Lohnsteuerverfahren im Vergleich zwischen Deutschland und Taiwan [1 ed.] 9783428522873, 9783428122875

In vielen Ländern werden Arbeitnehmer gegenüber anderen Steuerpflichtigen durch eine dem Fiskus genehme Sonderbesteuerun

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Lohnsteuerverfahren im Vergleich zwischen Deutschland und Taiwan [1 ed.]
 9783428522873, 9783428122875

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Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke

Band 95

Lohnsteuerverfahren im Vergleich zwischen Deutschland und Taiwan Von

Ke-Chung Ko

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KE-CHUNG KO

Lohnsteuerverfahren im Vergleich zwischen Deutschland und Taiwan

Schriften zum Steuer recht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke

Band 95

Lohnsteuerverfahren im Vergleich zwischen Deutschland und Taiwan

Von

Ke-Chung Ko

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Hohe Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-12287-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Geleitwort Dem Thema der Doktorschrift ist nicht auf die Stirn geschrieben, dass es verfassungsrechtlich relevante Grundfragen der Steuergerechtigkeit birgt. In vielen Ländern werden Arbeitnehmer gegenüber anderen Steuerpflichtigen durch eine dem Fiskus genehme Sonderbesteuerung benachteiligt. So wird zunächst die Einkommensteuer als „Lohnsteuer“ vom laufenden Arbeitlohn einbehalten. Die Steuergestaltungs- und Steuerabzugsmöglichkeiten sind vergleichsweise gering. Das Lohnsteuerverfahren lebt als Massenverwaltungsverfahren von Typisierungen und Pauschalierungen. Die Beschränkung der Entfernungspauschale1 auf Wege ab dem 21. Kilometer trifft hauptsächlich Arbeitnehmer. Zudem sind die materiellen Vergröberungen und Verschärfungen der Besteuerung von verfahrensrechtlichen Schlechterstellungen der Arbeitnehmer begleitet. Erst kürzlich legte der Bundesfinanzhof die zeitliche Befristung des Antrages auf Veranlagung dem Bundesverfassungsgericht zur gleichheitsrechtlichen Prüfung vor2. Wie keine andere Steuer hat die Einkommensteuer die gleichmäßige Austeilung der Steuerlasten nach dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Mit dieser fundamentalen Gerechtigkeitsfunktion der Einkommensteuer kollidiert das Lohnsteuerrecht an vielen Stellen. Hierzu stellt sich die spannende Frage, wie der Konflikt zwischen Einkommensteuergerechtigkeit und dem Interesse des Staates, Steuern im Massenverwaltungsverfahren möglichst einfach und effizient durch Besteuerung an der Quelle einzunehmen, in anderen Ländern, zumal in anderen Kulturkreisen bewältigt wird. Dabei setzt die Globalisierung besondere Akzente. Sie zwingt die nationalen Steuergesetzgeber, die Effizienz der Steuersysteme zu verbessern. Dies geht auch wieder zu Lasten der ortsgebundenden Steuerpflichtigen, die ihre Arbeitskraft nicht im Ausland verwerten können. In Taiwan ist die Quellenbesteuerung sehr viel breiter angelegt als in Deutschland. Dementsprechend ist das Verständnis einer einheitlichen Einkommensteuer geringer entwickelt als in Deutschland. Insofern kann das taiwani1 §§ 9 Abs. 2 Satz 2, 4 Abs. 5a letzter Satz EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 vom 19.7.2006, BGBl. I 2006, 1652. 2 Siehe BFH VI R 49/04 v. 22.5.2006, BStBl. II 2006, 808, sowie BFH VI R 46/05 v. 22.5.2006, BStBl. II 2006, 820, betr. § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG. Nach dieser Vorschrift ist der Antrag auf Veranlagung bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen. Der Fristablauf schneidet die für den Steuerpflichtigen zutreffende Besteuerung ab.

6

Geleitwort

sche Einkommensteuerrecht den Bedingungen des Steuerwettbewerbs leichter angepasst werden als das deutsche Einkommensteuerrecht, das einer im internationalen Vergleich besonders strengen Verfassungsrechtsprechung unterworfen ist. Diese Schrift vergleicht nicht die Techniken des Lohnsteuerverfahrens. Vielmehr dringt Ke-Chung Ko tief in die gleichheitsrechtlich relevanten Grundfragen der Lohnbesteuerung ein. Er analysiert die Rechtsstellungen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers auf grundrechtlichem Boden, sowohl gleichheitsals auch freiheitsrechtlich. Mit diesen Grundansätzen wird der Rechtsvergleich aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts und damit aus der Sicht der europäischen Rechtskultur angestellt. Nach dem Abschluss seiner juristischen Ausbildung in Taiwan studierte KeChung Ko Rechtswissenschaft in Tübingen und Köln, wo er im Sommer 2003 den Magister Legum mit „summa cum laude“ erwarb. Sein besonderes Interesse galt dem Kern der Kölner Steuerrechtslehre, den verfassungsrechtlich abgeleiteten „systemtragenden Prinzipien“ des Steuerrechts. Dieses Interesse prägt die vorliegende Schrift. Die Durchsetzung von Menschenrechten in einem Kulturkreis, wo die Loyalität gegenüber der Gemeinschaft über dem Recht des Einzelnen steht, schlägt die Brücke von Europa nach Taiwan. Ke-Chung Ko will einen Betrag für die Entfaltung der Menschenrechte in Taiwan leisten. Umgekehrt lehrt der Rechtsvergleich dem europäischen Menschenrechtsverständnis, dass eine Gesellschaft im weltweiten Wettbewerb um Wohlstand nur in einem ausgewogenen Verhältnis von Menschenrechten und Menschenpflichten – hier die Pflicht zur Finanzierung des Gemeinwesens – bestehen kann. Im Zuge dieser Abwägung gewann Ke-Chung Ko sein Ergebnis einer für die weltwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit eines Staates tauglichen Besteuerung von Arbeitslohn. Ke-Chung Ko lehrt gegenwärtig an der National Cheng Kung Universität in Taiwan. Während seines Kölner Aufenthalts sind wir gute Freunde geworden. In vielen Gesprächen habe auch ich viel gelernt. Ich hoffe sehr, dass unser gemeinschaftliches Verständnis von Steuergerechtigkeit weiterhin auf der Brücke zwischen Deutschland und Taiwan gepflegt wird. Köln, im März 2007

Joachim Lang

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

1. Kapitel Zwecke des Lohnsteuerverfahrens unter Berücksichtigung der historischen Entwicklungen

18

I.

Historische Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Taiwanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 18 24

II.

Mit dem Lohnsteuerverfahren beabsichtigte Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Literaturauffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sicherungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinfachungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sozialzweck? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 31 33 33 34 36 38

III.

Bezüge zu den steuergesetzlichen Zwecken und Steuermaximen . . . . . . . . . .

39

IV.

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

2. Kapitel Rechtliche Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

43

I.

Arbeitsrechtliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . .

44 44 46

II.

Steuerrechtliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwischen Finanzamt und Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47 47 47 47 49

8

Inhaltsverzeichnis b) Taiwanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischen Finanzamt und Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ermittlung der Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einbehalt der Lohnsteuer vom Bruttoarbeitslohn . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anmeldung beim zuständigen Finanzamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Abführung an das Finanzamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Mitwirkungspflicht bei der Lohnsteueraußenprüfung . . . . . . . . . . . gg) Nachträgliche Erhebung und betrieblicher Lohnsteuer-Jahresausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Taiwanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einbehaltung der unterschiedlichen Steuerbeträge nach den Einkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anmeldung und Abführung an das Finanzamt . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Aushändigung der Steuerbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Mitwirkungspflicht bei der Außenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49 49 51 51 51 52 54 55 57 57 58

III.

Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Literaturauffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dienstrechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Transformationsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rückgriffsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentlich-rechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kritik der gegenwärtigen Meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausgewählte Problemkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kompetenzkonflikt zwischen Arbeits- und Finanzgericht . . . . . . . . . . . b) Zeitpunkt des Erlöschens der Lohnsteuerschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64 65 65 65 67 68 70 71 74 76 76 79

IV.

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

58 59 60 63 63 64 64

Inhaltsverzeichnis

9

3. Kapitel Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

82

I.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Taiwanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82 82 82

II.

Zweck der Arbeitgeberhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Literaturauffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 83 85

III.

Voraussetzungen der Haftung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichtverletzung des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Taiwanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschulden des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Literaturauffassungen im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsprechung im taiwanischen Recht und eigene Auffassung . . . . .

86 86 86 89 89 89 92 94

IV.

Umfang der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Während des laufenden Kalenderjahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nach Ablauf des Kalenderjahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auffassungen von Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Taiwanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94 94 94 95 95 97 99

V.

Reihenfolge der Inanspruchnahme im Haftungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Taiwanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

VI.

Einwendungen des Arbeitgebers im Haftungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahrensrechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materiell-rechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auffassungen von Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Taiwanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106 106 106 107 107 109 110

VII. Innenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Taiwanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 VIII. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

10

Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel Bezüge zu anderen Vorschriften im EStG

114

I.

Verbindung zu materiell-rechtlichen Vorschriften des EStG . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Taiwanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

II.

Verfahrensrechtliche Verbindung zur Veranlagung und Vorauszahlung . . . . . 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zum Veranlagungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Einkommensteuer-Vorauszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Taiwanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III.

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

116 116 116 117 118

5. Kapitel

I.

II.

Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

122

Freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dreifache Belastung des Arbeitgebers durch den staatlichen Eingriff . . . . a) Entrichtungspflicht für die Steuerschuld eines Anderen . . . . . . . . . . . . b) Unentgeltlichkeit der Indienstnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verschuldensunabhängige Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtsnormen als Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berufsfreiheit nach Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gleichheitsgebot und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . 3. Auffassungen von Rechtsprechung und Literatur über die freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtfertigung des gegenwärtigen Lohnsteuerabzugs . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenmeinungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123 123 123 123 125 126 126 128 131 132

Gleichheitsrechtliche Problematik beim Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterschiedliche Zeitintervalle der Steuererhebung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterschiedliche Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Differenzierte Unausweichlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auffassungen von Rechtsprechung und Literatur über die gleichheitsrechtliche Problematik beim Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

134 134 137 139 139 139 141 143 144

Inhaltsverzeichnis III.

IV.

Möglichkeiten zur Verbesserung des deutschen Lohnsteuerverfahrens und Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbesserungsmöglichkeiten im Rahmen des geltenden Verfahrens . . . . . a) Vereinfachte Quellenbesteuerung mit Prozentsatzverfahren . . . . . . . . . b) Kölner Entwurf eines EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Kontrollmitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umfassende Quellenbesteuerung mit starren Prozentsätzen – Das taiwanische Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Über die Rechtfertigung des gegenwärtigen Lohnsteuerabzugs . . . . . . . . . 2. Über den Reformbedarf des geltenden Lohnsteuerverfahrens . . . . . . . . . . . 3. Vergleich zwischen unterschiedlichen Modellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 146 146 147 148 150 152 153 153 155 156

Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Einleitung Wegen der Globalisierung der Wirtschaft spricht alle Welt von Wettbewerbsfähigkeit1. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Staates wird durch eine Vielzahl von Standortfaktoren bestimmt, etwa durch die Infrastruktur der Gemeinden, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Stabilität, die Größe des Absatzmarktes, die vielfältigen Absatzchancen, die Qualität der Arbeitskräfte, das Bildungsniveau der Bevölkerung usw. Dabei wird allgemein akzeptiert, dass die Höhe der Abgabenbelastung in einem ausgewogenen Verhältnis zu den sonstigen Standortfaktoren stehen muss2. Generell gilt, dass die Wettbewerbsfähigkeit eines Staats in dem Maße steigt, in dem diese Relation günstig und die Steuergesetzgebung transparent ist. Im Falle der Standortbedingung der Abgabenbelastung handelt es sich einerseits um eine finanzielle Belastung, die den Investoren als Steuerschuldner auferlegt wird. Andererseits handelt es sich um die Heranziehung zu einer Dienstleistung in der Form, dass sie als Dritte in einem steuerrechtlichen Schuldverhältnis für die ordnungsmäßige Durchführung der Steuererhebung herangezogen werden. In Deutschland ist der Arbeitgeber gemäß §§ 38 ff. EStG3, dem sog. Lohnsteuerverfahren, für die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer bei jeder Lohnzahlung verpflichtet, die geschuldete Lohnsteuer zu berechnen, von den auszuzah1 Ob das Steuersystem eines Staates als Gegenstand des internationalen Wettbewerbs ethisch akzeptiert wird, wird hier nicht diskutiert. Das Steuerrecht ist allerdings nach der Auffassung von P. Kirchhof normative Grundlage privater Freiheit und privaten Wettbewerbs, nicht aber selbst Gegenstand des Wettbewerbs, dessen richtige Ausgestaltung durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Wäre der Steuerstaat ein Wettbewerber, müsste er seine gesamte Steuerpolitik auf eine Maximierung des Steueraufkommens ausrichten (s. P. Kirchhof, Standortbestimmung, S. 13 f.). Die Wirklichkeit sieht doch anders aus: auf der einen Seite findet die inländische Ökonomie nicht losgelöst von der globalisierten Weltwirtschaft statt. Auf der anderen Seite verhalten sich gegenwärtig viele Staaten der Völkergemeinschaft nicht solidarisch. Es wäre auch eine sachfremde Erwartung, dass alle Staaten sich solidarisch verhielten und dann die Steuerpolitik nicht auf eine bloße Mehrung des Steueraufkommens gerichtet wäre. Die Politik vieler Staaten ist ganz oder im Wesentlichen auf die Mehrung des Wohlstands im Inneren ausgerichtet (vgl. Lang, Einkommensteuer, S. 38 ff.). Um Investoren zu veranlassen, in die eigene Volkswirtschaft zu investieren, sieht sich der nationale Gesetzgeber oftmals veranlasst, zu versuchen, eine höhere Wettbewerbsfähigkeit durch Maßnahmen, wie z. B. die Senkung von Körperschaftsteuersätzen, herbeizuführen. 2 Vgl. Lang, in: T/L StR, § 8 Rdn. 75. 3 Deutsches Einkommensteuergesetz vom 16.10.1934 (RGBl. I., S. 1005), in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.10.2002 (BGBl. I., S. 4212).

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Einleitung

lenden Arbeitslöhnen einzubehalten, die einbehaltene Lohnsteuer beim zuständigen (Betriebsstätten-)Finanzamt anzumelden und sie an dieses abzuführen. Die Handlung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Im Unterschied zum Regelfall, in dem der Staat die Steuern durch eigene Finanzbehörden erhebt, wird die Lohnsteuer im Rahmen des Lohnsteuerverfahrens direkt beim Arbeitnehmer abgezogen. Diese Technik der Steuererhebung wird als Quellenabzug bezeichnet, da die geschuldete Steuer vom Steuerschuldner direkt durch den Abzug von einem Dritten bei der Auszahlung, also „an der Quelle“, erhoben wird. Der Arbeitgeber erfüllt dadurch kraft Steuergesetzes eine öffentliche Aufgabe, die eigentlich den Finanzbehörden obliegt, nämlich die geschuldete Steuer ordnungsgemäß zu erheben. Zudem sieht das EStG diesbezüglich eine Haftung des herangezogenen Arbeitgebers für den Fall vor, dass er den Quellenabzug nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat. Der Arbeitgeber tritt lohnsteuerrechtlich als derjenige auf, der zur Entrichtung der Steuer verpflichtet ist. Er wird unabhängig vom Willen des Steuerschuldners im Lohnsteuerverfahren gegenüber dem Finanzamt tätig. Durch die Einbindung des Arbeitgebers in das Lohnsteuerverfahren wird allerdings auf der anderen Seite der Arbeitnehmer entlastet, denn ihn betrifft die steuerverfahrensrechtliche Verpflichtung, die Steuerschuld im Veranlagungsverfahren zu erklären und entrichten, grundsätzlich nicht mehr, wenn nicht die Voraussetzungen des § 46 EStG vorliegen, der Steuerpflichtige also z. B. weitere Einkünfte bezogen hat. Da die vom Arbeitgeber einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer auf die Steuerschuld des Arbeitnehmers angerechnet wird, braucht dieser grundsätzlich nicht weiter tätig zu werden. Als Abzugspflichtiger ist der Arbeitgeber verpflichtet, von den Bruttolöhnen einen korrekten Lohnsteueranteil zu errechnen, der also weder zu hoch noch zu niedrig sein darf, und diesen einzubehalten. Er ist unter die „Prozessräder“4 oder in einen sog. „Zweifrontenkrieg“5 zwischen Finanzamt und Arbeitnehmer mit deren widerstreitenden Interessen bezüglich einer Mehrung oder Minderung der Höhe der Lohnsteuer geraten. Dadurch wird ihm nicht nur die Dienstleistung beim Lohnsteuerabzugsverfahren, sondern auch ein zusätzliches Prozessrisiko im Falle von Problemen bei der Abwicklung des Lohnsteuerverfahrens aufgebürdet. Die rechtliche Position des Abzugspflichtigen, in der er in den Interessenkonflikt von zwei anderen Parteien gerät, beeinträchtigt die Standortbedingung der investierenden Unternehmen. Auch in Taiwan wird die Lohnsteuer über den Abzug an der Quelle eingezogen6. Im Unterschied zum deutschen Recht, wo grundsätzlich nur enumerativ 4 Die Bezeichnung „Prozessräder“ zeigt, dass die Unklarheit der Rechtsstellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerverfahren angesichts verschiedener Deutungen der einzelnen Gerichtszweige in praxi auf ihn neben den finanziellen Lasten unnötige Prozessrisiken aufgebürdet hat. s. ausf. Drüen, FR 2004, S. 1136. 5 Trzaskalik, DStJG 12, S. 172.

Einleitung

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aufgelistete Arten von Einkünften dem Quellenabzug unterliegen, sind in Taiwan fast alle zu versteuernden Einkunftsarten, die von bestimmten Personen ausgezahlt werden, verfahrensrechtlich abzugspflichtig. Nicht nur Lohneinkünfte, Zinsen und inländische Einkünfte von Nichtansässigen, sondern auch Mieten, Provisionen, Lizenzgebühren, Honorare, Renten und Pensionen7, Preise aus Wettbewerben und Lotterien, die Behörden, Organisationen, Gewerbebetriebe und Freiberufler auszuzahlen haben, werden durch den Abzugspflichtigen, der ursprünglich aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses vom Arbeitgeber mit der Auszahlung der obigen Einkünfte beauftragt wird, bei der Auszahlung an der Quelle erhoben. Zu den Abzugspflichtigen gehören Zahlstellen von Behörden und Organisationen, Leiter von Gewerbebetrieben und selbständige Freiberufler. In Taiwan sind nur wenige Sachverhalte vom Abzugsverfahren ausgenommen. Dies sind Dividenden von Ansässigen sowie Gewinne aus Grundstückveräußerungen und Einkünfte, die von Privatpersonen ausgezahlt werden. Der private Mieter ist z. B. nicht verpflichtet, die vom Vermieter geschuldete Einkommensteuer bei der Auszahlung einzubehalten und abzuführen. In diesen Fällen wird die Einkommensteuer erst durch Veranlagung nach dem Veranlagungszeitraum, basierend auf einer unabhängig von den Einkunftsarten einheitlichen Bemessungsgrundlage und einem progressiven Einkommensteuersatz, erhoben. Der Veräußerungsgewinn des Grundstücks wird getrennt, mittels eines eigens hierfür entwickelten Verfahrens, berechnet: auf ihn wird – je nach Höhe oder Art der Vermögensveräußerung – ein Teilmengenstaffeltarif mit progressiven Steuersätzen angewendet und schließlich findet eine Besteuerung in einem speziellen Verfahren statt. Neben dem Quellenabzugs- und dem Veranlagungsverfahren existiert eine Einkommensteuer-Vorauszahlung im taiwanischen Steuerrecht nur bei der Besteuerung von Unternehmenserträgen. Anders als im deutschen Recht werden die Besteuerung von Einkommen natürlicher Personen und die der Erträge juristischer Personen einheitlich geregelt. Diese Regelungen sind im taiwanischen Einkommensteuerrecht (twEStG) normiert8.

6 Taiwanisches Einkommensteuergesetz vom 15.1.1963, in der Fassung der Bekanntmachung vom 29.5.2001. 7 Im Gegensatz zum deutschen Recht, in dem die Renten und Pensionen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG) zählen und deshalb dem Quellenabzug unterliegen, werden die Einkünfte aus früheren Dienstleistungen wie Renten und Pensionen gesetzlich als eine von den Lohneinkünften unabhängige Einkunftsart geregelt. 8 Zur Kurzübersicht über das gegenwärtige Einkommensteuergesetz in Taiwan siehe die amtliche Veröffentlichung des Steuerausschusses (Taxation and Tariff Committee. kurz: TTC) von Taiwans Finanzministerium (Ministry of Finance, kurz: MOF). Die englische Fassung vom 2005 steht auf folgender Webseite zur Verfügung: http:// www.ttc.gov.tw/public/Attachment/562315222871.pdf (Stand: 1.9.2005).

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Einleitung

In den nachstehenden Kapiteln wird das Lohnsteuerverfahren in Deutschland und Taiwan rechtsvergleichend untersucht. Das Steuerrecht ist zwar von den unterschiedlichen geschichtlichen Traditionen und den jeweiligen staatlichen und gesellschaftlichen Bedingungen stark beeinflusst. Von daher können in jeder Gesellschaft, auch in den westlichen Industriegesellschaften, aus völlig verschiedenen Hintergründen unterschiedliche Vorstellungen über die „ideale Steuerrechtsordnung“ bestehen9. Über den Gleichheitsgrundsatz und die Besteuerung nach dem Prinzip der individuellen Leistungsfähigkeit besteht ein weltweiter Konsens, auch ohne, dass dies ausdrücklich im Verfassungsrecht verankert ist10. Entscheidet der Gesetzgeber sich nämlich einmal für die Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip11, sollte dieses systemkonsequent verfolgt werden, da die Steuerrechtsordnung auch bei der Grobstruktur nicht beliebig sein kann12. Ausnahmen benötigen allenfalls eine sachgerechte Rechtfertigung. Im Zusammenhang mit dem Universalitäts- und dem Totalitätsprinzip entspricht eine synthetische Einkommensteuer dem fundamentalen Gleichheitsgrundsatz und dem Leistungsfähigkeitsprinzip viel besser als die analytische Schedulensteuer13. Das deutsche und das taiwanische Einkommensteuerrecht sind gemeinsam synthetisch konzipiert, wenngleich noch einzelne Besonderheiten bestehen. Eine Herausforderung für den jeweiligen Steuergesetzgeber besteht deshalb darin, das Steuergesetz weiterhin so auszugestalten, dass einerseits die Konzeption einer synthetischen Einkommensteuer mit der Unterstützung des Leistungsfähigkeitsprinzips beibehalten und andererseits die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Staates in der globalisierten Weltgesellschaft gewährleistet wird. Der internationale Rechtsvergleich weist zuerst darauf hin, welche steuerlichen Grundprobleme in den einzelnen Gesellschaften zu lösen sind. Er zeigt dann auf, welche Wege in diesem Zusammenhang beschritten werden. Der internationale Rechtsvergleich bietet vielfältige Orientierungshilfen bei der Gesetzgebung und inspiriert zu neuen Lösungen, die bei Steuerreformen erforder9 Zu unterschiedlichen Einkommensteuersystemen und diesbezüglichen Grundgedanken, beispielsweise in Großbritannien, s. ausf. Weisflog, in: FS für Tipke, S. 546. 10 Zur verfassungsrechtlichen Verankerung auf der ganzen Welt, s. ausf. Tipke, StRO I, S. 488 ff. 11 Zur Maßgeblichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips für alle Steuern, vgl. Tipke, Besteuerungsmoral, S. 17 f.; Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 85; ders., Bemessungsgrundlage, S. 115 ff.; Weber-Grellet, S. 161 f.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 9 f., Fn. 13, Fn. 23 m.w. N.; eine beschränkte Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips nur für die direkte Besteuerng s. P. Kirchhof, StuW 1985, S. 319, 324; eine Verneigung der Maßgeblichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips vgl. Kruse, StuW 1990, S. 322, 324 f.; ders., in: FS für Kruse, S. 793, 797. 12 Rodi, in: FS für Vogel, S. 187, 196 f.; ähnlicher Auffassung, s. Tipke, StuW 1988, S. 262 ff. 13 A. A. Thiel, in: Fachanwalt, S. 76.

Einleitung

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lich sind. Besonders von pragmatischer Bedeutung ist die rechtvergleichende Betrachtung des Lohnsteuerverfahrens, weil das Lohnsteuerrecht naturgemäß ein Massenfallrecht ist. Der Steuereingriff im Lohnsteuerverfahren betrifft nämlich eine enorme Vielzahl von Steuerpflichtigen, nicht nur die investierenden Unternehmen als Arbeitgeber, denen neben den finanziellen Belastungen noch die Verpflichtung zum Quellenabzug aufgebürdet wird, sondern auch die meistens ortsgebundenen Arbeitnehmer als Steuerschuldner. In welcher Form das Lohnsteuerverfahren geregelt ist, beeinflusst unumgänglich die Wettbewerbsfähigkeit des Staates. Diese Abhandlung bezieht sich auf eine Darstellung der grundlegenden steuerlichen Vorschriften sowie eine Untersuchung der jeweils zugrunde liegenden Dogmatik der unterschiedlichen Lohnsteuerverfahren. In einem ersten Schritt wird untersucht, wie die beiden unterschiedlichen Rechtsordnungen versuchen, die Grundfragen ihres eigenen Lohnsteuerverfahrens zu regeln. Im zweiten Schritt wird die verfassungsrechtliche Problematik des geltenden Lohnsteuerverfahrens untersucht. Abschließend werden die einzelnen Reformvorschläge ausgewählt, um ein sachgerechtes und transparentes Lohnsteuerverfahren zu bestimmen. Es wird dabei davon ausgegangen, dass ein transparentes und sachgerechtiges Steuergesetz neben einer möglichst niedrigen Steuerbelastung für die Wettbewerbsfähigkeit eines Staates eine entscheidende Rolle spielt.

1. Kapitel

Zwecke des Lohnsteuerverfahrens unter Berücksichtigung der historischen Entwicklungen Welche Zwecke das Lohnsteuerverfahren verfolgt, ist aus sich heraus nicht unbedingt verständlich. Eine spezielle Methode zur Zweckbestimmung für das Steuerrecht gibt es nicht. Dem Rechtsanwender steht daher nur die allgemeine juristische Methodenlehre zur Verfügung1. Dabei spielt vor allem die historische Auslegungsmethode eine entscheidende Rolle, weil die Lohnsteuer im heutigen Sinne anlässlich historischer Situationen eingeführt wurde: In Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg, in Taiwan nach der Unruhe einer Reihe von Revolutionen und Kriegen.

I. Historische Entwicklungen 1. Deutsches Recht Die Besteuerung des Arbeitslohnes begann mit der Einführung der Kopfsteuer, die in den mittelalterlichen Stadtwirtschaften Deutschlands hauptsächlich den vermögenslosen Personen auferlegt wurde, die nur ihre Arbeitskraft besaßen2. Die Technik des Quellensteuerabzugs, bei der der Verpflichtete herangezogen wird, den vom Steuerschuldner geschuldeten Steuerbetrag unmittelbar von den auszuzahlenden Einkommen einzubehalten und abzuführen, wurde erstmals 1722 in Bayern mit der „Konditionensteuer“ bei der Beamtenbesoldung praktiziert, weil die Beamtengehälter in der Praxis ohne Schwierigkeiten ermittelt werden konnten3. 1819/20 wurde diese Technik auch in Württemberg und Baden eingeführt. Auch in Preußen verfügte Freiherr vom und zum Stein 1808 aus der Überzeugung, dass die Steuern von den öffentlichen Kassen, aus denen sie gezahlt werden, in Abzug gebracht und an die Steuerkasse abgeführt werden müssten, die Einführung eines Steuerabzugs bei der Beamtenbesoldung4. Dazu 1 Zur allgemeinen juristischen Methodenlehre s. Larenz, S. 312 ff.; Bydlinski, S. 391 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 18 ff., 42 ff.; vgl. zu deren Anwendung in Bezug auf das Steuerrecht, s. Spitaler, BB 1963, S. 1267 f.; Tipke, StRO III, S. 1232; Lang, in: T/L StR, § 5 Rdn. 40 ff. 2 Weimar, S. 12 ff.; Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A70. 3 Weimar, S. 41 ff.; Kruse, DStJG 9, S. 4.

I. Historische Entwicklungen

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kam es jedoch nur kurzfristig von 1812 bis 1814, weil die Einkommensteuer mit dem Quellenabzug damals noch als Kriegsmaßnahme zur Deckung von Ausgaben für militärische Zwecke erhoben und nur als solche akzeptiert wurde5. Die Besteuerung des Arbeitslohnes erfolgte in Preußen weiterhin im Rahmen der Klassensteuer6. Im Gegensatz zu England, wo eine direkte Einkommensbesteuerung 1798 unter der Bezeichnung „Pitt“ eingeführt wurde7 und sich eine verbreitete Quellenbesteuerung mit dem sog. „stoppage at source“-System im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte8, ist in Preußen nach und nach ein „eigenständiges“ synthetisches Einkommensteuersystem entstanden9, das statt des Quellenabzugs eine Auskunftspflicht der Arbeitgeber über die ausgezahlten Löhne festlegte10. Diese Auskunftspflicht der Arbeitgeber und die weitreichenden Prüfungsbefugnisse wurden von Kritikern als „Spionage-System“ bezeichnet11. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist insgesamt festzustellen, dass sich die Mitwirkung des Arbeitgebers bei der Besteuerung von Lohneinkünften in den deutschen Bundesstaaten seit den mittelalterlichen Staats-Hauswirtschaften bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts nur auf bloße Auskunftspflichten beschränkte12. Diese Lage änderte sich erst nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg (1914–1918). Die desolate Finanzlage nach dem Ende des Kriegs, der nahezu alle vorhandenen Steuerquellen erschöpft hatte, und das Erfordernis, die Reparationszahlungen und den Wiederaufbau Deutschlands zu finanzieren, zwang den deutschen Fiskus verstärkt, nach Maßnahmen zu suchen, um die Erhebung der Einkommensteuer effizienter zu gestalten13. Das bisherige Zwangs4

Vgl. Kruse, DStJG 9, S. 4; Goez, S. 14. Vgl. Weimar, S. 15; Kruse, DStJG 9, S. 4; P. Kirchhof, in: K/S/M EStG, § 2 Rdn. A 387. 6 Einführung der Klassensteuer durch das Gesetz vom 30. 5.1820, GS 1820, S. 143. Zu den diesbezüglichen Steuerklassen, s. ausf. G. Kirchhof, S. 79 Fn. 42 und 43 m.w. N.; Kruse, DStJG 9, S. 3. 7 Die Bezeichnung wird aus dem Namen des damaligen Premierministers William Pitt entnommen, der das Einkommensteuergesetz vom 9.1.1799 vorgeschlagen hatte. Vgl. ausf. P. Kirchhof, in: K/S/M EStG, § 2 Rdn. A 380 ff.; Kruse, DStJG 9, S. 4; G. Kirchhof, S. 75 f. 8 Diese Begriffe sind englisch für die Steuererhebung an der Quelle, nämlich „Aufhalten an der Quelle“ oder „Abschöpfen von der Quelle“. Die Besteuerung greift möglichst an der Einkommensteuerquelle selbst zu, so dass z. B. bei Mieteinkünften der Mieter die Steuer zu zahlen hat und von der Miete abzieht. Mehr dazu s. P. Kirchhof, in: K/S/M EStG, § 2 Rdn. A 384; G. Kirchhof, S. 75 f. 9 Vgl. P. Kirchhof, in: K/S/M EStG, § 2 Rdn. A386. 10 Vgl. Kruse, DStJG 9, S. 4. 11 Vgl. G. Kirchhof, S. 64. 12 Vgl. Kloubert, S. 7. Fn. 4 mit Verweis auf die unterschiedlichen Bestimmungen in deutschen Bundesstaaten. 13 Vgl. Kloubert, S. 7. 5

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1. Kap.: Zwecke des Lohnsteuerverfahrens

betreibungsverfahren, in dem die Behörde aufgrund der Steuerforderung in das Vermögen des Arbeitnehmers vollstreckte, hatte sich in vielen Fällen als erfolglos erwiesen14. Es verursachte insbesondere beim Fiskus erheblichen materiellen und personellen Aufwand und bereitete den Finanzbehörden unglaubliche Schwierigkeiten. Da der Arbeitgeber die größte Einkommensteuerquelle, den Arbeitslohn, auszahlte, lag nun nichts näher, als ihn zur Mithilfe bei der Besteuerung der Löhne zu verpflichten. Eine Lohnsteuer im heutigen Sinne wurde vor diesem Hintergrund 1920 eingeführt. Das am 29.3.1920 erlassene REStG15 sah in seinen §§ 45 bis 52 das durch den Arbeitgeber durchgeführte Quellenabzugsverfahren vor. Es umfasste eine Haftung des Arbeitgebers, wenn dieser das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt hatte. Nach § 45 REStG 1920 hatte der Arbeitgeber bei der Lohnzahlung 10% vom Arbeitslohn zu Lasten des Arbeitnehmers einzubehalten und für den einbehaltenen Betrag Steuermarken in die Steuerkarte des Arbeitnehmers einzukleben sowie diese schließlich zu entwerten. Dabei handelte es sich um eine Abschlagszahlung ohne die Möglichkeit ihrer Rückforderung bei einer im Einzelfall unverhältnismäßigen Höhe im Vergleich zur veranlagenden Einkommensteuer16. Bei der Einführung war die Technik der Lohnbesteuerung in Form einer Verpflichtung des Arbeitgebers zum Einbehalt und zur Abführung eines Teils des Arbeitslohns umstritten. Im Steuerausschuss der Nationalversammlung waren die Meinungen hierzu geteilt17: Durch den Quellenabzug bekomme das Reich schnell und regelmäßig Steuereinnahmen. Bereits aus wirtschaftlichen Gründen sei ein Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage, aus seinem wöchentlichen Arbeitslohn die für die Steuerzahlung erforderlichen Beträge abzuführen. Auf der anderen Seite erleichtere der Quellenabzug dem Arbeitnehmer die Steuerzahlung. Werde der Quellenabzug nicht eingeführt, sei zu befürchten, dass die Zahl der Zwangsbeitreibungen gegen die Arbeitnehmer in unermessliche Höhen steige. Die frühere Besteuerung des Arbeitslohns führte beispielsweise allein in Sachsen in der Regel zu Zwangsvollstreckungen, um die Besteuerung durchzusetzen. Bei den unteren Steuerklassen musste die Besteuerung in dieser Form in 88% der Fälle durchgesetzt werden. Dabei wurden 70% des Steuerertrags von den Kosten der zwangsweisen Eintreibung aufgezehrt18. Gerade durch die Entbehrlichkeit der Zwangsvollstreckung konnte eine große Anzahl von Beamten eingespart werden. Die Gegner brachten das Argument der zusätzlichen Belas14

Vgl. Kloubert, S. 7 Fn. 6 m.w. N. RGBl. 1920, S. 359. 16 Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A71. 17 Zusammenfassung der Begründung zum Entwurf des EStG 1925, zu § 44, vgl. den Bericht des 10. Ausschusses über den Entwurf eines REStG, Nr. 1624 der Drucksachen der Nationalversammlung, RT-Drucks. III. Wahlperiode 1924/25 Nr. 795. Zur Darstellung der Meinungsstreite s. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A72. 18 Hoffmann, ZfS n. F. XII. (1921), S. 1 (7), zit. nach Drüen, FR 2004, S. 1138. 15

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tung der Arbeitgeber durch den Lohnsteuerabzug vor. Sie verwiesen auf die Umständlichkeit der Abrechnung im Veranlagungsverfahren, die eine Einsparung von Verwaltungspersonal und -kosten verhindern könnte. Nebenbei befürchteten sie einen allgemeinen Anstieg der Arbeitslöhne, weil Arbeitnehmer ihre Lohnforderungen gegen die Arbeitgeber um die abgezogenen Steuerbeträge erhöhen würden. Zur zusätzlichen Steuerbelastung der Arbeitgeber infolge der Einführung des Lohnsteuerabzugs verwies der Reichsfinanzminister Matthias Erzberger darauf, dass sich in einem demokratischen Staatswesen jeder Einzelne daran gewöhnen müsse, mehr für die Allgemeinheit zu leisten. Nach der Meinung Erzbergers habe der Arbeitgeber zudem ebenfalls ein Eigeninteresse am Quellenabzug, weil die Steuerausfälle beim Lohnsteuerverfahren zwangsläufig zu einer Anhebung der Einkommensteuersätze führen müssten. Erstaunlicherweise ist diese ursprüngliche Fassung des Lohnsteuerabzugs niemals angewandt worden. Das Inkrafttreten der Steuerabzugsvorschriften vom 1.4.1920 wurde durch das Gesetz zur Durchführung des EStG vom 31.3.192019 und die Verordnung des Reichsfinanzministers vom 24.5.1920 auf den 25.6. 1920 verschoben. Mit Wirkung vom 1.8.1920 wurde eine Gesetzesänderung vom 21.7.1920 in den §§ 45a bis 45c EStG 1920 eingeführt, die im Unterschied zur ursprünglichen Fassung die Berücksichtigung des Existenzminimums, Pauschalfreibeträge für Ehefrauen und minderjährige Kinder sowie eine Staffelung des Abzugbetrags nach dem Arbeitslohn vorsahen20. Zur Lohnbesteuerung wurde in der Debatte zum Entwurf des EStG vom 10.8. 1925 eine Alternative in Erwägung gezogen. Diskutiert wurde eine Steuerart der sog. „Arbeitgebersteuer“, die eine eigene Steuerbelastung für die Tätigkeiten von Arbeitgebern darstellen sollte. Die Reichsregierung sprach sich jedoch für die Beibehaltung des damaligen Lohnsteuerabzugs aus, weil „gerade bei den durch die jetzigen Wirtschaftsverhältnisse bedingten Löhnen größere Steuerbeträge vielfach nachträglich nicht mehr gezahlt“ würden21. Der Vorschlag zur Arbeitgebersteuer wurde deshalb als untauglich abgelehnt. Das EStG vom 10.8.1925 regelte den Lohnsteuerquellenabzug in den §§ 69 bis 82. In § 70 Abs. 2 und 3 EStG 1925 waren Freibeträge für das persönliche und familiäre Existenzminimum der Arbeitnehmer und eine begrenzte Abgeltung von Werbungskosten und Sonderausgaben vorgesehen. Die Freibeträge konnten auf Antrag des Arbeitnehmers nach § 75 erhöht werden, wenn er die dafür erforderlichen Nachweise vorlegte. Gemäß § 70 Abs. 3 wurde bei jeder Lohnzahlung ein Betrag i. H. v. 10% des Arbeitslohns auf Rechnung des Arbeitnehmers einbehalten. In § 78 war eine Haftung des Arbeitgebers vorgesehen. 19

RGBl. I. 1920, S. 429. Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A73; Huchatz/Daenner, in: H/H/R EStG, Dok. 1 Rdn. 12. 21 RT-Drucks. III, Nr. 795. 20

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1. Kap.: Zwecke des Lohnsteuerverfahrens

Eine von der Veranlagung unabhängige Lohnsteuererstattung war erstmals in § 93 geregelt. Danach konnte der Antrag zur Erstattung vierteljährlich gestellt werden. Angesichts der erheblichen Arbeitsbelastung der Finanzbehörden bei der Lohnsteuererstattung wurde allerdings später im Gesetz zur Vereinfachung der Lohnsteuer vom 26.2.1926 das Kalenderjahrprinzip für die Lohnsteuererstattung eingeführt22. Sowohl die abgezogenen Steuerbeträge als auch die Vorauszahlungen der Einkommensteuer wurden im Veranlagungsverfahren nach § 102 Abs. 1 auf die Jahressteuerschuld des Steuerschuldners angerechnet. Die zu Unrecht eingezogenen Steuerbeträge waren allerdings gemäß § 102 Abs. 3 nur bis zur Höhe der geleisteten Vorauszahlung zu erstatten. Ein Ausgleich von Überschüssen aus Lohneinkünften mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten war ausgeschlossen23. Die damalige Lohnsteuer war deshalb nach Ansicht des Reichsfinanzhofs nicht nur als besondere Erhebungsform der Einkommensteuer zu betrachten. Sie hatte vielmehr einen „objektsteuerähnlichen“ Charakter24. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise, die auch Deutschland erfasst hatte, wurde die Vorschrift der Lohnsteuererstattung durch die Verordnung vom 5.6.1931 aufgehoben25. Die Grundstruktur des Lohnsteuerabzugs wurde auch im EStG vom 16.10. 1934 beibehalten, weil einerseits die Veranlagung der Einkommensteuer bei allen Lohneinkommen zu einer unerträglichen Mehrbelastung der Finanzbehörden geführt hätte und andererseits die Arbeitgebersteuer wegen der fehlenden Möglichkeit, die persönlichen Verhältnisse des einzelnen Arbeitnehmers einschließlich seiner familiären Verhältnisse ausreichend zu berücksichtigen, als weniger geeignet betrachtet wurde26. Im Unterschied zur bisherigen Gesetzeslage enthielt das EStG 1934 in den §§ 38 bis 42 nur noch die Rahmenvorschriften. Die konkrete Ausgestaltung des Lohnsteuerabzugsverfahrens wurde im Wesentlichen durch Verordnungen des Reichsfinanzministers geregelt. Diese Technik machte das Lohnsteuerrecht für den Arbeitgeber leichter handhabbar, weil er sich nur an einem Regelwerk zu orientieren hatte; sie verminderte aber den Einfluss des parlamentarischen Gesetzgebers27. Die nachfolgende Gesetzesänderung im Jahr 1936 brachte eine Verfeinerung des Systems in Gestalt der Lohnsteuertabelle, in der die steuerfreien Pauschalbeträge bereits eingearbeitet waren28. Danach richtete sich die Lohnsteuer ausschließlich nach den Verhältnissen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum und bezog sich nicht auf das ganze Kalenderjahr. 22 Gesetz zur Vereinfachung der Lohnsteuer vom 26.2.1926 s. RGBl. I, S. 107; Pißel/Koppe, S. 733, 737; Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A78. 23 Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A78. 24 RFH Gutachten v. 14.12.1926, VI D 2/26, RFHE 20, S. 164, 169. 25 RGBl. I, 1931, S. 279 zit. nach Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A79. 26 Begründung zum § 38 EStG 1934, RStBl. 1935, S. 53. 27 Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A80. 28 Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A81.

I. Historische Entwicklungen

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Bestand das Einkommen ganz oder teilweise aus den Einkunftsarten, von denen ein Steuerabzug vorgenommen wurde, so hatte der Steuerpflichtige es nach § 46 Abs. 2 S. 1 nicht mit seinem Jahreseinkommen zu erfassen, falls die im § 46 Abs. 1 festgelegten Grenzen nicht überschritten wurden. Die Einkommensteuer, die auf die abzugspflichtigen Einkunftsarten entfiel, galt dann für den Bezieher von Einkünften gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 mit dem abgezogenen Lohnsteuerbetrag als getilgt. Anderenfalls wurden die für das Kalenderjahr entrichteten Vorauszahlungen und die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf die im Kalenderjahr bezogenen Einkünfte entfielen, im Veranlagungsverfahren nach § 47 Abs. 1 angerechnet. Die Abschlusszahlung hatte grundsätzlich innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe des Steuerbescheids zu erfolgen (§ 47 Abs. 2 S. 2). Die Erstattung der zuviel abgezogenen Steuerbeträge blieb gemäß § 47 Abs. 3 S. 2 im Veranlagungsverfahren weiterhin ausgeschlossen. Die Steuererstattung beschränkte sich nämlich auf die Höhe der Vorauszahlung. Die nachfolgenden Gesetzesänderungen zwischen 1938 und 1944 bezogen sich nur auf technische Vereinfachungen des Abzugsverfahren, z. B. die Vielzahl der Abzugsbeträge zu reduzieren oder einheitliche Bemessungsgrundlagen für verschiedene Abzugsbeträge festzulegen29. Nach dem Zweiten Weltkrieg bemühte sich der Gesetzgeber, den Lohnsteuerabzug so umzugestalten, dass die Lohnsteuer lediglich als besondere Erhebungsform der Einkommensteuer verstanden werden konnte30. Der erste Schritt bestand in der Einführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs, der erst durch das Gesetz zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung vom 24.6.1953 im EStG selbst verankert wurde31. Dadurch wurde das seit 1931 bestehende Erstattungsverbot für die Lohnsteuer beseitigt. Die wesentlichen Vorschriften des Lohnsteuerrechts wurden weiterhin in einer vom Finanzminister erlassenen Durchführungsverordnung geregelt. Erst seit dem Erlass des EStG 197532 sind die Regeln nahezu ausschließlich im EStG festgelegt. Dabei ging der Gesetzgeber von zwei Überlegungen aus: Die fiskalische Bedeutung der Lohnsteuer einerseits und das Argument der Rechtssicherheit andererseits33. Dadurch wurde die Anzahl der Paragraphen in der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung von ursprünglich über 70 auf nur noch 9 reduziert. Im Entwurf des EStG 1975 wurde zwar auch ein Versuch der Umgestaltung des Lohnsteuerabzugs zu einer Vorauszahlung mit alljährlicher Veranlagung un29

Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A83. Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A84. 31 BGBl. I 1953, S. 413 = BStBl. I 1953, S. 192. 32 BGBl. I 1974, S. 1769 = BStBl. I 1974, S. 530. 33 Die Regelung der Besteuerung der Lohneinkünfte im Gesetzestext des Einkommensteuergesetzes ist vorzuziehen. Dadurch entfallen die durch Art. 80 GG bedingten Risiken verordnungsmäßiger Regelung. Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A86. 30

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1. Kap.: Zwecke des Lohnsteuerverfahrens

ternommen. Dieser Ansatz wurde jedoch wegen einer befürchteten erhöhten Arbeitsbelastung der Finanzbehörden abgelehnt34. Die Mehrbelastung hätte darin bestanden, dass das Modell eine lückenlose finanzamtliche Erfassung aller Arbeitnehmer – zumindest beim damaligen Stand der EDV – eine aufwändige Fortschreibung des Adressenbestandes vorausgesetzt und die Durchsetzung von Steuernachforderungen in großem Umfang erfordert hätte35. Seit 1975 hat sich das Lohnsteuerverfahren nur mit einer wesentlichen Änderung, nämlich der Abschaffung des amtlichen Lohnsteuer-Jahresausgleiches mit Wirkung ab 1991, verändert. Die Grundstrukturen der Regelungen wurden von solchen Veränderungen nicht betroffen. 2. Taiwanisches Recht Die taiwanische Quellenbesteuerung, die weit über die Lohneinkünfte hinausgehend nahezu alle zu versteuernden Einkunftsarten erfasst, geht auf die historische Entwicklung des Einkommensteuerrechts auf dem chinesischen Festland zurück36. Der erste Versuch einer Besteuerung von Einkommen wurde 1914 unternommen. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie drohte China sowohl von außen bedrängt, als auch innerlich gespalten, völlig auseinander zu brechen37. Trotz dieser schwierigen Situation hat die Republik China am 1.3.1914 unter der Bezeichnung „Suodeshui“ (deutsch: Besteuerung von Einkünften) eine Übergangsregelung zur Besteuerung von Einkünften erlassen38. Diese Übergangsregelung enthielt insgesamt 27 Paragraphen. Innerhalb dieser einheitlichen Kodifikation waren aber die Besteuerung des Einkommens der Individualpersonen und die der Erträge der Unternehmen getrennt. Die zu versteuernden Einkunftsarten bei der Einkommensteuer der natürlichen Personen waren in zwei Kategorien geregelt: die Zinseinkünfte und die sonstigen Einkünfte. Als sonstige Einkünfte galten insbesondere die Bezüge von Abgeordneten, Beamtenbesoldungen und Arbeitslöhne (§ 4 Abs. 4). Dem Quellenabzug unterlagen nur Zinseinkünfte, die von Kommunen und privatrechtlichen Unternehmen aufgrund 34

Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A87. Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A87. 36 Zum besseren Verständnis wird an dieser Stelle eine kurze historische Einordnung vorgenommen: Ausgangspunkt ist die letzte chinesische Dynastie der Qing (1644–1911). Nach deren Zusammenbruch wurde 1912 die Republik China gegründet, die sich heute formal auf Taiwan erstreckt. Taiwan war – gemeinsam mit einigen anderen Inseln – zwischen 1895 und 1945 japanische Kolonie. Nach dem Zweiten Weltkrieg brach ein Bürgerkrieg zwischen den Kommunisten unter Mao Zedong und den Nationalisten unter Chiang Kai-Shek aus, der 1949 mit Chiangs Rückzug nach Taiwan endet. Seitdem ist China faktisch in die Volksrepublik auf dem Festland und die Republik China auf Taiwan geteilt. s. ausf. Schmidt-Glintzer, S. 43 f., 71 f. 37 Spence, S. 339 f. 38 Vgl. Zhongguo, Einkommensteuer, S. 1; Jihon Luo, Quellenabzug, S. 47; Lin, Quellenabzugssystem, S. 19. 35

I. Historische Entwicklungen

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von Darlehensverträgen entrichtet wurden (§ 23 Abs. 2). Die Steuererhebung bei sonstigen Einkünften fand einmal im Jahr nach Bekanntgabe eines Steuerbescheids statt (§ 24 Abs. 2). Der Steuerpflichtige hatte bereits im Juli die Vorauszahlung auf die Einkommensteuer zu entrichten (§ 24 Abs. 1). Grundlage war eine Steuererklärung, die im Februar abzugeben war, in der eine Schätzung der eigenen Einkünfte während des Veranlagungszeitraums vorzunehmen war (§ 7). Das damalige Einkommensteuerecht wurde in der Lehre als analytisches System eingestuft39, weil diese Regelung einzelne Einkunftsarten separierte, an sie differenzierende Rechtsfolgen knüpfte und keine Verrechnung positiver und negativer Einkünfte aus verschiedenen Einkunftsarten zuließ. Diese ursprüngliche Fassung der Einkommensteuer von 1914 wurde allerdings niemals auf dem chinesischen Festland geltendes Recht. Ungeachtet des Rechtsstaatsprinzips, nach dem Rechtsverordnungen dem Gesetz nicht widersprechen dürfen (sog. Vorrang des Gesetzes), hatte die Zentralregierung im August 1915 eine Einkommensteuer-Durchführungsverordnung mit Wirkung ab 1.1.1916 erlassen, in der die materiellen Regelungen aufgrund der damals geltenden Gesetzlage geändert wurden. Die zu versteuernden Einkünfte waren fortan nur noch die Bezüge von Abgeordneten, Beamtenbesoldungen, Honorare von Freiberuflern (wie Rechtsanwälten, Architekten, Ärzten und Apothekern) und Arbeitslöhne der Manager von Gewerbebetrieben (§ 3). Dem Quellenabzug unterlagen nun die Bezüge von Abgeordneten und die Besoldung von Beamten. Die auszahlenden Behörden bzw. die öffentlich-rechtlichen Kassen mussten bei der Auszahlung die vom Einkünfteerzieler zu entrichtende Einkommensteuer einbehalten, anmelden und abführen (§ 7 S. 1). Die Einkommensteuer von Freiberuflern und Geschäftsführern wurde dagegen im Veranlagungsverfahren mit einer Vorauszahlung erhoben (§§ 7 S. 3, 10). Für diese Gesetzesänderung wurde ein pragmatischer Grund angegeben, denn solche Einkunftsarten ließen sich problemlos erfassen40. Die Einführung dieser Einkommensbesteuerung scheiterte schließlich 1916 am Ausbruch von inneren Unruhen. Die Zentralregierung ignorierte das Gesetzmäßigkeitsprinzip der Besteuerung, nach dem eine Einführung einer Besteuerung einer gesetzlichen Grundlage bedarf, und erließ am 15.9.1920 ohne Mitwirkung des Parlaments mit Wirkung ab 1.1.1921 eine neue Steuerverordnung. Nach dieser Verordnung erstreckte sich die Einkommensbesteuerung aus pragmatischen Erwägungen nur auf die Bezüge der Abgeordneten und die Beamtenbesoldungen, denn eine umfassendere Besteuerung wie bei der Übergangsregelung von 1914 war zur damaligen Zeit auf dem chinesischen Festland nicht durchsetzbar. Die instabile politische Lage vereitelte eine erfolgreiche Besteuerung, da nicht einmal die Beamten der Zentralregierung ihre Gehälter regelmäßig bekamen. Ein Quellenabzug bei der Be39 40

Vgl. Lin, Quellenabzugssystem, S. 19. Vgl. Zhongguo, Einkommensteuer, S. 3.

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1. Kap.: Zwecke des Lohnsteuerverfahrens

amtenbesoldung, der eine regelmäßige Auszahlung dieses Solds vorausgesetzt hätte, lief deshalb leer. Nach einer innenpolitischen Stabilisierung wurde 1927 erneut versucht, eine Einkommensbesteuerung einzuführen. Die Zentralregierung erließ erneut die Übergangsregelung von 1914 und die Durchführungsverordnung von 1915 mit einigen Veränderungen, nach denen das persönliche und familiäre Existenzminimum der Steuerpflichtigen berücksichtigt werden sollte. Diesen Versuch gab die Zentralregierung 1929 letztlich auf, und zwar aufgrund eines von amerikanischen Expertendelegationen vorgelegten Gutachtens41: Die Steuerexperten gingen davon aus, dass diese steuerrechtlichen Regeln gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung verstießen, weil ihr Erlass nicht durch das Parlament erfolgte. Außerdem war eine effektive Besteuerung aufgrund der unsicheren politischen Situation, die eine regelmäßige Auszahlung von Gehältern in Frage stellte, und der nicht oder nur unzureichend vorhandenen institutionellen Voraussetzungen weiterhin rein faktisch unmöglich. Eine weitere der erforderlichen Voraussetzungen, die in der damaligen Zeit auf dem chinesischen Festland fehlten, war ein ausreichend ausgebildetes Personal, um alle zu versteuernden Einkunftsarten zu erfassen. 1936 wurde ein erneuter Versuch zur Besteuerung von Einkommen vorgenommen, diesmal unter stärkerer Berücksichtigung der Verfassung in der Form, dass die formale Gesetzmäßigkeit der Besteuerung beachtet wurde. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die verfassungsmäßig gebotene Gewaltenteilung in der Praxis ausgehöhlt wurde, da das Parlament der Alleinherrschaft der regierenden Partei der Guomintang (deutsch: Nationalisten) unterlag. Ein Gremium der Zentralregierung gab am 24.6.1936 ein Protokoll bekannt und legte dem Parlament einen diesem Protokoll entsprechenden Entwurf des Einkommensteuergesetzes vor. Innerhalb der ungewöhnlich kurzen Frist von einem Monat stimmte das Parlament diesem Entwurf zu und erließ am 21.7.1936 mit Wirkung ab 1.1.1937 ein Einkommensteuergesetz. Dem Titel des Gesetzes nach war dieses formell immer noch eine Übergangsregelung, de facto handelte es sich aber zum ersten Mal um eine wirklich praktizierte Einkommensbesteuerung, die mit jenen westlicher Industrienationen vergleichbar ist. Die zu versteuernden Einkunftsarten der persönlichen Einkommensteuer wurden danach zunächst in zwei Kategorien eingeteilt: zur ersten zählten die Lohn- und sonstigen Einkünfte, die der Steuerpflichtige durch seine Erwerbstätigkeiten, wie z. B. freiberufliche Tätigkeiten, erzielte. Zur zweiten zählten Einkünfte aus Zinsen und Dividenden. Bei den zu versteuernden Einkunftsarten galten grundsätzlich jeweils unterschiedliche Steuersätze (§§ 5, 6), unterschiedliche Bemessungsgrundlagen (§ 7) und entsprechende Erhebungsmethoden (§§ 10, 11). Nach wie vor gab es erheb41 Zu dem Gutachten der amerikanischen Expertendelegationen hierzu s. Zhongguo, Einkommensteuer, S. 5 f.

I. Historische Entwicklungen

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liche rechtsstaatliche Probleme, da dieses Gesetz unvollständig war und dem Rechtsanwender nichts anderes übrig blieb, als die Lücken mit Vorschriften aus der am 22.8.1936 erlassenden Durchführungsverordnung (im Weiteren: DV) auszufüllen. Diese widersprachen aber zum Teil den gesetzlichen Regelungen. Für die Zinseinkünfte und Dividenden galt ein starrer Prozentsatz, ein Teilmengenstaffeltarif hingegen für Lohneinkünfte und andere Einkünfte. Für andere Einkünfte, wie z. B. aus freiberuflicher Tätigkeit, galt grundsätzlich eine nach dem Kalenderjahr stattfindende Veranlagung, in der der Steuerschuldner selbst die geschuldete Einkommensteuer anzumelden und zu entrichten hatte (§§ 10, 27 Abs. 3 S. 2 DV). Dagegen unterlagen dem Quellenabzug sowohl die Zinserträge und Dividenden als auch die Lohneinkünfte. Abzugspflichtiger waren bei Zinserträgen und Dividenden die auszuzahlenden Kreditinstitute (§§ 11, 27 Abs. 4 DV) und bei Lohneinkünften die Leitung der Verwaltungsbehörden oder der Arbeitgeber, wenn die Lohneinkünfte des Steuerschuldners von einem privaten Unternehmen ausgezahlt wurden (§§ 10, 27 Abs. 3 S. 1 DV). Bei den Verwaltungsbehörden war die Leitung wie ein Arbeitgeber verpflichtet, den Quellenabzug durchzusetzen. Wurde der Steuerabzug ordnungsgemäß durchgeführt, so wurde dem Abzugspflichtigen eine Prämie i. H. v. bis zu den 0,5% der Abzugsbeträge zugebilligt (§ 30 DV). Da das Einkommensteuergesetz 1937 nicht alle besteuerbaren Arten von Einkünften zu einer Summe der Einkünfte zusammenfasste und an sie auf diese Weise die gleichen Rechtfolgen knüpfte, konnten solche Regeln als eine analytische Form der Einkommensbesteuerung verstanden werden, bei der alle Besteuerungen allein gesetzesformal unter einem gemeinsamen Steuergesetz geregelt wurden. Für den Quellenabzugs bei Zins- und Lohneinkünften im vorgelegten Entwurf wurde eine pragmatische Begründung angeführt: der Steuerquellenabzug stelle eine vereinfachte und pragmatische Erhebungsmethode dar, die der damaligen Lage angepasst sei42. Kurz nach der Einführung des Einkommensteuergesetzes am 1.1.1937 wurde China militärisch von Japan angegriffen. Zur Deckung der Ausgaben für Militärzwecke erließ die damalige Regierung am 17.2.1943 ein neues Einkommensteuergesetz43, dessen Vorschriften jedoch im Wesentlichen dem Einkommensteuergesetz von 1937 entsprachen. Durch die Erhöhung der Steuersätze zielte dieses hauptsächlich auf ein vermehrtes Steueraufkommen ab. In derselben Absicht wurde am 28.1.1943 eine neue Sonderregelung zur Besteuerung der Mieten und der Veräußerungsgewinne erlassen, die aus pragmatischen Gründen ebenfalls durch den Quellenabzug umgesetzt wurde44. Demnach waren Mieter bei einem Mietvertrag und Käufer bei einem Kaufvertrag zum Abzug verpflichtet. 42 43 44

Vgl. Zhongguo, Einkommensteuer, S. 6 f. Vgl. Zhongguo, Einkommensteuer, S. 13. Vgl. Zhongguo, Einkommensteuer, S. 15 f.

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1. Kap.: Zwecke des Lohnsteuerverfahrens

Erst seit Ende des Zweiten Weltkriegs sind die oben dargestellten chinesischen Gesetze theoretisch in Taiwan wirksam, weil Taiwan zwischen 1895 und 1945 japanische Kolonie war45. Zur Beseitigung der Unordnung in der steuergesetzlichen Rechtslage wurde am 16.4.1946 ein neues Einkommensteuergesetz erlassen. Das Einkommensteuergesetz vom 1946 erfasste die ursprünglich durch eine Sonderregelung vorgesehene Besteuerung von Mieten. Die nunmehr vier Einkunftsarten wurden zentral im Einkommensteuergesetz geregelt (§ 2 Abs. 2 bis 5)46. Steuerpflichtig waren der Lohn und Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Zinserträge und Dividenden, Mieteinnahmen sowie einmalig erzielte andere Einkünfte. Das Einkommensteuergesetz von 1946 war eine analytische Erhebung der Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 S. 1). Für die jeweilig zu versteuernden Einkunftsarten galten unterschiedliche Erhebungsmethoden. Damit unterschied sich das EStG 1946 wie das EStG 1943 kaum von der Übergangsregelung von 1936. Einkünfte aus selbständiger Arbeit unterlagen der Veranlagung ohne Vorauszahlungspflicht (§ 21). Dagegen unterlagen Lohn- und Zinseinkünfte, Dividenden sowie Mieteinkünfte dem Quellenabzug, wobei der Abzugspflichtige die geschuldete Einkommensteuer des Steuerschuldners nach bestimmten Prozentsätzen bei der Auszahlung einzubehalten und kalendermonatlich beim zuständigen Finanzamt anzumelden und an dieses abzuführen hatte (§ 22). Neben den oben genannten vier Einkunftsarten wurde eine zusätzliche Steuerart namens „zhonghe suodeshui“ (deutsch: synthetische Einkommensteuer) eingeführt, die gesetzlich als Einkunftsart bezeichnet wurde. Als Vorstufe zur voll synthetischen Einkommensteuer galt diese dann, wenn die Jahreseinkünfte des Steuerpflichtigen einen bestimmten Grenzbetrag überstiegen (§ 3). Die Bemessungsgrundlage solcher Steuerart bemaß sich anhand der objektiven Nettobeträge, die der Steuerpflichtige während des Kalenderjahres erwirtschaftet hatte. Dabei wurde das persönliche und familiäre Existenzminimum des Steuerpflichtigen im Rahmen der Norm (§ 19), die die abzugsfähigen Ausgaben enumerativ vorsah, berücksichtigt. Für den Nettogesamtbetrag galt ein einheitlicher, progressiver Teilmengenstaffeltarif (§ 12). Die Erhebung der Steuerschuld bezüglich sämtlicher Einkünfte erfolgte nach einem Veranlagungsverfahren. Dadurch entstand neben den vier analytischen Einkunftsarten eine synthetische Einkommensteuer. Diese Parallelexistenz eines analytischen und synthetischen Einkommensteuersystems unter einem einheitlichen Steuergesetz wird im Nachhinein in der taiwanischen Lehre als Übergangsregelung zu einem echten synthetischen Einkommensteuersystem, das dann 1956 erlassen wurde, gesehen47. Der Gesetzge45 Im Gefolge des Friedensabkommens von San Fransisco von 1952 verzichtete Japan in einem Friedensabkommen mit Taiwan von 1952 endgültig auf alle Gebietsansprüche gegen Taiwan, nachdem die Japaner Taiwan bereits 1945 verlassen hatten. 46 In § 2 des Einkommensteuergesetzes von 1946 wurden zwar insgesamt fünf Kategorien festgelegt, die erste bezog sich jedoch auf die Unternehmensteuer, die an dieser Stelle nicht untersucht wird. 47 Vgl. Lin, Quellenabzugssystem, S. 20; Jihon Luo, Quellenabzug, S. 49.

I. Historische Entwicklungen

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ber ging davon aus, dass einerseits eine vollständig synthetische Einkommensteuer die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, nämlich die Besteuerung nach dem Prinzip der individuellen Leistungsfähigkeit, besser berücksichtigen könnte als die bisher vorgenommene analytische Einkommensbesteuerung48, andererseits lagen die Voraussetzungen zum Vollzug eines vollständig synthetischen Steuergesetzes zur damaligen Zeit noch nicht vor. Diesem Vollzug stand entgegen, dass die meisten Staatsbürger unterernährte Analphabeten waren, bei denen die Summe ihrer Einkünfte unterhalb der sozialen Freibeträge lag49. 1948 wurde ein neues Einkommensteuergesetz verabschiedet, das mit seinen insgesamt 163 Paragraphen, beinahe den vierfachen Umfang des twEStG von 1946 hatte. Im Kern wurden allerdings viele Vorschriften des bisherigen twEStG und der Durchführungsverordnung von 1946 übernommen. § 1 Abs. 1 twEStG 1948 sah nach wie vor ausdrücklich die analytische Einkommensteuer vor. Unabhängig von den vier enumerativ aufgezählten Einkunftsarten, also Lohn und Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Zinserträge, Mieteinnahmen und einmalig erzielte sonstige Einkünfte (§ 1 Abs. 2 bis 5), wurde die „zhonghe shudeshui“ (synthetische Einkommensteuer) als weitere Steuerart berücksichtigt. Sie betraf alle steuerpflichtigen Einkünfte des Steuerpflichtigen, die dieser im Lauf eines Kalenderjahres erwirtschaftet hatte, (§§ 2, 135) und im Wege des Veranlagungsverfahrens erhoben wurden (§ 138). Dabei wurden die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen im Rahmen der Vorschrift (§ 137) berücksichtigt. Gegenüber den Einkünften aus selbständiger Arbeit, die durch eine alljährliche Veranlagung mit vierteljährlicher Vorauszahlung erhoben wurden (§§ 91, 95), unterlagen Lohneinkünfte dem Abzugsverfahren zum Zeitpunkt der Auszahlung. Abzugspflichtiger war gemäß § 101 Abs. 2 die Zahlstelle einer Behörde bzw. eines öffentlich-rechtlichen Unternehmens bzw. Geschäftsleiter eines privaten Unternehmens. Neben den Lohneinkünften waren auch Zinseinkünfte (§ 117 Abs. 1), Mieteinkünfte (§ 124 Abs. 1) und einmalig erzielte sonstige Einkünfte (§ 130 Abs. 1) abzugspflichtig. Dadurch entstand eine umfassende Quellenbesteuerung. 1949 endete der Bürgerkrieg zwischen der damalig regierenden Partei Guomintang und der kommunistischen Partei, und auf dem chinesischen Festland wurde die Volksrepublik China ausgerufen. Unter der Alleinherrschaft der kommunistischen Partei Chinas wurden alle Gesetze einschließlich des oben genannten Einkommensteuergesetzes auf dem chinesischen Festland außer Kraft gesetzt, während sie in Taiwan, das sich nach wie vor Republik China nannte, weiterhin galten. Eine strukturelle Umwandlung der ungewöhlichen Parallelexistenz von analytischer und synthetischer Einkommensbesteuerung zu einem 48 49

Vgl. Zhongguo, Einkommensteuer, S. 18. Vgl. Zhongguo, Einkommensteuer, S. 21.

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1. Kap.: Zwecke des Lohnsteuerverfahrens

vollständig synthetischen Einkommensteuersystem begann durch die Einführung des Einkommensteuergesetzes am 23.12.1955 mit Wirkung zum 1.1.1956, das auch das Grundgerüst des gegenwärtigen taiwanischen Einkommensteuerrechts bildet. Die Ungleichbehandlung zwischen Steuerpflichtigen, deren Steuern sofort bei Lohnauszahlung fällig waren, und Selbständigen, deren Einkommensteuern grundsätzlich durch die Veranlagung nach dem Kalenderjahr erhoben wurden, wurde beanstandet50. Um einerseits diese Ungleichheit zu beseitigen und andererseits Steuerausfälle zu vermeiden, wurde eine zeitnahe und unverzügliche Erhebung bei allen Steuerpflichtigen als vorzugswürdig betrachtet. Aufgrund des Verwaltungsaufwands einer vierteljährlichen Vorauszahlung wurde eine halbjährliche Vorauszahlung der Einkommensteuer bei allen Steuerpflichtigen eingeführt51. §§ 64 bis 67 sahen eine halbjährliche Einkommensteuer-Vorauszahlung vor, einmal am 10. Juli des laufenden Kalenderjahres und dann am 10. Januar des nachfolgenden Kalenderjahres. Bezieher von Lohneinkünften, Zinserträgen, Mieteinnahmen, Dividenden, Gewinnen und sonstigen Einkünften unterlagen nach wie vor dem Quellenabzug, bei dem je nach Einkunftsart unterschiedliche Abzugssteuersätze galten (§ 85 Abs. 1). Zum Abzug der Steuer aus Lohneinkünften waren Buchhalter einer Behörde oder eines öffentlich-rechtlichen Unternehmens und Geschäftsleiter eines privaten Unternehmens und Arbeitgeber verpflichtet (§ 86 Abs. 2). Buchhalter, denen jede Befugnis zur Vornahme ihrer Leistungen fehlte, wurden zu Unrecht steuerrechtlich zum Abzug verpflichtet. Es herrschte nämlich die irrige Annahme vor, dass Buchhalter und Geschäftsleiter anstelle der Arbeitgeber selbst zur Vornahme des Abzugs verpflichtet seien52. Eine synthetische Einkommensteuer war ausdrücklich im Gesetz verankert (§ 1). Alle zu versteuernden Einkünfte eines Steuerpflichtigen wurden addiert und als ein einheitlicher Posten behandelt (§ 14 Abs. 1. S. 1). Auf die so zu berechnende Höhe der steuerpflichtigen Einkünfte wurde ein progressiver Teilmengenstaffeltarif angewandt, der jährlich durch ein Gesetz über den Einkommensteuertarif geregelt wurde (§ 11). Die Steuern wurden schließlich auf dem Wege des Veranlagungsverfahrens erhoben (§§ 68 bis 70). Zu den zu versteuernden Einkünften gehörten gewerbliche Einkünfte einschließlich der Gewinne und ausgeschütteten Dividenden, Einkünfte aus freiberuflicher Arbeit, Lohneinkünfte, Zinserträge, Mieteinnahmen, Land-

50

Vgl. Zhongguo, Einkommensteuer, S. 42 f. Zu den Vorteilen der Vorauszahlung in der Diskussion während des Gesetzgebungsverfahrens s. die Veröffentlichung des Legislativ-Yuans (deutsch: Parlament), Vol. 60 Nr. 100, S. 72. Die chinesisch-sprachige Auffassung lässt sich nachlesen unter: http://lis.ly.gov.tw/ttscgi/lgimg?@60481000001;0038;0075 (Stand: 1.9.2005). Eine kurze Zusammenfassung chinesisch-sprachiger Auffassung enthält auch Zhongguo, Einkommensteuer, S. 42, 44. 52 Zur Kritik an dieser Vorgehensweise, s. ausf. Gee u. a., TTLR 2003, S. 194 ff.; Kechung Ko, TTLR 2004, S. 124 ff. m.w. N. 51

II. Mit dem Lohnsteuerverfahren beabsichtigte Zwecke

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und Forstwirtschaft, Fischerei, Viehzucht und Bergbau sowie schließlich – getrennt hiervon – anderweitige Einkünfte (§ 14 Abs. 1 bis 7). Wohl weil sich der Quellenabzug als praktikabler erwiesen hatte, versuchte der taiwanische Gesetzgeber nach der Gesetzesänderung im Jahr 1956, den Anwendungsbereich der Einkommensteuer-Vorauszahlung einzuschränken. Stattdessen entstand nach und nach eine viel weitergehende Quellenbesteuerung. Das am 29.1.1963 erlassene Einkommensteuergesetz sah nur noch eine alljährliche Vorauszahlung vor, der nur Freiberufler, Einzelunternehmer und Partner einer Partnerschaft unterworfen waren (§ 67). 1977 ist die Vorauszahlungspflicht des Einzelunternehmers und Partners einer Partnerschaft abgeschafft worden. 1989 ist schließlich auch die Vorauszahlungspflicht für Freiberufler weggefallen, während die Bezieher von Honoraren zuvor bereits 1971 dem Quellenabzug unterlagen, soweit die Honorare von bestimmten Steuerpflichtigen entrichtet wurden53. Die Quellenbesteuerung gewann demgegenüber eine immer höhere Bedeutung. Zunächst wurde sie 1963 auf Lizenzgebühren, 1971 auf Provisionen, Preise aus Wettbewerben und Lotterien sowie Einkünfte der Freiberufler und 1999 schließlich auf Renten und Pensionen, soweit sie von Behörden, Organisationen, Gewerbebetriebe bzw. Freiberufler ausgezahlt wurden, angewandt. Die von einer individuellen Privatperson geleisteten Auszahlungen unterlagen hingegen nach wie vor nicht dem Quellenabzugsverfahren. Anstelle der Buchhalter wurden Schatzmeister der Behörden und der Organisationen, die die Kasse bei diesen Institutionen verwalten, durch die Änderung des Einkommensteuergesetzes am 25.6.2003 zum Abzug verpflichtet. Geschäftsleiter von Gewerbebetrieben und Freiberufler als Abzugsverpflichtete blieben davon unberührt.

II. Mit dem Lohnsteuerverfahren beabsichtigte Zwecke 1. Literaturauffassungen In der deutschen Lehre besteht keine Einigkeit darüber, was der Gesetzgeber mit dem Lohnsteuerquellenabzug bezweckt. So begründet Riepen die Einführung des Lohnsteuerabzugs im Jahr 1920 damit, dass dieser eine sichere Erfassung der Lohneinkünfte sowie eine einfache und kostengünstige Erhebung ermöglicht54. Die Steuer fließe schließlich früher und gleichmäßig über das ganze Jahr verteilt. Dabei scheint die Verfolgung einer sicheren Erfassung vom Steuer-

53 Vortrag zum twEStG 1989. s. ausf. Veröffentlichung des Legislativ-Yuans (Parlament), Vol. 78 Nr. 104, S. 99. Auf der Webseite ist die chinesisch-sprachige Auffassung nachlesbar. http://lis.ly.gov.tw/ttscgi/lgimg?@7810400;0084;0138 (Stand: 1.9. 2005). 54 Riepen, S. 6 f.

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1. Kap.: Zwecke des Lohnsteuerverfahrens

aufkommen eine vorrangige Rolle zu spielen. Mit Verweis auf ihn sind Schick55 und Gast-de Haan56 ähnlicher Meinung. Lang vertritt eine andere Auffassung. Er ist der Ansicht, dass der Gesetzgeber mit dem Lohnsteuerverfahren in erster Linie das Ziel verfolge, die Steuern für die Verwaltung einfach und kostengünstig zu erheben und dass zudem quasi als „Nebenwirkung“ beabsichtigt sei, Steuerausfälle weitgehend zu vermeiden57. Ähnlicher Meinung sind Birkenfeld58 und Mösbauer59, nämlich dass das gesetzliche Heranziehen des Arbeitgebers darauf gerichtet sei, den schnellen Eingang der Lohnsteuer durch Abzug an der Quelle in einem vereinfachten Verfahren sicherzustellen. Bei diesem Ansatz entsteht der Eindruck, dass die Funktion der Vereinfachung durch den Quellenabzug besonders betont wird. Während Ruppe60 und Goez61 allein auf die Vereinfachung des Lohnsteuerabzugs hinweisen, hebt Trzaskalik die Sicherungsfunktion des Lohnsteuerabzugs hervor62. Ein anderes Argument für die Einführung des Quellenabzugs besteht in der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Einkommensbesteuerung. Die gegenwärtige Rechtsprechung des deutschen Bundesarbeitsgerichts (BAG) geht im Wesentlichen davon aus, dass die kraft öffentlich-rechtlichen Steuergesetzes entstehenden Pflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren aus den arbeitsrechtlichen Pflichten, insbesondere der Fürsorgepflicht, abgeleitet werden können. Dabei werden in der Theorie eine Schutzbedürftigkeit und damit ein daraus entsprechender Anspruch des Arbeitnehmers beim Lohnsteuerverfahren und in diesem Kontext eine besondere Fürsorgepflicht des Arbeitgebers vorausgesetzt. In diese Richtung geht auch die Auffassung, die z. B. von Kruse und Seer vertreten wird, nach der der Arbeitnehmer von der Einführung des Lohnsteuerquellenabzugs profitiert habe63. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Lohnsteuerabzug zum Zeitpunkt der maximalen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers vorgenommen werde und darum die Steuerlast nicht als so drückend empfunden werde, wie bei direkter Zahlung an nur wenigen Terminen im Jahr. Diese Überlegung findet auch Zustimmungen in der taiwanischen Lehre64. In eine andere Richtung geht die Auffassung von G. Kirchhof, nach der der Quellenabzug als ein staatliches Instrument das Ziel verfolge, die Privatsphäre des 55

Schick, BB 1983, S. 1044. Gast-de Haan, DStJG 9, S. 152. 57 Lang, StuW 1975, S. 116. 58 Birkenfeld, DStJG 9, S. 254. 59 Mösbauer, S. 169; ders., FR 1995 Grenzen, S. 729. 60 Ruppe, in: H/H/R Einf. EStG Rdn. 60. 61 Goez, S. 24. 62 Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A2. 63 Vgl. Kruse, DStJG 9, S. 6; Seer, FR 2004, S. 1038. 64 Liou, SS 1989, S. 6; Zheng, PS 1992, S. 72; Lai, BH 1995, S. 20; Song, RT 2002, S. 159. 56

II. Mit dem Lohnsteuerverfahren beabsichtigte Zwecke

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Steuerschuldners zu schützen65. Neben dem Schutz der Privatsphäre sei die Sicherstellung des Steueraufkommens eine zusätzliche Legitimation für das Instrument des Lohnsteuerabzugs. Das Ziel der Entlastung der Verwaltung und die daraus folgende Kostenersparnis seien danach nicht maßgeblich. Neben den genannten Argumenten wird hinsichtlich der Quellenbesteuerung in der taiwanischen Literatur besonders auf den regulierenden Charakter hingewiesen66. Dabei handele es sich um eine möglichst zeitnahe Erhebung der Steuern, um Wertminderungen aufgrund einer etwaigen Inflation zu verhindern und damit die inländische Ökonomie zu stabilisieren. 2. Eigene Auffassung a) Sicherungszweck Dem Quellensteuerabzug gemeinsam ist der historische Hintergrund in beiden Ländern. Die Besteuerung von Löhnen wurde in Form eines Quellenabzugs in einer prekären finanziellen Situation eingeführt. Beide Gesetzgeber waren aufgrund der jeweiligen Finanzlage gezwungen, mit Hilfe einer effizienten Erhebungstechnik ein im Ergebnis möglichst hohes Steueraufkommen zu sichern. Diese Absicht wird nachfolgend als Sicherungszweck bezeichnet. Der Sicherungszweck wurde insbesondere bei der Einführung des Lohnsteuerquellenabzugs von 1920 wie folgt zum Ausdruck gebracht: das Reich sollte durch das Abzugsverfahren „regelmäßig“ Geld bekommen. Der angestrebte Sicherungszweck des Gesetzgebers lässt sich auch an der Haftungsregelung ablesen, nach der der Arbeitgeber für den Fehlbetrag der Lohnsteuer in Anspruch genommen werden konnte. In der taiwanischen Gesetzgebung finden sich ähnliche Gedanken zum Sicherungszweck, die mehrfach von der Rechtsprechung festgestellt worden sind67. Von Anfang an stellte die Quellenbesteuerung mit mehreren zu versteuernden Posten für ein Entwicklungsland wie die Republik China vor 1949, in dem noch kein System zur effizienten Erfassung aller zu versteuernden Einkünfte entwickelt war, eine effiziente, wahrscheinlich aus pragmatischen Erwägungen die einzige Möglichkeit dar, eine moderne Einkommensbesteuerung unter Berücksichtigung des Gesetzesvorbehalts tatsächlich durchzuführen. Der Wechsel 65

G. Kirchhof, S. 13, 72 ff. Liou, SS 1989, S. 6; dieselbe Meinung vertritt auch die taiwanische Regierung im Vortrag zur Einführung des EStG von 1956, s. ausf. Zhongguo, Einkommensteuer, S. 42 f. 67 VerwG. Urteil v. 8.10.1994, Nr. 327; v. 4.7.2002, 91 Nr. 1121; v. 14.8.2003, 92 Nr. 1033; Taipeh VerwG. Urteil v. 22.2.2001, 89 Nr. 607; Taichung VerwG. Urteil v. 24.11.2004, 93 Nr. 126. 66

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1. Kap.: Zwecke des Lohnsteuerverfahrens

der Souveränität über Taiwan nach dem Zweiten Weltkrieg führte zu jahrelangen Unruhen in der taiwanischen Gesellschaft. Da bis dahin die erforderlichen Verwaltungsstrukturen für eine Gewährleistung einer gleichmäßigen Besteuerung nicht existierten, existierte die Quellenbesteuerung zur Etablierung des neuen politischen Systems in Taiwan. Als die strukturelle Umwandlung des taiwanischen Einkommensteuergesetzes von einem analytischen zu einem synthetischen 1956 begann, blieb die Methode der in Erhebung in Form des Quellenabzugs davon unberührt, weil sie für den taiwanischen Gesetzgeber als pragmatisch galt, das Steueraufkommen effizient zu sichern. Nach der Gesetzesänderung von 1963 zeigte sich die Tendenz, die Vorauszahlung der Einkommensteuer sukzessive durch den Quellenabzug zu ersetzen. Dabei hat sich neben dem Zweck, das regelmäßige Steueraufkommen zu sichern, noch ein weiterer herauskristallisiert: Die Entlastung der Verwaltung. b) Vereinfachungszweck Beim Vereinfachungszweck handelt es sich um die Absicht des Gesetzgebers, einerseits das Steueraufkommen frühzeitig dem Fiskus zufließen zu lassen und andererseits die Lohnsteuer kostengünstig erheben zu können68. Dadurch soll die Finanzverwaltung entlastet werden. Der Quellenabzug ist also aus rein fiskalischen Gesichtspunkten viel einfacher zu handhaben als andere Methoden der Erhebung, insbesondere als die selbst vorgenommene Entrichtung durch die Steuerschuldner im Veranlagungs- und Vorauszahlungsverfahren. Die Kostengünstigkeit für die Finanzverwaltung besteht zunächst darin, dass durch das Heranziehen eines Dritten mit dessen Personal auf dessen Kosten die öffentlich-rechtliche Aufgabe zur Erhebung der Lohnsteuer durchgeführt wird, die sonst von Amtsträgern des Finanzamts zu verwirklichen wäre, wodurch Verwaltungskosten entstünden. Die Kosten reduzieren sich durch eine Rationalisierung, die daher kommt, dass die Außenprüfung des Quellenabzugs statt bei einer Vielzahl von Steuerschuldnern, nun nur noch bei relativ wenigen Steuerabzugspflichtigen erfolgt. Der Kontrollaufwand der Finanzbehörden beschränkt sich nun nur noch auf die zentrale Buchhaltung69. Es wird angenommen, dass personalintensive Verwaltungsaufgaben entfallen, so sind damit z. B. Zwangsvollstreckungsverfahren seltener erforderlich. Verwaltungskosten werden auch dadurch verringert, dass aufgrund der sofortigen Einbehaltung von Steuern die latente Gefahr von Steuerwiderstand70 und phantasievoller Steuervermeidung71 beseitigt wird.

68

Hoffmann, ZfS n. F. XII. (1921), S. 1, 7, zit. nach Drüen, FR 2004, S. 1138. Ein solcher Effekt lässt sich im Übrigen auch bei der Umsatzbesteuerung beobachten. s. ausf. Reiß, in: T/L StR, § 14 Rdn. 1. 69

II. Mit dem Lohnsteuerverfahren beabsichtigte Zwecke

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Als 1920 im Steuerausschuss der Nationalversammlung diskutiert wurde, ob ein Lohnsteuerabzug einzuführen sei, wurde die Absicht des Gesetzgebers, nämlich die Finanzverwaltung zu entlasten, deutlich. Anlässlich dieser Sitzung führte der Reichsfinanzminister Erzberger aus, das Ziel liege darin, dem Reich möglichst schnell finanzielle Mittel zuzufügen, ohne einen unverhältnismäßigen Aufwand betreiben zu müssen, der große Teile des Steueraufkommens aufzehre. Die Entwicklung des Lohnsteuerabzugs in Deutschland seit der Einführung im Jahr 1920 zeigt, dass es nur die Gesetzesinitiative zur Entlastung der Finanzverwaltung gab. Es gab keine Veränderung, durch die die Arbeit des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug weitgehend erleichtert werden sollte. Ganz im Gegenteil wurde das Abzugsverfahren immer detaillierter und komplizierter ausgestaltet72. Bislang ist in Deutschland weder eine Gesetzesinitiative zur Abschaffung des Abzugsverfahrens noch eine solche, die auf eine Kompensation für die Indienstnahme des Arbeitgebers gerichtet ist, eingebracht worden. Erst gegenwärtig sind deutliche politische Initiativen erkennbar, die sich um eine grundlegende Entlastung der Arbeitgeber bemühen73. Erst in Aufsätzen jüngeren Datums wird die Möglichkeit einer Kompensation für die Indienstnahme des Arbeitgebers beim Quellenabzug in die Überlegung einbezogen74. Der deutsche Steuergesetzgeber denkt nämlich vorrangig daran, die Belastung der Finanzverwaltung zu verringern. Die Überlegung, den Lohnsteuerabzug abzuschaffen, um Privatpersonen, die zur Vornahme des Lohnsteuerabzugs verpflichtet sind, zu entlasten, spielt eine allenfalls untergeordnete Rolle. Dieselben Überlegungen, nämlich die Finanzverwaltung durch die Einführung einer analytischen Quellenbesteuerung mit mehreren Einkunftsarten zu entlasten, können auch ohne weiteres in den Motiven zur Einführung des taiwanischen Steuerquellenabzugs von 1936 bzw. 1946 gesehen werden. Die Einführung des synthetischen Einkommensteuersystems im Jahr 1956 brachte keine Veränderung. Hieraus lässt sich ablesen, dass der taiwanische Gesetzgeber den Quellenabzug immer für eine sehr pragmatische und kostengünstige Lösung hielt. Es besteht seitdem eine umfassende Quellenbesteuerung für nahezu alle 70 Ohne das Vorliegen einer effektiven Erhebungstechnik würde eventuell ein extremer Steuerwiderstand der Arbeitnehmer gegen die Lohnbesteuerung entstehen, da hohe Summen zu einer geringen Anzahl von Terminen im Kalenderjahr zu entrichten wären. Um diesen zu beseitigen, wäre ein erheblicher Verwaltungsaufwand erforderlich. s. ausf. Heuermann, StuW 1998, S. 219. 71 Es ist also nicht verwunderlich, dass Schuldner von Abzugsteuern, insbesondere Lohnsteuerzahler, in der Steuerberatung als unattraktive Mandanten betrachtet werden. Vgl. Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 109. 72 Vgl. G. Kirchhof, S. 17. 73 Über die Aktivität der FDP-Fraktion und der Abgeordneten anderer Fraktionen s. ausf. G. Kirchhof, S. 22, Fn. 41. Mehr dazu Lang u. a., Kölner Entwurf, Vorwort. 74 Hendel, S. 53 ff.; Seer, FR 2004, S. 1037 ff.; Hey, in: FS für Kruse, S. 287; dies., FR 1998, S. 497 ff.

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1. Kap.: Zwecke des Lohnsteuerverfahrens

Einkunftsarten, soweit sie von bestimmten Steuerpflichtigen entrichtet werden. In der taiwanischen Steuergesetzgebung stehen stets pragmatische Erwägungen, die Finanzverwaltung möglichst zu entlasten, im Vordergrund. c) Sozialzweck? Es erscheint fraglich, ob der Gesetzgeber mit der Einführung des Lohnsteuerabzugs auch einen Sozialzweck verfolgte. Ein solcher könnte darin zu sehen sein, dass durch sie der Arbeitnehmer von seiner Verpflichtung, die Lohnsteuer an das Finanzamt zu entrichten, befreit wurde. Aus der historischen Entwicklung der beiden Länder lässt sich feststellen, dass der Einführung des Lohnsteuerabzugs ein dringendes Bedürfnis zur Deckung der Ausgaben in einer desolaten Finanzlage zugrunde lag. Daher standen in beiden Fällen pragmatische Gründe im Vordergrund: der Staat brauchte dringend ein zuverlässiges Instrument, um das Steueraufkommen durch ein schnelles und kostengünstiges Erhebungsverfahren sicherzustellen. Das Lohnsteuerverfahren in Form des Quellenabzugs hat den Nebeneffekt75, dass die Tätigkeit des Arbeitgebers zugleich die verfahrensrechtlichen Verpflichtungen des Arbeitnehmers ersetzt, da nämlich durch das Tätigwerden des Arbeitgebers der Arbeitnehmer als Steuerschuldner von der Steuererklärungs-, Veranlagungs- und Zahlungspflicht entlastet wird. Diese Entlastung ist richtigerweise lediglich als eine Reflexwirkung zu verstehen, die vom Steuergesetzgeber weder bei der Einführung noch bei den nachfolgenden Gesetzesänderungen bezweckt wurde. Ganz im Gegenteil: Es erfolgt die Sicherstellung der Erhebung der Lohnsteuer beim Lohnsteuerverfahren. Hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer weniger Vertrauen entgegenbringt als anderen Steuerpflichtigen, da der Arbeitnehmer faktisch entmündigt wird. Beauftragter wird statt seiner ein Dritter, nämlich der Arbeitgeber, der mithin als vertrauenswürdiger betrachtet wird. Dadurch wird dem Arbeitnehmer die Wahrung seiner eigenen Interessen verwehrt, was abweichend von den oben genannten Vertretern der Lehre, die dies als Vorteil des Arbeitnehmers sehen, hier als nachteilig empfunden wird. Angesichts der Situation, dass der Arbeitnehmer im Lohnsteuerverfahren gegenüber den anderen Steuerpflichtigen, insbesondere den Selbständigen, beim Vorauszahlungsund Veranlagungsverfahren in der geltenden Rechtslage benachteiligt wird, lässt sich feststellen, dass die Praxis des Lohnsteuerverfahrens den Arbeitnehmer nicht bevorzugen kann. Er ist vielmehr gezwungen, den vermeintlichen „Vorteil“ des Lohnsteuerabzugsverfahrens hinzunehmen. Es erscheint unter anderem fraglich, ob aus Sicht des Arbeitnehmers die Stückelung der Steuerlast auf 12 Einzelbeträge vorteilhaft ist, da es möglich wäre, Rückstellungen auf einem speziell dafür eingerichteten Konto zu bilden. Hieraus ließen sich zumindest 75

Kloubert, S. 9.

II. Mit dem Lohnsteuerverfahren beabsichtigte Zwecke

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Zinserträge erzielen. Ihm entsteht ein zusätzlicher Zinsnachteil in dem Fall, in dem die einbehaltene Lohnsteuer höher ist als die Einkommensteuer, weil diese Differenz nicht verzinst wird. Dem Lohnsteuerverfahren liegt nicht die Prämisse einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers zugrunde, aus der sich eine besondere Schutzund Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergibt. Stattdessen ist zunächst der Arbeitnehmer zur Versteuerung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit verpflichtet. Hierbei handelt es sich um die staatliche Besteuerung auf den Wirtschaftserfolg der Privatpersonen. Diese Besteuerung bedarf grundsätzlich gar nicht der Mitwirkung durch den Arbeitgeber. Letzterer ist auch nicht aufgefordert, über die Steuermoral der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zu wachen. Ohne Einschaltung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren wäre der Arbeitnehmer daher selbst verpflichtet, bei der Besteuerung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit mitzuwirken. Als Steuerschuldner hätte er selbst auch dafür zu sorgen, dass die geschuldete Einkommensteuer entweder in der Veranlagung oder in der Vorauszahlung nach Bekanntgabe des Steuerbescheides entrichtet würde. Offensichtlich ist es also so, dass der Sozialzweck, den Arbeitnehmer bei der Lohnbesteuerung zu entlasten, bezogen auf den Lohnsteuerabzug nicht begründet werden kann. Der Einwand, die Indienstnahme des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren sollte die private Finanzsphäre des Arbeitnehmers vor dem investigativen Blick der Finanzverwaltung schützen76, vermag nicht zu überzeugen. Dies ist eine allein aus dem rechtsstaatlichen Aspekt abgeleitete Forderung an den Staat, die aber bei der gegenständlichen Thematik in keinem Zusammenhang zu dem ursprünglichen beabsichtigten Zweck des Gesetzgebers steht. Da der Sozialzweck im Sinne des Steuerrechts auch eine wirtschaftspolitische Motivation enthalten kann,77 lässt sich ein anderer Ansatzpunkt für den Sozialzweck in dem Nutzen der Unternehmen als Arbeitgeber finden. Nach der Rede von Reichsfinanzminister Erzberger habe der Arbeitgeber auch ein Eigeninteresse an der Einführung des Quellenabzugs, weil Steuerausfälle bei den Arbeitnehmern zwangsläufig zu einer Anhebung der Einkommensteuersätze führen müssten. Es ist zwar einleuchtend, dass Steuerausfälle bei Massenfällen wie der Lohnsteuer unvermeidlich zur Erhöhung der Einkommensteuersätze führen müssen. Von dieser wären jedoch nicht nur die Arbeitgeber, sondern alle Steuerpflichtigen einschließlich der Arbeitnehmer betroffen. Aus solchen Überlegungen über etwaige Anhebungen von Steuersätzen lässt sich ablesen, dass die Sicherstellung des Steueraufkommens eben nicht Aufgabe der Arbeitgeber, sondern nur eine öffentliche Aufgabe sein kann. Die mit Kosten verbundene Verpflichtung des Arbeitgebers beim Abzugsverfahren bedarf einer sachgerechten 76 77

G. Kirchhof, S. 90 f. s. ausf. Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 21.

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1. Kap.: Zwecke des Lohnsteuerverfahrens

Begründung, auch wenn ein solches Vorgehen dem Gemeinwohl entspricht. Nach der hier vertretenen Auffassung kann kein Interesse des Arbeitgebers am Lohnsteuerabzug bestehen. In Taiwan ist die Einkommensbesteuerung über den Quellenabzug jenseits rein steuerrechtlicher Überlegungen als regulierende Maßnahme zur Stabilisierung der inländischen Ökonomie zu verstehen. Trotz dieser dem deutschen Steuerrecht unbekannten Intention wird ein Sozialzweck i. S. d. Steuerrechts nicht mit dieser hoheitlichen Tätigkeit verknüpft. Beim steuerlichen Sozialzweck handelt es sich um einen Steuerungsversuch, der ein bestimmtes Verhalten von Privatpersonen bewirken soll, bzw. eine Umverteilung von Wohlstand aus sozialstaatlichen Überlegungen78. Von daher besteht kein steuerlicher Sozialzweck beim Lohnsteuerverfahren. d) Zusammenfassung Alles in allem verfolgt der Gesetzgeber mit dem Lohnsteuerabzug im Wesentlichen einen doppelten Zweck, den Sicherungs- und Vereinfachungszweck. Dies dient dem öffentlichen Interesse. Dabei sind die Grundrechte der betroffenen Privatpersonen, sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber, hingegen wenig berücksichtigt worden. Die weit über das Lohnsteuerrecht hinausgehenden Folgelasten, die insbesondere im Arbeits- und Sozialrecht den Schultern des Arbeitgebers aufgebürdet wurden79, zeigen deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Auferlegung der hier thematisierten Belastungen oft weniger an in Dienst genommene Unternehmen dachte. Ob dies verfassungswidrig ist, ist allerdings eine andere Frage, die an späterer Stelle in dieser Arbeit [s. 5. Kapitel I. und II.] überprüft wird. Die Frage, ob der Sicherungszweck bei der Einführung des Lohnsteuerquellenabzugs vom deutschen Gesetzgeber vorrangig verfolgt wurde, bleibt offen. In der taiwanischen Gesetzgebung spielte das Ziel einer Vereinfachung, um die Finanzverwaltung zu entlasten, hingegen eine entscheidende Rolle80. Daher lässt sich durchaus vertreten, dass der taiwanische Gesetzgeber mit dem Quellenabzugsverfahren primär das Ziel der Vereinfachung der Erhebung und nur sekundär das der Sicherung des Lohnsteueraufkommens verfolgt.

78

Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 21. s. ausf. G. Kirchhof, S. 18 ff. 80 Bei den Gesetzesänderungen von 1936, 1946, 1956, 1977 und 1991 steht die Überlegung zur Entlastung der Finanzverwaltung immer im Vordergrund. Es ist ersichtlich, dass der taiwanische Steuergesetzgeber die Praktikabilität der Steuergesetze stärker bewertet hat. 79

III. Bezüge zu den steuergesetzlichen Zwecken und Steuermaximen

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III. Bezüge zu den steuergesetzlichen Zwecken und Steuermaximen Den steuergesetzlichen Vorschriften liegen verschiedene Absichten zugrunde. Daher können die steuergesetzlichen Normen in unterschiedliche Gruppen je nach dem jeweils zugrunde liegenden Zweck aufgeteilt werden81. In der steuerrechtlichen Lehre sind diese Gruppen allgemein in die Fiskal-, Sozial- und Vereinfachungszwecknormen zu unterscheiden82. wenngleich diese Terminologie immer noch nicht einheitlich definiert ist83. Mit einem Steuergesetz kann nicht nur ein Einfach-, sondern auch ein Doppel- oder Mehrfachzweck verfolgt werden84. Wie oben ausgeführt verfolgt der Lohnsteuerabzug einen doppelten Zweck, den Sicherungs- und Vereinfachungszweck. Der Sicherungszweck steht mit dem Fiskalzweck in Zusammenhang. Dieser Zusammenhang dient dazu, einerseits den notwendigen Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte zu decken und andererseits die Gesamtsteuerlast auf die einzelnen Steuerpflichtigen gerecht zu verteilen85. Als Erhebungsverfahren sichert der Lohnsteuerabzug nicht nur dem Staat das Steueraufkommen sondern garantiert auch eine gleichmäßige Anwendung der materiellen Vorschriften über die Lohnbesteuerung, die sich als Fiskalzwecknormen am Leistungsfähigkeitsprinzip orientieren oder dies tun sollten86. Da der Quellenabzug auch der gleich- und gesetzmäßigen Besteuerung dient, hat er insoweit auch eine verfassungsrechtliche Wertigkeit. Der Vereinfachungszweck des Lohnsteuerabzugs, eine schnellere und kostengünstigere Lohnbesteuerung, ist allgemein mit dem steuerlichen Vereinfachungszweck vergleichbar und mit letzterem verknüpft. Die Bemühungen zur Vereinfachung, die bei Massenfällen wie der Lohnsteuer unentbehrlich sind, 81 Nicht selten ist in der Lehre allerdings strittig, ob der Zweck von dem Motiv zu unterscheiden ist. S. Vogel, DStZ/A 1977, S. 5 ff.; Kruse, StR-AT, S. 25, wonach die Absicht, Einnahmen zu erzielen, das Motiv für die Schaffung von Steuergesetzen, nicht jedoch Zweck eines solchen Steuergesetzes ist. 82 Tipke, StRO I, S. 73 ff.; Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 19 f.; Vogel, StuW 1977, S. 97 ff, wonach gegenüber der Ertragsfunktion, die alle Steuergesetze haben, noch eine weitere Funktion stehe, die ebenfalls in drei Gruppen (Austeilungs-, Lenkungsund Vereinfachungsfunktion) unterteilt werden könne. Dabei wird die herkömmliche Bezeichnung „Finanzzweck“ oder „Ertragszweck“ nicht verwandt, weil Lenkungs- und Vereinfachungsnormen ebenfalls eine Ertragsfunktion, gelegentlich sogar einen Ertragszweck haben. Vgl. Vogel, StuW 1977, S. 107 Fn. 89. Es gibt auch Autoren, die das Zweckargument aufgrund der Gesetzmäßigkeit verneinen. Z. B. Kruse, StR-AT, S. 27, wonach sich aus den teleologischen Argumenten für die Gesetzesauslegungen und die Ergänzungen der Steuertatbestand nichts ergeben kann. 83 Weitere Differenzierungen s. ausf. Tipke, StRO I, S. 75. 84 Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 19. 85 Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 54. 86 Über das Leistungsfähigkeitsprinzip s. ausf. Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 81 ff.

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1. Kap.: Zwecke des Lohnsteuerverfahrens

orientieren sich am Praktikabilitätsprinzip, nach welchem Steuergesetze praktikabel zu sein haben. Grundsätzlich hat das Praktikabilitätsprinzip als primäres Zweckmäßigkeitsprinzip nicht die gleiche Wertigkeit wie ethische Prinzipien87. Die Praktikabilitätsüberlegung darf deshalb nicht zu sehr in den Vordergrund treten88. Seit langen wird in der Finanzwissenschaft versucht, ein sog. „gutes“ oder „rationales“ Steuersystem zu entwerfen. Zur Prüfung eines solchen Steuersystems sind vier Steuermaximen maßgeblich: Gerechtigkeit, Ergiebigkeit, Unmerklichkeit und Praktikabilität89. Während Gerechtigkeit und Ergiebigkeit die materielle Rationalität der Steuer ausmachen, bestimmen Unmerklichkeit und Praktikabilität die formelle Rationalität90. Die direkten Steuern auf das Einkommen haben prinzipiell eine hohe materielle Rationalität; die indirekten Steuern auf die Verwendung von Einkommen hingegen eine hohe formelle Rationalität. Wegen ihrer Gerechtigkeit und Ergiebigkeit, die gemeinsam eine materielle Rationalität der Steuer bestimmen, hat die Einkommensteuer den Stellenwert der „Königin“ der Steuern91. Andererseits mangelt es bei der Einkommensbesteuerung an der Erfüllung der Maximen Unmerklichkeit und Praktikabilität. Aufgrund des heftigen Steuerwiderstands und der vielfältigen Phantasie zur Steuervermeidung ist die Einkommensbesteuerung wohl auf dem Weg, ihre Krone als gerechteste und ergiebigste Steuerart zu verlieren92. Es gibt im Ergebnis keine Steuerart, welche die Grundanforderungen materieller und formeller Rationalität optimal zu erfüllen mag93. Um die Nachteile der formellen Rationalität der direkten Steuern wie der Einkommensteuer zu beseitigen, besteht die Lösung im Erhebungsverfahren, nämlich durch die Einführung des Quellenabzugs. Der Abzug der Lohnsteuer und der anderweitigen Quellensteuern führen zu der Praktikabilität der Einkommensteuer und insoweit auch der Unmerklichkeit, als der Steuerschuldner seine

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Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 130. Allerdings besteht noch die Möglichkeit, die Steuerschuld aus Praktikabilitätsgründen an einem ursprünglichen Dritten anzuknüpfen. Als Beispiel gilt z. B. die pauschalisierte Lohnsteuer (§§ 40 bis 40b EStG). Nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG sind dort die Unternehmen, die Lieferungen und sonstige Leistungen gegen Entgelt ausführen, aus Praktikabilitätsgründen als Steuerschuldner vorgesehen. s. ausf. Reiß, in: T/L StR, § 14 Rdn. 1. 89 Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, Veröffentlichung im Jahre 1776, deutsche Ausgabe s. Recktenwald (Hrsg.), Der Wohlstand der Nationen, München 1990 S. 703 ff. zit. nach Lang, in: T/L StR, § 8 Rdn. 3, 5, § 1 Rdn. 44 Fn. 70. 90 Lang, in: T/L StR, § 8 Rdn. 16. 91 Popitz, Einkommensteuer, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 3. Bd. Jena 1926, S. 400, 402; zit. nach Lang, in: T/L StR, § 8 Rdn. 19. 92 Lang, in: T/L StR, § 8 Rdn. 17. 93 Lang, in: T/L StR, § 8 Rdn. 18. 88

IV. Fazit

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Gehaltszettel nicht genau studiert hat94.95 Für ihn ist besonders angenehm, weil die Steuerschuld im Zeitpunkt seiner größten Leistungsfähigkeit durch die Indienstnahme eines Dritten entrichtet wird96. Für das zuständige Finanzamt ist der Quellenabzug auch „angenehm“, weil ihm die vom Dritten einbehaltenen und abgeführten Steuerbeträge automatisch zufließen. Zwar besteht immer noch das Risiko, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber einvernehmlich vom Steuereinbehalt absehen, weil der Quellenabzug der Lohnsteuer im Wesentlichen dem Arbeitgeber als Abzugsverpflichteten anvertraut ist97. Im Vergleich zum Arbeitnehmer als Steuerschuldner scheint ein Dritter dem Finanzamt gegenüber mehr Vertrauen zu verdienen. Die Tatsache, dass die Lohnsteuer eine besondere ergiebige Steuerquelle darstellt und somit aus fiskalischer Sicht von großer Bedeutung ist98, zeigt, dass der Quellenabzug mit seiner außergewöhnlichen Effizienz im Vergleich zu den anderen Erhebungstechniken die vier Steuermaximen am besten verwirklicht, soweit die Einbehaltung und Abführung durch den Arbeitgeber ordnungsgemäß durchgeführt wird.

IV. Fazit Aus der historischen Entwicklung des Lohnsteuerverfahrens lässt sich ablesen, dass angesichts der finanziellen Schwierigkeiten nach dem Zweiten Weltkrieg der deutsche Gesetzgeber gezwungen war, nach einem geeigneten Instrumentarium zu suchen, um das Steueraufkommen zu gewährleisten. Bezüglich der Besteuerung von Löhnen wählte er die Steuererhebung in Form des Quellenabzugs. Dies garantierte, das Lohnsteueraufkommen sicher, schnell und kostengünstig zu erhalten. Mit der Einführung des Quellenabzugs verfolgte der Gesetzgeber nämlich einerseits die Sicherung des Steueraufkommens. Dies wird

94 Als unmerklich gelten insbesondere indirekte Steuern, die im Preis versteckt und überwältzt werden. Für den Bürger sind deshalb diese Belastungen insofern bequem, weil er die Steuerlasten durch sein Konsumverhalten steuern kann. Er kann nämlich die für ihn unbequeme Steuer vermeiden oder zu einem späteren Zeitpunkt tragen. s. ausf. Lang, in: T/L StR, § 8 Rdn. 11. Die Belastungen der Lohnsteuern im Lohnsteuerverfahren sind hingegen nicht vermeidbar und insofern nicht bequem wie bei indirekter Steuer. Wirtschaftlich sind sie zwar durch die Nettolohnvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer übertragbar. Gesetzlich bleibt der Arbeitnehmer als Steuerschuldner der Lohnsteuer jedoch unberührt. 95 Ähnliche Auffassung, s. Hahn, Problematik, S. 34 ff. 96 Mit dem Steuerabzug wird dem Steuerschuldner der lästige Papierkrieg mit dem Finanzamt und der Finanzkasse abgenommen. Vgl. Kruse, DStJG 9, S. 6. 97 Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A106. 98 Im Jahr 2000 betrug in Deutschland das Steueraufkommen von der Einkommensteuer insgesamt 202,718 Mio. Euro, die allein 39,7% v. H. des gesamten Steueraufkommens abdeckten, das 511,2 Mrd. Euro betrug. Davon betrug die Lohnsteuer etwa 166,673 Mio. Euro, die insgesamt noch höher als die Umsatzsteuer war, welche allein 140,872 Mio. Euro betrug; zit. nach Lang, in: T/L StR, § 8 Rdn. 19, Fn. 23.

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1. Kap.: Zwecke des Lohnsteuerverfahrens

vorliegend als Sicherungszweck bezeichnet. Andererseits beabsichtigte der Gesetzgeber ein Verfahren, das eine schnelle und kostengünstige Erhebung der Lohnsteuer gewährleistete. Da der Quellenabzug der Entlastung dient, wird er vorliegend als Ausdruck des Vereinfachungszwecks verstanden. Die unzureichende finanzielle Ausstattung des Staats motivierte den Gesetzgeber, eine solche Erhebungstechnik einzuführen. Ein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber darüber hinaus noch eine sozialrechtliche Fürsorge für bestimmte Bevölkerungskreise wie Arbeitnehmer bzw. ein wirtschaftpolitisches Ziel für die Förderung von investierenden Unternehmen als Arbeitgeber festgelegt hat, ist hingegen nicht ersichtlich. Die Einführung des Lohnsteuerquellenabzugs dient also ausschließlich dem fiskalischen Interesse. Ob dabei die Interessen der betroffenen Privatpersonen vom Gesetzgeber hinreichend berücksichtigt wurden, ist fragwürdig. Die Situation lässt sich parallel mit demselben Ergebnis auch in Bezug auf Taiwan darstellen. Der Unterschied ist lediglich der, dass in Taiwan dem Gedanken, Verwaltungskapazität effektiv zu nutzen, eine besondere Bedeutung beigemessen wurde. Nach Einführung des Quellensteuerabzugs und den danach gemachten Erfahrungen mit diesem Instrument kam man zu der Bewertung, dass diese Form der Einziehung von Lohnsteuern sehr pragmatisch ist. Daher hat man bis heute diese Form der Besteuerung im Einkommensteuergesetz belassen. Der Sicherungszweck steht mit dem allgemeinen Fiskalzweck des Steuerrechts im Zusammenhang, er dient nämlich der Sicherung des Steueraufkommens und zugleich der gleich- und gesetzmäßigen Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Auf der anderen Seite bewirkt diese Form des Lohnsteuerverfahrens eine Entlastung der Finanzverwaltung. Durch Leistung auf Kosten eines anderen wird die Lohnsteuer direkt bei der Auszahlung einbehalten und abgeführt. Die Aufgaben der Finanzverwaltung beschränken sich auf die Kontrolle der Tätigkeit der Arbeitgeber. Durch die Einführung des Quellenabzugs verwirklicht die Besteuerung der Lohneinkünfte nicht nur die materiellen Steuermaximen, sondern auch die formellen Grundanforderungen, nämlich Unmerklichkeit und Praktikabilität.

2. Kapitel

Rechtliche Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt Die rechtlichen Beziehungen im Lohnsteuerabzugsverfahren werden in der Lehre als „Drei-Personen-Verhältnis“ bzw. Dreiecksbeziehung bezeichnet1, da von drei unterschiedlichen Subjekten in zwei betroffenen Rechtsbereichen zusammen gewirkt wird. Zeitlich betrachtet besteht zuerst ein arbeitsrechtliches Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Danach entsteht eine Steuerforderung des Finanzamts als Vertreter des Steuergläubigers gegen den Arbeitnehmer, der die Tatbestände aus dem Steuerschuldverhältnis verwirklicht hat, an die das Steuergesetz die Leistungspflicht knüpft. Bei der anschließenden Durchführung der Lohnbesteuerung ist der Arbeitgeber als Steuerabzugspflichtiger verpflichtet gegenüber dem Finanzamt einen Teil der Verpflichtungen des Arbeitnehmers als Steuerschuldner zu erfüllen. Diese Dreiecksbeziehung ist von Anfang an problemanfälliger als die gegenseitige, die den Regelfall des privaten bzw. öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses darstellt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Rechtstellung des Arbeitgebers als Kernstück des Lohnsteuerverfahrens gesetzlich nicht definiert ist. Aus diesem Grund existieren zahlreiche Aufsätze2 und Monographien3, die mit unterschiedlichen Ansätzen die dadurch verursachten Probleme zu lösen versuchen. Nachfolgend werden die Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt nacheinander untersucht, um die Rechtsstellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug zu bestimmen. Im Folgenden werden zuerst die deutsche zivilrechtliche Gesetzeslage und danach vergleichbare Vorschriften im taiwanischen Bürgerlichen Gesetzbuch dargestellt. 1

Schäfer, S. 25. Insb. Stolterfoht, DStJG 9, S. 175 ff.; Heuermann, StuW 1998, S. 219 ff.; Lang, RdA 1999, S. 64 ff. 3 Insb. Riepen, Die Rechtstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren (Diss. Köln 1967); Kloubert, Rechtliche Stellung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug (Diss. Bochum 1988); Schäfer, Die Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt beim Lohnsteuerabzug (Diss. Köln 1990); Heuermann, Systematik und Struktur der Leistungspflichten im Lohnsteuerabzugsverfahren (Diss. Münster 1998); zuletzt G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren (Diss. Bonn 2005). 2

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

I. Arbeitsrechtliche Beziehungen Die arbeitsrechtliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist der Beginn, der später die steuerrechtlichen Beziehungen zwischen Privatpersonen einerseits und Finanzamt andererseits bewirkt. 1. Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer Gemäß § 611 Abs. 1 BGB besteht die Hauptpflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer im Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis darin, dem Arbeitnehmer zur Leistung der Dienste die vereinbarte Vergütung zu gewähren. In steuerlicher Hinsicht könnten zwei arbeitsrechtliche Verpflichtungen des Arbeitgebers von Bedeutung sein, nämlich die Verpflichtung zum Aufwendungsersatz und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Bei ersterer handelt es sich um die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Deckung der Kosten, die dem Arbeitnehmer im Rahmen des privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses entstehen, ohne dass sie durch die vertragsrechtliche Vergütung als abgegolten gelten. Der Anspruch des Arbeitnehmers für eine solche Kostendeckung ergibt sich aus § 670 BGB. Er unterscheidet sich von dem Arbeitsentgelt insoweit, als der durch § 670 BGB berechtigte Arbeitnehmer für diesen Anspruch keine konkrete Gegenleistung aufgrund des Arbeitsvertrags erbracht hat. Als Beispiele für ersatzfähige Kosten lassen sich die dienstlichen Reise- und Umzugskosten wegen Versetzung nennen sowie die Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer durch die Einladung des Arbeitgebers zu einem Vorstellungsgespräch entstehen. Dem Arbeitnehmer steht auch die Möglichkeit zu, gemäß § 669 BGB von dem Arbeitgeber einen Vorschuss zum Ersatz zu verlangen. Daraus ergibt sich die Grundthese, dass neben dem Arbeitsvertragsverhältnis noch ein bzw. ein ähnliches Auftragsverhältnis vorliegen könnte, dessen rechtliche Grundlage sich in § 662 BGB befindet. Die zweite Arbeitgeberpflicht mit möglicherweise steuerrechtlicher Bedeutung, die Fürsorgepflicht, wird in der Lehre in zwei weiteren Untertypen eingeteilt wird. Ein Untertyp der Fürsorgepflicht ergibt sich aus der Anwendung des § 242 BGB auf das gegenseitige Vertragsverhältnis, in dem die Anwendung des Prinzips von Treu und Glauben mit der Vergütungspflicht in Zusammenhang steht. Dazu gehören Pflichten wie die richtige Errechnung des Arbeitslohns sowie zu Mitteilungen bzw. Erläuterungen der Zusammensetzung des ausbezahlten Entgelts. In der Lehre werden diese Aufgaben als Nebenleistungspflichten bezeichnet4, weil sie zur reibungslosen Erfüllung der Hauptleistungspflicht die4

Blomeyer, in: MüKo ArbR, § 92 Rdn. 13.

I. Arbeitsrechtliche Beziehungen

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nen. Der andere Untertyp spielt bei der Vertragserfüllung keine Rolle. Es handelt sich um die Aufrechterhaltung von Rechtsgütern der beschäftigten Arbeitnehmer, die anlässlich der Erbringung der Arbeitsleistung in den Einflussbereich des Arbeitgebers geraten sind. Diese Pflicht wird in der Lehre als Schutzpflicht des Arbeitgebers bezeichnet5. Die Verpflichtung des Arbeitgebers gemäß § 618 BGB ist eine rein privatrechtliche Schutzpflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Allerdings werden die öffentlich-rechtlichen Pflichten des Arbeitgebers, mit denen der Gesetzgeber den Schutz des einzelnen Arbeitnehmers beabsichtigt, bezüglich der hier genannten Schutzpflichten auch einbezogen. Die kraft öffentlichen Rechts entstehenden Pflichten des Arbeitgebers haben nämlich auch zivilrechtliche Wirkungen im Arbeitsvertragsrecht. Sie sind zugleich privatrechtliche Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, auf deren Erfüllung Letzterer gegen Ersteren klagen kann. Hierzu zählen insbesondere die Pflichten, die im Arbeitschutzrecht vorgesehen werden. Die Pflicht des Arbeitgebers, in die Sozialversicherungen einzuzahlen, ist auch als eine arbeitsrechtliche Schutzpflicht zu verstehen. Das Sozialversicherungsrecht verpflichtet den Arbeitgeber, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zur Sozialversicherung anzumelden und die Beiträge in der vorgeschriebenen Höhe abzuführen6. Die Sozialversicherung ist eine Zwangsversicherung, die inhaltlich unterschiedliche Bereiche wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Rente, Unfall und die Pflege erfasst und dazu dient, den wirtschaftlich schutzbedürftigen Bevölkerungskreis, insbesondere Arbeitnehmer und ihre Familien, vor den Unwägbarkeiten des Lebens zu schützen. Von daher sind die ursprünglich kraft öffentlichen Gesetzes entstehenden Pflichten, den Arbeitnehmer bei den Sozialversicherungsträgern anzumelden und die entsprechenden Beiträge bei diesen abzuführen, als zusätzliche arbeitsrechtliche Schutzpflicht zu verstehen. Die Frage, ob die Schutzpflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer auch im Lohnsteuerverfahren geltend gemacht werden kann, steht mit dem Thema über die Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren im Zusammenhang. Daher wird diese Frage in diesem Kontext [s. 2. Kapitel III. 2.] beantwortet. Grundsätzlich gilt die obige Darstellung auch für das taiwanische Recht. Denn die Grundstruktur der geltenden Rechtslage in Taiwan wurde 1929/30 nach dem Vorbild des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches aufgebaut. Darüber hinaus sind die taiwanische Gesetzgebung und Rechtsprechung in den Bereichen des Zivil- und Arbeitsrechts von den deutschen Rechtstheorien und Grundgedanken stark geprägt. Das Dienstverhältnis wird in den §§ 482 bis 489 des 5 6

Müller-Glöge, in: MüKo BGB, § 611 Rdn. 404. Müller-Glöge, in: MüKo BGB, § 611 Rdn. 294.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

taiwanischen bürgerlichen Gesetzbuches (im Folgenden: twBGB) geregelt. § 483a twBGB sieht eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers vor. Aus dieser ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Leben, Körper und Gesundheit des Arbeitnehmers anlässlich der Erbringung der Dienstleistung zu treffen. Wie im deutschen Recht ist die kraft öffentlichrechtlichen Gesetzes entstehende Arbeitgeberpflicht, die den Schutz des einzelnen Arbeitnehmers und seiner Familienangehörigen bezweckt, parallel als arbeitsrechtliche Schutzpflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer zu verstehen. Insofern kommt dem Arbeitnehmer auch die Möglichkeit zu, den Arbeitgeber zur Durchsetzung solcher Schutzmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Im Vergleich zum deutschen Recht sind in der geltenden taiwanischen Gesetzeslage wenige Schutzpflichten des Arbeitgebers geregelt. Es gibt z. B. das Recht über den Schutz der Arbeitszeit, den Schutz von Frauen, Müttern, Jugendlichen und Schwerbehinderten, den Schutz des Arbeitslohns und die diesbezügliche Arbeitslosen-, Unfall- und Krankenversicherung. Es besteht zurzeit aber keine allgemeine und gesetzliche Renten- oder Pflegeversicherung. 2. Pflichten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber Gemäß § 611 Abs. 1 BGB ist der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zu einer in einem Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis versprochenen Dienstleistung verpflichtet. In der Regel ist die vom Arbeitnehmer zu leistende Arbeit im Vertrag in einem relativ weiten Rahmen festgelegt. Bei Fehlen einer Regelung über Art, Zeit und Ort der Dienstleistung bestimmen sich diese Pflichten gemäß §§ 157, 242 BGB nach der allgemeinen Verkehrssitte. Der Arbeitnehmer ist zudem verpflichtet, die zu leistende Arbeit weisungsgemäß zu erbringen. Aufgrund des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer an Weisungen des Arbeitgebers gebunden, was in der Lehre als Direktionsrecht oder Weisungsrecht des Arbeitgebers bezeichnet wird7. Außerdem ist die Arbeit des Arbeitnehmers gemäß § 613 BGB regelmäßig persönlich zu leisten. Im Zweifel darf sich der Arbeitnehmer nämlich nicht durch einen Ersatzmann vertreten lassen. Bei der Arbeit hat der Arbeitnehmer die im Betrieb bestehende Ordnung zu beachten, soweit er im Betrieb des Arbeitgebers arbeitet. Der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers steht die Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber, die sich aus der Anwendung des § 242 BGB ergibt, weil der Arbeitsvertrag ein gegenseitiges Rechtsverhältnis ist. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, das mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehende Interesse des Arbeitgebers zu berücksichtigen, wie dies von einem durchschnittlichen Arbeitnehmer der gleichen Berufsqualifikation und -erfahrung sowie unter Berück-

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Müller-Glöge, in: MüKo BGB, § 611 Rdn. 417.

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sichtigung seiner Stellung im Betrieb nach Treu und Glauben verlangt werden kann. Das taiwanische Recht kennt ebenfalls im Dienst- oder Arbeitsverhältnis eine Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, die sich aus der Anwendung des § 148 Abs. 2 twBGB ergibt, der entsprechend § 242 BGB das Prinzip der Treu und Glauben normiert.

II. Steuerrechtliche Beziehungen 1. Zwischen Finanzamt und Arbeitnehmer Zwischen Finanzamt und Arbeitnehmer besteht ein steuerrechtliches Schuldverhältnis, das grundsätzlich wegen der Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach dem Einkommensteuergesetz entsteht. a) Deutsches Recht Abgesehen von der in den §§ 40 bis 40b EStG vorgesehenen Pauschallohnsteuer ist der Arbeitnehmer gemäß § 38 Abs. 2 S. 1 EStG Schuldner der Lohnsteuer. Durch die Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i. S. d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 4; 19 EStG verwirklicht der Arbeitnehmer den Tatbestand, an den das Gesetz die Leistungspflicht der Einkommensteuer knüpft. Gegenüber dem Arbeitnehmer steht dem Finanzamt als Vertreter des Steuergläubigers ein Anspruch auf Entrichtung der geschuldeten Lohnsteuer, die in Bezug auf die nichtselbständige Arbeit stehende Einkommensteuer, zu. Im Folgenden werden zwei Grundbegriffe dieses Kontextes untersucht. aa) Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts Wie die anderen Berufsbilder ist der Arbeitnehmerbegriff auch ein sog. Typus, mit dem der Gesetzgeber ein Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse erfassen wollte. Der Arbeitnehmerbegriff kann deshalb nicht wie beim klassischen Begriff durch eine begrenzte Anzahl von Merkmalen klassifikatorisch festgelegt werden8. Vielmehr ist nach Abwägung der im Einzelfall vorhandenen Merkmale zu entscheiden, ob sich die konkrete Erscheinung mit dem Bild deckt, das der Gesetzgeber bei seinen Regelungen vor Augen hatte. Was vom Steuerrechtsanwender unter dem Arbeitnehmer zu verstehen ist, wird nicht im EStG selbst, sondern in § 1 Abs. 1 Lohnsteuer-Durchführungsver8 Larenz, S. 218 ff.; Bydlinski, S. 544 ff. Anderer Meinung vertritt Zippelius, S. 20, wobei der Typus mit dem klassifikorischen Begriff gleichgestellt wird.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

ordnung (im Folgenden: LStDV) geregelt. Arbeitnehmer sind demgemäß Personen, die im öffentlichen oder privaten Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren, und aus diesem oder einem früheren Dienstverhältnis einen Arbeitslohn beziehen oder bezogen. Zu ihnen zählen deshalb nicht nur die Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts, sondern auch die Angehörigen des öffentlichen Dienstes wie Arbeiter, Angestellte, Beamte, Richter, Soldaten und Kirchenbedienstete9. Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts sind auch die Rechtsnachfolger dieser Personen, soweit sie Arbeitslohn aus dem früheren Dienstverhältnis ihres Rechtsvorgängers beziehen. Hierzu gehören insbesondere die Hinterbliebenen mit Versorgungsbezügen nach § 19 Abs. 2 EStG10. Ein Dienstverhältnis liegt nach § 1 Abs. 2 LStDV vor, wenn der Angestellte oder Beschäftigte dem Arbeitgeber gegenüber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Als steuerrechtliche Arbeitgeber gelten ausdrücklich die öffentliche Körperschaft, der Unternehmer und der Haushaltsvorstand. Demzufolge umfasst das steuerrechtliche Dienstverhältnis weitgehend alle privaten und öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse. Der Terminus „Dienstverhältnis“ im Sinne des Steuerrechts geht also weit über den des Arbeits- bzw. Sozialversicherungsrechts hinaus11. Die gesetzliche Definition konkretisiert zwar bereits den Begriffskern des Arbeitnehmers, das Schulden der eigenen Arbeitskraft und die Weisungsgebundenheit. Gerade solche Fälle, in denen das Merkmal der Weisungsgebundenheit eine nicht so erhebliche Rolle spielt12, werden durch diese Definition jedoch nicht mehr präzise erfasst. Von daher ist es erforderlich, die Regelung über Arbeitnehmer im § 1 Abs. 1 LStDV anders zu formulieren, um die vom Gesetzgeber beabsichtigten Fälle präziser zu erfassen. In der Lehre wird deshalb vertreten, dass der Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinne die natürliche Person ist, die in einem Dienstverhältnis weisungsgebunden (im Regelfall) und/oder (im Grenzfall) organisatorisch eingegliedert ist, ihre Arbeitskraft schuldet und dabei vom Vermögensrisiko grundsätzlich freigestellt ist13. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 4; 19 EStG sind demnach die Einkünfte aus einer Tätigkeit, die der Arbeitnehmer unter der Leitung des Arbeitgebers oder eingegliedert in dessen geschäftlichen Organismus ausübt.

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Lang, DStJG 9, S. 24. Lang, DStJG 9, S. 24. 11 Vgl. Stolterfohl, DStJG 9, S. 175, 184; Lang, DStJG 9, S. 15, 24. 12 Wie z. B. Richter, Hochschullehrer, Chefarzt bzw. Vorstandmitglieder einer AG, s. ausf. Lang, DStJG 9, S. 22 ff.; Drenseck, in: Schmidt EStG, § 19 Rdn. 3 m.w. N. 13 Vgl. Lang, DStJG 9, S. 33. 10

II. Steuerrechtliche Beziehungen

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bb) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Ob eine Leistung zu den Einkünften des Arbeitnehmers aus nichtselbständiger Arbeit eingeordnet werden kann, wird in der Praxis unter den Schlagworten „Annehmlichkeiten“ und „Gelegenheitsgeschenke“ geprüft14. In der Lehre wird dies hingegen weit interpretiert15. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehört danach nicht nur der Arbeitslohn, der aufgrund des vertraglichen Dienstverhältnisses unmittelbar vom Arbeitgeber geleistet wird16, sondern gehören alle durch die nichtselbständige Tätigkeit veranlassten, das sog. „Veranlassungsprinzip“, insbesondere auch von einem Dritten gewährten Einnahmen wie z. B. die Streik-, Trink- und Bestechungsgelder17. Der letzteren Ansicht ist zuzustimmen, nach der die zu versteuernden Einnahmen und abzugsfähigen Werbungskosten des Steuerschuldners nach einem einheitlichen Maßstab des Veranlassungsprinzips geprüft und entschieden werden müssen. Mit der Angleichung an den Betriebsausgabenbegriff gemäß § 4 Abs. 4 EStG ist eine gleichheitssatzkonforme Verwirklichung des Nettoprinzips gewährleistet. b) Taiwanisches Recht aa) Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts Gemäß § 89 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 twEStG ist der Steuerschuldner der Quellensteuer die Individualperson, die die zu versteuernden Einkünfte erzielt. Demgemäß ist der Arbeitnehmer der Steuerschuldner der Lohnsteuer, weil er die Lohneinkünfte erzielt. Was unter dem Arbeitnehmer im Sinne des taiwanischen Steuerrechts zu verstehen ist, wird nicht direkt in Form einer Regelung definiert, sondern in einzelnen Beispielen in § 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 twEStG aufgelistet. Arbeitnehmer sind danach Beamte, Lehrer, Berufssoldaten, Polizisten und alle Angestellten der öffentlichen und privaten Unternehmen. Dabei ist unerheblich, ob diese Person verbeamtet oder angestellt ist. Ebenso spielt es keine Rolle, ob eine Beschäftigung bei einem öffentlich-rechtlichen oder einem privaten Arbeitgeber besteht. Dementsprechend werden die Lohneinkünfte in § 14 14 Zum Schlagwort der Annehmlichkeit s. BFH Urteil v. 17.9.1982, VI R 75/79, BStBl. II 1983, S. 39. Zum Schlagwort der Gelegenheitsgeschenke s. BFH Urteil v. 22.3.1985, VI R 26/82, BStBl. II 1985, S. 641; in der Literatur s. ausf. Offerhaus, DStJG 9, S. 117, 119 f.; Boeck, S. 129 ff. 15 s. ausf. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 19 Rdn. 16. 16 Inwieweit die Schadensersatzleistungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer zu dem hier erwähnten steuerbaren Arbeitslohn gehören, ist in der Lehre hoch umstritten. Vgl. Biebelheimer, BB 1997, S. 1046 ff. 17 Vgl. Lang, DStJG 9, S. 52.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

Abs. 1 Nr. 3 S. 2 Buchst. 1 twEStG als solche definiert, die von dieser Person aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses für eine Dienstleistung vergütet werden. Zur Vergütung zählen Arbeitslöhne, Besoldungen, Gehälter, Zuschüsse, Jahresgelder, Gratifikationen, Boni sowie andere Bezüge und Vorteile, die für das Beschäftigungsverhältnis gewährt werden (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 Buchst. 2 twEStG). Steuerrechtlich gilt die Tätigkeit eines Richters als die eines Beamten, die eines Hochschullehrers als die eines Lehrers18. Diese Individualpersonen sind somit ebenfalls Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts19, das in Taiwan für die Schlichtung von Steuerstreitigkeiten aus dem Bereich des Steuerrechts zuständig ist, sowie der Auffassung der Finanzverwaltung20 gehören auch Geschäftsführer einer GmbH, Vorstandsmitglieder einer AG und Vereinsleiter steuerrechtlich zu den Arbeitnehmern21, während sie arbeitsrechtlich keinesfalls als Arbeitnehmer zu verstehen sind, weil sie als Arbeitgeber auftreten und zudem rein unternehmerisch tätig sind. Anders als im deutschen Recht, das die Bezüge von Abgeordneten gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 4 EStG den sonstigen Einkünften zurechnet, sind entgeltartige Einkünfte dieser Gruppe als Arbeitslöhne im Sinne des taiwanischen Steuerrechts zu verstehen. Parlamentarische Abgeordnete22 und kommunale Repräsentanten23 sind nämlich auch Arbeitnehmer im Sinne des taiwanischen Steuerrechts. Dabei geht man wohl davon aus, dass diese Tätigkeiten in einem legislativen Organ entweder in die Organisation des Staates oder in die der Gebietskörperschaften eingegliedert werden können. Der Begriff des Arbeitnehmers i. S. des taiwanischen Steuerrechts geht damit ebenfalls über den taiwanischen Arbeitsrechts hinaus.

18 Amtliche Anweisung des Finanzministeriums v. 6.11.1980, 69 Nr. 39199; v. 19.6.1989, 78 Nr. 780109351; v. 12.9.1996, 85 Nr. 851915907. 19 VerwG. Urteil v. 7.5.1966, 55 Nr. 77; Taichung VerwG. Urteil v. 1.5.2002, 91 Nr. 97; Taichung VerwG. Urteil v. 8.5.2002, 91 Nr. 99. 20 In § 71 Abs. 2 und 4 der Verwaltungsverordnung über die Prüfung der Buchhaltung von Unternehmen sind die Vergütungen der Geschäftleiter als Arbeitslohn vorgesehen, soweit sie im Rahmen des Dienstvertrags bzw. in der Geschäftsordnung vorgesehen und tatsächlich entrichtet werden, ohne zu berücksichtigen, ob die Unternehmen Gewinne oder Verluste erzielen. 21 Amtliche Anweisung des Finanzministeriums v. 21.9.1994, 83 Nr. 831611383; v. 6.1.1999, 88 Nr. 871977887. 22 Amtliche Anweisung des Finanzministeriums v. 28.10.1995, 84 Nr. 841655567. 23 Amtliche Anweisung des Finanzministeriums v. 7.5.1997, 86 Nr. 861895947; v. 22.5.2001, 90 Nr. 900452678.

II. Steuerrechtliche Beziehungen

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bb) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Grundsätzlich sind dem Arbeitnehmer alle Einnahmen, die aufgrund des vertraglichen Dienstverhältnisses unmittelbar vom Arbeitgeber geleistet werden, gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. 2 twEStG als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen. Zu den steuerpflichtigen Einkünften gehören auch die durch eine illegale oder sittenwidrige Tätigkeit erzielten Einnahmen24. Aus der Rechtsprechung lässt sich allerdings nicht erkennen, ob hierbei die von einem Dritten gewährten Bezüge wie Trinkgelder, die durch die nichtselbständige Arbeit des Arbeitnehmers veranlasst wurden, dem Arbeitnehmer zuzuordnen und damit steuerpflichtig sind. Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, wie z. B. die Pension von Beamten, werden im deutschen Recht den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG zugeordnet. Dabei ist gleichgültig, ob diese Einkünfte dem Steuerpflichtigen laufend oder einmalig zugeflossen sind (§ 19 Abs. 1 S. 2 EStG). Der taiwanische Steuergesetzgeber bewertet allerdings diese Bezüge aus früheren Dienstleistungen als eine von dem Arbeitslohn unabhängige Einkunftsart, für die eine Sondervorschrift hinsichtlich der Bemessungsgrundlage besteht (§ 14 Abs. 1 Nr. 9 twEStG). Insoweit sind die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Form der Renten bzw. der Pensionen konsequent nicht mehr Lohneinkünfte im Sinne des taiwanischen Steuerrechts zu verstehen. Eine Pauschallohnsteuer wie im deutschen Recht (§§ 40 bis 40b EStG) existiert im taiwanischen Einkommensteuerrecht nicht. Von daher ist der Arbeitnehmer gesetzlich ohne Ausnahme Steuerschuldner der Lohnsteuer. 2. Zwischen Finanzamt und Arbeitgeber Zwischen Finanzamt und Arbeitgeber besteht ein verfahrensrechtliches Verhältnis, das grundsätzlich kraft Einkommensteuergesetzes entsteht. a) Deutsches Recht Das deutsche Lohnsteuerverfahren verläuft regelmäßig in Form eines gestuften Verfahrens in folgenden Schritten25:

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VerwG. Urteil v. 29.1.2003, 92 Nr. 127; v. 9.9.2004, 93 Nr. 1139. Vgl. Seer, FR 2004, S. 1037 ff.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

aa) Ermittlung der Lohnsteuer Bevor der Arbeitgeber die Lohnsteuer vom Arbeitslohn bei jeder Lohnzahlung einbehält, muss er gemäß § 38 Abs. 3 S. 1 EStG die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers aufgrund des bei dem Zeitpunkt des Lohnsteuerabzugs relevanten Sachverhalts ermitteln. Während der für die Festsetzung der Einkommensteuer relevante Sachverhalt ansonsten durch die Finanzbehörde von Amts wegen (§ 88 Abs. 1 S. 1 AO) hoheitlich unter Mitwirkung des Steuerpflichtigen (§ 90 Abs. 1 S. 1 AO) aufgeklärt wird, fehlt dem Arbeitgeber eine solche Befugnis für die Ermittlung des Sachverhalts, der sich auf alle besteuerungsrelevanten Merkmale des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums erstreckt. In Ermangelung einer solchen Befugnis ist es dem Arbeitgeber grundsätzlich nicht möglich, die für den Lohnsteuertatbestand relevanten Tatsachen zu ermitteln. Als einzige Möglichkeit zu einer solchen Sachverhaltsermittlung durch den Arbeitgeber bleibt eine Bezugnahme auf die Einträge auf der Lohnsteuerkarte, die für den Lohnsteuerabzug maßgeblich sind. Die Gemeinden haben nach § 39 Abs. 1 EStG den nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmern für jedes Kalenderjahr unentgeltlich eine Lohnsteuerkarte nach amtlich vorgeschriebenem Muster auszustellen und zu übermitteln. Auf dieser Karte tragen sie nach § 39 Abs. 3 EStG sowohl die persönlichen Merkmale, wie z. B. Geburtsdatum, Familienstand und Zahl der Kinder zur Ermittlung der Kinderfreibeträge, als auch die für den Abzug maßgebliche Steuerklasse (§ 38b EStG) ein. Der Arbeitgeber hat auf der Grundlage der vor Beginn des Kalenderjahres oder beim Eintritt in das Dienstverhältnis vom Arbeitnehmer vorzulegenden Lohnsteuerkarte die Höhe der Lohnsteuerschuld zu berechnen (vgl. §§ 39b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 bis 13, Abs. 3 S. 3 bis 7; 39c Abs. 1 S. 1; 39d Abs. 3 S. 4 EStG). Da die maßgeblichen Tatsachen über den Steuerschuldner in dieser Form offen gelegt werden und der Arbeitgeber den Zuflusszeitpunkt sowie die Höhe des Arbeitslohns kennt, ist es ihm möglich, den Lohnsteuerabzug vorzunehmen. Der Arbeitgeber ist aufgrund der Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte von der Verpflichtung, den steuerrechtlich relevanten Sachverhalt aufzuklären, im Übrigen befreit. Er ist zudem an diese Eintragungen gebunden, ohne dass ihm das Recht zusteht, diese auf der Lohnsteuerkarte auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Dies gilt selbst dann, wenn die Eintragungen erkennbar den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechen und die Eintragungen zum Nachteil des Arbeitnehmers unrichtig sein sollten26. Es besteht auch keine Fürsorgepflicht, die den Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer auf für ihn ungünstige Eintragungen aufmerksam zu machen27. Weder Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer 26 27

BFH Urteil v. 26.7.1974, VI R 24/69, BStBl. II 1974, S. 756, 758. Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG § 39 Rdn. A24.

II. Steuerrechtliche Beziehungen

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sind berechtigt, die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte zu ändern oder zu ergänzen (§ 39 Abs. 6 S. 4 EStG). Die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte genießen öffentlichen Glauben. Gemäß § 42d EStG ist daher der Arbeitgeber von einer Haftung bei einer Unrichtigkeit der Eintragungen befreit, weil er die sachliche Richtigkeit der im Verfahren vorgenommenen Eintragungen nicht zu überprüfen hat28. In der Lehre wird dies als Lohnsteuerkartenprinzip bezeichnet29. Über die Angaben in der Lohnsteuerkarte hinaus muss der Arbeitgeber nur diejenigen Sachverhalte berücksichtigen, von denen er gemäß § 38 Abs. 1 S. 3 EStG weiß oder die er kennen kann. Bis einschließlich Kalenderjahr 2003 bestand eine Verpflichtung des Arbeitgebers zum Steuerabzug, wenn nämlich die Zahlung im Rahmen eines Dienstverhältnisses zum Arbeitgeber überlicherweise für eine Arbeitsleistung erfolgt ist30. Dazu zählen insbesondere anderweitige Zuflüsse, die durch die Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers bestehen31, wenn der Arbeitgeber weiß oder für ihn erkennbar ist, dass derartige Vergütungen erbracht werden. Dabei ist der Arbeitnehmer gemäß § 38 Abs. 4 S. 3 EStG seinerseits verpflichtet, dem Arbeitgeber die von einem Dritten gewährten Bezüge am Ende des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums anzugeben. Wenn der Arbeitgeber zu dem Ergebnis kommt, dass diese Vergütungen einkommensteuerpflichtig sind, muss er weiter ermitteln, ob sie zum Arbeitslohn (§ 38 Abs. 1 S. 3 H.S. 1 EStG) gehören oder ob sie ganz oder teilweise von der Steuer befreit sind (§§ 3; 3b EStG). Als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unterliegen dem Lohnsteuerabzug z. B. die von Dritten gewährten Trinkgelder, wenn insbesondere ein sog. „Troncsystem“ vorliegt. Bei diesem Verfahren legen alle Kellner sämtliche Trinkgelder zusammen und beziehen den Arbeitgeber bei der Aufteilung mit ein32. Wenn aber der Arbeitnehmer die Verpflichtung zur Abgabe des Vorliegens der Drittlöhne nicht erfüllt, steht dem Arbeitgeber seinerseits auch keine Befugnis zu, diese Trinkgeldzahlungen zu schätzen33. Diese Schätzungsbefugnis ist der Finanzverwaltung gemäß § 162 AO ausschließlich vorbehalten. Um Arbeitnehmer gegenüber anderen Steuerpflichtigen, insbesondere Selbständigen, nicht zu benachteiligen, ist das Lohnsteuerabzugsverfahren gemäß § 39a EStG strukturell so ausgestaltet, dass die einbehaltene Lohnsteuer die 28

Seer, FR 2004, S. 1038. Vgl. Birkenfeld, DStJG 9, S. 262; Schäfer, S. 43; Drenseck, in: Schmidt EStG, § 39 Rdn. 1 m.w. N. 30 Drenseck, in: Schmidt EStG, § 38 Rdn. 10; a. A. Crezelius, DStJG 9, S. 114 f., wonach die Abzugspflicht des Arbeitgebers bei einer echten Lohnauszahlung durch Dritte, also er nicht als Zahlstelle des Arbeitgebers angenommen wird, nicht bestehen solle. 31 Zu diesen Voraussetzungen s. ausf. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 19 Rdn. 37, § 38 Rdn. 10. Liegt eine der Voraussetzungen nicht vor, so ist der Arbeitgeber nicht zum Quellenabzug verpflichtet. 32 Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 38 Rdn. 10; Richter, DStR 1999, S. 843 f. 33 Vgl. Urban, INF 1998, S. 321 f. 29

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

Jahreseinkommensteuer wegen der typisierenden Steuerklassen nicht übersteigt, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht34. Zudem steht dem Arbeitnehmer gemäß § 39a EStG das Recht zu, einen Antrag beim zuständigen Wohnsitzfinanzamt zu stellen, ein Verfahren zur Ermäßigung der Lohnsteuer durchzuführen. Dieses Verfahren ist darauf gerichtet, Freibeträge auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Auf der Grundlage dieser Eintragung durch das Finanzamt auf der Lohnsteuerkarte lässt sich der Lohnsteuereinbehalt – auch während des Kalenderjahres – der voraussichtlichen individuellen Steuerschuld des Arbeitnehmers anpassen35. Dieses Verfahren verursacht allerdings einen unökonomischen Arbeitsmehraufwand, sowohl seitens des Steuerpflichtigen als auch seitens des Finanzamts. Außerdem wird dieses Verfahren neben der technischen Kompliziertheit durch eine überflüssige Zuständigkeitsaufteilung zwischen Gemeinden und Finanzämter verkompliziert36. bb) Einbehalt der Lohnsteuer vom Bruttoarbeitslohn Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer vom Arbeitslohn einzubehalten. Es handelt sich um eine tatsächliche, vom Arbeitgeber durchgesetzte Kürzung des auszuzahlenden Arbeitslohns, die mit der oben erwähnten Ermittlungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Finanzamt als eine einheitliche Einbehaltungspflicht des Arbeitgebers zu verstehen ist. Diese tatsächliche Kürzung enthält keinerlei Verwaltungsaktqualität, ist deshalb keine Maßnahme im Sinne einer Steuerfestsetzung37. Gemäß § 38 Abs. 3 S. 1 EStG hat der Arbeitgeber bei der Lohnauszahlung die geschuldete Lohnsteuer vom Bruttoarbeitslohn einzubehalten. Dies bedeutet, dass der Bruttolohn um den von dem Arbeitgeber berechneten Lohnsteuerbetrag gekürzt wird38. Es verbleibt der Nettolohnbetrag, der auch tatsächlich ausbezahlt wird. Werden hohe Sachbezüge neben einer geldlichen Entlohnung vom Arbeitgeber gewährt, so kann der vorzunehmende Lohnsteuerbetrag bei der Einbehaltung höher sein als die vorzunehmende Auszahlung. Dies kann auch der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer anlässlich des Dienstverhältnisses von einem Dritten Einkünfte bezieht. In den oben genannten Fällen 34

Vgl. Seer, FR 2004, S. 1037, 1039. Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 39a Rdn. A1. 36 Vgl. Seer, FR 2004, S. 1037, 1039. 37 Vgl. Drenseck, DStJG 9, S. 385; ausführlich über die Rechtsnatur der Einbehaltungspflicht s. Schäfer, S. 118 f. 38 In der Praxis behält der Arbeitgeber nicht nur den Betrag der Lohnsteuer, sondern zudem auch noch die Arbeitnehmerbeiträge für die Sozialversicherungen ein. Ist zudem eine betriebliche Rente oder ein vermögenswirksamer Sparplan oder eine Umwandlung von Lohn in Aktienanteile des Unternehmens oder eine Verrechnung von Lohn für eine private PKW-Mitnutzung oder etwas Ähnliches vereinbart, so werden auch solche Beiträge vom Bruttolohn einbehalten. Über die Haftung des Arbeitgebers für Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, s. Kiesche, ZIP 2003, S. 1957 ff. 35

II. Steuerrechtliche Beziehungen

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hat der Arbeitgeber zunächst die auszuzahlenden Barmittel zur Einbehaltung der Lohnsteuer zurückzubehalten. Zurückbehalten werden alle steuerpflichtigen, aber auch nicht steuerpflichtige Bezüge, wie z. B. Dienstreisekostenersatz. Ist die einzubehaltende Lohnsteuer immer noch höher als der zurückbehaltene Betrag, ist der Arbeitnehmer gemäß § 38 Abs. 4 S. 1 EStG verpflichtet, dem Arbeitgeber den Fehlbetrag zur Verfügung zu stellen. Entzieht sich der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung, so hat dies der Arbeitgeber dem Betriebsfinanzamt anzuzeigen. Insoweit ergänzt diese Anzeigepflicht die Einbehaltungspflicht des Arbeitgebers39. Versäumung der Anzeige bedeutet Verletzung der Einbehaltungspflicht. Durch diese Anzeige wird die Arbeitgeberhaftung gemäß § 42d EStG für die Lohnsteuer aufgehoben. Das Finanzamt hat gemäß § 38 Abs. 4 S. 3 EStG den Lohnsteuerminderertrag ausschließlich von dem Arbeitnehmer nachzufordern. Diese Handlungspflicht des Arbeitgebers zur Einbehaltung der Lohnsteuer kann nicht durch Vereinbarungen zwischen den arbeitsrechtlichen Parteien, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, abbedungen werden, weil es sich nicht nur um die Auszahlung der vereinbarten Vergütung, sondern zugleich um eine Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem Finanzamt handelt, die dazu dient, die öffentliche Aufgabe der Lohnsteuererhebung zu erfüllen. Ist der Steuereinbehalt durch den Arbeitgeber fehlerhaft, so hat er während des Kalenderjahres die Möglichkeit, Korrekturen vorzunehmen. Der Arbeitgeber kann nach § 41c EStG die Lohnsteuerberechnung korrigieren und diesen Fehlbetrag nachträglich entrichten. Ein Verstoß gegen die Einbehaltungspflicht, also der Fall, dass der Arbeitgeber den Steuereinbehalt nicht oder fehlerhaft durchführt, führt zur Haftung des Arbeitgebers gemäß § 42d EStG. Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gesamtschuldner gemäß § 42d Abs. 3 S. 1 EStG. Ob der vom Arbeitgeber durchgeführte Steuereinbehalt die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers gegenüber dem Finanzamt tilgt, ist in der Lehre streitig40. Dies steht im Zusammenhang mit der streitigen Frage, welche Rechtsstellung der Arbeitgeber im geltenden Lohnsteuerverfahren hat. Diese wird daher später erörtert [s. 2. Kapitel III.]. cc) Anmeldung beim zuständigen Finanzamt Der Arbeitgeber hat gemäß § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums, in der 39 Vgl. Bergkemper, FR 2003, S. 94; Mösbauer, S. 164 f.; ders., FR 1995 Möglichkeiten, S. 175; Offerhaus/Schmidt, S. 162. 40 Bejahend, z. B. Heuermann, StuW 1998, S. 221, 224; verneinend, z. B. Gast-de Haan, DStJG 9, S. 146 f.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

Regel kalendermonatlich (Abs. 2 S. 1), gegenüber dem Betriebsfinanzamt eine Steuererklärung einzureichen, in der die vom ihm in diesem Zeitraum einzubehaltende und zu übernehmende Lohnsteuersumme angegeben wird. Die Lohnsteuererklärung ist eine Steuereranmeldung im Sinne des § 150 Abs. 1 S. 3 AO, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers selbst in der Erklärung gemäß § 38 Abs. 3 S. 1 EStG zu berechnen hat. Sie steht gemäß § 168 S. 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt einer Nachprüfung gleich. Mit der Anmeldung erklärt der Arbeitgeber in einer Summe die Höhe seiner eigenen Entrichtungspflicht41. Es handelt sich um einen gegen ihn vorläufig entstehenden Geldzahlungsanspruch des Steuergläubigers, der dazu dient, eine reibungslose Steuererhebung beim Steuerschuldner durchführen zu können. Der Lohnsteueranmeldung ist weder zu entnehmen, welcher Teil des angemeldeten Betrags auf die zu übernehmende und welcher Teil auf die einzubehaltende Lohnsteuer entfällt, noch gehen aus ihr die Namen der Arbeitnehmer als Steuerschuldner hervor42. Wird der Lohnsteuerabzug für mehrere Arbeitsverhältnisse vorgenommen, enthält die Lohnsteueranmeldung damit verdichtete, entindividualisierte Zahlen, die nach Eingang beim Finanzamt keinem Steuerpflichtigen konkret zugeordnet werden können43. Im Falle einer fehlerhaften Anmeldung steht dem Arbeitgeber die Möglichkeit einer Korrektur gemäß § 153 AO zu. Behält der Arbeitgeber die Lohnsteuerbeträge zwar richtig ein, gibt er jedoch die Anmeldung unrichtig bzw. überhaupt nicht ab, kann ihn das Finanzamt in Anspruch nehmen. Als Grundlage für einen solchen Anspruch gilt nicht die Vollstreckung der Steuerfestsetzung der Entrichtungsschuld44, sondern die Regelung des § 42d EStG, nach der der Arbeitgeber im Wege der Haftung in Anspruch genommen wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber die der Höhe nach zutreffend einbehaltenen Lohnsteuerbeträge nicht ordnungsgemäß angemeldet hat, und dies zwangsläufig zu einer nicht korrekten Abführung der einbehaltenen Beträge geführt hat. Für den Fehlbetrag haftet der Arbeitgeber gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG. Soweit die Haftung reicht, sind er und der Arbeitnehmer gemäß § 42d Abs. 3 S. 1 EStG Gesamtschuldner. Der Differenzbetrag zwischen den einbehaltenen und den abzuführenden Lohnsteuerbeitrag wird im Nachhinein durch das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeglichen.

41 Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 41a Rdn. 6; ders., DStJG 9, S. 377, 386 ff.; Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 41a Rdn. A5; Heuermann, StuW 1998, S. 219. 42 Vgl. Drenseck, DStJG 9, S. 387. 43 Seer, FR 2004, S. 1039. 44 A. A. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 41a Rdn. A19; Drenseck, DStJG 9, S. 387.

II. Steuerrechtliche Beziehungen

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dd) Abführung an das Finanzamt Der Arbeitgeber hat gemäß § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Anmeldungszeitraums, in der Regel kalendermonatlich (Abs. 2 S. 1), die einbehaltenen Gesamtbeträge der Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen. Die Abführung der Lohnsteuer fällt zeitlich mit der Steueranmeldung zusammen. Die durch den Arbeitgeber an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer wird gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 EStG auf die Einkommensteuer des Arbeitnehmers angerechnet, weil es sich bei dieser Zahlung allein um die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers handelt. Diese Anrechnungsverfügung ist keine formlose Kassenmitteilung ohne Bindungswirkung, sondern ein zugunsten des Arbeitnehmers deklaratorischer Verwaltungsakt45.

ee) Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht Den Arbeitgeber treffen ferner Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten, die nicht als eigenständige Handlungspflichten, sondern als akzessorische Verpflichtungen zur Einbehaltungs- und Abführungspflicht zu verstehen sind46. Der Arbeitgeber hat am Ort der Betriebsstätte gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 EStG für jedes Kalenderjahr ein Lohnkonto für jeden einzelnen Arbeitnehmer zu führen. Auf dem Lohnkonto sind grundsätzlich die für den Lohnsteuerabzug erforderlichen Merkmale (sog. Grunddaten)47, die auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden, zu übernehmen. Zusätzlich werden die aus einer entsprechenden Bescheinigung übernommenen Daten eingetragen. Zu denen gehören die Freistellung aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) (§ 39b Abs. 6), das Vorliegen einer beschränkten Steuerpflicht (§ 39d Abs. 1 S. 3) und ein etwaiger Arbeitslohn aus einer geringfügigen Beschäftigung (§ 39a Abs. 6 i.V. m. § 3 Nr. 49). Bei jeder Lohnzahlung während des Kalenderjahres, für das das Lohnkonto gilt, sind im Lohnkonto Art und Höhe des gezahlten Arbeitslohns einschließlich der steuerfreien Bezüge sowie die einbehaltene oder übernommene Lohnsteuer einzutragen. Zu den Aufzeichnungen zählen alle Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die für das Verständnis der Aufzeichnungen die erforderlichen Erläuterungen enthalten. Zudem trifft den Arbeitgeber auch die Pflicht, solche Aufzeichnungen aufzubewahren.

45 Vgl. BFH Urteil v. 16.10.1986, VII R 159/83, BStBl. II 1987, S. 405; zu dieser Rechtsprechung kritisch Scholtz, FR 1988, S. 158 f.; Völlmeke, DB 1994, S. 1749 f. 46 Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 41 Rdn. B1; Seer, FR 2004, 1039. 47 Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 41 Rdn. B5.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

Das Lohnkonto bildet die Grundlage für die Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigung im Sinne des § 41b EStG. Der Arbeitgeber hat gemäß § 41b Abs. 1 S. 4 EStG dem Arbeitnehmer die Lohnsteuerbescheinigung auszuhändigen, wenn das Dienstverhältnis vor Ablauf des Kalenderjahres beendet wird oder der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird. In den übrigen Fällen hat der Arbeitgeber die Lohnsteuerbescheinigung dem Betriebsfinanzamt einzureichen. Diese Lohnsteuerbescheinigung ist sozusagen ein Jahresgesamtbericht, den der Arbeitgeber für jeden bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer im Veranlagungsverfahren als Beweisurkunde bereitzustellen hat48. Das Lohnkonto ist zugleich eine wesentliche Grundlage für die LohnsteuerAußenprüfung nach § 42f EStG49. ff) Mitwirkungspflicht bei der Lohnsteueraußenprüfung Die Frage, ob der Arbeitgeber seine Entrichtungspflicht im Quellenabzugsverfahren ordnungsgemäß nachkommt, wird durch die Lohnsteuer-Außenprüfung gemäß § 42f EStG vom Finanzamt überprüft. Diese ist eine besondere Außenprüfung i. S. d. §§ 193 ff. AO. Allerdings ist eine Außenprüfung ohne Mitwirkung des Arbeitgebers nicht möglich. Daher wird die Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers expressis verbis angeordnet (§ 42f Abs. 2 S. 1 EStG, § 200 AO). Die Entscheidung, ob eine Außenprüfung stattfinden soll, liegt im Ermessen des zuständigen Betriebsfinanzamts50, bei deren Ausübung gemäß § 5 AO der Zweck der Ermächtigung und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten sind. gg) Nachträgliche Erhebung und betrieblicher Lohnsteuer-Jahresausgleich In Zusammenhang mit der Ermittlungspflicht des Arbeitgebers steht die Änderung des Lohnsteuerabzugs gemäß § 41c Abs. 1 EStG. Der Arbeitgeber ist in den dort genannten Fällen berechtigt, bei der jeweils nachfolgenden Lohnzahlung bisher erhobene Lohnsteuerbeträge zu erstatten oder noch nicht erhobene Lohnsteuerbeträge nachträglich einzubehalten. Nach dem Wortlaut von § 41c Abs. 1 EStG ist der Arbeitgeber zu einer solchen Änderung jedoch nur berechtigt, nicht aber verpflichtet51. Macht er von dieser Berechtigung keinen Gebrauch, ist er doch gemäß § 41c Abs. 4 S. 1 EStG verpflichtet, dies beim Finanzamt unverzüglich anzuzeigen, wenn die Änderung zu einer nachträglichen 48 49 50 51

Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 41b Rdn. B2. Seer, FR 2004, S. 1039. Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42f Rdn. 3. Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 41c Rdn. 1.

II. Steuerrechtliche Beziehungen

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Einbehaltung führt. Nach dem Ablauf des Kalenderjahres ist die Änderung des Lohnsteuerabzugs nur noch in dem Falle möglich, in dem sie vor der Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigung stattfindet. Die Erstattung der zu viel abgezogenen Lohnsteuer ist im Wege des Lohnsteuer-Jahresausgleichs nach § 42b EStG zulässig. Am Ende des Kalenderjahres wird das Lohnsteuerverfahren durch den Abschluss des Lohnkontos gemäß § 41b Abs. 1 S. 1 EStG beendet. Im Zuge des Lohnkontoabschlusses kann der Arbeitgeber einen betrieblichen Lohnsteuer-Jahresausgleich gemäß § 42b EStG durchführen. Im Normalfall bildet der Lohnsteuer-Jahresausgleich deshalb den Abschluss des Lohnsteuerabzugs. Wenn der Lohnsteuer-Jahresausgleich durchgeführt wird, ist er auch der letzte Akt des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren52. Der Arbeitgeber ist gemäß § 42b Abs. 1 S. 1 EStG grundsätzlich nur berechtigt, den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen. Er ist allerdings gemäß § 42b Abs. 1 S. 2 EStG verpflichtet, den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen, wenn er am Ende des Ausgleichjahres mindestens zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Diese Differenzierung ist insoweit verständlich, als der LohnsteuerJahresausgleich gemäß § 42b EStG als Sonderfall der Änderung des Lohnsteuerabzugs gemäß § 41c EStG zu verstehen ist. Da das Ausgleichsverfahren aufwendig ist, kann es nur größeren Betrieben zugemutet werden53. Das Interesse an einem Ausgleichsverfahren wird so begründet, dass der Arbeitnehmer als Steuerschuldner die zu Unrecht einbehaltene Lohnsteuer frühzeitig zurückerhält, die ihm infolge eines schwankenden Arbeitlohns oder aufgrund von Änderungen auf der Lohnsteuerkarte während des Ausgleichsjahrs abgezogen wurde54. Zugleich wird mit diesem Verfahren das Ziel verfolgt, die Finanzverwaltung zu entlasten55. Der betriebliche Lohnsteuer-Jahresausgleich ist ein reines Erstattungsverfahren56, welches die Veranlagung gemäß § 46 EStG nicht ausschließt. Erstattet der Arbeitgeber die Lohnsteuer, so mindert sich die in der Veranlagung anzurechnende Lohnsteuer. b) Taiwanisches Recht Das geltende taiwanische Quellenabzugsverfahren erfasst nicht nur die Lohneinkünfte, sondern sehr umfassend, nahezu alle zu versteuernden Einkünfte, die von Behörden, Organisationen, Gewerbebetriebe und Freiberuflern ausgezahlt 52 Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42b Rdn. 1; Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42b Rdn. A1, A3. 53 Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42b Rdn. B1. 54 Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42b Rdn. 1. 55 s. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42b Rdn. A1; Schäfer, S. 48. 56 Vgl. Schäfer, S. 48.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

werden. Abzugspflichtig sind gemäß § 88 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 twEStG Auszahlungen von Dividenden und Gewinnen an Nichtansässige, Auszahlungen von Arbeitslöhnen, Zinsen, Mieten, Provisionen, Lizenzgebühren, Renten, Pensionen, Honoraren und Preisen aus Wettbewerben oder Lotterien. Ähnlich wie beim deutschen Lohnsteuerrecht verläuft das taiwanische Quellenabzugsverfahren regelmäßig in einem gestuften Verwaltungsverfahren in den folgenden Schritten: aa) Einbehaltung der unterschiedlichen Steuerbeträge nach den Einkunftsarten Gemäß § 88 Abs. 1 twEStG hat der Abzugspflichtige bei der Auszahlung, die dem Quellenabzug unterliegt, die geschuldeten Steuerbeträge nach Verwaltungsverordnungen, die den Vorgang des Abzugs sowie die geltenden Abzugssteuersätze je nach den Einkunftsarten näher bestimmen, einzubehalten. Demzufolge hat das taiwanische Finanzministerium eine Verordnung erlassen. In dieser Verordnung (im Folgenden: twEStAbzugV) sind die einzubehaltenden Abzugsbeträge der Einkommensteuer geregelt. Dabei ist eine Reihe von fixen Prozentsätzen vorgesehen, die für den Quellenabzug bei unterschiedlichen Einkunftsarten einschließlich der Lohneinkünfte gelten. Für ansässige Einkünftebezieher gilt grundsätzlich ein Steuersatz von 6% bis 20%, für nichtansässige von 20% bis 30%. Für den Arbeitslohn eines ansässigen Arbeitnehmers gilt beispielweise ein Abzug i. H. v. 10% (§ 2 Abs. 1 S. 1. Nr. 1 twEStAbzugV), für den Nichtansässigen hingegen ein solcher i. H. v. 20% (§ 3 Abs. 1 S. 1. Nr. 2 twEStAbzugV). Für die Zinsbeträge gilt hingegen ein Abzugssteuersatz i. H. v. 20%, ohne die von Ansässigen oder von Nichtanässigen zu unterscheiden. Grundsätzlich ist die Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse von Steuerschuldnern beim Quellenabzug ausgeschlossen. Für die Einbehaltung von Steuerbeträgen aus unterschiedlichen Einkunftsarten sind nur die Höhe der Auszahlung, die Art der Auszahlung, der diesbezügliche Abzugssteuersatz und eine Steuerbefreiung im konkreten Fall (§ 4 twEStG) maßgeblich. Eine Ausnahme zu einer solchen starren Regelung besteht bei der Lohnsteuereinbehaltung von ansässigen Arbeitnehmern, die abweichend von der twEStAbzugV in einer ebenfalls vom taiwanischen Finanzministerium erlassenen Verordnung über die Abzugsbeträge der Lohnsteuer (im Folgenden: twLStAbzugV) näher geregelt ist: die individuellen Verhältnisse des ansässigen Arbeitnehmers werden vom Abzugspflichtigen aufgrund von Angaben berücksichtigt, die er ihm im Rahmen seiner Mitteilungspflichten mitteilt. Der Arbeitnehmer hat nämlich vor Beginn des Beschäftigungsverhältnisses den für den Lohnsteuerabzug relevanten Sachverhalt, wie Familienstand, Anzahl der unterhaltberechtigten Kinder sowie sonstiger Verwandter, insbesondere die vom Steuerpflichtigen unterhaltenen Eltern, durch Angaben auf einem amtlichen Formular dem

II. Steuerrechtliche Beziehungen

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Abzugspflichtigen anzuzeigen (§ 2 twLStAbzugV). Bei einer Änderung des im jeweiligen Einzelfall zugrunde liegenden Sachverhalts ist der betroffene Arbeitnehmer verpflichtet, dem Abzugspflichtigen diese Änderung unverzüglich anzuzeigen (§ 3 twLStAbzugV). Aufgrund der vorgetragenen Tatsachen rechnet der Abzugspflichtige den einzubehaltenden Lohnsteuerbetrag bei der jeweiligen Auszahlung ab (§ 4 Abs. 1 twLStAbzugV). Eine Versäumnis der Mitteilungspflicht durch den Arbeitnehmer führt dazu, dass der Arbeitnehmer keine steuerrechtlichen Abzüge geltend machen kann (§ 5 twLStAbzugV). Er wird folglich in einem solchen Falle so behandelt, als sei er ledig und ohne unterhaltsberechtigte Kinder oder sonstige Verwandte. In Bezug auf diese Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Steuerschuldners ist ein ermäßigter Abzug i. H. v. null bis 10% des auszuzahlenden Bruttolohns des ansässigen Arbeitnehmers vorgesehen, die der Abzugspflichtige aufgrund einer amtlichen Tabelle zur Bestimmung der einzubehaltenden Beträge der Lohnsteuer anzuwenden hat57. Maßgeblich für diese Lohnsteuerabzugsbeträge sind die Anzahl der Unterhaltsberechtigten, die der Arbeitnehmer ihm zuvor rechtzeitig mitgeteilt hat, und nach wie vor die Höhe der vereinzelten Lohnauszahlungen. Für einen verheirateten Arbeitnehmer mit zwei minderjährigen Kindern, der ausschließlich einen monatlichen Bruttolohn i. H. v. 100000 NT$ (ca. 2500,– A) erzielt, beträgt die einzubehaltende Lohnsteuer 6280 NT$ (ca. 219,– A)58. Somit beträgt der Abzugssteuersatz 6,28% des Bruttolohns. Für denselben Arbeitnehmer mit einem monatlichen Bruttolohn i. H. v. 72000 NT$ (ca. 1800,– A) liegt der Abzugsbetrag mit nur 2640 NT$ (ca. 66,– A) bei etwa 3,67% liegt der auszuzahlende Bruttolohn unterhalb einer Freigrenze, die für einmalige Lohnauszahlungen 2000 NT$ (ca. 50,– A) beträgt; eine Einbehaltung eines Lohnsteuerbetrags findet nicht statt (§ 8 Abs. 1 twLStAbzugV). Für nichtansässige Arbeitnehmer beträgt der Abzugssteuersatz einheitlich 20% des Bruttolohns und hat einen Abgeltungseffekt. Durch den Quellenabzug der Lohnsteuer ist nämlich die Steuerschuld des nichtansässigen Arbeitnehmers getilgt. Eine Vorschrift, die den Abzugspflichtigen berechtigt oder verpflichtet, eine nachträgliche Änderung des Lohnsteuerabzugs bzw. einen Lohnsteuer-Jahresausgleich wie im deutschen Lohnsteuerrecht (§§ 41c, 42b EStG) durchzufüh-

57 Diese amtliche Tabelle zur Bestimmung der Abzugsbeträge der Lohnsteuer findet sich in einer chinesischsprachigen Fassung der National Tax Administration of Northern Taiwan Province (NTX), Ministry of Finance, im Internet unter der Adresse http://www.ntx.gov.tw/frontend/TaxMessage.files/H1B94000024-2.xls (Stand: 1.10.2005). 58 Wie beim deutschen Recht hat der Arbeitgeber in der Praxis nicht nur den Betrag der Lohnsteuer, sondern auch noch die Arbeitnehmerbeiträge für die Sozialversicherungen einzubehalten. Zu diesen zählen insbesondere die Beiträge der betrieblichen Renten und der Unfall- und Krankenversicherung.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

ren, kennt das taiwanische Einkommensteuerrecht nicht. Bei der Lohnsteuereinbehaltung ist der Abzugspflichtige weder berechtigt noch verpflichtet, jenseits der vom Arbeitnehmer vorgetragenen Tatsachen den einkommensteuerrechtlich relevanten Sachverhalt, wie z. B. das Vorliegen eines weiteren Dienstverhältnisses sowie anderer Einkunftsarten, zu ermitteln. Eine Vorschrift über Frei- und Hinzurechnungsbeträge wie im deutschen Recht (§ 39a EStG), die im Wesentlichen dazu dient, den Lohnsteuereinbehalt der zu erwartenden individuellen Steuerschuld anzupassen59, ist in Taiwan ebenfalls unbekannt60. Zudem hat der Abzugspflichtige auch nicht bei jeder Lohnsteuereinbehaltung darauf zu achten, ob letztlich eine Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers existiert. Die vom jeweils laufenden Arbeitslohn durch den Abzugspflichtigen einbehaltene Lohnsteuer muss auch nicht mit dem auf den Lohnzahlungszeitraum fallenden Teilbetrag der Jahreslohnsteuer, der sich bei einer Hochrechnung des laufenden Arbeitslohns auf einen Jahresarbeitslohn ergibt, übereinstimmen, wie dies im deutschen Recht (§ 38a EStG) vorgeschrieben ist. Mit dem starren Abzugsbetrag ähnelt die Wertung des taiwanischen Lohnsteuerrechts der des ersten deutschen Lohnsteuerrechts im REStG 1920, bei dem die Lohnsteuer als objektsteuerähnliche Steuer betrachtet wurde. Im Vergleich zum heutigen deutschen Recht, wo der Arbeitgeber als Abzugspflichtiger durch den Quellenabzug relativ intensiv in Anspruch genommen wird, kann die Tätigkeit des Abzugspflichtigen im taiwanischen Lohnsteuerabzugsverfahren vielmehr als schematische Arbeit bzw. als die Ausübung „mechanisierter Arbeitsabläufe“ bewertet werden61. Die kraft taiwanischen Steuergesetzes entstehende Verpflichtung verursacht zwar beim Abzugspflichtigen einen zusätzlichen Aufwand und diesbezügliche Kosten, die wirtschaftlich vom Arbeitgeber getragen werden müssen. Für den Abzugspflichtigen verursacht dies jedoch keinerlei tatsächliche Schwierigkeiten. In der Praxis entstehen die Rechtsstreitigkeiten über die Steuereinbehaltung meistens in Fällen, in denen der Abzugspflichtige aufgrund fehlerhafter Rechtsanwendung die steuerpflichtigen als steuerbefreite Einkünfte, die quellenabzugspflichtige als veranlagte Einkünfte betrachtet, und daher den Quellenabzug nicht durchführt.

59 Das sog. Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren nach § 39a EStG ist das Instrument, das dazu dient, dass die einbehaltene Lohnsteuer möglichst der Jahressteuer entspricht und letztere nicht wegen der typisierenden Steuerklassen nach 38b EStG übersteigt. s. ausf. Giloy, FR 1984, S. 556; Seer, FR 2004, S. 1039; Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 39a Rdn. A1. 60 Die Werbungskosten des Arbeitnehmers sind – unabhängig von den im Einzelfall bedeutsamen Umständen – einkommensteuerrechtlich nur pauschal abzugsfähig (§ 17 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 twEStG). Diese Pauschalregelung ist aufgrund des Nettoprinzips verfassungsrechtlich fragwürdig. 61 Diese Vokabel stammt allerdings aus der deutschen Rechtsprechung, s. BFH Urteil v. 21.2.1984, VII R 107/83, BStBl. II 1984, S. 336.

II. Steuerrechtliche Beziehungen

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Die Abzugssteuersätze der Lohnsteuer bis zum Maximum 10% des Bruttolohns, sind relativ niedriger als die allgemein geltenden Einkommensteuersätze62 und die durchschnittliche Quote der Steuerbelastung der Staatsbürger63. Der Steuerschuldner hat deshalb im Normalfall die verbleibende Steuerschuld nach Ablauf des Kalenderjahres in einem Veranlagungsverfahren zu entrichten. bb) Anmeldung und Abführung an das Finanzamt Gemäß § 92 Abs. 1 S. 1 twEStG ist der Abzugspflichtige verpflichtet, die einbehaltenen Gesamtbeträge aller Einkunftsarten innerhalb von zehn Tages des nachfolgenden Monats an das zuständige Finanzamt anzumelden und abzuführen. Wenn ein Steuerabzug für mehrere Arbeitsverhältnisse vorgenommen wird, enthält die Lohnsteueranmeldung verdichtete Zahlen, die nach Eingang beim Finanzamt keinem Steuerpflichtigen konkret zugeordnet werden können. cc) Aushändigung der Steuerbescheinigung Um Unklarheiten aus der Anonymisierung der Arbeitnehmer im Rahmen des Steuerabzugs zu vermeiden, hat der Abzugspflichtige gemäß §§ 92 Abs. 1 S. 1 und 94 Abs. 1 S. 1 twEStG innerhalb eines Monats des nachfolgenden Kalenderjahres eine Steuerbescheinigung sowohl dem zuständigen Finanzamt als auch dem betroffenen Steuerschuldner auszuhändigen. Auf der Steuerbescheinigung werden sowohl die Gesamtsumme der Steuerbeträge verzeichnet, die innerhalb des jeweiligen Kalenderjahres vom Abzugspflichtigen einbehalten und abgeführt wurde, als auch die Zusammensetzung des Betrags tabellarisch eingetragen. Ist eine Steuereinbehaltung ausgeschlossen, so hat der Abzugspflichtige dem Steuerschuldner und dem Finanzamt eine Bescheinigung der Steuerabzugsbefreiung auszuhändigen. Diese Steuerbescheinigung hat der Steuerschuldner gemäß § 71 Abs. 1 twEStG beim Veranlagungsverfahren als Ausweis beizufügen.

62 Die im Jahr 2004 geltenden Einkommensteuersätze für Ansässige sind 6% (0– 370000 NT$), 13% (370001–990000 NT$), 21% (990001–1980000 NT$), 30% (1980001–3720000 NT$), 40% (über 3720000 NT$) auf das Nettoeinkommen. Zu den gegenwärtigen Einkommensteuersätzen s. Veröffentlichung des Steuerausschusses des Finanzministeriums (Taxation and Tariff Committee. kurz: TTC). Eine englischsprachige Fassung steht unter der Webseite des taiwanischen Finanzministeriums (Ministry of Finance, kurz: MOF) zur Verfügung. http://www.ttc.gov.tw/public/ Attachment/492311471571.pdf (Stand: 1.10.2005) S. 22. 63 Die durchschnittliche Quote der Steuerbelastung der taiwanischen Staatsbürger betrug zwischen 1993 und 2002 durchschnittlich 17%. s. ausf. Veröffentlichung des Finanzministeriums auf der Webseite. http://www.ttc.gov.tw/public/Attachment/ 492715122171.pdf (Stand: 1.10.2005) S. 4.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

dd) Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht Die Aufzeichnungs- und die Aufbewahrungspflicht des Abzugspflichtigen sind in den §§ 90 und 91 Abs. 1 twEStG geregelt. Arbeitgeber sind gemäß diesen Vorschriften verpflichtet, alle relevanten Beweismittel für den Quellenabzug aufzuzeichnen und aufzubewahren, wie z. B. Gehaltszettel und schriftliche Mitteilungen des Arbeitnehmers über seinen Familienstand sowie die Anzahl der Kinder und unterhaltsberechtigten Verwandten. ee) Mitwirkungspflicht bei der Außenprüfung Die Außenprüfung wird gemäß §§ 91 Abs. 2, 93 und 95 twEStG durch das Finanzamt von Amts wegen bei dem Abzugspflichtigen durchgeführt. Die Mitwirkungspflicht des Abzugspflichtigen wird in § 97 twEStG mit Verweis auf §§ 83 bis 86 twEStG geregelt. Danach ist der Abzugspflichtige verpflichtet, alle für die Prüfung erforderlichen Aufzeichnungen und Bücher dem Finanzamt gegenüber offen zu legen.

III. Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren Die Steuergesetzgeber in Deutschland und Taiwan haben übereinstimmend das Lohnsteuerverfahren in Form des Quellenabzugs ausgestaltet, also so, dass ein Dritter, der an der Steuerquelle der zu versteuernden Lohneinkünfte sitzt, kraft Steuergesetzes zur Einbehaltung und Abführung der Steuer herangezogen wird. Beiden Steuergesetzen liegt beim Lohnsteuerabzug die Vorstellung eines Dreiecksverhältnisses zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt zugrunde, ohne dass die Rechtstellung des Arbeitgebers gesetzlich definiert wird. In Ermangelung einer Legaldefinition lässt sich die Rechtsstellung des Arbeitgebers lediglich anhand von Wertungen aus der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur umreißen. Eine solche Feststellung wird dadurch erschwert, dass in Rechtsprechung und Literatur sehr umstritten ist, ob der Arbeitgeber auf der Seite des Steuerpflichtigen die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Steuererklärung und -entrichtung erfüllt oder ob er statt dessen auf der Seite des Steuergläubigers auftritt und damit den Quellenabzug hoheitlich gegenüber dem Arbeitnehmer vollzieht. Die nachfolgende Untersuchung verfolgt zuerst die deutschen Lösungsansätze über das gedachte Beziehungsdreieck, das den Regelungen im deutschen Steuerrecht zugrunde liegt. Mit Verweis auf die diesbezüglichen Meinungsstreitigkeiten wird danach die taiwanische Literaturauffassung aufgrund der taiwanischen Rechtslage dargestellt.

III. Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

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1. Literaturauffassungen Die bisherigen Auffassungen über die Charakterisierung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerverfahren lassen sich grundsätzlich in zwei Basistheorien einteilen64: während in der dienstrechtlichen Theorie die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Lohnsteuerquellenabzug als Ausfluss des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses zwischen ihm und dem Arbeitnehmer eingeordnet wird, wird seine lohnsteuerrechtliche Verpflichtung nach der öffentlich-rechtlichen Theorie ausschließlich als öffentlich-rechtlich qualifiziert. a) Dienstrechtliche Theorie Bei der dienstrechtlichen Theorie kann man noch zwei weitere Unterthesen unterscheiden: die Transformations- und die Rückgriffsthese65. Sie sind allerdings keine Gegensätze, sondern ergänzen sich gegenseitig. aa) Transformationsthese Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind die Parteien des Arbeits- oder Dienstvertrags. Nach der Transformationsthese sind alle steuerrechtlichen Pflichten und Rechte vom Arbeitgeber in Gestalt der Fürsorgepflicht in das Arbeits- bzw. Dienstrecht transformiert66: bei Streitigkeiten besteht eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Der Arbeitgeber erfüllt danach seine arbeits- oder dienstrechtliche Fürsorgepflicht, wenn er für den Arbeitnehmer dessen Lohnsteuer erhebt. In seiner ständigen Rechtsprechung geht das Bundesarbeitsgericht (BAG) davon aus, dass die lohnsteuerrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zugleich auch als arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht für seinen Arbeitnehmer zu verstehen sei67. Diese Rechtsprechung des BAG übernimmt nicht nur die arbeitsrechtliche Literatur kritiklos68, ihr folgt auch die herrschende Meinung in der Literatur zum Lohnsteuerrecht69: im Detail reicht das Spektrum der Auffassungen von der, 64

Vgl. Heuermann, in: H/W LStR, Rdn. J13, J14. Stolterfoht, DStJG 9, S. 178 ff. 66 Zur Bezeichnung „Transformationsthese“, vgl. Stolterfoht, DStJG 9, S. 175 (177); zur Kritik an der Bezeichnung als „Transformationsthese“ s. Lang, RdA 1999, S. 66, wonach nicht die steuerlichen Pflichten und Rechte transformiert werde. Stattdessen würden die arbeitsrechtlichen Regeln zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer formuliert, in denen geregelt sei, wie die Parteien mit dem Lohnsteuerverfahren umzugehen haben. Das Arbeitsrecht sei diesbezüglich das Folgrecht des Steuerrechts. 67 BAG Urteil v. 27.3.1958, 2 AZR 188/56, AP Nr. 1 (Bl. 3) zu § 670 BGB; v. 27.3.1958, 2 AZR 291/57, AP Nr. 2 (Bl. 1) zu § 670 BGB; v. 24.10.1958, 4 AZR 114/56, AP Nr. 7 zu § 670 BGB; v. 19.12.1963, 5 AZR 174/63, AP Nr. 15 (Bl. 3) zu § 670 BGB. Zu den weiteren Urteilen der Rechtsprechung s. Schäfer, S. 54 Fn. 70 m.w. N. 65

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

dass der Arbeitgeber ein gesetzlich in Dienst genommener Privater ist70, bis zu der, dass der Arbeitgeber als „Beauftragter des Steuerfiskus“71 oder als „Hilfsorgan der staatlichen Finanzverwaltung“72 auftrete. Von allen Auffassungen wird jedoch vertreten, dass der Arbeitgeber in Wirklichkeit immer noch eine Privatperson sei und in dieser Eigenschaft auch dem Arbeitnehmer gegenüber stehe73. Die Rechtsbeziehung des in Dienst genommenen Arbeitgebers zum Arbeitnehmer als Steuerschuldner sei deshalb nicht ein öffentlich-rechtliches Anstaltsverhältnis, sondern ein rein zivilrechtliches, das grundsätzlich nach den Regeln des BGB zu behandeln sei. Zuweilen wird auch auf die Rechtsprechung des BFH verwiesen, nach der die steuerliche Pflicht des Arbeitgebers als erweiterte Dienstleistungspflicht im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu sehen sei74. Die Erweiterung bestehe in der Sonderleistung, den Lohnsteuerabzug vorzunehmen. Die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer seien ausschließlich arbeitsrechtlich einzuordnen. Aus dem umfassenden Charakter der arbeits- und dienstvertraglichen Fürsorgepflicht, insbesondere der Schutzpflicht, ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Leben, Gesundheit und Persönlichkeitsbelangen des Arbeitnehmers zu treffen. Zu diesen Handlungspflichten ist der Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren heranzuziehen. Das Lohnsteuerrecht verpflichtet den Arbeitgeber, die Summe der Lohnsteuer richtig zu berechnen75, die abgerechnete Lohnsteuer einzubehalten, die einbehaltene Lohnsteuer vollständig abzuführen76, den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen, die Lohnsteuerkarte sorgfältig aufzubewahren und sie dem Arbeitnehmer gegenüber herauszugeben77. Auf der Grundlage des Grundsatzes von Treu und Glauben ge68 Zu den dieser Ansicht zustimmenden Meinungen aus dem dienst- und arbeitsrechtlichen Schrifttum, s. Hueck, in: H/N ArbR, S. 281 Fn. 89a m.w. N.; Blomeyer, in: MüKo ArbR, § 96 Rdn. 90 ff. 69 Zu den dieser Ansicht zustimmenden Meinungen aus dem steuerrechtlichen Schrifttum, Gast, DB 1959, S. 488; Hartz, DB 1961, S. 1365 ff.; Krohn, BB 1969, S. 1233 ff.; Drenseck, in: Schmidt EStG, § 38 Rdn. 1; ders., DStJG 9, S. 382 ff.; Birkenfeld, DStJG 9, S. 266; Heuermann, StuW 1999, S. 351 ff.; Schäfer, S. 54 Fn. 70 m.w. N.; Anhänger dieser Auffassungen finden sich auch in der verwaltungsrechtlichen Literatur, s. Heimburg, S. 39 ff. 70 Vgl. Ipsen, in: FS für Kaufmann, S. 160. 71 Vgl. Jurina/Lang, in: T/L StR, § 10 Rdn. 11. 72 Vgl. Lang, in: T/L StR, § 9 Rdn. 766; Jurina/Lang, in: T/L StR, § 10 Rdn. 11. 73 Lang, RdA 1999, S. 67. 74 BFH Urteil v. 5.7.1963, VI 270/62 U, BStBl. III, 1963, S. 468, 469. 75 BAG Urteil v. 27.3.1958, 2 AZR 188/56, AP Nr. 1 (Bl. 3) zu § 670 BGB; v. 27.3.1958, 2 AZR 291/57, AP Nr. 2 (Bl. 1) zu § 670 BGB; v. 19.12.1963, 5 AZR 174/63, AP Nr. 15 (Bl. 3) zu § 670 BGB. 76 BAG Urteil v. 27.3.1958, 2 AZR 188/56, AP Nr. 1 (Bl. 3) zu § 670 BGB. 77 FG Schleswig-Holstein, Urteil v. 11.11.1987, I 464/87, EFG 1988, S. 245, 246; Zu den dieser Ansicht zustimmenden Meinungen aus dem Schrifttum s. Schäfer, S. 55 Fn. 76.

III. Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

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mäß § 242 BGB lassen sich auch einzelne Pflichten, die nicht im Steuergesetz selbst vorgeschrieben sind, aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ableiten. Zu diesen gehören die Verpflichtungen des Arbeitgebers z. B. ein nicht gerechtfertigtes Nachversteuerungsverlangen durch die Finanzverwaltung für den Arbeitnehmer abzulehnen78 oder den Arbeitnehmer von einer ihm drohenden Nachversteuerung zu unterrichten79. Alle diese Handlungen seien vom Arbeitgeber nicht nur steuerrechtlich, sondern auch arbeitsrechtlich gefordert. Trete eine Pflichtverletzung ein, sei der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer gemäß §§ 280, 282 BGB aus positiver Vertragsverletzung verpflichtet, den aufgrund seiner Pflichtverletzung verursachten Schaden zu ersetzen80. Die Schäden könnten in den Fällen entstehen, in denen eine Erstattung der übermäßig hoch einbehaltenen Steuerbeträge beim Lohnsteuer-Jahresausgleich gemäß § 42b EStG vom Arbeitgeber versäumt wird, oder wenn bei zu niedriger Einbehaltung die Lohnsteuernachforderung durch die Finanzverwaltung gegen den Arbeitnehmer eine hohe Belastung des sonstigen Vermögens des Arbeitnehmers darstellt. Da seine persönlichen Belange für die Steuerschuld grundsätzlich nicht von Interesse sind, kann eine Steuernachforderung zur Unzeit für ihn bedeuten, dass er geplante Investitionen nicht vornehmen kann oder sogar gezwungen ist, einen Kredit aufzunehmen. Zudem liegt nach der Auffassung des BAG ein finanzieller Schaden beim Arbeitnehmer vor, wenn er z. B. wegen der Lohnsteuernachzahlung seine Mietverbindlichkeiten nicht pünktlich begleicht und infolge einer Kündigung seine Mietwohnung verliert81. bb) Rückgriffsthese Während die Transformationsthese die steuerrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers weitgehend als Ausfluss seiner arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht versteht, beschränkt sich die Rückgriffsthese auf den Bereich, in dem der Arbeitgeber nach der Inanspruchnahme durch die Finanzverwaltung im Wege der gesamtschuldnerischen Haftung seinerseits einen Regress von dem Arbeitnehmer verlangt. Zur Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs werden allerdings unterschiedliche Auffassungen vertreten. Während das Reichsarbeitsgericht (RAG) den Anspruch wesentlich aus dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß 78 BAG Urteil v. 17.3.1960, 5 AZR 395/58, AP Nr. 8 (Bl. 4) zu § 670 BGB; v. 19.12.1963, 5 AZR 174/63, AP Nr. 15 (Bl. 3) zu § 670 BGB. Zu den dieser Ansicht zustimmenden Meinungen aus dem Schrifttum, s. Schäfer, S. 55 Fn. 74. 79 BAG Urteil v. 23.3.1961, 5 AZR 156/59, AP Nr. 9 (Bl. 3) zu § 670 BGB; v. 19.12.1963, 5 AZR 174/63, AP Nr. 15 (Bl. 3) zu § 670 BGB. Zu den dieser Ansicht zustimmenden Meinungen aus dem Schrifttum, s. Schäfer, S. 55 Fn. 75. 80 BAG Urteil v. 18.1.1974, 3 AZR 183/73, AP Nr. 19 zu § 670 BGB. 81 BAG Urteil v. 27.3.1958, 2 AZR 188/56, AP Nr. 1 (Bl. 4) zu § 670 BGB.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

§§ 677 ff. BGB, aus dem Gesamtschuldverhältnisrecht nach § 426 BGB, oder aus dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß §§ 812 ff. BGB abgeleitet hatte82, ging das BAG in seiner früheren Rechtsprechung davon aus, dass die Erstattung auf eine Analogie zu § 670 BGB gestützt werde, weil ein „gesetzliches Legalschuldverhältnis mit auftragsähnlichem Inhalt“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorläge83. In der jüngeren Rechtsprechung wird ein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer dadurch begründet, dass die lohnsteuerrechtliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer „zwanglos und lebensnah“ als Teil des Arbeitsverhältnisses zu verstehen sei. Danach ergebe sich die Erstattung direkt aus der arbeitsrechtlichen Redlichkeitspflicht. Die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis bestehenden Fürsorge- und Redlichkeitspflichten würden durch das Auftragsverhältnis konkretisiert und festgelegt. Demzufolge sei § 670 BGB die Grundlage des Erstattungsanspruches84. b) Öffentlich-rechtliche Theorie Die Auffassung des BAG ist, insbesondere in der steuerrechtlichen Literatur, auf heftige Kritik gestoßen85. Die Kritiker gehen davon aus, dass der Gesetzgeber mit dem Lohnsteuerabzug allein dem Interesse des Staates dienen wollte. Dieses Staatswohlinteresse ergebe sich aus der historischen Entwicklung des Lohnsteuerabzugsverfahrens86. Die Tätigkeit des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren sei keine arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer, sondern eine Erledigung der Aufgaben, denen sonst das Finanzamt nachkäme. Der Arbeitgeber vertrete im Lohnsteuerverfahren die Position des Fiskus und übernehme die Aufgabe der Finanzverwaltung, die Lohnsteuer zu erheben. 82

RAG Urteil v. 10.2.1932, ARS 14, 345 (Nr. 76) zit. nach Riepen, S. 44. BAG Urteil v. 27.3.1958, 2 AZR 188/56, AP Nr. 1 (Bl. 2) zu § 670 BGB; v. 27.3.1958, 2 AZR 367/57, AP Nr. 4 zu § 670 BGB; v. 27.3.1958, 2 AZR 221/56, AP Nr. 5 zu § 670 BGB; v. 17.3.1960, 5 AZR 395/58, AP Nr. 8 zu § 670 BGB; v. 1.12.1967, 3 AZR 459/66, AP Nr. 17 zu § 670 BGB. Anfangs hat das BAG neben § 670 BGB noch den Ausgleichanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB aus dem Gesamtschuldverhältnis (§ 42d Abs. 3 S. 1 EStG) erwähnt. Dazu s. BAG Urteil v. 27.3.1958, 2 AZR 188/56, AP Nr. 1 (Bl. 3 unter 2 f.) zu § 670 BGB. In der neueren Rspr. existiert der Hinweis nicht mehr. s. ausf. Schäfer, S. 57 Fn. 86. 84 BAG Urteil v. 14.6.1974, 3 AZR 456/73, AP Nr. 20 (Bl. 2) zu § 670 BGB; v. 19.1.1979, 3 AZR 330/77, AP Nr. 21 (Bl. 1) zu § 670 BGB; v. 20.3.1984, 3 AZR 124/82, AP Nr. 22 (Bl. 2) zu § 670 BGB. Zuvor erscheint solche Auffassung bereits beim Urteil des LAG. Vgl. z. B. Düsseldorf LAG Urteil v. 10.5.1972, DB 1972, S. 1782. s. ausf. Schäfer, S. 57. 85 Riepen, S. 43; Schick, FR 1983, S. 501; Stolterfoht, DStJG 9, S. 176, 182 f.; Groll, DStJG 9, S. 445; Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A10 ff.; Mösch, S. 40 Fn. 4; Hahn, Problematik, S. 88; Schäfer, S. 58 ff.; Kloubert, S. 28 Fn. 58 m.w. N.; Kritik aus der öffentlich-rechtlichen Literatur s. Tettinger, DVBl. 1976, S. 752. 86 Dazu s. ausf. Stolterfoht, DStJG 9, S. 182; Kloubert, S. 32. 83

III. Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

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Der Arbeitgeber übe nämlich mit dem Lohnsteuerabzug gegenüber dem Arbeitnehmer öffentliche Gewalt aus. Die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Lohnsteuerverfahren sei deshalb ausschließlich als öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis, also als ein Subordinationsverhältnis zu qualifizieren. Diese öffentlich-rechtliche Theorie geht davon aus, dass der Arbeitgeber kraft Steuergesetzes ermächtigt und verpflichtet werde, die Lohnsteuer beim Lohnsteuerverfahren einzubehalten und abzuführen, da der Arbeitgeber „ohne und gegen den Willen des betroffenen Arbeitnehmers“ in dessen Rechte und Grundrechtssphäre eingreifen könne und müsse, ohne sich schadensersatzpflichtig zu machen87. Dementsprechend habe der Arbeitnehmer den Quellenabzug durch den Arbeitgeber zu dulden88. Für die Annahme der öffentlich-rechtlichen Theorie sprächen auch die Vorschriften der §§ 38 Abs. 4; 41c Abs. 4 EStG. Da das Finanzamt aufgrund der Anzeige des Arbeitgebers die Lohnsteuer beim Arbeitnehmer nachfordern könne, zeige sich, dass der Arbeitgeber als hoheitlich Befugter gegenüber dem Arbeitnehmer tätig werde, weil diese Lohnsteuernachforderung gemäß § 155 Abs. 1 S. 2 AO eine ausschließlich hoheitliche Handlung sei89. Darüber hinaus sei der bis zum Kalenderjahr 1990 praktizierte amtliche Lohnsteuer-Jahresausgleiches nach § 42 EStG90 auch ein Zeichen dafür, dass der mit dem amtlichen im Zusammenhang stehende betriebliche LohnsteuerJahresausgleich nach § 42b EStG auch eine öffentlich-rechtliche Natur habe91. Als Träger hoheitlicher Gewalt könnte der Arbeitgeber als Beliehener, als Verwaltungshelfer oder sogar als die Finanzbehörde selbst auftreten92. Der Unterschied zwischen den unterschiedlichen Figuren besteht hauptsächlich in der organisationsrechtlichen Stellung des Arbeitgebers zu anderen staatlichen Funktionen, die von Behörden fest eingerichteter Institutionen wahrgenommen werden93: Als Beliehener würde der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug hoheitlich tätig und dadurch befugt, die auf den Bruttolohn entfallende Lohnsteuer gegenüber dem Arbeitnehmer festzustellen, einzubehalten und abzuführen. Der Arbeitgeber als Beliehener erfüllte diese öffentliche Aufgabe in eigenem Namen und übte den ganzen Vorgang beim Lohnsteuerver-

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Vgl. Schäfer, S. 97. Vgl. Mösbauer, S. 159. 89 Vgl. Schäfer, S. 98. 90 Diese Vorschriften sind durch das Steueränderungsgesetz vom 25.2.1992, BStBl. 297, 306 = BStBl. I 1992, S. 146, 155 aufgehoben worden. 91 Vgl. Schäfer, S. 98. 92 s. ausf. Heuermann, in: H/W LStR, Rdn. J14; Kloubert, S. 17 ff. 93 Vgl. Kloubert, S. 45; Schäfer, S. 70 ff. 88

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

fahren selbständig aus. Der Arbeitgeber wäre danach Behörde im Sinne des § 1 Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)94. Dagegen beschreibt die Figur des Verwaltungshelfers einen Arbeitgeber als einen Privaten, der öffentliche Aufgaben nicht selbständig, sondern im Auftrag und nach Weisung einer Behörde im Wege einer Hilfstätigkeit wahrnimmt95. Während der Beliehene als Privatperson in dem ihm anvertrauten Bereich funktionell handelt und nur mittelbar in die Staatsverwaltung einbezogen wird96, kann der Arbeitgeber unmittelbar in die Finanzverwaltung eingeordnet werden nach der Auffassung, die ihn als örtliche Behörde betrachtet. Die taiwanische Literatur verweist auf Meinungsunterschiede im deutschen Schrifttum und es überwiegt die Meinung, dass der Abzugspflichtige als Beliehener gegenüber dem Steuerschuldner hoheitlich tätig werde, ohne die hier erwähnten unterschiedlichen Figuren zu erörten97. 2. Stellungnahme Der Arbeitgeber ist als Dritter zur verfahrensrechtlichen Abwicklung des Lohnsteuerschuldverhältnisses zwischen dem Finanzamt als Vertreter des Steuergläubigers und dem Arbeitnehmer als Steuerschuldner eingeschaltet. Dadurch entsteht eine Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt. Auch in Taiwan besteht diese Dreiecksbeziehung zwischen Abzugspflichtigem, Steuerschuldner und Finanzamt wie nach der deutschen Rechtslage. Im Hinblick auf den möglicherweise entstehenden Interessenkonflikt der schuldrechtlichen Parteien wäre es vorstellbar, dass der Arbeitgeber – wie bei einer rein privatrechtlichen Beziehung – aus pragmatischen Gesichtspunkten heraus allein für das Interesse des Gläubigers oder für das des Schuldners zu sorgen hätte. Die Handlungspflicht des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren ist anders. Gegenüber dem gesetzlichen Anspruch einer Privatperson ist der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis wesentlich durch das Durchsetzungsgebot charakterisiert98, da es sich nämlich um ein indisponibles Schuldverhältnis handelt. Noch nicht einmal das Finanzamt als Vertreter des Gläubigers ist befugt, das durch materielles Steuerrecht verwirklichte Steuerschuldverhältnis abweichend von den gesetzlichen Vorschriften zu verhandeln und dies verfahrensrechtlich auf der Grundlage seines subjektiven Ermessens durchzuführen. Als Vertreter des Gemeinwohls ist das Finanzamt vielmehr verpflichtet, die mate94 95 96 97 98

Vgl. Maurer, § 23 Rdn. 59. Vgl. Maurer, § 23 Rdn. 60. Vgl. Maurer, § 23 Rdn. 56. Vgl. Maorong Huang, StR-AT, S. 309; Ming Chen, CLR 1994, S. 50. Lang, in: T/L StR, § 1 Rdn. 13.

III. Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

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riell-rechtliche Steuerforderung gesetz- und gleichmäßig zu verwirklichen. Ist der Arbeitgeber zwar für sich genommen ohne weiteres eine Privatperson, kann er jedoch seine lohnsteuerrechtlichen Pflichten, die vom zugrunde liegenden Dienst- und Arbeitsrecht unabhängig sind, nicht ablehnen und abbedingen. Er muss vollziehen, was das Steuergesetz angeordnet hat. a) Kritik der gegenwärtigen Meinungen Wie die historische Entwicklung des Lohnsteuerverfahrens zeigt, bezweckt der Gesetzgeber zwei Dinge [s. 1. Kapitel II. 2.]: Einerseits beabsichtigt er die Sicherung des Lohnsteueraufkommens und andererseits die Vereinfachung der Lohnsteuererhebung, also einen schnellen und kostengünstigen Einzug der Lohnsteuer, um dadurch die Finanzverwaltung zu entlasten. Demzufolge dient das Lohnsteuerverfahren, wie die öffentlich-rechtliche Theorie zu Recht erkennen lässt, ausschließlich dem Interesse des Staats, nicht zugleich dem Interesse eines konkreten Beteiligten, also weder dem des Arbeitnehmers noch dem des Arbeitgebers. Es ist zwar unstreitig, dass der Arbeitnehmer auch durch die Dienste des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren von seinen Verpflichtungen zur Steuererklärung und -entrichtung insoweit entlastet wird, wenn er ausschließlich die Lohneinkünfte erzielt. Diese Entlastung ist jedoch keinesfalls als Vorteil für ihn zu bewerten [s. 1. Kapitel II. 2. c)]. Ganz im Gegenteil wird der Arbeitnehmer durch das Quellenabzugsverfahren entmündigt und dadurch im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen steuerlich benachteiligt. Das Steuerverfahrensrecht verfolgt nicht die Sorge des Steuergesetzgebers um den Arbeitnehmer, da diesem als Steuerschuldner – nicht anders als anderen Steuerpflichtigen – keine besondere Schutzposition zukommt. Demzufolge besteht keine Ähnlichkeit, aufgrund derer das Lohnsteuerrecht mit dem Arbeitsschutz- oder Sozialversicherungsrecht zu vergleichen ist, da die Letzteren hauptsächlich an dem Schutz des Arbeitnehmers und u. U. seiner Familienmitglieder orientiert sind. Es ist außerdem ersichtlich, dass der Geltungsbereich des Lohnsteuerrechts nicht stets mit dem des Arbeitsrechts überein stimmt99. Der Ansatzpunkt der dienstrechtlichen Theorie, dass steuerrechtliche Pflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren ins Arbeitsrecht verlagert werden und der Arbeitgeber mithin aus der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht für den Arbeitnehmer beim Steuerabzug tätig werden, ist deshalb fragwürdig, weil dies mit den erwähnten Zwecken des Lohnsteuerverfahrens unvereinbar ist. Der Finanzverwaltung kommt ein rechtsstaatlicher Auftrag zu, nämlich die kraft materiellen Steuergesetzes entstehenden Steuerforderungen gleich- und gesetzmäßig zu verwirklichen. Im Regelfall hat die Finanzverwaltung den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, die Steuern fest- und durchzusetzen 99

Stolterfoht, DStJG 9, S. 183 f.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

(§§ 88; 155 ff.; 218 ff. AO)100. Durch die Mitwirkung des Steuerpflichtigen (§ 90 ff. AO) und die Steuererklärung (§ 149 ff. AO) findet zwar in der hoheitlichen Sachaufklärung eine Entlastung statt, jedoch ist die Finanzverwaltung immer letztverantwortlich101. Der Steuerpflichtige unterstützt die Verwaltung hingegen lediglich im Sinne eines Beweismittels in eigener Steuersache102. Es ist deshalb ersichtlich, dass die Finanzverwaltung durch die Einschaltung des Arbeitgebers in die Lohnsteuererhebung erheblich entlastet wird, wenn dieser den Quellenabzug ordnungsgemäß durchführt. Ohne die Indienstnahme des Arbeitgebers wäre die Finanzverwaltung im Lohnsteuerverfahren unumgänglich verpflichtet, den zugrunde liegenden Sachverhalt auf eigene Kosten zu ermitteln und die daraus resultierte Lohnsteuer selbst zu erheben. Insoweit erfüllt der Arbeitgeber diese staatliche Aufgabe aus dem Kompetenzbereich der Finanzverwaltung. Daraus kann allerdings nicht abgeleitet werden, dass die Beteiligung des Arbeitgebers an der Erfüllung der staatlichen Aufgaben zwingend dazu führt, dass er die Hoheitsbefugnis der Finanzverwaltung habe und damit dem Arbeitnehmer gegenüber hoheitlich tätig werde. Zur Beteiligung Privater an öffentlichen Aufgaben hat der Gesetzgeber verschiedene Formen der Ausgestaltung vorgesehen103. Die öffentlich-rechtliche Theorie, die den Arbeitgeber als Hoheitsträger im Lohnsteuerverfahren betrachtet, ist bereits deshalb nicht überzeugend, weil sie mit den praktisch vom Gesetzgeber ausgeformten Vorschriften in der Abgabenordnung unvereinbar ist: der Arbeitgeber, der die Lohnsteuer für Rechnung seines Arbeitnehmers einzubehalten und abzuführen hat, zählt gemäß § 33 Abs. 1 AO steuerlich immer zum Kreis der Steuerpflichtigen104. Demgemäß ist der Arbeitgeber auch als Steuerpflichtiger zu verstehen, wenn er diesen Pflichten nicht ordnungsgemäß nachkommt und damit gesamtschuldnerisch als Haftender in Anspruch genommen wird. In den § 85 ff. AO wird hingegen nur das Finanzamt befugt und verpflichtet, von Amts wegen die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die hoheitliche Gewalt, die mit der Verantwortung zur gesetz- und gleichmäßigen Besteuerung verknüpft ist, ist nämlich ausschließlich dem Finanzamt vorbehalten, nicht zugleich dem Arbeitgeber als Beliehener oder Verwaltungshelfer. Alles, was der Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren kraft Gesetzes vollziehen muss – sowohl die Steueranmeldung als auch die Abführung der Lohnsteuer – sind Tätigkeiten, die allein von dem Steuerpflichtigen, nie von der Finanzverwaltung wahrge-

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s. ausf. Seer, in: T/L StR, § 21 Rdn. 1. Vgl. Seer, in: T/L StR, § 21 Rdn. 3, 4, 170 ff. 102 Vgl. Seer, StuW 2003, S. 41. 103 Zu den unterschiedlichen Gestaltungsformen s. ausf. Heimburg, S. 30 ff.; Tettinger, DVBl. 1976, S. 753 f. 104 Schick, Haftung, S. 16. 101

III. Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

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nommen werden. Es ist ersichtlich, dass der Arbeitgeber sich gegenüber dem Finanzamt steuerlich als Steuerpflichtiger darstellt. Die öffentlich-rechtlichen Theorie liegt dem geltenden Einkommensteuerrecht ebenfalls nicht zugrunde: im Lohnsteuerrecht steht der Arbeitgeber stets mit dem Arbeitnehmer gemeinsam dem Finanzamt gegenüber: § 42d Abs. 3 S. 1 EStG sieht ausdrücklich vor, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer, soweit die Arbeitgeberhaftung reicht, als Gesamtschuldner dem Finanzamt gegenüberstehen. Gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 AO schuldet jeder der Gesamtschuldner gegenüber dem Finanzamt die gesamte Leistung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haften nämlich gegenseitig und gemeinsam gegenüber dem Finanzamt, das Vertreter des Steuergläubigers ist. Wer in Anspruch genommen wird, ist gemäß § 42d Abs. 3 S. 2 EStG zu entscheiden, also nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts. Diese Arbeitgeberhaftung darf nicht – entgegen dem Wortlaut des § 42d Abs. 3 EStG – als eine Spezialregelung der Innenhaftung für Eigenschäden des Fiskus105 angenommen werden. Darüber hinaus berechtigt § 42e EStG den Arbeitgeber, sich vom Finanzamt informieren zu lassen, ob und inwieweit die lohnsteuerrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind. Daraus wird nicht gefolgert, dass die Finanzverwaltung allgemein berechtigt sei, dem Arbeitgeber Anweisungen zu erteilen106. Demgemäß ist die Finanzverwaltung vielmehr verpflichtet, eine verbindliche Auskunft für das Lohnsteuerverfahren auf Anfrage des Arbeitgebers im Einzelfall zu erteilen. Als Beteiligter ist der Arbeitnehmer gemäß § 42e EStG ebenfalls berechtigt, diese Anfragen zu seinem individuellen Lohnsteuerabzug zu stellen und sich die diesbezüglich geltende Rechtslage erklären zu lassen107. Hinzu kommt, dass im Falle der Pauschallohnsteuer gemäß §§ 40 bis 40b EStG der Übergang der Lohnsteuerschuld von Arbeitnehmer auf Arbeitgeber aufgrund des entsprechenden Antrags des Arbeitgebers beim Finanzamt zulässig ist. Dabei schuldet der Arbeitgeber dem Finanzamt unmittelbar die Lohnsteuer108. Es ist deshalb festzuhalten, dass der Arbeitgeber – sowohl in der Abgabenordnung als auch im Lohnsteuerrecht – als Steuerpflichtiger angenommen wird, ohne dass ihm die Hoheitsbefugnisse zustehen, die mit der Letztverantwortlichkeit zur Erhebung der Einkommensteuer nur der Finanzverwaltung vorbehalten sind. Er steht dem Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug nur gleichgeordnet gegenüber, verhält sich also nur privatrechtlich. Ihn bezeichnet man in der Lehre als Indienstgenommenen109. 105

Zu dieser Meinung, s. ausf. Stolterfoht, DStJG 9, S. 199. Würde der Arbeitgeber als Beliehener oder Verwaltungshelfer der Finanzverwaltung und gegenüber dem Arbeitnehmer hoheitlich tätig, dann wäre die Finanzverwaltung gegenüber dem Arbeitgeber folglich weisungsbefugt. 107 Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42e Rdn. 2. 108 Gl. A. Mösbauer, FR 1995 Entbehrlichkeit, S. 894; a. A. Guth, FR 1978, S. 429, wonach der Arbeitgeber bei einer pauschalen Lohnsteuer „nur“ Zahlschuldner sei. 109 Vgl. Ipsen, in: FS für Kaufmann, S. 160. 106

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

Die öffentlich-rechtliche Theorie ist ferner aus einem pragmatischen Grund abzulehnen. Würde der Arbeitgeber steuerrechtlich hoheitlich gegenüber dem Arbeitnehmer tätig werden, dann wäre er folgerichtig rechtlich wie ein Verwaltungsträger an die Lohnsteuer-Richtlinien gebunden, soweit sein hoheitlicher Kompetenzbereich reicht. Wird eine solche Bindung des Arbeitgebers an die Lohnsteuer-Richtlinien befürwortet110, so muss zugleich auch eine Verpflichtung der Finanzverwaltung befürwortet werden, jedem Arbeitgeber kostenfrei ein Exemplar sämtlicher einschlägiger Verwaltungsvorschriften und permanent die einschlägigen Ergänzungslieferungen auszuhändigen. Eine solche Forderung, wie sie zu Recht in der Lehre kritisiert wird111, ist nicht nur sachfremd, sondern auch unpraktikabel. b) Eigene Auffassung Es ist dann eine entsprechende Regelung erforderlich, die geeignet ist, die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Lohnsteuerverfahren sachgemäß zu regeln. Wie oben ausgeführt kann die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht als solche sachgerechte Regelung gelten, da die Tätigkeit des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug nicht dem Interesse des Arbeitnehmers dient. Die sachgerechte Regelung besteht im Auftragsverhältnis, das nämlich kraft öffentlich-rechtlichen Steuergesetzes entsteht. Die geeignete Figur für Arbeitgeber ist die eines Beauftragten, dessen Auftraggeber allerdings nicht das Finanzamt, sondern der Arbeitnehmer ist112, weil das Finanzamt den Beteiligten immer noch hoheitlich gegenübersteht. Dadurch kann der Gesetzgeber sein Ziel, das Lohnsteueraufkommen zu sichern, mit dem geringsten Aufwand der Finanzverwaltung verwirklichen. Das möglicherweise bestehende Risiko der Steuerausfälle durch den Steuerschuldner ist beseitigt, wenn der Arbeitgeber seine auftragsrechtlichen Pflichten gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt. Selbst wenn dies nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird, steht dem Fiskus immerhin die Gesamtschuldnerschaft des Arbeitgebers mit seinem Vermögen neben dem Arbeitnehmer zu, da die Steuerschuld des Arbeitnehmers nicht durch den fehlerhaften Quellenabzug getilgt wird. Handelt nun der Arbeitgeber im Auftrag des Arbeitnehmers privatrechtlich, kommen eine Verpflichtung der Finanzverwaltung für die Aushändigung eines Exemplars der einschlägigen Verwaltungsvorschriften und eine Staatshaftung für Schäden, die durch fehlerhaftes Handeln 110 Die Finanzverwaltung geht nach der Auffassung von Stolterfoht ersichtlich davon aus, der Arbeitgeber sei an die Lohnsteuer-Richtlinien gebunden. Vgl. Stolterfoht, DStJG 9, S. 195 Fn. 103. Kritik zu dieser Auffassung, s. Schick, FR 1983, S. 501; Kloubert, BB 1988, S. 1647 m.w. N. 111 Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A11. 112 Gl. A. Krohn, BB 1969, S. 1237.

III. Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

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des Arbeitgebers entstehen, folglich auch nicht in Betracht. Die staatliche Einwirkung auf die Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers über seine sachlichen und personellen Betriebsmittel erfolgt somit nicht in der Weise, dass der Staat den Arbeitgeber verpflichtet, unmittelbar für ihn tätig zu werden. Anstelle eines so massiven Eingriffs wird dem Dienstleistungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Auftragsverhältnis privatrechtlicher Natur vorgeschaltet, bei dessen Zustandekommen es nicht auf den diesbezüglichen Willen der Parteien ankommt. Der eigentliche Arbeitsvertrag wird um eine zusätzliche Verpflichtung des Arbeitgebers ergänzt, in Form einer Nebenabrede113, die aber hauptsächlich dem staatlichen Interesse dient. Im Falle des Ersatzes von dienstlichen Reise- und Umzugskosten zeigt sich, dass neben dem Arbeitsvertragsverhältnis auch ein Auftragsverhältnis vorliegen kann. Im Vergleich zum typischen Auftragverhältnis i. S. d. §§ 662 ff. BGB existiert das gegenständliche Auftragsverhältnis nur im Rahmen des Lohnsteuerrechts und ist ausschließlich durch gesetzliche Normen festgesetzt. Der vom Gesetzgeber vorgeformte Vertragsinhalt114 ist durch die Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien, abweichend von der im Privatrecht üblicherweise eingeräumten Vertragsautonomie, unabdingbar und unveränderbar115. In Bezug auf diesen Auftrag ist der Arbeitnehmer nicht weisungsbefugt, ob und in welcher Weise der Arbeitgeber das kraft Steuergesetzes entstehende Auftragsverhältnis in einem konkreten Fall vollziehen muss. Neben dem Arbeitnehmer steht der Arbeitgeber als der zur Entrichtung Verpflichtete116 dem Finanzamt nicht gleich-, sondern untergeordnet gegenüber. Der Arbeitgeber ist steuerrechtlich verpflichtet, den Quellenabzug zu vollziehen. Daher wird diese öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers in der Lehre als eine der „Bürgerpflichten“ bezeichnet117. Theoretisch wäre ein vorgeformtes Auftragsverhältnis zwischen Finanzamt und Arbeitgeber118 sachgerechter als ein solches zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Diesem liegt allerdings die geltende Rechtslage nicht zugrunde, da sie keine Regelung für die Schäden des Arbeitnehmers vorsieht, nach der der Staat als Auftraggeber für den fehlerhaften Quellenabzug durch den beauftragten Arbeitgeber zu haften hätte. Der Arbeitgeber verwirklicht im Lohnsteuerver113

Gl. A. Krohn, BB 1969, S. 1235. So Krohn, BB 1969, S. 1235. 115 Birkenfeld, DStJG 9, S. 264; Heuermann, in: H/W LStR Rdn. J15. 116 Drenseck, in: Schmidt EStG, § 41a Rdn. 6; ders., DStJG 9, S. 377, 386 ff.; Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 41a Rdn. A5; Heuermann, StuW 1998, S. 219. 117 Vgl. Maurer, § 23 Rdn. 62. 118 BVerfG Beschluss v. 14.12.1965, 1 BvR 31, 32/62, BVerfGE 19, 226, 240; v. 17.2.1977, 1 BvR 33/76, BVerfGE 44, S. 103, 104; BFH Urteil v. 5.7.1963, VI 270/62 U, BStBl. III 1963, S. 468, 469; auch in der Lehre s. Jurina/Lang, in: T/L StR, § 10 Rdn. 11. 114

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

fahren seine Auftragspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer allein für das Fiskusinteresse. Dadurch profitiert der Fiskus von den Diensten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, erleidet aber keine Nachteile, die er ohne diese Form von Auftragsverhältnis in Kauf nehmen müsste. Ein solcher „Trick“119 ist der geltenden Rechtslage nicht fremd. Ein ähnlicher liegt auch zwischen Bank und Bankkunde beim Quellenabzug der Kapitalertragsteuer vor120. 3. Ausgewählte Problemkreise Die hier vertretene Auffassung vermag nur dann zu überzeugen, wenn sie in der Praxis geeignet ist, Konflikten Lösungen zuzuführen. Im Folgenden wird an einigen exemplarisch ausgewählten Problemkreisen überprüft, ob die herausgearbeitete Ansicht zur Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren zu überzeugenden Ergebnissen führt. a) Kompetenzkonflikt zwischen Arbeits- und Finanzgericht Allgemein gilt, dass Arbeitsgerichte für die Schlichtung von Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen und Finanzgerichte für die Schlichtung von steuerrechtlichen Streitigkeiten zuständig sind. Wegen Überschneidungen von privatund öffentlich-rechtlichen Pflichten und Rechten der drei im Lohnsteuerverfahren beteiligten Parteien kommt es zu einem kompetenzrechtlichen Konflikt. Will sich der Arbeitnehmer gegen die Einbehaltung eines übermäßig hohen Lohnsteuerbetrags zur Wehr setzen, stehen ihm unterschiedliche Möglichkeiten zur Wahl121: er kann gegenüber dem Betriebsfinanzamt eine Erstattung der zuviel erhobenen Lohnsteuer (§ 37 Abs. 2 AO) verlangen oder beim Arbeitgeber beantragen, den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen, soweit die Konstellation des § 42b Abs. 1 S. 2 EStG vorliegt. Die Finanzgerichte sind freilich für diesbezügliche Rechtstreitigkeiten zwischen Finanzamt und Arbeitnehmer zuständig. Die Finanzgerichte sind auch zuständig für die Streitigkeiten bezüglich des Lohnsteuer-Jahresausgleichs gemäß § 42b EStG, weil der Schuldner des Erstattunganspruches des Arbeitnehmers nach der Rechtsprechung des BFH nicht der Arbeitgeber, sondern der Steuerfiskus selbst ist122. 119 Schick hat in seinem Aufsatz über die Steuerschuld und Steuerhaftung im Lohnsteuerverfahren die Bestimmung, den Arbeitgeber als Haftenden vorzusehen, als „Trick“ bezeichnet. Vgl. Schick, BB 1983, S. 1045. Der „Trick“ des Lohnsteuerverfahrens begann m. E. wohl bereits mit der Einschaltung des Arbeitgebers in die Lohnbesteuerung, nicht erst beim Haftungsverfahren. 120 Über die Einordnung der Pflichten von Banken bei der Kapitalertragsteuer, s. Hey, FR 1998, S. 502. 121 s. ausf. Giloy, FR 1983, S. 2104. 122 BFH Urteil v. 28.4.1961, VI 301/60 U, BStBl. III 1961, S. 372, 373.

III. Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

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Der Arbeitnehmer kann aber auch beim Arbeitsgericht eine Klage einreichen, die auf einen Ersatz des Fehlbetrags des ausgezahlten Arbeitslohns gerichtet ist123, weil er mit der Höhe des vom Arbeitgeber abgezogenen Lohnsteuerbetrags nicht einverstanden ist, da nach seiner Auffassung der Steuerbetrag zu hoch ist oder die Auszahlung nicht dem Quellenabzug zu unterliegen hat. Der Zivilprozess beim Arbeitsgericht läuft wie folgt ab124: die Finanzverwaltung ist am arbeitsrechtlichen Verfahren nicht beteiligt und schon deshalb nicht gehindert, den Sachverhalt und die sich daraus ergebende Höhe der einzubehaltenden und abzuführenden Steuerbeträge anders als das Arbeitsgericht zu beurteilen. Der Arbeitgeber wird dann u. U. der Gefahr ausgesetzt, im Ergebnis gegenüber den beiden anderen Parteien herangezogen zu werden, wenn er dem Urteilsspruch des Arbeitsgerichts folgt. Die im Zivilprozess geltenden Prozessmaximen, wie z. B. Dispositionsmaxime und Verhandlungsmaxime, nach denen die Verfügung der Prozessparteien über den Streitgegenstand und über den Tatsachenvortrag zulässig ist, erhöhen zudem die Gefahr divergierender Beurteilungen der gleichen lohnsteuerrechtlichen Verpflichtung durch ein Arbeitsgericht und die Finanzverwaltung. Das Finanzamt kann allerdings seinerseits den Arbeitnehmer als Steuerschuldner belangen und ihm damit den Vorteil eines arbeitsgerichtlichen Urteils entziehen. Nun wird in der Literatur zum Steuerrecht eine Meinung vertreten, dass im Lohnsteuerrecht Arbeits- und Finanzgerichte Entscheidungen über dieselben Rechtsfolgen zu treffen, nämlich welche Partei den Lohnsteuerbetrag – sei es vorläufig, sei es endgültig – zu tragen habe125. Dadurch entstünde ein Kompetenzkonflikt zwischen Arbeits- und Finanzgerichten. Besteht das kraft Steuergesetzes entstehende Auftragsverhältnis als Nebenabrede zum dienst- oder arbeitsrechtlichen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sind die Arbeitsgerichte allenfalls für die Klage des Arbeitnehmers auf einen Ersatz des Fehlbetrags des ausgezahlten Arbeitslohns zuständig, gleichgültig ob sie aufgrund eines Arbeits- oder eines Auftragsverhältnisses eingereicht wird. Für die Vorfragen, die aus der Steuerschuld des Arbeitnehmers herrühren, sind die Finanzgerichte ausschließlich zuständig. Bei Streitigkeiten über die Höhe des zu entrichtenden Steuerbetrages liegt nämlich die Zuständigkeit beim Finanzgericht, die Streitigkeiten über die Höhe des auszuzahlenden Arbeitslohns hingegen die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts. Die Urteile des Arbeitsgerichts, in denen die öffentlich-rechtliche Vorfrage der konkreten Abzüge zwar zu entscheiden ist, entfalten gemäß § 325 Abs. 1 ZPO jedoch keine Bindungswirkung gegenüber dem Finanzamt. In der Sache handelt es sich bei 123 A. A. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A103, wonach eine Erstattung des Steuerbetrags nur zwischen Arbeitnehmer und Finanzamt möglich ist, wenn dieser zu hoch ist. 124 Dazu s. Stolterfoht, DStJG 9, S. 185 f. 125 Stolterfoht, DStJG 9, S. 187.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

einer Streitigkeit im dargestellten Sinne vor dem Arbeitsgericht vielmehr um eine Entscheidung über die Höhe des auszuzahlenden Nettolohns, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schuldet, nicht jedoch um den Betrag der Lohnsteuer, den der Arbeitnehmer dem Finanzamt schuldet. Da folglich der Streitgegenstand ein anderer als der vor dem Finanzgericht ist, existiert eine Bindungswirkung des Finanzamts nicht. Die Lohnsteuerauskunft gemäß § 42e EStG trägt dazu bei, den Erlass von widersprüchlichen Urteilen von Arbeits- und Finanzgericht zu vermeiden. Auskunftsberechtigt sind danach der Arbeitgeber und alle Personen, die als Haftende in Frage kommen können. Nach herrschender Meinung ist auch der Arbeitnehmer zur Einreichung der Auskunft berechtigt126. An diese vom Finanzamt erteilte Auskunft ist nicht nur das zuständige Finanzamt gebunden127, sondern auch das Arbeitsgericht. Da es sich um die dem Arbeitnehmer geschuldeten Lohnsteuerbeträge handelt, muss das Urteil beim Arbeitsgericht auf dieser Auskunft basieren. Die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts ist allerdings bei einem solchen Auftragverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Lohnsteuerverfahren nicht ganz ausgeschlossen. Sie bleibt bei Anschlussrechtstreitigkeiten bestehen. Zu diesen zählt insbesondere ein gerichtlich geltend gemachter Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber aufgrund eines fehlerhaften Quellenabzugs. Kommt der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen beim Quellenabzug nicht ordnungsgemäß nach, indem er eine zu geringe Lohnsteuer einbehält und abführt, führt dies allerdings nicht automatisch zur Entstehung eines Schadenersatzanspruches wegen einer Lohnsteuernachforderung. Denn der Arbeitnehmer ist trotz allem Lohnbezieher und damit gesetzmäßig der Steuerschuldner der Einkommensteuer. Ein solcher Schadenersatzanspruch liegt vielmehr dann vor, wenn der Arbeitnehmer einen über den Nachzahlungsbetrag hinausgehenden Schaden erleidet. Ein weitergehender Schaden des Arbeitnehmers liegt dann vor, wenn die Höhe der Nachzahlung in einem Missverhältnis zu seiner Leistungsfähigkeit steht. Das ist dann anzunehmen, wenn ihm kein finanzieller Spielraum für jegliche private Investition verbleibt, er gezwungen ist, hohe Kredite aufzunehmen oder er nicht mehr in der Lage ist, seine Miete pünktlich zu zahlen, so dass ihm die Wohnung gekündigt wird und ihm daher finanzielle Schäden entstehen128.

126

Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42e Rdn. 2; Giloy, FR 1983, S. 2104. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42e Rdn. 8. 128 Dazu insgesamt s. Stolterfolht, DStJG 9, S. 180. Art und Umfang des Schadenersatzes des Arbeitnehmers erstrecken sich m. E. nicht umfassend auf alle Zahlungen, die der Arbeitnehmer bei der Nachforderung zu entrichten hat. Sie müssen vielmehr vom Fall zu Fall entschieden werden. Denn der Arbeitnehmer ist als Steuerschuldner verpflichtet, die Lohnsteuer letztlich wirtschaftlich zu tragen. Dies wird auch nicht da127

III. Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

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b) Zeitpunkt des Erlöschens der Lohnsteuerschuld Denkbar ist, dass die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers bereits mit dem Einbehalt der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber getilgt wird, wenn eine Einbehaltung in zutreffender Höhe stattfindet129. Würde die Lohnsteuerschuld durch die Einbehaltung erlöschen, so könnte sie im Moment der Anmeldung der einbehaltenen Beträge nicht mehr als Lohnsteuer gewertet werden, weil sie sich in eine alleinige Zahlschuld des Arbeitgebers, die sog. „Abführungsschuld“, verwandelt hätte130. Auf der anderen Seite ist es ebenfalls möglich, dass die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers nicht bereits in dem Zeitpunkt der Einbehaltung durch den Arbeitgeber, sondern erst zu dem Zeitpunkt erlischt, zu dem der Arbeitgeber die Lohnsteuerschuld abführt. Würde die Lohnsteuer in zutreffender Höhe vom Arbeitgeber einbehalten, doch nur ein Teilbetrag davon an das Finanzamt abgeführt werden, so würde die Lohnsteuer des Arbeitnehmers hinsichtlich des Fehlbetrags nicht erlöschen. Das Finanzamt könnte in einem solchen Fall (nach pflichtgemäßer Ermessensausübung) den Arbeitnehmer als Steuerschuldner für den Fehlbetrag in Anspruch nehmen. Der Arbeitnehmer könnte sich schließlich in einem solchen Fall mit seinem Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber wenden. Nach der hier vertretenen Auffassung, dass der Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren im zivilrechtlichen Auftrag des Arbeitnehmers als Steuerpflichtiger dem Finanzamt gegenübersteht, folgt, dass die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers zu dem Zeitpunkt der Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber an das Finanzamt erlischt. Diese Folgerung liegt dem geltenden Lohnsteuerverfahren zugrunde. Die Gegenansicht, dass der Arbeitgeber nach einer Einbehaltung in zutreffender Höhe allein seine eigene Abführungsschuld gegenüber dem Fiskus erfülle, ist hingegen unvereinbar mit dem § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 2 EStG. Danach kann der Arbeitnehmer im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft nur noch vom Finanzamt in Anspruch genommen werden, wenn er weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat. Von dieser Gesamtschuldnerschaft wird er befreit, wenn er den Sachverhalt dem Finanzamt unverzüglich mitgeteilt hat. Wenn die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers, wie die Gegenansicht vertritt, bereits im Moment der Einbehaltung durch den Arbeitgeber erloschen wäre, bedürfte es einer Erklärung, woraus die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers und diesbezügliche Mitteilungspflicht gemäß § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 2 EStG abgeleitet wird. Dazu lässt sich aus dem durch verändert, dass der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen im Lohnsteuerverfahren nicht ordnungsgemäß nachkommt. 129 Vgl. Schick, BB 1983, S. 1042; Stolterfoht, DStJG 9, S. 206 Fn. 146; Heuermann, StuW 1998, S. 221, 224; im Ergebnis auch Hendel, S. 35. 130 Schick, Grundfragen des Lohnsteuerverfahrens, München 1983, S. 22 zit. nach Gast-de Haan, DStJG 9, S. 147; Heuermann, StuW 1998, S. 224.

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2. Kap.: Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt

Gesetzwortlaut des § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG folgern, dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Einbehaltung und seine Aufgabe, den einbehaltenen Lohnsteuerbetrag abzuführen, einheitlich als eine Gesamtpflicht anzusehen ist131. Ein fiskalischer Sicherungszweck entfiele, wenn die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers bereits erlöschen würde, bevor die einbehaltenen Lohnsteuerbeträge dem Fiskus zufließen. Außerdem sprechen die Anrechnungsvorschriften des § 36 Abs. 2 EStG dafür, dass die auf Arbeitslohn entfallenden Vorauszahlungen in Gestalt der Lohnsteuer (Nr. 2) nicht anders zu beurteilen sind als die allgemeinen Vorauszahlungen der Einkommensteuer (Nr. 1). Der „entrichteten“ Einkommensteuer-Vorauszahlung i. S. d. § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG kann grundsätzlich nicht nur die „einbehaltene“, sondern auch die „abgeführte“ Lohnsteuer entsprechen132. Aus der Ausgestaltung der Vorschrift über die Einkommensteuer-Vorauszahlung (§ 37 Abs. 1 S. 1 EStG) lässt sich ablesen, dass der Gesetzgeber eine Befreiungswirkung zum Zeitpunkt der Entrichtung der Einkommensteuerschuld beabsichtigte. Wenn man die Lohnsteuer als Vorauszahlung auf die Einkommensteuer versteht, kann auch bei Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer in zumindest zutreffender Höhe eine Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers verhindert werden, anderenfalls ist eine Nachzahlung durch den Arbeitnehmer als Steuerschuldner erforderlich.

IV. Fazit Das Einkommensteuergesetz konstituiert mit dem Lohnsteuerverfahren in Form des Quellenabzugs eine Dreiecksbeziehung, die zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt besteht. Eine Bestimmung der Rechtsstellung des Arbeitgebers wird bei der Festlegung dieser Dreiecksbeziehung allerdings unterlassen. Trotz zahlreicher Ansätze in der Lehre, diese Frage einer Lösung zuzuführen, bedarf es nach wie vor eines dogmatisch überzeugenden Ansatzes. Von den Vorschriften sowohl in der Abgabenordnung als auch im Einkommensteuergesetz ist festzustellen, dass dem Arbeitgeber mit der Übertragung der staatlichen Aufgabe zur Erhebung der Lohnsteuer keine Hoheitsbefugnis zusteht. Diese wird ausschließlich der Finanzverwaltung vorbehalten. Folglich wird der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer privatrechtlich tätig, wenn er durch das Steuerrecht in Dienst genommen wird. Eine geeignete Regelung der Interessenlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist das Auftragsrecht i. S. d. §§ 662 ff. BGB. Äußerlich tritt der Arbeitgeber nicht als Beauftragter des Fiskus, sondern als Beauftragter des Arbeitnehmers auf. Neben dem eigentlich steuerpflichtigen Arbeitnehmer steht der Arbeitgeber steuerlich als Steuerpflich131 132

Seer, in: T/L StR, § 23 Rdn. 111. Vgl. Gast-de Haan, DStJG 9, S. 149.

IV. Fazit

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tiger dem Finanzamt gegenüber. Angesichts des Umstandes, dass das Lohnsteuerverfahren allein dem Interesse des Fiskus dient, doch in Form eines Auftragsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgestaltet ist, lässt sich diese Form der Ausgestaltung eines Rechtsverhältnisses durch den Gesetzgeber als ein „Trick“ verstehen. Das gegenseitige Arbeitsrechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist die ursprüngliche Wurzel dieser Dreiecksbeziehung. Sobald ein wirksames Arbeitsverhältnis zustande kommt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei jeder Lohnauszahlung die Lohnsteuer auf Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und abzuführen. Dabei bleibt die Stellung des Arbeitnehmers als Steuerschuldner unberührt. Das kraft Steuergesetzes entstehende Auftragverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist ein privatrechtliches Verhältnis mit der Besonderheit, dass die Vertragsfreiheit durch den Gesetzgeber aufgehoben ist. Dem Finanzamt steht das Recht zu, vom Arbeitgeber zu verlangen, dass das Auftragsverhältnis zugunsten des Fiskus realisiert wird. Im Lohnsteuerverfahren werden Rechtsbeziehungen des Arbeitgebers nicht nur privatrechtlich gegenüber dem Arbeitnehmer, sondern auch öffentlich-rechtlich gegenüber dem Finanzamt aufgebaut. Die Schlichtung von Streitigkeiten aus diesem Auftragsverhältnis obliegt den Finanzgerichten. Da die Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Arbeitverhältnis dem Arbeitsgericht obliegt, kann es zu einem Konflikt zwischen dem Urteil des Arbeits- und dem des Finanzgerichts kommen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Streitfrage beim Arbeitsgericht eine andere als die beim Finanzgericht: bei Ersterer handelt es sich um die Höhe des auszuzahlenden Nettolohns des Arbeitnehmers, bei Letzterer um die Höhe der zu entrichtenden Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers. Die Letztere stellt sich als Vorfrage der Ersteren dar. Die Finanzverwaltung ist deshalb nicht an arbeitsrechtliche Urteile gebunden. Stattdessen kann das Finanzamt sich über ein solches Urteil hinwegsetzen und Ansprüche, die nach dem arbeitsrechtlichen Urteil nicht von Bestand sind, gegen den Arbeitgeber geltend machen. Für die Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis und dem Annex des Auftragsverhältnisses sind die Arbeitsgerichte zuständig. Beispiel einer Streitigkeit aus dem Auftragsverhältnis ist der Fall, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht, die Lohnsteuer in zutreffender Höhe zu berechnen, einzubehalten und abzuführen, nicht ordnungsgemäß nachkommt und damit ein wirtschaftlicher Schaden des Arbeitnehmers entsteht. Ein solcher Anspruch entsteht nicht allein wegen der Nachforderung der Lohnsteuer durch das Finanzamt, sondern erst wegen weiterführender Schäden des Arbeitnehmers. Die Steuerschuld des Arbeitnehmers gegenüber dem Finanzamt wird erst zu dem Zeitpunkt getilgt, zu dem der Arbeitgeber aufgrund seines Auftragsverhältnisses zum Arbeitnehmer abführt.

3. Kapitel

Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren I. Überblick 1. Deutsches Recht Neben den mit dem Quellenabzug verbundenen Verpflichtungen sieht das Einkommensteuergesetz eine Haftung der Arbeitgeber für deren ordnungsgemäße Wahrnehmung vor. Im deutschen Recht gilt Folgendes: der Arbeitgeber haftet gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die zu entrichtende Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Er haftet gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 2 EStG für die Lohnsteuer, die er beim Lohnsteuer-Jahresausgleich gemäß § 42b EStG zu Unrecht erstattet hat, zudem gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 3 EStG für die Lohnsteuer, die auf Grund fehlerhafter Angaben im Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung verkürzt wird, und schließlich gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 4 EStG für die Lohnsteuer, die in den Fällen des § 38 Abs. 3a ein Dritter zu übernehmen hat. Zu einer Haftung gemäß § 42d Abs. 2 EStG kommt es nicht, soweit Lohnsteuer nach § 39 Abs. 4 oder § 39a Abs. 5 nachzufordern ist und in den vom Arbeitgeber angezeigten Fällen des § 38 Abs. 4 S. 2 und 3 und des § 41c Abs. 4 EStG. Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 42d Abs. 3 S. 1 EStG Gesamtschuldner. Gemäß § 42d Abs. 3 S. 1 EStG kann das Finanzamt die Steuerschuld und Haftungsschuld nach seinem pflichtgemäßen Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen. § 42d Abs. 3 S. 3 u. S. 4 EStG sieht die Reihenfolge bei der Inanspruchnahme der Gesamtschuldner vor. § 42d Abs. 4 u. Abs. 5 EStG betreffen die verfahrensrechtliche Durchsetzung des Haftungs- und des Steueranspruchs. Schließlich enthält § 42d Abs. 6 bis 8 EStG die grundsätzlichen Regelungen zur Haftung des Arbeitgebers bei der Arbeitnehmerüberlassung. 2. Taiwanisches Recht Im taiwanischen Recht haftet der Abzugspflichtige für den Fehlbetrag, der entsteht, wenn er die ihm obliegenden Aufgaben im Lohnsteuerverfahren in

II. Zweck der Arbeitgeberhaftung

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Form des Quellenabzugs bei den in § 88 twEStG vorgesehenen Einkünfte nicht vorschriftsmäßig erfüllt (§ 114 Nr. 1 twEStG). Haftungsausschließende Tatbestände sind dem taiwanischen Steuerrecht fremd. Im Gegensatz zum deutschen Recht ist eine Gesamtschuldnerschaft zwischen Abzugspflichtigen und Arbeitnehmer und damit eine diesbezügliche Ermessensfreiheit der Finanzverwaltung bei der Inanspruchnahme nicht vorgesehen. Der Abzugspflichtige wird gemäß §§ 94 Abs. 1, 114 Nr. 1 twEStG im Wege einer vorrangigen Haftung vom Finanzamt zur Verwirklichung der Steuerforderung des Fiskus in Anspruch genommen. Zudem haftet der Arbeitnehmer als Steuerschuldner gegenüber dem Finanzamt gemäß § 89 Abs. 2 twEStG subsidiär in Ausnahmefällen, z. B. wenn der Abzugspflichtige nicht auffindbar ist oder erkennbar ist, dass dessen Inanspruchnahme zu keinem Ergebnis führen wird. Der vom Finanzamt in Anspruch genommene Abzugspflichtige hat gemäß § 94 Abs. 1 twEStG gegen den Arbeitnehmer das Recht auf Erstattung seiner Aufwendungen.

II. Zweck der Arbeitgeberhaftung 1. Literaturauffassungen Über den Zweck der Vorschrift über die Haftung des Arbeitgebers gibt es im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen: einzelne Autoren vertreten den Standpunkt, es handele sich um eine Ausprägung des Sicherungszwecks1. Die Haftung sei danach ein besonderes Sicherungsmittel, das von der Steuerschuld zu unterscheiden und mit Rücksicht auf ihre Eigenart als eine besondere steuerrechtliche Verpflichtung anzusehen sei. Daher hafte der Arbeitgeber für die Steuerschuld eines anderen. Die Haftung des Arbeitgebers bezwecke die Sicherung des Lohnsteueraufkommens dadurch, dass er für die Steuerforderung des Fiskus gegen den Arbeitnehmer – ähnlich wie ein Bürge2 – neben diesem für dessen Steuerschuld einstehen müsse. Während die Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerschuld die Steuerentrichtungspflicht originär begründen, knüpfe die Haftung für die Steuerschuld an das Vorhandensein einer Steuerentrichtungspflicht, einer (fremden) Steuerschuld und an Tatbestandsvoraussetzungen an, die der Gesetzgeber als geeignet angesehen hat, die Steuerschuld zu sichern3. Eine andere Meinung in der Lehre betont hingegen den Sanktionscharakter der Haftung. Durch diese Vorschrift solle sichergestellt werden können, dass der Arbeitgeber seine (eigenen) Pflichten im Lohnsteuerverfahren korrekt erfülle4. Der von der Haftung ausgehende Druck sei besser als eine vollstre1 Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 2; Arens, VJSchr. StuFR 1927, S. 567 ff. zit. nach Lang, StuW 1975, S. 130 m.w. N. 2 Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 7. 3 Vgl. Lang, StuW 1975, S. 131.

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

ckungsrechtliche Durchsetzung der Forderung geeignet, einen ordnungsmäßigen Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber zu gewährleisten. Die Sicherstellung der Verpflichtungen des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug sei somit Zweck der Haftungsregelung. Im Gegensatz zur ersten Auffassung, wonach die Akzessorietät der Haftung zur Steuerschuld von entscheidender Bedeutung sei, ist die Haftung nach letzterer Auffassung vielmehr ein Einstehenmüssen des Arbeitgebers für eigene Verpflichtungen5. Eine weitere Einzelmeinung vertritt, dass die Haftung des Arbeitgebers den bereits oben erwähnten doppelten Zweck erfülle6. Schließlich wird vertreten, die Haftung verfolge zum einen die Verhinderung von Steuerausfällen und zum anderen die billige und einfache Ausgestaltung des Steuerverfahrens7. Die Rechtsprechung des BFH tendiert dazu, die Haftung des Arbeitgebers an der Lohnsteuer und nicht an der Einkommensteuer auszurichten8. Dem Arbeitgeber sind danach deshalb die Einwände abgeschnitten, die dem Arbeitnehmer nach dem Entstehen der Einkommensteuer gegen eine Steuerforderung eröffnet sind. Der Arbeitgeber haftet allein wegen der Pflichtverletzung beim Quellenabzug, ohne zu berücksichtigen, ob die Steuerschuld des Arbeitnehmers nach Ablauf des Kalenderjahres besteht. Daher befürwortet die deutsche Rechtsprechung augenscheinlich die Ansicht, die Haftung des Arbeitgebers gemäß § 42d EStG sei allein als Erfolg der Pflichtverletzung zu qualifizieren. Die Rechtsprechung basiert wesentlich auf der grammatischen Logik9: aus dem „eindeutigen“ Gesetzeswortlaut des § 42d Abs.1 EStG hafte der Arbeitgeber nur für die einzubehaltende und abzuführende „Lohnsteuer“, nicht für die zuweilen höhere oder geringere „Einkommensteuer“, die mit der Lohnsteuer nicht immer in Einklang stehe. Angesichts der Tatsache, dass der Arbeitgeber weder verpflichtet noch berechtigt ist, den für die Einkommensbesteuerung relevanten Sachverhalt, der nicht auf der Lohnsteuerkarte eingetragen ist, zu ermit4 Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. A1; Schick, BB 1984, S. 1044; Hendel, S. 33. 5 Schick, BB 1983, S. 1044. 6 Vgl. Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 7. 7 Vgl. Heuermann, Systematik, S. 314 f.; ders., in: H/W LStR, Rdn. J11, J17 ff. 8 BFH Urteil v. 20.12.1957, VI 105/55 U, BStBl. III 1958, S. 84; v. 26.7.1974, VI R 24/69, BStBl. II 1974, S. 756; v. 12.12.1975, VI B 124/75, BStBl. II 1976, S. 543; v. 9.3.1979, BStBl. II 1979, S. 451; v. 17.10.1980, VI R 136/77, BStBl. II 1981, S. 138; v. 7.12.1984, VI R 164/79, BStBl. II 1985, S. 164; v. 15.12.1989, VI R 151/ 86, BStBl. II 1990, S. 526; v. 29.4.1992, VI B 152/91, BStBl. II 1992, S. 752; v. 22.7.1993, VI R 116/90, BStBl. II 1993, S. 775; v. 29.10.1993, VI R 26/92, BStBl. II 1994, S. 197; v. 12.1.2001, VI R 102/98, DStR 2001, S. 98. 9 Dazu insgesamt s. Thomas, DStR 1995, S. 275; Heuermann, in: H/W LStR, Rdn. J19; Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. A11.

II. Zweck der Arbeitgeberhaftung

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teln, sei eine Haftung des Arbeitgebers für die Einkommensteuer sachlich nicht gerechtfertigt. Zudem sei der Quellenabzug unabhängig davon zu vollziehen, ob später eine Veranlagung zur Einkommensteuer gemäß § 46 EStG stattfinde. Die Haftung gemäß § 42d EStG, die als Annex zum Quellenabzug angenommen wird, beziehe sich deshalb nicht auf die Einkommensteuer. Aus diesen Gründen bestehe eine Haftung nach Grund und Höhe ausschließlich in Akzessorietät zur Lohnsteuer. 2. Eigene Auffassung Mit dem Lohnsteuerverfahren verfolgt der Steuergesetzgeber einen doppel-ten Zweck, nämlich einen Sicherungs- und Vereinfachungszweck [s. 1. Kapitel II. 2.]. Um dieses Ziel zu erreichen, wird der Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren ohne Hoheitsbefugnis in Dienst genommen, den Quellenabzug gegenüber dem Finanzamt einerseits und gegenüber dem Arbeitnehmer andererseits durchzuführen. Die Haftungsvorschrift ist ein Annex dieses Quellenabzugsverfahrens. Es bleibt praktisch kein anderer Weg als die Auferlegung einer Haftung, um die Erfüllung der Verpflichtungen des Arbeitgebers beim Quellenabzugsverfahren sicherzustellen. Demzufolge ist die Haftung als logische Folge der Pflichtverletzung des Arbeitgebers zu verstehen, nämlich als Sanktion gegen die Verletzung der eigenen Entrichtungspflicht des Arbeitgebers. Insoweit hat diese Haftung den Charakter eines Schadensersatzes. Die Sanktion gegen den Arbeitgeber macht allerdings keinen Sinn, wenn eine Steuerschuld des Arbeitnehmers erst gar nicht existiert, oder wenn die Jahressteuerschuld geringer als die Haftungssumme ist. Da die Steuerforderung des Fiskus nur einmal verwirklicht wird, darf die Inanspruchnahme der Steuerpflichtigen – entweder des Arbeitgebers als Haftender oder des Arbeitnehmers als Steuerschuldner – im Falle des § 42d EStG auch nur einmal erfolgen. Die Arbeitgeberhaftung verfolgt den Sicherungszweck des Quellenabzugs. Aus § 42d Abs. 3 S. 2 EStG lässt sich außerdem entnehmen, dass die Pflichtverletzung des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug nicht automatisch, sondern erst nach pflichtgemäßer Ermessensausübung der Finanzverwaltung Grundlage für eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers sein kann. Beim Ermessen sind das Vorhandensein und der Umfang der Steuerschuld zu berücksichtigen. § 42d Abs. 3 S. 2 EStG betont dazu deutlich den Gedanken des „Mit-Einstehen-Müssens“ für die Steuerschuld des Arbeitnehmers10. Es ist nämlich bedenklich, den Arbeitgeber für eine Steuerschuld haften zu lassen, die in dieser Höhe beim Arbeitnehmer gar nicht existiert.

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Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 7.

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

Der Ansicht des BFH ist deshalb insoweit nicht zu folgen, wenn die Steuerschuld nach dem Kalenderjahr nicht oder nicht in dieser Höhe weiterhin besteht, die der Arbeitnehmer aufgrund der Lohnerzielung schuldet. Soweit der Arbeitgeber nach dem Kalenderjahr Einwände aus der Position des Arbeitnehmers vorträgt, muss die zuständige Finanzbehörde im Haftungsverfahren immer überprüfen, ob die als fehlerfrei betrachtete Ermessenausübung zur Inanspruchnahme des Arbeitgebers weiterhin durchgeführt werden kann. Denn gemäß § 88 Abs. 1 S. 1 AO ist die Finanzbehörde verpflichtet, den einkommensteuerlich relevanten Sachverhalt beim Arbeitnehmer von Amts wegen zu ermitteln. Im Gegensatz zum deutschen ist dem taiwanischen Einkommensteuerrecht im Bezug auf die Haftung des Abzugspflichtigen im Quellenabzugsverfahren eine Rücksicht der Quellensteuern auf die Jahreseinkommensteuer des jeweils betroffenen Steuerschuldners – wie § 38a EStG – fremd. Eine solche Rücksicht ist in der Praxis auch unmöglich, da in Taiwan eine Reihe von Einkunftsarten dem Quellenabzug unterliegt. Gemäß § 114 Nr. 1 twEStG haftet der Abzugspflichtige für den Fehlbetrag, wenn er die Verpflichtung zum Quellenabzug nicht ordnungsgemäß nachkommt, ohne zu berücksichtigen, ob die Einkommensteuerschuld des Steuerschuldners vorliegt. Von daher ist die taiwanische Haftungsvorschrift stark vom Charakter der Sanktion wegen der Pflichtverletzung des Abzugspflichtigen geprägt.

III. Voraussetzungen der Haftung des Arbeitgebers 1. Pflichtverletzung des Arbeitgebers a) Deutsches Recht Aus dem Gesetzeswortlaut von § 42d Abs. 1 EStG ergibt sich, dass nur bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen seine gesetzlichen Pflichten eine Arbeitgeberhaftung für die Lohnsteuer entsteht. Gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Bei der Einbehaltung der Lohnsteuer ist der Arbeitgeber an die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte gebunden. Nimmt er den Lohnsteuerabzug nach Maßgabe dieser Eintragung vor, ohne dass ihm ein Fehler bei der Berechnung der Höhe der abzuziehenden Summe unterläuft, hat er seine Pflicht zur Einbehaltung bereits erfüllt. Hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer vorschriftsmäßig einbehalten, die übernommene Steuer aber nicht an das Finanzamt abgeführt, verstößt er gegen die Pflicht aus § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG und haftet nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für den Fehlbetrag der Lohnsteuer. Eine vorschriftswidrige Einbehaltung führt im Ergebnis auch zu einer vorschriftswidrigen Abführung der Lohnsteuer. Von seiner Ent-

III. Voraussetzungen der Haftung des Arbeitgebers

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richtungspflicht wird der Arbeitgeber deshalb erst durch den Zahlungseingang bei der Finanzkasse befreit. Der Schwerpunkt dieser Gesamtverpflichtung liegt deshalb in der ordnungsgemäßen Abführung. § 42d Abs. 1 Nr. 2 EStG ist eigentlich der Unterfall der Nr. 111. Erstattet nämlich der Arbeitgeber beim Lohnsteuer-Jahresausgleich gemäß § 42b EStG zu Unrecht die Lohnsteuer, ist der Lohnsteuereinbehalt entsprechend nicht korrekt durchgeführt worden. Auch dies begründet dann die Haftung nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Pflichtverletzung, die in § 42d Abs. 1 Nr. 2 EStG geregelt wird, wird deshalb zutreffend als überflüssig und deklaratorisch bewertet12. Gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 3 EStG entsteht außerdem eine Haftung des Arbeitgebers, wenn er gegen seine Dokumentationspflicht verstößt. Nach einer inzwischen überholten Rechtsprechung des BFH konnte der Arbeitgeber bei fehlerhaften Angaben nur im Falle der Steuerhinterziehung herangezogen werden13. Weil dies als „unbefriedigend“ empfunden wurde, wurde der Steuergesetzgeber aktiv und führte die Vorschrift des § 42d Abs. 1 Nr. 3 EStG durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. 8. 1974 mit Wirkung zum 1.1.1975 ein14. Für eine solche Arbeitgeberhaftung ist nicht nur die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen, sondern zudem eine haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Verhalten des Arbeitgebers und der Verkürzung der Einkommensteuer des Arbeitnehmers erforderlich. An § 42d Abs. 1 Nr. 3 EStG wird in der Lehre kritisiert, dass der Gesetzgeber den Haftungstatbestand im Lohnsteuerverfahren auf das Veranlagungsverfahren ausgedehnt habe, wenn sich der Fehler des Arbeitgebers bei der Dokumentation bezüglich der Veranlagung auswirke15. Angesichts dessen, dass es in der Praxis zu einer Verkürzung der Einkommensteuer nicht allein durch eine fehlerhafte Dokumentation des Arbeitgebers kommen kann, sondern im Zusammenwirken mit anderen Umständen, z. B. einem Irrtum des Finanzamts und/ oder einer Steuerhinterziehung bzw. einer leichtfertigen Steuerverkürzung durch den Arbeitnehmer, erscheint es gerechtfertigt, dass alle diese Faktoren bei der Ermessenausübung des Finanzamts über die Inanspruchnahme der Gesamtschuldner gemäß § 42d Abs. 3 S. 2 EStG in die Überlegung einzubeziehen sind. Eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers kann ermessenfehlerhaft sein, wenn das Finanzamt bei der Veranlagung den Fehler der Dokumentation durch den Arbeitgeber hätte erkennen können16. Ebenfalls problematisch ist die vor11

Vgl. Lang, StuW 1975, S. 130; Nacke, S. 60. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. B4. 13 BFH Urteil v. 12.7.1966, VI R 320/66, BStBl. II 1968, S. 697. 14 Hierzu die Regierungsbegründung s. BT-Drucks, 7/1470, S. 307 zu § 152 Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, zit. nach Lang, StuW 1975, S. 130, Fn. 131. 15 Vgl. Lang, StuW 1975, S. 130; Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 5. 16 Gl. A. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 5. 12

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

rangige Inanspruchnahme des Arbeitgebers, wenn die Verkürzung der Einkommensteuer hauptsächlich durch die Steuerhinterziehung des Arbeitnehmers bewirkt wird17. Gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 4 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die ein Dritter in den Fällen des § 38 Abs. 3a EStG zu übernehmen hat. Als Dritter i. S. d. § 38 Abs. 3a EStG kennt das Gesetz grundsätzlich zwei Fallgruppen, nämlich die Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAG) und studentische Arbeitsvermittlungen.18 Diese Vorschrift stellt klar, dass der Dritte die Pflichten des Arbeitgebers und auch dessen Haftungsstellung übernimmt, ohne dass der Arbeitgeber insoweit von der Haftung befreit wird. Da der Übergang der Verpflichtungen des Arbeitgebers auf den Dritten keine Mitwirkung des Arbeitgebers voraussetzt, und der Dritte funktionell oder organisatorisch nicht dem Arbeitgeber eingegliedert werden kann, wird diese Arbeitgeberhaftung für Schulden des Dritten kritisiert19. Der Arbeitgeber haftet gemäß § 42d Abs. 2 EStG nicht, soweit die Lohnsteuer nach § 39 Abs. 4 oder § 39a Abs. 5 EStG nachzufordern ist und er bei Vorliegen der Sachverhalte gemäß § 38 Abs. 4 S. 2, S. 3 und § 41c Abs. 4 EStG seiner dort beschriebenen Mitteilungspflichten nachkommt. In der Lehre wird allgemein die Meinung vertreten, dass nur die Anzeige nach § 41c Abs. 4 einen echten Haftungsausschluss bewirkt20. Die übrigen in § 42d Abs. 2 EStG aufgezählten Alternativen sollen stattdessen nicht zu einem Haftungsausschluss führen. Es ist vielmehr schon der Haftungstatbestand gemäß § 42d Abs. 1 EStG nicht erfüllt. Der Haftungsausschluss im Falle des § 41c Abs. 4 EStG mindert in der Praxis das Haftungsrisiko des Arbeitgebers erheblich21. Wenn der Arbeitgeber erkennt, dass er die bisherige Lohnsteuer nicht ordnungsgemäß einbehalten hat, und soweit er dies unverzüglich dem Finanzamt anzeigt, ist seine Haftung ausgeschlossen. Die zuwenig erhobene Lohnsteuer hat nun das Finanzamt gemäß § 41c Abs. 4 S. 2 EStG vom Arbeitnehmer nachzufordern. Soweit dieser Haftungsausschluss eingreift, scheidet jegliche Inanspruchnahme des Arbeitgebers aus, selbst wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer zuvor leichtfertig nicht oder nicht zutreffend einbehalten hat22. Ob ein solcher Haftungsausschluss auch bei vorsätzlicher unrichtiger Lohnsteuereinbehaltung durch den Arbeitgeber eintreten kann, erscheint fragwürdig23. 17

Vgl. Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 67. Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 38 Rdn. 16 u. 17. 19 Gl. A. Eisgruber, in: Kirchhof EStG, § 42d Rdn. 20a. 20 Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 14; Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 81. 21 Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 14. 22 Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 14. 18

III. Voraussetzungen der Haftung des Arbeitgebers

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b) Taiwanisches Recht Mit Verweis auf § 88 twEStG, der die Verpflichtung des Abzugspflichtigen zum Quellenabzug vorsieht, haftet der Abzugspflichtige gemäß § 114 Nr. 1 twEStG für den Fehlbetrag, der darauf zurückzuführen ist, dass er beim jeweiligen Steuerabzug zu geringe Beträge einbehalten hat. Voraussetzung für eine solche Haftung ist deshalb, dass der Abzugspflichtige seiner Verpflichtung zum Quellenabzug nicht ordnungsgemäß nachkommt. Während im deutschen Lohnsteuerrecht Geldbußen für Ordnungswidrigkeiten des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug nach § 380 AO nur bis zu einer Höhe von 25000 A vorgeschrieben sind, enthält das taiwanische Steuerrecht keine abschließende Regelung bezüglich Obergrenzen der Geldbuße gegen den Abzugspflichtigen; statt dessen lassen sich vage Aussagen anhand von Ermessensvorgaben für unterschiedliche Beträge anstellen, die die Verletzung von bestimmten in § 88 twEStG genannten Pflichten sanktionieren. Im Extremfall kann dem Abzugspflichtigen eine Geldbuße in Höhe von bis zu Milliarden NT-Dollar drohen. Diese unverhältnismäßig hohe Geldbuße trägt den Charakter eines uneingeschränkten staatlichen Eingriffs durch die Finanzverwaltung und wirft eine Reihe von grundrechtlichen Fragen auf, da selbst der Steuergesetzgeber keine unbeschränkte Gestaltungsfreiheit im Steuerrecht hat. Auch bei der Regelung des Lohnsteuerverfahrens hat der Steuergesetzgeber die verfassungsrechtlichen Schranken, insbesondere die Grundrechte und das Rechtsstaatsprinzip zu beachten24. 2. Verschulden des Arbeitgebers Im Folgenden werden die Ansichten der taiwanischen Lehre und die eigene Auffassung zum taiwanischen Steuerrecht im Anschluss an die Darstellung des Meinungsstands in der deutschen Literatur und der eigenen Meinung zum deutschen Steuerrecht dargestellt. a) Literaturauffassungen im deutschen Recht Aus dem Gesetzeswortlaut des § 42d Abs. 1 EStG ergibt sich kein konkreter Hinweis darauf25, ob ein Verschulden des Arbeitgebers bei Vorliegen aller haftungsbegründender Tatbestände für die Rechtsfolge einer Haftung erforderlich 23

Gl. A. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 14. Junjer Hwang, TTLR 2003, S. 183 ff.; Gee u. a., TTLR 2003, S. 194 ff.; Kechung Ko, TTLR 2004, S. 124 ff. 25 Gl. A. Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 36; a. A. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. B7, Mösbauer, FR 1995 Möglichkeiten, S. 173 und Nacke, S. 110. 24

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

ist. In der Rechtsprechung des BFH und in der Lehre überwiegt die Meinung, dass § 42d EStG eine Erfolgs- bzw. Garantiehaftung im Rahmen eines selbst beherrschten Risikobereiches begründe und eine Haftung daher kein Verschulden des Arbeitgebers voraussetze26. Die Erfüllung der Tatbestände nach § 42d Abs. 1 EStG werde danach allein objektiv geprüft. Der Grad des Verschuldens könne allerdings im Rahmen der Ermessensausübung nach § 42d Abs. 3 S. 2 EStG Bedeutung erlangen. Für eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers werden folgende Argumente erwähnt: im Vergleich zum Wortlaut des § 69 S. 1 AO und insbesondere des § 44 Abs. 5 S. 1 EStG, wonach das Verschulden des Betroffenen ausdrücklich gefordert wird, lasse sich kein Verschulden als Voraussetzung für eine Haftung des Arbeitgebers ablesen27. Eine verschuldensabhängige Haftung sei nämlich ausdrücklich hervorzuheben. Im Umkehrschluss sei damit eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers anzunehmen. Es gebe dazu kein allgemein geltendes Prinzip, nach welchem für eine Pflichtverletzung nur dann gehaftet werde, wenn ein Verschulden vorliege28. Eine verschuldensunabhängige Haftung entspreche außerdem der Anforderung aus der Entstehungsgeschichte der Lohnsteuerhaftung29. Darüber hinaus sei der Steuereinbehalt beim Arbeitgeber eine lediglich mechanische, wenig fehleranfällige Arbeit30. Für ihn sei also die Arbeit beim Quellenabzug nicht schwer. Dem Arbeitgeber stehe dazu die Möglichkeit zu, sich im Wege einer Anrufungsauskunft nach § 42e EStG gegen eine Haftungsinanspruchnahme zu schützen. Durch einen zivilrechtlichen Rückgriffsanspruch gegen den Arbeitnehmer könne der Arbeitgeber sich schließlich schadlos halten31. Im deutschen Schrifttum wird dagegen zunehmend eine Gegenmeinung vertreten. Eine verschuldensunabhängige Arbeitgeberhaftung sei unverhältnismäßig32 und stehe mit der deutschen Rechtsordnung, sowohl im privaten als auch im öffentlich-rechtlichen Recht, nicht im Einklang. Sie sei verfassungsrechtlich problematisch33. Dabei kritisiert diese Auffassung alle möglich entstehenden Formen einer verschuldensunabhängigen Haftung im Lohnsteuerverfahren: Der 26 Vgl. BFH Urteil v. 18.9.1981, VI R 44/77, BStBl. II, 1981, S. 801; zu den dieser Ansicht zustimmenden Meinungen aus dem Schrifttum s. ausf. Heuermann, Systematik, S. 279 Fn. 637 m.w. N.; Gersch, in: H/H/R § 42d Rdn. 36 m.w. N.; Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 6; Offerhaus/Schmidt, S. 153. 27 Vgl. Heuermann, Systematik, S. 281 f. 28 Vgl. Heuermann, Systematik, S. 281 f.; zum allgemeinen Grundsatz für die „Haftung“ vgl. Goutier, S. 17 ff. 29 Vgl. Begründung zum Reichseinkommensteuergesetz-Entwurf vom 29. 11. 1919, FA 1920, Bd. 2, S. 275 zu §§ 44 bis 51 REStG, zit. nach Heuermann, in: H/W LStR, Rdn. J36. 30 BFH Urteil v. 21.2.1984, VII R 107/83, BStBl. II 1984, S. 336. 31 BFH Urteil v. 7.2.1969, VI R 81/66 BStBl. II 1969 S. 406 f. 32 Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. A39, B12.

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Lohnsteuerabzug an sich begründe keine Gefährdungshaftung wie in dem Fall, dass ein Inhaber oder Halter von Betrieben oder Sachen eine spezifische Betriebs- oder Sachgefahr herbeiführt und daher für ausgelöste Schäden einzustehen hat. Weder die Beschäftigung des Arbeitnehmers noch die Unterlassung beim Lohnsteuerabzug ließen sich mit der Eröffnung einer der genannten Gefahrquellen gleichstellen34. Die Annahme der Garantiehaftung sei ebenfalls nicht sachgemäß35. Als Vergleichsmaßstab werde regelmäßig die Garantiehaftung im Zoll- und Verbrauchersteuerrecht bemüht. Hierbei handele es sich aber um ein Sicherungsinstitut, das darauf gerichtet sei, die Gefahr des Ausfalls von Steueraufkommen auf einen anderen ganz oder teilweise abzuwälzen. Erforderlich sei diese drastische Form der Sicherstellung, weil die Gefahr eines Ausfalls besonders hoch sei, da sich die Parteien im Nachhinein nur sehr schlecht ermitteln ließen. Eine vergleichbare Gefahrenlage bestehe im Lohnsteuerrecht hingegen nicht. Stattdessen sei gerade eine Gesamtschuldnerschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüber dem Finanzamt angeordnet. Daher wäre die Annahme einer Garantiehaftung eine Auslegung contra legem. Schließlich treffe den Arbeitgeber keine Ausfallhaftung, um die Steuerausfälle der Einkommensteuer zu verhindern36, weil er gemäß § 42d EStG nur für die Lohnsteuer, nicht aber für die Einkommensteuer hafte. Im Ergebnis wird gefolgert, dass die Haftung des Arbeitgebers eine Sanktion für eine eigene Pflichtverletzung sei, deren Eintritt ein Verschulden des Arbeitgebers voraussetze37. Zudem wird streitig diskutiert, ob im Falle einer verschuldensabhängigen Haftung des Arbeitgebers eine graduelle Einschränkung des Verschuldens des Arbeitgebers vorzunehmen ist. So wird gefordert, dass der Arbeitgeber – wie ein Kreditinstitut in § 44 Abs. 5 EStG oder ein gesetzlicher Vertreter in § 69 S. 1 AO – nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit für den Fehlbetrag hafte38. Dem wird entgegen gehalten, dass ein verfassungsrechtliches Gebot, die Arbeitgeberhaftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu begrenzen, nicht erkennbar sei39.

33 Vgl. Friedrich, DB 1968, S. 1420, wonach eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers zur Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG führe. 34 Vgl. Schick, BB 1983, S. 1044; Kloubert, S. 94. 35 Vgl. Kloubert, S. 93; Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. A8. 36 Kloubert, S. 92 f. 37 Bornhaupt, BB 1981, S. 2132 f.; Schick, BB 1983, S. 1045; Kloubert, S. 94; Hahn, Problematik, S. 63; Gast-de Haan, DStJG 9, S. 152, 156; Barein, in: L/B/P EStG, § 42d Rdn. 8 bis 10; Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 38; Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. A11; Kloubert, S. 94; Hey, in: FS für Kruse, S. 286 ff. 38 Z. B. Rössler, FR 1982, S. 155; Schick, BB 1983, S. 1046; Gast-de Haan, DStJG 9, S. 156. 39 Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. A39, B13.

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

b) Stellungnahme Ungeachtet der Frage, ob der Gesetzeswortlaut des § 42d Abs. 1 EStG für eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers spricht, verschlechtert die Tendenz, dass das Lohnsteuerrecht ständig komplizierter und damit unübersichtlicher wird, die Lage des Arbeitgebers als Abzugspflichtiger ohnehin. Je komplizierter und schwieriger der Dienst des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren geworden ist, desto größer sind die Anforderungen an den Gesetzgeber sowie den Gesetzesanwender gewachsen, eine verhältnismäßige Belastung für den in Dienst genommenen Arbeitgeber zu gestalten bzw. in diese Richtung auszulegen. Da das hier erörterte Rechtsverhältnis lediglich ein gesetzlich angeordneter Annex ohne jeden Gestaltungsspielraum zum Arbeitsrechtsverhältnis ist, um das es dem Arbeitgeber eigentlich geht, erscheint eine so weitgehende Haftung als unverhältnismäßig. Beim Quellenabzugsverfahren nach taiwanischem Steuerrecht findet ein schematisiertes Verfahren statt, weil der Abzugspflichtige den Quellenabzug allein nach einer zuvor bekannt gegebenen Abzugstabelle durchführt [s. 2. Kapitel II. 2. b)]. Von einem solchen Verfahren kann in Deutschland nicht die Rede sein, da das Lohnsteuerrecht hier viel zu kompliziert ist. Vor einer Haftung kann sich ein zum Abzug Verpflichteter nicht im Wege einer Anrufungsauskunft gemäß § 42e EStG schützen. Denn die Ausübung des Rechts zu einer Anrufung durch den Arbeitgeber setzt zunächst voraus, dass der Arbeitgeber erkennt, dass eine rechtliche Zweifelsfrage vorliegt. Daher wird er von diesem Recht keinen Gebrauch machen, wenn der Arbeitgeber subjektiv nach bestem Wissen seine Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt hat, ihm aber objektiv aufgrund eines entschuldbaren Rechts- oder Tatsachenirrtums ein Fehler unterläuft. Konsequenterweise ist eine verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers unbillig40. Eine derartige Haftung führte im Ergebnis dazu, dass dem Arbeitgeber neben seinen unentgeltlichen obligatorischen Tätigkeiten beim Quellenabzug auch noch ein zusätzliches finanzielles Risiko aufgebürdet wird. Durch den Regressanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer wird der Gefahr seitens des Arbeitgebers, einen wirtschaftlichen Schaden zu erleiden, nur unzureichend entgegengewirkt. Der Arbeitnehmer ist regelmäßig der wirtschaftlich schwächere Partner. So verbleibt dem Arbeitgeber immer das Risiko, dass die Vollstreckung beim Arbeitnehmer erfolglos ist und ein Regress aus faktischen Gründen scheitert. Soweit eine Erfolgshaftung existiert, hat der Arbeitgeber mithin den wirtschaftlichen Schaden sowie die eventuellen Kosten eines gescheiterten Vollstreckungsversuchs zu tragen. Diese Belastung mit monetären Leistungen ist nicht anders als eine eigenartige Arbeitgebersteuer zu verstehen, weil diese Kosten wegen der eigentlichen Letztverantwortlichkeit durch die Finanzverwaltung 40

Gl. A. Offerhaus, BB 1982, S. 796.

III. Voraussetzungen der Haftung des Arbeitgebers

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selbst getragen werden müssten. Der Umstand, dass § 42d EStG keine reine Erfolgshaftung normiert, sondern der Finanzverwaltung eine Ermessensentscheidung bezüglich des Grades des Verschuldens des Arbeitgebers auferlegt, zeigt, dass die verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitnehmers verfehlt ist. Im Einzelfall, in dem die Inanspruchnahme des Arbeitgebers nach Treu und Glauben gebilligt worden ist, trägt die deutsche Praxis einen deutlichen Kompromisscharakter41. Im Ergebnis führt dies zu keinem Unterschied zu der hier vertretenen Auffassung, dass die Arbeitgeberhaftung ein schuldhaftes Verhalten voraussetzt42. Wenn angenommmen wird, dass der Arbeitgeber bei der Vornahme des Quellenabzugs verschuldensabhängig zu haften hat, muss weiterhin die Frage beantwortet werden, ob eine Beschränkung der Haftung für Arbeitgeber existiert. Heranzuziehen sind zwei Möglichkeiten, nämlich die Haftungsbeschränkung wie bei Amtsträgern in § 32 AO oder die Beschränkung durch die Analogie zu den anderen Haftungsregelungen für Privatrechtssubjekte bei Pflichtverletzungen in Steuergesetzen, insbesondere die Haftung der Kreditinstitute in § 44 Abs. 5 S. 1 EStG. In entsprechender Anwendung des § 32 AO würde der Arbeitgeber nur dann haften, wenn er gleichzeitig mit Strafe bedroht ist43. Nach der hier vertretenen Auffassung tritt der Arbeitgeber – weil er keine Hoheitsbefügnis verfügt – gegenüber dem Arbeitnehmer wenig als Amtsträger gegenüber. Eine vergleichbare Grundlage der Arbeitgeberhaftung zu § 32 AO besteht daher nicht. Im Lohnsteuerverfahren wird der Arbeitgeber als privatrechtlich Beauftragter des Arbeitnehmers tätig. Ein Vergleich mit der Rechtslage, die Kreditinstitute beim Quellenabzug bei der Kapitalertragsteuer betrifft, dient deshalb als überzeugendes Argument44. Gemäß § 44 Abs. 5 S. 1 EStG haftet die Bank nur in Fällen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Zudem darf der Arbeitgeber als Beauftragter nicht schlechter behandelt werden als ein gesetzlicher Vertreter i. S. d. § 69 AO, wonach der Vertreter nur infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Verpflichtungen haften muss, weil diese Figur als Beauftragter im Lohnsteuerverfahren nicht vom Arbeitgeber selbst freiwillig gewollt ist. Die Haftung des Arbeitgebers kommt deshalb nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit in Betracht.

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Trzaskalik, in: K/S/M EStG, Rdn. B8. Martens, StuW 1970, S. 310, 324. 43 Vgl. Drüen, in: T/K AO, § 32 Rdn. 11. 44 Dazu gl. A. Gast-de Haan, DStJG 9, S. 256; a. A. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. B13. 42

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

c) Rechtsprechung im taiwanischen Recht und eigene Auffassung In der taiwanischen Literatur wird die Bedeutung von schuldhaften Verhalten des Abzugspflichtigen selten diskutiert. Anhand einer Reihe von Streitfällen über den Umfang der Haftung des Abzugspflichtigen im letzten Jahrzehnt lässt sich ablesen, dass die taiwanische Finanzverwaltung dazu tendiert, die Haftung des Abzugspflichtigen als Erfolgshaftung zu bewerten45. In der auf diese Rechtsfälle folgenden Rechtsprechung des bei Steuerstreitigkeiten zuständigen Verwaltungsgerichtshofs wurde mehrfach in Anlehnung an diese Rechtsauffassung entschieden46. Abweichend von dem oben ausgeführten Ergebnis zum deutschen Recht entspricht die Ansicht, dass der taiwanische Abzugspflichtige auch ohne ein Verschulden für Fehlbeträge haften muss, wohl der Realität in der Praxis und dem Wortlaut der §§ 94 Abs. 1, 114 Nr. 1 twEStG. Im taiwanischen Steuerrecht bestehen keine Gesamtschuldnerschaft zwischen Abzugspflichtigen und Steuerschuldnern und keine daraus resultierten Ermessensausübungen der Finanzverwaltung. Stattdessen verpflichtet das Gesetz die Finanzverwaltung primär, den Abzugspflichtigen für die Erstattung von Fehlbeträgen beim Quellenabzug in Anspruch zu nehmen, ohne die konkreten Umstände im Einzelfall zu berücksichtigen. Die Aufgabe des Abzugspflichtigen im taiwanischen Steuerrecht erschöpft sich darin, vom Bruttolohn einen bestimmten Prozentsatz zu berechnen, diesen einzubehalten und abzuführen. Die Argumente, die im deutschen Recht gegen eine verschuldensunabhängige Haftung sprechen, lassen sich auf so einen simplen Sachverhalt nicht übertragen. Daher erscheint eine reine Erfolgshaftung im taiwanischen geltenden Rechtslage nicht als unverhältnismäßig und unbillig.

IV. Umfang der Haftung 1. Deutsches Recht a) Während des laufenden Kalenderjahres Gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Demzufolge richtet sich der Umfang der Haftung im Falle des § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG nach den Regeln, die für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer maßgeblich sind. Im Falle des § 42d Abs. 1 Nr. 2 EStG, bei dem der Arbeitgeber die Lohnsteuer im Lohnsteuer-Jahresausgleich nach § 42b zu Unrecht erstattet hat, gilt diese Rege45 Amtliche Anweisung des Finanzministeriums v. 5.12.1996, 85 Nr. 851928091; amtliche Entscheidung des Exekutiv-Yuan vom 12.10.1998, 87 Nr. 49918. 46 VerwG. Urteil v. 28.1.1999, 88 Nr. 126; v. 15.4.1999, 88 Nr. 1081; v. 22.4.1999, 88 Nr. 1387; v. 14.5.1999, 88 Nr. 1931.

IV. Umfang der Haftung

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lung entsprechend. Während des laufenden Kalenderjahres bezieht sich die Lohnsteuer zwar materiell auf die im Vorhinein zu entrichtende Einkommensteuer, die bezüglich des Arbeitnehmers innerhalb des jeweiligen Anmeldungszeitraums zu entrichten ist. Wegen des Prinzips der Maßgeblichkeit der Lohnsteuerkarte, das in § 39b EStG enthalten ist, ist jedoch verfahrensrechtlich die einzubehaltende Lohnsteuer mit der voraussichtlichen Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers identisch. Folglich kann der Arbeitgeber, wenn er während des laufenden Kalenderjahres in Haftung genommen wird, keine Einwände im Verfahren geltend machen. Dies gilt selbst dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Vermutung vorliegen, dass eine entsprechende Jahressteuerschuld des Arbeitnehmers nicht oder nicht in dieser Höhe besteht47. b) Nach Ablauf des Kalenderjahres Im deutschen Steuerrecht bemisst sich die Höhe der Haftung des Arbeitgebers aus dem Lohnsteuerabzug grundsätzlich anhand der Höhe der Jahreslohnsteuer, die wiederum grundsätzlich der Einkommensteuer des Arbeitnehmers im Falle entspricht, wenn er ausschließlich die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Allgemein wird anerkannt, dass eine Akzessorietät zwischen Haftung gemäß § 42d EStG und der Steuerschuld des Arbeitnehmers vorliegt48. Umstritten ist indessen im deutschen Schrifttum, ob sich die Haftung nach Ablauf des Kalenderjahres weiterhin anhand der vorläufigen Lohnsteuerschuld bestimmen lässt oder hierfür von nun an die Höhe der endgültigen Einkommensteuerschuld entscheidend ist. aa) Auffassungen von Rechtsprechung und Literatur Nach der Rechtsprechung des BFH49 und einer Auffassung in der Lehre50 ist die Haftung nach § 42d EStG allein akzessorisch zur ursprünglichen Lohnsteuer nach §§ 38 ff. EStG, nicht hingegen zur später nach § 36 EStG entstehenden Einkommensteuer. 47

Gast-de Haan, DStJG 9, S. 158; Heuermann, in: H/W LStR, Rdn. J17 m.w. N. Vgl. Lang, in: T/L StR, § 7 Rdn. 65; Gast-de Haan, DStJG 9, S. 165 ff. 49 BFH Urteil v. 20.12.1957, VI 105/55 U, BStBl. III 1958, S. 84; v. 26.7.1974, VI R 24/69, BStBl. II 1974, S. 756; v. 12.12.1975, VI B 124/75, BStBl. II 1976, S. 543; v. 9.3.1979, BStBl. II 1979, S. 451; v. 17.10.1980, VI R 136/77, BStBl. II 1981, S. 138; v. 7.12.1984, VI R 164/79, BStBl. II 1985, S. 164; v. 15.12.1989, VI R 151/ 86, BStBl. II 1990, S. 526; v. 29.4.1992, VI B 152/91, BStBl. II 1992, S. 752; v. 22.7.1993, VI R 116/90, BStBl. II 1993, S. 775; v. 29.10.1993, VI R 26/92, BStBl. II 1994, S. 197; v. 12.1.2001, VI R 102/98, DStR 2001, S. 98. 50 Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. A11 ff. u. D11; Thomas, DStR 1995, S. 275 f.; Heuermann, Systematik S. 314 f.; ders., in: H/W LStR, Rdn. J11, J17 ff.; Nacke, S. 62. 48

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

Die materielle Selbständigkeit der Lohnsteuer wird wie folgt begründet51: vom eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 42d Abs. 1 EStG her hafte der Arbeitgeber nur für die „Lohnsteuer“, nicht für die „Einkommensteuer“. Darüber hinaus ergebe sich aus der Systematik der Vorschriften über die Arbeitgeberhaftung eine solche nur für die „einzubehaltende und abzuführende“ Lohnsteuer. Die Haftung gemäß § 42d EStG beziehe sich gerade nicht auf die zuweilen höhere oder geringere Einkommensteuer, deren Höhe stets von der des Lohnsteuerbetrags abweiche. Aus dem Zweck des § 42d EStG, der sichern solle, dass der Arbeitgeber seiner Verpflichtung zum Abzug der Lohnsteuer nachkomme, leite sich die Pflichtverletzung des Arbeitgebers als Voraussetzung für seine Haftung ab. Der Haftungsumfang müsse deshalb mit dem Steuerbetrag, den der Arbeitgeber als Abzugspflichtiger zur Erhebung einbehalten müsse, übereinstimmen. Dabei handelt es sich aber nur um die Erhebung der Lohnsteuer, nicht die Erfassung der Einkommensteuer, die beim Arbeitnehmer als Steuerschuldner nach dem Veranlagungszeitraum anfällt. Außerdem ist der Arbeitgeber weder berechtigt noch verpflichtet, über die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte hinaus die individuellen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, die für die Lohnbesteuerung erforderlich sind, zu ermitteln. Hierzu ist noch nicht einmal das Finanzamt befugt52. Der Arbeitgeber hat daher keinesfalls für eine erhöhte Einkommensteuer zu haften. Für eine Eigenständigkeit der Lohnsteuer werden zudem folgende Argumente vorgetragen53: während das Wohnsitzfinanzamt grundsätzlich gemäß § 19 AO für die Verwirklichung des Einkommensteueranspruchs gegen den Arbeitnehmer zuständig ist, ist das Betriebsstättenfinanzamt nach §§ 41a Abs. 1, 42d Abs. 3 S. 2, 42e EStG befugt, die Entscheidungen im lohnsteuerrechtlichen Verfahren zu treffen. Hinzu kommt, dass der Einkommensteueranspruch erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres, also nach dem Veranlagungszeitraum gemäß §§ 25 Abs. 1, 36 Abs. 1 EStG entsteht, während der Lohnsteueranspruch bereits zu dem Zeitpunkt entsteht, zu dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer nach § 38 Abs. 2 S. 2 EStG zufließt. Der Einkommensteueranspruch kann nach dem Erlöschen des Lohnsteueranspruchs weiterhin existieren, wenn weitere Einkünfte, die nicht aus nichtselbständiger Arbeit herrühren, bestehen. Darüber hinaus ist denkbar, dass die auf einen bestimmten Lohnzufluss entfallende Lohnsteuer und die Einkommensteuer betragsmäßig nicht übereinstimmen müssen. Im Falle der Lohnsteuer-Pauschalisierungen gemäß §§ 40 bis 40b EStG hat der Gesetzgeber bewusst aus Gründen der Vereinfachung den Zusammenhang zwischen Lohnund Einkommensteuer aufgelöst54.

51 Dazu insgesamt s. Thomas, DStR 1995, S. 275; Heuermann, in: H/W LStR, Rdn. J19; Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. A11. 52 Vgl. Thomas, DStZ 1994, S. 548. 53 Vgl. Thomas, DStZ 1994, S. 548.

IV. Umfang der Haftung

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Wohl auf der fiskalischen Bedeutung der Lohnsteuer basieren die amtlichen Statistiken wie z. B. der Finanzbericht des deutschen Finanzministeriums55, in dem die Lohnsteuer stets als verselbständigte Steuerart unabhängig von der (veranlagten) Einkommensteuer gezählt wird. Darüber hinaus könnte aus systematischen Erwägungen der Erlass der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung separat von der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung auch ein Zeichen dafür sein, dass die Lohnsteuer in der Praxis als etwas anderes als die (veranlagte) Einkommensteuer anzusehen ist. Diese Differenzierung hat nicht nur technische Bedeutung auf Verwaltungsebene, sie hat sogar eine eigene verfassungsrechtliche Wurzel. In dem durch das Finanzreformgesetz vom 12.5.196956 eingeführten Art. 107 Abs. 1 S. 2 GG wird in Satz 1 eine Aufteilung des Aufkommens aus der Körperschaft- und der Einkommensteuer in einen Länder- und in einen Bundesanteil angeordnet. Satz 2 regelt ein Verteilungsverfahren. Dieses soll so aussehen, dass durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrats bedarf, nähere Bestimmungen über die Zerlegung von Körperschaft- und Lohnsteuern zu treffen sind. Hieraus wird geschlossen, dass die unterschiedliche Behandlung von Lohn- und Einkommensteuer auch beim horizontalen Finanzausgleich von Bedeutung sei57. Die herrschende Meinung im Schrifttum schließt sich dem nicht an58. Stattdessen sei die Lohnsteuer als auflösend bedingte Schuld mit Ablauf des Veranlagungszeitraums hinfällig, soweit sie die endgültige Jahreseinkommensteuer überschreite, oder sogar keine Einkommensteuer entstanden sei. Daher hänge der Umfang der Haftung des Arbeitgebers nach Ablauf des Kalenderjahrs nur von der endgültigen Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers ab. bb) Eigene Auffassung Der herrschenden Meinung im Schrifttum ist zuzustimmen. Die Interpretation des § 42d EStG darf nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks haften, dass der Arbeitgeber nicht für die „Einkommensteuer“, sondern nur für die „Lohnsteuer“ haftet. Stattdessen ist der Umfang der Arbeitgeberhaftung nach dem eigentlich Gemeinten zu erforschen, das sich nur aus dem gesamten Kontext des Steuerrechts erschließen lässt: die Arbeitgeberhaftung gemäß § 42d 54 Giloy, DStJG 9, S. 217 ff.; zu den Argumenten s. auch Lang, RdA 1999, S. 66 Fn. 26 m.w. N. 55 BMF, Finanzbericht 2004 (Stand: 8.8.2003), Tabelle 11 S. 260 ff. 56 BGBl. I, S. 359. 57 Vgl. Vogel/Kirchhof, in: D/V/G GG, Art. 107 Rdn. 21 ff., 35, 103. 58 Vgl. Olbertz, DB 1998, S. 1787; Lang, in: T/L StR, § 7 Rdn. 65; ders., RdA 1999, S. 65 f.; Drenseck, in: Schmidt EStG § 42d Rdn. 2; Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 110 ff.; Bäuerlen, S. 66 f.; Janke, S. 130 f.; Mösbauer, S. 163; Hahn, InstFSt Nr. 257, S. 19 f.

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

EStG ist eine Vorschrift, die sich systematisch als Teil des Lohnsteuerverfahrens darstellt. Die Vorschriften des Lohnsteuerverfahrens von §§ 38 bis 42f EStG befinden sich unter dem VI. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, der systematisch zu der Erhebung der Einkommensteuer zählt. Der zweite Untertitel dieses Abschnitts ist das Verfahren des „Steuerabzugs vom Arbeitslohn“. Erst in dem abschließenden Untertitel ist der Begriff „Lohnsteuer“ in runden Klammern eingeklammert im EStG zu finden. Der Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer) wird deshalb der Erhebungsform für die Einkommensteuer zugeordnet. Außerdem wird die Lohnsteuer in § 38 Abs. 1 S. 1 EStG, der als Grundnorm des Lohnsteuerverfahrens zu verstehen ist59, als „Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben“ bezeichnet. Die „Lohnsteuer“ ist deshalb zwischen den Zeilen des deutschen Einkommensteuergesetzes als „die durch Quellenabzug vom Arbeitslohn erhobenene Einkommensteuer“ zu lesen. Aus der Regelung des Kapitels X des Grundgesetzes lässt sich lediglich eine Verfahrensregelung über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ablesen. Einen materiell-rechtlichen Unterschied zwischen Lohn- und Einkommensteuer enthält sie hingegen nicht. Verfahrensrechtlich betrachtet ist die Lohnsteuer eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer mit Vorauszahlungsfunktion, die unter Umständen die Einkommensteuer-Vorauszahlung (§ 37 EStG) und die Veranlagung (§ 25 EStG) entbehrlich macht60. Diese Besonderheit dient der reibungslosen Steuererhebung im Rahmen des Erhebungsverfahrens61, berührt darüber hinaus das materiell-rechtliche Steuerschuldverhältnis nicht. Die Lohnsteuer ist nämlich ein unselbständiger Teil der Einkommensteuer, der sich sachgemäß allein auf die Lohneinkünfte bezieht. Die Auffassung, die Lohnsteuer und Einkommensteuer materiell als unterschiedliche Steuerarten betrachtet, ist für Nicht-Steuerexperten überhaupt nicht nachvollziehbar: Ihr fehlt eine überzeugende Begründung dafür, warum der Steuerpflichtige für die einmalige Einziehung der Lohneinkünfte zweimal, also einmal in Form der Lohnsteuer und ferner in Form der Einkommensteuer, belastet werden müsste, obwohl die Lohnsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die Einkommensteuer angerechnet wird62. Die Ansicht des Reichsfinanzministeriums von 1926 über die Lohnsteuer, nach der die Lohnsteuer als objektsteuerähnliche Einkunftsart angesehen wird63, ist folglich nicht mehr zeitgemäß.

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Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A1. Drenseck, StuW 1991, S. 236. 61 Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A3. 62 Vgl. Heuermann, in: H/W LStR, Rdn. J17; ders., Systematik, S. 315 f. 63 RFH Gutachten v. 14.12.1926, VI D 2/26, RFHE 20, S. 164, 169; Weimar, S. 42, wonach die Lohnsteuer eine selbständige Steuer zur Erfassung des Arbeitseinkommens ist und neben der allgemeinen veranlagten Einkommensteuer steht. Weimars Auffassung basiert allerdings auf der Auffassung des EStG 1920; so auch Ruppe, in: H/H/R 60

IV. Umfang der Haftung

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Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Lohnsteuer nicht als etwas anderes als die Einkommensteuer von den Lohneinkünften zu verstehen ist. Nach dem Ablauf des Veranlagungszeitraums besteht daher keine Lohnsteuerschuld mehr, wenn mit ihr die Einkommensteuerschuld nicht gedeckt ist oder eine solche gar nicht besteht. Nach dem Kalenderjahr ist allein die Einkommensteuerschuld maßgeblich für die Höhe der Arbeitgeberhaftung. Für die Akzessorietät der Haftung zur Einkommensteuer spricht auch mittelbar § 191 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AO. Nach dieser Vorschrift kann ein Haftungsbescheid nicht mehr ergehen, soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und eine Fristsetzung wegen Ablaufs der Frist nicht mehr erfolgen kann. Die Befürchtung, dass die herrschende Meinung im Schrifttum zu einer übermäßigen und gleichheitswidrigen Besteuerung führe64, ist nicht überzeugend. Denn die Akzessorietät der Haftung zur Einkommensteuer führt wie bei der Gegenmeinung im Schrifttum nicht zu einer erhöhten Haftung des Arbeitgebers, wenn die tatsächliche Höhe der Einkommensteuer die der Lohnsteuer übertrifft. Als Abzugspflichtiger haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer nur insoweit, wie diese seinem Herrschaftsbereich unterliegt. Dies wird durch den seit Anfang 2004 geltenden § 38 Abs. 1 S. 3 EStG, der die Einbehaltungspflicht des Arbeitgebers an der Lohnzahlung von einer dritten Seite vorsieht, nicht verändert. Bei dieser Regelung setzt die Haftung die Konstellation voraus, dass der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass derartige Vergütungen in einer bestimmten Höhe erbracht werden, ohne dass ein entsprechender Teil der Auszahlung als Lohnsteueranteil einbehalten und abgeführt wird. 2. Taiwanisches Recht Im taiwanischen Recht werden die einzubehaltenden und abzuführenden Steuerbeträge aller Einkunftsarten unabhängig von der endgültigen Einkommensteuer des Steuerschuldners berechnet, ohne dass dabei die persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners im Grundsatz berücksichtigt werden [s. 2. Kapitel II. 2. b)]. Selbst beim Lohnsteuerabzug braucht der Abzugspflichtige nach dem taiwanischen Steuerrecht seine Berechnungen nur auf die vom Arbeitnehmer abgegebene Meldung zu stützen. Soweit der persönliche Sachverhalt nicht vom Arbeitnehmer zeitnah mitgeteilt wird, braucht der Abzugspflichtige diesen beim Quellenabzug nicht zu berücksichtigen. Trotz des objektsteuerlichen Charakters werden diese abgeführten Beträge nach der Literaturauffassung im taiwanischen Recht allenfalls als eine im Voraus zu entrichtende Einkommensteuer angesehen, weil sie gemäß § 71 Abs. 1 twEStG letztlich auf die EinkomEStG, Einf. Rdn. 60, wonach die Lohnsteuer durch erhebungstechnisch motivierte Vereinfachungen objektsteuerartige Züge erhalte. 64 Heuermann, Systematik, S. 315.

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

mensteuer des Steuerschuldners angerechnet werden65. Sowohl während des laufenden Kalenderjahres als auch nach dem Kalenderjahr bestimmt sich der Abzugsbetrag ausschließlich nach den in konkreten Einzelfall auszuzahlenden Beträgen, den Einkunftsarten und diesbezüglichen Abzugssteuersätzen. Diese zu entrichtenden Abzugsbeträge sind maßgeblich für die Haftung des Abzugspflichtigen, soweit er den Quellenabzug nicht ordnungsgemäß durchführt. Der Abzugspflichtige kann im Haftungsverfahren nicht einwenden, dass eine entsprechende Einkommensteuer des Steuerschuldners nicht oder nicht in dieser Höhe bestehe. Nach seiner Inanspruchnahme im Haftungsverfahren berechtigt § 94 Abs. 1 twEStG den Abzugspflichtigen, den Steuerschuldner in Regress zu nehmen.

V. Reihenfolge der Inanspruchnahme im Haftungsverfahren 1. Deutsches Recht Soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht, sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 42d Abs. 3 S. 1 EStG Gesamtschuldner. Diese Vorschrift dient der Klarstellung der Frage, ob Arbeitgeber als Haftungsschuldner und Arbeitnehmer als Steuerschuldner Gesamtschuldner i. S. v. § 44 AO sind.66 Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldner gemäß § 44 Abs. 1 AO die gesamte Leistung. Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt gemäß § 44 Abs. 2 S. 1 AO auch für den anderen Schuldner. In § 42d Abs. 3 S. 1 EStG wird allerdings vorausgesetzt, dass auch der Arbeitnehmer wegen der Lohnsteuer unmittelbar in Anspruch genommen werden kann67. Wenn nämlich der Lohnsteueranspruch des Fiskus gegen den Arbeitnehmer nicht über den Steuereinbehalt des Arbeitgebers befriedigt wird, hat das Finanzamt den Fehlbetrag der Lohnsteuer beim Arbeitnehmer nachzufordern. Behält der Arbeitgeber – gleichgültig, ob dies rechtmäßig oder rechtswidrig ist – gar keine Lohnsteuer ein, ist das Finanzamt berechtigt, den nicht erfüllten Lohnsteueranspruch gegen den Arbeitnehmer oder den Haftungsanspruch gegen den Arbeitgeber geltend zu machen. Wenn § 42d Abs. 3 S. 2 EStG die Geltendmachung des Steueranspruchs gegen den Arbeitnehmer als Ermessensausübung bezeichnet, bereitet diese Vorschrift insoweit Verständnisschwierigkeiten, weil nach dem Wortlaut des Gesetzes dem Betriebsfinanzamt eine Ermessensfreiheit eingeräumt zu werden scheint68. Die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers ist 65 Wang, Steuerrecht, S. 209; Gee, Einkommensteuer, S. 78; Zhong, Problematik, S. 14. 66 Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. D1. 67 Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. D5.

V. Reihenfolge der Inanspruchnahme im Haftungsverfahren

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aufgrund des Grundsatzes der gesetzmäßigen Besteuerung keine Frage des Entschließungsermessens69. Als Steuerschuldner kann der Arbeitnehmer immer in Anspruch genommen werden, wenn die Lohnsteuer nicht vorschriftgemäß einbehalten worden ist70. Diese Erkenntnis zu einer uneingeschänkten Inanspruchnahme des Arbeitnehmers wird durch die Verwendung des Wortes „nur“ in § 42d Abs. 3 S. 4 EStG nicht verändert. Diese Formulierung ist insoweit irreführend71 und regelt nur die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers im Falle, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn einbehalten hat, oder im Falle, wenn der Arbeitnehmer nicht weiß, dass die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet wurde72. Hinsichtlich der pflichtgemäßen Ermessensausübung der Finanzverwaltung gemäß § 42d Abs. 3 S. 2 EStG, die sich nur auf die Inanspruchnahme des Arbeitgebers bezieht,73 wird in der Rechtsprechung und der Lehre allgemein vertreten, dass die Ermessensentscheidung zweigliedrig ist: zu unterscheiden ist zwischen Entschließungs- und Auswahlermessen74. Ist nämlich der Haftungstatbestand nach § 42d Abs. 1 EStG erfüllt und greift der Haftungsausschluss nach § 42d Abs. 2 EStG nicht ein, so ist das Finanzamt hinsichtlich des Entschließungsermessens verpflichtet, zuerst zu überprüfen, ob der Arbeitgeber überhaupt in Anspruch genommen werden soll. Dabei wird insbesondere der Grad des Verschuldens des Arbeitgebers bei der Pflichtverletzung beim Quellenabzug berücksichtigt. Eine Ermessensfehlerhaftigkeit der Inanspruchnahme des Arbeitgebers kann sich dann ergeben, wenn Fehler bei der Einbehaltung der Lohnsteuer auf Ursachen zurückzuführen sein, die in der Sphäre des Finanzamts lie68 BFH Urteil v. 17.5.1985, VI R 137/82, BStBl. II 1985, S. 660; in der Literatur s. ausf. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 16; Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. D14. 69 BFH Urteil v. 17.5.1985, VI R 137/82, BStBl. II 1985, S. 660; in der Literatur s. ausf. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 16; Trzaskalik, in: K/S/M, EStG § 42d Rdn. D14. 70 Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 16; Mösbauer, FR 1995 Grenzen, S. 728. 71 Gl. A. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 24; Bornhaupt, FR 1991, S. 370. 72 Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 24; Mösbauer, FR 1995 Grenzen, S. 731. 73 Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 16; a. A. Heuermann, in: H/W LStR, Rdn. J54, wonach sich aus dem Wortlaut des § 42d Abs. 3 S. 2 EStG ergebe, dass das Betriebsfinanzamt „die Steuerschuld oder Haftungsschuld“ nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen kann und, dass sich das Ermessen auch auf die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers als Steuerschuldner beziehe. 74 Vgl. BFH Urteil v. 13.4.1978, V R 109/75, BStBl. II 1978, S. 508; zu dieser Meinung zustimmende Literaturauffassung z. B. Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 132; Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 16; Heuermann, in: H/W LStR, Rdn. J53; Olbertz, DB 1998, S. 1787; Völlmeke, DStR 1991, S. 1001 ff.

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

gen. Ein geeignetes Beispiel dafür ist die Auskunft nach § 42e EStG. Bei dem Arbeitgeber kann ein entschuldbarer Rechtsirrtum wegen einer fehlerhaften Auskunft vom Finanzamt entstehen75. So kommt die Inanspruchnahme des Arbeitgebers nicht in Betracht, wenngleich die Haftungstatbestände nach § 42d Abs. 1 EStG objektiv erfüllt sind. Die Frage, ob ein entschuldbarer Rechtsirrtum beim Arbeitgeber vorliegt und damit die Inanspruchnahme des Arbeitgebers als ermessenfehlerhaft angesehen wird, ist unter Berücksichtigung der Umstände, Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Fiskus, von Fall zu Fall zu beantworten76. Im Haftungsbescheid bei einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers sind diese Ermessenerwägungen darzulegen77. In der Rechtsprechung ist die zutreffende Tendenz zu erkennen, dass die Stellung des Fiskus nicht überbetont werden dürfe78. Das Entschließungsermessen, ob der Arbeitgeber nach der Erfüllung der Haftungstatbestände gemäß § 42d Abs. 1 EStG für den Fehlbetrag der Lohnsteuer überhaupt haftet, ist eine Rechtsentscheidung, deren Gesetzmäßigkeit von der Judikative in vollem Umfang nachprüfbar ist79. Wenn die Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Rahmen des Erschließungsermessens bejaht wurde, so stellt sich die nächste Frage eines Auswahlermessens, ob der Arbeitgeber anstatt seiner Arbeitnehmer vorrangig in Anspruch zu nehmen ist80. § 219 S. 1 AO ordnet eigentlich eine Subsidiarität dieser Haftung zu der Steuerschuld des Steuerschuldners an. Nach dieser Vorschrift darf ein Haftender nur in Anspruch genommen werden, wenn die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben ist oder voraussichtlich aussichtslos sein wird. Gemäß § 219 S. 2 AO gilt diese Einschränkung allerdings nicht im Lohnsteuerverfahren, weil der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist, die Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Ein allgemeiner Grundsatz, dass der Arbeitnehmer im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung vom Finanzamt in erster Linie in Anspruch genommen wird, existiert deshalb nicht. Die Auswahl der Finanzverwaltung ist grundsätzlich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zu überprüfen81. Von entscheidender Bedeutung scheinen in der Praxis jedoch Vereinfachungsaspekte zu sein. Das Finanzamt bleibt im Rahmen seines billigen Ermessens, wenn die vorrangige Inanspruchnahme des Arbeitgebers einer Vereinfachung des Verfahrens dient. Wenn 75 In der Lehre wird sie als einer der nicht geregelten Haftungsausschlussgründe verstanden. Vgl. Gersch, in: H/H/R EStG, § 42 Rdn. 92. 76 Vgl. Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 96; Olbertz, DB 1998, S. 1788. 77 Offerhaus, BB 1982, S. 793; Bornhaupt, BB 1981 S. 2129. 78 Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 27. 79 BFH Urteil v. 18.5.1983, I R 193/79, BStBl. II 1983, S. 544; v. 24.10.1979, VII R 7/77, BStBl. II 1980, S. 58; v. 2.4.1981, VR 39/79, BStBl. II 1981, S. 627. 80 Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 31. 81 BFH Urteil v. 5.7.1963, VI 270/62 U, BStBl. III 1963, S. 468.

V. Reihenfolge der Inanspruchnahme im Haftungsverfahren

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es z. B. um eine Lohnsteuernachforderung für eine Gruppe von mehr als 40 Arbeitnehmern geht82, oder bei einer großen Gruppe von Einzelfällen zumeist kleine Einzelbeträge in Rede stehen83, ist die vorrangige Inanspruchnahme des Arbeitgebers nach der Rechtsprechung des BFH als ermessensfehlerfrei anzunehmen. Dies gilt auch im Falle einer Lohnsteuerprüfung für die Nachzahlung von im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalten84, insbesondere wenn eine Inanspruchnahme der betreffenden Arbeitnehmer geringe Erfolgsaussichten hätte85. Wenn aber die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers zu einer ebenso schnellen und einfachen Nacherhebung des Steueraufkommens wie bei der Inanspruchnahme des Arbeitgebers führt, insbesondere wenn der Arbeitnehmer inzwischen aus dem Betrieb des Arbeitgebers ausgeschieden ist, dann ist der zwischenzeitlich aus dem Betrieb ausgeschiedene Arbeitnehmer – nach der früheren Rechtsprechung des BFH86 – vorrangig in Anspruch zu nehmen. Eine vorrangige Inanspruchnahme des Arbeitnehmers ist ebenfalls geboten, wenn er im Betrieb des Arbeitgebers selbst für den Lohnsteuerabzug verantwortlich war87. § 42d Abs. 3 S. 3 EStG ergänzt zwar die allgemeinen Regeln der Ermessensausübung nach § 42d Abs. 3 S. 2 EStG. Dadurch ist jedoch keine positive Entscheidung im Einzelfall getroffen, wer im Falle einer Einschlägigkeit von § 42d Abs. 3 S. 3 EStG vorrangig in Anspruch zu nehmen ist. Gemäß dieser Vorschrift kann der Arbeitgeber auch dann in Anspruch genommen werden, wenn der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird. Diese Vorschrift dient der Klarstellung88, dass allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer zu veranlagen ist, die Inanspruchnahme des Arbeitgebers nicht als ermessensfehlerhaft erscheinen lässt89. 82 BFH Urteil v. 24.1.1992, VI R 177/88, BStBl. II 1992, S. 696; in der Literatur s. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 31. 83 BFH Urteil v. 16.3.1962, VI 85/61 U, BStBl. III 1962, S. 282; v. 26.7.1974, VI R 24/69, BStBl. II 1974, S. 756; zu dieser Ansicht zustimmenden Literaturauffassung vgl. Bornhaupt, BB 1982, S. 1539 f., kritisch zu dieser Meinung vgl. Offerhaus, BB 1982, S. 793 f.; s. ausf. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 31. 84 BFH Urteil v. 6.3.1980, VI R 65/77, BStBl. II 1980, S. 289; v. 16.3.1962, VI 85/ 61 U, BStBl. III 1962, S. 282; s. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 31. 85 BFH Urteil v. 17.8.1973, VI R 8/70, BStBl. II 1974, S. 8; in der Literatur s. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 31. 86 BFH Urteil v. 18.7.1958, VI 134/57U, BStBl. III 1958, S. 384; v. 24.11.1961, VI 183/595, BStBl. II 1963, S. 37; v. 9.3.1965, VI 109/62 U, BStBl. III 1965, S. 426; v. 30.11.1966, VI 164/65, BStBl. II 1967, S. 331; v. 12.1.1968, VI R 117/66, BStBl. II 1968, S. 324; in der Literatur vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 32 m.w. N. 87 FG Münster EFG 76, S. 309 rkr.; in der Literatur vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 32. 88 Vgl. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 32. 89 Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. D17.

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

In § 42d Abs. 3 S. 4 EStG werden die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers geregelt. § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 1 EStG steht im Zusammenhang mit der Einbehaltungspflicht des Arbeitgebers im Quellenabzugsverfahren. Diese Regelung enthält implizit die Aussage, dass die Steuerschuld des Arbeitnehmers nicht getilgt wird, wenn der Arbeitgeber seiner Einbehaltungspflicht nicht nachkommt. Hieraus rechtfertigt sich eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers. Der Charakter der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers nach § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 2 EStG ist allerdings streitig. Die Vertreter der Auffassung, nach der die Steuerschuld des Arbeitnehmers bereits beim Steuereinbehalt durch den Arbeitgeber erlösche, kommen hierbei in Erklärungsschwierigkeiten, denn die dort genannte Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers lässt sich auf der Grundlage dieser Ausgangshypothese kaum erklären. Die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers und seine Mitteilungspflicht in § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 2 EStG setzt ein Vorhandensein der Lohnsteuerschuld nach der Steuereinbehaltung voraus. Für die einbehaltene, aber nicht abgeführte Lohnsteuer ist deshalb die Regelung der Anrechnung des Steuerabzugsbetrags auf die Einkommensteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht anwendbar90. Nach § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 2 EStG ist die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers im Rahmen des Auswahlermessens ausgeschlossen, wenn ihm unbekannt ist, dass die bereits einbehaltene Lohnsteuer vom Arbeitgeber nicht vorschriftsmäßig angemeldet und abgeführt wurde. Der Umkehrschluss, dass der Arbeitnehmer deshalb vorrangig in Anspruch zu nehmen sei, weil er weiß, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat, ist jedoch nicht geboten. Gemäß § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 2 S. 2 EStG ist eine vorrangige Inanspruchnahme des Arbeitnehmers abzusehen, wenn er dem Finanzamt den zugrunde liegenden Sachverhalt unverzüglich mitgeteilt hat. 2. Taiwanisches Recht Im taiwanischen Recht besteht im Falle einer Haftung – anders als im deutschen Recht – keine Gesamtschuldnerschaft zwischen Abzugspflichtigen und Steuerschuldner. Gemäß §§ 94 Abs. 1, 114 Nr. 1 twEStG ist der Abzugspflichtige vorrangig für den Fehlbetrag des Quellenabzugsbetrags in Anspruch zu nehmen. Der Steuerschuldner wird gemäß § 89 Abs. 2 twEStG ersatzweise vom Finanzamt unter bestimmten Bedingungen in Anspruch genommen, nämlich wenn der Abzugspflichtige nicht in Anspruch genommen werden kann, weil er nicht auffindbar ist oder ein ähnlicher Sachverhalt vorliegt. Der genaue Umfang der Einschränkung in § 89 Abs. 2 twEStG, also der Fall eines spurlosen Verschwindens oder eine ähnliche Sachlage ist nicht abschließend geklärt. Eine vergleichbare Einschränkung enthält § 7 Abs. 1 Nr. 1 des 90

A. A. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 42d Rdn. D18.

V. Reihenfolge der Inanspruchnahme im Haftungsverfahren

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Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (twErbStG) für den Fall einer Inanspruchnahme eines anderen als des ursprünglichen Steuerpflichtigen. Im Gegensatz zum deutschen Recht, bei dem Steuerschuldner einer Schenkung nach § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG sowohl der Erwerber als auch der Schenker sein können, wird nach § 7 Abs. 1 S. 1 twErbStG grundsätzlich der Schenkende im Falle einer Schenkung als Steuerschuldner bestimmt. § 7 Abs. 1 S. 2 twErbStG sieht allerdings eine ersatzweise Inanspruchnahme des Erwerbers als Steuerschuldner vor, wenn der Schenkende spurlos verschwunden ist (Nr. 1) bzw. bei ihm kein ausreichendes inländisches Vermögen für die Verwirklichung des Steueraufkommens eingezogen werden kann (Nr. 2). Der Umstand eines „spurlosen Verschwindens“ des ursprünglichen Steuerpflichtigen wird in dieser Vorschrift gemeinsam mit anderen Sondersachverhalten aufgeführt, bei deren Vorliegen dem Finanzamt ausnahmsweise eine ersatzweise Inanspruchnahme eines anderen als des ursprünglichen Steuerschuldners ermöglicht wird. Erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich ist ein „spurloses Verschwinden“ des Steuerschuldners anzunehmen, wenn er keinen inländischen Wohnsitz hat oder bei diesem nicht erreichbar ist91. Der Umstand, bei dem im taiwanischen Steuerrecht der Steuerpflichtige spurlos verschwunden ist, lässt sich wegen des Ausnahmecharakters von § 7 Abs. 1 S. 2 twErbStG nicht wie die Auffangnorm des deutschen § 219 Abs. 1 AO verstehen, die eine Inanspruchnahme des Haftungsschuldners ermöglicht, wenn eine Vollstreckung in das Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung sinnlos sein wird. Die Rechtsprechung des taiwanischen Verwaltungsgerichts tendiert allerdings dazu, den Ausnahmecharakter dieser Einschränkung in § 89 Abs. 2 twEStG durch eine bedenkliche Gesetzesauslegung zu lockern. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers als Steuerschuldner nicht durch eine solche des Abzugspflichtigen im Wege des Haftungsverfahrens verhindert werde, da der Arbeitnehmer ohnehin aufgrund seiner Lohnsteuerschuld in Anspruch genommen werden könne92. Eine solche Rechtsprechung verstößt nicht nur gegen § 89 Abs. 2 twEStG, der die Fälle „spurlosen Verschwindens“ bzw. des „Nicht-Vorhandenseins ausreichenden inländischen Vermögens, um die Steuerschuld zu begleichen“ als Ausnahmetatbestände normiert, sondern auch gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, denn die gesetzlich ausdrücklichen Einschränkungen für die Inanspruchnahme des Steuerschuldners beim Haftungsverfahren müssen allenfalls vom Finanzamt als Gemeinwohlvertreter bei der Verwirklichung der Steuerforderung berücksichtigt werden.

91

VerwG. Urteil v. 31.5.2001, 90 Nr. 926. VerwG. Urteil v. 15.4.1999, 88 Nr. 1168; v. 14.1.2000, 89 Nr. 112; v. 26.10. 2000, 89 Nr. 2976; v. 11.3.2004, 93 Nr. 269; v. 15.7.2004, 93 Nr. 908. 92

106

3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

VI. Einwendungen des Arbeitgebers im Haftungsverfahren 1. Deutsches Recht Bei der Prüfung, welche Einwendungen der deutsche Arbeitgeber als Haftungsschuldner gegen seine Inanspruchnahme im Haftungsverfahren wirksam erheben kann, kann zuerst zwischen solchen unterschieden werden, die allein an die Person des Arbeitgebers geknüpft sind, und solchen, die das originäre Steuerschuldverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Finanzamt betreffen. Auf Einwendungen aus dem Haftungsverhältnis kann sich der Arbeitgeber immer mit Erfolg berufen, gleichgültig, ob es sich im Einzelfall um verfahrens- oder materiell-rechtliche Einwendungen handelt93. In den Bereich der verfahrensrechtlichen Einwendungen fallen z. B. die unzureichenden oder fehlenden Begründungen des Haftungsbescheids94. Eine materiell-rechtliche Einwendung aus dem Haftungsverhältnis könnte sein, dass die Tatbestände nach § 42d Abs. 1 EStG von Anfang an nicht erfüllt waren, oder dass eine aus § 42d Abs. 1 EStG resultierende Haftungsschuld bereits erloschen ist. Streitig ist, ob sich Einwendungen aus dem originären Steuerschuldverhältnis im Haftungsverfahren zu den Gunsten des Arbeitgebers auswirken können. Daher ist die nun folgende Darstellung auf Einwendungen des Arbeitgebers, die aus dem originären Steuerschuldverhältnis stammen, beschränkt. a) Verfahrensrechtliche Einwendungen Als einer der Gesamtschuldner schuldet der Arbeitgeber im Haftungsverfahren gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 AO dieselbe Leistung wie der Arbeitnehmer. § 44 Abs. 2 S. 1 AO sieht vor, dass die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch für die übrigen Schuldner wirkt. Das gleiche gilt gemäß § 44 Abs. 2 S. 2 AO für die Aufrechnung und für eine geleistete Sicherheit. Andere Tatsachen wirken allerdings gemäß § 44 Abs. 2 S. 3 AO nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Zu diesen „anderen Tatsachen“ i. S. d. § 44 Abs. 2 S. 3 AO zählen die verfahrensrechtlichen Einwendungen, die der Arbeitnehmer gegen seine eigene Inanspruchnahme aufgrund der Steuerschuld vorbringen kann95, wie z. B. Stundung (§ 222 AO), Zahlungsaufschub (§ 223 AO), Niederschlagung (§ 261 AO) oder die Aussetzung der sofortigen Vollziehung (§ 361 AO). Die verfahrensrechtlichen Einwendungen aus dem originären Steuerschuldverhältnis hindern ganz oder teilweise die Festsetzung und Durchsetzung der Steuerschuld des Ar93 94 95

Vgl. Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 112. Vgl. Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 114. Vgl. Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 120.

VI. Einwendungen des Arbeitgebers im Haftungsverfahren

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beitnehmers, tangieren jedoch nicht die Höhe des Haftungsanspruchs, weil sie keinen Einfluss auf die Höhe der Steuerschuld und deshalb keinen Bezug zu der Höhe der Haftungsschuld haben. Ursprüngliche verfahrensrechtliche Einwendungen, wie z. B. die Festsetzungsverjährung und der Erlass nach § 47 AO, die im Ergebnis zum Erlöschen der Steuerschuld des Arbeitnehmers führen, sind jedoch an dieser Stelle zu den materiell-rechtlichen Einwendungen zu rechnen, weil bei Einwendungen dieser Art die Steuerschuld an sich und somit auch die Höhe der Haftungsschuld – die nämlich auf „Null“ reduziert werden kann – betroffen ist. Hierzu zählt auch der Fall, dass dem Finanzamt bei der Festsetzung der Einkommensteuerschuld ein Fehler unterläuft, der sich zugunsten des Arbeitnehmers auswirkt und eine Abänderung des Steuerbescheids ausgeschlossen ist, weil dieser inzwischen bestandskräftig ist96. Zusammenfassend kann der deutsche Arbeitgeber sich nicht mit Erfolg auf rein verfahrensrechtliche Einwendungen des Arbeitnehmers gegen den Steueranspruch berufen. b) Materiell-rechtliche Einwendungen Wie oben ausgeführt [s. 3. Kapitel II. 2. und IV. 1. b)] ist es in der Rechtsprechung des BFH und in der Lehre streitig, ob sich der Arbeitgeber im Haftungsverfahren auf alle materiell-rechtlichen Einwendungen berufen kann, die dem Arbeitnehmer selbst gegen die Inanspruchnahme bezüglich seiner Steuerschuld im Veranlagungsverfahren zur Verfügung stehen. Typische Beispiele für materiell-rechtliche Einwendungen aus dem originären Steuerschuldverhältnis sind die Einwendungen aufgrund hoher Werbungskosten oder Sonderausgaben und wegen der Zahlung der Steuerschuld durch den Arbeitnehmer. Als atypisches Beispiel kann auch die Einwendung aufgrund der Festsetzungsverjährung angeführt werden, die als verfahrensrechtliche Einwendung mit materiell-rechtlicher Auswirkung angenommen werden kann. aa) Auffassungen von Rechtsprechung und Literatur Nach Auffassung des BFH widerspricht es „dem Sinn und Zweck des Haftungsverfahrens, eine schnelle und einfache Erhebung der Lohnsteuer zu ermöglichen“, wenn im Haftungsverfahren die materiell-rechtlichen Einwendungen aus dem Steuerschuldverhältnis zugelassen wären97. Materiell-rechtliche Einwendungen aus dem originären Steuerschuldverhältnis, die von der Eintragung auf der Lohnsteuerkarte abweichen und zu einer geringeren Steuerschuld füh96 BFH Urteil v. 8.10.1992, VI R 47/91, BStBl. II 1993, S. 169 = BEHE 169, S. 208; v. 26.7.1974, VI R 24/69, BStBl. II 1974, S. 756; in der Literatur vgl. Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 120; Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 29. 97 Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 116.

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

ren, werden unter Hinweis auf das Lohnsteuerkartenprinzip abgelehnt, nach dem die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte für den Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber maßgeblich sind98. Dies führt konsequenterweise zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber nur sehr eingeschränkt materiell-rechtliche Einwendungen geltend machen kann, die der Arbeitnehmer selbst anlässlich seiner Veranlagung geltend machen könnte. Zugelassen ist nach der Rechtsprechung die materiell-rechtliche Einwendung aufgrund der Zahlung des Arbeitnehmers auf die Steuerschuld, weil innerhalb eines Gesamtschuldverhältnisses dieselbe Leistung gemäß § 44 Abs. 2 S. 1 AO nur einmal gefordert werden kann99. Erfolge diese Zahlung nach dem Erlass des Haftungsbescheides, so könne sich der Arbeitgeber noch mit Erfolg auf die daraus resultierenden Einwendungen berufen, soweit der Haftungsbescheid angefochten wird100. Daneben habe das Finanzamt auch die Möglichkeit, den Haftungsbescheid von sich aus zu ändern, um die Möglichkeit einer Übersicherung der Steuerforderung von vornherein auszuschließen. Im Klageverfahren gegen den Haftungsbescheid könnten diese Einwendungen allerdings aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden101, da Gegenstand dieses Verfahrens die Rechtsmäßigkeit des Haftungsbescheides in Form der letzten Verwaltungsentscheidung nach § 102 S. 2 FGO sei102. Demgegenüber überwiegt im Schrifttum die Meinung, dass der Arbeitgeber mit Erfolg alle materiell-rechtlichen Einwendungen des Arbeitnehmers aus dem originären Steuerschuldverhältnis geltend machen kann103. Dies wird mit der Akzessorietät zwischen der Haftungsschuld des Arbeitgebers und der Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers begründet. Der Ausschluss von Einwendungen führe zu einer Überspannung des Lohnsteuerverfahrens und zu der schwer verständlichen Konsequenz, dass der regresspflichtige Arbeitnehmer unter Umständen seinem Arbeitgeber einen Haftungsbetrag erstatten muss, der höher ist als der tatsächliche Steuerbetrag.

98 BFH Urteil v. 15.11.1974, VI R 167/73, BStBl. II 1975, S. 297; v. 12.12.1975, VI B 124/75, BStBl. II 1976, S. 543. 99 BFH Urteil v. 17.10.1980, VI R 136/77, BStBl. II 1981 S. 138. 100 BFH Urteil v. 11.12.1984, VIII R 131/76, BStBl. II 1985, S. 354; v. 18.1.1991, VI R 122/87, BStBl. II 1991, S. 409; v. 24.1.1992, VI R 177/78, BStBl. II 1992, S. 696; FG Nürnberg v. 26.4. 1977, EFG 1977, S. 512; FG Bremen v. 8.9.1983, EFG 1984, S. 163. 101 BFH Urteil v. 24.1.1992, VI R 177/88, BStBl. II 1992, S. 696. 102 BFH Urteil v. 17.10.1980, VI R 136/77, BStBl. II 1981, S. 138; v. 18.1.1991, VI R 122/87, BStBl. II 1991, S. 409 m.w. N. 103 Fichtelmann, DStR 1974, S. 76 f.; Lang, StuW 1975, S. 130 f.; Kav, FR 1976, S. 166; Martens, StuW 1970, S. 316; Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 59; Gersch, in: H/H/R EStG, § 42d Rdn. 117.

VI. Einwendungen des Arbeitgebers im Haftungsverfahren

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bb) Eigene Auffassung Durch den Druck einer drohenden Sanktion gegen den Indienstgenommenen verfolgt die Vorschrift der Arbeitgeberhaftung einen ordnungsmäßigen Lohnsteuerabzug, mit dem der Gesetzgeber bezweckt, einerseits das Steueraufkommen zu sichern und andererseits die Erhebung der Lohnsteuer zu vereinfachen. Die letztere Zielsetzung ist grundsätzlich in dem Fall, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtungen zum Quellenabzug schuldhaft verletzt hat, nicht sachgemäß erreichbar. Es lässt sich zwar noch beobachten, dass die Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens in den steuerrechtlichen Vorschriften und in der Praxis in zwei Ausprägungen zu erkennen ist: dies sind zum einen die Haftung mit einer Geldleistung anstelle der Dienstleistung und zum anderen die vorrangige Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Rahmen des Auswahlermessens, soweit diese der Vereinfachung des Verfahrens dient. Diese Absicht bekommt jedoch gegenüber der, das Steueraufkommen zu sichern, eine nachrangige Rolle in dem Fall, dass Höhe und Umfang der Haftung des Arbeitgebers die Steuerschuld des Arbeitnehmers weit übertrifft. Könnte sich der Arbeitgeber nicht auf materiell-rechtlichen Einwendungen aus dem Steuerschuldverhältnis berufen, käme es zu einem Unterschied zwischen der Haftungsschuld des Arbeitgebers und der Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers. Dies führte zu einer Ungereimtheit beim nachfolgenden Innenausgleich des Gesamtschuldverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, nämlich dadurch dass der Arbeitnehmer im Ergebnis für den Regressanspruch des Arbeitgebers mehr zu leisten hat als er selbst vom Finanzamt in Anspruch genommen würde. Wäre hingegen die Erstattung der Haftungsschuld nicht zulässig, die nicht von der Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers gedeckt ist, würde die Haftung des Arbeitgebers zu einer monetären Leistung, die rein gegen ein ordnungswidriges Verhalten des Arbeitgebers beim Quellenabzug gerichtet wäre. Ein dementsprechendes Rechtsinstrument ist jedoch in § 380 AO enthalten, nach dem eine Geldbuße bis zu 25000 Euro verhängt werden kann. Eine Berücksichtigung der materiellrechtlichen Einwendungen ist daher auch im Haftungsverfahren geboten. Der Ausschluss der vom Arbeitgeber erbrachteten materiell-rechtlichen Einwendungen aus dem Steuerschuldverhältnis ist außerdem unvereinbar mit dem Wortlaut des § 42d Abs. 3 S. 1 i.V. m. § 44 AO, nach dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Gesamtschuldnerschaft bilden und dieselbe Leistung schulden. Die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers entsteht zwar erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der Arbeitgeber seine Pflichten beim Quellenabzug verletzt hat. Die Höhe der Steuerschuld, die sich nach den allgemeinen Vorschriften des EStG bestimmt, ist jedoch bereits festsetzbar und deren Sachverhalt wird grundsätzlich vom Finanzamt gemäß § 88 Abs. 1 S. 1 AO von Amts wegen ermittelt. Soweit Einwendungen aus dem Steuerschuldverhältnis, wie z. B. die Werbungskosten, die die Steuerschuld des Arbeitnehmers mindern,

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

vom Arbeitgeber im Haftungsverfahren geltend gemacht werden, werden sie vom Finanzamt berücksichtigt und müssen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Durch die Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Haftungsverfahren darf der Fiskus keinesfalls besser gestellt werden als durch die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers im Veranlagungsverfahren. Eine Übersicherung des Steueraufkommens durch eine unverhältnismäßig hohe Haftung des Arbeitgebers dient der Bestrafung des Arbeitgebers104, verletzt sowohl die Gesetzmäßigkeit der Besteuerung als auch das Übermaßverbot und lässt sich nicht mit dem staatlichen Ertragsinteresse rechtfertigen. Vorliegend wird daher angenommen, dass sich der Arbeitgeber auf alle materiell-rechtlichen Einwendungen aus dem Steuerschuldverhältnis mit Erfolg berufen kann. 2. Taiwanisches Recht Im taiwanischen Steuerrecht können sowohl verfahrensrechtliche als auch materiell-rechtliche Einwendungen aus dem Steuerschuldverhältnis von dem in Anspruch genommenen Abzugspflichtigen nicht erhoben werden, weil eine gesetzlich bestimmte Gesamtschuldnerschaft zwischen dem Abzugspflichtigen und dem Steuerschuldner – wie § 42d Abs. 3 S. 2 EStG – nicht vorliegt. Die Haftung des Abzugspflichtigen erfolgt gemäß §§ 94 Abs. 1, 114 Nr. 1 twEStG unabhängig vom Veranlagungsverfahren. Letzteres ist der eo ipso erfolgende Grundtatbestand, bei dem der Arbeitnehmer mit Ablauf des Veranlagungszeitraums als Steuerschuldner zur Anmeldung der Steuer und deren Entrichtung verpflichtet ist. Im Ergebnis liegen zwei verschiedene Verfahren vor, die an eigene Tatbestände eigene Rechtfolgen knüpfen.

VII. Innenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer 1. Deutsches Recht Der Arbeitgeber, der im Haftungsverfahren aufgrund einer Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung in Anspruch genommen wird, kann nach Erfüllung seiner Haftungsschuld von dem Arbeitnehmer die Erstattung seiner Aufwendungen verlangen. Als Anspruchsgrundlage für den Regress des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer als Steuerschuldner soll nach der Rechtsprechung des BAG der auftragsrechtliche Aufwendungsersatz gemäß § 670 BGB gelten. Nach der öffentlich-rechtlichen Theorie, nach der ein Tätigwerden des Arbeitgebers im Lohn104

Drenseck, StuW 2000, S. 456.

VIII. Fazit

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steuerverfahren ausschließlich als öffentlich-rechtlicher Natur zu charakterisieren ist, handelt es sich bei dem Innenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer um die Abwicklung eines Gesamtschuldverhältnisses kraft Steuergesetzes, welche in Analogie zu § 426 BGB zu erfolgen habe105. 2. Taiwanisches Recht Ein solcher Innenausgleich zwischen Abzugspflichtigem und Steuerschuldner ist auch im taiwanischen Recht vorgesehen. Im Gegensatz zum deutschen Recht, das keine steuerrechtlichen Regelungen für den Innenausgleich enthält, wird hier ein solcher in § 94 Abs. 1 twEStG geregelt. Der Abzugspflichtige haftet nach dieser Vorschrift vorrangig für den Fehlbetrag bei der Steuerschuld. Ihn bewertet das taiwanische Steuerrecht somit nicht als Träger der geschuldeten Steuern, sondern als Schuldner der Ausfallhaftung. Parallel zum deutschen § 38 Abs. 2 S. 1 EStG sieht § 89 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 twEStG vor, dass Steuerschuldner die Personen sind, die inländische steuerpflichtige Einkünfte erzielen. Demgemäß werden alle von dem Abzugspflichtigen abgeführten Steuerbeträge letztlich auf die Einkommensteuer des Steuerschuldners angerechnet. Danach berechtigt § 94 Abs. 1 twEStG den Abzugspflichtigen, nach der Erfüllung der Haftungsschuld Aufwendungsersatz vom Steuerschuldner zu verlangen. Dieser Regress wird in der Lehre ausschließlich als privatrechtliches Verhältnis verstanden106.

VIII. Fazit Vordergründige Absicht bei der Arbeitgeberhaftung nach § 42d EStG ist auf dem Wege der Androhung einer Sanktion die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Durchführung des Quellenabzugs. Dadurch wird auch die Zielsetzung beim Quellenabzug weiter verfolgt, die Durchsetzung der Steuerforderung zu sichern. Im Gegensatz zum Arbeitnehmer, dem seine Inanspruchnahme im Veranlagungsverfahren aufgrund seiner Steuerschuld stets zugemutet wird, setzt die Inanspruchnahme des Arbeitgebers aufgrund seiner Haftung nach der hier vertretenden Auffassung eine verschuldensabhängige Pflichtverletzung beim Quellenabzug voraus. Dies wird in der Praxis im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens der Finanzverwaltung nach § 42d Abs. 3 S. 2 EStG berücksichtigt, ob der Arbeitgeber überhaupt in Anspruch genommen wird. Im Vergleich mit anderen Pflichtverletzungen im Steuergesetz ist nur eine Arbeitgeberhaftung aufgrund Vorsatzes oder einer groben Fährlässigkeit anzunehmen. 105 106

Stolterfoht, DStJG 9, S. 205, 207. Maoron Huang, StR-AT, S. 309; Ming Chen, CLR 1994, S. 50.

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3. Kap.: Die Haftung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren

Anschließend wird ein Auswahlermessen durch die Finanzverwaltung hinsichtlich der Frage ausgeübt, welcher der Gesamtschuldner – also Arbeitgeber oder Arbeitnehmer – vorrangig in Anspruch genommen werden soll. Ein allgemeiner Grundsatz zu diesem Auswahlermessen der Finanzverwaltung existiert nicht. § 42d Abs. 3 S. 3 EStG dient insoweit der Klarstellung, dass der Arbeitgeber auch in Anspruch genommen werden kann, wenn der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird. Wenn allerdings die Inanspruchnahme des Arbeitgebers der Vereinfachung des Verfahrens dient, wird diese vorrangig geltend gemacht. § 42d Abs. 3 S. 4 EStG ermöglicht allerdings eine Inanspruchnahme des Arbeitnehmers in zwei Fällen, nämlich wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht ordnungsgemäß einbehalten hat oder wenn ihm positiv bekannt ist, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat und der Arbeitnehmer diesen Sachverhalt dem Finanzamt nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Während des Kalenderjahres ist die Steuerschuld des Arbeitnehmers aufgrund der Maßgeblichkeit der Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte mit der Haftung des Arbeitgebers identisch. Hingegen ist die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers nach dem Kalenderjahr maßgeblich für die Höhe der Haftung des Arbeitgebers. In dem Fall, in dem die Steuerschuld nach dem Kalenderjahr nicht oder nicht in dieser Höhe entsteht, für die der Arbeitgeber wegen seiner schuldhaften Pflichtverletzung beim Quellenabzugsverfahren zu haften hat, entsteht insoweit keine Haftung des Arbeitgebers mehr, da ansonsten eine Übersicherung der Steuerforderung des Fiskus eintreten würde. Dieses Ergebnis könnte nicht mit dem fiskalischen Eigeninteresse der Finanzverwaltung gerechtfertigt werden und verletzte das Gesetzmäßigkeitsprinzip der Besteuerung und das Übermaßverbot. Als Gesamtschuldner haften Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüber dem Finanzamt für die gesamte Leistung. Daraus ist zu folgern, dass sich der Arbeitgeber auf alle materiell-rechtlichen Einwendungen aus dem Steuerschuldverhältnis in seiner Inanspruchnahme beim Haftungsverfahren berufen kann. Diesbezüglich kann der gegenteiligen Rechtsprechung des BFH nicht gefolgt werden. Nach der Erfüllung seiner Haftung kann der Arbeitgeber privatrechtlich einen Regress gegenüber dem Arbeitnehmer verlangen. Parallel zum deutschen Recht sieht § 89 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 twEStG den Einkünfteerzieler als Schuldner der Steuern vor, die auf die Einkünfte entfallen. Die Gesamtschuldnerschaft zwischen Abzugspflichtigen und Steuerschuldner sowie ein der Finanzverwaltung eingeräumtes Ermessen sind dem taiwanischen Steuergesetz bei der Inanspruchnahme im Haftungsverfahren fremd. In den taiwanischen Steuergesetzen ist eine vorrangige Inanspruchnahme des Abzugspflichtigen für Fehlbeträge nach §§ 94 Abs. 1, 114 Nr. 1 twEStG bestimmt. Der Haftungsanspruch des Finanzamts gegen den Abzugspflichtigen ist eine von der Einkommensteuer unabhängige Steuerforderung, die nach dem eigenen

VIII. Fazit

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Tatbestand durchzusetzen ist. Von daher ist es dem Abzugspflichtigen nicht möglich, die Einwendungen aus dem Steuerschuldverhältnis geltend zu machen. Nach einer Leistung infolge seiner Inanspruchnahme im Haftungsverfahren steht dem Abzugspflichtigen nach § 94 Abs. 1 twEStG das Recht zu, von dem Steuerschuldner diesbezüglich Ersatz zu verlangen. Der Ausgleich zwischen den durch den Abzugspflichtigen abgeführten Abzugsbeträgen und den dem Einkünfteerzielern geschuldeten Steuerbeträgen wird im Selbstveranlagungsverfahren nach § 71 Abs. 1 twEStG durchgeführt.

4. Kapitel

Bezüge zu anderen Vorschriften im EStG Im folgenden Kapitel wird die Stellung des Lohnsteuerverfahrens innerhalb des Einkommensteuergesetzes anhand systematischer Kriterien untersucht. Dieser Untersuchung liegt die Arbeitshypothese zugrunde, dass das Lohnsteuerverfahren mit dem Quellenabzug und der aus dieser resultierenden Haftung nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern mit allen übrigen materiellen und prozessualen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes eine Einheit bildet.

I. Verbindung zu materiell-rechtlichen Vorschriften des EStG 1. Deutsches Recht Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 EStG unterliegen der deutschen Einkommensteuer insgesamt sieben steuerbare Einkunftsarten, nämlich die Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft (§§ 13 bis 14a), Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17), selbständiger Arbeit (§ 18), nichtselbständiger Arbeit (§ 19), Kapitalvermögen (§ 20), Vermietung und Verpachtung (§§ 21, 21a) und sonstige Einkünfte (§§ 22, 23). Obwohl im deutschen Recht nicht selten Ausnahmen bestehen, wertet der deutsche Steuergesetzgeber die unterschiedlichen Einkunftsarten grundsätzlich als gleichwertig. Denn die zu versteuernden Einkünfte werden unter Zulassung eines Ausgleichs von negativen mit positiven Einkünften summiert und dann ein Einheitstarif auf die Steuerschuld angewendet1. Das deutsche Einkommensteuerrecht ist demzufolge im Wesentlichen als Einheitssteuer zu verstehen2. Abweichungen vom Einheitssteuerprinzip müssen durch hinreichend gewichtige sachliche Gründe gerechtfertigt werden3. Unter dem Einheitssteuerprinzip ist die Lohnsteuer ein unabtrennbarer Teil der Einkommensteuer in Bezug auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19 EStG. Wenngleich die Letzteren verfahrenstechnisch abweichend von den übrigen ermittelt, festgesetzt und durch den Arbeit1 2 3

Vgl. Tipke, StRO II, S. 668 f.; P. Kirchhof, in: K/S/M EStG, § 2 Rdn. A386. Faltlhauser, in: FS für Ritter, S. 511, 518; Keßler, DStZ 1995, S. 629 f. Tipke, StRO II, S. 670.

I. Verbindung zu materiell-rechtlichen Vorschriften des EStG

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geber erhoben wird, ist sie trotzdem materiell-rechtlich immer noch als eine Einkunftsart der Einkommensteuer zu verstehen. Eine für die Verselbständigung der Lohnsteuer als Steuerart ausreichende Rechtfertigung ist nicht gegeben. Mit bereits oben ausgeführt [s. 3. Kapitel IV. 1. b)] hat die Lohnsteuer vielmehr allein die verfahrenstechnische Bedeutung, sie ist nämlich eine Erhebungsform der Einkommensteuer mit Vorauszahlungsfunktion4. 2. Taiwanisches Recht War geschichtlich das taiwanische Steuerrecht zwar stark von dem analytischen Einkommensteuersystem geprägt, bei dem die einzelnen Einkunftsarten jeweils einer besonderen Einkommensteuer unterlagen, ist das geltende Einkommensteuerrecht jedoch als eine Einheitssteuer zu verstehen: § 1 twEStG drückt eine synthetische Einkommensteuer (chinesisch: zhonghe suodeshui) aus. Das taiwanische Einkommensteuerrecht fasst alle zu versteuenden Einkunftsarten gemäß § 17 twEStG zu einer Summe zusammen, lässt gemäß § 16 Abs. 1 twEStG einen Ausgleich negativer mit positiven Einkünften zu und knüpft auf diese Weise an sie die gleichen Rechtsfolgen. Hierbei wird auf die zu versteuernden Einkünfte gemäß § 5 Abs. 2 twEStG ein einheitlicher Progressionstarif angewendet. Es bestehen allerdings vereinzelte Ausnahmen, die das Einheitssteuerprinzip verletzten: Verlustausgleichs- und Verlustbeschränkungen (§§ 16 Abs. 2; 17 Abs. 1 Buchst. 3 twEStG) und unterschiedliche Befreiungen und Freibeträge, die nur einzelne Einkunftsarten betreffen (§§ 4 Nr. 1 bis 11, 23, 24; 15 Abs. 2; 17 Abs. 1 Buchst. 2, 3 twEStG). Im § 14 Abs. 1 twEStG werden die zu versteuernden Einkunftsarten aufgezählt. Zu diesen gehören die Lohneinkünfte. Bei der Frage, ob sich die Lohnsteuer materiell-rechtlich von der Einkommensteuer verselbständigt, spielen die Erhebungsmethoden keine Rolle, weil nahezu alle steuerpflichtigen Einkünfte dem Quellenabzug unterliegen können, soweit sie von Behörden, Organisationen, Gewerbebetriebe und Freiberuflern ausgezahlt werden. Alle Steuerpflichtigen sind gemäß § 71 Abs. 1 twEStG grundsätzlich verpflichtet, die Einkommensteuer per Steuererklärung zu veranlagen, selbst wenn es zu erwarten ist, dass die zu entrichtende Einkommensteuer bereits durch den Quellenabzug erhoben wird. Aufgrund dessen ist die Lohnsteuer – nicht anders als die anderen Einkunftsarten – konsequent auch als eine der Einkunftsarten im Einkommensteuergesetz zu verstehen. Zwar werden die persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners beim Quellenabzug grundsätzlich nicht oder sehr beschränkt (nur beim Quellenabzug der Lohnsteuer) berücksichtigt und die Quellensteuer damit 4 Gl. A. Drenseck, StuW 1991, S. 234; ders., StuW 2000, S. 453; a. A. Bornhaupt, BB 1986, S. 369 f., wonach die monatlichen oder wöchentlichen Lohnsteuerzahlungen nicht als Vorauszahlungen auf eine Jahreslohnsteuerschuld zu werten seien.

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4. Kap.: Bezüge zu anderen Vorschriften im EStG

den Charakter der Objektsteuer hat; eine Auffassung, dass sich die Lohnsteuer von der Einkommensteuer verselbständigen müsse, wird in Taiwan jedoch nicht vertreten.

II. Verfahrensrechtliche Verbindung zur Veranlagung und Vorauszahlung 1. Deutsches Recht a) Zum Veranlagungsverfahren Das Ideal eines Einheitssteuersystems wäre optimal verwirklicht, wenn alle zu versteuernden Einkünfte unabhängig von den konkreten Einkunftsarten in einer einheitlichen Summe erfasst würden. Ohne die Vorauszahlung der Einkommensteuer und den Quellenabzug zu berücksichtigen, würde die daraus resultierende Einkommensteuer einheitlich in einem Veranlagungsverfahren erhoben, in dem der Steuerschuldner seine Einkommensteuererklärung über die während des Veranlagungszeitraums bezogenen Gesamtbeträge abzugeben hat. Danach würde die dem Steuerschuldner geschuldete Einkommensteuer durch einen vom Finanzamt ausgestellten Steuerbescheid festgesetzt und erhoben5. Eine einheitliche Einkommensteuer wäre demzufolge auch eine Veranlagungssteuer. Von der Pflicht zur Veranlagung sind sowohl Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als auch die Kapitalerträge (§§ 43 ff. EStG) und die inländischen Einkünfte der beschränkten Steuerpflichtigen ausgenommen (§§ 1 Abs. 4, 49, 50, 50a EStG), weil sie dem Quellensteuerabzug unterliegen. Beim Lohnsteuerverfahren wird namentlich die Lohnsteuer des Arbeitnehmers durch die Indienstnahme des Arbeitgebers erhoben. Soweit dieses Quellenabzugsverfahren besteht, sollte das Veranlagungsverfahren für die betroffenen Arbeitnehmer als Steuerschuldner im Regelfall entbehrlich sein, wenn er ausschließlich die Lohneinkünfte erzielt. Gesetzlich ist es allerdings noch möglich, dass die Veranlagung neben dem Quellenabzugsverfahren stattfindet, wenn nämlich eine Konstellation nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 7 EStG vorliegt. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG beantragen, das Veranlagungsverfahren durchzuführen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer beabsichtigt ist. Das Quellenabzugs- und das Veranlagungsverfahren werden getrennt durchgeführt, wobei das Lohnsteuerverfahren keine Bindungswirkung in Bezug auf das spätere Veranlagungsverfahren entfaltet. Ebenfalls wird in der Veranlagung die Rechtmäßigkeit des Lohnsteuerver5

Glanegger, in: Schmidt EStG, § 46 Rdn. 1.

II. Verfahrensrechtliche Verbindung zur Veranlagung

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fahrens nicht nachträglich überprüft6. Die einzige Kontrollhandlung für das Lohnsteuerverfahren ist eine Außenprüfung durch die Finanzbehörde gemäß §§ 42f EStG, 193 ff. AO im Betrieb des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber vollzieht den Lohnsteuerabzug auch unabhängig davon, ob später eine Veranlagung durchgeführt wird. In der Praxis ist eine Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 EStG so gebräuchlich, dass der andere Fall, der eines Lohnsteuerabzugs mit Abgeltungswirkung, eher die Ausnahme darstellt. Allein in Nordrhein-Westfalen wurden 2004 mehr als drei von vier Fällen der Veranlagung bei den Lohneinkünften über die Antragsveranlagung des Arbeitnehmers gemäß § 46 Abs. 2 EStG geregelt7. b) Zur Einkommensteuer-Vorauszahlung Als Jahressteuer entsteht die Einkommensteuer gemäß § 36 Abs. 1 EStG erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Würde die Einkommensteuer allerdings in der Praxis erst zu diesem Zeitpunkt erhoben, so bestünde die aus der Geschichte des Quellenabzugs bekannte Gefahr, dass die Eintreibung der Steuerbeträge Probleme bereiten würde, da ein großer Teil der Steuerschuldner keine Rücklagen gebildet hätte8. Um einerseits die hier erwähnten Steuerausfälle zu vermeiden und anderseits die Gleichstellung zu den Quellensteuerzahlern, insbesondere den Arbeitnehmern, zu gewährleisten9, wird die Einkommensteuer gemäß § 37 EStG im Voraus gezahlt, wobei bei der Bemessung der Höhe ordnungsgemäß auf Vergleichswerte aus der Vergangenheit zurückgegriffen wird. Nach § 37 Abs. 1 EStG hat der Steuerpflichtige am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer zu entrichten, die er für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden wird. Durch einen Vorauszahlungsbescheid setzt das Finanzamt die Höhe der Vorauszahlungen fest. Maßstab für die Bemessungsgrundlage der Vorauszahlungen ist die für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich anfallende Einkommensteuerschuld (§ 37 Abs. 1 S. 1 EStG). Der Betrag der Jahressteuerschuld ist zum Zeitpunkt der Erhebung der Vorauszahlung nicht genau bestimmbar, weil die Entwicklung der für die Steuerschuld relevanten Sachverhalte noch nicht abgeschlossen ist. Deshalb ist ein Hilfsmaßstab erforderlich. Als Regel-Hilfsmaßstab gilt gemäß § 37 Abs. 3 S. 2 EStG der Steuerabzugsbetrag der vorangegangenen Veranlagung.10 Die vorangegangene Veranlagung ist 6

Glanegger, in: Schmidt EStG, § 46 Rdn. 7. Dieser Datenbestand ergibt sich aus dem Finanzministerium NRW. s. ausf. Drüen, FR 2004, S. 1137 sowie Fn. 46. 8 Vgl. Stolterfoht, in: K/S/M EStG, § 37 Rdn. A2. 9 Vgl. Stolterfoht, in: K/S/M EStG, § 37 Rdn. A4; Drenseck, in: Schmidt EStG, § 37 Rdn. 1. 10 Stolterfoht, in: K/S/M EStG, § 37 Rdn. A19. 7

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4. Kap.: Bezüge zu anderen Vorschriften im EStG

die Steuerschuld, die für das letzte Jahr, in dem eine Veranlagung stattgefunden hat, festgesetzt und bekannt gegeben wurde. Ob der Hilfsmaßstab der letzten Veranlagung der voraussichtlichen Steuerschuld tatsächlich nahe kommt, ist jedoch regelmäßig ungewiss. Daher erlaubt § 37 Abs. 3 S. 3 EStG dem Finanzamt, in konkreten Einzelfällen die prognostizierte Steuerschuld an die Stelle des Regel-Hilfsmaßstabes zu setzen. § 37 Abs. 3 S. 4 bis S. 9 EStG sieht eine gewollte Abweichung zwischen der Bemessungsgrundlage der Jahressteuerschuld und der Hilfsbemessungsgrundlage vor. Die dort genannten Umstände sollen bewusst im Vorauszahlungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist keine feste Personengruppe von der Vorauszahlungspflicht ausgenommen. Für die Beantwortung der Frage, ob auch für Arbeitnehmer, deren Arbeitslohn dem Lohnsteuerabzug unterliegt, Vorauszahlungen festgesetzt werden können, kommt es darauf an, ob der betreffende Arbeitnehmer weitere Einkunftsarten aus einer der anderen Einkunftsarten erzielt11. Erzielt er ausschließlich Lohneinkünfte, so ist die von ihm zu entrichtende Lohnsteuer bereits in dem im Lohnsteuerverfahren einbehaltenen Steuerbetrag enthalten. Er ist in einem solchen Falle nur ausnahmsweise zur Einkommensteuer-Vorauszahlung gemäß § 37 EStG heranzuziehen, nämlich wenn offensichtlich ist, dass die Höhe der Jahressteuerschuld bei einer Besteuerung im Abzugsverfahren in erheblichem Maße unterschritten wird12. 2. Taiwanisches Recht Das taiwanische Recht kennt eine Vorauszahlungspflicht nur in Bezug auf die Besteuerung von Unternehmen, nicht auf die Besteuerung von Einkommen natürlicher Personen. Daher wird im Folgenden nur das Verhältnis zwischen Quellenabzugs- und Veranlagungsverfahren dargestellt. Gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 twEStG ist ein Steuerschuldner verpflichtet, vor Ende des nachfolgenden Mai seine Steuererklärung abzugeben. Auf der Steuererklärung, die auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck abzufassen ist, werden Angaben über Bezüge und Aufwendungen aller zu versteuernden Einkünfte, die der Steuerschuldner im vorangegangenen Kalenderjahr erzielt hat, sowie die für die Bemessungsgrundlage relevanten Umstände der persönlichen Verhältnisse eingetragen. Erforderliche Beweismittel sind beizufügen. Als Beweismittel gelten insbesondere die vom Abzugspflichtigen nach § 92 Abs. 1 S. 1 twEStG erteilten Steuer(abzugs)bescheinigungen, in denen die von ihm geleiste11 Vgl. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A15; Drenseck, in: Schmidt EStG, § 37 Rdn. 2. 12 FG Rheinland-Pfalz v. 8.9.1997, 5K 1799/97, EFG 98, S. 203; FG Köln v. 13.12.1999, 11V 1672/98, EFG 2000, S. 216; a. A. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 37 Rdn. 2.

II. Verfahrensrechtliche Verbindung zur Veranlagung

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ten Auszahlungen und einbehaltene Abzugsbeträge aufgelistet werden. Dieselben Abzugbescheinigungen werden gemäß § 92 Abs. 1 S. 1 twEStG ebenfalls dem Finanzamt zugestellt. Dadurch wird sichergestellt, dass das Finanzamt einen Überblick über die verschiedenen Einkunftsarten und deren individuelle Höhe bezüglich der einzelnen Steuerschuldner bezogen auf das vorangegangene Kalenderjahr erhält. Grundsätzlich sind alle Steuerschuldner einschließlich der Arbeitnehmer, deren Lohneinkünfte dem Quellenabzug unterliegen, verpflichtet, eine Steuererklärung i. S. d. § 71 Abs. 1 twEStG im Veranlagungsverfahren abzugeben. Als allgemein geltende Erhebungsmethode ist das Quellenabzugs-, unabhängig von dem im Nachhinein durchgeführten Veranlagungsverfahren, zu vollziehen. Allein von der Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung befreit ist der Steuerschuldner gemäß § 71 Abs. 2 EStG, wenn die Summe seiner Einkünfte im vorangegangen Kalenderjahr eine bestimmte, festgesetzte Relevanzgrenze unterschreitet. Diese Grenze bemisst sich nach dem im § 17 Abs. 1 Nr. 1 twEStG vorgeschriebenen Freibetrag, der steuerlich den persönlich und den familiär existenznotwendigen finanziellen Bedarf des Steuerschuldners berücksichtigt und diesen von einer Besteuerung befreit. Hinzu kommt gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 twEStG ein zusätzlicher pauschal gewährter Abzugsbetrag, der außergewöhnliche Belastungen, wie z. B. Aufwendungen infolge von Krankheit, berücksichtigt. Auf die zu entrichtende Einkommensteuer werden gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 twEStG die bereits durch den Quellenabzug erhobenen Steuerbeträge aller zu versteuernden Einkunftsarten und der abzugsfähige „shareholder relief“ (Anteilseigner-Entlastung)13 angerechnet. Um eine Abzugsfähigkeit zu gewährleisten, ist neben der sofortigen auch eine nachträgliche Einreichung der erforderlichen Unterlagen (mithin auch der Abzugsbescheinigungen) beim Finanzamt zulässig. Da es für die Frage, ob eine Einkommensteuer zu entrichten ist und ggf. in welcher Höhe, auf einen eventuellen Restbetrag ankommt, hat der Steuerschuldner in seiner Steuererklärung die zu entrichtende Steuer selbst zu berechnen. Ergibt sich demnach ein Restbetrag zu seinen Ungunsten, so hat er den Differenzbetrag vor Einreichung der Steuererklärung zu entrichten. Findet keine ordnungsgemäße Entrichtung dieses Differenzbetrags in voller Höhe vor der Einreichung der Steuererklärung statt, so stellt das zuständige Wohnsitzfinanzamt gemäß § 100 Abs. 1 S. 1 twEStG einen Steuerbescheid aus. Dieser stellt die gesetzliche Grundlage einer später erfolgenden Vollstreckung dar. Widerspricht der Steuerbescheid den Erwartungen des Steuerschuldners, kann der Steuerbescheid Gegenstand eines Einspruchs sein. Ergibt sich jedoch ein Überschuss zugunsten des Steuerschuldners, so wird ihm dieser gemäß § 100 Abs. 2 EStG vom zuständigen Wohnsitzfinanzamt erstattet. Werden alle Handlungen 13

Über diese Methode s. ausf. Tipke, StRO II, S. 1203.

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4. Kap.: Bezüge zu anderen Vorschriften im EStG

bei der Veranlagung ordnungsgemäß vorgenommen, so entfällt die Festsetzung der Steuerschuld durch den Steuerbescheid. Im Normalfall bilden die Entrichtung der Steuer und die Steuererklärung durch den Steuerschuldner deshalb den Abschluss des Veranlagungsverfahrens. Vor 1989 bestand im taiwanischen Steuergesetz eine Vorauszahlungspflicht bezüglich der Steuerschuld von selbständigen Tätigkeiten wie z. B. Freiberuflern und Gewerbetreibenden, wenngleich ihre Bezüge seit 1971 gesetzmäßig dem Quellenabzug unterlagen, soweit sie von Behörden, Organisation, Gewerbebetriebe und Freiberuflern ausgezahlt wurden. Nach der damaligen Gesetzeslage wurden auf die zu entrichtenden Vorauszahlungen die während desselben Kalenderjahres abgezogenen Steuerbeträge angerechnet. Ein steuerpflichtiger Freiberufler oder Gewerbtreibender hatte dann gegebenenfalls einen verbleibenden Differenzbetrag zu entrichten, wenn die festgesetzten Vorauszahlungen die einbehaltenen Abzugsbeträge während desselben Kalenderjahres überschritten.

III. Fazit Abgesehen von wenigen Ausnahmen sind grundsätzlich sowohl die deutsche als auch die taiwanische Einkommensteuer als Einheitssteuer ausgestaltet. Unter dem bildlichen „Dach“ der Einheitssteuer stellt die Lohnsteuer materiell-rechtlich nichts anderes als eine Erhebungsform der Einkommensteuer dar. Insbesondere im taiwanischen Steuerrecht, dem eine Vorauszahlungspflicht bei der Besteuerung von Einkommen natürlicher Personen fremd ist und bei welchem nahezu alle Einkunftsarten dem Quellenabzug unterliegen, ist offenkundig, dass die Technik des Quellenabzugs für sich genommen als eine reine Erhebungsmethode der synthetischen Einheitseinkommensteuer mit der Funktion der Vorauszahlung zu verstehen ist. Die Einkommensteuer ist eine Jahres- und zugleich eine Veranlagungssteuer, soweit nicht anders bestimmt wird. Der deutsche Steuerschuldner hat nach Ablauf des Kalenderjahres eine Steuererklärung über die zu entrichtende Einkommensteuer abzugeben. Auf diese Einkommensteuer werden die Vorauszahlungen sowie durch das Quellenabzugsverfahren erhobene Steuerbeträge angerechnet. Aufgrund der Steuererklärung des Steuerschuldners wird ein Steuerbescheid durch das Finanzamt erteilt. Innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids hat der Steuerschuldner die Abschlusszahlung zu leisten, soweit im Ergebnis ein Überschuss zu seinen Ungunsten verbleibt. Wenn sich hingegen nach der Abrechnung ein Überschuss zugunsten des Steuerpflichtigen ergibt, wird dieser dem Steuerschuldner nach Bekanntgabe des Steuerbescheids ausgezahlt. Die Veranlagung beim Arbeitnehmer, dessen Arbeitslohn dem Lohnsteuerverfahren unterliegt, ist allerdings durch die Vorschrift § 46 Abs. 2 EStG bestimmt.

III. Fazit

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Der taiwanische Steuerschuldner hat im Gegensatz zum deutschen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 twEStG die geschuldete Einkommensteuer selbst zu berechnen und vor der Einreichung der Steuererklärung an das Finanzamt zu entrichten, ohne dass ein Steuerbescheid ausgestellt wird. Der Quellenabzug erfolgt als eine reine Erhebungsmethode der Einkommensteuer, ohne die Einkunftsarten zu berücksichtigen, soweit die steuerpflichtigen Einkünfte von den Behörden, Organisationen, Gewerbebetrieben und Freiberuflern ausgezahlt werden. Das Veranlagungsverfahren ist ebenfalls unabhängig vom Quellenabzugsverfahren durchzuführen. Dabei werden sämtliche Abzugsbeträge aller Einkunftsarten, die während des Kalenderjahres einbehalten wurden, auf die Einkommensteuer angerechnet. Den Differenzbetrag hat der Steuerschuldner zu entrichten. Nur wenn der Steuerschuldner die geschuldete Einkommensteuer nicht im vollen Umfang fristgemäß entrichtet, wird ein Steuerbescheid vom zuständigen Finanzamt ausgestellt. Die Vorauszahlung im deutschen Steuerrecht dient einerseits der Sicherung des Steueraufkommens und andererseits der Gleichbehandlung zwischen Lohnsteuerzahler und veranlagtem Steuerschuldner. Eine solche Praxis ist dem taiwanischen Steuerrecht fremd, weil sie dort durch eine umfassende Quellenbesteuerung bei nahezu allen Einkunftsarten ersetzt wird.

5. Kapitel

Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens Im Nachfolgenden wird der Meinungsstand in Deutschland zur Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens sowohl anhand der einschlägigen Rechtsprechung als auch der vorhandenen Äußerungen in der Literatur dargestellt. Die in diesem Kontext existierenden verfassungsrechtlichen Bedenken können grundsätzlich auch auf das taiwanische Recht übertragen werden, da die angesprochenen Grundrechte auch in Taiwan existieren: Art. 7 der taiwanischen Verfassung (twVerf) sieht den Gleichheitsgrundsatz, Art. 15 twVerf den Eigentums- und Berufsschutz gemeinsam vor. Das Rechtsstaatsprinzip ist in Art. 23 twVerf verankert. Analog zum Vorbild im deutschen Recht sind im taiwanischen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Übermaßverbot ausgestaltet. Aus den darin enthaltenen normativen Vorstellungen werden jedoch wenige Aussagen abgeleitet. Der taiwanische Verfassungsgerichtshof hat sich nämlich bislang selten mit der Frage auseinandergesetzt, welche normativen Grundaussagen dem taiwanischen Steuerrecht zugrunde liegen. Im Gegensatz zu der Situation in Deutschland, wo Fragen des Steuerrechts häufig am Verfassungsrecht überprüft werden, mit der Folge, dass dort Präzendenzurteile und eine dementsprechende Expertise am BVerfG existieren, besteht beim höchsten taiwanischen Gericht diesbezüglich ein Mangel an Fachkenntnis und einschlägigen Urteilen, die eine Orientierung bieten1. Der folgende Teil der Untersuchung bezieht sich daher ausschließlich auf das deutsche Verfassungsrecht, gilt aber entsprechend für Taiwan. Dabei wird zunächst von einer eigenen Bewertung abgesehen. Eine solche findet erst statt, wenn Verbesserungsmöglichkeiten und Alternativen zum gegenwärtigen System der Lohnbesteuerung untersucht werden. Im Rahmen einer Rechtsvergleichung wird die taiwanische Quellenbesteuerung als Alternative zum deutschen Lohnsteuerrecht dargestellt und die Bewertung der Frage, ob das taiwanische Lohnsteuerverfahren verfassungskonform ist, wird erst dort vorgenommen.

1 Insoweit besteht in Taiwan bei den Steuerwissenschaften ein Zustand, wie er in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorgeherrscht hat: Die Finanzwissenschaft bestimmt die steuerliche Realität (vgl. hierzu Tipke, StRO I, 1. Aufl., S. 27 ff.).

I. Freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber

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I. Freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber 1. Dreifache Belastung des Arbeitgebers durch den staatlichen Eingriff a) Entrichtungspflicht für die Steuerschuld eines Anderen Offenkundiges Ziel des Gesetzgebers bei der Einführung des Lohnsteuerabzugs ist die reibungslose Erhebung der Lohnsteuer, die eigentlich zur öffentlichen Aufgabe der Finanzverwaltung gehört. Dabei geht es einerseits darum, die Steuerforderung sicherzustellen, und anderseits darum, die Erhebung möglichst schnell und mit möglichst geringen Verwaltungskosten durchführen zu können. Ohne die Hoheitskompetenz der Finanzverwaltung wird der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer rein privatrechtlich tätig. Gegenüber der Finanzverwaltung, die als Garant für das Allgemeinwohl die letzte Verantwortung für die Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung trägt und die daher alleiniger Träger von Hoheitsgewalt ist, tritt er steuerrechtlich auf der Seite des Steuerpflichtigen, nämlich als Entrichtungspflichtiger auf. Er haftet für den Fehlbetrag der Lohnsteuer, deren Steuerschuldner der Arbeitnehmer ist. Die geltende Form des Lohnsteuerabzugs fingiert mithin ein Auftragsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zugunsten des Fiskus, bei dem der Arbeitnehmer den Arbeitgeber beauftragt. Es liegt deshalb ein Eingriff in die Rechtssphäre des Arbeitgebers dadurch vor, dass er verpflchtet wird, aufgrund eines kraft Steuergesetzes entstehenden Auftragsverhältnisses die Steuerschuld eines Anderen für dessen Rechnung zu entrichten, nämlich durch die Einbehaltung und Abführung von den auszuzahlenden Arbeitslöhnen. b) Unentgeltlichkeit der Indienstnahme Im Falle eines positiven Ergebnisses, nämlich dass die Indienstnahme des Arbeitgebers verfassungskonform ist, ist weiter zu untersuchen, ob eine Entschädigung an den in Dienst genommenen Arbeitgeber zu leisten ist. Selbst wenn die Indienstnahme des Arbeitgebers z. B. aus der volkswirtschaftlichen Sicht für notwendig und daher verfassungsrechtlich für zulässig gehalten wird, besagt dies nicht, dass der Arbeitgeber beim Lohnsteuerverfahren entschädigungslos bleiben muss2. Das Sonderopfer des Arbeitgebers wird deutlich in dem Falle, in dem er durch Einsatz von Betriebsmitteln Aufwendungen für die Indienstnahme beim Lohnsteuerverfahren erbringen muss, obwohl er selbst keine Gewinne oder sogar Verluste erwirtschaftet hat. Dabei geht die unentgeltliche Indienst2 Hey, in: FS für Kruse, S. 287; ähnliche Überlegung bei der durch Art. 14 Abs. 2 GG legitimierten Inpflichtnahme des Eigentümers s. Friauf, in: FS für Jahrreiß, S. 62, 65 f.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

nahme des Arbeitgebers ersichtlich über das Existenzminimum hinaus3. Dafür bedarf es freilich einer zusätzlichen Rechtfertigung. Die angebliche Geringfügigkeit der Kosten4 ist kein Rechtfertigungsgrund5. Kann ein ausreichender Rechtfertigungsgrund nicht gefunden werden wird in der Lehre mitunter vertreten, dass eine zumindest teilweise Kompensation für entstandene Kosten erforderlich ist, um die Verfassungskonformität zu gewährleisten6. Der Schuldner dieser Entschädigung sollte der Fiskus sein, weil ihm eigentlich die Aufgabe der Erhebung der Lohnsteuer zukommt und deshalb von ihm auch die daraus resultierenden Kosten hätten getragen werden müssen. Bezüglich der Höhe der zu vergütenden Beträge besteht keine einheitliche Meinung7. Theoretisch wäre es jedoch auch möglich, eine Kostenerstattung aufgrund eines Auftragsverhältnisses gegen den Arbeitnehmer als Auftraggeber zu fordern8. Dies gälte insbesondere dann, wenn die kodifizierte Ausgestaltung des Lohnsteuerverfahrens – so wie hier – als Statuierung eines Auftragsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verstanden wird. Der Anspruch könnte sich aus §§ 670, 677 BGB ergeben. Bezüglich des hier erwähnten Erstattungsanspruchs wäre zu untersuchen, inwieweit der Arbeitnehmer den Arbeitgeber hätte entschädigen müssen. Grundsätzlich wäre die Erstattungspflicht auf die echten Mehrkosten aus dem Auftragsverhältnis, die in der Regel nicht allein durch die Verwendung bereits vorhandener Sach- und Personalmittel entstehen, zu begrenzen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Unternehmer durch den Umfang des Auftrags genötigt wird, seinen Betrieb zu vergrößern. Gegen die vorgenommene Unterscheidung in Verfassungsmäßigkeit der Indienstnahme und einer eventuell zu fordernden Entschädigung wird eingewandt, dass die Indienstnahme des Arbeitgebers für diesen per se mit Kosten verbunden sei. Daher handele es sich um eine einheitlich zu erörternde Fragestellung9. Die Höhe der dem Arbeitgeber entstehenden Verwaltungskosten ist somit nach 3

Kloubert, S. 76. BVerfG Beschluss v. 29.11.1967, 1 BvR 176/66, BVerfGE 22, S. 380, 386. 5 Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A96. 6 Hendel, S. 66; Hey, FR 1998, S. 507; dies., in: FS für Kruse, S. 287. 7 In einem Aufsatz von Seer (FR 2004, S. 1042) wird eine Entschädigung in Höhe von 1% des vorgenommenen Steuerabzugs als erwägenswert betrachtet. Hingegen vertritt Hendel die Meinung, dass eine Vergütung innerhalb eines Spektrums zwischen 3% und 5% angemessen sei. Für die konkrete Höhe komme es nach dieser Meinung auf die Größe der jeweiligen Unternehmen an. Bei kleinen Unternehmen seien richtigerweise 5%, bei mittleren 4% und bei großen schließlich 3% der abgeführten Lohnsteuer eine angemessene pauschale Aufwandsvergütung. Vgl. Hendel, S. 70 f. 8 Vgl. Krohn, BB 1969, S. 1237. 9 Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A96; ders., DStJG 12, S. 157, 181. 4

I. Freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber

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dieser Auffassung ein Bewertungsgesichtspunkt im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung der Indienstnahme. Spricht das tatsächliche Auftreten des Arbeitgebers zwar für diese Auffassung, die Indienstnahme der Arbeitgeber und ihre Unentgeltlichkeit als einheitliche Verpflichtung zu betrachten, lässt sich das Kriterium der Zumutbarkeit seitens des Arbeitgebers als Indienstgenommenem jedoch besser fassen, wenn die fragliche Trennung vorgenommen wird. In einem vergleichbaren Verhältnis zwischen Staat und Kirchen bei der Erhebung der Kirchensteuer sind die Dienstleistungen des Staats von den diesbezüglichen Inkassogebühren zu unterscheiden10. Demzufolge ist eben eine Trennung zwischen der Verfassungsmäßigkeit der Dienstleistung und der Unentgeltlichkeit der Tätigkeiten im Lohnsteuerverfahren vorzugswürdig. c) Verschuldensunabhängige Haftung Die dritte Auswirkung durch den staatlichen Eingriff auf den Arbeitgeber besteht in der Haftung des Arbeitgebers nach § 42d EStG. Bei dieser Haftung handelt es sich um eine Erfolgshaftung, die zwar nicht vom Steuergesetz selbst angeordnet wird, jedoch von der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur allgemein vertreten wird11. Im taiwanischen Steuerrecht ist die Erfolgshaftung ganz besonders deutlich, da der Abzugspflichtige gemäß §§ 94 Abs. 1 S. 1, 114 Nr. 1 twEStG steuerlich immer vor dem Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden kann. Eine Erfolgshaftung des Arbeitgebers wirkt sich neben seiner entschädigungslosen Indienstnahme als zusätzliches finanzielles Risiko aus. Haftet nämlich der Arbeitgeber ohne sein Verschulden für den Fehlbetrag der Lohnsteuer, trägt er wirtschaftlich immer die Gefahr, in Anspruch genommen zu werden, soweit der Arbeitnehmer hierzu nicht mehr in der Lage ist. Diese Gefahr wird in der Praxis durch eine tarifvertragliche Ausschlussklausel verstärkt, die klaren Verhältnissen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dienen sollte12. Diese Ausschlussklausel, die die Geltendmachung von Ansprüchen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Ablauf eines wesentlich unter der Verjährungsfrist liegenden Zeitraums ausschließt, ist ein weiterer den Arbeitgeber belastender Faktor, der im Zusammenhang mit seinen Verpflichtungen im Lohnsteuerverfahren steht.

10 11 12

Seer, FR 2004, S. 1042; Kloubert, S. 72 ff. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 42d Rdn. 6. Stolterfoht, DStJG 9, S. 181.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

2. Grundrechtsnormen als Prüfungsmaßstab a) Überblick Die von der kraft Steuergesetzes entstehenden Verpflichtung des Arbeitgebers berührten Grundrechtsnormen könnten im Wesentlichen folgende sein: Schutz der Persönlichkeit durch Art. 2 GG, Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, Schutz der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG und die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG. Hinzu kommt ein möglicher Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Verhältnismäßigkeit. Aufgrund der Subsidiarität13 der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, nach dem jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hat, ist die spezielle Grundrechtsnorm allein für die verfassungsrechtliche Problematik maßgebend14. In der Regel steht der Eingriff durch die Besteuerung insbesondere mit der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG in einem engeren Zusammenhang als mit den anderen Grundrechten, weil sich die Besteuerung nicht auf die wirtschaftliche Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen selbst bezieht, sondern an den wirtschaftlich erworbenen Erlös das dieser als Grundrechtsträger mit seiner Erwerbstätigkeit erzielt hat15. Zwar bestehen in der Rechtsprechung des BVerfG16 und in der Lehre17 immer noch Zweifel daran, ob diese Grundrechtsnorm geeignet ist, den Grundrechtsträger vor ertragsteuerlicher Belastung zu schützen, jedoch ist eine Steuernorm im Regelfall an Art. 14 GG zu messen, weil Art. 14 GG gerade wegen des Funktionssinns der Eigentumsgarantie, also Nutzungsgarantie des Eigentums18 bzw. die Herrschafts- und Verfügungsbefugnisse des Eigentümers19, durch den staatlichen Steuereingriff unmittelbar betroffen ist20. 13

Di Fabio, in: M/D GG, Art. 2 Rdn. 21. Scholz, in: M/D GG, Art. 12 Rdn. 115; a. A. s. Friedrich, DB 1968, S. 1418, 1420, wonach die Auferlegung einer steuerlichen Hilfspflicht wie die Verpflichtung zur Einbehaltung von Steuerabzugsbeträgen als Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit, mithin eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG, betrachtet werde. 15 Vgl. Friauf, DStJG 12, S. 3 ff.; Lang, in: T/L StR, § 1 Rdn. 5. 16 BVerG Beschluss v. 20.7.1954, 1 BvR 459/52 u. a., BVerfGE 4, S. 7, 17. Eine Steuerpflicht kann danach die Eigentumsgarantie ausnahmsweise nur berühren, wenn sie den Pflichtigen übermäßig belastet und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt. 17 Vgl. die Nachweise bei Englisch, StuW 2003, S. 237, 248. 18 Vgl. Ossenbühl, in: FS für Leisner, S. 689, 690 f.; Schachtschneider, in: FS für Leisner, S. 743, 772. 19 Vgl. Depenhauer, in: FS für Leisner, S. 295 f. 20 P. Kirchhof, VVDStRL 39, S. 215 ff.; ders., in: FS für Leisner, S. 635, 637 f.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 37 f.; Papier, in: M/D GG, Art. 14 Rdn. 166; Lehner, in: FS für Offerhaus, S. 117, 128; Hahn, Problematik, S. 20 f.; Geißler, S. 108 ff.; 14

I. Freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber

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Da die Eigentumsgarantie dem Bürger einen individuellen Freiraum auf dem vermögensrechtlichen Gebiet und eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung gewährt, wird dieser Freiheitsraum gerade durch die öffentlich-rechtliche Steuerpflicht unmittelbar verkürzt. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG schützt deshalb nicht nur körperlich greifbare Sachen, sondern auch alle vermögenswerten Güter als Ganzes, die einem Rechtsträger zugeordnet sind. Es ist allerdings erforderlich, neben dem ausgeführten Maßstab eine gegenständliche Steuernorm noch mit Art. 12 GG zu überprüfen, wenn sie in einem speziellen tatbestandsmäßigen Zusammenhang mit der Ausübung eines bestimmtes Berufes steht und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lässt. Dabei ist nämlich die steuerliche Maßnahme zugleich als Regelung der Berufsausübung bewerten21. Die Normen im Lohnsteuerverfahren sind anders gelagert als im steuerrechtlichen Regelfall. Hier handelt es sich in erster Linie nicht um eine eigene Steuerschuld und bei den daraus abgeleiteten Mitwirkungspflichten nicht um Pflichten in eigener Steuersache wie z. B. der Steuererklärung und der Steuerentrichtung, sondern um eine Mitwirkung zur Verwirklichung einer fremden Steuerschuld. Im Vordergrund steht die ordnungsmäßige Durchführung durch den Dienst von den Arbeitgebern, nicht die hierdurch entstehenden Kosten oder die nachträglich zu entrichtende Geldleistungen infolge einer Haftung gemäß § 42d EStG. Die Dienste des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren beziehen sich zwar zweckmäßig nicht direkt auf die berufliche Regulierung durch den Staat, stehen jedoch infolge der Auswirkungen auf die Erwerbstätigkeiten von Arbeitgebern mit diesen Regelungen im Zusammenhang. Dass diese Auferlegung der steuerlichen Pflichten zum Quellenabzug zwar nicht direkt berufsbezogen ist, also nicht als Eingriff im klassischen Sinne zu verstehen ist, sondern nur einen Rechtsrefelx der Berufsausübung darstellt, steht der Annahme einer Berufsausübungsregelung nicht entgegen22. Die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG ist hiernach neben der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG zu prüfen. Vor dieser Prüfung ist allerdings noch eine Vorfrage zu entscheiden, ob eine juristische Person als Arbeitgeber auch dem Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG unterfällt. Denn vom Wertesystem her scheinen die Grundrechte nur zum Schutz von Würde und Freiheit der natürlichen Person verfasst zu sein23. Nach Art. 19 Abs. 3 GG findet ein Grundrecht aber auch auf die juristischen Personen Anwendung, soweit es „seinem Wesen nach“ auf diese Lang, in: FS für Vogel, S. 173, 179, wobei Art. 14 GG als Vergleichsmaßstab zur steuerlichen Belastung angenommen wird. 21 Friauf, DStJG 12, S. 25 Fn. 77 m.w. N.; Lehner, in: FS für Offerhaus, S. 117, 129; Geißler, S. 119 f.; Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 40. 22 Schneider, VerwArch. 1967/58, S. 355; Hahn, Problematik, S. 18 f. 23 Dürig, in: M/D GG, Art. 19 Rdn. 1.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

anwendbar ist. Da auch juristische Personen wie natürliche als Arbeitgeber durch die Steuergesetze zur Mitwirkung im Lohnsteuerverfahren verpflichtet werden, können sie sich dementsprechend wie diese im Hinblick auf diese gleichwertige Verpflichtung auf Grundrechte berufen24. Die von Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit und die von Art. 14 GG geschützte Eigentumsfreiheit, die den ökonomischen Schutzbereich sichern, sind auch bei juristischen Personen anwendbar25. b) Berufsfreiheit nach Art. 12 GG Art. 12 GG schützt nicht nur die Berufswahl, sondern auch die -ausübung, sowohl in der selbständigen als auch in der nichtselbständigen Form26. Da es sich bei der unternehmerischen Tätigkeit auch um eine Erwerbstätigkeit handelt, die einem „Beruf“ entspricht, ist grundsätzlich auch die Unternehmerfreiheit im Sinne freier Gründung und Führung von Unternehmen durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt27. In seiner früheren Rechtsprechung hat der BFH die unentgeltliche Indienstnahme des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren zunächst als „Zwangsarbeit“ im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG bewertet. Trotz dieser drastischen Wertung sei die Indienstnahme verfassungskonform, weil sie verbunden mit der Unentgeltlichkeit als eine herkömmliche, allgemeine öffentlich-rechtliche Dienstleistungspflicht zu verstehen sei, die allen Arbeitgebern auferlegt werde28. Das BVerfG ist dieser Überzeugung des BFH, Art. 12 Abs. 2 GG als Maßstab zur Prüfung der Legitimation für die Indienstnahme des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren anzunehmen, gefolgt und hat die eingelegte Urteilsverfassungsbeschwerde als „offensichtlich unbegründet“ zurückgewiesen29. Diese Entscheidung, die Verfassungsbeschwerde gar nicht erst zur Entscheidung anzunehmen, wird in der Lehre kritisiert und eine Bindungswirkung gegenüber den weiteren Verfassungsorganen in Bund, Ländern und Gerichten bezweifelt30. Die Nichtzulassung durch das BVerfG hat nämlich keine Bindungswirkung, weil keine materiellrechtliche Entscheidung des BVerfG vorliegt. Es besteht allenfalls eine faktische Bindung31.

24

Dürig, in: M/D GG, Art. 19 Rdn. 6. Vgl. Geißler, S. 160 f. Fn. 367 m.w. N. 26 BVerfG Beschluss v. 11.6.1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 ff. 27 BVerfG Beschluss v. 1.3.1979, 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 1950, S. 290, 363. 28 BFH Urteil v. 5.7.1963, VI 270/62 U, BStBl. III 1963, S. 468 ff. 29 BVerfG Beschluss v. 18.12.1963, 1 BvR 514/63, DB 1964, S. 204 f. 30 s. ausf. Drüen, FR 2004, S. 1139 ff. 31 Drüen, FR 2004, S. 1144. 25

I. Freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber

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Das Ergebnis, in erster Linie Art. 12 Abs. 2 GG als Maßstab zur Prüfung der Legitimation für die Indienstnahme des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren anzunehmen, vertritt das BVerfG im Nachhinein als Grundlage seiner weiteren Urteile auch zu anderen Thematiken. Durch Urteil vom 13.1.1987 hat das BVerfG entschieden, dass Art. 12 Abs. 2 GG vorrangiger Prüfungsmaßstab für die Frage nach der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Indienstnahme einer Privatperson ist. Der in Rede stehenden Entscheidung liegt zunächst eine etwas andere Rechtsfrage zugrunde. Es ging um die Frage, ob die im Jugendgerichtsgesetz (JGG) enthaltene Maßregel der Besserung, die den jugendlichen Straftäter zur Erbringung einer Arbeitsleistung verpflichtet, eine mit Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 GG nicht vereinbare Zwangsarbeit darstellt. Das BVerfG hat diese Rechtsauffassung später ausdrücklich auf den Fall der Verpflichtung von Banken für Kapitalertragsteuer sowie auf den Fall der Verpflichtung von Arbeitgebern im Lohnsteuerverfahren ausgedehnt32. An gleicher Stelle bringt das BVerfG jedoch zum Ausdruck, dass die verfassungsrechtliche Überprüfung einer auf vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls gestützten Indienstnahme privater Unternehmen für staatliche Aufgaben im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit vorrangig an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sei. In einem anderen Urteil des BVerfG vom 29.11.1967 stand die Frage im Raum, ob die Verpflichtung einer Bank zur Mitwirkung bei der Kuponsteuer (Kapitalertragsteuer) verfassungskonform ist. Bereits in dieser Entscheidung hat das BVerfG ausdrücklich eine Parallele zum Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren gezogen33. Im Hinblick auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte sei die Mitwirkungspflicht der Banken (und der Arbeitgeber) im Erhebungsverfahren danach nicht anhand von Art. 12 Abs. 2 GG zu prüfen, dessen Regelungsinhalt der Schutz vor Zwangsarbeiten ist. Sie sei vielmehr darauf zu untersuchen, ob sie einen unzulässigen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG darstelle. Nach der hier vom BVerfG vertreten Auffassung regelt das Einkommensteuerrecht zwar nicht die Art und Weise der Durchführung von Bankgeschäften, verknüpft jedoch die steuerrechtliche Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung mit der Ausübung eines Berufs als eine zusätzliche, und zwar außerhalb der eigentlichen Berufsausübung liegende Tätigkeit, die jedoch in innerem Zusammenhang mit diesem Beruf stehe und Rückwirkung auf die Berufsausübung habe. Diese zusätzliche Belastung sei danach weder unangemessen noch unzumutbar. Sie sei hinnehmbar, zumal sie sich an die übliche Banktätigkeit anlehne. Die Verhältnismäßigkeit wurde also bejaht. Ob sich die vom BVerfG vorgenommenen Wertungen uneingeschränkt auf die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Indienstnahme von Arbeitgebern beim Lohnsteuerabzug übertragen lassen, ist in der Lehre streitig34. 32 33

BVerfG Beschluss v. 13.1.1987, 2 BvR 209/84, BVerfGE 74, S. 102, 119. BVerfG Beschluss v. 29.11.1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380, 383.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

Die Verfassungsbeschwerde einer GmbH wegen ihrer Indienstnahme als Arbeitgeber, für die Arbeitnehmer Kirchenlohnsteuer einzubehalten und abzuführen, sowie gemäß § 38 Abs. 3 EStG 1969 auf die Erfüllung dieser Verpflichtung zu haften, wurde mit der Begründung, sie habe offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, nicht zur Entscheidung zugelassen35. Soweit der Staat bei der Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Forderungen private Arbeitgeber heranziehe und diese als Beauftragte des Steuerfiskus tätig werden lässt, handele es sich um eine an sich zulässige Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben, die nicht schon als solche einen Anspruch auf Vergütung auslöse. Eine solche Indienstnahme sei verfassungsrechtlich als Berufsausübungsregelung zu beurteilen, die – auch bei Unentgeltlichkeit – primär mit Art. 12 Abs. 1 GG jedenfalls deshalb vereinbar sei, weil der Arbeitgeber nicht erheblich belastet werde. Hinzu komme, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner sozialstaatlich gebotenen Fürsorgepflicht zugleich seine Arbeitnehmer bei der Entrichtung der ihnen obliegenden Kirchensteuer unterstütze. Die Indienstnahme des Arbeitgebers sei gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG eine angemessene Berufsausübungsregelung. Auch der BFH verneinte in dem Urteil, das dem vorgenannten Beschluss des BVerfG vorausging, einen Verstoß gegen das Grundgesetz36. Wie oben ausgeführt wird die Übertragung der Bindungswirkung gemäß § 31 BVerfGG in Bezug auf die Verpflichtung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren dennoch angezweifelt37. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sowohl das BVerfG als auch der BFH bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Indienstnahme von Arbeitgebern zur Einbehaltung und Abführung von Steuerbeträgen den 1963 formulierten Maßstab von Art. 12 Abs. 2 verworfen haben und sich statt dessen seit 1967 primär an Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG orientieren. Die einschlägigen Urteile kommen – unabhängig vom gewählten Prüfungsmaßstab – übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass von einer Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs nicht gesprochen werden kann.

34 Drüen, FR 2004, S. 1141, wonach eine echte Parallele zwischen Banken bei Kapitalertragsteuer und Arbeitgebern beim Lohnsteuerabzug überhaupt nicht gegeben ist. 35 BVerfG Beschluss v. 17.2.1977, 1 BvR 33/76, BVerfGE 44, S. 103. 36 BFH Urteil v. 24.10.1975, VI R 82/73, BStBl. II 1976, S. 104 f. In diesem Urteil weist der BFH auf mehrere nicht veröffentlichte Beschlüsse zur selben Frage und auf die dagegen gerichteten Verfahrensbeschwerden hin, die ebenfalls vom jeweiligen Dreierausschuss des BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen wurde. s. auch Drüen, FR 2004, S. 1142 Fn. 109. 37 Vgl. Drüen, FR 2004, S. 1140.

I. Freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber

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c) Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG Bei den mit der Indienstnahme beim Quellenabzug verbundenen Kosten und der Arbeitgeberhaftung nach § 42d EStG handelt es sich um eine Geldleistung des betroffenen Arbeitgebers. Die Erhebung der Lohnsteuer ist eine öffentliche Aufgabe, deren gesetz- und gleichmäßige Durchführung für das Allgemeinwohl, nämlich für alle Steuerpflichtigen, von Bedeutung ist. Tragen trotzdem nicht alle Steuerpflichtigen diese Leistung gleichermaßen, drängt sich deshalb die Frage auf, ob es für den Betroffenen ein besonderes Opfer bedeutet, dass den Schutzbereich der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG betrifft. In seinem Urteil vom 5.7.1963 vertritt der BFH die Meinung, verfassungsrechtliche Bedenken könnten nicht daraus hergeleitet werden, dass Arbeitgeber diese Sonderleistungen beim Lohnsteuerabzug ohne Entgelt erbringen müssen. Denn das Gesetz könne bei der unentbehrlichen Besteuerung zur Gewährleistung von staatlichen Aufgaben im Sinne des Allgemeinwohls verlangen, dass die Bürger in den Grenzen des allgemein üblichen, herkömmlichen und notwendigen Umfangs bei der Steuererhebung in eigenen und fremden Angelegenheiten ohne besondere Vergütung mitwirken38. Ebenso wenig sei danach verfassungsrechtlich bedenklich, dass das Finanzamt Arbeitgeber, die den Steuerabzug nicht dem Gesetz entsprechend vorgenommen haben, gemäß § 38 Abs. 3 S. 2 EStG 1953 (§ 46 LStDV 1954) persönlich in Anspruch nehmen könne. Dies wird so begründet, dass nach ständiger Rechtsprechung des BAG ein Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Abwicklung der Lohnsteuer Ersatz von seinen Arbeitnehmern verlangen könne. Hinzu komme, dass eine Haftung des Arbeitgebers nicht zwingend angeordnet ist. Gemäß § 42d Abs. 3 S. 2 EStG unterliegt die Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Einzelfall dem pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts. Aufgrund dessen seien die erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht begründet. Die dem betroffenen Arbeitgeber gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG ebenfalls als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen39. In Bezug auf die Verpflichtung der Banken zur Einbehaltung und Abführung der Kuponsteuer hat das BVerfG in seinem Kuponsteuer-Beschluss vom 29.11.1967 mit einem Hinweis, dass die Verpflichtung der Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug entsprechend zu behandeln sei, die Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG neben dem Art. 12 Abs. 1 GG unter Umständen als Maßstab zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Indienstnahme zugelassen. Die Verpflichtung zur unentgeltlichen Dienstleistung verletze Art. 14 GG jedoch nicht. Der Eigentumsschutz als Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes hindere danach den Gesetzgeber nicht, die sachlichen, personellen und 38 39

BFH Urteil v. 5.6.1963, VI 270/62 U, BStBl. III 1963, S. 468, 469. BVerfG Beschluss v. 18.12.1963, 1 BvR 514/63, DB 1964, S. 204 f.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

finanziellen Mittel privatwirtschaftlicher Unternehmen in dem hier bestehenden Umfang in den Dienst einer auf andere Weise nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu bewältigenden öffentlichen Aufgabe zu stellen. Die Durchführung des Steuerabzugs belaste die Kreditinstitute nicht mit einer schlechthin unternehmensfremden Tätigkeit, sondern binde nur einzelne Betriebsmittel, die für die Betriebsführung nicht von ausschlaggebendem Gewicht seien, und beeinflusse ihren gewerblichen Gesamtgewinn nicht in maßgeblicher Weise. Eine derartig begrenzte Inanspruchnahme privater Unternehmen im öffentlichen Interesse, die sich allenfalls in einer geringfügigen Minderung ihrer Rentabilität niederschlage, halte sich jedenfalls in dem Bereich der Inhaltsbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG), die grundsätzlich dem Gesetzgeber anheimgegeben sei. Die Geringfügigkeit der Kosten bei der Indienstnahme ist damit als eine Begründung zur Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Dienstleistungen zu verstehen. Eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des BFH, der die Verfassungsmäßigkeit der Haftung des Arbeitgebers gemäß § 42d EStG für den Fall einer nicht ordnungsgemäßen Einbehaltung und Abführung der Kirchenlohnsteuerbeträge bejaht hatte40, wurde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen, da sie offensichtlich keine Aussichten auf Erfolg hatte41. Demnach sei die Indienstnahme des Arbeitgebers bei der Kirchenlohnsteuer verfassungsrechtlich als Berufsausübungsregelung zu beurteilen, die – auch bei Unentgeltlichkeit – mit Art. 12, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG jedenfalls deshalb vereinbar sei, weil der Arbeitgeber dadurch nicht erheblich belastet werde und zudem dabei im Rahmen seiner sozialstaatlich gebotenen Fürsorgepflicht zugleich seine Arbeitnehmer in der vereinfachten Erfüllung der ihnen obliegenden Kirchensteuerpflicht unterstütze. Neben der Begründung mit der Geringfügigkeit von Belastungen wird somit die aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleitete Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer zur Rechtfertigung des Eingriffs in die Eigentumssphäre des Arbeitgebers angeführt. d) Gleichheitsgebot und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Der Gleichheitsgrundsatz fordert, dass im Wesentlichen Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend ungleich zu behandeln ist. Nach der Rechtsprechung ist er als Willkürverbot zu interpretieren42. In diesem Sinne hat das BVerfG in seinem Kirchenlohnsteuer-Beschluss vom 17.2.1977 den Gleichheitssatz zum Prüfungsmaßstab bei der unentgeltlichen Indienstnahme des Arbeitgebers gemacht43. 40 41 42

BFH Urteil v. 24.10.1975, VI R 82/73, BStBl. II 1976, S. 104, 105. BVerfG Beschluss v. 17.2.1977, 1 BvR 33/76, BVerfGE 44, S. 103 f. Vgl. Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 73.

I. Freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber

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Da eine ordnungsmäßige Erhebung der Lohnsteuer als öffentliche Aufgabe dem Allgemeinwohl dient, wird anstelle der Finanzverwaltung als Gemeinwohlvertreter jedoch allein der Arbeitgeber als Privater zur Verwirklichung einer solchen Aufgabe in Dienst genommen. Im vergleichbaren Fall des Mieters, dem ebenfalls die Zugriffsmöglichkeit auf eine Steuerquelle zukommt, besteht keine gesetzliche Verpflichtung zum Quellensteuerabzug. Es handelt sich somit um eine Sonderlast der Arbeitgeber, der im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen in entsprechender Situation ungleich behandelt wird. Demzufolge ist der Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 GG als Maßstab zur Prüfung der Indienstnahme von Arbeitgebern heranzuziehen. Fraglich ist hingegen, ob das Verhältnismäßigkeitsprinzip – also das Übermaßverbot – ein geeignetes Instrument zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von steuerrechtlichen Eingriffen in die Rechtssphäre von Grundrechtssubjekten darstellt. Wieland ist der Meinung, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit biete bei steuerlichen Belastungen keine effektive Beschränkung der Legislative44. Schutz vor einer zu hohen Belastung durch das Steuerrecht vermittelten danach nicht die Grundrechte, sondern das Demokratieprinzip in Verbindung mit dem Gleichheitssatz. Sei die Steuer zu hoch, würden die gleichmäßigen Belasteten ihre politische Macht nutzen, um eine Senkung durchzusetzen. Demgegenüber vertritt die herrschende Meinung, dass das Übermaßverbot verfassungsrechtlich im Rechtsstaatsprinzip und in den Grundrechten, hinsichtlich der Belastung im Steuerrecht, besonders in Art. 14 Abs. 1 GG, aber auch in Art. 12 Abs. 1 GG, begründet sei45. Diese Auffassung hat das BVerfG ebenfalls in seiner Rechtsprechung mehrfach zum Ausdruck gebracht, nämlich dass der staatliche Eingriff hinsichtlich der Berufsfreiheit zwingend dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen muss46. Dabei sind der geschützte Freiheitsbereich des Einzelnen, die vom Gesetzgeber im Interesse der Allgemeinheit verfolgten Zwecke und die zu deren Erreichung eingesetzten Mittel so gegeneinander abzuwägen, dass die Auffassung des Grundgesetzes von der grundsätzlichen Stellung und Aufgabe des Menschen in Gesellschaft und Staat gewahrt bleibt. Das Übermaßverbot gilt deshalb auch als Verfassungsmaßstab bei der Prüfung der Indienstnahme der Privatperson.

43

BVerfG Beschluss v. 17.2.1977, 1 BvR 33/76, BVerfGE 44, S. 103, 104. Wieland, DStJG 24, S. 43. 45 Herzog, in: M/D GG, Art. 20 Rdn. VII Rdn. 71; Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 13, 209 ff.; P. Kirchhof, DStJG 24, S. 11; Hemmerstein, S. 29; Kloubert, S. 69; Hahn, Problematik, S. 26 m.w. N.; Schulze-Osterloh, S. 249 ff. nur zur Anwendung des Gleichheitssatzes und des Übermaßverbots zur Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG. 46 BVerfG Beschluss v. 17.7.1961, 1 BvL 44/55, BVerfGE 13, S. 97, 104; v. 14.12.1965, 1 BvL 14/60, BVerfGE 19, S. 330, 336; v. 29. 11. 1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380, 385; v. 16.3.1971, 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, S. 292 ff. 44

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit konstituiert grundsätzlich die Grenze eines staatlichen Eingriffs. Der Staat darf in die grundrechtlich garantierten Freiheitsrechte der Privatpersonen nur insoweit eingreifen wie dies geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist47. Darüber hinaus hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine statuspositive Funktion, dass nämlich der Staat bei Übernahme eigener Zuständigkeiten unter entsprechender Beschneidung privater Freiheiten kompensatorisch verpflichtet werden kann, den jeweils betroffenen Privaten einen Ausgleich in der Form zu gewähren48. Das Heranziehen des Verhältnismäßigkeitsprinzips ermöglicht einen Ansatz zur Kompensation für die Dienstleistung der Indienstgenommenen im Lohnsteuerverfahren. Demzufolge ist der oben ausgeführten herrschenden Meinung zuzustimmen. Zusammenfassend sind das Gleichheitsgebot und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemeinsam mit Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab zur Rechtfertigung der Indienstnahme des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren zu verstehen, ohne die Frage des Verhältnisses dieser beiden Grundrechtsnormen zueinander ausdrücklich zu erörtern49. 3. Auffassungen von Rechtsprechung und Literatur über die freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber Ob die gegenwärtige Form des Lohnsteuerabzugs verfassungsmäßig ist, ist hoch umstritten. Ob die bisherigen Entscheidungen des BVerfG die Frage nach der Verfassungskonformität der Einbeziehung des Arbeitgebers in die Abwicklung der Besteuerung des Arbeitnehmers abschließend beantwortet, wird zwar in der Lehre teilweise bezweifelt50. Überwiegend wird jedoch die Meinung vertreten, dass die Rechtsprechung des BVerfG und des BFH ersichtlich dazu tendiere, die unentgeltliche Indienstnahme des Arbeitgebers beim Lohnsteuerabzug und die daraus resultierende Haftung verfassungsrechtlich als unbedenklich zu bewerten51. a) Rechtfertigung des gegenwärtigen Lohnsteuerabzugs Es besteht weitestgehende Einigkeit, dass im Beziehungsgeflecht aus Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Finanzamt im Lohnsteuerverfahren der Arbeitgeber 47

Scholz, in: M/D GG, Art. 12 Rdn. 213. Scholz, in: M/D GG, Art. 12 Rdn. 213. 49 Hahn, Problematik, S. 23. 50 Drüen, FR 2004, S. 1148. 51 Drenseck, in: Schmidt EStG, § 38 Rdn. 12; Krohn, BB 1969, S. 1234; Offerhaus, BB 1982, S. 793; Hey, FR 1998, S. 504 Fn. 77 m.w. N.; Drüen, FR 2004, S. 1139 Fn. 72 m.w. N. 48

I. Freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber

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die größte sachliche Nähe zur Steuerquelle, also den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit hat. Der erste Ansatz einer Begründung, die Verpflichtung des privaten Arbeitgebers zur Mithilfe bei der Steuererhebung zu legitimieren, besteht deshalb in der Zugriffs- und Sachnähe52. Diese knüpft daran an, dass der Arbeitgeber als Dritter den Arbeitslohn als die wirtschaftliche Gegenleistung des Arbeitnehmers für dessen Arbeitsleistung einen Moment lang in der Hand hat53, bevor er sie ausbezahlt. Diese technische Zugriffsmöglichkeit vermag die Verpflichtung zur Mithilfe, also die Inanspruchnahme des Dritten beim Quellenabzugsverfahren gerade deshalb zu rechtfertigen, weil hierdurch die Erhebung effizient und damit die Kosten der Verwaltung besonders niedrig gehalten werden können. Daneben wird eine ökonomische Überlegung angeführt, die stets bei der Besteuerung von enormer praktischer Bedeutung ist. Die Lohnsteuer ist naturgemäß eine Massensteuer. Angesichts des hohen Gesamtvolumens der jährlich entstehenden Forderungen befindet sich die Finanzverwaltung dauerhaft in einem Zielkonflikt zwischen der sorgfältigen Sachaufklärung im Einzelfall und der Sicherstellung des Gesamtvollzugs, d. h. der Summe aller Einzelfälle54. Aufgrund des Skalen-55, Bündelungs-56 bzw. Konzentrationseffekts57 des Quellenabzugsverfahrens, der durch eine an den Quellen einheitliche Erfassung der wiederkehrenden Steuertatbestände entsteht, dient die Einführung eines solchen Quellenabzugs bei der Erhebung der Lohnsteuer besonders zur Lösung dieses Zielkonflikts und trägt sowohl zur materiellen als auch formellen Rationalisierung der Lohnbesteuerung bei. Bei Großunternehmen ist dieser ökonomische Effekt besonders hoch. Die hier erreichte Rationalisierung der Lohnbesteuerung führt deshalb zur Legitimation des Quellenabzugs. Weitere in der Literatur und der Rechtsprechung vorgetragene Argumente können nicht überzeugen. So wird aus der bloßen Existenz von Vorschriften, die eine Indienstnahme von Privaten bei der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben regeln, keine Legitimation zur Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren abgeleitet58. Ferner kann aus der Beobachtung, dass der Lohnsteuerabzug eine seit Jahrzehnten gefestigte Tradition sei, nicht dessen Legitimation abgeleitet werden59. Ohne diese in diesem Kontext genauer zu 52

Hey, FR 1998, S. 507. Schick, BB 1983, S. 1044. 54 Seer, in: T/L StR, § 21 Rdn. 5; ders., StuW 2003, S. 41. 55 Seer, FR 2004, S. 1042; Lang u. a., Kölner Entwurf, Rdn. 157. 56 Trzaskalik, DStJG 12, S. 164. 57 Heuermann, StuW 1998, S. 224. 58 s. Trzaskalik, DStJG 12, S. 161; a. A. BVerfG Beschluss v. 29.11.1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380, 383; v. 16.3.1971, 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, S. 292, 312. 59 A. A. BFH Urteil v. 5.7.1963, VI 270/62 U, BStBl. III 1963, S. 468, 470. 53

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

definieren, werden teilweise schließlich „vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls“ für die Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren bemüht60, die nicht als ausreichende Legitimation angesehen werden können61. Eine solche Argumentation bedarf vielmehr einer Definition der Gemeinwohlinteressen in dem vorliegend gegenständlichen Kontext. Da die Vertreter dieser Begründung aber eine solche Definition nicht vorbringen, ist sie in einem ganz wesentlichen Punkt unvollständig und alleine daher – mangels Überprüfbarkeit – nicht als Rechtfertigung geeignet. Ein anderer Legitimationsansatz ist in der taiwanischen Literatur zu finden. Die Befürworter dieses Ansatzes gehen davon aus, dass der Arbeitgeber die staatliche Aufgabe zur Erhebung der Lohnsteuer wahrnehmen müsse und zur Mithilfe der Verpflichtung der Einbehaltung und der Abführung im Lohnsteuerverfahren herangezogen werden dürfe, weil er aus der Nutzung des vom Staat gewährleisteten Marktes wirtschaftliche Erfolge erlange62. Dieser Argumentation liegen Äquivalenzüberlegungen zugrunde, also die Vorstellung, dass der Staat zu wirtschaftlichen Erfolgen des Arbeitgebers beigetragen habe. Ein ähnlicher Rechtfertigungsansatz findet sich auch bei der Rechtfertigung der Ertragsteuern, der Steuerarten selbst63. Einer solchen Auffassung und der daraus resultierenden Argumentation kann mit guten Gründen widersprochen werden. Hat der Staat grundsätzlich in einer freien Marktwirtschaft nichts mit den wirtschaftlichen Erfolgen des Arbeitgebers zu tun, wird gefolgert, dass eine Äquivalenz zwischen den Leistungen des Staats und den Gegenleistungen bei Arbeitgebern in Form einer Wahrnehmung der staatlichen Aufgabe zur Erhebung der Lohnsteuer nicht besteht. Ob ein wirtschaftlicher Erfolg praktisch erzielt wurde, ist ein Umstand, der keinen Bezug zu seinen Abzugsverpflichtungen hat. Daher kann einer Argumentation, die aus der Annahme einer Äquivalenz zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg des Arbeitgebers und seinen Verpflichtungen, die Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen, nicht gefolgt werden.

60 Z. B. BVerfG Beschluss v. 29.11.1967, 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, S. 380, 384 in Bezug auf die Verpflichtung der Banken zur Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer; v. 13.1.1987, 2 BvR 209/84, BVerfGE 74, S. 102, 120 in Bezug auf die im Jugendgerichtsgesetz als Erziehungsmaßregel vorgesehene Weisung mit Verweis auf die Indienstnahme der Banken bei Kapitalertragsteuer und die der Arbeitgeber beim Lohnsteuerverfahren. 61 Friauf, in: FS für Jahrreiß, S. 48 ff. 62 Maoron Hwang, StR-AT, S. 345; s. auch Qinxiu Chens Disskussionsbeitrag beim Seminar v. 12.10.2002 in Taipeh, Gee u. a., TTLR 2003, S. 199. 63 s. ausf. Tipke, StRO II, S. 614 ff.

I. Freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber

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b) Gegenmeinungen in der Literatur Demgegenüber vertritt Trzaskalik die Auffassung, dass die Verfassungsmäßigkeit des gegenwärtigen Lohnsteuerabzugs im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gegeben sei. Dies begründet er so, dass der Normzweck des Art. 12 Abs. 1 GG nicht der sei, für eine gemeinverträgliche Berufsausübung zu sorgen64. Hinzu komme, dass ein Auftreten des Arbeitgebers als „Hilfsorgan der Finanzverwaltung“ gerade nicht Gegenstand privatwirtschaftlichen Tätigwerdens sei. Sei der Vollzug der Steuergesetze staatliche Aufgabe bedürfe es einer besonderen Begründung, warum der Staat die Steuererhebung nicht in eigener Regie durchführe. Der Staat habe darzulegen, warum er ohne Mithilfe des Privaten seine Aufgaben nicht erfüllen könne65. Eine überzeugende Begründung für die Unentgeltlichkeit der Dienstleistungspflicht des Arbeitgebers fehle allerdings bislang. Sowohl der Vortrag einer angeblichen Geringfügigkeit der Kosten als auch der Einwand, der Arbeitgeber könne sein Haftungsrisiko auf den Arbeitnehmer abwälzen, vermögen nicht überzeugen66. Hendel ist der Meinung, dass die Relation zwischen den tatsächlichen Mehrkosten, die den Unternehmen durch die Auferlegung der gegenständlichen Aufgaben entstehen, und der Höhe der im Wege einer Prognose zu ermittelnden hypothetischen Steuerausfälle, die entstünden, wenn die Arbeitnehmer selbst die Steuererklärung und Entrichtung ihrer Steuerbeträge vornähmen, bei der Prüfung dieser verfassungsrechtlichen Problematik von entscheidender Bedeutung ist67. Bei der Ermittlung der Höhe der zu erwartenden Steuerausfälle sei neben den empirischen Daten aus Deutschland ganz besonders auf die Vergleichsdaten aus Frankreich Rücksicht zu nehmen. Dort seien die Arbeitnehmer nach Anzahl und Sozialstruktur den deutschen Arbeitnehmern vergleichbar. Im Unterschied zum deutschen Recht wird jeder Arbeitnehmer für sich veranlagt; ein Lohnsteuerabzug für unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer ist nicht kodifiziert. Er tendiert deshalb dazu, dass der gegenwärtig in Deutschland praktizierte Lohnsteuerabzug wegen fehlender Verhältnismäßigkeit verfassungswidrig ist68. In der Konsequenz fordert er allerdings, entweder den Lohnsteuerabzug abzuschaffen oder den Arbeitgebern ihre Kosten zu erstatten69. Diesbezüglich schlägt er vor, die konkrete Höhe der Kostenerstattung in Abhängigkeit der Größe der Unternehmen zu staffeln. So könnten kleinen Unternehmen 5 v. H., mittleren 4 v. H., großen 3 v. H. der abgeführten Lohnsteuer als pauschale Aufwandsvergütung zugesprochen werden70. 64 65 66 67 68 69

Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A95. Trzaskalik, DStJG 12, S. 162. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A96. Hendel, S. 63. Hendel, S. 64. Hendel, S. 66.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

Weil ein allgemeingütiger Kostenwert für die Dienstleistung des Arbeitgebers ökonomisch nicht vorliege, geht Kloubert deshalb davon aus, dass die Verfassungsverletzung des Art. 14 Abs. 1 GG durch die Indienstnahme des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren nicht abschließend bestimmt werden könne71. Jedes Ergebnis, das ohne Beantwortung dieser Vorfrage zustande käme, sei rein spekulativ. Er kommt deshalb zur Folgerung, dass Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG die Indienstnahme des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren nicht beschränke72. Gegen die oben ausgeführte Rechtsauffassung von Trzaskalik und die von Hendel vertritt Seer, der Lohnsteuerabzug sei grundsätzlich sinnvoll73. Er schlägt jedoch – wie Hendel – vor, dem Abzugspflichtigen eine Inkassogebühr als Entschädigung zuzugestehen74. Hierbei nennt er als „erwägenswerte“ Größenordnung eine Gebühr in Höhe von 1% des vorgenommenen Steuerabzugs. Ohne direkt die Zulässigkeit der Inanspruchnahme Privater beim Steuerquellenabzug verfassungsrechtlich zu beurteilen, vertritt Hey die Meinung, dass die Sachnähe des Indienstgenommenen seine Inanspruchnahme zur Steuereinbehaltung und -abführung auf der Primärebene zu rechtfertigen vermöge75. Dies besage allerdings nicht, dass der Indienstgenommene auf der Sekundärebene auch diese niedrigen Kosten selbst tragen müsse, also entschädigungslos tätig werden müsse. Ebenfalls bejaht Tipke eine sich aus verfassungsrechtlichen Erwägungen ergebende Notwendigkeit der Kostenerstattung76. Die beträchtlichen Bürokratiekosten, nämlich Zeitaufwand und tatsächliche Kosten, würden bei den betroffenen Arbeitgebern durch die Indienstnahme im Lohnsteuerverfahren wie eine Unternehmensteuer – also eine Art der Zusatzsteuer – wirken, die den Betrieben zwangsweise auferlegt werde. Da diese Kosten zu einem erheblichen Teil durch unnötig komplizierte Gesetze verursacht seien, sollte der Gesetzgeber nach dem Verursacherprinzip bei sich selbst ansetzen und die Kosten der Bürokratieverlagerung denjenigen erstatten, denen er sie auferlegt. Ob der gegenwärtige Lohnsteuerabzug verfassungsmäßig ist, lässt sich nicht allein aufgrund der oben dargestellten Überprüfungen beantworten, da es sich nicht nur um eine freiheitsrechtliche Problematik beim Arbeitgeber als Abzugspflichtigem, sondern zugleich auch um die gleichheitsrechtliche Problematik beim Arbeitmehmer als Steuerschuldner handelt. Für diese verfassungsrechtliche Überprüfung ist es ferner entscheidend, ob die Verbesserungsmöglichkeiten 70 71 72 73 74 75 76

Hendel, S. 70. Vgl. Kloubert, S. 76. Kloubert, S. 77. Seer, FR 2004, S. 1042. Seer, FR 2004, S. 1042. Hey, FR 1998, S. 507; dies., in: FS für Kruse, S. 287. Tipke, StRO III, S. 1057.

II. Gleichheitsrechtliche Problematik beim Arbeitnehmer

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oder die Alternativen zum gegenwärtigen Lohnsteuerabzugsverfahren bestehen. Es wäre daher sinnvoll, dies bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung in die Überlegung einzubeziehen.

II. Gleichheitsrechtliche Problematik beim Arbeitnehmer 1. Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG Fraglich ist, ob ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt, da ein Arbeitnehmer in seiner Eigenschaft als Steuerpflichtiger in der Erhebung anders als ein Selbständiger, insbesondere Gewerbetreibender und Freiberufler, behandelt wird. Es läge ein aus verfassungsrechtlichen Erwägungen fragwürdiger Zustand vor, wenn die unterschiedlichen Behandlungen ohne ausreichende Rechtfertigung zu einem finanziellen Nachteil der Gruppe der Arbeitnehmer als Steuerpflichtigen führten. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Behandlungen von Arbeitnehmern und Selbständigen untersucht. a) Unterschiedliche Zeitintervalle der Steuererhebung Eine veranlagte Einkommensteuer wird gemäß § 36 Abs. 1 EStG grundsätzlich erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem der Veranlagungszeitraum endet, ohne dass Vorauszahlungen berücksichtigt werden. Eine veranlagte Einkommensteuer wird nämlich erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums, also nach Ablauf des Kalenderjahres, erhoben. Für die veranlagte Einkommensteuer des abgelaufenen Veranlagungszeitraums hat der Steuerpflichtige gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 EStG eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Diese Steuererklärung ist gemäß § 149 Abs. 2 S. 1 AO spätestens fünf Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs abzugeben. Im Unterschied hierzu werden dem Lohnsteuerabzug unterfallende Lohnsteuerbeträge unmittelbar im Zeitpunkt der Lohnauszahlung einbehalten und abgeführt. Aus dieser unterschiedlichen Systematik kann sich eine Abweichung der Erhebungszeiträume in Extremfällen sogar bis zu eineinhalb Jahren ergeben. Selbst wenn die Einkommensteuer-Vorauszahlung gemäß § 37 EStG berücksichtigt wird, die neben der Sicherstellung des Aufkommens noch der Gleichstellung des veranlagten Steuerpflichtigen zum Arbeitnehmer dienen sollte77, sind die Zeitintervalle der Besteuerung immer noch unterschiedlich. Wie es in der Lehre zu Recht erkannt wird, ist diese Gleichhandlung lediglich eine solche „im Grundsatz“78. Dabei bestehen im Detail durchaus Unterschiede. Die Vo77

Stolterfoht, in: K/S/M EStG, § 37 Rdn. A2, A4.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

rauszahlungen sind jeweils am 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember zu erbringen. Eine Ungleichbehandlung des Arbeitnehmers ist in dessen Zinsnachteil zu sehen, der im Vergleich zu den Beziehern anderer Einkunftsarten wegen der kürzeren Vorauszahlungsintervalle aufgrund der monatlich einbehaltenen Lohnsteuer eintritt. Den Zinsnachteil des Arbeitnehmers gegenüber dem Selbständigen erkannte das BVerfG in seiner Entscheidung vom 26.1.1977 an und sah in diesem Zusammenhang den Arbeitnehmerfreibetrag von 480 DM nach der damals geltenden Rechtslage (§ 19 Abs. 4 EStG) als Ausgleich dieser Benachteiligung an79. Mit der Gewährung eines Freibetrags ohne Berücksichtigung, wie hoch die bezeichneten Nachteile im Einzelfall sind, stelle der Gesetzgeber – nach der Auffassung des BVerfG – in generalisierender und pauschalierender Form in einer ihm vertretbar erscheinenden Weise die Lohnsteuerzahler den Einkommensteuerzahlern gleich. Daraus folgerte das BVerfG, dass das Lohnsteuerverfahren nach der damals geltenden Rechtslage nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Mit Verweis auf die Rechtsprechung des BFH hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 8.10.1991 abermals den Nachteil des Arbeitnehmers als Steuerpflichtigem nach der 1986 geltenden Rechtslage bestätigt, der sich aus der zeitnäheren Heranziehung der Arbeitnehmer zur Steuer ergebe80. Allerdings würden diese Nachteile des Arbeitnehmers danach durch eine Gewährung sowohl des Arbeitnehmer- als auch des Weihnachtsfreibetrags in Höhe von insgesamt 1080 DM, ausgeglichen. Insoweit sei eine Verfassungswidrigkeit wegen der Benachteiligung des Arbeitnehmers als Steuerpflichtigem ebenfalls nicht gegeben. Durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25.7.198881 wurden die genannten Freibeträge für Arbeitnehmer aufgehoben, die folglich nur bis zum Veranlagungszeitraum 1989 galten. Die Aufhebung von Arbeitnehmer- und Weihnachtsfreibetrag war nach der Rechtsprechung des BVerfG mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG immer noch vereinbar82. Danach bedürften die Unterschiede zwischen einem in der Regel monatlichen Lohnsteuerabzug und einer vierteljährlichen Vorauszahlung bei anderen Einkünften keines Ausgleichs. Zwar fordere der Gleichheitssatz nach den Vorgaben des Einkommensteuergesetzes von allen Steuerpflichtigen eine gegenwartsnahe Leistung, um den gegenwärtigen Finanzbedarf des Staats zu decken. Der Gesetzgeber habe jedoch die für den Steuerpflichtigen sich ergebenden Vor- und Nachteile aus einer unterschiedlichen Erhebung von Lohn- und sonstiger Einkommensteuer in insgesamt vertretbarer Weise gewichtet. Die unvermeidlichen individuellen Un78 79 80 81 82

Stolterfoht, in: K/S/M EStG, § 37 Rdn. A5. BVerfG Beschluss v. 26.2.1977, 1 BvL 7/76, BVerfGE 43, S. 231, 240. BVerfG Beschluss v. 8.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, S. 348, 362. BGBl. I S. 1093. BVerfG Beschluss v. 10.4.1997, 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, S. 1, 7.

II. Gleichheitsrechtliche Problematik beim Arbeitnehmer

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billen erreichten nicht ein Ausmaß, welches den Gesetzgeber zwingend veranlassen würde, Benachteiligungen durch kompensatorische Ausgleichsfreibeträge zu egalisieren. Ein Gleichheitsverstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege deshalb auch nicht mit der Abschaffung der Ausgleichsfreibeträge durch den Gesetzgeber vor. Ob Ausgleichsfreibeträge gewährt werden, scheint somit nach Auffassung des BVerfG ausschließlich im Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers zu stehen. b) Unterschiedliche Bemessungsgrundlage Die unterschiedliche Definition der Bemessungsgrundlage ist ebenfalls auf einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zu überprüfen. Es könnte sich nämlich ein Nachteil zuungunsten des abhängig beschäftigten Arbeitnehmers daraus ergeben, dass er im regelmäßigen gegebenen Falle einer Unterschreitung seiner tatsächlichen Steuerlast eine höher als angemessene Besteuerung bis zur nächsten Anmeldung der Lohnsteuer zu tragen hat, ohne im Rahmen des Lohnsteuer-Jahresausgleichs gemäß § 42b EStG die Möglichkeit zu haben, eine Korrektur herbeizuführen. Ein Unterschied entsteht dadurch, dass bei der Festsetzung der Vorauszahlung nach § 37 EStG eine Ermäßigung der Einkommensteuer durch die Werbungskosten grundsätzlich in Form einer Anrechnung der Steuerabzugsbeträge bei der letzten Veranlagung voll berücksichtigt wird, während im Lohnsteuerverfahren aus erhebungstechnischen Gründen lediglich Aufwendungen und abziehbare Beträge nach § 39a Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 6 EStG und etwaige Hinzurechnungsbeträge nach § 39a Abs. 1 Nr. 7 EStG im Rahmen der Eintragung auf der Lohnsteuerkarte in Betracht kommen83. Das in § 39a EStG geregelte Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren ist sozusagen das wesentliche Instrument, um den Lohnsteuereinbehalt der voraussichtlichen individuellen Jahreseinkommensteuerschuld anzupassen84. Soweit die Freibetragseintragungen nicht vorgenommen werden können, müssen wegen eines möglichen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG sachliche Gründe vorliegen, wenn die Steuerschuld mindernde Regeln zwar bei der Bemessung der Einkommensteuer-Vorauszahlung, nicht aber in das Ermäßigungsverfahren eingebracht werden können85. Im oben genannten Beschluss vom 26.2.1977 hat das BVerfG bestätigt, dass ein Arbeitnehmer Zinsnachteile sowohl durch eine frühzeitige als auch durch „eine bisweilen erhöhte Steuerbelastung“ erleidet. Der Zinsnachteil oder Liquiditätsnachteil86 des Arbeitnehmers entstehe dadurch, dass die Bemessungsgrundlage in der Regel für Lohnsteuerzahler aus tatsächlichen Gründen nicht so 83 84 85

Stolterfoht, in: K/S/M EStG, § 37 Rdn. A5, C7, D10. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 39a Rdn. A1. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 39a Rdn. A4.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

frühzeitig an die Jahreseinkommensteuer angepasst werden könne wie bei der Vorauszahlung der Einkommensteuerzahler. Die überzahlten Beträge würden danach erst später im Wege eines Lohnsteuer-Jahresausgleichs oder nach der Veranlagung zinslos erstattet87. In der gleichen Entscheidung weist das BVerfG jedoch darauf hin, dass der Arbeitnehmer einen kompensatorischen Arbeitnehmerfreibetrag in Höhe von 480 DM nach dem damaligen § 19 Abs. 4 EStG eingeräumt bekommt. In dieser Form stelle der Gesetzgeber den Arbeitnehmer dem veranlagten Einkommensteuerzahler gleich. Es gebe daher keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Diese Rechtsauffassung liegt dem oben erwähnten Beschluss des BVerfG vom 8.10.1991 zugrunde: er geht davon aus, dass der Arbeitnehmer- und Weihnachtsfreibetrag im Veranlagungszeitraum 1986 die Nachteile des Arbeitnehmers gegenüber anderen Steuerschuldnern grundsätzlich ausgeglichen hätte, wenngleich ein vollständiger Ausgleich für andere Nachteile des Arbeitnehmers nicht zustande käme. Als einer der erwähnten Nachteile wurde die Privilegierung des veranlagten Einkommensteuerzahlers ausgeführt, die dadurch entstehen könnte, dass die Einkommensteuer-Vorauszahlungen vielfach nicht den letztlich zu zahlenden Steuerbetrag erreichen88. Insoweit sei eine Verfassungswidrigkeit des Lohnsteuerabzugs nicht gegeben. Dieser Rechtsauffassung, dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht vorliege, hat sich der BFH angeschlossen. Im Urteil vom 21.11.1997 geht er davon aus, dass die Ungleichbehandlung zwischen Lohnsteuerzahlern und Einkommensteuer-Vorauszahlern sowohl aus dem Gesetzwortlaut als auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschriften gegeben sei, da diese Ungleichheit nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung des Wortlauts beseitigt werden könne89. Der Gesetzgeber beabsichtige – nach der hier vom BFH vertretenen Auffassung – eine Gleichbehandlung nicht, beschränke sich vielmehr „auf einen gewissen Ausgleich“. Diese „gesetzlich gegebene Ungleichbehandlung“ von Lohnsteuerzahlern einerseits und Einkommensteuer-Vorauszahlern anderseits in Bezug auf die Berücksichtigung der Werbungskosten und Steuerabzugsbeträge sei zwar unbefriedigend, aber verfassungsrechtlich hinzunehmen.

86 Vgl. Giloy, FR 1984, S. 558; Drenseck, StuW 1991, S. 235; ders., StuW 2000, S. 454. 87 Gemäß § 41c Abs. 1 EStG ist zwar eine noch frühzeitige Erstattung, nämlich bei der jeweils nächstfolgenden Lohnzahlung, steuerrechtlich möglich. Dies ist jedoch nicht zwangsläufig. Ob Arbeitgeber verpflichtet sind, eine solche Erstattung nach § 41c Abs. 1 EStG durchzuführen, ist in der Lehre umstritten. s. Drenseck, in: Schmidt EStG, § 41c Rdn. 1. 88 BVerfG Beschluss v. 8.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, S. 362 f. 89 BFH Urteil v. 21.11.1997, VI R 93/95, BStBl. II 1998, S. 208 ff.

II. Gleichheitsrechtliche Problematik beim Arbeitnehmer

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c) Differenzierte Unausweichlichkeit Der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verlangt nicht nur die Gleichheit „auf dem Papier“, sondern auch die gleiche Belastung „in der Wirklichkeit“90. Die Gleichheit wird nicht gewährleistet, wenn die verschiedenen Einkünfte gesetzlich je nach Einkunftsart unterschiedlich effizient verifiziert und anteilige Steuerbeträge aus nämlichen erhoben werden. Dabei handelt es sich um eine Ungleichheit bezüglich der Unausweichlichkeit von Steuerlasten. Im Vergleich zum Arbeitnehmer kommt nämlich dem Selbständigen als Steuerschuldner faktisch die Möglichkeit zu, die möglicherweise entstehenden steuerlichen Belastungen durch willentliche Gestaltung zu vermeiden oder zu einem späteren Zeitpunkt zu tragen. Dabei geht es nicht um die Möglichkeit zur Steuerhinterziehung, sondern um das unterschiedliche Maß an Effizienz bei der Erfassung der Steuerquellen in Abhängigkeit von den Einkunftsarten91. Da der Quellenabzug als wirksamste Form der Erhebung im Sinne eines gegenwartsnahen Gesetzvollzugs bewertet wird, sind solche Einkunftsarten strukturell bevorzugt, die dem Quellenabzugsverfahren nicht unterliegen. So ist es auch wenig verwunderlich, dass ein Arbeitnehmer – der ja in der Regel gerade dem Quellenabzug unterliegt – bei Beratern als ein „unattraktiver Steuermandant“ gilt92. Dieser Mangel an „Beratungsattraktivität“ ergibt sich aus den sehr eingeschränkten Möglichkeiten, die zu entrichtende Lohnsteuer mit den nur auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Beträgen zu verrechnen und den starren Termin bei vergleichsweise langen Zeitintervallen. Aus der Sicht eines Steuerberaters lässt sich wenig ausrichten und zudem ist die Materie vergleichsweise einfach. Der Umstand, dass aber auch bei einer professionellen Beratung kaum Einfluss auf die Form und Höhe der Steuerlast genommen werden kann, trägt dazu bei, dass das Lohnsteueraufkommen stets einen unverhältnismäßig hohen Anteil am Einkommensteueraufkommen hat93.94 Es stellt sich somit die Frage, ob durch die dargestellte Privilegierung der veranlagten Steuerzahler, insbesondere Gewerbetreibender und Freiberufler, eine Ungleichbehandlung abweichend vom verfassungs- und steuerrechtlich Gleichhandlungsgebot stattfindet, mithin ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gegeben ist.

90 Tipke, StRO II, S. 864; Papier/Dengler, BB 1996, S. 2542; in der Rechtsprechung des BVerfG s. BVerfG Beschluss v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239; v. 9.3.2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, S. 94. 91 Über die strukturelle Ungleichkeit der gegenläufigen Erhebungsregelungen vgl. Ondracek, in: FS für Ritter, S. 227, 241 f. 92 Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 109. 93 Tipke, StRO II, S. 703. 94 Ein nebenbei viel entscheidender Faktor ist, dass in Deutschland über 80% der Erwerbstätigkeiten dem Lohnsteuerabzug unterliegen. Vgl. http://www.destatis.de/indi cators/d/lrerw04ad.htm (Stand: 16.12.2005).

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

Neben den oben bereits dargestellten Nachteilen hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 8.10.1991 einen zusätzlichen Nachteil des Arbeitnehmers bestätigt, der dadurch entstehen könnte, dass der Lohnsteuerzahler viele für ihn günstige Gestaltungsmöglichkeiten nicht hat, die aber bei anderen Einkunftsarten gegeben sind95. Ist zwar ein vollständiger Ausgleich für diesen Nachteil gesetzgeberisch nicht gegeben, könne aber von einer Verfassungswidrigkeit wegen dieser steuerlichen Ungleichbehandlung nicht ausgegangen werden, weil dies im Entscheidungsfreiraum des Gesetzgebers liege. 2. Auffassungen von Rechtsprechung und Literatur über die gleichheitsrechtliche Problematik beim Arbeitnehmer Der BFH hielt sich in seiner Rechtsprechung zur verfassungsrechtlichen Problematik der Ungleichbehandlung zu Lasten des Arbeitnehmers in seinem Urteil vom 23.6.1967 sehr zurück96. Den Klägern, die im Rahmen eines Revisionsverfahrens die Gewährung von Freibeträgen in der dargestellten Art als Kompensation für Nachteile einforderten, die sie in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer erleiden, entgegnete der BFH, dass er nur überprüfen könne, ob das FG in seinem Urteil gegen Bundesrecht verstoßen habe. Der Senat sei schlicht nicht befugt, die Verfassungswidrigkeit von Vorschriften des EStG oder der AO festzustellen, durch die oder durch deren Auswirkung veranlagte Steuerpflichtige begünstigt oder lohnsteuerpflichtige Arbeitnehmer benachteiligt werden. Diese Auffassung ist nicht nachvollziehbar. Wäre der BFH zur Überzeugung gelangt, dass die Norm verfassungswidrig ist, hätte er die Rechtsfrage nach Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG zur Entscheidung vorlegen müssen. Warum er das nicht getan hat, ist hier nicht ersichtlich. Im Bezug auf die Verfassungsbeschwerde gegen die obige Entscheidung des BFH hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 19.10.1967 die Verfassungsbeschwerde über die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmer und veranlagten Steuerschuldner als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen97: Die unterschiedliche Behandlung verstoße – so die Begründung des BVerfG – nicht gegen die Verfassung, weil die Einbehaltung der Lohnsteuer bei Arbeitnehmern nur durch Abzug an der Quelle möglich erscheine und ein solches Verfahren bei veranlagten Steuerpflichtigen ausscheide. Etwaige Mängel bei der Handhabung des Veranlagungsverfahrens, die auf eine Überbelastung der Finanzverwaltung zurückzuführen seien, beeinträchtigten die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung nicht. Die Gewährung eines besonderen Arbeitnehmerfreibetrags, durch welchen Zinsnachteile des Arbeitnehmers ausgeglichen werden sol95 96 97

BVerfG Beschluss v. 8.10.1991, 1 BvR 50/86, BVerfGE 84, S. 348, 362. BFH Urteil v. 23.6.1967, VI B 16/67, BStBl. III 1967, S. 531, 532. BVerfG Beschluss v. 19.10.1967, 1 BvR 477/67, DB 1967, S. 2053 f.

II. Gleichheitsrechtliche Problematik beim Arbeitnehmer

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len, fiele in das Gestaltungsermessen des Gesetzgebers, das vom BVerfG nicht näher nachgeprüft werden könne. Während der BFH einer abschließenden Stellungnahme zu der Frage ausweicht, ob das Steuerabzugsverfahren bei Arbeitnehmern das Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, hat das BVerfG klar ausgesprochen, dass die gesetzliche Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Seine oben angeführte fehlerhafte Auffassung hat der BFH später selbst geändert. Anlässlich eines Beschluss vom 29.4.1992 überprüfte der BFH nicht nur die vorliegende verfassungsrechtliche Problematik, sondern bejahte zudem einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die Lohnsteuerzahler erlitten hatten, im Ermäßigungsverfahren nur mit Einschränkungen geltend gemacht werden könnten, während veranlagte Besteuerte diese Beschränkungen nicht betreffe98. Die Position der Rechtsprechung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die Frage, ob die geltende Rechtslage im Lohnsteuerverfahren den Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen Einkommensteuerzahlern benachteiligte, ist zwar sowohl vom BVerfG als auch vom BFH bejaht worden. Es besteht jedoch eine Tendenz zu dem Ergebnis, die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern im Vergleich zu den veranlagten Steuerpflichtigen im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Steuergesetzgebers in Kauf zu nehmen. Die Ungleichbehandlung des Lohnsteuerpflichtigen im Verhältnis zu dem veranlagten Einkommensteuerschuldner halt das BVerfG grundsätzlich für unbedenklich99. Die Kritik in der Lehre an dieser Begründung der Verfassungsmäßigkeit der vorliegenden Ungleichbehandlung hat nicht lange auf sich warten lassen: Tipke hat sich in einem Aufsatz zur fragwürdigen Gestaltungsfreiheit des Steuergesetzgebers geäußert100. In diesem schreibt er, dass während Gesetzgeber und Verwaltung den Arbeitnehmern voll misstrauten, vertrauten sie hingegen den Beziehern von anderen Einkunftsarten voll, soweit sie nicht dem Quellenabzug unterlägen. Selbst Rentnern, die ursprünglich auch Arbeitnehmer waren, vertraue die Steuerverwaltung grenzenlos. Es gebe keine ausreichende Begründung dafür, warum Arbeitnehmer plötzlich totales Vertrauen verdienen, wenn sie das Rentenalter erreichten. Da der Quellenabzug neben der Kontrollmitteilung durch Dritte das effizienteste Mittel der Steuererhebung sei, seien die Arbeitnehmer, was den Belastungserfolg betreffe, wegen der außergewöhnlichen Effizienz gegenüber Nichtarbeitnehmern benachteiligt101. Das gelte auch gegenüber Unternehmern, die der Außenprüfung unterlägen, die aber weniger exten98

BFH Urteil v. 29.4.1992, VI B 152/91, BStBl. II 1992, S. 752 ff. Drenseck, StuW 1991, S. 233. 100 Tipke, BB 1986, S. 601 ff. 101 Tipke, StRO II, S. 703 f. 99

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

siv und nur lückenhaft durchgeführt werde, während der Lohnsteuerabzug durch die Außenprüfung stets kontrolliert werde. Am Beispiel der Schweiz ließe sich veranschaulichen, dass eine effektive Einkommensbesteuerung auch ohne einen Lohnsteuerabzug möglich sei. Da in Deutschland an diesem festgehalten würde, sei Arbeitnehmern ein kompensatorischer Freibetrag für die mit dem Lohnsteuerabzugsverfahren verbunden Nachteile zu gewähren, um die faktische Belastungsgleicheit herzustellen102. Trzaskalik kritisierte insbesondere die differenzierte Behandlung des Lohnsteuerabzugs zum Veranlagungs- und Vorauszahlungsverfahren beim Ermäßigungsverfahren nach § 39a EStG. Der Unterschied zwischen Lohnsteuerabzugsund Vorauszahlungsverfahren bedürfte einer Rechtfertigung, die für ihn nicht erkennbar sei103. Trzaskalik hat zugleich die Geeignetheit des Quellenabzugs als Mittel zur Sicherung des Steueraufkommens bezweifelt. Da die Lohnsteuererhebung im Wege des Quellenabzugs im Wesentlichen dem Arbeitgeber anvertraut sei, dürfe die Versuchung nicht unterschätzt werden, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einverständlich vom Steuereinbehalt absehen104. Wie oben ausgeführt findet eigene Bewertung zur Frage, ob der gegenwärtige Lohnsteuerabzug verfassungsmäßig ist, erst statt, wenn die Verbesserungsmöglichkeiten und Alternativen zum gegenwärtigen Lohnsteuerverfahren untersucht werden.

III. Möglichkeiten zur Verbesserung des deutschen Lohnsteuerverfahrens und Alternativen 1. Verbesserungsmöglichkeiten im Rahmen des geltenden Verfahrens Um die oben dargestellten Probleme beim Lohnsteuerquellenabzug zu beseitigen, besteht zunächst die Möglichkeit den gegenwärtigen Quellenabzug der Lohnsteuer beizubehalten und zu optimieren. Diese Lösung geht von der Überzeugung aus, dass Steuerreformen überhaupt nur dann Aussicht auf Erfolg haben können, wenn sie auf der Grundlage des bestehenden Rechts aufbauen105. Verbesserungsmöglichkeiten sind in zwei Richtungen ausgerichtet: Einerseits ist der Quellenabzug in der vorgegeben Art zu vereinfachen, um den in Dienst genommenen Arbeitgeber zu entlasten, anderseits ist die Vorauszahlung der Einkommensteuer für Selbständige der Behandlung des Arbeitnehmers im Lohn-

102 103 104 105

Tipke, StRO II, S. 864 f. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A16 ff., § 39a Rdn. A4. Trzaskalik, in: K/S/M EStG, § 38 Rdn. A106. Vgl. Lang u. a., Kölner Entwurf, Vorwort.

III. Verbesserung des deutschen Lohnsteuerverfahrens

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steuerverfahren anzupassen, um die steuerliche Ungleichbehandlung zwischen Lohnsteuerzahlern und veranlagten Einkommensteuerzahlern zu beseitigen. a) Vereinfachte Quellenbesteuerung mit Prozentsatzverfahren Bereits seit langem wird über Möglichkeiten zur Reform des gegenwärtigen Lohnsteuerverfahrens diskutiert. Ziel dieser Bemühungen ist stets, das Verfahren der Quellenbesteuerung zu vereinfachen. Grundlegende Änderungen wurden von der Steuerreformkommission 1971 vorgeschlagen106. Ausgangspunkt der Steuerreformkommission 1971 war die Beseitigung des Problems, dass die zutreffende Besteuerung in unökonomischer Form zu Beginn des Jahres durch das Ermäßigungsverfahren und zum Ende des Jahres durch den Lohnsteuer-Jahresausgleich doppelt zu berechnen war. Um dieses Ziel zu erreichen wurden zwei Modelle einer einfacheren Besteuerung vorgeschlagen: der eine Ansatz bestand in der Idee das Ermäßigungsverfahren einzuschränken oder wegfallen zu lassen, der andere Ansatz lief auf das Ziel eines allgemeinen Veranlagungsverfahrens für Arbeitnehmer hinaus. Die Kommission war mehrheitlich der Meinung, die allgemeine Arbeitnehmerveranlagung sei besser geeignet, eine einfachere Besteuerung zu gewährleisten107. Die Vereinfachung des Quellenabzugs sollte idealerweise durch ein sog. Prozentsatzverfahren erfolgen108. Dabei sollte einer durch das Finanzamt auszustellenden Steuerabzugsbescheinigung die zentrale Rolle zukommen. Diese Steuerbescheinigung sollte alle durch den Arbeitnehmer abgegebenen, für den Lohnsteuerabzug erforderlichen Angaben enthalten und an die Stelle der bisherigen, von den Gemeindebehörden erteilten Lohnsteuerkarte treten und die formelle Besteuerungsgrundlage bilden. Auf der Grundlage der auf der Steuerbescheinigung enthaltenen Angaben würde ein Prozentsatzverfahren durchgeführt, in dem der Arbeitgeber einen fest definierten Prozentsatz als Steuerabzug einzubehalten hätte. Dieser Prozentsatz drückte das Verhältnis der veranlagten Einkommensteuer zum Jahresarbeitslohn aus, würde also eine möglichst genaue Vorausberechnung des zu erwartenden Gesamtarbeitslohns des Jahreszeitraums voraussetzen. In Anlehnung an das britische pay-as-you-earn-System (PAYE) schlägt Neuhoff ein ähnliches Prozentsatzverfahren wie folgt vor109: für alle Lohnsteuerpflichtigen werde regelmäßig einmal im Jahr vom Finanzamt ein Prozentsatz festgelegt, der neben der „code-number“ im britischen PAYE-System dem Ar106 Überblick des Entwurfs der Steuerreformkommission 1971 s. Kieschke, DB 1973 S. 1688 f. 107 Gutachten der Steuerreformkommission 1971 Teil II, Rdn. 757 ff. 108 Gutachten der Steuerreformkommission 1971 Teil II, Rdn. 796 ff. 109 Neuhoff, S. 105 f.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

beitgeber zugeleitet wird und in dessen Höhe dieser jeweils den Lohnsteuerabzug vom Bruttolohn vornehme. Anknüpfungspunkt für diesen Prozentsatz sei der dem Steuerbescheid zugrundeliegende Prozentsatz, der bei der Besteuerung im vergangenen Jahr Anwendung finde. Der Prozentsatz sei unter Beachtung der steuerrelevanten Umstände des Steuerpflichtigen zu ermitteln. Zukünftige Veränderungen bei der Höhe von Löhnen könnten durch die Anwendbarkeit verschiedener Prozentsätze für verschiedene Einkommen von Steuerpflichtigen von vornherein berücksichtigt werden. Auch der Arbeitnehmer selbst könnte im Verlaufe des Kalenderjahres eine Veränderung des der Quellenbesteuerung zugrunde liegenden Prozentsatzes beantragen. b) Kölner Entwurf eines EStG Der Kölner Entwurf eines Einkommensteuergesetzes strebt nicht nur eine Verfahrensvereinfachung zur Entlastung des in Dienst genommenen Arbeitgebers beim Quellenabzug an, sondern ist auch darauf gerichtet, die Nachteile zu beseitigen, die sich aus der Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern und Selbständigen ergeben. Der Kölner Entwurf sieht eine umfassende Quellenbesteuerung vor, deren Skaleneffekt durch eine einheitliche Erfassung des Abzugspflichtigen von einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle an der Quelle entstanden ist. Diese Erhebungsform gelte deshalb nicht nur bei Lohneinkünften, sondern auch bei Kapital- und Renteneinkünften110. Dem Quellenabzugsverfahren unterlägen somit nach § 42 Abs. 1 des Kölner Entwurfs (im Folgenden: EStG-E) insgesamt vier Einkunftsarten: Arbeitslöhne, Kapitalerträge, bestimmte Auszahlungen im Sinne von § 48 S. 1 EStG-E und Einnahmen von Nichtansässigen. Auch im Kölner Entwurf wird ein Quellenabzugverfahren mit einem festen Proportionalsteuersatz vorgeschlagen, jedoch mit dem Unterschied zum Steuerreformvorschlag 1971, dass nur ein allgemeiner Steuersatz i. H. v. 20% der Auszahlungen gilt (§ 42 Abs. 3 EStG-E), soweit sich nicht aus dem § 45 Abs. 2 EStG-E etwas anderes ergibt. Im Gegensatz zum geltenden Quellenabzugsverfahren sieht der im Kölner Entwurf enthaltene Vorschlag ein einheitliches Steuerabzugssystem mit einem einheitlichen Steuersatz für alle Abzugsteuern vor (§§ 41 bis 49 EStG-E). Ähnlich wie beim Vorschlag der Steuerreformkommission 1971 ist eine durch das Wohnsitzfinanzamt ausgestellte, dem Arbeitgeber direkt und dem Steuerschuldner in Kopie zugeleitete Steuerabzugsbescheinigung anstelle der bisherigen, von den Gemeindebehörden erteilten Lohnsteuerkarten Herzstück des vorgeschlagenen Quellenabzugs. Wie oben ausgeführt wird ein allgemeiner Steuer110

Lang u. a., Kölner Entwurf, Rdn. 157.

III. Verbesserung des deutschen Lohnsteuerverfahrens

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satz vorgeschlagen, abweichend von diesem sei allerdings ein individueller Durchschnittssteuersatz möglich. Der Durchschnittssteuersatz könnte nämlich in Bezug auf die Einkommensteuerschuld des vereinzelten Steuerschuldners auf der Grundlage der dem Wohnsitzfinanzamt bekannten Tatsachen errechnet werden (§ 45 Abs. 2 S. 1 EStG-E). Dadurch werden konkrete Umstände des Steuerschuldners individuell berücksichtigt, sowohl die persönlichen Verhältnisse, wie z. B. Ehegatten, Kinder und mehrere Einkunftsquellen, als auch starke Schwankungen der Bezüge, etwa bei Arbeitslosigkeit. Die Steuerschuld wird also sehr viel individueller berechnet als auf der Grundlage der starren geltenden Regelungen der §§ 39b bis 39d EStG111. Das Wohnsitzfinanzamt erteilt eine Nichtabzugsbescheinigung, wenn der Durchschnittssteuersatz null Prozent beträgt. Entsprechend der Individualisierung der Quellenbesteuerung führte der Steuerabzugspflichtige für jeden Steuerschuldner ein Steuerabzugskonto (§ 42 Abs. 6 EStG-E), auf welchem er die Einnahmen und Steuerabzüge für den Steuerschuldner unter dessen Steuernummer aufzeichne. Diese Verpflichtung, Steuerabzugskonten zu führen, sowie die Pflicht, Bewegungen auf diesen Konten zu dokumentieren, seien keine neuen Lasten für Arbeitgeber, weil er ohnehin gemäß § 41a EStG verpflichtet ist, ein Lohnkonto zu führen112. Die Steuernummer, die der natürlichen Person mit dem Eintritt in eine Steuerpflicht zugeteilt werde, gelte bundeseinheitlich auf Lebenszeit113. Im Kölner Entwurf wird in § 50 Abs. 4 EStG-E ein maschinell zu bearbeitender Entwurf für eine Steuererklärung vorgeschlagen, der neben den Grunddaten des Steuerpflichtigen auch die der Finanzverwaltung bekannten Besteuerungsgrundlagen für die individuelle Besteuerung des Arbeitnehmers enthalten soll114. Dieser Entwurf sei eine vorläufige Steuerberechnung durch die Finanzbehörde. Im besten Fall bestätige der Steuerschuldner den Entwurf per Mausklick und erfülle auf so einfache Art seine Pflicht, seine Steuererklärung abzugeben115. Fehlen die Bemessungsgrundlagen, sind sie nicht vollständig oder fehlerhaft, so seien sie vom Steuerschuldner selbst zu ergänzen oder zu korrigieren, Diese unter der Steuernummer des Steuerschuldners gespeicherten Daten bildeten wiederum die Grundlage des Durchschnittssteuersatzes auf der Abzugsbescheinigung (§ 45 Abs. 2 EStG-E). Um die Gleichbehandlung bei der Besteuerung von Arbeitnehmern und Selbständigen zu gewährleisten, finde die Vorauszahlung der Einkommensteuer kalendermonatlich statt (§ 56 Abs. 2 S. 1 EStG-E), weil die Abzugsteuern eben111 112 113 114 115

Lang u. a., Kölner Entwurf, Rdn. 503. Lang u. a., Kölner Entwurf, Rdn. 158. Seer, FR 2004, S. 1037. Seer, FR 2004, S. 1037. Lang u. a., Kölner Entwurf, Rdn. 161.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

falls kalendermonatlich einzubehalten seien (§ 42 Abs. 4 EStG-E). Die vom Wohnsitzfinanzamt festgesetzte Bemessungsgrundlage der Vorauszahlung vom Steuerschuldner ergebe sich aus den für den Einkommensteuerbescheid des vergangenen Jahres festgestellten Tatsachen (§ 56 Abs. 1 S. 1 EStG-E). Diese dem Wohnsitzfinanzamt bekannten Tatsachen bildeten die Grundlage des auf der Abzugsbescheinigung enthaltenen Durchschnittssteuersatzes des Steuerschuldners zum Quellenabzug im folgenden Jahr (§ 45 Abs. 2 S. 1 EStG-E). 2. Allgemeine Kontrollmitteilung Es ließe sich andererseits die Überlegung anstellen, das gegenwärtige Lohnsteuerverfahren gänzlich abzuschaffen und durch die Einführung einer allgemeinen Kontrollmitteilung – wie sie in der Schweiz116 oder in Frankreich117 praktiziert wird – zu ersetzen. In diesen Staaten unterliegt der Arbeitslohn inländischer Arbeitnehmer nicht dem Quellenabzugsverfahren. Zur näheren Erläuterung dient das Beispiel des Schweizer Rechts: Dem Schweizer Recht ist der Quellenabzug auch im Kontext mit Kapitalerträgen fremd. Es kennt ihn gemäß Art. 83 ff., 91 ff. des schweizerischen Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (im Folgenden: DBG) lediglich für Steuerpflichtige mit Auslandsbezug und für Steuerausländer118. Es besteht die allgemeine Überzeugung, dass durch die Verpflichtung Dritter, insbesondere Arbeitgeber, Lohnverhältnisse gegenüber dem Finanzamt zu bescheinigen, ein erheblich effektiveres Kontrollsystem als in Deutschland aufgebaut worden sei119. Der Arbeitgeber ist danach verpflichtet, gegenüber dem Arbeitnehmer als Steuerpflichtigen bezüglich der diesem geleisteten Vergütungen eine Lohnbescheinigung gemäß Art. 127 Abs. 1 Buchst. a DBG auszustellen. Die Steuerpflichtigen, also auch Arbeitnehmer, werden gemäß Art. 124 Abs. 1 DBG aufgefordert, durch öffentliche Bekanntgabe oder Zustellung der Formulare die Steuererklärung einzureichen. Gibt er eine Steuererklärung ab, so hat der Steuerpflichtige den „Lohnausweis“ des Arbeitgebers gemäß Art. 125 Abs. 1 Buchst. a DBG beizulegen. Unzulänglichkeiten dieses Systems, insbesondere solche die einen Ausfall von Forderungen und einen erhöhten Bedarf an Vollstreckung mit sich bringen, sind nicht bekannt120. Somit zeigt das Beispiel der Schweiz, dass eine effektive 116

Tipke, in: FS für Kruse, S. 224. Hendel, S. 63 f. 118 Das schweizerische Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer findet sich unter der Webseite http://www.admin.ch/ch/d/sr/642_11/index.html#id4 (Stand: 16.12. 2005). 119 Tipke, in: FS für Kruse, S. 224. 120 Tipke, in: FS für Kruse, S. 224. 117

III. Verbesserung des deutschen Lohnsteuerverfahrens

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Besteuerung von Lohneinkünften auch ohne einen Quellenabzug funktionieren kann. Tipke erhebt hieraus die grundsätzliche Forderung, dass es der Gleichmäßigkeit der Durchsetzung des Steueranspruchs – unabhängig von den Einkunftsarten – dienen würde, wenn die Lohnsteuer auch in Deutschland abgeschafft würde und Arbeitnehmer dem Finanzamt zusammen mit der Steuererklärung eine Lohnbescheinigung einzureichen hätten. Arbeitnehmer würden dabei nicht mehr Misstrauen verdienen als andere Steuerpflichtige. Bei einer Kontrollmitteilung spiele deshalb die Bescheinigung des Arbeitgebers über Lohneinkünfte des Arbeitnehmers eine entscheidende Rolle. Es sei auch zu empfehlen, dass die Lohnbescheinigungen direkt dem Finanzamt zugeleitet würden121. Hey bezweifelt ganz allgemein, ob der Quellenabzug eine geeignete Methode ist, die sichere Erhebung von Steuern zu gewährleisten122. Während Seer den Quellenabzug in den Fällen als sinnvoll betrachtet, wo eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle bereits an einer Quelle erfasst werden kann123, vertritt sie grundsätzlich die Meinung, dass der Quellenabzug als Erhebungstechnik nur in den Fällen sinnvollerweise in Betracht kommen könnte, in denen ein Steuerpflichtiger im Wesentlichen nur über eine einzige Einkommensquelle verfüge und daher den individuellen Verhältnissen bereits bei der Vornahme des Abzugs Rechnung getragen werden könne, oder wenn das Verhältnis zwischen Einnahmen und zu versteuerndem Einkommen relativ konstant sei, so dass eine Bemessung des Abzugs anhand der Bruttoeinnahmen möglich sei, ohne dass Übersicherungen in größerem Stil zu befürchten seien. Lässt sich hingegen das Verhältnis zwischen Einnahmen und zu versteuerndem Einkommen nur individuell ermitteln, so sei ein Quellenabzug mit festem Proportionalsatz grundsätzlich ungeeignet124. Zudem sei ein Quellenabzug besonders problematisch, wenn er von dem Abzugsverpflichteten komplexe Ermittlungen des steuerpflichtigen Sachverhalts fordert, ohne dass der Steuerschuldner nicht zur Mitwirkung der eigenen Steuerschuld verpflichtet ist. Aufgrund all dessen seien Meldepflichten zwar mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden, soweit sie sich nach der geltenden Gesetzeslage nicht automatisieren lassen, schienen sie aber das Ziel der vollständigen und gleichmäßigen Erhebung von Steuern besser zu erreichen als der Quellenabzug und den damit verbundenen hohen Verwaltungsaufwand zu rechtfertigen125.

121 122 123 124 125

Tipke, in: FS für Kruse, S. 225. Vgl. Hey, in: FS für Kruse, S. 284. Vgl. Seer, FR 2004, S. 1042. Vgl. Hey, in: FS für Kruse, S. 285. Hey, in: FS für Kruse, S. 293.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

3. Umfassende Quellenbesteuerung mit starren Prozentsätzen – Das taiwanische Modell Denkbar wäre auch, sich am Beispiel einiger südeuropäischer Länder126 zu orientieren und die Quellenbesteuerung auch auf andere Sachverhalte wie Mieten, Provisionen und sonstige Einkunftsarten auszudehnen. So ließe sich eine gleichheitsrechtliche Problematik bezüglich einer Vielzahl von Steuersachverhalten vermeiden, soweit auch diese dem Quellenabzug unterlägen. Auch in Taiwan ist eine Vielzahl von Besteuerungssachverhalten der Quellenbesteuerung unterworfen. Da nämlich in Taiwan die Besteuerung im Wege des Quellenabzugs wesentlich umfassender als in Deutschland ist, werden sämtliche Geldauszahlungen, die durch Behörden, Organisationen, Gewerbebetrieb und Freiberufler vorgenommen werden, dem Quellenabzugsverfahren unterworfen. Dies setzt allerdings voraus, dass das Verfahren des Quellenabzugs einfach ausgestaltet ist, da sonst der zur Einbehaltung und Abführung verpflichtete Abzugspflichtige zu unverhältnismäßig schwierigen Aufgaben herangezogen wird. Um dies zu erreichen wird der Abzug in Höhe starrer Prozentsätze vorgenommen, ohne die individuellen Verhältnisse des Steuerschuldners oder dessen Jahressteuerschuld zu berücksichtigen. Neben dem umfassenden Quellenbesteuerungs- ist ein Kontrollmitteilungssystem in Form einer Mitteilungspflicht Abzugspflichtiger vorgesehen. Der Abzugspflichtige hat gemäß § 92 Abs. 1 twEStG nach Ablauf des Kalenderjahres eine Steuerbescheinigung sowohl gegenüber dem betroffenen Steuerschuldner als auch gegenüber dem zuständigen Finanzamt auszustellen. Auf der Bescheinigung ist der für die im vergangenen Kalenderjahr entrichtete Einkommensteuer relevante Sachverhalt anzugeben, also ausgezahlte Gesamtbeträge, sämtliche Steuerabzüge und die diesbezüglichen Einkunftsarten. Im Veranlagungsverfahren sind diese Steuerbescheinigungen als Nachweis über Art und Höhe des Einkommens des Steuerschuldners beizufügen. Die Abzüge bezüglich aller Einkunftsarten werden – wie im deutschen Recht – auf die zu entrichtende Einkommensteuer angerechnet. Anders als im deutschen Recht hat der taiwanische Steuerschuldner bei der Veranlagung nicht nur den steuerrelevanten Sachverhalt zu erklären, sondern auch die im vergangenen Kalenderjahr geschuldete Einkommensteuer selbst zu berechnen, vor dem Zeitpunkt der Anmeldung zu entrichten und erst im Abschluss an das Finanzamt anzumelden. Die vom Finanzamt unterschriebene Quittung zur Steuerentrichtung ist beizufügen. Unter einer landesweit geltenden Identitätsnummer, die für Steuerschuldner lebenslang gilt, überprüft die Finanzbehörde, ob der Steuerschuldner den relevanten Sachverhalt zutreffend erklärt, die individuelle Einkommensteuer richtig berechnet und entrichtet hat. Falls 126

Vgl. Hey, in: FS für Kruse, S. 284, Fn. 90.

IV. Stellungnahme

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hierbei Fehler unterlaufen sind, also zu geringe Steuerbeträge entrichtet werden, erlässt das Finanzamt gegenüber dem Steuerschuldner einen Steuerbescheid. Auf der Grundlage des Steuerbescheids wird eine Nachzahlung der Einkommensteuer vom Finanzamt verlangt. Im umgekehrten Fall, wenn also ein Überschuss verbleibt, wird dieser nach der Anmeldung der Einkommensteuer durch den Steuerschuldner ohne Erlass eines Steuerbescheids direkt durch das Finanzamt erstattet. Da der Abzugssatz für die Lohneinkünfte bei ansässigen Arbeitnehmern mit 10% grundsätzlich niedriger festgesetzt ist als die progressiven Teilmengenstaffeltarife der Einkommensteuer (7%, 13%, 21%, 35%, 40%) und die durchschnittliche Steuerbelastung der Steuerbürger (2001) etwa 13% vom Bruttoinlandprodukt beträgt127, hat der Steuerschuldner in der Regel im Veranlagungsverfahren noch die ihm verbleibenden Steuerbeträge an das Finanzamt zu entrichten.

IV. Stellungnahme 1. Über die Rechtfertigung des gegenwärtigen Lohnsteuerabzugs Die Argumentation, der Arbeitgeber werde einfach aufgrund der Zugriffsmöglichkeit auf den finanziellen Zufluss der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer bei der Steuererhebung in Dienst genommen, ist nicht überzeugend. Diese Zugriffsmöglichkeit rechtfertigt nicht, warum der Arbeitgeber gesetzlich als Abzugspflichtiger in Dienst genommen werden muss. Ein Mieter ist beispielsweise bei der Auszahlung der Miete trotz seiner gleichwertigen Zugriffsmöglichkeit nicht verpflichtet, für die Rechnung des Vermieters dessen Einkommensteuer auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einzubehalten und abzuführen. Der Arbeitgeber hat in steuerrechtlicher Hinsicht ebenso wenig ein besonderes Näheverhältnis wie Mieter bei der Bezahlung der Miete. Außerdem ist diese Begründung keine ethische Legitimierung und darf deshalb nicht zu sehr in den Vordergrund treten. Ein überzeugendes Argument ist jedoch die ökonomische Rationalität der Erhebung, die insbesondere bei den Massenfällen wie der Lohnsteuer von Bedeutung ist128. Zudem gibt der Sachverhalt, dass der Arbeitgeber die Zugriffsmöglichkeit auf die Lohnauszahlungen hat, dem Staat allein einen Ansatz, ihn anstelle der Steuerschuldner zu verpflichten und mithin das Lohnsteuerverfahren einzuführen. Aus dem historischen Kontext des Jahres 1920 lässt sich verste-

127 Vgl. Statistik des Finanzministeriums über die Besteuerung bezogen auf das Jahr 2003, http://www.mof.gov.tw/public/Data/statistic/Year_Tax/92/41170.htm#P0 (Stand: 16.12.2005). 128 Zur ökonomischen Rationalität des Lohnsteuerabzugs als Erhebungstechnik s. Hahn, Problematik, S. 35 f.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

hen, dass diese ökonomische Rationalität in Zeiten angespannter Kassen ganz besonders stark ausgeprägt ist. Die hier erreichte Rationalisierung der Lohnbesteuerung, insbesondere die Minimierung von Verwaltungskosten bei den Finanzämtern, führt deshalb zur eigentlich zentralen Legitimation des Lohnsteuerquellenabzugs. Diese pragmatische Überlegung, die Lohnbesteuerung möglichst praktikabel zu gestalten, ist weiterhin die wesentliche Legitimierung für die Beibehaltung des Quellenabzugs, weil die Finanzverwaltung dadurch deutlich entlastet wird, wenngleich der Sicherungszweck wegen seiner hohen Wertigkeit bei diesbezüglichen Ansätzen zur Legitimierung des gegenwärtigen Lohnsteuerverfahrens im Vordergrund gestellt werden sollte. Ob und inwieweit der Quellenabzug den Skaleneffekt im Lohnsteuerverfahren verwirklicht, kann nur unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten mit nachvollziehenbaren Tabellen und Zahlen geprüft werden. Eine solche Prüfung sprengt den Rahmen einer juristischen Abhandlung. Gegenstand einer juristischen Prüfung ist jedoch, ob der gewollte Skaleneffekt unter Abwägung der Verhältnismäßigkeit in zulässiger Weise in die Freiheitssphäre der betroffenen Personen eingreift. Rein ökonomische Gesichtspunkte dürfen nämlich nicht dazu führen, dass Betroffene unverhältnismäßig belastet oder willkürlich benachteiligt werden. Selbst der Finanzbedarf des Staats rechtfertigt keine willkürliche Unterscheidung zwischen bestimmten Steuerschuldnern und keine unverhältnismäßige Belastung der Bürger. Er verlangt vielmehr im Gegenteil eine gleichmäßige Belastung aller129. Die Beantwortung der Frage der Verhältnismäßigkeit steht mit der erwähnten ökonomischen Untersuchung im Zusammenhang. Daher kann die gegenständige Frage, ob der Quellenabzug überhaupt wegen seines Skaleneffekts weiterhin beizubehalten ist, nicht abschließend bestimmt werden, wenn man die Bestätigung der ökonomischen Prämisse nicht unterstellt130. Juristisch ist allerdings noch überprüfbar, welche Alternativen und Verbesserungsmöglichkeiten zur gegenwärtigen Ausgestaltung des Quellenabzugs bestehen. Das BVerfG führt in seinem Beschluss vom 8.10.1991131 allerdings an, dass die Tatsache allein keinen ausreichenden Rechtfertigungsgrund darstellt, dass das Lohnsteuerverfahren in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung eine unverzichtbare Form der Steuererhebung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist.

129

Prokisch, in: FS für Vogel, S. 293 (307). Wegen des Skaleneffekts befürworten die Verfasser des Kölner Entwurfs die Beibehaltung des Quellenabzugs s. Lang u. a., Kölner Entwurf, Rdn. 157; Seer, FR 2004, S. 1042; a. A. Hendel, S. 64, nach dem es unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten auch gute Argumente für eine Abschaffung des Quellenabzugs gebe. 131 BVerfG Beschluss v. 8.10.1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, S. 363. 130

IV. Stellungnahme

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2. Über den Reformbedarf des geltenden Lohnsteuerverfahrens Ausgangspunkt ist die Zielsetzung, die der Gesetzgeber mit dem gegenwärtigen Quellenabzug verwirklichen wollte. Die Rationalität der Zweck-MittelRelation ist durch die Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit zu konkretisieren und zu prüfen132. Wie oben ausgeführt ist neben der Sicherstellung des Lohnsteueraufkommens eine Vereinfachung der Steuererhebung vom Gesetzgeber beabsichtigt [s. 1. Kapitel II. 2.]. Aus den Grundrechtnormen und dem Rechtsstaatsprinzip ist der Staat verpflichtet, den Indienstgenommenen verhältnismäßig zu belasten. Allgemein gesehen ist der Quellenabzug geeignet zur Erreichung dieser Zielersetzung, nämlich mit dem wenigen Verwaltungsaufwand die Sicherung des Steueraufkommens zu erreichen, da dieses durch die Dienste eines Dritten unmittelbar an der Steuerquelle erfasst wird. Für die Feststellung der Erforderlichkeit des Quellenabzugs zur Zielerreichung des Gesetzgebers kommt es – wie oben ausgeführt – auf eine ökonomische Untersuchung an, ob der Quellenabzug praktisch als eine unverzichtbare Erhebungsform für die Massenfälle wie die Lohnsteuer angenommen werden kann. Ungeachtet dessen ist es fragwürdig, ob eine Unentgeltlichkeit der Indienstnahme auch für die Erreichung der Zielsetzung des Gesetzgebers erforderlich ist. Die Entgeltlichkeit der Indienstnahme eines an der Steuerquelle stehenden Dritten, also des Abzugspflichtigen, verwirklicht die Zielsetzung des Gesetzgebers ebenso effizient wie die unentgeltliche Indienstnahme, jedoch mit einem geringeren staatlichen Eingriff in den Freiheitsraum des betroffenen Abzugspflichtigen. Es bleibt ansonsten das widersprüchliche Ergebnis, dass der Arbeitgeber unentgeltlich Lohnsteuer (Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschlag) von den Arbeitnehmern einbehält und abführt und damit jährlich mit Lohnsteuererhebungskosten belastet wird, während der Staatsfiskus für die bloße Weiterleitung der ihm zugeführten Kirchensteuer von den Kirchen eine beträchtliche Inkassogebühr erhebt133. In einer pauschalen Weise – sei es nach der Unternehmensgröße, sei es nach dem abgeführten Steuerbetrag – ist die Berücksichtung der Lohnsteuererhebungskosten praktisch möglich, die der Abzugspflichtige beim Quellenabzugsverfahren trägt. Die Arbeit beim Ermäßigungsverfahren gemäß § 39a EStG und die beim Lohnsteuer-Jahresausgleich gemäß § 42b EStG führt außerdem zu einer nicht erforderlichen Belastung des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren. Hinzu kommt, dass die bisherigen gesetzgeberischen Bemühungen, die individuellen Verhältnisse von Steuerschuldnern möglichst beim Quellenabzug zu berücksich132 133

Lang, in: T/L StR, § 4 Rdn. 209. Felix, BB 1995, S. 1929; Geißler, S. 46 f.

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

tigen, zu einer Verkomplizierung der Vorschriften des Verfahrens zu Lasten der Arbeitgeber geführt haben. Aufgrund dessen ist die Indienstnahme des Arbeitgebers ohne Entgelt aus verfassungsrechtlicher Sicht her problematisch. Ebenfalls ist es fragwürdig, ob ein steuerlicher Eingriff in Form einer Erfolgshaftung des Arbeitgebers für die erwähnte Zielerreichung verhältnismäßig ist134. Allein der Sanktionscharakter der Haftung, dass nämlich der Abzugspflichtige nur mit seinem Verschulden bei der Pflichtverletzung für den Fehlbetrag der Lohnsteuer haftet, ist ausreichend, den Betroffenen zu zwingen, das Quellenabzugsverfahren durchzusetzen. Eine verschuldensabhängige Haftung dient der Sicherung des Lohnsteueraufkommens wie bei einer Erfolgshaftung des Arbeitgebers, allerdings mit einem geringeren Eingriff. Demzufolge ist eine ausdrückliche Rechtsnorm für eine Haftung des Arbeitgebers mit dem Verschulden verfassungsrechtlich geboten. Ferner ist es ersichtlich, dass der doppelte Aufwand bei Gemeindebehörden und bei Finanzämtern für die Ermittlung des steuerrelevanten Sachverhalts von Steuerschuldner ebenfalls keinen Sinn macht. Aufgrund all dessen bedarf das gegenwärtige Lohnsteuerverfahren zwingend einer Verbesserung. Das geltende Lohnsteuerverfahren bedarf nämlich einer grundlegenden Vereinfachung des Quellenabzugs. 3. Vergleich zwischen unterschiedlichen Modellen Gegen das taiwanische Modell spricht der unhaltbare Zustand, dass die individuellen Verhältnisse von Steuerschuldnern bei einer starren Regelung des Quellenabzugs mit fixen Prozentsätzen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Im Ergebnis führt sie stets zu einer Über- bzw. Untersicherung der Steuerschuld. Dazu fehlt eine ausreichende Begründung, warum ein Steuerschuldner, dessen Einkommen während des laufenden Kalenderjahres unterhalb des Existenzminimums liegt, für den weiteren Verlauf des bereits begonnenen Kalenderjahres weiterhin dem Quellenabzug unterliegt. Ebenso ist nicht verständlich, wieso Steuerpflichtige mit einem Spitzeneinkommen gegenüber anderen Steuerpflichtigen privilegiert werden. Die Abzugsrate aller Einkünfte variiert je nach der Höhe zwischen 6% und 30% der jeweiligen Einkünfte. Somit kann der Spitzensteuersatz i. H. v. 40% beim Quellenabzug keine Anwendung finden. Der Überschussbetrag ist somit erst bei einem Ausgleich zwischen Steuerschuldner und Finanzamt der Anmeldung der Einkommensteuer zu begleichen.

134 Gl. A. Hahn, Problematik, S. 58 f.; eine ähnliche Auffassung vertritt Hey bei der Indienstnahme der Banken für Kapitalertragsteuer, s. Hey, FR 1998, S. 505.

IV. Stellungnahme

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Hinzu kommt, dass aus Gründen der Praktikabilität nur die Auszahlungen von bestimmten institutionellen Steuerpflichtigen, wie z. B. Behörden, Organisationen, Gewerbebetrieben und Freiberuflern, so gut wie ausnahmslos erfasst werden. Hingegen wird eine Einbeziehung des Sachverhalts einer Auszahlung durch die nichtinstitutionellen Privatpersonen unterlassen. Bei der Auszahlung durch diese Privatpersonen kommt es einzig darauf an, ob die Steuerschuldner ehrliche Angaben bezüglich ihres steuerpflichtigen Einkommens machen. Dies führt zu der Verlockung gewisse Angaben zu „vergessen“, mithin insbesondere bei Beschäftigungsverhältnissen im Haushalt in Wirklichkeit „Schwarzarbeit“ zu leisten. Diese Ungleichheit zwischen Auszahlungen, die durch Institutionen erfolgen, und solche, die durch Nicht-Institutionen erfolgen, lässt sich nicht durch Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen. Der Schwerpunkt des von der Steuerreformkommission 1971 vorgeschlagenen Prozentsatzverfahrens besteht in einer beabsichtigen Vereinfachung, die sich an dem Ziel orientiert, den Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren zu entlasten. Diese Vereinfachung beseitigt allerdings nicht die Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen. Aufgrund dessen enthält das Ziel eines vereinfachten Quellenabzugs auch der Kölner Entwurf, dessen Verfasser sich zudem zum Ziel gesetzt haben, dieses Problem der Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen zu lösen. Daher stellt der Kölner Entwurf eine bedeutende Alternative zum Vorschlag einer allgemeinen Kontrollmitteilung dar. Beide Modelle sind auf die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen im Lohnsteuerabzugs- und Veranlagungsverfahren gerichtet: beim Kölner Entwurf erfolgt dies durch eine Abzugsbescheinigung des Finanzamts mit der Angabe eines die individuellen Verhältnisse der Steuerschuldner berücksichtigenden Durchschnittssteuersatzes. Zudem ist die Einkommensteuer-Vorauszahlung nach dem Vorschlag des Kölner Entwurfs auf die Art und Weise zu entrichten, die in Bezug auf den Quellenabzug Anwendung findet. Bei einem allgemeinen Kontrollmitteilungssystem sind alle Steuerpflichtigen steuerlich gleich zu veranlagen. Der nicht begründbare Zustand, dass einem abhängig beschäftigten Arbeitnehmer weniger Vertrauen als anderen Steuerpflichtigen entgegengebracht wird, fände ein Ende. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Abgabe von Kontrollmitteilungen stellt zudem aus jeder Sicht den geringstmöglichen Eingriff dar, während sich der Vorschlag des Kölner Entwurfs, vom vorgegebenen Quellenabzug auszugehen, als eine realitätsnähere Reformvariante darstellt. Das zentrale Problem beim Vorschlag des Kölner Entwurfs ist gerade die Beibehaltung der problemanfälligen Dreiecksbeziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt. Da bei diesem Modell die Position des Arbeitgebers nach wie vor nur unzureichend definiert ist, „sitzt“ er – bildlich gesprochen – nach wie vor „zwischen den Stühlen“ von Arbeitnehmer und Finanzamt. Im Resultat trägt er auch das Risiko, für die Steuerschuld eines anderen einstehen zu müssen, was ihn wiederum einem hohen Prozessrisiko aussetzt. Die

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5. Kap.: Verfassungsmäßigkeit des Lohnsteuerverfahrens

möglicherweise entstehenden finanziellen Lasten des Arbeitgebers im Wege der Haftung tragen neben den Lohnsteuererhebungskosten zu einer unvermeidbaren Verteuerung des Faktors Arbeit bei und beeinträchtigen dadurch den Unternehmensstandort Deutschlands, wenn dies in die Überlegung einbezogen wird. Die beträchtlichen finanziellen Belastungen in den Unternehmen schaffen keinen Anreiz zur Einstellung von Arbeitnehmern, sondern fördern vielmehr die Tendenz, Arbeit durch Kapital zu ersetzen135. Hinzu kommt, dass der Arbeitnehmer aufgrund des Vorrangs des Prinzips einer sicheren Steuererhebung, im Gegensatz zu Selbständigen mit den Gewinneinkünften, sehr wenig Gestaltungsspielraum hinsichtlich seiner Steuerbelastung hat. Zur Vermeidung von Steuerausfällen durch Selbständige bedürfte es eines hohen Verwaltungsaufwands des Finanzamts zur Prüfung der Buchführung von Selbständigen. Zu dem in einem solchen Fall zu befürchtenden exekutivischen Mangel käme es jedenfalls dann, wenn die Finanzverwaltung die vorhandenen Kräfte ganz einseitig auf eine oder wenige Einkunftsarten konzentrieren müsste, die anderen Einkunftsarten aber gänzlich vernachlässigte136. Dies beeinträchtigt die Akzeptanz der Besteuerung in einer demokratischen Gesellschaft mit hohen Steuerbelastungen wie Deutschland. Bei der Umsetzung einer allgemeinen Kontrollmitteilung besteht noch der Zweifel137, ob eine unverhältnismäßige Belastung des Finanzamts durch die Vielzahl der Einzelfälle von Arbeitnehmern, die ihre Einkommensteuer-Vorauszahlung erbringen müssen, eintreten wird. Die Veranlagungspraxis der USA bietet schon ein Vorbild für diese Verfahrensweise, die heutzutage durch ein computergesteuertes Kontrollsystem gestützt wird138. Ob allerdings eine unverhältnismäßige Belastung beim Finanzamt entsteht, ist keine juristische, sondern eine faktische Frage. Ohne eine ökonomische Ermittlung ist jedes Ergebnis rein spekulativ. Darüber hinaus ist aber bei der Einführung eines allgemeinen Kontrollmitteilungssystems die grundrechtliche Grenze der persönlichkeitsbezogenen Daten zu berücksichtigen139. Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber trotz der Flüchtigkeit von Kapital140 eine gleichmäßige und vollständige Be135

s. ausf. Geißler, S. 49 m.w. N. Tipke, in: FS für Kruse, S. 228. 137 Ähnlicher Zweifel besteht auch bei einem allgemeinen Kontrollsystem der Kapitalertragsteuer. s. Hellwig, in: FS für Offerhaus, S. 1119. 138 Zur Veranlagungspraxis in den USA, s. Seer, StuW 2003, S. 45 f. 139 Zum Thema des Informationseingriffs durch die Steuerforderung s. P. Kirchhof, in: FS für Tipke, S. 27 ff. 140 Die Angst vor massiver Kapitalflucht wird insbesondere bei der Einführung einer allgemeinen Mitteilungspflicht der Banken bei Kapitalertragsteuer angeführt. s. ausf. Dötsch, DStZ 1999, S. 220, 222 und auch Thiel, in: Fachanwalt, S. 86; Kritik zur solchen Angst vor Kapitalflucht, s. Tipke, BB 1989, S. 157 insbesondere Fn. 3. 136

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steuerung konsequent bei allen Steuerpflichtigen durchzusetzen hat, um die Akzeptanz der Besteuerung zu erhöhen141. Aus diesem Grund haben die Datenschutzinteressen der Steuerpflichtigen zurückzustehen142.

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Matthiesen, FR 1999, S. 248, 253. Demzufolge ist die Aufhebung des „Kontrollmitteilungsverbots“ durch die Vorschriften wie § 30a AO zur besseren Erfassung insbesondere bei den Zinseinkünften und den Spekulationseinkünften nach dem Abschlussbericht von 1994 der vom NRWFinanzministerium eingesetzten Arbeitsgruppe „Steuerausfälle“ erforderlich (StB 1994, S. 449 re. Sp., 450 li. Sp. zit. nach Tipke, FR 1998, S. 117 f.). Diese Auffassung vertritt Tipke, in: FS für Offerhaus, S. 819, 836 und Wernsmann/Stalbold, StuB 2000, S. 252 ff.; a. A. Wieland, JZ 2000, S. 272, 275 spricht für die Verfassungsmäßigkeit des § 30a AO, da jedoch eine Reformbedürftigkeit der Zinsbesteuerung bestehe. 142

Ergebnisse Die Globalisierung zwingt den nationalen Steuergesetzgeber dazu, die inländische Besteuerung wettbewerbsfähig zu gestalten. Dazu trägt eine transparente und einfache Einkommensbesteuerung bei. Die Lohnbesteuerung betrifft eine große Gruppe Steuerpflichtiger, nämlich sowohl die Arbeitnehmer, die als Steuerschuldner ihre Einkommensteuer schulden, als auch die Arbeitgeber, die als Indienstgenommene im Erhebungsverfahren herangezogen werden. Angesichts dessen ist gerade ein transparentes und vereinfachtes Lohnsteuerverfahren für die Wettbewerbsfähigkeit eines Staats von Bedeutung. Im Folgenden werden die Ergebnisse dieser Abhandlung zusammengefasst. Steuerrechtliche Ausgestaltungen haben stets spezifische Entstehungshintergründe. Aufgrund der desolaten Finanzlage nach dem Ersten Weltkrieg benötigte der deutsche Fiskus sehr große Geldmengen. Aufgrund dieser äußeren Umstände ging es insbesondere darum, die vollständige Erfassung des Steueraufkommens zu gewährleisten, was zudem mit möglichst geringem Zeitverlust und mit möglichst geringem Kostenaufwand erfolgen sollte. Als Konsequenz dieser Überlegungen wurde 1920 das Lohnsteuerverfahren eingeführt, das durch Steuerabzug an der Quelle ausgestaltet wurde. Der Arbeitgeber wurde somit per Gesetz verpflichtet, vor der Auszahlung von Arbeitslöhnen die vom Arbeitnehmer geschuldete Lohnsteuer einzubehalten, anzumelden und abzuführen. Dabei entstand eine Dreiecksbeziehung zwischen Finanzamt, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ohne dass die Rechtsstellung des Abzugspflichtigen hinreichend deutlich dogmatisch geklärt war. Im Detail sind zwar die Bestimmungen häufig verändert worden, die 1920 kodifizierte Grundstruktur des Dreiecksverhältnisses im Lohnsteuerverfahren wurde jedoch nie angetastet. Im Zuge der Strukturierung des als Übergangslösung gedachten Staatswesens der Republik China auf Taiwan bestand ebenfalls ein enormer Geldbedarf. Daher ist die Motivation des damaligen Gesetzgebers in der Republik China mit der des deutschen von 1920 vergleichbar. Auch in Taiwan war die Maxime des Handelns, eine sichere, einfache und schnelle Besteuerung zu erreichen. Weil man sich hiervon eine hohe Praktikabilität versprach, zog man alleine eine analytische Quellenbesteuerung mit mehreren Posten in Form eines Dreiecksverhältnisses zwischen Finanzamt, Steuerschuldner und Abzugspflichtigen in Betracht. Bis heute spielt der Gesichtspunkt der Praktikabilität eine bedeutende Rolle. Zwischenzeitlich wurde das System einer schedularen Besteuerung zwar aufgegeben und durch das einer synthetischen ersetzt, dies hat aber nichts daran

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geändert, dass nach wie vor eine umfassende Quellenbesteuerung vorgenommen wird. Im Detail bestehen daher Unterschiede zwischen dem deutschen und dem taiwanischen Lohnsteuerverfahren. Dem Grundsatz nach aber enthält die Grundstruktur in beiden Steuerrechtssystemen eine problemanfällige Dreiecksbeziehung. Auf den ersten Blick behält der Arbeitgeber die Lohnsteuer vom auszuzahlenden Arbeitslohn im Interesse des Fiskus ein und nimmt damit eine öffentliche Aufgabe wahr; der Arbeitnehmer als Steuerschuldner hat dies zu dulden. Bei einer genaueren Betrachtungsweise stellt sich aber heraus, dass er kraft Steuergesetzes auf Rechnung des Steuerschuldners für diesen tätig wird, mithin dessen Beauftragter bei der Erfüllung der Lohnsteuerschuld ist. Beim Quellenabzug ist der Arbeitgeber nicht befugt, hoheitlich tätig zu werden. Dies ist allein der Finanzverwaltung vorbehalten. Der Arbeitgeber ist nämlich einerseits kraft öffentlich-rechtlichen Gesetzes gegenüber dem Finanzamt im „Lager“ des Steuerpflichtigen zur Entrichtung der Lohnsteuer verpflichtet, andererseits wird er als Beauftragter gegenüber dem Arbeitnehmer privatrechtlich tätig ohne selbst Träger hoheitlicher Gewalt zu sein. Dem Finanzamt gegenüber bleibt der Arbeitnehmer selbst öffentlich-rechtlich als Steuerschuldner unberührt. Nur aus diesem Verständnis der rechtlichen Position des Arbeitgebers sind die Bestimmungen sowohl in der Abgabenordnung als auch im Einkommensteuergesetz verständlich, z. B. die des § 42d Abs. 3 S. 1 EStG, wonach der Arbeitgeber im Rahmen seiner Haftung eine Gesamtschuldnerschaft mit dem Arbeitnehmer bildet, soweit er seinen Verpflichtungen im Lohnsteuerverfahren nicht ordnungsgemäß nachkommt. Ihnen gemeinsam gegenüber hat die Finanzverwaltung gemäß § 42d Abs. 3 S. 1 EStG das Recht, einen der Gesamtschuldner nach pflichtgemäßem Ermessen in Anspruch zu nehmen. Diese Überlegung zur Rechtsstellung des Arbeitgebers gilt auch für taiwanische Abzugspflichtige, die als natürliche Personen ursprünglich infolge eines Auftrags des Arbeitgebers in einem Beschäftigungsverhältnis zum Steuerabzug von den abzugspflichtigen Auszahlungen verpflichtet werden. Soweit er der Verpflichtung zur Entrichtung der Abzugsteuern nicht ordnungsgemäß nachkommt, haftet er für den Fehlbetrag, den der Einkünfteerzieler selbst als Steuerschuldner schuldet. Die Arbeitgeberhaftung nach § 42d EStG dient in erster Linie der Sicherstellung, dass der in Dienst genommene Arbeitgeber seiner Verpflichtung im Lohnsteuerverfahren nachkommt. Insofern hat diese Bestimmung den Charakter eines Schadenersatzes des Arbeitgebers für seine Pflichtverletzung. Die Haftung darf andererseits jedoch nicht den Arbeitgeber auch in solchen Fällen treffen, in denen die Einkommensteuer des Arbeitnehmers nach Ablauf des Kalenderjahres nicht oder nicht in dieser Höhe entsteht. Somit ist das Ziel der Haftung des Ar-

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beitgebers dasselbe wie beim Quellenabzug, da sie in ihrer Existenz und in ihrer Höhe gegenüber der Steuerforderung des Fiskus akzessorisch ist. Schon seit langem ist die Rechtsnatur der Arbeitgeberhaftung umstritten. Umstritten ist, ob diese Haftung eine verschuldensabhängige Pflichtverletzung des Arbeitgebers beim Steuerabzug voraus setzt. Wird der Arbeitgeber in Haftung genommen, so wird die Intensität seines Verschuldens insbesondere beim Entscheidungsermessen zum Gegenstand pflichtgemäßer Ermessensausübung gemacht. Im Ergebnis kommt es auf die Unterschiede zwischen den in diesem Kontext vertretenen Auffassungen nicht an. Da das deutsche Lohnsteuerrecht ohne spezielle Ausbildung kaum verständlich ist und Unternehmer von kleinund mittelständigen Unternehmen im Rahmen ihrer Berufsausübung andere Prioritäten haben, als sich in dieser Tiefe Fragen des Lohnsteuerverfahrens zu widmen, erscheint es als unbillig und unverhältnismäßig, sie mit einer verschuldensunabhängigen Erfolgshaftung zu belasten. Eine Verschuldensunabhängigkeit dieser Haftung ist auch mit anderen Vergleichsvorschriften wie z. B. § 69 AO und § 44 Abs. 5 EStG, nach welchen die Betroffene nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit haftet, nicht vereinbar. Daher ist eine verschuldensabhängige Arbeitgeberhaftung vorzuziehen. Im Vergleich zur Tätigkeit des Arbeitgebers im deutschen Lohnsteuerverfahren ist die des Abzugspflichtigen im taiwanischen Quellenabzugsverfahren als schematische und mechanische Arbeit zu verstehen. Da der taiwanische Quellenabzug grundsätzlich unabhängig von der Jahressteuerschuld und ohne die Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Steuerschuldners durchgeführt wird, sieht das taiwanische Einkommensteuerrecht mithin eine Erfolgshaftung des Abzugspflichtigen vor. Der Abzugspflichtige haftet nämlich gemäß §§ 94 Abs. 1, 104 Nr. 1 twEStG ohne seinen Verschulden vorrangig für den Fehlbetrag der Abzugsteuern. § 94 Abs. 1 twEStG berechtigt dem Abzugspflichtigen zugleich, eine Erstattung gegenüber dem Steuerschuldner zu verlangen. Gemäß § 42d Abs. 3 S. 1 EStG sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer im deutschen Recht Gesamtschuldner, soweit die Haftung reicht. Die Inanspruchnahme eines bestimmten Gesamtschuldners ist nach pflichtgemäßem Ermessen der Finanzverwaltung zu entscheiden. Eine solche Gesamtschuldnerschaft ist dem taiwanischen Recht fremd. Dort wird der Abzugspflichtige vorrangig in Anspruch genommen. Im Nachhinein steht dem Abzugspflichtigen die Möglichkeit zu, den Steuerschuldner in Regress zu nehmen. Diese Möglichkeit eines Regresses auf den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber ergibt sich im deutschen Recht eo ipso aus den Regeln des Auftragsverhältnisses. Der Unterschied liegt darin, dass das deutsche Recht einen Grundsatz, nach welchen vorrangig der Arbeitgeber in Anspruch zu nehmen ist, nicht enthält. Im deutschen Lohnsteuerrecht können aufgrund der Akzessorietät der Haftung zur Lohnsteuerschuld grundsätzlich alle dem Arbeitnehmer zustehenden

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materiell-rechtlichen Einwendungen im Haftungsverfahren auch durch den Arbeitgeber geltend gemacht werden, während solche Einwendungen im taiwanischen Haftungsverfahren für Abzugspflichtige ausgeschlossen sind, da die Abzugsteuern stark vom Charakter der Objektsteuer geprägt sind. Innerhalb des einheitlichen Einkommensteuersystems ist die Lohnsteuer eine Form zur Erhebung eines Teils der Einkommensteuer mit einer Funktion der Vorauszahlung, keinesfalls liegt eine eigenständige Steuerart vor. Dieser Grundsatz gilt im deutschen Recht genau wie im taiwanischen Recht. Bezüglich des letzteren gilt, dass eine synthetische Einkommensteuer ebenfalls eine Veranlagungssteuer ist. Die im deutschen Recht praktizierte Vorauszahlung ist dem taiwanischen Einkommensteuerrecht fremd. Dort unterliegen Auszahlungen von Behörden, Organisationen, Gewerbebetriebe und Freiberufler ausschließlich dem Quellenabzugsverfahren. In Deutschland ist die Frage sehr umstritten, ob das gegenwärtige Lohnsteuerverfahren verfassungskonform ist. Abzuwägen sind neben der Wahrung des Interesses des Fiskus auch die Grundrechte der betroffenen Privatpersonen, also die Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers, sowie der Gleichheitssatz. Als verfassungsrechtlicher Maßstab bei der Problematik in Bezug auf den Arbeitgeber gelten Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG, der Grundsatz der Gleichheit und das Übermaßverbot. In Bezug auf den Arbeitnehmer findet eine Prüfung anhand von Art. 3 Abs. 1 GG statt. Grundsätzlich tendiert die Rechtsprechung des BVerfG und des BFH ersichtlich dazu, von der Verfassungsmäßigkeit des gegenwärtigen Lohnsteuerverfahrens auszugehen. Die konkrete Ausgestaltung des Quellenabzugs gehört nach der Auffassung der Rechtsprechung zum Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers, der einer Überprüfung durch die Rechtsprechung nur im Falle einer offensichtlichen und schwerwiegenden Fehleinschätzung überhaupt zugänglich ist. Im Lichte der verfassungsrechtlichen Vorbehalte wird diskutiert, ob das gegenwärtige Lohnsteuerverfahren verbessert oder aufgegeben werden kann. Zu untersuchen waren die exemplarisch gewählten Modelle: Das taiwanische Modell ist von dem Ziel geprägt, möglichst alle Einkünfte im Rahmen der Quellenbesteuerung zu erfassen, soweit sie von Behörden, Organisationen, Gewerbebetriebe und Freiberufler ausgezahlt werden. In Ermangelung der Berücksichtigung individueller Verhältnisse und der Jahressteuerschuld des Steuerschuldners beim Quellenabzug ist dies allerdings keinesfalls eine zutreffende Alternative. Hinzu kommt, dass effektive Kontrollmechanismen zur Erhebung der Lohnsteuer in Bezug auf die Auszahlungen von den nicht-institutionellen Steuerpflichtigen nicht bestehen und mithin die Besteuerung solcher Einkünfte mehrheitlich auf die Steuerehrlichkeit der betroffenen Steuerschuldner angewiesen ist. Das Modell verursacht eine Ungleichbehandlung zwischen

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den Steuerschuldnern, deren Einkünfte dem Quellenabzug unterliegen, und solchen, deren Einkommensteuern allein durch die Veranlagung zu erheben sind. Im Vergleich zur Reformidee der Steuerreformkommission 1971, nach der die aufwändige Arbeit von Arbeitgeber im Lohnsteuerverfahren zu vereinfachen sein sollte, berücksichtigt der Kölner Entwurf eines EStG die zweiseitige Problematik des gegenwärtigen Lohnsteuerverfahrens: für die grundlegende Vereinfachung sei ein einheitlicher Quellenabzug mit festem Prozentsatz i. H. v. 20% für alle abzugspflichtigen Einkünfte einzuführen. Für die individuelle Besteuerung werde dem Abzugspflichtigen durch das Finanzamt mit der Abzugsbescheinigung ein persönlicher Durchschnittssteuersatz für Steuerschuldner zugeleitet, der auf der Grundlage der dem Finanzamt bekannten Tatsachen errechnet werde. Auf der anderen Seite finde eine Anpassung der Vorauszahlung von Selbständigen, sowohl in der Bemessungsgrundlage als auch der Zeitintervalle der Erhebung, an die Verhältnisse des Steuerschuldners im Quellenabzug statt. Dadurch werde die steuerliche Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen beseitigt, ohne die Belastung der Indienstgenommenen in Kauf zu nehmen. Ein anderer gangbarer Weg, den Arbeitgeber an der Besteuerung zu beteiligen ist ihn zur Abgabe von allgemeinen Kontrollmitteilungen zu verpflichten. Eine solche Mitwirkungspflicht würde den Arbeitgeber wesentlich weniger intensiv belasten als die anderen Möglichkeiten. Dies dient zugleich aus juristischer Sicht optimal der Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen. Im Vergleich zur Anregung einer Verpflichtung zu einer allgemeinen Kontrollmitteilung ist der im Kölner Entwurf enthaltene Ansatz besser an den Erfordernissen der Praxis orientiert, da er sich an der gegenwärtigen Gesetzeslage im Lohnsteuerverfahren orientiert und diese weiterentwickelt. Die Beantwortung der Frage, welche Alternative im Ergebnis bessere Ergebnisse liefert, setzt allerdings eine ökonomische Analyse voraus. Bei dieser Untersuchung ist nämlich zu prüfen, ob bei einer Einführung von allgemeinen Kontrollmitteilungspflichten die weniger intensive Belastung der betroffenen Parteien in einem günstigeren Verhältnis zum Aufwand der Finanzverwaltung stünde. Falls dies zu bejahen sein sollte, ist die allgemeine Kontrollmitteilung vorzuziehen, wenngleich sie erhebliche Gesetzesänderungen voraussetzen würde. Ansonsten ist die Beibehaltung des Quellenabzugs mit einer Reihe der Vorschriften zu bevorzugen, die sich an einer Kompensation für die Indienstnahme beim Quellenabzug und einer verschuldensabhängigen Haftung der Betroffenen orientiert. Aufgrund dieser Überlegung ist die Neigung der Rechtsprechung bedenklich, die Verfassungswidrigkeit des gegenwärtigen Lohnsteuerabzugs zu verneinen. Eine sachgerechte und transparente Lohnbesteuerung ist für eine wettbewerbsfähige Besteuerung unerlässlich, die wiederum für die Wettbewerbsfähigkeit eines Staats in der globalisierten Weltwirtschaft von Bedeutung ist. Unab-

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hängig von der Frage, welchem Erhebungsmodell für die Lohnsteuer der Vorzug zu geben ist, sollte ein Staat als Standort für investierende Unternehmen vorteilhaft sein, wenn dort ein sachgerechtes und transparentes Steuersystem aufgebaut wird. Der Steuergesetzgeber, der sich die Stärkung des inländischen Wirtschaftsstandorts auf die Fahne schreibt, ist deshalb aufgerufen, die erforderlichen Rahmenbedinungungen zu schaffen.

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Sachwortverzeichnis Abgabenordnung 72 f., 80, 161 Abgeltungseffekt 61 Abgeltungswirkung 117 Abzug 14, 18, 27, 30 f., 40, 52, 60 f., 92, 96, 98, 144, 152 Abzugsbescheinigung 149 f., 157, 164 Abzugsbetrag 23, 27, 60, 100, 113, 119 f. Abzugsverfahren 15, 23, 29, 33, 35, 37, 118 – Abschaffung 35 Abzugsverpflichteter 31, 41, 151 Annehmlichkeit 49 Anteilseigner-Entlastung (siehe Shareholder relief) Arbeitgeber – als Abzugspflichtiger 28, 31, 41, 60 ff., 70, 82 f., 86, 89, 92, 94, 99 f., 104, 111, 125, 151 f., 155 f., 161 f. – als Abzugsverpflichteter (siehe Arbeitgeber als Abzugspflichtiger) – als Beauftragter des Arbeitnehmers 80, 93, 161 – als Beauftragter des Steuerfiskus 66, 80 – als Beliehener 69 f., 72 – als Entrichtungspflichtiger 75, 161 – als Haftender 72, 85, 102 – als Hilfsorgan der Finanzverwaltung 66, 137 – als Indienstgenommener 73, 109, 125, 134, 138, 155, 160, 164 – als Prozessräder 14 – als Verwaltungshelfer 69 f., 72 – als Gesamtschuldner (gemeinsam mit Arbeitnehmer) 55 f., 73 f., 79, 82, 87, 100, 106, 112, 162

Arbeitnehmer – als Steuerschuldner 17, 36 f., 41, 43, 49, 51, 56, 59, 66, 70 f., 77 ff., 83, 85, 96, 100 f., 105, 110, 116, 123, 138, 160 f. – als unattraktiver Steuermandant 143 Arbeitnehmerfreibetrag 140, 142, 144 Ausgleichsverfahren 59 Auslegungsmethoden – grammatische 84 – historische 18 – systematische 97 – verfassungskonforme 142 Begriffe – klassischer 47 – Typus 47 Berufsfreiheit 126 f., 133, 163 Brutto(arbeits)lohn 14, 54, 61, 63, 69, 94, 148 Bruttoeinnahmen 151 Bruttoinlandprodukt 153 Bündelungseffekt 135 Code-number 147 Dreiecksbeziehung 43, 64, 70, 80 f., 157, 160 f. Dreiecksverhältnis (siehe Dreiecksbeziehung) Drei-Personen-Verhältnis 43 Einkommensteuer – analytische 16, 25, 27 f., 34 f., 115 – als Königin der Steuern 40 – als Kriegsmaßnahme 19

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Sachwortverzeichnis

– synthetische 16, 19, 28 f., 34 f., 115, 120, 160, 163 – Vorauszahlung 15, 22 f., 25, 29 f., 34, 37, 80, 98, 116 f., 120 f., 139 ff., 146, 149 f., 157 f., 163 f. Eigentumsfreiheit (siehe Eigentumsgarantie) Eigentumsgarantie 122, 126 f., 131, 163 Eigentumsschutz (siehe Eigentumsgarantie) Einkünfte – aus nichtselbständiger Arbeit 37, 47 f., 49, 51, 53 f., 95, 114, 116, 135, 154 – Lohn- 15, 19, 22, 24, 27, 29 f., 42, 49, 51, 59 f., 64, 71, 98 f., 115 ff., 148, 151, 153 – Zins- 24, 27 f. Ermessensfreiheit der Finanzverwaltung 83, 100 – Auswahl- 101 f., 104, 109, 112 – Entschließungs- 101 f. Existenzminimum 21, 26, 28, 124, 156 Fahrlässigkeit 91, 93, 162 Freiraum (bzw. Freiheit) des Gesetzgebers 89, 141, 144 f., 163 Gelegenheitsgeschenke 49 Geringfügigkeit der Abzugskosten 124, 132, 137 Grundsätze (siehe Prinzipien) Haftung – Akzessorietät zur Steuerschuld 84 f., 95, 99, 108, 162 – Erfolgs- 90, 92 f., 125, 156, 162 – Garantie- 90 f. – Gefährdungs- 94 Kirchen(lohn)steuer 125, 130, 132, 155 Kontrollmitteilung 145, 150 f., 157 f., 164 Konzentrationseffekt 135

Lohnkonto 57 f., 82, 149 Lohnsteuerabzug 21 f., 31 f., 35 ff., 43, 52 f., 56 ff., 64, 66, 68 f., 73 f., 84 f., 89, 91, 95, 99, 103, 108 f., 117 f., 123, 129, 131, 134 f., 137 ff., 142, 146 f., 153, 164 (Lohnsteuer-)Außenprüfung 34, 58, 64, 117, 145 f. (Lohnsteuer-)Ermäßigungsverfahren 54, 141, 145 f., 155 (Lohn-)Steuerbescheinigung 58 f., 63, 82, 147, 152 Lohnsteuer-Jahresausgleich 23 f., 58 f., 61, 66 f., 69, 76, 82, 87, 94, 141 f., 147, 155 (Lohnsteuer-)Nachforderung 24, 67, 69, 78, 81, 103 Lohnsteuer-Richtlinie 74 (Lohn-)Steuerkarten 20, 52 f., 57, 59, 66, 84, 86, 95 f., 107 f., 112, 141, 143, 147 f. Pauschallohnsteuer 47, 51, 73 PAYE-System 147 Pflichten der Arbeitgeber – (Lohnsteuer-)Abführung 41, 56 f., 63 f., 72, 79 f., 86 f., 123, 129 ff., 136, 138, 152 – (Lohnsteuer-)Anmeldung 55 f., 63, 72, 110, 141, 152 f., 156 – (Lohnsteuer-)Einbehaltung 34, 41, 54 f., 57, 59 ff., 67, 76, 79 f., 86, 88, 99, 101, 104, 123, 129 ff., 136, 138, 144, 152 – (Lohnsteuer-)Entrichtung 14, 34, 47, 56, 58, 64, 75, 80, 83, 85, 119, 123, 127, 130, 161 – Fürsorge- 32, 37, 44, 46, 52, 65 ff., 71, 74, 130, 132 – Schutz- 37, 45 f., 66 Pflichten der Arbeitnehmer – Redlichkeits- 68 – (Steuer-)Entrichtungs- 34, 71, 110, 120, 137, 152

Sachwortverzeichnis

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– (Steuer-)Erklärungs- 25, 36, 56, 64, 71 f., 115 f., 118 ff., 127, 137, 139, 149 f., 151 – Treue- 46 f. Prinzipien – Einheitssteuer- 114 f. – Demokratie- 133 – gesetzmäßiger Besteuerung 25 f., 39, 42, 71, 101, 105, 110, 112 – Gleichheit- 16, 49, 122, 126, 132 f., 139 ff., 163 – gleichmäßiger Besteuerung 34, 39, 42, 71 f., 123 – Leistungsfähigkeits- 16, 39, 42 – Lohnsteuerkarten- 53, 108 – Netto- 49 – Praktikabilitäts- 40 – Rechtsstaats- 25, 89, 122, 126, 133, 155 – Totalitäts- 16 – von Treu und Glauben 44, 47, 66, 93, 102 – Übermaßverbots 110, 112, 122, 133, 163 – Universalitäts- 16 – Veranlassungs- 49 – der Verhältnismäßigkeit 122, 133 f. – Zweckmäßigkeits- 40

– Weisungsrecht (siehe Direktionsrecht der Arbeitgeber) Rechte der Arbeitnehmer – Erstattung der zuviel erhobenen Lohnsteuer 23, 59, 67, 76 – Schadenersatzanspruch wegen der Lohnsteuernachforderung 78 Rückgriffsthese 65, 67

Quellenabzug 14 f., 17, 27 f., 30 f., 34 f., 38 f., 64, 69, 72, 74 ff., 82, 92 f., 94, 98 ff., 109, 119 f., 127, 131, 143, 150 f., 154 ff., 161 ff.

Tarif der Einkommensteuer – Progressiver 15, 28, 30, 153 – Teilmengenstaffel- 15, 27 f., 30, 153 Transformationsthese 65, 67 Troncsystem 53

19 f., 24 f., 41 f., 60 f., 84 f., 89 f., 111, 114 f., 145 f., 148,

Rechte der Arbeitgeber – Direktionsrecht 46 – Erstattungsanspruch für Haftungsschuld (bzw. für Lohnsteuerschuld) 22, 67 f., 83, 110, 162 – Kostenerstattungs- bzw. Kompensationsrecht für den Quellenabzug 35, 124, 134, 137 f., 164

Schedulensteuer 16 Shareholder relief 119 Skaleneffekt 135, 148, 154 Solidaritätszuschlag 155 Spionage-System 19 Steuer – Abzug- 148 f., 161 f. – Arbeitgeber- 21 f., 92 – Konditionen- 18 – Kopf- 18 – Klassen- 19 – Objekt- 22, 62, 98 f., 116, 163 – Unternehmen- 138 Steuersatz des Abzugs – Durchschnitts- 149 f., 157, 164 – Prozent- 27 f., 60, 94, 147 f., 152, 156 f., 164 Stoppage at source-System 19

Veranlagungsverfahren 14 f., 21 f., 25, 28 f., 36, 58, 63, 87, 107, 110 f., 113, 116, 118 ff., 144, 147, 152 f., 157 Veranlagungszeitraum 15, 25, 96 f., 99, 109 f., 116 f., 139 f., 142 Vorsatz 91, 93, 111, 162 Weihnachtsfreibetrag 140, 142