnerung geblieben fein. „Dasfelbe Jahr brachte unferer jungen Gefellfdiaft in der hier in den „Tagen vom 18. bis 23. September abgehaltenen 49. Uerfammlung „Deutfcher Tlaturforfcher und Aerzte eine weitere glückliche Gelegenheit „zur Bethätigung. In 5 Sitzungen der Sektion für Geographie und Hydrographie, an denen fich von auswärts Männer wie Richard A n d r e e , „ G ü f j f e l d t , H a r t l a u b , von Hochftetter, Ttachtigal, Pechuel„Cöfche, von R i d i t h o f e n , R o h l f s , von Schleinitz Schreibet und

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„Schunke betheiligten, wurden Tagesfragen erörtert, die unferer aufstrebenden Gefellfchaft neue Anregung brachten. Vor Allem war es die „uon Sr. M. dem König der Belgier geplante Internationale fiefellfchaft „zur 6rfchließung Zentral-Afrikas, welche hier des Weiteren erörtert „wurde und in einem Dankes-Telegramm an den König, fowie in der „Bereitwilligkeit: „für die in B r ü f f e l befchloffene i n t e r n a t i o n a l e „Vereinigung zum Zwecke fyftematifcher Crforfchung Zentral„ A f r i k a s und feiner Crfchließung für die K u l t u r durch B i l d u n g „eines n a t i o n a l e n A k t i o n s - K o m i t e s e i n t r e t e n HU w o l l e n " „Ausdruck fand. Daß diefe anfangs philanthropifch gedachten Pläne die „Auftheitung der herrenlofen fiebiete Zentral-Afrikas unter die euro„päifchen Großmächte gezeitigt hat, ift zu frifch in Aller Gedächtniß, als „daß wir dabei länger zu uerweilen brauchten. Tlicht unerörtert darf aber „bleiben, daß fie den eigentlichen Anfang der Agitation zu fiunften unferer „jüngften deutfchen überfeeifchen Politik gebildet haben, die hier am „Orte die kräftigfte Fürfprache, in unferer Mitte die begeiftertften Vorkämpfer gefunden hat. Als wir uor einiger Zeit die Freude hatten, uns „uon unterem Ehrenmitglied Georg Schweinfurth über die italienifche „Kolonifation in Abefttnien berichten zu laffen, fchloß er feinen Vortrag „mit einem Ausblick auf die deutfchen kolonifatorifchen Beftrebungen. „ 6 r gab dabei der anfcheinend in Vergeffenheit gerathenen Thatfache „Ausdruck, daß unfer Mitglied Dr. H ü b b e - S c h l e i d e n es gewefen fei, „der durch feine kolonialpolitifchen Vorträge und Schriften, zuerft durch „fein 1878 u erfaßtes Buch „Cthiopien, Studien über tUeft-Afrika", „Brefche in die vorgefaßte öffentliche Meinung gefchoffen und fie zu einer „thatkräftigen deutfchen überfeeifchen Politik umgeftimmt habe. 1 ) „Hübbe-Schleiden's Arbeiten find es meift auch gewefen, welche unfer „Mitglied £d. R o b e r t F l e g e l zu einem der eifrigften Agitatoren für „deutfche Kolonialpolitik gemacht haben. Dem faft fanatifchen Eifer „diefes leider zu früh im Dienfte der deutfchen Afrika-Forfchung und „Kolonialpolitik erlegenen langjährigen Mitgliedes unferer Gefellfchaft r ) biehe Fr. Fabri: Bedarf UeutlcrUand der Kolonien M 879, ¿eite 99.

39 .durften wir die tUege ebnen und mit ihm feine erften Reifepläne besprechen und durcharbeiten. Ohne Uberhebung dürfen wir fagen, .dafj Flegel's afrikanifche Thätigkeit, fowohl was kaufmännifche Inter,effen, als feine wiffenfchaftlichen und kolonialpoliti'chen Beftrebungen .behufs Tlutjbarmachung der uon unferem berühmten Candsmanne ,Dr. H e i n r i c h B a r t h entdecktenUfafferftraße desTliger-Benue anlangt, ,recht eigentlich in Hamburg wurzelte. „ l i m chronologifch die Ereigniffe zu rekapituliren, welche als Glück.fterne in der Gefchichte unferer Gefellfchaft hervorgehoben zu werden .verdienen, müffen wir auf die Ende der Siebenziger Jahre in Geo.graphifchen Kreifen uon Tleuem angeregten Polarforfchungen übergehen. .Schon in der Sitjung uom 3. Dezember 1874 brachte Herr J o h n E. ,Hert} den motiuirten Antrag ein: „Die geographifche Gefellfchaft in .Hamburg wolle befchließen, die hohen Bundesregierungen und den .Reichstag auf geeignetem Wege zu erfuchen, noch in der laufenden .Seffion die Nittel zu einer im Frühjahr 1875 auszufendenden Expedition ,zur Erforfchung der arktifchen Segenden auf Bafis der Oftküfte Grönlands zu bewilligen". Der Antrag wurde aus hier nicht zu erörternden .Gründen abgelehnt, hingegen befchloffen: „den Hamburgifchen üele,girten zu der auf den 5. Dezember 1874 anberaumten Sitjung der Afri,kanifchen Gefellfchaft in Berlin, Herrn"Friederichfen, zu beauftragen, .die in Berlin uerfammelten Delegirten der uerfchiedenen deutfchen .geographifchen Gefellfchaften uon dem H e r z i e h e n Antrage in Kenntnis ,zu fetten und fie um einen Meinungsaustaufch zu bitten". Dies gefchah ,und führte zu folgender Berliner Refolution: „In uoller Anerkennung der Wichtigkeit der Tlordpolarfrage, die auf .Anregung der Geographifchen Gefellfchaft in Hamburg durch den Uer,treter derfelben, Herrn F r i e d e r i c h f e n , bei der Jahresuerfammlung ,der Afrikanifchen Gefellfchaft zur Sprache gebracht wurde, und in der .Hoffnung, daß die gegenwärtig in Afrika eingeleiteten Unterneh,mungen bald genugfam fortgefchritten fein werden, um bei dem in Deutfch,land für geographifche Beftrebungen bereits erweckten Intereffe eine

40 „weitete Inangriffnahme des polaren Problems ohne gegenfeitige Beeinträchtigung beider Zwecke zu geftatten, halten es die in Berlin verfam„melten Delegitten für wünfchenswerth, dafj zu geeigneter Zeit, wenn „unter Berathung fachmännifcher Autoritäten dafür erkannt, eine fernere „Betheiligung Deutichlands an den Tlordpolarfahrten nicht nur, (ondern „an den Polarfahrten überhaupt, den nördlichen fowohl wie den Tödlichen, in llebertegung gezogen werde, und dafj, wenn fich eine folche „für eins der fpäteren Jahre unter dem Vorgänge der Hanieftädte aus„führbar zeigen follte, die gegenwärtig für die Crforfchung des äquato„rialen Afrika angebahnte Vereinigung der geographifchen Gefellfchaften „Deutfchlands eine entfprechende Erweiterung finden möge, um die auf „dem heutigen Standpunkt geographifcher Entdeckungen ebenfalls dringende Hauptaufgabe, wie fie in dem benöthigten Auffchlufi der Polar„gebiete geftellt ift, zweckdienlich zu fördern." „Ungeachtet vorftehender abwehrender Refolution griff der Bremer „Uerein für die Deutfche Tlordpolarfahrt1) die Hamburger Anregung auf „und verwirklichte, was Herr John Hertj hier vergeblich erftrebt: „eine direkte Eingabe an den Bundesrath zum Zweck der Fortfetjung „deutfcher Polarforfchung auf Bafis Oftgrönlands. Dies hatte zur Folge, „dafj fich unfere Gefellfchaft zur Unterftütjung der Bremer Eingabe ver„ftand und ihren Uorftand am 7. Januar 1875 zu einer Supplik an den „Senat ermächtigte, dahingehend: „dafj Ein Hoher Senat gebeten werde, „den Hamburgifchen Bevollmächtigten beim Bundesrath zu inftruiren, „die Eingabe des Bremer Polar-lleteins an den Bundesrath, eine neue „Deutfche Polar-Expedition aus Reichsmitteln betreffend, nach Kräften „zu befürworten, außerdem aber dafür zu wirken, dafj im Zufammen„hang mit der Bewilligung der Geldmittel uon Reichswegen auch eine „aus Gelehrten und ionftigen Sachverftändigen begehende Kommiffion „berufen werde, um den Bremer Plan zu prüfen, refpektive auf Bafis „deffelben oder neuer Uorfchläge die Exekutive in der Sadie zu behalten." „Indem der Senat unferer Bitte nachkam, bradite er die Angelegen*) Die fpätere fieographifche Gefellfchaft in Bremen.

41 ,heit in Flu(3. £s wurde trotj abweifender Stellungnahme des Uorftandes ,und Beirathes der Gefellfchaft für 6rdkunde in Berlin eine Reichs.Kommiffion ernannt und auf den 4. Oktober 1875 unter Itorfitj des ,Geh. Oberregierungsraths von Möller behufs Prüfung des erwähnten .Bremer Plans einer deutfchen Tlordpol-Expedition aus Reichsmitteln, ,nach Berlin berufen. In dem dem Bundesrathe übergebenen Protokoll ,der 8tägigen Berathungen diefer Kommiffion, wurden ihre prinzipiellen .Anflehten zum Ausdruck gebracht. . . . „Wie fo häufig, zeigte fich auch in diefen Befchlüffen, dafj das Beffere ,meift der Feind des Guten ift. Denn nachdem dem Bundesrath feitens ,des Chefs der Admiralität 2 Gutachten über die Koften der beantragten (Beobachtungsftationen in einer Höhe von 1 647 800 refp. 1 116 000 Mark »vorgelegt worden waren, muffte aus finanziellen Gründen zur Zeit ,(im Februar 1876) von einem eingehen auf die Kommiffions-Uor,fchläge Abftand genommen werden. „Im Oktober 1876, nach erfolgter glücklicher Rückkehr der englifchen .unbefriedigt verlaufenen Tlordpol-Expedition unter Kapitän IIa res, ,verfuchte P e t e r m a n n nochmals vergebens für eine deutfehe Tlordpol, Expedition aus Reichsmitteln einzutreten. Erft als es den Herren Graf (UHlczek und Schiffslieutenant Carl tUeyprecht gelang, ihr zuerft ,auf der Grazer Tlaturforfcher-Uerfammlung 1875 bekannt gegebenes .Programm für die Arbeiten einer internationalen Polar-Expedition — ,es galt rund um den Pol herum Obfervatorien anzulegen — vor das ,Forum des 2. Internationalen Meteorologen-Kongreffes in Rom (April ,1879) zu bringen, fing die Polarforfchung an, eine zielbewußte und damit (hoffnungsreichere Richtung anzunehmen. Es führte dies zu der vom ,Internationalen MeteorologifchenKomité anberaumten und in den Tagen ,vom 1. bis 5. Oktober 1879 in Hamburg abgehaltenen Internationalen (Polar-Konferenz, einer jener außergewöhnlichen Gelegenheiten, die ,ihren Glanz auch auf unfere Gefellfchaft ausftrahlen follte. In einer am ,2. Oktober in den Räumen des Sagebiel'fchen Etabliffements zu Ehren ,der Mitglieder diefer Konferenz anberaumten Sitzung, deren Tendenz

42 „belebt wurde durch die wenige Wochen uorher eingetroffene Tlachricht „uon der glücklich durchgeführten Fahrt T l o r d e n s k i ö l d s im Tlorden „Aliens und feiner am 3. September 1879 erfolgten Ankunft in Poko,,hama, konnten wir den Vorträgen K i r c h e n p a u e r ' s , Tleumayer's, „ B u y s B a l l o t ' s , W e y p r e c h t ' s K o l d e w e y ' s , H o f f m e y e r ' s und „Mohn's laufchen, und uon dielen auserwählt Sachuerftändigen die „Polarfrage beleuchtet hören. — 6s ift bekannt, dafj diefe Konferenz „zur Bildung einer Internationalen Polar-Kommiffion unter Vorfit; „Dr. T l e u m a y e r s führte und die Berufung einer Deutfchen Polar„Kommiffion mit Hamburg als Vorort Anfang Dezember 1881 feitens des „Reichskanzlers F ü r f t e n B i s m a r c k zur Folge hatte. Cinem Cxekutiv„Ausfchufj, beftehend aus den Herren T l e u m a y e r , T l a c h t i g a l , „u. Schleinit) und B o r g e n blieb es vorbehalten, im Syfteme der Tnter„nationalen fyftematifchen Polarforichung deuticherieits 3 Stationen „(Süd-Georgien, Cumberland Sund und Oftküfte £abrador's) am I.Sep„tember 1882 mit den geeigneten wiifenfchaftlichen Kräften zu befetjen „und ihnen die erforderlichen Direktiuen für ein volles Jahr zu geben. Am „ I . J u n i 1882 konnte unfere Gefellfchaft ihre Sympathie für den uon „langer Hand uorbereiteten Forlchungsplan in einer gefelligen Vere i n i g u n g Ausdruck geben, welche fie den Führern (Dr. Giefe, Dr. „ S c h r ä d e r , Dr. Koch) und wiffenfchaftlichen Begleitern diefer 3 deutschen Expeditionen in UJiezel's Hotel zum Abfchied und Glückauf darbot. „Auch war es ihr, zufammen mit dem Tlaturwiffenfchaftlidien Verein, „der Mathematifchen ßefellfchaft, der Anthropologifchen Gefellfchaft, „dem Verein für naturwiffenfchaftliche "Unterhaltung und der Botanischen Gefellfchaft, uergönnt, die erfolgreich zurückkehrenden 3 Expedit i o n e n am 17. Tlouember 1883 zu einer Feft-Verfammlung nebft Feft„banket zu vereinigen. Gin Kreis uon illuftren auswärtigen Gelehrten „ ( B ö r n f t e i n , B o r g e n , Schering, K a r f t e n , H o n f e l l , u. Schleinitz „ t U e r n e r S i e m e n s , T h i l e n i u s , u. Bezold, C b e r m a y e r , K r e b s , „ M ü t t r i d i , Schreiber, u. D a n c k e l m a n , K l e i n , flfjmann, H e l l „ m a n n , u. Schoder), welche fidi behufs Begründung einer Deut-

43 „fchen Meteorologifchen Gefellfchaft hier am felben Tage zufammenge„funden hatten, fowie die Anwefenheit unferes juft aus dem Maffai„Cand zurückgekehrten Reifenden Dr. G. A. Fifcher, erhöhte die „Bedeutung diefes Tages „Als eins der bedeutendften Ereigniffe in der Gefchichte unferer „Gefellfchaft verdient der in den Tagen uom 9. bis 11. April 1885 zu „Hamburg im Wilhelm-Gymnafium ftattgehabte 5. Deutfche Geo„graphentag nebft geographifcher Ausftellung bezeichnet zu werden. „Ich glaube mich nicht zu täufchen, wenn ich ihm überhaupt einen der „erften Plätze unter den bisherigen Deut chen Geographentagen einräume. „Tlicht etwa weil die Thätigkeit unferes damaligen Eokalkomites eine „befondere gewefen wäre, nein, lediglich weil diefe Verfammlung in eine „Zeit fiel, in welcher die geographifchen und kolonialpolitifchen Beftre„bungen aller Kulturftaaten ein Tagesintereffe bildeten. Der Genius „der damaligen Zeit, welcher unferen überfeeifchen Verbindungen eine „ungeahnte Bedeutung und Entfaltung uerfprach, hiefj das £okal„komite unferen Gäften die befondere Bedeutung unferer Stadt, als des „Thores, durch welches uor anderen die Verbindungen unferes Vaterl a n d e s mit fernen Welttheilen unterhalten werden, in Wort und Bild „uorführen. Der allfeitige Dank, der uns geworden, hat die Mühen einer „jahrelangen Vorbereitung reichlich gelohnt. „Dem 5. Deutfchen Geographentag folgte eine mehrjährige unfreiwillige Paufe in der Reihe der außerordentlichen Ereigniffe. 6rft im „April 1891 konnte unfer Vorftand in dem Plan einer grofj angelegten „Hamburgifchen Amerikafeier wieder Gelegenheit finden, unfere Mitglieder und Mitbürger zu einer der weltgefchichtlichen Bedeutung der „Entdeckung Amerika's entfprechenden Feier des 400jährigen Gedenkt a g e s zu begeiftern. Von dem unter Führung des Vereins für Kunft „und Wiffenfchaft aus allen Kreifen Hamburg's gebildeten Körnitz für „die Amerikafeier war befchloffen, eine wiffenfchaftliche Denkfchrift zu „veröffentlichen, eine uterwöchentliche Ausftellung auf die Entdeckung „Amerika's bezüglicher Werke und Gegenftände zu ueranftalten, und

44 „eine feierliche Sitjung am Morgen, ein heiteres Feft am Abend des „12. Oktober abzuhalten. Da brach im Auguft des Jahres 1892 eine uer„heerende Cholera-Epidemie über unfere Stadt herein und vereitelte „den größten Theil unferer Pläne. Tlur die aus 2 ftarken Bänden be„ftehende, Ende 1892 erfchienene monumentale Feftfchrift1} und das „künftlerifche Abendfeft in dem Sagebiel'fchen 6tabliffement am 16. März „1893, haben fchliefjlich Zeugnifj ablegen können von unferem Ver„ftändnifj für die Bedeutung der Entdeckung Amerika's für unfer ganzes „Kulturleben. „An Stelle der Amerikafeier ward uns im Oktober 1892 die Freude, „Dr. F r a n z S t u h l m a n n in feine engere Heimath zurückkehren zu „fehen und in einer gemeinfchaftlichen Sitjung mit dem Tlaturwiffen„fchaftlichen Verein über feine Reife mit 6 m i n Fafcha in's Herz uon „Afrika berichten zu hören; und 5 Monate fpäter, am 20. März 1893, „durften diefe beiden befreundeten Vereine, verftärkt durch den Aerzt„lichen Verein, den Vortrag S t u h l m a n n ' s über die afrikanifdien „Zwerguölker, unter Vorführung der beiden uon ihm aus Inner-Afrika „mitgebrachten weiblichen Zwerge, entgegennehmen. „tüenn ich nun noch des 21. Juni 1896, des 70. Geburtstages unferes „Ehrenmitgliedes, des hochverdienten Direktors unferer Seewarte, des „Herrn Wirkl. Seheimen Admiralitätsrath Prof. Dr. Georg Tleumayer, „als eines Fefttages Erwähnung thue, fo wäre ich damit am Ende derjenigen Ereigniffe angekommen, welche als befondere Glückfterne in „unferem Vereinsleben bezeichnet werden können. „Es bleibt mir nun noch die Aufgabe in Kürze mitzutheilen, wie „wir den im §2 unferer Statuten vorgezeichneten Aufgaben zur Erreichung unferes Zweckes: „die geographifche lUiffenfchaft zu fördern „und das Tntereffe für diefelbe zu beleben" gerecht geworden find, refp. „gerecht zu werden uns bemüht haben. x

) Hamburgifdie Feftfchrift zur Erinnerung an die EntdeckungAmerika's, herausgegeben vom ttJiifenfchaftlichen Ausfchufj des Komite's für die Amerika-Feier, Bd. 1 u. 2. Hamburg, L Friederidifen u. Co. 1892.

45 „An jedem erften Donnerstag des Monats, mit Ausnahme der Sommerm o n a t e Juli, Auguft und September, find Ordentliche Verfammlungen „der Gefellfchaft abgehalten worden, fo daß wir im März d. J. auf 225 „Sitzungen zurückzublicken haben werden. Dal; es nicht immer leicht „gewefen ift, die Tagesordnung für diefe ftattliche Reihe der Verfamm„lungen zu fchaffen, darf nicht verfchwiegen werden. Denn Geographen „von Fach find in Hamburg nur vereinzelt zu finden, und die mannigfachen und ausgedehnten Berufsgefchäfte des größten Theiles unferer „Mitbürger geftatten meift nur eine receptive Mitgliedfchaft. lind doch „find aus unferer Mitte zahlreiche und vortreffliche Vorträge hervorgegangen. An ihnen hat fich bewahrheitet, daß fich der Kaufmann durch „längeren Aufenthalt in der Fremde eine Vertrautheit mit überfeeifchen „Zuftänden zu eigen zu machen pflegt, die felbft fcharffinnige wiffen„fchaftliche Beobachter feiten zu erreichen vermögen. Dasjenige aber, „was wiffenfchaftliche Uerfammlungen befonders zu würzen pflegt: eine „an die Vorträge zu reihende Dtskuffion, ift leider, wie bei den meiften „Schweftcr-Gefellfchaften fo auch bei uns, frommer lUunfch geblieben. „Dielen Mangel zu heben, follte fich ein jedes Mitglied zur Aufg a b e ftellen. Auch dürfte einem kurzen Hitteratur-Berichte eine regelmäßige Stelle in unferen Sitzungen nicht länger verfagt werden „können. „£s hat mich überrafcht, aktenmäßig belegt zu finden, daß von „insgefammt 300 g r ö ß e r e n Vorträgen während der verfloffenen „25 Jahre 210 i. e. 7 0 % von Hamburgern und nur 90 von Auswärtigen „gehalten worden find. Die Themata diefer 300 Vorträge kennzeichnen „in gewiffem Grade das Tagesintereffe; fie zeigen auf das £videntefte, „daß dem Afrikanifchen Kontinent während des uerfloffenen Viertel„jahrhunderts der Cöwenantheil, nämlich 63 Vorträge (34 von Hamburgern, 29 von Auswärtigen) zugefallen find. Tlächft Afrika rangirt „Europa mit 42 Vorträgen (36 von Hamburgern, 6 von Auswärtigen), „dann Afien mit 37 (17 von Hamburgern, 20 von Auswärtigen), Süda m e r i k a mit 26 (15 von Hamburgern, 11 von Auswärtigen), Ozeano-

46 .graphie, Hydrographie und Meteorologie mit 18 (13 uon Hamburgern, ,5 uon Auswärtigen), Auftralafien mit 17 (13 uon Hamburgern, 4 uon .Auswärtigen), Arktis und Antarktis mit 16 (11 uon Hamburgern, ,5 uon Auswärtigen), Tlord- und Zentral-Amerika mit 12 (6 uon Hamburgern, 6 uon Auswärtigen). „Tlicht nur die Höflichkeit, auch der Erfolg gebietet, an diefer Stelle ,namens des Uorftandes allen denjenigen zu danken, welche uns durch .ihre Vorträge erfreut haben. Insbefondere gilt diefer Dank aber denjenigen Männern, die uon auswärts zu uns gekommen und uns im 6e.dankenaustaufch und in Mittheilung ihrer Erlebniffe belehrt haben. .Unter ihnen nenne ich befonders Adolph Baftian, Beffels, Max .Büchner, Richard Buchta, K a r l Doue, Erich uon D r y g a l s k i , .Paul Ehrenreich, T h e o b a l d Fifcher, Ed. R o b e r t F l e g e l , Geiger, .Gürich, P a u l Güfifeldt, Suen Hedin, u. H e f f e - W a r t e g g , A l f r e d . H e t t n e r , J. M. H i l d e b r a n d t , Emil Holub, Wilhelm J u n k e r , .Klutfchak, K r e i t n e r , K r ü m m e l , K ü k e n t h a l , K ü f t n e r , K u n d , .Cumholtj, Markow, u. Maffow, H a n s Meyer, Herrn. Meyer, ,B. Moritj, Guftau Tlachtigal, F r i d t j o f Tlanfen, Tlaumann, .Tlegri O b e r h u m m e r , P a f f a r g e , J u l i u s P a y e r , Pechuel-Coefche, .Alfred P h i U p p f o n , P l a t e , P o l a k o w s k y , P a u l Reichard, u. ,Ryckeuorfel, Schloifer, Schmeifjer, Herrn. A. Schumacher, .Schweinfurth, K a r l uon den Steinen, Joh. W a l t h e r , Weyprecht, ,uon Wif^mann und £. Z i n t g r a f f . „Durch das fich tagtäglich mehrende Tnteretfe an geographifchen und .kolonialpolitifchen Fragen ift unfere Tagespreffe darauf hingewiefen .worden, ihre Fühlfäden mehr und früher denn fonft nach allen Welt.gegenden hin auszuftrecken, um dem Bedürfniffe des Publikums nach .rafchen Tleuigkeiten auch auf unferem Gebiete zu entfprechen. Dadurch ,und durch den fich ftändig mehrenden telegraphifchen und telephonifchen .Verkehr ift den geographifchen Gefellfchaften ein gut Theil Material .entzogen worden. Während man früher nicht zu befürchten brauchte, .innerhalb 4 Wochen überholt zu werden, tritt man jetjt fchüchtern an die

47 „Mittheilung einer neuen Thatfache heran, ftets fürchtend bereits Gek a n n t e s zu wiederholen. Die anderweitig mehrfach ausgefprochene Befürchtung hingegen, dafj mit dem Schwinden der großen geographifchen „Entdeckungen die Ex ftenzberechtigung der geographifchen Gefellfchaf„ten bedroht (ein werde, hat fleh Gottlob nicht beftätigt. 7m Gegentheil „läfjt fich unfere bei ähnlicher Gelegenheit ausgefprochene Anficht von der „künftigen intenfiveren Thätigkeit derfelben deutlich in der Zunahme der ,nach gleichen und verwandten Zielen ftrebenden Vereine bekräftigt finden. „Die Zahl der auswärtigen Gefellfchaften und Tnftitute, mit denen unfer „Verein beifpielsweife in Verbindung und Schriftenaustaufch fteht, beträgt „mehr als Hundert, nämlich: 30 im übrigen Deutfchland, 50 im aufier.deutfchen Europa und ca. 30 in den übrigen Erdtheilen zufammen. ,Dies hat die für unfere Stadt unfchätjbare "Folge gehabt, dafi die Zahl der ,in unferer Bibliothek vertretenen, ohne Koften erworbenen Fach-Zeit,fchriften die hohe Zahl von 200 erreicht. Dadurch bildet unfere Bibliothek ,eine wünfchenswerthe Ergänzung zur Kommerzbibliothek der Hamburg e r Handelskammer, in deren Räumen fie auch aufgeftellt ift. An Einzel,werken (Bücher und Karten) vermehrt fich die Bibliothek faft nur durch «gelegentliche Schenkungen, da die Kommerzbibliothek in der Cage ift, ,du.ch Tleu-Anfchaffungen eine befonders reiche geographifche Einzel,£itteratur zu bieten, liniere Bibliothek umfafjt zur Zeit ca. 2000 .Bände Zeitfchriften, ca. 1000 Einzelfchriften und ca. 500 Karten refp. .Kartenwerke.

Sie ift laut Vertrag mit

der Handelskammer vom

,15. Aug. 1883 unentgeltlich in einem Separatzimmer der Kommerz.bibliothek aufgeftellt und kann unter denfelben Bedingungen wie die .Kommerz-Bibliothek von Jedermann benut}t werden. In der Hoffnung, ,da(j es uns noch einmal gelingen wird, eigene Gefellfchaftsräume zu erwerben refp. zu miethen, hat fich unfer Vorftand das E i g e n t u m s recht an den Bibliotheksbeftänden vorbehalten. Ein gedruckter, von Dr. ,H. Michow zufammengeftellter Katalog ift im luli 1893 an die Mitglieder vertheilt worden. Derfelbe ift im Manufkript bis auf den heutigen J a g fortgefetjt. Zur weiteren und leichteren Tlutjbarmachung unferer

48 „Zeitfchriften-Bibliothek wird feit Iahten ein M a t e r i e n - K a t a l o g „fämmtlicher geographifchen Zeitfchriften des In- und Auslandes von „Dr. Michow geführt. „Unter Alinea c des § 2 unierer Statuten ift dem Vorfände ferner vor,.gezeichnet: „durch S a m m l u n g eines F o n d s b e h u f s m a t e r i e l l e r „ l l n t e r f t ü t j u n g geographifcher E n t d e c k u n g s r e i f e n oder felbft„ f t ä n d i g e r A u s r ü f t u n g wiffenfchaftlicher E x p e d i t i o n e n oder „ F ö r d e r u n g wiffenfchaftlicher A r b e i t e n " die Zwecke unferer Ge„fellfchaft zu fördern. Audi diefen Theil unferer Aufgabe haben wir zum „Theil durch fparfame Verwaltung, vorwiegend aber dank der Munificenz „eines Hohen Senats und der Bürgerfchaft, fowie der allezeit auch für „wiffenfchaftlidie Begebungen opferwilligen Bevölkerung unferer Stadt, „bisher in befriedigender tüeife löfen können. Auf Antrag des Senats iß „unferer Gefellfchaft in ähnlicher Weife wie (ich andere Schweftergefell„fchaften des In- und Auslandes deffen erfreuen dürfen, von Senat und „Bürgerfchaft feit 1889 eine jährliche Staatsfubvention von 5000 Mk. „bewilligt worden. Wir wurden hierdurch in den Stand gefegt, in die „Reihe derjenigen Gefellfchaften zu treten, welche felbftändige wiffen„fchaftliche Expeditionen ausrüften und dadurch direkt Wiffenfchaft, „Kandel und Tnduftrie zu fördern vermögen. „Schon Eingangs habe ich erwähnt, dafj wir in den Jahren 1873—76 „zur Unterftütjung der Zwecke der Deutfdien Afrikanifchen Gefellfchaft „unferer Kaffe 9704 Mk. entnommen haben. „In jene Zeit fällt auch eine fpezififch Hamburgifche Expedition nach „dem öftlichen Südafrika, die, wenn auch nicht aus unferen Mitteln bestritten, fo doch in ihren wiffenfchaftlichen Refultaten unferer Gefellfchaft „zu Gute gekommen ift. Ich meine die im Auftrage unteres derzeitigen „Uorftandsmitgliedes, des Herrn £. C i p p e r t , ausgeführte Reife des „jetzigen Greifswalder Frofeffors Dr. E. Cohen von £ydenburg nach den „Goldfeldern und von Cydenburg nach der Delagoa-Bai (1873). Im „Zweiten Jahresbericht haben wir die Routenkarte Dr. £. Cohen's von „einem ausführlichen Text begleitet, zur weiteren Kenntnifj gebracht.

49 „Die erfte felbHändige 6xpedition datirt aus dem Jahre 1876. Sie „betraf die von Dr. F. A n d r e a s geplante Forfchungsreife nach Süd„Perfien. Zu ihrer linterftütjung find uns derzeit der Reft-Saldo des „hiefigen Humboldt-Vereins, iowie freiwillige Beiträge unterer Mitglieder „in der beträchtlichen Höhe uon 7800 Mk. überwiefen worden. Von „Akademikern wie Mommfen, Ohlshaufen, K i e p e r t und v. Gut„fchmidt warm befürwortet, uon dem Kgl Pteufjifchen Kultusmini„fterium mit den fchwerwiegendften Empfehlungen ausgerüftet, fahen „wir uns veranlagt mit Herrn Dr. A n d r e a s einen Vertrag abzufchliefjen, „demzufolge er fich uerpflichtete, eine viermonatlidie Keife in Süd„Perfien für unfere Gefellfchaft auszuführen. Dr A n d r e a s hat darauf „am 28. Mai 1875, nach Empfangnahme eines lUedifels auf Bufhire in „obiger Höhe, Hamburg verlaffen und fich feinen Verpflichtungen zu „entziehen gewußt. Zur Erhärtung Diefes glaube ich die tVorte zitiren „zu follen, welche unfer nachfidrtiger Präfident Dr. Kirchenpauer in „feiner Feftrede gelegentlich unferes zehnjährigen Stiftungsfeftes öffentlich auszufprechen fich gemüßigt fah: „Eine unter den verlockendsten „Aufpicien eingeleitete Expedition nach Perfien ift gänzlich fehlgeschlagen" ! „7m Juni 1876 entwarf der aus Zeit; gebürtige und damals in Berlin „anfäffige Ingenieur Clemens D e n h a r d t einen detaillirten Plan für „eine neue deutfche Expedition zur Förderung der deutfcherfeits in„zwifchen fiftirt gewefenen Erfchliefjung Oft-Aequatorial-Afrika's. Er „zielte darauf ab, vermittelt zu errichtender Handelsftationen, als der „den Eingeborenen allein verftändlichen Form, in engeren Verkehr mit „den Galla- und Somali-Stämmen zu treten und gleichzeitig wiffen„fchaftliche Beobachtungen zu machen. Bei der Ausführung feiner Pläne „waren ihm unter Anderen die Geographifche Gefellfchaft in Hamburg „und hamburgifche Kaufleute behülflich, fo dafj feine Expedition Ende „1877 in Szene gefegt werden konnte. Bereits ein Jahr früher hatte fich „Dr. med. 6. A. F i ich er aus Barmen nach Sanfibar begeben, um für das „Denhardt'fche Unternehmen dort vorbereitend zu wirken. Er benutzte 4

50 ,die Zeit bis zur Ankunft Denhardt's 1878, zu einer Exkurfion in die ,iüdiichen 6alla-£änder und in das Cand tUito, defien Sultan fich nach ,R chard Brenner's Berichten ftets deutfchfreundtich bewiefen und dem .Preufjifchen Auswärtigen Amte felbft die Oberhoheit über fein Gebiet «angetragen haben follte. Uber diefe Fifdier'fdie Reife ift ausführlich .feitens des Reifenden in den Mittheilungen unferer Gefellfchaft 1876 ,bis 1877 berichtet worden. — Denhardt, welcher Hamburg am 19. Dezember 1877 verlaffen hatte, traf im Mai 1878 in Sanfibar ein. Tladi .einigen vorbereitenden Exkurfionen an der Sanfibar-Küfte lenkten ,Denhardt und Fifcher ihre Schritte gen Tlorden an den Tana-Fluij, «verfolgten denfetben aufwärts bis Maffa und kehrten im Dezember ,1878, durch Krankheit und allerlei fonftige Verhältniffe gezwungen, ,nach Sanfibar zurück. Während fich nun Denhardt im Juni 1879 zur .Rückkehr nach Deutfchland anfchickte, lief) fich Fifcher in Sanfibar »nieder, wo er 3V2 Jähre als praktifcher Arzt und Haturforfcher außerordentlich (egensreich gewirkt hat. Am 1. Oktober 1882 gab Fifcher ,feine einträgliche Stellung in Sanfibar auf, um den lang gehegten und ,während fünf Jahren verfolgten Plan einer größeren Entdeckungsreife ,in das äquatoriale Oft-Afrika zur Ausführung zu bringen. 6r proponirte ,uns bereits unterm 4. Mai 1882, feine Expedition zu einer fpeciell ham.burgifchen machen zu wollen, wenn ihm ein Zufchufj von Mk. 15 000 ,zu feinen eigenen Mitteln zur Verfügung geftellt würde. „Aufrichtig erfreut über dies Anerbieten, erachteten wir es für unfere »Pflicht, die Verwirklichung der von Dr. Fifcher geplanten Expedition ,zu erftreben. Es gereifte uns zu einer ganz befonderen Freude, unferer .Gefellfchaft in ihrer Sitjung vom 5. Oktober 1882 mittheilen zu können, ,daf) es uns gelungen fei, mit Hülfe der Averhoff'fchen Stiftung und durch .freiwillige Beiträge einiger Freunde und Mitglieder der Geographifchen .fiefellfchaft die Summe von Mk. 15 200 zufammenzubringen, und dafj ,wir beauftragt feien, diefe Summe unferer Gefellfchaft unter der Bedingung als Gefchenk anzubieten, daß fie die geplante Fifcher'fche «Expedition in das Maffai-£and zu der ihrigen mache.

51 „Es war felbftuerftändlich, dafj dfeies reiche Gefchenk dankbar acceptirt „wurde. „Am 30. Dezember 1882 trat F i f c h e r feine Reife von Pangani aus an „und durchquerte als erfter Europäer das £and der als räuberifch und „blutgierig uerfchrieenen Maffai. Mit kleinen Mitteln, uerfchwindend „gegenüber denjenigen des ihm kurz darauf folgenden Engländers „ 7 o f e p h T h o m f o n und den heutzutage für Forfchungsreifen in Oft„Afrika aufgewendeten, erreichte er den Tlaiwafcha-See und kehrte, „durch das feindliche Auftreten der Maffai gezwungen, ebenfalls auf „früher unbekannten Wegen nach Pangani zurück. Der Bericht über „diele wichtige Keife und über die heimgebrachten, unferen hamburgifchen „Mufeen einverleibten naturwiffenfchaftlichen und ethnographifchen „Sammlungen, befindet fich im Jahrgang 1882—83 der „Mittheilungen" „unferer Gefellfchaft abgedruckt. Diuerfe Special-Abhandlungen über „die reiche zoologifche Ausbeute, zumal über die ornithologifche, find „an anderen Orten, fo in den „Abhandlungen der wiffenfchaftlichen „Ariftalten Hamburg's" und in der „Zeitfchrift für die gefammte Orni„thologie" publizirt worden. „Im Ttouember 1883 von der gefahruollen Maffai-Reife nadi Deutfch„land zurückgekehrt, widmete fich Fifcher in Berlin und Kamburg der „Bearbeitung feiner Sammlungen und Erfahrungen, und als die lüogen „deutfcher kolonialpolitifcher Beftrebungen einen gefährlichen Charakter „annahmen und ein klares Denken und eine nüchterne Auffaffung der „Uerhältniffe von der Tagesordnung geftrichen zu fein fchienen, da hielt „ F i f c h e r auf dem 5. Deutfchen Geographentag in Hamburg den bek a n n t e n zündenden Vortrag gegen die Verwendung des Europäers im „tropifchen Afrika und lief} wenige Tage darauf fein Rezept gegen das „bedenklich graffirende Afrikafieber, betitelt: „ M e h r Eicht im d u n k l e n „ l U e l t t h e i l " der Oeffentlichkeit übergeben. Diefe Auffehen erregende „Schrift, welche, um mit den lüorten eines unferer berühmteften Geog r a p h e n zu reden, wie ein kalter Wafferftrahl auf die unuerftändigen „Afrikawüthigen, die in dem dunklen Erdtheil fchon damals alles Heil 4*

52 ,für das Tloth leidende Europa erblicken zu müifen glaubten, wirkte, ,ift weit mehr beiprochen, als wirklich gelefen worden. „Das tropifche , A f r i k a ift und b l e i b t vorerft m e h r oder w e n i g e r eine T o d t e n , k ä m m e t für den E u r o p ä e r ! D i e g e f u n d e n G e b i e t e Z e n t r a l . A f r i k a ' s find die u n f r u c h t b a r e n und die f r u c h t b a r e n find die a n g e f u n d e n ! Tlur in der P l a n t a g e n w i r t h f d i a f t b e r u h t die , Z u k u n f t und in der unerfchöpflichen A r b e i t s k r a f t des Hegers, ,der Schat) Z e n t r a l - A f r i k a ' s ! " In diefen wenigen Sätjen ift uns ,von F i f d i e r ein mit feinem Tode befiegeltes Uermächtniß hintertaffen »worden. Ob es nicht zu peffimiftifdi gedacht, ob nicht in der That z. B . ,im Wiehe- Gebiet Deutfch-Oftafrika's, wie neuerdings von u. Scheie, JPrince, C t e b e r t , A r n i n g und G l a u n i n g übereinftimmend berichtet, ,dennoch ein Anfiedelungsgebiet für deutfche Candwirthe zu finden ift, das ,wird hoffentlich die allernädifte Zukunft lehren. Unter allen Umftänden «bleibt unterem Keifenden das Uerdienft, vor Uebereilur.g gewarnt und «dadurch vor unabfehbarem Unglück bewahrt zu haben „Als im Jahre 1882—83 die kolonialpolitifchen Beftrebungen auch ihr .Augenmerk auf Argentinien, Paraguay und Süd-Brafilien in intenfiver ,Weife zu richten begannen, fdiien unterem Uorftande erwünfcht, ein ,vorurteilsfreies und fachgemäßes Urtheil über die Kolonifations,fähigkeit Paraguays durch Cntfendung eines tüchtigen Geographen an ,Ort und Stelle herbeizuführen. Cr betraute am 7. Juni 1883 laut Beschluß der Gefellfdiaft den damaligen Oberlehrer des hierigen Real,gymnafiums, Herrn Dr. H u g o T o e p p e n mit diefer Aufgabe und hatte ,die große Freude, im Jahrgange 1884 unferer Mittheilungen unter dem »Titel „Hundert Tage in Paraguay" einen 264 Seiten umfaffenden ,Reifebericht publiziren zu können, welcher in allen Fachkreifen Anerkennung gefunden und heute noch als die befte und zuverläffigfte Beschreibung Paraguays gilt. „Ungefähr zu gleicher Zeit wandte fich der bekannte Onguift und „Afrika-Forfdier G o t t l o b Adolph K r a u l e an unferen Uorftand mit ,der Bitte einer pekuniären Unterftütjung feiner projektirten Reife in's

53 „Tligergebiet tUeft-Afrika's. Die llnterftütjung ift ihm geworden, irgend ,ein direkter Hutten für untere Sefellfchaft aber nicht daraus entiprungen. „Dasfelbe, was ich oben hiniichtlich des aequatoriaten Oft-Afrika's gej a g t : „daij es, was "Handels- und wiffenfchaftliche Beftrebungen anlangt, ,recht eigentlich uon jeher eine deutfche Domäne gewefen", gilt auch uon ,der einft im Bef:t) der Augsburger tUelfer gewefenen Uenezolanifchen .Republik Süd-Amerika's. Denn wenngleich das berühmte UJerk des .Italieners A g o f t i n C o d a z z i : „Refumen de la Geografia de Uenezuela" „mit dem dazu gehörigen, in Paris 1841 publizirten Atlas, noch heute die .Grundlage unterer Kenntnis des räumlich größten Theiles Venezuelas .bildet, fo find doch die wlchtigften, dem heutigen Stande der Forfchungen „entfprechenden wiffenfchaftlichen Reifen und Arbeiten uon Deutfchen .ausgeführt worden. Kein Geringerer als A l e x a n d e r v. H u m b o l d t „war es, der zuerft 1799 den Often des Landes unterer Kenntnifj erfchlofj. ,1hm folgten H . K a r ften1849—52, A. Sachs 1876—77, A n t o n Goering, „ A p p u n , J a h n 1887, L u d w i g 1893 und W i l h e l m S i e u e r s 1884—86 „und 1892—93. Letztgenanntem Reifenden, den wir den unfrigen zu nennen „uns freuen dürfen, verdanken wir hiniichtlich unterer wiffenfchaftlichen „Kenntnifj uon Uenezuela mehr, als allen uorgenannten For'chern zusammengenommen. 6r trat im Oktober 1884 mit Unterftütjung unferer „ Sefellfchaft feine erfte Reife nach Venezuela an und widmete ein uolles „Jahr der Erforfchung der Cordillere uon M6rida. Seinem 6ifer uer„danken wir die in unferen Mittheilungen 1884, 85 und 86 publizirten „ausführlichen Reifeberichte, fowie das Material zu einer ebenda publiz i r t e n Originalkarte der Uenezolanifchen Cordillere. Auch die unter dem „Titel „Die Cordillere uon Merida" als das erfte Heft des 3. Bandes der „Penck'fchen geographifchen Abhandlungen herausgegebene Arbeit, „welche u. R i c h t h o f e n als ein i n h a l t s r e i c h e s Q u e l l e n w e r k f ü r d i e „ p h y f i f c h e G e o g r a p h i e u o n U e n e z u e l a bezeichnet, fowie die hier am „Platje 1888 erfchienene Monographie „Uenezuela" find eine Frucht diefer „Reife. Durch fie ermuthigt, lief} fich im April 1892 zwifchen unferer 6e„fellfchaft und Dr. S i e u e r s ein zweiter Uertrag uereinbaren, demzufolge

54 „ S i e u e r s diejenigen Theile Tlord-Uenezuelas zu bereifen unternahm, „welche er 1884—85 nicht hatte kennen lernen können. Für diefe Keife „hat unfere Sefellfchaft Mk. 10 000 gezahlt und als Aequiualent das „Eigentumsrecht an den wiffenfchaftlichen Ergebniffen erworben. Sie „ift trot) unerwarteter kriegerifdier Ereigniffe glücklich in der Zeit vom „30. Juli 1892 bis 23. April 1893 durchgeführt worden. Ihre wiffenfchaftlichen Ergebniffe, infoweit fie 6inzelunterfuchungen und die carto„graphifche Darfteilung des Gebirgslandes zwifchen Coro und Trinidad „betreffen, bilden den werthuollen Inhalt des 1896 erfchienenen XII. Ban„des unferer Mittheilungen. Auf die Herausgabe weiterer Sieuers'fcher „Karten zur phyfikalifchen Geographie uon Venezuela glaubten wir zu „Gunften uon Petermann's Mittheilungen uerzichten zu follen, die folche „im 6., 7. und 9. Heft des Jahrgangs 1896 der Oeffentlichkeit übergeben „haben. „Gleichzeitig mit S i e u e r s haben wir unferem Mitgliede Dr. C a r l „ G o t t f c h e zum Zwecke geologifcher Aufnahmen in Schleswig-Holftein „und den angrenzenden Gebieten eine pekuniäre Beihülfe uon Mark „2400 gewähren können Die llnterfuchungen Gottfche's „haben auf 220 km eine Endmoränenkette im Often der cimbrifchen „Halbinfel, ferner eine unerwartete Verbreitung mariner Diluuial„Ablagerungen ergeben, fowie mit großer lüahrfcheinlichkeit das Alter „des Geeftrandes, jenet bemerkenswerthen Grenze zwifchen Diluuium und „Alluuium, in die Tertiärzeit zurückuerfetjt. Gottfche's Refultate in „Betreff der Endmoränen Schleswig-Holftein's nebft inftructiuer Karte „und Abbildungen, haben im X l l l . Bande unferer Mittheilungen uer„öffentlicht werden können, diejenigen, welche das marine Diluuium „angehen, erfcheinen in diefem Bande. „Anfang 1895 hatten wir fodann Gelegenheit einem linternehmen „mit Mk. 2500 Uorfchub zu leiften, welches wenngleich in erfter Ctnie „archäologifch-linguiftifche Zwecke uerfolgend, doch durch die Qualification „der Betheiligten auch für die practifdie Geographie unfer Intereffe beanspruchen mußte. Es ift dies die uon unferem Landsmann, dem ?riuat-

55 ,dozenten an der llniuerfität Berlin, Dr. Carl C e h m a n n zufammen ,mit Dr. W a l d e m a r Belck, (zur Zeit Fabrikdirektor in Weilburg) ,für 1896 geplant gewefene Forfchungsreife nach Armenien. Seinen unmittelbaren llrfprung hat der Reiieplan in den von Dr. Belck während ,eines dreijährigen (1888—91) Aufenthaltes im fagen- und ruinenreichen .Armenien angebellten prähiftoriiehen Forfchungen, aus welchen Dr. , C e h m a n n ungeahnte hiftorifche Auffchlüffe zu entziffern vermochte, .gefunden. Ceidet haben die Unruhen der letjten Jahre in Armenien die »Verwirklichung der Keife in's Unbeftimmte hinausgefchoben. „Schließlich habe ich in meiner Aufzählung der feitens unferer Ge.fellfchaft gewährten materiellen Unterftütjung wiffenfchaftlidier Bestrebungen einer Beihülfe zu der 1892 von Dr. Michael Ten in Hamburg .ausgeführten Magalhaenfifchen Sammelreife, fowie zu den uon Herrn ,Max F r i e d e r i d i i e n im Anfchlufj an den Internationalen Geologen,Kongreß 1897 gemachten Reifen in den Ural, Kaukafus und Armenien ,Erwähnung zu thun. Für wiffenfchaftliche Expeditionen und Förderung wiffenfdiaftlicher Arbeiten find im Ganzen Mk. 55 652,50 verausgabt worden, i. e. 31,6°/o unferer Gefammt-Einnahme der Jahre ,1873—1897 (ca. Mk. 176 000). „XUas die in unferen Statuten vorgefchriebenen Publicationen anlangt, ,fo verweife ich auf das im Anhange gegebene Verzeichnis derfelben nebft .Inhalt. Den für die Jahre 1873—75 geltenden beiden J a h r e s b e r i c h t e ,find feit 1876 „ M i t t h e i l u n g e n der Geographifdien G e f e l l f d i a f t ,in H a m b u r g " in zwanglofer Weife gefolgt. Diefer Aenderung lag det , Gedanke zu Grunde, in Zukunft den Schweftergefellfchaften und den .nach verwandten Zielen ftrebenden Vereinen ein Taufdiobject zu bieten, «welches weniger Gewicht legt auf die detaillirten Berichte der Sitzungen ,und inneren Angelegenheiten unferer Gefellfchaft, als auf die Publikation uns werthvoll erfchienener Original-Abhandlungen unferer .Mitglieder und Freunde. In diefe Reihe find als felbftändiger Band die .intereffanten und werthvollen Briefe Cudwig Ceidihardt's, herausgegeben von Dr. Georg Tleumayer und O t t o Ceichhardt (dem

56 ,Tieften Cudwig £eichhardt's), eingefügt worden. Wir haben insgefammt ,für unfere Publikationen in dem verfloffenen Uierteljahrhundert ,Mk. 5 6 2 8 2 , 8 5 verausgabt, i. e. 32°/o der 6efammt-Einnahme (ca.

,Mk. 176000). Ob ihr Inhalt diefe Ausgabe rechtfertigt, mögen Andere .beurtheilen. „tUenn auch Zahlen nicht beweifen, fo zeigen fie doch wie regiert ,worden ift! Von diefem Gefichtspunkte aus fei hier noch eingefchaltet, ,dafj nach Abzug der für wiffenichaftliche Reifen (Mk. 5 5 6 5 2 , 5 0 ) und für ,unfere Publikationen (Mk. 5 6 2 8 2 , 8 5 ) verausgabten Mk. 111 9 3 5 , 3 5 , ,fowie des am Schluffe des Jahres 1897 vorhanden gewefenen Kapitalvermögens (Mk. 1 5 0 0 0 ) die Summe von ca. 4 9 0 0 0 uerbleibt, mit welchen .während 25 Jahren fämmtliche Uerwaltungs-llnkoften beftritten .worden find, das heifit im Durchfchnitt pro Jahr Mk. 1960. „Cegen wir uns am Schluffe unferes Rückblicks die Frage vor, ob die ,6rrichtung unterer Gefellfchaft gerechtfertigt gewefen und ob den GrWartungen, die man an fie geknüpft, entfprochen worden ift, fo glauben ,wir, mit Ja antworten zu follen. Denn wir haben in der That uns nidit ,nur beftrebt die geographifche Wiffenfchaft zu fördern und das Intereffe ,für diefelbe zu beleben, fondern wir haben es unferen Kräften entsprechend auch erreicht. Hat man uns überfchätjt, nun dann darf dies .uns nicht zur £aft fallen".

Wenn man beim Durchlefen diefes Rückblickes beachtet, dafj Friederich fen die Sorge um die Vorträge, um die Protokollführung und um Redaction und Verlag der Mittheilungen auf fich nahm, eigene Arbeiten hinzuthat und dieFefte anordnete, wie dies Kirchenpauer am 10. Stiftungsfefte lebhaft anerkannt hat und wie es geblieben, bis eine Hülfskraft und fpäter feine Söhne ihm einige £rleichterung gewähren konnten, fo fieht man, daß er gut gearbeitet hat und überdies in vollendet liebenswürdiger XUeife fein Talent für Gefelligkeit in den Dienft der Gefellfchaft ftellte. Friederichfen's Rückblick fchliefjt 1898, und feine Aufzeichnungen über-

57 idireiten diefe Zeit nur gelegentlich. Aber eine Portierung des Berichts über die 6ntwickelung der Geographifchen fiefellfchaft nach den Protokollen und Mittheilungen wird wieder Friederichfen's Thätigkeit für diefelbe umfaffen und zugleich Anhalt für weitere Blicke in fein Heben geben. Im Anfchluß an den oben wiedergegebenen Rückblick ift nachzutragen, daß die, wegen Mangels eines geeigneten Feftraumes an dem richtigen Tage, erft am 17. März 1898 begangene 25. Stiftungsfeier einen fehr erfreulichen Verlauf nahm und Friederichfen uiel Ehre brachte. Die fiefellfchaft verlieh ihm die goldene Kirchenpauer-Medaille, deren Beftimmung ift, Soldie zu ehren, die „fich um die fieographifche fiefellfchaft im Beionderen und um die fieographifche UMenfchaft im Allgemeinen ein hervorragendes Verdienft erworben haben"; das traf bei Friederichfen gewiß in vollem Maafje zu, und diefe Auszeichnung war ihm um fo werthvoller, als er des erften langjährigen Vorfitjenden der fiefellfchaft, zu deffen ehren die Medaille geftiftet wurde, ftets mit größter Verehrung gedachte. — Cine weitere von ihm fehr hoch gefchätjte Anerkennung gewährte ihm die llniverfität Marburg durch die Verleihung der philofophifchen £hrendoctor-XUürde. Beide Auszeichnungen haben ihm dauernd viel Freude und fienugthuung bereitet. Das Doctordiplom überbrachte Prof. Theobald Fifcher, einer der vielen Vertreter wiffenfchaftlicher Anftalten und fiefeltfchaften, die von nah und fern gekommen waren, der "Hamburgifchen Geographifchen fiefellfchaft ihre Glückwünfche zu überbringen. — Der ernften Feier des Morgens folgte am Abend ein Feftmahl, an dem 560 Perfonen theilnahmen, „das fubmarine Feft der Geographifchen Gefellfchaft", wie Friederichfen es benannte. "Hier hatte er mit einigen Freunden eine ganz eigenartige, die Stimmung der Verfammelten von vornherein feffelnde Veranftaltung zu treffen verftanden: durch gefchickte Decorationsmittel war der ganze Feftraum fcheinbar auf den Meeresgrund verfemt. Hoch oben täufchte eine ausgefpannte grünliche Gaze die lichtbrechende tUaffer-Oberfläche vor, und ringsum iah man Felfen und mit Algen bewachfene Grotten, in denen fich ungeheuerliche und phantaftifche Meeresbewohner zeigten; den Tafelfchmuck bildeten

58

Korallen und Mufcheln. Die künftlerfich durchgeführten Darftellungen fanden allfeitigen Beifall. £s darf aber nicht unerwähnt bleiben, daß der Senat der Stadt Hamburg erhebliche Nittel zur Durchführung diefes Feftes bereitgeftellt hatte; fie beliefen fich fchließlich auf Mk. 13 600. — Zur Tortführung des in Friederichfen's Rückblick gegebenen Berichtes find an Beihülfen zu wiffenfchaftlichen Keifen und Unternehmungen, welche die Geographifche Gefellfchaft zu großem Theile aus dem feit 1889 regelmäßig bewiltigten jährlichen Staatszufchuß von Mk. 5000 gewähren konnte, zunächft Mk. 1000 als weiterer Beitrag zu den Koften der Keife der Herren Lehmann und Belck nach Armenien zu nennen. Diefe wefentlich zur eingehenderen Fortfetjung ihrer früheren archäologifchen For'chungen, aber auch für geographifche Aufnahmen beftimmte "Unternehmung konnte nach längerer Verzögerung im Mai 1891 ins Werk gefetjt werden. Die Reife ging über Tiflis zu den Höhlenbauten am Kura-Fluß, zum 6öktfdia-See, um Keilfdiriften zu copiren und zu vergleichen, über Täbriz zum Urmia-See, der geographifch feftgelegt wurde, und zum Uan-See. Während eines 472-monatlichen Aufenthalts in Uan wurden alte affyrifche Felfenbauten durchforfcht und zahlreiche Infchriften aufgenommen. 6ine überaus mühevolle Winterreife übet den Armenifchen Taurus führte nach Sö'ört (Sert). Auf dem Marfdie von hier nach Moful (dem alten Tlinive) waren fo viele hiftorifch denkwürdige Oerter zu ermitteln, fo viel alte Bauten zu unterfuchen („es ftürmten fo viel Eindrücke auf uns ein")» daß an einen geordneten Bericht nicht zu denken war. Endlich wird die Stele von Topzauä erreicht, eins der Hauptziele der Reife, leidet unter ungünftigen Uerhältniffen (Hungersnoth), die die Arbeit der Entzifferung fehr erfchwerten. — Belck kehrte noch einmal nach Van zurück, Lehmann aber reifte auf fundreichen Wegen in einem weiten Bogen über den Euphrat nach Erzerum, und von Alafchgert aus wurde die gemeinfame Rückreife angetreten. — Die fehr anziehenden Reifebriefe finden fich in Bd. 15 und 16 der Mittheilungen. Ende 1900 wurden Prof. Theobald Fifdier Mk.4000 zu einer dritten

59 Keife durch Marokko bewilligt, an der fich Dr. med. Weisgerber und der Orientalift Dr. Kampffmeyer betheiligten. Der Weg ging durch Algerien nach Oran, über die Rif-Küfte nach Tanger und weiter nach Mogador, als dem Ausgangspunkte für die Reife ins Innere. Als Refultat der Crforfchungen ergiebt fich die Mogador einfchliefiende Küftenlandfchaft Schedma als ein meift ohne breites Vorland ca. 400 m fteil aufzeigendes Tafelland, das bis etwa 50 hm landeinwärts Bufchwald trägt; dahinter Steppe, im Ganzen arm. Tloch weniger einer Ausnutjung günftig ift die innere Eandfchaft Ahmar mit dem fähigen Zyma-See, wafferarm und nur uon nomadifirenden Uiehzüchtern zu uerwerthen. Sehr brauchbar dagegen, wenngleich auch wenig wafferreich, find die Candfchaften Abda, Dukkala und Schauia; Weizen, Gerfte, Mais und Bohnen gedeihen gut; der Transport zur Küfte ift nicht fchwierig. — einen eingehenden Bericht mit guten Karten und ftatiftifchen Tabellen enthält Bd. 18 der Mittheilungen. ein Reife-Stipendium uon Mk. 2500 konnte Dr. Max Friederichfen, Cudwig's älterem, kürzlich uon feinen Studien in Marburg, München und Berlin zurückgekehrtem Sohne, bewilligt werden, das ihn in den Stand fetjte, fich als Geograph und Geologe an der ruffifchen Cxpedition des Botanikers der liniuerfität Tomsk, Prof. Sapefdinikow, in den centralen Tien-sehan zu betheiligen. — In der Sitjung uom 16. Tloubr. 1902 konnte Max Friederichfen einen allgemeinen, durch uiele Lichtbilder erläuterten Reifebericht geben. Der ca. 6000 km lange Weg über Tafchkent nach dem Ausgangspunkt der Expedition, Wjernyj, nahm allein uier lüochen in Anfpruch. Die eigentliche Forfchungsreife führte ins Hochgebirge, wo die Beförderung und Verpflegung uiel Schwierigkeit machten. Trotjdem gelang die Beftimmung der Eage des die ganze Gegend beherrfchenden Ciskegels Khan-Tengri, eine Hauptaufgabe des Unternehmens, fehr glücklich, und die Ausbeute an geologifchen Funden und Routen-Aufnahmen war eine reiche. — Im 20. Bande der Mittheilungen folgte eine eingehende Darlegung der Crgebniffe. Zu einer geographifchenReife in Südweft-Auftralien erhielt Dr.Michael-

60 fen 1905 einen Beitrag uon Mk. 1000. Es galt im Beionderen einer fyftematifchen Durchforfchung der niederen Thierwelt. Die Küfte uon Albany bis Shark-Bay und landeinwärts bis zu den Goldfeldern wird, mit Ausnahme des Vorlandes uon Dünen und Marfchboden, als ein monotones Tafelland uon ca. 400 m Höhe gefchüdert, zur Küfte hin fehr feucht und mit Wald beftanden, weiter nach innen Buichwald und endlich wüfte Steppen mit Salzfeen. — Merkwürdig find die Mittheilungen über die dort uorkommenden Waldbrände, die nur die äußere Kinde zerftören, den Baum felbft aber nicht wefentlich fchädigen. Tläheres findet man in Band 22 der Mittheilungen. Für Dr. Alois Kraus'Reife uon 1907/8 nach Ceylon und Vorder-Tndien wurden Mk. 3000 bewilligt. Sie follte dem Studium der wirthfchaftgeographifchen Verhältniffe dort dienen, befonders der Stellung der Inder gegenüber den Engländern, des Verkehrs und der Erwerbsgelegenheiten. Km eine erfchöpfende Beantwortung diefer Fragen geben zu können, hält Kraus zuuor einen längeren Aufenthalt in England für nothwendig; er hofft, dafj ihm ein folcher möglich gemacht werde. Vergl. Mittheilungen Bd. 23 u. 24. Dr. R. Lütgens wurden 1908 Mk. 1000 zu einer Forfchungsfahrt nach Südamerika zur Verfügung geftellt, die hauptfächlich dazu dienen follte, Erfahrungen über den Betrag der Verdunftung auf dem Meere zu fammeln, die bisher fehlten. Es wurde gefunden, dafj in einem Jahre an der Meeresoberfläche eine lüafferfchicht uon V2 bis 2V2 Meter, je nach der Ortlichkeit, in Dampf uerwandeltwird. Ein längerer Aufenthalt in Chile und Argentinien führte Lütgens uon der nördlichen SalpeterwüCte bis in die füdlichen tlrwaldungen und zu dem Vulkan Villarica. Daran fchlofj fidi ein Befuch des Quebracho-Bezirks, über den Lütgens eingehend berichtet (Mittheilungen Bd. 24 u. 26).— Eine zweite Reife desfelbenForfdiers nach Haiti,1913, follte in erfter Linie wiederholte Verdunftungsmeffungen ergeben; über diefe wurde der Seewarte eingehend berichtet. An denllnterfuchungen auf Haiti nahm der Ingenieur Tippenhauer uon Port au Prince theil, deffen frühere geologifche Funde weiter uerfolgt wurden. Am Ende

61 der bei Mole St. Tlicolas nordweftlich uorfpringenden Halbinfel wurden uulkanifche Formationen feftgeftellt, die bisher unbekannt waren. — Als Grund der traurigen politifchen Eage der Iniel ficht Eütgens die „abfotute Strafjenlofigkeit" an (Mittheilungen Bd. 27 u. 28, Anhang). Zu einem ungewöhnlich großen Unternehmen entfchlofj (ich. die Gefellfchaft im Januar 1910 auf Befürwortung uon Prof. Paffarge und geftütjt durch den Beirath, indem fie für eine uon Dr. £ . Obft geplante Reife durch Oft-Afrika Mk. 14 000 (und fpäter noch weitere Mk 3000) bewilligte. In einem Vertrage wurden die Reifeziele im U/efentlichen feftgeftellt, die in erfter Einie der Crforfchung des großen, fich uon Tlord nach Süd durch Afrika ziehenden Grabens zwifchen 4° und 6V20 ffldl. Breite gelten follte, während im Hörigen die wiffenfchaftliche Ausnutjung derfelben Dr. Obft überlaffen blieb. Dr. Obft, uerpflichtete fich, über feine 6rfahrungen in den Mittheilungen der Geographifchen Gefellfchaft zu berichten und feine Sammlungen der Gefellfchaft als ihr 6igenthum zu überbringen. Meinungsuerfchiedenheiten, die zwifchen dem Uorftande und Dr. Obft entftanden und aus der Perne fchwer zu heben waren, haben Friederichfen uiel Sorge und Mühe gebracht. Seine letjte linterfchrift galt noch einer Cntfcheidung in diefer Richtung. — Dt. Obft's im 29. Bande der Mittheilungen wiedergegebener ausführlicher Reifeberidit „Das abflufjlofe Rumpffchollenland des nordöftlichen Deutfch-Oftafrika" und die reichen, uielfeitigen Sammlungen, die er heimgebracht hat, find ein Beweis, wie intenfiu er gearbeitet hat. — Die Sammlungen wurden meift den hamburgifchen wiffenfchaftlichen Anftalten zur Bearbeitung

übergeben.



wetteren

Die topographifchen Aufnahmen

aber

kamen gerade zu rechter Zeit, um einer im Kolonial-Amt in Ausführung begriffenen neuen Auflage der Karte uon Deutfch-Oftafrika zur Uetuollftändigung dienen zu können, und find fogleich mit derfelben bearbeitet worden. Sie fanden uolte Anerkennung wegen ihrer gefdiickten Anordnung und Durchführung, die noch durch uiele photographifche Aufnahmen gefichert wird. Tlach diefem koftfpieligen Unternehmen war die Geographifdie Ge-

62 fellfchaft einftweilen nicht im Stande, zwei andere bald an fie herantretende Anforderungen in folchem Maafje zu berückfichtigen, wie fie es wohl gewünfcht hätte: die afrikanifche Expedition des "Herzogs Adolph Friedrich zu Mecklenburg und die Deutfche antarktifche Expedition unter Oberleutnant Fitchner; für jede konnten nur Mk. 1000 aufgewandt werden. — Endlich wurde mit der gleichen Summe Ende 1911 noch eine große Arbeit zum Abfchlufj gebracht, welche ?rof. Schott, Mitglied des Beirathes der fieographifchen Gefellfchaft, feit Jahren befchäftigt hatte, das mühevolle tUerk „Geographie des Atlantifdien Oceans", welches die Geftaltung des Meeresbodens in werthuollen Karten zur Anfchauung bringt. lüie Friederichfen in (einem Rückblick der auswärtigen Herren gedacht hat, die auf feinen Ruf während der erften 25 Jahre es unternommen hatten, der fieographifchen Gefellfchaft Dorträge zu halten, fo feien auch hier die fpäteren Redner genannt; es waren die Herren: R. A m u n d i e n , G. K. A n t o n , E. Banfe, H. Bafedow, Behrmann-Berlin, £. Bergf t r ä f j e r , A . Berfon, C. E.Borchgreuink, E. Brückner, G.Bufdian, lü. Buffe, J. B Charcot, F. lü. Chriftian, Conwentj-Danzig, E. Deckert, lü. D e t m e r , £. Diels, £. Diftel, E. uon D r y g a l s k i , F. Ehrenreich, J. E l b e r t , £. Mylius-Erichfen, H E r d m a n n , lü. Filchner, A.Fifdier, T h e o b a l d Fifcher, E . F r a a s , H. U o j t e c h - F r i c , Max Friederichfen, £. F r o b e n i u s , A. F ü h r e r , K. F u t t e r e r , £. H. Grothe, H. Guthe, de Haas-Infterburg, H a b er er-Griesbach, B. H a g e n , 0. H a u f e r , R. Hautal-Hildesheim, R. H a u t h a l - £ a Plata, S. uon Hedin, F . H i r t h , Hoffens-Berlin, G. H u t h , H . K l a a t f d i , Koch-Grünberg. A K r ä m e r , F . K r a u f e , C . F . £ e h m a n n , F . M a y w a l d , Adolf Friedrich zu Mecklenburg, H a n s Meyer, 0 . Tleumann, £ . Obft, K. Oeftreich,F. O l s h a u f e n , S . F a f f a r g e , Fenck-Berlin, Hans P h i l i p p , Philippson-Bonn, R. Poe